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Full text of "Excerpta medica. v.21.1911-1912"

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Kiirze monatliche Journalauszuge 


aisr der gsfttajjjiUn PaoljliljJrajiur. 


zum I'llr den praktischen Arzt. 


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Hbrausgegeben 


Dr. med, Eugen Graetzer in Friedenau-Berlin. 


Einundzwanzigster Jahrgang 


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1 ^%$8^Keint am l\fn A Praia des J&hrganga 6 Uk. 

Aofang allies jeden Monata. ** axol. Porto. 


Excerpta medioa. 

Kurze monatllohe Jonraalauiiiigt 

aus der gesamten FachliUratur 

zum Gebrauch far den praktischen Arzt. 

Herausgegeben von Dr. med. Eugen Graetzer in JPriedenau-Berlin. 

Terlig ron Carl Sallmann, Leipzig* 


Oktober. XXI. Mnm 


1911 


Agrypnie. AmylencarbamatalsSchlafmittel. VonO.Huber 
(Auguste-Viktoria-Krankenliaus in SchOneberg). Der Ester 
des tertikren Amylalkohols (Dimethylfithylearbinol), das 
Amylenhydratcarbamat, das unter dem Namen Aponal in 
den Handel kommt (Hersteller: Firma Zimmer & Co.) 
und durch Einwirkung von Harnstoffchlorid auf Amylen* 
hydrat zustande kommt, wird als brauchbares Schlafmittel 
empfohlen, nachdem Autor Tierversuche damit angestellt 
und es dann in der Praxis erprobt hat. Die hypnotische 
Wirkung des Amylencarbamats beruht natQrlich zum grossen 
Teil auf der Gegenwart des Amylenhydrats, das als Schlaf¬ 
mittel ja l&ngst bekannt ist. Dieses hat sich aber wenig 
einbflrgern kOnnen und ist meist verlassen, da es wegen 
, seines durchdringenden Gerucbs und seines unangenehmen 
Geschmacks erhebliche Schwierigkeiten bei der Verab- 
reichung' bietet. Auch soil es in schlafmachenden Dosen 
zuweilen recht unangenebme Nebenwirkungen haben. 
DemgegenOber sei aber darauf hingewiesen, dass Ziehen 
gerade das Amylenhydrat da cmpfiehlt, wo das Einschlafen 
erschwert ist, weil es gerade das Einschlafen erleichtert 
und beschleunigt, ganz wie das Paraldehyd. Ziehen 
sieht gerade hierin einen grossen Vorteil gegenllber dem 
Veronal und Trional, bei denen die Wirkung oft erst nach 
Stunden eintritt. Durch die Veresterung mit der Carba- 
mins&ure ist. nun das Amylenhydrat in eine angenehm 
pchmeckende, feste Form gebracht, die leicht eingenommen 
wird, so dass hierdurch ein grosser Vorteil erreicht ist. 
Ein weiterer Vorteil ist eine Verst&rkung der Wirkung. 
Autor hat nun das Aponal seit etwa einem halben Jahre 

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Agrypnie. 


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bei einer grfissern Zahl von Pat. angewendet und findet, 
dass es ein recht brauchbares Schlafmittel ist, soweit es 
sich um leichtere Fftlle von A. handelt. Es wirkt ziemlich 
schnell, schon in 20—80 Minuten, und ftihrt einen leichten, 
ruhigen Scblaf herbei, der nicht so tief ist wie der Vero- 
nalscblaf. Ausser der allgemeinen Schlafwirkung kommt 
ihm noch die besondere Eigenschaft zu, das Einscblafen 
zu erleichtern, zu beschleunigen, gerade so, wie dies beim 
Amylenhydrat hervorgeboben wird. Schmerzstillende oder 
besonders sedative Wirkung kommt ibm nicht zu. Es 
ist daber indiziert bei Schlaflosigkeit infolge von Nervo* 
sit&t, Uebermttdung, Aufreguug usw. Eine lftngere Nach- 
wirkung fiber den Scblaf binaus fehlt. Es wurde gerade 
von einigen Pat., die an Veronal gewfihnt waren, betont, 
dass sie sich nach Gebrauch von Aponal am n&chsten 
Morgen ganz frisch ffihlten, w&hrend sie nach Veronal 
noch l&ngere Mfidigkeit und Benommenbeit spfirten. Irgend- 
welche unangenehme Nebenwirkung auf Magen, Darm 
oder andere Organe hat Autor nie beobacbtet. Aponal 
ist entscbieden schwScher als Veronal und Trional, aber 
darin sieht Autor gerade einen Vorteil. Es ist ein Fehler, 
immer sofort zu diesen starken Milteln zu greifen, 
die bei entsprechender Steigerung der Dosis den Scblaf 
erzwingen und dem Kfirper die eigne F&higkeit zum Scblaf 
immer mehr herabsetzen. Die schlafmachende Dosis be- 
tragt 1,0 bis 1,5 bis 2,0, w&hrend beim Amylenhydrat 
2—4 g notwendig sind. Eine weitere Steigerung der 
Dosis ist nicht angebracht, da sonst rauschartige Zust&nde 
auftreten kfinnen. Wenigstens hat Autor dies bei einem 
Pat. beobachtet, der iu einer Nacht erst 2,0, dany 1,0 
Aponal bekam und am n&chsten Morgen einen ganz ver- 
wirrten Eindruck machte und das Bett verlassen wollte. 
Wo Aponal nicht ausreichend wirkt, w&re dann ein st&rkeres 
Mittel, wie Veronal, anzuwenden. Auch w&re eine Kom- 
bination mit Veronal da zu empfehlen, wo dieses erst 
nach Stunden wirkt, wie das zuweilen vorkommt. Im 
grossen und ganzen hat Aponal also die gleiche, aber 
etwas st&rkerc Wirkung wie das Amylenhydrat, das ja 
als Schlafmittel bekannt und erprobt ist. Es hat aber 
den grossen Vorteil, dass es ein angenehm schmeckendes 
Pr&parat ist, das ohne jedes Vehikel gem eingenommen 
wird, w&hrend das Amylenhydrat einen so unangenehmen 
und schlechten Geschmack besitzt, dass es in der Medizin 
heute wohl selten Anwendung findet. 

(Medizin. Klinik 1911 Nr. 82. i 


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Agrypuio — Angina. 


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— Valylperlen. Von Hofrat Dr. Edmund Diruf (Bad Kissingen). 

Autor schreibt: „Vor etwa sechs Monaten begann ich meine 
Versuche mit den von den ,H8chster Farbwerken 4 her- 
gestellten Valylperlen, einem Baldrianpraparat, und be- 
obachtete in Fallen von Neurasthenic, Schlaflosigkeit nacb 
erschopfenden Krankheiten, bei sebr lastigen StOrungen 
im Klimakterium gtlnstige Erfolge nach dem mehrw8chigen 
Gebrauch der Valylperlen. Im Anfang Oktober 1910 traf 
es sich, dass ich von einer sebr beftigen Influenza be¬ 
fallen wurde, welche mich grQndlich schwachte. Dieser 
Erkrankung folgte im Februar 1911 ein Rezidiv, so dass 
ich, aufs Susserste herabgekommen, neuerdings das Bett 
htiten und der Praxis fernbleiben musste. Die Krafte 
wollten allcm Anschein nach durchaus nicbt oder nur 
sehr langsam wiederkehren, bis ich mit Ende Februar 
damit begann, taglich dreimal je zwei bis drei Valyl¬ 
perlen zu nehmen. Dabei macbte ich die erfreuliche Er- 
fahrung an mir, dass die lastige Schlaflosigkeit, sowie 
die sonstigen sogenannten nervOsen Symptome, das heisst 
die Residuen der ersten und zweiten Influenza, binnen 
drei bis vier Wochen, wfthrend welcher Zeit ich die Valyl¬ 
perlen in genannter Weise gebrauchte, vollkommen ver- 
schwanden. Ich kann also das Valyl alien Kollegen, welchen 
das Mittel bisber fremd blieb, bei ahnlichen Indikationen 
empfehlen. Unter Umst&nden verdient es dieses Mittel, 
dass cs von den Kollegen in geeigneten Fallen einmal 
probeweise zur Anwendung gebracht wird.“ 

(Medizin. Klinik 1911 Nr. 31.) 

Angina. Diplosal bei A. hat O. Brann (Steglitz) mit bestem 
Erfolge angewandt. Die Pat. bekamen ibre Tagesdosis 
(3 g) im Verlaufe von 15 Minuten (mit reichlich Hol- 
lundertee), mussten dann, gut zugedeckt, zwei Stunden 
scbwitzen, ein Verfabren, das am folgenden Tage wieder- 
holt wurde. Diese Therapie hatte nicht nur auf die A. 
selbst die gQnstigste Wirkung, sondern verhinderte auch 
den Eintritt eines sich sonst bei den Kranken an die A. 
anscbliessenden Gelenkrheumatismus. 

(Deutsche Medizinal-Zeitung 1911 Nr. 13.) 

— Beitrag but Therapie and Frophylaxe der oberen Lnftwege. 

Von Dr. Loewenheim (Berlin). Mit Formamint-Tableiten 
hat Autor eine grOssere Anzahl von Fallen von A. ton¬ 
sillaris behandelt. Er liess nur stflndlich eine Tablette 
im Munde zergehen und daneben hydropathische Umschlage 

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Angina — Arthritis urica. 


machen. Bei dieser Behandlung wurde stets rasche Hei- 
lung erzielt. Auch bei akuter Pharyngitis, Laryngopha- 
ryngitia, Stomatitis bewfthrte sich das Mittel durchaus, 
nicht minder als Prophylaktikum bei Leuten, die infolge 
ihrer T&tigkeit (staubige R&ume, viel Reden, Singen usw.) 
oft an Katarrhen der oberen Luftwege zu leiden batten, 
und endlich prophylaktisch gegen Stomatitis mercurialis. 

(Klinisch-therap. Wochenschrift 1911 Nr. 30.) 

Arthritis urica. Zur Bek&mpfang des akuten Gicht- 
anfalls. Von Geh. San.-R. Dr. Falkenstein (Gr.-Lichter- 
felde). Mehrere Stunden lang andauernde Schmerzstillung 
bei Einspritzung von Eusemin (in leichteren Fallen 1 Am- 
pulle, in schwereren 2—3). Bedingung ffir den Erfolg, 
dass die Einspritzung in unmittelbarer N&he der Schmerz- 
stelle geschieht; fOr den Fuss gentkgt der oberbalb der 
Kndchel liegende Teil der dem Schmerz entsprechenden 
Seite des Unterschenkels. Bei grOsserer Fettansammlung 
im Gewebe, wie am Knie, muss die Nadel durch die 
Fettschicht hindurcbgefQhrt werden.- 

(Miinch. med.Wochenaohrift 1911 Nr. 26 ) 

— Operative Heilwtg der Podagra (Arthrektomie). Von Prof. 

Dr. F. Franke (Diakonissenhaus zu Braunschweig). Ein 
Mann hatte' chronische A. an einer Grosszehe. Das Ge- 
lenk war nur etwas verdickt und auf Druck schmerzhaft, 
aber Pat. batte seit einem Jabre dauernd Schmerzen und 
war dadurch arbeitsunf&hig, deshalb operierte Autor ihn. 
Da sich nach der ErSffnung des Gelenks durch einen 
Bogenschnitt zeigte, dass in der Hauptsache nur der Knor- 
pel der Epiphyse des Metatarsus durchweg mit Urat- 
salzen durchsetzt war, hat Autor nur diesen sorgfaltig 
mit dem Meissel bis auf den Knochen und mit dem be- 
nachbarten Teile der Gelenkkapsel abgeschalt. Von der 
Gelenkkapsel und dem Knorpel der Grosszehe hat er nur 
die verd&chtig erscheinenden Stellen entfernt. Darauf 
uberkleidete er das blosse Ende des Metatarsus mit Periost, 
das er von der Tibia desselben Beines genommen hatte, 
und schloss die Wunde vollstandig, schob allerdings zu- 
letzt noch ein zusammengerolltes Sttlckchen Guttapercha- 
papier an einer Stelle zwischen die Wundr&nder. Die 
Wunde heilte per primam, Pat. ist seit eineinhalb Jahren 
beschwerdefrei. Dieselben Erfahrungen hat Riedel bei 
zwei Pat. gemacht. Autor ist daher der Ansicht, man 
solle nicht nur schwer ver&nderte gichtische Gelenke ope- 


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Arthritis urica — Augenentztlndungen. 


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rieren, sondern auch gewfthnliche, einfache Ffille, und 
zwar 1. solche, die einen schweren Eindruek machen im 
akuten Anfalle, namentlich wenn es sich um ein Rezidiv 
handelt; 2. die, bei denen sich trotz der Qblicben Behand- 
lung ein chronischer, die Gebrauchsf&higkeit des Gliedes 
beeintr&chtigender Zustand ausgebildet hat, und seien es 
auch nur st&ndige Schmerzen im sonst wenig verfinderten 
Gelenke; 3. wohl auch die, bei denen die Rezidive sich 
h&ufen und schnell folgen. Die Art der Operation wird 
sich nach den durch die ErOffnung des Gelenks klarge- 
legten Verh&ltnissen zu richten haben. Es ist vielleicht 
nicht ndtig, die vollst&ndige Arthrektomie zu macben, 
wenn nur der Knorpel erkrankt, die Kapsel aber gesund 
erscheint. Erforderlich aber ist auf jeden Fall die Ent- 
fernung der erkrankten Teile im Gesunden, da nach ein- 
facher Ausschabung von Gicbtherden sich gleich danach 
gern wieder Urate ablagern. 1st der Knorpel erkrankt, 
dann ist Ausspfilung des ganzen Knorpels nOtig, bei Mit- 
erkrankung der Kapsel deren vollstandige AuslOsung. 

(Medixin. Klinik 1011 Nr. 09.) 

AugenentzGndungen. Ein nenes Instrument sum Ek- 
tropionieren des Oberlid.es (Ektropionator) *) hat Dr. 

C. Hertzell (Bremen) konstruiert. 

Bei der Behandlung defr Conjunctiva des Oberlides 
durch Pinselung, Aetzung usw. wurde es bisher hftufig 
als ein Uebelstand empfunden, dass es mit einer Hand 
nicht mdglich ist, das Oberlid vollst&ndig zu ektropio- 
nieren, d. h. es gelingt wohl, den Tarsus umzukehren und 
die ihn bedeckende Schleimhaut freizulegen, aber der 
dartiber gelegene Teil der Conjunctiva und die Ueber- 
gangsfalte, die so oft der eigentliche Sitz der Erkrankung 
ist, bleibt der Behandlung unzug&nglich. Will man diese 
Falte zu Gesicht bekommen, so hat man mit der andern 
Hand noch einen Glasstab oder ein &hnliches Instrument 
hinter das umgeschlagene Oberlid zu bringen und den 
hftutigen Teil desselben herabzudrfingen. Dieses ist nun 
zur Besichtigung leicht auszufbhren, nicht aber far die 
Behandlung, denn der Praktiker, der ohne Assistenz ar- 
beitet, braucht seine rechte Hand zur Ausfahrung der 
betreffenden Therapie, die er vornehmen will (Aetzung, 
Abreibung, Galvanokaustik usw.). Aus diesem Bedttrfnis 
der Praxis heraus ist das Instrument entstanden. Es 


*) Fabrikant: H. Windier, Berlin N., Friedrichstr. 133a. 


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Augenentzilndungen. 


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besteht aus einem metallischen Ansatz, der mittels einer 
fingerhutartigen Vorrichtung direkt an der Kuppe des 
Mittelfingers der linken Hand befestigt wird. Mit Hilfe 
dieses Ansatzes kann man jetzt auch mit der linken 
Hand den hfiutigen Teil des Oberlides nach abwftrts 
vorstGlpen, wfihrend die rechte Hand zur Vornahme der 
betreffenden tberapeutischen Manipulation frei bleibt. 
Bei der Ektropionierung des Lides selbst sieht der Pat. 
nach abwfirts. Der Arzt erfasst jetzt in der Qblichen 
Weise mit Daumen und Zeigefinger der linken Hand das 
Oberlid an den Zilien und zieht es etwas vom Bulbus 
ab. Gleichzeitig drflckt er durch den mit dem Ektro- 
pionator versehenen Mittelfinger die Mitte des Lides nach 
abwfirts, wobei die Umkehrung leicht vonstatten geht, 
und zwar so vollstfindig, dass auch diejenigen Falten der 
Schleimhaut, die bei der gewdhnlichen Umkehrung des 
Lides verborgen bleiben, jetzt fdr die Behandlung frei 

ZUtage liegen. (Deutsche medizin. Wochenschrift 1911 Nr. 26.) 


Ueber Augenerkrankung bei Acne rosacea. Von San.-Rat 
Dr. R. Hilbert (Sensburg). Es handelte sich um eincn 
kraftigen, sonst gesunden Mann im Alter von 61 Jahren, 
Landwirt .und wohl etwas Potator. Die Nase und die 
angrenzenden Partien beider Wangen sind blfiulich-rot, 
verdickt, und zeigen im Qbrigen das Aussehen, wie es bei 
mfissiger Acne rosacea der Fall zu sein pflegt. Pat. gibt 
an, dass dieser Zustand bereits seit Jahren bestehe, dass 
aber in letzter Zeit, unter Verschlimmerung der Erkran- 
kung der Nasenhaut, ein Augenleiden hinzugekommen sei, 
das ihn sehr quftle und beunruhige. Seit etwa zwei Wochen 
leide er an Lichtscheu und Augenschmerzen, auch sei das 
Sehen gestort, so dass er nicht einmal grobe Schrift zu 
entziffern imstande sei. Ueberdies seien die Augen stets 
voll Wasser, so dass er gezwungen sei, sich bestfindig die 
Lidrfinder zu wischen. Der objektive Befund ist der fol- 
gende: Beide Augen tr&nen. Die Lidbindehfiute sind ge- 
rQtet und auch etwas geschwollen; die Aug&pfelbinde- 
hfiute zeigen ebenfalls beiderseits FQllung der grdsseren 
Gefftsse. Ausserdem besteht Ziliarinjektion. Lidrfinder 
und Trfinensficke sind gesund. Die Hauptverfinderung 
aber zeigen die Hornhfiute, und zwar liegen die Hornhaut- 
erkrankungen auf beiden Augen zueinander symmetrisch. 
Beiderseits entspringt innen, im horizontalen Meridian, aus 
dem etwas verdickten Limbus je ein schmales BQschel 


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Augenentziinduogen. 


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feiner Gefasse, das etwa 3 mm in der Richtung nach innen 
und unten verlauft und sich dann besenffirmig verbreitert, 
ohne aber das Zentrum der Hornbaut zu erreichen. Die 
Hornhaut ist, rechts wie links, in diesem vaskularisierten 
Gebiete getrtlbt und erscheint rauh, uneben und vom 
Epithel entblfisst; in dem Bereich der pinselffirmigen Aus- 
strahlung der Gef&sse ist sie facettiert. Die Pupillen sind 
auffallend eng, die Sehschftrfe betrftgt beiderseits B /», die 
Akkommodation scheint aufgehoben zu sein, woher sich die 
schlechte Leseffihigkeit, fiber die er klagt, leicht erkl&rt. 
Zun&chst machte Autor auf der Innenseite beider Horn- 
h&ute die Peritomie und tr&ufelte Homatropinldsung ein. 
Darauf liess der Schmerz nach, auch hfirte das Tranen- 
laufen auf. Alsdann begann er, die Hornh&ute mit gelber 
Quecksilberoxydsalbe zu massieren, eine Behandlung, die 
er sp&ter durch Kalomeleinstflubungen ersetzte. Doch 
hatte auch dieses nicht den gewfinschten Einfluss auf die 
Rfickbildung der Gef&ssbfischel. Autor riet dem Mann, 
sich die Acne rosacea von einem Hautspezialisten behan- 
deln zu lassen. Dieses geschah, und als Pat. nach einigen 
Wochen wieder erschien, war die Acne rosacea sehr ge- 
bessert, desgleichen aber auch die Augen. Es bestand 
nunmehr nur eine geringe Hyperfimie der Bindeh&ute, die 
Gefassbfindel in den HornhSnten waren verschwunden, 
und an ihrer Stelle befanden sich leicht getrfibte Bander, 
fiber denen die Hornhaut spiegelnd glatt war, ausserdem 
waren die Pupillen von mittlerer Weite und die Akkom- 
modationsbreite war durchaus seinem Lebensalter ent- 
sprechend. Die Augen waren wahrend dieser Zeit nicht 
behandelt worden! Diese Nebenwirkung der Behandlung 
der Acne rosacea auf das geschilderte Augenleiden scheint 
ein Beweis daffir zu sein, dass auch in dem beschriebenen 
Falle die Erkrankung der Augen als eine Folge der Er- 
krankung an Acne rosacea aufzufassen sei. Es besteht 
eine nicht zu Qbersehende Aehnlichkeit der oben geschil- 
derfen doppelseitigen Hornhauterkrankung mit gewissen 
skrofulfisen Hornhautleiden, wie man sie fifters bei Kin- 
dern zu sehen bekommt; aber der Mann war nicht skro- 
fulfis und stand nocli weniger dem Kindesalter nahe. Da 
ein anderes atiologisches Moment nicht bestand, so bleibt 
schliesslich nichts anderes fibrig, als die Acne rosacea 
daffir in Anspruch zu nehmen, zumal auch der heilende 
Einfluss der Aknebehandlung daffir spricht. Daher mochte 
Autor den Kollegen anempfehlen, bei Behandlung von 
F&llen von Acne rosacea auf die Augen zu achten und 

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Augenentzttndungen. 


nachzusehen, ob etwa Erkrankungen dieses Organs gleich- 
zeitig mit der Erkrankung an Acne rosacea einhergehen 
respektive unter geeigneter Behandlung mit ihr schwinden. 

(Mttnch. med. Wochenaohrift 1911 Nr. 29.) 

— Znr Dionin wirkung am Ange. Von Or. Orth (Grfifenberg). 

Autor gibt folgende „Selbstbeobachtung“ wieder: B Im 
Sommer 1906 erkrankte ich gleichzeitig an katarrhalischer 
Ophtbalmie und Herpes corneae rechts. Die Erkrankung 
dauerte vier Wochen und verschwand, ohne sichtbare 
Spuren zu hinterlassen. Behandlung: Atropin, gelbe Salbe. 
Ein Jahr darauf erkrankte das gleiche Auge wieder; und 
zwar ist es fraglich, ob ein Rezidiv dee Herpes vorlag; 
jedenfalls ging die Entzfindung sehr bald ins Parenchym 
der Hornhaut fiber und wurde sehr intensiv. Es dauerte 
vier Monate, bis das Auge wieder reizlos war. Die Ent- 
zfindung hinterliess eine ziemlich betrfichtliche zentrale 
Trfibung, die aber das stereoskopische Sehen nicht hin- 
derte und auch gar keine Blendung verursachte. Anfang 
Februar 1911 erkrankte das gleiche Auge von neuem; 
vielleicht infolge eines in beissendem Tabaksqualm ver- 
brachten Abends. Es trat, noch ehe Reizerscbeinungen 
sichtbar waren, sofort eine neue, sehr dichte Infiltration 
in der alten Narbe auf. Die Entzfindung wurde langsam 
schlimmer, das Infiltrat dichter und sehr ausgedebnt; die 
Bindehaut war stark injiziert, und es bestand auch be¬ 
trfichtliche ziliare Injektion. Die Trfibung war so dicht, 
dass fast nur noch qualitatives Sehen vorhanden war. 
Ich wandte energisch feuchte Wfirme und Atropin an, 
und bald begann die Entzfindung zurfickzugehen. An¬ 
fang April trat eine leichtere Iridozyklitis ein. Kurz 
darauf begann ich die Dioninbehandlung. Es ging nun 
verhfiltnismfissig rasch besser; Anfang Mai konnte ich 
einen Teil meiner Arbeit wieder selbst tun, am 1. Juni 
wieder die ganze Praxis versehen. Ich wandte das Dionin 
in Substanz an, da die von Wolffberg empfohlene Me- 
thode — Massage mit einem Salbenkfigelchen, das mit 
Dionin in Berdhrung gebracht ist — wegen der grossen 
Empfindlichkeit des Auges gegen die leichteste Berfihrung 
und der dadurch bedingten Steigerung der iritischen 
Schmerzen nicht gut auszuffihren war. Die Dionin- 
ophthalmie trat in meinem Fall nicht in voller Stfirke auf, 
aber doch immerhin in guter, fiber das mittlere Mass 
hinausgehender Weise. Die Anwendung fand ich sehr 
bequem und angenehm. Das nach der Inspersion auf- 


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Augenentziindungen — Blutungen. 9 

tretende Brennen ist zwar recbt lebhaft, aber durchaus 
ertraglich. Nach einigen Minuten tritt vSllige Eupborie 
ein. Das iritische Auge, in dem die plbtzlichen Kon- 
traktionsversuche der Iris, abends beim AnzGnden der 
Lampe, ganz empfindliche Sebmerzen verursachen, blickt 
nach Dioninanwendung ohne jeden Schmerz direkt in die 
Flamme. Kommt "etwas raehr Dionin ins Auge als eine 
Spur, so wird gendgend resorbiert, um einen festen Scblaf 
herbeizufOhren. Am andern Morgen ist die Ophthalmie 
grOsstenteils verschwunden, die analgetische Wirkung frei- 
lich auch. — Ich konnte das Dionin zweimal wdchentlich 
anwenden, ohne dass die Wirkung besonders nacbgelassen 
hatte, und babe die Beliandlung zwei Monate lang fort- 
gesetzt. Was die Wirkung auf die Iris betriflt, so war 
diese augenscheinlich. Nach der ersten Inspersion ver- 
schwand die ziliare iDjektion teilweise, nach der zweiten 
fast vollstandig. Die Dauer der Iritis wurde ganz we- 
sentlich abgekdrzl. Eine nennenswerte Untersttttzung des 
Atropins glaubte ich nur bei der ersten Anwendung kon- 
statieren zu kdnnen: Die Pupille schien sich schneller 
und ausgiebiger zu erweitern. Die Keratitis selbst war 
schon stark im Abnehmen begriffen, als ich Dionin an- 
wandte. Indessen hat es offenbar auch hier sehr geholfen. 
Die Aufhellung der ganz enormen TrQbung ist so weit 
vorgeschritten, dass stereoskopisches Sehen wieder mbglich 
ist und dass auch kaum BlendungsgefQhl besteht. Es 
scheint sogar, dass zentral gelegene Teile der alten Narbe 
resorbiert worden sind. Jeden falls ist der Erfolg nach 
einer so schweren wiederholten Keratitis befriedigend. 
Die Sehschftrfe betrfigt etwa Vo—V 7 . Die subjektive Er- 
leichterung nach der jedesmaligen EinstSubung des Pulvers 
war immer so gross, dass ich bedauerte, mir sie nicht 
Ofter verschaffen zu kdnnen; aber die Gefahr, dass Ge- 
wdhnung eintrete, wollte ich doch nicht herauf beschwOren.— 
Ich habe den persbnlichen Eindruck, dass das Dionin 
eins der wirksamsten Mittel in der Augenheilkunde ist 
und schon sehr viel Segen gestiftet hat und hoffentlich 
noch stiften wird.“ 

(Wochenschrift f. Therapie u. Hygiene d. Auges ‘*7. Juli 1911.) 


Blutungen. Purpura haemorrhagica nach Fibrolysininjek- 
tionen. Yon K. Friedmann (Stadtkrankenhaus Posen). 
Wie schon Hayn und Clifford, sah auch Autor eine 
Purpura sich bei einer Fibrolysinkur (nach der neunten 


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Blutungen. 


Injektion) entwickeln, wieder eine Maknung, beim Ge- 
brauch von Fibrolysin Vorsicht walten zu lassen. 

(Die Therapie der Gegenwart, Mai 1911.) 


— Behandlung der puerperalen B. mit Secacornin „Roche“. 

Yon Dr. D. Pulvermacher (Gharlottenburg). Autor hat 
das Prfiparat bei ca. 300 Fallen angewandt und restimiert 
fiber die Erfolge: 

1. Secacornin „Roche“ wirkt sehneller als die son- 
stigen Secaleprfiparate. 

2. Die Injektionen, richtig in die Nates ausgeffihrt, 
sind schmerzlos. 

3. Bei Schnellentbindungen und zurfickgebliebenen Pla- 
zentarresten trat in kurzer Zeit prompte Wirkung ein. 

Auf die Lfisung der Plazenta lasst Autor 1— l 1 It 
Stunden warten. Hat sich dann nach der Geburt der 
Nachgeburtsteile gezeigt, dass Reste zurfickgeblieben sind, 
so wurden in den nfichsten drei Tagen tfiglich drei bis 
vier Spritzen Secacornin neben Scheidenspfilungen ge- 
geben. Fast durchweg konnte man am zweiten Tage 
einen leichten Temperaturanstieg feststellen, der am nachsten 
Tage verschwand, endlich fand man bei der Spfilung die 
abgestossenen Teile. Straubten sich die Frauen gegen 
die Einspritzung, so wurde Secacornin per os ohne jeg- 
liche Beechwerden verordnet, und zwar dreimal taglich 
15 Tropfen, die Tablettenform stand uns damals noch 
nicht zur VerfQgung. Es wurde nur bei der Injektion 
darauf geachtet, dass die Nadel senkrecht zur Oberflache 
in die Muskulatur der Nates eindrang. So kam es nie 
zu einer Rfttung oder zu Infiltraten, geschweige denn zu 
einem Abszess. Ferner wurde Secacornin gegeben, wenn 
eine Schnellentbindung geboten war; die wehenbeffirdernde 
Wirkung trat oft schon nach zehn Minuten ein. Wichtig 
war dies bei der Eklampsie, wo die Atonia post partum 
nach der Schnellentbindung zu fGrchten ist. 

(Allgem. med. Zentr&l-Ztg. 1911 Nr. 18). 

—- Pituitrin als gyn&kologisches Styptikum. Von Dr. H. Bab 

(II. Univers.-Frauenklinik in Wien). Pituitrin erwies sich 
als wirksam, aucli oft da, wo Hydrastis, Ergot in und 
Styptizia im Stich liessen. Nicbt nur bei Endometritis, 
Metritis und bei Menorrhagien, die vielleicht auf gesteigerter 




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BlutUDgeD. 


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Ovarialtfitigkeit beruhen, sondern auch bei B., deren Ur- 
sachen in entzttndlichen Adnexerkrankungen, My omen und 
Ovarialzysten zu suchen waren, sah Autor oft (lber- 
raschenden Erfolg. Man verwandte das PrSparat in Dosen 
von 2 oder 3 ccm, die man einmal oder je nach Bedarf 
mehrere Tage hindurch subkutan injizierte. Als einzige 
Nebenwirkung des ausserordentlich harmlosen Mittels kamen 
gelegentlich wehenartige Uteruskrampfe zur Beobachtung. 
Gewiss ist nichts schwieriger zu beurteilen als der thera- 
peutische Erfolg bei unregelm&ssigen B. Nicht nur die 
Mdglicbkeit des SpontanaufhOrens der B., sondern auch 
die Bettruhe im Spital als Heilfaktor machen die Beur- 
teilung, ob post hoc oder propter hoc, ungemein schwer. 
Wie vorsichtig man hier urteilen muss, zeigten zwei 
FSlle, in denen wochenlange B. im Moment des Eintritts 
der Pat. ins Spital sistierten. Wenn man jedoch die 30 
Ffille, die Autor bisher zu behandeln Gelegenheit hatte, 
zahlenm&ssig nachprtift (vergl. Tabelle) und konstatiert 

Unter 30 Fallen von Metrorrhagie stand die B. dnrch 
Pituitrininjektion in 

10 Fallen nach 1 Tag = 33,33% 1_ 

11 „ „ 2 Tagen = 36,66 % } 69)99 /o 

7 „ „ 4-8 „ = 23,33 % 

2 „ : kein Effekt = 6,66 % 

dass in 33% der Falle die B. schon am ersten Tag nach 
der Injektion standen, in 36 % am zweiten Tage, zusammen 
in fast 70%, dass nur 23% eine l&ngere Behandlung von 
4—8 Tagen gebrauchten und dass eigentlich nur in zwei 
Fallen die gewfinschte Wirkung, der B. Herr zu werden, 
ganz ausblieb, so ist anzunehmen, dass hier Zufalligkeiten 
nur eine geringe Rolle spielen, und dass man das Pituitrin 
als wertvolles gynakologisches Styptikum anzusehen hat. 
Selbstredend werden jedoch auch hier erst weit grOssere 
Beobachtungsreihen zu einem abschliessenden Urteil be- 
rechtigen. Die wichtige Frage nach der Beeinflussbarkeit 
der Myomblutungen konnte Autor erst an wenigen Fallen 
in Angriff nehmen, sah aber auch hier Bemerkenswertes; 
so brachten 4 ccm Pituitrin eine seit 2 V* Wocben anhal- 
•tende Myomblutung bei einer 47jahrigen zum Stehen. Es 
ist nicht ausgeschlossen, dass mdglicherweise die Pituitrin- 
therapie mit der Rdntgenbehandlung der Myome wird in 
Konkurrenz treten kbnnen. 

(Miinchener med. Wochenschrift 1911 Nr. 29.) 


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Blutungen. 


—. Ein Beitrag zur Erkennung der Lungenblutung. Von St.-A. 

Dr. Mann. (Aus dem Egl. Garnisonslazarett MQnchen.) 
Autor scbreibt: „Es kfinnte fast Qbertifissig erscheinen, 
fiber die Diagnose dieser so wohlbekannten Erankheits- 
erscheinung etwas Neues sagen zu wollen; und doch gibt 
es Ffille, bei denen es schwer ist, mit alter Bestimmtheit 
anzugeben, dass der vorgezeigte blutige Auswurf aus der 
Lunge stammt. Ich habe dabei diejenigen Ffille von ini- 
tialer Hfimoptoe im Auge, bei denen Leute zur Beobach- 
tung kommen, welche angeben, plOtzlich bei anscheinend 
vfllliger Gesundheit ohne Zeugen eine grfissere Menge Blut 
ausgehustet zu baben. Das nun in den folgenden Tagen sta- 
tion&rer Beobachtung zutage geffirderte Sputum besteht 
aus stark mit Schleim vermischten dunkelblauroten Blut- 
klfimpchen, welche nicht ohne weiteres mit Sicherheit 
erkennen lassen, dass sie als die letzten Reste einer tat- 
sfichlich stattgefundenen Lungenblutung anzusprechen sind. 
Man kann dies im gegebenen Falle sehr leicht beweisen, 
wenn man ein solches Blutklfimpchcn in weitem Reagens- 
glase mit Wasser vorsichtig ausschflttelt und das sich blutig 
ffirbende Wasser mehrmals durch neues ersetzt. Es ist 
dann zu beobachten, dass sich das Blut-Schleimklfimpchen 
als Knfiuel von dickeren und dfinneren Strfingen und 
Ffiden darstellt. Giesst man den Inhalt des Reagensglases 
in eine Petrischale auf schwarzer Unterlage aus, so kann 
man sich leicht fiberzeugen, dass man es mit einem ty- 
pischen Fibrinausguss von Bronchialfisten zu tun hat. 
Damit ist nach meinem Daffirhalten der Beweis einwand- 
frei erbracht, dass das Blut aus der Lunge stammt und 
innerhalb der Lunge in den Bronchien zur Gerinnung 
gekommen ist. Weiterhin scheint mir gegebenenfalls aus 
solchem Befunde der Rfickschluss auf eine ohne Zeugen 
angeblich vor sich gegangene Hfimoptoe gerechtfertigt zu 
sein. Ich bin auf diesen Befund vor mehreren Jahren 
durch einen Eranken aufmerksam gemacht worden, welcher 
eine betrfichtliche Hfimoptoe erlitten hatte und mir nach 
Abklingen derselben in den nfichsten Tagen in seiner mit 
etwas Wasser geffillten Spuckschale die obenerwfihnten 
Enfiuel zeigte. Nach Herausfischen derselben stellte es 
sich heraus, dass es grosse Bronchialbfiumchen waren. 
Ich mOchte hierzu bemerken, dass sich an diese Hfimoptoe 
keine akute Ausbreitung der bestehenden Tuberkulose an- 
schloss; der Eranke ging jedoch ffinf Jahre spfiter an 
Phthise zugrunde. Die gleiche Beobachtung machte ich 
im Sommer vorigen Jahres noch einmal, bei einem Eranken, 


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Blutungen — Diabetes. 


13 


dessen Angabe, eine grbssere Menge Blut ohne Zeugen 
ausgehustet zu haben, anfangs bezweifelt wurde. Dieser 
Kranke hat nach seiner Entlassang aus dem Dienste mehrere 
Monate sp&ter in seiner Heimat eine betr&chtliche H§.mopto8 
erlitten, die von seinem behandelnden Arzte best&tigt 
wurde. Bei einem dritten Kranken, der vor meinen Augen 
eine initiale Hamoptoe erlitt, gelang es auch, ein Bron- 
chialb&umchen nachzuweisen, jedoch war dieses nicht so 
charakteristisch, wie die beiden ersterw&hnten, welche ich 
der internen Abteilung der Kgl. Universit&tspoliklinik 
Miinchen zu Demonstrationszwecken zur VerfOgung ge- 
stellt habe. Wenn auch durch die oben beschriebene 
Beobachtung gegebenenfalls zunSchst nur erwiesen wird, 
dass eine B. aus der Lunge stattgefunden hat, so diirfte 
i sie mit RQcksicht darauf, dass kleine primare Lungenblu- 
tungen in der Regel als Zeichen einer schon bestehenden 
tuberkulOsen Erkrankung anzusprechen sind, zur Sicherung 
dieser Diagnose unter Umstanden gut zu verwerten sein.“ 

(Mtlncfa. med. Wochensohrift 1911 Nr. 31.) 

Diabetes. TTeber den Einflnss des Santonins anf die Zucker- 
ansscbeidnng bei D. Von Dr. G. WalterhSfer (Berlin). 
Die Untersuchungen ergaben, dass Santonin auf die Zucker- 
ausscheidung keinen in therapeutischer Hinsicht zu ver- 
wertenden Einfluss besitzt. 

(Berliner klin. Wochenachrift 1911 Nr. 10.) 

— Interessante Bromuralwirkung in einem Falle von hocb- 
gradigem D. Von Dr. Beeck, dirig. Arzt d. Deutschen 
Hospitals in Buenos Aires. BOj&hrige Pat. mit 8% Zucker, 
heftiger Neuralgie des Plexus brachialis, vollst&ndiger 
Schlaflosigkeit, gegen die vergebens alle mbglichen Mittel 
gegeben waren; infolgedessen GemOtsdepression. Autor 
verordnete keine Difitkur, nur abends 0,6 g = 2 Tabletten 
Bromural jeden Tag. Wirkung zauberhaft. Korperliches 
und psychisches Befinden hob sich in wenigen Wochen 
zu vollstandiger Euphorie, ausgezeichneter Schlaf, Zucker 
geht auf 2 l l<s°io zurfick, Neuralgie verschwunden. Autor 
ffthrt das alles auf den guten Schlaf zurflck. Nach sieben 
Wochen hbrte Pat. plbtzlich auf, Bromural zu nehmen; 
trotzdem weiter gutes Wohlbefinden, ruhiger Schlaf. 

(Allgem. med. Zentral-Ztg. 1911 Nr. 25.) 


— Sammel- nnd Messgef&ss fllr Diabetiker. Von Privatdozent 
Dr. C. Thomae (Giessen). Bekanntlich soil ftlr eine 


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Diabetes. 


Zuckerbestiraraung der Harn wahrend 24 Stunden ge- 
sammelt und eine Durchschnittsprobe dea Gemisches unter- 
sucht werden. Wesentlich ist, dass man hierbei die Menge 
der GesamtflQssigkeit berGcksichtigt. Dass dies von einem 
grossen Tfeil dea Publikum8 immer noch nicht geschieht 
und man aich, aobald der Arzt nicht kontrolliert, begnOgt, 
nur in einer beliebigen Menge Harn die „ Prozente" zu 
ermitteln, mit denen man dann Vergleiche gegen frQhere 
„Prozente“ anatellt, ist zu verwundern. Da Prozente nur 
ein relativer Ausdruck sind, so besagt eine solche Angabe 
obne Beziehung auf die Harngesamtmenge sebr wenig, 
und es ware pro praxi dringend nQtig, mit dieser 
Ausdrucksweise aufzur&umen, dafOr aber die Angabe der 
24stQndigen Tagesproduktion in Grammen Zucker, die 
einen absoluten Begriff darstellt, einzufQhren bzw. vom 
Publikum zu verlangen. Der Massstab der Prozente hat 
sich wohl deshalb so eingebQrgert, weil der Pat. gewbhnlich 
ein ihm bequemes Messgeffiss fQr mehrere Liter nicht be- 
sitzt und deshalb die Ausrechnung dea Polarisations* 
resultates auf die GesamtflQssigkeit seinerseits unbewusst 
unterbleibt; auch die gebr&uchlichen Glasmensuren sind 
zu klein, um den 24stQndigen Harn auf einmal zu fassen 
und dessen Sammeln bequem zu machen. Um das Pu¬ 
blikum an das Messen des Harnes zu gewohnen, hat Autor 
daher anfangs des Jahres 1909 ein Sammel- und Mess- 
geffias fQr Diabetiker eingefQhrt, das eine 5 1 enthaltende 
Mensur darstellt, im Innern eine Einteilung besitzt und 
mit ROhrstab und Deckel versehen ist. Das Gefftss hat 
eine gefallige Form, kann unauffftllig im Schlafzimmer 
aufbewahrt werden und ist unzerbrechlicli (emailliertea 
Metall). Zum Preise von 8 M. kann ea durch das Medi- 
zinische Warenhaus P. A. Stoss Nachfolger in Wiesbaden, 
Taunusstrasse 2, bezogen werden, von wo aus auch die 
Gebrauchsanweisung versandt wird. 

(Deutsche mod. Wochenschrift 1911 Nr. 31.) 

— Zur Verwendnng innlinreicher GemQ.se bei Diabetikern. 

Von Prof. Dr. H. Strauss (Berlin). Es gibt Falle von 
D., bei denen das Inulin nicht bloss ausgezeichnet ver- 
tragen wird, sondern auch die Azidose herabzusetzen ver- 
mag. Wo eine schwere Azidose zu bekampfen ist oder 
aus sonstigen GfOnden der Eintritt gewisser Kohle- 
hydratmengen in den Stoffwechsel erwQnscht ist, sollte 
daher vom Inulin Gebrauch gemacht werden. Leider ist 
Inulin recht teuer (100 g kosten 3 —A M.). Aber als 


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Diabetes. 


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Ersatz ist eine inulinreiche Gemtiseart zu empfehlen, 
„Helianthus macrophyllus“ („Sonnling“), die relativ billig 
ist und als Wintergemflse in einer Zeit, in welcher die 
Auswahl unter den Gemflsen an sich beschrfinkt ist, eine 
LQcke auszuffillen vermag. Was die Zubereitung betrifft, 
so wurden die Heliantbiknollen am liebsten in Fett gar- 
gerbstet — fthnlich wie Bratkartoffeln — genommen. 
Ebenso wurde die in Salzwasser abgekocbte — selbstver- 
st&ndlich vorher geschalte — Knolle auch gern mit einer 
hollfindischen Sauce genossen. Weiterhin wurden sie auch 
mit den verschiedensten Sahnensaucen oder Mayonnaisen 
oder auch als sog. „Bauernfrflh8tQck w verabfolgt. Auch 
als PQree mit Sahne, Butter und etwas Muskatnuss wurden 
die Knollen gern genommen. Das Pdree liess sich auch 
zum „Binden“ fQr andere Gemllse benutzen. E. Hanne- 
mann empfiehlt weiterhin die mit Salzwasser abgekochten 
Knollen mit Essig und Oel als Salat zu reichen, oder in 
Salzwasser gargekocht und mit brauner Butter dbergossen 
wie Spargel oder auch mit Frikasseesauce und ev. mit 
Fleischklbssen zu reichen. Wenn auch der Geschmack 
der betreffenden Gerichte einigen Pat. etwas ungewohnt 
vorkam, so war doch bei keinem der Pat. eine intensivere 
Abneigung gegen das Ungewohnte zu beobachten, sondern 
die Mehrzahl begrOsste Helianthik als Abwechslung in der 
Di&t. Wenn man bedenkt, wie schwer es sein kann, in 
manchen Fallen von D. auch nur ein geringes Quantum 
von Kohlehydraten in nutzbarer Form in den Stoffwechsel 
zu bringen, und wie erwbnscht auf der andern Seite ein 
solches Vorgehen in manchen Fallen — insbesondere zur 
Behandlung der Azidose — sein kann, so wird man nach 
dem Vorstehenden den inulinreichen GemQsen wohl ein 
grbsseres Interesse entgegenbringen dOrfen, als dies noch 
an vielen Stellen der Fall ist. Speziell dOrften die inulin- 
reichen GemQse so lange einer besonderen Beachtung wert 
sein, als der Preis fQr das Inulin noch die jetzige H5he 
besitzt. Dass das Inulin aus den Gemiisen erheblich lang- 
samer zur Resorption gelangen kann, als bei der Darreichung 
der rein dargestellten Substanz, ist dabei nicht immer ein 
Nachteil, sondern kann gelegentlich sogar ein Vorteil sein, 
da wir wissen, dass die Toleranz des Diabetikers nicht bloss 
von der Art des resorbierten Kohlehydrats, sondern auch von 
der Schnelligkeit oder vielmehr von der Langsamkeit der 
Resorption dieses Kohlehydrats abh&ngig ist. Und selbst 
wenn man iofolge einer eintretenden Kumulativwirkung 
in diesem oder jenem Falle zu einer nur sporadischen 


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DiabeleB — FremdkQrpor. 


Anwendung gezwungen sein sollte, so dQrfte sicherlich 
auch in gar manchen dieser F&lle der Nutzen der Dar- 
reichung von Inulin oder inulinhaltigen GemQsen aus den 
hier angefQhrten Gesichtspunkten nicht ganz gering anzu- 
schlagen sein. Es dQrfte also auch eine solche Eventua¬ 
lity unser Interesse fQr das Inulin und fQr inulinhaltige 
GemQse nicht zu selir herabsetzen. Was das hier geprGfte 
inulinreiche GemQse speziell betrifft, so liesse sich durch 
einen umfangreicheren Anbau dessen an sich nioht sebr 
hoher Preis auch noch weiter verbilligen und mOglicher- 
weise auch das Material zur Herstellung eines weniger 
kostspieligen Inulinpr&parates gewinnen.*) 

(Die Therapie der Gegenwart, August 1911.) 

Fremdkoppep. p. im Halse. Von Dr. Fackenheim 
(Eisenach). Fischgr&ten in den Tonsillen sind bisweilen 
sehr schwer zu finden. Autor Ifisst in solchen F&llen 
Heidelbeerkompott essen, worauf sich die winzige, aus den 
Tonsillen herausragende Spitze der Grate deutlich erkennen 
lasst, die jetzt blau gefftrbt erscheint und sich gegen die 
rote Tonsille vorzQglich abhebt. 

(Tberap. Monatshefte, Juni 1911.) 


—> Die Kalkverletzung des Auges. Von Prof. Dr. H. Chalu- 
pecky (Prag). 

Die SchlQsse, die aus der klinischen Beobachtung und 
aus den experimentellen und mikroskopischen Befunden 
hervorgehen, lassen sich in folgende Satze zusammen- 
fassen: 

1. Die Verletzung des Auges mit lOslichen Kalkver- 
bindungen ist stets ernst. Am hftufigsten ist die Ver- 
letzung mit Kalziumhydrat, wobei eine wirkliche Ver- 
brennung des Auges entstehen kann, wenn n&mlich das 
Hydrat gerade im Momente des LSschens ins Auge ein- 
dringt. IlSufiger findet eine chemisclie VerStzung des 
Auges statt, welclie bei alien lQslichen Kalkvcrbindungen 
erfolgt und bei welcher es sich um Wasserverlust der 
Gewebe, um Nekrose derselben und um Niedersehlag der 
Kalkverbindungen handelt. Auf die Nekrose folgt eine 


*) Bezugsquelloo: J. 0. Schmidt, Erfurt, Dominium Obor-Eaisers- 
waldau, Kreis Goldborg-Haynau, Niederschlcsien, sowie PlOttnor, Thcissen 
in Thiir. In dom Jahresbericht ist dor Preis mit 5 M. pro 10 kg bzw. 
35 M. pro 100 kg angegeben. 


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FremdkOrper — Intoxikationen. 


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starke reaktive Entzttndung, welche zur Elirainierung fflhrt 
und mit Yernarbung endet. 

2. Das beste Mittel zur Entfernung des Kalkes aus 
dem Auge gleich nach der Yerletzung ist das kalte Wasser, 
welches die Temperatur herabsetzt und die F. heraus- 
schwemmt. 

3. Oel und andere Fette eignen sich erst zn der 
Weiterbehandlung, wenn das Auge bereits mit Wasser 
gereinigt wurde. 

4. Die ZuckerlOsung hat keinen therapeutischen Wert, 
im Gegenteil, durch Yerbindung des Kalks mit dieser L0- 
sung entstehen unter Entwicklung einer hohen Temperatur 
Kalksaccharate, die ebenso atzend wirken wie der Kalk 
selbst. 

Die nach Yernarbung der Bindehaut zurdckgeblie- 
benen Verwachsungen, Symblepharon, sind nur durch eine 
plastische Operation zu beseitigen. DioHornhauttrflbungen 
wird man vielleicht durch chemische Ldsung der Kalk- 
niederschlage bessern kdnnen, aber die Beseitigung der 
Folgen der Yernarbung nach der reaktiven EntzQndung 
wird wohl kaum mOglich sein; die Trftbungen dieser Art 
sind durch dauernde Verftnderungen des Gewebes bedingt, 
und eben deshalb gehOrt die Yerletzung des Auges mit 
Kalk zu jenen Yerletzungen, die fOr das Sehvermdgen 

am gef&hrlichsten sind. (Wiener klin. Rundschau 1911 Nr. 27—30.) 

Intoxikationen. Warnnng vor Maretin. Yon Professor 
W. Heubner (Gottingen). Autor betont mit aller Schtlrfe, 
dass Maretin ein Blutgift ist. 

(Tberap. Monatshofte, Juni 1911.) 


— TTeber Digalenvergiftnng. Yon Dr. F. Heydner (Obernzenn). 

Ein 20j&hriger Schfiler bekam Digalentropfen verschrieben, 
die Mutter gab ihm auf einmal 6—7 ccm, d. h. die drei- 
fache maximale Einzeldose, und es entwickelte sich eine 
sch were Vergiftung, bei der besonders die Pulsverlang- 
samung (bis 30 Schl&ge) und der gleich am ersten Tage 
einsetzende heftige Singultus hervortraten. Auch kam 
es zu hochgradigen Stdrungen des Bewusstseins, Verwirrt- 
heits- und AufregungszustSnden. Die Erkrankung verlief 
langsam. Die akuten bedrohlichen Zustande, der Sin¬ 
gultus, die Herzschwftche und Nierenreizung, die psy- 
chischen Storungen gingen innerhalb sechs Tagen zurOck, 
die aufgetretenen Seh- und GehOrstdrungen dauerten lftnger 
an, am l&ngsten die Pulsverlangsamung, die erst nach 

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Iotoxikationen — Pneumonie. 


drei Wochen verschwand. Therapeutisch erwies sich als 
gegen den qu&lenden Singultus und die Aufregungszust&nde 
die Morphiumspritze als wirksam, die oft bedrohliche 
Herzschw&che wich Kampferinjektionen. 

(Mtinch. med. Wochemohrift 1911 Nr. 28.) 


Pneumonie. TTeber Kontusionspneumonie. Von Dr. E. 

v. Czyhlarz (k. k. Kaiser-Franz-Josef-Spital in Wien). 
Autor hat drei Fallc zu beobachten Gelegenheit gehabt: 

1. Fall. A. C., Maurerlehrling, 14 Jahre alt, fiel 
am 18. Juni von einer Leiter aus zirka MannshOhe auf 
den Boden auf die rechte Brustseite, wobei sein Arm 
unter diese zu liegen kam. Ein bis zwei Stunden nach- 
her wurde er von einem SchQttelfrost befallen, am n&chsten 
Tag in das Spital eingeliefert. Bei der Untersuchung des 
hochfieberbaften (39,9°) Pat., der einen typischen Herpes 
labialis zeigte, fand sicb bei der Untersuchung des Thorax 
eine D&mpfung vom Angulus scapulae der rechten Seite 
angefangen nach abw&rts. Im Bereiche dieser D&mpfung 
lautes Bronchialatmen. Der Thorax zeigte rechts in der 

* Seite einige Suffussionsflecke. Eine Rippenfraktur war 
nicht zu konstatieren. Das Sputum war rostfarben, nicht 
besonders stark h&morrhagisch. Mikroskopisch zahlreiche 
Diplokokken Fr&nkel-Weichselbaum. Nach dreit&gigem 
typischen Fieberverlauf am dritten Tage die Krise. Die 
Resolution setzte bald nach der Krise ein, das Sputum 
rubiginosum verschwand am Tage nach der Krise. Pat. 
erholte sich sehr rasch und verliess nach 14 Tagen voll- 
kommen gesund das Spital. 

2. Fall. F. K., Kaufmannslehrling, 13 Jahre alt, 
fiel am 10. Mai, auf einem Gestell stehend, aus zirka 
MeterhOhe gegen eine Tischkante in der Weise, dass die 
linke untere Thoraxwand eingedrdekt wurde. Er verspQrte 
nach dem Sturze einen heftigen Schmerz in der betroffenen 
Seite, zirka vier Stunden nach dem Unfall SchQttelfrost, 
am n&chsten Tage Einlieferung in das Krankenhaus. Links 
hinten unten und in der Seite der Perkussionsschall etwas 
abgeschw&cht; bei der Auskultation in diesem Gebiete 
deutliches Knisterrasseln. Das Sputum typisch rubiginQs. 
Mikroskopisch zahlreiche Diplokokken. Temperatur 40,1°. 
Herpes labialis und nasalis. Eine Rippenfraktur nicht 
nachzuweisen. Nach zweit&gigem Spitalsaufenthalt mit 
typischem Fieberverlauf die Krise. Pat. erholt sich rasch. 
Verl&sst nach 19 Tagen vollkommen geheilt das Spital. 


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Pneumonia. 


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3. Fall. 20jfthriger Maurergehilfe fiel am 6. Juli 
ans zirka 1 l /a m HOhe gegen einen GerQstbalken auf die 
linke untere Thoraxgegend. Sofort Schmerz in der be- 
troffenen Seite, dann bald wieder Besserbefinden, fiinf 
Stunden nach dem Unfall SchOttelfrost mit Erbrechen, zwei • 
Stunden spSter Einlieferung ins Spital. Bei der Aufnahme 
hohes Fieber, Suffusionen in der betreffenden Seite. Keine 
Rippenfraktur. Perkussions- und Auskultationsbefund ne- 
gativ. Rein Sputum. Am nfichsten Tage vom Angulus 
scapulae der betroffenen Seite angefangen nach abwarts 
abgeschwftcbter Perkussionsschall. Die Auskultation lSsst 
in diesem Gebiete neben Bronchialatraen reichlich Knister- 
rasseln hdren. Das Sputum rostfarben, nicht besonders 
h&morrhagisch. Reichlich Diplokokken Frankel-Weich- 
selbaum. Herpes labialis. Nach ffinftagigem Spitals- 
aufentbalt bei typischem Verlauf Krise. Rasche Genesung. 
Pat. verlfisst am 15. Tage vollkommen gesund die Anstalt. 

Wenn wir uns nun die Frage stellen, in welchem 
zeitlichen Zusammenhange das Trauma und das Auftreten 
der P. stehen miisse, damit wir von einer Kontusions- 
pneumonie sprechen kbnnen, so ist die Frage strikt nicht 
zu beantworten. Im allgemeinen werden nattirlich jene 
Ffille, in denen die P. nur wenige Stunden nach dem 
Trauma einsetzte, die beweiskrfiftigeren sein. Eine Grenze 
nach oben anzunehmen, ist aber recht misslich. Stern 
meint, „man wird, wenn andere Momente fftr einen Zu- 
sammenhang zwischen Trauma und P. sprechen, ihn auch 
dann fflr wahrscheinlich erklaren dhrfen, wenn die Zeit 
zwischen Trauma und Ausbruch der Krankheitserschei- 
nungen linger ist als vier Tage.“ Demuth meint, dass 
man nur solche Fftlle als traumatische P. gelten lassen 
dflrfe, in welchen die betreffenden Pat. vor dem Trauma 
gesund waren. Demgegenfiber ist natQrlicherweise zu be- 
tonen, dass gerade in manchen Fallen eine vorher schon 
bestehende Erkrankung, wie z. B. eine Bronchitis oder 
ein Emphysem, unter dem Einduss eines Traumas die 
Entstehung einer P. besonders begttnstigen kann. Ein 
Emphysem mit seiner starren erweiterten Lunge wird die 
letztere gewiss gegen Eompressionen u. dgl. empfanglicher 
machen. Eine Bronchitis wird das Eindringen von Bakte- 
rien in die durch das Trauma gesch&digte Lungenpartie 
gewiss begQnstigen kbnnen. Denn dass auch bei der 
Kontusionspneumonie dieselben Erreger in Betracht kommen 
wie bei den anderen P., also vor allem der DiplococCus 
Frfinkel-Weichselbaum, hat schon Weichselbaum 

2 * 


Gck igle 


Original frn-rri 

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20 


Pneumonie. 


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selbst nachgewiesen. In den oben mitgeteilten Fallen war 
die Seite der P. auch die des Traumas. Es ist nach 
Analogie anderer traumatischer Yerletzungen ja wohl denk- 
bar, dass ein Trauma eine Schfidigung des Lungengewebes, 
die Kontusionspneumonie, setzt, ohne dass die Stelle der 
P. und die der unmittelbaren Einwirkung des Traumas 
nahe benachbart sind, aber im allgemeinen muss man da 
doch den Worten Sterns beipflichten, der sagt: „Wir 
brauchen Kriterien, die es wahrscheinlich machen, dass 
eine ,traumatische 1 P. vorlag, und unter diesen Kriterien 
ist die ortliche Beziehung zwischen der Einwirkung des 
Traumas und dem Sitze der P. eines der wichtigsten. 
Fehlt dieses Kriterium, so l&sst sich, wenn sonst keine 
Anzeichen for die traumatische Entstehung der P. vor- 
liegen, ein ursftchlicher Zusammenhang nicht behaupten. 
Es kann dann nur die MQglichkeit einer solchen zuge- 
geben werden, und die andere M&glichkeit, dass ein zu- 
falliges Zusammentreffen vorliegt, ist nicht minder wahr¬ 
scheinlich. “ Wenn wir uns nun fragen, ob in dem 
Symptomenkomplex der P. nach Trauma sich Unterschiede 
gegen fiber anderen P. ergeben, so ist anzufQhren, dass 
die meisten Autoren hervorheben, dass das Sputum bei 
jener viel starker h&morrhagisch sei. Speziell findet sich 
in den von Stern aus der Literatur zusammengestellten 
Fallen eine Reihe von P. mit stark hamorrhagischem Sputum. 
Es muss dahingestellt werden, inwieweit dieser Starke Blut- 
gehalt in dem speziellen Falle in einer gleichzeitigen 
Zerreissung von Lungengefassen begrQndet sein kttnntc. 
In den oben mitgeteilten Fallen war das Sputum nicht 
starker hamorrhagisch, als dies sonst gewbhnlich bei P. 
der Fall ist. Demuth und auch Bloch erwahnen, dass 
in ihren Fallen der initiale SchQttelfrost fehlte. In an¬ 
deren, auch in obigen Fallen war der SchQttelfrost in 
typischer Wei6e vorhanden. Auch Herpes labialis hat 
Demuth nicht beobachtet, in anderen Fallen, darunter 
in den obigen, wurde er beobachtet. In den meisten be- 
obachteten Fallen handelt es sich also um eine typische 
kruppdse P. Die Prognose, ist meist gQnstig, der Ver- 
lauf im allgemeinen etwas kQrzer. Neben diesen typischen 
Fallen hat man auch solche mit protrahiertem, langwie 
rigem Yerlaufe beobachtet (Demuth). Proust hat Falle 
beschrieben, die mehr den Yerlauf und die Symptome 
von Bronchopneumonien zeigten. Maschka beschreibt 
einen Fall, in welchem eine traumatische P. in eine Lungcn- 

gangr&n Qberging. (Wiener med. Wochen«ohrift 1911 Nr. 28.1 


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Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett. 


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Schwangermchaft, Geburt,Wochenbett. Geburts- 

zange f&r Steisslage. Yon R. Blumm (Bayreuth). Das 
Herabholen eiues Fusses bei Steisslage macht je nach 
Tiefstand des Nasciturus mehr oder weniger Schwierig- 
keiten, ist oft sogar unmQglich. Sowohl bei diesem Ein- 
griff wie auch bei der Entbindung durch EiufQhrung der 
Wendungsschlinge in die Leistenbeuge kommen selbst dem 
geQbten Geburtshelfer hie und da OberschenkelbrQche vor, 
die bei der jedem Arzt hinl&nglich bekannten Urteils- 
und Kritiklosigkeit des Publikums fdr den Geburtshelfer 
sehr peinlich sein kOnnen. Versuche, bei Steisslage mittels 
der Kopfzange zu entbinden, schlagen fast immer fehl, 
weil die Kopfzange abrutscht. Diesem Uebelstande ab- 
zuhelfen, hat Autor eine Zange (G. A. Kleinknecht, Er¬ 
langen) anfyrtigen lassen, die vOllig zweckentsprechend 
sein dQrfte. In die eigenartige Fensterung lassen sich die 
Weichteile des kindlichen fieckens fest hineinpressen, ein 
Abgleiten der Zange dQrfte, wenn sie bis Qber die kind- 
liche Darmbeinschaufel hinaufreicht, ausgeschlossen sein. 
Durch den mechanischen Schluss der Zange, dessen In¬ 
tensity nach Bedarf verstftrkt werden kann, lfisst sich die 
ganze Kraft des Arztes lediglich auf die Extraktion ver- 
wenden. Eine Yerletzung des Kindes durch Bruch des 
Beckenringes wird die Applikation der Zange nicht her- 
vorrufen, da sowohl* das kindliche Becken noch sehr ela- 
stisch ist als auch die nicht aus Guss hergestellte, sondern 
durchwegs handgeschmiedete Zange neben Bruchsicherheit 
den ndtigen Grad von Elastizit&t gew&hrleistet. Der 
Schraubverschluss, der einen eminent starken Druck aus- 
zuQben imstande ist, die flaschenartige WOlbung der Branchen 
so wie die krftftige Konstruktion gestatten Yerwendung 
vor der Perforation zum Fixieren des Kopfes, nach der 
Perforation zur Extraktion an Stelle von Cephalotrib 
oder Kranioklast; man spart also eines dieser Instrumente. 

(Mttnch. m*d. Wocheniohrift 1911 Nr. 19.) 

— Die SchmersetiUnng bei der Geburt. Yon Prof. Dr. P. Strass- 
mann. Aus dem Vortrage des Autors greifen wir fol- 
gende Sfitze heraus: „Am wenigsten von alien Narcoticis 
beeinflusst den Geburtsverlauf nach meinen Erfahrungen 
das Chloralhydrat. Es ist ein vortreffliches Mittel, welches 
Sie in Dosen von 2 g, am besten in einem Tassenkopf 
voll warmen Wassers, als Halbklistier geben. Die Blase 
ist gesprungen, der Muttermund wenig erweitert — die 
Geburt macht keinen rechten Fortschritt, die Frau zeigt 


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22 


Schwaogerschaft, Geburt, Wochenbett. 


Unruhe, hat anhaltende Schmerzen, es kommen aber keine 
rechten Wehen. Geben Sie hier Chloral, lassen Sie die 
Frau schlafen, den Uterus einige Zeit ruhen, und Sie 
werden Dank dafQr ernten! Noch besser 1st es, es mit Mor- 
phium zu vereinigen. Ein altes Chariterezept, welches 
in der Privatpraxis reichlicher Verwendung fin den sollte, 

lautet: , , , . , . 

Rp. Chloral, hydrat. 4,0 

Morph, hydrochlor. 0,04 
Solut. gummos. ad 60,0. 

M. D. S. 1—2 standi. 1 EsslOffel 
in sasser Milch za nehmen. 

Nach dem zweiten, sp&testens nach dem dritten L&ffel 
pfiegt die Frau zu ruhen; Sie kOnnen so Ober die N&chte 
bei Erstgebfirenden hinwegkommen, 9 die Kr&fte der Frau 
werden nicht in der Erftffnung aufgebraucht, sondern fOr 
die Austreibung gespart. Auch Sie selbst werden sich . 
nicht erschOpfen, sondern Ihren Korper und Nerven for 
die Geburt frisch erhalten. Verschreiben Sie das Rezept 
besonders Primiparen! Lassen Sie es, wenn Schmerzen 
und Unruhe starker werden, nehmen, dann werden Sie 
guten Erfolg sehen und in der Austreibung nichts brauchen! 
Dieses Mittel ist immer auf dem Kreisssaal bei mir vor- ! 
handen. Die Geburt wird nicht gehemmt, ebensowenig 
wie den Kindern etwas dadurch geschieht! w 

(Berliner klin. Wochengchrift 1911 Nr. 22.) 

— Wehen vers t&rkung and Wehenerregnng darch Pituitrin. 

Yon Dr. R. Stern (Kgl. Univers.-Frauenklinik zu Breslau). 
Dale und v. Frankl-Hochwart haben im Tierexperi- 
ment die Wirkung des Pituitrins, das aus dem hinteren 
Anteil der Hypophyse extrahiert wird, auf den Uterus 
studiert und dabei die wichtige Tatsache festgestellt, dass 
das Pituitrin die Erregbarkeit des Uterus erh&ht und ihn 
zu regelmtissigen, mitunter maximalen Kontraktionen an- 
regt. Es mussten die tierexperimentellen Ergebnisse die 
Anregung geben, die kontraktionserregende Wirkung des 
Pituitrins auch in dfer praktischen Geburtshilfe zu er- 
proben. So konnten Foges und Hofst&tter Qber gfin- 
stige Erfolge bei der Bek&mpfung von Postpartumblutungen 
berichten ahnlich denjenigen, welche Neu mit dem phar- 
makologisch dem Pituitrin verwandten Suprarenin erzielt 
hatte. Da die so erzeugten Uteruskontraktionen den physio- 
logischen Wehen sehr fihnlich waren, ging dann Hof- 
bauer dazu fiber, das Prftparat auch zur WehenverstSr- 


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Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett. 


23 


kung zu verwenden, und er konnte dabei Qber sehr gQnstige 
Resultate berichten. Diese aussichtsvollen Ergebnisse ver- 
anlassten, auch an der Breslauer Frauenklinik zuerst die 
Wirkung des Pituitrins bei Wehenschw&che zu studieren. 
Man injizierte subkutan Dosen von 0,6 bis 1 cent. Die 
Wehen besserten sich danach meist prompt, wodurcb der 
Geburtsverlauf offenbar wesentlich beschleunigt wurde, 
ohne dass das Kind Scbaden nabm. So wichtig nun auch 
diese wehenverst&rkende Wirkung des Pituitrins fQr die 
praktische Geburtshilfe ist, so scheint doch fQr das exakte 
Studium der Wirkung die Anwendung bei Wehenschw&che 
nicht die beste Versuchsform zu sein. Denn bei.bestehender 
Wehent&tigkeit lfisst die Beurteilung eines wehenverst&r- 
kenden Einflusses immerhin dem subjektiven Ermessen 
des Beobachters noch einen gewissen Spielraum. Einen 
mehr objektiven Wert mQssen Versuche haben, vor dem 
physiologischen Ende der Schw. mit Pituitrin Wehen zu 
erzeugen, die Geburt einzuleiten und zu Ende zu fQhren. 
Eine solche Versucbsanordnung kann fast einem physio¬ 
logischen Experiment gleichgestellt werden. Zufallig hatte 
Autor in letzter Zeit wiederholt Gelegenheit, solche Ver- 
suche auszufQhren. 

In dem ersten Fall handelte es. sich um eine 32j&hr. 
Sechstgebftrende mit schwerer Larynx- und Lungentuber- 
kulose, die in der 32. Schwangerschaftswoche kam. Da 
die Lebensfahigkeit des Kindes noch fraglich war, wartete 
man trotz der schweren Erscheinungen noch. ab; nach vier- 
wbchiger Beobachtung hatte sich der Zustand jedoch noch 
wesentlich verschlimmert, so dass man sich jetzt bei sicher 
. lebensf&higem Kinde doch zur Einleitung der Frilhgeburt 
entschloss. Die ftusSere Untersuchung liess Zwillinge 
vermuten, die innere Untersuchung ergab geschlossenen 
Muttermund, erhaltene Cervix. Die erste, um 1 Uhr 50 
Minuten vorgenommene subkutane Injektion von 0,6 ccm 
Pituitrin war nach 20 Minuten von regelm&ssigen schwachen 
bis mittelkr&ftigen Wehen gefolgt, die nach zirka zwei 
Stunden seltener wurden, dann nur noch vereinzelt auf- 
traten, um schliesslich vollstSndig aufzuhOren. Schon diese 
Geburtsarbeit hatte einen gewissen Erfolg; denn am n&chsten 
Morgen ergab die Untersuchung einen fQr zwei Finger 
.durckgfingigen Muttermund. Eine erneute Injektion hatte 
wieder das gleiche Ergebnis: eine Stunde kraftige, regel- 
m&ssige Wehen, dann seltenere, worauf die Wirkung all- 
mfthlich abklang. Am n&chsten Morgen war der Muttermund 
dreimarkstQckgross. Zwei weitere Injektionen erzielten 


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Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett. 


wiederum eine regelm&ssige Geburtsarbeit, die um 6 Uhr 
25 Minuten zum Blasensprung, 6 Uhr 30 Minaten zur 
Geburt eiues lebensfrischen, 44 cm langen Kindes, 6 Uhr 
40 Minuten zur Steissgeburt eines ebenfalls nicht asphyk- 
tischen zweiten Zwillingskindes fGhrte. Die Nachgeburt 
folgte nach ffinf Minuten ohne wesentliche Blutung. 

Im zweiten Fall handelte es sich um eine Vllpara 
mit schwerer Nephritis, die man zun&chst drei Wochen 
di&tetisch und raedikamentfts behandelte. Als aber dann 
in der 39. Schwangerschaftswoche die Urinausscheidung 
sich plOtzlich verminderte, Kopfschmerz und Schwindel- 
gefOhl auftraten, so dass man ein Coma oder eine Eklam- 
psie befQrchtete, beschloss man, die Geburt einzuleiten. 
Die Untersuchung ergab Sch&dellage, 2 cm lange Cervix, 
far einen Finger knapp durchgfingigen Muttermund. Jeder 
einzelnen Pituitrininjektion von 0,6 bis hbchstens 1,0 ccm 
folgte prompt eine Wehenperiode von einer bis mehreren 
Stunden, nach der wieder bis zur nfichsten Injektion voll- 
kommene Uterusruhe eintrat. Der Muttermund war am 
zweiten Tag far zwei Finger durchg&ngig, am dritten drei- 
und fanfmarkstackgross, am vierten handtellergross und 
vollst&ndig erweitert. Am vierten Tag 11,15 vormittags 
sprang die Blase. Da die Untersuchung Armvorfall ergab, 
wurde gewendet und ein lebendes, fast reifes Kind extra- 
hiert. Die Nachgeburt erfolgte nach 15 Minuten. Die 
Mutter erholte sich im Wochenbett gut, in wenigen Tagen 
war die Urinausscheidung wieder normal, das Eiweiss ge- 
schwunden. 

Im dritten Fall wurde wieder wegen schwerster La¬ 
rynx- und Lungentuberkulose aus vitaler Indikation auf 
Anraten des Laryngologen die Frahgeburt in der 32. Woche 
eingeleitet. Hier versagte die gewdhnliche Dosis Pituitrin 
von 0,6 ccm ganz, auf 1 ccm folgten zwar regelm&ssige, 
aber nicht sehr kr&ftige Wehen, grdssere Dosen von 2 ccm 
mit Nachinjektion von noch 1 ccm hatten wohl eine bessere 
Wirkung, aber immerhin konnte die ganze Geburtsarbeit 
der ersten drei Tage nur eine Erweiterung des ursprQng- 
lich geschlossenen Muttermundes auf Fingerdurchg&ngig- 
keit erzielen. Als deshalb am vierten Morgen eine aber- 
malige Injektion von 1 ccm wieder ganz wirkungslos war, 
erachtete man den Fall fGr ungeeignet zur Pituitrinbehand- 
lung, zumal die Pat. jetzt recht ungeduldig zu werden 
begann. Man legte daber eimn Hystereurynter ein. Aber 
auch die Hystereuryse liess im Stich, sie erzielte in 6 V* 
Stunden nicht eine einzige Wehe. Auch nach dieser Zeit 


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Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett. 25 

war der Muttermund nur far einen Finger durchgftngig. 
Deshalb wurde um 4,36 Nachmittag wieder 1 com Pituitrin 
bei liegendem Ballon gegeben, und zwar mit eklatantestem 
Erfolg. Es begann nach vier Minuten eine ausserordent- 
lich kr&ftige Wehentatigkeit, die, durch eine weitere In- 
jektion unterstatzt, nach elf Stunden zur Geburt des 
Ballons fahrte. Da gleichzeitig die Nabelschnur vorfiel, 
wurde das in Steisslage liegende Kind sofort extrahiert; 
die Nachgeburt folgte erst nach 50 Minuten. 

In den beiden ersten Fallen gelang es also, durch 
Pituitrin allein die Geburt in Gang zu bringen, im letzten 
Fall hatte Pituitrin erst in Kombination mit der Hyster- 
euryse einen zweifellosen Erfolg. Dabei hatten die aus- 
gelbsten Kontfaktionen nie den Cbarakter von Krampf- 
wehen, sondern der Uterus erschlaffte in den Wehenpausen 
auch bei sehr starker Wehentatigkeit stets gut, so dass 
die kindlichen Herztdne niemals verschlechtert wurden und 
das Kind keinen Schaden nahm. Auf das Befinden der 
Mutter hatte das Pituitrin nie einen ungtinstigen Einfluss, 
auch nicht in dem Falle von Nephritis. Verwendet wurde 
das Praparat von Parke, Davis & Co. 

(Schl€B. Gesellscbaft f. vaterl&nd. Kultur in Breslau, 30. Juli 1911. — 
Berliner kiln. Woclieunchiitt 1911 Nr. 32.) 

— Pituitrin in der gebnrtshilflichenPraxis. Von Dr. O. Bondy 
(Univers.-Frauenklinik Breslau). Das Praparat wurde in 
zehn Fallen von Wehenschwache und abnorm langer Ge- 
burtsdauer angewandt. (Erst- und Mehrgebarende, samt- 
lich Schadellagen). Ein teilweiser Erfolg, ein Versager 
(altere Erstgebarende, Steisslage, sehr grosses Kind, sehr 
schlechte Wehen), acht voile Erfolge. Letztere werden 
durch folgende Tabelle charakterisiert. 


Dauer der Geburt 
v or | nach 
der Pituitrininjektion_ 


33 

Stunden 

45 Minuten 

44 

)) 

30 

48 

» 

15 

23 

Y> 

5 + 5 T> 

(Gemini) 

36 

W 

35 Minuten 

27 

Y> 

60 

44 

V 

10 

32 

W 

29 

Durchschnitt: 36 Stunden 

28 Minuten 


(Ebenda.) 


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Syphilis. 


Syphilis. Die Bedeutung der Wassermannschen Reaktion 
fttr die Therapie der S. Von Dr. J. Citron (Berlin). 
Die Bedeutung liegt darin, dass erstens eine Behandlung in 
den F&llen mbglich ist, in denen wir bisher die S. nicht 
mit Sicherheit diagnostizieren konnten, sei es, dass die 
Ersclieinungen nicht eindeutig' waren (differential-diagno- 
stisch schwierige Falle), sei es, dass die Erscheinungen 
ganz fehlten (Lues asymptomatica); dass wir zweitens 
einen individuellen Massstab fQr die Dauer der einzelnen 
Kur und fOr die H&ufigkeit ihrer Wiederholung besitzen 
(hierbei muss es als Regel gelten, dass eine jede Behand¬ 
lung so weit fortzusetzen ist, bis eine dauernde negative 
Reaktion erzielt wird); dasS wir drittens in der Wasser¬ 
mannschen Reaktion ein Mittel besitzen, um den thera- 
peutischen Effekt der verschiedenen antisyphilitisch wir- 
kenden Mittel biologisch zu beurteilen. 

(Therapeutische Moratshefto, Juli 1911.) 


— Znr lokalen Therapie des Ulcus venereum. Yon Dr. W. Luth 
(Thorn). Autor fttzt den Primfiraffekt mit reiner Karbol- 
s&ure und bestreut ihn darauf dick mit Mucosan, eventuell 
wiederholt er das Einpudern am zweiten und dritten 
Tage. Regelmfissig sieht man dann in sehr wenigen Tagen, 
bisweilen schon nach 24 Stunden den Belag verschwinden, 
worauf die Heilung erfolgen kann. Einen Vorzug des 
Yerfahrens sieht Autor neben der schnellen Heilung na- 
mentlich darin, dass das gesamte infiltricrte Gewebe zer- 
stbrt wird; der dadurch entstehende, oft recht grosse 
Substanzverlust fdllt sich sebr schnell aus und die Wunde 
heilt immer im Niveau der Umgebung. Es scheint, dass 
diese Bebandlung dasselbe leistet wie die Exzision, aber 
vor dieser den Yorzug hat, dass sie Oberall angewandt 
werden kann. Beim Ulcus molle tritt der Wert dieser 
Therapie besonders beim Ulcus ad frenulum hervor, dss 
hierbei, wenn man das Pulver in alle Taschen und Fatten 
einreibt, mit einem Schlage heilt. Seit Januar d. J. ver- 
wendet Autor bei frischen Primftraffekten zur ersten All* 
gemeinbebandlung das franzdsische Arsenprfiparat Hektin, 
wodurch die Sklerose meist in drei bis vier Tagen heilt, 
so dass eine Lokalbehandlung nicht ndtig ist; aber in den 
F&llen, in denen die Injektionskur hinausgeschoben werden 
muss, und beim weichen Schanker ist die Behandlung 
mit Mucosan sehr zu empfehlen. 

(Monatshefte f. prakt. Dertnatologie 1911 Bd. 53 Nr. 1.) 


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Syphilis. 


27 


— Ein schwerer Zufall nach Salvarsan. Von Dr. Curt Mann, 
Spezialarzt far Hautkrankheiten in Dresden. Autor schreibt: 
„Pat. S., ein kr&ftiger, immer frisch und gesund aus- 
sehender j unger Offizier, stand seit November 1909 in 
meiner Behandlung wegen Lues, die er August 1909 ak- 
quiriert hatte. Er machte, nachdem er vorher von anderer 
Seite mit Luesan und JNa behandelt worden war, fOnf 
Inunktionskuren, deren letzte April 1911 beendet war. 
W.-R. 8. II. -h Da Pat. heimlich verlobt war und mit 
der Heirat dr&ngte, aber wfihrend der Behandlung mehr- 
fach Tonsillenrezidive zeigte (zuletzt Febr. 1911), gab 
ich ihm am 24. VI. nachmittags Salvarsan 0,6 intravends. 
Ich verabreichte absichtlich die hohe Dosis von 0,6, da 
ich eine rasche und energische Wirkung zu erzielen 
wtinschte. Wider meinen Rat blieb Pat. nur wenige Stunden 
danach liegen, ging an demselben Abend aus und trank 
bereits am zweiten Tag nach der Injektion Sekt in seiner 
Garnisonstadt, in die er wieder zurQckgefahren war. Am 
28. VI. erfuhr ich, dass Pat. seit frdh 3 Uhr in einem 
schweren Anfall bewusstlos im Garnisonlazarett liege. 
Der kurz darauf eintreffende Bericht des Oberstabsarztes 
enthfilt folgende Angaben: ,Vollige Bewusstlosigkeit ohne 
jede Reaktion, tonisch-klonische Kr&mpfe der Extremit&ten 
und der Kaumuskulatur, weite, trfige reagierende Pupillen, 
keine ausgesprochenen Lahmungen. Die Temperatur stieg 
gegen Mittag auf 39,6, die Bewusstlosigkeit blieb. Gegen 
3 Uhr unwillkdrliche Harnentleerung. Lungen und Herz 
ohne Ver&nderungen.‘ — Ich besuchte den Pat. sofort 
und fand den- beschriebenen- Zustand. Erst am 30. VI. 
kehrte das Bewusstsein allm&hlich zurOck, und am 12. VII. 
besuchte mich Pat. in Dresden, frei von alien angegebenen 
nervOsen Erscheinungen, um sich Ratschl&ge ftir eine be- 
absichtigte Badekur zu holen. — Es handelte sich also 
um einen drei Tage nach einer intravendsen Salvarsan- 
injektion eingetretenen Anfall vQlliger Bewusstlosigkeit 
von zirka dreit&giger Dauer bei einem j ungen kr&ftigen 
Mann mit latenter Lues. Ein technischer Fehler bei der 
Injektion ist ausgeschlossen. Bei meinem Versuch, die 
Ursache des Zwischenfalls durch Ausfrage des Pat. zu 
eruieren, gab dieser an, frQher einmal einen schnell vor- 
Qbergehenden Anfall gehabt zu haben, bei dem er sich 
in die Zunge gebissen habe; auch soli die Mutter nervSs 
sein. Mir scheint als Erkl&rung am n&chstliegenden an- 
zunehmen, dass eine leichte Disposition zu epileptiformen 
Anf&llen vorliegt, deren einer durch die Salvarsaninjektion, 


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28 


Syphilis — Tuberkulose. 


vielleicht begQnstigt durch das unvorsichtige Verhalten des 
Pat. nach dem Eingriff, ausgeldst worden ist. Weniger 
wahrscheinlich w&re wohl die Erkl&rung, dass im Gehirn 
oder dessen nfichster Umgebung Spirochftten vorhanden 
waren, die durch das Medikament zur Reaktion gebracht 

Wurden. “ (Mtinch. med. Woohenachrift 1911 Nr. 81.) 

Tuberkulose. Jothionbehandlung tuber knlbser Gelenk- 
entztlndungen. Yon Dr. Hauser (Neues Vincentius- 
Krankenhaus in Karlsruhe). T&gliche Einreibungen von 
10°/oiger Jothionsalbe (neben absoluter Ruhestellung) 
haben sich bei chronischen und akuten Gelenktuberkulosen 
bestens bewfihrt, wenn der Krankheitsprozess noch nicht 
den Knochen ergriffen hatte, sondern nur die Weichteile. 
Es wurden hier Erfolge erzielt, auch wenn die Erkrankung 
anderen Behandlungsmethoden hartn&ckig widerstanden 

hatte. (Medizin. Kliuik 1911 Nr. 26.) 

— Ein neues Pr&parat zur Behandlung der Skrofolose und 
cbirurgiscben T. empfiehlt Dr. B. Mosberg, Spezialarzt 
f. orthop&dische Chirurgie (Bielefeld), als Ersatz fQr die 
Kappessersche Schmierseifenbehandlung. Diese hat zwar 
zweifellose Erfolge aufzuweisen, aber manche Leute wollen 
von der „Schmierseife M nichts wissen und wbnBchen lieber 
eine Salbe; auch hat die Schmierseife oft erhebliche Reiz- 
wirkung. Mit UnterstQtzung der chemischen Fabrik Krewel 
& Co. in Kbln ist es Autor nun gelungen, ein Pr&parat her- 
zustellen, das nicht nur die Wirkung der Sapo kalinus 
ohne schftdigende Nebenerscheinungen voll zur Geltung 
bringt, sondern sogar deren Heilwirkung noch zu ver- 
stftrken scheint. Diese Salbe besteht aus einer nach be- 
sonderem Yerfahren bereiteten hdchst innigen Mischung von 

80% Sapo kalinus 

17% Sapen 
3% Sulfur praecipitat. 

die mit einer Spur indifferenten fttherischen Oeles etwas 
parfQmiert und auf einen konstanten Alkaligehalt von 
0,40% eingestellt wird.*) Sie stellt eine weichliche, wohl- 
riechende, sehr leicht verreibbare, gelbliche Masse dar. 
Der Zusatz des absolut reizlosen Sapens, das sich bekannt- 
lich durch seine ausserordentlich grosse Durchdringungskraft 


*) Die Salbe wird unter der Bezeichnung „Sudian“ in dreieckigen 
weissen Kruken zu 90 g Inhalt in den Aizneimittelverkehr gebracht. 


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Tuberkulose. 


29 


fdr tierische Gewebe auszeichnet und deshalb von der Haut 
leicht und vollstandig resorbiert wird, hat sich bestens 
bewShrt und bedingt offenbar ein tieferes Eindringen der 
Sapo kalinus in die Haut und damit eine verstSrkte spe- 
zifische Wirkung der Schmierseife. Nicht zu unterschiltzen 
ist ferner der kleine Zusatz von Sulfur praecipitat. Die 
gttnstige Wirkung des Schwefels auf die Haut ist allge- 
mein anerkannt; Sulfur wird aber auch erfolgreich bei 
Chlorose und Skrofulose verwandt, so gibt es Chlorose- 
formen, welche nicht auf Eisen, wohl aber auf Schwefel 
gut reagieren, sei es, dass hier der S.-Gehalt des Nahrungs- 
eiweisses nicht ausreicht, sei es, dass S. als Reiz far die 
Blutbildung reagiert u. a. Die neue Salbe ist absolut 
reizlos. Ausser an Kindern, welche diese Salbe ohne jede 
Nebenerscheinungen ertrugen, hatte Autor ein besonders 
gutes Yersuchsobjekt an einer Krankenschwester seiner 
Privatklinik. * Dieselbe litt fraher an einem hartn&ckigen 
Ekzem und hat eine ausserordentlich empfindliche Haut, 
sie bekam schon stets dadurch, dass sie die Pat. einrieb, 
eine mit brennendem Gefahl einhergehende Rotung der 
Handfl&chen. Bei dem Versuch mit diesem neuen Prfi- 
parat dagegen verspQrte sie gar nichts, auch dann nicht, 
als Autor die Salbe ■ zehn Minuten lang auf die empfind- 
lichsten Stellen ihrer Haut — Hoblhand und Ellbogen- 
beuge — einwirken liess; es zeigte sich nicht einmal eine 
geringe Rdtung. Was nun die Anwendungsform dieser 
Salbe anbetrifft, so kann man das Mittel, da es reizlos 
ist, energischer als die Sapo kalinus benutzen. Kappesser 
empfiehlt, die Sapo kalinus wegen ihrer empfindlichen Reiz- 
wirkung zwei- bis dreimal wochentlich 1—2 Kaffeeloffel 
voll einzureiben, diese Salbe dagegen lftsst Autor tfiglich 
(etwa ein Kaifeelftffelvoll fdnf Minuten lang) einreiben, 
die Stelle mit Flanell bedecken und nach 20 Minuten mit 
warmem Wasser abwaschen. An jedem Tage wird ein 
anderer Kbrperteil (abwechselnd Brust, Rftcken, Leib, 
Arme, Beine) vorgenommen. 

(Fortschritte d. Medizio 1911 Nr, 32.) 

— Die Behandlnng der Lungentuberkulose mit Menthol ist 

nach Stepp (Ntirnberg) sehr empfehlenswert. Er appli- 
ziert das Menthol perkutan in Form einer Schmierkur, 
indem er eine 33°/oige Salbe wie folgt ordiniert: 

Rp, Menthol. 12,5 

Eucerin. anhydric. 25,0 

M. f. ung. S. In 5 Tagen zu verbrauchen. 


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30 


Tuberkulose. 


An den fQnf Tagen werden je zehn Minuten eingerieben: 
je eine RGckenb&lfte, Brust, rechter und linker Ober- 
scbenkel. Die Behandlung hat mindestens 4—5 Monate 
fortzudauern, dann sind aber auch die Erfolge — selbst 
in schweren Fallen — recht befriedigend. Eine fertige 
Mentholsalbe in Tuben unter dem Namen „Ceromentum“ 
liefert die Eucerinfabrik in Aumund bei Bremen. 

(Klin.-therap. Wochenschrift 1910 Nr. 24.) 

— Ueber die Wirkung von Asphaltd&mpfen *) bei der Behand- 
lnng von Lungenerkranknngen und Broncbitiden. Von 

Dr. Pick (Charlottenburg). Was Autor veranlasst hat, 
Lungenkatarrhe mit Asphaltdfimpfen zu behandeln, war die 
prompte, fast sofortige Wirkung derselben auf die immer 
vorhanden gewesene Appetitlosigkeit. Autor hat in einigen 
Fallen durch Hebung des Appetits gleicb im Beginn der 
Behandlung nach der ersten Woch<? Gewichtszunahme bis 
zu 3'/4 kg konstatieren kCnnen, obne dass die Einatmungen 
noch durch anderweitige, interne Medikation unterstQtzt 
wurden. Es muss wohl auf die Magenschleimhaut ein in- 
tensiver Reiz ausgeilbt werden, der den Appetit energisch 
anregt. Und die nicht unangenehme Art der Dampfe ist 
auch ein nicht zu unterschatzender Faktor bei dieser Be- 
handlungsart. Die Schleimhaute des Rachens und des 
ganzen Respirationstraktus werden nicht gereizt, und die 
Pat. sind ohne alle Nebenerscheinungen imstande, sich eine 
Stunde in einem solchen Inhalationsraum aufzuhalten. Die 
Expektoration nimmt im Beginn der Behandlung zu, um 
nach einiger Zeit sich zu verringern bzw. ganz zu verlieren. 
Nachtscbweisse vermindern sich und gehen in vielen Fallen 
ganz zurQck. Das Allgemeinbefinden der Pat. besserte 
sich infolge RQckgangs verschiedenster Symptome derartig, 
dass sie sich erheblich erleichtert fGhlten. Die Pat. waren 
wahrend der Behandlungszeit arbeitsfahig oder aber, falls 
eine Arbeitsunfahigkeit bestand, konnten sie nach mehr- 
wochiger Behandlung wieder beruflich tatig sein. Die 
Versuche, die vor einem Jahre begannen, haben Erfolge 
gezeitigt, die bei intensiver Behandlung von Dauer waren. 
In alien Fallen hat Autor die Behandlung mit Asphalt* 

*) Asphalt ist in Tablettenform im Handel. Autor benutzte entweder 
das „Fumiform“ (Firms E. Ritsert in Frankfurt a. M.) oder das „Eufuman“ 
(Kaieer-Friedrich-Apotheke in Berlin), welches auch als Eufuman. liquid, 
hergestellt wird und mit dem Spiessschen Vernebeler eine reizlose Yer- 
nebelung gibt, die in der Praxis elegans sehr zu empehlen ist. 


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Tuberkulose. 


31 


d&mpfen noch mit.der Kuhnschen Saugmaske kombiniert, 
die er tfiglich einmal ca. 15—20 Minuten lang umlegen 
Hess. Die Brustkorbweitungen ’ sind zweifellos in erster 
Linie auf das Konto der Lungensaugmaske zu setzen, 
w&hrend die Appetitlosigkeit und die katarrhalischen Er- 
scheinungen durch die Asphaltdftmpfe bzw. -nebel zurflck- 
gingen. Die gQnstigen Erfolge mit Asphaltdampfen lassen 
diese Art der Behandlung nicht nur in der allgemeinen 
Praxis, sondern auch ganz speziell in unseren Lungenheil- 
st&tten als sehr geeignetes UnterstOtzungsmittel erscheinen, 
and es wQrde sicherlich eine grosse Ersparnis an Medi- 
kamenten eintreten, wenn durch eine so wohlfeile Art der 
Behandlung Appetitlosigkeit, eine Folgeerscheinung von 
Lungenerkrankungen, aufs schnellste beseitigt wird. Die 
Hebung des Appetits ist bei diesen Erkrankungen eine 
conditio, die wir in erster Linie zu erfGllen haben und 
die hierdurch meistens auch erfQllt wirdi 

(Allgem. med. Zentral-Ztg. 1911 Nr. 27.) 


— Tuberkulose-Prophylaxe. Yon Dr. O. Moszeik (Weimar). 

Man kann wohl mit dem Autor der Meinung sein, dass 
alle Methoden zum Auffangen des Sputums bei Lungen- 
leidenden unzweckmfissig bzw. mangelhaft sind, und wird 
seinen Yorschlag, der mit s&mtlichen Nachteilen der Spuck- 
schalen, Speiglfiser und Hustenfl&schchen vollkommen auf- 
raumt, mit Freuden begrGssen. Es handelt sich bei seiner 
Idee — und das ist ihr grbsster Vorzug—um das denkbar 
Einfachste, um DQten aus wasserdichtem Papier. Die DQten 
sind 10 cm lang, 6 l /« cm breit, die oberen Rander so zu- 
geschnitten, dass ein Oeffnen nach dem GefQhl allein ohne 
Schwierigkeit mbglich ist. Ein besonders sorgffiltiges Kle- 
ben des Bodens und die Verwendung eines der Feuchtig- 
keit Widerstand bietenden Leimes schliesst Lecken aus. 
Die Dflten vertragen starken Druck, so dass man z. B. 
nach Benutzung auf sie herauftreten kann, ohne dass sie 
platzen. Die SpuckdOten haben folgende Vorzfige: 

1. Sie schliessen das Sputum und damit die Bazillen 
sic her bis zur Zerstbrung von der Aussenwelt ab. 

2. Die Anwendung ist untlbertroffen an Einfachheit. 
Man nimmt eine Dote aus der Tasche, bffnet sie, speit 
hinein, faltet sie auf, biegt die oberen Ecken nach hinten 
um und steckt sie wieder in die Tasche, bis man nach 
Hause kommt. Jede Dilte wird nur einmal gebraucht. 
Sie bleibt aussen vollkommen sauber. 


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Tuberkulose — Vermischtes. 


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3. Die Benutzung ist—-was man nicht untersch&tzen 
darf, — ganz unauff&llig, besonders wenn man, wie es Autor 
hat tun lassen, den Daten die ungef&hre Farbe der mensch- 
licben Haut gibt. 

4. Die Daten haben so gut wie kein Gewicht, kdnnen 
also von jedem, auch von Damen, bequem in der Tascbe 
mitgefOhrt werden. 

5. Daneben spucken ist unmbglich, weil man die 
neue, saubere Dote unmittelbar an die Lippen legen kann 
und ausserdem die Oeffnung sebr gross ist. 

6. Reinigung und Desinfektion kommen in Fortfall; 
man wirft die Daten nach Gebrauch einfach ins Feuer 
und vernichtet damit die Bakterieq auf die sicherste Weise. 
Die Brennbarkeit der Daten kann, falls erforderlicb, leicbt 
durch einen chemischen Zusatz erhOht werden. 

7. Die Daten sind ausserordentlich billig. Der Durch- 
schnittsphthisiker expektoriert in 1 Stunde etwa 1 mal, 
sagen wir 20 mal an einem Tage, wobei zweimaliger Aus- 
wurf w&hrend der Nacht von acht Stunden in Anschlag 
gebracht sei. Bei einem Preise von 14,00 M. pro 10000 
DQten belaufen sich demnach die Unkosten auf noch nicht 
3 Pf. pro Tag, eine Summe, welche keine Rolle spielt, 
aberdies noch herabgedrOckt werden wird, sobald man den 
Artikel in Massen bezieht. Die SpuckdQten sind zu Hause, 
im Hospital und unterwegs gleich zweckdienlich, man 
kann sie aber natQrlich far besondere Ffille in verschie- 
dener Form packen lassen. FDr die Tasche eignen sich 
kleine Partien in Streifband zu etwa zehn Stack, fOr 
Wobnrftume Blocks, wie wir sie vom Skattisch oder vom 
Abreisskalender her kennen. For den bettl&gerigen Kranken 
kann man sie an die Wand h&ngen, dass dieser selbst 
nachts imstande ist, eine Date abzureissen und zu be- 
nutzen, ohne Licht zu machen. Zum Sammeln der ge- 
brauchten Dttten bis zur Vernichtung dient der Papier- 
korb oder etwas fthnliches, selbst eine Zigarrenkiste ge- 
nttgt. Far Kassen kilme ein Aufdruck in Frage. 

(Deutsche med. Wochenschrift 1911 Nr. 27.) 


Vermischtes. 

Zur Bequemlichkeit beim Bade dienen zwei von der Firma 
Moosdorf & Hochh&usler in Berlin konstruierte ZubehOr- 
gerftte: Die Kopfstiitze (Preis: 8 M.), die dem sonst nur 
mahsam aufrecht gehaltenen Kopfe des Badenden die will- 


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Vermischtes. 


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kommene Unterstfitzung und den Nackenmuskeln den not- 
wendigen Ruhepunkt bietet — sie kann anch zum Auf- 
stellen dcr Beine benutzt werden — besteht aus einem 
verstellbar angeordneten Gurt mit zwei Haltern; letztere 
sind an zwei Metallplatten befestigt und kfinnen auf jeder 
Wanne mit Ausschweifung oder jeder gusseisernen eraail- 
lierten Badewanne eingeh&ngt werden. Wenn mit dem 
Bade eine ausgiebigeK6rperreinigung,eineSeifenabwaschung 
verbunden werden sell, bietet der Badewannensitz (Preisi 
22 M.) eine wesentliche Erleichterung. Er besteht aus 
einem schwebenden Bfinkchen aus poliertem Eichenholz, 
das auf zwei metallene Auf hanger aufgeschraubt ist; diese 
sind in ihrem Oberteil nach aussen gebogen und greifen 
hier fiber den Wannenrand. Sie sind in der Breite ver¬ 
stellbar und oben mit Gummischlauch fiberzogen. Auch 
ffir Teilmassagen, Frottierungen^ Verbandq, besonders auch 
ffir altere, gebrechlicbe Leute, hat der Sitz entschieden 
Vorteile. (Arztl. Polytecbnik 1911 Nr. 1.) 

— fflinische Versuche mit Ovarialsubstanz. Yon Dr. H. Offer- 
gel d (Frankfurt a. M.). Autor hat Ovaraden (Knoll) ffir 
sich oder in Verbindung mit Triferrin (Ovaradentriferrin- 
Tabletten) mit gutem Erfolge benutzt bei CHlorose und 
den diese begleitenden Erscheinungen seitens der Genital- 
organe, bei plotzlicher Suppressio mensium (infolge Aen- 
derung der Lebensweise, Erkfiltung, Schreck usw.), bei 
den mit genitalen Stfirungen begleiteten sekundfiren An- 
amien (Erschfipfungszustande nach langdauernden endo^ 
metri8chen und Abortblutungeri, Laktationsatrophie), ferner 
zur Bekarapfung von Wallungen und Stfirungen des naso- 
motorischen Systems (bei Klimakterischen, auch bei nor- 
maler Menstruation, in der Graviditfit). 

(Deutsche' med. Wochenscbrift 1911 Nr. 25.) 


— Ueber Herzklopfen. Yon Privatdozent Dr. M. Herz (Wien). 

Bezttglich der Therapie sei nur kurz das Folgende er- 
wahnt: „Von den physikalischen Prozeduren erweisen sich 
die Umschlage am wirksamsten. Es wird nur gewfihnlich 
der Fehler begangen, dass man die Temperaturen der- 
selben zu niedrig bemisst. Der Eisbeutel scheint direkt 
erregend zu wirken, wahrend der beruhigende Einfluss 
des zimmerwarmen Wassers am besten in der Form des 
Leiterschen Kfihlapparates eine beruhigende Wirkung 
entfaltet. Unter den Medikamenten versagt zumeist das 
gewohnlich verordnete Brom; auch die an sich schon un- 

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Vermischtes. 


gerechtfertigte Yerwendung der Digitalis ist wirltungslos. 
Strophantus wird von den Pat. meist geiobt, doch ist. es 
gewiss zweckm&ssiger, dasselbe durch die harmlosen und 
mindestens ebenso wirksamen Valeri anapr Spar ate zu er- 
setzen. Yom Chinin in kleinen Dosen (tfiglich dreimal 
0,1) sehe icb oft sehr schOne Erfolge. Gegenfiber dem 
Herzklopfen der Bradykardie ist Atropin am Platze. In- 
direkt ist das Herzklopfen vom Magendarrakanal zu be- 
handeln, wenn eine Hochdrfmgung des Zwerchfelles durch 
Meteorismus vorliegt, und zwar durch entsprechende Dilit- 
vorschriften ev. Abffihrmittel oder Bauch massage. “ 

(KUn.-therap. Wochensohrift 1911 Nr. 21.) 

— Znr Praxis der Rektalern&hrong. Von Dr. J. Klinkow- 
stein (Krankenhaus d. Jfid. Gemeinde in Berlin). Ver- 
sucbe fiber Resorption von Sahne-Pankreatinklisiieren. Die 
Versuche wurden nur an solchen Pat. angestellt, welche 
per os entweder nichts geniessen konnten (Stenosis car¬ 
diac) oder nichts geniessen durften (blutendes Ulcus ven- 
triculi). Es fiel in den Versuchen also jede Nahrungs- 
zufubr per os weg. Die Methodik der Untersuchungen 
war folgende: Beim Beginn der Versuche wurde morgens 
der Darm durch SpQlung grfindlich gereinigt. Eine Stunde 
sp&ter erhielt der Pat. ein Nfthrklistier, das aus. */< 1 Sabnc 
mit einer durch spezielle Untersuchung festgestellten Fett- 
menge, 5 g Pankreatin von Freund und Redlich, 25 g 
Pepton Witte, zwei Esslfiffel Traubenzucker und einer 
Messerspitze Kochsalz bestand. Ira Laufe des Tages 
wurde ein Tropfklistier mit physiologischer Kochsalzlfisung 
verabreicht und abends das Sahne-Pankreatinklistier wieder- 
holt. Dieser Turnus wurde mehrere Tage innegehalten 
und am Schluss der Darm wieder sorgffiltig durch Wasser- 
spfilungen gereinigt. Sfimtliche Stuhlentleerungen wurden 
ebenso wie das Material des letzten Reinigungsklistiers 
gesammelt und eingedampft. Aus dem gesamten Trocken- 
rfickstand wurde das Fett mit Chloroform im Soxhlet- 
schen Apparat extrahiert. Die Fettbestimmungen wurden 
stets doppelt angestellt. Das Ergebnis dieser Untersuchungen 
war in der Tat ein auff&lliges. In den beiden ersten 
Versuchen wurden gegen 50°/o des eingeffihrten Fettes 
resorbiert und im dritten Versuch allerdings war die Re¬ 
sorption noch grosser. Wenn es Autor auch durchaus 
fernliegt, aus diesen drei Versuchen schliessen zu wollen, 
dass stets eine derartige gute Ausnutzung der Sahne-Par.- 
kreasklistiere zu erreichen ist, und wenn er auch keinesfalls 


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•T 

ft* 


die Fehlerquellen des benutzten Untersuchungsmodus unter- 
sch&tzt, so glaubt er doch auf den'grossen Wert der Sahne- 
Pankreatinklistiere binweisen zu dfirfen. Freilich leiden 
diese Klistiere an dem Mangel, dass sie dem Pat. nicbt 
genfigend FlQssigkeit zuffihren, nnd man hat deshalb im 
Krankenhaas scbon langeZeit die Praxis, t&glich nur 
zwei N&hrklistiere nnd ein Tropfklistier — entweder von 
11 physiologischer Kochsalzlfisung oder je nach der Eigenart 
des Falles arfs 7* 1 Wasser, l U 1 Bouillon und V* 1 Wein, 
sowie zwei EsslOffel Traubenzucker und einer Messerspitze 
Kochsalz — zu verabfolgen. Auf diese Weise sucfit Autor 
nicbt nur die Menge der zur Resorption gelangenden Ka- 
lorien, sondern auch die Menge der in den Kfirper gelan¬ 
genden Fl&ssigkeit zu erhdben, welch letztere in roanchen 
Fallen bekanntlich gleicbfalls von grosser Bedeutung ist. 
Ueberhaupt scheint es Autor ganz allgemein am Platze, 
fQr die Nahrklistiere von den Pankreatinpraparaten einen 
generellen Gebrauch zu machen, und es ware nach dieser 
Richtung hin nur zu wfinschen, dass der Preis dieser 
Praparate ein niedrigerer ware, als er zurzeit noch ist, 
damit ihre Anwendung auf eine breitere Basis gestellt 

werden konnte. (Die Tberapie der Gegenwart, Mai 1911.) 

— Hdhenschielen nnd Stirnkopfschmerz. Von Dr. E. A. Hei- 
mann (Charlottenburg). In einem Vortrag in der Hufe- 
landischen Gesellschaft (9. III. 11) machte Autor darauf 
aufmerksam, dass das Hohenschielen recht wesentliche 
Beintracbtigungen des Allgemeinbefindens machen kann, 
die ohne Eenntnis des okularen Ursprungs alien sonstigen 
therapeutischen Massnabmen trotzen k5nnen. Die Symptome 
der Hyperphorie, des Hohenschielens, sind sehr mannig- 
faltig und variieren sehr bezQglich ihrer Schwere. Die 
Pat. klagen fiber unklares Sehen, fiber Verschwommen- 
heit der Bilder, fiber schnelle Ermfidung der Augen beim 
angestrengten Fernsehen — z. B. im Theater und in Aus- 
stellungen — und auch bei der Nahearbeit, beim Lesen 
und Schreiben. Werden die Augen stark in Anspruch 
genommen, so tritt Benommenheit des Kopfes, dumpfes 
DruckgefOhl in der Stirn, SchwindelgefOhl und Uebelkeit 
auf, besonders aber h&ufig wiederkehrende Supraorbital- 
neuralgien von ziemlicher Heftigkeit. Die Diagnose ist 
ffir den Spezialisten nicbt sehr schwierig, die Tberapie 
besteht in dem dauernden Tragenlassen von Prismen, die 
das Hohenschielen ausgleichen. Autor gibt folgenden 
Schulfall: „Es handelt sich um eine Dame von 47 Jahren, 

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die nach Aussage des sie behandelnden Arztes im ttbrigen 
vbllig gesund ist. Sie leidet seit vielen Jahren, — wie 
sie sagt, solange sie denken kann, — an taglich wieder- 
kehrenden heftigen Stirnkopfschmerzen, zu denen sich 
noch haufig Schmerzen im Gebiet des Occipitalis gesellen. 
Auch ausserhalb dieser Anf&lle leidet sie an Benommen- 
heit des Kopfes, an st&ndigem Verschwommensehen, so 
dass es ihr unmdglich ist, Gesellschaften, Ausstellungen 
und Theater zu besuchen. Sie hat auf beiden Augen 
normale Sehsch&rfe, sie ist etwas ubersichtig. Diese 
'Uebersichtigkeit ist von anderer Seite bereits fur die N&he 
und Feme ausgeglichen worden. Die Untersucbung des 
Auges ergab im fibrigen einen normalen Befund, nur ein 
deutliches HOhenschielen von Prisma 2 l /a Grad und eine 
sehr geringe Fahigkeit zur Ueberwindung entgegengesetzter 
Prismen. Autor verordnete der Pat. vor a U Jahren Nahe- 
und Fernglas kombiniert mit einem Prisma, Basis unten, 
und zwar so, dass die Pat. stets eines dieser Gl&ser tragen 
muss. Die Pat. hat seitdem keine Kopfschmerzen mehr, 
auch die Neuralgien im Genick sind vollkommen ver- 
schwunden. Sie fQhlt sich nach ihrer eigenen Aussage 

Wie neugeboren." (Berliner klin. Wochenschrift 1911 Nr. 23.) 

— Zementpaste. Yon Dr. Dreuw (Berlin). Die vom Autor 
gew&hlte Pastenform ist so konsistent, dass die Paste 
24 Stunden nach dem Auftragen eine die Haut panzer- 
artig umgebende Schicht bildet, die im grossen und ganzen 
der Haut anhaftet, im Qbrigen die Farbe von Zement hat 
und wegen der starken Haftf&higkeit an der Haut und 
wegen ihrer aufsaugenden und austrocknenden und da- 
neben reduzierend und antiseptisch wirkenden Eigenschaften 
ahnliche Wirkungen entfaltet wie der Ichtbyol-Zinkleim, 
wenn auch in schw&cherem Masse. Es hndet eben eine 
leichte Druckwirkung nach der Antrocknung der Paste 
auf die Haut statt. Die Zusammensetzung ist folgende: 

Rp. Sulfur, depurat. 10,0 
Ichthyol 5—10,0 
Pasta Lassar ad 100,0 
M. D. S. 

Als Indikationen kommen alle nassenden, besonders ekze- 
matbsen Dermatosen in Betracht, Ekzema cruris, Ulcus 
cruris, n&ssende Gewerbeekzeme, Pemphigus usw. Die 
Sekretion hbrt bald auf, die EntzQndung schwindet; die 


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Vermischtes. 


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Schmerzen lassen nach. Man kann, wenn man die redu- 
zierende Wirkung ' steigern will, auch Zus&tze machen, 
wie Teer (2—10°/o), Pyrogallol (2—10°/o), Anthrasol 
(5—10°/®). 

(Monatshefte filr praktieche Dermatologic 1911, Bd. 52 Nr. 3.) 

— Valid, ein neues Eiweissn&hrpr&parat, hat sie-h, wie Dir. J. Kerl 

mitteilt, auf der Medizin. Klinik in Graz bei sehr herunter- 
gekommenen Krankenbestens bewahrt. Das von derN&hr- 
mittelfabrik ^Zomarom** in MOnChen hergestellte Prfiparat 
wurde ausnahmslos gern genoinmen. 

(Osterreichische Arzte-Ztg. 1911 Nr. 15.) 

— Mnllzellstoff, hergestellt von der Mullzellstoff-Fabrik in Cassel, 

empfiehlt Marianne Peters (Berlin) als Sauglingswindeln, 
Krankenunterlagen u. dgl. Der neuerfundene Stoff ist 
eine Verbindung von Zellstoff, Mull und Pergamentpapier, 
chemisch rein und sehr aufsaugungsffihig. Die daraus 
verfertigten GebrauchsgegenstSnde stellen sieh nur so hoch, 
wie die Reinigungskosten der frQher benutzten (Unterlagen 
je nach Grosse und Starke 5—50 Pf., Windeln in Pak- 
kungen zu 100 Stack 5 M.). Sie werden nach einmaligem 
Gebrauch verbrannt, es ffillt also die Wflsche der Windeln 
fort, Unterlagen von an ansteckenden Krankheiten Leidenden 
werden sofort beseitigt, Vorzage, die nicht zu unter- 
schatzen sind. (Arztiiche Polytechnik 1911 Nr. 2.) 

— In den diesjahrigen Berliner Magistralformeln sind die fol- 

genden Vorschriften neu aufgenommen bzw. geandert 
worden: 

Aqua cosmetica Kummerfeldii. 

Rp. Camphor, trit. 

Gumm. arab. aa 6,0 
Sulfur, praecip. 20,0 
bis 28,0 

Aq. Calcar, ad 200,0 

Unguentum Hamamelidis. 

Rp. Extract. Hamamelid. 
dest. fluid. 

Lanol. aa 1,0 
Vaselin. alb. 8,0 

(Pharmazeut. Zeitung, 1911, Nr. 18.) 


Unguentum Ichthynati. 
Rp. Ichthynat. 5.0 

Vaselin. flav. 45,0 


Unguentum leniens F. M. B. 
Rp. Cerae alb. 13,5 
Cetacei 7,5 
Paraffin, solid. 10,0 
Paraffin, liquid. 130,0 
Sol. Borac. 2 : 25,0 
01. Rosae gtt. III. 


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Vermischtcs. 


— Zwei F&lle von Jodfieber. Von Kais. Rat Dr. A. Konri'ed 

(Kuranstalt Edlach). Manche Pat, zeigen nach Joddar- 
reichung TemperaturerhQhungen. Es laset sicb das Auf- 
treten von Fieber nacb Darreicbung von Jod entweder 
aus den zum Syiqptomenkomplex des Jodismus gehorenden 
katarrhaliscben Erscheinungen an den Sohleimh&uten er- 
kl&ren oder aus einer Jodthyreoiditis, oder aber das Fieber 
bildet das einzige Symptom der Vergiftung ohne jede 
nachweisbare Ursache. Gerade diese F&lle sind ffir den 
Pathologen die interessantesten, und e6 scheint deshalb 
die VerQifentlichung neuer Fftlle gerecbtfertigt. Autor 
beobacbtete nun zwei Ffille von Jodfieber. In dem einen 
handelte es sicb um einen 65j&hr. Mann mit einer RQcken- 
marksaffektion. Anamnese: Lues. Pat. hatte nach seiner 
Angabe bereits Jodnatrium erbalten und will im Anschluss 
daran einige Tage gefiebert baben. Durch diese Anamnese 
war Autor bei seinem Vorgehen zur Vorsicht gemahnt. 
Trotzdem gelang es nicht, dem Manne Jod in nur irgend- 
welchen wirksamen Dosen zu geben. Er versuchte es 
also zunachst mit Jodglidin, nacb einiger Zeit erhielt 
Pat. dann Sajodin und, da auch dieses Fieber hervorrief, 
so versuchte man es noch mit perkutaner Zufuhr von 
Jodsalzen im Jodbad und mittels Eataphorese im galva- 
nischen Bad und schliesslich mit Einreibung einer Jothion- 
salbe. Pat. zeigte Temperatursteigerungen sowobl bei 
interner ZufQhrung von Jod als auch, allerdings gering- 
gradige, nach externer Applikatfon von Jothion. Nur 
die perkutane ZufQhrung von Jodsalzen auf dem Wege 
der Kataphorese wurde vertragen, ohne Erscheinungen zu 
machen. Wahrscheinlich sind die dabei eingebrachten 
Mengen zu klein, um irgendwelchen merklichen Einfluss 
nehmen zu kbnnen. Zur Zeit des Fiebers hatte Pat. nicht 
das mindeste Missbehagen, auch objektiv nichts nachweis- 
bar. Dagegen verlief der zweite Fall unter dem Bilde 
einer akuten zirkumskripten Thyreoiditis. Pat., an einer 
Forme fruste von Basedow leidend, hatte sich gegen den 
Bl&hhals eine Jodsalbe appliziert. 

(Medixin. Klinik 1911 Nr. 26.) 

— Applikation von Was sera toff sup eroxyd in Salbenform. Von 

Dr. B. Sylla (Bremen). Die Salbe wird mit Pergenol 
und amerikanischem Vaseline dargestellt, wobei nicht mit 
Wasser angerieben werden darf (beim Rezept: ne addatur 
aqua!). Benutzung von 10°/«iger und 20°/oiger Salbe 
(= I 1 * und */ 5 °/o H^Ojj). Sehr gut bei Blepharitis ekze- 


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Vermischtes — Bficherschau. 


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matosa zur Entfernung der Krusten (Salbe am Lid rand 
aufstreichen, mehrere Minuten belassen und sie dann mit 
Gaze entfernen), als Nasensalbe bei skrofuldser Rhinitis 
(kleinere Kinder bekommen manchmal nach Einstreicben 
in die Nase Durcbfall, aber nur fbr kurze Zeit und ganz 
geeignet oft zur Reinigung des Darms!); ferner bei Ozdna 
als Einlage, nach Nasenoperationen zur schnelleren Wund- 
reinigung, bei leichtem Ekzem des Gehorgangs und Furun- 

kulose desselben. (Deutsche med. Wochensohrift 1911 Nr. 14.) 

— Zur LeEre von der Wirkung des Vasotonins. Von Dr. J. 

Schattenstein (Wilna). Vasotonin, ein aus Yohimbin 
und Urethan bestehendes Pritparat, hat, wie schon ver- 
schiedene Publikationen ergaben, eine wesentlich den Blut- 
druck herabsetzende Wirkung. Diese suchte auch Autor 
in Prof. Rosins Klinik zu prOfen und zu erforschen, ob 
das Pr&parat das Nitroglyzerin ersetzen kdnnte. Sub- 
kutane Einspritzungen a 1 com tftglich oder jeden zweiten 
Tag bis zu 15 Injektionen bei zwblf Fftllen von erhbhtem 
Blutdruck auf der Basis von Aorteninsuffizienz, Arterioskle- 
rose, Aneurysmen. Siebenmal guter Erfolg in bezug auf die 
blutdruckherabsetzende Wirkung.und Beseitigung der An- 
fillle von Angina pectoris; bei drei Fallen hatte vorher 
Nitroglyzerin versagt. Keine Qblen Nebenwirkungen. 

(Deutsche med. Wochensohrift 1911 Nr. 15.) 


Bucherschau. 


Selten hat sich ein medizinisches Buch eines derartigen Erfolges 
zu erfreuen, wie er dem von Schmidt, Friedheim, 
Lamhofer und Donat herausgebenen Diagnostisch- 
therap. Vademeknm (Verlag von Joh. Ambr. Barth, Leip¬ 
zig; Preis: 4 M.) zuteil geworden ist. 1895 erschien dies 
Buch zum ersten Mai, jetzt liegt die zehnte Auflage vor. 
Es ertibrigt sich da wohl, empfehlende Worte ihm auf 
den weiteren Weg mitzugeben, doch mbchten wir den 
Besitzern alterer Auflagen raten, diese mit der neuesten 
zu vertauschen, da die Autoren fortdauernd Zusatze und 
Aenderungen gemacht haben, die den Wert des kleinen 
Werkes erhbhten. — Im gleichen Verlage erschien: Spa- 
nisch fttr Mediziner, von G. le Boucher und Dr. C. 


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Biicherechau. 


Gieb y Bull on. Aach dieses Buch 1st gleich seinen 
Vorg&ngern — Italienisch, Englisch, FranzQsisch fQr Me- 
diziner — sehr zweckentsprechend abgefasst und dQrfte 
fQr Aerzte, welche Spanisch lernen wollen, sich als durch- 
aus nQtzliches Hilfsmittel erweisen. 


— E. Grawitz’ Klinische Fathologie des Blntes ist in vierter 

Auflage erschienen (Leipzig, G. Thieme. Preis: 80 M.). 
Nur die wenigsten Aerzte werden sich praktisch mit Blut- 
untersuchungen befassen kOnnen, die klinische Pathologie 
des Blutes aber muss heutzutage jeder Praktiker beherr- 
schen, der es mit seinem Berufe ernst nimmt. Das Er- 
scheinen der vierten Auflage beweist ja auch zur GenQge, 
dass sich das Werk weitester Verbreitung erfreut. Und 
diese verdient es auch mit vollem Recht. Manchem wird 
es ja zun&chst etwas zu umfangreich erscheinen; aber das 
Gebiet ist ungemein gross, und wenn das Werk auf alle 
in das Gebiet fallenden Fragen Antwort geben und als 
zuverl&ssiges Nachschlagebuch gelten soil, so konnte es 
nicht weniger bringen. Die vierte Auflage ist vollst&ndig 
neu bearbeitet; sie wird sicher wie ihre Vorg&nger all- 
gemeinen Anklang linden. — Wen nur die Methodik 
der Blntuntersuchungen interessiert, der schaffe sich 
das gleichnamige BQchlein des Autors an, das jetzt eben- 
falls in vierter Auflage erschienen ist. (Preis: 5 M.) 
Er findet hier alles, was er wissen will, kurz angegeben, 
auch 35 Bilder im Text und 6 Tafeln in Farbendruck. Auch 
diese Auflage ist vQllig neubearbeitet und vermehrt durch 
zahlreiche Erganzungen auf dem Gebiete d$r histologischen 
und physikalisch-chemi8chen Methodik. 

— Das Eompendium der Kinderheilkunde von B e r w a 1 d 

(Leipzig, G. Thieme. Preis: gebd. 6 M.) brin^t in kurzen 
ZOgen die gesamte Padiatrie. 30 Jahre lang Arzt eines 
Kinderhospitals, hatte Yerfasser Gelegenheit, >reiche Er- 
fahrungen zu sammeln, und wenn er diese jetzt seinen 
Kollegen Qbermittelt, so werden ihm diese gewisa dankbar 
dafQr sein, namentlich die jQngeren. Aber auch der altere 
Praktiker wird das Buch mit Yorteil benutzen uind man- 
nigfache Anregungen empfangen. 


Fur den redaktionellen Teil verantwortlich: 

Dr. E. Graetzer in Friedenau-Berlin. 


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Original fr cm, 



Erachelnt am 

Aafug elites jeden Monats. 


M 2 


Praia dea Jahrg&ngs 6 Mk. 
excL Porto. 


Excerpta medica. 

Knrse mon&tUohe Jonra&laaiiflge 

»U8 der gesamten Faohliter&tur 

zum Oebrauch for den praktischen Arzt 

Herausgegeben von Dr. tned. Eugen Oraetxer in Fri«denau-BerHn» 

Verlag tom Carl Sallauan, Lelpilg, 


Hombar. XXI. Mrmt 


1911 


An&mien. TJeber die Bolle des Arseniks bei der Behand- 
loug der Chlorose. Von Privatdoz. Dr. F. S e i 1 e r (Medizin. 
Univere. -Poliklinik Bern). Es wurden Pat. allein mit 
Arsen, allein mit Eisen und mit Arsen und Eisen behan- 
delt. Arsen allein hatte keinerlei Heilwirkung auf die 
Chlorose, dagegen wurde mit Eisen allein prompte Besse- 
rung erzielt. Autor gab ausnahmslos Pillen von folgender 
Zusammensetzung: 

Rp. Ferri sulfurici 

Kalii carbonici aa 10,0 

Mass. pil. q. s. ut. f. 1. a. pil. Nr. C. 

Von diesen Pillen wurden moistens dreimal drei Sttkck 
verordnet, wfihrend der Mahlzeiten zu nehmen. Diese 
wurden fast immer ohne jeglicbe Beschwerden ertragen. 
Autor kann durchaus nicht zugeben, dass, wie so oft be- 
hauptet wird, derartige Pillen scbwere StOrungen im 
Magen-Darmtraktus hervorrufen. Bedingung ist allerdings, 
dass die Pillen stets in der Apotheke frisch hergestellt 
werden und dass sie wfthrend der Mahlzeiten, also auch 
nicht unmittelbar vorher, genommen werden. Nun kommen 
die Pat., die mit Eisen und Arsen behandelt wurden 
(ausser Eisen in obigen Dosen noch Acid, arsenicos. 
0,006 g pro die, 0,002 pro dosi). Hier wurde eine we- 
sentlich raschere Heilung erzielt als bei blosser Eisen- 
therapie, und zwar machte sich die Besserung baupts&chlich 
in der zweiten und dritten Bebandlungswoche geltend, 
wo die Regeneration des Blutes rascbe Fortschritte machte. 

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An&mien —. Antisepsis, Asepsis, Desinfektion. 


Wo also mdglichst rasche Heilung der Chlorose indiziert 
ist, also in schweren Fallen, wird man zur kombinierten 
Bebandlung seine Zuflucht nehmen. 

(Deutsche med. Wocheuschr. 1911 Nr. 29.) 

— Metaferrin, ein neues Eiweisseisenprftparat (Eisen und Phos- 

phorsftare an vorverdautes Eiweiss gebunden) hat sicb, wie 
Dr. L. Januskiewicz mitteilt, an der I. Mediz. Klinik 
in Wien gut bewahrt, ebenso die flOssige, wohlschmeckende 
Form: die Metaferrose. (Medizin. Klinik 1911 Nr. 29 .) 

— Metaferrin nnd Arsenmetaferrin hat sich auch im Stadt. 

Krankenbause Moabit-Berlin, wie Dr. H. Vo it mitteilt, 
als wirksames Eisen-Eiweissprftparat (Chem. Fabrik Walter 
Wolff in Elberfeld) gezeigt. In etwa 50 Fallen von Chlo¬ 
rose trat recht bald die gdnstige Wirkung ein. 

(Die Therapie der Gegenwart, September 1910.) 

Antisepsis, Asepsis, Desinfektion. Erfahmngen 

mit Novojodin. Von Dr. C. Bohac (K. k. deutsche der- 
matolog. Klinik in Prag). Novojodin hat sich als Ersatz- 
mittel des Jodoforms bestens bewahrt. Es hat sich gezeigt, 
dass das Prkparat selbst beim Ulcus molle, bei dessen 
Behandlung bekanntlich recht hohe Ansprfiche an die 
bakterizide Kraft eines Desinfektionsmittels gestellt werden, 
in einem recht hohen Prozentsatze (bis zu 75°/o der Falle) 
imstande ist, das GeschwQr ohne Mitwirkung eines an- 
deren desinfizierenden Mittels, ohne atzende Eigenschaften 
und reaktive EntzQndungserscheinungen allein zu reinigen 
und in kurzer Zeit zur Heilung zu bringen. Das Mittel 
wurde hierbei grOsstenteils als Streupulver, gelegentlich 
auch bei weichem Schanker an der UrethralmQndung in 
Form von Urethral*Stabchen benQtzt. Aber auch gedeckt 
von Unguentum Diachyli leistet das Novojodin bei bereits 
gereinigten und in Granulation befindlichen weichen Ge- 
schwftren als wundreinigendes Mittel vorzQgliche Dienste. 
Die gleichen wundreinigenden und desinfizierenden Eigen¬ 
schaften zeigten sich auch bei der Behandlung exulze- 
rierter und gangranOser syphilitischer Primaraffekte, und 
zwar gewdhnlich bei gemeinschaftlicher Anwendung von 
grauem Pilaster. Ferner wurde die reizlose, desinfizierende 
Eigenschaft des Novojodins bei einer Reihe von breit ge- 
spaltenen oder exkochleierten venerischen Bubonen crprobt. 
Auch hier wurde das Praparat teils als Streupulver, teils 
als Gaze in Verwendung gebracht und stets eine reine 


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Antisepsis, Asepsis, Desinfektion. 


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granulierende Wundfl&che erzielt. Aber aach bei einzeln 
vereiterten LymphdrOsen, welche punktiert und mit Bier- 
scher Stauung behandelt warden und bei welchen In- 
jektionen mit Paraffin- oder OlivenQlsuspensionen vorge- 
nommen "vyurden, zeigte sicb die wundreinigende und 
granulationsanregende Eigenscbaft, so dass der Heilungs- 
effekt in der gleicben Zeit wie bei Injektionen mit Jodo- 
formvaseline erreicht wurde. Aehnlich verhftlt es sich bei 
der Behandlung anderer, insbesondere skrophulQser Lymph¬ 
drQsen und bei Skrophulodermen. Auch hier wurde das 
Mittel teils als pulverfftrmiges Antiseptikum, teils als 
Emulsion oder auch in Form von Novojodingaze mit 
Erfolg benOtzt. Ferner verwendete Autor es auch bei 
grQsseren eiternden und granulierenden Wundfl&chen, wie 
z. B. bei Ulcus cruris, als Streupulver mit nachfolgender 
Salbenbedeckung und erzielte auch hier bei der ambu- 
lanten Behandlung des Ulcus varicosum infolge der absolut 
reizlosen desodorierendenundgranulationsanregendenEigen- 
schaften gQnstige Resultate. Schliesslich wSre noch eine 
Reihe von F&llen zu erw&hnen, wo das Novojodin auch 
bei aus anderen Ursachen zurQckgebliebenen offenen gra¬ 
nulierenden Wunden, wie z. B. bei Brandwunden, mit 
Vorteil als schmerzloses und desodorierendes Wundreini- 
gungsmittel benfitzt wurde. Das Novojodin-Kollodium 
eignet sich besonders zur Deckung kleinerer Exkoriationen 
und Wunden, wie nach Abtragung von Warzen und Pa- 
pillomen, und bildet hier einen praktischen und rasch 
herzustellenden Wundverscbluss. Autor kann also seine 
Erfahrungen dahin zusammenfassen, dass dem Novojodin 
zweifellos auch hftheren Ansprficben — wie bei der Be¬ 
handlung des Ulcus molle — vollkommen genQgende des- 
infizierende Eigenschaften zukommen, dass es aber be¬ 
sonders dadurch an Brauchbarkeit gewinnt, dass es vor allem 
vollkommen geruchlos und nicht giftig ist und keinerlei 
reizende Eigenschaften besitzt, welch letztere VorzOge be¬ 
sonders gegenQber dem Jodoform von grosser praktischer 
Bedeutung sind. (Klin.-therap. Wochenschrift 1911 Nr. 27.) 

— Not verb and fftr Jodtinktnrdesinfektion. Von Prof. Dr. E. 

Payr (KOnigsberg). Er soli die Anwendung der Jod- 
tinktur bei der ersten Versorgung akzidenteller Wunden 
ermbglichen und erleichtern. Er enth&lt folgende Bestand- 
teile: 

1. eine zugeschmolzene Glasphiole mit 2—3 g offi- 
zineller Jodtinktur; 

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Antisepsis, Asepsis, Desinfektion — Arteriosklerose. 


2. eine dieselbe utnhOllende Rolle steriler, hydro- 
philer Watte; 

3. ein Stack steriler Verbandgaze; 

4. eine kleine Mullbinde mit Sicherheitsnadel; 

5. ein Stack Heftpflaster; 

6. eine Blechbachse, 9 cm L&nge, 7 cm Breite, 
1,8 cm H6he, in der die obengenannten Dinge, in Per- 
gamentpapier eingehOllt, Platz finden. 

Die Nutzanwendung- dieses Verbandp&ckchens ergibt 
sich von selbst. Die Phiole ist so gearbeitet, dass sie in 
der Mitte innerhalb ihrer WatteumhOllung ohne besondere 
Gewalteinwirkung, ohne Bildung von Glassplittern ab- 
gebrochen werden kann; es trfinkt sich nunmehr der Watte- 
bausch mit Jodtinktur. Nach mehrmaligem Bestreichen 
der Umgebung der Wunde, der Wundr&nder oder auch 
der Wunde selbst wird diese mit der beigepackten sterilen 
Gaze bedeckt (bei stfirkerer Blutung mit ihr tamponiert) 
und diese mit Pflaster und Binde befestigt. Die Mitnahme 
der Jodtinktur in kleineren Mengen in zugeschmolzenen 
Glasphiolen mag sich auch sonst far den Landarzt und 
den Praktiker empfehlen. Abgesehen von der auch gute 
Verschlasse durchdringenden Braunffirbung besteht auch 
immer die Gefahr der durch Alkoholverdampfung zu- 
nehmenden unerwOnschten Vermehrung der Konzentration. 
Die Glasphiolen sind sehr verlftsslich zugeschmolzen. Bei 
der ersten Fertigstellung des Notverbandes, deepen Her- 
stellnng durch &ussere Umstfinde sich in unliebsamer Weise 
verzOgert hat, waren an beiden Enden zugespitzte, mit 
einem Feilenstrich far das Abbrechen vorbereitete Phiolen 
vorgesehen worden. Die jetzige Anordnung ist wohl als 
die technisch vollkommenere vorzuziehen. Es ist geplant, 
grOssere Yerbandpfickchen mit mehr Verbandstoff und 
mehreren Phiolen far gr6ssere Verletzungen herzustellen. 
Ganz kleine, bereits fertiggestellte Yerb&nde far die 
Westentasche mit einer winzigen Jodphiole, etwas Gaze 
und englischem Pflaster sind vielleicht auch far den eigenen 
Gebrauch des Arztes ndtzlich. Die Glasphiolen kftnnen 
immer ausgewechselt werden. Jedem Pfickchen ist eine 
Gebrauchsanweisung beigegeben. 

(Mttnob. med. Woohensohrift 1911 Nr. 35.) 

Arterioak Icpote* Die Behandlnng der A. dee Zentral- 
nervensystems mit Tiodine. Yon Dr. F. Patschke 
(Univers.-Poliklinik f. Nervenkranke in Kdnigsberg). Als 
die wichtigsten Symptome, wie sie z. B. Cramer in seinem 


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Arteriosklerose. 


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Aufisatze: Die nervfisen und psychischen Stfirungen bei A. 
in ausffihrlicher Weise gekennzeichnet hat, hebt Autor 
hervor: fast stfindige dumpfe Eopfschmerzen, plfltzlich 
auftretende Schwindelanfalle und Abnahme des Gedficht- 
nisses. Dazu kommt meistens ein deprimiertes, weiner- 
liches Wesen, eine gewisse Reizbarkeit sowie ein grosses 
Heer allgemeinerer Beschwerden. Als Lokalerscheinung 
tritt Erschwerung und Verwaschensein der Sprache auf. 
Die Pupillenreaktion wird trftge und sehr wechselnd in 
ihrer Intensitftt, die Eopfschmerzen sind gesteigert, es 
treten Parfisthesien und Schmerzen am ganzen Efirper 
auf. Wenn diese Zeichen sich mit Verh&rtung der peri* 
pherischen Geffisse vergesellschafteten und eine luetische 
Erkrankung anamnestisch und ev. durch Anstellung der 
Wassermannschen resp. Nonneschen Reaktion auszu- 
schliessen war, wurde die Diagnose Arteriosclerosis cerebro- 
spinalis gestellt und eine Behandlung mit Tiodine ein* 
geleitet. Ein Teil dieser Eranken hatte Jod bereits ' 
innerlich in zum Teil recht erheblicher Menge ohne Nutzen 
eingenommen, mitunter schlecht vertragen. Die Anwen- 
dung bestand in wOchentlich drei Injektionen von 0,2 
Tiodine, im ganzen 16, hfichstens 20 Dosen. Der Ein- 
fachheit wegen wurden die Injektionen nicht wie frfiher 
intramuskulftr, sondern subkutan ausgeffihrt. Irgendwelche 
Entzfindungserscheinungen sind hierbei niemals aufgetreten, 
auch waren die Injektionen fQr die meisten Pat. vollstftndig 
schmerzlos. Autor schildert nun neun behandelte Falle. 
Betrachtet man die Falle, so sieht man, dass bei den 
ersten drei Pat. die subjektiven Beschwerden durch die 
Tiodinekur in Qberraschend schneller Weise geschwunden 
sind: Eopfschmerzen, Schwindel haben aufgehdrt, die 
Stimmung hat sich (wohl infolgedessen) gehoben, das Ge- 
dachtnis ist besser geworden. Diese Besserung besteht 
scbon seit langerer Zeit, in Fall 1 bereits fiber ein Jahr. 
Efirperlich ist allerdings keine wesentliche Aenderung ein- 
getreten. Die folgenden drei Falle zeigen neben den Er- 
scheinungen von seiten des Eopfes auch noch Beschwerden 
an anderen Stellen des Efirpers, wie Spicken in der Magen- 
gegend, Parfisthesien in den Extremitaten und wechselndes 
Spicken und Brennen an verschiedenen Efirperstellen ohne 
nachweisbare organische Veranderungen. Diese Leiden 
sind durch die Tiodineinjektionen viel weniger gfinstig 
beeinflusst worden. Erwahnen mfichte Autor hierbei auch, 
dass er bei andern Erkrankungen, die er auf arterio- 
sklerotische Veranderungen der peripherischen Gefasse 


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Arterio&klerose. 


bezieben zu mtkssen glaubte, den gfinstigen Erfolg ebenfalls 
nicht so regelm&ssig aufzuweisen hat. Es mag dieser 
Umstand vielleicht darin seine Erkl&rung finden, dass das 
Zentralnervensystem viel empfindlicher gegen jede StOrung 
ist und daher Erscheinungen schon hervortreten, wenn 
die Verftnderungen in den Gef&ssen erst im Beginne und 
deshalb der Therapie zuganglicher sind. Die drei letzten 
Falle sind deshalb bemerkenswert, weil bei ibnen die 
psychischen Erscheinungen mehr in den Vordergrund treten. 
Wahrend hier nach Beendigung der Kur die andern Be¬ 
ech werden verschwunden resp. gebessert sind, ist eine 
gewisse Zerfahrenheit und Deprimiertheit des Wesens nicht 
erheblich gebessert. Zu bedenken ist jedoch hierhei, dass 
das Klimakterium resp. beginnendes Senium mit ihren 
Einfluss ausQben. Beim letzten Falle wurde die Eur nach 
zwdlf Injektionen als aussichtslos aufgegeben. Es ist das 
derjenige Fall, bei dem auch die Diagnose am wenigsten 
begrGndet ist. Ueberblickt man das Gesamtergebnis dieser 
neun Falle, so ist zunachst hervorzuheben, dass die Kur 
ausnahmsios gut vertragen wurde. Der Schnupfen, der 
in einem Falle — nach der sechsten Injektion — auftrat, 
muss als akzidentell aufgefasst werden, da er in kurzer 
Zeit trotz Fortsetzung der Injektionen ohne jede weitere 
therapeutische Massnahme verschwand. Objektiv war bei 
keinem der Pat. bis auf das frischere Aussehen eine Aen- 
derung eingetreten. Die hauptsachlichen subjektiven Be- 
schwerden, wie Schwindel, Kopfschmerzen und Vergess- 
lichkeit, schwanden dagegen in ganz kurzer Zeit. Der 
Schlaf besserte sich erheblich. Wir besitzen also in dem 
Tiodine ein Mittel, das vermOge seiner guten Wirkung 
und Gefabrlosigkeit bei arteriosklerotischen Erkrankungen 
des Zentralnervensystems wohl angewendet zu werden ver- 
dient, besonders in Fallen, wo eine langere interne Jod- 
therapie keinen erheblichen Nutzen hervorzubringen ver- 

mochte. (Deutsche med. Wochenschrift 1911 Nr. 83.) 

— Jodival, «-Monojodisovalevylharnstoff (mit 47% Jod), hat Dr. 

C. Brexendorf (Hamburg) mit guten Erfolgen bei A., 
Asthma und Lues angewandt. In alien diesen FAllen 
trat eine Wirkung ein, wie man sie schneller und aus- 
giebiger auch mit anderen Jodpr&paraten wohl nicht er- 
reicht hfitte. Erwfthnen mbchte Autor noch die bei ver- 
schiedenen Kranken mit chronischer Bronchitis beobachtete 
sedative Wirkung der Jodivaltabletten. Die Atmung wurde 
ruhiger und ausgiebiger, die Expektoration leichter, die 


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Arterioskierose — Bronchitis. 


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Pat. selbst ffihlten sich ruhiger, infolgedessen wurde auch 
der Schlaf besser. Was aber besonders hervorgehoben zu 
werden verdient, ist die gute Verdaulichkeit und Vertrfig- 
lichkeit der Jodivaltabletten. Bei keinem einzigen der 
mit diesem Mittel behandelten Pat., traten Erscheinungen 
von Jodismus auf, Akne, Schnupfen, Appetitlosigkeit oder 
Magenbeschwerden, obwohl einige bereits vorher die Jod- 
alkalien vergeblich genommen hatten. 

(Fortsohritte der Medizin 1911 Nr. 30.) 

Bronchitis. Aspirin als Hustenmittel. Von Prof. Wilhelm 
Ebstein (Gottingen). Autor schreibt: „Die Azetylsalizyl- 
sSure, das Aspirin, erfreut sich bei einer Reihe von Krank- 
heitszustknden einer grossen Beliebtheit, und die Zahl der 
Fftlle, bei denen das Mittel angezeigt ist, dfirfte sich sehr 
erheblich steigern, wenn meine Empfehlung desselben als 
Hustenmittel sich auch weiterhin in der Praxis bew&hrt. 
Ich lernte diese Heilkraft des Mittels durch Zufall kennen. 
Eine sonst gesunde 60jahrige Dame hat vielfach an Ka- 
tarrhen der oberen Luftwege zu leiden, die gewohnlich 
eine Neigung haben, in den Bronchialbaum nach abwftrts 
zu steigen. Sie sind von Susserst qualenden Hustenattacken 
begleitet, die besonders auch stOrend auf den Schlaf wirken. 
Ich riet der Pat. wegen eines eine derartige Katarrh- 
attacke komplizierenden Migrftneanfalls eine Aspirintablette 
zu brauchen. Abgesehen von der prompten Heilwirkung 
in dieser Beziehung fiel es auf, dass die Hustenanfalle 
danach nicht nur erheblich milder, sondern auch seltener 
wurden. Dies trat jedesmal ein, sobald, wenn sich die 
Anfalle wieder einstellten, eine Aspirintablette gebraucht 
wurde, und nach wenigen Tagen war der Eatarrh, der 
sich ungewohnlich lange Zeit hingezogen hatte, vOllig 
beseitigt. Einen ebenso gfinstigen Effekt beobachtete ich 
bei Hustenanfallen, die aber in weit schlimmerer Weise 
eine 74jahrige Dame heimsuchten. Diese leidet seit langen 
Jahren infolge eines Emphysema der Lungen, verbunden 
mit grosser, sich stetig steigernder Herzschwache, sehr 
oft an Hustenanfallen mit reichlichem Auswurf, die sich 
in der Regel fiber mehrere Wochen hinziehen, ausser- 
ordentlich qualend sind und den nachtlichen Schlaf voll- 
kommen stOren. Das zur Beseitigung dieser Anfalle ver- 
ordnete Kodein vermochte in den fiblichen Dosen keine 
wesentliche Besserung der Anfalle herbeizuffihren und 
insbesondere auch die Dauer dieser Bronchitiden nicht 
zu verkfirzen. Die Pat. brauchte nun auf meinen Rat 


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Bronchitis. 


Aspirin, und zwar in 24 Stonden viermal je 0,05 in 
Tablettenform. Sofort stellte sich bei dieser Medikation 
eine sehr wesentliche VerkQrzung der einzelnen Anf&lle, 
cine Yerminderang des Aaswurfs, sowie ferner eine der- 
artfge VerkQrzung der Katarrhs ein, dass dieser in reichlich 
einer Woche vollkommen beseitigt war. Narkotische Mittel 
wurden dabei nicht gebraucht. Ich habe in meiner Arbeit 
Qber die Katarrhe im 101. Bande des Deutschen Archive 
fQr klinische Medizin (1910), S. 34 u. ff. auch in thera- 
peutischer Beziehung die einschl&gige Literatur sorgf&ltig 
durchgesehen, es ist mir aber nichts Qber die Heilwirkung 
des Aspirins beim Hasten aufgefallen. Ich habe es des- 
halb fQr nicht unnQtz gehalten, die Herren Eollegen hier 
auf diesen praktisch gewiss recht wichtigen Gegenstand 
hinzuweisen. Das Aspirin entfaltet nicht nur wie die 
Narkotika eine rasch vorQbergehende Besserung, sondem 
eine wirkliche Heilwirkung und AbkQrzung des Krank- 
heitsprozesses und ist jedenfalls auch im Veigleich mit 
den Narkotika ein harmloses Heilmittel. Weitere Ver- 
suche mit dem Aspirin sind daher, wie ich meine, bei 
derartigen Katarrhen der Luftwege durchaus angezeigt.* 

(Deutsche med. Woehenschrift 1911 Nr. 39.) 

— Dm Chloreton -Inhalant in der Laryngologie. Yon Dr. H. 

Jenny (Bern). Das von Parke, Davis & Co. in London 
eingefQhrte Chloreton (Aceton-Chloroform) stellt durch 
seine energischen antiseptischen und analgetischen Eigen- 
schaften, bei vQliiger Reizlosigkeit fQr die Schleimhftute, . 
ein hervorragendes Heilmittel bei der Behandlung von 
EntzQndungen der Nase, des Rachens und des Halses 
dar. Chloreton ist ein in England und Amerika viel an- 
gewandtes Mittel. Autor hatte Gelegenheit, in zahlreichen 
Fftllen das Chloreton*Inhalant, eine Qlige ChloretonlOsung, 
zu gebrauchen. Dasselbe ist fQr die Behandlung von 
Affektionen der Respirationsorgane ganz besonders gee gnet. 
Die Zusammensetzung des Prftparats, welche auf jeder 
Etikette bekanntgegeben ist, ist folgende: 

Chloreton 1,0 g 

Menthol 2,5 g 

Camphor 2,5 g 

01. Cinnamomi 0,5 

Paraff. liquid, pur. ad 100,0 g. 

Die Anwendung geschieht gewOhnlich durch Appli- 
kation mittels Wattebausches oder in Form von Zerstftu- 


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Bronchitis — Frakturen und Luxationen. 


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bangen mittels des Glaseptic-Nebelstftubers (Parke, Davis 
& Go.), ein besonders praktischer und sterilisierbarer 
Apparat. Autor mfichte nun auf eine weitere sehr empfehlens- 
werteAnwendungsweise desChloreton-Inhalants aufmerksam 
machen, die sich seit langer Zeit bei Behandlung von 
Larynx-, Tracheal- und Bronchialkatarrhen ausgezeichnet 
bew&hrt hat. Ganz abgesehen davon, dass viele Leute 
nicht richtig inhalieren kdnnen und es auch nicht lernen, 
ist nicht jederraann in der Lage, sich einen speziellen 
Inhalations- oder Zerstftubungsapparat zu kaufen. Wohl 
auch infolge persfinlicher Abneigung gegen Eehlkopfpinse- 
lungen, die besonders bei Pat. mit tuberkuldsen Larynx- 
affektionen geradezu erschfipfend wirken, hat Autor an- 
gefangen, Chloreton-Inhalant einfach mit der Kehlkopf- 
spritze zu applizieren. Was die Technik anbelangt, so 
ist — bei der Applikation des Mittels auf die Taschen- 
und Stimmb&nder — darauf zu achten, dass das Ende 
. der Kanfile sich fiber dem Introitus laryngis befindet, ohne 
den Kehldeckel zu berfihren. Will man das Medikament 
mebr an die hintere Larynx wand bringen, so ist es zweck- 
m&ssig, die gebogene Kan file mehr an die bintere Pharynx- 
wand anzulehnen. Die Einspritzung wird gemacht, w&hrend 
der Pat. ohne Anstrengung einen Ton leicht anschl&gt. 
Die dabei zu verwendende Menge betr&gt zirka V* ccm. 
Bei Tracheal- und Bronchialkatarrhen verwendet man vor- 
teilhafter eine etwas grdssere Menge, ca. 1 ccm. Die Ein¬ 
spritzung wird gemacht, w&hrend der Pat. tief inspiriert. 
Chloreton-Inhalant wird ausnahmslos gut vertragen, und 
man erzielt augenblickliche Erleichterung, ohne den Pat. 

ZU qu&len. (Die Therapie der Gegenwart, August 1911.) 

Frakturen und Luxatione— » TJeber ein neues Ver- 
fahren der Reposition frischer Schultergelenkslnxa- 
tionen. Yon Dr. A. Wagner (Stadtkrankenhaus Stettin). 
Autor hat eine Methode ausprobiert, die ibm von s&mt- 
lichen Yerfahren die allereinfachste erscheint und die jeder 
Arzt leicht lernen kann. Sie ist ohne nennenswerte 
Schmerzen, ohne jede Assistenz in kfirzester Zeit ausffihr- 
bar, und zwar ohne Narkose. Sie eignet sich ganz be¬ 
sonders ffir frische F&lle der Luxatio humeri subcoraco- 
idea. Das Prinzip der Methode beruht in der Anwendung 
eines Hypomochlion in Gestalt einer Watterolle in der 
Achselhfihle und ist theoretisch aus der Entstehungsart 
der h&ufigsten Form der Schulterluxation, nfimlich durch 
indirekte Gewalt hervorgegangen: Bei Sturz z. B. auf die 


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Frakturen und Luxationen. 


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vorgestreckte Hand oder auf den Ellbogen gerftt der Arm 
in Hyperabduktion, und es entsteht bei genflgend starker 
Gewalteinwirkung ein Hypomochlion dadurch, dass sich 
der oberste Teii des Tuberculum majus gegen den oberen 
Rand der Cavitas glenoidalis und das Collum chirurgicum 
gegen das Akromion anstemmt. Es wird auf diese Weise 
der Humeruskopf als kurzer Hebelarm aus der Cavitas 
glenoidalis herausgebebelt und sprengt die Kapsel an ihrem 
schw&chsten Teil, dem unteren und inneren Abschnitt. 
Durch Anbringung eines Hypomochlion in der Achsel- 
hOhle, also der entgegengesetzten Seite des obengenannten 
Hypomochlion (Akromion-Rand der Cavitas glenoidalis) 
muss man theoretisch imstande sein, durch einfache Hebel- 
wirkung den Kopf wieder hineinzuhebeln, wobei man den 
Arm als langen Hebelarm benutzt. Von dieser theore- 
tischen ErwSgung ausgehend, mOchte Autor sein Verfahren 
bekanntgeben. Es wird in folgender Weise vorgegangen: 
Sobald die unkomplizierte Luxation festgestellt ist, ins* 
besondere geprQft ist, ob Nervenverletzungen vorliegen, 
wird der Pat. gerade auf einen Stuhl mit Lehne gesetzt 
und sitzt mit dem Rhcken fest gegen die Lehne. Als- 
dann wird unter den luxierten Arm eine etwa 20 cm lange 
Rolle festgewickelter weisser Watte, die einen Durchmesser 
von etwa 10 cm hat, gebracht und diese fest in die Achsel- 
hdhle eingepresst, so dass sie nicht herausfallen kann. 
Man kann sie durch eine Bindentour um die entgegen- 
gesetzte Schulter noch fixieren. Soweit der erste Akt 
der Methode. Zweiter Akt. Man fasst jetzt mit nach 
oben gekehrter Vola der einen Hand — bei einer rechts- 
seitigen Luxation mit der linken — den rechtwinklig ge- 
beugten Ellbogen und umgreift mit der anderen Hand 
ganz leicht und, obne irgend energisch zuzufassen, die 
Handgelenksgegend von unten her. Alsdann fftngt man 
an, vorsichtig, aber doch mit einer gewissen Kraft den 
Ellbogen des Pat. gegen dessen KOrper zu drOcken, so 
langsam, dass der Pat. nicht klagt. Ein brUskes Ver¬ 
fahren bewirkt nur st&rkeren Muskelwiderstand. Sobald 
der Verletzte anf&ngt, etwas zu spannen, lftsst man einen 
Moment nach, um gleich wieder gut anzudrOcken. In 
manchen Fallen empfiehlt es sich, den Arm nicht senk- 
recht gegen die Seite zu drOcken, sondern den Arm etwas 
nach vorn flber die Rolle zu legen und ihn mehr nach 
der Bauchgegend zu anzupressen. Man erzielt dadurch 
besonders bei sehr fettleibigen Personen eine bessere Hebel- 
wirkung. Gleichzeitig fQhrt man mit dem Unterarm des 


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i)'rakturen und Luxationen. 


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Pat. leichte Drehbewegungen aus, als ob man den Kapsel- 
riss suchen wollte, und meist gleitet der Kopf nach leichter 
Aussenrotation entweder vfillig gerfiuschlos oder mit einem 
leicbten Ruck in die Pfanne zurfick. Pat. und Zuschauer 
sind erstaunt, dass die Reposition schon beendet ist. Auch 
der Operateur sieht h&ufig nur an der Konfiguration der 
Schulter oder, um ganz sicher zu gehen, atn Rfintgenbild, 
dass die Luxation wirklich schon behoben ist. Das Ver- 
fahren ist fast vfillig schmerzlos und beansprucht nur 
Sekunden bis hdchstens einige Minuten. Falls der Pat. 
schon vor der Reposition sehr fiber Schmerzen klagt, kann 
man ihm 0,01—0,015 Morphium geben. So angewendet, 
wirkt diese Methode mit der Watterolle in Fallen von 
frischer Luxatio humeri subcoracoidea verblfiffend. Sie 
hat vor dem bisher fiblichen Normalverfahren von Lacour- 
Kocher den Vorteil, dass man keine Assistenz braucht, 
die die Schultern fixiert und sie nach hinten drfickt. Der 
Operateur setzt sich bequem auf einen Stuhl vor dem 
Pat. Dieser braucht ebenfalls keine besondere Lage ein- 
zunehmen, er muss nur gerade auf dem Stuhl sitzen. Der 
zweite Akt nach Kocher, die starke Aussenrotation bis 
zur Querstellung des Unterarms zum Rumpf, die immer 
schmerzhaft und einem selbst unsympathisch ist, und auch 
der dritte Akt, die Elevation, sind fiberflfissig. W&hrend 
bei dem ersten Akt des Kocherschen Verfahrens — der 
luxierte Arm \pird bis zur Berfihrung der Ellbogengelenks- 
gegend an den geradegerichteten Rumpf adduziert — 
noch keine wesentliche Aenderung am Oberarmkopf 
eintritt, andert sich das, sobald der Arm um das Hypo- 
mochlion in der Achselhfihle adduziert wird. Die Hebel- 
wirkung der als Hypomochlion in die Achselhfihle ein- 
geschobenen Watterolle ist gewaltig. Ein jeder braucht 
diese Methode nur an seinem gesunden Arm zu probieren, 
um zu 'verspfiren, welch grosse Kraft auf den kurzen 
Hebelarm, den Oberarmkopf, ausgefibt wird. Bei mageren 
Leuten sieht map recht schfin, wie der luxierte Kopf schon 
durch geringe Adduktion des Ellbogens aus der Fossa 
infraclavicularis heraustritt. IrgendeineGeffiss- oderNerven- 
sch&digung ist durch die kompressible Watte wohl kaum 
zu erwarten, von Autor bisher jedenfalls nicht beobachtet 
worden. Es ist wohl klar, dass als Hypomochlion nicht 
unbedingt eine Watterolle gebraucht werdcn muss. Das 
Hypomochlion kann in der Praxis auch aus anderem 
kompressiblen Material als Watte improvisiert werden, nur 
muss es ungef&hr die angegebencn Grfissenmasse besitzen. 


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52 


Frakturen und Lnxationen. 


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Die Sicherheit der Einrenkung 1st nach den bisherigen, 
wenn auch noch geringen Erfahrungen mit der Methode 
recht gross. Unter zwOlf Fallen einer Serie von Schulter- 
gelenkslnxationen ohne jede Auswahl gelang diese in acht 
Fallen spielend in Seknnden ohne Narkose, in einem Fall 
leicht im Aetherrausch und in einem in tiefer Narkose. 
In zwei Fallen versagte sie. In einem davon handelte es 
sich um eine bereits vier Wochen alte Luxation mitVer- 
anderungen der Gelenkpfanne. In diesen beiden Fallen 
versagte Qbrigens auch K ocher in tiefer Narkose bzw. 
Aetherrausch, und erst Zug am suspendierten Arm mit 
gleichzeitigem Druck auf den Humeruskopf ftthrte zum 
Ziel. Autor mOchte hier ausdrQcklich bemerken, dass 
selbstverstandlich nicht alle Falle nach dieser Methode re- 
poniert werden kdnnen — er hatte ja auch zwei Versager. 
Es werden immer Falle vorkommen, bei denen Narkose er- 
forderlich sein wird, sei es infolge zu starker elastischer 
Retraktion oder aktiver Eontraktion der Muskulatur, und 
es haben andere Yerfahren einzutreten, wenn es sich bei- 
spielsweise um ein zu enges Loch in der Gelenkkapsel 
oder um Zwischenlagerung der Bicepssehne oder um ab- 
gerissene oder interponierte Stflcke der Cavitas glenoidalis 
oder der Tubercula oder um eine durch Bindegewebe ausge- 
fOllte Gelenkpfanne bei einer veralteten Luxation handelt. 
Ein far alle Falle geeignetes Idealverfahren besitzen wir 
nicht — das beweist schon die Vielzahl der angegebenen 
Methoden — und wird es wohl auch nie geben. 

Zusammenfassend mdchte Autor seiner Methode 
nachrDhmen: 

1. Einfachste Technik: Ihre Ausffthrung erforder- 
nicht wie die anderen Methoden geschulte Assistenz oder 
Gehilfen. Die Watterolle ist das einzige Hilfsmittel. Sie 
ist darin, abgesehen von der KQrze der Repositionszeit, 
jedenfalls auch der Gewichtsextension oberlegen. 

2. Narkose ist in vielen Fallen (etwa a / 8 ) entbehrlich. 

3. Relative Schmerzlosigkeit, Autor kennt kein Yer- 
fahren, das sich in geeigneten Fallen so leicht und so 
schonend ausfQhren liesse. Das Kochersche Verfahren 
und wohl auch die Gewichtsextension gelten als sehr 
schonend. Ein Vergleich bei ahnlichen Fallen wird den 
erheblichen Unterschied dartun. 

4. Vollige Unschadlichkeit. 

Diese VorzQge der Methode veranlassen Autor, sie 
insbesondere dem praktischen Arzt zu empfehlen. Sollte 
sie versagen, so hat er keinerlei Schaden damit gestiftet. 


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Frakturen and Luxationen. 


53 


Autor 1st daherder Meinung, dass dieses Repositionsver- 
fahren mit der Watterolle, weil es zweifellos das scho- 
nendste der bisher angegebenen Verfahren darstellt, in 
jedem Fall, und zwar in erster Linie, zu versuchen ist. 

(Dentflohe mod. Wochenschrift 1911 Nr. 25.) 

— Einen Beitrag nr Behandlung typiacher Badiusfrakturen 

liefert Dr. M. Friedemann, Chefarzt des Krankenhauses 
zu Langendreer. Er schreibt: „Bei gut gelungener Re¬ 
position fQhren die meisten der zahlreichen Radiusfraktur- 
verbftnde zum Ziel. Fast bei alien wird versucht, durch 
mehr oder weniger starke Volarflexion bei ulnarer Ab- 
duktion die Erhaltung der Reposition zu erreichen, sei es 
unter Pronation oder Supination des Unterarms. Die 
schienenlosen Verbandmethoden (Storps Suspensions- 
manschette, Petersens Lagerung auf Mitella mit herab- 
h&ngender Hand, Lexers Heftpflasterverband usw.) schei- 
nen sich bisher nicht eingebQrgert zu haben, und doch 
liegen die Yorteile solcher Behandlungsarten vor den festen 
Verb an den auf der Hand. Ich mQchte auf eine weitere, 
sehr einfache und, wie mir scheint, fQr viele F&Ue zweck- 
m&ssige schienenlose Behandlungsart hinweisen. Ein der 
Dicke des Armes angemessener Trikotschlauch wird Qber 
den Unterarm gezogen und oberhalb des Ellbogengelenks 
mit einem zirkul&ren Heftpflasterstreifen befestigt. Das 
andere, die Fingerspitzen weit Qberragende Ende des 
Schlauches wird Qber die Schulter der gesunden Seite, 
RQcken und Brust geschlungen und vorn befestigt. Der 
Arm hfingt nun im Trikotschlauch, und es kommt durch die 
eigene Schwere desselben ganz von selbst eine starke Volar¬ 
flexion zustande. Durch die WOlbung des Thorax ferner 
und das Bestreben des Armes und der Hand, an demselben 
eine StQtze zu finden, stellt sich auch ohne weiteres ein 
m&ssiger Grad von Ulnarabduktion ein. Diese Haltung 
des Armes ist fOr den Pat. entschieden die natQrlichste 
und bequemste, und er versucht gar nicht, sie zu findern. 
Man kann nun, ohne den Verband zu entfernen, stets die 
Stellung der Fragmente kontrollieren, Schwellungen be- 
obachten, ROntgendurchleuchtungen und vor allem Bewe- 
gungen vornehmen. Ebenso kann, ohne Abnahme des 
Schlauches, wo dies fQr erforderlich gehalten werden sollte, 
nachts eine der Qblichen Schienen angewickelt werden. 
Ich bin mit dieser Verbandmethode, die selbstverstftndlich 
auch nur fQr gewisse F&Ue passt, bisher sehr zufrieden 
gewesen.“ (Zentr»lbl»tt t. Ohimrgie 1911 Kr. 87.) 


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Frakturen und Luxationen — Gonorrhoe. 


— Nene Transport - IT otschienen bei F. sind jetzt im Handel. 

Es sind gelochte Aluminiumschienen, die in vier Formen 
hergestellt werden, und zwar: 

1. far den Handverband, fassoniert, 30 g schwer, 

2. far den Arm- und Beinverband, 

25 X 6,5 cm 20 g schwer, 

30 X 6,5 cm 30 g schwer, 

40,5 X 9,5 cm 50 g schwer. 

Die letzten beiden Grossen sind an ihrem einen Ende mit 
Riemen versehen, welche ein Aneinanderreihen der Schienen 
ermdglichen. Hierdurch kann jede gewDnschte Lange so- 
fort hergestellt werden. Ein besonderer Yorzug dieser 
neuen Schiene ist ihre Schmiegsamkeit. Sie passen sich 
jeder Kbrperform an, lassen sich auch, falls notwendig, 
mit der Schere ohne Schwierigkeit schneiden und be- 
arbeiten. Infolge ihrer Dimensionen und des geringen 
Gewichts von 20—50 g sind die Schienen bequem zu 
transportieren, daher nicht nur far Yerbandkasten, sondern 
auch zum Mitfahren in Tornister usw., far Sanit&tsmann- 
schaften aller Art besonders geeignet. 

Die Firma Medicinisches Warenhaus, Actien-Gesell- 
schaft, Berlin NW. 6, Karlstr. 31, erteilt bereitwilligst jede 
weitere Auskunft. (Arzti. Poiikiinik mi Nr. s.) 

Gonorrhoe. Die Behandlnng der genorrhoischen Gelenk- 
entzAndung mit Injektion von Jodtinktnr. Yon Prof. 
Dr. O. Hildebrand. (Chirurg. Univers.-Klinik der Charite 
in Berlin). Seit 8 / 4 Jahren hat Autor eine Anzahl Knie- 
gelenke und ein Haftgelenk mit Injektionen von Jodtinktur 
behandelt. In den ersten Tagen trat eine st&rkere Schwel- 
lung des Gelenkes auf, die aber sehr rasch zurhckging. 
Zu einer erneuten Flassigkeitsansammlung im Gelenk kam 
es nicht wieder. Das Gelenk wurde nach wenigen Tagen 
vollkommen schmerzlos, die Schwellung der Synovialis 
ging zurack, und die Beweglichkeit des Gelenkes trat bald 
wieder ein. Die Sorge, dass der Gelenksack etwa durch 
die Injektion zur teilweisen Verwachsung oder gar zur 
Yer&dung kame, ist unnotig. Schon Roux sah vor langen 
Jahren ein Gelenk, das wegen Hydarthros mit Injektionen 
von Jodtinktur behandelt worden war, Va Jahr spftter bei 
der Sektion in vollkommen normalem Zustande. Die F&lle, 
die Autor mit Injektionen behandelte, waren keine sehr 
schweren, immerhin ausgesprochen gonorrhoische Gelenk- 


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Gonorrhoe. 


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ergGsse. Etwas Vorsicht in der zu verwendenden Quan- 
titftt von Jodtinktur ist geboten, denn es sind eine An- 
zahl schwerer Vergiftungsfalle, ja Todesfalle bei Injek- 
tionen in eitrige Gelenke beoacbtet worden, freilich bei 
Anwendung von sehr grossen Quantitaten, z. B. 5,0 
reinem Jod, nicht etwa Jodtinktur. Autor hat in seinen 
Fallen 5,0 Tinct. Jodi injiziert. 

(Berliner klin. Wochenschrift 1911 Nr. 31.) 

— Die Wirkung des Syrgol bei Bindehaatentz&ndimgen (be- 

sonders bei der O. der Eonjnnktiva). Yon Dr. C. A. 

Hegner (Univers.-Augenklinik Jena). Rasche Abnahme 
der entzQndlichen Symptome, rasches Verschwinden der 
Gonokokken. Auch bei Blennorrhoea neonatorum sehr 
gute Heilresultate. Anwendung: 2—6mal tSglich Ein- 
trftufelung einer 5%igen Ldsung, daneben Reinigung der 
Augen mit BorlOsungen. Bei nicht gonorrhoischen eitrigen 
BindehautentzGndungen genflgt 2%ige LOsung. 

(Miinchener med. Wochensehrift 1911 Nr. 33.) 

— Beitrag zur Behandlung der G. Yon Dr. L. Leistikow 

(Hamburg). Die Bestrebungen, die moderne Therapie des 
Trippers zu verbessern, beruhen haupts&chlich darauf, die 
zur Bebandlung benutzten Medikamente in mbglichst langem 
Kontakt mit der Schleimbaut zu lassen. Allseitig wird 
empfohlen, bei akuter m&nnlicher Blennorrhoe die In- 
jektionsflQssigkeit 5—10—20 Minuten in der HarnrOhre 
zu halten. Alle SpGlmethoden, auch die Janetsche, dienen 
dem gleichen Zweck. Trotzdem gelingt es in einer grossen 
Zahl von Fallen nicht, das Fortschreiten der akuten Blen¬ 
norrhoe zu verhindern oder chronische Erkrankungen zu 
beseitigen. Je langer man aber ein Medikament auf die 
Schleimhaut einwirken lasst, desto gttnstiger sind nach Autors 
Erfahrung die Heilerfolge. Es lag deshalb der Gedanke 
nahe, als Trager fQr die zur Blennorrhoebehandlung un- 
entbehrlichen Mittel ein Yehikel zu linden, das sich mOg- 
lichst langsam, gleichmassig und vollstandig in der Harn- 
rbhre auflbst, die Resorption des in ihm inkorporierten 
Medikaments moglichst begGnstigt und jeden unerwGnscbten 
Reiz ausschliesst. Ein Vehikel, das alien oben angege- 
benen Anforderungen am besten gerecht wird, ist die 
Grundmasse der Unnaschen Pastenstifte. Sie besteht aus 
Wasser, Starke, Zucker und Dextrin, ist hart und wasser- 
ldslich. — Der Firma Beiersdorf in Hamburg ist es ge- 
lungen, aus der Grundmasse der Pastenstifte geeignete 


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56 


Gonorrhoe. 


Stftbchen herzustellen. Diese werden vor dem Gebrauch 
in heisses Wasser getaucht, nach dem Herausnehmen kQhlen 
sie so rasch ab, dass sie sofort eingefOhrt werden k5nnen. 
Zur Anwendung sind bisher gekommen St&bchen mit 
Argonin (1%), Albargin (0,75%), Argent, nitric. (0,2 bis 
2%), Protargol (0,2%), Ichtbargan (0,1—0,5%), Zinc, 
sulfuric. (0,5%). Wie aas den bisherigen Versuchen her- 
vorgeht, halten sich die St&bcben monatelang unzersetzt; 
nur die Stftbchen mit Silbersalzen fftrben sich mit der 
Zeit an der Oberdftche mehr, im Innern weniger dnnkel, 
jedoch ohne an Wirksamkeit einzubQssen. Die Stftbchen 
werden mit den gebrftuchlichen Zusfttzen in den Lftngen 
von 10 und 18 cm in Glftsern zu zehn Stack vorrfltig 
gehalten. Sie fQhren die Bezeichnang Gonostyli mit Zusatz 
des Namens des verlangten Arzneistoffes, z. B. Gonostyli 
Ichthargani 0,5%. Die zu ihrer LOsung erforderliche 
Feuchtigkeit entziehen die Gonostyli der Scbleimhaut. 
Im endoskopischen Bilde kann man sich leicht davon Qber- 
zeugen, dass die Masse in innigsten Kontakt mit den 
Schleimhautfalten kommt. Autor hat die Stftbchen in 
ISO Fftllen mftnnlicher und 15 Fftllen weiblicher Urethritis 
blennorrhoica angewendet. In akuten Fftllen der ersteren 
bevorzugt er die Behandlung mit InjektionsflQssigkeiten in 
der ersten bis zweiten Wocbe. Er lftsst zunftchst tftglich 
stttndlich nur 5 ccm der bekannten Resorzin- (2%) und 
Zinc, sulfurcarbolic.- (1%) Lftsung injizieren und er- 
reicht damit ein schnelles Uebergehen der eitrigen in die 
schleimige EntzQndung. Sobald letztere eingetreten ist, 
lftsst er tftglich drei- bis viermal mit dieser LOsung in¬ 
jizieren und jeden Abend vor dem Schlafengehen ein 
Silbersalzstftbchen einfQhren. Am hftufigsten benutzte er 
0,5% Ichthargan-Gonostyli. Urn das Herausfliessen der 
Stfibchenmasse zu verhindern, ist Verschluss des Orificium 
urethrae durch kleine Leukoplaststreifen nOtig. In der 
vierten Woche hOrt er mit der Injektionsbebandlung auf 
und wendet die Gonostyli allein an. Im terminalen Sta¬ 
dium lftsst er nur noch dreimal wOchentlich die Gonostyli 
einfQhren. Die Gonokokken im Sekret verschwinden meist 
nach kurzer Anwendung der Gonostyli schnell. Ueber- 
raschend waren die Erfolge bei der weiblichen Urethritis 
durch die Behandlung mit 0,5 % Ichthargan * Gonostyli 
und 1—2% Arg. nitr.-Gonostyli. Hier gelang es meist, 
in 14 Tagen durch tftgliches EinfQhren derselben Hei- 
lung zu erzielen. Reizerscheinungen wurden niemals be- 
obachtet. Ganz besonders gQnstig waren die Resultate 


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Gonorrhoe. 


57 


der Behandlung bei mit akuter Epididymitis komplizierter 
Urethritis posterior. Schon nach kurzem Auftreten der 
Nebenhodenentzfindung, die er lokal mit warmen Um- 
schlftgen und den von Philip empfohlenen Ichthyolein- 
reibungen behandelt, lfisst Antor die 18 cm langen Gonostyli 
einffihren. Sowohl die Urethritis posterior wie die Neben- 
hodenschwellung weichen prompt und schnell bei dieser 
Behandlung. Autor glaubt, der Stftbchenbehandlung im 
subakuten Stadium der Epididymitis vor den fiblichen Irri- 
gationen und Instillationen den Vorzug geben zu mfissen. 

(Monathefte f. prakt. Dermatologic 1911, Bd. 52, Nr. 1.) 

— Ueber Santyl KnolL Von Dr. W. Mehlhorn (Berlin). Autor 
hat das Santyl seit zirka drei Jahren ausschliesslich an- 
gewandt und die Resultate bei zirka 250 Pat. notiert. In 
Betracht kommen alle Blasen- und HarnrOhrenaffektionen, 
zum Beispiel G., Urethritis, Cystitis, Karunkeln der Urethra, 
Dysurie, Blasentenesmen, die toils durch entzfindliche 
Affektionen der Schleimhaut, teils auf nervfis-reflektorischem 
Weg entstanden waren, periodische Blasenbeschwerden 
zur Zeit der Menses, Harndrang auf neurasthenischer 
Basis usw. usw. Was zuerst das Einnehmen anlangt, so 
wurde das Pr&parat stets gem genommen und nie reffisiert. 
Wegen des kaum merklichen Geschmacks wird das Prft- 
parat meist ohne Widerstreben als reines Oel, dreimal t&g- 
lich 25 Tropfen in Wasser oder Streuzucker, genomnjen, 
sonst in Eapseln k 0,4 g 3—4mal t&glich nach dem Essen. 
Von den Tabletten a 0,4 g Santyl ist Autor wieder ab- 
gekommen, da dieselben sich schlechter einnehmen lassen, 
teurer sind und die stuhlbeffirdemde Wirkung, die durch 
die Beimischung von Magnesia carbonica eintreten soli, 
meist ausbleibt. Wenn auch das angenehme Einnehmen 
mit ins Gewicht fftllt, so ist Autor doch durch zwei Eigen- 
schaften des Santyls ein unbedingter Anhftnger dieses Prft- 
parats geworden, n&mlich seine absolute Reizlosigkeit und 
seine ausgezeichnete Wirkung. Von keinem seiner Pat. 
wurde fiber die geringste Reizerscheinung des Magendarm- 
kanals und der Nieren geklagt, selbst nicht von sonst 
empfindlichen Pat., wenn das Santyl nach dem lessen ge¬ 
nommen wurde, was Autor bei keinem anderen abnlichen 
balsamischen Mittel gesehen hat. Ab und zu leichtes Auf- 
stossen war alles, selbst bei einigen F&llen, wo gegen 
die Verordnung spontan die mehrfache Menge einge- 
nommen worden war, um eine schnellere Wirkung zu er- 
zielen. Was nun die Wirkung anlangt, so hat das Santyl 

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Gonorrhoe — Isohias. 


nur ausserst selten im Stich gelassen. Ab und zu einmal 
bei einer stark hysterischen Pat., wo anfangs sofort 
Aufhdren, sp&ter hingegen wieder neue nervbse Blasen- 
beschwerden eintraten, sah Autor, wie auch bei alien 
anderen Medikamenten, einen Versager, und zwar meist 
bei den Tabletten. Bei Cystitis gibt man am besten da- 
neben noch Fol. uv. ursi und genaue Diatvorschriften mit 
Enthaltsamkeit von Alkohol, kohlens&urehaltigen Getr&nken, 
Fleisch, GewOrz usw., worauf oft leider nicht genbgend 
geachtet wird. Sonst trat in alien obenerwfihnten Affek- 
tionen der Blase und Urethra meist sofort eine evidente 
Besserung und oft durch Santyl allein Heilung ein, wenn 
auch in einer Reihe yon Fallen operative Behandlung von 
Verwachsungen usw. selbstverstandlich noch nbtig war. 
Bei vaginalen Operationen, bei denen eine mehr oder 
weniger weite stumpfe AblOsung der Blase ndtig ist, und 
wo noch in den ersten Tagen bisweilen leichte Blasen- 
stOrungen auftreten, hat Autor letztere auf Santyl schnell 
schwinden sehen, und trat das spontane Urinieren stets 
schnell ein. In einigen Fallen von chronisch- eitriger 
Cystitis und zwei Fallen von auf die Blase Gbergegangenem 
Karzinom trat auf Santyl fast sofort eine evidente Klarung 
des Urins ein, welche durch langere Gaben von Urotropin 
usw. nicht zu erreichen war. Daneben waren natttrlich 
bei beiden Mitteln BlasenspGlungen nOtig. 

t (Zentralbl. f. d. geaamte Therapie, 1911 Nr. 8.) 

IlChiat. Selbstbehandlong der I. Von Oberstabsarzt Dr. 

Dannehl (Frankfurt a. M.). Autor teilt eine hausliche Be- 
handlungsmethode mit und schreibt darflber: „Sie setzt, wie 
alle solche Prozeduren, Ausdauer voraus und besteht im 
wesentlichen darin, dass der Eranke im warmen Vollbad 
selbsttatig eine Dehnung und Massage des leidenden HOft- 
nerven vornimmt. Das hat, so wenig rationell es von vorn- 
herein ersch einen mag, doch mehr ere Yorteile: Die eigne 
Schmerzempfindung des Eranken gestattet die feinste Ab- 
stufung der Nervendehnung und das exakteste Auffinden 
der Schmerzpunkte bei der Massage. Die bei empfind- 
lichen Eranken schon aus Furcht vor Schmerz bei den 
Handgriffen eines andera eintretenden Muskelwiderstande 
und Beckenverschiebungen, welche die bestehenden Schmer- 
zen steigern und eine wirksame Massage und Nervendehnung 
verhindern kOnnen, fallen fort, die im Bade mbgliche 
Muskelerschlaffung kann ausserhalb desselben kaum erreicht 
werden. Endlich spart der Eranke dabei Zeit und Geld, 


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Ischias. 


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was bei einer Behandlung, die wochen-, ja meist monate- 
lang fortgeffihrt werden soil, ins Gewicht f&llt. In der 
MOglichkeit, jeden Tag zn Hause zu beliebiger Zeit ohne 
fremde Hilfe auf den kranken Nerven einwirken zu kdnnen, 
liegt der Hauptvorzug einer solchen Methode. Nur im 
Beginn ist dabei einigemale eine Anleitung und Ueber- 
wachung erforderlich. Der Kranke sitzt bei dem Verfahren 
in einem warmen Vollbade von 37—38° C so, dass die 
Fusssohle des kranken Beines der schmalen Fussflftche der 
Badewannenwand anliegt, legt beide Hftnde mit Aufgriff 
auf die oberen Rftnder der Wannenseitenw&nde und ziebt 
sich bei vornfibergebeugtem Kopf und Rumpf mit den 
Armen gegen den Fussteil der Wanne hin an, wfthrend 
das im Knie durchgedrttckte kranke Bein sich dagegen 
anstemmt. Der kranke Hfiftnerv wird dabei mehr oder 
weniger stark gedehnt, je nach der Rumpfbeugung und 
dem Grade des Zuges der Arme, sowie je nachdem, ob 
das kranke Bein dem Boden der Wanne auf liegt oder 
hfiher oben gegen deren Fussflftche angestemmt wird. Das 
gleichzeitige Durchdrficken auch des gesunden Beines ist 
dabei nicht zu empfehlen, da es die anfftnglichen Be- 
schwerden unndtig steigert. Denn neben der stets anfftng- 
lich eintretenden Schmerzzunahme im kranken Beine wfirden 
sich dabei auch die meistens vorhandenen latenten Schmerz- 
punkte des gesunden Beines unangenehm geltend machen 
und empfindliche Kranke, bei denen man ohnehin anfangs 
mit Zuspruch zur Hand sein mfissen wird, von der Fort- 
setzung der Behandlung abschrecken. In der Regel klingt 
die erste Steigerung der Beschwerden bald ab, und man 
tut gut, die Dehnung auch im Anfang bis zum Eintritt 
eines gewissen Schmerznachlasses fortzusetzen. Nach einer 
Ruhepause geht man entweder zur Massage fiber oder man 
kann an die erste Dehnung eine zweite anschliessen, welche 
nun wesentlich weniger schmerzhaft auszufallen pflegt. 
Bei ganz alten reizlosen Ffillen kann man auch in einem 
Zuge ffinf, ja selbst zehn Minuten lang die Nervendehnung 
fortsetzen, wobei allm&hlich das Gefflhl des ,eingeschlafenen 
Beines 1 eintritt, wfthrend Schmerzen fiberhaupt nicht mehr 
empfunden werden. Die Selbstmassage wird am besten 
an die Nervendehnung unmittelbar angeschlossen. Sie ist 
in diesem Stadium wenig schmerzhaft, dabei exakt, denn 
die Nervendehnung hat dem Kranken alle seine Schmerz- 
punkte zum Bewusstsein gebracht, und schliesslich nicht 
anstrengend, einmal wegen der bewegungserleichternden 
Wirkung des warmen Bades, sodann wegen der Mdglich- 

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Ischias. 


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keit, dabei beliebig lange und zahlreiche Ruhepausen ein- 
zuschalten. Zwischen der Massage der -einzelnen Glied- 
abschnitte kdnnen auch BewegungsGbungen nach der Art 
der im hydrotherapeutischen Institut zu Berlin bei den 
,Bewegungsb&dern‘ Gblichen — Beinheben und -drehen, 
Rumpf- und Kreuzheben und -senken in RQcken- und Bauch* 
lage — eingeschaltet werden, falls der Kranke sich hierzu 
noch kr&ftig genug fOhlt. Die Massage wird am bequemsten 
Shnlich der Corneliusschen Druckpunktbehandlung durch 
leicht vibrierenden, quer zum Verlaufe des Nervenstamms 
gerichteten Druck vorgenommen. Der Badende legt dazu 
beide H&nde von den Seiten her an das kranke, im Enie 
mehr oder weniger stark zu beugende Bein und benutzt 
zur Massage je nach Bedarf entweder die Daumen, die 
Zeigefinger oder den zweiten bis vierten Finger beider 
abwechselnd gebrauchten oder, wie am Oberschenkel, bei¬ 
der gleichzeitig nebeneinander massierenden H&nde. Die 
HQfte wird in Seitenlage auf der gesunden Seite entweder 
mit dem Daumen oder mit den spitzwinklig gebeugten 
Mittelgelenken des zweiten bis vierten Fingers der gleich- 
seitigen Hand massiert. Man ist dabei zun&chst geradezu 
erstaunt, wie bequem man im Bade an alle seine Schmerz- 
punkte herankommt und wie leicht man bei der mQhelos 
zu erreichenden Muskelerschlaffung Gberall in die Tiefe 
dringen kann. Jede Stelle wird so lange massiert, bis 
ein Nachlass der Schmerzempfindung eingetreten ist. Das 
ganze Bad dauert, wenn alle Handgriffe ausgiebig ausge- 
fflhrt werden, 30 bis 40 Minuten; warmes Wasser l&sst 
man nach Bedarf zulaufen. Am Schlusse des Bades 
empfiehlt sich eine ganz kurze, kOhle Uebergiessung, die 
aber das kranke Bein mGglichst nicht treffen soli. Wie 
bei der Ischiasbehandlung uberhaupt, ist auch bei der 
Selbstbehandlung eine gewisse Yerweichlichung kaum ver- 
meidbar und bildet gegenOber der Verschlimmerung des 
Leidens wohl auch das geringere Uebel. Diese B&der 
mftssen je nach Lage des Falles t&glich oder einen 
um den andern Tag monatelang fortgesetzt werden, um 
Heilung oder wenigstens einen ertr&glichen Dauerzustand 
zu schaffen. Stets sind Sorge fGr leichten Stuhlgang, 
mOglichst vegetabilische und reizlose Kost und Vermeidung 
des Alkohols wertvolle Hilfsmassnahmen. Fettleibige, 
Herz- oder Gef&sskranke eignen sich natfirlich fGr die 
Selbstbehandlung kaum. Mir selbst hat die ffinf Monate 
lang einen um den andern Tag durchgef&hrte Behandlung 
voile, jetzt seit mehr 'als zwei Jahren bestehende Heilung 


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Ischias — Rheumatiemen. 


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von einer drei Jahre lang alien Kuren trotzenden Ischias 
gebracht. Ein Nachprflfung an andern Eranken war mir 
bisher mangels einschl&gigen Krankenmaterials nicht 

mbglich.* (Mediiin. Klinik 1911 Nr. 81.) 

Rheumatismen. TTeber Nierenreuung dnrch Saluylpr&- 
parate nnd ihre Anfhebnng dnrch Alkalizafohr. Yon 

Dr. Glaesgen jun. in Mfinster a. St. (Aus der Medizin. 
Klinik zu Strassburg.) Autor hat an acht Personen, dar- 
unter fdnf Polyarthritikem, Yersuche gemacht, deren Re- 
sultat er tabellarisch wiedergibt. Tabelle 5—8 inklusive 
best&tigen die Erfahrung des Auftretens von Eiweiss nach 
Yerabreichung von Salizyls&urepr&paraten. Tabelle 8 zeigt, 
wie eine tiber die Aspirinaufnahme hinaus dauernde Al- 
buminurie w&hrend einer tftglichen Zufuhr von 10 g Natron 
bicarbonicum sistiert, urn mit dem Aussetzen des Alkalis 
wieder aufzutreten. Auch in Tabelle 6 dtlrfte das prompte 
Aufhdren einer nach Aspirindarreichung entstandenen Ei- 
weissausscheidung auf die Alkalizufuhr bezogen werden 
konnen. Tabelle 1, 2, 3, 4, 5 und 7 zeigen das Yer- 
halten bei gleichzeitiger Darreichung von Salizyls&urepr&pa- 
raten mit Natr. bicarbonicum. Im allgemeinen wurde die 
doppelte Dosis Natr. bicarb, gegeben, als die Dosis des ver- 
abreichten Salizylprftparates betrug, 10 g pro die wurden 
aber nicht Gberschritten, selbst wenn die Dosis Salieyl- 
s&ure 6 g pro die betrug, bei Fall 4 und 1 wurden sogar 
bei 6 g Aspirin nur 8 g Natr. bicarbon, bezw. bei 6 Aspirin 
6 Natr. bicarbon, gegeben. Das Natr. bicarbon, wurde auf 
den Tag verteilt in kohlens&urehaltigem Wasser in dieser 
Menge ohne Unbehagen genommen. Wie aus der Tabelle 
ersichtlich ist, wurde in keinem dieser F&lle eine Eiweiss- 
ausscheidung beobachtet, ebensowenig fdhlten die Poly- 
arthritiker etwa subjektiv eine Verschlimmerung ihres Zu- 
standes oder einen Unterschied gegentiber der Wirkung 
reiner Salizylmedikation. Wurde Natr. bicarbon, bei Weiter- 
geben des Salizylpr&parates auch nur einen Tag wegge- 
lassen, so stellte sich sofort Eiweiss wieder ein. Be- 
trachtet man die F&lle auf den therapeutischen Effekt hin, 
so sieht man bei den Fallen 4 und 1 die Temperatur 
bei Darreichung von Salizyl und Natr. bicarbon, ebenso, 
wie bei Salizylgabe allein zur Norm herabsinken. Nimmt 
man dazu das gleiche subjektive Wohlbefinden der Kranken 
und den gleichen Fortschritt des Heilungsprozesses bei 
beider Art der Medikation, so steht aus therapeutischen 
Grtlnden wohl nichts entgegen, die Form anzuwenden, 


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Rheum&tismen. 


die, ohne einen reizenden Einfluss auf die Harnwege aus- 
zufiben, dasselbe Ziel erreichen lasst. Auenstedt fOhrt 
zwar au8, dass die Salizylnephritis nach AufhOren der 
Darreicbang des Medikaments sehr rasch verschwindet. 
Dass dies aber nicht immer der Fall ist, zeigt die Tabelle 8, 
wo nach AufhOren der Aspirindarreichung mit Ausnahme 
von vier Tagen, an denen Natr\ bicarbon, gegeben wurde, 
die Albuminurie drei Wochen anhielt, w&hrend vor Aspirin¬ 
darreichung kein Albumen vorhanden war. Treupel ist 
nach seinen Erfahrungen ebenfalls geneigt, jede Nieren- 
reizung bei Salizyldarreichung zu ignorieren. Autor glaubt 
aber doch zur Vorsicht raten zu sollen, vor allem in Fallen, 
wo die Nieren von vornherein nicht ganz intakt sind. Die 
Dosis von 6—10 g Natr. bicarbon, pro Tag, die nOtig 
war, um die Albuminurie zu vermeiden, lasst sich dem 
Kranken ja ohne Beschwerden zufdhren. 

(MUnch. med. Wochenschrift 1911 Nr. 21.) 


— Kaoepe-Balaam hat sich, wie Dr. A. Frank el (Berlin) mit- 

teilt, ihm bei Rh., Nervenschmerzen, Schmerzen bei Frak- 
turen und Luxationen bewahrt. Die Yerbindung von Azet- 
salizylsaure-Mentholester mit Azetsalizyl- Aethylester und 
Lanolin wirkte schmerzlindernd und heilend ein. 

(Klin.-therap. Wochenschrift 1911 Nr. 31.) 

— Ueber ein nenes Salimylpr&parut, das Hydropyrin Grifa und 

seine Wirkung auf die Nieren. Yon Dr. v. Tippelskirch 
(Stadt. Krankenhaus Altona). Autor kommt zu folgenden 
SchlOssen: 

1. Das Hydropyrin ist leicht in Wasser lOslich, lasst 
sich daher gut mit andern Medikamenten kombinieren 
und kann auch als Klysma verabfolgt werden. 

2. Es ist in seiner therapeutischen Wirkung dem 
Aspirin etwa gleichwertig. 

3. Nebenwirkungen treten bedeutend seltener auf, wes- 
wegen hohe Dosen lftngere Zeit hindurch ohne Schaden 
verabfolgt werden kOnnen. 

4. Auf die Nieren wirkt das Praparat erst bei Dosen 
von 6 g pro die, langere Zeit hintereinander gegeben, 
schadigend ein. Die Reizerscheinungen sind auch dann 
nur gering und verschwinden trotz Fortdauer der Medi- 
kation nach wenigen Tagen, sind also praktisch so gut 
wie bedeutungslos. 


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Rheumatismen — Schwangerscbaft, Geburt, Wochenbett. 


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Vorlftufig wird wohl der hohe Preis des Medikaments 
seiner allgemeinen. EinfGhrung in die Therapie im Wege 
stehen. Immerhin wird es ein wertvolles Miitel in F&lien 
sein, in denen entweder die Nieren weniger widerstands- 
fahig sind, oder andere Salizylpr Spar ate unangenebme 
Nebenwirkungen hervorrufen. 

(Die TherApie der Gegenwart, September 1911.) 

Schwangerscbaft, Geburt, Wochenbett. Ueber 
Extractnm hypophysis als Mittel snr Anregung der 
Wehent&tigkeit. Yon Dr. A. Ross (Cranenburg). Es 
handelt sich um das von Burroughs Wellcome u. Co. her- 
gestellte „Vaporole u Extractum hypophysis (ex Infundi- 
bnlo) 20 °/o, das in Ampullen je 1 ccm der sterilisierten, 
besonders fGr subkutane Injektion pr&parierten Ldsung 
enth&lt. Autor hatte Gelegenheit, die eklatante Wirkung 
des Mittels in einem Falle erproben zu kOnnen. Er wurde 
von der Hebamme zu einer Geb&renden mit fast voll- 
kommenem Wehenstillstand gerufen, Der Eopf des Kindes 
stand ziemlich tief, „zangenrecht“, der Muttermund war 
weit, aber seit lftngerer Zeit war w.egen Wehenmangels 
nach Aussage der Hebamme kein Fortschritt der Geburt 
mehr zu beobachten, wovon Autor sich selbst durch einiges 
Abwarten Gberzeugte. Die Anwendung der Zange w&re 
also vollkommen berechtigt gewesen. Es handelte sich 
Qbrigens um eine II para, bei der Autor die erste Geburt 
wegen Wehenmangels mit der Zange beendigt hatte, eine 
Tatsache, die zum Yergleich von einigem Wert ist, da 
die Wehenschw&che nach seinen Erfahrungen sich bei 
derselben Frau hftufig wiederholt. — Er injizierte nun 
1 ccm der Ldsung des Extractum hypophysis, und zwar 
in die Bauchhaut, und war erstaunt, als nach wenigen 
Augenblicken eine krftftige, lang andauemde Wehe ein- 
setzte, der in kurzer Zeit mit geringen Abst&nden weitere 
folgten, so dass nach zirka sechs Wehen die Geburt be¬ 
endigt war. Im Verlaufe der letzten Wehe verabreichte 
Autor der Frau den Inhalt einer zweiten Ampulle, um 
eine Nachgeburtsblutung zu verhGten, wie sie sich nach 
der ersten Geburt infolge der mangelhaften Eontraktion 
des Uterus eingestellt hatte, und auch das gelang voll¬ 
kommen: die Entfernung der Plazenta gelang leicht, und 
der Uterus blieb vollst&ndig fest kontrahiert. Interessant 
ist noch, dass die intelligente Frau, die vorher bei ihren 
mangelhaften Wehen nicht zum Mitpressen zu bewegen 
gewesen, sofort bei der ersten Wehe nach der Injektion 


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64 Schwaogerechaft, Geburt, Wochenbett — Syphilis. 

krfiftig mitpresste. Sie sagte nachher, sie h&tte rnitpressen 
mttssen, wenn sie auch nicht- gewollt hfitte. Bemerkt sei 
noch, dass Autor der Frau vorher in keiner Weise gesagt 
hatte, in welcher Richtung das Mittel wirken wfirde. — 
Autor hat nachher das Mittel in zwOlf weiteren Fallen 
angewendet und kann sagen, dass es niemals im Stiche 
gelassen hat. £r bemerkt dazu, dass verschiedene F&lle 
dem soeben beschriebenen fast auf ein Haar glichen, 
in alien aber die prompte, zuverl&ssige Wirkung des 
Mittels bei an sich schwachen oder im Verlaufe der 
Geburt schwficher gewordenen oder ganz zessierenden 
Wehen auf das deutlichste zutage trat. Eine schfidliche 
Wirkung oder Nebenwirkung konnte Autor in keinem 
Falle feststellen, weder auf die Mutter noch das Kind. 
Die Entfernung der Nachgeburt gelang stets leicht, Nach- 
blutungen aus atonischem Uterus traten nie auf, der Uterus 
war nach der Geburt st&ndig gut kontrahiert. Autor in- 
jiziert jetzt meistens in den Unterarm, die Injektion ist 
nicht schmerzhafter als eine Morphiumeinspritzung. Nur 
in vier Fallen schritt er zu einer zweiten Injektion, nicht 
weil die erste versagt hatte, sondern weil er eine kr&f- 
tigere Wirkung wQnschte, z. B. in einem Falle bei einer 
Ipara mit noch ziemlich hochstehendem Kopfe, in einem 
anderen, nachdem Autor die vorliegende Nabelschnur re- 
poniert hatte, urn das Tieftreten des Kopfes zu beschleu- 
nigen und dadurch den erneuten Vorfall der Nabelschnur 

ZU Verhindern. (ZentralbUtt f. Gynfckologie 1911 Nr. 84.) 

— Zur Therapie des unstillbaren Erbrechen* der Sohwangeren. 

Von Dr. R. Foerster (Berlin). Es gelang in einem Falle, 
das Erbrechen zu sistieren, sobald der Uterus, dessen 
Cervix nach rechts abgelenkt stand, vorgezogen wurde. 
Es mahnt der Fall daber, bei unstillbarem Erbrechen 
einen Versuch mit einer Verlagerung der Gebarmutter, 
etwa einem Vorziehen und Fixieren in leicht gefinderter 
Position, ZU machen. (Munch. med. Wochensehrift 1911 Nr. 88.) 

Syphilis. Ueber einen Fall yon IH - syphilitischer Anto- 
inoknlation dnrcb Kontakt. Von Dr. Hans Assmy, 
Spezial-Arzt fflr Haut- und Geschlechtskrankheiten, Abt.- 
Arzt am Ost-Krankenhause in Berlin. „Wenn die In- 
fektiositftt IH-syphilitischer Erscheinungen auch als be- 
wiesen anzusehen ist, so scheinen Infektionen durch solche 
doch nur ausserordentlich selten vorzukommen. Es liegt 
das offenbar daran, dass einmal die III - syphilitischen 


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Syphilis. 


65 


Produkte wenig Krankheitserreger, bzw. in einer Form 
beherbergen, welche fflr die Uebertragang aaf einen neuen 
Nfihrboden sich — vielleicht infolge Abschw&chung ihrer t 
Virulenz — wenig eignen. Dann aber wird ja sicher die 
Infektionsgefahr beim Bestehen von III-Syphiliden dadurch 
sehr verringert, dass diese sich im allgemeinen an den Geni- 
talien, also der Stelle, von der aus bei der Il-Syphilis sicher* 
lich die meisten Infektionen zustande kommen, nur relativ 
selten lokalisiert vorfinden. Beim Vorhandensein Ill-syphi- 
litischer Prozesse an den Genitalien muss jedenfalls vom 
Arzt mit einer InfektionsmOglichkeit gerechnet werden. 
DieBerechtigung dieserForderung beweist eine Beobachtung, 
die zu machen ich Gelegenheit hatte. Am 29. Dezember 
L909 suchte mich der 49 Jahre alte Kaufmann W. auf, 
um mich wegen eines Ausschlages an der Eichel zu kon- 
sultieren. Er gab an, dass die Affektion seit etwa 
vier Wochen bestande und mit einer roten Stelle von Steck- 
nadelkopfgrdsse an der Harnrdhrenmfindung begonnen 
habe. Nach wenigen Tagen habe sich aber derselben ein 
kleiner Schorf gebildet, der aber bald ohne weitere Be- 
handlung abgefallen sei. Damit sei aber die Sache nicht 
erledigt gewesen, denn innerhalb einiger Tage zeigte sich 
eine Ausbreitung des EntzQndnngsprozesses aber den vor- 
deren Teil der Eichel hin. Gleichzeitig habe er einen 
geringfagigen Ausfluss aus der Harnrdhre bemerkt; Be- 
schwerden habe er von der Affektion nicht gehabt, bis 
vor einigen Tagen, wo er bei einem Coitus an der Vor- 
haut Schmerzen bekam. Bei der Besichtigung des Gliedes 
fand er eine Entzftndung der Vorhaut, die ihn verhinderte, 
dieselbe aber die Eichel zurQckzuziehen. Meine Fragen 
nach der Mbglichkeit einer Infektion wurden von dem 
Pat. strikte verneint. Er sei verheiratet und habe seit 
seiner Eheschliessung niemals mehr ausserehelich verkehrt. 
Ebenso wurden die Fragen nach etwaigen fraheren In¬ 
fektionen verneint. Die Untersuchung ergab nun folgendes: 
Leicht entzQndliche Phimose des relativ kurzen Pr&putiums, 
das die Eichel nur etwa bis zur H&lfte bedeckte. Der 
freie Teil der Eichel zeigte Spuren eines in Abheilung 
begriffenen entztindlichen Prozesses. Die Haut war leicht 
narbig ver&ndert und von einigen radi&r verlaufenden, 
strichfOrmigen, ganz flachen Rhagaden durchzogen. Die 
Um8chlagstelle des Pr&putiums zeigte eine leicht entzhnd- 
liche Rbtung, die saumartig in einer Breite von etwa 
Vz cm den Vorhautrand bedeckte, ohne sich auf das innere 
Blatt des Pr&putiums fortzusetzen. Auff&llig war das 


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Syphilis. 


Bestehen einer ziemlich festen Infiltration air dieser Stelle, die 
intensiv genug war, um die Verschieblichkeit des inneren 
und ftusseren Blattes gegeneinander aufzuheben. Eine 
m&ssige Infiltration zeigte sich ferner auch im Gebiete der 
Harnrfihrenmfindung. Diese selbat war verklebt; auf 
Druck entleerte sich daraus eine sp&rliche Menge schleimig- 
eitrigen Sekretes, in dem mikroskopisch Leukozyten, Epi- 
thelien sowie zahlreiche Bakterien und Kokken ohne 
v besondere Artabzeichen nachzuweisen waren. Der regionfire 
Lymphapparat zeigte keine palpatorisch nachweisbaren 
Besonderheiten, ebensowenig die LymphdrOsen des Qbrigen 
Kfirpers. Besondere bemerkt sei noch, dass bei dem Ver- 
suche, die Vorhaut fiber die Eichel zurfickzustreifen, was 
fibrigens nur in ganz geringem Masse mdglich war, sich 
die vOllige Intaktheit des von der Vorhaut bedeckten 
Teiles der Eichel und des inneren Vorhautblattes ergab. 
Ich gestehe nun offen ein, dass ich fiber das Wesen des 
Prozesses absolut im unklaren war. Dementsprechend 
verordnete ich dem Pat. feuchte Umschlftge mit Liquor 
Alum. acet. ffir die Nacht; tagsfiber sollte er 5°/oige 
Salizyl-Vaselineverb&nde machen, ausserdem dreimal t&glich 
Injektionen mit Hydrargyrum-oxycyanat.-Lfisung (1:4000) 
in die Harnrfihre. Als sich der Pat. am 5. Januar 1910 
wieder vorstellte, schien der Prozess in seiner Gesamtheit 
gfinstig durch die Behandlung beeinfiusst. Die Vorhaut 
liess sich etwas weiter zurfickziehen, die Rhagaden auf 
der Gians waren fast alle geheilt. Ein Weitergehen der 
Entzfindung auf der Vorhaut war nicht zu konstatieren. 
Infolgedessen empfahl ich dem Pat., mit der Behandlung fort- 
zufahren und nach etwa einer Woche sich wieder vorzustellen. 
Letzteres tat der Pat. jedoch erst wieder am 16. M&rz 1910, 
und zwar kam er deshalb, weil sich nach anf&nglich an- 
dauernder Besserung in den letzten Tagen wieder eine 
erhebliche Verschlechterung seines Leidens gezeigt hatte. 
Die Untersuchung ergab folgendes: Die Entzfindung auf 
der Eichel war unter Hinterlassung einer glatten Narbe 
abgeheilt. Die Harnrfihrenmflndung war narbig verengt 
und nur noch ffir eine dfinne Sonde durchgfingig. Die 
Sekretion war ganz verschwunden; auch der Urin war 
klar. Ausgesprochene Ver&nderungen zeigten sich da- 
gegen auf dem Prfiputium. Die Entzfindung hatte sich 
auf diesem zirkulftr um den Penisschaft herum um etwa 
V* cm weiter nach der Radix penis zu vorgeschoben. An 
der Grenze nach der gesunden Haut hin zeigte sich eine 
Schorfbildung, die ihrer geradezu typischen Beschaffenheit 


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Syphilis. 


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nach in mir sofort die Ueberzeugung erweckte, dass es 
sich hierbei um nichts anderes als um ein IH-Syphilid 
(tubero-serpiginOses Syphilid) handeln k&nnte. Dement- 
sprechend drang ich erneut in den Pat., mir zu sagen, 
ob er denn nicht frflher einmal ein Geschwdr oder etwas 
derartiges an den Geschlechtsteilen gehabt habe. Ich sagte 
ihm, dass ich zu der Ueberzeugung gekommen wftre, es 
handle sich bei ihm bezfiglich seines jetzigen Leidens um 
die Folgen einer frOheren syphilitischen Infektion. Und 
da gestand denn der Pat. zu, dass er im Alter von 23- 
Jahren, also vor nunmehr 26 Jahren, als Soldat eine 
,wunde Stelle 4 an der Vorhaut gehabt und deshalb auch 
einige Wochen im Lazarett mit grauer Salbe geschmiert 
habe. Seit dieser Zeit habe sich aber nichts wieder bei 
ihm gezeigt, weswegen er auch nicht mehr behandelt 
worden sei. Da ich deutlich heransmerkte, dass der Pat. 
an einen Zusammenhang seines jetzigen Leidens mit seiner 
damfiligen Erkrankung nicht recht glaubte, schlug ich ihm 
vor, zur Erh&rtung meiner Diagnose sich einer Blutunter- 
suchung zu unterziehen. Als Antwort darauf holte er 
aus seinem Taschenbuch einen Brief hervor, in dem ihm 
von einem hiesigen serologischen Institut mitgeteilt wurde, 
dass die Untersuchung seines Blutes nach Wassermann 
eine stark positive Reaktion ergeben habe. Auf meine 
erstaunte Frage, was ihn denn veranlasst habe, sich auf 
diese Weise untersuchen zu lassen, gab er an, er habe 
davon so viel in der Zeitung gelesen, und ausserdem habe 
ihm ein Freund, mit dem er darttber gesprochen habe, 
geraten, sich doch auch einmal das Blut untersuchen zu 
lassen. Auf die meinerseits nunmehr sofort eingeleitete 
spezifische Behandlung mit Hydrargyrum und Jodkali er- 
folgte in kQrzester Zeit eine glatte Heilung des Prozesses. 
Ich habe gemeint, in solcber Ausfohrlichkeit diesen Fall 
beschreiben zu sollen, weil er meiner Ansicht nach in 
mehr als einer Hinsicht lehrreich und interessant ist. 
Denn einmal wird durch ihn wieder einmal ganz eklatant 
bewiesen, dass man sich auf die Aussagen der Pat., auch 
wenn es sich um ftltere, vemflnftige und gebildete Menschen 
handelt, betreffend frdhere Erkrankungen nur sehr wenig 
verlassen kann; femer, dass III-syphilitische Erkrankungen 
auch fdr den Geflbteren manchmal infolge ihres vOllig 
atypischen Aussehens zu einer Fehldiagnose Anlass geben 
kbnnen. Ganz abgesehen davon aber handelt es. sich hier 
offenbar um einen Vorgang, der als eine III-syphilitische 
Autoinokulation aufgefasst werden muss. Denn nur als 


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68 


Syphilis. 


solche kann der Uebergang des Krankheitsprozesses von 
der Eichel auf die Vorhaut erkl&rt werden. Viel inter- 
essanter aber dQrfte der Umstand sein, dass das III- 
Syphilid nicht auf der Eichel weitergegangen ist, sondern 
mit dem Momente, wo es zu einer Kontaktinfektion des 
benachbarten Vorhautrandes gekommen war, auf ein Fort- 
schreiten auf der Gians verzichtet hat. Was ftkr Ver- 
h&ltnisse die Yeranlassung hierzu abgegeben haben, entzieht 
sich vbllig meinem Verst&ndnis. Yielleicht kdnnte man 
annehmen, dass Licht und Luft fflr die Weiterentwicklung 
des Syphilids als befOrdernde Faktoren in Frage gekommen 
sind. Aber auch unter dieser Yoraussetzung ist das Si- 
stieren des Prozesses auf der Eichel nicht zu erklftren. 
Nach dem bekannten Zusammenhange zwischen S. und 
Trauma hfttte man doch eigentlich annehmen mflssen, dass 
durch den Druck, den die Yorhaut auf die Gians aus- 
ftbte, fflr die Fortentwicklung des Ill-Syphilids auf dieser 
die g&nstigsten Yorbedingungen gegeben waren.“ 

v (Dermatolog. Zentr&lblatt, Mai 1910.) 

— E. Langes, Ueber die Salvarsantherapie bei Schwangeren 
nnd WSchnerinnen. (Aus der Universitftts-Frauenklinik 
Kiel.) Auf Grund seiner Yersuche kommt L. zu folgenden 
Schlbssen: 

1. Salvarsan ist auch in der Graviditftt ohne Schfi- 
digung und mit gutem Erfolge zu verwenden. 

2. Die intravenSse Yerabreichung hat sich auch uns 
als die beste erwiesen in bezug auf Wirkung und Folge- 
erscheinungen. 

3. Mdglichst frQh in der Gravidit&t hat die Salvarsan- 
verabreichung zu erfolgen. Dann ist 

4. die Prognose flir die Gesundheit der Kinder sehr 
gfinstig. 

5. Sollte w&hrend der Graviditftt keine Behandlung 
mit Salvarsan stattgefunden haben, so muss sie gleich 
nach der Entbindung erfolgen. 

6. Durch die Behandlung der Mutter wird auch die 
Lues der Kinder allein durch die Ernfthrung an der 
Mutterbrust gfinstig beeinfiusst. 

7. Alle Kinder dieser Matter, gleichgaltig ob sie 
Zeichen von Lues haben oder nicht, sind an der Mutter¬ 
brust zu ernfthren. 

8. Das Collesche Gesetz hat sich auch uns als falsch 

erwiesen. (Medizin. Klinik 1911 Nr. 20.) 


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Tuberkulose. 


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Tuberkulose. Die Behandlung der Diarrhoe mit Glu- 
tannin. Von Dr. Devaux (Hospital zom Heil. Geist, 
Frankfurt a. M.). Glutannin ist eine Tanninpflanzeneiweiss- 
verbindung; das darin enthaltene Eiweiss wird aus dem 
Weizenmehl gewonnen und ist das nur zu 2°/o im Weizen- 
mehl enthaltene wasserl&sliche Albumin. Tabletten a 0,3 g 
3—5mal taglich bew&hrten sich sehr bei Darmtuberkulose; 
die Wirkung trat meist schon nach 2—3 Tagen ein. 
Auch bei einfachen, nicht tuberkulSsen Darmkatarrhen 
wirkte das Mittel nach 1—2 Tagen prompt. 

(Munch, med. Wochenechrift 1911 Nr. 32.) 

\ 

— Ueber Anwendnng von Novojodin bei chirorgscher T. be- 

richtet Dr. Drachter (Univers.-Kinderklinik Mflnchen). 
Am meisten wurde das Pr&parat verwendet bei tuberku- 
lSsen Erkrankungen, so insbesondere bei T. der Knochen 
und Gelenke, bei tuberkuldser Caries der Bippen und des 
Sternums, Spina ventosa, Caries der Fuss- und Handwurzel- 
knochen, Caries der Sch&delknocben, T. der Wirbels&ule 
und des Beckens; auch bei T. der Weichteile wurde aus- 
giebige Anwendung von dem Mittel gemacht, insbesondere 
bei tuberkulSsen Fisteln, bei zahlreichen tuberkulSsen 
Weichteilabszessen und insbesondere auch bei T. der Ge- 
lenkweichteile, wie der Hlifte, des Knies, des Ellbogens, 
des Fussgelenkes. In der Behandlung der offenen T. mit 
Eiterung hat sich das Novojodin als ein Pr&parat erwiesen, 
das in hohem Masse die eitrige Sekretion reduziert, die 
Austrocknung auch grosser eiternder Wundflfichen und 
WundhShlen begiinstigt und insbesondere relativ rasch 
von den Wundrandern her die Bildung von hellroten, 
frischen, gesunden Granulationen anregt. Grosse tuber- 
kulSse Wundhdhlen fQllte man mit Novojodinsuspension 
aus, so dass dasselbe in alle Wundwinkel bequem ein- 
dringen konnte, oder benutzte zur Tamponade dieser 
HShlen die Novojodingaze oder gewShnliche in Novojodin 
getauchte aseptische Verbandgaze. So gut wie ausnahms- 
los war ein Nachlassen der Eitersekretion zu bemerken. 
Die toten, mit schmierigem Belag bedeckten, reaktionslos 
aussehenden tuberkulSsen Wunden sind seit der Novojodin- 
behandlung entschieden seltener geworden. Auch in der 
Behandlung der offenen Gelenktuberkulose wurden mit 
Novojodin ausschliesslich gute Erfahrungen gemacht. Einen 
besonderen Vorzug des Novojodins mfissen wir darin er- 
blicken, dass es nicht nur selbst vSllig geruchlos ist, 
sondern in hohem Masse desodorisierend wirkt, eine Eigen- 


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70 


Tuberkulose — Tamoren. 


schaft, die wohl der Wirkung des Formaldehyde zuzu- 
schreiben ist. Schon beim ersten Yerbandwechsel &usserst 
fOtiden Eiter sezernierender Wunden macht sich diese 
wertvolle Eigenschaft bemerkbar. Dabei scheint das neae 
Pr&parat vOllig reizlos und ungiftig zu sein. Obwohl 
man dasselbe n&mlich bisweilen in grossen Mengen auch 
bei ganz kleinen Kindern mit sehr zarter Haut applizierte, 
warden doch nie Beizerscheinungen der Wunden oder 
deren Umgebung beobachtet. Ebenso sind keine Erschei- 
nangen aafgetreten, die in irgendwelcher Weise auf 
durch Resorption zurflckzufOhrende eventuelle Intoxika- 
tionen zurGckzufOhren gewesen w&ren. Novojodin ist, so- 
weit man dies bis jetzt beurteilen kann, ein gut haltbares 
Pr&parat, wenigstens in trockenem Zustand und bei ge- 
wOhnlicher Temperatur. Hobe Hitze vertr&gt es dagegen 
nicht. Es kann nicht im str&menden Wasserdampf steri- 
lisiert werden, sondern muss dem etwas umstfindlichen 
Verfahren der fraktionierten Sterilisation unterzogen werden: 
in 24stOndlichen Intervallen dreimal Erhitzung je eine 
Stunde lang auf 70—80° C. An und for sich ist das 
Pr&parat nach den Untersuchungen des Wiener hygie- 
nischen Institute schon stark bakterizid, und von anderer 
Seite wird berichtet, dass das Novojodin das Wachstum 
des Staph, pyog. aur. in einer VerdOnnung von 1:1000, 
das des Strept. pyog. aur. in VerdOnnung von 1:10000, 
des Bact. coli und fthnlicher Arten in VerdOnnung von 
1:1000 verhindere. BeizufOgen w&re noch, dass das 
Novojodin in seiner. Yerwendung ziemlich billig zu stehen 
kommt, jedenfalls erheblich billiger als Jodoform. 

(ZentrslbUtt f. Ohirurgie 1911 Nr. 94.) 

Tumopen. Fttnf Miaserfolge mit Antimeristem (Schmidt) 

teilt Privatdoz. Dr. P. Sick (Chirurg. Klinik des Diako- 
nissenhauses in Leipzig) mit. Es handelte sich um inoperable 
F&lle. In keinem Falle Erfolg (nicht einmal vorflber- 
gehender), Injektionen als sehr qu&lend geschildert (sie 
lOsten stets st&rkere EntzOndungserscheinungen aus). 

(M tin oh. med. Woohensohrift 1911 Nr. 25.) 

— TJeber akute schmermhaftc aymmetriache Lipomatoae. Yon 

Dr. J. Elinkowstein (Krankenhaus der JOd. Gemeinde 
zu Berlin). Bei einem 23j&hrigen M&dchen entwickelte 
sich innerhalb weniger Tage eine Reihe von kleinen 
Knoten, die sich als Lipome erwiesen. Sie waren bei 
Druck und auch spontan so schmerzhaft, dass Pat. grosse 


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Tumoren. 


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Dosen von Narcoticis erhalten rausste. Fast alie hatten 
einen symmetrischen Sitz. Die Knoten warden dann 
kleiner, persistierten jedoch, w&hrend die Schmerzen ver- 
schwanden. (Medlain. Klinik 1911 Nr. 84.) 

— Die Behandlung des inoperablen Uteruskarzinoms mit- 
Azeton. Yon Dr. G. Gellhorn (Barnard Free Skin and 
Cancer Hospital in St. Louis). Zun&chst wird in Narkose 
das Karzinom energisch ausgekratzt. Dazu bedient man 
sich mit Yorteil des von Boldt angegebenen scharfen 
Loffels von besonders grossen Dimensionen. Nunmehr 
wird die Pat. in Beckenhochlagerung gebracht, die Nar¬ 
kose wird unterbrochen, ein Milchglasspekulum wird in 
den Krater eingefGhrt, und 2—3 EsssQffel reinen Azetons- 
werden in das Spekulum gegossen. Die Blutung steht 
sofort. Nur wenn ein grosseres Geffiss erOffnet worden 
ist, bleibt die Blutstillung aus, dann ist naturlich feste 
Tamponade am Platze. Eine derartige Komplikation ist 
Autor bisher nur einmal passiert. In alien anderen 
Fftllen wird durch Senken des Spekulums und vorsiclitiges 
Auswischen nach etwa 10 Minuten der neugebildete Blut- 
klumpen entfernt und neues Azeton eingefQllt, das weitere 
20 Minuten auf die frische Wunde einwirkt. Jetzt wird 
der Tisch wieder gesenkt, das Qberschfissige Azeton rinnt 
aus dem Spekulum heraus, das letztere wird entfernt 
und die Vulva mit Wasser oder Sublimatldsung abgesptllt. 
Man kann auch vorber in die Wunde einen Gazestreifen 
einlegen, der dann am n&chsten Tage herausgezogen wird. 
GewOhnlich bleiben die Pat., falls sie nicht zu sehr aus- 
geblutet sind, zwei oder drei Tage im Bett und werden 
vom fOnften Tage nach der Operation ambulant weiterbe- 
handelt. Diese Nachbehandlung gestaltet sich einfach der- 
art, dass die Pat. sofort in Beckenhochlagerung gebracht 
werden und dass ein Milchglasspekulum direkt in den 
Krater eingeschoben wird. Das Azeton wird ohne vor- 
heriges Auswischen in die Rbhre eingef&llt. Die Pat. 
halten das Spekulum selber an seinem Platz etwa 30 Mi¬ 
nuten lang. Soweit ist die Behandlung g&nzlich schmerz- 
frei. Bei der Entfernung des Azetons und des Rdhren- 
spekulums ist es aber durchaus notwendig, zu verhQten, 
dass selbst minimale Reste des Azetons die Yulva be- 
rfihren, da sonst ein fast unertr&gliches Brennen empfunden 
wird. Autor schtitzt sich gegen dieses unliebsame Ereignis r 
indem er die Aussenseite des Spekulums dick mit Vaseline 
bestreicht und indem er nach Auslaufen des Qberschdssigen 


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72 


Tumoren. 


Azetons mehrmals wassertriefende Wattetupfer in den 
Krater einfOhrt und w&hrend dieser Prozedur langsam 
das Spekulum entfernt. Unter Beobachtung dieser einzigen 
Vorsichtsmassregel 1st die gesamte Behandlung durcbaus 
schinerzios. In der beschriebenen Form wird die Nach- 
behandlung mebrere Wochen lang in 2—dt&gigen Ab- 
st&nden ausgefGhrt. In den meisten Fallen verkleinert 
sich der Krater so schnell, dass immer dtinnere Spekula 
ndtig werden. Autor hat b&ufig nach. 6—8 Wochen 
nnr noch einen Katheter oder eine TrokarhOlse ein- 
fGhren kOnnen. GewOhnlich verschwinden die hervor- 
stechendsten Symptome, also entweder Blutung oder 
stinkender Ausfluss, nach wenigen Wochen, manchmal 
schon nach einer Woche. In diesen Fallen findet die 
Behandlung nur zweimal wOchentlich statt, um in be- 
sonders gOnstigen Fallen auf eine einmalige wdchentliche 
Applikation reduziert zu werden. Hin und wieder hat 
Autor sogar die Behandlung mehrere Wochen lang ganz 
aussetzen kdnnen. Wo aber der Erfolg der Behandlung 
nicht gleich ausgepragt war, oder wo das Karzinom 
Neigung zu ausgedehnterem Zerfall zeigte, empfiehlt es 
sich, nach 4—6 Wochen eine zweite Ausschabung in 
Narkose folgen zu lessen. 

(Zentralblatt f. Gyn&kologie 1911 Nr. 85.) 

— Spontanea Verschwinden flacher Warsen an der einen Hand 
nach Abtragung solcher an der anderen Hand. Von 

Prof. Dr. L. Waelsch (Prag). Zwei Fftlle hat Autor be- 
obachtet. Eigenartig war bei beiden Fallen, dass nach 
einseitiger Entfernung kleiner Hautgeschwfilste, die sich 
an symmetrischen Stellen entwickelt hatten, gleichartige 
auf der anderen Seite spontan in einem Zeitraum von 
vier Wochen verschwanden. Eine vollkommen zureichende 
Erkl&rung dafQr abzugeben, ist Autor derzeit nicht in 
der Lage. Wir wissen nach den bekannten Versuchen 
Kreibichs, dass unter bestimmten Umst&nden durch einen 
an einer Hautstelle gesetzten Reiz Verfinderungen angio- 
neurotischer Natur an der symmetrischen Hautstelle auf- 
treten kdnnen. Hier handelt es sich aber nicht um das 
Hervorrufen von Effloreszenzen an einer symmetrischen 
Stelle durch einen gesetzten Reiz, sondern im Gegenteil 
um das Verschwinden von Hauteffloreszenzen nach Be- 
seitigung symmetrisch lokalisierter gleichartiger. Vielleicht 
wird diese Beobachtung durch folgenden Erklftrungsver- 
such unserm VerstSndnis etwas nfiher gerQckt: Durch 


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Tumoren — Vermiachtes. 


73 


die Abtragung der Warzen und die nachfolgende Lapia- 
tuachierung wird ein ziemlicher EntzQndungsreiz gesetzt; 
es iat mOglich, daaa dieaer ala va8omotori8cher Reflex im 
Sinne Kreibicha auf die andere symmetrische Seite fiber- 
tragen wird und dort allm&hlichea Yerachwinden der Warzen 
bewirkt, die, wie wir wiaaen, auf entzfindliche Reize auch 
achon geringen Gradea (Erfrierung, Chryaarobin) aich 
zurfickbilden. Experimented welche dieaen Erklfirungs- 
verauch atfitzen aollen, aind im Gange. 

(Mtinch. med. Woehenschrift 1011 Nr. 87.) 


Vermischtes. 


Die Bier ache Stannng dea praktischen Arztes. Von Dr. 

J. Michalski (Wetzikon): „Zweck dieaer Arbeit 8oll 
aein, zu zeigen, daaa die Bier ache Stauung auch vom 
praktischen Arzte mit grossem Vorteil angewendet werden 
kann, wenn er aich die Mfihe nimmt, aich in das Weaen 
der Hyperfimiebehandlung hineinzuarbeiten, und daaa auch 
er dieseibe gem benutzen wird, wenn er sich nicht ver- 
leiten lftast, mehr zu verlangen, ala diese Behandlungaart 
leisten kann. Da nur das, was der praktische Arzt in der 
Sprechstunde und in der Hauapraxis durchfQhren kann, 
hier zu beaprechen iat, so fftllt von vornherein die aktive 
Hyperftmie mit ihren groaaen und komplizierten Heiaaluft- 
apparaten weg, und es bleibt uns nur die Saugglocke und 
die Stauungsbinde. Auf die ins Ungeheure angewachsene 
Literatur fiber die Bier ache Stauung einzugehen, hat ffir 
den praktischen Arzt keinen Wert. Wer aich in diese 
Materie einarbeiten will, der flndet alles, was er braucht, 
in dem Buche von Bier: ,Hyperftmie ala Heilmittel‘, daa 
im Jahre 1907 in 6. Auflage erschienen iat und wohl 
auch fernerhin in neuen Auflagen daa jeweilen neu Er- 
worbene bringen wird. Aus eigener Erfahrung mfichte 
ich dem praktischen Arzt sehr empfehlen, aich mit dem 
bis jetzt aicher Erworbenen zu begnfigen und die Er- 
weiterung des Gebietea den Klinikern zu Qberlassen, an- 
sonst ihm sehr unangenehme Ueberraschungen nicht erapart 
bleiben werden. Icli will versuchen, vom Leichteren zum 

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Schwereren flbergehend, dem Anf&nger einen Wegweiser 
zu bieten, der ihn vor Misserfolgen m&glichst bewahren 
soil. Von den beiden uns zur Verfflgung stehenden 
Hyperftmiemitteln ist unbedingt die Saagglocke in ihrer 
Tecbnik bedeutend einfacher. Klapp, der dieses Gebiet 
speziell ausgearbeitet hat, gibt liber die Technik folgende 
Vorschriften: ,Die Saagglocke wird auf die zu behandelnde 
Stelle gesetzt und mittels des Gummiballons oder der 
Handlaftpampe die Luft in jener verdfinnt. Die Luftver- 
dflnnung darf nie so stark sein, dass der Fat. Schmerzen 
empfindet, und lasse man sicb darch gar keine anderen 
Ueberlegungen leiten als nur durch die Angaben des Pat. 
Nacb fftnf Minuten Saugung tritt eine Pause von drei 
Minuten ein, damit das in den Gef&ssen gestaute Blut 
wieder abfllessen und durch 'neues ersetzt werden kann. 
Dann wird wieder w&hrend fOnf Minuten gesaugt usw., bis 
nach S U Stunden die Bebandlung fdr ein Mai erledigt ist. 
Diese Prozedur wird anfftnglich t&glich, sp&ter, je nach dem 
Erfolg, in immer grOsseren Zwischenr&umen appliziert. 
Die Saugglocken sind stets absolut steril zu halten und 
nach jedem Gebrauch auszukochen; die Gummiballons 
und Schl&uche brauchen nur ausgekocht zu werden, wenn 
sie verunreinigt sind. Die Saugglocken werden in Sublimat- 
lOsung aufbewahrt. Vor und nach der Behandlung muss 
die Haut jeweilen mit Benzin oder Aether gereinigt werden, 
und os empfiehlt sich, bei akuten eiternden Prozessen, 
dieselbe w&hrend des Saugens mit einer dflnnen Schicht 
von Lanolin oder Vaselin zu bedecken, damit sie nicht 
irritiert wird. 1 Klapp und Eschweiler verlangen, dass 
diese Behandlung stets unter firztlicher Aufsicht durch- 
gefdhrt wird. Es ist nun dem praktischen Arzte schlechter- 
dings unmOglich, einem Pat. t&glich fast eine Stunde zu 
widmen, und es kann die Ueberwachung der Prozedur 
ganz vertrautem Hilfspersonal, z. B. der Dorfkranken- 
schwester, flbergeben werden, doch warne auch ich un¬ 
bedingt davor, ohne weiteres jedem Pat. die Saugglocke 
in die Hand zu geben. Schon seit Jahren habe ich bei 
leichteren Erkrankungen die Saugglocke t&glich nur fdnf 
Minuten angewendet und bin ich mit den erzielten Erfolgen 
zufrieden. Das Aufbewahren der Saugglocken in der 
SublimatlOsung beansprucht sehr viel Platz, da ja ver- 
schiedene Formen und Grbssen vorr&tig gehalten werden 
mdssen, auch ist ja die Luftinfektion heutigen Tages nicht 
mehr so gefdrchtet; mit der Aufbewahrung der ausgekochten 
Glocken im hermetisch verschlossenen Instrumentenschrank 


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babe ich bisher noch keine schlechten Erfahrungen ge- 
macfat. In der Sprechstunde bediene ich mich statt des 
Gummiballons der von Strauss empfohlenen Wasserstrahl- 
luftpumpe, die von der Firma Emil Jabnsen in Barmen 
geliefert wird und die mir vorteilhaft erscheint, da sich 
bei derselben die Saugkraft viel besser regulieren lfisst. 
Durch die Saugglocke erzengen wir eine kr&ftige Hyperfimie, 
und zwar nicht nur an der Oberfl&che. Die Wirkungen 
der Hyperfimie auf die betroffenen KOrperteile werden bei 
der Besprechung der Staunngsbinde zu behandeln sein. 
Die Glocke wirkt auch krfiftig saugend, was zur Ent- 
fernung des Eiters aus den Geweben vorteilhaft ist und 
wodurch das AusdrGcken des Eiters unnStig wird. Bier 
u. a. empfehlen zwar, den Eiter auszudrficken, und gebe 
ich gerne zu, dasB die gedbte, gefQhlvolle Hand des 
Chirurgen dies auszufhhren wohl imstande ist; dass aber 
dieses* AusdrGcken oft und viel grossen Schaden anrichtet, 
wird mir wohl jeder Chirurg zugeben und wird es mit 
mir begrftssen, wenn die unsch&dliche Saugglocke dafflr 
eintritt. Auch wird der scharfe LOffel, dieses Marter- 
instrument, auf dessen Gefahren Gbrigens noch zurfick- 
zukommen ist, vollstftndig GberflGssig. Das dankbarste 
Feld for die Saugglocke bieten die Furunkel und Kar- 
bunkel, und wer schon Gelegenheit hatte, hierbei diese 
Heilungsmethode anzuwenden, wird sie kaum mehr missen 
wollen; gerade hier begegnen wir in der Literatur wahren 
Lobeshymnen. Kommen diese Affektionen frGbzeitig in 
Behandlung, bevor sie ^eif 1 geworden sind, so gelingt 
es oft, innert 2—3 Tagen, nur mit Hilfe der Saugglocke 
allein, vollstfindige Heilung zu erzielen. Im sp&teren 
Stadium genfigt die StichinzisionT unter Chlorftthylspray, wie 
dies u. a. von Frangenheim besonders hervorgehoben 
wird. Pat., welche schon die frGhere Behandlung: Kreuz- 
schnitt und nachherige Auskratzung mit dem scharfen 
Lftffel durchgemacht haben, sind der neuen Heilmethode 
ausserordentlich dankbar und anerkennen freudig die Vor- 
teile, die da sind: Schmerzlosigkeit und wesentlich kfirzere 
Heilungsdauer. Panaritien, warme und kalte Abszesse, 
vereiterte Bubonen bieten ebenfalls gGnstige Chancen. Eine 
Krankheit mOchte ich vor allem hervorheben und sie dem 
praktischen Arzte zur Saugglockenbehandlung warm an- 
empfehlen: die Mastitis. Im frfthen Stadium kann oft 
auch hier die Saugglocke allein eine Heilung erzielen, 
doch muss hier die tfigliche dreiviertelstfindige Saugung 
nach den Klappschen Vorschriften angewendet werden. 

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Wie Jaschke habe auch ich die Erfahrung gemacht, dass 
das Stillen nicbt ausgesetzt zu werden braucht, und erapfinde 
ich dies als einen sehr grossen Vorteil. Zeigt sich an 
irgendeiner Stelle Fluktuation, so wird durch eine kleine 
Inzision dem Eiter Abfluss geechaffen, and empfinden die 
Pat. den Wegfall der grossen verstfimmelnden Narben 
sehr wohltuend, wie dies u. a. von McLennan ge- 
schildert wird. Bei einer interstitiellen, chronischen Mastitis 
ist es mir gelungen, innert vier Wochen jede Spur von 
Verh&rtung zum Verschwinden zu bringen. Die Schmerzen 
in der Narbe nach der Appendizektomie, die ja jedem 
Hausarzt bekannt sind und oft schon den Arzt etwas zurfick- 
haltender machten bei der Empfehlung zur Operation, 
werden durch die Saugglocke nach der Erfahrung von 
Jerusalem rasch zum Verschwinden gebracht. Bei Faden- 
eiterungen und Fisteln aller Art wird die Behandlungs- 
dauer ganz entschieden abgekQrzt, und kaan ich Klapp 
unbedingt zustimmen, dass nie eine Sekund&rinfektion auf- 
tritt, wie dies beim Ausschaben mit dem scharfen L6ffel 
h&ufig vorgekommen ist, besonders wenn derselbe, was 
auch heute noch beobachtet werden kann, offen in der 
Tasche mitgeschleppt wird, wozu sich die Saugglocke, 
dank ihrer Zerbrechlichkeit, nicht eignet. Die Stauungs- 
binde, die Bier empfiehlt, ist eine weiche Gummibinde, 
welche in der gewQnschten Form von der Firma Eschbaum 
in Bonn in den Handel gebracht wird. Sie wird zentral- 
w&rts der affizierten Stelle angelegt und so stark angezogen, 
dass sie eine deutliche Blutstauung hervorbringt, aber 
nie dem Pat. Schmerzen oder Parftsthesien verursacht. 
Auch hier muss speziell auf das Gefdhl des Pat. abgestellt 
werden, und darf sich der Arzt nicht dazu hinreissen 
lassen, nach seinem GefQhl zu behaupten, die Binde 
sitze nicht zu fest. Wie Sch&ffer bin auch ich der 
Ansicht, dass die Technik der Bindenanlegung nicht leicht 
ist, und wird wohl jeder Arzt erst nach einigen Miss- 
erfolgen sich dieselbe ganz aneignen kOnnen. Nur prak- 
tische Uebung fQhrt hier zum Ziel, doch kOnnen einige Merk- 
punkte wertvolle Dienste leisten: Der Puls muss deutlich 
fdhlbar bleiben; die Hautvenen treten stark hervor; die 
Haut im gestauten Gebiet zeigt eine rbtliche bis rot- 
bl&uliche Farbe, bftufig leicht marmoriert, doch ddrfen 
keine Flecken auftjreten; die Hauttemperatur soli eher 
etwas erhOht werden, auf keinen Fall tiefer sein. Es 
empfiehlt sich, am Oberarme nach dem Vorschlage Blechers 
die Binde in Beugestellung anzulegen. FQr den Ober- 


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Vennischtee. 


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schenkel ist am zweckm&ssigsten die Marti nsche Binde 
oder bei besonders fettleibigen Personen der Henlesche 
Schlaucb, dessen Druckwirkung durch Einblasen von Luft 
genau reguliert werden kann. Zur Erzeugung der Stau- 
ungshyperfimie beim Hoden legt man an die Basis des 
Hodensackes fiber tfichtige Polsterung einen Gummisbhlauch, 
der aber nach Empfehlung von Bier nie l&nger als zwfilf 
Stunden liegen soil. Ffir die Ausffihrnng der Schulter- 
stauung empfiehlt Klapp folgendes einfacbe Ye^fahren: 
,Die beiden Enden eines fingerdicken, weichen Gumroi- 
schlauches werden ineinander gesteckt and fest vernfiht. 
Der Gummischlauch wird mit weichem Filz umn&ht, damit 
er nicht drfickt. Der aus dem Gumrpischlauch gefertigte 
Ring muss so eng sein, dass er sich nur schwer fiber die 
Schulter ziehen lfisst. Damit er weit fiber das zu hyper* 
fimisierende Gelenk hinQbergreift, wird er auf der Vorder- 
und Hinterseite von einem breiten, durchwirkten Gummi- 
band erfasst und nnter Zug unter der gesunden Schulter 
zusammengeschnallt.* Am Halse wird am besten ein 
Gummib&ndchen in der Art der bekannten Strumpfb&nder 
angelegt. An dem einen Ende wird ein H&kchen an* 
gebracht, an dem andern eine ganze Reihe von dicht neben* 
einander liegenden Oesen, so dass der Druck genau re¬ 
guliert werden kann. Die Gummibinde muss bei alien 
Affektionen, bei denen wir sie anwenden, anffinglich 20 
bis 22 Stunden liegen bleiben mit Ausnahme bei der 
Tuberkulose, die eine gesonderte Besprechung verlangt. 
Daraus ergibt sich, dass sie mfiglichst nicht an gleicher 
Stelle anzulegen und zu unterpolstern ist, was durch einige 
Touren mit der Mullbinde genfigend ausgeffihrt werden 
kann. Ohnedies lfisst sich auch mit ,der gewOhnlichen 
Mullbinde die Biersche Stauung ganz nett erreichen, nur 
muss vor allem hier darauf geachtet werden, dass die 
Binde breit angelegt wird, damit dieselbe nicht schrumpfen 
und einschnfiren kann. Ich mfichte sogar dem Anffinger 
empfehlen, die Stauung zuerst mittelst der Mullbinde her- 
vorzurufen, da die Gefahren fQr zu starke Stauung ent* 
• schieden geringer sind als bei der Gummibinde. Guth 
wendet Heftpflasterstreifen an, die recht fest angezogen 
werden dfirfen, doch ist das tfigliche Abnehmen derselben 
empfindlichen Pat. nicht sehr sympathisch. Nach Abnahme 
der Binde muss das betreffende Glied hoch gelagert werden, 
damit das Oedem mOglichst vollstfindig abfliessen kann. 
Der Arzt scheue die Mfihe nicht, die Binde stets selber 
anzulegen, denn, da es viel Uebung braucht, wird er nur 


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schlechte.Erfahrungen macben kdnnen,wenn er dies Laien- 
h&nden tibergibt. Die Wirkung der Stauungsbinde ist die 
,passive Hyperfimie 4 , wie sie Bier bezeichnet hat, welche 
£olgende Erscheinungen aufweist: Wie durch jede Hyper- 
ftmie, so wird auch durch die Stauung der Schmerz auf- 
* gehoben oder wenigstens erbeblich gelindert. Die Resorption 
wird bedeutend herabgesetzt, solange die Binde liegt, 
was bei fieberhaften Krankheiten zu raschem Temperatur- 
abfall fflhrt. Es wird in der Regel ein sehr starkes Oedem 
erzeugt, woran beim Anlegen der Verbffnde gedacbt werden 
muss, damit nicht sch&dliche Einschnbrungen entstehen 
kftnnen. Offenbar ist auch die bakterizide Wirkung, wie 
sie durch die praktische Erfahrung von Bier nnd durch 
die Versuche vonN&tzel bewiesen wurden, nicht gering 
anzuschlagen. Es scbeint, dass flberhaupt alle Gifte in 
ihrer Wirkung abgeschwftcht werden, wie die Versuche von 
Czylharz und Donath zeigen. Die ern&hrende Wirkung 
auf die Gewebe wurde zu allererst anerkannt und von 
Dummreicher, Helferich, Thomas bei der verzOgerten 
Kallusbildung, von Ritter bei Erfrierung in praxi vorteil- 
haft verwendet. Wohl die schOnsten, geradezu verblflffen- 
den Erfolge erzielt die Stauungsbinde beim akuten Gelenk- 
rheumatismus, besonders gonorrhoischer Natur. Die Pat. 
sind imstande, ihren gewohnten Verrichtungen nachzu- 
gehen, da sie keine Schmerzen haben, und dadurch wird 
die Yersteifung der Gelenke mehr als bisher ausgeschaltet. 
Yon den Salizylpr&paraten neben der Stauung habe ich 
mich noch nicht emanzipiert, doch beschreiben Bier, 
Bone, Harvier u. a. vollkommene Heilung bei der An- 
wendung der Binde allein. Bei Parulis, Panaritien und 
alien andern EntzQndungen gehen die krankhaften Er* 
scheinungen unter der Einwirkung der Stauungsbinde 
rasch zurdck. Warme Abszesse verwandeln sich zuerst 
in kalte und kdnnen vollstftndig verschwinden, wie Bier 
dies gezeigt hat. Dem praktischen Arzte ist aber zu 
empfehlen, diese Experimente nicht nachzuahmen, sondern 
stets der alten Lehre eingedenk zu sein: ubi pus, ibi evacua. 
Eleine Stichinzisionen in diese Abszesse gen&gen voll¬ 
stftndig, und ist bei diesen Affektionen die Kombination 
der Stauungsbinde und der Saugglocke von bestem Er¬ 
folge begleitet. Gerade bei diesen Ffillen hat mir die 
nur fflnf Minuten lange Applikation der Saugglocke, dank 
der Entfernung des Eiters und der Pfrdpfe, sehr gute 
Dienste geleistet. Sehr gute Erfolge habe ich zu ver- 
zeichnen Gelegenheit gebabt beim Erythema nodosum und 


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beim Erythema exsudatiyum multiforme. Bitter empfiehlt 
die Stauung am Halse gegen Erbrechen nach der Narkose; 
ich habe keine Erfolge damit erzielt, was vielleicht meiner 
Aeng8tlichkeit zuzuschreiben ist. Es wird auch empfohlen, 
die Stauung prophylaktisch an zu wen den bei als infiziert 
verd&chtigen Wunden; hier ist es natflrlich schwer, fiber 
Erfolge zu berichten.* 4 (Sohluss folgt.) 

(Oprrespondensblatt f. Sohweiser Aerate 1910 Nr. 30.) 

— Elastische Metallkatheter. Von Dr. F. B. Solger (Rostock). 

Der vom Autor zur Benutzung vorgeschlagene Katheter 
ist nach Art des Bleisti ft halters n Da b&ngt er w verfertigt, 
allerdings nur in dem beweglichen Teil, der die Urethra 
posterior iu passieren hat. Das EndstQck ist ein mas- 
sives Bohr. Der Katheter besteht demnach aus einem 
beweglichen Spiraldraht, der in ein starres Rohr fibergeht. 
Er unterscheidet sich von fihnlichen Kathetern dieser Art 
darin, dass die Spiralwindungen nicht kantig aneinander 
schliessen, sondern dass dem Spiraldraht seine ursprfing- 
liche runde Oberflfiche absichtlich belassen worden ist, 
weil Verwundungen, Kratzeffekte usw. dadurch am besten 
vermieden werden. Autor hat das Instrument wiederholt 
zum Katheterisieren benutzt und es durchaus brauchbar 
gefunden. Nach seiner Ansicht ersetzt es weiche Gummi- 
und Seidenkatheter uhd hat vor ihnen den Yorzug, dass 
es ausgekocht werden kann, ohne in der Struktur ge- 
sch&digt zu werden. Einige Kollegen, denen Autor den 
Katheter vorffihrte, schlugen eine Modifikation mit Mer- 
cierkrfimmung vor. Eine solche ist in Arbeit genommen. 
Die Herstellung hat Kunde in Dresden, der Erfinder des 
Bleistifthalters, Qbernommen. 

(Dermatolog. Zentralblatt, April 1911.) 

— Gegen Pruritus soli nach J. W. Miller fdtgendes Liniment 

sehr gute Result ate geben: 

Resorcin 2,5 
Ichthyol 5,0 
Bals. peruv. 15,0 
01. ricin. 120,0. 

(Rif. med. 1911 Nr. 24. — Mediz. Klinik 1911 Nr. 86.) 

— Gynoval hat Nervenarzt Dr. O. Aronsohn (Berlin) mit sehr 

zufriedenstellenden Erfolgen angewandt und empfiehlt das 
Prfiparat (Flakons mit 25 Perlen 4 0,25 g) fiberall da, 
wo Baldrian therapeutisch indiziert ist. 

(Uedisin. Klinik 1911 Nr. 86.) 


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Vermischtes. 


— Zur Methodik dor Venenpnnktion und der intramteen 
Injektionen schreibt Dr. E. Sachs (Kgl. Universit&ts- 
Frauenklinik KOnigsberg). „Die in Nr. 8 dieser Wochen- 
schrift unter dem gleichen Titel verOffentlichte Arbeit von 
Moritz gibt uns Veranlassung, anf eine Methode hinzu- 
weisen, die an Einfachheit wohl die von Moritz heschrie- 
benen und die sonst gebrftuchlichen Obertrifft, vor allem 
den Vorteil hat, Qberall improvisiert werden zu k tauten. 
Wir haben sie seit Jahren bei mehreren hundert Yenen¬ 
punktion en angewandt, und sie hat auch in den H&nd.en 
anderer Kollegen, die sie von nns hbernommen haben, nie 
versagt. Diese Methode besteht darin, dass man vor oder 
nach der ttblichen Desinfektion der Elfonbogenbeuge ein 
etwa 8 cm breit zusammengelegtes Tuch, das so geknotet 
ist, dass e8 bequem am Arm liegt, mit einem bindurch- 
gesteckten Instrument (Kornzange, Mundspatel, Loffel oder 
dergleichen) so lange zudreht, bis der Radialispuls gerade 
im Verschwinden ist. Bei einiger Vorsicht macht diese 
Methode dem Pat. keinerlei Beschwerden, besonders wenn 
man es vermeidet, das Instrument am Knoten selbst hin- 
durchzustecken und beim Drehen eine Hautfalte einzu- 
klemmen; der Kranke kann — falls die Art seiner Er- 
krankung es nicht hindert, das zum Drehen verwandte 
Instrument selbst halten. Der Yorteil dieser Methode ist 
ein vielfacher. Einmal lfisst sich der Druck jederzeit mit 
Leichtigkeit variieren, durch wiederholtes Oeffnen und 
Schliessen kann man die Yenen leicht zur besseren Follung 
bringen, vor allem aber kann man bei intravenbsen In¬ 
jektionen durch. Loslassen oder durch Zurdckdrehen ohne 
jede Verschiebung des Armes, die bei Verwendung einer 
Gummibinde unvermeidlich ist, die Gefftsse vom Druck 
entlasten, so dass die in der Yene liegende Handle durch- 
aus sicher liegen bleibt. Bei alien anderen Methoden, 
bei denen Scharniere oder Schnallen verwandt werden, 
gehdrt zum Oeffnen bei liegender Nadel noch ein Gehilfe, 
zum mindesten gehdrt Vorsicht dazu, die Nadelspitze nicht 
zu verschieben. Als Spritze haben wir als beste die 
Luersche Glasspritze kennen gelernt, die vor den Rekord- 
spritzen zwei Yorteile hat. Einmal die bessere Fdhrung, 
die der Glaskolben in der Glasspitze hat. Der Metall- 
kolben der Rekordspritze hakt ab und zu doch einmal 
fest. Von besonderem Vorteil aber schien uns stets der 
Glaskonus der Luerschen Spritze, da man sofort wfihrend 
des Einstechens in die Yene das Blut in den Glaskonus 
einfliessen sieht und dadurch jedes Durchstossen der Yenen- 


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wand absoltit sicher vermeiden kann. Ebenso wie Moritz 
kftnnen auch wir empfehlen, zur Entnahme grbsserer 
Mengen mit der Spritze erst die Spritze vollsaugen zu 
lassen, dann den Sterapel herauszunehmen und nun den 
Spritzeninhalt und das nachfliessende Blut in einem an- 
deren Gefftss aufzufangen. Dabei arbeitet man v5llig 
steril and kann jede Beschmutzuug vermeiden, um so mebr 
als nach Lbsung des Tuchknebels und nach Entfernung 
der KanQle bei hocherhobenem Arm aus der Vqne kein 
Tropfen Blut mehr auszutreten pflegt.“ 

(Mtinch. med. Wochensohrift 1911 Nr. 27.) 

— Klotz, Erfahrangen liber die tberapeutische Verwendnng 
▼on Bolus alba und Kohlens&urescbnee. Es erschien 
wGnschenswert, die Mitteilungen Gbrners bezQglich der 
Bolusverwendung bei akuten Ern&hrungsst6rungen von 
S&uglingen einer Nachprfifung zu unterziehen. Die Bolus 
alba wurde im Jahre 1908 in geeigneten Fallen auf der 
S&uglingsstation der Breslauer Kinderklinik, besonders 
aber an dem grossen poliklinischen Material verwendet. 
Ueber die therapeutischen Ergebnisse waren die einzelnen 
ordinierenden Aerzte insofern einig, als von verbltkffenden 
Erfolgen wohl nicht gesprochen werden konnte. Von der 
Station verschwand das Boluswasser auch allmfthlich wieder, 
ein Zeichen, dass es den gehegten Erwartungen nicht ent- 
sprochen hatte. Sch&digungen wurden dagegen niemals 
beobachtet. Die S&uglinge nahmen im allgemeinen die 
Bolusaufschwemmung nicht ungern; solche der ersten drei 
Monate bekamen 5,0 Bolus auf 10—15 Strich Saccharin- 
wasser; von 3—6 Monaten das Doppelte und jenseits des 
ersten Halbjahres das Dreifache der Anfangsdosis. E. hat 
nicht den Eindruck gewonnen, dass unter dieser Behand- 
lung die Durchf&lle akut ernfthrungskranker S&uglinge 
frflher zum Stillstand kamen als unter der sonst bblichen 
Teedi&t. Ein Punkt war es jedoch, der ihn veranlasste, 
die Bolus poliklinisch nicht mehr zu verwenden: der 
Charakter der StGhle wurde gewissermassen durch die 
Tonerde kachiert. Die F&zes sahen sehr bald nach der 
Bolusdarreichung gut gelb gef&rbt, salbig aus, rochen 
wenig oder gar nicht. Geringe Schleim- oder Blutbei- 
mengungen entzogen sich der Wahmehmung. Die Schminke 
durch die Bolus erschwerte somit oft die richtigeEinsch&tzung 
und Beurteilung eines Stuhles. Andererseits ergibt sich aus 
dieser Feststellung folgendes. Wo abundante, schleimig- 
eitrige Entleerungen bestehen, und es dem Praktiker dar- 


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auf ankommt, durch einen ftusserlich gut aussehenden Stuhl 
des erkrankten Sftuglings die auf dieseh Effekt besonders 
ftngstlich urgierende Umgebungzu beruhigen, da empfiehlt K. 
ihm, Bolus zu verabreichen. Aber mehr als symptomatische 
Erfolge erwarte er nicht von dieser harmlosen Therapie. 
Bei Meteorismus des Sftuglings hat K. ebenfalls keinen 
gesetzm&ssigen oder in die Augen fallenden Effekt gesehen. 
Wenn, wie so h&ufig in der Pathologie des Sftuglings, der 
Meteorismus nicht so sehr abnormen Gfirungsprozessen 
seine Entstehung verdankt, als vielmehr Zirkulations- 
stfirungen (Czerny), wird die Bolustherapie sowieso keine 
kausale sein. Sehr zu empfehlen ist hingegen die Bolus 
alba als Streupuder. Sie ist dem jetzt allgemein im Ge- 
brauch befindlichen Zink* bzw. Salizylstreupuder vOllig 
ebenbfirtig und beiden Pnderarten dort fiberlegen, wo es 
gilt, Intertrigo und leichfe n&ssende Ekzeme zu behandeln. 
Die wasserbindende F&higkeit ist ausserordentlich gross, und 
es entstehen nicht durch Zersetzung des Amylums Sfturen, 
welche die zarte Epidermis reizen. Ganz besonders mOchte 
E. schliesslich auf die Verwendung von Bolus bei der 
Behandlung der Vulvovaginitiden der Sftuglinge und Kinder 
Qberhaupt hinweisen. Hier hat er teilweise frappante Er¬ 
folge gesehen. So heilte z. B. eine bereits */« Jahr mit 
alien erdenklichen Mitteln behandelte Gonorrhde bei einem 
ffinfjfihrigen Mftdchen in etwa vier Wochen ab und blieb 
auch (letzte Untersuchung nach VU Jahr) rezidivfrei. Auch 
auf der Station wurden einige sehr schnelle, schfine Er¬ 
folge beobachtet, in anderen Fallen liess dagegen die 
Heilung lftngere Zeit auf sich warten. Niemals sieht man 
bei dieser Therapie Reizerscheinungen. Sie ist die sauberste 
und auch wirksamste Therapie der Vulvovaginitis. K.s 
erste Versnche fielen in eine Zeit, da die VerOffentlichung 
Nassauers, der bekanntlich fiber eine grosse Reihe aus- 
gezeichneter Erfolge berichtet hat, noch nicht erschienen 
war. K. verwandte einen Pulverblftser mit langem Hart- 
gummiansatz. Dieser erwies sich aber als unpraktisch, da 
er die Bolus nicht in alle Winkel und Buchten der Scheide 
zu bringen erlaubte, und ausserdem durch das spitze Ende 
des Hartgummiansatzes gelegentlich Verletzungen gesetzt 
wurden. Da die Kanfile bis dicht vor den Introitus 
vaginae gebracht werden muss, kann es bei brQsken Be- 
wegungen unruhiger Sftuglinge zu Lftsionen kommen. 
ZweckmfiS8iger ist daher der Nassauersche „Siccator“. 
Er gestattet, die Scheide gehfirig aufzublasen und zugleich 
abzuschliessen, so dass der Bolusstaub nicht entweichen 


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kann. Die Bolusinsuffiation geschehe so hftafig wie mOg- 
lich. Jeden zweiten oder dritten Tag entferne man durch 
eine SpGlung mit Ealiuinhypermanganat - oder 2°/oige ' 
Wasserstoffperoxydldsung die trockenen Borken. Jeder 
Zusatz eines Medikamentes zur Bolus ist unzweckmfissig 
und fiberflQssig, wie vielfache Yersuche gelehrt haben. 
Am geeignetsten ist die Verwendung sterilisierter Tonerde. 

Es ist von Zweifel darauf hingewiesen worden, dass die 
Bolus mdglicberweise Tetanusbazillen beherbergen kann. 
Bei der Verwendung von Bolus als Nabelrestverband kamen 
in Leipzig einige Tetanusf&lle zur Beobachtung, die Zweifel 
vermutungsweise auf verunreinigte Bolus alba zurQckfflhrt. 
Aber die in Drogerien usw. k&ufliche Tonerde kann aucb 
anderswie verunreinigt sein, wie ein Yorkommnis in der 
PoKklinik bewies. Eine Gonorrhoe verschlimmerte sich 
unter Bolusbehandlung so ausserordentlicb, dass E. das 
alte „primum non nocere“ schwer aufs Gewissen fiel. Die 
Ursaohe lag jedoch in der Natur der verwendeten, in einer 
Medizinaldrogerie gekauften, nicht sterilisierten Bolus. Es 
war ein gelblich-schwarzes, sich klebrig anfQhlendes Pulver, 
das mit Barlappmehl und Sand stark verunreinigt war. 

Es ergibt sich daraus die Notwendigkeit, nur ein einwand- 
freies und vOllig trockenes, am besten sterilisiertes Pr&parat 
zu verwenden. — Eurz hinweisen mdchte K. endlich auf 
einige therapeutische Yerwendungsformen des Kohlensfiure- 
schnees, die noch nicht in weiteren Kreisen bekannt zu 
sein scheinen. Auf Veranlassung von Prof. Czerny ver- 
wendet E. den Eohlens&ureschnee mit gutem Erfolge zur 
Entfernung Qppiger Granulationen und bei subkutanen 
Tuberkuliden. Granulationen aller Art, speziell solche an 
der Mftndung tuber kulbser Fisteln heilen unter Eohlen- 
s&urevereisung mindestens ebenso schnell ab als wie bei 
Ver&tzung mit Arg. nitricum. Auch ist diese Behandlung 
wesentlich schmerzloser als bei der Paquelinisierung bzw. 
dem Eurrettement mit dem scbarfen LOffel. Besonders 
schnelle und in kosmetischer Hinsicht scbOne Erfolge sah 
E. bei subkutanen Tuberkuliden. Die Schmerzen der Ver- 
&tzung des tuberkulbsen Unterhautfettgewebes sind nicht 
gross bzw. halten nicht lange an. Gdnstige Objekte fflr 
die Behandlung sind nur die kutanen oder subkutanen 
leicht zug&nglichen Tuberkulide. Weniger z. B. tuber- 
kulbse HalsdrQsen. Hier dauert die Behandlung wesent¬ 
lich l&nger und ist. da man energisch ver&tzen muss, 
recht schmerzhaft. Fdr kleinere Teleangiektasien ist die 
Verb dung der Gef&ssschlingen mit Eohlensfiure ein ideales 


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84 


Vermischtee. 


und gefahrloses Verfahren, dem besonders messerscheue 
Eltern ihre Kinder gern unterwerfen lasstn werden. Die 
Dauer der Applikation darf bier aber keine so protrabierte 
sein: eine Minute ist die HOchstzeit. Schliesslich ist zu 
bedenken, dass die Reaktion der Epidermis auf den Kohlen- 
s&ureschnee eine ausserordentlich individuell verschiedene 
ist und man diese lieber vorher einer Prtlfung unterwirft, 
indem man mit nur 10—15 Sekunden Dauer beginnt. Die 
Wiederholung der Gefrierung gescbiebt bei Naevus flammeus 
alle 7—14 Tage, bei tuberkulfisen Fisteln und bei Granu- 
lationen kann man jeden vierten und fQnften Tag vereisen. 

(Berliner klin. Wooheusohrift 1910 Nr. 48.) 


— Bin* bisher nnbeachtete Verwendnng den Yohimbin. Von 

Geb. Medizinal-Rat Prof. G. Fritsch (Berlin). Die an- 
regende Wirkung des Mittels, welche sich in der Genital- 
sphSre fiussert, mflsste — so kalkulierte Autor — jedenfalls 
auch in den Harnorganen zutage treten und die mangel- 
hafte Innervation der Blasenmuskulatur und die der Pro¬ 
stata gdnstig beeinflussen. Die bisher angestellten Versuche, 
die Autor als Anatom und Physiologe ohne ftrztlicbe 
Praxis nur in beschr&nkter Zahl ausffthren konnte, haben 
die auf das Mittel gesetzten Hoffn ungen bestfitigt und 
berechtigen Autor, es den Kollegen zu ausgedehnter An- 
wendung in dem angedeuteten Sinne dringend zu empfehlen. 
Es ist gewiss kein Hexentrank, wie er dem Faust gleich 
30 Jahre vom Leibe schafft, alt werden die Pat. trotzdem 
werden oder bleiben, aber als Milderung der Altersplagen 
erscheint ein mftssiger Gebrauch des Yohimbin recht aus- 
sichtsvoll. Fortgesetzte Versuche baben ergeben, dass 
schon bei mfissiger Dosierung eine tonisierende Einwir- 
kung auf die Blasenmuskulatur bemerkbar wurde; dazu 
gentlgte es, eine Tablette pro die zu nebmen und nach 
3—4 Tagen wiederum for etwa drei Tage ganz auszu- 
setzen. Der Drang zum Urinieren und leicht eintretende 
Inkontinenz beim Uebergehen des Dranges verloren sich 
unter der Einwirkung des Mittels bei den Pat., was be¬ 
sonders wegen der weniger gestdrten Nachtruhe sehr an- 
genehm empfunden wurde. Versuchsweise wurde die 
Dosierung bis auf drei Tabletten am Tage gesteigert, was 
eine leichte allgemeine Erregung zur Folge hatte, die 
aber nicht unangenehm empfunden wurde. Die Herz- 
tfttigkeit war dabei etwas lebhafter, ohne dass es zu 
lftstigem Herzklopfen oder astbmatischen Erscheinungen ge- 


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Vermischtes. 


85 


kommen w&re. Irgendwelche Einwirkungen auf den Darm- 
traktus wurden nicht beobachtet. 

(Deutsche med. Wochensohrlft 1911 Nr. 27.) 


— Eukadol ist nach Prof. Dr. L. Tbrbk (Budapest) ein wenig 
verftnderter Teer, der aber fast geruchlos ist, gar nicht 
die Haut reizt und hervorragend juckstillend wirkt. 

„Am meisten empfiehlt sich die Verordnung des Euka- 
dols in substantia. Mit Hilfe eines harten Borstenpinsels, 
dessen Spitze leicht eingetaucht wurde, wird das Pr&parat 
in die erkrankte Stelle eingerieben. Hat man darauf ge- 
achtet, bloss wenig Eukadol zu neb men, so wird es nach 
der Applikation nicht gegen die Nachbarschaft verschmiert 
werden. In Olivenbl sind nur 50 # /o des Enkadols lbslich. 
Wollen wir daher eine 10%ige Eukadollbsung erhalten, 
so massten 20 g Eukadol mit 90 g Oel vermengt werden. 
10 g in Oel unlb9lichen Eukadols bleiben auf dem Filter 
zurQck. Docfa lassen sich in deraselben Oele weitere 
Eukadolmengen, bis zu 50°/o, auf Ibsen. Der Hackstand, 
den wir Eukadoleat nannten, ist zu therapeutischen Mass- 
nahmen ebenso geeignet wie das Eukadol selbst; es ist 
bloss schmieriger und fett. Seine Anwendung ist bei 
trockener Haut empfehlenswert. Die 50°/oige Lbsung des 
Eukadols in Oel ist eine sehr milde Anwendungsform 
des Eukadols. Es empfiehlt sich insbesondere dadurch, 
dass es weniger schmutzt als die beiden anderen Pr&pa- 
rate. Besondere Indikationen fQr die Anwendung des 
Eukadols aufzustellen, ist unnbtig; ttberall, wo die An¬ 
wendung des Teers erfahrungsgem&ss von Nutzen ist, 
kann das neue Pr&parat verordnet werden. Das gut her- 
gestellte Eukadol muss die Konsistenz dicken Sirups haben 
und in dbnner Schicht, z. B. an der Wand eines Glas- 
gef&sses, eine brftunliche Farbe aufweisen. Bemerken wir 
einen Stich ins Grbne, dann ist das Pr&parat schlecht 
und zurfickzuweisen. In diesem Falle besitzt es einen 
unangenehmen, wenn auch nicht starken Geruch und 
reizt die Haut. In konzentriertem Alkohol, in Aether 
und Benzol ist das Eukadol ohne Hackstand lbslicb. Auch 
in Spiritus saponatus kalinus ist es sehr gut lbslich, doch 
bleibt ein geringer Hackstand. Eine Mischung von Euka¬ 
dol mit Sapo virid. in Spiritus eignet sich zur Bereitung 
einer Eukadolemulsion (5—10 g auf 1 1 Wasser), welche 
in Form von Uraschl&gen und feuchten Verb&nden bei 
akuten Dermatitiden angewendet werden kann und dann 


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86 


Vermisohtea. 


neben der entzOndungswidrigen Wirknng aach juckstillend 
wirkt, ob in hbherem Masse als andere feuchte Ura- 
schlage, weiss ich nicht zu entscheiden*).“ 

(Dennfttolog. Zentralblmtt, Jnni 1911.) 

— Die Lakenspannnng im Krankenbett ist ein sehr wichtiger 
Faktor der Krankenpflege. Um das Bettlaken stets mbg- 
lichst faltenlos zu erhalten, hat man besondere „Bettlaken- 
Spanner" konstruiert. Die Spannvorrichtung von Kurz- 
bauer z. B. besteht aus zwei Paar hOlzernen Klammern, 
in welche das Bettlaken eingeklemmt wird; alsdann wird 
ein Klammerpaar am Kopfende, eines am Fussende der 
Bettstelle in einem hier angeschraubten Halter befestigt. 
Die Spannung des Lakens Iftsst sich durch nach Belieben 
fortgesetztes Aufwickeln auf die Holzklammern regulieren. 
Eine andere Vorrichtung ist von Grotjahn angegeben 
worden. Sie besteht aus zwei Staben, welche durch ein 
endloses Gewebe aus Stoff gesteckt und mittels ent- 
sprechender Haken an den unteren Randern der Bett- 
seiten befestigt werden. Die Verwendung des „ Lakens 
ohne Ende“ bietet dabei noch den Vorteil, dass man bei 
eingetretener Durchnassung durch seitliches Verziehen des 
Spanntuches leicht eine frische Unterlage schafft. Durch 
anziehbare und verstellbare Lederschlaufen, welche das 
Bett von unten her umgreifen und an den seitlichen Holz- 
staben befestigt werden, kann hier die Spannung beliebig 
erhbht werden. For Krankenhftuser eignen sich Spanner, 
welche aus einem viereckigen Eisenrahmen besteben, dessen 
eine Seite abnehmbar ist und erst, nachdem das mit zwei 
seitlichen Saumen versehene Laken auf die den Langs- 
seiten des Bettes entsprechenden Eisenstabe aufgezogen 
ist, in den Rahmen eingesetzt wird. Am Fuss- und Kopf¬ 
ende wird das Laken durch einige Bander befestigt (P. 
Jacobsohn). Eine einfache Art von Lakenspannvor- 
richtung, auf die Salzwedel aufmerksam gemacht hat 
und die fflr wenig bemittelte Familien zu empfehlen ist, 
besteht darin, dass ein Besenstiel in zwei gleiche Teile 
zersagt wird, von denen um den einen das Kopfende, um 
den andern das Fussende des Lakens herumgewickelt 
wird, worauf die Stabe quer zwischen Bettstelle und 
Matratze hineingesteckt werden; bei Nachlassen der Span¬ 
nung wickelt man dann leicht wieder beliebig an einem 
Stabe nach. (Antllche Polytechnik 1911 Nr. 8.) 

*) Die Herstellung des Prfiparates hat Apotheker Dr. Leo Egger 
Budapest V, V&czi kOrut 17) flbernommen. 


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Vermiachtes. 


87 


— TJeber die besonderen Eigen arten dee Kaffeegetr flakes and 
das Thumsche Verfahren nr Xaffeereinignng and 
-▼erbosserang. Von Prof. Dr. E. Harnack (Pharmako- 
log. Institut Halle). Autor gelangt zu folgenden Schlflssen: 

1. Die speziell nachteilige Wirkung des Kaffees er- 
streckt sich auf den Magen und mittelbar durch diesen 
auf das Herz. 

2. Diese Wirkung geschieht durch die flOchtigen ROst- 
produkte der Bohne. 

3. Das Kaffeegetrfink ist in physikalischer Hinsicht 
etwas durchaus anderes als der Tee. Kaffee ist weit mehr 
hypertonisch und hat eine viel geringere Oberflfichen- 
spannung als Wa^ser (Traube), Tee ist stets hypotonisch 
und hat die gleichhohe Oberfl&chenspannung wie das 
Wasser. Tee ist daher fflr den Magen vflllig unschfidlich. 

4. Das Thumsche Verfahren liefert reinen Kaffee 
unter Erhaltung seines Kofifeinbesitzes. Durch den Weg- 
fall der Rdstprodukte aus den der Oberfl&che der Bohne 
adh&rierenden Substanzen ergibt sich eine gleichm&ssigere 
ROstung und ein Getrfink, das einen reineren Geschmack 
besitzt und, soweit sich das jetzt schon beurteilen Ifisst, 
auch vom Magen usw. besser vertragen wird. 

(Mfinch. med. Woohensohr. 1911 Mr. 35.) 


— Retroflexio and UnfalL Von Geh. Obermedizinal-Rat Prof. 

Dr. Fritsch (Bonn). Autor kommt zu folgenden SchlQssen: 

1. Auf traumatischem Wege kann eine Retroflexio 
entstehen. 

2. Die Beschwerden der Retroflexio kdnnen eine mehr 

oder weniger grosse Beschrfinkung der Erwerbsffthigkeit 
zur Folge haben. (Oeutiohe med. Woohemohrift 1911 Nr. 41.) 

— Ein neues Venaeponktionsinstroment, mit dem auch der 

praktische Arzt leicht und ohne Assistenz die Blutentnahme 
fflr die Wassermannsche Reaktion ausfflhren kann, hat 
Dr. E. Braendle (Breslau) konstruiert. Das Instrument, 
bei dem die Punktionskanflle und das Auffanggeffiss solid 
miteinander verbunden sind, besteht aus drei Teilen: 
1. einer graden (Straussschen) Kanflle, die mit ihrem ko- 
nischen Ende in 2. einen soliden, geschliffenen Grlasstflpsel 
passt. Letzterer passt wieder in 3. ein in der Art des 
Reagenzglases gebaltenes Auffanggeffiss. Dieses ist mit 
einem Luftloch versehen, damit beim Einstrflmen des Blutes 
die Luft aus dem Geffiss entweichen kann; korrespondie- 
rend zu diesem Luftloch findet sich in dem GlasstOpsel 


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Vermiachtee — Bachernchau. 


eine Rinne. Bei der Zusammensetzung dee Instrumentes 
muss darauf geachtet werden, dass das Luftloch im Auf- 
fanggef&ss und. die Rinne im Glasstdpsel zusammentreffen. 
Die drei Teile zusammengesetzt bilden ein solides, leicht 
zu dirigierendes Instrument (Preis: 3 Mk., angefertigt 
von Schmidt, Breslau, Nicolaistrasse und Haertel, Breslau, 
Albrecht8trasse.) (Anti. Polytechnik Nr. 5.) 

t 

-, — 

Bucherschau. 


Pdnktlich wie immer erschien der 1. Teil von Burners Reicha- 
Medizinal Kalender, herausgegeben von Schwalbe, auf 
dem BQchertisch, so reichhaltig wie kein anderer medi- 
zinischer Kalender — in diesem Jahre noch reicbhal- 
tiger als frQher, sowohl was die Bearbeitung der schon 
in alteren Jahrgftngen gebrachten Abschnitte anbelangt 
als auch in bezug auf Vermehrnng des Inbalts mit neuen 
Kapiteln. Von ersteren sei nur hervorgehoben die Auf- 
z&hlung der Arzneimittel, ihre Anwendungsweise, Dosie- 
rung usw. Dieser von Robert mustergOltig bearbeitete 
Teil umfasst 184 Seiten! Auch die beiden Beihefte bilden 
wieder ein kompendidses Handbuch, in dem der Nach- 
schlagende alles mdgliche findet, von ersten Autoren ver- 
fasste Aufsfttze! Auch in diesem Jahre wird der Reichs- 
Medizinal-Kalender die Aerzte voll und ganz befriedigen. 

. — Maine K&feraammlung nennt sich ein Werk, das nicht fflr 
Zoologen bestimmt ist, sondern fflr alle, die Sinn fQr 
Humor haben und sich ein paar Stunden gut unterbalten 
wollen. A. de Nora liefert in den zwei B&ndchen — 
Species Borussiae und Species Bavaricae — kdstliche 
Satiren, und die von Schmidhammer gelieferten Bilder 
sind Oberw&ltigend komisch. Man lese z. B. n Die Schlacht 
bei Moabit u , „Der Landrat u , „B0low das Kind w , n Der 
Schiesserich u und in dem Bayern gewidmeten Teile: 
„Streik imHofbrftuhaus", „Oktoberfest“, „DasKonklave“ — 
und man wird alle Plagen und Sorgen des Lebens ver- 
gessen. Jedes B&ndchen (Verlag von L. Staackmann, 
Leipzig) kostet 2 Mk. 


F&r den redaktionellen Teil verantwortlich: 

Dr. E. Graetzer in Frledenao-Berlin. 


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j£rscheint am 

Anfang eioes jeden Monats. 


M 3 . 


Preis dea J ahrganga b Mk. 
excl. Porto. 


Excerpta medica. 

Kurze monatllohe Journalauszttge 

aus der geaamten Fachliteratur 

zum Gebrauch far den praktischen Arzt. 

Herauagegeben von Dr. med. Eugen Graetzer in JPriedenau-Berlin* 

Yerlag you Carl Sallmann, Leipzig. 


Dernier. XXI. Mrms 


1911 


Agrypitie. Xlinische Versuche mit Adalin als Sedativum 
und Hypnotikum. Yon Dr. H. Konig. (Aus der psychiatr. 

und Nervenklinik zu Kiel.) Aus der Arbeit seien fol- 

gende Abschnitte wiedergegeben: „Wenn ich zunachst die 
beruhigende, sedative Wirkung ins Auge fasse, so muss 
ich sagen, dass das Resultat in dieser Beziehung ein ziemlich 
eigenartiges war. In der Dosierung — um diesen Punkt 
von vornherein zu erledigen — und in der Darreichung 
bin ich der in den verschiedenen Publikationen sowie von 
der Firma selbst empfohlenen Methode gefolgt und habe 
es drei- bis viermal t&glich in Dosen von bis 1 g bis 
zu einer Gesamtmenge von 3 g pro die — einigemal sogar 

4 g pro die — gegeben. In manchen Punkten decken 
sich unsere diesbeziiglichen Beobachtungen mit den An- 
gaben von Jennicke, der sagt: . es (das Adalin) 

wird jedoch unzuverlassig, sobald die Erregung eine einiger- 
massen heftige ist. k Nicht beipflichten kann ich der An- 
schauung von Finckh, der angibt, dass motorische Er- 
regungen durch 1—2 g Adalin, in refrakten Dosen gegeben, 
gilnstig beeinflusst werden, dass, wie er sich ausdrilckt, 
,bettflilchtige, ja tobsiichtig erregte Kranke mOhelos im 
Bett gehalten werden konnten 1 * * 4 * * 7 . Allerdings betonen Finckh 
sowohl wie Jennicke, dass besonders halluzinatorisch 

erregte Kranke sehr wenig bzw. gar nicht durch das Mittel 
zu beeinflussen waren. Da aber wohl bei den meisten 
schwereren Erregungszustanden Geisteskranker Halluzina- 
tionen eine grosse, wenn nicht die massgebende Rolle 
spielen, so liegt darin wohl die Erklarung fQr das, nach 

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Agrypnie. 


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unseren Erfahrungen wenigstens, bestehende Versagen des 
Mittels. Eine andere Erscheinung aber ist mir bei meinen 
Beobachtungen fast noch auff&lliger gewesen, und das 
ist die, dass das Mittel bei depressiv-erregten Kranken — 
abgesehen von den stark halluzinatorisch beeinflussten — 
ganz ausserordentlich gQnstig wirkt, w&hrend es bei 
Kranken mit dem entgegengesetzten Affekt, dem heiteren 
oder zornig gereizten, also in erster Linie den Ma- 
nischen, auch in grossen Dosen vdllig wirkungslos bleibt. 
Diese Erfahrung kann nicht auf eine in Zufall beruhen, 
denn unter den 91 F&llen, an denen ich diese Beob- 
achtung zu machen Gelegenheit hatte, waren ungef&hr 
gleich viele von beiden Affektarten. Icb kann diese 
Erscheinung nur konstatieren, ohne irgendeine Erklflrung 
dafQr geben zu kbnnen, werde sie aber jedenfalls als 
Richtschnur for die therapeutische Verwendung des Ada- 
lins im Auge behalten.“ „Was den zweiten Teil der 
Erprobungen anbetrifft, die "Wirksamkeit des Adalins 
als Hypnotikum, so sind die Ergebnisse durchgehends 
recht gQnstige gewesen. Diese Beobachtungen sind nur 
zuro Teil an denselben Kranken angestellt, bei denen 
es als Sedativum erprobt wurde, und icb konnte dabei 
konstatieren, dass man sehr gut tagsfiber das Mittel in 
refrakten Dosen geben kann und abends eine grbssere 
Do8is als Schlafmittel. In der Dosierung bin ich so vor- 
gegangen, dass ich mit der Dosis 0,5 angefangen habe, 
die ich jedoch sehr bald als — wenigstens bei unseren 
Kranken — viel zu gering verlassen habe. Wenn das 
eine- oder das andere Mai anscheinend eine Wirkung er- 
zielt wurde, so konnte ich mich bald davon Uberzeugen, 
dass es sich um reine Suggestivwirkung liandelte. Auch 
mit 0,75 konnte ich nur wenig anfangen, die Dosis, die 
ich wohl in ungef&hr 80°/o der Ffille geben musste und 
gab, um ausreichenden Schlaf zu erzielen, war 1,0. Da 
diese Dosis in einigen F&llen nicht ausreichte, so steigerte 
ich dieselbe auf 1,5 und habe damit in alien F&llen, in 
denen man mit einem blossen Schlafmittel Oberhaupt aus- 
kommt, eine genOgende schlafmachende Wirkung erzielt, 
so dass ich nie genbtigt war, zu hbheren Dosen tlberzu- 
gehen. Wenn ich also das Adalin in der Dosierung etwa 
mit dem Veronal und dem Trional vergleichen wollte, so 
mtlsste ich sagen: Grbssere Dosen als bei Veronal, etwas 
kleinere als bei Trional sind ndtig, und eine Gleichung 
der Wirksamkeit mtlsste fQr die mbglichen Dosen so 
aussehen: 


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Agrypnie — Alopecia. 


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0,5—0,75 Veronal = 1,0—1,5 Trional = 1,0 Adalin. 

1,0 Veronal = 2,0 Trional = 1,5 Adalin. 

Die Art der Wirkung ist eine recht angenehme. Der 
Schlaf tritt, wie die meisten Beobachter hervorheben, re- 
lativ rasch ein, nach einer halben bis ganzen Stunde, und 
dauert, manchmal mit Unterbreckungen, 6—8 Stunden, 
je nach dem Grade der Schlaflosigkeit des Kranken und 
der gegebenen Dosis. Irgendwelche unangenehmen Neben- 
erscheinungen oder Nebenwirkungen babe ich nie zu be- 
obachten Gelegenheit gehabt. Auch in mehreren Fallen 
von starken Herzfehlern, Aortenaneurysmen mit psychischen 
Stttrungen habe ich es angewandt, ohne dass irgendeine 
ungewollte Wirkung zu beobachten gewesen w&re.“ 

(Berliner klin. Wochenschrift 1911 Nr. 41.) 


— Erfahrungen mit Bromural in der Bfihnenpraxis. Von Th eater- 
arzt Dr. Goschel (Heilbronn). Bei Schauspielern, die, 
nach der Vorstellung nicht einschlafen konnten oder vor 
resp. nach ihrem Auftreten hysterisch-nervdse Anfftlle be- 
kamen, bei Lampenfieber usw. hat sich Bromural kurativ 
und prophylaktisch bestens bew&hrt; es wirkte rasch und 

sicher. (Klinisch-therap. Woohenschrift 1911 Nr. 41.) 

Alopecia. "Ceber SulfoformdL Von Dr. W. Schneider 
(Kbnigsberg). Autor hat das 10°/oige Sulfoformbl aus- 
schliesslich zur Behandlung der A. pityrodes angewandt, 
wozu es sich infolge der wesentlich leichteren Handha- 
bung viel besser eignet als die bisher tibliche Salben- 
therapie. Wenigstens gaben alle Pat., speziell die Damen, 
an, dass der Gebrauch des Oeles viel angenehmer ist als 
die frQher benutzte Schwefelsalbe, da deren hoher Fett- 
gehalt den meisten Pat. sehr unbequem ist. Die Anwen- 
dung geschieht nach der von Joseph angegebenen Ver- 
ordnung. Die Kopfschuppen werden durch alkalischen 
Seifenspiritus entfernt, dann wird an vier aufeinander- 
folgenden Abenden die Kopfhaut mit dem Oel eingerieben, 
nachdem sie durch Scheiteln der Haare moglichst bloss- 
gelegt ist. Die Waschungen mit Seifenspiritus werden in 
der Regel alle vier Abende wiederholt und nur bei sehr 
starker Schuppenbildung tfiglich vor dem Einblen ange¬ 
wandt. In neuester Zeit ist auch eine 5°/oige 6lig-alko- 
holische Ldsung des Sulfoforms hergestellt, in deren An- 
wendung Autor jedoch noch keine Erfahrungen gesammelt 
hat. Sie scheint ihm als Kosmetikum empfehlenswert, 

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Alopecia — Antisepsis, Asepsis, Desinfektion. 


besonders auch zum leicbten Auftragen auf sehr trockene 
Haare am Tage w&hrend der AusfOhrung der Kur mit 
dem 10%igen Oele. Der wesentliche Vorteil der Oel- 
behandlung liegt in seiner beqaemen Anwendnng gegen- 
Qber der alten Salbenapplikation. Zu dieser Therapie 
haben sich denn auch solche Pat. entschlossen, die zur 
Wiederholung einer Schwefelsalbenbehandlung der Kopf- 
haut nicht mehr zu bewegen waren. Mit seinen Erfolgen 
kann Autor recbt zufrieden sein. Mehrere Pat. erkl&rten, 
dass Haarausfall und Schuppenbildung durch die Behand- 
lung sistiert h&tten. Andere berichteten wenigstens fiber 
eine wesentliche Besserung. NatOrlich hat Autor auch 
Falle, in denen kein Erfolg zu verzeichnen war. Aber 
damit mfissen wir ja gerade bei der A. haufig rechnen, 
weil vielen Pat. die Geduld fehlt, und sie die ndtige 
wochenlange Behandlung nicht durchftlhren, dann aber 
auch deshalb, weil wir hftufig bereits so weit vorgeschrit- 
tenen Haarausfall zu sehen bekommen, dass die Tiefe des 
Krankheitsprozesses in der Kopfhaut die Wirksamkeit samt- 
licher Medikationen illusorisch macht. Zu erwfihnen ware 
noch, dass Autor irgendwelche Reizerscheinungen infolge des 
Sulfoformdls in keinem Falle beobachtet hat, wahrend 
wir ja derartige unangenehme Nebenwirkungen bei An- 
wendung unserer gewbhnlichen Schwefelmedikationen nicht 
allzuselten zu sehen bekommen. Ebenso angenehm ist 
die vollkommene Geruchlosigkeit des Sulfoformbls auch 
wahrend der Anwendung im Gegensatz zu der frtlher an- 
gewandten Salbe mit Sulf. praecipitat., bei der sich zu- 
weilen ein hOchst unangenehmer Geruch bei langerem 
Verweilen auf dem Kopfe entwickelt. Autor glaubt daher, 
nach seinen Erfahrungen das Sulfoformbl zur Behandlung 
der A. pityrodes warm empfehlen zu konnen. 

(Dermatolog. Zentralblatt, Juli 1911.) 

Antisepsis, Asepsis, Desinfektion. Erfahrungen 
fiber die Wundbehandlung mit Novojodin. Von Privat- 
dozent Dr. F. R. v. Friedlander (Wien). Autor hat 
Novojodin in der kleinen Chirurgie angewandt. und hat 
gesehen, wie das Mittel granulationsbefbrdernd wirkt, die 
Sekretion verringert und diese, besonders rasch und sicher 
bei tuberkulbsen Fisteln, in eine serbse umwandelt, wie 
es austrocknend wirkt, ohne zu Krustenbildung zu ftthren, 
und wie es die Ueberh&utung der Granulationen befbrdert. 
Wir haben im Novojodin ein gutes Wundbehandlungsmittel, 
das alle Vorzuge des Jodoforms besitzt, ohne seine Nach- 


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Antisepsis, Asepsis, Desinfektion. 


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teile aufzuweisen, und das infolge seiner Ungiftigkeit, 
Reizlosigkeit und Geruchlosigkeit sowie seines geringeren 
Preises dem Jodoform Qberlegen ist. 

(Medizin. Klinik 1911 Nr. 88.) 

— TTeber Snblaminseife. Von Dr. Piorkowski. Die in seinem 

bakteriolog. Institut angestellten Versuche ergaben, dass 
die Snblaminseife der Sublimatseife fiberlegen ist. 

(Dermatolog. Zentralblatt 1911 Nr. 12.) 

— Beitr&ge znr Wundbehandltmg mit Bolus alba. Yon Prof. 

Dr. W. Liermann. (Aus dem Kreiskrankenhause zu 
Dessau). Mit seiner aus Bolus alba, 96°/oigem Alkohol, 
Azodermin und Glyzerin bestehenden Boluswundpaste hat 
Autor vorzfigliche Resultate erzielt. Die ausgezeichnete 
Wirkung der Paste bei der Yersorgung von Operations- 
wunden hat Autor sehr bald veranlasst, von der Desin¬ 
fektion des Operationsfeldes mit der Jodtinktur abzusehen 
und zun&chst zu der F Or bring erschen Methode zurfick- 
zukehren. In der Erwfigung, dass die Paste ebenso wie 
die Jodtinktur eine keimarretierende Wirkung ausfibt, ging 
Autor auch dazu fiber, sie bei der Yorbereitung des Ope¬ 
rationsfeldes, vor allem auch bei der Schnelldesinfektion 
mit zu benutzen. Eignet sich doch die aufgetragene Paste, 
ehe sie antrocknet, in vorzfiglichster Weise zur Vomahme 
des vielfach empfohlenen trocknen Rasierens. Nach dem 
Rasieren des Operationsfeldes mittels Paste kann dieses 
im weitesten Umfange erneut mit Paste bestrichen und 
bis zur Vomahme der Operation mit einem Schutzverband 
bedeckt werden. Vor der Operation wird die Paste in 
der Gegend der Schnittffihrung mit einem Alkoholtupfer 
abgewischt. Nach beendeter Operation wird die entfemte 
Paste erneuert. Besonders sorgf&ltig wird die Nabtlinie und 
deren n&chste Umgebung mit Paste bestrichen bzw. mit 
einer mit Paste bestrichenen Kompresse versorgt. Auch 
bei nur teilweise vern&hten, drainierten und sezernierenden 
Wunden waren die Erfolge der Beschickung der Nahtlinie 
und der nachsten Umgebung der Wunden gleich gut. Die 
Mazeration der Haut durch die Wundsekrete wurde ver- 
hfitet, zum mindesten stark eingeschr&nkt. Auch wurde 
ein nachtrfigliches Durchschneiden von N&hten, eine 
Lockerung derWundklammera vermieden. Besonders gfinstig 
wirkte die Paste auf die Austrocknung des Nahtmaterials. 
Die durch Verwendung von Wundklammern bewirkte Haut- 
faltung bleibt vermfige der zusammenziehenden Eigenschaft. 


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Antisepsis, Asepsis, Desinfektion. 


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der Paste besonders lange bestehen und trftgt so zu einer 
besseren Adaption der Wundrftnder nnd auch einer festeren 
and feineren NarbenbQdung bei. Keimfreie Gaze, die 
sofort auf die aafgetragene Paste anfgelegt werden kann, 
anch zur besseren Yerteilung der Paste zweckmftssig leicht 
angedruckt wird, haftet schon nach knrzer Zeit, sobald 
die Paste getrocknet ist, fest auf der Wande and ist in 
ibrer haftenden Wirkung gleichzusetzen einem Kdllodium- 
oder Mastixverband. Die Saugf&higkeit der Gaze wird 
darch die Paste nicht beschr&nkt, eher gesteigert. Aach 
wird das lftstige Schenern and der Jackreiz vermieden, 
wie er darch die sekretgetrftnkte Gaze ausgeObt wird. 
Ebenso wird die Gefahr vermieden, dass Bakterien der 
Wandumgebung darch Verschieben des Yerbandes in die 
Wunde gelangen. Die gleichgQnstige Wirkung der Paste 
wie bei Operationswanden konnte Autor bei der ersten. 
Yersorgang und Nachbehandlang aller akzidentellen Wunden 
beobachten. Oberflftchliche Exkoriationen und Wunden, 
Punktionsstellen werden nur mit Paste bestrichen und be- 
dQrfen entweder Oberhaupt keines Yerbandes oder werden 
mit einem GazestOckchen bedeckt, das zweckmftssig mit 
luftdurchlftssigem Pflaster fixiert wird. Unter dem durch 
Antrocknen der Paste geschaffenen Schorf, der einen 
Schutz gegen die Infektion aus der Umgebung bildet, 
heilen oberfl&chliche Wunden rasch ab. Die Anwendung 
der Paste bei akzidentellen Wunden, ohne vorherige Rei- 
nigung der Wundumgebung, sichert nicht nur die Keim- 
arretierung, sondern besorgt die Reinigung der Wund¬ 
umgebung in einer Art und Weise, wie sie durch die 
sonst Qblichen mechanischen Reinigungsmassnahmen, wie 
Wasser, Seife, Terpentin, Aether usw., selbst bei mehr- 
maliger Anwendung nicht zu erreichen ist. Wird bei- 
Spielsweise bei den Handverletzungen der Maschinenarbeiter 
die angetrocknete Paste aus der Wundumgebung nach 
24 Stunden abgehoben, so hat die Haut unter der Paste, 
besonders die der Wundrftnder, ein frisches, rosiges Aus- 
sehen. Bei Wunden an behaarten KOrperstellen erfolgt 
zweckmassig trockenes Rasieren mittels der Paste, dem 
bei sprOder Haut und starker Behaarung, auch zur Scho- 
nung des Rasiermessers, ein Rasieren mit Wasser und 
Seife vorangehen kann. In der Wunde selbst, vor allem 
bei gequetschten Wundrftndern, kommt der Paste, die an 
und for sich geruchlos ist, eine desodorierende, adstrin- 
gierende, austrocknende und sekretbeschrftnkende Wirkung 
zu. Die adstringierende Wirkung kann beispielsweise er- 


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Antisepsis, Asepsis, Desinfektion. 


95 


probt werden durch Bestreichen der Lippenschleimhaut 
mit Paste, die dort nach kurzer Zeit fest anhaftet, jedoch 
keinerlei Reiz ausfibt. Besonders auff&llig trat die sekret- 
beschr&nkende, auch mumifizierende Wirkung hervor. 
Feuchte Gangr&n wurde schneller als sonst in trockene 
QbergefGhrt. VerbSnde, die sonst tfiglich gewechselt werden 
mussten, konnten zwei, aucb drei Tage liegen bleiben. 
Schlecht aussehende Wunden reinigten sich oft fiberraschend 
schnell. Schnell gelang auch die Beseitigung des Pyo- 
cyaneus. Besonders bei Decubitus wurde eine schnelle 
Reinigung der Wundfl&che, auch eine schnellere Ueber- 
h&utung bei brandigem Decubitus, eine raschere Abstossung 
der Nekrose erzielt. Drohendem Decubitus konnte allein 
schon durch fifteres Bestreichen der gef&hrdeten Hautstelle 
mit Paste vorgebeugt werden. Die vorstehenden Aus- 
ffihrungen fiber Boluswundbehandlung fasst Autor wie 
folgt zusammen: 

Die durch Stumpf wieder inaugurierte Behandlung 
der Wunden mit Bolus alba verdient eine grfissere Be- 
achtung, als ihr seither zuteil geworden ist. 

Eine sichere, zuverlfissige und handliche Form der 
Anwendung ist in der „aseptischen Boluswundpaste“ ge- 
geben, die aus chemisch indifferenten Stoffen besteht, un- 
giftig und reizlos ist, auch keine FSrbekraft besitzt. 

Die Paste unterstfitzt in der Asepsis unsere Mass- 
nahmen, die der Keimarretierung dienen, sie eignet sich 
zur Vorbereitung des Operationsfeldes, zur ersten Ver- 
sorgung und Behandlung von Operations- und akziden- 
tellen Wunden und deren Umgebung. Bei der offenen 
Wundbehandlung, insbesondere auch bei infizierten Wunden, 
unterstfitzt sie die Massnahmen der mechanischen Anti- 
septik. 

In der Wunde selbst bewirkt die Paste vermfige ihrer 
sekretbeschr&nkenden, austrocknenden, adstringierenden, 
auch desodorierenden Wirkung eine schnellere Abstossung 
nekrotischer Teile und eine schnellere Wundreinigung. 
Sie wirkt granulationsbeffirdernd und epithelbildend. Durch 
die Verwendung der Paste wird in vielen Fallen die 
H&ufigkeit des Verbandwechsels eingeschrfinkt und die 
Heilungsdauer abgekfirzt. 

Sie ist im keimfreien Zustande stets gebrauchsfertig, 
sparsam im Gebrauch und im Vergleich zu anderen Wund- 
mitteln billig, vor allem auch in Anbetracht der Ersparnis 
von Verbandmaterial. 

(Deutsche med. Wochenschrift 1911 Nr,. 40.) 


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A jxtis^psisv -Asepsis; DosiiifekMjiit. 


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Antisepsis, Asepsis, Desinfektion. 


97 


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lisierenden Gegenstande, Sterilgut daher nahezu trocken. 
Weg des Dampfes von oben nach unten bedingt, dass 
alle Luft aus dem Apparat verdrtLngt wird. 

b) Der Apparat liefert auf Grund der von Professor 
Dr. M. Neisser, Direktor des stftdt. Hygienischen Insti- 
tilts, Frankfurt a. M., vorgenommenen bakteriologischen 
PrGfung in der Zeit von 15 Minuten, vom Beginn der 
DampfausstrOmung gerechnet, einwandfreies Material. 

c) Die Einsatzbfichse kann im Sterilisatop selbst so- 
wohl w&hrend als auch unmittelbar nach Beendigung des 
Dampfdurchstrdmens geschlossen werden. Dadurch ist 
die Mftglicbkeit der Infektion der Verbandstoffe, wie sie 
bei Schluss der BQchsen anderer Sterilisatoren ausserhalb 
des Dampfraumes gegeben ist, so gut wie ausgeschlossen. 

d) Der chirurgisch tatige Stadt- und Landarzt, die 
Spezial&rzte, z. B. Augen-, Frauen-, Zabnarzte usw., Ge- 
burtshelfer, Hebammen, Verbandstationen auf Reltungs- 
wachen, im Fabrik-, Eisen- bzw. Strassenbahnbetrieb und 
dergleichen sind mit diesem Apparat in der Lage, jedes- 
mal nur frisch- und selbststerilisiertes Material zu ver- 
wenden. 

e) Der ganze Apparat selbst, der mit aufgesetztem 
Deckel eine H6he von etwa 32,5 cm und eine Dampf- 
mantelbreite von etwa 14 cm bat, aber aucb die Einsatz- 
bflchsen an und ffir sich von 26,5 cm H6he und etwa 
11 cm Lumen kfinnen bequem in Praxis mitgenommen 
werden. 

f) Der Apparat kann auf Gas-, Spiritusbrenner oder 
Herdfeuer bzw. mit elektrischer Heizung verwendet werden. 

g) Die Ersparnis im Vergleich zu den teuren, vor- 
rfttig gehaltenen sterilen Verbandmaterialien in Kartons, die, 
einmal gedffnet, nicht mebr als steril zu bezeichnen sind, 
ist eine bedeutende. Reste von Verbandmaterialien kfinnen 
mit diesem Apparat fOr 2—3 Pfennige von neuem steri- 
lisiert werden. 

h) Ffir klinischen Bedarf ev. Ausfiihrung in breiterer 
Form. 

Fabrikant: Friedrich Haaga, Fabrik fdr aseptische, 
bakteriologische und technische Apparate und Utensilien 
in Stuttgart-Cannstatt. 

Bezugsquelle: Firma Friedrich DrSll (Inhaber P. 
Her ms), Frankfurt a. M., und jedes Instrumenten- 

geschS.ll. (Deutsche med. Wochensohrift 1911 Nr. 34.) 


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Antisepsis, Asepsis DisinfektioD. 


— Essgeschirre als Infektionsverbreiter Yon Prof. Dr. A. 

Ritschl (Freiburg i. B.). Autpr schreibt: „Man erlebt 
es so h&ufig oder erffthrt davon, dass eine infektiOse Er- 
krankung von Nase, Rachen, Mund, insbesondere die weit- 
verbreiteten Katarrhe, wenn sie einmal von einem Familien- 
glied erworben sind, im Kreise der Hausgenossen die 
Runde machen. Man halt sich von dem Erkrankten, um 
nicht ,angesteckt‘ zu werden, mdglichst fern, ja, man iso- 
liert ihn auch wohl, wenn die Form der Erkrankung einen 
gefahrlichen Charakter hat. Wie selten aber wird in der 
Praxis auf einen Weg der Uebertragung geachtet, der 
meiner Ansicbt nach eigentlich in erster Linie bertlck- 
sichtigt und ausgeschaltet werden sollte — der Weg Qber 
das Essgeschirr! Mit diesem kommt das infektibse Mund* 
sekret des Kranken in die innigste Berdhrung. Es heftet 
sich daran, um dann auch auf die benQtzten Teller ttber- 
tragen zu werden. Yom Kranken gelangt das Geschirr 
gewOhnlich direkt in die Kdche, wo es vom Dienstper- 
sonal in einem fQr diese Zwecke dienenden Gefftss ge- 
raein8am mit dem Essgeschirr der Gesunden gespQlt wird. 
In der SpQlfl&ssigkeit aber verteilen sich die Infektions* 
erreger und gelangen so auf s&mtliches im Hause benutzte 
Geschirr. Der Prozess der Reinigung wird vielfach vom 
Kbchenpersonal fllichtig genug vorgenommen, das Geschirr 
an einem gemeinsamen Handtuch abgetrocknet, um nun 
von neuem bei der n&chsten Mahlzeit benutzt zu werden. 
Kein Wunder, wenn die an Gabeln, Messern, Tellern, 
Gl&sern nun verbreiteten Infektionserreger in die Mund* 
hOhle auch der gesunden Familienmitglieder gelangen und 
die Erkrankung alsbald auch bei ibnen ausbricht. In 
meiner eigenen Familie befolge ich aus obiger Erw&gung 
heraus schon viele Jahre den Grundsatz, dass das Ess* 
geschirr, auch das Trinkglas, kurz alle Utensilien, die 
mit dem Munde eines erkrankten Familienmitgliedes in 
BerQhrung kamen, vor dem ,Aufwaschen‘ in kochendem 
Wasser sterilisiert werden. Ich habe es auf diese Weise 
u. a. erreicht, dass ein Fall von Parotitis epidem., den 
eines meiner Kinder aus der Schule einschleppte, abheilte, 
ohne dass irgendein anderes Familienmitglied, darunter 
zwei Kinder, die diese Krankheit noch nicht durcbgemacht 
hatten, von der Krankheit ergriffen wurde. Ich zweifle 
nicht daran, dass diese sehr naheliegende Schutzmassregel 
schon empfohlen worden ist und stellenweise auch be- 
achtet wird. Allgemein gebrfiuchlich ist sie jedenfalls noch 
nicht. Der Zweek dieses Aufsatzes ist, ihre Wichtigkeit 


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Antisepsis, Asepsis, Desinfektion — Asthma. 


99 


und ihre Wirksamkeit darzutun. Es bedarf auch nur eines 
Hinweises, urn die Gefahren einer Verseuchung anzu- 
deuten, die bei oberflachlicher Reinigung des Essgeschirres 
in Restaurationen, Hotels, Pensionen usw. drohen. Diesen 
Instituten sollte die regelm&ssige Sterilisierung des ge- 
brauchten Gescbirres von sanit&tspolizeilicher Seite 
strengstens zur Pflicht gemacht werden. Wenn bei jeder 
sich bietenden Gelegenheit von den Aerzten auf die oben 
geschilderten Zusammenhhnge hingewiesen wQrde, und 
diese zum Ausgangspunkt genomroen wQrden, praktische 
Massnahmen in gedachter Richtung in die sonstigen Ver- 
ordnungen aufzunehmen, wiirde das Publikum zu seinem 
eigenen Vorteil es jedenfalls mehr und mehr verlernen, 
sicb mit der veralteten Redensart Gber den Ausbruch der- 
artiger Erkrankungen zu trOsten: ,Ich babe mich er- 

kftltet!‘“. ( Miinch. med. Wochenschr. 1911 Nr. 42.) 

Asthma. Ueber A. und seine Behandlnng. Von Dr. J. Ner- 
king (DQsseldorf). Autor hat mit einer Kombination von 
Lobelia indata, Erythraea Centaurium, Gentiana lutea in 
Tablettenform*) bei einer Reihe von Pat. teils selbst Ver- 
suche angestellt, teils von Kollegen anstellen lassen und 
bei den meisten Fallen von A. bronchiale und auch so- 
genanntem neurasthenischen A. sowohl bei Erwachsenen 
wie bei Kindern eine deutliche Beeinflussung im Sinne 
einer Besserung konstatieren kdnnen. Ein Fall, der einen 
jungen, 27jahrigen Kollegen betraf, der stark an asthma- 
tischen Anfallen und Beschwerden zu leiden hatte und 
dieserhalb schon alles mOgliche ohne Erfolg versucht hatte, 
war besonders instruktiv, insofern dieser nach einigen 
Wochen Anwendung vollkommen von den Beschwerden 
befreit und seit Monaten jetzt anfallsfrei geblieben ist. 
Anderseits kommen auch Falle vor, in denen das Mittel 
versagt, doch sind diese Falle gering an Zahl. Alle Pat. 
bekundeten ttbereinstimmend den guten Einduss des Mittels 
auf die Expektoration zaher, schleimiger Massen. Autor 
verordnete bei Erwachsenen 3—4mal taglich eine Tablette, 
die genau 0,02 g Lob. ind. entspricht; bei Kindern eben- 
falls 3—4 Tabletten taglich, von denen eine aber nur 
genau 0,01 g Lob. ind. entspricht. Die Tabletten liess 
er zunachst 8—10 Tage hintereinander nehmen, dann 
eine Pause von 3—4 Tagen eintreten und dann wieder 


*) Die Tabletten werden als „Eurespirantabletten“ von der Firma 
Dr. R. & Dr. O. Weil, Frankfurt a. M., in den Handel gebracht. 


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100 


Asthma. 


beginnen und noch einige Tage drei Tabletten nehmen, 
im ganzen durchschnittlich 40—50 Tabletten. Irgend- 
welche schadlichen Nebenwirkungen hat er bei dieser Art 
der Darreichung und Dosierung nicht beobachten kOnnen. 

fZentralbl. f. d. gesamte Therapie, 1911 Nr. 8.) 

— Die Beziehungen der Koprostase znm Bronchialasthma 

Yon Geh. Med.-Rat Dr. W. Ebstein (GSttingen). Die 
Beziehungen der Koprostase zum Bronchialasthma sind 
bereits vor zehn Jahren von Ebstein hervorgehoben 
worden. Es ist davon weder vorher die Rede gewesen, 
noch haben seine Aeusserungen fiber diesen Punkt irgend- 
welche die Sache beffirdernde Beachtung gefunden. Erst 
neuerdings hat Pinz darauf hingewiesen, dass beim Bron¬ 
chialasthma auch vom Darm ausgehende autotoxische Mo- 
mente eine Rolle zu spielen scheinen, begrfindet dies aber 
sehr indirekt damit, dass viele Pat. gleichzeitig auch an 
Urticaria, Prurigo, Strophulus und Ekzem leiden, Haut- 
affektionen, welche nach der Ansicht der meisten Derma- 
tologen vom Darme ausgehen. Autor ist dagegen heute 
in der Lage, seine ersten, die Beziehungen des Bronchial- 
asthmas zu der Koprostase betreffenden Mitteilungen nicht 
nur zu bestatigen, sondern auch zu erg&nzen und damit 
die Tatsache zu bekr&ftigen, dass eine Reihe von an Bron¬ 
chialasthma leidenden Personen, bei denen gleichzeitig 
chronische Koprostase besteht, nach deren Heilung auch 
von ihrem A. dauernd geheilt werden kfinnen. Autor 
ffihrt einige beweisende Falle an und schliesst seine Arbeit 
mit den Worten: „Was die Beziehungen des Bronchial- 
asthmas zur Koprostase anlangt, deren Existenz mir nach 
den hier mitgeteilten beiden Belegen und anderen von 
mir beobachteten Fallen bewiesen erscheint, so handelt 
es sich hier ohne Zweifel um toxische Einflfisse. Ich 
babe in meinem Buche fiber die chronische Stuhlverstopfung 
dargetan, dass sich bei dieser frfiher oder spftter nervfise Er- 
scheinungen verschiedener Art und grfissertr oder schwacbe- 
rer Intensity entwickeln, die das Befinden der betreffenden 
Individuen wesentlich zu beeintrachtigen pflegen und die 
in der arztlichen Praxis haufig genug in ihrer Pathogenese 
unrichtig gedeutet werden und demgemass zum grossen 
Nachteil ffir die Pat. eine unrichtige Behandlung erfahren. 
Diese sind sehr mannigfacher Art und betreffen nicht so- 
wohl allein die intellektuelle und psychische, als auch 
die sensible und die motorische Sphare und gelegentlich 
auch manche sekretorische Yorgange. Gar nicht selten 


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Asthma — Blutungen. 


101 


sind bei ein und demselben Individuum mehrere Kategorien 
dieser nervbsen StOrungen vorhanden. Dass diese mit 
einer Koprostase in kausalen Beziehungen stehen konnen, 
geht unwiderleglich daraus hervor, dass, wahrend sie durch 
jede andere Behandlungsweise durchaus nicht geheilt, 
hdchstens vorObergehend gebessert werden, sie durch die 
Beseitigung der Koprostase dauernd beseitigt werden kbnnen. 
Es bleibt bei dieser Sachlage nichts anderes flbrig, als 
anzunehmen, dass diese nervbsen Symptome durch toxische 
Substanzen erzeugt werden, die unter dem Einfluss der 
Koprostase sich entwickeln, d. h. also durch sogenannte 
Darmgifte. Es ist anzunehmen, dass es deren eine ganze 
Reihe gibt, und zwar deswegeri, weil nicht wohl die so 
mannigfachen Stbrungen durch ein oder einige wenige 
Gifte erzeugt werden. Die Art und das Wesen dieser 
Darmgifte naher zu definieren, ist zurzeit unmbglich. „Die 
Tatsache ist aber fiir die arztliche Praxis von sehr grossem 
Werte, weil, wenn wir ein auf solche Weise entstandenes 
Bronchialasthma vor uns haben, die Heilindikationen klar 
vorgezeichnet sind. Wir werden namlich dementsprechend, 
um in dieser Beziehung vollst&ndige Klarheit zu gewinnen, 
bei einem jeden Falle von Bronchialasthma, welcher in 
unsere Behandlung eintritt, die Funktion des Darms prlifen 
mussen, und zwar insbesondere durch sorgf&ltige Unter- 
suchung des Bauches. Wenn nun Koprostrase besteht, 
muss diese in geeigneter, in meinem Buche liber die chro- 
nische Stuhlverstopfung angegebene Weise bek&mpft bzw. 
beseitigt werden. Wir werden sodann nicht nur dies Ziel 
erreichen, sondern auch in einzelnen Fallen das A. gleich- 
zeitig verschwinden und heilen sehen. Ich sage keines- 
wegs, dass in alien den Fallen, bei denen gleichzeitig 
Brochialasthma und Koprostase bestehen, ersteres mit letz- 
terer in kausalem Zusammenhange stehen muss, vermag 
auch nicht im voraus anzugeben, in welchen Fallen ein 
solcher Zusammenhang anzunehmen ist. Jedenfalls ent- 
spricht es einer naturgemassen Heilindikation, dass eine 
neben dem Bronchialasthma bestehende Koprostase besei¬ 
tigt wird. Gelingt es dabei, das gleichzeitig vorhandene 
Bronchialasthma zu heilen, so ist dies ein Erfolg, dessen 
Bedeutung wirklich nicht hoch genug anzuschlagen ist.“ 

(Deutsche med. Wochenschrift 1911 Nr. 42.) 

Blutungen, XTeber die Anwendung der Blnnkschen Blat- 
gefassklemme. Von Dr. E. Schlechtendahl (Barmen). 
Dank der Lokalanasthesie kann der Praktiker jetzt manche 


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102 


BlutuDgen. 


kleinen operativen Eingriffe ohne Assistenz machen. Bisher 
raachte sich aber dabei ein Uebelstand oft beraerkbar, 
wenn es n&mlich am Schluss der Operation gait, die vor- 
lftufig mit Klemmen gefassten blutenden Geffisse zu unter- 
binden. Gescbah es nicbt zufftllig an hfingender Klemme, 
so war es oft nicht mQglich, die Ligatur um das Geffiss 
zu legen, ohne dass die Klemme von einem Assistenten 
angezogen wurde. Die an Stelle der Unterbindung an- 
gewandte Torsion des Geffisses verfehlte oft ihren Zweck 
und war deshalb sehr unsicher. Die von Doyen, Tuffier, 
Zweifel, Perm an n und anderen angegebenen Angio- 
triptoren sind fQr Anwendungen in der allgemeinen Praxis 
zu unhandlich und deshalb fQr die sogenannte kleine 
Chirurgie unbrauchbar. Dagegen vermeidet ein von Stabs- 
veterinfir R. Blunk erfundenes Instrument diese Nachteile 
und gibt dem allein operierenden Arzt die Mdglichkeit, 
auch die definitive Blutstillung ohne Assistenz auszufQhren. 
Diese Blunksche Blutgeffissklemme hat die Form einer 
Schere mit kurzen starkgekrfimmten Branchen, die auf 
der Innenseite stumpf gezahnt sind. Die beiden Scheren- 
blfitter laufen dicht Qbereinander, bei der grOsseren Sorte 
(das Instrument ist in drei GrOssen der ver^chiedenen 
Stftrke der Geffisse entsprechend angegeben) fasst das 
Ende der einen Branche in einen vom andern Branchen- 
ende gebildeten Falz. Die Anwendung des Instruments 
ist verblfiffend einfach. Jedes blutende Geffiss wird, wie 
auch sonst bei Operationen, mit der Arterienklemme oder 
Pinzette gefasst. Statt nun am Schluss der Operation 
oder auch wfihrend derselben zu unterbinden, bedient man 
sich zur definitiven Blutstillung der Blunkschen Klemme 
folgendermassen: Mit der linken Hand fasst man die Ar¬ 
terienklemme und zieht das damit gefasste Geffiss samt 
dem eventuell mitgefassten kleineren Gewebsbfindel vor. 
Dann fasst man die Blunksche Klemme wie eine Schere 
mit Daumen und Zeigefinger der rechten Hand und schliesst 
die Branchen hinter den Enden der Arterienklemme, als 
wenn man das Geffiss oder das GewebsbOndel hinter der 
Arterienklemme mit einer Schere durchschneiden wollte. 
Man halt die Branchen durch leichten Druck geschlossen, 
nimmt dann zuerst die Arterienklemme ab, um hiernach 
erst die Blunksche Klemme langsam ohne Zugwirkung 
zu Qffnen und zu Ibsen. Man muss noch darauf achten, 
dass man das Geffiss mOglichst in querer Richtung zum 
Lumen und mit dem gezahnten Teil der Branche fasst. 
Die Blutstillung des Geffisses ist damit erledigt, und zwar 


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Blutungen. 


103 


ist sie dadurch zustande gekommen, dass durch den Druck 
und das Uebereinanderschieben der stumpfgezahnten 
Branchen die Intima und Media des Gefftsses durchtrennt 
sind und sich nach beiden Seiten in das Lumen des Ge¬ 
fftsses hinein umkrempeln, wfthrend die Adventitia nicht 
durchschnitten, sondern fest aufeinandergepresst wird. 
Durch diese aufgerollten Innenhftute entstebt ein ventil- 
artiger Verschluss des Gefftsses gegen die anstromende 
Blutwelle, der durch den sich jetzt bildenden Thrombus 
verstftrkt wird. Wenn man sich einigermassen mit der 
einfachen Technik vertraut gemacht hat, wird man das 
Instrument in der Praxis nicht mehr missen wollen und 
ohne Assistenz di§ Blutstiilung leicht ausfdhren kdnnen. 

(Medizin. Klinik 1911 Nr. 38.) 

— TJeber eine anteoperative Vorbehandltmg hochgradiger An- 
amien durch intrainuskul&re Injektionen von defibri- 
niertem Menschenblute. Von Privatdozent Dr. Esch. 
(Aus der Univers.-Frauenklinik zu Marburg.) Viele Myom- 
fftlle kommen vbllig ausgeblutet zur Operation, und man 
ist dann in Verlegenheit, wenn man diese anftmischen 
Pat. operieren will und muss. Autor suchte auf Anre- 
gung durch seinen Chef, Herrn Prof. Dr. Zangemeister, 
diese sekundftren Anftmien durch Bluttransfusion gQnstig 
zu beeinflussen. Er machte dabei aber keine Versuche 
mit der ublichen intravenbsen Bluttransfusion, bei der sich 
auch heute noch nicht in jedem Falle mit Sicherheit die 
bedrohlichen Symptome der „Transfusionserscheinungen“ 
vermeiden lassen, sondern er nahm ausschliesslich intra- 
muskulare (intraglutftale) Jnjektionen von defibriniertem 
Menschenblut vor. Diese Methode zeichnet sich durch 
Einfachheit, Schmerzlosigkeit und vor alien Dingen durch 
eine absolute Ungeffihrlichkeit aus. Nach Anlegung einer 
Gummibinde oder der Stauungsmanscbette nach Moritz um 
den Oberarm wird dem Blutspender durch Punktion der 
Vena mediana cubitalis mit einer kurzen Kaniile das ge- 
wtinschte Blut entnommen. Man fftngt das Blut in einem 
Erlenmeyerschen Kolben, dessen Boden mit Glasperlen 
hedeckt ist, auf. Schon wfthrend des Einfliessens wird 
der Kolben vorsichtig geschtittelt, was nach dem Einfliessen 
noch 7—8 Minuten fortgesetzt wird, um das gewonnene 
Blut mbglichst zu defibrinieren. Von einer Filtration 
durch Gaze sieht Autor ab. Sofort wird jetzt das Blut 
tief in die Glutfialmuskulatur injiziert, und zwar hat Autor 
bis zu 30 ccm an ein und derselben Injektionsstelle in- 


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104 


Blutungen — Epilepsie. 


jiziert. Diese Prozedur ist schmerzlos im Gegensatz zu 
den subkutanen Injektionen von defibriniertem Blute. Nie 
bildeten sich Indurationen oder gar Abszesse. NatGrlich 
stellten sich auch nie die sogen. ^Transfusionserscheinungen 14 
ein. Autor gibt die Krankengeschichten von zwei so be- 
handelten Fallen. Es handelte sich um zwei Pat. mit 
hochgradiger sekundarer Anamie, die in solch herunter- 
gekommenem Zustande in der Klinik Aufnabme fanden, 
wo die strikte indizierte Operation eine grosse Lebens- 
gefahr bedeutete. Innerhalb von 14 Tagen wurde der 
anamische Zustand durch je drei Injektionen von defi¬ 
briniertem Blut so gQnstig beeinfiusst, dass sich die Kranken 
in einer „operationsfahigen Verfassung 44 befanden. Die 
Ueberzeugung’, dass die gQnstige Beeinflussung auf die 
Behandlungsmethode zurdckzufGhren ist, begrGndet Autor 
damit, dass die eine der beiden Kranken vorher sieben 
Tage lang ohne den geringsten Erfolg mit anderer Medi- 
kation behandelt wurde, und dass beide Pat. zu Hause 
unter so gfinstigen Verhaltnissen lebten, wie sie ihnen die 
Klinik nicht besser bieten konnte. Ausserdem gingen der 
Eintritt und der Fortschritt der Besserung in beiden Fallen 
gleichmassig, so parallel mit den Injektionen, dass ein 
ursachlicher Zusammenhang zwischen beiden nicht von der 
Hand zu weisen ist. Jedenfalls halt sich Autor f&r be- 
rechtigt, eine NachprQfung seiner Ergebnisse, deren Wich- 
tigkeit klar zutage liegt, an einem grbsseren Material zu 

empfehlen. (Mttnch. med. Wochenschrift 1911 Nr. 41.) 


Epilepsie. Epileptin hat Dr. Vorschulze (Leipzig) mit sehr 
befriedigendem Erfolge angewandt. Epileptin ist eine Kom- 
bination von Brom, Zinkoxyd, Borax, Phenazetin, Koch- 
salz, und wird von dem Laboratorium filr Therapie in 
Dresden hergestellt. (Allgem. med. Zentral-Ztg. 1911 Nr. 89.) 

— XJeber Bromkalzinm-Harnstoff (TTreabromin). Von Dr. phil. 

Ph. Fischer und Oberarzt Dr. J. Hoppe (Chem. Labo¬ 
ratorium der Landesheilanstalt Uchtspringe). Bei dem 
Praparat (hergestellt von Gehe & Co., Dresden) vereinigt 
sich die diuretische Wirkung des Harnstoffs mit der herz- 
anregenden der Ca-Salze; es entbalt 36°o Brom. An- 
gezeigt ist es bei Fallen von E. 

1. in denen die Ausscheidung bereits darniederliegt, 

2. in denen die Ilerztatigkeit eine verminderte ist v 


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Epilepsie — Erysipelas — Lupus. 


105 


3. in denen Verdacht einer Intoxikation entweder vom 
Darm oder von den Nieren aus vorliegt, 

4. bei alien spasmophilen Zustanden. 

Man gibt von einer Lfisung Ureabromin 40:300 Er- 
wachsenen tSglich 2—3 Esslfiffel, Eindern 2—3 Teelfiffel. 

(Berliner klin. Wochenschrift 1911 Nr. 41.) 


Erysipelas. Diphtheriesertun bei E. hat sich Dr. O. Polak 
(Bezirkskrankenhaus in Bfihmisch-Brod) gut bew&hrt. Theo- 
retisch die Wirkung zu erkl&ren, 1st schwer, jedenfalls 
wird aber E. durch hinreichend grosse Dosen Diphtherie- 
serum, das eventuell wiederholt zu injizieren ist, auffallend 

gunstig beeinfluSSt. (Wiener med. Wochenschrift 1911 Nr. 30.) 

— Ueber afebril verlaufendes E. Von Privatdoz. Dr. E. v. Czyh- 
larz. (Kaiser-Franz-Josef-Spital in Wien.) Unter 324 in 
einem Jahre beobacbteten Fallen verliefen 29 (= 9%) 
fieberlos. Es bandelte sich meist um Gesichtserysipele mit 
leichterem Verlauf und nicht grosser Ausdehnung. 

(Berliner klin. Wochenschrift 1911 Nr. 37.) 


L—PU S. Znr Behandlung des L. vulgaris. Von Prof. Dou- 
trelepont (Bonn). Die gegenwartig vom Verf. im all- 
gemeinen gefibte. Behandlungsweise — ein ffir alle Falle 
gfiltiges Schema lasst sich natfirlich nicht aufstellen — 
besteht in einer Kombination alterer und neuerer Methoden. 
Zunachst wird jeder Lupusfall mit Umschlagen von l°/oo 
Sublimatlfisung und — sofern der Lupusbefund und der 
Allgemeinzustand des Pat. keine Kontraindikation bieten — 
mit Tuberkulininjektionen (von 1,500 mg TR ganz all- 
mahlich steigend, in der Regel nicht fiber 2 mg hinaus) 
behandelt. Die Sublimatumschlage werden unterbrochen 
durch 3—4 Tage lang fortgesetztes Auflegen einer 10°/oigen 
Pyrogallolsalbe, das wiederholt wird, sobald sich unter 
erneuten Sublimatumschlagen der Aetzschorf abgestossen 
hat, und zwar solange, bis gute Granulationsbildung ein- 
getreten ist. Hypertrophische tuberkulfise Granulationen 
werden vor der Pyrogallolbehandlung mit dem scharfen 
Lfiffel ohne Anwendung starkerer Gewalt entfernt, worauf 
die Wunde zur Verhfitung einer Verschleppung von Tu- 
berkelbazillen durch die erfiffneten Lymph- und Blutgefasse 
sofort mit dem Paquelin leicht zu verschorfen ist. Die 
Sublimatumschlage werden unmittelbar nach der Pyrogallol- 

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106 


Lupus. 


behandlung oft sehr schmerzhaft empfunden, in welchem 
Falle man entweder anfangs die Konzentration der Losung 
yerringert oder die Schmerzen durch Aufpudern von Ortho- 
form , An&sthesin u. dgl. zu mildern sucht. W&hrend 
der Anwendung von Pyrogallol oder Sublimat zieht Verf. 
auch die Rbntgenbestrahlung zur Hilfe heran, sucht dabei 
aber sichtbare Reaktionen mdglichst zu vermeiden. Die 
Finsenbehandlung reserviert er, weil sie sonst gar zuviel 
Zeit in Anspruch nehmen wftrde, meist ffir die Beseitigung 
der letzten Reste; bei wenig ausgedehntem L. kann sie 
aber natfirlich schon von vornherein angewendet werden. 
Schliesslich noch etwa in der Narbe zurQckgebliebene dis- 
seminierte Lupuskndtchen werden galvanokaustisch zer- 
stdrt. Kleine restierende oberflflchliche Herde kdnnen auch 
durch die Tuberkulinimpfung nach Pirquet beseitigt 
werden. 1st anscheinend vdllige Heilung erzielt, so sucht 
Verf. diese durch Injektion von Alttuberkulin sicherzu- 
stellen, wobei er mit 1 mg beginnt und, wenn keine All- 
gemeinreaktion eintritt, bis 10 und 20 mg steigt. Wahr- 
scheinlich kdnnen durch diese Injektionen auch kliniscb 
nicht mehr erkennbare Knotchen noch zur Heilung ge- 
bracht werden. Bei der Entlassung werden die Pat. stets 
auf die Moglichkeit eines Rezidivs und auf die Notwen- 
digkeit, sich bei den geringsten verdachtigen Erscheinungen 
wieder vorzustellen, hingewiesen. Beim Schleimhautlupus 
der Nase bewShrte sich das mehrmals taglich wiederholte 
Einfhhren von Wattetampons, die mit Sublimatldsung ge- 
tr&nkt sind; zeitweilige Pyrogallolsalbenapplikation ver- 
st&rkt die Wirkung. — Bei Erkrankung der Konjunktiva 
hat D. vielfach vom Einpudern von Calomel vapore pa- 
ratum und galvanokaustischer Stichelung resistenter Gra- 
nulationen gute Erfolge gesehen. — L. des Zahnfleisches, 
des harten und weichen Gaumens, wird nach galvano¬ 
kaustischer Zerstdrung mit Milchsfiure, Jodoform, Jodtinktur 
oder l%igem Sublimatspiritus behandelt. Beim L. des 
Kehlkopfes zeigten Jodoformeinblasungen giinstige Wirkung. 
Die Anwendung des Tuberkulins ist bei alien lupbsen 
Schleimhauterkrankungen ganz besonders indiziert. 

(Archiv f. Dermatol, u. Syph. Bd. 100. — Deutsche Med.-Ztg. 1910 Nr. 22.) 

— XTeber die Behandlung des L. vulgaris im Ganmen mit Jod- 
natrinm und WasserstofFsuperoxyd nach Dr. Ffannen- 
stills Methode. Von J. Schaumann. (Aus dem Finsen- 
institut des Krankenhauses St. Goran in Stockholm.) Bei 
L. der Nase hatte sich mehrfach folgende Methode be- 


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Lupus — Magen- und Darmaffektionen. ] 07 

wahrt: Es wurden zweimal tfiglich die angegriffenen Nasen- 
kavitfiten tamponiert mit in schwach essigsaure (3—)1 V2°/oige 
OxygenollQsung getauchten GazestQckchen, wahrend zwi- 
schendurch die Pat. selbst — durch Eintrfiufeln der 
genannten Ldsung mehrmals stQndlich mittels einer Tropf- 
rQhre — die Tampons feucht hielten. Die Pat. erhielten 
tfiglich 3 g Jodnatrium, verteilt auf 6mal 1 EsslQffel. Es 
kam ein Fall von L. des harten Gaumens in Behandlung. 
Die Yersuchung lag natQrlich nahe, die obenerwfihpte 
Methode auch auf die MundhQhle anzuwenden. Zu diesem 
Zvvecke liess Autor eine Gaumenprothese anfertigen, die 
an ihrer oberen, dem Gaumen zugewandten Flfiche mit 
einer Aushdhlung versehen war, entsprechend der lupdsen 
Partie, die sie um einige Millimeter Qberschritt. Am 
4. I. 1911 wurde mit Hilfe dieser Prothese die Behand¬ 
lung des harten Gaumens nach Dr. Pfannenstills Prin- 
zip begonnen. Die Schleimhaut war da auf einem zwei- 
markstQckgrossen Gebiet im vorderen Teil des harten 
Gaumens gerQtet, unregelmfissig granuliert und leicht 
blutend. In der Aushdhlung der oberen Prothesenflfiche 
wurde ein mit der obenerwfihnten Oxygenollosung ge- 
trfinkter Wattebausch plaziert, in hinreichend dicker Schicht, 
um mit der tuberkulosen Flfiche in BerQhrung zu kommen; 
mehrmals stQndlich nahm die Pat. den kfinstlichen Gaumen 
heraus und tropfte OxygenollQsung auf die eingelegte 
Watte, die viermal tfiglich gewechselt wurde. Innerlich 
NaJ »/* g X 6 tfiglich. Das Resultat ubertraf die Erwar- 
tungen. Im Laufe einiger Tage waren die tuberkuldsen 
Prominenzen zum grdssten Teil mehr oder weniger tief 
ulzeriert; am 28. I., wo die behandelte Partie dasselbe 
Niveau wie die Umgebung zeigte, wurde die Behandlung 
ausgesetzt, und einige Tage spfiter — vier Wochen nach 
Beginn der Behandlung — war die Schleimhaut blass, 
glatt und fest. Bei spfiter vorgenommener Untersuchung 
der Gaumenschleimhaut — nahezu sieben Monate nach 
dem Aussetzen der Behandlung — war kein Zeichen eines 

Rezidivs ZU sehen. (Berliner klin. Wochensohrift 1911 Nr. 40.) 

Wlagei" und Darmaffektionen. Ueber Uzara, ein 
nenes organotrop wirkendes Antidiarrhoiku m. Yon 

Prof. Dr. med. et phil. A. GOrber. (Aus dem Pharma- 
kolog. Institut Marburg.) Es handelt sich um ein Prfi- 
parat, das bei den verschiedensten DiarrhQen eklatante 
Wirkung ausQbt. Uzara ist der Eingebornenname eines 

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M&gen- und Darmaffektionen. 


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im afrikanischen Seengebiete heimischen, wahrscheinlich 
zur Farailie der Asklepiadaceae gehOrigen, sonst aber bo- 
tanisch noch unbestimmten Halbstrauches. Seihe offenbar 
nur wenigen Medizinm&nnern bekannte und von diesen 
als strengstes Geheimnis gehQtete Heilkraft liegt in den 
m&chtig entwickelten Wurzeln, deren bizarre Formen und 
&usserst bitterer Geschmack wohl ihre Entdeckung als 
Arzneimittel veranlasst haben mdgen. FQr unseren Arznei- 
schatz verdanken wir die Entdeckung der neuen Droge 
den jahrelangen eifrigsten BemQhungen des Herrn H. W. 
A. Hopf aus Melsungen, der viele Jahre im Wachstums- 
gebiet der Uzara gereist hat. Nach vielen BemQhungen 
ist es Autor gelungen, die wirksamen Stoffe der Uzara- 
droge derart in einem Pr&parat zu vereinigen, dass zwischen 
Gewicht und Wirkung ganz feste Beziehungen bestehen. 
Dieses Pr&parat, dessen Herstellung und Wirksamkeit vom 
Autor st&ndig kontrolliert wird, ist nun das neue Anti- 
diarrhoikum „Uzara“, das die Uzaragesellschaft in Mel¬ 
sungen in Form von Liquor, Tabletten und Suppositorien 
in Handel bringt. Liquor Uzara ist eine 2°/oige LOsung 
des Pr&parates, die Tabletten enthalten davon 5 mg, die 
Suppositorien je nach Starke 5,10 oder 20 mg. Der Li¬ 
quor kann als Tropfen (bis 6mal taglich 30 Tropfen), 
als Mixtur (10,0 auf 150,0) oder auch als Zusatz zu 
scbleimigen oder adstringierenden Abkochungen (10,0 auf 
150,0) verschrieben werden. Bemerkt sei aber, dass Uzara 
in verdOnnter wasseriger LOsung sich schon nach wenigen 
Tagen zersetzt, wahrend es sonst, soweit die Erfahrungen 
reichen, sehr halthar zu sein scheint. Yon den Tabletten 
dQrfen 3—4 StQck bis 6mal taglich gegeben werden, von 
den Suppositorien jedoch nur 3 mal taglich ein StQck. 
Die Dosen fQr Kinder richten sich nicht nach den Qblichen 
Normen, sie sind bedeutend grosser und sollen selbst fur 
den Saugling nicht unter */b der Einzeldosis fQr den Er- 
wachsenen betragen. Die geeignetsten Yerordnungsformen 
fQr Kinder sind Suppositorien und etwa mit Sirupus 
aurantii corticis korrigierte Mixturen. Die oben ange- 
gebenen Dosen sind so gewablt, dass bei 1—2maliger 
Wiederholung ein sicherer therapeutischer Efiekt erzielt 
wird, sofern ein solcher Qberhaupt erwartet werden kann, 
was fQr alle akuten und die meisten chronischen Diarrhoen 
zutrifft. Die Dosis dQrfte aber bei Gaben per os auch 
ohne das geringste Bedenken um das Drei- bis Vierfache 
erhOht werden, das ist aber durcbaus unnOtig und soli 
hier nur zeigen, dass Uzara innerhalb weiter Grenzen 


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Magen- und Darmaffektionen — Skabies. 


109 


der therapeutisch wirksamen Mengen keine sch&dliche Neben- 
wirkungen hat. Bei der Anwendung als Suppositorien 
ist es wQnschenswert, sich streng an die gegebene Do- 

siemng ZU halten. (Munch, med. Wochenschrift 1911 Nr. 40.) 

— TTeber die Behandlnng der Hyperazidit&tszust&nde des 

Magens mit Neutral on. Von Dr. J. Schlesinger. (Aus 
der Poliklinik von Prof. Rosenheim u. Dr. Kramm in 
Berlin.) Neutralon hat sich bei der Behandlung der Hyper- 
azidit&tszust&nde des Magens, bei Hyperchlorhydrie, Hyper- 
sekretion und beim Ulcus ventriculi als durchaus brauchbar 

erwiesen. (Munch, med. Wochenschrift 1911 Nr. 41.) 

Skabies* Zur Diagnose der S. Von Dr. A. Rosenberg 
(Berlin). Es wird gelehrt, dass man „nur“ nach den vom 
Akarus gesetzten Gangen zu suchen habe, um zur Di¬ 
agnose zu gelangen. Das Finden derselben* ist aber oft 
gar nicht so einfach, weil die bekannten Kratzeffekte die 
an sich polymorphen Effloreszenzen noch komplizieren. Um 
schnell zum Ziele zu gelangen, hat sich nun ein einfaches 
Mittel bew&hrt: das von der Lupusknbtchendiagnose her 
bekannte Verfahren, durch Druck mit einem Objekttriiger 
die Haut blutleer zu machen. Hierbei treten die leicht 
gewundenen Gfinge mit den typischen punktfbrmigen, 
perlschnurahnlich angeordneten Kolb alien von der Milbe 
mit wunderbarer Deutlichkeit hervor. 

(Medizin. Klinik 1911 Nr. 33.) 

— Zur Xleiderdesinfektion bei S. empfiehlt Dr. C. Philip (Ham¬ 

burg) das Autan . Die kleinste im Handel befindliche 
Autanpackung ist nun auf 2,5 cbm Raum eingestellt. 
Um von vornherein eine mfjglichst grosse Garantie fflr 
das Gelingen der Versuche zu haben, hat Ph. einen nur 
1,25 cbm grossen Raum von folgenden Massen: Hohe 
2,20 m, Breite 0,95 m und Tiefe 0,60 m gleich beim Bau 
seiner Klinik an einer geschfitzt liegenden Wand auf dem 
Boden mit anmauern lassen. Derselbe ist durch eine in 
den Felgen entsprechend ausgelegte (eiserne) TQr zu ver- 
schliessen und besitzt ausserdem einen von aussen regu- 
lierbaren Schieber, der es gestattet, nach beendeter Des- 
infektion den Formaldehyd in den Schornstein abzuleiten. 
Selbstverstandlich kann man je nach Bedarf durch nach- 
tr&gliches Sprengen mit Ammoniak den anhaftenden Geruch 
noch grflndlicher entfernen. Da sich nicht jeder gleich 
entschliessen wird, einen solchen Raum extra zu bauen, 


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110 


Skabies. 


kann als einfaches Hilfsmittel empfohlen werden, einen 
alten Kleiderschrank dazu zu verwenden, bei dem es nur 
nfitig ist, ffir hermetische Abdichtung zu sorgen. Das 
Verfahren ist nun ein denkbar einfaches. Bei den Kleidern 
wird das Innere nach aussen gekehrt und die besonders 
in Betracht kommenden Stellen derselben (Genitalgegend 
und Aermeleing&nge) mSglichst exponiert nach aussen und 
nach unten h&ngend gekehrt. In einem am Boden stehenden 
Holzeimer wird dann das Autan mit der erforderlichen 
Menge Wasser flbergossen und die Kleidungsstficke die 
Nacht fiber im Raum belassen. Am andern Morgen sind 
dieselben wieder gebrauchsfahig, ohne irgendwie durch 
diese Desinfektion geiitten zu haben. Neben dieser Zweck- 
m&ssigkeit stellt sich dieses Verfahren auch ausserordentlich 
billig, da eine Packung Autan 4 2,5 cbm nur auf M. 0,45 

ZU Stehen kommt. (Miinch. med. Wochenschrift 1911 Nr. 38.) 

# 

# 

— Ueber Ilistin, ein nenes Antiskabiosum, schreibt Dr. J. Neu- 
berger (Allgemeines Stfidt. Krankenhaus in Narnberg). 
„Mit grossem Interesse habe ich vor etwa acht Monaten 
auf der dermatologischen Abteilung Versuche mit einem 
mir von den Elberfelder Farbenfabriken vorm. Friedrich 
Bayer & Co. zur Verffigung gestellten, den Monobenzol- 
ester des Aethylenglykols darstellenden farb- und geruch- 
losen Antiskabiosum begonnen, das auf Grund von Tier- 
versuchen vollkommen ungiftig sein sollte und keine 
Nierenreizung im Gefolge hat. Es ist eine 25°/oige alko- 
holische Lfisung mit Glyzerinzusatz und hat neuerdings 
von der Fabrik den Namen ,Ristin‘ erhalten. Ich habe 
bisher insgesamt 85 Skabieskranke, zumeist Manner, we- 
niger Frauen, mit Ristin behandelt. Die klinischen Bilder 
waren sehr vielgestaltig. Falle mit geringen Kratzeffekten 
und nur wenigen Milbengftngen we^hselten mit solchen 
ab, bei denen schon lftngere Zeit die S. bestand, die ty- 
pischenLokalisationsstellen(Interdigitalfalten, Achselgegend, 
Penis, Skrotum, Glutaalgegend) stark zerkratzt und ekze- 
matfis entzfindet waren, auch gelegentlich urtikarielle 
Symptome und multiple Furunkelbildungen den Prozess 
komplizierten. In alien F&llen wurden die Ristineinrei- 
bungen gut vertragen. Der Juckreiz liess schon nach der 
ersten Einreibung nach, um nach der zweiten und dritten 
zumeist ganz zu verschwinden. Subjektiv empfanden die 
Pat. unmittelbar nach der Einreibung in der inneren 
Schenkel-, Genital- und Glutaalgegend ein leichtes, wohl 
auf den Alkohol zurfickzuffihrendes Brennen, das aber 


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Skabies. 


Ill 


stets nach kurzer Zeit wich. Meinen Erfahrungen nach 
genfigen in der Regel drei Einreibungen zu je 50 g Ristin. 
In besonders hochgradig entwickelten Fallen dfirfte es der 
Sicherheit der Wirkung halber zweckmassig sein, die 
Hauptlokalisationsstellen noch ein weiteres Mai knrz ein- 
reiben zu lassen. Da die spiritudse Ristinlfisung schnell 
eintrocknet — etwa drei Stunden nach einer Einreibung 
1st von dieser nichts mehr auf der Haut zu bemerken —, 
so kann die Skabieskur in kurzer Zeit erledigt werden. 
Es ist sehr wohl. mfiglich, die drei Einreibungen -— bei 
einem nicht besonders komplizierten Skabiesfall — an 
einem Tage (vormittags, mittags und abends) vorzunehmen. 
Versuche, die ich in letzter Zeit gerade in dieser Rich- 
tung anstellte, ffthrten im Effekt zu den gleichen Ergeb- 
nissen, wie die frtihere Methode, nach der wir die Ein¬ 
reibungen erst in langeren Zwischenraumen vornehmen 
liessen. Ich hebe das besonders hervor, da z. B. beim 
Feruol Sack angibt, dass ,bei richtiger Anwendung alle 
zwfilf Stunden 3—4 Tage nacheinander mittels eines 
kraftigen Borstenpinsels 1 das Mittel eingerieben werden 
masse. Wir haben das Ristin vom Warter mit der Hand 
einreiben lassen. Die Wirksamkeit des Ristins unterliegt 
nach meinen Beobachtungen keinem Zweifel. Rezidive 
sind unter den 85 Skabiesfallen nicht vorgekommen, wo- 
bei allerdings ein kleiner Teil unserer Falle far eine 
definitive Entscheidung noch zu kurze Zeit zurfickliegt, 
manche unserer Kranken sich auch auf der Wanderschaft 
befanden und mfiglicherweise doch anderwarts spater von 
neuem in Behandlung getreten sind. Immerhin war mir 
die Tatsache gegenfiber frOheren Resultaten auffallend, 
dass mir kein Rezidiv zu Gesicht gekommen ist. Ein 
besonderer Vorzug des Ristins liegt neben seiner Geruch- 
und Farblosigkeit, welch letztere Eigenschaften die ambu- 
lante Behandlung erleichtern, in seiner Reizlosigkeit. Mir 
sind irgendwelche Hautirritationen durch Ristin nicht zur 
Kenntnis gekommen, auch kfinnen selbst stark ekzematose 
Falle sofort ausgiebig einer Ristinbehandlung unterworfen 
werden, ohne dass zuvor irgendeine antiekzematfise mil- 
dernde Therapie einzuschlagen ware. Aus diesen Grttnden 
war auch die Behandlungsdauer bei den mit Ristin be- 
handelten Fallen eine viel kfirzere als wie bei unserer 
frfiher gefibten Behandlungsart (Perubalsam, Antiskabin). 
Albuminurie wurde niemals beobachtet. — Mein Gesamt- 
resultat ist, wie sich aus dem Vorhergehenden ergibt, ein 
sehr gfinstiges. Das Ristin scheint mir das Peruol weit 


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Skabies — Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett. 


zu tibertreffen. Auch einige Versuche, die ich in der 
Privatpraxis mit d® m Ristin gerade in solchen Fallen an- 
stelite, bei denen ich mit Peruol nicht die gewiinschte 
Wirkung zu erzielen vermochte, best&tigen dieses Urteil. 
Vorlftufig dfirfte das Ristin des Preises halber — die 
Fabrik will Originalflaschen zu 175 g zum Preise von 
5.50 M. einfGhren — in grossem Umfange wohl nur in 
der Privatpraxis sich einbfirgern. For die ambulante Be- 
handlung in der Privatpraxis ist das Ristin jedenfalls 
nicht teurer als das Peruol, sogar billiger, wenn man, wie 
Sack angibt, 6—7 Einreibungen mit im ganzen 200 bis 
300 g Peruol vornehmen soll.“ 

(MUnch. med. Wochenschrift 1911 Nr. 42.) 

Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett. Weitere 

Erfahrungen fiber die Behandlung von Schwanger- 
schaftstoxikosen mit normalemSchwangerscbaftsernm. 

Von Privatdozent Dr. A. Mayer. (Aus der Universit&ts- 
Frauenklinik zu Tfibingen.) Drei weitere Falle mit gfin- 
stigen Resultaten. Fall 1: 23jahrige Ipara klagt im zehnten 
Monat der bis dahin normalen Schwangerschaft fiber Akro- 
parftsthesien: Jucken, Taubsein und Kribbeln in den 
Fingerspitzen. Diese sind leicht aufgetrieben und erinnern 
etwas an das Bild der Akromegalie. Vielleicht hing dieser 
Zustand mit den in der Schwangerschaft sich vollziehenden 
Ver&nderungen der Hypophyse zusammen. Urin zeigt 
keine Besonderheiten. Intravenfise Injektion von 10 ccm 
normalem Schwangerenserum. Nach zwei Tagen ist das 
Jucken vollig verschwunden, die anderen Beschwerden 
hatten sich sehr gebessert und hfirten bald nachher auch 
ganz auf. Zusammengefasst fiel im zweitcn Falle auf, 
dass ein Herpes gestationis durch die Geburt nicht beein- 
flusst wurde, sondern nach Art gewisser Eklampsieformen 
ins Wochenbett hinein fortdauerte und sich sogar noch 
verschlimmerte bis zur Seruminjektion. .Nach jeder der 
drei Seruminjektionen trat alsbald eine deutliche Besserung 
der Hauterscheinung zutage in Form von Kollabieren der 
Blaschen und daran sich anschliessender Abschuppung. 
In der dreimaligen Wiederholung desselben Vorganges 
eine Folge der Seruminjektion zu erblicken, hat wohl 
nichts Gezwungenes. Zusammenfassend ware zu dem dritten 
Falle zu sagen, dass es sich um eine schwere Eklampsie 
handelte; daffir sprachen das anhaltende Koma, die At- 
mungsstfirungen nach den Anfallen, die fast vftllige Anurie 
mit 7°/o Albumen und Komazylindern und der schlechte 


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Schwangerechaft, Geburfc, Wochenbett. 113 

Puls. Trotzdem haben die Anf&lle 8 1 /® Stunden vor der 
Entbindung aufgehdrt. Das Koma verschwand, die anfangs 
ganz reaktionslose Pat. war schon sechs Stunden ante 
partum in rasch fortschreitendem Erwachen begriffen, und 
es zeigte sich schon da eine zunehmende Besserung aller 
Erscheinungen, namentlicb auch der Diurese. Womit war 
das zu erkl&ren? Zun&chst muss betont werden: es wurde 
nicht entbunden, man begnQgte sich lediglich damit, den 
im Muttermund liegenden Fuss mit einer Kornzange herab- 
zuholen. Auch sonst wurde keines der (lblichen Mittel 
angewendet: kein Aderlass, oder ein einem solchen gleich- 
kommender Blutverlust w&hrend der Geburt, kein Nar- 
kotikum, denn die zweimal gegebenen wenigen Tropfen 
Chloroform kbnnen doch wohl kaum als therapeutisch 
wirksames Narkotikum angesehen werden. Es wurde also 
ausser der dreimaligen intravenbsen Injektion von nor- 
malem Schwangerenserum von je 20 ccm therapeutisch 
ttberhaupt nichts gemacht. Und doch hbrten die schweren 
Anf&lle schon viele Stunden ante partum auf, und doch 
trat schon lange vor Entleerung des Uterus eine unver- 
kennbare, zunehmende Besserung ein. Autor glaubt, dass 
man da annehmen darf, dass die Seruminjektion gGnstig 
gewirkt hat. Das lfisst sich auch noch aus einzelnen Ver- 
laufsmomenten sttttzen: Zirka 1 U Stunde nach der ersten 
Seruminjektion wurde die bis dahin tief koroatbse Pat. 
auffallend agil, das Erwachen schreitet so schnell fort, 
dass sie nach Stunden auf Anruf die Augen bffnet, 
freilich um dann (vielleicht durch das Anrufen) einen 
neuen Anfall zu bekommen, dem vier weitere und ein 
erneutes tiefes Koma folgten. 20 Minuten nach der zweiten 
Injektion wurde die tief komatbse Pat. wieder auffallend 
unruhig, fing an, die Wehen zu spQren. 5 /< Stunden sp&ter 
kommt freilich nochmals ein schwerer eklamptischer An¬ 
fall, aber im Gegensatz zu bisher ist er nicht von langem 
Koma gefolgt, vielmehr kehren alsbald Korneal- und Pu- 
pillarreflexe wieder. Pat. kommt immer mehr zu sich 
und sieht schon eine knappe Stunde nach dem letzten 
Anfall viel besser aus als bisher je; wabrend vorher in 
7—8 Stunden nur 30 ccm Urin abgesondert wurden, lilsst 
Pat. nach der zweiten Injektion innerhalb zwei Stunden 
zweimal reichlich Urin unter sich gehen. Das .alles wiirde 
man bei jeder anderen Therapie, namentlich der Schnell- 
entbindung oder der Nierendekapsulation, nicht als Zufall 
ansehen, sondern als Folge der Therapie. Ich glaube, 
mit dem8felben Rechte und derselben Wahrscheinlichkeit 


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Schwangerechaft, Gebart, Wochenbett — Syphilis. 


darf man daher den erzielten Erfolg auf die Seruminjek- 
tion zurQckfdfhren. Das ware also der erste Fall von 
Eklampsie, der unentbunden, anscheinend lediglich durch 
in tra venose Injektion von normalem Schwangerenserum 

abheilte. (Zentralblatt fur Gynftkologie 1911 Nr. 87.) 


— Pituitrin als wehentreibendes Mittel. Yon Y. B agger - 
Jbrgensen. (Univers.-Frauenklinik zu Lund.) Es wurden 
w&hrend der letzten Mon ate in der Klinik einige Versuche 
mit Pituitrin angestellt. Bei den zwei ersten Yersuchen 
wurde das Mittel nur in einer Dosis von 0,6 ccm gegeben. 
In beiden Fallen trat eine ausgesprochene Verst&rkung 
der Wehen ein; die Geburt folgte aber nicht im Anschluss 
an die Injektionen. Bei der ersten Pat. wurde wegen 
ihrer Ermfidung nach vier Stunden Morphium gegeben; 
bei der zweiten wurden nach acht Stunden die Wehen 
wieder schwach wie vor der Injektion; bei beiden folgte 
sp&ter normale Geburt. In fQnf weiteren Versuchen war 
die Wirkung des Pituitrins eine sehr eklatante; es wurden 
1—1,2 ccm appliziert. Autor kann also sagen, dass das 
Pituitrin sich als ein kr&ftiges und zuverl&ssiges wehen¬ 
treibendes Mittel erwiesen hat; vielleicht wird man mit 
grOsserer Erfahrung und besserer Dosierung, z. B. ver- 
schieden grosse Dosen in den verschiedenen Geburtsperioden, 
noch sicherere Resultate gewinnen. (Ebenda.) 

Syphilis. Ueber Nebenwirkungen bei intravendaen Sal- 
varsan-Injektionen, bedingt durch Kochsalzldaungen. 

Von Dr. Galewski (Dresden). Autor mahnt, stets ab- 
solut keimfreie, frisch zubereitete KochsalzlOsung zu be- 
nutzen, da sonst schwere Nebenerscheinungen auftreten. 
Auch soil die Injektion keinesfalls ambulant gemacht 
werden. Autor hat w&hrend der Injektionen einen Kollaps 
bei einem jungen, kr&ftigen Offizier erlebt, der zum Auf- 
hOren der Injektion und zur Verabreichung von Kampfer- 
injektionen veranlasste. Er hat ferner in einem zweiten 
Fall eine Stunde nach der Injektion einen sehr schweren, 
kollaps&hnlichen Zustand beobachtet, bei welchem Kampfer- 
und Digaleninjektionen gemacht werden mussten. Bei 
einem dritten Fall, bei welchem die Injektion von anderer 
Seite ambulant gemacht wurde, trat der Kollaps auf dem 
Nachhausewege ein, so dass Pat. gerade noch sein Zimmer 
erreichen konnte; und ein vierter Pat., der trotz des Ver- 
botes, da er sich sehr wohl ftthlte, eine Tour in die sftch- 
sische Schweiz gemacht hatte, brach mitten auf der Tour 


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Syphilis. 


115 


zusammen und musste im Wagen nach Dresden geschafft 
werden. Wenn auch alle diese Ffille gut verlaufen sind 
und keine Folgen hinterlassen haben, so zeigen sie doch, 
dass die intravendse Injektion kein Eingriff ist, den man 
ambulant und ohne Vorsichtsmassregeln machen soil. Das 
beweist ja auch der Todesfall, der in der Benarioscben 
VerOflentlichung ebenfalls bei ambulanter Behandlung vor- 
gekommen ist. Autor mdchte noch erwfthnen, dass diese 
Eollapse nicht wie bei Hoffmann und Jaffe im Anschluss 
an wiederholte Injektionen, sondern bei der ersten Injek¬ 
tion vorgekommen sind. Im flbrigen macht Autor die 
Injektion so einfach wie moglich. Er benutzt einen ein- 
fachen graduierten Glaszylinder, einen mit doppelten Glas- 
eins&tzen durcbbrochenen Gummischlauch und einfache, 
stets sebr scharf zu haltende PlatinvenenkanOle. Die 
Hauptsache ist, dass die Spitze nach oben gerichtet ist 
und die abgeschr&gte Oeffnung nach unten, wie dies auch 
Hoffmann hervorgehoben hat. Die Injektion soli im 
Liegen gemacht werden. 

(Deutsche med. Wochenschr. 1911 Nr. 38.) 

— TJeber eigentftmliche Lungenschmerzen nach Injektionen 
von granem Oel. Von Dr. K. F. Hoffmann. (Klinik 
f. Hautkrankheiten in Diisseldorf.) „Die Embolien, die 
bei unvorsich tiger Injektion unlbslicher Quecksilbersalze 
dadurch entstehen, dass die Masse direkt in ein Blutgef&ss 
gespritzt wird, sind eine altbekannte Tatsache. Erfolgt 
die Embolie in die Lunge, so tritt ,unmittelbar nach der 
Injektion ein heftiger, lange anhaltender Hustenreiz auf, 
leichte Zyanose, Stiche in der Brust, und unter Umstanden 
sind an der schmejrzhaften Stelle der Brust leichte Damp- 
fung und Rasselger&usche nachweisbar 4 . (Lesser, Lehr- 
buch, 12. Aufl., S. 331.) Indessen gibt es, wie aus meinen 
Beobachtungen hervorgeht, auch Lungenschmerzen bei In¬ 
jektion unldslicher Salze, die nicht durch Deponierung des 
Praparates in ein Blutgef&ss erkl&rt werden kbnnen, sondern 
fftr die ein anderer Entstehungsmodus gesucht werden 
muss. Ich lasse zunachst die hierher gehSrigen Kranken- 
geschichten folgen: 

1. S. Prim&raffekt. Spirochfiten ff+. Wassermann 
negativ. Abortivkur. Beginn mit lbslichen Salzen. 18. III. 10. 
1 !t Barthelemysche Spritze graues Oel (PrSparat der 
Duretschen Apotheke, Paris). 23. III. Graues Oel (Va- 
senol-Koepp). Beide Spritzen wurden im Laufe des Vor- 
mittags zwischen 9 und 10 Uhr gegeben. Nach beiden 


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Syphilis. 


Spritzen stellten sich im Laufe des SpStnachmittags eigen- 
tdmliche, ziehende Schmerzen im Gebiete der Brust ein, 
die bei tiefem Atembolen starker wurden und den Pat. 
hinderten, vdllig ein- und anszuatmen. Das Fieber be- 
wegte sich zwischen 37° und 38°. Nach der ersten Spritze 
verloren sich die Schmerzen im Verlaufe von 2—3 Tagen, 
um am Nachmittag des 23. III. wiederzukommen. Ein 
drtlicher Befund war nie zu erheben. Behandlung wurde 
nicht eingeleitet. 29. III. Graues Oel (Engelapotheke, 
Breslau). 2. IV. Graues Oel (Apotheke Lafay, Paris). 
Beide anstandslos vertragen. 

2. D. Lues II. Beginn der Kur mit ldslichen Salzen. 

23. III. Graues Oel (Koepp). 28. III. Graues Oel (Engel¬ 
apotheke, Breslau). Beide gut vertragen. 2. IV. Graues 
Oel (Duret, Paris); morgens gegen 9 Uhr gegeben. Spat 
abends gegen 10 Uhr bekam Pat. heftige Atemnot, Seiten- 
stechen, ErstickungsgefOhl, liess jedoch den Stationsarzt 
nicht rufen. 3. IV. Dieselben Beschwerden, die haupt- 
sachlich rechtB sitzen. Therapie: Priessnitz; Morgen- 
temperatur 38,2°, Abendtemperatur 38,2°. 4. IV. Sitz der 
Beschwerden hauptsachlich links. Kein Befund. 5.—7. IV. 
Langsames Nachlassen der Beschwerden und Abfall der 
Temperatur. Keine weitere Spritze gegeben. 

3. N. Lues II. Einleitung der Kur mit ldslichen Salzen. 

24. III. Graues Oel (Koepp). 29. III. Graues Oel (Engel¬ 
apotheke, Breslau). 2. IV. Graues Oel (Duret) morgens 
9' la Uhr. Abends 6 Uhr pldtzlich Beklemmung in der 
Brust und vage Schmerzen. Pat. hat das Geftlhl, als kdnne 
er nicht ganz einatmen. Kein lokaler Befund, keine Tem- 
peratursteigerung. 3. IV. Morgens 8 Uhr keine wesent- 
lichen Beschwerden, keine Temperatursteigerung. Gegen 
10 Uhr springt Pat. mit anderen im Garten herum. Pldtz- 
lich heftige Schmerzen in der ganzen Brust, hochgradige 
Atemnot, GefOhl des Erstickens. Lokal kein Befund. 
Therapie: Priessnitz. Abendtemperatur 38,2°. Kein Be¬ 
fund. 4. IV. Morgentemperatur 38,4°. Im Laufe des 
Tages langsame Besserung. Abendtemperatur 37,2°. 5. IV. 
Morgentemperatur 37,0°. Beschwerdefrei. 6. IV. Graues 
Oel (Koepp). Tadellos vertragen. 

Wie aus den Krankengeschichten ohne weiteres her- 
vorgeht, handelt es sich hier keineswegs um das gewOhn- 
licheBild einerLungenembolie. Wahrend diese, entsprechend 
der direkten Einverleibung in die Blutbahn, in unmittel- 
barem Anschluss an die Injektion erfolgt, traten bei den 
genannten Pat. die Schmerzen erst viel spkter, frdhestens 


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Syphilis. 


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nach sechs Stunden auf. Der Zusammenhang mit der 
Injektion ist nicht so unraittelbar, besteht aber zweifellos. 
Besonders beweisend ist in dieser Hinsicht der erste Fall, 
bei dem die Schmerzen nach zwei Injektionen auftraten. 
Gerade dieser Fall war es auch, der mich auf den Ge- 
danken eines ursftchlichen Zusammenhanges brachte. Es 
ware nun die Frage, wie die Entstehung dieses Vorkomm- 
nisses zu erkl&ren ist. Eine mangelhafte Technik ist aus- 
geschlossen. Ich nahm die Reinigung der Platiniridium- 
kanQlen stets selbst vor, spritzte sie vor Gebrauch noch- 
mals rait Luft durch, stiess sie leer ein und wartete min- 
destens 30 Sekunden, bevor ich die Spritze aufsetzte. 
Das graue Oel war also zweifellos in Muskulatur bzw. 
Bindegewebe gelagert. Yon hier aus gibt es nur einen 
Weg in die Lunge, n&mlich die Lymphgef&sse. Durch 
diese muss die Injektionsmasse in die Blutbahn und die 
Lunge gelangt sein. Vermutlich hat sie hier miliare Em- 
bolien hervorgerufen, die, soweit sie die Pleura beteiligten, 
schmerzhaft waren. Ich habe diese Erscheinung nur von 
grauem Oel, nie von anderen Pr&paraten gesehen, die 
ebenfalls Quecksilber in unldslicher Form enthalten (Kalo- 
mel, Merkuriol* Hydrargyrum salicylicum). Dies legt den 
Gedanken nahe, dass es das im grauen Oel enthaltene 
metallische Quecksilber selbst ist, was die Embolien ver- 
ursacht. Vermutlich fliessen die winzigen Quecksilber- 
kQgelchen des Oels auf ihrem Wege zu grbsseren zusammen. 
Interessant ist ferner, dass allem Anschein nach der Schmelz- 
punkt des Praparates eine Rolle spielt. Drei Embolien 
erfolgten nach Duretschem Oel, das mit Palmitin angesetzt 
ist und zur Injektion durch Erw&rmen in der geschlossenen 
Hand vorbereitet wird. Nur eine kam auf die drei an¬ 
deren Oele zusammen, die schwerer zu verflttssigen sind, 
obwohl von ihnen weit mehr Spritzen gegeben wurden. 
Es ist dies bedauerlich, da gerade das Duretsche Fabrikat 
lokal weitaus am besten vertragen wird. Die Grbsse der 
QuecksilberkOgelchen in den verschiedenen Oelen spielt 
keine Rolle. Sie sind in s&mtlichen Oelen nahezu gleich 
gross, wie ein Vergleich im Mikroskop zeigt. Bemerkens- 
wert ist ferner der Einfluss der plbtzlichen Mobilisierung 
durch kbrperliche Bewegung (Fall 3). Ich brauche wohl 
auch nicht darauf hinzuweisen, dass s&mtliche genannten 
Pat. einen durchaus normalen Lungenbefund boten. Lungen- 
leidende, namentlich Tuberkuldse, blieben von der Be- 
handlung mit grauem Oel ausgeschlossen. Diese Embolien 
gehbren zweifellos nicht zu den haufigen Vorkommnissen. 


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Syphilis. 


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Ich habe sie unter etwa 300 Spritzen nur viermal ge- 
sehen. Vernautlich hat sich ja hinter mancber Bronchitis 
usw., die dem ungunstigen Wetter zugeschoben wurde, 
Aehnliches verborgen. Aber auch nachdem ich aufmerksam 
geworden war, habe ich dergleichen nicht mehr beobachtet. 
In der Literatur habe ich HierhergehOriges nicht finden 

konnen. (Monatshefte f. prakt. Dermatologic 1910, Bd. 51, Nr. #.) 

— Die Syphilis&tiologie der Frauentabes. Yon Dr. K. Mendel 
und Dr. E. Tobias (Berlin). Das Ergebnis ihrer Unter- 
suchungen bezGglich der Syphilis&tiologie der Frauentabes 
fassen Yerf. in folgende S&tze zusammen: 

1. Fftr Lues in po 9 itivem Sinne verwertbar sind" 81% 
unserer F&lle, von unseren Pat. waren 67,4% ganz sicher 
syphilitisch gewesen. 

2. 83% unserer Tabesfrauen reagierten Wassermann- 
positiv (im Blutserum). 

3. Die Zahl der Kinderlosigkeit bei unseren Tabes¬ 
frauen ist eine absolut und (im Yergleich zu Statistiken 
bei normalen Frauen) relativ sehr hohe (59% gegenftber 
10—12% unter gewOhnlichen Verh&ltnissen). 

4. Bei unseren s&mtlichen F&llen von konjugaler, in- 
fantiler und heredit&rer Tabes ist die S. als Bindeglied 
zwischen den Ehegatten bzw. Aszendenz und Deszendenz 
mit Sicherheit nachweisbar. 

5. Wo es sich bei unseren unverheirateten Tabes¬ 
frauen um Jungfrauen handelte, konnten wir eine gleich- 
artige Tabesheredit&t bzw. eine extragenital erworbene 
Infektion mit aller Bestimmtheit nachweisen. 

6. Die Inkubationsdauer der Tabes war am grdssten 
bei den unbehandelten F&llen und nahm mit der Zahl der 
Quecksilberkuren ab. 

Stand man in den 80 er Jahren des vorigen Jahr- 
hunderts den Angaben Qber den urs&chlichen Zusammen- 
hang zwischen Tabes und S. noch zaghaft gegenGber, 
pl&dierte man dann in den 90 er Jahren auf Grund aus- 
gedehnterer Statistiken energischer ftlr diesen Zusammen- 
hang, so kann man jetzt auf Grund der weiteren Aus- 
dehnung der Kasuistik sowie auf Grund der Ergebnisse 
der neuen Untersuchungsmethoden die Beweiskette als 
geschlossen ansehen und mit Strfimpell die S. als die 
Conditio sine qua non der Tabes bezeichnen. Je l&nger 
man in der Praxis steht, desto mehr wird einem dies zur 
Gewissheit. Den bekannten Mbbiusschen Satz mbchten 


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Syphilis — Ulcus cruris. 


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Verf. aber nach der Richtung der Frauentabes bin 
erweitern und schliessen. Omnis tabes e lue; virgo non 
fit tabica nisi per parentes aut per luem insontium. 

(Neurolog. Zentralblatt 1911 Nr. 20.) 

IIICUS CP— pis. TJeber Behandlung des V. schreibt Dr. Wilcke 
(Genthin): „Seit Einffihrung des Zinkleimverbandes ist 
die Behandlung des U. zu einer dankbaren Aufgabe ge- 
worden. Die Abhandlungen von Nobl, Jessner und 
Sch&fer geben hinreichend Aufschluss fiber den Verband 
nach Unna. Entgegen der Angabe von Jessner empfiehlt 
es sich, um Elumpenbildung des Zinkoxyds zu vermeiden, 
das Zinkweiss mit dem Glyzerin zu verreiben und der 
geldsten Gelatine zuzusetzen; der Zinkleim trocknet bei 
geringem Zusatze von Glyzerin schneller. — Den Zinkleim 
verwende ich nach der Vorschrift: 

Gelatinae 20—30 
Glyzerin 20 
Zinci oxyd. 20 
Aq. ad 150. 

Der Zinkleim wird durch Einstellen der Kruke in heisses 
Wasser verflfissigt; zum Verbande sind noch zwei bis drei 
in warmes Wasser getauchte St&rkebinden notig. In der 
Fussgelenkgegend wird die Haut durch wenig graue Watte 
vor Druck und Reibung geschfitzt. Dann wird der Zink¬ 
leim auf die Haut aufgetragen, es folgt eine exakte Bin- 
denschicht, dann Zinkleim und noch eine Bindenlage. Den 
unter dem Zinkleim leicht entstehenden Furunkeln und 
Mazerationen beuge ich vor, indem ich vor dem Verbande 
den ganzen Unterschenkel einschliesslich des Geschwfirs 
mit gesftttigter wftssrigerPikrinsSurelfisung mehrmals wasche. 
Kleine Geschwfire ffille ich mit Tumenolammonium unter 
Zusatz einiger Pikrins&urekristalle oder mit Perubalsamj 
grfissere Geschwfire habe ich in letzter Zeit nach Nobl 
mit Gipsteer (Gipspulver wird mit soviel Pix liquida ver- 
rieben, dass es Pulver bleibt) angeffillt. Der Zinkleim- 
verband kann bis drei Wochen liegen, falls man der Regel 
folgt, das Bein vor Anlegung des Yerbandes hochzulagern. 

(Deutsche med. Wochenschrift 1911 Nr. 32.) 

— Ueber eine mechanische Behandlung der Varizen des Unter- 
schenkels. Von San.-Rat Dr. Wolfram (Erfurt). Autor 
schildert ein Verfahren, das eine vfillige Restitutio zu be- 
wirken imstande ist. Er schreibt darfiber folgendes: 


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Ulcus cruris. 


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„Es handelt sich um die permanente Kompression der Art. 
femor. mittels der Pelotte eines einfachen Bruchbandes. Die 
Analogic mit der Behandlang des Aneurysma poplit. durch 
Digitalkompression ist obne weiteres klar, jedoch bestehen 
zwischen beiden VerfahrenbezOglicb des Effekts Unterschiede, 
die ich durch einige theoretische Erw&gungen erl&utern 
mSchte. Durch die Kompression der Schenkelarterie wird 
zun&chst der Blutstrom im. Arterienrohr vermindert und 
die Stauung im Kapillarsystem aufgehoben; den vorhan- 
denen UnterschenkelgeschwOren wird die Zufuhr entzogen, 
sie verheileu. Das erweiterte Venenrohr bildet sich in- 
folge des verminderten Innendrucks zurdck, das Lumen 
n&hert sich wieder der Norm; die Yenenklappen, die nur 
relativ insuffizient sind, werden wieder scblussf&hig. Ausser- 
dem wird eine etwa bestehende Phlebitis infolge der ver¬ 
minderten vis a tergo leichter zur Heilung gelangen und 
die Gefahr der Abldsung von Embolis geringer werden. 
Die Ansaugekraft des rechten Herzens wfichst infolge der 
schw&cher gefflllten Ven. cav. inf. und die Arbeitsleistung 
desselben wird erleichtert. Ja, es liesse sich konsequenter- 
weise bei einem gleichzeitig bestehenden Vitium cordis 
ein gQnstiger Einfluss auf die Herzaktion denken, ein 
seltener Fall von Circulus laudabilis. Nun ist ja klar, 
dass das Blutquantum, welches das linke Herz in arte- 
rieller Form aussendet, in vendser in das rechte zurfick- 
kehren muss, jedoch braucht das nicht in der Zeiteinheit 
zu geschehen. Denn da es sich nicht um ein starres, 
sondern ein elastisches Rdhrensystem handelt, so kdnnen 
die einen Abschnitte mehr, die anderen weniger blutgefGllt 
sein. Es kann demnach der oberhalb der Kompressions- 
stelle gestaute Blutstrom kollateral in den Abdominal- 
kreislauf geleitet und so die Gef&sse des ganzen Schenkels 
dauernd entlastet werden. Entspricht nun das praktische 
Ergebnis diesem theoretischen Kalkul? Nach meinen Er- 
fahrungen im vollsten Masse. Zun&chst will ich dem 
Einwand, den der aufmerksame Leser wohl machen wird, 
dass n&mlich die Yen. fern, bei dieser Kompressionsmethode 
zugleich komprimiert wird, begegnen. Einmal liegt die 
medianwiirts verlaufende Vene der Arterie keineswegs so 
dicht an, dass es nicht mbglich wftre, durch eine Pelotte, 
die ein parabolisch gekrummtes Polster zu haben pflegt, 
die letztere isoliert zu komprimieren; dann aber spricht 
der Erfolg dieser Behandlung daftir, dass eben eine Mit- 
kompression der Yene gar nicht oder nur in geringem 
Grade stattfindet. Je nachdem nun der Pannikulus be- 


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Ulcus cruris — 'Vermisohtes.J 


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schaffen ist, lftsst man die Felotte gerade oder winkelig 
abbiegen. Man sucht nun die Pulsation in der Schenkel- 
beuge auf und legt das Bruchband an; es muss selbst- 
verst&ndlich ebenso fest wie bei einer Inguinalhernie an- 
liegen und wird durch das Gehe ebensowenig disloziert. 
Man kontrolliert den Puls der Pediaea, der langsam und 
dQnner wird, und Qberzeugt sich so von dem riehtigen 
Sitz der Pelotte. Anfftnglich lftsst man das Bruchband 
Tag und Nacht tragen, bis die Ulzera verheilt und die 
Venen nicht mehr prall gefQllt sind; spftter kann man 
es bei Nacht entbehren.** 

(Allgem. med. Zentral-Ztg. 1911 Nr. 42.) 


Vermischtes. 


Die Biersche Stammg dee praktischen Antes. Von Dr. 

J. Michalski (Wetzikon). [Schluss.] „Sehr dankbar, 
aber entschieden bedeutend schwieriger ist die Hyperftmie- 
behandlung der Osteomyelitis, der vereiterten Gelenke und 
der Sehnenscheidenphlegmonen. Einig mit Sick kann ich 
nur dann dem praktischen Arzte empiehlen, diese Affek- 
tionen in Angriff zu nehmen, wenn er sich mit dem Wesen 
der Bierschen Stauung vollstftndig vertraut gemacht hat 
und welnn gdnstige Bedingungen vorhanden sind, die Pat. 
sofort dem Chirurgen zuzuweisen, sobald nicht von Tag 
zu Tag deutliche Besserung zu konstatieren ist. Wo 
diese Yorbedingungen nicht erfdllt sind, lieber ,Hfinde 
weg!‘ Sonst werden unliebsame Erfahrungen ganz sicher 
den Arzt vom Freund znm Gegner machen. Auch bei 
EntzQnd ungen der Stirn-, Oberkiefer- und Paukenhtthle 
kann dank der Stauungsbinde zu Beginn der Erkrankung 
innert weniger Tage vttllige Heilung erzielt werden, doch 
auch hier muss gesunde Kritik unser Wirken beeinfluseen 
und tritt der Spezialist in sein Recht, sobald nicht deut¬ 
liche, fortschreitende Heilung zu konstatieren ist. Ein 
eigenes Gebiet in der Hyperftmiebehandlung bildet die 
chirurgische Tuberkulose. Sie hat sich der Bierschen 
Stauung lange Zeit hindurch als refraktftr erwiesen und 
es haben erst die letzten Jahre die richtige Technik ge- 
bracht. Die Stauungsbinde wird stftrker angezogen als 

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Vermischtes. 


bei den akuten Entztindungen, doch darf es auch hier 
nicht zu Schmerzen und kalter Stauung kommen. Als 
Hauptvorwurf wurde der Umstand angeftkhrt, dass bei der 
Hyper&miebehandlung mehr kalte Abszesse entstehen, was 
als eine Verschlimmerung angesehen wurde, besonders 
weil das Oedem jene anf&nglich verdeckt. Bier wendet 
sich energisch gegen diesen Yorwnrf; er verlangt, dass 
wir eben lernen mfissen, diese Abszesse beizeiten zu 
diagnostizieren, undgeben ihm seineErfahrungen entschieden 
recht, denn manche verstGmmelnde Operation kann bei 
richtiger Anwendung vermieden werden. Die kalten Ab¬ 
szesse sind sofort nach dem Erkennen zu inzidieren, aus- 
zusaugen und ganz locker zu verbinden; auch hier ist 
der scharfe Lbffel zu perhorreszieren. Bier schlftgt Tuch- 
verb&nde vor; ich halte aber locker angelegte Bindenver- 
bande in der Praxis fttr geeigneter, weil sie ruhiger liegen 
bleiben. Man mache sich ja keine Illusionen und erwarte 
bei der Tuberkulose keine raschen Heilungen; wir wollen 
froh sein, dank dieser Behandlungsweise flberhaupt Hei¬ 
lungen noch da zu erzielen, wo bisher YerstQmmelungen 
ndtig waren. Bier hat als Durchschnittsdauer der Be- 
handlung neun Monate ausgerecbnet, und dilrfen also Arzt 
und Pat. den Mut nicht zu frtlh sinken lassen, wenn ihnen 
der schOne Enderfolg nicht entgehen soli. Lockwood 
warnt vor Stauung bei Herzkranken, Diabetikern und 
Arteriosklerotikern, und jedenfalls ist es fOr den praktischen 
Arzt gut, diesen Mabnruf zu beachten, so lange nicht 
gegenteilige Beweise erbracht sind. Wichtig fOr den prak¬ 
tischen Arzt ist die Stellung der Erankenkassen zur Hyper- 
amiebehandlung. Einige unter ihnen haben den Yorteil 
der wesentlich ktirzeren Behandlungsdauer und der nicht 
eingeschrfinkten ArbeitsmOglichkeit erkannt und Qbernehmen 
gerne die hftheren Behandlungskosten. Dort, wo nur nach 
den Tageskosten der Behandlung gefragt wird, stOsst man 
natQrlich auf Widerstand, doch wird die Erfahrung, unter- 
sttitzt durch Belehrung, wohl auch hier dazu ftlhren, 
die l&ngere Behandlungsdauer gegen die libheren Tages¬ 
kosten einzutauschen. Wenn es mir gelungen ist, Vor- 
urteile oder Gleichgflltigkeit wenigstens insofern zu be- 
k&mpfen, dass der Wunsch rege wird, sich mit dieser 
Behandlungsmethode bekannt zu machen und dem SchOpfer 
derselben bei der Popularisierung unter den Aerzten etwas 
behilflich zu sein, so ist meibe Aufgabe erfftllt. 44 

(Correspondenxblatt f. Schweizer Aerate 1910 Nr. 30.) 


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Vermischtes. 


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— Ueber Verhfttung des Sch.narch.ens schreibt Gen.-Arzt a. D. 

Dr. Schill (Dresden): „Der Verfasser dieser Zeilen soil 
nach den glaubwhrdigen Behauptungen sole her, die es 
wissen k&nnen, auch zu den Schnarchern gehdren, sobald 
er auf dem RQcken liegend — and das ist seine normale 
Bettlage — schlftft. Es gelang ihm aber, das Schnarchen 
zu yermeiden, wenn er den Kopf seitwftrts und der Brust 
stark angenfthert lag. Darauf und auf den Rat einer be- 
freundeten Dame bauend, hat er jetzt ein fflr ihn und 
hoffentlich auch fflr andere Schnarcher unfehlbares Mittel, 
lautlos zu schlafen, gefunden. Es besteht in einer un- 
nachgiebigen, das heisst ganz festgestopften Rosshaamacken- 
rolle yon 38 cm Umfang. Weiche Schlummerrollen er- 
fGllen ihren Dienst nicht, auch wenn sie die Inschrift: 
,Ruhe sanft‘ oder ,Nur ein ViertelstQndchen 1 tragen. Da 
aber eine solche unnachgiebige Nackenrolle doch nicht 
alien angenehm ist, so verbindet der Verfasser das Nbtz- 
liche mit dem Angenehmen, indem er die Rolle in ein 
ziemlich prall mit Daunen geffllltes Kopfkissen einhQllt. 
Sein Lager besteht aus einer Sprungfedermatratze mit 
Rosshaarauflage und einem Rosshaarkeilkissen; darftber 
kommt das Daunenkissen mit dareingelagerter Rosshaar- 
nackenrolle. Der untere Rand der Rolle muss mit den 
Schultern abschneiden. Der Kopf bleibt auf einer solchen 
Rolle nicht auf dem Hinterhauptbein liegen, sondern rollt 
unwillk&rlich seitwftrts, so dass der Schlftfer auf dem 
Warzenfortsatz oder Ohr aufliegt. Durch diese Seiten- 
lagerung bei erhdhtem Kopf wird das Herabsinken des 
Unterkiefers und damit das Schnarchen vermieden. MOge 
das Mittel auch anderen Schnarchern helfen; der Hausarzt 
wird durch Empfehlung, wenn es hilft, sich den Dank 
vieler durch Wahl und Schicksal an Schnarcher Geketteten 
verdienen. Selbstverstftndlich kann die 'Schnarchrolle 1 auch 
aus anderem Material bestehen, z. B. aus einer fest- 
gerollten, durch einige SchnOre oder eine Naht zusammen- 
gehaltenen Wolldecke, derb zusammengepresstem Luffa- 
oder Badeschwamm oder Watte, ja selbst aus einer 
Papp- oder Linoleumrolle mit weicher Stoffhflile.“ 

(Deutsche med. Wochenschrift 1911 Nr. 86.) 

— Eine none Behandlungsart chronischer Beckenerkranknngen. 

Von Dr. Hasse, Chefarzt des BQrgerspitals zu Dieden- 
hofen i. Lothr. Der Beckenthermophor *) besteht aus zwei 

*) Der Apparat wird yon der Deutschen Thermophor-Aktiengesell- 

schaft Andernach zum Preise yon 6.60 M. aDgefertigt. 

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Vermhchtes. 


Duritbeuteln, welche durch einen Schlauch aus gleichem 
Material verbunden sind. Der eine Beutel ist mit Thermo- 
phormasse gefQllt; nach drei Minuten langem Kochen ist 
der Beutelinhalt verflQssigt und verteilt. Durch Aufrollen 
des einen Beutels in der Lfingsachse wird einerseits der 
flQssige Inhalt in den anderen Beutel gedrQckt, anderer- 
seits lfisst sich nun der aufgerollte Beutel leicht tief in die 
Scheide einfQhren. Alsdann wird der flQssige Thermo- 
phorinhalt aus dem fiusseren in den inneren Beutel ge¬ 
drQckt und an den letzteren eine Verschlussklemme gelegt. 
Der Thermophor bleibt 2V* Stunden heiss. Die hohen 
Wfirmegrade werden gut und ohne Reizung vertragen, da 
die Schleimhaut eine Sch&digung, wie sie auf der fiusseren 
Haut mdglich ist, durch Schleimabsonderung verhindert. 
Die Pat. empfanden den Thermophor als angenehme, den 
ganzen KOrper durchflutende Wfirmewellen. Die Entfernung 
aus der Scheide ist infolge der flachen Birnenform leicht 
zu bewerkstelligen. Durch die hohen Wfirmegrade wird 
far lfingere Zeit eine stfirkere Durchblutung der benach- 
barten Teile erreicht, und darin dQrfte das fiusserst gQnstige 
Resultat begrQndet sein, welches Autor in einer ganzen 
Reihe chronischer Beckenerkrankubgen zu beobachten Ge- 
legenheit hatte. Es dQrfte der Beckentbermophor mithin 
erhebliche Yorteile gegenGber der HeisswasserspQlung haben 
und in Verbindung mit Packungen, Aufschlfigen, Luft- 
duschen, Schwitz- und anderen B&dern einen wesentlichen 
Heilfaktor in der Behandlung chronischer Beckenaffektionen 

bilden. (Zentralbl&tt f. Gyn&kologie 1911 Nr. 80.) 


— Ein nener Nadelhalter. Von Dr. Linnartz (Oberhausen). 

Autor schreibt: „Zurzeit besteht gerade kein Mangel an 
Nadelhaltern, das beste Zeichen, dass keiner der vorhan- 
denen alien AnsprQchen zu genQgen scheint. Auf alle 
die verschiedenen Konstruktionen und ihre Nachteile ein- 
zugehen ist hier nicht der Platz. Mir hat bis jetzt der 
Webersche, welcher anscheinend aus dem Hagedorn- 
schen Modell hervorgegangen zu sein scheint, am moisten 
zugesagt. Betreffe der Form ist derselbe vollkommen und 
glaube ich jede Aenderung derselben wOrde eher eine 
Verschlechterung als eine Yerbesserung hervorbringen. 
Der wunde Punkt liegt bei diesem Modell in der Eon- 
struktion der Sperrung und OefFnung. Dieselben werden 
nfimlich durch eine Feder bewirkt, welche an der Innen- 
seite des Grilles mittels einer kleinen FlQgelschraube be- 


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Vermischtes. 


125 


festigt ist. Das vordere l&ngere Ende soil die Spreizung 
und das kQrzere untere Ende die Sperrung durch Bedie- 
nung der Zahnstange bewerkstelligen. Bei der Spreizung 
ist es mir b&ufig vorgekommen, dass die Feder aus dem 
gegendberliegenden Fortsatz herausgesprungen ist. Das 
ware allerdings das kleinere Uebel. Den meisten Aerger 
macht die Sperrung. Solange der Halter noch neu ist 
und das Scharnier noch leicht geht, schnappt die Zahn¬ 
stange mit einiger Zuverlassigkeit in das zugescharfte un¬ 
tere Ende des Griffes ein. Anders aber, wenn das Scharnier 
nach einiger Zeit etwas ausgeschlissen und die Kochsoda 
nach der Sterilisation den Widerstand noch vermehrt. 
Dann bleibt die Zahnstange auf halbem Wege stehen und 
die Sperrung ist unmftglich geworden. Ich habe wenigstens 
recht hftufig diese unangenehme Erfahrung gemacht und 
ist sie die Veranlassung ge worden, an der Beseitigung 
dieses Missstandes zu arbeiten. Zu dieser Unsicherheit 
der Funktion gesellen sich dann noch die Mangel der 
FlOgelschraube. Entweder geht sie zu leicht, dann kann 
es vorkommen, dass die Feder aus ihrem Lager springt, 
oder sie ist eingerostet, dann kann bei einem gewaltsamen 
Lockerungsversuche der Gewindeteil abbrechen. Die Rei- 
nigung ist schwierig, da die Zusammensetzung des Halters 
eine gewisse technische Gewandtheit der Schwestern ver- 
langt. Ich glaube diese Uebelst&nde durch die neue Kon- 
struktion beseitigt zu haben. Die Form des Instrumentes 
ist, wie eingangs erw&hnt, dieselbe geblieben. Das Scharnier 
ist etwas starker gearbeitet, um den Gleitschlitz der 
Weberschen Konstruktion, welcher mir manchmal zu StO- 
rungen Veranlassung gab, zu vermeiden. Zur Sperrung 
und Spreizung ist eine Spiralfeder verwandt, deren An- 
ordnung und Wirkung ohne weiteres aus der Skizze er- 
sichtlich ist. Die beiden Enden sind etwas einwfirts 
gebogen und passen in entsprechende Rinnen der beiden 
Druckkndpfe. Auf diese Weise halt sich die Feder selbst. 
Die beiden Griffe kdnnen nur so weit, als es die Ruhe- 
lage der Feder erlaubt, auseinanderweichen. Das we- 
sentliche der Konstruktion liegt in der rationellen Aus- 
ntitzung der Federkraft. Dieselbe drtlckt auf einen zehn- 
mal langeren Hebei als bei dem Weberschen, entfaltet 
also eine zehnmal grdssere Kraft. Ferner drtlckt die Feder 
um so starker, je mehr der Nadelhalter geschlossen wird. 
Beanspruchung des Instrumentes und Federdruck stehen 
also immer in gleichem Verhaltnis. Das Auseinander- 
nehmen des Halters ist einfach. Die Feder lasst sich 


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Vermischtes. 


durch einen kleinen Ruck von den Druckknfipfen abstreifen 
und ebensoleicht wieder auf dieselben anbringen. 

Die Vorziige des Instrumentes sind folgende: 

1. leichter Gang der Sperrung, Yersagen ausge- 
schlossen, 

2. bequemes Auseinandernehmen, 

3. aichere Reinigung, 

4. billigerer Preis und lange Lebensdauer. 

Der Halter ist gesetzlich geschfitzt und von der Firma 
Yogel in K5ln, Herzogstrasse Nr. 19, zum Preise von 8 M. 

ZU beziehen. (Miinch. med. Woohenachrift 1911 Nr. 37.) 

— Ueber die Behandlong von infizierten Wnnden, Phlegmonen, 
Fanaritien und Adenitiden mit Glyzerinverb&nden. 

Yon Dr. F. Rusca (Chirurg. Abteil. d. Inselspitals Bern). 
Die Technik der Verb&nde ist die denkbar einfachste; 
eine mit Glycerin um officinale durchtrfinkte Kompresse 
wird direkt auf die zu behandelnde Stelle gelegt und 
mit einem luftdichten Stoff bedeckt. Der Verband wird 
zweimal t&glich gewechselt. Die durch die gewfihnlichen 
Eitererreger infizierten Wunden werden vom Glyzerin sehr 
gfinstig beeinflusst, die entzfindlichen Erscheinungen nehmen 
oft auffallend schnell ab, ebenso die Sekretion. Die Wunde 
reinigt sich schnell und bald treten gute Granulationen 
auf. Autor batte den Eindruck, dass je akuter die Er¬ 
scheinungen sind, desto besser die Wirkung der Glyzerin- 
verb&nde. Bei Furunkeln, Phlegmonen, Panaritien, Ade¬ 
nitiden geben Glyzerinverbftnde ebenfalls sehr gute Resultate. 
Vor den eventuellen operativen Eingriffen wirken sie de- 
kongestionierend und zugleich wie warme UmschlSge, nach- 
her tritt noch die direkte Aufsaugung des Wundsekretes 
und die leichte desinfizierende Wirkung in T&tigkeit. 
Interessant ist, dass manchmal eine Abszedierung des ent¬ 
zfindlichen Infiltrates durch Glyzerin vermieden werden 
kann. Autor beobachtete einen Pat., welcher einen faust- 
grossen harten Drfisentumor in der Axilla hatte, Tempe- 
ratur fiber 38°, starke Schmerzhaftigkeit. Der Arm konnte 
kaum bewegt werden. Die Behandlung bestand nur in 
Glyzerinumschl&gen und im Verlauf von 16 Tagen konnte 
Pat. aus dem Spital geheilt entlassen werden. Auf tuber- 
kulfisen Geschwfiren fibten Glyzerinumschlftge keine be- 
deutende Wirkung aus. In sftmtlichen behandelten Fallen 
hat Autor weder lokale noch allgemeine unangenehme 
Nebenwirkungen konstatieren konnen, auch nach monate- 


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Vermischtee. 


127 


langer Applikation von Glyzerinverbfinden auf grossen 
Wunden sind keine Glyzerinintoxikationserscheinungen 
aufgetreten. Die guten Resnltate, die er bei der Behand- 
lung von infizierten Wunden, Panaritien, Phlegmonen usw. 
mit Glyzerinverbfinden zu verzeichnen hatte, erlauben ihm, 
die Anwendung derselben warm zu empfehlen. Infolge 
ihrer absoluten Ungeffihrlichkeit und einfachen Applikation 
warden sie sich nicht nur fdr die Spitalpraxis, sondern 
auch sehr gut fQr die poliklinische Behandlung bewfihren 
konnen. Autor zieht sie den Alkoholumschl&gen bei weitem 
vOr, denen ja auch eine dekongestionierende Wirkung zu- 
geschrieben wird, weil hier die Gerinnung des Eiweisses 
wegffillt, die immer eine Sekretstauung bedingt, und die 
Glyzerinumschlfige keinerlei Schmerzen bedingen. 

(Correspondenzblatt f. Schweizer Aerzte 1911 Nr. 21.) 

— Ueber die Kuhn ache Lungensaugmaske aus der Praxis. 

Von Dr. P. Seebens. Autor ist der Ansicht, dass die 
Sangmaske von den praktischen Aerzten viel zu wenig 
gekannt und gewQrdigt wird. Die Technik ist in wenigen 
Minuten zu erlernen, Gefabren sind mit der Anwendung 
nicht verknGpft, die Heilerfolge sind ausserordentlich 
gute. So betonen fast alle Pat., auch solche, die grosse 
Atembeschwerden haben, wie bei exsudativer Pleuritis 
und arteriosklerotischen Herzaffektionen, eine subjektive 
Erleicbterung gleich nach dem Gebrauch der Maske. Diese 
erschwert dosierbar die Einatmung und lfisst die Aus- 
atmung absolut frei. Durch diese Wirkungsart werden 
die mannigfachsten Konsequenzen gezeitigt. Der Brust- 
korb erweitert sich mfichtig beim Inspirium, das Zwerch- 
fell wird n hochgesaugt u und dadurch wird der Raum zur 
Ausdehnung der Lunge im Inspirium genommen, es tritt 
also trotz eventueller maximaler Erweiterung des Thorax 
' keine Dehnung der Lungen ein. Die Maskenbehandlung 
ist eine Hyperfimiebehandlung der Organe der BrusthOhle. 
Ebenso wie eine Ansaugung von Blut beim Inspirium zur 
Brusthhhle erfolgt, so muss auch der Lymphstrom zum 
Ductus thoracicus beschleunigt, also die Lymphzirkulation 
im Brustraum erheblich gebessert werden. Das Inspirium 
ist gegen das Exspirium verlftngert. Der Blutdruck sinkt 
wesentlich, eine Pulskurve bei Herzschwftchezustfinden 
zeigt nach kurzem Gebrauch der Maske erhebliche Besse- 
rung, es findet eine Entlastung des rechten Herzens statt. 
Da unter dieser Therapie eine Ansaugung venOsen Blutes 
nach dem Thorax beim Inspirium stattfindet, wird da- 


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128 


Vermischtes — Bflcherschau. 


durch auch das Arteriensyetem des grossen Kreislaufs ent- 
lastet, die Blutzirkulation erleicbtert. Es wird eine mfichtige 
Wirkung auf die Zahl der roten BlutkOrperchen, aaf 
Leukozyten und Hfimoglobingehalt ausgefibt. Der Scblaf 
wird bei Maskenatmung durch Gehirnan&mie wesentlich 
gebessert. Auf Hustenreiz wird in vielen Fallen eklatant 
gfinstig eingewirkt. Die Maske 1st also bei Krankheiten 
des Herzens, der Lunge, bei An&mien und Chlorose, bei 
Asomnie usw. mit Vorteil zu verwenden. Bei Lungen- 
tuberkulose wirkt die Bebandlung oft sehr gut, ebenso bei 
Asthma bronchiale, Emphysem, pleuritischen *Exsudaten, 
Herzsch W &chezUSt&nden. (Die Therupie der Gegenwart, August 1911.) 


Biicherschau. 

Lehrbuch and Atlas der Zahn&rzt lichen Technik von Preis- 
werk, der 23. Band von Lehmanns „Medizin. Hand- 
atlanten u , liegt in 2. Auf lage vor (Verlag von J. F. Lehmann, 
Mfinchen, Preis: 14 M.). Mit seinen 29 vielfarbigen 
Tafeln und 371 Abbildungen, die sftmtlich als vorzfiglich 
bezeichnet werden mfissen, bildet das Buch ein Unter- 
richtswerk ersten Ranges. Auch der Text ist so klar und 
pr&zis gehalten, dass der Praktiker seine Freude daran 
haben kann. Jeder, der die zahn&rztliche Praxis ausfibt, 
sollte im Besitz dieses Buches sein. 

— Von der Sammlung Klassiker der Medizin, die K. Sudhoff 
herausgibt (Verlag von Joh. Ambr. Barth, Leipzig) sind 
wieder drei B&ndchen (Bd. 10—12) erschienen: E. Jenner: 
Untersuchung fiber die Ursachen und Wirkungen der Kuh- 
pocken (1798), A. v. Graefe: Heilwert der Iridektomie 
bei Glaukom (1857—62), Razes: Ueber die Pocken und 
die Masern (1900). Bd. 10 und 12 kosten je 1.20 M., 
Grftfes Schrift 2 M. Die Gelegenheit, diese klassischen 
Abhandlungen der Medizin ffir so billiges Geld ihrer Biblio- 
thek einzuverleiben, werden gewiss viele Eollegen benutzen. 


Notiz. 

Die heutige Nummer unseres Blattes enth&lt eine Beilage 
fiber a 9 Pyrenol Ci von Goedecke & Co., Leipzig u. Berlin, 
Nr. 4, auf die wir besonders hinweisen. 


Ffir den redaktionellen Teil verantwortlich: 

Dr. E. Graetzer in Friedenau-Berlin. 


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Eracheint am 

Anfang eines jeden Monats. 


M 4 . 


Prels des J ahrgangs 5 Mk. 
excl. Porto. 


Excerpta medioa. 

Kane monatliohe Journalaasxttge 

aus der gesamten Faohliteratur 

zum Gebrauch for den praktiscben Arzt. 

Herausgegeben von Dr. tried. Eugeti Oraetzer in JPriedenau-Berlin. 

Yerlag you Carl Sallmamn, Leipslg. 


XXL Mrmn 


1912 


Akne. Fibrolysin bei Narben nach A. necrotica. Von Dr. A. 

Wockenfass (Berlin). „Es handelte sich um einen 24j3.hr. 
Kandidaten der Medizin. Das Gesicht des Herrn war 
von ausserordentlich zahlreichen, 7a—74 cm tiefen Narben 
bedeckt, die von einer vor zehn Jahren flberstandenen 
A. necrotica herrhhrten und das Gesicht stark enstellten. 
Der Pat. war deswegen sehr deprimiert. Auf meinen 
Vorschlag wurde ein Versuch mit Fibrolysin gemacht, 
und zwar wurden in einem Zeitraum von zwei Monaten 
20 Injektionen, wbchentlich zweimal eine Injektion intra- 
muskul3r oder subkutan, verabreicht. Die Einspritzungen 
erfolgten meistens bis an die Basis der Narben, jedoch 
nicht unmittelbar in die Narben hinein; sie waren teil- 
wei8e schmerzhaft, teilweise verliefen sie ohne Schmerzen. 
Im dritten Monat nach Beginn dieser Behandlung war 
eine wesentliche Abflachung und Veranderung der Narben 
bemerkbar, insbesondere auch der ganz tiefen. Das an- 
scheinend blutleere Bindegewebe, das einen fahlen Farben- 
ton hatte, erschien aufgelockerter und blutreicher. Nach 
und nach wurden s3mtliche Narben flacher und das In- 
karnat lebhafter, so dass schon jetzt von einem recht be- 
friedigenden kosmetischen Erfolg die Rede sein konnte. 
Der Pat. wurde hierdurch ermutigt, nach einer Pause von 
vier Monaten eine neue Serie von Injektionen zu machen, 
nach deren Abschluss die Narben zwar nicht vbllig be- 
seitigt, jedoch so gebessert waren, dass sie nichts Ent- 
stellendes mehr hatten und das Gesicht den frQheren ab- 
stossenden Anblick ganz verloren hatte. W3hrend der 

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Akae — An&sthesie, Narkose. 


Fibrolysinkur waren ausser einigen Eisenpr&paraten keine 
anderen Medikamente gebraucht worden. Der Erfolg durfte 
also im wesentlicben dem Fibrolysin zugeschrieben warden. 
In Anbetracht der sehr entstellenden Narbenbildungen und 
der. vorhergegangenen erfolglosen Behandlung mit unz&h- 
ligen ausseren und inneren Mitteln war er jedenfalls der- 
artig, dass ein Versuch mit dieser Behandlung an gleichen 
und &hnlichen Fallen empfohlen werden kann. u 

(Deutsche med. Wochenichrift 1911 Nr. 86.) 

Anfisthesiei Narkose. Allokain hat Zahnarzt E. Wenzel 
(Berlin) mit zufriedenstellendem Erfolge benutzt. Das 
Prftparat (Firma: Pohl, SchOnbaum-Danzig) besteht aus: 

Rp. Novokain. 0,01 
Alypin. 0,0075 

Suprarenin. synthetic. 0,00006 

Thymol i. Spuren 

Sol. Natr. physiol, ad 1 ccm. 

Es ist vdllig gefahrlos, auch Oedeme und Nachschmerzen 
fehlen bei kunstgerechter Anwendung. Man wartet am 
besten 5—10 Minuten bis zum Eingriff. 

(Zeitschrift f. Zahnheilkunde 1911 Nr. 12.) 

— TJeber das wirksame Prinzip der Nebennierenpr&parate in 
Verbindnng mit den Lokalan&stheticis. Von Privatdoz. 
Dr. P. Esch (Marburg). Aus seinen Versuchen zieht 
Autor folgende SchlGsse: 

1. Novokain, Alypin und besonders Kokain erfahren 
in unsern Versuchen eine Vergrdsserung der peripheren 
narkotischen Wirkung durch Zusatz von Adrenalin (Supra¬ 
renin). 

2. Da bei der gewahlten Versuchsanordnung von vorn- 
herein die Anfimie fdr beide Nerven des jedesmaligen 
Parallelversuchs eine gleiche war, so muss diese hdhere 
l&hmende Wirkung des An^sthetikums -f- Adrenalin auf 
eine spezifische Beeinflussung des Nervengewebes durch 
das Adrenalin zurfickgefflhrt werden. 

3. Diese Wirkung des Adrenalins ist eine bisher noch 
nicht bekannte Eigenschaft desselben. Sie lSsst sich am 
ehesten mit der Wirkung der Beizen in der F&rbetechnik 
vergleichen. 

4. Ein Zusatz des Adrenalins (Suprarenins) zu dem 
Tropakokain (in dem Verh&ltnis fQnf Tropfen der LOsung 
1:1000 auf 100 ccm der anfisthetischen Fltissigkeit) erhbht 


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Anasthesie, Naikose. 


131 


nicht dessen an&sthetische Wirkung, da hierdurch nicht 
allein die vasokonstriktorische Eigenschaft des Adrenalins 
beeintrftchtigt wird, sondern auch sein spezifischer Einfluss 
auf das Nervengewebe Starke Schadigungen erfahrt. 

5. Fftr die Praxis ergibt sich aus meinen Versuchen, 
dass auch von dem Gesichtspunkt einer spezifischen Wir¬ 
kung des Adrenalins (Suprarenins) auf das Nervengewebe 
die Eombination der Prflparate mit Alypin, Novokain und 
besonders mit dem Kokain grosse Yorteile gewfthrt, wahrend 
die Mischung von Tropakokain mit dem Adrenalin (Supra- 
renin) (in dem Verhfiltnis fflnf Tropfen der 1:1000 L&- 
sung auf 100 ccm) zwecklos erscheint. 

(Medizin. Klinik 1911 Nr. SO.) 

— Orthonal, ein nenes An&sthetikum. Yon Dr. B. Moses 
(T. Chirurg. Abteil. des Krankenhauses im Friedricbshain 
in Berlin). Orthonal ist eine Kombination einer 0,5°/oigen 
Kokain- mit einer 0,75°/oigen Alypinlbsung, der 6°/o einer 
Adrenalinlbsung 1:10000 zugefOgt ist; diese Zusammen- 
setzung wird in physiologischer Kochsalzlbsung bereitet 
und im Autoklaven sterilisiert. Es kommt in braunen Am- 
pullen von Jenenser Glas zu 1—2 ccm Inhalt in den 
Handel (Dr. Speier und von Karger). Angewendet ist 
das Orthonal bisher haupls&chlich in der Zahnheilkunde; 
die berichteten Erfolge waren sehr gute, so dass man zu 
Versuchen fiberging in alien den Fallen, welche die Do- 
mane des praktischen Arztes ausmachen, den Fallen der 
Kleinchirurgie: Entfernung von kleinen Tumoren gut- 
artiger Natur oder von Fremdkbrpern, Probeexzisionen, 
Operationen an den Fingern und Zehen; Spaltung von 
Abszessen. Es wurde in verschiedener Art angewandt: 

1. zur Infiltrations anasthesie nach Schleich; 

2. zur Leitungsanasthesie nach Oberst, speziell an 
den Extremitaten. 

Verwandt wurden 1—3 ccm, d. h. 1—3 kleine Am- 
pullen. In alien mit dem Mittel behandelten Fallen leistete 
es gute Dienste. Die A. war im allgemeinen vollkommen; 
allerdings ist es zwei- oder dreimal vorgekommen, dass 
die A. nicht gentigte, um dem Pat. jeden Schmerz zu 
ersparen: jedoch waren dies besonders angstliche Pat., 
fur die eine Lokalanasthesie Gberhaupt nicht recht ge- 
eignet war. Abgesehen von diesen Ausnahmen, erklarten 
die Pat., von dem ganzen Eingriff nichts verspflrt zu 
haben. Nach 1 — 2 Minuten bei der Infiltrationsmethode, 
nach etwa fGnf Minuten bei der Oberstsclien Methode 

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132 An&stheeie, Narkose — Antisepsis, Asepsis, Desinfektion. 

trat A. ein. Irgendwelche Nachwirkungen oder Allgemein- 
symptome wurden nicht beobachtet. Nach diesen Erfah- 
rungen kommt Verf. also zu dem Schluss, dass das Orthonal, 
zumal in der handlichen Form gebrauchsfertiger Ampullen, 
fbr die kleine Chirurgie als Lokalan&sthetikum vorzQglich 
ZU gebrauchen ist. (Deutsche med. Wochenschrift 1911 Nr. 46.) 

Antisepsis, Asepsis, Deminfektion. Ueber den the- 
rapeutischen Wert des Perubalsams in der Wund- 
bebandlnng. Von Egt.-A. Dr. J. Malaniuk (Stanislau). 
„Die Anwendung des Perubalsams znr Wundbehandlung 
datiert seit dem 'frQhen Mittelalter (Hauptbestandteil der 
sogenannten Wundersalben). In Vergessenheit geraten, 
wurde unser Mittel in den achtzigcr Jahren von Lan- 
derer und Schloffer wieder in Erinnerung gebracht; 
dank den bakteriologischen Versuchen Suters und Ried- 
lins hat man von den schwachen bakteriziden Eigen- 
schaften des Perubalsams erfahren. Nicht lange hat es 
aber gedauert, bis Piorkowski auf Grund seiner Ver- 
suche dem Balsam jedwede spezifische Wirkung abge- 
sprochen hat und die guten Heilerfolge der chemischen 
Wirkung der im Balsam enthaltenen Zimtsfture zuschrieb. 
Trotz dieser widersprechenden Anschauungen konnte das 
Mittel aus der Wundbehandlung nicht herausgedr&ngt 
werden, im Gegenteil gewann es immer mehr Anhftnger. 
Ich erinnere an die von Landsteiner und Bottery an- 
gestellten bakteriologischen und experimentellen Versuche, 
bei welchen im Perubalsam lipoidale, Toxine bindende 
Sub9tanzen nachgewiesen wurden. Die bakteriologischen 
Versuche Sick man ns zeigten zur GenOge, dass an den 
bakteriziden und keimtOtenden Eigenscbaften des Peru¬ 
balsams nicht mehr gezweifelt werden kann; freilich dank 
dem dickflQssigen Aggregatzustande des Mittels braucjit 
die Wirkung lftngere Zeit, welche jedoch nicht die so- 
genannte Auskeimung in der Wunde Qberdauert. Ich 
erinnere weiters an die Versuche von Friedrich, in 
welchen die subkutane Einverleibung des Perubalsams bei 
Infektion rait Gartenerde und geschlossener Wundbehand¬ 
lung die infizierten Tiere regelmfissig am Leben erhielt, 
wfthrend die Kontrolltiere nach 24—36 Stunden an 
jauchigen Phlegmonen und Kr&mpfen zugrunde gingen. 
Die Suterschen Beobachtungen haben weiters gezeigt, 
dass wir im Perubalsam ein ausgezeichnetes f&ulnis- 
widriges Mittel besitzen, welches ausserdem die positive Che- 
motaxis im hohen Grade hervorzurufen imstande ist. Wenn 


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Antisepsis, Asepsis, Desinfektion. 


133 


ich diesen theoretischen Schlussfolgerungen meine eigenen 
achtjahrigen Erfahrungen mit Perubalsam anschliesse, so 
ermuntern mich dazu die wirklich guten Erfolge, die ich 
in der Wundbehandlung verzeichnen konnte. Die gegen- 
wfirtige Beobachtung erstreckt sich auf sflmtliche, in der 
hiesigen chirurgischen Abteilung sowohl spilalsmSssig wie 
auch ambulatorisch von mir behandelten Falle im Laufe 
von sieben Monaten 1910, im ganzen (iber 150 Erkrankungen, 
wobei nicht nur frische, in den ersten Stunden nach den 
Verletzungen dem Spitale eingelieferte Falle, sondern auch 
alle Phlegmonen und Panaritien nach dem chirurgischen 
Eingriffe der Balsambehandlung unterzogen wurden. Dem 
Charakter der Verletzungen nach kamen zur Behandlung: 
eine komplizierte Fraktur nach Schussverletzung, sieben 
Bisswunden, neunzehn Panaritien, zwblf Phlegmonen. Der 
Rest fiel den Riss-, Schnitt*, Stich- und Quetschwunden 
zu, wobei die letzteren grbsstenteils durch HufschlSge ver- 
ursacht wurden. Die raumliche Ausdehnung der Ver¬ 
letzungen war verschieden, es kamen ausgebreitete, stark 
beschmutzte, verunreinigte Wunden wie auch kleinere, 
kaum klaffende Zusammenhangstrennungen vor; eine 
komplizierte Oberarmfraktur nach Schussverletzung zeigte 
in einem Bereiche von 4 cm vollkommen zermalmte 
Knochensubstanz und stark zerquetschte Weichteile. Die 
Phlegmonen waren grdsstenteils im Initialstadium, mit 
Ausnahme einer Sehnenscheidenphlegmone der Hand, bei 
welcher samtliche Sehnenbeuger blossgelegt werden mussten. 
Panaritien, von oberflachlichen bis zu den knbchernen, 
wurden unter Corning-Obersts Lokalanasthesie breit in- 
zidiert und sodann mit Balsam behandelt. Das Verfahren 
war in alien Fallen folgendes: Die bereits bestehende Zu- 
sammenhangstrennung wurde mit 3°/oigem Sau erst off hyper- 
• oxyd desinfiziert, der grdbere Schmutz sowie die festen 
Bestandteile wurden mechanisch, jedoch schonend, um jede 
starkere Blutung zu vermeiden, entfernt. Auf die Wunde 
kamen Gazetupfer, und die Umgebung wurde in einem 
Bereiche bis zu ca. 10 cm mit Jodtinktur bestrichen, so¬ 
dann in die Wunde Perubalsam im Ueberschusse bis zu 
10 ccm und mehr eingegossen. In keinem Falle konnten 
subjektiv oder objektiv irgendwelche FolgezustMnde nach 
Resorption des Balsams nacbgewiesen werden; speziell bei 
der Behandlung der obenerwahnten Fraktur und einiger 
Phlegmonen, wobei eine grosse Menge Balsams auf ein- 
mal verwendet wurde, war das Befinden dem Krankheits- 
bilde entsprechend — im Urin kein Eiweiss. Die langsame 


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134 


Antisepsis, Asepsis, Desinfektion. 


und geringe Durchdringungsfahigkeit wie auch die Bildung 
eines leichten Schleiers, mit dem sich die Wunde bei 
direkter BerQhrung (nit dem Balsam Qberzieht, diirften 
die geringe Resorption des Mittels erklftren. Wit hr end 
der Anwendung des Balsams wurden keine Umschl&ge 
appliziert, dagegen vom Bierschen Verfahren reichlich 
Gebrauch gemacht. Der erste Verband lag am kQrzesten 
zwei, am langsten fQnf Tage, und ich kam zu der Ueber- 
zeugung, dass zu frObzeitiger Verbandwechsel (vor dem 
fQnften Tage) eher die Heilung durch unntttze Schadigung 
der granuiierenden FlSche verzdgert. Beim Verbandwechsel 
konnte eine verschieden Starke, jedoch immer ausgiebige 
Chemotaxis in Form eines dickflQssigen gelblichen, innig 
mit Balsam gemengten, geruchlosen Sekrets festgestellt 
werden; die wunde Flfiche war wie von einem Schleier, 
von einer dQnnen, glfinzenden Schicht bedeckt und wies 
unter dieser frische Granulationen auf. An den Wund- 
rilndern waren in keinem einzigen Falle irgendwelche 
Spuren der entzQndlichen Reaktion vorhanden, letzteres 
gilt besonders fQr die frisch zur Behandlung gelangten 
Falle; die Inzisionsflachen der Panaritien und Phlegmonen 
waren ebenfalls reaktionslos und zeigten dickes, mit ne- 
krotischen Gewebsfetzen gemengtes Sekret. Das febrile 
und subfebrile Allgemeinbefinden wich baldigst der Nor- 
maltemperatur. DieBehandlungsdauer der Panaritien dauerte 
durchschnittlich vier Wochen und war im Vergleiche zur 
sonstigen Behandlung bedeutend kQrzer. Es wurde weiters 
die Beobachtung gemacht, dass es nicht gleichgQltig fQr 
die Wirkung erschien, in welcher Zeit nach der Verletzung 
die Balsambehandlung eingeleitet wurde. Samtliche frischen, 
kurz nach der stattgefundenen Verletzung behandelten 
Wunden zeigten schon beim ersten Verbandwechsel deut- 
liche Granulationen, bei den spater zur Behandlung ge¬ 
langten erwies sich die Granulationswucherung als viel 
langsamer. Es machte den Eindruck, als wenn die die 
wunde Flache bedeckende Fibrinschicht so innig mit der 
Grundflache verklebt ware, dass sie nur langsam vom 
Balsam umhQllt und ausgestossen werden konnte. Es ist 
zwar richtig. dass man diese Fibrinablagerung nach Frie¬ 
drich (Exzision der Rander) scharf entfernen konnte, da- 
durch ware aber eine offene blutende Infektionspforte 
geschaffen, und die bereits eingedrungenen Keime — von 
denen wir nicht wissen, wie weite Strecken sie bereits 
okkupiert haben, — waren nicht entfernt worden; die 
Balsamapplikation scheint dies langsamer, dafQr aber 


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Antisepsis, Asepsis, Desinfektion. 135 

schonender und sicherer zu ’ bewirken. Wenn ich zum 
Schlusse auf die lipoidalen, Toxine bindenden Eigenschaften 
des Perubalsams hinweise, so scbeint mir seine Applika- 
tion auf die beschmutzten, mit Staub und Erde verun- 
reinigten, sogenannten tetanus verdachtigen Wunden nicht 
nur angezeigt, sondern direkt dringend notwendig. Mit 
Rdcksicht auf die obigen AusfQhrungen glaube ich, im 
Perubalsam ein Mittel zu besitzen, welches auf schonende 
Weise seine bakterielle und keimtbtende Wirkung in der 
Wunde entfaltet, durch Bildung des oberfl&chlichen Be- 
lages vor der Sekund&rinfektion schOtzt, durch Einhttllung 
der Bakterienleiber und der nekrotischen Gewebsfetzen 
ihre rasche Ausstossung besorgt, durch positive Chemo- 
taxis zur Erhdhurig der Schutzkrafte beitr&gt und als 
lipoidale Substanz antitetanisch wirkt.“ 

(Wiener med. Woehensehrifi 1911 Nr. 46.) 

— XTeber Wundbehandlung mit dem Mastisolverband nach 
von Oettingen. Yon Sanit&tsrat Dr. Bbrner in Leer 
(Ostfriesland)*). „Seit reichlich einem Jahre verwende 
ich im Krankenhaus und in der Privatpraxis die in der 
Ueberschrift genannte Verbandmethode und bin von der- 
selben und ihren Leistungen ftir die Wundheilung so be- 
friedigt, dass ich den Herren Kollegen einen Dienst zu 
erweisen glaube, wenn ich sie, soweit ihnen die neue 
Methode noch unbekannt sein sollte, auf dieselbe aufmerk- 
sam mache. In beinahe 30jahriger Tatigkeit am Kranken- 
bause (Borromaeus-Hospital Leer) und in der Privatpraxis 
habe ich vom typischen Listerverband an alle Wandlungen 
in der Yersorgung sowohl kttnstlich gesetzter als zufallig 
entstandener Wunden mit durchlebt, keine der bisherigen 
Verbandmethoden reichte meines Eraehtens an Einfachheit, 
Sicherheit, Schnelligkeit und schliesslich Billigkeit an die 
v. Oettingensche Methode des Mastisolverbandes heran, 
die vom Autor im russiseh-japanischen Kriege zum ersten 
Male in grbsserem Massstabe ausgeQbt wurde. Statt vieler 
Worte zun&chst ein Beispiel der Wundversorgung an einem 
frisch Verletzten, woran sich weiter einige theoretische 
Erbrterungen knOpfen-mOgen. Angenommen, es kommt 
ein Arbeiter in die Sprecbstunde, dessen Hand soeben in 
eine Hobelmaschine geraten ist, die die Haut der Finger 
oder det* Hand nach alien Richtungen kreuz und quer 


*) Des grossen praktischen Interesses wegen bringen wir die Arbeit 
vollstftndig. Red. 


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136 Antisepsis, Asepsis, Desinfektion. 

zerrissen hat, frischblutend, aber ohne Sehnendurchschnei- 
dung und Arterienverletzung, also mit lediglich zerrisseber 
Haut, aber schmutziger Arbeitshand. Diesem geschiebt 
folgendes: Es werden zur Stillung der Blutung ein oder 
zwei aseptische, in der Fabrik sterilisierte Wundbausohe 
nach v. Oettingen*) sanft angedrQckt, und, wenn die 
Blutung einigermassen steht, wird mit dem Pinsel Masti- 
sol (eine LOsung des Mastixharzes, von v. Oettingen 
fertig zum Gebrauch zusammengesetzt) Qber die schmutzige 
Hand und auch das Blut hinweg auf die gesunde Haut 
gepinselt, bis unmittelbar an die verschiedenen zerrissenen 
* Wundrander heran. Dann wartet man zirka eine balbe 
Minute, in der die aufgepinselte Harzmasse klebrig wird, 
und dr&ckt nun einen neuen sterilen Wundbausch oder 
mehrere, je nach Bedarf, auf die Wunden, sie mdglichst 
wieder mit den R&ndern in die ursprQngliche Lage brin- 
gend. Mit dieser einfachen Manipulation ist alles Ndtige 
geschehen; wenn man will, kann man fiber die festklebenden 
B&usche noch eine Binde legen. Nfitig ist das nicht, denn 
die Bfiusche haften unverrtickbar fest und sind nur durch 
senkrechten, nicht durch seitlichen Zug zu entfernen. Ein 
solcher Verband bleibt am besten bis zur Heilung rubig 
liegen. Nimmt man ihn dann ab, was durch leisen Zug 
geschehen kann, am besten senkrecht nach oben und kon- 
zentrisch zu den Wunden, so findet man, soweit Mastisol 
ubergepinselt war, eine rosarote, nicht schmutzige Haut 
und die gesamten Risswunden tadellos ohne jede Reizung 
verheilt; ist das nicht der Fall, so wird der Yerband in 
gleicher Weise erneuert, bis die Heilung erfolgt. Also 
wohl gemerkt: Man verzichtet beim Mastisolverband prin- 
zipiell und ohne Rficksicht auf die Art der Yerschmutzung 
der verletzten Hand auf jede Reinigung derselben mittels 
Wasser, Seife, Bfirste, Alkohol, Aether usw. und ebenso 
auf jedes Antiseptikum — Jodoform, Lysoform, Karbol, 
Lysol usw. — auf der Wunde. Lediglich Bepinseln mit 
Mastisol, genau bis an den Wundrand heran (falls ein 
wenig in die Wunde selbst kommt, macht das gar nichts 
aus), und AufdrOcken des Wundbausches, der unverrtickbar 
festklebt, ist vonnfiten. Aus kosmetischen Grtinden und 
zur Sicherung der Ecken der B&usche kann zum Ueber- 

*) Erhailtlich in Packungen k 5 Stuck und 25 Sttlck, obenso Masti- 
solflasche mit Pinsel und die weiter unten zu erw&hnenden Mastisol- 
KOperbinden, 4, 6, 8, 10 cm breit und 5 m lang, in Apotheken und Yer- 
bandstoffgesch&ften. 


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Antisepsis, Asepsis, Desinfektion. 


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fluss noch eine Binde oder ein passender Koperstreifen, 
durch Mastisol festgeklebt, verwandt werden. Das an- 
genommene Beispiel bezieht sicht lediglich auf Hautrisse. 
Selbstverstfindlich mfissen durchschnittene Sehnen, Ge- 
fftsse usw. nach der Pinselung und vor der Verbandan- 
legung lege artis behandelt werden. Die Asepsis des 
Operationsfeldes wird dann durch Ankleben sterilen Ver- 
bandstoffes hergestellt. Ebenso darf die nicht aseptische 
Hand des Arztes nicht mit der Wunde in BerOhrung 
kommen. Das Nichtreinigen, das Nichtdesinfizieren der 
Wunde bezieht sich eben nur auf die beschmutzte Haul, 
aus deren Wunden nur grober Schmutz und Fremdkbrper 
mit steriler Pinzette zu entfernen sind. Scheinbar steht 
die eben geschilderte Methode der Wundversorgung in 
Widerspruch mit der jetzt allgemein als erforderlich er- 
achteten Asepsis, sowohl des Operationsfeldes als der Ver- 
bandstoffe und der .operierenden Hand. Aber nur scheinbar, 
denn die Vorschrift der Asepsis der helfenden Hand und 
der Verbandstoffe wird ja nicht angetastet, diese Forderung 
bleibt nach wie vor bestehen. Gefindert ist bei der 
v. Oettingenschen Methode lediglich die Asepsis des Ope¬ 
rationsfeldes, und meines Erachtens wird sie in wesentlich 
besserer und schonenderer Weise bewirkt als durch das 
bisher tlbliche Abreiben mit Aether, Benzin, Waschen 
mit BQrste, Seife, Desinfizientien usw. Entweder wurde 
bei letzterer Manipulation wirklich das Operationsfeld asep- 
tisch gemacht, d. h. bis ganz an den Wundrand heran 
die Asepsis hergestellt, und das dQrfte in den meisten 
Fallen, ohne den Schmutz direkt in die Wunde zu waschen, 
unmbglich sein, oder es geschah nur bis in die N&he der 
Wunde. Dann hatte die Asepsis einen Haken, und die 
wichtigste Partie blieb eben verschmutzt. Von ihr aus 
konnten Bakterienkolonien sich entwickeln und in die 
Wunde hineingeraten oder durch Verschieben des Ver- 
bandes direkt hineingedrftckt werden. Ganz anders ver- 
h&lt es sich bei vorausgegangener Mastisolpinselung. Sie 
wirkt nach v. Oettingen (und in der Praxis best&tigt 
sich das) auf viererlei Weise. 

a) Durch Bakterienarretierung. 

b) Durch Entwicklungshemmung. 

c) Durch Bakterientotung. 

d) Durch Bauschfixierung. 

v. Oettingen bemerkt zu diesen vier Punkten: 

Ad a. Wenn die Mastisolldsung aufgetragen wird, 
so zieht sie sich zun&chst in die Spalten der Haut. Sogleich 


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Antisepsis, Asepsis, Desinfektion. 


beginnt die Verdunstung des Lfisungsmittels des Harzes, 
und das heraustretende Mastixharz verlegt die Spalten, 
umgibt die Bakterien und fesselt sie durch seine Klebrig- 
keit an die n&chste Umgebung. Hierdurch wird in erster 
Linie eine Bewegungsunf&higkeit der Bakterien erzielt. 
Es wird alles: FremdkOrper, Staub, Organismen arretiert 
und kann auf den in n&chster N&he vor sich gehenden 
Prozess der Wundheiiung keinen unheilvollen Einfluss 
ausfiben. 

Ad b. Entwicklungshemmung. Durch den Ueberzug 
mit Harzmasse wird jede Flfissigkeit von den Bakterien 
ferngehalten. Da Wasser die grundlegende Bedingung ftir 
die bakterielle Fortentwicklung ist, so ist diese zur Un- 
mdglicbkeit geworden. Unter dem Yerbande bleibt diese 
Entwicklungshemmung so lange wirksam, bis die Haut 
durch Aether oder andere Lbsungsmittel von den Harz- 
massen befreit ist. 

Ad c. BakterientOtung. Durch das Auftragen der 
LOsung wird ein grosser Teil der Bakterien sofort getfitet. 
Es lassen sich fiber diese-n Punkt nur schwer Experimente 
anstellen, doch sind sie nicht unversucht gelassen. Jeden- 
falls wird die Zahl der lebensf&higcn Mikroorganismen 
bedeutend herabgesetzt, und es bleiben in der Mehr- 
zahl Sporen nach, die, mit Harz umgeben, unsch&dlich 
bleiben. 

Ad d. Bauschfixierung. Wenn die Umgebung der 
Wunde gepinselt ist und nach kurzem Warten (zirka eine 
halbe Minute) der Bausch leise, aber entschieden darauf- 
gedrfickt wird, so haftet er unverschieblich. Auch er ist 
arretiert und an seinen untersten .Schichten mit der Haut 
und alien auf und in ihr noch befindlichen Gebilden innig 
verbunden. 

Eines wichtigen Umstandes ist an dieser Stelle noch 
zu gedenken. Die Verdunstung geht aus der Wunde frei 
vonstatten, also das hochwichtige Prinzip der Austrock- 
nung der Wunde bleibt gewahrt. Durch Kapillarit&t wird 
der Sekretionsstrom nach aussen geleitet, um dort zu ver- 
dunsten: hierin besteht der wichtige Unterschied gegen- 
fiber dem Kollodium und dem Heftpflasterverband. Der 
Sekretionsstrom gleitet dabei fiber die mastisolbedecktc 
Hautoberfl&che fort, ohne die fest arretierten Gebilde zu 
beeindussen. Dass dem so ist, hat Verfasser am eviden- 
testen bei einem an Ernpyem operierten Kinde gesehen. 
Ueber acht Wochen wurde die m&chtige Sekretion durch 


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Antisepsis, Asepsis, Desinfektion. 139 

einen mit Mastisollfisung befestigten Bausch geleitet. Die 
Haut in der n&cbsten Wundumgebung blieb absolut trocken 
und sauber, keine Spur Ekzem trat auf, irgendwelche 
Sal ben wurden nicht verwandt. Soweit fiber die Wirkung 
des Mastisol verbandes bei einer akzidentellen Wunde der 
angenommenen Art. Mit dem Erw&hnten ist aber die 
Brauchbarkeit des Verbandes noch lange nicht erschfipft. 
Alle kleinen allt&glichen Verletzungen lassen sich mit dem 
Mastisol ftusserst bequem und sicher behandeln. In frfiherer 
Zeit hatte ich imraer meine liebe Not damit, kleine Ver- 
letzungen der eigenen Hfinde zur Heilung zu bringen, 
ohne dadurch in der Ausfibung der Praxis behindert zu 
werden. Seit ich Mastisol verwende, ist das anders ge- 
worden. Ich Oberpinsele die Umgebung kleiner Hand- 
verletzungen ohne Reinigung sofort mit Mastisol. Ob 
dabei ein geringer Teil Mastisol in die Wunde selbst 
kommt, macht gar nichts aus, es macht sich nur durch 
ein schnell vorttbergehendes, leichtes Brennen bemerklich. 
Dann betupfe ich die Stelle, sobald sie klebrig ist, mit 
sterilisierter entfetteter Watte aus dem v. Oettingen- 
schen Wundbausch oder lege statt dessen ein Streifchen 
Kfiperstoff auf, eventuell wird nochmals fiberpinselt und 
mit Watte betupft. Dann haftet der kleine Yerband ab¬ 
solut fest, vertrftgt jedes Waschen und sichert die kleine 
Wunde durch absolute Ruhe und Austrocknung gegen 
jede Stfirung. Binden, Heftpflaster, Fingerlinge sind ent- 
behrlich. Ein gleiches l&sstsich erreichen bei alien Schrunden, 
Frosthanden, Furunkeln u. dgl. Man schneidet sich aus 
dem Kfiperstoff ein passendes Stfickchen aus oder reisst 
einen entsprechenden Streifen ab, bepinselt die gesunde 
Haut in gewfinschter Breite, wartet eine Minute und klebt 
dann den Kfiperstoff an; sollte man fiberflfissig gepinselt 
haben, so beraubt man durch Auftupfen entfetteter Watte 
oder durch Auftupfen der Breitseite der Kfiperbinde die 
Stelle durch Ankleben der feinen Fftserchen ihrer Klebrig- 
keit. Nun ruhen alle Schrunden, Risse, empfindliche 
Stellen sicher unter der schfitzenden Decke, die absolut 
unverschieblich haftet; wfinscht man noch mehr Sicherung, 
so lasst sich diese durch Ankleben von Kfiperstreifen 
mfihelos erreichen, Heftpflaster jeder Art ist durchaus 
entbehrlich. Ganz vorzfiglich ist der Mastisolverband an 
all den Stellen, an denen Verbande schlecht haften, z. B. 
Nacken, Mitte des Rfickens, Skrotum, Nates, Gesicht usw., 
ttberall kommt man ohne Binde aus, hfichstens bedarf es 
noch zuweilen eines mit Mastisol befestigten Kfiperstreifens. 


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Antisepsis, Asepsis, Desinfektion. 


Ich habe auf diese Weise schwere Gesichtsverletzungen 
durch Hufschlag - mit Zertrfimmerung des Jochbeins und 
des Augenhfihlenrandes,, Hydrozelenoperierte, Bruch- und 
Bauchoperierte ohne Bindenanwendung glatt zur Heilung 
kommen sehen. Man kann das Mastisol anstandslos fiber 
angelegte Nfihte hinwegpinseln, auch die Naht durch 
die fibergepinselte Lfisung hindurch legen, soviel ich ge- 
sehen, mit dem Erfolge, dass Stichkanaleiterungen da- 
durch verhindert werden. v. Oettingen bat im Jahre 1911 
ein Merkblatt drucken lassen, auf dem eine Anleilung 
zur Mastisolbehandlung bildlich mit erl&uterndem Text 
dargestellt ist *). Das Ganze ist von verblOffender Ein- 
fachheit, wenn man bedenkt, welcher Apparat von Ver- 
bandstoffen, Desinfektionsmitteln, Binden, Heftpflaster, 
Schienen u. dgl. bis jetzt Qblich war. Fflr einen grossen 
Krankenhausbetrieb mag diese Vereinfachung nicht wenig 
verschlagen, noch mehr aber profitiert davon der praktische 
Arzt, der mitten zwischen interner, geburtshilflicher und 
sonstiger T&tigkeit auf einmal einem chirurgisch Verletzten 
mit dem Zwang sofortigen Helfens in der Praxis gegen- 
fibersteht. Durch die Mastisolbehandlung kann er das 
sofort und sicher. Als Wundverband kommt nur in Frage 
Mastisol, Wundb&usche und Kfiperstoff, dagegen nicht: 
Bfirste, Seife, Alkohol, Sublimat, Jodtinktur, Jodoform, 
Heftpflaster usw. (s. Ia Jer Anleitung). Zur Sterilisie- 
rung des Operationsfeldes bei etwa nfitigem sofortigen 
Eingriff genfigt Mastisol, steriles Tuch oder Papier, deren 
Ankleben eine Asepsis mechanica absoluta bewirkt. Ausser 
dem Wandverband, Verband nach chirurgischen Eingrififen, 
der Sterilisierung des Operationsfeldes gibt das erwfihnte 
Merkblatt noch Anleitung zur Behandlung der Radius- 
fraktur, Klavikularfraktur, Rippenfraktur, Nabelbruchver- 
band der Kinder, Klumpfussverband der Neugeborenen, 
Plattfussverband, Verband des Ulcus cruris, Bauchverband 
nach Laparotomie, ^xtensionsverband, Knotenextension, 
Oberschenkelextension beim S&ugling, Armsuspension, 
alles nur unter Verwendung von Mastisol und Kfiper* 
binde, ohne Schiene, Heftpflaster, Gips u. dgl. Die Art 
der Verwendung ist im Merkblatt genau angegeben. Er- 
wfthnt sei noch, dass die Mastisol-Kfiperbinden nach 
v. Oettingen 4, 6, 8, 10 cm breit und 5 m lang zum 
Preise von M. 0.50, 0.60, 0,90 und 1.10 Oberall erhfilt- 
lich sind. Der Stoff ist innen reich haarig, aussen glatt 


*) Erhftltlich von O. Brftmer, G. m. b. H., Berlin W. 50. 


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Antisepsis, Asepsis, Desinfektion. 


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und nicht dehnbar. Aus dem Gesagten dQrfte hervor- 
gehen, dass ich nicht zu viel sagte, wenn ich im Anfang 
meinte, dass die bisher Qblichen Verbandmethoden an Ein- 
fachheit, Sicherheit und Schnelligkeit nicht an die Wund- 
behandlung mit dem Mastisolverband nach v. Oettingen 
heranreichten. Das Bepinseln bis an den Wundrand heran 
kann auch die ungeQbteste Hand besorgen, das Bepinseln 
kann liber Blut, Schmutz und, wie ausdrlicklich bemerkt 
sei, auch liber die Haare hinweg geschehen, letztere kleben 
nicht am Yerbandstoff, sondern an der Haut fest, ver- 
ursachen also beim Abziehen keine Belastigung. Diese 
Frozednr ist also ausserst einfach und innerhalb ganz 
kurzer Zeit zu erledigen. Wie anders dagegen die Waschung 
und Reinigung einer schmierigen Hand und mit welcben 
EindrQcken fQr den Verletzten verbunden; Ohnmachts- 
anfalle mit all ihrem unerquicklichen ZubehOr bekommt 
man gar nicht mehr zu Gesicht. Das Aufdrticken des 
Verbandbausches ist Sekundensache, und damit ist die ganze 
Wunde versorgt; sie liegt jetzt mechanisch aseptisch ge- 
macht und unbeweglich in ihren RSndern. Da die Sekrete 
durch Kapillaritat und Yerdunstung eintrocknen, sind 
alle gQnstigen Bedingungen zur Heilung gegeben, bisher 
habe ich wenigstens noch keine Wundkomplikation unter 
alien meinen Verbanden erlebt. Schliesslich die Billigkeit. 
Die Mastisolflasche reicht flir eine ganze Reihe von Ver¬ 
banden, der Wert des Gepinselten dQrfte zumeist in Pfen- 
nigen bestehen, dazu Wundbausch und vielleicht KQper- 
binde, das ist das ganze. Nimmt man dazu, dass die 
Kosten fQr Watte, Binden, Desinfizientien, Heftpflaster usw. 
vollstandig fortfallen, so lasst m. E. beim Mastisolverband 
neben der Einfachheit, Sicherheit und Schnelligkeit auch 
die Billigkeit nichts zu wQnschen Qbrig. Auf dem letzten 
Chirurgenkongress 1911 in Berlin waren auch die v. Oettin¬ 
gen schen Praparate, Mastisolwundbausche und -kQper- 
binden, ausgestellt und wurden von den Fachchirurgen 
viel besichtigt. Anscheinend waren sie noch wenig be- 
kannt. Vorbedingung fQr die FQrderung einer guten Sache 
(und das, glaube ich, ist die Mastisolbehandlung nach 
v. Oettingen) ist zunachst das Bekanntwerden. Hierzu 
beizutragen, ist der Zweck obiger Zeilen. Ich zweifle 
nicht, dass jeder Kollege, der die Sache versucht, ein 
warmer Anhanger dieser einfachen Methode werden wird, 
und dass dann auch diese Art Wundversorgung ihren 
weiteren Weg findet in die Samariter-, Rote-Kreuz- 
Vereine usw. Denn wenn die Sache im Frieden schon 


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Antisepsis, Asepsis, Deeinfektion — Arzneiexantheme. 


als probat gefanden wird, am wieviel mebr wird sie 
erst im Kriege leisten, wo aaf Einfachheit, Sicberheit und 
Schnelligkeit alles ankommt.“ 

(Mfincb. med. Woobenscbr. 1911 Nr. 43.) 

trineieiawthemei Antipyrinexanthem. Yon Professor 
Dr. Seifert (Wfirzburg). Einen merkwQrdigen Fall von 
fixem Antipyrinexanthem hatte Autor zu beobachten Ge- 
legenheit. Am 4. Jannar 1911 trat in Behandlnng ein 
Herr, 53 Jabre alt. Es fand sich infolge einer Perichon¬ 
dritis des Schildknorpels eine brettharte Anschwellung unter 
der Haut fiber dem Schildknorpel und eine ddematfise 
Anschwellung der ganzen recbten Kehlkopfhfilfte, bis zur 
Mitte der Epiglottis reicbend. Zur Milderung der Schluck- 
beschwerden wurde die fidematfise Anschwellung mit fol- 
gender Lfisung bespfilt: Coc. hydrochlor. 1,0, Antipyrin 2,0, 
Aq. destill. 10,0, und zwar kam zu jedesmaliger Verwen- 
dung eine Gesamtquantit&t von etwa 2,0 Flfissigkeit. Die 
ersten Bespfilungen gescbahen des Yorraittags um 11 Uhr, 
die zweitmaligen abends 7 Uhr. Am 5. Januar morgens 
waren beide H&nde, von den Fingerspitzen beginnend bis 
etwa 3 cm fiber das Handgelenk binaus, am st&rksten an 
der Rficken- und weniger deutlich an der Voiarfl&che, 
gleichmftssig gerfitet und geschwellt. Pat. gab an, dass 
er des Nachts durch heftiges Jucken und Brennen gequ&lt 
worden sei, und bezeichnete obne weiteres dieses Exanthem 
als ein Antipyrinexanthem, weil er schon mehrmals an 
der gleichen Affektion gelitten hatte, so oft er wegen 
Kopfscbmerzen ein halbes Gramm Antipyrin genommen 
hatte. Die Behandlung des Exanthems bestand in einem 
Yerband mit Zinkpaste, worauf das Brennen und Jucken 
bald nachliess. Nach acht Tagen war unter mftssiger 
Abschilferung, ohne dass es zu exsudativen Prozessen ge- 
kommen wftre, das Exanthem abgeheilt. — Auffallend 
ist an dem Falle, dass nach so geringen Dosen von Anti¬ 
pyrin, wie sie hier zur Verwendung kamen, ein so inten- 
sives fixes A. auftrat. Wenn auch zu den Bespfilungen 
am 4. Januar, die Bespfilungen am Vormittag und Abend 
zusammengerechnet, etwa 0,5 Antipyrin eingespritzt wurde, 
so konnte doch nur eine ganz geringe Menge verschluckt 
worden sein, weil der Pat. angewiesen war, sofort nach 
dem Einspritzen auszuspucken und nichts zu schlucken. 
Es erinnert dieser Fall einigermassen an die Beob_ 
achtung von Klein, nach welcher ein fixes A. nicht 


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Arzneicxaotheme. 


14a 


nur nach dem Einnehmen, sondern auch scbon nach der 
Berfihrung von Antipyrin mit den Fingern auftrat. 

(Wiener klin. Rundschau 1911 Nr. 10.) 

—■ Sin Fall von A. wird von Regimentsarzt Dr. Ferdinand 
Schtttz wie folgt gescbildert: „Anamnese. 30j&hr. Mann r 
1908 Malaria, seither zeitweise heftige rechtsseitige Su- 
praorbitalneuralgie. September 1910 Sklerose im Sulcus 
coronarius glandis, Salvarsanbehandlung (intramuskulfire 
Iojektion), danach rasche Heilung des Primaraffektes, keine 
Sekund&rerscheinungen. Am 4. August 1911 kommt Pat. 
in meine Behandlung mit der Angabe, seit zwei Tagen 
GeschwQre an Zunge, Eichel und Hodensack sowie Brennen 
im After zu beobachten, welche Erscheinungen von einem 
befreundeten Arzte als luctische gedeutet wurden. Befund:. 
An der Spitze und an den Rfindern der Zunge vier scbarf 
umschriebene, linsengrosse, gelblich belegte Schleimhaut- 
erosionen, im Sulcus coronarius glandis, am Scrotum und 
in der Crena ani mehrere linsen- bis hellergrosse, teils 
braunrfitliche, teils speckig belegte Substanzverluste der 
Haut, eine papulose Plaque an der Unterseite der Gians. 
Bei genauer Betrachtung zeigen alle diese Haut- und 
Schleimhautgeschwfire mehr oder weniger deutlich einen- 
schmalen, Gberh&ngenden Epithelsaum, der auf ihren ur- 
sprfinglichen Blasencharakter scbliessen lasst. Auf Befrageu 
wird die Anamnese dahin erg&nzt, dass dem plfitzlichen 
Auftreten dieser Geschwfire vor zwei Tagen in der Nacht 
Jucken und Prickeln der Zunge und Brennen am Genitale 
vorausgingen. Bei der weiteren genauen Untersucbung 
zeigten sich an der Innenseite des rechten Oberarmes zwei 
zirka kronenstfickgrosse, leicht infiltrierte Erythemflecka 
von braunrOtlicher Farbe. Auf dieselben aufmerksam 
gemacbt und fiber ihre Dauer befragt, berichtet Pat., dass 
sie seit lVa Jahren bestehen; sie seien' gewfihnlich blass- 
braun, manchmal fast unsichtbar und traten 1—2 Stunden 
nach jedesmaligem Antipyringebrauch, das seit 2 1 k Jaliren 
fitter, zum letztenmale vor 27-2 Tagen in 1 g-Dosen wegen 
der Supraorbitalneuralgie genommen wurde, unter massigem 
Jucken und Brennen als stark gerfitete, scharf begrenzte 
Flecke hervor. Sonstiger Hautbefund normal, Allgemein- 
befinden bis auf Kaubeschwerden und Schmerzen bei der 
Def&kation (Erosionen an Zunge und After) nicht gestfirt r 
im Urin kein Antipyrin nachweisbar (Eisensesquichlorid- 
probe). Decursus. Abheilen der Haut- und Schleimhaut- 


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Arzneiexantheme. 


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geschwfire in zwei Tagen unter indifferenter Behandlung, 
wfthrend die beiden Erythemflecke am Oberarme in den 
nachsten zwei Wochen einen allmahlichen Uebergang ihres 
Farbentones von Rotbraun fiber ein mattes Blfiulichbraun 
in ein blasses Graubraun durchmacbten. — Fassen wir 
das Gesagte zusammen, so sehen wir bei unserem Pat. 
nach einjfihrigem anstandslosen, hftufigen Antipyringebrauch 
bei gleichbleibender Dosis (1 g) auf einmal zwei Erythem¬ 
flecke am Oberarme auftreten, die durch lV« Jahre bei 
jedesmaliger Aufnahme des Medikaments unter Jucken sich 
rOten und wieder abblassen. Nach dieser Zeit tritt bei 
derselben Dosis ohne erkennbare Ursache eine Steigerung 
der Ausbreitung der Hautaffektion ein in Form von plfitz- 
lich unter Brennen und Jucken auftretenden Blaschen an 
Zunge, Eichel, Hodensack und After, welche sich rasch 
in oberflachliche Geschwfire verwandeln und nach kurzem 
Bestande bei indifferenter Behandlung vollstiindig schwinden. 
Die Erythemflecke zeigen in. ihrer scharfen Begrenzung, 
dem Abklingen ihres erst rotbraunen, dann blaulichen 
Farbentones bis zu blassen graubraunen Pigmentationen, 
dem jedesmaligen Aufdammen bei Antipyringebrauch, end- 
lich der absoluten Konstanz der Lokalisation alle Merkmale 
der von Brocq als Eruption erythemato-pigmentee be- 
zeichneten, von Ehrmann u. a. als fixes Antipyrinexan- 
them beschriebenen Arzneidermatose, deren klinisches Bild 
durch die gleichzeitige Blascheneruption im Munde und 
an den Genitalien, das plfitzliche Auftreten unter Jucken 
und Brennen und das ebenso rasche Verschwinden der 
Erscheinungen ohne besondere Behandlung erg&nzt und 
vervollkommnet wird. Tritt ein derartiges A. wie in un¬ 
serem Falle bei einem Luetischen auf, so ist eine Ver- 
wechslung besonders der belegten Haut- und Schleimhaut- 
erosionen mit erodierten, luetischen Papeln doppelt leicht 
mfiglich; die Schwierigkeit dieser Differentialdiagnose ist 
ja schon wiederholt betont worden — Fournier, Erd¬ 
mann u. a. — und hat in so manchen Fallen auch zu 
antiluetischer Behandlung geffihrt (Berliner). Zum 
Glfick weisen ja die Anamnese und der Verlauf meist auf 
die richtige Diagnose hin; allerdings wird die Antipyrin- 
medikation von dem Pat. oft — meist absichtslos — ver- 
schwiegen. Er kann sich eben nicht vorstellen, dass eine 
jahrelang anstandslos vertragene Antipyrindosis auf einmal 
derartige Erscheinungen hervorruft. Auch uns fehlt bis- 
her jede Erklarung ffir diese plfitzlich erworbene und bei 
weiterem Gebrauche des Medikaments in ihrer Extensit&t 


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Arzneiexantheme — Diabetes. 


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gesteigerte region&re Idioaynkrasie, welcher Ausdruck ja 
auch nur „das den fehlenden Begriff ersetzende Wort“ 
(Apolant) vorstellt. (Wiener klin. Wochenaehrift 1911 Nr. 43.) 

Diabetes. TTeber die Behandlung der Diabetesazidose mit 
Znckerinfasiouen. Von Privatdozent Dr. R. Balint 
(III. Mediz. Klinik der Universitat in Budapest). Der 
Ausgangspunkt seiner Untersuchungen war die Annahme, 
dass die bessere Verwertung des per anum verabreichten 
Zuckers auf einer langsameren Aufsaugung beruhe, wobei 
die herabgesetzte Glykolyse der Diabetiker mit den lang- 
sam in den Kbrper gelangenden Zuckermengen gleichen 
Schritt halt. Um die Aufsaugung noch langsamer zu ge- 
stalten, liess Autor die Zuckerldsung nach der Methode 
von Katzenstein tropfenweise in den Mastdarm einfliessen, 
und zwar so, dass die Dauer der Infusion sich auf den 
ganzen Tag erstreckte. Auf diese Art konnte er folgendes 
erzielen: Er bemerkte, dass auf einmal in den Mastdarm 
gebrachte grOssere Mengen von Zucker von den wenigsten 
Pat. vertragen werden. Der Zucker erzeugt im Rektum 
einen Reiz, der zu einem unwiderstehlichen Stublgang 
fQhrt. Im besten Falle, wenn der Kranke imstande ist, 
die Infusion.langere Zeit zu behalten, wird nur ungefahr 
die Halfte des Zuckers resorbiert. Die tropfenweise In¬ 
fusion des Zuckers hingegen gestattet die Einfuhr einer 
grossen Menge von Zucker. Die Kranken vertragen die 
Infusionen gewfthnlich recht gut, und wenn sie nach einigen 
Stunden Stuhl haben, enthalt derselbe nach einer Infusion 
von 80—100 g Zucker bloss ungefahr 4—5 g Zucker. 
Auf diese Weise infundierte Autor den Pat. taglich 
100—150 g Dextrose, und war die Menge des ausge- 
schiedenen Zuckers — nach Einfuhr von solchen grossen 
Mengen von Zucker — in alien Fallen entweder unverandert 
oder nur ganz wenig vermehrt. Bezilglich der Wirkung 
von Zuckerinfusionen auf die Azidose gelangte Autor in 
seinen Fallen zu ganz interessanten Resultaten. Er wandte 
die Infusionen grdsstenteils in schweren Fallen von D. 
an und bestimmte taglich das im Urin ausgeschiedene 
Azeton quantitativ. Ausser diesen Infusionen erhielt der 
Pat. in regelmassigen Zwischenraumen auch per os Nahrung, 
dessen Zusammensetzung genau dieselbe war als vor und 
nach den Infusionstagen, um so die Wirkung der Kohle- 
hydratausnutzung mit diesen Kontrolltagen vergleichen zu 
k5nnen. Es ergab sich, dass der per anum eingeftlhrte 
Zucker resorbiert wurde, die Azidose sich jedoch nicht 

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146 


Diabetes. 


verringerte, ja dieselbe stieg sogar in Fallen, bei denen 
Autor in den Infusionstagen per os kein Kohlehydrat 
einfdhrte, sondern die den Kontrolltagen entsprechende 
Zuckermenge per anum infundierte. Er kam daher zu dem 
Schlusse, dass die per anum eingefQhrten Kohlehydrat- 
mengen fortwahrend und nur sebr langsam gespalten werden, 
dass daher die Verbrennungswftrme derselben zur Zeit der 
Spaltung der auf einmal in grdsseren Mengen in den 
KOrper gelangenden Nahrungsprodukte nicht genOgt, um 
die entstandenen AzetonkOrper zu verbrennen. Diese 
Annahme wflrde daher erklaren, warum die Azidose nicht 
abnimmt und warum dieselbe in Fallen, bei denen an den 
Infusionstagen per os kein Kohlehydrat eingeftthrt wurde, 
grosser war als an den Kontrolltagen, an denen der Pat. 
Kohlehydrate per os erhielt. Ausgehend von dieser An¬ 
nahme gab Autor in weiteren Versuchen den Pat. an den 
Infusionstagen ganz minimale Kalorienmengen per os. An 
diesen Tagen erhielten die Pat. fOnfmal tfiglich je 300 g 
Bouillon, und falls sie sehr hungrig waren, was aber nicht 
oft vorkam, ein StQckchen (ungeffi.hr 50 g) Kfise, ausser- 
dem 100—150 g Zucker per anum. Falls die Pat. wfthrend 
des Tages Stuhl batten, wurde die mit demselben abge- 
gangene geringe Zuckermenge ersetzt. Die Kranken er¬ 
hielten auf diese Weise 700—800 Kalorien, was sie zwei 
Tage hindurch vorzQglich vertrugen. Die Wirkung dieser 
mit Hungertagen kombinierten Zuckerinfusionen war fol- 
gende: In den leichteren Fallen wurden die Pat. zucker- 
frei, Azidose trat nicht auf; in anderen Fallen wieder, bei 
denen nach einfachen Hunger- bzw. Bouillontagen im Ham 
Zucker vorhanden war, wurde der Pat. zuckerfrei, wenn 
der Hungertag mit einer Zuckerinfusion kombiniert war. 
Diese Tatsache ist nicht anders zu erklaren, als dass der 
Organismus an den einfachen Hungertagen aus seinem 
eigenen Eiweiss Zucker bildete, wozu es jedoch nicht kam, 
wenn der per rectum infundierte Zucker genQgende Kalorien¬ 
mengen lieferte. In Fallen mit Azidose reagierten die 
Pat. auf zweierlei Arten. Es gab Falle, bei denen die 
Azidose ganz aufhOrte, bei denen dies aber auch nach 
gewOhnlichen Hungertagen ohne Infusion geschah. Ferner 
hatte man Falle, bei denen sich Azeton auch nach Hun¬ 
gertagen zeigte, wo also dasselbe aus dem Hungerstoff- 
wechsel des Organismus entstand; in diesen Fallen ver- 
minderte sich die Azidose ganz auffallend nach Zucker¬ 
infusionen, und zwar um so mehr, je langer die Zucker¬ 
infusion dauerte. Was die Nachwirkung der Infusion an- 


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Diabetes. 


147 


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belangt, bemerkte Autor in jedem einzelnen Falle, dass 
sich einesteils die Toleranz der Kranken bedeutend ver- 
besserte, anderseits die Azetonurie sicli ffir einige Zeit be¬ 
deutend Verminderte. (Berliner klin. Wochengchrift 1911 Nr. 34.) 

— Hat das Vagnesinmsuperoxyd einen gtlnstigen Einflnss 

auf die Zuckeransscheidung bei D. Diese Frage beant- 
wortet Dr. M. Hirose (Medizin. Klinik Tokio) auf Grund 
seiner Versuche mit „nein“; das Mittel zeigte keinen nennens- 

werten Vorteil. (Deutsche med. Wocbensohrift 1911 Nr. 36.) 

— Ueber die Beeipflnssnng des D. durch das Lakton der 

a-Glykoheptons&nre. Von Dr. J. Pringsheim (II. 
Medizin. Abteil. d. Allerheiligen - Hospitals in Breslau). 
Ueber sehr bemerkenswerte Eigenscbaften eines KOrpers 
aus der Siebenzuckerreihe, des Laktons der a-Glykohepton- 
sfture, bat Rosenfeld vor kurzem berichtet. Er fand, dass 
dieser leichtldsliche und bei mftssiger Konzentration auch 
gut resorbierbare Korper beim Phloridzinhunde die Glyko- 
surie herabsetzt. Dieser Zucker wird vom gesunden und von 
diabetischen Menschen verbrannt und ist hfiufig imstande, 
bei letzterem die Glykosurie herabzusetzen. Der, wenn 
auch nicht regelmftssig zu beobachtende Einfluss des Lak¬ 
tons auf die Glykosurie beim konstitutionellen Diabetes, 
wie er aus den Versuchen Bosenfelds ersichtlich ist, gab 
Veranlassung, die Untersuchungen an weiteren Diabetes- 
fallen fortzusetzen. Autor berichtet vorlftufig fiber die 
Untersuchung an sechs Fftllen. Wenn man diese Unter¬ 
suchungen zueammenfasst, so hat sich folgendes ergeben. 
Das Lakton wird in Mengen bis zu 50 g vom Diabetiker 
gern genommen und gut vertragen — mfissige Durcbfalle 
wnrden nur bei dem Pat. mit Kohlehydrathunger-Azetonurie 
beobachtet. In Mengen bis zu 30 g — fiber den Tag ver- 
teilt — wird Lakton vom Diabetiker stets vollstSndig ver¬ 
brannt, bei Tagesdosen von 40 g an wird bei manchen 
Fallen ein kleiner Teil des Laktons unverbrannt wieder 
im Ham ausgeschieden. Eine gfinstige Beeinflussung der 
Glykosurie hat Autor in ffinf Fallen von den untersuchten 
sechs Fallen beobachten kfinnen. Der Effekt war bei drei 
• von diesen ffinf Fallen nur in den ersten Tagen zu kon- 
statieren und verschwand noch wahrend der weiteren Lak- 
tondarreichung, selbst wenn die Tagesdosis gesteigert wurde. 
In einem Falle trat unter Lakton eine Besserung der Tole¬ 
ranz ein, welche auch nach dem Aussetzen des Laktons 
anhielt. Auffallend ist die Wirkung des Laktons in Fall 3 

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148 


Diabetes — Frakturen und Luxationen. 


bei welchem die erstmalige Laktonperiode eine Entzucke- 
rung — merkwQrdigerweise ohne Sehwinden des Azetons — 
herbeifiihrte, eine zweite nach einem Zeitraum von vier 
Tagen wiederholte Laktonperiode jedoch vollst&ndig ver- 
sagte. Dabei ist es bei der zweitmaligen Darreichung 
nicbt etwa zu einer Ausscheidung von Lakton gekommen. 
Eine Ursache dafttr, dass das Lakton bei manchen Diabe- 
tesfallen die Glykosurie herabgesetzt, bei manchen aber 
nicht, obwohl es in alien Fallen verbrannt wird, kann Autor 
nicht linden, ebens.owenig kann man sich aus den wenigen 
Fallen ein Urteil Ober die Art der Wirkung bilden. Ausser- 
dem konnte Autor eine gfinstige Beeinflussung der Azetonurie 
durcb Lakton konstatieren, sowobl der diabetischen—wenn 
auch nicht regelmassig — als auch der durch Kohle- 
hydrathunger erzeugten. 

(Therapeutische Mouatshefte, November 1911.) 

Frakturen und Luxationen. Eine Universai-Exten- 
sionsschiene fftr die Oberextremit&t bat Dr. H. Haun 
(Gladenbacb) konstruiert»- Seit ftlnf Jahren benQtzt Autor 
diese Universalschiene und bat sie mehr und mebr ver- 
bessert und allmahlich so vervollkommnet, dass sie wohl 
alien AnsprQchen gentigt, sowobl was leichte, wenig Zeit 
beanspruchende Applikation anbelangt, als auch hinsicht- 
lich guten Sitzens, exakter Adaption der Fragmente, guter 
Uebersichtlichkeit der Verletzung und, last not least, hin- 
sichtlich des Preises. Denn ein Satz solcher Schienen, 
welcher fOr alle GrOssen vom Neugeborenen bis zura Er- 
' wachsenen und ffir links und recbts passt, kostet 50 Aifk. 
Seine einmalige Anscbaffung genbgt fQr alle Zeiten, denn 
die Schiene kann ja immer wieder verwendet werden. 
So Qbertrifft diese Schiene an Billigkeit der Behandlung 
alle anderen Behandlungsmethoden. Bemerkt sei noch, 
dass die Schiene eine derartige Verstellbarkeit besitzt, 
dass man mit zwei Exemplaren sowohl S&uglinge wie 
Erwacbsene, sowobl rechte wie linke Extremitfit bebandeln 
kann. Das Anlegen des Verbands geschieht in folgender 
Weise: Die Schiene wird auf passende L&nge und auf 
. rechts oder links eingestellt. Nach Anlegung des Heft- 

pflasterverbands in Qblicher Weise wird die Schiene ver* 
mittels Brustplatte um den Thorax befestigt. Oberarm- 
bandage wird um Frakturstelle gelegt, wobei zur Adaption 
verschobener Bruchenden Filzstficke eingelegt werden, 
Kette wird an Heftpflasterverband inseriert und tkber eine 
Feder, welche den Gewichtszug ersetzt, angespannt. Soli 


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Frakturen und Luxationen. 


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eine Extension am Vorderarme stattfinden, so wird die 
Schiene durch LCsen einer Schraube rechtwinklig gebeugt. 
Die Behandlung mit dem Apparate ist die denkbar ein- 
fachste. Die Brucbstelle lfisst sich leicht kontrollieren, 
leicht rontgen, korrigieren. Bewegungen im Schultergelenk 
sind stets mbglich; im Ellbogengelenk nach Aushaken der 
Kette. Massage von der Bruchstelle aufwftrts ist eben- 
falls ausf&brbar. Die Polsterung der Brustplatte kann 
durch Einlegen eines Stfickes Filz noch unterstutzt werden. 
Bei starkem Zuge wirkt eine Gegenextension um den 
Oberschenkel. Letztere ist aber kaum notwendig, da der 
Zug am Heftpflasterverband noch durch die Schwerkraft 
des herabh&ngenden Armes vorteilhaft unterstfltzt wird. 
Stauungen im Arm wurden nie beobachtet, vorausgesetzt, 
dass man mit dem Anlegen der Schiene erst einige Tage 
nach der Verletzung beginnt, nachdem durch Bettruhe 
und fleissige Massage die Schwellung an der Bruchstelle 
nachgelassen hat und sich wieder gOnstige Zirkulations- 
verhaltnisse eingestellt haben. 

(Miinch. med. Wochenschr. 1911 Nr. 40.) 

— F. Gdppert, Beitrag zur Therapie des Oberarmbrachs im 
S&uglingsalter. Seit l&ngeren Jahren wendet G. in alien 
diesen Fallen den Middeldorpfschen Triangel an. Er 
wird aus gewbhnlichem, dilnnem Eisenblech, das sich noch 
leicht unter den Handen biegt, nach Anpassung an der 
gesunden Seite hergestellt. Am stumpfen Winkel, der in 
die Ellbogenbeuge zu liegen kommt, ffige man mit Heft- 
pflaster einen Weinflaschenkork ein. An dem einen spitzen 
Winkel, der in die Achselbeuge eingefflgt wird, tue man 
das gleiche oder bringe eine etwa ebenso dicke Rolle aus 
Watte und Heftpflaster an. Vorstehende Drahtenden um- 
wickele man mit etwas Heftpflaster. Dann werden die 
drei Flachen des Triangels mit 6—8fachen Mullagen um- 
wickelt, die mittels Mullbinden fixiert werden. Dieser 
kleine Apparat wird durch einige Heftpflasterstreifen, die 
jedoch nur bis zur Mittellinie des Stammes reichen dllrfen, 
an der Thoraxwand fixiert. Der Oberarm des Kindes 
wird im unteren Drittel durch einen Heftpflasterstreifen 
festgehalten, der jedoch an der Haut nicht festzukleben 
braucht. Das Ankleben wird durch ein untergeschobenes 
Mullappchen verhindert. Ein zweiter, jedoch festklebender 
Heftpflasterstreifen umgibt das distale Ende des Vorder- 
arms. Durch diesen einfachen Apparat wird der Arm 
sicher und doch lose genug fixiert, um ein leichtee Muskel- 


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Frakturen und Luxationen — flyBterie. 


spiel zu gestatten, was ftir die Schnelligkeit der Heilung 
von Vorteil sein dQrfte. Die Lage des Armes ist bequem 
ohne Verbandwechsel zu kontrollieren. Dabei ist die Be- 
wegung der einen Brusthalfte gar nicht, die der anderen 
nur unbedeutend erschwert, vor alien Dingen aber auch 
die Bauchatmung in keiner Weise gehemmt. Man kann 
das Kind bequem bewegen, auf den Bauch legen und, 
wenn notig, therapeutiscbe Hautreize anwenden. Bei gleich- 
zeitiger Bronchitis dQrfte dies von grQsster Bedeutung sein. 
Die KrQckenl&hmung ist nicht zu fQrchten. Bei der Dicke, 
die in obigem Modelle dem Winkel, der in die Achsel- 
hdhle zu liegen kommt, gegeben wird, ist ein Eindringen 
desselben und damit ein Druck auf die Nerven ausge- 
schlossen. Um ein Schweissekzem der Achselhdhle zu 
vermeiden, kann man dieselbe ausserdem durch ein mehr- 
fach zusammengelegtes Mull&ppchen polstern. 6. glaubt, 
diese Methode bei alien OberarmbrQchen der Rachitiker, 
ferner bei BrQchen des mittleren Drittels des Oberarmes 
aller Art von S&uglingen als beste Methode empfehlen 
zu dQrfen. Auch bei dem typischen Oberarmbruch der 
Neugeborenen dQrfte sie oft mit Vorteil anwendbar sein. 

(Ther&p. Monatshefte, August 1911.) 

Hysteric. Zwei F&lle von hysterischer Amaurose (Schreck- 
nenrose). Vori Dr. Frhr. v. Marenholtz. (Aus der 
Maximilians-Augenheilanstalt in NQrnberg.) 

I. — M. H., 43 J., Bauersfrau. Angeblieh nie An- 
f&lle. Vor wenigen Monaten hat sie eine schwere Lungen-, 
Rippenfell- und NierenentzQndung durchgemacht, ist 
dadurch kQrperlich sehr heruntergekommen und sehr nervos 
geworden, so dass sie bei der kleinsten Aufregung Herz- 
klopfen, Angst und Zittern am ganzen Kdrper bekommt. 
Wenige Wochen vor der jetzigen Erkrankung ist ihr plQtz- 
lich ein zwdlfjahriges Kind gestorben, ausserdem hat sie 
in dieser Zeit noch einen Kummer dadurch erlitten, dass 
sich eine Bekannte von ihr von einem Zuge Qberfahren 
liess. Acht Tage vor ihrer Aufnahme hat sie einen 
pldtzlichen heftigen Schreck dadurch erlitten, dass ihr auf 
dem Felde mitgeteilt wurde: ihr Haus brenne. Seit diesem 
Tage will sie auf dem linken Auge vQllig blind sein; 
vorher habe sie immer auf beiden Augen gut gesehen. 
25. VII. Status: Die Frau.macht einen gedrQckten und 
Qngstlichen Eindruck. Links S. = B /a. Rechts: angeb¬ 
lieh keine Lichtempfindung, jedoch stellt sich sofort bei 
Lichteinfall das rechte Auge nach der Richtung der ein- 


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Hysteric. 


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fallenden Strahlen. Die Pupillen sind beiderseits gleich- 
weit; die rechte reagiert — wenn auch trager als die 
linke — auf Lichteinfall. Korpealreflex: -K Die bre- 
chenden Medien sind ohne Yerfinderung. Die rechte 
Papille ist etwas blasser und die arteriellen Gefasse an- 
scheinend verengt. Keine Anftsthesien, fiberhaupt sonst 
keine hysterischen Symptome. Behandlung: Faradisation. 
Suggestion. 27. VII. S. R. = Finger in 1 m. 30. VII. 
S. R. = Finger in 5—6 m. Das Gesichtsfeld erweist sich 
etwa auf die Halfte konzentrisch verengt; die Farben- 
empfindung ist normal. 2. VIII. S. R. = 1 /e. Trotz Zu- 
redens will die Frau immer noch nicbt recht glauben, dass 
sie auf dem rechten Auge wieder sieht. Zubinden des 
linken Auges. 4. VIII. S. R. = e /i 2 . Gesichtsfeld noch 
eingeschrankt. Grenzen fQr rot und blau normal. 5. VIII. 
S. R. = e !b. Trotzdem auf dem rechten Auge voile Seh- 
scb&rfe besteht, will die Frau H. immer noch nicht an 
ihre vdllige Heilung glauben und fGrchtet, dass dieselbe 
nicht von Bestand sei. 8. VIII. Geheilt entlassen. Ge¬ 
sichtsfeld normal. 8. IX. Vorstellung. R. S. — “/s. 
Diagnose: Rechtsseitige hysterische Amaurose. Scbreck- 
neurose. 

II. — J. St., 18 J., Schlosser. Pat. wird nachts 
auf Veranlassung der Polizeistation angeblich wegen plbtz- 
licher Erblindung durch die Sanitatskolonne in die Klinik 
eingeliefert. Er gibt an, dass er abends auf der Strasse — 
es herrschte ein m&ssiges Gewitter — plotzlich einen Blitz 
habe aufleuchten sehen. Der Donner soli dem Blitzschlag 
erst viel spater gefolgt sein. Er erschrak heftig, bekam 
starkes Herzklopfen und merkte nun, dass er nichts mehr 
sehen konnte; durch Passanten wurde er auf die Polizei- 
wache gebracht. Pat. gibt noch an, dass er einige Wochen 
vorher mehrere Wochen wegen Hitzschlag im Kranken- 
hause gelegen habe; seit der Zeit leide er an heftigen 
Kopfschmerzen. 9. IX. Status: St. ist auffallend kalt 
am ganzen Korper, blass-bl£uliche Hautfarbe. Temperatur 
36,0. Puls 60. Keinerlei L&hmungserscheinungen; keine 
Augenmuskelstdrungcn; durchsichtige Medien klar; Pupillen 
reagieren trage auf Lichteinfall. Visus beiderseits: Unter- 
scheidung von Hell und Dunkel. Kornealreflex: vor- 
handen. Am Augenhintergrund sind die Venen starker 
gefQllt, Arterien ohne Reflexstreifen, verengt, die Papille 
besonders links temporal abgeblasst. Behandlung: Bett- 
ruhe. Suggestion. 10. IX. Augenbefund und Visus un- 
verandert, Pat. macht einen gleichgiiltigen, apathischen 


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152 


Hysteric. 


Eindruck, lachelt stets etwas und ist um sein Schicksal 
und seine Erblindung gar nicht besorgt. 11. IX. Die 
Stauung in den Venen ist geringer, Arterien starker ge- 
fQllt; die rechte Papille wieder rosarot, die linke noch 
etwas blasser. Visus beiderseits: Fingerzahlen in 3 m. 
11. IX. Heftige Kopfscbmerzen. Der vom Spezialarzt 
fflr Nervenkrankheiten, Oberarzt Dr. v. Rad, aufgenom- 
mene Nervenstatus ergibt keine Abweichungen von der 
Norm, nur an der Radialseite beider Handgelenke eine 
zehnpfennigstuckgrosse anasthetische Zone. Das Gesichts- 
feld ist beiderseits weit aber die Halfte konzentrisch cin- 
geengt. Farbenempfindung normal. 14. IX. Visus beider¬ 
seits a /i6. Sehnervenpapille auf beiden Augen von normaler 
Far bung, Gefasse von normaler Fallung. 16. IX. Konzen- 
trische Gesichtsfeldeinschrankung noch vorhanden. 18. IX. 
Visus beiderseits — %. Gesichtsfeld normal, die anasthetischen 
Zonen an den Handgelenken sind nicht mehr vorhanden. 
Diagnose: Beiderseitige hysterische Amaurose (Schreck- 
neurose). Erblichkeit der H. und bereits fraher vorhanden 
gewesene Symptome derselben sind bei beiden nicht nach- 
weisbar, wohl aber sind schwere Krankbeiten mit Scha- 
digung des Nervensystems vorangegangen. In Fall II war 
es ein Hitzschlag mit Bewusstlosigkeit und mehrwdchiger 
Krankenhausbehandlung, woran sich dann fast dauernd 
bestehende dumpfe Kopfschmerzen angeschlossen haben. 
In Fall I war es eine schwere Rippenfell- und Lungen- 
entzundung, die die Frau kftrperlich sehr mitgenommen 
haben; im Anschluss an die Krankheit ist sie nervds ge- 
worden, hat bei den kleinsten Aufregungen Angst und 
Zittern am ganzen K5rper bekommen. Dazu kommt noch 
der seelische Kummer um den Tod der Tochter und der 
unnatbrliche Tod einer nahen Bekannten. In beiden Fallen 
war hier also der Boden fOr die Jetzige Erkrankung vor- 
bereitet. Das Auftreten der hysterischen Amaurose ist 
ein plfltzliches und direkt im Anschluss an einen heftigen 
Schreck beobachtet. In Fall I war es die Mitteilung 
von dem Brande ihres Hauses, die der Frau einen der- 
artigen Schreck einjagte, dass sie kaum vom Felde heim- 
gehen konnte. Da die hysterische Erblindung hier nur 
einseitig war, ist es nattirlich, dass erst im Laufe des 
Tages der Frau die Blindheit auf dem einen Auge zum 
Bewusstsein gekommen ist. In Fall II war es der Schreck 
tiber den Blitzschlag, der die Erblindung auf beiden Augen 
sofort manifest machte. Dass es sich in diesem Falle 
nicht um eine direkte Wirkung der Blitzstrahlen (Katarakt, 


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Hysterie. 


153 


Neuritis optica usw.) gehandelt hat, geht schon daraus her- 
vor, dass der Blitz in grosser Entfernung von dem Manne 
eingeschlagen hat, denn wie er selbst angibt, kam der 
Donner geraume Zeit spftter, ausserdem waren nicht die 
geringsten Spuren einer sonstigen Blitzwirkung vorhanden. 
Es ist demnach in beiden Fallen der reine Schreck ohne 
jedes kdrperliches Trauma, der die hysterische Amaurose 
hervorgerufen hat; sie waren in das von Kraepelin auf- 
gestellte Krankheitsbild der „Schreckneurosen“ einzureihen. 
In beiden Fallen sind StOrungen des Affekts vorhanden. 
Die Frau in dem ersten Fall ist gedrfickt weinerlich; sie 
glaubt, trotzdem sie auf dem erkrankten Auge gut sieht, 
doch noch nicht an die Besserung und die Dauer der- 
selben. Andererseits besteht in Fall II trotz der beider- 
seitigen vOlligen Erblindung eine GleichgQltigkeit, ja di- 
rekte Apathie; er nimmt die fortschreitende Besserung ganz 
gleichgOltig auf, macht sich keine Sorgen wegen seines 
Schicksals. Bei der Frau fehlt jedes weitere hysterische 
Symptom, bei dem jungen Mann ist nur die ganz zirkum- 
skripte beiderseitige An&sthesie am Handgelenk vorhanden. 
Auch die Veranderungen am Augenhintergrund ahneln 
sich, nur sind sie in dem Fall mit doppelseitiger Amauroe 
starker ausgepragt. Die Papillen der amaurotischen Augen 
sind blasser wie normal; die Arterien verengt und die 
Venen erweitert. Die Veranderungen sind nach wenigen 
Tagen wieder verschwunden. Es handelt sich hierbei wohl 
um Veranderungen vasomotorischer Art, kann doch 
z. B. ein heftiger, die Psyche alterierender Schreck Anamie 
am ganzen K6rper oder pldtzlichen Schweissausbruch, 
gesteigerte Darmtatigkeit hervorrufen. Im zweiten Fall 
zeigten sich auch am ganzen KOrper diese vasomotorischen 
EinflQsse in der Kalte und biass - bl&ulichen Hautfarbe. 
Jede andere Erkrankung, auch Simulation, ist schon durch 
den Verlauf mit Sicherheit auszuschliessen. 

(Woehenschrift f. Therapie u. Hygiene des Auges 9. Novbr. 1911.) 

— Fall von Simulation einer Albuminuric. Von Sanitatsrat 
Dr. Igel (Berlin). „Ein $lteres Fraulein von etwa vierzig 
Jahren kam damals oft in meine Sprechstunde mit haufig 
wechselnden Elagen fiber verschiedene Beschwerden, fur 
welche sorgfaltige wiederholte Untersuchungen keine ob- 
jektiven Anhaltungspunkte ergaben. Ich hatte zunachst 
keinen Anlass, der Pat. Misstrauen entgegenzubringen 
und ihre Leiden ffir erdichtet zu halten, zumal sie keiner 
Kasse angehorte und keinen ersichtlichen Vorteil von ihrer 


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Hybterie. 


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Krankheit haben konnte. Ich behandelte sie lange als 
ehrliehe Neurasthenika mit den mir zu Gebote stehenden 
Mitteln. Als sie aber immer neue Beschwerden vorbrachte, 
sich auch 6fter in WidersprQche verwickelte, stieg mir 
doch der Verdacht auf, dass sie ihre Beschwerden nur 
vorgab, dass sie nicht krank war, sondern krank sein 
wollte. Als sie eines Tages mit bis dahin noch nicht 
ge&nsserten Klagen Qber heftige Schmerzen in der Lenden- 
gegend bei mir erschien, hielt ich trotz meines Verdachts 
auf Simulation eine Urinuntersuchung fflr nOtig und bat. 
sie, mir am n&chsten Tage eine Probe zu bringen. Einige 
Zeit vorher hatte ich ihren Urin frei von pathologischen 
Bestandteilen gefunden. Ich war nun nicht wenig tiber- 
rascht, als diesmal bei der Kochprobe ein ungewtthnlich 
massiger Niederschlag im Reagenzglas sich zeigte, wie ich 
ihn bisher noch nicht gesehen hatte. Ich hegte gleich 
den Verdacht, dass der eigentQmliche Befund durch ab- 
sichtliches HinzufQgen eiweisshaltigen Materials herbei- 
geftthrt war. Denn solche Massen von Eiweiss kommen 
im Urin von Nierenkranken wohl kaum vor. Zudem hatte 
die sonstige Untersuchung der Pat. nichts ergeben, das 
auf ein schweres Nierenleiden hatte schliessen lassen. 
Namentlich ergab die mikroskopische Untersuchung keine 
fftr Nephritis cbarakteristischen Formelemente. Da aber 
auch eine zufallige Verunreinigung nicht ganz sicher aus- 
zuschliessen war, erbat ich mir eine neue Urinprobe fflr 
den folgenden Tag. Ihre Untersuchung ergab genau das- 
selbe Resultat. Jetzt konnte ich nicht mehr daran zwei- 
feln, dass Pat. ihrem Urin absichtlich Eiweiss zugesetzt 
hatte, um mich glauben zu machen, dass sie ein schweres 
Nierenleiden hatte. Sie war sehr erstaunt, als ich ihr 
sagte, dass ihr Urin zwar stark eiweissbaltig sei, dass 
ihre Nieren aber dennoch gesund seien, es miisse vielmebr 
jemand den mir zugestellten Urinproben fremde Bestand- 
teile zugesetzt haben. Sehr verlegen meinte sie, sie wfisste 
davon nichts, sie mfisste sich aber gegen solche Verdach- 
tigung entschieden verwahren. Um nun mbglichst genau 
zu erfahren, welches eiweisshaltige Material dem Urin zu¬ 
gesetzt war, bat ich Herrn Kollegen C. S. Engel, einen 
in solchen Untersuchungen sehr erfahrenen Herrn, um die 
Untersuchung des noch vorhandenen Restes. Er teilte 
mir mit, dass er mit grosser Mbhe ermittelt habe, dass 
es sich um HOhnereiweiss handelt. Dass Pat. nach der 
Entdeckung ihrer Simulation sich nicht mehr bei mir sehen 
liess, ist begreiflich. Als Beweggrund far ihr Verhalten 


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Hysteria — Neuritis. 


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ist wohl ausschliesslich die bei Hysterischen nicht seltene 
Sucht, sich interessant zu machen, anzusehen. Auch inso- 
fern ddrfte die Mitteilung meines Falles nicht uninteres* 

Sant sein.“ [(Berliner klin. Wochenschrift 1911 Nr. 46.) 

Neuritis. Ueber IT. multiplex cutanea schreibt Prof. Her* 
mann Schleainger (III. medizinische Abteilung des 
K. K. Allgemeinen Krankenhauses in Wien): w Unter N. 
multiplex cutanea verstehe ich eine atiologisch nicht ein- 
heitliche, auf das Gebiet zweier oder mehrerer Hautnerven 
beschrSnkte Erkrankung ohne Mitbeteiligung der tiefer 
liegenden Nervenstamme oder des Zen trainer vensystems. 
Von den isolierten Hautnervenerkrankungen nicht trau- 
matischer Natur hat namentlich eine wegen ihrer Hfiufig* 
keit die Aufmerksamkeit auf sich gelenkt; es ist dies die 
Meralgia paraesthetica. Seit den ersten Beschreibungen 
von Roth und Bernhardt weiss man, dass das Leiden 
nicht selten doppelseitig auftritt. Dies gilt sowohl ftir 
die nur mit. Par&sthesien verbundene Neuralgie als auch 
fQr die mit Ausfallserscheinungen verknfipfte N. des Nerv. 
cutaneus femoris externus. In seltenen Fallen werden zu 
gleicher Zeit andere Hautnervengebiete, und zwar nur 
Territorien von Hautnerven und nicht von anderen Nerven, 
geschadigt. Die Noxe ist offenbar die gleiche ftir die N. 
der verschiedenen Hautnerven. Vor elf Jahren habe ich 
zwei sichere und einen zweifelhaften Fall von mehrfacher 
peripherer Hautnervenerkrankung mitgeteilt. Offenbar sind 
solche Falle nicht haufig, da ich in elf Jahren bei einem 
recht grossen klinischen Material nur zwei weitere Beob* 
achtungen erheben konnte und in der Literatur auf keine 
weiteren Angaben fiber ahnliche Wahrnehmungen gestossen 
bin. Selbstverstandlich sind von der Betrachtung die bei 
zentralen Prozessen (Tabes usw.) sich entwickelnden De- 
generationen der Hautnerven sowie die multiplen trauma- 
tischen Schadigungen der letzteren ausgeschlossen. In 
zwei von diesen Fallen war eine Meralgia paresthetica • 
mit einer Lasion eines anderen Hautnerven kombiniert. 

Bei dem einen Kranken waren der Nerv. cut. fern. ext. und 
der Ramus cutaneus palmaris des Nerv. medianus, bei dem 
anderen beide Nn. cut. fern. ext. und ein anterior sowie 
die Hautaste. von zwei Interkostalnerven ergriffen. In 
drei anderen Fallen spielte die Erkrankung des Ramus 
superficialis des Nerv. radialis die Hauptrolle. Bei einem 
der Kranken waren nur diese Hautnerven beiderseits ohne 
Lasion des flbrigen Nervensystems ergriffen. Die beiden 


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156 


Neuritis. 


anderen Kranken hatten aucb an den unteren Extremi- 
taten kutane Neuritiden. Die Aufz&hlung dieser Beob- 
achtungen zeigt, dass verschiedene Variationen moglich 
gind, dass aber gewisse Schfidlichkeiten geradezu elektiv 
nur das System der Hautnerven treffen und dadurch etwas 
aparte Krankheitsbilder erzeugen kdnnen. Soweit das bis- 
herige Material SchlUsse zul&sst, sind von den Hautnerven 
ausser dem N. cut. fem. ext. noch der N. cut. fem. ant. 
und der Ramus superficialis des N. radialis besonders vul- 
nerabel (Infektionen, Intoxikationen und Erk&ltungssch&d- 
lichkeiten gegentlber). Die fitiologischen Momente sind 
fQr die Krankheitsgruppe nicht einheitlicher Natur, wie 
dies auch fQr die Meralgie bekannt ist. In einem Falle 
war Gicht vorhanden, und es batte sich die Hautnerven- 
affektion zur Zeit von Gicbtanf&llen ausgebildet, in einem 
zweiten Falle war offenbar eine Lues das auslbsende 
Moment. Besserung nach antiluetiscber Behandlung. Auch 
in einem zweiten Falle von multipler Hautnervenerkran- 
kung peripheren (?) Ursprungs war Lues in der Anamnese. 
In einem weiteren Falle mag Erk&ltung und Durchn&ssung 
der auslQsende Faktor gewesen sein, in einem Falle war 
ein atiologisches Moment nicht eruierbar (Muskelrheuma- 
tismuse). Alle von mir beobachteten Ffille betrafen Manner; 
einer war 61 Jahre alt, die Qbrigen waren im mittleren 
Lebensalter. Der Grad der Sch&digung variierte in den 
einzelnen Fallen und damit die Intensit&t der Symptome. 
Die Reizerscbeinungen waren bald nur einfache Par&sthe- 
sien, bald wQtende und qu&lende Schmerzen. Bei objek- 
tiver PrOfung wird im Gebiete des erkrankten Hautnerven 
ausgesprochene Hyper&sthesie gefunden, welche in der 
Regel ein scharf begrenztes Hautterritorium befSllt. Bei 
langerem Bestande des Leidens kommt es wie bei der 
Meralgie zur Abstumpfung, ja zum vQlligen Verluste der 
Sensibilit&t. Die oberfl&chlichen Empfindungsqualit&ten 
sind bald gleichmQssig, bald ungleicbmassig betroffen. Das 
Symptom der Analgesia dolorosa, das bei der Roth- 
Bernhardtschen SensibilitfitsstOrung nach meiner Erfah- 
rung nicht selten ist, gelangt auch bei Hautnervenerkran- 
kungen an den oberen Extremitfiten zur Ausbildung. Die 
Austrittsstellen der Hautnerven sind oft ausgesprochen 
druckempfindlich. Druck auf diese Punkte lQst ausstrah- 
lende Empfindungen in das Gebiet der erkrankten Nerven 
aus. Wird der Hautnerv durch Muskelarbeit irgendwie 
gedrQckt oder gezerrt, so ist dieses Moment aus den An- 
gaben des Kranken ohne weiteres ersichtlich. Bei Meralgia 


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Neuritis. 


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lateralis und anterior ist dies seit langerer Zeit bekannt, 
far die SensibilitatsstOrung im Radialisgebiete liegt seitens 
eines Pat. die prazise Angabe vor, dass Bewegungen der 
Finger den Schmerz steigern. Vasomotorische Symptome 
habe ich in einem Falle an den oberen Extremitaten be- 
obachtet. StOrungen der trichopilaren Erregbarkeit be- 
stehen nach meinen Erfahrungen Ofters. Die Prognose 
ist in den einzelnen Fallen verschieden. Die Krankheit 
kann Wochen, Monate, auch Jahre wahren. Die beiden 
neuen Beobachtungen sind in Khrze folgende: Die eine 
betrifft einen 46jahrigen, sonst gesunden Wiener Arzt. 
Es wurden mit aller Bestimmtheit starke Erkaltung und 
Durchnassung als einziges in Betracht kommendes atio- 
logisches Moment beschuldigt. Fieber fehlte wahrend der 
Erkrankung, welche mit heftigen Schmerzen im Gebiete 
des N. cut. fern. ext. beiderseits, anterior links und des 
fanften und sechsten Interkostalis beiderseits einsetzte. 
In den Territorien der betroffenen Nerven bestand zuerst 
sehr lebhafte Hyperasthesie fttr BerQhrung, Schmerz und 
Temperatur, die Austrittspunkte der Nerven waren druck- 
empfindlich; spater bildete sich in denselben Gebieten die 
Hypasthesie aus. Nach etwa sechs Wochen war die Af- 
fektion unter Anwendung warmer Bader und unter Ge- 
brauch von Salizylpraparaten abgelaufen. Manchmal treten 
noch jetzt — Ober zwei Jahre nach Abklingen der Er- 
scheinungen — bei Witterungswechsel ,Mahnungen‘ in 
Form von Parasthesien auf. Der Kollege ist sonst vOllig 
gesund, Harnbefund normal. Keine Lues, nie Zeichen 
einer spinalen Affektion. Auf der HQhe der Erkrankung 
musste der Pat. mehr als acht Tage das Bett huten. Auch 
der zweite Fall betrifft einen 31jahrigen Kollegen, der 
seit fanf Jahren an sehr heftigen Parasthesien des Dau- 
mens und des Zeigefingers rechts, in letzter Zeit auch 
links leidet. Die Parasthesien sind oft ausgesprochen 
schmerzhaft. Pat. bemerkt seit Bestehen der Erkrankung 
eine deutliche Hauthyperasthesie entsprechend den parasthe- 
tischen Bezirken, zeitweilig auch Hypasthesie, die aber 
nie persistiert. Ein atiologisches Moment ist nicht eruier- 
bar, Potus, Abusus nicotianus bestehen nicht, keine vene- 
rische Infektion. Wassermann negativ. Kein Trauma. 
Die Schmerzen sind des Morgens geringer, werden mit 
der Arbeit grosser, fehlen stets bei Nacht. Pat. bemerkt, 
dass im Bereiche des Schmerzbezirks die Haut leichte 
vasomotorische Stdrungen- aufweist. Die Untersuchung 
ergab am Dorsum des Daumens und an der radialen Seite 


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Neuritis — Pleuritis. 


des Zeigefinders ausgesprochene Hyperasthesie, Hyperalgesia 
und Thermohyper&sthesie, rechts intensiver als links. Das 
erkrankte Gebiet entspricht dem Ausbreitungsgebiete eines 
Astes des Ramus superficial^ des N. radialis, nur erstreckt 
sich die Hyper&sthesie an der Radialseite des Vorderarms 
ein wenig nach oben zu. In verschiedenen Muskeln sind 
sehr empfindliche Yerdickungen (rheumatische Muskel- 
schwielen) nachweisbar. Sonst ist der Befund der inneren 
Organe und des Nervensystems vfillig normal. Sonst kein 
Symptom einer Gicht. Mir ist es zweifelhaft, ob man in 
diesem Falle von Neuralgie oder von N. sprechen kann. 
Da wir von der Meralgie wissen, dass sie oft von den 
an ihr Erkrankten wegen der geringen Beschwerden kaum 
beachtet wird, ist es wahrscheinlich, dass auch die mul¬ 
tiple Hautnervenaffektion hfiufiger vorkommen dftrfte. Unter 
« den gesch&digten Nerven findet sich auffallend oft der 
Ramus superficialis des N. radialis. Seine L&sion ruft 
Sensibilit&tsstOrungen hervor, welche bis zu einem gewissen 
Grade charakteristisch sind. Dieselben betreffen das Dor¬ 
sum der Hand an der radialen Seite in wechselnder Aus- 
debnung bis zum radialen Rande des Metakarpus des 
Mittelfingers mit Uebergreifen auf den radialen Handrand. 
Distal reicht die Sensibilit&tsstftrung noch bis zur Nagel- 
phalanx des Daumens, kann auch auf den Zeigefinger 
fibergehen, scheint sich aber in der Regel nach Erfah- 
rungen bei Durchtrennungen mit dem Metacarpo-Phalan- 
x gealgelenk zu begrenzen. Proximalwfirts wurde in einem 
Falle die Sensibilit&tsstdrung fiber das Handgelenk nach 
aufw&rts auf die radiale Seite des Yorderarmes verfolgt. 
Auch diese Stfirung findet ihre anatomische Erklfirung 
durch eine typische Anastomose des Ramus radialis super¬ 
ficialis dorsalis mit dem Cutaneus brachii externus (Mus¬ 
culo-Cutaneus). Diese Sensibilitfitsstfirung ist nicht mit 
der vor kurzem von Gordon beschriebenen identisch, 
welche den Ramus cutaneus antibrachii dorsalis betrifft. 
Ich mOchte mit diesem bescheidenen Beitrage die Auf- 
merksamkeit der Kollegen auf diese Affektionen lenken 
und bitten, ihre Erfahrungen fiber sie mitzuteilen." 

(Neurolog. Zentralblatt 1911 Nr. 91.) 

Pleuritis. F. Hamburger, Zur praktischen Diagnostik 
der Kinderpleuritis. Der interessante Artikel sei fast 
vollstfindig wiedergegeben: „Es soli gleich vorweg ge- 
nommen werden, dass der hfiufigste diagnostische Irrtum 
der ist, dass fifissige Pleuraexsudate ffir Lungeninfiltrate 


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Pleuritis. 


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gehalten werden, und zwar gewfihnlich deswegen, weil 
die falsche Meinung viel verbreitet ist, dass Bronchial- 
atmen ffir (akute oder chronische) Lungeninfiltration spreche 
und dass bei P. die Atmung immer abgescbwftcht sein 
mQsse. Yor diesem Irtum kann gar nicht genug gewarnt 
werden. Freilich ist die Atmung in vielen Fallen von 
P. abgeschwacht, von Pneumonie laut bronchial, aber es 
ist auch oft genug das Gegenteil der Fall: bei Pneumonie 
kann die Atmung abgeschwacht, bei P. laut bronchial 
sein. Aus dieser erfahrungsgemass sicher feststehenden 
Tatsache kann schon der sehr wicbtige Lehrsatz abge- 
leitet werden: der Auskultationsbefund allein kann in 
vielen Fallen nicht die differentialdiagnostische Frage: 
P. oder Pneumonie? entscheiden. Dagegen ist man in 
vielen, freilich nicht in alien Fallen mit den Resultaten 
der Perkussion imstande festzustellen, ob Pneumonie oder 
P. vorliegt. Man findet namlich sehr haufig bei kleinen 
Kindern, dass in Fallen von P. die Dampfung die ganze 
eine Brustseite einnimmt, was bei Pneumonie erfahrungs¬ 
gemass so gut wie nie vorkommt. Es spricht daher der 
Befund einer Dampfung fiber einer ganzen Thoraxhalfte 
immer ffir P., wenn auch die Atmung noch so laut bron¬ 
chial klingt. Freilich spricht das Fehlen dieses Befundes 
nicht gegen P., weil eben das Exsudat nicht die ganze 
Pleurahfihle auszuffillen braucht. In solchen Fallen ist 
dann oft die Diagnose nicht ganz leicht, in seltenen Fallen 
fiberhaupt nur durch die Probepunktion zu sichern. Die 
pneumonische Infiltration ergreift gewfihnlich nur einen 
Lappen und reicht, wenn es sich um Unterlappenpneumonie 
handelt, nie weiter als hfichstens bis zur vorderen Axillar- 
linie. Ueberschreitet die Dampfung diese Linie, so han¬ 
delt es sicH meist um P. In vielen Fallen, wo das Ex¬ 
sudat nur einen Teil der Pleurahfihle erfasst, hilft der 
Auskultationsbefund wesentlich zur Sicherung der Diagnose, 
weil dann fiber der Dampfung gewfihnlich deutlich ab- 
geschwachtes Atmen vorhanden ist. In seltenen Fallen, 
besonders bei abgesackten Exsudaten, findet man aber 
auch lautes Bronchialatmen fiber der Dampfung. Das 
ist wichtig zu wissen, weil man eben, wenn es sich um 
abgesacktes Empyem handelt, unbedingt operieren muss. 
Wie schon erwahnt, hfirt man fiber pleuritischen Exsu¬ 
daten oft auch lautes Bronchialatmen, besonders bei sehr 
grossen Exsudaten, also gerade dann, wenn die ganze 
eine Thoraxseite gedampften Perkussionschall gibt. Das 
erklart sich daraus, dass bei grossem Exsudat die ganzlich 


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Pleuritis. 


komprimierte Lunge das Bronchialatmen aus Trachea und 
Bronchien unver&ndert an die ja an sich gut leitende 
FlQssigkeit weitergibt. 1st das Exsudat gering, die Lunge 
daher nur partiell komprimiert, so leitet sie schlecht, and 
es kommt daher ein schon von vornherein abgeschwSchtes 
Atmen an die FlQssigkeit, zumal ja in der wenn aucb 
nur partiell komprimierten Lunge kein lautes Vesikul&r- 
atmen entstehen kann. Das abgeschwachte Atraen bei 
Pneumonie ist nicht so selten, und gewdhnlich durch Ver- 
stopfung eines Bronchus hervorgerufen. FOr die differen- 
tielle Diagnose, ob Pneuuonie oder P., kommen die fei- 
neren Perkussionsresultate praktisch nidbt in Betracht. 
Die paravertebrale Dampfung auf der gesunden und die 
paravertebrale Aufhellung auf der kranken Seite kommt 
nicht nur bei P., sondem oft auch bei kompakter Pneu¬ 
monie vor. Auch die Intensit&t der Dampfung ist nicht 
immer mit Sicherheit zur Differenzierung zu verwenden. 
Kleine Exsudate geben geringe, kompakte Pneumonien 
geben intensive Dampfung. Das Verhalten des Stimm- 
fremitus ist bei Kindern oft nicht zu prQfen, weil die 
Einderstimme nicht tief genug ist, um leicht tastbare Schwin- 
gungen zu bewirken. Das dQssige Pleuraexsndat enthalt 
immer Serumeiweiss, Fibrin und Leukozyten. Die Leuko¬ 
zyten sind entweder polynuklefire und dann gewdhnlich 
in grossen Mengen vorhanden, oder sie sind mononukleare 
und dann gewdhnlich in geringer Zahl vertreten. Erstere 
Exsudate sind daher gewdhnlich schon makroskopisch 
eitrig, letztere gewdhnlich makroskopisch serds. Erstere 
sind gewdhnlich vom Pneumokokkus, seltener von einem 
anderen pyogenen Mikroorganismns, letztere gewdhnlich 
vom Tuberkelbazillus hervorgerufen. In seltenen Fallen 
enthalten makroskopisch serdse Exsudate polynukleare 
Zellen, sind also mikroskopisch eitrig. Solche Exsudate 
kdnnen nach langerem Bestehen mehr polynukleare Zellen 
enthalten, mit anderen Worten sie werden makroskopisch 
eitrig. Aus dem serdsen Exsudat ist ein eitriges geworden. 
Das geschieht aber nur sehr selten. Die gewdhnlichen 
serdsen, d. h. tuberkuldsen Exsudate werden nie eitrig. 
Ueberhaupt ist das Thoraxempyem nie tuberkuldser Natur. 
Dagegen ist der Pyopneumothorax fast immer tuberku¬ 
ldsen Ursprungs. Dass die serdse P. gewdhnlich tuber¬ 
kuldsen Ursprungs ist, geht darans hervor, dass fast alle, 
auch die kleinen Kinder mit serdser P., positive Tuber- 
kulinreaktion zeigen. Bei den wenigen tuberkulinnega- 
tiven serdsen Exsudaten lassen sich dann gewdhnlich 


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Fleur it is. 


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fiberwiegend polynuklefire Zellen finden, womit der pyo- 
gene Krankheitscbarakter nacbgewiesen erscheint. Die diffe- 
rentialdiagnostische Entscheidung, ob eitriges oder serfises 
Exsudat, lftsst sich mit Sicherbeit nor durch Probepunktion 
entscheiden. Doch kann man in vielen Fallen die Diagnose 
auch schon vor der Probepunktion stellen. Die klinisch 
begrfindete Differentialdiagnose obne Probepunktion darf 
nicht auf feme Auskultations- und Perkussionsdifferenzen 
(Mfinzenperkussion) rekurrieren, denn diese sind wertlos; 
aber aucb das Verhalten des Fiebers, die Art des Krank- 
beitsbeginnes kann keine sicbere Aufkl&rung bringen. Denn 
sowohl das Empyem als aucb die serdse P. kfinnen hoch- 
remittierendes Fieber, anderseits nur subfebrile Tempera* 
turen zeigen. Beide Erkrankungen kfinnen plfitzlich ein- 
treten, aber auch sicb langsam entwickeln. Massgebend 
fur den Eliniker soli vor allem der Allgemeinzustand und 
dann die Anamnese sein. Beim Empyem findet man fast 
immer den pneumonischen Habitus, d. h. stfihnende, dys- 
pnoische Atmung. Diese findet man bei serfiser P. nur 
in den ersten Tagen, und nur dann, wenn die Erkrankung 
ziemlich pldtzlich eingesetzt hat. Da lftsst sich dann die 
Entscheidung oft nur durch die Probepunktion treffen. 
Beim Empyem findet man ferner in der Mehrzabl der 
Fftlle eine pneumonische Anamnese, d. h. man hfirt bei 
genauerem Befragen oft, dass vor mehreren Tagen, Wochen 
oder Monaten eine Krankheit bestanden hat, die man nach 
den auch dem Laien gelftufigen, daher anamnestisch eru- 
ierbaren Symptomen mit grosster Wahrscheinlichkeit als 
Pneumonie auffassen darf. Man erhftlt diese Anamnese 
so oft, weil eben das Empyem in den meisten Fallen ein 
metapneumonisches ist. Wie gesagt, gibt es immer noch 
genug Fftlle, wo die Differentialdiagnose nur mit Hilfe 
der Probepunktion gestellt werden kann. Letztere muss 
in jedem Fall, wo man Empyem nicht mit Sicherheit 
ausschliessen kann, gemacht werden, weil man durch eine 
eventuelle Operation heilen kann. Bei Kindern mit gutem 
subjektiven Befinden kann man erfahrungsgemfiss Empyem 
ausschliessen. Besonders leicht wird ein .chronisches Em¬ 
pyem fflr Tuberkulose gehalten: Die Kinder haben Husten, 
eventuell auch Nachtschweisse, remittierendes Fieber, 
Dftmpfung und Bronchialatmen fiber einer Seite, sie magern 
ab, und doch handelt es sich da oft nicht urn unheilbare 
Tuberkulose der rechten oder linken Lunge, sondern um 
ein unheilbares Thoraxempyem. Man denke fiberhaupt 
in alien Fftllen von Lungenerkrankungen, die diagnostisch 

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Pleuritis — Tuberkulose. 


nicht zweifellos klar sind, an ein (freies oder auch ab- 
gesacktes) Pleuraexsudat und mache zur Sicherheit Probe- 
punktion. Die Probepunktion 1st ein vdllig harmloser, 
leicht auszufGhrender Eingriff, der aber doch recht oft 
schlecht gemacht wird. Erste Bedingung ist, dass die 
Spritze tadellos funktioniert, d. h. dass sie Gberall luft- 
dicht schliesst und eine scharfe Spitze hat. Man steche 
die Nadel an der gewGnschten Stelle am oberen Rand 
der unteren Rippe ein. Man steche gleich ziemlich tief 
ein und warte nun, ob die Spritze bei der Atmung mit- 
geht oder nicht. Geht die Spritze mit, so ist das ein 
Beweis, dass die Nadel in der Lunge sitzt, und man darf 
dann den Stempel nicht zurGckziehen, sondern man zieht 
dann die ganze Spritze langsam soweit zurGck, bis sie bei 
tiefer Respiration unbeweglich bleibt. Erst dann ziehe 
man den Stempel, und zwar sehr langsam zurGck und sehe, 
ob in die Spritze FlGssigkeit eindringt. Bleibt die Nadel 
trotz tiefen Einstechens bei tiefer Respiration unbeweglich, 
so kommt das in den meisten F&llen daher, dass eben 
ein Exsudat vorhanden ist, das die Lungen von der Thorax- 
wand abdr&ngt; in seltenen F&llen kann aber auch die 
Spritze bei der Atmung deshalb unbeweglich bleiben, weil 
die Lunge mit der Thoraxwand durch Adh&sionen ver- 
wachsen ist. In den meisten F&llen, wo die Probepunktion 
keine FlGssigkeit zutage fdrdert, ist auch kein Exsudat 
' vorhanden. Es kommt aber, wenn auch selten vor, dass 

die FlGssigkeit so viel gallertiges Fibrin enth&lt, dass die 
Spritzendffnung dadurch verstopft wird. Mit dieser M6g- 
lichkeit muss man in F&llen, die klinisch ziemlich'sicher 
als Empyem erscheinen, rechnen und mdglichst dicke Ka- 
nGlen zur Punktion verwenden. Zum Schluss sei noch- 
mals darauf hingewiesen, dass man immer versuchen soli, 
die Diagnose auch ohne Probepunktion zu stellen, und 
dass man besonders mit Hilfe der angefGhrten Symptome 
in den meisten F&llen das auch kann.“ 

(Mlinch. med. Wochenschrift 1911 Nr. 24.) 

Tuberkulose. TTeber stomachale Anwendung von Tuber- 
knlinpr&paraten. Von Stabsarzt Dr. MGllers und Dr. W. 
Heinemann. (Aus dem Institut fGr Infektionskrankheiten 
und der Infektionsabteilung des Virchow-Krankenhause in 
Berlin.) Die Autoren fassen ihre Erfahrungen wie folgt 
zusammen: 

1. Es ist praktisch mOglich, das Tuberkulin in Kapseln 
zu reichen, die zwar der Verdauung des Magensaftes wider- 


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Tuberkulose. 


163 


stehen, aber unter der Wirkung des Darmsaftes zur Auf- 
lbsung gebracht werden. 

2. Unter dem Einfluss des Pepsins und des Trypsins 
wird die spezifiscb wirksame Substanz des Tuberkulins 
stark gesch&digt, diese Scb&digung l&sst sich experimentell 
nachweisen durch den Ausfail 

a) der Pirquetschen Reaktion, 

b) des Meerschweinchenversuclies, 

c) der Komplementbindungsmethode nach Bordet 
und Gengou. j£ 

3. Selbst hochgradig tuberkulinempfindliche Menscben 
haben bei stomachaler Verabreichung Dosen bis zu 1000 mg 
Alttuberkulin und 100 mg Bazillensubstanz in den meisten 
Fallen ohne jede Fieber- oder sonstige Allgemeinreaktion 
wie ohne Herdreaktion vertragen. 

4. Auch bei den mit hohen Tuberkulindosen sto¬ 
machal bebandelten Pat. lfisst sich eine Tuberkulinimmu- 
nitat nicht nachweisen, und zwar weder durch Auftreten 
von Antikftrpern im Blutserum, noch durch Verschwinden 
der Pirquetschen Reaktion, noch durch Herabsetzung 
der Reaktioqsf&bigkeit gegen subkutan gegebene kleine 
Tuberkulindosen. 

5. Fttr diagnostische Zwecke ist die innerliche Tuber- 
kulinbehandlung wegen ihrer unsicheren Wirkung voll- 
kommen ungeeignet. 

Therapeutisch schadet die stomachale Verabreichung 
von Tuberkulin zwar nicht, ist aber wegen der Abschwfi- 
chung der spezifischen Substanz durch die Verdauung, 
wegen der mangelhaften Resorption und der unsicheren 
Dosierung gleichfalls abzulehnen. 

Die stomachale Verabreichung von Tuberkulinprapa- 
raten ist daher weder zu diagnostischen noch zu thera- 
peutischen Zwecken geeignet, die bisher meist gebr&uch- 
liche subkutan e Behandlungsweise zu ersetzen. 

(Deutsche med. Wochenschr. 1911 Nr. 40.>. 


— Die snbkutane Anwendnng des 10°/ 0 igen, Kampfer&ls ist nach 
Hofrat Dr. Volland (Davos) das beste UnterstOtzungs- 
mittel bei Behandlung der Lungentuberkulose. Von alien 
Verfahren, die heutzutage als Hilfsmittel in der Phthisi- 
atrie gebrftuchlich sind, hat der Kampfer den Vorzug, 
(lass man mit ihm nie schadet, dass er auch in sehr grossen 
Dosen ohne irgendwelche unangenehme Erscheinungen 
vertragen wird, wie Autor sie bei schweren Lungenblu- 

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Tuberkulose — Vitia cordis. 


tungen mit grossem Erfolg gibt: 24—30 g Kampferol 
subkutan in 24 Stunden. Ob nun dessen auffallend blut- 
stillende Wirhung dem Kampfer oder schon dem Oei zu- 
zuscbreiben ist, die Frage bat Autor nicht gelftst. Immerhin 
wtlre es mdglich, dass die reicbliche subkutane Zufuhr 
von Oel allein ahnlich wirken kdnnte wie die Einspritzungen 
von Gelatina alba, die ja auch bei inneren Blutungen 
empfohlen werden. Nach diesen seinen Erfahrungen mit 
dem Kampfer behauptet Autor, dass die subkutanen Kampfer- 
dlinjektionen beim Menschen auch in grossen Dosen keiner- 
lei Giftwirkungen besitzen. 

. (Therap. Mouatshefte, Oktober 1911.) 


— Tierische T. tud menschliche Lungensch.windsn.cht. Von 

Prof. Dr. H. Kossel (Hygien. Institut Heidelberg). Es 
ergab sicb, dass bei 709 untersuchten SchwindsQchtigen 
wahrscheinlich dreimal, sicher aber zweimal Tuberkel- 
bazillen des Typus bovinus allein, einmal Tuberkelbazillen 
des Typus bovinus und des Typus humanus gemischt, 
und 705 mal Tuberkelbazillen des Typus bumanus allein 
nachgewiesen werden konnten. Diese Zahlen sprechen auf 
das deutlichste dafur, dass entsprechend den Anschauungen 
R. Kochs die Schwindsucht ihre weite Verbreitung der 
Uebertragung der Infektionskeime von Mensch zu Mensch 
verdankt. Gelftnge es wirklich, durch prophylaktische 
Massnahmen die Gefahr der Infektion aus tierischer Quelle 
vftllig zu verhilten, so w&rde die T. immer noch dieselbe 
verheerende Volkskrankheit bleiben. 

(Deutsche med. Wocheusohrift 1911 Nr. 43.) 


Vitia cordis* Betrachtungen liber die Digitalis und fiber 
™ das Digityl, ein neues Digitalispraparat. Von Dr. E. 

Kantorowicz (Berlin). Autor hat es unternommen, ein 
Digitalispraparat herzustellen, das, nach dem Prinzip der 
w§sserigen Infusion bereitet, deren VorzQge darbietet, da- 
neben aber noch den Forderungen genQgt, die heute die 
wissenschaftliche Kritik an ein derartiges Prfiparat zu 
stellen berechtigt ist, namlich die der einheitlichen Zu- 
sammensetzung, der gleichmassigen Wirkung und der 
Haltbarkeit. Der Weg, der als der hierfQr geeignetste 
eingeschlagen wurde, war der der Extraktion der Droge 
mittels hochgespannten Wasserdampfes und unter BeifQgung 
derartiger Zusatze, die eine rationelle Erschliessiing samt- 
licher Bestandteile befdrderten. In der Tat wird durch 


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Vitia cordis. 


165 


dieses Verfahren eine derartige Eonzentration und Ein- 
engung dem gewdbnlichen Infus gegenfiber erreicht, dass 
der Wirkungswert eines Digitalisinfuses von beispielsweise 
1:100 auf den Inbalt eines 10 g-Tropfflfischchens zu- 
sammengetragen 1st und die Verabreichung des Prftparates 
nur in Tropfenform zu erfolgen hat. Wie vollkommen 
die ErschOpfung der Droge bei dieser Dampffiberdruck- 
methode ist, davon haben die angestellten Eontrollversuche 
fiberzeugt: Weder gelang es, an dem extrahierten Blfitter- 
gut noch irgendeine cbemische Reaktion eines Digitalis- 
kbrpers nachzuweisen, noch hatten die an Hunde in be- 
liebigen Mengen verffitterten Trester je eine Erscheinung 
zur Folge. Die Hauptursache der Nebenwirkungen der 
Digitalis bilden wohl dieselben Stoffe, die auch ihre Haupt- 
wirkungen bedingen, n&mlich die in den Bl&ttern enthal- 
tenen Glukoside, das Digitoxin und das Digitalein. Alle 
Glukoside, ebenso wie die Alkaloide, weisen neben ihrer 
spezifischen Wirkung noch eine Reizwirkung auf den 
Magen auf, sei es direkt, sei es auf dem Umwege fiber 
den Vagus. Wir kfinnen diese, namentlich bei grdsseren 
Gaben auftretende Reizwirkung nicht ganz ausscha'ten, 
wollen wir nicht auf die Eigenwirkung der Stoffe tiber- 
baupt verzichten, wir kfinnen sie aber zu einem grossen 
Teile paralysieren, indem wir entgegenwirkende, sedative 
oder anregende pharmakodynamische Prinzipien in geeig- 
neter Weise mit jenen verbinden. Das ist die Methode, 
die auch Autor bei der Herstellung seines Pr&parates be- 
folgt hat und, wie er glaubte, mit gutem Erfolge. Autor 
hat einige zuverl&ssige derartige Stoffe, wie Baldrian, 
Pfefferminz u. a., zu dem medikamentfisen Auszug mit 
hinzugenommen. Der Gesamtkomposition wurde der Name 
„Digityl“ beigelegt. Wie schon erwfthnt, wird das Digi- 
tyl in Tropfenform verabfolgt, und zwar pflegt Autor ge- 
wfihnlich 20 Tropfen zweistfindlich zu geben. Ist Voll- 
wirkung eingetreten, was durcbschnittlich bereits nach 48 
Stunden der Fall zu sein pflegt, so lfisst er noch einen 
Tag lang die H&lfte der ursprfinglichen Dosis, also zebn 
Tropfen, fortnehmen, natfirlich nnter steter Beobachtung 
von Pulszabl und -rhythmus. Wenn schlechte Resorptions- 
verhaltnisse vorliegen, wie bei starken Oedemen und Stau- 
ungskatarrh, so zdgert Autor nicht, die Anfangsdosis auf 
25 Tropfen hinaufzusetzen und von dieser erst am zweiten 
oder dritten Tage auf 20 oder 15 Tropfen, je nach dem 
Stande der Zirkulations- und der Digestionsverh&ltnisse, 
herabzugehen, trftgt auch kein Bedenken, das Medikament 


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Vitia cordis. 


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in einem Teeliiffel Sherry nehmen zu lassen, wenn nicht 
gewichtige Grfinde oder eine unbesiegbare Alkoholfnrcht 
des Fat. gegen jede, selbst interimistische Alkoholzufuhr 
sprechen. Andererseits wird man in ieichteren Fallen so- 
wie fflr die fortlaufende oder protrahierte (falschlich so- 
genannte „chronische“) Digitaliskur mit Tagesmengen von 
60 Tropfen und weniger auskommen. Es 1st selbstver- 
standlich, dass alle diese Angaben nur ungefahre sind und 
je nach der Lage des einzelnen Falles modifiziert werden 
miissen, wie ja denn ein Kranker, der unter Digitalis- 
medikation steht, der st&ndigen firztlichen Beobachtung 
nicht wird entraten konnen. Autor glaubt daher nunmehr, 
nachdem seine persOnlichen Erfahrungen abgeschlossen 
sind, das Mittel den Kollegen als ein zuverlassiges Digi- 
talispraparat unterbreiten zu kdnnen, und hat eine che- 
mische Fabrik mit der Herstellung desselben im grossen 
und dem Vertriebe an die Apotheken betraut. 

(Berliner klin. Wochenachrift 1911 Nr. 40,) 


TTeber Digipnratam solnbile „Knoll“. Von Dr. C. Rose 
(Medizin. Klinik Strassburg). Ein Praparat, das wegen 
der Konstanz seiner Zusammensetzung und seiner Wirk- 
samkeit viele An hanger gefunden hat, ist das Digipurat. 
Es existierte bisher nur in fester Form. In dieser war 
es wohl fftr die gewbhnliche Darreichung per os geeignet, 
konnte aber nicht in den Fallen angewandt werden, wo 
dieser Weg nicht angangig war. Durch Beseitigung stbrender 
Bestandteile sind, wie aus dem allgemeinen Urteil der 
Autoren hervorgeht und was auch Autor bestatigen kann, 
die gastro-intestinalen Nebenerscheinungen viel weniger 
haufig, als dies bei Verwendung der Digitalis in Pulvern 
oder auch in Infusen der Fall war. Immerhin gehen 
diese Nebenerscheinungen auch diesem Praparate nicht 
vbllig ab. Abgesehen von diesen Nebenerscheinungen gibt 
es noch Falle, in denen man das Digitalis mit Uragehung 
des Magen-Darmtraktus dem Pat. zuffihren will, sei es, um 
eine Reizung desselben von vornherein zu vermeiden, sei 
es, um eine mfiglichst schnelle Wirkung zu erzielen. 
Durch Einffihrung eines Digipuratum solubile, das in Am- 
pullen von 1 ccm = 0,1 Digipurat zurVerfGgung gestellt 
wurde, ist diesem Bedarf abgeholfen worden. Autor hat 
in einer grossen Anzahl von Fallen dasselbe benutzt. 
Bei subkutaner Zufuhr ist es nicht schmerzfrei. Diese 
reizende Wirkung scheint aber alien Digitalispraparaten 


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Vitia cordis. 


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zuzukommen. Von dieser Darreichung hat man daher 
vfillig Abstand genommen. In Fallen, wo eine intravendee 
Zufubr nicht mfiglich war (bei schwer aufzufindenden Venen 
dicker Fraaen und Kinder), hat Autor das Prftparat intra- 
muskul&r injiziert. Er wfthlte hierbei den oberen und 
ftusseren Teil der Glutaalgegend, die auch sonst zu intra- 
muskularen Injektionen am haufigsten benutzt wird. 
Schmerzen wurden dabei nie verspflrt. Auch waren nie 
irgendwelcbe Reizerscheinungen vorbanden. Es konnte so 
ebenfalls eine sichere Digitaliswirkung erzielt werden. In den 
meisten Fallen wurde aber das Praparat intravenOs injiziert. 
Autor hat eine ganze Reihe von Herzinsuffizienzen ver- 
schiedener Herkunft auf diese Weise behandelt, um fiber 
den Wert dieses Mittels Aufschluss zu bekommen. Die 
Dose, die er verwandte, war 1 ccm = 0,1 Digipurat, ent- 
weder einmal oder zweimal pro Tag, zuweilen auch drei- 
mal 0,1 in den ersten Tagen. Die Erfolge entsprachen 
denen, die man auch mit anderen Arten dieser Prfiparate 
bei dieser Art der Darreichung gesehen hat. Sie sind 
nicht so eklatant wie die nach Strophantininjektion auf- 
tretenden. Es 1st eben die injizierte Menge in ihrer Wirk- 
samkeitviel geringer als die von 1 mg Strophantin (1 ccm 
Digipuratum entspricht 8 Froscheinheiten, 1 mg Strophantin 
15 Froscheinheiten). Daffir entbehren sie auch der Ge- 
fahren, die eine Strophantininjektion zuweilen haben kann 
und die eine allgemeine Anwendung derselben nur bei 
grfisserer Erfahrung und grosser Vorsicht ratsam machen. 
Hingegen sind die Erfolge bei intravendser Injektion 
mindestens alien mit Digalen erzielten gleichzusetzen. 
Autor hat so schfine Digitaliswirkung in kurzer Zeit mit 
alien ihren Symptomen — Verlangsamung des Pulses, 
Regelm&ssigwerden desselben, Anstieg der Diurese, Ab- 
nahme der Dyspnoe und der Zyanose — erreichen kfinnen. 
Dass bei allzulange fortgesetzten Injektionen grfisserer 
Dosen sich Intoxikationserscheinungen geltend machen, 
braucht wohl nicht hervorgehoben zu werden. Es handelt 
sich da um eine Kumulationswirkung, die alien Digitalis* 
kfirpem eigen ist. Offenbar ist diese mit den spezifischen 
Eigenschaften der Digitalis eng verknfipft. Ob es Digitalis- 
kfirper geben wird, die diese nicht besitzen, dfirfte sehr 
bezweifelt werden; bis jetzt gibt es solche jedenfalls nicht. 
In dieser Hinsicht ist demnach das Digipurat den anderen 
Digitaliskfirpern gleichzusetzen. Aehnliches gilt ffir die 
geringen Reizzustfinde, die bei Misslingen einer inttavenfisen 
Injektion oder dem Danebenkommen eines Tropfens in das 


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168 


Vitia cordis — Vermischtes. 


umgebende Gewebe beim Einstechen in die Vene auf- 
treten. Diese sind aber lange nicht so erheblich wie solche 
bei verfehlten Strophantininjektionen und auch geringer 
wie bei Digaleninjektionen. 

(Berliner klin. Wochenschrift 1911 Nr. 45.) 


Vermischtes. 


Ein Suspensoriom mammae empfiehlt Dr. K. Gerson (Schlachten- 
see). Nach Entfettung der Brust- und Rfickenhaut mit 
Benzin wird ein 5—6 cm breites und 12 cm langes Heft- 
pflasterstfick a etwas oberhalb der unteren Insertionslinie 
der zu suspendierenden Mamma und ihr parallel laufend 
angeklebt. Auf das innere Ende dieses querlaufenden 
Heftpflasterstfickes a klebt man nun das Ende eines etwa 
5 cm breiten und 50 cm langen l&ngslaufenden Streifens b, 
der, die Brustwarze freilassend, bei starker Hebung der 
Brust nach oben und etwas nach aussen fiber die Schulter 
laufend, bis zur Mitte der Skapula reicht. Ein ebenso 
langer und breiter Pflasterstreifen c wird auf das kussere 
Ende des Sreifens a geklebt und verl&uft bei starker Hebung 
der Brust nach oben und etwas nach aussen fiber der 
Schulter bis zur Mitte der Skapula. Die beiden langs- 
laufenden Streifen b und c kreuzen sich also auf der Hfihe 
der Schulter. Sie kfinnen den Querstreifen a nach unten 
hin etwas fiberragen. Vor Anlegung der Pflasterstreifen 
muss die Haut mit Benzin gut entfettet sein; man wartet 
mit dem Aufkleben, bis das Benzin ganz verdunstet ist. 
Dadurch wird die Elebkraft des Heftpflasters erhfiht und 
gleichzeitig eine Hautreizung durch Stauung des Inhalts 
der Talg- und Schweissdrfisen verzfigert. Trotz dieser 
Vorsichtsmassregel kfinnen aber manche Pat. Hefipflaster 
auf der Haut nicht vertragen. Bei diesen macht eine 
Dermatitis — Jucken, Brennen, Rfitung und Schwellung 
der Haut — die Abnahme des Verbandes oft schon nach 
einem Tage — zumal im Sommer — erforderlich. Das 
Heftpflastersuspensorium mussdann durch ein Suspensorium 
mit Cambricbinden ersetzt werden, das freilich in der Wir- 
kung ersterem nachsteht, weil es die Mamma nicht so 
hoch suspendiert und auch starker erhitzt. Bei nur m&ssiger 
Reizbarkeit der Haut gegen Heftpflaster kann man sich 


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Vermischtes. 


169 


dadurch helfen, dass man die Berfihrungsfl&chen zwischen 
Haut und Heftpflaster mfiglichst klein gestaltet. Zu diesem 
betupft man die L&ngsstreifen mit Waite oder legt einen 
Mullstreifen unter, jedoch mit Ausnahme der Heftpflaster- 
enden oben und unten, die als Angriffsfl&chen der Trag- 
kraft, in Handbreite unmittelbar an der Haut haften mfissen. 
Ausserdem mQssen zur YerbQtung des Yerrutschens der 
Mamma auch die fiber ihr laufenden L&ngsstreifen zum Teil 
von dem Mullstreifen frei bleiben. Natfirlich muss auch 
der Querstreifen a , der ja die Angriffsfl&che ffir die L&ngs¬ 
streifen abgibt, unmittelbar auf die Haut geklebt werden. 
Es ist darauf zu achten, dass der Querstreifen nicht auf 
die untere Insertionslinie der Mamma geklebt wird, weil 
hier infolge steter Berfibrung der Hautfl&chen der herab- 
h&ngenden Mamma und des Thorax die Haut schon a priori 
empfindlich ist, sondern etwas oberhalb der Insertionslinie. 
Welches Heftpflaster man w&hlt, ist einerlei: Hauptsache 
ist, dass es gut klebt und die Haut nicht reizt. Autor 
w&hlt gewfihnlich das Beiersdorfsche Leukoplast auf rosa 
Cretonne, das luftdurchl&ssige Beiersdorfsche Parallelo- 
plast oder das Bonnaplast; bie beiden letzteren Pr&parate 
lassen der Hautausdfinstung etwas Spielraum, wodurch 
einer Dermatitis eher vorgebeugt wird. 

(Die Therapie der Gegenwart, Oktober 1911.) 

— Ueber Hochfrequenzstrfime und ihre Indikationen. Yon 

Dr. M. Kahane (Wien). Autor fasst den Inhalt seiner 
Arbeit wie folgt zusammen: 

1. Die hochgespannten Wechselstrfime (Teslastrfime, 
Hochfrequenzstrfime), welche durch geringe Intensit&t bei 
enorm hoher Spannung und enorm raschem Phasenwechsel 
charakterisiert sind, finden in der Therapie in verschie- 
denen Formen, und zwar als lokale d’Arsonvalisation, 
Fulguration, Thermopenetration sowie als allgemeine d’Ar- 
sonvalisation Anwendung. 

2. Die hier mitgeteilten Erfahrungen beziehen sich 
auf die lokale (unipolare) und die allgemeine d’Arson- 
valisation. 

3. Die Wirkung der Hochfrequenzstrfime ist mate- 
rieller Natur; die Entladungen der hochgespannten Elek- 
trizit&t, die bei der lokalen, die elektrischen Wellen, welche 
bei der allgemeinen d’Arsonvalisation zur Geltung kommen, 
besitzen nachweisbare Wirkungen auf den Organismus. 

4. Ffir die materielle Natur der Wirkung sprechen 
nicht nur die experimentellen Ergebnisse, sondern auch 


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170 


Verini6chte8. 


die Erfahrungeti bei der praktischen Anwendung in der 
Medizin, welche zeigen, dass die Wirksamkeit an beetimmte 
Bedingungen geknQpft ist. 

5. Die suggestive Wirkung, die bei Unkenntnis der 
realen Wirksamkeit dieser Formen der elektrischen Energie 
noch als Hauptfaktor in der tberapeutischen Wirksamkeit 
der Hochfrequenzstrdme gilt, lfisst, wie die reale Erfahrung 
lehrt, dort am meisten im Stich, wo sie am ehesten er- 
wartet wird, und es ist die Bedentung des psychischen 
Faktors nicht grosser, als bei irgendeiner anderen Be- 
handlungsmethode. 

6. Die Wirkung der Hochfrequenzstrdme lfisst sich 
dabin zusammenfassen, dass a) die lokale Applikation 
schmerzlindernd, juckreizmildernd, geffissverengend, sekre- 
tionsbeschrfinkend und trophisch, b) die allgemeine Appli¬ 
kation in Form der elektrischen Wellen beruhigend, schlaf- 
befdrdernd und auf den Blutdruck regulierend wirkt. 

7. Diese Wirkungsqualitftten bilden die allein ver- 
l&ssliche Grundlage der Indikationsstellung, wobei nach- 
drOcklich bemerkt werden muss, dass wie bei jedem Heil- 
mittel die Wirkung nicht in jedem Fall mit der gleichen 
Deutlichkeit und Raschheit eintritt, dass auch ein voll- 
st&ndiges Versagen vorkommt, — doch kOnnen zur Cha- 
rakterisierung der Wirkung nur die Erfolge verwendet 
werden. 

8. Die HochfrequenzstrOme richten ihre Wirkung nicht 
gegen Krankheitsursachen, sondern gegen Krankheits- 
erscheinungen, und zwar gegen jene. Krankheitserschei- 
nungen, welche durch die Qualitfit der Wirkung beeinflusst 
werden kOnnen. 

9. Die haupts&chlichsten Indikationsgebiete fOr die 
Anwendung der allgemeinen und lokalen d’Arsonvalisation 
sind Erkrankungen des Nervensystems, vor allem Neur- 
algien, Neuritiden, von den sogenannten Neurosen: Neur¬ 
asthenic, Labyrinthschwindel, Sekretions- und Trophoneuro- 
sen, — Erkrankungen des Zirkulationsapparates, — Gefftss- 
erkrankungen mit abnorm erhOhtem Blutdruck, Angina 
pectoris und Herzneurosen, Stauungen im Gefolge passiver 
Hyper&mie, Erkrankungen der Haut — nftssende und 
juckende Ekzeme, Substanzverluste, mit Geffissl&hmung 
einhergehende Dermatosen, Akne vulgaris und Akne rosa¬ 
cea. Auch akuter und chronischer Muskelrheumatismus, 
Arthralgien sowie Struma fallen in das Indikationsgebiet. 

10. Der Applikation der HochfrequenzstrOme muss 
eine sorgfftltige Untersuchung vorausgehen, um festzu- 


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Vermis elites. 


171 


stellen, ob in dem gegebenen FaHe Qberhaupt die Bedin- 
gungen ffir die Wirkung der Hochfrequenzstrdme ge- 
geben sind. 

11. Die Applikationsweise hinsichtlich der Entschei- 
dung, ob lokale oder allgemeine d’Arsonvalisation, Dauer 
und Zahl der Sitzungen, Intervalle, Kombination mit an- 
deren Heilverfabren, riebtet sich nach der Wesenheit des 
zu behandelnden Falles. 

12. Sch&dliche bzw. gef&hrliche Nebenwirkungen 
kommen den Hochfrequenzstr6men nicht zu. Von grbsster 
Tragweite sind hier die Versuche, welche lehren, dass der 
menschliche Organismus geradezu enorme Ladungen mit 
dieser elektrischen Energieform schadlos vertragt. 

13. Von der Behandlung mit HochfrequenzstrOmen 
sollen jene F&lle ausgescblossen werden, welche der Natur 
der Erkrankung nach keinerlei Erfolg erwarten lassen; 
ausgesprochene Kontraindikationen lassen sich, von der 
Hysterie abgesehen, nicht aufstellen. 

14. Die Hochfrequenzstrdme stellen bei richtiger In- 
dikationsstellung und Anwendungsweise einen sehr wert- 
vollen Heilbehelf dar, dessen weitere klinische Erprobung 
dringend geboten erscheint; im Gebiete der Elektrotherapie 
dCirfen die Hochfrequenzstrdme nach ihren festgestellten 
Wirkungsqualitfiten und den erzielbaren Heilerfolgen den 
ersten Rang wohl mit Recht beanspruchen. 

(Zeitschrift f. physikal. u. di&tet. Therapie Septbr. u. Oktbr. 1911.) 

— TTeber Jodfieber. Von Dr. Solmsen (Danzig). „Ich wurde am 
4. April 1910 wegen Verwachsungen und Abknickung des 
Wnrmfortsatzes appendicektomiert. Die Heilung erfolgte 
ohne sonstige Storungen; nur stellte sich am Tage nach 
der Operation eine Temperaturerhdhung ein, die fast ohne 
Unterbrechung bis zum 2. Mai, also 28 Tage dauerte. 
Dieselbe war um so unerklftrlicher, als vor der Operation 
keinerlei Fieber bestanden hatte und auch nach derselben 
keine Ursache dafiir, wie etwa Stuhlverstopfung, Darm- 
katarrh oder ahnliches aufzufinden war. Nach einigen 
Tagen machte nun das rein zuf&llig entdeckte gleissend- 
rote Aussehen der Narbe und ein gewisses W&rmegefahl 
in ihr es deutlich, dass hier die Ursache der Temperatur- 
steigerung zu suchen wftre. Eine nunmehr vermutete 
Fadeneiterung blieb aber aus. Ebensowenig traten Exsudat- 
bildung, Schmerzen usw. innerhalb des Operationsgebiets 
auf. Das haupts&chlichste und konstante Symptom blieb 
das Fieber, bis auch dieses endlich nach der erw&hnten 


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172 


VermischteB. 


Frist ftlr immer verschwand. Das Fieber hatte einen" 
remittierenden Typus. Die Temperatur schwankte abends 
zwischen 37,6° und 38,2° in der Achselhdhle, war also nur 
mftssig, aber doch deutlieh erhdht. Nur einmal stieg sie 
auf 39°. Subjektiv machte sich der Temperaturanstieg all- 
abendlich deutlieh genug durch HitzegefGhl mit nachfol- 
gendem nftchtlichen Schweiss bemerkbar. Dagegen feblten 
Abgeschlagenheit, Kopfschmerz und Gliederziehen, die ge- 
wdbnlichen Begleiterscheinungen des infektiOsen Fiebers. 
Anderseits aber lagen der Appetit und die Stimmung sehr 
darnieder, und die Rekonvaleszenz wurde erheblich verzOgert. 
Und nun die Erklftrung hiefOr! Nach mannigfachen andern 
Yermutungen, die aber sftmtlich durch den weiteren Ver- 
lauf widerlegt wurden, taucbte der Gedanke auf, dass das 
in den versenkten Katgutfftden entbaltene Jod ffir das 
Fieber verantwortlich zu machen sei, und diese Vermutung 
konnte scbliesslich in der Tat per exclusionem zur Gewissheit 
erhoben werden. Denn alle andern lokalen und allge- 
meinen Erkrankungen konnten ausgeschlossen werden. 
Es blieben zur Erklftrung des Fiebers einzig die schmerz- 
lose Rbte und Wftrme im Narbengebiet fibrig — eine Art 
von aseptiscber (chemischer) EntzQndung, wie sie fOr das 
Jod auch sonst ja typisch ist. Die Untersuchung der 
Sekrete auf Jod wurde zwar leider unterlassen. Jedoch 
erscheint mir dies unerheblich, da die Resorption von Jod 
aus den damit imprftgnierten Katgutfftden doch wohl nicht 
bestritten werden kann. Das Fieber hOrte denn auch auf, 
als das sftmtliche irritierende Material resorbiert war. 
Jodfieber auf diesem Wege entstanden, ist meines Wissens 
bisher noch nicht in der Fachliteratur beschrieben worden. 
Im Gegenteil wurde in derselben die Reizlosigkeit des 
Jodkatguts betont, wenigstens soweit es sich um versenkte 
Ffiden handelte. Auch sollte angeblich das Jod schon nach 
sehr kurzer Zeit gftnzlich aus den F&den ausgelaugt sein. 
Doch scheint es fiber letzteren Punkt noch an zuver- 
l&ssigen Beobachtungen zu fehlen. Aber selbst die durch- 
schnittlicheRicbtigkeit dieser Angaben zugegeben, so spricht 
sie doch nicht gegen meine Erklftrung des vorliegenden 
Falles. Wie bei tausendfftltiger interner Jodmedikation 
das Jodfieber ja stets nur eine Ausnahmewirkung darstellt, 
so kann es sich auch in meinem Fall um eine ausnahms- 
weise pyrogene — und vielleicht auch protrahierte — 
Resorptionswirkung gehandelt haben. Da aber die Jod- 
katgutverwendung in der Chirurgie und Gynftkologie eine 
ausserordentlich verbreitete ist, so dOrfte auch die ge- 


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Vermischtes. 


173 


schilderte Fieberwirkung vielleicht nicht gar so selten sein, 
und es wQrde mich freuen, wenn meine Verdffentlichung 
bei manchen bisher unklaren postoperative!! Fieberfallen 
etwas zur Aufklarung bfeitragen kbnnte.“ 

(Medizin. Klinik 1911 Nr. 37.) 

— Ueber die Verwendung des Eampfers in der Gyn&kologie. 

Von Dr. Roger Frhr. v. Budberg (Charbin). Seit 
Jahren verwendet Autor in seiner gynakologischen Praxis 
den Kampfer in alien Fallen von Parametritis, Perimetritis, 
Salpingitis und anderen Entzflndungsprozessen des kleinen 
Beckens mit gutem Erfolge, wo sonst ttbliche Ichthyol- 
tampons keine sichtbaren Resultate zeitigten. Als Vehikel 
braucbt er das stark wasseranziehende, also resorbierende 
Glyzerin. Es kommen eigentlich keine Falle vor, wo die 
Pat. nicht schon sehr bald ein Nachlassen der Schmerzen 
angeben. Bei Pelveoperizellulitis scheint die Reifung der 
Abszesse und Konzentrierung in eine H&hle durch Kampfer- 
glyzerin bedeutend beschleunigt zu werden. Es scheint 
auf den grbsseren Prozentgehalt an Kampfer nicht viel 
anzukommen, eine 2°/oige Lbsung in Glyzerin dfirfte ge- 
nflgen. Dieser LSsung fOgt Autor gern 10% Acid, boric, 
und bei gonorrhoischen Prozessen auch noch Alumnol 
2%ig hinzu. Die mit dieser LOsung imbibierten Watte- 
tampons werden ununterbrochen Tag und Nacht in der 
Scheide gehalten, je nach Umstanden zwei- bis dreimal in 
24 Stunden gewechselt. Natfirlich dOrfen Regelung der 
Verdauung, eventuelle Diat, Behandlung einer Urethritis 
und andere Massnahmen, die man bei Anwendung anderer 
Affektionen verordnet, nicht vernachlassigt werden. 

(Zentralblatt fiir Gyn&kologie 1911 Nr. 37.) 

— Ein Fall von mehr als 10 Jahre danernder Em&hrnng 

einer Geisteskranken mittels der Schlnndsonde. Von 

Dr. Tomaschny (Provinz.-Heilanstalt Treptow a. Rega). 
Zur Fattening verwandt wurden die verschiedenartigen 
Suppen, welche der tagliche Speisezeltel bot, daneben 
Milch mit wechselndem Zusatz von Ei, Leguminose, Zucker, 
Olivenbl, Lebertran, NahrprBparaten wie Tropon und 
dergleichen. VorObergehend wurden zur Anregung auch 
Rotwein oder Zitronensaure gereicht. Auf diese Weise 
war es mdglich, in die Nahrung eine ziemlich reiche Ab- 
wechslung zu bringen. Das Kbrpergewicht verhielt sich 
im Laufe der Zeit wie folgt: Bei der Aufnahme wog Pat. 
50,5 kg. Dieses Gewicht hielt sich wahrend des ersten 


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174 


Vermischtes. 


halben Jahres* ann&hernd auf gleicher H5he, dann trat 
eine allm&hliche Steigerung ein. Ein Jahr nach der Auf- 
nahme betrug das Gewicht 55 kg und nach einem weiteren 
Jahre 59,5 kg. Hiermit war das hbchste hier beobachtete 
Gewicht erreicht, und seit dieser Zeit macht sich, ab- 
gesehen von geringen Schwankungen, die Tendenz zu 
stetem, langsaraem ZurQckgehen bemerkbar. Augenblick- 
lich ist das Gewicht 42 kg. Das niedrigste hier fest- 
gestellte Gewicht betrug vor zwei Jahren 40 kg. 

(Medizin. Klinik 1911 Nr. 42.) 

— Ein nener Respirator „Lnngenheil“, von der Firma Cloetta 

& Mhller in Stuttgart hergestellt (Preis 27 Mk.), besteht 
aus einem Sattel von Hohlgummi, der die Atmungsorgane 
nach Aufblasen dicht abschliesst, in Verbindung mit zwei 
separaten Ventilen f&r Ein- und Ausatmung. Bei den 
Ventilen werden staub- und keimbildende Filter (Schw&ram- 
chen, Watte usw.) in siebartigen Kapseln leicht auswechsel- 
bar vorgeschaltet. Vorziige des Apparates: 1. Da ein 
Ventil nur der Einatmung, das andere nur der Ausatmung 
dient (das eine Ofinet sich immer, w&hrend das andere 
sich schliesst), tritt keine Durchfeuchtung des Filters, 
keine Erschwerung der Atmung ein. 2. Mund und Nase 
werden dicht umschlossen, die Atmungsluft von schadlichen 
Beimengungen (Staub und Mikroorganismen) befreit. 3. Alle 
Teile sind leicht auseinanderzunehmen, zu reinigen und 
zu wechseln. 4. Das geringe Gewicht (120 g). — Der 
Apparat ist indiziert bei alien Arbeiten unter Staub- 
entwicklung und gesundheitsschadlichen DOnsten sowie 
bei Infektionskrankheiten der Atmungsorgane. FQr letztere 
ist das Instrument wichtig zur VerhOtung von Hustenreiz 
in staubbaltiger Luft und zur Einleitung einer Inhalations- 
therapie mittels geeigneter Ldsungen, mit denen die Filter- 
schw&mmchen getr&nkt werden. Ferner wegen der Ver- 
minderung der Infektionsgefahr fdr die Umgebung des 
Kranken, da mittels des Ausatmungsiilters die ausgeat- 
meten Keime abgefangen und zugleich in Desinfektions- 
mitteln unschadlich gemacht werden kdnnen. 

(Medizin. Klinik 1911 Nr 15.). 

— Gegen nlzerdse Scharlachstomatitis wird empfohlen: 

Rp. Thymol. 0,5 
Alkoh. absol. 

Hydrog. peroxyd. (3%) aa 20,0 
S. 3 —4 mal tftglich auf die wunden Stellen aufzutragen. 


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V ermischtes. 


175 


Zum Auftragen auf die Lippen ordiniere man: 

Rp. Zink. oxyd. 20,0—25,0 
Amyl. 20,0 
Acid, boric. 3,0 
Vaselin. ad 100,0 

(Rif. med. 1910 Nr. 40.) 

— Sondenem&hrnng und S&ttigungsgef&hl. Yon Prof. Albu 
in Berlin. Autor schreibt: „Die interessanten Mitteilungen 
von Neisser und Brftuning in Nr. 37 dieser Wochen- 
schrift liber ,Normale und vorzeitige Sftttigung 4 berichten 
u. a. liber den verspateten Eintritt des Sftttigungsgefahls 
bei Wasserzufuhr durch die Schlundsonde. Das veranlasst 
mich, auf eine ftltere Arbeit von mir (Therapeut. Monatsh., 
April 1898) hinzuweisen, in der ich als ,ein Mittel zur 
UnterstOtzung der Ernfthrung bei Magenkrankheiten 4 die 
Eingiessung von konzentrierten Nahrungsmitteln und Nfi.br- 
gemischen im unmittelbaren Anschluss an zu therapeu- 
tischen Zwecken vorgenommene MagenausspOlungen empfahl. 
Schon damals hob ich hervor, dass man auf diese 
Wei8e oft grOssere Nahrungsmengen Eranken beibringen 
kann, welche sonst das Essen zum grossen Teil verweigern 
oder die Nahrung nicht genligend verwerten, Seit jener 
Zeit habe ich diese Methode der ergftnzenden Sonden- 
ernahrung ungezfthlte Male ausgefahrt und immer wieder 
die Beobachtung gemacht, dass selbst nach Zufuhr von 
Va Liter Milch oder Sahne oder dergl. den Kranken das 
Sftttigungsgefahl meist vollkommen fehlte, so dass es oft 
m&glich ist, kurze Zeit danach per os. die gleiche Nahrungs- 
menge noch einmal zuzufahren — ein far die Ernfthrung 
heruntergekommener Kr anker wichtiger Faktor. Yornehm- 
lich bei Gastrektasie, ob auf gut- oder b5sartiger Grund- 
lage, habe ich von diesem Hilfsmittel der Ernfthrung 
Gebrauch gemacht und meist mit gutem Erfolge, aber 
vielfach auch bei solchen Kranken aberhaupt, welche aber 
das Gefahl der Ydlle selbst nach kleinsten Mahlzeiten 
klagen, so dass sie schon nach den ersten Bissen zu essen 
aufhdren, so z. B. bei nervbser Dyspepsie. Die Methode 
lftsst sich konsequent nattirlich nur bei solchen Kranken 
durchfahren, welche die Scheu vor dem Magenschlauch 
aberwunden haben. Es lassen sich auf diesem Wege zum 
Nutzen der Kranken gerade solche Nahrungsmittel leicht 
zufahren, welche schnell das Gefahl der Sftttigung her- 
vorzurufen pflegen, wie Milch, Reis u. a., und deshalb 
von vielen Kranken von Anfang an oder nach kurzer Zeit 


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176 


Vermischtos — Biicherschau. 


zurlickgewiesen werden. Das S&ttigungsgefObl ist also 
durch die FaHung des Magens allein nicht bedingt, sondern 
dabei wirkt ein psychischer Reflex in hobem Masse mit, 
der nicht nur durch die Quantitfit, sondern stets zum Teil 
auch durch die Qualit&t der angebolenen Nahrung her- 
vorgerufen wird. M (Mttnch. med. Wochenrchrift 1911 Nr. 42.) 


Bucherschau. 


Far diejenigen j ungen Kollegen, die sich zum ersten Male einen 
Medizinalkalender anschaffen und nicht viel Geld dafOr 
anwenden wollen, sei auf zwei Kalendei® aufmerksam ge- 
macht, die altbew&hrt sind, trotz des billig^n Preises (2 M.) 
einen reicben Inhalt aufweisen und auch ein recht viel 
Raum bietendes Kalendarium besitzen: Lorenz’ Taschen- 
Kalender (Yerlag von S. Rosenbaum, Berlin) und der 
Medizinal-Ralender der Allgem. med. Zentralzcitung. Ersterer 
erscheint zum 25. Male, letzterer zum 19. Male. Wer 
von beiden den Yorzug verdient, lfisst sich schwer sagen; 
sie sind beide gut und empfehlenswert. 


Notiz. 

Die heutige Nummer unseres Blattes enthalt zwei Beilagen, 
und zwar von den Firmen: 

Goedecke & Co., Leipzig u. Berlin, N. 4, aber „Gelonida 
Aluminii subacetici 11 , 

Richard Keil Radium-Gesellschaft m. b. H., Dresden-A. 3, 

aber n Radium-Keil-IMedikation cc v 

auf die wir besonders hinweisen. 


Fiir den redaktionellen Teil verantwortlicb: 

Dr. E. Graetzer in Friedenau-Berlin. 


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Erscbeint am 

Anfaog eines jeden Monats. 


M 5 . 


Prels des Jahrgangs & Mtc. 
ezcl. Porto. 


Excerpta medica. 

Knrse monatllche Journal auszfige 

aus der gesamten Faohliteratur 

zum Gebrauch for den praktischen Arzt. 

Herausgegeben von Dr. tried. Eugen Graetxer in Frledenau-Berlln. 

Yerlag Ton Carl Sallmann 9 Leipzig. 


Fetmr. XXI. Mrws 1912 


Appendicitis. Zur Frage der tratunatischen A. Von Prof. 
Dr. Sprengel (Braunschweig). Verf. hat in der Litera- 
tur noch keinen einzigen beglaubigten Fall von trauma- 
tischer A. gefunden und nie einen solchen erlebt. Er 
hat — nicht bloss in der Frage der traumatiscben A., 
sondern ebenso in der der traumatischen Tuberkulose, 
traumatischen Osteomyelitis, traumatischen Hernien, „trau- 
matischen Tumoren* — den Eindruck, dass man das 
Trauma als fttiologisches Moment fftr sekundar ein- 
setzende Krankheitserscheinungen weitaus iibersch&tzt. 
Was wir wissen, ist lediglich die Tatsacbe, dass dem 
Organismus die ausgesprochene Tendenz innewohnt, auf 
Schadigungen traumatischer Art mit ganz bestimmten 
reparatorischen Vorgfingen zu antworten, durch welche 
in den nicht zum lokalen Tode fQhrenden Fallen die 
restitutio ad integrum (mit selbstverstandlichen Ein- 
schrankungen) erfolgt; und dass trotz der in der Mannig- 
faltigkeit absichtlicher Experimente alltaglich vorkommenden 
Traumen sekundare Krankheitserscheinungen lediglich als 
seltenste Ausnahmen beobachtet werden. Man kdnnte, 
wenn man sich eines klinischen Terminus bedienen will, 
beinahe sagen, die Traumen haben in letzterer Hinsicht 
eine fast absolut gGnstige Prognose. Statt aus diesen Tat- 
sachen zu schliessen, dass es sich in den sogenannten 
„traumatischen“ Fallen aller Wahrscheinlichkeit nach um 
zufallige Ereignisse handelt, mindestens aber in der Be- 
urteilung des Einzelfalls zu einem reservierten non liquet 
zu gelangen, mflht man sich auf Grund einer unsicheren 

13 


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178 


Appendicitis. 


Statistik mit alien moglichen theoretischen Spekulationen 
ab, aus denen nichts weiter hervorgeht, als dass sie in 
den weitesten Grenzen differieren, also wertlos sind. Mit 
der „traumatischen A.“ ist es nicht anders. Wir wissen, 
dass alien intraperitonealenOrganen gegentiberVerletzungen, 
wenn sie nicht zum lokalen Tode mit den selbstverst&nd- 
lichen deletftren Folgeerscheinungen ftihren, erstaunliche 
reparatorische Fahigkeiten innewohnen; wir wissen ferner, 
dass die experimentelle, also in gewissem Sinne traumatische 
Erzeugung der A. vor der Hand als ein unsicheres Kunst- 
stilck betrachfet werden darf (Heile), wir wissen endlich, 
dass der Wurmfortsatz auf das von der Natur selbst ein- 
geleitete Experiment der Einklemmung im Bruchsack nicht 
mit A. — so nahe diese Annahme lSge — reagiert. Was 
berechtigt uns demnach, aus der Tatsache, dass unter 
100 F&llen der A. angeblich etwa zweimal ein Trauma 
des Bauches, des Beckens oder des Korpers im allgemeinen 
voraufgeht, etwas anderes zu schliessen, als dass es sich 
um belanglosen Zufftlligkeiten handelt? Trotzdem geht 
Verf. nicht so weit, die Mbglichkeit einer traumatischen 
A. strikte zu leugnen. Aber das darf er sagen: Bewiesen 
ist sie bis heute nicht, und man darf verlangen, dass an 
Stelle unkontrollierbarer, auf rein zeitlichen Momenten 
oder mehr oder weniger scharfsinnigen Spekulationen auf- 
gebauter Krankengeschichten exakte, durch Autopsie in 
vivo gepriifte anatomische Unterlagen gescbaffen werden. 
Verf. wenigstens muss bis auf weiteres wissenschaftlich 
und gutachtlich an dieser Forderung festhalten und ist 
der Ansicht, dass wir lediglich auf dieser Basis zu einer 
Verstfindigung in der Frage der traumatischen A. ge- 

langen werden. (Deutsche med. Wochenschrift 1911 Nr. 50.) 

— Ueber die Bedentnng des indirekten Druckschmerzes bei A. 

Von Oberarzt Dr. E. S. Per man (Stockholm). Ein 
Symptom gibt es, das von grosser Bedeutung ist, und 
dessen Fingerzeig Verf. immer richtig gefunden hat, wenn 
es deutlich vorhanden gewesen ist, namlich die Muskel- 
spannung iiber der Blinddarm* und ihr angrenzenden 
Gegend des Bauches bei Berfihrung oder leichtem Druck, 
deren Bedeutung zuerst von Dieulafoy angegeben ist 
(defense musculaire). Ist dieses Symptom vorhanden, so 
kann man so gut wie sicher sein, dass die Verfinderungen 
in und um den Wurmfortsatz schon hochgradig sind — 
Gangr&n oder Perforation mit beginnender freier oder be- 
grenzter eitriger Peritonitis. Darauf hat Verf. auch immer 


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Appendicitis. 


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ein anderes Symptom hindeuten gefunden, nfimlich einen 
in der IleozSkalgegend lokalisierten Schmerz bei Druck 
auf die linke Seite des Bauches. — Verf. hat letzteres 
Symptom als von der grfissten Bedeutung fQr die Indika- 
tion zur Operation im Anfang der Krankheit angesehen. 
Verf. hat dieses Symptom nicht durch theoretische Speku- 
lation, sondern durch praktische Erfahrung kennen gelernt. 
Er pflegt nfimlich seit lange gewfihnlich — und besonders 
bei Kindern —, wenn er Pat. mit mehr oder weniger 
ausgebreiteter Peritonitis untersucht, die Palpation des 
Bauches an einer von dem vermuteten Krankheitsherde 
entfernten Stelle anzufangen, also bei appendicitischer Peri¬ 
tonitis im linken Teile des Bauches, weil man in dieser Weise 
die Orenzen der empfindlichen Stelle am sichersten be- 
stimmt. Bei dieser Untersuchungsweise fiel es bald auf, 
dass Pat. mit A. und Periappendicitis fiber Schmerzen 
an McBurneys Punkt klagten, wfihrend sie keine Schmerzen 
an der palpierten Stelle in dem linken Teile des Bauches 
empfanden. Verf. war immer der Ansicht, dass dieses 
Schmerzphfinomen von einem Druck, bzw. einer durch den 
Druck veranlassten Verschiebung mit Dehnung oder Er- 
schfitterung, hervorgerufen wurde, die auf geradem 
Wege von der palpierten zur entzfindeten Stelle fortgeleitet 
ist. Das Phfinomen tritt am sichersten hervor, wenn man 
den Druck in Form eines leichten Anschlages in der 
Richtung gegen die rechte Seite des Bauches ausfibt, 
wfihrend der Pat. ruhig atmet und die Bauchmuskeln 
nicht spannt. Verf- hat seine Erfahrung gelehrt, dass, 
wo dieses Symptom vorkommt, es sich in der Regel nicht 
nur um eine einfache katarrhalische A. handelt, sondern 
pathologische Verfinderungen von schwererer Art vorliegen, 
entweder eine beginnende phlegmonose Infiltration der 
Appendixwand oder Gangrfin mit drohender Perforation. 
Es ist deswegen ffir ihn die Regel geworden, dass, wenn 
dieses Symptom bei der ersten bzw. nach einigen Stunden 
wiederholten Untersuchung vorkommt, ohne Aufschub die 
Operation vorzunehmen ist. Daraus folgt aber nicht, dass 
ein Aufschub in alien den Ffillen gestattet worden ist, 
in denen das Symptom nicht hervorgerufen werden konnte, 
wie beispielsweise bei Peritonitis im unteren Baucbabschnitt, 
bei der der Pat. Schmerzempfindung und Muskelspannung 
sowohl rechts wie links zeigt. In anderen Ffillen wieder 
hat' man dieses Symptom nicht notig, die Indikationen 
sind doch deutlich genug, z. B. wenn die Muskelspannung 
bei leichte.n Druck fiber der Appendixgegend deutlich 

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Appendicitis. 


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hervortritt. Es gibt aber eine Menge Ffille, in denen die 
Krankheit mit Symptomen von A. begonnen hat, in welchen 
aber, wenn der Pat. wahrend der letzten HSlfte des ersten 
oder wahrend des zweiten Tages nacli dem Beginn der 
Krankheit zur Untersuchung kommt, die Empfindlichkeit 
(iber der Appendixgegend gering, und es schwer zu ent- 
scheiden ist, ob die Muskelspannung vermehrt ist oder nicht, 
in denen sich auch keine deutliche Resistenz, bisweilen 
nur eine undeutliche Fiille in der Appendixgegend oder 
etwas medial davon nachweisen lasst. Das Allgemein- 
befinden der Pat. ebenso wie der Puls und die Tempe- 
ratur konnen in solchen Fallen ganz unbedeutend beein- 
flusst sein, und doch kann der pathologische Prozess in 
dem Wurmfortsatz weit fortgeschritten sein, bisweilen so 
weit, dass die Wandung in ihrer ganzen Dicke gangranos 
ist und eine Perforation wahrend der nachsten Stunden 
bevorsteht. Gerade in solchen Fallen hat man in diesem 
Symptom, dem indirekten Druckschmerze in der Appen¬ 
dixgegend, eine gute Leitung fQr die Stellung der patho- 
logisch-anatomischen Diagnose und damit fttr die Indi- 
kation zur unmittelbaren Operation, da es in der Regel 
in diesen Fallen vorkommt, wahrend es geschehen kann, 
dass in denselben Fallen die Muskelspannung bei direktem 
Druck fiber der Appendixgegend gar nicht oder nur un- 
deutlich nachzuweisen ist. Dieses letztere Symptom hat 
also in jenem gewissermassen eine Erganzung. Bei Chole¬ 
cystitis hat Yerf. — wie zu erwarten war — das Phano- 
men auch gefunden, und zwar, wie bei A., in der Regel 
in solchen Fallen, in denen schwerere pathologische Ver- 
anderungen vorhanden waren. Einige Male hat Verf. 
es bei eitriger Salpingitis und Beckenperitonitis beobachtet, 
die mit der Diagnose A. eintrafen und in denen die Diffe- 
rentialdiagnose vor der Operation schwer zu stellen war. 
In einigen Fallen, in denen es schwer zu entscheiden 
war, ob die Schmerzen in dem rechten Teil des Bauches 
von einer A. oder nur von in der Bauchwand der Appen¬ 
dixgegend befindlichen sehr druckempfindlichen Entzdn- 
dungen verursacht waren, ist der indirekte Druckschmerz 
fur die Diagnose A. entscheidend gewesen, und ist diese 
Diagnose durch die Operation bestatigt worden. 

(Zentralblatt f. Chiiurgie 1911 Nr. 49.) 


G. Maier (Freiburg), Koprostase-A. M. berichtet: Am 9. De- 
zember 1910 wurde die ca. 15jahrige E. K. wegen heftiger 
Magen- und Leibschmerzen dem Krankenhause tlberwiesen. 


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Appendicitis. 


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Sie machte einen ausserst leidenden, schwerkranken Ein- 
druck, die GesiehtszOge waren blass, die Zunge stark 
grauweiss borkig belegt, die Pulsfrequenz bewegte sich in 
regelrechten Grenzwerten, eine Steigerung der Kbrper- 
wfirme war nicht nachweisbar. Der Urin enthielt Spuren 
von Eiweiss, keinen Zucker, etwas Indikan, Diazo war 
negativ, die Darmt&tigkeit war nach Angaben der Mutter 
der Kranken immer etwas trfige, besonders in den letzten 
Tagen vor der Krankenhausaufnahme. Die aussere Be- 
sichtigung ergab eine leichte Auftreibung der Unterbauch- 
gegend, eine erhebliche Spannung daselbst, besonders in 
der Blinddarmgegend (defense musculaire) und vor allem 
eine bochgradige Druckempfindlichkeit am McBurneyschen 
Punkte sowie im Bereiche des S-Romanum, woselbst reich- 
liche harte Scybala durch die Bauchhaut zu tasten waren. 
Eine Resistenz in der Blinddarmgegend liess sich nicht 
feststellen. Weiterhin fand sich bei dem zart gebauten, 
massig genahrten Madchen eine betrSchtliche Erweiterung 
des Magens. Eine vorgenommene Untersuchung der mo- 
torischen Verhaltnisse der Magenfunktion ergab eine er¬ 
hebliche Herabsetzung der Gesamtazidit&t und der freien 
HC1 sowie eine Verminderung der StSrkeverdauung. Dem- 
entsprechend liess auch die Nahrungsaufnahme zu wfinschen 
(lbrig. Nach Einleitung einer entsprechenden Therapie 
(Acid, hydrochloric.) und Diat besserte sich jedoch der 
Zustand ganz wesentlich. Aus dem Darm entleerten sich 
reichlich harte Kotmassen, und nach beinahe dreiwbchigem 
Aufenthalt hatte sich das Allgemeinbefinden der Kranken 
wieder so weit gehoben, dass man sie nach Hause ent- 
lassen konnte. Sie nahm reichlich Nahriing zu sich, assi- 
milierte dieselbe auch ziemlich gut und vollst&ndig, die 
Leibschmerzen waren vOllig geschwunden, die Darmtatig- 
keit war geregelt, das Aussehen wieder frisch geworden. 
Indes schon nach 14 Tagen, am 12. Januar 1911, kam 
die Kranke — die Mutter hatte den ihr gegebenen Rat, 
bei dem Kinde ftir regelmSssigen Stuhlgang zu sorgen, 
nicht befolgt — mit demselben Symptomenkomplex, wie 
oben kurz geschildert, wieder zur Aufnahme. Nach einigen 
Tagen der Beobachtung wurde im Hinblick auf die ganz 
erhebliche Druckempfindlichkeit in der Unterbauchgegend — 
sowohl links wie in der Ileozbkalgegend — beschlossen, 
den Wurmfortsatz wom6glich zu entfernen, in der Er- 
wagung, dass sehr wahrscheinlich durch die andauernde 
Koprostase eine Reizung des Appendix zustande gekommen 
sei. Unsere Vermutung wurde durch den operativen Ein- 


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Appendicitis — Arthritis urica. 


griff voll und ganz best&tigt. Der Wurmfortsatz war be- 
reits verdickt, und in seinem blinden Ende fand sich anch 
ein noch ziemlich frischer Kotstein von hellgelber Farbe. 
Es bestand also kein Zweifel, dass sich als Folge der 
Koprostase bereits eine A. entwickelt hatte, die bei lftn- 
gerem Fortbestande dem Kinde, das ohnehin an Darm- 
tragheit litt, hatte gefahrlich werden kfinnen. Der Eingriff 
selbst — eine richtige Intervalloperation — verlief sehr 
glatt, das Madchen erholte sich zusehends von Tag zu 

Tag. (Berliner klin. Wochenachrift 1911 Nr. 19.) 

Arthritis urica. Ueber die Diagnose der Gicht dnrch 
Atophan. Von G. Zuelzer. (Aus der inneren Abteilung 
des Krankenhauses Hasenheide-Berlin). Aus der Arbeit 
sei folgender Passus wiedergegeben: „Seit der kurzen Zeit 
seiner Einffihrung in die Therapie hat sich das Atophan 
nicht nur das Bfirgerrecht erworben, es nimmt bereits 
eine derart bevorzugte Stellung unter den Arzneimitteln 
ein, dass es zu denjenigen gerechnet"werden kann, die 
wir nicht mehr entbehren mfichten. Heller hat vor zirka 
einem halben Jahre iiber die ausserordentlich gfinstigen 
Erfahrungen berichtet, die wir mit dem Atophan bei Gicht 
und dem akuten Gelenkrheumatismus gemacht haben. 
Unsere seitherigen, sich auf weitere ca. 50 Falle stfitzenden 
Erfahrungen sind geeignet, die frfiheren durchaus zu be- 
statigen. Wenn bei unseren damaligen sieben Fallen von 
Gicht die Schmerzen und Gelenkschwellungen durch das 
Atophan stets prompt beseitigt wurden, so habe ich jetzt 
fiber 14 Falle von A. u. zu berichten, von denen zwei 
durch das Atophan in keiner Weise beeinflusst wurden. 
In beiden Fallen war Obrigens auch die Radiumkur ohne 
Erfolg angewendet worden, ja, bei dem einen der Pat. 
trat mitten wahrend der Radiumbehandlung und zirka 
zehn Tage nachher ein heftiger akuter Anfall auf. Warum 
das Atophan in diesen Fallen vollkommen versagte — 
der eine Fall war eine durchaus typische Gicht eines 
35'jahrigen Mannes —, entzieht sich zunachst der Beur- 
teilung. Letzteres um so mehr, als wir ja eigentlich fiber 
die Art der Heilwirkung des Atophans noch so gut wie 
gar nichts wissen. Das einzige, was feststeht, ist die 
schon von Nicolaier und Dohrn festgestellte Tatsache, 
dass die phenylierten Chinolin-Karbonsauren die Eigen- 
schaft haben, eine erhebliche Steigerung der Harnsaure- 
ausscheidung hervorzurufen, und dass, wie Weintraud 
zeigte, diese Eigenschaft auch bei dem Gichtiker wirksam 


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ist. Wir hatten schon darauf aufuaerksam gemacht, 
dass der Urin der Gichtiker wahrend der Atophanverab- 
reichung dauernd ein reichliches Sediment von fast reiner 
Harnsaure mit sp&rlichen Uraten aufweist, wahrend bei 
den Gelenkrheumatikern keine Harnsaure ausfiel. Wir 
haben daraufhin seither konsequent alle Kranken, denen 
Atopban verordnet wurde, beobachtet und festgestellt, dass 
bei alien Nichtgichtikern wahrend der Verabreichung von 
Atophan das Ausfallen nennenswerter Mengen von Harn- 
saure nach dem ersten, spatesten dem zweiten Tage auf- 
hbrt, wahrend bei den Gichtikern das Ausfallen der Harn¬ 
saure (und Urate) tagelang anhalt. Meist setzt sich eine 
mehrere Zentimeter hohe Schicht grau-weisslicher Harn¬ 
saure in wolkiger Form am Boden des Gefasses ab. Mit 
dem Zurttckgehen der gichtischen Erscheinungen und, wie 
ich gleich bemerken mochte, mit dem ZurQckgehen des 
Harnsauregehaltes des Blutes, unter dem Einfluss des Ato- 
phans, nimmt auch der Bodensatz gradatim ab. Nur in 
dem einen der beiden erwahnten, gegen Atopban refrak- 
taren Falle von Gicht habe ich das Fehlen jener typischen 
Erscheinung des Harnsaureausfalles im Ham gefunden. 
Ich glaube dennoch, dass wir ein ffir die praktischen Be- 
dtirfnisse genOgendes diagnostisches Hilfsmittel in dem 
Atophan und der Kontrolle des Harnsedimentes besitzen, 
um die gichtischen von den nichtgichtischen Gelenkerkran- 
kungen zu unterscheiden. Wenngleich die BlutuntersUchung 
auf Harnsaure, wie sie von His far die diagnostischen 
Zwecke empfohlen wurde, zweifellos die exaktere Methode 
ist, so ist sie doch bedeutend umstandlicher und kost- 

spieliger.“ (Berliner klin. Woehenachrift 1911 Nr. 47.) 

— Ueber Weseu and Behandlang der Gicht. Yon Prof. Dr. P. 

F. Richter (Berlin). Der Wichtigkeit des Gegenstandes 
wegen bringen wir von diesem „Klin. Vortrage M die wich- 
tigsten Abschnitte — soweit sie die Therapie betreffen — 
wortgetreu. „Inwieweit haben nun die unleugbaren Fort- 
schritte, die wir in der Renntnis der Physiologie und 
. Pathologie des Nukle'instoffwechsels gemacht haben, auch 
fSrdernd und umgestaltend auf die Therapie der Gicht 
eingewirkt? Zugute kommt einer zielbewussten Therapie 
sicherlich, dass wir in bezug auf die^ Rolle, die die Harn¬ 
saure bei der Pathogenese der Gicht spielt, weit besser 
orientiert sind als frhher. Der Widerspruch besteht jeden- 
falls nicht mehr, dass, wie frhher, engere Beziehungen 
zwischen Harnsaure und Gicht geleugnet, alle therapeu- 


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tischen Massnahraen aber trotzdem gegen die Harnsfiure 
gerichtet werden. Dazu kommt weiterhin, dass unsere 
besseren Kenntnisse von der Bildung und Ausscheidung 
der Purinsubstanzen uns auch einen richtigeren Massstab 
daftir gestatten, ob die angewendeten Mittel auch in Wirk- 
lichkeit den Organismus von seinem Harnsfiurefiberschuss 
befreien, oder ob dies nur scheinbar der Fall ist. Aber 
die Harn. c fiuretlberladung des Organismus ist, wie wir ge- 
sehen haben und wie immer wieder betont werden muss, 
wohl das bedeutungsvollste Symptom der Gicht, aber doch 
nicht ihre Ursache oder sicherlich nicht die einzige. Um 
den Wert therapeutischer Verfahren bei der Gicht richtig 
zu bemessen, darf daher nicht nur einseitig* ihre Wirkung 
auf die Harnsfiure berOcksichtigt werden. Das Wichtigate 
bleibt hier wie Qberall der Eintluss auf den klinischen 
Verlauf. Und hierbei kommt als ein Moment, das die 
Beurteilung aller sogenannten Heilverfahren erschwert, in 
Frage, dass, auch unbeeinflusst, das klinische Bild der 
Gicht ausserordentlich wechselvoll ist, dass die charakte- 
ristischste Erscheinung darin, der akute Gichtanfall, bei 
einem und demselben Individuum trotz aller mdglichen, 
difitetischen und soristigen Sttnden oft jahrelang ausbleibt, 
um dann ohne jegliche nachweisbare Ursache in kurzen 
Intervallen sich mehrfach zu wiederholen. Danach muss 
man von vornherein mit einem gewissen Skeptizismus alle 
diejenigen ,Heilerfolge‘ betrachten, die bei Gichtkranken 
nicht durch lange Beobachtung gesichert sind. Wenn 
irgendwo, ist das post hoc und propter hoc gerade bei 
Beurteilung der verschiedenen angepriesenen Gichtmittel 
auseinander zu halten. Die nach dem, was wir gesehen 
haben, unzweifelhaft rationellen BemOhungen, auf den 
Harnsfiurettberschuss des Gichtkranken einzuwirken, gipfeln 
zunfichst in dem Versuche, die Harnsfiurebildung einzu- 
schrfinken. Das scheint verhftltnismfissig einfach bei dem 
exogenen Faktor derselben, der in der Nahrung liegt. 
Die Empfehlung der purinfreien oder, richtiger gesagt, 
purinarmen Difit dient aber noch einem anderen Zwecke 
als der blossen Ausschaltung dieses Faktors. Die purin- 
arme Difit stellt, wie man meint, gleichzeitig eine Scho- 
nungsdifit dar, etwa im Sinne der Kohlehydratentziehung 
beim Diabetiker. Hier wie dort, so glaubt man, warden 
auf diese Weise die darniederliegenden resp. geschfidigten 
fermentatiyen Krfifte im Organismus geschont. Die lfin- 
gere Entlastung soil dann zu stfirkerer Anspannung resp. 
zur Wiedererlangung der gestOrten oder verlorenen Funktion 


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ftihren. FQr den Diabetes ist das durch die Verbesserung 
der Toleranz unter einem kohlehydratfreien Regime er- 
wiesen. FOr die Giclit ist es allerdings bis jetzt nur ein 
Aualogie8chluss, fiir dessen Richtigkeit der Beweis aus- 
steht. Die Zusammensetzung einer purinarmen Diat fllr 
die Praxis ist heute erleichtert, seit wir (Schmidt und 
Bessau, Hesse) genaue Analysen des Purinkftrpergehaltes 
der einzelnen in Betracht kommenden Nahrungsmittel be- 
sitzen. Die wichtigste praktische Konsequenz dieser mfihe- 
vollen Untersuchungeri ist die Tatsache, dass sich fleisch- 
freie und purinarme Diat durchaus nicht decken. Unter 
den Fleischsorten steht im Puringehalt obenan die Thy¬ 
mus. In weitem Abstande folgen dann Leber, Niere, Hirn. 
Immerhin enthalten sie noch bedeutend mehr Purinkbrper 
(fast das Doppelte) als Rindfleisch, Hammelfleisch, Kalb- 
fleisch , und Schweinefleisch. Etwas purinarmer als diese 
sind GeflQgel und Wild. Der Purinkbrpergehalt der Fische 
ist im Gegensatz zu der landlauflgen Annahme nicht we- 
sentlich geringer als der des Fleisches. Manche Fisch- 
arten, wie Lachs und Hecht, enthalten sogar betrachtliche 
Mengen. Unter den Vegetabilien sind eitizelne durch einen 
nicht zu unterschatzenden Puringehalt ausgezeichnet. Das 
sind die Holsenfrflchte (Linsen, Erbsen und Bohnen), dann 
Spinat, Kohlrabi und Pilze. Wer auf eine besonders 
purinarme Ernahrung Wert legt, muss auch sie aus der 
Liste der erlaubten Speisen streichen oder wenigstens ihren 
Genuss in uneingeschrankten Mengen untersagen. So gut 
wie purinfrei sind Milch, Eier, Kase, Brot. Von Ge- 
tranken ist der Wein purinfrei. Dagegen enthalt Bier 
nicht zu vernachlassigende Purinmengen (ein Liter Bier 
wGrde etwa 100 g Rindfleisch entsprechen). Auf die be- 
sonderen Beziehungen des Alkohols zum Purinstoffwechsel 
komme ich noch zurGck. *Bci streng purinfreier Diat 
waren auch Kaffee, Tee und Kakao zu vermeiden, da, 
wie wir heute wissen, die in ihnen enthaltenen Methyl- 
purine ebenfalls als Quelle der Harnsaurebildung dienen 
kGnnen. Wie stellt sich nun die praktische Erfahrung zu 
der DurchfOhrung einer von Purinbildnern mbglichst freien 
Diat. Wer Gelegenheit hat, Gichtkranke unter lang- 
dauernder Kontrolle zu haben, wird sich wohl kaum dem 
Eindrucke verschliessen konnen, dass der theoretisch aus- 
gezeichneten Begriindung die praktischen Erfolge nicht im 
vollen Umfange entsprechen. Und wenn von manchen 
Seiten immer wieder darauf hingewicsen wird, dass eine 
derartige Diat eben sehr lange fortgesetzt werden mGsse, 


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Arthritis urica. 


um wirksam zu sein, so darf man nicht vergessen, dass 
heruntergekommene Gichtkranke eine zu weit getriebene 
Beschr&nkung des Fleischgenusses, wie sie die strikte 
Durchffihrung der purinarmen Ernahrungsweise verlangt, 
nicht immer gut vertragen. Auderseits wird jeder be¬ 
ach aftigte Arzt Erfahrungen zu verzeichnen haben, dass 
auch die absolute Eathaltsamkeit von Fleisch bzw. anderen 
Furinbildnern durchaus nicht vor Gichtanfallen schfitzt. 
Ebenso wie z. B. Weintraud verfQge ich selbst fiber 
Beobachtungen, in denen eine konsequent durchgeffihrte 
vegetarische Lebensweise weder in dei* H&ufigkeit noch in 
der Schwere der Gichtattacken Aenderungen herbeiffihrte. 
Nicht die purinreichen Speisen sind es haufig, die die 
Anfalle hervorrufen, sondern diatetische Fehler irgend- 
welcher Art, die zu Verdauungsstfirungen ffihren, ohne 
dass der Puringehalt dabei eine Rolle spielt. Daher be- 
gnfige ich mich meist, eine leicht verdauliche Kost zu 
verordnen, in der Milch, Eier, Kase, grfine Gemfise und 
Obst fiberwiegen, ohne dass aber das Fleisch vfillig daraus 
verbannt wird. Nur wo es sich um Gichtkranke handelt, 
die nachweislich den Freuden der Tafel sehr ergeben 
waren und bei denen anamnestisch ein fibergrosser Fleisch- 
genuss nachzuweisen ist — meist handelt es sich um fett- 
leibige Pat. — pflege ich den Puringehalt rigoroser zu 
beschranken, um allerdings auch hier nach wenigen Wochen 
zu einer gemischten Difit Qberzugehen, wenn ein eklatanter 
Nutzen nicht konstatiert worden ist. Uebrigens mfichte 
ich nicht unterlassen, darauf hinzuweisen, dass der Arzt 
auch auf Grund der vorliegenden neuen Untersuchungen 
die Nahrung nach ihrem Puringehalt doch nicht so genau 
zusammenzustellen vermag, wie das etwa beim Diabetes 
bezfiglich des Kohlehydratgehaltes mdglich ist. Es linden 
sich in den einzelnen Analysen noch so erhebliche Dif- 
ferenzen, dass ein Zweifel an der Exaktheit der Methodik 
wohl erlaubt ist. In einer diatetischen Vorschrift stimmen 
aber Praxis und Theorie sehr wohl fiberein, d. i. in dem 
mfiglichst absoluten Verbote des Alkohols. Wir sahen 
schon oben, dass der Alkohol an und ffir sich ahnliche 
Schadigungen in den fermentativen Prozessen, die den 
Nukle'instoffwechsel regieren, zu veranlassen vermag wie 
die Gicht selbst. Grund genug, nicht eine Schfidigung 
noch der anderen zu supponieren, und eine Mahnung, 
fiberall da auf seine Anwendung zu verzichten, wo er 
nicht temporar als unentbehrliches Tonikum Dienste leistet 
oder wo man von seiner plfitzlichen Entziehung unan- 


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genehme Abstinenzerscheinungen fGrchtet. Von ander- 
weitigen Gesichtspunkten als dem Puringehalt, die bei 
Regelung der Diftt der Gichtkranken in Frage kommen, 
wird spftter die Rede sein. Wir wenden uns nunmehr zu 
der zweiten Moglichkeit, die neben der Beschrftnkung der 
PurinkOrper in der Nahrung bei der Bekftmpfung -des 
Harnsfiuretiberschusses im Organismus in Frage kommt, 
d. i. die Steigerung der Harnsftureausfuhr. Die Zahl der' 
Mittel, denen hierbei eine Wirkung zugeschrieben worden 
ist, ist Legion. Und trotzdem kdnnen wir die meisten 
mit Stillschweigen Gbergehen, da sie mit wenigen Aus- 
nahmen — nur einige alkalische Mineralwftsser und viel- 
leicht noch die Salizylsfture verdienen Erwfthnung — bei 
exakter experimenteller Prttfung die gehegten Erwartungen 
nicht erfQllt haben. Und auch die Steigerung durch die 
genannten Mittel ist so wenig bedeutend, dass man sich " 
einen therapeutischen Effekt im Sinne einer betrftchtlichen 
Harnsaureentlastnng des KGrpers von ihnen nicht ver- 
sprechen kann. In dieser Beziehung ist unser Arzneischatz 
in neuester Zeit nun in dankenswerter Weise durch ein 
Mittel bereichert worden, das eine ausserordentliche Harn- 
sftureausschwemmung herbeifflhrt, nftmlich die von Nico- 
laier und Dohrn eingefGhrte Phenylchinolinkarbonsfture, 
das Atophan. Schon beim Gesunden sieht man nach 
seiner Einuahme die Entleerung eines von Uraten stark 
getrfibten Urins. In noch viel grOsserem Umfange ist das 
der Fall, wo der Kbrper, wie bei der Gicht, erhebliche 
Harnsfturedepots enthSlt. Wenn nun dem Atophan zweifel- 
los eine ganz exzessive Wirkung auf die Harnsftureausfuhr 
zugeschrieben werden muss, so lautet die weitere Frage: 
Was leistet es bei der Behandlung der Gicht? Hier kann 
ich nun nicht ganz in das Loblied der Beobachter ein- 
stimmen, die es beim typischen akuten Gichtanfall als 
dem Colchicum Gberlegen oder mindestens gleichwertig 
hinstellen. Wfthrend das Colchicum in richtiger Dosierung 
und geeigneten Pr&paraten mich eigentlich beim akuten 
Gichtanfall so gut wie niemals im Stiche gelassen hat, 
haben sich doch etwa ein Drittel der Fftlle dem Atophan 
gegenftber als refraktftr erwiesen oder nur eine geringe 
Milderung der EntzGndungserscheinungen und Schmerzen 
gezeigt. Dagegen habe ich es ausserordentlich wirksam 
gefunden in denjenigen Fallen chronischer Gicht, wo es 
zu keinem typischen Anfall mit akuten EntzGndungs* 
erscheinungen kommt, sondern wo die Kranken durch 
Schmerzen in den verschiedensten Gelenken, daneben aber 


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Arthritis urica. 


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auch durch Myalgien und Neuralgien auf gichtischer Basis 
geplagt werden. Hier scheint es direkt auch diagnostischen 
Wert zu baben und ist jedenfalls den anderen antirheu- 
matischen und antineuralgischen Mitteln, wie dem Aspi¬ 
rin usw., bei weitem Qberlegen. Daneben habe ich wieder- 
holt unter dem Atophangebrauch ein deutliches Zurtick- 
gehen der sichtbaren Harnsauredepots in Form der Tophi 
beobachtet. Jedenfalls besitzen wir im Atopban ein Mittel, 
das praktisch wertvoll ist, das aber auch theoretisch durch 
seine bis jetzt ganz eigenartige Wirkung auf die Harn- 
sftureausfuhr Interesse erwecken muss. Bezuglich seiner 
Dosierung sei noch bemerkt, dass ich wahrend des akuten 
Anfalls 2—3 g, in den anfallsfreien Intervallen 1,5 g pro 
Tag in Einzeldosen von 0,5 g verwende. Ueber eine 
Wocbe bintereinander habe ich die Anwendung nie fort- 
gesetzt, niemals aber auch nur den geringsten Schaden, 
speziell keine unangenehmen Erscheinungen von seiten des 
Magens, Darms oder des Zirkulationsapparates, auch bei 
geschw&chten Individuen, beobachtet. Aber sowohl die 
Beschr&nkung der Harns&urebildung durch die Nahrung 
als auch die Ausfuhr der bereits gebildeten Harnsfture er- 
scheint doch nur als eine symptomatische Therapie. Das 
Ziel, das wir erslreben, soweit die Harnsaure in Betracht 
kommt, namlich die dauernde Herabsetzung des Harn- 
saurespiegels im Blute beim Gichtkranken auf einen mOg- 
lichst niedrigen Stand oder die g&nzliche Beseitigung der 
Harnsaure im Blute, wird dadurch nicht erreicht. Hier 
haben nun die Bestrebungen von His und seinen SchQlern 
(Gudzent, Lbwenthal) mit Erfolg eingesetzt. Wir 
sahen oben, dass nach den Feststellungen von Gudzent 
das Blut des Gichtkranken eine fibersattigte Losung von 
Mononatriumurat darstellt, und zwar in einer stabilen 
Form, die aus der isomeren, labileren und Iftslicheren 
Form infolge noch nicht aufgeklSrter Verhaltnisse her- 
vorgeht. Bei dem Suchen nach Mitteln, diesen Ueber- 
gang zu verhindern, fand nun Gudzent, dass wir in 
einem Zerfallsprodukt der Radiumemanation, namlich dem 
Radium D., ein Mittel besitzen, das zunachst im Rea- 
genzglas das Mononatriumurat in l&slichere Substanzen 
umwandelt. Aber auch im Tierexperiment (Fofanow) 
lost die Radiumemanation das unter die Haut gespritzte 
Mononatriumurat und fQhrt ohne die reaktiven Entzbn- 
dungserscheinungen, wie sie bei alleiniger Injektion von 
Mononatriumurat beobachtet werden, zum Yerschwinden 
des harnsauren Salzes, allerdings unter heftiger Nekrose 


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der Gewebe, die durch die toxischen Eigenschaften des 
gelOsten Mononatriumurates zustande kommt. Diese Wir- 
kung des Radiums D. ist nun auch fttr den menschlichen 
Organismus nutzbar zu macben. Wie Gudzent gezeigt 
hat, verschwindet unter konsequent fortgeffihrter Radium- 
behandlung in der fiberwiegenden Mebrzahl der Ffille von 
Gicht die vorher reichlich vorhandene Harnsfiure aus dem 
Blute. Und auch auf anderera Wege lasst sich der Nack- 
weis ffihren, dass die Radiumemanation die Stfirungen des 
Purinstoffwechsels, die den charakteristisohen Befund bei 
der Gicht bilden, im einzelnen Falle wieder zur Norm 
zurfickzufflhren vermag: Die Yerschleppung in der Aus- 
fuhr exogen zugefQhrten purinhaltigen Materials, die vor 
der Radiumbehandlung zu konstatieren war, machte nacli 
der Behandlung normalen Ausscheidungsverhfiltnissen Platz. 
Die Bedingungen fOr die Radiumemanationswirkung sind 
am gfinstigsten, wenn das Radium eingeatmet wild. Ob 
das zweckmfissig nur in sogenannten Emanatorien geschieht, 
d. h. in besonders eingerichteten Kammern, in denen der 
Organismus sich in einer Atmosphfire von konstantem 
Emanationsgehalt befindet (Gudzent), oder schon ein- 
fachere Inhalationsapparate genfigen, ist bis jetzt noch 
nicht mit Sicherheit zu entscheiden, jedenfalls aber mehr 
eineFrage der Technik als des Prinzips. Weniger wirksam 
als die Einatmung erweist sich die Radiumtrinkkur; ganz 
unwirksam auf den Harnsfiuregehalt des Blutes scheinen 
sich Radiumbfider zu verhalten. Endlich sind auch In- 
jektionen von lfislichen Radiumsalzen in die Umgebung 
der erkrankten Gelenke empfohlen worden. Die Zeit seit 
Inaugurierung der Radiumbehandlung ist natfirlich noch 
viel zu kurz, um bereits ein abschliessendes Urteil fiber 
ihren Erfolg zu gewinnen. Eines ist sicher, und das wird 
auch von His und Gudzent, denen wir ihre methodische 
Einffihrung verdanken, ohne weiteres zugegeben: Die kli- 
nische Besserung lifilt mit dem Yerschwinden der Harn¬ 
sfiure aus dem Blute nicht immer gleichen Schritt. Der 
EfFekt der Befreiung des Blutes von Harnsfiure wird in 
den meisten Ffillen erreicht. Aber His berichtet fiber 
Falle, und auch ich habe das zweimal beobachtet, in denen 
das Blut wohl sehr rasch unter dem Einflusse der Radium- 
emanation seinen Harnsfiuregehalt verlor, aber trotzdem 
die Anffille mit unverfinderter Heftigkeit anhielten. Und 
auch das Umgekehrte wird beobachtet: refraktfires Ver¬ 
halten der Harnsfiure im Blute gegenfiber der Radium- 
emanation und trotzdem deutliche Besserung aller gichtischen 


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Arthritis urica. 


Erscheinungen. Will man eine Erklftrung fflr dies ver- 
schiedene Verhalten versuchen, so kann sie fOr die letzteren 
Fftlle wohl nur darin liegen, dass eben doch die Harn- 
s&ure nicht der Angelpunkt ist, um den sich alles bei 
der Giebt dreht. Und far die ersteren hat schon His 
darauf hingewiesen, dass die rasche LSsung des harnsauren 
Natriums toxisch far die Gewebe wirkt und zu EntzQn- 
dungserscbeinungen fahrt. Wir erwfthnten bereits die Yer- 
suche yon Fofanow am Tier, die dies schlagend beweisen, 
wo unter dem Einflusse der Radiumemanation die Aufldsung 
der harnsauren Salze mit heftigen Nekroseerscheinungen 
einberging. Damit stimmt auch Qberein, dass nach Gud- 
zent bei dem grdssten Teil der bebandelten Gichtf&lle in 
den ersten Tagen der Radiumkur Gichtanfftlle auftraten, 
auch wenn der Pat. bis dahin jahrelang davon befreit 
war. Ich selbst habe das abrigens nur in einem geringen 
Prozentsatz der Fftlle beobachtet. Selbstverstftndlich muss 
man aber die Pat. auf diese MOglicbkeit aufmerksara 
machen, damit sie nicht schon im Beginn der Behandlung 
den Mut verlieren. Was nun den klinischen Erfolg der 
Radiumbehandlung betrifft, so habe ich bis jetzt in keinem 
einzigen der dieser Therapie unterzogenen Fftlle 
.ein vOlliges AufhOren der gichtischen Erscheinungen 
gesehen. Ich habe aber doch den Eindruck gehabt, dass 
die Intervalle zwischen den einzelnen Attacken lftnger 
waren als sonst, und die Pat. haben fast stets angegeben, 
dass nach einer Radiumkur die Anfftlle milder und rascher 
verliefen als vorher. Besonders auffftllig war das sub- 
jektive Woblbefinden, das alle Pat. als unmittelbare Nach- 
wirkung der Kur angeben. In einzelnen Fftllen war auch 
unter der Behandlung ein Kleinerwerden der gichtischen 
Tophi unverkennbar. Betonen mbchte ich, dass ich nach 
den von His aufgestellten Indikationen nur solche Fftlle 
der doch immerhin langwierigen und far die Pat. mit 
Zeit- und Geldopfern verbundenen Kur unterzogen habe, 
bei denen es noch nicht zu erheblichen knOchernen und 
Gelenkverftnderungen gekommen war. Von der Injektion 
ldslicher Radiumsalze, wie sie allein oder als UnterstQtzung 
einer Emanationskur in diesen verzweifelten Fftllen emp- 
fohlen worden ist, habe ich nie auch nur den geringsten 
Erfolg gesehen. Die Dauer einer einmaligen Emanations - 
kur habe ich gewOhnlich auf 30 Sitzungen bemessen. 
Wo es mdglich ist, sollte man also die Emanationskur, 
eventell verbunden mit einer Radiumtrinkkur, versuchen. 
Immerhin sind die Resultate, wenn auch anscheinend den 


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Arthritis urica. 


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mit anderen Methoden bisher gewonnenen Oberlegen, docb 
noch nicht so sinnfallig, dass sie alle anderen therapeu- 
tischen Bestrebungen Gberflussig machen kOnnten. Und 
da ist es eigentlicb folgerichtig, dass man, nachdem man 
als das schadigende Produkt das harnsaure Natrium er- 
, kannt bat, nunmehr nicht nur der Harnsaure allein, son- 
dern auch der anderen Komponente, dem Natrium, anfftngt 
- Bedeutung zu schenken. Es ist das Verdienst von S. Cohn, 
in dieser Wochenschrift 1911, Nr. 10 experimentell ge- 
zeigt zu liaben, dass zur Ablagerung des Urats in den 
Geweben eine Vermehrung des Natriums gehbrt. Um- 
gekehrt verhindert ein Uebermass an Kalisalzen die Bil- 
dung des harnsauren Natriums, wahrend ein Minus daran 
sie befbrdert oder wenigstens nicht verhindert. Inwiefern 
aus diesen interessanten .Ergebnissen auch therapeutische 
SchlQsse zu ziehen sind und neben dem Puringehalt der 
Nahrung ihr Kalireichtum von Bedeutung ist, worauf eben- 
falls S. Cohn hinweist, darQber fehlen vorl&ufig noch 
Erfahrungen. Die angebliche bessere Ldsungsfahigkeit der 
harnsauren Salze sollte auch durch die traditionelle Al- 
kalitherapie der Gicht herbeigefGhrt werden. Die Fort- 
schritte der physikalischen Chemie haben mit dieser An- 
schauung aufgerftumt. Durch His und Paul ist gezeigt 
worden, dass gerade im Gegensatz zu den frQheren Mei- 
nungen durch eine Vermehrung der Na-Ionen des Blutes, 
selbst wenn sie mbglich ware, die Losungsbedingungen 
fQr die Harnsaure sich nicht verbesserten, sondern sogar 
verschlechterten. Und auch die kleinen Mengen von Ka- 
lium oder Lithium, mit denen wir das Blut etwa anreichern 
kbnnten, kommen nach dem Gesetze der physikalischen 
Massenwirkung gegenhber den Na-Ionen nicht wesentlich 
in Betracht. Trotzdem wGrde es den tatsachliehen Er¬ 
fahrungen widersprechen, wollte man, wie dies von einigen 
Seiten jetzt geschieht, die gfinstigen Wirkungen der alka- 
lischen Mineralwasser bei der Gicht vbllig leugnen. Nur 
darf man den Nutzen nicht in irgendwelchen Effekten auf 
die Harnsaurelbsung suchen. Aber zweifellos ist die bessere 
DurchspQlung der Nieren, die Beeindussung von beglei- 
tenden Affektionen des Magendarmkanals durch eine Kur 
in den geeigneten Badeorten, in einzelnen Fallen oft von 
Erfolg auch auf den gichtischen ProzesS. Warnen mbchte 
ich Sie nur vor der kritiklosen dauernden Anwendung 
der zahlreichen auf den Markt gebrachten Mittel, die an- 
geblich die Alkaleszenz des Blutes und der Gewebe er- 
hbhen sollen. Musste eine Besprechung der Theorie der 


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Arthritis urica. 


Gicht noch vor wenigen Jahren ausffihrlich auf sie ein- 
gehen, so kfinnen wir uns heute summarisch mit der Be- 
merkung begnfigen, dass die Theorie ihre Anwendung 
kontraindiziert, die Praxis zum mindesten nichts zu ibrer 
Empfehlung beizubringen vermag. Der Wandel in den 
therapeutischen Anschauungen dokumentiert sieh am besten 
dadurch, dass gegenfiber der Alkalitherapie durch Falken- 
stein die Behandlung der Gicht mit S&uren, speziell 
grossen Dosen von Salzs&ure (50—100 Tropfen pro die), 
eine gewisse Bedeutung erlangt hat. Theoretische Be- 
rechtigung kann man dieser Therapie nicht mehr abstreitcn, 
seit nachgewiesen ist (Van Loghem, Silbergleit), dass 
kfinstliche Ablagerung von Uraten durch Alkaligaben be- 
fordert, durch Salzsaure dagegen gehemmt wird. Darum 
mag man in alien Fallen, in denen keine Hyperaziditat 
besteht, diese Therapie wohl anwenden. In die enthusia- 
stische Empfehlung des Begrfinders vermag ich nicht ein- 
zustimmen. Eklatante Erfolge, die die Wirksamkeit klar 
beweisen, habe ich nie gesehen, aber doch Besserungen, 
und die absolute Unschadlichkeit des Mittels in alien 
Zustanden von normaler oder mangelhafter Azidit&t des 
Magensaftes rechtfertigt sicherlich einen Versuch damit. 
Dass man fiber alien den neuen Methoden die empirisch 
I angst erprobte Anwendung der verschiedenen physikaliscLen 
Heilverfahren nicht ausser acht lassen wird, bedarf keiner 
eingebenderen Darlegung. Speziell ffir die Anwendung 
lokaler W&rmeapplikationen um die Gichtherde haben die 
neuen Untersuchungen auch eine experimentelle Unterlage 
gewahrt. Wie wir durch His wissen, spielt bei der Re¬ 
sorption der Harnsaure aus den Uratherden die Ansamm- 
lung von Leukozyten in der Umgebung des Herdes eine 
wichtige Rolle. Die kfinstliche Erregung einer Phago- 
zytose um die befallenen Gelenke scheint den natfirlichen 
Heilungsvorgang nachzuahmen und zu beschleunigen. Im 
Einklang damit lehrt auch die klinische Erfahrung, dass 
im allgemeinen lokale wfirmeerzeugende Manipulationen 
bei Gichtkranken besser vertragen werden als die An¬ 
wendung der Kalte. Noch ein Wort fiber die Behandlung 
des akuten Gichtanfalles. Von alien empfohlenen Mitteln 
hat sich hierbei kein einziges so bewfihrt wie das Gol- 
chicum. So wenig es sich ffir chronischen Gebrauch 
eignet, so wenig ist es — wenigstens nach meiner Ueber- 
zeugung — in einem schweren Anfalle selbst durch irgend- 
ein anderes Pr&parat zu ersetzen. Beschr&nkt man es 
hierauf, so massen auch die Bedenken gegen seine An- 


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Arthritis urica — Cholelithiasis — Fissura ani. 


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wendung schweigen, zumal wir es heute in wirksamer und 
dosierbarer Form verordnen kOnnen. Am meisten empfiehlt 
sich, das Colchicin Merck oder Colchicin Houde, in Dosen 
zu 0,001, 4—6 Pillen innerhalb zwei Stunden, zu nehmen. 
Bei dieser Applikation habe ich niemals Schaden, dagegen 
so gut wie stets einen vollen Erfolg gesehen.“ 

(Deutsche med. Wochenschrift 1911 Nr. 61.) 

Cholelithiasis. Mein© Erfahrungen bei der Behandlnng 

der Ch. Yon Dr. P. Use (Issum). Autor hat Chologen 
mit gOnstigem, ja oft mit aberraschendem Erfolge ange- 

Wandt. (Klinisch-therap. Wochenschrift 1911 Nr. 29.) 

I 

— Ch. nnd Chologen. Yon Dr. Berg (St. Johannes-Hospital in 
Dortmund). Auf Grund seiner Erfahrungen kommt Yerf. 
zu folgenden Schliissen: Das Chologen erhbht das LOsungs- 
vermdgen der Galle far Cholesterine und besitzt eine des- 
infizierende und gallentreibende Wirkung. Prophylaktisch 
angewandt, verhQtet es die Ausffillung kolloider und kri- 
stalloider Substanzen in den Gallenwegen. Therapeutisch 
1st es besonders wirksam in der Bek&mpfung der Initial- 
stadien der Gallensteinkrankheit. Es beseitigt entzQndliche 
Erscbeinungen in den Gallenwegen und l&sst kleinere Steine 
in den Darm abwandern. Sind die Steine grosser, so 
lasst sich nur das „Stadium der Latenz u erreichen. 

(Deutsche med. Wochensohrift 1911 Nr. 51.) 

Fissura ani. Zur Therapie rektaler Erkranknngen. Yon 

Dr. Kretschmer. (Aus der Poliklinik far Magen- und 
Darmkrankhelten von Prof. Albu in Berlin.) „In Bd. 16 
H. 5 des Archive far Verdauungskrankheiten hat Wyss 
das Cykloform als Anasthetikum zur rektalen Applikation 
in Form 20proz. Salbe und Suppositorien empfohlen. 
Die geringe Lbslichkeit dieses Mittels und demzufolge seine 
geringe Toxizitat macht es fOr diese Anwendungsart tat- 
s&chlich auch hOchst geeignet. Schreiber dieses bat es 
fbr denselben Zweck, um gleichzeitig die entzandliche 
HyperSmie und den qualenden Juckreiz zu bekOmpfen, 
die Epithelialisierung von Erosionen anzuregen, mit Adre- 
naliu, Balsamum peruvianum und Coryfin (einem Menthol- 
ester) gleichfalls in Form von Salben und Suppositorien 
kombiniert und damit bei geeigneten Fallen gbnstige 
Resultate erzielt. Besonders bewShrt sich diese Kombi- 
nation in der Behandlung der F. a., als Unterstatzung der 
Aetzung mit Argentum nitricum, die bei vorheriger Appli- 

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194 Fissura ani — Intoxikationeu. 

kation der Salbe vollkommen schmerzlos ist. Die Salbe 
ist bei der Mehrzahl der Fit lie, bei denen der Sitz der 
Affektion der Auus oder das Sphinktergebiet ist, empfehlens- 
werter, da Suppositorien besonders bei Sphinkterspasmus 
cntweder gar nicht den Sphinkter passieren oder sofort 
in die Ampulla recti gelangen, und damit in ein Gebiet, 
in dem die Applikation gar nicht beabsichtigt ist. Die 
Konsistenz der angegebenen Salbe ist gerade so, dass sie 
sowohl in eine dazu geeignete und daffir besonders ange- 
fertigte Spritze aufgezogcn und mitt els dicser oder auch 
mit einem Glasstab oder dem Finger appliziert werden 
kann. Die Spritze besitzt eincn flexiblen, auskochbaren 
Ansatz mit mehreren gleichm&ssig verteilten Austritts- 
bffnungen, wodurch die Salbe fein verteilt auf die er- 
krankte Schleimhaut gelangt. Salbe, Suppositorien und 
Spritze kommen unter dem patentamtlich geschOtzten 
Namen „Cyclorenal u in fertiger Form in den Handel. 
(Hersteller: Schafer’s Apotheke in Berlin.) 41 

(Berliner klin. Wochenschrift 1911 Nr. 48.) 

Intoxikatiowen. Prochownik (Posen): Ein t&dlich ver- 
lanfener Fall ▼on Naphthalinvergiftnng. Ein sechs- 
jahriger Knabe bekam von P. wegen Oxyuren zehn Naph- 
thalinpulver zu 0,25 g verordnet, mit der Anweis.ung, an 
zwei aufeinander folgenden Tagen je vier Pulver und dann 
Rizinusol zu nehraen. Am 17.^M8.rz wurde P. nachts zu 
dem Enaben gerufen; er batte am 15. und 16. Marz je 
vier bzw. drei von den Pulvern erhalten. Die fibrigen 
drei waren leider verbrannt, so dass eine Nachpr&fung 
des Medikaments nicht mftglich war. Der Knabe hatte in 
der Nacht gebrochen, war schwer zu ermuntern und warf 
sich unruhig hin und her. Der Puls war regelmassig, 
ziemlich kraftig, 10O pro Minute. Die Milz war deutlich 
vergrOssert und palpabel. Da das Rizinusdl nur sehr un- 
vollkommen gewirkt hatte, riet P., einen Einguss zu machen. 

Als er den Knaben am Morgen wiedersah, del sofort eine 
gelbliche Verfarbung der Skleren und der Haut auf. Der 
allgemeine Zustand hatte sich sehr verschlimmert. Er f 
reagierte erst auf mehrfachen Anruf. Der Puls war klein 
und frequent, die Atmung sehr beschleunigt. Eine noch- 
malige DarmspOlung fOrderte reichlich feste. Kotmassen, 
die mit den typischen Naphthalinplattchen durchsetzt waren, 
zutage. Der Urin wurde haufig und sparlich entleert und 
erinnerte in seiner Farbe an Kirschsaft. Er dunkelte beim 
Stehen stark nach. Er enthielt beim Kochen viel Eiweiss, 


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Intoxikationen. 

* 


195 


das in schaumiger Masse an die Oberflkehe stieg. Das 
Sediment bestand fast ausschliesslich aus br&unlichen 
amorphen Massen; vereinzelt fanden sich Scbatten roter 
Blutkftrperchen. Prof. Hess, den P. zuzog, stellte im Urin 
die Anwesenheit von Oxyhfimoglobin und MethSmoglobia 
fest. Exzitantien, Kochsalzinfusionen sowie Sauerstoff- 
inhalationen zeigten keine Wirkung, so dass der Enabe 
in der Mittagsstunde unter den Erscheinungen der Herz- 
labmung und Atemnot verscbied. Die Sektion ergab 
ziemlich grosse persistierende Thymus, Milz- und Leber- 
schwellung, geschwollene MesenterialdrOsen. Die paren- 
cbymatOsen Organe waren trilb geschwellt und dunkel ver- 
farbt. Die Blase enthielt, trotzdem sie nach dem Tode 
entleert worden war, noch reichlich hamoglobinhaltige 
Flflssigkeit. Die verabreichte Dosis von 1,75 g in zwei 
Tagen lag innerhalb der meisten Vorschriften. Man kftnnte 
daran denken, ob nicht das Rizinus im vorliegenden Falle 
mehr als Losungsmittel denn als Abfahrmittel gewirkt 
hat und so eine unverh&ltnism&ssig grosse Menge Naph- 
thalin, das in Fetten und Oelen leicht Idslich ist, zur 
Resorption brachte. Jedenfalls wird es ratsam sein, an 
Stelle des Naphthalins ungef&hrlichere Praparate bei Wurm- 
kranken anzuwcnden. (Therap. Monatehefte, August 1911.) 

— Em Fall von Adalinvergiftung. Yon Dr. Eduard v. Hueber 
in Salzburg. „Frau N. N., 32 Jahre alt, gesund, nabm 
am 24. Oktober 1911 urn '^4 12 Uhr vorm. und l l° Stunde 
spiiter je zehn und acbt Taoletten Adalin, zusammen also 
18 Tabletten a 0,5 g in kaltem Wasser angerdhrt. Ich 
wurde um 1 /a 2 Uhr nachm. gerufen, eilte um meinen 
Magenschlauch nach Hause und versuchte um 2 Uhr den 
Magen auszuhebern. Mangels Assistenz und wegen ab- 
soluten Kieferwiderstandes der sonst vollkommen schlappen, 
fast ganz besinnungslosen Pat. gelang dies nicht. Ich 
toachte die Kranke ins Bett zurQck; ausser der regel- 
mSssigen Atmung blieb sie absolut regungslos. Ich ver¬ 
suchte unter den iiblichen Kautelen nun Rizinusol ein- 
zufldssen, was in kleinen Portionen gelang, gab um 4 Uhr 
50 g Aq. lax. Vienn. und setzte um 6 Uhr ein Seifen- 
klysma von l'/a Liter; diese Mittel hatten denn bis zum 
nachsten Morgen 9 Uhr 3 sehr starke Entleerungen zur 
Folge. Pat. schlief nun, ohne dass es gelang, ein Reak- 
tionszeichen zu erlangen, bis zum Mittag des 25. Oktober, 
von da ab schlug sie auf Anrede und Rbtteln die Augen 
auf, blickte ins Leere, ohne jemand zu kennen, und ver- 

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Intoxikationen. 


fiel sofort wieder in Sclilaf. Erst gegen Abend, also 
nach 29—30st0ndigem Schlafe, schlug sie die Augen auf, 
erkannte die Angehfirigen und nahm Essen und Trinken 
an. N&chsten Morgen war sie vollkommen bei Bewusst- 
sein, konnte sich jedoch nicht rfihren, da s&mtliche 
Muskeln, mit Ausnabme derer der Beine, auch auf Be- 
rfihrung, heftig schmerzten; das war auch am 28. noch 
der Fall. Der, eifrig verfolgte Puls hatte sich weder 
nach Frequenz noch Starke oder Rhythmus irgendwie 
bemerklich vermindert, die Atmung war stets ruhig, die 
Pupillen mittelweit beweglich. Der Harn ist frei von 
Eiweiss und Zucker. Ein Exzitationsstadium hat nicht 

Stattgefunden. (Miinch. med. Wochensohr. 1911 Nr. 50.) 

— Adalin bei Entziehung von Morphium und AlkohoL Von 

Ob.-A. Dr. O. Juliusburger (Kurhaus Lankwitz-Berlin). 
Seit Jahren gibt Autor bei der Entziehung von Morphium 
keinerlei alkoholische. GetrSnke und beugt einem etwaigen 
Eintreten von Herzschw&che durch frQhzeitiges Darreichen 
von Digalen vor. Er hat die feste Ueberzeugung ge- 
wonnen, dass die Entziehung von Morphium ohne Ver- 
abfolgung alkoholischer Getrftnke leichler und ohneZwischen- 
falle von Kollapszus't&nden durchgeffihrt werden kann. 
Seit lfingerer Zeit hat Autor die Entziehung von Mor¬ 
phium so gehandhabt, dass er dem Kranken von Anfang 
an Trional gab, und zwar mehrere Tagehindurch amliebsten 
in kleinen Dosen, um^iebekanntekumulierende Wirkungdes 
Trionals zu erreichen. Je schneller es gelingt, den Kran¬ 
ken in die voile und fiber einen Zeitraum sich haltende 
Trionalwirkung zu bringen, urn so leichter vollzieht sich 
in ganz kurzer Zeit, zumeist in zwei bis drei Tagen, die 
Entziehung des Morphiums.. Konsequente Bettruhe ist 
dabei selbstverstfindlich. Prolongierte warme Bader wirken 
daneben sehr gut. Nun hatte bereits Finckh Adalin in 
Kombination mit anderen Mitteln gegeben und namentlich 
die gleichzeitige Darreicbung von Adalin und Paraldehyd 
empfohlen. Verf. verband Adalin mit Trional und konnte 
dadurch eine raschere und intensivere Wirkung erreichen 
als bei der einfachen Anwendung von Trional. Im Ver- 
folg der Entziehungskur zeigte sich das Adalin ausser- 
ordentlieh brauchbar zur Bekfimpfung der l&stigen Un- 
ruhezustande und qu&lenden Organgeftthle. Die Kom¬ 
bination von Adalin mit Trional oder Veronal oder Medin&l 
erwies sich als sehr zweckm&ssig, um die bartnftckige 
Schlaflosigkeit der Morphiumkranken zu bekfimpfen. 


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lotoxikationeD. 


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Schliesslich genOgte auch Adalin allein. Ueber die 'so- 
fortige Entziehung des Alkohols bei Alkoholkranken diirfte 
keine Meinungsverschiedenheit herrschen. Es empfiehlt 
sich, bei Bettruhe von vornherein Digalen zu geben, um 
einer etwa einsetzenden Herzschw&che vorzubeugen. Verf. 
erwies sich das Adalin als sehr geeignet, neben Bader- 
bebandlung die Angst- und Unruhezustftnde sowie die 
Schlafstbrungen mancher Alkoholiker gQnstig zu beein- 

flussen. (Deutsche med. Wochenschr. 1911 Nr. 43.) 

Ueber Adalinwirkung schreibt Dr. W. Fromm (Zillerthali. R.): 
„Einer 54jahrigen, sehr dekrepiden Frau, welche mich 
einige Wochen nach der Operation eines Mastdarmkrebses 
wegen allgemeiner Schw&che, Schmerzen und Schlaflosig- 
keit konsultierte, verordnete ich das als mildwirkend und 
harmlos empfohlene Adalin in Tabletten a 0,5 g mit der 
Weisung, abends eine Tablette in warmer FlQssigkeit 
gelost zu nehmen. Die Wirkung war gQnstig. Wenige 
Tage darauf versuchte die Frau in einem Depressions- 
zustande infolge ihres Leidens, sich mit Hilfe des ihr 
uberlassenen Mittels das Leben zu nehmen. Sie nahm 
abends gegen 9 Uhr neun Tabletten Adalin a 0,5 g in 
kaltem Wasser gelost. Am folgenden Tage fand man die 
Frau vormittags gegen 10 Uhr in sehr miidem, schl&frigem 
Zustande im Bett. Sie soil die ganze Nacht ruhig ge- 
schlafen haben. Icb sah die Pat. nachm. gegen 3 Uhr. 
Sie klagte iiber allgemeine schwere, bleierne Mftdigkeit, 
Susserte sonst aber keinerlei Beschwerden; kein Benommen- 
heitsgefiihl, kein Schwindel, keine Uebelkeit. Das Sen- 
sorium war vollkommen frei, das Ausseben der Frau war 
unverandert, Atmung und Pulszeigten normales Verhalten, 
die Pupillenreaktion war prompt, an den Qbrigen Organen 
kein krankhafter Befund. Erbrechen war nicht aufge- 
treten, Urin war -entleert, Stuhl angehalten. Die weitere 
Beobachtung erfolgte im Krankenhause, wo sich die Pat. 
nach Verlauf einiger Stunden von ihrer MQdigkeit er- 
holte. In den folgenden Tagen und Wochen (Pat. blieb 
wegen ihres Mastdarmleidens im Krankenhause) konnte 
objektiv und subjektiv keinerlei krankhafte Ver&nderung, 
die als Folge einer AdalinvergiftuDg aufzufassen ware, 
festgestellt werden. Dieser Fall spricht fiir die Unschfid- 
lichkeit des Adalins, das selbst in der grossen Dosis von 
4,5 g bei einer an und fiir sich stark geschw&chten, 
kachektischen Person keine schadlichen Folgen ver- 

ursacht hat. (Deutsche med. Wooheuschrift 1911 Nr. 45.) 


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Intoxikationen. 


— M. Wichura (Heilbronn). Zur Toleranz des Sauglings fftr 
Morphitun: Dreimonatiges Taglohnerkind, stets kQnstlich 
genShrt, leidet seit einigen Wochen an Stdrungen in der 
Ernahrung, grosser Unrube und fast t&glich auftretenden 
Krftmpfen. Befund: Gewicht 4600 g, blass, ziemlich 
kraftige Muskulatur, massiges Fettpolster. Belegte Zunge, 
aufgetriebener Leib, Fettseifenstuhk Keine Zeicben von 
Rachitis. Chvostek + +, Trousseau + +. Wahrend seines 
ersten Besucbes konnte W. einen schweren Kraropfanfall 
, (Aufhebung des Bewusstseins, tonische Starre der Mus¬ 
kulatur, Stimmritzenkrampf, Atmungsstdrung mit Zyanose) 
beobachton. Ordination: Darmentleerung, Teediat, zwei- 
mal taglich 0,4 Chloralhydrat. — Nacht ruhig. Nach 
fast 24stfindiger Teediat gibt der Vater dem Kinde irr- 
. tGmlich statt der verordneten Chloralhydratlbsung einen 
balben Teeloffel (nach der ersten Aussage sogar einen 
ganzen Teelbffel) einer fOr die Mutter bestiramten l°/oigen 
Morphiumlosung. Wenn man den Inhalt eines Teeloffels 
zu mindestens 4 g rechnet, so hat das Kind also mindestens 
2 eg (0,02) Morphium erhalten. Das kurz vorher noch 
lebhafte Kind schlief sofort ein. Erst eine Stunde spater, 
als der Mutter die ganzliche Bewusstlosigkeit und die 
starren Augen auffielen, wurde die Verwechslung der 
Medikamente bemerkt. Hinzugerufen, fand W. das Kind 
jnit leicht gerbtetem Gesicht, ganzlich bewusstlos, ohne 
jede Reaktion, mit stark vereagten, reaktionslosen Pupillen. 
Spasmen in der Muskulatur. Atmung regelmassig, niclit 
erkennbar verandert, von leichtem Rasseln begleitet. Puls 
gut gefQllt, regelmassig, 80—90. Nach reichlicher Magen- 
sptilung wurde die Anwendung Ofterer Hautreize und die 
Eingabe kleiner Mengen schwarzen Tees verordnet. Die 
Mutter fiihrte in ihrer Kopflosigkeit diese Verordnungen 
nicht aus, sondern liess das Kind, nach einem vergeb- 
lichen Versuch, dem Kinde Tee beizubringen, ruhig liegen. 
Vier Stunden nach Eingabe des Morphiums sah W. das 
Kind . wieder. Tiefes Koma; die Atmung vertieft und 
unregelmassig, begleitet von reichlichen stertorOsen Ge- 
rkuschen. Die frQhere Rbtung des Gesichtes hatte einer 
ziemlichen Blasse Platz gemacht; Anfalle von Zyanose 
traten auf, bedingt durch die gestbrte Atmung. Puls 
kleiner, doch gut zu fOhlen, 90. Starre Pupillen, be- 
ginnende Konjunktivitis. Durch kdnstliche Atmung, ener- 
gische Hautreize und Injektion von 0,1 Koffein besserte 
sich der Zustand etwas. Wahrend der nachsten Stunden 
wurden die dann gegebenen Verordnungen (haufiger Lage- 


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Intoxikationen — Paralysen. 


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wechsel, Hautreize, Wfirmeflaschen, Tee) anscheinend be- 
folgt. Zirka neun Stunden nach Eingabe des Giftes soil 
das Kind sebr kalt geworden sein, drei Stunden sp&ter 
nabm das Kind freiwillig etwas Tee, desgleichen nach 
weiteren zwei Stunden. In gleicber Zeit bemerkte die 
Mutter starken Schweissausbrucli. Ale W. dann (16 Stunden 
nach Einnahme des Medikamentes) das Kind wieder sah, 
war es zwar noch sehr matt und schlafrig, doch ohne 
erkennbare BewusstseinstrQbung. Die Pupillen waren 
mittelweit und reagierten wieder auf Lichteinfall. Es er- 
folgte ein dOnner Stublgang. Erbrechen war w&hrend des 
ganzen Verlaufes der Vergiftung nicht aufgetreten. Am 
n&chsten Tage war das Kind vollkommen munter; es be- 
stand noch eine m&ssige BroBchitis. Der Fall zeigt, dass 
die fQr das S&uglingsalter angenommene geringe Toleranz 
fQr Morphium nicht immer vorhanden zu sein braucht. 
Im vorliegenden Falle hat das erst '/'tj&hrige Kind mindestens 
das 20fache der nach dem ersten Lebensjahre Qblicl|gn 
Dosis erbalten und die Vergiftung verh&ltnismSssig gut 
Oberstanden, was wohl nicht nur der erst nach reichlich 
einer Stunde erfolgten Magenspulung gutgeschrieben werden 
kann. Das Kind war ja ausserdem durch die vorher- 
gegangenen haufigen Krfimpfe und die Ern&brungsstdrung 
geschwacht, und die Vergiftung erfolgte, wahrend das 
Kind sich im Hungerzustand befand und bereits mehrere 
Dosen von Chloralhydrat aufgenommen hatte. Ueberhaupt 
scheinen W. — auch bei anderen differenten Mitteln — 
die ftir junge Kinder angegebenen Maximaldosen sehr 
niedrig zu sein. So besonders bezGglich des Kodeins. 
W. hat wiederholt beobachtet, dass eine Dosis von 0,02 
Codein. phosphor, nicht in der Lage war, bei Kindern von 
1—2 Jahren pleuritischen Reizhusten erkennbar zu beein- 
flussen. Die Obliche Dosis ist fQr das genannte Alter 
0,003—0,01 g. (MttDch. med. Wochenschrift 1911 Nr. 30.) 

Paralysen. Radialislahmong nach Handverletzung als 
TJnfallfolge anerkannt. Von Dr. L udwi g Hoffmann 
(Stettin). (Aus dem Stettiner mediko-mecbanischen In¬ 
stitute.) „Der 18jahrige Schlosser W. war am 25. November 
1904 mit dem Ausfrasen von Blechscheiben mittels einer 
Bohrmaschine beschaftigt. Infolge ungleichen Arbeitens 
des Bobrers wurde die Blechscheibe plQtzlich mitgedreht 
und die linke Hand des W., die die Blechscheibe festhielt, 
wurde stark um den Bohrer berumgezogen. W. musste 
mit Anspannung aller Kr&fte die Maschine zum Stehen 


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200 


Paralysen.] 


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bringen, um nicht die gauze Hand zu verlieren. Gr er- 
litt dabei eine Abquetschung des Endglieds des linken 
Zeigefingers und eine starke Zerrung des linken Hand- 
gelenks. Der sofort konsultierte Arzt versorgte die Wunde 
und legte den linken Arm in einen Scbienenverband. Als 
der Verband nach 14 Tagen abgenommen wurde, konnte 
W. die linke Hand nicht aktiv strecken. 1m Oktober 
desselben Jahres, also etwa vier Wochen vorher, hat W. 
von einem Gesellen im Streit einen Stich mit einem Stichel- 
eisen in die Streckseite des linken Oberarms erhalten. 
£8 war eine stark blutende Wunde entstanden, die nach 
14 Tagen bcilte, ohne Folgen zu hinferlassen. Der Be- 
fund vom 1. Juli 1905 ist folgender: W. ist ein grosser, 
schlank gebauter Mann. An seinen inneren Organen ist 
nichts Krankhaftes nachweisbar. An der Hinterscite 
(Streckseite) des linken Oberarms befindet sich in der 
Mitte eine 2 cm lange, 1 cm breite, blaurote, verschiebliche 
Narbe. Verdickungen in der Tiefe der Weichteile oder 
am Knochen sind nicht zu fQhlen. Am linken Hand- 
gelenke selbst ist nichts Krankhaftes zu erkennen, ins- 
besondere keine Knochenverdickung. Vom linken Zeige- 
finger fehlt das Endglied. Die AuslOsungsnarbe liegt auf 
der Kuppe, ist etwas anhaftend, aber nicht empfindlich. 
Die Kuppe ist gut gepolstert. Die linke Hand h&ngt bei 
erhobenem Unterarme schlaff herunter; W. vermag nicht 
die Hand aktiv zu strecken oder seitw&rts zu beugen. 
Passiv ist das Handgefenk, wie alle andcrn Gelenke, 
normal beweglich. Die Beugung des Handgelenks und 
der Finger gelingt auch aktiv, am kr&ftigsten in Supina- 
tionsstellung. Die rohe Kraft des Hfindedrucks ist sehr 
gut erhalten. Aktive Streckung der Grundglieder der 
Finger, Abduktion des Dauraens, Supination des Unter- 
arms sind aktiv nicht ausfOhrbar. Ellbogen- und Schulter- 
gelenk sind auch aktiv normal beweglich. Auf den fara- 
dischen Strom reagieren s&mtliche Beugemuskeln und die 
Zwischenknochenmuskein, sowie der dreikSpfige Streck- 
muskel am Oberarm (Triceps) gut; die Streckmuskulatur 
am linken Unterarm ist weder direkt, noch vom Nerven 
aus elektrisch errcgbar. Die Muskulatur des linken Armes 
ist etwas abgemagert. Nach dem objektiven Befunde 
leidet W., abgesehen von dem Verluste des Endglieds des 
linken Zeigefingers, an einer L&hmung des Speichenneiiven 
(Nervus radialis). E.r gibt an, dass diese Lahmung durch 
den Betriebsunfall vom 25. November 1904 entstanden sei; 
vorher habe er von der L&hmung nichts bemerkt. Nach 


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Paralysen. 


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den anatomischen Verh&ltnissen ist indes mit Sicherheit 
anzunehmen, dass nicbt die Verletzung der linken Hand 
vom 25. November 1904, sondern die Stichverleizung am 
linken Oberarme, die vier Wochen frfiher stattfand, die 
Ursache der Nervenl&hmung ist. Um ein Krankbeitsbild 
wie das oben geschilderte hervorzurufen, muss der Speichen- 
nerv oberhalb der Muskeln, die er versorgt, verletzt werden. 
Das ist aber durch den Unfall vom 25. November 1904, 
der in einer Quetscbung des linken Zeigefingers und 
Zerrung des linken Handgelenks bestand, nicht mdglich. 
Dagegen ist die Stichverletzung an der Streckseite des 
linken Oberarms, die im Oktober 1904 erfolgte, eine 
geradezu typische Verletzung, um eine L&hmung des 
Speichennerven mit den oben geschilderten Symptomen 
zu verursachen. An der Stelle dieser Verletzung verl&uft 
n&mlich der Speichennerv diebt auf dem Oberarmknochen 
und ist hier gerade Verletzungen sehr ausgesetzt. Der 
grbsste Teil der durch Unfall verursachten L&hmungen 
des Speichennerven entsteht durch Verletzungen an dieser 
Stelle. Dass W.’ die L&hmung erst etwa secbs Wochen 
sp&ter, als er bereits einen zweiten Unfall erlitten hatte, 
bemerkt hat, widerspricht der oben ausgeffihrten Anschau- 
ung durchaus nicht. Es kommt bei derartigen Verletzungen 
des Oberarms vor, dass der Nerv zun&chst nicht selbst 
verletzt ist, dass er aber wahrend des Heilungsverlaufs so 
fest in Narbengewebe eingebettet wird, dass er nicht mehr 
leitungsf&hig ist. Auf diese Weise entsteht erst l&ngere 
Zeit nach der Verletzung die ausgesprochene L&hmung. 
Demnach sind als Folgen des Betriebsunfalls vom 25. No¬ 
vember 1904 nur der Verlust des Endglieds des linken 
Zeigefingers und vielleicht ein Teil der noch vorhandenen 
Muskelabmagerung anzusehen. Die hierdurch bedingte 
Erwerbsbeschrfinkung sch&tze ich auf 15%. S&mtliche 
Qbrigen Krankheitssymptome sind nicht Folge des Unfalls 
vom 25. November 1904, sondern der Verletzung vom 
Oktober 1904. Die Entscheidung, ob diese Verletzung 
als Betriebsunfall anzusehen und zu entsch&digen ist, ge- 
hort nicht in den Rahmen des &rztlichen Gutachtens. 
Die durch die Folgen dieses Unfalls bedingte Erwerbs- 
beschr&nkung sch&tze ich auf 33V3°/o. — Auf Grund 
dieses Gutachtens gew&hrte die Berufsgenossenschaft dem 
W. eine Rente von 15% und lehnte die Entsch&digung 
der durch die Radialisl&hmung bedingten Erwerbsbehin- 
derung ab. Der Verletzte legte Berufung ein. Der vom 
Schiedsgericht mit der Begutachtung betraute Arzt stellte 


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Paralysen. 


etwa vier Monate spater schon eine wesentliehe Besserung 
der Lahmungserscheinungen fest. Ueber die Entstehungs- 
ursache der Lahmung ausserte er sich folgendermassen: 
„Man kann dem Gutachten des Dr. H. in zwei Punkten 
vdllig zustimmen, namlich dass ein Nerv durch Einbettung 
in Narbengewebe leitungsunfahig und dadurch die von 
ihm versorgten Muskeln gelahmt werden und dass in 
diesem Fall eine Verletzung des Speicbennerven an der 
Stelle des Oberarms, an der sich die Narbe von der ersten 
Verletzung befindet, die Lahmung erklfiren wQrde. Gegen 
die auf diesen beiden Tatsachen aufgebaute Annahme, 
dass der unverletzte Nerv ohne Wirkung des Unfalls vom 
25. November leitungsunfiihig geworden eei, sprechen 
folgende Tatsachen: 

1. Am 20. November hat der behandelnde Arzt nichts 
von einer Lahmung gemerkt und der Verletzte nichts 
davon gesag't. 

2. Der Verletzte konnte kurz vor dem zweiten Un- 
falle noch mit der linken Hand ein Sttlck Blech im Wider- 
stande gegen den arbeitenden Bohrer festhalten und die 
Maschine zum Stillstande bringen. 

3. Die Lahmung ist sofort nach dem zweiten Unfall 
und nicht erst spater bemerkt worden. 

Ich erklare die Entstehung der Lahmung folgender¬ 
massen: W. musste, um die Maschine zum Stillstande zu 
bringen, die Muskeln des linken Armes tibermassig an- 
spannen. Dadurch kam es zu einer Zerrung der Muskel- 
fasern des Streckmuskels am Oberarme. Bei normaler 
Elastizitat des Muskels wQrde diese Zerrung keine Nerven- 
lahmung verursacht haben. Nun befand sich aber im 
Gewebe des Muskels das von der Stichverletzung her- 
rtihrende Narbengewebe, das die Elastizitat des Muskels 
beeintrachtigte und den in der Nahe liegenden Nerv um* 
wachsen hatte. Es wurde somit eine starke Zerrung des 
Narbengewebes und des darin eingebetteten Nerven her- 
vorgerufen, die dann eine Lahmung des Nerven zur Folge 
hatte. Dieselbe ist deswegen als Folge des Betriebsunfalls 
vom 25. November anzusehen und zu entscbadigen. Ich 
schatze die Erwerbsbeschrankung zur Zeit des Abschlusses 
der Behandlung auf 48 u o, jetzt, da eine wesentliche Bes- 
serung eingetreten ist, auf 10%.“ — Auf Grund dieses 
Gutachtens erkannte das Schiedsgericht die Radialislahmung 
als Folge des Betriebsunfalls vom 25. November 1904 an 
und gewahrte dem W. die vorgeschlagenen Rentensatze. 

(Medizin. Klinik 1911 Nr. 45 i 


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-.Faralysen. 


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— Ein Fall von einseitiger kompletter Ocnlomotoxinsl&hmnng 
naehindirektemTrauma. VonSt.-A.Dr.Partenheimer 
(KolnerAkademie, Psychiatr.Klinik). Am 5. September 1910 
wurde der 25jfihrige Kaufmann A. N. in die Klinik auf- 
genommen, nachdem er seit einigen Tagen schwere Ver- 
anderungen am linken Auge bemerkt hatte. Die Anamnese 
ergab, dass der Pat. aus gesunder Familie stammte, eine 
kbrperlich und geistig normale Entwicklung genommen, 
ausser Kinderkrankheiten im 18. Lebensjahre Diphtherie 
fiberstanden und vor Vh Jahren eine Gonorrboe akquiriert 
hatte, an deren Folgen — Striktur -— er zurzeit der Auf- 
nahme noch behandelt wurde. Lues wurde bestimmt negiert. 
Am 21. August 1910 war er beim Recktumen auf das 
Gesfiss gefallen, ohne das der Kopf die Erde bertthrt hatte 
und ohne dass sich zunSchst irgendwelche Erscheinungen 
I von ErschQtterung des Zentralnervensystems zeigten. Erst 
i vier Tage sp&ter traten ziemlich unvermhtelt heftige Kopf- 
schmerzen in der linken Stirn- und Schl&fengegend auf, 
dia wechselnd bald heftiger bald geringer. waren und die 
vom Pat. anf&nglich als Ausfluss einer Magenverstimmung 
gedeutet und mit dem fast vergessenen Fall in keinen 
Zusammenhang gebracht wurden. Nach weiteren zwei bis 
drei Tagen, also sechs bis sieben Tage naeh dem Sturze 
vom Reck, beraerkte Pat., dass das linke obere Augenlid 
herabhing und selbstt&tig nur noch so weit gehoben werden 
konnte, dass eine Lidspalte von etwa 1 U cm resultierte; 
dazu traten Doppelbilder auf, und der Kranke hatte das 
GefQhl des „Schwimmens vor den Augen w . Der hinzu- 
gezogene Arzt Qberwies den Kranken der Klinik. Die 
hier vorgenommene Untersuchung ergab: Das linke Auge 
ist durch,das herabhUngende obere Lid vSllig geschlossen, 
alle Versuche des Pat., das Auge zu offnen, scheitern; der 
Augapfel ist leicht vorgetrieben. Nach manueller Offnung 
der Lidspalte sieht man, dass der linke Augapfel nach 
oben, unten und innen nicht bewegt werden kann und 
dass die Pupille grosser ist als die rechte und auf Licht- 
einfall und Akkomodation sich nicht zusammenzieht. Die 
Konsistenz des Augapfels ist nicht verandert. Pulsation 
nicht vorhanden. Das rechte Auge ist in alien Bewegungs- 
richtungen frei, zeigt mittelweite, normal reagierende 
Pupille. Die kQrperliche Untersuchung ergab an Brust- 
und Bauchorganen keine Abweichung von der Norm, die 
Herzgrenzen waren regelrecht, die HerztOne rein, die 
Schlafenadern waren nicht geschlfi.ngelt, der Radialpuls 
war regelm&ssig, von mittlerer Spannung, das Gef&ssrohr 


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204 


Paralyses. 


weich, die Kdrpertemperatur nicht erhdht. Die Lymph*" 
drbsen am Hals, oberhalb der Ellenbeuge und in der Leiste 
waren nicht vergrdssert, die Haut zeigte keine fleckigen 
Narben, die &ussern Geschlechtsorgane liessen Residuen 
ilberstandener Syphilis nicht erkennen. Die Beklopfung 
des Sch&dels und der Wirbels&ule waren nicht schmerz- 
haft, die Halswirbels&ule frei beweglich. Die Untersuchung 
des Nervensystems ergab gleichmassige Innervation des 
Facialis, keine Beeintr&chtigung der Hdrffihigkeit, kein 
Abweichen oder Zittern der Zunge, klare, deutliche Sprache, 
keine Stdrungen in der Retlext&tigkeit; Fussklonus, Babinski, 
Romberg waren negativ, die Sensibilit&t war nicht gestbrt, 
Stigmata hysterica fehlten. Der Augenhintergrund war 
auf beiden Augen normal, die Sebkraft auf dem erkrankten 
Auge nicht wesentlich herabgesetzt. Das psychische Ver- 
halten war unauffallig. — Bei der Deutung des Falles 
kamen von vornherein ernstlich nur organische Ver&nde- 
rungen in Frage. Als funktionell-nervdse Stdrung kommt 
die schlaffe hysterische Ptosis recht selten und meist doppel- 
seitig vor. Zwar sind mehrere Fftlle in der Literatur an- 
geftihrt, bei denen zum Teil ziemlich pldtzlich, zum Teil 
allm&hlich sich nach Traumen eine isolierte schlaffe Ptosis 
entwickelte, die rasch nach psychischer Behandlung schwand; 
in den meisten F&llen waren auch sonst Zeichen hysterischer 
Degeneration nachweisbar; dagegen ist komplette Oculo- 
motoriusl&hmung als Ausdruck einer rein funktionellen 
Erkrankung nicht beschrieben und auch nicht denkbar. 
Von den organischen Erkrankungen kamen vor allem intra* 
kranielle Blutungen in Betracht; es musste aber auch an 
die Mdglichkeit einer Yerletzung des Stammes des dritten 
Hirnnerven, eines Gehirnabszesses, eines Tumors und an 
Lues gedacht werden. Gegen letztere sprach das Fehlen 
jeglicher positiver Anamnese bei einem absolut glaubwQrdig 
erscheinenden Kranken und irgendwelcher Erscheinungen 
konstitutioneller Syphilis. Gegen entzhndlichc Prozesse 
und Gehirnabszess sprachen das verhftltnism&ssig wenig ge* 
stttrte Allgemeinbefinden, die normale Kdrpertemperatur, 
die Schmerzlosigkeit bei Beklopfen des Kopfes und der 
Wirbelsftule, wie auch die so auff&llige Isolierung der Lfih- 
mung des Oculomotorius an sich; gegen Gehirngeschwulst 
und Gehirnabszess weiterhin der normale Augenhintergrund, 
das Fehlen irgendwelcher Zeichen von Hirndruck, gegen 
plbtzlich entstandene Verletzung des Oculomotoriusstammes, 
wie sie ja durch Knochenabsprengung bei einer Fissur der 
Schftdelbasis wohl denkbar w&re, sprach die Entstehung 


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Paralyses 


205 


der Lahmung erst sechs bis sieben Tage nach dem Trauma. 
Am naheliegendsten erschien somit eine intrakranielle 
Blutung, und zwar konnte es sich sowohl um Blutungen 
in die Gehirnmasse selbst als auch um solche in die Hirn- 
haute bandeln. Dass es auch ohne nachweisbare Ver- 
letzung des knttchernen Schadels bei Traumen zu Gefkss- 
zerreissungen innerhalb dcsselben kommen kann, ist unbe- 
strittene Tatsache. Friedrich Schulze erklart dies 
Verhalten damit, dass die elastischere Scbadelkapsel eher 
dem Stoss nachgeben kann als die weniger elastischen 
Arterien und Venen. Die vbllig isolierte Lahmung des 
dritten Hirnnerven liess von vornherein eine Blutung in 
das Gehirn als solches wahrscheinlicher annehmen, als 
eine basale Blutung. 

In dem ersten Band ihres Werkes sagen Wilbrand 
und Sanger, dass die Folge der Basalfraktur Blutungen 
in das Gewebe sind, durch welche dasselbe anschwillt und 
so durch Druck den Stamm des Oculomotprius in seiner 
Leitung behindern kann, wodurch aber der Oculomotorius 
nur sehr selten isoliert, sondern meist in Gesellschaft 
von andern Basalnerven durch eine Blutung gedrOckt 
werden wird. Auch R. Bing betont, dass einseitige Augen- 
muskellahmungen, gleichviel ob multipel oder isoliert, fast 
immer von peripherem Typus, das heisst durch nukleare 
oder subnukleare Lasion entstanden sind, und dass nukleare 
Lahimingen des Oculomotorius wegen der grossen Aus- 
debnung des Kernes selten total sind, dass vielmehr meistens 
Sphincter pupillae undMusculus ciliarisfrei bleiben,wahrend 
die intranukleare Oculomotoriuslahmung Fupillensphinkter 
und Akkomodation so gut wie nie verschont, da die be- 
treffenden Neurone denjenigen der aussern Augenmuskeln 
im Oculomotoriusstamm eng beigemischt sind. Wie der 
Befund bei der Aufnahme, so sprach auch der Verlauf 
unbedingt fiir Blutung. Bereits zwblf Tage nach der Auf¬ 
nahme konnte folgender Befund erhoben werden: Es be- 
steht nur noch leichte Ptosis, der Augapfel ist auch in 
senkrechter Richtung ziemlich frei beweglich, es tritt nur 
noch massiges Hohenschielen auf; die Pupillendifferenz 
ist gering, bei normaler Refraktion betragt die Sehfahig- 
keit auf dem gesunden rechten Auge 6/6, auf dem linken 
6/8, es besteht links noch geringe Akkomodationsbeschran- 
kung; der Fundus ist normal, beiderseits besteht ein Conus 
temporalis. Mit diesem Befunde wurde Pat. entlassen. 
Da von vornherein angenommen war, dass es sich um 
Kompressionslahmung infolge einer Blutung handeln wtlrde, 


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Paralysen — Retroflexio uteri. 


waren als therapeutische Massnahmen Elektrisieren und 
Uebung8therapie in Anwendung gebracht worden; letztere 
wurde folgendermassen ausgefQhrt: Anf einer senkrecht 
stehenden Tafel wurden ein wagerechter und ein senk¬ 
recht er Strich (Qber die ganze L&nge der Tafel) gezogen, 
und Pat. beauftragt, bei fest fixiertem Kopf anfangs mit 
beiden Augen, sp&ter.bei verbundenem gesunden Auge, 
diesen Strichen entlang zu fixieren. Nach weiteren zehn 
Tagen, w&hrend denen die Ubungstherapie vom Pat., der 
die Klinik aus gesch&ftlichen Rilcksichtcn verlassen musste, 
fortgesetzt wurde, war vbllige Heilung eingetreten. Nach 
diesen Ausfilhrungen muss als Ursache der Erkrankung 
eine subnukle&re, faszikulare Blutung angenommen werden, 
die verh&ltnism&ssig schnell restlos resorbiert worden ist; 
ob weitere kleine Blutungen in die Gehirnmasse statt- 
gefunden baben, lfisst sich ebensowenig annehmen wie 
ausscbliessen. — Autor hat den Fall verbffentlicht in der 
Annahme, dass er einem gewissen Interesse begegnen 
kftnnte, da, wie aus der Literatur hervorgeht, derart isolierte 
komplette einseitige Oculomotoriusl&hmung doch begreif- 
licherweise recht selten vorkommt, und weil der Fall zeigt, 
dass infolge Traumas — in diesem Fall indirektenTraumas — 
sehr wohl vereinzelte Blutungen in das Gehirn entstehen 
kbnnen, die nur dann zur Diagnose kommen', wenn 
zufftllig erscheinungswichtige Gebiete beziehungsweise 
Bahnen durch dieselben alteriert werden, und dass man 
aus derartigen Fallen die Mahnung entnehmen muss, bei 
Fehlen eines objektiven Befundes doch subjektive Be- 
schwerden eines Pat. nach Traumen von Anfang an ernst 
zu nehmen; diese Mahnung erscheint um so wichtiger, als 
man imraer noch hin und wieder bei UnfallansprQchen 
fthnlich Verletzter schroffer Ablehnung von seiten der Ver- 
sicherungsgesellschaften begegnet, die sich auf objektiv 
negativen firztlichen Befund stdtzen und bei der die Mdg- 
lichkeit, dass dem Unfallverletzten Unrecht geschieht, 
doch recht naheliegend ist. (Medisin. Klinik 1911 Nr. 46). 


Retroflexio uteria Einen Uterus elevator hat Dr. C. Barth 
(Kislowodsk) konstruiert. Das Instrument, aus Metall her- 
gestellt und vernickelt (d. h. vollkommen as^ptisch), hat 
die Form eines Hodgepessars, dessen vorderer Schnabel 
in leichtem Bogen in einen handlichen Griff Obergeht. 
Das Instrument wird steril, tlber der Spiritusflamme 
leicht angewarmt und gut eingefettet wie ein Hodge- 


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RetroHexio uteri. 


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pessar mit der rechten Hand in die Vagina eingefQhrt, 
wobei der Griff des Instruments ausserhalb der Vagina 
mit der linken Hand fixiert wird. Sodann Qberzeugt man 
sich mit dem Zeigefinger der rechten Hand davon, ob der 
Schnabel des Instruments im hinteren ScheidengewOlbe 
liegt, drangt mit der linken Hand durch Druck auf den 
Griff das Instrument fest ins ScheidengewOlbe, zieht den 
Zeigefinger der rechten Hand soweit aus der Scheide her- 
aus, dass er im Introitus vaginae unter den Hals des 
Instrumentes zu liegen kommt, umfasst gleichzeitig mit 
der rechten Hand den Griff und drbckt ihn nun nacb 
unten und hinten, wobei der Zeigefinger der rechten Hand 
den empfindlichen Introitus vaginae schGtzt. Durch diese 
Hebelwirkung wird der Uterus aufgerichtet, wovon man 
sich mit Hilfe der linken Hand Qberzeugen kann. Soil 
nach der Aufrichtung ein Hodgepessar eingefQhrt werden, 
so bleibt das Instrument im hinteren ScheidengewOlbe 
liegen, an der Oberfl&che des Instruments entlang wird 
der Ring eingefQhrt, und erst wenn der Ring im hinteren 
ScheidengewOlbe ist, zieht man das Instrument heraus. 
Es kann also hierbei nicht vorkommen, was bei den frllheren 
Methoden h&ufig geschah, dass gleich nach Entfernung 
der Sonde resp. des Fingers der Uterus wieder nach hinten 
herQberfiel, noch bevor man den Ring eingefQhrt hatte. 
Zur Bestimmung der GrOsse des einzufQhrenden Pessars 
sind Teilstriche und Zahlen auf den Hals des Instrumentes 
eingekerbt, so dass man, wenn man seinen Griff nach 
vorn und oben hebt und den Hals des Instruments mit 
dem vorderen ScheidengewOlbe mittels des Zeigefingers 
verbindet, an der Kreuzungsstelle die GrOsse des ent- 
sprechenden Pessars ablesen kann. Das Instrument wird 
von der Firma „Medizinisches Warenhaus“, Aktiengesell- 
schaft, Berlin, Karlstrasse, angefertigt und in verschiedenen 
GrOssen geliefert. (Deutsche med. Wochenechrift 1911 Nr. 17.) 

t 

— Zur Beseitignng von beweglichen Gebarmutterverlagerungen 
wird ein Drahtpessar nach Dr. L. Reichert (Berlin) 
empfohlen. Das nur 5 g schwere Silberpessar besteht aus 
einer oben und unten abgerundeten, 10 mm langen, 5 mm 
breiten und 1 mm dicken Platte, deren Fortsetzung ein 
1,6 mm dicker, 8 cm langer Draht bildet, der wiederum 
in einen 4—6 cm langen, 4 mm breiten und 1 mm dicken 
BOgel endet. Am verst&rkten Uebergang von Platte in 
Draht wird das Pessar entsprechend der physiologischen 
Anteflexio mehr oder minder kr&ftig umgebogen. Die 


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Retroflexio uteri — Scabies. 


Platte kommt innerbalb des inneren Gebftrmuttermundes 
zu liegen, wahrend der Draht den Gebarmutterhals ent- 
lang lauft, um am ausseren Muttermund die zweite Biegung 
zu erfahren, die sich bogenfdrmig im vorderen Scheiden- 
gewdlbe ausspannt. Das Bogelende stemmt sich dann 
nach entsprecbender Formung der vorderen Beckenwand 
an. Es bleibt sorait die Scheide unterbalb des Gebar- 
mutterzapfens vbllig frei. Da eine Platte den Anfang des 
Pessars bildet, kann dieses sich nicht dreben, und infolge 
des Bagels und der Biegungen ist eine ROckwarts- und 
Seitwartsverlagerung ausgeschlossen; die Gebarmutter be- 
balt die von dem Pessar gegebene Haltung bei. Das 
Pessar muss natfirlich vor dem Einlegen die gewQnschte 
Form erhalten; es wird dann an der zweiten Biegung mit 
einer Kornzange gefasst und in die unter Fingerkontrolle 
aufgerichtete und erweiterte (mittels eines 6 mm starken 
Hegarstiftes) Gebarmutterhohle eingefObrt. Zum Schlusse 
erfolgt leichte Scheidentamponade, die solange bleibt, bis 
die Kontraktion beendet ist; die Dauer betragt etwa 
30 Minuten. (Mediain. Klinik 1911 Nr. 21.) 

ScabieSa Bistin als Mittel gegen S. Yon Dr. C. Tollens 
(Stadt. Krankenanstalt zu Kiel). »Vor etwa einem Jabre 
wurde der Stadtischen Krankenanstalt von den Farben- 
fabriken vorm. Friedr. Bayer & Co. Elberfeld als neues 
Praparat zur Kratzebebandlung der Monobenzylester des 
Aethylen-Glykolls unter dem Fabriknamen ,Ristin 1 zur 
Verfhgung gestellt. Das Ristin sollte ein vollwertiger 
Ersatz der bisher zur Kratzkur meist gebrauchten Mittel 
sein und doch deren zum Teil nicht geringe Nachteile 
vermeiden. Yon der Firma wurde es als vbllig ungiftig, 
also als unscbadlich fGr Haut und Nieren, und vor allem 
als vftllig gerucblos und durchaus sauber in der Anwendung 
geschildert. Wir bekamen das Mittel in Form einer Mischung 
mit Glyzerin und Alkohol (10 g Ristin, 25 g Alkohol, 
5 g Glyzerin). Es stellt so eine wasserklare, kaum riechende 
Flftssigkeit dar, die weder klebt noch schmiert. Wir haben 
nun im Laufe des Jahres mit dem Ristin etwa 30 Kratze- 
kranke behandelt und haben sie, um es vorauszunehmen, 
alle zur Heilung gebracht. Zur Behandlung kamen nur 
solche Personen, die nach Abheilung der Kratze noch 
eines anderen Leidens wegen in der Krankenanstalt und 
unter arztlicher Beobachtung bleiben mussten. Die Be- 
handelten kamen also wahrend der nachsten Wochen sicher 
nicht wieder in Berfthrung mit ihren vor der Kur ge- 


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Scabies. 


209 


tragenen Kleidern, so dass eine Neuinfektion ausgeschlossen 
war. Die Kratzkur wurde genau so durchgef&hrt wie 
sonst bei uns mit den Gblichen Kr&tzmitteln, dem Sty rax 
and dem Perubalsam:' Die Kranken warden im Verlanfe 
von 24 Stunden dreimal grOndlichst eingerieben. am besten 
in der -Weise, dass eine Portion der FlOssigkeit in die 
Hohlhand gegossen und gleich verrieben wurde. Zur 
dreimaligen Einreibung reichten je nach Grbsse des Pat. 
100—150 g vollauf. Am folgenden Tage erfolgte ein 
vorsichtiges lauwarmes Bad mit sehr sparsamer Anwendung 
von Seife, hierauf, wenn n5tig, die Gbliche Nachbehand- 
lung des postskabidsen Ekzems. Das Ristin erwies sich 
nun bierbei in der Tat als ein gutes, wirksames und in 
der Anwendung im Vergleich zu den bisher meist ge- 
brauchlichen Mitteln sehr sauberes, angenebmes PrSparat. 
Im einzelnen betracbtet hat es folgende VorzOge: Zun&chst 
tritt beim Einreiben kein nennenswerter Hautreiz auf. 
Hochstens verspflren die Kranken ein unbedeutendes Brennen 
an den wundgekratzten Stellen, das aber wohl dem Gly- 
zerin und dem Alkohol zuzuschreiben ist und bald wieder 
vergeht. Eine Verschlimmerung des Kr&tzekzems habe 
ich niemals beobachten kdnnen, die sp&tere Abheilung 
erfolgte immer schnell und glatt. Ebensowenig konnten 
Nierenschadigungen durch das PrSparat festgestellt werden, 
indem weder Eiweiss noch Zylinder im Urin auftraten. 
Darin liegt, wenn sich dies, wie ich mit Recht annehmen 
zu dOrfen glaube, fflr die Zukunft bewahrheitet, sicher 
ein grosser Yorzug des Ristins. Denn es ist bekannt, 
dass die Balsamica, Styrax und auch der Perubalsam, eben 
wegen der Nierenreizungen, welche sie bisweilen machen, 
nicht ganz unbedenklich sind. (Ich selber muss allerdings 
sagen, dass ich bei sehr zahlreichen mit Styrax durch- 
gefhhrten KrStzkuren Nierenstorungen irgendwie bedenk- 
licher Art nicht bemerkt habe.) SchSdliche Wirkungen 
des Naphtols auf innere Organe sind ebenfalls beobachtet 
worden. Dabei besitzen diese PrSparate, sowohl die Peru¬ 
balsam- und die Styraxmischungen, als auch die Teer- 
prfiparate, den bekannten ausserordentlich durchdringenden 
und zSh anhaftenden Geruch, der ihre Anwendung oft- 
mals geradezu unmOglich macht. Ausserdem verderben 
und beschmutzen sie die Wfische in unangenehmer Weise. 
Dies alles fSllt weg bei dem klaren, geruchlosen, nicht 
fettigen Ristin, das seine Anwendung nicht im geringsten 
nach aussen verr&t, keinerlei Flecke in die WSsche macht 
und zudem auch nicht schmiert, wie die Schwefelsalben. 

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210 Scabies — Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett. 

Der Monobenzylester des Aethylen-Glykoils vermeidet also 
mit seiner Ungiftigkeit und sauberen Handbabung die 
Nachteile der bisher Gblichen. Mittel, ist anderseits aber 
docb vollkommen wirksam, d. h., er tbtet die Kratzmilben 
schnell und sicher ab. Bereits nach der ersten Einreibung 
findet man fast niemals mehr lebende Milben. Nach der 
zweiten und dritten ttberhaupt nicht mehr. Ebenso sicher 
muss das Praparat auf die Eier der Milben einwirken, 
da wir alle bebandelten F&lle zur Heilung brachten und 
auch keinc RGckf&lle zu sehen bekamen. Recht befriedigend 
ist auch die juckreizstillende Wirkung des Mittels, die sich 
meist bereits gleich nach der ersten Einreibung einstellte 
und von den Pat. als grosde Wohltat empfunden wurde. 
RQckfalle haben wir, wie erw&hnt, bei unseren Kranken 
nicht erlebt. Da wir alle mit Ristin Behandelten wocheu- 
lang beobachten konnten, ist uns dies der beste Beweis 
fttr die Wirksamkeit des Praparates. Zugleich spricht 
der Umstand, dass wir in dieser langen Beobachtungszeit 
niemals irgendwelche nachteiligen Folgen der Kur fest- 
stellen konnten, sehr fQr die Ungiftigkeit unseres Medi- 

kamentes. (I)eutsche med. Wochenschrift 1911 Nr. 44.) 


Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett. Fituitrm 

als wehenerregendes MitteL Von Dr. J. Schiffmann 
(Gyn&kol. Abteilung des k. k. Krankenhauses Wieden u. 
Wien). Zum Schluss seiner Arbeit sagt Autor: „Wir 
konnen also unsere Erfahrung dahin zusammenfassen, dass 
Pituitrin als wehenerregendes Mittel am Schlusse der 
Graviditat, insbesondere nach bereits stattgefundener und 
dann sistierender Wehent&tigkeit, ein ausserordentlieb wert- 
volles wehenerregendes Mittel darstellt. Zur Einleitung 
des Abortus ist es jedoch ungeeignet. Dagegen erscheint 
ein Versuch, den bereits im Gang befindlichen und dann 
sistierenden Abortus, resp. den Abortus nach kfinstlicher 
Eroffnung des Zervikalkanals spontan zu Ende zu fQbren, 
in einigen Fallen von Erfolg begleitet. Diese Beobachtung 
ist insofern wertvoll, als sie uns die Mbglichkeit an die 
Hand gibt, in Fallen, in denen eine mechanische Ent- 
leerung des Uterus nicht wunschenswert erscheint, diese 
durch die wehenerregende, resp. wehenverstilrkende Wir¬ 
kung des Pituitrins umgehen zu k6nnen.“ 

(Wiener klin. Wochenschrift 1911 Nr. 43.) 


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Schwangerschaft, tieburt, Wochenbett. 


211 


— Elinische und poliklinische Erfahrtmgen mit Pituitrin als 
wehenerregendem and wehenverst&rkendem Mittel. 

Von Dr. H. Fries (Kgl. Frauenklinik Greifswald). Als 
wirkungssicherste Menge hat sich nach mehreren Versuchen 
diejenige von 1 ccm ergeben in solchen Fallen, bei denen 
bereits eine wenn auch schwache Wehentatigkeit dauernd 
oder voriibergehend bestanden hat. Hierbei genilgt die 
angegebene Menge vollstandig, um eine regelmfissige und 
verstarkte Wehentatigkeit fttr die nEchsten Stunden zu 
unterhalten und die Geburt eventuell zu vollenden. Da, 
wo die Wehentatigkeit nach Stunden wieder abnimmt oder 
eine Beschleunigung der Geburt aus anderen Grhnden 
wGnschenswert erscheint, kann eine Wiederholung der 
Injektion in gleicher oder doppelter Menge unbedenklich 
geschehen und wird wohl, wenn keine anatomischen Hinder- 
nisse bestehen, ausnahmslos zu dem gewQnschten Erfolg 
ftihren. Dass man von einem Wehenmittel nicht die Ueber- 
windung einer betrEchtlichen Beckenverengerung wird er- 
warten diirfen, ist selbstverstandlich. Andererseits hat 
Yerf. aber auch Falle gesehen, in denen der Eintritt des 
kindlichen Eopfes in ein mfissig verengtes Becken infolge 
der durch Pituitrin verstarkten Wehentatigkeit anscheinend 
wesentlich erleichtert und beschleunigt wurde. Immerhin 
ist zu bedenken, dass eine allzu stGrmische und kraftige 
Wehentatigkeit auch einmal die Ausbildung einer patho- 
logischen Einstellung (Scheitelbeineinstellung) veranlassen 
kbnnte. Anders wie die oben genannten Falle verhalten 
sich dagegen diejenigen, bei denen der Geburtseintritt und 
damit auch eine Wehentatigkeit noch nicht stattgefunden 
hat, und bei denen aus irgendwelchen GrOnden die Ein- 
leitung der Geburt oder die Unterbrechung der Schwanger- 
schaft angezeigt erscheint. 

Ausnahmslos gelingt es auch hier, die Wehentatigkeit 
in Gang zu bringen. Entsprechend den von Stern aus 
der Breslauer Klinik mitgeteilten Beobachtungen gelang 
es auch uns bisher nicht, in den ersten Schwangerschafts- 
monaten den Abort einzuleiten. Vielleicht dass eine 
wahrend mehrerer Tage durchgeftihrte Pituitrinbehandlung 
mit grbsseren Dosen in Zukunft doch zum Ziele ftihren 
kbnnte. Im wesentlichen scheint, wie Stern auch bereits 
hervorhebt, das Zustandekommen einer befriedigenden 
Pituitrinwirkung davon abh&ngig zu sein, ob die erst mit 
dem Ende der Graviditat sich einstellende Erregbarkeit 
des Uterus bereits vorhanden ist oder nicht. 


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212 


Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett. 


Wahrend man bei in der Geburt und im gtlnstigsten 
Fall schon in der Austreibungsperiode befindlichen Frauen 
mit einer ein- bezw. zweimaligen Injektion von 1 ccm wird 
auskommen kdnnen, erfordert dagegen die bisher nur gegen 
und am Ende der Schwangerschaft mbgliche Einleituhg 
der Geburt eine mit dem Heranrflcken des normalen Ge- 
burtstermin8 abnehmende grbssere Anzahl von Injektionen. 
Es erscheint hierbei vorteilhafter, durch haufige kleinere 
Dosen die gewGnschte Wirkung zu erzielen, als durch 
grosse, in langen Pausen verabrcichte Mengen. Samtliche 
Injektionen wurden intraglut&al gegeben und reaktionslos 
vertragen. Das Ausspritzen der Iojektionsspritzen mit 
Alkohol beeintr&chtigt die Wirkung des Pituitrins in 
keiner Weise. 

Nicht ein einziges Mai hat das Pituitrin in seiner wehenan- 
regenden und -verstarkenden Wirkung im Stich gelassen. Was 
aber seine Anwendung so ausserordentlich segensreich und 
' seine Uebernahme in den therapeutischen Arzneischatz des 
Praktikers wGnschenswert erscheinen lftsst, ist vor allem 
der Umstand, dass es seiner Ungefahrlichkeit und prompten 
Wirkung wegen die Einschrankung von absolut nicht 
gleichgfiltigen geburtshilflichen Massnahmen veranlassen 
wird, durch welche man bisher die Wehenschwache zu 
bekampfen gesucht hat. Endlich wird in letzter Linie auch 
dem Ausffihren von Luxuszangen eine gewisse Schranke 
gesetzt und damit die Zahl der geburtshilflichen Verletzungen 
und Infektionen weiterhin und nicht unerheblich ver- 
mindert werden. Damit soli keineswegs der Standpunkt 
vertreten werden, dass die Zange in der Praxis Gberhaupt 
keine Berechtigung mehr besitze. Verf. erkennt wohl an, 
dass der praktische Arzt notgedrungen geburtsfbrdemd 
wirken muss, wenn er von der Klientel gerufen wird. 
Gerade darum wird er von dem Pituitrin gern Gebrauch 
machen, sobald er sich von dessen Zuverlassigkeit flber- 
zeugt hat. Dem Operationskundigen, um nicht zu sagen 
-freudigen wird das Mittel gleichfalls willkommen sein, da 
es ihm die Bedingungen fflr eine leichte Beckenausgangs • 
zange schafft in Fallen, wo er sonst nach vergeblichem 
Warten bei unvollstandig erweiterten Weichteilen vor der 
Entscheidung zwischen der Zange mit Inzisionen oder der 

Perforation Stand. (Munch. med.Wochen8chr.1911 Nr. 46.) 

— Geburtshilfliche Erfahmmgen mit Pituitrin. Yon Dr. E. 

Vogt (Kgl. Frauenklinik Dresden). Autor kommt zu 
folgenden SchlOssen: 


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Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett. 


213 


Nach unseren Erfahrungen an einem reichbaltigen 
Materiale, die in vollem Einklang stehen mit den klinisch- 
experimentellen Beobachtungen E. Kehrers, steht wohl 
der allgemeinen Anwendung des Pituitrins in der geburts- 
hilflichen Praxis nichts mebr im Wege. 

Das Pituitrin wirkt prompt und sicher in der Aus- 
treibungsperiode. Es dient zur Beschlennigung normaler 
Geburten und, wie schon E. Kehrer auf dem Gynfiko- 
logenkongress in Mfinchen hervorgehoben hat, zur Be- 
k&mpfung oder Beseitigung der sekundaren Wehenschwfiche, 
auch bei engen Becken. 

Die beste Wirkung entfaltet es in der Austreibungs- 
periode. 

Aber auch in der Erfiffnungsperiode ist es wirksam, 
wenn auch nicht konstant. 

Ob es in gleicher Weise, wie auf den schwangeren 
Uterus, auch nach Ausstossung der Plazenta wirkt, wagen 
wir nocb nicht zu entscheiden. 

Nach unseren Erfahrungen stellt das Pituitrin das 
idealste Wehenmittel dar, das wir bis heute besitzen. 

(Miinch. med. Wochenschrift 1911 Nr. 51.) 

— Zur Therapie der Nach.weh.en. Von Dr. 0. Podzahradzky 
(Frauenhospiz Wien). „Wir verabreichten das Antipyrin 
gewfihnlich in der Dosis von 0,5—1,0 g und zwar nur 
bei Frauen, die spontan fiber Nachwehen klagten. Dabei 
genOgte in der Mehrzahl der F&lle (47mal) schon eine 
einmalige Dosis von 1,0 Antipyrin, um die sofortige und 
g&nzliche Sistierung oder ein bedeutendes und baldiges 
Nachlassen der KrSmpfe zu bewirken. In den fibrigen 
Fallen (22mal) musste eine wiederholte Dosis verabfolgt 
werden. Dies geschah entweder einige Stunden nach der 
ersten Verabreichung, sei es, dass die erste Medikation 
nicht genfigte, sei es, was auch meistens der Fall war, 
dass die erste Dosis zwar von Erfolg, aber nicht von 
dauerndem begleitet war. Den Frauen, welche haupt- 
sachlich wahrend des Saugens fiber Schmerzen klagten, 
verabreichten wir eine Yiertelstunde vor dem Stillakt Anti¬ 
pyrin mit sehr gflnstigem Resultat. Ausgesprochene Miss- 
erfolge, das beisst Ausbleiben des Erfolges, hatten wir 
nur in zwei Fallen, wovon jedoch der eine als solcher 
nicht zu gelten hat, da er auf das sofortige Erbrechen 
nach Einnahme des Medikamentes zurfickzuffihren sein 
dfirfte. Erwahnenswert ware noch, dass Antipyrin ohne 
weiters durch Pyramidon 0,3 ersetzt werden kann, 


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214 


Schwangerechaft, Gebort, Wochenbett. 


dem wir die gleiche Wirkung zuschreiben konnen, was 
wir auch an einigen Fallen selbst erprobt haben. Ja, 
das Pyramidon kann besonders dann mit Vorteil Ver- 
wendung finden, wenn Antipyrin in mebreren Dosen schon 
vorher gegeben wurde. In einigen Fallen, in denen wir 
vergleicbsweise ein Alkaloid, insbesondere Kodein, verab- 
folgten, sahen wir, dass Antipyrin eine weitaus zuver- 
lassigere analgetische Wirkung ausserte und auch in Fallen 
wirkte, in denen das Alkaloid versagte. Mit Recht glauben 
wir also im Antipyrin eine Art Spezifikum gefunden zu 
baben, das imstande ist, den ohnehin schon durch den 
Geburtsakl sehr erschdpften und geschwachten Frauen die 
Schmerzen, welche die Nachwehen verursachen, und welche 
oft noch heftiger empfunden werden als die eigentlicben 
Geburtswehen, zu lindern oder sogar zum vfilligen Ver- 
schwinden zu bringen. ; ‘ 

(Wiener med. Wochenschrift 1911 Nr. 50.) 

— Ein kasaistischer Beitrag znr Eklampsie ohne Kr&mpfe. 

Von Dr. A. Bickenbach. (Aus der Kgl. Universitats- 
Frauenklinik Bonn). „Am 18. IV. 1911, vorm. 8 Uhr, 
wurde void Arzt eines Nachbarortes die 35jahrige Erst- 
gebarende, Frau Katharina A., in bewusstlosem Zustand 
in die Klinik eingeliefert. Als Grund wurde Beckenenge 
angegeben. Die Hebamme war am Abend vorher um 
10 Uhr gerufen worden. Es hatten sich in normalen 
Zwischenraumen Wehen eingestellt, und die Gebarende 
hatte bei den einzelnen Wehen gut mitgeholfen. Nach 
der Wehe ware sie aber auffallend matt und schlafrig ge- 
wesen, habe viel fiber Durst geklagt und viel Wasser 
getrunken. Um 5 Uhr morgens wurde der Arzt zuge- 
zogen, der die Frau wegen engen Beckens der Klinik ttber- 
wies. Wahrend der Wagenfahrt habe die Frau fiber starke 
Kopfschmerzen geklagt, und nach anfanglicher Unruhe, 
verbunden mit Erbrechen, sei sie bald ganz bewusstlos 
geworden, grfissere Atemnot sei eingetreten, die Frau sehr 
schnell verfallen und der Puls klein und sehr frequent 
geworden. Sowohl Arzt und Hebamme wie auch der 
Ehemann versichern, keine Krampfe beobachtet zu haben. 
Zu Hause sei sie noch ganz klar gewesen. Beim Herein- 
tragen der gedunsen und stark zyanotisch aussehenden 
Frau in die Klinik war bereits der Puls nicht mehr ffihl- 
bar, doch war noch ein schwacher Herzschlag von Mutter 
und Kind zu konstatieren. Die sichtlich ante exitum 
stehende Frau wurde sofort ohne Desinfektion zwecks 


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Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett. 


215 


Rettung des Kindes entbunden. Der Kopf stand im Becken- 
ausgang und konnte mit der Zange entwickelt werden. 
Wahrend der Zangenoperation stockte die Herztatigkeit 
der Mutter. Auch das tiefaspbyktische Kind — ein 
Knabe — konnte nicht mehr zum Leben gebracht werden. 
Der Tod der Kreissenden war 5 Minuten 'nach der Ein- 
lieferung eingetreten. Da das gedunsene Aussehen der 
Frau, die Zyanose und das Oedem (die Blase erwies sich 
beim Katheterisieren als leer) den Verdacht auf Eklampsie 
erweckten, wurde die baldige Obduktion veranlasst. Sektions- 
bericht: Leiche in gutem Ernahrungszustand, Hautfarbe 
blass, Leib nicht aufgetrieben, Bauchdecken dtinn. Nach 
ErSffnung der Bauchhdhle dberragt die Leber den Rippen- 
bogen 4 Finger breit, das Netz bedeckt die Darme zur 
Halfte. Der Uterus ragt bis 3 Finger breit unterhalb des 
Nabels. In der Bauchhdhle ziemlich reichliche, gelbliche 
Fliissigkeit, klar. Die Serosa der Darme nicht ganz blank. 
Zwerchfell rechts IV. Interkostalraum, links VI. Rippe. 
Beim Anschneiden der Gefasse entleert sich reichlich 
flttssiges Blut. Nach Erdffnung der Brusthdhle sind die 
Lungen massig retrahiert. Der Herzbeutel liegt 3 Finger 
breit frei. Die linke Lunge ist in den mittleren Ab- 
schnitten leicht verwachsen. Pleurahdhle leer. Die rechte 
Lunge vollkommen frei. Im Herzbeutel ca. ?0 ccm gelb- 
lich klarer Fliissigkeit. Das Herz entspricht der Grdsse 
der Leiche. Epikard spiegelnd. Rechter Ventrikel schlaff, 
rechter Vorhof von entsprechender Weite, Muskulatur 
etwas blass, KJappen intakt. Im Endokard des rechten 
Vorhofes vereinzelte kleine Ekchymosen. Pulmonalklappen 
intakt. Auch das Zellgewebe auf dem linken Vorhof zeigt 
einige Hamorrhagien. Der linke Vorhof von entsprechender 
Weite, Ostium offen. Der linke Ventrikel sehr kraftig, 
etwas erweitert. Mitralis leicht verdickt. Endokard des 
linken Ventrikels, vor allem auf den Papillarmuskeln, von 
zahlreichen Ekchymosen durchsetzt. Aorta eng, elastisch, 
Aortenklappen intakt. Die Aorta selbst oberbalb der Klappen 
voneinigengelblichenFlecken durchsetzt. Linke Lunge leicht, 
Pleura spiegelnd, in den hinteren Abschnitten von einigen 
Ekchymosen durchsetzt, die bis linsengross sind. Auf der 
Schnittflache gut lufthaltig, bdemat&s, von massigem Blut- 
gehalt. Bronchialschleimhaut blass. Rechte Lunge mehr 
Sdematbs, Pleura zeigt auch kleine Ekchymosen. Milz 
deutlich vergrOssert, Oberflache glatt, auf der Schnittflache 
von gutem Blutgehalt, Follikel gerade sichtbar. Das Zell¬ 
gewebe um die Niere etwas 5demat5s und durchblutet. 


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216 


Schwangerschaft, Gebort, Wochenbett. 


Linke Niere gross, Kapsel mit zahlreichen Hfimorrhagien 
bis Qberlinsengross. Auf der Schnittflfiche hebt sich die 
Rinde vom Mark gut ab. Rinde in den tiefen Abschnitten 
etwas gelblich verfarbt. Markkegel stfirker bluthaltig als 
gewbbnlich. Deutliche Blutungen oder Herderkrankungen 
nicbt sichtbar. Auch die rechte Niere deutlich vergrOssert, 
, sonst wie links. Die Nierenbecken sind etwas erweitert. Im 
Magen reichlich fltissiger, kaffee&hnlicher Inhalt. Schleim- 
baut des Magens deutlich gerbtet und von zahlreichen 
Ekchymosen durchsetzt. Leber sehr schwer, deutlich ver- 
grdssert 20:24:13. Serosa spiegelnd, von vielen, meist 
netzfOrmig konfluierenden Hfimorrhagien durchsetzt. Aus- 
gedehnte Blutungen am Ansatz des Lig. suspensorium. 
Azindse Zeichnung deutlich, Zentren der Acini dunkelrot, 
Peripherie gelblich. Man sieht zahlreiche dunkle Netze, 
die die Zentren der Acini miteinander verbinden, zum Teil 
auch grbssere hfimorrhagische Komplexe. Die Schleim- 
haut im oberen DQnndarm etwas geschwollen, blass. In 
den unteren Abschnitten sieht man auf der Hdhe der Falten 
vereinzelte Hfimorrhagien. Im Dickdarm gleich unterhalb 
der Klappe wieder einige. Schleimhauthfimorrhagien. Das 
Mesenterium zeigt zahlreiche fleckige Blutungen, die viel- 
fach auf die Serosa des Darmes Gbergehen und sich dort 
in Form von einzelnen dunkelroten Flecken lokalisieren, 
zum Teil* auch als gruppenfbrmige Hfimorrhagien, vielfach 
seitlich vom Mesenterialansatz, und zwar Qber den ganzen 
Darm verbreitet. Gallenblase vergrSssert, von zahlreichen 
Blutungen, besonders an der Ansatzstelle der Leber durch¬ 
setzt. Pfortader ohne Verfinderungen. Harnblase kon- 
trahiert, Schleimhaut blass. Muttermund stark klaffend, 
links eingerissen. Cervix stark gedehnt, von dunkelroter 
Farbe und von zahlreichen Hfimorrhagien durchsetzt. Uterus 
ausgefQllt durch die noch vollkommen anhaftende Placenta, 
die vorwiegend an der Hinterwand sitzt. Aorta thoracica 
und abdominalis sehr eng und von zahlreichen gelblichen, 
zum Teil netzfftrmigen Flecken durchsetzt. Die Gehirn- 
sektion ergab keine pathologischen Verfinderungen. — Bei 
der Obduktion des Kindes fanden sich multiple Ekchy¬ 
mosen fast sftmtlicher inneren Organe, besonders des Herz- 
beutels und des Diaphragmas. Starke Hyperfimie der 
Pia. — Vor allem die mikroskopische Untersuchung 
(Geheimrat Ribbert) ergab die charakteristischen Befunde 
der Eklampsie. Besonders die Leber bot typische Stellen 
hfimorrhagischer und anfimischer Nekrosen. — Wenn wir 
den eben beschriebenen Fall mit den bisher geschilderten 


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Schwangeraehaft, Geburt, Wochenbett — Syphilis. 


217 


Krankheitsbildern von Bouffe de St. Blaise, Wendt, 
Schmorl, Seitz und anderen vergleicben, so unterliegt 
es keinem Zweifel, dass auch unser Fall in die Kategorie 
der Eklampsie gehfirt. Wie bei alien letal verlaufenden 
Fallen der Eklampsie ohne Kr&mpfe war auch in unserem 
die sichere Diagnose nur durch den Sektionsbefund zu 
stellen. Intra vitam wird man oft vor einem diagnostischen 
Ratsel stehen, doch sind bei genauer Beobachtung der 
schwangeren oder bereits entbundenen Pat. eine ganze 
Reibe von sehr kennzeicbnenden Symptomen vorhanden, 
die immerhin an das Bestehen einer Eklampsie denken 
lassen. Abgesehen von dem Urinbefunde fand sich in 
unserem Falle anfangs Somnolenz, Kopfschmerzen, weiter 
Unruhe, Erbrecben, schliesslich tiefe Bewusstlosigkeit, 
Zyanose, Dyspnoe, Pulsfrequenz. Selbstverstftndlich ist 
keines dieser Symptome allein ffir die Eklampsie pathognos- 
tisch, oft wird die Differentialdiagnose zwischen der 
Eklampsie ohne Kr&mpfe — dieser parodoxen Eklampsie — 
und anderen komatftsen Zust&nden, insbesondere der Ur- 
&mie, ungemein schwierig sein. Gerade unser Fall be- 
weist wieder, dass in der Diagnose der Eklampsie ohne 
Kr&mpfe nur der pathologisch-anatomische Befund ent- 

scheidet.“ (Zentralblatt f. GynUkologie 1911 Nr. 47.) 

Syphilis. Beitrag zur Indikation and Wirkang kleinster 
Salvarsandosen. Von Prof. Dr. Ludwig Waelsch in 
Prag. Durch die Beobachtungen von Isaac, Fritz 
Lesser, R. Winternitz, Kromayer u. a. ist festgestellt, 
dass die Wirksamkeit des Salvarsans auf den luetischen 
Krankheitsprozess keine Beeintr&cbtigung erf&hrt, wenn 
man die heilsame Dosis dem Kfirper nicht auf einmal 
einverleibt, sondern ihm das Mittel, auf mehrere kleine 
Einzeldosen verteilt, in Intervallen zuffihrt. Verf. be- 
richtet fiber einen Fall schwerer gummoser Lues, bei welchem 
er trotz bestehender Kontraindikationen gegen Salvarsan- 
behandlung doch wegen seinds refrakt&ren Yerhaltens 
gegen Hg gezwungen war, das Arsenobenzol zu verwenden. 
Er tat dies in dosi „refractissima“, und zwar mit Gber- 
raschendem Erfolge. Ein vorhandener Herzfehler sowie 
auch Taubheit des rechten Ohres und eine Attacke von 
Otitis media des linken stellten eigentlich Kontraindika¬ 
tionen gegen Salvarsan dar, zumal sich weder anamnestisch 
noch durch die Untersuchung feststellen liess, dass die 
Ohraffektion des Pat. mit seiner Lues in sicherem Zu- 
sammenhang stehe. Andererseits aber wieder dr&ngten 


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218 


Syphilis. 


der elende Allgemeinzustand des Kranken, das Fortschreiten 
des Ulzerationsprozesses, seine Unbeeinflussbarkeit durch 
Hg doch zur Salvarsanbehandlung. Verf. entschlo$9 sich 
daher zu dieser und injizierte dem Pat. am 7. IX. 0,05 
in neutraler Suspension intramuskul&r. Die Injektion batte 
fast sofort einen unerwarteten Erfolg, indem schon wenige 
Stunden nachher lokale Reaktion an den Geschwdren und 
in der Nase auftrat, kenntlich durch starkere Sekretion 
und Schleimhautschwellung mit stftrkerer Krustenbildung. 
Nach 24 Stunden klang diese Reaktion allm&hlich ab. 
Zwei Tage nach der Injektion begann sich das Gumma 
am NasenflQgel zu reinigen und auch der Prozess in der 
Nase zeigte Heilungstendenz. Diese Injektionen wurden 
nun jeden 3.—4. Tag wiederholt, mit dem Effekte, dass 
nach 14 Tagen — Pat. hatte bisher viermal 0,05 Sal- 
varsan bekommen — alle Ulzerationen, auch die am 
Rachendach, geheilt waren. Pat. erhielt noch bis zum 
27. IX. dreimal 0,05 und wurde an diesem Tage, nachdem 
er also im ganzen 0,35 Salvarsan erhalten hatte, in ge- 
bessertem Ern&hrungszustande entlassen. Sein Herzfehler 
blieb unbeeinflusst. Eine am 19. X. vorgenommene neuer- 
liche Untersuchung ergab vollkommene Heilung der Ge- 
schwQre. Durch diese Behandlung wurde aber auch sein 
rechtes Ohr gQnstig beeinflusst. W&hrend er zu Beginn der 
Behandlung am 7. IX. rechts vollkommen taub war, hbrte 
er am 21. IX. nach vier Injektionen FlGstersprache auf 
*/« m, am 26. IX. auf l 1 /* m, am 27. IX. auf 2 l /a m, am 
4. X. auf 3 m. Die StimmgabelprQfung ergab, dass rechts 
die Stimmgabel der eingestrichenen Oktave gehbrt wird, 
C 2 wieder etwas verkQrzt; Knochenleitung rechts + 20". 
Auch das Ohr reagierte auf die Injektionen insofern lokal, 
als in ihm nach der zweiten Injektion vorObergehende 
Schmerzen auftraten, denen das Wiedererwachen des Ge- 
hbres folgte. 

Dieser Fall ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert. 
Er zeigt 

1. dass Salvarsan auch in ganz geringen Dosen einen 
schweren luetischen Krankheitsprozess Qberraschend gQnstig 
beeinflussen kann. Besonders sei auch die wesentliche 
Besserung des GehOrs hervorgehoben; 

2. dass so geringe Dosen noch imraer lokale Herx- 
heimersche Reaktion an den Krankheitsherden hervor- 
zurufen imstande sind; 

3. dass die bis jetzt geltenden Kontraindikationen bei 
dieser vorsichtigen Dosierung eine bedeutende Einschrfin- 


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Syphilis — Tumoren. 


219 


kung erfahren kdnnen, vorausgesetzt, dass es sich um 
gegen Hg refraktare Falle handelt. 

Yielleicht wird diese Beobachtung dazu beitragen, auch 
diejenigen Falle einer erfolgreichen Salvarsanbehandlung 
zuzufQhren, welche man bisher von ihr ausschliessen zu 

maSSen glaubte. (Miincb. med. Wochen8chrift 1911 Nr. 47.) 

— TTeber den Pemphigus syphiliticus adultorum. Yon Dr. O. 

Scheuer (Wien). Wir haben es hier mit einem Falle 
zu tun, bei dem sich vier Monate nach der Infektion neben 
einem makulopapulbsen Rezidivexanthem des Stammes am 
rechten Ober- und linken Unterscbenkel, ebeneo an beiden 
Hohlhanden und Fusssohlen, rote bis blfiulichrote indu- 
rierte Flecke auf der Haut zeigten, deren Epidermis bald 
durch ein serbses Exsudat abgehoben wurde., (Nach Aus- 
sage des Pat. sollen auch am Ober- und Unterscbenkel 
vor Auftreten der Blasen an deren Stelle solche Flecke 
bestanden haben.) So entstanden Blasen bis zu Erbsen- 
grbsse und dartiber, die von einem feinen, dunkelroten 
Saum umgeben waren und deren Inhalt sich nach kurzer 
Zeit trvibte. Daneben bestanden Angina specifica und 
Papeln an der linken Tonsille. Wichtig ffir die Diagnose 
Pemphigus syphiliticus ist 1. dass die Blasen und Bl&schen 
gemeinsam und zu gleicher Zeit mit dem Gbrigen luetischen 
Exanthem und den sonstigen spezifischen Erscheinungen 
aufiraten, 2. dass sie von spezifischen Infiltrationen (Pa¬ 
peln) ausgingen, die sich nach der Salvarsaninjektion wieder 
in solche, wenn auch weniger infiltrierte Effloreszenzen 
umwandelten und dann ganz verschwanden, ohne zu rezi- 
divieren, und 3. dass sich im Blaseninhalte Spirochaten 
nachweisen liessen. Ausserdem ware darauf hinzuweisen, 
dass die bullosen Effloreszenzen so prompt auf die anti- 
luetische Therapie sich rbckbildeten. Auf Grund dieser 
eben angefbhrten Punkte glaubt Verf. mit Sicherheit an- 
nehmen zu dfirfen, dass der Blasenausschlag durch den 
luetischen Prozess bedingt wurde und nicht nur mit ihm 
koordiniert in Erscheinung trat, wie es bei mehreren in 
der Literatur als Pemphigus syphiliticus adultorum ver- 
bffentlichten Fallen der Fall ist. In diesen Fallen han- 
delte es sich um einen Pemphigus acutus bei Syphilitischen, 
was Mahmond als Pemphigus survenu chez un syphi- 

litique bezeichnet. (Wiener med. Woohenschrift 1911 Nr. 49.) 

Tumoren. Zwei Falle von geheiltem Vnlvakarzinoxn. Yon 

Dr. Machenhauer (Darmstadt). Autor schreibt: „Auf 
dem diesjahrigen Gynakologenkongress in MQnchen wurde in 


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220 


Tumoren. 


einer Sitzung bei Besprechung des Vulvakarzinoms an die 
Versainmlung die Frage gerichtet, ob flberhaupt einer der 
Kollegen einen Fall von definitiver Heilung eines Vulva¬ 
karzinoms aufzuweisen habe, worauf sich nur ein Kollege 
meldete. Danacb scheint doch die grosse Bosartigkeit dieses 
Karzinoms als feststehend angenommen zu werden. So 
schlecht, wie es hiernach scheint, ist die Prognose aber 
doch nicht. Aus dem Jahre 1902 besteht eine Statistik 
von Goldschmidt, Berlin, Inaug.-Diss. Leipzig, der 
213 Falle mit ca. 10°/o Heilung zusammenstellt. 1903 
bringt Herm. Schulze (Leipzig) eine Zusammenstellung 
von 115 Fallen, wo von nach ffinf Jahren noch vierzehn 
rezidivfrei waren, dazu kommen noch zwfilf, die fiber drei 
Jahre ohne Rezidiv geblieben waren. Insofern dOrfte es 
doch noch von Interesse sein, weitere, wohl definitiv ge- 
heilte F&lle beizubringen. Ich bin nun auch in der Lage, 
fiber zwei solche Falle zu berichten, die fiber drei und 
ffinf Jahre bis jetzt rezidivfrei geblieben sind. Der erste 
betrifft eine jetzt 66 Jahre alte Frau K., die sich mir im 
Juni 1906 mit einem ffinfmarkstfickgrossen Ulcus des linken 
Lab. maj. vorstellte, das sich bis zur Klitoris und zur 
hinteren Konimissur erstreckte. Sie hatte vor 21 Jahren 
einmal geboren und klagte seit drei Monaten fiber Wund- 
sein und Schmerzen an der Vulva. Es hatte sich auf 
Grund einer Leukoplakie ein Plattenepithelkarzinom ent- 
wickelt, dessen mikroskopische Diagnose von Herrn Prof. 
Mfinckeberg in Giessen bestatigt wurde. Da keinerlei 
vergrfisserte Leistendrfisen zu ffihlen waren, wurde nur 
eine sehr ausgiebige lokale Exstirpation der linken Vulva 
nebst Klitoris mit Fettgewebe bis aufs Periost vorgenommen. 
Frau K. hat sich zuletzt am 29. VII. 1911 ohne eine 
Spur eines Rezidivs vorgestellt. Der zweite Fall betrifft 
eine jetzt 67jahrige Frau M. K., die im Februar 1908 
zur Operation kam. Sie hatte viermal geboren und seit 
ffinf Wochen Schmerzen beim Gehen in der Vulva, wo 
sich ein ffinfpfennigstfickgrosses Geschwtir auf der linken 
grossen Labie etabliert hatte. Hier waren aber bereits 
die linken Leistendrfisen angeschwollen, und wurde deshalb 
die Ausrfiumung der linksseitigen Inguinaldrfisen mit der 
Exstirpation des Geschwfirs verbunden. Die ebenfalls von 
Herrn Prof. Mfinckeberg vorgenommene mikroskopische 
Diagnose lautete ,zweifelloses Karzinom 1 . Die Frau sah 
ich zuletzt am 10. IX. 1911 ohne eine Spur eines Rezidivs. 
Da Vulvakarzinomrezidive gewfihnlich sehr frfihzeitig er- 
folgen, darf man wohl auch in diesen beiden Fallen, nach- 


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Tumoren — Vermischtes. 


221 


dem 3 Vs und 5 Jahre nach der Operation verflossen sind, 
von einer definitiven Heilung beider Vulvakarzinome 
sprechen. Es scheint sich hier der Erfahrungssatz zu be- 
stfitigen ,Je filter der Patient, desto gutartiger das Karzi- 

nom‘.“ (Zentralblatt fiir Gyn&kologie 1911 Nr. 44.) 


Vermischtes. 


TJeber Hepin-SauerstoiFb&der. Von Dr. Rudolf v. Hoesslin 
in Miinchen-Neuwittelsbach. Rdmer und Much haben 
aus v. Behrings Institut vor mehreren Jahren (Berl. klin. 
Wochenschr. 1906, S. 1045) roitgeteilt, dass es mit einer 
von ibnen gewonnenen Leberkatalase gelingt, Wasserstoff- 
superoxyd in der Milch, nach erfolgter Sterilisierung, voll- 
kommen in Wasserstoff ‘und Sauerstoff zu zerlegen. Diese 
vom Behringwerk in Marburg unter dem Namen Hepin 
erhfiltliche Katalase ist imstande, in einer Menge von 
0,075 ccm aus 100 ccm 3,0 proz. Wasserstoffisuperoxyd- 
lSsung einen Liter Sauerstoff freizumachen. Anfangs 
dieses Jahres stelite Verf. das Behringwerk eine grOssere 
Menge Hepin zur Verfhgung zur Herstellung kQnstlicher 
Sauerstoffbfider, deren Zubereitung fiusserst einfach ist. 
Einem Vollbad wird ein Liter 3 proz. Wasserstoffsuper- 
oxyd zugesetzt. Das Hepin kommt in kleinen Original- 
flaschen zur Versendung. Ein solches Flaschchen ent- 
hfilt so viel Hepin, als notwendig ist, um das einem Bad 
zugesetzte Wasserstoffsupeioxyd zu zerlegen. Da ein Liter 
des gewOhnlichen kfiuflichen 3%igen Wasserstoffsuperoxyds 
30,0 reines Wasserstoffsuperoxyd enthfilt, entwickeln sich 
aus demselben ca. zehn Liter reiner Sauerstoff. Am besten 
giesst man den Inhalt eines Hepinglfischens in ca. Vi Liter 
Wasser und verteilt das mit Hepin gemischte Wasser in 
dem Bade, dem vorher das Wasserstoffsuperoxyd zugesetzt 
wurde. Die Entwicklung des Sauerstoffs geht sehr rasch 
vor sich, so dass nach 10 bis 15 Minuten das ganze Bade- 
wasser von kleinen Gasblfischen durchsetzt wird. Um 
diese Zeit ist das Bad gebrauchsfertig. Die Sauerstoff- 
entwicklung dauert aber noch einige Zeit an, und der ganze 
KOrper wird, wie in den natfirlichen Kohlensfiurebfidern, 


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222 


Vermischtes. 


mit unz&hligen kleinen Gasbl&schen bedeckt. Die Wirkung 
solcher Bader ist eine &hnliche, wie bei alien B&dern, in 
welchen grQssere Gasmengen im Wasser entwickelt werden. 
Es tritt eine m&ssige Reizung und Hyperamie der Haut 
rait ihren Folgezust&nden auf. Die Hepin-Sauerstoffb&der 
haben gegenQber den anderen Sauerstoffb&dern verschiedene 
Vorteile. Im Yergleich mit den aus der Sauerstoff bom be 
hergestellten Bftdern ist die Gasentwicklung eine viel inten- 
sivere, und das Wasser ist viel inniger mit Gasbl&schen 
durchsetzt, weil aus jedem Wasserteilchen Gasbl&schen 
entstehen, w&brend der kflnstlich eingeleitete Sauerstoff 
das Wasser rasch wieder verl&sst. Daher haften die Sauer¬ 
stoff bl&schen bei den Hepin-Sauerstoff badern viel inten- 
siver am Kdrper als bei den Sauerstoffgasb&dern aus der 
Bombe. Im Vergleich zu den Ozetb&dern haben die Hepin- 
Sauerstoffb&der den Yorteil der grossen Billigkeit. Ein 
Liter 3proz. Wasserstoffsuperoxyd kostet 40 Pf., die Hepin- 
dosis, die fQr ein Bad benbtigt wird, 20 Pf. Dabei be- 
darf es fQr das Hepin-Sauerstoffbad keiner besonderen 
Vorrichtung, es kann in jeder Wanne zubereitet werden 
und greift die Wanne nicht an. 

(Munch, med. Wochen«chrift 1911 Nr. 47.) 


— fl S1lckfliuBBgl&ser (< fttr die &rztliche Praxis hat Dr. Richard 
Loewenberg, Spezialarzt fQr Hals-, Nasen-, Ohren- 
krankheiten (Berlin) konstruiert. Die bisher gebrauchlichen 
Schalen aus Glas oder Porzellan, welche der Aufnahme 
von Ldsungen fQr Pinsel oder Tampons dienen, haben 
den grossen Nachteil, dass sie eine glatte Innenfl&che 
haben, an der der Pinsel abrutscht, so dass man gezwungen 
ist, einen st&rkeren Druck gegen die Beh&lter auszuQben, 
um die QberschQssige Ldsung aus dem Pinsel oder Tampon 
zu entfernen. Man muss daher die Gl&Ser in die Hand 
nehmen oder die Beh&lter in einen sehr massiven Sockel 
einlassen. Autor hat nun Gl&ser konstruiert, welche 
oben in einer Winkelstellung von ungef&hr 60° einen ca. 
1'/» cm breiten konkaven Rand haben. Dieser rosetten- 
fbrmige Rand ist an seiner Innenfl&che mit 40 scharfen 
Riefen versehen, so dass zwischen jeder Kante eine Ein- 
kejjbung liegt. Die „RQckflussgl&ser“ sind in einem gleich- 
falls gl&sernen, pyramidenfdrmigen Sockel mit einer Basis 
von 25 cm L&nge so eingelassen, dass sie leicht heraus- 
gehoben werden kdnnen. Man erzielt durch einen ganz 
minimalen Druck gegen die an der Rosette befindlichen 


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V ermischtee. 


223 


gl&sernen Leisten ein sofortiges Zurtickfliessen der fiber- 
schiissigen Lbsung aus dem Tampon in das Glas, ohne 
dass sich die Glaser oder das ganze Gestell aus ihrer 
Lage verschieben. Der Sockel ist zur Aufnahme von drei 
Glasern fQr verschiedenartige Losungen eingerichtet. Ftlr 
mebrere Losungen wird das Gestell mit einem oder zwei 
weiteren Sockeln mit je drei Behaltern kombiniert. Zwischen 
den einzelnen Glasern befinden sich Einkerbungen ffir 
Wattetrftger oder Spritzen. Nach dem Gebrauch kbnnen 
die Lbsungen wieder in die Originalflaschen leicht zurilck- 
geschlittet werden. Die Glaser sind bequem zu reinigen 
und zu desinfizieren. Die „Riickflu8sglaser“ kommen in 
alien Fachern der arztlichen Praxis zur Yerwendung, in 
denen Medikamente oder Lbsungen in Betracht kommen, 
welche ftlr Pinselungen oder Tamponaden bestimmt sind. 
Die Firma von Poncet, Glashtittenwerk A.-G., Berlin, 
Kbpenicker Strasse 54, welche die kompletten Bestecke 
zum Preise von 4 M. herstellt, liefert die Glaser auch mit 
vorbestellten saurefesten Emailschildern und Signaturen. 

(Berliner klin. Wochenechrift 1911 Nr. 42.) 

— Beitrag zur Vermin derung postoperativer Gefahren. Yon 

Dr. O. Goldstein (Berlin). Ungenbgende Mundpflege 
tragt sicher zur Entstehung postoperativer Pneumonien bei. 
Seitdem Autor diesem Punkte seine Aufmerksamkeit zu- 
wendet, hat er eine bedeutende Verminderung der post- 
operativen Bronchitiden konstatieren kbnnen. Zur Des- 
infektion des Mundes benutzt er das Perhydrol-Mundwasser. 
Er lasst seine Pat., wenn angangig, an dem oder den der 
Operation vorhergehenden Tagen taglich vier- bis sechsmal 
den Mund grfindlich aussptilen. Auch nach der Operation 
wird die Perhydrolspiilung mbglicbst haufig vorgenommen, 
was einmal zur weiteren Desinfektion des Mundes wtinschens- 
wert ist und sich zweitens ftlr die Pat. sehr vorteilhaft 
erweist, weil die Spulung mit Perhydrol zur Ueberwindung 
des w'iderlicben Nachgeschmackes des Narkosemittels bei- 
tragt. Die PerhydrolverdQnnung wird so gewahlt, dass 
sie l°/o Wasserstoffsuperoxyd enthalt, diesem Gehalt ent- 
spricbt eine Mischung von 1 Teil Perhydrol mit 30 
Teilen Wasser, die in Kliniken jederzeit selbst hergestellt 

TVerden kann. (Deutsche med. Wochensohrift 1911 Nr. 44.) 


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Bucherschau. 


BucherscHau. 


Die Gastroskopie hat H. Eisner in einer Monographic (Verlag 
von G. Thieme, Leipzig, Preis: 8 M.) eingehend bear- 
beitet. Wohl dem Arzte, der die Mittel hat, sich die ver- 
schiedenen M -skope“ anzuschaffen, und sich in ihrer Hand- 
habung genfigend auszubilden Zeit und Gelegenheit hat. 
Wie leicht und rasch kann er oft diagnostizieren. was 
andere nur ahnen und ‘ vermuten konnen, wie viel eher 
kann er diagnostische Irrwege vermeiden, die den mit den 
„gew6hnlichen“ Mitteln arbeitenden Aerzten nicht erspart 
bleiben. Die Gastroskopie hat sich mehr und mehr zu 
einer beachtenswerten und ntltzlichen Untersuchungsmethode 
herausgebildet, und wer sie beherrsoht, wird als Diagno- 
stiker manche Freude erleben. Eisners schdnes Werk 
mit seinen 67 Abbildungen und 11 Tafeln kann natQrlich 
nur den gastroskopischen Unterricht selbst erleichtern; es 
wird dies in hervorragender Weise tun, und es kann in 
diesem Sinne die Anschaffung dieser erschOpfenden An- 
leitung ffir den Gebrauch des neuen diagnostischen Hilfs- 
mittels wSrmstens empfohlen werden. 

— Ffihrer der Menschheit, ein sozialer Roman aus der Gegen- 
wart, von H. Lungwitz (Adler-Verlag, Berlin). Ein von 
einem Arzte geschriebener, von Aerzten handelnder Roman, 
der sicher das Interesse der Kollegen erregen wird und 
dessen Lektflre durchaus dazu angetan ist, einige freie 
Stunden angenehm auszufbllen. Jeder Arzt wird sich 
gewiss freuen, wenn ihm dies Buch auf den Geburtstags- 
tisch gelegt wird. Verfasser schreibt fliessend und schildert 
gut die ftrztliche Misere, zeichnet scharf die verschiedenen 
Charaktere und versteht es dabei, den Leser dauernd in 
Spannung zu halten. Der 374 Seiten starke Roman 
kostet 4 M. 


Notiz. 

Die heutigeNummer unseres Blattes enthS.lt eineBeilage, und zwar 
von der Firma: Goedecke & Co., Leipzig u. Berlin N 4, fiber 
9 l Ppothaemin cc 9 auf die wir besonders hinweisen. 


Fflr den redaktionellen Teil verantwortlioh: 

Dr. E. Graetzer in Friedenau-Berlin. 


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Erscheint am 

Anfang eines jeden Monats. 


M 6 


Prela des Jahrgangs 6 Mk. 
excL Porto. 


Excerpta medica. 

Kurse monatllohe JounaUaiififi 

aus der gesamten Paohliteratur 

zum Gtebrauch far den pr&ktischen Arzt 

Heratugegeben von Dr. mod. Bugen CHraetzer in Friedenau-BerUn. 

Ter lag Ton Carl Sallntamn, Leipzig. 


Min. XXI. Mm 1912 


Alopecia, a. im Anschluss an operative Nervenverletsung. 

Von Dr. G. Trautmann (MQnchen). Autor hat zwei 
Falle von A. beobachtet, welche im Anschluss an opera¬ 
tive Eingriffe im Trigeminusgebiet entstanden sind. Er 
schreibt darDber: „Im ersten Falle handelt es sich um 
eine 43jfihrige Stickerin, welche von habituellen Kopf- 
schmerzen auf Grund von chronischen Eiterprozessen fast 
samtlicher NasennebenhOhlen geplagt wurde. Ich habe 
der Pat. beiderseits in mehreren Sitzungen das vereiterte 
Siebbeinlabyrinth ausger&umt und nach Wegnahme der 
vorderen Keilbeinhdhlenwand die Keilbeinhbhle, die mit 
Eiter und Granulationen ausgefflllt war, ausgekratzt. Es 
war nun merkwQrdig, dass einige Wochen nach dem letzten 
EingrifF sich in rapider Weise zwei enorme, durch eine 
stehengebliebene Haarleiste getrennte, rundliche Alopecie- 
scheiben aushildeten. Die Haut war schliesslich vollkommen 
haarlos und glatt. Ich war gendtigt, kurze Zeit darauf 
noch die beiden StirnhOhlen zu eroffnen. Eine Vergrdsse- 
rung der haarlosen Stellen trat nach diesem EingrifF nicht 
auf; im Gegenteil, es zeigte sich allm&hlich allenthalben 
Neuwachstum von feinen H&rchen, und nach etvra 1 / 4 Jahr 
waren samtliche Haare vOllig nachgewachsen. Der zweite 
von mir beobachtete Fall betrifft einen 28j&hrigen Photo¬ 
graph en, bei dem ich die dinke Stirnhfthle aufgemeisselt 
und ein mehrere Zentimeter langes Stock des linken Nervus 
supraorbital is extrahiert habe. Als der Pat. am n&chsten 
Tage nach der Operation in seinem Bette frOh erwachte, 
bemerkte er zu seinem Erstaunen, dass er mit seinem 

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226 


Alopecia. 


Kopfe in einem Nest von ausgefallenen Haaren lag und 
dass er am Hinterkopf oben mit den Fingern ganze Strecken 
weit die Haare wie aus einem alten Pinsel herausziehen 
konnte, Bei der Inspektion zeigte sich nun, dass der 
Hinterkopf bis zu einer Linie, die links in der Nfthe des 
Ohrlftppchens begann und im Kreisbogen nach rechts bis 
zurHOhe des Ohrmuschelansatzes hinaufzog, vollstandig kahl 
war. Die ganze Haut daselbst war glatt; nicht ein ein- 
ziges Hftrchen war zu sehen. Aber auch hier fingen nach 
etwa vier Wochen an einzelnen Stellen wieder feinste 
Hfirchen zu wachsen an, und wie im ersten Falle waren 
nach drei Monaten s&mtliche Haare vOllig nacligewachsen. 
Ich glaube, dass ich die in den beiden Fallen nach Ope- 
rationen aufgetretene A., ohne befOrchten zu mQssen, 
Widerspruch zu finden, auf chirurgische Verletzung von 
Aesten des Nervus trigeminus zurQckfGliren und diese als 
,neurotischo‘ bezeichnen darf.“ 

(Dermatolog. Zentralblatt, Oktober 1911.) 

— XJeher eine Emulsion ans Seife als Mittel zur Haarpflege 

schreibt Dr. Pohl (Berlin-Charlottenburg): „Zweck der 
folgenden Zeilen iat es, die Kollegen aufmerksam zu 
machen auf ein Einfettungsmittel fOr das Kopf- und 
Barthaar. Das fragliche Prftparat hat auf das Wachs- 
tum des Haares keinen Einfluss, ist aber nach meiner 
Meinung dienlich zur Pfiege des gesunden und zur Be- 
handlung des kranken Haares in alien Fallen, in denen 
man Anlass hat, das Haar einzufetten. Dieser Anlass 
liegt z. B. dann vor, wenn man haufiger Kopfwaschungen 
oder Einreibungen vorzunehmen hat. Die geringste StGrung 
der normalen Yerfassung der Kopf haut bringt es mit sich, 
dass die natOrliche Einfettung durch die TalgdrGsen ihren 
Zweck, dem Haar Geschmeidigkeit .und gutes Ausselien 
zu verleihen. nicht mehr erfOllt. Die feine Art der Ein¬ 
fettung und Vernierung nachzuahmen, welche die gesunden 
TalgdrGsen an einem gesunden Haarbalg zustande bringen, 
ist natOrlich ganz unmOglicli. Im allgemeinen vermftide 
ich fOr das Kopf haar Alkohol oder alkoholische LOsungen 
der in Frage kommenden Medikamente, trotzdem ein Kopf- 
spiritus fQr den Pat. gewGhnlich angenehmer einzureiben 
ist, schneller reinigt und schneller trocknet als ein Kopf- 
Avasser; das wachsende Kopf haar vertrflgt aber den chro- 
nischen konzentrierten Alkoholgebrauch nach meiner 
Meinung fast ebenso schlecht, wie etwa die Kachen- und 
Magenschleimhaut, die parenchymatdsen Organe usw. 


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Alopecia. 


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(unbeschadet der Unterschiede der BerOhrungszeit, Resorp¬ 
tion und Durchdringung fOr Epithelien und Blutgefasse). 
L&sst man, wie ftblich, reines Oel, Creams oder Pomaden 
anwenden, so hat man therapeutisch und kosmetisch den 
Uebelstand, dass das Haar mit einer viel grosseren Fett- 
menge Dberzogen wird, als den natfirlichen Verhaltnissen 
entspricht, und dass es zusammenklebt. Verhaltnismassig 
am zweckmassigsten unter den vorhandenen Mitteln ist 
die dlhaltige Brillantine gewesen (15—20°/o Glyzerin, 
40—80% Alkohol, 5—10% Oel). Ich habe aber auch 
Pat. gebabt, die so empfindlich waren, dass sie den ge- 
ringen Alkoholgehalt der Brillantine nicht vertrugen. Die 
Bedingungen, die ein zweckmassiges Fimismittel fQr das 
Kopfhaar erfOllen mOsste, sind folgende: Das einzelneHaar 
muss mit einer Firnisschicht dberzogen werden, die Schicht 
muss mbglich ddnn sein, die Haare dQrfen nicht zusammen- 
kleben und kein Vehikel fOr Staubansammlung geben, und 
das Losungsmittel ebenso wie der Firnis ddrfen keinen 
schfldlichen Einfluss auf das Haar und den Haarboden 
baben. Es kommt also haupts&chlich auf die ErfOllung 
feiner mechanischer Bedingungen an, und diesen war mit 
den bisherigen Einfettungsmitteln nicht zu gendgen* Neben 
dieser mechanischen Funktion spielt die chemische Natur 
des Stoffes, den man als Firnis benutzt, beim Haar nur 
eine geringe Rolle. Es liegt auf der Hand, welche Vor- 
teile es bietet, wenn man ein Einfettungsmittel in ein 
Vehikel bringen kann, das fldchtig ist, das fdr eine feine 
Verteilung der Einfettung sorgt, nachher durch die Ver- 
dunstung verschwindet und doch die schfidliche Wirkung 
des Alkohols nicht hat. Jeder, der langere Zeit behaarte 
Haut zu behandeln gehabt hat und dabei den Haarbestand 
selbst intakt und in gutem Zustande zu erhalten bestrebt 
ist, wird zugeben, dass die Hauptschwierigkeit gerade in 
einer fOr das Haar passenden mechanischen Verteilung 
des Medikamentes liegt. Es war mir deshalb angenehm, 
von seiten einer Berliner chemischen Fabrik Fritz Kripke 
(Berliner Formpuderwerke) ein Pr&parat zu bekommen, 
in dem ein Einfettungsmittel in wftssriger Losung oder, 
genauer gesagt, eine feine w&ssrige Emulsion eines solchen 
Einfettungsmittels enthalten ist. Die Firma nennt das 
Praparat Mattanmilch und macht mir liber die Zusammen- 
setzung die folgenden Angaben: ,Das Pr&parat besteht in 
einer wSssrigen Emulsion von Fetts&uren bzw. sauren 
fettsauren Salzen, die durch Neutralisieren einer w&ssrigen 
Seifenlosung mit Sfiure hergestellt Avird. Seife, d. h. Alkali- 

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Alopecia. 


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salz der hoheren FettsSuren, ist bekanntlich in w&ssriger 
Lbsung stark hydrolisiert, und die Losung reagiert stark 
alkalisch. Versetzt man eine solche Seifenlbsung mit der 
zur Bindung des gesamten Alkalis theoretisch erforderlichen 
Sfiuremenge, so scheidet sich die freie FettsSure auf der 
Oberflache der klaren Lbsung des Alkalisalzes vollstandig 
aus. Ganz anders verhalt sich die Seifenlbsung, wenn 
man ihr nicht die theoretische Menge Saure, sondern langsam 
und vorsichtig unter gutem Rdhfen nur 90 — 95% der- 
selben zusetzt, eine Menge, die gerade ausreicht, um eine 
gegen Lackmus neutrale Reaktion zu erzielen. Jetzt er- 
folgt keine scharfe Trennung zwischen wassriger Losung 
und Fettsaure, sondern es entsteht eine vollkommen homo¬ 
gene milchweisse Emulsion, deren chemische Zusammen- 
setzung sich etwa durch die Formel 1 fettsaures Alkali, 
11 Fett saure ausdrbcken lasst. Die Emulsion reagiert 
gegen Lackmus vollkommen neutral, lSsst sich mit destil- 
liertem Wasser (also kalkfreiem Wasser) beliebig verdQnnen 
und vertragt ohne Entmischung Zusatze der meisten fbr 
das Kopfhaar gebrftuchlichen Medikamente, sofern diese 
nicht durch ihre saure alkalische Reaktion das Gleich- 
. gewicht stbren. Auf Ziisatz von etwa 30% Alkohol geht 
die Emulsion in Lbsung. Zur Herstellung der Emulsion 
lassen sich alle Sfturen, die starker sind als die hohen 
Fettsauren, verwenden, z. B. Weinsfiure, Milchsaure, Essig- 
sSure, Bors&ure, Chlorwasserstoff- und Schwefelsaure. 
Nach dem Verdunsten des Wassers hinterbleibt eine farb- 
lose, durchsichtige Schicht, die in alien den physikalischen 
Eigenschaften, die hier in Betracht kommen, mit den wirk- 
lichen Fetten fibereinstimmt. Sie ist wasserabstossend wie 
Fett, ist bei Wahl der geeigneten Seife bei Zimmertem- 
])eratur fest, bei Hauttemperatur teigig bis flbssig, genau 
Avie Talg, und ist der Haut gegenflber vollkommen in¬ 
different. Vor den meisten Fetten besitzt die Emulsion 
wie ihr Rbckstand, besonders wenn Borsaure zu ihrer 
Herstellung benutzt wird, den Vorzug, nicht ranzig zu 
werden und sich jahrelang an der Luft unverandert zu 
halten.‘ — Ich habe nun die Mattanemulsion in den letzten 
1V* Jahren von einer grossen Reihe meiner Pat. gebrauchen 
lassen. Ich lasse gewbhnlich das Mittel 2—5mal in der 
Woche auf Kopfhaut und Haar verreiben, bei Frauen mit 
einer kleinen weichen Bbrste auftragen und dann ober- 
flachlich abtrocknen. Diese Einfettung ist natbrlich un- 
abhangig v^n der Anwendung der Medikamente, die ich 
zur eigentlichen Behandlung des Haarwuchses vei-Avende. 


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Alopecia. 


229 


Nur wird sie selbstverstandlich nicht vor einer medika- 
mentbsen Einreibung vorgenommen. Bei trockener Sebor- 
rhoe, sofern diese sich in geringem Grade halt, kann die 
Emulsion ohne vorherige Waschung angewendet werden 
und als Reinigungsmittel betrachtet werden, dergestalt, 
dass der Kopf mit reichlichen Mengen der Emulsion ge- 
waschen und mit einem Tuche trocken gerieben wird. 
Besonders bei kurzem Kopfhaar, also bei Mannern, ist 
dies die einfachste Art der Anwendung. Liegt eine starkere 
Desquamation und Sebunanhaufung vor, so muss die Kopf- 
haut erst gereinigt werden. Die Emulsion verklebt aber 
auch bei vorhandener Schuppenbildung nicht so wie irgend- 
ein Oel. Bei den sehr haufigen Zustanden der chronischen 
A., in denen der Dickendurchmesser der einzelnen Haare 
stark variiert und wo sehr feine Haare neben denen von 
normaler Starke vorhanden sind, entsteht das den Pat. 
beiderlei Geschlechts lastige Aufstreben der einzelnen feinen 
Haare, die sich nicht in die Frisur fiigen wollen und vor 
allem gewbhnlich mehr oder weniger tordiert sind; diesem 
Uebelstand hilft die wassrige Einfettung am schnellsten ab. 
Bei den verschiedenen Arten der Trichorrhexis hat die 
Emulsion einen therapeutischen Effekt nicht gehabt — 
was sich ja aber auch nicht erwarten liess —, konnte 
aber ebenfalls ohne Schaden neben anderen Medikamenten 
gebraucht werden. Fttr die Pat., auch ftir sehr empfind- 
liche und anspruchsvolle Personen, ist die Verwendung 
dieser Emulsion augenscheinlich stets angenehm gewesen 
und hat immer ein Geftihl von Reinlichkeit hinterlassen. 
Schliesslich bleibt noch zu bemerken, dass ich die Emul¬ 
sion auch mit den Medikamenten, die ich zur Behandlung 
verwenden liess, direkt kombiniert babe, sofern es sich 
nicht um Alkalien oder Sauren handelt. Beim zweiten 
Stadium der chronischen A. z. B. ist ein vielfach nfttz- 
liches Mittel das Amylnitrit, das ich in folgender Formel 
anwende: 

lip. Amyl, nitros. guttas 20—40 
Spir. rectificat. 20—40 
Aqu. destillat. ad 200 
Tinct. Fowleri 1,5—2,5. 

In dieser Losung kann man sehr gut das destillierte TYasser 
durch Mattanemulsion ersetzen. (Das therapeutische Prin- 
zip, von dem ich hier mit dem Amylnitrit ein Beispiel 
gegeben habe, bedarf einer kurzen Erklarung. Es kommt 
l»ei einem vorgeschrittenen Stadium des chronisch-indui’a- 


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Alopecia — Arthritis urica. 


tiven Prozesses an der Kopfhaut, welcher zum Haarverlust 
f(lhrt, darauf an, zun&chst eine gelinde Hyperamie und 
Lockerung in der Subcutis zu erzeugen. Besonders ist 
das der Fall bei A., die mit Kopfdruckerscheinungen, mit 
Gefflhlen von Hitze oder K&lte oder anderen abnormen 
Sensationen am Kopfe verbunden sind.) Ein anderes Re- 
zept, bei dem ich ebenfalls Mattanemulsion statt Wasser 
genommen habe, ist: 

Sulfur, praecip. 1—2,5 

Spirit. 

Glyzerin aa 15 

Mattanemulsion ad 200. 

(Dermatolog. Centralblatt, Januar 1912.) 

Arthritis urica* Ueber die Wirkung des Atophans macht 
Dr. F. Deutsch (II. Mediz. Klinik in Mfinchen) Mitteilung. 
Es wurden 25 Gichtfalle, sowohl akute als auch chro- 
nische, mit dem Medikament behandelt. Wurde es aucli 
meist anstandslos vertragen, so zeigten sich doch ofters 
unangenehme N ebenerscheinungen, wie Magend rflcken, 
saures Aufstossen, Diarrhoe. Gleichzeitige kleine Gaben 
von Natriumbikarbonat konnten diese Symptome unter- 
drOcken (Weintraud). Die Dursehnittsdosis betrug 
3—4 g pro Tag. Besonders bei akuten Fallen wurde der 
Eindruck gewonnen, dass das Mittel die Krankheit gdnstig 
beeinflusst. Zwei Paradigmata dieser gOnstigen Wirkung 
filhrt Verf. an. Ebenso sank auch bei den anderen mit 
Atophan behandelten akuten Gichtfallen immer inner- 
halb 24 Stunden die Fiebertemperatur zur Norm, die 
Schw r ellungen der befallenen Gelenke sowie die Schmerzen 
schwanden auffallend rasch. In manchen Fallen hat sich 
Atophan den Salizylpraparaten als bedeutend Oberlegen 
erwiesen, indem es noch dort Erfolge zeitigte, wo diese 
Mittel versagten. Bei einer Pat. jedoch, die sich in einem 
akuten Gichtanfall befand, konnte Atophan zwar«eine sub- 
jektive Besserung hervorrufen, doch die objektiven Sym¬ 
ptome nicht beseitigen; hier vermochten auch die Gbrigen 
Gichtmittel keine Besserung zu erzielen. In einem Falle 
von Periostitis rheumatica mit akut auftretenden entzQnd- 
lichen Schwellungen des Periosts, in dem sich alle Medi- 
kamente als unzulanglich erwiesen, konnte Atophan ent- 
schiedene Wendung zum Besseren erzielen und die ent- 
zGndlichen Erscheinungen beseitigen, doch trat noch wahrend 
<ler Atophanperiode ein neuerlicher Anfall auf. Man darf 


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Arthritis urica — Ekzem. 


231 


das Atophan wohl als das derzeit beste Mittel gegen den 
akuten Gichtanfall bezeichnen. Dass bei der chronischen 
Gicht eine so gdnstige Beeinflussung nicht zu erwarten 
war, dass Atophan nicht imstande sein kann, die schweren 
chronischen artikul&ren VerSnderungen zu beseitigen, ist 
nur nattlrlich und bestatigte sich in den behandelten Fallen. 
Ob die sonstigen Begleitsymptome der Gicht, wie die 
Herz- und Nierenbeschwerden, durch das Mittel einer 
Besserupg zuganglich sind, wird erst nach mehrjahrigen 
Erfahrungen klargelegt werden konnen. Ein chronischer 
Fall von gichtischer Ischias, der nach Atophan eine ganz 
auffallende Besserung erfuhr, soil hier nicht unerwahnt 

bleiben. (Mtincb. med. Wocbengcbrift 1911 Nr. 50 j 

— Zur Kenntnis der Wirknngsweise des Atophans bei chro¬ 
nischer A. Von Prof. Dr. Plehn (Stadt. Krankenhaus 
am Urban in Berlin). Autor kommt zu folgenden SchlOssen: 

1. Die Gichtdiagnose kann von einer Vermehrung 
der Harnsaure im Blut allein nicht abhangig gemacht 
werden. 

2. Die Diphenylchinolintetrakarbonsaure (Atophan) 
steigert die Harnsaureausscheidung bei den meisten chro- 
nisch Gichtkranken bis aufs Doppelte und weiter. 

3. Die Mehrausscheidung dauert bei ihnen langer als 
bei Gesunden. 

4. Die Wirkung auf die lokalen EntzOndungserschei- 
nungen ist gewbhnlich ausgezeichnet. 

5. Um diese Wirkung dauerhaft zu machen, ist langer 
Fortgebrauch des Mittels und seine UirterstQtzung durch 
den Obrigen Heilapparat notig. 

G. Schaden haben wir davon bis jetzt nicbt beobachtet. 

(Deutsche med. Wochenachrift 1912 Nr. 3.) 

Ekzem. XTeber die Behandlnng hartn&ckiger, n&ssender E. 

Von Dr. Wehner (Berlin). Die Methode besteht kurz in fol- 
gendem: Die nassenden Stellen werden mit 5°/oiger Argen- 
tumlosung geatzt und dann mit 5°,oiger Lenigallolzink- 
pasta verbunden. Im einzelnen ist die Technik nachstehende: 
Ein Wattebauschchen wird mit der Argentumlosung ge- 
trankt und fest auf alle Stellen, die feucht sind, gedrQckt. 
Zeigt sich nach Wegnahme des Wattebauschchens auch 
nur das geringste Nassen, so muss sofort wieder die be- 
treffende Stelle komprimiert werden. Es kann unter Um- 
standen einige Minute dauern, ehe der Zustand absolute!* 


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Gkzem. 


Trockenheit erzielt ist. Jedenfalls darf sich auf der Silber- 
albuminatschicht, die sich bildet, kein n&ssendes Piinktchen 
zeigen. Auf die nunmehr getrocknete Ekzemfl&che wird 
ein Mulliippehen gelegt, das messerriickendick mit 5°/oiger 
Lenigallolzinkpaste bestrichen ist. DarOber folgt ein fester 
Verband. Hbhere Konzentrationen als 5°/oige sind beim 
Lenigallol nicht zu empfehlen, oft genOgt schon eine 3 %ige 
Paste. Diesen Verband l&sst Autor 1—3 Tage, je nach 
den Umstanden, liegen. Gewbhnlich ist nach drei Tagen 
ein vollkommenes Sistieren des Nassens erreicht. Nach- 
dem man einmal so weit ist, ist eine vollstandige Ab- 
heilung leicht. Sieht das E. noch gereizt aus, so empfiehlt 
sich eine Tumenolzinkpaste, sonst eine Teerpaste zur 
Weiterbehandlung. Sollte dieser eine Tumus von Leni- 
gallolanwendung nicht genilgend gewirkt haben, so kann 
er beliebig oft wiederholt werden. Nur empfiehlt es sich, 
das Lenigallol nicht linger als drei Tage hintereinander 
anzuwenden, sondern eine Pause von 1—2 Tagen einzu- 
schieben. In der Zwischenzeit behandelt man 4 mit Zink- 

paSte Oder Zinkol. N (Die Tlierapie der Gegeuwurt. September 1H11.) 

Unguent a adhaesiva. Von Dr. Dreuw (Berlin). Unter dem 
Namen „Klel>esalbe“ moclite Verf. eine Vorschrift angeben, 
die ihm berufen zu sein scheint, bei alien chronischen 
Infiltraten der Haut, sei es, dass diese ekzematoser oder 
psoriatischer oder sonstiger Natur sind, eine grosse Kolle 
zu spielen. 

Rp. Acid, salicyl. 10,0 
Pyrogallol 

Liq. carbon, deterg. aa 20,0 
Zinc, oxydat. 20,0 
Sapon. virid. 

Adip. Ian. anhydric. aa 25,0 
M. D. S. Ung. adhaesiv. 

Diese Salbe ist von weissgrauer Farbe. Im Salben- 
topf fSrbt sich die Oberfl&che schwarz infolge der inten- 
siven reduzierenden Eigenschaften, wahrend der Kern ^er 
Salbe grau bleibt, ein Zeichen, dass sie den Sauerstoff 
intensiv anzieht. Sie hat eine klebrige Konsistenz, wie 
sie bisher noch keine Salbe aufzuweisen hatte, und haftet 
daher beim Auftragen der Haut intensiv an. Die Appli- 
kation geschieht entweder direkt oder so, dass man mittels 
eines Spatels die Salbe auf ein Sttickchen Leinwand, Taft, 
Kambrikbindenstoff usw. messerriickendick auftragt und 
den so armierten Stolf dann fiir 1—2 Tage auf die in- 


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Ekzem. 


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filtrierte Stelle appliziert, wo er vollstftndig festhaftet. Hier 
und da empfiehlt sich noch eine Befestigung mit einer 
Mullbinde oder Heftpflasterstreifen, namentlich am Knie 
oder Ellbogen. Eine Reizung tritt trotz der hohen Kon- 
zentration der Salbe kaum auf, wenigstens habe ich bis- 
her auch nicht die geringste Reizung konstatieren kbnnen. 
Die frisch aufgestrichene, grau aussehende Salbe f&rbt 
sich nach einigen Stunden schwarz. Die schwarz ver- 
f&rbte Haut wird mit Benzin gereinigt. Die Wirkung ist 
namentlich bei chronischen infiltrierten E. manchmal ge- 
radezu frappant. Nach 4—5 Tagen hat Verf. lokalisierte 
chronische E. schwinden sehen, die V* —1 Jahr und lftnger 
jeder Therapie getrotzt hatten. Die „Klebesalbe“ ist her- 
vorgegangen aus der vom Verf. angegebenen Salbe gegen 
Psoriasis: 

Rp. Acid, salicyl. 10,0 
Chrysarobin 
01. rusci aii 20,0 
Sapon virid. 

Adip. Ian. anhydric. aa 25,0 
M. D. S. 

Ersetzt man in dieser Salbe Chrysarobin durch Pyro- 
gallol und Oleum rusci durch Liq. carbon, detergens und 
setzt dann noch 20 g Zinkoxyd zu, so tritt plotzlich eine 
klebrige Konsistenz der Salbe in die Erscheinung, wo- 
durch die eigenttimliche Wirkung wenigstens zum Teil 
ihre Erklarung findet. Man kann auch statt Liq. carbon, 
deterg., 01. rusci und andere reduzierende Mittel einffigen. 
Die Salbe wird jedoch zweckentsprechend mit indifferenten 
Vehikeln vermischt. Technisch ist zu bemerken, dass es 
schwer ist, wegen der zfihen, klebrigen Konsistenz die 
Salbenbereitung mit der Hand zu machen, da der Arm 
schon nach wenigen Minuten erlahmt. Sobald aber die 
Mischung der einzelnen Bestandteile nicht ganz innig ist, 
tritt die klebrige Beschaffenheit der Salbe zuriick.- Es 
empfiehlt sich daher unter alien Umstfinden, die Mischung 
rein mechanisch in einer Salbenmuhle vorzunehmen. Damit 
der Sauerstoff der Luft moglichst ferngehalten wird, wird 
die Salbe am besten in luftdicht verschliessbaren Kruken 
verpackt. Nach Entnahme eines kleinen Quant urns' der 
Salbe wird der Deckel wieder luftdicht geschlossen. Die 
reduzierende Wirkung an der Oberflache tritt namentlich 
in Olaskruken zum Yorschein, durch welche man den hellen 
Kern und' die schwarze OberflSche sehr deutlich sehen 

kann. (DeutscKe med. Wochensohrift 1912 Nr. 1.) 


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Ekzem. 


— TJeber die gewerblichen Erkrankungen der Haut. Yon Prof. 

Dr. K. Herxheimer (Frankfurt a. M.). In der folgenden 
Tabelle hat Verf. versucht, eine Uebersicht zu geben fiber 
die h&ufigsten Gewerbeekzeme Bei der Zerstreutheit der 
Literatur ist es keineswegs ausgeschlossen, dass eine An- 
zahl von Arbeiten fibersehen wurde, und ferner dfirfte 
durch die fortschreitende Technik sozusagen taglich Ge- 
legenheit zu neuartigen Gewerkeekzemen gegeben sein. 

Gewerbe-Ekzeme. 

1. „Zementkr&tze w durch Aetzwirkung des Kalkes oder 
durch die bestandige Durchfeuchtung der Haut und Ein- 
trocknung der Feuchtigkeit an der Luft. 

2. „Backerkr&tze“ durch feuchten Teig, Starke Zucker- 
ldsungen und Hitzeausstrahlung des Backofens. Bei Ein* 
wirkung der Fruchtsauren kfinnen auch die Fingerspitzen 
befallen werden. 

3. „Waschfrauenkratze“ durch Wasser, Soda undSeife. 

4. E. in W&schereien beim Waschen mit Chlorkalk. 

5. E. der Flachs- und Wollspinner durch Eintauchen 
der H&nde in heisses Wasser, ev. (bei Wollspinnem) durch 
Mineralien und Oele. 

6. E. in Baumwollspinnereien durch Schmierole. 

7. Galvaniseur-E. durch Entfettung mit Benzin. 
Btirsten mit Kalk, Seifen usw. 

8. E. in galvanoplastischen Anstalten beim Arbeiten 
in den Zyankaliumb&dern. 

9. Gttrtler-, Spengler-, Former-E. durch Sauren oder 
Terpentin (ebenso Maler-, Vergolder- und Drechsler-E.). 

10. Drucker- und Maschinenmeister-E. durch Kienol 
zum Schmieren von Maschinenteilen. 

11. Hutfabrikarbeiter-E. durch mit Schwefelsaure an- 
gesauertes heisses Wasser. 

12. Tabakarbeiter-E. durch Berfihrung mit atzenden 
Flfissigkeiten beim Loslosen der Tabakblfitter. 

13. Farberei-, Beizerei- und Kalikoarbeiter-E. durch 
die Beiz- und Bleichmittel, nfimlich: chromsaures Kali, 
doppelchromsaures Natrium, Aetzkali, Kalk, zinnsaures 
Natron, Chlorkalk, Essigsaure oder auch durch Mischen 
der Walkseife oder durch Reinigen der Hfinde mittels 
Zuckersaure oder durch Zusetzen von Mineralfilen zu Olein 
oder durch Oxalsaure. 

14. Schreinereiarbeiter- undMfibelpolierer-E. („Polierer- 
kratze tt ) durch Schellack oder Pyridin, ferner durch Mine- 
ralfll, Paraffin usw. 


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Ekzem. 


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15. „Paraffinkr&tze“ in Paraffinfabriken und in Pe- 
troleumraffinierungen durch Mineralole. 

16. Kunstdfinger-E. durch ArSen oder durch Super- 
phosphatstaub. 

17. E. in Blechgeschirrfabriken durch Mineralsauren. 

18. E. in Glashutten durch Kupfervitriol, durch Fluss- 
saure sowie, beim Ausschleifen von Fehlem und durch 
BerQhrung mit den Schleifwassern („Wasserkratze“). 

19. E. bei Gartnern durch das Gift der Primeln, der 
Thuya occid., Rhus toxicod., Ostrya virginic., Solanum- 
arten, durch Arnica montana, Ipomoea imperialis und viele 
andere Pflanzen, z. B auch bei Blumensammlern auf den 
Scilly-Inseln durch Lilien („Lilienausscblag“). 

20. Photographen-E. durch Reduktionsmittel wieMetol, 
Rodinal, Pyrogallol. 

21. Formalin-E. bei Anatomiedienern, Aerzten usw. 

22. AerztlicheGewerbe-E. durch Karbol, Sublimat usw. 

23. Chemiker-E. durch Phenylhydrazin, ferner durch 
Jodoform, Quecksilber, Anilinverbindungen usw. 

24. „Teerkratze“ in Brikettfabriken durch Steinkohlen- 
teer, unterstfitzt durch Sonnenhitze. 

25. E. in Teerschwelereien durch Teer und Paraffin. 

26. E. in Kalksandsteinfabriken durch gebrannten 
und geloschten Kalk. 

27. E. in Kalkwerken durch Herstellung des Isolier- 
mittels Mikanit aus Glimmerplatten, die mit Kolophonium 
und Terpentin zusammengeklebt werden. 

28. E. in Dachsteinfabriken beim Eintauchen der 
Steine in erw&rmten Teer. 

29. E. in Porzellanfabriken durch das Stanzol und 
Terpentin („Terpentinkratze“). 

30. E. in Bronzewarenfabriken beim Beizen mit ver- 
diinnter SchwefelsSure. 

31. E. in Vernickelungsanstalten („Nickelkratze“) 
durch Reinigung mit Petroleum oder Benzin oder durch 
Kalkstaub oder durch Nickelsulfat oder Nickelammonium- 
sulfat. 

32. E. in Emaillierwerken beim Beizen und Scheuern 
mit Beizfliissigkeiten. 

33. E. in Drahtfabriken beim Beizen der Drahts&ulen 
in SSurebottichen. 

34. E. in Gussstahlkugelfabriken durch Schleifble. 

35. E. in Maschinenfabriken durch das Denaturier- 
mittel des Spiritus. 


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Ekzcm. 


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36. E. in Nahmaschinenfabriken durch Arbeiten an 
den Nickelb&dern. 

37. E. in Fahrradfabriken beim Keinigen der zu ver- 
nickelnden Gegenst&nde mit Kalkmasse; 38. durch Arbeiten 
in den Nickelbadern; 39. durch Sagemehlstaub ev. in 
Verbindung mit Schmierol. 

40. E. in Nadel- und Fahrradspeichenfabriken durch 
Schmierol. 

41. E. in chemischen Fabriken 'beim Fiillen von 
Schwefelsalz und Salpetersaure; 42. durch atzenden Soda- 
staub bei Herstellung von Fluss- und Schwefelsaure; 

43. durch Berfihrung des noch feuchten Nickelsulfats; 

44. beim Hantieren mit Chlorbenzol; 45. durch Chinin- 
staub („Chininkratze“); 46„ beim Hantieren mit Opium- 
praparaten. 

47. E. in Farbenfabriken durch Anilin und seine 
Rohstoffe; 48. durch Chlorkalkwasser und Eindringen der 
Azofarbstoffe; 49. durch geschmolzenes Binitrobenzol; 

50. bei der Anthracenherstellung durch Acridin oder durch 
Anthracen. 

51. E. in Lackfabriken durch Terpentinol. 

52. E. in Ztindholzfabriken durch Paraffin beim Ein- 
ffillen der Holzer in Schachteln. 

53. E. in ZfindhOtchen- und Patronenfabriken bei 
der elektrolytischen Gewinnung des chlorsauren Kalis. 

54. E. in Kalifabriken beim Zerkleinern der Roh- 
salze („Salzflechte w ). 

55. E. in Petroleumniederlagen durch Petroleum 
(„Petroleumkratze“). 

56. E. in Dachpappenfabriken an den Asphaltkocli- 
kesseln. 

57. E. in Hasenfellzurichtereien durch Entfernen der 
Haare mit Chemikalien. 

58. E. in Linoleumfabriken durch Rohnaphtha. 

59. E. in Eisenbahnschwellen - Impragnieranstalten 
durch die Imprfigniermittel. 

60. E. in Perlmutterknopffabriken durch Staubent- 
wicklung beim Knopfausbohren. 

61. E. in Zuckerfabriken beim Bearbeiten des Saftes 
(„Zuckerkrfitze“); 62. in Sirupkellern und auf den Zucker- 
boden. 

63. E. in Konservenfabriken beim Abschalen des 
Spargels. 

64. E. in Bauschreinereien beim Abreiben von Holz, 
das mit Kalilosung getrSnkt ist. 


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Ekzen\— Frakturen und Luxationen. 


237 


65. E. in Schuhcremefabriken durch Fettmassen, be- 
stehend aus Harz, Vaselin und Erdwachs, das mit Nigrosin 
gefSrbt ist. 

66. E. in Bijouteriefabriken bei Personen, die mit 
Silberbadern beschilftigt sind. 

67. E. in Sprengstofffabriken bei Leuten, die mit dem 
Wachsen, Patronieren und Verpacken von Patronen be- 
scbaftigt sind. 

68. E. in Kupferdrahtziehereien von Kabelwerken durch 
Oel. Sfiuren und Metallsalze. 

69 E. bei Reisarbeitern. 

70. E. in Cbromgerbereien nur dann, wenn atzende 
Chromverbindungen benutzt werden. 

71. E. durch Verarbeiten von Atropinmutterlaugen 
zur Herstellung von Apoatropin. 

72. E. durch den Staub bei Verarbeitung ausl&n- 
discher HOlzer. 

73. E. bei Arbeitern in Mobel- und Klosettdeckel- 
fabriken durch gewisse Beizen in alkalischer Losung. 

74. E. bei Heringsverkaufem durch Heringslake. 

(Deutsche med. Wochensohrift 1912 Nr. 1.) 

Frakturen und Luxationen, Oiekranonfraktur, kom- 
biniert mit gleichzeitiger typischer Uadinsfraktur. 

Yon Dr. L. Meyer (Berlin). Frau F., 60 Jahre alt, kam 
am 9. Mai 1911 in VerPs. Klinik mit der Angabe, sie sei 
am Abend zuvor eine Kellertreppe herabgefallen und bStte 
seitdem unertragliche Scbmerzen im linken Arme. Da es 
einerseits stockfinster gewesen sei, anderseits die Frau 
sofort die Besinnung verloren babe, kbnne sie keine wei- 
teren Angaben machen liber die Art und Weise, wie sie 
beim Fallen aufgeschlagen und in welcher Position der 
Arm zu seinem Trauma gekommen sei. Die manuelle 
Untersuchung ergab sofort durch HSmatome hindurch deut- 
lich erkennbar 

1. eine Fractura olecrani sin., 

2. eine Fractura radii sin. loco typico. 

Die Koinzidenz der beiden Frakturen, die schon an und 
fQr sich etwas Ungewohnliches ist, wurde durch das RSntgen- 
bild best&tigt, und es ergab sich, dass zwischen dem frak- 
turierten Olekranon und der Ulna eine Diastase von 1 cm 
bestand, wShrend die untere Radiusepipbyse auf den Schaft 
direkt gebolzt war. Hinsichtlich der Behandlung hat Verf. 
nun folgende ErwSgungen angestellt. Wollte er die Ole- 
kranonfraktur behandeln, so mlisste er den Arm in Streck- 


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Frakturen und Luxation en. 


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stellung fixieren, um den Ulnaschaft dem von der kontra- 
hierten Tricepssehne hochgezogenen Olekranonfragmente 
zu n&hern und dadurch die Herstellung der Kontinuitat 
zu ermfiglichen. Die Einrichtung der Fractura radii loco 
typico.musste man auf der von Bergmannschen Klinik so 
vornehmen, dass erstens der Ellenbogen rechtwinklig ge- 
beugt und zweitens das Handgelenk unter einer Pappschiene 
durch geeignete Bindentouren in Flexion, Pronation und 
Abduktion fixiert wurde. Bei der in diesem Falle vor- 
liegenden Kombination der beiden beschriebenen Frakturen 
schloss die Art des einen Verbandes die Mdglichkeit des 
andern aus, und da die Erfolge des einfachen Verbandes 
der Olekranonabrissfraktur in Streckstellung eo ipso keine 
sicheren sind, so entschloss Yerf. sich, von vornherein 
auf diese Methode zu verzichten und gleich primar die 
Knochennaht des Olekranon vorzunehmen. Es wurde so- 
fort in Narkose unter Blutleere ein 8 cm langer Haut- 
schnitt fiber die hintere Flache des Olekranon gelegt und 
aus dem frei erfiffneten Gelenke die vorhandenen Koagula 
sowie ein kleines abgesprengtes Stfick des Radiuskfipfchens 
entfemt. Dann wurden Olekranon und Ulna an je zwei 
genau korrespondierenden Stellen durchbohrt und nach 
genaue.r Adaptierung mit Silberdraht genfiht. Darauf Schluss 
der Hautwunde mit Seidennfihten. Nachdem so die Ulna- 
fragmente in zuverlfissiger Weise aneinandergebracht waren, 
stand einer Versorgung der Radiusfraktur in der gewohnten 
Weise nichts mehr im Wege, und dieselbe konnte unter 
Benutzung derselben Narkose im Anschluss an die Ope¬ 
ration ausgeffihrt werden. Der Verband blieb zwei Wochen 
liegen und wurde dann durch eine einfache Winkelschiene 
aus Pappe ersetzt, wobei die Hand aus der Pronation, 
Flexion und Abduktion in die natfirliche Mittelstellung 
gebracht wurde. Am Ende der dritten Woche Entfernung 
jedes Verbandes und Beginn einer zielbewussten Heiss- 
luft- und Massagebehandlung. Das Rfintgenbild ist 5 V> Mo- 
nate nach der Operation angefertigt worden und erweist 
das anatomisch vorzfigliche Resultat des Verfahrens. Die 
gleichzeitig vorgenommene Nachuntersuchung ergibt einen 
ebenso ausgezeichneten funktionellen Erfolg. 

(Medizin. Klinik 1911 Nr. 48.) 

O. Ehringhaus, TTeber Dornfortsatzfraktnren. (Aus der 
Univers.-Poliklinik f. orthopfid. Chirurgie in Berlin.) Einen 
interessanten Fall teilt E. mit. Der elfjfihrige Knabe ist 
in der Woche nach Pfingsten — also vor etwa 14 Tagen — 


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Frakturen und Luxationen. 


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beim Spielen von einem etwa 2*4 m hohen Bauzaune 
rficklings herabgefallen und auf einen davor liegenden 
Haufen Ziegelsteine aufgeschlagen. Der Kleine war zwar 
noch imstande nach Hause zu gehen, verspfirte aber ausser- 
ordentlich heftige Schraerzen etwa in der Mitte des Rfickens, 
so dass die Mutter noch in der Nacht bei einem in der 
Nfihe wohnenden Arzt Hilfe suchte, auf dessen Veran- 
lassung dann der Pat., als nach etwa acht Tagen unter 
kfihlenden Umschlfigen eine Anschwellung in der Mitte 
des Rfickens nicht zurfickging, der Poliklinik zugeffihrt 
wurde. Bei der ersten Untersuchung fand sich im Bereich 
der unteren Brust- und oberen Lendenwirbels&ule eine 
Prominenz, deren Hfihepunkt dem Processus spinosus des 
zwfilften Brustwirbels entsprach und die ausserst druck- 
empfindlich war. Der Pat. war ausserstande sich zu bficken, 
und beim Auf heben von Gegenst&nden suchte er genau nach 
der Art an Spondylitis leidender Kinder die Wirbelsaule 
durch Aufstfitzen der freien Hand auf das lvnie zu entlasten. 
Beim Erheben des in Bauchlage befindlichen Pat. an den 
Fflssen wurde der obere Lenden- und untere Brustteil der 
Wirbelsaule bis zur Mitte starr fixiert, ebenso beim Veiv 
such, den Rumpf nach hintenfiber zu biegen. — Angesichts 
der Prominenz des Dornfortsatzes und der sehr ausge- 
sprochenen Fixation der Wirbelsaule gegenfiber Bewegungs- 
versuchen um die horizontale Achse war es sehr nahe- 
tiegend, an eine Spondylitis zu denken, um so eher, als 
wir ja vielfach auch in der Anamnese Spondylitiskranker 
ein vorausgegangenes mehr oder weniger schweres Trauma 
zu erheben vermfigen. Der Umstand jedoch, dass sowohl 
Drehbewegungen des Rumpfes als auch ganz besonders 
seltliche Neigungen vollig frei und schmerzlos sich aus- 
ffihren lassen, brachte im Yerein mit der stets sehr genau 
und namentlich bei seitlichem Druck an dem Processus 
spinosus des zwfilften Brustwirbels angegebenen Schmerz- 
haftigkeit zur Annahme einer Fraktur an dieser Stelle, 
eine Auffassung, die man durch eine Rfintgenaufnahme 
bestatigt fand. Das in Seitenlage des Pat. und starkster 
Kyphosierung der Wirbelsaule angefertigte Bild zeigt ganz 
deutlich eine Absprengung des zwolften Brustwirbeldorn- 
fortsatzes, den man in dem Ligamentum interspinale zwischen 
zwfilftem Brust- und erstem Lendenwirbel als etwa bohnen- 
grossen Knochenschatten gut erkennen kann. Wir haben 
damit zugleich auch die Erklarung, warum weder Krepi- 
tation noch abnorme Beweglichkeit, auch nicht nach der 
von Sauer angegebenen Untersuchungsmethode mittels 


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240 


Fraktyren and Luxationen. 


Unterschiebens der palpierenden Hand unter den in Rttcken- 
lage ruhenden l*at., sich feststellen liessen, indem n&mlich 
das vom zwOlften Dornfortsatz abgesprengte Stttck durch 
den immerhin recht wuchtigen Sturz in das Ligamentum 
interspinale fest eingekeilt wurde. Bei den ersten Unter- 
suchungen hatte auch das Rttntgenverfahren versagt, da 
die starre Fixation der Wirbels&ule die zur Projektion der 
Dornfortsfitze gerade dieser Region unbedingt erforderliche 
st&rkste Kyphosierung nicht gestattete, w&brend jetzt an 
der Hand dieser Seitenaufnahme auch auf dem von vorne 
aufgenommenen Bilde am unteren Rande des zwolften 
Brustwirbelkttrpers ein ungewtthnlicher kleiner Knochen- 
scbatten nach lfingerem Studium wahrzunehmen ist. Das 
besondere Interesse dieses Falles bieten also die differential- 
diagnostischen Erwagungen, und es sei somit nochmals 
betont, dass man lediglich rait Rttcksicht auf die freie 
Seitliche Beweglichkeit der Wirbelsfiule und den intensiven 
Scbmerz bei seitlichem Druck in der Gegend des zwolften 
Brustwirbeldornfortsatzes die Diagnose einer Fraktur des- 
selben stellen konnte. E. glaubt gerade diesen beiden 
Symptomen eine fiir die Differentialdiagnose ausschlag- 
gebende Bedeutung zuerkennen zu mttssen. 

(Berliner klin. WocheuBchrift 1911 Nr. 88.) 

•— Fraktische Winke zar Gipsverbandtechnik. Von Prof. Dr. 

Pels-Leusden (Greifswald). „Ich, und wie ich weiss, 
auch sehr viele andere benutzen nur noch Gipsbinden, 
welche aus gewbhnlichen Mullbinden hergestellt sind, und 
auch in der Armee ist die Appreturgipsbinde .vollst&ndig 
abgeschafft worden. In den 13 Jahren, seitdem ich mit 
den Gipsmullbinden arbeite, nachdem ich vorher die 
Appreturbinden in mehrj&hriger Praxis hatte kennen ge- 
lernt, habe ich als den Nachteil der letzteren gegenOber 
den ersteren folgendes empfunden. Zunachst erstarren die 
Appreturgipsbindenverbande sehr langsam. Das ist ein sehr 
grosser Nachteil fQr den Arzt wie fttr den Pat. Der Arzt 
verliert sehr viele Zeit, und derjenige, welcher das ein- 
zugipsende Glied in der korrigierten Stellung zu halten 
hat, wird manchmal fiber seine KrSfte angespannt. Er 
ist physisch nicht imstande, eine redressierte Unterschenkel- 
fraktur, um ein Beispiel zu wfthlen, so lange redressiert 
zu halten, bis der Verband erstarrt ist. Daraus folgt 
auch ein Nachteil fflr den Pat. Zweitens wird bei dem 
Einlegen der Appreturbinden in Wasser — und das ist 
auch der Grund fttr das langsame Erstarren der Yerbfinde 


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Frakturen und Luxationen. 241 

— eine grosse Menge Wasser lediglich zum Yerkleistem 
der Starke gebunden. Das bedingt fiir den Anfang ein 
viel grosseres Gewicht des Verbandes und eine langsamere 
Abgabe des tiberfltissigen Wassers durch Verdunsten. 
Drittens liegen naturgemass die Gipspartikelchen viel 
weiter auseinander, der Verband ist unfOrmiger, er gibt 
auch nie beim Anlegen unmittelbar auf die Haut, z. B. 
beim Abformen eines Kbrperteils, einen so exakten Abguss 
wie bei Verwendung der Mullgipsbinden. Viertens haftet 
der Gips in den Appreturbinden nicht. so gut wie in den 
Mullbinden, da er in die schon mit Kleister angefullten 
Maschen nicht eindringen kann. Bei ruhiger horizontaler 
Lage ist das kein so grosser Nachteil, wenn. aber die 
Binden beim Transport, z. B. in der Landpraxis und im 
Felde, geschiittelt werden, so fallt der meiste Gips heraus, 
und man muss viel mehr Binden verwenden, um einen 
haltba,ren Verband zu erzielen. Das ist bei bescbrankten 
Raumverbaltnissen und der Notwendigkeit, mit den vor- 
handenen Bestanden tunlichst sparsam umzugehen, wie 
wiederum im Felde, sehr nachteilig. Endlich ist eine 
Appreturbinde mehr als das Doppelte teurer als eine 
Mullbinde, was nur dann nicht iiffc Gewicht fallen kbnnte, 
wenn die aus ersterer hergestellten Verbande den aus der 
letzteren hergestellten tiberlegen waren, und das ist ganz 
sicher nicht der Fall. Diesen vielen Nachteilen steht nur 
ein- einziger, aber auch nur sehr bedingter Vorteil gegen- 
iiber, das ist die etwas leichter zu erlernende Herstellungs- 
art der Appreturgipsbinden. Demgegenflber erstarrt der 
Mullbindengipsverband in der kftrzesten Zeit, so dass bei 
etwas grbsseren Yerbanden die ersten Touren schon fest 
sind, wenn man noch die letzten anlegt. Das geht unter 
Umstanden so rasch, dass es geraten sein kann, dem Wasser 
den sonst iiblichen Alaun nicht zuzusetzen. Besonders 
beim Abmodellieren von Kbrperteilen kann dieses rasche 
Erstarren von Nachteil sein. Welchen Vorteil es aber 
gewalfrt, wenn bei einer Flotenschnabelfraktur des Unter- 
schenkels der Verband in wenigen Minuten hart ist, das 
liegt auf der Hand. Man mag mir nicht einwenden, dass 
man eine solche ja auch nicht eingipse, sondern mit Ex¬ 
tension behandele. Ich gipse auch diese bei guter Re- 
dressierung ein, und jeder wird hier und da, auch wenn 
er noch so sehr fflr die Extension schwfirmt, einmal ge- 
zwungen sein, sie einzugipsen. Ich hatte aber auch mit 
Leichtigkeit ein anderes Beispiel w&hlen konnen. Dieses 
rasche Erstarren ist der erste und wesentlichste Vorteil 

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242 


Frakturen and Luxationen. 


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unserer Binden, alle weiteren ergeben sich aus den oben 
geschilderten Nachteilen der Appreturgipsbinden. An- 
fertigung der Binden: Der zu verwendende Mull darf 
nicht gar zu schlecht, also zu weitmaschig sein. Als Gips 
benutzen wir den gewohnlichen Modell-, nicht den so- 
genannten Alabastergips, welch letzterer allerdings wohl 
ffir das Auge noch etwas sauberere Verbfinde abgibt, aber 
sonst keine Vorteile hat. Dass der Gips frisch sein muss, 
ist selbstverstfindlich. Wir bewahren ihn in einer mit 
Zinkblech ausgeschlagenen Holzkiste mit gut schliessendem 
Deckel auf. Die Binden, welche ffir keinen Verband 
schm&ler als 12 cm zu sein brauchen, sollen nicht l&nger 
als 4 m sein. Auf einem trockenen, gegl&tteten Holz- 
brett oder, noch besser, auf einem Zinktisch hSuft man 
sich eine grfissere Quantit&t Gips an, wickelt die Binde 
mit dem Kopf nach oben ab, lasst sie fiber den Tischrand 
herabfallen, breitet den Gips in einer mindestens 1 mm 
dicken Schicht auf der Binde aus, streicht ihn mit der 
Ulnarseite der Hand oder mit einer anderen aufgewickelten 
Binde in die Maschen ein und zugleich glatt und legt 
dann die Binde vom freien Ende aus zusammen, wickelt 
sie nicht etwa so auf wie eine Binde sonst, da sie dann 
unbedingt zu fest wird und das Wasser nicht eindringen 
kann. Bei diesem Zusammenlegen darf die Binde keine 
runde Gestalt bekommen, sondern muss, auf der Unterlage 
liegend, sich von selbst im Querschnitt abplatten und 
flach aufliegen. Das richtige Mass zwischen zu fest und 
zu locker lernt man in kurzer Zeit durch die Uebung. 
Man darf sich aber nicht durch einen erstmaligen Miss- 
erfolg gleich entmutigen lassen. Zum Einlegen der Binden 
in Wasser benutze man ein grosses, flaches Geffiss mit 
viel Wasser und etwas Alaunzusatz. In dieses wird die 
Binde, deren Ende man etwa 20 cm weit abgewickelt 
hat und fiber den Gef&ssrand heraushftngen l&sst, vor- 
sichtig eingelegt, nicht etwa hineingeworfen. Man lfisst 
sie langsam untersinken, drfickt sie nicht mit Gewalt unter 
den Wasserspieget und wartet, bis keine Luftblasen mehr 
aufsteigen. Man kann ruhig mehrere Binden auf einmal 
einlegen. Das Herausnehmen will ebenfalls kunstgerecht 
gemacht sein. Es muss mit beiden H&nden in der Weise 
geschehen, dass man mit den st&rkstsupinierten, Ififfel- 
artig zusammengelegten H&nden von beiden Seiten unter 
die Binde greift und ihre offenen Seiten beim Heraus¬ 
nehmen mit den Hohlh&nden verschliesst. Die Daumen 
kommen dabei oben auf die Binde zu liegen. Man drfickt 


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Frakturen und Luxationen. 243 

sie nun in der Langsrichtung etwas zusammen, um das 
ilberfliissige Wasser zu entfernen, legt sie dann erst auf 
die flache linke Hand und drOckt sie noch einmal vor- 
sichtig aus. Die Binde kann abcr beim Gebrauch ruhig 
noch etwas von Wasser triefen, sie soil sich nicht ganz 
trocken anfGhlen. Das weitere Anlegen des Verbandes 
zu schildem ist hier nicht der Ort. Nur noch einige 
wichtigere Punkte mdchte ich hier kurz streifen. Die 
meisten Gipsverbfinde werden zu dick gemacht und sind 
zu weit. Sechs Bindenlagen gentigen im allgemeinen. 
An Stellen, an welchen der Yerband eine grbssere Festig- 
keit bedarf, legt man entweder Schusterspan ein oder 
eine aus einer Binde hergestellte Longuette von 10 bis 
12 Lagen, welch letztere sich den Ktirperformen besser 
anschmiegt als der starre Span. Das gute Anliegen er- 
reicht man dadurch, dass man schon nach dem Anlegen 
der ersten Bindentouren den Yerband an den Kbrper fest 
heranmassiert, wozu besonders die Daumenballen und die 
Fingerspitzen dienen. Als Unterlage benutzen wh* beid- 
seitig geleimte, gute Watte, welche wir unter dem Namen 
Wiener Watte beziehen. Bei den ersten Bindentouren 
zieht man etwas an, um die Watte zum exakten Anliegen 
zu bringen. Das Massieren setzt man fort, bis der Ver- 
band zu erstarren beginnt. Es ist gut, wenn man die 
Verbfinde zunfichst ohne Rflcksicht auf die nattirlichen 
Korperoffnungen anlegt und diese durch Abschneiden der 
Rfinder des Verbandes mit Messer oder Schere erst nach 
dem Erstarren wieder freimacht. Fiirchtet man, dass der 
Verband nachtrfiglich zu fest sitzen kbnnte, so kann man 
ihn mit der Stilleschen Schere oder dem Hassell 
mannschen Gipsmesser entweder nur auf der Vorder- 
seite der Lfinge nach aufschlitzen, so dass er leicht 
auseinander gebogen werden kann, oder man schneidet ihn 
auf beiden Seiten der Lfinge nach auf, so dass er zwei 
Schalen bildet, welche mit einer Mullbinde wieder an- 
einander gelegt werden. Niemals darf man vqygessen, dass 
der Verband eine grosse Menge Wasser Gberfltlssig ent- 
hfi.lt und man diesem dadurch, dass man das Glied fGr 
mindestens 24 Stunden frei liegen lfisst, es also nicht mit 
der Bettdecke zudeckt, Gelegenheit zum Abdunsten geben 
muss. Der Verband wird dadurch fast um die Hfilfte leichter. 
Wer alles das sorgffiltig beachtet, wird Freude an seinen 
Verbfinden erleben und nicht durch die Klagen der Pat. be- 

IfiStigt Werden. (Deutsche med. Woohensohrift 1912 Nr. 3.) 

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Gonorrhoe. 


Gonopphoe. Einige Bemerkungen liber ein neues Anti- 
gonorrhoicmn: Onotoxin oder Gonojodin. Yon Dr. E. 

Paul (Garnisonspital Nr. 6 in Olmiitz). Autor schreibt: 
„Eine sehr unliebsame Verz&gerung der Heilungsdauer 
der G. bestand bei der Behandlung mit den bisher in 
Verwendung stehenden Mitteln darin, dass die meisten 
davon erst nach Abklingen des akuten Prozesses in An- 
wendung gebracht werden konnten; kurz gesagt, es fehlte 
ein reizloses und im akuten Stadium ohne Gefahr einer 
Komplikation anwendbares Praparat. Den Anforderungen, 
die man an ein solches ideales Heilmittel stellt, entspricht 
— freilich auch nicht im vollsten Masse — das im Herbste 
vorigen Jahres von dem Laboratorium fur Therapie in 
Dresden-A. versandte Prfiparat ,Gonojodin oder Onotoxin'’, 
iiber das ich, nach Behandlung von 25 Fallen, ein sicheres 
Urteil abzugeben berechtigt zu sein glaube. Den Pat., 
die Bettruhe zu heobachten hatten und einfache Milchdi&t 
bekamen, wurde nach Reinigung der Harnrfthre mit einer 
Spritze lauwarmen Wassers das Pr&parat in vierfacher 
Verd&nnung injiziert und 3—5 Minuten in der Harnrflhre 
belassen. Um eine vielleicht vorhandene grOssere Reiz- 
barkeit der Blase nicht zu einer Cystitis zu steigern, 
wurde — ohne dass man eine eventuell beobachtete 
Blasenentziindung dem Mittel h&tte zuschreiben kbnnen — 
der Penis an der Wurzel mit einem elastischen Bande 
umschnflrt, so dass nur der vordere Teil der Harnriihre 
von dem Gonojodin bespQlt wurde. War festgestellt, dass 
eine Gonorrhoea posterior vorlag, so genOgte natdrlich 
nicht die obige Injektionsmethode. Wir ffthrten nach der 
Guyon-Ultzmannschen Methode eine DurchspQlung der 
Harnrohre von rQckw&rts nach vorne mit der VerdQnnungs* 
liisung 1 :4 durch und liessen dieselbe ebenfalls durcli 
fdnf Minuten darinnen. Nach den ersten Injektionen, 
die vor allem durch die vollkommene Reizlosigkeit an- 
genehm zu ertragen sind — es konnte weder objektiv 
ein^ vielleicht anfUngliche Steigerung des Entzttndungs- 
prozesses nachgewiesen werden, noch wurde subjektiv ein 
unangenehmes Gefflhl empfunden — wurde auch ge- 
wOhnlich von den Pat. ein Nachlassen der Schraerzen 
beim Urinieren wahrgenommen. Anfangs war das Mittel 
nur in akuten Fallen mit reichlich eitrigem Ausflusse aus 
der IlarnrOhre in Verwendung; man konnte objektiv als- 
bald eine Aenderung in der Beschaffenheit des Sekretes 
wahmehmen, indem es sich verringerte, allmAhlich dflnn- 
flQssiger wurde, bis es als glasiges Bon jour-TrOpfchen 


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Gonorrhoe. 


245 


am fttnften oder zehnten Tage vollst&ndig verschwand. 
Die in den einzelnen Stadien vorgenommene Untersuchung 
des Sekretes hatte eine Verminderung der Anzahl der 
Gonokokken gemass der steigenden Injektionszahl ergeben. 
Nach 15—25 Tagen waren keine mehr nachzuweisen. 
Ebenso machten sich bei chronischen Fallen die vollkom- 
mene Reizlosigkeit und die, wenn auch nicht 39 in die 
Augen springende Heilkraft angenehm bemerkbar. Irgend- 
welche unangenebme Komplikationen — welche der Be- 
handlung mit diesem Prftparate hatten zugeschrieben werden 
kfinnen — wie Epididymitis, Cystitis und toxische Exan- 
theme, kamen nicht zur Beobachtung. Von den 25 be- 
handelten Fallen waren 20 im akuten Stadium, der Rest 
im chronischen. Die Injektionszahl variierte zwischen 9 
und 42, im Durchschnitt aber zwischen 25 und 30. Die 
erste niedere Zahl rfihrt da von her, dass ich unter den 
20 Fallen ffinf zu verzeichnen hatte, die einen eigentfim- 
lich abortiven Verlauf zeigten, und die hohe Zahl 42, 
dass in zwei Fallen die Erkrankung schwerer Natur war. 
Zusammenfassend kann ich mitteilen, dass das Praparat 
seinen Platz unter den Antigonorrhoicis, die im akuten 
Stadium ofcne Gefahr einer Eomplikation mit Aussicht 
auf eine verkfirzte Heilungsdauer Anwendung finden, be- 
haupten wird. tt — 

Stabsarzt Dr. Karschulin setzt diesen Ausffihrungen 
hinzu: „Die obigen Ausfiihrungen des Herrn Assistenz- 
arztes Dr. Paul werden mit d?m Bemerken bestatigt, dass 
ich das Onotoxin als eine wertvolle und ausserst schatzens- 
werte Bereicherung des Arzneiscliatzes zur Behandlung 
namentlich der akuten G. betrachte und somit jedermann 
zur NachprOfung warmstens empfehle. u 

(Wiener med. Woohenechrift 1911 Nr. 41.) 

ElinischeErfalirangen mit dem Gonokokken-V akzin Arthigon. 

Von Dr. J. H. Schultz (Dermatolog. Univers.-Klinik in 
Breslau). Aus der Arbeit seien folgende Abschnitte wieder- 
gegeben: 

. „Was die Behandlung gonorrhoischer Prozesse be- 
trifft, so nahm Bruck, gestQtzt auf den gleichzeitig von 
Mtiller-Oppenheim und ihm im Komplementbindungs- 
versuch gefQhrten Nachweis, dass auch Gonokokkeninfek- 
tionen zu AntikOrperbildung ftihren konnen, im Anschluss 
an die Mitteilungen besonders amerikanischer Autoren auch 
die Behandlung der gonorrhoischen Prozesse mittels aktiver 
Immunisierung in Angriff, konnte bereits 1909 fiber gfinstige 


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Gonorrhoe. 


Resultate berichten und liess daraufhin nach seinen An- 
gaben ein Gonokokken-Vakzin Arthigon von der chemischen 
Fabrik von Schering-Charlottenburg herstellen. Die Ver- 
suche Brucks ergaben, dass zwar die akuten gonorrhoi- 
schenSchleimhautprozesse fOr eine Yakzintherapie ungeeignet 
seien, dagegen fQr die Behandlung der gonorrhoischen 
Metastasen, besonders Arthritis und Epididymitis, die Aus- 
sichten durchaus gtinstig sind. Die weiteren Untersuchungen 
unserer Klinik und eine grfissere Reihe von Mitteilungen 
anderer Autoren haben diese Ergebnisse inzwischen be- 
statigt. “ 

„Fttr Dosierung und Indikationsstellung wurden in 
unserer Klinik die Ergebnisse der klinischen Beobachtungen 
zur Richtschnur genommen. .Ohne jedes schematische Vor- 
geben wurden in ein bis sieben Injektionen Dosen von 0,5 
bis 3,0 Arthigon intraglutaal verabreicht. Die Durch- 
fuhrung der Vakzinbehandlung richtet sich nach dem Heil- 
effekt und der Allgemeinreaktion. Bei gleichmassig fort- 
schreitender Besserung wird bei fieberhafter Reaktion nach 
3—4, bei geringerer Allgemeinreaktion nach 2—3 Tagen 
wieder injiziert, im allgemeinen in den Dosen von 0,5, 1,0, 
1,5, 2,0. 2,0 wird eventuell mehrfach gegeben und nur 

in Ausnahmefallen, besonders bei sehr geringer Allgemein¬ 
reaktion, noch zu hfiheren Dosen (bis 5 ccm) gegriffen. 
1st der Heileffekt eklatant, so werden noch 1—2 Injektionen 
angeschlossen. u 

„Jedenfalls sind bei einem Material von fiber 100 
Fallen, die nach den von Bruck aufgestellen Prinzipien 
behandelt wurden, niemals Schadigungen der Kranken im 
Sinne der Provozierung einer Gonokokkensepsis beobachtet, 
so dass eine allzu grosse Zurfickhaltung in der Dosierung 
nicht notwendig erscheint. Die akute Urethralgonorrhoe 
des Mannes liess in Uebereinstimmung mit fast alien vor- 
liegenden Berichten anderer Autoren einen sicheren Ein- 
fluss der Vakzinbehandlung nicht erkennen. Bei einigen 
Fallen chronischer Urethritis mit dauernden Rezidiven war 
ihr Erfolg zweifelhaft. Dagegen zeigten unter 80 Fallen 
gonorrhoischer Epididymitis 70 eine deutlich gfinstige Be- 
einflussung durch Arthigonbehandlung. Bei diesen 70 
deutlich beeinflussten Fallen wurden 0,5 bis im ganzen 
8,5 Arthigon in 1—7 Injektionen zu Einzeldosen von 
0,5—3,0 gegeben. Die Allgemeinreaktion ergab in 14 
Fallen bei vordem vfillig normaler Temperatur nur sub- 
febrile Temperaturen (37,4—38,0), in 49 Fallen bei den- 
selben Yorbedingungen febrile Temperaturen (38°—40°), 


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Gonorrhoe. 


247 


die, allerdings nicht bei alien Injektionen die gleiche Hdhe 
erreichten.“ 

„Die febrile Reaktion zeigten gleich nach der ersten 
Injektion bei einer Anfangsdosis von 0,5 Arthigon 35 Falle, 
bei einer Anfangsdosis von 1,0 Arthigon 10 Falle, bei 
den iibrigen trat sie meist bei der zweiten, selten erst bei 
einer spSteren Injektion auf. Die febrilen Temperaturen 
traten im allgemeinen 6—24 Stunden nach der Injektion 
auf und waren fast immer nach 36 Stunden wieder ganz 
abgeklungen. Das Allgemeinbefinden war nie ernstlich 
gestort; es wurde nur iiber Kopfschmerz, Frost und bis- 
weilen allgemeine Abgeschlagenheit geklagt. w 

„Neben der Allgemeinreaktion wurde bei den Fallen 
von Epididymitis auch hftufig eine Herdreaktion beobachtet. 
Sie Susserte sich zunachst so, dass die Kranken vielfach 
wahrend der Allgemeinreaktion, besonders wahrend des 
Temperaturanstieges, iiber ziehende oder driickende Sen- 
sationen in dem erkrankten Organe klagten; recht haufig 
fand sich auch objektiv eine Ver&nderung des Befundes 
wahrend der Reaktion, indem die Schwellung und Spannung 
vermehrt schien. Nach dem Abklingen der Reaktion 
wurde eine sehr erhebliche Abnahme der Schwellung und 
der Druckschmerzhaftigkeit beobachtet; bei Kranken, die 
iiberhaupt eine fieberhafte Reaktion produzierten, schien 
im allgemeinen die Intensit&t der Heilwirkung der Hbhe 
des Fieberanstieges zu entsprechen, doch ergaben sich 
auch bei nur subfebrilen Temperaturen oft sehr gute Er- 
folge. Seltener als die subjektive und objektive Herd¬ 
reaktion wurde auch eine lokale Reaktion heobachtet, die 
in spontanem Schmerz, Rotung und Druckempfindlichkeit 
der Injektionsstelle bestand. Infiltrate an der Injektions- 
stelle traten nie auf.“ 

„Hinsichtlich des Endresultates waren am gtinstigsten 
die Falle, wo die Entstehung der Epididymitis beobachtet 
und sofort eine Vakzintherapie begonnen werden konnte. 
Hier wurde in alien Fallen nach zwei bis drei Tagen 
vdlliges Schwinden samtlicher Erscheinungen erreicht, doch 
waren auch bei der subakuten und .chronischen Epididy¬ 
mitis die Resultate noch sehr giinstig, so dass unter den 
70 deutlich beeinflussten Fallen nach 14 Tagen 41 nor- 
malen Genitalbefund zeigten. Bei 14 Fallen war noch 
eine deutliche Vergrosserung der Epididymis ohne wesent- 
liche Yeranderung der Konsistenz nachweisbar. Bei zwolf 
Fallen blieben trotz erheblicher Besserung doch noch 
kleinere oder grossere Infiltrate besonders in der Cauda 


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Gonorrhoo. 




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fuhlbar, und bei drei Kranken bestand noch eine wesent- 
liche Schmerzhaftigkeit ohne lokalen Befund. Wenn auch 
diese giinstigen Resultate nicht allein auf Rechnung der 
Vakzinbehandlung gesetzt werden konnen, so steht doch 
die prompte Reaktion vieler Falle von Epididymitis auf 
Vakzinbehandlung — in Uebereinstimmung mit der Mit- 
teilung zahlreicher Autoren — ausser allem Zweifel, zu- 
mal bei den nicht vflllig ausheilenden Fallen stets schwere 
Verfinderungen, besonders altere, derbe Infiltrate vorlagen, 
bei denen eine vbllige Abheilung der Sachlage nach nicht 
erwartet werden konnte, obwohl ein gOnstiger Einfluss der 
Vakzinbehandlung auch hier oft unverkennbar war. Der 
Verlauf der Besserung war wechselnd, indem bald die 
Schmerzhaftigkeit, bald die objektiven Symptome schneller 
verschwanden. Diesen 70 gut reagierenden Fallen von 
Epididymitis stehen 10 gegenttber, wo keinerlei Einfluss 
der Arthigonbehandlung konstatiert wurde. Allcrdings 
war hier die Vakzinbehandlung, — meist aus ausseren 
Grfinden — unzureichend; es handelt sich um je einen 
nur ein- und zweimal mit geringer Allgemeinreaktion 
behandelten Fall, ferner um sechs dreimal und nur je einen 
vier- und ffinfmal injizierten Fall; nur in filnf Fallen 
trat eine febrile Reaktion auf. Eine Erklarung fQr das 
Versagen der Vakzintherapie in diesen Fallen liess sich 
im allgemeinen nicht linden; nur ein Fall war durch eine 
Abszedierung der Orchis kompliziert, in den Qbrigen 
handelte es sich um klinisch typische Falle, die keinerlei 
Besonderheiten oder Komplikationen zeigten. Vielleicht 
spielt hier der von mehreren Seiten betonte Umstand eine 
Rolle, dass gelegentlich bedeutende biologische Differenzen 
verschiedener Gonokokkenstamme beobachtet werden. Aller- 
dings ist dies in Anbetracht der Polyvalenz des Arthigon 
nicht gerade wahrscheinlich. Jedenfalls bleibt die relativ 
sehr grosse Zahl nur wenig allgemein reagierender Pat. 
unter diesen negativen Fallen bemerkenswert. Unter 
zwblf Fallen von Funiculitis zeigten acht in unmittelbarem 
Anschluss an die Injektion sehr erhebliche Abnahme der 
Schmerzhaftigkeit, der Schwellung und der Verhartung; 
vier blieben unbeeinflusst, Zwei Falle von Pericystitis 
und Cowperitis wurden sehr gOnstig beeinflusst. Bei der 
chronischen Prostatitis (zehn Falle) wurde der Krankheits- 
verlauf in etwa der Halfte der Falle anscheinend gQnstig 
beeinflusst; namentlich bei zwei sehr chronischen, der 
sonstigen Therapie gegenOber ganzlich refraktaren Fallen 
war der Effekt ungemein prompt und ausgiebig, indem 


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Gonorrhoe. 


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Schwellung und Schmerzhaftigkeit zurQckgingen und die 
eitrige Sekretion nachliess. Bei 16 Fallen gonorrhoischer 
GelenkentzOndung wurden zum Teil ausgezeichnete Erfolge 
erzielt. In vier Fallen bestanden vor Einleitung der 
Vakzinbehandlung febrile, in drei Fallen sub febrile Tem- 
peraturen, wahrend bei den Obrigen ausserhalb der Arthigon- 
reaktionen normale Temperatur beobachtet wurde. In vier 
Fallen musste die Vakzinbehandlung aus ausseren GrQnden 
unvollendet abgebrochen werden, und in einera weiteren 
Falle zeigte sich keinerlei Erfolg, dagegen wurden die 
elf Obrigen samtlich sehr deutlich und zura Teil in her- 
vorragend gOnstiger Weise beeinflusst. Auch hier konnte, 
ahnlich wie bei der Epididymitis, bisweilen eine Art 
Herdreaktion beobachtet werden, indem einige Stunden 
nach der Injektion die Gelenke anschwollen und schmerzten, 
worauf nach Abklingen der Allgemeinreaktion eine ganz 
wesentliche Besserung in den objektiven und subjektiven 
Ph&nomenen eintrat. In alien diesen Fallen wurden An- 
kylosen nicht beobachtet, obwohl es meist bereits langere 
Zeit bestehende und vielfach vergeblich behandelte Falle 
waren. Die Dosierung bewegte sich zwischen zwei und 
fOnf Injektionen im Gesamtbetrage von Vk bis 7,0 Ar- 
thigon. Bei der akuten Cervix- und Urethralgonorrhoe 
der Frauen gelang es in verein'zelten Fallen ohne jede Lokal- 
behandlung, Ober mehrere Monate andauernde Symptom- 
freiheit zu erzielen; bei der Kombination mit Lokal- 
behandlung scheint diese wesentlich schneller und nach- 
haltiger wirksam zu sein; hier sind bei einem ausgedehnten 
Material entschieden noch grosse Fortschritte zu erwarten, 
wie besonders auch die letzte Mitteilung Schmidts aus 
der WQrzburger Klinik zeigt, der 50°/o Heilungen berichtet. 
Ueber die Behandlung der Adnexitis gonorrhoica fehlen 
uns ausgedehntere Erfahrungen. Mit den von Bruck 1909 
mitgeteilten Fallen besteht unser Material jetzt aus 93 Fallen 
von Epididymitis gonorrhoica und 17 Fallen von gonor¬ 
rhoischer Arthritis; mit Bezug hierauf kann zum Teil in Be- 
statigung anderer Autoren zusammenfassend gesagt werden: 

1. Die Behandlung gonorrhoischer Komplikationen 
mit dem auf Brucks Anregung dargestellten Arthigon ist 
in vielen Fallen von Epididymitis (bei einem Material von 
93 Fallen in Ober 80%), Funiculitis, Prostatitis und 
Arthritis gonorrhoica von sehr deutlichem, oft glanzendem 
Erfolge; sie fGhrt in Verbindung mit der ilblichen Therapie 
sehr haufig klinisch zu einer Restitutio ad integrum. 
Schadigungen wurden nie beobachtet. 


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Gonorrhoe — Helminthiasis. 


2. Die Behandlung ist spezifisch, wie die hSufige 

' Allgemein- und Herd- und die seltenere Lokalreaktion 

lehren. 

3. Die gfinstig beeinflussten Falle .zeigen einen hoheren 
Prozentsatz fieberhafter Reaktionen als die refraktaren Falle. 

4. Die Behandlung der frischen Zervikalgonorrhoe, 
besonders in Yerbindung mit Lokaltherapie, scheint aus- 

sichtsreich. (Deutsche med. Wooheoschrtft 1911 Nr. 50.) 

— TJeber Arthigonbehandlnng der gonorrhoischen Vulvovagi¬ 
nitis kleiner M&dchen Von Dr. Stephanie Rygier. 
(Aus der Dermatolog. Univers.-Klinik in Breslau.) Es 
wurden vier Falle so behandelt. „Wir haben also^ unter 
diesen vier Fallen zwei voile Heilerfolge, einen zweifel- 
haften und einen Misserfolg zu verzeichnen. Es muss je- 
doch bemerkt werden, dass die beiden mit Erfolg behan- 
delten Falle bis zur Hfichstdose von 5,0 pro dosi und zu 
einer Gesamtdose von 27,5 bzw. 17,25 Arthigon gelangten, 
wahrend die beiden anderen Pat. nur bis 3,0 pro dosi 
und bis zur Gesamtmenge von 8 bzw. 10,5 Arthigon be¬ 
handelt werden konnten. Es ist also wohl mfiglich, dass 
auch diese bisher unbefriedigt verlaufenen Falle bei der 
nfitigen Ausdauer zur Heilung hatten gebracht werden 
kOnnen. Nebenerscheinungen ausser den gewQnschten Tem- 
peraturanstiegen oder irgendwelche Schadigungen wurden 
nie beobachtet. Wenn wir also auch nicht den optimi- 
stischen Standpunkt mancher amerikanischen Autoren tei- 
len, so glauben doch auch wir nach unseren Erfahrungen, 
dass die Gonokokkenvakzin-Therapie die Vulvovaginitis 
kleiner Madchen spezifisch zu beeinfiussen und zu heilen 
imstande ist, und zwar mit bedeutend grbsserer Sicherheit 
und Schnelligkeit, als dies jede andere Heilmethode zu 
leisten vermag. Es sollte daher in jedem Falle die vbllig 
unschadliche Behandlung mit Gonokokkenvakzin eventuell 
neben den Lokalprozeduren Anwendung linden. u 

(Ebenda.) 

Helminthiasis. Filmaron hat Prof. A. Jaquet (Basel) 
schon frtkher zu Bandwundkuren empfohlen, und das 
Mittel ist auch von verschiedenen anderen Autoren mit 
Erfolg angewendet worden. „Diese verschiedenen gleich- 
lautenden Berichte dQrften nun ausreichen, um die zuver- 
lassige Wirkung des Filmarons definitiv festzustellen und 
dem Praparat einen dauernden Platz in unserem Arznei- 
schatz zu sichern. Vor dem Exfrakt, fiber dessen Wirk- 


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Helminthiasis. 


251 


samkeit wir stets im unklaren sind, hat es den Vorzug 
der Bestandigkeit und leichten Dosierbarkeit. Die bisher 
verwendeten Dosen von 0,7—1,0. g oder, wie das Mittel 
in neuerer Zeit gewdhnlich verordnet wird, von 10 g 
10°/oigen Filmaronols haben sich als vollig unschadlich 
erwiesen, und es ist noch kein Fall mit irgendwie erheb- 
lichen Nebenwirkungen zu meiner Kenntnis gelangt. Ein 
weiterer Vorteil, der von samtlichen Beobachtern hervor- 
gehoben wird, ist der Geschmack des PrSparates. Filmaron 
ist viel leichter einzunehmen als das Extrakt, so dass es 
von empfindlichen Pat., ja selbst von Kindern ohne Wider- 
willen genommen wird. Die Neigung, aus blosser Ge- 
wohnheit alien galenischen Praparaten mit ihrer unbekannten 
Zusammensetzung und unbestimmten Wirksamkeit treu zu 
bleiben, ist nur in den Fallen gerechtfertigt, in welchen 
wir nicht imstande sind, sie durch bessere von konstanter 
Wirkung und genauer Dosierbarkeit zu ersetzen. Gale- 
nische Pr&parate, deren Verordnung unter Umst&nden far 
den Pat. verhangriisvoll werden kann, sollten aber aus 
den Arzneibtichern ausgemerzt werden, sobald wir die 
gleiche Wirkung mit genau definierten K&rpern von be- 
kannterZusammensetzungerzielenkonnen. Deshalb mbchten 
wir uns dem Urteil von Prof. Kobert anschliessen, der 
bei Aniass einer Besprechung der neueren Mittel des neuen 
Arzneibuches sich in bezug auf das Filmaron folgender- 
massen ausserte: ,Es muss mit Bedauern hervorgehoben 
werden, dass das FilmaronQl (l T. Filmaron geldst in 
9 T. Rizinusol) nicht offizinell geworden ist. Das Fil¬ 
maron wirkt bei Anwesenheit von kleinen Mengen Oel 
gerade zehnmal starker als das beste deutsche Filixextrakt, 
far das jetzt die Maximaldose 10,0 eingefQhrt worden ist. 
Die Maximaldose 10,0 wOrde also auch far 10°/oiges Fil- 
maronol einzufahren sein. Wahrend aber die Wirkungs- 
intensitat des Filixextraktes ganz enorm schwankt, ist das 
FilmaronOl in der Intensitat seiner Wirkung ganz konstant. 
Bei so gefahrlichen Mitteln, wie das Filixextrakt eins ist, 
mdsste es far die Allgemeinheit von Interesse sein, es 
durch ein konstanter wirkendes zu ersetzen. 1 “ 

(Munch, med. Wochensohrift 1911 Nr. 48.) 

— Oxynris vermionlaris. Von Dr. P. Jodicke (Stettin). „Eine 
Erfolg versprechende Behandlung ergibt sich aus der Kennt¬ 
nis der Lebens- und Uebertragungsweise der Warmer. 
Bekanntlich halten sich die im Danndarme begatteten 
Weibchen hauptsachlich in den untern Teilen des Dick- 


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Helminthiasis — Magen- und Darmaffektionen. 


darms auf, wandern besonders des Nachts nach unten in 
die Gegend des Afters, legen hier teilweise in den Grftbchen 
and Falten ihue Eier ab, oder sie gelangen durch die 
Defakation nach aussen, um nach Entleerung der Eier 
bald abzusterben. Durch den heftigen Pruritus ani werden 
die davon Befallenen zum Bohren und Eratzen mit den 
Fingern veranlasst und dadurch infiziert. Tatsachlich ist 
es einigen Forschern gelungen, in den Falten der H&nde 
und besonders unter den Fingernageln reife Oxyureneier 
nachzuweisen. Unsere therapeutischen Bestrebungen mGssen 
demnach ausser der mechanischen Entfernung der Wtirmer 
besonders auf einen Schutz vor Selbstinfektion bedacht 
sein. DafOr hat sich folgendes Verfahren am zweckm&ssigsten 
erwiesen: Es werden 1—2 Wocheu lang taglich kr&ftig 
wirkende Abfflhrmittel gereicht, dazu Essigwasser oder, 
wo dieses nicht beliebt ist, reichlich saure Speisen. Neuer- 
dings werden auch die Gelad.-Kapseln mit essigsaurer 
Tonerde empfohlen. Bei Kindern hat sich nach Empfeh- 
lung eines Prager Kollegen das tSgliche Trinken einiger 
LOffel Sauerkrautwasser, wie es jede Hausfrau nach Ab- 
kochen des betreffenden Kohles mit Wasser erhalt, bewabrt. 
Danach pflegen die Oxyuren gewGhnlich in Massen durch 
den Stuhlgang abzugehen. Bei Erwachsenen kdnnen ausser- 
dem in hartn&ckigen Fallen hohe EinlSufe mit Salz- oder 
Essigwasser von gutem Erfolge sein. Hauptsache ist je- 
doch, dass nach jedem Stuhlgange taglich ein Reinigungs- 
bad genommen wird, danach die Gegend um den After 
herum zwecks Abtotung etwaiger Oxyureneier mit grauer 
oder Hdllensteinsalbe bestrichen, besonders die Hande und 
die Fingernagel peinlichst gesSubert werden. . Diese Kur 
hat bisher in meiner Praxis die besten Erfolge gezeitigt, 
unter anderem bei meinem eignen Einde nach 14tagiger 
Behandlung alle Oxyuren radikal entfernt.“ 

(Median. Xlinik 1912 Nr. 2.) 

KBagew- und Parmaffektionew, Die Behandlung des 

Ikterns. Von Prof. Dr. G. Hoppe-Seyler (Kiel). Aus 
diesem „Klin. Yortrage u sei folgender Abschnitt wieder- 
gegeben: 

w Die haufigste Form des Ikterus, die Gelbsucht schlecht- 
weg, ist der katarrhalische Ikterus. Er beruht nach neuerer 
Anschauung haupts5chlich auf einer Infektion der G&llen- 
wege, die vom Duodenum aus auf die GallengSnge ftber- 
gegangen ist (namentlich Eolibazillen). Mdglich ist nach 
experimentellen Untersuchungen auch der Uebergang der 


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Magen- und Darmaffektionen. 


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Krankheitserreger vom Blute aus in die Gallenwege, wie 
dies bei Typhus-, Paratyphusbazillen, bei Eiterkokken usw. 
eintreten kann. Der Zusammenhang mit infektiosen Magen- 
und Darmerkrankungen ist ftir die Prophylaxe und aucli 
filr die Therapie von grosser Bedeutung. Es ergeben sich 
fur die Behandlung des Ikterus daher folgende Gesichts- 
punkte: 

1. Beseitigung der Infektion und Intoxikation im 
Magen-Darmkanal und in den Gallenwegen, 

2 . der Gallenstauung, 

3. Schonung des Leberpardnchyms, damit dieses 
nicht miterkrankt, durch Fernhaltung von Stoffen, die es 
schwfichen. 

4. Berflcksichtigung des Ausfalls der Galle aus dem 
Darminhalt, der anderen Verlauf der Umsetzungen in ihm 
zur Folge hat. 

Wird die Infektion und ihre Wirkung auf die Gallen¬ 
wege eingeschrankt oder beseitigt, so wird auch die Schwel- 
lung der Schleimhaut und der Gallenstauung geringer oder 
h5rt auf. Zugleich wird das Leberparenchym rascher von 
dem tiblen Einfluss der Gallenstauung und Infektion be- 
freit. Berucksichtigt man den Ausfall der Galle im Darm 
nicht genQgend, so kann es zu stSrkeren Zersetzungen 
der Nahrungsmittel, zur Bildung abnormer Stoffwechsel- 
produkte kommen, welche deleter auf die Leber bei Re¬ 
sorption aus dem Darm in die Pfortader wirken konnen. 
So wird die Beriicksichtigung eines Punktes zugleich 
helfen, die anderen Storungen gtlnstiger zu beeinflussen. 
Die Behandlung bei der h&ufigsten Form des Ikterus, dem 
Ikterus catarrhalis, wird zun&ehst mit der Beseitigung in- 
fektibser und toxischer Stoffe aus dem Magendarmkanal 
beginnen. Daher verordnet man am besten zunachst Kalo- 
mel zu 0,3—0,5, l&sst die Dosis eventuell wiederholen, 
wenn keine ausgiebige Entleerung erfolgt. Wenn auch 
dann kein Stuhlgang eintritt, so muss RizinusOl, Rhabarber 
oder Senna gegeben und durch Wasserklistiere nachge- 
holfen werden. Yielfach sieht man Fieber danach schwinden. 
Zugleich wirkt die gesteigerte Peristaltik des Darms auch 
anregend auf die Muskulatur der Gallenwege ein, so dass 
eine Entleerung gestauter Galle bei nur geringer Schwel* 
lung der Schleimhaut denkbar ist. Es muss nun die 
Darmentleerung immer in regelmSssigem Gang erhalten 
werden, da sonst die Infektionserreger starker sich ent- 
wickeln und abnorme Zersetzungen. der Nahrung, welche 
zu schadlichen Glirungs- und F&ulnisprodukten fOhren, 


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Magen- und Darmaffektionen. 


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unterhalten werden. Daza dienen hauptsachlich die ab- 
fahrenden Salze der Sulfatgruppe Natrium und Magne¬ 
sium sulfuricum. Auch Rhabarber im Infus 5,0:180,0 
mit Natrium sulfuricum 20,0 kombiniert, mebrmals taglich 
ein Essloffel, erscheint zweckmSssig. Um zugleich den 
katarrhalischen Reizzustand im Darm zu beeinflussen und 
ubermiissigen Schleim besser zu beseitigen, kann man Na¬ 
trium bicarbonicum hinzusetzen. In vorzUglicher Weise 
entspricht das Karlsbader Wasser, dessen Hauptbestandteile 
Chlornatrium, doppeltkohlensaures Natrium und schwefel- 
saures Natrium* sind, diesen Anforderungen. Sein Kohlen- 
sauregehalt wirkt zugleich anregend auf die Peristaltik 
ein und gestattet, es leichter bekommlich far den Magen 
und angen'ehmer geniessbar zu machen. Man wird davon 
morgens zwei Glaser nachtern warm, bei Obstipation kalt, 
l U Stunde vor dem Frahstack, eventuell nachmittags noch- 
mals 1—2 Glaser vor dem Kaffee trinken lassen. In der 
besseren Praxis kann man den natariichen Mahlbrunnen 
verwenden, lasst sonst ein Messglas oder einen Teeloffel 
Karlsbader Salz (in der Form der Sandowschen Salze) 
auf ein halbes Glas heisses Wasser und ebensoviel kanst- 
liches Selterwasser zur Zeit nehmen. Wenn im Anfang 
Diarrhoe vorhanden ist, wird man doch zunachst Kalomel 
geben und erst dann zu Adstringentien wie Tannalbin, 
Tannigen, Bismutum subnitricum (mehrmals taglich 1 g) 
greifen, wenn die DurchfSlle tagelang andauern. Das 
Karlsbader Wasser, heiss getrunken, pflegt auf die Diar- 
rhben auch ganstig einzuwirken. Man hat dann auch, um 
der Indikation der Beseitigung der Gallenstauung zu ge- 
nhgen, Cholagoga angeraten. Dazu warden die olsauren 
Salze (Natrium oleinicum, Eunatrol), gallensaure Verbin- 
dungen (Ovogal) sich eignen. Eine aberm&ssige Pro- 
duktion von Galle wird aber dann gar nicht indiziert 
sein, da dies den schadigenden Einfluss der gestauten 
Galle in den Gallenwegen nur verstftrkt. Wenn Eu¬ 
natrol, Cholelysin und andere solche Mittel ganstig 
wirken, so beruht dies wohl allein auf ihrer abfahren- 
den Wirkung. Auch das beliebte Podophyllin kann nur 
so einen Einfluss ausaben, da es die Gallensekretion 
selbst nicht befbrdert. In ahnlicher Weise wirken auch 
die Cholagentabletten, welche Podophyllin, Kalomel usw. 
enthalten. Die Gallensekretion durch stfirkere Wasser- 
zufuhr anzuregen, gelingt nicht, doch ist sie zur Durch- 
spalung des Organismus angezeigt. Die aus diesem 
Grund empfohlenen Wasserklistiere, die zu mehrmals 


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Magen- und Darmaffektionen. 


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taglich einem halben oder einmal t&glich bis zwei Liter 
empfohlen werden (Mosier, Krull), haben wohl, zumal 
sie kalt appliziert werden sollten, neben der evakuierenden 
Wirkung nur einen die Peristaltik von Darm und Gallen- 
wegen anregenden Einfluss. Bei der grossen Masse der 
Nahrung8reste, welche bei Ausschluss der Galle in dem Darm 
zurQckbleiben oder nur zbgernd entleert werden, sind der- 
artige Darmeinldufe sehr zweckmassig. Wenn der Stuhl- 
gang sehr hart ist, sind auch Oelklistiere (zu l /s bis l /a Liter) 
angebracht. UnterstQtzend wirken ferner,, solange etwa 
Fieber besteht, kalte PriessnitzumschlSge, spater Warme- 
applikation in Gestalt von Breiumschlagen, Thermophore 
usw. auf die Lebergegend. Dagegen werden sonstige 
physikalische Heilmittel, wie Massage, Elektrisieren der 
Leber und Gallenblase, wenig Erfolg versprechen, ja sie 
kbnnen eher wohl verschlimmernd wirken infolge der 
Reizung der Leber und Gallenwege, Ruhe ist, solange 
Ikterus besteht, ftir die Leber sehr wichtig. Namentlich 
bei Fieber ist absolute Bettruhe notwendig, am besten 
wird sie aber fortgesetzt, bis der Gallenfarbstoff ganz aus 
dem Urin verschwunden ist, die Galle also wieder frei in 
den Darm abfliesst und die Faeces intensiv f&rbt. Sonst 
besteht die Gefahr, dass plotzlich das schwere Bild der 
Leberdegeneration und -autolyse, die akutc Leberatrophie, 
einsetzt, wenn dies auch nicht haufig vorkommt. Die 
Diat muss sowohl der Infektion und Gallenstauung wie 
namentlich der Schonung der Leber und den veranderten 
Verdauungsverhaltnissen im Darm infolge Ausfalls der 
Galle Rechnung tragen. Sie darf keine scharfen Gewiirze, 
Alkohol usw. enthalten, die Darm und Leber reizen, darf 
nicht leicht in Faulnis oder Garung iibergehen, muss 
wenig unverdauliche Substanzen und namentlich wenig 
Fett enthalten, da dieses bei Ausschluss der Galle 
nicht gut resorbiert wird und dann zu Zersetzung, Darm- 
reizung usw. Yeranlassung gibt. Zwar die Fettspaltung 
ist erhalten, aber die Resorption ist vielleicht infolge 
Fehlens der Gallensauren mangelhaft. Immerhin wird 
Milch trotz ihres Fettgehaltes im allgemeinen gut ver- 
tragen. namentlich in Form von Milchsuppen oder Milch- 
brei (mit Sago, Reis, Gries, Mondamin, Maizena usw. zu- 
bereitet). Haferschleim, Hafergrtitze, am besten auch mit 
Milch gekocht, Gerstenschleim, Graupen usw. sind auch 
zweckmassig. Dazu konnen im Anfang Kakes, Zwieback, 
spater etwas gerbstetes Weissbrot mit wenig Butter ge- 
nossen werden. Die Fleischverdauung mtisste eigentlich 


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Magen- und Darmaffektionen. 


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nicht wesentlich gestOrt sein; doch ist dies vielfach der 
Fall. Moglicherweise spielt dabei eine gleichzeitige Ver- 
legung des Pankreasgangs mit. Ferner konnen auch im 
Magen katarrhalische Storungen vorhanden sein, wodurch 
die Magenverdauung und damit die Verarbeitung des 
Fleisches, besonders im rohen Zustand, leidet. Es be- 
stehen bei Ikterus auch vielfach starkere Faulnisvorgange 
'im Darm, die dann zur Bildung von grosseren Mengen 
von giftigen Zersetzungsprodukten des Fleisches fflliren 
und so Leberstorungen veranlassen konnen. Jedenfalls 
haben die Ikterischen vielfach einen Widerwillen gegen 
Fleisch. In manchen Fallen von Ikterus kann es iibrigens 
auch zu ubermassiger Saureprodnktion im Magen kommen, 
wobei diese Storungen dann weniger hervortreten werjlen. 
Statt Fleisch wird man lieber mehr Eierspeisen geben und 
den Ausfall an Fett durch reichlichere Zufuhr von Kohle- 
hydraten in Gestalt von Zwieback, Semmel, Weissbrot, 
Gries, Reis usw. auszugleichen suchen. Dabei muss man 
nur Rucksicht auf etwaige starkere Garung im Darm 
nehmen, da diese dann vielfach zunimmt und der so 
entstehende Meteorismus den Kranken belastigt. Zweck- 
massig wird man daher haufig in der Zusammensetzung 
der Nahrung wechseln und, ehe es zu stSrkeren Storungen 
durch die Kohlenhydratgarung kommt, eine Zeitlang mehr 
eiweissreiche Nahrung geben. Reichliche Fliissigkeitszufuhr 
in Gestalt von Milch, Buttermilch, alkalischen Mineral- 
wassern, Fruchtsaften, Tee usw. ist daher passend, wahrend 
die alkoholischen Getranke mehr zu meiden sind. Wenn 
die Galle sich wieder in den Darm entleert, kann man 
eher Fett wieder geben und so allmahlich zur gewbhn- 
lichen Kost (ibergehen. Doch soil man darin vorsichtig 
sein, alle leicht faulenden oder sich zersetzenden Speisen, 
wie manche Fleischspeisen, Ease, Fische, Wilrste usw., 
noch langere Zeit vermeiden lassen, um nicht ein Auf- 
flackern d*es Darmkatarrhs und darauf auch ein Rezidiv 
des Katarrhs der Gallenwege herbeizufiihren. Wahrend 
des voll ausgebildeten Ikterus wird man also folgende Diat 
etwa vorschreiben: Zum FrOhstilck: Milch mit Tee oder 
Kakao, Zwieback oder Semmel, eventuell ein weichge- 
kochtes Ei. Zweites Frilhsttick: Milch, leichte Bouillon 
oder Schleimsuppe mit Ei. Mittags: Milchsuppe mit Reis, 
Gries, Sago, Bouillon, Schleimsuppen, mageres Fleisch, 
Kartoffelmus, Makkaroni, leichte Gemtise, wie Spinat, Blumen- 
kohl, Karotten usw., leichte (nicht fette, aber eher siisse) 
Mehlspeisen. Nachmittags: etwas Milch mit Zwieback. 


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Magen- and Darmaffektionen. 


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Abends: Milchsuppe, Schleimsuppe oder Tee mit Milch, 
Weissbrot, wenig Butter, mageres Fleisch, Ei. Wahrend 
des ersten fieberhaften Stadiums gibt man am besten nur 
Milehsuppen, Haferschleim, Bouillon, etwas Zwieback. In 
der Rekonvaleszenz lasst man mittags auch mehr rohes 
und gebratenes Fleisch (Rindfleisch, Wild usw.) zu, lSsst 
leichte, nicht fett bereitete Gemiise, etwas gekochtes Obst 
geniessen. Handelt es sich um einen starker infektibsen 
Ikterus mit eitriger Entziindung der Gallenwege (Cholan¬ 
gitis suppurativa), so kann man am besten SalizylprSparate: 
Natrium salicylicum, Aspirin, Salol, zu 1,5—3 g pro Tag, 
nehmen lassen, um durch Uebertritt von Salizylsaure in 
die Galle auf die Infektionserreger selbst einzuwirken. 
Menthol, das auch solche Wirkung besitzt und in die Galle 
(lbergeht, kann man schwer ohne starkere Reizung des 
Magens und Darmes geben. Namentlich ist dann auch 
eine reichliche FlQssigkeitszufuhr angebracht in Gestalt 
kohlensaurer Mineralwasser usw., um die toxischen Sub- 
stanzen der Bakterien mbglichst bald aus dem Kbrper zu 
entfernen. Wenn diese Behandlung aber nicht bald zum 
Ziele ftihrt, so ist die Ableitung der infektibsen Galle 
nach aussen mit Hilfe der Hepaticusdrainage nach Kehr, 
einer Gallenblasenfistel oder auch einer Lebergallengangs- 
fistel, wie sie durch Eingehen in die Leber mit dem Ther- 
mokauter angelegt werden kann, erforderlich. 44 

(Deutsche med. Wochenschr. 1911 Nr. 48.) 

— Ein Beitrag stun nervbsen Durchfail. Von Dr. A. Philipp- 
80 n (Hamburg). Autor schreibt: „In Nr. 36 des dies- 
jahrigen Jahrgangs der Med. Kl. schildert Th. G. Ja- 
nowski in vortrefflicher Weise den oft verkannten Zu- 
stand des nervbsen Durchfalls. Ich wtlrde es sicherlich 
nicht wagen, eine kritische Besprechung vorzunehmen, da 
es mir an weitergehender Erfahrung mangelt, und wbrde 
es auch unterlassen, einen Beitrag vorzubringen, der aus 
Beobachtungen an mir selbst stammt, wenn ich nicht in 
bezug auf Therapie etwas mitzuteilen in der Lage wftre, 
das vielleicht andern nbtzlich sein kbnnte. Leider besitze 
ich eingehendere Aufzeichnungen von friiher nicht mehr 
und kann nur summarisch das wiedergeben, was mir im 
Gedachtnisse haften geblieben ist. Seit iiber zehn Jahren 
ist mein Stuhlgang kein normaler, anfangs mehr breiig 
oder, was mir besonders auffiel, bandartig, haufig mit 
Schleim bedeckt. Ich versuchte durch Spblungen die 
Dickdarmschleimhaut zu verbessern, da ich bei der normal- 

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258 Magen- und Darmaffektioner. 

galligen Farbung des Stuhles dorthin den Sitz der Er- 
krankung verlegte. Doch erreichte ich damit nichts als 
eine Zunahme der Hamorrhoiden, die sich durch Blutungen 
und Einklemmungserscheinungen so unangenehm geltend 
machten, dass ich sie mir im vorigen Jahre entfernen liess. 
Trotz sehr vorsichtiger Lebensweise, bei der Kaffee und 
Zigarren verbannt wurden, Alkohol nur gelegentlich in 
maBiger Menge getrunken wurde, dagegen Grutzen, schlei- 
mige Suppen, Kakao usw. als t&gliche Nahrung dienten, 
besserte sich der Zustand nicbt. Es bildete sich eine be- 
sondere Art der Entleerung aus. Morgens nach dem Auf- 
stehen meist geringe bandartig geformte Entleerung, dar- 
auf eine halbe Stunde spftter, gleich nach dem Frtth stuck 
Kollern im Leibe und breiige Abg&nge, nach einer weiteren 
Viertelstunde dtinne Abg&nge, die immerhin gallig ge- 
farbt waren. War der Zustand ein leidlicher, so war 
hiermit fflr den Tag das Ende des Klosettbesuchs erreicht, 
sonst setzte gleich nach dem Mittagessen Kollern im Leibe 
ein und dtinner Stuhl folgte. Als verschlimmerndes Mo¬ 
ment konnten Aufregungen und Unannehmlichkeiten nach- 
gewiesen werden, selbst geschlechtlicher Verkehr wirkte 
meist nachteilig. Yon seiten des Magens hatte ich fast 
nie Beschwerden gehabt. Um so erstaunter war ich, als 
ein von mir konsultierter Arzt nach Probefrtihstiick Achylia 
gastrica konstatierte. Die Abwesenheit von Magensaft 
liess nunmehr zwanglos die Durchfalle erkl&ren. Die Ver- 
ordnungen: Rakoczy, Pankreon und Acidolpepsin setzte 
ich gewissenhaft acht Tage durch; dieselbe lfinger fortzu- 
setzen, war unmoglich, denn abgesehen von Magendriicken 
am Proc. xyphoideus und Ruckenschmcrzen traten jetzt 
erheblich vermehrte dunne Entleerungen und eine starke 
innere Unruhe auf, selbst wenn Rakoczy wegblieb und nur 
die Magen- und Pankreas-Ersatzmittel genommen wurden. 
So machte ich bei einem zweiten Kollegen — der erste 
war verreist — eine Probedarmdiat von drei bis vier Tagen 
durch und wurde auch von demselben rektoskopiert. Nach 
der Untersuchung wurde mir mitgeteilt, dass das Leiden 
ungefahrlicb, aber langwierig sei. Die haupts&chlichen 
Verordnungen waren Diilt, namentlich Grtitzen, Gemuse, 
eventuell auch Heidelbeerkonserven, Spulungen mit Kalk- 
wasser und Heidelbeerextrakt. Wenn auch die Unter- 
suchungen von anerkannten Autoritaten gewissenhaft vor- 
genommen worden waren, so beunruhigte mich doch dreierlei: 
1 . Die Diagnose Achylia gastrica, die auf mich (aus itlterer 
Schule) einen sehr dubibsen Eindruck machte. 2. Die 


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Magen- und Darmaffektionen. 259 

•Magenbeschwerden, die um die Zeit der ersten Unter- 
suchung und Verordnung manifest wurden, und 3. die Ab- 
nahme des Korpergewichts um zirka 15 Pfund. Ich ent- 
schloss mich also, in dauernder Beobachtung und Behand- 
lung zu bleiben, und erbat den Rat eines hiesigen Kollegen. 
Die wiederum genau gefuhrte Untersuchung ergab keinen 
Anhaltspunkt ffir ein schweres organisches Leiden. Die 
sehr eingehend gegebene und strikte befolgte Diat ver- 
schaffte mir wohl einen leidlichen Zustand, aber keinen 
Umschwung in der abnormen Stuhlentleerung. Die wieder- 
holt gegebene Versicherung, die sich auf eingehende 
Untersuchung stutzte, dass kein ernstes Leiden vorliege, 
sowie der gelegentlich erhobene Befund von Salzsatire im 
Magensafte, verschafften mir wohl seelische Beruhigung, 
aber keine Aenderung des kbrperlichen Zustandes. Ich 
brauche wohl kaum naher auszufuhren, dass ich, bevor es 
zur Befragung spezialarztlicher Autoritaten kam, die Rftst- 
kammer mir bekannter medikamentbser und diatetischer 
Mittel stark in Anspruch genommen hatte. Es ist schier 
unmbglich, alles dies hier aufzuzahlen. Hervorheben will 
ich nur, dass Adstringentien niemals eine Wirkung hatten, 
Opiate wohl stopften, aber keine normalen Verhaltnisse 
anbahnten, dabei aber Kopfschmerzen und Unbehagen her- 
vorriefen und den Appetit verdarben. Heisse Bader ttbten 
keinen nennenswerten, Bauchmassage einen geradezu un- 
gttnstigen Einfluss aus. Ich muss zngeben, dass zu Zeiten 
ungiinstigsten Befmdens die Diat bessernd wirkte, ich sah 
seltenere, breiige Entleerungen, jedoch nie einen normalen 
Zustand. Aber auch bei strenger DurchfOhrung der vor- 
geschriebenen Kost war der Erfolg launenhaft. Dagegen 
brachte eine Abweichung von der Norm keine schwere 
Schadigung, meist nicht einmal eine vorObergehende Storung. 
In der schlimmsten Zeit hatte sich, wie oben ausgefilhrt, 
eine innere Unruhe geltend gemacht, auch der Schlaf 
wollte nicht kommen, und so nahm ich abends Bromural 
ein. Merkwflrdigerweise zeigte sich mit der giinstigen Wir¬ 
kung auf den Schlaf auch eine Besserung des Stuhlgangs, 
so dass ich dazu Oberging, auch am Tage ab und zu eine 
Tablette einzunehmen. Da dieser Erfolg ganz unerwartet 
kam, versuchte ich es mit den einzelnen Bestandteilen, 
Baldrian (Fluidextrakt), Brom (Sabromin) und Harnstoff, 
ohne dass einer dieser Bestandteile auch nur im geringsten 
half. Als nun spater ein anderer Harnstoffkbrper, das 
Adalin, in die Medizin eingefohrt wurde, machte ich mit 
diesem dieselbe gQnstige Erfahrung; ich brauchte sogar, 

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Magen- und Darmaffektionen — Obstipatio. 


um einen normalen Stuhlgang zu erzielen, bei ewei- bis 
dreimaligem Einnehmen nur eine halbe Tablette (a 0,25) 
einzunehmen und hatte nicht den ausgesprochenen Baldrian- 
geschmack. MerkwGrdigerweise hat mir ein drittes Kar- 
b am id p r Sparat, das Veronal, das doch fGr den Schlaf weit 
wirksamer ist, nicht diese gGnstige Wirkung gebracht. 
Um ann&hernd im normalen Geleise zu bleiben, darf ich 
wohl auf einige Zeit das Medikament aussetzen, muss 
aber ab und zu zum Einnehmen zurGckkehren, brauche 
anderseits aber keine strikte Diat zu halten, wenn ich 
auch anerkannt schwer verdauliche Speisen vermeide. So 
wie es Janowski geschildert hat, liabe auch ich die Gber- 
aus gGnstige Wirkung eines Gebirgsaufenthalts, procul 
negotiis, wahrnehmen kOnnen. Da dies Mittel bei den 
meisten Menschen doch nur vorGbergehend versucht werden 
kann, mochte ich auf die eben genannten Medikamente 
hingewiesen haben.“ (Medisin. KUnik ion Nr. 58.) 

Obstipatio. Hochheim (Halle), Missbr&uchlicher Genuss 
▼on Aperitoltabletten. Es handelt sich um den miss- 
brauchlichen Genuss von Aperitoltabletten durch ein 
2 3 / 4 Jahre altes Madchen. Das Kind erwischte namlich 
eine ganze ROhre, die noch 9 Tabletten enthielt (nicht 
etwa Bonbons, die bekanntlich an und fGr sich eine mildere 
Wirkung als die erstere Form ausGben), deren Genuss 
eigentlich fGr Erwachsene bestimmt ist, und ass die s&mt- 
lichen 9 StGck Aperitoltabletten morgens zwischen 9 und 
10 Uhr. Nachts darauf um 3 Uhr, also nach ungefahr 
- 17 Stunden, erfolgte der erste dGnne Stuhl; je eine weitere 

Entleerung stellte sich dann um 10 Uhr und nachmittags 
um 3 Uhr ein, ohne die geringsten Schmerzen hervor- 
gerufen zu haben. Dass am nfichsten Tage Verstopfung 
bestand, ist selbstverstandlich. Zieht man nun einen Schluss 
aus der geschilderten Tatsache und berQcksichtigt den 
Umstand, dass Aperitol, selbst in derartig grossen Mengen 
zumal von einem Kinde genossen, ohne jede Nebenwirkung 
vorzGglich vertragen s wird, so glaubt Verf., dass wir im 
Aperitol, dessen Brauclibarkeit bereits von einer Reihe- 
namhafter Autoren festgestellt worden ist, eine wertvolle 
Bereicberung der uns zur Bek&mpfung der verschiedenen 
Arten von O. zur VerfGgung stehenden Arzneimitteln 

besitzen. (Fortsohritte der Medisin 1911 Nr. 88.) 

■— XJeber Chocolin, eine abf&hrende Schokolade, schreibt Geheim- 
rat Gorges, Chefarzt des KGnigin-Elisabeth-Hospitals, 


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Obstipatio. 


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Berlin - Oberschtjnweide: „Von Herrn Dr. H. Michaelis 
wurde mir vor einiger Zeit ein Kakaoprftparat ,Chocolin‘ 
Gbergeben, das seiner Zusammensetzung nach wohl geeignet. 
erschien, eine Liicke in der Reihe der uns zur Verftigung 
stehenden Mittel gegen O. auszuftillen. Es enthUlt neben 
seinem Hauptbestandteil, gezuckertem Kakaopulver, die 
altbew&hrte Manna cannelata, welche zwar seit langen 
Zeiten in der Therapie in flQssiger Form — als Manna- 
sirup — und als wertvoller Zusatz in anderen AbfOhr- 
mitteln benutzt wird, die aber hier zum ersten Male 
nach einem Verfahren von Dr. Michaelis in Pulverform 
in Yerbindung mit Kakaopulver und einem Zusatz von 
Phenolphtalein (0,5%) erscheint. — Die vorliegende Form 
des Pr&parates als ein Schokoladepulver schien mir sehr 
glflcklich und wohl der PrGfung wert zu sein; denn es 
war hier die Mbglichkeit gegeben, in der diskreten Form 
einer Tasse Schokolade Pat. ein Abf&hrmittel zu verab- 
reichen. Fur die Privatpraxis und insbesondere die Kinder- 
praxis scheint mir hierin ein grosser Vorteil zu liegen, 
den ich denn auch mehrfach Gelegenheit zu beobachten 
hatte. Den mir zu Versuchszwecken tibersandten Kakao 
habe ich in 16 Fallen angewandt bei Personen im Hospital 
und bei vier Pat. in der Privatpraxis. Letztere betrafen 
Damen der besten Kreise, welche gendtigt waren, irgend- 
ein Abfiihrmittel zu gebrauchen, teils Rhabarber, teils 
Cascara, teils Califig usw. Sie haben statt dieser Mittel 
den Kakao genommen, und zwar immer kurz vor dem 
Zubettegehen 3—4 Teelbffel in einem halben oder einem 
ganzen Glase Wasser, das heiss, aber nicht kochend sein 
muss. Nachher haben es einzelne Damen auch zum Abend- 
essen genommen mit halb Wasser, halb Milch. Die Wir- 
kung war stets prompt; ohne Schmerzen erfolgte am n&chsten 
Morgen nach etwa 12—14 Stunden eine ausgiebige Entleerung, 
die nur einmal eintrat. Irgendwelche Beschwerden waren 
damit nicht verb unden, alle Pat. rOhmten den angenehmen, 
sehr guten Gescbmack und die diskrete Darreichung. Ebenso 
erfolgreich waren die Versuche, welche ich mit dem Kakao 
im Hospital erzielt habe. Hier habe ich ihn zwei weib- 
lichen Personen mit Neurasthenie gegeben, welche an 
chronischer O. litten, dann zwei an Tuberkulose erkrankten 
Pat. Auch hier trat am nachsten Morgen immer leicht 
und schmerzlos die gewQnschte Entleerung ein. Auch 
bei zwei Mannern auf der inneren MSnnerstation, einer 
mit leichter Lungentuberkulose bebaftet und einer an einer 
Herzerkrankung leidend, welcher gezwungen war, absolute 


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Obstipatio — Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett. 


Bettruhe zu halten, war der Erfolg der gleiche, und menials 
wurde fiber Schmerzen geklagt. Auch bei zwei Kindern 
ist der Kakao angewandt, von denen das eine, ein elf- 
jahriges Madchen, wegen eines Herzfehlers dauernd im 
Bett liegen musste, das andere, ein anamischer Junge von 
elf Jahren, an Verstopfung litt; immer mit demselben Re- 
sultat. Endlich babe ich den Kakao noch einigen Schwestem 
statt der sonst gewohnten Abffihrmittel gegeben. Diese 
nahmen zum Teil den Kakao einfach ungelost teelfiffel- 
weise und erzielten immer dieselbe Wirkung. Nur bei 
einer ffinften Scbwester war die Wirkung nicht regelm&ssig. 
In einigen anderen Fallen gab ich das Mittel nur vor- 
fibergehend, ein- oder zweimal, und hatte auch wieder 
den gewfinschten Erfolg. Ich habe den Kakao alsdann 
mehrere Wochen hindurch in weiteren Fallen versucht 
und fast immer die gute Wirkung beobachtet. Selbstver- 
standlich treten auch bier, wie bei jedem Mittel, einzelne 
Misserfolge ein, so dass ich gezwungen war, zu anderen 
Abffihrmitteln zu greifen, aber wenn ich die Resultate 
zusammenfasse, kann ich nur sagen, dass wir in diesem 
Kakao ein sehr angenehmes, dem Pat. sehr willkommenes 
und tvohlschmeckendes Mittel besitzen, das abends ge- 
nommen, entweder zur Abendmahlzeit oder kurz vor dem 
Schlafen, sicher am nachsten Morgen eine schmerzlose, 
ergiebige Stuhlentleerung herbeiffihrt. Da er sehr gut 
schmeckt, dabei ein gutes Nahrungsmittel ist und seinen 
Zweck in absolut diskreter Weise erffillt, konnen wir dieses 
neue Abffihrmittel mit Freuden in unseren therapeutischen 
Schatz aufnehmen undihm eine weite Verbreitung wttnschen.“ 

(Deutsche med. Wochenschrift 1911 Nr. 52.) 

Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett. Erfah- 

rungen fiber Pituitrinwirkung in der Klinik und 
Poliklinik. Yon Dr. Yoigts. (Aus der Kgl. Universitats- 
Frauenklinik in Berlin.) „Nach Hofbauers Mitteilung 
fiber die gfinstige Wirkung des Pituitrins (Parke, Davis & 
Co., London) bei Wehenschwache haben wir auch Yersuche 
mit diesem Mittel angestellt. Wir baben das Pituitrin zur 
Anregung der Wehentfitigkeit bis jetzt in 75 Fallen der 
Klinik und Poliklinik angewandt. In 60 Fallen sahen 

t wir danach einen guten Erfolg. In elf Fallen versagte 

das Mittel ganz oder es traten nur schwache, bald wieder 
nachlassende Wehen auf. Viermal stellten sich bei Ver- 
wendung des Pituitrins erhebliche Geburtsstfirungen ein. 
Bevor ich auf diese Falle n8her eingebe, mfichte ich einiges 


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Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett. 


263 


uber die Anwendungsweise des Mittels bemerken. Wir 
haben von vornherein die subkutane Injektion in den 
Yorderarm bevorzugt. Nennenswerte lokale Reizerschei- 
nungen sind dabei niemals aufgetreten. Im Gegensatz eu 
Hofbauers Warnung sahen wir keinen Unterschied darin, 
ob wir eine in Alkohol aufbewahrte oder frisch ausge- 
kochte Spritze zur Injektion benutzten. Im Anfang un- 
serer Yersuche gaben wir Einzeldosen von 0,5—2,0 ccm 
und in wiederholten Injektionen innerhalb kurzer Zeit bis 
zu 5,0 ccm. Intoxikations- oder Kumulationserscheinungen 
haben wir dabei niemals beobachtet. Als gunstigste Dosis 
bat sicb bei diesen Versuchen 1,0 ccm herausgestellt. 
Geringere Dosen waren in ihrer Wirkung unsicber, und 
von hoheren baben wir keine besseren Resultate gesehen. 
In den 60 oben angefiihrten guns tig verlaufenen Fallen 
traten zwei bis hOchstens zebn Minuten nacli der Injektion 
kraftige, regelmassige Wehen ein. In einzelnen Fallen 
setzte nach der Injektion ein Wehensturm ein, der jedoch 
nacb 10—20 Minuten in eine geregelte Wehentatigkeit 
tiberging. In der grOssten Mehrzahl dieser Geburten sind 
wir mit einer einmaligen Injektion von 1,0 ccm ausge- 
kommen. Liessen jedoch die Wehen wieder nach, was in 
der Regel erst nach mehreren Stunden eintrat, so haben 
wir die Kreissenden etwas ausruben lassen und dann die 
Injektion wiederholt. Nur fiinfmal waren wir gezwungen, 
nocb eine dritte Injektion machen zu mtissen. Unter diesen 
60 Entbindungen waren alle Stadien der ersten und zweiten 
Geburtsperiode vertreten. Doch hebe ich hier gleich her- 
vor, dass in alien Fallen vor der Injektion schon Wehen 
vorhanden gewesen waren. Unterschiede der Wirkung in 
den verschiedenen Lebensaltern und bei Erst- und Mehr- 
gebarenden haben wir nicht beobachtet. Bei keiner dieser 
Geburten trat eine erheblichere atonische Nachblutung auf. 
Im Gegenteil, die Plazenta loste sich verhaltnismassig schnell 
bei dauernd gut kontrahiertem Uterus. Der Misserfolg, 
den wir in elf Fallen bei der Anwendung des Pituitrins 
zu verzeichnen hatten, ist einesteils auf Verabreichung zu 
geringer Dosen im Anfang unserer Versuche zurfickzu- 
flihren. In einem anderen Teil der Falle waren vor der 
Injektion noch keine Wehen vorhanden gewesen, und es 
ist uns in solchen Fallen niemals gelungen, die Geburt 
durch Pituitrin in Gang zu bringen. Drittens muss wohl 
in einzelnan Fallen eine individuelle Veranlagung als Grund 
des Misserfolges anzusehen sein. Als typisches Beispiel 
hierfQr mdchte ich folgenden Fall anfiihren: 34jahrige, 


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264 


Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett. 


gesunde III gebarende. Muttermund funfmarkstuckgross, 
Blase gesprungen. Kopf fest auf dem Beckeneingang. 
Keine Wehen. 1,0 cem Pituitrin rief wenige schwache 
Wehen hervor. Zweimal wiederholte Injektionen waren 
ohne jedenErfolg. Die Kreiesende klagte nur fiber Schmerzen 
im Kreuz. Die Entbindung musste schliesslich durch For¬ 
ceps beendet werden. — Ich komme jetzt zu den vier 
Fallen, in denen nach der Pituitrininjektion erhebliche 
Storungen des Geburtsverlaufes auftraten. Gestatten Sie 
mir, auf diese Geburtsgeschichten etwas naher einzugehen, 
weil in der Literatur bis jetzt solche Zwischenfalle nicht 
erwahnt worden sind. 

Fall 1. 26jahrige III para. Muttermund kleinhand- 
tellergross, Blase erhalten, Kopf auf dem Beckeneingang. 
Seit sieben Stunden keine Wehen. 1,0 ccm Pituitrin; nach 
zwei Minuten setzte ein Wehensturm ein, der nach drei 
Minuten die Blase sprengte und nach weiteren ffinf Minuten 
das Kind zu Tage forderte. Das Kind war blitzblau verfarht, 
apnoisch. Herzaktion langsam, aber kraftig. Es dauerte 
langere Zeit, bis dass die Atmung ordentlich in Gang ge- 
bracht werden konnte. Massige Atonie. 

Fall 2. 20jahrige I para. Muttermund kleinhand- 
tellergross, Blase erhalten, Kopf im Beckeneingang. Seit 
vier Stunden keine Wehen. 0,75 ccm Pituitrin. Nach 
ffinf Minuten tritt eine sehr heftige, ausserordentlich schmerz- 
hafte Uteruskontraktion ein. Der Uterus bleibt dauernd 
gleichmassig festkontrahiert. Berfihrung ist sehr schmer- 
haft. Die kindlichen Herztfine sinken allmfihlich auf 60. 
In tiefer Narkose lasst 3er Krampf nach. Forceps: Kind 
asphyktisch. Leichte Atonie. 

Fall 3. 21jahrige Ipara. Cervix entfaltet, Mutter¬ 
mund ftir einen Finger durchgdngig, Blase erhalten, Kopf 
im Beckeneingang. Seit mehreren Stunden keine Wehen, 
0,75 ccm Pituitrin. Nach zehn Minuten setzen sehr kraf- 
tige Wehen ein, nur durch kurze Pausen unterbrochen. 
Nach einer halben Stunde tritt Blutabgang aus der Vulva 
auf. Die Kreissende ist unruhig, der Gesichtsausdruck ist 
fingstlich, der Puls beschleunigt. Innere Untersuchung: 
Muttermund zweimarkstfickgross. Plazentargewebe nicht 
fiihlbar. Aus dem Muttermunde quillt dauernd dunkles 
Blut hervor. Diagnose: Vorzeitige Plazentarlfisung. Da 
die Blutung nach dem Sprengen der Blase nicht nachlasst, 
wird der Muttermund mittels ,Bossi‘ dilatiert und das Kind 
mit Forceps entwickelt. Es ist leicht. asphyktisch. Pla- 


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Schwangerachafb, Qeburt, Wochenbett. 


265 


zenta folgt sofort zugleich mit mehreren Blutklumpen. 
Uterus kontrahiert sich gut. 

Fall 4. 21jahrige Ipara. Muttermund verstrichen. 
Blase gesprungen. Steiss in Beckenmitte. Keine Wehen. 
1,0 ccm Pituitrin. Nach zehn Minuten sehr kraftige Wehen 
mit kurzen Pausen. Zugleich klagt die Kreissende tiber 
SchwindelgefQhl und Uebelkeit. Das Gesicht wird kreide- 
bleich. Die Pupillen sind stark erweitert und reagieren 
trage. Puls sehr gespannt, Frequenz 60. Nach zehn Mi¬ 
nuten geht dieser Zustand unter starkem Schweissausbruch 
vor fiber, eine halbe Stunde spfiter Partus. Nachgeburts- 
periode ohne Besonderheiten. 

Worauf diese ausserordentlich heftige Wirkung des 
Pituitrins bei gesunden Kreissenden zuriickzufiihren ist, 
lasst sich nicht mit Sicherheit entscheiden. Im zweiten 
und dritten Falle entnahmen wir die Injektion einem frisch 
gebffineten Flfischchen. Yielleicht hangt es damit zusam- 
men. Allerdings hatten Injektionen, die wir kurze Zeit 
spiiter aus demselben Flaschchen machten, keine abnorme 
Wirkung. Fiir den ersten und vierten Fall finde ich keine 
andere ErklSrung, als dass es sich hier analog den oben 
erwlihnten Yersagern um eine individuelle Veranlagung 
gehandelt hat. Das Pituitrin bei septischer Wehenschwache 
zu erproben, hatten wir bis jetzt keine Gelegenheit. Bei 
atonischen Nachblutungen haben wir es nicht angewandt, 
weil wir in dem Sekakornin ,Roche 1 ein schnell und sicher 
wirkendes Mittel besitzen, das alien berechtigten Forde- 
rungen entspricht. Nach Hofbauers Vorschlag haben 
wir das Pituitrin ebenfalls zur BekSmpfung der Ischurie 
im Wochenbett angewandt. Die Wirkung war hier jedoch 
unsicher. Prompten Erfolgen stehen fast ebensoviele Miss- 
erfolge gegenfiber. 

Unsere Erfahrungen fiber das Pituitrin lassen sich 
dahin zusammenfassen, dass es das beste Mittel zur An- 
regung der Wehentatigkeit ist, das wir besitzen. Es ver- 
heisst bei richtiger Auswahl der Falle und bei richtiger 
Dosierung fast in alien Fallen von Wehenschwache einen 
giinstigen Erfolg. Durch seine Anwendung lassen sich 
viele Eingriffe, wie Kolpeuryse, Metreuryse, Forceps ver- 
meiden. Das Mittel ist allerdings, wie aus den vier 
naher beschriebenen Fallen hervorgeht, nicht immer als 
absolut harmlos anzusehen. Doch stehen meiner An- 
sicfit nach seiner Yerwendung auch ausserhalb der Klinik 
keine Bedenken entgegen. Nur muss verlangt Averden, 
dass der Arzt die Kreissende noch mindestens eine halbe 


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266 Schwangenohaft, Geburt, Wochenbett — Seekrankheit. 


Stunde nach der Injektion tlberwacht, da nacli unserer 
Erfahrung nur innerhalb dieser Zeit Zwischenfalle ein- 
zutreten scheinen. Die Einleitung der Geburt durch 
Pituitrin ist uns nicht gelungen. Bei Ischurie war die 
Wirkung des Mittels schwankend. 

Nachtrag bei der Korrektur: Seit kurzem wird von 
der Firma Hoffmann-La Roche, Grenzach (Baden), ein 
Hypophysenextrakt unter dem Namen ,Pituglandol l her- 
gestellt. In den sieben Fallen von Wehenschwache, in 
denen wir es bis jetzt anwandten, war die Wirkung sehr 

gut.“ (Deutsche med. Wochenschrift 1911 Nr. 49.) 

Seekrankheit. Veronaliiatrium in Form von Suppositorien 
hat H. Citron (Berlin) mehrfach mit vortrefflichem Er- 
folge gegeben in der Dosis von 0,5 g. Die schlafmachende 
Wirkung tritt dabei nicht allzusehr hervor. In der Regel 
stellt sich nacb hdchstens einer Stunde ein Gefdhl der 
Beruhigung und des Wohlbehagens ein, das EkelgefCihl 
verschwindet und der Appetit meldet sich. 

(Berliner klin. Wochenschrift 1911 Nr. 36.) 

— Ueber Bell auditing der S. mit lokalen An aestbeticis. Von 

Dr. C. Beer (Nftmberg). „Icb selbst habe vor einem 
Jahre als Schiffsarzt Gelegenheit gehabt, eine Reihe von 
Seekranken zu bebandeln. Darunter war eine Dame, bei 
der die gewfthnlichen Mittel, Brom, Veronal usw., samtlich 
versagten; sie war bereits zirka zwei Wochen an Bord 
und musste noch etwa fOnf Wochen an Bord bleiben. 
Ein Passagier teilte mir mit, dass er Kokatinktur besitze, 
die ihm bei seiner Gattin, die ebenfalls sehr zu der Krank- 
heit neigte, gute Dienste leiste. Daraufhin gab ich der 
ersterwahnten Pat., welche in recht elendem Zustand war, 
mehrmals t&glich 12—15 Tropfen von der Kokatinktur. 
Der Erfolg war tiberraschend. Vor allem besserte sich 
der Appetit, das Erbrechen und Uebelkeitsgefiihl wurden 
fast ganz beseitigt. Dieser Erfolg ermutigte mich zur 
weiteren Anwendung. Ich besorgte mir in Shdamerika, 
meinem Reiseziel, die Tinctura cocae und habe sie noch 
mehrmals anderen Seekranken gegeben, ebenfalls mit guten 
Resultaten. Auch ich habe den Eindruck gehabt, dass 
bei l&nger dauernder S. sich ein Magenkatarrh herausbildet, 
und mdchte annehmen, dass die Kokatinktur nicht un- 
geeignet dazu ist, diesen katarrhalischen Reizzustand zu 
bekampfen. Eventuell ware dabei noch an die unterstQtzende 
Wirkung des darin enthaltenen Alkohols zu denken. Jeden- 


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Seekrankheit — Syphilis. 


267 


falls seheint mir, dass die Tinct. cocae sich angenehm 
nimmt und rasch wirkt. Ich mfichte weitere Versuche 
damit, besonders bei langwierigen Fallen von S. und auf 
langeren Reisen, in Vorschlag bringen.“ 

(Therapeutische MonaUhefte, Dezember 1911.) 


Syphilis. Ueber das Verbalten des Znckers im Ur in bei 
Salvarsan bell and lung. Yon Dr. P. Bendig (Katharinen- 
hospital in Stuttgart). Autor kommt zu folgenden Schlussen: 

1. Der syphilitische Diabetes wird gleich den klini- 
schen Lueserscheinungen durch Salvarsan zum Schwinden 
gebracht. 

2. Der neben der Lues einhergehende Diabetes mel- 
litus wird in leichten Fallen gilnstig beeinflusst. 

8 . Der schwere Diabetes bietet wegen des drohenden 
Komas eine Kontraindikation zur Salvarsaninjektion. 

4. Das Salvarsan kann selbst vorfibergehende Gly- 
kosurie verursachen. (Deutsche med. Wochenschrift 1911 Nr. 60.) 


— Sektalmethode in der Salvarsantberapie. Yon Privatdozent 
S. L. Bagrow (Moskau); „Da die Reaktionserscheinungen 
bei Injektionen und Infusionen des Salvarsans nicht ganz- 
lich vermieden werden kdnnen, und da diese sogar bei 
manchen Kranken (Herzschwache, Tuberkulose) sehr ge- 
fahrlich sein konnen, ist es besonders wichtig, auch andere 
Wege ffir die Salvarsantherapie zu versuchen. In erster 
Reihe musste die Untersuchung fiber die Rektalmethode 
angestellt werden wegen der allgeraein bekannten leichten 
Durchgangigkeit der Rektalschleimhaut ffir lfisliclie Pulver, 
zu denen das jetzt vorbereitete Salvarsanprapsrrat gezahlt 
werden darf. Ausserdem besitzt die Einverleibung durch 
das Rektum im Vergleich mit einfacher Einnahme per os 
den Vorzug, dass das empfindliche Praparat mit keinen 
stark digerierenden Saften in Berfihrung kommt. Als 
Vorbereitungsform, die als Ausgangspunkt dienen kfinnte, 
nahmen wir Oelemulsion an, da jetzige Beobacbtungen 
(Pasini, Schindler) ffir die Stabilitat des Salvarsans 
in dieser Suspension sprechen. Diese Oelemulsion (in 
moglichst kleinem Volumen) wurde in ein gewfihnliches 
Suppositorium mit Zusatz von Novokain inkorporiert, wie 
aus der Rezeptformel zu ersehen ist: 


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268 


Syphilis. 


Salvarsani 0,1 (!) 

Tere c. ol. amygdal. quantit. minim, usque 
ad emulsionem homogenem 

.Adde Novocaini 0,01 

But. Cacao q. s. ad supposit. j. D. ex tempore 
S. Suppositorium. 

Die Einftlhrung wird in tiblicber Weise gemacht, aber 
der Stuhlgang soli mbglichst lange Zeit (10—15 Stunden) 
aufgehalten werden. Kleine Reizung im Rektum ver- 
schwindet spurlos schon nach 2—3 Stunden, so dass in 
einigen Fallen wir noch ein zweites Suppositorium hinein- 
zufiihren Gelegenheit hatten. Schleimausfluss aus dem 
After wurde nie beobachtet. Absorption durch die Darm- 
wand geschieht wahrscheinlich ganzlich, da die Faces keine 
sichtbaren Spuren von Salvarsan zeigen. Allgemeine Re- 
aktion ist sehr gering und kann am 2.—3. Tag in Form 
von Mattigkeit und Abgeschlagenheit sich kennzeichnen. 
Klinische Besserung ist sogar am 3.—4. Tag schon zu 
konstatieren. Wegen der Kftrze der Beobachtungszeit 
konnen wir nicht die Grbsse der einzelnen Dosis und ihre 
Gesamtzahl genau angeben; wir selbst bleiben provisorisch 
bei Kromayers Dosen, d. h. verschreiben 0,1 g einmal 
wochentlich bis zu 0,6 in summa. Selbstverstandlich kann 
die hier angegebene Methode nicht als vollwertiger Ersatz 
fur intravenbse Infusionen angesehen werden, die letzteren 
miissen auch weiter als souverSnste Behandlungsweise 
gelten. Wir mbchten nur mit unserem Vorschlage die# 
Salvarsantherapie auch ftir sonst abgewiesene Kranke zu- 
ganglich machen. — Nachtrag bei der Korrektur: Es 
scheint zweckmassiger, in zwei- oder dreitagigen Zwischen- 
rSumen die Suppositorien a 0,1 oder 0,2 Salvarsan zu 
wipderholen, bis die gewiinschte 0,6—0,8-Dosis erreicht ist.“ 

(Berliner klin. Wochenaohriffc 1912 Nr. 3.) 

— Maine Erfahnmgen mit Jodival in der dermatologischen 
Praxis. Von Dr. Pohlmann (Frankfurt a. M.). Auf 
Grund von acht mitgeteilten Fallen, in welchen eine starke 
Idiosynkrasie gegen Jodkali bestand, Jodival aber gut ver* 
tragen wurde, und auf Grund seiner weiteren Erfahrungen 
mit Jodival, das er in einzelnen Fallen bis zu 200 Tabletten 
ohne Magenbeschwerden gegeben hat, glaubt Autor im 
Jodival ein gutes Hilfsmittel neben Salvarsan und Queck- 
silber in der Syphilisbekampfung empfehlen zu kbnnen. 

(Berliner klin. Wochenschrift 1911 Nr. 43.) 


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Vermischtes. 


269 


Vermischtes. 


— Eiu zusanunenlegbarer Fantoffel zur Ekleichterung des 
Treppensteigens. Von Oberstabsarzt a. D. Dr. Schurig 
in Berlin. „Die H5he der einzelnen Treppenstufen betragt 
in der Regel 16—17 cm und scheint empirisch als die- 
jenige Hohe festgestellt zu sein, die bequem und anhaltend 
von einem Herzgesunden gestiegen werden kann. Die fflr 
den Herzgesunden berechnete Arbeitsleistung muss nun 
beim Treppensteigen auch vom Herzkranken bewaltigt 
werden, und es ist daher kein Wunder, dass das kranke 
und geschw&chte Herz die geforderte Arbeit nicht leisten 
kann. G-anz anders wird jedoch das beim Treppensteigen 
geforderte Arbeitsmass, wenn der Herzkranke beim Treppen¬ 
steigen an dem einen Fuss einen Pantoffel tragt, dessen Sohle 
etwa so dick ist wie die halbe H6he der Treppenstufe, 
also 8 cm. Tritt er zun&chst mit dem Pantoffel auf, dann 
ist der Kbrper um die Hbhe der Sohle, also um 8 cm, 
gehoben und braucht, um auf den nachsten Stufenabsatz 
zu kommen, mit dem anderen Fuss um diesen Wert weniger 
gehoben zu werden. Der mit dem Pantoffel bekleidete 
Fuss wird nun nachgezogen, man stellt sich wieder auf 
den Pantoffel, setzt den anderen Fuss wieder auf die nachste 
Treppenstufe und so fort. Auf diese Weise wird eine Art 
Zwischenstufe geschaffen und, da die Sohle halb so hoch 
ist wie die Stufenhfthe, die jedesmal zu leistende Arbeit 
um die Halfte verringert. Dies ist for den Herzkranken 
ein grosser Gewinn und, ist das Herz noch einigermassen 
leistungsfahig und liegt die nunmehr zu leistende Arbeit, 
die gegen frhher auf die Halfte herabgemindert ist, noch 
im Bereich der Leistungsfahigkeit des Herzens, dann wird 
der Herzkranke leicht und ohne Herzklopfen Treppen steigen 
kdnnen, die er sonst nur mit Miihe und erschbpft bewal¬ 
tigt hat. Ein Versuch wird die genannten Vorteile leicht 
bestatigen. Ich kenne Herzkranke, die 3—4 Treppen da- 
mit ohne Anstrengung steigen kbnnen, wahrend sie sonst 
schon nach einer Treppe wegen Herzklopfens sich ausruhen 
mussten. Nun ist es nattirlich unbequem, einen Pantoffel 
von solcher Dicke mit sich fiihren zu mtissen. Ich habe 
daher einen Pantoffel konstruieren lassen, dessen Sohle 
bequem zusammengeklappt und beim Gebrauch ohne Miihe 
bis zu einer H6he von 8 cm auseinandergezogen werden 
kann. Ein solcher Pantoffel, dessen Sohle in zusammen- 


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270 


Vermi6chte8. 


geklapptem Zustande nur 2 cm dick ist, kann z. B. in der 
hinteren Tasche des Beinkleides bequem getragen werden, 
ohne aufzufallen, und ist bei H. Windler-Berlin, Friedrich- 
strasse 133 a, zum Preise von 20 M. erhaltlich (Schutzmuster 
41796). Den Gedanken, beim Treppensteigen eine Art 
Zwischenstufe zu schaffen und damit die jedesmal zu lei- 
stende Arbeit um die Halfte zu vermindem, kbnnte man 
auch in der Weise verwerten, dass man auf der einen Seite 
der Treppe auf jeder Stufe eine Zwischenstufe anbringt, 
die genau halb so hoch ist als die eigentliche Stufenhbhe. 
Es wOrde danil jedem freistehen, diese Zwischenstufen im 
Bedarfsfalle zu ben(itzen.“ 

(Mftnch. med< Wochenachrift 1911 Nr. 52.) 

— Schntzpocken- Virus als schmerzlindemdes MitteL Von 

Prof. Dr. Heinrich Stern (New York). Autor ist iiber- 
zeugt, dass die Schutzpockenimpfung bei solchen Personen, 
welche gichtische, rheumatische, neuralgische, neuritische 
oder . angiosklerotische Erscheinungen darbieten, rasch die 
erscheinenden Schmerzen beseitigt und in vielen Fallen auf 
den Krankheitsprozess selbst einen wohltatigen Einfluss aus- 
flbt. Die Inokulation der Kuhlymphe lindert den Schmerz 
oft dann, wenn alle anderen therapeutischen Massnahmen 
sich als vergeblich erwiesen liaben. Sie kann der Steigerung 
der Schmerzen auf lange Zeit vorbeugen; einige der vor 
acht oder neun Jahren geimpften Pat. haben seitdera 
keinen einzigen Tag versaumt, ihren Geschaften nach- 
zugehen. In anderen Fallen halt sich die Wirkung der 
Impfung liinsichtlich der Dauer oder der Qualitat des von 
ihr gewahrten Schutzes gegen Schmerz, oder mit Bezug auf 
beides, in engeren Grenzen. Der Schmerzanfall kann nach 
erfolgreicher Impfung innerhalb weniger Tage oder Monate 
wieder auftreten oder vielleicht auch nicht ganzlich unter- 
drftckt werden —, stets aber wird er in mehr oder weniger 
abgeschwachter Form, in einem milderen Grade, fortdauern 
oder zurfickkehren. Es ist Autor zur Gewohnheit ge- 
worden, die Schutzpockenimpfung in alien solchen Fallen 
andauernder Muskel- und Gelenkschmerzen — ohne ROck- 
sicht auf die An- oder Abwesenheit Ortlicher Erscheinungen 
— zu empfehlen, welche der fortgesetzten Anwendung der 
bekannteren therapeutischen Massnahmen nicht gewichen 
sind. Er hat das Yakzinevirus niemals zur Schmerz- 
linderung bei akuten Fallen, wie rheumatisches Fieber, 
benutzt; bei keiner Gelegenheit jedoch hat er gezogert, es 
zur Anwendung zu bringen, wenn der den Schmerzen 


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Vermischtes. 


271 


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zugrunde liegende Krankheitsprozess augenscheinlich sub- 
akuten oder chronischen Charakter trug. Weder sieht 
Autor in dem Yorhandensein von Fieber noch in dem 
Dazwischentreten von Bronchitis, Gastro-Enteritis usw. 
ein Hindernis der Schutzpockenimpfung, wenn er iiber- 
zeugt ist, dass er auf diese Weise den Kranken von 
seinen Schmerzen befreien kann. Die Inokulation 
von Kuhlymphe in Glyzerinlosung ist unter alien Um- 
standen ein unschadliches Verfahren, es sei denn, dass 
durch die Anwesenheit von gewissen Hautkrankheiten 
die Mbglichkeit von Autoinokulation gegeben ist. Der 
Erfolg einer Impfung hangt nicht notwendigerweise von 
dem Erscheinen einer Lasion ab. Mit anderen Worten 
heisst dies, dass im Organismus immunisierende Stoffe ge- 
bildet werden konnen, auch wenn keine Impferuption auf- 
tritt. Nichtsdestoweniger nimmt Autor die Impfung dicht 
an der schmerzhaften Stelle vor, und den gemachten Er- 
fahrungen zufolge tritt die analgesierende Wirkung des 
Virus um so deutlicher zutage, je ausgesprochener die an 
dem Ort oder an den Orten der Inokulation sich einstellende 
Hauteruption ist. Autor bemiiht sich, eine einigermassen 
diffuse Eruption zu erhalten, und haufig nimmt er zu diesem 
Zweck die Impfung an mehr als einem Punkt in der Um- 
gebung der affizierten Stelle vor. Obwobl die gewbhnliche 
Vakzinedosis in vielen Fallen genugt, scheut er in hart- 
nackigen Fallen nicht davor zurtick, die Dosis um das 
Drei- oder sogar um das Fflnffache zu verstarken. Doch 
muss unbedingt verlangt werden, dass das Virus stets frisch 
und gut ist. Immerhin ist es in manchen Fallen nicht 
wesentlich, dass zur Erzielung einer analgesierenden oder 
sedativen Vakzinereaktion auf die Erzeugung einer aus- 
gesprochenen ortlichen Lasion Bedacht genommen werde. 
Ebensowenig ist es notwendig, immer in der Umgebung 
der schmerzhaften Stelle zu inokulieren. Offensichtlich 
jedoch steht der brtliche Impfprozess in einem gewissen 
Verhaltnis zu dem allgemeinen analgesierenden Effekt. 
Bemerkenswert ist auch, dass solche Individuen, die fur 
Vakzinevirus unempfanglich sind, von der Impfung keine 
Schmerzlinderung erfahren. Doch dies versteht sich 
eigentlich von selbst. 

(Zeitschrift f. physikal. u. difttet. Therapie 1911 Nr. 11.) 


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272 


Bdcherschau. 


Bucherschau. 


Eine im Verlage von G. Thie me (Leipzig) erschienene Monographic 
verdient das Interesse unserer Leser: E. Barths: Ein- 
ffi.hrn.ng in die Fhysiologie f Fathologie nnd Hygiene 
der menschlichen Stimme (Preis: 15 M.). Fast 500 Seiten 
ffillt der Yerfasser, der fiber eine sehr reiche Erfahrung auf 
diesem Gebiete verffigt, mit seinen klaren Auseinander- 
setzungen, denen 260 Abbildungen und zwei farbige Tafeln 
zum Yerstftndnisse des Gesagten beigeffigt sind. Der Umfang 
des Baches zeigt schon, dass der Yerfasser das Gebiet 
detailliert behandelt. In der Tat fehlt wohl nichts, was 
zur Sache gehOrt, so dass das „Lehrbuch“ — so darf man 
es wohl bezeichnen — als nie versagender Berater die 
besten Dienste leisten wird. — Ein allenthalben bekanntes 
und geschfitztes Buch tritt uns in der vorliegenden 6. Auf- 
lage in neuer Gestaltung entgegen: J. Boas, Diagnostic 
nnd Therapie der Magenkrankheiten (ebenfalls bei G. 
Thieme erschienen, Preis: 14 M.). Die frfiheren beiden 
Teile hat der Yerf. zweckmfissigerweise in einen zusammen- 
gefasst. Aber auch der Inhalt hat durchgreifende Aen- 
derungen erfahren; manche Kapitel sind fortgelassen, andere 
hinzugeffigt, die meisten erganzt und umgearbeitet worden. 
Auch in der neuen Gestalt wird Boas’ Werk Aerzten und 
Studierenden ein zuverlassiger Ratgeber sein. Die vielen 
Auflagen und Uebersetzungen in fremde Sprachen zeigen, 
welcher Wertschatzung sich dasselbe erfreut; der Erfolg 
ist wohlverdient und wird dem Buche sicher auch weiter 
beschieden sein. 


Notiz. 

Die heutige Nummer unseres Blattes enthalt zwei Beilageu, 
und zwar von den Firmen: 

Goedecke & Co., Leipzig u. Berlin N 4, uber 

,,Arhovin iC , 

G. Pohl, Berlin NW 87, fiber 

uGeloduratkapseln", 

auf die wir besonders hinweisen. 


Fflr den redaktionellen Toil verantwortlich: 

Dr. E. Graetzer in Friedenau-Berlin. 


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■V Google 


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Erscheint am 

Anfang eines jeden Monats. 


M 1 


Pr els. des Jabrgangs 6 Mk. 
exkl. Porto. 


Excerpta medica. 

Knrze monatliche Journal&tisifige 

aus der go saint en Faohliteratur 

zum Gebrauch fiir den praktischen Arzt. 

Herauagegeben von Dr. med. Eugen Graetxer in Friedenau-Berlin . 

Taring tom Carl SaUmamn 9 Leipilg* 


April. XXI. Jatrtw M2 


Agrypnie. Beitrag zur Ungiftigkeit des Adalins. Von 

Dr. H. Raschkow, Nervenarzt in Berlin. „In Nr. 45 
dieser Wochenschrift hat Herr Dr. Fromm Ober einen 
Fall berichtet, der fQr die Ungiftigkeit des neuen Schlaf- 
mittels ,Adalin‘ spricht. Ich verftlge Ober einen film lichen 
Fall, den zu erwShnen ich fOr wichtig halte. Ueber meine 
Erfahrungen mit Adalin habe ich in der ,Medizin. Reform 1 
1911 berichtet. Ich verfOge jetzt fiber mehr als 100 Falle. 
und meine Erfahrungen gehen dahin, dass die therapeu- 
tische Dosis zwei Tabletten a 0,5 = 1 g im allgemeinen 
einen 5—bsttindigen Schlaf erzeugt. Kfirzlich hatte ich 
nun Gelegenheit, einen Fall zu beobachten, in dem nicht 
wie bei Herrn Kollegen Fromm neun Tabletten Adalin. 
sondern nur sechs Tabletten = 3 g gegeben wurden. 
Dies ist immerhin eine Dosis, die die therapeutische fiber- 
steigt. Es handelt sich um einen 3lj&hrigen Mann, der 
wegen neurasthenischer Beschwerden tftglich abends ein 
bis zwei Tabletten Adalin a 0,5 g nehmen sollte. Aus 
Versehen gab ihm seine Frau eines Abends sechs Tabletten. 
Darauf sank er nach seiner Angabe in tiefen, traumlosen 
Schlaf, der ohne Unlerbrechung etwa 40 Stunden anhielt. 
Als er nach zwei Tagen mich wieder aufsuchte und mir 
davon Mitteilung machte, merkte man ihm nichts mehr 
an. Sensorium frei, Reflexe, Sensibilitfit, Appetit, Harn- 
und Stuhlentleerung waren normal. Auch in den n&chsten 
14 Tagen, in denen der Mann noch in meiner Behand- 
lung blieb, stellten sich keine Storungen ein, die eine 
Folge der Adalinvergiftung gewesen waren. Wir besitzen 

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also in dem Adalin ein leichteres Hypnotikum, das ruhig 
jedem Pat. in die Hand gegeben werden kann.“ 

(Deutsche med. Wochensohrift 1911 Nr. 49.) 

— Beitrage a nr Wirkungsweise des Schlafmittels Adalin. Von 

Dr.' E. Glombitza (Irrenanstalt Herzberge der Stadt 
Berlin). Die Resultate seiner Beobachtungen fasst Autor 
dahin zusammen: Als Sedativum leistet das Adalin vor- 
zGgliche Dienste — ev. in Kombination mit Dauerbad 
resp. Paraldehyd — in alien Fallen von leichter bis massig 
schwerer halluzinatorischer und motorischer Erregtheit be- 
sonders solcher der Dementia praecox-Gruppe, der Dementia 
senilis, der Hysterie, der Manie, den depressiven Angst- 
zustanden und der Imbezillitat. Bei schwerer Erregtheit, 
besonders halluzinatorischen Ursprungs, versagt es auch 
bei Anwendung hoher Dosen. Von seinen mannigfachen 
Vorzugen ist spezieM hervorzuheben: 

1. fast vbllige Geschmacklosigkeit; 

2. rasche Ausscheidung; 

3. Fehlen der Angewbhnung; 

von seinen Nachteilen: 

1. eine gewisse Unregelmassigkeit der Wirkung bei 
langer fortgesetzter Darreichung hoherer Dosen; 

2. die Mbglichkeit des Auftretens von Intoxikations- 
erscheinungen, besonders bei Kombination mit anderen 
Medikamenten; 

3. der absolut wie wegen der zur Erzielung eines 
befriedigenden Erfolges erforderlichen grossen Dosen auch 
relativ sehr hohe Preis. 

Es kosten vergleichsweise im Engroseinkauf: 

Diathylbaritursaure ca. 0,08 M. p. Gramm, 
Bromural (Original) ca 0,15 M. p. Gramm, 

Adalin (Original) ca. 0,20 M. p. Gramm. 

Da zur Erzielung einer befriedigenden sedativen Wir¬ 
kung meist 2,0 g erforderlich sind, wiirde sich der Schlaf- 
mitteletat allein fttr Adalin pro Pat. auf ca. 0,40 M. pro 
Tag stellen. 

Schon dieser Nachteil dGrfte in spezieller Hinsicht 
auf die haufig beschrankten Mittel der Hauptkonsumenten, 
der Irrenanslalten, hier einer durcbgehenden allgemeinen 
Anwendung des Adalins hinderlich entgegenstehen. Das 
wichtigste Resultat der Untersuchungen besteht darin, dass 


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die Bebauptung des Herstellers von der absoluten Un- 
fahigkeit des Adalins, schadliche Nebenwirkungen hervor- 
zurufen, nicht unbedingt verallgeraeinert. werden darf und 
dass somit der Weg zur Herstellung eines idealen Ein- 
schlfiferungsmittels noch immer offen steht 

(Miinch. tned. Wochenschvift 1912 Nr. 6.) 

— Adalin ein neues Bernhigungs- und Eingchl&ferangsmittel. 

Yon Prof. Dr. H. Gudden (Kgl. Psychiatr. Poliklinik, 
Mfinchen). Die Hauptdom&ne fiir die Anwendung des 
Adalins bilden die zahlreichen Falle chronischer Schlaf- 
losigkeit infolge von Neurasthenie (auch sexueller), Hysterie, 
Herzneurosen, Angina pectoris, motorische Erregungen 
(Manie, Dementia praecox), sowie einfache, rein ner- 
vfise A., bei der man wegen der Gefahr der Angewfih- 
nung und Nachwirkungen nicht gleieh stark wirkende 
Hypnotika oder Narkotika anwenden will. Yerf.s Beob- 
ochtungen erstrecken sich auf fiber 100 Falle der oben 
angefflhrten Gruppen, denen ohne vorherige Brommedi- 
kation das Adalin verabreicht wurde. Wie aus den pharma- 
kologischen Versuchen von Impens und den Mitteilungen 
von Hoppe und Seegers hervorgeht, ist die Resorption 
des Adalins eine ziemlich langsame. Fttr die Entfaltung 
des sedativen Effektes ist diese verzogerte Resorption, die 
noch durch Darreichung des Adalins in kalteni Wasser 
begfinstigt wird, nur von Nutzen. Verf. hat bei seinen 
Versuchen feststellen kfinnen, dass die Darreichung re- 
frakter Dosen von 3—4mal 0,25—0,5, gleichm&ssig auf 
den Tag veiteilt, die kalmierende Wirkung des Adalins 
z. B. bei Angstzustanden mit psychischer Depression und 
irritativen Herzneurosen am besten in Erscheinung treten 
la sst. Mit ganz wenig Ausnahmen haben die Pat. schon 
nach kurzem Adalingebrauch ein promptes Nachlassen ihrer 
inneren Unruhe, ein Besserwerden der qu&lenden Angst- 
zustande feststellen konnen. Will man dagegen Schlaf 
erzielen (Verf. hat das Athalin bei ca. 40 Fallen zum 
Teil hartnackiger Insomnien angewendet, wie sie im Ver- 
laufe von nei*vosen Depressions- und Erschfipfungszustanden, 
Hysterie, Herzklappenfehlern, Arteriosklerose usw. beob- 
acbtet werden), so ist es angezeigt, gleieh mit einer vollen, 
ausreichenden Dosis von 1—1,5 g Adalin = 2—3 Ta- 
bletten, einzusetzen. Diese Menge lasst man am besten 
‘'9 - 1 Stunde vor dem Schlafengehen in heissem Getriink 
(Zuckerwasser, leichtem Tee) einnehmen, um die Resorp¬ 
tion zu beschleunigen. Die Darreichung einer gleieh mas- 

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siven Dosis Adalin auf einmal mochte Verf. aus dem 
Grunde anraten, weil sich dadurch die Dauer des Exzita- 
tionsstadiums, das bekanntlich bei zu klein gewShlten 
Dosen fast aller bekanqten Hypnotika dem Eintritt des 
Schlafes voranzugehen pflegt, kfirzen lSsst, bzw. eine Auf- 
regungsperiode fiberhaupt nicht in Erscheinung tritt. Bei 
der relativen Unsch&dlichkeit des Mittels kann die Dosis 
, von 2—3 Tabletten auf einmal ohne Risiko gegeben werden: 
es sind Verf. in den l 1 /* Jahren niemals Klagen fiber 
gastrointestinale oder sonstige Nebenwirkungen zugegangen. 
Je nach der gegebenen Menge von 1 g oder 1,5 macht 
sich nach etwa einer V*—1 Stunde ein Mfidigkeitsgeffihl 
bemerkbar, dem bald daranf ein ruhiger, tiefer Schlaf 
folgt. Bei den meisten Pat. hielt derselbe die Nacht fiber 
an, einige wollen zwischendurch kurz erwacht sein, schliefen 
aber rasch wieder ein. Die von alien Pat. gemachte An- 
gabe, dass sie sich andern Tags vollig frisch und erquickt 
ffihlten, kein Mfidigkeitsgeftthl verspfirten, lasst wohl darauf 
schliessen, dass da9 Adalin aus dem Organismus rasch 
eliminiert wird, dass ihm aus diesem Grunde eine kumu- 
lierende Wirkung, wie sie die Hypnotika aus der Disi’lfon- 
gruppe (Sulfonal, Trional) aufweisen, vbllig fehlt. Audi 
Gewohnung an das Mittel scheint man nicht beffirchten 
zu mfi8sen. Es ist daher ausserst wertvoll, im Adalin 
ein harmloses und doch sicher wirkendes Schlafmittel an 
der Hand zu haben, das man auch weniger sicheren Pat. 
getrost in die Hand geben kann. 

(Miinch. med. Woohentchr. 1912 Nr. 2.) 

Klinische Erfahrungen mit Adamon, einem neuen Sedativum. 

Von Oberai’zt Dr. v. Rad (AUgem. stadt. Krankenhaus, 
Nttrnberg). Verf. berichtet Ober dies neue Prapaiat der 
Farbenfabriken vorm. Bayer & Co., das den grossen Vor- 
zug hat, fast vollkommen geruch- und geschmackfrei zu 
sein, so dass sich selbst linger dauernde Kuren dainit 
leicht durchftihren lassen. Chemisch ist Adamon ein Di- 
bromdihydrozimtsaureborneolester der Formel C 0 H ft CHBr— 
CH'Br CO*O’C, 0 H 17 , mit je ca. 35"/o Brom und Borneol 
in leicht abspaltbarer Form. Es wurde in Tablettenform 
(Originalpaekung, ‘20 Stfick a 0,5) verordnet, zumeist 
Kranken mit Zustanden leichterer Erregung, also Neur- 
asthenikern, Hysterischen, Alkoholisten, ferner bei leich- 
teren Depressionen von Cyclothymen. Ausserdem erprobte 
Verf. das Mittel bei an Zwangszustanden leidenden Kranken. 
bei klimakterischen Beschwerden und Herzneurosen. Die 


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Erfolge waren meist recht gute, eine wesentliche Beruhigung 
oder ein vblliger Nachlass der Eiregung und innern Un- 
ruhe wurde in den sehr vielen Fallen erzielt. Bei mehreren 
Pat. mit nervoser Erregbarkeit und leichten Angst- und 
Depressionszustanden trat bei wiederholter Darreichung 
von Adamon am Tage doch eine so 'weitgehende Beruhi¬ 
gung ein, dass die sonst oft notig gewesene Verabreichung 
ausgesprochener Hypnotika — teils zur Bekampfung der 
Erregung am Tage, teils zur Erzielung einer geniigenden 
Nacbtruhe - unnotig wurde und vermieden werden konnte. 
Als ausgesprochenes Hypnotikum kann das Adamon na- 
turlich nicht gelten, doch kann es bei den Fallen, in 
welchen die Schlaflosigkeit oft nur in einem erschwerten 
Einsehlafen infolge vermehrter innerer Unruhe besteht, 
mit Erfolg zur Herabsetzung der Erregbarkeit gegeben 
werden. Bei der beruhigenden und reizmildernden Wir- 
kung, welche dem Mittel zweifellos zukommt, kann es 
also in geeigneten ganz leichten Fallen den Gebrauch von 
Schlafmitteln — eine Zeitlang wenigstens — unnbtig 
machen. Eine recht gute Wirkung wurde ferner bei Herz- 
neurosen sowohl rein funktioneller als auch manchmal 
in leichteren Fallen organischer Aetiologie erzielt. Ein 
weiteres Anwendungsgebiet fur Adamon bieten die Falle 
von Agora- und Claustrophobie, zumal es bei den Ada- 
montabletten unnbtig ist, sie vorher in Lbsung zu bringen; 
sie kbnnen jederzeit leicht zerkaut und geschluckt werden, 
ohne ttblen Nachgeschmack zu hinterlassen. Mebrere Pat. 
mit Platzangst fiihrten ein Rohrchen Tabletten regelmassig 
in der Tasche ‘mit sich, um im gegebenen Moment das 
Mittel gleich nehmen zu kbnnen. Wieviel gerade in diesen 
Fallen a conto der rein suggestiven Wirkung zu setzen 
ist, entzieht sich natbrlich einer genaueren Beurteilung. 
Die verabreichten Einzeldosen schwanken zwischen 0,5 
und 2,0; doch wurden auch grbssere Dosen bis zu 3,0 
pro die gut vertragen, ohne die geringsten Nebenerschei- 
nungen hervorzurufen. Insbesondere klagte kein Pat. Ober 
das nach Einnahme von Baldrianpraparaten so lastig 
empfundene Aufstossen. Verf. hat nicht den Eindruck 
gewonnen, als ob durch Verabreichung gleich grosserer 
Dosen wie 2 g auf einmal sich eine Steigerung der Wir¬ 
kung erzielen liesse, halt vielmehr die oftere Verabreichung 
kleinerer Mengen a 0,5 = 1 Tablette 3—4mal pro Tag 
fiir angezeigter. Im Durchschnitt kam Verf. bei Sto- 
rungen leichterer Art mit 2 — 4 Tabletten pro Tag aus, 
als Dosis vor Schlafengehen mochte er die Darreichung 


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von zwei Tabletten zusammen mit etwas heissem Zucker- 
wasser in Vorschlag bringen. 

(Die Therapie der Gegenwart, Feb mar 1912.) 

— Ueber klinische Erfah.rn.ngen mit Codeonal, einem nenen 
Scblaf- nnd Beruhigungsmittel. Yon Oberarzt Dr. O. 
Gaupp. (Aus der I. Inneren Abteil. d. Stadtkranken- 
hauses, Dresden-Friedrichstadt.) Codeonal (hergestellt von 
Knoll & Co., Ludwigshafen) enth&lt 11,76% Codein. di- 
aethylbarbituric. und 88,24% Natr. diaethylbarbituric. 
Nach verschiedenen Versuchen beziiglich der Dosierung 
bew&hrte sich die Darreichung in Tabletten, die 0,17 Co¬ 
deonal, d. h. also 0,02 Codeinum diaethylbarbituricum und 
0,15 Natrium diaethylbarbituricum enthalten. Auf Codein- 
base berechnet, enthalt eine Tablette 0,012 Codein. Es 
ist durch diesen geringen Gehalt der Einzeltablette der 
Dosierung des Mittels (1 — 4 Tabletten) ein weiter Spiel- 
raum ermoglicht. Davon gab Verf. als Schlafmittel in 
der Regel abends zwei Tabletten auf einmal. Bei schweren 
Fallen war nach Ablauf von einer halben Stunde noch 
eine dritte Tablette zur Erreichung der vollen Wirkung 
erforderlich. In einigen besonders graven Fallen gab Verf. 
bei Ausbleiben der Schlafwirkung nach Verlauf von weiteren 
drei Stunden noch eine vierte Tablette, ohne irgendwelche 
Schadigung zu sehen. Da das Codeonal auch als Pulver 
in den Handel kommt, kann es sowohl in subkutaner 
Lbsung als auch als Suppositorium verordnet werden. 
Doch fehlt Verf. dartiber die Erfahrung, da er nur Ta¬ 
bletten angewandt hat. Er hat das Codeonal auf der Abtei- 
lung als Hypnotikum bei 60 Pat. in etwa 500 Einzeldosen 
zur Anwendung gebracht. Die Erfolge mit dem Mittel 
waren recht gute. Er verwandte es hauptsachlich bei 
schweren Lungen- und Kehlkopftuberkulosen, bei Nerven- 
krankheiten, wie Tabes und Paralysis agitans. Auch bei 
Herzfehlern, Kopfschmerzen der verschiedensten Aetiologie, 
bei Polyarthritis, bei nervOser Schlaflosigkeit hatte er 
immer gute Resultate. Bei einem Arzt, der an Diphtherie 
erkrankt war und vorher Veronal, Adalin, Pantopon mit 
massigem Erfolge genommen hatte, trat nach Verabreichung 
von drei Tabletten Codeonal in der Qblichen Weise gute 
Schlafwirkung ein, nur wurde der Schlaf als etwas bleiern 
bezeichnet. In vier Fallen hatte Verf. mehr oder weniger 
ausgesprochene Versager; bei zwei Magenkarzinomen, einer 
Tabes mit gastrischen Krisen und einer Lungentuberku- 
lose. Bei dem letztgenannten Fall war anfangs mit Codeonal 


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gute Schlafwirkung erzielt worden, sie blieb aber aus, als 
sich unter hohem Fieber ein Pyopneumothorax gebildet 
hatte. Allerdings war hier auch 0,01 Morphium subkutan 
ganz ohne Wirkung. Von unerwGnschten Nebenwirkungen 
traten nur in drei Fallen bei bestehenden Magenaffektionen 
Erbrechen und leicbte Magenschmerzen auf. Andere Scha- 
digungen hat Verf. nicht gesehen, insbesondere wurde 
niemals eine Schadigung des Kreislaufes oder abnorme 
Herabsetzung der Kbrpertemperatur beobachtet. Selbst 
bei langerem Gebrauche trat Obstipation nicht auf. Eine 
Angewohnung an das Mittel ist auch bei langer fort- 
gesetzter Anwendung nicht hervorgetreten. Bei einigen 
Kranken kam Verf. im Verlaufe der Behandlung sogar 
mit geringeren als den anfangs erforderlichen Dosen von 
zwei Tabletten aus. FQr gewbhnlich tritt die Wirkung 
des Mittels nach Verlauf einer halben Stunde ein: in den 
meisten Fallen wurde sechs- bis siebenstflndiger Schlaf 
erzielt. Phthisiker mit starkem Hustenreiz gaben an, im 
Laufe der Nacht zwei- bis dreimal an Husten aufgewacht 
zu sein, doch seien sie alsbald wieder leicht eingeschlafen. 
Bei einigen Pat. trat sehr tiefe Schlafwirkung ein, so dass 
man hier wirklich den Eindruck einer far die relativ ge- 
ringe Dosis sehr kraftigen Wirkung hatte. Wenn Verf. 
eine ungefahre vergleichende Schatzung der Wirkung von 
zwei Tabletten Codeonal abgeben soli, so glaubt er, dass 
dieselbe .kraftiger ist als die abliche Dosis von 0,5 Veronal, 
dass die Wirkung einer Dosis von 0,015—0,02 Morphium 
aber nicht erreicht wird. Zusammenfassend miichte sich 
Verf. dahin aussprechen: Das Codeonal hat sich als ein 
Schlafmittel bewahrt, das im allgemeinen sicherer zu wirken 
scheint als die bisher bekannten Mittel, mit Ausnahme 
des Morphiums. Seine Anwendung ist speziell in solchen 
Fallen indiziert, wo die Schlaflosigkeit. als Folge von nicht 
zu heftigen Schmerzen oder entsprechenden Storungen 
(Husten, Atemnot usw.) besteht. Auch dann, wenn man 
gezwungen ist, langere Zeit Schlafmittel anzuwenden, wird 
das Codeonal als willkommene Abwechslung in Betracht 
kommen. Es ist relativ frei von irgendwelchen schadlichen 
Nebenwirkungen. Man erreicht gewShnlich die voile Schlaf¬ 
wirkung mit der Dosis von 0,04 Codeinum diaethylbar- 
bituricum und 0,3 Natrium diaethylbarbituricum (d. h. 
also mit zwei Tabletten). 

(Berliner klin. Wochengchrift 1912 Nr. 7.) 


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Asthma. Endonasal© Asthmatherapie. Von Dr. M. Wasser- 
mann (Meran). „Operativ beschrankte ich mich auf das 
Augenfalligste und Allernotwendigste, z. B. Entfernung von 
Polypen, welche die Nasenatmung unmbglich machen. 
Das ist ja selten der Fall. Ich leite dann die allgemeine 
Therapie ein und trachte den Pat. durch endonasale The- 
rapie langere Zeit anfallsfrei zu erhalten. In den aller- 
meisten Fallen gelingt es mir spielend durch folgendes 
Vorgehen: Ich ftthre in der Sprecbstunde, am liebsten 
nachmittags, in jede Nasenhalfte einen etwa 3 cm langen 
Wattetampon ein, der mit einer spater zu besprechenden 
anSsthesierenden Flussigkeit getrSnkt ist, und plaziere ihn 
wagerecht leicht derart, dass er sowobl am Tuberculum 
septi als auch am vorderen Ende der unteren Muschel 
anliegt. Die Pat. lasse ich dann im Nebenzimmer 15 Mi- 
nuten lang mit nach vorne geneigtem Kopfe sitzen, nehme 
dann erst den Tampon heraus und lasse sie tiichtig sich 
ausschnauben. Die Dicke des Tampons richtet sich nach 
dem Lumen des Nasenganges. Er soli nicht driicken, 
bloss 'leicht und sicher anliegen. Eine derartige Tampo¬ 
nade mache ich durch 8 —14 Tage t&glich. In den meisten 
Fallen stellt sich sofort ein leichteres Atmen ein, der all- 
n&chtliche Anfall bleibt aus. Nach achtt&gigem Ausbleiben 
des Anfalles fiihre ich den Tampon bloss jeden zweiten 
Tag ein; wenn kein neuer Anfall kommt, der ein Wieder- 
holen des tfiglichen Verfahrens notwendig macht, bloss 
jeden dritten Tag und dann noch seltener, bis man ganz 
aufhbrt. Bei diesem Vorgehen erzielen wir ein besseres 
Resultat als bei dem verwerflichen Zuwarten, um den 
schon entstandenen Anfall zu kupieren. Die ausser T&tig- 
keit gesetzten Reflexbahnen werden, statt immer gangbarer 
zu werden, immer schwerer gangbar und in Bewegung zu 
setzen. Die bronchitischen, emphysematischen und Stau- 
ungserscheinungen bessern sich inzwischen leichter, die 
eingeleitete andere physikalische und medikamentose The¬ 
rapie wirkt intensiver, kurz, man erzielt viel bfter und 
schneller eine Heilung oder wenigstens eine Besserung. 
Als Tamponfliissigkeit kann man jedes beliebige Lokal- 
anSsthetikum anwenden. Es ist meistens tiberflttssig, kon- 
zentrierte, bis zur Erreichung vollst&ndiger lokaler An- 
asthesie filhrende Lbsungen anzuwenden. Man soli zuerst 
ganz schwache, 1—2%ige Losungen anwenden und erst 
bei Nichterfolg zu st&rkeren • tibergehen. Sie alle haben 
ja die Erfahrung mit den Anastheticis, die zum Kupieren 
der Anfalle durch Sprays dienen. Nach meinen Erfahrungen 


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Asthma. 


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ist das beste das Tuckersche Geheimmittel und seine 
Nachbildungen, z. B. die Einhornsche LOsung. Alle 
diese LOsungen kOnnen Sie bei der Tamponade mit viel 
besserem Erfolge verwenden als mittels des Sprays. Am 
besten bew&hren sich Kombinationen verschiedener An- 
Ssthetika nach dem bekannten physiologischen Gesetze. 
1—2%ige kombinierte LOsungen von Eukain und Eumydrin, 
Kokain, Alypin u. dgl. wirken tadellos. Bloss bei Fallen, 
die viel mit Sprayinhalationen behandelt wurden, braucht 
man starkere LOsungen. Die bei dieser Tamponade tfig- 
lich resorbierte Menge von Medikamenten ist minimal. 
Nach meinen Yersuchen fasst ein Tampon hOchstens 1 g 
Fltlssigkeit. Nehmen wir als Beispiel die sehr gute Ein- 
horn-Gold8chmidtsche LOsung von l # /oigem Alypin und 
1 !- 2 °lo Eumydrin, so ist in jedem Tampon hOchstens 1 eg 
Alypin und Vs eg Eumydrin enthalten. Davon wird nach 
meinen Yersuchen etwa ein Zehntel resorbiert, so dass die 
taglich resorbierte Medikamentenmenge hOchstens 1 mg Aly¬ 
pin und V* mg Eumydrin betrfigt. Bei Sprayanwendung, 
wo die FlQssigkeit fiber die ganzen oberen Luftwege ver- 
teilt wird und nicht bloss dort wirkt, wo die Wirkung 
die grOsste ist, verbrauchen Sie, um denselben Effekt zu 
erzielen, viel mehr Medikamente, was sehr zu bedenken 
ist. Sonst kOnnte man ja die Pat. anweisen, tfiglich prfi- 
ventiv den Spray zu gebrauchen. Das ware ja for die 
Pat. bequemer, als so oft Stunde beim Arzt zu ver- 
bringen. Dem Arzt ist es nicht so unbequem, er braucht 
dazu allerdings bloss zweimal eine Minute. Aber nach 
meinen Erfahrungen kommen die Pat., die den sofortigen 
Erfolg sehen, sehr gerne. Denn der Erfolg ist besser als 
bei jedem anderen Verfahren. Ich kann es an meinem 
Material kontrollieren. Zu mir nach Meran kommen 
grOSstenteils Pat., die zu Hause von den tflehtigsten Spe- 
zialisten, Internisten und Rhinologen behandelt wurden 
und oft auch schon alle mOglichen klimatischen Kurorte 
an sich ausprobiert haben. Bemerken will ich bloss, dass 
ich bei meinen Pat. nie sofort die beschriebene endonasale 
Therapie vorgenommen habe, sondern selbstverstfindlich 
erst eine Zeitlang zusah, ob das Klima selbst nicht heilend 
genug wirkt. Manchmal kommt es ja vor. Erst wenn 
dies nicht der Fall war, ging ich aktiv vor.“ 

(Munch. med. Wochenachrift 1912 Nr. 1.) 

— TJeber die Anwendung subkutaner Heroineinspritznngen bei 
A. cardiale. Von Prof. Dr. A. Frfinkel (Krankenhaus 


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Asthma. 


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am Urban in Berlin). Verf. hat die gfinstigen Eigenschaften 
des Mittels und seine Vorz(ige zur Bekampfung des kar- 
dialen A. gegenfiber dem Morpliin zum ersten Male vor 
seehs Jahren bei der Behandlung eines 70j&hrigen Arterio- 
sklerotikers kennen gelernt. Die Anfftlle traten bei dem 
Pat. in solcher HSufigkeit und Starke auf, dass die Wir- 
kung des Morpbins sehr bald verbraucht war, und selbst 
nach Einzelinjektionen von 0,03 keine Erleichterung mehr 
eintrat. Als dasselbe mit Heroin vertauscht wurde, zeigte 
sich, dass die Anfalle schon bei einer dreimal so geringen 
Dosis = 0,01 Heroin, hydrochl. sofort wieder prompt 
kupiert wurden, und zwar ohne die geringsten fiblen Neben- 
wirkungen. Es musste allerdings die injizierte Menge im 
weiteren Yerlaufe der Behandlung allm&hlich auf 0,015 
gesteigert werden. In dieser Grosse der Einzelgaben wurde 
aber das Heroin nicht nur gl&nzend vertragen, sondern 
die Wirkung stumpfte sich auch bei wochenlangem tftg- 
lichen Gebrauch kaum ab, ein Vorzug, den die weitere 
Erfahrung bei andern Kranken best&tigte. Allerdings sei 
gleich hier bemerkt, dass, ebenso wie es Pat. mit kardialem 
A. gibt, die gegen Morphin von vornherein refrakt&r sind, 
auch FSlle beobachtet werden, in denen das Heroin ab- 
prallt. Dann bleibt nichts andres tibrig, als nach andern 
geeigneten Ersatzmitteln zu suchen, was meist schwierig 
ist und nur zu unvollkommenen Ergebnissen ffihrt. Glflck- 
licherweise bilden diese Versager die Minderzahl. Ebenso 
wie das Morphium bei vorsichtiger Anwendung die Herz- 
tatigkeit in keiner Weise ungfinstig beeinflusst, eher sogar 
dadurch, dass es die Pulsfrequenz etwas herabsetzt, beim 
kardialen A. eine vorteilhafte Nebenwirkung Sussert, hat 
Yerf. auch beim Heroingebrauch nie diesbezfiglich einen 
nachteiligen Effekt wahrgenommen. Ja, er verffigt sogar 
fiber eine zuffillige Beobachtung, welche beweist, dass 
selbst so grosse Dosen des Mittels, wie er sie sonst nie- 
mals anzuwenden sich getrauen wfirde, den Zirkulations- 
apparat nicht sch&digen — wenigstens nicht bei herz- 
gesunden Individuen. Vor einigen Jahren wurde Verf. 
zu einem 40jahrigen Kollegen gerufen, welchem wegen 
eines heftigen Nierenkolikanfalls versehentlich 0,03 g Heroin, 
hydrochl. auf einmal subkutan injiziert worden waren. 
Die Folge war ein fast vfilliges Sistieren der Atmung, so 
dass zwei Stunden hindurch kfinstliche Respiration unter- 
halten werden musste. Wfihrend dieser ganzen Zeit ver- 
harrte die Pulsfrequenz auf einigen 80 Schlagen in der 
Minute bei relativ guter Spannung und weiter Arterie. 


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Asthma — Fluor albus. 


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Der Pat. erholte sich, ohne einen Nachteil fiir seine Ge- 
sundheit davonzutragen. Man wird derartige iible Zufalle 
vermeiden, wenn man sich an die oben angefdhrte Do- 
sierung halt, d. h. mit 0,005 pro Injektion beginnt und 
erst ganz allmahlich bei spftteren Einspritzungen, falls 
eine solche Gabe nicht ausreicht, auf 0,01 steigt. Ueber 
0,015 hinauszugehen, widerrSt Verf. auf das entschiedenste. 
Andrerseits aber muss er die in Boerners Reichs-Medi- 
zinalkalender entbaltene Charakterisierung des salzsauren 
Diazetylmorphins als „ein nicht unbedenkliches“ Mittel 
auf Grund seiner Erfahrungen und bei vorsichtiger An- 
wendung desselben als nicht zutreffend beanstanden. Viel- 
facb hat sich auch die Kombination einer Morphium- 
Heroin-Losung fiir subkutane Injektionen anstatt des blossen 
Morphiums als praktisch erwiesen. Man verordne Morph, 
hydrochl. 0,2, Heroin, hydrochl. 0,1, Aqua dest. 10,0 und 
injiziere von dieser Fl&ssigkeit zun&chst vier Teilstriche 
bis zu einer halben Spritze = 0,008 Morph, hydrochl. 
+ 0,004 Heroin, hydrochl. bis 0,01 M. h. ■+■ 0,005 H. h. 

(Therap. Monatshefte, Januar 1912.) 


FIllOI* albus. Lenkrol in der gyn&kologischen Praxis 

(Aus Professor v. Bardelebens Frauenklinik in Berlin.) 
Aus der Arbeit teilen wir folgende Abschnitte mit: „Die 
LeukorrhOe der Frauen, der ,weisse Fluss‘, besteht, wie 
die volkstiimliche Bezeichnung richtig angibt, in dem 
Ausfluss einer gelblich - weissen, manchmal fast rein 
schleimigen, mitunter auch eiterartigen Fliissigkeit aus 
der Vagina, der atiologisch bekanntlich die allerver- 
schiedensten Ursachen haben kann, so dass man wohl 
fiiglich sagen darf, die Leukorrhoe sei das am haufigsten 
vorkommende Leiden der weiblichen Genitalsphare. Diese 
Krankheit wird von vielen Frauen als etwas Selbstver- 
stttndliches, Unabslnderliches hingenommen, nachdem die 
ersten Heilversuche, welche gewOhnlich mit lokaler Therapie 
gemacht werden, wie SpCilungen mit desinfizierenden, ad- 
stringierenden usw. Mitteln, fruchtlos verlaufen sind. Der 
permanente Ausfluss schw&cht natOrlich in hohem Masse 
den Gesamtorganismus, fiihrt vor alien Dingen zu Blut- 
arrnut und Bleichsucht mit alien ihren Folgeerscheinungen. 
DemgegenOber gibt es aber auch umgekehrt Leukorrhoen, 
die nicht Ursachen der An&mie, Chlorose usw. sind, sondern 
die erst bedingt werden durch pathologische VerSnderungen 
des Blutes beziehungsweise pathologische Funktionen der 


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blutbildenden Organe, wie sie der Anflmie und Chlorose 
zugrunde liegen, das heisst, die Leukorrhfie ist in diesen 
Fallen eine der vielen Folgen der Anamie beziehungs- 
weise Chlorose. Die Therapie solcher krankhaften Zu- 
stande wird sich naturgemass gegen die Ursachen, das 
heisst in erster Linie gegen die Beseitigung der Blutkrank- 
heiten oder deren Ursachen richten und mfisste dann, wenn 
die Leukorrhoe tatsachlich nur ausschliesslich eine Folge 
der Blutkrankheiten ist, mit der Beseitigung der primaren 
Krankheit schwinden. Dies ist auch sehr haufig der Fall, 
z. B. bei der subkutanen Anwendung von Natrium 
arsenicosum. Eine ganze Reihe von Fallen bleibt aber, 
wo man auch mit Arsenkur (bei gleichzeitiger Srtlicher 
Therapie) nicht zum Ziele kommt, wo man gezwungen 
ist, sich nach anderen Mitteln umzusehen. Ein solches 
Mittel nun glauben wir in dem Leukrol gefunden zu haben. 
Leukrol ist das reine, nach den Yorschriften des Deutschen 
Arzneibuches hergestellte Extrakt einer in Asien heimischen 
Pflanze, der Aristolochia Jubabarum. Als Geschmacks- 
korrigens und um die Herstellung der Tabletten zu er- 
mOglichen, ist etwas Zucker und Kakao hinzugeffigt. Auf 
welcher physiologischen Grundlage die therapeutischen 
Erfahrungen beruhen, wie also die Wirkung zu erklaren 
ist, darfiber ist ein fertiges Urteil jetzt noch nicht mdglich. 
Aber es gibt ja doch eine ganze Anzahl von Heilmitteln 
von gutem Rufe, bei denen man fiber das ,Wie‘ noch 
nicht im klaren ist. Wir haben den Eindruck gewonnen, 
dass das Leukrol einerseits direkt auf die inneren weib- 
lichen Sexualorgane tonisierend wirkt und dadurch die 
aus den Erkrankungen dieser Organe resultierenden Folge- 
erscheinungen und Krankheitszust&nde, insbesondere Leu¬ 
korrhfie, Anamie, Chlorose, Neurasthenic in anerkennens- 
werter Weise beseitigt beziehungsweise beeinflusst. Fest 
steht jedenfalls ffir uns, dass bei lftngerer, zweckm&ssiger 
Verabreichung von Leukrol eine Regulierung und Yer- 
besserung der Blutzirkulation in den gesamten Organen 
bewirkt wird. Ganz vorzfigliche Erfolge in der Behand- 
lung der Leukorrhfie hatten wir ferner, wenn wir die 
Leukrolkur kombinierten mit einer Arsenspritzkur. Wir 
)iaben dabei den Eindruck gewonnen, dass die Arsenkur 
durch die Leukrolmedikation in energischster Weise unter- 
stfitzt wurde, so dass wir in alien einschl&gigen Fallen 
die zweifellos roborierende und vielleicht gegen den FI. 
(non gonorrhoicus) spezifisch wirkende Kraft des Leukrols 
vereinigten mit der altbew§hrten Kraft des Arsens. 


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Einige Male verschwand sogar der FI. (bei gleichzeitiger 
ortlicher Therapie), bei dem vorher Arsen — allein an- 
gewandt — nur geringfiigige Minderung sowohl der Leu- 
korrhoe als der An&mie brachte, bei der Anwendung des 
Leukrols sogar verbluffend schnell, wahrend sich gleich- 
zeitig der Blutbefund erheblich besserte. Ob es sich 
hierbei tats&chlich um spezifische Wirkungen des Leukrols 
handelt, oder ob die allgemein tonisierenden Eigenschaften 
des Leukrols den Erfolg brachten, mag ich vorlaufig nicht 
entscheiden. Jedenfalls aber mochten wir das Leukrol 
nicht gern mehr entbehren. — Man hat friiher vielfach dem 
Leukrol vorgeworfen, dass infolge seines wenig ange- 
nehmen Geschmacks in sehr vielen Fallen die Frauen das 
Einnehmen verweigerten. Infolgedessen ist neuerdings 
den Tabletten ein Geschmackskorrigens zugesetzt worden, 
das den fruher getadelten Geschmack des Praparats v5llig 
verdeckt. Jedenfalls haben wir seither keinerlei Klagen 
mehr seitens unserer Pat. in dieser Hinsicht zu hbren be- 
kommen. Es ist dies immerhin ein Punkt, der nicht so 
unwesentlich ist, der — zum mindesten in der Frauen- 
praxis — eine ganz erhebliche Rolle spielen kann. Keinen 
Erfolg, wenigstens keinen Dauererfolg, brachte uns, obwohl 
es zuerst den Anschein hatte, die Anwendung des Leukrols 
bei frischer gonorrhoischer Leukorrhoe. Wir haben auch 
in solchen Fallen, obwohl wir seitens der Fabrik Erfurt 
von vornherein aufgefordert worden waren, den FI. gonor- 
rhoicus bei unseren Versuchen auszuschliessen, da hierbei 
Leukrol nicht am Platze sei, dasselbe verordnet. Wir 
hatten dabei anfangs den Eindruck, als ob auch hier das 
Leukrol seine gute Wirkung ausQbte. Dies war wohl 
aber eine Tauschung, die hervorgerufen wurde durch die 
Besserung des Allgemeinbefindens infolge der starken ro- 
borierenden Kraft des Praparats. Die Gonorrhoe selbst 
wurde aber jedenfalls auf die Dauer nicht beeinflusst. — 
Einen Punkt mbchte ich noch hervorheben, der mir recht 
wesentlich gegebenen Falles zu sein scheint und der in dem 
Vorzug besteht, dass das Leukrol ein innerlich zu ver- 
wendendes Mittel darstellt. Denn bei grosser Jugend der 
Pat., bei empfindsamen Naturen, bei Hyperasthesien des 
Introitus vaginae ist man ab und zu gezwungen, von 
lokaler Therapie vollig abzusehen und mit internen Mitteln 
auszukommen. — Irgendwelche schadliche Nebenwirkungen 
des Leukrols sind uns niemals bekannt geworden, wohl 
aber scheint es in gar nicht wenigen Fallen eine leiclit 
abfQhrende Wirkung, die ja oft mit Freuden hingenommen 


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wird, zu haben. Nennenswerte Magen- und Darmstorungen 
aber haben wir in keinem Falle beobachtet.“ 

(Medicin. Kllnik 1912 Nr. 2.) 

— Zur trocknen Behandlnng des weissen Flnsses. Von Dr. 

O. Wille (Braunschweig). In der Arbeit heisst es: „Sehr 
verlockend ist es, den indifferenten Pulvern Arzneimittel 
zuzusetzen, gerade weil diese dann dauernd wirken, sich 
in den Sekreten aufIbsen und in die Tiefe dringen kbnnen. 
Auch ich habe manche Versuche dieser Art gemacht. 
Aber die Erfahrung lehrte, dass die Dauer der Wirkung 
kein reiner Vorteil ist, die Wirkung wird leiclit zu gross, 
wird zur Sch&digung. Die Pat. klagten dann uber Brennen, 
die Schleimhaut blieb auch wohl rot und wulstig, und ich 
kam erst wieder vorw&rts, wenn ich zum unvermischten 
Ton oder Talk zuziickkehrte. So habe ich Zusfttze von 
Borsliure, Alaun, Tannargentan versucht und wieder auf- 
gegeben. Merkwilrdigerweise ging es mir auch ebenso mit 
der Xerase, die in anderen HSnden so vorzflgliche Erfolge 
gehabt hat; ich hatte sie in Form der Gelatinekapseln 
angewandt. Das einzige arzneihaltige Pulver, das mich 
nicht entt&uscht hat, ist das 20°/oige Lenicet-Streupulver 
(Mischung von polymerer essigsaurer Tonerde mit Talkum 
und Bolus 1:2:2). Es wird durchweg gut vertragen und 
wirkt auf Erosionen und auf entzilndliche (gonorrhoische) 
Schwellungen schneller als die reinen Pulver. Gegen 
Gonorrhbe wende ich daher gegenwftrtig nur dieses an. Zur 
Unterstiitzung einer Aetzkur gebrauche ich teils Bolus, 
teils Talkum. Die meisten Kollegen, die sich mit der 
irockenen Behandlung des Scheidenkatarrhs befasst haben, 
halten Spblungen fftr ganz entbehrlich, manche auch fflr 
schSdlich. Entbehrlich sind sie sicher sehr oft — die 
Pulver leisten viel besseres und verschwinden auch ohne 
Spiilung allmShlich —; dass sie sch&dlich sind, dafQr habe 
ich keine Beweise. Ich bin dem jahrzehntelang bewfthrten 
und in der Frauenwelt sehr beliebten Mittel auch unter 
dem Zeichen des Pulvers treu geblieben und verordne in 
den meisten Fallen beides, Einpulverung und Spblung. In 
schweren Fallen etwa so, dass jeden Abend eingepulvert 
und jeden zweiten Morgen gespiilt wird; in leichten Fallen 
kann beides seltener gemacht werden. Und dem SpQl- 
wasser setze ich sehr gern Medikamente zu: Cupr. sulf. 
50:200, 1—2 Teelbffel auf 1 Liter, Zinc. sulf. 1—2 Tee- 
lbffel, Alaun 1 2 Esslbffel. Doch auch physiologische Koch- 
salzlbsung oder Kamillentee lasse ich gelten. Auch die 


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Eingiessung von Hollensteinldsung habe ich beibehalten. 
Hit diesem Rustzeug ist man selbst der akuten Gonorrhoe 
sehr gut gewachsen, und gerade bei ihr wirkt sowohl sub- 
jektiv wie objektiv das Pulver vortrefflich. Gegen die 
chronische Gonorrhoe kbnnen wir weniger ausrichten, weil 
die Nebenhbhlen und Schlupfwinkelchen zu stark beteiligt 
sind. Gegen sie gibt es bisher leider nur ein einziges ganz 
zuverl&ssiges Mittel, das ist die Zeit; ein paar Jahre 
aber gehen dariiber hin, ehe die Nachschttbe aufhoren, 
ehe die Ansteckungsf&higkeit erlischt. Hoffentlich straft 
die Vakzination diesen Satz noch Liigen. Vorl&ufig ist 
er richtig und gilt fdr Mann und Weib. Keineswegs ist 
der Geschlechtsverkehr allein daran schuld — denn auch 
im kindlichen Alter heilt derScheidenkatarrh nur langsam —; 
das erwachsene Weib neigt wohl darum besonders zu Rtick- 
fallen, weil die Menstruationen fast erloschene EntzOn- 
dungen wieder anfachen kbnnen: die Fiille der Sekrete 
schafft zu reichliche Nahrboden. Aber ein symptomatisches 
Mittel von sicherster Wirkung sind auch da die Pulver, 
und es ist eine Wohltat fOr die Frau, wenn sie instand 
gesetzt wird, sich selber stets wieder gegen das l&stige 
und meist einzige Symptom, den Ausfluss, zu schfltzen. 
Wie wird das Pulver nun in die Scheide eingefQhrt? 
Fritsch legt einen mit dem Pulver gefGllten Beutel vor 
den Muttermund. Abraham blast im Spekulum das Pulver 
mit einem geWbhnlichen Pulverblaser ein — ahnlich 
Kraus — oder er fGhrt eine mit dem Pulver gefttllte 
weiche Gelatinekapsel ein und drGckt diese durch einen 
Tampon an die Portio. Tojbin schOttet das Pulver in 
den Rdhrenspiegel und zieht diesen unter Drehbewegungen 
heraus. Liepmann verteilt das Pulver im Spekulum mit 
einem Wattestab in die Buchten der Scheide. Man sieht, 
dass viele verschiedene Wege zum Ziele ffihren und dass 
auf die Verteilungsart des Pulvers offenbar nicht viel 
ankommt. Indes alle Methoden, die die Kranken nbtigcn, 
oft oder taglich in die Sprechstunde zu kommen, sind in 
der Privatpraxis beinahe unbrauchbar. Wir miissen, so 
gut wir bisher der Pat. den Irrigator verschrieben, ihr 
auch die tagliche Einpulverung tiberlassen konnen. Zu 
dem Zwecke kann man die erwahnten weichen Gelatine- 
kapseln verordnen; aber die in der Scheide verflQssigte 
Gelatine kommt natGrlich auch zutage, und ihre Kleb- 
rigkeit wird unangenehm empfunden. Zu demselben Zwecke 
sind mehrere Pulverblaser angegeben worden. Viel ge- 
braucht wird der Siccator \on N as saner. Er schliesst. 


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nach Art der Heisswassersptller den Scheideneingang durclx 
eine dicke Birne ab, der Luftstrom entfaltet die Scheide 
und verteilt in ihr das Pulver gut. Der Luftstrom prallt 
allerdings auch zurhck und weht einen Teil des Pulvers 
unter Gerfiusch wieder aus der Vulva heraus. Vor allem 
aber ist der Siccator fOr die tfigliche Verordnung zu teuer. 
Wir bediirfen also noch eines ganz einfachen und ganz 
billigen Verfahrens der Pulvereinfiihruug, das jeder Pat. 
verordnet werden kann. Auf der Suche danach kam ich 
zu folgender Beobachtung: Wenn man eine Glasrbhre in 
eine Pulvermasse eintaucbt, so ftlllt sie sich damit an, 
und das Pulver ffillt auch nicht wieder heraus, wenn man 
dann das andere Ende zuhfilt. Steckt man nun, statt 
nachher den Finger auf das Ende zu halten, schon vor 
der Pulverbeschickung einen passenden Glasstab in die 
Rbhre, so weit, dass ffir die gewOnschte Pulvermenge noch 
Platz genug bleibt, so ist der Apparat fertig. Der Glas¬ 
stab darf nur beinahe nicht ganz luftdicht schliessen. Ein 
solches Instrument, in guter Ausfilhrung, mit Gebrauchs- 
anweisung versehen, wird auf meine Veranlassung von 
der Aegidienapotheke in Braunschweig in den Handel ge- 
bracht und ist unter dem Namen Siccotubus (oder ab- 
gekiirzt und mit deutscher Betonung: Siccotub) durch jede 
Apotheke zum Preise von 1 Mk. zu beziehen. Es ist 
13 mm stark, und wenn man es zu einem Drittel fttllt, 
enthfilt es etwa 3 g Pulver; diese reichliche Menge, mit 
dieser Rfthre eingebracht, bleibt wirklich fast ganz in der 
Scheide, was bei den andern Verfahren kaum zu erreichen 
ist. Das ist mehr Pulver, als unbedingt nbtig wftre; aber 
der Ueberschuss, der sich lange in der Scheide hfilt, bringt 
nur Vorteil, keinen Schaden. Der Siccotubus kann das 
Pulver auch in der Scheide verteilen (wie es die beigege- 
bene Gebrauchsanweisung lehrt); man braucht nur wfihrend 
der Entleerung das Instrument nach alien Richtungen zu 
bewegen. Fflr den vordersten Teil der Scheide besonders 
zu sorgen, ist nicht immer nbtig; das Pulver rilckt ohne- 
hin bald dahin vor (namentlich Talk). Das zu verw r en- 
dende Pulver verordnet man, wenn es nicht wie Lenicet 
ohnelrn in BOchsen geliefert wird, in einem festen Geffiss, 
z. B. ad vitrum amplum; eine Tote wtirde dem eindrin- 
genden Instrumente nicht lange standhalten. Beim Fiillen 
hfilt man Geffiss und Instrument mbglichst wagerecht. 
Gegen den Scheidenkatarrh der Kinder habe ich kleinere 
Kaliber dieses Siccotubs mit dem allerbesien Erfolge ver- 
wendet. Das hat mich ganz besonders befriedigt, denn 


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Fluor albus — Herzkrankheiten. 


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hier, wo jede Bebandlung eine Marter ist, cmpfindet man 
den Segen der lange nachwirkenden Einpulverung noch 
mehr als in der Frauenpraxis, zumal wenn auf so sanfte 
Weise das Pulver beizubringen ist. Die Empfindlichkeit 
sitzt tibrigens nur im Hymenalsaum; in einem Falle, wo 
wegen dieser Empfindlichkeit die Scheide Oberhaupt auf 
keine Weise zu behandeln war, habe ich in Narkose das 
Hymen gespalten: das beseitigte wirklich alle Schwierig- 
keit. Dazu wird man aber nur selten genOtigt sein; die 
Siccotuben fOr Kinder habe ich am Ende abschr&gen 
lassen, so dass man leicht und allm&hlich den Hymenal- 
ring durchdringen kann. Freilich den MQttern wird man 
das Einpulvem nicht gleich Qberlassen konnen, denn hier 
erfordert schon die Behandlung des Instruments etwas 
Geduld: Die kleineren Kaliber fAlien und entleeren sich 
nicht so zuverl&ssig wie die grossen. Hat man das In¬ 
strument glficklich gefOllt — wobei man es fast horizontal 
hfilt — so empfiehlt es sich, durch Beklopfen die FQllung 
noch einmal zu lockem. Siccotuben ftir Kinder von 8 
und von 7 mm Durchmesser sind vorrStig. 

* (Medicin. Klinik 1912 Kr. 5.) 

Herzkrankheiten. Zuckeraahrung bei K. Von Dr. A. 

Selig (Franzensbad). Eine grosse Zahl der Herzkranken 
ist unterern&hrt; mit der Besserung der ganzen Ern&hrung 
wird aber hfiufig Herzinsuffizienz ohne jede sonstige Be¬ 
handlung gebessert. Eine Kr&ftigung des Herzens ist eben 
nur in einem ausreichend ernfthrten KOrper zu erhoffen. 
In den Difttvorschriften sollte hier besonders der Zucker 
eine Rolle spielen. Zucker hebt die Muskelkraft, auch die 
des Herzmuskels. Autor verordnet ein gewisses Quantum 
von Zucker beinahe jedem Herzkranken zu seiner sonstigen 
Kost, um den Herzmuskel funktionsf&hig zu erhalten, aber 
speziell dort, wo die Zeichen einer Insuffizienz sich geltend 
zu machen beginnen, legt er besonderen Wert auf die Ein- 
nahme eines Zuckerminimums. Welche Zuckerart und in 
welcher Form dieselbe zu nehmen ist, soil noch festgestellt 
werden. Am einfachsten ist die Verordnung, die Mehl- 
speisen stark gesQsst zu nehmen; manchen Kranken sagt 
besser die Vorschrift zu, Bonbons im Munde zerfliessen 
zu lassen. Die letztere Verordnungsweise eignet sich 
vielfach dort, wo man gleichzeitig einen fiberm&ssigen 
Tabakgenuss durch irgendein Surrogat bekSmpfen will. 
In manchen Fallen wird man auch dem Geschmack des 
Pat. Rechnung tragen mflssen und Schokolade verwenden 

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Herzkrankheiten. 


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konnen. Eine fast immer leicht durchzufahrende Art ist 
die Anwendung als Zuckerwasser. Man lasst friihmorgens 
auf nttchternem Magen ein Glas Zuckerwasser trinken. 
Diese VerordnUngsweise hat zweierlei VorzOge: einrnal 
reguliert sie die Darmfunktion, dann aber wirkt der Zucker 
auch diuretisch, zwei Momente, welche in der Diatetik 
der Herzkrankheiten eine wesentliche Rolle spielen. Manche 
Kranke ziehen dem gewbhnlichen Zucker Honig vor. 
Um ein entsprechendes Zuckerquantum den Pat. zufiihren 
zu konnen, verordnet Autor in den meisten Fallen von 
Herzschwache eine Dattelkur. Man. muss wohl von einer 
solchen sprechen, wenn man die Sicherheit haben will, 
dass dieselbe entsprechend vom Pat. befolgt werden soil. 
Autor beginnt gewohnlich mit drei Datteln taglich und 
lasst jeden folgenden Tag eine mehr nehmen, bis die Tages- 
dosis von 20 — 25 Datteln erreicht ist. Von diesem Quan¬ 
tum steigt der Kranke wieder herab, bis er wieder auf die 
urspriingliche Menge gelangt ist. Worauf Autor noch be- 
sonders hinweisen mbchte, ist die Tatsache, dass bei vielen 
Fettleibigen nicht die zu reichliche, sondern eine uilge- 
niigende Ernahrung bei der Entstehung der Herzschwache 
mitwirkt. Aug. Schott hat die interessanten Beobach- 
tungen gemacht, dass die Herzinsuffizienz Fettleibiger ge- 
bessert wurde, obgleich das Korpergewicht der Kranken 
zunahm. Es ist also nicht zu befCirchten, dass wir den 
Fettleibigen durch ein bestimmtes Quantum Zucker schadigen. 

• Speziell hat der Zucker bei den insuffizienten Herzen der 
Fettleibigen einen sehr giinstigen Einfluss auf die Zirku- 
lation ausgetibt. Kranke, welche wegen schwerster Dyspnoe 
und Mattigkeit sich in der Ebene mlihsam schleppten, 
wurden von Tag zu Tag leistungsfahiger, wenn man ihnen 
Zucker verabreichte, so dass sie schliesslich selbst Treppen 
steigen konnten, ohne sichtliche Ermtidung. Autor ent- 
zieht daher in jenen Fallen, wo sich die Zeichen einer 
gestorten Herztatigkeit bei einem Fettherzen geltend machen, 
niemals den Zucker in nennenswertem Masse. Im Gegen- 
teil hat er die Empfindung, als ob der Zucker mitunter 
eine sonstige medikamentose Behandlung der Herzschwache 
entbehrlich machen wiirde. (Median. Kiinik 1911 Nr. 29.1 

Herzfehler and Schwangerschaft. Von Dr. Th. Rosenthal 
(Gynakolog. Abteilurtg des stadt. Hospitals zu Aller- 
heiligen, Breslau). Dass auch besonders am Ende der. 
Schwangerschaft allerschwerste, lebensbedrohliche Herz- 
stotungen auftreten konnen, mogen zwei Falle zeigen, die 


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Herzkrankheiten. 


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Verf. jGngst zu beobachten und operativ sru entbinden Ge- 
legenheit hatte. 

1 . Fall. A. L., 38 Jahre, vier normale Partus. Pat. 
leidet seit Jahren an Gelenkrheumatismus und geringer 
Atemnot. Sie war wegen Emphysema und Yitium cordis 
(Mitralinsuffizienz) schon mehrfach in arztlicher Behandlung. 
Die jetzige Schwangerschaft verlief ebenso wie die frtiheren, 
mit geringen Beschwerden, die Beine waren nicht ange- 
schwollen, es bestand m&ssige Atemnot. # Acht Tage vor 
gynakologischer Beobachtung sollen die Beschwerden zu- 
genommen baben, Pat. suchte deshalb die innere Abteilung 
des Allerheiligenhospitals auf, wo die Diagnose auf Gra- 
viditus m. IX./X. Mitralinsuffizienz, massiges Emphysem und 
geringe Bronchitis gestellt wurde. Es bestanden keine 
Oedeme, Urin frei von pathologischen Bestandteilen. Am 
Nachmittag erkrankte Pat., die jeden Tag die Entbindung 
zu erwarten hatte, plotzlich unter schwersten Allgemein- 
erscbeinungen, es bestand schwerste Dyspnbe und Zyanose 
des ganzen Kbrpers. Der Puls war irregul&r, inequal, 
140—150, leicht unterdriickbar. Ueber alien Ostien 
blasende laute systolische GerSusche, ausgesprochene fru- 
stane Kontraktionen. Spitzenstoss zwei Querfinger ausser 
der Mamillarlinie, Dfimpfung iiberlagert. Der schwere 
Symptomenkomplex einer akuten schWeren Herzinsuffizienz 
stellte die Indikation zur sofortigen Schnellentbindung. 
Wehen waren nicht vorhanden. Das Kind lag in erster 
Schadellage, Herztbne gut, 120. Als Methode der operativen 
Entbindung wurde die Colpohysterotomia anterior gew&hlt. 
Operation: Vorderer Scheidenuterusschnitt. Glattertypischer 
Yerlauf. Das Kind wurde mit hoher Zange entwickelt, 
es wog 6‘/a Pfund, war 51 cm gross. Der Zustand der 
Mutter war derart, dass an eine Narkose nicht gedacht 
werden konnte. Die Mutter erhielt nur 2 eg M., Kampfer 
und Digalen subkutan. Operation wie Zange wurden ohne 
Narkose ausgeftihrt. Sofort nach der Entbindung war das 
Bild ein ganzlich anderes. Dyspnbe und Zyanose schwanden, 
Pat. machte ein afebriles Wochenbett durch, nahrte das 
Kind und wurde nach drei Wochen mit den klinischen 
Erscheinungen einer gut kompensierten Insufficientia val- 
vulae mitralis entlassen. 

2. Fall. B. L., 33 Jahre alt. Zwei normale Partus. 
Anamnestisch mehrere Anfalle von Gelenkrheumatismus. 
Die letzte Schwangerschaft soil beschwerdevoller verlaufen 
sein, seit ca. einem Monat soil Kurzatmigkeit bestehen, 
in den letzten Tagen sollen die Beine angeschwollen sein, 

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H erzkran kheiten. 


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die Urinmenge soil seit zwei Tagen vermindert gewesen 
sein. Trotzdem konnte Pat. noch bis gestern ihre Arbeit 
verrichten. Am Tage der Einlieferung plfitzliche Ver- 
schlimmerung, Ohnmachts- und Schwindelgefttble, schwerste 
Atemnot. Bei der Einlieferung bestand das Bild schwerster 
Herzinsuffizienz, schwerste Zyanose, Gesicht blauschwarz, 
hochgradige Dyspnoe. Die oberflfichliche Untersuchung er- 
gab schwere Oedeme des ganzen Abdomens und der 
unteren Extremitfiten, syslolische Gerfiusche fiber dem 
Herzen, besonders in der Nfihe der Herzspitze, Spitzen- 
stoss zwei Querfinger ausser der Mamillarlinie und diffuse 
bronchitische Gerfiusche fiber beiden Lungen. Leibes- 
umfang 115, es wurde der Yerdacht auf Zwillinge ausge- 
sprochen. Urin: Albumen +, Saccharum —, Sed.: Leuko- 
zyten, hyaline und granulierte Zylinder, Esbach 4 pM. 
Sofortige operative Entbindung. 2 eg Morphium, Kampfer, 
Digalen. Operation: Colpohysterotomia anterior in typischer 
Art. Da der Puls beim ersten Tropfen Chloroform vollig 
aussetzt und der Gesamtzustand baldigen Exitus letalis 
beffirchten lasst, schnelles Vorgehen ohne Narkose. Beide 
Zwillinge liegen in Schfidellage. Wendung und Exiraktion 
des ersten in erster Schfidellage liegenden Zwillings nach 
kfinstlichem Blasensprung. Grosses Kind, wodurch, zu- 
mal bei Anwesenheit des zweiten Zwillings, die Wendung 
erschwert wird. Die zweite Blase stellt sich bald und 
wird gesprengt. Wendung und Extraktion des zweiten 
Zwillings. Beide Kinder sind mfinnlich, das erste ist 53 cm 
gross, 7»/« Pfund schwer, das zweite ist 52 cm gross, 
7 Pfund schwer. Die beiden Plazenten — es handelt 
sich um zweieiige Zwillinge — folgen auf Crede. Pat. 
erhfilt Sauerstoffinhalationen wfihrend der Operation, er- 
liolt sich rasch, ffihlt sich bereits nach Geburt des ersten 
Kindes erleichtert, nach Geburt des zweiten Kindes wesent- 
lich besseres Befinden, Puls besser, rfitliche Ffillung der 
Schleimhfiute. In den ersten Tagen, in denen die Wfich- 
nerin subkutan und per os Analeptika erhfilt, starke 
Diurese bis 4000 g pro die, Urin, auch im Sediment, ohne 
Besonderheiten. Pat. ist. noch (8 Tage post partum) bett- 
lfigerig. Die Prognose ist als gut zu bezeichnen. 

(Berliner klin. Wochenschrift 1911 Nr. 49.) 

— Meine Erfahrnngen mit Digipnratum. Yon Dr. Braitmaier 
(Kiel). Das Mittel wurde in Form der Tabletten innerlich 
und in Form einer sterilisierten Lfisung intramuskulfir 
und intravenus angewahdt. Yerf. hat zunfichst vorge- 


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Herzkrankheiten. 


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zogen, das Digipuratum in kleinen Dosen anzuwenden 
und bezQglich seiner Wirkung Vergleiche mit anderen 
Digitalisprftparaten zu ziehen, speziell mit den Folia. Er 
kam dabei durchwegs zu dem Eindruck, dass wesentlich 
geringere Mengen wirksamer Digipurat-Substanz denselben 
Erfolg erzielten wie grbssere Mengen der Folia oder 
anderer Prfiparate. Yon Anfang an war ihm die rasche 
Steigerung und das Anhalten der Diurese aufgefallen. 
In vielen Fallen hat er beobachtet, dass die diuretische 
Wirkung des Digipurats atlein besser war als die Kombi- 
nation anderer Digitalispraparate mit Diuretica. Ent- 
sprechend den Erfahrungen der Tllbinger Medizinischen 
Klinik, hat auch Verf. den Eindruck gewonnen, dass die 
diuretische Wirkung hauptsachlich dann auffallend war, 
wenn die Niere sich am Krankheitsbilde im Sinne einer 
entzQndlichen Reizung beteiligt hatte. Bei Verabreichung 
von ein bis zwei Tabletten tftglich zeigte sich die erste 
Wirkung auf das Herz durch Herabsetzung der Frequenz, 
Verbesserung des Pulses und Steigerung der Diurese 
zwischen dem dritten und fQnften Tage. Bei der Dosierung 
nach Hoepffner (am ersten Tage vier Tabletten, am 
zweiten und dritten Tage je drei Tabletten, am vierten 
Tage zwei Tabletten) begann die Wirkung durehschnittlich 
schon am zweiten Tage, haufig war schon nach sechs bis 
acht Stunden eine Einwirkung auf das Herz wahrnehmbar. 
Schon am ersten Tage sah Verf. die Gesamturinmenge 
einige Male steigen. Durehschnittlich verbesserte sich die 
Diurese zunehmend bis zum vierten Tag, um dann gleich- 
zubleiben oder abzufallen. Was die Wirkung des Digi¬ 
purats auf den Herzmuskel angeht, so erffihrt die Diastole 
eine Verlftngerung, die FOllung des Herzens wird besser; 
die Systole wird energischer und kraftiger, so dass kraftige, 
vollstandige Entleerung des Herzens erfolgt, die Frequenz 
nimmt ab, der Blutdruck steigt oft schon nach wenigen 
Stunden. Durch bessere eigene Durchblutung gewinnt der 
Herzmuskel an Kraft und Frische. Die Notwendigkeit 
individueller Dosierung ergibt sich ftir Digipurat ebenso 
wie fGr die (ibrigen Digitalispraparate; Alter, Geschlecht 
und Krfiftezustand des Pat., die BeschafFenheit seiner Ge- 
fasse bedingen ROcksichtnahme. Im allgemeinen erschien 
es Verf. zweekmassiger, die von Hoepffner angegebene 
Dosierung auf die Halfte und in einzelnen Fallen noch 
mehr zu reduzieren; ist rasche und energische Wirkung 
erwtinscht, wiirde Yerf. die intravenOse oder intramuskulare 
Injektion der Verabreichung per os vorziehen. In Fallen 


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Herzkrankheiten. 


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der Not leistet die intravenfise Injektion Erstaunliclies an 
Raschheit und Sicherheit der Wirkung. Verf. hat einen 
Moribunden nach der Injektion von 1 ccm in 40 Minuten 
sich erholen sehen, der Puls wurde ffihlbar, die Zyanose 
war fast ganz verschwunden. Als Indikationsgebiet kommen 
alle Falle akuter und chronischer Herzmuskelerkrankungen 
und Schwachezustande in Frage. Unangenehme Neben- 
erscheinungen und leichte Intoxikationen hat Verf. in 
mehreren Fallen beobachtet, vor allem wurde mehrfach 
fiber den schlechten Geschmack geklagt, was jedoch durch 
Einnehmen in Oblaten sich umgehen liess. Reizer- 
scheinungen des Magens hat Verf. zweiihal gesehen, einmal 
heftige Uebelkeit und Erbrechen. In beiden Fallen traten 
die Epscheinungen jedoch so kurze Zeit nach der Ver- 
abreichung des Mittels auf, dass Verf. nicbt eine typische 
Digitaliswirkung, wie wir sie besonders vom Digitonin 
auf den Magendarmkanal kennen, annehmen mochte, 
sondern glaubt, dass hier eine Folge abnormer Empfindlich- 
keit der Magenschleimhaut gegen die Tablettenform vor- 
liegt, wie man sie manchmal bei Stauungskranken findet. 
In zwei weiteren Fallen, in einem von diesen sogar in je 
zwei seitlich voneinander getrennten Kuren, hat Verf. 
zwischen dem dritten und ffinften Tage das Auftreten 
einer heftigen, fiber Kopf und Kfirper verbreiteten Urticaria 
beobachtet. Bei dem einen Pat. war diese beide Male 
wenige Tage nach dem Einstellen der Medikation ver¬ 
schwunden, in dem anderen Falle hielt sie mehrere Wochen 
an und trotzte jeder Therapie. Verf. erwahnt dieses Auf¬ 
treten, ohne einen ursachlichen Zusammenhang mit der 
Digipuratverabreichung behaupten oder beweisen zu wollen. 
In alien drei Fallen hatte es sich um energische Kuren 
nach den Hopffnerschen Angaben gehandelt. Wenn 
Verf. die Vorzfige der Verwendung des Digipuratums 
zusammenfassen darf, so mochte er in erster Linie er- 
wahnen, dass es samtliche therapeutisch wirksamen Glykos- 
ide der Digitalis enthalt, ohne die grossen Nachteile der 
schwankenden chemischen und physiologischen Wertigkeit 
der Folia zu besitzen. Durch diese Ungleichmassigkeit, 
je nach Standort und Alter der Pflanze, je nach der Zeit 
und den Witterungsverhfiltnissen der Ernte und je nach 
Sorgfalt bei der Reinigung und Vorbereitung der Blatter, 
muss die Verwendung der Droge unzuverlassig werden. 
Die titrierten Blatter sind in dieser Beziehung vorzuziehen. 
Wegen des Fehlens unnfitzer Ballaststoffe und wegen der 
Befreiung von Digitonin ist aber dem Digipuratum der 


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Herzkrankheitea — Obstipatio. 


295 


erste Platz einzur&umen. Die Mbglichkeit genauer Dosierung 
des etets gleichwertigen Prfiparates lasst genau abgewo- 
gene energische Kuren bei Einschrfinkung der Intoxi- 
kationsgefajir zu. Die rasche Absorption und ebenso 
rasche Ausscheidung des Mittels verhindert oder erschwert 
den Eintritt von Kumulation ebenso, wie sie rasche 
Wirkung herbeifQhrt. Die sonst unangenebm hSufigen 
Magendarmstorungen treten fast ganz in den Hintergrund. 
Geradezu spezifisch ist die gOnstige Beeinflussung der 
Diurese. Um eine rasche, oft lebensrettende Therapie 
einzuleiten, kann das Digipuratum auch intravenbs injiziert 
werden. Diese Eigenschaften stellen das Digipuratum an 
die Spitze der bisher bekannten zur Digitalistherapie 
dienenden Praparate. (Deutsche med. Wochenschr. 1911 Nr. 51 .) 

Obstipatio. Das Chocolin, sin nones AbfUumittoL Von 

Geh. Med.-Rat Prof. Dr. C. A. Ewald (Berlin). ,,Ich habe 
das Chocolin, wie das neue Mittel von Herrn Michaelis 
benannt worden ist, in der letzten Zeit in ziemlich aus- 
gedehntem Masse und bei verschiedenen Ursachen der Ob¬ 
stipation (Atonia, Splaniknoptose, Graviditat, Anfimie und 
C'hlorose) verwendet und kann mich im allgemeinen mit 
seiner Wirksamkeit innerbalb der ihm zugemessenen 
Grenzen ganz zufrieden erklfiren. Man darf natiirlich 
nicht erwarten, dass ein solches Mittel da von Erfolg sei, 
wo bereits der Darm derartig in seinen Funktionen be- 
eintrSchtigt ist, dass er nur auf Starke Laxantien und 
Purgantien antwortet; das ist nicht mdglich. Es handelt 
sich nur darum, bekannte milde Aperientien in einer 
neuen Kombination und Darreichungsform zu verwenden. 
Es scheint aber, dass die Kombination des Phenolphthaleins 
mit dem seit alten Zeiten als reizmilderndes und leicht 
laxierendes Mittel bekannten Manna eine besonders glttck- 
liche ist. Vielleicht tr&gt aber auch der Umstand, dass 
die abftthrende Substanz sozusagen in breiter Masse und 
nicht an eng begrenzter Stelle wie eine Pille oder Tablette 
auf die Darmschleimhaut einwirkt, mit dazu bei, die milde 
und angenehme Wirkung zu erzielen. Wie sich das 
Chocolin bei lange fortgesetztem Gebrauch bewfthrt, kann 
ich freilich nocb nicht aussagen. Meine Erfahrungen er- 
strecken sich bis jetzt auf eine immerhin nur kurze Zeit. 
Es ist aber a priori anzunehmen, dass es sich darin nicht 
von anderen Abffthrmitteln unterscheiden wird, d. h. es 
wird sich bei lSngerem Gebrauch meist abschwfichen, so 
dass man eine Pause eintreten lassen und mit anderen 


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296 


Obstipatio. 


Mittein abwechseln muss. Unter gunstigen Umsliinden 
gelingt es aber auch, und hier spreche ich von meiner 
Erfahrung mit anderen milden Aperientien, durch einen 
einmaligen, einige Wochen lang fortgesetzten Gebrauch 
bei nicht zu lange bestehender Obstipation den Ubergang 
in ein habituelles Leiden zu verhindem. Oftmals tritt 
nach einer Trinkkur abfflhrender Mineralwfisser, wenn 
die Pat. die zunfichst erfolgreiche Kur vollendet haben, 
eine Verstopfung ein. Unter solchen Verhfiltnissen ist 
der vorQbergehende Gebrauch milder pflanzlicher Aperien¬ 
tien, wozu ich also auch das Chocolin rechnen wflrde, 
von besonderem Nutzen und iiberwindet die Reaktion des 
seines tfiglichen Reizes entbehrenden Darmes, an den er 
sich w&hrend der Mineralwasserkur ,gewbhnt l hatte.“ 

(Zentralblatt far die gesamte Therapie, J&nuar 1912.) 

— Chocolin, ein nones abf&hrendes N&hrmittel. Von Dr. A. 

Lewandowski (Berlin). Der Erfinder des wohlbekannten, 
bei Verdauungsstdrungen mancher Art, besonders bei dem 
mit Durchfall einhergehenden, bewahrten Eichelkakaos, Herr 
Dr. Michaelis, hat Verf. um die Priifung des neuen 
difitetischen Mittels (hergestellt von Gebr. Stolhverck) er- 
sucht, dessen Wirkung eine die Peristaltik anregende sein 
soli. Die eigentliche Masse besteht ebenfalls zum grossen 
Teil aus Eakao, welchem Manna, bekanntlich der sGsse 
Saft der Mannaesche, Fraxinus ornus L. und Phenol- 
phthalein zugesetzt ist, und zwar sind in einem TeelOffel 
(zirka 5 g) 0,025 g Phenolphthalein enthalten. 

Zur Anwendung gelangte Chocolin in zirka 40 Ffillen. 
Verf. hat absichtlich zun&chst seine Versuche ohne Sichtung 
des Materials gemacht, hat es unterschiedslos alien Kranken 
gegeben, bei denen Stuhltr&gheit vorhanden war, gleich- 
gtiltig, ob dieselbe vorObergehend, habituell, von kftrzerer 
oder l&ngerer Dauer war. Auf die bei den Berichten Qber 
neue Nfi.hr- und Arzneimittel wohl sonst beliebte, wenig 
wertvolle Einzelkasuistik soil hier verzichtet werden. 
Immerhin seien einige Krankheitsbilder hervorgehoben. 

1. Kranke, die ohne kQnstliche Mittel es fiberhaupt 
zu keiner Stuhlentleerurig bringen konnten. 

2. Frauen nach Entbindungen mit Atonie des Magens 
und Darmes. 

3. Eine Anzahl von Splanchnoptosen. 

4. Stuhltrfigheit nach Magen- und Darmoperationen, 
besonders Blinddarmoperationen. 


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Obstipatio. 


297 


Wie zu erwarten, war die Grbsse der bei dem ein- 
zelnen wirksamen Dosen nicht ganz einheitlich. Michaelis 
hatte geraten, bei Kindern ein bis zwei Teelofl'el, bei Er- 
wachsenen zwei bis vier Teelbffel, im Durchschnitt also 
drei Teelbffel bei Erwachsenen, zu geben. Yerf. ist in der 
Mehrzahl der F8.11e mit zwei, hbchstens drei Xeelbffeln aus- 
gekommen, nur in ganz seltenen Fallen mussten vier Tee- 
lbffel gegeben werden. Besonders wertvoll war das Pr&- 
parat bei der Behandlung blutarmer junger M&dchen. 
Wenn sich Yerf. auch nicht ganz zu der drastischen 
These verstehen kann, das Rizinusbl als ein Spezifikum 
bei An&mie und Chlorose anzusehen, so ist es doch zweifellos, 
dass die Regulierung der Verdauung eine der wesent- 
lichsten Sch&digungen, die Autointoxikation vom Darrae 
her, bei Blutarmen hinwegraumt. Es hat sich daher be¬ 
sonders erfolgreich erwiesen, diese Regulierung mit dem 
neuen, zugleich krftftigenden und nahrhaften Mittel zu er- 
reichen, so dass zwei Indikationen Rechnung getragen 
wird, der Regelung der Abfuhr und der Hebung der 

Ernahrung. (Die Tlierapie der Gegenwart, Dez ember 1911.i 

— Rheopnrgin. Von Dr. J. Baedeker (Berlin). Nachdem Verf. 

sich tlber die Wirkung von Rhabarber und Phenolphthalein 
geaussert, fahrt er fort: „Hiemach konnen wir uns kaum 
ein zweckmassigeres Aperitivum denken, als die Kombination 
von Radix Rhei, in einer als Stomachikum und Aperitivum 
wirkenden Dosis, und Phenolphthalein es uns darbietet. 
Ein solches Aperitivum ist tatsftchlich kiirzlich von der 
Firma: Rhabarberwerke Dr. Paul Bruch in Wiesbaden 
hergestellt worden unter dem Namen Rheopurgin. Rheo- 
purgin ist in kleinen, bequem zu nehmenden und nicht 
unangenehm schmeckenden Tabletten in drei verschiedenen 
Stfirken hergestellt. Die meist in Betracht kommende Nr. II 
enthalt die Zusammensetzung Radix Rhei pulver. 0,2, 
Phenolphthalein (Dioxyphthalophenon) 0,1 pro Tablette. 
Hiervon nimmt man bei chronischer Obstipation abends 
zwei Tabletten, bei hartnSckigem Leiden drei Tabletten. 
Nach dem Lehrbuch fiir Arzneimittellehre von Tapp einer 
tritt die Wirkung des Stomachikums bei Radix Rhei am 
gtinstigsten ein bei Dosen von 0,1 bis 0,6, also bei der 
hier tatsachlich in der ublichen Abendgabe des Rheopurgins 
enthaltenen Dosis: Die zum Hervorrufen der aperitiven 
Wirkung hinzugesetzte Dosis Phenolphthalein, pro Tablette 
0,1, ist etwas geringer als der sonst bei alleiniger Phenol¬ 
phthalein - (Dioxyphthalophenon -)Verabreichung ublichen 


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Obstipatio — Prostatahypertrophie. 


Dosierung entspricht, da ja gleichzeitig auch noch etwas die 
aperitive Wirkung der Radix Rhei selbst in Betracht zu 
ziehen war. Nicht nur nach den wissenschaftlichen Ge- 
setzen <Jer Arzneiverordnungslehre aber, sondern auch nach 
den tatsachlich mit Rheopurgin gemachten praktischen Er- 
fahningen zeigt sich, dass wir in demselben ein geradezu 
ideales Abfiihrmittel haben. Mit der Regelung des Stubl- 
gangs, der bei abendlichem Einnehmen allmorgens nach 
dem ersten FrtlhstQck leichj; und natiirlich eintritt, zeigt 
sich gleichzeitig ein Rotwerden der meist belegt gewesenen 
Zunge, Zunahme des Appetites und Verschwinden der 
sonst bei Gebrauch von Abfdhrmitteln vormittags vor- 
handen gewesenen Mattigkeit. Gewdhnung habe ich nie 
beobachtet, im Gegenteil meistens bemerkt, dass Pat., die 
anfangs abends drei Tabletten nehmen mussten, nach zehn- 
tfigigem Gebrauch mit zwei, ja einer Tablette auskaraen. 
So kann denjenigen Aerzten, die bis jetzt noch kein so 
vortreffliches AbfQhrmittel kennen, dass sie nicht mitunter 
doch ein besseres haben mOchten, nicht dringend genug 
' geraten werden, es mit Rheopurgin einmal zu versuchen. 
Sie werden im Interesse ihrer Klienten, bei denen gerade 
das allt&gliche Leiden der chronischen Obstipation und der 
durcli unzweckmfissige Mittel bewirkten nervSsen Zer- 
schlagenheit solch grosse Rolle spielt, dieses Versuchs einst 
sich freuen.“ (Allgem. med. Zentral-Ztg. 1911 Nr. EO.) 

Prostatahyperirophie. Behandlung der F. durch 

Prostatadehnung. Von Dr. Felix Kraemer in Frank¬ 
furt a. M. Seit Einfiihrung der suprapubischen Prostatek- 
tomie durch Freyer hat die operative Behandlung der P. 
einen wesentlichen Fortschritt erfahren, Die Erfolge 
dieser Operation sind derart, dass im grossen und ganzen 
die anderen operativen Massnahinen zurzeit weit seltener 
als in frtlheren Jahren in Frage kommen. Immerhin ist 
die Mortalit&tsstatistik der Freyerschen Operation noch 
eine recht erhebliche (sechs, meist zehn Proz.) und besagt 
uns, dass trotz der technisch meist leicht ausfOhrbaren 
Enukleation der Prostata der Eingriff doch ein recht 
schwerer ist. Es ist daher gewiss der Standpunkt ge- 
rechtfertigt, zunftchst die konservativen Behandlungs- 
methoden in Erwftgung zu ziehen. Nach wie vor wird 
mit Recht dem aseptischen Katheterismus sowie dem 
Verweilkatheter als Palliativum eine grosse Bedeutung 
zur Beeinflussung der Stbrungen der P. in selbst vor- 
ge8chrittenen Stadien zugesprochen. Jedoch bleiben immer- 


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Prostatabypertropliie. 


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hin noch eine Reihe von Fallen fib rig, wo die Katheter- 
behandlung nicht den gewfinschten Erfolg hat, der Resturin 
hoch und die Beschwerden erhebliche bleiben. Ausserdem 
sind die Pat. meist fur lange Zeit auf den Katheter an- 
gewiesen, ein Zustand, der sich sehr haufig mit den 
sozialen Verhaltnissen vieler Prostatiker nicht vertragt. 
Eine weitere konservative Behandlungsmethode, die Deh- 
nung der Pars prostatica urethrae, die schon von Mitte 
des vorigen Jahrhunderts mit allerdings recht ungeeigneten 
Instrumenten geiibt wurde, hat neuerdings Bayer mit 
Erfolg in die Praxis eingeftihrt. Inzwischen hat derselbe 
Autor bei zwfilf durchwegs schweren Fallen sechsmal 
vollen Erfolg erzielt, zweimal wesentliche Besserung, fiber 
zwei Falle fehlten weitere Nachrichten, ein Fall musste 
prostatektomiert werden und ein Fall kam durch Urosepsis 
ad exitum, aber nicht im Anschluss an die Dilatation. 
In dem Falle, den Verf. zu veroffentlichen Gelegenheit 
hatte, war die Wirkung der Dehnung unverkennbar. 
Der Prostatiker, der im Anschluss an eine etwa ffinf 
Tage lang bestandene Ischuria zirka ffinf Wochen lang trotz 
Verweilkatheter und Katheterisation nicht imstande war, 
auch nur einen Tropfen Urin zu entleeren, erlangte die 
Fahigkeit der spontanen Urinentleerung wieder, und zwar, 
wie Verf. heute mitteilen kann, befindet sich der be- 
treffende Pat. seit jener Zeit nach ca. 1 8 / 4 Jahren voll- 
kommen wohl und hat keines Katheters mehr benfitigt. 
Unterdessen hatte Verf. Gelegenheit, drei weitere Falle 
erfolgreicli mit Prostatadehnung zu behandeln. Wenn wir 
bedenken, dass nach den Ergebnissen der Statistik Guyons 
und den Erfahrungen Thomsons fast die HSlfte der 
Falle von P. wahrend des Lebens frei von alien Be¬ 
schwerden sind und wir haufig Gelegenheit haben, bei 
Sektionen ganz erhebliche P. als Nebenbefund festzu- 
stellen, ohne dass bei Lebzeiten irgendwelche Erscheinungen 
hervorgetreten waren, so kann man unmfiglich die P. an 
und ftir sich als Krankheitszustand ansprechen. Zuerst 
Anomalien im Harnabfluss, bedingt wie im sogen. ersten 
Stadium durch venfise Stase, in den folgenden Stadien 
durch Deformierung der Harnrfihre, Bildung von Mittel- 
lappen und Barriere musculaire durch ungleichmassiges 
Wachstum, lfisen die Symptome der P. aus. Durch die 
venfise Stase wird die Harnrfihre temporar verengert, 
Dilatation mit Bougies wirkt in diesem Stadium vorzOglich. 
Der in den vorgeschrittenen Stadien gefibte Katheterismus 
so wie der Verweilkatheter ist sensu strictiore nichts anderes 


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300 


Prostatahypertrophie 


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als ein Dilatationsverfahren, das den Harnrbhrenkanal 
wegsam macht. Dass die Prostatadehnung mit dem Bayer- 
schen bzw. mit dem Kollmannschen Dilatator (Dittel 
KrQmmung) weit wirksamer ist, zeigen die von Bayer 
und Yerf. verOffentlichten Fftlle. Das Yerfahren ist dem 
aseptischen Katheterismus sowie der Wirkung des Ver- 
weilkatheters tiberlegen; es ist noch wirksam, wo letztere 
versagen, und bewirkt rascher bei Dehnung bis mindestens 
32 Charriere eine Abnahme des Resturins derart, dass 
hftufig vom Katheterismus Abstand genommen werden 
kann. Bei gewissenhafter Beachtung der Asepsis ist das 
Yerfahren gefahrlos, bei eintretender Blutung lftsst man 
mehrere Tage Verweilkatbeter mit gleichzeitigen Blasen- 
sptllungen liegen. Wenn diese Verbffentlichung dazu 
beitr&gt, die Skepsis, die selbst auch noch in spezialistischen 
Kreisen diesem Verfahren entgegengebracht wird, zu be- 
seitigen und zur exakten NaehprOfung auch von anderer 
Seite anregt, so wird sicherlich dem von Bayer neuer- 
dings eingefQhrten Verfahren als konservative Behandlung 
der P. die ihr gebGhrende Wtlrdigung zuteil werden. 
Trotz der grossen Erfolge der Prostatektomie sollte man 
in Anbetracht der eingangs gemachten Ausftlhrungen erst 
dann zur Operation schreiten, wenn auch diese konser¬ 
vative Therapie versagt hat. 

(MUnoh. med. Wochenschrift 1912 Nr. 3.) 

Yohimbin bei prostatiachen Beech werden. Von Dr. W. Karo 
(Berlin). Verf. hat das Yohimbin-Spiegel in einer Reihe 
von Fallen mit bestem Erfolge angewandt, und zwar im 
Gegensatz zu der sonst fiblichen Anwendung von Tabletten 
als intraglut&ale Injektion. Alle diesbezQglichen Fftlle 
— im ganzen bisher acht — waren Pat., die das klinische 
Bild des Prostatismus boten: es bestand also Polyurie, 
hftufige, mitunter mehr oder minder schmerzhafte Miktion, 
namentlich in der Nacht, kein oder nicht in Betracht 
kommender Residualharn, die GrOsse der Prostata war 
variabel. Das Alter der Kranken schwankte zwischen 
54 und 67 Jahren. In alien Fallen wurde die Diagnose 
Prostatismus auf Grund genauester Untersuchung, nach 
Ausschluss aller anderen in Betracht kommenden Affek- 
tionen, gestellt und zystoskopisch gesichert. Die spezifische 
Wirkung des Yohimbins auf die MiktionsstOrungen war 
augenfftllig. Die Pat., die Qber das angewandte Medika- 
ment, um Suggestion auszuschliessen, nicht orientiert 
waren, gaben prompt an, dass die Pausen zwischen den 


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Prostatahypertrophie — Schwaogerschaft, Geburt, Wochenbett. 301 

Miktionen sich verlilngerten; nach lftngerer oder kOrzerer 
Dauer horten die n&chtlichen Miktionsstdrungen in sechs 
von den acht Fallen vollstfindig auf. Anfangs verabfolgte 
Verf. eine Injektion t&glich, in der zweiten und den fol- 
genden Wochen jeden zweiten Tag. Jede andere Medikation 
unterblieb; die durcbschnittliche Bebandlungsdauer betrug 
etwa sieben Wochen. Irgendwelche nachteilige Wirkungen 
des Yohimbins kamen nicht zur Beobachtung. Bemerkens- 
wert ist tlbrigens noch, dass fast alle Pat. einen gilnstigen 
Einfluss des Yohimbins auf den Stuhlgang konstatierten. 

(Zeitachrift f. ftrztl. Fortbildung 1912 Nr. 4.) 


Schwanger sell aft, Geburt, Wochenbett. Zur 

Schxnerzlindemng normaler Geburten. Yon S. Wein- 
mann (Hebammenlehranstalt Mainz). Aus der Arbeit 
sind folgende Abschnitte far den Praktiker von Wichtig- 
keit. „Fraher waren Chloroform und Aether die souve- 
rfinen Mittel, die in der geburtshilflichen Praxis Verwen- 
dung gefunden. So unentbehrlich sie auch jetzt noch fOr 
die operative Geburtshilfe sind, far den physiologischen 
Geburtsakt haben sie sich keine besondere Bedeutung er- 
ringen kbnnen. Jede vollstandige Inhalationsnarkose be- 
deutet eine Gefahr far Mutter und Kind und setzt ausserdem 
oft die Wehent&tigkeit in hohem Masse herab. Im Gegen- 
satz dazu ist der schon in fraheren Zeiten verwandte 
,Chloroformhalbschlaf‘ neuerdings wieder zu Ansehen ge- 
kommen. Die Methode, auch ,Chloroformierung k la reine 4 
genannt, da sie zum ersten Male von Simpson im Jahre 
1853 gelegentlich der Entbindung der Kbnigin von Eng¬ 
land verwandt worden war, fand besonders durch Spie- 
gelberg 1856 in Deutschland weitere Verbreitung und 
Anwendung. In Amerika und England spielt sie heute 
noch in der geburtshilflichen Praxis des Arztes eine grosse 
Rolle, in Deutschland hat sie nie festen Fuss fassen kOnnen, 
bis neuerdings wieder Stimmen lebhaft far sie eintraten 
und besonders Hallauer, Georghin, Eisenberg und 
Ehrlich sie zur erneuten und ausgiebigsten Anwendung 
w&rmstens empfahlen. Wir haben in unserer Anstalt an 
einigen Fallen die Methode nachgepraft und sind mit den 
erzielten Resultaten nicht unzufrieden. Das Verfahren 
verfolgt den Zweck, die Wohltat der Narkose besonders 
Erstgebarenden im letzten Stadium der Geburt, dann wenn 
die letzten Wehen und das Durchschneiden des Kopfes, 
die Starke Dehnung des Dammes die Schmerzen bis auf 


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302 


Schwanger6chaft, Geburt, Woohenbett. 


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das Unertraglichste steigern konnen, angedeihen zu lassen. 
Die Technik ist sehr einfach: Mit Beginn des letzten Sta¬ 
diums der Presswehen, der sogen. ,SchGttel wehen 1 , lasst 
man die Kreissende 10—15 Tropfen Chloroform, also 
ausserordentlich geringe Mengen, einatmen und wieder- 
holt dieses Vorgehen am Anfang jeder Wehe bis zur end- 
gGltigen Geburt des Kindes. Nach Eisenbergs Ver- 
suchen hat sich gezeigt, dass oft schon nach den ersten 
15 Tropfen ein Zustand eintritt, in dem bei vbllig erhal- 
tenem Bewusstsein, bei erhaltenen Reflexen die Schmerz- 
empfindung stark herabgesetzt, gelegentlich ganz aufgehoben 
war; Eisenberg fuhrt diese Wirkung des ,Chloroform- 
halbschlafes 1 auf die, spezifisch narkotische Wirkung des 
Chloroforms zurGck, das von alien Empfindungen fast 
regelmassig zuerst die Schmerzempfindung auslOsche, und 
er sttitzt seine Behauptungen durch Yersuche, die nach- 
gewiesen haben, dass nur Chloroform, nicht Aether, Eau 
de Cologne und andere narkotische Mittel bei Kreissenden 
Hyp- bzw. Analgesie bewirken kann. DemgegenGber ist 
der durch die ,Chloroformierung a la reine‘ hervorgerufene 
Zustand von Hallauer in Anbetracht der so verschwin- 
dend kleinen Chloroformmengen als reine Suggestivnarkose 
aufgefasst worden. Nach den Erfahrungen in unserer 
Anstalt spielt die Suggestion auch wirklich eine nicht un- 
wichtige Rolle. Ueble Folgeerscheinungen haben wir 
nicht gesehen. Die Wehentatigkeit des Uterus blieb un- 
vetftndert, ebenso wurde die Bauchpresse stets in Aktion 
gesetzt, wenn auch manches Mai nur auf dringende Auf- 
forderung hin, nicht spontan. Bei manchen Frauen war 
ein Zustand leichter Benommenheit, ein ,Chloroform- 
halbschlaf* eingetreten, der aber nie so tief war, dass 
man sich mit der Pat. nicht h&tte verstandigen, sie zur 
selbstandigen Mitarbeit hatte aufriltteln kOnnen. Die 
Wehen wurden regelmassig und kraftig verarbeitet, die 
Wblbung und Dehnung des Dammes ging langsam von- 
statten, und gerade auf diese allmahliche Dehnung der 
Dammgegend fiihrt man einen weiteren Vorzug der Me- 
thode zurtick, die Verminderung der Zahr von Daram- 
rissen auch bei Erstgebarenden. Ueble Nebenwirkungen 
auf das Kind blieben unbeobachtet, ist doch auch die Nar- 
kose nur so oberflachlich, dass jede Gefahr f&r Mutter 
und Kind ausgeschlossen sein diirfte. u 

„Nach Grafenberg hatte die Injektion von 1 ccm 
2° oigem Pantopon bei Mehrgebarenden meist vollen Effekt; 
bei Erstgebarenden waren zwei Spritzen nOtig, im Inter- 


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Schwangerschaft, Geburt, Woohenbptt. 


803 


vail von zwel Stunden gegeben, um die heftigsten Geburts- 
schmerzen zu beseitigen. Er beobachtete keine Verlfin- 
gerung der Geburlsdauer, keine Schfidigung des Kindes. 
O. Jiiger empfiehlt auf Grund seiner gfinstigen, in der 
Kieler Universitats -Frauenklinik gemachten Erfahrungen 
das Pantopon zwecks Herabsetzung schmerzhafter Geburts- 
wehen weiterer NachprQfung. Auch Aulhorn kann von 
durchwegs guten Erfolgen aus der Leipziger Frauenklinik 
berichten und empfiehlt die Methode besonders zur Verwen- 
dung im Privathause, ebenso v. Deschwanden besonders 
zur Verwendung ffir denLandarzt. Wir haben uns in hiesiger 
Anstalt in 40 Fallen der Injektionsmethode bedient, und 
wenn auch 40 Fiille keine Statistik ausmachen, so reicht 
dieser gesammelte Erfahrungsschatz doch hin, ein ziemlich 
sicheres Urteil tiber die Wirksamkeit des Pantopons zu 
gewinnen. Zur Injektion verwandten wir die von der 
chemiscben Fabrik Hoffmann-La Roche (Basel-Grenzach) 
in den Handel gebrachten Ampullen, enthaltend 1 ccm der 
2 ’oigen sterilen Pantoponlfisung, die uns die Firma in 
iiebenswfirdiger Weise zu unseren Versuchen zur Verftlgung 
gestellt hatte. Als Zeitpunkt der Injektion wahlten wir 
in den meisten Fallen die Er&ffnungsperiode, dann wenn 
gute und regelmassige Wehen eingesetzt batten. Wurde 
das Mittel in der Austreibungszeit verabreicht, so war die 
Wirkung der Injektion eine viel ungleichmassigere; eine 
merkbare Schmerzlinderung war in dieser letzten Geburts- 
periode nur selten zu erzielen, aber unserer Erfahrung 
nach ist bei normaler Geburt die Dauer dieser Geburts- 
periode auch oft so gering, dass eine Schmerzherabsetzung 
gar nicht notwendig ist. Die 40 Injektionen verteilen sich 
auf 24 mit Pantopon allein, auf acht mit Pantopon-Skopo- 
lamin, einmal ausgefQhrt, und acht zweimal gemachte 
Injektionen mit Pantopon bzw. Pantopon-Skopolamin. 
Es sei zuerst fiber die mit Pantopon einmal behandelten 
Falle berichtet: Die Wirkung der Einspritzung machte sich 
meist nach 15—20 Minuten, in seltenen Fallen ’/a Stunde 
geltend und hielt durchschnittlich 2—3—4 Stunden an, 
selten kfirzere Zeit. Auf drei Kreissende war die Injektion 
ohne jeden Einfluss; aber dieser negative Erfolg zeigte 
sich nur dann, wenn die Yerabreichung des an8sthesie- 
renden Mittels zu spat, zu kurz vor der Geburt, geschehen 
war. In acht Fallen war eine nur massige Schmerzlin¬ 
derung eingetreten, subjektiv hatte die Wehentatigkeit an- 
geblich nur Avenig ah ihrer Schmerzhaftigkeit eingebfisst, 
die objektive Beobachtung der Kreissenden bewies dagegen. 


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304 


Schwangerscbaft, Geburt, Wophenbett. 


dass eine gewisse Anfisthesierung sich eingestellt haben 
musste, nach dem viel ruhigeren Verbalten zu schliessen, 
das die Frauen nach der Injektion boten. In 16 Fallen 
war eine deutlich schmerzstillende Wirkung des injizierten 
Mittels unverkennbar; in einigen Fallen wurden zwar die 
Wehen noch deutlich empfunden, doch hatte ihre. Schmerz- 
haftigkeit bedeutend abgenommen: die Uteruskontraktion 
wurde oft nur noch auf der H6he ihrer Wirkung als 
schmerzhaft empfunden, ihr An- und Abklingen gar nicht 
gespfirt. Bei anderen Kreissenden ging die anasthesierende 
Eigenschaft des Pantopons noch weiter; das Gefiihl f(lr 
die Wehentatigkeit der Gebarmutter war bei diesen so 
vollstandig geschwunden, dass die Frauen angaben, die 
Uterusarbeit sistiere nun vollstandig, obwohl objektiv mit 
der auf das Abdomen aufgelegten Hand deutlich eine Zu- 
sammenziehung der Gebarmutter zu konstatieren war. Nie 
warden Klagen tiber unangenehme Nebenwirkungen, fiber 
Eopfschmerz, Uebelkeit, Brecbneigung, SchwindelgefOhl, 
laut, nur bot sich bald nach der Einspritzung fast immer 
das gleiche Bild: die Frauen wurden mfide und schlfifrig 
und ffihlten sich am ganzen KOrper wie zerschlagen. In 
den Wehenpausen bestand dann meist ein schlaffihnlicher 
Zustand; er war aber nie so tief, dass die Frauen nicht 
fflr fiussere Eindrficke zugfinglich gewesen waren; sie 
reagierten auf Anrede, verfielen aber bald wieder in diesen 
Halbschlaf, um nur wahrend der Wehe wieder wach zu 
werden. Yorher laut schreiende und sich unruhig im Bett 
herumwerfende Kreissende wurden nach der Injektion 
vielfach viel ruliiger, nur ein leises Stfihnen und Wimmern 
verriet die Wehe auf der Hfilie ihrer Wirkung. Eine 
Mehrgebarende gab sofort spontan zu, dass diese ihre letzte 
Geburt viel weniger schmerzhaft als die frflheren gewesen 
sei, und sie, die sich anfangs aus Angst vor dem Stich 
der Nadel gegen die Injektion straubte, war spater voll 
Lob und Dankbarkeit fiber die ihr gebrachte Hilfe. In 
drei Fallen war die Wirkung der Pantoponinjektion vor- 
fiber, ohne dass die Erfiffnung der Geburtswege ihr Ende 
erreicht hatte, und wir wiederholten deshalb beim Wieder- 
einsetzen schmerzhafter Wehen die Einspritzung mit Pan¬ 
topon noch einmal, einmal mit geringem Erfolg (zu kurz 
vor der Geburt des Kindes!), in den zwei anderen Fallen 
mit recht befriedigendem Resultat. In ffinf Fallen ver- 
suchten wir nach negativem Ausfall der ersten Pantopon¬ 
injektion Schmerzlinderung dadurch zu erreichen, dass wir 
bei der zweiten Injektion das Pantopon mit einer kleinen 


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Schwangerachaft, Geburt, Wochenbett. 305 

Dosis Skopolarain (0,01 Pantopon ~r 0,0015—0,003 Sko- 
polamin) kombinierten, und samtlichen Frauen konnten 
wir durch die zweite lnjektion eine wesentliche Erleich- 
terung der Geburtsarbeit verschaffen." (SchluaB folgt.) 

(Miinoh. med. Wochenachrift 1911 Nr. 50.) 

— TTeber die Anwendung von Fituitrin bei Abort. Von Dr. 

L. Hell (Frauenhospital Basel). Verf. gelangt zu folgen- 
dem Schluss: Entsprechend der geringeren Reizbarkeit des 
Uterus in den ersten Schwangerschaftsmonaten sind auch 
• die Erfolge der Pituitrininjektionen viel schlechter als 

bei der Anwendung am normalen Geburtstermin. Die 
Wirkungen sind nicht besser und nicht sicherer als die 
von Sekale, von heissen und kalten Scheideduschen und 
stehen in keinem Verhfiltnis zu dem Preise des Pr&parates. 
Es empfiehlt sich darum, bei der Abortbehandlung die 
alten Mittel beizubebajten. 

(Munch, med. Wochenschrift 1911 Nr. 50.) 

— Vit Fferdeserum geheilte Scbwangerschaftstoxikose. Von 

Prof. Dr. R. Freund (Univ.-Frauenklinik der Charite in 
Berlin). In einem Falle von echter Schwangerschafts- 
dermatose griff Verf. auf das normale Pferdeserum zurfick, 
welches gegenfiber dieser Toxikose die gleichen wert- 
vollen Eigenschaften bekundet hat wie Schwangerschafts- 
serum. Die 21jahrige I-para kam am 2. November 1911 
mit Zwillingen im achten Monat spontan nieder; einen 
Tag vor dem Partus erkrankte sie an einem juckenden 
Hautausschlag an Bauch und Unterarmen, der durch die 
Entbindung nicht kupiert wurde, sondern sich im Wochen¬ 
bett in stetig wachsender Intensitat fiber Hfiften, Extremi- 
taten, Rficken, schliesslich fiber den ganzen Rumpf bis 
zum Hinterkopf in Gestalt von Flecken, Knotchen und 
Blaschen ausbreitete und von so heftigem Juckreiz be- 
gleitet war, dass die Pat. vollig des Schlafes beraubt 
wurde und sehr herunterkam. Die Diagnose seitens der 
Dermatologischen Klinik der Kgl. Charite lautete: Multi¬ 
formes toxisches Schwangerschaftsexanthem. Als am 
sechsten Wochenbettstage (also am achten nach Auftreten 
der Affektion) das Exanthem nicht zum Stillstand ge- 
kommen, sondern in eklatanter Progredienz begriffen war, 
wurden der Pat. 25 ccm frischen Pferdeserunis in die 
linke V. mediana injiziert. Sie reagierte darauf, wie viele 
der so behandelten Pat., mit Schtittelfrost, Fieber bis 39,5° 
und Kopfschmerzen; doch dauerte dieser Zustand nur 

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306 


Schwangerechaft, Geburt, Wocbenbett — Syphilis. 


einen halben Tag, w&hrend dessen der Juckreiz sich 
nahezu vollkommen verlor und nur noch in den beiden 
folgenden Tagen in ganz geringem Masse vorhanden war. 
Das Exanthem aber kam nicbt allein sofort zum Stillstand, 
sondem heilte, schon nach 24 Stunden wahrnehmbar, unter 
Abflachung der Kndtchen und Eintrocknung der Bl&schen 
so rapide ab, dass am siebenten Tage nach der Injektion 
nur noch an den am schwersten befallenen Stellen kon- 
fluierte, blasse Rfitungen bestanden. Am 15. Wochen- 
bettstage wurde Pat. entlassen. Zwei Wochen nach der 
Injektion sind keine Spuren der Erkrankung mehr nach- 

zuweisen. (Deutsche mod. Wocheneohrift 1911 Nr. 52.) 

Syphilis. Die Syp hi l i sbehandltmg mit Salvarsan. Von Re- 

gierungsrat Prof. M. v. Zeissl (Wien): ,,Im Frfihling 
des Jahres 1910 kamen die ersten Nachrichten fiber die 
Behandlung der S. mit 606, jetzt Salvarsan genannt, 
in die Oeffentlichkeit. Wenn auch die Gewissenhaftigkeit 
und Gelehrsamkeit Ehrlichs die Praktiker zur Einffihrung 
und zur Anwendung dieser neuen Behandlungsmethode 
dr&ngen musste, so wurden die Erwartungen, die man an 
Ehrlichs Entdeckung kntipfte, zum grossen Teile erfttllt, 
und heute, nach relativ kurzer Zeit, wird jeder Arzt, der 
sich nicht durch Voreingenommenheit irreffibren lfisst, 
sagen mfissen, dass der Vorteil in der Syphilistherapie, 
der durch Ehrlichs Entdeckung erzielt wurde, ein unge- 
heurer ist und dass die Wahrscheinlichkeit, dass die 
S. immer mehr und mehr eingeschrankt werden wird, 
eine bedeutende Aussicht hat. Der wichtigste Punkt 
der Salvarsanbehandlung ist, dass, wenn sie zu einer Zeit 
angewendet wird, wo nur der Primaraffekt vorhanden 
ist und noch keine Allgemeinerscheinungen bestehen, es 
mit ihr gelingt, eine Sterilisatio magna zu erzielen, das 
heisst, durch eine einmalige Einverleibung des Salvarsans 
eine Heilung fttr immer zu erzielen und das Auftreten 
von Allgemeinerscheinungen bintanzuhalten. Unter den 
283 bisher von mir mit Salvarsan behandelten Kranken 
habe ich 20, die mit dem Medikamente Ehrlichs zur Zeit 
des Primaraffektes behandclt wurden und die in der Zeit 
eines Jahres, ohne dass Hg und Jod angewendet wurden, 
frei von Konsekutiverscheinungen blieben und bisher bei 
der vorgenommenen Blutuntersuchung nach Wassermann 
einen negativen Befund ergaben. Sind zur Zeit, in der 
der Kranke zur Behandlung kommt, schon Allgemeiner¬ 
scheinungen der Lues vorhanden, so ist die Heilwirkung 


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Syphilis. 


307 


des Salvarsans dem Hg und Jod gegenfiber weit iiber- 
legen und ist auch in solchen Fallen das Auftreten von 
Rezidiven weit seltener als bei einer Quecksilber- und 
Jodbehandlung. Besonders rasch bilden sich zerfallende 
Papeln und Gummen nnter dem Einflusse des Salvarsans 
zuriick, wahrend bei Anwendung von Ehrlichs Mittel 
trockene Papeln, kleine papulose Syphilide und Psoriasis 
palmaris und plantaris langsamer schwinden, wie die ge- 
nannten Erscheinungen ja auch dem Quecksilber und Jod 
langsam weichen. Was Kranke mit Allgemeinerschei- 
nnngen des papulOsen Stadiums anbelangt, so ist auch 
bei diesen das Auftreten von Rezidiven seltener, wenn 
sie mit Salvarsan behandelt wurden, als wenn sie einer 
Quecksilbei*-Jodkur unterzogen wurden. Was die Er- 
krankungen des Zentral- und peripheren Nervensystems 
anbelangt, so werden auch bei den schon von Ehrlich 
angegebenen Vorsichtsmassregeln giinstige Erfolge erzielt. 
Bisher habe ich mich ausschliesslich auf die Injektion von 
monaziden LOsungen in die GlutSalmuskulatur beschrankt 
und noch keine intravenOsen Injektionen geiibt, weil ich 
bis jetzt die Kranken nicht im Spitale aufnehmen konnte, 
sondern sie meist ambulatorisch oder in Privatpflege, wo 
sie nicht unter konstanter Ueberwachung waren, behandeln 
musste. Das Wichtigste ist die strengste Aseptik bei Zu- 
bereitung der LOsung, und soli auch, wie ich schon im 
Juli 1910 angab, das destillierte Wasser, das zur LOsung 
verwendet wird, ebenso wie die ^prozentige Normal- 
natronlauge, vor dem Gebrauche sterilisiert werden. Die 
Spritzen, die man verwendet, mtkssen vor dem Gebrauche 
sterilisiert werden und die Injektionsnadeln vor der In¬ 
jektion in absoluten Alkohol eingelegt und vor dem Ein- 
stich mit steriler Gaze, die mit Schwefel&ther befeuchtet 
wurde, abgewischt werden. Dass das Ges&ss vor der 
Injektion gehOrig gereinigt und, wie vor jeder Operation, 
so steril als mOglich gemacht werden muss, ist selbst- 
verstSndlich. Die Erfolge scheinen, wie durch DOrrs, 
Duhots und meine Erfahrungen hervorgeht, giinstiger zu 
sein, wenn die aseptischen SalvarsanlOsungen schwach 
sauer reagieren. Ausser der Aseptik ist es noch von 
Wichtigkeit, den Kranken nach der Injektion durch acht 
Tage das Bett htiten zu lassen, weil die Schmerzen bei 
Bettruhe gering sind, sehr oft fast ganz ausfallen. Stellen 
sich Schmerzen ein, so appliziere man feuchtwarme Ueber- 
schl&ge, sind sie stark, so verabreiche man eine Morphium- 
injektion oder ein Morphiumzlipfchen. Wichtig ist die 

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Syphilis. 


Regelung der Di&t, das heisst, Ausscbaltung von sauren 
Fruchtsfiften, ferner Regelung des Stuhles. Dass die von 
einzelnen Seiten mitgeteilten Nervenaffektionen, besonders 
des Acusticus, Facialis, Oculomotorius etc., durch S. und 
nicht durch Salvarsan bedingt sind, wurde durch Benarios 
letzte Publikation, sowie durch Freys und meine Mit- 
teilungen endgGltig festgestellt. 1st doch zur GenQge 
bekannt, dass Erkrankungen der Nerven im FrQhstadium 
der S. auch unter Quecksilberbehandlung oder ohne jeden 
tberapeutischen Eingriff vorkommen kbnnen. Diese kurze 
Skizze mag den praktischen Arzt anspornen, so frQh als 
mbglich monazide Salvarsanlbsung unter strenger Aseptik 
anzuwenden, dieselbe, wenn Spitalsaufenthalt nicht m5glich, 
nur intramuskular zu injizieren und die genaue Unter- 
suchung des Herzens, des Auges vor der Injektion vor- 
zunehmen, mit einem Worte strenge die von Ehrlich 
angegebenen Kautelen einzuhalten. Wer Ehrlichs Vor- 
sichtsmassregeln beobachtet und stets strenge Aseptik ein- 
halt, wird nur gute Erfolge mit dem Salvarsan erzielen 
und zu seiner Freude erfahren, dass die sogenannten 
Neurorezidive Syphiliserscheinungen und keine Wirkungen 
des Salvarsans sind. Zum Schlusse will ich noch be- 
merken, dass ich unter 283 Injektionen keinen einzigen 
Abszess zu beobachten Gelegenheit hatte und dass die 
vier bei meinen Pat. vorgekommenen Nervenerscheinungen 
auf Syphilis oder andere Ursachen, nie aber auf das 
Salvarsan zurQckzuftthren waren.“ 

(Osterreichische Arzte-Ztg. 1912 Nr. 1.) 

— Embarin, ein nenes Antisyphilitikom. Von Dr. H. Loeb 
(Stadt. Erankenhaus Mannheim). Embarin ist nach Mit- 
teilungen der Fabrikanten Chem. Fabrik Heyden, Radebeul, 
eine 6*/s°/oige Losung von merkurisalizylsulfonsaurem 
Natrium und enthalt ausserdem noch ’ s% Akoin. Da 
das merkurisalizylsulfonsaure Natrium zirka 44°/o Queck- 
silber entlialt, ist der Quecksilbergehalt des Embarins 
3°/o, so dass in ein ccm Embarin 0,03 g Quecksilber ent- 
halten sind. Unangenehme Ne’:enerscheinungen traten, 
abgesehen von zwei Fallen von Idiosynkrasie, nicht ein. 
Kleine Temperatursteigerungen, die besonders bei sensiblen 
Pat. nach der Einspritzung beobachtet wurden, ver- 
schwanden rasch wieder. Infiltrate und sonstige Reiz- 
erscheinungen, Schwellungen, Abszesse wurden in keinem 
Falle beobachtet. Schmerzen stellten sich nicht oder nur 
in ganz geringem Mass ein. Die Reizlosigkeit Hess sich 


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Syphilis. 


309 


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auch daraus beweisen, dass nicht nui* in Rticken und 
Gesftss, sondern versuchsweise auch unter die Brusl, in 
die Klavikulargegend, Oberschenkel, Arme ohne starkere 
lokale Reaktion injiziert werden konnte. Im allgemeinen 
erfolgten die Einspritzungen in das Unterhautzellgewebe 
der Gesass- oder RQckenhaut. Als Dosis wurde nach 
anfanglich tastendem Vorgehen mit kleineren Mengen 1,2 ccm 
in ein- bis zweitagiger Anwendung gewahlt. Bei I'rauen 
und Mannern fand dieselbe Quantitat Anwendung. Die 
durchschnittliche Zahl der Injektionen betrug 15. Doch 
wurden ohne Schaden 20 appliziert. Von Schwangeren 
wurden die Injektionen gleichfalls gut ertragen. Stomatitis 
trat selten und nur in schwachem Grade auf. Nieren- 
reizung oder Albuminurie wurde in keinem Falle beobachtet. 
Intestinale Storungen, Diarrhbe, Erbrechen, Kolik usw. 
wurden nie notiert. Der Heileffekt war in den meisten 
Fallen gut. Sklerosen, Exantheme, Papeln usw. bildeten 
sich rasch zuruck. Auch Falle, die gegen andere Behand- 
lung resistent blieben, konnten mit'Embarin zur Heilung 
gebracht werden; doch gab es auch immerhin Falle, die 
durch Embarin weniger gut beeinflusst wurden und noch 
weitere Behandlung erforderten. Auch RQckfalle wurden 
nach kiirzerer oder langerer Pause konstatiert. Die vor- 
her positive Wassermannsche Reaktion war wiederholt 
nach 16 Injektionen negativ befunden worden. Verf. ersah 
aus seinen Untersuchungen, dass die Hg-Ausscheidung 
sofort kraftig einsetzt, nach einigen Tagen ziemlich kon- 
stant wird, um nach Beendigung der Injektion rasch auf 
ein relatives Minimum herabzusinken. Das nicht im Urin 
abgehende Hg dOrfte in Faeces, Speichel, Atmung zur 
Ausscheidung gelangen, in geringeren Mengen auch im 
Organismus fixiert bleiben. Jedenfalls geht aus den 
Untersuchungen herror, dass Hg gelbst in grbsseren 
Mengen den Organismus durchstrbmt, ohne im allgemeinen 
toxische Wirkung zu entfalten. Seit langerer Zeit wendet 
Verf. Embarin kombiniert mit Salvarsan an in der sich 
auch anderwarts immer mehr Anerkennung verschaffenden 
Absicht, durch gleichzeitige Anwendung von Quecksilber 
plus Salvarsan um so schneller und sicherer zu heilen. 
Embarin schien fftr diese Kombination um so geeigneter, 
als damit, wie oben ausgefQhrt, eine rasche und intensive 
Durchtrankung mit Hg ermogliclit und es erreicht wird, 
in den kurzen Zeitraum von drei Wochen eine energische 
Hg - Kur und zwei Salvarsaninjektionen zusammenzu- 
drangen. Die Salvarsaninjektion wurde in alkalischer 


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Syphilis. 


LSsung, in Dosen von 0,5 bis 0,55 intravenos vovge- 
nommen. Zunachst konnte Verf. feststellen, dass die An- 
wendung beider Mittel in kurzer Aufeinanderfolge anstands- 
los ertragen wurde, und zwar in gleicher Weise, ob Salvarsan 
vor oder nach Embarin gegeben wurde. In einigen Fallen 
Hess Verf. zum Schlusse noch einige kleinere Injektionen 
01. ciner. folgen. Damit sah er die Erscheinungen rasch 
schwinden und die positive Serumreaktion, auch bei 
sekundArer Lues, negativ werden. Am augenfalligsten 
war aber der Erfolg bei der Abortivbehandlung der S. 
im Stadium des Primaraffekts, vor Auftreten der sekun- 
dftren Symptome. In alien diesen Fallen ging der Be- 
handlung die Exzision der Sklerose voraus, auf die Verf. 
zur Erreichung des Abortiverfolges grOssten Wert legt. 
Der Exzision schloss sich sofort eine Salvarsaninjektion 
und vom nachsten Tag ab eine Embarinkur von 7 bis 
16 Injektionen an, der dann eine zweite Salvarsaninjektion 
folgte. Nach zwei bis drei Wochen wurde haufiger eine 
dritte Salvarsaninjektion nackgesandt. Zehn Pat., die in 
dieser Weise behandelt unter Beobachtung blieben, sind 
bis jetzt vollig symptomfrei geblieben und zeigten von 
der ersten Injektion ab stets negative Wassermannsche 
Reaktion. Die verflossene Zeit betragt einmal neun, 
zweimal sechs, dreimal vier Monate, bei den fibrigen drei 
bis zwei Monate. Wenn also die Falle auch noch weiterer 
Beobachtung bedilrfen, so ist der bisherige Erfolg ausserst 
beachtenswert. Wenn Verf. die Hauptwirkung an diesen 
Resultaten dem Salvarsan einraumt, so ist doch anzu- 
nehmen, dass die intensive Hg-Ueberschwemmung den 
Erfolg der Vernichtung der Spirochaten vervollstandigt 
und sichert. Yerf. mdchte auch nicht unerwahnt lassen, 
dass er durch Kombination von Salvarsan mit andern 
loslichen und unldslichen Hg-Praparaten nicht minder 
gute Resultate erreicht hat. In Zusammenfassung der 
bisherigen AusfOhrungen diirfte sich Embarin als Praparat 
fftr den praktischen Arzt eignen. Die klare, hellgelbe 
LSsung ist in Ampullen von 1,2 ccm abgefallt. Es muss 
sowohl der AmpullenkOrper als auch die ausgezogene 
Spitze mit der Nadel leer gesaugt werden, um die voile 
Dose auszunutzen. Die Injektionsspritze bewahrt Yerf. 
in Alkohol auf, wodurch jede weitere Desinfektion entfallt 
und die Beimischung von desinfizierenden Ldsungen, 
welche das Embarin trhben konnten, vermieden wird. 
Die Injektionen werden, wenn die individuelle Ertraglich- 
keit durch erstmalige Einspritzung einer halben Dos is 


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Syphilis — Tumoren. 


311 


festgestellt ist, in der ersten Woche taglich, dann alle zwei 
Tage, am beaten ins Unterhautzellgewebe des Ruckens oder 
Gesasses vorgenommen. Gewbhnlich werden 15 Injektionen 
verabreicbt. Yerf. mbcbte die Nachprbfung des Mittels, 
welches eine energische Kur mit grossem Hg-Gehalt in 
kurzer Zeit ohne Stbrung f(ir den Pat. ermoglicht, weiteren 
Kreisen empfehlen. (Medina. Klinik 1911 Nr. 48.) 

Tumoren. Dauererfolge bei der Rftntgentherapie von Sar- 
komen. Yon Prof. Dr. Max Levy-Dorn (Berlin). Autor 
schreibt: „Wahrend die Tatsache, dass die Rbntgenstrahlen 
auf die Sarkome meist gOnstig einwirken, keinem Zweifel 
unterliegt, genbgen keineswegs unsere Erfahrungen liber 
die Bestandigkeit der erzielten Erfolge. Nach der von 
Kienbbck am 28. Marz 1906 in den Fortschritten auf 
dem Gebiete der Rbntgenstrahlen verdffentlichten kritischen 
Zusammenstellung von 90 Fallen fahren die Rbntgenstrahlen 
bei 18% der Sarkome vollst&ndigen Schwund herbei, weitere 
57°/o werden deutlich zum Schrumpfen gebracht und nur 
25% bleiben unbeeinflusst. Die meisten Beobachtungen 
der von Kienbbck zitierten Autoren erstrecken sich aber 
nur auf kurze Zeit. Die grbsste Beobachtungsdauer be- 
trug zirka zwei Jahre. Sie betrifft je einen Fall von Spindel- 
zellensarkom der Haut, von denen der eine von Coley 
und Skinner, der andere von Sjbgren beschrieben 
wurde. — In der in diesem Jahre erschienenen dritten 
Auflage des Gochtschen Handbuches der Rbntgenstrahlen 
finde ich nur einen, und zwar von Gocht selbst, langer 
beobachteten Fall von geheiltem Sarkom angefahrt. Es 
handelte sich um ein nicht vollstandig durch die Operation 
entferntes Melanosarkom des Auges, das durch Rbntgen¬ 
strahlen geheilt und vier Jahre ohne RQckfall geblieben 
ist. Jch bin nun in der Lage, uber zwei mit Rbntgen¬ 
strahlen behandelte Sarkomkranke zu berichten, die bereits 
fast sechs Jahre in meiner Beobachtung stehen: 

Eine heute 34 Jahre alte Frau war am 1. VII. 1904 
wegen rechtsseitiger Halsdriisengeschwulst, die sich in 
einem Jahre langsam entwickelt hatte, operiert worden. 
Die mikroskopische Untersuchung ergab Lymphosarkom. 
In der ersten H&lfte des Novembers 1905 begannen die 
Drilsen der bis dahin gesunden linken Seite von der Supra- 
klavikular- bis Submaxillargegend zu schwellen. An dem 
oberen Ende der Operationsnarbe entstand ebenfalls eine 
neue Driise; Narbe wie Drlisen zeigten sich gegen Druck 
empfindlich. Das Allgemeinbefinden hielt sich gut, das 


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312 


Tumoren. 


Blot blieb normal. Der fibrige Teil des Korpers zeigte sich frei 
von Drflsen. Trotz Behandlung mit Arsen and Priessnitz- 
schen Umschl Sgen vergrOsserten sich die T. Vor einer zweiten 
Operation scheate man wegen Ausbreitnng des Leidens zu- 
rQck. DieR5ntgenbehandlung begann am 30. XII. 1905, also 
sechs Wochen nach dem Rezidiv and der Aasbreitang des 
Leidens auf die linke Halsseite. Die linke Halsseite erhielt ini 
Jan., Febr. and April jedesmal in 6—7 Bestrahlungen 10 X., 
die rechte Seite dieselbe Dosis einmal in drei Sitzungen. Schon 
nach der ersten Behandlung gingen die DrQsen etwas zurfick. 
Im April konnte eine wesentliche Besserung bemerkt werden. 
Im Dezember desselben Jahres stellte sich aber Pat. wieder 
vor, well seit einigen Wochen die Schwellungen am linken 
Unterkiefer and hinter dem Obre wieder zunahmen. Durch 
elf Bestrahlungen wnrde bald wieder eine wesentliche Ver- 
kleinerung erzielt, die allmahlich znm vollstandigen Schwund 
der DrOsen fQhrte. Ira Herbst 15)09, also fast drei Jahre 
spater, schwollen die LeistendrQsen an, w&hrend der llals 
gat blieb. Trotz Bettruhe und UmschlSgen nahm das 
Leiden ca. *U Jahr zu, dann traten Schmerzen auf, und 
die Haut entzOndete sich; gleichzeitig bestand Fluor. 
Nachdem dieser Zustand drei Wochen ohne Neigung zur 
Eiterung bestanden, erinnerte man sich der frOheren Erfolge 
der Rontgenstrahlen. Bereits 14 Tage nach Beginn der 
Rontgentherapie hatten Schwellong und Empfindlichkeit 
wesentlich nachgelasseit und hOrten bald vollstftndig auf. 
Der Sicherheit wegen wurde aber drei Wochen spater die 
Behandlung noch einmal wiederholt. Beide Male wurde die 
Dosis zehnmal in je drei Sitzungen for die rechte und die linke 
Leistengegend verabfolgt. Seitdem ist Pat. nach ihren An- 
gaben und wie ich mich kQrzlich (am 28. XI. 1911) tkberzeugt 
habe, von ihrem DrQsenleiden g&nzlich befreit geblieben. 

Der zweite Fall betraf ein periostales Sarkom des 
Oberscbenkels: Der heute 23 Jahre alte Pat. kam im 
Marz 1906 in meine Behandlung. Er litt seit zirka zwei 
Jahren an Schmerzen im linken Oberschenkel, welche von 
ihm auf ein Trauma zurOckgeftihrt werden. Nach ein6r 
Bergtour im Herbst 1904 steigerten sich die Beschwerden 
so sehr, dass tftglich Narkotika verabfolgt werden mussten 
(Aspirin, Pyramidon). Eine ROntgenuntersuchung ergab 
damals keine abnormen Befunde. Trotz energischer An- 
wendung der physikalischen Heilmethoden und antineoral- 
gischer Kuren, unter anderem Aufenthalt in fOnf Sanatorien, 
stellte sich keine Besserung ein. Im April 1906 wurde 
zuerst eine Auftreibung des linken Femurs festgestellt. 


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Tumoren. 


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Eine AutoritSt diagnostizierte ,periostales Sarkom‘ und 
schlug die Exartikulation vor. Die von mir im Mai vor- 
genOmmene Rdntgenuntersuchung ergab: Um die obere 
H&lfte des Femurs zahlreiche unregelmassige, zum Teil netz- 
f&rmig angeordnete, zum Teil mit dem Knoehen parallele 
Schattenlinien. Darin sind einige Schattenfleeke einge- 
streut. Das Periost ist verdickt, der Enochen spindel- 
fSrmig aufgetrieben. Der Markkanal scheint nicht ver- 
Sndert zu sein. Die Operation wird nicht zugelassen. Ich 
begann eine Rdntgenbestrahlung und fdhrte sie folgender- 
massen durch: Yom 26. IV. bis 7. V. 1906 je eine 
Erythemdose in drei Sitzungen von vorn nach hinten und 
von den Seiten. Wiederholung des Verfahrens vom 29. V. 
bis 1. VI. 1906. Vom 25. VI. bis 5. VII. 1906 wurden noch 
ffinf Bestrahlungen hinzugefiigt. Die Rbntgenuntersuchung 
am 19. XI. 1906 bewies, dass der Tumor etwas zusam- 
mengeschrumpft war. Die Bebandlung wurde wiederholt, 
und zwar wurden vom 19. XI. bis 8. XII. 1906 im ganzen 
zehn Begtrahlungen vorgenommen. Zuletzt erhielt der Pat. 
im Februar 1907 (vom 4.—22.) noch neun Bestrahlungen. 
Zugleich mit den Rbntgenstrahlen wurde eine Arsenkur 
gebraucht (Atoxylinjektionen). Der Pat. wagte bereits 
September 1907, sich die Antineuralgika entziehen zu 
lassen. Obwohl hierbei schwere Abstinenzerscheinungen 
auftraten, schritt doch die Besserung sichtlich fort. Im 
FrOhjahr 1908 waren alle Beschwerden fast ausnahmslos 
geschwunden, Pat. konnte ohne Nachteil Bergtouren machen 
und sich seitdem unggstbrt seinen Studien widmen. Die 
am 25. XI. d. J. vorgenommene Rbntgenuntersuchung 
ldsst noch eine spindelfQrmige Schwellung des Femurs er- 
kennen. Die Trabekel ausserhalb des Periosts sind bis 
auf einen kirschkerngrossen Rest, der als isolierte Knochen- 
insel erscheint, vollstandig geschwunden. Die Verdickung 
des Knochens kommt auf Kosten des Periosts bzw. der 
Corticalis zustande. Scit Beginn der Behandlung sind flber 
fttnf Jahre und sieben Monate vergangen. — 

Dass die beiden mitgeteilten Krankheiten unter die 
Rubrik fallen, die wir heute mit ^arkom 1 bezeichnen, 
kann keinem Zweifel unterliegen. Im Fall 1 besteht eine 
mikroskopische Kontrolle, im Fall 2 spricht unter anderem 
der eigenttlmliche facherformige Bau des Tumors fiir die 
Diagnose. Diesem Urteil entsprachen auch die drako- 
nischen Mittel, welche von den behandelnden Aerzten 
angewandt resp. empfohlen wurden (I. Operation, II. Ex- 

artikulation).“ (Berliner klin. Woohensebrift 1912 Nr. 1.) 


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Vermi6chte9. 


Vermischtes. 


Nochmals Aegypten and seine Indikationen. Von Dr. H. Engel 
(Heluan). In dem Artikel heisst es: 

„Ich mbchte die Indikationen des agyptischen WGsten- 
klimas zunSchst ganz allgemein dahin formulieren: Jeder, 
der aus chronischen Krankheitsgrttnden dem europ&ischen 
Winter und seinen Sch&dlichkeiten aus dem Weg gehen 
soli oder will, passt nach Aegypten, sobald sein Leiden 
niclit zu yorgeschritten, sein allgemeiner Ernfihrungs- und 
Kr&ftezustand ein gtlnstiger ist und seine Verdauungs- 
organe funktionstftchtig sind. Die Sehnsucht nach dem 
Sommer und seinen mit ilim verbundenen klimatischen 
Vorteilen kann jedem chronisch Kranken dort gestillt 
werden. 

Spezielle Indikationen aufzustellen, ist heute nur fCLr 
vier Erankheiten mbglich: 

1. Chronischer Rheumatismus und Gicht. Hier kommt 
die Trockenkeit des WQstenklimas zu roller Geltung und 
Wirkung. Die betreffenden Kranken bessern sich sehr 
h&ufig oder das Leiden bleibt doch wfthrend des Aufent- 
halts stationer, die Anf&lle werden seltener oder ver- 
schwinden. Die Heluaner warmen Schwefelquellen stellen 
bier gewiss ein sch&tzbares Adjuvans dar. 

2. Nephritis. Ich habe schon frfiher versucht, tlber 
diese Indication Spezielleres auszuarbeiten. Heute stehe 
ich, da bei der Mannigfaltigkeit und dem Ineinander- 
greifen der einzelnen Krankheitsformen eine exakte Aus- 
arbeitung differentieller Indikationen doch kaum erzielt 
werden kann, mehr auf dem etwas resignierten Standpunkt, 
der mit der obigen Indikationsdefinition im allgemeinen 
korrespondiert: Jeder nicht zu schwer Nierenkranke mit 
guter Verdauung und gutem Ern&hrungszustand passt 
nach Aegypten. Ob die Trockenheit des Wtkstenklimas 
bei der sogenannten ,Entlastung der Nieren durch vermehrte 
Hautatmung 1 eine wirklich bedeutende therapeutisch- 
spezifische Rolle spielt, ob nicht vielmehr die gQnstige 
Beeindussung in erster Linie der Vermeidung des Winters 
und der Wintersch&dlichkeiten Europas zu verdanken ist, 
ist noch nicht entschieden. Was erzielt wird und wieviel 
erzielt werden kann, ist schon oben betont. Es sind 
'auch dieser Therapie Grenzen gesetzt. Von den einzelnen 
Formen hat die Schrumpfniere die geringsten Erfolge 


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Vermischte8. 


;i 15 

aufzuweisen, eben weil sie ein hoffnungsloser und meist 
schwerer Krankheitszustand ist. Besserungen naraentlich 
subjektiver Natur sind immerhin zu verzeichnen. Die 
anftmische Form der Schrumpfniere passt nach meinen 
Erfahrungen am wenigsten nach Aegypten. Plethoriker 
mit Schrumpfniere dflrfen nur von Ende November bis 
Ende Mftrz in Aegypten bleiben, ebenso Nephritiker mit 
labilem Herzen. Ein guter Indikationsindex ist nach 
meinen Erfahrungen der Blutdruckmesser: Nephritiker 
mit sehr erhbhtem Blutdruck (aber 180 mm Hg) 
passen nicht melir nach Aegypten. Schieffer hat neuer- 
dings die Forderung aufgestellt, dass nur Nephritiker 
nach Aegypten gehen sollen, bei denen die funktionelle 
Nierendiagnostik normale Verhaltnisse ergeben hat.. Diese 
weitgehende Forderung bedarf gewiss noch der PrQfung. 

3. Lungentuberkulose. In erster Linie gilt hier die 
oben aufgestellte allgemeine Forderung: guter Kr&fte- und 
Ern&hrungszustand, gute Verdauungsorgane. Da nun 
gerade bei Lungenkranken diese Vorbedingungen oft fehlen, 
namentlich im sekundaren und terti&ren Stadium, so er- 
gibt sich von selbst, dass eigentlich nur die leichten, 
afebrilen und unkomplizierten Falle nach Aegypten passen. 
Die Ern&hrungsverh&ltnisse — das muss betont werden — 
sind in ganz Aegypten nicht so ganstige wie z. B. in den 
Hochgebirgskurorten der Schweiz usw. Namentlich die 
animalischen Produkte (Milch, Eier, Fleisch) sind kaum 
in erster Qualit&t zu haben. Nur in den erstklassigen 
Hotels kann der far Lungenkranke so wichtigen Forderung 
kr&ftiger Ern&hrung einigermassen entsprochen werden. 
Ein mit reichlich guter Verpflegung und auch sonst gut 
gefahrtes Lungensanatorium, dessen notgedrungen hohe 
Preise allerdings sein Fortkommen erschweren warden, 
hfitte sicher — daran zweifle ich nicht — ebenso gute, 
wenn nicht bessere Behandlungsresultate aufzuweisen wie 
die europ&ischen Sanatorien. Solange es nicht existiert, 
werden die Vorteile des Klimas, die namentlich auch bei 
den katarrhalischen Formen der Lungentuberkulose zu 
grosser Geltung kommen kSnnten, durch die speziell far 
Lungenkranke bedeutsamen ausseren Nachteile aufgehoben. 

4. Blasen - und Nierentuberkulose , die meist nicht den 
konsumptiven Charakter zeigen wie Lungentuberkulose, 
passen gut nach Aegypten, besonders ihres grossen WSrme- 
bedarfnisses wegen. Heilungen habe ich — im Gegensatz 
zu Schieffer — noch nicht gesehen, dagegen weitgehende 
Besserungen. 


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31G 


Vermischtes. 


D. Hygiene. Wir wissen, dass je weiter sttdlich, urn so 
schwerer m’oderne sanitftre und hygienische Forderungen 
erfQllbar sind. In der Wtiste ist die Gefabr infektiQser 
Krankheiten aber doch so gering, dass sie von einem 
dortigen Aufentbalt nicht abschrecken darf. Ich habe in 
acht Jahren nur einmal einige Typhusinfektionen in He- 
luan mit erlebt, in Assuan sind kleine Dysenterie- und 
Anginaepidemien in diesem Zeitraum vorgekommen. Im 
ganzen aber haben die gesundheitlichen Verh&ltnisse der 
Wiistenkurorte sicher eine bessere Si at ist ik aufzuweisen 
als mancher italienische Fremdenplatz. Immerhin ist eB 
gut, wenn jeder, der nach Aegypten reist, von seinera 
Hausarzt und gleich nach „ Ankunft von seinem dortigen 
Arzt auf die einzelnen hygienischen Vorbeugungsmass- 
regeln aufmerksam gemacht wird.“ 

(Zeitachrift f. physik&l. u. difttet. Therapie 1911 Nr. 11.) 

— Bemerkenswerte physiologische Untersuchungen fiber die natQr- 

lichen Staatsbrunnen zn Fachingen and Niederselters, 

welche fQr das Verstandnis der Wirkungen dieser Brunnen 
von hoher Wichtigkeit sind, wurden im Kftnigl. Patholo- 
gischen Institut der Berliner Universitfit gemacht. Prof. 
Dr. A. Bickel, Yorsteher der experimentell-biologischen 
Abteilung des obengenannten Institutes, verOffentlicht in 
der neuesten Nummer der „Zeitschrift fQr Balneologie“ die 
interessanten Ergebnisse dieser Experimente. 

— Hebei Gelonida, eine neae Tablettenlorni» und ihre Wirkung 

bei Nerven- und GemQtskrankheiten. Von Oberarzt Dr. 
MOrchen. (Aus Dr. v. Ehrenwalls Sanatorium fftr Nerven- 
und GemQtskranke in Ahrweiler.) Die Dispensierung weit- 
aus der meisten festen Medikamente in Tablettenform ist 
wegen mannigfacher VorzUge dieser Darreichungsart ge- 
radezu ein modernes BedQrfnis geworden. Ein nicht zu 
unterschatzender Nachteil liaftete jedoch bisher fast alien 
Tabletten an: schwere Zerfallbarkeit. Diese bewirkte bei 
manchen bestimmten Medikamenten eine so betr&chtliche 
VerzOgerung und Verlangsamung der Wirkung, dass der 
therapeutische Effekt dadurch nicht selten erheblich beein- 
trachtigt, bisweilen sogar aufgehoben wurde, abgesehen da- 
von, dass oft die Tablette selbst die Magenw&nde oder 
sogar den Darmtraktus reizte. Es ist deshalb von nicht 
geringer praktischer Bedeutung, dass der Firma Goedecke 
& Co., Berlin, die Darstellung einer neuen Tablettenform — 
Gelonida — gelungen ist, die von diesem Nachteil voll- 


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Vermisohtes. 


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kommen frei ist, wie die Versuche des Verf. anschauiich 
zeigen. Es handelt sich bei den Gelonida um ein beson- 
deres patentiertes Verfahren, welches die Tablette in FlOs- 
sigkeiten, also auch im Magensaft, gewissermassen „sprengt“, 
so dass selbst bei stSrkster Komprimierung ein schneller 
Zerfall der Tablette gewahrleistet ist. Bei vergleichenden 
PrQfungen von Rheum, Pyrenol, Veronal (Di&tylbarbitur- 
s&ure), Opium, Morphium usw. als Gelonida und in ge¬ 
wohnlichen Tabletten in Wasser und einer Art kOnstlichem 
Magensaft zeigte sich, dass bezOglich der Erweichung und 
Zerfallbarkeit die Gelonida den anderen Tablettenformen 
weitaus (iberlegen sind. Bei AzetylsaiizylsSUre, Sulfonal 
in Gelonidaform sowie bei den Gelonida antineuralgica 
ist die Ueberlegenheit in der Schnclligkeit des Zerfallens 
sogar eine ganz verblGffende. In gewohnlichem Wasser 
zerfielen die Gelonida teilweise in einer geradezu explo- 
sionsartigen Weise; Verf. empfiehlt deshalb das Nachtrinken 
von Wasser bei dem Einnehmen von Tabletten jeder Art. 
Abor auch in schleimhaltigem kOnstlichen Magensaft waren 
die Gelonida schon vollstandig zerfallen, wenn die ge- 
wohnlichen Tabletten noch gar nicht oder doch nur zur 
Halfte erweicht waren. Auch zeigte es sich, dass die 
letzteren selbst nach ziemlich vollst&ndigem Erweichen, 
was meist erst nach einer halben Stunde bis zur Leicht- 
zerdrilckbarkeit geschehen war, noch eine etwas klebrige 
kleisterartige Masse bildeten, die an den Wlinden des 
Glases haftete, wahrend die Gelonida ein feinkOrniges 
Pulver darstellten, sobald sie zerfallen waren. Besonders 
beachtenswert sind die klinischen Ergebnisse bezOglich der 
Gelonida im Vergleich zu gewohnlichen Tabletten. Einen 
guten Prtifstein bilden hier vor allem Veronal (Diatyl- 
barbitursaure) 'und Sulfonal. Es ist bekannt, dass ge- 
wohnliche Tabletten dieser Schlafmittel oft gar nicht oder 
erst am nachsten Tage sedativ bzw. hypnotisch wirken, 
wegen der ausserordentlich verzogerten Resorption. Bei 
Verwendung von Gelonida Sulfonali bzw. acid, diaetyl- 
barbituric. trat der hynotische Effekt bedeutend schneller 
ein, und zwar in derselben Weise, als wenn Sulfonal bzw. 
Veronal inPulverform gereicht wurde. Bei Sulfonal schien 
sogar eine gewisse Ueberlegenheit der Gelonida gegen- 
uber dem Pulver zu bestehen, auch bezOglich geringerer 
Nachwirkungen am nSchsten Tage. Dabei wurde nie fiber 
eine Bel&stigung des Magens geklagt, auch wenn die 
Tabletten im ganzen verschluckt wurden. Diese augcn- 
fdllige Ueberlegenheit der Gelonida gegeniiber den gewohnlichen 


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V ermifichtes. 


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Tabletien , gemessen an der leicht kontrollierbaren klinisch- 
therapeutischen Wirkung von Sulfonal und Veronal, ist 
der anschaulichste Beweis fur die praktische Bedeutung dieser 
neuen Tablettenfonn. Bei einigen Medikamenten liegen, 
wie Verf. hervorhebt, in der Tat die Dinge so, dass fOr 
ihre Verwendung als Tabletten die Gelonidaform die Sicher- 
heit der Wirkung bedeutend erhaht und die Gelonida 
deshalb vor den bisherigen Tablettenformen den Vorzug 

verdienen. (Berliner klin. Woobenaehrift 1911 Nr. 62.) 

! 

Ueber die Kombination von Lnft- and Sonnenb&dern mit 
Seebadern. Von Dr. P. Grabley (Berlin). Autor kommt 
zu folgenden Schliissen: 

1. Therapeutisch sind Luft- und Sonnenbad nach 
Technik und Indikation scharf zu trennen. 

2. Das Luftbad abt eine milde roborierend-tonisierende 
Wirkung aus. 

Indikation: Chlorose, Anamie, Neurasthenic. 

3. Das Sonnenbad ist bei korrekter Technik eine 
intensiv schweisstreibende Prozedur. 

Indikation: Gicht, Rheumatismus, Nephritis, alte 
Malaria, Lues III. Intoxikationen, chronische 
Hautkrankheiten. 

Kontraindikation: Neurasthenie, fortgeschrittene 

Arteriosklerose. 

4. Filr gesunde Menschen wirkt das Luftbad vor einem 
kurzen Seebade durch seine Wftrmestauung in der Haut 
gilnstig. 

5. Zu kombinieren sind daher Luftb&der mit See¬ 
badern nur far organisch und nerv&s Gesunde. Das 
Luftbad ist das adequate und mildere Tonikum. 

6. Sonnenbad und Seebiider sind in Kombination 
nicht zu verwenden, wegen der H&ufung intensiver Stoff- 
wechsel- und Organreize. 

(Zeitschrift fiir Balneologie 1911 Nr. 15.) 


Ein billiges HOrrohr znr Verwendung bei ansteckenden 
Erankheiten empfiehlt Dr. H. Betz (Heilbronn). Das 
sehr vereinfachte Instrument ist im Preise so gestellt, 
dass es nur bei einer Krankheit verwendet zu werden 
braucht, es bleibt im Hause des Kranken in Sublimat- 
losung gelegt oder in einem Handtuch verpackt liegen 


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VermiBchtes —, Bucherachau. 


319 


und wird am Ende der Behandlung vernichtet. Das 
HOrrohr ist, damit sich der Preis nicht hoch stellt, denk- 
bar einfach gefertigt, es hat die Masse eines gewohnlichen 
Horrohrs und besteht aus gut schalleitendem Holz, und 
zwar besteht es, wie auch sonst viele HOrrohre, aus zwei 
zusammensetzbaren Teilen, dem Rohr und der Ohrplatte, 
nur dass letztere nicht durch Schraubung, sondern durch 
einfache Aufsteckung dem einfach gestalteten, leicht konisch 
sich unten verbreiternden Rohr angepasst wird. Diese 
Einfachheit bedingt den billigen Preis. Die HOrrohre 
werden in Originalschachteln von 10 Stock zu 5 M. von 
der Firma Julius Hankh in Stuttgart verkauft. Der 
billige Preis bedingt und ermOglicht die hygienische 
Forderung: BenOtzung des Horrohrs nur bei einem Krank- 
heitsfall und Vernichtung des Instruments nach Ablauf 
desselben. (Muncb. med. Wochenschrift 1912 Nr. 4.) 


Biicherschau. 


Die GrnndzOge der Hygiene von MOiler und Prausnitz (Verlag 
von J. F. Lehmann, MQnchen, Preis: 9 M.) sind ein 
Buch, das keiner weiteren Empfehlung mehr bedarf. Auch 
braucht wohl kaum erw&hnt zu werden, dass bei jeder 
neuen. Auflage — uns liegt jetzt die neunte vor — die Verf. 
ihr Buch dem gegenw&rtigen Stande der Wissenschaft ent- 
sprechend umarbeiten; so ist auch jetzt kein Kapitel un- 
ver&ndert geblieben. Auch sonst ist der Inhalt wiederum 
vermehrt worden, sowohl der Text wie die Abbildungen — 
das Buch enthSlt deren jetzt 278 —, die sehr instruktiv 
sind. So wird auch diesmal das beliebte Werk den Kol- 
legen hochwillkommen sein. — Im gleichen Verlage er- 
scheinen bekanntlich „Lehmanns Medizin. Handatlanteri “. 
Wir bemerken, dass neu herausgekommen sind: L. GrOn- 
wald: Krankheiten der Mundhflhle, des Rachens und 
der Nase, 3. Aufl. Teil II (Atlas) und Lehmann- 
Neumann: Bakteriologie, 5. Aufl., Teil II (Text). 

— FOr diejenigen Kollegen, die gern in ihren Mussestunden zu 
Hause oder auf dem Wege zur Landpraxis ein gutes Buch 
in die Hand nehmen oder ein solches den Ihrigen schenken 


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320 


Biicherschau. 



wollen, sollen vier aus dem Verlage von L. Staackmann 
in Leipzig stammende Bficher genannt sein, welche die 
Leser durchaus befriedigen werden. In der Sammlung 
„Vom freudigen Schaffen", eine Anthologie aus unseren 
Tagen, findet man von 20 Diclitern — darunter Otto Ernst, 
Greinz, Ostini, SchGnherr, Rosegger—Proben ihres Schaffens 
vereinigt. „Die Novelle und Skizze herrscht in dem Bande 
vor. Heimatkunst und Humor, Schalk und Laune, Ge- 
mGtstiefe und feine Stimmungsmalerei, Lebenswahrheit, 
Mark und Kraft gehen durch dieses Buch. Es ist ein ge- 
sundes. Buch, ein mannhafter gemeinsamer Aufstieg zu 
den wahren HGhen der Drchtkunst“, heisst es im „Deutsch. 
Literaturspiegel“, und weiter: „Diese Amthologie ist wie 
selten eine berufen, ein Volksbuch zu werden, wozu ja 
auch der staunenswert billige Preis (1.80 M. for den 
hGbsch gebundenen umfangreichenBand) beitragen wird“. — 
„Die Liebe h&ret nimmer anf“, eine Tragikomddie aus 
der Boheme von Otto Ernst, in der eine Gberaus sym- 
pathische.Frau, eine Martyrerin der Liebe, im Yordergrunde 
steht, wird lebhaftes Interesse von Anfang bis zu Ende er- 
wecken, ebenso ein Roman Roseggers „Die beidenH&nse“, 
ein tief ergreifendes Buch, das die Schicksale zweier Freunde 
schildert, eiries Theologen und eines Mediziners. — End- 
lich Spielhagens Selbstbiographie: „Ermnertwgen ana 
meinem Leben", von Dr. H. Henning herausgegeben. 
Alle Freunde Spielhagens werden sich Gber dieses Buch 
freuen, Gber dies Buch, das man am liebsten in einem 
Zuge auslesen mochte. 


Notiz. 

Die heutige Nummer unseres Blattes enthalt eine Beilage, 
und zwar von der Firma: 

Goedecke & Co., Leipzig u. Berlin N 4, fiber 

ff Digistrophan <c y 

auf die wir besonders hinweisen. 


FiLr den redaktionellen Teil vorantwortlich: 

Dr. E. Graetzer in Friedenau-Berlln. 


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Eracheint am ]\/q O PreU des Jahrgangs 6 Mk. 

Anfanff etnas jeden Monats. a/ T— o> exkl. Porto. 


ESxcerpta medica. 

Kurze monatllohe Joumalausxiige 

aua der gesamten Fachliteratu/ 

znm Gebrauch fUr den praktischen Arzt 

Herauggegeben von Dr. med. Eugen Graetxer in Friedenau-BerHn. 

Yerlag to» Carl Sallmau, Leipzig. 


Mil. XXI. Jilrgmg 1912 


Agrypnie. Klinische Erfahrnngen mit Codeonal. Von 

Dr. G. Beyerhaus. (Aus der Rheinischen Prov.-Heil- und 
Pflegeanstalt Grafenberg.) Auf Grund seiner Beobach- 
tungen halt Verf. das Codeonal fftr geeignet, Ausreichendes 
zu leisten bei Schlaflosigkeit im Gefolge der verschiedensten 
Psychosen, sobald sie leichteren Grades ist. Es wirkt 
dabei aber nicht mit der gleichen Zuverliissigkeit wie die 
Oblichen Dosen der bekannten Schlafmittel Trional (1 g), 
Chloral (2 g) und Veronal (0,5 g). Bei der Schlaflosig- 
keit von schwer erregten Geisteskranken versagt es haufig; 
seine Anwendung ist daher hier nicht zu empfehlen. Bei 
geistig normalen Pat. lieferte das Codeonal gute Ergeb- 
nisse. Es beseitigte prompt die Schlaflosigkeit, die infolge 
starker Hustenanfalle und kOrperlicher Schmerzen bestand. 
Es ist das Hauptindikationsgebiet fbr die Anwendung des 
Codeonals die Bekilmpfung der Schlaflosigkeit, die bedingt 
ist dureh Schmerzen, nachtlichen Husten oder andere kOr- 
perliche Beschwerden, und Verf. glaubt, dass das Codeo¬ 
nal in diesen Fallen durchaus Gutes leisten wird. 

(Deutsche med. Wochenschr. 1912 Nr. 9.) 

— E. Kobrak (Berlin). Das Sedativnm und Hypnotikum Ada- 
lin in der Einderprazis nnter Berdcksichtignng seiner 
Verwendbarkeit bei der Therapie des Kenchhustens. 

K.s Erfahrungen basieren auf 35 mit Adalin behandelten 
Kindern. 24 waren Sauglinge unter zwei Jahren. 14 unter 
diesen unter ein Jahr, ein Kind hatte erst ein Alter von 
drei Tagen. Geschadet hat die Therapie keinem Kind. 
Behandelt wurden Kinder mit nervoser Schlaflosigkeit und 

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Agrypnie. 


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Uebererregbarkeit, unruliige Kinder mit Ernahrungssto- 
rungen sowie mit Infektionskrankheiten, solche mit Krampfen 
und mit Keuchhusten. Was den letzteren anbelangt, so 
zieht K. aus seinen Erfahrungen den Schluss, dass das 
Adalin als Sedativum gegen die nervose Komponente des 
Keuchhustens wohl brauchbar ist, dass es aber von Eula- 
tin wesentlich tibertroffen wird. Auch von den Chinin- 
praparaten Euchinin, Aristochin sowie von Bromoform 
sah K. in dieser Beziehung frtiher viel Besseres als von 
Adalin. Sehr brauchbar dagegen ist das Adalin oft bei 
mittelschweren Fallen, um den durch die nachtlichen An- 
falle um den Schlaf gebrachten Kindern jede zweite oder 
dritte Nacht mehr Ruhe zu verschaffen. K. rSt daher ftir 
alle Falle mit stark betonter nervoser Komponente am 
Tag als Sedativum Eulatin (3 — 4mal 0,15—0,25 fur 
Alter von drei Monaten bis zwolf Jahre) oder Aristochin, 
Euchinin und dergleichen zu geben, vor der Nacht aber 
jeden zweiten oder dritten Tag Adalin in Dosen von 0,2 
bis 0,6 ftir Alter von 1—12 Jahren anzuwenden. Sftug- 
linge unter einem Jahre bedtirfen auch dieser Dosis 0,2, 
wenn man hypnotischen Effekt erzielen will. Man scheue 
sich also nicht vor den scheinbar ftir das frtihe Lebens- 
alter hoch erscheinenden Dosen. Bei Stiuglingen von 
\i Jahr ist 0,15 durchschnittlich erforderlicli, bei einem 
dreitagigen SSuglinge wirkte 0,08 in wtinschenswerter 
Weise. Schwcrere Falle scheinen von Adalin, wenn man 
die Dosis nicht tibertreiben will, wenig Erfolg zu haben. 
In solchen wird man Chloral oder Kombinationen leichter 
Hypnotika mit Narkoticis wie Codein verwenden miissen. 
Die Thymianpraparate (Extr. Thym. sacharat., Pertussin, 
Thymanin) haben ihre Domarie filr starker katarrhalische 
Formen. Sie bewahrten sich zur Losung recht gut, haben 
aber auf die Htiufigkeit der AnfM,lle keinen Einfluss. Eben- 
falls gut losend fand K. reichliche Wasserdampfinhala- 
tionen mit Inhalierapparat. Zustltze ausser Emser Salz 
oder Kochsalz erschienen zwecklos. Ein Kupieren der 
einmal erworbenen Keuchhusteninfektion ist durch keins 
der Mittel mbglich. S$ine gesamten Erfahrungen fasst K. 
dahin zusammen, dass Adalin ein fftr Kinder unsch&dliches 
Beruhigungsmittel igt, das als Sedativum und Hypnotikum 
verwendet werden k^jin: 

1. Ftir unruhige, nervose Kinder. 

2. Ftir erregte und schlaf lose dyspeptische und tiber- 
haupt ernahrungsgestorte kranke Kinder und erleichtert 
das Hungerregime. 


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Agrypnie. 


323 


3. Fur Kinder mit Infektionskrankheiten, denen Nacht- 
ruhe nottut, gpeziell fur Pneumonien der Kinder, um dem 
Herzen liuhe zu schaffen, ais Ersatz der tiblicben Mor- 
phiummedikation bei Erwachsenen in solchen Fallen. 

4. Bei leichteren Krampfzustiinden aus den verschie- 
densten Ursachen. Fiir schwerere Falle empfiehlt sich 
mehr das Chloral*Brom. Eine Phosphormedikation und 
vor allem Diat behalten selbstverstandlich ihre Wichtigkeit. 

5. Beim Keuchhusten als Mittel fiir die Nacht, jeden 
zweiten bis dritten Abend, in solchen Fallen, in denen 
die Anfalle die Nachtruhe sehr stbren und die Kinder 
dadurch nervbs sehr herunterkommen. 

(Medizio. Klinik 1911 Nr. 49.) 


— TJeber Veronazetin, ein aus mehreren Komponenten zu- 
sammengesetztes Hypnotiknm und Sedativum. Von 

Dr. med. Max Baer. (Aus dem stfidt. Siechenhause zu 
Frankfurt a. M.) Das Veronazetin ist ein auf die An- 
regung v. Noordens hin zusammengestelltes Hypnotikum 
und Sedativum in Tablettenform. Es soil damit den Aerzten 
ein Pr&parat in die Hand gegeben werden, das dem Vero¬ 
nal vollig entsprechende schlaferzeugende'' Wirkung hat, 
ohne dessen oft beklagte Nebenwirkungen — Mbdigkeit 
und Eingenommensein des Kopfes, leichtes Kopfweh, wie 
nach Alkoholgenuss — zu besitzen. Die chemische Zu- 
sammensetzung des Mittels ist. folgende: Zwei Tabletten 
entsprechen: 


Natrium diaethylbarbituricum 0,3 

Phenacetin 0,25 

Codeinum phosphoricum 0,025. 

Im Veronazetin ist also die Hiilfte der vollwirksamen 
Veronaldosis vereinigt worden mit Phenazetin und Kodein, 
ausgehend von der Absicht, die Wirkung eines Schlaf- 
mittels durch Kombiriation mit anderen von gleiehen Eigen- 
schaften zu steigern, gestfltzt dabei auf Buergi, nach 
dessen Ansicht die Zelle in der Zeiteinheit aus zwei ver- 
schiedenen Medikamenten mehr als aus einem Mittel auf- 
nehmen kann, weil sie fiir jedes einen eigenen Rezeptor 
hat. Das Prilparat wird dargestellt von der Fabrik Dr. R. 
und (). Weil, Frankfurt a. M. Im Laufe der letzten Mo- 
nate hat Verf. im Siechenhause 23 Pat. Veronazetin ver- 
ordnet, durchgehends nur MSnnern. Er Hess sich dabei 

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324 


Agrypnie. 


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von vornherein von dem Plane leiten, die verschiedenen 
Arten der Schlaflosigkeit in den Bereich der Untersuchung 
zu ziehen und neben der Wirkungsbreite auch die Art 
der Wirkung und ihre Dauer festzustellen. Das Mittel 
wurde angewandt bei einfacher Schlaflosigkeit, bei leich- 
teren und stttrkeren Erregungszustanden, wie sie bei Epi- 
lepsie z. B. vorkommen, bei den starken rootorischen 
Erregungen der arteriosklerotischen Demenz und des Se- 
niums, sowie bei durch Schmerzen verursachter Schlaf¬ 
losigkeit. Recht gute Erfolge zeigten sich bei einem Pat. 
mit rheumatischer Polyarthritis; wenn seine Schmerzen 
so stark waren, dass er keinen Schlaf linden konnte, erhielt 
er eine Tablette Veronazetin und schlief dann prompt die 
ganze Nacht durch; die gGnstige Wirkung hat hierbei nie 
versagt. Weniger gut war der Erfolg bei Schlaflosigkeit 
wegen tabischer Krisen; bei einem Pat. liess sich keine 
Wirkung bemerken, ein anderer mit tabischen Krisen schlief 
wenigstens einige Stunden. Durchaus befriedigend war 
das Ergebnis bei sieben weiteren Kranken, die wegen 
Schmerzen bei Herzleiden, Oppression und asthmatischer 
Beschwerden schlaflos waren. Sobald sie Veronazetin 
erhielten, gewohnlich eine, bei schwereren Fallen zwei 
Tabletten, konnte stets eine sichere, schlaferzeugende Wir¬ 
kung beobachtet werden. Einer dieser Pat. mit starkster 
Oppression und so starker Atemnot, dass selbst die Mor- 
phiumspritze versagte, erhielt zu seiner Injektion noch 
eine Tablette Veronazetin und schlief dann fast die ganze 
Nacht ununterbrochen. Diesem Pat. gab Verf. auch 
wegen seines Hustens morgens eine Tablette Veronazetin 
als Sedativum mit dem Erfolge, dass er den ganzen 
Morgen tiber viel weniger belastigt war als sonst; am 
Nachmittag war dann der frtihere schlechte Zustand 
wieder da. Bei einem Fall mit mittelschwerer epilep- 
tischer Erregung trat nach 1—2 Tabletten vbllige Be- 
ruhigung ein. Sehr h&ufig angewandt wurde das Veron¬ 
azetin bei Pat. mit arteriosklerotischer Demenz und bei 
erregten Senilen, die nachts sehr unruhig waren, im Saal 
umherwanderten, sich zu anderen Pat. ins Bett legen 
wollten, usf. Sie bekamen je nach dem Grade ihrer mo- 
torischen Erregung 2—4 Tabletten. Bei zwei Tabletten 
zeigte sich oft keine Wirkung, dagegen waren die meisten 
Kranken nach drei Tabletten die Nacht i\ber bis zum 
frdhen Morgen rubig; andernfalls wurden vier Tabletten 
gegeben, die stets den gewflnschten Erfolg hatten. Ein 
Pat. mit stfirkster nSchtlicher Unruhe wurde durch Veron- 


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Agrypnie — Anasthesie, Narkose. 


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azetin, wie vorher durch Morphiumchloral, nicht beein- 
flusst; grossere Dosen als vier Tabletten wurden von uns 
nicht gegeben. Bei wenigen Pat. machte sich nach einiger 
Zeit eine verminderte Wirksamkeit bemerkbar, doch war 
die. Wirkung immerhin meist noch so stark, dass eine 
wesentliche StOrung der Nachbarpat. nicht stattfand; die 
nSchsthbhere Dosis brachte dann wieder ruhigen Schlaf. 
In alien Fallen erfolgreich erwies sich Veronazetin bei ein- 
facher Schlaflosigkeit, bei der eine besondere Ursache des 
mangelnden Schlafes nicht zu erkennen war. Hier ge- 
niigte meist schon eine Tablette Veronazetin, um den 
Kranken die erwiinschte Ruhe zu verschaffen. Schadliche 
und unangenehme Nebenwirkungen hat Verf. bei der Ver- 
wendung des Veronazetins nie beobachtet. Ivlagen uber 
Mttdigkeit, Kopfschmerzen und ahnliches sind von unseren 
Kranken, auch nach Verordnung unserer bisherigen Maxi- 
maldosis von yier Tabletten, nie geiiussert worden. Die 
Pat. erhielten das Schlafmittel gewbhnlich mit etwas Wasser 
abends gegen 8 Uhr; die Wirkung trat durchschnittlich 
nach 2—3 Stunden ein. Als Sedativum — 1—2 Ta¬ 
bletten — wurde Veronazetin friih morgens gegeben; eine 
besondere Rucksichtnahme auf die Zeit vor oder nach der 
Mahlzeit erschien nicht erforderlich. Dass das Veron¬ 
azetin relativ billig ist, — 200 Tabletten kosten nach den 
Angaben der Fabrik 16 Mark —, scheint uns ein er- 
wiilmenswerter Vorzug des Mittels zu sein. Zusammen- 
fassend kann sich Verf. dahin iiussern, dass das Veron¬ 
azetin, in geeigneter Dosierung, ein wirksames Hypnotikum 
und Sedativum ist, von relativ niedrigem Preis, ohne schad¬ 
liche und unangenehme Nebenwirkungen — also ein Mittel, 
das berufen erscheint, in Zukunft weitere Verbreitung als 
Schlaf- und Beruhigungsmittel zu linden. 

(Munch, med. Wochenscbr. 1912 Nr. 9.) 

Anasthesie, Narkose. Chinin als Lokalan&sthetikuin. 

Von Dr. E. Schepelmann (Halle). Zahlreiche Ver- 
suche, die Verf. anfangs an Tieren sowie an sich selbst, 
spiiter an Pat. anstellte, bewiesen die absolute Unsch&d- 
lichkeit der zur Verwendung kommenden Dosen sowohl 
beziehungsweise der lokalen wie der toxischen Allgemein- 
wirkung; unangenehm war im ersten Moment der kurz 
dauernde, brennende Schmerz an der Einstichstelle, den 
er jedoch spater zu vermeiden lernte durch den von Mar¬ 
tinet empfohlenen Zusatz von Antipyrin. Das Rezept 
lautet: 


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326 Anasthesie, Narkose. 

Kp. C’hinin. muriatic. 0,3 
Antipyrin 0,3 
Aq. destill, ad 10,0. 

. M. D. ad vitr. steril. cum collo ample. 

S. Zur Infiltrationsanasthesie. 

Je nach Grosse des Operationsfeldes verwendet Verf. 
l U bis 1—2 Spritzen oder mehr; es ist klar, dass von 
einer schfidlichen Chininwirkung bei diesen kleinen Dosen 
iiberhaupt keine Kede sein kann. Die Unempfindlichkeit 
tritt nach l /a —1 Minute ein; sie lasst sich etwas beschleu- 
nigen und nach der Peripherie hin erweitern durch Bei- 
mischung von Adrenalin*), das zugleich (fihnlich dem 
Antipyrin, aber weniger intensiv) den brennenden Schmerz 
im Moment des Einspritzens lindert. Die A. ist eine voll- 
stfindige, so dass alle Oberflfichenoperationen durchaus 
schmerzlos auszufuhren sind; dabei fehlt das beim Ivokain 
zu beobachtende Gefiihl des Taubseins oder Abgestorben- 
seins. Die Dauer der Operation ist belanglos; oft hat 
Verf. noch nach sechs Stunden bei sich selbst totale Un¬ 
empfindlichkeit bemerkt, nach 10—12 Stunden starke 
Hypasthesie bei massiger Einengung des Wirkungsgebietes, 
nach 24—48 Stunden noch eben nachweisbare Hypasthesie. 

(Die Therapie der Gegenwart, Dezember 1911.) 

— Notizen fiber die Anwendung des Anasthesins. Von Dr. 

Hubner (Stettin). Anfisthesin hat sich ihm seit dahren 
bewahrt als nachhaltig schmerzlinderndes Mitt el in der Zu- 
sammensetzung von Anasthesin 1,0, Alcohol, abs. 10,0, 
Liquor Aluminii acetici 2,0, Glycerini 30,0 in vitro nigro. 
bei der Otitis media acuta und der beginnenden Furun- 
kulose des Geh6rgangs. Man fuhrt einen sterilen Band- 
gazestreifen getrankt mit der erwarmten Losung in den 
Geliorgang bis an das Trommelfell, lasst drei- bis ffinf- 
mal taglich die Gaze durch Aufgiessen der Fltissigkeit 
anfeuchten und legt auf das kranke Ohr einen Priess- 
nitz-Umschlag. Die Schmerzen lassen bald nach, es gibt 
keine Vergiftungen, die bei Ivokain nicht ausgeschlossen 
sind, und keine Veratzungen des Trommelfells, wie sie bei 
10°/oigem Karbolglyzerin vorkommen. Desgleichen ist 
Anfisthesin mit Jodol. cristallisatum anaund l°/oigem Menthol, 


*) Chinin. mur. 0,3 
Adrenalin. 0,0005 
Aq. dest. ad 10,0. 


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Anastliesie, Narkose. 


327 


dreimal taglich in den Ivehlkopf geblasen, geeignet zur 
Selbstbehandlung, sehr schmerzlindernd bei der Dysphagie 
der tuberkulosen Larynxprozesse und gleichzeitig heilend 
bei Geschwfiren in der Verbindung mit Jodol. 

(Therapeutische .Monatshefte, Februar 1912.) 

—- Ein nener Handgriff znr MT. Von Dr. Gonterraann, Chirurg 
in Spandau. Autor schreibt: „Zu dem unentbehrlichen 
Rfistzeug des Narkotiseurs gehoren Mundsperrer und 
Zungenzange, letztere in Form von breitfassenden, stumpfen 
oder scharfzahnigen, kugelzangen&hnlichen Instrumenten. 
"Welch unangenehme Emplindungen die Anwendung einer 
Zungenzange nach dem Erwachen aus der N. auslosl, 
braucht nicht erortert zu werden. Auch die Klagen fiber 
Schmerzen an den Kieferwinkeln nach lSngerem ,Kiefer- 
vorhalten 1 sind bekannt. * Diese beiden Manipulationen, 
das Vorziehen der Zunge mit der Zange und das Kiefer- 
halten, soil der hier zu beschreibende Handgriff nach 
Moglichkeit ersetzen und ihre Nachteile ffir den Pat. aus- 
schalten. Vorweg ist zu bemerken, dass derselbe vor- 
zugsweise sich anwenden lasst bei Kopftieflage. Nach 
Oeffnen des Mundes mit dem Sperrer wird ein breit- 
gefasster, 3—4 cm dicker, fester, runder Stieltupfer von 
der anderen Seite in den Rachen eingeffihrt. Um die 
zurfickgefallene Zunge durch das Einffihren nicht noch 
mehr zuruckzudrangen und um sie gleichzeitig schon nach 
vorn zu heben und sp&ter halten zu konnen, ist es erfor- 
derlich, dass das Einffihren des Stieltupfers unter rotie- 
renden Bewegungen geschieht, und zwar so, dass die Zunge 
durch die Drehungen nach vorn gehoben wird. Diese 
Drehungen des Stieltupfers sind also verschieden, je nach 
der Seite, von der man mit demselben in den Mund ein- 
geht. Man rollt nun einfach den Tupfer auf der Zungen- 
oberflache bis auf den Zungengrund vor die Epiglottis 
und hat nun die. Zunge auf dem Stieltupfer ruhen. Durch 
Vordrficken desselben in der Richtung nach der Regio 
submentalis — nicht nach der Mundoffnung, weil er dann 
abgleiten wurde — l&sst sich die Zunge nach vorn heben. 
Die Epiglottis folgt dieser Bewegung, und so wird der 
Ivehlkopfeingang frei. Es ist leicht, wfihrend der ganzen 
N. auf diese Weise das Instrument zu halten. Man er- 
leichtert sich das Festhalten, indem man den Handgriff 
gegen die seitliche obere Zahnreihe stfitzt, und kann man 
so die Zunge bequem nach vorn hebeln. Da der Tupfer 
sich allmahlich voll Schleim saugt, wird er schlfipfrig und 


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328 


Anasthesie, Narkose — Diabetes. 


muss dalier gewechselt werden. In dem Aufsaugen des 
Schleimes liegt ein zweiter Nutzen des Tupfers. Nach 
dem Einlegen des Stieltupfers ist der Mundsperrer nicht 
mehr erforderlich. Wie erwfthnt, ist dieser Handgriff vor 
allem bei Kopftieflage anwendbar, weil dann die Zunge 
am sichersten auf dem Tupfer rulit. Nach einiger Uebung 
ist der Handgriff leicht auszuftihren. Das Auflegen der 
Narkotisierungsmaske wird durcli ihn nur wenig beein- 
trachtigt. Ich habe den Handgriff in zahlreichen Fallen, 
darunter bei einer Reike mehrstQndiger N., angewandt und 
ihn als Erleichterung der letzteren empfunden.“ 

(ZentralbJatt f. Ohirargie 1911 Nr. 50.) 

Diabetes. Eine Fehlerquelle bei Anwendung der Nylan¬ 
der schen Zuckerprobe. Yon Dr. E. Strauss. (Aus dem 
Laboratorium der Privatklinik fOr Zuckerkranke und diate- 
tische Kuren von Sanit&tsrat Dr. Eduard Larape in 
Frankfurt a. M.) „Wie notig es ist, die Nylandersche • 
Zuckerprobe stets noch durch eine andere Probe zu kon- 
trollieren, soli die folgende Notiz dartun. Eine zufallige 
Beobachtung hat gezeigt, dass es gewisse Substanzen gibt, 
welche durch ihre Gegenwart im Harn des Diabetikers 
das Eintreten der cliarakteristischen Reaktion (Schwarzung 
oder schwarzes Sediment) durch Reduktion der alkalischen 
Wismutlbsung zu metallischem Wismut hindern. — Der • 
Harn eines mit Jothioneinreibungen behandelten Diabe¬ 
tikers zeigte seit mehreren Tagen keine positive Nylander- 
reaktion mehr. Trotzdem ergab eine quantitativeBestimmung 
mittels Fehlingscher Losung (Methode von Lehmann) 
sowie die Polarisation noch reichliche Mengen ausgescJiie- 
denen Zuckers. Der Harn zeigte nach AnsSuern, Ver- 
setzen mit einigen Tropfen Chlorkalklbsung und Ausschfitteln 
mit Chloroform eine Starke Jodreaktion. Ftigte man nun 
zu irgendeinem Diabetikerharn oder auch zu einer starken 
Traubenzuckerlosung eine (etwa 3°/«ige) -\vassrig-alkoho- 
lische Lbsung von Jothion (Dijodoxypropan), so blieb auch 
liier die Reaktion aus, bzw. sie trat nur in Form einer 
Rotffirbung auf, wenn zu der zu prOfendeu Losung im 
Verhaltnis zum Jothiongehalte ein Ueberseliuss des Ny- 
landerreagens zugesetzt wurde. Ein Zusatz von Jodkali- 
losung oder von Jodlbsung hemmte die Reaktion nicht. 
Es scheint also sicher zu sein, dass das Jothion als solches 
in den Harn iibergekt und mit dem Wismutsalz eine kom- 
plexe Verbindung einzugehen vermag, welche das Wismut 
vor der Reduktion durch den Zucker schtitzt. Diesen 


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Diabetes. 


329 


Einfluss besitzt das Jothion aber nicht auf das Kupfer der 
Fehlingschen Lbsung. Wahrscheinlich dQrfte das Jothion 
nicht das einzige ,schtitzende‘ Medikament sein, welches 
bei alleiniger Anwendung der Nylanderprobe ein Freisein 
von Zucker vortauscht.“ 

(Mtlnch. med. Wochenschrift 1912 Nr. 2.) 

— Eine Fehlerqnelle bei der Trommerschen Zuckerprobe. 

Von Prof. Fr. N. Schulz (Jena). Autor schreibt: „Es 
ist schon oft genug darauf hingewiesen worden, dass die 
Trommel*Sche Probe in der Hand des Ungeubten leicht 
zu Irrtiimern Anlass geben kann. Nach der Trommer¬ 
schen Vorschrift soil man Harn mit reichlich starker 
Natronlauge versetzen und dann vorsichtig Kupfersulfat 
hinzugeben, solange sich das entstehende Kupferoxydliydrat 
noch auflost. Der Geiibte wird sich dessen bewusst sein, 
dass er bei Anstellung der Reaktion die Reagentien in 
der vorgeschriebenen Reihenfolge anzuwenden hat. Es 
ist das aber gerade bei dieser Reaktion selir wesentlich. 
Versetzt man Harn, der sicher zuckerfrei ist, zuerst mit 
Kupfersulfatlosung und dann mit Natronlauge, so werden 
grosse Mengen von Kupferoxydhydrat mit blauer Farbe 
in Losung gehalten. Die Menge des losbaren Kupfer- 
oxydhydrats schwankt (anscheinend nach der Konzentration 
des Harns). 5 com Harn sind etwa imstande, die aus 
5—10 Tr. konzentrierter Kupfersulfatlosung stammende 
Hydroxydmenge (bzw. die aus 20—30 Tr. der zur Feh¬ 
lingschen Mischung verwandten Kupfersulfatlosung) in 
Losung zu halten. Worauf dieser wesentliche Unterschied 
im Verhalten des Harns beruht, je nachdem man das 
Kupfersulfat zuerst hinzugibt oder nach der Natronlauge. 
kann ich nicht angeben. Es liegt aber gerade hierin fur 
den Arzt die Gefahr. Denn man sagt im allgemeinen, 
ein starkeres Losungsvermogen des Harns fiir Kupfer¬ 
oxydhydrat lege den Verdacht nahe, dass abnorme Zucker- 
mengen im Harn vorhanden seien. Kocht man nun einen 
solchen normalen, in der verkehrten Reihenfolge mit den 
Reagentien versetzten Harn, so bemerkt man schon bei 
kurzem Aufkochen, dass die blaue Farbe nachlasst und 
sich ein rotlicbgelber Farbenton beimengt. Hat man nicht 
sehr viel Kupfersulfat hinzugegeben, so .verschwindet die 
blaue Farbe bei kurzem Sieden vollstandig. Kocht man 
einen mit reichlich Kupfer versetzten Harn etwas langer, 
so tritt bei geeigneten Mischungsverh&ltnissen nach V;—1 
Minute ziemlich plotzlich eine intensive Reduktion ein. 


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330 


Diabetes. 


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so dass sich ein dicker Niederschlag von Oxydul bzw. 
Oxydulhydrat abscheidet, wie man ibn bei richtig ange- 
stellter lieaktion in Harnen mit mehreren Prozent Zucker 
zu sehen gewohnt ist. Besonders schon verl&uft diese 
Reduktion, wenn man im richti^en Moment mit dem Sieden 
aufhort, so dass die eigentliche Abscheidung des Oxyduls 
erst wiihrend des Erkaltens vor sich geht. Wesentlich 
dafQr, dass der Vorgang sich so abspielt, wie es hier be- 
schrieben wurde, ist, dass sowohl das Kupfersulfat als 
auch die Natronlauge in bestimmten Mengen zugegeben 
werden. Nimmt man zu wenig Kupfersulfatlosung, so 
tritt nur Entf&rbung ohne nachherige Abscheidung von 
Oxydul ein. Nimmt man zu viel Kupfersulfat, so dass 
nicht alles Kupferoxydhydrat sich l6st, so tritt die Re¬ 
duktion ebenfalls nur undeutlich zutage. Aueh die Menge 
der Natronlauge ist nicht gleichgiiltig. Verwendet man 
5 ccm Harn, versetzt man dann mit (je nach der Kon- 
zentration) 5—10 Tr. konzentrierter Kupfersulfatlosung 
und dann mit 15—20 Tr. ca. 30%iger Natronlauge, so 
wird man die Erscheinung mit jedem normalen Harn sich 
vorfuhren konnen. Weshalb ich hier etwas ausfiihrlicher 
auf diese Dinge zu sprechen komme, das ist der Umstand, 
dass ich glaube, dass es durchaus im Bereiche der Wahr- 
scheinlichkeit liegt, dass Praktiker, die keine grossere Er- 
fahrung in chemischen Untersuchungen haben, durch Nicht- 
beriicksichtigung dieser Fehlerquellen dazu kommen, Zucker- 
harne zu diagnostizieren, wo es sich um nicht diabetische 
Hame handelt. Allerdings mOssen ja zwei Fehler be- 
gangen werden. Erstens der Zusatz der Reagentien in 
der falschen Reihenfolge und zweitens das l&ngere Sieden. 
Aber nachdem der erste Fehler begangen ist, wird 'das 
auffallende Losungsvermogen des Harns im Kupferoxyd¬ 
hydrat und dann die Farbenveranderungen beim Erwarmen 
leicht dazu veranlassen, den zweiten Fehler anzuschliessen. 
Es lautet ja die Yorschrift, man solle den Harn nur bis 
zum Sieden erwarmen, und es wird ausdrOcklich vor lan- 
gerem Sieden gewarnt. Aber trotzdem geschieht das in 
praxi h&ufiger. Bei richtiger Anstellung der Trommer- 
schen Probe wird das im allgemeinen harmlos sein, weil 
wegen des geringen Losungsvermogens fur Kupferoxyd¬ 
hydrat nur wenig Kupfersulfat hinzugegeben wird. Gibt 
man dagegen einen betrachtlichen Ueberschuss von Kupfer 
hinzu, etwa 5 Tr. konzentrierte Kupfersulfatlosung auf 
5 ccm Harn, und kocht nun unbekOmmert um den Nieder¬ 
schlag von Kupferoxydhydrat langere Zeit (1—2 Minuten). 


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Diabetes. 


331 


so bekommt. man ebenfalls energische Reduktion, so dass 
sich ein dicker Oxydulniederschlag bildet. In praxi wird 
dieser Fehler aber wohl selteri begangen werden. Bei 
Zusatz der Reagentien in verkehrter Reihenfolge sind dem- 
nach zwei Momente geeignet, T&uschungen zu veran- 
lassen: erstens das grosse Lbsungsvermbgen des Harnes 
fOr Kupferoxydhydrat und zweitens das nach verhaltnis- 
m&ssig kurzer lvochdauer sich bemerkbar machende starke 
Reduktionsvermogen. Es sei daher ausdrucklich davor 
gewarnt, bei der Trommerschen Probe die Reagentien in 
umgekehrter Reihenfolge anzuwenden. Ueberhaupt ist es 
zweckmilssig, dem praktischen Arzt statt der Tromraer- 
schen Probe in der alten Form die Verwendung der 
Fehlingschen Mischung zu empfehlen. Die kleine Un- 
bequemlichkeit, dass man die Kupfersulfatlbsung und die 
alkalische Seignettesalzlosung getrennt aufbewahren muss, 
um kurz vor dem Gebrauch gleiche Teile miteinander zu 
vermischen, kann man ruhig mit in Kauf nehmen, wenn 
man dadurch zu praktisch einwandfreiern Resultaten 
kommt. Diese kleine Unbequemlichkeit ist bei der neuer- 
dings vielfach empfohlenen Hainesschen Mischung ver- 
mieden. Meine Erfahrungen mit der Hainesschen Mi¬ 
schung sind gute; es ist namentlich angenehm, dass man 
nach der Hainesschen Vorschrift gleich eine meist aus- 
reichende Schatzung fur die vorhandene Zuckermenge be¬ 
kommt. Die Haltbarkeit der Hainesschen Mischung 
(2 g Kupfersulfat werden in 15 ccm Wasser gelbst, dann 
mit 15 ccm Glyzerin und 150 ccm 5%iger Kalilauge 
hinzugegeben) ist aber auch keine unbegrenzte. Nach 
einiger Zeit scheidet sich spontan in der Kalte etwas 
Oxydul ab. Man muss dann naturlich sich frische Mi¬ 
schung herstellen. Ich mache mir eine Losung von 20 g 
Kupfersulfat in 150 ccm Wasser und eine grossere Menge 
5°/oiger Kalilauge, so dass ich in kurzer Zeit die Mischung 
erneuern kann, wenn die alte Mischung verdachtig ge- 

WOrden ist. w S (Miinch. med. Wochenschrift 1912 Nr. 5.) 

_TJeber neurogenen D. ^'on Prof. C. v. No or den (Wien). Verf. 

berichtet fiber folgenden interessanten Fall: „Der Pat. ist 
ein 40jiihriger Handlungsgehilfe, aus neuropathisch stark 
belasteter Familie stammend. Ein Bruder litt an Epilepsie 
und starb an den Folgen einer schweren Verletzung, die 
er sich im Anfalle zugezogen hatte. Der Yater war mehr- 
fach wegen psychischer Depressionszustiinde in Nerven- 
heilanstalten, verfiel dann, nachdem er im .Tahre 1907 als 


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Diabetes. 



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Jude von den Pogromen in Kussland schwer mitbetroffen 
und finanziell ruiniert wurde, einer schweren Melancholie 
und endete durch Selbstmord. Zwei Briider der Mutter 
waren zuckerkrank; ob in schwerem oder leichtem Grade, 
weiss der Pat. nicht anzugeben. Sie starben beide an der 
Cholera. Der Pat. selbst war von Jugend auf neurasthe- 
nisch; anfangs traten Herzbeschwerden in den Vordergrund, 
mit 18 Jahren gait er als herzfehlerkrank. Doch zeigte 
der Verlauf (das restlose Verschwinden aller Herzsymptome), 
dass jene Annahme falscli war. Zwischen dem 23. und 
28. Jahre war er ,magenkrank‘; er verlor stark an Korper- 
gewicht. Vielfache Untersuchungen stellten wohl einen 
leichten Grad von Magenatonie und etwas verringerte 
Salzsaureproduktion fest, aber die ilbereinstimmende Dia¬ 
gnose der vielen Aerzte, die er konsultierte, lautete stets 
,nerv6se Dyspepsie‘. Ich sah ihn damals, im Jahre 1900, 
zum ersten Male, und es gelang durch sechswOchige di&- 
tetische Behandlung, die Magenbeschwerden zu beseitigen 
und gleichzeitig das Korpergewicht um zirka 8 kg zu 
heben. Die Verdauungswerkzeuge blieben in vollerOrdnung, 
und, von gelegentlichen Migr&neattacken und Perioden von 
•schlechtem Schlaf abgesehen, erfreute sich der Pat. unter 
behaglichen Lebensverhaltnissen, bei leichter Arbeit, die 
er durch hguiige Erholungsreisen unterbrach, bis zum 
Jahre 1907 einer befriedigenden Gesundheit. Als dann 
mehrere Freunde unter den unsicheren heimischen Zu- 
standen schwer zu leiden batten, kam es zu schwerer 
Schlaflosigkeit, Appetitmangel, Abmagerung, hartnfickiger 
Obstipation. Man untersuchte den Harn und fand 1,5% 
Zucker. Der Pat. kam kurze Zeit darauf zu mir mit der 
Diagnose der in der Ileimat konsultierten Aerzte, dass es 
sich bier nach Massgabe der ganzen Anamnese und des 
gegenwartigen sehr erregten Zustandes des Pat. zweifellos 
um einen rein neurogenen D. handle. In der Tat 
zeigte sich bei meinen Untersuchungen, dass eine stark 
neurogene Komponente die Glykosurie beherrschte. Die 
nachfolgende Tabelle belehrt ttber den Gang der Toleranz- 
bestimmungen, fiber die Art der Ern&hrung und das Ver- 
halten des Harnzuckers. 

Erltiuterungen zu der Tabelle. Die Toleranz 
ft\r Kohlehydrat erwies sich anfangs als betrachtlich. Erst 
180 g Brot, auf dreimal verteilt, brachten eine leichte 
Glykosurie (achter und neunter Tag), die am ersten Tage 
der Brotverminderung wie gewohnlich noch nachschleppte 
(zehnter Tag) und dann versehwand. Zwei Tage ohne 


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Diabetes. 


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Brot wurden eingeschaltet, und dann beschrankte sich die 
Brotmenge auf 60 g, wovon der Pat. die H&lfte mittags, 
die Halfte abends verzehrte, eine Anordnung, die ich bei 
geringer Brotzufuhr in der Regel treffe, um den Organismus 
mbglichst lange (vom Abend bis zum nSchsten Mittag) 
vor Kohlehydrat zu bewahren. Das Allgemeinbefinden 
war recht gut, das Kdrpergewicht stieg innerhalb der 
ersten zwei Wochen von 62,3 kg auf 64,5 kg. Der Pat. 
wiederbolte t&glich, dass seine nervose Erregtheit im 
Schwinden sei und dass er ausgezeichnet schlafe. 


Tag 



Diat 


Zuckermenge 
im Tagesharn 

i 

1. 

Strenge Di&t und dreimal 30 g Schrotbrot . . 

0 

2. 

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3. 


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7. 

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8. 

ii 

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6,8 g 

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10,2 g 

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2,8 g 

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12. 

ii 

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13. 

ii 

„ ohne Brot. 


0 

14. 

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0 

15. 

i? 

.. mittags 

u. abends je 30 g Schrotbrot 

0 

16. 

i- 

11 11 

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0 

17. 

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3,6 g 

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19. 

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5,2 g 

20. 


>1 i? 

11 71 ‘1 11 

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12,2 g 

21. 

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n ii n ii 

ii 

tags: 1,8 g 
nachts: 0 

22. 

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„ ohne Brot. 

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23. 

ii 

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, 

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24. 

ii 

ii r 

ii. 


| 15,1 g 

25. 

n 

n ii 

ii ...... 

. 

10,0 g 
tags : 2,6 g 
nachts: 0 

26 

” 

ii *i 

„ (4 g Bromkali) 

. . . 

27. 

^ r> 

n ii 

11. 

. 

0 


Azeton war 
sich auch an 


in kaum nachweisbaren Spuren vorhanden und erhob 
den kohlehydratfreieo Tagen nicht iiber physiologische 
Werte hinaus (Maximum 0,28 g Azeton). 


Am Abend des 16. Tages hatte der Pat. einen leichten 
Migraneanfall und darauf eine vOllig schlaflose Nacht. 
Der Nachturin blieb frei von Zucker, aber der Vormittags- 
liarn des folgenden Tages enthielt 3,6 g, ohne dass der 


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Diabetes. 


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Pat. Kolilehydrat verzehrt hatte. Sein Frfihstfick best and 
aus einer Tasse leeren Tees und zwei Eiern; um 11 Uhr 
hatte er eine Tasse Bouillon mit Knochenmark genommen, 
der Nachmittagsharn war zuckerfrei; also eine Glykosurie, 
die man schlechterdings nicht auf aliment&re Einflfisse 
zurtickftihren konnte. Der Pat. hatte erst kurz vorher 
Proben einer recht ansehnlichen alimentaren Toleranz ab- 
gelegt. Es folgten wieder nach dem 18. und 19. Tage 
zwei schlaflose Nachte ohne erkennbare Ursache, und beide 
Male wiederholte sieh die Erscheinung einer Vormittags- 
glykosurie ohne morgendliche Kohleliydx*atzufuhr. Am 

19. Tage war der Nachmittagsurin vollig zuckerfrei, am 

20. Tage enthielt der Nachmittagsurin noch quantitativ 
nicht bestimmbare Spuren. Die schlaflosen Nachte hatten 
den Pat. stark mitgenommen, der Appetit verminderte sich, 
das Gewicht sank um l /s kg, er klagte fiber Durst und 
gab an, er mfisse sicher wieder Zucker ausscheiden, er 
habe dieselben Empfindungen wie frfiher zu Hause. Er 
wusste nicht, dass seine Vermutung richtig war. Obwolil 
ein alimentftrer Faktor bei diesem Anfall von Glykosurie 
nicht mitzuspielen schien, verordnete ich der Vorsicht 
wegen vom 22. Tage an vfillig kohlehydratfreie Diat; der 
Zucker verschwand. Die Massregel schien gfinstig zu 
vtirken, wenigstens war der Pat. sofort viel weniger erregt 
und hatte zwei gute Nachte. Am Morgen des 24. Tages 
erhielt er die ersten beunruhigenden Nachi’ichten aus seiner 
Vaterstadt, er kam in grfisster Erregung und in Sorge um 
das Schicksal seiner Familie zu mir gestfirzt. Eine sofort 
untersuchte Harnprobe erwies sich als zuckerfrei (vor- 
mittags 9 Uhr), dagegen wurde um 12 Uhr eine kleinc 
Menge Harn mit l,2°/'o Zucker ausgeschieden, und diese 
Glykosurie bestand trotz ganzlicher Kohlehydratentziehung 
zwei Tage lang fort. Am 20. Tage liess ich ihn, um so 
mehr als er inzwischen Nachricliten erhalten hatte, die 
seine Befttrchtungen bestatigten, 4 g Bromkali nehmen. 
Er schlief einen grossen Teil des Tages und ebenso in 
der folgenden Nacht. Der Zucker verminderte sich schon 
am Tage und verschwand in der Nacht vollstfindig. Auch 
am 27. Tage, an dem er gleichfalls unter Bromkaliwirkung 
stand, war kein Zucker im Harn. Am Abend dieses Tages 
reiste er nach Hause ab. Aus dieser Beobachtung lernen 
wir vor allem zwei Tatsachen: 

1. Schlaflose Nachte kfinnen bei neuropathisch ver- 
anlagten Diabetikern eine in weiten Grenzen von der 
Nahrungunabhangige Glykosurie nach sich ziehen. Dieser 


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Diabetes. 


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Fall stellt keineswegs eine seltene Ausnalime dar. Ich 
bin der gleichen Erscheinung oft begegnet, und man wird 
sie leicht bestatigen konnen, wenn man den Harn lifters 
am Tage untersucht. In der 24sthndigen Tagesmenge 
des vereinigten Harns konnen kleine Zuckermengen, die 
nur in einer oder zwei Harnportionen enthalten waren, 
der Analyse leicht entgehen. Zum mindesten wird man 
aus der Analyse des ganzen Tagesharns nicht erkennen, 
ob im besonderen Falle neben der Ernahrungsform noch 
andere Faktoren die Glykosurie beherrschen. Bemerkens- 
wert ist, und auch dies wiederholt sich in zahlreichen 
Fallen meiner Beobachtung, dass der in der schlaflosen 
Nacht produzierte und morgens entleerte Urin vollig zucker- 
frei sein kann und dass der Zucker erst in den darauf 
folgenden Stunden auftritt. Ich kenne viele Diabetiker, 
die mittags und abends ganz ansehnliche Mengen von 
Kohlehydrat vertragen, morgens und vormittags aber auf 
die kleinsten Mengen von Kohlehydrat mit Glykosurie re- 
agieren. Das waren alles schlechte Schlafer. 

2. Eine starke psychische Erregung erzeugte bei dem 
Pat., der kurz vorher noch 150 g Brot ohne glykosurischen 
Effekt vertragen hatte, trotz volliger Entziehung von Kohle¬ 
hydrat eine betrachtliche Zuckerausscheidung. Der neur¬ 
ogene Faktor war bei diesem Diabetiker starker als der 
aliment are. Ich habe schon in meiner Monographic liber 
Zuckerkrankheit, in Erganzung alterer Beobachtungen, 
mehrere solcher Falle aus eigner Erfahrung erwahnt. 

Aber war der Pat. iiberhaupt ein Diabetiker im eigent- 
lichen Sinne des Wortes? Es. erhoben sich dariiber sofort 
Meinungsverschiedenheiten. Als ich dem Hausarzt des 
Pat. uber die oben mitgeteilten Beobachtungen schrieb, 
antwortete er mir, dass dieselben seine Diagnose, es handle 
sich nur um eine nervose Glykosurie und man habe keinen 
echten D. zu befiirchten, glanzend hestaligen. Ich war 
anderer Ansicht, denn: 

Erstens hatte sich doch eine von nervosen Einflussen 
anscheinend unabhangige Verminderung der normalen 
Toleranz nachweisen lassen. Allerdings hatte es ziemlich 
grosser Kohlehydratmengen bedurft, um sie zu erkennen 
(achter und neunter Tag). Eine solche Verminderung 
der alimentaren Toleranz ist aber stets verdachtig, auch 
wenn sie noch so unbedeutend ist. Sie wird, wenn gering, 
in der Praxis leider oft ubersehen, da sie nur unter 
systematischer, scharf kontrollierter Beobachtung nacli- 


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336 


Diabetes. 


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zuweisen ist. Die T&uschung racht sich meist bitter in 
der Zukunft. 

Zweitens stehe ich, wie ich an anderer Stelle begrtin- 
dete, durchaus auf dem Standpunkt, dass es zwar gelegent- 
liche neurogene Glykosurien bei Leuten gibt, die niemals 
echte Diabetiker werden, und dass in manchen Fallen von 
D., wie z. B. hier zu gewissen Zeiten der neurogene Faktor 
der Glykosurie starker hervortritt als der alimentare. 
Wenn es aber nicht bei einer nur einmaligen transitorischen 
neurogenen Glykosurie bleibt, sondern wenn immer aufs 
neue psychische Alterationen Zucker in den Harn treiben, 
hat man nicht poehr das Recht, zu glauben, dass nur der 
Nervenreiz (beziehungsweise Erregung des chromaffinen 
Systems, Adrenalinwirkung) eine sonst vollig normale 
Zuckerbildung zur Ueberproduktion steigere, sondern es 
muss dann schon Abschwachung der physiologischen Kon- 
trolle fiber die Zuckerbildung des Organismus vorhanden 
sein. Nach dem heutigen Stand der Kenntnisse haben 
wir die Ursache hierffir stets in Insuffizienz des Pankreas 
zu suchen, eine Insuffizienz, die vielleicht auf die Dauer 
sehr gering und fast gleichgttltig bleiben kann, die aber 
auch die Gefahr der Yerschlimmerung in sich tragt. Ich 
habe von jeher den angeblich rein neurogenen Glykosurien 
die grosste Aufmerksamkeit geschenkt und muss leider 
sagen, dass in einer erschreckend grossen Zahl von Fallen 
aus der ,neurogenen Glykosurie 1 spater ein echter D. wurde. 

Yon diesen Gesichtspunkten aus gab ich dem Pat. 
den Rat, die Kohlehydrate wesentlich zu beschranken. Ich 
erlaubte ihm taglich 100 g Schrotbrot und verordnete ihm 
in jeder Woche einen strengen, kohlehydratfreien Tag. 
Der Pat. befolgte dies etwa ein Jahr lang gewissenhaft; 
es wurden in dieser Zeit keine Harnuntersuchungen gemacht. 
Der Pat. hatte seiner veranderten finanziellen Verhaltnisse 
halber und infolge des Todes seines Yaters eine bescheidene 
Stellung als Handlungsgehilfe annehmen mfissen. Das 
Allgemeinbefinden war aber gut, und auch die nervfise 
Erregtheit war wesentlich gebessert. Nach einem Jahre 
ergaben zwei Harnanalysen vollig zuckerfreien Harn. Auf 
Rat seines Hausarztes ging der Pat. jetzt wieder zu ge- 
mischter Kost fiber und nahm auch Zucker in massigen 
Mengen. Weitere Harnuntersuchungen wurden ffir unnotig 
erklart. Er gait als vollig genesen. Ende 1909 meldeten 
sich ziehende Schmerzen in den Waden, bald darauf 
starker Durst. Im Januar 1910 ergab eine Analyse des 
Urins 5,6°/o Zucker; das Kfirpergewicht war inzwischen. 


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Diabetes. 


337 


ohne dass der Pat. darauf geachtet hatte, um 4 kg ge- 
sunken. Der Versuch, durch eine ahnliche Kostordnung, 
wie er sie im Jahre 1907 unter meiner Aufsicht durch- 
gemacht hatte, zu Hause einen Erfolg zu erzielen, brachte 
zwar Sinken des Zuckers auf 2—3°/o, erzeugte aber auch 
Starke Azetonurie, so dass man die Kohlehydrate bald 
wieder steigerte und nun mit alien mdglichen Tranken, 
Pillen, Tabletten, die sich gegen D. in den Zeitungen 
anpriesen, der Sache Herr zu' werden suchte. Natilrlich 
ohne Erfolg. Vor kurzem kam der inzwischen stark ab* 
gemagerte Pat. hierher, und jetzt haben wir einen typischen 
Fall von schwerem D. vor uns. Bei einer Kost, 
die neben kohlenhydratfreien Speisen zweimal am Tage 
je 30 g Schrotbrot zuffihrte, war er vor vier Jahren zucker- 
frei geblieben; jetzt scheidet er bei gleicher Diat zwischen 
80 und 90 g Zucker aus. Einfache Entziehung der Kohle¬ 
hydrate vermindert den Zucker nur auf 20—30 g, an 
Gemtisetagen werden noch 8 —12 g ausgeschieden. Im 
Harn finden sich 1—2 g Azeton. Oxybuttersaure ist leicht 
nachweisbar. Dieser Gang der Dinge bestatigte durchaus 
die im Anschluss an die fr&here Beobachtung geausserte 
Befiirchtung, dass es sich schon damals um einen keimenden 
echten D. handelte. Ob jetzt neben dem die Zucker- 
produktion zweifellos beherrschenden alimentaren Faktor 
ein neurogener Faktor auf die IlOhe der Glykosurie ein- 
wirkt oder nicht, lasst sich kaum mehr nachweisen. Wir 
achteten darauf, ob Schlaflosigkeit die Zuckerausscheidung 
beeinflusst. FrOher war dies recht deutlich, jetzt nicht 
mehr; denn an den Yormittagen nach schlaflosen Nachten 
haben wir bald mehr, bald weniger Zucker gefunden als 
unter gleicher Diat nach guten Nachten. Dies stimmt mit 
der gewbhnlichenErfahrung, dass die neurogene Komponente 
der Glykosurie um so undeutlicher wird, je mehr die 
Krankheit voranschreitet. Was hat hier die Verschlimmerung 
verui’sacht? Handelte es sich nur um eine vereinzelte 
Beobachtung, so konnte man es vielleicht als Zufall be- 
zeichnen, dass der Ausbruch des typischen D., nach 
langem Wohlergehen, dem unbedachten Preisgeben aller 
diatetischen Yorsichtsmassregeln folgte. Aber dem einen 
Beispiel liessen sich gar viele an die Seite stellen, und 
angesichts der gehauften Erfahrung ware es eine unrichtige, 
den unzweckmassigen arztlichen Rat nur beschbnigende 
Ausrede, wenn wir den Gang der Dinge als Spiel des 
Zufalls deuteten. Es ist hier ein Irrtum begangen worden, 
der in der Praxis ausserst haufig vorkommt. Es ward 

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338 


Diabetes. 


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ohne jede weitere Kontrolle, nur weil einige zudkerfreie 
Analysen vorlagen, alle Vorsiclit iiber den Haufen ge- 
worfen. Vor Erweiterung der Kost batten sorgfaltige neue 
Toleranzbestimmungen gemacht werden mQssen. Man 
glaubte sich um so mehr zur Gestattung der gewbhnlichen 
gemischten Diat berechtigt, ' als man irrtumlicherweise 
von der vorgefassten Meinung ausging, dass die fruhere 
Glykosurie nur eine „nerv6se“ gewesen sei. Natiirlich 
kann niemand behaupten. dass der Pat. bei vorsichtigerer 
Diat auf die Dauer vor Yerschlimmerung der Glykosurie 
und vor dem Uebergang der anfangs transitorischen Zucker- 
ausscheidung in echten D. bewahrt geblieben ware. 
Ich halte es in diesem Falle sogar fttr unwahrscheinlich; 
aber ein starkes Hinauszogern der Versclilimmerung und 
wohl auch des Ueberganges in die schwere Form hatte 
sich durch vorsichtige diatetische Massregeln doch wohl 
sicher erreichen lassen. Ich kann, nach meiner Kenntnis 
des wirklichen Ganges der Dinge, nur raten: 

1. Jede sogenannte neurogene Glykosurie als Vor- 
boten und Warnungssignal eines spateren echten D. 
dringend verdachtig zu halten. 

2. In jedem derartigen Falle genaue Kenntnis Tiber 
die wahre Toleranzgrenze »fiir Kohlehydrat sich zu ver- 
schaffen und jeder diatetischen Ueberschreitung vorzubeugen. 
Ein Regime, das keine wesentlichen Opfer verlangt, lasst 
sich in jedem solcher Falle leicht. finden. 

Wenn man sich diesen Standpunkt aneignet, wird man 
vielleicht einzelnen Personen grossere Kostbeschrankungen 
auferlegen, als unbedingt nbtig ist; man wird ihnen aber 
nicht schaden und man wird eine grosse Menge von 
Personen vor den Folgen einer durch allzugrossen Optimis- 
mus verursachten Naclilassigkeit bewahren. Aber auch 
jenes, das heisst unnbtige Kostbeschrankungen lassen sich 
vermeiden, wenn man die Pat. zu sorgfaltigen, 6fters 
wiederholten Toleranzbestimmungen anhalt. 

(Medizin. Kliuik 1912 Nr. 1.) 


— Ueber Diabetikerbrote schreibt Prof. Dr. H. Strauss (Berlin): 

„Von der Redaktion dieser Zeitschrift auf Grund einer 
an sie ergangenen Anfrage aufgefordert, micli hier Ober 
Diabetikerbrote und ihre Herstellung zu aussern, kann ich 
mein Urteil kurz in den Satz fassen: Spezielle Diabetiker¬ 
brote sind fiir die Mehrzahl der Falle nicht notwendig 
und auch nicht immer zweekmassig. Sie sind nicht not¬ 
wendig, falls man Schwarzbrot (bzw. Kommissbrot oder 


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Diabetes. 


339 


Pumpernickel) statt Weissbrot verabfolgt, denn das Schwarz- 
brot enthalt im Durchschnitt etwa 50% Kohlehydrat, 
wahrend das Weissbrot im Durchschnitt etwa 10% mehr 
Kohlehydrate enthalt. Ausserdem wird es — was ffir den 
vorliegenden Fall gar nicht unerwtinscht ist — sclilechter 
resorbiert als das Weissbrot. Dazu kommt noch, dass die 
Mehrzahl der Pat. fiber kurz oder lang an dem eigen- 
artigen Geschmack der meisten Diabetikerbrote Anstoss 
nimmt und wieder zum gewohnlichen Brote zurfickkehrt. 
Diabetikerbrote sind auch nicht immer zweckmassig, weil 
der Ausdruck Diabetikerbrot bei vielen Pat. die Vorstellung 
erweckt, als wenn diese Brote absolut kohlehydratfrei waren 
und infolgedessen in beliebiger Menge genossen werden 
dtirften. Letzteres ist aber keineswegs der Fall, denn 
zahlreiche Diabetikerbrote besitzen einen Kohlehydratgehalt, 
der nicht gar zu viel hinter demjenigen des Schwarzbrotes 
zurficksteht. Die Angaben der Fabrikanten sind nicht 
immer zuverl&ssig, und auch die Analysen, die von ver- 
schiedenen Autoren voi'genommen wurden — Janney 
(Untersuchung einiger Diabetikergebftcke des Handels. 
Mfinch. med. Wochenschr. 1910 Nr. 40) hat zuletzt fiber 
solche Analysen berichtet und fiber die einschlSgige Literatur 
referiert — haben nicht immer zu gleichlautenden Ergeb- 
nissen geffihrt. Immerhin konnen wir so viel sagen, dass 
Diabetikerbrote, wie z. B. das Kleberbrot, das Doppel- 
porterbrot, das Conglutinbrot sowie KleberzwiebScke, 
Doppelporterzwiebacke, Rademann’s Diabetikerzwiebacke 
und Diabetikerkakes auch nach den Analysen arztlicher 
Autoren (v. Noorden, Magnus-Levy, Janney) mehr 
als 30°/o Kohlehydrate enthalten. Einen geringeren Gehalt 
sollen das Aleuronatbrot von Ebstein (27°/o), das Doppel- 
Roborat-Diabetikerweissbrot von Gumpert (27°/o), das 
Dreifachporterbrot von Gericke (20°/o), das Doppel- 
Roborat-Diabetikerschwarzbrot von Gumpert (18°/o), das 
Lithonbrot von Rademann (18°/o), das Lithonbrot von 
Fromm (15%), das Sifarbrot von Gericke (12%), sowie 
ferner das Roborat-Ultrabrot von Gumpert (7%) haben. 
Von den Luft- und Mandelbroten soli hier nicht die Rede 
sein, ebenso auch nicht von den Diabetikerzwiebacken, 
Diabetikerstangen und Diabetikermakronen, da sich diese 
in ihrem Geschmack vielfach zu weit von dem entfernen, 
was man Brot zu nennen gewohnt ist und infolgedessen 
im allgemeinen nur ffir relativ kurze Zeitperioden in Frage 
kommen kfinnen. Vor die Alternative gestellt, fiir die 
Dauerernahrung entweder ein Diabetikerbrot oder das 

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340 


Diabetes. 


Schwarzbrot zu wahlen und sich bei der Wahl-des letzteren 
mit einer geringeren Brotmenge zu begnugen, entscheidet 
sich erfahrungsgem&ss die Mebrzahl der Diabetiker fQr 
das Schwarzbrot. Die Entscheidung fQr das Schwarzbrot 
fellt den Pat. in der Regel um so leichter, je mehr sie 
sich daran gewOhnt haben, mit der Verwendung des Brotes 
okonomisch umzugehen, d. h. das Brot nnr in dOnnen 
Scheiben zu geniessen. Denn es ist eine alte Erfahrung. 
dass beim Genuss des Brotes nicht nur der Gaumen, 
sondern auch das Auge mitspricht, insofern al$ das Geffihl 
der Befriedigung des „Brothungers“ oft mehr von der 
Ausdehnung der Brotscheiben in der Richtung der Breite 
als in der Richtung der Dicke abhSngt. Diabetiker brot* 
sind von den verschiedensten Quellen leicht zu beziehen 
(Rademann-Frankfurt bzw. Berlin, Gumpert-Berlin. 
Gerick e-Potsdam, Fromm-KOtzschenbroda u. a.), und es 
ist heutzutage nur selten notig, dass Diabetikergebacke im 
Haushalt des Pat. hergestellt werden. Far den letzteren 
Fall dOrften folgende Y orschriften einer Empfehlung wert sein: 

Schwarzbrot I (nach v. Winckler). 500 g Aleuronat- 
mischung (gleiche Teile von Aleuronat und Roggenmehl) 
gibt man in eine erwarmte SchOssel, macht in der Mitte 
des Mehles eine Vertiefung, in der man mit sechs Ess- 
lOffel voll aufgeloster Presshefe und % Liter lauwarmer 
Milch raittels eines kleinen HolzlOffels einen feinen Teig 
anrOhrt, ohne das Mehl ringsherum hineinzuarbeiten. 
Wenn nun diese Hefe auf dem warmen Herd aufgegangen 
ist, gibt man zwei ganze Eier, drei Kaffeeldffel voll Salz 
und einen gehSuften Kaffeeldffel voll gestossenes Brot- 
gewllrz — Piement, Koriander und Fenchel — in den 
Teig, klopft ihn mit ' 4 Liter lauwarmer Milch tQchtig ab 
und lasst ihn in der Rube des warmen Ofens noch recht 
gut aufgehen. Alsdann formt man zwei gleichgrosse 
Wecken daraus, streicht diese mit kalter Milch und b§ckt 
sie im gutgeheizten Rohre auf einem gewachsten Kuchen- 
blech ungefahr 30—50 Minuten. Wahrend des Backens 
muss das Brot wiederholt mit kalter Milch bestrichen werden. 

Schwarzbrot H (nach v. Winckler). Ingredienzien: 
acht EsslOffel voll Aleuronatmischung (gleiche Teile von 
Aleuronat- und Roggenmehl), ein Packchen Oetkers Back- 
pulver, ein Kaffeeloffcl voll Salz, zwei Eier, ein Xaffee- 
l 5 ffel voll gestossenes BrotgewOrz (cf. oben) und kaltes 
Wasser oder kalte Milch. (Behandlung wie nachstehend.) 

Weissbrot(nachv.Winckler). AchtEssldffelAleuronat¬ 
mischung (gleiche Teile Aleuronat und Weizenmehl), ein 


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Original fro-rri 

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Diabetes — Gonorrhoe. 


341 


P&ckchen Oetkers Backpulver und einen schwachen Kaffee- 
lOffel voll Salz mischt man gut durcheinander, gibt zwei 
ganze Eier darunter und klopft diese Masse mit etwas 
kalter Milch gut ab, gibt den Teig auf ein Brett, arbeitet 
ihn noch durch und formt acht gleichgrosse runde BrSt- 
chen davon. In den acht Rundungen einer Ochsenaugen- 
pfanne l&sst man je einen Essloffel voll zerlassener Butter 
heiss werden, gibt die Brbtchen hinein und biickt sie in 
gutgeheizter Bratenrohre auf beiden Seiten schbn braunlich. 

Will man fiir eine gewisse Zeit oder fttr gewisse 
Zwecke so z. B. als eine Art Teegeb&ck Mandelbrot ver- 
abreichen, so dQrfte sich folgende Vorschrift empfehlen: 

Mandelbrot (nach Seegen). 125 g geschalte und 
fein zerriebene Mandeln werden in einen Leinenbeutel getan 
und */i Stunde lang in siedendem Wasser gebrQht, dem 
man noch einige Tropfen EssigsSure zugesetzt hat. Das 
letztere geschieht, um den in den Mandeln enthaltenen 
Zucker noch mbglichst zu entfernen. Hierauf vermischt 
man die Masse innig mit 125 g Butter und zwei ganzen 
Eiern. Hierzu fflgt man das Gelbe von drei Eiern und 
etwas Salz und rGhrt lange und kraftig um. Yon dem 
Eiweiss der drei Eier wird feiner Schaum geschlagen und 
derselbe ebenfalls an den Teig gerOlirt. Das Ganze kommt 
in eine mit Fett gutausgestrichene Form und wird bei 
massigem Feuer gebacken. 

FQr die Herstellung von Schwarzbrot empfiehlt es 
sich, reichlich von KOmmel und ahnlichen auf den Geschmack 
wirkenden Substanzen Gebrauch zu machen, die uns intensiv 
an das gewohnte Brot erinnern und dadurch einen fremd- 
artigen Geschmack bis zu einem gewissen Grade zu ver- 
decken vermogen. Weissbrot kann man durch Bestreuen 
mit Mohn zuweilen schmackhafter machen. “ 

(Zeitschrift f. arztl. Fortbilduug 1911 Nr. 24.) 

Gonorrhoe. Znr Behan dlung der Cystitis mit Diplosal. 

Von Dr. A. Schwenk. Verf. hat das Medikament bei 
Pyelitis, Cystitis, Urethritis nichtgonorrhoischen und gonor- 
rhoischen Ursprunges, im akuten wie im chronischen Stadium 
angewandt. Ueber Stbrungen von seiten des Magen- und 
Darmkanals, wie Uebelkeit, Erbrechen oder Diarrhoe, 
hatten die Pat. nicht zu klagen; sie nehmen Diplosal gern 
ohne jeden Widerwillen. Schadliche Nebenwirkungen auf 
Herz und Nieren hat Verf. nicht beobachtet. In Fallen 
von chronischer Cystitis bei Prostatahypertrophie, wo die 
anderen gebrauchlichen Antiseptika im Stiche liessen, half 


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342 


Gonorrhoe. 


Diplosal sehr hliufig in frappanter Weise. Unter dem 
Gebrauche klarte sich der vorher sehr stark getrllbte Urin 
zusehends; Hand in Hand damit ging die snbjektive 
Besserung im Befinden der Kranken. Ebenso empfehlens- 
wert scheint das Praparat bei akuter Urethrocystitis gonor- 
rhoica; der lastige Harndrang l&sst bald nach, und der 
Urin wird nach nicht langer Zeit klar. Sehr gern gab 
Verf. bei akuter Gonorrhoe der vorderen Harnrohre 
prophylaktisch das Diplosal, urn ein Weiterfortschreiten 
des gonorrhoischen Prozesses auf die oberen Partien des 
Harnapparates zu verhindern. Chronische, nichtgonor- 
rhoische Urethritiden, Kolipyelitis und Kolicystitis, ja sogar 
tuberkulOse Cystitiden wurden von Diplosal Susserst gQnstig 
beeinflusst. Das Praparat verdient das Interesse der 
Urologen. (Dermatolog. Wochenschrift 19X2 Nr. 3.) 

— A. Hbrder, Frophylaxe und Therapie der Ophthalmo- 
blennorrhoe der Neugeborenen. (Aus der geburtshilfl. 
Abteilung des stadt. Krankenhauses Charlottenburg.) Man 
verwendete das Sophol in den letzten Jahren, und zwar 
seit dem 1. Dezember 1907, und hat mit ihm recht gnte 
Resultate erzielt, wie sie durch folgende Zusammenstellung 
erlautert werden: 


Zeit 

a 

© 

00 ® 
tSJO 

u 

© 

■H • 

H ® . 

© 

■dop 

afw 

% 

£ 

% 

© 

• ,x3 

p 

M 

°/o 

Spatii 

spe- 

zifisch 

°/o 

ifektion 

nicht 

spe- 

zinsch 

°/o 

Summe 

* 

°/o 

1. XII. 07—31. XII. 08 

518 

498 

0=0 

12=2,4 

3=0,6 

24=4,8 

39=7,8 

1. I. 09—81. XII. 09 

663 

624 

0=0 

10=1,6 

1=0,1 

26=4,1 

37=5,8 

1. I. 10-31.XII. 10 

672 

635 

0=0 

17=2,6 

3=0,4 

26=4,1 

46=7,1 

Summe 

1 1853 1757 

o=o| 

39=2,2| 

7=0,3 

76 4,4 

122=6,9 


Unter den 1757 mit 5%igem Sophol prophylaktisch 
behandelten Kindern wurde also nicht ein einziger Fall 
von Friihinfektion beobachtet. Behandelt wurden die 
Konjunktivitiden mit der seinerzeit von Adam empfohlenen 
Blenolenizetsalbe, einer Verbindung von Lenizet und 
Euvaselin in 10- und 5°/oiger Konzentration. Die 10°/oige 
Salbe wurde anfangs in zweistGndlichen, bei Nachlass der 
Sekretion in dreisttindlichen Intervallen unter die Lider 
gebracht. In der Zwischenzeit erfolgten Kuhlungen mit 
kalten Borlappchen. Handelte es sich um Gonokokken- 
infektion, so kam hierzu noch ein ttigliches Eintraufeln 


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Gonorrhoe. 


343 


einer 2°/oigen Arg. nitr.-Lbsung, das beim Nachlass der 
Sekretion einen ilber den anderen Tag und mit schw&cheren 
(l°/oigen, V*%igen) Lbsungen fortgesetzt wurde. 

(Mttnch. med. Wochenschrift 1911 Nr. 31.) 

— TTeber eine nene Behandlnngsart der Epididymitis and Ar¬ 
thritis gonorrhoica. Yon Dr. E. Braendle. Durch die 
Beobachtungen'von Asch, Gemmerich und Hammonic 
angeregt, hat man an der Dermatologischen Abteilung des 
Allei’heiligenhospitals zu Breslau bei Komplikationen im 
Yerlaufe der G. Injektionen mit elektrischen Kolloid- 
metallen — Elektrargol *) und Fulmargin v ) — versucht. 
Die Beobaehtungen erstrecken sich auf 73 Falle. 56 Falle 
von Epididymitis und 17 Falle von Arthritis gonorrhoica. 
Das Elektrargol beziehungsweise Fulmargin wurde teils 
subkutan, teils intramuskular, teils in den Ki’ankheitsherd 
selbst injiziert. Es sei betont, dass die intramuskulftren 
Injektionen am meisten zu empfehlen sind. Yon den sub- 
kutanen Injektionen wurde ganz abgekommen, da sie etwas 
schmerzhafter sind als die intramuskulflren und da in 
einem Fall Nekrosen an den Injektionsstellen resultierten. 
Was zunachst die Resultate bei der Behandlung der Ar¬ 
thritis gonorrhoica anbelangt, so wurden vor allem bei 
den akuten Formen des gonorrhoischen Gelenkrheuma- 
tismus gute Erfolge von den Injektionen mit Elektrargol 
gesehen. Man injizierte bei diesen Fallen intraglut&al 10 ccm 
der Fltissigkeit. Die Injektionen werden nach Bedarf bei 
etwas hartnfickigeren Fallen jeden zweiten bis dritten Tag 
wiederholt, sie sind schmerzlos und werden gut vertragen. 
Schadliche Nebenwirkungen wurden nie beobachtet. Was 
die Wirkung der Injektionen anbelangt, so ist bei vor- 
handenem Fieber gewohnlich eine deutliche Temperatur- 
abnahme zu konstatieren. Bei den akuten Formen des 
gonorrhoischen Rheumatismus ist auch sehr haufig ein 
eklatanter Riickgang der Gelenkschwellung und Abnahme 
der Schmerzen zu verzeichnen. Ist der Ruckgang der 
Erkrankung nicht so prompt, so konnen die Injektionen 
je nachdem jeden zweiten bis dritten Tag wiederholt werden. 
NatGrlich geht neben dieser Injektionsbehandlung eine 
lokale Behandlung der erkrankten Gelenke einher. Bei 
Epididymitis gonorrhoica wurde ebenfalls das Elektrargol 
beziehungsweise Fulmargin angewandt, und zwar in 


*) Firma Clin in Paris. 

*) Chem. Laboratorium Rosenberg in Charlottenburg. 


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344 


Gonorrhoe. 


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56 Fallen. Die Anwendungsart war folgende: Bei akuter 
Epididymitis gonorrhoica mit Temperatursteigerungen wurde 
zunachst 5 ccm, in letzter Zeit immer sofort 10 ccm Elektrar- 
gol intramuskul&r in die Glutaen injiziert. Die Injektionen 
sind fast ganz schmerzlos. Empfindliche Pat. klagen fiber 
geringe Injektionsschmerzen, die aber nur wenige Minuten 
anhalten. Daraufhin ist gewohnlich ein Ruckgang der 
Temperatur zu beobachten. Sehr haufig tritt auch eine 
Abnalime der entzfindlicben Schwellungen und ein RGck- 
gang der Schmerzhaftigkeit ein. Diese Abnahme der 
Sehmerzhaftigkeit tritt schon nach wenigen Stunden ein. 
Die Pat. gaben in der Mehrzahl an, dass sie einige Stunden 
nach der Einspritzung einen deutlichen Ruckgang der 
schmerzhaften Spannung im Hoden bemerkt batten. Diese 
intramuskul&ren Injektionen konnen eventuell tags darauf 
noch einmal wiederholt werden. Bei zu langsamem Rflck- 
, gange der Epididymitis wurde auf die gfinstigen Erfah- 
rungen von Asch und Hammonic hin noch in die 
Substanz des Nebenhodens selbst eine Elektrargolinjektion 
gemacht, und zwar gewfihnlich 1 ccm. Die Technik der 
Injektion ist einfach. Die Skrotalhaut fiber der Cauda 
des Nebenhodens wird mit Jodtinktur eingepinselt. Die 
mit einer feinen, kurzen Kanfile armierte Pravazsche 
Spritze wird mit einem kurzen Stosse — LokalanSsthesie 
ist unnfitig, da der Einstich nicht besonders sclimerzhaft 
ist — in die Cauda des Nebenhodens eingestochen, die 
Lfisung wird ganz langsam injiziert. Die Pat. geben 
grdsstenteils an, dass die mSssigen Schmerzen nach der 
Einspritzung, die sich vor allem durch ein Ziehen im 
Hoden und Samenstrang fiussern, 2—3 Stunden anhalten; 
daraufhin tritt aber ein deutlicher Rfickgang der Schmerz¬ 
haftigkeit ein. Der rasche Rfickgang der Schmerzen be- 
ruht wohl zum Teil auf einer durch den Einstich bedingten 
Entspannung der im entzfindlichen Stadium prall gespannten 
Tunica vaginalis. Gfinstiger als die Punktion allein wirkt 
nach den neueren Beobachtungen die naclifolgende Injektion 
von 1 ccm Elektrargol in die Substanz des Nebenhodens. 
Dadurch wird die Resorption des pathologisclien Infiltrats 
im Nebenhoden beschleunigt. Kurz, der ganze Krankheits- 
prozess wird abgekfirzt, und die Pat. sind viel frfiher 
wieder arbeitsf&hig. 

Auch Yerf. konnte diese gbnstige Beeinflussung der 
Epididymitis gonorrhoica beobachten, aber nur bei den 
akuten Formen mit stark entzfindlichen Erscheinungen, bei 
den chronischen Formen war eine derartig gunstige Be- 


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Gonorrhoe. 


345 


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einfluasung, wie sie Asch beschreibt, nicht zu beobachten. 
Immerhin war auch hier noch in manchen Fallen eine 
raschere Resorption des Infiltrats zu konstatieren, als wir 
sie bei unsern sonstigen therapeutischen Massnahmen zu 
sehen gewohnt sind. Einige Falle waren zu beobachten, 
die weniger gtlnstig' auf diese lokale Elektrargolinjektion 
reagierten. Die Ursache konnte man sich nicht erklaren. 
Es bedarf wohl kaum der Betonung, dass sofort nach der 
Injektion die sonSt (ibliche Therapie der Epididymitis vor- 
genommen wird. Als bestes Therapeutikum erweist sich 
auch hier die Hitze. An der Dermatologischen Abteilung 
des Allerheiligenhospitals bekommen die Pat. japanische 
Warmedosen aufgelegt, die sehr praktisch sind und die 
sich sehr bewahrt haben. Eisbeutel wendet man gar nicht 
mehr an. Zur rascheren Resorption des Infiltrats wird 
das Skrotum noch ausserdem mit Unguentum Kalii jodati 
eingerieben. Mit diesen Mitteln kommt man im allgemeinen 
vollstandig durch. Es sei betont, dass man bei akuter. 
Epididymitis jede Lokalbehandlung der Urethritis unterlasse 
und nur interne Mittel gebe: Gonosan, Capsulae olei san- 
tali geloduratae. Es ist bekannt, dass bei der Epididymitis 
die Reglung des Stuhlgangs nicht ausser acht gelassen 
werden darf. Infolge des raschen Rttekganges der Epidi¬ 
dymitis, wie 'Yerf. sie jetzt haufig auf die Elektrargol¬ 
injektion hin beobachtet, sind die Pat. viel weniger lange 
beziehungsweise tiberhaupt nicht bettlagerig. Diejenigen 
Pat., die aus ausseren GrOnden nicht der Bettruhe pflegen 
konnen, erhalten einen Suspensoriumverband, der folgender- 
massen angelegt wird: Zunachst wird die Skrotalhaut 
messerrflckendick mit einfacher Vaseline oder Naftalan 
eingefettet; in das Suspensorium kommt eine fingerdicke 
Lage Schafwollwatte. Nun wird das Suspensorium dem 
Pat. stramm angezogen. Wird dieser Verband richtig an¬ 
gelegt, so sind selbst Pat., die noch starke Sclimerzen in- 
folge ihrer Epididymitis hatten und bettlagerig waren, 
imstande aufzustehen und zu leichter Arbeit faliig. Resume: 
In jedem Falle von akuter Arthritis und Epididymitis 
gonorrhoica sind intramuskulare Elektrargol- beziehungs¬ 
weise Fulmargininjektionen in der Menge von 10 ccm zu 
empfehlen. Bei hartnackigen Fallen von Epididymitis kann 
eventuell noch in die Substanz des Nebenliodens selbst 
1 ccm Elektrargol injiziert werden. Chronische Falle von 
Arthritis gonorrhoica lassen sich teilweise durch Rdntgen- 
strahlenbehandlung giinstig beeinflussen. 

(Melizin. Kliuik 1912 Nr. 11.) 


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346 


Gonorrhoe — Mastitis. 


— Ueber den Wert dee Allosans in der Praxis. Von Dr.F.Wolff 
(Berlin). Das Auffalligste bei alien Fallen war, dass bei 
keinem der Pat. infolge des Allosans unangenehme Neben- 
erscheinungen auftraten. Es fiel ferner auf, dass sich bei 
der Behandlung mit Allosan die Dauer des Ausflusses und 
der TrQbung des Urins wesentlich verkttrzte und dass 
Schmerzen bei der Miktion und bei den nachtlichen Erek- 
tionen fast stets wenige Tage nach dem Gebrauch des 
Allosans aufhbrten. Nach alledem kann Yerf. aus seiner 
Erfahrung heraus die Behandlung der akuten und sub- 
chronischen Gonorrhoea ant. und post, mit Allosan aufs 
wfirmste empfehlen, zumal wir bisher trotz der Ueber- 
schwemmung des pliarmazeutischen Marktes mit antigonor- 
rhoischen Mitteln mit der internen Medikation keine allzu 
grossen Erfolge aufzuweisen hattep. 

(Die Therapie der Gegenwart, Febraar 1912.) 

Mastitis. Ein Beitrag znr Behandlung der Brostdrtlsen- 
entzdndnng mit Bierscher Sangglocke. Von Dr.Wacla v 
. v. Biehler, Ordinarius der chirurgischen Klinik im Kindlein- 
Jesu-Krankenhaus in Warschau. Autor schreibt: „Seit 
dem Jahre 1906 habe ich, genau den Vorechriften von 
Klapp folgend, 89 F&lle von Brustdrilsenentztindung mit 
Bierscher Saugglocke behandelt. Wie allgemein bekannt, 
unterscheiden wir folgende Formen von Brustdrhsen- 
entziindung. Wenn die Brustdriisenhaut gerbtet ist, sehr 
empfindlich auf Druck und die Achseldriisen geschwollen 
sind, wenn die Krankheit nur kurze Zeit dauert und aus 
der Warze sich reine Milch herauspressen lasst, dann 
haben wir es mit einer oberflachlichenLymphwegeentzftndung 
zu tun. Diese Form finden wir am meisten vor bei Erst- 
gebarenden, und sie wird hervorgerufen durch Risse an 
der Warze. Die zweite Form ist die tiefe Lymphwege- 
entzQndung, welche am h&ufigsten, als eine Komplikation 
der ersten, auftritt. Durch die Lymphwege, welche sich 
um die Warze befinden und die tiefen mit den oberfl&ch- 
lichen verbinden, gelangt die Entzundung weiter in die 
Tiefe. Weiterhin unterscheiden wir eine reine Entzundung 
der Milchwege ohne Eiterabsonderung; dieselbe fSngt 
plbtzlich mit alien Symptomen einer Infektion an. Bei 
der Untersuchung finden wir einen sehr schmerzhaften 
Tumor, so dass die Kranken kaum gehen kbnnen. Wird 
hier nicht schnell Abhilfe gegeben, dann kann die Ent- 
zfindung eitrig werden. Beide Formen sind oft kompliz.iert 
mit gleichzeitiger LymphwegeentzQndung. Weiterhin kann 


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Mastitis. 


347 


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es zur Vereiterung der ganzen Drlise kommen. Ich will 
hier nur der Vollstandigkeit wegen der Cliassaignacschen 
Brustdrfisenentzundung erwahnen, welche sich im unter 
der DrGse gelegenen Gewebe abspielt. Diese Form kann 
nur durch Operation geheilt werden, hier hilft die Gloeke 
wenig. Urn nun zu entscheiden, wann man die Saug- 
glocke anwenden soli und was man von ihr erwarten kann, 
muss man sich klar und deutlicli machen, mit welcher 
Form von DrQsenentzOndung man es zu tun hat. In 
jedem Falle, mit Ausnahme der Chassaignac schen 
Form, hilft die Saugglocke — der Erfolg hangt nur von 
der Zeit und der Geduld des Arztes als auch der Pat. 
ab. Von den Yorztigen der Saugbehandlung gegenfiber 
der Operationsmethode will ich nicht weiter reden, denn 
sie sind allgemein bekannt. Ich will nur erwahnen: 
Schmerzstillung, Erhaltung der Driise, schnelles Heilen 
und keine Entstellung der DrGse. Haben wir es mit der 
ersten Form zu tun, mit der oberfliichlichen Lymphwege- 
entzQndung, dann hilft die Saugglocke schnell und gut; 
ebenso hilft sie auch bei der Milchwegeentztindung durch 
aseptische Entfernung der Milch. Bei der Behandlung 
der tief gelegenen Lymphwege und der eitrigen Milchwege- 
entzGndung erlangt man gute Iiesultate, nur dauert die 
Behandlung linger — 3—4 Wochen — und oft muss 
man zur Oeffnung des sich gebildeten Abszesses schreiten, 
was aber auf die definitive Heilung keinen Einfluss hat. 
Oft kommen die Kranken mit schon gebildeten Eiter- 
abszessen, mit langen Fistelg&ngen, das wSren die sehr 
vernachlfissigten, veralteten Falle, aber auch hier hilft die 
Gloeke, indem sie den Eiter aspiriert, die Fistelgange durch 
die Hyperamie belebt, heilt. Die DrGse kann noch gerettet 
werden, dieses hangt aber vom Zustande, in welchem die 
Kranken in unsere Behandlung kommen, ab. Diesen 
pathologischen Auseinandersetzungeri folgend, habe ich 
auch meine 89 Falle in drei Gruppen geordnet. 

I. Gruppe: In diese gehoren 14 Falle, sie entsprechen 
der ersten pathologischen Gruppe., Es waren hauptsachlich 
intelligente Frauen, welche sehr frGhzeitig zur Behandlung 
kamen. Die Behandlung dauerte 8—14 Tage. Der 
Allgemeinzustand der Kranken besserte sich sofort. Die 
Kranken hatten vor 8 —10 Tagen eine Geburt durch- 
gemacht. Alle Kranken konnten nach der Kur die Kinder 
weiter stillen. 

II. Gruppe: In diese gehOren 38 Falle, dieselben 
entsprechen vollkommen der zweiten pathologischen Gruppe 


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Mastitis. 


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der tiefen Lymph- und MilchwegeentzQndung. Auch hier 
erfolgte die Heilung im Laufe von 20—30 Tagen, in drei 
Fallen dauerte die Behandlung bis 32 Tage, es hatten 
sich drei Abszesse gebildet; in 14 Fallen musste ich Eiter- 
herde eroffnen. In zwei Fallen hatte ich eine Erysipel- 
komplikation, welche aber unter dem Einfluss der Saug- 
glocke in 7—8 Tagen abgelaufen war. In der Intervall- 
zeit hatten die Kranken eine Kompresse auf der Drtise 
aus zwei Grunden, erstens um zu verhQten, dass die Pat. 
die Driise berOhren, und zweitens, weil die Heilung und 
das Schmerzgefuhl unter der Kompresse sich gut verhielten. 
Auch hier konnten die Kranken ihre Kinder weiter stillen 
und die Brustdruse war wenig entstellt, denn die Narben 
nach der Oeffnung der Abszesse waren nicht gross. 

III. Gruppe: In diese Gruppe gehbren 32 Falle, 
welche ich im Ambulatorium des Kindlein-Jesu-Hospitals 
behandelte. Es waren alles veraltete, vernachlassigte Falle. 
Die Kranken waren meistens sehr wenig intelligent und 
hatten schon alle ihre Hausmittel erschbpft. Die Brust- 
drusen waren fast immer in einem trostlosen Zustande, 
mehr oder weniger Eiterabszesse, welche sofort geSfihet 
werden mussten und viele Fistelgange waren vorhanden. 
Auch in diesen Fallen hatte ich gute Erfolge nach der 
Behandlung mit Bierscher Saugglocke erzielt. Nur dauerte 
dieselbe lange, 3—5 Wochen, in einem Fall sogar 40 Tage. 
Diese Falle verlangen eine gute Portion Geduld von beiden 
Seiten. Die Brustdruse konnte fast immer vor ganzlichem 
Untergange gerettet werden, nur in acht Fallen konnten 
die Kranken nicht weiter stillen. In vier von diesen 
Fallen dagegen konnten sie dennoch weiter stillen, aber 
nach Ablauf der nachsten Schwangerschaft. So sehen wir, 
dass auch hier die Saugglocke Grosses leistet und auch 
den kleinsten vorhandenen Rest der Milchdriise retten 
kann. In der Intervallzeit legte ich auch hier auf die 
Brustdrtise Kompressen, je nach Bedflrfnis. 

Die Behandlung meiner Falle fuhrte ich mit Aus- 
nahme einiger ambulatorisch und setzte sie konsequent 
so lange fort, bis jede Schwellung verschwunden war und 
die DrOse ihre normale Form angenommen hatte. Die 
Saugglocke applizierte ich genau nach den Vorschriften 
von Klapp einmal taglich, ausnahmsweise auch zweimal 
im Laufe von 45 Minuten; dabei blieb die Glocke 5—10 
Minuten stehen, und es erfolgte eine Pause von 3—5 Minuten. 
Den Rand der Saugglocke beschmierte ich der Dichte 
wegen mit Vaselin. Die Brustdrtise wurde vor und nach 


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Mastitis — Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett. 349 

der Manipulation mit Seife und warmem Wasser und darauf 
mit Benzin gewaschen. Selbstverstfindlich wurde die Saug- 
glocke jedesmal vor dem Gebrauch gut ausgekocht. Zum 
Saugen benutzte ich eine gewfihnliche Spritze, welche 
auch ausgekocht wurde. Die sich bildenden Eiterabszesse 
wurden unter aseptischen Kautelen erSffnet, dabei wurde 
die Oeffnung so klein als nur mdglich gemacht und der 
Eiter sofort aspiriert. Wie aus meinen 89 Fallen ersichtlich, 
besitzen wir in der Bierschen Saugmethode eine tadellose 
Behandlung der BrustdrfisenentzOndungen, welche bis jetzt 
fast alien Forderungen entspricht: sie stillt den Schmerz 
fast sofort, rettet die Brustdrilse, heilt in kurzer Zeit und 
roacht die schmerzhafte, lang dauernde chirurgische Be¬ 
handlung mit Gazetamponade und Drainage unnfitig und 
entstellt nicht die Brustdruse, was aus asthetischen Grfinden 
sehr wichtig ist. Was nun die Meinungsverschiedenheiten 
fiber diese Behandlungsweise in der Literatur anbetrifft, 
so glaube ich dieselben darauf zu beziehen, dass man bei 
der Behandlung erstens nicht genau den Vorschriften 
Klapps gefolgt ist, zweitens wenig Geduld gehabt hat 
und drittens zuviel von derselben verlangt hat, was die 
Zeitdauer der Behandlung und der Erfolge derselben an¬ 
betrifft. Rezidive habe ich niemals beobachtet.“ 

(Wiener klin. Rundschau 1911 Nr. 51.) 

Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett. Seka- 

kornin Oder Fituitxiin unter der Geburt? Von Prof. 
Dr. O. v. Herff und Dr. L. Hell (Frauenspital Basel). 
In seiner geburtshilflichen Operationslehre hat v. H. be- 
reits 1903 nachdrttcklichst empfohlen, vor alien Eingriffen, 
die trotz bestehender Wehenschwache ausgeffihrt werden 
mfissen, vor der Operation — z. B. Zange — Ergotin 
zu geben. Ferner verlangt er heute noch, dass das Gleiche 
bei alien Fallen geschehe, die erfahrungsgemMss zu Atonien 
neigen, und ebenso als erste Massregel bei alien Nach- 
geburtsblutungen, gleichgultig ob die Plazenta schon ent- 
fernt worden ist oder nicht. Gegeben wurde frfiher Ergotin 
Nienhaus, spater Fromme, jetzt seit Jahren nur Sekakornin 
Hoffmann-La Roche, das Verf. ganz besonders warm emp- 
fehlen muss. Er kann die Zahl dieser Ffille heute nicht 
nennen, er kann nur schatzungsweise angeben, dass sie 
in die Tausende geht. Nie hat er irgendwelchen Schaden 
ffir Mutter und Kind gesehen, nie eine Inkarzeration der 
Plazenta erlebt, wie er denn in seinem Leben noch nie 
einen sogen. Krampf des Muttcrmundes beobachtet hat. 


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Schwangerschaft, Geburt, Wochenbctt. 


Wenn eia soldier tats&chlich einmal nur durch Secale 
cornutum ausgelfist worden ist, welche Mogiichkeit Ubrigens 
sehr gering erscheint, wenn iiberhaupt diese gegeben ist, 
so kann Verf. nur annehmen, dass entweder zu hohe 
Dosen gegeben worden sind oder dass ein ungeeignetes 
Praparat angewandt wurde. Auch wire an eine aller- 
dings sehr seltene Idiosynkrasie zu denken. Und in der 
Tat lehren dies die wenigen in der Literatur niederge- 
legten Beobachtungen. Ein Tetanus uteri ist um so we- 
niger zu erwarten, als bekanntlich Kehrer in Mtinchen 
gezeigt hat, dass Sekakornin normale Wehen kaum zu ver- 
sUirken vermag, jedenfalls keinen Tetanus auslfist. Auf 
Grund dieser Beobachtungen, der in der Literatur ent- 
haltenen Yersuche und Erfabrungen und- anderer gelegent- 
licher Erfahrungen, die Verf. bei praktischen Aerzten 
gesehen hat, hat er seit zwei Jahren nur gegen schwere 
Wehenschwilchen prinzipiell Sekakornin anwenden lassen. 
Anfangs wurde eine halbe Spritze = 0,5 g gegeben, bald 
jedoch nur ein Viertel = 0,25 g, welche Dosis im all- 
gemeinen ausreicbt. Diese kann gegebenenfalls gut wieder- 
holt werden, wenn die Wehen wieder nachlassen sollten 
oder nur ein ungenugender Effekt erreicht worden ist. 
Zurzeit verfOgt Yerf. fiber 100 Ffille. Sie wurden unter 
rund 3100 Geburten ausgesucht = 3,2% schwerer und 
schwerster Wehenschwache. Von diesen entfallen 63 auf 
die Erdflhungszeit und 37 auf die Austreibungsperiode. 
Bei noch erh^iltener Zervix wurde zehnmai Sekakornin 
gegeben mit zwei Versagern, die einzigen, die beobachtet 
wurden. Eine ungenugende, d. h. zu schwache Wirkung 
wurde viermal verzeichnet, d. h. in etwa 5—6% hat man 
mit Versagern oder mit ungenugender Wirkung, die fibrigens 
durch Erhfihung der Dosis auf % Spritze vermieden werden 
kann, zu rechnen. Gewiss ein sehr gfinstiges Ergebnis, 
mit dem man alien Grund hat sehr zufrieden zu sein, 
zumal in alien diesen 100 Fallen die Plazenta spontan 
t gekommen ist, nur einmal eine Atonie eingetreten ist. Trotz 
dieser pathologischenVerh&ltnisse wurden 84 Spontangeburten 
ex*zielt, dreizehnmal musste die Zange angelegt werden, 
einmal wurde die Hysterotomia anterior ausgeftihrt. Als 
Anzeigen ffir die Zangen, unter welchen sich zehnmai 
tiefer Querstand vorfand, gait von seiten der Mutter: 
ffinfmal protrahierte Austreibungsperiode bei guten Herz- 
tfinen der Frucht. In alien diesen Fallen hatte Sekakornin 
zunfichst gut gewirkt, einmal in Kombination mit Pituitrin, 
aber die Wehen wurden wieder schwScher, Verf. wollte 


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Sellwangerschaft, Geburt, Wochenbeti. 351 

die Sekakorningaben nicht wiederholen. Die mittlere Dauer 
der Austreibung betrug 4 ‘ 4 Stunden, also gewiss nicht za 
kurz. Verf. gibt zu, dass man noch linger hatte warten 
konnen, aber scliliesslich Oberwog das Mitleid. Wegen 
Druckerscbeinungen (blutiger Urin) musste zweimal die 
Zange angelegt werdeln, einmal wegen drohender Uterus- 
ruptur und einmal bei einer Sterbenden wegen schwerster 
Staphylokokkamie nach einem Ruckenfurunkel. Die Mutter 
wie das Kind starben bald nach der Geburt an der gleichen 
Infektion. Yon seiten der Kinder bedingte viermal Asphyxie 
die Zange, darunter bei einem Kinde, an dem bereits 
ausserhalb Zangenversuche (hintere Hinterhauptslage) ge- 
macht worden waren, dieses- starb an Gehirnblutung. In 
keinem dieser Falle war etwa ein Tetanus uteri an der 
Asphyxie schuld gewesen, wie denn Uberhaupt von diesen 
13 Kindern zwei gestorben sind, das eben erwfihnte und 
ein weiteres, bei dem die um den Hals geschlungene 
Nabelschnur von einer Zangenspitze erfasst und gedrQckt 
worden war. Yon den 100 M Cittern sind zwei gestorben. 
Eine ftinf Stunden nach der Geburt an Infektion, eine 
andere kurz nach der Geburt an Herzschwache, akute 
Dilatation des Herzens. Beide Todesfalle konnen nicht 
im gcringsten den geringen Sekakorningaben zur Last ge- 
legt werden. Yon den 100 Kindern gingen acht bis zum 
Entlassungstage verloren. In alien diesen Fallen konnte 
klinisch wie durch die Sektion der voile Beweis gefiihrt 
werden, dass diese Kinder nicht an den geringen Seka¬ 
korningaben gestorben sind. Nur in einem einzigen Falle, 
bei dem nachher Pituitrin gereicht wurde, kam es zu einer 
Atonie in der Nachgeburtsperiode, sehr bezeichnend: In 
keinem der anderen 99 Falle hatte man irgendwelche 
Schwierigkeiten mit der Nachgeburtszeit — das sei ganz 
besonders, im Gegensatz zu den Erfahrungen mit Pituitrin, 
hervorgehoben. Verf. stehen dafiir voll ein, dass in keinem 
dieser 100 Falle die Mutter oder das Kind irgendwelchen 
Schaden erlitten haben. Wie denn die geringe Gabe von 
Vi—‘/a Spritze Sekakornin schon von Haus aus ganz harm- 
los erscheint. Wahrend dieser Untersuchungen kam Pi¬ 
tuitrin auf. Verf. wollte seine Sekakorninreihen nicht 
unterbrechen, und so hat er dieses Mittel fast nur bei 
Aborten versucht. In etwa 30 Fallen hat es nicht mehr 
geleistet als Sekakornin, es hat sich ebenso unzuverlassig 
wie dieses erwiesen. Verf. kbnnen Pituglandol zur Be- 
forderung eines drohenden, selbst eines schon im Gange 
befindlichen Abortes nicht besonders empfehlen, es wirkt 


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Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett. 


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selbst in Kombination mit anderen Mitteln und Methoden 
zu unsicher. Zweimal nahmen Yerf. die Gelegenheit wahr, 
Fituitrin in Abwechslung mit Sekakornin zu geben. Beide 
Mittel wirken ungefahr gleich, und zwar in Fallen ganz 
besonderer schwerer Wehenschwache. Aber ein grosser 
Vorteil, ausser dem der grossen Billigkeit, kommt dem 
Sekakornin zu, namlich jener, dass es keine Atonien be- 
gtinstigt, im Gegenteil diese erst recht verhindert oder 
einschrankt. Sekakornin entfaltet seine Wirkung allmah- 
lich, die Akme wird meist erst in der dritten halben Stunde 
erreicht, dafOr halt sie aber langer an, bis zu drei Stunden. 
Pituitrin hingegen wirkt rasch, aber die Wehenverstarkung 
halt nicht solange an wie bei Sekakornin, daher auch 
die nicht seltenen Atonien, die beobachtet werden. Unter 
den bisherigen sehr wenigen Pituitrinanwendungen unter 
der Geburt trat zweimal eine Atonie ein. Gerade diese 
Sicherheit gegen Atonien lassen das Sekakornin dem 
Pituitrin weit bevorzugen. Leider ist die Hoffnung, die 
Zahl der Zangenentbindungen noch weiter herabzusetzen, 
als es bis dahin der Fall gewesen war, nicht in ErfGllung 
gegangen. Die Haufigkeit der Zange stellt sich nach wie 
vor auf rund 1,6°«. Yerf. zweifelt, dass es bei dem liie- 
sigen Materiale mit verhaltnismassig vielen alteren Erst- 
gebarenden tiberhaupt mbglich sein wird, diese Ziffer noch 
mehr zu drGcken, zumal in einer Anstalt, die zugleich 
Lehrzwecken dient. Wenn auch diese Erfahrungen die 
Zahl 100 eben erreichen, so glauben Verf. dennoch, die 
Anwendung des Sekakornins gegen Wehenschwache aller 
Art sehr warm empfehlen zu dilrfen, um so eher, weil 
es bei grosser Sicherheit in der Wirkung unsch&dlich und 
obendrein recht billig ist. 

(Mttnch. med. Wochengchrift 1912 Nr. 3.) 


Hypophysenextrakt als Wehemnittel. Yon Dr. F. Jaeger 
(Kgl. Univers.-Frauenklinik Erlangen). Autor fasst seine 
Erfahrungen wie folgt zusammen: 

1. Das Hypophysenextrakt wirkt in der Erdffnungs- 
periode am besten, wenn der Muttermund bei Erstgebftrenden 
ungefahr kleinhandtellergross, bei Mehrgebarenden fQr zwei 
Finger durchgangig ist. Solange noch keine Wehen vor- 
handen sind, ist die Wirkung nur eine kurzdauernde und 
unzulangliche. 

2. In der Austreibungsperiode lasst sich in vielen 
Fallen durch das Hypophysenextrakt der Forzeps vermeiden. 


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Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett. 


353 


3. Seine Anwendung ist daher angezeigt bei sekund&rer 
Wehenschwache, bei schlechten Weben infolge starker Aus- 
dehnung der Geb&rmutter durch Hydramnion oder Gemini, 
bei Fieber. 

4. Ist eine Stbrung in der Nachgeburtsperiode zu 
erwarten, so lasst sich diese unter UmstSnden vermeiden 
durch eine Injektion kurz vor der Geburt des Kindes. 

5. Erfolgt die Geburt des Kindes ungefahr eine Stunde 
nach der Injektion, so muss man auf eine Blutung gefasst 
sein. Die Nachgeburtsperiode ist in diesem Falle besouders 
genau zu beobachten. 

6. Fur die Behandlung von Atonien besitzen wir auch 
andere Mittel, die dem Hypophysenextrakt gleichstehen, 
wenn nicht gar ihn iibertreffen. 

(MuDch. med. Wochenscbrift 1912 Nr. 6.) 

— Zur Schmerzstillnng normaler Geburten. Von S. Wein- 
mann. [Schluss.] „In den mit Pantopon-Skopolamin- 
Lbsung schon von vornherein behandelten Fallen war bei 
zwei Frauen eine absolute Schmerzlinderung zu konstatieren, 
bei den anderen wurde die Schmerzhaftigkeit der Wehen 
zwar nicht vollstandig herabgesetzt, doch so vermindert, 
dass nun dem Ende der Geburt viel ruhiger und gefasster, 
viel weniger verzweifelt entgegengesehen wurde. Immer 
wurde auch hier in den Wehenpausen ein schlafahnlicher 
Zustand beobachtet, der sich aber sehr wohl von dem 
Morphium-Skopolamin-Dammerschlaf unterscheidet: die 
Schlafenden sind schon durch blosses Anrufen zu erwecken 
und erwachen aus diesem Narkosenschlaf in vollstem 
Bewusstsein. Eine Amnesie fiir die Geburt war durch 
die Injektion nicht zu erreichen, die Kreissenden waren 
sich nach dem Partus wohl der ausgestandenen Schmerzen 
bewusst, aber auch voll Anerkennung und Dankbarkeit 
fGr die durch die Anasthesierung bewirkte Schmerzlinderung. 
Auch die ungGnstige Beeinflussung der Wehentatigkeit, 
wie sie durch die Morphium-Skopolamin-Narkose geschieht, 
haben wir bei unseren Injektionen nur selten gesehen; nur 
in zwei Fallen ist eine VerzGgerung der Geburt der kom- 
binierten Morphium-Skopolamin-Narkose zur Last zu legen: 
nach anfangs sehr kraftigen ErGffnungsweben sistiert nach 
der in beiden Fallen kurz vor dem Beginn der Austreibungs- 
zeit verabfolgten, wiederholten Pantopon-Skopolamin-Dosis 
die Wehentatigkeit des Uterus fast vollstandig, und auch 
die Bauchpresse wird nur ungenOgend auf dringende Auf- 
forderung hin in Aktion gesetzt. Auch diese ungGnstigen 

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Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett. 


Erfahrungen dflrften ein Warnungszeichen sein, die Injektion 
des Prfiparates nicht zu spat, nicht zu kurz vor dem Be¬ 
gum der Presswehen auszufilhren. In alien anderen, 
besonders mit Pantopon allein behandelten Fallen hatten 
wir einen ahnlichen schadlichen, wehenherabsetzenden 
Einfluss nicht zu verzeichnen. Die Intehsitat und Dauer 
der einzelnen Wehe erlitt zwar in einigen wenigen Fallen 
eine geringe Einbusse, aber diese Schadigung war dann 
nur eine vorQbergehende und ohne wesentlichen Effekt 
fQr die Dauer der Geburt. Eine nachteilige Wirkung auf 
Nachgeburts- und Wochenbettsperiode bestand niemals: 
der Verlauf des Puerperiurns war stets ganz normal, die 
Involution der Genitalorgane ungestOrt, der Lochialabgang 
ungehemmt. Ebenso ist die Injektion, wie schon oben 
bemerkt, von unangenehmen Neben- und Nacherscbeinungen 
vbllig frei; abgesehen von der allgemeinen Ermtidung, die 
die Injizierte befallt, waren subjektiv und objektiv keine 
Veranderungen des somatischen Zustandes zu konstatieren, 
keine Alteration in Respiration und Kreislauf, keine 
motorischen und psychischen Erregungszustande, im gbn- 
stigen Gegensatz zur Morphium-Skopolamin-Narkose; nach 
den Versuchen von Wertheimer-Raffallovich wird ja 
durch das Pantopon das Atemzentrum viel weniger beein- 
flusst wie durch das Morphium, dessen lahmendem Einfluss 
ja, wie bekannt, auch die bei dem Morphium-Skopolamin- 
Dammerschlaf vielfach beobachtete Oligo- bzw. Apnoe 
zur Last zu legen ist. Die standige Kontrolle der kind- 
lichen HerztQne ergab bei uns nie eine auffallende 
Aenderung in Schlagfolge und Dauer, nie waren wir, um 
das kindliche Leben zu retten, zur kiinstlichen Beendigung 
der Geburt genbtigt; die Kinder kamen alle, mit einer 
Ausnahme — die Injektion mit Pantopon-Skopolamin ge- 
schah kurz vor Beginn der Austreibung, das Kind wurde 
mit den Zeichen des Skopolaminrausches geboren — lebens- 
frisch zur Welt, auch bei wiederholter Dosis. Abgesehen 
von dieser rein geburtshilflichen Anwendung des Pantopons 
ist seine Verwendung auch bei vielen schmerzhaften 
Attacken in Schwangerschaft und Wochenbett angebracht 
(Mastitis, Pyelitis, hysterische Aufregungszustande); ebenso 
setzt es vor Beginn kleinerer Operationen (Kurettage etc.) 
das Schmerzgefilhl gtinstig herab und Gbt in Kombination 
mit Skopolamin, wie Morphium-Skopolamin, vor grftsseren 
geburtshilflichen Operationen seine beruhigende Wirkung 
aus und ,benimmt so den letzten Schrecken vor dem 
Eingriff* (Th. Johannsen). Legte man uns die Frage 


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Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett. 


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vor, welcher Anasthesierungsmethode wir auf Grund unserer 
Erfahrungen den Vorzug gaben, so wiirden wir filr den 
Fall, dass nur filr die letzte Periode der Geburt (Schiittel- 
wehenperiode) Schmerzlinderung gewQnscht wQrde, die 
,Chloroformierung a la reine‘ zum Versuch empfehlen; 
wird aber, wie es haufiger geschieht, schon um eine 
Anasthesierung schmerzhafter Eroffnungswehen gebeten, 
so wiirden wir der Pantoponnarkose, in sehr schmerzhaften 
Fallen kombiniert mit Skopolamin, das Wort reden. Fiihrt 
sie auch nicht immer zu vollem Effekt, zur absoluten 
Schmerzbet&ubung, so hilft sie doch schwere Geburtsarbeit 
wesentlich erleichtern und gew&hrt so dem meist in der 
Aussenpraxis allein auf sich angewiesenen ftrztlichen 
Geburtshelfer eine Unterstiitzung, die nicht gering ein- 
zuschatzen ist. Sehr leicht, auch Von der ungeschultesten 
Hand ausfuhrbar, gefahrlos fGr Mutter und Kind, kann 
jeder Praktiker damit manchen Segen stiften, wird er doch 
dadurch instand gesetzt, schon ante partum dem drohenden 
Gespenst einer schmerzhaften Geburt seinen Schrecken zu 
nehmen, und dass Frauen, auf die ein schweres Geburts- 
trauma nicht selten ungilnstig psychisch nachwirkt, ihm 
fQr seine Hilfe Dank wissen werden, ist wohl begreiflich.“ 
Schliesslich sei noch folgender Passus wiedergegeben: 
„Die Schmerzlinderung heftiger Uteruskontraktionen von 
der Nase aus durch Anasthesierung der Nasenschleimhaut 
hat sich bei uns in den wenigen Fallen, in denen wir 
uns der Methode bedienten, als recht wirksam, wenn auch 
nur fur kurze Dauer, erwiesen. Durch Bepinselung der 
Nasenschleimhaut mit fiinf Tropfen einer 5°/oigen Kokain- 
lQsung konnten wir fur kurze Zeit ("s—1 Stunde) den 
Kreissenden eine auffallend schmerzlose, dabei aber regel- 
massige Wehentatigkeit verschaffen. Oft wurde die Be¬ 
pinselung mehrere Male wiederholt und entfaltete dann 
immer wieder ihre Wirkung.“ 

(Munch. med. Wochenschrift 1911 Nr. 50.) 

— Ueber Schwangerschaftsstreifen und ihre Verhfitung. Yon 

Dr. W. Barfurth (Univers.-Frauenklinik Rostock). Verf. 
hat als Assistent dergeburtshilflichenAbteilung derRostocker. 
Frauenklinik Versuche angestellt, die den Zweck hatten, 
durch Massage die Bildung von Schwangerschaftsstreifen 
zu verhiiten. Die Resultate der allerdings nur kleinen 
Yersuchsreihe entsprachen durchweg den Erwartungen und 
sind geeignet, gewisse Schlusse daraus zu ziehen, wenn 
sie auch nicht beweiskr&ftig sind. Die VerhSltnisse bringen 

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Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett. 


es mit sich, dass es schwierig ist, in einer Sffentlichen 
Entbindungsanstalt grosseres Zahlenmaterial vorzuftihren. 
Diese Behauptung mag widersinnig erscheinen, entspricht 
aber den Tatsachen insofern, als die Mehrzahl der Schwan- 
geren erst zu Ende der Graviditat in die Anstalt kommt. 
Selbstredend kommen auch nur Erstgebarende fiir die Ver- 
suche in Frage. Die Massage wurde von den Hebammen- 
schtilerinnen, also ungeschulten Kraften, ausgeflihrt. Die 
Pradilektionsstellen der Striae wurden mit Strichmassage 
behandelt, jedoch so, dass auf die zwischen Daumen und 
die tibrigen Finger eingeklemmte Hautfalte zugleich ein 
leichter Druck ausgeiibt wurde. Die Haut des Abdomens 
wurde radiar und zirkular vom Nabel massiert, in ahn- 
licher Weise wurde die Brust behandelt, Oberschenkel und 
Hiiften in verschiedenen Richtungen. Yor der Massage 
wurde die Haut eingeolt, das Oel nachher durch Waschung 
beseitigt. Es braucht kaum darauf hingewiesen zu werden, 
dass eine gute Hautpflege das Yerfahren wesentlich unter- 
stiitzt. In den meisten Fallen genQgte eine einmalige 
Massage am Tag von 15—30 Minuten Dauer, bei sehr 
straffer Haut wurde zweimal taglich massiert. In der 
ersten Zeit muss die Behandlung moglichst schonend aus¬ 
geflihrt werden, da sie, zumal bei wenig lockerer Haut, 
sonst 8chmerzhaft empfunden wird. Zunehmende Weich- 
heit und Verschieblichkeit gestatten, immer energischer 
vorzugehen. Es ist wichtig, dass man die Haut in Falten 
abhebt, wahrend sie durch die Finger gleitet. Die ersten 
Unannehmlichkeiten des Verfahrens wurden von den Frauen, 
wenn sie liber den Zweck desselben aufgeklart worden 
waren, ohne Murren ertragen. Aus den Versuchen glaubt 
Verf. mit Recht schliessen zu kbnnen, dass die Bildung 
von Schwangerschaftsstreifen durch Massage verhdtet werden 
kann. Je frOher die Behandlung einsetzt, um so leichter 
wird ein gQnstiges Resultat erzielt werden. Bei schon 
vorhandenen Streifen, d. h. beginnender Elastizitatsinsuf- 
fizienz, bedarf es grosster Sorgsamkeit, um weiteren Striae 
vorzubeugen. Ein schadigender Einfluss auf die Graviditat 
wurde nicht beobachtet, die Geburten traten am normalen 
Ende der Schwangerschaft auf. In der allgemeinen Praxis 
liesse sich das Verfahren durch den Hausarzt wohl ein- 
fGhren; in den Kreisen, wo der Wert einer exakten Kbrper- 
pflege in weitestem Masse gewurdigt wird, diirfte es nicht 
ohne Zukunft sein. (Zentralbl. f. Gyn&kologia 1911 Nr. 51.) 


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Tabes. 


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Tabes. Die Jod- and Arsentherapie beiT. Von Dr. J. Schmelz 
(Nervenabteil. der Poliklin. in Wien). „Die Jodtherapie, 
die Einverleibung von, Jod in gebundenem Zustande, bei 
metaluetischen Erkrankungen des Zentralnervensystems ist 
eine althergebrachte und sehr beliebte; sehr wenig wird 
das Arsen in solchen Fallen angewendet, wiewohl es sich 
als ein hochwirksames Tonikum und Nervinum bei Nerven- 
erkrankungen, die mit allgemeiner Schwache und Er- 
schopfung einhergehen, bewahrt. Da das eine Mittel spe- 
zifisch, das andere mehr symptomatisch wirkt, habe ich 
es mir seit nahezu einem Jahre zur Aufgabe gemacht, 
beide Mittel zugleich Tabikern, die in recht ansehnlicher 
Zahl unsere Abteilung frequentieren, zu verabreichen, und 
wahlte hierftir die in Tabletten im Handel vorkommenden 
Jodglidine und Arsan. In jedem Falle von T. wurde auf 
Lues inquiriert und die Wassermannsche Prtifung an- 
gestellt und, sofern nur ein Verdacht auf Lues bestand, 
die entsprechende Hg-Kur eingeleitet. Nach ca. 6—12 
Wochen wurde mit der kombinierten Jod-Arsen-Therapie, 
mit Jodglidine und Arsan begonnen. Die Pat. erhielten 
in den ersten zwei Wochen je eine Tablette Jodglidine 
(0,05 g Jod enthaltend) nach dem FruhstGck und Abfend- 
essen und eine Tablette Arsan (0,002 g As enthaltend) 
nach dem Mittagessen, durch weitere 4—6 Wochen stei- 
gend 3—4 Jodglidine- und 2 Arsantabletten taglich. Die 
beiden genannten Mittelj sind Verbindungen des Jods resp. 
Arsens mit einem nukleinfreien, reizlosen Pflanzeneiweiss, 
bei denen der Eiweisscharakter mhglichst wenig verandert 
wird. Die Abspaltung des J resp. As vom Eiweiss ge- 
schieht allmahlich und kontinuierlich, die Resorption ist 
nicht schwankend, sondern konstant und langsam. Daraus 
erklart sich, dass die charakteristischen Symptome des Jo- 
dismus, wie sie sonst nach l&ngerer Darreichung von Jod- 
kali oder Jodnatrium und ahnlicher Praparate auftreten, 
ilberhaupt nicht vorkamen, ebenso auch nicht Erschei- 
nungen wahrzunehmen waren, welche auf die Abspaltung 
von arseniger Saure zurilckzufiihren gewesen wSren. Trotz- 
dem Jodglidine in Kombination mit Arsan in mehrwochent- 
lichen Unterbrechungen monatelang genommen und in ver- 
haltnismassig ansehnlicher Menge verbraucht wurde, konnte 
gar keine nachteilige Wirkung konstatiert werden. Die 
Mittel wurden stets gem genommen und gut vertragen, 
selbst von solchen, die eine Aversion gegen JK und JNa 
besassen. Der durch die Einnahme von Jodglidine und 
Arsan erzielte therapeutische Effekt ist jedenfalls in nicht 


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Tabes. 


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geringem Grade der glQcklichen Komposition, der Bindung 
von J und As an Pflanzeneiweiss, zuzuschreiben, wodurch 
der Organisinus unter einer anhaltenden gleichm&ssigen 
Wirkung rait verhaltnismSssig kleinen Dosen von J und 
As gehalten wird, ohne dass sich stdrende Nebenwirkungen 
geltend machen. Das Pflanzeneiweiss wird dem Kbrper 
zweckdienlich zugefGhrt, denn nur so l&sst sich die fast 
durchwegs konstatierte Gewichtszunahme, das relativ gute 
Aussehen und das subjektive Wohlbefinden der Tabiker 
erklaren. In gleichem Masse, als sich der somatische Zu- 
stand bessert, gehen Hand in Hand damit die zablreichen 
Beschwerden der Tabiker, wie z. B. die lanzinierenden 
Schmerzen, das Gflrtelgefiihl und ahnliche ParSsthesien, 
betrfichtlich zurQck. Infolge des Schwindens oder Ab- 
flauens der Schmerzen werden auch die Gehstbrungen 
gebessert, die Ataxien schwinden fast ganz. Allerdings ’ 
treten nach vielen Wochen und Monaten, wenn langere 
Zeit mit den Mitteln ausgesetzt wurde, Riickfalle bezOg- 
lich der Ataxien und Schmerzen ein, docli die Pat. schbpfen 
wieder Hoffnung und Mut, dass ihnen die neuerliche Ein- 
nahme der Mittel Besserung bringen werde. Bei einem 
so langwierigen und chronischen Uebel, wie es die T. 
ist, das derzeit einer Dauerheilung unzug&nglich ist, muss 
es unser Bestreben sein, die armen Pat. recht lange we- 
nigstens in dem Status zu erhalten, in dem wir sie zur 
Behandlung Gbernommen haben; wenn aber der Prozess 
sich progredient erweist, all das zu tun, um sein Fort- 
scbreiten aufzuhalten, damit es nicht zu den schweren 
Ataxien komme. Fur alle diese Falle empfehle ich neben 
leichter physikalischer Therapie — denn nichts ist schad- 
licher in der Behandlung der T. als die Polypragmasie — 
die rechtzeitige und haufige Anwendung von Jodglidine 
in Kombination mit Arsan.“ 

(Wiener med. Wochenschrift 1911 Nr. 62.) 

T. dorsalis im sp&teren Alter anf der Basis heredit&rer 
Lues. Yon R. v. Hbsslin in Mtinchen-Neuwittelsbach. 
Den in der Literatur niedergelegten Fallen von T. im 
spateren Lebensalter, die sich auf der Grundlage einer 
hereditaren Lues entwickelten, mochte Verf. einen weiteren 
Fall anreihen. Am 5. Juni v. J. wurde eine 52jahrige 
unverheiratete Dame aus bester Familie aufgenommen; sie 
erkrankte vor drei Monaten mit zunehmender Schwache 
der unteren Extremitaten, die sich rasch so weit steigerte, 
dass die Pat. vollig gehunfahig wurde. Bis zum Marz v. J. 


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Tabes — Tumoren. 


359 


hatte Pat. sich ganz wohl geffihlt bis auf zeitweise auf- 
tretende Schmerzen in den Beinen, die auf Aspirin regel- 
mSssig verschwanden. Seit einiger Zeit Druck gegen den 
After und Gfirtelgeffihl. Die Untersuchung ergab das 
Bestehen einer T. mit hochgradiger Ataxie der unteren 
Extremitftten: Mittelweite, lichtstarre Pupillen. Sehnen- 
reflexe der unteren Extremitaten fehlen. Kaltehyperasthe- 
siezone am Rumpf, Berfihrungsempfindlichkeit an den Ober- 
und TJnterschenkeln herabgesetzt, an den Ffissen aufge- 
hoben. Leiclxte Herabsetzung der Schmerzempfindlichkeit 
abwarts vom dritten Dorsalsegment, an den unteren Ex¬ 
tremitaten starkere Analgesie, Stfirungen des Temperatur- 
sinns an den Ffissen. Das Lagegeftihl in Zehen-, Fuss-, 
Knie- und Hiiftgelenken aufgehoben. Pat. hat keine 
Abnung fiber die Lage und Stellung ihrer unteren Extre¬ 
mitaten. Gehen und Stehen infolge hochgradiger Ataxie 
unmoglich. Papille frei. Wassermann stark positiv (PIaut). 
Die Anamnese ergab nun, dass der Vater mit 36 Jahren 
an Paralyse gestorben war, dass die Mutter vor der Ge- 
burt der Kranken drei Aborte hatte. Ein Bruder, von 
Kindheit an an Krampfen leidend, war mit sieben Jahren 
gestorben. Als die Kranke zehn Jahre alt war, lfiste sich 
am Hinterkopf ein dreimarkstfickgrosses Knochenstfick 
unter Eiterung ab. Nocli heute ist der entsprechend grosse 
kreisrunde und tiefe Defekt deutlich zu spfiren. Die 
Kranke hat nie sexuellen Verkehr gehabt, die Untersuchung 
ergab auch, dass das Hymen intakt, kaum ffir den kleinen 
Finger durchgangig war. Da die Ffille, in welchen die 
T. bei hereditar Luetischen sich in so spaten Jahren ent- 
wickelt — die Kranke war, abgesehen von den lanzinie- 
renden Schmerzen, bis zu ihrem 53. Lebensjahr ganz ge- 
sund gewesen —, immerhin recht selten sind, wollte Verf. 
den Fall in Kfirze mitteilen. So gut sich in diesem Falle, 
in welchem die hereditare Lues nachweisbar war, eine T. 
entwickelt hat, dfirfen wir auch in manchen anderen 
Fallen, in welchen weder von einer erworbenen noch von 
einer hereditaren Lues etwas bekannt ist, an eine heredi¬ 
tare Lues denken, sogar wenn die T. erst in spateren 
Lebensjahren auftritt. Die Kranke ging wenige Monate 
spfiter zugrunde, die Autopsie bestatigte die klinische 

Diagnose. (Neurolog. Zentralblatt 1912 Nr. 1.) 

Tumoren. Frim&rer latent verlanfender SpeiserShrenkrebs. 

Metastase am Sch&deldache ale Un fall frige. Yon Dr. 

Max Strauss (Nfirnberg). Der 40jahrige Arbeiter L. Sch. 


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Tumoren. 


stiess beim Oeffnen eines Tores in der Dunkelheit gegen 
einen in Kopfhohe stehenden Riegel so heftig, dass er 
beinahe umgefallen ware. Am nachsten Tage war der 
Schmerz vorbei, so dass der Verletzte den Unfall nicht 
weiter beachtete, bis sich nach einiger Zeit ein kleiner 
schmerzhafter Knoten an der Stelle des Stosses entwickelte. 
Wegen dieses Knotens, der spater angeblich nicht grosser 
wurde, suchte der Verletzte seinen Hausarzt auf, durch 
den der Pat. Verf. zur Operation viberwiesen wurde. Die 
weitere Anamnese ergab nichts Besonderes, hereditare Be- 
lastung irgendwelcher Art, Potus und Lues werden negiert. 
Pat. will fruher immer gesund gewesen sein, bis er vor 
einem halben Jahre wegen eines chronischen Magen- 
geschwurs langere Zeit arbeitsunfahig war. Bei der Unter- 
suchung zeigte der Verletzte schlechtes, fast kachektisches 
Aussehen, Blasse der Haut und sichtbaren Schleimbaute, 
geringes Fettpolster, massig gut entwickelte Muskulatur. 
Drusenschwellungen irgendwelcher Art fehlen. Korper- 
temperatur 36,9. Die inneren Organe lassen keinen krank- 
haften Befund erkennen, insbesondere fehlt jede Anfeutung 
einer Erkrankung des Magens. An der rechten Kopfhalfte 
befindet sich oberhalb der Stirnhaargrenze, nahe der Mittel- 
linie, unter unveranderter Haut eine halbnussgrosse, halb- 
kugelige Geschwulst, die weiche elastische Konsistenz zeigt, 
auf Druck nicht besonders empfindlich ist und sich nicht 
von der mit hartem, scharfem Rand abgrenzbaren Unter- 
lage verschieben lasst. Die bestimmten anamnestischen 
Daten machten die Diagnose eines periostalen Hamatoms 
wahrscheinlich. Bei der Inzision fand sich ein solider, 
weicher, vom Periost ausgehender T., dessen Schnittflache 
einen sarkomartigen Eindruck machte und der daher weit 
im Gesunden exstirpiert wurde. Naht der Wunde. Heilung 
per primam. Die histologische Untersuchung der exzi- 
dierten Geschwulst ergab zahlreiche, sehr dicht angeordnete, 
verschieden grosse, z. T. rundliche, z. T. laogliche, solide 
Zellnester. Sie bestehen aus meist grossen polymorphen 
Zellen mit blaschenformigen Kernen und grossen, Kern- 
korperclien. Innerhalb der Zellnester befinden sich kleinere 
Herde mit polyedrischen Zellen in konzentrischer, zwiebel- 
schalenartiger Anordnung. Das bindegewebige Stroma ist 
in Form von schmalen, bindegewebigen Septen auf ein 
Minimum reduziert. Somit handelte es sich um einen 
epithelialen T., der bei seiner Lokalisation als metasta- 
tischer, sekundarer aufgefasst werden musste. Mit diesem 
Befunde kam die zuerst in Aussicht genommene Radikal- 


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Tumoren. 


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operation (Trepanation) nicht weiter in Betracht. Der 
Pat. war zun&chst ohne Schmerzen, and Verf. nahm mit 
RGcksicht auf die in der Anamnese ^ngegebene Magen- 
erkrankung an, dass der primtire T. im Magen sitze, ob- 
wohl alle Symptome eines Magenkrebses bis dahin fehlten. 
Im weiteren Verlaufe kam es nach acht Wocken zum Er- 
brechen kaffeesatzartiger Massen und zum Blutabgang im 
Stuhle. Pat. wurde bettlSgerig und starb nach weiteren 
neun Tagen unter den Erscheinungen der zunehmenden 
Entkraftung. Lungenerscheinungen traten erst kurze Zeit 
ante exitum auf. (Hustenreiz und zeitweise Atemnot.) 
Zu derselben Zeit kam es zu Fieber und langsam starker 
werdenden Kopfschmerzen. Die Autopsie ergab einen Speise- 
rGhrenkrebs in der Mitte der Speiserohre, der zirkular die 
ganze Schleimhaut in einer Langsausdehnung von 10 cm 
geschwiirig zerstort hatte und zu einer Perforation in das 
rechte Mediastinum fOhrte. Die rechte Lunge war inten- 
siv mit der Speiserohre verwachsen. Magen und sonstige 
Organe fanden sich frei von Krebsmetastasen, bis auf die 
bereits operierte Schadelmetastase, die rezidivierend die 
Schadelknochen perforiert und zu einer der Dura auf- 
sitzenden Metastase gefuhrt hatte. — Kurz zusammen- 
gefasst handelte es sich um einen vGllig latenten Oeso- 
phaguskrebs, der im Anschluss an einen Unfall zu einer 
Metastase am Schadel gefuhrt hatte. Erst durch diese 
Metastase, die zun&chst als prim&rer T. auftrat und nur 
durch die mikroskopische Untersuchung als metastatische 
Geschwulst t erkannt werden konnte, wurde die Auf- 
merksamkeit auf die primare Geschwulst gelenkt. Fur 
die Gutachtertfttigkeit war die histologische Untersuchung 
von ausschlaggebender Bedeutung. Es war unzweifelhaft, 
dass die Metastase als Unfallsfolge betrachtet werden musste. 
Dies wurde auch von der Berufsgenossenschaft ohne wei- 
teres anerkannt. Anderseits musste der Gutachter in seinem 
ersten Gutachten bereits darauf hinweisen, dass auf Grund 
des histologischen Befundes ein weiteres Leiden vorliege, 
das fiir den eintretenden Todesfall verantwortlich zu machen 
sei, und dass zur Feststellung dieses Leidens die Sektion 
nGtig sei. Dementsprechend wurde die Sektion angeordnet 
und auf Grund des Befundes jeder Rentenanspruch ab- 
gewiesen, weil die Todesursache durch das perforierte 
Oesophaguskarzinom gegeben war und die Unfallfolge den 
Eintritt des Todes nicht beschleunigt hatte. Nur noch 
wenige Worte Ober die klinischen Besonderheiten des Falles, 
die vor allem auf dem Gebiete der Symptomatologie liegen 


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Tumoren. 


und die Fehldiagnose erklSrlich macben. Hierher gehOren 
das Fehlen aller Schluckbeschwerden und Schmerzen trotz 
‘der grossen Ausdehnung des Karzinomgeschwiirs, das offen- 
bar mehr infiltrierend als obstruierend wirkte. Beacljtens- 
wert ist weiterhin das wiederholte Bluterbrechen und der 
Blutabgang im Stuhle, welche Symptome wohl mit dem 
geschwurigen Zerfall des Karzinoms zusammenhingen. 
Besonderes Interesse verdient endlich noch die Metastase 
im Perioste des Schadels. Metastasen finden sich zwar 
beim Oesophaguskarzinom ziemlich hftufig (in 60 °/« aller 
FSlle nach Petri und Zenker). Meist sind aber hierbei 
die Drtlsen befallen. Hautmetastasen sind ausserordentlicli 
selten. Die hier vorliegende Metastase des Periostes findet 
sich in der Literatur nicht erw&hnt. Sie ist wohl durch 
das stattgefundene Trauma mit Sicherheit veranlasst und 
gestattet so weite Ausblicke auf die Genese der malignen 
T. und der Metastasen. Die einwandfreie Sachlage legt 
den Gedanken einer Karzinom- und Metastasen genese durch 
lebende Zellen nahe, die bakterien&hnlich im Blute kreisen. 
Endlich zeigt der Fall die Bedeutung der exakten histo- 
logischen Untersuchung, die der Gutachter in keinem Falle 
von traumatischer maligner Geschwulst versiiumen soil, 
um den Fall einwandfrei zu klaren. 

(Munch, med. Wochcnschrift 1912 Nr. 7.) 

— Beitr&ge sum Problem: Geschwfllste von der Blntbabn aus 
therapeutisch. zu beeinflnssen. Vpn Geh. Med.-R. Prof. 
Dr. A.v.Wassermann, Dr.F. Keysser u. Dr. M.Wasser- 
mann. (Aus dem Institut fur Infektionskrankheiten in 
Berlin.) Verf. sind nach vielen ilber lange Zeit sich er- 
streckenden Yersuchen zu einem Pr&parat gelangt, das 
sich aus Eosin und Selen zusammensetzt, aber zur Ent- 
faltung seiner vollen Wirkung noch einer Susserst subtilen 
chemischen Behandlung bedarf. Das Mittel lost sich leicht 
in Wasser. Wenn man diese Substanz einer gesunden 
Maus in die Schwanzvene injiziert, so vertragen Durch- 
schnittsm&use von 15 g davon 2,5 mg. Als auffallendstes 
Symptom zeigt sich sofort eine ungemein starke ROtung 
des gesamten Tieres, die scbon vor Beendigung der In- 
jektion beginnt und, stfirker werdend, namentlich die 
Schnauze, die Augen und die Pfoten lebbaft rot erscheinen 
lasst. Spritzt man nun einer tumorkranken Maus diese 
Menge ein, so zeigt sich nach den beiden ersten Injektionen, 
die an zwei aufeinanderfolgenden Tagen vorgenommen 


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Tumoren. 


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werden, kaum eine Ver&nderung. Erst nach der dritten 
Injektion konstatiert der palpierende Finger eine deutliche 
Erweichung des T.; diese Erweichung wird nach der vierten 
Injektion noch deutlicher, so dass man nunmehr schon 
nicht mehr das Gefiihl eines festen T., sondern das Gefuhl 
einer fluktuierenden Zyste hat. Sofern das Praparat che- 
misch gut ist, macht sich nun nach der dritten, besonders 
aber nach der vierten Injektion eine Resorption des ver- 
flttssigten Tumorinhalts bemerkbar: Der weiche, fluktuierende 
Sack wird kleiner, die Tumorkapsel wird schlaffer, zu 
gross fiir den Inhalt, und bei m&ssig grossen T. hat man 
bereits nicht mehr die Konfiguration eines zirkumskripten 
T., sondern es ist nur ein langlicher Odematoser Strang 
zu fiihlen. Als Fol'ge der funften und sechsten Injektion 
nimmt bei giinstigem Heilverlauf die Resorption und Yer- 
kleinerung weiter zu, man bekommt das Gefuhl des „leeren 
Sackes“, und falls nicht interkurrente Krankheiten da- 
zwischenkommen, resorbiert sich auch der letzte Rest, 
und das Tier wird innerhalb etwa zehn Tagen unter Ver- 
schwinden jeglichen Tumorrestes vbllig geheilt. Allerdings 
geht diese ungestorte, glatte Heilung durchaus nicht stets 
so vor sich, sondern hftufig, besonders bei grbsseren T., 
die etwa PflaumengrQsse haben und bei denen die Ver- 
fl&ssigung und Erweichung des Inhalts sehr schnell und 
stdrmisch vor sich geht, werden die Tiere nun allgemein 
schwer krank, fiihlen sich kalt an und gehen zugrunde. 
Dieses Vorkommnis ist so haufig und regelmassig, dass 
kein Zweifel dariiber sein kann, dass diese Erkrankung 
mit der Resorption des verfliissigten Tumorinhalts in Zu- 
sammenhang steht. Die Tiere erliegen in solchen Fallen 
der Toxizitat ihrer resorbierten Tumormassen. Was die 
Frage des Rezidivs bei den geheilten Tieren angeht, so 
haben Yerf. geheilte Tiere monatelang in Beobachtung, 
ohne dass ein Rezidiv aufgetreten ist. Sie kbnnen also 
sagen, dass, sofern es gelingt, bei den Tieren alle Tumor- 
zellen zu zerstOren, kein Rezidiv mehr eintritt. Umgekehrt 
haben sich Yerf. aber auch iiberzeugt, dass, wenn auch 
nur geringe Reste von Tumorgewebe tibrigbleiben — was 
besonders dann der Fall ist, wenn sich aus technischen 
Griinden nicht geniigend intravenose Injektionen ausfiihren 
lassen — ein Rezidiv meistens sehr rasch auftritt. Ob- 
duziert man eine Maus in dem Stadium, in dem man das 
Gefuhl der Erweichung und Verflussigung des T. hat, so 
zeigt sich makroskopisch der sonst solide und grauweisse 
T. intensiv rot gefarbt gegenGber der entweder farblosen 


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Tumoren. 


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oder nur schwach rot gef&rbten Umgebung. Es hat sich 
also das Mittel elektiv in dem T. aufgespeichert. Man 
kann ferner beobachten, dass der T. mehr oder weniger 
zerfallen 1st und aus brockeligen Massen besteht, die zum 
grbssten Teil frei beweglich dem Kbrper aufliegen, also 
aus ihrer Yerwachsung gelost sind. Obduziert man Mause, 
die in der Heilung sehon weiter vorgeschritten sind, bei 
denen man also das Gefiihl des „leeren Sackes“ hat, 
d. h. fiir den Finger kein T. mehr zu konstatieren ist, 
so findet man makroskopisch an Stelle des T. eine speckige 
Detritusmasse, die, je nachdem nach der letzten Injektion 
mehr oder weniger Zeit verflossen ist, mehr oder weniger 
rot gef&rbt ist und in nichts mehr dem friiheren Tumor- 
gewebe ahnlich sieht. Man kann also sehon makroskopisch 
den ungemein starken therapeutischen Effekt dieses Mittels 
konstatieren. Auf Grund der wiedergegebenen Tatsachen 
kbnnen Verf. behaupten, dass es mbglich ist, mittels eines 
geeignet hergestellten Eosinselenpraparates von der Blut- 
bahn aus bei Mausen in voller Entwicklung befindliche 
T. infolge Zerstorung ihrer Zellen zur Erweichung, zur 
Resorption und, wenn die T. nicht im Verhaltnis zum 
Korpergewicht des Tieres bereits allzu gross sind (bis 
Kirschgrosse), zur Heilung zu bringen, ohne dass Rezidive 
auftreten. Damit ist naturgemass nur eine prinzipielle 
wissenschaftliche Tatsache festgestellt, n&mlich das Faktum, 
dass die bisherige Anschauung, wonach es nicht moglich 
sei, mit chemischen Mitteln von der Blutbahn aus elektiv 
in einen T. hereinzugelangen und ihn zu zerstoren, un- 
haltbar ist. Yerf. mochten aber ganz besonders, um falsche 
Hoffnungen und Aufregung unter den tumorkranken 
Menschen zu verhiiten, ausdrticklich darauf hinweisen, 
dass sie vorlaufig keinen Anhaltspunkt dafiir besitzen, 
dass dieses Mittel auch bei - tumorkranken Menschen in 
ahnlicher Weise wirken wird. Verf. sind dieser Frage bis 
jetzt noch nicht nahergetreten. Wohl diirfte es nicht 
aussichtslos erscheinen, da jetzt ein prinzipieller An- 
fang gemacht und fester Boden gewonnen ist, durch kon- 
sequentes Fortarbeiten auf diesem Wege Fortschritte 
auch fiir die menschliche Therapie zu erzielen. Nach¬ 
dem nunmehr im Selen und Tellur Mittel erkannt sind, 
welche Tumorzellen im lebenden Zustande zerstoren 
konnen, und nachdem festgestellt ist, dass man auf ge- 
eignetem chemischen Wege diese Substanzen an die Tu- 
morzelle von. der Blutbahn aus heranbringen und so 
Heilungsvorgange bei Geschwtilsten ausldsen kann, wird 


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Tumoren — Vermischtes. 


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es nun selbstverst&ndlich die Aufgabe kanftiger inten- 
siver chemisch-biologischer Arbeit sein, dieses hierdurch 
neu erschlossene Gebiet weiter auszubauen. 

(Deutsche med. Wochensohrift 1911 Nr. 51.) 


Vermischtes. 


Zur Frfiftmg der Fnpillarreaktion. Von Dr. Helm bold (Danzig). 

Autor schreibt: „Es gibt F&lle, bei denen man auch unter 
genauester Befolgung der bislier ublichen Untersuchungs- 
methoden ilber noch vorhandene oder bereits erloschene 
Pupillarreaktion im Zweifel bleibt. Im folgenden will ich 
eine Priifungsart beschreiben, welche die Unsicherheit heben 
und vSllig exakte Resultate erzielen kann. Dieselbe be- 
dingt allerdings auch eine gewisse EinschrSnkung in ihrer 
Anwendung, beruht sie ja hauptsachlich auf der Beobachtung 
des Untersuchten durch sich selbst. Aber wie die grosse 
Reihe der von mir Untersuchten, unter denen sich viele 
Kinder, Arbeiter usw. befanden, deren Intelligenz oft recht 
erheblich zu wilnschen tibrig liess, beweist, lSsst die Me- 
thode fast niemals im Stiche. In einem vollig verdunkelten 
Zimmer schaut der Pat. auf eine 5—6 m entfernte Licht- 
quelle, am besten eine Lampe, die durch eine runde Oeffnung 
von zirka 5 cm Durchmesser ihre Strahlen austreten lasst 
und im tibrigen moglichst ausgiebig abgeblendet ist. Der 
Pat. erhalt in einem Brillengestelle vor jedes Auge zirka 
-T-40 Dioptrien gesetzt; jetzt erscheint ihm die Flamme 
als runde leuchtende Scheibe. Verdunkelt man sie durch 
die vorgehaltene Hand, einen Pappdeckel usw. und lSsst 
sodann das Licht wieder ungehindert passieren, so ver- 
engert sich die Scheibe in ihrem Durchmesser oder sie 
bleibt in ihrer Grosse unverandert. Durch diese Versuchs- 
anordnung bleibt eine etwaige Warmewirkung der Licht- 
strahlen auf die Reaktion ausgeschlossen. Die allerfeinste 
Bewegung des dunklen Scheibenrandes wird von dem Un¬ 
tersuchten sofort bemerkt. Dabei ist er zugleich imstande, 
Ober die §chnelligkeit der Schwankung sowie aber die 
Form der Scheibe, ob sie rund, oval, ausgezackt usw. ist, 
Auskunft zu geben. Durch allm&hliche Verminderung 
der Lichtintensit&t l&sst sich die Grenze der eben nocli 
wahrnehmbaren Reaktion feststellen. Ist die Hornhaut so 


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Vermischtes. 


stark getrtibt, dass man den Pupillarrand bei fokaler Be- 
leuchtung nicht mehr sicher unterscbeidet, so leistet die 
obige Methode immer noch zufriedenstellende Resultate. 
Will man erfahren, ob die wahrgenommenen Scheiben der 
beiden Augen an Grosse und Form differieren, so setzt 
man vor das eine Auge noch ein starkeres Prisma mit 
der Basis nach oben oder unten; es erscheinen dann die 
Scheiben tibereinander und kbnnen. verglichen werden. 
Refraktionsunterschiede mtissen hierbei natOrlich berQck- 
sichtigt und eventuell korrigiert werden. Die PrOfung der 
direkten, indirekten sowie der durch sensible Reize hervor- 
gerufenen Reaktion gelingt ohne Schwierigkeiten. Bei 
Konvergenz- und Akkommodationsreaktion muss schon 
etwas mehr Mtihe verwendet werden, ausserdem ist hier 
in ErwSgung zu ziehen, dass durch die Akkommodation 
selbst die geiinderte Linsenwolbung die eintretenden Licht- 
strahlen konvergenter macht wie im Ruhezustand und 
dadurch das Scheibenbild verkleinert. Der Leser hat in- 
zwischen herausgefunden, dass das oben beschriebene 
PhSnomen seine eiofache ErklSrung durch den Gang der 
Lichtstrahlen findet. Durch Yorsetzen von—40 Dioptrien 
vor das emmetropische Auge werden die eintretenden Licht¬ 
strahlen divergent gemacht und sodann, sobald sie in das 
nicht akkomodierende Auge kommen, derart gebrochen, 
dass sie annahernd parallel bis zur Netzhaut gelangen und 
dort der Pupillengrosse entsprechend eine Fl&che beleuchten. 
Bei vorhandener Myopie ist deren Wert zu der obigen 
Dioptriehzahl hinzuzufiigen, bei Hypermetropie in Abzug 
zu bringen. Man kann an Stelle der Konkavgl&ser auch 
starke Konvexgl&ser verwenden; dieselben entwerfen durch 
Zerstreuungskreise die leuchtenden Scheiben, bereiten aber 
wegen der schwierigeren Zentrierung grossere Hindernisse 
und vermindern die Genauigkeit der Resultate." 

(Medizin. Klinik 1911 Nr. 47.) 

— Eine Wnndklammer-Zange. Das neue Instrument dient zum 
Einsetzen und Entfernen der von Michel angegebenen 
kleinen Wundklammern. Das Zangenmaul ist so einge- 
richtet, dass mit Hilfe der auf der einen Seite vorgesehenen 
Krallen die Metallklammern eingesetzt werden, wfthrend 
die ineinandergreifenden Vorsprunge der andern Seite dazu 
dienen, die in der Wunde befindlichen Klammern zu 
fassen und aufzubiegen, worauf deren Entfernung leicht 
bewerkstelligt werden kann. Das Instrument vereinigt in 


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Vermischtes. 


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sich verschiedene erhebliche Vorteile. Der erste besteht 
in seiner doppelseitigen Anwendbarkeit, sowohl zura Ein- 
setzen als zum Entfernen der Wundklammern. Sodann 
kann die Entfernung der Klammern hiermit geschehen, 
ohne die bei andern diesem Zwecke dienenden Instru- 
menten so sehr geftirchteten Zerrungen und Schmerzen 
zu verursachen. Ein dritter Vorteil besteht darin, dass 
die betr. Wundklammer bei der Entnahme wieder ge- 
brauchsfahig gestreckt wird. Das Instrument ist gesetzlich 
geschtitzt und kostet M. 10. Es ist zu beziehen dureh 
den Fabrikanten H. Windier, Instrumentenfabrik, Berlin N., 
Friedrichstrasse 133 a. ( Arztli;he Polytechnic 1911 Nr. 11.) 

— Eine Bade-HAngematte. Die neue Bade-Hangematte, welche 
insbesondere ftir die Pflege geisteskranker und gebrech- 
licher Personen Bedeutung haben dQrfte, besteht aus einem 
entsprecbend zugeschnittenen Sttick haltbaren, gutgewebten 
Nesseltuchs von hellgelber Farbe, an welches am Rande 
zehn Gurtbftnder angenaht sind. Zum Anbringen bzw. 
Einhangen der Matten sind extra hierzu gefertigte Haken 
aus Eisen bestimmt, welche je mit einer Oese verbunden 
sind. Die Haken sind derart praktisch konstruiert, dass 
sie spielend an jeder vorhandenen Badewanne, selbst an 
Kinder-Badewannen, angebracht werden ktinnen. Das 
Durchziehen der an der Matte angenahten Gurte ist sehr 
einfach, und durch das doppelte Einziehen bzw. Retour- 
einziehen derselben ist ein Gleiten absolut unmSglich. Die 
Oesen sind also keine sogenannten Schnallen, da der Stift 
an ihnen ganz entbehrlich ist; daher ist eine Yerletzung 
oder Bescliadigung der Kranken undenkbar. Die Matte 
ist eine besondere Sache ftir sich und mit keinem Metall- 
stdck in Verbindung, kann also jederzeit einer griindlichen 
Reinigung unterzogen und wie jedes Waschesttick fQr sich 
erneuert werden. Auch ist sie ftir Privathau9halt, Hotels 
und Bader zu empfehlen, da bei ihrer Verwendung gegen 
ansteckende Krankheit besserer Schutz gewahrleistet ist. 
Vorgesehen ist schliesslich noch ein Liegekissen, welches 
ohne jede Weiterung angebracht werden kann. Weitere 
Auskunfte durch Gottlieb Biihler, Jacquard-Weberei in 
Ileidenheim a. d. Brenz (Wurttemberg). 

(Ebenda.) 


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Biicherschau. 


Biicherschau. 

Caspers Handbnch der Cystoskopie (Leipzig, G. Thieme, 
Preis: M. 25) ist in 3. Auflage erschienen. Das will ffir 
ein Buch, das einem so speziellen Gebiete gewidmet und 
so umfangreich ist, sehr viel bedeuten. Ein solcher Er- 
folg macht eigentlieh jedes empfehlende Wort uberflfissig. 
Erwahnt sei nur, dass der Verfasser vieles umgearbeitet 
and hinzugeffigt hat, so dass ffir die Besitzer frfiherer 
Auflagen die Notwendigkeit besteht, sich die neue dafilr 
anzuschaffen. — Auch ein anderes — im gleichen Verlage 
erschienenes — Buch empfiehlt sich selbst. v. Ziemssens 
Rezepttaschenbucb, bearbeitet von H. Rieder, das in 
9. Auflage vorliegt (Preis: M. 3.60), ist den meisten 
Praktikern als zuverlassiger Fiihrer bekannt. Wer fiber 
ein Arzneimittel Auskunft haben, wer zweckentsprechende_ 
Rezepte (mit Preisangabe) verordnen will, der kaufe dieses 
Bttchlein. 

— Weber Neurorezidive nach Salvarsan- nnd Quecksilber- 

behandlung unterrichtet das gleichnamige Buch Bena- 
rios (Mfinehen, J. F. Lehmann), dem Ehrlich selbst 
ein empfehlendes Vorwort gewidmet hat. Es ist fiberaus 
dankenswert, dass Benario dieses — jetzt so viel erfir- 
terte und wichtige — Gebiet monographis’ch bearbeitet 
hat, und wer mit Salvarsan arbeitet, wird gut daran tun, 
das Buch eingehend zu studieren. 

— Weyl, Handbnch der Hygiene. Leipzig, Joh. Ambr. Barth. 

Das weitverbreitete Handbuch, das in der Kritik und bei 
den Aerzten allgemeine Anerkennung gefunden hat, er- 
scheint in zweiter Auflage, von der die ersten beiden 
Lieferungen vorliegen. Lieferung 1 (Preis: M. 9) enthalt 
aus der Feder F. Eulenburgs: „Bedeutung der Lebens- 
mittelpreise fttr die Ern&hrung w und A. Stutzer: „Nah- 
rungsmittel“, zwei hygienisch eminent wichtige Kapitel, 
deren Studium warm zu empfehlen ist. Noch mehr In- 
teresse verdient die zweite Lieferung: „Schulhygiene“ von 
Bargerstein und Netolitzky (Preis: M. 25), worin 
ganz eingehend alle Einzelheiten dieses Gebietes erfirtert 
werden; ein Handbuch, das auf dem Tische jedes Prak- 
tikers dauernd liegen und studiert werden mfisste. 196 Ab- 
bildungen begleiten den Text und tragen zum Verstand- 
nisse wesentlich bei. 

Ffir den redaktionellen Toil verantwortlicb: 

Dr. E. Graetzer in Friedenau-Berlin. 


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L 


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Brscheint am 

Anfang elnes jeden Monatg. 


M 9 . 


Frels des Jabrganga 6 Mi. 
ezkl. Porto. 


Excerpta medioa. 

Kurze mon&tllohe Journ&l&nsz&ge 

aua der gesamten Faohliteratur 

znm Gebrauch far den praktischen Arzt. 

Herauagegeben von Dr. med. Eugen Oraetxer in JFriedenau-Berlin. 

Taring ron Carl Sail maun, Leipzig* 


Jail. XXI. Jairtm 1912 


AnSmien. H. Finkelstein. Ueber die A. des frfihestsn 
Kindesalters. In diesem „klinischen Vortrage“ bespricht 
F. zunficlist die „Scheinan&mien“, wie sie besonders bei 
pastfisen und erethischen Kindern so wie als Folge un- 
zweckmfissiger Ernahrung zu beobachten sind. Dann geht 
er auf die wahren A. fiber, die entstehen, wenn die Kinder 
zu geringen Eisenvorrat mit auf die Welt bringen oder 
dieser sich durch zu lange eisenarme Ern&hrung erschfipft. 
Er-erortert die A. auf Grund konstitutioneller SchwSche 
der blutbildenden Organe, die Anaemia pseudoleucaemica 
infantum, die sekund&ren A. Zum Schluss wurdigt er 
die Behandlung der einzelnen Formen. Sehr dankbare 
Objekte ffir die Therapie sind mit Ausnahme der A. auf 
Grund konstitutioneller Schwfiche der Blutbildung alle auf 
angeborenen Verh&ltnissen beruhenden A. Bei Storungen 
infolge zu lange fortgesetzter eisenarmer Nahrung wird 
die Diat eingreifend ge&ndert. Es genfigt nicht etwa, bei 
andauernder reichlicher Milchkost einfach eisenhaltige Bei- 
nahrung zuzulegen, sondem der Milchanteil ist energisch 
zu beschrfinken, daffir entsprechend mehr Kohlehydrat in 
Form von Suppen, Breien, wenn irgend angSngig auch 
schon Semmel oder Brot, zu verabfolgen und farbige Ge- 
mfise, Gemfisesuppen, Obst, Fruchtsfifte zweimal taglich 
in nicht zu kleinen Mengen beizugeben. Dabei braucht 
man mit etwas grfiberen Speisen nicht allzu fingstlich zu 
sein, im Gegenteil scheinen solche oft ganz besonders gut 
zu bekommen. Um eine bei starker Beschrfinkung der 
Milch drohende Eiweissarmut der Kost zu verhOten, soli 
t&glich ein Teelfiffel Fleischpfiree oder Fleischsaft, etwas 

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370 


Au&mien. 


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weisser Kase, bei solchen, die es vertragen, auch ein halbes 
Ei verordnet werden. Bei Scheinan&mien pflegt diese Kost- 
anderung allein zu gentigen,. um in wenigen Wochen eine 
sinnfallige Aenderung im Wesen und Aussehen des Kindes 
za bewirken, bei Oligosideramie dagegen ist die medika- 
mentbse Eisenzufuhr nicht zu entbehren. Bei den A. in- 
folge angeborenen Eisenmangels wirddas gleiche diatetische 
Verhalten angezeigt sein, mit den durch das geringere 
Alter der Kinder gebotenen Modifikationen. ZweckmSssiger- 
weise erhalten alle jenen Kinder, die far die A. vorbestimmt 
erscheinen, schon vom vierten oder fQnften Monat ab, 
wenn mffglich schon fruher, etwas Fruchtsaft und moglichst 
bald GemOsebeikost. Die A. zu verhtiten oder zu be- 
heben, ist auf diese Weise allein aber nicht sicher mbg- 
lich. Die Kinder bleiben vielmehr fast immer Mass und 
schlaff, auch wenn die Pflege und Lebensverhaltnisse tadel- 
los sind. Dm hier zu helfen, bedarf es wiederum der 
Eisenmedikation, die sich als Tonikum ersten Ranges be- 
wahrt. Schon nach einer Woche pflegt die Besserung der 
Farbe, die Zunahme der Agilitat, die gQnstige Beeindussung 
der Stimmung deutlich zu werden. Untersucht man nach 
2—3 Wochen yviederum das Blut, so zeigt sich allerdings 
das ftberraschende Ergebnis, dass im Gegensatz zu der 
Besserung des Aussehens und des Allgemeinbefindens Zell- 
zabl und Hamoglobingehalt noch keine oder eine nur sehr 
geringe Zunahme aufweisen. Um diese zu erreichen, ist 
eine erheblich langere Eisendarreichung erforderlich. Danach 
darf die Dauer der Eisenbehandlung nicht unter einem 
Vierteljahr betragen; far die Beantwortung der Frage, ob 
spater Wiederholung notig ist, reicht F.s Material gegen- 
wartig nicht aus. Der Yerwendung der teuren, kompli- 
zierten, auf ihre Yerwertbarkeit im KOrper zum grosser) 
Teile noch nicht genOgend gepraften und zum Teil wohl 
auch wegen ihrer sonstigen Bestandteile far den Saugling 
nicht ganz gleichgaltigen Spezialitaten kann das Wort 
nicht geredet werden. Die mit dem einfachen Ferrum 
carbonicum saccharatum, Ferrum oxydulatum saccharatum 
solub. erzielten Ergebnisse sind so ghnstig, dass anderes 
kaum ndtig ist; allenfalls kdnnte noch zu Eisenalbuminat* 
verbindungen, wie Ferratin, Carniferrin und Triferrin, ge- 
griffen werden. Als Dosis verwendet man zweimal tSglich 
eine kleine Messerspitze. Far die Heilung sekundfirer A. 
ist naturgem&ss die Beseitigung der prim&ren Ursache die 
erste und wichtigste Vorbedingung. Am schlagendsten 
beweisen das die Fftlle syphilitischer Aetiologie, die sich 


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An&mien. 


371 


bei energischer spezifischer Behandlung nicht eelten ohne 
weiteres Zutun bessern. Aehnlich wirkt, um einige wenige 
Beispiele anzufQhren, die Behebung einer Ernahrungs- 
stbrung, einer Furunkulose, eines Ekzems, einer Zystitis. 
Eine der wichtigen Ursachen der sekundaren A. im SS,ug- 
lingsalter, die chronisch rezidivierenden Respirationskatarrhe 
weichen bekanntlich h&ufig nicht eher, als bis die Kranken 
eine staub- und bakterienfreie Luft atmen. Daher ver- 
spricht in diesen und alien ahnlich gelagerten Fallen eine 
Freiluftkur um so mehr Erfolg auch far die Heilung der 
A., je gOnstiger die neuen Verhaltnisse sich gegen die 

frUheren abheben. (Berliner klin. Wochenschrift 1911 Nr. 41.) 

— XTeber nnsere Misserfolge mit der Blnttransfosion bei perni- 

zibsen A. Von Privatdoz. Dr. Bennecke (Medizin. Klinik, 
Jena). Fasst man das aus den mitgeteilten Kranken* 
geschichten sich ergebende Urteil kurz zusammen, so lasst 
sich sagen, dass eine uber jeden Zweifel erhabene Besse- 
rung des Blutbefundes in keinem Falle beobachtet wurde, 
Nur nach einer der fanf Transfusionen fand sich eine 
geringe Vermehrung von Hb und roten Blutkbrperchen. 
Auch die subjektiven Besserungen halten einer objektiven 
Kritik nicht stand; denn die Besserung der Symptome 
kann auch spontan sich entwickeln, da monate- und jahre- 
lange Remissionen der pernizidsen A. selbst bei desolaten 
Fallen als unberechenbarer Faktor auftreten konnen. Der 
Eingrifif ist — darin sind sich alle Autoren einig — nicht 
gleichgiiltig, auch dann, wenn keine Hamolyse eintritt. 
Die Transfusionen waren als ultimum refugium meist in 
den terminalen Stadien der Krankheit ausgeftihrt. ^ 

(Manoh. med. Wochenschrift 19X2 Nr. 11.) 

— TJeber Frothaemin. Von Dr. Paul Korb. (Aus dem Diako- 

* nissenkrankenhaus „Bethanien“ in Liegnitz.) Das neue, 
von Geheimrat Salkowski (Berlin) zuerst zur Darstellung 
gebrachte Bluteiweisspraparat, unter dem Namen Prothae- 
min eingefQhrt, ist ein trockenes Pulver, staubfein, schoko- 
ladenbraun, frei von Ei^engeschmack und -geruch. For 
seine Stellung unter den Nahrpraparaten ist von Wichtig- 
keit, dass es einmal die gesamten Eiweisskbrper des Blutes 
und ferner, was ganz besonders hervorgehoben werden 
muss, seinen gesamten Gehalt an Eisen sowie reichliche 
Quantitaten organisch gebundenen Phosphors enthalt. Der 
Eisengehalt des Prothaemins betragt etwa 0,2%, ist also 
fGnfmal so hoch wie der Eisengehalt frischen Blutes. Da 

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An&mien. 


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gemass der Darstellang fdnf Teile Blut einen Teil Prot- 
haemin ergeben, 1st die St&rke des Prothaemins dem 
FQnffachen der bekannten vielen HSmatogenprfiparate ent- 
sprechend. Die Resorbierbarkeit des Prothaemins ist eine 
ausserordentlicb rasche. Verf. hat in einer grossen Reihe 
von Fallen das Prothaemin angewandt und nur Gutes 
von iktn gesehen. Die Resultate, die Yerf. an zwQlf im 
Krankenhaus genau beobacbteten Pat. gewonnen hat, hat 
er der besseren (Jebersicht wegen in einer Tabelle zu- 
sammengestellt; bei den ftbrigen Kranken war teijs die 
Dauer der Beobachtung zu kurz resp. die Beobachtung 
selbst, da die Kranken ambulant mit dem Mittel behan- 
delt wurden, nicht so genau durchfuhrbar wie bei den 
Krankenhauspat., so dass er die an ihnen gewonnenen 
Resultate nicht in die Tabelle aufgenommen hat. Aber 
auch bei ihnen alien waren, was er ausdrCteklich hervorheben 
mOchte, die Resultate recht zufriedenstellend und zur weiteren 
Verwendung des neuen Mittels ermutigend. Als Resultat 
seiner Beobachtungen mOchte Verf. zun&chst hervorheben, 
dass irgendwelche unerwflnschten Nebenwirkungeh nicht 
aufgetreten sind. Gelegentlich war eine deutliche Anre- 
gung des Appetits zu konstatieren. Das Allgemeinbefinden 
hob sich, die Zahl der roten Blutkbrperchen und der Hftmo- 
globingehalt des Blutes gingen in die H5he. Das Pr&- 
parat wurde im allgemeinen gem genommen und in keinem 
einzigen Fall zurtickgewiesen. Durchgefflbrt wurde die 
Kur in der Mehrzahl der F&lle bei Chlorosen, A. und 
Schw&chezust&nden verschiedener Art, femer bei Lungen- 
tuberkulose in den Anfangsstadien und einem bereits ziem- 
lich fortgeschrittenen Fall. Dabei mSchte Verf. bemerken, 
dass in keinem der zwolf Falle das Kfirpergewicht stehen 
blieb oder abnahm. Ja, besonders zu betonen ist, dass 
auch in Fallen von beginnender Phthise, selbst bei 
dem nach dem objektiven Befund bereits ziemlich vor- 
geschrittenen Fall, ein deutlicher Gewichtsansatz zu er- 
zielen gewesen ist. Auch bei schweren A., Zustfinden, 
bei denen im allgemeinen schwer eine Zunahme des 
KOrpergewichts zu erreichen ist, wurde unter Zuliilfenahme 
des Prothaemins eine solche erzielt, in einem Falle sogar 
von 4 x / 2 kg innerhalb von vier Wochen. Als Darreichungs- 
weise hat sich am besten die Auflbsung in Milch oder 
Kakao bewShrt, und zwar wird das Pulver zuerst mit 
etwas kaltem Wasser angerQhrt und dann, wenn es voll- 
kommen geldst ist, was ziemlich schnell der Fall ist, 
warme Milch od. dgl. nach Belieben zugesetzt. Es 


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Anarnioa — Antisepsis, Asepsis, Desrafektion. 373 

kommt auch als Prothaemin- Kakao reap. Prothaemin- 
Schokolade in den Handel, die genau ebenso zubereitet 
werden wie sonst Kakao oder Schokolade. Letztere kann 
auch roh genossen werden. Es empfiehlt sich, das Mittel, 
das Verf. meist dreimal tSglich 1—2 geh&ufte Kaffeelbffel 
voll (vereinzelt auch etwas mehr) nehmen liess, einige 
Zeit, etwa eine Stunde nach der Nahrungsaufnahme, zu 
geben, da einige besonders empfindliche Kranke meinten, 
unmittelbar nach dem Essen genommen, verursache es 
ihnen geringe Magenbeschwerden, eine Stunde nach dem 
Essen jedoch nicht. Aber auch diese Klagen waren nur 
sehr geringfugiger Natur und nur ganz vereinzelt, bei ein 
oder ''zwei Lungenkranken, vorhanden. 

(Deutsche med. Wochenechrift 1912 Nr. 11.) 

Antisepsis! Asepsis, Peeinfektion. FraktUche Er- 
ftthrnng liber Sterilisiernngsmethoden von Gnmmi- 
handschuhen. Yon Dr. Bronislaw Kozlowski. „Heut- 
zutage stimmt wohl die Mehrzahl der Chirurgen dahin 
(iberein, dass zu Zwecken der Asepsis das Operieren mit 
Handschuhen das geeignetste Mittel ist. Nur handelt es 
sich darum, dass die Handschuhe haltbar und nicht lbcherig 
sein sollen. Die Erfahrung hat mich nun gelehrt, dass 
die unten angegebene Behandlung der Gummihandschuhe 
besser ist als alle bisnun angegebenen Methoden, und des- 
halb empfehle ich dieselbe zur allgemeinen Anwendung. 
Eine Lbsung von 5 g Sapo viridis oder 10 g Spiritus sapo- 
natokalinus auf 1 1 Wasser wird in einem beliebigen Ge- 
fftss zum Sieden gebracht. Mit der bereits gekochten 
Lbsung wird der Handschuh vollgefQllt und in obiges 
Gefftss zurftckgelegt. Vermbge seiner jetzt erlangten Schwere 
schwimmt der Handschuh nicht mehr an der Oberfl&che 
der Flfissigkeit, sondern taucht unter, wodurch seine beiden 
Flftchen von der sterilisierenden FlOssigkejt bespQlt werden. 
Nach 15—20 Minuten Sterilisierungsdauer kann der Hand¬ 
schuh, infolge der Seifenlbsung schlQpfrig gemacht, ohne 
vorheriges Absptllen oder Trocknen leicht auf die Hand 
gezogen werden. Will man das Schliipfrige der Aussen- 
seite beseitigen, dann genilgt einfaches Absptllen mit 
destilliertem Wasser oder einer DesinfektionsflQssigkeit, 
z. B. Sublimat. Falls man beim Anziehen des Hand- 
schuhes bemerkt, dass das Wasser durch eine kleine Ritze 
im Finger durchsickert, verwende ich einen der Finger- 
linge, die stets mit den Handschuhen mitgekocht werden. 
Nach vollendeter Operation wSscht man die Handschuhe, 


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374 


Antisepsis, Asepsis, Desinfektion. 

ohne sie von der Hand zu ziehen, mit Bfirste und Seife, 
stfilpt sie, noch mit Seifenschaum bedeckt, um, spiilt mit 
reinem Wasser durch und lasst sie mit der Innenseite 
nach aussen 'auf einer schiefen Glasplatte in einem gut 
durchlfifteten Raume trocknen. Nach einigen Stunden 
werden die Handschuhe vom Wartepersonal, ohne einge- 
pudert zu werden, auf ihre Aussenseite gewendet und bis 
zum vollstandigen Trocknen liegen gelassen. Der Vorteil 
dieser Methode liegt im Wegfall stundenlanger Dampf- 
sterilisation, die gewiss von Nachteil ftir das Material ist, 
wie auch in Ersparung miihevoller Yorbereitungen, wie 
z. B. Aufspannen auf Drahtgestelle, Einpudern, Fiillen 
der Finger mit Watte usw.“ 

(Mtinch. med. Wochensohr. 1911 Nr. 51.) 

— Ueber die desodorisierende nnd desinfizierende Wirkung 

des Albinpuders. Yon Dr. med. vet. Stolpe (Hamburg). 
Yerf. hat mit dem Praparat Versuche angestellt. Der 
Albinpuder besteht nach Angabe der Firma aus Zink- 
superoxyd, Bors&ure, Talkum und etwas gereinigter, feinst 
geschlemmter Kiesels&ure. Die bakterizide Kraft des Albin- 
puders soil auf der Wirkung freiwerdenden SauerstofEs 
beruhen, dessen TrSger das im Albinpuder unter anderm 
enthaltene Zinksuperoxyd, ZnO a , ist. Die Ergebnisse der 
Yersuche lassen sich wie folgt zusammenfassen: 1. Der 
Albinpuder ist vollst&ndig keimfrei. 2. Er wirkt desodo- 
risierend. 3. Er entfaltet eine Starke Desinfektionswirkung. 
4. Er besitzt eine grosse Aufsaugeftihigkeit. 

(Mediiin. Klinik 1912 Nr. 10.) 

— Ueber die Gefahren der Wnndinfektion durch das Sprechen 

bei Operationen. Von Dr. Mendes de Leon, Privat- 
dozenten in Amsterdam. „Seit der Veroffentlichung unserer 
experimentellen Untersuchungen fiber die Gefahren einer 
Wundinfektion bei Operationen durch Sprechen, im Archiv 
f. klin. Chirurgie, Bd. 72, H. 4, habe ich eine Reihe von 
Chirurgen in Berlin, Paris, Dfisseldorf, Hamburg usw. 
operieren sehen. Hierbei fiel mir auf, dass zwar wohl 
der Mund des Operateurs und seiner Assistenten w&hrend 
der Operation bedeckt wird, aber in einer Weise, die 
durchaus nicht die Gefahr einer Infektion ausschliesst- 
und die tiberdies zweifellos ffir den Operateur hfichst un- 
angenehm sein muss. Statt des von mir empfohlenen 
Mundapparates werden Mund und Nase durch eine Gaze- 
maske bedeckt, die ausserdem den ganzen Kopf umhfillt 




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Antisepsis, Asepsis, Desinfektion — Asthma. 


375 


and nur die Augen frei lasst. Aus unseren Untersuchungen 
hatte sich aber zweifellos ergeben, dass eine Gazemaske 
durchaus keinen bakteriendichten Mundverschluss darstellt 
und dass dadurch also die Gefahr einer Wundinfektion 
durch feine Speicheltropfchen nicht aufgehoben wird. Wir 
konnten feststellen, dass bei alien Maskenversuchen stets 
noch eine grOssere Anzahl Bakterien durch einfache und 
auch doppelte Gaze-Mull-Masken hindurchgingen. Die Fest- 
stellung dieser Tatsache brachte uns dazu, einen kleinen 
Mundapparat zu konstruieren, der mit absoluter Sicherheit 
alle beim Sprechen aus dem Munde austretenden Keime 
zurQckh&lt und dessen Zusammenstellung und Wirkung in 
obiger Arbeit n&her besprochen ist. Bei diesem Apparat 
bleibt die Nase frei und darf auch frei bleiben, weil von 
dieser Seite aus die Gefahr einer Wundinfektion nicht zu 
befQrchten ist und das Freibleiben der Nase fQr den Ope- 
rateur selbstverstandlich besonders angenehm ist. Lanz, 
der die Gesichtsmaske zur YerhQtung der Sprechluftinfek- 
tion wohl zuerst getragen (Mdnch. med. Wochenschr. 1900, 
Nr. 15), hat mir persOnlich mitgeteilt, dass er dieselbe 
wegen Yerschlechterung der Respirationsluft und deren 
unangenehmen Folgen (Benommenheit) bei grQsseren Ope- 
rationen seit Jahren wieder verlassen hat. Ich operiere 
nun schon seit einer Reihe von Jahren ausschliesslich mit 
meinem ,SpeichelfSnger‘, ohne jemals irgendeine BelSsti- 
gung empfunden zu haben. Diese meine Beobachtungen 
bei Operateuren verschiedener Lander hinter ihren warmen, 
hinderlichen Kopfverbftnden, welche dabei die beabsich- 
tigte Wirkung nicht einmal erreichen, sowie die Veroffent- 
lichungen von Guttmann in der Deutschen Monatsschrift 
fQr Zalmheilkunde 1910/11 gaben mir Veranlassung, die 
Fachkollegen noch einmal auf die eingangs erwiihnten 
experimentellen Untersuchungen und den auf Grund der 
Yersuchsresultate konstruierten Mundapparat (erhaltlich 
bei Gudendag in Amsterdam und A. G. Hausmann in 
St. Gallen) aufmerksam zu machen. u 

(Munch, med. Wochenachrift 1911 Nr. 59.) 

Asthma. Die Behandlung dee A. bronchiaJe und verwandter 
Zust&nde mit Kalziumsalzen. Yon Dr. C. i Kayser. 
(Aus der Mediz. Univers.-Poliklinik in Strassburg.) Aus 
Verf.s Beobachtungen geht hervor, dass in einem Fall von 
Heuasthma und in 13 Fallen von toils typischem A. bron- 
chiale teils von asthmatischen ZustSnden durch Darreichung 
von Chlorkalzium eine prophylaktische Wirkung erzielt 


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Asthma. 


werden konnte. Die Anffille nahmen nach 3—4tfigigem 
Gebrauch einer 5%igen Lbsung von Chlorkalzium ab und 
kehrten in einigen Fallen mebrere Monate lang nicbt mehr 
wieder. Die Pat. gaben an, dass sie bald nach Verbrauch 
der ersten 100—200 ccm der Medizin freier atmen konnten, 
dass sich der Schleim lbse und die Nachtruhe ungestort 
blieb, bis schliesslich ein anfallsfreier Dauerzustand ein- 
trat. In einigen Fallen war das Mittel anderen Medika- 
menten durchaus fiberlegen, in anderen wirkte es, nachdem 
eine Entfernung von Nasenpolypen erfolglos geblieben 
war. Es bandelte sich bei den Fallen um Pat. der ver- 
schiedensten Altersklassen, der verschiedensten Berufe und 
um Personen, die verschieden lange Zeit schon an ihrem 
A. laborierten. Die Wirkung trat fast durchweg erst am 
dritten Tage der Medikation ein. Es erwies sich als vor- 
teilhaft, die Darreichung des Ealziums auf zirka acht 
Tage auszudehnen, in denen das Mittel regelmassig ge- 
nommen werden musste, und fQr diese Zeit zu ordinieren: 

Rp. Calcii chlorat. (CaCl a ) 20,0 
Sirup, simpl. 40,0 
Aq. dest. ad 400,0. 

MDS. 2sttindl. 1 Esslbffel 
in Milch, lmal zu erneuern. 

Irgendwelche schadlichen Nebenwirkungen wurden yon 
dieser Medikation, die nebenbei den Vorzug der Billigkeit 
hat (1 Flasche 20,0:400,0 kostet ca. 1 M.), nie beob- 

achtet. (Therap. Monatshofte, Mftrz 1912.) 


— Pathologie und Therapie des kardialen A. Klinischer Vor- 
trag. Von Prof. Dr. H. Rosin (Berlin). Es sei hier das 
fiber die Behandlung Gesagte wiedergegeben: Der typische 
Anfall von Herzasthma erfordert raschwirkende, intensive 
Behandlung. Unter den Medikamenten werden diejenigen 
Herztonika bevorzugt, die rasch in die Blutbahn gelangen. 
Deshalb empfiehlt sich die parenterale, d.«h. die subku- 
tane, intramuskulfire oder intravenose Injektion; die per 
os eingefuhrten Mittel storen nicht nur die Atmung, sondern 
werden schlecht resorbiert, weil die Zirkulationsverhfi.lt- 
nisse im Verdauungsapparat im Anfalle ungflnstig sind. 
Auch im besten Falle wirken sie verhftltnismassig spfit. 
Seit langem eingefuhrt ist die subkutane Injektion von 
Kampfer und Koffein. Der Kampfer in oliger Lbsung, 


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Asthma. 


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zu 10®/o, wirkt reizlos auf die Haut, ist experimentell als 
wirksam befunden und hat sich klinisch sicher bew&hrt. 
Er ist ein unentbehrliches Mittel im AnfalJe. Da er vollig 
ungiftig zu sein scheint, so sollte man mit den Einspritzungen 
nicht sparen; alle Viertelstunde sind sie zu verabfolgen. 
Auch dem Koffein ist eine gute herztonische Wirkung 
zuzusprechen; soweit experimentell festgestellt ist, setztf 
seine Wirkung nicht wie beim Kampfer am Herzmuskel 
an, sondern am Tonus der Gefftsse und am Blutdruck. 
Man gibt es am besten in 2°/oiger Lbsung, versetzt mit 
ein wenig Karbol, da die Lbsungen leicht schimmeln und 
ohnehin schon etwas reizen und schmerzen, also leicht 
unter der Haut den N&hrboden fiir Keime abgeben kbnnen. 
Auch hier empfehlen sich bei lang andauernden schweren 
Anfallen mehrere Spritzen, in der Stunde allenfalls bis 
zu drei. In neuerer Zeit btirgert sich anstatt der subku- 
tanen Injektion immer mehr die intramuskulSre und intra¬ 
venbse (Mendel, Essen) ein. Die intramuskul&re Injektion 
eignet sich besonders fiir Substanzen, die subkutan allzu- 
sehr reizen. Schon das Koffein kann man intramuskul&r 
schmerzloser einverleiben als subkutan. Die GlutSen, der 
beste Ort far die Injektion, kommen freilich im asthma- 
tischen Anfalle nicht immer in Betracht. Man nimmt dann 
am besten die dicke Muskulatur an der Aussenseite des 
Oberschenkels und spritzt unter denselben Kautelen ein 
wie bei Injektionen in die Glut&en (Asepsis, Entfernung 
der Spritze von der eingestochenen KanOle zur Prafung, 
ob ein Gef&ss getroffen ist). Far solche intramuskularen 
Injektionen eignen sich auch weiterhin gewisse Digitalis- 
prSparate, die in Wasser lbslich sind, die aber subkutan 
allzusehr irritieren. Vielfach verwendet ist bereits das 
Digalen, dem auch eine grosse Zahl von Erfolgen zur 
Seite steht. Man nimmt eine voile Spritze einer frischen 
Flasche oder auch zwei und kann die Einspritzung inner- 
halb einer Stunde ev. noch einmal wiederholen. Digalen 
ist gelbstes Digitoxin. Auch das Digipurat, ein dialysierter 
Trockenextrakt der Digitalisblatter, ist in neuester Zeit in 
loslicher Form zu gleichem Zwecke eingefahrt worden. 
Die Dialysate eignen sich sonst nicht zur parenteralen 
Verabfolgung. In sehr bedrohlichen Fallen empfiehlt sich 
endlich die intravenbse Injektion. Hierfar ist bis jetzt 
fast ausnahmslos Digalen verwendet worden. Strophanthus- 
praparate sind far die intravenbse Injektion zu giftig; aber 
Digipurat liegt zurzeit keine Erfahrung vor. Die intra¬ 
venbse Injektion erfolgt in der Regel in die Aderlassvenen 


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Asthma. 


der Kubitalbeuge, nach Anlegung einer Staubinde am 
Oberarm. Eine gewbhnliche Pravazsche Spritze ist vftllig 
ausreichend. Nach der Einfdhrung der Kandle . in die 
Vene, die man luftfrei mit Digalen gefallt hat, zieht man 
zun&chst den Kolben der Spritze, far den man noch einen 
kleinen Spielraum in der Spritze ubriggelassen hat, erst 
ein wenig an, um zu sehen, ob Blut kommt, last dann 
die Staubinde und spritzt ganz langsam, etwa innerhalb 
einer Minute, die FlQssigkeit ein. Am vorsichtigsten ver- 
f&hrt man, wenn man die Flassigkeit zentrifugal gegen 
den Blutstrom injiziert. Einige Autoren sind fQr Ein- 
fahrung von Adrenalin. Bei den widerspruchsvollen Re- 
sultaten, die bisher in der Literatur dardber niedergelegt 
sind, ist es ratsam, von dieser Medikation nur dann Ge- 
brauch zu machen, wenn alles andere bis dahin versagt 
hat. Man gibt eine Spritze der konzentrierten Ldsung 
intraglut&ai, in der Absicht, den Gefasstonus und Blut- 
druck zu heben, womit freilich auch die Widerstande far 
das Herz sich erhdhen mdssen. Natdrlich kann man auch 
Suprarenin oder Epinephrin in entsprechender Dosis ver- 
wenden. Von einigen Autoren wird neben den Herzmitteln, 
ja sogar an deren Stelle, zur Morphiuminjektion geraten. 
Der Bronchialkrampf, der ahnlich wie beim asthmatischen 
den Anfall begleiten soli, soli dadurch aufgehoben werden. 
Es ist bekannt, dass Morphium vielfach bei schweren Herz- 
erkrankungen sich als vorteilhaft erweist, und dass eine 
Schadigung der Herzarbeit nicht nur nicht erfolgt, sondern 
dass eine Besserung der Zirkulationsverhaltnisse auftritt. 
Es existiert eine Reihe von eklatanten Wirkungen von 
Morphium nach vergeblicher Verabfolgung von Herzmitteln. 
Doch sind die Anschauungen der Autoren, wie es sich 
vor etwa einem Jahrzehnt auf dem Wiesbadener Kongress 
far Medizin bei der Debatte aber die Behandlung der 
Angina pectoris gezeigt hat, durchaus geteilt. Es empfiehlt 
sich jedenfalls, beim kardialen Asthmaanfall zur Mor- 
phiumspritze erst dann zu greifen, wenn reichlich Herz- 
mittel gegeben worden sind. und der erwanschte Erfolg 
ausbleibt. Die medikamentosen Massnahmen sind zwar 
die allein wesentlichen im Anfalle, doch gibt es einige 
Unterstatzungsmittel pliysikalischer Natur. Hierher geh5ren 
vor allem die irritativen Massnahmen. Bekanntlich ist die 
Eisblase, auf das Herz gelegt, als Kaltereiz recht wirksam. 
Sie vermindert und reguliert die Zahl der Herzkontraktionen. 
Zuweilen aber wirken die thermisch entgegengesetzten 
Umschl&ge, nftmlich die heissen, auf das Herz gelegt, besser; 


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Asthma. 


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heisse Wasserumschlgge,. so warm wie ertr&glich, sind oft 
dem Kranken willkommen. Man verspricht sich auch von 
heissen Wasserbgdern der Hande und Unterarme eine 
gQnstige Reflexwirkung auf den gesamten Gefassapparat. 
Endlich sind Sinapismen in Gebrauch, Senfpflaster oder 
Einreibungen mit Senfspiritus auf die Herzgegend. Wenig 
empfehlenswert sind Einatmungen von Riechstoffen. Eine 
wirksame Massnabme ist der Aderlass. Er ist weniger 
allgemein eingefuhrt, als er es verdient. Die Scheu des 
Praktikers beruht hierbei durchaus nicht immer auf einem 
Mangel an Uebung und Erfahrung bei dieser so einfachen 
Manipulation. Es ist vielmehr die Sorge, dass bei un- 
gilnstigem Ausgange des Leidens der Aderlass als Ursache 
beschuldigt werden konnte, die den Arzt haufig davon 
abhg.lt. Aber man sollte von derartigen Rhcksichten beim 
Herzasthma sich nicht beeinflussen lassen. Denn eine 
grQndliche Blutentnahme — nicht unter 200 g — bringt 
oft grosse subjektive und objektive Erleichterung. Bei 
Wiederholung der Anfalle braucht man vor oftmaligem 
Aderlasse nicht zurtlckzuschrecken; das verlorene Blut 
wird rasch ersetzt. Eine wichtige Erleichterung f(ir den 
Pat. bildet im Anfalle die geeignete Lagerung. Das Bett 
ist nicht der passende Ort far den Anfall. Der Pat. ge- 
hort vielmehr in einen mit Kissen gutgepolsterten Lehn- 
stuhl, vor dem man einen mit Kissen versehenen kleinen 
Tisch aufstellt, damit der asthmatische Pat. seine Arme 
aufstfitzen kann. Beengende Kleider sind sogleich zu ent- 
fernen. Die Zimmer miissen durch Oeffnen der Fenster 
ventiliert werden, riechende Stoffe sollen mSglichst beseitigt 
werden. Ein wichtiges Hilfsmittel ist endlich der Sauerstoff, 
der durch einen der bekannten Apparate nach Bedarf dem 
Pat. zugefOhrt wird. Die vorstehende Darlegung der Thera- 
pie betrifft im wesentlichen nur ausgesprochen schwere 
Anfglle von kardialem A. Die leichteren, oft nur ange- 
deuteten, die oft inmitten scheinbarer Gesundheit sich ein- 
stellen oder schon vorhandene Herzbeschwerden kompli- 
zieren, erfordern entsprechend weniger intensive Massregeln. 
Auch kann man in milden Fallen ohne Einspritzung und 
nur mit innerlich verabfolgten Herzmitteln auskommen. 
Das Herzasthma ist am Ende nur ein Symptom, ein 
symptomatischer Zustand, der auf der Basis seines Grund- 
leidens zur Entwicklung kommt. Will man den ersten 
Anfall oder wenigstens seine Wiederkehr verhiiten, so ist 
dem Grundleiden vor allem Rechnung zu tragen. Denn 
die beste Prophylaxe des Anfalles ist die Behandlung des 


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380 . 


Asthma — Combustio. 


jeweiligen Herz- und Geffissleidens, und zwar nach 
Grundsfttzen und Massnahmen, die aus der Pathologie 
der Krankheiten des Zirkulationsapparates fiberhaupt zu 

8ch6pfen sind. (Deutsche med. Wocheuschr. 1912 Nr. 16.) 

Combustio. Der Maatiaolverband bei Verbrennungen. Von 

Dr. O. Neugebauer (Ambulator, f. Haut- u. Geschlechts- 
krankheiten von Privatdoz. Dr. M. Oppenheim in Wien). 
Man zog zur Mastisolbehandlung die unkomplizierten Pfille 
von C. zweiten und dritten Grades sowie ebensolche Caute- 
risationes heran und traf hierbei die Auswahl, dass man nur 
diejenigen mit Mastisol behandelte, welche erstens nicbt 
zu ausgedehnt waren und die sicb zweitens an einer all- 
seits gut zug&nglichen KOrperregion vorfanden. Darum 
hat man z. B. solche Giesserverbrennungen, die sich vom 
Fussrficken zwischen die Zehen hinein erstreckten, in der 
bisher getibten Weise mit Borsalbe usw. verbunden, da- 
gegen andere, die am Fussrficken melir proximal lokalisiert 
waren, mit Mastisol, das hier eine vollst&ndige Abgren- 
zung gegen die Umgebung bewirken konnte. Die Technik 
war bei den ersten Fallen die, dass man den ganzen Krank- 
heitsherd samt dessen Umgebung mit Mastisol bepinselte 
und hierauf mit einem ziemlich dicken Wattegazebauscb 
bedeckte. Die Abnahme erfolgte nach 2—3 Tagen, mit- 
unter auch frtlher, wenn die Pat. fiber Schmerzen klagten 
oder wenn dasSekret an denRandpartien desGazebausches — 
dieser war anfangs manchmal der Flftche nach zu klein 
genommen worden — hervorzutreten begann. Spfiter &n- 
derte man das Verfahren in der auch von anderen ge- 
flbten Weise ab, indem man nur die engere Umgebung 
des eigentlichen Krankheitsherdes einpinselte. sich also 
z. B. eng an die Konturen der zweit- oder drittgradig 
verbrannten Partie hielt, hierauf ca. Va —1 Minute wartete 
und dann das Ganze mit einer Schichte mehrfach gelegter 
weisser Gaze bedeckte. Zum Schlusse ftthrte man noch 
einige wenige Bindetouren fiber den Krankheitsherd. Selbst- 
verstftndlich wurde der Pat. angewiesen, den Verband 
nicht zu entfernen. Der weitere Yerlauf der Behandlung 
war dann folgender: Die Pat. wurden, wo dies leicht ge- 
schehen konnte (Hand- oder Armverbrennungen usw.) 
tilglich revidiert, Fussverbrennungen u. dgl. kamen seltener. 
War der Yerband in Ordnung, so wurde gar nichta ge- 
macht, hfichstens wurde die Binde abgenommen und durch 
eine neue ersetzt. Zeigte sich das Durchdringen des Se- 
kretes durch die oberen Gazeschichten, wobei aber die 



Combustio. 


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Randpartien der Gaze gewOhnlich noch sehr fest hafteten, 
so warden nur einige neue Gazeschichten auf die alten 
gelegt, damit das Sekret weiter aufgesaugt werden konne, 
dann kam wieder zum Abschluss der leichte Kalikover- 
band, und so war eigentlich alles in Ruhe gelassen worden. 
Bestanden etwas heftigere andauernde Schmerzen oder 
sonst welche ungewbhnlicheren Symptome (Schwellung, 
Hitzegeffihl usw.), so nahm man selbstverstfindlich den 
Verband ganz ab, um nach der Ursache zu suchen, konnte 
ihn aber fast immer wieder ruhig erneuern. In dieser 
Weise' verging bis zur Lockerung des Mastisolverbandes 
eine Woche, mitunter aucb mehr, und erst jetzt crfolgte 
normalerweise die Abnahme. Dann verfuhr man, wenn 
es noch notwendig war, in der gleichen Art bis zur Hei- 
lung. Durch dieses Verfahren war grbsste Schonung der 
erkrankten Partie moglick, und man war mit dem Krank- 
heitsverlaufe in fast alien Fallen zufrieden. Ausser den 
Schmerzen, die man nur zweimal als Nebenerscheinungen 
durch die Mastisolbehandlung auffassen konnte, hat man 
kaum Reizung gesehen. Ekzeme in der Wundumgebung 
traten nicht auf, einmal waren ein paar kleine Pusteln 
da, die aber oline weitere Ausdehnung wieder vertrock- 
neten. Hiervon abgesehen, zeigten die Wunden oft nach 
nicht zu tiefen Verbrennungen dritten Grades schon beim 
ersten Verbandwechsel ein frischrotes Aussehen, waren 
nahezu trocken und durch manchmal weit vorgeschrittene 
Epithelialisierung vom Rande her in schflnster Heilung. 
Speziell das frischrote Aussehen und der Mangel an $tar- 
kerer freier Sekretion sind direkt aufgefallen. Die Sekret- 
bildung ist natfirlich starker als ’ es den Anschein hat, 
denn erstens saugt die Gaze viel auf und dann ist auch 
der Herd mit Krusten, allerdings noch mehr mit dicken 
Schuppen bedeckt. Wenn es irgend angangig ist, lasst 
man alles in Ruhe und kann dann am Ende Krusten und 
Schuppen leicht entfernen, worauf man an diesen Stellen 
eine weitgehende Verkleinerung des ursprilnglichen Krank- 
heitsherdes oder sogar vollstandige Heilung wahrnimmt. 
Aufgeben musste man die Mastisolbehandlung nur in jenen 
zwei Fallen, in welchen die Pat. fiber heftigere Schmerzen 
klagten, die nicht bald an Intensitat nachliessen und bei 
welchen dann unter Salbenverband Linderung empfunden 
wurde, ausserdem auch dort, wo sich die Granulationen 
spaterhin zu tippig entwickelten. Man wird diese Indi- 
kation aber nicht als Fehler des Mastisols bezeichnen 
kftnnen, denn dieses hatte die gute Granulationsbildung 


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Combustio — Hfimorrhoiden. 


ermbglicht, und nur dadarch, dass jetzt rasch nacheinander 
Lapisieren notwendig war, wurde eine Hauptbestrebung 
beim Mastisolverband, die voile Ruhigstellung, vereitelt. 
Mitunter konnte man aber auch in diesen Fallen im L&ufe 
der weiteren Behandlung wieder auf das Mastisol zurQck- 
greifen und damit diese zu Ende fiihren. Beziiglich der 
Zeitdauer sah man mancbmal nach aberraschend wenigen 
Tagen Heilung eintreten; natiirlich kam auch lange Be- 
handlungsdauer vor, im allgemeinen hatte man den Ein- 
druck, dass die mit Mastisol behandelten F&lle eine gute 
Heilungstendenz und demzufolge rasche Restitutio auf- 
wiesen. Vorteile, welche die Mastisolbehandlung darge- 
boten hat: 1. Die Wunde wird mehr geschont, als dies 
bei taglich ein- bis zweimaligem Verbandwechsel auch 
unter grOsster Yorsicht mbglich ist. Ein Abreissen fest 
haftender Verbandstoffe, Bluten, Schmerz gibt es weit 
seltener als sonst. Die Wundsekrete saugen sich in die 
Gaze ein, statt wie etwa bei einem seit zwei Tagen nicht 
gewechselten Salbenverband eine Obelriechende schmierige 
Schichte an der Oberflftche der Wunde zu bilden. 2. Ausser- 
dem kommt in Betracht, dass die neue Mastisolanwendung 
fast immer erst nach ein paar Tagen notwendig wird, 
dazwischen seitens des Arztes eine kurze Revision gentigt, 
um festzustellen, dass alles in Ordnung ist. 8. Endlich: 
eine minimale Menge Mastisol, welche ein ein- bis zwei- 
mal eingetauchter kleiner Haarpinsel aufhimmt, ein viel- 
leicht 1 dm* grosses Stack weisse Gaze sowie ein paar 
Bindentouren genagen oft zum Verband far mehrere Tage. 
Diesen sich dem Arzte nach kurzer Zeit darbietenden Vor- 
teilen gesellt sich noch der weitere hinzu, dass Sekundar- 
infektionen aberhaupt nicht so leicht entstehen konnen als 
dort, wo eine Wundflache einem oftmaligen Verbandwechsel 
ausgesetzt ist. An und far sich unterdrackt ja das Masti¬ 
sol dank seiner spezifischen Eigenschaften das Zustande- 
kommen einer Infektion. 

(Wiener klin. Wochensohrlft 1912 Nr. 10.> 

Hfimorrhoiden. TJeber die extraanale (nnblutige) Be- 
handlong der H. Yon Prof. I. Boas in Berlin. Es ist 
jedem erfahrenen Arzte bekannt, dass bei H&morrhoida- 
riern die Natur sich mitunter dadurch hilft, dass die 
Knoten allm&hlich tiefer und tiefer heraustreten und dann 
langsam einem Schrumpfungsprozess anheimfallen. Man 
sieht dann um den Anus herum zahlreiche L&ppchen, die 
nichts anderes sind als einstige Hftmorrhoidalknoten, die 


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H&morrhoiden. 


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im Laufe der Jahre ganz den Charakter epidermisartiger 
Gebilde annehmen. Freilich bringt die Natur das nicht 
immer zustande: die Knoten bleiben in der Rima ani 
stecken und konnen auch dann no’ch zu Blutungen, na- 
mentlich zu Exkoriationen und Ulzerationen, Veranlassung 
bieten. Wo es aber vflllig gelingt, da epidermisieren sich, 
wie gesagt, die Knoten, werden allm&hlich kleiner, harter 
und fester und verlieren vollkommen den Charakter von 
Varizen. Die Tatsache, dass die Natur selbst zuweilen 
auf ungefahrliche Weise mit den Varizen fertig wird, weckte 
Zweifel an der Richtigkeit der geheiligten LeHre von der 
Gefahr der prolabierten Knoten. Von diesen Zweifeln 
beherrscht ging Verf. vor vier Jahren zuerst dazu fiber, 
in einem Falle von prolabiertem Solitarknoten diesen 
extraanal zu lassen und zu versorgen. Auf Grund der 
seit dieser Zeit gemacbten Erfahrungen kann er heute den 
Satz aufstellen, dass die alte Lehre von der Gef&hrlichkeit 
der prolabierten Knoten ein grundsatzlicher Irrtum war, 
ja, dass umgekehrt die Reponierung vorgefallener Varizen 
das geeignetste Mittel darstellt, das nattirliche Heilbestreben 
zu verhindern. Der Prolaps der Knoten, der bisher immer 
als unerwfinschte Komplikation und als Grund fflr die 
gar nicht schnell genug zu bewerkstelligende intraanale 
Reponierung betrachtet wurde, bedeutete von jetzt ab fflr 
Verf. geradezu den Weg zur Heilung. Endlich kam noch 
ein drittes Moment hinzu, das ihm bewies, dass die natflr- 
lichen Heilfaktoren einer grosseren Entwicklung und Aus- 
gestaltung fahig sind: das sind die Erfahrungen mit der 
vielfach in Deutschland, zuletzt noch von Eh rich ernpfoh- 
lenen Ligatur. Durch die akute Ligatur wird eine plOtz- 
liche Abschnttrung der Blutzufubr zu den Knoten bedingt, 
die dann einer mehr oder weniger schnellen Thrombosie- 
rnng und schliesslich ganzlicher Verfldung anheimfallen. 
Wenn es mflglich ware, so sagte sich Verf., dieses immer- 
hin gewaltsame und, wie einzelne Falle zeigen, nicht 
immer ungefahrliche Verfahren zu einem langsamer wir- 
kenden und schonenderen umzugestalten, so hatten wir 
eine ebenso einfache wie gefahrlose Methode, auf unblu- 
tigem Wege eine Heilung der H. zu erreichen. Auf diesen 
drei Gesichtspunkten baut sich das von Verf. seit drei 
Jahren geflbte Verfahren auf. Er hat im ganzen 30 Falle 
mit der neuen Methode behandelt und ist, von einigen 
Misserfolgen abgesehen, zu recht befriedigenden Resultaten 
gelangt. Voraussetzung fflr die Anwendbarkeit der Me¬ 
thode ist der Umstand, ob die Knoten von selbst oder 


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H&morrhoiden. 


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durch leichtes Pressen prolabieren, oder endlich ob sie auf 
kGnstlichem Wege zum Prolabieren gebracht werden konnen. 
1st ersteres del* Fall, so bedarf es keiner weiteren Pro- 
zeduren. Nur-hat man darauf zu achten, dass die Knoten 
nicht bloss prolabieren, sondern auch (was nicht immer 
der Fall ist) prolabiert bleiben. Falls die Knoten nicht 
prolabieren, so kann man Glyzerin- oder Kochsalzklystiere 
anwenden — und auch Verf. hat sich im Beginne seiner 
therapeutischen Versuche vielfach dieser Hilfsmittel be¬ 
dient. Indessen hat er, seitdem er sich der auch von 
Strauss, allerdings mehr zu diagnostischen Zwecken, ver- 
wendeten Bierschen SaugnSpfe bedient, in der Applika- 
tion dieser ein so ausgezeichnetes und wirksames Ver- 
fahren kennen gelernt, dass er seit mehr als zwei Jahren 
sich ausschliesslich der Saugnapfbehandlung bedient. Er 
verwendet Saugn&pfe von etwa fGnfmarkstGckgrossem Durch- 
messer, bestreicht das Innere mit einer die Glaswand nicht 
beschlagenden Substanz („Okulustro“), fettet den Rand 
mit Borvaselin ein und setzt den Saugnapf fest um die 
Gegend des Anus auf. Sitzt der Saugnapf fest auf, so 
treten sofort oder innerhalb kurzer Zeit die Knoten her- 
aus, und man kann durch das Glas die Zahl, Grosse, ihr 
Yerhalten zur Schleimhaut, etwaige Ulzerationen genau 
besichtigen. Treten bei Saugnapfbehandlung nach lan- 
gerem Saugen keine oder nur sehr kleine Knoten auf, so 
empfiehlt Verf. eine Behandlung mit seinem Yerfahren 
nicht, da es kaum zum Ziele fGhren wOrde. Etwaige in 
solchen Fallen bestehende Blutungen, die auch bei kleinen 
Knoten gelegentlich in sehr umfangreichem Masse auf- 
treten kGnnen, behandelt er ausschliesslich mit Chlorkal- 
ziuminjektionen (5°/oig), die ihn nur in seltenen Fallen im 
Stich gelassen haben. Das Prolabieren der Knoten allein 
bietet noch keineswegs eine sichere Gew&hr, dass die 
extraanale Behandlung von Erfolg begleitet ist, Mass- 
gebend hierfur ist vielmehr, ob sich um die Knoten ein 
diese abschnurendes perianales Oedem entwickelt. Lasst 
man namlich den Saugnapf langere Zeit, d. h. etwa 30 
bis 60 Minuten, einwirken, so tritt zugleich mit dem An- 
schwellen und Blauwerden der Yarizen ein perianales 
Oedem auf. Je schneller und intensiver sich das Oedem 
entwickelt, um so grosser ist die Aussicht, dass die Knoten 
von der Zirkulation abgeschnitten werden und einer all- 
mahlichen VerSdung anheimfallen. Das Oedem hat aber 
noch eine weitere Bedeutung. Es werden namlich durch 
dieses die Knoten fixiert und in der fixierten Stellung 


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Hamorrhoiden. 


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erhalten. Daher muss unser Bestreben darauf gerichtet 
sein, das Oedem von vornherein so intensiv als mbglich 
zu gestalten (nftmlich durch fortgesetzte Stauung) und so- 
lange als mbglich zu erhalten. Die besten Erfolge hat 
Verf. dementsprechend da beobachtet, wo sich ein schnell 
entstehendes und tagelang anhaltendes Oedem entwickelt 
hatte. Tritt ein Oedem nur in unbedeutender und schnell 
vorObergehender Ausdehnung auf, so sind die Aussichten 
fOr eine AbschnOrung und extraanale Fixierung weit ge- 
ringer. Zwar kann man durch fortgesetztes Stauen den 
Versuch einer starken Anschwellung und BlutfOllung der 
Knoten machen, meistens ist aber der Versuch ohne we- 
sentlichen Erfolg. Die Ursache der mangelnden Oedem- 
bildung ist in der Verbindung der Knoten mit der Schleim- 
haut zu suchen. Ist diese n&mlich eine breitbasige, so 
findet, selbst wenn die Knoten prolabieren, eine Unter- 
brechung der Zirkulation nicht statt, die Knoten schwellen 
nicht an, es bildet sich auch kein Oedem. Solche Falle 
bilden die Versager der Methode und erfordern entweder 
ein operatives Verfahren oder aber die von Verf. seifr Jahren 
gleichfalls mit gutem Erfolge getibte Behandlung mit Kar- 
bolinjektionen, auf deren Technik er hier nicht eingeht. 
Bei gut ausgebildetem Oedem entwickelt sich der weitere 
Verlauf folgendermassen: Die Knoten schwellen infolge 
der Fixierung durch das Oedem mehr und mehr an, es 
bildet sich h&ufig ein mehr oder weniger starkes serOses 
Transsudat, ab und zu kommt es auch zu (meist gering- 
fiigigen) Blutungen. Nach- ca. 24 Stunden tritt dann eine 
Ver&nderung auf, die sich schon bei oberflachlicher Be- 
sichtigung zu erkennen gibt. Die Knoten, die anfangs 
hochrot oder livide aussehen, beginnen missfarbig zu werden, 
zeigen an einzelnen Stellen schw&rzliche Verfarbung oder 
leicht blutigen Belag; zugleich damit beginnt eine Schrump- 
fung und vermehrte, durch Thrombusbildung bedingte 
Konsistenz. Damit ist die ZurOckbildung der Knoten ein- 
geleitet. Von Tag zu Tag nimmt nun der Schrumpfungs- 
prozess zu, an einzelnen Knoten starker, an anderen lang- 
samer, so dass am 3. — 5. Tage eine bis auf die Halite 
und noch mehr erfolgende Reduktion konstatierbar ist. 
Schliesslich sieht man nur noch kleine erbsen- bis linsen- 
grosse rotliche, allmahlich mehr und mehr einen epidermo- 
idalen Charakter annehmende Knbtchen, die schliesslich 
vollig epidermisartige Gestalt erhalten. In besonders gQn- 
stigen Fallen sind tiberhaupt Residuen von Knoten nicht 
mehr sichtbar. Obwohl die Oedembildung fOr die Fixierung 

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Hamorrboiden. 


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and spatere Thrombusbildung von grosser Bedeutung ist, 
so bildet sie keineswegs eine absolute Vorbedingung for 
den naturgemassen. ROckbildungsprozess. Es gibt vielmehr 
einen zweiten, wenn aucb selteneren Modus der spontanen 
Heilung, einen Modus, der mit der akuten Ligatur grosse 
Aebnlichkeit aufweist. In diesen Fallen prolabieren nam- 
lich die Knoten bei fortgesetzter Stauung, viellejcht auch 
schon spontan derart, dass sie in ihrem ganzen Umfange 
extraanal zu liegen komraen. Dann schliesst sie der 
Sphincter ani derart von der Zirkulation ab, dass die Blut- 
zufuhr vom Beginne des Yerfahrens ab vollkomtnen unter- 
brochen wird. In einem dieser Falle erfolgte innerhalb 
14 Tagen eine glatte Heilung. Sehr viel einfacher ist 
der Verlauf bei Solitarknoten. Tritt hierbei der Knoten 
vOllig extraanal heraus und bleibt extraanal, so erfolgt 
die allm&hliche Thrombosierung in fthnlicher Weise wie 
oben geschildert, nur, dass naturgemass der Prozess in 
meist kdrzerer Frist vollkoramen beendigt ist. Tritt er 
nicht -ganz heraus, so bildet sich in der Regel ein Oedem, 
das den Knoten fixiert halt. Der Knoten -schwillt zuerst 
an, dann erfolgt, wie bereits geschildert, das Stadium der 
Abschwellung, das bei Solitarknoten schon innerhalb drei 
bis vier Tagen erfolgt; zugleich wird der Knoten kleiner, 
verOdet ganz oder bekommt ein hahnenkammformiges Aus- 
sehen, wird dichter und fester und bleibt in dieser Form 
in der Rima ani stecken, ohne aber den Pat. in irgend- 
einer Weise bei der Defakation zu stbren. Wenn man 
nochmals zusammenfasst, so eignen sich fttr die extraanale 
Behandlung in erster Reihe die Falle, bei denen die Knoten 
nicht auf der Schleimhaut aufsitzen, sondern pilzartig aus 
dem Anus spontan oder nach gehbrigem Saugen prola¬ 
bieren, ferner Falle, bei denen die Yarizen nur in geringem 
Masse flachenartig auf der Schleimhaut aufsitzen, und end- 
lich Solitarknoten. Es hat sich nun bei zunehmender 
Erfahrung herausgestellt, und darin scheint mit ein sehr 
wesentliches Moment zu liegen, dass das Verfahren die 
besten Chancen bei weit vorgeschrittenen solitaren oder 
multiplen Varizen hat. Unter anderem hat Verf. einen 
vorzbglichen und dauernden Erfolg bei einer Pat. erzielt, 
bei der ein Solitarknoten von dem Umfang einer grossen 
Pflaume bestand. Ganz ahnliche Erfahrungen hat Verf. 
immer von neuem gemacht. Die ausschliesslich breitbasig 
auf der Schleimhaut aufsitzenden Knoten lassen bei der 
Saugbehandlung jene kongestive Neigung vermissen, das 
Oedem bleibt auch bei starkem Saugen aus. In diesen 


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Hamorrhoiden. 


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Fallen ist du'rch das neue Verfahren, wie bereits erwahnt, 
ein grosser- Erfolg nicht zu erwarten. Man konnte nun 
einwenden, dass es vom Standpunkt des Praktikers piisslich 
ist, erst zu probieren, ob ein Fall sich fiir die extraanale 
Behandlung eignet oder nicht. In der Wirklichkeit ist 
aber die Beurteilung der Behandlungsart meist einfacher, 
speziell bei einiger Uebung, als man anfangs denkt. Bei 
geeigneten Fallen beginnt namlich die Oedembildung oft 
schon innerbalb einer Stunde oder noch weniger. Nimmt 
man dann den Saugnapf ab und bemerkt, dass die Knoten 
prolabiert bleiben, dann kann man die Behandlung ruhig 
beginnen; findet man dagegen, dass ein Oedem innerhalb 
einsttindigen'Saugens ganz ausgeblieben ist, die Knoten 
auch nach Sistieren der Aspiration wieder intraanal zuriick- 
schldpfen, dann sind die Aussichten ungQnstig. Innerhalb 
V*—1 Stunde kann sich demnach jeder Arzt ein Urteil 
liber die Anwendbarkeit und Aussichten des Verfahrens 
bilden. Was zunachst den Yerlauf der Behandlung mit 
dem. neuen Verfahren betrifft, so ist in erster Linie die 
Frage zu beantworten, inwieweit es etwa gemass den frliheren 
Befdrchtungen (Gangr&n der prolabierten Knoten u. a.) 
mit Gefahr verbunden ist. Diese Frage kann kurzerhand 
verneint werden. Yerf. hat nach vierjahriger Erfahrung 
mit der Methode keinen Fall gesehen, der zu Komplika- 
tionen auch nur der geringsten Art Yeranlassung gegeben 
hatte. Ein fiir die Bewertung der Methode wichtiger Ge- 
sichtspunkt ist ferner der damit verbundene Schmerz. Er 
ist bedingt durch das sich im Anschluss an den Prolaps 
der Varizen entwickelnde Oedem. Auch auf Druck sind 
nur die bdematbsen Hautpartien empfindlich, nicht aber 
die Knoten selbst. Was nun die subjektive Schmerzempfin- 
dung betrifft, so fehlt sie selten vbllig. Aber sie ist in 
ihrer Intensit&t sehr verschieden und h&ngt naturgemass 
auch von der individuellen Schmerzempfindlichkeit ab. 
Im ganzen kann Verf. nach langerer Erfahrung sagen, 
dass der Schmerz von ertraglichd!* Hbhe ist. Am besten 
kann man sie dadurch beurteilen, inwieweit etwa zu nar- 
kotischen Mitteln, speziell zu Morphiuminjektionen, die 
Zuflucht genommen werden musste. Es war das nur selten 
notwendig. In manchen, aber auch keineswegs hSufigen 
Fallen erwies sich EinfGhrung von schmerzstillenden Sup- 
positorien (Kodein, Belladonna) als vbllig hinreichend. Es 
ist ferner zu bemerken, dass der Schmerz nur wahrend 
der ersten 24—48 Stunden einigermassen in die Erscheinung 
tritt, schon am zweiten oder dritten Tage wieder wesentlich 

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H&morrhoiden. 


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geringer wird, um mit dem allmahlichen Schwinden des 
Oedema ganz aufzuhdren. Wo etwa die Schmerzen langere 
, Zeit anhalten, liaben sich Umschlage mit essigsaurer Tonr 
erde, ev. auch eine kleine Eisblase, als zweckmassige und 
auf der Hand liegende Massnahmen nutzlich erwiesen. 
Doch pflegt Verf. das Oedem in den eraten Tagen nicht 
gem zu bekSmpfen, da es sonst leicht vorkommen kann, 
das8 die Knoten aus der Strangulation schnell gelSst, 
aehr bald von neuem durchblutet und an ihrer Schrump- 
fung verhindert werden. Etwaige oberfl&chliche Exko- 
riationen der Knoten pflegt Verf. mit Airol, Xeroform 
oder Vioform zu bestreuen. In der zweiten Woche haben 
aich Sitzbader mit Lyaol oder auch Tannin ala vor- 
teilhaft erwiesen. Im weiteren Verlaufe der Behandlung 
i hat Verf. auch ab und zu von Pinselungen der Knoten 
mit Lugolscher Lbsung Gebrauch gemacht. Selbatver- 
stfindlich kann man statt dieser Mittel auch andere ahnlich 
wirkende anwenden, ohne dasa hierdurch der Effekt we- 
sentlich geandert werden dflrfte. Ein wesentlicher Yorteil 
der Methode ist ferner der Umstand, dasa die Darmtatig- 
keit vom Beginn der Behandlung an nicht unterbrochen 
zu werden braucht und weiter, dasa die Stuhlentleerung 
als solche absolut schmerzlos zu sein pflegt. Leichte 
Koproataae wird mit einfachen Abftthrmitteln bek&mpft. 
Zweckmassig, ja, in den eraten Behandlungstagen notwendig, 
ist Bettruhe der Kranken. Hierbei hat sich in der Mehr- 
zahl der Falle die Seitenlage zweekmassiger als die Riicken- 
lage erwiesen. Nur in einigen wenigen, und zwar leichten 
Fallen hat Verf. die Pat. schon in den ersten Tagen kurze 
Bewegungen im Zimmer, ev. auch Lage auf der Chaise- 
longue gestattet. Bei seinen ersten tastenden Behandlungs- 
verauchen hat Verf. naturgemass die Krank-en langer im 
Bett behalten, als es notwendig gewesen wire. In der 
letzten Zeit und mit ausgedehnteren Erfahrungen hat es 
sich gezeigt, dass namentlich in leichteren Fall^P schon 
nach 4—5 Tagen die Bettruhe mit der Chaiselongfueruhe 
vertauscht werden konnte. Ja, in einigen Fallen konnten 
die Kranken schon nach kurzer BehandlungsdaueV ohne 
Beschwerden herumgehen und aitzen. Im Durch\«chnitt 
betragt die Behandlungsdauer 8—14 Tage. Nach jdieser 
Zeit kdnnen die meisten Kranken ihrem Berufe wceder 
nachgehen. Nur in einigen wenigen Fallen lasst die Voll- 
standige Schrumpfung langer auf sich warten. Die Krar^ken 
empfinden besonders beim Sitzen ein „wundes u GefilJil? 
bisweilen treten aus den granulierenden Knoten noch kleine 


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Hamorrhoiden. 


389 


parenchymatbse Blutungen auf, die sie mehr beunruhigen 
als belSstigen. Indessen macht auch in diesen vereinzelten 
Fallen der Heilungsprozess, wenn auch langsame, so doch 
zunehmende Fortschritte: die Knoten erhalten allm&hlich 
einen epidermoidalen Charakter und damit Hand in Hand 
treten die subjektiven Beschwerden mehr und mehr in den 
Hintergrund. Was nun die Resultate der extraanalen un- 
blutigen Behandlung betrifft, so muss man zwischen un- 
mittelbaren und Dauerresultaten unterscheiden. Was die 
ersteren betrifft, so sind sie ausnahmslos giinstige gewesen, 
insofern die schweren Blutungen, der Prolaps und die damit 
verbundenen hbchst l&stigen Beschwerden beseitigt werden. 
Was die Dauerresultate betrifft, so ist es noch nicht m5g- 
lich, ein abschliessendes Urteil abzugeben. In der grossen 
Mehrzahl war der Erfolg bis jetzt ein dauernd giinstiger, und 
nur in einer kleinen Minderzahl hat Yerf. teils direkt, teils 
indirekt sich davon Oberzeugen konnen, dass Rezidive oder 
gelegentlich auch Misserfolge auch hierbei nicht ausbleiben, 
was tlbrigens bekanntlich auch beider operativen Behandlung 
der Fall ist. Hierbei erscheint es notwendig, den Begriff 
Erfolg und Misserfolg mit wenigen Worten zu erlautern. 
Einen vollen Erfolg nimmt Yerf. da an, wo lfingere Zeit 
nach der Behandlung wederschmerzhafter Prolaps von Knoten, 
noch Blutungen, noch subjektive Beschwerden bei oder nach 
der Def&kation auftreten. An diesem Massstab gemessen, hat 
Verf. eigentliche Misserfolge nur dreimal beobaclitet, in den 
vibrigen waren die subjektiven Beschwerden entweder voll- 
kommen in den Hintergrund getreten oder wesentlich ge- 
bessert. In drei Fallen hat Verf. die Beobachtung gemacht, 
dass die nach der Behandlung vollkommen extraanal gele- 
genen Knoten zum Teil wieder das Bestreben zeigten, in der 
Nacht oder beim Liegen oder Sitzen hineinzurutschen. Da 
aber die Knoten wahrend der Behandlung tbrombosiert waren, 
so erfolgte das Heraus- und Hineingehen der Knoten nicht 
wie fruher unter Schmerzen, sondern ganz ohne jegliche Be¬ 
schwerden. Inwieweit es in Zukunft gelingen wird, dieses 
Vorkommnis zu verhtlten, bleibt abzuwarten. Jedenfalls hat 
Verf. der Vorsicht wegen Falle, in welchen die Knoten nicht 
dauernd extraanal gebliebenwaren, nichtden erfolgreichen zu- 
gezahlt, obgleich die Pat. selbst mit dem Erfolg recht zufrieden 
waren. Selbstverstandlich wurde nichts daran hindern, das 
Verfahren bei Rezidiven wiederholt zur Anwendung zu 
bringen. Bis jetzt hat Verf. dies in einem Falle auszu- 
fuhren Gelegenheit gehabt, und zwar, wie es scheint, mit 
dauerndem Erfolg. (Munch, med. Wochenschrirt 1911 Nr. 5.) 


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H&morrhoiden — lntoxikationen. 


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— Auf.eine Anfrage betreffs Behandlung der H. antworteten 
Kollegen wie folgt: 

a) Kraftige Abkochung von Eichenrinde, als Dampf- 

sitzbad taglfch 1—2 Stunden benGtzt und l&ngere Zeit: 
14 Tage bis 4 Wochen durchgefiihrt, brachte in mehreren 
Fallen von H. Dauerheilung. Die Prozedur ist nicht 
ganz schmerzlos, doch werden die Schmerzen nach jeder 
Sitzung geringer. Dr. Wolf, Gernsheim a. Rh. 

b) Es ist mir bei einem j ungen Manne gelungen, 
einen Hamorrhoidalknoten durch 2—3mal w6chentlicb« 
„Vereisung“ mit. dem Aethylchlorid-Spray zum Schrumpfen 
zu bringen. Vielleicht lasst sich auf diesem- Wege ab- 
helfen. Die unangenehmen Sensationen treten nur an- 
fangs auf, spater gewdhnt man sich daran. 

Dr. Salomon Lieben, Prag. 

c) Ich empfehle dem Kollegen folgende Suppositorien: 

Rp. Extr. Secal. cornut. 

Ich thyol aa 0,25 
Extr. belladonnae 0,06 
Ungu. cer. 

Butyr, Cacao aa 0,50. 

Ich habe in schweren Fallen von H. damit sch5ne Er- 
folge erzielt. 

Dr. Jaroslav Kuzel, Kreisphysikus i. P., Belgrad. 

d) Als bestes Mittel gegen H. und allemal bewahrt 
bei dauerndem Gebrauch ist ein 10 Sekunden wahrendes 
Sitzbad kalt, bevor man zu Bette geht. Grosser Wasch- 
napf, passend gestellt, genOgt. 

Medicus seit 1873, Dr. Gildemeister, Oelde (Westf.). 

(Ara Medioi 1918 Nr. 3.) 

lntoxikationen. Kasnistischer Beitrag zur Therapie der 
S&arevergiftung. Von Dr. F. March and (Medizin. 
Klinik, Heidelberg). Infusion grosser Mengen von Alkali in 
die Blutbahn hat in einem Falle ausserordentliche Dienste 
geleistet Ein 24jahriger Mann trank konzentierte Schwefel- 
saure und bekam ein sehr scliweres Krankheitsbild. Es 
traten die Symptome der allgemeinen Saurewirkung deut- 
lich hervor. Die anfangliche motorische Unruhe und die 
tiefe Bewusstlosigkeit sind als Zeichen der schweren 
Schadigung des Zentralnervensystems anzusehen. Und die 
auffallende Zyanose, welche vielleicht teilweise durch Glottis- 


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Intoxikationen.. 


391 


Sdem bediugt war, ist wohl sicher zum Teil auf zentrale 
Respirationsstbrung zu beziehen. Auf diese schweren 
allgemeinen Vergiftungssymptome, die hfiufig den Tod 
herbeiftlhren, mSchte Yerf. besonders aufmerksam machen. 
Der beschriebene Fall zeigt ferner, dass es auch beim 
Menschen gelingt, diese im hbchsten Grade bedrohlichen 
Symptome durch Ersatz des dem Organismus entzogenen 
Alkali erfolgreich zu bek&mpfen. Diese schon lange durch 
die experimentelle Pharmakologie gut gest&tzte Behandlungs- 
methode mbchte Verf. daher in empfeh'lende Erinnerung 
bringen. In bezug auf die Methodik mbchte Verf. hinzu- 
fOgen, dass das Natriumkarbonat in 5 °/oiger LSsung (etwa iso- 
tonisch) von ihm verwendet wird. Da diese stark alkalisehe 
LSsung das Kbrpergewebe schwer sch&digt, so ist intra- 
venbae Anwendung durchaus erforderlich. Es geniigt auch 
nicht, die Vene perkutan zu punktieren, sondern man muss 
eine Kanille in die Vene einbinden; denn auch geringe 
Mengen der LSsung* welche unter die Haut geraten, er- 
zeugen unangenehme Nekrosen. Die Menge der infundierten 
Lbsung mtt8Ste sich nach der Menge der aufgenommenen 
Sfture richten. Man wil'd gewbhnlich wahrscheinlich mit 
etwas geringeren Mengen als in dem vorliegenden Falle 
auskommen kbnnen, wo 300 ccm infundiert wurden. Auf 
einen Punkt, der vielleicht beriicksichtigt werden muss, 
mbchte Verf. noch eingehen. Walter beobachtete nfimlich 
bei der Infusion in die Vena jugularis des Kaninchens 
mehrfach tbdliche Thrombosen im Herzen und empfiehlt 
deshalb Infusion in moglichst peripher gelegene Venen, 
wobei er solche Zwischenf&lle nicht erlebte. Auch in 
unserem Falle erfolgte eine Thrombose der Vena basilica. 
Es dbrfte also ratsam sein, zur Infusion eine mbglichst 
peripher gelegene Hautvene zu w&hlen, damit nicht so 
leicht eine fortschreitende Thrombose, etwa in die Vena 
brachialis hinein, zustande kommt. 

(Munchener med. Woohensohrift 1912 Nr. 4.) 

— Ein Fall von tddlicher Bleivergiftung durch Schnupftabak. 

Von Dr. E. Stadler (Kanton.-Krankenanstalt, Glarus). 
33jahrige Frau unterliegt einer schweren Bleivergiftung 
(Encephalopathia saturnina)* Erst wusste man sich diese 
Vergiftung nicht zu erkltren, dann erfuhr man durch die 
Mutter der Pat., diese schnupfe seit ca. vier Jahren leiden- 
schaftlich und habe die Gewohnheit, direkt aus dem 
Paket zu schnupfen. Sie riss das Paket oben an, steckte 
es in die Tasche und nahm ohne Kontrolle mit dem Auge 


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Intoxikationen. 


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ihre „Prisen“. Yerf. erhielt das halbverbrauchte Paket, 
so wie es zu Hause in der Rocktasche der Pat. gefunden 
wurde. Durch das Ausklauben des Tabaks im Dunkeln 
waren viele kleine Teilchen der den Tabak zunftchst um- 
hiillenden Metallfolie in den Tabak hineingekommen. An 
unberiihrten Stellen war die Folie arrodiert, sehr dQnn 
und brtichig. Verf. vermutete, gewisse chemische Eigen- 
schaften des ziemlieh feuchten Tabakes haben die Folie 
aufgelbst, so dass Blei in den Tabak fibergehen konnte. 
Er besorgte von der gleichen Bezugsquelle wie die Pat. 
mehrere solcher Pakete und Gbergab sie dem Kantons- 
chemiker, Herrn Dr. Becker in Glarus, zur qualitativen 
und quantitativen Untersuchung der Folie und des Tabaka. 
Nach seinem Bericht enthielt die Folie 89,9°/* Blei. Der 
Tabak verschiedener Pakete zeigte einen mittleren Gehalt 
von *1,75% Blei, in den ausseren Partien wurden bia 
l,9°/o gefunden. Die Bleifolie war in alien Paketen stark 
angegriffen, stellenweise ganz dtinn und bruchig. Der 
Tabak aller untersuchten Pakete reagierte alkalisch. Eine 
Nachforschung in der Verkaufsstellp dieses Schnupftabakes 
ergab, dass Pat. vom 26. Februar bis 13. April sechs 
Pakete, vom 27. Juni bis 14. November zwblf Pakete 
a 100 g Schnupftabak fiir sich kaufte, also im Monat 
durchschnittlich 300 g verbrauchte, pro Tag 10 g, ent- 
sprechend einem Bleigehalt von 175 mg. Nach den 
neuesten Angaben fhhren 8 —10 mg Blei pro Tag zu 
chronischer Intoxikation. Beim Schnupfen geht nun aller- 
dings ein grosser Teil des Tabakes durch Zerstreuen 
wieder verloren, so dass wir nicht annehmen dilrfen, Pat. 
habe tftglich 175 mg Blei zu sich genommen; aber bei 
den grossen Quantitftten, die sie schnupfte, kam doch 
genfigend Blei zur Resorption, um eine Bleivergiftung 
herbeizufQhren. Dieser Yergiftungsmodus ist schon lange 
bekannt. Yerf, fand in der Literatur folgende Angaben. 
Tanquerel des Planches schreibt in seinem hervor- 
ragenden Werk tiber die gesamten Bleikrankheiten vom 
Jahr 1842: „Auch Bleiblfitter oder Bleikfisten, worin man 
Tabak einpackt oder aufbewahrt, kbnnen auf die Gesund- 
heit der Personen, die davon rauchen oder schnupfen, 
nachteilige Folgen aussern.“’' Er hat zusammen mit seinem 
Assistenten (von Stansky) experimentell bewiesen, dass 
die Schleimhaut des Respirationstraktus imstande ist, Blei 
zu resorbieren, indem er einem grossen Jagdhund durch 
eine Tracheotomiewunde tftglich kleine Mengen von Blei- 
oxyd und Mennige in die Trachea einfOhrte. Der Hund 


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Intoxikationen, 


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erkrankte an schwerer Bleivergiftung mit typischen 
Lahmungen. Der Versuch wurde mit gleichem Erfolg 
bei einem zweiten Hand wiederholt. Prof. Otto in Kopen- 
hagen berichtete 1843 fiber zwei Ffille von Bleivergiftung 
durch Maccuba-Schnupftabak. Einer der beiden Pat., 
Botaniker Dreger, staxb unter heftigen Koliken. Moritz 
Meyer in Berlin 1857 und Prof. Ziemssen 1864 wurden 
bei je einem ihrer Pat. durch Extensoren-Lahmung 
der Vorderarme zur Entdeckung bleihaltigen Schnupf- 
tabakes geleitet. In Caspars Handbuch der gerichtlichen 
Medizin 1889 findet sich folgender Fall beschrieben: 
62jahriger Mann, seit einem Jahr krank, zunSchst Schmerzen 
im Unlerleib und hartnackige Obstipation, dann Lahmung 
der Schultern und der Streckmuskulatur der Yorder¬ 
arme. Bleisaum. Langsame Besserung nach Aussetzen des 
Schnupfens. Der Schnupftabak war in Metallfolie mit 
95% Blei eingepackt, Sussere Tabakscbicht enthielt 0,81%, 
mittlere 0,24% Blei. In obigem Falle entstammte der 
Schnupftabak einer Glarner Firma und trug folgende Auf- 
schrift: „Fein«ter aromatischer Augenschnupftabak. Der 
Gebrauch dieser • ausgezeichneten Qualitat Schnupftabak 
aus wissenschaftlich vorzfiglicher Zusammensetzung bewirkt, 
dass jede Schwftche der Augen vermindert und daher 
auch die Sehkraft erhfiht wird.“ Der Tabak soil beim 
Volk beliebt sein, und es dr&ngt sich die Frage auf, ob 
nicht weitere Erkrankungen vorgekommen sind. Verf. ist 
kein weiterer Fall bekannt geworden. Offenbar konnte 
nur das unmSssige Schnupfen, wie es die Pat. betrieben 
hatte, zu dieser schweren Vergiftung ffihrcn. Andererseits 
sind gewiss auch die kleineren Quantitfiten, die andere 
Schnupfer aufgenommen haben mfigen, nicht belanglos 
und hatten wohl Gesundheitsstfirungen zur Folge, die aber 
niemand auf Bleivergiftung zurfickffihrte. Lewin hat in 
einer sehr interessanten Arbeit fiber das toxische Verhalten 
von Bleigeschossen im tierischen Kfir per darauf aufmerk- 
sam gemacht, dass die Vielseitigkeit der Symptome und 
die lange Inkubationszeit eines Bleileidens oft gar nicht 
an Blei denken lassen. Nach ihm werden namentlich 
gichtisch-rheumatische Schmerzen in ihrer Bedeutung als 
Symptome von Saturnismus oft verkannt. Die lange In-’ 
kubationszeit lasst die Leute nicht zum Krankheitsbewusst- 
sein kommen. Er sagt gewiss sehr zutreffend: „Es gibt 
auch in gesundheitlicher Beziehung einen standard of life, 
mit dem ein jeder auszukommen sucht. Man akkommodiert 
sich, bis die Roheit der Bleiwirkung das Toleranzmass 


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Intoxikationen — Oedeme. 


tiberschreitet. 44 Da nach eidgen. Verordnungen, betr. den 
Verkehr mit Lebensmitteln und Gebrauchsgegenstanden, 
vom 29. Januar 1909 Metallfolien zur Yerpackung von 
Schnupf- und Kautabak hochstens 1 °/o Blei enthalten 
dOrfen, ordnete der Kantonschemiker die Konfiskation des 
Tabakes an. Der Fabrikant hatte keine Ahnung von der 
Schadlichkeit der Bleifolie. Sofort nach ihrer Kenntnis 
war er sehr besorgt, weiteren Schaden zu vermeiden. 

(Correapondenmblatt f. Sohweizer Aerate 1912 Nr. 5.) 

Oedeme, TJeber langdanernde Drainage der HantSdeme. 

Von Prof. W. His (Berlin). „Die Punktion der Haut- 
Sdeme ist auch heute noch ein ultimum refugium. Die 
Gefahr, dass sich in dem schlecht durchbluteten Gewebe 
der Wupde Infektionskeime festsetzen, ist nicht immer zu 
1 vermeiden. Sie h&ngt haupts&chlich ab von der Beschaffen- 
heit der Haut. 1st diese glatt, dann macht es keine 
Schwierigkeit, sie zu desinfizieren, sei es durch Waschen 
mit Alkohol, Aether und Sublimat, sei es durch Jod- 
anstrich. Ist sie aber infolge Varizen oder langdauernden 
Oe. schilfrig geworden, dann • ist es nahezu unmoglich, 
die in den ZwischenrSumen der Epithellamellen sitzenden 
Keime zu vernichten, die in dem kapillar angesaugten und 
festgehaltenen Serum ausgezeichnete Existenzbedingungen 
finden. Nicht mindere Bedeutung kommt der Beschaffen- 
heit des Oe. zu. Der sicherste Schutz gegen Infektion 
ist rasches Ausfliessen des Serums; man tut daher gut, 
nicht nur die Inzision oder Punktion am hangenden Bein 
vorzunehmen, wie das schon Gerhardt empfohlen hat, 
sondern auch den Kranken schon vor der Punktion 
12 — 24 Stunden im bequemen Lehnstuhl sitzen zu lassen 
und so mbglichste Prallheit des Schenkelddems zu erzielen. 
Gem lasse ich auch nach der Punktion den Kranken ganz 
oder stundenweise sitzen, was den dyspnoischen Pat. meist 
ganz sympathisch ist. Bringt man sie dann zu Bett, dann 
nimmt der Ausfluss rasch ab und die Wunde schliesst sich 
leicht. Ganz anders, wenn das subkutane Gewebe durch 
langdauernde Stauung bereits elephantiastisch ver&ndert 
ist. Dann sind die Lymphspalten eng, die Kommunikation 
derselben ungenOgend, der Ausfluss gering und die Gefahr 
der Infektion betrftchtlich. In solchen Fallen ist es besser, 
die Punktion zu unterlassen. Die Punktion selbst wird 
noch verschieden ausgefQhrt. Die alten, en’gen Southey- 
Troikarts sind wohl allgemein zugunsten der breiteren 
Curschmannschcn Hohlhadeln verlassen. Aber Cursch- 


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Oedeme. 


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mann selbst hat ein besseres Verfahren angegeben. Es 
leuchtet ein, dass die Infektion viel leichter in einem 
engen, durch Gerinnsel leicht veratopfbaren Kanal erfolgen 
muss als an einer offenen WundflSche. Die von C. Ger- 
hardt angegebenen tiefen Inzisionen sind zweifellos sehr 
wirksam und bieten wenig Gefahr, falls die FlOssigkeit 
rasch abfliesst und, sorgsame Pflege die Wunde rein erhalt. 
Besser ist es jedenfalls, durch Anwendung der Cursch¬ 
in annschen Trichter die ftusseren Infektionskeime fern- 
zuhalten. Er besteht bekanntlich aus einem kurzen, breiten 
Glaszylinder, dessen Fuss mittels Pflastermasse auf die 
Haut festgeklebt wird. Innerhalb des Zylinders werden 
zwei bis drei Einschnitte gemacht und der Zylinder durch 
eine mit Abflussschlauch versehene Kappe Iuftdicht ver- 
schlossen. Es gibt jedoch Ffille, in denen dieses sonst so 
sehr empfehlenswerte Verfahren zugunsten der alten Ger- , 
hardtschen Technik vertassen werden muss. Schilfernde 
Haut, Neigung zur Ekzembildung durch die Pflastermasse 
kann es dazu ndtigen; vor allem sind die Gerhardtschen 
Inzisionen wohl das einaige Mittel, welches eine lang- 
dauernde Drainage der Oe. ermbglicht. Ein soleher Fall, 
in dem der Abfluss nahezu vier Mopate unterhalten wurde, 
sei hier kurz besprochen: Holger, E., 6 Jahre alt, erkrankte 
im Mai 1909 an Nackenschmerz und Fieber, Nacli 
14 Tagen Besserung. Im' Juni 1909, nach neuer Er- 
kaltung, Wiederbeginn des Fiebers, das nun bis zum Ende 
unter mehrfachen Schwankungen andauerte. Oertliche 
Symptome traten zunSchst nicht auf, die Diagnose schwankte. 
Dezember 1909 schwoll die Leber so rasch und gewaltig 
an, dass an subphrenischen oder Leberabszess gedacht und 
erst, als der Knabe bereits auf dem Operationstisch in 
Narkose untersucht war, von einer Operation Abstand ge- 
nommen wurde. Am 31. Januar 1910 untersuchte icli 
den Knaben zum ersten Male, fand doppelseitige Pleura- 
exsudate, geringen Aszites, einen Puls von 110 — 120 bei 
anscheinend normaler Herzdampfung; die Leber fast hand- . 
breit unter den Rippenbogen vorragend, derb, aber glatt. 
Hautbdeme waren nicht vorhanden, das subjektive Be- 
flnden auffallend gut; das Gewicht betrug 22,9 kg. Die 
Diagnose wurde auf Polyserositis gestellt; ob tuberkulos 
oder rheumatisch, konnte nicht entschieden werden*. 
6. Februar 1910. Punktion der r. Pleurahbhle. 400 ccm 
klare Flttssigkeit vom spec. Gew. 1010 entleert, die spar- 
liche Zellen, vorwiegend Lymphozyten, enthielt. Nun 
wurde die FlQssigkeitszufuhr auf ca. 750 ccm reduziert, 


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Oedeme. 


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das Salz aus der Nahrung bis auf 3 g entfernt. Gewicht 
24,2 kg. Digalen, in Verbindung mit Euphyllin und 
Theozin, steigerte nur vorQbergehend die Diurese auf 
770 ccm; sie sank alsbald wieder und hielt sich dauernd 
auf ca. 300 ccm. Eine im M&rz vorgenommene Karell- 
kur blieb gleichfalls ohne merklichen Erfolg. Es' stellten 
sich rasch zunehmende Oe. der Beine und des Skrotums 
ein. Am 6. Mai betrug das Korpergewicht 30 kg. Nun 
wurden an beiden Beinen je zwei Einschnitte gemacht; 
der Ausfluss war sehr reichlich, das Gewicht sank bis zum 
11. Mai auf 27,8 kg. Die Wunden wurden geschlossen; 
das Gewicht stieg rasch wieder auf 30,6 kg; am 31. Mai 
Punktion von 475 ccm Aszites. 8. Juni. Nochmalige 
Inzision der Beine mit rascher Gewichtsabnahme auf 
26,5 kg. 23. Juli. Aszites punktiert. 23. Juli. Gewicht 
31,8 kg. Nochmals Punktion der Beine. Die Wunde 
wurde mit einer Kompresse von Xeroformgaze bedeckt, 
dartiber eine dQnne Schicht steriler Watte mit ‘einer Binde 
befestigt und das Ganze mit dichten Lagen hydrophiler 
Watte umgeben. Yon nun ab blieben die Skarifikations- 
wunden offen; die fiussere Watte wurde gewechselt, sobald 
sie aussen feucht wurde. Der Verband unter der Binde 
wurde anfangs taglich, sp&ter seltener gewechselt. Bald 
zeigte sich, dass es genllgend war, einen Streifen Xero¬ 
formgaze mit zwei Pflasterstreifen zu be^estigen, die Um- 
gebung mit Borvaseline gegen Mazeration zu schQtzen und 
die Unterschenkel mit Watte einzuhQllen. Die Wunden 
zeigten vorQbergehend leichte Rbtung der Umgebung, infi- 
zierten sich aber nicht bis zum Tode. Der weitere Ver- 
lauf war derart, dass die Oe. der Schenkel und des 
Skrotums zwar nicht vQllig verschwanden, aber sich in 
ertraglichen Grenzen hielten; auch die serbsen ErgQsse er- 
forderten nur noch eine Aszitespunktion am 23. September. 
VorQbergehend wurde eine geringe Menge eitriges Sputum 
entleert, in dem nun Tb. nachgewiesen werden konnten. 
Oefter traten Anf&lle von Tachykardie mit KollapszustSnden 
auf. Am 20. November 1910 Hemiepilepsie links, an den 
folgenden Tagen wiederholt; am 7. Dezember 1910 Exitus. 
Die Sektion (Prof. Beitzke) ergab chronische Pleuritis, 
Perikarditis (mit fingerdicker Schwiele) und Peritonitis, 
tuberkulbse Meningitis, namentlich an der KonvexitSt, und 
Durchbruch einer tuberkulbsen DrQse in einen Bronchus. —r- 
Der Fall ist deshalb bemerkenswert, weil es gelang, vom 
23. Juli bis zum 7. Dezember die Inzisionswunden offen 
zu halten und vor Infektion zu bewahren und damit Qber 


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Oedeme — Faralysen. 


397 


vier Monate den vorher stets rezidivierenden, auf Diat und 
Arzneimittel nicht reagierenden Hydrops in ertrfiglichen 
Grenzen zu halten. Dies war wohl nur mittels der ein- 
fachen Gerhardtschen Inzisionen zu erreichen; es ist un- 
wahrscheinlich, dass ein Troikart oder Fiirbringerscher 
Schlauch so lange reizlos im Gewebe hatte verweilen oder 
ein Curschmannscher Trichter so lange auf der Haut 
hatte haftend erhalten werden konnen. Es ist mir nicht 
bekannt, dass die Drainage der Hautdderae jemals monate- 
lang unterhalten wurde, und wenn auch in diesem Falle 
durch die inustergQltige Pflege seitens der Mutter die Ver- 
haltnisse besonders gfinstig lagen, so glaube ich doch, dass 
auch in anderen Fallen von chronischem Hydrops ein 
analoges Verfahren anwendbar und von Nutzen sein kann.“ 

(Zeitschrift f. physikal. u. difttet. Therapie Januar 1912.) 

P>raly>en» Zur Fr age der Druckl&hmungen nachEsmarch- 
scher Blutleere. Yon St.-A. Dr. W. Wolf (Garnisonlaza- 
rett Leipzig). Es handelte sich um einen SOjahrigen Offizier, 
bei dem Verf. in Narkose am 2. XI. 1911 tfine Sehnen- 
naht am vierten Finger der linken Hand vomahm. Die 
Martinsche Binde, die Yerf. zur Blutleere am linken Arm 
immer anzuwenden pflegt, lag im ganzen zirka eine Stunde. 
Beim Erwachen aus der Narkose bestand eine fast kom- 
plette Lahmung des linken Armes. Prof. Dr. K5ster kon- 
statierte 14 Tage nach der Operation eine ischamische 
Lahmung aller Nerven des linken Armes, besonders des 
Medianus und Radialis. GefdhlsstOrungen bestanden in 
alien drei Endgebieten. Entartungsreaktion bestand zu- 
nachst nicht, doch hatte sich bei einer zweiten Untersu chung, 
vier Wochen post operationem, eine Mittelform der Ent¬ 
artungsreaktion noch nachtraglich eingestellt. Jetzt, acht 
Wochen nach Anlegung der Gummibinde, sind die Lfih- 
mungserscheinungen zwar auf dem Wege der Besserung, 
doch diirfte eine Heilung unter sechs Monaten kaum zu 
erwarten sein. Verf. suchte nattirlich auf jede Weise 
nach einer Erklarung fOr die fur Arzt und Pat. gleich 
unangenehme Komplikation, durch die ein an sich harm- 
loser operativer Eingriff zu so schweren Folgen ftihren 
kann. Unter anderem forschte er anamnestisch nach Lues, 
deren sch&digende Einwirkung auf das Nervensystem ja ge- 
nug bekannt ist. Hingewiesen wurde er auf den Verdacht 
durch den Umstand, dass eine bei demselben Offizier gleicli- 
zeitig vorhandene Fingerfraktur nach drei Wochen noch 
keine Spur Kallusbildung erkennen liess. In der Tat hatte 


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Paralyeen. 


Pat. im Jahre 1902 eine syphilitische Infektion dberstanden. 
Nach einer intravenftsen Salvarsaninjektion setzte dann 
auch die Kallushildung lebhaft ein, die Nervenlahmung 
wurde dagegen, wie zu erwarten, dadurch kaum beeinflusst. 
Verf. halt nun einen Zusammenhang der Lahmung mit 
der alten Lues, durch die eine Ueberempfindlichkeit des 
Nervensystems gegen aussere Schadlichkeiten verursacht 
sein dtirfte, fttr wahrscheinlich und mSehte die Aufmerk- 
samkeit auf diesen Punkt lenken. Ob ausser Lues noch andere 
nervenschadigende atiologische Momente als lahmungsbe- 
gQnstigend in Frage koxnmen kbnnen, darftber miisste erst Er- 
fahrung gesammelt werden; jedenfalls mbchte Verf. davor 
waraen, bei einem Pat., bei dem Lues anamnestisch vorhanden 
ist, die Esmarchsche Blutleere am Arm anznwenden. Der 
. Perthessche Kompressor ist ja ein vorzQglicher Ersatz for 
die Gummibinde. Yielleicbt ergibt eine Revision der bis jetzt 
beobacbteten Falle von Lahmung nach kunstgereo^iter 
Esmarchscher Blutleere am Arme, deren Zahl versehwin- 
dend ist gegendber der enorm grossen Zahl derer, in denen 
die'Abschniirung selbst stundenlang ohne irgendwelche Ner- 
venschadigung ertragen wurde, dass durch Aussparung der 
Luetiker die Clble Komplikation der segensreichen Methode 
hatte vermieden werden konnen. 

(Zentralblatt f. Chinxrgie 1912 Nr. 2.) 

— Zur Verkfttnng der Drnckl&hmnngen nach Esmarchscher 
Blutleere, Von Prof. Dr. H. Gocht (Halle a. S.). Verf. 
benutzt seit Jahren als Unterlage fiir alle Schlauchab- 
schndrungen am Bauch und BindenabschnQrungen am Ober- 
arm die sogenannten Factiskissen. Factis ist ein eigen- 
artiges, fein zermahlenes Gummimaterial, das in der me- 
dizinischen Technik u. a. zur Polsterung der Brucbband- 
pelotten benutzt wird. Man erhalt Factis in jedem Ban- 
dagengeschaft und naht sich die Kissen in jeder gewfinschten 
Grosse aus einem festen leinenen Stoffe; diesen Stoffbeutel 
fiillt man ziemlich fest mit Factis, lasst ihn dann zunahen 
und noch einmal mit einem recht guten haltbaren Gummi- 
stoff beziehen. Verf. halt solche Kissen in alien radglichen 
GrSssen und Dicken vorratig, da er sie weitgehendst zur 
Fixation einzelner Gliedabschnitte bei RedressionsmanSvem 
benutzt. Uebliche Grtissen sind z. B. 20 : 16 cm und 16 : 12 
cm bei 4 cm Dicke und 14:7 cm und 10:5 cm bei 2 cm 
Dicke. Bei Mo mburgscher Blutleere legtVerf. ein Kissen 
grbsseren Formats auf die Mitte des Bauches und fGhrt 
iiber dieses hinweg die zirkularen Schlauchtouren. Am 


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Paralysen — Rheumatismen. 


399 


Oberarm nimrat er ein Kissen kleineren Formats, legt es 
auf die Partie der Nerven und Blutgeffisse und fiihrt 
hierGber die Bindetouren um den Arm. Das Factiskissen 
schmiegt sich fest, aber aufs hochste elastisch der Arm- 
rundung an und ftigt dem normalen Fett- und Muskel- 
polster ein weiteres Polster hinzu, das also keinesfalls als 
Pelotte wirkt, sondern bei bester Kompression nur das 
<)uetschen in der Tiefe hintanhS.lt. In der orthopfidischen 
Chirurgie haben wir es naturgemass sehr oft mit atro- 
phischen Extr emit fit en zu tun. Frtiher sah V erf. immer wieder 
diese unangenehmen Drucklfihmungen am Arme; seit Ver- 
wenduftg der Factiskissen ist keine Armlfihmung wieder 
Yorgekommen, auch keine Darmblutung nach Mombnrg- 
scher Blutleere. Da die Technik des Umlegens von Schlauch 
und Binde in keiner Weise durch das Unterschieben des 
Factiskissens kompliziert wird, empfiehlt Verf. dringend 
die, Factisumschnurung. Es liegt dann kein Grund vor T 
die Esmarchsche Blutleere am Oberarm wegen Druck- 
gefahr zu fOrchten oder gar zu veTbieten. 

(Zentralblatt f. Chirurgie 1912 Nr. 6.) 

Bheumatismen. Aetiologische Beziehungen zwischen 
Nase und Gelenkrheumatismus. Yon Dr. M. Senator 
(Berlin). Die lfidierte Nasenschleimhaut kann gelegentlich 
die Eingangspforte ftir das Virus des Gelenkrheumatismus 
bilden; freilich scheint es dazu besonderer Gelegenheits- 
ursachen zu bedurfen, welche die natOrliche Schutzkraft 
der Nase herabsetzen, wie Operationen, Erkfiltungen usw. 
Die Schutzkraft ist nicht aufgehoben, sondern nur ge- 
schwficht, so dass es eben nicht zur Infektion mit voll- 
virulentem Pyfimievirus kommt, sondern nur mit der 
abgeschwficht pyfimischen Form, dem sogenannten Gelenk¬ 
rheumatismus. Die Annahme, dass der Gelenkrheumatis¬ 
mus eine akute Infektion mit abgeschwachter Pyfimie sei r 
wird dadurch erheblich gesthtzt. Bei gentlgender Auf- 
merksamkeit dQrfte sich die vorlfiufig noch kleine Zahl 
der einschlfigigen Beobachtungen vergrossern. 

(Deutsche med. Wochenschrift 1912 Nr. 9.) 

— Die Erhaltung der E rwerbsfahigkeit bei der Behandlung 
rheumatischer Erkiaukungen. Yon Dr. Hirschberg 
(Berlin-Fichtenau). Die Krankheit abzukiirzen und die 
Kranken sobald als mbglich der Genesung zuzufiihren und 
arbeitsfahig zu machen, um eine Veranderung der befallenen 
Gelenke zuriickzuhalten und Rezidiven vorzubeugen, muss 


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400 


Rheumatismen. 


gerade bei den in dieser Beziehung pregnostisch unerfreu- 
lichen Gelenk- und Muskelrbeumatismen von Anfang an 
den Hauptgesichtspunkt einer zielbewussten Therapie bilden. 
Hier hat sich nun dem Yerfasser das Pyrenol auf Grund 
mehrjahriger Erfahrungen als ein alien Anforderungen 
entsprechendes Antirheumatikum, „auch in solcben Fallen, 
wo eine mehrwbchige Behandlung mit anderen Salizyl- 
praparaten im Stiche liess,“ bewahrt. Eminente anti- 
rheuniatische und antineuralgische Wirkung, Freisein von 
alien schadlichen Nebenwirkungen, Fehlen der lastigen 
Schweissbildung, zumal bei der Behandlung ambulanter 
Kranker, sind die besonderen Vorztige dieses durch die 
Yielseitigkeit in der Anwendung (Expektdrans, Sedativum) 
auch auf anderen Gebieten geschatzten Arzneimittels. 
Einige charakteristische Falle von akutem fieberhaften 
Gelenkrheumatismus (anfangs zweistQndlich 0,5 g, spater 
4mal taglich 1 Tablette a 0,5 g Pyrenol), subakutem 
Gelenkrheumatismus (5mal taglich 0,5 g Pyrenol), chro- 
nischem Gelenkrheumatismus (4 mal taglich 0,5 g), Muskel- 
rheumatismus, rheumatischem Genickkrampf (3—4 mal tag¬ 
lich 1 g Pyrenol) werden eingehend geschildert, um das 
aus einer grossen Anzahl ahnlicher Falle gewonnene Urteil 
als berechtigt zu erweisen, „dass die Behandlung solcher 
Kranker mit Pyrenol auffallend kurze Zeit in Anspruch 
nahm und dass andererseits die Heilungsergebnisse dauernde 
waren. Rezidivfreiheit zum Teil bei Beobachtungszeiten 
von bereits zwei Jahren!“ Die Erwerbsfahigkeit der an 
Gelenk- und Muskelrheumatismus Erkrankten wird vor 
allem noch dadurch besonders gflnstig beeinflusst, dass die 
im allgemeinen nach bfteren Anfallen von Gelenk- und 
Muskelrheumatismus zurOckbleibenden Veranderungen bei 
Pyrenolmedikation selten auftreten. Herz und Magen 
werden auch bei den grbssten Dosen nicht beeintrachtigt. 
Das Pyrenol ist bei alien Arten von Rheumatismus von 
ausgezeichneter schmerzstillender Wirkung, es setzt die 
Dauer der Krankheit herab und wirkt auch da, wo andere 
Antirheumatika versagen. (Fortachritte der Medizin 1912 Nr. 6.) 

— Eine nene Behandlungsmethode von schweren rheum a- 
tischen Erkranknngen. Von Dr. Y. Chlumsky, Uni- 
versitatsprofessor in Krakau. Es gibt Falle von sogenannten 
rheumatischen Gelenk- und Muskelerkrankungen, in denen 
das Leiden mit ausserordentlicher Starke einsetzt, monate- 
lang anhalt und so ziemlich alien unseren Mitteln trotzt. 
Diese Falle sind oft mit Angina verbunden und werden 


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Rheumatismen. 


401 


von hohem Fieber begleitet. Die Gelenke schwellen an 
und auch die Muskulatur der n&chsten Umgebung wird 
teigig infiltriert. Die Schwellung betrifft ein Gelenk nach 
dem anderen, die kleinsten nicht ausgenommen, und wird 
sehr schmerzhaft. Schon die leiseste Erschtltterung oder 
ein {, ^ringer Druck werden ale grosser Schmerz empfunden. 
Verf. hat Falle gesehen, die schon beim Bertihren des 
Bettes, auf dem sie lagen, aufschrien und die nicht ein- 
mal den Druck einer Decke auf das kranke Glied ver- 
trag n konnten. Diese Kranken lagen wie gelahrot und 
konnten sich sogar im Bette nicht bewegen. Die hohen 
Temperaturen hielten tagelang an, liessen manchmal auf 
kurze Zeit nach, um wieder hinaufzusteigen. GewOhnlich 
schwoll bei einer solchen Steigerung irgendein noch nicht 
betroffenes Gelenk an. Inzwischen ging an einem oder 
aucl an mehreren Gelenken die Schwellung wieder etwas 
zurtick, doch in den n&chsten Tagen kam sie von neuem. 
Bei einzelnen Kranken war auch das Sensorium etwas 
benommen, doch nicht auf lange Zeit. Dieser Umstand — 
wie gesagt — hielt manchmal monatelang an und fflhrte 
bfters nach dem Abflauen der hohen Temperatur und der 
stilrmischen Symptome zu Kontrakturen und Ankylosen 
der betroffenen Gelenke. Die angewandte Behandlung mit 
Salizylpr&paraten, Umschlagen, Salben brachte entweder 
fiberhaupt keine oder nur voriibergehende Linderung der 
Beschwerden. As Verf. vor einigen Jahren zum ersten- 
mal einen solchen Pat. in den Anfangsstadien seines 
Leidens sah und die ganze Litanei der angewandten 
Mittel hbrte, geriet er in Verlegenheit. Alles, was er 
raten wollte, wurde schon erfolglos probiert. Verf. ging 
dann zu Umschlagen mit Kampfenol uber. Schon nach 
24 Stunden liessen die intensiven Schmerzen nach, die 
Schwellungen wurden geringer; am nachsten Tage fiel 
auch die Temperatur, und die allgemeine Besserung schritt 
so rasch vor, dass Pat. in zirka zehn Tagen aufstehen konnte. 
Auch in anderen ahnlichen Fallen hat sich dann das 
Mittel ebenso bewahrt. Das Kampfenol ist eine Mischung 
von zwei Teilen Kampfer (Camphora trita) und einem 
Teil Karbolsaure (Acidum carbol. puriss.), wozu noch 
einige Tropfen von reinem Spiritus beigemischt sind (etwa 
5 g auf 100 g der Mischung). Auf diese Weise entsteht 
eine klare, wasserhelle, 6lige Fltissigkeit, die eigentlich 
eine neue Verbindung darstellt und vor allem nicht atzt. 
Sie wirkt ausserordentlich stark antiseptisch und scheint 
dabei nur wenig giftig zu sein. Nach Umschlagen mit 

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Rheumatismen — Rhinitis. 


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Kampfenol hat Yerf. nur selten andere Veranderongen 
gesehen als Abschuppen der ohnehin krankan Haut. In 
einigen Fallen hat es aber doch — besonders wenn es 
hermetisch abgeschlossen war und nicht gut verdunsten 
konnte — kleine Blaaen verursacht. Verf. macht die 
Yerbande in der Weise, dass er bei leichten Infektionen 
(Lymphangitiden, Panaritien) die kranke Stelle nur leicht 
mit Kampfenol bestreicht und dann einen einfachen Watte- 
verband anlegt. Bei schwer infizierten W unden und bei 
Erysipelas taucht er Stticke Watte in Kampfenol und legt 
sie direkt auf die Wunde oder auf die infizierte Haut, 
und erst dariiber kommt ein trockener, eventuell auch 
feuchter Watteverband, aber ohne Battistemballage. Bei 
Erysipelas wirkt dieses Mittel fast spezifisch — wenigstens 
kein anderes Mittel hat so prompt und so schnell die ver- 
schiedenen drohenden Symptome kupiert wie das Kampfenol. 
Es ist sozusagen ein Streptokokkengih. Vielleieht beruht 
seine Wirkung bei einigen rheumatischen Erkrankungen 
gerade auf dieser Eigenschaft — es ist wohl moglich, dass 
die Mikroorganismen, die diese rheumatischen Erkrankungen 
hervorrufen, ebenfalls Streptokokken sind oder in eine ver- 
wandte Klasse gehOren. (Zentralblatt f. inner, Medizin 1912 Nr. 10.) 

Rhinitis, Ein Mittel gegen den Schnupfen empfiehlt Hofrat 
Dr. Volland (Davos). Es ist sehr einfach und besteht 
nur in der Darreichung von 10—15 Tropfen einer l°/oigen 
LOsung von Morph, mur. Das wirkt nach gar nicht langer 
Zeit wie eine Erlosung. Zuerst hQrt der unaufh&rliche 
Niesreiz auf; dann nimmt die Absonderung erstaunlich 
ab, und der Druck in der Gegend der StirnhOhlen ver- 
schwindet. Am folgenden Tage machen sich nur noch 
geringe Erscheinungen vom Schnupfen bemerkbar. Ein 
so behandelter Schnupfen zieht sich keinesfalls lange hin 
und wird weder den Kehlkopf noch die LuftrOhre oder 
gar die Bronchien befallen. Die geringe Morphiumdosis 
wirkt geradezu kupierend auf dieses Leiden, und Autor 
rat dringend zur NachprOfung. Er mochte auch noch ein 
Mittel empfehlen, das ihm bei einem chronischen Nasen- 
katarrh, der ofter in einen akuten Schnupfen tiberging, sehr 
guteDienste getanhat. EsheisstCrcmeDehne und besteht aus: 
Extract. Hamamel. dest. 30,0 
Acid, boric. 

Anasthesin aa 5,0 
Lanolin 55,0 
Essenz. Heliotrop., 

Rosar. aa 1,0 


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.Rhinitis. 


403 


Es nennt sich ein spezifisches Heilmittel gegen Heu- 
schnupfen und nervOsen Schnupfen, ftir Nase und Augen 
zu gebrauchen. Zweimal tSgliche Anwendung dieser Salbe 
brachte Autor vollstandige Heilung. Es wurde nur eine 
kleine Tube davon verbraucht. Ob es gegen Heuschnupfen 
hilft, dartiber fehlt Autor die Erfahrung. 

(Therap. Monatahefte, Oktober 1911.) 

— Znr Behandlung der Bh. chronica atrophicans foetida, ins- 

besondere mit Jodival. Von Dr. Reinsch (Hals*, Nasen- 
und Ohrenklinik der Akademie DQsseldorf). Verf. berichtet 
fiber seine Erfahrungen zusammenfassend wie folgt: 

I. Bei der Rh. chronica atrophicans foetida, auf lue- 
tischer Aetiologie beruhend, haben wir von einer antilue- 
tischen Allgemeinbehandlung (Hg + Jod) ausserordentlich 
gOnstige Erfolge gesehen. 

II. Auch bei Fallen von Rh. chronica atrophicans 
foetida auf tuberkuldser Basis sahen wir bei der Darreichung 
von Jod deutliche Erfolge. 

III. Jodival hat sich uns vor allem deshalb gut be- 
wiihrt, weil seine Darreichung auch bei l&ngerem Gebrauch 
selbst von schwftchlichen Personen und Kindern gut ver- 
tragen wurde, ohne die Erscheinungen des Jodismus her- 

VOrzurufen. (Zeitechrift f. ftrztl. Fortbildung 1912 Nr. 8.) 

— Znr Therapie des Schnnpfens und seiner Komplikationen. 

Von Dr. Joseph Lindenraayr (Pressburg): „Verf., der 
seit 20 Jahren in der kalten Jahreszeit regelmSssig bei 
der geringsten Erk&ltung, wobei schon der Temperatur- 
unterschied zwischen der Aussenluft und der geheizter 
R&ume eine pradisponierende Rolle spielt, an Schnupfen 
der Nase und besonders des Rachens mit qualendem 
Hustenreiz, der hartnackig die ganze kalte Jahreszeit hin- 
durch fortbesteht, befallen wird, hat gegen denselben die 
verschiedensten Mittel, als Kokainisierung der Nase und 
des Rachens, Borinsufflationen, Mentholborzerstaubungen, 
Formaninhalationen usw., angewendet, ohne einen nennens- 
werten Erfolg in der Verminderung der lastigen Symptome 
und eine Verhinderung des Uebergreifens desselben auf 
den Rachen mit seinen von ilim so sehr geffirchteten 
zurQckbleibenden Hustenreizzustanden zu erzielen. Nur 
die Opiate Morphin, Kodein brachten ihm Erleichterung, 
indem sie die unangenehmen Erscheinungen: Eingenommen- 
heit des Kopfes und die lastige profuse Sekretion ein- 
sclirankten, auf die Dauer des Verlaufs aber keine Ein- 

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404 


Rhinitis — Tetanus. 


wirkung ausfibten. Zur Bek&mpfung des zurfickgebliebenen 
Hustenreizes, der oft bei den geringsten Temperaturunter- 
schieden krampfartig auftrat, musste Morphin in Dosen 
von 0,02 durch lange Zeit mehrmals tfiglich angewendet 
werdeu; Kodein blieb selbst in Dosen von 0,04 hinter der 
rachenhustenreizmildernden Wirkung des Morphins zurfick. 
Diese protahierte Morphiumindikation hatte aber nicht zu 
unterschfitzende Nachteile im Gefolge: die rauschartige 
Erregung, die bis in die spaten Nachtstunden anhielt und 
ihn erst den Schlaf in den Morgenstunden finden liess. 
Kodein hatte nicht diese unangenehmen Nebenerscheinungen, 
war aber, wie bereits erwahnt, in der Kupierung der 
Hustenanfalle bedeutend unwirksamer als Morphin. Er 
versuchte es nun mit Mercks Dionin und nahm zwei Tabletten 
a 0,03 abends vor dem Schlafengehen — der Hustenreiz 
trat besondefs heftig beim Niederlegen ins Bett auf — ein. 
Er konnte nun die fur ihn hochst erfreuliche Erfahrung 
machen, dass beim Niederlegen kein Hustenreiz auftrat, 
der Schlaf nicht im geringsten gestort wurde und dass 
• nach dreimaligem Gebrauch obiger Dosis der Hustenreiz 
wie weggeblasen war und sich nicht mehr einstellte. Einen 
in jOngster Zeit aufgetretenen frischen Rachenschnupfen 
kupierte er mit dreimal am Tage einverleibten Dosen 
a 0,03. Auf die gunstige Wirkung des Morphins bei 
akutem Schnupfen hat Yolland (Davos) aufmerksam ge- 
macht, der es in 1 °/oiger Losung in der Dosis von 10 bis 
15 gtt. anwendete. Um wieviel mehr gilt dies nach dem 
Obigen fiber die Wirkung des Dionins, das zudero auch 
der den fibrigen Opiaten eigenen l&stigen Nebenwirkungen 
entbehrt. Die gfinstige Wirkung des Dionins beruht zweifel- 
los auf seinem Einfluss auf die peripheren Nervenendigungen 
in den Schleimhfiuten, auf seiner vasokonstriktorischen, die 
Hyperamie herabsetzenden Eigenschaft, wodurch Nies- und 
Hustenreiz und die Sekretion herabgesetzt werden, im 
Gegensatz zu Morphin, das mehr auf die zentralen Nerven- 
elemente, die Ganglien, in unerwfinschter Weise einwirkt. 
Nach alledem ist sohin das Dionin als souverSnes Schnupfen- 
und Hustenreizmittel anzusehen.“ 

(Berliner klin. Woohenaehrift 1912 Nr. 17.) 

Tetanus. Statistische Resnltate der Behandlxmg des T. mit 
subkutanen Karbolinjektionen. Yon Prof. G. Baccelli 
(Rom). Glanzende Resultate. Die schweren Kranken 
zeigten eine wunderbare Toleranz selbst gegen Dosen, 
welche die Maximaldosis von IV 2 g pro die bei weitem 


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Tetanus. 


405 


tiberstiegen. Die Einzeldosis Oberstieg oft 0,1—0,15 g, 
und man konnte ohne Stdrungen auf 0,75 g bei einem 
Knaben von 9 Jahren steigen, dem alle 12 Stunden 12 Tage 
hindurch solche Dosis injiziert wurde. Autor benutzte 
eine 2—3°/oige wassrige Lfisung und begann mit Tages- 
dosen, welche 0,3—0,5 nicht tiberstiegen, um zunSchst die 
Toleranz gegen Phenol zu erproben; darauf wurde rasch 
auf Dosen von 1;—lVa g in mehrfachen Injektionen inner- 
halb 24 Stunden gestiegen. Autor sammelte von 1888 bis 
jetzt 190 Falle, die so geheilt wurden. Von 94 Fallen 
von schwerem T. 92 geheilt (frtlhere Sterblichkeit 100%, 
jetzt 2°/o); bei sehr schweren Fallen Sterblichkeit auf 
18,5% gesunken. (Berliner klin. Woohenschrift 1911 Nr. 23.1 

— Ueber ein nenes Tetannsheilverfahren schreibt Dr. Kras 
(Sao Joao do Montenegro, Brasilien): „Man kann es nicht 
leugnen, dass die Serambehandlung des Starrkrampfes 
prophylaktisch und eventuell nobh im Prodromalstadium 
dei- Krankheit Gutes leistet, aber ein Heilmittel im wahren 
Sinne des Wortes ist das Tetanusserum nicht und der schon 
ausgebrochenen Krankheit gegentiber sind wir heute genau 
so machtlos, wie man es frfther war. Die Zahl der durch 
Serum geheilten' floriden Tetanusfalle ist verschwindend 
klein gegen diejenigen, wo die Krankheit trotz aller ange- 
wandten Mittel unbeeinflusst bis zum traurigen Ende ihren 
Weg nahm. In Anbetracht dessen ffihle ich mich ver- 
pflichtet, fiber einen Fall zu berichten, der Ohne Serum — 
da ich keines zur Hand hatte und die Beschaffung des- 
selben einen Zeitverlust von mindestens 48 Stunden ver- 
ursacht hatte — durch ein von der Norm abweichendes Ver- 
fahren zur Heilung gebracht wurde, und es wird mich freuen, 
wenn es mir dadurch gelingen sollte, die Herren Kollegen 
zu veranlassen, das von mir gefibte Verfahren in dazu ge- 
eigneten Fallen — und wenn auch als ultimum refugium — 
anzuwenden. Der Gedankengang, der mich dabei leitete, 
war kurz folgender: Es ist eine bekannte Tatsache, dass die 
Krankheitserscheinungen beim T. nicht durch die Bazillen 
selbst, sondern durch deren Toxine hervorgerufen werden 
und man die Bazillen nur am Orte der Verletzung vor- 
findet. Die Therapie hat also zwei Indikationen zu erffillen: 
erstens die Quelle der Toxine — die Bazillen — so radikal 
als mfiglich zu schliessen und zweitens die im Blute und 
im Liquor cerebrospinalis kreisenden Toxine mfiglichst zu 
eliminieren. Wie ich das erreicht zu haben glaube, das 
soil die folgende Krankengeschichte zeigen: J. I. D. O. 


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406 


Tetanus. 


Mulatte, 25 Jahre alt, wurde mir mit der Angabe, er hatte 
seit 24 Stunden Kr&mpfe, in das Konsultorium gebracht. 
Er ware vor einigen Tagen im Garten ausgerutscht und 
hatte sicb an einem in der Erde liegenden BlechstGcke 
am Handrttcken verletzt. Die Untersuchung ergab ausge- 
sprochenen T. Der Trismus war so stark, dass die Zahn- 
reihen instrumentell auf knapp 4 mm auseinanderzubringen 
waren, tonischer Krampf der ganzen Rumpfmuskulatur, 
Bauch bretthart, starker Opisthotonus, Puls 104, Temperatur 
39,8 ft , Sensorium vollkommen frei, leichte Dyspnoe, Stuhl 
seit 48 Stunden angehalten, Urin angeblich nur sparlich 
gelassen; die Katheterisation ergab etwas ttber 1500 gHarn. 
Oberhalb des linken Handgelenks eine etwa kronengrosse, 
oberflachliche, schon fast vernarbte Wunde. In der linken 
Ellenbeuge eine geschwollene, auf Druck etwas schmerz- 
hafte Driise tastbar. Pupillenreaktion trS,ge. In leichter 
Chloroformnarkose wurde die Wunde weit in das Gesunde 
umschnitten und abgetragen — die ganze blutende Flfiche 
mit Paquelin ausgebrannt — die Drfisen in der Ellenbeuge 
ausger&umt und die resultierende Wunde ebenfalls paque- 
vlinisiert; dann wurden durch eine Yenaesectio 500 ccm 
Blut entnommen und eine entsprechende Menge steriler, 
physiologischer KochsalzlQsung infundiert. Nachdem das 
geschehen, ^yurde die Chloroformmaske entfernt und auf 
die Gbliche Weise eine Lumbalpunktion gemacht und tropfen- 
weise der Liquor gftnzlich ausfliessen gelassen. Daran 
wurde eine richtige Durchspfllung des Zerebrospinalkanats 
mit steriler physiologischer Kochsalzlbsung mit Zusatz Yon 
0,30°/pigem Zucker angeschlossen und zum Schluss — 
nachdem alles wieder abgelaufen — zwei Pravazspritzen 
derselben Losung langsam injiziert. Stiehoffnung mit Jodo- 
form-Kollodium zugeklebt. GegenEnde der ganzenProzedur, 
als eben die Nad el herausgezogen werden sollte, erlitt der 
Kranke einen starken Anfall von Dyspnoe, der in kurzer 
Zeit von lieftigen Brechbewegungen abgelost wurde; der 
Opisthotonus wurde noch starker, und an den Extremitaten 
zeigten sich starke Zuckungen. Das Bewusstsein triibte 
sich, und auf Anrufen gab der Kranke nur einige undeut- 
liche, rochelnde Laute aus dem fest zusammengepressten 
Munde zur Antwort. Der Puls stieg auf 140. Nach etwa 
zehn Minuten verlor sich langsam der beangstigende Sym- 
ptomenkomplex, und der Kranke verfiel in einen ruhigen 
und ans^heinend tiefen Schlaf, der von 11 Uhr vormittags 
bis 5 Uhr nachmittags dauerte. Die um diese Zeit ange- 
stellte Untersuchung ergab eine deutliche Herabminderung 


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Tetanus. 


407 


des Trismus und Opisthotonus; Puls 98, Temperatur 39,6°. 
Nach einem ausgiebigen Reinigungsklistier bekam der 
Kranke ein Nfihrklisma, dem Wein und 3,0 Chloralhydrat 
zugesetzt wurden. 2. Tag. Der Kranke hat die Nacht 
schlecht zugebracht — Trismus und Opisthotonus in der 
gestrigen Heftigkeit — Sensorium etwas getrQbt, starke 
Mydriasis, Puls 102, Temperatur 39,8°. Es wurde wieder 
eine Venaesectio gemacht und nach Abfluss von 300 ccm 
Blut eine ebensolche Menge Kochsalzl&sung, der zehn 
Tropfen Digalen zugesetzt wurden, injiziert. Die RQcken- 
markshohle wurde wieder — nach Abfliessen der in ihr 
befindlichen FlQssigkeit — mit 1 1 physio logischer, mit 
0,30%igem Zucker versetzter Kochsalzlosung durchgespQlt 
und zum Schluss wieder zwei Pravazspritzen derselben 
Losung injiziert. Die ganze Prozedur dauerte Gber eine 
Stunde, da die ganze FlQssigkeit nur langsam, fast tropfen- 
weise abfliessen und auch ganz langsam zufliessen gelassen 
wurde, um keine zu plotzlichen und zu grossen Druck- 
schwankungen hervorzurufen. Aus demselben Grunde 
wurde auch nicht mehr als eine Spritze voll einfliessen ge¬ 
lassen, und erst nachdem diese abgelassen, wieder frisch 
injiziert. Die Reaktion war heute viel milder und Susserte 
sich nur in ganz leichten Zuckungen in den Beinen. Nach 
zirka einer Stunde verfiel der Kranke in einen vier Stuhden 
dauernden Schlaf. W&hrend des Schlafes stellte sich eine 
ausgiebige Enuresis ein. 3. Tag. Sensorium vollkommen 
frei. Puls 88, Temperatur 38,2°. Opisthotonus schwach, 
Trismus deutlich herabgesetzt, Bauchmuskeln beinahe normal 
weich; der Kranke trank ziemlich leicht eine Tasse Milch 
mit Kognak. Es wurde wieder eine Venaesectio mit Abfluss 
von ca. 250 ccm Blut gemacht und die RQckenmarkshohle mit » 
der Kochsalz-ZuckerlQsung durchgespiilt. Nach einem Reini¬ 
gungsklistier — nachmittags — wurde ein N&hrklisma mit 
Zusatz von 3,0 Chloralhydrat verabreicht. Abends Kopf- 
schmerzen, 0,01 Morphiuminjektion. Nachher ruhiger und 
tiefer Schlaf fast die ganze Nacht. 4. Tag. Pat. fflhlt sich 
bedeutend besser. Trismus nur angedeutet, Opisthotonus 
vollkommen verschwunden, Bauchdecken weich. Es wird 
trotzdem nochmals eine DurchspQlung der RllckenmarkshQhle 
mit 8 / 4 1 Koch&alz-Zuckerlosung gemacht und dem Kranken 
2,0 Chloralhydrat per os gegeben. Puls 80,Temperatur 37,9". 
Nachmittags spontan ausgiebiger Stuhl. 5 Tag. Pat. fast 
vollkommen wohl, Puls 78, Temperatur 37,2°. Um 5 Uhr 
nachmittags zeigt sich wieder der schon fast verschwundene 
Trismus, von heftigen Kopfschmerzen begleitet; es wird des- 


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Tetanus — Tuberkulose. 


halb nach einer Venaesectio mit 300 ccm Blutabgang eine 
nochmalige Lumbalpunktion gemacht und die Hohle mit 1 1 
Kochsalz-Zuckerlosung durchgespfilt. 2,0 Chloralhydrat per 
os; 0,01 Morphiuminjektion. 6. Tag. Pat. vollkommen wohl, 
bis auf leichte Kopfschmerzen; Puls 76, Temperatur 37,1°. 
2,0 Chloralhydrat per os. Weitere stetige Rekonvaleszenz, 
keine Spur von tetanischen Symptomen, so dass der Pat. 
am zwolften Tage als geheilt entlassen wurde. — Es ist ja 
selbstverstfindlich, dass die nattirlichen und individuell ver- 
schiedenen Schutzkrafte des Kfirpers einereeits wie auch 
die Toxizitat des Virus anderseits bei alien Infektions- 
krankheiten eine nicht unbetrachtliche Rolle spielen, aber 
ich glaube nicht irrezugehen, wenn ich den guten Aus- 
gang dieses Falles — wenigstens zum grossten Teile — 
dem Heilverfahren zugute rechne, um so mehr, da es sich 
um einen ziemlich schweren Fall handelte, dessen Pro¬ 
gnose nach der ersten Untersuchung als absolut infaust be- 
zeichnet werden musste. Ich betrachte mich des halb far 
berechtigt, zur Nachprttfung aufzufordern und wenigstens 
in den Fallen, die aller Voraussicht nach als schon ver- 
loren zu betrachten sind, das immerhin eingreifende und 
nicht ungef&hrliche Verfahren zu versuchen. Nebenbei 
will ich nur bemerken, dass ich nicht anstehen wfirde, bei 
schon ausgebrochener Lyssa dasselbe Verfahren anzu- 
wenden — es scheint mir wenigstens eines Versuches 

Wert ZU sein.“ (Wiener klin. Wochenschrift 1912 Nr. 2.) 

Tuberkulose. W. van d. Sluys (Oudshoorn), Zur Be- 
handlung der chirurgischen T. im Xindes alter tmd bei 
Brwacbaenen. Die Sonnenbehandlung ist es, um die es 
sich liier handelt. Verf. lernte sie in Leysin (Schweiz) 
kennen und schatzen. Die Tuberkulosebehandlung besteht 
im wesentlichen nur darin, dass man den Kranken der 
guten Wirkung der Hohenluft und der Sonnenstrahlen 
aussetzt. Dr. Bernhard, frOher Chirurg im Hospital in 
Samaden, gebahrt das Verdienst, zuerst die Sonnentherapie 
in Hbhenorten angewendet zu haben. Er berichtete in 
der Jahresversammlung des Zentralvereins Schweizer Aerzte 
zu Olten in einem Vortrage tlber die therapeutische Ver- 
wendung des Sonnenlichtes in der Chirurgie fiber die be- 
merkenswerten Resultate, die er mit seinen Methoden er- 
zielt hatte. In derselben Versammlung teilte auch Dr. 
Rollier aus Leysin seine Resultate mit fiber die chirurgische 
und Lungentuberkulose, die mit Sonnenlicht behandelt wurde. 
Ermutigt durch ausgezeichneten Erfolg, errichtete Dr. Rol- 


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Tuberkulose. 


409 


lier-Leysin im Jahre 1903 die erste Klinik zur - systema- 
tischen Behandlung der chirurgischen T. mit Hohenluft und 
Sonnenlicht. Jetzt gibt es drei Kliniken, die in einer Hfihe 
von 1250, 1350 und 1450 Metern gelegen sind. Das Sonnen- 
bad gibt hier den Kranken eine allm&blich zunehmende 
Widerslandskraft, ebenso wirkt der fortw&hrende Aufent- 
halt in der Hfihenluft sehr wohlt&tig. Fehlt die Sonne, dann 
geniessen die Kranken immer noch das Luftbad. Man f&ngt 
allm&hlich an und beginnt mit einer lokalen Bestrahlung der 
kranken Gegend von 5—10 Minuten am ersten Tag, jeden 
Tag etwas linger. Man f&ngt langsam an, um zu ver- 
meiden, dass die Kranken ein akutes Sonnenerythem be- 
kommen. Allmahlich tritt die Pigmentierung der Haut ein. 
Dies ist prognostisch von grosser Bedeutung. Je bessere 
Pigmentierung, desto grSssere Widerstandskraft der Pat. 
und desto schnellere Heilung ist zu erwarten. Ist einmal 
die Haut gut pigmentiert, dann kfinnen die Kranken mehrere 
Stunden in der Sonne verweilen. Nachteile sieht man fast 
niemals davon. Anfangs soil man den Kopf und die Herz- 
gegend schQtzen. Die Kranken werden ganz braun und 
sehen aus wie die Araber. Ein schfiner Anblick ist es, 
die braunen Kinder in der Sonne liegen zu sehen, wahrend 
draussen hoher Schnee liegt. Das ist deshalb mbglich, weil 
die Temperatur in der Sonne im Winter oft schon bis 40 bis 
50° C steigt. Unter der Sonnenbehandlung nehmen die 
Schmerzen bald ab, die Fisteln schliessen sich. DrOsen ver- 
schwinden, und sehr oft werden Ankylosen beweglich. Pat. 
mit Wirbeltuberkulose, Koxitis, Gonitis usw. erhalten dabei, 
wenn notig, Extension oder Gipsverbande. In letzterem legt 
man eine Oeffnung fiber der kranken Stelle an, damit die 
Sonnenstrahlen freien Zutritt haben. Nicht nur die Knochen- 
gelenk- und Drfisentuberkulose findet Heilung durch die 
Sonne, sondern auch T. der Blase, der Nieren und Perito¬ 
nitis tuberculosa kfinnen zur Heilung kommen. 

(Zeitsohrift f. ftrztl. Jb'ortbildung 1911 Nr. 17.) 

— Die Guajakol-Areentherapie bei T. Von Dr. L. Nfirnberger 
(Pathol. Institut in Erlangen). Es wurden umfangreiche 
Versuche angestellt. Aus diesen ging hervor: 

1. dass relativ hohe Zusatze von Guajakol und 
Kalium arsenicosum weder ffir sich allein noch 
kombiniert das Wachstum von Tuberkelbazillen 
auf Glyzerinagar verhindern; 

2. dass beide Mittel weder bei Kaninchen, 
noch bei Meerschweinchen eine Impftuberkulose 
auch nur im geringsten beeinflussen. 


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4)0 Tuberkulose. 

Die sinngemasse Anwendung dieser Befunde auf den 
Menschen f&llt um so leichter, als Yerf.’s Resultate nur 
die experimentelle Best&tigung einer schon lSngst am 
Krankenbett konstatierten und entsprechend gewOrdigten 
Tatsaehe darstellen, dass namlicli das Arsen sowenig wie 
das Guajakol bzw. Shnliche Derivate zyklischer Kohlen- 
wasserstoffe als ecbte Antituberkulosa in Betracht kommen 
konnen. Zurzeit also sind wir nicht berechtigt, dem Arsen 
. oder irgendwelchen Phenolderivaten einen spezifischen Ein- 
fluss auf die Tuberkulose zuzuschreiben. 

(M&noh. med. Woohengchrift 1911 Nr. 50.) 

— Sotopan bei Lungenkrankheiten. Yon Dr. Camphausen 
(Neudorf bei Gorbersdorf). Sotopan, bestehend aus Cbinin, 
Brom, Calcium glycero-phosphoricum, Ferrum lacticum, 
kann in flussiger und Tablettenform gegeben werden. Verf. 
mochte es in erster Linie bei alien Formen von T. emp- 
fehlen, da es auf eine ganze Reihe von Symptomen sowohl 
wie auch auf den Prozess selbst in besserndem Sinne ein- 
wirkt. Speziell empfiehlt er es bei T., die durch Diabetes 
kompliziert ist, wie auch bei den Formen, die durch 
Schwangerschaft resp. w&hrend des Stillens in Erscheinung 
treten resp. sich verschlimmern. Sodann ist es von gxinstigem 
Einfluss bei alien Zust&nden von An&mie und Chlorose 
sowohl primSrer wie sekundarer Natur, bei alien Erschdp- 
fungszust&nden, zehtenden Krankheiten mit MagenstOrungen, 
speziell auch bei dem grossen Heer neurasthenischer Be- 
schwerden. Und endlich dflrfte es im Verein mit hygionisch- ' 
diatetischen Massnahmen ein willkommenes Hilfsmittel sein 
bei der Behandlung der Skrofulose und Rachitis, den 
beiden Krankheiten, gegen die oft vergeblich so vieles ver- 
sucht wird und die doch besonders in der ftrraeren Bev5l- 
kerung so weit verbreitet und in ihren FolgezustUnden 
so scliwerwiegend sind fiir die Befallenen sowohl wie 
auch fOr die Nachkommenschaft. MOgen sich auch in dieser 
Hinsicht weiterhin die Erwartungen erfullen, die Verf. an 
das so einfach anzuwendende Sotopan knQpft. Die Kosten 
einer Sotopankur sind nicht so hoch (t&glich ca. 20—25 Pfg.)i 
dass sie nicht auch weniger bemittelte-Kreise erschwingen 
konnten. (Fortschritte der Mediiiu 1911 Nr. 88.) 


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Vermischtes. 


411 


Vermischtes. 


Eine none bequeme Form der Bereitung medizinischer Tees. 

Von Dr. E. Hesse, Spezialarzt fur Hautkrankheiten in 
DQsseldorf. Autor schreibt: „Wer bei der Behandlung von 
Erkrankungen der Blase und HarnrShre neben der ilb- 
lichen lokalen Therapie zum internen Gebrauche die Tees 
verordnet, denen wir seit alters einen heilsamen Einfluss 
auf die Erkrankungen der Harnorgane zuschreiben, wird 
oft genug damit auf Schwierigkeiten gestossen sein. In der 
ambulanten Praxis wenigstens ldsst sich das ziemlich um- 
standliche Bereiten einer derartigen Teeabkochung nur selten 
dnrchftfhren, und ein einfacher Aufguss ist bei diesen Tees 
(Folia uvae ursi, Herba herniariae usw.) ziemlich unwirk- 
sam. Des weiteren haben die meisten Pat. ein grosses 
Interesse daran, ihre ,Geschlechtskrankheit‘ geheimzuhalten 
und alle auff&lligen, nicht unbedingt. erforderlichen thera- 
peutischenMassnahmen zu vermeiden. Schliesslich schmecken 
alle diese Tees bitter und unangenehm, ein weiterer Grund, 
der ihrer Verordnung im Wege steht. Da ich aber ein 
zweckmdssiges diuretisches Getrftnk bei der Gonorrhoe, spe- 
ziell bei alien akuten und subakuten Prozessen, filr einen 
wesentlichen Faktor in der Therapie halte, habe ich diese 
Hindernisse zu beseitigen versucht. Es bewahrte sich mir 
ein Blasentee, den ich seit drei Jahren verordne, von der 
Form el: 

Folia uvae ursi 70 
Radix ononidis 20 
Lignum sassafras 20 
Herba herniariae 20 
Fruct. petroselini 5 
Folia menthae 15 
MDS. 1 Essloffel mit */• 1 Wasser 
1 lt Stunde kochen. 

Es wird durch eine derartige Teemischung, die als 
Corrigentia Lignum sassafras und Folia menthae enthd.lt, 
zweierlei erreicht: er ist besser, beinahe angenehm zu 
trinken und er wird dadurch fiir die Umgebung (Familie) 
unauffdlliger. Ldstig bleibt nur das umst&ndliche lange 
Kochen (Extrahieren). Ich habe deshalb diese Extraktion 
vom Apotheker besorgen und aus den Extrakten Tabletten 
herstellen lassen, die in einer Tasse heissen Wassers auf- 
gelost werden. BezQglich der Extraktion kam es darauf 


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V ermiflchtes. 


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an, den Wirkungswert jeder einzelnen Droge voll auszu- 
nutzen und zu dem Zwecke jede Droge gesondert zu ex- 
trahieren, und zwar mit Alkohol, Aether oder Wasser. 
Bei dem Folia uvae ursi-Extrakt erreicht man den grossten 
Gehalt an wirksamer Substanz (Arbutin), wenn man die 
klein zerschnittenen Blatter mit Alkohol anfeuchtet, erst 
dann mazeriert und schliesslich abkocht. Bei Herba her- 
niariae muss wegen des giftigen Parony chins die Alkohol- 
oder Aetherextraktion vermieden werden. Durch genaueste 
Berttcksichtigung dieser Verhaltnisse liessen sich Extrakte 
herstellen, die an Wirksamkeit die gewbhnliche Teeabkochung 
weit (ibertreffen. Statt des Lignum sassafras wurden die 
besonders in letzter Zeit wieder hSufiger verwendeten, leicht 
diuretisch und adstringierend wirkenden Folia bucco und 
Folia batulae eingefiigt. Obwohl es anfangs Schwierig- 
keiten machte, aus den zum Teil hygroskopischen Extrakten 
ohne HinzufQgen eines unlbslichen Bindungsmittels halt- 
bare Tabletten herzustellen, gelang es schliesslich, ein ein- 
wandfreies PrSparat zu erzielen. In der geschlossenen 
Glasrohre halten sich die Tabletten ganz unver&ndert. 
Auch in einer vor einem Vierteljahre angebrochenen R6hre 
waren dieselben noch von gleichem Aussehen. Das Auf- 
lbsen der Tabletten in heissem Wasser vollzieht sich in 
einigen Minuten; im Geschmack und Aroma unterscheidet 
sich der Aufguss nicht von einer frischen Abkochung. 
Zucker oder Fruchtsirupe konnen natOrlich zugesetzt werden 
und verdecken den nicht unangenehmen leicht bitteren Ge¬ 
schmack. Die in einer Tablette enthaltene Extraktmenge 
entspricht einem EsslOffel Teemischung (5 g). Meine thera- 
peutischen Erfahrungen decken sich vollst&ndig mit den 
guten Resultaten, die ich mit den Teeabkochungen erzielte. 
Die Indikationen sind gegeben in alien entztindlichen 
Affektionen der Harnwege, bei denen wir antiseptisch, 
adstringierend und antikatarrbalisch wirken wollen; die 
Steigerung der Diurese ist dabei von wesentlicher Beden- 
tung. Inwieweit es moglich ist, durch interne Medika- 
tionen bei der Gonorrhoe Komplikationen zu verhftten, 
werde ich an anderer Stelle erOrtern. 

Zusammenfassung: 

1. Die seit alters viel benutzten Tees bei Harn- und 
Blasenleiden (Folia uvae ursi, Herba herniariae, Folia 
bucco) erfordern eine umsttindliche Zubereitung und 
schmecken schlecht. 


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V ermiachtes. 


413 


2. Als relativ wohlschmeckender Blasentee bewShrte 
sich mir eine Teemischung von obengenannter Formel. 

3. Die „Cygoteetabletten“*) stellen die bequemste Form 

der Teebereitung dar und enthalten alle wirksaraen Be- 
standteile aus Folia uvae ursi, Folia bucco, Folia betulae, 
Radix ononidis, Fruct. petroselini, Herba herniariae in 
haltbarer Form. Man l6st eine Tablette in einer grossen 
TaSSe heissen WaSSerS. (Medizin. Klinik 1911 Nr. 45.) 

— „Nasenlttfter", ein neues, Heines Instrument zur danernden 
Beseitigung behinderter Luftpassage in der Nase. Yon 

Dr. med. Pick (Charlottenburg). „Die Nase steht sehr 
selten symmetrisch median. Jeder scharfe Beobacliter sieht 
diese Abweichung, und die Bestatigung dieser Beobachtung 
kOnnen wir taglich von jedem Portr&tmaler hbren. Die 
Abweichung der Nase ist meistens nach links. Die Nasen- 
schleimliaut ist am unteren freien Rande der unteren Nasen- 
muschel am dicksten, dort h&ngt sie sehr oft wie ein weicher, 
schlotternder Wulst herab. Dieser Wulst der Nasenschleim- 
haut verengt haufig den Raum der NasenhShle, der durch 
die Deviation ohnedies schon verkleinert ist. Es kommt 
desbalb vor, dass bei krankhafter Lockerung und Auf- 
schwellung der Nasenschleimhaut die Wegsamkeit der Nasen- 
hbhle fQr die zu inspirierende Luft ganz und gar auf- 
gehoben wird. Diesem Uebelstande soil das kleine Instrument 
abhelfen, das, in die Nase eingefuhrt, eine dauernde Luft¬ 
passage schafft. Der Nasenltifter ist aus legiertem Metall 
hergestellt; er besteht aus einer Rbhre — lichte Weite 
2 mm — mit stabclienartigen, rundlichen Ansatzen — 
Sttitz- und NasenflQgelhebeflanchen —, welche seitlich hocli- 
geboben und gebogen sind und als StGtzpunkt des Nasen- 
lQfters und zur Hebung des Nasenflugels dienen. Yermoge 
der eigenartigen Legierung ist es moglich, dem Nasenltifter 
mit leichtem Fingerdruck jede Form zu geben, ohne dass 
die NasenlQfterrbhre einknickt bzw. sich abflacht oder ein 
Brechen des Nasenltifters zu beftirchten ist. Auch die 
Sttitz- und Nasenfltigelhebeflanche ist leicht biegsam. In- 
folge der ausserordentlichen Biegsamkeit des Nasenltifters 
kann man ihn sehr leicht in die Nase einfiihren. Um 
eventuelle Sekrete, die durch unvorhergesehene Falle in 
die Bohrung des Nasenltifters eindringen, zu entfernen, 
ohne den Nasenltifter aus der Nase zu nehmen — tibrigens 


*) Die Tabletten sind unter dem Namen Cygoteetabletten (Cy[stitis] 
Gofnorrhoe]) in dem Handel. Fabrik: Apotheker E. Schoemann, Dortmund. 


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Vermischtes. 


eine Erscheinung, die selten beobachtet wurde —, ist zur 
leichteren Vornahme einer Lufteinblasung mit einer belie- 
bigen Spritze von 1 ccm Inhalt die Bohrung des Nasen- 
liifters am Stfitzpunkt fttr die Nase konisch erweitert. Die 
alleinige Fabrikation des NaSenlQfters, der unter Nr. 485 292 
gesetzlich geschiitzt ist, wird durch den Chirurgie-Mecha- 
niker Kurt Senger in Charlotteriburg, Kantstr. 107, besorgt. 
Der Preis desselben betrSgt 2.25 M.“ 

(Allgem. med. Zentral-Ztg. 1911 Nr. 46.) 

— Ueber Jodozitin, ein neues [od-Lezithin-Eiweiss-Praparat. Voiv 

Dr. Chrzellitzer (Posen). Verf. kann das von der Firma 
Dr. M. Haase & Co. in Berlin hergestellte Jodozitin infolge 
seiner Zusammensetzung als ein wertvolles Praparat zur 
Nachpriifung empfehlen, weil es vor allem bei gleicher 
Wirkung wie die anderen Jodkombinationen keine Jodismus- 
erscheinungen im Gefolge hat und, weil es durch den Lezi- 
thingehalt ein glanzendes Tonikum darstellt, bei Arterio- 
sklerose als kalklbsendes Praparat vor alien anderen 
Medikamenten indiziert ist und besonders bei Lues und 
ihren Nervenerkrankungen durch die infolge des Luestoxins 
hervorgerufene Nerv.enschadigung sich-als wertvolles, Le- 
zithin ersetzendes Kraftigungsmittel erwiesen hat. - 

(Dermatolog. Wochenschrift 1012 Nr. 6.) 

— Jodostarin, ein neues organisches Jodpr&parat. Von Priv.- 

Doz. Dr. C. Bachem (Pharmakolog. Institut Bonn). 
Ausser den Jodalkalien besitzen nur Jodival und Lipojodin 
erheblichen Jodgehalt. Obwohl Jodival in den therapeu- 
tisch Qblichen Gaben beim Menschen bisher keine nennens- 
werten Nebenwirkungen gezeigt hat, ist seine Giftigkeit 
im Tierversuch erwiesen. Es war daher berechtigt, auf 
der Suche nach einem neuen Jodpraparat fortzufahren, 
dem insbesondere folgende Eigenschaften zukommen: 
1. relative Ungiftigkeit, 2. genhgende Verteilung in den 
einzelnen Organen, 3. baldige Resorption, aber nicht zu 
schnelle Ausscheidung, 4. hinlangliche Ausnutzung des 
Gehaltes an freien Jodionen, 5. Geschmacklosigkeit, 
6. niedriger Preis im Verhaltnis zu ahnlichen Praparaten. 
Der Firma Hoffmann la Roche & Co. (Grenzach) ist es 
nunmelir gelungen, ein Produkt herzustellen, welches alien 
diesen Anforderungen entspricht. Es ist seiner cliemischen 
Konstitution nach Taririnsauredijodid und kommt unter 
dem Namen Jodostarin in den Handel. Jodostarin ist ein 
weisses, in Wasser unlbsliches, geschmackloses Pulver, 
das in Tabletten zu 0,25 g in den Handel kommt. Es 


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Vermischtes — Bficherschau. 


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enthalt 47,5 °/o Jod in fest gebundener Farm. Jodo¬ 
starin passiert den Magen unzersetzt und spaltet erst im 
Darm und besonders erst jenseits desselben ionales Jod 
ab. Nach etwa V* Stunde ist Jod im Harn und Speichel 
nachzuweisen. Etwa 75—80% der eingefQhrten Jod- 
menge werden durch den Harn innerhalb dreier Tage 
ausgeschieden. Die Yerteilung in den einzelnen Organen 
ist eine anhaltendere als beim Jodkalium und infolgedessen 
die Wirkung eine. protrahiertere. Auf die einzelnen Organe 
ist die Verteilung eine annahernd gleiche. Auch das Ge- 
hirn enthalt ebenfalls quantitativ bestimmbare Mengen 
Jod. Jodostarin*) ist billiger als einige andere organische 

Jodpraparate. (Munch, med. Wochenschrift 1911 Nr. 41.) 


Biicherschau. 


Der bekannte Verfasser von „Indien und ich w , „Grotesken“, „Das 
Grauen* u. a. hat einen neuen Roman verOffentlicht: 
Alraane. Hanns Heinz Ewers hat sich in diesem Roman 
(Verlag von Georg Muller, Miinchen), der „Geschichte 
eines lebenden Wesens", wie der Untertitel lautet, wieder 
als Meister in seiner Art gezeigt. Dies© w Art“, die allerdings 
nicht jedem zusagen wird, die auf Freunde der Marlitt- 
erzahlungen vielleicht geradezu abstossend wirken wird, 
diese Art muss doch anderseits recht vielen gefallen, wie 
schon der-Umstand beweist, dass das Buch in der kurzen 
Zeit seit Erscheinen neun Auflagen erlebt hat. Wir wollen 
absichtlich nichts von dem interessanten und eigenartigen 
Inhalt des Buches verraten, der den Leser von Anfang 
bis zu Ende in hohem Grade fesselt und in Spannung 
erh&lt. Recht angenehm beriihrt es, dass der Autor, wenn 
er medizinische Dinge streift, sie nicht falsch wiedergibt, 
wie wir das so oft in belletristischen Werken finden, sondern 
sich gut versiert zeigt. Wir konnen das Buch den Kol- 
legen fiir ihre Mussestunden warm empfehlen. 


*) Ein Rfthrchen mit 20 Tabletten a 0,26 g Jodostarin (mit im ganzen 
ca. 2,6 g Jod) kostet in der Apotheke M. 1.60. Aaf die gleicho Menge Jod 
umgerechnet, stellt sich Jodostarin in der Verordnung billiger als Lipo- 
jodin und Sajodin. 


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416 


BScherschaa. 




— Abh.andlxmg.en liber Salvarsan. Von P. Ehrlich. MOnchen. 

J. F. Lehmann. Preis: M. 10. Eine grosse Reihe neu 
erschienener Arbeiten fiber Salvarsan bat Ehrlich in 
diesem IE. Bande gesammelt; der stattliche Band enthalt 
viel Neues und Wichtiges (z. B. die Fragen fiber W«sser- 
fehler, Neurorezidive, Frfihbehandlung der Syphilis) und 
dfirfte jedem Arzte, der Syphilitiker zu seiner Klientel 
z&hlt, unentbehrlich sein. Es ist dem Verlage und dem 
Herausgeber hoch anzurechnen, dass sie Mfihen und Kosten 
nicht scheuen, um j&hrlich eine solche Sammlung zu publi- 
zieren, welcbe die neue Heilmethode nach alien Seiten hin 
beleuchtet und das in sich vereinigt, was man sonst mit 
grossem Zeitverlust aufsuchen mfisste. 

Eingange bei der Redaktion. 

Besprcchung vorbehalten. — Rucksendung ausgeschloseen. 

Sammlung klinischer VOrtrage. (Leipzig, Job. Ambr. Barth.) 

Nr. 645/47. Beitrage zur Physiologie des Weibes. Von Prof. 

Dr. G. Ricker und Dr. A. Dahlmann. 

Nr. 648. Ueber kryptogenetische Peritonitiden. Von D. G. 
Zesas. 

Nr. 649. Ueber Geburtsvorgang und Geburtsleitung bei engem 
Becken. Von Prof. H. Sellheim. 

Wurzburger Abhandlungen. (Wfirzburg, Curt Kabitzsch.) Ein- 
" drficke und Erfahrungen fiber Syphilisverlauf und Behandlung. 

Von Dr. Orlowski. 

Glaukom. Von Privatdozent Dr. W. Lfihlein. 

Gehe’S Codex. Nachtrag I. • Januar 1912. 

Klassiker derMedizln, herausgegeben von K. Sudhoff. (Leipzig, 

Joh. Ambr. Barth.) 

Bd. 13. Ch. Bell, Idee einer neuen Hirnanatomie. 

Bd. 14. A. Kussmaul, Uebei; die Behandlung der Magen- 
erweiterung mittels der Magenpumpe. 

Bd. 15. L. Auenbrugger, Neue Erfindung, verborgene 
Brustkrankheiten zu entdecken. 

Bd. 16. X. Bichat, Physiologische^ Untersuchungen fiber 
den Tod. 

DruckfehlePa 

In Nr. 7 S. 305 soil es heissen: 

0,00015—0,0003 Skopolamin. 

Ffir den redaktiofiellen Teil verantwortlich: 

Dr. E. Graetzer in Friedenau-Berlin. 


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Ersohelnt am 

Anfang eines jeden Monata. 


M 10 . 


Prels des Jahrganga 6 Mk. 
exkl. Porto. 


Excerpta medica. 

Kurze monatllche Jburnalaussttge 

au8 der gesamten Faohliteratur 

zum Gebrauch far den praktischen Arzt 

Herausgegeben von Dr. med. Eugen Graetzer in Ertedenau-BerUn, 

Yerlag tob Carl SailmaHn, Leipzig. 



XXI. Jatrim 


1912 


Agpypnfea Ueber ein neves Schlafmittel Luminal. Von 

Dr. A. Wetzel (Psychiatr. Klinik, Heidelberg). Das Mittel 
bew&hrte sich namentlich bei einer grossen Zahl von de- 
pressiven Kranken (bei zirkulSren Psychosen wie bei 
DepressionszustSnden' im Yexlaufe von Verblbdungspro- 
zessen), aber auch sonst bei den verschiedensten psycho- 
tischen Zustandsbildern. Es gelang dabei, entweder die 
(iberhaupt fehlende Schlaffahigkeit herbeizufllhren oder 
aber einen unruhigen, oft unterbrochenen, oberflachlichen 
Schlaf ruhiger und tiefer zu gestalten. Misserfolge waren 
selbstverstftndlich ebenfalls zu konstatieren, wie bei den 
tlbrigen Schlafmitteln auch. Wenn in dem Symptombild 
motorische Unruhe und lebhafte Affekte nicht sehr zutage 
traten, waren die Wirkungen am gfinstigsten. In einzelnen 
Fallen konnte Verf. das Luminal bei nicht psychotisch 
bedingten Schlafstorungen, unter anderem bei Schlaflosig- 
keit auf dem Boden der Neurasthenie, verwenden. Auch 
da liess sich ein gutes Resultat feststellen. Hat sich das 
Luminal bei der Yerabreichung per os als ein sehr ntitz- 
liches Schlafmittel erwiesen, so ist die Mbglichkeit der 
subkutanen Injektion gerade fur die psychiatrische Praxis 
ganz besonders wichtig. Dabei erscheint namentlich we- 
sentlich, dass die wirksamen Dosen des Hypnotikums nur 
sehr kleine Mengen des Losungsmittels erfordern. Es ist 
ohne weiteres mbglich, von dem Natriumsalz der Phenyl- 
athylbarbitursaure eine 20%ige Losung herzustellen, von 
der 1,5—2 ccm die Dosen 0,3—0,4 Luminal enthalten. 
Die Lbsung, die sich durch Aufkochen sterilisieren lasst, 
halt sich 8—14 Tage; danach trdbt sie sich gelegentlich, 

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Agrypnie. 


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indem sich der an sich unschadliche, hypnotisch nur schwach 
wirksame Phenylathylazetylharnstoff bildet und ausfallt. 
Die Injektion selbst scheint ganz schmerzlos zu sein; 
Nebenerscheinungen irgendwelcher Art haben sich bei den 
injizierten Fallen nie gezeigt. Die Zeit bis zum Eintritt 
der Wirkung ist im allgemeinen etwas lflnger als bei der 
Verabreichung per os. An sich h&tte Verf. natflrlich ab- 
wechselnd mit der Verabreichung des Luminals per os auch 
die subkutane Injektion verwenden kbnneu, dem stand 
aber einerseits in der von psychotischen Pat. geftirchteten 
„Spritze w ein psychologisches Moment im Wege, dessen 
Rtlckwirkung auf die Vergleichsuntersuchungen nicht zu 
berechnen gewesen ware, andererseits wollte Verf. bei den 
bisherigen orientierenden Versuchen der subkutanen In¬ 
jektion ein ganz spezielles Anwendungsgebiet umgrenzen; 
er verwandte sie daher von vomherein nur in Fallen, in 
denen der Kranke das Mittel nicht per os nahm. Bei 
sehr lebhaften Erregungszustanden sah er von Luminal im 
allgemeinen ab, da sich hier die Dosen bis 0,4 nicht als 
genllgend wirksam erwiesen. Erfordert die motorische 
Erregung, die Gefahr der Gewalttatigkeit, die Zerstbrungs- 
sucht usw. ein medikamentoses Eingreifen, so wird, zumal 
da es ja in solchen Fallen auch auf eine mbglichst rasche 
Wirkung ankommt, das Skopolamin immer das souverane 
Mittel bleiben. Bei manchen Erregungszustanden wird 
wohl auch das Luminal gute Dienste leisten kbnnen; so 
gelang es z. B. bei manischen Erregungen durch Injektion 
der Qblichen Luminaldosen, die in Abstanden von mehreren 
Stunden wiederholt wurden, die Erregung so weit zu mil- 
dern, dass die Kranken, die vorher abstinierten, nun zum 
Essen zu bewegen waren. Als ganz besonders geeignet 
ftir die Luminalinjektion erwiesen sich aber diejenigen 
psychotischen Zustande, bei denen die Kranken motorisch 
relativ ruhig sind, aber nicht oder ungenttgend schlafen 
und dabei die Aufnahme des Schlafmittels per os ver- 
weigern. Bei heilbaren .Psychosen wie bei VerblOdungs- 
prozessen wurden gleichgute Erfahrungen gemacht. Die 
Verabreichung des Schlafmittels als Klisma ist in derartigen 
Fallen nur ein sehr ungenfigender Ersatz; abgesehen da- 
von, dass sich nur wenige Praparate daflir eignen, wider- 
setzen sich die Kranken der geschilderten Art in der Regel 
auch dem Klisma. Greift man in solchen Fallen gele- 
gentlich zu Injektionen von Morphin oder von kleinen 
Dosen Skopolamin, so erweist sich das erstere nicht selten 
als wirkungslos und das letztere stellt immer nur einen 


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Agrypnie. 


419 


Notbehelf dar, denn das Skopolamin ist im Gegensatz zu 
den Hypnoticis der Fettreihe und den Opiumalkaloiden 
ein ansgesprochenes L&hmungsmittel, und die Schwan- 
kungen in der individuellen Empfindlichkeit dagegen und 
die unangenehmen subjektiven Nebenerscheinungen gebieten 
grosse ZurOckhaltung in seiner Yerwendung. Bei dieser 
zuletzt umschriebenen Gruppe psychotischer Zustande mit 
Schlafstorungen erscheint das Luminal der subkutanen 
Injektion geeignet, besonders gute Dienste zu leisten; in 
einer Reihe von Fallen ist es gelungen, mit Dosen von 
0,3—0,4 g genfigenden Schlaf herbeizuftihren. Dass auch 
da Misserfolge eintraten, ist nach den sonstigen Erfahrungen 
fiber die Wirkungen von Medikamenten bei Psychosen 

nicht verwunderlich. (Berliner klin. Wocheneohrift 1912 Nr. 20.) 

I 

— Ueber Luminal macht ferner San.-R. Dr. Graeffner (Friedrich- 

Wilhelms-Hospital und Siechenanstalten der Stadt Berlin) 
Mitteilung. Er kommt zu folgenden Schlfissen: 

1. Luminal ist ein sehr wertvolles Schlafmittel. Mit 
warmem Getrfink genommen, bewirkt es meist schon nach 
einer halben Stunde festeh Schlaf von vielstttndiger Dauer. 
Der Schlaf der folgenden Nfichte steht noch unter der 
erst allm&hlich abklingenden Wirkung des Mittels. 

2. In gleicher Weise wie per os wirkt Luminal auch 
in der Anwendungsform des Suppositoriums. 

3. Nebenwirkungen bedenklicher Art durch Luminal- 
gebrauch sind bisher nicht beobachtet worden. Massige Grade 
von Benommenheit, Schwindel und verl&ngerter Schl&frigkeit 
gingen spontan voriiber oder wichen harmlosen Analepticis. 

4. Es empfiehlt sich, mit kleinen Dosen wie 0,2 zu 
beginnen unter Yorbereitung des Pat. auf einen Misserfolg, 
und dezigrammweise zu steigen bis zur wirksamen Dosis 
von 0,4—0,5, des ferneren neue Darreichung erst nach 
drei Tagen vorzunehmen. Kumulation erscheint nicht 
ausgeschlossen, wie sich aus dem gelegentlichen Erfolg 
erst der zweiten Darreichung ergibt. 

5. Luminal ist ein ausgesprochenes Sedativum, kein 

Narkotikum. Infolgedessen ist seine Anwendung zweck- 
los, wo Schmerzen oder Reizzustfinde jedweder Art ihren 
schlafstfireuden Einfluss geltend machen. (Ebenda.) 

— Ueber Luminal teilt endlich Dr. O. Juliusburger (Steglitz) 

die Erfahrungen mit, die in der Heil- und Pflegeanstalt 
„Berolinum“ in Lankwitz damit gemacht wurden: Bei 
einfachen A. kam Verf. schon mit einer Dosis von 0,2 

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bis 0,3 g Luminal aus. Je nach der vorliegenden tieferen 
Stfirung steigerte er bis 0,6 g Luminal, in sehr wenigen 
Fallen bis 0,8 g pro dosi. Musste er einige Zeit auf der 
H5he, etwa 0,6 g, bleiben, so konnte er hernach ohne 
Schwierigkeit langsam wieder rfickwfirts gehen. Er hat 
gelegentlich 23 Abende hintereinander 0,6 g Luminal ge- 
geben, in einem anderen Falle 22 Abende hintereinander 
0,6 g, in zwei weiteren Fallen 11 Abende hintereinander 
0,6 g, ein andermal wieder 14 Abende hintereinander 0,6 g 
und bei einem anderen Kranken 13 Abende 0,6 g Luminal, 
ohne irgendeine akkumulierende Wirkung des Mittels oder 
sonstige Stbrung des Allgemeinbefindens zu beobachten. 
In einigen Fallen aber traten, wenn 0,6 g Luminal mehrere 
Abende hintereinander gegeben wurden, leichte Beschwerden 
am Morgen ein. Die Pat. klagten fiber leichten Kopf- 
druck und gewisse Mattigkeit, Erscheinungen, die aber 
sehr rasch wieder schwanden, ohne die geringsten Spuren 
zu hinterlassen. Man konnte nach kurzem Aussetzen des 
Medikaments ruhig wiederum bei denselben Personen Lumi¬ 
nal anwen<Jen. Yerf. mfichte schon hier hervorheben, dass 
er bisher in keinem Falle eine irgendwie ernstere oder 
nachhaltigere Stbrung des Allgemeinbefindens nach Lumi¬ 
nal gesehen habe. Bei sehr erregten Kranken, z. B. bei 
den motorischen Erregungszustanden im Verlauf der Para¬ 
lyse oder bei anderen hyperkinetischen Zustfinden, gab er 
morgens und abends je 0,6 g Luminal-Natrium subkutan. 
Ueber 1,2 g Luminal-Natrium ist er bis jetzt pro Tag 
nicht hinausgegangen. Nach drei Tagen schien bei dieser 
Dosis eine bemerkenswerte, aber erwftnschte Akkumulation 
des Mittels eingetreten zu sein; die vorher ausserordentlich 
unruhigen Kranken beruhigten sich erfreulicherweise. Wje 
jedes Mittel, so versagt auch gelegentlich Luminal, aber 
immerhin in seltenen Fallen. Yerf. hat wiederholt ge¬ 
sehen, dass Luminal, wenn es gelegentlich keine brauch- 
bare Wirkung erzielte, ein andermal, bei derselben Person 
in Anwendung gebracht, doch einen schfinen Erfolg zeigte 
Verf. hat das Luminal schfitzen gelernt bei den Erregungs¬ 
zustanden der Paralytiker, es scheint auch empfehlenswert 
zu sein bei dem Versuch, die paralytischen Anfalle zum 
Schweigen zu bringen. Wenigstens hat Verf. bisher in der 
Richtung Gutes gesehen, doch ist eine Nachprfifung na- 
tfirlich zu erstreben. Brauchbar hat das Luminal sich 
auch gezeigt bei der Behandlung epileptischer Dftmmer- 
zustftnde sowie in einem Fall von Delirium tremens. In 
allerjfingster Zeit hat das Luminal sehr schfitzenswerte 


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Dienste geleistet in einem Fall von Morphiumentziehung. 
Yerf. hat auch in geeignet erscheinenden Fallen das Lu¬ 
minal mit Morphium kombiniert. Leider kann man das 
geloste Luminal-Natrium nicht mit Morphium zusammen- 
mischen, da es einen Niederschlag gibt. Man muss, was 
ja keine weiteren Umst&nde macht, die beiden Mittel ge- 
trennt subkutan anwenden, wobei es sich sehr empfiehlt, 
fllr Luminal-Natrium und Morphium gesonderte Spritzen 
zu benutzen, um eben jeden Niederschlag zu vermeiden. 
Auch ist es ratsam, nach dem Gebrauch von Luminal die 
Spritze sofort mit warmem Wasser durchzuspiilen. Luminal- 
Natrium 0,3 g und Morphium 1—l 1 /* eg gab Verf. mit 
gutem Erfolge bei Angstzust&nden. Sehr schbn reagierte 
ein Kranker, bei dem Verf. gezwungen war, gegen die 
heftigen Angstattacken Morphium -Hyoszin zu geben, auf 
Luminal-Morphium, und es zeigte sich in alien anderen 
Fallen, dass nach Luminal niemals so unangenehme Be- 
gleiterscheinungen auftraten wie nach Hyoszininjektionen. 
Verf. hat nach Luminal in keinem Fall VerSnderungen 
im Verhalten der Pupillen gesehen, er hat auch stets nach 
Luminal die qu&lende Austrocknung der Mund- und Rachen- 
schleimhftute wie nach Hyoszin vermisst. Leider scheint, 
wenigstens nach den bisherigen Versuchen, das Luminal 
noch nicht berufen zu sein, das Hyoszin vollst&ndig zu 
verdr&ngen, aber wir haben im Luminal einen sehr guten 
Konkurrenten mit dem Hyoszin, und Verf. empfiehlt, es 
zunfichst vor dem Hyoszin immer mit dem Luminal zu 
versuchen, unter Umstfinden, also bei heftigen, besonders 
mit Angst verbundenen Erregungszustfinden, von vorn- 
herein unter HinzufQgung von 1— 1'/« eg Morphium. Freilich 
scheint in der Mehrzalil der FSlle die Wirkung des Lumi¬ 
nals nicht so sasch einzutreten wie nach Injektion von 
Hyoszin. Aber das ist ja auch nicht 'immer so dringend 
erforderlich, und vielleicht wird sich herausstellen, dass 
die Kombination von Luminal mit Morphium auch in den 
Fallen eine sichere und raschere Wirkung herbeifiihrt, in 
denen jetzt noch das Hyoszin Gberlegen ist. Hier ist Verf. 
mit seinen Versuchen noch nicht zu einem definitiven 
Abschluss gelangt. Wenn die Wirkung des Luminals bei 
interner Darreichung auf sich warten lasst, so muss man 
das Mittel naturlich um so fruher geben, was von Fall 
zu Fall auszuprobieren ist, oder man entschliesst sich, 
wogegen nicht das geringste Bedenken besteht, eine oder 
zwei Tabletten Adalin voranzuschicken. Das Adalin wirkt, 
wie bekannt, ausgezeichnet bahnend fGr den Schlaf, und 


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Agrypnie. 


so kann das darauffolgende Luminal um so leichter und 
vielleicht auch rascher mit seiner Wirkung einsetzen. Yerf. 
mOchte noch hervorheben, dass bei Erregungszustanden 
verschiedenster Herkunft das Luminal nicht immer sogleich 
Schlaf erzeugt. Aber es tritt doch eine wohltuende Ruhe 
ein, die scbatzenswert genug ist. Wenn Verf. seine bis- 
herigen Erfabrungen mit Luminal zusammenfasst, so kommt 
er schon jetzt zu dem Schluss, dass wir in ihm eine wirk- 
liche Bereicherung unseres Arzneiscbatzes vor uns haben. 
Bisher hat Yerf. nicht die geringsten schfidlichen Neben- 
wirkungen geseben, seine Wirkungen sind im ganzen sichere 
und brauchbare, sowohl im Hinblick auf eintretende Be- 
ruhigung des Kranken wie mit Rttcksicht auf den zu er- 
zielenden Schlaf. Ein sehr hoch anzuschlagender Yorzug 
des Luminal-Natriums ist es, dass es ohne die geringsten 
Bedenken in der angegebenen Dosis subkutan injiziert 
werden kann, so dass wir nicht mehr in der Lage sind, 
immer zum Hyoszin greifen zu miissen. Das Hyoszin wird 
durch das Luminal entschieden aus seiner Vorherrschaft 
verdr&ngt; das allein durfte schon das Luminal sehr will- 
kommen heissen. (Ebenda.) 

— Luminal, ein neues, snbkntan anwendbares, starkwirkendes 
Hypnotiknm. Yon Dr. W. Geissler in Trier. (Aus der 
K5lner Akademie f. prakt. Medizin, Psychiatrische Klinik.) 
Luminal (Phenyl&thylbarbitursaure) unterscheidet sich vom 
Veronal dadurch, dass eine Aethylgruppe durch den Phenyl- 
rest ersetzt ist. 

Mit Dosen von 0,2 und 0,3 g per os hat Verf. nur 
zum Teil sichere Resultate bekommen bei Frauen, M&dchen 
so wie bei jiingeren und alten mftnnlichen Individuen, die 
sonst gar nicht oder nur stundenweise schliefen (Hysterie, 
Alkoholismus, Neurasthenie, Arteriosklerose usw.) Es 
kommen hier individuelle Schwankungen vor, indes kann 
man sagen, dass bei schw&chlichen Pat., namentlich weib- 
lichen Geschlechts, 0,2—0,3 g die Anfangsdosis sein soil. 
Der Schlaf tritt in diesen Fallen im allgemeinen nach 
ca. V* —1 Stunde, mitunter noch etwas spSter, ein (bei 
manchen andererseits schon nach 1 U Stunde) und halt bei 
den meisten die ganze Nacht durch an, selbst bei Unruhe, 
ja Lfirm der Umgebung. Nebenerscheinungen wurden bei 
dieser Dosierung nicht beobachtet, insbesondere keine 
Mattigkeit und kein Kopfschmer^ oder Brechreiz am an- 
deren Tage, wie dies ja bei anderen starkwirkenden 
Hypnoticis nicht selten vorkommt. 


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0,4 g bewirkte bei alien Pat. per os stets guten, ruhigen 
Schlaf von mindestens 6—8 Stunden. Darunter waren 
Pat., die schon seit Jahren einen festen, ruhigen Schlaf 
nicht kannten und Trional, Chloralhydrat usw. oft und 
erfolglos genommen hatten. Alle rtlhmten den stetigen 
tiefen und traumlosen Sfchlaf und den freien Kopf am 
nachsten Tage. Verf. hat bei einer Reihe von Pat. nach 
0,4 g am nachsten Tage, zum Teil kurz nach dem Er- 
wachen schon, geistige Arbeiten verrichten, stundenlang 
rechnen und kombinieren lassen, keiner ermtidete schneller 
als sonst physiologisch, im Gegenteil war die Leistungs- 
fShigkeit grosser, eben weil das Nervensystem durch die 
langersehnte Ruhe sich zweifellos krSftigen konnte 

0,5 g des PrSparates bei Frauen gegeben, bewirkte 
einen rauschartigen Zustand, der zum Teil nach dem sich 
daran anschliessenden langen Schlaf am anderen Tage in 
einer gewissen Euphorie in Erscheinung trat, jedoch keinen 
Kopfschmerz. In gleicher Weise reagierten auch mittel- 
krftftige und schwache Manner. FOr solche Pat. sind also 
niedrigere Dosen angebracht. Bei Personen von kraftigerer 
Konstitution wurde dieser rauschartige und protrahierte 
Schlaf nicht beobachtet. Alle Pat. schliefen aber ruhig 
und fest und hatten trotz der Qberschrittenen Dosis keine 
Nebenerscheinungen und Klagen am nachsten Tage. 

Die gleichen Beobachtungen wurden bei der sub- 
kutanen Applikation der Lbsungen des Natriumsalzes ge- 
macht, mit der Einschrankung, dass der Eintritt der Wirkung 
sich um ungefahr 1 U— 1 U Stunde verzbgerte. Die Qualitat 
des Schlafes hingegen erlitt bei dieser Anwendungsweise 
keine Einbusse. Die Injektionen wurden schmerzlos ver- 
tragen. Irgendwelche Reaktionserscheinungen in der Um- 
gebung der Einstichstelle, speziell Nekrosen oder Eiterungen, 
wurden bei den nach vielen Hunderten zahlenden Versuchen 
nie beobachtet. BezQglich der Herstellung der Lbs ungen 
verweist Verf. auf die eingangs gemachten Angaben. Weder 
bei der internen noch bei der subkutanen Darreichung wurde 
bei den angegebenen Dosen bei fortgesetztem Gebrauch 
Abschwachung der Wirkung bemerkt, ebensowenig Kumu- 
lation, selbst nicht nach chronischen Gaben von 0,4 g. 
Auch zu nachweisbaren Scbadigungen der inneren Organe 
fahrte die chronische Verabreichung nicht. Im Urin war 
kein Eiweiss und kein Zucker nachzuweisen. Zwei Falle 
von Nephritis und ein Diabetes mellitus zeigten im All- 
gemeinbefinden wie im Urinbefund keine quantitative Ab- 
weichung durch das tagelang gegebene Mittel (0,4 g pro 


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Agiypnie. 


die). Soweit die Wirkungsweise fQr die allgemeine Me- 
dizin. Ffir den Psychiater trad Neurologen ergeben sich 
nun noch weitere Indikationen, die das neue Mittel un- 
geraein wertvoll machen. Eine Dosis von 0,4 g subkutan 
oder per os vermochte bei fast alien erregten Pat. (Manie, 
paralytische und katatonische Erregungszustande, epilep- 
tische Erregungen, Angstzustande und selbst Delirium 
tremens) auf 3—4 Stunden, naeh nochmaliger Injektion 
von 0,2 g jedoch auf mindestens 5—6 Stunden ein Stadium 
motorischer Ruhe herbeizufahren. Die Pat. lagen mehr 
oder weniger im Schlaf. Die motorische Unruhe war ibnen 
genommen. In schweren Fallen ging man mit der Dosis 
aber 0,6 g hinaus, ein Versager trat bierbei nie ein, ebenso- 
wenig wie able Begleit- oder Folgeerscheinungen. Der 
Urin blieb eiweiss-, zucker- und zellfrei. Diese Wirkung 
des neuen Hypnotikums muss. man geradezu in Parallele 
mit der des souver&nen Hyoszins setzen. Das Luminal 
ist ebenfalls in der Lage, da, wo alle anderen internen 
Mittel versagen, als sog. medikamentose Zwangsjacke zu 
wirken. Allerdings bleibt die Anwendung des lahmenden 
Hyoszins mehr denjenigen schweren Erregungs(Tobsuchts-) 
zustanden vorbehalten, bei welchen eine sofortige Wirkung 
erzielt werden soli. Hier kommt das Luminal, das ja 
erst nach 1—l 1 /* Stunden seine voile Wirksamkeit ent- 
faltet, nicht in Frage. Prophylaktisch jedoch ist es wert¬ 
voll gegen regelmassig wiederkehrende Erregungszustande 
und vor allem gegen solche mittleren Grades, also far 
Kranke, die man ohne Schaden eine Stunde ihrem Zo- 
stande aberlassen kann: diese Kategorie bildet die Haupt- 
domane far die Anwendung des Luminals. Dieses besitzt 
hier durch seine gewaltige hypnagoge Kraft eine die Mo- 
tilitat indirekt lahmende Eigenschaft. Yielleicht werden 
auch weitere Yersuche die MOglichkeit naherracken, bei 
geeigneten, noch naher abzugrenzenden Fallen mit ein- 
maligen hohen Dosen eine prompte, dem Hyoszin analoge 
Wirkung zu erzielen, d. h. neben dem Schlafmittel noch 
ein Lahmungsmittel zu sein. Die Wirkung auf Alkohol- 
deliranten war eine frappierende. Wahrend Hyoszin- 
Morpbin, Veronal usw. bei delirosen Zustanden fast v6lb’g 
versagen, sah Verf. in mehreren Fallen nach 0,4 g und 
nach noch einmal wiederholter Injektion von 0,2 g nach 
einigen Stunden motorische Ruhe und sogar stundenlangen 
Schlaf eintreten. Einem Wiederaufflackern der Erregung 
am nachsten Tage wurde in gleicher Weise begegnet, es 
trat darauf wiederum Schlaf ein, und nach diesem war 


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Agrypnie. 


425 


das Delirium abgeblungen. Diese Versuche an Deliranten 
bedtlrfen besonders eines eingehenden Studiums. Ob es 
in jedem Fall sich empfiehlt, bei einem Deliranten den 
Schlaf ktinstlich herbeizufQhren, lftsst Verf. dahingestellt. 
Von Wichtigkeit ist es jedoch bei solchen mit geschwachter 
Herzmuskulatur, die man zur Ruhe zu bringen ver- 
pflichtet ist. 

Kurz zusammengefasst besteht die Wirkung und der 
Vorzug des Luminals in Folgendem: 

1. es besitzt eine tiberaus sichere und prompt schlaf- 
machende Wirkung; 

2. es verursacht keine Neben- und Folgeerschei- 
nungen; 

3. es reizt weder Magen noch Nieren; 

4. es ist nahezu geschmackfrei; 

5. es bietet, je nach Lage des Falles, die Mbglichkeit 
der internen oder subkutanen Anwendung; 

6. es findet seine besondere Indikation in der Psychi¬ 
atric zur Bekampfung schwerer Erregungszustande. 

(Miinch. med. Wochenschrift 1912 Nr. 12.) 

— Seine klinigchen Erfahrungen mit Luminal fasst Dr. S. Lb we 

(Psychiatr. und Nervenklinik, Leipzig) wie folgt zusammen: 

1. Das Luminal bewahrt sich als Sedativum und 
Hypnotikum bei alien Formen der Erregung Geisteskranker 
sowie bei Erregung und Schlafstbrungen von Degenerierten 
und Neurasthenikern; es entfaltet eine gfinstige Wirkung 
auch noch bei Nebenhergehen korperlicher Schmerzen; es ist 
wirksam auch in solchen Fallen, in denen andere Hypno- 
tika unwirksam bleiben oder kontraindiziert sind. Bei 
Deliranten erscheint es geeignet, die kupierende Wirkung 
hoher Veronaldosen bei wesentlich niedrigerer Dosierung 
zu erzielen. 

2. Schlaf von physiologischer Dauer wird bei Nicht- 
psychotischen schon durch Dosen von 0,2 oder hochstens 
0,4 prompt erzielt; bei stark erregten Geisteskranken haben 
Gaben von 0,6—0,8 zum mindesten anfanglich, mit Sicher- 
heit Erfolg. 

3. Die Nebenwirkungen (Benommenheit, Rauschzu- 
stande, Blutdrucksenkung) werden nur bei langerer Dar- 
reichung beobachtet und scheinen sich von denen des 
Veronals in Art und Haufigkeit kaum zu unterscheiden; 
das gleiche gilt von dem in wenigen Fallen beobachteten 
Exanthem. 


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Agrypnie — Aortenaneurysma. 


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4. In der Wirksamkeit entsprechen 0,2—0,3 g Lu¬ 
minal 0,5 g Veronal; ein Vorzug vor dem Veronal besteht 
ferner in der Anwendungsmbglichkeit des Luminals in 
Fallen, die sich erfahrungsgemass gegen Veronal refraktar 
verhalten. 

5. Die Darreichung des Luminals geschieht per os 
entweder in Tablettenform, welche unter Umstanden Psycho- 
tischen in Getranke eingerdhrt werden kbnnen, oder als 
einem Getrank beizumischende Lbsung des in Wasser gut 
lbslichen Luminalnatriums; diese letztere kann zweck- 
massig auch per clisma verabreicht werden; besonders 
gGnstig ist die Tatsache, dass sich die Lbsung des Lumi¬ 
nalnatriums bequem und ohne Schmerzen subkutan appli- 
zieren lasst, wodurch diese Anwendung auch bei wider- 
strebenden Geisteskranken ermbglicht wird. 

6. In Kombination mit kleinen Morphindosen bietet 
das Luminal die Mbglichkeit, das Hyoszin weitgehend 
auszuschalten, insoweit nicht die sofortige Wirkung ver- 
langt wird. 

7. Es erscheint daher die EinfQhrung des Luminals 
berechtigt, nicht nur weil es ein bei dem Wunsche abzu- 
wechseln brauchbares Schlafmittel und Sedativum darstellt, 
sondern besonders wegen seiner oben angeffihrten VorzOge. 

(Deutsche med. Wochensohrift 1912 Nr. 20.) 

Aontenaneupysma. Ein nenes Symptom des Aneurys- 
mas der Aorta. Von Dr. Rudolf v. Hoesslin (Kur- 
anstalt, Neuwittelsbach). „Bei einem Kranken, der infolge 
eines Aneurysmas an einer langsam zunehmenden Kom- 
pression des linken Hauptbronchus litt, kam es mit dem 
Wachsen des Aneurvsmas zu immer zunehmender Atem- 
not durch Kompression der Trachea. Gegen Ende der 
Erkrankung, als schon bedrohliche Erstickungsanffille auf- 
getreten waren, stellte sich ein ganz merkwUrdiger Respira- 
tionstypus ein. Es kam nGmlich zu lauter stridorbser, 
etwas langgezogener Inspiration, wfthrend die Exspiration 
in einzelnen rhythmischen Stbssen mit kurzer Pause, eben- 
falls unter rhythmischen Geriluschen erfolgte. Diese At- 
mung war ausserst auffallend; sowie man das Zimmer 
betrat, hbrte man die stridorbse Inspiration als ein lang- 
gezogenes Gerftusch, die einzelne Exspiration als 4—5mal 
abgesetzte Ger&usche. Die Erklarung war eine sehr ein- 
fache; die Trachea war so komprimiert, dass zwar noch 
die Inspiration erfolgen konnte, die Exspiration konnte 
aber nur dann vor sich gehen, wenn w&hrend der diasto- 


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Aortenaneurysma — Augenentziindungen. 


427 


lischen Entleerung des Aneurysmasackes der komprimie- 
rende Tumor weniger prall gespannt war; wahrend der 
Systole dagegen war die Expiration v5llig unterbrochen. 
Es war zu einer Art Ventilbildung gekommen. Infolge- 
dessen waren die einzelnen exspiratorischen Ger&usche an 
Zahl den PulsschlSgen vbllig gleich. Dieser eigentQmliche 
Exspirationstypus, den ich als pulsatorische oder diasto- 
lische Exspiration bezeichnen mbchte, hielt ungefahr zwei 
Tage lang an und hbrte erst mit dem Exitus auf. Wir 
haben in diesem Symptom ein Analogon zum sakkadierten 
Atmen, bei welchem nach Hensen das sakkadierte Atmen 
in seinen einzelnen AbsStzen dem Puls synchron ist, 
(pulsatoriscbes sakkadiertes Atmen). Nur erfolgt das sak¬ 
kadierte Atmen bei der Inspiration und ist synchron der 
Systole gegenQber dem eben beschriebenen Atemger&usche, 
das exspiratorisch und synchron der Diastole erfolgt. Es 
ist mir nicht bekannt, dass dieses sehr auff&llige Symptom 
bereits friiher beschrieben wurde.“ 

(Miinchener med. Woohenechrift 1912 Nr. 1.) 

Augenentztindunqetl. Zur Therapie der Lidrandent- 

zflndnngen. Von Dr. L. v. Liebermann jun. (I. Univers.- 
Augenklinik, Budapest). Autor benutzte das Noviform 
(Chem. Fabrik von Heyden), ein an Wismut gebundenes 
Tribromphenol (Tetrabrombrenzkatechin). 

Er hat mit dem Pr&parat bisher 25 F&lle der Lidrand- 
entzhndung behandelt. Das Pulver wurde ausschliesslich 
mit reinster Vaseline (Gloriavaseline) zu 5 — 20°/oiger Salbe 
verarbeitet. Anfangs verwendete Verf. 5- und 10°/oige, 
nachdem er sich aber von der vollstandigen Unschadlich- 
keit iiberzeugt hatte, 20%ige Salbe. 

Gegen Blepharitis ulcerosa l&sst Verf. die Salbe, nach 
sorgfaltigem Aufweichen und Entfernen der Eiterborken 
mit Wattekompressen, morgens und abends dbnn auf den 
Lidrand auftragen. Nebenbei werden, wenn die Conjunc¬ 
tiva gerotet ist und sezerniert, einige Tuschierungen mit 
2%igem Argentum nitricum gemacht. Wenn ausgebildete 
Follikelabszesse vorhanden sind, so werden sie epiliert 
und ausgedrQckt. Verf. konnte auf diese Weise wesent- 
liche Besserung bereits nach wenigen Tagen und Heilung 
in einer bis zwei Wochen erzielen. 

Die Blepharoconjunctivitis erfordert selbstverstandlich 
in erster Reihe die Behandlung des Konjunktivalkatarrhes 
mit Zincum sulfuricum, und zwar kann man ausser der 
Anwendung von 2—3 %oigen Tropfen in hartnackigen 


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Augenentzfindungen. 


Fallen auch noch Pinselungen mit 0,5—l°/oiger Losung 
machen. Zur Behandlung der LidrandentzDndung leistet 
auch in diesen Fallen die Noviformsalbe mindestens ebenso 
gute Dienste wie Bor- oder Quecksilberprazipitatsalbe und 
ist dabei vollkommen frei von der Reizwirkung derletzteren. 
Es ist auch hier wichtig, erst f&r mdglichst vollkommene 
AblOsung der Schuppen durch nasse Kompressen zu sorgen, 
die Wirkung ist dann stets viel prompter. Verf. beob- 
achtete in fast alien Fallen ein sehr rasches Zurfickgehen 
der ROtung des Lidrandes und der Seborrhoe und ein 
Schwinden der subjektiven Beschwerden, doch ffihrt meistens 
nur eine wochen-, oft monatelang fortgesetzte Behandlung 
zur definitiven Heilung. Rezidive konnte er nach zu baldigem 
Aussetzen mancbmal beobachten. Es gentkgen offenbar einige 
der desinfizierenden Wirkung widerstehende. Bakterien, am 
die Bindehaut immer wieder neu zu infizieren. In einigen 
Fallen gelang es, sehr rasche Besserung und auch voll¬ 
kommene Heilung damit zu erzielen, nachdem verschiedene 
der oben angefQhrten Mittel Monate hindurch vergeblich 
versucht worden sind. 

Bei reiner Blepharitis squamosa oder Seborrhoea sicca 
des Lidrandes, ohne nachweisbare Erkrankung der Con¬ 
junctiva, sah Verf. von der Noviformsalbe bessere Wirkung 
als von den bisher gebrauchten Mitteln. Yon acht Fallen 
heilten vier in wenigen Tagen, langstens zwei bis drei 
Wochen, drei waren in kurzer Zeit wesentlich gebessert, 
einer rezidivierte, nachdem mit der Behandlung nach be- 
deutender Besserung zu frQh ausgesetzt wurde. 

Seine bisherigen Erfahrungen kann Verf. dahin zu- 
sammenfassen, dass wir im Noviform ein Mittel besitzen, 
das bei vdlliger Reizlosigkeit gegen die meisten Lidrand- 
erkrankungen sehr wirksam ist. 

(Deutsche med. Woohenschr. 1912 Nr. 11.) 

—- Syrgol in der Angenheilknnde. Von Sanitatsrat Dr. Wolff- 
berg (Breslau). Verf. hat mit dem Praparat sehr schdne 
Erfolge erzielt. In folgendem sind die Falle aufgezahlt, 
bei denen er Syrgol verwendete, und auch die Ldsungen 
dabei angegeben, welche sich als wirksamste ergaben. In 
alien diesen Fallen wurde das Syrgol auch filr die haus- 
liche Behandlung mitgegeben. Reizerscheinungen oder 
Komplikationen traten niemals ein; der Heileffekt machte 
sich ausnahmslos sofort nach den ersten Instillationen 
bemerkbar. 1) Blennorrhoea neonatorum: 8 Falle. (3%ige 
Ldsung; daneben Bleno-Lenicet-Vaseline.) 2) Blennorrhoea 


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Augenentzundungen — Chorea. 


429 


adultorum: 2 Falle. (Wie unter 1.) 3) Conjunctivitis 

follicularis acuta (trachomverdachtig): 15 Falle. (2°/oig.) 

4) Conj. follic. acuta simplex: 20 Falle. (1—2°/oig.) 

5) Blepharoconjunctivitis chronica: 18 Falle. (l°/oig.) 

6) Dacryocystoblennorrhoe: 19 Falle. (l°/oig.) Es sei 
noch besonders erwahnt, dass sich Syrgol ausserordentlich 
leicht lbst; eine Lbsung von 2:1000 ist schwach rbtlich 
opaleszierend und leicht schaumig. Selbst in dieser hoch- 
gradigen Yerdtinnung zeigte sich das Mittel bei einfachen 
Bindehautkatarrhen noch dem Zink ebenbftrtig, wobei Verf. 
flbrigens nicht verfehlen mochte zu bemerken, dass eine 
1 °/oige Lbsung von Zinc. sulf. fiir die meisten Augen ganz 
erheblich schmerzhaft wirkt. Yon der angegebenen Syrgol- 

■ lbsung hat Verf. noch nach Jahresfrist mit Erfolg Gebrauch 
gemacht; sie zeigte auch hinsichtlich derFarbe und schwachen 
Opaleszenz keine Aenderung. Nach allem diesem ist das 
Syrgol ein klinisch fiir die Augentherapie hinreichend er- 
probtes Mittel, dessen besondere Vorz&ge in der eminent 
starken Desinfektionskraft, in der Reizlosigkeit, Billigkeit 
und Sauberkeit liegen. 

# (Wochenacbrift f. Therapie n. Hygiene des Augea 1912 Nr. 29.) 

Chorea. Ueber Behandlnng der Ch. minor / gibt Privat- 
dozent Dr. Rob. Bing (Basel) folgende Yorschriften: 

„Entsprechend dem ganz iiberwiegenden Auftreten des 
Leidens bei Kindem zwischen sieben und fiinfzehn Jahren 
fassen wir im folgenden nur diese spStinfantile und Puber- 
tatschorea ins Auge. Die Dosierung der medikamentbsen 
Verordnungen werde ich fQr die mittlere Altersklasse jenes 
Sexenniums, also ftlr Kinder von 10—12 Jahren, angeben; 
daraus lasst sich unschwer die Dosierung for jtingere und 
altere Pat. umrechnen. 

1. Lebensweise und Didt. Jede, auch die leichteste 
Ch. m. ist fQr die ganze Dauer der Erkrankung vom Be- 
suche von Schulen, Krippen usw. fernzuhalten. Auch zu 
Hause oder im Spitale soli auf mbglichste Isolierung ge- 
drungen werden, der Pat. allein im Zimmer schlafen, an 
keinen gemeinsamen Mahlzeiten oder Spielen teilnehmen 
und in intensiveren Fallen, abgesehen vom Arzte, nur ein 
und dieselbe Warteperson zu Gesichte bekommen. Als 
Unterhaltung kbnnen in der Regel Bilderbtlcher, Lege- 
spiele, Puppen usw. gestattet werden, ebenso nichtauf- 
regende Lekttire (am besten vorgelesen), alles aber nur 
in kleinen ,Portioned und unter Eihschiebung langer 
Pausen vollstandiger Ruhe. Ein reichliches Mass von 


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430 


Chorea. 


Bettruhe ist auch in ganz leichten Fallen dem Kinde zu 
gewahrleisten; z. B. von 8 Uhr abends bis 10 XJhr mor¬ 
gens und von 2—4 Uhr nacbmittags = 16 Stunden Bett¬ 
ruhe. In schwereren Fallen verordnen wir bis zur deut- 
lichen Besserung ganzliche Bettruhe, in sehr schweren 
Fallen wird ausserdem das Krankenzimmer dauernd ver- 
dunkelt und durch geeignete Polsterung dafOr Sorge ge- 
tragen, dass sich das choreatiscbe Kind nirgends anschlagen 
oder verletzen kann. 

Der Kostzettel soli rein ovo-lacto-vegetarisch sein. 
Ueberdies Verbot von Alkohol, Kaffee, Tee, GewOrzen, 
stark gesalzenen Speisen. Zur Verhtitung von Obstipation 
Schrotbrot, viel Obst. Mogliclist reichlicher Milchgenuss, 
z. B. stundlich eine halbe Tasse. Eventuell Yoghurt, Kefir, 
Sauermilch usw. Wo pure Milch unangenehm abfiihrend wirkt, 
empfiehlt sich Zusatz von 40 g reinsten gepulverten Gummi 
arabicum pro Liter (zuerst mit etwas kalter Milch ver- 
rllhren, dann die Obrige Milch zugiessen und das ganze 
kochen). 

2. Hydrotherapie. Non nocere! Keine kalten Duschen 
und dergleichen! Gfinstig wirken dagegen tagliche l^uwarme 
Bader von 20 Minuten Dauer und Abreibungen mit Wasser 
von 22—25° C. 

3. Medikamentose Behandlung. Unter der gewaltigen 
Zabl von Arzneimitteln, die in die Therapie der Syden- 
hamschen Ch. eingefiihrt worden sind, scbeinen mir nur 
drei eine spezifische Wirksamkeit zu entfalten: Arsen, 
Antipyrin, Cannabis indica. 

Arsen ist unbestritten das zuverlassigste dieser phar- 
makologischen Agentien und soil darum im Vordertreffen 
stehen. Dabei empfiehlt es sich, nach bekannten Grund- 
satzen mit kleinen Dosen zu beginnen und allmahlich zu 
grbsseren bis sehr grossen anzusteigen. Ch.-Pat. sind 
Qberaus arsentolerant, und man wird kaum jemals durch 
Verdauungsstbrungen, Herpes oder Conjunctivitis zu einem 
therapeutischen Rtickzuge veranlasst werden. — Auch dem 
Antipyrin wird, namentlich von seiten franzbsischer Pa- 
diater, eine grosse Wirksamkeit nachgertlhmt. Allerdings 
soli es, wo als einziges Medikament verabreicht, in so 
exorbitanten Dosen gegeben werden (3,0—4,0 pro die bei 
6 - lOjahrigen, 5,0 - 6,0 bei 10—15jahrigen Kindern!), 
dass wir diese Methode als zu gefahrlich durchaus verwerfen 
mtissen. Anders liegen jedoch die Dinge bei der Kom- 
bination mit Arsenpraparaten, wobei kleine und unbedenk- 
liche Antipyrindosen als gutes Adjuvans des Hauptmedi- 


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Chorea. 


431 




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kaments wirken konnen. — Noch bessere Resultate gibt 
oft die Verbindung von Acidum arsenicosum und Ex- 
tractum Cannabis indicae (vorausgesetzt, dass man ftir 
Verwendung eines guten und frischen Extrakts Sorge trfigt!). 
Zahlreiche Yersuche, die icb einerseits mit den von mir 
seinerzeit fQr MigrSne empfohlenen ,Pilulae cannabinae 
compositae 1 (unter allmahlicher Steigerung des Gehalts an 
arseniger Saure), anderseits mit ,Pilulae asiaticae‘ von 
entsprechender Starke angestellt habe, sind durchaus zu- 
gunsten der ersteren ausgefallen. 


Arzneiverordnungen 

1. Up. Sol. arsenicalis Fow- 
leri gtts. XXX—L. 
Aq. menth. pip. 80,0 
Sir. simpl. 20,0. 
MDS. Dreimal taglich ein 
Kinderloffel in Wasser zu 
nehmen, nach den Mahl- 
zeiten. 


2. Rp. Sol. arsenicalis Fow- 
leri 10,0 

Spirit, melissae com¬ 
pos. 30,0. 

MDS. 10 Tropf. in Milch zu 
nehmen, ein-, spater zwei-, 
dreimal taglich usw. nach 
Bericht. 


3. Rp. Natrii arsenicici 0,01 
bis 0,03 
Antipyrini 5,0 
Sic. cort. aurant. 50,0 
Aq. dest. ad 150,0. 

MDS. Dreimal taglich ein 
Kaffeelbffel nach den Mahl- 
zeiten (Tagesmenge 0,001 
bis 0,003 Natrium arseni- 
cicum + 0,5 Antipyrin). 


4. Rp. Extract. Cannabis in¬ 
dicae 0,3 

Acidi arsenicosi 0,04 
bis 0,12 (0,15!) 

Chinini sulfur. 1,0 

Extract. Valerian, q. s. 
ut f. pil. Nr. XXX. 

DS. Dreimal taglich nach 
dem Essen eine Pille zu 
nehmen (Tagesmenge 0,03 
Extr. Cannabis und 0,004 
bis 0,012 [ev. 0,015] Acid, 
arsenicos.). 


Neben diesen Medikamenten wird man vielfach in 
die Lage kommen, ffir kurzere oder langere Zeit Schlaf- 
mittel zu verabreichen, da es von grosster Wichtigkeit ist, 
dass die Pat. lange und tief schlafen; nattirlich sucht man 
mit mdglichst harmlosen Hypnoticis auszukommen und, 
um Angewohnung zu vermeiden, einen haufigen Wechsel 
eintreten zu lassen, z. B. zwischen Adalin, Bromural, Vero¬ 
nal und Trional. Gelegentlich kommt man auch mit einer 
abendlichen Dosis von 2,0 Bromalkali aus. — Salizyl- 
therapie ist nur bei Ch. mit rheumatischen und kardialen 
Komplikationen am Platze. 


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Chorea — Dermatitis. 


4. Gymnastischc Uebungen. Man htite sich vor Ueber- 
treibungen in dieser Hinsicht und beginne mit dem Ein- 
Gben rhythmischer und langsamer Extremitfitenbewegungen 
auf Kommando erst dann, wenn die choreatiscben Reiz- 
erscheinungen bereits deutlich im Abklingen sind (und 
zwar zunfichst im Bette). Schon in den Frtihstadien, aber 
auch auf der Hdhe der Erkrankung ist die Yomahme 
einer rationellen Atemgymnastik sehr zu empfehlen, da 
viele Choreakinder schlecht und oberflfichlich atmen. Ich 
laase zu diesem Zwecke den flach hingelegten Xindern ein 
Rollkissen unter das Kreuz schieben und sodann fflnf bis 
sieben Minuten lang tiefe, rhythmische Aus- und Ein- 
atmungen mit ihnen einQben. Dies ein- bis zweimal tfiglich. 

5. Nachkur. Wo immer mOglich, nach der Heilung 
und vor Wiedereintritt in die Schule vier- bis sechswdchigen 
Aufenthalt in einem ruhigen Luftkurorte. Bei anfimischen 
oder grazilen Xindern ist Verbindung mit einer Soolbad- 
oder Eisenkur zweckmfissig.“ (Median. Kiinik 1912 Nr. 5.) 

Dermatitis. Ueber akute D. schreibt Privatdoz. Dr. F. Pinkus 
(Berlin): 

1. Stadium. Symptoms: Rotung, Schwellung, 
hbchstens diffuse Eruption kleinster Blfischen, ganz dicht 
gedrfingt. 

Aetiologie: Fast stets toxisch (medikamentOs oder 
von pflanzlichen Schfiden ausgehend), seltener kalorisch, 
oft nicht auffindbar. Bekannte Aetiologie (Chinin, Anti¬ 
pyrin, Salizyl, Primeln, Scilla, Arnica, Rhus, Holzstaub, 
Spargel, verdachtige Haar- und Mundw&sser) ist zu ent- 
fernen. 

Therapie: Einpudern mit Talkum oder Vasenolkinder- 
puder, kui;zdauernde Umschlftge mit 3°/oigem Borwasser 
oder l°/oiger Bleiessiglosung (alle Minuten zu wechseln, 
nicht linger als '/a Stunde im ganzen, 1—2mal tfiglich), 
gegen die lfistige Spannung weisse amerikanische Vaseline. 
Gegen heftiges Jucken ist die Anwendung von 50°/oigem 
Spiritus obne Zusatz als Abwaschung erlaubt. 

Cave: Wasser, Seife, meistens sogar essigsaure Ton- 
erdelbsung und deren Ersatzprfiparate, jede Form von 
Salben, besonders die zur Juckstillung empfohlenen Salben 
(Naphthol, Menthol usw. enthaltend), vor allem, wenn die 
D. das Gesicht betrifft. 

2. Stadium. Symptome: Blfischenbildung deutlicher, 
stellenweise stfirker entwickelt, zum Teil Nfissen und 
gelbliche Sekretion, honiggelbe Xrustenbildung. 

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Dermatitis. 


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Therapie: SchQttelmixtur: 

Zinci oxydati 
Talci oder Amyli 
Glycerin 

Aq. destillatae oder Plumbi aa 12,5 

mit Wattestabchen umzuriihren und einzupinseln. Wird 
dieser schnell antrocknende kreideweisse Ueberzug zu hart 
und spannt oder reisst er ein, dann ist er durch auf- 
getragene weisse amerikanische Vaseline geschmeidiger zu 
gestalten. > 

Zugleich weiter Borwasser- oder Bleiwasserumschlage, 
die aber oft Brennen verursachen und dann besser fort- 
gelassen werden. Auch die Abwaschung mit 50%igem 
Spiritus brennt jetzt und erhQht das Nassen. Oft wird 
jetzt Umschlag oder Verband (ohne Gummipapier, all- 
stiindlich zu erneuern, mit Resorcin V&oo, Zinc, sulfur. 1 Uoo, 
Liq. alumin. acet. 16 / 5 oo besser vertragen, meist auch schon 
Salbe, aber nur die milde Grundsalbe: 

Zinci oxydat. 

Bismuth, carbonic, aa 1,5 

Unguent, cerae albae f Eucerin. anhydr. 5,0 

Unguent, lenient, aa 13,5 0 ei [ Vaselin. flav. 22,0. 

Bei sehr starker Krustenbildung ist Hydrarg. praecip. 
alb. zu versuchen (sehr haufig besteht gegen dieses Mittel 
eine Idiosynkrasie: dann sofort auslassen!), aber nie in 
Form der offizinellen weissen Prazipitatsalbe, sondern 

Hydrargyri praecip. alb. 0,5—1,5 
Zinci oxydat. 2,5—1,5 
Unguent, cerae alb. 

■ Unguent, lenient, aa 13,5 

oder billiger: 

Hg praecip. alb. 0,5—1,5: Ungt. lenient. 30,0, 
oder noch billiger: 

Hg praecip. alb. 0,5—1,5: Adip. Suill. 30,0. 

Sehr empfehlenswert ist es, die krustige und nassende 
Flache mit Sol. argenti nitrici 0,25—1,0:100,0 abzu- 
wischen (f&rbt!). 

Cave: Wasser, Seife, jade medikamentose Salbe. 

3. Stadium. Abnahme der Schwellung, geringeres 
Nassen, stellenweise schon Schuppung: Zinkpasta in der Form 

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434 


Dermatitis. 


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Zinci oxydat. 

Talci 

Adip. benzoat. aa 12,5 
Vaseline 12,5—25,0; 

wird diese vertragen, so ist oft ein Zusatz yon Ichthyol 
bis 2,5: 50,0 oder das fertige Mattan erlaubt. 

Das Ichthyol kann in diesem Stadium auch der 
SchQttelmixtur zugesetzt werden. 

Allgemeine Regeln: 1. Am empfindlichsten ist die 
Haut des Gesichts. Auf diese beziehen sich alle oben 
angegebenen Vorschriften. 

Der Gesichtshaut folgt an Empfindlichkeit die der 
Hande, doch ist fttr diese neben der Zinkwismutsalbe (die 
hier fast immer 3 Naftalan auf 30 Salbe enthalten darf) 
oft die alte Hebrasche Salbe in der Modifikation Neissers 

Emplastr. lithargyri 
Vaselin. flay, aa 20,0 
Adip. Ian. c. aq. 10,0 

von Nutzen und, falls vertragen, schneller wirksam. 

2. Die Haut der Extremit&ten und des Rumpfes ist 
weniger empfindlich. An dieser kann man aber weit 
l&nger (weil hier weniger lSstig als Salben und auch an 
diesen bekleideten Stellen unsichtbar) die SchQttelmixtur, 
nach Nachlass der akutesten Erscheinungen mit Zusatz 
von Liq. carbonis detergens 2,5 zu SchQttelmixtur 50,0 
verwenden, meistens bis vQllige Heilung eingetreten ist. 
Die meisten nicht allzu akuten Dermatitiden bessern sich 
auch rasch durch Einpinslung mit gewdhnlichem rohen 
Steinkohlenteer, zweimal wftchentlich. Die Teerkruste 
bleibt drei Tage unangerQhrt darauf. Man kann der Salben 
ganz entraten. Lasst das NSssen nach, so beginnt alsbald 
wieder die Abwaschung mit 50°/oigem Spiritus vini oder 

Thymol 0,25 

Menthol 1,0 

Spiritus ad 100,0, 1—2mal taglich. 

Waschen mit Wasser und Seife ist immer verboten; 
bei ausgedehnten Dermatitiden des Kdrpers mit heftigem 
Jucken (sehr oft bei Diabetes) sind Vollb&der, X U Stunde, 
37° C, mit Zusatz von Kleieabkochung (Kleiolin), sptlter 
Flasche Thiopinol, oft von einschneidender Wirkung. 

3. Die Haut des behaarten Kopfes nasst bei akuter D. 
meist ausserordentlich stark. Sie vertrSgt von Anbeginn 
die Teermischungen 


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Dermatitis — Gonorrhoe. 


435 


01. Rusci 0,5 

01. olivar. ad 100,0 

u-nd andere fQr die tibrige Haut viel zu scharfe Salben, 
vornehmlich 

% 

Acid, carbol. liquefact. 0,3 
Balsam, peruviatl. 

Hydrarg. praecip. alb. aa 0,3—1,5 
Yaselin. flav. ad 30,0. 

4. Salben werden an alien Korperstellen entweder 
nur mit Watte oder mit benzindurchtrankter Watte entfernt. 

5. Neben der medikamentbsen Therapie wirkt aus- 

trocknend und namentlich juckstillend die Bestrahlung mit 
der Quarzlampe. (Medizin. Klinik 1911 Nr. 51.) 

Gonopphoe. KHnische Beitrage znr Kollargolbehandlung 
des Tripperrhenmatismus und anderer akuter Folge- 
zust&nde der O. Von Mar.-St.-A. Dr. Gennerich. Die 
Heilwirkung taglicher intravenbser Kollargolinjektionen 
stellte sich bei frischen Tripperrheumatismen und Neben- 
hodenentzundungen als so gOnstig heraus, wie sie noch 
bei keiner anderen Behandlungsmethode beobachtet wurde. 
Die Technik der intravenosen Kollargolbehandlung ist 
denkbar einfach. TSglich wird eine l°/oige Kollargol- 
lbsung (Verf. benutzte stets das billigere Argent, colloidale) 
mit frisch destilliertem Wasser neu angesetzt und */« Stunde 
im Wasserbade von 100° sterilisiert. Der Oberarm wird 
mittels Handtuch abgeschntirt, so dass der Radialpuls eben 
noch zu fQhlen ist. Nach mehrfacher krSftiger Faust- 
bildung treten die Hautvenen strotzend hervor. Beim 
Entrieren der Yene mit der halbaufgefttllten 20-ccm-Re- 
kordspritze hebt sich sofort der Stempel, worauf augen- 
blicklich die Umschnttrung des Armes fallen gelassen wird. 
Zur Injektion von 10 ccm sind 2—3 Minuten Zeit zu 
verwenden. Bei Gebrauch konzentrierterer Kollargol- 
losungen muss die Injektion noch langsamer erfolgen. 
Verf. hat anfangs auch st&rkere Konzentrationen versucht, 
glaubt jedoch, dass sich die l°/oige Lbsung fur die Dauer- 
behandlung besser eignet. Als grbsste Einzeldosis wurden 
bisher 15 ccm der l°/oigen Lbsung gegeben. Die hbhere 
Dosierung hat zwar den Vorteil grbsserer Wirksamkeit, 
strengt aber auch den Organismus mehr an, teils durch 
die eigene Giftigkeit des PrSparates, teils durch die Toxin- 

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436 


Gonorrhoe. 


anhSufung reichlicher zerfallender Krankheitserreger. Eine 
Beseitigung des Krankheitsvorganges durch eine einzige 
grbssere Injektion konnte Verf. bisher noch nicht be- 
obachten. Wir miissen daher zurzeit eine gewisse Dauer- 
behandlung mit Dosen, die sich fOr den Organismus als 
unschadlich erwiesen haben, fur das zweckmS-ssigste halten. 
Die Behandlungserfolge sind ja auch so gute, dass ein 
BedQrfnis zu einer weiteren Verbesserung der Behandlungs- 
raethode kaum vorliegt. Die Jnjektionen von 8—10 ccm 
der l%igen Losung miissen so lange taglich fortgesetzt 
werden, bis nicht nur mehrere Tage kein Fieber mehr 
vorhanden ist, sondern auch nach dem Lokalbefunde (Ver- 
schwinden der EntzCindungserscheinungen und Schmerzen) 
eine Abtbtung der lokalisierten Krankheitserreger anzu- 
nehmen ist. Bei kleineren und schwachlichen Individuen 
kann natiirlich auch eine Dosis von 6—7 ccm ausreichen. 
Ein Aussetzen der Behandlung ist erforderlich, wenn der 
Pat. nach Ofteren Injektionen mit Uebelbefinden reagiert. 
Die Kollargolbehandlung des Tripperrheumatismus wie der 
anderen Tripperkomplikationen hat ihre bestimmte Indi- 
kation; sie ist anzuwenden, solange die vorhandenen Ent- 
zundungserscheinungen das Forth estehen virulenter Krank¬ 
heitserreger am Krankheitsherd anzeigen. Bei ganz frischen 
Gelenkschwellungen geniigt die Kollargolbehandlung allein, 
um eine vollige Wiederherstellung in kurzer Zeit zu 
erzielen. Die Erfolge der Abortiv-Kollargolbehandlung 
werden jeden, der das Verfahren nachprQft, fiberraschen. 
Da beim Tripperrheumatismus alles darauf ankommt, 
moglichst frQhzeitig die GelenkentzOndung zu heilen, um 
der Destruktion von Gelenkteilen vorzubeugen, so miissen 
alle Hilfsmittel herangezogen werden, die eine Kollargol- 
wirkung noch unterstiitzen konnen. Dies gilt besonders 
filr die Biersche Stauung. Eine griindliche Kollargolkur 
ist aber auch in den alteren Fallen von Tripperrheumatismus 
zur Einleitung der Behandlung von grbsstem Nutzen. 
Sie beseitigt zwar nur die entzilndlichen Erscheinungen, 
ebnet aber gerade dadurch sehr friihzeitig den Weg zu 
energischer Weiterbehandlung. Die RQckbildung der mehr 
oder weniger fortgeschrittenen Gelenkveranderung kann 
natiirlich nur durch medikomechanische Behandlung und 
resorptionsbefbrdernde Massnahmen erfolgen. 

(Mttnch. med. Woobensohr. 1912 Nr. 15.) 


— Blenotin, ein nenes reizloses Antigonorrhoicnm. Von Stabs- 
arzt Dr. F. Berger (Kbln). Das Praparat kommt in 


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Gonorrhoe. 


437 


Kapselform*) in den Handel unter der Bezeiehnung „Ble- 
notin“. 

Die einzelne Kapsel enthalt: 

0,16 g 01. Santali, 

0,02 „ Myrrha, 

0,02 „ Camphora, 

0,12 „ Hexamethylentetramin, 

0,11 „ Bors&ure, 

0,02 „ Champignonextrakt. 

Was die Wirkung des neuen Mitt els auf den Krank- 
heitsprozess anlangt, so ist bei der akuten G. der vorderen 
Harnrohre der entztindungswidrige Einfluss ein eklatanter. 
Die Sekretion wurde in einzelnen Fallen schon am zweiten 
bis dritten Tage, meist aber nach Ablauf der ersten 
Wocbe geringer; sie versiegte haufig in 10—14 Tagen 
ganz; dass sie in einem Falle schon nach fflnf Tagen 
ganzlieh aufhorte, ist eine erfreuliche Ausnahmeerscheinung, 
mit der freilich im allgemeinen nicht gerechnet werden 
darf. Etwa zu dem gleichen Zeitpunkte (10—14 Tage) 
waren auch, mangels Sekretion und Faden, Gonokokken 
nicht mehr nachweisbar. Eine vollige Klfirung der ersten 
Urinportion wurde in gtinstigen Fallen schon vom zehnten 
bis z^blften Tag an beobachtet. Mit Absicht ist vom 
Verf. bei den Versuchen mit Blenotin jede lokale Therapie 
unterlassen worden, um seine alleinige Wirkung fest- 
zustellen. Es liegt auf der Hand, dass Blenotin, wenn 
es erst neben lokaler Behandlung gegeben wird, ftir diese 
ein ausserordentliches Adjuvans und zugleich wegen seiner 
prompten Wirkung ein Prophylaktikum gegen das Ueber- 
greifen des Prozesses auf die Pars posterior sein wird. 
Der beste Prtifstein fOr das Heilvermogen eines internen 
Mittels sind bekanntlich die Falle mit Beschwerden und 
objektiven Krankheitserscheinungen an der Blase infolge 
G. Selir deutlich nun war bei den mit Blenotin be- 
handelten Kranken zu sehen, wie der sehr lastige und 
qualende Hamdrang, der von Brennen und Tenesmen 
begleitet war, schon in meist 4—5 Tagen nachliess. Die 
schnelle Besserung subjektiver Erscheinungen ging immer 
gleichen Schritt mit der Abnahme des eitrigen Boden- 
satzes und der Klarung des zweiten Urins, welche durch- 
schnittlich am vierten Tage nach Beginn der internen 
Kur einsetzten. Es muss als ein besonders glanzender 

*) Bergestellt von JKrewel & Co., G. m. b. H., KOln-Raderberg. 


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438 


Gonorrhoe. 


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Erfolg bezeichnet werden, wenn in einem Falle nach zwei- 
t&giger Einnahme von zweimal vier Kapseln der Urin- 
drang von ca. 40mal innerhalb 24 Stunden auf nur neun- 
mal herabsank. Eine vollige Klarung des frOher stark 
eitrigen Urins war durchschnittlich schon in zwblf Tagen 
erreicht. Wenn wir endlich ftir die Behandlung der 
kindlicheif G. ein neues Praparat von der heilsamen 
Wirkung, wie sie das Blenotin in einem Falle zeitigte, 
erwerben, so konnen wir das nur als eine wertvolle Be- 
reicherung unseres Arzneischatzes bezeichnen, zumal wenn 
das Mittel ohne jedwede Belastigung vom kindlichen Or- 
ganismus vertragen wird. Auf Grund der guten Er- 
fahrungen, die er mit dem Blenotin gemacht hat, kann 
Yerf. dasselbe zur Nachprufung und Behandlung bei 
akuter G. und den aus derselben hervorgehenden Blasen- 
schleimhauterkrankungen warmstens empfehlen. 

(Mediein. Klinik 1912 Nr. 17.) 

Die Behandlung der insbesondere mit einer wasser- 
haltigen Gleitmasse als Vehikei fftr Antigonorrhoica. 

Von Dr. Carl Schindler (Berlin). Als eine in- 
differente Gleitmasse kann Verf., nachdem er 3 U Jahr mit 
ihr gearbeitet hat, einen sterilisierten V8%igen Wasser- 
agar empfehlen. Dieser Wasseragar, von E. Merck in 
Darmstadt sterilisiert, bleibt steril. Er hat, nur 1 / 9 °/oig, 
die Konsistenz eines Gelees, das, erkaltet, sich gut mit 
der Tripperspritze aufsaugen lasst. Auf diesen Wasser¬ 
agar wird das Protargol, wie auf Wasser, oben auf- 
geschtittet. Nachdem das Protargol sich von selbst in 
den oberen Schichten dieses Agars gelbst hat, ruhrt man 
die Masse mit einem Glasst&bchen etwas um, damit das 
Protargol in dem Gelee gleichmassig verteilt wird. Auch 
in die Urethra posterior kann dieses Agargelee mit der 
Tripperspritze leicht eingespritzt werden. Der Arzt ver- 
schreibt auf ein Rezept: 

Rp.: Agar sterilisat. (Merck) 2,5 °/o 40,0 
Massae leni calore liquefactae adde 
Aq. dest. 160,0 

Post refrigerationem consperge recenter 
Protargol 1,0 

(oder Albargin, Ichthargan etc.) 

DS. Aeusserlich. Protargolgleitmasse. 

Der Apotheker muss diesen Agar Merck vorr&tig 
halten und braucht denselben nur zu verdttnnen. Dieses 


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Gonorrhoe — Helminthiasis. 


439 


Agargelee eignet sich tlberhaupt als Konstituens fQr Des- 
infizientien,. und. man wird unter Zusatz von Dextrin oder 
Gummi (wasserloslich) mit diesem Agar auch Protargol-, 
Argentumstabchen herstellen konnen. Die intensivere 
Wirkung einer Protargolgleitmasse beruht vielleicht darauf, 
dass 1. die Hamrbhre mebr ausgedehnt wird, 2. ein Teil 
der Gleitmasse auch nach dem Herauslassen derselben auf 
der Harnrohrenschleimhaut zurtkckbleibt und diese mit 
einem feinen Ueberzug bedeckt. Infolgedessen tritt durch 
die langandauernde Wirkung des Protargols eine nach- 
haltige Verschlechterung des N&hrbodens ein. Besonders 
empfehlenswert ist, neben der Vakzinebehandlung, die 
Injektion dieses Protargol-Agargelees bei der vaginalen 
Kindergonorrhoe. Man injiziert mit der Tripperspritze 
mbglichst viel, so dass die Vagina gut entfaltet wird. Am 
besten ist es, den Introitus ftlr mehrere Stunden durch 
einen festen Verband zu schliessen, tiber einem Watte- 
bausch, welcher auf der dem Introitus zugekehrten Flache 
von Guttaperchapapier bedeckt ist. 

(Mftnoh. med. Wooheniehrift 1912 Nr. 18.) 

Helminthiasis. Drenkhahn (Detmold), Die Verordntwg 
▼on Extract. Filicis Maris. Verf. schreibt: „Bei der 
Durchsicht des Deutschen Arzneibuches von 1910, 5. Auf- 
lage, gewahrte ich mit einem gewissen Schrecken, dass 
die Einzeldosis und die Tagesdosis von Extractum Filicis 
Maris auf 10,0 g festgesetzt ist, denn ich habe bisher Er- 
wachsenen stets 15,0—20,0 und Eindern 8,0—12,0 ver- 
ordnet, also zu ungebhhrlich hohen, anscheinend gef&hr- 
lichen Dosen gegriffen. Trotzdem habe ich bei zahlreichen 
Bandwurmkuren niemals Vergiftungserscheinungen, ja nicht 
einmal das leichteste Uebelbefinden oder Unwohlsein beob- 
achtet. Das mag ein Zufall sein. Vielleicht ist es aber 
auch dem Umstande zuzuschreiben, dass ich den giftigen 
Bestandteil des Pr&parates, die Filixs&ure, nach dem Prinzip: 
,corpora non agunt, nisi soluta‘ vom Organismus fern- 
zuhalten, das heisst, seine Resorption im Magendarmkanal 
zu verhindern versucht habe. Die Filixs&ure ist in Wasser 
wenig, in Alkalien und Fetten leicht lbslich. Man muss 
daher den Magendarmkanal von Alkalien und Fetten nach 
Mbglichkeit frei halten, wahrend die Filixs&ure ihn passiert. 
Es ist ein altes Prinzip, die Kur zu einer Zeit vorzu- 
nehmen, in der grossere Ketten von Proglottiden abgehen, 
und den Bandwurm wahrend derselben auf jede Weise zu 
schwhchen und zu peinigen. Ihn hungern zu lassen, ist 


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440 


Helminthiasis. 


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aber unzweckmassig, ja gefahrlich, wie namentlich Grawitz 
hervorgehoben hat, da der menschliche Organismus, durch 
die Nahrungsentziehung in derselben Weise geschwacht 
wie der Bandwurm, far die Giftwirkung der Filixsaure um 
so empfenglicher wird. Der saure Hering mit Zwiebeln, 
der dem Bandwurm eine unangenehme Speise ist, bekommt 
nicht jedem Menschen gut und enthalt ausserdem Fett. 
Ich habe ihn daher vermieden und die Kur folgender- 
massen durchgefiihrt. Bei Stuhltragheit ein leichtes Ab- 
fahrmittel, eine Tasse Faulbaumrindentee oder Rhabarber- 
pulver (kein Rizinusbl [Fett!] oder Pulvis aerophorus 
laxans [Alkali!]). Yerbot jeglicher Fettzufuhr bei sonst 
ausreichender und schmackhafter Nahrung far den Tag, 
an dem die Yerordnung geschieht, und fiir den folgenden; 
am Abend dieses Tages eine grbssere Portion frischer oder 
eingemachter Himbeeren. Am n&chsten Morgen eine Tasse 
sussen scbwarzen Kaffee ohne Brot, eine Stunde darauf 
Extractum Filicis Maris in Kapseln a 3,0, alle 10 Minuten 
eine Kapsel mit gezuckertem verdiinnten Zitronensaft oder 
Zitronensaurelbsung hinunterzuschlucken, oder in Er- 
mangelung von Gelatinekapseln (Pharmacopoea pauperum) 
viertelstttndlich 5,0 Extractum Filicis Maris und danach 
einige Schluck Zitronenwasser. In einer Stunde sind dann 
18,0—20,0 g Extractum Filicis Maris genommen, und der 
Bandwurm befindet sich in einem s&uerlichen Gemisch 
derselben, denn der Kaffee regt bei den meisten Menschen 
die Magenschleimhaut zur Salzsauresekretion an, und 
Zitronensaure ist in reichlicher Menge zugefahrt. In der 
Regel verspOrt der Pat. bald nach der letzten Dosis Stuhl- 
drang. Bleibt dieser im Lauf der nachsten Stunde aus, 
erhalt er 0,6 g Kalomel, und nun lassen die Darment- 
leerungen regelmassig nicht mehr lange auf sich warten. 
Der Pat. wird angewiesen, einen Eimer mit lauwarmem 
Wasser zu benutzen; das Ziehen am Bandwurm wird 
strengstens untersagt; der Pat. hat auf dem Eimer sitzen 
zu bleiben und zu pressen, bis der Stuhldrang aufhbrt. 
Mit grosser Sicherheit findet man dann den Bandwurm 
mit Kopf in den Entleerungen. Ich erinpere mich keines 
Fehlschlagens bei Fallen, ifl denen ich den Kopf selber 
suchte. Einen UngeObten damit zu beauftragen, empfiehlt 
sich nicht; hat man selbst keine Zeit dazu, tut man besser, 
dem Pat. die Kur als unfehlbar hinzustellen und den 
Bandwurm gleich vernichten zu lassen; denn wenn der 
Kopf gesucht und nicht gefunden wird, behalt der Pat. 
leicht seine Hypochondrie und empfindet weiter alle mog- 




Helminthiasis. 


441 


lichen Unbequemlichkeiten im Unterleibe, auch wenn der 
Bandwurm g&nzlich abgetrieben ist. Der theoretische Ein- 
wurf, den man machen kfinnte, ungelfiste FilixsSure mfisste 
auch ihre Wirkung auf den Bandwurm verfehlen, ist nach 
meinen praktischen Erfahrungen hinfallig, denn ich hatte 
Offer Erfolg in Fallen, bei denen schon mehrere andere 
Kuren vergeblich angewandt waren. Man kOnnte nun 
glauben, meine Ausffihrungen seien nicht zeitgemass, weil 
mit der Festsetzung der Maximaldosis von 10,0 g die 
Gefahr der Yergiftung mit Extractum Filicis Maris be- 
seitigt sei. Es sind aber selbst bei Dosen von 4,0 g schon 
schwere Yergiftungserscheinungen bei Erwachsenen beob- 
achtet, so dass nicht die Dosis, sondern die Nebenumstande 
bei der Kur die Gefahr bedingen. Die verschiedene Wirk- ' 
samkeit der Droge wird in den Abhandlungen uber Filix 
Mas am meisten betont, dann wird Idiosynkrasie vermutet. 
Mir ist aufgefallen, dass bei alien schwer verlaufenen 
Fallen, die ich verfiffentlicht fand, Rizinusol verabreicht 
war. Ich glaube daher, dass man gut tut, auch bei kleinen 
Dosen alle von mir gefibten Vorsichtsmassregeln innezu- 
halten und auch nach der Kur noch fiir einen Tag Alkalien 
und Fette zu verbieten.“ 

(Mtinch. med. Woohenschrift 1911 Nr. 38.) 

— Zur Behandlnng der Oxyuriasis schreibt Dr. H. Stettiner 
(Berlin): „Ein mir verwandtschaftlich nahestehender Pat. 
litt seit frfiher Kindheit an Oxyuren. Alle moglichen 
Kuren wurden angestellt, Autoritaten befragt, immer ver¬ 
geblich. Schon wahrend meiner Studienzeit studierte ich 
eifrig die Literatur und riet dem Pat., alle vorgeschlagenen 
Mittel, sei es per os, sei es per anum, zu probieren. Die 
Kuren wurden in regelmassigen Intervallen wiederholt, 
aber stets nur mit vorfibergehendem Erfolge. Wie qualend 
der Pruritus ani werden kann, wie er die Nachtruhe stOren 
und so das Nervensystem erschfittern kann, das brauche 
ich nicht naher auszuffihren. Im ffinften Lebensdezennium 
des Pat. entwickelte sich ein Diabetes mellitus. Derselbe 
wurde daher fOr einige Zeit auf kohlehydratfreie, spater 
auf kohlehydratarme Kost gesetzt. Und siehe da! was 
mit alien Kuren nicht erreicht war, wurde ohne Kur allein 
durch die Diat erzielt. Pat. war von den Oxyuren befreit 
und ist seitdem frei geblieben. Nachdem ich in frfiheren 
Zeiten offers Gelegenheit gehabt hatte, Kinder und Er- 
wachsene mit Oxyuriasis zu behandeln, und mich des 
Ofteren fiber die Hartnackigkeit des Leidens. geargert, 


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442 


Helminthiasis — Oateomalazie. 


beschloss ich", die in dem oben erzahlten Falle gemachte 
Erfahrung bei weiteren Fallen zu benutzen. Ich batte 
seitdem Gelegenheit, fiinf Pat., zwei Dienstmadchen und 
drei Kinder, mit Oxyuris vermicularis zu behandeln. Ich 
bin in gewbhnlicher Weise — Santonin, AbfQhrmittel, 
Klistiere — vorgegangen und habe ausserdem den Pat. 

, eine kohlehydratarme Kost verordnet. In yier von den 

fiinf Fallen bin ich sehr schnell, d. h. nach zwei- bis drei- 
maliger Wiederholung der Kur, zur endgiiltigen Yertreibung 
des Schmarotzers gelangt. Bei dem einen Kinde bin ich 
bisher noch nicht zum Ziele gelangt, doch habe ich das 
kleine Madel in dem Verdachte, dass es eine Naschkatze 
ist und die diatetischen Verordnungen nicht innehalt. 
Bei zwei der Pat., dem einen Dienstmadchen und dem 
einen Kinde, waren bereits vorher wiederholte Kuren von 
anderer Seite angestellt, welche jedoch nur einen vor&ber- 
gehenden Erfolg gehabt hatten. Die Wirkung mdchte ich 
auf folgende Weise erklaren, dass die in den menschlichen 
K&rper gelangten Eier zu ihrer Entwicklung oder die ent- 
wickelten Tierchen zur Erhaltung des Lebens eines kohle- 
hydratreichen Nahrbodens bedarfen. Ob diese Vermutung 
eine richtige ist, nachzuprafen, mochte ich anderen iiber- 
lassen. Jedenfalls ware es mit Freuden zu begrassen, 
wenn die mitgeteilten Erfahrungen von anderer Seite Be- 
Statigung fanden.“ (Berliner klin. Wochenechrift 1912 Nr. 19.) 

Osteomalagie. O. und Dementia praecox. Daraber schreibt 
Oberarzt Dr. Klewe-Nebenius, Grossh. Bad. Heil- 
und Pflege-Anstalt bei Emmendingen: „Der Aufsatz von 
Curschmann in Nr. 41 dieser Zeitschrift und seine 
sich daran anschliessende Diskussion mit B e r b o gibt 
mir Anlass zu einer kurzen Mitteilung des in unserer 
Anstalt in dieser Sache Beobachteten. Wir hatten allein 
in den letzten drei Jahren 15 Falle von O. Die klinischen 
Erscheinungen entsprachen durchaus der schbnen von 
Curschmann gegebenen Darstellung, wenngleich natGr- 
lich die Symptome in den einzelnen Fallen in verschiedener 
Mischung und Intensitat auftraten. Achtmal konnte die 
Diagnose durch die Sektion bestatigt werden. Es handelte 
sich durchweg um Frauen im mittleren und hOheren Lebens- 
alter — etwa vom dreissigsten Jahr ab, und zwar aus- 
schliesslich um Krajike in vorgeschrittenen Stadien der 
Dementia praecox, die bei Beginn der Knochenerweichung 
schon mehrere, zum Teil viele Jahre in Anstaltspflege 
q£anden, so dass ein Zusammenhang mit Generationsvor- 


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Osteomalazie — Parotitis. 


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g&ngen sicher ausgeschlossen werden kann. Unsere Frauen- 
abteilung ist mit 600 bis 700 KOpfen belegt bei etwa 
150 j&hrlichen Zugangen, also ein Material, das durch 
das von Curschmann in zehn Jahren beobachtete an 
Zahl zweifellos weit iibertroffen wird. Ich glaube daher 
doch der Annahme recht geben zu mfissen, dass der 
Prozentsatz der nicht puerperalen O. unter den Geistes- 
kranken, speziell unter den FrtthverblOdeten, ungleich 
grbsser ist als unter der geistesgesunden BevOlkerung und 
dass es kein Zufall ist, wenn gerade in Irrenanstalten die 
Aufmerksamkeit sich besonders auf die nicht puerperale 
O. gelenkt hat. Worauf die H&ufigkeit des Zusammen- 
vorkommens von Dementia praecox und O. tarda beruht, 
das bedarf wohl noch der weiteren Aufkl&rung. Immer- 
hin liegt es nabe, an eine gemeinsame Krankheitswurzel 
zu denken, wenn man berhcksichtigt, dass die O. in ihrer 
puerperalen Form so nahe Beziehungen zur T&tigkeit der 
Keimdrilsen besitzt und dass die Hypothese, welche der 
inneren Sekretion ursfichliche Bedeutung in der Patho- 
genese der Dementia praecox zuspricht, eine gewisse 
Wahrscheinlichkeit fur sich hat. Dass auch Manner der 
Erkrankung an O. unterliegen, best&tigt tlbrigens der letzte 
Jahresbericht der Elsftssischen Pflegeanstalt HOrdt, in dem 
zwei Todesf&lle infolge von O., darunter der eines mfinn- 
lichen Geisteskranken, angefiihrt werden. “ 

(Medisin. Klinik 1911 Nr. 52.) 

PaPOtitis. R. Neurath, Abdominelle, auf Pankreatitis 
hinweiaende Symptome bei Mumps. GestOtzt auf seine 
eigenen Beobachtungen und auf die bisher vorliegenden 
Falle anderer Autoren, kommt N. zu folgenden Schlflssen: 
Im Verlaufe der epidemischen P. kommt es mitunter, und 
zwar meistens zwischen dem zweiten und achten Krank- 
heitstage, zu einem Symptomenbilde abdomineller Er- 
scheinungen, das klinisch als sekund&re akute Pankreatitis 
imponiert, jedoch mangels autoptischer Befunde und ohne 
positive Resultate der Funktionsprftfung des Pankreas 
nicht mit Sicherheit zu verifizieren ist. Mit oder ohne 
Fiebertemperatur setzen plOtzlich, meist unter Uebelkeit 
und Erbrechen, heftige Bauchschmerzen ein, die oberhalb 
des Nabels zwischen Epigastrium und linkem Hypochon- 
drium lokalisiert werden. Dieser Gegend entspricht auch 
eine ausgesprochene Druckempfindlichkeit, manchmal eine 
perkutorische oder auch palpatorisch nachweisbare, diffuse 
Resistenz. Das vlbrige Abdomen ist schmerzfrei, eine 


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444 


Parotitis — Pruritus. 


Defense musculaire besteht nicht. In einer Zahl von 
Fallen findet sich eine ausgesprochene Bradykardie. Der 
Urin ist immer frei von Zucker, die Stuhluntersuchung 
auf tryptisches Ferment wurde bisher in einem Falle mit 
negativem Erfolg vorgenommen. Mancbmal kommt es zur 
Entleerung von Blut, manchmal zum Abgang von fettigen 
und olartigen Massen mit dem Stuhl, dem Ausdruck ge- 
stbrter Fankreasfunktion. Die Dauer dieser Komplikation, 
die immer eine gute Prognose gibt, betragt gewbhnlich 
wenige Tage. Auch Falle von primarer oder isolierter 
Pankreatitis als Ausdruck der Mumpsinfektion kommen — 
nach- der Literatur zu schliessen — vor, sind jedoch nur 
bei bestehender Epidemie und nacbgewiesener Infektions- 
gelegenheit deutbar. Die mancherseits ausgesprochene 
Annahme einer atiologischen Bedeutung der Mumps- 
pankreatitis ffir einen spater folgenden Diabetes mellitus 
ist bisher nicht gestutzt. 

(Wiener med. Wocbenschrift 1911 Nr. 19.) 

Pruritus, Zur Behandlung des F. ani mit Bdntgenstrahlen. 

Von Dr. Werner Rave. (Aus der Rontgen-Abteilung des 
St. Hedwig-Krankenhauses in Berlin.) Yerf. schreibt: 
„Wenn auch der P. ani kein lebenbedrohendes Leiden 
ist, so gehort er doch immerhin zu den Erkrankungen, 
welche dem Pat. recht lastig und qualend werden. Jene 
Falle des Leidens, welche atiologisch durch Diabetes, 
Ikterus, Wtirmer, Hamorrhoiden, Proctitis usw. veranlasst 
sind, mochte ich heute nicht in den Kreis der Betrachtung 
ziehen, sondern nur jene Falle, fiir die man eine Ursache 
nicht auffinden kann. Symptomatisch haben die Pat. ein 
heftiges Jucken am After und in dessen nachster Umgebung, 
das sie zum Kratzen zwingt und recht peinliche Situationen 
dadurch hervorrufen kann. Namentlich des Nachts in der 
Bettwarme steigert sich das Jucken oft bis zur Unertrag- 
lichkeit. Kein Wunder, dass viele der Kranken durch 
dieses Leiden ,nerv6s‘ werden. Durch das Kratzen ent- 
stehen dann oberflachliche Hauterosionen, Fissuren des 
Anus und Ekzem. Durch die ortlichen Verhaltnisse, durch 
Schweiss und Stuhlgang begiinstigt, wird das Ekzem oft 
recht ausgedehnt und gibt selbst wieder Grund zum Kratzen. 
Die Behandlung dieses Leidens war bisher recht unfrucht- 
bar. Die meisten Falle konnten trotz aller Behandlung 
nicht zur Heilung gebracht werden, oder wenn ein Erfolg 
erzielt war, trat bald Rezidiv auf. Es ist daher kein 
Wunder, dass bald nach dem Bekanntwerden der thera- 


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Pruritus. 


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peutischen Wirkung der Rontgenstrahlen diese auch beim 
P. ani in Anwendung gebracht wurden. Ich habe nun 
im St. Hedwig-Krankenhause seit 1908 zehn Falle von 
P. ani mit Rontgenstrahlen behandelt. Bei der jetzt vor- 
genommenen Revision der Falle ergab sich das erfreuliche 
Resultat, dass acht Falle vbllig geheilt waren, einer nach 
l 1 /* Jahren ein leichtes Rezidiv bekommen hat, aber in 
so geringem Grade, dass er selbst eine nochmalige Be- 
handlung vorderhand nicht far nbtig eracbtet, und einer 
ungeheilt blieb. Dieser Pat. hatte sich nach drei Bestrah- 
lungen der weiteren Behandlung entzogen. Far alle diese 
Falle war ein atiologisches Moment nicht zu finden. Sie 
waren teils von anderen Aerzten, teils von mir schon 
langere Zeit mit Salben, Aetzungen usw. ohne Erfolg be¬ 
handelt worden; bei einem Pat. war auch schon eine 
Exzision der juckenden Partie vorgenommen worden, auch 
dieses ohne Erfolg. Bei der Behandlung nimmt der Pat. 
entweder Knieellbogenlage ein oder beugt den Rumpf stark 
vorwarts und zieht mit den Handen die Nates weit aus- 
einander. Die R5ntgenr6hre wird nun dem After moglichst 
nahe gebracht, am besten unter Verwendung der Bleiglas- 
ansatze. Die Stellung ist far den Pat. ja nicht gerade 
bequem, doch lasst sie sich far die paar Minuten der Be- 
strahlung ganz gut aushalten. Die ROntgenrbhre soli weich 
bis mittelweich sein; welches Fabrikat benutzt wird, ist 
der Erfahrung des Arztes anheimgestellt, ich personlich 
benutze fast nur die ,Bauer-R6hre‘. Durchschnittlich habe ich 
1—lVa Dosen nach der Kromayerschen Milliampere-Zenti- 
meter-Methode gegeben, welche ungefahr v /s— 1 Dosis nach 
Sabouraud-Noire entspricht. Diese Dosis habe ich in 
3—4 Teildosen zerlegt und einen um den anderen Tag 
eine Bestrahlung vorgenommen. Dann trat eine drei- 
bis vierwbchige Pause ein, und nach dieser Zeit habe 
ich den Turnus in gleicher Weise wiederholt. Auf diese 
Weise ist jede Schadigung des Pat. vermieden worden; 
es tritt hbchstens ein leichtes Erythem ein, das bald spon- 
tan oder unter Anwendung von Zinkol verschwindet. 
Schon nach den ersten Bestrahlungen gaben die Pat. fast 
regelmassig an, dass ein Nachlassen des Juckreizes ein- 
getreten sei. Wichtig ist, dass man bei hartnackigen Fallen 
nicht nach wenigen Bestrahlungen schon aufhort, eondern 
ruhig die Behandlung fortsetzt. So habe ich bei einem 
Pat. — bei einem Arzte, einem meiner ersten Pat. — die 
Behandlung etwa zehn Monate mit gutem Enderfolge 
durchgefQhrt. Selbstverstandlich ist es unbedingt notwendig, 


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Pruritus — Sepsis. 


fur einen absoluten Schutz des Pat. zu sorgen. Dieses 
geschieht durch Lagerung der Rontgenrohre in einen mit 
Blei ausgeschlagenen Schutzkasten, durch Anwendung des 
Bleiglastubus und durch Abdeckung der Umgebung des 
Afters, speziell der Hoden, mit Blei. Eine Schadigung 
der Potenz, speziell der Potentia generandi, ist bei keinem 
der behandelten Pat. aufgetreten, soweit dariiber Auf- 
klSrung erlangt werden konnte. Eine anderweitige Be- 
handlung neben derjenigen mit R&ntgenstrahlen ist nicht 
zur Anwendung gekommen, nur habe ich in der ersten 
Zeit und wenn ein Erythem der Haut aufgetreten war 
Zinkbl und auch zuweilen Kleien- oder Kamillensitzbader 
anwenden lassen, welche aber bald in Fortfall kommen 
konnten. Etwaige Fissuren des Anus und Ekzem kamen 
auf diese Weise schnell zur Abheilung. Zur Prophylaxe 
mtissen die Pat. fur weichen Stublgang sorgen, nach jedem 
Stuhl After und Umgebung mit Wasser reinigen und wenn 
mbglich vor dem Stuhl den After mit Vaseline einfetten. 
Nach unseren bisherigen Erfahrungen stehen wir nicht 
an, die Behandlung des P. ani mit Rontgenstrahlen als eine 
anscheinend sicher wirkende Methode zu bezeichnen. Da 
sich diese indes bisher auf eine geringe Zahl von Fallen 
erstreckt, so wollen wir uns vorsichtig ausdrQcken und 
hoffen, dass weitere Erfahrungen unsere Hoffnungen nicht 

enttauschen.“ (Deutsche med. Wochensohrift 1919 Nr. 16.( 

Sepsis. Das Silberatozyl, ein wirksames Mittel snr Be- 
k&mpfung der S. Von Dr. H. Eisenberg (Berlin). In 
einem sehr schweren Falle, der im fiinften Schwanger- 
schaftsmonate ohne deutlich nachweisbare Ursache entstanden 
war, wandte Autor sechs Wochen nach Beginn der Erkran- 
kung, nachdem die erprobten Mittel versagt hatten, dasSilber- 
atoxyl an, und zwar mit eklatantem Erfolg. Silberatoxyl 
(Vereinigte Chem. Werke, Charlottenburg) enthalt 33% 
Silber und 23% Arsen und wird wie folgt appliziert: 

Rp. Silberatoxyl 1,0 
01. Olivar. 10,0 
M. f. emulsio. 

S. 3—4 ccm intramuskular in Zwischenraumen 
von 24—48 Stunden zu injizieren. 

(Berliner klin. Wochensohrift 1911 Nr. 86.) 

— TJeber die Behandlnng des Wocbenbettfiebers mit einem 
Silberarsenpr&parat (Argatozyl). Von Dr. J. Hirsch 
(Israel. Krankenheim in Berlin). Das angewandte Silber- 


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Sepsis — Tuberkuloae. 


447 


arsenpr&parat enthalt 33°/o Silber und 23 °/« Arsen. Es 
ist das Monosilbersalz der p-Amidophenylarsinsaure. Das 
unter dem Namen Argatoxyl in den Handel kommende 
Pr&parat stellt eine 10°/oige Aufschwemmung des Salzes 
in OlivenOl dar, d. h. also in lccm der Flussigkeit ist 
0,1 des Salzes enthalten. Es ist daher unter einer In- 
jektion von 0,3 resp. 0,4 Argatoxyl eine solche von 0,3 
resp. 0,4 Trockensubstanz des Salzes zu verstehen. Es 
sind im ganzen zwblf Falle mit Argatoxyl behandelt worden, 
von denen einer tQdlich endigte. Die tibrigen Falle sind 
geheilt. Da aber auch schwere Falle von Wochenbett- 
fieber meist zur Heilung kommen, so liegt der Einwand 
nahe, dass die Heilung nicht auf die Therapie zu beziehen 
sei. Es ist jedoch zu bedenken, dass die verzeichneten 
Falle zum Teil sehr schwere Formen von puerperaler 
Allgemeininfektion darstellten, dass ferner in den meisten 
Fallen der Abfall der Temperatur unmittelbar innerhalb 
zwblf Stunden nach der Einfiihrung des Praparats erfolgte. 
Bis auf einen Fall, den Yerf. als Misserfolg der Behandlung 
bezeichnen mbchte, ist in den elf gtinstig verlaufenen 
Fallen die Wirkung der Therapie nicht zu verkennen. 

(Deutsche med. Wochenschrift 1912 Nr._12.) 

Tubepkulose. TTeber die Heilbarkeit der tnberknlbsen 
Hirnhantentzhndnng. Yon Ober-Stabsarzt Dr. Hoch- 
stetter (Stuttgart). Fall bei einem 21jahrigen Soldaten. 
Pat. hat eine sehr schwere Hirnhautentztlndung mit Lah- 
mungserscheinungen und langdauernder TrQbung des Be- 
wusstseins flberstanden, deren tuberkulbse Natur durch 
den Nachweis von Tuberkelbazillen in der Zerebrospinal- 
flttssigkeit sicher erwiesen ist. Diese Diagnose wird da- 
durch nicht erschOttert, dass die Tierversuche negativ 
ausgefallen sind; da die Tuberkelbazillen in der FlQssigkeit 
jedenfalls nur sehr sparlich waren, so kann man hierdurch 
das Ausbleiben der tuberkulbsen Erkrankung der Tiere 
nach den Einspritzungen wohl erklaren. Dass die thera- 
peutischen Massnahmen den unerwartet gQnstigen Erfolg 
herbeigefQhrt haben, lasst sich nicht von der Hand weisen, 
da jedesmal nach der Lumbalpunktion eine wesentliche 
Besserung eintrat und nach Anwendung der protahierten 
lauwarmen Bader sich eine erheblich gtinstige Wendung der 
Krankheit geltend machte. Auf die, wenn auch oft nur 
voriibergehende, gGnstige Wirkung der wiederholten Lumbal¬ 
punktion ist schon mehrfach aufmerksam gemacht worden. 

(Deutsche med. Wochenschrift 1912 Nr. 12.) 


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Tuberkulose. 


— Die Beziehungen zwischen menschlicher nnd tieriscker T. 

Bericht, erstattet auf dem VII. Internat. Tuberkulose- 
kongress zu Rom, von Prof. Dr. H. Kossel (Heidelberg). 
Verf. gelangt zu folgenden SchlGssen: 

1. Die Bestimmung des Typus der Tuberkelbazillen 
in einem gegebenen Falle von T. kann dazu dienen, die 
Quelle der Ansteckung zu ermitteln. 

2. Die Lungenschwindsucht des Menschen ist mit 
Susserst seltenen Ausnahmen auf eine Infektion mit Tu¬ 
berkelbazillen des Typus humanus zuruckzufuhren. 

3. Die Quelle der Ansteckung bei der Lungenschwind¬ 
sucht ist fast ausschliesslich im tuberkuldsen Menschen zu 
suchen. 

4. Die Aufnahme von Tuberkelbazillen des Typus 
bovinus mit der Milch oder dem Fleisch tuberkulOser Tiere 
spielt f(ir die Verbreitung der T. unter den Menschen eine 
untergeordnete Rolle. 

5. Bei der Bek&mpfung der T. ah Volkskrankheit 
ist ein Erfolg nur zu erwarten von Massnahmen, die ge- 
eignet sind, die Ansteckung von Mensch zu Mensch zu 
verhtiten oder zu beschr&nken. 

(Deutsche med. Wochenschrift 1912 Nr* 16.) 

— Znr FrtLh diagnose der Nierentuberkulose. Von Prof. Dr. 

C. Hirsch. (Aus der Medizinischen Universitatsklinik in 
Gottingen.) Wenn wir von der sekundSren metastatischen 
Miliartuberkulose absehen, so kann die Nierentuberkulose 
entweder als selbstandige, in den Nieren „primar u lokali- 
sierte kasige T. oder als Teilerscheinung einer sogenannten 
Urogenitaltuberkulose auftreten. Die Urogenitaltuberkulose 
(Ureter, Blase, Prostata usw.) kann bekanntlich eine de- 
szendierende oder aszendierende sein. Voraussetzung einer 
aszendierenden T. ist natQrlich ein gewisser Grad von 
Harnstauung infolge der Ureter- und Blasenerkrankung. 
Die Analogie mit dem Infektionsmodus der Galleng&nge 
ist auch bei der Infektion der Harnwege in dem Moment 
der Stromverlangsamung, der Stauung gegeben. Nun gibt 
es aber auch sicher eine zun&chst ganz isolierte T. der 
Niere. Das haben uns vor allem die Erfolge der Chir- 
urgen gelehrt. Ja, man darf vielleicht sogar eine wirklich 
prim&re Nierentuberkulose annehmen, wenngleich aus be- 
greiflichen Grtinden die Erfahrungen auf dem Sektions- 
tische nicht ohne weiteres dafiir sprechen. Konnen wir 
klinisch keine Lungentuberkulose als primaren Herd ver- 


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Tuberkulose. 


449 


antwortlich maehen, so bleibt natOrlich imraer noch die 
viel zitierte Mbglichkeit einer verkasten Bronchialdriise. 
Die Tatsache aber, das9 nach Exstirpation einer tuberku- 
lbsen Niere dauernde Gesundung eintreten kann, spricht 
doch eindringlich fCir die Mbglichkeit einer prim&ren 
Nierentuberkulose, wenn man nicht annebmen soil, dass 
zugleich auch der andere sogenannte primare Herd zur 
Ausheilung gelangte. Als wichtigstes klinisches Symptom 
der Nierentuberkulose gilt mit Recht die spezifische Ver- 
anderung des Harns. Blut, Eiter, Tuberkelbazillen werden 
in vorgeschrittenen Fallen (bei bfter wiederholter Unter- 
suchung) sicher gefunden. Die eitrige Beschaffenheit des 
Harns fordert ja oft ohne weiteres den Verdacht einer 
tuberkulbsen Erkrankung heraus. Mit Hilfe unserer ver- 
besserten diagnostischen Methoden (Antiforminmethode, 
Tierversuch) werden die Tuberkelbazillen heutzutage leicht 
nachgewiesen. Die Ureterenkatheterisierung hilft dann 
die Frage zur Entscheidung bringen, ob nur eine ein- 
seitige, durch Operation zu heilende oder eine doppel- 
seitige Nierentuberkulose vorliegt. Die moderne Nieren- 
chirurgie hat bekanntlich auf diesem Wege ihre schbnsten 
Erfolge erzielt. Erfahrungen in der Praxis haben Verf. 
aber gelehrt, dass man auch dann mit der Mbglichkeit 
einer Nierentuberkulose rechnen muss, wenn der Ham 
makroskopisch wenig oder gar nicht verandert erscheint. 
Albuminurien zweifelhafter Entstehung, Leukozytenreich- 
tum des Sediments sollten stets zur Untersuchung auf 
Tuberkelbazillen ve’ranlassen. Verf. hat hierbei auch die 
neuerdings so schematisch als „orthotische“ oder „zy- 
klische“ Albuminurie gedeuteten Falle im Auge. Sicher 
wird man in der Mehrzahl der untersuchten Falle den 
Yerdacht nicht bestatigt finden, aber wenn es gelingt, den 
einen oder andern Fall sehr frOhzeitig sicherzustellen, so 
wird die Mfthe nicht umsonst aufgewendet sein. Verf. 
unterschreibt daher die beherzigenswerten Worte, die 
Sahli auf dem Kongresse fur innere Medizin im Frtih- 
jahr 1910 sprach: „Wenn man sich daran erinnert, dass 
eine Urogenitaltuberkulose unter dem Bild einer einfachen 
chronischen Nephritis auftreten kann, wenn man infolge- 
dessen seine diagnostischen Krafte besser anspannt, den 
Urin bei alien Albuminurien auf Tuberkelbazillen unter- 
sucht, so wird man sehr haufig in den Fall kommen, Uro¬ 
genitaltuberkulose zu linden." Ob es freilich dann ge- 
lingen wird, eine grbssere Zahl von Fallen mittels der 
von Sahli besonders warm empfohlenen Tuberkulinbehand- 

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Tuberkulose. 


lung zu heilen, wird weiteren Erfahrungen vorbehalten 
bleiben. Jedenfalls aber gewinnt man bei einer moglichst 
frhhzeitigen Diagnose Zeit. Und das heisst bei einem so 
heimtflckischen Leiden sehr viel gewonnen. Ob man diese 
gewonnene Zeit nun zu einer kombinierten Behandlung 
(klimatische und Tuberkulinkur) benutzen darf oder ob 
man. den Fall sofort dem Chirurgen Oberweisen soli, damit 
jede weitere Infektionsmbglichkeit der Hamwege radikal 
-ausgeschaltet wird, diese Frage wird erst nach Sammlung 
weiterer Erfahrungen entschieden werden konnen. Eins 
m&chte Verf. noch hervorheben. Trotzdem es ihm in einem 
Falle gelang, durch eine probatorische Tuberkulininjektion 
auf Grand der Reaktion (Fieber und starke Schmerzen 
in der rechten Nierengegend) die kranke Niere festzustellen, 
so mbchte er doch die diagnostisehe Anwendung des Tu- 
berkulins gerade bei der Urogenitaltuberkulose auf Grund 
anderer Erfahrungen nicht empfehlen. Sind Tuberkel- 
bazillen im Harn festgestellt, dann erscheint die Ureteren- 
katheterisierung als die einzig richtige Methode zur loka- 
listischen Diagnose. Bei jeder unklaren Albuminurie, bei 
Leukozytennachweis im Harn, aber wird in Verf.s Klinik 
sorgfaltig auf Tuberkelbazillen gefahndet. 

(Medlsia. Klinik 1911 Nr. SO.) 

— Tanargentan, era neu.es Darmdesinfisiens and -adstzingens. 

Yon Dr. M. Mandelbaum. Das Praparat*) enthalt un- 
geffthr 6°/o Silber und 25 % Tannin an Eiweiss fest gebunden; 
es ist unloslich im Magensaft, schwer lbslich in alkalischem 
Darmsaft. Es kann daher in grSsseren Dosen lingere 
Zeit gegeben werden. Yerf. hat bei Brechdurchfallen gute 
Erfolge davon gesehen. Dann hatte Verf. Gelegenheit, 
das Pr&parat zu verschiedenen Malen bei Typhus abdo- 
minalis mit sehr heftigen dOnnfl&ssigen, erbsenbreifOrmigen 
Darmentleerungen anwenden zu kbnnen. Er gab dreimal 
0,5 g fQnf Tage lang. Die Durchfalle sistierten, der Ty¬ 
phus nahm in der Regel einen milden Verlauf. Ob post 
hoc ergo propter hoc kann Verf. bei der kleinen Anzahl 
von Fallen natQrlich nicht entscheiden. Das grdsste In- 
teresse jedoch hatte Yerf. an der Wirkung des Tanar- 
gentans bei Darmaffektionen tuberkulosen Ursprungs. Es 
zeigte sich hier manchmal von geradezu eklatanter Wir¬ 
kung. Verf. ist besonders lebhaft ein Fall von ziemlich 
progredienter Phthise mit T. des Darmes in Erinnerung, 


*) flergestellt von der Firma Dr. R. und 0. Weil, Frankfurt a. M. 


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Tuberkulose — Typhus. 


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der durch die unaufhorlichen heftigen diinnflussigen Darm- 
entleerungen, die auf alle gebrauchlichen Medikationen 
nicht standen, fOrchterlich gequalt wurde und aufs Susserste 
herunterkam, Der Pat., der zwei Tage lang dreimal 0,5 g 
Tanargentan bekam, konnte nach dieser Zeit zum ersten 
Male wieder aufstehen. Nicht verhehlen mbchte Verf., 
dass bei langer, fortgesetzter Darreichung des Praparates 
dessen prompte Wirksamkeit Einbusse leidet. Er gibt 
deshalb Tanargentan in der Weise, dass es so lange ge- 
nommen wird, bis die Wirkung eintritt; dann wird mit 
der Medikation aufgehbrt. Erst bei Wiedereintritt von 
Durch fallen wird es wieder gegeben. Oder aber, wenn 
standige Darreichung von Adstringentien geboten erscbeint, 
so wechselt Verf. mit anderen Praparaten ab. Bei Fallen 
von nervSsen Darmkatarrhen versagt das Mittel. Aber 
ebenso wie es Falle gibt, wo Tannigen, Tannalbin usw. 
nicht mehr wirkten, Tanargentan jedoch prompt die er- 
wiinschte Wirkung entfaltete, genau ebenso sah Verf. 
Tanargentan versagen und z. B. Tannigen wirken. Alles 
in allem kann Verf. das PrSparat Tanargentan' als wirksam, 
besonders aber bei Da'rmtuberkulose, empfehlen; es wird 
sich als brauchbar in vielen Fallen auch dann noch er- 
weisen, wenn die (Sbrigen Mittel versagten; es ist aber 
ebensowenig ein Heilmittel fiir alle Falle wie die tlbrigen 

Praparate. (Therap. Monatshefte, April 1918.) 

Typhus- Znr Frage fiber Mittel der Bekfimpfang des T. 
'*’* recnrrens. Von Th. N. Remesow (Moskau). Autor 
kommt zu folgenden Schliissen: 

1. Das Salvarsan offenbart ersichtlich bei Feiner anderen 
Krankheit seine spirillentbtenden Eigenschaften in so hohem 
Masse wie beim T. recurrens. 

2. Das Salvarsan, dem Rekurrenskranken injiziert, 
bricht den Anfall ab. Die Wirkung tritt je nach Art und 
Zeit der Einfiihrung der therapeutischen Dosis im Verlaufe 
von 6—48 Stunden ein. In der grossen Mehrzahl der 
Falle werden Ritckfalle nicht beobachtet. 

3. Das Salvarsan, subkutan oder intramuskular ein- 
gefllhrt, verursacht stets eine je nach Art der Einfiihrung 
grOssere oder geringere Reizung der Gewebe. 

4. Die Methoden von Kromayer und von Taege 
mQssen fOr die am wenigsten zur Behandlung des T. 
recurrens geeigneten angesehen werden. 

5. Die beste Methode der Behandlung des T. recurrens 
ist die intravenose Applikation des Salvarsans-; doch muss 

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452 


Typhus. 


dieselbe unter strengster Beobachtung aller Regain der 
Aseptik, wie bei der Zubereitung der Lbsung, so aueh 
w&hrend des Injizierens, ausgeftihrt werden. 

6. Das Salvarsan, in therapeutischen Dosen bei Kranken 
angewandt, welche keine Kontraindikationen zur Anwendung 
desselben aufweisen, offenbart keine toxischen Eigenschaften. 

7. Der Befund von geringen Mengen Eiweiss im Urin 
der Rekurrenskranken (eine Wirkung der Infektion auf das 
Nierenepithel) verhindert die Behandlung der Kranken mit 
Arsenobenzol nicht. 

8. Die Behandlung des T. recurrens mit Salvarsan 
muss den Zemstwo-, den Fabrik- und Stadtarzten grosse 
Dienste nicht nur als Heilmittel, sondern auch als pro- 
phylaktisches Mittel leisten. 


/ 


(Munch, med. Wochenschrift 1911 Nr. 49.) 


— Die Anwendnng des Salvarsans bei Febris recurrens. Von 

Dr. P. P. Smirnoff (Stadt. Hospital in Moskau). Sal¬ 
varsan hat sich bei der intravenbsen Behandlung als. 
sicheres Mittel erwiesen und entfaltet bei keiner anderen 1 
Krankheit eine derartige schnelle bakterizide Wirkung wie 
beim Rlickfalltyphus. (Deutsche med. Wochenschrift 1912 Nr. 18.) 


— Zur Behandlung der Typhusbasillentr&ger. Yon Oberarzt 
Dr. Dehler (Kreis-Kranken- und Pflege-Anstalt inFranken- 
thal). Die vom Yerf. genauer verbffentlichten vier F&lle 
erg&nzen und bestatigen die neuen bakteriologischen 
Forschungen fiber die Bazillentr&ger und illustrieren die 
Wi^htigkeit der Beziehungen zwisehen T. und Gallen- 
blasenchirurgie. Wenn auch im allgemeinen ein operativer 
Eingriff an der Gallenblase bei Typhusbazillentrhgerinnen 
nur bei akuten Symptomen von Cholezystitis vorgenommen 
werden dfirfte, so sind doch Falle denkbar, wo einer 
Bazillentr&gerin auch ohne dringende Indikation eine 
Cholezystektomie vorgeschlagen werden darf und sollte: 
z. B. bei in der Nahrungsmittelbranche Besch&ftigten, bei 
einer Mutter, die bereits eines ihrer Kinder tfidlich infiziert 
hat und die anderen Kinder vor Anstecbung, sich selbst 
vor eventuell plbtzlich auftretender Verschlimmerung (Chole¬ 
cystitis typhosa) schfitzen will, u. a. m. Denn: ein operativer 
Eingriff, d. i. eine Cholezystektomie mit mfiglichst lange 
durchgeffihrter Hepatikusdrainage ist berechtigt und an- 
gezeigt bei Typhustr&gern, bei denen durch wiederholte 
Untersuchung mit Anreicherungsverfahren Typhusbazillen 


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Typhus. 


453 


im Blut und dem (bei weiblichen Pat. mit Katheter ent- 
leerten) Urin nicht, wohl aber noch Monate lang nach 
ilberstandenem akuten T. im Kot Typhusbazillen nach- 
gewiesen werden, berechtigt und angezeigt, solange ihnen 
nicht durch erbbhte Immunisierung auf serotherapeutischem 
Wege oder durch andere Mittel radikale Heilung verschafft 

werden kann. (Mttnch. med. Wochengchrift 1913 Nr. 16.) 

— Zur Pyramidonbehandlung des T. Von Dr. M. J o h n (St. Marien- 
Hospital, MOllieim a. d. Ruhr). Man hatte jm ganzen 54 
Kranke in Behandlung, von denen 38 schwerer Erkrankte 
Pyramidon erhielten. Schon einer der ersten Falle doku- 
mentierte ganz besonders tiberzeugend den schbnen Effekt 
der Pyramidonbehandlung. Bei diesem Pat. hatten acht Tage 
hindurch mehrmals tSglich verabreichte Bader weder die 
schwere Benommenheit noch die bedenkliche Kreislauf- 
schwache irgendwie ersichtlich beeinflussen k6nnen. Aber 
nachdem er zwei Tage lang dreistflndlich 0,15 Pyramidon 
bekommen hatte, hellte sich das Sensorium auf, und es 
trat deutliche Besserung des Zustandes ein. Der gleiche 
Effekt wurde bei neun anderen delirierenden, vbllig bewusst- 
losen Pat. meist schon nach zwei- bis dreitagiger Verab- 
reichung des Medikamentes erzielt. Nur in einem einzigen 
Falle blieb der Erfolg aus, was indes nach dem aut- 
optischen Befunde nicht gut anders erwartet werden konnte. 
Es fanden sich namlich fast im ganzen Ileum und Zoekum 
ausserordentlich zahlreiche, zwei- bis dreimarkstflckgrosse 
Ge8chwiire, eines neben dem anderen, in einer Ausbreitung, 
wie Verf. sie noch nicht zu Gesicht bekommen hatte. Von 
einer so ausgedehnten GeschwOrsflache aus musste durch 
Resorption aller hier entstehenden Giftstoffe eine unbedingt 
todliche Intoxikation erfolgen. Ausser diesem verlor man 
von den 38 mit Pyramidon behandelten Kranken noch drei, 
und zwar eine Pat. an Kreislaufschwache, einen Pat. an 
Perforationsperitonitis und eine Pat. an Darmblutung. Was 
die Dosierung des Medikamentes anbelangt, so begnugte 
man sich meist mit kleinen Dosen von 0,1 zweisttindlich 
oder 0,15 dreistQndlich so lange, bis nach versuchsweisem 
ein- bis zweitagigen Aussetzen der Pyramidonmedikation 
Kdrpertemperatur und Allgemeinbefinden sich nicht wesent- 
lich anderten. Es kam ja nicht darauf an, die Temperatur 
a tout prix auf die Norm herabgedriickt zu sehen, sondern 
man wollte lediglich den Yerlauf leichter gestalten. Und 
in der Tat verliefen die meisten Falle auffallend leicht, 
auch in den Rezidiven, die sechsmal auftraten. Trotz der 


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Typhus — Vermischtes. 

niedrigen Dosierung begegnete man doch hin und wieder 
Temperaturstiirzen von 2,5—4°, im iibrigen blieb in der 
Regel eine massige Erhbhung der Korpertemperatur bis' 
auf 37,5—38,5° bestehen, die meist nur wenige Tage, in 
elf Fallen allerdings liber zwanzig Tage andauerte. Wohl 
infolge dieses durchschnittlich milderen Yerlaufes der Er- 
krankung kam es niemals zu einem Dekubitus. Vor allem 
aber, was als ein ganz erheblicher Yorzug der Pyramidon- 
behandlung anzusehen ist, gestaltete sich die Pflege und 
Versorgung der Kranken tiberaus einfach und machte 
weniger Pflegepersonal erforderlich, als wenn gleichzeitig 
zwanzig Kranke zweimal taglich hatten gebadet werden 
mftssen. Nacb diesen kurzen Ausffihrungen kann wohl 
kein Zweifel dariiber bestehen, dass die Pyramidonbehand- 
lung, ganz abgesehen von dem recht wesentlichen Vorzug 
idealer Einfachheit, zum mindesten dasselbe, wenn nicht 
mehr leistet als die Baderbehandlung und besonders dann 
ihre Triumphe feiert, wenn es gilt, die toxischen Wirkungen . 
der Erkrankung auszuschalten. 

(MUnch. med. Wochenschr. 1912 Nr. 18.) 


Yermischtes. 


Ergotin-Koffein gegen Myokarditis, Arteriosklerose und Herz- 
neurose. Von Dr. L. Weile in Bad Elster. Ausgehend 
von der kraftigen Wirkung des Ergotins auf die unwill- 
kiirlichen Muskelfasern, hat Verf. in Fallen von Myokar¬ 
ditis, Arteriosklerose und Herzneurose, wo die Digitalis 
und deren Derivate versagen, mit Erfolg das Koffein- 
Ergotin angewandt (Koffein zur Erzielung der erhbhten 
Kombinationswirkung). In einer Anzahl von Fallen, in 
denen das Herz nach einer Reihe von Schlagen aussetzte, 
ist es ihm gelungen, die Intervalle zwischen den ein- 
zelnen Deviationen bedeutend zu verlangern. Bei der 
Ueberempfindlichkeit mancher Pat. fllr subkutane Beibrin- 
gung des Ergotins wird das Ergotin-Koffein-Praparat 
ausser in Ampullen noch in Tabletten zur internen Dar- 
reichung hergestellt, welche, wenn auch etwas langsamer, 
doch genau ebenso gttnstig wirkt. 

(Miinch. med. Woehemohrift 1912 Nr. 19.) 


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VermischteB. 


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— Entstehung von Fanaritien. Von Medizinalrat Dr. Hansen 

in Hadersleben (Schleswig). „Ein junger, kr&ftiger Jager 
nimmt zwei vor acht Tagen geschossene Enten a us, geht 
an den Brunnen, spfllt sich die Hande, ergreift dann das 
Beil, um Holz zu hauen. Nach drei Tagen raerkt er 
Schmerzen in der Hand, die sich verschlimmern, nach 
sieben Tagen kojnmt efr zu mir. Es fand sich Schwellung 
und Rotung am Endgelenk des Daumens, am Grundgelenk 
des Zeige- und Mittelgelenks des Ringfingers sowie in der 
Mitte der Hohlhand vor deni Ringfinger, Oberall bei vollig 
gesunder und heiler Haut. Im Aetherrausch wurde sofort 
eingeschnitten, tiberall fand ich Eiter. Die Untersuchung 
desselben im Hygienischen Universitatsinstit ut in Kiel er- 
gab Staphylokokken und kleine Gram-positive Stabchen. 
Die Heilung erfolgte glatt. Die EntzOndungen fanden 
sich gerade an den vier Stellen der Faust, die beim Greifen 
um einen Beilgriff am st&rksten gedrflckt werden. Die 
Beobachtung hat den Wert eines Experiments, dass fau-' 
lige pathogene Substanzen bei Druck auch durch heile 
Haut eindringen kOnnen.* 

(MtLnch. med. Wochenscbrift 1912 Nr. 19.) 

— Henfieberkranken empfiehlt Dr. R. Hoffmann (Munchen) 

acht Tage vor dem vermutlichen Eintritt der Gr&serbltlte 
dreimal taglich einen Esslbffel von der Losung 

Calc, chlorat. 

Calc, lactic, aa 15,0 
Spir. simpl. 50,0 
Aq. dest. ad 500,0 

zu geben und die Dosis bei Eintritt von Heufieber- 
symptomen zu verdoppeln, bis dass der Pat. zwei Flaschen 
verbraucht hat. (Therap. Monatshefte, Mai 1912.) 

—- Die Arsneivernebler. Von Dr. Fellerer (Freising). Die 
Apparate bringen jedes Medikament, mag es in wfissriger, 
spirituOser oder 5liger Lftsung sich befinden, in eine Yer- 
teilung, wie sie ein Sprayapparat bzw. ein Heissinhalator 
nicht erreicht. Das Prinkip des Arzneiverneblers beruht 
darauf, dass die fein verstfiubte, das Medikament ent-» 
haltende FlOssigkeit an eine Glaswand geworfen wird, 
dort wiederholt zerstaubt wird und mit Hilfe des mittels 
Gummigeblases erzeugten Luftstromes in einen Nebel auf- 
gel5st wird. So kdnnen durch tiefe AtemzQge Medika- 
mente direkt in die Bronchien geschafft werden. Die 


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Vermiflchtes. 


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Arzneiveraebler erscheinen in zwei AusfQhrungen. Die 
einfache zeigt eine Ausflussoffnung mit Inhalationstrichter 
und durfte gewohnlichen Anspriichen genOgen. Die zweite 
mit AnsatzstQcken fQr Nase. und Mund und einer doppelten 
AusflussOffnung kommt dem Bedtxrfnisse der Spezialbehand- 
lung entgegen. Sie ermdglicht direkte Applikation von 
Medikamenten in Nase und Mund und lSsst die Anwen- 
dung verschieden feuchter Nebel zu. 1st das MundstQck 
an die obere Ausflussrohre angeschlossen, so strdrat ein 
nasser, FlOssigkeitstropfchen enthaltender Nebel aus. Wird 
mit der unteren Ausflussrbhre verbunden, so ist der Nebel 
trocken, was durch Annebeln einer Glasflache leicht zu 
konstatieren ist. Der Arzneiveraebler ist stets gebrauchs- 
fertig. Der Preis fQr den einfacben Apparat betr&gt 
5 Mk., der fQr den Apparat mit AnsatzstQcken 7 Mk. 
ab Hofapotheke Freising. Die Apparate sind in den Apo- 
theken erhaltlich zu obigen Preisen zuzuglich der Post- 

Spesen. (Zeitschrift f. ftrztl. Fortbildung 1912 Nr. 1.) 

— Beitr&ge znr Kasuistik der neuen Eiweisspr&parate Bdba 
und Ribamalz liefert Dr. Braitmaier (Kiel). Er hat 
die Pr&parate in zirka 250 Fallen, Schwachezustanden 
aller Art, angewandt und war mit den Erfolgen sehr zu- 
frieden. Es handelt sicb um ein aus Fischfleisch gewon- 
nenes Albumosenpraparat, dessen hervorragende Eigen- 
schaften in vollkommener WasserlOslichkeit, in auffallend 
hohen Resorptionswerten und in reizloser Annahme durch 
Magen und Darm bestehen. Selbst bei hoher Dosierung 
hat Verf. nie andere Beschwerden auftreten sehen als 
zweimal leichten Durchfall unter zirka 250 Fallen. Bei 
samtlichen Formen von Erkrankungen des Magens und 
Darms wurden Riba und Ribamalz ohne Beschwerden ge- 
nommen und vertragen. Der anfanglich stfirende, unan- 
genehme Geruch ist in letzter Zeit bei Riba und auch 
bei Ribamalz fast ganz verschwunden, so dass bei ge- 
eigneter und abwechslungsreicher Zubereitung nur ganz 
selten Widerwillen gegen das Praparat auftritt. Die Art 
der Darreichung unterliegt dem individuellen Geschmacke. 
Wahrend die einen Wasser, Milch, KafFee oder Tee ala 
gQnstigsten Trager ausprobiert haben, ziehen andere Hafer-, 
Reis-, Gersten- und andere Suppen vor. Auch in GemQse 
und Pudding lasst sich das Mittel gQnstig unterbringen. 
Durchweg hat Verf. die Erfahrung gemacht, dass es so- 
wohl fQr den Geschmack als auch fQr die Resorptions- 
fahigkeit wichtig ist, das Mittel vor dem Genuss vollstandig 


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Vermischtes. 


457 


in Ldsung zu bringen. Empfindlichen Pat. rSt Verf. 
durchweg, die Zubereitung nicht selbst zu besorgen, sondern 
sie in der Kfiche etwa eine Stunde vor dem Gennss vor- 
nehmen zu laasen. In den meisten Fallen liess Verf. bei 
Erwachsenen dreimal tfiglich einen Essldffel, bei Kinderh 
dreimal t&glich einen Teeldffel nehmen; in geeigneten Fallen 
hat er diese Mengen je nach Bedttrfnis fiber- oder unter- 
schritten. Wenige Male war er gezwungen, das Prftparat 
entweder per rectum einzuschmuggeln oder aber in 10—15 
kleinen Dosen im Laufe des Tages zu verabreichen. 
Erw&hnen mdchte Verf. noch eine von den Ribawerken 
neueingeffihrte Form, die Ribaschokolade, von besonders 
gutem, kraftigem Geschmack und voller Ribawirkung. 

(Die Therapie der Gegenwart, November 19X1.) 

— Arsenh&motose bei nervfiser und psychischer Erschfipfong. 

Darfiber schreibt Prof. Dr. H. Gudden (Psychiatrische 
Poliklinik der UniversitSt in Mfinchen): „Von den neueren 
Eisenpraparaten, die zuraeist in organischen Verbindungen 
verbreitet werden, erachte ich die Arsenh&matose als be¬ 
sonders erwShnenswert. In der Psychiatrischen Poliklinik 
benutze ich das Eisen und Arsen in den mannigfachsten 
Darstellungen und Kombinationen mit Erfolg. Bei ner- 
vfisen Schw&chezustftnden liegt das Hauptgewicht in den 
Ern&hrungsverh&ltnissen. Es bestand daher von jeher der 
Wunsch, durch Hebung des Ern&hrungszustandes direkt 
auf die Ursachen dieses Leidens einzuwirken und zumeist 
die erheblichen Stdrungen der Ernahrung des Gesamt- 
organismus im allgemeinen und der Blutzusammensetzung 
im speziellen zu beseitigen. Wir mfissen trachten, die 
Appetenz zu heben; es muss also ein leicht resorbierbares, 
den Magen nicht beschwerendes PrSparat sein, dasselbe 
muss den Tonus der Nerven steigern, dabei aber darf die 
Kombination keinen schlechten Geschmack haben. Unter 
verschiedenen Pr&paraten hat sich besonders auch die 
Arsenh&matose sowie die Guajakolarsenhtimatose bew&hrt. 
In der Arsenhamatose dient die Chinarinde als appetit- 
anregendes und stimulierendes Mittel, das Eisen und der 
Phosphor sind in eine leicht resorbierbare Form gebracht, 
das erstere als glyzerophosphorsaure Verbindung, das zweite 
ebenfalls in glyzerophosphorsaurer Natriumverbindung, das 
ein direkt assimilierbares Nerventonikum darstellt. Durch 
den Arsengehalt (zehn Kubikzentimeter Arsenh&matose 
entsprechen einem, ein Likfirgl&schen voll aber zwei Tropfen 
Fowlerscher Ldsung) eignet es sich besonders zur Ein- 


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458 


Vermi8Chto8. 


verleibung kleiner und mittlerer Arsendosen, da es den 
Vorteil des Wohlgeschmacks mit jenem der leichten Do- 
sierbarkeit verbindet. Wie bei jedem Arsenprfiparat kann 
auch die graduelle Dosierung eingehalten werden, doch 
ist dies nicht unbedingt notwendig, und die Arsenhama- 
tose kann daher an Pat. geringeren Intelligenzgrades, 
welche mit einer Flasche auf einmal in Besitz einer 
grosseren Dosis gelangen, ohne Gefabr abgegeben werden. 
Bei nervbsen und psychischen Erschopfungszustanden hat 
sich diese kombinierte Eisenarsenwirkung gut bewahrt 
und die Vereinigung der therapeutischen Wirkung dieses 
Mittels als zweckmassig erwiesen. Selbst bei protrahierter 
Anwendung wurde Arsenhamatose ohne jede lastige Neben- 
wirkung vertragen. Yon seiten des Magens und des Darm- 
traktus wurde nie ein unangenehmer Einfluss wahrgenommen. 
Bei neurasthenisch veranlagten sowie bei nervOs oder 
psychisch erschOpften Pat. haben sich die Reizerschei- 
nungen vermindert, und objektiv war die Hebung des 
Allgemeinbefindens konstatierbar, somit die Steigerung so- 
matischer und psychischer Leistungsfahigkeit. Ich liess 
von der Arsenhamatose nach jeder Mahlzeit einen Ess- 
lOffel voll nehmen und habe mit dieser Verabreichung 
gute Erfahrungen gemacht.“ 

(Deutsche med. WOohenschrift 1911 Nr. 45.) 

— Aderlass and Kochsalzinfasion in der Dermatologic. Von 

Dr. J. Simon. (Aus der Univers.-Hautklinik in Heidel¬ 
berg.) Aus der Arbeit seien folgende Stellen wieder- 
gegeben: „Der Aderlass ist ja schon lange in der Derma- 
tologie verwendet worden, die Kombination von Aderlass 
und Kochsalzinfusion ist zuerst von Bruck in der Der- 
matologie erprobt worden, und zwar berichtete dieser Autor 
vor kurzer Zeit liber acht Falle von verschiedenen Toxiko- 
dermien, bei denen er durch Aderlass und Kochsalz¬ 
infusion hberraschende Erfolge erzielt hat. Ich habe diese 
Ergebnisse an einem grosseren Material nachgepruft und 
bin, urn das gleich vorwegzunehfnen, ebenfalls zu so 
gOnstigen Resultaten gekommen, dass ich die Methode 
hier zu empfehlen fflr tviirdig halte. Die Technik genau 
zu beschreiben, dllrfte wohl jetzt, in der Aera der intra- 
venbsen Therapie, OberflOssig sein. Wir entnehmen durch 
Yenenpunktion 100—200 ccm Blut und lassen gleich durch 
dieselbe Kanlile 3—700 ccm 0,9°/oiger steriler Kochsalz- 
lOsung einfliessen. Wir haben aus theoretischen Erwft- 
gungen keinen geringeren Konzentrationsgrad als 0,9°/o 


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Vermischtes. 


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angewendet und haben auch absichtlicb keine sehr grossen 
Quantitaten Blut entnommen und Kocbsalzldsung infun- 
diert, weil wir der Meinung sind, dass keinesfalls der 
tberapeutische Effekt in direktem Verhaltnis steht zur 
Quantitat des Blutes und der SalzlSsung. Nach unserer 
Ansicht kann man ja vom Aderlass und der Kochsalz- 
infusion Qberhaupt nicht mebr als eine Anregung auf die 
Aenderung des Stoffwechsels erwarten. Wir wiederholen 
die bescbriebene Therapie, je nach dem Grade des bereits 
erreichten Effekts, 3—6 mal oder noch Ofter in Zwischen- 
rftumen von filnf oder sechs Tagen. Irgendeine unan- 
genehme Nebenwirkung auf die Nieren oder das Gefhss- 
system haben wir nie beobachtet, so dass wir kein Bedenken 
getragen haben, selbst Greise bis zu 73 Jabren mit un¬ 
serer Methode zu behandeln. Auch Fieber haben wir nie 
auftreten sehen. Wir konnten deshalb unsere Therapie 
nicht nur bei klinischen Pat., sondern auch in ambulanten 
Fallen verwenden, und wir halten diese letzteren Falle 
sogar fttr die beweiskraftigeren bei Beurteilung unserer 
Resultate, weil eben bei ihnen alle gilnstigen Momente 
des klinischen Aufenthalts fortfallen. Zur Behandlung 
gelangten bei uns Pruritus universalis, lokalisierter Pru¬ 
ritus, Pruritus senilis, verschiedene Formen von Urticaria 
und Oedema fugax, gewisse Formen von chronischem 
Ekzem, Psoriasis, chronisch-rezidivierende Furunculosis 
und ein Fall von Pemphigus chronicus, im ganzen sind 
es etwa 50 Falle. Die besten Erfolge hatten wir bei 
Pruritus. Gerade bei dieser Krankheit wird man ja gegen 
die Deutungen gQnstiger Erfolge Einwande erheben kOnnen, 
weil eben psychische Momente mitspielen kSnnen und 
Oberhaupt der Yerlauf schwankender ist. Wir haben aber 
deshalb noch die Yorsicht gebraucht, unsern Pat. nicht 
vorher zu sagen, dass es sich um einen therapeutischen 
Eingriff handelt, sondern haben sie in dem Glauben ge- 
lassen, dass die Blutentnahme zu Untersuchungszwecken 
geschehe. In alien unseren Fallen von Pruritus trat nun 
fast unmittelbar nach AusfQhrung der Therapie ein auf- 
falliges Nachlassen des qualenden Juckreizes auf; in vielen 
Fallen verschwand das Jucken tlberhaupt ganz. Dieser 
Erfolg hielt 3 j —4 Tage an, dann kamen allerdings oft 
Rhckfalle, und zwar mit Vorliebe an den Beugeflachen 
der Arme und den Adduktionsflachen der Beine. Durch 
Wiederholung des Eingriffs trat jedesmal wieder derselbe 
gQnstige Effekt auf, und allmahlich blieb das Jucken 
ganz fort. Selbstverstandlich haben wir nicht in alien 


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Vermischtes. 


Fallen von Pruritus einen derartig eklatanten Erfolg er- 
zielt, es scheint vielmelir, als ob bei lokalisiertem Pruritus 
und Pruritus senilis eine wesentlich langere Bebandlung 
notig ist, um einen gttnstigen Erfolg zu erzielen; es ist 
aber doch auffallig genug, dass sich in alien Fallen we- 
nigstens eine Besserung eingestellt hat. Nachst dem Pru¬ 
ritus hat sich uns unsere Methode in vielen Fallen von 
Urticaria gut bewahrt, wahrend manche Falle allerdings 
vollig im Stiche liessen. Wir sahen oft, dass sofort nach 
dem Eingriff die Quaddeln einsanken und verschwanden. 
In einem Teil der Falle sahen wir aber wieder, wie beim 
Pruritus, in 3—4 Tagen Rezidive auftreten. Dennoch 
glauben wir, dass bei genQgend langer Behandlung, viel- 
leicht in entsprechend kQrzeren Intervallen, dauernde 
Erfolge erreicht werden kbnnen. Bei Psoriasis haben wir 
keinen Einfluss unserer Therapie bemerken kdnnen, da- 
gegen liaben wir in einem Fall von chronisch-rezidivie- 
render Furunculosis des Nackens anscheinend einen guten 
Erfolg erzielt. Bei gewissen Formen von konstitutio- 
nellem Ekzem hatten wir recht gute Resultate. Wir sahen 
einige verzweifelte Falle von ausgebreiletem chronischen 
juckenden Ekzem, bei denen schon alle mbglichen Thera- 
pien, einschliesslich Rontgen, versucht worden waren, 
nach mehrmals wiederholtem Aderlass und Kochsalzinfu- 
sion in so tiberraschend schneller Zeit heilen, dass wir an 
der Wirksamkeit der Therapie nicht zweifeln konnten.“ 

(Deutsche med. Wochenachrift 1911 Nr. 48 ) 

— Die Anwendungvon TiodineinderUrologie. VonDr.J.H.Brik 
in Wien. Tiodine, Thiosinaminaethyljodid, wurde 1907 
von Dr. Max Weiss (Wien) in die Therapie eingefuhrt. 
Weiss wollte das Indikationsgebiet des Allylsulfocarbamids 
(Thiosinamin) durch Kombination mit einem nach be- 
stimmter Richtung speziflsch wirkenden Mittel erweitern 
und gab dig Anregung zur Herstellung des neuen, von 
A. Cognet in Paris dargestellten Praparates, welches er 
alsbald auch therapeutisch in Anwendung zog. Tiodine 
entfaltet, ahnlich wie Thiosinamin, eine erweichende Wirkung ( 
auf das fibrose Gewebe von Narben und sonstigen Binde- 
gewebswucherungen. Diese Erweichung dtirfte durch seine 
spezifische lymphagoge Beeinflussung des Narbengewebes 
zustande kommen. Tiodine ist im Wasser sehr leicht 16s- 
lich und wird zur subkutanen Injektion an einer beliebigen 
Kbrperstelle oder auch intramuskular (Glutaen oder Delta- 
muskel) nach vorheriger Desinfektion mit Jodtinktur ver- 


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wendet. Die Injektionen sind schmerzlos, an der Ein- 
stichs'telle sieht man alsbald eine leichte Rdtung und nach 
einigen Stunden eine leichte Schwellung, die bei Druck 
etwas empfindlich ist und sehr bald wieder verschwindet. 
Jodreaktion im Speichel durch St&rkekleister und einige 
Tropfen HNOj, und im Harne schon nach 5—10 Minuten 
deutlich, beweist die ungemein rasche Resorbierbarkeit. 
Es fbrdert erheblich die Diurese und wirkt im allgemeinen 
tonisierend, indem es das subjektive Befinden der Kranken 
hebt; das Kbrpergewicht steigt. v. Hebra beobachtete 
# ausser der Einwirkung des Thiosinamins auf Narbengewebe 
auch eine Yerkleinerung von chronisch - entzundlichen 
Drtisentumoren, die schliesslich zum Schwunde gebracht 
wurden, aber er warnt ausdrOcklich, bei Vorhandensein 
irgendeines EntzOndungsherdes Thiosinamin anzuwenden, 
da sonst Fiebererscheinungen und Steigerung der Ent- 
zflndung und Eiterung auftreten kbnnen. Bei der Tiodine- 
behandlung besteht diese Gefahr nach Verf.’s bisherigen 
Erfahrungen nicht, allerdings hat Yerf. Tiodine bei akuten 
EntzQndungen nicht benlltzt. Bei chronischer Zystitis, 
chronischer Prostatitis wurde keine Steigerung der Ent- 
ztindungsprozesse beobachtet. Nebenerscheinungen, ausser 
sparlicher, in seltenen Fallen auftretender Jodakne, traten 
nicht auf. Durch die ghnstigen Resultate von Weiss, 
A. Zweig und Patschke in Kbnigsberg ermutigt, hat 
Verf. in geeigneten Fallen in seiner urologischen Praxis 
das Tiodine angewandt. Zunachst waren es Narben und 
die hierdurch bedingten Schadigungen, welche zum Ver- 
suche fhrmlich einluden. Bei Harnrohrenstrikturen ist es 
nur selten wtinschenswert, bei der Dilatationsbehandlung 
eine Beihilfe zu haben, und so hat Verf. nur in zwei 
Fallen das Tiodine benfttzt, wobei es sich als sehr wirk- 
sames Mittel erwiesen hat. Einmal bei einer sehr schweren, 
sehr engen und harten „Narbenstriktur“ in der Pars bulbosa, 
wo durch das Tiodine die Striktur passierbar und dilatations* 
fahig wurde. Im zweiten Falle bei einer Striktur der Pars 
pendula, wo die Dilatation trotz vieler Mflhe und Geduld 
nur bis zu einem gewissen Grade durchgefiihrt werden 
konnte (Nr. 14 Charriere). Hier hatte sich eine Indikation 
fQr die innere Urethrotomie ergeben, doch zog Verf. es 
vor, einen Versuch mit Tiodine zu machen. Nach acht 
Tiodineinjektionen gelang es, die Striktur anstandslos auf 
Nr. 23 zu erweitern. Bei der Behandlung der Strikturen 
mit Tiodine und Thiosinamin soil das treffende Wort von 
L. Teleky beherzigt werden, dass durch die genannten 


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Mittel die Narben zwar dehnbar gemacht, aber nicht ge- 
dehnt werden. Bei Epididymitis im subakfiten und chro- 
nischen Stadium sollen die Knoten und Infiltrate des 
Nebenhodens. zur Resorption gebracht werden, um eine 
Yerlegung der SamenkanSlchen moglichst zu verhindern; 
hierbei sind durch die Tiodinebehandlung sowohl auf das 
Schwinden der Infiltrate als auch funktionell auf das 
Wiedererscheinen von Spermatozoen im Ejakulat glfinzende 
Erfolge erzielt worden. Natfirlich geben frischere Falle 
(bis zu sechs Monaten seit Beginn der Epididymitis) ein 
gfinstiges Resultat. Aeltere Indurationen werd^ wohl 
beeinfiusst, werden kleiner und schwinden sogar, aber die 
Azoospermie wird in solchen Fallen nicht behoben. Auch 
bei chronischer Prostatitis und Spermatozystitis konnte nach 
Tiodineinjektionen eine Erweichung der derben Schwielen 
konstatiert werden. Bei Hypertrophie der Prostata worde 
die Tiodinebehandlung versuchsweise in Anwendung ge¬ 
bracht. Es ist wohl eine missliche Sache, fiber den Wert 
einer medikamentosen Beeinfiussung einer Affektion zu 
sprechen, die manchmal auch ohne nachweisbare Ursache 
einen Stillstand, ja, eine Besserung zeigt. Noch grfissere 
Schwierigkeiten ffir die Beurteilung einer Einwii*kung eines 
Mittels bieten sich dar, wenn man bedenkt, dass gerade 
bei der Prostatahypertrophie gewisse physikalische Ein- 
wirkungen, z. B. Nussbaums aufsteigende Douche oder 
Rontgen-Bestrahlungen oder operative Eingriffe, wie 
Kastration oder Resektion der Vasa deferentia usw., oft 
eine geradezu wunderbare, allerdings nicht lange anhaltende 
Besserung zur Folge haben. Trotz dieser Erwfigungen 
und stronger kritischer Beurteilung sind die durch Tiodine¬ 
behandlung gewonnenen Resultate derart, dass sie der 
Mitteilung wert erscheinen. Es hat sich nur um Falle 
des sogenannten zweiten Stadiums gehandelt. Jedesmal 
trat eine Besserung in dem Sinne auf, dass das Harn- 
lassen schon nach der ersten oder zweiten Injektion leichter, 
in starkerem Strahle erfolgte, dass endlich die Pausen 
langer wurden und die Residualmenge geringer wurde. 
Objektiv wurde stets eine deutliche Konsistenzabnahme der 
Drfise konstatiert. Von einer Verkleinerung der hyper- 
trophierten Drfise konnte nichts wahrgenommen werden. 
Ebensowenig wie eine Harnrbhrenstriktur durch Thiosinamin- 
oder Tiodinebehandlung allein erweitert wird, ebensowenig 
wird eine hypertropbierte Prostata durch die genannte 
Behandlung zur Norm gebracht. Das Tiodine ist nach 
Verf.’s bisherigen Erfahrungen ein vorzQgliches Mittel 


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teils zur Bekampfung, tells zur Beseitigung verschiedener, 
durch die Hypertrophie def Prostata bedingten Stbrungen 
und eine zweckmSssige Unterstutzung fftr eine weitere 
Katbeterbehandlung. (Wiener med. Woohenaohrift 1911 Nr. 48.) 

— Ein Symptom ffLr Salpingitis. Von Dr. Walter Ktihl (Altona). 
Autor scbreibt: „Bei einer Reihe von plbtzlich einsetzenden, 
fieberhaften Erkrankungen des Unterleibes ist mir schon 
After ein Zeichen zur Diagnose der Salpingitis behilflich 
gewesen, die sich durch den weiteren Verlauf der Krank- 
heit — z. B. Auftreten einer Parametritis, besonders linker- 
seits, da sich ein rechtsseitiges Exsudat auch auf eine 
Perityphlitis beziehen liesse — oder durch Nachunter- 
suchung von anderer Seite stets bestatigen liess: es ist 
das ein zur Hohe des Fiebers auffallig langsamer, kraf- 
tiger Puls. — Das Zeichen ist wichtig zur Differential- 
diagnose gegen Perityphlitis, fehlt aber oft bei einer Kom- 
bination mit dieser. Es ist After auch vorhanden bei 
einer Infektion von den Gallenwegen aus, die sich aber 
durch die Lokalisation der Schmerzen, durch das h&ufige 
Ausstrahlen dieser nach den Schulterblfittern zu, durch 
die Anamnese und die anderen bekannten Symptome aus- 
schliessen lSsst. Dass diese Verlangsamung des Pulses 
durch die Resorption einer den Vagus beeinflussenden 
Substanz hervorgerufen wird, ware vielleicht denkbar. 
Praktisch wichtig war das Symptom ftir mich insofern, 
als ich mich bei seinem Vorhandensein stets abwartend 
verhielt, besonders wenn der Allgemeineindruck der Kranken 
dem nicht widersprach, — wahrend ich mich selbst bei 
Verdacht auf Perityphlitis zu dem radikalen Standpunkt 
bekenne, der zur baldigen Probelaparotomie mit eventuell 
anschliessender Appendektomie rat.“ 

(Mtinch. med. Woehensehrift 1912 Nr. 8.) 

— In bezug auf die Lfislichkeit der Azetylsalizyls&ure schreibt 
v Dr. F. Fenger (Norden): „Seit Jahren habe ich in meiner 

Praxis das Aspirin und Salipyrin (beziehungsweise deren 
chemische Substitute, das Acid, acetyl, salicyl. und Pyra- 
zolon dim. ph. sal.) besonders in der Kinderpraxis aus- 
schliesslich in LOsung verordnet. Ich bediene mich dabei 
als Losungsmittel des alten Spiritus mindereri — Liqu. 
ammon. acetici —, der jedoch, worauf ich besonders auf- 
merksam mache, absolut neutral reagieren muss, soli nicht 
spater ein Ausfall von kristallinischen Massen stattfinden. 
Eine Abschwachung der Wirkung der Originalpraparate 


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Vermischtes. 


ist mir niQht aufgefallen, nur zuweilen sind Durchf&lle 
beobachtet worden. Ich habe seit Jahren die Verordnungs- 
weise Salz.: zu Spiritus mindereri = 1 : 5,0 angewandt, 
habe aber nie einen Mediziner, Chemiker oder Apotheker 
gefunden, der diese LSslichkeitstatsache kannte. Auch in 
Leverkusen, wo ich vor zwei Jahren gelegentlich der Teil- 
nahme an Fortbildungskursen der Akademie in Kfiln mit 
mehreren Chemikern der Bayerschen Farbenfabriken fiber 
diese mir gelaufige Tatsache sprach, konnte mir nichts 
Naheres mitgeteilt werden. Da jetzt durch das Hydro- 
pyrin-Grifa die Loslichkeitsfrage der Azetylsalizyls&ure usw. 
neu in Anregung gebracht ist, mochte ich mir gestatten, 
die Herren Kollegen darauf aufmerksam zu machen, dass 
schon seit langem die ,L6slichkeitsfrage‘ gelfist ist, zu- 
gleich aber darauf hinweisen, dass ich nicht der Entdecker 
dieser Tatsache bin, sondern dass ich es selbst einmal 
irgendwo gelesen habe. Ffir jede Rdckausserung in dieser 
Angelegenheit bin ich schon im voraus dankbar.“ 

(Medizin. KUnik 1911 Nr. 51.) 

— Neuritis optica retrobnlbaris senilis. Von H. Higier 

(Warschau).- Es lasst sich aus der grossen Gruppe der 
retrobulbaren Neuritiden eine Greisenform ausscheiden, eine 
Neuritis retrobulbaris senilis: sie befallt ohne bestimmte 
Ursache Sltere Leute, die nahe der 70 Jahre stehen, be- 
sitzt samtliche Zeichen der retrobulbaren NervenentzQnduflg, 
erreicht im Laufe des ersten Tages ihren HOhepunkt, ist 
doppelseitig, fQhrt rasch zur vollstandigen Blindheit und 
langsam zur Atrophie der Nerven und ist auch bei ener- 
gischer und systematischer Beliandlung nicht zu beeinflussen. 

(Neurolog. Zentralblatt 1912 Nr. 3.) 


Notiz. 


Die heutige Nummer unseres Blattes enthalt eine Beilage, 
und zwar von der Firma: 

Goedecke & Co., Leipzig u. Berlin N 4, fiber 

yy Gelonida Aluminii subacetici", 

auf die wir besonders hinweisen. 


Far den redaktionellen Toil verantwortlich: 

Dr. E. Graetzer in Friedenau-Berlin. 


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Erscheint am 

Anfang eines jeden Monats. 


A? 11 


Prels des Jahrgangs 6 Mb. 
exki. Porto. 


Excerpta medica. 

Kurze monatllehe Joornalauszttge 

aus der gesamten Fachliteratur 

zum Gebrauch far den praktischen Arzt. 

Herausgegeben von Dr. med. EugeH Graetzer in Friedenau-BerUn. 

Yeriag ron Carl Sallmann, Leipzig* 


August. XXL Jutrgaug 1912 


Anthrax. Zur Behandlung des dussereu Milzbrandes schreibt 
Dr. E. Graf (Frankenhausen): „Als ein brauehbares, in 
Frtihffillen sicheres und von den Gefahren blutiger Ein- 
griffe freies Verfahren kann ich mit gutem Gewissen die 
einfache Aetzung mit dem Kalistift empfehlen, da ich sie 
genugend erprobt habe. Bei der geringen Beachtung, 
welche sie bisher in der Literatur und in den Kliniken 
gefunden hat, ist es wohl nicht liberfliissig, sie eingehend 
zu beschreiben. Im Jahre 1855, in einer von Milzbrand 
haufig heimgesuchten Gegend Nordthiiringens in die Praxis 
tretend, fand ich dieses Verfahren als das gebrauchliche 
vor, von den Aerzten allgemein geilbt und von den Be- 
troffenen allgemein verlangt. Diese, meist Schafer, Gerber 
oder Schlachter, liefen alsbald zum Doktor, um sich ,aus- 
brennen 1 zu lassen. Und wenn dies sofort grundlich ge- 
schah, so blieb in der Regel jede Allgemeinerkrankung 
aus, war die verrufene ,schwarze Blatter 1 in einen einfachen 
Brandschorf verwandelt. Das ist aber allerdings die un- 
erlassliche Bedingung des Erfolges: zeitiges und griind- 
liches Aetzen. Sobald sich die fur Milzbrand charakte- 
ristischeForm zeigt; die anfanglich einem Furunkel ahnliche, 
aber durch ihre Unempfindlichkeit gegen Druck sofort davon 
zu unterscheidende gerbtete Anschwellung, deren eingesun- 
kene, dunklbre, auch gegen Nadelstich unempfindliche 
Mitte — der nekrotische Kern — von einem blaschen- 
bedeckten hartlichen Wall umgeben ist, dessen Harte in 
das pralle, doch immer noch elastische Oedem der Urn- 
gebung ttbergeht — sobald sich dies unverkennbare Bild 
zeigt, was meist am dritten Tage nach der Infektion ge- 

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Anthrax. 


schieht, muss durchgreifend ge&tzt werden. Das geschieht 
am besten mit stumpf abgebrochenem, nicht spitzem Kali- 
stifte, der, mit Watte umwickelt gefasst, fest und mit 
stetigem Reiben aufgedrfickt wird, bis die HSrte des Kerns 
und seiner Umwallung eingeschmolzen, nicht mehr dureh- 
zuftthlen ist und der Grund der ge&tzten Flftche rfitlich 
durch die brfiunliche Aetzffirbung durchschimmert. Dies 
beansprucht meist eine voile Minute, nur bei besonders 
tiefem und starkem Kerne mehr; was aber dadurch ab- 
gektirzt werden kann, dass man denselben mittels eines 
durchgezogenen kraftigen Fadens etwas vorzieht und mit 
einer spitzen Cooperschen Schere im Toten vorsichtig 
flach abtr&gt. Immer fliesst bei der Aetzung schmierige, 
atzende Lauge ab, gegen deren unliebsame Weiterwirkung 
die Umgebung geschtitzt werden muss; was am sichersten 
durch einen vorher aufgeklebten, den Umfang der beab- 
sichtigten Aetzung einkreisenden Ring yon mehrfach auf- 
einandergelegtem Heftpflaster — weniger sicher durch um- 
gebende Watte — geschieht. Trotzdem wirkt die Aetzung 
immer einige Millimeter fiber den von ihr direkt getroffenen 
Umkreis hinaus; ein bei dessen Bemessung zu berficksich- 
tigender Umstand, der aber hier gegen die scharfbegrenzte 
Wirkung des gltthenden Paquelin eher ein Yorteil als ein 
Nachteil ist. Dies moderne Glfiheisen hat ja neuerdiugs 
bei Ortlicher Behandlung der Milzbrandpocke reichliche 
Anwendung gefunden; nachdem die Bramannsche Schule 
die tfidliche Gefahr der blossen In- und Exzision nach- 
gewiesen hatte, haben die Chirurgen, welche auf die rasche 
Wirkung des Messers nicht verzichten mochten, damit den 
Paquelin verbunden. So Lejars in seinen ,Dringlichen 
Operationen 4 (Art.: Pustula maligna), indem er ihn den 
Schnitten folgen l&sst, sie verschorfend, und Barlach, 
indem er ihn vorausgehen lfisst, durch verschorfende Stiche- 
lungen das Gebiet des Schneidens einkreisend und wie 
mit einem Grenzkordon absperrend. In der Kompliziert- 
heit dieser beiden Methoden wird aber schwerlich jemand 
einen besonderen Yorzug und eine Ueberlegenheit fiber 
die einfache Aetzung erblicken, welche das gleiche Ziel 
mit den denkbar einfachsten Mitteln erreicht, die jeder 
Landarzt mit sich ffihren kann, die, ich als solcher stets 
mitgehabt habe und so oft genug onne Verzug benutzen 
konnte. Der Schmerz bei der Aetzung ist allerdings auch 
lebhaft, aber docli wohl ertraglicher, als der vom Glfih¬ 
eisen oder Paquelin, die ohne Chloroform nicht wohl ge- 
wagt werden konnen, das ich bei der Aetzung, auch bei 


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Anthrax — Blutungen. 


467 


empfindlicheren Personen, nie ndtig gehabt habe. Den 
nachdauernden Schmerz lindert am besten eine Eisblase. 
Hat die Aetzung Erfolg, so zeigt sich das spatestens in 
24 Stunden durch Absinken des Oedems, durch Weicher- 
werden der Umgebung des Aetzschorfs. Etwaige Schwel- 
lung zustfindiger Lymphdriisen hindern ihn nicht; sie 
gehen allmahlich zuriick, wenn nur das Oedem sinkt. Fieber 
und sonstige Zeichen einer Allgemeinerkrankung bleiben 
aus. Zeigen sich in den ersten 24 Stunden in der CTm- 
randung des Schorfs wieder blfisclienbedeckte Harten, so 
gibt eine Nach&tzung dieser Stellen mitunter noch Erfolg. 
Wenn nicht, so ist die Infektion ortlich nicht mehr zu 
fassen und die Allgemeinerkrankung nicht mehr aufzuhalten. 
Die Aetzung war dann ohne Nutzen, aber auch ohne anderen 
Schaden als vielleicht den eines etwas vergrosserten Brand- 
schorfs. Yon 75 im Laufe der Jahre von mir so behan- 
delten Fallen hatten 14 diesen Misserfolg, vier davon mit 
tbdlichem Ausgange; die tibrigen zehn - genasen nach 
schwerer Allgemeinerkrankung. 61 aber hatten den be- 
schriebenen vollen Erfolg: 24 Stunden nach der Aetzung 
die bedrohliche Milzbrandpocke in einen ungefahrlichen 
Schorf verwandelt, ohne jedeStbrung des Allgemeinbefindens, 
auch mit alsbald wiedererlangter Arbeitsfahigkeit, wenn 
die Stelle des Schorfs dem nicht hinderlich war. Gleiche 
Erfolge bei gleichem Verfahren haben mir auf meine An- 
frage die Nachbarkollegen Klemm I und II aus Ebeleben, 
Klemm und Nicolai aus Greussen berichtet: auf 309 
Falle nur 13 todliche. Wie viele von den 296 Geheilten 
den sofortigen vollen Erfolg hatten, daruber fehlten die 

Angaben." (Miinch. med. Wochenechrift 1912 Nr. 16.) 

Blutungen. Eine spontane Rttckenmarksblntung. Yon 

Dr. Becker (Bad Salzschlirf). 33jahrige Frau, kraftig 
gebaut und gut gen&hrt, ist frtiher niemals krank gewesen 
und stammt aus gesunder Familie. Sie ist seit sieben 
Jahren kinderlos verheiratet, hat keine Aborte durch- 
gemacht. Objektive Zeichen fur Lues nicht vorhanden, 
auch seitens des Ehegatten wird sie negiert. Am 17. Juni 
abends treten beim Coitus, der seit drei Monaten nicht 
stattgefunden, plotzlich heftige Schmerzen im Abdomen 
und Kreuz auf. Die Schmerzen treiben die Frau aus dem 
Bette. Sie kann jedoch nur mit grosser Miihe, von ihrem 
Manne gesttltzt, einige Schritte im Zimmer machen. Ueber 
die plbtzliche Bewegungs- und Empfindungslosigkeit aufs 
heftigste erschreckt, wird sofort nach Srztlicher Hilfe ge- 

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468 Blutungen. 

schickt. Die Untersuchwig ergibt eine vollstandige moto- 
rigche und sensible Lahmung vom Nabel abwarts. 
gynakologische Befund ist negativ. Am folgenden Morgen 
1st die Blase stark gefQllt und kann nicht willkOrlich ent- 
leert werden, es besteht also auch Blasenlahmung, des- 
gleichen tritt vollkommene Stuhlverhakung ein als Zelcben 
der Darmlahmung. Temperatur SB 0 C. An der Diagnose 
Riickenmarksblutung (Apoplexia spinalis) konnte bei dem 
plbtzlichen Auftreten der Symptome kein Zweifel bestehen. 
Eine aussere Ursache fiir das Eintreten der B. war nicht 
vorhanden. Die Lendenwirbelsaule zeigte Druckschmerz- 
haftigkeit, aber keine sonstige Veranderung. Spat ere 
Rbntgenbilder ergaben auch kein Abweichen von dem nor* 
malen Zustande der Wirbelsaule. Desgleichen ergab eine 
Blutuntersuchung negative Wassermannsche Reaktion. 
Die genaue Gesamtkorperuntersuchung brachte nichts Krank- 
haftes zum Yorschein, speziell keine Anzeichen fiir Ar te- 
riosklerbse, Nephritis oder Tuberkulose. Fiir das spontane 
Auftreten des Blutergusses ins Riickenmark muss man 
danach wohl eine Gefassanomalie (Yarixbildung) annehmen. 
Die Therapie bestand in Morphiuminjektionen zur psy* 
chischen Beruhigung und Schmerzlinderung sowie in La- 
gerung auf Wasserkissen zur Verhiitung des Dekubitus. 
In den ersten Tagen trat mehrfach Erbrechen auf, der 
Leib war tympanitisch gespannt und schmerzhaft. Stuhl- 
gang konnte anfangs nur mittels digitaler Ausraumung 
und hohen Einlaufen, kombiniert mit grossen Dosen RizinusOl 
erzielt werden. Aueh spater waren lange Zeit starkere 
Abfiihrmittel und Klistiere erforderlicb, wenn es auch be- 
deutend leichter ging. Drei Wochen lang musste taglich 
morgens und abends katheterisiert werden, bis die Detrusor- 
liihmung von einer Sphinkterlahmung abgelost wuirde, 
wodurch die Harnverhaltung in stetiges Urintraufeln iiber- 
ging. Die Temperatur schwankte wochenlang zwischen 
37° und 38° C. Im Beginne bezog ich’ die erhblite 
Temperatur auf die Resorption des Blutergusses, spater 
glaubte ich dieselbe mit einem entziindlichen destruie- 
renden Prozess im Riickenmark erklaren zu dQrfen. Thera- 
peutische Versuche mit Quecksilber und Jod waren er- 
folglos. Die Hautsensibilitat kehrte sehr langsam zurQck, 
blieb aber unvollstandig, so lange ich die Kranke zu be- 
obachten Gelegenheit hatte. Spuren aktiver Bewegungen 
liessen sich nach zirka vier Wochen feststellen, machten 
aber nur sehr langsame Fortschritte. Als die Pat. seel 
Wochen nach dem Auftreten der B. in die Heimat.transJ 


Google 


Origir djfj 

UNlVERSITY'i 




469 


Blutungen. 


portiert wurde, war der Prozess naturgemass noch lange 
nicht abgesehlossen. Wie Yerf. nach etwas mehr als einem 
halben Jahre hort, sind die Blasen- und Darmstorungen 
geschsvunden und vermag die Pat. jetzt auf den Beinen 
zu stehen, aber nur rait Unterstiitzung. Ein weiterer 
Rttckgang der Lahmung der Beine ist wohl zu erwarten, 
wenn sich auch fiber den endgfiltigen Zustand nichts Be- 

stimmtes sagen lflSSt. (Die Therapie der Gegenwart, M&rz 1912.) 

— Wilh. Schilling, TTeber die Behandlung der Hamophilie. 

(Aus dem st&dtiseh. Krankenhaus Bayreuth.) „Es handelte 
sich um einen fiinfjahrigen Knaben, dessen Bruder kurz 
zuvor wegen der gleichen Erkrankung ebenfalls bei uns 
in Behandlung war. Dieselbe trat bei ihm in Form von 
ausgedehnten Blutextravasaten unter die Haut, speziell auf 
Brust und Rficken, auf. Von den tibrigen Familienmit- 
gliedern, besonders den miLnnlichen, konnte anamnestisch 
keine Disposition zu derartigen B. festgestellt werden, nur 
die Mutter des Pat. soil vor Jahren infolge Platzens einer 
Hamorrhoidalvene beinahe verblutet sein. Der Pat. selbst 
hatte sich anfangs Juli zufallig eine minimale Verletzung 
am Zahnfleisch des Oberkiefers zugezogen. Da es aus der 
Wunde unaufhorlich langsam weiterblutete, machte die 
Mutter des Pat. zuerst selbst den VersuCh, mit Hilfe von 
Essigaufschlfigen und blutstillender Watte dieselbe zum 
Stillstand zu bringen. Doch umsonst! Er wurde hernach 
ins Krankenhaus verbracht, und hier wurde es anfanglich 
versucht, durch lfiffelweise Verabreichung von Kochsalz 
und von Calcium chloratum in 4 °/o iger Lfisung, durch 
Adrenalintamponade und Dauerkompression mit Hilfe eines 
Gummischlauches, durch Einspritzung von Diphtheriehcil- 
serum und steriler I0°/oiger Gelatine, durch Auflegen von 
Penghawar Yambi und Kauterisation den Tod durch Ver- 
bluten hintanzuhalten. Alle diese unsere Bemtihungen 
waren vergebens, es blutete langsam und unaufhorlich 
weiter. Der Hamoglobingehalt des Blutes ging mehr und 
mehr bis auf 25 0/ o zurtick. Das Kind wurde von Tag 
zu Tag matter, es nahm keine Nahrung mehr zu sich, 
nur Milch und tiberhaupt Flfissigkeit wurde noch gierig 
aufgenommen. Dabei wurde das Kind ziemlich unruhig 
und stiess besonders nachts haufig einen Schrei aus ahnlich 
dem Cri hydrencephalique bei der Meningitis cerebrospinalis 
epidemica (vielleicht infolge von Gehirnanfimie). Als 
interessant mochte ich hervorheben, dass das Kind bei 
dem immer mehr zunehmenden Blutverlust und der geringen 


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Blutungen. 


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Fullung des Gefasssystems ganz instinktiv standig das 
Deckbett wegstrampelte und die Beine hoch auf dasselbe 
hinauflegte, gleichsam um dadurch eine Autotransfusion 
herbeizufflhren. Da bereits alle Mittel, die Blutung zu 
stillen, fehlgeschlagen batten, machten wir den Yersuch, 
ihm Blut von einem gesunden Individuum in das Gef&ss- 
system Gberzufiihren. Wir entnahmen zu diesem Zweck 
einem nur mit einem Fussleiden behafteten, sonst aber 
vollstandig gesunden Pat. aus der gestauten Kubitalvene 
unter streng aseptischen Kautelen 200 g Blut, dieses wurde 
mit einem Glasstab defibriniert, filtriert, mit steriler physio- 
logischer Kochsalzlbsung innig gemengt und 750 ccm ver- 
dunnt. Nattirlich wurde darauf gesehen, dass diese Mischung ' 
die Kbrpertemperatur beibehielt. Inzwischen war bei dem 
Kinde wie zur intravenosen Kochsalzinfusion die Kubital¬ 
vene freigelegt worden, und wir liessen die Mischung ohne 
jeglichen Druck langsam einlaufen, eine Prozedur, die 
nahezu 3 U Stunden in Anspruch nahm. Der Puls, der 
vorher ausserst frequent (160 Schlage pro Minute) und 
klein war, wurde noch wahrend der Infusion voll und 
kraftig. Am Tage nach der Infusion antwortete der Pat. 
auf diese Einverleibung von fremdartigem Blut zun&chst 
mit einer hohen Fiebersteigerung bis zu 89,6°, die aber 
sofort wieder zuriickging und am dritten Tag nach der 
Infusion die Norm erreichte. Aus dem Zahnfleisch des 
Oberkiefers trat nach der Infusion nur noch zweimal in 
viel geringerem Masse eine Blutung auf, wahrend es aus 
der kleinen Inzisionswunde in der Ellenbeuge, die nach 
der Infusion durch vier dunne Katgutnahte und einen 
kleinen Druckverband geschlossen war, Gberhaupt nicht 
blutete. Der Puls blieb von da an gut. Yom fiinften 
Tage an nach der Infusion versuchten wir es ausserdem 
noch in dreitagigen Pausen mit Rontgenbestrahlungen, in- 
dem wir die Milz und die langen Rohrenknochen je funf 
Minuten wie bei der Leukamie belichteten. Seit der ersten 
Rbntgenbestrahlung hat Pat. keine Blutung mehr gehabt, 
sein Befinden wurde von Tag zu Tag besser, die Augen 
blickten viel munterer, er antwortete auf Fragen und 
unterhielt sich mit den Gbrigen Kindern. Die hochgradige 
Blasse, vor allem des Gesichtes und der Lippen, machte 
einem zarten Rot Platz, die Nalirungsaufnahme hob sich, 
und die Untersuchung des Blutes ergab nach der dritten 
Bestrahlung einen Hamoglobingehalt von 60 °/o. Die 
mikroskopische Blutuntersuchung lasst aus den massenhaft- 
vorliandenen kernlialtigen roten Blutkorperchen auf einen 


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Blutungen — Frakturen und Luxationen. 


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m&chtigen regenerativen Prozess schliessen. Der Puls ist 
voll und kraftig, und der Pat. wird in den nachsten Tagen 
aus dem Krankenhaus entlassen werden. — Wenn wir 
die angewandten Mittel nochmals ftberblicken, so bin ich 
der Ueberzeugung, dass wir den Erfolg in der Behandlung 
lediglich der intravenfisen Blutinfusion und den Rontgen- 
bestrahlungen zu verdanken haben, und glaube, dass man 
in jedem Falle von HSmophilie, besonders wenn es sieh 
um solche schweren Formen handelt, diese Methode 
wenigstens versuchen sollte.“ 

(Munch, med. Wochenschr. 1911 Nr. 44.) 

Frakturen und Luxatiowew. Einige Bemerkungen 

liber Halswirbelbriiche. Von Prof. E. Sonnenburg 
(Berlin). „Ich bin bei der Lektfire des ausgezeichneten 
Werkes des bekannten Strassburger Chirurgen Jules 
Boeckel, das er mit seinem Sohne Andre gemeinschaft- 
lich verfasst hat und in d^m die F. der HalswirbelsSule 
ohne Symptome von seiten des Rfickenmarks behandelt 
werden, wieder lebhaft an eine Zeit erinnert worden, wo 
man diese Formen von F. noch gar nicht kannte, sie jeden- 
falls stark anzweifelte. Ich habe in der Sitzung der 
Berliner medizinischen Gesellschaft am 28. Januar 1889 
die Aufmerksamkeit auf diese Formen von F. gelenkt, 
fiber derartige Falle berichtet und ihr Yorkommen durch 
ein PrSparat bestatigen kfinnen. Der Vortrag, den ich 
damals hielt, war im Anschluss an einen gerichtlichen 
Fall entstanden, bei dem eine derartige F. angenommen 
war. Die Ansichten der Sachverstandigen fiber das Yor¬ 
kommen derartiger Verletzungen gingen weit auseinander, 
so dass es damals zu einem non liquet kam. Einige Jahre 
spater liatte ich nochmals Gelegenheit, Ffille von Hals- 
wirbelbrfichen ohne medullSre Symptome vorzustellen und 
zu veroffentlichen. Aber alle diese Mitteilungen wurden 
damals nicht sehr beachtet, da die meisten Chirurgen immer 
noch auf dem Standpunkte v er liar r ten, dass die Verletzung 
des Rfickenmarks bei den F. der Wirbel, speziell der Hals- 
wirbel, unbedingt eintreten mfisste und dass ohne gleich- 
zeitige Lahmungserscheinungen der Halswirbelbruch nicht 
vorkSme. ,Wer sich den Hals briclit, stirbt‘, das war so 
die gangbare Auffassung, die bis zur Entdeckung Rontgens 
auch unverandert blieb. Nun hat das Rfintgenverfahren 
endlich das Yorkommen dieser F. definitiv bestatigt und 
in den Anschauungen Wandel geschaffen. Heute sind 
diese Formen von F. alien Aerzten bekannt, und die von 


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Frakturen und Luxationen. 


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mir damals vertretene Ansicht ist zur vollen Geltung durch-* 
gedrungen. Keine Form von Wirbelbruch bleibt heutzu- 
tage unerkannt; das Rontgenbild erlaubt uns, eine absolut 
siehere Diagnose zu stellen.' Die Kenntnis von den Ver- 
letzungen der WirbelsSule ist daher in ein ganz anderes 
Stadium getreten. Auch filr die. gerichtsfirztliche Be- 
urteilung und ftir die Behandlung solcher Falle im Rahmen 
der Unfallgesetzgebung haben sich ganz neue Gesichts- 
punkte ergeben. Hinter den sogenannten Kontusionen, 
Yerstauchungen der Halswirbelsaule sind sehr oft sol die 
F. verborgen. Die Literatur enthalt jetzt viele Beob- 
acbtungen, in denen derartige Fehldiagnosen vorlagen. 
Diese Pat. waren frfihzeitig entlassen, kamen aber immer 
wieder und klagten fiber Kopfschmerzen und Schmerzen 
in den Armen, wurden aber als Simulanten oder wenigstens 
als Pat., die ihre Leiden fibertreiben, angesehen, bis 
scliliesslich durch irgendwelchen Zwischenfall paralytisclie 
Erscheinungen der Blase oder auch der Extremititten auf- 
traten und nach einem verhfiltnismassig schnell erfolgten 
Tode eine F. der Wirbel bei der Sektion konstatiert wurde. 
Diese Falle sind auch heute noch — wenn auch besser 
bekannt als frtther — fttr den SachverstSudigen vor 
Gericlit schwierig zu beurteilen. Aber die vielen Gut- 
achten, die ich darfiber im Laufe der Jahre in Hfinden 
gehabt oder selber abgegeben habe, betonen jetzt doch 
ausdrficklich, dass, wenn auch die Symptome einer Ver- 
letzung der Wirbel fehlen, eine solche nicht ausgesclilossen 
werden kann und dass das Rfintgenbild auf alle Falle 
gemacht werden mttsste, weil es allein fiber den Zustand 
Rechenschaft geben kfinnte. Ist nun eine derartige F., 
welche von seiten des Rfickenmarks keine Symptome 
machte, vorhanden gewesen, so ist es ffir den Arzt schwierig, 
zu bestimmen, welche Rente seinem Pat. zukommt. In 
richtiger Beurteilungspaterer Folgen derartiger Verletzungen 
tut der Arzt immer gut, selbst da, wo eine sorgf&ltige und 
richtige Behandlung stattgefunden hat, die Erwerbsffihig- 
keit als noch langere Zeit vermindert anzuselien und den Pat. 
nicht aus arztlicher Behandlung und Beobachtung zu lassen. 
Ich habe gerade in den letzten Jahren noch zwei derartige 
Falle von F. der Halswirbelkorper in Behandlung gehabt, 
die durch die Radiographie festgestellt werden konnten. 
Trotzdem hier von Anfang an infolge der richtigen Diagnose 
eine entsprechende Behandlung, die auf Wochen sich er- 
streckte, stattgefunden hatte, wurden doch noch fiber ein 
dahr Klagen fiber Beschwerden aller Art geaussert, die 


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Fralcturen und Luxationen. 


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durcliaus nicht als simuliert oder tibertrieben angesehen 
werden konnten und 1 sicher zu einem chronischen Leiden 
ausgeartet waren, wenn nicht eine weitere arztliche B$- 
handlung richtig eingegriffen hatte. So ist es in den 
beiden Fallen gelungen, die Pat. dauernd wieder arbeits- 
fabig zu machen und die ihnen zukommenden Renten all- 
mahlich zu verkleinern. Auch Stem pel betont, dass Ober 
ein Jahr lang Rente gezahlt werden mtisste. Es sind Falle 
bekannt, wo die Rente dauernd gezahlt werden musste, 
weil infolge zu frdhzeitiger Reduzierung der Rente die zu 
frith aufgenommene Arbeit zu einer Verschlimmerung der 
Symptome gefQhrt hatte Meines Erachtens wird die Rente 
nach Heilung eines derartigen Halswirbelbruches sich 
langere Zeit noch zwischen 30 und 40 % bewegen mtissen. 
Noch schwieriger ist die Situation, wenn ein derartiger 
Bruch verkannt wurde und erst nach einigen Monaten 
mittels der Radiographie richtig diagnostiziert wird. Hier 
kann es dazu kommen, dass — da gerade bei diesen ver- 
kannten Halswirbelbritchen weitere Folgen sich viel mehr 
bemerkbar machen als bei den richtig erkannten und sach- 
gemass behandelten — der Pat. anf Schadenersatz zu 
klagen sich berechtigt filhlt. Es ist daher sehr dankbar 
anzuerkennen, dass in einem Werke von Jules Boeckel 
gerade fiir die Unfallverletzten wie auch fiir die gericht- 
lichen Falle an der Hand einer fleissigen und sorgfaltigen 
Zusammenstellung der hierher gehbrigen Falle die Klinik 
dieser Halswirbelsaulenbriiche ohne Rtickenmarkerschei - 
nungen ausfiihrlich besprochen wird. Es sind im* ganzen 
95 Falle aus der Literatur und 14 noch nicht publizierte 
zusammengestellt. Vor alien Dingen ist das Studium der 
21 Rontgenbilder von grosser Wichtigkeit und jedem Arzte 
zu empfehlen, weil man aus diesen auch die hier in Be- 
tracht kommenden Arten der F. am besten erkennen kann. 
Die Ursachen der Wirbelfrakturen, besonders der Hals- 
wirbelfrakturen, kbnnen direkte und indirekte sein. Die 
letzteren sind aber die haufigeren; sie entstehen durch 
Hyperflexion und Hyperextension der Wirbelsaule und 
bilden sich mit. Vorliebe da, wo ein beweglicher Teil der 
Halswirbelsaule mit einem unbeweglichen zusammentrifft. 
Die isolierte F. des Kbrpers ist die haufigste, diejenige, 
die sich bei meinen Beobachtungen am meisten vorfand. 
Unter 37 Fallen, die z. B. Boeckel in seinem Werke 
zusammengestellt, sind 26 isolierte F. der Korper auf- 
gefOhrt. Durch den Umstand, dass in einer grossen An- 
zahl von Fallen ein Fragment des verletzten Halswirbel- 


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Frakturen und Luxationen. 


korpers nach dem Pharynx zu vorzuspringen pflegt, kann 
man es vom Munde aus fuhlen; unter bestimmten Yer- 
haltnisfeen (Lange des Halses) kOnnen diese Yorsprunge 
sogar bis an die Grenze des 5. Halswirbels geflihlt werden 
(Sonnenburg, Chipault). Wahrend man also frGher 
als unbedingt notwendige Begleiterscheinung der Hals- 
wirbelbrflche das Vorhandensein von Lahmungen und 
anderen Rhckenmarksymptomen und infolge davon auch 
mit Sicherheit den Tod erwartete, haben zahlreiche Be- 
obachtungen, besonders seit dei* Anwendung des ROntgen- 
verfahrens, uns gezeigt, dass BrQche der Halswirbelsaule 
ohne jede Beteiligung des RGckenmarks vorkommen kOnnen 
und dass man diese BrOche richtig erkennen und auch 
heilen kann. Interessant ist es auch, dass durch den mit 
der F. gleichzeitig entstehenden Bluterguss Kompressionen 
des Riickenmarks auftreten kOnnen, die vorObergehende 
Lahmungen hervorrufen; gerade auf diese habe ich schon 
damals aufmerksam gemacht, und dieselben sind seitdem 
bei Halswirbelbriichen oft beobachtet worden. 'Vt'er sich 
fur diese Falle interessiert, wird in dem trefflichen Buche 
von Boeckel Gelegenheit genug linden, sich naliere 
Kenntnisse zu holen. Mir hat das Buch Veranlassung 
gegeben, an fruhere Zeiten und Anschauungen micli zu 
erinnern und diese wenigen Bemerkiingen im Anschluss 
an das Studium des Werkes zu verOffentlichen, weil es 
mir eine gewisse Genugtuung ist, die damals unter 
schwierigen Umstanden vertretene Ansicht liber diese Art 
von Bruchen jetzt als eine unumstossliche Wahrheit an- 

erkannt ZU sehen. u (Berliner klin. Wocbenschrift 1912 Nr. 8 .1 

— Luxation der Halswirbels&nle. Yon Stabsarzt Dr. Rommel. 

(Aus der II. Medizin. Klinik der Charite in Berlin.) Am 
21. Oktober 1911 fiel Pat. von einem Wagen (ca. 1 m hoch) 
riicklings herab, wobei er mit dem Hinterkopf auf den 
Boden schlug. Er zog sich eine leicht blutende "Wunde 
am Hinterkopf zu und verspiirte sofort Schmerzen im 
Nacken und in den Schulterblattern, konnte aber ohne 
Beschwerden allein nach Hause gehen. Dann aber musste 
er sich wegen „grosser Schwache im ganzen Kbrper“ zu 
Bett legen. Das Gehen sowie Bewegungen der Arme 
fielen ihm schwer. In beiden Handen verspiirte er Kribbeln 
und Ameisenlaufen. Am 8. November wurde er wegen 
Verdachtes einer traumatischen Hysterie der Klinik ilber- 
wiesen. Die subjektiven Beschwerden bestanden bei der 
Aufnahme in Schmerzen in Nacken und Scliultern sowie 


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.Frakturon und Luxationen. 


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Kraftlosigkeit und Parasthesie der Hande. Kopf wird 
vielleicht etwas vornfiber geneigt getragen. Am Hinter- 
kopf sind keine Residuen einer Wunde mehr zu finden. 
Die Halswirbels&ule ist ungefahr in der Hohe des 4. bis 
6. Dorns klopfempfindlich. Bei Betastung der Dome kommt 
man ungefahr in Hohe des 4.— 5. Dorns auf eine Unter- 
brechung (Grube), auf welche ein stark prominenter 
Dorn, der anscheinend als 6. anzusprechen ist, folgt. Die 
Beugung der Halswirbels&ule nach vorn ist nur wenig 
beschrSnkt, nach hinten nahezu vfillig aufgehoben und 
schmerzhaft. Rotation des Kopfes gut ausfiihrbar, seitliche 
Beugung (Abduktion) der Halswirbelsaule beschrankt. Die 
Palpation der Halswirbel vom Pharynx aus ergibt, soweit 
dies ausftihrbar, nichts Abnormes. An den Organen der 
Brust- und Bauchhfihle finden sich keine Abweichungen 
von der Regel. Die Arme konnen im Stehen nur etwas 
fiber die Horizontale gehoben werden. Samtliche Bewe- 
gungen der oberen Gliedmassen sind im fibrigen gut aus- 
ffihrbar, aber in ihrer groben Kraft stark herabgesetzt 
(Parese). Fingermuskulatur frei, aber auch in alien Kraft- 
ausserungen stark vermindert. Handedruck, dynamometrisch 
gemessen, rechts und links = 0. Geringer Tremor manuurn. 
Untere Gliedmassen in bezug auf Motilitat und Kraft intakt. 
Im Bereich des fibrigen Nervensystems war noch bemer- 
kenswert: auffallend weite, aber gut reagierende Pupillen. 
Lidflattern. Lebhafte Arm- und Kniesehnenreflexe. Ivein 
Babinski. Beiderseits deutlicher Fussklonus. Vasomotorische 
Erregbarkeit in Form von Schwitzen der Hande und 
starkem Nachroten der Haut des Rumpfes bei Streichen. 
Die Sensibilitat war am ganzen Korper intakt. Es wurde 
tiberall Spitz und Stumpf, Warm und Kalt sowie feine 
Berfihrung richtig angegeben. Schmerzempfindung unge- 
stort. Blasen- und Mastdarmfunktion in Ordnung. Eine 
Lumbalpunktion ergab eine unter geringem Druck stehende 
klare, kein Blut oder sonstige pathologische Elemente ent- 
haltendd Flfissigkeit. Die Atmung war nicht behindert 
und von hauptsachlich thorakalem Typus. Elektrische 
Erregbarkeit der Schulter- und Armmuskulatur normal. — 
Man hatte es also mit einem Pat. zfi tun, der 18 Tage 
vor seiner Aufnahme in die Klinik aus massiger Hohe auf 
den Nacken gefallen war und ausser lokalen Schmerzen 
zunachst keine besonderen Beschwerden hatte. Erst zu 
Hause setzte „eine grosse Schwache im ganzen Korper“ 
ein. Dann fallen Bewegungen aller Extremitaten schwer, 
und in den Armen stellt sich Parasthesie ein. In der 


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Frakturen and Luxationen. 


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Klinik findet man nur noch Symptome einer motorischen 
Parese beider Arme bei intakten unteren Gliedmassen. 
Sensibilitats- sowie Blasen- und Mastdarmstorungen fehlen. 
Die Atmung (Nervus phrenicus) ist frei. An der Hals- 
wirbelsaule ist ein bestimmter palpatorischer Befund zu 
erheben. Der Kopf nimmt eine leichte Zwangsstellung ein. 
Alles dies bereehtigte, von der Annahme einer einfachen 
traumatischen Hysterie abzusehen und vielmehr eine gleich- 
milssige Kompression des Halsmarkes und seiner Wurzeln 
in Hohe des 5.—7. Halssegments anzunehmen. Als Ur- 
sache konnte eine Verletzung der Halswirbelsaule (Frak- 
tur, Luxation) mit oder ohne Blutung in Betracht kommen. 
Hauptsachlich wies neben den nervbsen Symptomen der 
palpatorische Nackenbefund und die Zwangsstellung des 
Kopfes auf eine Wirbelverletzung hin. Eine Blutung 
starkeren Grades konnte beim Fehlen charakteristischer 
Symptome und bei dem schon lange^ zurtlckliegenden Un¬ 
fall jetzt keine nennenswerte Rolle mehr spielen. Es hatte 
daher die Annahme einer Luxation oder Fraktur eines 
Halswirbels — in letzterem Falle gleiehmiissige Kom¬ 
pression des Halsmarkes durch ein Knochenfragment — 
die grbsste Wahrscheinlichkeit ftir sich. Eine daraufhin 
vorgenommene seitliehe Aufnahme der HalswirbelsSule 
mit Rontgenstrahlen ergab eine symmetrische Beugungs- 
luxation des 5. Halswirbels. Man sieht die Diastase 
zwischen 5. und 6. Dorn, die bei der Palpation als Grube 
imponierte, und den nach vorn gerutschten 5. Halswirbel, 
der mit den vier oberen Wirbeln in Kontakt geblieben 
ist. Eine sogenannte Yerhakung der Gelenkforts&tze hat 
nicht stattgefunden. Auf der Rbntgenplatte sind keine 
Anhaltspunkte fur gleichzeitige Knochenabsprengungen 
starkeren Grades zu finden. In den chirurgischen Lehr- 
buchem wird die Luxation zwischen 5. und 6. Halswirbel 
als die hSufigste unter den Halswirbeln angesprochen. 
Der Pat. wurde nach gestellter Diagnose der chirurgischen 
Klinik der Charite Qberwiesen. Von einer Reposition 
der nicht mehr frischen Luxation in Narkose wurde 
hier Abstand genommen, da man bei Lbsung schon ein- 
getretener Yerwachsung eventuell schwere Schadigungen 
des Halsmarkes ftirchten musste. Dagegen kam Pat. mit 
gutem Erfolg l&ngere Zeit in das Streckbett. Die Parese 
der Arme und die Pariisthesien gingen sichtlich zurflck. 
Eine Reposition des Wirbels wurde allerdings nicht erzielt. 
Bei der Entlassung erhielt Pat. noch einen festen Gips- 
kragen mit, mit der Weisung, sich in einigen Wochen wieder 


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Frakturen und Luxationen — Furunkel — Morbilli. 


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vorzustellen. Am 24. Januar 1912 erschien Pat. wieder 
zur Kontrolle. Er hat nach Aussage sich dauernd wolil 
gefiihlt und ohne Beschwerden seinen Beruf austiben 
kbnnen. Das einzige, was ihm noch auffiel, war ein un- 
bedeutendes Kribbeln an der Yolarseite der Fingerspitzen 
beider Hande, der Gipskragen konnte entfernt werden. 
Der palpatorische Nackenbefund war der gleiche; aucb 
im ROntgenbild hatte sich nichts geandert. Die grobe 
Kraft beider Arme und HSnde war eine rqpht gute. Hande- 
druck dynamometrisch rechts 75, links 70. Die lebhaften 
Extremitatenreflexe waren noch vorhanden. Sensibilit&t 
tlberall v&llig intakt; auch an den Fingerspitzen. Bei 
Prtifung des Fussklonus war ein soloher nur noch ange- 
deutet und zeigte schnelle Erschbpfung. — Der Fall ist 
noch dadurch bemerkenswert, dass bei nicht erfolgter Re¬ 
position der Luxation das funktionelle Resultat ein gutes 

geworden ist. (Berliner klin. Wochenschrift 1912 Nr. 10.) 

Furunkel. Zur Behandlung des Gesichtsfnrunkels kann 
Dr. Stroll (MQnchen) folgende Salbe empfehlen: 

Rp. Acid, salicylic. 2,0 
Mellis crud. 20,0 
Extract, arnic. flor. 10,0 
Farin. tritic. qu. s. ut ft unguent. 

Diese Salbe wird, aufBorlint gestrichen, aufgelegt; daruber 
ein grosser Bauschen Brunsscher Watte. Alle 24 Stunden 
muss diese erneuert werden; dabei erfolgt die Reinigung 
mit Watte, befeuchtet mit Karbolwasser, wie auch mit 
Watte hierauf wieder abgetrocknet werden muss. Jedes 
Ausdriicken des Furunkels ist absolut zu unterlassen. 
Schliesslich geschieht die Zuheilung mit Borsalbe.' 

(Munch, med. Wochenschrift 1912 Nr. 12.) 

Morbilli. M. Feibelmann, Ein Masernrheumatoid im 
S Anglings alter. (Aus dem Gisela-Kinderspital Mtinchen.) 
Bei einem 6 monatigen Kinde rbteten sich zahlreiche Gelenke 
und schwollen an. Um was bandelte es sich? Syphilis, 
Tuberkulose, Gonorrhoe usw. waren auszuschliessen; ein 
Fall von' Masernrheumatoid im Sauglingsalter ist bisher 
nicht bekannt. Auch der echte akute Gelenkrheumatismus 
gehbrt im Sauglingsalter zu den allergrbssten Seltenheiten, 
ja, es wird in der Regel tiberhaupt bestritten oder bezweifelt, 
dass er bei Sauglingen vorkommt. Schlossmann hat im 
Jahre 1903 die hierhergehorigen Beobachtungen aus der 
Literatur zusammengestellt, und aus seinen Mitteilungen 


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478 


MorbillS — Neuralgien. 


ergibt sich, wie wenig Sicheres hiertlber bekannt ist; seine 
eigenen Fftlle betreffen Kinder des zweiten Lebensjahres. 
F. trftgt um so mehr Bedenken, den Fall als echten Ge- 
lenkrheumatismus aufzufassen, da auch der klinische Ver- 
lauf keineswegs dem typischen Bilde des kindlichen Ge- 
lenkrheumatismus entsprach. Nach Ibrahim ist speziell 
charakteristisch fflr den akuten Gelenkrheumatismus im 
Kindesalter der in der Regel mildere und kOrzere Verlauf 
der eigentlichen Polyarthritis, w&hrend eine Beteiligung 
und eine nachhaltige Sch&digung des Herzens noch hfiufiger 
ist als bei Erwachsenen. Bei obigem Fall blieb das Herz 
unbeteiligt, wahrend die lokalen entztlndlichen Symptome 
an den Gelenken sehr intensiv ausgepr&gt waren; dazu 
kommt noch, dass ein sprungweises Wandem des Prozesses 
von einem Gelenk zum anderen ebensowenig beobachtet 
wurde wie eine ausgepragte Heilwirkung des Salizyls auf 
die Gelenkerscheinungen. Nur das Fieber wurde durch 
das Aspirin gGnstig beeinflusst, die Gelenk ver&nderungen 
bildeten sich erst innerhalb 8 Tagen zurftck. So ko'mmt 
T. zum Schluss, der an und ftir sich bei dem Verlauf der 
ganzen Erkrankung sich dem Beobachter aufdrSngte, dass 
ein atiologischer Zusammenhang zwischen den multiplen 
Gelenkerkrankungen und den fQnf Tage zuvor ausge- 
brochenen Masern best'ehen musste, dass also ein echtes 
Masernrheumatoid vorlag. 

(Munch. med. Woohemchrift 1912 Nr. 29.) 

Neuralgien. Behandlung der Neuralgien. Von Priv.-Doz. 
Dr. Rob. Bing (Basel): 

1. Allgemeines. Bei jeder frischen Neuralgie von nam- 
hafter Intensitat ist korperliche Ruhe ein dringendes Er- 
fordernis. Fflr Trigeminus- oder Interkostalneuralgien ge- 
nQgt in der Regel Zimmerarrest (wobei Besuche usw. tun- 
lichst fernzuhalten sind), bei Ischias soli sofort auf Bettruhe 
gedrungen werden. Dabei wird das schmerzende Bein sorg- 
faltig in eine solche Stellung gebracht, die den kranken 
Nerven mbglichst entspannt (Rolle aus Tafelwatte unter 
die Kniekehle! Festhalten der Extremit&t in mittlerer Ab- 
ductionsstellung durch Sands&ckchen!); es empfiehlt sich 
auch manchmal (bei Ischias varicosa z. B.), das Fussende 
des Bettes zu erhbhen. — Kausale Behandlung (Eisen, 
Chinin, Quecksilber, Jodkali usw.) darf nicht vernach- 
l&ssigt werden. Arsenkur bei alien senilen Formen zu 
versuchen. Kostwechsel (ovolakto-vegetarische DiSt) kann 
von Nutzen sein. 


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Neuralgien. 


479 


2. Antineuralgica. Bei Ischias versuche man stets 
zuerst das Natrium salicylicum, das eine entschieden 
energisehere Wirkung entfaltet, als das Aspirin, beziehungs- 
weise Acidum acetylosalicylicum. Letzteres ist nur bei sehr 
empfindlichem Magen vorzuziehen. Keine zu angstliche Do- 
sierung! Urn Magenbeschwerden zu vermeiden, kann man 
eine Losung von 2—3 g Natr. bicarbon, nachtrinken lassen. 
Rp.: Natrii salicyl. 20,0 

Sir. cort. aurant. 40,0 

Aq. menth. pip. ad 300,0. 

MDS. Vier-, sp&ter drei- und zweimal t8glich v l E^gloffel 
(=1,0 Natr. salic.) in 1 i 2 Glas Wasser nach dem Essen. 
Die sonstigen Antineuralgica kbnnen nicht alle hier 
angeftibrt werden; im allgemeinen bevorzuge ich das Pyr- 
amidon (0,3 bis 0,5 pro dosi) und die phenacetin- und 
lactopheninhaltigen „Mischpulver“, z. B.: 

Rp. Aspirin. Rp. Acetanilidi 0,2 

Lactophenin. aa 0,5 Phenacetin 0,1 

Coffe'in. citric. 0,1. Chinin. valerian. 0,05. 

Rp. Exalgin. 0,1 Rp. Phenacetini 0,6 

Coffeini citric. 0,05 Acetanilidi 0,3 , 

Phenacetin. 0,2 Codeini 0,04. 

Antipyrini 0,4. 

Speziell fiir Trigeminus- und Okzipitalneuralgien ge- 
eignet: Migraenin (Antipyrin, coffe'inocitric.) a 1,0 pro dosi; 
das Butylchloral oder dessen Additionsprodukt mit Pyr- 
amidon, das Trigemin (muss vollkommen weiss aussehen!) 
a 0,5 pro dosi, das Atropin oder das Methylatropin (Atro- 
pinum methylobromatum), ersteres zu 0,0005, letzteres zu 
0,002pro dosi; dieTincturaGelsemii(Einzeldose20Tropfen). 
Aconitin ist ebenfalls ein oft sehr wirksames Mittel gegen 
Prosopalgie, namentlich wenn man es l&ngere Zeit unter 
gleichzeitiger Verabreichung eines salinischen Abffthrmittels 
nehmen ltisst. Einzeldose 0,0001 (‘bo mg) unter Verwen- 
dung eines zuverlassigen Prliparats (Aconitin. ex aconito 
feroci Merck, granules d’aconitine cristallisee Clin). 

Hypnotisch-antalgetische Kombinationen: 

Rp. Pyramidon. 0,3 Rp. Kali bromati 10,0 

Veronal. 0,5 Chloral, hydrati 5,0 

Antipyrini 3,0 

Rp. Lactophenin. Codeini phosph. 0,4 

Trional. aa 0,5. Aq.menth. pip. ad 150,0. 

MDS. Abends 1 EsslOlfelz.n. 


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Neuralgien. 


3. Thermotherapie . Je nach der Legalisation des Pro- 
zesses, seiner Ausdelinung, dem Allgemeinzustande des 
Pat. usw.: Biersche K&sten, Phenix a air chaud (Dia- 
phorese!), feuchtwarme Umschlage, Leinsamenkataplasmen, 
Thermophorkompressen, elektrische Lichtbader, Heissluft- 
duschen, Dampfduschen, Fangopackungen, heisse Bader usw. 
Kalte wird im allgemeinen nur bei frischen Fallen von 
Trigeminusneuralgie wohltatig empfunden und vermag da 
vielleicht auch kurativ zu wirken (grosse individuelle Ver- 
schiedenheiten! Ausprobieren!). 
a 4. Revulsiva. Die Durchfrierung der Haut an den 

Valleixschen Druckpunkten mittels Chlorathylsprays kann 
bei alien Neuralgieformen mit deutlicher lokalisierter Druck- 
empfindlichkeit versucht werden (in der Nahe der Augen 
grosse Yorsicht am Platze! Man decke sie sorgfaltigst mit 
Watte zu!). Um nicht zirkumskripte Hautnekrosen zu 
riskieren, durchfriere man nur wenige Sekunden lang; der 
Eingriff wird erst wiederholt, wenn die Rotung, die zu- 
weilen an der chlorathylisierten Partie langere Zeit be- 
steht, wieder dem normalen Aussehen Platz gemacht hat. 

Far Rumpf- und Extremitatenneuralgien geeignet: Em- 
. plastrum oxycroceum, Emplastrum mediolanense (=Empl. 
cantharidat. perpet. = „Mouches de Milan“), Jodanstrich, 
trockene Schr5pfk5pfe, Senfpapier, die verschiedenen per- 
forierten Kapsizinpflaster, Bftrstenfaradisation, Pointes de 
feu usw. (Doch hate man sich davor, durch zu energische 
Revulsion die Haut fur spatere EJektrotherapie ungeeignet 
zu machen!) 

Lok'ale Blutentziehung: Blutige Schropf kbpfe, Blutegel. 

5. Galvanotherapie. Stabile AnodenbehaAdlung der 
Druckpunkte (talergrosse Elektrode, 3 — 5 MA bei vor- 
sichtigem Ein- und Ausschleichen, 3—5 Minuten lang). 
Bei inveterierten Neuralgien kann dann die „DurchstrOmung“ 
des kranken Nerven angeschlossen werden, 5—10 Minuten 
lang, 5 MA, Ein- und Ausschleichen, Stromrichtung gleich- 
gaitig. 

6. Massage und Mechanotlierapie. Bei frischen Fallen, 
abgesehen von ganz leichter Vibrierung der Druckpunkte, 
zu unterlassen. In alteren Fallen: Petrissage der erkrankten 
Region und sorgfaltig ausgefahrte Vibrationsmassage des 
Nervenstamms. — Far Ischias ist ferner die „unblutige 
Dehnung“ des Nerven sehr empfehlenswert: Man erhebt 
das im Knie gestreckte Bein des liegenden Pat. bis zum 
Eintreten eines leichten Schmerzes von der Unterlage auf 
und halt es 2—3 Minuten in dieser Lage fest; zum Schlusse 


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Neuralgien. 


dehnt man noch etwas starker und legt das Bein wieder 
vorsichtig hin. Oft nimmt dabei von einem Male zum 
andern die schmerzlose Exkursionsfahigkeit des Beins zu. 

7) lnjektionsthcrapie. 

a) Langesche Methode. Beim Trigeminus werden an den 

Valleixschen Punkten des kranken Astes einige Kubikr 
zentimeter einer der folgenden Losungen (oder aucb blosser 
physiologischerKochsalzlbsung ohneAnastheticum) injiziert: 
Rp. Euca'ini 0,1 Rp. Stovaini 0,1—0,2 

Sol. Natrii chlorati Sol. Adrenalini (l°/oo) 

(8°/«o) ad 100,0. gtts. V—X 

Sol. Natrii chlorati 
(8°/oo) ad 100,0 

Beim Ischiadicus werden grossere Mengen (70—100 ccm) 
injiziert: Schleichsche Quaddel in der Mitte der Verbin- 
dungslinie zwisclien Trochanter major und Tuber ischii; 
vorsichtiges Eindringen mit 10 cm langer Kaniile bis zum 
Nerven (bei Beruhrung desselben Schmerz und Zusammen- 
ziehen im Beine!); dann Injektion mittels Spritze oder 
Irrigators; aseptische Kautelen! 

b) Neurolytische lnjektionen. Cave; Deren Anwendung 
bei gemischten Nerven, z. B. dem Ischiadicus (Lahmungen!), 
sowie deren Vornahme im Canalis supraorbitalis (bei 
eventueller Kommunikation mit der Orbita Schadigung 
des Sehnerven!!). — Aether, Karbolsaure, Argentum 
nitricum, Chloroform usw. usw. sind heute mit recht ver- 
lassen zugunsten der l°/oigen Ueberosmiumsaurelosung, 
sowie des 80°/oigen Alkohols mit Zusatz eines Anastheti- 
cums („Schlossersche lnjektionen"). • Empfehlenswerte 
Vorschriften: 

Rp. Alcohol. (80°/o) 20 ccm Rp. Alcohol. (80°/o) 20 ccm 

Stovaini 0,2. Menthol 0,4 

Novoca'ini 0,2. 

Bei Trigeminusasten injiziert man 1—1 Va ccm mdg- 
lichst in den Nerven oder mindestens in seine nachste 
Nahe. Die Methoden, ihn an der Schadelbasis aufzusuchen 
(vom Mund aus nach Ostwald, von der Wange aus nach 
Levy-Baudouin), sind nur bei spezialistispher Schulung 
^ausfhhrbar. Bei jeder Injektion differenter Losung tiber- 
zeuge man sich durch vorheriges Einstechen der blossen 
KanQle und Ansaugeh, dass in kein Gefass gespritzt wird! 

8. Chirurgische Therapie. Neurektomie bei schweren 
Okzipital- und Spermatikusneuralgien, Radicotomia poste¬ 
rior (Durehtrennung hinterer Rtickenmarkswurzeln) bei 

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JJeuralgien — Paralysen. 


schwerer Interkostalneuralgie, NeurexSrese (Nervenaus- 
drehung nach Thiersch-Witzel) bei schwerer Neuralgia 
trigemini. Wo der neuralgische Reiz im intrakranialen 
Trigeminus seinen Sitz hat, bleibt als Ultimum refugiom 
die Krausesche Operation (Exstirpation des Gasserschen 
Ganglions). 

* 9. Balneotherapie fur Rekonvaleszenten. Einfache oder 

kohlensaure Solbader; indifferente, Kochsalz- oder Schwefel- 
thermen; Schlamm-, Fango- und Moorbader. 

(Meduin. Klinik 1913 Nr. 13.) 

Paralysen. Zur Frage der Vermeidung von F. nach der 
Esmarch’schen Blntleere. Von Oberarzt Dr. C. Lauen- 
stein (Hamburg). Auf dem Chirurgenkongress 1905 hat 
Verf. ein einfaches Verfahren angegeben und praktisch 
vorgefOhrt, das sich ihm sicher bewahrt hat, um Lahmun- 
gen nach der Anwendung der Esmarch’schen Blutleere 
am Oberarm zu verhindern. Es besteht darin, dass man 
vor der Konstriktion an die Stelle der Arteria brachialis, 
in ihrer LSngsrichtung, unter die elastische Binde eine fest 
aufgerollte Binde einschaltet. Diese Bindenrolle gleicht 
der Pelotte an dem alten Tourniquet, ist aber wesentlich 
wirksamer. Sie schrfinkt den Druck der elastischen Binde 
auf die Gegend des Verlaufes der Arterie und verhindert 
die unnStige gleichm&ssige Einschntirung der abrigenWeich- 
teile, insbesondere der Nerven. Die von Gocht empfoh- 
lenen Factiskissen, so zweckmSssig das Material an sich 
auch ist zur Polsterung f(ir orthopfidische Zwecke, halt 
Verf. deshalb nicht far so brauchbar als Unterlage der 
elastischen Binde, wie eine fest aufgerollte Binde, weil diese 
sich noch mehr auf den Verlauf der Arterie beschrankt, 
auf die ja der Druck in erster Linie wirken soil. 

(Zentralblatt f. Ohimrgie 1912 Nr. 21.) 

— TJeber postdiphtherische F. Von Dr. E. Dr an sfeld (Hannover). 
Verf. ist zu folgender Ueberzeugung gelangt: 

1. Die beste Behandlung postdiphtherischer Lfihmun- 
gen besteht in Einspritzung von Heilserum, je schwerer 
die Lahmung, um so hOher sei die Anzahl der I.-E., eine 
schadliche Wirkung ist nicht zu erwarten, und 

2. diphtherische L&hmungen lassen sich mit Wahr- 
scheinlichkeit vermeiden, wenn frahzeitig genhgend I.-E. 
zur Einwirkung kommen. 

(Miincb. med. Wochensohrift 1912 Nr. 25.) 


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.Rheumatismen. 


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Rheumatismen. Ueber phenyldimethylpyrazolonamido- 
methansulfonsaures Natrium, ein nenes Antipyreticum 
and Spezifikam gegen den akaten Gelenkrb eamatismns. 

Von Priv.-Doz. Dr. Loening (Innere Abteil. der Diakon.- 
Anst. zu Halle). In dem Bestreben, den guten thera- 
peutischen Kern des Antipyrins zu verwerten und ein 
Praparat zu finden, welches die Wirkungen des Antipyrins 
zeigt ohne dessen Nebenwirkungen zu besitzen, haben die 
Farbwerke vorm. Meister Lucius & Bruning, Hochst a. M., 
eine Anzahl Abkommlinge des Antipyrins hergestellt, von 
denen ein methansulfonsaures Salz eines dieser Antipyrin- 
derivate ganz besondere Eigenschaften in therapeutischer 
Beziehung zeigte, die Verf. veranlassten, dasselbe in weit- 
gehendstem Masse anzuwenden und seine Wirkung klinisch 
zu beobachten. Wahrend das Antipyrin folgende Kon- 
stitutionsformel hat 


c«h 6 

I 

N 

/\ = Phenyldimethylpyrazolon 

CO N • CH 3 

I I 

CH = C • $H 3 

hat das in Frage stehende Salz die Konstitutionsformel 

c 6 h 5 


N 

/\ 

CO N • CH S 

I I 

c = c . ch 3 +h 2 o 
I 

NH • CH 2 0 • S0 2 Na 


= phenyldimethylpyrazolonamidomethan- 
sulfonsaures Natrium. 


Es ist also in diesem Praparat, wie man sieht, der 
Antipyrinkern vollstandig erhalten geblieben und nur an 
Stelle des einen verfttgbaren Wasserstoffatoms im Pyrazolon- 
ring amidomethansulfonsaures Natrium getreten. Das Pra¬ 
parat, welches als feines Pulver auskristallisiert, lost sich 
in Wasser im Verhaltnis 1:1, in warmem Wasser noch 
leichter; in Methylalkohol im Verhaltnis 1:10. In alien 
anderen gebrauchlichen Losungsmitteln ist es fast unloslich. 
Das neue Mittel wird in Ktirze unter einer gesch&tzten 
Handelsmarke von den Farbwerken vorm. Meister Lucius 
& Briining, Hochst a. M. in den Handel gebracht werden. 
Nachdem die neue Verbindung in Tierversuchen in den 
pharmakologischen Instituten zu Freiburg (durch Prof. 
Straub) und in dem Breslauer Institut (durch Prof. Biber- 

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Rheumatismen. 


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feld) geprfift worden war und Giftwirkungen nicht be- 
obachtet wurdee, konnte an eine klinische Prufung desselben 
gegangen werden. Das Mittel, welches Yerf. als Antipy- 
retikum (iberlassen worden war, priifte er zuerst auf seine 
Wirksamkeit in dieser Hinsicht. Er konnte feststellen, 
dass es in Dosen von 0,5 bis 1,0 g gut wirkte und die 
Temperatur auf mehrere Stunden um ein bis zwei, oft auch 
drei Grad herabsetzte. Man erzielt damit in den meisten 
Fallen eine gute und milde Entfieberung, deren Starke 
sich allerdings nach der Art der Erkrankung verschieden 
verhalt. Wir kennen aber auch bei anderen Antipyretika 
eine verschiedene Wirksamkeit den verschiedenen Infektionen 
gegeniiber.. Die Wirksamkeit eines Fiebermittels ist nicht 
allein abhangig von derTemperaturhohe oder derTemperatur- 
phase (ansteigende oder absteigende Kurve), sie ist ferner 
nicht allein von der Individualitat des Pat. abhangig, sondem 
vor allem in ganz ausgesprochenem Masse auch von der 
Art der Infektion. • So zeigte auch das Prliparat in den 
verschiedenen Krankheiten, in denen wir es als Antipy- 
retikum verwandten, eine verschieden Starke Wirksamkeit. 
Besonders beim Typhus, der allerdings auch sonst der 
Antipyrese leichter als apdere fieberhafte Krankheiten zu- 
ganglich ist, erwies sich das Pr&parat wirksam. Die Wirk¬ 
samkeit war mit der eines abkiihlenden Bades oder mit 
der des Pyramidons zu vergleichen. Ebenso wirkt es vor- 
ztiglicb fieberherabsetzend beim akuten Gelenkrheumatismus. 
Merkwtirdig gut reagierten einige Pneumoniker auf das 
Pr&parat; ja Yerf. hat einige Falle beobachtet, wo nicht 
nur die Temperatur prompt herabsank, sondem auch die 
iibrigen Krankheitserscheinungen zurtickgingen, so dass er 
versucht war, an eine spezifisch ahnliche Wirkung zu denken. 
Bedeutungsvoll waren die beim akuten Gelenkrheumatismus 
gemachten Beobachtungen. Es zeigte sich, dass in alien 
Fallen von Polyarthritis acuta mit Ausnahme des Rheuma¬ 
tism us gonorrhoicus die Wirkung eklatant war, so dass 
Verf. im letzten halben Jahr Salizylpraparate beim akuten 
Gelenkrheumatismus tiberhaupt nicht mehr angewandt hat. 
Unter den beobachteten Fallen befindet sich auch eine 
Polyarthritis scarlatinosa, die sehr gut reagierte. Die Wir¬ 
kung auf die Temperatur zeigte sich besonders deutlich 
in den Fallen 13, 23, 24, 29, 34, 35 und 42, die Tem¬ 
peratur sank in alien diesen Fallen schon im Laufe des 
2. resp. 3. Tages zur Norm herab, in anderen Fallen hielt 
sich die Temperatur noch einige Tage in massiger HOhe 
(bis 38°), um am 4. und 5. Tage herunterzusinken. Der 


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Rteumatismen. 485 

Fall der Temperatur geschah ohne unangenehmen, plotz- 
lichen Schweissausbruch, im Gegenteil setzte bei der Wir- 
kung ein allmahliches Schwitzen ein. Die Haut wurde 
langsam ahgefeuchtet, Schweissperlen traten in geringem 
Grade auf, und das angenehme Gefiihl, welches die Pat. 
durch diese Art der Entfieberung empfanden, bestand in 
dem wesentlich freieren Sensorium. Einen scliroffen Wieder- 
anstieg der Temperatur, insbesondere einen Schfittelfrost, 
hat Verf. nicht beobachtet.. Gleichzeitig mit der Wirkung 
auf das Fieber trat auch der deutliche Einfluss des Pra- 
parates auf die Gelenkschwellungen und die BeweglichkeiK 
zutage. Oft im Laufe von wenigen Stunden waren die 
Gelenkschwellungen zuriickgegangen, die Schmerzhaftigkeit, 
die teilweise vorher mit Kodein unterdriic^t werden musste, 
vollig geschwunden und die Beweglichkeit freier, so dass 
man oft den Patienten davon abhalten musste, seine Gelenke 
wieder zu viel zu gebrauchen. Freilich dauerte die Wir¬ 
kung, wenn das Praparat in den ersten Tagen zu friih 
ausgesetzt wurde, nicht immer an. Es zeigten sich ofters 
geringe Nachschiibe, indem die Gelenke, sei es beim vblligen 
Aussetzen des Pr&parates, sei es wahrend der Nacht, wieder 
empfindlich und weniger beweglich wurden. Diese Er- 
scheinungen verschwanden vollstandig bei Weitergabe des 
Praparates nach 4—5 Tagen, wo mit der Entfieberung 
die Gelenke wieder gebrauchsfahig waren. Doch wurde 
darauf gehalten, dass die Patienten nicht leichtsinnig den 
Erfolg aufs Spiel setzten. Yerf. liess sie deshalb noch 
8 Tage nach der volligen Entfieberung unter Weitergabe 
von 1 — 3 g des Praparates im Bett liegen, eventuell mit 
Watteverbanden. Auch Bewegungen der Hande liess er 
in stfirkerem Masse vermeiden. Verf. kommt zu folgenden 
Schliissen: 

1. Das Praparat ist ein Antipyretikum, welches in 
Dosen von 0,5—1,0 g wirksam ist und noch in Dosen 
von 8 g taglich (4mal 2 g tfiglich) ohne irgendwelche 
Nebenerscheinungen vertragen wird. Bei Kindern und in 
der ambulanten Behandlung sind die Dosen, bis weitere 
Beobachtungen vorliegen, etwas kleiner (bis zu 5 g) zu 
nehmen. Die Wirkung des Praparates ist besonders bei 
geschwachten Patienten zu kontrollieren, ehe man zu den 
hohen Dosen iibergeht. Intoxikationsersclieinungen, wie 
sie beim Antipyrin beobachtet werden, kamen in keinem 
Falle zur Beobachtung. 

2. Das Praparat wirkt auf den akuten Gelenkrheuma- 
tismus spezifisch, wie das Salizyl, wenn es 3—4mal tag- 


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Rheumatismeu. 


lich in Dosen von 1 — 2 g gegeben wird. Ein Eintiuss 
auf das Herz liess sich nicht konstatieren, insbesondere 
war keine Pulsbeschleunigung zu bemerken. Auch bei 
Endokarditis kann das Mittel verabreicht werden. 

3. Eine unangenehme Schweissekretion wurde nicht 
beobachtet, dieselbe war in alien’Fallen bedeutend geringer, 
als sie bei Salizyldarreichung gewesen ware. 

4. Das Praparat wirkte ferner giinstig bei clmmischem 
Gelenkrheumatismus, bei Myositis und bei schwerer Ischias. 

5. Rezidive kommen in einzelnen Fallen von akutem 
Gelenkrheumatismus vor, jedoch sind sie, soweit dies sich 
bis jetzt beurteilen lasst, seltener als beim Natrium sali- 
cylicum. Wenn die gewiinschte Wirkung eingetreten ist, 
ist es beim schweren Gelenkrheumatismus notig, noch 8 bis 
10 Tage den Pat. im Bett zu halten und kleine Dosen 
des Mittels weiter zu verabfolgen (3mal 1 g), und auch 
nach dieser Zeit Vorsicht walten zu lassen. Die Behand- 
lungsdauer erschien uns in alien Fallen ktirzer als bei 
entsprechender Salizyltherapie. 

(Milnch. med. Wochenschrift 1912 Nr. 9—11.) 

Phenyldimethylpyrazolonamidomethansnlfonsaures IT atrium 

wurde auch, wie Dr. M. Krabbel mitteilt, im St. Johannes- 
Hospital in Bonn versucht. Yerf. hat Gelegenheit gehabt, 
das Praparat 844 in den letzten Wochen bei einer ganzen 
Anzahl von rheumatischen und andern Erkrankungen an- 
zuwenden, und hat durchweg so gute Resultate gesehen, 
dass er sich berechtigt glaubt, auf das Mittel aufmerksam 
zu machen, um eine weitere klinische DurchprOfung an- 
zuregen. Die Anwendungsweise des Mittels ist die iibliche; 
es wird in Pulver- und Tablettenform hergestellt; es l5st 
sich in Wasser im Verhaltnis von 1:1, ist geschmacklos 
und wurde von den Pat. gem genommen. Das Anwen- 
dungsgebiet waren vor allem rheum atische Erkrankungen: 
Polyarthritis rheumatica acuta, subacuta und chronica; 
Muskelrheumatismen (Lumbago usw.); ferner Influenza 
und influenzaartige Erkrankungen; Verf. hat das Praparat 
auch bei hochfiebernden Phthisen und auch in einem Falle 
von Pneumonie gegeben. Bei akutem Gelenkrheumatismus 
erwies sich das Mittel als den Salizylpraparaten gleieh- 
wertig; der Fieberabfall erfolgte schnell, ohne dabei profuse, 
lastige SchweissausbrOche zu veranlassen; die Schwellung 
und vor allem die Schmerzhaftigkeit der erkrankten Gelenke 
schwanden in kurzer Zeit. Die Dosis muss nach indivi- 
duellen Gesichtspunkten bemessen werden; Yerf. hat bis 


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Rheumatismen. 


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zu 8 g p. d. gegeben. (In diesem Fall, der durch eine 
Endokarditis kompliziert war, trat allerdings am sechsten 
Behandlungstag ein dem Antipyrinexanthem durchaus 
ahnliches Arzneiexanthem auf; nach zwei Tagen war der 
Ausschlag wieder vollstandig abgeblasst; sonstige Schadi- 
gungen wurden nicht beobachtet.) Sehr Gutes sah Verf. 
in einem Falle von Polyarthr. rheum, recidiv. Es handelte 
sich um einen j ungen Menschen, der einen ausserordentlich 
hartnackigen Gelenkrheumatismus durchgemacht hatte; trotz 
Salicylbehandlung, spater intravenSsen Kollargolinjektionen 
trat erst nach mehrwochiger Krankheitsdauer Entfieberung 
und Nachlassen der Schmerzen ein; nach einer kurzen Zeit 
volligen Wohlbefindens setzten plotzlich wieder Schmerzen 
in den Handgelenken mit leichter Temperatursteigerung (38°) 
ein; aufVerabreichung von PrSparat 844, 4g p.d., schwanden 
Schmerzen und Fieber in zwei Tagen; neue Attacken sind 
nicht mehr aufgetreten. Das Mittel wurde bei einer ganzen 
Reihe von chronischen und subakuten Muskelrheumatismen 
angewandt, durchweg mit zufriedenstellendem Erfolge; die 
Pat. erhielten neben den Oblichen physikalischen Mass- 
nahmen (Bader, Heissluftbehandlung, Einreibungen) 4 bis 
6 g 844 p. d. und man hatte den Eindruck, dass die Be- 
handlungsdauer dadurch abgektirzt wurde. Die wechselnde 
Witterung der Frtihjahrsmonate bot reichlich Gelegenheit, 
das PrSparat bei rheumatoiden und katarrhalischen Influenza- 
formen anzuwenden; immer war das Resultat: baldige, das 
subjektive Befinden nicht beeintrSchtigende Entfieberung, 
schnelles Abklingen der entziindlichen Erscheinungen, vor 
allem rasches Nachlassen der Schmerzen. Heftige Tem- 
peratursturze oder spfiteres plotzliches Ansteigen der Korper- 
wSrme mit SchtittelfrOsten usw. hat Verf. nicht beobachten 
konnen. Jahen Abfall der Temperatur sah er in zwei 
Fallen von fortgeschrittener Phthisis pulmonum. In einem 
Falle trat nach Verabreichung von 1 g (!) ein Temperatur- 
abfall von 2 0 ein, im andern Falle bei 2 g ebenfalls ein 
Sturz der KQrperwarme um 2°. In beiden Fallen wurde 
aber dadurch das subjektive Befinden der Kranken absolut 
nicht ungiinstig beeinflusst; es trat im Gegenteil eine auf- 
fallige Euphorie ein, die Kbrperwarme hielt sich dann eine 
Zeitlang in normalen Grenzen und stieg erst allmahlich 
wieder zu der frtiheren Hbhe an. Wie schon oben gesagt, 
hat Verf. das Praparat auch bei einem Falle von Pneumonia 
crouposa gegeben; durch Verabreichung von taglich 1 g 
erzielte er zwei Tage lang ein Absinken der Temperatur 
um 1 0 ohne Schweissausbruch und eine bemerkenswerte 


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Rheumatismen. ■ 


Besserung des subjektiven Befindens; das Eintreten der 
Krisis am vierten Behandlungstage machte eine weitere 
Anwenduog des Mittels iiberflussig. Irgendwelche Schad- 
lichkeiten sind wahrend der Beobachtungsdailer an dem 
Praparate nicht aufgefallen; vor allem hat Verf. keine 
Einwirkungen auf den Zirkulationsapparat (auch nicht in 
Fallen, die mit Endokarditis kompliziert waren) oder auf 
die Yerdauungsorgane gesehen. GestOtzt auf die dargelegten 
Beobachtungen, koinmt Verf. zu dem Schlusse, dass das 
Praparat 844 ein Antipyreticum darstellt, das nach dem 
jetzigen Stande unserer Arzneikunde hdchstgesteigerte 
Wirksamkeit .mit nahezu ganz vermiedener Intoxikations- 
moglichkeit verbindet. Das Mittel verdient in der Reihe 
unserer Gelenkrheumatismus-Specifica und Antineuralgica 
einen hervorragenden Platz. (Medizin. Kiinik ma Nr. 16.) 

— Ueber das neue Praparat, das jetzt Melubrin genannt wird, 
schreibt ferner Dr. R. Riedel (Krankenhaus Charlotten- 
burg-Westend): „Wjr haben es in Dosen von 1,0 g 3 bis 
4mal taglich gegeben, und zwar anfangs nur so lange, 
bis der Effekt, Entfieberung, Schmerzlosigkeit, Abschwel- 
lung der Gelenke, erreicht war. Da jedoch bei vorzeitigem 
Aussetzen des Praparats in melireren Fallen Rezidive auf- 
traten, gaben wir es spater noch 5 — 7, Tage nach dem 
gewftnschten Erfolge weiter; die Rezidive blieben dann in 
der Regel aus. . Zun&chst die Wirkung als Antipyretikum: 
Wir hatten Gelegenheit, das Praparat bei fieberhafter 
Bronchitis, Influenza, Pneumonie, Pleuritis (dabei einmal 
auf tuberkulbser Grundlage), Perikarditis und Endokarditis 
zu geben, und zwar bei all diesen Fallen mit promptem 
Erfolge. Die Wirkung war eine angenehme insofern, als 
die Temperatur nicht jah abfiel, sondern langsam inner- 
halb 6—8 Stunden zur Norm zuriickkehrte. Wurde das 
Praparat nur einmal gegeben, dann stieg die Temperatur 
wieder langsam in die Hohe, gaben wir es in den oben 
angegebenen Dosen einige Tage hindurch, so blieb die 
Temperatur in der Regel afebril. Bei der tuberkulosen 
Pleuritis gelang es uns allerdings nur, die Temperatur von 
39,5° auf 38° herunterzudriicken ohne stSrenden Schweiss- 
ausbruch. Jedoch auch damit war schon dem Pat., der 
vorher trotz Pyramidon, Aspirin und Antipyrin dauernd 
gefiebert hatte, ein Dienst erwiesen, den er sehr angenehm 
empfand. Sehr bemerkenswert war die Wirkung bei einer 
schweren verrukosen* Endokarditis mit Milzinfarkten nach 
Polyarthritis rheumatica. Auch hier sank die Temperatur, 


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Rheumatiamen. 


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die vorher mit abendlichen Remissionen bis 40 ° gestiegen 
war, sofort zur Norm, um bei Weitergabe des Praparats 
auch tief zu bleiben. Gleichzeitig fiihlte sich der Pat. 
subjektiv wohler, seine Beschwerden, die ihm das Herz 
verursachte, besserten sich so, dass Pat. direkt nach dem 
Praparat verlangte. Objektiv war mit Ausnahme der 
Temperaturerniedrigung in den beiden letztgenannten Fallen 
kein Erfolg zu konstatieren, wohl aber hatte es bei Bron¬ 
chitis, Influenza, Pneumonie, Pleuritis nach Pneumonie 
den Anschein, als ob solche Falle einen leichteren Verlauf 
nahmen und schnellere Tendenz zur Heilung hatten. Als 
Analgetikum und Antipyretikum wandten wir das Praparat 
bei Polyarthritis rheumatica acuta an, und zwar mit recht 
gutem Erfolge. Nach 2—4 Tagen ging die Temperatur 
auch bei schweren Polyarthritiden herunter. Gleichen 
Schritt damit hielt die Abnahme der Schwellungen und 
der Schmerzen. Gaben wir, wie schon oben erwahnt, nach 
Beseitigflng alley Krankheitserscheinungen das Praparat 
noch mehrere Tage hindurch weiter, so fehlten auch die 
Rezidive. Dabei hatten wir den Eindruck, dass man durch 
eine Kombination von Melubrin (1,0) und Acid, acetylo- 
salicyl. (0,5) mehr leistet als mit jedem der beiden Mittel 
allein. Diese Kombination scheint vor alien Dingen die 
arthritischen Beschwerden noch schneller zu beseitigen. 
Auch bei chronischen Arthritiden hatten wir Gelegenheit, 
das Praparat anzuwenden, hier mit dem Erfolge, dass die 
Temperatur, soweit sie vorhanden war, herunterging und 
die Schmerzen nachliessen. Die Schwellungen und die 
Beweglichkeit der Gelenke blieben in solchen Fallen un- 
beeinflusst. Erwahnenswert ist noch ein Fall von Tuber- 
kulose des linken Fussgelenks mit starker Schwellung und 
Schmerzhaftigkeit. Die Pat. erhielt im ganzen 52 g 
Melubrin in 18 Tagen. Es trat eine Linderung der 
Schmerzen ein, wahrend objektiv kein Erfolg festzuhalten 
war, wohl aber ging ein interkurrenter Erguss im linken 
Kniegelenk unter der Melubrinbehandlung prompt zuriick. 
Schadliche Nebenwirkungen, wie wir sie zuweilen bei den 
Antipyrin- oder Salizylpraparaten sehen, Kollapserschei- 
nungen, Exantheme, Nierenreizungen konnten bei Melubrin 
nicht beobachtet werden. Wohl sahen wir in einem Falle 
bei sehr schwerer Endokarditis wahrend der Yerabreichung 
des Praparats Eiweiss im Ham auflreten, diese Erschei- 
nung wurde jedoch von uns als Stauung in den Nieren 
gedeutet, zumal noch andere Zeichen der Stauung in der- 
selben Zeit auftraten. Bei fiinf anderen Fallen, die schon 


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Rheumatismen — Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett. 


vorher Eiweiss im Urin hatten, wurde eine nachteilige 
Wirkung nicht beobachtet. Bei samtlichen ftbrigen Fallen 
waren, wie schon erwahnt, trotz genauer regelmassiger 
Kontrolle des Harns auf Eiweiss und Formbestandteile 
Nierenschadigungen nicht nachzuweisen. “ 

(Therapie der Gegenwart, Mai 1912.) 

Schwangerachaft, Geburt, Wochenbett. Pituitrin 

in der Geburtshilfe. Yon Dr. E. Hirsch (Hebammen- 
schule Strassburg). Das Resultat der Beobachtungen kann 
in folgenden Satzen zusammengefasst werden.- 

Mit Pituitrin allein den Abortus oder die ktinstliche 
FrQhgeburt einzuleiten ist nicht moglich, es ist kein direkt 
Wehen anregendes Mittel. Es kann jedoch die durch 
Metreuryse oder Zervixtamponade angeregten Wehen in 
ausgezeichneter Weise verstfirken. 1st die Geburt bereits 
im Gange (Eroffnungsperiode), dann vermag es, in den 
meisten Fallen wenigstens, sistierende Wehen wieder an- 
zuregen oder zu schwache Wehen zu verstarken und zu 
verlangern, um dann in der Austreibungsperiode seine 
grosste Wirksamkeit zu entfalten. Die Anwendung des 
Pituitrins empfiehlt sich vor der Sectio caesarea wegen 
seiner gtinstigen Wirkung auf die Kontraktionsfahigkeit 
der Uterusmuskulatur. F&r die Nachgeburtsperiode be- 
sitzen wir im Sekakornin ein verlassliches und dem Pitui¬ 
trin liberlegenes Mittel. (Mtinoh. med. Woohen.chrift 1912 Nr. 18.) 

— Erfahrangen mit Pitaglandol. Yon P. Schafer. Aus der 
Universitats-Frauenklinik der Kgl. Charite Berlin. Die in 
letzter Zeit aus verschiedenen Kliniken veroffentlichten 
Erfolge mit Pituitrin konnte Verf. bestatigen. An Stelle des 
Pituitrins wurde auch das Pituglandol „Roche“ versucht, 
ein sterilesExtrakt aus deminfundibularenTeilderGlandula 
pituitaria (Hypophyse), von dem 1 ccm 0,1 g frischen 
infundibularen Teil enthalt. Verf. hat das Praparat bei 
24 Kreissenden verwendet. Nach seinen Erfahrungen steht 
es dem Pituitrin an Wirkung in keiner Weise nach. „Wenn 
wir die Wirkung des Pituglandol auf die Mutter im all- 
gemeinen betrachten, so finden wir in den Fallen, in denen 
darauf geachtet wurde, eine deutliche, mehr oder minder 
erhebliche Pulsverlangsamung, die kurze Zeit nach der 
Injektion auftritt und sich im Laufe der Geburt oder kurz 
danach wieder ausgleicht. Der Blutdruck wurde nicht 
bestimmt; doch ist schon langer bekannt, dass die Hypo- 
physenextrakte bei intaktem Herzen Steigerung des Blut- 


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Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett. 491 

druckes zur Folge haben. Die Nachgeburtsperioden zeig- 
ten keine Abweichung von den ublichen. Die Temperaiur 
der Mutter blieb stets unbeinflusst. Ueble Nebenwirkungen 
auf die Mutter habe ich nicht beobachtet. Bemei’ken muss 
ich aber, dass die Injektionen, auch wenn die Kantile vor- 
her mit Kochsalzlbsung durchgespritzt ist, als brennender 
Schmerz empfunden wurden, der jedoch schon nach kurzer 
Zeit wieder verschwindet. Die Injektion wurde nur sub- 
kutan gemacht und das Augenmerk besonders darauf ge- 
richtet, dass nach Einstechen der Naflel kein Blut aus der 
Kantile tropfte, dass also die Injektion nicht intravenbs 
gegeben werden konnte. Ich glaube namlich, dass die 
von anderer Seite beobachteten Kollapse nach Injektion 
von Hypophysenextrakt damit zusammenhangen konnen, 
dass durch eine beabsichtigte oder unbeabsichtigte intra- 
venbse Injektion das Mittel zu rasch in den Kreislauf ge- 
bracht ■wurde. Die Wochenbetten der mit Pituglandol be- 
handelten Frauen verliefen samtlich normal. Niemals wurde 
von Frauen tiber erhebliche Nachwehen, wie wir das nach 
SekaleprtLparaten bisweilen sehen, geklagt. Auch sonst 
wurden keine Stbrungen im Wochenbett, die man auf die 
Injektion schieben kbnnte, beobachtet. Wenn auch teil- 
weise hochgradige Pulsverlangsamungen der Mutter be¬ 
obachtet wurden, so wurden die kindlichen HerztOne durch 
das Mittel nicht beeinflusst. Eine gleichzeitige Verlang- 
samung der kindlichen Herztone als Folge der Injektion 
trat niemals in Erscheinung. Es kann zwar vorkommen, 
dass durch die gesteigerte Wehentatigkeit, durch die kurzen 
Wehenpausen, die Blutzufuhr zum Kinde verringert wird, 
und dass das Kind mit Abgang von Mekonium und 
Schlechterwerden der Herztone reagiert, wie wir es in Fall 
Nr. 19 beobachtet haben. Eine wirkliche Schadigung der 
Kinder aber wurde niemals beobachtet. Mit Ausnahme 
von Fall Nr. 2 wurden samtliche nicht mazerierten Kinder 
lebend und lebensfrisch geboren. In diesem Fall ist der 
Tod des Kindes nicht auf das Mittel zuriickzufuhren. Aus 
unseren Fallen sehen wir, dass durch Injektion von Pitu¬ 
glandol die Wehentatigkeit angeregt, bei Wehenschwache 
der Uterus zu neuen Wehen gebracht werden kann. Bei 
jungen Graviditaten (Fall 8 und 9) wirkt das Mittel ebenso- 
wenig wie das Pituitrin. Bei abgestorbener Frucht gelang 
es einmal (Fall 12) den Uterus durch die Injektion zur 
ergiebigen Wehentatigkeit anzuregen, so dass nach zwblf 
Stunden der mazerierte Fotus ausgestossen wurde. In 
Fall 13 brauchte ich 5 ccm Pituglandol, um den Partus 


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Schwangerechaft, Geburt, Wochenbett. 


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in Gang zu bringen. Wenn tiberbaupt noch keine Wehe 
vorausgegangen ist, gelingt es zeitweise nicht, den Uteras 
zu einer geregelten Wehentatigkeit zu bringen. Nach der 
Injektion treten zwar Kontraktionen des Uterus auf, die 
jedoch nach kurzer Zeit an Wirkung verlieren, allmahlich 
schwacher werden und schliesslich verschwinden. Auch 
durch wiederholte Injektionen gelingt es dann nicht, eine 
geregelte Wehentatigkeit hervorzurufen (Fall 14). Am 
physiologischen Ende der Schwangerschaft ist die Wirkung 
ebenfalls zweifelhaft. Besser liegen die Yerhaltnisse dann, 
wenn die Wehen schon angefangen haben, wenn sie aber 
nur schwach sind und in langen Zwischenraumen kommen 
oder aber wenn nach vorausgegangenen Wehen die Geburt 
wahrend der Eroffnungsperiode wieder stillsteht. Dann 
gelingt es fast in alien Fallen durch eine einmalige In¬ 
jektion die Wehen zu bessern und die Geburt rasch zu 
Ende zu fiihren. Einzelne Falle, bei denen wir das Mittel 
anwendeten, gaben zwar keinen Erfolg. Ich glaube aber, 
dass man durch wiederholte Gaben, vor denen wir uns 
anfangs scheuten, ein Erfolg noch hatte erzielt werden 
konnen. Spater, als wir die fliichtige Wirkung des Pitu- 
glandols und seine Ungefahrlichkeit auch bei wiederholten 
Injektionen erkannt hatten, versagte uns das Mittel nur 
noch in einem Fall. Man ist also, wenn man durch eine 
Injektion eine kraftige Wehentatigkeit hervorgerufen hat, 
haufig gezwungen, wenn entsprechend der bestehenden ge- 
ringeren Erregbarkeit die Wehen wieder aufhoren, eine neue 
Injektion zu machen. Yor allem wird das dann eintreten, 
wenn durch die erste Injektion der Muttermund erweitert 
ist und dann, wie man es auch sonst haufig erlebt, die 
Wehen danach fiir langere Zeit aussetzen. Es gelingt 
dann durch eine erneute Injektion in ganz kurzer Zeit, 
die Austreibungsperiode zu Ende zu bringen. Eine kumu- 
lierende Wirkung haben wir nicht beobachten konnen. 
Nach anderen experimentellen Arbeiten scheint sie auch 
bei Hypophysenextrakten nicht einzutreten. Ganz besonders 
' giinstig wirkt das Pituglandol bei Wehenschwfiche in der 
Austreibungsperiode. Schon kurz nach der Injektion traten 
stets sehr kraftige Wehei^ auf, wie ich es zweimal beob- 
achtete, eine Dauerkontraktion mit grosser Schmerzhaftig- 
keit (Fall 18 und 22). Dann lfiuft die Wehentatigkeit in 
physiologischer Weise ab, nur werden die Wehen langer, 
die Wehenpausen kurzer. Es scheint auch so, als wenn 
die Schmerzhaftigkeit der Wehen an Intensitat zunimmt. 
Fast in alien meinen Fallen fiel mir auf, dass von den 


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493 


Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett. 

Pat. die Wehen nach der Injektion als viel schmerzhafter 
geschildert warden, als die Wehen yorher. Ich kann mir 
denken, dass vor allem bei sensiblen Frauen die Wehen 
mit solcher Kraft einsetzen kbnnen, dass man zu Morphin- 
gaben greifen muss, um den uberm&ssigen Schmerz zu 
dampfen. Yon anderer Seite wurde empfohlen, Hypo- 
physenextrakt vor J£aiserschnitten zu geben, um durch die 
Injektion vor einer atonischen Nachbhitung geschiitzt zu 
werden. Nach Fall Nr. 4 kann ich mich mit dieser Therapie 
nicht befreunden. Wollen und khnnen wir doch durch die 
Injektion des Pituglandols keine Dauerkontraktionen des 
Uterus, wie wir sie in der Nachgeburtsperiode brauchen, 
hervorrufen. Gerade Fall 4 zeigt, dass subkutane Injek- 
tionen von Pituglandol bei einem zur Atonie neigenden 
Uterus diese nicht verhiiten kann, und dass femer eine 
Injektion von Pituglandol nach Entleerung des Uterus 
entweder zu sp&t zur Wirkung kommt oder iiberhaupt 
nicht wirkt. In solchen Fallen wird man wohl am besten, 
wie man es schon bislang getan hat, nach Entleerung des 
Uterusinhaltes mit PrSparaten des Mutterkornes eine Dauer- 
kontraktion zu bewerkstelligen suchen, ein Mittel, das diese 
Eigenschaft nachgewiesenermassen hat. Nach unseren Er- 
fahrungen sind weder Pituitrin noch Pituglandol zur Ein- 
leitung von Abort und Friihgeburt brauchbar. Bei Wehen- 
schw&che" in der ErSffnungsperiode miissen haufig wieder- 
liolte Dosen gegeben werden, bis die erwartete Wirkung 
eintritt. Besonders zu empfehlen ist das Pituglandol bei 
Wehenschwache in der Austreibungsperiode, wo der Erfolg 
stets ein gl&nzender war.“ 

(Miinch. med. Wochenschrift 1912 Nr. 2.) 

— Zur Behandlung der Eklampgie schreibt Hofrat Dr. Y oil and 

in Davos-Dorf: „W. Zangemeister hat in einem Vor- 
trag, den er auf der Naturf. Vers. 1911 gehalten hat, 
und der in der Deutsch. Medizin. Wochenschr. Nr. 41, 1911 
abgedruckt ist, bei drei an schwerster puerperaler E. post 
partum Leidenden die Trepanation gemacht und dabei ge- 
funden, dass bei alien eine Starke Druckerhbhung im 
Schadel bestand, die sichtlich durch ein hochgradiges 
Oedem des Gehirns bedingt war. Alle drei waren in 
hoffnungslosem Zustand, aber zwei wurden wieder gesund, 
nachdem sich massenhaft Serum aus der Trepanations- 
wunde ergossen hatte. Als ich das las, ging mir ein Licht 
auf fiber folgenden Fall, der mich immer beschaftigt hat, 
so oft mir etwas fiber die Behandlung der E. vor Augen 


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Schwangerschal't, Geburt, Wochenbett. 


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kam. Nie fand ich aber etwas darunter von der Beband- 
lupg, unter der die damalige Pat. mit dem Leben davon 
kam. Leider ist es der einzige Fall von E. geblieben, 
der mir vorgekommen ist, so dass ich das damalige Ver- 
fahren nicht selbst nachpriifen konnte. Er liegt nun schon 
25 Jahre zurtick. Ein Landwirt hier fand eines Morgens 
seine Frau, die den Tag vorher noch vollstandig wohl 
gewesen war, tot neben sich im Bett. Die Sektion ergab 
ein ausgetragenes Kind im Uterus, sonst keine Ver- 
anderungen, die einen so plbtzlichen Tod hatten erklaren 
konnen. Die Schadelhbhle wurde nicht ge5ffnet. Die 
Verlegenheitsdiagnose den Angehbrigen gegenuber war 
also Herzschlag. Der Mann heiratete dann wieder, und 
die zweite Frau erkrankte am Ende der ersten Schwanger- 
schaft an schwerer E. Die heftigsten Krampfe, vdllige 
Bewusstlosigkeit, keine Wehen, keine Erbffnung des Mutter- 
mundes. Was tun? An gewaltsame Entbindung war 
nicht zu denken. Um sie unter Chloroform zu halten, 
hatte ich Tag und Nacht dabei sitzen mtissen, auch gait 
das nur als ein Palliativmittel gegen die Krampfe, gegen 
den schlimmen Ausgang sollte es auch nur selten etwas 
ausrichten. Man hatte damals die Ansicht, dass die E. 
auf Uramie beruhen kbnnte, und so glaubte ich, dass 
durch ein energisches Schwitzmittel der uberreichlich vor- 
handene Harnstoff aus dem Blut entfernt werden kbnnte. 
Als das kraftigste Diaphoretikum war damals das noch 
ziemlich neue salizylsaure Natron bekannt. Da der 
Kranken durch den Mund nichts beizubringen war, wurden 
ihr 5 Gramm Natr. salicyl. auf einmal mit Klystier bei- 
gebracht. Es dauerte gar nicht lange, da kam es zu 
einem kolossalen Schweissausbruch, wie ich ihn noch nie 
gesehen hatte, und wie er mir auch bis heute nicht wieder 
vorgekommen ist. Die Frau triefte fbrmlich, und Bett 
und Matratze wurden vbllig durchnasst. Zugleich aber 
horten die Krampfe ganzlich auf und die Kranke lag zwar 
vollkommen bewusstlos, aber ruhig atmend in ihrem 
Schweisse da. Nun stellten sich allmahlich Wehen ein, 
und am Nachmittag des folgenden Tages konnte ich die 
Zange anlegen. Wahrend der Operation war die Frau 
noch vbllig bewusstlos und zeigte nicht die geringste 
Schmerzreaktion. Erst nach der Entfernung der Nach- 
geburt kam sie wieder zu sich. Sie geriet aber alsbald 
in einen hochgradig aufgeregten Zustand, der als richtiger 
maniakalischer, mitldeenflucht und unaufhbrlichem Sprechen 
vier Tage lang anhielt, bis die letzte Spur von Salizyl- 


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Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett — Syphilis. 


495 


saure-Reaktion aus dem Urin verschwunden war. Von 
da an war sie normal und ist es auch gebliebep. Sie lebt 
heute noch, und der damalige Neugeborene kann nun bald 
selbst heiraten, wenn er es nicht schon getan hat. Durch 
die wertvolle Mitteilung Zangemeisters ist mir dieser 
Fall nun erst verstandlich geworden; Wenn die E. durch 
Hirnbdem entsteht, so ist es begreiflicb, dass man auch 
dabei, wie auch bei alien anderen Oedemen, die sich 
irgendwo im Kftrper gebildet haben, mit der Erregung 
starker Schweisse etwas erreichen kann. Es ist kein 
Grund zu der Annahme vorhanden, dass es mit dem 
Hirnodem eine andere Bewandnis habe. Ehe man also 
sich mit den Narkotizis aufhalt oder sich zur gewaltsamen 
Entbindung entschliesst, an die sich manchmal sogar die 
Entfernung des Uterus anschliessen soil, ehe man zur 
Dekapsulation der Nieren schreitet, da dtirfte doch zu- 
nachst ein Versuch mit dem salizylsauren Natron an- 
gebracht sein. Der ist nicht eingreifend, und es kann 
danach hbchstens eine vortibergehende Salizylsaurepsy chose 
entstehen. Es ist sehr wohl anzunehmen, dass der Tod 
der ersten Frau auf einen oder mehrere heftige eklamp- 
tische Krampfanf&Ue zurQckzufQhren ist. Ich bedauere 
sehr, dass ich nicht wenigstens mit einem halben Dutzend 
derartiger gliicklich verlaufener Falle aufwarten kann. 
Aber man kann manchmal doch schon aus einem einzigen 
Falle etwas lernen.“ (Ther*p. Monatahefte, Mai 1912.) 

Syphilis. Ueber Gelenkerkranknngen bei erworbener S. 

Von Priv.-Doz. Dr. Fr. Behring. (Aus der Universitats- 
klinik far Hautkrankheiten in Kiel.) Bei der erworbenen 
Syphilis kommen Gelenkerkrankungen vor, die weder der 
FrQh- noch der Spatsyphilis zuzurechnen sind. In einzelnen 
Fallen treten die Erscheinungen akut auf, in der Mehrzahl 
ist der Verlauf chronisch; es bilden sich im Verlauf von 
Wochen unter nur geringen subjektiven Beschwerden 
Schwellungen der Gelenke aus. Wahrscheinlich hat die 
Gelenklues ihren primaren Sitz in der Gelenkkapsel. Die 
Diagnose ist nicht immer leicht. Wird sie frOhzeitig ge- 
stellt, so ist die Prognose ghnstig. Unbehandelte Falle 
enden schliesslich mit schweren Gelenkstorungen. 

(Deutsche med. Wooheuschrift 1912 Nr. 9.) 

— Klinische Erfahrnngen mit Neosalvarsan veroffentlicht 
Dr. A. Stuhmer (Krankenhaus Magdeburg-Sudenburg) 
und kommt zu folgenden Schlbssen: 


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Syphilis. 


1. Das Pr&parat ist Susserst leicht lbslich, die Her- 
stellung der Losung daher wesentlich vereinfacht. 

2. Der Fortfall der Natronlauge schaltet eine ganze 
Reihe Gefahren aus. 

3. Das Neosalvarsan wird in den vom Altsalvarsan 
her bekannten Dosen besser vertragen, DarmstOrungen und 
Kollapse fehlen fast ganz. 

4. Das Mittel l&sst eine Steigerung der Dosen auf das 
Doppelte der friiher gebr&uchlichen Salvarsanmengen zu. 
(Die dabei etwas haufiger beobachteten Arzneiexantheme 
verliefen durchweg obne dauernde Schadigung.) 

5. Die Wirksamkeit des Mittels'beim Menschen komrat 
der des Altsalvarsans mindestens gleich, im Tierversuch 
ist sie gesteigert. 

6. Die intramuskulare Injektion scheint wesentlich 
geringere lokale Reizerscheinungen zu machen und die 
Resorption ganz erheblioh schneller vor sich zu gehen. 

(Deutsche med. Wochenschrift 1912 Nr. 21.) 

— Einstweilige Erfahrungen fiber Neosalvarsan publiziert ferner 

Dr. Bernheim (Breslau, Dermatolog. Klinik) und schliesst 
aus ihnen: 1. Das Neosalvarsan scheint als Heilmittel in 
entsprechender Dosis dem Altsalvarsan gleichwertig zu 
sein. 2. Die leichte Loslichkeit, der Fortfall der Alkalisierung 
sowie des Kochsalzzusatzes erleichtern die Anwendung des 
Prftparates. 3. Bei zweckm&ssig gewahlter Dosierung und 
Yermeidung der Kumulierung ist die Infusion ftkr den 
Kranken ohne Gefahr. Die von Schreiber empfohlene 
Methode, viermal alle zwei Tage je eine Infusion zu 
machen, scheint bedenklich. Es werden grbssere Intervalle 
zwischen die Injektionen einzuschieben sein. 

Wir sehen auf Grund unserer bisherigen klinisclien 
Beobachtung in dem Neosalvarsan eine Verbesserung des 
alten Medikaments und gedenken es unter Einhaltung 
grbsserer Intervalle zwischen den einzelnen Infusfonen und 
unter Kombination mitHg-Praparaten (Asurol, 01. cinereum) 
weiterhin analog dem Altsalvarsan klinisch zu erproben. 

(Deutsche med. WochenBchrift 1918 Nr. 22.) 

— Eine Salvarsanreaktion an den Z&hnen. Yon Dr. F. Zimmern. 

(Aus der dermatologischen Klinik des stadtischen Kranken* 
hauses Frankfurt a. M.) Neisser erw&hnt als Kuriosum, 
dass manche Pat. nach einer Salvarsaninjektion Starke 
Schmerzen an den Z&hnen empfinden. E. Hoffmann hat 
diese Erscheinung bestatigen kbnnen. Verf. konnte diese 


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Syphilis. 


497 


Salvarsanreakfion an den Zahnen schon seit langerer Zeit 
beobachten und feststellen, dass sie meist bei Pat. auftritt, 
die eine mehr oder minder starke Stomatitis haben. Es 
bandelt sicb haufig um Prostituierte, die viel karibse Zahne 
haben, und bei denen trotz sorgfaltiger Mundpflege oft 
schon nach geringen Dosen Hg eine Stomatitis auftritt. 
Die Schmerzen treten ganz plbtzlich auf, oft schon, wenn 
die Pat. eben erst den Operationstisch verlassen haben. 
In manchen Fallen treten sie schon wahrend der Injektion 
in Erscheinung. Der Schmerz wird teils an einzelne 
Stellen lokalisiert, einerlei ob hier besonders starke 
stomatitische Veranderungen vorhanden sind oder nicht, 
und wird teils als ein Bohren und Ziehen, als bin Brennen 
angegeben, das von einem zum anderen Kieferwinkel fort- 
schreitet, um dann plbtzlich auf den anderen Kieferwinkel 
iiberzuspringen. Die Schmerzen klingen meist in 1—2Stunden 
vollig ab. Verf. glaubt diese Erscheinung vielleicht auf 
einen plotzlichen .Zerfall von Zahn- und Mundspirochaten 
und Freiwerden von Toxinen unter dem spirilloziden Ein- 
fluss des Salvarsans zurflckf&hren zu dflrfen. Da bei 
einer Stomatitis diesen Lebewesen ein sehr gQnstiger Nahr- 
boden geboten wird, erklart es sich auch, dass er eine 
derartige Reaktion niemals bei Lueefallen, die rein mit 
Salvarsan behandelt waren, gesehen hat. Eine verminderte 
Beweglichkeit der Zahnspirochaten im Dunkelfeld nach 
einer Injektion hat Yerf. nicht feststellen kbnnen. 

(Berliner klin. Wochenachrift 1912 Nr. 23.) 


— Merjodin bei der Heilung von S. Yon Dr. A. Erdos (Nagy- 
varad). Die Anfangsdosis des Merjodins ist gewbhnlich 
taglich dreimal je eine Tablette, die gut zerschnitten ge- 
schluckt wird. In schweren Fallen kann jedoch gleich 
rpit taglich 4—5 Tabletten begonnen werden. In mittel- 
schweren Fallen kann nach ein paar Tagen — voraus- 
gesetzt, der Pat. vertragt das Merjodin gut — die Dosis 
sogar auf taglich dreimal drei Tabletten erhdht werden, 
die der Pat. nach jeder Mahlzeit nimmt. Sollten unan- 
genehme Begleiterscheinungen (Durchfall und Darmreiz) 
auftreten, so hOrt man ein paar Tage auf. Dieser letztere 
Fall kommt jedoch bei Individuen von normaler Konstitution 
nicht vor. Selbstverstandlich ist, wie bei jeder anderen 
Kur, so auch bei der Merjodinkur die sorgfaltigste Mund- 
toilette notwendig. 

Verf. kommt zu folgenden SchlGssen: 

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Syphilis. 


1. Das Merjodin ist ein verl&ssliclies Antisyphiliticum, 
auf dessen unfehlbare Wirkung sowohl bei sekundarer als 
tertiarer Lues gerechnet werden kann. 

2. Bei metasyphilitischen Symptomen, bei der Syphilis 
des Nervensystems oder dort, wo eine recht energische 
Quecksilberkur notwendig wird, ist es besser, die Anwendung 
des Merjodins auch mit anderen Mitteln oder Kuren zu 
kombinieren, wenngleich nicht geleugnet werden kann, dass 
in mdnchen Fallen das Merjodin auch alfein jeder Erwar- 
tung entspricht. 

3. Sowohl der Magen als auch der Darm vertragen 
das Merjodin sehr gut. Es schadet der Verdauung nicht, 

. sondern ist vielmehr durch seine milde, abfiihrende Wir¬ 
kung von giinstigem Einfluss auf die Funktion der Ver- 
dauungsorgane. 

4. Der Gebrauch des Merjodins ist (lberaus einfach, 
beqnem und gerade deshalb f(ir den Kranken angenehm. 
Da es auch nicht so umstandlich ist wie die Inunktion, 
wird das Einnehmen recht selten verskumt, wahrend die 
Inunktion im Gegenteil infolge Zeitmangels oder Bequem- 
lichkeit sehr oft vernachlassigt wird. Schon dieser Um- 
stand allein macht die Anwendung von Merjodin erapfehlens- 
wert. 

5. Im Anfangsstadium so wie bei der chronischen, 
intermittierenden Behandlung tut das Merjodin denselben 
Dienst wie die Inunktion oder Injektion. 

6. Die durchschnittliche Merjodinkur dauert 4 bis 
6 Wochen, wahrend welcherZeit der Pat. 120—l50Tabletten 
verzehrt. 

7. Das Merjodin ist infolge seiner Billigkeit geeignet, 
auch bei den Krankenkassen weiteste Verbreitung zu finden. 
Die tagliche Merjodinkur kostet den privaten Pat. 20 bis 
40 Heller, und es ist wahrscheinlich, dass dieser Preis 
fQr die Krankenkassen sogar noch reduziert wird. 

Auf Grund des Gesagten kSnnen wir im Merjodin 
nur einen grossen Gewinn ftir unseren Medikamentenschatz 
erblicken und hoffen, dass es recht bald einen Platz unter 
den popularsten Antisyphilitica einnehmen wird. 

(Deutsche med. Wochensohrift lyii Nr. 18 .i 

—• Tardive syphilitisohe erosive Papeln an den Genitalien 
eines Weibes fast 24 Jahre nach der Infektion. Von 

Dr. med. Ludwig Nielsen (Friedrichsberg-Hospital, 
Kopenhagen). Marie F., jetzt 42 Jabre alt, mit einem 
Arbeiter verheiratet, wurde im Februar 1888 im Vestre- 


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Syphilis 


499 


Hospital wegen des ersten Ausbruches von Syphilis mit 
30 Schraierkuren A 5 Gramm behandelt. Laut Mitteilung 
aus diesem Hospital geht hervor, dass die Symptome, 
welche drei Monate frtiher angefangen hatten, folgende 
waren: Oedema durum labii maj. sin., Papulae mucosae 
labb. maj. et min. et femorum, Adenitis universalis, 
Syphilides papulatae et annulatae, Prodromata. — Pat. 
hat spater keinen Ausbruch bemerkt, ist auch nicht be¬ 
handelt worden. Verheiratet seit elf Jahren, niemals Partus, 
aber dreimal Abortus, das erstemal vor ungefahr elf Jahren, 
spater zweimal in den folgenden sechs Jahren. Ende 
August dieses Jahres (1911) kam Pat. wegen einer Ge- 
nitalaffektion, die sich 14 Tage frtiher gezeigt hatte. 
Es fand sich auf dem linken Lab. maj. nach oben und 
auf dem rechten Lab. maj. in der Mitte eine ungefahr 
erbsengrosse, flache, leicht hyperSmische und erodierte 
Papel, die in alien Beziehungen den Charakter der ge- 
wbhnlichen sekundaren syphilitischen Papeln darbot. In 
der rechten Leiste eine kleine, erbsengrosse, indolente Drttse, 
eine ahnliche in der Regio submandibularis und eine etwas 
grbssere in der linken AchselhQhle. Uebrigens fand sich 
kein anderes Zeichen von Syphilis, weder an der Haut, 
noch an den Schleimhiiuten, kein Leukoderma, wie auch 
die ilbrige Organuntersuchung negativ war. Urin ohne 
Eiweiss. Abgesehen von etwas Mtidigkeit war Pat. sonst 
vollkommen gesund. Im Abschabsel aus den Papeln 
wurden zahlreiche Spiroch. pall, nachgewiesen, und die 
Wassermann-Reaktion war stark positiv. Durch Ein- 
l’eibungskuren mit Ung. hydrargyri und Kalomelpuder ver- 
schwanden die Papeln schnell. Der Gatte der Pat., welcher 
frtiher venerische Krankheiten verneinte, gab an, vor un¬ 
gefahr einem Jahre wegen eines Genitalgeschwiires, welches 
nicht von generellen Symptomen gefolgt wurde, lokal be¬ 
handelt zu sein (verneint Coit. extramatrimon.). Die 
Wassermann-Reaktion soil ungefahr zehn Wochen 
spater und wiederum drei Monate spater negatives Resultat 
gegeben haben. Bei einer Untersuchung Ende August d. J. 
in der Poliklinik fand sich nur eine unbedeutende, nicht 
infiltrierte, oberflachliche Narbe am Praputium, keine her- 
vortretenden Driisenschwellungen und im ganzen kein 
Zeichen von Syphilis. Wassermann —. Es lasst sich 
also hier dokumentieren, dass Pat. wirklich zu Ende 1887 
Syphilis erworben hat, und fast 24 Jahre spater werden 
erodierte syphilitische Papeln an den Genitalien von dem 
ganz gewbhnlichen sekundaren Typus mit Spiroch. pall. 

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500 Syphilis — Tumoren. 

und von positiver Wassermann-Reaktion begleitet, 
nachgewiesen, so dass man glauben sollte, einer ganz 
frischen Infektion gegenfiberzustehen. Aber ausser diesen 
unbedeutenden Papeln, deren geringe Zahl (im ganzen 
zwei) eben bei den tardiven sekundaren Syphiliden nicht 
ungewohnlich ist, kein anderes Zeichen von dieser Krank- 
heit, wenn man nicht hierzu die ganz vereinzelten und 
sehr unbedeutenden Drfisenschwellungen und einiges Ge- 
ffihl von Miidigkeit rechnen will. Was ebenfalls Interesse 
. darbietet, ist, dass sich — wenigstens nach der eigenen 
Aussage der Pat. — niemals frtiher ein Rilckfall gezeigt 
hat, obgleich sie nur ein einziges Mai eine antisyphilitische 
Behandlung durchgemacht hat, so dass 23 l /a rezidivfreie 
Jahre vor diesem, also dem ersten, ROckfalle verlaufen 

Sein sollen. (Dermatolog. Wochenschrift 1912 Nr. 3.) 

✓ 

v 

Tumoren. Ueber die Wirkung von Thyrochromtabletten bei 
Krebsen desVerdaunngstr aktns. V on Prof. Dr. G.Kelling 
(Dresden). Verf. hat die Tabletten (dreimal taglich zwei 
Stfick) bei mehreren Fallen versucht. Seine Schlfisse lauten: 

1. Die Thyrochromtabletten wirken bei Krebskranken 
sicher nicht schadlich und werden ohne Stfirungen ver- 
tragen. Ich habe sogar den Eindruck, dass sie den All- 
gemeinzustand giinstig beeinflussen. 

2. Irgendeinen Einfluss aber auf den lokalen Befund 
der inoperablen Krebse habe ich nicht beobachten kOnnen. 

(Medizin. Klinik 1912 Nr. 16.) 

— XTeber Bdntgen-Behandlnng von Sarkomen. Von Privatdoz. 

Dr. Robert Kienbbck. (Aus dem Radiologischen Institut 
der Wiener Allgemeinen Poliklinik.) „Zuerst berichteten 
amerikanische Autoren, namentlich Ricketts, K. Beck, 
Coley und Pusey, in den Jahren 1900 und 1901 fiber 
die gfinstige Beeinflussung von Sarkomen durch Rfintgen- 
strahlen. Aber erst mehrere Jahre spftter wurde das Ver- 
fahren bei diesen Geschwtilsten in Europe angewendet. Im 
Februar 1905, also kurze Zeit nach Erfiffnung des Radio* 
logischen Institutes der Poliklinik, wurde mir ein Fall zur 
Behandlung Oberwiesen, welcher durch das vorhandene 
Symptomenbild mit bedrohlichem Zustand und durch die 
bald erkennbare Wirkung unserer Rontgen-Beha,ndlung be- 
sonderes Interesse verdient. Es handelte sich um einen 
grossen Mediastinaltumor; die mikroskopische Untersuchung 
einer exstirpierten Halsdrtise durch Paltauf ergab: Lymph- 
drtisensarkom mit alveoljirem Bau. Schon nach den ersten 


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Tumoren. 


501 


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Bestrahlungen besserte sich das subjektive Befinden des 
Pat., die Schmerzen, Schling- und Atembeschwerden liessen 
nach, die abnorme Vorwfilbung an der Brust schwand 
nach der sechsten Sitzung, bald verkleinerte sich der grosse, 
bei der Durchleuchtung erkennbare Tumor, Pat. nahm 
wieder an Gewicht zu. Ich habe fiber diesen Fall bereits 
seinerzeit berichtet. Pat. lebt im Ausland, und auf meine 
briefliche Anfrage erhielt ich am 27. Juni 1910 die Mit- 
teilung, dass auch in den letzten Jahren von seiten des 
ehemaligen Tumors keinerlei Beschwerden bestehen, also 
fiber ffinf Jahre nach der Rfintgen-Bestrahlung. — Falle 
von Sarkom mit demselben Sitz und mit den verschiedensten 
anderen Lokalisationen, welche denselben grossartigen Er- 
folg zeigten, wurden im Laufe der letzten Jahre wieder- 
holt beschrieben. tleber einen weiteren neuen Fall von 
Sarkom mit Rfintgen-Behandlung mfichte ich hier kurz 
berichten. Es liandelt sich um einen 48jShrigen Mann, 
welcher mir am 6. November 1911 zur Rfintgen-Behandlung 
fiberwiesen wurde. Zu Ende des Jahres 1910 begann am 
rechten Oberarm, vorne unterhalb des Schultergelenkes, 
ein Tumor erkennbar zu werden; die Geschwulst war an- 
fangs gegen' den Knochen verschieblich, spfiter nicht mehr. 
Schmerzen oder Oedeme bestanden nicht, auch war die 
Haut nicht ergriffen. Da der Tumor immerfort an Grfisse 
zunahm, wurde im Juni 1911 von einem Chirurgen eine 
Operation vorgenommen; zuerst wurde der Versuch einer 
Exstirpation gemacht; da sich aber die Geschwulst mit den 
Geffissen verwachsen erwies, konnte keine vollstandige Aus- 
raumung stattfinden. Die mikroskopische Untersuchung er- 
gab Spindelzellensarkom. Zwei Tage wurde ein Konsilium 
abgehalten und entsprechend dem Ergebnis desselben gleich 
eine zweite Operation vorgenommen, diesmal eine Enuklea- 
tion des Oberarmes im Schultergelenk gemacht; die Wunde 
heilte prompt. Aber Ende September 1911 wurde wieder 
ein Anwachsen des Tumors unter der Narbe konstatiert, 
und die Geschwulst vergrfisserte sich weiterhin. Als ich 
den Mann am 6 November 1911 zum erstenmal unter- 
suchte, war in der Gegend der vorderen Achselfalte, nahe 
derOperationsnarbe, ein nussgrosser, harter Tumor zu ffihlen, 
welcher gegen die Unterlage nicht verschieblich war, die 
Haut war nicht vertindert, auch die Narbe war normal. 
Ferner zeigte die daran anstossende vordere Deltoideus- 
region eine flache, pralle Anschwellung. Der Stumpf 
konnte in geringem Umfange bewegt werden, Schmerzen 
bestanden nicht. Der Mann war mager und blass. Es 


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502 


Tumoren. 


wurde nun sofort die RSntgen - Behandlung begonnen; 
sehon nach wenigen Tagen wurden die Geschwulste kleiner 
und die Beweglichkeit besser. Bald war die pralle An- 
schwellung in der Deltoideusgegend ganz geschwunden, 
die Geschwulst in der Axilla bis auf einen an der Rippe 
festsitzenden, nur mehr linsengrossen Hocker zuruckge- 
gangen. Um sicherzugehen, wurde die Behandlung bis 
zum 21. Dezember 1911 fortgesetzt. Am 14. Februar 1912 
wurde der Mann zur Nachuntersuchung bestellt. Der All- 
gemeinzustand hat sicb ungemein verbessert. Das Gewicht 
hat bedeutend zugenommen, auch die Hautfarbe ist wieder 
gesund, der Mann hat guten Appetit und guten Schlaf. 
Vom Tumor ist auch jetzt als einziger Rest der linsen- 
grosse Hbcker an der Rippe zu ftlhlen. Der Stumpf kann 
nach alien Richtungen in grossem Ausmasse passiv und 
aktiv bewegt werden. Die letzte Untersuchung am 16. April 
1912 ergibt denselben gQnstigen Befund, der Mann scheint 
also — soviel man bei der kurzen Zeit der Naehbcobachtung 
sagen kann — geheilt zu sein. Es ist nicht unmQglich, 
dass eine frtih eingeleitete ROntgen-Behandlung allein den 
Tumor zum Verschwinden gebracht und daher dem Pat. 
die Amputation erspart hatte. — Dieser Fall weist neuer- 
dings darauf hin, dass man in mbglichst vielen Fallen von 
Tumoren, bevor man zur Operation, namentlich eingreifender 
Art sclireitet, die ROntgen- Behandlung versuchen solle. 
Wenige Tage nach Beginn derselben kann man oft schon 
beurteilen, ob sie guten Erfolg verspricht. GeschwQlste, 
welche durch Fortsfttze, die sie in die Umgebung aussenden, 
oder durch Verwachsungen mit wichtigen Organen, sei es, 
dass diese durch Tumorgewebe selbst oder durch region&re 
Entzttndung erzeugt sind, mit dem Messer nicht radikal 
exstirpiert werden kbnnen und — an Extremit&ten — zur 
Amputation Veranlassung geben warden, lessen sich durch 
Rontgen - Behandlung nicht weniger gut beeinflussen als 
gut abgegrenzte Tumoren. Yermutet man die Anwesenheit 
eines im genannten Sinne malignen Tumors, so ist es be- 
sonders wichtig, zuerst die ROntgen-Behandlung einzuleiten. 
GeschwQlste, die sehr rasch wachsen und daher, wenn 
Operationen vorgenommen werden, immer wieder rasch 
rezidivieren, sind far Radiotherapie besonders geeignet. u 

{Wiener med. Wocbentobrift 1912 Nr. 19.) 

— Drei interessante Fehldiagnosen anf malignen Tumor. Yon 

Dr. Richard Fabian. (Aus der Poliklinik fUr Magen- 
und Darmkrankheiten von Prof. Albu in Berlin.) „Das 


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Tumoren. 


503 


Vorkommen nichtmaligner Geschwiilste an den Orgarien 
der Bauchhbhle ist im allgemeinen selten; jedoch gibt es 
zuweilen Verwechselungen palpabler Tumoren mit tuber- 
kuldsen oder syphilitischen GeschwGlsten; auch kallOse 
Narbentumoren kbnnen Veranlassung zu solchen IrrtGmern 
in der Magen- und Darmpathologie geben. Es ist auch 
bekannt, dass selbst nach ErOffnung der BauchhOhle der 
Chirurg'zuweilen nicht imstande ist, den Charakter einer 
freiliegenden Geschwulst, z. B. am Magen, zu erkennen. 
Oft sichert erst die mikroskopische Untersuchung die Dia¬ 
gnose. Mancher Tumor, der als Karzinom imponierte, 
hat sich dabei als gutartige Neubildung erwiesen, und 
manche seheinbare Karzinomheilung, die in der Literatur 
berichtet wird, ist sicherlich auf einen solchen diagnostischen 
Irrtuiti zuriickzufiihren. Der Begriff des Karzinoms hat 
sich mit der Yorstellung eines Tumors im allgemeinen so 
innig verknilpft, dass man beim Nachweis einer Geschwulst 
oft an gar nichts anderes denkt als an eineil Krebstumor. 
Im nachfolgenden sollen drei F&lle angefiihrt werden, 
welche s&mtlich als ihoperable, bbsartige Geschwiilste von 
autoritativer Seite angesprochen worden waren und sich 
l&nger als fiinf Jahre am Leben erhielten. Alle drei F&lle 
befinden sich jetzt in einem wesentlich gebesserten Er- 
n&hrungs- und Krftftezustande, bei zweien sind alle sub- 
jektiven und objektiven Krankheitssymptome vOllig ge- 
schwunden. Alle drei Pat., die von uns als langst ge- 
storben angesehen wurden, sind nur dadurcli wieder in 
unsere Beobachtung gelangt, dass sie w^egen anderer harm- 
loser Beschwerden nach Jahren unsere Hilfe aufsuchten. 

Fall 1. Der 44jahrige Sattler Ch. kam September 
1905 in die Poliklinik. Es bestanden kolikartige Schmerzen 
in der rechten Oberbaucbgegend. die verschiedenartigsten 
Verdauungsbeschwerden, wie Aufstossen, Erbrechen und 
Stuhlverstopfung. Daneben eine erhebliche Gewichts- 
abnahme. Als Vermutungsdia^nose wurde ein Earzinom 
der Flexura coli hepatica angenommen. Pat. wurde in- 
folgedessen einem hiesigen Krankenhause zur Operation 
ttberwiesen. Hierbei wurde in der rechten Oberbauch- 
gegend ein mannsfaustgrosser, hOckriger Tumor gefunden, 
der anscheinend aus einem Konglomerat von Darmschlingen 
und der rechten Niere bestand, die miteinander untrenn- 
bar fest verwachsen waren. In der in toto gesenkten Leber 
zeigten sich mehrere kirsch- und erbsengrosse hellere Knoten, 
die als Metastasen eines prim&ren karzinomatOsen Tumors 
angesehen wurden. Nach dem Operationsjournal begnOgte 


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504 


Tumoren. 


man sich wegen der Inoperabilitat des Tumors mit der 
Probelaparotomie. Der Pat. wurde drei Wochen nach 
Heilung der Operationswunde aus dem Krankenhause ent- 
lassen. ZunSchst trat unmittelbar nach der Operation in 
dem Allgemeinbefinden des Pat. eine Besserung ein. Aber 
bald traten von neuera kolikartige Schmerzen im Leibe 
auf, Erbrechen und Stbrungen in der Darmtatigkeit. Nach 
Angabe des Pat. hat er trotz dieser Besckwerden seine 
Berufstatigkeit als Sattler dauernd ausgeiibt, wenn auch 
bisweilen eine vollige Kraftlosigkeit vorhanden' war. Seit 
der Entlassung aus dem Krankenhause, Oktober 1905, 
war der Pat. unseren Augen vbllig entschwunden, und 
erst Anfang Dezember 1910 kam er r in schwerkrankem 
Zustande wieder in die Poliklinik zur Behandlung Aus 
dem damaligen Status mochte ich nur die wesentlichsten 
Punkte hervorheben: Grosser, abgemagerter Mann mit 
schlaffer und atrophischer Muskulatur, Fettpolster fast vbllig 
geschwunden. Am Nacken, in der Gegend des rechten 
Brustwirbeldorns, bestand eine pflaumengrosse, fluktuierende 
Vorwblbung, die stark druckempfindlich war und dem Pat. 
bei Bewegungen grosse Schmerzen verursachte. Ueber der 
rechten Lunge hinten oben ged&mpfter Schall mit broncho- 
vesikularem Atmungsger&usch. Herzaktion frequent, Tbne 
rein. Im Abdomen fuhlt man unterhalb der stark ptotischen, 
derben Leber, nur durch eine Furche getrennt, rechts vom 
Nabel einen mannskopfgrossen, derben, hockrigen, bei der 
Respiration verschieblichen Tumor, in welchem einige 
weichere Stellen durchzufiihlen sind. Palpation druck¬ 
empfindlich. Urin frei von Albumen und Saccharum. 
Der Tumor entsprach in seiner Lage genau dem vor fflnf 
Jahren bei der Operation beobachteten, nur scheint seine 
Grbsse in der Zwischenzeit noch zugenommen zu haben. — 
Bei dem ganzen Yerlauf des Falles konnte es sich nur 
um einen chronisch entzttndlichen Prozess luetischer oder 
tuberkulbser Natur handeln, der durch Yerwachsungen 
von Darmschlingen untereinander mit dicken Schwarten- 
bildungen den Tumor erzeugt hat. Wenn auch in der 
Anamnese ft\r Lues keine Anhaltspunkte zu finden waren, 
so sprechen doch weiter gewichtige Zeichen fiir diese An- 
nahme. Eine serodiagnostische Untersuchung des Blutes 
nach Wassermann ergab eine sehr stark positive Reaktion. 
Die empfindliche Vorwolbung am Nacken, in der Gegend 
des 1. Brustwirbeldorns, ging unter Behandlung mit einer 
Jodkalisalbe vbllig zurtick. Als Therapie wurde eine 
energische Jodbehandlung eingeleitet, in steigenden Dosen 


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Tumoren — Vermischtes. 


505 


bis drei Esslbffel pro die einer I0°/oigen JodkalilOsung. 
Der Effekt war ein sichtbarer. Die Schmerzen kolikartiger 
Natur, das Erbrechen usw. liessen bald an Intensitat nach. 
Der Tumor wurde kleiner und verschieblicher, die weicheren 
Partien liessen sich nicht mehr nachweisen. Gewiehtszunahme 
neun Pfund. Retrospektiv lasst sich wohl sagen, dass es 
sich auch schon vor fiinf Jahren sicher urn einen tertifir 
syphilitischen Tumor gehandelt hat, in welchem neben 
den chronisch peritonitischen Adh&sionen auch Gdmmata 
enthalten waren. Als solche sind insbesondere mit Sicher- 
heit die damals beobachteten Leberknoten jetzt anzusehen. 
Der Pat. stellt sich uns haufiger vor. Wenn er auch an 
Gewicht .nicht weiter zugenommen hat, so ist sein Aus- 
sehen gut. Im ttbrigen ist er vollig beschwerdefrei und 
dauernd arbeitsfahig. (Schluss folgi.) 


Vermischtes. 


Ein nener Frottierstoff. Von Dr. F. Lots, Nervenarzt in Fried- 
richsroda. „Es ist eine unleugbare Tatsache, das in neuester 
Zeit die Hydrotherapie bei der Behandlung nervbser Er- 
krankungen mehr und mehr eine untergeordnete Rolle 
spielt. Allerhand andere physikalisch-therapeutische Mass- 
nahmen treten niit der Hydrotherapie heutzutage in erfolg- 
reichen Wettbewerb, taglich tritt etwas Neues in den 
Gesichtskreis, besonders seit sich die Grossindustrie der 
Sache bemachtigt hat. Die Kuranstalten, die sonst so 
fleissig die Hydrotherapie pflegten, folgen dem Zuge der 
Zeit. Schon in ihrer Bezeichnung macht sich das geltend. 
Es gibt jetzt nur noch „Sanatorien“, nur selten findet man 
eine „Wasserheilanstalt“. Was frtiher so wirksam war, 
zieht heute nicht mehr so recht. Alle diese Dinge geben 
zu denken. Eine reine Modesache kann es nicht sein, es 
muss dem Umstande etwas Greifbares zu Grunde liegen. 
In der Tat gibt es Falle, in denen mit Hydrotherapie 
nichts zu erreichen ist. Entweder ist dann das Wasser 
nicht kraftig genug, oder aber es kann aus irgend einem 
Grunde seine voile Wirksamkeit nicht entfalten. Ein 

Nervoser, der zu Erk&ltungen neigt und vielleicht gar 
„schwache Lungen“ besitzt, darf unmbglich intensiv mit 
kaltem Wasser behandelt werden, sonst kOnnte man sehr 


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506 


Vermischtes. 


schlechte Erfahrungen machen, ebenso ein solcher, der eine 
schwache Herztatigkeit zeigt, vielleicht blutarm und ab- 
gemagert ist, oder auch ini hftheren Lebensalter steht. 
Uni die Lilcke, die hier zweifellos in der Therapie ner- 
vbser Erkrankungen besteht, auszufQllen, dazu eignen sich 
in ganz vortrefflicher Weise die mechanischen Hautan- 
regungen und zwar in Form von trockenen Frottierungen 
mit einem rauhen Stoffe. Alle physikalische Therapie 
l&uft ja im Grunde genommen auf eine Anregung und Be- 
lebung der Haut hinaus, und da ist es offenbar gleichgGltig, 
in welcher Weise dies geschieht. Man ist durchaus nicht 
an den ^hermischen Reiz gebunden, sondern kann jeden 
anderen anwenden. Voraussetzung ist nur, dass er un- 
gefahrlich ist und andererseits aber auch so intensiv und 
so lange und so oft angewendet werden kann, als nQtig 
ist, um die nervdsen Stbrungen zu beseitigen. Und das 
ist, wie ich aus langjahrigen Erfahrungen versichern kann, 
bei den mechanischen Hautanregungen der Fall. Der 
Frottierstoff, wie ihn die Firma Hahlo & Co. in Hamburg, 
Gothenstrasse 10—16, liefert, ist nach meiner Ansicht das 
Vollkommenste, das in dieser Beziehung hergestellt werden 
kann. Es ist ratsam, auf die Siegelmarke zu achten. Er 
ist weitmaschig gewebt, so dass zwischen den einzelnen 
Faden mindestens ebenso breite Luftraume liegen, was ja 
fiir gewbhnlich mit dem geschmackvollen Namen „por6s“ 
bezeichnet wird. Je drei Faden gezwirnter Baumwolle 
und ein dicker Wollfaden aus Spiral-Kammgarn sowohl 
in der Kette als im Schuss geben dem Gewebe ein eigen- 
artiges Aassehen und eine beinahe unverwftstliche Halt- 
barkeit. Dabei ist der Stoff rauh, ohne zu kratzen, frottiCrt 
stark, ohne wund zu machen. Er hinterlftsst im Gegenteil 
nach dem Gebrauch ein warmes und frisches Geffthl auf 
der Haut, genau so als ob man nach einem kalten Bade 
wieder warm geworden ware.“ 

(Arztliche Polytechnik 1911 Nr. 12.) 

— Einfaches Verfahren zur Ermittelung von Linksh&ndern. 

Von Dr. August Brilning, Privatdozent ftir Clfirurgie 
in Giessen. Verf schreibt: „Jedem ist es bekannt. dass 
es uns ohne lftngere Uebung schwer f&llt, mit beiden 
HSnden verschiedene Bewegungen auszuftthren. Je S,hn- 
licher die Bewegungen sind, desto schwieriger ist es, die 
rechte und linke Hand unabh&ngig voneinander zu ge- 
brauchen. Es ist ein beliebtes Spiel der Kinder, mit der 
einen Hand einen Kreis auf sich zu, mit der anderen von 


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Vermischtes. 


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sich fort zu schlagen. Bei langsamer AusfQhrung und bei 
grosser Aufmerksamkeit pflegt es gewQhnlich ftir einige 
Sekunden zu gelingen, die beiden Kreise in entgegen- 
gesetzter Richtung mit den • Zeigefingern zu beschreiben, 
sobald man aber die Bewegung beschleunigt, wird die eine 
Hand unsicher, sie fQhrt unregelmassige Bewegungen aus 
und folgt schliesslich der anderen Hand. Eine Reihe von 
Versuchen haben mir nun gezeigt, dass bei einem Rechts- 
hander stets die linke Hand der Bewegung der rechten 
folgt, w&hrend bei einem Linkser immer die linke Hand 
die FQhrung behalt und die andere sich ihr anschliesst. 
Einen Herrn, den man wegen der gleichmassigen Aus- 
bildung und Geschicklicbkeit beider Hande wohl als Ambi¬ 
dexter bezeichnen mQsste, konnte ich durch das beschriebene 
Experiment als Rechtshander erkennen. Auch bei einem 
Kunstlinkser, der durch eine Verletzung des rechten Armes 
veranlasst war, vorwiegend die linke Hand zu henutzen, 
zeigte sich bei einem Yersuch sofort die hQhere „motorische 
Intelligenz u (Stier) der rechten Seite. Achtet die zu 
prilfende Person genau auf sich und beschreibt mit den 
Handen die Kreise nur langsam, so kann sie es manchmal 
vermeiden, dass die Bewegung der einen Hand ganzlich 
umgekehrt wird. In solchen Fallen sieht man nur ein 
kurzes Stocken in der FQhrung der Hand, die sich eigent- 
lich der Bewegung der anderen anpassen wollte. Die Er- 
klarung fQr diese Unbeholfenheit ist darin zu sehen, dass 
die von Jugend an mehr'geubte Hand leichter innerviert 
wird, so dass bald eine Automatic der Bewegung eintritt, 
wahrend es fQr die andere Hand stets neuer, bewusster 
Willensimpulse bedarf. Was nun diesem kindlichen Spiel 
praktische Bedeutung verleiht, ist der Umstand, dass man 
mit ihm Linkser sicher erkennen kann. Bei der Unter- 
suchung von Unfallpatienten trifft man bei Leuten mit 
Yerletzungen der linken Hand haufig auf die Angabe, dass 
sie Linkser seien. Schadigungen der linken Seite mQssen 
aber bei solchen Patienten so bewertet werden, als ob sie 
sich auf der rechten befanden. Das Nachfragen bei Ar- 
beitskollegen und der bekannte Versuch des Nagelein- 
sclilagens lasst leider gewohnlich im Stich. Hier kann 
man durch die oben angegebene Methode sich leicht Klar- 
heit darOber verschaifen, ob man wirklich einen Linkser 
vor sich hat. Stier erwahnt in seinem Buch „Unter- 
suchungen Qber die Linkshandigkeit“ kein Erkennungs- 
beispiel, das so wenig durch Erziehung und bewusste Ver- 
stellung beeinflusst werden kann, wie das angefQhrte 


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VermiBchtes. 


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Experiment. Einen Vorteil sehe ich auch noch darin, 
dass eine Verletzung, ein Verband, ja sogar der Verlust 
der Hand die AusfOhrung der Untersuchung nicht un- 

moglich macht.“ (Mlinch. med. Wochenschrift 1911 Nr. 41.) 

Ueber den Bakteriengehalt des in Apotheken erhaltlichen 

destillierten Wassers. Von Prof. P. Th. Mfiller (Hygien. 
Institut der Universitat Graz). „Ich stelle in folgender 
Tabelle die Werte > zusammen, die sich bei 16 in ver- 
schiedenen Apotheken von Graz eingekauften destillierten 
Wassern sowie bei 4 im Institut aufgestellten Proben er- 
geben haben. Dabei sei noch bemerkt, dass unsere 
Methode nicht nur die lebenden Bakterien bestimmt, die 
im Wasser enthalten sind, sondern auch die Bakterien- 
leichen, soweit sie nicht bis zur Unkenntlichkeit zu Detritus 
zerfallen sind, und dass daher unsere Bakterienzahlungen 
eine Vorstellung davon zu geben vermfigen, wie gross die 
Mengen von Bakteriensubstanz sind, die mit dem destillierten 
Wasser einverleibt werden, was die tlbliche Gelatineplatten- 
methode, die nur auf die lebenden Bakterien, und auch 
hier nicht einmal auf alle im Wasser gedeihenden Arten, 
Riicksicht nimmt, nicht im gleichen Masse zu leisten im- 
stande ist. 


Nr 


Keimzahl 
im ccm 

Nr. 


Keimzahl 
im ccm^ 

1 

Apotheke 1 

742000 

11 

Apotheke 11 

566000 

2 

y) 

2 

126 000 

12 

1) 

12 

68000 

3 


3 

1 166 000 

13 

jj 

13 

588 000 

4 

)•) 

4 

764 000 

14 

n 

14 

660 000 

5 

j? 

5 

368 000 

15 

» 

15 

88000 

6 

Yi 

6 

165 000 

16 

n 

16 

6050 000 

7 

n 

7 

242000 

17 

Institut 1 

254 000 

8 

v 

8 

247 000 

18 

n 

2 

84 000 

9 

n 

9 

276 000 

19 

y) 

3 

288 000 

10 

n 

10 

907 000 

20 

r > 

4 

144000 


Wie man sieht, bewegen sich die Keimzahlen bei der 
flberwiegenden Mehrzahl der untersuchten Wasser zwischen 
100 000 und etwa 700 000; nur drei Proben zeigten 
weniger als 100 000 Bakterien im Kubikzentimeter, wfihrend 
zwei weitere Proben einen Keimgehalt von fiber 1 Million 
aufwiesen. Es sind dies wohl ganz enorme Zahlen, die 
aber erst dann voll in ihrer Bedeutung gewfirdigt werden 
kfinnen, wenn man bedenkt, dass bei der intravenfisen 
Salvarsaninjektion 200—800 ccm Fltissigkeit in das Venen- 
system eingeffihrt zu werden pflegen. Dies wflrde bei dem 


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Vermiechtes. 


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niedrigsten von uns beobachteten Keimgehalt des destillierten 
Wassers einer eingespritzten Menge von etwa 6 Millionen 
Keimen, bei dem hochsten Keimgehalt dagegen einer Menge 
von 1500 Millionen Keimen entsprechen. Um eine Yor- 
stellung von der Grosse dieser Bakterienmengen zu geben, 
mdchte ich nur hervorheben, dass Hehewjerth bei seinen 
sorgf&ltigen Bakterienz&hlungen mit der A. Kleinschen 
mikroskopischen Methode gefunden hat, dass in 5 ccm 
24stOndiger Kultur von Bact. coli ca. 600—1000 Millionen, 
in 5 ccm 24st(Jndiger Typhuskultur ca. 300—900 Millionen 
Keime enthalten sind, dass also, mit anderen Worten, bei 
der intravendsen Einverleibung des keimreichsten der von 
uns aus einer Apotheke bezogenen destillierten Wasser in 
der bei der Salvarsanbehandlung fiblichen Menge yon 200 
bis 300 ccm mebr Bakteriensubstanz in den Kbrper ein- 
gefuhrt wtirde, als in 5 ccm Bouillonkultur enthalten zu 
sein pflegt. Aber auch wenn man einen mittleren Keim¬ 
gehalt von nur 500 000 Keimen im Kubikzentimeter an- 
nimmt, wtirde die Gesamtmenge der einverleibten Bakterien 
noch immer 125 Millionen oder soviel, als etwa in 1 ccm 
Bouillonkultur enthalten sind, betragen. Dass dies nicht 
gleiehgftltig fiir den Organismus sein kann und daher die 
dringende Forderung rechtfertigt, dass zur intravenosen 
Injektion stets nur frisch destilliertes und sofort sterilisiertes, 
bis zum Gebrauch steril aufbewahrtes Wasser bentitzt 
werden soli, bedarf wohl keiner n&heren BegrOndung. 
Die von Ehrlich angenommene, durch Wechselmann 
zuerst ausgesprochene Vermutung, dass der Bakterien- 
gehalt des destillierten Wassers die Ursache der bei Sal- 
varsaninjektion gelegentlich aufgetretenen Storungen ist, 
hat durch die vorausgehende Untersuchung an Wahrschein- 
lichkeit sehr gewonnen.“ 

(Munch, med. Wochenschrift 1911 Nr. 51.) 

— Ein Venenkompressor. Zur Technik der venbsen Stauung. 

Von Dr. E. Treibmann (Leipzig). Der Kompressor be- 
steht aus zwei Branchen, welche durch ein Scharnier ver- 
bunden sind. Diese Branchen sind entsprechend der 
Rundung des Oberarms geschweift, da die Kompression 
wohl fast ausschliesslich am Oberarm vorgenommen wird. 
Die Branchen tragen zu beiden Seiten des Scharniers je 
einen Handgriff. Zwischen den beiden Handgriffen be- 
findet sich eine Feder, die die Handgriffe auseinander 
drangt, Ueber dieser Feder befindet sich eine Schraube, 
welche, je nach Bedarf gedreht, entweder die Handgriffe 


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Vermischtes. 


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nocl) liber die Wirkung der Feder hinaus auseinander 
dr&ngt und so die Branchen immer fester scbliesst oder 
umgekehrt die Branchen offnet, bis nur noch die Feder- 
wirkung sie um den Arm schliesst. An diesem Punkte 
hort dann die Wirkung der Schraube auf. Bevor man 
nun das Instrument auf den Arm setzt, lege man um die 
Aufsatzstelle eine gewOhnliche Kompresse um den Arm. 
Auf diese Weise kommt nicht das kalte Metall des In- 
strumentes direkt auf die Haut, anderseits gestaltet die 
Kompresse den Druck angenehmer und gleieht ihn aus. 
Schliesslich erleichtert die Kompresse bei dlinnem Arm 
das Anlegen des Instrumentes. Man setzt dann das durch 
Zusammenziehen der Handgriffe geOffnete Instrument an 
der von der Kompresse umschlossenen Stelle des Armes 
auf, lSsst die Handgriffe allm&hlich los, sie werden durch 
die Feder auseinander gedrangt, und die. Branchen schliessen 
sich um den Arm. Man achte jetzt darauf, dass keine 
Hautfalte eingeklemmt ist, eventuell drehe man das ge- 
schlosserie Instrument bin und her um den Arm, um sich 
so zu vergewissern, dass nirgends eine Einklemmung vor- 
liegt. Dann bleiben die Handgriffe nach oben und aussen 
gerichtet, und man zieht die Schraube an, bis man bei 
erhaltenem Puls gute Schwellung der Venen erhall. Hat 
man dann diet Injektionsnadel in die Yene eingefubrt, so 
halt man mit der linken Hand die Nadel in ihrer Stellung 
und schraubt mit der rechten Hand die Schraube zuriick 
bis an ihr Ende, zieht die Handgriffe zusammen und, 
ohne dass der Arm und somit die eingefQhrte Nadel der 
geringsten Bewegung ausgesetzt sind, hebt man den Kom- 
pressor nach oben ab. Die Handhabung des Instrumeiites 
ist ausserordentlich einfach. Das Instrument ist nicht um- 
fangreich, und seine Benutzung bietet mancherlei Vorteile 
gegentiber fruheren Verfahren. 

1. Wie oben auseinandergesetzt, bleibt bei intravenosen 
Injektionen der Arm nach Einflihrung der Nadel vollig 
ruhig liegen, die Nadel bleibt mit Sicherheit im Geffiss, 
die Stauung wird durch einfaches Zurtickschrauben und 
Abheben des Kompressors aufgehoben. 

2. Anlegen und LOsen des Apparates sowie eventuell 
feinere Dosierung der Kompression geht schnell und sehr 
einfach vor sich. 

3. Jede Assistenz ist iiberfliissig. 

4. Das Verfahren ist sehr sauber, da das Instrument 
ganz aus Metall besteht, geputzt und im Bedarfsfalle aus- 
gekocht werden kann. 


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Vermischtoa — Bflcherschau. 


511 


5. Das Instrument ist sehr haltbarund widerstandsfahig. 

6. Infolge der leichten Dosierbarkeit des Stauungs- 
grades eignet es sich auch zur Bierschen Stauung. 

7. Im Notfalle kann das Instrument, das z. B. der 
Landarzt wegen des geringen Umfanges leicht bei sich 
ffihren kann, durch Anziehen der Schraube bis zur Kom- 
pression der Arterien zur Blutleere verwendet werden. 

Das Instrument eignet sich nattirlich auch zur Be- 
nutzung bei Blutentnahmen und alien anderen im Anfange 
genannten Eingriffen, bei denen es gilt, eine venbse Stau¬ 
ung zu erzielen. Das Instrument ist nicht nur von mir, 
sondem auch von einer Reihe von Kollegen erprobt worden 
und hat sich bew&hrt. Der Kompressor wird von der 
Firma Bernhard Schfidel, Leipzig, Georgiring 6 b, hergestellt. 

(Deutsche med. Wochemchrift 1911 Nr. 50.) 


Biicherschau. 

Prof. Dr. A. Bielschowsky hat ein Repetitorinm der Aogen- 
heilknnde geschrieben (Breitensteins Repetitorien Nr. 12, 
Verlag von Joh. Ambr. Barth, Leipzig. Preis: M. 1,80), 
und das Btichlein diirfte in den Kreisen, fiir die es be- 
stimmt ist, bald zahlreiche Freunde linden. Ganz knapp 
gefasst, aber vollstSndig bringt das Repetitorium die wesent- 
lichen Daten der Funktionsprufung und der klinischen Krank- 
heitsbilder, deren Aetiologie, Yerlauf und Therapie, die 
wichtigsten Operationen usw., kurz, ftihrt uns alles wieder 
ins Ged&chtnis zurflck, was wir in Yorlesungen, Klinik 
und Kursen gehort und gesehen haben. Eine solche 
Repetition ist jedem nbtig, und man wird das Biichlein 
daher dankbar begrhssen. 

— Arme Komddianten nennt A. Mtiller-Guttenbrunn ein 
BSndchen Novellen, die es wohl verdienen, gelesen zu 
werden. In seiner gemtitvollen Art erz&hlt der Verfasser 
Wiener Geschichlen, deren jede den Leser fesselt und er- 
greift. Man folgt mit grossem Interesse seinen Worten 
und legt das Buch, das einen ein paar Stunden recht an- 
genehm unterhalten hat, befriedigt weg. - Auch eine im 
gleichen Verlage (L. Staackmann, Leipzig) erschienene 
Gedichtsammlung, Hochsommer von A. de Nora, ist warmer 
Empfehlung wert. Unser Kollege, der unter diesem 
Pseudonym schreibt, ist uns aus der „Jugend“ bekannt, 
die seit Jahren seine witzigen, pointereichen Gedichte 


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512 


Bacherschau. 


bringt. In „Hochsommer“ tritt er uns als ein anderer 
entgegen. Gefilhlsschwere, einfache, tiefempfundene Verse 
sind es, die er uns gibt; Althergebrachtes, Liebgewordenes 
besingt seine Feder, und es tut wohl, naeh den modemen 
lyrischen Modetorheiten hier wieder einen deutschen Dichter 
zu linden, der klar und schlicht zu uns spricht. Wer „so 
etwas w noch mag — und es wird wohl glficklicherweise 
noch eine ganze Anzahl solcher altmodischer Kauze geben — 
wird seine Freude an dem Biichlein haben. 


Eingange bei der Redaktion. 

Besprechung vorbehalten. — Buckscodung ausgeschlossen. 

Die PrOStatahypertrophie. Von Dr. W. Karo (Berlin, Oskar 

Coblentz, Preis: M. 1,60). 

Gehe & Co.s Handelsberlcht 1912. 

E. Mercks Jahresbericht. 25. Jahrgang. 

Formulae magistrates Germanlcae. Von Prof. Dr. Lew in. 

(Deutscher Apothekerverein). 

Sammlung klinischer Vortr&ge. (Leipzig, Joh. Ambr. Barth.) 

^Jr. 650. R. Hadlich, Spontane HarnrShrenblutung. 

Nr. 651. F. Ahlfeld, Inwieweit hat bisher die Einffihrung 
der Asepsis und Antisepsis die puerperale Infektions- 
mortalitat ganzer Lander beeinflusst? 

Nr. 652/53. C. Klieneberger, Diagnose des Carcinoma 
_ ventriculi. 

Nr. 654/55. W. Bick, Untersuchungen fiber den Stoffwechsel 
des neugeborenen Kindes. 

Nr. 656/57. E. Ihm, Myomnekrose wahrend der Schwanger- 
schaft. 

Nr. 658. A. Gig on, Aus der Geschiclite der Respiration 
und der Ernahrung. 


N o t i z. 

Die heutige Nummer unseres Blattes enthalt eine Beilage, und 
zwar von der Firma: 

Goedecke & Co., Leipzig u. Berlin N 4, fiber 

,,DigiBtrophan“ und 99 Ppothaemin if f 

auf die wir besonders hinweisen. 

Far don redaktionellen Toil verantwortlich: 

Dr. E. Graetzer in Friedenau-Berlln. 


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Erschelnt am 1\/q 4 O Frets des Jahrgangs 6 Mk. 

Anfang eines jeden Monats. . v exki. Porto. 


Exoerpta medica. 

Kurze monatllche Journalatigz&ge 

aus der gesamten Fachliteratur 

zum Gebrauch far den praktischen Arzt 

Heramgegeben von Dr. med. Eugen Qraetzer in JFriedenau-Berlin. 

Yerlag von Carl Sallmann, Leipzig* 


September. XXI. Jebrgm 



An unsere Leser. 


Mit dem heutigen Tage geht der Verlag unseres Blattes an die 
. altrenommierte Firma BentlO Schwabe & Co. in Basel und 
St. Ludwig im Elsass fiber. 

Gleichzeitig tritt eine Vergrfisserung des Blattes und eine 
Vermehrung seines Inhalts ein. Jede Nummer wird, 

ohne dass der Abonnementspreis erhoht wird, 

um einen Bogen vergrossert, und unseren Lesern werden ausser 
den Referaten auch ausgewfihlte Originalarbeiten sowie Sammel- 
referate fiber wichtige Themata geboten werden. 

Redaktion und Verlag 

der „Excerpta medica". 


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514 


Antisepsis, Asepsis, Desinfektion. 


Antisepsis, Asepais, Desinfektion. Ueber Ver- 

ordnung von Wasserstoffsuperoxydlosungen. Yon Ober- 
apotlieker Dr. Philipp Fischer (Niirnberg). „Das 
Wasserstoffsuperoxyd, welches sich infolge seiner Wirkungen 
als gutes und starkes Antiseptikum bei Fehlen giftiger 
Eigenschaften in den letzten Jahren eine sichere Stelle 
unter den Arzneimitteln errungen hat, kommt in zwei 
verschiedenen Losungen in den Handel. Erstens als Hydro- 
genium peroxydatum medicinale mit drei Gewichtsprozenten 
H. 2 0.>, welches Praparat im Deutschen Arzneibuch, fiinfte 
Ausgabe, aufgenommen wurde, und zweitens als Perhydrol 
mit 30 Gewichtsprozenten H.j 0 2 . Ganz reines Wasser¬ 
stoffsuperoxyd ist nicht als Handelsware zu erhalten, da 
es sich sehr leicht zersetzt. Dasselbe bildet eine sirup- 
artige, geruchlose Fliissigkeit, welche in dicker Schicht 
blaugefarbt erscheint, und zerfallt schon bei gewbhnlicher 
Temperatur bald in Wasser und Sauerstoff, welche Zer- 
setzung bei raschem Erwarmen auf 100° sogar unter Explo- 
sionserscheinung eintritt. Das Perhydrol ist eine wassrige 
Losung des reinen Wasserstoffsuperoxyds, welche in 100 
Teilen 30 Gewichtstcile H 2 0 2 enthfilt. Es wird nach 
einem patentierten Verfahren von der Firma E. Merck in 
Darmstadt hergestellt und bildet eine absolut chemisch reine, 
saurefreie Wasserstoffsuperoxydlosung. Dieselbe vermag 
das Hundertfache ihres Volumens an gasformigen Sauerstoff 
abzuspalten, weshalb sie auch als 100 volumprozentig 
bezeichnet wird, obwohl im allgemeinen unter dem Begriff 
^olumprozent 1 etwas anderes zu verstehen ist. Denn bei 
Angabe von Volumprozenten wird man diese zun&chst auf 
den gelosten Stoff und nicht auf einen ganz anderen be- 
ziehen. Ferner wird auch meistens die Prozentzahl dahin 
verstanden, dass soviel Volumteile (Kubikzentimeter) als 
angegeben gelost sind. Das Hydrogenium peroxydatum 
medicinale des Arzneibuches enthalt in 100 Teilen drei 
Gewichtsteile H,0 2 . Es ist eine klare, farb- und geruch¬ 
lose, schwach bitter schmeckende Fliissigkeit, die sich bei 
Zimmertemperatur sehr langsam, beim Kochen oder beim 
Beriihren mit Braunstein sehr rasch unter Entbindung von 
Sauerstoff zersetzt. Es vermag das Zehnfache seines Vo- 
lumens an gasformigen Sauerstoff abzuspalten und wird 
daher auch als 10 volumprozentig bezeichnet. W&hrend 
das Perhydrol vollkommen saurefrei und sehr gut haltbar 
ist, miissen dem Hydrogenium peroxydatum medicinale 
stets geringe Mengen an freier Shure zugesetzt werden, 
um eine bessere Haltbarkeit zu erzielen. Es darf die 


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Antisepsis, Asepsis, Desinfektion. 515 

zuzusetzende Menge Siiure einerseits nicht zu gross sein, 
damit keine iibien Nebenerscheinungen bei der Verwendung 
des Praparates auftreten, andererseits aber aucli nicht zu 
klein, damit die Losung langere Zeit gut haltbar wird. 
Das Arzneibuch setzt die Aziditatsgrenze folgendermassen 
fest: 50 ccm sollen hoclistens 2,5 ccm ’/ioNKOH zur Neutra¬ 
lisation verbrauchen, was einem Gehalt von ca. 0,02 % 
Siiure (auf HC1 berechnet) entsprechen wlirde. Heine 
Ausftthrungen sollen jedoch heute hauptsiichlich bezwecken, 
die vielfach geiibt^ unklare Ausdrucksweise beim Verordnen 
der Wasserstoffsuperoxydlosungen etwas zu erlautern and 
auf die Folgen von derartigen Verordnungen aufmerksam 
zu machen. Anlasslich der Herausgabe eines neuen Haus- 
arzneibuches fur das hiesige Krankenhaus sollten auch 
einige Vorschriften von Wasserstoffsuperoxydlosungen auf- 
genommen werden. Es stellte sich dabei heraus, dass die 
einfache Verschreibweise nach Prozenten (z. B. Sol. Hydrog. 
pei’oxyd. 15%ig) von den Aerzten ganz verschieden ge- 
deutet wird, und auch von Apothekern, welche ich hier- 
uber befragte, bekam ich voneinander abweichende Aeusse- 
rungen zu horen. Auf eine Anfrage im Fragekasten einer 
Fachzeitung, ob man bei Anfertigung eines Rezeptes ,Sol. 
Hydrog. peroxyd. 3°/oig 300,0‘,dasPraparatdes Arzneibuches 
unverdiinnt abgeben soil oder eine 3%ige Losung desselben, 
erhielt ich ebenfalls eine unklare Antwort, ein.Zeichen, 
dass mit der Moglichkeit der beiden in der Frage ange- 
gebenen Auffassungen gerechnet werden muss. Eine andere 
Fachzeitung, der dieselbe Frage vorgelegt wurde, entschied 
sich fur die erst ere Auffassung. Auf Veranlassung von 
Herrn Prof. Dr. Muller wandte ich micli um Auskunft 
an die Firma E. Merck in Darmstadt, welche bekanntlich 
das Perhydrol in den Handel bringt. Ich erhielt als Ant¬ 
wort die Mitteilung, dass die Firma aus ihren eigenen 
Erfalirungen nur bestiitigen konne, dass in arztlichen Kreisen 
hinsichtlich der Konzentrationsverhiiltnisse von Wasser- 
stoffsuperoxydlosungen grosste Verwirrung herrscht und 
dass man gut tun werde, nach Moglichkeit bei den Aerzten 
aufklarend zu wirken und sie zu bestimmen, sich bei Ver- 
ordnung solcher Losungen recht prazis auszudrucken. Sucht 
man nun nach dem Grund, auf den diese verschiedenen 
Auffassungen zuriickzufilhren sind, so ist zunachst anzu- 
geben, dass von der chemischen Industrie sowohl in Bro- 
schQren als auch auf den Etiketten neben der Deklaration 
des Wasserstoffsuperoxyds in Gewichtsprozenten diejenige 
in sogen. Volumprozenten aufgefiihrt und bald die eine, 

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Antisepsis, Asepsis, Desinfektion. 


bald die andere Methode gebraucht wird. Es gibt sowohl 
Aerzte wie Apotbeker, die gar nicht anders als mit Volum- 
prozenten hiebei rechnen. Bei Bereitung einer verordneten 
5°/oigen Lbsung wird das 10°/oige (d. h. das volumpro- 
zentige) Pr&parat mitWasser zu gleichen Teilen verdilnnt 
abgegeben. Andere wieder und wohl die meisten fassen 
den Prozentgehalt als Gewichtsprozent auf. Ich bin iiber- 
zeugt, dass sehr haufig der Arzt eine viel schw&chere 
Losung erhalt, als er bei der Yerordnung beabsichtigte, 
woran nur diese Doppelbezeichnung nach Volum- und 
Gewichtsprozenten schuld ist. In vielen Fallen wird man 
ja wohl mit dem Arzt eine Verst&ndigung vorher herbei- 
zufbhren suchen; oft ist diese jedoch nicht mbglich, dann 
gibt der Apotheker doch vorsichtshalber die schw&chere 
Losung ab, ganz abgesehen davon, dass oft auch der Arzt 
den gewfinschten Aufschluss nicht zu erteilen vermag. 
Glticklicherweise ist die chemische Industrie bereits selbst 
auf diese irrefbhrende Doppelbezeichnung aufmerksam ge- 
worden und gibt den Gehalt der Losung meistens nur 
noch nach Gewichtsprozenten an; denn dass die Angabe 
der Konzentration in Gewichtsprozenten viel pr&ziser ist, 
unterliegt wohl kaum einem Zweifel; auch das neue deutsche 
Arzneibuch gibt fiir das dort aufgeftihrte 3°/oige Pr&parat 
nur den Gehalt an Gewichtsprozenten an. So steht 
zu hoffen, dass mit der Zeit diese Unklarheit aus dem 
Wege geschafft wird. Aber es ist noch ein weiterer Anlass 
zur falschen Auslegung des Prozentgehaltes einer Wasser- 
stoffsuperoxydlbsung gegeben. Derselbe liegt in den beiden 
verschiedenprozentigen Handelswaren. Bei vblliger Ausser- 
achtlassung der Frage der Volumprozente ist es immer 
noch nicht klar, worauf man die Prozentzahl beziehen soil, 
wenn z. B. eine 10°/oige Lbsung verordnet ist. Man kann 
sie auf das Pr&parat des Arzneibuches beziehen, was wohl 
seltener vorkommen durfte, da dann viel zu schwache 
Lbsungen erzielt wtirden. Man kann sie auf das Per- 
hydrol beziehen, welches als reinstes Wasserstoffsuperoxyd 
in den Handel kommt, und man kann sie schliesslich auf das 
im Handel nicht erb&ltliche ganz reine Wasserstoffsuper¬ 
oxyd beziehen und dann aus der angegebenen Prozentzahl 
sich erst die Mengen Perhydrol oder Hydrogenium per- 
oxydatum medicinale, die zur Bereitung erforderlich sind, 
berechnen. Wenn, wie bereits erw&hnt, von der ersten 
Auffassung wegen der resultierenden zu schwachen Lb¬ 
sungen wohl selten Gebrauch gemacht wird, so ist die 
zweite Auffassung, den Prozentgehalt auf das Perhydrol 


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Antisepsis, Asepsis, Desinfektion. 


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zu beziehen, schon haufiger. R. Hauke macht in einer 
Abhandlung ,Zur Abgabe von Wasserstoffsuperoxydlbsungen 
in den Apotheken 4 folgenden Vorschlag. ,Bei Verschrei- 
bung von Wasserstoffsuperoxyd mit Angabe eines be~ 
stimmten Prozentgehaltes ist stets das chemisch reine Wasser¬ 
stoffsuperoxyd, das Perhydrol, zu verwenden, und zwar 
sind so viel Gramme Perhydrol auf 100 g der vorgeschrie- 
benen Menge zu nehmen, als Prozente verordnet sind. 1. 
Also eine deutliche Bezugnahme auf das 30%ige PrSparat. 
Meiner Ansicht nach dilrfen die Bezeichnungen Hydro- 
genium peroxydat. pur. und Perhydrol nicht ftir ein und 
dasselbe Praparat gebraucht werden, da dies nur neue 
Verwirrungen scliafft. Wenn der Arzt verordnet ,Sol. Per¬ 
hydrol. 10°/oig l , so wird er zwar jeden Zweifel bei der An- 
fertigung eines solchen Rezeptes ausschliessen, er darf 
aber nicht verlangen, dass er eine 10%ige Wasserstoff- 
superoxydlbsung erhalt, da Perhydrol wohl das reinste 
Wasserstoffsuperoxyd des Handels ist, jedoeli nur 30 Ge- 
wichtsprozente H. 2 0 2 enthftlt. Die Bezeichnung des Pro¬ 
zentgehaltes einer Wasserstoffsuperoxydlosung sollte sicli 
stets auf das reine, als solches im Handel nicht befindliche 
Wasserstoffsuperoxyd (reines H^O.,) beziehen und jede zur 
Bereitung einer solchen Losung verwendete Wasserstoff¬ 
superoxydlosung, sei es nun das Perhydrol oder das Hydro- 
genium peroxydat. medicinale, muss nach ihrem Gehalt an 
Gewichtsprozenten H 2 0 2 entsprechend verdiinnt werden. 
Die Volumprozente sind bei der Angabe des Prozent¬ 
gehaltes vollig ausser acht zu lassen. Die Herren Aerzte 
mbgen jedoch, da zurzeit, wie im obigen ausgefQhrt, mit 
den verschiedenen Auffassungen gerechnet werden muss, 
diese Tatsachen bei Verordnung solcher Rezepte beriick- 
sichtigen und ein Rezept verschreiben, welches nur eine 
einzige Auffassung zulftsst. Nur so wird es moglich werden, 
allmahlich die einzig richtige Bezugnahme der Prozentzahl 
auf Gewichtsprozente reinen Wasserstoffsuperoxyds durch- 
zufuhren. Da die Losungen farb- und geruchlos sind, ist 
kein ausserliches Erkennungszeichen vorhanden, welches 
den Arzt auf eine zu schwache oder zu starke Losung 
aufmerksam machen konnte. Er muss also voile Garantie 
fur die richtige Anfertigung seines Rezeptes haben, und 
dies kann unter den obwaltenden Umstanden nur durch 
eine ganz priizise Ausdrucksweise bei der Verordnung ge- 
schehen. Im allgemeinen werden wohl, wie ich aus der 
Literatur festgestellt habe, 1- oder 3°'(ige Losungen ver¬ 
ordnet werden. So ist eine Losung mit drei Gewichts- 


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prozenten H. 2 0 2 einer 1 prom. Sublimatlosung in wassrigen 
Flilssigkeiten an bakterizider Kraft gleich und in orga- 
nisclien, eiweissreichen und zellarmen Medien der 1 prom. 
Sublimatlosung entschieden iiberlegen. Man wird bei Yer- 
ordnung einer l” ( 'igen Wasserstoffsuperoxydlosung, urn 
jeden Zweifel auszuschalten, am einfachsten verschreiben: 
,Solutio Hydrogen, peroxydat. 1 Gewichtsprozent H t Oj 11 , 
denn die beigefugte Formel kann sich nur auf das reine, 
wasserfreie Wasserstoffsuperoxyd beziehen. Der Apotheker 
kann zur Anfertigung dieses Rezeptes entweder 3,3 g Per- 
liydrol oder 33 g Hydrogen, peroxydat. med. auf 100 Teile 
mit Wasser verdiinnen. Will der Arzt eine vollig saure- 
freie Lbsung, so muss er den Zusatz machen (Aus Per- 
liydrol zu bereiten), will er dagegen, der besseren Haltbarkeit 
wegen, geringen Saurezusatz liaben, so muss er hinzufugen 
(Aus Hydrog. peroxyd. med. zu bereiten). Wird eine 
.‘>°/oige Lbsung gewQnscht, so ware zu verordnen: ,Solutio 
Hydrogen, peroxydat. 3 Gewichtsprozente H 2 0 2 k Hier 
kann auch bei Berucksichtigung des minimalen Shure- 
gelialtes des Praparates des Arzneibuches, welches 3ge¬ 
wichtsprozent ig ist, einfacli ,Hydrogen, peroxydat. med.‘ 
verordnet werden. Starkere Lbsungen als 3°/oig, .welche 
besonders in der Chirurgie .und Gynlikologie empfolilen 
werden, sind aus Perhydrol Merck zu bereiten, da ja das 
Prfiparat des Arzneibuches nur 3°/oig ist. Aber auch hier 
gilt es zu beriicksichtigen, dass das Perhydrol nur 30 Ge¬ 
wichtsprozente H,Oj enthlilt, so dass also bei Verordnung 
von .Sol. Hydrog. peroxyd. 10 # /oig‘ entweder der Zusatz 
,10 Gewichtsprozente H a ().,‘ gemacht oder ,Perhydrol 33,0, 
A(ju. dest. ad 100,0 1, verschrieben werden muss, um jede 
Unklarheit zu vermeiden.“ 

(MUnch. med. Wochenschrift 1912 Nr. 20.) 

— I)azu schreibt Dr. Althoff (Attendorn i. W.-): „In Nr. 20 
dieser Wochenschrift vom 14. Mai 1912 berichtet Ober- 
apotheker Dr. Fischer in Niirnberg in anschaulicher Weise 
<lie herrschende unklare Ausdrucksweise bei der Rezeptur 
von Wasserstoffsuperoxydlbsungen. Er schlsigt vor, naeh 
Gewichtsprozenten zu verordnen. Als Arzt mftchte ich 
folgendes erwidern. Zur Herstellung von Wasserstoffsuper- 
oxvdlbsungen stehen zwei Stammpraparate zur VerfOgung: 
das Hydrogenium peroxydatum des Arzneibuches, welches 
in 100 Teilen 3 Gewichtsteile II.,0 2 enthiilt, und das vbllig 
saurefreiePerhydrolmit 30GewichtsteilenH 2 0 2 inlOOTeilen 
Flussigkeit. Das Perhydrol ist also zelinmal konzentrierter 


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als das Hydrogenium peroxydatum des Arzneibuches. Dem 
Arzte liegt es nun am ntichsten, bei der Verordnung von 
Wasserstoffsuperoxydlosungen anzugeben, wieviel von diesen 
bekannten Stammpr&paraten und wieviel Aqua destillata 
der Apotheker zur Bereitung des arztlichen Rezeptes 
nehmen soli. Eine solche Verordnungsweise ist uns Aerzten 
jedenfalls gelaufiger als die nach Gewichtsprozent en, wie 
z. B. Solutio Hydrogen, peroxyd., 1 Gewichtsprozent H,G. ; , 
Avobei 33 g Hydrogen, peroxyd. auf 100 Teile Fliissigkeit 
zu nehmen sind. Als Mund- oder Gurgelwasser verordne 
man z. B. folgendermassen: 


Rp. Perhydrol 2,0—3,0 
Aq. dest. ad 300,0 
MD. ad vitr. nigr. 

S.: Gurgehvasser. 

<>der 

Rp. Hydrogen* peroxyd. 20,0—30,0 
Aq. dest. ad 300,0 

MD. ad vitr. nigr. 

S.: Gurgehvasser. 

oder 

Rp. Hydrogen, peroxyd. 200,0 
D. ad vitr. nigr. 

S.: 1 Tee- bis V* Essloffel voll auf 
1 Glas Wasser zum Gurgeln. 

Als Mund- oder Gurgehvasser ist die vorgenannte 
Losung stark genug; will man zu anderen Zwecken starkere 
Losungen haben, so rezeptiere man demgemiiss. Bei dieser 
VerordnungSAveise ist jede Verwechslung seitens des Arztes 
bei der ltezeptur und seitens des Apothekers bei der Zu- 
bereitung unnioglich. Die AusdrucksAveise nach Prozent- 
gehalt lasse man besser ganz fallen, namentlich Avenn man 
sich nicht absolut klar dariiber ist, dass z. B. bei einer 
3°/oigen Wasserstoffsuperoxydlosung (nach Gewichtsprozent) 
das unverdiinnte Hydrogenium peroxydat. des Arzneibuches 
vom Apotheker abgegeben Avird. Als Gurgelwasser ist 
eine solche Losung viel zu stark; es wurde ein kolossales 
Aufschaumen im Munde infolge Sauerstoffbildung eintretcn 
mit Entstehen von Brechreiz oder Erbrechen.“ 

(Mtinch. med. Wochenschrift 1912 Nr. 26.) 


— Einfache Methode der Sterilisation des Eat guts durch 
trockene Hitze. Von K. J. We der hake (Augusta-Klinik 
in Dusseldorf). Verf. gebrauchte zu seinen Versuchen den 


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Antisepsis, Asepsis, Desinfektion. 


Katgutsterilisator nach Foderl, welcher von der Firma 
Rudolf Ivutill, Wien, hergestellt wird. Dieser Apparat 
ist sehr zweckmassig. Er besteht aus einem Behalter, 
welcher aus Phosphorbronze massiv gedreht ist, einen fest 
schliessenden Deckel hat, welcher auch Gase bei hohem 
Druck nicht durchlasst. Den Behalter ftillte Verf. zur 
Halfte mit einer Losung von Jodtetrachlorkohlenstoff 
(Rp. Jodi puri 0,1, Carbon, tetrachlorat. ad 100,0) und 
beschickte dann den Apparat mit dem zu sterilisierenden 
Katgut. Er gebrauchte gewohnlich die Sternpackung nach. 
Kuhn. Dann wurde der Apparat mittels der beigegebenen 
Schraube fest geschlossen und in den gebrauchlichen mit 
Wasser gefullten Instrumentensterilisator gelegt. Nun wurde 
das Wasser zum Kochen gebracht und der Katgutsterili¬ 
sator '/« Stunde in dem sredenden Wasser gelassen. Nach- 
dem man den Apparat dem Instrumentensterilisator ent- 
nommen hatte, wurden die unter hohem Druck in dem. 
Katgutsterilisator befmdlichen Gase mittels eines Ventils 
herausgelassen, der Katgutsterilisator geoffnet und das nun. 
sterile Katgut in einem sterilen GlasbehSlter, auf dessen 
Boden man eine kleine Menge Jodum purum geworfen 
hatte, aufbewahrt. Das so gewonnene Sterilkatgut hat 
ausserordentlieh schatzenswerte Eigenschaften: Es ist, wie 
viele Yersuche gezeigt haben, sicher steril, hat keine rei- 
zenden Eigenschaften wie das Jodkatgut; auch ist ein 
Teil der darin enthaltenen Toxine unschadlich gemacht. 
Es ist nur leicht gelb gefarbt, ist sehr geschmeidig und 
schmiegsam und hat im Vergleich zu anderen Katgutarten 
eine sehr grosse Festigkeit. Dazu kommt, dass die Me- 
thode ausserordentlieh sauber arbeitet, die Hande durch 
den Gebrauch des Katguts nicht verfarbt und angegriffen 
werden; es heilt vollstandig reaktionslos ein und ist ziemlich 
schwer resorbierbar. Gebraucht man dieses Katgut, so 
sind viel schwachere Nummern notig als bei Gebrauch 
irgendeines anderen Katguts. Ausserdem ist die Methode 
billig. Die oben beschriebene Sterilisation des Katgut, die 
das Katgut unter ausserordentlieh hohem Druck (ca. zwei 
Atmospharen) einer Hitze von iiber 100 Grad aussetzt, 
kann an dem Katgut sogar ofters wiederholt werden, olme 
dass die guten Eigenschaften des Katguts irgendwelchen 
Schaden leiden. Eine Bedingung, um gutes Katgut zu 
bekommen, muss erfiillt werden: das ist die, dass das zu 
sterilisierende Katgut trocken sein muss, wie man es ge- 
wbhnlich als Rohkatgut von den Fabriken zu beziehen 
ptlegt. Eine Vorbereitung des Katguts durch Aether oder 


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Antisepsis, Asepsis, Desinfektion — Arzneiexantheme. 


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Alkohol ist in keiner Weise zu empfehlen. Ein Yorteil 
der Methode liegt noch darin, dass aie von jedem Arzt 
in der Sprechstunde ausgeubt werden kann und dass man 
mit den Instrumenten jedesmal das Quantum sterilisieren 
kann, welches man gerade far die Operation glaubt notig 
zu haben. Auf eine Vorsichtsmassregel muss Yerf. noch 
besonders hinweiseif, und zwar, dass der Katgutsterilisator 
nur zur HSlfte mit der Jodtetrachlorkohlenstofflosung ge- 

fallt wird. (Zentralblatt f. Chirurgie 1912 Nr. 20.) 

Arzneiexantheme. Bin durch Eukalyptnsbonbons her- 
vorgerufenes Exanthem. Von Privatdoz. Dr. M. Oppen- 
heim (Wien). E. P., 36 Jahre alt. An der Haut des 
HandrOckens, der Handgelenke, der Flachhande und der 
Finger sowie an der Haut der Fasse bis oberhalb der 
Sprunggelenke finden sich hirsekorn- bis erbsengrosse, hell- 
rote, kirsch- und braunrote, scharfbegrenzte Flecke, 
Knotchen und Papeln, die an alien Stellen, speziell an 
den Fingerenden und Zelienracken, zu hellergrossen Plaques 
konfluieren, wobei jedoch die Zusammensetzung aus klei- 
neren Effloreszenzen erkennbar bleibt. Besonders dicht 
finden sich die roten Fleckchen an Flachh&nden und Fuss- 
sohlen, wodurch die Haut dieser Stellen ein rotgespren- 
keltes Aussehen gewinnt. Die Knotchen fahlen sich 
ziemlich derb an und blassen bei Glasdruck nicht ab. 

An manchen Stellen erlialt man den Eindruck kleiner 
Hautblutungen. Die Oberflaclie der Effloreszenzen zeigt 
keine Schuppen. Die Haut des abrigen Korpers sowie 
die Schleimhaute sind vollig frei. Im weiteren Verlaufe 
andert sich das Exanthem innerhalb der ersten Woche 
nicht; es trat nur ein wenig Jucken auf. Spater zeigte 
sich eine gelbbraune Farbung der Effloreszenzen, doch sind 
sie bis heute, zwolfTage nach dem Auftreten, nicht vbllig 
geschwunden. — Differentialdiagnostisch kamen, als Pat. 
sich zum ersten Male vorstellte, Erythema exsudativum 
multiforme, Cheiropompholyx und Erythema papulatum 
toxicum in Betracht. Die Lokalisation, das Freibleiben 
der abrigen Anteile der ExtremitSten und des Gesiehtes, 
die Gleichartigkeit der Effloreszenzen liessen Erythema 
multiforme, die Abwesenheit von Blaschen, das geringe 
Jucken liessen Cheiropompholyx ausschliessen. Als Ur- 
sache des toxischen papulosen Erythems ergab sich fol- 
gendes: Pat. hatte zwei Tage vor Ausbruch des Exanthems 
Hustenbonbons, die unter dem Namen „Huste nicht“ ver- * 

kauf't werden und Eukalyptusol enthalten, genommen. 


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522 


Arzneiexantheme. 


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Anliinglich nahm er nur einige wenige; am zweiten Tage 
nahm er etwa 20 Sttick auf einmal. Zwei Stunden spater 
fiihlte sich Pat. miide, unbehaglich, wie als weiin er Fieber 
liatte. Abends war er appetitlos und sclilief schlecht. Die 
ersten Flecke am Handrilcken bemerkte er abends; in 
der Friihe, beim Erwachen. waren beide Hande und Filsse 
iibersat mit den oben beschujebenen Effloreszenzen. Er 
nabm dann keine Bonbons mehr, da er den Ansschlag 
mit ilmen in Znsammenhang brachte. Es ist also klar, 
dass es sich in diesern Falle um ein Eukalyptusexanthein 
handelte, das nach dem Genusse von Hustenzeltchen, aller- 
dings in grosseren Quantittiten, aufgetreten war. Klinisch 
glich der Ansschlag am mei-ten den toxisehen Erythemm, 
die nach Kopaivbalsam und Santalbl auftreten konnen; 
ein Unterscliied zeigte sich nur in der ausschliesslichen 
Lokalisation an Handen und Fiissen und der starken Be- 
teiligung der Flachhiinde und Fusssohlen. Diese Aehnlich- 
keit hat niclits Auffallendes, da das Eukalyptusbl dem 
Kopaivbalsam, Santalol und anderen narkotisch wirkenden 
Oelen, wie Terpentin-, Thymian-, Nelken-, Anisol usw., 
sowolil in bezug auf chemischen Bau als auch auf physio- 
logische und toxische Wirkurigen nahesteht. 

(Dcrmatolog. Woclieuschrift 19X2, Nr. 8.) 

Generalisierte Jodakne und makuloses Jodexanthem nach. 
dreimaliger Anwendung von Jodtinktur und Bedecken 
der eingepinselten Stellen mit Wachstuch. Yon Dr. 

Menahem Hodara (Konstantinopel). Der Fall betrifft 
einen 67jahrigen Mann, Arthritiker und Kheumatiker, aber 
sonst von kraftiger Konstitution. Nach seinen und seiner 
Umgebung Angaben warden ihm einige durch eine Inter- 
kostalneuralgie bedingte schmerzhafte Stellen, abgesehcn 
von verschiedenen anderen ausseren Medikationen, an drei 
aufeinanderfolgenden Tagen mit Jodtinktur eingepinselt 
und dann mit Wachstuch bedeckt. Nach einigen Tagen 
trat fast auf einmal ein Exanthem am ganzen Ivorper auf, 
das aus akneabnlichen Knotchen bestand, die kleine, mit 
triibem, eitrigem Inhalte gefullte Pusteln trugen und von 
einem roten Hofe umgeben waren. Diese akneformige 
Eruption verbreitete sich fiber den ganzen Ivorper, bedeckte 
das Gesicht, den Ivopf, in geringerem Masse die Brust, 
die Ober- und UnterextremitSten, den Bauch und die Geni- 
talregion. Yor Auftreten des Exantheras liatte der Kranke 
kein Fieber, und er blieb auch wahrend des ganzen Ivrank- 
heitsverlaufes fieberfrei; ferner liatte er kein Erbrechen, 


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Arzneiexantheme — Endometritis. 


523 


kein$ Riicken- und heftigen Kopfschmerzen. Er hatte nur 
geringes Gefiihl von Unwohlsein. Am neunten Ivrank- 
heitstage bestand die Eruption aus akneiformen Efflores- 
zenzen, die von verschiedener Grosse, kleinlinsen- bis zehn- 
l'rankstiickgross, waren, im Zentrum PusteJn trugen, die 
zum grossten Teile zu einer sclnvarzlichen Kruste einge- 
trocknet und von einem derben, roten Infiltrationssuume 
unigeben Avaren. Nirgends besianden Efflorcszenzen mit 
einer zentralen Delle, Avie man es bei Variola oder Vario- 
lois sieht. Die Knotchen im Gesichte, auf dem Kopfe und 
dem Stamme standen disseminiert, nirgends konfluierend. 
Ausserdem sah man auf den Gliedern und dem Stamme 
zwdschen die AkneknotClien eingestreut ein makuloses 
Exanthem, das aus roten, runden oder unregelmassigen 
Fleckbildungen bestand. Die Schleimhaute Avaren und 
blieben vollig frei von kranklmften Erscheinungen. Im 
Urin fanden sich 0,03 °/«o Eiweiss; im iibrigen zeigte der 
Pat. ausser dem besagten Exanthem keine Besonderheiten. 
Der Ausschlag, der gleichsam explosionsformig am ganzen 
Korper aufgetreten AA'ar, Avurde von keinerlei Nachschiiben 
gefolgt. Nirgends konnte man im Beginne, A r or EntAvick- 
lung der Akneknotchen, Blaschen mit serosem, klarem, 
durchscbeinendem Inhalte feststellen, Avie sie fur Varizellen 
charakteristisch sind. An einigen Stellen in den Leisten- 
beugen und in den Genitokruralfalten AA^aren die Krusten 
durch die permanente Transpiration und den standigen 
Kontakt mazeriert, und es hatte sich eine intertriginose 
Entzundung entwickelt. (Dermatolog. Wochenschrift 1912 Nr. 10.) 

Endometritis. Die akuten und chronischen Erscheinungs- 
formen der Zervikalkatarrhe. Von Privatdozent Dr. B. 
Zoeppritz (Gottingen). Autor gibt folgende Uebersicht: 

/. Akuter Zervikalkatarrli. 

Symptome: Rotung, ScliAvellung und Druckempfind- 
lichkeit der Portio vaginalis, eitriger Fluor, Schmerzen bei 
der Kohabitation und den Menses, Rotung von Scheide 
und Introitus, Pruritus, Intertrigo, Gefiihl von Druck im 
Abdomen, Appetitlosigkeit, allgemeine Mattigkeit. Aetio- 
logie: Meist Gonorrhoe-GonokokkennacliAveis im Urethral- 
und Zervixsekret oft leicht, Aveniger im Vaginalsekret. — 
Im Puerperium auch andere Bakterien: Streptokokken, 
Staphylokokken, Bacterium coli usaa\ Differentialdiagnose 
durch die bakteriologische Untersucbung, Intrauterinpessare. 
Thei’apie: Lauwarme (31—35° C) reinigende Scheiden- 


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524 


Endometritis. 


spulungen, die im Liegen vorzunehmen sind, mit reinem 
Wasser oder mit Zusatz von Alsol, essigsaurer Tonerde, 
Holzessig. Reinhalten der ausseren Genitalien durch tag- 
liche vorsichtige Waschungen oder besser lauwarme Sitz- 
bader. Kohabitationsverbot — bei Gonorrhoebehandlung 
des in Frage kommenden Mannes — korperliche Ruhe, 
am besten Bettruhe, fleischarme, reizlose Kost, keine Alko- 
holika, Rege lung der Darmtatigkeit durch Diat (cf. unten) 
oder milde Abfuhrmittel. Bei Intrauterinpessaren Entfernen 
des absolut zu perhorreszierenden Instruments. Cave jede 
eingreifende lokale Therapie, Sondierung oder Aetzung 
von Cervix oder Uterus, heisse Spulungen. 

2. Chronischer Zervikalkatarrh. 
a) Infektibser Natur. 

Symptome: Dbnnflussiger, eitriger Fluor, Rotung ev. 
Erosion.am Os externum, Hypertrophie der Portio, Ovula 
Nabothi, Schleimhautpolypen. Geftihl von Voile und Druck 
im Unterleib, Kreuzschmerzen, haufig Appetitlosigkeit, all- 
gemeine Abgesclilagenheit, Ivopfschmerzen, nervbse Erschei- 
nungen. Aetiologie: Dieselbe wie bei 1. Gonokokkennach- 
weis hiiufig schwierig, am leichtesten noch nach Ablauf der 
Menses im Zervikalsekret, ausserdem tiefe, nicht verheilte 
Zervixrisse. Therapie: Neben den wie im akuten Sta¬ 
dium der Erkrankung anzmvendenden Scheidensptilungen, 
Sitzbadern und diatetischen Massnahmen lokale Behand- 
lung von Portio und Zervikalkanal. Nach griindlicher 
Reinigung der Portio mit Wasserstoffsuperoxyd Aetzung 
des Zervikalkanals mit in 30—50%ige Formalinlosung 
getauchten Ilartgummistfibchen nach Menge oder Play- 
fairschen Sonden zweimal Avochentlich. Bei sehr engem 
Zervikalkanal mit Eiterretention Diszision, docli ist diese 
nach Moglichkeit zu vermeiden. Erosionen der Portio 
werden entweder nach Einstellen im Spekulum mit Tinctura 
Jodi oder 50°/oigein Formalin geatzt oder nach Einstellen 
der Portio im Rbhrenspekulum mit konzentriertem Holz¬ 
essig, der in das Spekulum gegossen wird, bis er die ganze 
Portio bedeckt, gebadet. Nach 3—5 Minuten entleert 
man den Holzessig durch Senken des distalen Endes des 
Spekulums. Diese Prozedur wird ein- bis zweimal wbchent- 
lich vorgenommen. Exzision der Erosion lasst sich auf 
diese Weise in den moisten I'"allen vermeiden. Bei grosser, 
x plumper hypertrophischer Portio einmal wbchentlich Stiche- 

lung derselben mit einem spitzen, zweischneidigen Messer 
nach vorhergesehicktcr grCindlicher Reinigung. Eventuelle 


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Endometritis. 


525 


Nachblutung! Einlagen eines sterilen Wattetampons. Ovula 
Nabothi werden mit dem Skalpell gespalten, Zervixpolypen 
werden abgetragen. Tiefe Zervixrisse werden nach An- 
frischen der Wundflachen vernaht. (Emmetsche Ope¬ 
ration.) 

b) NichtinfektiOser Natur. 

Symptome wie bei a. Aetiologie: Chlorose; AnSmie; 
Zirkulationsstorungen im Becken durch chronische Obsti¬ 
pation, Lageanomalien, Tumoren; Onanie; Coitus inter¬ 
rupts. Therapie. Nicht lokal mit Ausnahme der Tumoren, 
di^ einer operativen oder konservativen Behandlung zu- 
gefiihrt werden miissen, und manche Falle von Lageano¬ 
malien. Cf. Allgemeine Regeln. Lokal werden nur bei 
starkem Fluor die oben beschriebenen lauwarmen Spu- 
lungen und Sitzbader zu Reinigungszwecken angewandt. 
Bekampfung der zugrunde liegenden Erk'rankung. Bei 
Chlorose viel Aufenthalt in freier Luft mit mSssiger Be- 
wegung, Sport in geeigneten Grenzen, Tennis, Radfahren 
usw., jedoch keine grbsseren kQrperlichen und geistigen 
Anstrengungen, eiweissreiche Kost. Yon Medikamenten 
Arsen in Form der Diirkheimer Max quelle, beginnend mit 
dx-eimal taglich 20 ccm, langsam steigend bis dreimal tag- 
lich 100 ccm, das drei Wochen lang genommen wird, dann 
langsam fallend. Der bei Chlorotischen haufig bestehenden 
Obstipation ist besondere Aufmerksamkeit zu schenken. 
Bei der Behandlung mit Diirkheimer Maxquelle wirkt meist 
der hohe Kochsalzgehalt der Quelle (13,8 °/oo) gtinstig in 
dieser Richtung, wenn nicht, ist durch entsprechende dia- 
tetische Massnahmen die Obstipation zu bekampfen, ebenso 
wie in den Fallen, wo wir nur eine chronische Obstipation 
und dadurch bedingte Zirkulationsstbrungen im Becken 
als Ursache fiir den Zervikalkatarrh finden konnen. Bei 
hartnackiger Obstipation sind Oelklisraen von ausgezeich- 
neter Wirkung. 100—250 ccm Oel — die Menge je nach 
dem Vermogen der betreffenden Pat., denEinlauf zu halten— 
werden abends als Klisma gegeben und morgens mit einem 
Wassereinlauf wieder zusammen mit dem weichen Stuhl 
entfernt. Nach einigen Tagen erfolgt der Stuhl morgens 
ohne Wassereinlauf. Bei Onanie und Coitus interruptus 
sind die notwendigen Belehrungen zu geben. 

Allgemeine Regeln: Fiir alle Formen der E. gilt, 
wie iiberhaupt fur samtliche gynakologischen Leiden, als 
oberster Grundsatz, die lokale Therapie auf das absolut 
notwendige Mass zu beschranken. Besonders gilt dies fiir 


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52 G 


Endometritis. 


die chronischen Endometritiden, die ja, wie oben gesagt, 
in den moisten Fallen auf Allgemeinerkrankungen beruhen 
und die deshalb durch lokale Behandlung, besonders rei- 
zende Auspulungen und dergleichen, in ihren lokalen 
Symptomen nur gesteigert werden konnen durch vermelirte 
Sekretion aus den kiinstlich hyperamisierten Organen. 
Durch Hebung der Blutzirkulation in der Haut und den 
Extremitaten soil vielmehr die Hyperamie des Beckens 
behoben werden, und es sind deshalb kiihle Vollbader, 
Uebergiessungen,am besteninFormder englischenSchwamm- 
bader, Moor- und kohlensauren Bader, anzuwenden. Die 
letzteren konnen bei wohlhabenden Pat. an den fc>etreffenden 
Badeorten genommen wei*den, wobei neben der Wirkung 
der Bader noch die veranderten Lebensverhaltnisse, der 
Ivlimawechsel als Heilfaktoren fur das lokale Leiden und 
fiir die haufig die Zervikalkatarrhe begleitenden nervosen 
und psychischen Storungen sehr ins Gewicht fallen. Dazu 
kommt noch, dass es leichter ist, in einem Badehotel eine 
bestimmte Diat, die wir unsern Pat. wegen der meist be- 
stehenden Obstipation vorschreiben mussen, exakt durch- 
zufiihren, als in einem Privathaushalt. Als Obstipations- 
diat bei gynakologischen Affektionen ist folgende zu 
empfehlen: Morgens nilchtern ein Glas Wasser. Erstes 
Friihstuck: leichter Tee mit Milch, Graham- oder Simons- 
brot mit Butter, Honig oder Marmelade. Zweites Friih¬ 
stuck: ein Glas Milch, Sauermilch oder Buttermilch. Mittags: 
keine Suppe, wenig Fleisch oder Fisch, viel Gemiise, 
Salat, Kompott mit einem Esslbffel Milchzucker, Mehl- 
speisen mit siissen Fruchtsaften, Himbeer usw., Obst. Nach- 
mittags: Tee oder Kaffee mit Milch, Graham- oder Simons- 
brot mit Butter oder Marmelade. Abends: Eier, wenig 
kaltes oder gebratenes Fleisch, Gemuse, Kompott, Salat, 
Obst, Graham- oder Simonsbrot mit Butter. Getranke: 
Apfelwein oder Limonade. Beim Schlafengehen zehn 
Minuten lang den Leib mit einer Massagekugel massieren. 
Kein Abfuhrmittel nehmen, hochstens, wenn n5tig, einen 
Einlauf. Jeden Tag zur bestimmten Stunde aufs Klosett 
gehen, auch wenn kein Drang zum Stuhl besteht. Lage- 
veranderungen des Uterus, die bei Nulliparen besonders 
meist nur ein von der E. unabhangiger Nebenbefund sind, 
erheischen deshalb nur selten eine operative oder ander- 
weitige Behandlung. Nur in seltenen Ausnahmefallen, 
bei denen der Zervikalkatarrh jeder anderen Behandlung 
trotzt, ist eine Lagekorrektur notwendig. 


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(Medizin. Klinik 1912 Nr. 11.) 


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Intoxikationen. 


527 


Intoxikationen. A. Friediger (Mttnchen). TJeber eine 
akute B enzinvergiftan g beim Singling. Die Vergiftung 
kam bei eineni sechs Wochen alten Kinde dadurch zu- 
stande, dass zum Lbsen von wegen einer Hautaffektion 
applizierter Pflaster Benzin verwandt wurde. Das bewirkte 
eine sehr schwere Vergiftung, doch wurde das Kind ge- 
rettet. Der Fall lehrt, dass man auch mit der technischen 
Verwendung von Benzin bei jungen, schwachlichen Kindern 
sehr vorsiehtig sein muss, da deren Organismus schon 
durch kleine Mengen von eingeatmetem bzw. von der Plaut 
resorbiertem Benzin in grbsste Lebensgefahr geraten kann. 

(Munch, med. Wocbenschrift 1912 Nr. 5.1 

— Ein Fall von Skopomorphinismus wird von Dr. Franck 
(Hamburg) wie folgt beschrieben: „32jfthriger, ziemlich 
kraftig gebauter Mann, neurasthenisch veranlagt, gelangte 
infolge eines kleinen operativen Eingriffes, bei welchem 
Anasthesie durch einmalige subkutane Injektion einer Lo- 
sungScopomorphinum hydrochloricum 0,0006—Riedel—, 
Morphium muriaticum 0,01 erzielt wurde, dahin, dieses 
Mittel zirka ein Jahr lang taglich zu gebrauchen. Wahrend 
anfangs nur eine Injektion abends gemacht wurde, gelangte 
Pat. bald dahin, taglich drei Ampullen der starkeren Lo- 
sung Scop. 0,00012, Morph. 0,03 zu verbrauchen. Die 
Folge waren sehr starke Abmagerung, starke Schweisse, 
allgemeiner Tremor, maximale Mydriasis, Appetitlosigkeit, 
Obstipation, kolossale Steigerung der Reflexe, besonders 
der Patellarreflexe, Impotenz. ’ An der Medialseite des 
Daumens sowie der zweiten und dritten Phalanx des Zeige- 
tingers bestand Anasthesie fiir feinere Beruhrungen soAvie 
das Gefilhl des Taubseins. Auch ohne vorhergegangene 
Injektionen traten ofters Dammerzustande ein. Die In- 
jektionen wurden schliesslich wahllos untertags gemacht, 
in Restaurants, Eisenbahn, Theater, alle Mahlzeiten wurden 
dartiber vernachlassigt oder vergessen. Wahrend der Dam- 
merzustiinde wurden die notigen Handlungen, wie Bezahlen, 
Aus- und Einsteigen usw., automatisch gemacht, obgleich 
vollstiindige Amnesie und Desorientierung bestand. Wtihrend 
anfangs nach den Einspritzungen noch ruhiges Schlafen 
bestand, kam es nach einiger Zeit zu triebartigen Hand¬ 
lungen, wie Verlassen des Zimmers, Suchen nach angeb- 
lich verlorenen Gegenstanden usw. Vielfach wurden tat- 
saclilich viele Sachen und Geld verloren. In Laden wurden 
Einkaufe und Bestellungen gemacht, iiber welche Hand¬ 
lungen Pat. sich nachher keine Rechenschaft mehr geben 


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528 


Intoxikationen. 


konnte. Das Aeussere wurde vernachlassigt, geschaftliche 
Dinge nicht mehr erledigt. Interesse war fur nichts mehr 
vorhanden, Suizidgedanken standen stets im Vordergrunde. 
Bemerkenswert ist noch, dass fiir reine Morphiumdosen 
Idiosynkrasie bestand: alsbaldiges Erbrechen, Sclilaflosig- 
keit, Niedergeschlagenheit, gestortes Allgemeinbefinden. Die 
Entziehung gelang innerhalb einiger Wochen raseh und 
ohne grosse Beschwerden. Puls blieb stets normal, Herz- 

tbne rein.“ (Miioch. mad. Woohenschrift 1912 Nr. 14.) 

— N o n n e: Hinterstrangserkranknng bei Alkoholismus. N o n n e 

zeigt eine 38jahrige Frau. Sie kam November 1908 auf 
Nonnes Abteilung in Eppendorf. Seit 14 Tagen litt sie 
an Schmerzen und zunehmender Schw&che in den oberen 
und unteren Extremitaten. Bei der Aufnahme fand sich: 
hochgradige Ataxie aller vier Extremitaten; in noch st&r- 
kerem Masse an den oberen Extremitaten. Die Sehnen- 
reflexe an den oberen und unteren Extremitaten fehlten. 
An alien vier Extremitaten bestand, distal am starksten 
ausgesprochen, Hypalgesie mit Verlangsamung der Schmerz- 
leitung, Astereognosie und StSrung des Lagegeftihls 
bei erhaltenem Lokalisationsvermogen und erhaltenem 
Temperatursinn. Vbllige Astasie, massig starke Hypo- 
tonie. Keine Hitzigsche Zone, keine Kalte-Hyperasthesie 
am RQcken. Keine okulopupillaren Anomalien. Alle 
Hirnnerven intakt. Auf psychischem Gebiete keine Ano- 
malie. Die inneren Organe waren normal, jedoch be¬ 
stand starke Abmagerung und ein leicbter Grad von 
Macies; keine Anamie. Die Anamnese auf Lues fiel ne- 
gativ aus. Alle „vier Reaktionen“ negativ. FQr eine 
Infektion oder I. ergab sich in Anamnese und Status eben- 
falls kein Anhalt. Die Diagnose wurde gestellt auf eine 
atypische Hinterstrangserkrankung, unklare Aetiologie. Im 
Laufe des nachsten Jahres bildete sich die Ataxie sowohl 
wie die Sensibilitatsstdrung bis auf Reste zurGck. Auch 
jetzt besteht noch restlich eine geringe ataktische Stbrung 
in Fingern und Handen sowie Fehlen der Achillessehnen- 
Reflexe. Die Aetiologie wurde erst vor zwei Monaten 
klar, als Pat. gelegentlich eines dreitfigigen Urlaubs sich 
intensiven Alkohol-Exzessen hingab. Eine erneute Nach- 
frage bei den Hausgenossen der Pat. ergab jetzt, dass sie 
jahrelang starken Alkohol-Abusus getrieben hatte. Es 
handelt sich somit bei der Pat. um eine Hinterstrangs¬ 
erkrankung, wie man sie seit einigen Jahren als bei Alko- 
holisten vorkommend kennt, und zwar um eine ^Myelitis 




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Intoxikationen. 


529 


intrafunicularis" (Henneberg). Ungewbhnlich ist die 
Beschr&nkung der Erkrankung auf die Hinterstrfinge. Falle, 
in denen leichte Ataxie in Verbindung mit Babinskischem 
und Oppenheimschem Zeichen oder auch mit Andeutnng 
von Fuss-Klonus bei Alkoholisten sich flndet, sind weniger 
selten. In solchen Fallen handelt es sich eben urn eine 
kombinierte Erkrankung in Hinter- und Seitenstrangen. 
Durch mehrere Erfabrungen weiss man, dass diese Erkrankung 
an sich heilbarist (Nonne u. a.). Nonne weist darauf hin, 
dass die Ataxien der Trinker zunSchst als spinal bedingt 
angesehen wurden, dass sie spater unter dem Einfluss der 
Lehre von der peripherischen Neuritis als peripher-neuri- 
tisch zustande gekommen erachtet wurden und dass auf 
Grund der neueren Erfahrungen man jedenfalls in einer 
Reihe von Fallen wieder auf die spinale Genese des kli- 
nischen Bildes zurftckkommen muss. Es wird kein Zufall 
sein, dass gerade bei dieser Form von Nervenerkrankung 
bei Alkoholisten Nonne sonstige Symptome von Alcoho- 
lismus chronicus nicht fand; es handelt sich offenbar urn 
ein elektives Befallensein des Zentral-Nervensystems, spe- 
ziell des Rdckenmarks, um eine „besondere Disposition" 
des Erkrankten. (Aerril. Verein i. Hamburg, 87. II. 12.) 

— Geistesstbrung als Folge chronisohen Chiosalmissbranohs. 

Von Dr. T. Frbhlich in Wien. Der vom Verf. hier ge- 
schilderte Fall ist nach zwei Richtungen hin sehr interessant. 
Zunachst handelt es sich um die seltene Form einer 
chronischen Chloralhydratvergiftung, hervorgerufen durch 
eine im Publikum leider viel verbreitete und als Spezifikum 
gegen Nervenstbrungen aller Art gerfihmte Zubereitung. 
Die Bromidia ist amerikanischen Ursprunges, wird von 
der Apothekerfirma Battle & Co. in St. Louis erzeugt und 
enthalt nach der Bereitungsvorschrift: Chloralhydrat 250.0, 
Kal. brom. 250.0, Extract. Cannab. Ind. 2.0, Extract. 
Hyoscyami 2.0, Spiritus 60 ccm, Tinct. Quillajae 65 ccm, 
Aqu. q. s. ad 1 1. Das Mittel, ein Gemenge von keines- 
wegs indifferenten Arzneistoffen, kom mt in ca. 150 g fassenden 
Flaschen zum Verkauf mit der Verordnung: 2—3mal tftg- 
lich 'h bis 1 Teelbffel zu nehmen. Ein Teeldffel enthalt 
somit 1,25 Chloralhydrat, 0,01 Extract. Cannab. ind. und 
ebensoviel Extract. Hyoscyami. Die Kranke hat nach An- 
gabe ihrer Mutter und, wie sie spater in der Klinik selbst 
zugab, bis zu zehn Teelftffel, in der letzten Zeit fast eine 
halbe Flasche Bromidia pro die genommen, also eine 
Chloralhydratmenge, welche die maximale Tagesdosis (6 g) 

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530 


Intoxikationen. 


betrfichtlich ttbersteigt. Ein noch grbsseres Interesse be- 
ansprucht jedoch die Entwicklung und der Verlauf dieses 
Vergiftungsfalles. Die Vergiftungserscheinungen, fiber 
welche im Verlaufe der seltenen Intoxikation bei habituellem 
Gebrauche von Chloralhydrat berichtet wird, charakterisieren 
sichhaupts&chlich alsHaupterkrank ungen derverschiedensten 
Art: Erytheme, Urticaria, ausgedehnte Oedeme und In- 
filtrationen der Haut; sogar: Ulzerationen an den Fingern, 
Petechien und Purpura haemorrhagica sind danach be- 
obachtet worden. Yon schlimmeren Symptomen, die sich 
nach chronischem und unm&ssigem Chloralgenuss eingestellt 
haben, sind hervorzuheben: Gelenkschmerzen, Neigung zu 
Diarrhben, hochgradige Dyspnoe mit Pr&kordialangst, 
wirkliche Asphyxie, Sensibilitats- und Motilit&tsstbrungen, 
endlich Geistesschw&che, Marasmus. Von alien diesen Er- 
scheinungen ist bei dieser Kranken trotz der langen Dauer 
des Chloralmissbrauches nichts aufgetreten. Als einzige 
Folge stand eine Psychose im Yordergrunde, die in vielen 
Punkten jener haufigen Geistesstbrung gleicbt, welche im 
Verlauf des chronischen Alkoholismus aufzutreten pflegt. 
Die abnorme Reizbarkeit, die sich bis zu pathologischen 
Aufregungszustanden steigert, der Eifersuchts- und Ver- 
folgungswahn, der 6ich in dem Falle in Ermangelung eines 
geeigneteren Objektes gegen den jeweiligen Leiter der 
Anstalt richtete, sind die markantesten Symprtome dieses 
Krankheitsbildes. Die Aehnlichkeit mit der Geistesstbrung 
der chronischen Alkoholiker wurde noch eine vollkommenere, 
als sich nach erfolgter Internierung die typischen Abstinenz- 
erscheinungen mit den charakteristischen Gesichts- und 
Gehbrshalluzinationen einstellten. Dieser wenn auch 
ungemein seltene Verlauf der chronischen Chloralintoxikation 
mit dem Ausgang in eine dem SSuferwahnsinn gleichende 
Geistesstbrung lasst sich vielleicht durch die Liebreich- 
sche Theorie erklaren, dass das Chloral in alkalischen Fltts- 
sigkeiten, also auch im zirkulierenden Blute, durch das freie 
Alkali desselben in Chloroform und Ameisens&ure gespalten 
werde und dass das allmahlich frei werdende Chloroform 
die graue Substanz des Gehirns und RQckenmarks sowie 
die Herzganglien beeinflusse. Diese Annahme findet 
eine weitere Stfltze in der Beobachtung, dass bei Anwen- 
dung zu kleiner Chloraldosen oder bei schw&chlichen Indi- 
viduen, namentlich bei nervenschwachen Frauen, dem Chlo- 
ralschlaf ein mehr oder minder heftiger Aufregungszustand 
mit Rotung des Gesiehtes, Jaktation, Delirien und Hallu- 
zinationen mannigfacher Art vorausgeht, wie er beim 


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Intoxikationen — Pediculosis — Phlegmonen. 

akuten Alkoholismus und beim Chloroformrausch vor- 
zukoramen pflegt. 

(Amts&nt 1912 Nr. 4. — Deutsche Medisinal-Ztg. 1912 Nr. 29.) 

Pediculosis. ITeber eine fdr F. capitis charakteristische 
Hauterkrankung berichtet Dr. Oskar Salomon (Koblenz 
a. Rh.): So, wie uns die Taches bleues auf das Vorhanden- 
sein von Filzl&usen hinweisen, wie das impetiginbse Ekzem 
der Nackengegend uns sofort auf Kopflause fahnden lasst, 
so gibt es noch eine zweite Hauterscbeinung, die ffir diese 
cbarakteristisch ist. Die Affektion ist meist an den End- 
phalangen der Finger, seltener an den anderen Phalangen 
und in der Handflache lokalisiert und besteht aus Blasen, 
die mit serbsem, blutig tingiertem oder dflnnflbssig eitrigem 
Inhalte gefttllt sind. In den 35 Fallen, die Yerf. im Laufe 
der Jahre beobachtete und bei denen er stets gleichzeitig 
das Vorhandensein von Kopflausen konstatieren konnte, 
kamen ihm teils schlaffe, teils prall gespannte Blasen, bis 
zu Zweimarkstiickgrbsse, mit einem Flilssigkeitsinhalte bis 
zu 4 ccm zu Gesicht. Hervorstechend ist, dass die Er- 
krankung absolut schmerzfrei ist und sich dadurcb sowie 
durch die Multiplizitat und den oberflachlichen Sitz von 
Panaritien unterscheidet. Die stete Koinzidenz mit Kopf¬ 
lausen scheint auf diese als Erreger hinzuweisen, wobei 
es vorlaufig dabingestellt bleibe, ob das schadigende Agens 
in einem Sekret derselben oder in ihrem Leibe enthalten 
ist. Der Gedanke liegt natbrlich nahe, dass wir eventuell 
dieselbe Aetiologie fiir das bekannte Ekzema e pediculis 
capitis geltend zu machen hatten. Dass es sich um eine 
blosse Staphylokokkeninfektion handelt, dagegen spricht 
wohl die tagliche Erfahrung, dass wir bei den zahlreichen 
anderen juckenden Dermatosen, die von dem kratzenden, 
Staphylokokken bergenden Fingernagel bearbeitet werden, 
nicht dasselbe Krankheitsbild finden. 

(Miinch. med. Wochensohr. 1912 Nr. 4.) 

Phlegmonen. Fhlegmonenbehandlung der oberen Eztre- 
mit&ten mittels Zirknmzision. Yon Marineoberstabsarzt 
Dr. Knoke (Kiel-Wik). Die Vielseitigkeit in der Be- 
handlung von P., speziell derjenigen der Extremitaten, ist 
wohl der beste Beweis, dass es eine ideale und alien An- 
forderungen genOgende Therapie bis jetzt leider noch nicht 
gibt. Die Zeit, in der man sich von der Bierschen 
Stauung so gut wie alles versprach, ist vorQber; vielfach 
ist man wieder zu der alten Methode der Inzision mit 

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532 


Phlegmonen. 


nachfolgenden feuchten oder trockenen Verb&nden znrfick- 
gekehrt. Aber hier wie dort lassen die Erfolg© dock 
haufig zu wunschen tlbrig, und es ist deswegen im IntereSe 
der Rranken, jedes neue Verfahren, das die Result&te zt 
verbessern verspricht, mit Freuden zu begrfissen und der 
Nachprfifung zu unterziehen. Ausgehend von der Er- 
wagung, dass bei P. die Weiterverbreitung der Krankheits- 
stoffe in der Hauptsache durch die Lymphgef&sse vor sich 
geht, hat Nfisske bei P. der oberen Extremitat empfohlen, 
das Fortschreiten des Prozesses dadurch zu verhindem, 
dass die Lymphgef&sse hoch oben am Oberarm, dicht 
unterhalb der Achselhohle an der Innenseite, wo sich die 
G-efasse vom Rficken her bereits mit denen an der Beuge- 
seite vereinigt haben, durch einen etwa 5 cm langen Haut- 
schnitt, der bis auf die Oberarmfaszie reicht, durchschnitten 
werden. Mit diesem einfachen und hinsichtlich des Erfolges 
ja auch einleuchtenden Yerfahren hat Nosske sehr gute , 
Resultate erzielt, und auch Verf. hat bereits Gelegenheit I 
gehabt, dasselbe zum Wohle der Pat. anzuwenden. Ein 
in letzter Zeit behandelter Fall hat ihm nun Gelegenheit j 
geboten, zu zeigen, dass die Nosskesche Methode noch j 
weit mehr zu leisten vermag, als der Autor wohl seiner- 
zeit selbst angenommen hat, und dass sie nicht nor sis 
prophylaktische Massnahme, sondern auch als rein thera- 1 
peutische eine grosse Rolle in der Behandlung von !P. zu ) 
spielen verspricht. Ende vorigen Jahres kam ein Matrose 
in Zugang mit einer progredienten Faszienphlegmone am 
rechten Arm, ausgehend von einer beim GeschQt/exerzieren 
zugezogenen kleinen Fingerverletzung. Derselbe war bereits 
an Bord zwei Tage lang sachgemass mit Inzision am ( 
Finger, Verbanden und Ruhigstellung des Armes behandelt 
worden. Da der Prozess aber unaufhaltsam weiterging, 
erfolgte die Ueberweisung in das Lazarett. Es handelte 
sich um eine schwere Phlegmone der Hand und des Yorder- I 
armes. Yerf. hat damals sofort und am folgenden Tage 
bis weit ins Gesunde inzidiert, ohne hierdurch den Krankheits- | 
verlauf, abgesehen von momentanen Besserungen, irgend- 
wie zu beeinflussen: die diffuse ROtung und Schwellung j 
war am nachsten Tage fiber die Schulter hinaus vor- 
gedrungen, die Klavikular- und Spinallinie der Skapula i 
waren verstrichen, die Temperatur schwankte rwischen I 
38 und 40° bei dauernd erhfihter Pulsfrequenz; im Urin 
reichlich Eiweiss; bakteriologisch waren Streptokokken im 
Eiter nacbgewiesen; Allgemeinbefinden sehr schlecht. Yerf. 
stand vor der Frage der Amputation des Armes. Als ( j 




Phlegmonen. 


533 


letztes Mittel der konservativen Therapie wandte er nun 
die Durchschneidung der Lymphgef&sse an. Da sich die 
Schwellung und Rdtung in dem vorliegendem Falle aber 
in der Hauptsache auf der Aussen- und Streckseite des 
Oberarmes befand, versprach er sich von der von N. an- 
gegebenen medialen Durchtrennung der Lymphbahnen 
allein nicht viel und machte deswegen, allerdings mit einer 
gewissen Sorge ob der Folgen, die totale Zirkumzision, 
wie er sie nennen m6chte. In der Hohe, wie sie von N. 
empfohlen, durchschnitt er die Haut des Oberarmes rings- 
um, bis tiberall die Oberarmfaszie vorlag; die grosseren 
Yenen wurden unterbunden, die Blutung im (lbrigen durch 
Tamponade gestillt. Das Abfliessen trfiber Lymphe wurde 
bei dem Schnitt auch hier beobachtet. Der Erfolg des 
operativen Eingriffes war geradezu dberraschend und 
gl&nzend: am n&chsten Morgen war die entztlndliche 
Schwellung zentral der Wunde so gut wie vollst&ndig zurGck- 
gegangen; auch peripher trat, wie sich dann beim n&chsten 
Yerbandwechsel zeigte, das befQrchtete und erwartete Stau- 
ungsbdem nicht nur nicht ein, sondern die Entztindungs- 
erscheinungen gingen auffallend zuriick. Schon nach kurzer 
Zeit konnte Verf., die Wundverhaltnisse nicht weiter be- 
riicksichtigend, mit vorsichtiger Bewegungstherapie beginnen. 
Die Temperatur, die bald zur Norm gefallen war, wurde 
allerdings in der Nachbehandlungsperiode fflr kurze Zeit 
durch eine Erysipelkomplikation wieder fieberhaft erhoht. 
Erwahnt sei ferner noch, dass im Laufe der Behandlung 
einmal das Handgelenk in Narkose mobilisiert wurde. Das 
Endresultat nach mehrmonatiger Lazarettbehandlung war 
folgendes: vollst&ndig freie und schmerzlose Beweglichkeit 
im Schulter- und Ellbogengelenk; auch die Bewegungen 
im Handgelenk und in samtlichen Fingergelenken konnten 
gut ausgefuhrt werden, nur bei gebeugten Fingern war 
die Volarflexion im Handgelenk selbst noch etwas beein- 
ti’&chtigt; die grobe Kraft der Hand war nicht mehr herab- 
gesetzt. — NaturgemSss ist es ganz ausserordentlich schwierig 
zu sagen, dass nur durch diese Zirkumzision der Arm 
gerettet worden ist; der ganze stttrmische Verlauf berech- 
tigt indessen zu der Annahme, dass das Leben des Kranken 
in hOchster Gefahr geschwebt hat und dass ihm durch 
diesen Eingriff nicht nur das Leben iiberhaupt, sondern 
auch der Arm erhalten geblieben ist. Jedenfalls beweist 
der Fall, dass die Durchschneidung der Lymphbahnen nicht 
nur prophylaktisch zu wirken vermag, sondern auch im- 
stande ist, bei bereits vorgeschrittenen Prozessen erhebliche 


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534 


Phlegmonen — ftheumatismen. 


Dienste zu leisten; die totale Zirkumzision wird nur bei 
besonders schweren, diffusen Fallen indiziert sein; aus 
diesem Fall l&sst sich aber ersehen, dass sie dann auch, 
ohne Schaden for den Pat. befGrchten zu mtissen, in aus- 
gedehntester Weise vorgenommen werden darf. Dass man 
im tibrigen bei diesen und ahnlichen Verletzungen oder 
Erkrankungen im Hinblick auf das funktionelle Endresultat 
baldmoglichst und ohne allzu grosse ROcksicht auf die 
bestehenden Wundverh&ltnisse mit den bewegungsthera- 
peutischen Massnahmen zu beginnen hat, sei nur noch der 
VollstSndigkeit halber hiermit erwahnt. 

(Mtinoh. med. Wochenschr. 1913 Nr. 3b 

Rheumatismew. Azetylkresotins&ure als Antirheuma- 
tikum. Yon Prof. Dr. E. Rautenberg (Innere Abteil. 
d. Kreiskrankenhauses, Gr.-Lichterfelde). Autor hat seit 
September 1911 auf seiner Abteilung die von Goedecke 
(Leipzig) hergestellte Azetylkresotins&ure („ Ervasin*) in ihrer 
Wirkung auf rheumatische und neuralgische Affektionen an 
45 Pat. studiert. Das Pr&parat wird nach Angabe der Fabrik 
hergestellt aus der Kresotinsfture, einem Homologon der 
Salizylsaure, durch AnfQgen der entgiftenden Azetylgruppe 
und stellt somit eine Azetylkresotinsaure dar. Es ist, wie 
ein Bericht aus dem Laboratorium des Herrn Dr. P. Jese- 
rich besagt, eine einheitliche Yerbindung, die in viersei- 
tigen Prismen kristallisiert und einen Schmelzpunkt von 
140—141° hat, in Aether, Alkohol und Chloroform loslich, 
in Wasser unloslich ist. Tierversuche an Kaninchen haben 
ergeben, dass das Praparat etwas weniger giftig als 
das Aspirin ist. Die auf seiner Abteilung erprobten Re- 
sultate sind folgende: Das Ervasin wurde ihm in Tabletten- 
form a 0,5 zur Verftigung gestellt und wurde in zerbrdckeltem 
Zustande mit einer kleinen Wassermenge nach den Mahl- 
zeiten genommen. Ohne geringste Vergiftungserscheinungen 
hat man einigen Pat. 8—10—12 g tftglich langere Zeit 
hindurch geben kOnnen. — Der Geschmack des PrSparats 
ist nur ein leicht sauerlicher, angenehmer als der des 
Aspirins. Das Mittel wurde von den Pat. mit nur zwei 
Ausnahmen gut vertragen, das heisst, Autor beobachtete 
keine Storungen des Appetits, keine Uebelkeit, nur zwei- 
mal bei Dosen von 5,0 pro die die Neigung zum Erbrechen. 
GefOhl von Ohrensausen wurde nicht beobachtet, die Nei.- 
gung zu Schweissbildung war bei gleichen Versuchsmengen 
von Aspirin und Ervasin in gleicher Weise vorhanden. 
Wenigstens gaben zwei Pat., die ohne ihr Wissen ab- 


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Bheumatiemen. 


535 


wechselnd Aspirin und Ervasin in Mengen von 3,0 in 
Oblaten erhielten, an, dass in dieser Beziehung ein Unter- 
schied nicht vorhanden sei. Die Resorption des Ervasins 
ist augenscheinlich eine sehr schnelle, denn nach Einnahme 
von 1,0 konnte Autor die charakteristische violette Eisen- 
chloridreaktion im Harn bereits nach 25—80 Minuten 
darstellen. Vier Stunden nach der Einnahme klang die 
Reaktion im Harn bereits ab. Wiederholte Untersuchungen 
des Urins haben weiterhin die Gewissheit gegeben, dass 
das Prfiparat in der fiblichen Menge von 4—6 g keine 
Nierenschfidigung hervorruft, das heisst, es trat weder 
Albuminurie noch Ausscheidung von Nierenelementen oder 
Blut auf. Bei Dosen von 10 g — durch acht Tage hin- 
durch gegeben — beobachtete man Auftreten leichtester 
Eiweissausscheidung mit Beimengung von einigen Leuko- 
zyten, bei vierzehntfigiger Behandlnng mit 12 g (schwere 
subakute Polyarthritis rheumatica) sah Autor geringe Albu¬ 
minurie mit sehr geringer Zahl von roten BlutkOrpern 
auftreten. Mit Verringerung dieser Dosis auf tfiglich 8 g 
verschwand dieseReizerscheinung. Autor behandelte 30 Ffille 
von akutem und subakutem Gelenkrheumatismus, neun 
Ffille mit neuralgischen Beschwerden, sieben Ffille mit 
Muskelrheumatismus. — Besonders dOrfte die Wirkung 
des Pr&parats auf den Gelenkrheumatismus interessieren, 
da sich aus ihr die therapeutische Wirksamkeit des Prfi- 
parats am leichtesten beurteilen Ifisst. Die Erfolge waren 
anfangs ausserordentlich befriedigende und gunstige, so 
dass sich das Prfiparat auf der Abteilung sehr schnell 
einbGrgerte. Erst spfiterhin bei Einlieferung sehr schwerer 
Erkrankungsfalle wurde die Wirkung etwas in Frage ge- 
stellt insofern, als das Natron salicylicum sich bei ihnen 
als das sicherer wirkende Mittel erwies. Dennoch hat 
Autor in einem Falle von sehr schwerer Polyarthritis an 
Stelle des salizylsauren Natrons zeitweise Ervasin gegeben, 
um die von dem Salizyl hervorgerufene Reizwirkung auf 
die Nieren zu umgehen. — Wenn also in einer Zahl (6) 
von sehr schweren Erkrankungen das Mittel zugunsten 
des Salizyls versagte, so sah Autor doch anderseits zwei 
Ffille, bei denen 6 g Natron salicylicum zunfichst ebenso 
wirkungslos waren wie die gleiche Menge von Ervasin. — 
Dem Aspirin dagegen konnte die Wirksamkeit des Prfi- 
parats durchaus gleichgestellt werden, denn 22 Ffille von 
Gelenkrheumatismus wurden in zufriedenstellender Weise 
beeinflusst. So wurde das Ervasin etwa in der Weise wie 
ein Aspirinersatzmittel verordnet und von den Pat. geme 


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536 


Rheumati8men. 


genommen. — Auch bei den obengenannten andern rheu- 
matischen Erkrankungen (Neuralgien, Myalgien) war die 
Wirkung des Ervasins eine durchaus befriedigende. Zu- 
sammenfassend l&sst sich sagen: Das Ervasin, eine Azetyl- 
kresotins&ure, ist ein Arzneimittel, welches in therapeu- 
tischer Wirkung dem Aspirin zum mindesten gleichkommt, 
wenig Magenstbr ungen macht und in den (iblichen Dosen 
bis zu 6 g keine Reizerscbeinungen an den Nieren her- 
vorraft, ja selbst in hohen Dosen von 8—10—12 g lange 
schadlos verabfolgt werden kann. 

(Medisin. KUnik 1912 Nr. 14.) 


— Znr Behan diung des Gelenkrhemnatisnms mit Atophan. 

Von Dr. A. Bendix (St&dt. Krankenhaus Moabit, Berlin). 

Seine Erfahrungen mit Atophan bei Gelenkrheuma- 
tismus mdchte Yerf. in folgende Satze zusammenfassen: 

1. Die Wirkung des Atophans ist der der Salizyl- 
priiparate ausserordentlich ahnlich und steht nur wenig 
hinter ihr zurtick. Die Aufkl&rung des Wirkungsmecha- 
nismus bleibt ferneren Untersuchungen vorbehalten. 

2. Das Atophan ist selbst bei hdheren Dosen und 
selbst bei wochenlangerVerabreichungfrei vonunangenehmen 
und sch&dlichen Nebenwirkungen auf den Organismus. 

3. Es genfigen meist 3 g pro die in verteilten Tages- 
dosen. Es ist anzuraten, wenn die Beaktion nicht schon 
frQher eintritt, mindestens sechs Tage nacheinander Atophan 
zu verabreichen. 

v 4. In mehreren Fallen, die sich gegen Salizyl re- 
fraktar verhielten, wurde durch Atophan vdllige Heilung 
oder Besserung erzielt. Es ist deshalb in solchen Fallen 
stets ein Yersuch mit Atophan empfehlenswert. 

Im Anschluss an diesen klinischen Bericht mSchte 
Verf. mitteilen, dass er in der Folge auch die Ester des 
Atophans und seine Derivate, welche von der Schering- 
schen Fabrik zur VerfGgung gestellt wurden, klinisch ge- 
prCLft hat. Die Untersuchungen bezogen sich besonders 
auf den Aethylester des methylierten Atophans, welchen 
die Scheringsche Fabrik als Novatophan bezeichnet. Dies 
Novatophan hat den grossen Vorzug vollkommener Ge- 
schmacklosigkeit. In den bisherigen Versuchen hat es 
sich sowohl bei Gelenkrheumatismus als auch bei Gicht 
in derselben Weise wie das Atophan bewahrt. 

(Die Therapie der Gegenwart, Juli 1912.) 


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Rheumatismen. 


537 


— F. Hoppe (Stadtisches Krankenhaus Friedrichshain in Berlin) 
schreibt fiber Melnbrin: „Das • Hauptanwendungsgebiet 
bildete auch fOr uns naturgemass der akute Gelenkrheu- 
matismus, for den nach den bisherigen Berichten das 
Melubrin ein Mittel von der prompten Wirkung des Salizyls 
sein sollte. Die von uns bei dem akuten Gelenkrheuma- 
tismus beobacbtete Wirkung war nun zwar, um dies zu- 
sammenfassend vorauszuschicken, recht gut, aber doch nicht 
so glanzend, wie vor allem der Bericht Lttning’s es uns 
erwarten liess. Die antipyretische Wirkung zunachst war 
unverkennbar. Nach eintagiger, hochstens dreitagiger Dar- 
reichung war die Temperatur in fast alien Fallen zur 
Norm abgefallen, meistens unter Ausbruch eines mitunter 
recht starken Schweisses, der aber nie, mit Ausnahme der 
unten zu erwahnenden Falle, von den Pat. als besonders 
unangenehm empfunden worden ist, wohl auch geringfiigiger 
als nach Salizylpraparaten war. Auch die Gelenkerschei- 
nungen selber waren in der Mehrzahl der Falle am Ende 
der ersten Woche deutlich in ghnstigem Sinne beeinflusst. 
Die Schmerzen waren entweder verschwunden oder doch 
wesentlich gebessert, Schwellung und Rdte der Gelenke 
abgeklungen und nur eine gewisse Steifigkeit noch tlbrig 
geblieben. Rezidive sind nach Aussetzen des Mittels trotz 
strenger Bettruhe der Pat. haufig aufgetreten, aber schliess- 
lich durch erneute Darreichung des Mittels beseitigt worden. 
Aehnliches erleben wir ja bekanntlich in gleicher Weise 
auch von den Salizylpraparaten haufig genug. So etwa 
war der Verlauf der durch das Praparat 844 erfolgreich 
behandelten Falle, die allerdings, wie erwahnt, die Mehr- 
.heit ausmachen. Die Dosen, mit denen wir dies erzielten, 
waren je nach der Schwere des Falles verschieden. Ge- 
wohnlich gaben wir dreimal oder viermal 1,0 g pro die, 
waren aber auch gezwungen, zu Dosen von 6—8 g pro 
die zu greifen. Hier soli gleich etwas bemerkt werden, 
was auch ftir die Anwendung des Mittels bei anderen 
Krankheiten gilt: Das Praparat ist, auch in den hochsten 
Dosen, ausnahmslos in der besten T^eise vertragen worden. 
Wir haben nie das Auftreten von Stbrungen des Allgemein- 
befindens, Magenbeschwerden, Kopfschmerzen, Ohrensausen, 
Exanthemen usw. zu verzeichnen gehabt. Abweichend 
nun von dem oben geschilderten gflnstigen Verlauf haben 
wir eine Reihe von Fallen (etwa 6) beobachtet, in denen 
das Praparat versagte, und zwar betraf das Versagen vor- 
nehmlich die Beseitigung der Gelenkerscheinungen, in einem 
Falle sogar auch die Bek&mpfung des Fiebers. In alien 


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Rheumatismen. 


diesen Fallen konnten wir, nachdem wir das Praparat 844 
mitunter bis zu 14 Tagen vergeblich gereicht hatten, durcb 
zwei- bis dreitagige Yerabfolgung von 3—4 g Acid, salizyl. 
oder Aspirin die Heilung herbeiffthren. Einen heilenden 
Einfluss auf die Endokarditis haben wir nicht festgestellt, 
haben aber andererseiis auch bei bestehendem Yitium cordis 
ohne jeden Schaden hohe Dosen verabfolgen kSnnen. Es 
ist wohl eigentlich kaum ndtig, zu bemerken, dass das¬ 
set be auch von den Salizylpraparaten gilt, dass es auch 
so manchen Fall von akutem Gelenkrheumatismus gibt, 
der sich von den Salizylpraparaten nicht giinstig beein- 
flussen lasst. Die Darreichung des Mittels bei den freilich 
nur sparlich in Behandlung gekommenen Fallen von chro- 
nischem Gelenkrheumatismus hat, unseren Erwartungen 
entsprechend, keine nennenswerten Erfolge nach sich ge- 
zogen. Eine voriibergehende, nach Aussetzen des Mittels 
immer wieder nachlassende Linderung der Schmerzen war 
das Einzige, was wir erreichen konnten. Salizylpraparate 
wirken hier nicht besser. Erfolglos war femer die Dar¬ 
reichung bei der Arthritis urica. Das Melubrin war nicht 
imstande, die Schmerzen und EntzQndungserscheinungen 
in den kranken Gelenken zu beseitigen. Es ist bekannt, 
dass hierbei auch die Salizyltherapie selten Nutzen bringt. 
Die Zahl der behandelten Falle war allerdings nur sehr 
gering. Dagegen hat sich das Praparat durchaus bei der 
Ischias bewahrt. Hier konnten wir, ebenso wie bei dem 
akuten Gelenkrheumatismus, eine ziemlich prompte schraerz- 
stillende Wirkung konstatieren, die die Pat. instand setzte, 
bald das Bett zu verlassen. Um die rein antipyretische 
Wirkung zu studieren, gaben wir das Mittel zunAchst in 
den obengenannten Dosen bei einer Anzahl von Pneumonien, 
doch liessen wir bald von diesen Versuchen wieder ab. 
In einigen Fallen namlich blieb die Hdhe des Fiebers 
vOllig unbeeinflusst, in anderen wurde sie zwar auf etwa 
38° (nie zur Norm!) herabgedrftckt, doch verloren wir 
damit einen wichtigen Faktor for die Beurteilung des 
Krankheitsverlaufes, und endlich konnten wir nie, im 
Gegensatz zu Lbning, eine gtlnstige Wirkung auf die 
Prozesse in der Lunge oder auf das Allgemeinbeiinden 
beobachten. Lohnend dagegen schien uns ein Versuch, 
die konsumierenden Fieber chronischer Erk rank u ngen 
herabzusetzen. Wir gaben deshalb bei drei Fallen von 
Lungentuberkulose dreimal taglich 1,0 g. Die Folge war 
ein rasch vordbergehendes starkes Absinken der Temperatur, 
verbunden mit einem derartig heftigen Schweissausbruch 


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Rheumatism en. 


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und Frost, dass alle Pat. das weitere Einnehmen des 
Pulvers verweigerten, und wir uns, im Gegensatz zu den 
bisherigen Beobachtem, von der Unmbglichkeit dieser Dar- 
reichungsweise Oberzeugen mussten. Wir versuchten daher 
durch kleinere aber hSufigere Gaben in einer fftr den Pat. 
angenehmeren Weise ein allm&hliches Absinken der Tern- 
peratur herbeizufflhren und diese auf niedrigerer HShe zu 
erhalten. Zu diesem Zwecke stellten wir uns eine Lbsung 
des Mittels im Verh&ltnis von 5—6 : 200 her, von der wir 
gewbhnlich siebenmal am Tage einen KinderlOffel bis Ess- 
lOffel gaben. Unsere Versuche waren in vier Fallen von 
deutlichem Erfolg gekrOnt. Es handelte sich um Pat., die 
morgens eine Temperatur von etwa 36° und abends eine 
solche von 39° aufwiesen Nach kurzer Darreichung des 
Mittels in der oben angegebenen Weise remittierte das 
Fieber nur noch zwischen 37° und 88° und hielt sich im 
Mittel auf 37,5° bei allgemeinem Wohlbefinden der Pat. 
Auch in den Fallen, in denen eine anhaltende Temperatur- 
erniedrigung nicht erreicht wurde, war ein Sinken der 
Durchschnittstemperatur um etwa 1 0 trotz der Remissionen 
wohl erkennbar. Es scheint, dass sich damit ein vielver- 
sprechender Anwendungsmodus des Mittels gefunden hat, 
der weitere Versuche in dieser Hinsicht rechtfertigt. Da 
das Medikament, wie oben erwahnt, in wasseriger LSsung 
nicht gut haltbar ist, empfehlen wir, es in Form von 
Pulvern zu reichen und etwa 5 — 6—7 mal 0,3—0,5 g pro 
die zu geben. So wenden auch wir es jetzt an. Bei dieser 
Verordnungsweise blieben die obengenannten sttirmischen 
Erscheinungen aus. Die Pat. klagten nicht mehr Qber 
Schweissausbriiche. Ein ungttnstiger Einfluss auf den 
Appetit konnte selbst nach wochenlanger Verabreichung 
des Mittels nicht beobachtet werden, ebensowenig stellte 
sich Widerwillen gegen das Medikament ein. Die Wirkung 
des Melubrins auf die verschiedenen Krankheiten zusam- 
menfassend, kdnnen wir nach alledem sagen, dass es ein 
gutes Antipyretikum darstellt, und dass es als Antirheuma- 
tikum dem Salizyl an Wirksamkeit nahekommt, an Be- 
kbmmlichkeit ihm weit Qberlegen ist. Es wird wahrschein- 
lich immer einige Falle geben, in denen das Melubrin 
versa gt, und in denen man deshalb zum Salizyl wird 
greifen mOssen. Auch das Umgekehrte wird sich wohl 
ereignen. Fraglos bildet aber das Melubrin wegen seiner 
Bekbmmlichkeit fQr die F&lle eine willkommene Bereicherung 
unseres Arzneischatzes, in denen Salizylpraparate nicht 
vertragen werden, und in denen wir dann zu anderen 


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540 


Rheumatismen — Seekrankheit. 


Mitteln, wie Antipyrin, Antifebrin, Pyramidon, greifen 
mussten. Die absolute Ungiftigkeit und die gute Bekomm- 
lichkeit des Melubrins dOrfte Veranlassung sein, es vor 
den genannten Mitteln zu bevorzugen. Allerdings wird sein 
hoher Preis — das Kilo kostet vorlaufig noch 57,50 M. — 
es ihm schwer machen, das Salizyl zu verdr&ngen. Zum 
Schluss noch eine Bemerkung liber den Urinbefund. Neben 
der bereits von anderer Seite raitgeteilten Violettfarbung 
des Urins nach Zusatz von Eisenchlorid fanden wir in 
einer grossen Zahl von Fallen, nicht in alien, stark redu- 
zierende Eigenschaften. Bei Anstellung der Nylander’schen 
Probe trat Schwarzfarbung auf, und auch die Trommer'sche 
Probe fiel deutlich positiv aus. Die von Herm Prof. 
Boruttau auf unsere Bitte vorgenommene Untersuchung 
des Urins ergab in einigen Fallen eine Linksdrehung, die 
beim Kochen mit Salzsaure geringer wurde und schliess- 
lich in Rechtsdrehung Qberging. Diese Erscheinung zu- 
sammen mit dem positiven Ausfall der ebenfalls vorge- 
nommenen Tollens’schen Proben (Phloroglucin undNaphtho- 
resorcin + HC1) wies Glykuronsaure als reduzierende 
Substanz nach. Die meisten Urine enthielten die Glykuron¬ 
saure gepaart mit dem aromatischen Kbrper des Pulvers, 
einige besonders stark reduzierende neben der gepaarten 
auch noch freie. Es scheint eine Ausscheidung von Gly¬ 
kuronsaure stattzufinden, wie sie in der Starke bei anderen 
Mitteln noch nicht beobachtet ist. Eiweiss und Zylinder 
haben sich in den Urinen nie gefunden, so' dass eine 
Nierenreizung auch nach Verabfolgung grosster Dosen und 
nach langer Zeit der Anwendung nicht aufzutreten scheint, 
ein nicht unwichtiger Vorzug des Mittels vor den Salizyl- 

praparaten.“ (Berliner klin. Wochensohrift 1912 Nr. 22.) 

Seekpankheit* s. und Bromural. Yon Dr. Reinsch 
(Breslau). Bromural ist kein eigentliches Heilmittel gegen 
S. Es ist aber ein Medikament, welches, richtig, das 
heisst frOh genug, prophylaktisch angewendet, so gut wie 
immer seine Schuldigkeit tut und in den meisten Fallen 
die S. unterdrtlckt. Sodann ist Bromural selbst bei aus- 
gesprochener S. offenbrir von gutem Erfolg, da es stets 
einen Teil der lastigen Erscheinungen nimmt, so dass die 
Beschwerden wenigstens ertraglich werden. Endlich hat 
Verf. wiederholt feststellen konnen, dass Bromural, selbst 
auf der Hohe der S., diese zum vblligen Schwinden bringt, 
wenn es gelingt, dem Pat. mOglichst hohe Dosen wirksam 
beizubringen. Die Darreichung des Bromurals bei S. weicht 


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Seekrankheit — Tabes. 


541 


etwas von der sonst Gblichen Medikation dieses Pr&parats 
ab, da man verhaltnismassig hohe Dosen gibt. Moglichst 
wurde Bromural prophylaktisch gegeben. Bei Passagieren, 
die durch friihere Reisen bewiesen hatten, dass sie see- 
krank werden, wurden mehrmals am Tage Tabletten a 0,3 g 
bis zu vier Tabletten gegeben. Besonders nutzbringend 
und vorteilhaft erwies sich dies Mittel, wenn es bei stiir- 
mischer See bzw. solcher See, die mit „Dunung“ be- 
zeichnet wird (unruliige See nach Sturm), etwa eine halbe 
Stunde vor dem Aufstehen gegeben wurde. In diesen 
Fallen gab Verf. mit recht gutem Erfolg zwei Tabletten 
auf einmal und liess den Passagier eine halbe Stunde 
spSter aufstehen. Mit gutem Appetit wurde zumeist ge- 
fruhstbckt, und das Allgemeinbefinden war ein recht gutes. 
Auf diese Weise wurde in einer ganzen Reihe von Fallen 
die S. vdllig unterdrtickt. (Zentralblatt f. Therapie, 1913 Juli.) 

Tabes. Die Behandlnng der Schmerzen bei T. Yon Dr. 

Kurt Singer (Berlin). „In alien Stadien der T. spielen 
die Schmerzen und Schmerzanfalle eine grosse Rolle. In 
frtihen Stadien besonders die momentanen, ,blitzartig‘ 
durch die Beine schiessenden, bohrenden oder schneidenden 
Schmerzen; dann die in inzipienten und vorgeschrittenen 
Fallen gleich haufigen, unter heftigen Schmerzen auftretenden 
Brechanfalle: Magenkrisen. Aehnliche, ausserst schmerz- 
hafte Anfalle betreffen auch, allerdings seltener, den Darm, 
die Blase, den Larynx, die Nieren, die Klitoris usw. Meist 
sind motori8che, sensorische und sekretorische Reizerschei- 
nungen bei den Krisen kombiniert vorhanden, doch iiber- 
wiegen die neuralgischenSymptome. Die ttbrigen Schmerzen 
der Tabiker, Giirtelgefiihle, Parasthesien zwingen nur selten 
zu einem augenblicklichen Eingreifen; ihre Behandlung 
fallt mit der Therapie der T. als Gesamtkrankheit zu- 
sammen. 

i. Spezifische Ruren. 

Sie sind im allgemeinen nur bei beginnenden Tabes- 
fallen anzuraten. Dann leisten die alten Schmier- und 
Injektionskuren, besonders die Kalomelkur, gerade so viel 
wie die Salvarsanbehandlung, die in den letzten zwei 
Jahren mit besonderer Emphase empfohlen worden ist. 
In weit vorgeschrittenen Fallen, im ataktischen Stadium, 
soli Gberhaupt keine aussere spezifische Kur versucht werden; 

• Jodgebrauch reicht da vollkommen aus. Bei den Kranken 
aber, bei denen lanzinierende Schmerzen und Krisen im 


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542 


Tabes. 


Vordergrunde des Krankheitsbildes stehen (T. dolorosa), 
kann eine regelrechte spezifische Kur vorgenommen werden, 
wenn die Lues serologisch-zytologisch festgestellt und friiher 
spezifische Kuren ungenfigend gemacht worden sind. Seb- 
nervenerkrankung und Kachexie sind Kontraindikationen 
gegen Hg-Kuren. Was in der Literatur an Erfolgen bei 
der Quecksilber- und Hatabehandlung verzeichnet ist, be- 
zieht sich fast ausschliesslich auf die Reizerscheinungen 
des sensiblen Neurons. Diese sind aber auch ziemlich 
konstant im gfinstigen Sinne beeinfiussbar. 

2. Medikamente. 

Ohne interne Mittel kommt man nie aus bei den 
Schmerzanfallen der Tabiker, besonders bei den Erisen 
und Blitzschmerzen. An der Spitze dieser Medikamente 
stehen noch immer das Aspirin und Pyramidon, bei deren 
Verabfolgung auch die Gefahr der Gewfihnung sehr gering 
ist. Helfen Einzelprfiparate nicht mehr, so empfiehlt sich 
eine Kombination zweier oder mehrerer Prfiparate: Pyra¬ 
midon 0,3 + Phenazetin 0,5; oder die Mischung eines 
Salizylprfiparats mit einem Narkotikum der Fettreihe: Anti- 
febrin + Kodein usw. Aus der grossen Reihe der Anti- 
neuralgika, die alle gelegentlich ihre erfolgreiche Anwen- 
dung finden kfinnen, nenne ich hier noch: Analgen, Cbinin, 
Trigemin, Methylenblau (0,1—0,5), Natrium salicylicum. 
Morphium gebe man nur im Sussersten Falle; es ist nicht 
unmfiglich, dass erst durch langeren Morphiumgebrauch 
Krisen erzeugt werden. Ein Versuch mit Pantopon ist 
da immer noch empfehlenswerter, weil die Gefahr der 
Gewfihnung geringer ist. Bei den gastrischen Krisen gebe 
man intern Eispillen, ein paar Tropfen Kokainlosung, 
mehrmals tfiglich 0,05 Cerium oxalicum oder 0,5 Orexin. 
tannicum. Sehr gQnstig wirkt gelegentlich Einfiihrung von 
Chloralhydrat per klisma oder, besonders bei Darm- und 
Blasenkrisen, ein Suppositorium aus Opium und Bella¬ 
donna. 

j. Physikalische Therapie. 

Gegen die lanzinierenden Schmerzen und schmerz- 
haften Parasthesien wirken lokale heisse Packungen, Ther¬ 
mophore, SandsScke gut; ebenso l°/oige Soolbader von 35°C, 
10—30 Minuten lang, Bader mit hautreizenden Ingredi- 
enzien, wie Fichtennadeln. Daneben kann die schmerz- 
hafte Partie (Bein, Arm) massiert werden. Fttr die Krisen 
wurde der heisse Magenschlauch fiber einer feuchten Kom- 


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Tabes, 


543 


presse bei kiihler Einwicklung des dbrigen Kbrpers emp- 
fohlen (22—24° C). Nachts soil eine Leibbinde getragen 
werden. Gegen Blasen-, Klitoris-, Anal-, Hodenkrisen 
wirken warme, langdauernde Sitzb&der von 34—40° C, 
eine viertel bis eine Stunde lang gegeben, sehr gfinstig. 
Eine Kombination von Massage und Hitzezufuhr in Form 
der Thermomassage oder Glfthlichtmassage wirkt ebenfalls 
momentan ziemlich gut auf die sensiblen peripheren Reiz- 
symptome. Bei Pat., die in regelm&ssig wiederkehrenden 
Intervallen Blitzschmerzen oder Krisen bekommen, leisten 
die indifferenten oder die koblensauren Thermalbader, von 
denen Oeynhausen, Gastein, Nauheim einen besonderen 
Ruf haben, oft ausgezeichnete Dienste. Heisse Thermen 
schw&chen den Pat. und vergrobern die Ataxie, sind daher 
zu verbieten. 

4. Elektrotherapie. 

Sie leistet bei den Schmerzparoxysmen wenig. Man 
mache bei schmerzhaften Parasthesien und lanzinierenden 
Schmerzen einen Versuch mit der faradischen Bflrste. Die 
Beobachtungen von erheblichen Besserungen der Krisen 
mittels Applikation von Hochfrequenzstrbmen gestattet die 
Empfehlung dieser Behandlung. Doch sind da noch wei- 
tere Erfahrungen abzuwarten. Ganz unsicher sind die 
Erfolge bei Bestrahlung mit Radium oder ultravioletten 
Strahlen. Bei den Krisen ist jede energischere elektrische 
Prozedur besser zu vermeiden; vorsichtige Galvanisation 
(Kathode auf der Wirbelsftule, Anode auf Magen, Blase usw., 
10 Minuten lang, 3—5 MA) schadet jedenfalls nie etwas. 

j. Chirurgische Behandlung. 

In sehr langdauernden und heftigen Fallen von kri- 
tischen Schmerzen wirkt oft das Ablassen einiger Kubik- 
zentimeter von Liquor cerebrospinalis Wunder. Eventuell 
kann der Eingriff im Lauf einiger Tage zwei- bis dreimal 
wiederholt werden. Bei haufig wiederkehrenden Blitz¬ 
schmerzen ist die vorsichtige unblutige Nervendehnung im 
Anfall und systematische Dehnung in der anfallfreien Zeit 
anzuraten. Sind alle Mittel (auch subdurale oder epi- 
durale Kokain-Adrenalin-Injektionen) versucht, stellt der 
Status criticus, die Inanition, der Morphiumabusus eine 
Lebensgefahr dar, so ist die Fbrstersche Operation, die 
Durchschneidung der hinteren Wurzeln (YII.—IX. Dorsalis) 
die letzte Zuflucht. Doch ist die Mortalitat bei der Radico- 
tomia posterior noch eine sehr grosse.“ 

(Medizin. KJinik 1912 Nr. 24.) 


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544 


Tuberkulose. 


Tuberkulose. „Tanargentan“ alt Antidiarrhoicum. Yon 

Fritz Hoppe, Medizinalpraktikant. (Aus der I. medi- 
zinischen Abteilung des stadtischen allgemeinen Kranken- 
hause9 im Friedrichshain in Berlin). „Das grosse Material 
der Anstalt an Lungentuberkulose aller Stadien ermoglichte 
es uns, das uns von der ,Fabrik chemisch-pharmazeutischer 
Pr Spar ate Dr. R. und Dr. O. Weil, Frankfurt a. M.‘ zur 
VerfGgung gestellte Darmadstringens ,Tanargentan‘ in seiner 
Wirkung auf die bei der Lungentuberkulose recht Mufigen 
tuberkulSsen Enteritiden zu beobachten. Wir gaben dag 
Mittel am so unbedenklicher, als wir bereits vor einigen 
Monaten mit ihm bei einer allerdings nicht systematischen 
Anwendung bei akuten Enteritiden verschiedener Arten 
die besten Erfolge erzielt und ein Versagen in keinem 
Falle zu verzeichnen hatten. Es handelt sich bei dem 
Mittel um ein Tanninsiiberalbuminat, das etwa 6°/o Ag 
und 20°/o Tannin, an Eiweiss chemisch gebunden, enthalt. 
Es passiert den Magen unverSndert, um erst im alkalischen 
Darmsafte gel5st zu werden, und l&sst neben der adstrin- 
gierenden Tanninwirkung noch eine desinfizierende Wirkung 
der Silbereiweisskomponente erwarten. Um ein reines Bild 
seiner Wirkung zu erhalten, wurde es nur bei Diarrhoen 
gegeben, die auf eine rein diatetische Bebandlung hin nicht 
standen. Ausserdem war eine erfolgreiche Darreichung 
bei solchen Fallen besonders beweisend, da diese doch als 
nicht leicht angesehen werden mussten. Gegeben wurde 
taglich dreimal 0,5 g vor dem Essen. Trotz der recht 
haufigen Anwendung ist kein Misserfolg beobachtet worden. 
Gewohnlich war die Wirkung so, dass nach zwei bis drei- 
tagiger Darreichung die Leibschmerzen, soweit sie bestanden, 
aufhOrten, die Zahl der StGhle auf eins, hochstens zwei, 
reduziert wurde, und ihre bis dahin dttnnflttssige Beschaffen- 
heit einer festen, zum mindesten aber breiigen Konsistenz 
wich. Die angegebenen Dosen haben stets genttgt, um 
in einigen Tagen die Durchfalle zu beseitigen; nur in 
einem besonders hartnackigen Falle war es ndtig, zu grdsseren 
Gaben zu schreiten. Hier gelang es, nachdem mehrere 
Tage lang taglich dreimal 0,5 g ohne Erfolg gereicht war, 
durch Steigen auf taglich viermal 0,5 langsam die Besse- 
rung herbeizuffihren. Das Tanargentan hat ferner, wie 
durch Versuche festgestellt werden konnte, auch in solchen 
Fallen seine Schuldigkeit getan, wo andere Mittel ver- 
sagten. So waren wir mehrmals in der Lage, durch Tan¬ 
argentan einen raschen und vollen Erfolg zu erzielen, 
nachdem wir Mittel wie Tannalbin, Wismut, Pantopon usw. 


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Tuberkulose. 


545 


langere Zeit hindurch vergeblich verabfolgt batten. In 
mehreren Fallen, bei denen wir die Wirkung des Tanar- 
gentans mit der anderer Mittel vergleichen konnten, erwies 
sich das Tanargentan als fiberlegen, jedenfalls hat es nie- 
mals weniger prompt gewirkt als diese. Hervorzuheben 
ist endlich seine gute Bekfimmlichkeit. Es ist stets von 
den Pat. gern genommen worden und hat niemals auch 
nur zu den geringsten Stbrungen im Allgemeinbefinden 
Anlass gegeben. Selbst in Fallen, in denen es langere 
Zeit hindurch gegeben werden musste, sind nie Uebelkeit 
oder. Erbrechen aufgetreten. In einem progressen Falle, 
in dem Tanargentan und Tannalbin des Vergleiches wegen 
abwechselnd gegeben wurden, zeigte es sich, dass Tanar¬ 
gentan jedesmal die immer wiederkehrenden Durchfalle in 
der ftir den Pat. angenehmsten Weise beseitigte, wahrend 
Tannalbin zwar auch die Diarrhoen zum Stehen brachte, 
aber Uebelkeit hervorrief und sthliesslich sofort nach dem 
Einnehmen wieder erbrochen wurde. Man kann nach alle- 
dem wohl sagen, dass sich das Tanargentan bei den schweren 
chronischen Diarrhoen der Phthisiker durchaus bewahrt 
hat, und man darf deshalb eine gleich gtinstige Wirkung 
bei akuten und subakuten Enteritiden mit Sicherheit an- 
nehmen. Wir selbst haben es, wie schon oben erwahnt, 
vielffiltig auch bei diesen Erkrankungen mit gutem Nutzen 
verordnet. Nach unsern Erfahrungen ist demnach das 
Tanargentan ein recht sicher wirkendes, gut bekfimmliches 
Antidiarrhoikum. “ (Median. Kiimk 1912 Nr. 27.) 

— Legal (Breslau): Beurteilnng dcr Erwerbsf&higkeit bei der 
chronischen Lnngentnberknlose. 

Berichterstatter erltiutert zunachst den Begriff der Er- 
werbsfahigkeit auf Grund der bezuglichen Rechtsprechung, 
zeigt, inwieweit Arbeitsgelegenheit, Ausschluss vom Ar- 
beitsmarkte, rasche Gesundheitsverschlimmerung bei augen- 
blicklich noch moglicher Arbeitsleistung hierbei zu beriick- 
sichtigen sind, und legt die Arbeitsf&higkeit als den 
einfacheren Begriff seinen weiteren Bemerkungen fiber den 
Einfluss der chronischen. Lungentuberkulose auf die Er- 
werbsfahigkeit zugrunde. Die Arbeitsfahigkeit sei erstlich 
geschmalert durch die Beschrfinkung auf minder anstren- 
gende Arbeit. An Beispielen aus der Praxis, auch aus 
der nicht versicherten Arbeiterbevfilkerung, wird die nur 
• relative Leistungsf&higkeit chronisch Lungenkranker dar- 
gelegt, welche hftufig auch zeitlich begrenzt sei und mit 
den Jahreszeiten sich wechselnd verhalte, im Spatwinter 

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Tuberkulose. 


und Fruhjahr, sowie bei anhaltender Hundstagshitze ab- 
nehme, zur Herbstzeit sich meist bessere. Die notwendige 
Schonung masse sich besonders auf das erkrankte Organ 
und dessen Funktionen, die Atmung erstrecken, sie mache 
endlich die Arbeit unter hygienisch glinstigen &usseren 
Arbeitsbedingungen notig. Deren Aufsuchung durch Yer- 
treter hoher gelohnter, gesundheitsschadlicher Berufe sei 
freilich selten. Bei Beurteilung des Einzelfalles ist eine 
sehr ausgeprSgte erbliche Belastung, noch mehr ungQnstige 
Kbrperanlage zu beachten, sei es, dass sie in dflrftigem, 
fehlerhaftem Brustkorbbaue oder in einem unzul&nglichen 
Kreislaufs- oder Assimilationsapparate begrflndet sei. An- 
scheinend kraftige Konstitution kann ttber die Arbeitsf&hig- 
keit tSuschen, falls Anzeichen der Neigung zu schnell 
fortschreitendem Verlaufe, wie andauerndes Fieber, nicht 
genug bewertet werden. Ein gQnstiges Allgemeinbefinden 
trotz langdauernder Erkrankung ist umgekehrt Beweis einer 
relativen Arbeitsfahigkeit. Wiederherstellung derselben, 
also gute Erholungsfahigkeit steht in Aussicht, wenn nur 
vorttbergehende Ursachen die Widerstandskraft eines Or- 
ganismus vermindert hatten und Charakter, Intelligenz 
und aussere Lebensverhaltnisse des Kranken eine sp&tere 
zweckmSssige Lebensftthrung erwarten lassen. Alkoholis- 
mus, Syphilis, chronische Vergiftungen anderer Art, Kom- 
bination mit Hysterie und seelischer Depression mit son- 
stigen konstitutionellen Leiden wirken umgekehrt. Die 
Zerstbrung eines grbsseren Lungenabschnittes schafft meist 
dauerndes Siechtum, aber auch Anfangsf&lle sind bei Nei¬ 
gung zu akutem Verlaufe Anw&rter auf baldige Invaliditftt; 
fur die Falle mit klingenden Rasselgerftuschen und dauernd 
bazillarem Auswurfe aus der Klasse der Lohnarbeiter ist 
dies durch statistische Nachweisungen von Rumpf und 
Stauffen festgestellt. Der Lungenbefund allein kann sich 
auffallend bessern, wenn die T. an einer anderen Kbrper- 
stelle sich, zun^chst in der Stille, verderblich ausbreitet. 
Das ist bei beabsichtigten Rentenentziehungen wichtig. 
Eine positive Tuberkulinherdreaktion ist Beweis einer noch 
vorhandenen, wenn auch latenten Aktivitat des Prozesses. 
Der bisherige Yerlauf, Neigung zu haufigem Blutspucken, 
oft wiederkehrende Influenza, der Einfluss schon stattgefun- 
denen Heilverfahrens auf die Dauer der ferneren Arbeits¬ 
fahigkeit, die Abstammung der Eranken aus einem zu 
gutartigem oder rasch tbdlichem Yerlaufe disponierenden 
BevOlkerungsanteil, das Lebensalter beeinflussen schliesslich 
unser Urteil. Falle von beschrankter raumlicher Ausdehnung 


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Tuberkulose. 


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der Erkrankung, ohne Neigung zu schnellem Umsichgreifen 
derselben, ohne die vorgenannten ungiinstigen Neben- 
umstfinde sind in ihrer Arbeitsfahigkeit nicht hochgradig 
beschrfinkt und zum Gliick zahlreicher als man meinen 
kQnnte, wenn man die zwar stark gesunkene, aber immer 
noch absolut hohe Ziffer ungfinstiger Falle ins Auge fasst. 
Eine weitere Abnahme derselben ist durch fortgesetzte 
planvolle Arbeit wahrscheinlich. 

v. Golz (Berlin): Der Begriff der Erwerbsfahig- 
keit ist kein medizinischer, sondern ein wirtschaftlicher, 
und der Arzt nimmt als Gutachter keine andere Stellung 
ein, als die der gerichtliche Sachverstandige vor den or- 
dentlichen Gerichten bekleidet. Die Losung der Frage: 
wie soil bei der Beurteilung der chronischen Lungentuber- 
kulose, das die Erwerbsunfahigkeit behandelnde arztliche 
Gutaehten aussehen? — muss darin gipfeln, objektiv den 
korperlichen Zustand des Lungenkranken zu schildern und 
denselben zu der Betatigung im Erwerbsleben in Bezieh- 
ungen zu bringen. Bei der chronischen Lungenschwind- 
sucht lassen sich weder die pathologisch-anatomische Unter- 
scheidung in offene und geschlossene T., noch die klinische 
Einteilung nach Stadien im Verlauf der Krankheit und 
die Ausdehnung des Krankheitsprozesses als Massstab fflr 
die generelle Beurteilung der Erwerbsfahigkeit verwenden. 
Eine generelle Definition dieses Begriffes ist bei der chro¬ 
nischen Lungentuberkulose tiberhaupt unmiiglich. Es kommt 
also nur die Beurteilung des Einzelfalles und zwar haupt- 
sfichlich in prognostischer. Beziehung in Betracht. Es 
handelt sich um eine Prtlfung der Widerstandsfahigkeit 
des KOrpers gegen Einfliisse, welche die Betatigung im 
Erwerbsleben ausfibt. Das Urteil hierfiber ist nur mbglich, 
wenn neben der Beachtung der Krankheitsbegleiterschei- 
nungen eine eingehende WOrdigung anderer Verhaltnisse 
statt hat, des Allgemeinzustandes, des Verhaltnisses von 
Atmung zur Herztatigkeit, der vegetativen Funktionen in 
bezug auf Stoffwechsel-Gleichgewicht und nicht zuletzt 
des Verhaltens des Nervensystems und Seelenlebens, wobei 
natttrlich die subjektiven Angaben — auch von Zeugen, 
z. B. Mitarbeitern und Arbeitgebern — berticksichtigt 
werden mvissen. Eine wesentliche Rolle fiir das Fort- 
bestehen der Arbeitsffihigkeit spielt der Beruf mit seinen 
gesundheitsschadlichen Momenten. Arzt und Yersicherungs- 
leiter tibernehmen mit der Begutachtung der Erwerbsfahig- 
keit eines chronisch Lungenkranken eine grosse verant- 
wortliche Aufgabe von bedeutender Tragweite. 

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Tuberkulose — Tumoren. 


In der Diskussion betont Geh. Regierungs-Rat Meyer 
(Berlin) die entscheidende Bedeutung des Srztlichen Gut- 
achtens filr die Landesversicherungsanstalt,' welches be- 
sonders dem fortschreitenden Zustande des Kranken we* 
sentliche Beachtung zu schenken habe. — Wolff (Rei- 
boldsgrtin) empfiehlt Vorsicht im Gebrauch der Stadien- 
einteilung. Die Erwerbsfahigkeit richtet sich nur zum 
kleinen Teil nach dem Stadium des Lungenbefundes. Nicht 
nur das Stadium ist zu bestimmen und darnach etwa die 
Lungen zu behandeln, sondem vielmehr die Individuen - 
v sind zu behandeln, und das macht unsere Arbeit zu einer 
unerschbpflich schonen und gibt immer wieder Anregungen. 
Bei der Beurteilung der Erwerbsfahigkeit muss zunachst 
studiert werden: wie war der bisherige Verlauf?, dann 
der Charakter des Kranken und die Erholungsffthigkeit, 
endlich der Beruf und die h&uslichen Verhaltnisse. Hier- 
tiber sollte sich ein dem Kranken bei der Entlassung 
aus der Anstalt mitzugebendes Zeugnis aussprechen. — 
Reche (Breslau): Den aus den Heilstatten entlassenen 
Pat. ist passende Arbeit zu liefern; hierbei entsteht die 
Frage des Berufswechsels. Die Arbeitsvermittlung lfisst 
sich vielleicht in Angliederung an die Ftirsorgestellen be- 
werkstelligen. Sie wflren im Kampfe gegen die T. die 
dritte Etappe, wenn man als erste die Heilstatten, und 
als zweite die Ftirsorgestellen ansieht. — Mug dan 
(Berlin) hebt hervor, dass, der Begriff „Erwerbsfahigkeit“ 
nur ftir die Unfallversicherung reserviert ist, und dass 
nach dem Wortlaut des Gesetzes „Invaliditat“ dann vor- 
liegt, wenn der Betreffende nicht imstande ist, durch seine 
Tatigkeit etwas zu verdienen, aber nicht in dem Falle, 
wenn er durch seine Mitarbeit seine Umgebung durch 
Ansteckung gefahrdet. In letzterem Falle ist er nicht 
unfahig zu arbeiten. Der Arzt hat sich lediglich nach' 
diesem Wortlaut des Gesetzes zu richten. — Lenn- 
hoff (Berlin) wtinscht neben der Berticksichtigung der 
Anamnese, die der Arzt zu erheben imstande ist, beson- 
dere Bewertung der sozialen Anamnese, die die Versiche- 
rungsanstalt hierz.u liefern muss; dabei ist mit der grtissten 
Sorgfalt das bisherige Arbeitsverhaltnis und der Yerdienst, 
bzw. sein Heruntergehen zu erforschen. 

vDeutachea Zentral-Komitee z. Bek&mpfung d. Tuberkulose, Berlin 13. VI. 12.) 

Tumoren. Drei interessante Fehldiagnosen auf malignen 
Tumor. Yon Dr. Richard Fabian. [Schluss.] „Der 
zweite Fall betraf eine 47jahrige Arbeiterfrau, bei der 


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Tumoren. 


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im Jahre 1905 in unserer Poliklinik ein faustgrosser 
Tumor in t der Gallenblasengegend festgestelit wurde. 
Die Pat. wurde deshalb einem hiesigen Krankenhause zur 
Operation Qberwiesen. Die Beschwerden, tiber welche 
die Pat. klagte, bestanden in anfallsweise auftretenden 
,Magenkoliken ; mit Uebelkeit und Erbrechen; ferner soil 
nach Angabe der Pat. langere Zeit eine ikterische Ver- 
farb ung der Haut vorhanden gewesen sein. Bei der Ope¬ 
ration (pararektaler Schnitt) wurde ein birnenformiger, 
derber, hhckriger Tumor in der Gallenblase gesichtet, der 
durch zahlreiche derbe, feste Bindegewebsstrange mit der 
unteren Leberflaclie und dem Pylorusteil des Magens in 
Verbindung stand. Bei der Ausbreitung des Tumors stand 
man von einer Resektion ab und begnftgte sich mit einer 
Probelaparotomie. Die Pat. wurde spater nach Heilung 
der Bauchwunde aus dem Krankenhause entlassen. Seit- 
dem war die Pat. unserem Gesichtskreis entschwunden, 
und erst im Januar 1911 kam sie wegen Magenbeschwerden 
von neuem in die Poliklinik zur Behandlung. Ein Tumor 
in der Gallenblasengegend oder im Abdomen (lberhaupt 
ist nicht mehr nachzuweisen. Objektiv bestand nur eine 
m&ssige Anamie und eine Gastritis chronica subacida. 
Unter der Behandlung (Regelung der Diat, Eisen und 
Amara) trat eine allmahliche Besserung ein,. das Kbrper- 
gewicht hob sich, und im Laufe der Zeit wurde Pat. vbllig 
beschwerdefrei. Das letztemal zeigte sich uns die Pat. 
im November 1911, ohne dass eine Aenderung in dem 
Befinden eingetreten war. Ein Tumor war nicht nach- 
weisbar. — Auch in diesem Falle muss es sich um einen 
diagnostischen Irrtum gehandelt haben; denn die seinerzeit 
gestellte Diagnose ,maligner Tumor in der Gallenblase 1, 
dtirfte sich jetzt nicht mehr aufrecht erhalten lassen. Frei- 
lich fehlt uns hier jeder sichere Anhaltspunkt, welcher 
Natur der damals bei der Operation festgestellte Tumor 
gewesen ist. Die Annahme, dass auch hier ein luetischer 
Prozess eine Rolle gespielt hat, schwebt vdllig in der Luft, 
weil sowohl die Anamnese wie die negative Wassermann- 
sche Blutprobe dagegen sprechen. Welcher Genese der 
Tumor auch gewesen sein mag, sicherlich ist ein Karzinom 
auszuschliessen,nachdem diePat.sechs Jahre postoperationem 
nicht nur den Tumor nicht mehr hat, sondern auch, von 
leichten Verdauungsbeschwerden abgesehen, vbllig gesund 
geblieben ist. In den beiden berichteten Fallen haben wir 
selbst die Fehldiagnose gestellt, die dann spater durch die 
Autopsie in vivo wiederliolt wurde. 


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Tumoren. 


Noch interessanter dtirfte der dritte Fall sein, bei 
welchem 1906 der Primartumor operativ entfernt worden 
war. Durch die mikroskopische Untersuchung wurde dieser 
als ein Sarkom des Ovariums gedeutet, so dass die im 
Jahre 1907 auftretende Geschwulstbildung als Metastasen- 
bildung von dem Gynftkologen angesehen wurde, der uns 
die Pat. zur Behandlung in die Poliklinik schickte. In 
diesem Falle ist uns allerdings aus klinischen Erwflgungen 
heraus sofort ein Yerdacht gegen die Richtigkeit der Dia¬ 
gnose wach geworden, wie denn aucb der unter der ein- 
geleiteten Therapie sich einstellende gunstige Yerlauf 
unserem Zweifel Recht gab. Es handelte sich um eine 
25jahrige Werkmeistersfrau in einem m&ssigen Ernahrungs- 
zustande, bei der eine anamische Verfarbung der Haut und 
der sichtbaren Schleimhaute zu konstatieren war. Brust- 
organe ohne pathologischen Befund. Keine Drftsenschwel- 
lung. Untersuchung des Blutes ergab keine Leukozytose. 
In der linken Oberbauchgegend fand sich ein mannskopf- 
grosser, derber Tumor, der perkutorisch bis in das linke 
Hypochondrium hinauf festzustellen war und nach abwarts 
bis zur Nabelhcrizontalen reichte. Die Oberflache des 
Tumors war hockrig, der Tumor selbst zeigte geringe 
respiratorische Yerschieblichkeit. Was die Diagnose be- 
trifft, so tauchte bei uns sofort der Verdacht einer tertiar- 
luetischen Erkrankung auf, um so mehr, als die Pat. auf 
eindringliches Befragen zugab, vier hintereinander folgende 
Aborte gehabt zu haben. Unser Yerdacht wurde dann 
einige Zeit spater durch den stark positiven Ausfall der 
Wassermannschen Reaktion noch bekraftigt. Pat. erhielt 
therapeutisch 20 subkutane Injektionen von Atoxyl, 0,2 g 
pro dosi, jeden zweiten Tag unter genauer Kontrolle der 
Augen; ausserdem jeden zweiten Tag eine RSntgenbestrah- 
lung des Tumors. Der Erfolg dieser Behandlung war ein 
sichtbarer. Auffallende Besserung des Allgemeinbefindens. 
Der Tumor wurde in seiner Konsistenz weicher und ging 
allmahlich in seiner Ausbreitung zurtick. Auch in den 
nachsten Monaten, nach Aussetzen der Behandlung, hielt 
der gtinstige Status an. Nach 1 / 2 Jahr war der Tumor 
nur noch drei Querfinger unter dem Rippenbogen zu pal- 
pieren, so dass noch einmal eine Atoxylkur (wiederum 
20 Injektionen a 0,2 g), diesmal ohne Rontgenbestrahlung, 
eingeleitet wurde. Am Ende der Kur konnte der Tumor 
nicht mehr nachgewiesen werden. _ In den seitdem ver- 
flossenen drei Jahren haben wir die Pat. in Zwischen- 
raumen von einigen Wochen oder Monaten immer wieder 


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Tumoren — Vermischtes. 


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zu beobachten Gelegenheit gehabt. Der Emahrungszustand 
und das Korpergewicht haben sich bestandig gehoben; nur 
eine leichte Anomie ist zuriickgeblieben. Diese besteht 
zurzeit noch, ein Tumor ist weder durch Perkussion noch 
durch Palpation festzustellen. — Bei der Beurteilung dieses 
Falles bleibt zu erwfigen, ob es sich um ein Sarkomrezidiv 
in der BauchhOhle oder um einen luetischen Prozess ge- 
handelt hat. Was die erstere Annahme betrifft, so sind 
Rfickbildungen von Sarkomen unter Atoxyl erst in der 
letzten Zeit wieder in der Literatur bescbrieben worden. 
Wenn man jedoch in unserem Falle die vier aufeinander 
folgenden Aborte in der Anamnese, den stark positiven 
Ausfall der Wassermannschen Reaktion des Blutes be- 
rttcksichtigt, so dilrfte es wohl eher berechtigt sein, einen 
luetischen Krankheitsherd anzunehmen, zumal die mikro- 
skopische Untersuchung zwischen kleinzelligen Sarkomen 
und gumm&sen Bildungen haufig auf Schwierigkeiten stosst. 

Aus .diesen Fallen entnehmen wir die Lehre, dass 
man doch immer gut tut, selbst bei grOsseren Tumoren 
der Bauchhbhle die Mijglichkeit einer nichtmalignen Genese 
in Erwagung zu ziehen und vor alien Dingen an einen 
syphilitischen Ursprung zu denken. Es empfiehlt sich des- 
halb dringend, in solchen Fallen die Anamnese so sorg- 
faltig als m5glich aufzunehmen und niemals die Yornahme 
der Wassermannschen Reaktion zu versftumen.* 

(Berliner klin. Wochenachrift 1912 Nr. 21.) 


Vermischtes. 


TJeb«r Deflorationspyelitis. Von Privatdoz. Dr. H. Windbolz 
(Bern). Auf den Zusammenhang zwischen Defloration und 
Pyelitis wurde Verf. aufmerksam gemacht durch die Be- 
obachtung von drei Fallen akuter Pyelitis bei frisch ver- 
heirateten, frtther von ihm wegen Tuberkulose nephrek- 
- tomierten Frauen. Bei diesen Kranken waren die Harn- 
organe seit der Operation stetsfort genau tiberwacht worden, 
und die Heirat wurde erst erlaubt, als sich der Urin 
dauernd als normal und keimfrei erwiesen hatte. Die 
gleich nach der Heirat auftretenden Symptome der Pyelitis 
enveckten natiirlich trotzdem vorerst den Gedanken an ein 
Rezidiv der Tuberkulose, ausgehend von einem latenten 


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Vermischtes. 


Tuberkuloseherd der Harnorgane. Jedesmal erwies aber 
die genaue bakteriologische Untersuchung, gleicb wie der 
klinische Yerlauf, die Grundlosigkeit dieses Yerdachtes. 
Immer bandelte es sich am eine reine Coliinfektion der 
.. Blase und des Nierenbeckens, die nach ktirzerer oder 
lingerer Zeit zu vollkommener Heilung kam. Von den 
Ehem&nnern dieser Kranken litt keiner an Urethritis. Das- 
selbe Krankheitsbild, akute Pyelitis kurz nach der Deflo¬ 
ration,- beobachtete Verf. im Laufe der letzten Jahre auch 
bei' fftnf andern Frauen, die bis zu ihrer Verheiratung nie 
unter Harnbeschwerden gelitten hatten. Mit Ausnahme 
eines einzigen Falles, bei dem die Infektion durch einen 
nicht naher bestiraraten gram-positiven Diplokokkus bedingt 
schien, fanden sich im eitrigen Urin dieser Kranken immer 
Colibakterien in Reinkultur. Gonorrhoische Infektion war 
jedesmal mit Sicherheit auszuschliessen; keiner der Gatten 
litt an Urethritis. Bei drei der Pat., die zystoskopisch 
untersucht werden konnten, zeigte die Blasenschleimhaut 
nur im Bereiche des Trigonums eine Mitbeteiligung an 
dem Entziindungsprozesse. Die Pyelitis war immer ein- 
seitig, viermal reehts-, nur einmal linksseitig. Einen sichern 
Beweis dafflr, dass in diesen Fallen von Pyelitis die Ein- 
gangspforte der Infektion in den Hymenalrissen lag, kann 
Verf. nicht erbringen. Aber das wiederholte Zusammen- 
treffen von Pyelitis mit der Defloration liess bei Mangel 
eines andern erkennbaren Stiologischen Momentes einen 
Kausalnexus zwischen Hymenlasion und Pyelitis doch fur 
sehr wahrscheinlich halten. Die Kenntnis dieses Zusam- 
menhanges zwischen Defloration und Pyelitis hat auch 
praktisches Interesse. Sie wird uns davon abhalten, bei 
akuter Infektion der Harnwege einer Neuvermahlten trotz 
Fehlens von Gonokokken stets in erster Linie an gonor¬ 
rhoische Infektion zu denken. Wir werden gleich eine 
energische Lokaltherapie einleiten, wenn interne Harn- 
antiseptika nicht sehr rasch die Infektion zu unterdrCicken 
vermOgen. Die Kenntnis der Deflorationspyelitis wird mis 
ferner dazu veranlassen, auch den scheinbar unbedeutenden 
Zystitissymptomen frisch verheirateter Frauen mehr Be- 
achtung, zu schenken als bisher und ihre Behandlung nicht 
auszusetzen, bis wir Keimfreiheit des Harns erzielt haben. 
Denn der Gedanke liegt nahe, dass die Pyelitis gravidarum, 
welche ja vorzugsweise in der ersten Gravidit&t sich ein- 
stellt, sehr h&ufig ihren Ursprung nimmt in einer bei der 
Defloration erfolgten Coliinfektion der Harnwege. 

(Correspondenzblatt f. Sohweizer Aerate 1912 Nr. 1) 


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VermischteF. 


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— Adpmon, ein neues Sedativum. Von Dr. Fr. Bogner (Mi'tnchen). 

^Die Farbenfabriken vorm. Friedr. Bayer & .Co., Elberfeld, 
stellen unter dem Namen Adamon ein neues Sedativum 
her, das nach raeinen Beobachtungen wohl geeignet ist, 
die Brom- und Baldrianpraparate zu ersetzen. Bevor icli 
iiber die Wirkung des von uns 9eit zirka einein Jahre bei 
geeigneten Fallen verwendeten Mittels Naheres berichte, 
sei es mir gestattet, iiber seine chcmische Zusammensetzung 
das Folgende mitzuteilen. Adamon ist ein Dibromdihydro- 
zimtsaureborneolester von der Formel C fl H 5 *CHBr- 
CHBr’CO'O’CjoHj,. Es enth&lt je zirka 35% Brom 
und Borneol in leicht abspaltbarer F'orm und bietet fur 
den Arzt sckon dadurcli Interesse, weil es den ersten be- 
kannten, festen, brombaltigen Ester des Borneols darstellt. 
Sein Schmelzpunkt liegt bei 73°. Der Ester stellt ein 
weisses, fast geruch- und geschmackfreies Kristallpulver 
von neutraler Reaktion dar. Er ist unloslich in Wasser, 
dagegen leicht loslich in Aether, Chloroform und Tetra- 
chlorkohlenstoff. Adamon wurde von uns bis jetzt an 
zirka 40 Pat. verabreicht, und zwar bei leichteren Erregungs- 
zustanden, nervoser Tachykardie und bei nervdsem Herz- 
klopfen Die Erfolge Avaren durchweg gute. Hypnotische 
Wirkung konnte nicht erzielt Averden, doch gaben die Pat. 
einstimmig an, dass sie wenigstens ruhig im Bette liegen 
konnten und sich nicht, wie vor der Adamon-Medikation, 
von einer Seite auf die andere werfen mussten. Bei Herz- 
klopfen nahmen die subjektiven Beschwerden rasch ab. 
Pulsbeschleunigungen konnten in geeigneten Fallen sehr 
giinstig beeinllusst werden. Eine wesentliche Beeindussung 
des Blutdrucks, das heisst eine nennenSAverte Herabsetzung 
desselben, war dagegen nicht festzustellen. Das Praparat 
wurde von alien Pat., auch empfindlichen, gerne genommen, 
da es fast v6llig geschmack- und geruchlos ist. Vor allem 
klagte keiner der Pat. Gber das sonst bei alien Mitteln 
aus der Baldriangruppe storende Aufstossen nach dem 
Einnelimen. Auch wurde das Medikament von seiten des 
Magens und des Darms ausgezeiehnet vertragen. Ich habe 
Adamon zum Teil in Pulver- oder Tablettenform a 0.5 
nehmen lassen. Die Tabletten wurden von den Pat. aus 
rein praktischen Grilnden bevorzugt. Gegeben Avurden 
pro die 3 — 5 Dosen a 0,5. Ueble Nebenerscheinungen 
konnten in keiner Weise verzeichnet werden. Bekanntlich 
ist an rein sedativ Avirkenden Mitteln im Arzneischatze 
kein Ueberfluss vorhanden. Da das Adomon, ganz ab- 
gesehen von seiner Geschmack- und Geruchlosigkeit auch 


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Vermischtes. 


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hinsichtlich seiner therapeutischen Wirkung nichts zu 
wunschen tibriglasst, kann dieses neue unschadliche 
Sedativum auf Grund unsrer bisherigen Erfahrungen zu 
weiterer Nachprhfung und Verwendung in der Nerven- 
praxis nur empfohlen werden.“ 

(Medizin. Klinik 1912 Nr. 2.) 


Die snbkntane Digaleninjektion. Von Dr. L. Silberstein 
(Berlin). Die Wirksamkeit dieser Therapie illustriert fol- 
gender Fall: Es handelte sich um eine 76j&hrige Pat., 
Frau v. L., die, mit allgemeiner Adipositas behaftet, vor 
vier Jahren eine Apoplexie mit linksseitiger Lahmung 
hatte, deren Erscheinungen allmahlich zuruckgingen. Nach 
einem schon drei Stunden w&hrenden Herzanfall fand Verf. 
nachts 3V« Uhr die Pat. rbchelnd, kaum vernehnjbare 
Laute stammelnd, mit sehr beschleunigter Atmung und 
starkgespanntem Puls von ca. 140 in der Minute vor. Sich 
keinen grossen Hofi’nungen hingebend, injizierte Yerf. von 
3 '/a —4 Uhr 5 ccm 01. camphorat. forte und applizierte 
daneben heisse Herzkompressen und lieisse Hand- und 
Fussabreibungen. Oft schon hatte er in ahnlichen Fallen 
leider die Aussichtslosigkeit dieser Manipulation kennen 
gelernt. Er wollte jedoch nichts unversucht lassen und 
liess noch Digalen holen, von dem er um 4 Uhr 2 ccm 
in die Ellenbeuge subkutan einspritzte. Sichtbar war der 
sofortige Umschwung: das Rocheln liess unter wieder- 
holtem Aufhusten nach, die Atmung wurde ruhiger, die 
Sprache deutlicher, die Pat. zeigte wieder Teilnahme. Um 
6 Uhr konnte Verf. nach Verabreichung von 15 Tropfen 
Digalen die Pat. beruhigt verlassen. Sie erhielt an diesem 
Tage noch 5mal 10 Tropfen, 

5. und 6. XT. 7 mal taglich 10 Tropfen 

/. „ 8. XI. 3 „ „ 10 r 

9. „ 10. XI. 2 „ „ 10 „ 

vom 11. XI. an 2 „ „ 8 „ 

„ 28. XI. „ 2 „ „ S 


Die Mitteilung des Falles geschieht in der Absicht, 
die Kollegen zu veranlassen, Digalen in Ampullen stets 
bei sich zu fi'ihren, um in geeigneten Fallen keine Zeit 
zu verlieren. 


(Therapeutische MoDatehefte, Februar 1912.) 


Erfahrungen mit Fergenol. Von Dr. Korte, Ohren-, Hals- 
und Kehlkopfarzt in Danzig. Seit ungefahr zwei Jahren 
verwendet Verf. in seiner Praxis die verschiedenen Per- 


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Vermiscktcs. 


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genolpraparate. Pergenol ist bekanntlich ein PrSparat, 
das beim Losen in Wasser sofort Wasserstoffsuperoxyd 
und Natriumborotartrat liefert. Bei Rachenkatarrhen, Hals- 
entztindungen bakterieller Art lfisst Verf. gurgeln mit Per- 
genol-Mundwassertabletten, eine Tablette auf ein halbes 
Glas warmen Wassers, und verordnet den Pat. ausserdem, 
in der Zwischenzeit Pergenol-Mundpastillen ira Munde 
langsam zergehen zu lassen. Die Erfolge sind durchaus 
befriedigend. Pat., die h&ufig an* Mandelentziindungen 
litten, empfanden speziell die Pergenol-Mundpastillen sehr 
angenehm. Ein besonders vom Verf. geschatztes Praparat 
ist das Pergenol medicinale pulverisat. Er hat es zun&chst 
angewandt nach Operationen in der Nase und im Hals 
zur Befbrderung der Blutstillung, ferner pflegt er die 
Operationswunden an den folgenden Tagen tSglich mit 
Pergenol medicinale pulverisat. einzupudem. Das Auf- 
schaumen des frei werdenden Sauerstoffs Qbt eine sehr 
energische Desinfektion der Wundflache aus, besonders 
nach Tonsillektomie werden die manchmal etwas schmutzi- 
gen, belegten Mandelstfimpfe nach der Pergenol-Einpuderung 
sehr bald zu reinen, granulierenden Wunden. Die Per- 
genolwirkung wird durch die oben erwahnte hausliche 
Anwendung der Pergenol-Mundpastillen wesentlich unter- 
stiitzt. Ein weiteres Gebiet, auf dem sich das Pergenol 
medicinale pulverisat. nach Verf.s zweijahrigen Erfahrungen 
sehr gut bewahrt hat, sind die ulzerativen Formen der 
Tuberkulose und auch der Lues des Kehlkopfes. Verf. 
blast das Pergenolpulver auf mittels eines sehr einfachen 
Pulverblasers, den er sich selbst konstruiert hat. Er be- 
steht aus einem Glasrohr, ca. 20 cm lang, welches auf 
einer Seite eine Biegung fast bis zu einem rechten Wink el 
hat. Die umgebogene Stelle ist ca. 1 cm lang. Beim 
Biegen ist darauf zu achten, dass die Einknickstelle mog- 
lichst keine Verengerung bekommt, damit dort das Pulver 
nicht haften bleiben kann. Das andere Ende des Rohrs 
versieht. man zweckmassig mit einer kleinen schaufelformigen 
Abschragung, die zur Aufnahme des Pergenolpulvers dient. 
Das Rohr hat die lichte Weite der gewohnlichen Rohre 
an Pulverblasern. Dieses Rohr wird am hinteren Ende 
mit einer ca. 1 cm langen Schicht Pergenolpulver beschickt 
und dort mit einem Gummiballon, der in einem ca. 30 cm 
langen Gummischlauch endigt, verbunden. Daumen und 
Zeigefinger fixieren die Stelle, wo der Gummischlauch uber 
das Glasrohr greift, und die letzten zwei Finger driicken 
den Ballon zusammen, wenn man unter Kontrolle des 


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Vermischtes. 


Kehlkopfspiegels den Kopf des Rohrs auf die zu pudernde 
Ulzeration eingestellt hat. Man wiederholt dieses Verfahren 
drei- bis viermal hintereinander. Bevor man den Druck 
des Ballons aufhebt, muss man den Gummischlauch vom 
Glasrohr ziehen, um ein infolge des entstandenen luftver- 
dOnnten Raumes mogliches Aufsaugen von Schleim* usw. 
zu vermeiden. Nach mehrmaliger Wiederholung der Ein- 
puderung l&sst man den Pat. den Hustenreiz unterdrOcken 
durch tiefes ’Atmen, was ttbrigens gar nicht scliwerfallt. 
Wenn man ihn dann abbusten lasst, ist mit dem sehr 
reichlichen Schaum gleichzeitig der ganze Schleim und 
schmutzige Belag der Geschwiire des Kehlkopfes entfernt 
worden, so dass man ein fiir kaustische Operationen oder 
Aetzungen usw. vorziiglich vorbereitetes Feld hat. Leicbtere 
oberflachlichere Erosionen heilen ganz allein nach der be- 
scbriebenen Pergenolbehandlung ohne weiteres glatt ab. 
Pat., die ausserhalb ibrer Wohnung ibrem Beruf nachgehen, 
ljisst Yerf. dann neben der Behandlung mit Pergenol 
medicinale pulverisat. morgens und abends gurgeln und 
wahrend des Tages Pergenol-Mundpastillen nehmen. Die 
Ueberlegung, die Yerf. zur Anwendung dieser Methode 
veranlasste, war die, durch stSndige, abwechselnd starkere 
(beim Einpudern) und schwachere (beim Gurgeln mit 
Mundwassertabletten und Zergebenlassen der Mundpastillen 
im Munde) Sauerstoffdesinfektion des Scbleimes eine Re- 
infektion des Kehlkopfes zu verhbten, wobei die Einpuderung 
in erster Linie vorbereitend fur etwa notwendige stSrkere 
Eingriffe vorztigliche Resultate liefert. 

(Die Therapie der Gegenwart, Januar 1912.) 



Far den redaktionellen Teil verantwortlich: 

Or. E. Graetzer in Frledenau-Berlin. 


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Verzeichnis der Stich- und Schlagworte.*) 


Agrypnie 1, 3, 7, 8, 10 
Akne 4 
Alopecia 3, 6 
An&mien 2, 9 
AnSsthesie, Narkose 4, 8 
Angina 1 
Anthrax 11 

Antisepsis, Asepsis, Desinfek- 
tion 2, 3, 4, 9, 12 

Aortenaneurysma 10 

Appendicitis 5 

Arteriosklerose 2 

Arthritis arica 1, 5, 6 

Arzneiexantheme 4, 12 

Asthma 3, 7, 9 

AugenentzQndungen 1, 10 

Blutungen 1, 3, 11 
Bronchitis 2 

*) Hier bezeichnen die Zahlen 
ubrigen ftegistern die Seiten. 


Cholelithiasis 5 
Chorea 10 
Combustio 9 

Dermatitis 10 
Diabetes 1, 4, 8 

Ekzem 6 
Endometritis 12 
Epilepsie 3 
Erysipelas 3 

Fissura ani 5 
Fluor albus 7 

Frakturen u. Luxationen 2, 4, 

6 , 11 

FremdkOrper 1 
Furunkel 11 

Gonorrhoe 2, 6, 8, 10 
die Nummern des Blattes, bei den 


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IV 


Haemorrhoiden 9 
Helminthiasis 6, 10 
Herzkrankheiten 7 
Hysterie 4 

Intoxikationen 1, 5, 9, 12 
Ischias 2 

Lupus 3 

Magen- und Darmaffektionen 
3, 6 

Mastitis 8 
Morbilli 11 

Neuralgien 11 
Neuritis 4 

Obstipatio 6, 7 
Oedeme 9 
Osteomalazie 10 

Paralysen 5, 9, 11 
Parotitis 10 
Pediculosis 12 
Phlegmonen 12 


Pleuritis 4 

Pneumonie 1 
% 

Prostatahypertrophie 7 
Pruritus 10 

Retroflexio uteri 5 
Rheumatismen 2, 9, 11, 12 
Rhinitis 9 

Scabies 3, 5 

Schwangerschaft, Geburt, 
Wochenbett 1, 2, 3, 5, 6, 
7, 8, 11 

Seekrankheit 6, 12 
Sepsis 10 

Syphilis 1, 2, 3, 5, 7, 11 

Tabes 8, 12 
Tetanus 9 

Tuberkulose 1, 2, 4, 9, 10, 12 
Tumoren 2, 5, 7, 8, 11, 12 
Typhus 10 

Ulcus cruris 3 
Vitia cordis 4 


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I n halts verzei c h n is. 


A 

Abort, Pituitrin bei 305 

Acne rosacea, Augenerkrankung 
bei 6 

— necrotica, Fibrolysin bei 
Narben nach 129 

Adalin als Sedativum und Hyp- 
noticum 90, 274, 275 

—, Wirkung 197 

— zur Entziehung von Mor- 
phium und Alkohol 196 

—, zur Ungiftigkeit des 273 

— bei Kindern 321 

Adalinvergiftung, Fall 195 

Adamon 276, 553 

Aderlass in d. Dermatologie 458 

Aegyptenund seine Indikationen 
314 

Agrypnie, Aponal bei 1 

—, Adalin bei 90, 274, 275, 

321 

—, Adamon bei 277 

—, Codeonal bei 278, 321 

—, Yeronazetin bei 323 

—, Luminal bei 417, 419, 422, 
425 i 


Albinpuder, desodorisierende 
und desinfizierende Wirkung 
374 

Albuminurie, Simulation einer 
153 

Alkoholismus, Hinterstrangs- 
erkrankung durcb 528 

Allokain 130 

Allosan, Wert in der Praxis 346 

Alopecia, Sulfoformol bei 91 

— im Anschluss an operative 
Nervenverletzung 225 

Amaurose, zwei F&lle hyste- 
rischer 150 

Amylencarbamat s. Aponal 

AnSmien, anteoperative Vorbe- 
handlung durch intramusku- 
lare Injektionen von Men- 
schenblut 103 

—, Misserfolge der Bluttrans- 
fusion bei pernizibser 371 

— des friihesten Kindesalters 
369 

—, Prothaemin bei 371 

AnSsthesin, Notizen tiber 326 

Angina, Diplosal bei 3 


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VI 


Antimeristem, Misserfolge mit 
70 

Antipyrinexanthem 142 

Aortenaneurysma, neues Symp¬ 
tom 426 

Aperistoltabletten, missbr&uch- 
licher Genuss von 260 

Aponal bei Agrypnie 1 

Appendicitis, tratimatische 177 

—, indirekter Druckschmerz 
bei 178 

—, Koprostase- 180 

Argatoxyl bei Wochenbettfieber 
446 

Arsenh&matose bei nervOser 
und psychischer ErschOpfung 
457 

Arsenik, Rolle bei Behandlung 
der Chlorose 41 

Arsenmetaferrin 42 

Arteriosklerose des Nerven- 
systems, Behandlung mit 
Tiodine 44 

Arthigon bei Gonorrhoe 245, 
250 

Arthritis gonorrhoica, Behand¬ 
lung mit Injektion von Jod- 

, tinktur 54 

-, neue Behandlungsart 343 

— urica, Eusemin bei 4 

Badehangematte 367 

Badewannensitz 33 

Beckenerkrankungen, neue Be¬ 
handlungsart chronischer 123 


Arthritis urica, Diagnose durch 
Atophan 182 

-, Wesen und Behandlung 

183 

-, Atophan bei 230, 231 

Arzneiexanthem, Fall von 143 

Arzneivernebler 455 

Asphaltd&mpfe bei Lungen- 
erkrankungen und Bronchi- 
tiden 30 

Aspirin als Hustenmittel 47 

Asthma, Behandlung 99 

—, Behandlung mit Kalzium- 
salzen 375 

— und Koprostase 100 

— cardiale, sukutane Heroin- 
einspritzungen bei 281 

— —, Pathologie und The- 

rapie 376 

Astmatherapie, endonasale 280 

Atophan bei Arthritis urica 
230, 231 

— bei Gelenkrheumatismus 536 

Auge, Kalkverletzung 16 

Azeton bei inoperablem Uterus- 
karzinom 71’ 

Azetylkresotinsfture bei Rheu- 
matismen 535 

Azetylsalizylsaure, Loslichkeit 
463 


Benzinvergiftung beim Saugling 
527 

Bleivergiftung durch Schnupf- 
tabak 391 


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VII 


Blenotin bei Gonorrhoe 436 

Blepharitis, Noviform bei 427 

Blutgef&ssklemme, Blunksche 
101 

Bolus alba, therapeutische Ver- 
wendung 81 

-zur Wundbehandlung 93 

Chinin als Lokalan&stheticum 
325 

Chloralmissbrauch, Geistesstd- 
rung als Folge chronischen 
529 

Chloreton-Inhalant in der La- 
ryngologie 48 

Chlorose, Rolle des Arseniks 
bei Behandlung der 41 

Chocolin bei Obstipatio 261, 
295, 296 


Dampfsterilisator zum Sterili- 
sieren kleiner Mengen Ver- 
bandmaterial 96 

Deflorationspyelitis 551 

Dementia praecox, Osteomalazie 
und 442 

Dermatitis, akute 432 

Diabetes, Einfluss des Santonins 
auf die Zuckerausscheidung 
bei 13 

—, Bromuralwirkung bei einem 
Falle von 13 

—, Lakton der a-Glykohepton- 
sfiure bei 147 


Bromkalzium-Hamstoff bei Epi- 
lepsie 104 

Bromural in der Bfihnenpraxis 
91 

— bei Seekrankheit 540 

Bromuralwirkung bei Diabetes 
13 

Cholelithiasis, Chologen bei 193 

Chorea minor, Behandlung 429 

Codeonal, ein neues Schlaf- 
und Beruhigungsmittel 278, 
321 

Combustio, Mastisolverband bei 
380 

Cyclorenal bei rektalen Er- • 
krankungen 193 

Cygoteetabletten 413 

Cystitis, Diplosal bei 341 

Diabetes, Magnesiumsuperoxyd 
bei 147 

—, neurogener 331 

Diabetesazidose, behandelt mit 
Zuckerinfusionen 145 

Diabetiker, Sammel- und Mess- 
geffiss fQr 13 

—, inulinreiche GemQse bei 14 

Diabetikerbrote 338 

Digaleninjektion, die subkulane 
554 

Digalenvergiftung 17 

Digipuratum, Erfahrungen mit 
292 


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vrn 


Digipuratum solubile „Knoll“ 
166 

Digityl 164 
# 

Dioninwirkung am Auge 8 

Diphtherieserum bei Erysipel 
105 

Diplosal bei Angina 3 

— bei Cystitis 341 

Eklampsie ohne Krfimpfe 214 

—, Behandlung 493 

Ektropianator 5 

Ekzeme, Behandlung der hart- 
nackigen, n&ssenden 231 

—, Gewerbe- 234 

Embarin, ein neues Antisyphi- 
liticum 308 

Epididymitis gonorrhoica, neue 
Behandlungsart 343 

Epilepsie, Epileptin bei 104 

—, Bromkalzium-Hamstoff bei 
104 

Epileptin bei Epilepsie 104 

Erbrechen der Schwangeren, 
Therapie 64 

Ergotin-Koffein gegen Myo- 
karditis, Arteriosklerose und 
Herzneurose 454 


Fachingen und Niederselters, 
Untersuchungen tiber die 
Brunnen 316 

Fibrolysin bei Narben nach 
Akne necrotica 129 


Dornfortsatzfrakturen 239 

Dsahtpessar zur Beseitigung be- 
weglicher Geb&rmutterver- 
lagerungen 207 

Druckl&hmungen nach Esmarch- 
scher Blutleere 397, 398 

Durchfall, Beitrag zum ner- 
vdsen 257 

E. 

Ervasin bei Bheumatismen 535 

Erysipel, Diphterieserum bei 105 

—, afebril verlaufendes 105 

Esmarchsche Blutleere, Druck- 
lahmungen nach 397, 398 

Essgeschirre als Infektionsver- 
breiter 98 

Eukadol 85 

Eukalyptusbonbons, Arznei- 

exanthem durch 521 

Eurespirantabletten bei Asthma 
99 

Eusemin bei Arthritis urica 4 

Extensionsschiene ftir die Ober- 
extremitat, Universal- 148 

Extractum hypophysis zur An- 
regung der Wehent&tigkeit 63 

— Filicis Maris, Verordnung 
von 439 

F. 

Fibrolysininjektionen, Purpura 
haemorrhagica nach 9 

Filmaron bei Bandwurm 250 

Fluor albus, Leukrol bei 283 


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IX 


Fluor albus, troqkene Behand- 
lung 286 

Formaminttabletten zur Thera - 
pie und Prophylaxe der 

oberen Luftwege 3 
* 

G. 

Geburt, Schmerzstillung bei der 
21 

—, Schmerzlinderung normaler 
301, 353 

Geburtszange fiir Steisslage 21 

Gelenkrheumatismus und Nase 
399 

Gelonida, eine neue Tabletten- 
form 316 

Gesichtsfurunkel, Behandlung 
477 

Gewerbe-Ekze.me 234 

Gipsverbandtechnik, Winke zur 
240 

Glutannin bei DiarrhOen 69 

Glyzerinverbfinde bei infizierten 
W unden, Panaritien und 
Adenitiden 126 

H. 

Haarpflege, Emulsion aus Seife 
zur 226 

Hamophilie, Behandlung 469 

Hamorrhoiden, extraanale Be¬ 
handlung 382 

—, Behandlung 390 

Halswirbelbrdche,Bemerkungen 
tiber 471 

HalswirbelsSule, Luxation 471 


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Frakturen, Transport-Notschie- 
nen fiir 54 

Fremdkorper im Halse 16 
Frottierstoff, neuer 505 
Furunkel des Gesichts, Be¬ 
handlung 477 

Gonojodin bei Gonorrhoe 244 

Gonorrhoe, Behandlung 55 

—, Gonojodin bei 244 

—, Arthigon bei 245, 250 

—, Blenotin bei 436 

—, Behandlung mit einer was- 
serhaltigen Gleitmasse als 
Vehikelfur Antigonorrhoica 
438 

—, Kollargolbehandlung des 
Tripperrheumatismus und 
anderer akuter .Folgezu- 
stftnde der 435 

Guajakol-Arsentherapie bei Tu- 
berkulose 409 

Gummihandschuhe, Sterilisie- 
rungsmethoden 373 

Gynoval 7 9 

Hautodeme, langdauernde Drai¬ 
nage 394 

Hepin-Sauerstoffbader 221 

Heroineinspritzungen b. Asthma 
cardiale 281 

Herzfehler s. Yitia cordis 

Herzklopfen 33 

Herzkrankheiten, Zuckernah- 
rung bei 289 

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X 


Heufieber, Behandlung 455 

HochfrequenzstrOme und ihre 
Indikationen 169 

Hdhenschielen und Stirnkopf- 
schmerz 85 

Hdrrohr bei ansteckenden 
Krankheiten 318 


Ikterus, Behandlung 252 

Injektionen, Technik der intra- 
venbsen 80 

Jodfieber 38, 171 
Jodival 46 

— in der dermatologischen 
Praxis 268 

— bei Rhinitis chronica atro¬ 
phicans foetida 403 

Jodostarin 414 


Kacepe-Balsam. 62 

Kaffee, besondere Eigenarten 
desselben und das Thum- 
sche Verfahren zur Kaffee- 
reinigung 87 

Kalkverletzung des Auges 16 

Kalziumsalze bei Asthma und 
verwandten Zust&nden 375 

Kampfer in der Gynfikologie 173 

KampferOl (10%) bei Tuber- 
kulose 163 

Katgut, Sterilisation durch 
trockene Hitze 519 


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Hydropyrin Grifa und seine 
Wirkung auf die Nieren 62 

Hypophysenextrakt als Wehen- 
mittel 352 

Hysterische Amaurose, zwei 
Fftlle 150 


Ischias, Selbstbehandlung der 
58 


Jodozitin 414 

Jodtinkturdesinfektion, Notver- 
_ band f(lr 43 

Jodtinkturinjektion bei gonor- 
- rhoischer Gelenkentzhndung 
54 

Jotbion bei tuberkuldsen Ge- 
lenkentzhndungen 28 


Eochsalzinfusion in der Derma- 
tologie 458 

Kohlen8&ure8chnee, therapeu- 
tische Verwendung 81 

Kollargolbehandlung des Trip- 
perrheumatismus und anderer 
akuter Folgezustande der 
Gonorrhoe 435 

Kontusionspneumonie 18 

KopfstQtze 32 

Koprostase u. Bronchialasthma 
100 

— -Appendicitis 180 


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XI 


L. 

Lahraung s. Paralyse 

Lakenspannung im Kranken- 
bett 86 

Lakton der a-Glykoheptonsfiure 

bei Diabetes 147 

* 

Leukrol in der gynfikologischen 
Praxis 283 

Linkshftnder, Ermittelung von 
506 

Lipomatose, akute schmerzhafte 
symmetrische 70 

Luminal als Schlafmittel 417, 

419, 422, 425 

«R. 

Magistralformeln, Berliner 87 

Magnesiumsuperoxyd bei Dia¬ 
betes 147 

Maretin, Warnung vor 16 

Masernrheumatoid im Saug- 
lingsalter 477 

Mastisolverband in der Wund- 
behandlung 135 

— bei Verbrennungen 880 

Mastitis, Behandlung mit Bier- 
scher Saugglocke 346 

Melubrin 483, 486, 488, 537 


Lungenblutung, zur Erkennung 
der 12 

„Lungenheil“, neuer Respirator 
174 

Lungensaugmaske von Kuhn 
127 

Lungentuberkulose, Beurteilung 
der Erwerbsf&higkeit bei 545 

Lupus vulgaris, Behandlung 105 

— — im Gaumen, behandelt 
mitWasserstoffsuperoxyd 106 

Luxation der Halswirbels&ule 
474 

Meningitis tuberculosa, Heil- 
barkeit 447 

Menthol bei Lungentuberkulose 
29 

Merjodin bei Syphilis 497 

Metaferrin 42 

Metallkatheter, elastische 79 

Milzbrand, Behandlung des 
ausseren 465 

Morphium, Toleranz des Sfiug- 
lings gegen 198 

Mullzellstoff 37 


Nachwehen, Behandlung 213 

Nadelhalter, neuer 124 ' 

Naphthalinvergiftung, Fall 194 

Narkose, neuerHandgriff zur 327 

Nase und Gelenkrheumatismus 
399 


Nasenltifter 413 

Natrium, phenyldimethylpyra- 
zolonamidomethansulfonsaur. 
s. Melubrin 

Neb ennierenprfiparate, wirksa- 
mes Prinzip in Verbindung 
mit Lokalan&stheticis 130 


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XII 


Neosalvarsan, Erfahrungen mit 
495, 496 

Neuralgien, Behandlung 478 

Neuritis multiplex cutanea 155' 

— optica retrobulbaris senilis 
464 

Neutral on bei Hyperazid it&ts- 
zustSnden des Magens 109 

Nierentuberkulose, zur Frflh- 
diagnose 448 

o 

Oberarmbruch im Sauglings- 
alter, Behandlung 149 

Obstipatio, Aperitol bei 260 

— Chocolin bei 260, 295, 296 

—, Rheopurgin bei 297 

Oculomotoriusl&hmung, einsei- 
tige komplette, nach Trauma 
203 

Oedeme, langdauernde Drainage 
394 

Oleokranonfraktur, kombiniert 
mit typischer Radiusfraktur 
237 


Panaritien, Entstehung 455 

Pantoffel zur Erleichterung des 
Treppensteigens 269 

Paralysen,Vermeidungnach der 
Esmarchschen Blutleere 482 

—, postdiphtherische 483 

Parotitis epidemica, abdomi- 
nelle, auf Pankreatitis hin- 
weisende Symptome bei 443 


Notschienen, Transport- 54 

Notverband fOr Jodtinkturdes- 
infektion 43 

Noviform bei Blepharitis 427 

Novojodin, Erfahrungen mit 
42 

— bei chirurgischer Tuberku- 
lose 69 

— bei der Wundbehandlung 92 


Qleum cinereum, Lungen- 
schmerzen nach Injektionen 
115 

Onotoxin s. Gonojodin. 

Ophthalmoblennorrhoea neona¬ 
torum, Prophylaxe und The- 
rapie 342 

Orthonal 131 

Osteomalazie und Dementia 
praecox 442 

Ovarialsubstanz, klinische Ver- 
suche mit 33 

Oxyuriasis, Behandlung 441 

Oxyuris vermicularis 251 


Pediculosis, charakteristische 
Hauterkrankung bei 531 

Pemphigus syphiliticus adulto- 
rum 219 

Pergenol, Erfahrungen mit 
554 

Pertussis, Adalin bei 321 

Perubalsam in der Wundbehand- 
lung 132 


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XIII 


Phlegmonen der oberen Extre¬ 
mist , Behandlung mittels 
Zirkumzision 531 

Pituglandol 490 

Pituitrin, Wehenverst&rkung 
und Wehenerregung durch 
22, 114, 210, 211 

— in der geburtshilf lichen Pra¬ 
xis 25, 212, 262, 490 

— als gynakologisches Stypti- 
cum 10 

— bei Abort 305 

— oder Sekakornin unter der 
Geburt? 349 

Pleuritis, Diagnose der Kinder- 
158 

Podagra, Arthrektomie bei 4 


Radialislahmung nach Hand- 
verletzung als Unfallsfolge 
199 

Radiusfrakturen, Behandlung 
typischer 53 

Rektalern&hrung, zur Praxis 
der 34 

Retroflexio uteri und Unfall 87 

Rheopurgin 297 

Rheumatische Erkrankungen, 
Erhaltung der Erwerbsfahig- 
keit bei Behandlung von 399 

— —, neue Behandlungsme- 
thode schwerer 400 

Rheumatismen, Melubrin bei 
483, 486, 488, 537 


Postoperative Gefahren, Ver- 
fninderung 223 

Prostatahypertrophie behandelt 
mit Prostatadehnung 298 

Prothaemin 371 

Pruritus, Mittel gegen 79 

—r ani, Behandlung mit Ront- 
genstrahlen 444 

Puerperalfieber, Argatoxyl bei 
446 

Pupillarreaktion, zur Prtifung 
der 365 

Purpura haemorrhagica nach 
Fibrolysininjektionen 9 

Pyelitis, Deflorations- 551 

Pyramidonbehandlung des Ty¬ 
phus 453 


Rheumatismen, Atophan bei 
536 

—, Azetylkresotinsfiure bei 
534 . 

Rhinitis chronica atrophicans 
foetida, Jodival bei 408 

— s. a. Schnupfen 

Riba und Ribamalz 456 

Ristin bei Scabies 110, 208 

ROntgenbehandlung bei Sarko- 
men 311, 500 

— bei Pruritus ani 444 

Rflckenmarksblutung, spontane 
467 

Rfiekflussgl&ser 222 


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XIV 


Sfiurevergiftung, kasuistischer 
Beitrag 890 

Salizylprfiparate, Nierenreizung 
durch diese und Alkalizufuhr 
zur Aufhebung 61 

Salpingitis, ein Symptom fQr 
463 

Salvarsan bei Syphilis 306 

—, schwerer Zufall nach 27 

— bei Schwangeren und WOch- 
nerinnen 68 

—, Nebenwirkungen bei intra- 
ven&sen Injektionen, be- 
dingt durch KochsalzlOsun- 
gen 114 

—, Indikation und Wirkung 
kleinster Dosen 217 

—, Verhalten des Zuckers im 
Urin bei Behandlung mit 
267 

—, Rektalmethode der An- 
wendung 267 

— bei Typhus recurrens 451, 
452 

Salvarsanreaktionan denZ&hnen 

496 

Santonin, Einfluss auf die 
Zuckerausscheidung bei 18 

Santyl Knoll 57 

Sarkome, Rdntgenbehandlung 
311, 500 

Scabies, zur Diagnose 109 

—, Kleiderdesinfektion bei 109 

—, Ristin bei 110, 208 

Scharlachstomatitis, Behand¬ 
lung 174 


Schmerzstillung bei der Geburt 
21 

Schnarchen, Verhfltung 123 

Schnupfen, ein Mittel gegen402 

—, Therapie 403 

Schnupftabak, Bleivergiftung 
durch 391 

Schultergelenksluxationen, 
neues Verfahren der Repo¬ 
sition frischer 49 

Schutzpocken-Virus als schmerz- 
linderndes Mittel 270 

Schwangerschaft und Herzfehler 
290 

Schwangerschaftsstreifen und 
ihre VerhCitung 855 

S chwangerschaftstoxikose, 
behandelt mit normalem 
Schwangerschaftsserum 112 

— geheilt mit Pferdeserum 305 

Secacornin bei puerperalen Blu- 
tungen 10 

— oder Pituitrin unter der 
Geburt? 349 

Seebftder, Konjbination von 
Luft- und Sonnenb&dern mit 
318 

Seekrankheit, Veronalnatrium 
bei 266 

—, lokale Anaesthetica bei 266 

—, Bromural bei 540 

Sepsis, Silberatoxyl bei 446 

Silberatoxyl bei Sepsis 446 

Simulation einer Alburainurie 
153 


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XV 


Skopomorphinismus, Fall 527 

Sondenern&hrung u. S&ttigungs- 
geftthl 175 

— durch mehr als zehn Jahre 
173 

Sotopan bei Lungenkrankheiten 
410 

Speiserbhrenkrebs, primfirer, 
latent verlaufender 359 

Sprechen bei Operationen, Ge- 
fahren der Wundinfektion 
durch 374 

Stauung, Bier’sche 73, 121 

Steisslage, Geburtszange fiir 21 

Stirnkopfschmerz, Htihenschie- 
len und 35 

Sublaminseife 93 

Sudian bei Skrofulose und Tu- 
berkulose 28 


Tabes, Syphilis&thiologie der 
Frauen- 118 

—, Jod- und Arsentherapie bei 
357 

— im sp&teren Alter auf der 
Basis heredit&rer Lues 358 

—, Behandlung der Schmerzen 
bei 541 

Tanargentan als Darmdesinfi- 
ziens und -adstringens 450 

— als Antidiarrhoicum 544 

Tees, Bereitung medizinischer 
411 

Tetanus, Behandlung mit sub- 
kutanen Karbolinjektionen 
404 


Sulfoformdl bei Alopecie 91 

Suspensorium mammae 168 

Syphilis, Bedeutungder Wasser- 
mannschen Reaktion fGr die 
Therapie der 26 

—, Fall von Ill-syphilitischer 
Autoinokulation durchKon- 
takt 64 

—, Gelenkerkrankungen bei er- 
worbener 495 

—-, erosine Papeln, 24 Jahre 
nach der Infektion 498 

—, Salvarsan bei 267, 306 

—, Neosalvarsan bei 495, 496 

—, Jodival bei 268 

—, Merjodin bei 497 

Syrgol in der Augenheilkunde 
55, 428 


Tetanus, neues Heilverfahren 
405 

Tyrochromtabletten bei Krebsen 
’des Verdauungstraktus 500 

Tinct. Jodi, Arzneiexanthem 
durch 522 

Tiodine bei Arteriosklerose des 
Nervensystems 44 

— in der Urologie 4.60 

Tuberkulin, stomachale An- 
wendung 163 

Tuberkulose, Prophylaxe 31 

—, Novojodin bei chirurgischer 

69 


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XVI 


Tuberkulose, 10°/oigesKampfer- 
51 bei 168 

—, tierische, und menschliche 
Lnngenschwindsucht 164 

—, Beziehungen zwischen 

menschlicher und tierischer 
448 

—, Behandlung der chirurgi- 
schen 408 

—, Guajakol - Arsentherapie 
409 

—, Sotopan bei 410 


u. 

Ulcus cruris, zur Behandlung 
119 

— venereum, zur lokalen The- 
rapie des 26 

Unguenta abhaesiva 232 

Ureabromin bei Epilepsie 104 


Tumoren von der Blutbahn aus 
therapeutisch zu beeinflussen 
362 

—, drei Fehldiagnosen auf 
maligne 502, 548 

Typhus, Pyramidonbehandlung 
453 

— recurr4ns,Salvarsan bei 451, v 
452 

Typhusbazillentrfiger, Behand¬ 
lung der 452 


Uteruselevator 207 

Uteruskarzinom, Behandlung 
mit Azeton 71 

Uzara, ein neues Antidiarrhoi- 
cum 107 


Valid 37 
Vaiylperlen 3 

Varizen des Unterschenkels, 
mechanische Behandlung 119 

Vasotonin, zur Wirkung des 39 

Venenkompressor 509 

Venenpunktion, Methodik 80 

Venenpunktionsinstrument 87 

Veronalnatrium bei Seekrank- 
heit 266 


Veronazetin 323 

Verrucae, spontanesVerschwin- 
den 72 

Vitia cordis und Schwanger- 
schaft 290 

Vulvakarzinom, zwei geheilte 
Falle 219 

Vulvovaginitis gonorrhoica klei- 
ner Madchen, Arthigon bei 
250 


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XVH 


Wasser, Bakteriengehalt des in 
Apotheken erhaltlichen destil- 
lierten 508 

Wassermannsche Reaktion, Be* 
deutung fiir die Therapie der 
Syphilis 26 


Yohimbin, bisher unbeachtete 
Verwendung von 84 


Zementpaste 86 

Zervikalkatarrhe, Erscheinungs- 
form 523 

Zucker im Urin, Yerhalten bei 
Salvarsanbehandlung 267 


yfr asserstoffsuperoxyd in Salben- 
form 38 

W asserstoffsuperoxydlosungen, 
Yerordnung von 514, 518 

Wundklammer-Zange 366 


Yohimbin bei prostatischen Be- 
schwerden 300 


Zuckemahrung bei Herzkrank- 
heiten 289 

Zuckerprobe, Fehlerquelle bei 
der Nylanderschen und Trom- 
merschen 328, 329 


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Biicherschau. 


Barth, E., Einffihrung in die . 
Physiologie, Pathologie und 
Hygiene der menschlichen 
Stimme 272 

Benario, Neurorezidive nach 
Salvarsan- und Quecksilber- 
behandlung 368 

Berwald, Kompendium der 
Kinderheilkunde 40 

“Bielschowsky, A., Repetito- 
rium der Augenheilkunde 511 

B o as, J., Diagnostik und Thera- 
pie der Magenkraakheiten 6 

le Boucher u. Gieb y Bul- 
lon, Spanisch f. Mediziner 39 

Casper, Handbuch der Cysto- 
skopie 368 

Ehrlich, P., Abhandlungen 
fiber Salvarsan 416 

Eisner, H., Die Gastroskopie 
224 

Ernst, 0., Die Liebe hfiret 
nimmer auf 320 

Ewers, H. H., Alraune 415 

Grawitz, E., Pathologie des 
Blutes 40 

— Methodik der Blutunter- 
suchungen 40 

Grfinwald, L., Krankheiten 
der Mundhfihle, des Rachens 
und der Nase 319 


Lehmann-Neumann, Bakte- 
riologie 319 

Lungwitz, H., Ftihrer der 
Menschheit 224 

Medizinalkalender 88, 176 

Mfiller u. Prausnitz, Grund- 
zfige der Hygiene 319 

Mfiller-Guttenbrunn, A., 
Arrr\e Komfidianten 511 

de Nora, A., Meine K&fer- 
sammlung 88 

— , Hoohsommer 511 

Preiswerk, Lehrbuch und 
Atlas der Zahn&rzt lichen 
Technik 128 

Rosegger, Die beiden HSnse 
320 

Schmidt, Friedheim, Lam- 
hofer,Donat, Diagnostisch- 
. therapeutisches Vademecum 
39 

Spielhagen,Erinnerungen aus 
meinem Leben 320 

Sudhoff, K., Klassiker der 
Medizin 128 

Weyl, Handbuch der Hygiene 

368 

v. Ziemssen, Rezepttaschen- 
bvich 368 


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Mamenverzeichnis. 


A. 

Albu (Berlin) 175 
Althoff (Attendorn) 518 
Aronsohn, 0. (Berlin) 79 
Ass my, H. (Berlin) 64 


B. 

Bab, H. (Wien) 10 
Baccelli, G. (Rom) 404 
Bachem, C. (Bonn) *414 
Baedeker, J. (Berlin) 297 
Baer, M. (Frankfurt a. M.) 323 
Bagger-Jorgensen (Lund) 114 
Bagrow, S. L. (Moskau) 267 
Balint, R. (Budapest) 145 
Barfurth, W. (Rostock) 355 
Barth, C. (Kislowodsk) 206 
Becker (Salzschlirf) 467 
Beeck (Buenos Aires) 13 
Beer, C. (Ntirnberg) 266 
Behring, Fr. (Kiel) 495 
Bendig, P. (Stuttgart) 267 
Bendix, A. (Berlin) 536 
Bennecke (Jena) 371 
Berg (Dortmund) 193 
Berger, F. (KOln) 436 
Bernheim (Breslau) 496 
Betz, H. (Heilbronn) 318 
Beyerhaus, G. (Grafenberg))621 


Bickenbach, A. (Bonn) 214 
v. Biehler, W. (Warschau) 346 
Bing, R. (Basel) 429, 478 
Blumm, R. (Bayreuth) 21 
Boas, J. (Berlin) 382 
BOrner (Leer) 135 
Bogner, F. (Mhnchen) 553 
Bohac, C. (Prag) 42 
Bondy, 0. (Breslau) 25 
Braendle, E. (Breslau) 87, 343 
Braitmaier (Kiel) 292, 456 
Brann, 0. (Steglitz) 3. 
Brexendorf, C. (Hamburg) 46 
Brik, J. H. (Wien) 460 
Brfining, A. (Giessen) 506 
y. Budberg, R. (Charbin) 173 

c. 

Camphausen (Neudorf) 410 
Chalupecky (Prag) 16 
Chlumsky, V. (Krakau) 400 
Chrzellitzer (Posen) 414 
Citron, H. (Berlin) 266 
Citron, J. (Berlin) 26 
v. Czyhlarz, E. (Wien) 18, 105 


Dannehl (Frankfurt a. M.) 58 
Deutsch, F. (Mdnchen) 230 
Devaux (Frankfurt a. M.) 69 


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XX 


Diruf, E. (Kissingen) 3 
Doutrelepont (Bonn) 105 
Drachter (Mfinchen) 69 
Dransfeld, E. (Hannover) 482 
Drenkhahn (Detmold) 439 
Dreuw (Berlin) 36, 232 


E. 

Ebstein, W. (Gfittingen) 47,100 
Ehringhaus, O. (Berlin) 238 
Eisenberg, H. (Berlin) 446 
Engel, H. (Heluan) 314 
Erdfis, A. (Nagyvarad) 497 
Escb, P. (Marburg) 103, 130 
Ewald, C. A. (Berlin) 295 


F. 

Fabian, R. (Berlin) 502, 548 
Fackenheim (Eisenach) 16 
Falkenstein (Gr.-Lichterfelde) 4 
Feibelmann, M. (Mfinchen) 477 
Fellerer (Freising) 455 
Fenger, F. (Norden) 463 
Finkelstein, H. (Berlin) 369 
Fischer, Ph. (Nttrnberg) 514 
Fischer, Ph. (Uchtspringe) 104 
Foerster, R. (Berlin) 64 
Fr&nkel, A. (Berlin) 62, 281 
Franck (Hamburg) 527 
Franke, F. (Braunschweig) 4 
Freund, R., Berlin) 305 
Friedemann, M. (Langendreer) 
53 

Friediger, A. (Mfinchen) 527 
v. Friedl&nder, F. R. (Wien) 92 
Friedmann, K. (Posen) 9 
Fries, H. (Greifswald) 211 
Fritsch, G. (Berlin) 84 
Fritsch (Bonn) 87 
Frfihlich, T. (Wien) 529 
Fromm, W. (Zillerthal) 197 


6 . 

Galewski (Dresden) 114 
Gaupp, O. (Dresden) 278 
Geissler, W. (Wien) 422 
Gellhom, G. (St. Louis) 71 
Gennerich 435 

Gerson, K. (Schlachtensee) 168 
Gildemeister (Oelde) 390 
Glaesgen jun, (Mfinster a. St.) 
61 

Glombitza, E. (Berlin) 274 
Gocht, H. (Halle) 398 
Gfippert, F. 149 
Gfirges (Berlin) 261 
Gfischel (Heilbronn) 91 
Goldstein, O. (Berlin) 223 
v. Golz (Berlin) 547 
Gontermann (Spandau) 327 
Grabley, P. (Berlin) 318 
Grfi,f, E. (Frankenhausen) 465 
Graeffner (Berlin) 419 
Gudden, H. (Mfinchen) 275, 
457 

Gfirber, A. (Marburg) 107 


H. 

Hamburger, F, 158 
Hansen (Hadersleben) 455 
Harnack, E. (Halle) 87 
Hasse (Diedenhofen) 123 
Haun, H. (Gladenbach) 148 
Hauser (Karlsruhe) 28 
Hegner, C. A. (Jena) 55 
Heimann, E. A. (Charlotten- 
burg) 35 

Hememann, W. (Berlin) 162 
Hell, L. (Basel) 305, 349 
Helmbold (Danzig) 365 
v. Herff, O. (Basel) 349 
Hertzell, C. (Bremen) 5 
Herxheimer, K. (Frankfurt a.M.) 
234 

Herz, M. (Wien) 33 


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XXI 


Hesse, E. (DOsseldorf) 411 
Heubner, W. (Gottingen) 17 
Heydner, F. (Obernzenn) 17 
Higier, H. (Warschau) 464 
Hilbert, R. (Sensburg) 6 
Hildebrand, O. (Berlin) 54 
Hifose, M. (Tokio) 147 
Hirsch, I. (Berlin) 446 
Hirsch, C. (Gottingen) 448 
Hirsch, E. (Strassburg) 490 
Hirschberg (Berlin) 399 
His, W. (Berlin) 394 
Hochheim (Halle) 260 
Hochstetter (Stuttgart) 447 
Hodara, M. (Konstantinopel) 
522 

HOrder, A. (Charlottenburg) 342 
v. Hoesslin, R. (MOnchen) 221, 
358, 426 

Hoffmann, E. F. (Dtisseldorf) 
115 

Hoffmann, R. (MOnchen) 455 
Hoffmann, L. (Stettin) 199 
Hoppe, E. (Berlin) 537 
, Hoppe, F. (Berlin) 544 
Hoppe J. (JJchtspringe) 104 
Hoppe-Seyler (Kiel) 252 
Huber, O. (SchOneberg) 1 
v. Hueber, E. (Salzburg) 195 
HObner (Stettin) 326 


I. 

Igel (Berlin) 153 
Ilse, P. (Issum) 193 


J. 

Jaeger, F. (Erlangen) 352 
Januskiewicz, L. (Wien) 42 
Jaquet, A. (Basel) 250 
Jenny, H. (Bern) 48 
Jodicke, P. (Stettin) 251 


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John, M. (MOlheim a, d. Ruhr) 
453 

Juliusburger, O. (Berlin) 196, 
419 


Kahane, M. (Wien) 169 
Kantorowicz E. (Berlin) 164 
Karo, W. (Berlin) 300 
Kayser, C. (Strassburg) 375 
Kelling. G. (Dresden) 500 
Kerl, J. (Graz) 37 
Keysser, F. (Berlin) 362 
KienbOck, R. (Wien) 500 
Klewe - Nebenius (Emmendin- 
gen) 442 

Klinkowstein, J. (Berlin) 34, 70 
Klotz 81 

Knoke (Kiel) 531 
Kobrak, E. (Berlin) 321 
KOnig, H. (Kiel) 90 
Konried, A. (Edlach) 38 
Korb, P. (Liegnitz) 871 
Korte (Danzig) 554 
Kossel,H. (Heidelberg) 164,448 
Kozlowski, B. 373 
Krabbel, M. (Bonn) 486 
Kraemer, F. (Frankfurt a. M.) 
96, 298 

Kras (Sao Polo do Montenegro) 
405 

Kretschmer (Berlin) 198 
Ktihl, W. (Altona) 463 
Kuzel, J. (Belgrad) 390 

L. 

Langes, E. (Kiel) 68 
Lauenstein, C. (Hamburg) 482 
Legal (Breslau) 545 
Leistikow, L. (Hamburg) 55 
de Leon (Amsterdam) 374 
Levy-Dorn, M. (Berlin) 311. 
Lewandowski (Berlin) 296 
Lieben, S. (Prag) 390 


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XXII 


y. Liebermann, L. (Budapest) 
427 

Liermann, W. (Dessau) 93 
Lindenmayr, J. (Pressburg) 403 
Linnartz (Oberhausen) 124 
Loeb, H. (Mannheim) 308 
Loening (Halle) 483 
Lb we, S. (Leipzig) 425 
Loewenberg, R. (Berlin) 222 
Loewenheim (Berlin) 3 
Lots, F. (Friedrichsroda) 505 
Loth, W. (Thorn) 26 


Machenauer (Darmstadt) 219 
Maier, G. (Freiburg) 180 
Malaniuk (Stanislau) 132 
Mandelbaum, M. 450 
Mann, C. (Dresden) 27 
Mann (MQnchen) 12 
Marchand, F. (Heidelberg) 390 
v. Marenholtz (Nilmberg) 150 
Mayer, A. (Ttibingen) 112 
Mehlhom, W. (Berlin) 57 
Mendel K. (Berlin) 118 
Meyer, L. (Berlin) 237 
Michalski, J. (Wetzikon) 73, 
121 

Miller, J. W. 79 
Mbllers (Berlin) 162 
Mbrchen (Ahrweiler) 316 
Mosberg, B. (Bielefeld) 28 
Moses, B. (Berlin) 131 
Moszeik, O. (Weimar) 31 
Mailer, P. Th. (Graz) 508 


Nerking, J. (DQsseldorf) 99 
Neuberger, J. (Nttrnberg) 110 
Neugebauer, O. (Wien) 380 
Neurath, R. 443 


Nielsen, L. (Eopenhagen) 498 
Nonne (Hamburg) 528 
v. Noorden, C. (Wien) 381 
Ndrnberger, L. (Erlangen) 409 

o. 

Offergeld, H. (Frankfurt a. M.) 
33 

Oppenheim, M. (Wien) 521 
Orth (Grfifenberg) 8 


P. 

Partenheimer (Ebln) 203 
Patschke, F. (Ednigsberg) 45 
Paul, E. (Olmtltz) 244 
Payr, E. (Ednigsberg) 43 
Pels-Leusden (Greifiswald) 240 
Perman, E. S. (Stockholm) 178 
Peters, M. (Berlin) 37 
Philip, C. (Hamburg) 109 
Philippson, A. (Hamburg) 257 
Pick (Charlottenburg) 30, 413 
Pinkus, F. (Berlin) 432 
Piorkowski (Berlin) 93 
Plehn (Berlin) 231 
Podzahradsky, O. (Wien) 213 
Pohl (Berlin) 226 
Pohlmann (Frankfurt a.M.) 268 
Polak, O. (Bbhmisch-Brod) 105 
Pringsheim, J. (Breslau) 147 
Prochownik (Posen) 194 
Pulvermacher, D. (Charlotten¬ 
burg) 10 


R. 

v. Rad (Nlirnberg) 276 
Raschkow, H. (Berlin) 273 
Rautenberg, E. (Berlin) 534 
Rave, W. (Berlin) 444 
Reichert, L. (Berlin) 207 


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xxni 


Richter, P. F. (Berlin) 183 
Reinsch (Breslau) 540 
Reinsch (Dtisseldorf) 403 
Remesow, Th. N. (Moskau) 451 
Riedel R. (Charlottenburg) 488 
Ritschl, A. (Freiburg i. B.) 98 
Rommel (Berlin) 474 
Rose, C. (Strassburg) 166 
Rosenberg A. (Berlin) 109 
Rosenthal, Th. (Breslau) 290 
Rosin, H. (Berlin) 376 
Ross, A. (Cranenburg) 63 
Rusca, F. (Bern) 126 
Rygier, St. (Breslau) 250 

s. 

Sachs, E. (Konigsberg) 80 
Salomon, O. (Koblenz) 531 
Schafer, P. (Berlin) 490 
Schattenstein, J. (Wilna) 39 
Schaumann, J. (Stockholm) 106 
Schepelmann, E. (Halle) 325 
Scheuer, O. (Wien) 219 
Schiffmann, J. (Wien) 210 
Schill (Dresden) 123 
Schilling, W. (Bayreuth) 469 
Schindler, C. (Berlin) 438 
Schlechtendahl, E. (Barmen) 101 
Schlesinger, J. (Berlin) 109 
Schlesinger, H. (Wien) 155 
Schmelz, J. (Wien) 357 
Schneider, W. (KOnigsberg) 91 
Schtttz, F. 143 
Schultz, J. H. (Breslau) 244 
Schulz, N. (Jena) 329 
Schurig (Berlin) 269 
Schwenk, A. 341 
Seebens, P. 127 
Seifert (Wtirzburg) 142 
Seiler, F. (Bern) 41 
Selig, A. (Franzensbad) 289 
Senator, M. (Berlin) 399 
Sick, P. (Leipzig) 70 
Silberstein, L. (Berlin) 554 


Simon, J. (Heidelberg) 458 
Singer, K. (Berlin) 540 
van d. Sluys (Oudshoorn) 408 
Solger, F. B. (Rostock) 79 
Solmsen (Danzig) 171 
Sonnenburg, E. (Berlin) 471 
Sprengel (Braunschweig) 177 
Stadler, E. (Glarus) 391 
Stepp (Ntlmberg) 29 
Stern, R. (Breslau) 22 
Stern, H. (New York) 270 
Stettiner, H. (Berlin) 441 
Stolpe (Hamburg) 374 
Strassmann, P. (Berlin) 21 
Strauss, H. (Berlin) 14, 388 
Strauss, E. (Frankfurt a. M.) 
328 

Strauss, M. (Nflrnberg) 359 
StrOll (Mflnchen) 477 
Sttihmer, A. (Magdeburg) 495 
Sylla, B. (Bremen) 38 

T. 

Thomae, C. (Giessen) 13 
v. Tippelskirch (Altona) 62 
Tobias, E. (Beilin) 118 
TOrOk, L. (Budapest) 85 
Tollens, C. (Kiel) 208 
Tomaschny (Treptow) 173 
Trautmann, G. (MQnchen) 225 
Treibmann, E. (Leipzig) 509 

V. 

Vogt, E. (Dresden) 212 
Voigts (Berlin) 262 
Volland (Davos) 163, 402, 493 
Vorschulze (Leipzig) 104 

w. 

Waelsch, L. (Prag) 72, 217 
Wagner, A. (Stettin) 49 
Walterhofer, G. (Berlin) 13 
v. Wassermann, A. (Berlin) 362 


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XXIV 


Wassermann, M. (Berlin) 280, 
362 

Wedehake, K. J. (DQsseldorf) 
519 

Wehner (Berlin) 231 
Weile X. (Elster) 454 
Weinmann, S. (Mainz) 301, 353 
Wenzel, E. (Berlin) 130 
Wetzel, A. (Heidelberg) 417 
Wichura, M. (Heilbronn) 198 
Wilcke (Genthin) 119 
Wille, O. (Braunschweig) 286 
Windbolz, H. (Bern) 551 
Wockenfuss (Berlin) 129 


Wolf (Gernsheim) 390 
Wolf, W. (Leipzig) 397 
Wolff, F. (Berlin, 346 
Wolffberg (Breslau) 428 
Wolfram (Erfurt) 119 


z. 

v 

y. Zeissl, M. (Wien) 306 
Zimmern, F. (Frankfurt a. M.) 
496 

Zoeppritz, B. (Gottingen) 528 
Zuelzer, G. (Berlin) 182 


4 


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