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Fernschau
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Jahrbueh
der
I Mittelschweizerischen Geographisch - Commerciellen Gesellschaft
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1 .
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Aarau.
Dritter Band.
Mit circa 50 Abbildungen und einer Lichtdrucktafel.
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Aarau
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Druck und Verlag von H. R. Sauerländer»
1889.
Inhaltsverzeichniss.
Vorbericht.
Seite
1. Bericht des neuen Vorstandes VII — XI
2. Jahresrechnung XII
3. Statuten XIII— XIV
4. Mitgliederverzeichniß XIV — XXXII
5. Ortsalphabetisches Verzeichniß der mit ans schriftaastanschenden
Gesellschaften XXXII— XXXV
6. Donatoren verzeichniß XXXV — XL
7. Der IV. Geographentag des Verbandes der schweizerischen
geographischen Gesellschaften vom 19. — 21. August 1888
in Aaran XL — LV
8. Protokoll der VII. Generalversammlung des Verbandes der
schweizerischen geographischen Gesellschaften vom 19* bis
21. August 1888 in Aaran LVI— LX
9. Der Afrikaforscher Oskar Lenz (siehe Titelbild) . . LXI — LXIV
Abhandlungen.
I. Landschaftsbilder aus Kentucky. Farmerbriefe eines deutsch-
amerikanischen Obstzüchters. Von Tr. Hagenbuch aus Aarau.
Erster Farmerbrief. Einleitung 1 — 10
Zweiter Farmerbrief. Blütenzauber und Früchteglanz . 11 — 17
Dritter Farmerbrief. Fruchtsorten ..... 18 — 30
Vierter Fannerbrief. Virtuosität in der Früchteverpackung 30 — 38
IL Eine Ausschan nach den Silberminen von Arizona. Von
Tr. Hagenbuch aus Aaran.
Durch Arkansas und Texas ....... 39 — 45
In der Desert Arizona's 45 — 50
Pinal und Süver King 50—52
Zur Tempershift 52—54
In der Silbermine 54 — 58
Aus dem Leben und Treiben der Miner .... 58—62
Heimkehr 62—70
III. Im Lande der Maori. Von Dr. Rudolf Häusler von Brugg 71—90
VI
Seite
IV. Vom Congo zum Zambesi. Bericht über die österreichische
Congo-ExpeditioD in den Jahren 1885—1887. Von Prof. Dr.
Oskar Lenz in Prag 91—121
V. Die Einverleibung der Ashanti-Provinz Okwawu in die englische
Colonie. Von Herrn Missionär Ramseyer .... 122 — 130
VI. Ueber die gegenwärtigen ökonomischen und commerciellen Ver-
hältnisse Aegyptens, in besonderem Hinblick auf den Sudan.
Von Kaufmann Andreas Bircher in Cairo aus Aarau . 131 — 141)
VII. Die Campagna Komana oder der Agro Romano. Von Herrn
Ingenieur Conradin Zschokke aus Aarau .... 150 — 190
z^III. Aegyptische Bauern topf er eien der Gegenwart im Ethnologischen
//' Gewerbemuseum in Aarau. Von Conservator Karl Bührer 191 — 201
IX. Ueber den nordpontischen Flußnamen Pantikapcs und andere
mit pant oder panti beginnende Eigennamen. Von Dr. Her-
mann Brunnhofer 202 — 203
X. Reflexe von Namen der Familie Zarathustras im (,'atapatha-
Brähmana. Von Herrn. Br 204—206
XI. Ein altindisches Gebet um Wohlgeruch des Mundes. Von Dr.
H. Brunnhofer 207—208
XII. Ein altindischer Haarwuchsbeförderungszauber. Von Dr. Hrm.
Brunnhofer 209—210
X11I. Die geographische Namensherkunft des Hexenmeisters Pineiss
in Gottfried Kellers Seldwylermärchen : Spiegel, das Kätzchen.
Von Dr. Hrm. Br 211
Miscellen.
I. Mitheilungen aus der Praxis. Von Conservator Karl Bührer 212 — 214
II. Aelteste Erwähnung menschensprachekundiger Papageien im
Veda. Von Dr. H. Brunnhofer 214
III. Die ältesten Spuren primitivster Botanik und Zoologie in Indien.
Von Dr. H. Br 214
IV. Altindische Volks Verachtung. Von Dr. H. Br. ... 214
V. Geburtsftätte des Dichters. Von Dr. H. Br 215
VI. Sündenlosigkeit der Creatur. Von Dr. H. Br. ... 215
VII. Ueber den Ursprung der Sprache nach altindischer Auffassung.
Von Dr. H. Br 215
Recensionen.
Von Dr. H. Brunnhofer.
Das Verzeichnis der Sprachen und Schriften der Uebersetzungstkätig-
keit der Britischen Bibelgesellschaft 216 — 217
Spezialwunschliste 218—224
Inseratenanhang 1—54
c.-'c \.4?w v--..->
1. Berieht des neuen Vorstandes.
ei Bestellung des neuen Vorstandes war der Druck des
Jahrbuches bereits vollendet.
Der neue Vorstand beschränkt sich auf nachfolgende
Berichterstattung.
Kurz nach dem IV. Schweizerischen Geographentag
in Aarau wurde unsere Gesellschaft von Ereignissen betroffen,
welche einerseits in der bisherigen Organisation der Gesell-
schaftsleitung gewisse Mängel aufdeckten, anderseits berech-
tigte Zweifel in die Zuverlässigkeit einer in dem II. Bande der
Fernschau erschienenen Publikation des Herrn Dr. E. Hassler
aus Aarau, betitelt: „Centralsüdamerikanische Forschungen",
aufkommen Hessen.
Der bisherige Vereinspräsident, Herr Dr. Hermann Brunn-
hof er, trat plötzlich von der Gesellschaft zurück aus Gründen,
die in keiner Weise im Zusammenhange mit seiner Thätigkeit
als Präsident der Gesellschaft stehen. Der neue Vorstand er-
füllt eine Pflicht, wenn er hier dem aus der Gesellschaft aus-
getretenen Gelehrten für dessen rastlose Hingabe an die Ge-
sellschaftszwecke die verdiente Anerkennung ausspricht.
Auch der bisherige Kassier, Herr E. Heusler, reichte
seine Entlassung ein, und so ruhte die ganze Last der Ge-
schäfte auf dem um die Entwicklung der Gesellschaft so hoch-
verdienten Sekretär, Herrn Kaufmann Karl Bührer.
Die Generalversammlung vom 6. Dezember 1888 bestellte
aus ihrer Mitte eine Kommission und gab derselben auf, über
den Stand der Gesellschaft und ihrer Verhältnisse Untersuchung
zu pflegen und Bericht zu erstatten. In diese Kommission
wurden gewählt die Herren Stadtammann Fürsprech E. Tanner,
Dambach, Adjunkt der Kreispostdirektion, Spühler, Redaktor
der „Aargauer Nachrichten", A. Trüeb, vom Hause Müller & Cie.,
Wehrli-Märk, Cassier der aarg. Bank. Auf erfolgte Ab-
VIII
lehnung des letztgenannten Herrn, der ans der Gesellschaft
ausgetreten, ergänzte sich die Kommission durch Herbeiziehung
des Herrn Dr. Stähelin-Herzog in Aarau.
Als Präsident wurde Herr Stadtammann Tanner, als
Schriftführer der unterzeichnete Berichterstatter ernannt.
In drei Sitzungen hat sich die Kommission vorab mit den
berichtsweisen Mittheilungen des bisherigen Sekretärs und
dessen Rechnungsstellung beschäftigt und erstattete am 19. März
ihren von Herrn Stadtammann Tanner verfassten Schlussbericht
an die Generalversammlung mit folgenden Anträgen:
1) Es sei sofort ein neuer Vorstand von 5 Mitgliedern
zu bestellen.
2) Dem neuen Vorstande seien insbesondere folgende
Massnahmen anzuempfehlen :
a. Geschäfts- und Sammlungsübernahme Seitens des
Herrn Karl Bührer unter genauer Protokollirung
der Vorgänge.
b. Umarbeitung der Jahresrechnung pro 1888.
c. Aufnahme von Verzeichnissen über die Samm-
lungen.
d. Aufstellung einer Bilanz und eines Schulden-
tilgungsplanes.
Diese Anträge wurden mit der in der Generalversammlung
beantragten Erweiterung des Vorstandes von 5 auf 7 Mitglieder
von ersterer genehmigt; zugleich wurde der Vorstand mit dem
Rechte der Selbstergänzung für den Fall von Wahlablehnungen
und dem Auftrage betraut, sich selbst eine den Gesellschafts-
interessen entsprechende Organisation zu geben.
Durch diese Schlussnahme der Generalversammlung wurde
der Artikel 6 der Gesellschaftssiatuten (Zahl des Vorstandes) als
abgeändert erklärt.
Als Präsident der Gesellschaft und des Vorstandes
wurde ernannt Herr Dr. Stähelin-Herzog in Aarau.
Als Mitglieder die Herren Karl Bührer, J. J. Spühler,
Trüeb, Wehrli-Märk, Professor Dr. Mühlberg, sämmtliche
in Aarau.
In der ersten constituirenden Sitzung vom 3. April wurde
die Organisation des Vorstandes getroffen.
Dieser glaubte, vorab dahin trachten zu sollen, dass die
ganze, so umfangreiche und stets sich mehrende Geschäftslast,
IX
die seit dem Bestände der Gesellschaft und namentlich in letzter
Zeit in so grossem Masse auf den Schultern des Herrn Se-
kretär Bührer ruhte, in zweckdienlicher Weise vertheilt
werde.
Die Zutheilung gewisser Arbeitspensa an die Vorstands-
mitglieder machte eine Gliederung des Vorstandes in einen
leitenden Ausschuss und in Subkommissionen wünschens-
werth und bedingte sofort die Herbeiziehung neuer Fach-
kräfte, bezw. die Erweiterung des Vorstandes von 7 auf 9
Mitglieder.
Das Bedürfniss einer möglichst raschen Erledigung lau-
fender Geschäfte erfordert einen Ausschuss von mindestens
drei Mitgliedern. Es lässt sich nicht verkennen, dass die Drei-
zahl des bisherigen Vorstandes eine rasche Beschlussfassung
und, wo nöthig, eine ebenso rasche Geschäftsabwicklung för-
derte, und dass die bisherige erfreuliche Entwicklung der Ge-
sellschaft der Initiative und der Thätigkeit dieses dreigliedrigen
Vorstandes zu verdanken ist. Aber aus dem oben angeführten
Grunde der Entlastung und besonders auch mit Rücksicht auf
eine möglichst sorgfältige Vorprüfung weitgehender Beschluss-
fassungen auf dem Gebiete des Finanzwesens der Gesellschaft,
der wissenschaftlichen Thätigkeit derselben und im Museums-
wesen erschien es nicht nur nothwendig, die Zahl der beraten-
den Mitglieder zu vermehren, sondern die Absicht ging viel-
mehr dahin, im Interesse einer vielseitigen Prüfung und sachge-
mässen Durchführung der Vereinsgeschäfte und Untersuchungen
den einzelnen Mitgliedern Spezialarbeitsgebiete zuzu-
weisen.
Für alle Amtshandlungen des leitenden Ausschusses und
der Subkommissionen bleibt selbstverständlich die Genehmigung
des Gesammtvorstandes vorbehalten, worüber ein Geschäfts-
reglement die nöthigen Bestimmungen aufnehmen wird.
Durch diese Gliederung glauben wir die Vortheile der
frühern Organisation beizubehalten, ohne deren Nachtheile
weiter zu führen.
Wir hoffen, die Generalversammlung werde die weiter-
gehende Selbstergänzung nach Würdigung der angeführten
Gründe genehmigen.
Für das laufemde Geschäftsjahr wird nun der Vorstand
bestellt wie folgt:
1. Leitender Ausschuss:
Präsident: Herr Dr. Stähelin-Herzog.
Vizepräsident: „ J. J. Spühler.
Sekretär: „ Karl Bührer.
Der Sekretär ist Correspondent, Protokollführer und zu-
gleich Conservator des Museums.
2. Finanzkommission:
Generalkassier: Herr A. Trüeb.
Mitglieder: „ E. Wirz.
Vacat*.
3. Museums- und Redaktionskommission:
Herr Professor Dr. F. Mühlberg, Präsident..
„ Professor A. Schumann, Redaktor.
„ Karl Bührer, Conservator.
„ J. J. Spühler, Aktuar.
„ Bezirkslehrer H. ChristofFel.
* Herr E. Näf ist inzwischen ausgetreten.
Der Museumskommission ist auch die Herausgabe der
„Völkerschau" unterstellt. Sie ist berechtigt, sich in ihrer
Thätigkeit durch Fachexperten unterstützen zu lassen.
Die Redaktionskommission besorgt die Herausgabe des
Jahrbuches (Fernschau) und allfallig weiterer wissenschaftlicher
Publikationen.
Durch einen im Amerikanisten Oongress vom 4. Oktober
von dem Forschungsreisenden Herrn Dr. C. v. d. Steinen ab-
gegebenen Bericht wurde unsere Gesellschaft auf Zweifel auf-
merksam gemacht, welche in den Kreisen der Fachwissenschaft
über . die persönliche Erforschung des Rio das Mortes, des
Araguay und Sao Lourenco durch Herrn Dr. Emil Hassler
IX
herrschen, welche Erforschung im II. Bande der „Fernschau"
beschrieben ist.
Die Untersuchungskommission war erst nach Schluss ihres
Berichtes in der Lage, in dieser, für die Gesellschaft uner-
freulichen Angelegenheit Aufklärung zu erhalten. Herr Dr.
Hassler, nach Europa zurückgekehrt, theilte dem Vorstande
diesbezüglich zuschriftlich Folgendes mit:
„Dass ich meine Reisebeschreibung für ein weiteres Publi-
kum geschrieben habe, und zwar nicht in der Absicht, durch
dieselbe irgend ein wissenschaftliches Dokument liefern zu
wollen. Ich habe während meines Aufenthaltes in Matto Grosso
sowohl, als auch von Paraguay aus eine Reihe kleinerer Reisen
ohne Militärbegleitung und auf meine eigenen Kosten gemacht,
die Erlebnisse derselben natürlich nach dem Vorbilde der „tour
de mondes "-Publikationen ausgeschmückt durch effektvolle Schil-
derungen in eine einzige Reise vereinigt. u
In Bezug auf die von Herrn Dr. E. Hassler von der Ge-
sellschaft um Fr. 5000 erworbene ethnologische Sammlung pro-
ponirte die Untersuchungskommission demselben den Rückkauf
zur gleichen Summe, worauf Herr Dr. Hassler bereitwilligst
einging. Der Rückkauf ist perfekt.
Der Berichterstatter:
J. J, SpUhler.
Der Vorstand hat vorstehenden Bericht genehmigt.
Die Subkommissionen desselben haben die Ausführung der
von der Generalversammlung ertheilten Aufträge übernommen,
worüber im nächsten Jahrbuche Bericht erstattet wird.
An die verehrlichen Mitglieder der Gesellschaft, die
Herren Korrespondenten, die Tit. unterstützenden Be-
hörden und Vereine spricht der Vorstand den Wunsch
aus, sein aufrichtiges Bestreben, das fernere Gedeihen der Ge-
sellschaft zu fördern, freundlich unterstützen zu wollen.
Aarau, 7. April 1889.
Der Präsident:
Dr. A. Stähelin-Herzog.
Der Sekretär:
Karl Biihrer.
XII
2. Mittelsehweizerisehe Geographiseh-
Commereielle Gesellschaft in Aarau.
Schlussrechnung über das Jahr 1888.
Einnahmen.
Fr.
Cts.
a) Beitrag des h. Bundes .....
2,000
—
b) Anleihen bei der Aarg. Bank
5,000
—
c) Mitgliederbeiträge ......
5,410
10
d) Beiträge von h. Behörden und Korporationen
1,760
—
e) Völkerschau .......
1 1,200
—
f) Inserate .......
1,907
—
g) Baargeschenke ......
1,527
90
18,805
i
.A usoaben.
a) Allgemeine Unkosten .
b) Mobiliar ........
c) Drucksachen, Jahrbuch und Völkerschau .
d) Bibliothek und Buchbinderkosten
e) Ankäufe für das Ethnologische Gewerbemuseum
f) Entschädigung an den Redaktor
g) Saldo . .
h) Photographisches Museum .
Fr.
5,676
421
3,697
729
7,370
400
2
506
18,805
Der Rechnungssteller :
Carl Bührer, Sekretär.
Geprüft und richtig befanden
Die Be chn u ngs kommis sion :
A. Triieb, Kaufmann.
£• Wirz, Buchhändler.
XIII
3. Statuten
der
Mittelschweizerischen Geographisch Commerciellen Gesellschaft
in Aarau.
1) Die Mittelschweizerische Geographisch - Commercielle
Gesellschaft in Aarau betrachtet als den Rayon ihrer Thätig-
keit die Kantone Aargau, Solothurn, Baselstadt, Baselland,
Luzern, Uri, Schwyz, Unterwaiden, Zug und Tessin.
2) Zweck der Gesellschaft ist: einerseits die Hebung des
wissenschaftlichen Studiums der Geographie, insbesondere an
den Mittelschulen; andererseits die Förderung des Gewerbes
und der Exportindustrie.
3) Die Gesellschaft legt eine geographische Fachbibliothek
an, welche sich zunächst aus dem Schriftenaustausch, sodann
aus den Büchergeschenken der Vereinsgönner aufbaut ; ferner
unterhält sie ein- Ethnologisches Gewerbemuseum in Aarau,
welches die Sammlung von Photographieen, von Rohstoffen und
Industrieprodukten, endlich aller das Leben der Völker zur
Darstellung bringenden Erzeugnisse in möglichst systematischer
Vollständigkeit bezweckt.
4) Die Gesellschaft besteht aus ordentlichen Mitgliedern,
aus Correspondenten und Ehrenmitgliedern.
B) Der Jahresbeitrag der ordentlichen Mitglieder beträgt
Fr. 5, welche jeweilen am 31. Juli, als auf den Abschluss des
Vereinsjahres eingezogen werden. Die ständige Mitgliedschaft
kann jedoch auch durch einen Aversalbeitrag von wenigstens
100 Fr. erworben werden.
6) Der Vorstand besteht aus 9 Mitgliedern, der geschäfts-
leitende Ausschuss desselben aus 3 Mitgliedern: dem Prä-
sidenten, dem Vicepräsidenten und dem Sekretär. (Siehe Be-
richt des neuen Vorstandes.)
XIV
7) Zum Zwecke der Rechnungsablage und der Vorstands-
wahlen findet eine Generalversammlung statt, bei welcher die
Majorität der Anwesenden entscheidet.
8) Zur Aufrechterhaltung der Gesellschaftsthätigkeit soll
nach Möglichkeit jeden Monat eine Vortragssitzung stattfinden.
9) Die Mitglieder im Ausland, welche die Interessen der
Gesellschaft durch Zusendung von Original-Photographieen, so-
wie von Natur-, Handels-, Industrie- und Kunstprodukten ihrer
bezüglichen Aufenthaltsländer an das Ethnologische Gewerbe-
museum, oder durch Schenkung von geographischen Schriften,
Karten, Atlanten, Globen und Reliefs an die Vereinsbibliothek,
oder durch schriftliche Mittheilung ihrer Erfahrungen zu Hän-
den des geographischen Jahrbuchs der Gesellschaft fördern,
sind correspondirende Mitglieder.
10) Im Falle der Auflösung der Gesellschaft fällt der Be-
sitz des Ethnolog. Gewerbemuseums, sowie die geographische
Vereinsbibliothek dem Staate Aargau anheim, unter der Be-
stimmung jedoch, dass dieselben nicht getheilt werden und
ihrem Zwecke erhalten bleiben.
Aarau, Juli 1886.
4. Mitgliederverzeiehniss
der
Mittelschweizerischen Geographisch - Gommerciellen Gesellschaft
in Aarau.
Ehrenmitglieder.
1. B.Scherrer-Engler, Präsident der Ostschweizerischen Geographisch-
Commerciellen Gesellschaft in St. Gallen.
2. Heinrich Moser, Centralasien-Forschungsreisender, auf Schloß Char-
lottenfels bei Schaffhausen.
4. Dr. H. Schinz, Sttdafrika-Forschungsreisender, Schöneberg bei Berlin,
Hauptstraße 63.
5. f Rentier Michalski, Plantagenbesitzer, auf Schloß Hilfikon.
6. Kaufmann Andreas Bircher, von Aarau, in Kairo.
XV
Lebenslängliche Mitglieder,
6. Kaufmann Hermann Billo, aus Moskau, Zürich.
7. „ Gottfried Schenker, Internationale Transporte, Wien.
8. Firma Russ-Suchard & Cie., Chocoladefabrik, Neuenburg.
9. Antiquar Emil Calame, Lausanne.
10. Firma R. & M. Frey, Chocoladefabrik, Aaran.
11. Firma Albert Floinep, Cementfabrik, Aarau.
12. Villeroy & Boch, Terracottafabrik, Merzig.
13. Frau L. Ammann-Büchi, Kunsthandlung, Zürich.
Ordentliche Mitglieder,
Unterstützende Behörden und Corporationen.
a. Schweiz.
1. Kanton Aargau.
14. Aarau, Aargauischer Handels- und Industrieverein.
15. Aargauischer Kunstverein (Völkerschau).
16. Otto Amsler, Stadtkassier.
17. Robert Angst, Kaufmann.
18. Eugen Bally-Arndt, Fabrikant.
19. Bezirkskulturgesellschaft.
20. Bezirksschule.
21. Dr. Hermann Brunnhofer.
22. Karl Bührer, Kaufmann.
23. J. J. Bührer, Kaufmann.
24. H. Christoffel, Bezirkslehrer.
25« J. Dambach, Postadjunkt.
26. Eduard Erne-Leblanc, Kaufmann.
27. E. Frey-Bolley, Rentier.
28. Frey & Cie., chemische Fabrik.
29. Arnold Frey-Ryhiner, Fabrikant.
30. Emil Frey-Wirth, Kaufmann.
31. Gamper & Cie., Confectionsgeschäft.
32. F. E. Gasser, Fabrikant.
33. Gemeinderath der Stadt Aarau (Völkerschau).
34. Gustav Gerber, Marchand-Tailleur.
35. Fr. Gysi, Reißzeugfabrik.
36. Karl Hagenbuch, Coiffeur und Chirurg.
37. Hans Haßler, Sohn, Kaufmann.
38. Director Hauenschild.
39. H. Heller, Rechtsagent.
40. Hans Henz-von Seuter, Kaufmann.
41. Jakob Henz-Pltiß, Kaufmann.
42. Dr. Hans Herzog, Staatsarchivar.
43. Alexander Heß, Kaufmann.
44. Emanuel Heus ler, Kaufmann.
45. Emil Hoffmann, Kassier der Aargauischen Creditanstalt.
46. Dietrich Holzach, Bierbrauerei.
XVI
47. Aar au. Aug. Honamel-Steiu, Reißzougfabrik.
48. Herrn. Hunziker-Fleiner, Rentier.
49. Alfred Kauf, Buchhalter der Aarg. Creditanstalt.
50. Kaufmännische Gesellschaft.
51. Abraham Keller, Mechaniker.
52. Kern & Cie., Instrumentenfabrik.
53. Arnold Kettiger-Bertschinger, Kaufmann.
54. Robert Kioser-Schmuziger, Bankangestellter.
55. B. Kühn, Hotel Rößli.
56. Landolt & Cie., Lack- und Firnißfabrik.
57. Jakob Meili, mittlere Mühle.
58. Professor Dr. F. Mühlberg.
59. Heinrich Müller, Hotel Löwen.
60. Müller & Cie«, Lithographische Kunstanstalt.
61. Emil Näf, Kantonsstatistiker.
62. Hermann Oelhafen-Bührer, Bureauchef der Aarg. Bank.
63. Emil Pfisterer, Kürschner.
64. Regierung des hohen Standes Aargau.
65. Adolf Ringier, Kaufmann.
66. Johann Rohr, Oberrichter.
67. Samuel Rohr, Hotel zum Wilden Mann.
68. Rüetschi & Cie., Glocken- und Geschützgießerei.
69. Rothpletz & Rychner, Thonröhren Fabrik.
70. H. Rychner, Gewehrfabrik.
71. Regierun gsrath und Nationalrath Hans Riniker.
72. Remigius Sauerländer, Verlagsbuchhandlung, Buchbinderei.
73. Herrn. Schießer, Kaufmann.
74. Ad. Schmuziger, Siegellack- und Tintenfabrik.
75. A. Schumann, Professor.
76. F. F. Schweizer, eidg. Banknoteninspektor.
77. J. J. Spinner, Spediteur.
78. J. Spühler, Redaktor der Aargauer Nachrichten.
79. Dr. med. Alfr. Stähelin- Herzog, Rentier.
80. Pfarrer Stephan Stock li.
81. Fürsprech Erwin Tanner, Stadtammann.
82 AugustTr üeb, in Firma Müller & Cie., Lithographische Kunstanstalt.
83. Verein junger Kaufleute.
84. Manuel Vidi eil a, Weinhandlung.
85. Heinrich W äff ler, Turnlehrer.
86. Walde r-Kunz, Bankbuchhalter.
87. Gustav Weber, Arzt.
88. Emil Wehrli-Märk, Bankkassier.
89. Adolf Wettler, Hotel Ochsen.
90. Emil Wirz, Buchhändler.
91. Jul. Wittmer, Lithograph.
92. Max Wolfinger, Professor.
93. Gottfried Wolfsgruber, Photograph.
94. Konrad Wüest, Bezirkslehrer.
XVII
95. Aarau. Zebert-Altorfer, Geschäftßbücberfabrik.
96. Zeug haus Verwaltung (Völkerschau).
97. Abraham Zimmermann, Kunstgärtner.
98. Hermann Zschokke, Kaufmann.
99. Oberst Olivier Zschokke, Ingenieur.
100. Zurlinden-Rychner, Cementfabrikant, Präsident der Kauf-
männischen Gesellschaft.
101. Aarburg. Bezirksschale.
102. J. C. Bühler, Weinhandlung.
103. Aarburg. Hinnen & Bachmann, Bürstenfabrik.
104. Merian, Weinhandlung.
105. Emil Rauber, Hutfabrik..
106. Baden. Bezirkskulturgesellschaft.
107. Bezirksschule.
108. F. H. Borsinger, Hotel Blume.
109. Gebr. Borsinger, Hotel Limmathof.
110. F. Brunner, Hotel Schiff.
111. Bürli-Bucher, Stearin- und Parafin-Kerzenfabrik.
112. R. Diebold, Hotel Ochsen.
113. Alb. Dorer, Hotel Bären.
114. Kaufmännischer Verein.
115. Merker, Fabrikant, in Firma Merker & Sartori.
116. Gottfried brist, Postverwalter.
117. Carl Oederlin, Metallwarenfabrik.
118. Bruno Saft, Grand Hotel-Besitzer.
119. Jak. Schätti, Hotel Freihof.
120. Pfarrhelfer Alfred Wund erlin.
121. Anton Wyss, Stadtpfarrer.
122. 0. Thurnheer-Rohn, Parquetteriefabrik.
123. Beinwyl. R. G. & R. Baur, Cigarrenfabrik.
124. G. Merz, Kaufmann.
125. Birrwyl. Großrath Steiner-Nußbaum, Fabrikant.
126. Bremgarten. Oberst G. Bader, Apotheker.
127. Bezirksschule.
128. Honegger, Stadtrath.
129. Stadtrath Rob. Meienberg.
130. Martin Meier, Stadtrath.
131. Emil Pfyffer, Bezirkslehrer.
132. Anton Waltisbühl, Rechtsagent.
133. Hans Theodor Waltisbühl, Zahnarzt.
134. Brestenberg. Max Erismann, Wasserheilanstalt.
135. Brugg. Bezirksschule.
136. W. Büchler, Photograph.
137. Rudolf Geißb erger, Förster.
138. Hermann Rauber, Mechan. Baumwollweberei.
139. Buchs. J. Bächli, Ingenieur.
140. Familie Gysi, Bezirksrichters.
141. Buttwyl. Hermann Augustin, Stud. phil. in Luzern,
Fernschau III. 11
xvm
142. Buttwyl. Kaspar Melliger, Stud. phil. in Luzern.
143. Dottikon. J. L. Fischer's Söhne, Stroh waarenfabrik.
144. Dürrenäsch. Alpsteg, Korkfabrikant.
145. Berts chy, jgr., Baumwoll- und Seidenbandfabrik.
146. Eiken. Pfarrer Fridolin Uebelhardt.
147. Oberentfelden. Dr. med. Othmar Rychner.
148. Vogel-Thut, Korkfabrikant.
149. Gebr. Walther, Bürstenfabrik.
150. Fahrwangen. Dr. J. A. Scartazzini, Pfarrer.
151. Frick. Bezirksschule.
152. Dr. F. Forster, Apotheker.
153. J. M. Geiß mann, Pfarrer.
154. Oberrichter Kalt.
155. Fr. Theiler, Rector der Bezirksschule.
156. Herznach. Pfarrer Franz Xaver Btirgi.
157. Kirchdorf. Gebr. Anner, Knochen waarenfabrik.
158. Kölliken. Bezirksschule.
159. Dr. med. Leon Ettinger.
160. J. Hilfiker-Htissy, Mechanische Backstein- und Ziegelfabrik.
161. S. Jordi, Bezirksieb rer.
162. A. Matter-Htissy.
163. J. Matter-Htissy.
164. Gebr. R. & D. Matter.
165. Künten. J. B. Trost & Söhne, Metallwaarenfabrik.
166. Kulm. Bezirks kulturgesellschaft.
167. Laufenbur'g. Buser & Keiser, Mech. Strickereifabrik.
168. Dr. Oscar Gaeng, Fürsprech.
169. Lenzburg. Paul Bertschinger, Kaufmann.
170. Baumeister Bertschinger.
171. Bezirksschule.
172. Häusler-Langenbach.
173. D. Heer, Hotel Krone.
174. Henckell & Zeiler, Gemüse- und Frucht-Conservenfabrik.
175. Hünerwadel-Gaupp, Fabrikant.
176. Hünerwadel & Cie.
177. R. Ringier, Sohn.
178. Roth& Cie-
179. Stadtbibliothek.
180. Meremchwand. Pfarrer Villiger.
181. Möhlin. Alfred Gamper, Holzhändler.
182. Dr. med. Sebast. Urech.
183. Muri. Fried. Beck, Kaufmann.
184. Pfarrer A. Döbeli.
185. A. Glaser, z. Löwen.
186. Luftkuranstalt Schloß Horben.
187. Niederlenz. Brunner & Cie., Mechanische Buntweberei.
188. Niederrickenbach. Kuranstalt z. Engel.
189. Reinach. Kudolf Gautschi, in Fa. Gautschi & Hauri, Cigarrenfabr*
XIX
190. Beinach. H. Hediger & Söhne, Cigarrenfabrik.
191. Emil Wirz-Oschwald, Haftenfabrik.
192. Oberrohrdorf. Ad. Vogler, Fabrikant.
193. Oftringen. Plüß-Stauffer & Cie.
194. F. Wyß & Cie.
195. Othmarsingen. S. R. Marti-Wyß.
196. Bheinfelden. Bezirksschule.
197. Brunner & Amrein.
198. Roderich Bürgin, Controlleur.
199. Jakob Gloor, Rector der Bezirksschule.
200. Hotel Krone.
201. Tit. Direktion der Schweizerischen Rheinsalinen.
202. Rohrdorf. Castor Egloff, Fabrikant.
203. Bothrist. Oscar Schmitter, Fabrikant.
204. Byken. Nationalrath Arn. Künzli, Fabrikant.
205. Safenwyl. A. Hüssy-Peri, Fabrikant.
206. H. Hüssy-Merian, „
207. O. Hüssy-Kunz, n
208. Bad Schinznach. Amsler-Brack.
209. Seon. Bezirksschule.
210. Otto Pfiffner, Fabrikant.
211. J. J. Widmer, „
212. Sins. Schtiwig, Rector der Bezirksehule.
213. Spreitenbach. Hanhart-Soliva.
214. Stein a.jBh. Hch. Bau mann, Fürsprech.
215. Suhr. Dr. Jean Bertschi.
216. Bezirksrichter Rüetschi.
217. Gemeindeammann Sani. Zehnder.
218. Sulz. Pfarrer Adolf R ei nie.
219. Teufenthai. Samuel Karr er, Musikdosenfabrikant.
220. Adolf Karr er, Musikdosenfabrikant.
221. Turgi. Kappeler-Böbie*, Fabrikant.
222. Zai-Kappeler, Fabrikant.
223. Veitheim. Htinerwadel-Schilplin.
224. Villmergen. Schnider & Stäger.
225. Wegenstetten. Pfarrer Xaver Knecht.
226. Wettingen. J. Keller., Seminardirektor.
227. Wildegg. Frau Wittwe Professor L. Amsler-Laue*.
228. J. M. Bickel, Bleicherei.
229. Gottl. Deubelbeiß, Cassier der Firma AI. Isler & Cie.
230. Emil Isler, Fabrikant.
231. Othmar Isler-Guy, Fabrikant.
232. Othmar Isler, Buchhalter der Firma AI. Isler & Cie.
233. Alfred Oehler, Ingenieur.
234. Wittnau. Hermann Müller, Pfarrer.
235. Wohlen. Nationalrath Dr. Ant. Bruggisser, Strohfabrikant.
236. Rob. Bruggisser, in Firma M. Bruggisser & Cie.
237. Diem, Rector der Bezirksschule.
XX
238. Wohlen. Isler-Cabezas, Strohfabrikant.
239. Jb. Isler & Cie., Fabrikanten.
240. Emanuel Isler, Fabrikant.
241. 6. Meier-Darcis, Fabrikant.
242. Gebr. Wohler, Fabrikanten.
243. Conrad Walser, Fabrikant.
244. Zofingen. Herrn. Fischer-Sieg wart, Apotheker.
245. Dr. A. Landolt & Cie., Firnißfabrik.
246. Senn, Bierbrauereibesitzer.
247. Stadtbibliothek.
248. Gustav Strähl, Fabrikant.
249. Oberst R. Suter-Geiser.
250. Suter-Kunz, Privatier.
251. Dr. Zimmerlin.
252. Zurzach. H. Hauen stein, Bezirkslehrer.
253. J. Zuberbtihler, Fabrikant, Großrath.
2. Kanton Appenzell.
254. Herisau. Reallehrer Wec kerlin.
3. Kanton Basel-Stadt.
255. Basel. Aemmer & Cie., Maschinenfabrik.
256. A. Ballig Freie Straße 29.
257. Friedr. Bern er, Hotel Euler.
258. W. Bern oulli- von der Tann, in Fa. Leonhard Bernoulli.
259. Emil Birkhäuser, Buchdruckerei und Verlagsbuchhandlung.
260. G. W. Bronner.
261. F. Btihler, Alte Bayrische Bierhalle.
262. Gustav Burkhardt, Colonialwaarenhandlung.
263. Schweizerische Centralbahn.
264. Danzas & Cie., Speditionsgeschäft.
265. E. Dorn er, Transports Internationaux.
266. Fischer, i. Fa. Gebr. Fischer.
267. Louis Ficke*, Directions-Inspector der „Equitable".
268. Gewerbemuse um. (Völkerschau).
269. J. Heinz, Kunstschlosser.
270. Firma Herten er, Droschkenhandlung und Möbeltransport.
271. Industriegesellschaft für Schappe.
272. H. Klein, Hotel Storchen.
273. Köchlin & Sandreuter, Generalbevollmächtigte der Com-
pagnie „Phönix".
274. f J. Kuhn, Glasmaler.
275. Ant. Maresch-Schmidt, Billardfabrik.
276. Paul Otto, Hotel Victoria.
277. Emanuel Preiswerk.
278. Lukas Preiswerk.
279. Regierung des hohen Standes Basel-Stadt.
280. C. C. Rumpf, Fabrikant.
281. Anton Stempfle, Fabrikation von Basler Leckerli, 7 Streitgasse.
XXI
282. Basel Stöcklin & Cie.
283. Universitätsbibliothek.
284. Oberstlieutenant A. von Welk, Uirector der „Equitable".
285. J. Wild, Speditionsgeschäft.
286. Karl Zeh nie.
287. Emil Ziegler, pr. adr. N. Brüderlin.
4. Kanton Basel-Land*
288. Ariesheim. F. W. Brüderlin, Director der Spinnerei.
289. Bienenberg bei Liestal. Hotel und Pension Bienenberg.
290. Bockten. Bezirksschule.
291. Kilchzimmer bei Langenbruck. Schmutz-Schneider, Kurhaus.
292. Liestal. Ständerath Birmann.
293. Emil Brodbeck, Oberrichter.
294. J. Buser und Sam. Reiser.
295. Pfarrer Karl Geltzer-Vischer.
296. Knabe nbezirksschule.
297. Gebr. Lud in, Buchdruckerei und Buchhandlung, Verlag der
Basellandschaftlichen Zeitung.
298. Mädchenbezirksschule.
299. Karl Moser, Apotheker.
300. Regierung des hohen Standes Basel-Landschaft.
301. Emil Richard, Obergerichtsschreiber.
302. National rath A. Rosen mund, Fabrikant.
303. J. C. Seiler, Nachfolger von J. de Plattner, Fabrikant.
304. Major Spinnler, Halbleinfabrikant.
305. Dr. E. Spinnler, Fabrikant.
306. Dr. Friedr. Wienand, Zahnarzt.
307. Schweizerhall. Tit. Direktion der Salinen (Kt. Aargau).
308. Sisseln. Herrn. Brogle.
309. Therwyl. Bezirksschule.
310. Waidenburg. Bezirksschule.
311. G. Thommen, Uhrenfabrik.
5. Kanton Bern,
312. Aeschi a. Thunersee. Horlacher-Luginbühl, Hotel BlUmlisalp.
313. Bätterkinden. J. Zingg, Buchhalter der Tit. Holzstoff-Fabriken
an der Emme.
314. Bern. Dr. Jul. Bloesch, Privatier.
315. Architect Davinet, Conservator der Schweiz. Schützenstube
(Völkerschau).
316. Edmund von Fellenberg.
317. Fetscherin, Versicherungsagent.
318. Geographische Gesellschaft (Völkerschau).
319. Paul He üb erger, Confiseriefabrik.
320. Historisches Museum.
321. F. Homberg, Graveur.
322. E. von Jen n er, Conservator des Histor. Museums (Völkerschau).
323. Kraft & Wieland, Hotel Bernerhof.
xxn
324. Bern. Flor. Kupfer, Cement- und Mosaikplattenfabrik.
325. Bandeskanzler Rio gier.
326. Seminar für Volkswirtschaftslehre und Consularwesen.
327. f Otto Senn, Cigarrenhandlung.
328. Biet. Aug. Behre-Wydler, Decorationsnialer.
329. Hans Biedermann, Kaufmann.
330. Fritz Bloesch, Bentier.
331. Kaufmann Wilh. Eigener, i. Fa. Sessler & Eigener.
332. Eggimann & Hediger, Cigarrettenfabrik.
333. Emanuel Heß, Kaufmann.
334. Karl Kuhn, Fabrikant.
335. Jules Lehmann, Weinhandlung.
336. Riesen -Bitter, Hotel Bielerhof.
337. Ed. Wartmann-Bloesch, Chemische Fabrik.
338. Bönigen, Bern. Michel-Bischof, Holzschnitzerei.
339. Brienz. J. M. Bötter & Cie. , Holzschnitzerei.
340. Burgdorf. Gebr. Fankhauser.
341. Albert Hirsb runner, Eisenhandlung.
342. Kaufmännischer Verein.
343. D. Nicola, Staniolfabrik.
344. Gebr. Schmid, Leinwandweberei.
345. Grindelwald. Gebr. Boß.
346. Herzogenbuch8ee. Seidenweberei Herzogenbuch see.
347. Huttwyl. Aug. Schärer, Ingenieur.
348. Interlaken. J. & F. Bart er, Hotel Deutscher Hof.
349. Boyel die u, Hotel Metropole.
350. Maurer-Knechtenhofer, Grand Hotel Beau-Rivage.
351. C. Lichtenberger, Photograph.
352. E. Btichti, Hotel Victoria.
353. S. Simon.
354. J. und E. S trüb in & Wirth, Hotel Schweizerhof.
355. Langentkai. Gottfried Bangerter, Fabrikant.
356. F. Burkhalter & Cie., Leinenweberei.
357. Joseph Fritschi, Kaufmann.
358. Fritz Geiser-Fl tickiger, Kaufmann.
359. Kaufmännischer Verein.
360. Künzli & Gugelmann, Mechan. Baumwollbuntweberei.
361. Sam. Scheid egger, Fabrikant.
362. Siegfr. Spychiger, Imprägniranstalt.
363. Lauterbrunnen. Wittwe von Almen, Hotel Staubbach.
364. Meiringen. J. G. Thommen & Ritschart, Hotel Victoria.
365. Murren. H. Gurtner, Grand Hotel des Alpes.
366. Oberried bei Interlaken. K. Hamberger & Cie., Pyrotechnische
Fabrik.
367. Reichenbach. Hotel "und Pension.
368. St. Beatenberg. Dr. Müller, Hotel Kurhaus.
369. Twann. Engel-Feitknecht, Fabrikant.
370. Thun. J. H. Berlick-Stalder, Hotel-Pension Baumgartner.
xxin
371. Thun. Rudolf Hürn er, Kaufmann aus Bagdad.
372. Pension Itten.
6. Kanton Freiburg,
373. Freiburg. Kantonsbibliothek.
374. Musöe Industriel (Völkerschau).
375. Hohe Regierung des Standes Freiburg (Völkerschau).
7. Kanton St, GaUen.
376. Flawyl. Realschule.
377. Lichtensteig. Realsschule.
378. Rapperswyl. 3. M. Albin, Agenturgeschäft.
379. A. Bauer, Adjunkt.
380. D or man n & Reber, Lampen-, Lackir- und Metallwarenfabrik.
381. Kaempf-Sominer, Hotel Freihof.
382. St. Gallen. Gewerbemuseum (Völkerschau).
383. OstsQhweizerische Geographisch-Commercielle Ge-
sellschaft (Völkerschau).
384. Wartau -Fantnas. Realschule.
385. Wyl. J. Widmer, Antiquar.
8. Kanton Genf.
386. Genf. A. Golay-Lereche & fils.
387. N. Greuling, Hotel Metropole.
388. J. W. Habegger-Kern, Hotel Genferhof.
389. Musöe des Arts döcoratifs (Völkerschau).
390. Karl Waachter, Hotel del Bergues.
9. Kanton Glarus.
391. Glarus. Hotel Glarnerhof.
392. Hätzingen. Eugen Möcklin, Kaufmann.
393. Schwanden. Kaufmann Fridolin Jenny.
394. Stachelberger Bad. J. Gl am er.
10. Kanton Graubünden*
395. Ghur. Albert Birchmeier, Professor.
396. Hotel Weißes Kreuz.
397. f Alex. Kuoni, Baumeister.
398. J. Traber, Fabrikant.
399. Davos-Platz. Actiengesellschaft Kurhaus.
400. Casp. Buol, Hotel und Pension Buol.
401. Gelpke-Stahel, Hotel und Pension Schweizerhof.
402. L. Kaiser, Kuranstalt und Hotel Rhätia.
403. Klosters. G. Stiffler, Hotel Brosi.
404. Maloja. Hotel und Kurhaus Maloja.
405. Bagatz-Pfäffers. B. Simon, Hotel Quellenhof.
406. Savognino. Dom. Pianta, Gasthaus Rhätia und Veltliner- Wein-
handlung.
407. Sils-Maria. Ludwig Bar blau, Hotel Alpenrose.
XXIV
408. Tarasp-Bad. Badehotel Kurhaus Tarasp.
409. Thusis. Simon Schreiber, Hotel Post
410. Waldhaus-Flams. J. Guggenbühl, Dir. des Seebadhotels.
•
11. Kanton Luzern.
411. Hochdorf. Aargauisch-Luzernische Seethalbahn.
412. Kriens. Th. Bell & Cie., Maschinenfabrik.
418. Luzern. Alf. Austein, Rentier.
414. J. J. Blankart, Spediteur.
415. Prof. Dr. Brandstetter, jun.
416. Th« Bresson, Fabrikant.
417. Paul Brück er, Rentier.
418. Bucher-Durrer, Hotel de TEurope.
419. Jg. Businger, Hotel-Pension Gtitsch.
420. Paul Daily, Versicherungsagent.
421. E. Drexler, Löwendenkmal-Museum.
422. W. Ecker, Optiker.
423. Gotthardbahn.
424. Hotel St.Gotthard.
425. Gebrüder Hauser, Hotel Schweizerhof.
426. Haefeli, Hotel Schwanen.
427. Bürgerbibliothek.
428. Baumeister Keller.
429. J. Meyer-Ain-Rhyn, Rentier.
430. Architect Mostorf.
431. Pfyffer, Segesser & Cie., Hotel National.
432. Regierung des hohen Standes Luzern.
433. E. Rebsamen, Maschinentechniker.
434. Jakob Schtirch-Himmel, Kaufmann.
435. Dagobert Schumacher, Fürsprech.
436. Dr. E. Schumacher, Kantonschemiker.
437. Regier ungsrath Dr. Edmund Schumacher.
438. General Felix Schumacher, Villa Schönbühl.
439. Herr Spillmann, Hotel Du Lac.
440. Synnberg & Cie., Lichtdruckanstalt.
441. Verein junger Kaufleute.
442. Meggen bei Luzern. Gebr. Sc herrer, Pension Gottlieben.
443. Sursee. Weltert & Cie., Ofenfabrik.
444. Vitznau. Kohler-Fluck, Hotel Rigibahn.
445. Weggis. F. Wein mann, Hotel und Pension Bellevue.
446. Willisau. Dr. Dahinden.
447. Jakob Koller, Amtsstatthalter.
448. Prof. Wechsler-Barth.
12. Neuenburg.
449. Neuenbürg. Historisches Museum (Völkerschau).
450. Lock. J. Klaus.
XXV
13. Kanton Schaffhausen*
451. Neuhausen. Lobenstein, Hotel Belle vue.
452. F. Wegenstein, Hotel Schweizerhof.
453. Schaffhausen. Gebr. Bürgin, Nägelfabr.
454. Internationale Verbandstoff-Fabrik.
455. Knöpfli-Frey.
456. J. Müller, Spielkartenfabrik.
457. Dr. J. Nuesch, Professor.
458. Stadtbibliothek.
459. Dr. Stierlin.
460. Kaufmann Sturzenegger-Morstadt.
461. Thayingen. Rob. Sater, Mechan. Schlauch- und Riemen Weberei.
14. Kanton Schwyz.
462. Ärth. Arth-Rigi-Bahn.
463. J. Kramer, Hotel Adler.
464. Brunnen. X, Aufdermauer, Hotel Adler.
465. Fried. Faßbind, Hotel Waldstätterhof.
466. Karl Hürlimann, Architect.
467. Mnsiedeln. Benziger & Cie,, Nachfolger von Gebr. Carl und
Nicolaus Benziger , Buch- und Kunsthandlung , Kirchenorna-
menten- und Paramenten-, Glasgemälde- u. Statuen-Handlung.
468. Rigi. A. Bon, Hotel Rigi-First.
469. Xav. Segesser-Faaden, Hotel Rigi-Kaltbad.
470. Dr. Fried. Schreiber, Hotel Schreiber, Rigi-Kulm.
471. Herren Gebrüder Schreiber, Hotel Rigi-Staflfel.
472. Schloss Hertenstein, Vierwaldstättersee. Jos. Kappeier.
473. Schwyz. Regierung des hohen Standes Schwyz.
15. Kanton Solothurn.
474. Biberist. Papierfabrik.
475. Büren. Bezirksschule.
476. Frohburg. Hotel und Pension Frohburg.
477. Gerlafingen. L. von RolTsche Eisenwerke.
478. Grenchen. Bezirksschule.
479. Hessigkofen. „
480. Klus bei' Balsthal. Rob. Meyer, Director.
481. Kriegstetten. Bezirksschule.
482. Mariastein. „
483. Neuendorf. „
484. Ölten. J. Bach mann, Kaufmann.
485. Otto Beriger-Landolt, Consum Verwalter.
486. Knaben-Bezirksschule.
487. Hermann Biehly, Kaufmann.
488. Dr. Adolf Christen.
489. Peter Dietschy, Redactor.
490. Knabenbezirksschule.
491. Thomas Knoch, Inspektor.
XXVI
492. Ölten. Dr. med. Eugen Munzinger.
493. Dr. med. Adolf Munzinger.
494. Museum.
495. J. Niggli, Bezirksieb rer.
496. Emil Pfändler, Major.
497. F. Ad. Richter & Cie.
498. Ingenieur Nicolas Riggenbach.
499. Adolf Schenker, Fabrikant.
500. Joseph Stampfli, Director.
501. Alb. Strub, Fabrikant.
502. Alfred Trog, Kaufmann.
503. Ständerath Casimir von Arx.
504. G. Zehnder, Bezirkslehrer.
505. Schönenwerd. Arnold Bally-Marti, Fabrikant.
506. C. F. Bally, Schuhfabrikant.
507. Ed. Bally-Prior, Schuhfabrikant.
508. Bezirksschule.
509. Lesegesellschaft.
510. Verein junger Kaufleute.
511. Solothurn. Gemeinnützige Gesellschaft der Stadt Solothurn.
512. Sal. Heß, Kaufmann.
513. Fritz Lüthy, Kaufmann.
514. Müller & Schweizer, Uhrenbestandtheilefabrik.
515. A. Munzingor-Hirt.
516. Regierung des hohen Standes Solothurn.
517. Rust, Redactor des „Neuen Solothurner Blattes".
518. Stadtbibliothek.
16. Kanton Tessin.
519. Bellinzona. Strtibin, p. adr. Reparaturwerkstätten.
520. Brisago. Mr. le Directeur de la Fabrique de Tabacs.
521. Chiasso. Spediteur Rud. Zingg.
522. Locarno. Dr. Meuli.
523. Lugano. Emil Egloff, Kaufmann.
524. Architect Kuhn.
525. E. Schmid, Generalagent der „Equitable".
17. Kanton Thurgau.
526. Diessenhofen. J. U. Altenburger-Schmid, Dir. der Cigarren-
fabrik Dießenhofen.
527. Ermatingen. A. Am mann, Constructeur.
528. Frauenfeld. Historisches Museum (Völkerschau).
18. Kanton Unterwaiden.
529. Stans. Regierung des hohen Standes Unter walden.
17. Kanton Uri.
530. Altorf. Regierung des hohen Standes Uri.
531. Andermatt. Seb. Christen-Kesselbach, Kurhaus u. Hotel Bellevue.
532. Tellsplatte. Oberst Arnold.
xxvn
19m Kanton Wandt.
533. Bex. C. Hieb, Grand Hotel des Bains.
534. Ciarens. Hotel Rath.
535. Lausanne. Hotel Grand Pont.
536. Amödäe Kohler.
537. Lucens. J. G. Ramsauer.
538. Montreux. Fritz Reiß, Hotel Mont Fleurie.
539. Vevey. Charles Genand, fils.
540. H. Lavanchy, Entrepreneur.
541. Yverdon. Joseph Kündig, Kaufmann.
542. Stadtbibliothek.
20. Kanton Wallis.
543. Sion. Charles von der Mtihll, Cigarrenfabrik.
21. Kanton Zürich.
544. Affoltern a. Albis. F. E. Müller, Kaufmann.
545. Altstätten b. Zürich. Meyer-Wsespi.
546. Ausser sihl. Leopold Meyer, Zeughausstraße.
547. Enge-Zürich. E. Wein mann, Kaufmann, Gotthardstraße.
548. Horgen. Verein junger Kaufleute.
549. Hottingen b. Zürich. C. Fenner -Lochmann, Kaufmann.
550. Emil Stabel-Werder, Kaufmann.
551. Oerlikon bei Zürich. Maschinenfabrik Oerlikon.
552. Eiesbach. Ferd. Philipp & Cie. , Kunstgewerbliches Etablissement.
554. Borbas. Dr. med. Emil Matter.
555. Thalweil bei Zürich. Heinrich Berchtold, Maschinenfabrik.
556. TJster. Jul. Guyer-Berchtold, Fabrikant.
557. Sekundarschulpflege.
558. Ober -TJster. Julius Klaus, Privatier.
559. Wetzikon. 0. Zschokke, Kaufmann.
560. Winterthur. Anglo-Swiss Biscuit Co.
561. J. Brunner, Lichtdruckanstalt.
562. Huldreich Graf, Mosaikplattenfabrik.
563. Emil Leemann.
564. E. Wel lauer, Zahnarzt.
565. Zollikon bei Zürich. J. Borsari & Cie., Cementiers.
566. Zürich. Jacq. Aebli, Kaufmann.
567. Bibliothek des Eidgenössischen Polytechnikums.
568. J. Boller & Söhne, Hotel Victoria.
569. Conrad Bucher, Fabrikant.
570. Conradin & Valer, Weinhandlung.
571. Nationalrath Th. Curti.
572. Frick-Morf, Kaufmann, i. Fa. A. Frick & Cie.
573. Pfarrer Dr. Furrer.
574. Gewerbemuseum (Völkerschau).
575. Guggenbühl & Müller zur Schnecke.
xxvm
576. Zürich- G. Habisreutinger, Hotel Habig.
577. Rob. Hartmann, Dir. des städtischen Gaswerks.
578. Rudolf Hauser, Chinatbeeimportgeschäft.
579. Heros«} & Kyburz, Bahnhofstraße 60.
580. Gebr. Hug, Musikalienhandlung.
581. Jacobs & Cie. , Generalagentur der „Equitabie".
582. Kaufmännische Gesellschaft.
583. Jacques Kehrer, Architect, Thorgasse Nr. 5.
584. A. Koller, Sladtrath.
585. Anton L aurer, Chef des Central-StellenvermitUungs-Bureau.
586. Lehmann-Huber, Holzcement-Bedachungsgeschäft.
587. F. G. Littmann, Kaufmann, Seidenhöfe.
588. Karl Maurer-Hartmann, in Fa. Maurer & Cie.
589. Oscar Michel, Hotel National.
590. J. R. Müller, Xylographische Kunstanstalt.
591. Erstes schweizerisches Musterlager von Bauartikeln,
Rämistraße 33 (Völkerschau).
592. Kaufmann Ochsner-Wehrli.
593. Johann Odorico, Rämistraße 37.
594. Richard Pf äff, 11 Sihlstraße.
595. H. Pünter, Hotel Limmathof.
596. Institut Polyglotte, Uebersetzungsanstalt.
597. Stud. ehem. Hermann Rey aus Aarau.
598. Rieter-Bodmer.
599. C. Rordorf & Cie., Pianofabrik.
600. B. Schinle, Sihlstraße 32, Porcellan- und Majolikamalerei.
601. Schweizerischer Kaufmännischer Verein.
602. Stadtbibliothek.
603. Regierungsrath Stößel.
604. Suter & Diener, vormals Gebrüder Schultheß, Mechanische
Eisenmöbelfabrik.
605. Karl Weighardt, a ^ r , c. Muralt-Wegmann.
606. Pfarrer Wrubel.
607. A. von Wurstenberger & Cie., Sihlstraße 48.
22. Kanton Zug.
608. Baar. Spinnerei an der Lortze.
609. Zug. Brunner, Kantonsförster.
610. W. Fuchs-Gessler, Institut Minerva.
611. Kantonsschule.
612. Metallwaarenfabrik.
613. Pensionat Sanct Michel.
614. Regierung des hohen Standes Zug (Völkerschau).
615. Otto Syz, Hotel Hirsch.
XXIX
b. Ausland.
616. Berlin N. W. Maximilian Stein, Kronprinzenufer 19, Vertreter des
Hauses Ern. Stein, in Erdö-Benyö bei Tokai, Ungarn.
617. Königl. Bibliothek.
618. Bourbonneles-Bains {Haute Marne). Emil Bastien, Architect.
619. Campinas. Jos. Schiff er li, Lehrer.
620. Galatz. Emil Schaefer, Kaufmann.
621. Hard bei Bregenz. E. Amsler-Möschler, Fabrikant.
622. Krobo, Goldküste, West-Afrika. König Sakitey.
623. London E. C. Carl Reiner, c. o. J. C. im Thurm & Sons,
1 East India Avenue.
624. München. K. B. Hof- und Staatsbibliothek.
625. New-York. The Singer, Manufy. Cy. (Nähmaschinenfabrik).
626. Paris. Bibliotheque Nationale.
627. Rotterdam. Franz Hoskorn, Reisender i. Fa. Minderop & Zonen.
628. Säckingen. Matter-Hüssy, Fabrikant.
629. Strassburg. Kaiserl. Universitäts- und Landesbibliothek.
630. Stuttgart. Ewald Camerer, Hauptstätterstraße 125.
631. Hermann Keller, Mechaniker.
632. Karl Seiler, Stud. arch.
633. Wien. K. K. Universitätsbibliothek.
Correspondirende Mitglieder.
634. Aarau. Prof. J. Hunziker.
635. Prof. Dr. Ernst Ludwig Rochholz, Conservator des antiquari-
schen Museums.
636. Abetifi, Goldküste. Fritz Ramseyer, Missionar.
637. Abokobi, Goldküste. J. Weiss, Missionar.
638. Aburi, Goldküste. Dr. med. Fisch, Missionsarzt.
639. Aden. Paul Bohnen biust, Kaufmann, c. o. Aden Coal Co.
640. Woodtli, Kaufmann. „ „ „ „
641. Aeschi, Solothurn. Franz Xav. Stampfli, Afrikajäger.
642. Akra, Goldküste. H. Aeppli-Plüss, Missionskaufmann.
643. Arequipa, Peru. Emil Wild, Maison Braillard freies & Cie.
644. Auckland, Neuseeland. Dr. Rudolf Häusler, Forschungsreisender.
645. Bahia. Jacq. Aebly, p. adr. Meister, Zoll & Cie.
646. Baden, Aargau. Eugen Steimer, Decorationsmaler.
647. Baranquilla, Columbia. Emil Bell, Kaufmann, Via S. Nazaire.
648. C. A. Kappeier, Firma Aeppli, Eberbach & Cie.
649. Basel. Dr. Ernst Maehly.
650. Dr. R. Hotz, Redaktor der Geogr. Nachrichten.
651. Batavia. J. H. T. Zimmermann, Kaufmann.
652. Baku. Gottlieb Siebenmann, Kaufmann.
653. BaJtum. Robert Rychner, Kaufmann.
654. Berlin. L. S. Beck, Privatgelehrter.
655. Bern. A. von Escher, Major, Mattenhof 7.
XXX
656. Bern. Prof. Röthlisberger, Sekretär der internal. Bareaux zum
Schutze des geistigen Eigenthums.
657. Bombay. Hch Zweifeel, Kaufmann, Hummum Str. I.
658. Englisch Borneo. von Mechel, Kaufmann.
658. Boston. Emanuel Fischer, Firma Gössler & Cie.
659. Brisbane, Cölortie Queensland, Australien. Geissmann, Kaufm.
660. Brugg. Gottlieb Felber, Kaufmann.
661. Hans Vögtlin, Kaufmann.
662. Brumana, Beyruth, Syrien. Th. Waldmeier, General-Superinten-
dent of Friends Mission.
663. Bucarest. Paul David, Kaufmann, pr. adr. Arbenz & Wolff.
664. Budapest. Ed. Birmann, p. adr. Haggen macbersche Dampf mühle.
665. Buenos-Aires. Banco Hipotecario de la Provincia de Buenos-Aires.
666. Robert Eichen berger, Kaufmann, Calle Peru.
667. Th. Landolt, p. adr. Banca Hipotecario.
668. Aug. Saxer, Kaufmann.
669. Calcutta. Melchior Durst, Kaufmann.
670. Campinas. Jak. Bol liger, Viceconsul.
671. Cleveland, Ohio. 0. Key, fresco painter, Barber Ave. 89.
672. Chicago, lll. Otto Siebenmann, 555, Lincoln Arenne.
673. Constantinopel. J. Bölart-Lanz, Kaufmann.
674. Dehli, Indien. Ernst, Kaufmann (posto restante).
675. Deli, Sumatra. Otto Mark, Kaufmann.
676. Gottlieb Juchler, im Hause Krüsi.
677. Tritschler, Kaufmann.
678. East London, South Afrika. Fritz Ammann.
679. Elizabethtown, Kentucky, US. Traugott Hagenbuch, Fruitfarmer.
680. Falmouth. Pestalozzi, Villa Castella Marina.
681. Galatz. J. Rychner, Kaufmann.
682. Genf. G. Hantz, Director des Musee des Arts döcoratifs.
683. Guayaquil, Ecuador. Guido J reger, p. ad. Ferd. Reuter & Cie.,
Casilla 129.
684. Herisau. Huppenbauer, Missionar.
685. Hongkong China. Theodor Lutz, Kaufmann, c. o. Arnhold Kar-
berg & Cie.
686. Kyelang, West-Himalaya. Hey de, Missionar.
687. Labrador. Jan na seh, Missionar.
688. Ladysmith, Natal, Süd-Afrika. Dr. Stöckly.
689. Langnau, Kt. Bern. Nationalrath G. Berger.
690. La Paz, Bolivia. Christian Stauffiger.
691. Leh, Caschmir. Redslob, Missionar.
692. Lima. Rob. Weiss, Consul.
693. IAvorno. F. Rey, Professor, Via degli Apostoli 2.
694. London. Jb. Etterlin, Kaufmann, c. o. Dreyfuß Brothers & Cie.,
104 und 105 Bishopsgate-Str.
695. Warne & Cie., Kautschukfabrik.
696. Lorenzo Marquez, Delagoa Bai. Hans Hüne rw ad el, Kaufmann,
pr. adr. A. Fabre & Fils.
XXXI
697. Louisville, Kentucky U. S. Fritz G. Ledder, Kaufmann, 820 Jack-
son Str.
698. Lyon. Emil Schweizer, Kaufmann, pr. adr. Bavier, Meyer & Cie.
699. Macassar, Celebes. Strauß, Kaufmann. #
700. Rickli, Kaufmann.
701. Madrid. J. Schneider, Ingenieur, Calle Desinganno.
702. C. Von will er, Kaufmann.
703. Manchester. Joh. Oscar Gysi, Kaufmann, Firma Gysi & Kleinjoung.
704. Mangalur. Haury-Christen, Missionskaufmann.
705. Massaua. Karl Müller, Kaufmann.
706. M. Vogt, Kaufmann.
707. Mogador, Marokko. Dr. med. Gottl. Eich.
708. Moskau. Prof. Dr. Friedr. Erismann.
709. Karl Grether, Agentur — Commission.
710. Dr. Paul. Karr er, Bassonanni Stadttheil, Garochowsky perenlok
Haus Lerch.
711. Lerch, Vater, Fabrikant.
712. Ferdinand Luchsinger, Schweiz. Consul.
713. Gustav Maurer, Kaufmann.
714. Muttenz, Kt. Baselland. Karl Jaus 1 in, Kunstmaler.
715. Neapel. Amadeo Bern er, Kaufmann.
716. G. Sommer, Photograph.
717. Neuenburg. A. Bachelin, Conservator des Hist. Museums.
718. Ferd. Beck, Kaufmann.
719. Nicaragua. Martin, Missionar.
720. Nossi-Be', Madagaskar. Conrad J. Andeer, Kaufmann, Firma
J. Lutz & Cie.
721. Nürnberg. Kuno Rochholz, Telegraphenbeamter.
722. Odessa. Fritz Gysi, Gasthofbesitzer, Hotel d'Europe.
723. Oran, Algier. Otto Frey, Kaufmann.
724. Palermo. GiacomoSuter, Uhrenmacber, Corso Vittorio Km. Nr. 183.
725. Parapato, Prov. Mozambique. F. Frey, Agent der Firma Aug.
Fabre & fils.
726. Paris. Seh latter, maison Braillard, freres & Cie.
727. Penang, Ostindien. Kaufmann Rob. Morstadt.
728. Pera, Constantinopel. B. Schibier, Kaufmann, Maison Agostini,
74 Yazidji.
729. Pernambuco. Cramer, Frey & Cie.
730. Prag. Prof. Dr. Oscar Lenz, a. d. k. k. Universität.
731. Pu, West-Himalaya. Weber, Missionar.
732. Ramleh, Station Bacos, Alexandrien. Dr. Th. Sourbeck,
733. Rio de Janeiro. Hans Angliker, Kaufmann, in Firma Fischer,
Schlatter & Angliker.
734. Born. Conradin Zschokke, Ingenieur.
735. Bosario de Santa Fe, Argentinische Bepublik, f Karl Haberstich,
Kaufmann, adr. Sabatie* & Cie.
736. Bostow a. Don. Fritz Hunziker, Kaufmann, adr. Gebr. Drey-
fuß & Cie.
XXXII
737. Saigon, Cochinchina. L. L. de Farrenberg, Hotel Farrenberg.
738. Salvador, Cmtral- Amerika. Alfred Bell, Kaufmann, adr. Emil
Ooubond.
739. •Santiago de Chile. Architect Hsefeli, p. adr. Strickler & Kupfer,
Fundicion Libertad.
740. Schaffhausen. Dr. Karl Henk in g.
741. Sierra Leone, Westafrika. Emil Branchi, adr. Comp, du S6n6-
gal et de la Cöte occidentale d'Afrique.
742. St. Louis de Senegal, West-Afrika. Ad. Maurer, Kaufmann, adr.
Deves et 6. Chaumet.
743. Surabaya, Java. Niederer & Cie.
744. Tauris, Persien. Emil Alpiger, Kaufmann.
745. Paul Grossmann, Kaufmann, p. adr. Ziegler & Cie.
746. Tinta } Dep. Guzco, Peru. Francis Masciotti, Kaufmann.
747. Tokio, Japan. Pfarrer Wilh. Spinner (German Legation).
748. Tölz, Oberbayern. Baron Friedrich von Hellwald.
749. Truxillo, Peru. Carlos Geiger, Kaufmann.
750. Turin. Herrn. Siegrist, Corso Vinzaglio 3.
751. Valparaiso. Oscar Hagnauer, p. ad. Hunziker, Ulrich & Cie.
752. Venedig. Ferd. Imhof, in Firma Rothpletz & Cie.
753. Waitzen Comitat Pest Ungarn. Jean Pechau.
754. Wattwyl, St. Gallen. Harri- Lüthy, Kaufmann.
755. Wendorf b. Wismar. Cap. W. Bade, Nordpolfahrer.
756. Wien. Adelbert Kurz, Kaufmann, in Firma Kurz & Isack.
757. Jos. Leidinge r, Rechnungsrath im Oberst-Hofmeisteramt Sr. k. k.
Apost. Maj.
758. Zofingen. Rudolf Häusler, Kaufmann.
759. J. F. Veil, Missionar aus Ostindien.
760. Zürich. Cand. med. Wilh. Bolliger.
761. L. C. Hagnauer, Kaufmann, aus Batavia.
762. Dr. Christian Heusser, adr. Hotel Baur en Ville.
763. Zug. 0. Peyer, Kaufmann.
5. Ortsalphabetisches Verzeiehniss
der
mit uns schriftaustauschenden Gesellschaften.
1. Aarau. Verein junger Kaufleute.
2. Antwerpen. Cercle des anciens Etudiants de Tlnstitut supereur
de Commerce d'Anvers.
3. Assomption (Paraguay). Revue du Paraguay.
4. Basel. Tit. Evangelische Missionsgesellschaft.
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5.
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42.
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44.
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Bern.
Bordeaux.
Bruxelles.
ii
Bucarest.
Budapest.
Berlin. Correspondenzblatt des deutschen Exportvereins.
Ethnographische Abtheilung der königl. Museen.
Gesellschaft für Erdkunde.
Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und
Urgeschichte.
„Export", Organ des Central Vereins für Handels-
geographie und Förderung deutscher Interessen im
Auslande.
„Der Sammler", Organ für die allg. Angelegenheiten
des Sammeins jeder Art und Eichtung.
Union. Zeitschrift zur Unterstützung des deutschen
Ausfuhr- und Einfuhrhandels.
Geographische Gesellschaft.
Societe de Geographie Commerciale (Section Central).
Associatiation Internationale du Congo.
Societe Royale Beige de Geographie.
Societatea Geographica Romana.
Földrajsi Közlemenyek (Societe Hongroise de Geo-
graphie).
Buenos- Aires. Instituto Geografico Argentino.
Douai. Union geographique du Nord de la France.
Dresden. Verein für Erdkunde.
Einsiedeln. Historischer Verein der fünf Orte, Luzern, Uri, Schwyz.
Unterwaiden und Zug. („Der Geschichtsfreund".)
Frankfurta.jM. Frankfurter Verein für Geographie und Statistik.
Genf. Societe de Geographie (,,Le Globe").
Greifswaid. Geographische Gesellschaft.
Verein für Erdkunde.
Geographische Gesellschaft.
Geographische Gesellschaft.
„Polytechnikum".
Societe de Geographie Commerciale.
Geographische Gesellschaft (für Thüringen).
Ostsibirische Geographische Gesellschaft.
Badische Geographische Gesellschaft.
Verein für Hessische Geschichte und Landeskunde.
Naturwissenschaftlicher Verein für Schleswig-Holstein.
Handels- und Gewerbekammer.
Ethnographisches Reichs- Museum.
Deutscher Palästina- Verein
Museum für Völkerkunde.
Verein für Erdkunde.
Oesterreichischer Gewerbeverein.
,, Oberösterreichischer Gewerbebund' ', Organ des Ober-
österreichischen Gewerbevereins.
Geographische Gesellschaft.
Verein junger Kaufleute.
Societe de Geographie.
III
Halle a/S.
Hamburg.
Hannover.
Hannover.
Havre.
Jena.
Irkutsk.
Karlsruhe.
Kassel.
Kiel.
Kremstadt.
Leiden.
Leipzig.
ff
Linz.
Lübeck.
Luzern.
Marseille.
XXXIV
45. Melbourne.
46.
47.
48.
49.
50.
51.
52.
53.
54.
55.
56.
57.
58.
59.
60.
61.
62.
63.
64.
65.
66.
67.
68.
69.
70.
Metz.
Mexico.
München.
Nancy.
Neapel.
Neuchdtel.
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New- York.
Orenburg.
Paris.
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75.
76.
77.
78.
79.
80.
81.
82.
Royal Geographical Society of Australasia (Victorian
Branch).
Verein für Erkunde.
Geographische Gesellschaft.
Geographische Gesellschaft.
Societe de Geographie de l'Est.
Societä Africana d'Italia.
Musee Neuchätelois.
Societe Neuchäteloise de Geographie.
American Geographical Society.
Societe imperiale Russe de Geographie.
La Geographie. (Editeur: Charles Bayle.)
„Madagascar" (France Orientale) pr. M. Charles Bayle,
editeur de Tatlas colonial, 16 rue de TAbbaye.
„Revue Geographique Internationale/' approuvee par
le Ministere de 1' Instruction publique, la Societe
Franklin et le Gouvernement general de l'Algerie.
Societe Academique Indo-Chinoise.
Societe de Geographie, Boulevard S. Germain 184.
Societe de Topographie.
RlodeJaneiro.Sociedade de Geographia de Lisboa.
Bochefort. Bulletin de la Societe de Geographie de Rochefort.
Ronen. Societe Normande de Geographie.
Schmalkalden.Y er ein für Hennebergische Geschichte und Landes-
kunde.
Schönenwerd. Verein junger Kaufleute.
Solothurn. Kaufmännischer Verein.
Verein für Erdkunde.
Verein zur Förderung überseeischer Handelsbeziehungen.
Industrie- und Gewerbemuseum.
Ostschweizerische Geographisch - Commercielle Gesell-
schaft.
Swänska Sällskapet för Antropologi och Geografi
(Tidskrift „Ymer").
„Antiqua" (Redaktor Forrer).
Württemberg. Verein für Handelsgeographie und För-
derung deutscher Interessen im Auslande.
Deutsche Gesellschaft für Natur- und Volkskunde
Ostasiens.
Geographical Society.
Societe de Geographie.
Washington. Bureau of Ethnology. (Direktor J. W. Powell.)
,, Smithsonian Institution.
United States Geological Survey.
K. K. Geographische Gesellschaft.
K. K. Handelsmuseum („Das Handelsmuseum".)
K. K. Militär-Geographisches Institut. Herausgegeben
auf Befehl des K. K. Reichs-Kriegs-Ministeriums.
Stettin.
»
St. Gallen.
71. Stockholm.
72. Strassbarg.
73. Stuttgart.
74. Tokio.
Tours.
Wien.
XXXV
83. Wien. Monatsschrift für den Orient.
84. „ Sektion für Höhlenkunde.
85. „ Verein der Geographen an der Universität Wien.
86. „ Wiener Kaufmännischer Verein (Kaufmännische Zeit-
schrift).
87. „ Wissenschaftlicher Club.
88. Winterthur. Gewerbemuseum.
89. ; , Neues Schweizerisches Gewerbeblatt.
90. Zürich. Kaufmännischer Verein.
91. „ Offertenblatt für die Schweizerische Industrie.
92. „ Schweizerischer Handels- und Industrieverein.
93. „ Submissionsanzeiger und Offertenblatt für das Bau-
wesen. (Organ des ersten Schweizerischen Muster-
lagers von Bauartikeln.)
6. Donatorenverzeiehniss.
Es gereicht uns wiederum zu besonderer Ehre, allen un-
sern freundlichen Donatoren den herzlichsten Dank für ihr
gütiges Wohlwollen auszudrücken.
Der erste Blick auf nachstehende Liste wird unsern Lesern
die Ueberzeugung beibringen, dass die Schenkfreudigkeit im
vergangenen Jahre keineswegs abgenommen hat.
Eine lange Reihe werthvoller Spenden bereicherte unsere
verschiedenen Sammlungen. Vor allem setzte sich ein Denk-
mal uneigennützigster Freigebigkeit unser stets dienstbereites
Ehrenmitglied Herr Kaufmann Andreas Bircher in Kairo, dessen
für uns zusammengestellte Collection von dreihundert Nummern
ägyptischer Landes- und Gewerbsprodukte eine besondere Zierde
unseres Ethnologischen Gewerbemuseums bilden.
A. Donatoren ans Aar au.
Herr P. Adam-Stephani, Fabrikant.
Hch. A ms ler, Fabrikaufseher.
Otto Amsler, Stadtkassier.
J. Brast-Schmid, Postangestellter.
W. Bechstein- von Jettmar, Direktor.
Emil Bertschi, Schneider.
Dr. Hermann Berner, Zahnarzt.
Julius Bertschi.
Moritz Billeter, Factor.
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tt
XXXVI
Frau Marie Blume-Hirt.
Herr Aug. Birchmeier, Maler.
Julius Bircher, Kreis-Ingenieur.
Aug. Blattner, Kanzlist.
Hch. Brack-Uster, Revisor.
Heinrich Brära, Kaufmann.
Hch. Bräm-Thalmann, Kaufmann.
Hch. Bus er, Schmied.
Franz Camisasca, Kaufmann.
Postadjunkt J. Dambach.
J. Dätwyler-Merz, Notar.
J. Dolder-Saxer, Kaufmann.
Fräulein Mina Dössekel, Klavierlehrerin.
Herr Max Dietschy, Kantonsschüler.
,, J. Dubs, Müller.
„ Fritz Ernst, Röhrenfabrikant.
Frau Failer-Rohr.
Herr Hans Fleiner, Fabrikant.
Frau Wittwe L. Fleiner-Zschokke.
Fräulein Louise Frank.
Herr Prof. Dr. Adolf Frey.
„ Notar Hch. Frey.
„ Jakob Freihofer, Bildhauer.
Fräulein Louise Fischer, Messerschmieds.
,, Rosa Frey, Schachen.
Herr Max Frey, Chocoladefabrikant.
Prof. Dr. Franz Fröhlich.
,, A. Gysi-Studler, Photograph.
Jak. Gig er, Polizeicorporal.
W. Ging, Wagner.
0. G u y e r , Fabrikant.
Arnold Hassler, Buchhalter.
Heinrich Hassler, .Kantonsschüler.
Aug. Häusler, Maler.
Wilhelm Härdi, Goldschmied.
Hans Henz, Kaufmann.
Hch. Herzog, Lehrer.
Rud. Hegnauer-Renold, Fabrikant.
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; , Fried. Hemmeier, Postcommis.
„ Jak. Hilfiker, Bäcker.
„ W. Horl acher, Kaufmann.
,, J. Hoffmann.
,, Gottlieb Höhn, Kassier der Güterexpedition.
,, Hermann Hunziker-Fleiner, Part.
Guido Hunziker-Züst, Part.
Hermann Hunziker-Thommen, Fabrikant.
Adolf Jenny, Fabrikant.
Alfred Imhof, Schüler.
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Herr Otto Kaufmann, Kaufmann.
Andreas Keller, Bezirks Verwalter.
Daniel Keller, Färber.
Frau Keller-Leuenb erger.
,, Kath. Keller, Ellenwaarenhandlung.
Herr Emil Kern-Rychner, Fabrikant.
Frau Ida Kirchner- Vonwiller, Modewaarengeschäft.
Herr Alfred Kuhn-Buser, Schlosser.
Fried. Ktinzlen-Kranich, Buchhalter.
Joh. Kubier, Bahnhofinspector.
Alb. Lenzi-Fischer, Kontrolleur.
N. Lim acher, Schuhmachermeister.
Fräulein Louise Lüscher, Hintere Vorstadt.
Herr F. G. Martin, Buchdrucker.
„ Th. Mayer, Schuhmacher.
Frau Märk-Maurer.
Herr J. Meili, Müller.
„ Meier, Verwalter.
„ Ed. Müller, Schirmmacher.
„ Müller & Cie. , Lithographische Kunstanstalt.
Fräulein Marie Mürset, Coiffeuse.
Herr Neuburger-Imhof, Part.
„ F. Oboussier, Kaufmann.
Fräulein Louise Plüss, Lehrerin.
Tit. Regierung des Kantons Aargau.
Herr F. Ryniker, Bierbrauer.
,, Nat.-Rath Hans Riniker, Reg.-Rath.
Hermann Riniker-Wernli.
Alfred Rothpletz, Bankdirektor.
,, Dr. med. Rothen.
,, Fried r. Roth, Schuhmacher.
Frau Wittwe Marie Rothpletz.
Herr Alb. Rusterholz, Bildhauer.
Frau Schaufelbühl.
Herr Ludwig Schäfer, Schulhausabwart.
„ Wilhelm Stäbli.
„ Gebr. Schiesser, Käsehandlung.
,, P. Schmid-Wolf, Sekretär.
Herr Dan. Schmuziger-Kolier, Baumeister.
Frau Schmitter-rHuillier. f
Herr J. T. Schneider-Mattenberger.
,, F. F. Schweizer, Eidg. Banknoteninspektor.
Frau Schweizer-Gubler.
Herr Emil Siebenmann-Merz, Gemeindeweibel.
,, Gottlieb Siebenmann, Gerber.
,, J. Sommer, Volksküche.
Tit. Stadtrath von Aarau.
Herr Gottlieb Siebenmann, Stadtbaumeister.
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Herr Jak. Stirnemann, Notar.
Frau Marie Strebel-Brunner.
Herr Erwin Tanner, Stadtammann.
Tittel, Chef-Lithograph.
Aug. Trüeb, in Firma Müller k Cie.
Ad. Vogt, Zahnarzt.
Samuel Vogt-Siegrist, Wirth.
,. Karl Wägeier -Vogel, Dachdecker.
Frau Dr. Weber,
Herr Wehrli, Zinngiesser.
Job. Wo ige 1, Fabrikant.
Karl Weisse, Färbermeister.
Adolf Wettler, Hotelier.
Jos. Wittmcr, Musikalienhandlung.
D. Widmor.
Ant. Willimann, Lohnkutscher.
Heinr. Wydler-Bäuerlin, Färber.
Heinr. Wullschleger, Oekonom.
Heinr. Würger, Eisengiesserei.
Jul. Wittmer, Lithograph.
Oberst Oscar Zellweger, Taxidermist.
Joli. Zimmermann, Lehrer.
t Emil Zschokke, Pfarrer.
Frau Zschokko-Voitol.
Herr Rud. Z urlinden, Fabrikant.
,, J. Zürcher, Turnlehrer.
B. Auswärtige Donatoren.
Herr Adelhard, Kunsttischler, Nürnberg.
,, H. Aoppli, Missionskaufmann, Mangalur.
., Alpiger, Kaufmann, Teheran, Persien.
Hans Anglikor, Kaufmann, Belfast.
Ferd. Beck, Neuenburg.
Aug. Hehre, Dekorationsmaler, Biel.
Emil Bell, Kaufmann, Baranquilla, Columbia.
Hermann Billo, Kaufmann, Moskau.
Andreas Birchor, Kaufmann, Kairo.
J. Boden stedt, Kaufmann, Bremen.
,, Jakob B olliger, Viceconsul, Campinas.
Brut sein, Privatier, Sukaburni, Java.
,, Emil Brodbeck, Oberrichter, Liestal.
Aug. F. Dennler, Zürich.
J. Doppel or, Photograph, Biel.
Charles Dick, Bijoutier, Vevey.
Herren Egg i mann k Hedigcr, Cigarrettenfabrik, Biel,
Herr Hob. Eichenberger, Kaufmann, Beinwyl.
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XXXIX
Herr Prof. Dr. Friedr. Erismann, Moskau.
Nat.-Rath. Max. Erismann, Bad Brestenberg.
A. von Escher, Militärmaler.
Ch. Faure, Sekretär der Geogr. Gesellschaft, Genf.
Firma Gautschi & Hauri, Cigarrenfabrik, Reinach.
Herr Rektor Jak. Gloor, Rheinfelden.
„ Kaufmann Joh. Oskar Gysi, Manchester.
„ Dr. Jul. Glaser, Zofingen.
Firma Cossart, Gordon & Cie., Weinhandlung, Madeira.
Herr l\ Grossmann, Kaufmann, Täbris, Porsien.
„ Hermann Harry, Wattwyl.
Haury-Christen, Missionskaufmann, Mangalur.
H. Hediger & Söhne, Cigarrenfabrik, Reinach.
Humbel, Fabrikant, Retterswyl, Aargau.
Firma Henckell, Zeiler & Cie., Conservenfabrik, Lenzburg.
Herr Rud. Hess, Fabrikant, Pilgersteg.
Tit. Historisches Museum, Neuenburg.
Herr Fritz Hunziker, Kaufmann, Rostow a. Don.
,, Huttenlocher, Zeichenlehrer, Biel.
„ Ed. Jenner, Conservator des historischen Museums, Bern.
Tit. Imprägniranstalt Langenthai.
Herr Isak, Kaufmann, Wien.
,, W. Kaiser, Buchhandlung, Bern.
,, Koch, Photograph, Schaff hausen.
Tit. Kunstmuseum Bern.
Herr Adelbert Kurz, Wien.
Fritz Ledder, Kaufmann, Louisvilie, Kentucky.
J. Lehmann, Weinhandlung, Biel.
Maestrani, Fabrikant, St. Gallen.
t Rentier Michalski, Plantagenbesitzer auf Schloss Hilfikon.
Karl Müller, Kaufmann, Massaua.
Karl Oederlin, Fabrikant, Baden.
0. Peyer, Plantagenbesitzer, Zug.
Firma Ramel & Cie., Glasätzerei, Genf.
Herr Ramseyer, Missionär, Abetifi.
,, Reber, Apotheker, Genf.
Prof. Fritz R ey, Livorno.
Ad. Richter & Cie., Ölten.
,, Rietmann, Photograph, St. Gallen.
,, Bruno Saft, Grand-Hotel, Baden.
,, Otto Schäfer-Scheibe, Berlin.
Dr. Schumacher, Kantonschemiker, Luzern.
Gottfried Schenker, Kaufmann, Wien.
Adolf Schenker, Kaufmann, Winterthur.
Frau Schibier-Rochholz, Constantinopel.
Herr B. Schibier, Kaufmann, Constantinopel.
„ Dr. Hans Schinz, Forschungsreisender, Berlin.
J. F. Schill & Cie., Stuttgart.
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XL
Herr Emil Schmuziger, Kaufmann, Winterthur.
Antiquar Schreiber, Genf.
Dagobert Schumacher, Fürsprech, Luzern.
Schür mann, Stadtschreiber, Luzern.
,, Gottlieb Siebenmann, Baku.
,, Emil Sommerhaider, aus Batavia.
Sam. Sprüngli, Kaufmann, Zürich.
Staehelin, Conservator des Hist. Museums in Frauenfeld, in
Weinfelden.
Ernst Stein, Erdö-Benje, Ungarn.
J. Suter, Palermo.
Dr. Surbeck, Ramleh.
Fräulein f Louise Surbeck, Hettlingen.
Herr Carl Vonwiller, Kaufmann, Madrid.
Prof. E. Vouga, Marin bei Neuenburg.
Wartmann-Blösch, Pharm., Biel.
Missionär J. Weiss, Abokobi, Goldküste.
Dr. Wienand, Liestal.
Woodtli, Kaufmann, Aden.
Wolff & Sohn, Karlsruhe.
,, Conradin Zschokke, Ingenieur, Rom.
Firma Z übler & Irmiger, Cigarrenfabrik, Zezwyl.
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11
7. Der IV. Geographentag des Verbandes der
Schweiz, geographischen Gesellschaften
vom 19.— 21. August 1888 in Aarau.
(Ueber die Beschlüsse siehe das nachfolgende Protokoll).
Im kleinen Festsaal des Saalbaues versammelten sich am
Morgen des 21. August die Abgeordneten der schweizerischen
geographischen Gesellschaften, verstärkt durch eine grössere
Anzahl von Mitgliedern unserer Mittelschweizerischen Geo-
graphisch-Commerciellen Gesellschaft und sonstigen Freunden
der Geographie, zu ihrer ersten Vortragssitzung. Unsre werthen
Gäste empfieng der Spruch des Dichters Gottfried Kinkel
über der Saalthüre:
„Wozu wird Geographie getrieben?
Dass die Völker sich achten sollen und lieben."
XLT
Der Eintritt in den Saal selbst überraschte durch die reiche
Decoration, die Herr Museumsconservator Bührer den Saal-
wänden mit dem reichen ethnologischen Material hatte zu
Theil werden lassen, das uns Herr Kaufmann Andreas Bircher
von Kairo aus Aarau in freigebiger Weise zur Verfügung ge-
stellt hatte. Nach einer kurzen Begrüssung der Anwesenden
eröffnete der Präsident die Sitzung und ertheilte hierauf Herrn
Bircher das Wort zum ersten Vortrage.
Herr Bircher verbreitete sich, immer auf das links und
rechts zu seiner Seite übersichtlich gruppirte Demonstrations-
material verweisend, „über die ökonomischen und commerciellen
Verhältnisse des gegenwärtigen Aegyptens," indem er auf die
von Tag zu Tag sich steigernde Wichtigkeit dieses mehr
und mehr europäisirten Produktenlandes und seines für den
abendländischen Exporthandel so wichtigen Hintergebietes,
des Sudan, hinwies. Siehe den Vortrag in wesentlich er-
neuerter Gestalt Seite 131 dieses Bandes.
An diesen Vortrag schloss sich eine vielfach Neues bietende
Besprechung der Lage des Sudans. Herr Prof. Conrad Keller
von Zürich, welcher sich bei wiederholtem Aufenthalt mit den
Verhältnissen von Suakim und Umgebung vertraut gemacht
hatte, rühmte die tüchtigen Eigenschaften der sudanesischen
Stämme. Vor dem Aufstand des Mahdi waren in jenen Gegen-
den Sicherheit und Ehrlichkeit zu Hause. Die blutsaugerische
Wirksamkeit des aller Culturideale hohnlachenden Türken-
regimes verwandelte in kurzer Zeit jene naive Negerbevölkerung
in eine europafeindliche Fanatikerhorde, die, um sich durch
die europäische Masseneinwanderung nicht verdrängen zu
lassen, schliesslich in begreiflicher Nothwehr den allgemeinen
Aufstand gegen das gesammte Europäerthum organisirt hat.
Nach des Redners Ansicht sollte Europa für seine Colonial-
und Exportbestrebungen vornehmlich zwei Ziele ins Auge
fassen: erstens sollten mit dicht bevölkerten Ländern Ausser-
europas einfach gute Handelsbeziehungen angeknüpft werden;
zweitens sollte man dafür Sorge tragen, dass der Strom der
Auswanderung nur in dünn bevölkerte Länder abgeleitet und
den Ausgewanderten der Schutz ihrer Mutterländer gesichert
würde.
Herr Bircher stimmte seinem Vorredner in allen Stücken
bei, indem er noch ausdrücklich die in den Sudanländern gegen
XLII
Europa sich geltend machende Aufregung insbesondere den
argen Bedrückungen der ägyptischen, d. h. türkischen Steuer-
beamten beimass, die sich ein Geschäft daraus machten, neben
den dem ägyptischen Fiscus einzuliefernden Steuern noch solche
zu Gunsten der eigenen Bereicherung einzutreiben.
Die drei folgenden Sprecher, die Herren Buchhändler
Stolz von St. Gallen, Herr Prof Dr. Oncken von Bern
und Herr Pfarrer Faure von Genf sprachen ihre Entrüstung
über das jeder Beschreibung spottende Loos der ägyptischen
Landbevölkerung, der Fellahs, aus. Oncken bezeichnete als
der ägyptischen Uebel grösstes die kolossale Staatsschuld,
die nothwendige Folge des allzufrühen, unvermittelten Ueber-
gangs des ägyptischen Staates von der Naturalwirthschaft
zur Kreditwirthschaft, d. h. die Umwandlung der früheren
Naturalabgaben und Frohndienste der Fellahs in Steuern,
die baar bezahlt werden müssen. Diese Umwandlung hatte
naturgemäss zugleich eine Erhöhung der Steuern zur Folge.
Herr Faure betonte nochmals die grosse Verantwortlichkeit,
welche Europa in Aegypten und dem Sudan auf sich geladen
hat. Er schilderte seine diesbezüglichen Unterhaltungen mit
den bekannten Afrikaforschern Dr. Junker und Dr. Schwein-
furth, welche beide die Preisgabe des Sudans als eine Barbarei
und die gegenwärtige Situation in den Nilländern als eine
Schande für Europa bezeichnet hätten.
Nunmehr entwickelte Herr Bouthillier de Beaumont,
mit der Kreide an der Tafel demonstrirend , die von ihm er-
fundene neue Projektion der Globusfläche in Gestalt einer herz-
förmigen Planisphäre. Sein neues System beruht vollständig
auf Kreisbögen und geraden Linien. Es ist deshalb leicht zu
construiren und vermeidet, soweit es überhaupt einer Plani-
sphäre möglich ist, die Verzerrung der Continente. Im Zusammen-
hang mit dieser neuen Weltkarte schlägt Herr von Beaumont
eine neue Eintheilung der 360 Längengrade vor, deren ersten
Meridian er, um alle nationalen Eifersuchten zu beschwichtigen,
durch das Cap des Prinzen von Wales an der Behringstrasse
ziehen will, während bis jetzt, zum grössten Schaden der Geo-
graphie, jede Nation den ersten Meridian durch die Haupt-
stadt ihres Landes zieht. Ebenso will Herr von Beaumont
die 360 Meridiane durch graphische Bezeichnung der 24 Stun-
den und deren Unterabtheilungen ersetzen zur Grundlage der
XLIII
von ihm vorgeschlagenen „Weltzeit", deren Einführung natur-
gemäss eine absolute Umänderung des gegenwärtigen Uhren-
systöms mit sich bringen würde. S. Le Globe, Organe de la
Societe de Geographie de Geneve, Tome XXVII. „De la pro-
tection en cartographie et d'une nouvelle projection de la sphere
entiere comme planiglobe, par M. Bouthillier de Beaumont. a
Nach vollendeter Tagesarbeit folgte ein solenner Früh-
schoppen, zu welchem unsere correspondirenden Mitglieder,
Herr Gott fr. Schenker, Chef der internationalen Transport-
gesellschaft in Wien, echtes Wienerbier von Dreher nebst
Pragerschinken, Herr Kaufmann Joh. Osk. Gysi in Manchester
prima englisches Strongale, Herr Kaufmann Bodenstedt in
Bremen vorzüglichen Pumpernickel gespendet hatten.
Das Menü des Banketts im Gasthof zum Ochsen wies unter
anderm auf: Ostafrikanische Maniokasuppe, Donator Herr Kauf-
mann Adolf Furrer, in Winterthur, Mixed Picles von Firma
Henckell, Zeiler & Cie. in Lenzburg, ebenso von derselben
Firma conservirte Aprikosen, Birnen und andere Früchte, ferner
die eingemachten Süssigkeiten Cumquat und Tschautschau, Ing-
wer in Syrup und trocken, Donator Kaufmann Th. Lutz in
Hongkong, zum Schluss echter Mokkakaffee von Kaufmann
Woodtli, in Aden. An Weinen, Liqueuren und Cigarren nebst
Cigaretten hatten Mitglieder, Freunde und Behörden ebenfalls
ihr redlich Theil beigetragen. An aargauischen Weinen erschie-
nen: Kasteier Schlossberger, Geschenk des Stadtraths von
Aarau, Badener Gold wändler, Donator Herr Fabrikant Karl
e d er lin in Baden, Rother Brestenberger, Donator Herr National-
rath Max Erismann auf Bad Brestenberg am Hallwylersee ;
Habsburger Schlossberger, 1885er, von Herrn Nationalrath
Regierungsrath Hans Riniker in Aarau; Tokayer von Herrn
Ernst Stein in Erdö Benje bei Tokay; Syrakusa, Nacarella von
Herrn Kaufmanu J. Suter in Palermo; endlich eine Fülle edler
Balkanweine, gespendet von Herrn Weinhändler Julius Leh-
mann in Biel, als: Dunkelrother von Tran, Dunkelrother von
Brazza, Schwarz secco von Spalato, Schwarz secco von Salona,
Schwarz Süss von Klissa, Hellroth Süss von Olmis, Cerljenak,
hochgelbfeurig, gewürzreich, 1874er, Moscato Rosa, rubinroth,
mit Rosengeruch. Herr Kaufmann Gottlieb Siebenmann in
Baku hatte aus Transkaukasien Prima Kachetiner, Goldgelb,
in Originalschlauch mit dazu gehörendem Trinkhorn gesandt.
XL1V
An Liqueuren erschienen: Drei Sorten russischer Schnaps von
Herrn Kaufmann Hermann Billo in Moskau; ferner Magen-
bitter, Dulcamaro und Wermuth-Bitter von Herrn Aug. F. Denn-
ler in Interlaken und Zürich; Cigarren und Cigaretten von den
Firmen: Eggimann & Hediger in Biel; Herren Hediger &
Söhne in Reinach; Herren Gautschi & Hauri in Reinach (Aar-
gau); Herren Zubler & Irmiger in Zezwyl (Aargau); ferner von
Rostow am Don« hatte Herr Kaufmann Fritz Hunziker russi-
sche Cigaretten gesandt. Alle diese Gaben hatte Herr Prof.
Dr. E. L. Rochholz in Aarau die Freundlichkeit, mit einem
humoristischen Spruch auf dem gedruckten Menü noch besonders
interessant zu machen. Aus dem kleinen Schatzkästlein dieser
Sprüche, die seinerzeit sämmtlich in der Beilage der Basler
Geographischen Nachrichten vom 1. September 1888 erschienen
sind, erlauben wir uns folgendes Beispiel hervorzuheben:
Zum Mokka von Aden.
Statt der Reisekarte
Und der Forschungsfragen,
Bios die Speisekarte
Wilder Polyphagen?
Nun, wer Goethe huldigt,
Hat uns bald entschuldigt.
Noch in Silberlocken
Sprach er unerschrocken:
Fernhin ist zu schauen!
Denn steinharte Brocken
Sind noch zu verdauen.
Wahrlich, nicht aus Enthusiasmus für Gourmandise, wie-
wohl diese ihre Rechnung fand, sondern aus pflichtgemässer
und gerne geschuldeter Dankbarkeit unsern freigebigen corres-
pondirenden Mitgliedern und Freunden gegenüber, die am Bankett
selbst zum grösstentheil nicht hatten erscheinen können, hiel-
ten wir es für nothwendig, im vorstehenden Donationsverzeich-
nisse dieser Herren mit herzlichstem Danke zu gedenken.
Wir wenden uns nunmehr zum Bankett selbst, dessen
Leben, wie es unter tafelnden Rittern des Geistes zu geschehen
pflegt, leicht für eine zwar reich unterhaltende, aber deshalb
nicht minder inhaltsreiche Fortsetzung der Vormittagsberath-
ungen gelten konnte. Der Präsident, Dr. H. Br., eröffnete den
Reigen der zahlreichen Toaste mit folgendem Trinkspruche auf
das Vaterland:
XLV
Verehrte Festgenossen aus dem Morgen- und Abendland,
liebe Freunde! Es ist mir die Ehre zu Theil geworden, an
unserm Geographenbankett den ersten Toast auszubringen.
Kann es in einem Freistaate dem Zweifel unterliegen, wem
das erste Hoch gilt? Schlägt nicht unser Herz zuerst und
zuletzt für das theure Vaterland? Widmen nicht auch wir
Geographen, deren Beruf es ist, den Blick unseres Volkes sich
über die engen Schranken seiner Grenzmarken hinaus erweitern
zu lassen, den ersten und letzten Gedanken unserer Wirksam-
keit dem inniggeliebten Vaterlande?
Die Grossartigkeit der schweizerisehen Alpennatur bleibt
unbestritten die Perle europäischer Landschaftsschönheit. Aber
die Schönheit der Schweizerlandschaft vermag den Blick des
Handelsgeographen nicht in dem Masse zu fesseln, dass er un-
fähig würde, zu erkennen, wie sehr bescheiden wir über un-
sere geographische Lage zu denken Veranlassung haben.
Unsere geographische Lage, verehrte Festgenossen, ist
schier die schlimmste, die sich in Europa vorstellen lässt. Das
Meer ist die völkervermittelnde Freistrasse, auf welcher die
Güter des Kaufmanns den raschesten, wohlfeilsten und deshalb
gewinnbringendsten Umsatz finden. Das Meer ist der grosse
Jungbrunnen, in welchem sich Handels- und Industrievölker
immer wieder zu erholen pflegen. Wir aber sind das einzige
Land in Europa, das nach allen Richtungen hunderte von
Kilometern vom Meere getrennt ist, ohne die , geringste Hoff-
nung, jemals das Meer zu erreichen. Was es aber heissen will,
ein küstenloses Binnenvolk zu sein, das sagt uns ein alter,
geistvoller, wenn auch zuweilen barocker Denker, der biderbe
Turnvater Jahn. In seinem Büchlein vom Deutschen Volks-
thum erklärte er im Jahre 1810: „Ein entküstetes Volk ist ein
Welteinsiedler, ihm fehlt das Meer. Selbst ein grosses vom Meere
abgedrängtes Volk muss ersticken, weil es nicht Herr seiner Aus-
und Einfuhr bleibt"
Verehrte Festgenossen, es kann nicht meine Aufgabe sein,
in diesem Augenblick die Ungeheuern Folgen unserer verkehrs-
geographischen Lage auszuspinnen. Das ist die Sache hell-
blickender Handelspolitiker. Aber, wenn wir um uns schauen,
wenn wir unsere allgemeinen Culturverhältnisse vergleichen
mit denjenigen der uns eisern umklammernden Nachbarländer,
die alle das Glück haben, Meeresküsten und weltverkehrver-
XLVI
mittelnde Seehäfen zu besitzen und wenn wir die Beobachtung
machen, dass wir international geehrt und geachtet sind, so
dürfen wir wohl die Frage erheben: Woher bei aller Ungunst
unserer verkehrsgeographischen Weltlage diese relative Blüthe
unserer Verhältnisse, dieser Aufschwung der Geisteskräfte zur
Förderung idealer Güter?
So misslich unsere verkehrsgeographische Situation, so
günstig ist unsere ethnologische Weltlage.
In die Mitte gestellt zwischen die germanischen und ro-
mani schenGrossstaaten, selbst zusammengesetzt aus germanischen
und romanischen Elementen, vermögen wir die Licht- und
Schattenseiten beider Völkerfamilien, die für immer auf ein-
ander angewiesen sind, besser zu erkennen, als unsere Nach-
baren. Nirgends ist das Sinnen und Trachten nach der Lösung
übernationaler, menschheitlicher Aufgaben intensiver als in
unserm schweizerischen Vaterlande. Es ist ja deshalb auch
kein Zufall, sondern Produkt unserer internationalen Weltlage,
dass die Verkehrs- und humanitätsfreundlichen Errungenschaften
der Neuzeit ihre leitenden Geschäftsbureaux in der Schweiz
haben: Der Verein zum rothen Kreuz in Genf, der Weltpost-
verein und die Convention zum Schutze des geistigen Eigen-
thums in Bern.
Jeder von uns, verehrte Festgenossen, vom Nationalrath
herunter bis zum Proletarier, ist stolz auf diese uns über-
tragenen Aufgaben. Jeder von uns lebt auch der Ueberzeugung,
dass wir in der Lösung solcher internationaler Aufgaben unsere
menschheitliche Bestimmung erfüllen, und dass solcher Auf-
gaben von Jahrzehnd zu Jahrzend immer neue sich geltend
machen werden. Das Höchste, was wir zu leisten vermögen
und zu dessen Erkenntniss wir unsern Horizont frei halten
müssen, ist die thatkräftige Einsicht, dass wir unser natio-
nales Arbeitskapital im Dienste der Menschheit verwalten
müssen. Denn hoch über allen Nationen steht die Menschheit.
Nur alle Nationen, die gewesenen sowohl als die noch kom-
menden, machen die Menschheit aus. Unsere schärfste Wach-
samkeit müssen wir darauf verwenden, in dem engen Kreise
der uns von Natur und Geschichte angewiesenen Weltlage
unsern Sinn sich nicht verengern zu lassen, sondern allezeit
darnach zu streben, dass, selbst wenn es draussen dunkler
XLVII
würde, man von unserm Vaterlande singen könnte, wie der
Hirtenknabe in Unlands Lied:
Die Sonne strahlt am ersten hier,
Am längsten weilet sie bei mir.
Auf ein schweizerisches Vaterland, das sich solchem mensch-
heitlichen Berufes jederzeit bewusst ist, bringe ich mein
Hoch aus. Unser schweizerisches Vaterland, als Mittelpunkt
und Produktionsherd aller die Menschheit einigenden Ideen,
es lebe hoch!
Herr Bouthillier de Beaumont von Genf, der greise,
aber immer noch jugendlich geistesfrische Erfinder der Welt-
zeit, brachte sein Hoch auf die Mittelschweizerische Geogra-
phisch-Commercielle Gesellschaft und sprach im Namen Genfs
für den freundlichen Empfang seinen Dank aus. Herr Finanz-
direktor Riniker begrüsste den schweizerischen Geographentag
Namens der aargauischen Regierung, indem er betonte, dass
die oberste Landesbehörde unsere Geographisch-Commercielle
Gesellschaft nicht als einen gewöhnlichen Verein auffasse,
sondern dessen zugleich wissenschaftliche und praktische Be-
deutung für das engere und weitere Vaterland vollauf zu
würdigen wisse. Er trinkt sein Glas auf das einige Zusammen-
wirken der Heimat und ihrer geographisch-commerciellen Pio-
niere im fernen Ausland. Herr Scherrer-Engler, der
Präsident der ostschweizerischen Geographisch-Commerciellen
Gesellschaft in St. Gallen, übermittelt den Herren Conser-
vator Karl Bührer und Präsident Brunnhofer das Diplom als
Ehrenmitglieder und wünscht der mittel schweizerischen Ge-
sellschaftbestes Gedeihen. Herr Charles Faure von Genf über-
bringt den Gruss des französischen Geographencongresses, der
gleichzeitig mit uns in Bourg in der Bresse tagte und über-
nimmt den Auftrag, diesen Gruss Namens der Anwesenden
morgens in Bourg zu erwiedern. Herr Dr. Brunnhofer theilt
mit, dass die mittelschweizerische Geographisch-Commercielle
Gesellschaft Herrn Kaufmann Andreas Bircher für seine
Leistungen für die Gesellschaft, insbesondere für die reiche
ethnologische Sammlung ägyptischer Gegenstände zum Ehren-
mitglied ernannt habe. Er trinkt auf Herrn Birchers fernere
fruchtbare Thätigkeit im Dienste der Geographie und Aaraus.
Herr Stolz von St. Gallen toastirt auf die richtige Sesshaftig-
keit; Herr Bircher und Herr Bally auf die mittelschweizerische
XLVIII
und die ost schweizerische Geographisch-Comniercielle Gesell-
schaft; Herr Oncken von Bern toastirt auf die Behörden;
Herr Prof. Conr. Keller von Zürich auf die wissenschaftliche
Arbeit; Herr Dr.Brunnhofer aufdiemuthige, dengeographisch-
commerciellen Bestrebungen so sehr zu Gute kommende Pionnier-
arbeit der schweizerischen Missionare; Herr Chaix von Genf
auf die Beziehungen zwischen den Auswanderern und der
alten Heimat: Herr Konservator Bührer auf unsere korres-
pondirenden Mitglieder im Auslande.
Am späten Nachmittag besuchten die Geographen noch
das Ethnologische Gewerbemuseum, wo ihnen unter der kun-
digen Führung des Herrn Conservators Bührer, dessen ebenso
kräftige als gewandte Mitwirkung die Sammlung so rasch ge-
fördert hat, ein voller Einblick in die patriotische Thätigkeit
unserer korrespondirenden Mitglieder in allen Theilen der
Erde sich erschloss. Auf dem „ Alpenzeiger u , der reizend ge-
legenen Kurwirthschaft auf dem benachbarten Hügel „Hunger-
berg" , spielte sich dann noch eine jener muntern Gesell-
schaftsscenen ab, die, zwischen Scherz und Itundgesang ab-
wechselnd, sich dem Gedächtnisse um so fester einprägen,
als dabei süsse Erinnerungen an die schöne Jugendzeit wieder
wach werden.
Der späte Abend versammelte die Geographen, zugleich
mit dem Aarauer Publikum im grossen Festsaal zu einer musi-
kalischen Abendunterhaltung, welche die Stadtmusik und der
Bürgerturnverein den Gästen boten. Unser Aarauer Baryton,
Herr Direktor Burgmeier, Hess in den Zwischenpausen seine
ebenso kräftige, als sympathische Stimme durch den dicht-
gefüllten Saal erschallen. Der Zulukriegertanz des Bürger-
turnvereins erntete reichen Beifall. Herr Egli von St. Gallen
sprach der Bevölkerung von Aarau in warmen Worten den
Dank der Festgäste für den freundlichen Empfang aus. Erst
die späte Mitternacht Hess Musik und Festgewoge verstummen.
Der Morgen des 21. August vereinigte die Geographen
wieder zu ernster Arbeit. Herr Prof. Dr. Oncken, Direktor
der Consularschule in Bern, eröffnete die Reihe der Vorträge
mit einer gehaltvollen , praktisch fruchtbaren Abhandlung
über die Nolhwendigkeit der Errichtung schweizerisclier Handels-
museen.
Der Vortragende wies zunächst auf das grosse Musee
IL
— r
Commercial in Brüssel hin , welches zum Muster für alle
nachfolgenden Anstalten dieser Art geworden ist. Das
Brüsseler Museum ist allerdings nicht das älteste Museum
dieser Art, sondern das Wiener Handelsmuseum, das aus der
Wiener Weltausstellung von 1873 hervorgegangen war, ist
gewissermassen sein Vorbild gewesen. Allein das Brüsseler
Museum, eine Schöpfung des liberalen Ministers Frere Orban,
hat sich von Anfang an auf einen so eminent praktischen
Fuss eingerichtet, dass das Wiener Museum sich im Jahre 1887
vollständig nach dem Brüsseler Musee Commercial umgeformt
hat. Gleich bei der Gründung des letztern erhielten die
belgischen Konsuln den Auftrag, Muster einzuschicken über
die Bedürfnisse ihrer Stationsländer, sowie der bezüglichen Kon-
kurrenzstaaten. Ferner sollen sie Mittheilungen einsenden über
alle Hand eis Verhältnisse ihrer Länder, sowie Berichte liefern
über die Ursachen, warum andere Staaten im Auslande die
Konkurrenz besser als Belgien bestehen können. So besitzt
nun das belgische Staatsmuseum, das Musee Commercial, seine
Waarensammlung, sein Bureau, welches jede gewünschte Aus-
kunft gibt, seine Bibliothek mit Lesezimmer, sein besonderes
Bulletin, sowie seinen Katalog über das Musterlager, der sehr
eingehende Angaben macht. Heimkehrende Konsuln halten
an diesem Museum Vorträge.
Granz nach diesem Muster neueingerichtet, soll nun auch
das Wiener Handelsmuseum die Leitung für das gesammte
handelspolitische Leben in Oesterreich übernehmen. Es soll
das Material herbeischaffen für Handelsverträge, das gesammte
handelspolitische Leben des Auslandes studiren und darüber
regelmässigen Bericht erstatten. Das Handelsmuseum soll die
Dienste einer höheren Handelsakademie besorgen, Vorträge
halten lassen über Export, Verschiffung, Handel und Geschäfts-
lage in Britisch Indien, Afrika, Levante u. s. w. Diese Vor-
lesungen sind überaus stark besucht und zwar nicht nur von
Kaufleuten, sondern vom grossen Publikum. Das Wiener
Handelsmuseum verlegt seinen Schwerpunkt nicht in
die Sammlungen, sondern in die aus ihnen hervor-
gehenden Anregungen, es ist zu einer hohen Schule
geworden, weil es als Ziel und Ideal seiner Wirksam-
keit nicht die Anhäufung unendlich mannigfaltigen
Materials, sondern die Ausstreuung neuer, aus dem
Fernsehen III. IV
L
-r-
Q-esiclitspunkt der Weltwirtschaft hervorgehenden
Ideen betrachtet.
Selbst ein "Welthandelsstaat wie England, das Land des
absoluten Freihandels, ist der grossen Tragweite des Nutzens
solcher Handesmuseen inne geworden und ist im Begriffe, ein
grossartiges Handelsmuseum zu errichten, um den im Welt-
handel verlorenen Boden wieder zurückzugewinnen.
So einleuchtend diese Bestrebungen unserer zielbewussten
Nachbarn sind, so befremdend wirkt zugleich die Gegnerschaft,
die sich der Nachahmung derselben in unserm Vaterlande aus
den Kreisen der grossen Exportfirmen widersetzt, indem von
denselben geltend gemacht werden will, es sei nicht recht, den
kleinen Geschäftsmann auf den Weltmarkt zu verlocken, wo
er unter dem Drucke überlegener Konkurrenz erst recht zu
'Grunde gehen müsse. So bestechend dieser Einwand auf den
Unvorbereiteten wirken mag, so wenig stichhaltig erweist er
sich gegenüber der einfachen Thatsache, dass gegenwärtig
selbst der Kleinhandwerker in Stoffen arbeitet, die vom Welt-
markt kommen und für den Weltmarkt bestimmt sind. Wer
den Blick für die grossen Umwandlungen offen hat, die das
Geschäftsleben während der letzten Jahrzehnte durchgemacht
hat, wird sich gestehen müssen, dass es überhaupt keinen
Lokalmarkt mehr gibt, sondern dass wir alle miteinander auf
den Weltmarkt angewiesen sind. Jeder wird heutzutage hinaus-
gepeitscht, er mag wollen oder nicht. Errichtet man ein
Museum, das den Bedürfnissen des Kleinindustriellen nach
neuen Anschauungen entgegegenkommt , so kann ein solches
dem kleinen Geschäftsmann auf keinen Fall schaden, während
es zweifellos auch dem Grossen nur Belehrung bieten kann.
Will man den Kleinen überhaupt nicht unterstützen, so be-
kenne man sich eben offen zum Monopol. Zudem wird die Zurathe-
ziehung des Bureaus ebenso oft eine Abmahnung, als eine
Ermunterung des Handelsmanns zur Folge haben, sodass also
von einer Verlockung nicht die Rede sein kann.
Die Handelsmuseen sind ferner wichtig für die Berathung in
Auswanderungsangelegenheiten, wo es sich um zuver-
lässige Auskunft über Geschäfts- und Gesundheitsverhältnisse
auswärtiger Länder handelt. Ganz unersetzlich aber sind die
Handelsmuseen und deren Bibliotheken zur Orientirung in
Patentschutzsachen, wo es sich darum handelt, zu erforschen,
LI
welche Erfindungen und wo dieselben schon patentirt sind,
abgesehen davon, dass sie auch für den Kaufmann eine vor-
zügliche Bildungsanstalt abgeben, denn heutzutage wird jeder
gut daran thun, sich über die Verschiebungen in den Verhält-
nissen des Weltmarktes zu rechter Zeit zu unterrichten.
Ein schweizerisches Handelsmuseum oder, da die allzugrosse
Verschiedenheit der Geschäftsinteressen in den verschiedenen
Geschäftsgebieten der Eidgenossenschaft ein einziges Handels-
museum nicht räthlich erscheinen lässt — schweizerische Handels-
museen müssten gleich von allem Anfang an in einem der Aus-
dehnung des schweizerischen Handels entsprechenden Stile ein-
gerichtet werden, so zwar, dass nach einem einheitlichen Plane
ein Netz von Specialmuseen geschaffen und die für ein Geschäfts-
centrum ausschlagenden Industrieen jeweilen an einem Punkte,
in einem Museum zur entweder ausschliesslichen oder aber doch
bevorzugten Darstellung gelangen würden. So würde, entsprechend
diesem System eines sich in einer Vielheit von Specialmuseen
darlegenden schweizerischen Handelsmuseums, Neuenburg ein
Specialmuseum für Uhrenindustrie, Genf ein solches für Bijou-
terie und Uhren, St. Gallen für Textilkunst erhalten. Diese
Institute müssten aber ein Centralorgan haben, das den Ver-
kehr vermittelte. Es hätte einlaufende Muster zusammenzu-
stellen, sie in einem Turnus durch alle Museen laufen zu lassen
und sie dann demjenigen abzugeben, das sie aufzubewahren
hätte.
Die Kosten eines derart organisirten, als System eines
durchSpecialmuseen wirkenden schweizerischen Handelsmuseums
würden sich für den Bund auf jährlich 40000 Franken belaufen.
Da die von den Konsuln einzuliefernden Muster nichts kosten
würden, so liesse sich mit der genannten Summe sehr bald
Tüchtiges erreichen. Gegenüber dem der schweizerischen
Industriewelt und Kaufmannschaft aus einem schweizerischen
Handelsmuseum erwachsenden Nutzen würde die jährlich aus-
gegebene Summe von 40000 Franken nicht in Betracht kommen.
Dieser Bundessubvention müsste aber staatsrechtlich noch der
Weg geebnet werden durch eine Vervollständigung des Bundes-
beschlusses vom 27. Juni 1886.
Nach kurzer Diskusion, an welcher sich die Herren Präsi-
dent Scherer -Engler von St. Gallen und Herr Redaktor
Anderegge r vom Schweizerischen Sticker ei verband in St.
lii
. Gallen betheiligten, wurde von der Versammlung der einstim-
mige Beschluss gefasst, diese Resolution dem h. Eundesrathe
zu unterbreiten. Siehe das nachfolgende Protokoll.
Unmittelbar auf die Handelsmuseumsfrage folgte die in
engstem Zusammenhang mit derselben stehende Auswanderungs-
frage. Herr Dr. Böthlisberger, Sekretär der internationalen
Bureaux zum Schutze des geistigen Eigenthums in Bern, be-
handelte die Auswanderungsfrage als eine nationale Angelegen-
heit von vitalem Interesse. Indem er zunächst an die eben
gefassten Beschlüsse des Geographencongresses anknüpfte,
sprach der Vortragende den Wunsch aus, es möchten die Geo-
graphischen Gesellschaften der Schweiz überhaupt mehr, als
es bisher geschehen, der Auswanderungsfrage ihre Aufmerksam-
keit zuwenden. Insbesondere aber möchte der Geographen-
congress den Plan für das in Aussicht genommene Central-
bureau für die Leitung und Subventionirung des schweizerischen
Handelsmuseums gleich von Anfang an im Zusammenhang
mit einem schweizerischen, von den geographischen Gesell-
schaften zu stiftenden Auskunftsbüreau für Auswanderungs-
lustige entwerfen.
Diese Anregung gab dem Vortragenden Gelegenheit, über
die Ursachen der Auswanderung zu sprechen. Er fasste die-
selbe als eine krankhafte, sehr verschieden zu erklärende Er-
scheinung an dem sonst gesunden Körper unseres nationalen
Lebens auf. Die Auswanderung muss deshalb zunächst mit
allen Mitteln guten Eathes und guter Gesetzgebung zu ver-
hindern gesucht werden, da dieselbe unter allen Umständen
immer nur eine Schwächung des nationalen Körpers an leib-
lichen und geistigen Kräften darstellt. Da es aber jederzeit
Auswanderungslustige geben wird, so kommt es darauf an,
die Beweggründe zu sondern, welche bald kleinere, bald grössere
Kreise unserer Bevölkerung ihr Heil im fernen Ausland suchen
lässt. Zu diesem Zwecke empfiehlt es sich, den Charakter der
Auswanderungslustigen zu prüfen. Es zeigt sich, dass dieselben
in drei Kategorien zerfallen. Die erste besteht aus denjenigen,
die, weil sie überhaupt die alte Heimat auf immer gegen eine
neue vertauschen wollen, dem Bunde weiter keine andere Sorge
mehr bereiten, als diejenige, für deren Berücksichtigung die
Gesandten und Konsuln der Eidgenossenschaft auf ihrem Posten
stehen. Die zweite Kategorie umfasst diejenigen, welche durch
LIII
irgend einen Anstellungsvertrag in ein fremdes Land gerufen
werden, um dort in bestimmten Verhältnissen ihrem Berufe
zu leben. Diese Kategorie fallt für den Bund gar nicht und
für ein Auskunftsbureau ebenfalls nur insoweit in Betracht,
als den Auswanderern vor dem Eingehen eines Vertrages
mit gutem Rath an die Hand gegangen wird. Die dritte
und für den Bund wichtigste Kategorie setzt sich aus den-
jenigen Auswanderern zusammen, die, bevor sie den grossen
Schritt wagen, ihre Arbeitskräfte und ihr Kapital auf fremden
Boden verpflanzen, vorher sich sorgsam und vorsichtig über
alle Verhältnisse ihrer neuen Heimat zu unterrichten gesucht
haben. Es sind dies meistens besserbemittelte Bauern und
Handwerker, deren Verlust für das heimische Volksthum und
Nationalvermögen eine herbe Calamität bedeutet, der nach
Kräften vorgebeugt werden sollte, indem diese Gattung von
Auswanderern zur rechten Zeit und gerade durch die geo-
graphischen Gesellschaften auf die immer noch grossen Bruch-
flächen unseres eigenen Landes aufmerksam gemacht und durch
die landwirtschaftlichen Gesellschaften zu bessern Methoden
der Bewirtschaftung angeleitet werden würden. Helfen aber
alle Mittel des Abrathens nichts, so hat das Vaterland aller-
dings die Pflicht, diesen Leuten mit bestem Rath unter die
Arme zu greifen. Es kann dies sehr gut durch das für die
Handelsmuseen in Aussicht genommene Centralbureau ge-
schehen, sofern nämlich, wie die Erfahrung lehrt, die Aus-
wanderer den dort zu holenden Rath, eben weil er officiell ist,
nicht verschmähen. In diesem Falle aber sind es dann gerade
die geographischen Gesellschaften, die, durch keine diplo-
matischen Rücksichten fremden Ländern gegenüber gebunden,
vermittelst ihrer zahlreichen correspondirenden Mitglieder in
allen Himmelstrichen am besten in Stand gesetzt sind, con-
fidentielle Auskunft zu ertheilen. Diese correspondirenden Mit-
glieder unterscheiden sich ohnedies von der grossen Masse
der Reiseschriftsteller, auf deren Berichte ein officielles Bundes-
auskunftsbureau hauptsächlich mit angewiesen wäre, durch
längere Ansässigkeit in dem Lande, über welches sie schreiben,
abgesehen davon, dass dieselben im fremden Lande grössten-
theils geachtet dastehen und langerprobten Rath ertheilen
können. Der Vortragende illustrirte alsdann zum Schlüsse seine
Ansichten an sprechenden Beispielen aus der südamerikanischen
LIV
Republik Columbia, die er in der Mitte dieses Jahrzehnts durch
mehrjährigen Aufenthalt gründlich kennen gelernt. Wie er
damals vielfach guten Eath hätte ertheilen können, wenn er
nur einen nicht officiellen Anhaltspunkt hätte finden können,
so räth er gerade deshalb den geographischen Gesellschaften,
ein solches Informationsbüreau sobald als möglich zu errichten.
Nachdem Herr Präsident Scherer-Engler in der hierauf
folgenden Diskussion vor den Schwindlern unter den Corres-
pondenten, Herr Statistiker Näf vor der Lockvogelliteratur
gewarnt und sich für die versuchsweise Errichtung eines Gratis-
informationsbüreaus ausgesprochen hatten, ausserteHerrB.de
ßeaumont den Wunsch, es möchte die Auswanderung in Form
von Gründung eigentlicher Colonien in die Hand des Staates
genommen und dem Vorort der geographischen Gesellschaften
die Aufgabe überbunden werden, hiefür bei den Bundesbehörden
zu wirken. Schliesslich wird auf Antrag von Dr. Oncken
der Vorstand beauftragt, ein Kreisschreiben an die Sektionen
zu erlassen, mit dem Ersuchen, der Auswanderungsfrage künftig
mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Ueber den bezüglich des
Antrags Röthlisberger gefassten Beschluss siehe das nach-
folgende Protokoll.
Nachdem der Präsident Dr. Brunnhofer in Anknüpfung
an die vorgeschlagene Reform der Meridian- und Zeiteintheilung
die bahnbrechende Bedeutung der von-Beaumont'schen Erfin-
dung betont und insbesondere auf die aus der Einführung
der Weltzeit erwachsenden Ungeheuern Vortheile aufmerksam
gemacht hatte, hielt er selbst noch, trotz der vorgerückten
Zeit (es war schon zwölf Uhr), einen kurzen Vortrag über
die Reform des Geographieunterrichts durch allgemeine Ein-
führung des Globus bis hinunter in die Volksschule. Zu diesem
Zwecke schlägt er die Anrufung einer Bundessubvention vor,
die, wenn sie jährlich auch nur 1500 — 2000 Franken betragen
würde, die rasche Verbreitung der Erdgloben durch das ganze
Land hin zur Folge hätte. Da aber alle tiefere Einsicht in
der Geographie nur vom Studium des Globus herkommen
kann, wie der Vertragende schon in seiner Abhandlung über die
Reform des geographischen Unterrichts in Bd. I. (1886) der
Fernschau, pag. 46 — 53 dargestellt hat, so erscheint hier eine
einlässlicliere Berichterstattung über diesen Vortrag als über-
flüssig.
LV _
In der darauf folgenden Diskussion wies Herr vonBeau-
mont, der den Auseinandersetzungen und dem Antrage des
Vorredners vollständig beipflichtete, darauf hin, dass diese
Globenfabrikation bei vermehrtem Gebrauch des besten geo-
graphischen Lehrmittels zu einem neuen schweizerischen In-
dustriezweige führen könnte, denn die vom Bunde gespendeten
Globen dürfen keinesfalls im Auslande gekauft werden. Ueber
den Beschluss in dieser Angelegenheit siehe das nachfolgende
Protokoll.
Nachdem der Präsident der Versammlung für das Aus-
harren in den harten Berathungen gedankt und den VII.
schweizerischen Geographencongress für geschlossen erklärt
hatte, erfrischte sich die Gesellschaft zunächst wieder durch
einen Frühschoppen bei Dreherbier und Pumpernickel. Nach-
her vereinigte wieder ein zweites Bankett die noch Aus-
harrenden im Gasthof zum Ochsen. Herr Regierungsrath
Conrad begrüsste als Vertreter der Regierung die Geographen
mit warmen Worten, ebenso Herr Viceammann Imhof Namens
der Stadt Aarau. Herr Stephan Stöckli, Pfarrer an der
römisch-katholischen Kirche in Aarau , Hess in einem launigen
Toast voll köstlichen Humors die Landgraphen hochleben. Ver-
schiedene Herren von Genf, Herr von Beaumont, Faure, Chaix,
toastirten auf Aarau und seine Bevölkerung, insbesondere aber
auf die Stadtmusik und den Bürgerturnverein. Herr Pfarrer
Graf von der reformirten Kirche in Aarau hob in schwung-
vollem Vortrage die ethische Bedeutung des modernen geo-
graphischen Unterrichts hervor, und Herr Redaktor Spühler
von den „Aargauer Nachrichten" sagte den Geographen die
Mitwirkung der Presse bei der Reform des geographischen
Unterrichts zu. Herr Oncken brachte das Schlusshoch auf
die Damen Aaraus.
Damit war das schöne, an praktischen Resultaten nicht
unfruchtbare Fest zu Ende. Möge demselben zur technisch-
commerciellen Anregung und Förderung der mittelschwei-
zerischen Industrie- und Handelswelt, insbesondere aber auch
zur Erweiterung des Blickes des gesammten, neuer An-
schauungen fähigen Publikums unserer Stadt Aarau in nicht
zu ferner Zeit ein mittelschweizerisches Handelsmuseum ent-
spri essen! Dr. H. Br.
LVI
8. Protokoll
der TU. Generalversammlung des Verbandes
der schweizerischen geographischen Gesellschaft
vom 19.— 21. August 1888 in Aarau.
I. Delegirtenversammlung Sonntag den 19. August, Abends 8 Uhr,
in der „Schützenstube" des Saalbaues. t
Anwesend sind:
1. Vom Vorort: Präsident Dr. Herrn. Brunnhofer.
Sekretär Karl Bührer.
Kassier Em. Heusler.
2. Von Bern: Hr. Eeg.-Eath Dr. Gobat.
„ Prof. Dr. A. Oncken.
3. Von Genf: Hr. Bouthillet de Beaumont.
„ Prof. E. Chaix.
„ E. de Traz.
„ Ch. Faure, kam erst am Montag früh.
4. Von Herisau: Hr. Prof. Weckerle.
5. Von Neuenburg: Hr. Prof. C. Knapp.
„ Prof. Dubied.
6. Von St. Gallen : Hr. Präsident B. Scherrer-Engler.
„ Verwaltungskassier Egli.
„ Buchhändler C. Stolz.
„ Redaktor Anderegg.
7. Von Zürich : als Gast : Hr. Prof. Dr. Keller.
1) Nach Begrüssung der Versammlung referirt der Präsident
über die Angelegenheit der Erstellung eines geographi-
schen Lehr- und Lesebuches. Er verliest die Beschlüsse
der Expertenkommission vom 10. März 1888 und eröffnet
alsdann die Diskussion über die Frage. Nachdem sich die
Herren Eeg.-Eath Dr. Gobat, Dr. Brunnhofer, Präsident
Scherrer, Prof. Chaix, Egli, Dr. Oncken, B. de Beau-
mont, Weckerle und Stolz einlässlich über die Frage
ausgesprochen, wird einstimmig beschlossen:
Lvn
a) Es sei diese Angelegenheit dein Vorstand der geographi-
schen Gesellschaft Bern zur netten Erdauerung, Aus-
arbeitung und Durchführung zu überweisen und zwar
in VerUngung mit der Jury.
b) Die Gesellschaft Bern habe im Verein mit der Jury
ein neues Programm zur Erstellung eines geographi-
schen Handbuches auszuarbeiten.
2) Vom Vorort war der Antrag gestellt worden, die Summe,
welche s. Z. von der schweizerischen Sektion der Societe
Internationale Africaine dem Vorstande der vereinigten
schweizerischen Gesellschaften in grossmüthiger Weise ge-
schenkt worden war und welche auf circa 3600 Fr. an-
gewachsen ist, unter die bestehenden sechs geographischen
Vereine zu vertheilen. Nachdem aber Hr. B. de Beau-
mont, als ehemaliger Präsident der betr. Gesellschaft
(schweiz. Sektion), aufklärende Mittheilungen über Sinn
und Zweck dieser Schenkung gemacht und nachdem sich
die Herren Brunnhofer, Scherrer, Dr. Keller, Chaix
und Bührer an der Diskussion betheiligt hatten, wird
beschlossen :
a) Es sei von dem Geschenke unter herzlicher Ver-
dankung Vormerk zu nehmen.
b) Es sei das Geld (das bis dato bei Hrn. Carare & Cie.
in Lausanne deponirt war) von dem jeweiligen Vor-
ort zu verwalten, und es sei darnach zu trachten, den
Fond, welcher speziell zur Erforschung von Afrika
geschenkt worden ist, nach und nach zu einem Ex-
plorationsfond für dieses Land oder dessen Neben-
länder auszubilden und zu äuffnen.
c) Es sei auch der Bund zu begrüssen, damit er wo-
möglich zur Vergrösserung des Fonds seine Unter-
stützung gewähre.
3) Zur Wahl des künftigen Vororts übergehend, meldet der
Präsident, dass Herisau diesmal an der Reihe wäre. Herr
Weckerle theilt jedoch mit, dass ihre Gesellschaft noch
nicht genügend erstarkt sei, um die Pflichten der Vorort-
schaft übernehmen zu können.
Die Vertreter der Neuenburger Gesellschaft erklären
auf die an sie gerichtete Anfrage, dass sie geneigt wären,
eine eventuelle Wahl anzunehmen.
LVTII
Herr Reg.-Rath Dr. Gobat macht darauf aufmerksam, dass
Bern sich entschlossen habe, den Internationalen Kongress von
1891 zu übernehmen, und dass es desshalb angezeigt sein dürfte,
ausnahmsweise vom üblichen Turnus abzuweichen.
Herr Prof. Chaix freut sich darüber, dass Bern den Muth
hat, die grosse Aufgabe eines Internationalen Kongresses auf sich
zu nehmen, stellt aber den Antrag, man solle Bern 1891 zum
Vorort wählen und der frischaufblühenden Gesellschaft Neuen-
burg nicht die Gelegenheit nehmen zu zeigen, was sie zu leisten
im Stande ist.
Beschluss: Neuenbürg wird zum Vorort pro 1889/1890 ernannt.
Es wird ferner beschlossen : Die Eingaben u. s. w.
zu Händen des nächstjährigen Internationalen Kon-
gresses in Paris haben einheitlich durch den Vorort zu
geschehen.
Als Vertreter der schweizerischen geographi-
schen Gesellschaft nach Paris wird ernannt: Herr
Bouthillet de Beaumont.
Es wird schliesslich noch angeregt, man solle in Zukunft
eine Vorortskasse gründen, woraus die durch die Vorortschaft
entstehenden Unkosten gedeckt werden sollen.
Schluss iya Uhr Morgens.
II. Vortragssitzung vom 20. August, Vormittags 8 Uhr,
im kleinen Festsaal.
1) Vortrag des Herrn Andreas Bircher von Kairo, bei ge-
fülltem Saal:
„Ueber die gegenwärtigen ökonomischen und commerciellen
Verhältnisse Aegyptens, in besonderem Hinblick auf den Sudan".
(Mit Demonstration einer grösseren Sammlung ägyptischer
Rohprodukte und Gewerbserzeugnisse).
Dieser Vortrag findet sich abgedruckt in „Fernschau"
III. Bd.
2) Vortrag des Herrn B. de Baumont von Genf:
„Sur la Gartographie et une nouvelle Projection".
Dieser hochinteressante Vortrag wurde abgedruckt in
„Le Globe", Tome 28, 4. Serie, Tome VII: De la projec-
tion en cartographie et presentation d'ujie nouvelle projection
LIX
de la sphere entiere comme planisphere, par M. Bouthillet
de Beaumont.
Besondere Beschlüsse werden nicht gefasst.
III. Vortragssitznng vcm 21. August, Vormittags 8 Uhr,
im kleinen Festsaal.
1) Vortrag des Herrn Dr. A. Oncken, von Bern:
„Ueber die Notwendigkeit der Errichtung schweizerischer
Handelsmuseen 1 ' .
In längerem vorzüglichen Referate beleuchtete Herr Dr.
Oncken diese wichtige Frage. Sein Vortrag fand lebhaften
Applaus und einstimmig wurden folgende; vom Vortragenden
proponirte Resolutionen gefasst:
a) Der VII. Verbandstag der schweizerischen geogra-
phischen Gesellschaft erachtet die Begründung eines
Netzes schweizerischer Handelsmuseen nach dem Vor-
bild der Brüsseler und Wiener Einrichtungen und
thunlichst unter Combination der beiderseitigen Prin-
cipien als wünschenswerth.
b) Die geographische Gesellschaft in Bern setzt sich mit
dem Vorort der schweizerischen geographischen Ge-
sellschaften in Verbindung, um, unter Beziehung kauf-
männischer Interessenverbände, bei der Bundesver-
sammlung Schritte zu thun, dahin zielend: es möge
der Bundesbeschluss betreffend die gewerbliche und
industrielle Berufsbildung vom 27. Juni 1884 auch
auf das kaufmännische Bildungswesen ausge-
dehnt und namentlich die in Art. 2, als subventions-
fähig angezeigte Gruppe Gewerbe- und Industriemuseen
durch die Kategorie Handelsmuseen ergänzt werden.
c) Es ist darauf Bedacht zu nehmen, dass die Pariser
"Weltausstellung von 1889 zur Beschaffung des Grund-
stocks für die schweizerische Handelskammer dienen
könne.
Diesen Resolutionen ging voraus eine lebhafte Diskussion,
welche benutzt wurde von den Herren Faure, Scherrer-
Engler, Anderegger, Brunnhofer.
Herr J. Greg er von Basel sprach über Angelegenheiten,
LX
die nicht in das Ressort der Verhandlungen gehörten.
Seine Anträge wurden desshalb nicht berücksichtigt.
2) Vortrag des Herrn Prof. Eöthlisberger von Bern, über:
„Die schweizerischen geographischen Gesellschaften und ihre
Stellungnahme zur Auswanderungsfrage".
Dieser gediegene Vortrag veranlasste wiederum eine ein-
gehende Diskussion, an welcher sich die Herren Scherrer,
Näf, Stolz und Oncken betheiligten.
Das Resultat derselben war folgender Beschluss:
„Der Geographentag in Aar au beschliesst, dass unter
die Aufgaben des in's Auge gefassten Bureaus der schwei-
zerischen Handelsmuseen auch diejenige komme, durch
möglichst genaue, unparteiische, durch keine politischen
und diptomatisclien Rücksichten beeinträchtigten Infor-
mationen die Auswanderung guter Kräfte thunlichst zu
verhüten oder dann in gute Bahnen zu leiten".
3) "Wegen der stark vorgerückten Zeit konnte Herr Dr.
Brunnhofe r nur noch in gedrängter Kürze über sein
Thema: „Der Globus als empfehlenswerthes Lehrmittel für
den Geographie- Unterricht" referiren. —
Es wird beschlossen: Die mittelschweizerische Gesellschaft
sei beauftragt, die Globusfrage in dem Sinne an die Hand zu
nehmen, dass sie durch Vermittelung des Vorortes beim Bunde
um den Kredit einkomme, den sie zur Förderung des geographi-
schen Unterrichts am Globus, resp. zur wohlfeilen oder Gratis-
vertheilung von Bundesgloben, für wünschenswerth erachte.
Schluss 12 3 /4 Uhr.
Der Sekretär: Carl Bührer.
LX1
9. Dr. Oskar Lenz, Afrikareisender.
Mit Titelbild.
Oskar Lenz wurde geboren am 13. April 1848 in Leipzig,
besuchte eine dortige Privatschule, später das Nicolaigymnasium
und wurde im Herbst 1866 auf der Universität seiner Vater-
stadt inscribirt. Hier studirte er vier Jahre lang Natur-
wissenschaften, insbesondere Mineralogie und Geologie und
wurde 1870 auf Grund einer Dissertation „über das Auftreten
von Jura-Bildungen an der sächsisch-böhmischen Grenze a zum
Doktor der Philosophie promovirt. Ende 1870 ging er nach
Wien als Lehrer an ein Privatinstitut und trat gleichzeitig
als Volontär in die k. k. geologische Reichsanstalt ein, wo er
schon 1872 definitiv angestellt wurde. In den Jahren 1872
und 1873 unternahm er geologische Reisen in Ungarn, Slavo-
nien und Tirol, über welche er in den Schriften der k. k. geo-
logischen Reichsanstalt publizirte, führte auch im nördlichen
Böhmen grössere prähistorische Ausgrabungen aus. Im Jahre
1874 erhielt er von der Deutschen Afrikanischen Gesellschaft
in Berlin den Auftrag, sich an der Erforschung Westafrikas
zu betheiligen. Er erhielt Urlaub, nahm den Antrag an und
verblieb während dreier Jahre am Ogowefluss in der französi-
schen Kolonie Gabun im äquatorialen Westafrika, hatte auch
Gelegenheit, auf der Rückreise zahlreiche Küstenpunkte kennen
zu lernen. Er befuhr den damals nur im Unterlauf bekannten
Ogowe bis zur Einmündung des Schebeflusses, musste aber
wegen Krankheit und wegen der Weigerung seiner schwarzen
Begleiter, noch weiter zu gehen, umkehren. Auf der Rück-
kehr begegnete Lenz dem bekannten französischen Reisenden
Savorgnan de Brazza, der die Untersuchung des Ogowe-
beckens vollendete. Die Expedition hatte insbesonders auch
interessante geologische Resultate zur Folge: die Entdeckung
einer der Kreideformation angehörenden petrefäktenreichen Ab-
LXII
lagerung in Gabun und auf den Elobi-Inseln; die Untersuchung
des langen westafrikanischen Randgebirges, für welches, da es
vorherrschend aus krystallinischen Schiefern (G-neiss, Glimmer-
schiefer, Quarzit und dem selten vorkommenden Itabirit) be-
steht, der Name „Westafrikanisches Schiefergebirge a einge-
führt wurde. Auch konstatirte Lenz hier zuerst das Vorkommen
eines eigentümlichen Zersetzungsproduktes, das unter dem
Namen „Laterit" schon lange im tropischen Asien und Amerika
bekannt war, und später vielfach in Westafrika wieder beob-
achtet wurde. Die umfangreichen ethnographischen und zoolo-
gischen Sammlungen (von letzteren besonders zahlreiche Schädel
von Gorilla) sind in Berlin aufbewahrt. Ausser verschiedenen
Arbeiten in geographischen und geologischen Fachzeitschriften
veröffentlichte er noch 1878 das Buch „Skizzen aus Westafrika".
1877 traf er von dieser ersten Expedition wieder in Wien
ein und betheiligte sich in den folgenden drei Jahren an den
geologischen Landesaufnahmen in Ostgalizien, mit denen auch
mehrfach prähistorische Ausgrabungen verbunden waren.
1879 wurde er wiederum von der afrikanischen Gesellschaft
in Berlin aufgefordert, nach Afrika zu gehen, und zwar sollte
er Marokko bereisen und womöglich in das sehr wenig be-
kannte Atlasgebirge zu gelangen suchen. Aus dieser ursprüng-
lich klein angelegten Tour wurde durch ein glückliches Zu-
sammentreffen von Umständen eine grosse Expedition: Lenz
bereiste zunächst den gross ten Theil des Sultanates Marokko,
überstieg den hohen Atlas und gelangte nach Tarudant in dem
Wad süs. Von hier wurde der Anti-Atlas überschritten und
darauf die gesammte westliche Sahara bis nach Timbuktu hinab
auf neuen Wegen durchquert. Die Rückreise erfolgte von
Timbuktu aus gleichfalls auf völlig neuen Routen durch den
westlichen Sudan zum Senegal. Die Reise ergab in geographi-
scher und geologischer Hinsicht zahlreiche und interessante
Resultate, die in dem Reisewerk von Lenz: „Timbuktu,
Reise durch Marokko, Sahara und Sudan", 2 Bände (Leipzig,
1883; französische Ausgabe bei Hachette in Paris 1886), nieder-
gelegt sind.
Ueber diese ausgedehnte Reise hielt L. vielfach Vorlesungen
ab, darunter 1882 auch in verschiedenen Städten der Schweiz.
Seit Barth 1853 Timbuktu besuchte, war es bis auf Lenz
keinem Reisenden gelungen, diese so viel erstrebte Handels-
Lxm
metropole zu erreichen; derselbe traf am 1. Juli 1880 in Tim-
buktu ein und hielt sich einige Wochen ungefährdet daselbst auf.
Im Jahre 1881 kehrte er von dieser zweiten Expedition
an die geologische Reichsanstalt in Wien zurück und betheiligte
sich nun mehr an geographischen Arbeiten, übernahm die
Redaktion der geographischen Monatsschrift „Aus allen Welt-
theilen a , wurde Generalsecretär der k. k. geographischen Ge-
sellschaft in Wien und im Jahre 188B zum ordentlichen Pro-
fessor der Geographie an der Universität Czernowitz ernannt.
Indess kam er nicht dazu, diese Stellung anzutreten; in Wien
war es der k. k. geographischen Gesellschaft gelungen, die
Mittel zu einer Expedition zusammenzubringen, die zunächst
den neu errichteten Congo-Staat kennen lernen und dann ver-
suchen sollte, vom obern Congo aus in nordöstlicher Richtung
die obern Nilgebiete zu erreichen. Lenz wurde mit der Führung
dieser Expedition betraut, woran sich anfangs Herr Dr. Bau-
mann, später Herr Bohndorf betheiligten. Eine Reihe widriger
Umstände, vor allem auch der Mangel einer genügend grossen
militärischen Macht Hess den ursprünglichen Plan nicht zur
Ausführung kommen. Lenz befuhr zunächst den Congo bis zu
der sog. Fallstation und suchte hier mit dem bekannten Elfen-
beinhändler Tibbo Tib in Verbindung zu treten. Dieser im
Ganzen vertrauenswürdige Mann, der viel besser ist als sein
Ruf, hielt es für unmöglich, dass Lenz mit nur wenig schwarzen
Dienern in die Gebiete nördlich vom Congo dringen könnte;
und es hat sich auch später gezeigt, dass nur ein Heer von
Bewaffneten, wie es Stanley zur Verfügung hat, einen solchen
Versuch wagen kann.
Lenz fuhr also in Canoes den Lualaba- Congo aufwärts
zunächst nach der bekannteu Araber -Niederlassung Nyangwe,
hierauf in das Hauptquartier Tibbo Tibs Kasongo, von da über
Land zürn Tanganjika und Udjiji, dann diesen abwärts bis zum
Südende, hierauf wieder über Land zum Nordufer des Nyassa-
sees. Nachdem er den Nyassasee der Länge nach befahren hatte,
gelangte er durch den südlichen Ausfluss, den Schire, in den
Zambesi, und diesen abwärts reisend nach der an der Mündung
des Kwakwa liegenden portugiesischen Stadt Quilimane in
Südostafrika. Lenz hat also eine einheitliche Durchquerung
des afrikanischen Kontinents von der Mündung des Congo bis
zur Mündung des Zambesi durchgeführt, auf der allerhand
LXIY
Beobachtungen über Land und Leute, Routenaufnahmen etc.
gemacht wurden, die demnächst in Form einer Reisebeschrei-
bung publizirt werden sollen. Von Quilimane fuhr er über Mo-
zambique nach Zanzibar, wo er 4 Wochen sich aufhielt, und
von da über Aden, Port Said und Triest nach Wien zurück,
wo er im März 1887 anlangte.
Schon im Juni desselben Jahres wurde er zum ordentlichen
Professor der Geographie an der deutschen Universität in Prag
ernannt, wo er gegenwärtig noch thätig ist.
Abhandlungen
und
Miscellen.
Nachdruck verbotei\
I.
Landschaftsbilder ans Kentucky.
Farmerbriefe eines deutsch-amerikanischen Obstzüchters.
Von Tr. Hagenbach aas Aarau.
Erster Farmerbrief.
Einleitung.
Elizabethtown, Ky., Sonntags d. 18. Dez. 1887.
"Werther Herr Dr.!
Vorgestern erst erhielt ich Ihre freundliche Zusendung;
und heute soll es mein Sonntagsvergnügen sein, Ihnen zu
antworten.
Ja wohl, herzlich gern will ich die ebenso wichtigen wie
schönen Bestrebungen Ihrer Gesellschaft nach bestem Wissen
und Verstehen zu unterstützen suchen. Ich habe Ihnen für
Ihre Aufforderung besten Dank zu sagen aus einem Grunde,
an welchen Sie kaum werden gedacht haben. Sie helfen damit
eine Lücke ausfüllen, welche ich während meines dreijährigen
Farmerlebens sehr schmerzlich empfunden habe. Sie geben
mir Anlass, mich geistig zu bethätigen und setzen mich wieder
in Verbindung mit Kreisen, mit welchen zu verkehren doch
früher zu der mir nöthigen Lebensluft gehörte.
Die rege Thätigkeit, welche Sie an der Spitze der Mittel-
schweizerischen Geographisch - Commerciellen Gesellschaft seit
drei Jahren entfaltet haben, war mir nicht fremd. Ich habe
von Zeit zu Zeit mit lebhaftem Interesse kleinere Notizen
hierüber in den Basler Nachrichten gelesen. Dem Wunsche,
mehr zu vernehmen, kommt jetzt der erste Band Ihrer „Fern-
schau a entgegen. Schon eine flüchtige Durchsicht desselben
lässt mich mit freudiger Erwartung dem Erscheinen eines
weitern Bandes entgegensehen. Wie's scheint, sind Ihnen
Fernschau UI. 1
Enttäuschungen und Anfeindungen nicht erspart geblieben.
Wer aber hätte nicht je und je Aehnliches erfahren müssen,
der edlem, menschenfreundlichem Dienste sich gewidmet.
Lassen Sie uns hoffen, dass, was Ihre Bestrebungen beitragen
zur Erforschung der Welt, auch manch Einem von denjenigen
den Geist frei machen wird, welche jetzt kurzsichtig und neid-
befangen sich Ihnen in den Weg stellen. Vor mir liegt eine
alte liebe Denkmünze der academia bernensis. Drauf steht die
Inschrift: felicüms ingeniis aperitur iter. Das reiche Mitglieder-
und Donatorenverzeichniss der Fernschau macht es mir un-
zweifelhaft, dass Sie Ihren Gegnern zu Trotz und Leid doch
auch zu diesen Glücklichen gehören.
Was soll ich Ihnen für Ihren III. Band bieten?
Näher liegt mir gegenwärtig nichts, als gerade der Gegen-
stand, den Sie selber in Ihrem Brief angedeutet haben, mein
Farmerleben. Und da lassen Sie mich einen Gedanken aus-
sprechen, der vielleicht Ihre Zustimmung findet: Es fehlt
gewiss nicht an Büchern über Amerika, und Legion sind die
Briefe, welche alljährlich die Verbindung zwischen der alten
und neuen Heimat aufrecht erhalten. Wie kommt es denn
aber, dass das Bild, welches sich der Auswanderer zu Hause
von der neuen Welt entworfen hat, der Wirklichkeit nie oder
selten entspricht? „Ich habe mir Amerika ganz anders vorge-
stellt, a ist die stereotype Redensart, mit welcher jeder Meinungs-
austausch zwischen Eingewanderten beginnt. Das gilt in
vorzüglicher Weise von dem Stande, welchem der grösste
Theil der Einwanderer von Haus aus schon zugehörte, oder
sich hier zugesellt, dem der Landbauer. Wie viel verhängniss-
volle Enttäuschungen diese Thatsache in sich schliesst, ist nicht
mit wenig Worten zu schildern. „Ich bin zu meinem Unglück
nach Amerika gekommen," sagte mir unlängst -ein im besten
Mannesalter stehender Schwabe, dem es doch beim Bauern
gar nicht so übel geht. Einen andern meiner farmenden Nach-
barn hält nur die Hoffnung aufrecht, es werde ihm gelingen,
die Mittel zur Rückkehr mit den Seinigen ins Schweizerland
zusammenzubringen. Der Redaktor des vielgelesenen „Haus-
und Bauernfreundes der Germania" hat beinahe in jeder Nummer
seines Blattes arme Verbitterte oder Verzagende zurechtzu-
weisen, welche brieflich mit ihren Klagen über Amerika ihm
in den Ohren liegen. Aber auch wer sich in die amerikani-
sehen Verhältnisse ganz gut findet, hatte zunächst manche
aus unrichtigen Vorstellungen entstandene Enttäuschungen zu
überwinden. Noch einmal, wie ist das möglich bei der über
die alte Welt sich ergiessenden Fluth an über Amerika Ge-
drucktem und Geschriebenem? Viel Unheil ist ohne Zweifel
den unzähligen, tendenziösen, schönfärberischen Broschüren zur
Last zu legen, welche von Eisenbahn-, Einwanderungs-, Land-
besiedlungs - Gesellschaften und Agenten verbreitet werden.
Mag die Aufschneiderei derselben noch so crass sein, sie findet
doch bei vielen Unerfahrenen Glauben. Aber die zahlreichen
Reise werke namhafter Autoren? Abgesehen davon, dass die-
selben schon des Preises halber nicht zugänglich genug sind,
stellen sie sich eine andere Aufgabe als die, eine getreue
Photographie von Land und Leuten zu bieten zum praktischen
Gebrauch für den europamüden Landmann, Arbeiter, Hand-
werker, Handelsmann; und mit der zu diesem Zwecke uner-
lässlichen Detailmalerei können sie sich nicht befassen. Aber
der Strom von Briefen, welcher mitten aus der amerikanischen
Wirklichkeit fortwährend hinüberfluthet? Ich habe, wie ich
noch drüben lebte, zahlreiche „Amerikaner- Briefe a gelesen.
Sie alle zusammen haben eine ganz andere als die der Wirk-
lichkeit entsprechende Vorstellung in mir erweckt. Wie soll
die ungeschulte Hand des eingewanderten Farmers und Hand-
werkers die Contouren und das Colorit treffen, welche das
Bild für den Beschauer zum wahren und ähnlichen macht.
Ich erinnere mich noch sehr wohl, dass solche Briefe in der
Regel meinen, Alles gethan zu haben, wenn sie den Lieben
zu Haus getreulich angegeben, wie viele Acker gekauft, wie
viele Büschel geerntet, wie manches Schwein gemästet worden
sei. Und immer heisst derSchluss: „Weiteres weiss ich dies-
mal nicht zu berichten."
Nun habe ich mir gedacht, es möchte auch ein wenig zur
exploratio mundi beitragen und Ihren Lesern willkommen sein,
wenn es mir gelingen würde, von Zeit zu Zeit in Far-
merbriefen aus Kentucky ein Stück amerikanischen
Farmerlebens auch wirklich miterleben und in getreu
umrissenen Bildern schauen zu lassen. Ich bin mir
wohl bewusst, dass dabei gar nichts Grosses ist, und dass, wer
Hausbackenes nicht liebt, besser mich „überhüpft". Ich schöpfe
aber Freudigkeit zur Ausführung meines Planes aus der Ver-
Sicherung eines der Berufensten, dass das Leben überall inter-
essant sei, wo man es erfasse.
Kurz und gut, kommen Sie, wir machen gleich einen Ver-
such, damit Sie sehen, wie ich's meine.
Im Blockhaus.
Nehmen Sie Platz hier an meinem pappelhölzernen Tisch
mit dem unpolirten Blatt und den ungedrechselten Füssen,
und lassen Sie mich Ihnen vorschwatzen, wie's der Anlass
bringt. Ein weiches Kanape hat eines Farmers Hütte nicht
zu bieten, höchstens einen rockingchair , einen Schaukelstuhl.
Man muss aber schon kein „Grüner a mehr sein, um die Be-
quemlichkeit eines solchen Möbels würdigen zu können, und
beim Gebrauch desselben nicht ungeschickt zu erscheinen. Es
ist bloss ein aus hellfarbenen Rundstäben zusammengesetzter
und mit einem Sitz aus Holzgeflecht versehener Stuhl, den ich
meine, wenn ich Sie mit dem landesüblichen take a chair
(nehmen Sie Platz) einlade. Wär's Frühling, Sie würden mein
Häuschen kaum gefunden haben, so versteckt ruht es dann
hinter dem goldlichten Grün eines Pfirsichbaumwaldes auf
sanftgeneigtem Hügel. Jetzt freilich schimmerts mit seinen
weissgetünchten weatlier-boards durch das nackte Geäste bis
weit über die nahe Shepherdsviüe roacl hinaus.
Und nun nehmen Sie vorlieb mit einem Glas unsres Landes-
getränks. Wissen Sie, was das ist? Ich errieth es nicht, wie
mir ein dienstfertiger Landsmann des nahen Elizabethtown
den Willkomm damit brachte. Sehen Sie, wie das perlt cham-
pagnergleich so süss und frisch und rauschend ; und doch ist's
nichts als feldgemeiner Apfelmost, crabcider. An unschein-
barer , kleinblätteriger , gewöhnlich von üppigwuchernden
Wasserschossen frech durchbrochener Krone wachsen die bloss
nussgrossen Cräbäpfel in traubenreicher Fülle. Erst im Spät-
herbst erlangen sie ihre volle Reife. Dann aber bietet beson-
ders eine ihrer verschiedenen Sorten, die red Siberian einen
überraschend schönen Anblick. Nicht anders schauen die zahl-
losen purpurnen Aepfelchen aus dem grünen Laub, als wie die
rothen Glaskugeln vom Weihnachtsbaum. Eines nach dem
andern tropft nun nieder ins dürre Gras und erst wenn das
letzte gefallen, und einige starke Fröste denselben die natür-
liche Herbigkeit genommen hat, werden sie heimgefahren und
zu eider gepresst. Süss moussirend bleibt dieses liebliche Ge-
tränke bis in den nächsten Sommer hinein, wo die sich nach-
holende Gährung demselben eine ausserordentliche, weingleiche
Stärke verleiht. Dann ist es nicht mehr süss, wie es der
zuckersüchtige Amerikaner liebt, sondern „hard" ein Getränk
für den „Dtitchman". Es ist seit Jahren zum Handelsartikel
geworden und wandert in Gebinden von dreissig und vierzig
Gallonen zum Preis von zwanzig bis dreissig Centimes per
Flasche nach den saloons der nahen Landstädtchen, sowie be-
sonders nach der bedeutenden Stadt Louisville.
Sie würden kaum entzückt sein über die noch gäng und
gäbe Old'Kentucky-fashion, Getränke zu credenzen. Unwillkür-
lich denkt man dabei an das Circuliren der indianischen Frie-
denspfeife. Ein pitcher, d. h. ein Milchhafen, und ein Glas
bilden den zur Bedienung einer noch so zahlreichen Gesell-
schaft erforderlichen Apparat. Mit dem gefüllten Pitscher in
der einen und dem grossen Glas in der andern Hand, geht
die Hausfrau von Glied zu Glied. Denken Sie nicht daran,
das volle Glas mit europäischer Gemüthlichkeit zu kosten. Die
dienende Hausehre lässt nicht ab, vor Ihnen zu stehen, bis
Sie das leere Gefäss zum Besten des Nächsten ihr wieder ge-
reicht. Da thut man weise, Reminiscenzen aus alter Studenten-
zeit hervorzuholen und „den Ganzen" zu stürzen. Glücklich,
wenn Sie in gemischter Gesellschaft der Erstbedachte sind,
denn nur sehr allmälig gewöhnt der säuberliche Eingewan-
derte sich die gruseligen Meditationen ab, zu welchen er ver-
anlasst wird durch den Anblick der gelbzahnigen Tabak-
kauenden Herrn Nachbarn und der Süsswachs-zerarbeitenden
Fräulein Nachbarinnen.
Jetzt lassen Sie uns ein wenig Umschau in meinem Farmer-
hause halten. Sie haben Gelegenheit, an den beiden Theilen
desselben die Repräsentanten zweier Zeiten und zweier länd-
lichen Baustyle zu studiren, welche sich bezeichnen lassen mit
den beiden kurzen Wörtern log, Block und frame, Gerüste.
Sie werden bald finden, dass der Landmann in der alten Heimat
viel netter und namentlich ungleich bequemer und heimeliger
wohnt als hierzulande. Der letzte Tauner verbringt dort die
rauhe Zeit in wärmerem Neste als hier mancher Farmer, der
Hunderte von Ackern eignet. Ich erinnere mich noch wohl
des wahrhaft verblüffenden Eindrucks, den ich beim Eintritt
in das alte Farmerhaus meiner ersten amerikanischen Wohn-
stätte empfing; und doch war's das Haus eines reichen Grund-
besitzers. Es war eiskalte Januarzeit. Mein erster Blick fallt
auf eine ungeheure Höhle, Feuerplatz genannt. Schwere,
schwarze Eisenstangen halten das Gewölbe. Rauchgeschwärzt
ist der hölzerne Kaminmantel. Schwarz und russig rauh die
mächtigen Eichbalken, welche die Wände bilden. Schwarz
die uralten Bretter des Fussbodens, dazu ungefügt, so dass aus
dem hohlen B/aum unter dem Hause durch zahlreiche Spalte
eisige Luft heraufzieht und die Bewohner in engem Kreis zum
Feuerplatze drängt. Es ist nicht überflüssig, dass drei, vier
mächtige, fussdicke Bohlen Tag und Nacht in Gluth und Brand
gehalten werden; denn es ist sonderbare Thatsache, dass die
logs der amerikanischen Blockhäuser heute noch immer nur
auf der Aussen- und Innenseite, nicht aber oben und unten,
auf den beiden Seiten behauen werden, welche aufeinander
zu liegen kommen. Die unvermeidlichen, oft halbfussweiten
Zwischenräume, welche beim Aufbau entstehen, werden noth-
dürftig ausgefüllt mit kleinen, schiefgestellten Brettstücken und
dazwischen gestrichener, zuweilen mit Kalk vermischter Lehm-
erde. Diese Füllung widersteht nur kurze Zeit den Unbilden
der Witterung; und bald kehren die Tage wieder, wo des
Himmels Bläue ungehindert durch die Wände bricht. Kentucky
rühmt sich zwar eines gemässigten Klimas, ja einer Sommer-
wärme von nicht selten 90 bis 100° F. Gleichwohl bringen
seine Winter so harte Tage und namentlich Nächte, dass nicht
nur das Wasser im Trinkbucket, sondern das Petroleum in der
Lampe zu Eis erstarrt. Freilich gehören solche Tage zu den ge-
strengen Herrn, welche nicht lange regieren. Aber vorkommen
kann es, ich bestätige das nach meiner eigenen Erfahrung,
dass man zur selben Stunde im selben Wohnraum vorn im
Angesicht der lohenden Eichträmel den Aequator und hinten,
getroffen von der lustig von Spalt zu Spalt jagenden Eisluft,
den Nordpol zu fühlen meint. Das eine einzige, niedrige Fenster
in dem grossen Raum erinnert an die Zeiten, wo der Farmer
hinter seinen Logwänden dem feindlichen Indianer möglichst
wenige Blossen geben durfte. Die neuere Zeit hat Verbesse-
rungen aller Art gebracht, gefederte und mit Teppichen belegte
Fussböden, gusseiserne Oefen, sogar tapezierte und holzgetäferte
Wände, scheibenreiche Fenster, ja, wie Sie hier an meinem
Främehaus beobachten, ein dem Auge nichts weniger als wohl-
thuender Lichtzufluss von drei Seiten des Zimmers. Auch
wohnliche Backsteinhäuser sind nicht mehr ganz selten. Ge-
blieben ist der widerwärtige Hohlraum unter den kellerlosen
Häusern, welcher dadurch entsteht, dass die Gebäulichkeiten
nicht auf mühsam gegrabene und aufgemauerte Fundamente,
sondern bloss an den Ecken auf ein Paar unbehauene und
schlecht, oder gar nicht fundamentirte Sockelsteine gestellt
werden. Lustige Abweichungen von der Senkrechten sind
deshalb bei amerikanischen Häusern recht häufig zu bemerken.
Geblieben ist auch das mangelhafte System der einfachen Fuss-
böden und, wo noch mit logs gebaut wird, die Ausfüllung der
Zwischenräume mit Holz und Lehm. Wie sehr der amerika-
nische Farmer darauf angewiesen war und sich daran gewöhnt
hat, möglichst summarisch, zeitgewinnend praktisch in seiner
Berufstätigkeit — und dazu gehört ja in erster Linie der
Hüttenbau — zu verfahren, das zeigt sich auch in der Art,
wie er seine Hausbalken in den Ecken auf- und ineinander
fügt, auf eine durchaus zweckentsprechende, aber viel ein-
fachere und viel weniger Zeit raubende Weise, als das in den
Schweizerkantonen geschieht, wo Holzconstruction zu Hause
ist. Dorten sah ich die vierseitig gezimmerten Balken nie
anders zusammengefügt als mittelst sorgfältig im Winkel ge-
schnittener, viereckiger Querbalken ,, welche so ineinander
greifen, dass je der obere Balken genau auf den untern zu
liegen kommt. Der amerikanische Hausbalken dagegen wird
auf der Oberseite der beiden Enden vermittelst einer scharfen
Axt dachartig verjüngt, während er in die entsprechenden
beiden Unterseiten je einen Quereinschnitt erhält, der auf die
Verjüngung des nächstuntern Balkens passt. Ist das Block-
haus gut gefügt und sorgfältig unterhalten, so gewährt es
gegen Sonnenbrand und Winterfrost ungleich bessern Schutz
als das heumodische Främehaus. Dasselbe besteht lediglich
aus einem sehr dünnbalkigen , luftigen Gerüst, über dessen
Aussenseite kaum fingerdicke, lange, schmale Lädchen, weather-
boards dachziegelartig übereinander genagelt werden, während
die Innenseite ganz dünn belattet wird und einen Gipsbewurf
erhält. So sind die Wände nichts als ein von innen über-
kleisterter und von aussen beschindelter hohler Raum, welcher
des Sommers die Gluth der anprallenden Sonnenstrahlen und
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des Winters den beissenden Nordwind deutlich durchfühlen
lässt. Da würde des Grossvaters grüner Kachelofen von zu
Hause sammt dessen heimeligem Kjmstsitz bei weitem nicht
genügen. Brennen muss es, Tag und Nacht brennen im
amerikanischen Farmerhaus zur Winterszeit, soll dasselbe eine
erträgliche Wohnstätte bieten. Bedeckt ist das Frame- wie
das Loghaus mit zwei bis drei Fuss langen Eichen- oder
Pappelschindeln, deren Herstellung zur ländlichen, Hausindustrie
gehört. Ich will Sie später einmal, wenn wir den Wald be-
suchen, die viel Geschicklichkeit erfordernde Fabrikation der
Schindeln sehen lassen. An Bäumen hält die einfache Farmers-
hütte bloss drei. Es ist schon recht viel, wenn zum Wohn-
zimmer, das gleichzeitig als Schlafzimmer dient, zur Küche
und zu der zwischen beiden gelegenen hall, einer meist offenen
kleinen Halle, noch ein parlour, Visitenzimmer oder gar ein
upstars, ein Gaden, kommt. So einfach, wie die Bäume, ist
deren Ausstattung. Da giebt's nur ein Prunkstück, die breite
Familienbettstatt mit hochaufragendem, oft geschnitztem Kopf-
brett und bunten quilts. So heisst der Theil der Bettstube,
den möglichst mannigfaltig, künstlich und farbenprächtig zu
besitzen, der Wunsch und Stolz jeder amerikanischen Hausfrau
ist, die oberste, aus farbigen Tuchresten zusammengesetzte,
mit Wattentüchern gefütterte Bettdecke. Es liesse sich über
die Quilten der Amerikanerinnen eine bogenstarke Abhandlung
schreiben. Es liesse sich erzählen von eigentlichen Jagden auf
bunte Zeugriemen, Leinwandfetzen, Seidenendchen, welcher
sich junge und alte Amerikanerinnen mit Leidenschaft hin-
geben. Wo immer eine fair, eine Landesausstellung veranstaltet
wird, da bilden die Quilts den Hauptbestandtheil der weiblichen
Arbeiten und legen Zeugniss ab vom Geschmack oder Un-
geschmack der Ausstellerinnen. Während die Einen aus regel-
mässig wiederkehrenden Sternen, Kreuzen, Sonnen in mild
leuchtenden Farben ausserordentlich hübsche Gebilde herzu-
stellen wissen, finden es Andere schön, möglichst grell gefärbte
und phantastisch bedruckte Seidenrestchen planlos an einander
zu reihen, bis die vorgeschriebene Anzahl Yard in Länge und
Breite erreicht ist. In der Ausstattung des Bettes erschöpft
sich die häusliche Prachtliebe des amerikanischen Bauern. Was
sonst noch an Commoden, an Tischen und Sitzmöbeln im
Zimmer herum steht, scheint hauptsächlich dazu vorhanden
zu sein, den Besucher in fröhliche Stimmung zu versetzen.
Wie wird es Sie erheitern, wenn man Sie freundschaftlich
einladet, auf einem Stuhl mit drei Beinen Platz zu nehmen!
Was werden Sie dazu sagen, wenn die zierliche Amerikanerin
Sie mit einem dringenden set down bewillkommt und dabei
für Sie einen Stuhl zum Kamine zieht, dessen Sitz wörtlich
aus nichts weiterem als aus den unverschämt scharfkantigen
Holzrahmen besteht, während das Flechtwerk mit der Scham-
haftigkeit einer Schürze zu Boden hängt? Oder können Sie es
übers Herz bringen, nicht komiküberwältiget hoch aufzulachen,
wenn Ihnen der Ehrenplatz, der rockingchair eingeräumt wird,
ein rockingchair, welcher nur noch mit zweien seiner vier
Beine in einer Schweife steht, indessen es die Aufgabe der
beiden andern ist, Sie beim Schaukeln zu unterhalten mit
Mühlengeklapper, das bei Ihrem, unter erschwerenden Umstän-
den wachsenden Eifer in den Schaukelübungen, ausartet in das
römische quadrupedante putrem sonitu quatü ungula campum.
Nehmen Sie obstehende Stuhlschilderung nicht für einen leeren
Spass; thatsächliche Erlebnisse liegen ihr zu Grunde. Sie
werden überhaupt in Zukunft noch mehr sehen, was für ein
Fundort naturwüchsiger Komik das amerikanische Farmer-
haus ist.
Heute nur noch einen kurzen Blick in die Farmer skü che.
Er zeigt Ihnen die Farmerin auf der Höhe ihrer irdischen
Thätigkeit; denn es ist unbestreitbar, dass der amerikanische
Landmann zwar nicht mehr, aber ungleich manigfaltiger, besser
und kräftiger isst, als seine europäischen Bauernbrüder. Eine
aus Kaffee oder gar nur aus Cichorienabsud und gesottenen
Kartoffeln bestehende Mahlzeit ist ihm unbekannt. Bloss zwei-
mal wöchentlich, oder nur des Sonntags Fleisch auf dem Tisch
zu sehen, wäre ihm ein Zeugniss grossen Nothstandes. Und
schnüren würde der letzte Stallknecht sein Bündel, würde ihm
an Brod nichts anderes vorgelegt, als hausbackenes Leibbrod.
Es müssen biscuüs sein, ganz kleine aus Weizenmehl, etwas
Fett und Wasser oder Milch gebackene Brödchen, und zwar
dreimal des Tags frisch und warm zum Bratofen heraus. Es
muss Kornbrod, d. h Welschkornbrod zum gebratenen Speck
sein. Nicht selten erscheinen Leibbrod, heisse biscuits, frisches
Kornbrod und irgend eine Art süssen Kuchens gleichzeitig
einmal, sogar zweimal täglich auf der Bauerntafel. Ebenso oft,
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vielerorts sogar dreimal bildet Fleisch einen Hauptbestandtheil
der Mahlzeit. Und pie 1 (sprich pai) das Leibgericht des Ameri-
kaners jeden Standes, jeden Breitegrades, pie, für die wir nicht
einmal ein den Begriff deckendes deutsches Wort haben, wenn
wir nicht des monströsen gedeckelte Fruchttorte uns bedienen
wollen, sie darf auf dem Mittagstisch des Aermsten nicht fehlen,
und hätte er mit nichts Köstlicherem sie zu füllen, als mit den
grossen, herben bhtckberries seiner dornenbestandenen Felder.
Ein andermal möchte ich Ihnen Weiteres aus des Farmers
Küchenzettel verrathen. Das Mitgetheilte reicht hin, Ihnen
einen Begriff von der Aufgabe zu geben, welche eine Farmerin
zu bewältigen hat. Es darf freilich nicht unerwähnt bleiben,
dass die amerikanische Bäuerin an ihrem gusseisernen Koch-
ofen die beste Mithilfe zu rascher Arbeit hat, und dass sie in
der Herstellung der verschiedenen Brod- und pte-Arten eine
ganz erstaunliche Virtuosität erlangt. Ich denke, ihrer viele
würden gerne die Wette eingehen, in weniger als einer Viertel-
stunde Zeit eine Platte vorzüglich duftender biscuits von A
bis Z fix und fertig zu erstellen. Sie dürfen dann freilich nicht
das Loos haben, unter welchem ich schon mehr als eine meiner
Nachbarinnen seufzen sah, zuerst nach einem alten Fenzriegel
sich umzusehen und mit stumpfer Axt unter Ach und Krach
denselben zerkleinern zu müssen, weil der würdige Gemahl
lieber Tabak kauend am Kamine sitzt, als zur rechten Zeit
Holz hackt. Ich wollte, ein Richter hätte das Bildchen einer in
Brennholznöthen befindlichen Familie gesehen, welches ich einst
zu belauschen Gelegenheit hatte: Im Vordergrund ein alter,
wackeliger Tisch, auf dem Tisch ein zehnfüssiger Fenzriegel,
auf dem Riegel zunächst ein kleines Bübchen, hinter dem
kleinen ein grösseres Bübchen und hinter dem grösseren ein
grosser Bub, sie alle mit ihrem möglichsten Gewicht auf den
störrigen Eichenkerl pressend. Vorn am Boden ein Mädchen
mit Leibeskräften den Verurtheilten niederziehend, und in der
Mitte die kranke, schwache Mutter, im Schweisse ihres blassen
Angesichtes mit rostiger Säge sich abquälend, ein paar Stücke
loszubringen. So viel Kraftvergeudung, so viel bittere Tropfen,
um ein Schälchen Kaffee und ein Stückchen Brod zu gewinnen.
So hätte ich Ihnen Haus und Herd gezeigt. Auf das nächste
Mal lade ich Sie ein zu einem Gang durch Wunn und Waid,
durch Feld und Wald.
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Zweiter Farmerbrief.
Blütenzauber und Früchteglanz.
Heute also einen Gang durch unsre Gefilde.
Da weiss ich denn wahrhaftig nicht, worauf ich Sie zuerst
aufmerksam machen soll; und wenn Ihnen der ungewohnte
Anblick einer amerikanischen Farm nur halb so viele Frage-
zeichen vor Augen stellt, wie mir, da ich vor vier Jahren als Gras-
grüner in gemächlichem Emigrantenzug durch New-York's und
Pensilvanien's winterliches Land glitt, dann möchte aus unsrem
heutigen Türchen leicht ein voller Tagmarsch und mehr wer-
den. Nicht als ob meine Gegend etwa ein schönes zum Ver-
weilen lockendes landschaftliches Bild darböte. Sie ist im
Gegentheil für Auge und Herz im eigentlichen Sinne lang-
weilig und ermüdend, ein schwerfällig dahinrollendes Plateau,
welches, wenn auch Muldraugh's Hill genannt, doch nur von
sehr spärlichen Stellen einen Ausblick in die Ferne gewährt.
Immer wieder hebt sich eine folgende Hügelwelle vor dem
ungeduldig spähenden Wanderer. Umsonst ist sein Verlangen
nach einem endlich auftauchenden Punkt, wo das Relief des
Landes sich vor ihm ausbreiten würde. Ein richtiges Bild
kann er nicht anders gewinnen, als durch mühsames Durch-
streifen der Gegend in die Kreuz und Quere. Ich kenne ein
einziges Plätzchen auf den unser Elizabethtown einschliessen-
den Anhöhen, von welchem der Blick in die blaue Ferne
schweifen kann. Da geh' ich zuweilen hin, wenn mich die Lust
anwandelt, mir in Erinnerungen an die alte Heimat wohl und
weh zu thun.
Also weder Lieblichkeit noch Grossartigkeit der Landschaft
ist es, was in Feld und Wald meinen Besucher aus der Heimat
stille stehen und aufschauen macht, sondern das viele Fremd-
artige, welches ihm an allen Ecken und Enden begegnet.
Ueberdiess ist's jetzt Frühling; und die Zeit der schwellenden
Knospen und wonniglich duftenden Blüthen vermag auch un-
serem Land und ins Besondere meinem kleinen Reiche eine
bestrickende Grazie zu verleihen, dass Sie darob vergessen
würden die unschönen Linien des bloss klafterfernen Hori-
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zontes, das einförmige Rollen der thonigen Mutter Erde, ver-
gessen auch die Strassen von haarsträubender Beschaffenheit,
auf welchen Sie ins Land gerüttelt werden.
Ich wollte, ich könnte das kleine Ding in meiner Hand
eintauchen in den riesigen, wundersamen Farbentopf da draussen
vor meinem Fenster, um nur auch mit ein paar Federn voll
Ihnen einen Begriff zu geben von dem süssen, weltverjüngen-
den Schmelz, welcher jetzt über meinen hundert und hundert
Aepfel- und Pfirsichbäumen ausgegossen liegt. Nein, ich wollte
lieber, ich könnte die Feder in den Winkel werfen und Sie
statt dessen an der Hand nehmen und des Abends zum freien
Lagern auf meine h&useporch (Vorhalle) niederziehen, des Abends ?
wenn die warmen Lüfte aufwärts steigen und den berauschenden
Duftwellen Platz machen, welche von allen Seiten aus den
kleinen Thälchen nachströmen; und ich könnte Sie dann fra-
gen : Was gefällt Ihnen jetzt besser, dort die sanften, weissen
Blüthensternchen aus dem hellgrünen Laub der Frühbirnen,
oder dort das thalergrosse, rosenrothe Apfelblust meiner köst-
lichen „Maiden's Bltish", oder hier die unnachahmliche Gluth
aus dem glänzenden Grün meiner edlen Pfirsichbäume? Und
Sie würden mir antworten: Ich weiss es nicht ; ich weiss nur
Eines, dass es auch bei Ihnen jetzt schön und wonnig ist. Sehen
Sie, es ist eben nicht wie in unsern heimatlichen Schweizer-
baumgärten, dass nur da und dort ein blüthenschwerer Baum
das Auge entzückt. Sondern es ist so, dass, wenn's hier blüht,
eben Alles blüht; und dieses Alles heisst Fruchtbäume, welche
Dank dem hiesigen Boden und Klima wahrhaft überladen sind
mit Blüthenknospen, und es heisst ganze, so weit das Auge
sehen kann, lange, mit einander im Kreuzverband stehende,
schnurgerade Baumreihen. Es ist die verschwenderische Ueber-
fülle an Rosenpracht, was überwältiget, so sehr, dass ich mich
Angesichts solch' eines fast überirdischen Strahlens und Duf-
tens Lenz für Lenz von neuem versucht fühle, denen zu Wider-
reden, welche in Wort und Schrift den amerikanischen Früh-
ling tadeln.
Unsre Gegend besitzt noch nicht allzu viele Fruchtfarmen ;
und mehrere unter denselben, obwohl vor nicht länger denn
zwanzig Jahren mit erster Liebe und Begeisterung angelegt,
liegen bereits in jämmerlichem Zerfall und illustriren einen
Hauptfehler englisch-amerikanischer Bauersame, unbegreifliche
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Indolenz. Sie haben Dornen, die das schwächliche Holz der
Pfirsichbäume überwuchern und dieselben auf den Grund ziehen
lassen. Sie haben das hierzulande unzähmbar üppig aufschies-
sende Uebel der Wasserschosse ihre edlen Aepfelbäume tödten
lassen. Ihrer viele sind heute noch nicht über den altunehr-
würdigen Standpunkt der Fruchtbaumkultur hinausgekommen,
dessen Katechismus lautete: In die Fenzwinkel mit den Frucht-
bäumen; wachsen sie, gut; wachsen sie nicht, dann nicht. Von
der alten deutschen Baumzüchter Weisheit, welche ich bereits
in einem auf die Frankfurter Ostermesse 1792 gedruckten
Baumgärtnerbuch finde:
„Im schlecht 's ten Raum
Pflanz einen Baum,
Und pflege sein!
Er bringt <hYs ein"
scheint bis zur Stunde bloss die erste Hälfte zu vielen meiner
fruchtfarmenden Genossen vorgedrungen zu sein. Einen meiner
Nachbarn habe ich mir aus dem Grunde für Ertheilung eines
Kränzchens an dieser Stelle notirt, weil er ein Vertreter ist
des immer interessanten und gar oft ergötzlichen Uebergangs-
stadiums. Derselbige hat sich bloss mit einem Beine auf den
neuen rationellen Boden gewagt, während das andere noch im
alten, zähen Sumpfe steht. Ohne Bild : Einem Theil seiner un-
längst angekauften Fruchtbäume hat er, wie sich's gehört,
einen freien, wohlumzäunten Abhang zur Wohnstätte gegönnt,
während er einen andern Theil — und wie mir schien gerade von
den kräftigsten, lebensfröhlichsten Exemplaren — in die Fenz-
winkel eines magern Weidefeldes verstiess, wo sie bereits von
dem herkömmlichen ruhmlosen Schicksal ereilt worden sind,
an ihrem Fusse von Dornen und Disteln umfächelt und an
ihrer Krone vom lieben, der Fenz entlang weidenden Vieh ab-
genagt zu werden.
Es werden an die dreissig Jahre sein, seit ein Sohn des
weinreichen Mosellandes, der kürzlich verstorbene Alois Schaus-
ten sich in dieser Gegend niederliess und der Pionier für Ein-
führung der Fruchtkultur wurde. Für ausgedehnte Körner-
fruchtkultur fand er den Boden zu arm. Dagegen mochten
vereinzelte, riesengrosse , aus Samen aufgewachsene Aepfel-
und Birnbäume, wie man solchen heute noch begegnet, sowie
da und dort ein Pfirsichwildling, der sich glücklich aus den
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Fenzwinkelgefahren zum Baum emporgerungen, dem mit zähem
Unternehmungsmutlr ans Werk tretenden Manne andeuten,
dass der Boden für die Kultur veredelter Sorten nicht unge-
eignet sein werde. Ging es auch nicht ab ohne manchen
Fehler in der Wahl der Bodenlage und der Fruchtsorten, an
welchen die amerikanischen Baumschulen eine verwirrende
Mannigfaltigkeit zum Kaufe anbieten, so hat er doch schönen
Erfolg erzielt nicht bloss im Verwerthen seiner herrlichen
Früchte, sondern auch in seinen unermüdlich fortgesetzten
Bemühungen, der Obstkultur auf Muldraugh's Hill Verbreitung
zu verschaffen. Er hat noch die Bildung einer Hardin County
Horticultural Society erlebt, welche das Möglichste leistet, um
Belehrung über Fruchtkultur zu bieten und die Aufmerksam-
keit fremder Baumzüchter auf unsre Hügel zu lenken, von
welchen im Laufe des letzten Sommers um sechs tausend
Schachteln der besten Pfirsiche nach Norden und Süden ver-
sandt wurden. In alljährlich wiederkehrenden Ausstellungen
legt diese Gesellschaft aus, was die Sonne auf unsern armen Höhen
Süsses zeitiget. Dass sowohl bei Anpreisung dieser Hills, als auch
in der Besprechung der ausgestellten Herrlichkeiten im obersten
Superlativ gerühmt wird, gehört in Amerika zum Geschäft
und ist nicht bös gemeint. Jedermann weiss, wie er das neh-
men muss ; und der Neuling erfährt bald, dass auch dem red-
lichsten Amerikaner das „unsurpassed" und das allbeliebte,
stereotype „the best I ever saw in my live" so leicht vom Munde
geht, wie ihm die nüchterne Schulnote „ordentlich". Immerhin,
das will ich meinen später folgenden Bemerkungen über unsre
Früchte vorwegnehmen, kommen Aepfel und Pfirsiche zur
Schau, welche auch eine königliche Tafel zieren würden, so
gross, so wundervoll gefärbt, so süss, dass man schon ziemlich
verwöhnt sein müsste, wenn Einem nicht beim Anblick der-
selben die bekannten Wässerlein im Munde lebendig würden.
Nun lassen Sie uns eine kleine Bast machen. Ich weiss
einen herrlichen Apfelbaum dort drunten an der kühlen Sprudel-
quelle. Da breiten mächtige Aeste ein erquickliches Blumen-
dach über uns, und langsam zittern die schneeweissen Blätt-
chen, welche ihren Dienst gethan, auf uns nieder, indess tau-
send honigsuchende Musikanten mit eifrigem Gesumme den
leisen Tanz begleiten: Hier ist gut ruhen. Und unterdessen
schweifen wir in Gedanken ein wenig über die enge Welt
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unsrer Hügel hinaus, zu sehen, wie's draussen den süssen
Früchten ergeht, welche wir auf die Wanderung schicken.
Der Amerikaner ist ein Obstliebhaber in der höchsten Po-
tenz. Bezeichnend für seine Werthschätzung der Früchte und
ein Zeugniss dafür, dass dieselben mehr als jegliche andere
Speise ihm Herz und Gedanken erfüllen, mag die Thatsache
sein, dass ihm das Wort Frucht, fruit, im besondern Sinne
gebraucht, nicht etwa wie uns daheim Getreide bedeutet, son-
dern Obst, Baum- und einige Beerenfrüchte. Es hat mir zuerst
ganz unverständlich ins Ohr geklungen, wenn ich, mit Schnei-
den auf meinen Bäumen beschäftiget, von Vorübergehenden
gefragt wurde how is the fruit? How is the prospect for the
fruit? Ich musste, Antwort gebend, zumeist an Aepfel und
Pfirsiche, an Trauben, Erdbeeren und Brombeeren denken ler-
nen. Von den leidenschaftlichen Gelüsten nach solchen Früch-
ten, zumal nach Aepfeln, von dem unsäglichen, weltvergessen-
den Behagen beim Genüsse derselben, wie man es hier in der
Obstzeit überall beobachten kann, mag sich drüben im lieben
Schweizerland eine lebendige Vorstellung machen, wer sich
jener französischen Armee erinnert, welche wir einst zu be-
herbergen hatten, jener Soldaten Bourbaki's, ihres Bittens und
Anhaltens vor den Bauernhäusern um Aepfel, das auch dann
nicht verstummte, als aus Gesundheitsrücksichten Aepfel eine
verbotene Frucht wurden. An Kindern genug gesehen und in
allesverschlingender, nimmersatter Bubenzeit mehr als genug
selber praktizirt habe ich einst zu Hause das Auflesen von
unreifem Obst; dass aber auch Erwachsene an dieser grünen,
sauer herben Art ihre Lust haben können, erfährt man erst
in Amerika. Der Amerikaner kann es nicht erwarten, bis die
ersten Aepfel auf dem Markte erscheinen; und wahrscheinlich
kaum zeitig, kaum grün und weisskernig genug kann man die
Frühäpfel von den Bäumen reissen und nordwärts den grossen
Handelscentren zusenden. „In den sauren Apfel beissen" ist,
so viel ich weiss, dem Amerikaner eine unverständliche Gleich-
nissrede. Nie sah ich Kinderfüsschen eiliger, Spiel und Alles
verlassend, dem nahenden Obstwagen entgegenjagen, nie um-
schwirrte mich eindringlicheres Betteln: Phase, give me an
apple, als in diesem Lande. Nie hörte ich Bauersleute, welche
kein eigenes Obst besitzen, oder deren Bäume nicht trugen,
um angefaulte Ausschussäpfel und schlechte, wurmige Pfirsiche
16
bitten. Hier vergeht zur Herbstzeit manchmal kein Tag, da
man nicht meinen rotten apples dringend nachfragt und gerne
fünfzig bis fünfundsiebzig Centimes für das Büschel bezahlt.
Wie könnte man den Winter bestehen ohne die allbeliebte
applebutter, die hohen Steinkrüge voller kräftig aromatischer —
wie soll ich übersetzen? — Marmelade, Latwerge. Am liebsten
möchte ich nach alter Vätersitte „Mus" heissen diesen süssen
Familientrost, den die Hausfrau zur Spätherbstzeit in mäch-
tigen Messingkesseln über brennendem Scheiterhaufen im Freien
aus Aepfelschnitzen braut, denen sie je nach Mitteln und Lieb-
haberei frischen Apfelmost, Zucker, Melasse oder gar Honig
mit Zimmt reichlich beimischt.
Ich will nicht behaupten, aber doch vermuthen, dass die
Art, wie der Amerikaner seinen Apfel isst, auch zu erwähnen
ist, wenn man von der Auszeichnung reden will, welche hier-
zulande der Frucht zu Theil wird: Es widerstrebt ihm, die
liebe rothgoldene Kugel gewaltsam zu theilen und in enthülste
und entherzte Trümmer zur Verspeisung vor sich hinzulegen.
Sorgfältig schneidet er rundum vordringend bis an das ver-
borgene Häuschen mit den zehn braunen Genossen Stücklein
um Stücklein ab, um Mund und Herz daran zu letzen. Ganz
gewiss aber sind die Preise, welche in Amerika, zumal im
Einzelverkanf für Obst verlangt werden dürfen, ohne dass
verzichtet wird, ein Beweis hoher, der Frucht zugewandter
Gunst. Fünfundzwanzig Centimes bezahlt man durchweg für
einen schönen Pfirsich, eine grosse Birne, zwei rothe Aepfel
(Roth ist jedes richtigen Amerikaners Leibfarbe) vor den ver-
lockenden Fruchtbergen, mit welchen in allen bedeutenderen
Städten unzählige Verkäufer die Strassen besäumen. Zehn bis
fünfzehn Dollars, fünfzig bis fünfundsiebzig Franken gelten
in abgelegenen Gegenden des fernen Westens nicht als Ueber-
forderung für ein Fässchen Aepfel von ein und einem halben
Zentner Gewicht. Was ein Hausvater in Arizona an kleinen,
rostig aussehenden Aepfelchen für einen Viertelthaler (Fr. 1. 25)
erhandelte, sah ich ihn in einer Papierdüte seiner Familie
heimtragen.
Durch solche Thatsachen wird die enorme Ausdehnung
und Bedeutung des Fruchthandels in Amerika genugsam er-
klärt. Es lag mir daran, Ihnen eine Vorstellung von derselben
zu geben. Ich ersuchte zu dem Zweck einen der bedeutenderen
17
Frucht- und Produkten-Commissionshandelsmänner, welche in
Amerika den Handel zwischen dem Produzenten und dem
Consumenten vermitteln, um Mittheilungen. Die Firmen Dan
Saun & Co. in Cincinnati theilte mir mit, die summarische
Art ihrer Buchführung erlaube ihr nicht, die Anzahl der in
letzter Saison erhaltenen Kistchen und Fässer jeglicher Art
Früchte anzugeben; dagegen könne sie mir mittheilen, dass
ihr jährlicher Verkauf um 125,000 Dollars betrage und dass
der Verbrauch an Früchten Jahr für Jahr zunehme. Es ist
nicht zu hoch gegriffen, wenn man die Zahl der Commissions-
häuser Cincinnatis von ähnlicher Bedeutung auf zwanzig schätzt.
Bedenkt man, dass Cincinnati mit seinen 300,000 Einwohnern
in den Vereinigten Staaten acht grössere Städte von 300,000
bis nahezu ein und einer halben Million und drei und dreissig
Städte von 60,000 bis 300,000 Seelen neben sich hat, und dass
zahllose, viel kleinere Ortschaften ihre Fruchtkommissions-
häuser besitzen, so kommt man schon bei oberflächlichem
Ueberschlag auf kaum glaublich viele Millionen, welche jähr-
lich für Früchte ausgegeben werden.
Angesichts dieses glänzenden Bildes muss ich mir aber
eine kleine Vorbeugung erlauben gegenüber dem allfalligen
Complimente von drüben: „So sind ja die amerikanischen
Fruchtfarmer auf dem besten Wege zum Reichthum!" Ja,
wenn die Fehljahre nicht wären, und wenn die alte Geschichte
vom Löwenantheil, der den Andern zufällt, nicht auch hier sich
wiederholte. Ich denke dabei voraus an ein in Amerika all-
mächtiges Löwenpärchen, an die in Minne verbundenen Eisen-
bahn- und Expressgesellschaften.
Für heute lassen Sie uns scheiden, und mit der Hoffnung,
dass kein böser Spätfrost die vielverheissende Pracht versenge,
das Wunderwerk der Wandlung von Blüthenduft in süsse Kost
sich stille vollziehen.
Sehen Sie jetzt dort nach dem westlichen Hügelsaume
gerade am Ende meiner Farm, und Sie werden gestehen, dass
unser langweiliges Wellenland seine verklärende Tagesstunde
hat. Wie das glüht und brennt durch das dunkle Laub des
krönenden, lichten Waldes vom Gold der sinkenden Sonne.
Ich sage auf Wiedersehn zur Zeit der reifenden Frucht.
Fernschan III.
18
Dritter Farmerbrief.
Fruchtsorten.
„Dass Gott erbarm', was für eine Hitze! Sieht das ge-
mässigte Klima von Kentucky so aus?"
Seien Sie nur zufrieden. Versuchen Sie jetzt einmal diesen
Crawford, den opulentesten Pfirsich, den ich Ihnen aus meinem
Garten bieten kann. Glauben Sie, das würde ohne Zucker so
wundersüss schmecken und riechen, wenn uns nicht die Sonne
die Gunst erwiese, zuweilen aus der Rolle der weisen Mässi-
gung herauszufallen und ihre neunzig und hundert Grad Fahren-
heit auf uns niederzubrennen? Allerdings will ich nicht ver-
schweigen, dass sie zuweilen auch weniger liebliche als boshafte
Nebenzwecke verfolgt, wenn sie zum Exempel die menschliche
Haut und unbegreiflicher Weise mit Vorliebe die europäische mit
„Prickelhitze" überzieht, dass der so Gezeichnete Wochen lang,
ja Monate lang aussieht , wie ein in Butter gebackener Krebs
und kaum Finger genug hat, dem Jucken zu wehren. Zu den
sehr unnützen Dingen, mit welchen der alte Sol sich beschäf-
tiget, gehört ferner, dass er manch einen blutgierigen Moskito
ins Land lockt und ihm den Weg zeigt zur Schlummer statte
der Tagesmüden. Auch das soll nicht zu seinem Lobe gesagt
sein, dass er zahlreichen Schlangen und anderem ekligen Ge-
würm allzuaufmunternd zulächelt und sich nicht einmal mit-
trauernd verhüllte, als ich vor einem Jahre, nicht besser be-
waffnet, denn mit einem ungefährlichen Wasserkübel, mit einer
solchen fünf Fuss langen schwarzen Schleicherin Händel be-
kam und einiges Fingerblut lassen musste, weil ich nicht ab-
geben wollte, als bis die wüthend um sich Beissende verspielt
hatte. Das bringt mir eine andere Schlangengeschichte in Er-
innerung, welche den Vorzug vor vielen Jagdanekdoten hat,
dass sie wahr ist, und die hier wohl erzählt werden darf, da
ja auch wieder die allzuhitzige Landessonne ihre Schuld daran
hat/ Denn hätte sie an dem Tage nicht so unmenschlich nieder-
gebrannt, so würde die Heldin der Geschichte nicht gleich
vor meiner Hausthür ihre Ringel gezogen haben.
19
*
„Komm doch schnell, eine Schlange ! a Und richtig, eine
merkwürdig aufgeblasene von der harmlosen schwarzen Sorte
suchte langsam unsern Blicken zu entweichen.
Diesmal besser bewaffnet verkürzte ich dieselbe mit einem
raschen Schnitt um die Hälfte ihrer Leibeslänge und wollte
mich zu meiner Mittagsruhe zurückbegeben, als es rief: „Was
ist nur das, schau doch, das Ungeziefer hat Beine ! u
Rasch im Geiste den grandiosen Effekt berechnend, den
drüben in thierfreundlichen Kreisen der alten Welt der Bericht
von der Entdeckung einer bebeinten Schlange machen müsste,
stund ich im nächsten Augenblick vor dem wunderbaren Ka-
daver. Und siehe da, zwei wirkliche, leibhaftige Beinchen
hingen exakt an der Schnittwunde zum Boden nieder; hingen
nicht nur, nein fingen an zu zappeln. Nicht lange, so erschie-
nen am Tageslicht ein grüner Bürzel, dann eine dicke, warzige
Knolle, dann ein Stumphals, dann zwei vordere Gangwerkzeuge
und zuletzt ein plumper Kopf mit einem Maul bis an die
Ohren; und fertig war die Kröte, zum Leben wiedergeboren,
wie weiland Jonas aus dem Wallfischleib. Doch fand sie für
gut, nicht wieder auf den sonnigen Stein retour zu hupfen,
wo ich sie noch kurz vor dem Erscheinen der wunderbaren
Schlange bemerkt hatte.
Doch nun vom zoologischen Abstecher zur landwirthscKaft-
lichen Botanik zurück.
Sie kommen schon zu spät zur ersten geldspendenden
Fruchternte. Ende Mai beginnt das Erdbeerpicken und Ver-
schippen, wie der Kunstausdruck lautet für das Pflücken und
Versenden.
Wie ein strawberrypatch, eine Erdbeerpflanzung, aussieht,
kann ich Ihnen gleich nebenan auf dem Platze meines Nach-
bars zeigen. Es wird daselbst wohl noch etwa ein Spätling
der delikaten Frucht zum Kosten übrig geblieben sein. Im
Schatten niedriger Kirsch- und Pfirsichbäume liegen die in
Reihen gepflanzten, grossblättrigen Erdbeeren. Sie haben ein
so kräftiges Wachsthum, dass die im Frühling ausgesetzten
Stäudchen schon nächstes Jahr eine gute Ernte bringen. Der
Rankenwurf ist so üppig, dass man sich in grösseren Pflan-
zungen nicht mit dem Entfernen desselben abgeben kann. Aber
auch so lässt weder die Menge noch die Grösse und Güte der
reifen Früchte zu wünschen übrig. Es genügt, die Pflanzung
20
von Zeit zu Zeit zu kultiväten, womit ein Pflügen zwischen
den Reihen gemeint ist, und nach fünf Jahren zu erneuern.
Die Reihenfolge der Tugenden, welche amerikanische
Früchte haben müssen, wird bezeichnet mit dem Trio „Color,
Size and Flavour" Farbe, Gestalt, Geschmack. Dass der Ge-
schmack erst zuletzt kommt, ist acht amerikanisch: der Schein
ist König. Was nicht Farbe hat, ist schwer verkäuflich, und
nicht, wie zu Hausß, ist hier „hübsch, was klein ist."
Diesen Forderungen entsprechen unsre Erdbeeren in vollem
Masse; und das will ziemlich viel heissen vor dem in dieser
Beziehung verwöhnten und an den Genuss von oft übernuss-
grossen Erdbeeren gewöhnten Amerikaner. Dank dem geeigne-
ten, kalkreichen Boden haben unsre Erdbeeren vor andern, z. B.
vor californischen und südstaatlichen den Vorzug, dass deren
ausgezeichnet kräftiger Geschmack auf eine Linie neben die
Farbe gestellt werden darf, dess wegen finden sie immer einen
guten Marktpreis. Von drei Franken sinkt der Preis auf einen
Franken für die Gallone, d. h. für etwas mehr als drei Liter.
Das Pflücken lässt man durch eine Schaar Kinder besorgen,
wobei man sich zwar an die biblische Warnung von Maul-
Verbinden des dreschenden Ochsen hält, immerhin aber, be-
sonders in der kostbaren Frühernte durch Haus- oder Ge-
schäftsglieder dem Uebermass in der Stillung kindlicher Ge-
lüste wehren lässt.
Im Schatten einer zerfallenden Negro-Cabin — ich denke
an den strawberry-patch meines Nachbars — sitzt dessen ge-
schäftsgewandte Ehehälfte vor den vier draws eines stand, vor
den bloss ein halbes Dutzend Centimeter tiefen, aber breiten
und langen Schachteln, welche, wenn gefüllt, in vier feste
Eckleisten äusserst praktisch zu einem „'Stand" so zusammen-
gefügt werden, dass immer der Boden der obern „Drucke"
den Deckel für die untere bildet, während die oberste einen
besondern Deckel erhält.
Ueberaus geschickt ist ihre Hand in der nicht leichten
Verpackung so weicher, so leicht Schaden nehmender Beeren.
Sorgfältig in einer Ecke beginnend, füllt sie ein Gefasschen
ums andre nach, wie dieselben ihr zugetragen werden, immer
die frischen mit leichtem Druck den alten beigesellend, bis
die zwanzig Gallonen geborgen sind, welche die vier draws
halten. Wenn dann schliesslich dieselben schwach gerüttelt,
21
zur Verebnung hier ein paar Beeren weggenommen und dort
eine kleine Handvoll leise drüberhin gegossen sind, ist das
Werk gethan. Es ist eine Lust, meiner geschickten Mosel-
thalerin zuzuschauen, und gewiss ist, dass ihre Stände, wenn
auch Hunderte von Meilen weit gefahren, doch voll und schön
am Bestimmungsort anlangen.
Es ist wohl selbstverständlich, dass bei solchen Entfernun-
gen, wie sie die versandten Früchte in Amerika zurückzulegen
haben, ungemein viel ankommt auf die Wahl des richtigen
Stadiums des Obstes zum Pflücken. Desshalb sind denn auch
jedes Jahr die Markt- und Fruchtberichte voller Notizen über
verdorbene Früchte. Erfahrung lehrt, wie lange vor der vollen
Reife Erdbeeren, Frühäpfel, weiche Birnen und die meisten
Pfirsiche gepflückt werden müssen, damit sie gerade recht,
nicht überreif, aber auch nicht gar zu grün und hart ankom-
men. Dabei muss natürlich auch die Witterung fortwährend
möglichst in Betracht gezogen werden. Schwüle Tage reifen
gewisse Früchte geradezu fabelhaft schnell. Bei der ausser-
ordentlichen Trockenheit und Wärme des vergangenen Som-
mers kam es vor, dass ich von den allbeliebten granatrothen
Wild CAoose-Pflaumen heute nicht mehr verpacken konnte, was
gestern noch erst auf einer Seite sich zu röthen begann. Wie-
derholt versandte ich an einem Tage fünfunddreissig Kistchen
Pfirsiche und meinte des Abends noch dessen gewiss sein zu
dürfen, dass bis morgen kein Stück nachreifen werde; und
morgen Abend hatte ich mit vierzig Kistchen auf den Bahn-
hof zu fahren.
Nicht mit Unrecht hat mir ein alter Nachbar, als ich dem-
selben nach Erwerbung meiner Farm den ersten Besuch machte,
den weniger verbindlichen als wohlgemeinten Rath ertheilt:
„Gib acht, dass du dir nicht in den Hals schneidest."
In Amerika wächst alles gern ins Grossartige; so auch
das Erdbeergeschäft. Daheim trägt die barfüssige Jugend des
Suhren- und Winenthales in Krättchen und Körbchen die
Heblichste aller Beeren der nahen Residenz zu. Und als was
für ein Reichthum erschienen mir einst die Krättchenkränze,
mit welchen die kleinen Fruchthändler um Hals und Schul-
tern behangen waren. Hier sah ich Bahnfrachtwagen, angefüllt
mit Erdbeerständen aus Georgia, den nördlichen Städten zu-
fahren. Ich denke, es ist kein Haus in der ganzen weiten
22
amerikanischen Welt, welches nicht seine Erdbeertage feiert.
Eine Schale ice-cream, gefrorene Sahne, mit reichlich vielen
zuckerbestreuten, rothen Erdbeeren, das ist in heissen Früh-
sommertagen für Viele der Inbegriff höchster culinarischer
Paradiesesfreuden.
In dieselbe Zeit und in dieselbe Art Stände fallt eine an-
dere sich gut bezahlende Frucht, welche aber in der Gestalt,
wie sie verschickt wird, wenig Verlockendes für einen un-
amerikanischen Geschmack haben dürfte. Grasgrün, klein,
flintenkugelhart, saurer als Bändlikoner Seewein, kommen sie
an die Reihe, die armen Stachelbeeren, welche in lustiger
Ueberfülle an den dornigen Strauchreihen hängen und so lieb-
lich schmecken, wenn man ihnen Zeit lässt, ihren aromatischen
Zuckersaft zu präpariren und ihr grünes Morgengewand mit
schmuckem Braunroth zu färben. Die aus unreifen Stachel-
beeren bereiteten Präserven sollen einen unnachahmlichen,
glasklaren Glanz erhalten; und diesem Schein muss sogar die
Rücksicht auf Farbe, Gestalt und Geschmack der Frucht weichen.
Ich fürchte, ermüdend zu werden, sonst wollte ich Sie
zum dritten Male vor einer Standverpackung Halt machen
lassen. Sie verdienen es auch kaum, dass man ihnen gar viel
Beachtung schenkt, die amerikanischen Kirschen meiner
Gegend, welche ebenfalls im Mai auf Reisen geschickt werden.
Handvoll gegen handvoll gehalten, wie gering müssten sie sich
ausnehmen im Vergleich mit unsern heimatlichen, grossen,
festen, unübertrefflich süssen, glänzend schwarzen Herzkirschen.
Und daneben wie viel Verdruss bereiten dem Fruchtmann diese
rothen, wässerigen Dinger, selbst wenn die grossen, in dichtem
Astgewirre wachsenden Kirschbäume, wie auf meinem Platz,
in nächster Nähe des Wohnhauses stehen. Kaum fangen die
Früchte mit leichtem Schimmer sich zu färben an, so haben
sich auch schon Schaaren der räuberischen „Katzenvögel" ein-
gestellt, deren Gesang an Lieblichkeit nichts vor dem Klang
ihres Namens voraus hat. Ich habe die Beobachtung gemacht,
dass diese communistisch gesinnten Geschöpfe Gottes einen
blinden Flintenschuss unter sie für eine Beifall klatschende
Aufmunterung zu fernerem Thun ansehen. Ertheilt man ihnen
einmal ernsthaftere "Winke mit Kugel und Geschröt, so be-
schreiben sie das eine Mal mit spottvollem Gekrächze auf-
schwirrend einfach einen in sich selbst zurückkehrenden Kreis,
23_
während sie das andere Mal scheinheilig dergleichen thun, als
hätten sie sich eines Bessern belehren lassen, in Wirklichkeit
aber nur in die Kirschbäume meines Nachbars fahren und
prassend daselbst verweilen, bis der sie mir wieder zuschiesst.
So ist man herzlich froh, wenn die letzte Kirsche fort ist, und
die leidige Hüterei ein Ende hat.
Kirschen wären eine sehr verkäufliche Frucht; denn un-
geachtet ihrer geringen Güte bringen sie einen Profit von
fünfzehn bis zwanzig Franken per Stand, so dass zweifelsohne
europäische Sorten sich bald einer grossen Nachfrage erfreuen
würden, vorausgesetzt, dass dieselben ihre heimatlichen Tu-
genden auf fremder Erde beibehielten. Ich fürchte aber, sie
würden sich nicht besser halten als importirte edle Trauben-
sorten, welche auf amerikanischem Boden sich nicht zu ihrem
Vortheil verändern.
Bevor wir uns zu meinen Hauptfrüchten, den Aepfeln und
Pfirsichen wenden, lassen Sie uns einen Gang durch die Baum-
reihen thun. Es mögen nun zwanzig Jahre her sein, seit zwei
unternehmende Männer, von dem damals in meiner Gegend
erwachten Baumfieber ergriffen, nach schönem Plan, aber mit
zu wenig sachlicher Erfahrung an dieser Stelle über hundert
Acker theils noch mit Wald bestandenen, theils gerodeten Landes
mit Obstbäumen bepflanzten. Sie führten die Reihen, wie Sie
jetzt noch sehen, hügelauf, hügelab, an fruchtbaren Halden hin-
unter, an brennenden, trockenen Abhängen hinauf, selbst durch
sumpfige Niederungen mit zu wenig Rücksicht auf geeignete
Lage und Bodenbeschaffenheit. Desshalb sehen Sie jetzt selten
noch eine Reihe ununterbrochen von einer äussern Einfenzung
zur andern führen. Im Kampf ums Dasein unterliegend, sind die
ungünstig situirten Bäume aus der Reihe getreten, und sie zu
ersetzen, wäre diessmal nutzlos verschwendeter Ordnungssinn.
Sie sind einst alle im selben Jahre ausgepflanzt worden, hier
diese mächtigen, stolzen, im Vollbesitz ihrer Kraft prangenden
Apfelbäume auf nördlich geneigtem Plateau, und gleich dort
drüben an dem heissen Südabhang, den Sie nur mit Seufzen
betreten würden, die jungen Greise, von welchen Jahr für Jahr
ein Paar zum letzten Male den Frühling sehen. Noch auffallen-
der hat es sich bei den Pfirsichen gezeigt, wie wichtig hierzu-
lande die Wahl des Bodens und der Lage für die Obstcultur
ist. Von manchen Stellen meiner Farm weiss ich nur vom
24
Hörensagen, dass daselbst Pfirsichbäume gestanden, während
ich Ihnen auf reicherem Grunde gleichalterige Exemplare
zeigen kann, welche noch manche kostbare Last bringen
werden.
Nun aber, soll ich ein gewissenhafter Führer sein und
Ihnen ein wahrheitsgetreues Bild einer Fruchtfarm in Old
Kentucky geben, muss ich Ihnen noch eine andere Sorte von
Farmgewächsen vorstellen; oder vielmehr, dieselben drängen
sich Ihnen, wenn Sie mich begleiten, von selber auf. Das sind
die ehrwürdigen flechtenbewachsenen stumps, welche hier
Ihren schreitenden Fuss zu einem Halt einladen und dort Sie
gar auf ebener Erde zu lavirendem Zickzackgange nöthigen;
und das sind die maleriscsh zerstreuten, kleinen, lieblichen
brier-cölonies und weed-patches, welche so eindringlich sich an
Sie schmiegen und Sie umfächeln. Oder deutsch gesprochen:
Das sind die vermaledeiten Wurzelstöcke, die Ueberreste des
Urwaldes, welche nicht faulen wollen, die Pferde zum Strau-
cheln bringen, den Pflug zu leidigen Umwegen zwingen, die
Pflugeisen wie dürre Reiser brechen, grimmige Flüche manch
eines braven Farmers verschulden, die Dinger, Angesichts deren
ich nicht begreifen kann, warum man von Steinen und nicht
lieber von Stöcken des Anstosses spricht; das ist das Lumpen-
gesindel der Sassafras-, der Sumach-, der Presimon-, der Dog-
wood-, der wilden Brombeerstauden, die green- und sawbriers,
die bösen Drachenthiere, welche gleich sieben neue Köpfe her-
ausstrecken, wo du ihnen einen abgeschlagen hast, die Busch-
klepper, welche keines Tropfen Schweisses, geschweige des
Blutes werth sind, das der amerikanische Farmer im bestän-
digen harten Kampf mit ihnen aus unzähligen Ritzen lassen
muss; und das ist das unabtreiblich freche Heer von Unkraut
und hundertfacher Art mit dem klapperdürren broomsedge an
der Spitze, welches gierig die letzte Bodenkraft aussaugt, bis
Pflug und Dünger ihm die Wiederkehr verleiden. So ist denn
für Amerika noch lange nicht ausgesungen das alte Lied:
„Sie hatten mänigen suren Tag,
Bis ihnen das Land einen Nutzen gab.
Beuthauen waren ihre Geigenbogen;
Mit dem Tannast hand se d'Chind erzogen."
Heute erzählte mir Einer im Tone ächter Freude, er hoffe,
diess Jahr wieder einige Eichstöcke aus seinem Acker bringen
25
zu können, welcher vor zehn Jahren geklärt worden sei : Zehn
Jahre schon im Kampf mit Wurzelstöcken auf einem Und
demselben Acker! Von einem alten Yankee, der längst seine
briershuck für immer auf die Seite gelegt, wird folgende Ge-
schichte erzählt: Verzweifelnd am eigenhändigen Sieg über
die Dornen und Disteln seines Platzes geht er hin und kauft
eine Herde Schafe. Alsdann setzt er sich, bewaffnet mit einer
mächtigen, salzwassergefüllten Giesskanne auf seinen Gaul
und reitet gegen die „damned bushes and briers" ins Feld. Mit
dem Wasser besprengt er Unkraut und Buschblätter, lockt
die Schafe herbei, wiederholt öfters dasselbe Manöver, bis er
mit Hilfe der salzleckern Schafmäuler Meister geworden ist.
Auf einem grossen, meinem Platze zunächst liegenden, längst
gerodeten Stücke Land wurde mehrere Jahre nacheinander bald
Welschkorn, bald Weizen gepflanzt und dabei das Feld wie
oft mit Pflug und Egge gewendet und durchwühlt. Letzten
Sommer liess man dasselbe brach liegen; und heute ist es be-
reits wieder so mit jungem Sassafras, mit Busch- und Dornen-
werk aller Art bestanden, als ob es damit besäet worden wäre.
Es liegt noch ein guter Theil der waldursprünglichen Boden-
kraft in Wiesen und Feldern, welche, wenn nicht gezähmt
und nicht gezwungen, sich in edlem Gewächs zu bethätigen,
eben mit erschreckendem und entmuthigendem Ungestüm in
Dornen und Disteln schiesst.
Damit soll zwar nicht gesagt sein, dass überall das Mög-
lichste zur Vertilgung dieses entsetzlichen Feindes der Agri-
cultur gethan worden ist. Der amerikanische Farmer noigt,
wie schon einmal bemerkt, vielerorts zur Gleichgültigkeit und
auch wohl zur Scheu vor harter Landarbeit, welch' letzte durch
folgendes Geschichtchen treffend illustrirt wird: Ein Yankee,
welcher des Pflügens überdrüssig geworden, sperrt seine
Schweine ein und reicht ihnen nichts als Wasser. Unterdessen
versteckt er in kleinen Portionen Welschkorn in das umzu-
brechende Land. Nach so gethaner Vorbereitung treibt er die
Schweine in den Acker, und sofort verrichten dieselben in der
gierigen Suche nach den beliebten Körnern die Arbeit gründ-
licher als der beste Kunstpflug.
Statt rationell und ausdauernd zu Felde zu ziehen, reiniget
der nach alter Väterweise wirthschaftende Farmer alljährlich
nur die Stücke seiner Farm, welche er gerade benützen will,
und lasst daneben neuen TTiikrautsameu fröhlich zur Reife ge-
deihen und junge Sprossen ungehindert das Licht der Welt
erblicken.
Immerhin aber mag in einem Farmerbrief aus dem in'
mauchfacher Beziehung reich gesegneten Kentucky die Mah-
nung an europäische, zumal an meine Schweizer-Brüder nicht
am unrechten Orte sein : "Wenn euch die Heimat zu enge wird,
und ihr träumt von einer glücklichen "Wohnstätte auf freiem,
eigenen Boden in der „neuen Welt", so erwartet ja nicht, die-
selben glatten Wiesen, dieselben säubern, fetten Fruchtäcker,
welche zu Hause des Landmanns Auge erfreuen, in Amerika
zu eurem Dienste bereit zu finden. Amerika besitzt seine herr-
lichen, wohlgepflegten Ländereien. Allein dieselben hängen für
euch viel zu hoch. Und erfüllt werdet ihr hier euren Traum
nie und nimmer sehen, wenn ihr nicht den Muth und die Kraft
besitzt, Jahre lang fest zu stehen und nicht nachzulassen in
aufreibendem Kampfe wider Stump und Stock, wider Busch
und Hag, und, dass ich das hier beifüge, festzustehen und
nicht nachzulassen, alles von neuem zu erlernen, was ihr schon
zu wissen und zu verstehen vermeintet. Der erfahrenste Land-
mann von drüben ist nicht im Stande, hier eine Furche zu
ziehen, wenn er es nicht vorerst erlernt. Es ist in Amerika
Alles, Alles anders als zu Hause. Der europäische Meister muss
hier wieder zum Lehrbuben werden, will er einst Erfolg haben.
Das sollten besonders die Bejahrtem wohlbedenken, bevor sie
der Wanderlust nachgeben. Ist des Geistes und des Leibes
Elastizität bereits in der Abnahme begriffen, dann ist die Aus-
wanderung nach Amerika ein sehr gewagter Schritt, und Miss-
erfolg, Heimweh und Fremdbleiben sind die Dachtraufe, welche
man für den Regen eingetauscht hat. Amerika ist das Land
des Glückes nur für d i e Altersstufe und d i e Menschenklasse,
bei welcher dem eisernen Willen ein kräftiger Arm und flinker
Fuss noch Jahre lang gehorchen. S i e mag kommen und s i e
wird erringen ein freies, fröhliches, wohlgeborgenes Wohnen
an eigenem Herde. —
Verzeihen Sie, dass ich abgeschweift bin; ich führe Sie
gleich wieder in medias res.
„Adolf, die Leitern zu den Early Yorks; Masters soll dir
picken helfen!"
„And you Utile Bill, the box-lumbcr nails and hatchet, quick!"
27
Kommen Sie, jetzt sollen Sie einer Pfirsich- Verpackung
beiwohnen. Wir stellen die Packbank hier möglichst in den
Schatten. Das will zwar nicht gerade viel heissen, denn dicht-
bedacht und belaubt sind diese Pfirsichbäume nicht, so dass,
ich fürchte, Sie bald im Schweisse Ihres Angesichtes werden
zuschauen müssen. Beachten Sie aber gleichwohl, mit wie
breitem, genialem Pinsel Künstlerin Sonne durch das zarte,
schlanke Blätterwerk hindurch ihre Lichter auf das grüne
Gras und die rothen Früchte tupft, welche sich über Nacht
da hineingebettet haben.
Schauen Sie, da sind sie schon mit den Leitern. „Das sind
ja aber doch keine Leitern, u meinen Sie, „das sind ja bloss
so Tritte, wie sie in jedem Tuch- und Buchladen stehen." Ja,
glauben Sie, dass hier Land auf Land ab nur zwei, für euro-
päische Leitern geeignete Stangen zu finden wären? Im Ueb-
rigen besitzen diese step-leaders den grossen Vorzug, dass sie
die Zweige nicht verletzen, und dass man sich auf denselben
beider Hände zur Arbeit bedienen kann. „Hier sind die Körbe,
passt auf, nicht zu reif, nicht zu hart!"
Es erfordert schon einen ganz tüchtigen und geübten, mit
gutem „Augenmass" begabten Fruchtmann, rasch die zum Ver-
sand gerade „ebenrechte" Pfirsiche von den Zweigen zu heben.
Mit Fingerdruck die Probe zu machen, geht bei der zarten
Frucht nicht an. Das Auge muss daran gewöhnt werden, beim
ersten Ueberblick zu berechnen, welche Früchte nach ein bis
zweitägiger Fahrt die gewünschte Weichheit und den em-
pfehlenden durchsichtigen Glanz der Haut haben werden.
Da keucht auch schon mein kleiner, schwarzer Boxfabri-
kant mit dem Schachtelholz, Nägeln und Handbeil heran. Sie
sollen sich gleich wundern, wie flink der Negerbub das Holz
zu Boxen zusammenschlägt. Das Material liefert uns der Säge-
müller fix und fertig zum Zusammennageln zum Preis von
zwanzig bis fünfundzwanzig Centimes per Stück. Diese recht-
eckigen halbzolldicken Bretchen, welche eine grosse Hand
nahezu decken könnte, sind die heads, die Kopfstücke, das
Häufchen daneben bilden die bedeutend dünnern, nicht ganz
zwei Fuss langen und acht Centimeter breiten slates, die
Seitenschindeln, und hier sehen Sie den dritten Bestandtheil,
die etwas breitern, sonst aber den slaies ganz ähnlichen, schin-
delartigen tops. Da werden nun auf die drei heads, von welchen
das eine in gleicher Entfernung von den beiden andern in die
Mitte der länglichen Schachtel zu besseren Halt derselben zu
stehen kommt, beidseitig je zwei slates und unten ein top mit
kleinen Nägeln so geschlagen, dass sowohl zwischen den die
Seitenwände bildenden slates als auch zwischen diesen und dem
Schach telboden die, Sie werden gleich verstehen, warum so
wichtigen cracks, je nach der zu verpackenden Frucht schmä-
lern oder breitern Spalte entstehen. Diese Boxen halten ein
Drittel-Büschel. Zur Versendung von Cabinetsstücken bedient
man sich zuweilen noch kleinerer, blos ein Viertelbuschel fas-
sender Schachteln, während die s. g. Seedlings, die gemeinen
Sorten in Halbbusehelboxen zusammengedrängt werden.
So, da wären die ersten Körbe voll meiner süssen York.
Ist das nicht ein entzückender Anblick? Ich kann es nicht
leiden, wenn mir so Einer kommt mit dem landläufigen Ur-
theil „Otat's nice a (hübsch). "Was nice! Nein, so schön an Form
und Farbe, an Licht und Glanz, an Wohlgeruch und Weich-
heit ist das, wie ich nichts Schöneres weiss. Schauen Sie nur
diese dunkelrothe Sammetgluth ringsum und hier diese auf-
leuchtenden Silb erste rnchen und Streifen darauf. Sind denn
das nicht glühende, blühende Kindergesichtchen, aus denen
Augen wie Thautropfen im Sonnenschein dir entgegenlachen?
Die amerikanischen Pfirsiche geben sich übrigens in mannigfaltig
verschiedenem, immer aber vornehmem Kleide. Gleich dort ein
paar Reihen weiters die schon genannten Crawfords, die earhj
(frühe) und die lote (späte), welche eben zu reifen beginnen, bieten
wieder ein gauz anderes Aussehen. Ich stehe nicht an, diese
ausserordentlich grosse und schwere Frucht die Königin unter
den Pfirsichen zu nennen. Einen Versuch, dieselbe zn schil-
dern, mag ich nicht machen, woher auch sollte ich das tiefe,
weiche Gold nehmen, mit welchem dieses Kunstwerk der Natur
rundum grundirt ist, dieses satte Braunroth seiner Bemalung.
Ich will nur sagen, dass ich meine herrlichen Crawfords nie
betrachten kann, ohne an jene alten Gemälde zu denken,
welche mit ihren blumigen, minniglichen Gestalten auf Gold-
grund jeden Beschauer fesseln. Lange nach den Crawfords,
kurz vor Thorsohluss des Herbstes kommen dort an den letz-
ten sechs Reihen die White Heath zur Reife. Wer ihre Art
nicht kennt, den ziehen diese grossen graugrünen, steinharten
Dinger keineswegs an, bis sie ganz wenige Tage vor der vollen
29
Reife zur eigenthümlicli durchsichtig weissen Favoritefrucht
der Confitüre brauenden Hausfrau sich entwickeln. Daneben
möchte ich nur noch einer gedenken, der hochadeligen China
Cling. Ich habe nie gesehen, wie man mit einem Tröpfchen
Grün unter schüchternes, zartes Weiss gemischt einen solchen
Effekt, einen solchen noblen Schein hervorzubringen vermag,
wie es an dieser Frucht geschieht. Man scheut sich, dieselbe
zu berühren. Ich sah einen Yankee, welcher sonst wahrhaftig
weder in Sprache noch in Manieren ein Modell genannt werden
darf, letzten Sommer ein paar Muster dieses Pfirsichs in weisser
Papierdüte ins Town tragen und daselbst mit seinen zwei ge-
krümmten, knorrigen Fingern so subtil zum Vorweisen heraus-
ziehen, als ob's venezianisches Glas wäre.
Doch schon wieder eine Entgleisung!
Ich wollte Ihnen ja das Einpacken zeigen: Ich lese, und
manchmal liest mir eine helfende Hand die schönsten Stücke
alle heraus. Nun fange ich an, von denselben zwei grosse oder
drei kleine, mit der glänzendsten Seite gegen den Spalt ge-
richtet, nebeneinander einzulegen, die Gelegten mit der Linken
fest gegeneinander haltend, während die rechte Hand neue
Schaustücke mit der Stielseite gegen die Spitze der Letzt-
Gelegten nachschiebt, bis der ganze Doppelrosenkranz der
untersten Spaltlage von head zu head der Schachtel fertig ist.
Dann kommt die zweite Lage, zu welcher man, weil sie sich
hinter die slates birgt, weniger sorglich ausliest. Die dritte
trifft in die beiden mittlem Guckritzen und hat desshalb wie-
derum aus feiner Waare zu bestehen. Die vierte und die oberste
Lage machen einem manchmal Aerger und Kopfzerbrechen,
weil die letztere exakt die Höhe der Box haben muss, soll die
Verpackung mustergültig sein, so dass die Früchte weder ge-
presst werden, noch rollen. Die vierte ist bald zu niedrig,
bald zu hoch; es will sich nicht schicken. Da weiss man sich
denn oft nicht anders zu helfen, als dadurch, dass man die
Schlusslage sich balanciren lässt auf bloss einer über die Mitte
der dritten hinführenden Reihe ebenrecht grosser Pfirsiche,
wobei dann freilich links und rechts von dieser Reihe hinter
den obern slates ein dem Käufer nicht erwünschter leerer Raum
entsteht. Nun schlagen wir den obern Schindel-fop mit Nägeln
an, pausen die Adresse mittelst Schuhbürste und gemeiner
Wichse durch den vom Commissionshaus gelieferten Stenzel
(Schablone) und die Box ist fertig zum Versand.
Je nach dem Grade, in welchem der Lieferant es mit seiner
Handelsehre nnd seinem Credit ernst nimmt, wird er gute, ge-
ringe, auch ganz schlechte Waare hinter die schuldlosen Seiten-
schindeln verstecken, indessen er immer die Cräckreihen so vor-
theilhaft wie möglieh sich präsentiren lässt.
Diese Art der Pfirsich- sowie auch der Pnaumenverpackung
hat sieh als die vorteilhafteste zur Verführung auf weitere
Entfernungen bewährt. Feiner freilich nimmt sich die Ver-
packung in kleinen Schindelkörbchen aus, welche besonders im
Osten, im Pfirsichstaate Delaware beliebt sind und auf kürzere
Strecken genügen mögen, ohne dass dabei die Fruchte zu sehr
leiden. Dieselben werden nämlich bloss mit einer durchsichtigen
Musseline bedeckt. Und wenn sie dergestalt auf die Tafel ge-
setzt werden, kann man sich allerdings kaum einen reizendem
Anblick denken, als solch ein, seinen Inhalt weniger verhüllen-
des als verlockend und neckisch anpreisendes Fruchtkörbehen.
Vierter Farmerbrief.
Virtuosität in der Früchteverpackung.
Werden Sie aber auch noch Lust haben zu einem weitern
Gange durch meinen Obstgarten und zum Verweilen für ein
Stündchen „bei einem Wirthe wundermild?"
Ich möchte wohl wissen, ob die alte Vermuthung begründet
ist, es sei ein Apfelbaum gewesen, dessen süsser Verlockung
unser aller ehrwürdige Ahnfrau Eva nicht zu widerstehen ver-
mochte. Man könnte es fast meinen der klassischen Beschrei-
bung nach, „von dem Baume sei gut zu essen gewesen, er sei
ein lustiger Baum gewesen und lieblich anzusehen." Wenn's
aber so war, dann muss ich immer Angesichts meines herbst-
lich prächtig ausgeschmückten, reich in Roth nnd Gold gestick-
ten, grünen Apfelwaldes denken, es sei doch eine schöne Sache,
dass die rachsüchtige Menscheit es dem ersten bösen Apfel nicht
nachgetragen, dass er Evchen zu Fall gebracht und ihn nicht
auf den Index der unkauschern Dinge gesetzt hat. Ganz im
Gegentheil: Vor mir liegt der Katalog einer amerikanischen
Baumschule, welche ihren Apfelsorten keine bessere Empfehlung
meint auf den Weg geben zu können , als das Motto : „ What
but an apple tempted Eve? u War's nicht ein Aepfel chen, das der
Eva in die Augen stach? Und einer, welcher dazu- noch „erster
Pfarrer zu Kronberg vor der Höhe bei Frankfurt am Mayn a
war, verkündet seinen Lesern vor bald hundert Jahren mit
Pathos und Emphase: „Dem Apfelbaume ja! gebührt die Ehre,
euer erster Baum zu sein."
Unsre amerikanischen Nürsery-Männer, wie sich die Baum-
züchter heissen, bieten eine Auswahl von fünfzig bis hundert
Apfelsorten zum Kaufe. Es ist das Verdienst Schaustens und
derer, welche mit ihm in Frucht pionierten, die für unsere
Gegend passenden Sorten herausgefunden und sich dadurch in
die Lage gebracht zu haben, Nachfolgern zuverlässige Rath-
schläge ertheilen zu können. Solcher Sorten sind nicht allzu-
viele, kaum mehr als ein Dutzend. Der Apfelbaum scheint in
Amerika hinsichtlich des Bodens und Klimas bedeutend wäh-
lerischer zu sein als drüben. In meiner Gegend hatten die ver-
edelten Aepfel sich zu gewöhnen an zeitweise lange Trocken-
heit im Sommer und an einen durch Raubwirthschaft seines
Humus beraubten Boden. Dazu hat sich eben blos das genannte
Dutzend verstanden, dem ich an dieser Stelle die Ehre der
Namensnennung erweisen will, zugleich um ein Beispiel von
der Art zu geben, wie man hierzulande die geliebten Aepfel
tauft. Der Erstling unter denselben ist der Red Astrachan,
welcher mit der Frühröthe auf seinen runden Wangen einer
freundlichen Aufnahme stets sicher ist. An Frühreife erreicht
ihn fast ein citrongelber Apfel, von welcher Frucht ich das-
selbe sagen möchte, was sonst von der Orange gilt: „Man muss
sie, will man anders ihre volle Güte kosten, gemessen before
the stem is dry, u bevor nur der Stiel Zeit gehabt hat, abzutrocknen,
frisch vom Baum; das ist der Early Harvest. Unsern heimat-
lichen Jakobiäpfeln, „ Joggeberli", entsprechen die verschiedenen
Juneapples. Diesen Proletariern, welche selten leisten, was ihr
Name verspricht, indem gewöhnlich noch etwas Juli sonne zu
Hilfe kommen muss, folgen die edlen Summer Queen, Maiden's
Blush, Fall Queen. Aus den Spätlingen, welche dem Amerikaner den
Winter versüssen, sind herauszuheben der Ben Davis, von wel-
chem noch die Rede sein soll, der goldene Belleflower, die schwere,
langhaltende Pearmain, der Wine Sap, welcher wie kein anderer
amerikanischer Apfel delikates Aroma, schmelzenden Saft in
leuchtend prächtiger Schale bietet. Man übersieht ihm darob
32
gerne, dass er in der Regel, zwar sehr niedlich, aber etwas
klein geräth. Zum Preis unsrer amerikanischen Aepfel will ich
noch erwähnen, dass dieselben angefangen haben, auch im Aus-
lande gewürdiget zu werden. London allein konsumirt jährlich
800,000 Barrels amerikanischer Aepfel.
Nicht grosse Beachtung möchte ich der Streitfrage schen-
ken, welche jeder Angekommene, sobald er in den ersten Landes-
apfel gebissen, langweilig genug meint neu ventiliren zu müssen,
ob dem europäischen oder dem amerikanischen Obst der Vor-
zug gebühre. Gestützt auf mehrjährige Erfahrung möchte ich
sagen: Aepfel von solch unübertrefflicher Vollkommenheit der
Model lirung sowohl als der Bemalung, wie sie hier, an guten
Bäumen — ich denke namentlich an Maiden 9 s Blush und an
Ben Davis — in Menge hängen, habe ich daheim niemals oder
nur in vereinzelten Exemplaren gesehen. Aber ebensowenig
habe ich je an einem der besten amerikanischen Aepfel so wohl
gelebt, wie an einer heimatlichen Goldreinette, je in einem
solchen den feinen, reinen, köstlichen Wohlgeruch gefunden,
durch welchen mir der wachsgelbe, tiefcannelirte Wmter-ccUvill
meines Vaters Baumlaube an der alten Kirchhofmauer unver-
gesslich machte.
Nehmen wir an, es sei jetzt die Reifezeit der Maiden's
Blush. Reif hiesse das zwar bei Ihnen zu Hause bei weitem
nicht. Noch sind die Kerne weiss, und drehen und zupfen
muss man tüchtig, um die schöne Frucht zum Fahrenlassen
zu bewegen. Aber das zarteste Roth ist auf dem wachsgelben
Grunde aufgeblüht, und das genügt. Und bereits hat mir mein
Gommissioner in New Orleans mitgetheilt: „Maiden's Blush are
in good demand, ship sowie!" So laden wir denn unsre sieben
Packutensilien auf den mächtigen, rothen Farmerwagen. Voraus
die „Bbls u , mit welcher landläufigen Abkürzung für barreis
leicht gebaute, einen und einen halben Zentner Aepfel haltende
Fässchen bezeichnet werden. Geschickte Arbeitstheilung und
Concurrenz haben den Preis für diese Barrel auf Fr. 1. 50
und bei Abnahme einer grössern Anzahl auf Fr. 1. 35 herunter-
gebracht. Dabei darf denn allerdings der Küfer nicht daran
denken, Dauben, Böden und Holzreife selber anzufertigen. Ihm
arbeiten in die Hand hier ein Sägemüller, welcher sich in
eichenreicher Gegend fast ausschliesslich mit der staves-F&bri-
kation beschäftiget, dort eine Böden- und Reif-factory, welche
zu ihrem Zweck das wonst wenig geschätzte Holz des gum treu
(Nissa biflora") und die schlanken, nahen /iir/iW^-Ruthen (Juf/hni-s
st//nn)/o$a) in ganzen Wagenladungen von armen Farmern aus
der „G&atttry" bezieht.
Vergessen wir die Apfelpresse samnifc Hammer und Nägeln
nicht. Hie werden jetzt gleich sehen, wie man damit hantirt.
Nun spannen wir an die schiine, grosse Kaie neben den alten,
aber immer noch „geistigen" Bob; und vorwärts rasselts —
sitzen Sie fest auf Ihrem Barrel! — zum Thore hinaus, den Hügel
hinunter, die Reihen entlang, lieben Sie acht, daws Ihnen nicht
Ahsalons Schicksal zu Theil wird! „Wliaa'.!' 1 Da sind sie schon
die Maidens Blutsh, der gewaltigsten Bäume, welche! Maidens
Btitsh, so hiessen sie vor einer Reihe von Jahren noch nicht.
Aber das „ctteewipj'k", ihr ursprünglicher Taufname, roch auch
gar zu sehr nach Käse, und bessere Reklame musste doch die
Vergleichnng mit jungfräulicher Wangen-Röthe machen.
Jetzt rasch die obersten Reife der Fässchen gelüftet und
die Deekel herausgenommen, welche zur Unterscheidung von
den fester eingefugten Böden überall im Lande dieselben zwei
eingekritzten, sich kreuzenden Halbkreise erhalten. Wenn Sie
jetzt der Verpackung dieser goldenen Haufen zusehen, so weiss
ich, woran Sie dabei denken; ich wette, an ein paar Blätter
des II. Bandes Ihrer Fernschau, bei deren Lesen mein Kopf
aus dem Beifallnicken nicht mehr zur Ruhe kommen wollte
und nicht übel Lust empfand, gleich ein überseeisches Seiten-
stiic.k auszuplaniren, welches Ihnen bestätigen würde, dass die
geschmackvolle Verpackungs- und Ausstellungskunst einer der
allerwichtigsten Faktoren auch im amerikanischen Ilandels-
le.ben bildet. Ja, ich meine sagen zn müssen, dass nirgends in
der Welt so allgemein, wie in Amerika die gefällige, feine
Präsentation der Waaren empfänglichen, bestechlichen Sinn
findet. Jeder Handelsmann wäre verloren, der nicht „niceljf" zu
verpacken, nicely zu verkaufen verstünde. Ist der ausgemach-
teste Schund nice, so findet er Käufer. Ist die Waare besten
Gehaltes nnd Stoffes ungefällig, so findet sie nur schwer Ab-
satz. Der Fruchtmann konnte nimmer bestehen, würde er nicht
fortwährend vor Augen behalten die fortwährend an ihn er-
gehende Mahnung seiner Handelsfreunde „nicely packed!" Meint
ein Commissioushaus sich wegen schlechter Bezahlung der ein-
gesandten Früchte entschuldigen zu müssen, so schützt es unter
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zehn Malen neunmal wirkliche oder bloss fmgirte ■ ,,bad order u der
Verpackung vor. Man erzählt von Farmern meiner Umgegend,
welche den Ertrag ihrer Bäume, regellos in Barrel geschüttet,
versandten, dass sie nicht nur keinen Erlös erzielt hätten, son-
dern einen Theil der sonst vom besorgenden Handelshaus vor-
ausbezahlten Fracht noch hätten nachträglich entrichten müssen,
weil der Erlös für die flüchtig gefüllten Fässehen nicht ein-
mal die Gebühren alle deckte. So hatte ich denn, um zum
Wissenden zu werden, eben auch zuerst einen „Spezialkurs"
durchzumachen. Es war eines sonnigprächtigen Nachmittags,
als der zur Leitung desselben erbetene graubärtige Weinreben-
pionier mich in die Schule nahm und mich all die Kunst-
Griffe und Kniffe mit so feierlicher Gründlichkeit lehrte, dass
ich zu jedem Baume einen besondern Packer stellen müsste,
wollte ich sein Tempo innehalten.
Wir lesen jetzt die Exemplare von augenfälliger Grösse
und Färbung aus. Mangel daran ist bei der vorliegenden, durch
ganz Amerika geschätzten Sorte keiner. Vermöchte ich mir
das Vergnügen zu bereiten, ein Körbchen dieser wundersamen
Aepfel über Land und Meer plötzlich auf eine heimatliche Tafel
zu stellen, ich glaube jeder Tischgenosse würde einen Laut der
Bewunderung dafür haben, aber vielleicht Keiner würde darnach
greifen, um zu geniessen, so sehr gleichen diese Früchte, ge-
schickt geordnet* idealisirenden, oder eher noch übertreibenden
Kunstgebilden aus Wachs und feinsten Farben. Nicht minder
ausserge wohnlich ist deren gewürzhafter, rezenter Geschmack,
welchen ich mit nichts anderem zu vergleichen weiss als mit
demjenigen der zu Hause bekannten Früchtenzeltchen. Nun
legen wir ein Paar der Schönsten nebeneinander auf die Stiel-
seite und gleich daneben einige auf die Oberseite, und prüfen,
welche von beiden Gruppen den bessern Effekt bewirke. Wir
erkennen sofort, es ist die von der Oberseite betrachtete Lage.
Bei den meisten übrigen Sorten ist die untere Ansicht und bei
wenigen sogar die Seitenansicht die wirksamste. Auf diese
Fa?lcy-Heite kommen nun zwei bis drei festgefügte Lagen, der
sog. top, auf den Boden des Barrel's zu ruhen. Der Packer
steckt mit Kopf und Armen im Fässchen, während eine andere
Hand ihm Stück für Stück hineinreicht. Wer nach solchem
Tagwerk des Abends nicht unwillkürlich an Kreuz und Rücken
greift, darf dessen gewiss sein, dass sein mittlerer Drehpunkt
sich in erfreulichen Umständen befindet.
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Ein halbes Büschel derselben kostbaren Auslese wird sorg-
fältig nachgeschüttet; und vor den allfälligen ästhetischen
Miingeln der Nachfiilhmg drückt, mau nachsichtig ein Auge zu.
Der top ist chmse oder gar fancy; das ist entscheidend für
das Schicksal der Sammlung. Es kommt freilich, besonders auf
dem für unsre Gegend wichtigen Marktplatze New Orleans vor,
dass ein Haus die erhaltenen Barrel umpackt, wobei dann das
Mitlau fen -Lassen zu geringer Waare dem Versender übel aus-
schlägt.
Das Barrel ist gehäuft gefüllt. Der gewöhnlich aus zwei
bis drei Stücken bestehende Deckel wird aufgelegt. Nun beugt
sich der Packer mit Brust mal Armen med erpressend darüber
und fängt an, das Barrel auf fester Unterlage zu rütteln bis
die Häufung sich zur ebenen Fläche gesetzt hat. Die ebenso
praktische wie einfache Presse, welche den Deckel vollends in
die Kinne einzutreiben hat, besteht aus einem über das Barrel
gelegten Querholz, von dessen beiden Enden zwei, nuten haken-
förmig gekrümmte Eisenstangen niederlaufen, um das Barrel
am Bodenrande zu unterfassen. Eine durch die Mitte des Quer-
holzes sich windende Schraube, unter welche ein starkes Bret-
stück geschoben wird, presst die Deckclstücke an ihren Ort,
woselbst sie durch eingetriebene Nägel festgehalten werden.
Nach Entfernung der Presse wird das Barrel umgekehrt, auf
der nun oben liegenden fop-Seite gemarkt und zum Versandt
verladen.
In den Verkaufs hallen der Marktplätze wird der gemarkte
Deckel entfernt, so dass der Inhalt sich von seiner günstigsten
Seite dem Käufer präsentirt. Was sollte die zirkelrunde Lage
lachender Prachtexemplare nicht zum Kaufen verlocken, zumal
wenn dem neugierigen Forscher in die Tiefe eine zweite und
dritte Schicht nicht minder reichen Geniisa verspricht. Vom
Erlös zieht der Oomitiissloner vorerst die Frachtgebühr ab. Da
lässt sich nichts künsteln; der Versender kennt dieselbe beim
Cent. Alsdann berechnet er für seine Bemühung zehn Prozent,
den Rest schickt er per Money Order oder per Draught (sprich
Draft) an den Fruchtproduzenten. Ob die meisten dieser Com-
missionsh äuser ehrlich genug sind, den Rest ungeschmälert ab-
zuliefern, weiss ich nicht. Die Fruchtfarmer sind aber durch's
Band weg davon überzeugt, dass sie manchmal bloss den ßest
vom liest erhalten. Sie reden auch davon als von einer nnbe-
streitbaren Thatsache und einem unabänderlichem Uebel, dass
besonders neugegründete Häuser zur Anlockung von Geschäfts-
freunden für die ersten Zusendungen ausserordentlich günstige
Abrechnung stellen; dann aber auf einmal die mancherlei
Schleichwege zu praktiziren beginnen, auf welchen ein nur
halbwegs Geriebener leicht die in seinen Preislisten angesetz-
ten Zahlen umgeht. Ja es mag nur wenige Frti diffamier geben,
welche nicht scheu in der Art „reingefallen" sind, dass sie
für erste Sendungen reichlich bezahlt wurden, für nachfolgende
dagegen, selbst auf wiederholte Mahnung weder Antwort noch
Geld erhalten konnten. Ich habe letzten Sommer an einem
solchen, gut empfohlenen Haus, an welches ich einen grossen
Theil meiner Frühapfel verschickte, die ganze Reihe unehren-
hafter Praktiken erfahren, gute Bezahlung, Niedergang, Sistiren
der Correspondenz, hartnäckiges Verstummen. Ich musste mir
nach monatelanger Trölerei schliesslich dadurch helfen, dass ich,
um das Hans zum Rede-Stehen zu zwingen, einen Wechsel im
annähernden Betrage der Schuld auf das betrügerische Haus
ziehen liess, der denn auch bezahlt wurde. Schlimmer ist es
denjenigen meiner Nachbarn ergangen, welche sich durch glän-
zende erste Bezahlung zu weitern shipmeuts an ein Haus des
Südens verlocken Hessen, daun aber, nachdem Stockung in den
Geldsendungen eingetreten war, nicht einmal auf gerichtlichem
Wege den Schwindler zu fassen im Stande waren. So lange es
unthunlich ist, mit den Frueht-Consumenten selber in Handels-
verbiuduug zu treten, ist man auf den Vertrauensweg der Ver-
mittlung durch Vfmumssii'Di Merchanls angewiesen. Bald ist man
übrigens durch Erfahrung soweit gelangt, dass man seine re-
spektablen Häuser herausgefunden hat, mit welchen man gern
Jahr für Jahr in Verkehr tritt. Begehrt man mit einem unbe-
kannten Haus Verbindungen anzuknüpfen, so wird man gut
thun, vorerst von Geldinstituten, oder besser noch bei einer
Mercautite, Agaictj der betreffenden Stadt Referenzen zu erbitten.
Die meiste Sorgfalt beim Pflücken und Packen sowohl,
wie bei der Wahl des Commissioushauses und beim Ergreifen
des richtigen Momentes für den Versand verwenden wir auf
den namenreichsten Apfel Ben Davis, New York Pipjiin oder
Baltimore Red.
Derselbe hat, wenn man's sagen darf, nicht viel Salt und
nicht viel Kraft, von Aroma kaum eine blasse, an Quitten er-
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innernde Spur. Gleichwohl gilt er allgemein als der Favourite
unter den amerikanischen Aepfeln, so 7 dass wohl keiner so
sicher, wie er Jahr für Jahr gute Preise erzielt. Diese bevor-
zugte Stellung verdankt er seiner Gestalt und Färbung, worin
er dem Ideal eines Apfels nahe steht. Gross, ohne monströs,
rundlich, ohne plump, nach oben verjüngt, ohne spitz zu sein,
wölbt sich seine ganze Oberfläche allüberall in so weichen, nir-
gends von ihrer innern Gesetzmässigkeit abweichenden Curven,
dass der Blick nie müde wird, auf diesem Naturgebilde von
unvergleichlicher Plastik zu ruhen, und nie müde die Hand,
sich spielend um diese kühle, glatte Form zu legen. Seine Fär-
bung bietet das Beispiel einer ungemein harmonischen Poly-
chromie. Man kann es nicht schildern, man muss es sehen,
wie dieses gleichmässig tiefe Braunroth des Stielgrundes über
die schöne Wölbung hinauf sich lösend in dunkle Bänder und
hellaufleuchtende Flammen allmälig in das zarte Gelb des obern
Randes zerfliesst. Und wenn damit noch nicht genug gethan
wäre, den Anblick dieser Aepfel reizend zu machen, so ist kaum
Einer unter denselben, der nicht sein Wärzchen, sein Grübchen,
sein Schönheitspflästerchen hätte.
Der Oktober führt die Fruchtarbeit ihrem Ende entgegen
und bringt nicht Ruhe, aber eine ersehnte Abwechslung in die
mühe- und sorgenreiche gänzliche Hingabe an die Obsternte.
Noch einmal im alten Jahr wird angespannt und der Wagen
beladen mit den seltener und kostspielig gewordenen zurück-
gelegten Früchten. Das ist vor Weihnachten, wenn Jedermann
nach seinem Christrnas-apple verlangt. Christmas ohne Aepfel
wäre hierzulande, was drüben Weihnacht ohne Tannenbaum.
Den Tannenbaum mit all seiner entzückenden Weihnachtspoesie,
sie kennen ihn in diesem Lande nicht, wo Deutsche nicht hin-
kamen. Dem Amerikaner dient die schöne, süsse Frucht zum
Symbol der Weihnachtsfreude. Kein störe, kein noch so kleines
Kramlädchen darf in diesen Tagen ohne Aepfel sein ; und Man-
cher bezahlt jetzt ohne Beschwerde seinen Dollar für denselben
Korb voll, den er wenige Wochen zuvor noch leicht um die
Hälfte dieses Preises hätte erhandeln können.
Mein lieber Freund, ich habe meine vier Farmerbriefe mit
dem Bekenntniss zu schliessen, dass ich nicht gehalten, was ich
Ihnen versprach. Mir ging's, wie manchem Verleger, der kaum
in zwanzig Hefte bringt, was er meinte in zehn seinen Abon-
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nenten sagen zu können. Ich versprach Ihnen am Schluss des
ersten Briefes einen Gang durch Feld und Wald; und noch
sind wir aus meiner Obstfarm nicht herausgekommen. Noch
sehe ich vor mir den busch- und dornenreichen Pfad durch die
Stockfarmen meiner Nachbarn, die schattigen Holzwege durch
den sommerschwülen Wald.
Wollen Sie mir später noch einmal Gelegenheit und Ihre
Hand geben, so denke ich Sie sicher und bereichert mit manch
neuem Bilde hindurchzuführen.
<5"
$ <* (!) ^ w
IL
Eine Ausschau nach den Silberminen yon
Arizona.
Von Tr. Hagenbuch aus Aarau.
blicht um eine Eeise zu thun und nachher was erzählen
zu können, auch nicht im Dienst der Wissenschaft habe ich
meinen wandernden Fuss nach dem Schlangen- und Indianer-
gefährlichen Arizona gerichtet, sondern, amerikanisch gespro-
chen, um einen Frospectingstrip zu machen.
„Frospectingstrip? 11 Das ist so ungefähr, wie wenn man
drüben in der lieben alten Heimat, unzufrieden mit seinem
Loos, den Blick nach Westen richtet und mit geschnürtem
Bündel in der „neuen Welt" ein Land sucht, wo Milch und
Honig reichlicher fliessen. Gerade so geht's hier in den öst-
lichen und mittleren Staaten Amerikas, wo's nicht mehr ist
wie weiland ehedem, wo man die Preise gesunken und das
Land entwerthet findet. Da hört und liest man viel von einem
gelobten Land im fernen Westen. Man geht hin, Ausschau
nach dem ersehnten Glück zu halten, man „pfospektet".
Einer der Unzufriedenen war auch ich. Hof und Heim im
Kentuckierlande habe ich verlassen und habe nach dem Westen,
dem „very far West u prospektet. Nun bin ich wieder zu meinen
Kornfeldern und Apfelbäumen zurückgekehrt und habe nichts
mitgebracht als ein Notizbuch voller Bleistiftzeichnungen und
kleiner Erlebnisse.
Durch Arkansas und Texas.
Am 3. Februar 1887 schied ich, und habe dabei erlebt,
was Mancher schon erfuhr: Der Thermometer des Eeisemuthes
sank in der elften Stunde auf Null herab. Wie ich den letzten
Blick auf mein braunverstecktes Häuschen warf und auf alles,
was mir lieb ist drin und dran, da, glaube ich heute noch,
ist mir etwas Schmerzlich-Menschliches begegnet. Und ich hatte
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wahrhaft stundenlang nicht viel Auge für Land und Leute um
mich her. So war es ganz gleichgültig, dass die Nacht herein-
brach und ich im Dunkel hinunter nach Memphis fahren musste.
Es ist doch immer ein geheimnissvoll majestätischer An-
blick, den so ein „Vater der Ströme", wie dieser Mississippi
gewährt, über welchen in sonniger Morgenfrühe ein riesiges
Trajektschiff uns mit sammt unsrem langen Eisenbahnzug hin-
übersetzte. In schnurgerader Richtung, wie auf festem Geleise,
fährt's über den Strom, unbekümmert um den gewaltigen
Seitendruck der unaufhaltsam fortrollenden Fluthen, unbeküm-
mert um die kleinen beweglichen Inseln verwetterter Holz-
stämme und zerzauster Stauden, welche so gut wie das schmutzige
Gelb des Wassers zum Bilde dieses Stromes gehören. Am rech-
ten Ufer desselben nimmt Arkansas den Zug auf, man kann
nicht sagen sanft, denn endlos lange Stunden weit besteht der
Unterbau der Eisenbahn, wie derjenige der wenigen Stationen
und sehr spärlichen Farmhäuser aus einem Holzrost, bei dessen
Erstellung mehr die Rücksicht auf Billigkeit als die auf Be-
quemlichkeit scheint obgewaltet zu haben. Sich während der
Fahrt nur einige Schritte weit im car aufrecht zu erhalten,
erfordert die ganze Gespreiztheit mittelalterlicher Landsknechte.
Wir gleiten mit massiger Schnelligkeit durch das Ueberschwem-
mungsland des Mississippi. Kleine Lichtungen mit Baumwoll-
pflanzungen abgerechnet, ist hier in breitem Gürtel noch alles
jungfräulicher Wald ; ein Wald von ergreifend stimmungsvoller
Art. Schwarze, tiefstille, rohrgrasumsäumte Wasserlachen ver-
lieren sich hinein ins geheimnissvolle Waldesdunkel. Sie sind
das feuchte Grab gefallener Riesen, welche hier das Alter,
dort walddurchbrausendes Feuer gefällt haben. In wirrem
Durcheinander liegen dieselben lange ausgestreckt, die Einen
halbverfault, die Andern halb, verkohlt. Gebüsch und Schling-
pflanzen bemühen sich, das Bild des Moders zu verhüllen. Es
gelingt ihnen aber kaum, einen losen Schleier darüber zu
weben; überall schimmert das schwarze Nass kalt metallisch
durch. Auf tiefern Tümpeln wiegt sich hin und wieder neben
grossen, seerosenartigen Tellerblättern und goldgelben Wasser-
ranunkeln ein zerfallendes Boot. Gern erhebt man den Blick
zum hohen, jetzt noch lichten Zweigdach, von welchem sonnig-
warmer Lebensodem versöhnend niederweht. Lieblicher sieht
der Wald dieser Tiefländer in der Nähe menschlicher Nieder-
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lassungen aus. Da erblickt man nicht selten neben weidendem
Vieh, welches eifrig nach schönen grünen Grasbüscheln in die
Lachen watet, lustig spielende Farmerskinder. Hier schon,
dann noch mehr durch Texas bereitet das Vieh den Lokomotiv-
führern vielen Verdruss. Dasselbe liebt besonders des Abends nach
gethaner Fressarbeit, auf dem Culturboden der Bahnkörper der
Eepetition des Eingenommenen obzuliegen. Da aber die Eisen-
bahncompagnien für jedes getödtete oder beschädigte Thier
Ersatz zu leisten haben, so muss mit dieser Art Wegelagerer
geziemend rücksichtsvoll verhandelt werden. Gewöhnlich ge-
nügt eine Reihe schnell aufeinander folgender Pfiffe, dieselben
zum Aufgeben ihrer Position zu bewegen. Manchmal aber muss
der Gescheidtere, die Lokomotive nachgeben, anhalten und die
Bedienungsmannschaft des Zuges aussenden, damit dieselbe
mit Knittelsprache zu Stande bringe, was sie mit ihrem schril-
len go ahead (hinweg!) nicht vollenden konnte.
Kurz vor Ankunft in Little Rock, einer lieblich über
hohen grünen Ufern des Arkansas river gelegenen Stadt, sagte
mir ein Blick auf die Urne tables (Fahrtenpläne), dass ich da-
selbst nach wenigen Minuten Anschluss an die Texas- und
Pacific-Eisenbahn finden werde. Ja, ich fand Anschluss Nachts
zwölf Uhr nach achtstündiger "Wartezeit. Ein Landsmann, der
meinen noch verbliebenen Rest europäischer Ungeduld be-
obachtete, meinte lakonisch : „Auf den Westbahnen dürfen Sie
nicht pressiren." Ich konnte diesen Rath in der Folgezeit wohl
brauchen, wo ich nebenbei erfuhr, wie gleichmüthig der Ameri-
kaner selbst unbescheidene Abweichungen von den gedruckten
Urne tables hinnimmt. Wo man in der alten Welt aus der Haut
fahren zu müssen glaubt, bleibt er gelassen darin stecken.
Little Rock behalte ich trotz alldem in angenehmer Erinne-
rung um seines köstlichen, zu fünf Cents per Glas ausgeschenk-
ten Bieres willen; zu fünf Cents zum letzten Mal auf meiner
westlichen Fahrt. Nachher kamen die Gläser zu zehn bis zu
zwölf und einen halben cents, d. h. auf Schweizerdeutsch zu
sechs Batzen.
Das Tiefland von Arkansas verlassend, fährt man ein ins
Eldorado der Sägemüller. Hier in reichen Pinien- und Eichen-
wäldern bildet der Handel mit Bau- und Brennholz die Exi-
stenzgrundlage einer langen Reihe von Waldstädten längs der
Bahnlinie. Die Sägemühlen dringen überall vor und überlassen
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es einem nachfolgenden Geschlecht, die planlose Verwüstung
der "Wälder zu beklagen. In der Nähe von Fort Worth in
Texas nimmt man für lange Abschied von den sorgfaltig be-
bauten und eingefenzten Feldern und in Cisco von den letzten
Hügeln, von den letzten dunkelgrünen Cedern und spriessen-
den Ei cli en.
Die Prärie weitet vor dem staunenden Blick ihre unab-
sehbaren Flächen. Beim Versuch, mit wenigen Worten ein
Bild dieser Prärie zu entwerfen, fiel mir ein, dass man von
gewissen menschlichen Köpfen sagt, es sei kaum möglich, die-
selben in Farbe und Linien getreu wiederzugeben. Es will
sich nicht erfassen und, losgelöst vom Zufälligen, Unwesent-
lichen, darstellen lassen, was diesem grossen und wichtigen
Theil amerikanischer Erde den ihm allein eigentümlichen
Charakter verleiht. Eine endlos ins "Weite sich verlierende
Fläche, und doch wieder nicht endlos ; denn bald da, bald dort
in der Ferne entdeckt das suchende Auge eine hier wall-,
dort terassenförmige Bodenerhebung, welche freilich ebenso
schnell wieder entschwindet, wie sie aufgetaucht ist, dass man
von neuem nach einem Ruhepunkt ins Weite suchen muss.
Eine ebene Fläche, und doch wieder nicht eben; da gleitet
ja ein Stück vorüber, welches aussieht, wie eine in leichtem
"Wellengang erstarrte See. Dort windet sich ein trockenes
Bachbett zwischen Mesquitgeaträuch dahin, wie in Angst ver-
gebens nach Fall suchend. Hier hat die Eisenbahn sogar einem
kleinen Hügel aus dem Wege zu gehen. Eine farblose
Fläche, — ist sie braun, grau, gelb? — und doch wieder nicht
farblos. Das frischaufgebrochene Stück dort, wie prächtig
vielverheissend braunschwarz ist es doch; und das reiche Gras-
land in der Nähe, das ist ja schön silbergrau, und weiss, wie
gebleichtes Linnen ist jene Sandebene. Eine baumlose, pflan-
zenarme Fläche ; aber diese Wäldchen von Mesquitbäumen,
welche, aus der Ferne betrachtet, Pfirsichgärten gleichen, und
dieser Reichthum an saftschwerem sobweed, spanish bayonet
(yucca), und diese Fülle an nahrhaften Gräsern, welche selbst
sonnenverbrannt und verdorrt das Vieh noch marktfett machen!
Das ist die Prärie. Einsame Radgeleise durchfurchen die Ebene;
man sieht nicht, woher sie kommen, nicht, wohin sie führen.
Ein Schwärm kleiner Vögel fliegt drüber hin. Graue Erdeich-
hörnchen (gopher) huschen in ihre Erdlöcher. Eine Antilope,
r
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die hinterste einer flüchtigen Herde, erhascht noch schnell der
schweifende Blick. Viel seltener, als man erwarten könnte,
kreuzt man den Weideplatz grosser Viehherden. Bänglich stellt
man sich jedesmal die Frage : Wo löschen diese armen Thiere
ihren Durst? Warum diese vielen gebleichten Ueberreste ge-
fallenen Vieh's? Hier geben weder Himmel noch Erde ihre
Wasser gutwillig heraus. Wo Menschen wohnen, müssen Dampf-
maschinen oder Windmühlen das unentbehrliche Wasser aus
der Tiefe schöpfen. Es ist kein erhebender, die Seele erfrischen-
der Eindruck, den eine Reise durch die Prärien von Texas,
New Mexico und Arizona hinterlässt, und seine Sommerfrische
suche daselbst Niemand. Müde werden Auge und Herz da drin,
und heimwärts wandern die Gedanken dem kleinen Thälchen
zu, wo armsdick die Quelle (spring), ein unversiegliches Labsal
für Menschen und Vieh, mit freier Lust dem Boden entquillt.
Zur Vervollständigung dieses Wüstenbildes gehören ein paar
flüchtige Striche über Prärie-Stationen- und Städte : Ungeheure
Kohlenlager und Wasserreservoirs ermöglichen den Bahnbetrieb.
Genügsame Chinesen besorgen in dieser menschenarmen Gegend
die nöthigen Bahnarbeiten. Fest und gegen die sengende Som-
merhitze durch Doppeldach geschützt sind die Stationshäuser
erbaut. Es sieht beinahe wie eine Unmöglichkeit aus, wenn
nach stundenlanger Fahrt durch die Prärie die Thürme und
hochaufragenden, farbengrellen Facadenwände einer Wüsten-
stadt wie Abilene, wie Colorado, auftauchen. Kaum hält der
Zug, so beginnt ein sinnverwirrender Lärm. Vor den dining-
rooms, lunch-rooms, saloons schlagen die Einen wie besessen
das gong, eine Blechscheibe, während Andere an riesigen Tri-
angeln sich athemlos tingeln; alles bloss, um hungrige Opfer
anzuziehen. Das sind Städte mit allen wünschenswerthen Ge-
legenheiten, mit breiten Gassen und stattlichen Backstein-
häusern, Kleiderpalästen, Viehbörsen, stores und saloons jeg-
licher Art.
Nach Verfluss von zwanzig Minuten geht's wieder hinaus
in eine wahre Wüste, wo man bei allem noch so lobenswerth
raschen Fahren doch lange, lange Zeit vergeblich darauf harrt,
dass der Himmel einmal aufhöre, am fernen Horizont auf der
nackten, flachen Erde aufzuliegen, und dass der widrig graue
Sand einmal wieder einem bessern Erdenstoff Platz mache.
Es überrascht wohl einen Augenblick, was für zierliche ßeps-
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muster der langsam über die Hügel herunterzitternde Sand
zurücklägst, und entzücken mag den Botaniker die daselbst
wuchernde Fülle an sobtveed. Ich aber sah mit heller Freude
am Abend des zweiten Tages meiner Fahrt durch Texas in
der Ferne blaue Berge und ein neues Land auftauchen. Wir
nahen uns der halb mexikanischen halb texanischen Stadt El
Paso. Baumwollen- und Maisfelder, weidende Pferde und Schaf-
herden in üppigem Präriegras, Pflanzgärten und Wiesen, sorg-
sam mittelst Gräben und kleinen Wällen aus dem vorbeiflies-
senden Rio Grande del Norte bewässert, bringen für Auge und
Herz nach langer Darbezeit erfrischende Lust und Weide. Ein
belebtes Bild bietet die Stadt mit ihren pal ast ähnlichen, thurm-
überragten Hotels und mit ihrem schönen kuppelgekrönten
Rathhaus. Auf dem Bahnhof ilaniren Mexikaner in spitzgieb-
ligen, radgrossen, silber- und goldumschnürten Strohhüten vor
braunen Damen in goldgestickten Miedern und schwarzen Man-
tillen. Schwarze, weisse, gelbe, braune Portiers stehen am Ein-
gang in Reih und Glied vor ihren Wagen und suchen einander
im Herschreien ihrer Gasthofnamen zu überbieten, während sie
gleichzeitig mit beinahe unmöglicher Verbindlichkeit den Rei-
senden zulächeln und winken. Zu meinen Wagengenossen aus
Texas strömt jetzt eine Schaar Mexikaner der untern Schich-
ten, um Arbeit an der Bahnlinie zu suchen. Sie sind beladen
mit Säcken und Bündeln, mit Schill und Geschirr. Die leb-
haften, braungelben Kerle sind selten über mittelgross, dagegeu
fast ausnahmslos zur Wohlbeleibtheit geneigt, kugelige Burschen
unter weitrandigen, hellgrauen, acht spanisch mit Schnüren,
Knöpfen und Quasten verzierten Filzhüten. Ihre Hüften um-
schlingt ein buntes zusammengerolltes Wolltuch. Schwarz-
haarig, schwarzäugig, lebhafte Plauderer, wie sie sind, mahnen
sie Einen fortwährend an ihre italischen Brüder. Da und dort
deutet der böse Blick der kleinen, stechenden Augen, sowie
der dünnlippige, zusammengepresste Mund auf Vermischung
mit Indianerblut.
Es ist kein freundliches Bild, das die westliche Umgebung
der Stadt dem Wegziehenden bietet. Auf äusserst steinigem
und sterilem Hügelland weiden magere Ziegen mit langen
Hörnern das spärliche Buschwerk ab.
Wir durchfahren, es ist am sonnigen Vormittag des sie-
benten Februar, die südwestliche Ecke von New Mexico, in
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welcher sich die Stationsstadt Deming bemerklich macht durch
ungewöhnlich zahlreiche Windmühlen zum Wasserschöpfen aus
dem sechzig Fuss tief unterirdisch hinziehenden Strom. Ueber
die unfruchtbare, wüste Nähe eilt der Blick nach der mexi-
kanischen Sierra Madre zur Linken und den rechter Hand auf-
steigenden neumexikanischen Bergen. Warum müsst ihr schö-
nen, blauen Höhen mir die alten, lieben Formen eines Rigi,
eines Uetliberges in so täuschender Aehnlichkeit vor die Seele
halten! Das thut kaum gut für Einen, welcher den harten
Weg des Prospektens geht. Weite Strecken eines weissgrauen
Sandbodens, auf welchem rein nichts zu erblicken ist, als der
schwarze Schatten der Telegraphenstangen, wechseln ab mit
stundenweiter, grasbekleideter Prärie. Bisweilen unterbrechen
Sandhügel, felsige Ausläufer der fernen Gebirge, auch zusam-
menhanglos in die Ebene gesetzte Berge die Gleichförmigkeit.
Präriegras, das ausschaut wie die Haarbüschel auf grauem,
struppigem Haupt, ruft zahlreiche Pferde- und Viehherden zur
Weide. Hie und da belebt ein grüner Ocotillo-Strauch das Bild
mit leuchtend rothen Blüthen, welche wie purpurne Vögel auf
den Spitzen der langen, schlanken Aeste sich wiegen. Auf
hohen Wurzelstöcken breiten zahllose Yucca ihre bajonnet-
artigen Blätter im Strahlenkranze aus. Um nichts möchte man
nach der ermüdenden Unbegrenztheit des Horizonts auf der
texanischen Prärie die Linien schön geformter Berge missen,
welche durch New Mexico und Süd-Arizona das Wüstenland
ringsum einrahmen und abschliessen.
In der Desert Arizona's.
Aus dem Lande der Yucca, wie Texas genannt wurde,
gleiten wir in sommerwarmer Mittagsstunde hinüber ins Land
der Cactus, nach Arizona. Doch ist hier um Benson und Tuc-
son erst der Vorhof zu dem sonderbar grotesken Cactustempel,
den die Desert bringt. In der Abenddämmerung des fünften
Reisetages tauchte in Arizona's grosser Desert Casa Grande
auf, die Aussteigestation für die Pilger nach Silver King. Zu
Gruppen zusammengestellte Erzstücke, sowie Farotische in den
saloons bekunden die Nähe schatzhaltiger Minen. Was den
schönen, vielversprechenden Namen von Casa Grande betrifft,
so zehrt es ohne eigenes Verdienst an der Vergangenheit. Ein
„grosses Haus" hat Casa Grande nicht, sondern, wie all diese
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Wüstenstädte bloss aufgefixte Marktbaden, dagegen in der
Nähe eine altberühmte Ruine aus Azteken-Zeit. Die Verbin-
dung durch die Wüste mit dem dreiundseehzig Meilen ent-
fernten Minenort Silver King vermittelt eine „atage", ein offe-
ner, mit weisser Blache überspannter Stellwagen. "Wollte ich
mit nicht ganz übel klingender Phrase die "Wahrheit ver-
schleiern, so würde ich sagen: Um mich der Betrachtung der
Desert in all ihren interessanten Einzelheiten gehörig widmen
zu können, zog ich der zu rasch hinfliegenden Post die Fahrt
mit einem langsamen Frachtzuge vor. Bewahre! Heftiger nach
Erreichung seines Zieles sich sehnen, kann man nicht, als ich
es that. Aber die circa fünfzig Franken Posttaxen lagen mir
ein Bisschen quer. Und so suchte ich denn noch in der Nacht
nach einem tcamster, auf deutsch Fuhrmann. Auf Morgens acht
Uhr setzte mein Mann die Abreise fest. Von dem „sanften
Fühlen" einer ersten, in regulärem Federbette zugebrachten
Nacht nach langer Eisenbahnfolter schweige ich ; reden aber
will ich jetzt ein wenig von meinem Mann und dessen team
durch die Wüste. Vier felsenfest miteinander verkoppelte
Wagen stehen vor dem Gasthaus im Wüstensand zur Abfahrt
bereit. Einen Masstab für die Mächtigkeit derselben mag die
Thatsache geben, dass die Radreifbreite vier Zoll beträgt und
die Hinterräder mehr als mannshoch sind. Die Radnaben glei-
chen in der Grösse halbsäumtgen Fässchen. Die Ladung be-
steht aus vierhundert Zentnern Salz. Von der Deichsel des
Frontwagens ausgestreckt über die Mitte des Wagens hin liegt
eine fünfzig Schritte lange Kette mit den nöthigen Waagen
und singletrees zum Anspannen der Zugthiere. Ich zähle vier-
undzwanzig Maulthiere. Mein teamster, ein wettergebräunter,
starker, harter Mann mit brandschwarzem Schnauzbart von
wahrhaft ungarischen Dimensionen tritt mit seinem Gehilfen
an. Den Zug in Bewegung zu bringen erfordert viel Geduld
und Kunst. Es muss der kurze Moment erfasst werden, wo die
angefeiierten Thiere einmal gleichzeitig an der Kette reissen.
Dann Klatsch! und er bewegt sich; aber wie langsam und mit
wie viel hundert Halt zum Verschnaufen ! Sieben bis aoht Tage
lang hat der Zug zu schleichen, bis er sein Ziel erreicht. Ich
bin hoch oben auf eine Strohballe gelagert, während der Fuhr-
mann in blauer Hose und blossem Hemd, die bleibeschwerte,
elastische Lederpeitsche über den Hals nebenher trottet. Ausser
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dem gewöhnlichen, unzählig''inal gerufenen, imsrem altgeniüth-
lichen Hüo! entsprechenden „turn iu'.m out K , (dreht ihn heraus,
den Wagen), steht meinem teamslcr ein reichhaltiges Repertoir
an Aafstachelungsniitteln und Antreibungsrufeu zu Gebote.
Ein amerikanisches Idiotikon müsste dieselben höchst ori-
ginell nennen, während ein anständiger Reisebericht nur ver-
lMthrii darf, dass darin viel die Rede ist vom Teufel und von
Hundesöhuen. Mir wurde, nicht klar, warum man nicht lieber
ein paar Zentner weniger aufladet, statt die abgehetzten Thiere
mit. Peitschen und, wenn's schlimm steht., mit S> haufein auf's
unvernünftigste zu bearbeiten und die Zeit zu vergeuden mit
Wegschaufeln der Erde vor den anstellenden Rädern, mit
momentanem Loskoppeln und späterem Nachschleppen des
hintersten Wagens, mit mühseligem Hin- und Hcrhewegeii der
Vorderräder und mit andern, wahrhaft ral'tmirt schlau erson-
aenen Kunstgriffen, den stockenden Zug in Bewegung zu
setzen. Von Zeit zu Zeit löse ich den Gehilfen ah, der ein
schwer verwundetes Pferd langsam durch den Sand führt. Ich
weiss kaum, wie ich mir vorkomme, jedenfalls aber in einer
absonderlichen Lage und Welt, wie nie in meinem Leben.
Schön, zum Erstaunen schön ist dieser Morgen in der Wüste.
Tiefblauer, wolkenloser Himmel wölbt sieh über uns. In Ge-
stalt und Linie wechselvolle Berge umgeben im Kranze das
Handmeer. Und so warm ist es, dass man ohne Rock sieh wohl
fühlt. Die Entfernungen über die meerweite Desert vermag
man nicht richtig zu bemessen. Mau möchte meinen, nach
kurzem Marsche schon das Ende, den Bergkranz erreichen zu
können, wenn nicht dessen helles, nebelgraues Blau eine Ferne
von dreissig und mehr Meilen andeuten würde. Bisweilen
streicht ein wie kühle Alpenluft erfrischender Hauch über die
Eben« hin. Sehr verschieden ist die Bodenart dieser Desert.
Jetzt gleitet der Blick über dürren, rothgrauen, vollständig
Vegetation;; loseu Sand, und jetzt lassen Einem weite Strecken
braunschwarzer Erde den Maugel an Wasser lebhaft bedauern.
An solchen Stellen erreichen die genügsamen Mesqnitgehölze,
der Paloverde- Baum, die Sedf/fbrnsltes, die Catclaws eine ausser-
ordentliche Mächtigkeit. Was aber aus dem Staunen nicht
heraus kommen lässt, das sind die zahlreichen Caetusarten.
Wohler scheinen sich dieselben nirgends in der Welt zu füh-
len, als in dieser regenarmen, sonnen durchglühten Verlassen-
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heit. Ich stund lange vor einer Saguarro (eereus giganteus)
von vierzig Fuss Hohe. Eine cannelirte Säule von einer Dicke,
welche ich bei weitem nicht umarmen konnte, steigt senkrecht
in die Höhe, unterwegs fünfzehn Aeste in kurzen Ellbogen
gen Himmel sendend, von denen einige die Mächtigkeit von
Eicbbanmäst.en erreichen. Eine andere, Oholla genannte Art
gleicht in ihrem Stamm einer dürren Bergföhre, von deren
Astspitzen ganze Bündel sin diel bewaffneter, weissgrüuer Zweig-
troddeln niederhängen. Die abgestandenen, rindenlosen Aeste
sind wie ein luftiges Armstösschon zierlich durchbrochen. An
Blättere actus (opunüa vulgaris) bind ich oft einen Blattdurch-
messer von zehn bis zwölf Zoll. Mögen diese Cact.us heissen,
wie sie wollen, immer sind sie mit erschreckenden Waffen auf-
gerüstet, mit Stacheln, welche nach meiner eigenen schnierz-
haften Erfahrung das beste Stiefelrohr durchdringen, mit Wider-
haken, welche immer ärger ins Fleisch dringen, je mehr mau
sie zu entfernen sich bemüht. Das Sprichwort heisst dortzu-
lande nicht „in die Nesseln", sondern „in die Cholla fallen".
Ich kehre von der botanischen Exkursion zu meinem team
zurück. Dämmerung kündiget sich an durch den rothgoldenen
Saum über den westlichen Bergen. Der camping place für die
erste Nacht ist erreicht, nachdem schon geraume Zeit der er-
müdete Fuhrmann die matten Thiore ohne Einrede hatte da-
hinsehleicben lassen, wie sie mochten. Nun erwacht Leben.
Rasch werden die Esel ausgespannt, im Kranz um die Wagen-
burg angebunden und so reichlich mit Gerste und Alfaheu
versehen, dass auch der Fress lustigste bis zum Morgengrauen
vollauf zu thuu findet. Dazwischen wird ihnen aus den mit-
goführt.en Wasserfassen! zu Trinken gereicht. Unterdessen ist
es meine Obliegenheit, dürres Gebüsch zu finden und das
Supper zu kochen. Was eine Wüstenmahlzeit in Arizona's
Desert leistet, das ist wahrlich mehr als eine Hand voll Dat-
teln und ein Schluck sandigen Wassers. Zum Kaffee spendet
die allzeit sorglich mitgeschleppte Speisekiste ausgezeichnete
condensirte Milch, zum gebratenen Speck Boslon-beens von so
vortrefflicher Qualität, dass dieselben die Lieblingsspeise alier
Fuhrleute ausmachen, und zum Brod Butter und Käse. Es
fehlt weder an feinen Me.rico-pirfät/*, noch au frischen Austern.
Den Beschluss macht eine Kanne goldgelber Pfirsiche, riesen-
grosser Erdbeeren oder feinduft.ender Himbeeren. Man würde
Tf5f^
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diese bei aller äusserlichen Rauhheit und angewöhnter Grob-
heit doch gutgelaunten und treuherzigen Menschen nicht wenig
vor den Kopf stossen, wollte man bescheiden von den eigenen
Vorräthen zehren und nicht tapfer mit ihnen zugreifen.
Eine Helle wie von unzähligen elektrischen Flammen giesst
der aufgegangene Vollmond über die sandige Oede. Rasch
wird des teamster's Feldbett aufgeschlagen. Sein Genosse be-
gnügt sich mit ein paar auf die blosse Erde gebreiteter Woll-
decken; und während die letzten Reiser in leisem Knistern
verglühen, suche ich oben auf harten Salzsäcken unter meiner
Decke den Schlaf zu finden. Eine leidige Erkältung trieb mich
um die Hahnschreistunde zur Erwärmung meiner halberstarr-
ten Glieder zum Feuerplatz. Nie habe ich den Zauber eines
Frühstückkaffees so empfunden, wie an diesem, in lichtem
Morgenduft erwachenden 9. Februar. Um Mittagszeit erreich-
ten wir die einzige Wasserstation zwischen Casa Grande und
Florenze. Mein teamster musste gestehen, dass wir viel lang-
samer vorwärts kämen, als er erwartet, und dass wir wahr-
scheinlich erst nach Verfluss einer Woche Silver King erreichen
würden. Das war mir denn doch nun, da ich den Reiz des
Wüstenpilgerns genossen, zu „dünn", wie die Miner sagen,
und mit Rücksicht auf meine ungeheilte Erkältung entschloss
ich mich, meinen guten teamster zu verlassen und den noch
dreizehn Meilen langen Weg nach Florenze zu Fuss zu wagen.
Ich hoffe aber, in meinem Leben niemals mehr so müde wer-
den zu müssen, wie ich, sonst weder von Indianern, noch von
wildem Gethier belästiget, Nachts durch die frühlingswarmen
Gassen dem Florenzer Gasthaus zuhinkte. Was die blüthen-
duftende Nacht schon ahnen liess, bestätigte der Morgen, dass
Florenze am Gila River im Schatten seiner grünenden Cotton-
wood-Bäume nicht unwürdig den an Arno's Ufer gemahnenden
Namen trägt.
Wie's Einem gehen kann! Gestern hatte ich mich beinahe
verschworen, meine Füsse niemals mehr durch Arizona's bren-
nenden Sand martern zu lassen. Wer aber des Morgens keinerlei
Fahrgelegenheit vorwärts fand und sich genöthiget sah, auf's
Neue in das wasserlose Elend hinauszupilgern, das war ich,
nachdem ich vernommen, dass ich nach Ueberwindung eini-
ger Meilen einen rascher fahrenden teamster und Wasser ein-
holen werde. Vierzehn Meilen sind einige Meilen; ich aber
Fernschau III. 4
50
empfand sie als eine fast zu Tode ermattende Strapaze, und
wenn der endlich erreichte Fuhrmann besorgt wurde, nickt
um aein Wasser, aber um seine Wassi-rkanne, die ick nimmer
aus den Händen lassen wollte, so kann ich ihm das nicht ver-
argen.
Final und Silver King.
Alles nimmt ein Ende ; so auch mein Lauf nach Silver
King oder vorläufig nach Final. Das war eine Lust, ein un-
sägliches, Seele und Leib erneuerndes Behagen, wie ich im
Hause meines Freundes von dessen liebenswerther Gattin ver-
sorgt wurde mit allem, was den abgeschacherten Wüsten-
wanderer erquicken konnte. Final wie das östlich und höher
gelegene Silver King sind Augenblicksstädte, welche vor zehn
Jahren mit der Silbermine entstunden und seiner Zeit auch
wieder mit derselben zerfallen werden. Ihre Lage hoch im
Final -Gebirge hindert nicht, dass der Thermometer zur Zeit
des Hochsommers oft 120° F. aufweist. Durch einen länglichen
Thalkessel windet sich das breite, steinige, durch spärliche
Cottonwood -Bäume markirte Bett der Queen Creek. "Wie ein
goldener Reif im Stein sich schliesst, so laufeu schöne Hügel
und Berge bald langgestreckt, bald in Pyramiden und Zacken
zerschnitten im überragenden Tor Ulla peak zusammen. Zur
Rechten des wasserarmen Baches sind etwa hundert Häuser
und Hütten regellos auf den Plan zwischen dem Bach und
einer sanft ansteigenden Hügelreihe hingesäet. Das ist Pinal.
Dass die Baukunst sieh hier keine bleibenden Denkmäler setzen
will, zeigen jetzt schon die Ruinen manch eines Gebäudes. Die
meisten dieser zerbrechlichen Gebilde bestehen nach mexi-
kanischer Landessitte aus gewöhnlicher Sanderde, welche im
ersten, besten Loch mit "Wasser vermischt, in backste ingrosse
Würfel geschnitten und an der Sonne getrocknet wird. Das
sind die Adobe- Haus er. Noch geringer an Aussehen und Werth
sind die Bretterhütten, und gar die tents, aus Canvass und über
Latten und Stangen gebaute Zeltcabinen, welche sich unter
die ^doöe-Häuser mischen. Zu beiden Seiten der breiten, san-
digen Hauptgasse laden saloons und stores jeglicher Art ein.
Doch mehr als sie alle zog mich die Werkstatt eines Künstlers
eigener Art an, der aus den filigranartig durchbrochenen Aes-
ten der cholla, dem Faserwerk der abgestandenen qpuntia vul-
i'^fV
51
garis, dem im Gebirge vorkommenden Mahagoni- und Eisen-
holz die ziervollsten Bilderrahmen, Tischchen, Schmuckkäst-
chen, Stöcke herzustellen versteht. Links unten im Thal, wo
det Dorfbach, tief in Felsen einschneidend, nach Westen hin
einen Ausgang sucht, zieht die Erzmühle mit ihren rauchenden
Kaminen des Tages und zur Nachtzeit mit elektrischem Lichter-
glanz die Aufmerksamkeit auf sich. Aus Wassermangel in
Silver King, dem Minenort, musste die Mühle nach Pinal ver-
legt werden. Gewaltige Pochwerke zerstampfen das Tag für
Tag herunter geführte Erz und leiten dasselbe auf die tables,
auf welchen unter Zufuhr von Wasser der Hauptgehalt an
edlen Metallen ausgeschieden wird. Die endgültige Reduzirung
findet erst in St. Francisco statt, wohin das concentrirte Erz
in Säcken verführt wird. Der kleinere Theil des Silbergehaltes
wird in der Mühle selber durch Amalgamation mit Quecksilber
ausgesondert. Die Lohnverhältnisse daselbst sind sehr günstige.
Für achtstündige Arbeit wird drei bis fünf Dollars bezahlt,
wesswegen es schwer hält, bei der beschränkten Zahl von
nöthigen Arbeitern eine Stelle zu gewinnen.
Leichter geht das bei der harten und ungleich gefähr-
licheren Arbeit in der Mine zu Silver King, wohin wir jetzt
wandern wollen. Wir besteigen einen der schönen Berge in
Stoneman's Grade, welcher die hohe Wasserscheide zwischen
dem Pinal- und Globe-Gebiet bildet. Berglöwen und Wild-
katzen sind selten geworden, die Klapperschlangen, Taranteln
und Hundertfüssler liegen noch im Winterschlaf; es ist nicht
gefährlich. Nachdem wir uns satt geschaut an den weit aus
Arizona's Norden herab und aus Californien's Ferne herüber-
leuchtenden Bergen, nehmen wir uns ein Bild von Silver King.
Es ist eingebettet in einen westwärts geneigten Bergkessel, aus
welchem mit Mühe einerseits der Weg, anderseits der Wild-
bach ihren Ausgang abwärts finden. Ein wüstes, felsiges, da
und dort von blattarmem Gestrüpp umbordetes Bachbett windet
sich durchs Thal. Wasser führt es nur nach Regen; dann aber
zuweilen in zerstörender Menge. Mitten im Kessel stehen auf
einer kleinen Terrasse die Minengebäude, das balkenreiche Hebe-
werk mit seinen zwei Eisenkabeln. Um dasselbe reihen sich
der Maschinenraum mit zwei Dampfkesseln, zwei ungeheuren
Kabelrollen und einer Luftpumpe, ferner die Zimmermanns-,
Schmiede-, Drechsler- und Schlosser Werkstatt, das Change-
52
Haus und ein paar kleinere Gebäude. Ein wenig abseits steht,
das hübsch aus Holz errichtete, mit umlaufender, luftiger Gallerie
versehene Verwaltungsgebäude. Von der Mine führt ein eisernes
Roll wagen gel eise über eine lange, aus Holz construirte Brücke
zum" Erzhaus, welches von festgefügtem Balkenwerk thurm-
hoch aufsteigt und unten in einen Holztrichter ausläuft. In
diesem Gebäude wird das Erz zerkleinert und durch den Trich-
ter in die darunter hinfahrenden Erzwagen geleitet. Thalauf-
wärts hinter der Mine macht sich durch zigeunerlagerartiges
Aussehen eine kleine Niederlassung von Mexikanern bemerk-
lich, welche durch Zuführen des spärlichen Holzes aus dem
Gebirge reichlichen Verdienst finden. Das eigentliche toicn
liegt von der Mine an thalabwärts. Wir zählen gegen hundert
Stein-, Adobe- und Holzgebäude, von welchen die kleinere
Hälfte eine Gasse bildet mit hoteis, saloons, Stores, einer Schu-
sterei, einem ummauerten Hof für Pferde und Maulthiere einer
chinesischen Waschanstalt und einer ebenfalls von Chinesen
betriebenen Bäckerei. Nach diesem kurzen orientirenden Aus-
fluge geht's
Zur Tempershift.
Warten, hässliches Wort, wer hat dich erfunden? „Mr. B.,
ich wünsche Arbeit in der Silbermine. " „„Es ist gegenwärtig
nichts. uu „Ich habe viel Geld geopfert, hieherzukommen. "
„„Bedaure. Sie müssen warten."" Wie warten und wo warten,
das lernt man bald von seinen altern Partnern, auf Deutsch
Leidensgefährten, welche bereits Wochen, gar Monate lang
den schweren Bündel des Wartens durch Silver Kings Gassen
getragen haben. Sie weihen Einen ein in die Mysterien und die
Terminologie dieses Vorhofs zum Heiligthum des Erdinnern.
Der Galgenhumor hat auch an diesen Zustand irdischer Mangel-
haftigkeit angesetzt und seinen schlechten Witz gleich in der
Benennung desselben losgelassen. Timbershift heisst er ihn:
Gleich neben dem Eingang zum Schacht liegen in Haufen die
zur Auszimmerung der Schächte und Gänge nöthigen Balken
aus Landesfichten und Oregonpines, die timbers. Auf diesen
Balken liegen sie, sitzen sie, kauern sie herum die jobrunners,
Stellesucher, Holz schnitzelnd, schwatzend, lachend, die kleinen
Tagesbegebenheiten bis auf den letzten Tropfen ihrer arm-
seligen Wesenheit ausbeutend, die Einen einmal, die Meisten
zweimal, Mehrere sogar drei- bis viermal des Tages und dann
53
jedesmal eine bis zwei Stunden lang, je nach dem Grade des
Eifers, mit welchem sie runfor ajob. Das ist ein nichtsnutziges,
auf die Länge unerträglich elendes Lungerleben. Und da kommt
denn eben der Galgenhumor und stempelt diese Nichtsnutzerei
auf den timbers mit Spott und Spass um in ein ernsthaftes
Gewerbe gleich der lohnenden Schift der erwählten Bergleute
und faselt von einer timbershift. Einen wichtigen Moment,
einen Augenblick der Aufregung bringt dem Timberschiftler
jedesmal das Erscheinen des ersten Vormanns oder Oberauf-
sehers auf der Bildfläche des Mineneingangs. In seiner Hand
hegt das Anstellen. Wer eben noch geschnitzelt, steckt sein
Messer ein und wirft den Span fort, als hätte ihn derselbe ge-
brannt. Der dort zerdrückt den losen Witz, den er eben auf
der Zunge hatte, und manch ein eben abgebissenes Stück
Kautabak wandert schleunigst wieder in die Westen- statt in
die Maultasche. Will ich nicht das gegenseitige Augenstudium
Verliebter zum Vergleiche herbeiziehen, so wage ich zu sagen,
dass kaum eines andern Sterblichen Augenlichter so sehr, wie
die grauen, klugernsten Gucker Mister B's zum Gegenstand
eingehender Studien gemacht werden. Erfahrene Timberschift-
ler erkennen beim Herannahen des Mannes im rothen Woll-
hemd, gelben Wachsmantel und Bergmannshut schon aus einer
ziemlichen Entfernung, ob für heute etwas zu hoffen sei oder
nicht. Geht er an den Timbers vorüber, ohne auch nur einen
Blick auf die lebendige Garnitur derselben zu werfen, dann,
sollte man meinen, müsste das auch dem Dümmsten ein ge-
wisses Zeichen sein, dass seiner zur Zeit nicht begehrt wird.
Und doch, wir drei zusammen, der lange, gelbdürre Missurier
und der breite Illinoiser, der seinen Namen nothdürftig in
Buchstaben zu fassen vermochte, und ich, wir .waren gewöhn-
lich noch dümmer als jene Dümmsten, indem wir nach Abzug
des gros de l'armee uns noch einmal auf einen jener harzigen
Balken niederliessen in der Erwartung, der Mann unsres Hof-
fens möchte sich vielleicht einmal anders besinnen und zurück-
kehren, um unsre „schwebende Pein" zu endigen; er hat sich
aber nie anders besonnen. Ich hatte mir in den vier Wochen
meiner timbershift eine ziemliche Fertigkeit im Enträthseln des
Blicks von Mister B. erworben; wenigstens hat mir die Art
und Weise, wie er am Tage meiner Anstellung vom entfernten
Trinkwasserstand über sein Trinkgeschirr hinweg nach mir
54
blinzelte, ein ganz ungebührliches Herzklopfen bereitet. Was
für ein jubelvoller Augenblick das für die müde Seele eines
jobrunner's ist, wenn endlich, endlich der Manu mit den grauen
Augen vor ihm steht mit der kurzgemessenen Weisung: „Holen
Sie Ihre Kleider und Ihren candk-stick (Kerzenhalter), Sie haben
Arbeit", und wie man dazu gelangen kann, in wahren Bocks-
aprüngen der Freude dem Befehle nachzukommen, das begreift
nur der Verstand eines Timberschiftlera. Nun hat das Greläuf
ein Ende; nun issest du nicht mehr bloss auf nnsichern Credit
hin deines Hotelhalters Steaks und pies, nun kannst du nach
Hause schreiben: Das Sauerkraut des Wartens ist überwunden ;
ich habe eine Anstellung und drei und einen halben Dollars
per Tag.
In der Silbernline.
Seitdem die Bergmännchen und schatzhütenden Zwerge
ausgestorben sind, hat es auch in Silver King's Silberschatz-
kammer aufgehört, hübsch auszusehen, und von all der ver-
wunschenen und verschwundenen Pracht ist nichts geblieben
als da und dort, eingebettet in grauem Porphyrgestein, einem
Schmuckkästchen gleich das zierlichste Gewebe von Fäden
und Schnüren aus gediegenem Silber. Bevor wir jedoch einen
Blick werfen auf das Treiben der Sehatzgräber dort unten,
wird es angemessen sein, die Fahrgelegenheit in die Tiefe dar-
zustellen. Ein durch Balken und Bretter getheilter Doppel-
schacht bildet den Eingang zum unterirdischen Arbeitsfeld.
AU abord ruft der Maschinist, die linke Hand an den Hebel
der Bremse gelegt, während seine Rechte parat ist, mit leisem
Ruck die riesengrosse Rolle in Bewegung zu setzen, um welche
sieh das einen Zoll dicke aus etwa achtzig Drähten gewundene
Kabel rollt. Hoch steigt dasselbe auf zum schlank gebauten,
gusseisernen Rad des Hebegerüstes, um von dort senkrecht
zum Fahrstuhl niederzufallen. Dieser Stuhl hauptsächlich muss
unser Interesse in Anspruch nehmen. Ein schmiedeeisernes,
nach zwei Seiten offenes Stangengerüst bietet im Augenblick
des Einsteigens dem Fuss einen den ganzen Schacht ausfüllen-
den , ebenerdig liegenden Stand aus starken Bretern. Eine
sinnreiche Vorrichtung soll den Fahrstuhl im Fall eines Kabel-
bruches vor dem Sturz bewahren. Im Augenblick des Reissens
dreht eine durch den Bruch frei gewordene Feder zwei Eisen-
y» -i y*~? ae-ri
55
stangen so, dass vier an deren Enden befestigte Zahnräder
sich in die Holzschienen einhacken, in welchen der Stuhl auf
und niedergeht. Ist's auch nicht höflich weder gegen den Fahr-
stuhl, noch gegen dessen Erfinder, so munkelt man doch, dass
die Sicherheitsvorrichtung zwar schön ersonnen sei, gleichwohl
aber ihr schwaches Stündlein haben könne, sei's, dass die
Federn, weil zu lange angespannt, nicht mehr recht spielen,
sei's, dass das Kabel die Malice hat, nicht ehrlich und redlich
ganz zu brechen, sondern den Stuhl am Damoklesfaden einiger
weniger Drähte zappeln zu lassen. Alle diese Gefahren mit
zahlreichen Beispielen zu illustriren, dazu war die mehrwöchent-
liche Timberschift just die rechte Zeit. So ist es denn natur-
gemäss, dass sich zur Zeit des Uebergangsstadiums aus der
spöttischen Timberschift in die wahre Bergwerksschift beim
Niederfahren ein eigenthümliches G-ekräusel in der Magen-
gegend bemerklich macht. Doch bevor man sich dem Reiz des
geheimen Gruseins hingeben darf, hat man dem nahen change-
house einen Besuch zu machen. Daselbst wird jeder Nieder-
fahrende vom Scheitel bis zu den Füssen vollständig neu ein-
gefasst. Das geschieht weniger aus Sorge der Compagnie für
die bessern Tageskleider, als vielmehr in der Erkenn tniss, dass
Gelegenheit Diebe macht. Damit nichts vom edlen Metalle sich
verlieren kann in die Taschen derer, welche dasselbe zu Tage
fördern, ist die weise Einrichtung getroffen, dass Jeder, sowohl
vor dem Ein-, als nach dem Ausfahren seine Kleider ändere.
Ein Wächter nimmt die Abgelegten in Empfang, und ein
rascher Griff zeigt ihm, ob dieselben nichts Ungerades bergen.
Der change-^Remm. bietet in der Stunde der Minertoilette ein
mehr belebtes als ästhetisch schönes Bild. Da sitzt man längs
dreier Seiten auf Bänken, hinter welchen Jeder seine Nummer
und seinen Haken findet, Mann an Mann dicht neben einander,
während an kühlem Tagen ein corpulenter Ofen behagliche
Wärme spendet. Der dem Einzelnen zugemessene Raum ist
so eng, dass nicht selten die Decenz Noth leidet und der An-
fänger nur zögernd ans Werk der Ausschälung sich macht,
während vielleicht die Beobachtung der vielen struppirten
Füsse um ihn her ihm zum ersten iStale die Mine so recht
anschaulich als das erscheinen lässt, was sie ist, als ein ge-
fährliches Arbeitsfeld. Er hat aber nicht lange Zeit, den aus
solcher Betrachtung sich ergebenden schwarzen, oder doch
mindestens grauen Gedanken nachzuhängen. Eben kommt der
Fahrstuhl zurück von seiner Reise nach achthundert Fuss, um
die Miner für Sechshundert zu befördern. Unter denen bin auch
ich. Was ich auf dem Leibe trüge, ist gerade genug, mich von
einem Menschen im Urzustände zu unterscheiden, Schuhe, blaue
Overalls (Hosen), blauer Jumper (Jacke), voilä tout! Ich sehe
verhältnissmässig tolerabel aus, weil die drei Stücke noch neu
sind. Man wünsche aber nicht, das Conterfei kennen zu lernen,
welches meine altern Herrn Collegen bieten. "Wünscht man es
gleichwohl, so mögen einige andeutende Striche folgen: Erd-
fahle Gesichter schauen aus zerrissenen und beschmutzten —
ich darf nicht sagen Gewändern — Lumpen und Fetzen vom
Kopf bis zum Fuss. Bald nachtmützen-, bald küherkäppchen-
artige Gebilde, dann wieder Mützen ohne Dach, in Farbe und
Gestalt unbeschreibliche alte Filze krönen das Gebilde. Weiter
niederwärts folgt ein Kittel oder statt dessen ein abgetragenes
Hemd, herabhängend über ein paar lebensmüd schlotternde
Hosen. Hier der stämmige Kerl trägt einen schwarzen Bock,
welchem man nicht einmal mehr vergangene bessere Tage an-
sieht. Kaum wollen dessen Fäden noch zusammenhalten, und
an ausgesetzten Stellen, wie an Brusstück und Ellbogen ist
es bereits vom Durchscheinen zur klaren Durchsicht gekom-
men. Und dort an jener gedrungenen Gestalt mit den mäch-
tigen Armen hängen die Ueberreste einer Jaquette, welche im
Kampf ums Dasein beide Aermel verloren hat. Nicht minder
komisch macht sich dies rockartige Ding, an welchem das
meist farbenbunte Futter den Zusammenhang verloren hat und
dienstunfähig um die Beine des Besitzers fächelt. Ein um den
Hals oder um die Lenden geschlagener Wollfetzen zum Ab-
trocknen des Schweisses vollendet den Anzug. So harren sie
plaudernd, lachend, spottend, rempelnd des Augenblicks, der
sie in die Tiefe führt.
Wir steigen ein, unsrer sechs Mann, eng aneinander ge-
drängt, den candle-stick in der einen, die zusammengefasste
Jacke in der andern Hand. Langsam senkt sich der Stuhl. Der
letzte Blick auf die sonneubeleuchtete Oberwelt ist gethan ;
eine kurze Dämmerung, dann undurchdringliche Finsterniss.
Dann und wann eine kurze, wegweisende Bemerkung meiner
altern Genossen, dazwischen das leise Plätschern des überall
herausdringenden Grundwassers. Schneller und schneller gleiten
57
wir niederwärts, dumpfer wird die Luft, heisser, druckender
die Temperatur. Die Brust hat Mühe, des ungewohnten Gegen- ,
druckt's Meister zu worden. Ein kurzes Aufleuchten eines rothen
Scheines unterbricht die schwarze Nacht. Das war der Ein-
gang zum ersten Arbeitstunnel in zweihundertfünfzig Fuss Tiefe.
Das Herz pocht hörbar und es kostet Anstrengung, nicht das
Gleichgewicht zu behalten, aber, sich des Gleichgewichts, des
richtigen Schwerpunkts bewusst zu bleiben. Man hat das Ge-
fühl, als schwanke die ganze Welt. Sechshundert ist erreicht.
Ein gut und sicher ausgezimmerter Tunnel nimmt uns auf und
fuhrt uns, nachdem die Stöcke und jumper abgelegt und bren-
nende Kerzen in die candle-sticks gesteckt sind, zu einer sechzig
Fuss hohen, senkrecht an solider Quadermauer angeklammer-
ten Leiter mit eisernen Sprossen. Es ist ein athemraubendes
Geschäft, mit dem brennenden Licht in der einen Hand da
hinauf zu klimmen, und nicht geringe Beklemmung erregt der
Gedanke an die zwanzig Mann, welche voraneilend an den
Sprossen über mir hängen, an die zehn, welche unter mir em-
porklettern: Stürzt Einer, so sind wir alle verloren. Oben
nim mt uns eine von Balken gestützte Halle auf. Von hier ans
dringt man nach allen Seiten, mit Pulver sprengend, mit langen
Hebeeisen losbrechend vor, bis die von der senkrechten Erz-
ader strahlenförmig ausgehenden Seitenadern erschöpft sind.
Das erzhaltige Gestein wird durch Trichter auf das Niveau
des Tunnels und von dort in eisernen cars ans Tageslicht be-
fördert. Mit dem werthlosen Schutte werden in allen ausge-
arbeiteten Gängen und Höhlen zur Stützung der losen Fels-
decke Wälle und Mauern aufgeführt, und nur die zur Circu-
lation nöthigen Durchgänge offen gelassen. Mein Vormanp
stellt mich mit Schaufel und Schlaghammer neben einen Hau-
fen eben losgebrochenen Gesteins und lässt einen altern Ar-
beiter mich das Sortiren des Erzes lehren. Das Licht befestiget
man in halber Mannshöhe in einen Balken oder eine Felsritze.
Besonders reiche Stücke erkennt man auf den ersten Blick
als erzhaltig. Das glimmert und strahlt im Schein des Lichtes,
so dass man nicht im Zweifel sein kann. Mehr Schwierigkeit
macht Einem das Gestein, in welches das Erz bloss in Form
kleiner Blättchen oder Pünktchen eingestreut ist und den
zahlreich vorkommenden kleinen Bergkristallen zum Verwech-
seln ähnlich sieht, so dass auch ein geübtes Auge leicht irren
kann. Immerhin ist diese Minenarbeit die angenehmste und
am wenigsten gefahrliche. Aber auch sie noch verrichtet man
im Schweisse nicht nur seines Angesichts, sondern seines gan-
zen leiblichen Daseins. Vom Haare träufeln, über das Gesicht
rinnen, über Hucken und Brust rieseln ununterbrochen zahl-
lose Bächlein bittern Schweisses. Es hilft nichts, noch so neissig
mit seinem kandkerckief, d. h. mit seinem Taschentuch, zu
wischen und zu trocknen. In einem Augenblick ist das Tuch
zum Auswinden vollgesogen und von neuem nimmt das nasse
Geriesel seinen Gang. Für Ergänzung des "Verlorenen ver-
mittelst frischen Wassers wird vortrefflich gesorgt. Die durch
nichts zu mildernde Hitze will dem Anfänger kaum erträglich
vorkommen. Die Ausdünstung so vieler schweissgebadeter
Menschen, die qualmenden Lichter, der Pulverrauch, der nicht
abziehen will, der fortwährend aufgewirbelte feine Mineral-
staub verderben bei mangelhafter Ventilation die Luft in einem
solchen Grade, dass die Hast wohl zu begreifen ist, mit welcher
man auf den Ruf „Urne" alles, was man gerade in den Händen
hält, fahren lässt und zur Leiter stürzt. Leichenfarben, noch
besser unschlittfarben, überzogen mit einer aus Schweiss und
Staub zusammengekitteten dicken Schicht steigt man ans Tages-
licht. Im Changehouse angelangt, beugt man sich mit wahrer
Wonne über und unter das frische, klare Wasser, welches aus
einer langen Reihe gelber Messinghähne in ein geräumiges
Zinnbasin fliesst. Halberneuert, mit trockenen Kleidern ange-
than, eilt man in sein Kosthaus, oder in seine Hütte, wenn
man ein bachetur ist (eigene Haushaltung führt), und ganz er-
neuert fühlt man sich nach dem guten, reichlichen supper,
welches in jedem Hotel für die Heimkehrenden parat steht.
Das Mittagessen nehmen die Tagesschiftler und das Mitter-
nachtessen die Nachtschi ftler während einer halbstündigen Rast
in der Mine ein.
Aus dem Leben und Treiben der Miner.
Ist man noch so einträchtig des Tages in der Mine bei
derselben Arbeit tmd im selben Schmutze nebeneinander ge-
standen, jetzt, nachdem des Leibes Nothdurft gestillt, scheiden
sich die Wege, und was Einer Art schien, theilt sich nun in
zwei. Die Eine, die häusliche, sitzt noch ein Stündchen auf
den Bänken unter den Lauben, schwatzt über des Tages frohe
ti -KT.
59
und leidvolle Erlebnisse, über die Aussichten des nächsten,
eben durch Anschlag an der postoffice angekündigten Tanzes
im hochgelegenen Schulhaus, oder liest im parlour bei einer
Pfeife die Tagesblätter, dann legt sie sich zur Sammlung neuer
Kräfte auf die cot, eine Art Feldbett, sorglich berechnend, wie
manchmal drei und ein halber Dollars wieder zur laufenden
goldnen Rechnung geschlagen werden dürfen. Die andere Art:
Du erkennst dieselbe kaum mehr, dass auch sie heute drunten
neben dir an Qualm und Schmutz das Menschenmöglichste
ausgestanden hat. In blüthenweissem Hemd, in Stulpen mit
glitzernden Knöpfen, in städtischen Hütchen, ja selbst in feinem
schwarzem habit de gala tritt sie mit anbrechender Lampen-
zeit auf den Plan, d. h. auf das Parquet der saloons. Dort das
feine Männchen mit der weissen Glace und dem wohlgeord-
neten Vollbart, der mit leichter Mühe und gewinnender Ele-
ganz dreissig bis vierzig Bälle nacheinander auf dem Billard
macht, ist das nicht derselbe zerlumpte Kerl, der heute deinen
Steinschutt in schwerfälligem Stosskarren zum Walle geschleppt
hat? Und dort der elegante Schwarzlockige mit dem wachs-
glänzenden Stehkragen und den blitzenden Manchettenknöpfen
in feinwolligem Salonanzuge, der jetzt mit Kennermine und
schlecht verhaltenem Spott die beiden grünen Billardisten be-
obachtet, ist das nicht der schmutzige Struwelpeter, der heute
mit ekligen Striemen über und über im Gesicht keuchend
schwere Felsblöcke zu Haufen wälzte? Und jene schlanke,
biegsame Gestalt in der bunten chevaleresken Tracht, welche
mit der Präcision eines croupier's von Monaco die Tempos am
Farotische dirigirt, das ist ja derselbe, welcher heute drunten
in der Mine, eingehüllt in eine Wolke von Staub und Pulver-
dampf, mit der schweren Brechstange das gelüftete Gestein
von der Höhe niederbrach und nur wie durch ein Wunder
vor der Ueberschüttung mit unvermuthet nachstürzenden Felsen
bewahrt blieb.
Hoch wird selten gespielt. Ich sah oft einen Vierteldollar,
ja gar einen Nickel, fünf cents, setzen; und ich sah Miner mit
einem Gewinn von wenigen Dollars hochentzückt von dannen
ziehen. Das Hauptcontigent der Glücksspieler liefern neben
einigen Professionsspielern die Chinesen, welche als Ober- und
TJnterköche, als Wäscher und Plätter in Silver King ein reich-
liches Brod verdienen. Neben Faro ist Pocker, Horsepocker
und Seven-up beliebt. Allzulange dauert die, Hingabe an den
Reiz des Spieles und an den Gniuss geistiger Getränke nicht,
denn unerbittlich bläst die Dampipfeife des Morgens ein Viertel
vor sechs Uhr die ßeveil. Nach zehn Uhr Abends ist's in den
saloons und auf den Gassen bereits ziemlich still geworden;
es wäre denn, dass ein Tag, wie beispielsweise der heilige
St. Patrikstag am 17. März, der Hauptheiligentag der Mexi-
kaner, eine Abweichung vom gewöhnlichen Naehtlauf brächte.
Dann ist mancher Miner im Stande, Uebermenechliches zu
leisten, sich bis zwei Uhr Morgens im Tanze zu wiegen und
um sieben Uhr bereits wieder in zuchthausfarbenen overcUls
den schweren Steinhammer zu schwingen.
Die reiche Compagnie bezahlt alle Monat«, in Checks, welche
Zahlungsart ein monatliches Creditsystem zwischen den Minern
einerseits und anderseits den Hotelbesitzern und Handels-
leuten gerufen hat. Baargeld, besonders kleine Münze ist
wenig vorhanden. Die Ausgleichung der Rechnungen geschieht
meistens mit Banknoten und kleinern Checks der Silberminen-
Compagnie. Die Preise sämmtlicher Lebensbedürfnisse stehen
ziemlich hoch; für Kost und Logis bezahlt man monatlich 36
bis 40 Dollars, für ein paar starke Schuhe 4 Dollars, ebenso-
viel für ein Wollhemd, für eine Flasche Bier 50 cents. Jeder
drink, und wär's nur ein Fingerhut voll Schnaps, kostet in
genauem Schweizerdeutsch 62 '/a Centimes. So muss einer schon
das seltene Glück haben, sämmtliche dreissig oder einund-
dreissig Tage eines Monates mit heiler Haut arbeiten zu kön-
nen, wenn er von seinem Monatsgehalt fünfzig Dollars will auf
die Seite legen. Anders gestaltet sich das Verhältniss bei der
geringen Zahl derer, welche sieh selbst verköstigen. Sie be-
zahlen drei bis fünf Dollars monatlichen Hauszins, für Butter
40 cents, für das Dutzend Eier 20 bis 30 cents, für das Pfund
Fleisch 15 bis 25 cents, für Mehl 5 bis 6 Dollar per Zentner,
für ein Klafter Holz 10 bis VI Dollar, so dass sie mit einer
Auslage von zwanzig Dollar per Monat wohl durchkommen
mögen. Nicht aber, dass die Selbstkocherei während der furcht-
bar heissen Sommermonate und nach der Erschöpfung durch
die zehnstündige Minenarbeit zu den Annehmlichkeiten des
Lebens gehören. Ich wenigstens kehrte fast immer so abge-
schachert heim, dass ich lieber nichts gegessen, als zuerst ge-
■ kocht hätte.
6 1
Geschieht's auch nicht häufig, dass Einer die harte Minen-
arbeit eine Reihe von Jahren aushält, so weiss man doch von
ziemlich vielen, dass sie sich dabei Tausende von Thalern er-
spart haben. Ebenso häufig freilich hat der sauer verdiente
Lohn ein weniger glückliches Schicksal. Ein sonst liebens-
würdiger Deutscher, der wohl an die acht Jahre seines Lebens
im Erdinnern zugebracht hat, sagte mir einmal: „Sehen Sie
dort den kleinen Koffer; der enthält mein ganzes Vermögen,
und er ist nicht fünf Dollar werth." Wandert das Geld der
Leichtlebigen und Unvorsichtigen nicht in die Kassen der
Spielbankhalter, so geht es dahin in verfehlten Minenspeku-
lationen. Eine Gesellschaft thut sich zusammen, schickt einen
Prospektor auf die Suche nach Erz und lässt, träumend von silber-
nen Schätzen, einen Probetunnel in die Erde bohren. Die Aus-
beute ist gering — es kann nicht jeder Krautgarten eine
Silber- oder Gpldmine sein, — der Betrieb lohnt sich nicht;
und so wird das. tiefe Loch statt der Eingang zum Reichthum,
das Grab des sauer Erworbenen und man muss auch sagen:
des unter beständiger Lebensgefahr Erworbenen. Mir schrieb
zwar, bevor ich meinen trip unternahm, ein Freund: „Die
Minenarbeit ist lange nicht so gefährlich, wie viele Leute
meinen." Ja, so mags denen vorkommen, welche aus lauter
Gewohnheit die Gefahr nicht mehr als solche erkennen oder
weit vom Geschütze sind. In der Nähe besehen ist dieser
Broderwerb nach dem allgemeinen Urtheil der Miner immer
gefährlich. Das Gestein ist ohne festen Zusammenhalt, und
durch das Schiessen wird die geringe Bindigkeit noch gemin-
dert, so dass Verletzungen der vorgehaltenen Hände und Füsse
durch fallende, meist scharfkantige Stücke zu den gewöhn-
lichen Minenereignissen gehören. Man braucht nur wenige
Wochen Zuschauer gewesen zu sein, um genug ergreifende
Scenen schwerer Unfälle erlebt zu haben. Die Minenglocke
ruft dem Maschinisten zur ungewohnten Zeit mit drei Schlä-
gen, welche immer bedeuten „man comes up u . Der Fahrstuhl
eilt empor und hält. Ein Mann steht darauf und stützt müh-
sam einen zusammengesunkenen Genossen. Ein Fels hat dem-
selben die Seite aufgerissen und den Fuss zerschmettert. Vier
Mann greifen nach der stets bereit gehaltenen Tragbahre und
bringen den Armen auf sein monatelanges Leidenslager. Heute
in früher Morgenstunde schwankt Einer, schmerzverzogenen
Angesichtes, gehalten von der schnell gerufenen, weinenden
Gattin, vom Schachte weg. Selten nur wanderst du Silver
Kings Gassen auf und ab ohne einem oder mehreren Recon-
valescenten an Krücken und Stöcken zu begegnen. Und drun-
ten auf- dem einsamen Steinhügel sagt dir mehr als ein Grab,
dass die Mine ihre blutigen Opfer haben will. Das Glück lässt
sich hier nicht ohne kostbaren Reiz erjagen. Und thöricht ist
es nicht, wenn manch Einer vor dem Gang zur Mine von
Weib und Kind Abschied nimmt, als wär's ein Scheiden für
immer.
So hat es das Geschick vielleicht gut mit mir gemeint,
welches mich nach kurzen Wochen schon heimrief.
Heimkehr,
Ich könnte freilich nicht behaupten, dass mich so bald
wieder irgend welch Verlangen nach der Wüste gezogen hätte;
durfte ich doch kaum hoffen, dass sich dieselbe nun freund-
licher präsentiren werde. Freundlich aber, ja treuherzig in
acht altvaterischem Sinn hat mich der im harten Dienst eines
teamster's ergraute Mann mit Fürsorge umgeben, dem ich mich
für die Reise nach der Station Casa Grande anvertraute. Sie
sei ihm nicht vergessen die köstliche Milch , mit welcher
er meinen Kaffee veredelte, auch nicht sein gewaltiges Zelt-
tuch, mit dem er das harte Wagenbett zum erträglichen Nacht-
lager mir verwandelte. Nach zweimaligem nächtlichem Campiren
in der Desert und kurzer Station in Florenze fuhren wir noch
bei hellem Tageslicht in Casa Grande ein. Florenze zum zweiten
Mal gesehen zu haben hinterlässt mir das bleibende Bild eines
kleinen Paradieses. Was im Februar noch schwellende Knospe
war, sah it-.li jetzt in voller, üppiger Entfaltung. Diese satt-
grünen Matten mit edlen im fusshohen Grase gelagerten Pfer-
den, diese silberschimmernden herrlichen Bäume, wie sie ihre
voll geschmückten, blätterschweren Häupter über den leishin-
ziehenden Strom wiegten, diese fetten, schwarzbraunen Garten-
felder mit dem vielverheiasenden Spriessen allüberall, und das
alles mitten in endloser, verlassener Wüste: Man weiss kaum,
ob man träumt.
Man darf nicht erwarten, im fernen Westen gleich rasch,
wie in der speditiven alten Welt von einer Station fortgebracht
zu werden. Ein einziger Personenzug bewegt sich täglich auf
63
der Southern Pacific Railroad ost- und westwärts. Und wenn
man, wie es bei mir der Fall war, eine Station trifft, auf
welcher keine Billets auf grössere Distanzen zu kaufen sind,
so kann man, statt den zweitausend fünfhundert Meilen langen
Heimweg anzutreten, in die Lage kommen, noch eine kleine
Weile rückwärts zur nächsten grössern Station fahren und da-
selbst einen weitern ganzen Tag und eine halbe Nacht bis zur
endlichen Abfahrt des nächsten Zuges Wüstenstudien machen
zu müssen. Maricopa, meine Billetstation, trägt einen schönen
Namen, hält aber, wie das bei den meisten schön- und gross-
namigen Wüstenstädten von Arizona bis Texas der Fall ist,
bei weitem nicht, was es verspricht. Nur wenige unter den-
selben erfreuen sich eines individuellen Gepräges.
Wüstenstädte und Indianer. Ein paar in Reih und
Glied stehende, hölzerne Facadenwände erheben sich wie Markt-
schaubuden renommirend gegen die Bahnhofseite hin. Dahinter
verbirgt sich eine elende Bretterhütte, ein hinfalliges Adobe-
Haus mit wüsten Höfen und Ablagerungsstätten für Küchen-
abfälle und geleerte Fruchtkannen. Weiter nach hinten kom-
men Ställe, eingefenzte Viehplätze, Hütten aller Art. Die
Staffage bilden schwer beladene Frachtzüge, teamster mit Leder-
peitschen um die Schultern, abgeschundene Maulthiere, welche
durch rohe Behandlung so scheu geworden sind, dass sie bei
jeder menschlichen Bewegung in ihrer Nähe jäh aufschrecken,
herumstehendes Vieh, Esel, welche Futterabfälle zu erhaschen
suchen. Selten macht ein Haus den Eindruck, als wär's er-
baut, den Einwohnern eine heimelige Stätte zu bieten. Unsolid
und flüchtig hingestellt, trägt es den Stempel amerikanischer
Geschäfts- und Geldmacherei. „So lange auf dem Platz was
zu machen ist, hälts schon, apres nous le deluge" Aber plakiren
und Reklame machen muss dasselbe immerhin ; darum der Auf-
putz der weissen, braunen, gelben, blauen Holzblenden mit so
Aufsehen-erregenden, schwindelhaft hochtönenden Aufschriften,
wie man sie nur im Lande der Reklame finden kann.
Nicht selten sind die Plätze vor den Kaufhäusern belebt
mit herumkauernden Indianern manchmal in ganzen Familien.
Die männlichen Hälften erscheinen in kurzem Hemd und blauer
Hose, etwa eine ordinäre Feder im rabenschwarzen, lang auf
den Rücken niederhängenden Haar. Um den Hals lieben sie
blauweisse Perlschnüre zu tragen und die zu Zöpfen zusam-
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mengeklebten Haare mit ein paar blauen Perlen zu schmücken.
Ist's ibr Farbensinn, welcher die Wahl gerade dieser Perlen
getroffen, so muss man die Zusammenstellung der mild schim-
mernden himmelblauen Punkte und des tiefschwarzen, durch
keinen künstlichen Glanz entstellten Grundes als ausserordent-
lich fein und wirksam rühmen. Die "Weiber kleiden sich in
starkausgeschnittene, kurzärmelige Hemden und darüber ge-
gürteten bnntfarbenen Unterrock. Gehen sie ins tovm, so dra-
piren sie ein grosses, rotb in die Welt lachendes Tucb um
sich. Sie knüpfen dasselbe vorn in zwei Knoten, nachdem sie
zuvor ihr Jüngstes mit kühnem Schwünge rückwärts so hinein-
geworfen, dass es nach vollendeter Toilette halb rittlings an
ihrem Rücken hängt. Wohl Männer, nie aber Weiber sah ich
in Fussbekleidung gehen. Ebenso zweckentsprechend wie ihre
Haare, dagegen weniger anmuthend suchen diese farbenfrohen
Naturmenschen ihren Gesichtern mit Schmuck nachzuhelfen.
Ihren Zweck, sich ein formidables Aussehen zu geben, errei-
chen sie dabei auf eine manchmal wahrhaft verblüffende Weise
vermittelst weniger scharlachrother und schmutzigblauer Striche,
Sie ziehen etwa zwei Striche beidseidig längs der Nase, dann
von denselben ausgehend einige Querstriche unter den Augen
durch, schliesslich fünf Linien von der Unterlippe abwärts
übers Kinn. Dazu tragen die Männer feuerrothe, seh langen artige
Figuren auf den Nasenflügeln. Rechnet man dazu stechende
Blicke aus den dunkelkupferfarbnen breiten Gesichtern und
einen grossen, dünnlippigen , gewöhnlich fest zugeschlossenen
Mund, ein Antlitz mit von Natur ernstem und strengem Aus-
druck, so ist wohl zu begreifen, dass man nicht leicht achtlos
an diesen Gestalten vorübergehen kann. Allein selbst wenn
man in das belebte Wüstenbild noch die nirgendsfehlenden
Figuren der waschenden, bügelnden, kochenden, erdarbeitenden
und allezeit schnatternden Chinesen in weissen Strümpfen und
Holzschuhen hineinzeichnet, so kommt man beim Betrachten
desselben doch nicht hinweg über ein kaum sagbares, halb
wehmüthiges Gefühl, ein Gefühl der Oede und gottverlassenen
Fremde. Scenen des Verscb machten s, gebleichte G"ebeine im
Sand, sie wollen nicht aus der Erinnerung weichen. Kein
Baum, kein Schatten, kein Wasser. Wie nach einer Delikatesse
sehnt sich das sonnengeblendete Auge nach dem Anblick einer
jener zierlichen, kleinen, von weissen Latten umzäunten cot-
es
tages in einem Kranz junger cottonwood, wie sie selten einmal
eine Eisenbahnstation bringt. Sonst aber drängt sich die Wüste
bis unter deine Hausthür. Tritt hin, wo du willst, auf den
Gassen, ja selbst in deinem Schlafgemaek legt sieb der unselige
"Wusteusand unter deine Füsse, der Einem nirgends festen
Stand gewährt, der unter dem Fusse hinwegrinnt, der wie
Quecksilber durch das fahrende Rad in den Geleisen vorweg-
getrieben wird und auf der Rückseite der Räder schwer vom
aufsteigenden Reife niedertropft. Es ist nur ein kurzer Augen-
blick im Tag, wo auch dieses unerquickliche Wüstenbild ver-
klärt erscheint: das ist, wenn die untergehende Sonne den
dürren, brennenden Tag zum freundlichen Abend wandelt. In
den bewegten Handel und Wandel ist Ruhe getreten. Von
allen Seiten kehrt das Vieh aus der Wüste heim, wo es an
Cactusblättern und sage brush seinen Hunger gestillt. Zur
Lagerstätte treibt ein Rudel Pferde und wartet des bessern
Futters. Grosse Scharen kleiner Raben krächzen auf den
Spitzen der Oeotill-Fenzen, der sinkenden Sonne zugekehrt.
Von Norden her nimmt ein kühler Luftzug die Tagesglut
hinweg. Die eben angekommenen Fuhrleute füttern ihre Thiere
und kochen daneben ihr supper. Und ehe man es yermuthet,
leuchtet nach kurzer Dämmerung über die klagende Stille ein
Sternenhimmel von solch glänzender Pracht , dass nur die
Uebermacht der Müdigkeit das staunende Auge zu sohüessen
vermag.
Nachtfahrt und Raüroad ■ barkeeper. Am ersten April
Morgens halb ein Uhr trat ich in Maricopa mit einem über
El Paso, Texarcana, Little Rock, St. Louis lautenden, um 242
Franken erworbenen Ticket meine Heimfahrt an. Eine Nacht
auf den gut gepolsterten Sitzen der Wagen zweiter Klasse
zuzubringen, geht wohl an, wenn Raum genug vorhanden ist,
dass man sich zweier Polster bedienen kann. Sind aber die
Plätze besetzt, dann gedenkt man mit Neid der Glücklichen,
welche sich den Luxus eines Schlafwagens gestatten dürfen,
und mit schmerzenden Gliedern uud müdem Haupte harrt man
dem Morgengrauen entgegen. Wer aber wie wir Carsgenossen
auf der Nachtfahrt über Tucson nach Bowie nicht geruht hat,
das war der Wüstensand. Mehr als einen Monat lang war kein
Regen gefallen. So leicht und flüchtig war dieser Feind mensch-
licher Ordnungsliebe geworden, dass er durch die gut verschlos-
seilen Fenster and Jalousien gedrungen und uns sämmtlich in
Müllersknechte metamorphosirt hatte. Eine jede vorspringende
Ecke, jede Leiste, jede noch so glatte Fläche am "Wageta-
getäfer, alles war von feiner flüchtiger Sanddecke belegt.
Unbekümmert um Staub und Begenaussichten beginnt mit
der Sonne der in keinem amerikanischen Personenzug fehlende
railroad-boy seinen Tageslauf. Er ist gewöhnlich ein junger,
pfiffiger Bursche, der mit diesem Wandelgeschäft seine irdische
Glücksjagd beginnt. Eine Gesellschaft liefert ihm die nöthigen
zwei Koffern, einige Körbe Früchte, Zeitungen, Bücher. Der
Sitz seines wandernden store'a befindet sich in der Nähe des
Trinkwasserbehälters. Von daselbst macht er seine regelmäs-
sigen Handelsreisen durch die "Wagen. Erfahrung hat ihn ge-
lehrt, wann die rechte Tageszeit für jeglichen seiner Artikel
gekommen ist. Möglichst früh des Morgens tritt er an mit
seinem Bündel news, Zeitungen, welche dem Amerikaner jedes
Breite- und Längegrades vor Essen und Trinken gehen, jeden-
falls aber unmittelbar nach dem Kautabak kommen. Dem
ersten Gang folgt ein zweiter mit der Cigarrenbox und als-
dann leibliche Erfrischung mit Bananen, Orangen, Feigen,
Aepfeln und den unvermeidlichen candis, mit welchem Namen
der Amerikaner alles mögliche Zuckerzeug belegt. In Gegenden,
welche keine Speisestationen bringen, ist der Storekeeper prak-
tisch genug, mit Milch versehen seinen Tageslauf zu beginnen.
Es braucht derselben nicht gerade sehr viel zu sein; der
Wasserbehälter hilft nöthigenfalU strecken. Und der Ameri-
kaner erträgt, scheint es, ohne Auflehnung auch ein sonst un-
statthaftes Mass der Mehrung des Wassergehaltes in der Milch.
Ich sah eine solche Streckung sonder Scheu vor aller Carwelt
sich vollziehen. Es macht sich recht patriarchalisch gemüth-
lich, wie der fürsorgliche Jüngling seine alte, beulenreiche
Kaffeekanne auf dem nicht minder bejahrten Wagenofen warm
stellt und zum alten Satz eine Spur frischen Pulvers schüttet.
Jedenfalls hat er an den zehn cents für jede Tasse mindestens
Apothekerprocente reinen Profites. Freudige Abwechslung in
das stundenlange Einerlei einer westlichen Fahrt bringt die
Kreuzung mit dem aus dem Osten kommenden Zuge, welcher
dem railroad-boy frische news zuführt. In kurzem hat sich alles
um einen Nickel das Vergnügen des Zeitungslesens verschafft.
Den Mangel an newspapers ersetzen den leselustigen Beisenden
andere periodische Blatter, sowie eine kleine Bibliothek, Durch
Einschieben seiner grell illustrirten Journale in die kleinen
Jalousien seiner Residenz weiss der junge Handelsmann seinen
Fenstern das Aussehen von Schaufenstern eines Buchladens
zu geben. Da hängen der Puck von New York, Texas siftlugs,
Munyons illustrated world, Harpers monthly magazine, The Cen-
tury illustrated wonthly. Seine Bibliothek besteht zum grossen
Theil aus Sensationsromanen, deren Styl und Charakter zu
errathen ist aus Titeln wie A Texas cow boy, A fight for a
fortune, Coward and Goquette, A vxmderfuü warnen.
Nach St. Louis und heim. Nach abermaliger glück-
licher Ueberwindung der Prärie gewannen wir am dritten April,
einem wirklichen, vollglänzenden „Tag der Sonne" in der Nähe
von Texarcana wiederum das Land der Pinien und Sägemüh-
len, wo der Boden bereits mit Grün überzogen war, und die
Wälder den leuchtenden Schmuck der grossen, weissen Dog-
wootf-Blumen (cormts florida) trugen. Die Chinesen haben die
Bildtläche verlassen, und auf derselben erscheinen die Neger-
cabinen mit ihren allezeit nichts thu enden, und allezeit lachen-
den Bewohnern. Doch auch Neger haben Thränen, wie die
schwarz wollige, ohrringbehangene Afrikanerin beweist, welche
eben von der väterlichen Breterhütte dort am Hügelabhang
Abschied genommen, um im Osten ihr Giück zu machen. Sie
besitzt ein in Europa noch ungewöhnliches Mittel, das schmerz-
liohe Zucken um Mund und Augen zu heilen. Mit einem kleinen,
vorn breitgekanten Holzstabchcn tippt sie geliebte Tabakbrühe
aus einem kleinen Büchschen in den grossen Mund. Sie hat
sich schneller getröstet, als jener hochgewachsene Mann, dessen
Weib und Kinder gebrochen abseits vom Bahnhof stehen und
weinen, während er an meiner Seite lange, lange Zeit zu ar-
beiten hat, um den Kampf wider das hervorbrechende Augen-
nass zu Ende zu führen. Unterdessen blühen die blauen und
gelben ersten Frühlingsblumen dort draussen im lichten Eich-
wald lustig fort und kümmern sich nicht um den Schmerz der
ringenden Menschen. An den Bahnhöfen dominirt und paradirt
heute das wulstlippige Element in nichtsnutzigem, groteskem
Flitter, und muthwillig winken die schwarzen grossen und
kleinen Kinder dem Zuge nach, welcher nach den kurzen
Unterbrechungen spärlicher Stationen schnell in Arkansas' Eich-
wäldern und schwarzgrauen Sümpfen sich verliert. Manchmal,
,
so besonders um Beebe, ist's Einem, als müsste man im „wonne-
samen , trauten Mutterlaut" angeredet werden. Gerade so,
wie des Sonntags Abends zu Hause sitzen die Buben und
Männer plaudernd und mit der kurzen Pfeife im Munde auf
den Bahnscbwelleu herum. Mit dem Jüngsten im Arme hält
dort die Mutter auf der Thürsckwelle Sonntagsruhe, und wet-
ten möchte ich, es sei ein deutsches Liedchen, was die blasse
Frau ihrem Liebling vorsingt.
Dasa man auf west-amerikanischen Bahnen nie sagen kann,
dann und dann bist du da und da, erfuhr ich neuerdings in
Newport am White River, wo man des Abends auf die Nach-
richt von einer Verspätung in einem nahen saloon sein supper
einnahm, alsdann sich auf seinen Polstersitz zum Schlafe zu-
rückzog und des Morgens, statt in St. Louis, in Newport er-
wachte. Es hatte auf unsrer Linie so ein Bischen amerikanische
Güterzug -Entgleisung mit losgerissenen Schienen, umgewor-
fenen und zersplitterten Wagen und in die Erde gerannten
Rädern gegeben, sonst nichts, so dass wir Montag Morgens
gegen neun Uhr wieder ungehindert unsre Fahrt fortsetzen
konnten. Wie ich aufhorchen musste, als vor Schlafengehen auf
dieser unfreiwilligen Station junge Burschen aus dem Zug mit
schweren Pfundnoten in die helle Nacht hinaussangeu „Guter
Mond, du gehst so stille durch die Abendwolken hin", und in
kaum rascherem Tempo die Liebesklage anschlössen „Ach,
hätt' ich dich nicht gesehen, Wie glücklich könnt' ich sein;
Aber leider es ist geschehen, Mein Herz ist ewig dein." Wer
aber erklärt die bemühende Erscheinung, dass dieselben Män-
ner, welche solche Heimatklänge anstimmen, nicht mehr Deutsch
zu sprechen im Stande sind. Umsonst war mein Bemühen,
einen der nächtlichen Sänger in ein Gespräch zu ziehen. Er
hat, wie so Mancher unsrer Landsleute im Lauf der Jahre sich
mit Erfolg bemüht, sein Deutsch zu verlieren. Der letzte Theil
der Fahrt nach St. Louis, hart an den felsigen Ufern des Mis-
sissippi, gemahnt an die Bahnlinie am schweizerischen Wallen-
stattersee. Jetzt vorwärts stürzend, scheint die Lokomotive
Einen ins Wasser hineinreissen zu wollen, dann wieder, als
möchte sie mit dem Flusse Versteckens spielen , zieht sie
plötzlich ihre Wagen hinter Felsen. Zahlreiche Dampfschiffe
mit grossen Laternen ziehen stromabwärts. Dünner Wald
und kleine Fischerhütten gleiten vorbei. Unzählige Lichter
funkeln Sternen gleich vom Ufer herüber. In langer Feuer-
linie wälzt sich ein Grasbrand über das nächtliche Land. In
der Nähe der Stadt St. Louis speien thurinhohe Giessschlöte
glasfcende Feuergarben gen Himmel. Dem Grand Union Depot,
in welches wir Nachts zehn Uhr einfuhren , darf man ein
Wort widmen. Es ist ein namentlich in der Beziehung vor-
trefflich eingerichteter Bahnhof, dass Joder sich rasch zurecht-
findet. Von einer mittleren Halle mit den offices für tickets,
Palace cars, Sleep'mg carx, Accident tickets, führen Thttren zur
Rechten in den -Genllemens- und zur Linken in den Ladies
Waitimj Boom. Gleich beim Eingang in den Wartsaal trifft
man das Bureau zur Aufgabe seines Gepäcks, so dass man
nicht genöthiget ist, zur Besorgung von Billeta und Gepäck
im Schweisse seines Angesichtes von Flügel zu Flügel zu
rennen. Ist Zeit und Lust zur Einnahme von Erfrischungen
vorhanden, so winkt im Wartsaal ein Büffet, wie es bei aller
Billigkeit, nicht reichlicher und appetitlicher ausgestattet sein
könnte. Ein nicht minder reichhaltiges Tabakbüffet nahe beim
Ausgang auf den Perron vermag jedem Wunsch und Geschmack
zu genügen.
Der Morgen des fünften April führte mich aus einem
Wirrsal von Geleisen, Brücken, schmutzigen Kanälen in einen
Gürtel prächtigen, ebenen Landes hinaus. Ein Rückblick lässt
die Stadt nicht anders, denn als eine qualmende Esse erschei-
nen. Eine ungeheure Rauchwolke hüllt sie ein. Hundert und
hundert Schlote werfen einen erstickenden Kohlenqualm aus.
In der Nachttoilette darf sich die Stadt sehen lassen, des Tages
aber ist sie, was meine Mutter uns Buben immer zurief, wenn
wir mit überflüssiger Bemalung der Kleider heimkehrten, ein
„Kaminteufel". Gottlob, dass ich heraus bin. Ich liebe sie
nicht, diese modernen Riesenstädte und möchte um Alles sie
nicht beschreiben müssen. Da streckt ja kein Erkerchen sein
ziervolles Gesichtchen neugierig in die Gassen heraus. Da
rankt sich nirgends die Poesie altertliümlichen Schnitzwerks
zum schützend vorspringenden Giebel hinan. Nirgends eine
lustig krumme, dunkle Gasse; weder ein sagenumsponnener
Thurm, noch der Zauber einer alten Stadtlinde. Ich mag sie
nicht mit all ihrem Licht ergefunkel und Waarenglanz. Es
schwebt kein Geist der Vergangenheit über ihren abgezirkel-
ten Strassen.
70
Wie so viel anmuthiger als ein erschlaffender Gang durch
all ihr geschminktes Elend ist doch eine Fahrt durch die
reichen G-efilde von Süd-Illinois. Aus stundenlangen, teppich-
saubern Saatfeldern tauchen stattliche Kirchen mit schlanken
Thürmen auf. Dörfer und Städtchen, denen man den Wohl-
stand und die Freude eines behaglichen Daseins selbst bei
flüchtiger Durchfahrt deutlich ansieht. Prächtige Obstgärten
umschliessen blüthenweisse Wohnhäuser und mächtige, lustig
roth bemalte Scheunen, alles rund und nett und freundlich;
ein Juwel unter Amerika^ Länderschätzen. *
Aus Morgen und Abend ward mein letzter Reisetag.
Längst war der Augenblick gekommen, da ich übermüde
kein Auge mehr hatte für die fort und fort wechselnden Bilder
im Rahmen meines Wagenfensters, auch keinen Q-edanken mehr
als den Einen, heim jetzt, nur heim.
Und dann endlich in silberheller Mitternacht stund's wieder
vor mir mondbeschienen heimlich und traut mein Plätzchen,
mein Häuschen.
Eine treue Hand zieht den Riegel und, umfangen von
sorglicher Liebe, habe ich wieder meine theuerste irdische
Ruhestatt.
^. ( .-^§^.,._g)
III.
Im Lande der Maori.
l Dr. Rudolf Eii
Vor einigen Tagen erhielt ich die Ernennung zum Cor-
respondir enden Mitglied derMittelaohw. Geographisch-Commerc.
Gesellschaft und zugleich die Einladung, einen Beitrag für den
nächsten Band der Fernschau zu liefern. Da der Postdampfer
nächste Woche via Sandwich-Inseln abgeht und ich momentan
mit Arbeiten auf den Goldfeldern des Chinemuri überhäuft
und früh und spät im Sattel bin, müssen Sie dieses mal mit
einem Auszug aus der Einleitung zu meinem Tagebuch vorheb
nehmen, nämlich mit einer kurzen Beschreibung der Maori.
Die Herkunft der Maori ist immer noch in tiefes Dunkel
gehüllt. Nach ihren eigenen Traditionen wanderten sie vor
wenigen Generationen (etwa 500 Jahren) von Hawaiki ein. Ein
besiegter Häuptling, Ngahue (nach andern Küpe) war gezwun-
gen, seine Heimat zu verlassen und landete in seinem Canoe
Aotea in Neu Seeland, das er Aotearoa nannte. Von der Schön-
heit der Inseln entzückt, trat er die Heise nach Hawaiki an,
tun seine Stammesgenossen zum Auswandern zu bewegen. In
13 Kähnen erschienen die ersten Maori in Aotearoa und lan-
deten an der Ostküste.
Ob Hawaiki mit Hawai oder Sawai gleichbedeutend ist,
lässt sich nicht ermitteln. Die Uehereinstimmung der Sitten
und Gebräuche (Tapu, Tätowiren, Kriegstänze, Canibalismus)
und im Körperbau liefert genügende Beweise für den gemein-
samen Ursprung der polynesischen Racen von Neu -Seeland,
Samoa, Tahiti und Hawai, die sich wahrscheinlich von der
malayi sehen Halbinsel über die ganze Südsee verbreiteten.
Vor der Ankunft der Maori war Neu-Seeland spärlich be-
völkert, entweder von den später nach den weiter südlich ge-
legeneu Chathaminseln verdrängten Moriori, oder von einer
melanesischenRace. Die charakteristischen Züge der Melanesier
sind oft unverkennbar. leb lernte zwei Mädchen kennen, die
der B eh and In ngs weise nach zu schhessen, als den Maori unter-
geordnete "Wesen angesehen werden und die als typische Pa-
puas gelten können, und so viel ich in beiden Fällen ermitteln
konnte, hatte eine Vermischung der Racen seit mehreren
Generationen nicht stattgefunden. Ihre Vorfahren hatten unter
den Maori gelebt, an ihren Canibalenfesten theilgenommen und
waren schliesslich selbst aufgefressen worden.
Die Maori der 13 Kähne verbreiteten sieb über ganz Neil-
Seeland und wuchsen zu mächtigen Stämmen an, von denen
die Ngapuhi im Norden, die "Waikato im "Waikatogebiet, die
Ngatimanapoto am "Waipa, die Arawa am Rota Rita, die Nga-
tiwhatua am Haurahigolf die berühmtesten waren. Die Stämme
leiten ihre Abkunft von den 13 Canoes ab und auch die Stamm-
bäume der Häuptlinge reichen bis zu jener Periode zurück.
Durch die Schilderungen der ersten Seefahrer kamen die
Neu-Seeländer in den üblen Ruf, die wildesten Menschen und
scheusslichsten Menschenfresser der Erde zu sein.
Die Ursache der wilden Sitten ist leicht zu finden. Neu-
seeland ist auffallend arm an Säugethieren. Die Kiorsratte und
eine Fledermaus waren die einzigen allgemein verbreiteten Ver-
treter der Thierklasse. Die Vögel waren durch eine grosse Zahl
Gattungen und Arten vertreten und namentbch die kolossalen
Moa (Dinoris, Palaeopterix etc.) lieferten den ersten Menschen
reichliche Meischnahrnng. Nach dem Aussterben der Riesen-
vögel war das Fleisch warmblutiger Thiere sehr schwer erbält-
lich. Müssen wir uns unter diesen Umständen darüber wundern,
dass der Maori das Verlangen nach Fleisch mit den Körpern
der Feinde befriedigte? So lange die Moa häufig waren, wur-
den Menschenopfer wahrscheinlich nur bei grossen Festeu ge-
bracht. Beim Tode des Häuptlings wurden seine Sklaven ge-
schlachtet, um ihm in Te Reinga, dem Aufenthalt der Geister,
zu dienen. Allmählig wurde die Sitte allgemein und beständige
Kriege wurden geführt, des Menschenfleisches wegen. Die
Häuptlinge tödteten Sclaven und selbst nahe Verwandte, um
die Begierde zu befriedigen. So tief war die Sitte eingewur-
zelt, dass sich der berühmte Ranparaha — ein guter Christ —
noch vor wenigen Jahrzehnten rühmen konnte, 500 Körbe
73
Mensch enfl ei seh zu besitzen und der grosse Krieger Hongi, —
der Freund der Missionäre — tödtete mit seinen wilden Nga-
puhi auf den Streifzügen gegen Süden über 40,000 Mensehen,
Männer, "Weiber und Kinder. Mehr als die Hälfte der Zahl
wurde aufgefressen. Um die neuen Feuerwaffen zu prüfen,
erklärte er dem guten Häuptling Hinalu von Hauraki Krieg,
frass das Auge seines tapfern Gegners und trank sein Blut.
300 Krieger wurden auf dem Schlachtfeld gebraten. Die Mis-
sionäre rechnen es sich zum Verdienst, diesem fürchterlichen
Zustand ein Ende gemacht zu haben. Alle Achtung vor den
für ihre Sache begeisterten Pionieren des christlichen Glaubens,
aber zur Bekehrung der Neuseeländer trugen andere Faktoren
viel mehr bei als Bibel und Gebete.
Fig. 1. Alte M/iorivivte nn der Kiisit stricken Wnihi und Waihari'lii'lä.
Fig. 3. Festmigatcerfo 1 auf dein Ntiitwja Mangere hei Onehimga.
Den in ihren, auf Hügeln gelegenen Pa eingeschlossenen
Maori musste bei der eigentümlichen, langsamen Kriegsfall-
rang die Nahrung bald ausgehen und sie waren absolut ge-
zwungen, Hunger und Durst mit dem Fleisch und Blut ihrer
Gegner zu befriedigen. Selbst ein oberflächliches Studium der
alten Maorifestungen zeigt, dass trotz der grossen Vorräthe,
die in unsichtbaren weiten Gruben aufgespeichert lagen, eine
starke Besatzung nicht genügend verproviantirt werden konnte,
um eine monatelange Belagerung auszuhalten. Während des
Krieges war an die Behauung der im Thale liegenden Felder
natürlich nicht zu denken. Der "Weg zu den Flüssen und den
Meeresfluten war durch die Erdwälle der Feinde abgeschnit-
ten. Wochenlang fiel kein Regen und Wasser konnte nicht
lange aufbewahrt bleiben. Den Belagerten blieben nur zwei
Auswege offen: Uebergabe — und in diesem Fall waren Tod
oder Sklaverei sicher — oder aber Bemächtigung der Körper
der Feinde. Im hohen Norden und auf offener See werden
Europäer zu ähnlichen Extremen getrieben. Die thierische
Natur der Menschen lässt sich nicht verleugnen. Mensehen-
fleisch soll nach Aussage der Maori nicht schlecht schmecken,
einen angenehmen süsslichen Geschmack besitzen und sich
leicht trocknen und so aufbewahren lassen. Das Fleisch der
Europäer soll dasjenige der Eingeborenen übertreffen.
Während in ganz Neu-Seeland blutige .Kriege wütheten,
landete ein englisches Schiff mit Schweinen, die frei gelassen
wurden und sich so rasch vermehrten, dass sie bald ein Haupt-
uahrungs mittel der Eingebornen bildeten. Andere europäische
Sänge thi ere wurden von Zeit zu Zeit freigelassen und diesem
Umstand ist es zu verdanken, dass der Canibalismus allmählig
abnahm. Ich hörte in Europa und hier, und las in verschie-
denen Schriften die Behauptung, dass sich die Maori scheuen,
von den alten Zeiten der Meusrlie-ufresserei zu erzählen. Dem ist
nicht so. Der berüchtigtste Canibale wird von den Maori h
geachtet.
75
Einst lebte der Maori glücklich in seiner einfachen Whare.
Seine Bedürfnisse konnte er leicht befriedigen, der Boden ver-
sorgte ihn mit Kumara und Farnwurzeln, der Wald mit Holz
und. Pahnblättern für seine Hütte, der Sumpf mit Flachs für
Kleider und Decken, die Rinde der Bäume mit Farbstoffen
und Arzneien, die See mit Fischen und Muscheln für seine
Nahrung und Schmucksachen, der Grünstein der Südüiseln
mit "Waffen und Ornamenten. Jede Quelle bot ihm gesundes
'.ieli'änk. Die Gastfreundschaft der Maori machte Geld über-
flüssig. Der Krieg war seine Leidenschaft und der Tod auf
dem Schlachtfelde war eher gesucht als gefürchtet. Den heim-
kehrenden jungen Krieger feuerten die Franen und Mädchen
durch Gesäuge zu neuen Heldenthaten an.
Die Weiber bebauten die Felder, die Männer befestigten
die Pa. Durch die körperliche Arbeit und die einfache natur-
gemässe Lebensweise wuchs eine kräftige, herrliche liace heran,
die wir noch heute bewundern müssen.
Mit dem Erscheinen der Papeha begann eine neue Periode,
die mit dem gänzlichen Verkommen und Aussterben der Ein-
gebomen abschhessen wird. Der arme Wilde versuchte es den
"Weissen nachzuahmen, nahm seine Laster an und vergass die
Tugenden seiner Väter. Um die neuen Bedurfnisse zu befrie-
digen, wurde Geld nothwendig und Geld führt den Maori zum
Ruin. Aus Nachahuiungssneht und Eigennutz ging der Maori
zur Kirche, lernte die halbe Bibel auswendig und liess sich unter
biblischen Namen taufen. Ich habe den religiösen Angelegen-
heiten besondere Aufmerksamkeit geschenkt und bedaure es
gestehen zu müssen, dass alle Berichte über die Maori ent-
weder erfunden oder gewaltig übertrieben sind. Mag der Maori
äusserlich der beste Christ sein, im Innern ist und bleibt er
ein Heide. Bei Tag betet er zum Gott der Christen, bei Nacht
fürchtet er sich vor den Göttern der Maori. Am Morgen legt
er sein christliches Glaubensbekenntniss ab, am Nachmittag
zittert er beim Anblick einer Eidechse. Er citirt Bibelverse
und stirbt aus Furcht, eine verhexte Kartoffel genossen zu
Haben, Die christlichen Maori nehmen an den heidnischen
Festen, Tangi und Kriegstänzen so viel Antheil wie die Alten.
Der Geistliche predigt gegen Polygamie. Der gute Maori
wiederholt die Predigt seinen Weibern und alles bleibt beim
Alten. Alle auffälligen Naturersi.heinungeu werden als War-
76
*
nungen oder Strafen der bösen Geister angesehen. Im Wai-
katokriege stopften die Maori die Blätter ihrer Bibeln in die
Gewehrläufe.
Aus blosser Neugierde hören viele Maori den Reden der
Geistlichen zu.
Es gab unter den Missionären gute und edle Männer, die
ihr Leben im Interesse ihrer Mission opferten, aber leider
richteten sie zu oft ein Auge zum Himmel und das andere in
ihre Tasche. Für einige Wolldecken und bunte Fetzen er-
hielten sie Tausende von Jucharten Land und einmal im Be-
sitz desselben boten sie Alles auf, um andere am Erwerb von
Land zu verhindern. Am meisten Gutes stiften unzweifelhaft
die katholischen Missionäre, nicht nur hier, sondern auch auf
den übrigen Südseeinseln. Hut ab vor den Männern, die allein
mit allen denkbaren Schwierigkeiten kämpfen, ihr Ziel ver-
folgen und den Maori mehr lehren, als Hymnen und Gebete,
die diese nicht verstehen. Der Missionär, der den Maori Acker-
bau, Gesundheitslehre, die Anfänge der mechanischen Wissen-
schaften lehrt, ist der Mann am rechten Platz. Der Missionär,
der mit der Axt, dem Hammer, dem Ruder und der Flinte
umzugehen versteht, gebietet über die Achtung und das Ver-
trauen der Eingebornen.
„Wir wollen keine Missionäre," hörte ich täglich bei den
Hauhau. „Sie lehren uns gegen den Himmel zu schauen, und
während wir hinauf schauen, nehmen sie uns das Land unter
den Füssen weg." Die Missionäre schadeten ihrer Sache viel,
als sie den englischen Truppen als Spione dienten und sie auf
den schwer aufzufindenden Pfaden zu den Pa führten.
„Der Gott der Pakeha wird diese für ihre grossen, an uns
begangenen Sünden strafen," wiederholte mir eine intelligente
alte Frau, die sich meine Maorimutter nannte. „Wir sind arm,
wir haben keine grossen Häuser, wir haben keine seidenen
Kleider, wir haben kein Gold, wir waren gut, bis die Weissen
kamen und unser Land wegnahmen. Wir brauchen das Land
nicht. Hier ist Raum genug für die wenigen Maori, die noch
übrig geblieben sind, wollen aber nicht, dass die Weissen auf
unserm Lande wohnen."
Ein alter Häuptling, der viel von den Weissen gehört
hatte, Hess sich auf einen Hügel führen, von wo er die An-
siedlungen der Fremdlinge überblicken konnte. Er kehrte
.-•7v ,r
77
traurig zurück und erzählte seinem Stamme, dass die Weissen
wie der Sand am Meere seien. Die bewunderungswürdige
Tapferkeit, mit der ein Häufchen Maori ohne Nahrung den
englischen Truppen Stand hielt, zeugt zur Genüge für den
Hass der Racen. Die an den Waipa zurückgedrängten Wai-
kato klagen um das ihnen weggenommene Thal wie eine Mutter
um ihr geraubtes Kind. „Die Pakeha schicken uns die Bibel,
die lehrt, dass Gott alles Land der Erde den Weissen gibt."
„Warum bleiben die Missionäre nicht in Europa, wo es
mehr schlechte Menschen gibt als bei uns? Die Hölle ist für
die Weissen. Die Maori sind nicht so schlecht, um diese Strafe
zu verdienen."
Solche Aussprüche hörte ich täglich, und offen gestanden,
war es mir unmöglich, dagegen zu reden. Die neue Religion
der Hauhau ist ein merkwürdiges Gemisch von christlichem
und heidnischem Glauben. Ich war während der Versammlungen
angenehm überrascht von der Würde und dem Ernst des
Gottesdienstes. Gebete und Gesänge enden mit einem tiefen
Seufzer, in dem sich die wilde Natur ausspricht. Er erinnert
am meisten an die rauhen letzten Töne des Gebrülls eines
Löwen.
Die Maori sind sehr abergläubisch. Die verschiedenen
Naturerscheinungen des Landes, Erdbeben, vulkanische Aus-
brüche, das Spielen der Geysir, das unterirdische Rollen der-
selben, das Aufwallen der heissen Quellen und Schlammvulkane,
die feierliche Stille des Urwaldes, das Donnern der Wellen am
Strande, Bergstürze, Ueberschwemmungen u. s. w. tragen viel
dazu bei. Selbst dem Reisenden wird oft recht unbehaglich zu
Muthe beim Anblick der zerstörenden Kräfte der Natur, und
wer allein im todtenstillen Urwald die Nacht zubringt, denkt
unwillkürlich an die Geistergeschichten seiner Jugend, und
das Krachen der Bäume oder selbst der eintönige Ruf der
Eule ruft die Sagen der Heimat in sein Gedächtniss zurück.
Bei Nacht geht der Maori nicht allein aus, wenn er nicht
dazu gezwungen ist, und in diesem Falle singt er aus Leibes-
kräften, um die bösen Geister ferne zu halten. Ich machte
eines Abends die Bemerkung, dass meine Landsleute glauben,
die Geister der Todten verlassen Nachts 12 Uhr ihre Gräber.
Darauf wurde es in meiner Whare unheimlich stille und auf
den Gesichtern meiner Freunde waren alle denkbaren Spuren
78
der Furcht bemerkbar. In Chinemuri plauderte ich mit einem
Maori, als eben ein Geisteskranker vorbeiging. Mein Freund
versteckte sich hinter mich und sprach eine halbe Stunde kein
lautes Wort mehr. Die Furcht der Maori am Taupo vor dem
bösen Wassergott Taniwha ist allgemein bekannt. An die rie-
sigen Vulkane Tongariro und Ruapehu, an die Geysir im heissen
Quellengebiet, an die wunderbar schöne Insel Mokoia am Roto
Eua u. s. w. knüpfen sich unzählige Sagen. Ich erzählte am
Waipa, dass ich oft Frösche gegessen habe, und dass diese
bei den Wiwi (von oui oui), wie die Franzosen genannt wer-
den, sehr gesucht seien. Der auf den Gesichtern meiner Zu-
hörer ausgesprochene Ekel machte mich laut auflachen. Eine
Frau gab mir als Warnung folgende Geschichte zum Besten.
Ein Maori hatte zufällig einen Frosch verschluckt, trotzdem
er einen tiefen Brunnen austrank, musste er an Durst sterben.
Was der König Tawhiao in Whatiwhatihoe spricht, er-
fährt der Prophet Te Whiti gleichzeitig in Taranaki. Beim
letztjährigen Ausbruch des Tarawera war das Donnern des
Vulkans deutlich hörbar. Ich fragte die Maori, ob sie sich
nicht fürchteten? Die Antwort lautete: Nein, der König war
unter uns. Der Aberglauben der Maori wird durch die Furcht,
mit Tapu belegten Osten zu nahe zu kommen, illustrirt, auch
durch die Sorgfalt für die Todten. Die Tohunga oder Priester,
die oft gute Bauchredner waren, verstanden es ebenso gut,
sich den Aberglauben nutzbar zu machen, wie ihre Herren
Collegen im Mittelalter in Europa.
Der kranke Maori ist ganz muthlos, weil er die Krank-
heit dem Einfluss eines höheren Wesens zuschreibt. Wohl aus
diesem Grunde widmen ihm seine nächsten Verwandten wenig
Aufmerksamkeit. Sich selbst überlassen, sitzt der Arme stun-
denlang allein, ohne einen Muskel zu bewegen, während sich
seine Freunde am Feuer ausgelassener Fröhlichkeit hingeben.
Nichts fiel mir mehr auf, als diese eigenthümliche Theilnahms-
losigkeit. Während die Mädchen tanzten und sangen, kauerte
wenige Schritte entfernt ein sterbendes, junges Weib im feuch-
ten Grase. Niemand nahm sich des armen Wesens an. Ich
setzte mich neben sie, erhielt aber auf meine Fragen nach
ihrem Befinden keine Antwort. Bei Whakarewarewa brachte
ich die Nacht in einem Zelte zu. Ein mit dem Tode ringendes
kleines Mädchen röchelte die ganze Nacht. Seine Eltern und
79
die andern Bewohner des Zeltes schliefen ruhig. Ich schloss
kein Auge, und war froh, als der Morgen graute, und die
Sonne in das mit dem Dampf der Geyser und der kochenden
Quellen erfüllte Thalbecken schien.
Die Maori sterben rasch aus und sind sich dessen bewusst,
ergeben sich auch ruhig ins Unvermeidliche. „Wir sind wie
der leichte Nebel im Thale, der von der aufgehenden Sonne
aufgelöst wird." Im Kampf ums Dasein unterliegt der Maori,
und es ist wohl möglich, dass sich auf das Bewusstsein dieser
Thatsache die melancholische Gemüthsart zurückführen lässt.
Inmitten der Fröhlichkeit ist der Maori zum Klagen bereit.
„Gott sagt, die Erde gehört dem Pakeha, der Afrikaner
diene dem Pakeha, der Maori gehe (sterbe aus). a
j,Die europäische Ratte vertreibt die Kiore, die Amsel
vertreibt den Tui, der Pakeha verdrängt den Maori."
An ihren Tangi und bei Begrüssungen lange abwesender
Freunde lässt der Maori den Thränen freien Lauf. Ein grosses
Tangi scheint auf ihn denselben Einfluss auszuüben, wie ein
erschütterndes Trauerspiel auf den Weissen. Die Trauer der
Maori ist aber nicht anhaltend. Wie ein Kind weint und lacht
er im gleichen Augenblick.
Als das hübsch geschnitzte Haus für das Grab Tu Taw-
hiaos des Sohnes des Königs ankam, waren die Höhen um
Whatiwhatihoe mit hunderten von Maori besetzt, die beim An-
blick der Karavane in lautes Klagen ausbrachen. Ich sass
neben einer Gruppe Frauen, die jammerten, die Hände rangen
und Ströme von Thränen vergossen. Eines Abends sass ich in
der Whare eines lieben alten Freundes mit seinen jungen
Frauen und einer seiner bildschönen Töchter, mit der ich mich
unterhielt und die ich wegen eines Häuptlinges neckte. Ich
bemerkte ihr, dass sie die schönsten Zähne besitze, die ich in
meinem Leben gesehen habe — die Bemerkung war wahr.
Sie verzog ihren Mund so weit sie konnte, um die beiden
Perlenreihen sehen zu lassen. Da ertönte in der Ferne der
Klagegesang einer Truppe Maori, wir antworteten auf ähn-
liche Weise. Meine Freundin entdeckte unter den Angekom-
menen eine Bekannte. Die Beiden kauerten nieder, hielten sich
die Hände, rieben Nasen und weinten und jammerten über
eine Viertelstunde lang. Hierauf setzten wir uns wieder in die
Hütte, wo das Häuptlingstöchterlein die alte Conversation fort-
setzte, als ob Nichts vorgefallen wäre. Dazwischen hatte sie
eine Scene gespielt, die einem ganzen Theaterpublikum die
Thränen in die Augen gebracht hätte. Sie zeigte mir ihre
prächtigen Zähne und lächelte mich mit den schwarzen Augen,
in denen noch die Thränen schimmerten an, dass ich verwun-
dert den Kopf schüttelte, worüber sie herzlich lachte. Ich
machte im Stillen meine Betrachtungen über die weibliche
Natur. Sie erzählte mir noch verschiedene Geschichten von
ihren Freundinnen und machte sich über ihre Herzensange-
legenheiten, die nach europäischen Begriffen nichts weniger
als lächerlich waren, lustig. Wenige Minuten nachher weinte
und klagte sie wieder in herzzereissender Weise. Nach dieser
zweiten. Scene frug sie mich unbefangen um Rath wegen ihrer
schönen schwarzen Haare, die im Ausgehen begriffen seien,
zum Beweis zerrte sie, bis sie eine ganze Handvoll ausgeris-
sen hatte. Ich rieth ihr an mit Wliisky einzureiben, was sie
für einen schlechten Witz hielt. diese Weiber! ich muss
hier noch bemerken, dass mich ihr Papa absolut zum Schwieger-
sohn haben wollte, das3 mich auch seine Frauen (ein halbes
dutzend Schwiegermütter in Aussicht!) freundlich einluden,
mich bei ihnen niederzulassen.
Die Sitte des Nasenreibens und Klagens ist über ganz
Neuseeland verbreitet und wird selbst da, wo europäischer
Einüuss viele andere Gebräuche verdrängt hat, festgehalten.
Auch die Gesänge, namentlich die Liebeslieder, sind alle
melancholischer Natur, Oft lauschte ich Abends, um sie zu
Papier zu bringen, den weichen Altstimmen der Frauen und
Mädchen, die zum hundertsten Mal dieselbe Melodie sangen.
Nach dem Abendessen fängt bei den Maori die Unterhal-
tung, bestehend in Gesängen, Tänzen, Reden etc., an. In
den Tänzen der Mädchen sprechen sich alle Leidenschaften der
menschlichen Natur aus. Ich hatte oft meine ganze Whare
voll Gäste, mit denen ich politisirte oder Maorisprache und
Sitten verhandelte, während in der Mitte die jungen Mädchen,
beim Gesänge und Musikbegleitung auf einem eisernen Becken
oder Deckel, tanzten. Oft fand sich das halbe Dorf beisammen,
so dass wir uns kaum rühren konnten, und dann gab ich einige
Stücke aus Norma oder Regimentstochter, gelegentlich auch
Volkslieder auf der Ocarina zum Besten. In warmen Nächten
versammelt sich Alt und Jung im Freien, wie im schönen Aargau
81
die Bauern, raucht und verhandelt uralte und neue Neuig-
keiten.
Die Maori haben eine grosse Schwäche für Reden. Bei
jedem Anlass wird gerednert und wohl oder übel musste ich
an den endlosen Korero theilnehmeu. Einen alten, tätowirten
Häuptling mit funkelnden Augen reden zu hören, ist ein Ge-
Mit grossem Interesse hörte ich dem guten Maorikönig
m. Tawhiao mit der Decke gekleidet, mit Nephrit Ornamenten
in den Ohren und am Hals ist als Redner eine imposante Er-
scheinung.
Oft kommen interessante Familienangelegenheiten zur Be-
sprechung. Einer meiner Freunde hatte sich fest vorgenommen,
sein Familienglück durch Einfüliren einer neuen Gemahlin zu
vergrößern. Seine Mutter stimmte ihm bei, seine Frau war
entschieden anderer Meinung. Der Häuptling, ein Riese mit
achter Menschenfresse rphvsiognoinie, der das Lachen längst ver-
lernt hatte, war Hauptredner, wurde aber bald durch das Ge-
kreisch der Frau und durch das Geschnatter der alten Dame
unterbrochen. Ich will der guten Alten, die mir stets beson-
dere Aufmerksamkeit geschenkt, hatte, nichts Böses nachreden,
aber ich muss gestehen, dass ich eine geläufigere Zunge in
meiuem Lehen noch nie gehört hatte und nicht mehr zu hören
hoffe. Sie brachte den grimmigen Häuptling zu unserer Freude
gauz ausser Fassung, so dass er wie ein wüthender Löwe
brüllte.
Die Maori sind keine grossen Gelehrten. Sie sind lern-
begierig, haben aber keine Ausdauer. Die alten Häuptlinge
sind mit der Geographie des Landes sehr gut vertraut und
zeichnen genaue Karten in den Sand. Mehrere interessiren sich
für europäische Politik und verlangten Etwas von den Häupt-
lingen der Deutschen, Wiremu (Kaiser Wilhelm) und PUäinariki
iBismarck) zu vernehmen. Ich musste ihnen den alten Kaiser
und den eisernen Kanzler, auch Kaiser Franz oft zeichnen,
ebenso russische und deutsche Soldaten, Kanonen etc. Eine
Diskussion über geographische Fragen ist sehr schwierig, da
die Maori wegen ihres mangelhaften Alphabetes die Namen
nicht aussprechen können. Ich brachte einen alten Politiker in
nicht geringe "Wuth, weil ich ihm über Mekikaro keinen Auf-
schluss geben konnte. Nach langem Fragen fand ich heraus,
82
dass er Mexico meinte. Neapel wird Nepora, England Ingiranga,
Oesterreich Oheria, Auckland Akarana etc.
Bei diesen Gelegenheiten machte ich eine Beobachtung,
die mich sehr überraschte. In den Malereien und Schnitzereien
der Maori ist von Proportion keine Rede, und die nach der
Natur gezeichneten Gegenstände sind kaum zu erkennen, den-
noch copirten sie meine Skizzen ganz getreu. Beim Zeichnen
der Pferde und Vögel fingen fast alle mit dem hintern Ende an.
Es ist gewiss auffallend, dass die feurigen Maori so wenige
Zeichen gegenseitiger Liebe zeigen. Verliebte und Neuver-
mählte sitzen nebeneinander wie Fremde. Selbst die in Europa
so weit verbreitete Sitte des Küssens ist unbekannt. Dennoch
spielt die Liebe in ihren Liedern eine grosse Rolle. Ich er-
innere nur an die schöne Hinenwa, die trotz des Verbotes
ihres Vaters zu ihrem Liebhaber nach der Insel Mokoia schwamm.
Diese treue Liebe wird in manchen Gesängen verewigt.
Jedem Besucher in den Maoridörfern fällt die kleine Zahl
der Kinder auf. Vernachlässigung und Ueberfütterung mit un-
passender Nahrung tragen dazu bei. Obschon alle Maori hei-
rathen, sind grosse Familien selten und in mehreren Rainga
schienen diese nützlichen Geschöpfe ganz zu fehlen. Wo Kinder
existiren, fehlt es an Lärm nicht. Die Maori nehmen in dieser
Richtung eine hohe Stelle ein, namentlich Nachts nimmt das
Geschrei kein Ende. Manchem Schreihals gab ich durch einen
derben Puff zu verstehen, dass es Zeit sei die Tonart zu
ändern.
Die Frauen tragen die Kinder ä la Hippopotamus am
Rücken herum, wo sie sie mit der Decke festhalten. Ich möchte
diese Sitte allen schweizerischen Müttern empfehlen. Die Frau
hat beide Arme frei, so dass sie ungehindert alle Hausarbeiten
verrichten kann, ohne von der Bürde auch nur etwas zu fühlen.
Aus dem vergnügten Grinsen der weitmäuligen Jungen schlies-
sen wir, dass sie sich in ihrer Position ganz behaglich befinden.
Die Maorikinder sind furchtsam und scheu. Meine Brille
wurde von ihnen aus respektabler Entfernung angeglotzt. Auch
mein unzweifelhaft etwas rother Bart flösste ihnen kein grosses
Vertrauen ein. Ich war nicht wenig überrascht, zum ersten
Male eine Mutter ihrem Sohne zurufen zu hören: Schweig,
oder der Weisse frisst dich. Die Kinder werden nicht allzu
83
ärtlich behandelt. Väter und Mütter brüllen sie an,
. Ich sah, wie eine junge Mutter ihren etwa 7jährigen Buhen
«ohrfeigte und ihn schliesslich mit einem gewaltigen Fusstritt
einen tiefen Graben spedirte, wo er ganz unsichtbar wurde,
er wieder zum Vorschein kam, begrüsste er die erzürnte
ma, die immer noch aus Leibeskräften gehimpfte, mit ent-
setzlichen Grimasgen und warf Steine und Holz nach ihr. Oft
Degegnet man Maoril'raueu zu Pferd mit 2 — 3 Kindern, die
sich auf alle denkbare "Weise festklammern, «der festgebunden
nd. Die Kinder scheinen wich sehr gut zu unterhalten. Ihre
•ipii-lgenossen sind die Schweine, Hunde und Katzen. Ihre
Kleidung ist natürlich nicht allzu schwer, die Haut vertritt
die Stolle derselben bei warmem Wetter. Einige Worte über
ilie Kleidung der Erwachsenen sind hier am Platze. Wenn das
Sprichwort: Kleider machen Leute, wahr ist, so sind die halh-
i'ivilisirt.en Maori arme Leute.
Einst kleidete sieh der Maori in aus Flachs bereiteten, mit
farbigen Fasern, Federn und Haaren reichlich verzierten Decken,
lei festlichen Anlässen trug er wahre Wunderwerke. In seinen
Federumante] eingehüllt, mit dem Grünsteinbeil in der Hand,
Sieinkonrou und Heitiki und Haifisch zahne in den Ohren und
Bnjafedern im Haar ist der Maori eine prächtige Erscheinung
und jeder Zoll ein Menschenfresser! In einem ans Kiwifedern
bedeckten Mantel dürfte sich die grösste Dame Europas stolz
sehen lassen. Warum die ersten Missionäre gegen diese Klei-
dungen eiferten, begreife ich nicht. Die einfache Flachsdecke
war praktisch, billig, schon und vor allem der Gesundheit zu-
träglieh. Im warmen Wetter luftig, absorbirte sie beim Regen
kein Wasser und trocknete in wenigen Minuten, während die
von den Weissen eingeführten Wollendecken, wenn dem Hegen
ausgesetzt, sich mit. Wasser füllen, und so viele Krankheiten,
»am entlieh die so verheerenden Lungenleiden verursachen.
Der Maori hat keinen Farbensinn. Die Weiber lieben mög-
lichst schreiende Farben. Eine reisende Bande Maori trägt
alle möglichen Farben des Regenbogens auf sich. Natürlich
gibt es Ausnahmen von der allgemeinen Regel und diese ge-
hören selbstverständlich dem schönen Geschlecht an. Mitten
"ater den in buntscheckigen Blousen und Decken gekleideten
Frauen begegnet man namentlich im Innern des Landes in
84
einfache weisse Jacken und Röcke gekleideten Weibern. Der
Contrast ist auffällig. So viel ich entdecken konnte, waren es
in der Regel kürzlich verheirathete Frauen. In allen Fällen
machte ich die Beobachtung, dass ihre Häuser überaus rein-
li6h und geschmackvoll decorirt waren. Die jungen Mädchen,
und selbstverständlich nicht die hässlichsten, beschäftigen sich
gerade so gerne mit Toilettenfragen, wie ihre weisshäutigen
Schwestern im fernen Norden, und es ist kein allzu seltener
Fall, einem in elegante Kleider neuester Fac^on gehüllten
Mädchen mit modernem Hut mit Straussenfeder und kleinen
zugespitzten Glanzlederstiefelchen und weissen Handschuhen
zu begegnen. Bei den Waikato wurde mir eine kleine Whare
eingeräumt, in der zwei reichlich mit Spitzen, Volants und
— horribile dictu — mit Tournuren versehene Kleider, das eine
seidengelb, das andere himmelblau hingen. Sie gehörten der
Tochter des Häuptlings, die beiläufig bemerkt, die schönste
Frau des Stammes war und wohl aus diesem Grunde mit
ihrem jungen Ehemann nicht im besten Einverständnisse lebte.
Wir hatten ein grosses Korero, währenddem die Ehescheidung
besprochen wurde.
Bei Ohinemuta wanderte ich langsam den Hügel hinauf
und ging eben um eine Ecke, als ein Maorimädchen in vollem
Galopp mich beinahe über den Haufen rannte. Nach der üb-
lichen Tena koe folgte das ebenso übliche Ho mal te ?nate^
gib mir ein Streichholz. Während ich in allen mit Steinen
gefüllten Taschen nach solchen suchte, betrachtete ich die
junge Amazone mit Müsse. Sie war in grande tenue, in
weissem Kleid, mit Spitzen und bunten Seidenbändern, die
nagelneuen Stiefelchen hingen am Sattel. Ich gab ihr die
Schachtel, die sie beinahe leerte, zu meinem grossen Aerger,
denn ich hatte zwei Tagereisen vor mir und keine Gelegen-
heit, neue Vorräthe zu sammeln. Ich reklamirte. Sie blickte
mich mit bezauberndem Lächeln an, wünschte mir glückliche
Reise und gab dem Pferd die Sporren. Wenige Schritte weiter
fand ich einen weissen Unterrock am Boden. Die Reiterin war
längst verschwunden und ich hing den Artikel an einen Baum,
wo er wie eine Fahne des Friedens flatterte. Die Stiefelchen
am Sattel, und der verlorne Unterrock, den Sie nicht vermisste,
belehrte mich, wie unnöthig beide waren, aber sie sind bei den
Blassgesichtern Mode. So sind die Weiber.
85
Es wird au viel über die Unreinliohkeit der Maori ge-
achrieben. loh mnsa das heikle TJiema kurz behandeln. Die
Maori sind gerade so reinlich wie andere Racen. Es gibt unter
ihnen wie unter den Europäern Individuen, die wie Sehweine
leben.
In der Regel baden die Maori alle Tage und viele bringen
ihr halbes Leben im "Wasser zu, namentlich in den warmen
Bädern der Vulkanzone. Die Frauen waschen ilire Decken
häufiger als die Weissen es thuu. Ein Maoridorf sieht immer
unordentlich aus. Aber manches Haus, das aussen einem Krähen-
■i. ite ähnlicher sieht, als einer menschlichen Wohnstätte, ist
inwendig nett und sauber, und so reinlich gehalten, als es die
Verhältnisse gestatten. Mit einem grossen Feuer in der Mitte
und Haufen trockener Farrenkräuter auf dem blossen Boden
können wir natürlich nicht die Eleganz eines Salons erwarten.
Nur beim Kochen dürften sich die Maori grösserer Reinlich-
keit befleissen. Um eine Maorimahlzeit mit Appetit zu ge-
messen, ist es rathsam, die Vorbereitungen nicht allzu genau
zu beobachten. Dasselbe gilt übrigens auch für Europa.
Die Hütten sind alle im gleichen Styl gebaut, aus Holz,
Kiiujiu, MalmblitUcrn, Tizweigen elf. Die Häuser grosser Häupt-
linge, die Whare riwianga oder Versamnilungshäuser sind da-
gegen oft reichlich verziert durch menschliche Figuren, Spiral-
linien u. s. w. Durch Anwendung verschiedenfarbiger Hölzer
und Fasern erscheinen die Wände im Innern mosaikähnlich.
Die Vorrathshäuser stehen oft auf hohen Pfählen und sind nur
auf Leitern zugänglich. Die geschnitzten Figuren, die ver-
storbene Häuptlinge repräsentiren, erinnern an acheuasliche
Missgeburten. Die Köpfe sind un verhältnismässig gross, die
Zungen hängen einen Fnss weit hinaus, die Augen sind gross,
schief und mit Perlmutter eingelegt. Die Linien des Moko
Tülowirens) sind dagegen naturgetreu wiedergegeben und sehr
»'■rgliilfig ausgesuchst. Diese Figuren sind fast ausnahmslos
so realistisch, dass sie nicht in öffentlichen Museen ausgestellt
werden können.
Die grösseren Maoriwhare zerfallen in einen Innern Raum
und eine Laube, üanze Famihen oder mehrere Familien zu-
sammen wohnen in derselben Hütte. Früher besasa jedes Dorf
ein geschnitztes Versammlungshaus, jetzt existiren mir noch
86
Die Holzschneidekunst war von jeher :
zu Hause, von wo aus die Arawastänime ihre Produkte ver-
schickten. Das neue Maorihaus an der Themsemündung soll
gegen 6000 Pfund Sterling gekostet nahen, und ein kleines
Haus in Tapapa kostete 500 £.
Fig. 5. Mein? Wlmr? m tlkatiichatihoe.
In der Kochkunst haben es die Maori nicht weit gebracht.
Von den einheimischen Pflanzen werden nur noch wenige ge-
gessen. Die europäischen Fruchtbäume, sowie Kartoffeln, Mais,
Melonen etc. werden überall gebaut. Leider sind die Eiuge-
bornen zu faul, um rationellen Landbau zu treiben; gut be-
baute Felder findet man selten. Fische, Krebse und Muscheln
werden massenhaft vertilgt. Eine besondere Vorliebe zeigt
der Maori für die Haifische. Gekochter Hai ist ein ekelhaf-
tes Gericht, der Gestank und das leimige Anfühlen nehmen
mir stets den Appetit weg. Ein schmaler Streifen am Rücken
kann im Nothfalle verschluckt werden, dagegen sind die ge-
trockneten und in heisser Asche gebratenen oder im Maoriofen
gekochten Patiki ausgezeichnet, wenn einmal der Widerwillen
überwunden ist. Die Nähe der Maoridörfer wird durch den
Geruch der an langen Stangen zum Trocknen aufgehängten
Fische an gekündet.
In jedem Maoridorf treiben sieh ganze Rudel Sehweine
herum, die wie Fainiliimmicglieder behandelt werden und über-
all Zutritt haben.
Beim Mittagessen wacht der Maori auf. Grosse Körbe voll
Kartoffeln, Kumara, Fische, Schweinefleisch, werden auf den
blossen Boden gestellt, und jeder bedient sich selbst mit den
Fingern. Hunde, Katzen und Schweine drängen sich zu und
l die besten Bissen aus den Händen der Essenden. Die
87
im Maoriofen, d. li. auf heissen Steinen, die mit Decken be-
deckt und mit. Wasser bespritzt werden, gekochten Gegen-
stände schmecken besser, als die nach europäischer Art prä-
parirten Gerichte. "Wilder Honig vertritt oft den Zucker.
Bei den grossen Festen werden kolossale Massen Kar-
toffeln, Fische und Schweine verbraucht, in Folge wovon ganze
Stämme monatelang hungern müssen. Die gastfreundlichen
Maori laden den Reisenden zu ihren einfachen Mahlzeiten ein
und freuen sich, wenn ihm das Aufgetragene schmeckt.
"Wie oft war ich den guten Wilden für ihr freundliches
liaere mal dankbar, wenn ich den ganzen Tag auf dem Marsche
gewesen war. Mehr als einmal musste ich mich mit Farrn-
wurzeln behelfen, wenn die Entfernungen der Maoridörfer zu
gross waren. Diese Wurzeln, namentlich die tief in der Erde
wachsenden, sind übrigens keine verachteuswerthe" Kost. Nach
Entfernung der zähen braunen Fasern schmeckt eine in der
Asche gebratene Farrnwurzol ausgezeichnet. Die Maori denken,
wie die Kinder, nur an die Gegenwart. So lange sie mit Vor-
rätlien reichlich versehen sind, leben sie herrlich und in Freu-
den, und essen und trinken und laden ihre Freunde zu den
Festen ein.
Zu den leider verschwindenden Sitten gehört das Täto-
wiren. Junge Männer tätowiren nicht mehr. Die Mädchen
lassen sich gewöhnlich tätowiren und ein mit den tief einge-
grabeneu Linien tätowirtes Kinn trägt nur zur Schönheit der
Frauen bei. Die blauen Lippen dagegen entstellen die freund-
lichen Gesichter vollständig. Den alten Häuptlingen geben die
dunkem Linien ein wildes Aussehen. Sie verdecken die Aus-
drücke der Gemüthsbewegungen, so dass selbst beim Lachen
die Züge wie in Erz gegossen erscheinen. Nur in den Augen
sind Freude und Schmerz erkennbar. Sie verdecken auch die
Runzeln des Alters und dienen ferner dazu, Stamm und Rang
anzuzeigen. Das Gesicht des alten Maorikonigs ist über und
über mit kunstvollen Linien und Furchen bedeckt, so dass es
dunkelblau erscheint. Auf den Statuen der Todten sind diese
Linien sorgfältig nachgeahmt. Oft sind auch andere Theile
des Körpers tätowirt. Es ist sehr zu bedauern, dass in Folge
des Umgangs mit den Weissen die Maori diese althergebrach-
ten Gebräuche aufgeben.
■
Die Operation ist eine sehr schmerzvolle und nimmt Wo-
chen in Anspruch. Die zuerst vorge zeichneten Linien werrlen
mit einem scharfen Instrument aus Stein oder Muschelschalen
eingemeiselt. Nach Versicherung der Alten hereiten die Linien
auf der Nase und den Augenliedera den grössten Sehmerz.
Ein vollkommen tätowirter Häuptling im alten Maorimantel
mit den aus Nephrit (ponnamu) geschnitteneu Heitiki und
Kourou auf dor Brust und in den Ohren, mit Hujafedern im
Haar und der Grünsteinkeule (tnere) in der Hand ist eine Er-
scheinung, die sich nicht aus dem Gedächtniss verwischen
lässt. Diese Typen des alten Maorithums sind bereits sehr
selten und in wenigen Jahren wird der letzte Krieger der
alten Garde mit seinen Steinwaffen und Schmuck zu Grabe
getragen werden, um im Reiche der Geister den Verfall seiner
Nation beklagen zu helfen. Selbst seine letzte Ruhestätte wird
nicht geheiligt bleiben. Ueber sein Grab wird der Pflug des
Fremdlings tiefe Furchen ziehen. Der Riese des Urwaldes, in
dessen hohlem Stamm die geschabten und gernalten Knochen
ruhen, wird den Streichen der Axt nachgeben, und die ge-
heiligten Ueberreste werden von den Hunden der Ansiedler
entweiht werden, bis einst im Kampfe der FMemente die Lava-
ströme und Aschenschauer sie mit den hilflosen Bleichgesich-
tern für alle Zeiten begraben werden. Von dor dichten Mao vi -
bevölkerung sind nur noch 40,000 übrig und diese gehen
raschem Aussterben entgegen. Das ganze Land ist mit alten
Pa oder Festungen bedeckt und fusstiefe Ansammlungen von
Muschelschalen und verkohltem Holz, und mit Menschenknochen
ausgefüllte Höhlen geben Ausschluss über den einstigen Aufent-
halt mächtiger Stämme. Die wichtigen Festungswerke auf den
Vulkanen bei Auckland lehren uns, dass der Isthmus einst
dicht bevölkert war. Diese Festungen sind wahre Kunstwerke
und es ist unbegreiflich, wie ein mit den Gesetzen der Natur
unbekanntes Volk mit den einfachsten Geräthen diese compli-
zirten Werke ausführen konnte. Ganze Hügel sind mit Ter-
rassen, tiefen Gruben und Gängen bedeckt.
Durch die jüngsten Kriege der kampflustigen Wilden, den
Canibalismus, durch Einführen der Feuerwaffen wurden ganze
grosse Stämme vernichtet. Der schon genannte Ngapuhihäupt-
ling Hongi, der Napoleon der Südsee, durchzog die Insel bis
zum Roto Rua und schonte weder Alter noch Geschlecht, bis
89
er selbst nach langen Leiden einer Schusswunde unterlag. Auf
dem Todtbette ermunterte er seine Genossen, den Vernichtungs-
krieg fortzusetzen und seinen Tod zu rächen.
In den Kriegen mit den Weissen fielen Tausende nach
heldenmüthigem Widerstände. In keinem andern Theil der
Erde gaben Wilde den Waffen der Europäer so viel zu schaf-
fen. Die armen Maori wehrten sich in ihren Pa wie die Löwen
gegen die Uebermacht der Feinde. Frauen und Kinder ver-
gossen ihr Blut im Kampfe gegen die Eindringlinge. Ohne
Nahrung und Wasser hielten die verzweifelten Maori den Hagel
von Geschossen aus und der Aufforderung der Engländer, sich
zu ergeben, antworteten sie: Freunde! Wir wollen kämpfen,
für ewig, für ewig. Unsere Frauen werden kämpfen, für ewig,
für ewig. Das ist Alles, was wir zu sagen haben : Wir werden
kämpfen, für ewig, für ewig.
Hern ano, ka muttu, ka whawhai tonu matou ake, ake, ake.
Ein Pa wurde am Sonntag erstürmt, weil sich die edlen Maori
weigerten, 4 am Tag des Herrn Blut zu vergiesseii. Die Maori
sandten ihren hungernden Gegnern Nahrung !
Die von den Weissen eingeschleppten Krankheiten ver-
mindern die Eingebornen rasch. Branntwein und Tabak wirken
schädlich auf alle wilden Völker. Europäische Kleider verur-
sachen Lungenkrankheiten. Durch die Einführung der Pferde
und ohne körperliche Anstrengung erhältliche Nahrungsmittel
wird der Maori verweichlicht, die Mischlinge der Weissen und
Maori sind eine schwächliche Race und sterben meistens jung.
Alle Racen der Südsee sterben aus, auch da, wo sie nicht
mit Europäern in Contact kommen.
Wo heute den Reisenden das freundliche E hoa, tenakoe
begrüsst, wird er in kurzer Zeit dem good morning des An-
siedlers begegnen und die Väter werden bald den neugierigen
Kindern erzählen, dass Neu-Seeland einst von braunen Men-
schen bevölkert war. Die Hütten der Maori werden zerfallen,
durch Einwirkung der atmosphärischen Kräfte und durch den
Pflug der Weissen werden die Ueberreste der alten Vesten
spurlos verschwinden.
Auf den Ruinen wird der letzte der Maori ausrufen: „Die
Freunde meiner Jugend, wo sind sie?" Das Echo lautet: „wo
sind sie? u Der letzte Piwakawaka wird ihm sein Sterbelied
90
singen und über seinem leblosen Körper wird in der stillen
Mondnacht die letzte Kotiroueule den Todr.engnsang erschallen
lassen. Die Wälder aber werden alsdann nur noch von den
bekannten Tönen der europäischen Amseln, Drosseln, Finken
und Lerchen widerhallen.
IV.
Vom Congo zum Zambesi.
Bericht über die österreichische Congo -Expedition in den Jahrßo
1885-1887.
Von P/ofrsaor Dr. Oscar Lenü iu Prag.
Im Nachstehenden gebe ich einen kurzen Bericht iiher eine
Heise, welche sich von der Congomündung bis zur Zambesi-
mündung erstreckte, also eine einheitlich ausgeführte Durch-
querung des tropischen Afrika in der Richtung von "West nach
Ost. Ehe ich aber zur Schilderung der Heise gehe, mag es ge-
stattet sein, einige Worte über meine Begleiter zu sagen. Ich
bin immer von der Ansicht ausgegangen, dass zahlreiche Euro-
päer bei einer Expedition eher ein Hinderniss sind als ein
Vortheil, und mir haben immer Reisen vorgeschwebt, wie die-
jenigen von Barth, Livingstone, Rohlfs, Nachtigal,
Schweinfurth , Cameron etc., die nur aus einem oder zwei
Europäern bestanden; auch meine Timbuktu-Reise habe ich
seinerzeit allein ausgeführt und schreibe diesem Umstände mei-
nen Erfolg zu. So entschloss ich mich auch diessmal nur einen
Theilnehmer zu acceptiren und wählte Herrn 0. Baumann aus
Wien. In bereits veröffentlichten Briefen habe ich wiederholt
darauf hingewiesen, wie werthvoll mir dessen Hilfe gewesen ist
und wie äusserst wichtig dessen sorgfältige und exacte Karten-
aufnahmen sind. Es war denn auch für mich ein sehr schmerz-
licher Verlust, als Herr Bamnann an den Stanley-Fällen schwer
an Dysenterie erkrankte und umzukehren genöthigt war. Wie
eifrig derselbe arbeitete, geht daraus hervor, dass Baumann,
kaum an der Küste etwas hergestellt angekommen, auf der
Insel Fernando Po ergebnissreiche Untersuchungen anstellte,
die leider wiederum durch heftige Fieberanfälle unterbrochen
wurden.
Als ioli um Stanley Pool ankam, traf ich mit dem damaligen
Gouverneur des Congo-Staates, Sir Francis de Winton, zu-
sammen, der mir dadurch ein Zeichen seines Wohlwollens für
unsere Expedition gab, dass er mir einen Beamten deB Congo-
Staates während der Dauer der Reise zur Verfügung stellte.
Herr Bohndorf hatte viele Jahre in den oberen Nilländern zu-
gebracht, bald im Dienste Gordon Paseha's, bald allein-
reisend, zuletzt als mehrjähriger Begleiter Dr. Junker's.
Mit Land und Leuten, besonders auch mit der Sprache der-
jenigen Länder vertraut, deren Erreichung mir vorschwebte,
musste ich dieses Anerbieten des Gouverneurs als sehr günstig
für uns bezeichnen; als dann Verhältnisse eine Aenderung des
ursprünglichen Planes nöthig machten, als besonders Herr Bau-
mann mich verlassen musste, verblieb Herr Bohndorf bis
zum Schlüsse der Reise bei mir, wenn derselbe auch auf der
zweiten Hälfte des Weges von einer schweren Erkrankung er-
fasst wurde und erst am indischen Ocean angekommen wieder
genas.
An der Westküste Afrika' s ist es wohl kaum möglich, eine
grössere Anzahl von Trägern für eine auf Jahre berechnete
Expedition zu finden, wie es an der Ostküste der Fall ist. Ich
musste mich daher darauf beschränken, eine kleine Anzahl
Diener zu engagiren. Ich fand einige junge Burschen vom
Stamme der Why, die eine kleine Colonie in der Nähe von
Monrovia bilden, bereit, mit mir zu gehen; einige derselben
fielen einer Pocken epidemie in den Ländern zwischen Congo
und Tanganjika zum Opfer; der Rest erreichte mit mir die
Ostküste, von wo ich dieselben mit nach Aegypten nahm, und
dann über Triest und Wien nach Hamburg beförderte, von wo
sie sich nach Liberia eingeschifft haben. Briefe von dort haben
mir gezeigt, dass diese Diener wohlbehalten in ihrer Heimat
angekommen sind, wo sie als weitgereiste Männer hoffentlich die
richtige Würdigung erfahren. Es ist das erste Mal, dass Neger
von diesen Theilen Westafrikas derartige Reisen unternommen
haben; im Interesse späterer Expeditionen liegt es, dass diese
Leute Vertrauen in die Worte des weissen Mannes haben und
so legte ich grossen Werth darauf, dass meine Diener in jeder
Weise befriedigt zu ihren Verwandten zurückkehrten. Die Why-
boys sind gute, unerschrockene Diener und können vielleicht
noch mancher von Westafrika ausgehenden Expedition nützen.
Interessant ist es, dasa der Stamm der Why eigene Schrift-
zeichen (eine Art, Geheimschrift) hat, die kein anderer Neger-
stamm zu lesen im Stande ist. Meine Diener haben nicht nur
während der Reise eine Art Tagebuch geschrieben, sondern auch
Briefe in ihre Heimat geschickt, so oft sich Gelegenheit bot.
Die letzte Briefsendung derselben schickte ich von Zanzibar
aus über Capstadt und Madeira nach Monrovia an den dortigen
deutschen Consul mit der Bitte, die Schriftstücke an den Häupt-
ling der Why, King John, zu übergeben. Als ich mit meinen
Burschen in "Wien ankam, fand ich Briefe von Monrovia vor
mit den Antwortschreiben der Verwandten dieser Neger, worüber
letztere natürlich eine grosse Freude hatten. Solche Erlebnisse
tragen dazu bei, das Vertrauen der Schwarzen zu dem Euro-
paer zu erhöben; sind die Leute auch ausserordentlich weit
von ihrer Heimat entfernt, so wissen sie doch jetzt, dass sie
nicht völlig abgeschieden von den Ihrigen sind, und wenn der
europäische Herr so etwas berücksichtigt, so kann er sicher
sein, anhängliche und ergebene Diener zu erhalten.
Wir benutzten ein Hamburger Schiff und kamen nach an-
genehmer Fahrt Mitte August 1885 an den Congo. Nur kurze
Zeit blieben wir hier in der Faktorei eines grossen hollän-
dischen Hauses, von welchem ich die zahlreichen verschiedenen
Waaren, welche an Stelle des Geldes im Innern enrsiren, bezog;
diese Waaren wurden in Träger lasten, etwa 66 — 70 Pfund
schwer verpackt und danu mittels eines kleinen F luss dampf er s
bis zur holländischen Faktorei Ango-Ango gebracht, das uns
als Ausgangspunkt für die Landreise zum Stanley Pool empfoh-
len war. Der untere Congo ist nur bis zu diesem Punkte oder
richtiger bis zu der damals noch existirenden, etwas flussauf-
wärts gelegenen Station Vivi schiffbar; eine Strecke, welche
die kleinen Dampfer gewöhnlich in einem Tage zurücklegen.
Dort beginnt jenes grosse Gebiet der Stromschnellen und Ka-
tarakten, welche sieh mit Unterbrechungen bis Stanley Pool
erstrecken. Eine solche Unterbrechung findet zwischen den
ehemaligen Stationen Isangala und Manyanga statt und
wird dieselbe vielfach mit Hilfe grosser Boote zurückgelegt.
Die Beschaffung von Trägern in unserer Station war durch-
aus nicht leicht. Das Gouvernement in Vivi war nicht in der
Lage, uns Leute zu verschaffen, da man dort selbst Mangel
hatte und grosse Waarenmassen aufgespeichert lagen; ebenso-
94
wenig konnten uns die englischen Missionäre lielfen, und so
blieb nichts übrig, als dass Herr Baumann mit nur wenig
Mann in das Innere ging, um daselbst Leute zu eugagiren.
Mit Ueberwindung grosser Schwierigkeiten gelang ihm das end-
lich, besonders durch die Hilfe eines grossen und einflussreichen
eingebornen Händlers, Namens Makitu, der uns gegen 80 Leute
verschaffte, welche die Waaren bis etwa auf den halben Weg
nach Stanley Pool zu tragen bereit waren Es vergingen aber
doch zwei volle Monate, ehe wir von Ango Ango aus dei
Marsch antreten konnten.
Die ersten Tage der Reise waren beschwerlich; die Gegen-
den bei Mpalla Mpalla, Congodialemba, Banzamateke
etc. sind gebirgig; tiefe und steile Einschnitte trennen die ein>
zelnen vorherrschend ans Quarzitund krystalliniscben Schiefern
bestehenden Höhenrücken von einander; die schmalen Fush-
pfade sind mit scharfen, glänzend weissen Quarzbruchsf.üeken
bedeckt, selten gewähren ein paar Bäume den unter ihrer Last
keuchenden Trägern etwas Schatten, und nur hohes hartes (iras
konnte die dürftige Humusdecke zwischen den rauhen Felsen-
massen hervorbringen Die kleinen von Bananenbäumen um-
gebenen Dörfer der Eingebornen liegen weit voneinander ent-
fernt, oft aber recht malerisch auf den felsigen Plateaus; die
einem wüsten Fetischismus ergebenen Bewohner sehen streng
darauf, dass der Europäer nicht gewissen, für sie heiligen Orten
zu nahe kommt.
Späterhin wurde das Terrain günstiger; grössere Ebenen,
von Hügelketten durchzogen, traten auf, die Landschaft nahm
mehr einen parkartigen Charakter an und zahlreiche kleine
Bäche brachten eine reichere Vegetation hervor. Am 9. No-
vember erreichten wir die Station des Congostaates Lukunga;
der Fluss gleichen Namens bildet ein breites fruchtbares Thal;
der erste Platz seit unserer Abreise von Ango Ango, wo An-
pflanzungen in grösserem Massstn.be möglich sind, wie das
schon die Gartenanlagen des damaligen Stationsvorstandes zeig-
ten. Ein dreitägiger Marsch brachte uns von hier zu der eng-
lischen Missionsstation Ngombe, in dessen Nähe sich das
Dorf des grossen Elfenbeinhändlers Makitu befindet. Bis hier-
her waren unsere Träger engagirt; es war aber sehr leicht,
neue Träger bis zum Stanley Pool zu bekommen; schon nach
wenig Tagen hatten wir eine Carawane von über 9Ü Mann bei-
g
sammen und konnten am 17. November die "Weiterreise an-
treten. In sechs bequemen Tagemä rächen erreichten wir die
weite Fläche des Stanley Pools. Je weiter man in das Land
dringt, um so besser wird dasselbe; der Wald wurde häufiger
und dichter, die Bevölkerung zahlreicher, und man merkt, dass
man sich einem Punkte nähert, der in vielfacher Beziehung
der wichtigste des ganzen Oongo-Staates ist. Die Berge treten
immer mehr zurück, heisse, feuchte, bewachsene Ebenen sind
zu durchwandern, die Stromschnellen verschwinden und die
breite, gewaltige Masse des Stanley Pooles zeigt sich in
überraschend er Schönheit. Im Grossen und Ganzen hat das
OoTigobecken nicht viele landschaftlich schöne Punkte. Stanley
Pool ist einer derselben.
Diese Strecke nun, von Vivi resp. Ango Ango bis zum
Pool ist es, welche bisher für die Entwickelnng des Handels
und etwaiger Plantagemvirthsehaft äusserst hinderlich ist. Wir
haben allerdings drei Wochen gebraucht, um diese Gegend zu
durchwandern, die schwarzen Briefboten können dieselbe Tour
in weniger als der Hälfte Zeit zurücklegen, aber Waarentrans-
porte werden immer 15 — 18 Tage brauchen. Einen solchen
Landtrausport aber durch menschliche Träger vertragen weder
die einheimischen Produkte noch die importirten Waaren; die
Kosten sind zu bedeutend, die Regelmässigkeit des Verkehrs
eine zu geringe und die Unzuverläsaigkeit der Träger eine zu
grosse. Allerdings können die Transporte des Gouvernements
die Route etwas abkürzen, indem sie von Vivi bis Isangala am
Nordufer des Flusses gehen, dann den Strom benutzen, und etwa
vonLukunga an den Südweg gebrauchen; aber auch das ist wegen
des öfteren Wechselus der Träger nicht für die Dauer durch-
führbar und so hat man denn schon lange in den massgebenden
Kreisen die Frage wegen des Baues einer Eisenbahn ventilirt.
Es hat diese Frage vielfach zu nicht immer sehr massig ge-
führten literarischen Streitigkeiten geführt. Ich verkenne keines-
wegs die Schwierigkeiten, welche sich diesem Bau entgegen-
stellen; ebenso fest bin ich überzeugt, dass dieselbe für die
erste Zeit sich in keiner Weise rentiren wird; auch wird die.
Bahn viel Geld und vermutblich manches Menschenleben kosten;
aber andrerseits sind technisch viel schwierigere Aufgaben
schon gelöst worden und dann steht für mich fest, dass der
Congostaat ohne eine geeignete Kommunikation zwischen Vivi
96
und Stanley Pool Überhaupt nicht lebensfähig ist. Es wird mit
Vollendung eines solchen Schienenweges ein grosser Uniscbwung
in den ganzen Handels Verhältnissen am unteren Congo ein-
treten; das grosse Waaren-Entrepöt, welches sich jetzt in
Banana befindet, wird an den Stanley Pool verlegt werden,
die Faktoreien werden daselbst ihre Flussdampfer haben und
können von hier den auf mehr als 1000 Kilometer schiffbaren
Congo und besonders die südliehen Nebenflüsse befahren. Es
ist wohl keine Frage, dass die Buschbewohner in den gewal-
tigen Urwäldern an beiden Seiten des Hauptstromes und der
Nebenflüsse im Stande sind, noch für eine längere Zeit Pro-
dukte zu liefern; es wird allerdings eine Zeit kommen, wo das
Elfenbein selten wird und vielleicht ganz aufhört; bis dahin
aber werden die Neger gelernt haben, andere Artikel für den
europäischen Händler zu beschaffen (Kautschuk, Palmöl, Erd-
nüsse etc.).
Es scheint, dass jetzt die finanziellen Bedingungen für den
Bau dieser Congobahn gegeben sind und es wird damit zweifel-
los ein bedeutimdes Stück Culturarbeit geschaffen, die freilich
erst ihre Zinsen in der Zukunft tragen wird. Aber der ganze
Crmgostaat ist ja Überhaupt für die Zukunft berechnet, und
man kann von einem Lande, welches man erst seit einem De-
cennium kennt, nicht schon goldene Berge erwarten.
Am Stanley Pool befindet sich die grosse Station Leo-
poldville und nicht weit davon in einer hübschen Gegend
die Station Kincliassa; ausserdem gibt es hier zwei Bap-
tisteumissionen, deren jede einen kleinen Dampfer besitzt. Auch
der Congostaat hat eine Anzahl Flusadampfer und kurz vor
unserer Ankunft war erst der neue Dampfer „Stanley" fertig
geworden, dessen Benutzung für unsere Expedition zugesagt
war. Die genannten Stationen befinden sich am Südostufer des
Pooles, das Nord- und Nordwestufer gehört zu Frankreich und
befindet sich daselbst die französische Station Brazzaville, und
in einiger Entfernung davon eine katholische Mission.
Der Pool selbst bildet eine seeartige Erweiterung des Congo
von nicht bedeutender Tiefe; zahlreiche Fische, Krokodile und
Flusspferdo beleben denselben uod auf den flachen mit Boras-
suspalmen bedeckten Inseln findet man eine grosse Ausbeute
von Wasser vögeln. Ziemlich mächtige, früher noch kriegerische
Stämme bewohnen die bewaldeten Ufer; zu unserer Zeit standen
97
dieselben alle auf bestem Fasse mit den Europäern und ver-
sorgten die Stationen reichlich mit Lebensmitteln. Die Neger
hier am Pool bilden im Handel nur die Unterhändler mit weiter
im Busch wohnenden Volksstiimmen, wo eich noch Elfenbein
findet ; dieses selbst geht durch viele Hände, ehe es in die
Faktoreien der Europäer kommt und wird infolge dessen sehr
vertheuert. Ein Handel mit anderen Produkten hat sich bisher
noch nicht entwickelt; dieselben vertragen den langen Land-
transport noch weniger als die werth volleren Zähne der Ele-
phanten.
Der Dampfer „Stanley" war bei unserer Ankunft noch
nicht bereit, um die Reise nach den Stanley-Fällen anzutreten,
und so waren wir genöfchigt bis Ende Dezember zu warten,
während welcher Zeit wir die Gastfreundschaft der Beamten
des Congostaates genossen. Leider erkrankten hier während
unseres Aufenthaltes mehrere Europäer sehr heftig; das Klima
im unteren Congobecken wie überhaupt im ganzen äqua-
torialen Afrika ist doch ein sclilechtes ; länger als einige Jahre
halten es wenige Europäer aus, dann müssen dieselben auf
einige Zeit nach Europa; aber auch nur solche Europäer kön-
nen hier leben, die vermöge ihrer Stellung in der Lage sind,
sich der schweren Handarbeiten zu enthalten ; es werden diese
Länder nie geeignet sein für mittellose Ackerbauer und Colo-
nisten, die mit ihrer Hände Arbeit den Boden bebauen müssen.
Es wird eben Aufgabe der dort lebenden Europäer sein, die
Neger zur Plautagcnwirthschaft anzuhalten, und an regel-
mässige Arbeit zu gewöhnen. "Wie schwer das ist, weiss jeder
Reisende und manche sind der pessimistischen Ansicht, dasa
dies nie möglich sein wird. Wenn ich nun auch keine allzu-
gute Meinung von dem afrikanischen Neger habe, so ist doch
die Thatsache nicht zu leugnen, dass durch den intimeren
Verkehr der Neger mit den Europäern die Bedürfnisse der
ersteren steigen, und zur Befriedigung dieser Bedürfnisse wird
endlich nichts anderes übrig bleiben als die Arbeit. Vorläufig
kann der Neger noch durch den sehr beliebten Zwischenhandel
seine ihm begehrens werth und nöthig gewordenen europäischen
Artikel erhalten; späterhin wird er es durch Ackerbau thun
müssen, denn die Zukunft des tropischen Afrika beruht nicht
auf dem jetzt üblichen primitiven Tausehhandel, sondern auf
gross angelegter Plantagenwirthschaft.
Am 29 Dezember 18S5 war der Dampfer „Stanley" endlich
soweit, um seine erste Reise zu den Stanley-Fällen antreten
zu kö'nuen. Das Schiff war sowohl mit Menschen wie mit
Lasten überladen; musste doch die wichtige Fallstation, die
seit vielen Monaten vom unteren Congo aus nicht mit Pro-
visionen und Waaren versorgt worden war, reich ausgestattet
werden ; der neue Stationsehef, sowie sein Untergebener waren
mit an Bord, dazu eine Menge Haussa- Soldaten, unsere Ex-
pedition mit allem Gepäck, sowie den Dienern und noch einige
Beamte des Congostaates für andere Stationen.
Die Fahrt durch den Stanley Pool ist recht schön. Die
imposante Wasserfläche, umrahmt von bewaldeten Bergen, die
langgestreckten palmenreichen Inseln, einzelne Negerdörfer an
den flachen Stellen des Ufers, dazu hin und wieder ein grosses
Canoe voll von Eingebornen, die stehend zu rudern gewohnt
sind, und ihre Arbeit mit monotonen Gesängen begleiten, das
alles von einer heissen Tropensonne beleuchtet, gibt ein in-
teressantes afrikanisches Bild, von dem der moderne europäische
Dampfer merkwürdig absticht. Diese Flussdampfer können nur
des Tages über verkehren, da gegen Abend an einer geeig-
neten Stelle gehalten werden muss, um Feuerholz zu schlagen;
es geht infolge dessen die Reise nicht sehr schnell und wir
brauchten 48 Tage, um die Strecke von Stanley Pool zu Stan-
ley-Falls zurückzulegen, allerdings inclusive eines mehrtägigen
Zeitverlustes durch Aufenthalt in einigen Stationen und durch
kriegerische Ereignisse am Amwiminuss.
Am 1. Januar des neuen Jahres erreichten wir eine kleine
Station an der Mündung des Kwaflusses (also der Vereini-
gung der beiden grossen südlichen Congozuflüsse Kassai und
Kuangwo). Am 4. Januar kamen wir an die jetzt verlassene
Station Bolobo; von hier an beginnt der Congo sich unge-
mein zu verbreitern und enthält zahlreiche Inseln. Solcher
grosser, lang gestreckter schmaler Inseln gibt es Hunderte
und reicht diese Neigung zur Inselbildung bis hinauf zu den
Stanley-Fällen. Nirgends hat man hier einen Ueberblick über
die ganze Breite des Stromes; diese letztere ist sehr bedeu-
tend und dürfte stellenweise der Breite des Stanley Pooles
nicht nachstehen; dagegen sind die Canäle zwischen den ein-
zelnen dicht bewaldeten Inseln oft recht schmal. Am 13. Januar
trafen wir auf der Aequator Station ein, von der es damals hiess.
sie solle, wie so manche andere Station, aufgelöst werden. Die
Fahrt durch diese dichten Urwald landschafteu ist grössten-
teils monoton und traurig, insbesondere fällt der Mangel an
Dörfern auf; die Mehrzahl derselben liegt landeinwärts und
man glaubt durch völlig unbewohnte Gegenden zu fahren.
Als Geld dient hier beim Verkehr mit den Eingebornen
theils dicker Messiugdraht, in Stücken von 5tf Centimeter Länge,
sogenannte mitakos, oder auch bunte Taschentücher; einige
Tagereisen oberhalb der Aequatorstat.ion gibt es Stämme,
die gern Kaurisclmeckcn nehmen und beim Volk der Bangala
Wcireii merkwürdigerweise neben den genannten Artikeln auch
leere grosse Glasflaschen, besonders ungefärbte, recht beliebt.
Diese wichtige Station Ibogo im Bangalaland erreichten
wir am 20. Januar. Die Leute sind sehr tapfer und kriegerisch
und gelten heute noch, wohl mit Recht, als Menschenfresser.
Der neue Commandant der Station Stanley-Falls machte bier
den Versuch, Bangalas als Arbeiter zu engagiren und es ge-
lang ihm in der That, einen Trupp von einigen 40 Leuten zu
bewegen, die Reise mitzumachen. Oberhalb der Bangalaneger
beginnen nun die stark mit Pallisaden befestigten Negerdörfer;
es sind ziemlich wilde und kriegerische Nationen, die da woh-
nen, besonders die Eingebornen in der Nähe des Aruwimi-
flusses, und hier war e3 auch, wo Stanley seinerzeit Ge-
fechte zu liefern hatte. Der an Bord befindliche neue Stations-
chef von Stanley-Falls hatte vom Gouvernement auch, die
Ordre bekommen, das Aruwimivolk zu züchtigen und es ge-
schah denn auch mit Zuhilfenahme der Haussa-Soldaten und
der Bangala in ausgiebiger Weise.
Am 14. FebruaT trafen wir endlich in der Station Stan-
ley-Falls ein. Es befanden sich daselbst zwei Europäer, ein
Schwede und ein Kugländer; ein anderer Schwede hatte kurz
vorher die Station verlassen, um über Zanzibar nach Europa
zurückzukehren.
Die Falls-Station machte einen hübschen Eindruck. Es ist
ein ebenes Terrain mit Gartenanlagen, etwas über dem höch-
sten Niveau des Stromes gelegen, und einigen allerdings sehr
einfachen Wohnhäusern. Der Fluss mit den gewaltigen Kata-
rakten gibt ein landschaftlich hübsches Bild, und die zahl-
reichen in lange weisse Gewänder gekleideten Araber und Zan-
zibariten, welche zu des grossen Händlers Tippo Tip Gefolge
100
gehören, stachen merkwürdig von der im Grossen und Ganzen
häss liehen Negerbevölkerung ab. Während sich die Falls-
Station (die bekanntlich infolge von Streitigkeiten zwischen
Tippo Tips Leuten und den Eurpäern zerstört worden ist)
unterhalb der Fälle am rechten Ufer des Congo befindet, haben
sich die Araber auf einigen Inseln und am linken Ufer des
Flusses oberhalb der Fälle festgesetzt. Die wichtigste Person
unter diesen Leuten ist zweifelsohne Tippo Tip, oder, wie
sein eigentlicher Name ist, Muhamed ben Muhamed, der glück-
licherweise, bei meiner Ankunft anwesend war. Es ist ein
Mann von etwa 50 Jahren, von schöner kräftiger Gestalt,
aber kein reiner Araber, sondern von ziemlich dunkler Haut-
farbe, ohne den eigentlichen Negertypus zu besitzen. Sein Be-
nehmen ist nicht unsympathisch, ein gewisses Selbstbewußt-
sein ist nicht zu verkennen, aber am meisten fällt auf bei der
Unterhaltung mit ihm ein gewisses unstetes Wesen, ein plötz-
liches Abspringen von einem Gegenstand auf den anderen. Er
spricht mit Vorliebe Kisuaheli (also Zanzibar), obgleich er auch
arabisch versteht, aber bei unserem Verkehr mit ihm bediente
er sich stets seines gut arabisch sprechenden Sekretärs, eines
äusserst verschmitzten und habgierigen Menschen, der mit
grösster Vorsicht zu behandeln ist.
Tippo Tip kam schon am Tage nach unserer Ankunft auf
die Station, um den neuen Dampfer zu besehen, und ich be-
nutzte sofort die Gelegenheit, um mein Anliegen betreffs einer
Reise nach Norden vorzubringen. Die Aussichten dafür waren
nicht günstig. Von den hier lebenden Negerstämmen ist wohl
Niemand zu bewegen, eine längere Tour in Gegenden zu unter-
nehmen, deren Bewohner man fürchtet. Tippo Tip selbst war
nicht in der Lage, nur eine genügende Anzahl von Trägern
und Soldaten zu stellen, da er die Aufforderung vom Sultan
von Zanzibar bekommen hatte, möglichst bald an die Küste
zu kommen. Tippo Tip will sogar schon vor längerer Zeit
einen grossen Trupp seiner Leute nach Norden geschickt haben,
um in das auch von ihm ersehnte Bilad Munsa, d. i. die
Monbuttuländer zu gelangen, aber er habe seit 10 Monaten
keine Nachricht von seiner Expedition erhalten. Er erklärte,
ohne sehr grosse Escorte könne man nicht dahin gehen, an-
dere Träger als seine Leute gäbe es nicht, und so müsse ich
entweder auf meinen Plan verzichten, oder warten, bis er von
101
Zanzibar zurückkomme, was übrigens unter anderthalb Jahren
kaum möglich war. Der Stationschef von Stanley-Falls bot mir
sogar einmal seine 30 oder 40 Baugala-Leute an, um wenig-
stens eine kürzere Tour nordwärts zu unternehmen, aber so
verwegen sich diese Leute auch sonst zeigten, dorthin wollten
sie nicht. Um nicht unnöthiger weise durch Warten Zeit zu
verlieren, entschloss ich mich einfach den Congo aufwärts nach
Nyangwe und Kasongo zu fahren, den beiden wichtigsten
Araberstädten am Lualaba-Congo, wo auch Tippo Tip sein
eigentliches Hauptquartier hat. Ich siedelte infolge dessen von
der Fallstation auf Tippo Tips-Insel über, nachdem ich mich
von meinem bisherigen Begleiter Herrn Baumann getrennt
hatte; die Schwäche desselben infolge eines heftigen Dysen-
terie-Anfalles war derart, dass er meiner Ansicht nach die be-
schwerliche Canoefahrt während der gerade herrschenden Regen-
zeit nicht hätte überstehen können.
Es verging noch einige Zeit, bis die für mich nöthigen
Canoes und Rudersclaven herbeigeschafft werden konnten. Tippo
Tip hat mir übrigens dieselben für eine mehr als vierzigtägige
Canoefahrt den stark strömenden Cougo aufwärts so gut
wie umsonst gegeben; denn die Geschenke, die ich ihm zu
geben in der Lage war, waren verschwindend klein gegen-
über den Summen, die Tippo Tip von Stanley, "Wissmann
und anderen Reisenden erhalten hat.
Die mächtigen, aus hartem rothem Sandstein bestehen-
den Stanley-Fälle bieten ein sehr pittoreskes und interessantes
Phaenomen. Inmitten der schäumenden "Wassermassen haben
die dort lebenden Eingebornen gewaltige Holzgerüste aufge-
richtet, an denen sie die grossen Korbe zum Fangen der Fische
befestigen. Fischfang ist die Hauptbeschäftigung dieser Leute;
mit getrockneten Fischen treiben sie eine Art Tauschhandel
mit den mehr landeinwärts wohnenden Eingebornen uud ihre
eigene Hauptnahrung sind Fische. Am häufigsten ist in diesen
Gewässern eine grosse, wohlschmeckende "Welsart. Die Araber
dagegen haben überall, wo sie sich ansiedelten, Reis angebaut;
Reis mit Huhn, Fleisch oder Fisch bildet die tägliche Nahrung
derselben. Kaffee, Thee und Gewürze beziehen sie aus Zanzi-
bar, ebenso den grössten Theil der Stoffe, mit denen sie Elfen-
hein einkaufen.
102
Der Chef der Fallstation hatte die Ordre, die Arabef am
weiteren Vorrücken den Congo abwärts zu verhindern, und
glaubte dies durch Aufstellung einiger Kanonen und mit Hilfe
einiger 40 Haussa-Soldaten ausführen zu können. So lange
ich an der Fallstation verweilte, brachen keine Streitigkeiten
aus, obgleich kleine Reibereien schon vorkamen. Tippo Tip
erklärte, er wolle mit den Europäern in Frieden leben. Kurz
nach meiner Abreise verliess auch Tippo Tip seine Insel, und
als ich lange Zeit später in Zanzibar ankam, erfuhr ich, v dass
der Krieg zwischen Arabern und Europäern ausgebrochen sei,
dass, wie gar nicht anders zu erwarten, die letzteren vertrie-
ben und die Station niedergebrannt worden sei. Dem Tippo
Tip war diese Nachricht offenbar unbequem und bei seiner
Anwesenheit wäre es wahrscheinlich nicht so weit gekommen.
Dass er sich an dieser Affaire unschuldig fühlt, beweist der
Umstand, dass er unbedenklich mit Stanley an den Congo
ging, zu dem Gouvernement sogar in ein gewisses Dienstver-
hältniss getreten ist und bereit erscheint, die guten Beziehun-
gen zwischen Arabern und Europäern wieder herzustellen. Bei
den jetzigen Verhältnissen ist der Congostaat absolut nicht im
Stande, den Arabern bewaffneten Widerstand entgegenzusetzen,
und so war es das einzig Richtige, einen so einflussreichen
Mann wie Tippo Tip für sich zu gewinnen.
Das ganze Leben und Treiben an der Fallstation wird in
erster Linie durch die zahlreichen Zanzibariten beeinflusst;
AD es ist schon grundverschieden von den westafrikanischen
Zuständen, ostafrikanischer Einfluss ist vorherrschend; man
sieht von Arabern importirte Pflanzen, die im Westen unbe-
kannt sind, die Schafe und Ziegen haben einen anderen Typus,
Binder aus Ostafrika sind eingeführt, Reisfelder erblickt man,
kurz man nähert sich jener grossen Grenzscheide zwi-
schen Ost- und Westafrika, die im Terrain durch eine
Reihe gewaltiger Binnenseeen dargestellt ist.
Am 30. März endlich des vorigen Jahres waren auf Tippo
Tips-Insel die Vorbereitungen für meine Reise vollendet. Er
hatte für mich drei grosse und schwere Canoes herrichten
lassen, die in der Mitte ein zeltartiges Segeltuch hatten gegen
Sonne und Regen. Die noch vorhandenen Waaren wurden
entsprechend vertheilt und jedes Canoe erhielt 6 — 8 Ruderer,
die theils vorn, theils rückwärts stehend, die schwere Arbeit
103
verrichteten. Es ist hier nicht der Baum für eine ausführliehe
Erzählung der langwierigen, mühesamen Canoefahrt, besonders
in der ersten Zeit war es schlimm, da häufig Regen fielen.
Die durchnässten Waaren mussten ans Land zum Trocknen
gebracht werden, die Zelte und Decken waren durchuässt, die
Gewehre rosteten, Provision und Munition verdarb und aller-
hand Unannehmlichkeiten kamen dazu. Dazu enorme Schwierig-
keiten bei Passirung der Katarakten und das Arbeiten gegen
die heftige Strömung. Das Rudern war in diesem Falle meist
unmöglich; die schweren Ganoes wurden mühsam an Sträu-
chern und Bäumen vorwärts gezogen, an das Land gehen war
unmöglich, da bei dem hohen Wasserstande des Congo die
Ufer weit hinein unter Wasser standen. Oefters wurde es fin-
stere Nacht, bis wir nur ein trockenes Fleckchen am Ufer
fanden, um Feuer anzuzünden und dann musste man gewöhn-
lich erst einen steilen nassen Lehmabhang hinaufklettern. Am
15. April endlich erreichten wir die arabische Ansiedlung Ki-
bonge, und hatten damit eine der schlimmsten Partien hinter
uns. Der Ort, sehr ausgedehnt, liegt auf dem flachen rechten
Ufer des Congo etwa unter 1° s. Breite, ist vielfach Ueber-
scliwemraungen ausgesetzt, deshalb ungesund, aber sehr gut
für Reiscultur, wie die grossen Reisfelder zeigen.
Ein mehrtägiger Aufenthalt war hier dringend geboten.
Am 21. April ging es weiter und am 2. Mai erreichten wir
nach einer verhältnissmässig bessern Fahrt eine zweite grosse
Araberniederlassung, Riba Biba, die erst vor fünf Jahren
gegründet worden ist. Von hier ab waren wieder Katarakte
zu überwinden und erst am 16. Mai spät Abends landeten wir
bei dem viel genannten und berühmten Nyangwe. Ich hatte
demnach volle 48 Tage Canoefahrt gebraucht, um stromauf-
wärts fahrend die Strecke Stanley Pool bis Nyangwe zurück-
zulegen.
Nyangwe liegt auf einem allmälig ansteigenden, schwach
hügeligen Terrain, das von einigen unbedeutenden Bächen
durchzogen ist. Der Ort bildet keinen zusammenhängenden,
stadtartigen Häuser complex, sondern besteht aus zahlreichen
Einzelgehöften, die zum Theil von Gärten umgeben sind, so
dass der Raum, welchen Nyangwe einnimmt, ein sehr grosser
ist. Weit ausserhalb der letzten Häuser beginnen dann die
Reisfelder und Bananenplantagen. Bewohnt wird Ny-
104
angwe von einer verhältnissmässig geringen Anzahl von ara-
bischen Kaufleuten, von denen jeder ein mehr oder weniger
grosses Gefolge von Zanzibariten und Negersklaven bei sich
hat. Jeder dieser Händler besitzt einen grossen Complex von
Lehmhäusern, die er mit seinen Leuten bewohnt; dazwischen
befinden sich noch Hütten von Eingebornen, die für die Araber
arbeiten. Die Zahl der Bewohner auch nur annähernd anzu-
geben, ist wohl nicht gut möglich, da täglich Veränderungen
infolge der Handelsreisen eintreten.
Der Platz hat übrigens viel an Bedeutung verloren, seit-
dem das einige Tagereisen südöstlich gelegene Kasongo so
gross geworden ist. Ich blieb auch nur einige Tage in Nyangwe
und erreichte bald das jetzt viel wichtigere Kasongo, wo Tippo
Tip und zahlreiche andere arabische Händler ihr Hauptquartier
aufgeschlagen haben. Ich erreichte diese Stadt, welche nicht
am Congo liegt, sondern etwa 15 Kilometer landeinwärts, am
23. Mai 1886 und damit hatte die beschwerliche Eiussfahrt ihr
Ende erreicht.
Im Gegensatz zu Nyangwe macht Kasongo mehr einen
stadtartigen Eindruck, da die Häuser in Strassen angeordnet
sind; der Raum in dem verhältniss massig engen Thale ist hier
beschränkt und die Gärten und Felder hegen ausserhalb auf
den umgebenden Höhen. Es ist ein wichtiges Centrum für
Elfenbein, und seine Lage von den Arabern geschickt gewählt.
Selbst wenn sich die Macht des Congostaates befestigt und
vergrössert, wird Kasongo für längere Zeit unabhängig bleiben;
ebensowenig können die Europäer von Zanzibar aus Emtluss
auf die hiesigen Verhältnisse ausüben.
Hier befand ich mich etwa in der Mitte des Continentes,
gleich weit entfernt vom atlantischen wie vom indischen Ocean
und es war interessant, zu erfahren, wie von hier die Com-
municationsverhältnissc mit Europa sind. Es gingen ungefähr
zu gleicher Zeit zwei kleine Carawanen Tippo Tips von hier
ab ; die eine mit Elfenbein nach Zanzibar, die andere mit
"Waaren und Provisionen zu den arabischen Niederlassungen
in Singitini (Stanley-Falls). Der letzteren Carawane gab ich
Briefschaften nach Europa mit, und eine Copie derselben auch
den nach Zanzibar ziehenden Arabern. Es hat sich später her-
ausgestellt, dass die über Zanzibar gehenden Briefe etwas
früher in Europa eingetroffen sind, als diejenigen, welche den
Congo hinab an die "Westküste Afrikas gingen.
105
Neben Tippo Tip leben liier noch eine Reihe von grossen
arabischen Händlern, echte Maskater-Araber von weisser Haut-
farbe, worauf sie sehr stolz sind. Ich will nur erwähnen die
Namen Chali'an ben Saher (oder Musungera), Said beu Muha-
med Mesrueh (oder Kasuenda), Said beu Habib, Said Soliman
u. A. m., die durchaus nicht immer als gute Freunde Tippo
Tips zu betrachten sind ; nur können sie gegen seineu EinHuss
und seine Macht jetzt nicht viel thun.
Von Kasongo musste ich nun den Landmarsch nach dem
Taugaujika unternehmen und bedurfte dazu Träger. Die Araber
versprachen mir auch, natürlich gegen Bezahlung, solche zu
liefern, aber es vergingen Wochen, ehe ich mit der Zusammen-
stellung der Carawane zu Ende kam. Der Aufenthalt in Ka-
songo erwies sich nachgerade als unangenehm und ungesund ;
wenn wir auch von keiner schweren Krankheit erfasst wnrden,
so fühlten wir uns doch in den dem Luftzuge sehr ausgesetz-
ten Wohnhäusern aus lufttrockenen Ziegeln recht unbehaglich;
wiederholt wurden wir durch ganz in der Nähe ausbrechende
Feuersbrünste erschreckt, das Bedenklichste aber war die hier
herrschende Pockenepidemie. Weit ausserhalb der Stadt er-
blickt man zahlreiche elende Strohhütten, in deneu die Kran-
ken ohne Pflege lagen und meistens starben. Aber auch in
der Stadt hatten wir täglich Todte und schliesslich brachen
die Pocken bei meinen Dienern von der Westküste aus. Der
Diener Bey war der erste, der von der Krankheit erfasst wurde
und der auch starb. Wenige Tage vor meiner Abreise wurden
zwei andere Diener krank, und da ich unmöglich in dem un-
gesunden Orte warten konnte, liess ich dieselben unter ver-
hältnissmässig guter Pflege zurück ; sie sind auch geuesen
und mir später nachgekommen.
Für den Laudmarsch zum Taugaujika hatte ich einige
80 Träger engagirt, es liefen aber noch eine ganze Anzahl
Burschen mit, so dass wir eine ziemlich grosse Carawane
bildeten.
Mittwoch den 30. Juni konnte ich endlich den mir recht
unsympathisch gewordenen Ort verlassen. Für die Zurück-
legung derStrecke zwischen demGongo und dem West-
ufer des Tanganjika brauchte ich 40 Tage; das Terrain,
welches wir in südöstlicher Richtung durchzogen, bildet eine
nach Osten zu ansteigende Plateau-Landschaft, durchsetzt von
einzelnen Höhenzügen, deren Höhe zunimmt, je mehr man
sich dem Tanganjika nähert: der Abfall der Berge nach dem
See zu ist ein ziemlich steilei-. Es ist eine Waldlandschaft,
aber nicht in dem Sinne, wie die undurchdringlichen feuchten
Urwälder im Congothal, sondern ein hübscher, offener Hoch-
wald, von stellenweise parkartigem Charakter. Infolge der bis
zu mehreren Tausend Fuss steigenden Seehöhe ist die Tem-
peratur erträglich und der Marsch nicht besonders beschwer-
lich. Auffallend ist nur der Mangel an Bevölkerung. Um einen
sicheren Carawanenweg für ihr Elfenbein vom Congo bis zum
Tanganjika zu haben, ist von Arabern das ganze Terrain von
den Buschvölkern gesäubert worden, die jetzt weit weg in den
bewaldeten Bergen wohnen. Von Zeit zu Zeit findet man einen
kleinen von den Arabern befestigten Ort, ein sogenanntes
Fundi, mit einigen Zanzibariten als Garnison, deren Aufgabe
es ist, den Weg bis zum nächsten, meist einige Tagereisen ent-
fernten Fort sicher zu halten. Denn manchmal versuchen doch
einige der wilden Negerstämme (allgemein Wajensi genannt),
aus den Bergen herabzukommen und eine Carawane anzu-
greifen. Im Anfang der Reise stiessen wir fast täglich auf ein
solches Fundi ; später wurden sie seltener und einmal hatten
wir vier volle Tage zu reisen, ohne einen Menschen zu sehen.
Diese Menschenleere ist für die Reisenden sehr unangenehm
wegen der Ernährung der Träger; die Leute müssen neben
ihrer Last auch noch eine Menge Lebensmittel tragen, mit
denen sie übrigens nie sparsam umgehen, so dass ich in den
letzten Tagen häufig Klagen über Hunger hörte.
Zu all dem trat nun noch etwas ein, was mir diese Tour
zu der unangenehmsten während der ganzen Expedition machte:
die schon in Kasongo herrschende Pockenepidemie trat auch
unter meinen Leuten auf. Die wenigen von der Westküste
mitgenommenen Diener wurden krank und einer davon, Tho-
mas, starb, wärend ein anderer nur mit genauer Noth dem
Tode entging. Von den Trägern fehlte fast jeden Tag einer
und es müssen gewiss gegen 30 Leute von meiner Carawane
gestorben sein. Die Leute schleppten ihre Last so lange es
nur anging, den ganzen Körper mit Blattern bedeckt, und
vergeblich waren meine Bemühungen, die kranken von den
gesunden zu trennen; die Gleichgültigkeit, und der Stumpfsinn
der Leute war zu gross. Wegen der dünnen Bevölkerung und
107
dem Mangel an Lebensmitteln war es auch gar nicht möglich,
längere Zeit an einem Orte zu halten, um die Genesung der
Krauken abzuwarten; die Gesunden wurden sich entschieden
geweigert haben, ohne genügende Nahrung auch nur eiuen
halben Tag im Busch zu warten. Verschiedeneu Carawanen,
denen wir begegneten, ging es übrigens nicht besser, alle
führten Blattemkranke mit sich. Tippo Tip hat Kasongo etwa
eine Woche vor mir verlassen mit einer sehr grossen Carawane
und er soll mehr als hundert Menschen verloren haben. Bei
einem solchen Landmarsche ist es fast unmöglich, die Träger
zusammenzuhalten. "Wenn die Leute wissen, dass der Weg
sicher ist, so löst sich das Ganze in eine lange Kette auf und
während die Ersten bereits an dem Platze sind, wo für die
Nacht ein Bivouak hergestellt werden soll, dauert es manchmal
ein paar Stunden, bis die Letzten kommen. Gestohlen wird
übrigens von diesen Trägern nichts ; es sind fast alle Sclaven
der Araber und sie fürchten die Strafe zu sehr.
Am 8. August langte ich endlich am Westufer des Sees
an in der Nähe des Ortes Mtowa. Früh Morgens hatte ich die
Höhen erstiegen, welche den See vom Mutondotkale trennen
und hatte hier allerdings einen entzückenden Anblick auf die
gewaltige Wasserfläche, die sich nach Osten und Süden hin
ausbreitete, auf die Höhenzüge im Westen und die kleinen
Felseninseln, und auf freundliche Ortschaften inmitten von Ge-
treidefeldern und Bananen hainen.
Auf einer dieser Felseninseln, Namens Kavala, die man in
kleinen Booten inii— 4Stunden von Mtowa aus erreicht, wohnt seit
Jahren ein englischer Missionar mit Weib und Kind, Mr. Höre,
von der Londoner Mission Society, der vortheilhaft bekannt
ist wegen der gründlichen Kenntniss des Tauganjikasees und
der sorgfältigen Aufnahmen dieses Sees. Mr. Höre beschäftigte
sich zur Zeit mit dem Zusammenstellen eines kleinen See-
dampfers „Good-Hopes", unterstützt von seinem Collegen Mr.
Swann. Es ist kein schöner Aufenthalt, diese Felseninsel, wo
kaum genügender Baum ist, um Häuser zu bauen oder Gärten
anzulegen: die Missionsstation war früher am Festlande bei
Mtowa, aber es soll dort weniger gesund sein als auf der Insel,
man findet aber hier wie dort Grabstätten von Europäern.
Von den zahlreichen Missionaren, die seinerzeit hierhergeschickt
worden waren, ist Mr. Höre der einzige, der noch geblieben
ist: die anderen sind theils gestorben, theils schwer krank
nach Europa zurückgekehrt. Mr. Höre, der diese Insel zum
Aufenthalt gewählt hat, weil hier genügend tiefes Wasser und
eine geschützte Bucht für den Dampfer ist, sollte meiner An-
sicht nach bald nach Europa zurückkehren; ich fand seinen
Gesundheitszustand nicht besonders und er hat genug gear-
beitet in Afrika, um sich aus diesem doch für die Dauer un-
erträglichen Klima zurückziehen zu dürfen.
Von dieser Insel Kavala fuhr ich nach der nordöstlich ge-
legenen vielfach bekannten Stadt Udschidschi am Ostufer des Sees,
um mit den Arabern, speciell mit Tippo Tip, über eine even-
tuelle Reise nach Norden zu conferiren. Die Ueberfahrt kann
man mit dem um diese Zeit herrschenden Südwind in 20 — 24
Stunden zurücklegen; umgekehrt brauchte ich später einmal
bei der Rückkehr von Udschidschi nach Kavala vier volle Tage !
Udschidschi ist eine hübsche grosse Stadt in derselben Weise
angelegt wie Nyangwe, d. h. nicht mit Strassen artiger Anord-
nung der Häuser, sondern es sind grosse Gehöfte, zwischen
denen sich Gärten und Felder finden, so dass Udschidschi einen
grossen Raum bedeckt. Ich erhielt, dort angekommen, von einem
Halbblut-Araber, Namens Hassan, dem Eigenthümer der von
mir benutzten Segelbuote, ein grosses Haus; auch liess er es sich
nicht nehmen, uns während der ganzen Zeit mit reichlicher
und vortrefflicher Nahrung zu versehen; diese Kosten hat er
dafür natürlich durch enorm hohe Bootspreise reichlich heraus-
geschlagen, aber das Prestige der muhamedanischen Gast-
freundschaft war doch gewahrt.
Die Nachrichten, die ich hier vorfand, waren nicht erfreu-
licher Natur. Ich erfuhr die Ermordung des Bishop Hau-
nington, und die Kriege der Waganda mit dem Land Unioro,
die Vertreibung der europäischen Kaufleute aus Tabora und
Aehnliches; Tippo Tip war schon abgereist und hatte mich
seinem Geschäftsfreund Muhamed bcn C'halfau empfolden. Dieser
hatte aber gleichfalls schon die Stadt verlassen, als er meine
Ankunft vernahm und es machte mir den Eindruck, die Leute
seien mir aus dem Wege gegangen, um mir einen Wunsch
nicht abschlagen zu müssen. Ich erfuhr dann bei näherer Er-
kundigung, dass der Weg vom Tanganjika nach Norden zu
überhaupt nicht offen ist, und dass Muhamed ben Chalfan
eben im Begriff stehe, einen grossen Kriegszug in das Land
109
Ruanda zu unternehmen, von wo er schon zweimal mit Ver-
lusten zurückgeschlagen worden war. Bei diesen Kriegszügen
lieben die Araber die Anwesenheit von Europäern offenbar
nicht.
Nachdem die Versuche, nordwärts vorzudringen, sich unter
den für mich gegebenen Verhältnissen weder von den Stanley-
Falls, noch vom Tanganjika als realisirbar zeigten, musste ich
einen ganz anderen Plan entwerfen, um die noch vorhandenen
Mittel und Zeit möglichst nutzbringend anzuwenden. Ein
monatelanges Warten auf Aenderung der Verhältnisse hätte
doch zu nichta geführt, ein langer Aufenthalt au einem
Orte schädigt nur die Gesundheit, und darauf musste ich be-
sonderen "Werth legen, da hier in Udschidschi mein Begleiter
Bohndorf von einer schweren Krankheit erfasst wurde, an der
er monatelang litt und die ihn zu Allem unfähig machte. Trotz
des fast 4000 Euss über dem Meere gelegenen Terraius sind
diese Gebiete doch für die Europäer ungesund. "Wie an den
Küstenregionen, so können die Weissen auch hier im besten
Falle nur ein paar Jahr aushalten und dann müssen sie zurück.
Die ungeheure Entfernung von der Küste und der beschwer-
liche Marsch bringen es mit sich, dass die meisten Europäer
schon krank und erschöpft hier ankommen und dann von den
klimatischen Krankheiten heftiger angegriffen werden als au-
derswo.
Da der gewöhnliche Carawanenzug von Udschidschi über
Tabora nach Zanzibar schon oft zurückgelegt worden ist, so ent-
schloss ich mich, eine weniger bekannte Route zu wählen, und
zwar die Ronte vom Südende des Tangan jikasees zu dem Nyassa-
see ; von da den Nyassasee abwärts bis dahin, wo der Sekire-
fluss demselben entströmt ; diesen Fluss abwärts fahrend, kann
man dann in den Zambesi kommen und von da aus die Osfc-
küste des afrikanischen Continentes erreichen.
Die Fahrzeuge, welche am Tanganjika gebräuchlich sind,
bestehen aus einem grossen von den Negern construirfcen Canoe,
welches durch zanzibaritische Zimmerleuto durch Ansetzung
von Planken. Anbringung einer Steuervorrichtung und eines
Halbdeckes zu einem ziemlich grossen Boot umgewandelt wird.
In der Mitte befindet sich ein verhaltnissmässig hoher Mast
mit einem colossalen viereckigen Segel. Bei Windstille wird
gerudert und ist jedes Boot demzufolge mit 16 — 20 Negern
oder Zanzibariten bemannt. Die Fahrt in diesen Canoes ist
nicht ungefährlich ; die Stürme auf dem See sind oft sehr hef-
tig, die Bewegung des Wassers eine grosse, so dass in diesen
Fällen die Leute irgend eine passende Stelle am Ufer aufsuchen,
um besseres Wetter abzuwarten. Mein Gastfreund Hassan in
Udschidschi lieferte mir ein solches Boot mit 18 Mann zu der
Fahrt den Tanganjika entlang bis zum Südufer des Sees, wofür
ich denselben in Waaren (americani) bezahlte, die an Ort und
Stelle einen Werth von 5 — 600 Dollars Tep rasen tiren.
Nachdem ich in Udschidschi Alles erledigt hatte, kehrte ich
mit dem gemietheten Boot in das gastfreundliche Haus des Mr.
Höre in Kavala zurück, wo die in Kasongo wegen Pocken-
krankheit zurückgebliebenen Diener von mir unterdess ein-
getroffen waren und am 8. September war Alles zur Abreise
bereit. Unser Ziel ist die Bai von Niormkolo am Südnfer des
Sees, wo für einige Zeit eine englische Mission sich befand;
der dort lebende Missionar ist gestorben und sein Grab steht
daselbst einsam inmitten der Wildniss, weit entfernt von be-
wohnten Ortschaften. Mit mir zugleich verliess der früher er-
wähnte Mr. Swann Kavala, aber schon am zweiten Tage un-
serer Seefahrt wurden unsere Boote in der Nacht durch einen
heftigen Sturm getrennt und wir fanden uns erst viele Wochen
später am Nyassa-See wieder zusammen.
Die Fahrt dauerte 11 Tage, allerdings nicht ununterbro-
chen, da wir öfters an irgend einer Stelle des Ufers längere
Zeit anlegen mussten, um günstigen Wind zu erwarten. Am
13. September erreichten wir die ehemalige belgische Station
Karema, an der Ostseite des Sees, die wie das am gegen-
überliegende Westufer gelegene Mpalla von dem belgischen
Capitän Storms gegründet und wiederholt gegen die räube-
rischen Einfälle von wilden Bergbewohnern vertheidigt worden
ist. Der Congostaat hat diese Stationen aufgegeben und das
gesammte Terrain mit den stark befestigten Gebäuden einer
französischen Missionsgesellschaft überlassen. Diese Gesellschaft
hat am Tanganjika drei Stationen und versucht jetzt auch am
unteren Congo sich festzusetzen.
Die Negervölker, welche die Randgebirge zwischen Udechi-
dschi und Kareina bewohnen, sind sehr unbändig und noch nicht
einmal von den Arabern gezähmt worden; die friedlichen Be-
in
wohner bei Karema leben alle in stark befestigten Dörfern,
da Ueb er fälle gar nicht so selten sind.
Am 18. September frühzeitig erreichten wir nach ziem-
lich stürmischer und unbequemer Fahrt den hinter einer kleinen
Reihe Felseninseln versteckten Hafen von Nioimkolo. An dem
öden, unbewohnten Strand wurden nun Zelte errichtet und
einige nothdürftige Hütten für meine Diener construirt; denn
das Boot mit den Zanzibariteu fuhr noch denselben Tag, als
es uns abgesetzt hatte, wieder nach Udschidschi zurück. Auf den
kleinen benachbarten Inseln lebt eine unangenehme, hässliche
Xegerbevölkerung, deren Häuptlinge unter sich in beständiger
Fehde liegen und die nur von Seeraub und Fischfang leben.
Die Inseln sind zu felsig, um etwas anbauen zu können, Fische
sind fast die einzige Nahrung dieser Leute, die mit Vor-
liebe schwach bemannte vorüberfahrende Canoes anfallen und
plündern.
Es galt nun für mich Träger zu gewinnen für den Land-
marsch zum Nyassa-See und ich schickte täglich in die ver-
schiedenen, viele Stunden entfernten Dörfer herum, aber oft
vergebens. Es meldeten sieh immer nur einige wenige Leute,
die mit einer Art Häuptling ankamen, der Geschenke erpresste,
und erst nach 10 Tagen höchst lästiger Werbungen fand ich
eine Anzahl Menschen, die bereit waren, mein Gepäck nach
dem 2 — 3 Tage entfernten Orte Famho zu tragen. Es waren
aber bei weitem nicht genügend und die Tour hätte mehrmals
gemacht werden müssen. Den ersten Transport schickte ich
unter Aufsicht meiner Diener, die aber nur bis zum Orte
Mpensa kamen und dort aufgehalten wurden, da die Leute von
Mpensa mit denen von Fambo im Kriege lebten. Einige Tage
später ging ein zweiter Trausport mit Bohndorf ab, der in der
[fiüigcmatte getragen werden musste, wozu die Neger schwer
zu bewegen waren. Unterdess kam plötzlich ein Trupp Mpensa-
Leute an, die den Rest meiner Sachen nahmen und nach aller-
hand Mühseligkeiten und Erpressungen dieser boshaften Noger-
bevölkerung war ich endlich am 29. September in dem mit
dichten und hohen Holzpallisaden eingeschlossenen grossen
Dorfe des Sultans Mpensa installirt. Von hier bis zum Orte
Fambo waren nur einige Stunden Weges, zwischen beideu
Orten liegt nur ein Berg. Die Mpensa-Leute erklärten sich uns
bereit, mein Gepäck bis auf den halben Weg, etwa l'/a Stunde
112
weit zu tragen. So geschah es auch; als wir den Pass des
Gebirges erreicht hatten, warfen sie die Lasten in den Busch
und rannten eiligst in ihr befestigtes Dorf zurück. Ich schickte
nun einige meiner Diener nach Fambo und nach einigen Stun-
den kam auch ein Trupp Fambo-Leute, nahmen die "Waaren
und liefen eiligst in ihr gleichfalls befestigtes Dorf. Die Neger
hier leben in beständiger Fehde, jedes Dorf abgeschlossen für
sich, ohne Vorkehr mit einander.
In dem reizend gelegenen Doppeldorf Fambo traf ich
endlich einen etwas vernünftigeren Chei, der mir Träger ver-
sprach und zwar direkt bis zum Nyassa. Ich engagirte gegen
60 Mann in der "Weise, dass ich ihnen einen kleinen Vorschuss
an Waaren gab und den Rest der Bezahlung am Nyassa zu
erlegen zusicherte. Ich fand auch bald genügend Leute, aber
schon nach den ersten zwei Tagen war mehr als die Hälfte
derselben davongelaufen. Bis an den Nyassasee brachte ich
nur einige zwanzig Mann, und die mit, grosser Mühe; sie hat-
ten Angst, dass sie bei der Rückkehr angefallen und ausge-
raubt, wenn nicht gar zu Sclaven gemacht werden könnten.
Der ganze Landmarsch von Niormkolo zum Nyassa dauerte
22 Tage und ich fand hier immer nur Träger, die 2 bis 3 Tage
weit gingen; es war oft recht mühsam, neue Träger zu be-
kommen, da die Furcht der Leute vor einander zu gross war.
Besonders schwierig war es, Träger für die Hängematte Bohn-
tlorfs zu erhalten, da sich die Neger vor dem schwer kranken
Europäer fürchteten. Diese Art von Transport vertheuert
natürlich das Reisen beträchtlich und ich hatte schliesslich bei
meiner Ankunft am See nicht Stoffe genug, nm die mir treu
gebliebenen Fambo-Leute zu bezahlen.
Es ist ein schönes und interessantes Stück Land, diese
Gegend zwischen den beiden gewaltigen Seebecken, gegen
4000 Fuss hoch gelegene Plateaus mit schönem nicht zu dich-
tem Hochwahl bewachsen, von parallelen Gebirgsketten durch-
zogen , mit zahlreichen , frisches , stark strömendes Wasser
führenden Bächen und Flüssen, aber dünn bevölkert. Wilde
Bergstämme kommen öfters in die Ebenen herab, zerstören
die Dörfer, tödten die Männer und führen Frauen und Kinder
in die Sclavevei. Verschiedene dieser zerstörten und verlasse-
nen Ortschaften passirten wir. Die Temperatur auf diesen
Plateaus war angenehm, in den frühen Morgenstunden ge-
113
wohnlich sehr kalt, und im Grossen und Ganzen schien mir
diese Landschaft die gesündeste von allen bisher durchzogenen
Gebieten zu sein. Die Berge nehmen an Höhe zu, je mehr man
sich dem Norduf'er des Nyassasees nähert und hei Miuiawanda
erreichen die höchsten Spitzen gewiss 8 — 9000 Fuss. Kry-
stallinische Schiefer und besonders mächtige Quarzitmassen,
auch Granite herrsehen vor, aber ebenso trifft man Eruptiv-
gesteine. Tu der Nähe des Nordufers des Sees treten sogar
Sediment ärformationen auf, geschichtete sandige Kalksteine
mit sehr undeutlichen Muschelabdrucken, so dass es kaum
möglich erscheint, das geologische Alter dieser Ablagerung zu
bestimmen.
Am 4. Oktober passirten wir eine nach meinen Beobachtungen
5300 Fuss hoch gelegene offene Plateaulandschaft, die eine
interessante Wasserscheide bildet; der kleine Fluss Saisi
mit einigen Bächen geht uordwih'ts in den noch wenig be-
kannten Leopoldsee, die darauf folgenden Flüsse gehen süd-
wärts und vereinigen sich zum Gbambesi. Da dieser in den
Bangweolosee mündet und dieser See selbst am Südwest-
ufer einen Ausfluss hat, der mit dem Luapula in Verbindung
steht, dieser Luapula aber später nach seiner Vereinigung mit
dem Lualaba den Congo bildet, so hatten wir eines der Qu eil-
gebiete des mächtigen Congostromes passirt.
Auf dieser Reise, die nur durch die fast sich jeden zweiten
Tag wiederholende Trägerfrage einige Unannehmlichkeiten
bot, hatte ich noch das Unglück, einen dritten meiner von
Westafrika mitgenommenen Diener zu verlieren, der seiner
hochgradigen Schwindsucht nach Monate langen Leiden erlag.
Am Sonntag den 17. Oktober gegen Abend kam ich end-
lich in der Station Nkonde am Nordwestufer des Nyassasees
an, nachdem ich noch einen ermüdenden Marsch von 3 Uhr
früh bis Nachmittags 5 Uhr zurückgelegt hatte. Nkonde ist eine
Handelsstation der African Lakes Company, einer schottischen
Gesellschaft, die in engster Verbindung steht mit der am
Nyassa wirkenden schottischen Missionsgesellschaft Living-
stonia. Ein hervorragendes Mitglied dieser Handelsgesellschaft
und ein eifriger Förderer von Missionsbe^trcbungen hat vor
einer Reihe von Jahren Ingenieure hierher geschickt, um eine
Strasse zwischen Tanganjika und Nyassa zu bauen; man hat
eine wirkliche Kunststrasse über die hohen Berge zwi-
F ernst hau III, y
114
sehen Nkonde- und Miniawanda gebaut, aber ein Ingenieur
naeli dem andern starb, und die Tausende von Pfund Sterling,
die dafür verausgabt wurden, sind doch jetzt fast verlornes
Geld; denn wenn die Strasse nicht erhalten wird, muss sie
bald zu Grunde gehen. Es ist ungefähr der zehnte Theil der
ganzen Strecke zwischen den beiden Seen, über welche diese
Strasse führt, oder richtiger, wo man noch Spuren derselben
sieht; jetzt hat man die ganze Sache fallen lassen.
Ich fand in der Station eine Reihe von Europäern, vor-
herrschend schottische Missionare, und auch das kleine Boot,
die „Hala", war anwesend. Nkonde besteht erst seit kurzer
Zeit, aber es hat sich dort bereits ein sehr lebhafter Elfen-
beinhandel entwickelt, der noch bedeutendere Dimensionen
annehmen könnte, wenn die Station genügend mit "Waaren
versehen wäre. Interessant war es mir hier bereits Araber zu
treffen, die von Zauzibar über Unianembe und Tahora bis
hierher vorgedrungen waren und ihr Elfenbein statt nach
Zauzibar zu schicken, an die Engländer verkauften.
Die Fahrt den Nyassasee hinab vom Nordufer bis zu der
am Südende gelegenen ehemaligen Missionsstation Living-
stonia nahm fünf Tage in Anspruch. Etwa auf der Mitte
des Weges findet sich am Westufer die Missionsstation Ban-
dana, eine ziemlich gross angelegte Niederlassung mit schönen
grossen "Wohnhäusern, die unter der Leitung von Dr. Laws
steht. Derselbe lebt schon seit einer Reihe von Jahren am
Nyassa und hat sich um die Verbesserung der dortigen Ver-
hältnisse sehr verdient gemacht.
In den Bergen landeinwärts wohnen die Mangoni, ein
äusserst wilder und verwegener Stamm der Sulu-Kaffern,
die oft verheerend unter die armselige Seebevölkerung ein-
fallen und rauben und morden, was ihnen unter die Hände
fällt. Es ist ein tapferes Volk, welches es verabscheut, Ge-
wehre im Kampfe zu benutzen ; sie haben nur Assagai und
Schild, sind aber allgemein gefürchtet. Sie kommen öfters in
grossen Trupps die Berge herab und schlachten die Bewohner
eines Dorfes ab aus blosser Mordsucht, ohne Sclaven zu machen.
An vielen Punkten des Nyassa sieht man daher echte Pfahl-
bauten, auf welche sich die wehrlose Bevölkerung der Ufer
flüchtet, wenn die Mangoni im Anzüge sind. Die kleinen
Eelseninseln am Westufer des Sees sind gleichfalls mit den
115
dürftigen Hütten der Eingebornen besetzt, um vor den Kaffern
Schutz zu finden. Erst kurz vor meinem Besuch in Bandana
war ein Trupp dieser Leute bis nahe an die Missionsstation
gekommen und hatte eine Anzahl Weiber und Kinder abge-
schlachtet. Jetzt versuchen die schottischen Missionare unter
diesem Volk Stationen anzulegen, um durch ihren. Einfluss
diese Art von Ueberfällen zu verhindern. Europäer sind üb-
rigens von den Mangoni bisher noch nicht getödtet worden,
sie wollen nur die unglücklichen Seebewohner vernichten. Es
ist, wie erwähnt, ein Stamm der Sulu-KafFern, der weit .aus
dem Süden kommend, sich seit einer Reihe von Jahren hier
festgesetzt hat.
Die Station Livingstonia, wo ich am 23. Oktober ein-
traf, hat eine sehr schöne Lage, am Fusse eines hohen Berges
inmitten einer reichen Vegetation. Aber der Ort hat sich als
xmgesund und besonders als glühend heiss erwiesen, und so
verfallen jetzt die hübscheu Häuser der Missionare; man hat
Alles nach Band an a verlegt, ein Ort, der vielleicht weniger
heiss ist, aber einen unfruchtbaren sandigen Boden besitzt,
so dass die Anlage von Gärten grosse Mühe verursacht. Gegen-
über der Station Bandana, am Ostufer des Sees, befindet sich
auf einem kleinen Eilande eine andere englische Mission, der
"Üniversity-Mission-Society gehörig, die gleichfalls einen kleinen
Seedampfer besitzt.
Am 2ö. Oktober verliessen wir die ehemalige Missions-
station Livingstonia und fuhren in den Schirefluss ein, der
eiuen Ausnuss des Nyassasees bildet und sich weiterhin mit
dem mächtigen Zambesi verbindet. Nach nur mehrstündiger
Fahrt erweitert sich der Schire nochmals zu dem kleinen äus-
serst flachen Pamololo-See, der stellenweise kaum vier Fuss
Wasser hatte und aus dem während der trockenen Zeit aus-
gedehnte Sandbänke hervorragen. Die Gegend ist ziemlich gut
bewohnt, Fischfang, Jagd und etwas Ackerbau bilden die
Hauptbeschäftigung der hier wohnenden Negerstämme. Der
schmale Schirefluss bildet zahllose sehr scharfe Biegungen ; er
ist angefüllt mit Flusspferden und von den zahlreichen Flüssen
Afrikas, die ich schon gesehen habe, ist mir keiner so reich
an diesen gewaltigen Tb i er en erschienen wie der Schire; ebenso
sieht man zahlreiche Krokodile.
116
Ära 26. Oktober Abends erreichten wir die Station Ma-
tope, wo die African-Lakes- Company ein kleines Stationshäus-
cben bat. Unterhalb Matope gibt es Stromschnellen, die Mur-
chisonfälle, nicbt sebr bedeutend, aber doch hinreichend gross,
um die Schifffahrt unmöglich zu machen. Es mussten nun die
Waaren ausgeladen und mit Hilfe von Trägern nach dem
zwei kleine Tagereisen entfernten Orte Mandala geschafft,
werden.
Mandala ist die Hauptstation der Africn.n-Lakes-Company ;
dickt dabei ist die grosso Missionsstation Blantyre, genannt,
nach dem kleinen schottischen Dorfe, in welchem Living-
stone geboren wurde. Die hoch und anscheinend recht gesuud
gelegenen Handels- und Missionsstationen sind vorzüglich ein-
gerichtet; die Gegend ist. überaus schön, eine herrliche ebene
Parklandschaft, umrahmt von pittoresken Bergen und durch-
flössen von kühlen kristallklaren Bächen, und dabei mehr als
3000 Fuss über dem See gelegen.
Auf Drängen der Lakes-Company und der Missionare hat
die englische Regierung sogar einen besoldeten Consul hierher
versetzt. Da das Land politisch Niemand gehört, die Meeres-
küste aber, von wo aus man es am schnellsten erreicht, portu-
giesischer Besitz ist, so scheint der englische Consul nur hier-
her versetzt worden zu sein, um den Transport von Sklaven
an die Küste zu verhindern. Der Sitz des Consuls war bisher
Mandala, seit kurzem aber hat man einen drei kleine Tage-
reisen nördlicher gelegenen Punkt, zwischen Sehire und Schirwa-
See, gewählt, wo jetzt mit bedeutenden Kosten ein Consulats-
gebäuefe errichtet wird. Der Ort hegt noch bedeutend höher
und soll sehr kühl sein ; in der Nähe haben einige Engländer
Zuckerrohr- und Kaff eeplan tagen angelegt.
Mandala ist also der Centralpunkt der schottischen Han-
delsgesellschaft und hier kommen die Produkte aus den Fak-
toreien zusammen, um an die Küste befördert zu werden. Es
sind dies vorherrschend Zähne von Elephanten und Fluss-
pferden, Kautschuk, Sesamöl, Erdnüsse, Felle. Neuerdings hat
man auch Kaffceplantagen angelegt, es muss sich aber erst
zeigen, ob das rentabel ist.
In der prachtvoll eingerichteten Mission Blantyre mit
ihren schönen luftigen, aus gebrannten Ziegeln gebauten Häu-
sern befindet sich ein reizend gehaltener grosser Ziergarten,
117
grosse Alleen von Eucalyptus- Bäumen, Gemüsegärten, Getreide-
felder; selbst ein Arzt befindet sich daselb3t, so dass die Mis-
sionare in dieser verhältnismässig gesunden Gegend mit allem
europäischen Comfort ausgestattet ein recht bequemes Leben
haben. Dagegen ist die Negerbevölkerung in der Umgegend
eine wenig sympathische; selbst die mehrere Tagereisen weit
entfernten Mangoni standen schon einmal mit einem grossen
Trupp wilder Krieger dicht vor Mandala und konnten nur
mit Mühe zum Rückzug veranlasst werden.
Da ich von Mandala und der African-Lakes- Company
spreche, muss ich auf einen Umstand aufmerksam machen, der
wohl den meisten Reisenden, besonders denjenigen, welche von
der SO überaus gastfreien afrikanischen Westküste kommen,
unbekannt sein durfte. Der Aufenthalt in den Faktoreien dieser
schottischen Handels- und Missionsgesellschaft, sowie die Fahrt
auf deren Schiffen nmss bezahlt werden, und ich erhielt vor
meiner Abreise von Mandala eine Rechnung von mehr als
200 Pfund Sterling. Ich will durchaus nichts gegen diese
Einrichtung und die Höhe der Summen sagen, nur halte ich
es für angezeigt, dass die Agenten in Nkonde den Reisenden
hierüber informiren. Man ist in Westafrika ganz andere Ver-
hältnisse gewöhnt und Mancher würde wohl seine Reise anders
einrichten, wenn ihm bekannt wäre, dass eine Person 50 Pfund
Sterling nebst einer sehr hohen Summe für das Gepäck nebst
„bo&rding" zu zahlen hat, um vom Nyassa an die Küste zu
gelangen.
Von der grossen Mandala-Station mussten nun die Waaren
wieder durch Träger nach der zwei kleine Tagereisen entfern-
ten Station Katunga's am Schirenuss gebracht werden, durch
welchen viertägigen Landmarsch die Murehisonfälle umgangen
werden. Von hier fährt dann der bekannte ehemalige Missions-
dampfer „Lady Nyassa" den Schire und Zambesi abwärts. Am
8. November unternahm ich diese Tour und traf am folgenden
Tag gegen Mittag in Katunga's Dorf ein, wo nur ein kleines
Stationshaus sich befindet. Die Gegend hier am Schire, be-
sonders aber am rechten Ufer in der weiten Ebene, die sich
bis zum Zambesi erstreckt, ist ungemein wildreich, überhaupt
eine der wildreich st.en Partien Afrikas, die ich je gesehen.
Zahlreiche Herden von den verschiedenartigsten Antilopen,
Zebras, Leoparden und seihst Löwen kommen vor, und etwas
118
unterhalb unserer Station ist eine grosso sumpfige Landschaft,
in der wir mehrere grosse Elephaiitenherden in geringer Ent-
fernung erblickten; auch ist es hier, besonders im bügeligen
Terrain, wo das merkwürdige Gnu, wenn auch selten, vor-
kommt.
Am 19. November traf der erwähnte kleine Flussdampfer
vom Zambesi in unserer Station ein, aber es waren leider
unterdessen Verhältnisse eingetreten, die ein sofortiges Abreisen
meiner Ansicht nach nicht rathsam erscheinen Hessen. Ich
muss diese Verhältnisse hier vorbringen, da sie auf der einen
Seite zeigen, wie man selbst so nahe der Meeresküste noch
wochenlang an der Weiterreise verhindert sein kann, und da
andrerseits hierbei ein unglücklicher Oesterreicher eine Rolle
gespielt hat.
Die am Schirefluss lebende Ne-gcrbeviilkerung steht unter
etwa sechs Häuptlingen , deren ältester und angesehenster
Kazizi heisst, ein alter Mann, der in seiner Jugend Living-
stone auf einem Theüe seiner Reisen begleitet hat. Etwas
weiter flussabwärts wohnte der Häuptling Chipotolo, der
vor einigen Jahren im Streit von einem englischen Händler
erschossen wurde, worauf man später den betreffenden Eng-
länder, Namens Fennik tödtete. Seit dieser Zeit herrschte
in dieser Dorfgruppe Chipotolo'a Sohn, Namens Chikusi, ein
junger Mann, der als Kind in der Missionsanstalt Blantyre er-
zogen wurde, dann dieselbe verliess und späterhin ein wüstes
Leben begann, besonders ein grosser Trinker wurde. Etwa
ein halbes Jahr vor meiner Ankunft in jenen Gegenden fuhr
ein europäischer Händler mit einigen Bootsladungen voll Waa-
ren den Schirefluss hinauf, um Handel zu treiben, besonders
Elfenbein zu kaufen. Es war dies der Kaufmann Hinkel-
mann aus Wien. Er hatte sich im Dorfe Chikusi'a einquar-
tiert und mit demselben schon Geschäfte abgeschlossen, als
beide eines Tages Streit bekamen und Chikusi den Europäer
auf die grausamste Weise ermorden Hess. Chikusi raubte dann
alle Waaren (darunter viele Gewehre), so dass die Firma, von
der Hinkelmann die Waaren bezog, auch grosse Verluste hatte.
Weder die portugiesischen Behörden an der Küste, noch die
Engländer konnten in dieser Angelegenheit etwas thun und
so schien es, als sollte diese Schandthat ungerächt bleiben.
Wenige Tage aber vor meiner Ankunft in Katungas-Station
119
hatte der oben erwähnte alte Häuptling Kazizi dem jüngeren
Chef Chikusi den Krieg erklärt, angeblich um ihn für die
Ermordung des Europäers zu bestrafen. Beide Theile hatten
namhafte Streitkräfte, jeder mindestens einige Tausend Mann,
fast alle mit Gewehren bewaffnet, und unsere Station mit dem
kleinen Dampfer lag mitten zwischen beiden streitenden Par-
teien. Wäre ein genügend hoher Wasserstand im Schirefluss
gewesen, so wäre es ein Leichtes gewesen, mit dem Dampfer
den Fluss hinabzufahren ; so war aber der Fluss sein- seicht
und voller Sandbänke, der schwer beladene, kleine, abgenutzte,
Dampfer fuhr, wie verschiedene Probefahrten ergaben, nach
jeder kurzen Strecke fest auf den Sand, so dass alle Mann-
schaft ins Wasser steigen musste; diese Mannschaft selbst aber
bestand au3 wenigen neu aufgenommenen Negern, die mit dem
Dampfer nicht umgehen konnten. Unter diesen Umständen,
und da Chikusi die Absicht ausgesprochen hatte, den Dampfer
anzugreifen und auszuplündern, hielt ich es für das Beste,
einige Zeit zu warten. Ich wollte nicht den Verlust meiner
Sammlungen und Tagebücher, so nahe der Meeresküste ris-
kiren, nachdem ich dieselben glücklich durch den ganzen Con-
tinent geschleppt hatte. Kazizi zerstörte denn auch im Laufe
der nächsten Tage einige grosse Dörfer Chikusis ; am 3. De-
zember erfuhren wir, dass letzterer von den feindlichen Trup-
pen so gut wie eingeschlossen sei, und so verliessen wir denn
auch an diesem Tage die Station Katunga's. Nach höchst un-
bequemer, unangenehmer Fahrt erreichten wir nach 7 Tagen
die kleine Station Visenfcis, welche schon unterhalb der Ein-
mündung des Schire in den Zambesi am letzteren Flusse liegt.
Bald darauf wurde das Gerücht verbreitet, dass Chikusi von
Kazizi gefangen und getödtet worden sei.
Die Mündungen des mächtigen Zambesi flusses sind sehr
seicht und versandet, es können in der Hegel keine Dampfer
von dort aus aufwärts fahren und es liegt auch keine grössere
Stadt daselbst. Der nächste grössere Ort, der am Meere liegt,
und den ich von Visentis zu erreichen suchen musste, war die
portugiesische Stadt Quilimane an dem Quaquafluss. Von
Visentis mussten wir also die Wasserscheide zwischen Quaqua
und Zambesi überschreiten, eine kaum 40 Minuten breite mit
Gras bewachsene Ebene, die in der Regenzeit unter Wasser
steht, so dass sich die Gewässer beider Flüsse vereinigen. Am
120
Quaqua angekommen, fuhr ich dann in kleinen Canoes den
Fluss liinab, und gelangte nach mehrtägiger Fahrt, furchtbar
gepeinigt von Hitze und Moskitos, am 13. Dezember vorigen
Jahres in der portugiesischen Stadt QuiHmane am Indischen
Ocean an. Am 13. August 1885 trat' ich bei der Herausreise
in Banaua an der Congamündung ein, am 13. Dezember 188fi,
also nach genau 16 Monaten an der Zambesi- resp. Quaqua-
miindung.
Ueber Mozambique, Zanzibar und Aden trat ich dann in
Begleitung des wieder genesenen Mr. Bohndorf, dessen schwar-
zen Dieners und der mir verbliebenen 3 Weiboys die Heim-
reise an.
Ein freundliches Geschick hat es gestattet, dass ich wäh-
rend der ganzen langen Reise, einige unbedeutende Fieber-
anfalle ani unteren Congo abgerechnet, von jeder ernsten
Krankheit verschont gehlieben hin. Wenn die Expedition auch
den ursprünglich geplanten Verlauf nicht genommen hat, so
muss man sich damit trösten, dass das bei Reisen in Afrika
schon oft dagewesen ist und wobl auch noch öfters vorkommen
wird. Ein einheitlicher, ununterbrochener Zug von der Congo-
mündung bis zur Zambesi-Mündung ist übrigens noch nicht
ausgeführt worden; es konnten Itinerarien von verschiedenen
weniger bekannten Partien hergestellt worden, und neues geo-
graphisches Material gewinnt die Wissenschaft hierbei stets.
In Bezug auf naturhistorische, ethnographische und politische
Verhältnisse wurde soviel als möglich beobachtet, Sammlungen
wurden mitgebracht, die für Wien wenigstens neu waren und
alles gethan, um auch Informationen über die commerciellen
Zustände zn gewinnen.
Es war dies meine dritte, und aller Voraussicht nach
letzte afrikanische Expedition. Meine Reisen haben mich durch
einen grossen Theil des afrikanischen Oontinentes geführt ;
1874 — -77 bereiste ich den Ogowe-Strom, dessen Erforschung
nach mir de Brazza in so erfolgreicher Weise fortsetzte.
1879—81 durchwanderte ich Marokko, überstieg Atlas und
Anti-Atlas, durchquerte auf neuen Wegen die westliche Sahara
und erreichte das viel erstrebte und so selten erreichte Tira-
buktu. Von hier aber zog ich gleichfalls auf neuen Wegen
121
durch don westlichen Sudan nach Senegambien. Auf der
jetzigen Reise endlich 1885 und 188t! lernte ich die gross-
artige Schöpfung des Königs der Belgier, den Congostaat in
seiner ganzen Ausdehnung kennen, durchzog die imposanten
Landschaften am Tanganjika und Nyassa und stieg hinab in
das feuchtheisse Thal des Zambesi, um dann noch die wich-
tigsten Plätze Ostafrikas zu besuchen. Ich war in den klima-
tisch schlechtesten Gebieten Afrikas und bin glücklich den
klimatischen Krankheiten entronnen, habe aber auch Gegenden
passirt, die allgemein mit, Recht als gefährlich gelten, <>lnn'
während der fast siebenjährigen Reisezeit einmal genöthigt ge-
wesen zu sein, den Eingebornen gegenüber von der Waffe
Gebrauch zu machen !
Das Vordringen der Europäer und der Einfluss derselben
in Afrika nimmt neuerdings immer grössere Dimensionen an,
kaum ein Küstenpunkt am ganzen Coutinent existirfc, wo nicht
eine europäische Flagge weht, und im Osten wie im Westen,
im Süden wie im Norden, dringen die Fremdlinge immer
weiter vor ; erst die Reisenden und Missionare, dann die Händ-
ler — und dann die Soldaten! So sagen wenigstens die Ein-
gebornen.
Möge der Einfluss, den die Europäer in Afrika gewinnen,
"von guten Polgen für die Eingebornen begleitet sein; nie
wird der Neger in Afrika verschwinden, wie etwa die Ein-
gebornen von Nordamerika oder von Australien ; das tropische
Afrika wird immer den Afrikanern bleiben. Zu wünschen ist
nur, daBS die Neger eine Reihe von Sitten und Gebräuchen
ablegen, die mit unseren Anschauungen nicht übereinstimmen,
und dass unsere Cultur bei den Eingebornen Eingang rinden
möge, soweit es die Fassungskraft, der Neger, sowie Land und
Klima erlauben.
Prag, September 1887.
u^gfc-
TPpf
V.
Die Einverleibung der Äshanti- Provinz
Okwawu in die englische Golonie.
Von Herrn Missionar Kamseyer.
Der letzte Samstag, der 5. Mai, war ein grosser und ein
epochemachender Tag für unser Okwawu-Ländchen, denn an
diesem Tage ist nun endlich unsere Asante - Provinz in aller
Form in die engl. Colonie aufgenommen und unter die eng-
lische Gerichtsbarkeit gestellt worden.
Schon gleich nach unserer Ankunft in Okwawu im Jahre
1876 und später zu wiederholten Malen hatten der hiesige
König mit seinen Häuptlingen durch die Vermittlung der
Missionare die englische Regierung um Einverleibung ihres
Landes in das Protektorat gebeten, aber jedesmal war die
Antwort gewesen: dies sei nicht möglich, das Land sei zu weit
im Innern. Doch wurden die Okwawuer von der englischen
Regierung immer freundlich behandelt, dem König hie und da
ein Geschenk geschickt und immer wieder ermahnt, sie sollten
sich nur immer freundlich und freundschaftlich zu den Nach-
barstämmen verhalten. Okwawu hatte nun in diesen 12 Jahren
eine eigenthümliche Zwitterstellung, die den Leuten einerseits
zusagte, andererseits aber sie der Streitsucht und Habgier
anderer Stämme preisgab. Gerne betheuerten sie, dass sie der
engl. Regierung unterthänig seien und wenn es in frühern Jahren
den Anschein hatte, als ob die Okwawuer mit ihren frühem
Meistern, den Kumasern, liebäugelten, so waren es nur ein Paar
Häuptlinge, die, darüber unzufrieden, dass sie nicht wie früher
als Tyrannen über die Leute verfügen und mit Nasen-, Ohren-
oder Kopfabschneiden strafen können, sich „die gute alte Zeit"
zurückwünschten. Das Volk aber für sich wollte nichts mehr
von Kumase hören.
123
"Wenn sie aber betheuerten, der engl. Regierung treu bleiben
zu wollen, so waren sie doch darüber nicht unzufrieden, dass,
Dank ihrer sonderbaren unabhängigen Stellung, ihnen die
Sklaverei nicht verboten war. Auf der andern Seite waren sie
aber schutzlos gegen alle, die, die Gutmüthigkeit unserer
Okwawuer ausbeutend, von ihnen in Folge irgend eines Zwischen-
falls Geld erpressten.
In den letzten Jahren, da die englische Regierung keine
Anklage von einem Okwawuer annahm, hatten sich einige
Häuptlinge unter den Schutz des Akropong-Königs, später des
Akem-Königs gestellt und manche Streitigkeiten wurden
vor diese Könige zum Schlichten gebracht, wodurch natür-
lich beträchtliche Schulden auf die Leute kamen. Wie oft auch
erschien so ein weggelaufener Polizist oder ein englischredeuder
Taugenichts, die sich für Beamte ausgaben und von diesem oder
jenem Strafgeld zu erheben versuchten. Vor einem Jahre wagten
sogar eine Anzahl Asanter von Köforidna, bewaffnet nach
Okwawu zu kommen, um in einer sehr zweifelhaften Geschichte
von den Okwawuern Geld zu erpressen; damals hat es wenig
gefehlt, dass es zu einem Kampf kam. — Als Missionare haben
wir uns natürlich ferne von der Politik gehalten, als aber solche
sogenannte „gebildete" Vagabunden vom Protektorate herauf-
kamen, um die Okwawuer auszusaugen, sind wir den Eingebornen
beigestanden und haben jeweilen solche Leute weggewiesen.
Von dieser Zwitterstellung haben wir Missionare nie etwas
zu leiden gehabt, im Gegentheil, wir sind stets mit wahrer
Ehrerbietung und Freundlichkeit von Jedermann behandelt
worden (was auf dem Protektorate nicht immer der Fall ist),
und wenn es je einmal zu einer kleinen Differenz kam, z. B.
wegen eines Landkaufs, so war es cur vorübergehend und wir
liaben desshalb nie den humanen Schutz der englischen Regierung
vermisst. Wenn wir nun je eine geregeltere Stellung gewünscht
haben, so war dies blos um der Eingebornen willen.
Die Okwawuer hatten sich in diesen 12 Jahren an die
Lage gewöhnt und dachten nicht, dass diese sich sobald ändern
würde, als plötzlich ein Schreiben vom Distriet-Commissär in
Begoro hier eintraf, welches die Okwawu-Häuptliuge aufforderte,
ihren Weg an die Küste (bis halbwegs Amjinam) neu zu reini-
gen. Drei Wochen vorher war auch eines Tages ein Akra-
Händler, der sich früher in Mpraeso aufgehalten hatte, aufge-
124
taucht, diesmal aber mit Hängmatte und Gefolge, der sich als
Governors Gesandter angab. Einige Tage später erklärte er
vor den versammelten Häuptlingen, er sei vom Govemor ge-
schickt, lim den König oder einige seiner Häuptlinge naoh
Akra einzuladen. Die Sache machte Rumor und die Leute
wussten nicht, was von diesem Menschen denken, um so mehr,
da er kein Schreiben des Governors mitbrachte; dass er aber
mit Hängmatte kam, imponirte ihnen nicht wenig. Da ich der
Sache nicht traute und im Voraus sah, dstss der Mensch bald
anfangen würde, Geld von den Leuten zu erpressen, was auch
später geschah, erlaubte ich mir, mich direkt an den Govemor
zu wenden und Aufschluss über diesen Gesandten zu erbitten. Die
Antwort kam umgehend und lautete: Seine Excellenz habe
zwar gelegentlich mit diesem Akra-Mann gesprochen, er sei
aber der UebeTbringer von keiner Botschaft des Governors.
Eine weit wichtigere Mittheilung war die, dass Dr. Smith,
Distrikt -Commissär von Ost-Akem nächstens nach Okwawu,
kommen werde, um mit den Okwawuern einen Vertrag behufs
ihrer Einverleibung ins Protektorat zu schliessen; das war eine
Ueberraschung! Wenige Tage später, als die Leute gerade am
Wegemachen waren, hiess es schon: der kleine Governor (der
Distrikt -Commissär) kommt, und in der That, am 29. April
traf Dr. Smith (ein sehr liebenswürdiger Herr, Mulatte, von
Sierra Leone, Dr. Med., aber in England erzogen), mit 26 Haiissas
hier ein. Er stieg im Missionshaus ab, seine Haussas fanden
aber im Knabenanstaltsgebäude und sonst bei Christen Unter-
kommen.
Samstag den 5. Mai war vom Distrikt -CommiBsär als
der Tag festgesetzt worden, an welchem er allen Häuptlingen
von Okwawu die Botschaft des Governors mittheilen wolle;
früh Morgens 6 Uhr sollte die Versammlung stattfinden.
Wie ich unsere Okwawuer kenne, zweifelte ich sehr, ob sie
alle für den bestimmten Tag kommen wurden, doch zu meinem
Erstaunen kamen schon einige am Tage vorher und Samstag
Morgens langten noch die Häuptlinge von Obo und Aduamoa
an. Ersterer wollte, wie wir später erfuhren, aus Angst sich
krank stellen und einen Stellvertreter schicken, doch konnte er
bewogen werden, in eigener Person zu erscheinen; es ist merk-
würdig, welche Angst in die Leute gefahren war.
125
Die Versammlung konnte nicht um 6 Uhr abgehalten
werden, aber doch etwa f! Stunden später, gegen 1 Uhr.
Dr. Smith und seine Hanssas und wir mit den Cateehisten
und Christen begaben uns in die Stadt, aber hier war noch
grosse Unordnung; der König von Okwawu mit dem Abetifi-
Häuptling hatte zwar schon Platz ain Eingang der Stadt ge-
nommen, es liefen aber noch manche dieser „Grossen" herum,
die einen in Tragkörben, die andern in Tragstühlen unter
grossen Schirmen und von einer Menge Leute gefolgt, die ihre
Plätze noch nicht eingenommen hatten. Endlich nach 1 Uhr
war Alles ziemlich in Ordnung; das Ganze mit dieser gross-
artigen Entfaltung von afrikanischem Pomp war, aber in ver-
jüngtem Massstab, eine lebhafte Erinnerung an die Scenen, die
wir in frühern Jahren in Klimas e so oft mitmachen mussten.
Die Versammlung, die wohl über 5000 Menschen zählte, bildete
eine halbe Ellipse mit dem König Kofi Boateng, dessen Haupt
mit einer Mütze von Leopard -Fell geschmückt war und mit
dem Abetifi -Häuptling im Centram. Die beiden Seiten der
Ellipse oder den halben Kreises bildeten die Häuptlinge von
Obo und Obomeng, Sakaraka u. s. w. auf dem rechten Flügel,
und die Häuptlinge von Aduamoa, Nkwatia und Mpraeso auf
dem linken Flügel mit ihren Unterhäuptlingen; diese Ordnung,
die auch die Schlachtordnung des Heeres ist, behalten sie so-
gar beim "Wegemachen. Ich hörte, dass letzthin Obo, Obomeng
n. s. w. die rechte Seite; Aduamoa, Nkwatia u. s. w. die linke
Seite des "Weges zn machen hatten, während Abetifi, Kyene-
duruase u, 8. w., die das Centrum sind, die Bäume, deren immer
viele quer über dem "Wege Hegen, wegzuschaffen hatten.
Ueber allen Häuptlingen, die natürlich reichlich mit Gold-
sp&ngen, Ringen und Amuletten geschmückt waren und meistens
in schönen Asante-Kleidern prangten, ragten die traditionellen
Baldachine in allen möglichen Farben. Jeder dieser „Grossen"
hatte vor sich eine Reihe Herolde mit massiven Goldphitten
auf der Brust, Schwertträger, deren Schwertknäuel mit Gold
überzogen, erichtsdiener mit kleinen Mützen aus Affenfell und
sonst Diener mit Elephanten - Schwänzen, das Sinnbild der
Macht! Vor dem Abetifi-Häuptling, als dem Heerführer, stand
sein Schwertträger mit goldenem Schwertgriff und auf dem
Kopf eine Mütze mit Adlerfedern fächerartig ausgebreitet. Das
Ganze war wirklich malerisch und hatte einen gewissen wilden
Reiz; hiezu mussm&u sich noch den Lärm iler vielen Trommeln,
Blashörner und der ausgehöhlten Elephantenzähne denken, was
dem Ganzen etwas Techt Wildes verleiht.
Als endlich jedermann seinen Platz gefunden hatte, wurde
Dr. Smith und wir, die bis dort in etlicher Entfernung ge-
standen waren, gerufen. Nachdem wir nach der Landp.ssitte
vor Allen defilirt und einen jeden Häuptling gegrüsst hatten,
durften wir auch Platz nehmen und zwar mitten im Halbkreis
gegenüber von König Boateng, Der Distrikt - Commissär
lind sein Dolmetsch hinter einem kleinen Tisch, wir Europäer
an seiner Linken, unsere Catechisten und Christen an seiner
Rechten. Den Akra pseudo „Gesandten," der in rothem Anzug
sich ihm anschliessen wollte, wies er unwillig von sich, wollte
überhaupt vorderhand nichts von ihm wissen.
Nach dem Gegengrass, bei welchem einzelne Häuptlinge
Dr. Smith zu Ehren zu tanzen begannen und bei der darauf folgen-
den Bitte um Mittheilnng der Botschaft des Governors, stand
der District -Commissär auf und theilte in englischer Sprache
mit: wie auf mehrmaliges Ersuchen des Okwawu-Volks, der
Governor die Bewilligung Ihrer Majestät der Königin Viktoria
erlangt habe, das Land Okwawu unter den Schutz der eng-
lischen Regierung an der Goldküste zu stellen. Er sei daher
der Ueberbringer eines Vertrags, den er jetzt lesen und dann
dem König und seinen Häuptlingen zum Unterschreiben vor-
legen werde. Folgte nun das Lesen und Uebersetzen des Vi
trags, dessen Hauptartikel sind:
I.
Der König des Okwawulandes für sich selbst und seine
Nachfolger, zugleich mit den Häuptlingen der Provinz, deren
Namen und Siegel hier unten stehen, für sich selbst, ihre Nach-
folger und das Volk von Okwawu, stellen sich unter den Schutz
von Grossbritannien und erklären, dass sie in keinem Vertrag
mit irgend einer andern europäischen Macht stehen.
IL
Der Governor der Goldküste -Colonie nimmt hierbei das
Land Okwawu unter den Schutz von Grossbritannien.
III.
Der König, die Häuptlinge und das Volk von Okwa.wu
versprechen in Streitigkeitsfällen, sich, behufs freundlichen Ver-
-
, an den Governor der Goldküste - Colonie zu wenden,
i sich in einen Kampf einlassen.
IV.
In Anbetracht des Beistandes seitens des Governors der
Cjolclküste-Colonie, versprechen der Konig, die Häuptlinge und
das Volk von Okwawu für sich selber, ihre Erben und Nach-
folger :
dass sie sieh keine Menschenopfer zn Schulden kommen
lassen werden;
dass sie den Handel begünstigen und den Händlern alle
möglieben Erleichterungen verschaffen werden;
dass sie weder ihr Land abtreten oder den Schutz einer
andern europäischen Macht annehmen werden, ohne vorher
mit der Regierung Ihrer Majestät durch den Governor der
Goldküste-Colonie conferirt und ihre Genehmigung erhalten
Der Vertrag tritt vom heutigen Tage in Kraft.
Dr. Smith fügte noch die Bemerkung hinzu, der Go-
vernor lasse sagen: dass jedesmal, wenn er einen Boten sen-
den werde, er der Träger eines Briefes mit Siegel oder eines
Abzeichens der Regierung sein werde: Wer ohne dies komme,
sei nicht von ihm geschickt.
Nachdem der Dolmetsch Alles übersetzt hatte, verging eine
Viertelstunde, bis nach ihrer Sitte der Sprecher jedem Häupt-
ling die Botschaft mitgetheilt hatte; nun kam die Antwort der
Häuptlinge: „sie sprächen ihren Dank dafür aus, dass der
Governor sie nun auch in die Colonie aufnehmen wolle ; ehe sie
aber unterschrieben, möchten sie noch fragen, ob der District-
Commissär nicht noch Näheres mitzutheilen habe über die
englischen Gesetze." Auf die Erwiderung Dr. Smiths, dass er
ihnen nichts Anderes zu sagen habe, als was im Vertrag stehe,
gingen dann sämmtliche Häuptlinge einige Schritte abseits, um
sieh zu berathen. Dass die Sklavereifrage, über welche ihnen
nichts bemerkt wurde, sie vor Allem beschäftigte, ist begreiflich;
auf der andern Seite wussten sie ganz gut, dass die Sklaverei
in der Colonie abgeschafft sei; desshalb kamen sie zuerst mit
der Bemerkung: sie seien Kinder und wie man einem Kind das
Laufen lehren inuss, so möchte man ihnen sagen, wie sie sich
nun zu benehmen hätten. Sie versuchten zuerst den Distrikt-
Commissär zu bewegen , ihnen einige Tage Bedenkzeit zu
geben ; als er ihnen bestimmt erklärte, dass dies unmöglich sei,
verbrachten sie noch eine ganze halbe Stunde im Berathen. Die
Sache fing an mir unheimlich zu werden, denn wie ich meine
Okwawner kenne, fürchtete ich, sie könnten am Ende vorher
noch eine Besprechung mit dem Governor beantragen; doch
nein! sie kamen und baten unsere 2 Catechisten Kwabi
und Boateng, die doch mehrere Jahre unter ihnen wohnen, sie
möchten ihnen ihre Meinung sagen. Das war mir recht und
ich bat Oatechist Kwabi, ihnen das recht einzuschärfen, dass
sie selber darum gebeten hätten und dass es sich darum handle,
ob sie heute das Anerbieten des Governors annehmen wollten
oder nicht, das Anerbieten werde niemals mehr stattfinden.
Nach einer weitern Viertelstunde war endlich die Berathuug
zu Ende und die Häuptlinge kamen zurück: sie würden nun
den Vertrag unterschreiben. Unsere Catechisten erzählten uns,
dass, als sie zu ihnen kamen, alle ausser 2, dartinter der Häupt-
ling von Oho, fest entschlossen waren, den Vertrag zu unter-
schreiben; jeuer hatte aber Bedenken wegen dem Akeni-Künig,
mit welchem er, als ihm unterstellt, Fetisch getrunken hatte.
In Betreff der Sklaverei, über welche sie gefragt wurden, sagte
ihnen Kwabi offen, dass das Gesetz über Sklaverei-Emancipation
für die ganze Colonie gelte, also auch für Okwawu; dass er
ihnen dies offen erklärte, freute mich.
Sämmtliche Häuptlinge kamen nun vor den Tisch und der
Reihenfolge nach legten sie vor ihren Namen den Zeigefinger
auf das Siegel, als Zeichen der Unterschrift; wir schrieben
auch unsere Namen darunter als Zeugen. Sobald der Vertrag
unterschrieben war, Hess der Distrikt-Commissär seine Haus-
sas paradiren und einen Tusch blasen und dann stand die
ganze Versammlung auf, um ein dreimaliges Hurrah zu Ehren
der Königin auszurufen.
Während des Unterschreiben^ hatte heftiger Donner zur
Eile gemahnt; kaum war das Hurrah erschallt, als das Ge-
129
witter sich entlud und die grosse Menge nach verschiedenen
Richtungen zersprengte.
Da die Versammlung sich so schnell auflösen musste, lud
Dr. Smith die Häuptlinge ein, sich noch am Montag Morgen
zu versammeln, er habe ihnen noch einige Worte zu sagen.
So geschah es auch. Montag den 7. Mai um 10 Uhr war wieder
grosse Versammlung, der wir auch beiwohnten; vorerst hatte
aber der Distrikt -Commissär eine unangenehme Aufgabe zu
erfüllen. Der oben erwähnte Akra pseudo- „Gesandte," den
Dr. Smith kurz vorher ins Verhör genommen, musste vor-
treten, dann sagte der Distrikt - Commissär mit lauter Stimme
und sich zu den Häuptlingen wendend: „ihr sehet hier einen
Betrüger, der sich für den Governors-Gesandten ausgegeben
hat; damit ihr sehet, wie die englische Regierung mit solchen
Leuten verfährt, verhafte ich ihn vor euren Augen» u Er gab
Befehl und sogleich wurden dem armen Mann von den Haussas
die Handschellen angelegt. Er wurde dann nach der Station
geführt, wo ihm zwar die Eisen weggenommen wurden, er
aber immer noch unter Bewachung zweier Haussas blieb.
Dieser Auftritt war uns höchst peinlich; als der arme Mann
vortreten musste, konnten wir nicht anders, als uns um-
drehen. Es war mir aber lieb zu hören, dass seine Verhaftung
nicht auf Grund unserer Mittheilungen geschah r sondern dar-
aufhin, dass er auf der Durchreise in Begoro von Dr. Smith
selber Geld verlangte und im Namen der Regierung, als Re-
gierungsbeamter, erhielt, während Alles Betrug war. Im Laufe
des Tages musste der Distrikt - Commissär noch vielfach
hören, wie der Betrüger von Mehreren Geld erpresst hatte,
obschon die Okwawuer von Anfang an durch mich vor ihm
gewarnt worden waren.
Nach diesem peinlichen Auftritt, der auf die Leute nicht
wenig Eindruck machte, besprach Dr. Smith den Punkt der
Menschenopfer; ich hatte nämlich dem Governor den Fall von
Bepong mitgetheilt, wo ein armer Mann, weil seiner Familie
verhasst, auf seiner Plantage bei der Arbeit todtgeschossen
worden war. Ausserdem hatte der Distrikt-Commissär Auf-
trag, sich über einen angeblichen Mord am Fuss des Okwawu-
Bergs zu erkundigen; der Obo-Häuptling, der darüber gefragt
wurde, kam ganz ausser sich vor Furcht; er beteuerte zwar,
nichts zu wissen, es war aber leicht zu sehen, wie sein böses
Fernschau in. 9
130
Gewissen (vielleicht nicht in diesem fraglichen Fall) ihn beun-
ruhigte. Es fiel ihm daher ein Stein vom Herzen, als Dr. Smith
der Sache ein Ende machte, indem er erklärte : was vorbei ist,
soll nicht mehr untersucht werden, von nun an werden solche
Fälle mit aller Schärfe behandelt. Ich erlaubte mir auch den
Häuptling von Bepong auf diese Warnung aufmerksam zu
machen, der natürlich sehr beschämt zu Boden schaute, als ich
ihn frug, ob er gehört hätte. Nachdem Dr. Smith im Auftrag
des Governors den Leuten noch einige Samen, darunter eine
neue Art Baumwolle-Samen ausgetheilt hatte, wurde die Sitzung
aufgehoben.
Damit war die Mission des Distrikt-Commissärs zu Ende;
sehr erfreut über das glückliche Resultat derselben, machte er
sich am 9. auf den Weg, um über Obo und Mpraeso auf dem
nun gereinigten Weg nach Begoro zurückzukehren. Etliche
Gesandte des Königs und der Häuptlinge begleiten ihn nach
Akra, wo sie wohl einige Geschenke für den König erhalten
werden.
Eine neue politische Aera ist nun für unser Okwawu-Volk
angebrochen. Der Herr, der Alles regiert und der uns in seinem
Worte sagt, dass Alles zu unserm Besten dienen soll, wolle
geben, dass dieses Ereigniss zu einem wahren Fortschritt führe
und zum Segen werde für unser Volk und für unser Werk,
obschon wir dies mehr als je festhalten, dass wir uns nicht
auf Menschenhilfe verlassen sollen.
Die Sklaven-Emancipation wird wohl im Anfang unange-
nehme Ueberraschungen zur Folge haben (es sind schon einige
Sklaven entflohen), aber wir hoffen zum Herrn, dass die
Okwawuer auch bald einsehen werden, dass ihnen diese
Annexion zum Segen gereicht.
Dr. Smith ging mit einem sehr guten Eindruck von Okwawu
und seinen Einwohnern zurück. Sie haben sich auch wirklich
sehr gastfrei gezeigt.
VI.
neber die gegenwärtigen ökonomischen und
commerciellen Verhältnisse Aegyptens,
in besonderem Hinblick auf den Sudan.
Von Kaufmann Andreas Bircher in Cairo aus Aarau.
£js ist schon viel über Aegypten geschrieben worden und
das Nilland gehört, wenigstens was den untern und mittlem
Theil desselben anbelangt, zu den erforschten und bekannten
Ländern Afrikas.
Die gegenwärtigen commerciellen und ökonomischen Ver-
hältnisse des Landes sind jedoch meist nur ungenügend be-
kannt; denn seit dem Bombardement von Alexandrien am 11. Juli
1882 ist dorten so Vieles anders geworden, dass es nicht mög-
lich ist, sich auch nur einigermassen ein klares Bild von den
heutigen Zuständen zu machen, wenn man die Ereignisse nicht
mit ganz besonderem Interesse ins Auge gefasst hat.
In Folge der durch Arabi hervorgerufenen Rebellion wurde
Aegypten nach dem Bombardement von Alexandrien und der
Niederlage Arabi's durch England besetzt.
Im Jahre 1882 umfasste es das eigentliche Aegypten, be-
stehend aus:
Unter- Aegypten oder Bahari (d. h. der am Mittel-Meer
gelegene Theil),
Mittel-Aegypten oder Wastani,
Ober-Aegypten oder Said,
also dem untern Nilthal, nebst den Oasen Siwah, im Alter-
timm des Jupiter Ammon genannt, Baharich, Farafrah,
Dachel und Chargeh, der arabischen Wüste, die sich längs
der Küste des rothen Meeres hinzieht bis Ras Benas; ferner
132
gehörte dazu Nubien, Sennaar, Taka (Kassala), die Küsten-
gebiete von Suakin und Massawa am rothen Meer bis über
Berbera am Golf von Aden hinaus, die Provinz Harrar, die
Länder Kordofan und Darfor im Westen, die Verwaltungs-
bezirke Faschoda, Bahr-el-Ghazal und die Aequatorial-
Provinz Hat el Estiva.
Diese letztern unter Mohamed Ali und dessen Nachfolgern
eroberten Gebiete (Provinzen) sind seitdem verloren gegangen.
. Das gegenwärtige Aegypten besteht somit nur noch aus
Unter-, Mittel- und Ober-Aegypten mit der Grenze bei Wadi
Haifa; alle weiter südlich gelegenen Besitzungen sind seit der
Revolte des Mahdi, Mohamed Ahmet, von Aegypten aufgegeben
worden und bilden, mit Ausnahme von Suakin, das noch ge-
halten wird, und mit Ausnahme von Massaua, Berbera und
Harrar das gegenwärtige Gebiet des Nachfolgers des Mahdi,
Said Halifa.
Ungefähr zu derselben Zeit, wie Arabi im eigentlichen
Aegypten, trat Mohamed Achmet im Sudan auf und sandte
im Juli 1881 Briefe an seine Fukara-Collegen (Einzahl Fakir,
wörtlich Arme; hier aber bedeutet es eine Art niederer armer
Geistlichkeit). Diese Briefe enthielten die Botschaft, dass er der
erwartete letzte Prophet sei, der Mahdi, berufen den Islam von
seinen Verunstaltungen zu heilen und seine Herrschaft über
die ganze Welt zu verbreiten. Er erzählte prahlerisch, dass er
durch den Erzengel, der ihm im Traume erschienen, zum Pro-
pheten berufen sei und forderte die Zuhörer auf, ihn als Mahdi
anzuerkennen, indem er Alle, seien sie Heiden, Christen oder
Mohamedaner, mit Vernichtung bedrohte, wenn sie seinem
Kufe nicht Folge leisteten. Zugleich schickte er zahlreiche
Emissäre aus, welche diese Botschaft verkündeten und ihm neue
Anhänger zuführten.
Mohamed Achmet war ein Nubier aus der Provinz Don-
gola. In seiner Jugend war er Lehrling bei seinem Onkel, der
Bootszimmermann war. Bald verliess er aber sein Handwerk
und besuchte eine Schule in Chartum, wo er den Koran (ara-
bisch Medressa) lesen lernte. Bei Berber vollendete er seine
Studien und Hess sich darauf in Kawa am weissen Nil als
Fakir nieder. Bald darauf siedelte er nach der Insel Aba im
gleichen Flusse über, und begann das Leben eines Asceten.
Durch Heirat verband er sich mit dem Baggara-Stamme, im
JKM. ' JLM u >i" "J *•
133
Süden von Kordofan, auf den er einen grossen Einfluss ausübte.
Nachdem er auf diese Weise Alles vorbereitet hatte, erklärte
er sich, wie bereits erwähnt, für den erwarteten letzten Pro-
pheten, den Mahdi.
Er fand um so mehr Gehör bei den Sudanesen, da er die-
selben aufforderte, der Regierung keine Steuern zu zahlen und
ihr den Gehorsam zu verweigern.
. Schon lange herrschte tiefer Hass gegen die Aegypter,
der noch dadurch gesteigert wurde, dass Christen mit der Lei-
tung von Regierungsgeschäften im Sudan beauftragt wurden.
Rauf Pascha, der damals Gouverneur im Sudan war und von
dem Gebahren des angeblichen Mahdi Kenntniss erhalten hatte,
schickte einen Commissär, um den falschen Propheten nach
Chartum zu bringen. Diese Schritte hatten jedoch ebenso wenig
Erfolg, als eine Expedition von 300 Mann, welche von den
Baggara-Beduinen niedergemacht wurde. Die Aegypter waren
unfähig, der Bewegung Herr zu werden, wenn sie auch aus
noch so kleinen Anfangen empor wuchs. Rauf Pascha beauf-
tragte darauf den Gouverneur von Kordofan mit einer Expe-
dition gegen den Mahdi. Dieser entwischte aber nach den Bergen
von Takale.
Von hier aus verbreitete er seinen Einfluss immer weiter,
ernannte Generäle für die verschiedenen Theile des Sudan und
umgab sich mit 4 Männern, denen er den Titel Chalife gab,
dem Beispiel Mohameds folgend.
DerMudir von Faschoda unternahm einen Kriegszug
gegen den Mahdi, wurde aber mit seinen 420 Mann vernichtet.
Das gleiche Loos theilte eine 3000 Mann starke Abtheilung
Aegypter unter Jussuf Waled Scheläli.
In diese Zeit fällt der Militär- Auf stand von Arabi in
Unter- Aegypten, wo natürlich Niemand daran dachte, Hilfe
nach Chartum zu senden. Der Aufstand im Sudan hatte sich
unterdessen nach Senn aar verbreitet, wo jedoch Abdel Kader
Pascha, welcher auf Rauf Pascha gefolgt war, das Land von
den Rebellen säuberte.
Leider wurde dieser Erfolg nicht ausgenutzt und der Auf-
stand verbreitete sich weiter über Darfor und Kordofan.
Sogar der mächtige Stamm der Hadendoa am rothen Meere
erklärte sich für die Sache des Mahdi. Nach längerer Belage-
rung der Hauptstadt von Kordofan, el Obeid, fiel dieselbe
134
ebenfalls in die Hände dee Mahdi. Als am 1 3. September 1882,
nach der Affare von Teil el Kebir, die Engländer in Cairo
eingerückt waren, wurde Lord Dufferin als High Commis-
sioner nach Aegypten gesandt, um Reformen einzuführen.
Derselbe war der Ansicht, dass Aegypten die Länder Darfor
und Kordofan aufgeben und eich mit den Provinzen Chartum
und Sennaar begnügen sollte; denn seit l'/a Jahren waren im
Kriege mit dem Sudan bereits 9000 Aegypter und 40,000 der
Aufständischen gefallen. Dieser Rath wurde aber von den ägyp-
tischen Ministern nicht angenommen, sondern es wurde be-
schlossen, die aufgelösten Truppen Arabis nach Chartum zu
senden und denselben europäische Offiziere beizugeben. Colo-
nel Hicks, ein pensionirter indischer Offizier, wurde zum
Chef erwählt.
Die Rebellen standen 6000 Mann stark am weissen Nil,
um in Sennaar einzufallen. Colonel Hicks, dem der Pascha-
Titel beigegeben worden war, kam im März 1883 in Chartum
an und nachdem er die Stärke seines Corps auf 5000 Mann ge-
bracht hatte, rückte er vor. Am 29. April kam es bei Mara-
bieh zum Kampf. Die Aegypter formirten ein Carre gegen die
auf sie einstürmende, mit Lanzen bewaffnete Reiterei, welche
zum grössten Theil aufgerieben wurde, obschon dieselbe mit
bewunderungswürdiger Todesverachtung kämpfte. Die Folge
dieses Sieges war die Pacificatkm der Provinz Sennaar und von
Chartum.
Viele der rebellischen Häuptlinge kehrten zu ihren fried-
lichen Beschäftigungen zurück. Hätte man sich damit begnügt,
so wäre wahrscheinlich der Sudan nicht verloren gegangen,
Aegypten beschloss aber die Wiedereroberung von Kor-
dofan. Hicks Pascha wurde zum Commandirenden des Ex-
peditionseorps ernannt, welches sich am 9. September 1883,
etwas über 10,000 Mann stark, von Chartum aus gegen Kordo-
fan in Bewegung setzte.
Die Rebellen hatten aber die Brunnen auf dem Wege zer-
stört. Trotzdem die Expedition von 5000, teilweise wasser-
tragenden Kameelen begleitet wurde, machte sich doch bald
ein grosser "Wassermangel fühlbar.
Längere Zeit blieb man ohne Nachricht von der Expedition,
endlich kam aber die Hiobsbotschaft, dass dieselbe bei Kaschgil
und Melbas fast bis auf den letzten Mann vernichtet worden
135
sei. Somit war die letzte Armee, die Aegypten ins Feld stellen
konnte, dahin. Chartum, das nur 2000 Mann Besatzung zählte,
war gefährdet. Der Ruf und das Ansehen des Mahdi war ge-
stiegen und das Land südlich von Chartum war in seiner Ge-
walt. In Suakin schloss sich Osman Digma dem Aufstande
an. Er wurde vom Mahdi zum Emir ernannt und unternahm im
August 1883 einen Angriff auf die ägyptische Festung Sink at
in der Nähe von Suakin. Auch Tamanib und Tokar wurden
von ihm belagert. Eine kleine Abtheilung Aegypter, die sich
zur Befreiung von Tokar aufmachte, wurde von ihm geschlagen
und von da an wagte er sich sogar bis an Suakin heran.
Da beschloss die ägyptische Regierung, ein besonderes
Corps unter General Baker zu organisiren. Derselbe langte
am 17. Dezember 1883 in Suakin an und machte sich mit etwa
4000 Mann auf den Marsch nach* Tokar. Auf halbem Wege
zwischen Trinkitat, dem Landungsplatze und Tokar, in der
Nähe der Brunnen von El-Teb, wurde er von Osman Digma
angegriffen und in die Flucht geschlagen. Er verlor über 2000
Mann und Suakin selbst war bedroht, so dass England für gut
fand, britische Marinesoldaten landen zu lassen, um die Stadt
zu schützen. Von da an nahm die Intervention Englands ihren
Anfang. Der Khedive wurde gezwungen, den Sudan aufzugeben
und Vorkehrung zu treffen, die noch an verschiedenen Orten
befindlichen Besatzungen, im Ganzen circa 32,000 Mann, zu-
rückzuziehen.
Man suchte nun einen Mann, der die Fähigkeit hätte, diese
schwierige Aufgabe zu lösen und General Gordon, der schon
früher Gouverneur im Sudan gewesen war, wurde gewählt. Er wurde
vom Khedive zum Hokmdar bestellt und mit bedeutender Macht-
vollkommenheit ausgerüstet. Zugleich wurde ihm von der eng-
lischen Regierung unumschränkte Vollmacht gegeben. Im Ja-
nuar 1884 schiffte er sich nach Aegypten ein und am 21. Ja-
nuar reiste er von Cairo nach Chartum, wo er am 18. Februar
ankam. Dort wurde er von der Bevölkerung enthusiastisch auf-
genommen. Bald aber wurde Chartum von den Mahdisten be-
lagert. Er hatte mit unüberwindlichen Hindernissen zu kämpfen;
die Engländer, welche ihn unter General Wolseley befreien
wollten, kamen zu spät. Chartum wurde am 26. Januar 1885
überrumpelt und die Bewohner gröfestentheils umgebracht. Gor-
eton war einer der ersten unter den Todten.
136
Somit war Nu bien, Sennaar, Kordofan und Darfor für
Aegypten verloren, wie auch südlich von Chartum die Provin-
zen Faschoda Bahr-el-Ghazal und Hat-el-Estiwa (die
Aequatorial-Provinz). Diese letztere wird zwar immer noch von
deren Gouverneur, Dr. Emin Pascha, gehalten, er ist aber
von Aegypten abgeschnitten und hält sich seither mit einer
circa 2000 Mann zählenden Abtheilung Negersoldaten. Dieselben
sollen, nach seinen eigenen Berichten, ganz zuverlässig sein.
Der Verlust des Sudan ist für den ägyptischen Handel,
besonders für Kairo, sehr fühlbar. Es ist traurig, dass es nicht
möglich war, den Aufstand des Mohamed Achmed zu unter-
drücken, denn nun ist dieses grosse Land für europäische Ci-
vilisation und den Handel auf unbestimmte Zeit geschlossen.
Der Mahdi, sowie auch, sein Nachfolger Said Khalifa haben
jeden Verkehr mit Aegypten untersagt. Strenge Gebetsübungen
sind den Gläubigen geboten, Nichtmohamedaner sind nicht ge-
duldet. Tabakrauchen ist bei harter Strafe verboten, im Wieder-
holungsfalle sogar bei Todesstrafe. Sogar Kaffee darf nicht
getrunken werden. Uebrigens wird die Communication auch
durch räuberische Beduinen verhindert.
Im Mai dieses Jahres sind endlich positive Nachrichten
über das Schicksal der Europäer, welche sich in Chartum in
der Gefangenschaft des Mahdi befinden, in Kairo eingetroffen.
Dieselben lauten sehr traurig. Lupton Bey, der frühere Gou-
verneur der Provinz Bahr-el-Ghazal, muss wie ein gemeiner
Araber im Arsenal arbeiten, Slatin Bey, früher Gouverneur von
Darfor, muss dem Mahdi als Sais dienen, d. h. vor dessen Pferd
herlaufen und ihm beim Auf- und Absteigen den Steigbügel
halten. Dazu wird er bei jeder Gelegenheit vom Mahdi insul-
tirt. Neufeld wird misshandelt. Die Griechen, Syrier und Ae-
gypter leben in sehr elenden Verhältnissen und müssen sich
den niedrigsten Arbeiten unterziehen. Vor wenigen Tagen
wurde der Tod Lupton Bey's gemeldet.
Die Missionare und Schwestern müssen ihr Leben durch
Zubereitung von Speisen und deren Verkauf auf den Strassen
und andere Arbeit kümmerlich fristen.
Diesen Nachrichten zufolge herrscht in Chartum grosses
Elend. Zwischen den Anhängern des Mahdi und denjenigen
anderer hoher Persönlichkeiten seien Streitigkeiten entstanden.
137
Dr. Junker hält dafür, dass es für ganz Europa und be-
sonders für England, das gegenwärtig die Geschicke Aegyptens
lenkt, eine Schande sei, den gegenwärtigen Zustand des Sudan
zu dulden, zuzugeben, dass ein Land, das seit 30 Jahren dem
Handel und einer gewissen Civilisation geöffnet war, der Bar-
barei überlassen werde, währenddem mit etwas gutem Willen
es leicht wäre, dasselbe wieder zu erobern und eine Anzahl
Europäer aus elender Gefangenschaft zu befreien.
Folgende Notizen, die ich meinen vieljährigen ziemlich
genauen Aufzeichnungen entnehme, geben Ihnen einen Begriff
vom Handel, der von Cairo aus mit dem Sudan unterhalten
wurde.
Der Export vom Sudan nach Aegypten belief sich:
1877/78 auf circa Fr. 5,800,000.
1878/79
r>
n
77
6,800,000.
1879/80
r>
n
r>
5,200,000.
1880/81
n
r>
r>
6,600,000.
1881/82
n
77
T)
6,000,000.
1882/83
n
77
n
2,500,000.
1883/84
77
n
77
5,600,000.
1884/85
n
77
77
4,300,000.
Diese zwei letzten Jahre zeigen desshalb einen so grossen
Betrag, weil die Regierung ein grosses Quantum Elephanten-
zähne verkaufte, die ihr aus dem Sudan zugekommen waren, für
welchen Artikel sie seit einigen Jahren das Monopol hatte.
Vom Jahre 1885 an ist nur sehr wenig mehr angekommen,
nur noch einige in Ober-Aegypten zurückgebliebene Partien.
Jetzt sind die Ankünfte sozusagen Null.
Die Folge davon war, dass einige Artikel im Preis enorm
stiegen, z. B. Gummi. Aechter Arabicum Kordofan ist um
mehr als das Zehnfache gestiegen. Er galt 1882 P. c 225. —
(Piaster corrent). Der Cantar (=4472 Kg.) = ca. Fr. 80, die
100 Kg., während dem letzthin für eine kleine Partie P. c. 2700
und sogar P. c. 3000 per Cantar oder Fr. 925 bis 950 per 100 Kg.
bezahlt wurde. Jetzt ist sozusagen keiner mehr vorhanden und
wird bald um keinen Preis mehr erhältlich sein, wenn nicht
unvorhergesehene Ereignisse den Sudan wieder eröffnen.
Der Handel mit diesem Lande war bis 1882 in steter Zu-
nahme begriffen. So betrug z. B. der Export von Gummi im
Jahre 1877/78 96,227 Cantar ä 44 1 /« Kg., wovon 57,672 aus dem
138_
Kordofan, und stieg im Jahre 1881/82 auf 1(32,244 Cantar, wo-
von 127,044 aus dem Kordofan: Das Waaren-Geschäft war im
Aufblühen begriffen, währenddem der Sklaven-Handel in Ae-
gypten sozusagen gänzlich aufgehört hatte und die G-allabs
(Nubier), die sieh früher mit Sklaven-Handel beschäftigt hatten,
gewöhnten sich nach und nach daran, statt deren die reichen
Produkte des Sudan auf den Markt nach Cairo zu bringen, sie
da zu verkaufen und dagegen europäische Industrieprodukte,
wie Manufakturen, Kurzwaaren, Glasperlen etc. einzuthun und
nach dem Sudan zu bringen. Somit betrug der jährliche Um-
satz (Export und Import) 1881/82 über 12 Millionen Franken,
und ich bin überzeugt, dass der Handel von Jahr zu Jahr zu-
genommen hätte (er war ja erst im Entstehen begriffen, d. h.
im Begriff in regelmässige Bahnen gelenkt zu werden), zum
Wohl des ganzen Landes.
Was nun das eigentliche Aegypten anbetrifft, so ist
dessen Ausdehnung circa 1 Million Quadratkilometer (während
die verlorenen Gebiete des Sudan gegen 2 Millionen | j-Kilom.
betragen). Es sind im eigentlichen Aegypten circa 6 Millionen
ägyptische Peddan (ä, 4200 Q-meter) angebaut. Die Kultur ist
im Zunehmen begriffen, wozu nicht wenig beiträgt, dass die
Regierung kultivirbares Land zu billigem Preis abgibt und es
den Pensionirten des Staates anheimstellt, gegen Verzicht auf
ihre Pensionen Land zu empfangen mit der Verpflichtung, es
zu bebauen.
Ein grosser Theil des Areals ist von der Wüste einge-
nommen.
Die Alten verstanden unter Aegypten nur das Nil-Land,
d. h. das Nil-Thal von Syene, dem heutigen Assuan, bis zum
Gabelpunkt am Delta, und das letztere selbst. Dieser Begriff
war den aus der Anschauung sich ergebenden Verhältnissen
entsprechend, denn längs des Nil ziehen sieh an beiden Seiten
des Streifens schwarzer angeschwemmter Erde, welcher blos
4 — 6 Kilometer breit ist und den grössten Theil des Jahres
hindurch im üppigsten Grün der Durrha-, Zuckerrohr-, Baum-
woll-, Mais- und Waizen-Felder prangt, mit seinen Städten und
Dörfen, seinen Palmhainen und Sykomoren und Akazien-Grup-
pen, die Kalk- und Sandstein-Felsen der arabischen Wüste auf
der östlichen und diejenigen der libyschen Wüste auf der west-
lichen Seite hin, Sie begrenzen das grüne Thal, indem sie sich
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139
in Höhen von 70 bis 200, mitunter selbst bis 350 Meter über
den Spiegel des Stromes erheben und zuweilen einen recht
malerischen Anblick bieten, besonders auf der Ostseite, wo sie
bedeutend höher sind als auf der Westseite.
Der Nil bildet die Lebenskraft Aegyptens, ohne ihn wäre
das ganze Land öde Wüste. Die Araber nennen ihn mit Recht
Abu-el-Baraka, Vater des Segens. Bei seinen regelmässigen
jährlichen Anschwellungen tränkt und düngt er das Land. Die
spärlichen Regen fallen nur in Unter- und Mittel- Aegypten und
nur während der kühleren Jahreszeit (von Ende November bis
Anfangs Mai), und je weiter die Gegend nach Süden gelegen
ist, desto seltener.
Da während eines Theils des Jahres Wasserüberfluss und
während eines anderen Theiles Wassermangel herrscht, so ist
es natürlich, dass der Anlage, Erhaltung und Vervollkomm-
nung des Bewässerungssystems von jeher die grösste Aufmerk-
keit geschenkt wurde. Kanäle durchziehen nicht nur das ganze
Delta, sondern sind auch in Mittel- und Ober- Aegypten überall
angelegt, um das Wasser bis an den Rand der Wüste zu führen.
Sie müssen jedes Jahr von dem in denselben abgelagerten Schlamme
gereinigt werden, was früher im Frondienst geschah, indem
jeder Schech-el-Belid (Dorfschulze) die Leute seiner Ortschaft
dazu anhalten musste, diese Arbeit zur Zeit des niedrigsten
Wasserstandes zu verrichten. Dieser Frondienst ist jetzt ab-
geschafft, dagegen müssen die Bauern eine Abgabe zahlen und
die Arbeiten werden auf Staatskosten ausgeführt.
Im Juni fangt der Nil regelmässig an zu steigen und er-
reicht im Oktober seine höchste Höhe. Da dieses jährlich sich
regelmässig wiederholende Anschwellen des Stromes, von den
in den Aequatorial-Ländern, wo sich seine Quellen befinden
und den in seinem Flussgebiet liegenden Sudan-Ländern und
Abessinien regelmässig eintretenden Regen herrührt und die-
selben natürlich nicht jedes Jahr in gleicher Menge fallen, so
sind auch die durch dieselben verursachten Ueberschwemmun-
gen nicht jedes Jahr gleich stark.
Es ist deshalb für die Wohlfahrt des Landes von grösster
Wichtigkeit, dass Dämme und Canäle in gutem Stand erhalten
werden und dass während der Ueberschwemmung das Steigen
des Wassers stets überwacht wird, denn sonst können bei einer
starken Ueberschwemmung Dammbrüche stattfinden, in Folge
140
deren die Pflanzungen zerstört and ganze Dörfer von den "Wel-
len fortgerissen werden, wobei Menschen und Vieh ums Leben
kommen. Das ist an verschiedenen Stellen im Jahre 1878 vor-
gekommen, sowie letzten Herbst. Der höchste Wasserstand,
der im Jahre 1878 am Nilmesser in Rodah, einer Insel im Nil
gegenüber Alt-Cairo, beobachtet wurde, war circa 22 Meter,
am 5. Oktober, währenddem er zur Zeit des niedrigsten Wasser-
standes Ende Juni nur circa 13 Meter hatte, also ein Unter-
schied von circa 9 Meter.
Letztes Jahr mass er Ende Juni circa 13 1 /* Meter und er-
reichte am 25. September seinen höchsten Wasserstand, näm-
lich 20*/* Meter, Bei der schwachen Ueberschwemmung vom
Jahre 1885 betrug seine Höhe Ende Juni 12 Meter und er-
reichte Mitte Oktober 19 '/ t Meter; Ende Oktober mass er 177a
Meter, war also um 1 '/* Meter gesunken.
Dieses Jahr steigt der Nil sehr langsam und die "Ueber-
schwemmung ist verspätet und schwach. Die Baumwollernte
in der Behera (Unter- Aegypten) könnte darunter leiden, denn
Anfangs August war nicht genug Wasser vorhanden, um die
Pflanzungen reichlich genug zu bewässern.
Unglücklicher Weise fiel dasselbe Mitte September statt
zu steigen, was besonders für Ober-Aegypten böse Folgen haben
wird, denn man kann jetzt schon rechnen, dass 200 bis 250
tausend Feddan nächstes Jahr in den Provinzen Esne, Kenek
und Grirgeh nicht bebaut werden können. Diese letztere Provinz
einzig wird circa 100,000 Feddan weniger anbauen können als
letztes Jahr.
Im August, September und Oktober glich letztes Jahr das
Nilthal oberhalb Cairo einem immensen See, im Westen von
der libyschen Wüste, im Osten von den Kalksteinfelsen des
arabischen Gebirges begrenzt, aus dem nur der Damm der
Eisenbahn nach Ober-Aegypten als eine dunkle Linie auf-
tauchte.
Im November hat sich das Wasser gewöhnlieh zurückge-
zogen, der Fellah besäet das mit Nilschlamm bedeckte Feld
und wenige Tage nachher fängt dasselbe an zu grünen und im De-
zember schweift der vergnügte Blick über die mit saftigen
Kleefeldern bedeckte Ebene, auf der Herden von Büffeln und
Schafen , Kühe , Pferde und Kameele weiden. Ende Mai
muss der Klee andern Pflanzungen Platz machen, der Durrha
141
sefi (sorghum vulgare) etc. Die Getreide- (Weizen und Gerste)
und Bohnen-Ernte findet schon im April statt. Die Pflanzen
nebst der Durrha Hefern die Hauptnahrung der Bewohner, so-
wohl für Menschen als Vieh.
Die Bohnen werden in einem Gefässe mit Wasser die
ganze Nacht hindurch bei schwachem Feuer gekocht und bilden
so, mit etwas Zitronensaft und Butter gemischt, die wohl-
schmeckende Speise des Arbeiters ; mit einer aus zwei Steinen
bestehenden Handmühle gebrochen und mit zerhacktem Stroh
gemischt bildet die Bohne (arab. fiel) während ca. 8 Monaten
des Jahres die Hauptnahrung für Büffel, Kühe, Esel, Maulesel
und Kamele, indessen Pferde während dieser Zeit hauptsächlich
mit Gerste und gehacktem Stroh ernährt werden. Die übrigen
4 Monate des Jahres (vom Januar bis Ende April) wird das
Vieh mit Klee (arab. bersim) gefüttert
Mohamed Ali hat sich durch Wiederherstellung des Kanal-
systems, das viele Jahrhunderte lang vernachlässigt worden
war, grosse Verdienste erworben. Er Hess den Mahmudieh-
Kanal herstellen, wodurch Alexandrien mit Nil-Wasser versorgt
wird und welcher auch der Schifffahrt treffliche Dienste leistet,
auch setzteer den Josephs- Kanal, welcher Fajum bewässert,
wieder in Stand. Ausserdem liess er ca. 2*/2 Stunden unter-
halb Cairo das grosse Dammwerk errichten, wodurch das Nil-
wasser gestaut und beliebig in den Arm von Rosette oder
denjenigen von Damiette geleitet werden kann. Dieses gross-
artige Werk wird jetzt reparirt und vollendet. Es wird schon
seit bald zwei Jahren daran gearbeitet und viele Millionen
Franken sind schon dafür ausgegeben worden.
Man beschäftigt sich auch mit dem Gedanken, denMöris-
See in der süd-östlichen Ecke von Fajum wieder graben zu
lassen. Derselbe wurde vom König Möris zur künstlichen Be-
wässerung dieser oasenartigen Provinz und der entfernteren
Landestheile von Memphis angelegt. Er hatte ca. 18 Meilen
Umfang und eine Tiefe von 14 — 16 Fuss. Nach und nach
ging er in Folge des jährlich auf seinem Grunde sich ab-
lagernden Nilschlammes ein. Das jetzige trockene Bett ist öde
und unangebaut. Es würden laut Berechnungen , die Herr
Whitehouse angestellt hat, durch Wiederherstellung des Sees
Hunderttausende von Feddan wieder fruchtbar gemacht werden
können. Herr Whitehouse ist damit beschäftigt, zur Ausführung
142
des Projektes eine Actien-Gesellschaft zu bilden. Die ägyptische
Regierung scheint; dem Plane günstig zu sein.
Durch Trockenlegung der vielen Seen im Norden des
Deltas, dem Mittelmeer entlang (Mareotis, Etko, Burlos und
Mensaleh), welche einen grossen Raum einnehmen, könnte der
Cultur ein ausgedehntes Terrain gewonnen, eigentlich zurück-
gewonnen werden. Der Anfang ist bereits gemacht, indem
eine englische Gesellschaft angefangen hat, den kleinsten dieser
Seen, denjenigen von Abnkir (14,000 Hektar messend), trocken
zu legen.
Der geologische Bau des Landes ist äusserst einfach ;
Kalksteinfelsen bilden die Küste westlich von Alexandrien.
Das Delta ist angeschwemmtes Land und südöstlich davon
zieht sich das flachhügelige , im wesentlichen aus Sandstein
und Grobkalk bestehende Plateau des Isthmus von Suez bis
zum rothen Meere. In der Gegend von Cairo beginnt in den
Höhenzügen zu beiden Seiten des Nil das ausgedehnte Gebiet
des Nummuliten-Kalkes, welches bis gegen Siut reicht. Der
Mokattam bei Cairo bildet den nördlichsten Vorsprung der
arabischen Gebirgskette. Er erhebt sich etwa 160 Meter
über das Mittelmeer und gehört der tertiären Bildung an.
Dieses Gebiet ist vor kurzer Zeit von einem Schweizer Gelehrten,
Herrn Mayer- Eymar aus Zürich, besucht worden. Er hat die
Schichten des Mokattam untersucht und dabei die Ueberein-
stimmung des ägyptischen Grobkalkes und des Pariser Grob-
kalkes in ihrer Zusammensetzung aus 2 mal 5 Abtheilungen
erkannt. Er hat auch die vielen dort vorkommenden Petre-
fakten bestimmt.
Im arabischen Gebirge finden sich auch Gypslager. Einige
Exemplare Fasergyps und krystallisirter Gyps aus der Nähe von
El Ayat befinden sich im Naturhistorischen Museum in Aarau.
Von Siut bis Esne bestehen die das Nilthal umfassenden Fels-
ketten aus Kalkstein , welcher nicht mehr der Nummuliten-
formation angehört. Er ist an vielen Orten sehr hart.
Bei Esne hat das Gebiet des Kalksteins seine Grenze tind
es beginnt das grosse Sandsteinlager, welches sich bis Nubien
fortsetzt. Bei Assuan findet sich auch Granit und Syenit, ein
Durchbruch plutonischen Gesteins durch den Sandstein.
In der arabischen "Wüste, theilweise die Küste des rothen
Meeres bildend, erstreckt sich ein Gebirgsrücken aus Granit,
LJIL^»*.! -
143
Gneis, Porphyr und Diorit bestehend. Auch hier finden sich
stellenweise grosse Gypslager.
Das eigentliche Aegypten zählte im Jahre 1883 6,798,230
Einwohner, bestehend aus ca. 5 3 /4 Millionen Mohamedanern und
ca. 1 Millionen Christen und Juden, nämlich ca. 750,000 Kopten
und einheimische Juden und ca. 260,000 Franken und Levantiner.
Weitaus der grösste Theil der mohamedanischen Bevölke-
rung sind Ackerbauer (Fellahin, von Fellah, Pflüger). Sie und
die Kopten sind die Abkömmlinge der alten Aegypter.
Die Europäer und Levantiner (Griechen, Syrier, Italiener,
Franzosen, Engländer, Oesterreicher , Deutsche etc.) betreiben
meistens Handel, sind Staatsangestellte, Handwerker etc.
Im Jahre 1838 betrug die Zahl der Einwohner des eigent-
lichen Aegyptens nach Clot Bey's „aper9u general" nur ca.
2 Millionen Einwohner, dieselbe hat sich also seither mehr als
verdoppelt.
Der Landbewohner (Fellah) ist mittlerer Grösse, kräftig
und muskulös. Seine Hautfarbe ist braun in verschiedenen
Schattirungen Derjenige von Oberägypten ist meistens dunkler
gefärbt, als der von Unterägypten. Seine Tracht ist sehr einfach,
ein weites, blaues oder weisses Hemd (kamis) von Madapolam,
um die Mitte mit einem Gürtel oder Strick zusammengehalten;
eine Filzmütze (libdeh) oder ein Tarbusch als Kopfbedeckung
bilden seine ganze Sommerkleidung. Im Winter trägt er einen
seh af wollenen, meist braunen oder schwarzen Mantel (zabut)
oder auch wohl eine wollene Decke (Jiurari). Gewöhnlich geht
er baarfuss und trägt nur selten die rothen gespitzten (zerbun)
oder die breiten gelben Schuhe (Balgah). Nur ein Reicher,
z. B. ein Dorfschulze (Scheck el Belecl) , trägt einen weissen
oder rothen Turban. Nur Turbanträger sieht man zu Pferde, welche
meist sehr hübsch und malerisch besattelt sind. Die Tracht
der Frauen besteht aus einem indigoblauen , baumwollenen
Hemd und Schleier. Sie tragen silberne oder auch nur kupferne
Armbänder, Ohrringe, Nasenbänder sowie Fussbänder, über den
Knöcheln getragen, als Schmuck.
Die Fellahs wohnen in Dörfern zusammen, die fast aus-
schliesslich am Nil oder an einem Kanal erbaut sind. Sie
stehen unter dem Schech el Beled, welcher für die Zahlung
der Steuern sorgen muss. Früher war er für die Eintreibung
derselben verantwortlich und wenn er den Betrag nicht ab-
14 4
liefern konnte, wurde er mit Streichen auf die Fusssuhlen ge-
straft- Gewöhnlieh zahlte der Fellah die Steuern erst, wenn
er eine entsprechende Tracht Schläge erhalten hatte. Wer
seine Steuern bezahlte, ohne vorher die Bastonade erhalten
zu haben , wurde in einigen Gegenden für feig und ehrlos
gehalten. Heutzutage ist die Bastonade abgeschafft und den
Bauern wird ihr Land sequestrirt und verkauft, wenn sie nicht
bezahlen.
Man redet dem ägyptischen Bauern nach , er sei geizig,
verschmitzt und lügnerisch. Es mag etwas daran wahr sein,
allein wenn man bedenkt, dass derselbe seit Jahrtausenden
nur dazu da ist, Steuern zu bezahlen, ohne dass er selber auch
nur irgend welchen erheblichen Vortheil daraus zöge, so wird
man ihn entschuldigen. Auf jeden Fall ist seine Ausdauer
und Geduld zu bewundern. Nachdem er das ganze Jahr
hindurch gearbeitet hat . bleibt ihm oft kaum genug , um die
Abgaben zu bezahlen und oft ist er nicht im Stande, sich
Kleider oder ein nöthiges Geräthe anzuschaffen. Die Dörfer
sind alle auf erhöhten Stellen, oft Schutthügeln erbaut, wo
sie von der Nilüberschwemmung nicht erreicht werden. Es
sind aus Lehm gebaute niedere Hütten , gewöhnlich nur eine
Stube enthaltend, die oft zugleich als Stall für Ziegen, Hühner
und Schafe dient.
Die Bevölkerung der Städte ist sehr verschiedenartig zu-
sammengesetzt; besonders in den grössern Städten, wie in Cairo
und Alexandrien herrscht die arabische (also semitische) Rasse
vor. Die Kleidung der Städter der mittleren und höhern Klassen
besteht aus weiten Beinkleidern aus Wollstoff, darüber liegt ein
wollenes Hemd mit Aermeln oder eine Jacke ohne Aermel
(sudeiri); der Kaftau , ein langes baumwollenes oder seidenes
Gewand mit weiten Aermeln, das bis zum Knöchel reicht
bildet nach aussen den Abschluss. Ueber dem Kaftan trägt
er, wenn er ausgeht, die Gubbehi meistens aus Tuch von
dunkler Farbe. Auf dem Kopfe trägt er eine weisse Schweis-
haube (arakijeh) und darüber den Tarbusch, um welchen ge-
wöhnlich der Turban gewunden ist.
Mildthätigkeit gegen Arme und Bettler ist unter den Land-
bewohnern üblich, ebenso die Gastfreundschaft, eine schon seit
alter Zeit geübte Tugend, ganz besonders bei den Beduinen.
Das Alter wird in Ehren gehalten.
145
Strenge Rechtlichkeit im Zahlen zeichnete früher den
arabischen Kaufmann aus , nach und nach sind aber die Ver-
hältnisse anders geworden und seit einiger Zeit kommen öfters
Fälle von betrügerischem Bankerott vor.
»Wie aus dem oben Gesagten hervorgeht, besteht weitaus
der grösste Theil der Bewohner Aegyptens aus Ackerbauern,
und ich erlaube mir daher, einiges über die Agriculturzustände
mitzutheilen.
Der Ackerbau steht in Aegypten mit dem regelmässigen
Steigen und Fallen des Nils in enger Beziehung. Der Nil ist
die Lebensader des Landes, dessen lebhaftere und schwächere
Pulschläge Segen oder Elend zur Folge haben. Nicht nur be-
fruchtet das Wasser durch die vielen Kanäle das Land, sondern
es findet auch durch die Seitenwände des Stromes eine reich-
liche Durchsickerung statt , so dass überall in der Nähe des
Stromes Brunnen angelegt werden können, welche zur Zeit des
niedern Wasserstandes dazu dienen, das Land zu bewässern.
Der Feldbau zerfällt in zwei Kategorien, den Winter- und
Sommerfeldbau. Die Ländereien der ersten Klasse sind solche,
die von der Ueberschwemmung erreicht und bewässert werden,
die der zweiten Kategorie sind solche , die zu hoch gelegen
sind, um von der Ueberschwemmung erreicht zu werden und
also künstlich bewässert werden müssen. Auf die Ländereien
der ersten Klasse werden, sobald sich die Wasser zurückgezogen
haben, Weizen (triticum turgidum, arab. kamch) , Gerste (hör-
deum hexastichorij arab. chair), Linsen (ervum lens, arab. ades),
Bohnen (vicia faba, arab. ful), Lupinen (lupinus termis, arab.
tirmis), u. s. w. gesäet ; man nennt sie die Wintersaat (schitwi).
Es findet auf diesem Grunde in der Regel nur eine Saat und
Ernte statt. Auf den Ländereien der zweiten Kategorie
erzielt man durch künstliche Bewässerung 2 — 3 Ernten im
Jahre. Sie werden oft mit Sorghum (Durrah sefi) , Indigo,
Baumwolle u. s. w. bepflanzt, nachdem die Wintersaat schon
eingeheimst ist. Zur Zeit des Steigens des Nils, welches mit der
Sommersonnenwende zusammen fällt, wird dann abermals Mais
(Durrah schami) gepflanzt und so die drei Ernten gewonnen.
Zum Heben des Wassers sind an vielen Orten Wasser-
räder oder Schaduf angebracht; in letzter Zeit werden auch
vielfach Dampfpumpen dazu verwendet.
Fernechau III. 10
146
In Unter- Aegypten ist der Feldbau mannigfaltiger als in Ober-
ägypten. Im Winter baut man Weizen, Gerste, Bohnen, Mais.
Lein, Klee, Wolfsbohnen, Kichererbsen, im Sommer hingegen
Reis, Baumwolle, Indigo, Zuckerrohr, Mais und Gemüse. Das
Klima ist in Unter- Aegypten nur wenig heisser als in Süd-
europa nud gleicht dem eines grossen Theiles von China. Die
niedrigste Temperatur fallt nie unter 3 — 4 Grad , die höchste
ist beiläufig 42 Grad im Schatten, die mittlere ungefähr 21 — 22
Grad Celsius. Der Feldbau wird hauptsächlich mit Achern
und Bewässern betrieben. In letzter Zeit hat man auch an-
gefangen zu düngen, was um so nothwendiger ist, da die Haupt-
kultur des Landes, nämlich Baumwolle und Zuckerrohr, das
Land zu sehr entkräften, so dass die Bewässerung, bei welcher
der im Nilwasser enthaltene Schlamm durch Ablagerung aus-
geschieden wird, nicht mehr hinreicht. Es ist in letzter Zeit
in Cairo eine Düngerfabrik etablirt worden, welche gute Resultate
erzielt.
Die Haupt-Export- Artikel sind Baumwolle und Baumwoll-
samen und Zucker; vor einigen Jahren wurde in der Nähe von
Cairo, in Hawamdieh, eine grosse Zucker- Raffinerie errichtet,
welche nach den neuesten Systemen eingerichtet ist und ganz
Aegypten und auch Syrien mit Zucker versorgt Ausser dem
exportirt man auch Weizen, Bohnen, Gerste, Mais, Datteln,
Wolle u. s. w. Die Wolle ist ziemlich grob und wird haupt-
sächlich zur Fabrikation von Decken verwendet.
Die Landessprache ist das Arabische.
Das Land ist in 13 Mudirien eirgetheilt, nämlich: 1) Unter-
Aegypten : Garbie (Tanta) , Dahkalie (Mansura) , Scharkie
(Zagazig) , Behera (Damanhur), Mennße (Schibin), Galinbie
(Benha), Gizeh (Gizeh). 2) Mittel- Aegypten : Minieh-Benimagar
(Minieh) , Benisuef-Fayum. 3) Ober -Aegypten: Assiut (SiutJ,
Girghe (Sohag), Kene-Kosser (Kene), Esne (Esne),
Das ägyptische Finanzwesen ist jetzt geordnet. Die Staats-
schuld betrug Ende Dezember 1887 ca. L. E. 105,868,000, also
über Fr. 2,701,568,000 Dieselbe belief sich am 31. Dez. 1888
auf 97,161,220 L. E., hat somit um 8,707,640 L. E. zugenommen,
haupsächlich in Folge der Revolte Arabis 1882 (einzig die
Entschädigung, welche die Regierung für den durch das Bom-
bardement von Alexandrien v er urs Eichten Schaden bezahlen
musste, betrug über 4,000,000 L. E.) und in Folge des Krieges
p« «».HWUMiilfm.
147
im Sudan. Zur Verzinsimg dieser Staatsschuld sind jährlich
ca. 4,500,000 L. E. erforderlich, der Tribut an die Pforte be-
trägt 760,000 L. E. Diese, nebst den Ausgaben für Admini-
stration, für die Armee (welche gegenwärtig aus ca. 10,000
Mann besteht) etc ., werden aus folgenden Einkünften gedeckt:
der Grundsteuer, Einkommen- und Marktsteuer (Oktroi),
den Zöllen auf Import- und Export -Waaren, Ueberschuss der
Einnahmen aus den Eisenbahnen und Telegraphen, Verpachtung
der Fischerei, Abgaben für Schiffahrt auf dem Nil und Dattel-
palmen u. s. w. In Folge der Entwerthung der Produkte und
des schlechten Geschäftsganges im Allgemeinen hat sowohl der
Werth der importirten als exportirten Waaren abgenommen.
Es wurden exportirt im Jahre 1883 für L. E. 6,407,800,
im Jahre 1887 L. E. 5,516,100, Abnahme L. E. 891,700.
Es wurden importirt im Jahre 1883 für L. E. 11,465,700,
im Jahre 1888 für L. E. 10,157,400, Abnahme L. E. 1,308,300.
Abnahme zusammen L. E. 2,200,000.
Ich sagte, das ägyptische Finanzwesen sei jetzt ein geord-
netes, indem nicht nur eine regelmässige Finanz wirthschaft
eingeführt ist, sondern dieselbe auch unter der Aufsicht der
von den Grossmächten ernannten Controleure steht. Die Steuern
werden regelmässig eingetrieben und die Zinsen auf den ver-
schiedenen Anleihen regelmässig ausbezahlt. Die Curse der
ägyptischen Papiere stehen somit alle sehr gut, ausgezeichnet
sogar im Vergleich zu ihrem Stande vor 6 bis 12 Jahren.
Diese Papiere sind grösstentheils in den Händen von europäischen
Kapitalisten in England, Frankreich, Deutschland etc. Diesen
convenirt der gegenwärtige Stand der Dinge. Einen schwarzen
Punkt aber bildet das fortwährende, ja zunehmende Elend des
ägyptischen Volkes. Wie allgemein bekannt, hat der Werth der
Bodenprodukte und in Folge dessen auch der Werth des Bodens
selbst in der letzten Zeit bedeutend abgenommen. Baumwolle,
Zucker, Weizen, Bohnen, alles steht tiefer im Preise als in
früheren Jahren. Somit hat auch das Einkommen des ägyp-
tischen Bauern bedeutend abgenommen, während die Steuern
dieselben geblieben sind, ja sich eher noch vermehrt haben.
Die natürliche Folge dieser Zustände ist eine allmälige Ver-
armung des Landes und es wird wohl früher oder später die
Noth wendigkeit eingesehen werden, den Zins auf den ver-
schiedenen Staatsanleihen Aegyptens, der gegenwärtig 3 — 4%
148
p. a. beträgt, zu reduziren und die Grundsteuern herabzusetzen
und mehr in Proportion mit dem Ertrage des Landes zu bringen.
Die in Aegypten ansässigen Europäer zahlten früher keine
direkten Steuern. Seit einigen Jahren ist nun aber die Steuer
auf Immobilien eingeführt und man ist im Begriff, eine hohe
Personalsteuer, sowie Wechselsteuer etc. einzuführen.
In Bezug auf geistige und wissenschaftliche Ausbildung
ist in den Städten einiger Fortschritt bemerkbar, während die
Elementarschulen, besonders auf dem Lande, auf der gleichen
Stufe stehen wie vor 30 Jahren. Sie beschränken sich auf noth-
dürftiges Lesenlernen, werden aber nur von wenigen Kindern
frequentirt. Dagegen besteht jetzt in Cairo, der Hauptstadt des
Landes, eine gute Künste und Gewerbeschule, sowie auch eine
Medizinal- und eine Rechtsschule, welche gute Resultate liefern.
Das Rechtswesen hat, seit Installirung der Tribunale der inter-
nationalen Gerichtsreform und des neuen Gerichtshofes für
Streitigkeiten zwischen Eingobornen, Portschritte gemacht.
Auch der Kunstfleiss des Landes seheint sich etwas regen
zu wollen; es werden grobe Leinwand, Segeltuch, baumwollene,
wollene und seidene Stoffe, feine Matten aus Binsen und in
Oberägypten treffliche Geschirre hergestellt. Auch die Schreiner
und Dreher machen Fortschritte, unter anderm werden die
schönen Modelle der arabischen Kunst wieder nachgeahmt.
Die Verkehrsmittel sind ziemlich gut, die Eisenbahn-
Direktion gibt sicli Mühe, Personen und Waaren so schnell
als möglich zu befördern, obschon das Material theilweise in
schlechtem Zustande ist. Neue Linien werden nur in kleinem
Maasse erstellt und die angefangene Eisenbahn in Oberägypten
ist noch nicht über Assiut hinaus gerückt. Telegraphen-
Stationen sind an allen grössern Ortschaften eingerichtet, das
Telephon ist in Cairo und Alexandrien eingeführt und eben
ist man im Begriff, diese beiden Städte telephonisch mit ein-
ander zu verbinden. Die ägyptische Staatspost zeichnet sich
durch ihre Pünktlichkeit aus. Sie expedirte 1887 12,916,000
Gegenstände, wovon 4,742,000 von und nach ausserägyptischen
Ländern. Die Einnahmen betrugen L. E. 122,120, die Ausgaben
90,409, somit ergab sich ein Ueberschuss von Einnahmen von
31,710 L. E.
Die Landesmünze ist seit einem Jahre das ägyptische
Pfund, eingetheilt in 1000 Theile. Trotzdem wird der alte
m^T?^^^-"-'" -"
149
Tarif-Piaster im Handel immer noch beibehalten. Es ist ein
Piaster gleich 10 /iooo L = 10 Milliemes; somit hat ein L 100
Piaster. Das ägyptische L hat ungefähr den Werth von 26 Fr.
Die jetzt kursirenden Münzsorten sind:
1) In Gold: Das ägyptische L von 1000 Milliemes.
2) In Silber: Das 20-Piasterstück von 200
n
10
n
n
100
n
T)
B
71
n
50
n
n
2
n
n
20
r>
n
1
n
n
10
n
3) InNickel: Das
V«
n
n
B
n
»
7.0
j)
n
2
n
T)
7.0
n
n
1
n
4) InBronce: „
V»
n
n
V»
n
7)
740
n
ry
7*
n
Es ist höchlich zu wünschen, dass der ägyptische Sudan
sich europäischer Civilisation und dem Handel bald wieder
öffne, und dass alsdann der Einfluss der Europäer von guten
Folgen für die Eingebornen begleitet sein möge. Was aber
Aegypten selbst anbetrifft, so wird es hoffentlich in Europa als
nothwendig und im wohlverstandenen Interesse der Betheiligten
liegend eingesehen werden, dass dem geplagten Bauern einige
Erleichterung geschaffen und der Wohlstand des Landes nicht
gänzlich untergraben werde.
(5
152
Hauptstadt neuen Glanz und eine Entwicklung zu geben, die
ihrer Vergangenheit würdig ist. und die sie ebenbürtig neben
die andern Hauptstädte europäischer Grossstaaten stellt. Dahin
gehört -vor Allem, dass die Stadt und ihre Umgebung gesund
seien, dass man in nächster Nähe der Stadt gesunde Land-
häuser tmd Gärten erstellen und endlich die Gartenerzeugnisse
und Lebensmittel bauen und ziehen könne, die zum billigen
Leben einer zahlreichen Bevölkerung aus der Nähe bezogen
werden müssen.
Zur sanitarischen Entwicklung Korns wurde sofort nach
1870 geschritten. Die Tiberregulirung wurde ins Werk gesetzt,
um den Ueberschwemmungen der tiefer liegenden Stadttheile
vorzubeugen und dem Wasser ungehinderten Abzug zu schaffen ;
Cloaken werden gebaut und statt wie bisher in der Stadt selbst
in den Tiber geleitet zu werden, längs desselben weit unter-
halb der Stadt in denselben geführt; alte, enge Quartiere
(Ghetto) wurden zusammengerissen und werden durch neue,
luftige Häuser in weiten Strassen ersetzt. Neue Strassenzüge
wurden durch mehrere enge Häusereomplexe geführt, gesunde
Schulen und Kasernen gebaut, mit einem Worte alles gethan,
was nöthig schien, der Sanirung Vorschub zu leisten.
Aber auch bezüglich der Campagna wurde nichts ver-
säumt und wurden sofort technische Commissionen mit dem
Studium der Frage der Sanirung und der Vorlage von Pro-
jekten betraut. Diesen Akten hat die nachstehende Arbeit
einen grossen Theil ihrer Daten entnommen und die Beschrei-
bung der Werke, die den Vorschlägen dieser Commissionen
entsprangen, soll den Abschluss dieser Skizze bilden.
Es ist ziemlich schwierig, die Grenzen der Campagna
romana festzustellen, indem unter dieser Bezeichnung weder das
gegenwärtig noch sehr ausgedehnte Gemeindegebiet der Stadt
Eom noch eine ältere historische Begrenzung verstanden ist.
Es liegt dieser Bezeichnung ausschliesslich ein geographischer
Begriff zu Grunde, indem die Campagna ein weites Becken
bildet, das auf drei Seiten von Bergen, auf der vierten Seite
vom Meere umschlossen ist, das vom Tiber und dem ihm von
der linken Seite oberhalb Born zufliessenden Aniene in nahezu
zwei gleiche Hälften getheilt wird, in dessen Mitte Rom liegt.
Die Berge im Osten bilden die höchsten Punkte der um-
liegenden Gebirge; sie sind Ausläufer der Apenninen und
•^f."V*-"V
153
werden vom Flüsschen Aniene in zwei Gruppen getrennt, von
denen diejenigen auf dem rechten Ufer das Lucianische Ge-
birge, jene auf seinem linken Ufer die Pränestinischen Berge
genannt werden.
Der höchste Punkt des ersten Gebirgsstockes ist der Monte
Gennaro 1235 m. über Meer, der höchste Punkt des zweiten
Gebirges der Monte Guadagnolo 1218 m. über Meer.
Im Nordosten von Rom erhebt sich der Kegel der Saba-
tinischen Gebirge und begrenzt das Becken zwischen den Apen-
ninen und dem Meere. Dieses Gebirge ist vulkanischen Ur-
sprungs und liegt auf seinem höchsten Punkte der Kratersee
von Bracciano oder Sabatino von 4939 ha. Oberfläche in einer
Höhe von 160 m. über Meer, ein See, der im Westen vom Trachit-
kegel des Monte Virgino, im Norden von demjenigen des Bocca
Romana beherrscht wird. Ein ganzes Netz von Bergen und
Kratern steht mit diesem Hauptkrater in Verbindung, worunter
zwei andere Krater ebenfalls Seen bilden, nämlich die Seen
von Montignano und Stracciacappa.
Während die obgenannte Apenninengruppe ihre Wasser
alle dem Aniene und Tevere zufliessen lässt, ist dies für diesen
Gebirgsstock nur für die östlichen und südlichen Hänge der Fall,
wogegen die Westabhänge ihre Wasser direkt dem Meere ab-
geben.
Wendet man sich nach SW., so ist das Becken durch
eine zweite Gruppe vulkanischen Gebirges zwischen den Prä-
nestinischen Apenninen und dem Meere begrenzt, nämlich
durch das Gebirge von Latium, welches ebenfalls zahlreiche
Kraterbecken aufweist, die auch hier zum Theil mit Wasser
gefüllt sind, zum Theil aber allmälig natürlich mit Erde be-
deckt, zum Theil abgezapft sind, so dass nur noch drei übrig
bleiben.
Der See von Nemi, dessen Wasserfläche durch eine Gallerie
auf einer constanten Höhe von 340 m. über Meer gehalten
wird und der 281 ha. Oberfläche hat ; der See von Albano von
400 ha. Oberfläche und dessen Wasserspiegel die Römer im
Jahr 336 n. Ch. Geb. ebenfalls gesenkt haben und der jetzt
306 m. über Meer liegt, und der kleine See von Giulianello,
der in natürlicher Auffüllung begriffen ist.
Die Wasser dieses Gebirges, dessen höchster Punkt der
Monte Cave ist und an dessen Abhängen die bekannten Orte
154
Frascati, Albano, Genzano, Rocca di Papa liegen, fliessen zum
Theil dem Aniene und Tevere zu, zum Theil direkt dem Meere
und begrenzen die Campagna romana von dieser Seite.
Das Becken selbst bietet eine wellige Oberfläche, durch
welche sich Tiber und Aniene mit geringem Gefälle schlän-
geln, sich oberhalb Rom vereinigen und unterhalb in zwei
Armen, die zwischen sich die Isola sacra einschliessen, in das
Meer ergiessen.
In geognostischer Beziehung gehören die Lucianischen
Gebirge der ältesten Erhebung dieser Gegend an, indem sie
durch die Lias und Oolithlagerungen der Juraperiode gebildet
werden, wogegen die Pränestinischen Berge der Kreide- und
der ersten Zeit der Tertiärperiode (Eocän) angehören.
Die von diesem Gebirge gegen das tyrrhenische Meer aus-
strahlenden Rücken weisen die Schichtungen der miocänen
und pliocänen Zeit auf, so namentlich in nächster Nähe Roms
die Hügel auf dem rechten Ufer der Tibers, wie der Monte
Mario, Monte Vaticano und Monte Gianicolo mit ihren aus-
gedehnten Thonlagern, während am Fusse aller dieser Gebirge
sich die Ablagerungen der Diluvialperiode mit den Resten
colossaler Säugethiere in ausgedehntem Masse bemerkbar
machen.
Auf diesen selbst lagern nun die ersten Produkte des Aus-
flusses oder des Auswurfes unterirdischer Vulkane, die offenbar
die Erhebung des Bodens über die Meeresfläche zur Folge
hatten und in Conglomeraten von Scories-Steinen und Asche
bestehen, welche von den Vulkanen der Sabatinischen Gruppe
herrühren.. An den Flussufern und den nahestehenden Ebenen
lagern hierauf folgend Süsswassergebilde, so namentlich die
ungeheuren Travertinobänke in der Ebene des Aniene gegen
Tivoli und grosse Sand- und Kiesmassen in der Ebene des
Tibers.
Ueber dieses schon culturfähige und nachweisbar stark
bewaldete Gebiet ergossen sich nun in drei bis vier deutlich
erkennbaren Perioden die Produkte des Ausbruches der Vul-
kane des Lazio.
Der ersten Periode dieses Ausbruches entspricht die Bil-
dung des ungeheuren Centralkraterbeckens, das dem ganzen
Gebirgssbock noch heute als Rahmen dient und aus dem eine
155
ungeheure Menge von Lava, Steinen und Asche sich über die
frühere Lagerung unterseeischer Vulkane und Flussgeschiebe
ergoss.
Einer spätem zweiten Periode ist die Erhebung des Monte
Cave aus der Mitte des Centralvulkans zuzuschreiben, dessen
Auswurf sich nicht unwesentlich von dem der erstem Zeit
unterscheidet.
Die dritte Periode entspricht der Oeffnung des Kraters von
Albano, aus dem blos Asche ausgeworfen worden zu sein scheint,
die mit bedeutenden Regengüssen zusammen gefallen sein muss,
so dass Bäche von Kraterkoth sich bildeten, deren Erstarrung
die zahlreich übereinanderliegenden Lagen von Peperino zur
Folge hatte, die von diesem Krater ausgehen.
Nach allseitiger Annahme blieb dieser Kraterherd dann
ruhig und entwickelte sich auf seinem Boden die menschliche
Cultur mit Erbauung der Städte Albalonga u. s. w., bis zur
Zeit der römischen Könige ein weiterer Ausbruch stattfand,
indem der kleine Krater „della Pila a auf dem Rande des alten
Kraters nächst dem Campo di Annibale sich öffnete und zwei
Lavaströme ergoss, von denen der eine den Höhenzug bildet,
auf dem die Via Appia sich hinzieht (Capo di Bove), während
dem der zweite sich gegen Acquacetosa wandte und offenbar
als letztes vulkanisches Produkt dieser Gegend angesehen wer-
den muss.
Der Neuzeit gehören die Geschiebablagerungen des Tibers
und die Bildung von Dünen am Ufer des tyrrhenischen Meeres
an. Diese Geschiebe bestehen selbstverständlich aus den ver-
schiedenen Elementen, die der Fluss auf seinem Laufe durch
die obgenannten zahlreichen geologischen Ablagerungen an-
trifft und beschränkt sich in seinem untern Laufe auf Sand.
Aus diesem, in grossen Zügen entworfenen Bilde der geo-
gnostischen Beschaffenheit der Campagna romana folgt, dass
dieselbe zunächst aus zwei Haupttheilen besteht, und zwar
zuerst aus dem obern Theile, dessen Unterlage fester Fels
verschiedener geologischer Perioden bildet, der sich mehr oder
weniger hoch über das Meer erhebt und mehr oder weniger
mit Humus bedeckt ist und zweitens aus dem Flussthale des
Tibers mit seinen Geschieben, das sich beim Zurücktreten der
felsigen Thalwandungen allmälig zu einem weiten Alluvions-
gebiete erweitert.
166
In diesem untern alluvion&len Theile mussten sich, ent-
sprechend den Erscheinungen, die im Delta eines stark Ge-
schiebe und Sand führenden Flusses sich stets und überall
wiederholen, eine Bodenwelle zunächst an den Ufern des Flusses
und eine zweite („Düne") am Ufer des Meeres bilden.
Das dahin terliegende Gebiet weist dagegen eine Depres-
sion auf, die zum Theil tiefer liegt, als der Meeresspiegel nnd
in welchem sich die Regenwasser aus den angrenzenden Höhen
und dem Alluvionalgebiete selbst ansammeln. Diese Sümpfe,
deren Niveau im Frühling dasjenige des Meeres übersteigt,
erhalten sich in der Düne einen, je nach der Jahreszeit seich-
teren öder tieferen Entleerungskanal.
Diese verschiedenen Verhältnisse bedingen naturgemäss
die Fruchtbarkeit oder Culturfähigkeit der verschiedenen
Theile und Gegenden der Campagua.
Im höherliegenden Theile von wellenförmiger Oberfläche
sind die Höhenrücken nur mit einer schwachen Humusschicht
bedeckt, weil hier das Begenwasser rasch abfliesst und die
löslichen Theile des Bodens und die kleinen Bruchstücke der
in Verwitterung begriffenen felsigen Unterlagen in die Thäler
abführt. Die Grasnarbe kann hier der Sonnenhitze nicht wieder-
stehen, stirbt im Sommer ab und lässt dann häufig den nack-
ten Felsen durchschaueu.
In den Thälern sammelt sich dagegen eine starke Humus-
schicht an und bildet bei verhindertem Wasserabflüsse leicht
feuchten und moorigen Boden.
Im Tiberdelta ist der sandige Boden mit Schlamm ver-
mischt und entwickelt sich, so lange das Wasserniveau nahe
der Oberfläche steht, eine üppige Vegetation, die aber rasch
abnimmt, sobald das Sinken des Grundwassers den Boden
trocken lässt.
Laut den Angaben der Commission, die mit dem Studium
der agricolen Verhältnisse der Campagna betraut war, umfasst:
der höhere Theil der Campagna . 113,024,50 ha.
das Delta- und Meeresgebiet . . 91,326,50 „
Total des Agro romano (Campagna) . 204,351,— ha.
und vertheilen sich die Culturen auf demselben wie folgt (laut
Tabelle 1871):
V*>^3Sf*«^v".
1B7
1) Besäet es Ackerland und Gärten
2) "Wiesen . . . .
3) Einfaches Weideland
4) Rebland .....
5) Sumpfige Thäler und Seen
6) Hochwald und Buschwerk
Zusammen
95,449,r>7 ha.
12,268,34 „
54,035,82 „
2,114,93 „
1,143,65 „
39,338,59 „
204,351,- ha.
Dabei muss bemerkt werden, dass der grösste Theil des
Ackerlandes (Nr. 1) blos periodisch, d. h. nachdem es mehrere
Jahre als Weideland gedient hat, angesäet werden kann ; dass
unter Waldland (Nr. 6) meist kleines Buschwerk von geringem
Ertrage verstanden ist, und dass viel Weideland staudenartig
ist. Nun gilt freilich diese Vertheilung der Culturen nicht
gleichmässig für das gesammte Gebiet, wie aus der nachstehen-
den Tabelle hervorgeht, die ausführlichere getrennte Angaben
über die Vertheilung des Deltagebietes und obern Gebietes
liefert.
°/oo
°/oo
Ackerland gut
9,693,n
317
66,520,75
589
mittelmässig
19,235,81
—
Wiesen
3,301,25
36
8,967,09
79
Weideland
28,179,76
308
25,855,86
229
Rebland
44,30
1
2,070,63
18
Sumpf und See
888,86
10
254,79
2
Buschland
29,983,21
328
9,355,38
83
91,326,50
9
•
113,024,50
Dieses ganze Gebiet war vor Einzug der Italiener in Rom
in 396 Besitzungen getheilt und dürfte sich die Anzahl der
Besitzer seither nur in nächster Nähe Roms vermehrt haben,
indem dort Verkäufe einzelner Besitzungen zu Industrie- und
Bauzwecken stattfanden, während dem das italienische Gesetz,
welches das Majorat gegenüber dem päpstlichen Gesetze nicht
anerkennt, bis heute noch keinen wesentlichen Einfluss gehabt
haben kann.
Diese Besitzungen vertheilen sich wie folgt:
Mittel Total
8 Güter ä 7400 bis 3000 ha. 4526 36,207,97
7 „ „ 3000 „ 2000 „ 2326 16,280,85
33 „ „ 2000 „ 1000 „ 1327 43,803,39
168
Mittel
Total
74 Güter ä 1000 bis
500 ha.
718
53,149,83
68 „ „ 500 „
300 „
384
26,102,46
122 „ „ 300 „
100 „
194
23,711,46
48 „ „ 100 „
o „
66
3,174,63
36 „ in der Nähe der Stadt
—
1,920,41
396 204,361,00
und wurden seiner Zeit vom Census wie folgt bewerthet:
Mittel Total pr. ha.
Der höhere und mittlere
Theil der Campagna 113,024,50 37,776,482,81 214,24
Das Delta- und Meeresgebiet 91,326,50 19,565,676,05 334,23
204,351,oo 57,342,157,86 280,61
Aus diesen Zusammenstellungen geht vor Allem hervor,
dass die Campagna romana gegenwärtig eine ganz reduzirte
Produktion besitzt und offenbar auf ihrem Gebiete eine ganz
geringe Anzahl Menschen ernährt, und dass sie trotz der be-
deutenden Ausdehnung sich im Besitze von nur wenigen In-
dividuen befindet.
Bevor wir über die Folgen dieses auffallenden Sachver-
haltes urtheilen, der weit entfernt ist in der Unfruchtbarkeit
des Bodens eine hinreichende Erklärung zu finden, scheint es
angemessen, die klimatischen Verhältnisse des Agro ro-
mano zusammenzustellen.
Aus den langjährigen Erfahrungen des Collegio romano
gehen diesbezüglich folgende Resultate hervor:
Jährliche Barometerhöhe
Mittel
757,10 mm.
Maximum
765,u „
Minimum
747,57 „
Temperatur
Mittel
15,60 cent. gr.
(Beobachtungszeiten :
Maximum
24,04 „
7 Uhr, 1 2 Uhr, 3 Uhr, 9 Uhr) Minimum
6,49 „
Grenzen:
Maximum
42,oo
Minimum
8,25
Feuchtigkeit :
absolut
9,9
relatif
57,o
Regen :
Tage
95,oo
Quantum
742,56 mm.
pnnPHPiif
_1B9
Zustand des Himmels :
Sichtung und Zahl der Winde :
hell
155 Tage
bewölkt
122 „
trübe
88 „
e: N
288,4
NE
172,3
E
144,7
SE
41,5
S
274,8
SO
164,8
169,9
NO
30,8
Aus der gleichen Beobachtungsquelle geht hervor, dass
Juni, Juli, August und September die wärmsten Monate des
Jahres sind, deren mittlere Temperatur zwischen den Grenzen
von 24°,63 und 20°,69 liegt, während in den Monaten Mai und
Oktober die mittlere Temperatur bis 16°,94 fällt. Die Sommer-
monate sind die ungesundesten und weisen die meisten hellen
und wenigsten regnerischen Tage auf.
Die Unterschiede zwischen den Regenmengen sind in den
verschiedenen Jahren so ungleich, dass das Mittel ziemlich
werthlos ist. In der That geht aus dem Bulletin des Collegio
romano hervor, dass im Jahre 1811 die gefallene Regen-
menge blos 0,5071 betrug und dagegen im Jahre 18141 m ,0152.
Wenn man diese Angaben und Beobachtungen mit den-
jenigen anderer italienischer Städte vergleicht, so zeigt sich,
dass Rom auch im Sommer kühlere Nächte hat, als Neapel
und Turin und einen im Allgemeinen für Agricultur günstigen
Feuchtigkeitszustand der Luft besitzt. Aus der Vergleichung
der Analysen einiger Bodenarten, die verschiedenen Orten ent-
hoben wurden, geht im Allgemeinen hervor:
Dass sie Elemente genügender Fruchtbarkeit enthalten,
dass aber, mit Ausnahme der Landstrecken dicht längs dem
Meeresufer, in den Thälern und dem Alluvionsgebiete der Lehm-
gehalt eine hervorragende Rolle spielt, ganz abgesehen von
den ungeheuren Lehmlagern, die sich in denjenigen Höhen-
zügen vorfinden, die der miocänen und pliocänen Zeit ange-
hören, d. h. denjenigen längs dem rechten Ufer des Tibers in
nächster Nähe von Rom.
Der Kalkgehalt ist im Thal des Tibers und im Alluvisions-
gebiete natürlich im Boden stark vertreten, weil der Tiber
160 *
von einem Kalkgebirge herfliesst, findet sich dagegen spärlich
in all den Erdlagern, die auf vulkanischen Feisarton liegen.
Organische Materien finden sich selbstverständlich stärker
im Boden der. Thäler, äla auf den Höhen vor, dagegen findet
sich Phosphorsäure überall in genügender Qualität und ist
vor allem hervorzuheben, dass der Schlamm, den der Tiber zu
allen Zeiten mit sich führt (der „blonde" Tiber) und der bei
Ueberschwemmungen sich auf das ganze Alluvionsgebiet legt,
im höchsten Grade fruchtbar ist.
Quellen treten namentlich auf dem linken Tiberafer auf
der Trennungs fläche zwischen den Ueberdeckungen aus den
Vulkanen des Lazio und dem Untergründe in grosser Zahl zu
Tage und verlaufen sich in den Wiesen, die am Fusse der
Höhenzüge im Tiberthale sich hinziehen.
Zahlreiche Quellen finden sich auch im höhern Theile der
Campagna, die im Allgemeinen jedoch wenig Wasser führen.
Auch auf dem rechten Tiberufer fehlt in den Niederungen
das Quellwasser nicht und sieht man dasselbe sehr häufig ge-
fasst und lange Brunnen, zum Tränken des Vieh's, mitten in
der Campagna erstellt.
Uebrigens durchfliessen zahlreiche Bäche das linke und
rechte Ufer und wenden sich dem Tiber zu, die im Sommer
nie oder selten ganz austrocknen. Mineralquellen finden sich
in der Campagna ebenfalls an mehreren Orten und wurden
schon von den alten Römern geschätzt; doch scheinen zahl-
reiche Quellen, die von den Schriftstellern erwähnt werden,
seither verloren gegangen zu sein. So citirt Varro eine Mineral-
quelle (Aequa Lantola), die am Fusse des Capitols entsprang
und mehrere warme Quellen im Thale der Ninfa Egeria, die
alle verschwunden sind.
Die Culturen stellen sich wie folgt.
Die Kornernte findet in den höhern Theilen des Agro ro-
mano vom 20. Juni bis B. Juli statt und in dem niedern Theile
vom 14. bis 20. Juni.
Die Oliven gedeihen auf der ganzen Oberfläche. Dabei ist
interessant zu erwähnen, dass Plinius erzählt, dieselben seien
zur Zeit von Tarquinius Priscus weder in Itaben, noch in
Spanien, noch in Afrika gebaut worden.
Die Orangen gedeihen in offenen Gärten in Rom, die Ci-
tronen an Spalieren und würden auch in Ostia und Finmicino
_161_
gedeihen, wenn nicht um Mitte Juni die Bevölkerung sich
von jenen Stellen zurückziehen würde.
Palmen gedeihen in den Gärten von Rom und ihre Früchte
reifen, so dass mit deren Samen neue Pflanzen gezogen werden
können, aber die Datteln sind nicht geniessbar.
Man hat oft behauptet, das Klima habe sich seit den
Römerzeiten wesentlich verändert und es seien damals strenge
Winter vorgekommen, die in den modernen Zeiten, wie der
berühmte Pater Secchi, der langjährige Vorsteher des Obser-
vatoriums des Collegium romanum behauptet, physikalisch un-
möglich wären.
Aber dem scheint denn doch nicht so gewesen zu sein.
Wein wurde im Latium schon zu Römerzeiten gebaut und
Plinius erzählt bezüglich der Palmen: Sunt quidem et in Eu-
ropa, vulgoque Italia, sed steriles. Ferunt in marüimis Hispaniae
fr actum, verum immitem.
Man hat das kältere Klima der Römerzeit damit zu be-
weisen gesucht, dass die Orangen zur Zeit der Römer nicht
gebaut wurden, aber der Grund liegt einfach darin, dass die-
selben damals ganz unbekannt waren, indem sie aus China
stammen und zuerst von den Arabern in Europa eingeführt
wurden.
Die Wiesen und das Weideland der Campagna romana
sind im Allgemeinen schlecht und vernachlässigt und geht aus
Zusammenstellungen erfahrner Landwirthe hervor, dass von den
guten Futterkräutern einer natürlichen Wiese, deren man bis
200 zusammenstellt, in den Wiesen der Campagna blos 140
Arten vorkommen, dass dagegen massenhaft Unkräuter und
schädliche Pflanzen in denselben sich sehr zahlreich vorfinden.
Wässermatten kommen selten vor, obgleich an Wasser
vielerorts, wie schon erwähnt, kein Mangel wäre, doch sind
die Gräben nicht unterhalten und ist für Entwässerung nicht
gesorgt, so dass die Wässermatten eher einem Sumpfe gleichen.
In Folge dessen wird nur einmal Heu geschnitten und
zwar im Anfang des Monats Mai, so dass das Mattland wäh-
rend der übrigen Zeit des Jahres zur Weide dienen muss.
Nach Schätzungen sollen die besten Wiesen 3200 kg. per hectar,
die gewöhnlichen 2400 kg. und die schlechtesten auf den Höhen
1500 kg. Heu liefern. Dasselbe wird in Stöcken im Freien auf-
gespeichert. Auf den Wiesen selbst werden die schlechten
Fernschau HI. 11
16-2
Kräuter nicht ausgerottet, namentlich geschieht dies nicht auf
den Höhen, obgleich nachgewiesen ist, dass man bei einiger
Sorgfalt dort sonst ein feines für Pferde besonders gutes
Heu und Gras ziehen könnte.
Dünger wird nie verwendet und beschränkt sieh die Dün-
gung des Bodens auf den Koth der weidenden Thiere, der
selbstverständlich ungenügend und unregelmässig vertheilt ist.
Durch regelmässiges Sammeln und Reifenlassen des Mistes
könnte derselbe gleichmässig und zu passender Zeit mit Vor-
theil verwendet werden.
Kunstdüngung ist durchaus unbekannt.
Nach den grossen jetzt im Verfall liegenden Stallungen,
die über die Campagna zerstreut sind und nicht benutzt wer-
den, darf man schliessen, dass in den letzten Jahrhunderten
die Wiesen- und "Viehzucht zurückgegangen ist, indem früher
offenbar das Vieh zu gewissen Jahreszeiten im Stalle gefüttert
und auch das Heu dort untergebracht wurde.
Wenn man versucht, sich in den alten römischen Schrift-
stellern über die damalige Cultur des Agro romano ein
Bild zu verschaffen, so stellt sich leider heraus, dass, ob auch
zahlreiche Schriftsteller über Agricultur geschrieben haben,
dieselben alle der Jüngern römischen Zeit angehören, indem
der älteste derselben, Cato, im Jahre 520 n. G. R. geboren
wurde, während Varro Zeitgenosse von Cicero und Augusttis
war, Columetta wahrscheinlich unter der Regierung des Kaisers
Tiberius geboren wurde und endlich Palladius im vierten Jahr-
hundert n. Ch., so dass zwischen Cato und ihm ein Unterschied
von Ö Jahrhunderten liegt.
Ueberdies behandeln deren Werke nicht speziell die Cam-
pagna romana. — Cato bebaute ein Gut in Sabinien und war
von Tuscuhim (Frascati). Aus dem Sabinerlande stammt auch
Varro, der dort nächst Rieti ein Gut bebaute. Cotumella endlich
war ein Spanier von Cadix und Palladius ist blos ein Com-
pilator. Plinius, der ebenfalls über Agricultur geschrieben hat,
war ebenfalls blos Compilator , es ist demnach nicht leicht
zu beurtheilen, ob seine Quellen die Cultur des Agro romano
berühren.
Doch geht aus einzelnen Stellen verschiedener Schrift-
steller hervor, dass zur Zeit Cato's der Wiesenbau und die
künstliche Bewässerung von den Römern ernstlich
163
wurde. Er schreibt im Cap. IX seines Buches De Re rustica:
Prata irrigua si aquam habebis, potissimum facito; si aquam
non habebis, sicca quam plurima facito. Hoc est praedium quod
ubi vis expedit facere und Cicero in De Officiis erzählt, dass Cato,
darüber befragt, welches das beste Mittel sei, um sich mit der
Landwirthschaft schnell zu bereichern, geantwortet habe: „In-
dem man gute Viehzucht treibt" und befragt, was nachher
komme, erwiederte: „Indem man mittelmässig gute Viehzucht
treibt ", und als der Frager auch das dritte Mittel kennen
wollte, ihm die Antwort gab: „Indem man schlechte Vieh-
zucht treibt". Diese dritte Antwort wird von spätem Schrift-
stellern bestritten.
Es war auch Sitte, im Winter das Weideland zu verpach-
ten, indem der nämliche Schriftsteller im Cap. CXLIX, über-
schrieben „Lex pabulo" die Bedingungen dieser Pachtung ent-
wickelt.
Ueberdies wurden die Wiesen gedüngt und die schlechten
Gräser ausgerissen. »Prata primo vere stercorato luna silenti,
quae irrigua non erunt, ubi favonius flare coeperit. Cum prata
defendes, depurgato herbasque malas omneis radicibus effodito. 11
Kunstwiesen waren schon bekannt.
Es scheint jedoch nicht, dass die Ochsen gemästet wurden,
indem sich diesbezüglich nirgends eine Angabe finden soll,
wogegen mehrere Schriftsteller über das Mästen der Hühner,
Tauben und des Geflügels im Allgemeinen schreiben.
Mommsen (Römische Geschichte, Cap. XII) schreibt: die
vegetabilische Nahrung sei die Grundlage der Mahlzeiten der
Eömer gewesen und als Fleisch habe blos Schaf- und Schweine-
fleisch Anerkennung gefunden. Aus Allem scheint immerhin
hervorzugehen, dass die Römer die Wiesen besser pflegten,
als dies jetzt nächst Rom der Fall ist.
Waldungen in unserem Sinne kommen mit Ausnahme
einiger Fichtenwäldchen nächst Castel Fusano (bei Ostia, Nep-
tuno und Maccarese u. s. w.) keine vor, sondern was hier mit
Wald beseichnet wird, ist Buschwerk, das nie gereinigt wird,
überhaupt aufwächst, wie Gott will und desshalb oft so dicht
steht, dass kein Vieh mehr durchdringen kann, oft aber so
dünn, dass man nicht weiss, ob man dasselbe dem Weideland
oder dem Buschwerk zutheilen soll.
Der grössfce Theil dieses Buschwerkes besteht ans Stein-
eichen, Korkeichen, Eschen u. 3. w. und dient namentlich zur
Bereitung von Holzkohle für Rom und Neapel.
Derjenige Busch, der längs dem Meere dicht hinter den
Dünen wächst, ist sumpfig. Zweifelsohne könnte mit einiger
Arbeit und Aufmerksamkeit ein ganz anderes und besseres
Resultat aus diesem "Waldland gezogen werden.
Aehnlich möchte der Zustand der Wälder schon zur Zeit
der Römer gewesen sein, die von Forstcultur nichts verstan-
den und höchstens den heiligen Hainen einige Sorgfalt ange-
deihen Hessen, die aber nur eine kleine Ausdehnung hatten,
indem nach „Brochi's Beschreibung Roms" nicht weniger als
25 derselben auf den sieben Hügeln und andere in der näch-
sten Umgebung der Stadt zerstreut standen. Jedenfalls ver-
wendeten die alten Römer eine gewaltige Menge Holzkohle,
deren man in Pompeji grosse Vorräthe vorfand.
Ueberdies gebrau eilten sie zu ihren Häusern viel Holz
(obgleich dieselben später im Allgemeinen in Mauerwerk erstellt
wurden), indem sonst Rom kaum zum Vergnügen Nero's beinahe
vollständig hätte niederbrennen können ; doch bezogen sie das-
selbe wahrscheinlich aus den Apenninen, so wie dies heute
noch für die Bauten in Rom der Fall ist, sowie von den Küsten
des adriatisehen Meeres.
Der Getreidebau liefert das hauptsächlichste oder gar
das ausschliessliche Produkt des Agro romano. Nur sehr wenige
Grundstücke sind perennirend bebaut, die Mehrzahl mit fol-
gendem Jahreswechsel: Mais, Korn, Bohnen, Korn.
Der grosste Theil des behaubaren Bodens ist abwechselnd
bebaut und wie das Weideland.
Man nennt es „Terzeria", wenn man ein Jahr säet und
darauf den Boden zwei Jahre ruhen lässt, „Quarteria", wenn
die Ruhezeit drei Jahre dauert. Diese letztere Eintheilung ist
die gebräuchlichste und ist die Folge der Pachtverträge, welche
wohl gestatten zu säen, aber verhindern, anders zu säen als
nach dieser Vorschrift.
Die Grundbesitzer ziehen vor, auf den magern Höhen-
zügen möglichst lange Ruhezeiten zwischen den Aufbrüchen
eintreten zu lassen, da es hier ziemlich lauge dauert, bis sich
wieder ein dichter Grasboden gebildet hat,
■V..»T
Jahr.
Koro.
1850-
-51
17211
1855-
-56
25333
1860
61
17216
1863-
-64
21706
1866-
-67
15061
1869-
-70
20823
1_66_
Nachstehend eine Tabelle mit den Jahreserzeugnissen nach
Alexander Piacentini :
Mais. Hafer. Bohne. Lupine.
803 2747 215 —
1183 2803 526 -
1225 3303 362 512
2364 4875 389 681)
2258 3559 521 1019
2204 3282 500 312
Zum Säen beginnt der Aufbruch des Weidelandes Mitte
Januar. Der gebräuchlichste Pflug ist ohne Hörner und bricht
den Boden auf, ohne ihn umzulegen. Man bespannt ihn mit
vier Stieren und der Pfluglenker stellt sich auf den Sockel,
um ihn regelmässig in den Boden einzutreten. Die so erzeug-
ten Furchen sind nicht tief und bleibt zwischen ihnen stets
ein leerer Streifen stehen. Um diesen Streifen aufzubrechen
und so die Bearbeitung der ganzen Oberfläche zu erzielen,
wird folgendermassen vorgegangen. Der erste Aufbruch findet
in der Richtung von Nord nach Süd statt, ein zweiter in der
Richtung von Nordost nach Südwest und ein dritter nimmt
den zweiten wieder auf, der vierte macht sich von Ost nach
West, der fünfte wird nur gemacht, wenn die Witterung das
Aufkommen des Unkrautes zu sehr fördert und folgt der Rich-
tung des vierten, der sechste und letzte endlich entspricht der
Richtung des ersten. Man verwendet auch einen zweiten Pflug,
der ein Brett hat, das als Hörn dient und die Erde einiger-
massen umlegt und mit dem man ohne Hinterlassen von freiem
Raum den Boden pflügt. Mit diesem Pfluge finden zwei Auf-
brüche in senkrechter Richtung zueinander in den Monaten
Februar und März statt.
Der Aufbruch ist in diesem Falle nie vollständig, da die
gepflügte Erde nie offen überwintert, bevor sie im Frühling
besäet wird und es geschieht dies, damit der Boden so lange
als thunlich als Weideland benutzt werden kann.
Im bebauten Lande verwendet man auf Anlage von Wasser-
Abzugskanälen mehr Sorgfalt, wenn dieselben überhaupt bei
mangelnder Neigung des Bodens nöthig scheinen.
Wenn in den Gräben fliessendes Wasser ist, wie dies in
Maccarese und überhaupt in der Nähe des Meeres der Fall ist,
lässt man dieselben mittelst der Büffel reinigen. Dieselben
166
steigen in den Graben und werden von den Wächtern ge-
nöthigt, sich vorwärts zu bewegen und gleichzeitig zu drehen
wie heim Tanze. Der Zweck hegt darin, den Schlamm aufzu-
wühlen, der sich in dem langsam fliessendeu Wasser ablagert,
und den Graben rasch füllen würde, und die Pflanzen zu brechen
und auszureissen, die sich in demselben angesetzt haben.
Im Jahre 1870 war im ganzen Agro romano kein Land-
stück drainirt.
Die Hornviehrace der Campagna ist beinahe verwildert
und weit von der guten Race entfernt, die laut den Zeich-
nungen und Sculpturen zur Römerzeit hier gezogen wurde.
Sie hat lange Hörner, was zur Ansicht geführt hat, es sei
dieselbe nach einer Pestkrankheit, welche die alte Race zer-
stört hatte, aus Ungarn hier eingeführt worden, doch ist die
Form der Hörner von jener der ungarischen Race ganz ver-
schieden und gleicht eher den in Rumänien und am Don leben-
den Thieren,
Das Vieh wird das ganze Jahr im Freien gelassen und
eignet sich nach Angabe von Raffade Pareto weder zur Mästung
noch zur erfolgreichen Milchzucht, so dass der grösste Theil
dt:s Mastviehs für die Hauptstadt Rom aus andern Gegenden
(Perugia und Marche) bezogen wird und bezuglich der Milch-
erzeugung blos auf 4 Liter im Tage gerechnet werden kann
obschon die Thiere ein Gewicht von circa 250 k. haben.
Diese Sachlage ist sowohl der Art und Weise der Ernäh-
rung im Freien und auf schlechtem Weideland, als der Race
zuzuschreiben, indem bekanntlich gute milchliefernde Racen
sich durch feine Hörner auszeichnen.
Als Zugthiere leisten die Ochsen der Campagna weniger,
als man von ihrem Gewichte erwarten dürfte, indem dieselben
blos 8 Stunden statt 10 Stunden, wie anderwärts in Italien
gebräuchlich, zur Arbeit verwendet werden können. Im Ueb-
rigen siud denselben als Zugthieren die langen Hörner in jeder
Beziehung hinderlich, um so mehr, als sie das Joch am Halse
und nicht am Kopfe, wie z. B. in Frankreich, tragen, in welch
letzterem Falle ihre Bewegungen an und für sich schon be-
schränkt würden. Unzweifelhaft sollte und könnte hier eine
Verbesserung der Wiesen und Weiden Hand in Hand j
und für Stallungen gesorgt werden.
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167
v Es giebt Leute, die eine Aehnlichkeit der heutigen rö-
mischen Pferde mit dem Pferde Mark Aurel's auf dem Ca-
pitol heraus gefunden haben und in Folge dessen behaupten,
es werde noch der alte unverfälschte Schlag Pferde des Alter-
thums in der, Campagna gezogen. Einem nüchternen Beschauer
springt diese Aehnlichkeit nicht in die Augen. Das heutige
gewöhnliche römische Pferd ist eher klein und namentlich zum
Reiten, dagegen, seines geringen Gewichtes wegen, weniger
zum Ziehen und Lasttragen geeignet. Dasselbe ist dagegen
nüchtern und fürchtet die Unbill der Witterung wenig, kann
ausdauernd arbeiten und erholt sich Nachts auf der Weide.
Diese Pferde dienen namentlich im Heere und zu leichten
Gespannen, die sie mit grosser Schnelligkeit ziehen.
Daneben zieht man auf der Campagna auch gute zähe
und sichere Maulthiere.
Die Schafe, die, aus den anstossenden Provinzen kommend,
8 Monate im Jahr in der Campagna weiden, gehören verschie-
denen Racen an und eignen sich alle zur Woll- und Milch-
zucht, nicht aber zur Mastzucht, was wohl zum grossen Theile
dem Umstände zuzuschreiben ist, dass die eingeborne Bevölke-
rung den Genuss des Schaffleisches in den Sommermonaten
für ungesund hält.
Der Betrieb und die Bewirthschaftung der Besitz-
ungen der Campagna wird nur in ganz ausnahmsweisen Fällen
von den Besitzern selbst geleitet. Im Allgemeinen werden die
Güter an Pächter (mercanti dl campagna) auf eine Dauer von
sechs Jahren verpachtet. Die Pachtverträge bezeichnen die-
jenigen Felder, die perennirend oder im Trieimario oder Quar-
tenario bebaut werden dürfen, legen dagegen dem Pächter
keine Verpflichtungen auf, den Boden überhaupt aufzubrechen
und zu ackern.
Wenn der Pächter über kein grosses Betriebscapital ver-
fügt, so geht aus dem verhältnissmässig für sein Capital aus-
gedehnten Pachtgebiet meist sein ganzer Besitz in Herden
von Schafen und Ochsen auf und kann er nicht daran denken,
sich Ackergeräthe anzuschaffen.
Der reiche Mercante di Campagna allein wird in der Lage
sein, neben den seinem Gebiete entsprechenden Herden auch
an eine intensivere Ausbeutung des Bodens durch Cultivation des-
selben zu denken und gegen eine zu ausgedehnte Cultur seiner-
seits schützt sich der Grundbesitzer durch die Begrenzung
der Fachtzeit und des culturfähigen Gebietes, damit sein Boden
bei mangelndem Düngen nicht zu schnell erschöpft werde.
Unter diesen Bedingungen ist der Ertrag des Pachtzinses
selbstverständlich per Hektar sehr klein. "Wenn man aber be-
denkt, dass die Besitzungen sich nur in wenigen Händen be-
finden, somit sehr gross sind und weder für Bauten noch für
deren Unterhalt etc. von Seite der Grundbesitzer eine Aus-
gabe gemacht werden muss, so erreicht dennoch das Erträg-
niss in den meisten Fällen eine ganz bedeutende Höhe. Es
werden also von Seite des Grundbesitzers Aenderungen und
Verbesserungen nur selten ins Werk gesetzt aus Besorgniss,
es möchten die Auslagen einen entsprechend höhern Pachtzins
nicht erzielen.
Von Seite der Pächter ist angesichts der kurzen Dauer
der Pachtverträge nicht zu erwarten, dass sie an etwas anderes
denken, als in diesem kurzen Zeitraum mit den geringsten
Ausgaben den grössten Ertrag zu erzielen.
Unter diesen Verhältnissen geht selbstverständlich nach
und nach Alles rückwärts. Die Gräben allfälliger Bewässerungs-
anlagen oder allfällige Abzugskanäle verwachsen oder stürzen
ein; das Grundwasser hebt sich in Folge dessen und es ent-
stehen feuchte Wiesen. Die guten Futterkräuter werden von
Unkraut zurückgedrängt und der Boden, der in der letzten
Zeit in Folge der stets sinkenden Getreidepreise immer seltener
umgeackert wird, verschlimmert sich zusehends.
Auf dem Fragebogen, der von der schon oben erwähnten
offiziellen Oommission zur Prüfung der einzuführenden Ver-
besserung der Campagna, einer Eeihe von Pächtern und Land-
experten vorgelegt wurde, verlangten Alle, bezüglich der Pacht-
verträge, deren Verlängerung zum Theil bis auf 18 und 24 Jahre
mit jährlicher Kündigungsfrist nach je sechs Jahren, Auf-
hebung der Begrenzung der Culturen, Einrichtung von Stal-
lungen seitens der Grundbesitzer, um Vieh und Heu für ge-
wisse Monate dort billiger und demnach ausgiebiger ziehen
zu können und endlich billige Entschädigung für Verbesse-
rungsarbeiten der Pächter im Falle frühzeitiger Kündigung
;es seitens der Grundbesitzer.
ksif., ■ , . _r f 1 '
169
Bezüglich, der Bevölkerung der Campagna schreibt
der Mercante di Campagna Piacentini wie folgt: „Die Ver-
wilderung, hervorgerufen durch die Einsamkeit und Verlassen-
heit, der geringe Verdienst, die schlechte und knappe Nahrung
reiht die wenigen Landleute, die in der Campagna zerstreut
leben, in jeder Hinsicht unter die bedauernswürdigsten mensch-
lichen Geschöpfe." Zum grössten Theile in Strohhütten oder
feuchten Grotten wohnend, finden dieselben nach den langen
Mühen des Tages keine andere Nahrung als mit Wasser an-
gemachtes und in heisser Asche gebackenes Maismehl oder
Brod mit etwas trockenem Käse und kein anderes Getränk,
als Wasser aus faulenden Sümpfen.
Zur Sommerszeit leben blos wenige Eingeborne in der
Campagna, in den übrigen Monaten hingegen werden aus den
umliegenden Bergen Arbeiter mit ihren Familien hergezogen.
Aber auch von ihnen sagt Tittoni, ein anderer Mercante di
Campagna: „In einem Baume, in dem kaum 10 Personen leben
sollten, sind 100 zusammengepfercht, wie in einem Schiffe.
Ueberhaupt kleiden sich diese Leute schlecht, essen ungesunde
Nahrung, wohnen schlecht, schützen sich nicht gegen die
Nebel des Morgens und der Nacht, was alles angesichts der
ungesunden Luft bei den Unglücklichen Krankheiten erzeugt
und frühen Tod nach sich zieht. Diese herbeigeführten Ar-
beiter kommen grösstentheils aus den Abruzzen und von Sora
und bleiben von Anfang October bis Ende Juni. Sie verdingen
sich unter der Leitung von sogenannten Caporalen, welche dafür
6 bis 8% der ausgeführten Arbeit vom Mercante di Campagna
erhalten, nebst einem Handgeld von 10 Fr. per Arbeiter.
Die Arbeiter gruppen unterscheiden sich in ausgewählte
und gemischte. Die Erstem bestehen aus kräftigen Männern,
die täglich Fr. 1. 25 bis 1. 50 verdienen, die Letztern aus
Männern, Frauen und Kindern, deren Taglohn Fr. 0. 90 bis
Fr. 1. 10 beträgt. Daneben gibt es Arbeiter, die sich nicht
für die ganze Jahreszeit vermiethen, sondern vorziehen, auf
den Plätzen in Born zu warten, bis sie Miether finden, die sie
gewöhnlich für eine Woche einstellen. Der Preis dieser Ar-
beiter wechselt je nach der Nachfrage zwischen Fr. 0. 90 bis
Fr. 1. 25 per Tag, ausser den 6 bis 8% für den „Caporale",
der sie vertritt.
I70_
Zur Zeit der Heuernte kommen wohl aus den Marken und
aus Umbrien noch andere Arbeiter, die im Accord per Hectare
alle Arbeiten dieser Ernte ausfuhren, inol. das Binden des
Heues in Bündel zu 339 Kilo jedes. Ausser dem Preise von
Lire 4. 86 bis 5. 40 den sie pr. ha. erhalten, liefert ihnen der
Mercante di Campagna die Nahrung , und zwar per Mann
1,30 ko. Brod, 0,85 ko. Käse und 1,80 Liter gewässerten Wein
und etwas Zwiebeln. Von diesen Leuten werden viele fieber-
krank, doch haben sich die Verhältnisse wesentlich verbessert,
seitdem dieselben täglich Arseniksäure einnehmen.
Tomasso-Crudeli erzählt diesbezüglich folgendes: Im Jahre
1879 begaben sich vierzig Heuer von Casalviani nach G-iardino
nächst dem See Salpo. Dieselben waren durchwegs starke Leute
und wurden trotzdem beinahe alle fieberkrank und vier davon
starben nach ihrer Rückkehr in die Heimat.
Im Jahre 1880 kamen statt ihrer achtzig Arbeiter von
Milfatta, die in grosser Zahl die Fieber bekamen.
Im Jahre 1881 kamen achtzig Heuer von Casalvieri und
erhielten täglich 2 Milligramme Arseniksäure; nur vier der-
selben wurden fieberkrank und erhoben sich schnell mit etwas
Chinin.
Die ständigen Bewohner der Campagna sind die Hirten
und jene wenigen Arbeiter, welche die Sommer- Arbeiten ver-
richten. Sie sind für's ganze Jahr gemiethet und ihre Familien
leben ausserhalb der Campagna.
Die Arbeiter, welche die "Weinberge und Gemüsegärten
in der nächsten Umgebung von Rom besorgen, sind zum Theil
Römer, leben mit ihren Familien in Häusern und auf den Be-
sitzungen selbst, ziehen sich aber im Sommer zum Schlafen
in die Stadt zurück.
Die Taglöhner sind aus den nächsten Provinzen.
Die Arbeiten in den grossen Steinbrüchen von Travertino,
Selce, Tufo und Pozzolana, die in der Campagna zerstreut sind,
worden in den Sommermonaten vollständig eingestellt und die
Arbeiter kehren in die Heimat (S. Marino) zurück,
Die Segelschifffahrt bis Fiumicino am Delta des Tibers
und auf dem Tiber selbst hört im Sommer auf und die Be-
völkerung von Fiumicino zerstreut sich nach allen Richtungen,
um im October wieder zurückzukehren.
[ T iry
171
Aus all' dem Vorhergesagten geht hervor, dass die Frucht-
barkeit der Campagna nicht in Zweifel gezogen werden kann,
dass aber die sorgfältige Bebauung und Ausnützung derselben
fehlt und im Ganzen und Grossen blos ein eigentlicher Raub-
bau stattfindet.
Bei der Zähigkeit und Thätigkeit, welche den italienischen
Bauer auszeichnet, angesichts der Sorgfalt, mit welcher die
"Weinberge des nahen Latio bebaut sind und der Musterhaftig-
keit, welche die Cultur der Terra di Lavoro nächst Capua und
Neapel auszeichnet, muss die ganze Schuld dieses Zustandes
weniger auf die Bewohner als auf die lokalen Verhältnisse ge-
wälzt werden. Dazu gehört vor Allem die Malaria, die es
nicht zulässt, eine Bevölkerung zum regen Betriebe der Höfe
und Meiereien (tenute) zu ziehen, welche die Campagna be-
decken.
Diese Bedingungen unerhörter Art führen schlechterdings
zu den im Vorhergehenden beschriebenen Consequenzen in der
Cultur und sind geeignet, die Indifferenz soweit zu entwickeln,
dass schliesslich eine vollständige Vernachlässigung des Bodens
Platz greift, die dann wieder eine Verschlimmerung der hygiei-
nischen Verhältnisse nach sich zieht.
Hören wir, was der Berichterstatter der schon oben er-
wähnten Commission für die Verbesserung des Agro romano,
Raffaele Panto, betreffs der Malaria-Fieber erzählt.
„Es ist allgemein bekannt, dass beinahe im ganzen Gebiete
des Agro romano, vom Juni bis September inbegriffen, die
Sumpffieber herrschen, dass dies Gebiet vollständig unbewohnt
ist und dass die Sumpfluft allmälig abnimmt, wenn man auf
die Höhen und Berge steigt. In Rom und andern Städten
scheint die Malaria nur in den weniger bevölkerten Quartieren
zu bestehen. Der Einfluss der schlechten Luft ist derart, dass
es genügt, in den ungesunden Orten während des Sommers
blos eine Nacht zu schlafen, um die grösste Gefahr zu laufen,
von den Fiebern befallen zu werden. Die Wohnungen am
Meeresstrande scheinen gesünder zu sein, als diejenigen im
Innern."
Dem fügt Dr. Tawig, der über das Klima von Rom ge-
schrieben hat, bei :
„Quoique la saison ordinaire des fievres soit du mois d'Aoüt
ä la fin de Vautomne, eile parait aussi ä d'autres epoques. Au
172
primtempa et par un temps doux et pluvieux de V hiver, eile est aases
frequente. Ne'anmoins en cette derniere saisou /es acces ne, pro-
eiennent pas directemenl de miasmes, aussi soni-üa en general
moins serieux et moins svjets aux rechutes gue ceux d'automne-
Oe fait a e'te dairement enonce par Gelse Lib. I Gkap. VIII: Au-
tumnalis fere longa est maxime quae coepü tiieme appropinquante.
Ge passage e'crit, il y-a dixhuit sücles, nous montre que les fievres
etaient alors ä peu pres dans les memes condüions que de nos
jours."
Die Gegenden um die Sümpfe gehören zu den ungesun-
desten, aber von den Sümpfen entfernt giebt es solche, so z. B.
auf der Ebene zwischen Rom und Tivoli, die hoch liegt und
felsigen Untergrund hat, die eben so ungesund sind, wie die
Sümpfe von Ostia und Maccarese oder gewisse Punkte am Lago
di Bracciano.
Es steht überdies fest, dass der Gesundheitszustand ge-
wisser Gegenden im Laufe der Jahrhunderte Aenderungen er-
litten hat, wie aus einer Reihe von Ortschaften hervorgeht,
die einst bewohnt und stark bevölkert waren und deren Be-
völkerung weggezogen ist, z. B. auf benachbarte Höhen, oder
die auch ganz verlassen wurden, wie Ceri und Monterano, oder
seit Menschengedenken das Schloss von Galera, das jetzt in
Ruinen liegt und dessen Bewohner von altern Leuten noch
gekannt worden sind.
Es gilt dies auch von einzelnen Quartieren in Rom, von
dem aber im Allgemeinen gesagt werden darf, dass seit wenigen
Jahren der dortige hygieinische Zustand sich in überraschen-
der Weise gebessert hat, und zwar im direkten Verhältnisse
zu der fortschreitenden Ueberbammg und Pflasterung der
neuen Quartiere.
Im Allgemeinen glaubt Tournou, der über die Malaria
schrieb, man dürfe annehmen, dass man in einer Höhe von
120 bis 160 Meter über der Ebene in einer Luft sich be-
finde, die es gestatte, das ganze Jahr dort ungescheut zu leben,
indem z. B. Tivoli, das 180 m. über der Ebene liegt, ein aus-
gezeichnetes Klima besitze.
Der Abgeordnete Prof. Corrado Tomaso Crudeü, in seiner
Abhandlung, die 1883 in den „Aunaü di agrkult'ura" erschien, und
über die Palliativ mittel zum Schutze der Mensehen in Malaria-
Ländern handelt, sagt: Es sei zu vermeiden, beim Sonnen-
173
untergange oder Aufgange im Freien sich aufzuhalten, indem
die Erfahrung seit undenklichen Zeiten lehre, dass die Luft
namentlich in jenen Momenten mit Miasmen geschwängert sei
und stellt anderseits den Erfahrungsgrundsatz auf, dass die
Miasmen, die dem Boden entsteigen, im Allgemeinen nicht
höher als 4 bis 5 m. sich über denselben erheben, so dass es
möglich sei, sich bei Einathmung der oberen Luft leicht von
den Fiebern frei zu halten, insofern wenigstens ein Punkt ge-
wählt werde, der nicht etwa mittelst geneigter Ebenen mit
dem inficirten Boden in Verbindung stehe, und deshalb ge-
statte, bei leichten Luftströmungen grosse Mengen jener Mias-
men in grössere Höhen zu führen. Zum Beweise der Richtig-
keit seiner Behauptung führt er an, dass die Leute in den
pontinischen Sümpfen im Sommer ungestraft im Freien schlafen
und zwar auf Gestellen, die auf Pfählen von 4 bis 5 m. Höhe
ruhen, und dass die nämliche Vorsicht auch an einzelnen un-
gesunden Orten in Griechenland beobachtet wurde. Er erzählt,
dass die Indianer Amerikas, wenn sie in ungesunden Gegen-
den schlafen, ihre Bettstätten auf hohen Bäumen aufhängen,
und dass ihnen dies die Ingenieure beim Bau der Eisenbahn
in Panama nachgemacht, die 20 bis 30 Fuss hoch über dem
Boden auf Bäumen sich hölzerne Hütten erstellten. Der näm-
liche Gelehrte gibt am gleichen Orte an, dass man günstige
Resultate erzielt habe, indem man Häuser gebaut, die am
Abend dicht geschlossen, ihre Luft blos durch Oeffnungen im
Dache erneuern konnten und erinnert, dass an der Ausstellung
in Wien im Jahre 1873 das Modell eines alten Bauernhauses
des Agro romano aufgestellt war, welches ausser den Haupt-
eingängen keine Oeffnung in seiner äussern Wand darbot. Alle
Fensteröffnungen gingen dagegen in den ringsum geschlosse-
nen Hof, so dass, wenn die Hausthüre geschlossen war, die
nöthige Luft nur den Schichten in der Höhe des Daches ent-
nommen werden konnte. Wenn nun auch die Hauptursache
dieser Anlage in Rücksichten auf die Sicherheit gesucht wer-
den muss, so steht dennoch fest, dass damit gleicherweise das
Prinzip der Bewohner der pontinischen Sümpfe beobachtet werde.
Tomaso Crudeli erklärt auch : es sei die Widerstandsfähig-
keit gegen die Vergiftung durch Miasmen bei den einzelnen
Individuen sehr verschieden und vererbe sich, so z. B. zeigen
unter der weissen Race die Bewohner der Abbruzzen und der
174
Umgebung Roms eine weit grössere Widerstandsfähigkeit als
Andere, was er dem stetigen Einfluss des Giftes auf diese Be-
wohner zuschreibt, eine Widerstandsfähigekit, die sich erkläre,
wie die Angewöhnung einzelner Bevölkerungen , ungestraft
Arsenik zu gemessen.
Er behauptet ebenfalls, es sei irrig, dass die Thiere un-
bedingt dem Einflüsse der Malaria widerstehen, sondern dass
auch hier eine Angewöhnung stattfinden müsse und erzählt,
dass leicht nachgewiesen werden könne und nachgewiesen
wurde, dass fremde Ochsen, die man in eine Malariagegend
brachte, dort von den Fiebern decimirt wurden, und dass man
sie nur mit schwefelsaurem Chinin schützen und retten konnte,
indem man gewöhnlich einem erwachsenen Thiere per Tag
5 Gramm, einem Kalbe 3 gr. verabreichte. Die Rückfälle seien
häufig und oft die Sachlage trotz allen Auslagen so schwierig,
dass man genöthigt werde, die Thiere in gesunde Luft zu
bringen, um sie zu retten.
Die nämlichen Erscheinungen finden auch bei Pferden
statt, so, dass fremde Pferde, die man in die Campagna brachte,
häufig zuerst von den Wechselfiebern und endlich auch von den
Sumpffiebern befallen wurden.
Es ist natürlich die Frage aufgeworfen worden, ob der
gleiche Zustand der Campagna schon zu Zeiten der Römer
bestanden habe oder nicht und viele Schriftsteller neigen der
Ansicht zu, es sei dieselbe vollständig gesund gewesen, indem
sie anführen, dass in den jetzt so gefährlichen und ungesunden
pontinischen Sümpfen damals 23 Städte bestanden hätten, von
denen einige so mächtig gewesen seien, dass sie zur Zeit Co-
riolans den Römern bewaffneten Widerstand leisten konnten.
Plinius der ältere, der diese Sachlage nicht mit den ge-
fährlichen Sümpfen zusammenreimen kann, die schon zu seiner
Zeit bestanden, sucht dieselbe durch ein späteres Sichsenken des
Bodens zu erklären, das er als eines der Wunder Italiens bezeichnet.
Andere machen auch geltend, dass damals die Bevölkerung
Roms auf vier städtische Sectionen deren einunddreissig agri-
cole enthielt, die zu den Abstimmungen und Wahlen nach Rom
kamen.
Es scheint und ist auch möglich, dass die Campagna einst
stärker bevölkert war als jetzt, ohne dass damit auch für da-
mals der Bestand der Malaria ausgeschlossen ist.
175
Dass zur Zeit Strabo's ein grosser Theil der Küste und
die pontinischen Sümpfe ungesund waren, der Rest dagegen
nicht, geben viele neuere Schriftsteller zu.
Andere stützen sich auf zahlreiche Citate aus alten Schrift-
stellern, um dagegen zu beweisen, dass auch in den ältesten
Zeiten Eom's Umgebung ungesund war.
Virgil in der Aeneide spricht von den Sümpfen Laurenti
und denjenigen längs dem Flüsschen Numico.
Horaz bezeichnet den Monat Juli als besonders gefährlich
für die Fieber.
Adducit febres et testamenta resignet (Ep. VII, l 1).
Livius schreibt, dass im Jahre 410 n. Gr. R. die Soldaten
sich entschlossen, Capua zu besetzen, um nicht ein ungesundes
Lager nächst Rom beziehen zu müssen. Ein altes römisches
Sprichwort sagt: „Antelucanus et nocturnus aer vitandus."
Cicero (De Rep. II Cap. 6), indem er Romulus belobt, einen
so günstigen Ort zur Gründung der Stadt gewählt zu haben,
sagt: Locum in pestilenti regione salubrem, colles enim sunt qui
cum perflantu?' ipsi, tum et afferunt umbram vallibus.
Horaz beschreibt die Umgebung Roms im Sommer : „Quando
omnis populus et muliercida pallet. u
Plutarch im Leben des Camillus, indem er die Ursachen
aufzählt, welche den Tod der Gallier herbeiführten, als sie das
Capitol belagerten, sagt : „Was aber hauptsächlich ihre Leiden
verursachte, war die Aenderung in der gewohnten Art des
Lebens, indem dieselben von schattenreichen Gegenden, die
im Sommer kühle und gesunde Zufluchtsorte bieten, in ein
niedriges und im Herbste ungesundes Land zogen."
Tacitus im II. Buch der Geschichten, indem er von den
deutschen Soldaten erzählt, die mit Vitellius nach Rom kamen,
sagt, sie seien in der infamen Luft des Vatikans in grosser
Menge umgekommen.
Die Ansichten über die Ursachen der Malaria sind sehr
getheilt und besteht bis heute keine beweiskräftige Erklärung
derselben. Die Mehrzahl der Schriftsteller, die über dieselbe
geschrieben, geht von der dunkeln Ahnung aus, dass die Ent-
wicklung derselben mit den Sümpfen und moorigen Wiesen
in Zusammenhang stehen möchte, die sich im Becken des
Agro romano so zahlreich vorfinden und dass dieselbe nament-
lich zur Zeit der grössten Sommerhitze grassire.
176
Die Verbreitung derselben in der ganzen Campagna wird
dann den Winden zugeschrieben, welche die verpestete Luft
weiter und bis zum Fusse der umliegenden Gebirge tragen.
Andere Schriftsteller leugnen den Einfluss der Sümpfe
und schreiben die Schuld ausschliesslich entweder der grossen
Feuchtigkeit der Luft oder dem starken Temperaturwechsel
zu. Dahin gehört Folchi, Arzt am Erzgymnasium in Rom.
Andere endlich glauben die Ursache in ganz lokalen Gründen,
d. h. in der Nähe von sumpfigen Wiesen oder unterirdischem
Wasser etc. suchen zu sollen und erwähnen, dass eine Strasse
von Rom, die für nicht gesund galt, sofort nach Bepflästerung
gesund wurde und ebenso ein Kloster nächst Rom, sofort nach
Abzapfung eines kleinen Sees in der Villa Borghese.
In neuester Zeit hat namentlich der schon oben mehrfach
erwähnte Corrado Tomasso-Crudeli eine eigene Theorie zur Er-
klärung der Malaria aufgestellt.
Nach ihm sind deren Keime im Boden der Campagna
stark verbreitet und bedürfen blos des gleichzeitigen
Zusammentreffens dreier Bedingungen , um sich zu ent-
wickeln :
1) einer Temperatur von circa 20° C;
2) eines gemässigten Feuchtigkeitsgrades des Bodens ;
3) des direkten Contactes des Sauerstoffes der Luft mit
denjenigen Schichten des Bodens, die den Keim ent-
halten.
Sowie eine dieser Bedingungen mangle, sei die Bildung der
Malaria unmöglich, wie dies aus zahlreichen Beispielen her-
vorgehe.
Im Winter bestehe keine Malaria, weil die nöthige Tem-
peratur dazu fehle.
Im Sommer, bei grösster Hitze, sei diese Entwicklung ge-
hemmt, weil dem Boden die nöthige Feuchtigkeit abgehe.
Wenn bei Ueberschwemmungen der Boden über den ge-
fährlichsten Lagern der Malaria mit Wasser bedeckt sei, fehle
der Contact mit dem Sauerstoff der Luft und deren Entwick-
lung werde deshalb unmöglich und das Nämliche sei der Fall,
wenn der Boden mit Schlamm bedeckt werde, der diesen Keim
nicht enthalte oder wenn sich eine kräftige Grasnarbe bilde
und erhalte.
177
Mir will scheinen, dass alle diese Theorien etwas Wahres
enthalten und im Grunde nicht stark von einander abweichen.
Stellen wir aus den oben successive entwickelten Verhält-
nissen die Eigenthümlichkeiten der Campagna zusammen, so
springt vor allem die Thatsache in die Augen, dass im oberen
Theile derselben, in Folge der modernen Ergüsse der Vulkane,
sich zahlreiche Mulden und Thäler gebildet haben, deren Grund-
lage aus ziemlich wasserdichtem Gesteine besteht und die keinen
natürlichen Abfluss haben, wie er bei sedimentären Gebilden
sich vorfinden müsste.
Wir finden also hier eine Ursache zur Bildung von Süm-
pfen und moorigen Flächen, die ihre Wasser blos durch Ver-
dunstung verlieren können.
Im unteren Theile, dessen Grundlage angeschwemmter
wasserdurchlässiger Boden ist, haben sich hinter den Dünen
nach einem feststehenden Gesetze ausgedehnte Depressionen
und somit grosse Sümpfe gebildet, die mit Brakwasser gefüllt
sind, indem einestheils das Meer mit denselben in Verbindung
steht, anderseits die Regenwasser der umliegenden Gebiete
sich in dieselben entleeren. Daneben sind die Höhenzüge mit
einer schwachen Grasnarbe bedeckt, dagegen die Thäler mit
vegetabilischen Substanzen, die der Regen von den Höhen
herführt, tief aufgefüllt.
Ueberall vermag der Frühling bei massiger Wärme und
vereinzelten Regenschauern eine üppige Vegetation zu ent-
wickeln, die, kaum zur Reife gelangt, abgemäht wird, sodass
nunmehr die stärker sengende Sonne auf den bodenarmen
Höhen und Plateaus den Nachwuchs dieser Vegetation ver-
hindert und den unbe wässerten Boden austrocknet. Während-
dem sich nun über demselben eine stark überhitzte Luftschicht
bildet, müssen die heftigen Sonnenstrahlen über den sumpfigen
Wiesen und den mit Wasserpflanzen bedeckten Sümpfen eine
lebhafte Verdunstung des Wassers fördern, die zunächst ein
allmäliges Zurückgehen desselben und hierauf eine Fäulniss
der in demselben aufgehäuften vegetabilischen Materien zur
Folge haben muss. Die hier mit Wasser und schweren Sumpf-
gasen stark geschwängerte Luft breitet sich nun während des
Tages über das ganz geschlossene Becken der Campagna aus,
indem die über dem ausgetrockneten Boden erhitzte Luft in
die Höhe steigt und allmälig durch die schwere, mit Wasser
Fernschau in. 12
178
und Sumpfgasen geschwängerte Luft der Sümpfe ersetzt wird.
Geht Abends die Sonne unter und nimmt die Spannung der
Gase schon in Folge dessen und im Weitern mit Rücksicht
auf das fühlbar werdende Zuströmen der kühlen Seeluft ab,
so condensirt sich das in der Luft suspendirte Wasser und es
entstehen jene übelriechenden Nebel, die während der Sommer-
nächte über den Boden der Campagna streichen, häufig Rom
durchziehen und die, gewiss ein sichtbares Zeichen der unge-
sunden Luft, Nachts in dieser Jahreszeit den Stoff zu den
Fiebern für alle Diejenigen liefern, die sich unvorsichtiger
Weise in Mitte derselben dem Schlafe hingeben. Ob nun die
unter Sonnenhitze und Verdunstung aus der Fäulniss vege-
tabilischer Materien erzeugten gesundheitsschädlichen Produkte,
wie man früher annahm, sogenannte Sumpfgase seien, oder
ob sie dabei, wie Dr. Balestra und sein College Antonio Salmi
behaupten, ein algenartiges Gewächs bildet, dessen Sporen-
staub, in der Luft suspendirt und fortgetragen, den thierischen
Organismus vergiftet, oder ob endlich die Theorie von Tomasso
Crudeli, die oben entwickelt worden, eher der Wahrheit ent-
spricht, mag dahin gestellt bleiben und kann vom Schreiber
dieser Zeilen nicht entschieden werden. Sicher bleibt, dass
Hitze auf feuchtem, mit vegetabilischen Stoffen geschwän-
gertem Boden, Fäulniss erzeugt ; sicher, dass bei den speziellen
Verhältnissen der Campagna dieser Fäulnissprozess in grosser
Ausdehnung statthaben muss und dass die lokalen Verhält-
nisse die Verbreitung der gasartigen Produkte dieser Fäulniss
im ganzen Becken begünstigen, so dass dieselben auch in den
offenen, trockenen, höheren Theilen des Beckens sich vertheilen
müssen; sicher endlich, dass Gase oder mikroskopische Pro-
dukte der Fäulniss, die sich in der Luft verbreiten, im Allge-
meinen gesundheitsschädlich sind. Diese Thatsachen genügen
somit, um die Malaria zu erklären, doch ist es wünschbar,
dass die Wissenschaft die Natur des Giftstoffes (Bacterien,
Sporen, Gas) feststelle, damit ohne Tasten die Erzeugung des-
selben verhindert oder dessen Zerstörung mit einfachen Mit-
teln erreicht werden kann. Dagegen scheinen mir Theorien,
wie diejenigen von Tomasso Crudeli, einen im Boden der
ganzen Campagna vorhandenen Keim der Malaria anzunehmen,
dessen Entwicklung von den im Allgemeinen die Fäulniss be-
dingenden Umständen abhänge, wenig geeignet, um praktischere
179
Ideen über die Sanirung des Landes zu verbreiten. Wie kann
man in der That von Seite der Besitzer und Miether dieses
Gebietes auf Opferwilligkeit zählen, um dessen Verhältnisse
durch Cultur, Ackerung, Pflanzung, Drainage und Bewässerung
zu verbessern, wenn die Gelehrten, die sich mit dem Studium
der Sachlage beschäftigen, ihnen sagen : „Was Du auch thun
mögest, Dein Boden ist vergiftet und bleibt eine Brutstätte
der Malaria." In Consequenz der Theorie von Tomasso Crudeli
muss in der That jedes Auflockern des Bodens, jedes zeit-
weilige Zerstören der Grasnarbe zur Bebauung oder zu Be-
wässerungszwecken eine grössere Oberfläche des giftigen Bodens
in intensivere Verbindung mit der Luft bringen und somit die
Entwicklung der Malaria vergrössern.
Wir geben zu, dass unsere Erklärung der Ursachen der
Malaria zu dieser Consequenz auch führen kann, aber doch
nur in ganz speziellen Fällen, d. h. wenn das Auflockern und
Bewässern einen stark mit organischen Stoffen geschwängerten
Boden beschlägt und bei grosser Hitze stattfindet. Aber nicht
aller, sondern der kleinste Theil des Bodens der Campagna
befindet sich mit organischen Stoffen in auffälliger Weise ver-
mischt, es kann und soll desshalb im Herbst und Winter dessen
Auflockerung statthaben.
Nachdem so die Ursachen der Malaria grundsätzlich im
Einklänge mit den meisten Schriftstellern, die diese Frage be-
handelt haben, angedeutet worden sind, fragt es sich: was
kann und konnte wohl gemacht werden, um diese Verhältnisse
zu verändern? Wie weit auch in der Erklärung der Malaria
die Ansichten auseinandergehen, so stimmen dieselben mit ganz
untergeordneten Ausnahmen dahin überein, dass für Be-
hebung derselben vor Allem die Sümpfe ausgetrocknet, der
Wasserablauf im ganzen Gebiete geordnet und unterhalten
werden müsse. Ueber die Mittel, die im Weitern zu ergreifen
seien, theilen sich die Ansichten wieder und bleibt hier blos
interessant zu erwähnen, dass die Wenigen, die der Ansicht
sind, es sei wenig oder besser gar nichts zu machen, „Römer"
sind und sich in der Klasse der Grossgüterbesitzer und der
sog. Mercante di Campagna finden. Es bleibt in dieser Hin-
sicht ewig denkwürdig, mit welcher Indolenz und einfältigen
180
Verachtung gewisse Leute dieser Klasse den Fragebogen be-
antwortet haben, den ihnen diesbezüglich die Comniissäre der
Regierung im Jahre 1871 — 1872 unterbreitet hatten*
Anstrengungen zur Santrung der Campagna sind
schon lange und zu allen Zeiten von den Päpsten und von
reichen, grossen Grundbesitzern gemacht worden.
So erstellte, oder vertiefte wenigstens, der Cardinal von
Este den alten Kanal zum Abfluss der schwefeligen Wasser, die in
der Ebene von Tivoli grosse Oberflächen von Wiesenland ver-
sumpften und den man in neuerer Zeitgestaut hat, um einenMeter
Druckhöhe zum Betrieb einer Travertinosägerei zu gewinnen.
Die Familie Borghese regulirte so viel als ihr möglich war
den See Sabino nächst der alten volkreichen Stadt Sabi, indem
sie mittelst einer unterirdischen Gallerie dessen Wasser in das
Flüsschen Osa führte.
Die Familie Chigi entwässerte den See von Baccano durch
einen tief eingeschnittenen Abzugskanal, der dessen Wasser
in das Thal des Valea führt.
Ein anderer kleiner See, genannt Mario Simon, wurde
ebenfalls durch die Familie Borghese entwässert und dessen
Wasser durch einen Abzugskanal in den Aniene abgeleitet.
Zahlreich sind im Thal des Tibers und Aniene die ent-
wässerten Wiesen, namentlich, wo es möglich war, deren Wasser
in Brunnen zum Tränken des Viehs zu fassen.
Beklagenswerte dagegen bleibt, dass deren Abwasser sich in
einiger Entfernung neuerdings verläuft und sumpfige Wiesen
bildet.
Diese vereinzelten Anstrengungen sind aber blos von
lokalem und geringem Belange im Verhältnisse zur Arbeit, die
vorbegt, und es muas anerkannt werden, dass ohne Eingriff
der Regierung eine durchschlagende, erfolgreiche Ordnung
dieser schlimmen Verhältnisse nicht statt haben kann.
Für die grösseren Arbeiten übersehreiten einerseits die
Auslagen den direkten Nutzen so bedeutend, dass ein Privat-
mann, auch wenn er über grosse Mittel verfügt, nicht auf-
kommen kann. Andererseits besehlagen die nöthigen Arbeiten
mehrere, oft zahlreiche Besitzer, die nicht alle über Mittel
* Anmerkung. So Beantwortete der Experte für die Agricnltnr, Giorgi,
Mehrzahl der Fragen überhaupt gar nicht.
181
verfügen, um in einem Consortium den ihnen zufallenden Theil
der Regulirungsarbeiten zu tragen und endlich fehlt zur Bil-
dung eines solchen zumeist der gute Wille und die einheitliche
Anerkennung und Billigung der nöthigen Arbeiten.
Die italienische Regierung musste binnen Kurzem zu dieser
Einsicht gelangen und entschied sich nach allseitiger Anhörung
der sachverständigen, technischen, agricolen, hygieinischen Com-
missionen, die nöthigen Arbeiten in zwei Gruppen zu theilen.
Die erste Gruppe umfasst die Entwässerungs-Anlagen für
ausgedehnte Sümpfe, die zweite Gruppe die Massnahmen zur
Erstellung und Unterhaltung der Abzugskanäle in Gebieten,
die bei etwelcher Aufmerksamkeit, ohne theure Werke im
culturfahigen Zustande erhalten werden können.
Die erste Gruppe dieser Arbeiten wird von den Ingenieuren
des Staates für dessen Rechnung, als im öffentlichen Interesse
liegend, ausgeführt. Die zweite Gruppe soll von Consortien
der Besitzer ausgeführt werden, die vom Staate zusammen-
gestellt und geleitet sind.
Die Arbeiten der ersten Gruppe beschlagen namentlich die
Entwässerung der weiten Sümpfe hinter den Dünen im Delta-
gebiete des Tibers und die Trockenlegung einiger Seen und
Moore im obern Theile der Campagna.
Das Projekt zu diesen Arbeiten ist, von einem sehr aus-
führlichen Berichte begleitet, datirt vom 15. Juli 1880, durch
den damaligen Oberingenieur und späteren Generaldirektor der
hydraulischen Arbeiten im Ministerium der öffentlichen Bauten,
Giovanni Amendini ausgearbeitet.
Ueber die Arbeiten in den Consortien ist wenig bekannt
und scheint man dort seine Zeit mit theoretischen Fragen
und Discussionen zu verlieren, namentlich seit man die Frage
bezüglich Abänderung der Bewirthschaftung aufgeworfen hat.
Wir müssen uns deshalb darauf beschränken, die Ideen
zu entwickeln, die den grossen Arbeiten zu Grunde gelegt
worden sind und bezüglich der Bewirthschaftung die verschie-
denen oft sehr abweichenden Ansichten competenten Schrift-
stellern überlassen.
Die hauptsächlichsten Sümpfe im tieferen Theile der Cam-
pagna sind:
Auf dem linken Ufer des Tibers der Sumpf von Ostia,
auf dem rechten Ufer die Sümpfe von Porto, Camposalino
und Maccarese.
182
In der Isola sacra, die im Delta liegt, der gleichnamige
Sumpf.
Der Sumpf von Ostia erhält die Niederschläge einer Ober-
fläche von rund 9427 Hektaren, deren Höhenlage sich wie folgt
vertheilt :
1) Hügel und höhere Weiden über Quote (5,00) 5640 ha.
2) Gebiet zwischen den Quoten (5,oo) und (0,40) 2623 „
3) Gebiet das tiefer liegt als (0,40) 684 „
4) Dünen und Meeresstrand 480 „
Total 9427 haT
Die Höhe des Wassers im Sumpfe ist veränderlich und
steigt im Winter und Frühling bis zu (0,60), ausnahmsweise
(0,80) über dem Meeresspiegel, fällt dagegen im Sommer bis
29 cm. unter denselben.
Bei der Höhenquote (-)- 0,80) deckt das Wasser eine Fläche
von 995 ha., hingegen blos 684 ha. bei der Quote (0,40). —
Die tiefsten Punkte des Sumpfes reichen (0 m 90) unter
den Meeresspiegel. Selbstverständlich steht in den nicht direkt
mit Wasser bedeckten Geländen, die an den Sumpf anstossen,
das Wasser ganz nahe der Oberfläche und dehnt sich thatsäch-
lich der Sumpf sehr weit aus.
Der Sumpf von Porto, Camposalino und Maccarese erhält
die Niederschläge einer Oberfläche von 10,790 ha., deren Höhen-
lage sich wie folgt vertheilt:
Ueber der Quote (5,00) liegen:
Zwischen Quote (5,00) und (0,40):
Unter der Quote (0>40):
Dünen und Meeresstrand betragen:
Total 10,790 ha.
Die Höhenverhältnisse des Wasserspiegels würden sich
ähnlich denen des Sumpfes von Ostia verhalten, wenn nicht
bei Zurücktreten des Wassers im Sommer durch die Besitzer,
das über Quote (0,40) liegende Weideland, auf dem diesseits
namentlich Büffel gezogen werden, mittelst des Baches Ar-
rone überrieselt würde. Immerhin deckt im Winter das Wasser
(bei 0,80) eine Oberfläche von rund 1970 Hektaren.
Der Sumpf der Isola sacra erhält die Niederschläge von
1316 Hektaren, von denen blos eine geringe Oberfläche unter
dem Meeresspiegel liegt, so dass hier eine Erhöhung des Bodens
3060 ha.
5870
??
890
n
970
n
1R3
verhältnissmässig leicht durch ein Ueberfi iessen der Wasser des
Tibers, der sehr stark Schlamm führt, somit durch zeitweise
Colmatation erzielt werden kann.
Für die grossen Sümpfe von Ostia und Maecarese liegen
die Verhältnisse nicht so einfach und sind verschiedene Sy-
steme der Entsumpfnng eingehend erwogen worden.
An eine Abzapfung des Wassers konnte bei der Tieflage
der Sümpfe, die unter den Meeresspiegel reicht, nicht gedacht
werden.
Dagegen konnten die natürliche Colmatation durch den
nahen und Schlamm führenden Tiber, die künstliche Auffül-
lung mit Abgrabungen in höhern Gebieten oder ein gemisch-
tes System dieser beiden Lösungen in Betracht kommen und
wenn diese nicht möglich sein sollten, das Ausschöpfen mittelst
Die Colmatation oder Auffüllung, oder beide gemischt,
müssten eine natürliche und bleibende Bonifikation schaffen
und derart stattfinden, dass man dem ehemaligen Sumpfgebiete
an seiner, dem Auslauf ins Meer zunächst gelegenen Stelle,
3 Minimalhöhe über dem Meere gäbe und gegen diesen Punkt
landeinwärts den Boden massig ansteigen Hesse, um für die
Zukunft einen genügenden Abfluss der Niederschläge zu sichern.
Von diesem Grundsätze ausgehend, müssten selbstverständ-
lich die vom Auslaufe entferntesten Stellen die gross te Höhe
erhalten.
Aus den in diesem Sinne angestellten Messungen und Rech-
nungen, die auf der Annahme einer Minimalhöhe des Bodens
von 1,U5 und einer Minimatneigung des Bodens^ von 10 cm.
per Kilometer beruhen, ergibt sich, dass zur Anfüllung des
Sumpfes von Ostia, d. h. des eigentlichen Sumpllandes von
1736 ha. Ausdehnung, 20,260,077 cm. Erde, sei es in Anschwem-
mung, sei es in Auffüllung, nöthig wären und für den Sumpf
von Porto und Maccarese nahezu das doppelte.
Ueberdies ergeben die Rechnungen, dass der zur Colma-
tirung auf die nötliige Höhe aus dem Tiber abzuleitende Canal
beinahe dicht unterhalb Rom abzweigen müsste und nur bei
ganz ausnahms weisen Hochwassern des Flusses zur Wirkung
Die ganz eingehend durchgeführten Studien der Colmatation
es kleinen Theiles des Sumpfes von Ostia bei Drazone mit
184
einer Oberfläche von blos 188 Hektaren hat zum Resultate
geführt, dass die nöthige Auffüllung von 677,083 Cubikmetern
zweiundzwanzig Jahre erfordern würde, so dass die zur Aus-
füllung der obigen Sümpfe, nach gleichem Systeme, erforder-
liche Zeit kaum abzusehen wäre.
Die Auslagen endlich für eine Anschüttung mittelst Ab-
grabungen der nächsten Höhen führen zu ganz unermesslichen
Ziffern.
Unter diesen Verhältnissen hat man in einem gemischten
Verfahren Rettung zu finden gehofft und sich gesagt, dass
im vorliegenden Falle die hygieinischen Rücksichten ausschliess-
lich massgebend seien, und dass es sich weniger darum handle,
Land zu gewinnen, als eine Umgestaltung der Verhältnisse
herbeizuführen, die das Bestehen der Sümpfe mit ihren Unzu-
kömmlichkeiten behebe. Man hat deshalb daran gedacht, einen
Theil der Sümpfe tiefer zu legen, mit dem Meere mittelst
eines Canales zu verbinden und mit dem gewonnenen Aushub
das Land zunächst diesen Seen zu erhöhen und dagegen die
längs dem Tiber gelegenen Theile durch natürliche Colma-
tation aufzufüllen. Aber wenn auch in einem tiefern Bassin
die Bildung von Wasserpflanzen schwieriger ist und ein Aus-
trocknen und Biosiegen des mit organischen Stoffen überdeck-
ten Bodens nicht statthaben kann, somit der Hygieine Genüge
geleistet ist ; wenn endlich durch die richtige Wahl des Ortes
für die Bildung des Sees, die zum Wasserabflüsse nöthige
Ueberhöhung des anzuschüttenden Bodens und damit die An-
schüttung wesentlich beschränkt werden kann, so musste man
aus andern Gründen dennoch auch dies Projekt fallen lassen.
Es bleibt nämlich hauptsächlich zweifelhaft, ob der See
und sein Verbindungscanal mit dem Meere sich in der nöthigen
Tiefe werden erhalten lassen, oder ob der Wellenschlag den
Canal nicht jeden Augenblick mit Sand verlegen werde. Ueber-
dies blieben die Kosten noch auf einer Höhe, die für den
einzigen Sumpf von Ostia auf circa 11 Millionen geschätzt
wurden.
Als auch dies System fallen gelassen werden musste ; blieb
nichts mehr übrig, als auf die Ausschöpfung zurückzugreifen,
obgleich dieselbe weit davon entfernt ist, gleicher Weise wie
die oben betrachteten Lösungen, wenn dieselben ausführbar
gewesen wären, dem Uebel für immer abzuhelfen. Man ent-
185
schied sich trotzdem für dieselbe, weil deren Kosten bedeutend
niedriger sind, als diejenigen der andern Lösungen; weil die
zur Durchführung nöthige Zeit verhältnissmässig kurz ist und
weil in letzter Zeit anderwärts das System mit Erfolg ange-
wendet wurde und in der That die heutige Maschinentechnik
eine Vollendung erreicht hat, die es gestattet, mit aller Sicher-
heit auf einen regelmässigen Betrieb der Pumpen zu zählen.
Die Anlage ist in ihren Grundzügen höchst einfach und
besteht darin, dass man die jetzt bestehenden Abflusskanäle
der Sümpfe durch einen Damm von denselben trennt und hinter
dem Damme über das ganze Gebiet, das dem Sumpfe seine
Niederschläge zuleite, ein Netz von Kanälen verschiedenen
Querschnittes ausführt, die mit einem Minimalgefälle alle Wasser
einem grossen Sammelkanale zutragen. Dieser Sammelkanal
grenzt dicht an den Trennungsdamm gegen den Abfluss-
kanal und wird an diesem Punkte das Pumpenhaus mit seinen
Maschinen erstellt, um die Wasser des Sammelkanals über den
Damm, in den höhern Abflusskanal zu heben und somit den
Wasserstand im Sammelkanal und seinen Zuflüssen, folglich
im ganzen Gebiete des ehemaligen Sumpfes, etwas tiefer zu
halten, als die tiefste Stelle des Sumpfes, d. h. den Sumpf
trocken zu legen.
Laut den vorliegenden Studien führte die Rechnung zu
folgenden Anlagen:
Die Bodenquote der tiefsten Stelle des Sammeiskanals von
Ostia wurde auf — 2,60 festgestellt , dagegen die Quote des
Wasserspiegels auf — 1,80, und da die Quote des Kanals auf
-(- 0,70 angenommen wurde, so ist hier das Wasser um 2 IU - 50
zu heben.
Da die Maximalregenmenge, die in dieser Gegend in einem
Monate gefallen ist, seitdem überhaupt Beobachtungen gemacht
wurden, auf den Monat November 1865 fällt und als tägliches
Mittel 16,29 mm. ergiebt, so würde mit Rücksicht auf das
ganze Niederschlagsgebiet des Sumpfes und nach Abzug der
erfahrungsgemässen Verluste durch Versickern und Verdunstung
die in einer Sekunde zu hebende Wassermenge auf 2,34 Cubik-
meter festgestellt, was bei einer Hubhöhe von 2 m< 50 einer Ar-
beit von 78 Pferdekräften entspricht, und mit Rücksicht auf
die entfallenden Verluste zur Aufstellung zweier Maschinen von
150 Pferden führt.
186
Die Kosten für diese Einrichtung werden berechnet:
1) Für Arbeit, Expropriation etc. . . Fr. 1,270,000.
2) Jährlich für Betrieb der Maschinen Fr. 32,000
zu 5% capitalisirt „ 540,000.
Total Fr. 1,910,000.
Vertheilt man diese Auslagen auf den eigentlichen Sumpf,
so ergibt sich eine Quote von Fr. 1006. 32 per Hektar, die
sich aber wesentlich reduzirt, wenn dieselbe auf das ganze Ge-
biet vertheilt wird, das von dieser Anlage Nutzen zieht. Die
Anlage in Maccarese unterscheidet sich blos in den Einzeln-
heiten von derjenigen von Ostia.
Der niedere Wasserspiegel wird auf der Quote — 1,90 ge-
halten, so dass das Wasser um 2 m -60 gehoben wird. Die per
Secunde zur Zeit der heftigsten Regengüsse zu hebende Wasser-
menge wurde auf 4,90 cm. festgesetzt, was einer Arbeit von
170 Pferden entspricht, so dass dort drei Maschinen mit einem
4. Reservekessel aufgestellt werden.
Die Arbeiten sind seit drei Jahren im Gange, können aber
der Malaria wegen blos in den Monaten Oktober bis Ende Mai
betrieben werden und sollten schon im nächsten Jahre die
Pumpen in Betrieb kommen. *
Ausser den Entsumpfungsarbeiten im niedern Theile der
Campagna sind noch eine Reihe ähnlicher Arbeiten für einige
Seen und Sümpfe im obern Theile derselben vorgesehen, die
ebenfalls zu der Gruppe der Arbeiten gehören, die der Staat
ausführen soll. Dieselben sind jedoch von weit geringerem Um-
fange und von geringerer Bedeutung und deshalb bis heute
noch nicht in Angriff genommen worden.
Der Sumpf von Stracciacappa ist einer jener zwei
Seen, aus denen der Kaiser Augustus den einzigen Aquaeduct
nach Rom geführt hat, der das rechte Ufer der Campagna
romana durchzieht und dessen Wasser weniger zum Trinken
als vielmehr zur Reinigung und Bewässerung dient. Dieses
Wasser mündet auf dem Gianicolo und ist unter dem Namen
Acqua Paula bekannt. [Nach dem Papste Paul V. (Borghese),
der diese Leitung verbessert und verlängert hat.]
Der See hiess im Alterthum Lacus Papirianus, liegt im
Osten vom See von Bracciano und gehört zu den kleinern
Kraterbecken, die diesen Centralkrater umgeben. Von den hohen,
1 JIH fl^«WIW>ff«V »
187
kahlen, aus vulkanischen Produkten gebildeten Abhängen, die
den See umgeben, haben nach und nach die Regenwasser so
viel Schutt heruntergeschwemmt, dass der ohnehin nicht tiefe
See sich allmälig ausfüllt und heute einen Sumpf von circa
31 Hektaren Oberfläche bildet, der auch in absehbarer Zeit
ganz verschwinden dürfte. Der alt römische Abzugskanal, der
seine Wasser, vereint mit denjenigen des nahen Sees von Mar-
tignano nach Rom führte, ist eingefallen und versandet.
Zur Entsumpfung genügt es, die ehemalige Gallerie, die in
vulkanischem Tuffe erstellt ist, wieder zu öffnen, tiefer einzu-
schneiden und bei dem Austritt statt in den alten Canal von
Martignano, in ein Seitenthal zum Abfluss in den Lago Brac-
ciano zu führen.
Die Ausgaben sind auf circa Fr. 50,000 bewerthet, d. h.
auf circa Fr. 1250 per trocken gelegten Hektar Land.
Aehnlich liegen die Verhältnisse im nahe am Sumpfe von
Stracciacappa gelegenen Thale von Boccano,.wo der gleich-
namige See liegt. Auch hier besteht ein zum Theil aufgefülltes
Kraterbecken, dessen Tiefe nicht über 9 m. betragen konnte,
indem sonst seine "Wasser einen natürlichen Ueberfall in die
Schlucht von Boccanacio fanden, welche ihre Wasser dem Bache
Valca zusendet, der ein Zufluss des Crimena bildet, welcher aus
dem Thal der Valchetta, circa 10 Kilometer oberhalb Rom in
den Tiber mündet.
Auch hier hatte Alexander VII. (Chigi) einen Einschnitt
von 1160 Metern zwischen dem See und der Schlucht von Boc-
canacio gemacht und damit den grössten Theil des Sees trocken
gelegt, doch war der Einschnitt zu wenig tief und zu wenig
geneigt, so dass 19 Hektaren noch mit Wasser bedeckt bleiben
und sogar bei starken Regengüssen der Rückstau des zu engen
Abflusses eine Ueberschwemmung von weitern 23 Hektaren zur
Folge haben kann.
Auch hier genügt es, diese Verhältnisse durch Ausbildung
des alten Abflusses zu verbessern und sind die nöthigen Aus-
lagen zu Fr. 50,000 veranschlagt.
Noch weit unbedeutender sind die vorgesehenen Arbeiten
für Trockenlegung des kleinen Sees von Cartiglione (früher
von Gabii), der ehemals schon yom Hause Borghese zum Theil
entsumpft wurde und der an der praenestinischen Strasse liegt.
Diese Ausgaben belaufen sich auf Fr. ltf,400 für Entsumpfung
188
von 75 Hektaren Moorland. Auf Fr. 120,000 sind dagegen die
Ausgaben zur Entsumpfung des Sees dei Tartari und der Gegend
von Acque Albule vorgesehen, die auf dem Plateau zwischen
Rom und Tivoli liegen und deren Austrocknung in Erstellung
eines ausgedehnten Netzes von Kanälen besteht, die alle Wasser
in den stark eingeschnittenen Aniene abführen sollen.
All diese Massnahmen des Staates reichen aber nicht hin,
das Uebel an seiner Wurzel abzuschneiden, sondern die An-
strengungen der Grundbesitzer sollen dieselben Schritt für
Schritt begleiten und ergänzen. Das ausgetrocknete Gebiet will
und soll nunmehr richtig und rationell bebaut und unterhalten
werden.
Vor Allem scheint nothwendig, dass zwischen den Kanälen,
welche das Wasser der Niederschläge abführen, von den Grund-
besitzern die nöthigen Gräben 3. und 4. Klasse angelegt und
unterhalten werden, die diesen Kanälen das Regenwasser schnell
zuführen. Nächst dem Rande dieser Kanäle sind fortlaufende
Weiden- und Erlenpflanzungen anzulegen, der Sumpfboden ist
im Winter umzugraben und mit Futterkräutern anzusäen.
Der früher beklagte und als Entschuldigung angeführte
Mangel an Arbeitern kann bei rationeller Verwendung der
Palliativmittel, welche die moderne Medizin mit Erfolg ge-
braucht und bei der durch die Entsumpfung verringerten Ge-
fahr behoben werden.
Zu dem Zwecke sind an Orten, die über gesundes Trink-
wasser verfügen, oder denen solches zugeführt werden kann,
Arbeiterdörfer zu erstellen, wo in gemauerten Häusern für ge-
sunde Nahrung und menschenwürdige Unterkunft gesorgt ist.
Das System kurzer, beschränkter Pachtverträge, die ein zu
den finanziellen Mitteln unverhältnissmässig grosses Pachtgebiet
beschlagen, muss dauernden, schrankenlosen Pachtungen klei-
nerer Complexe Platz machen.
In den entsumpften Gebieten hinter den Dünen, wo die
Waldcultur gedeiht, soll ein weiter Streifen ordentlich gebauten
Hochwaldes angelegt werden.
Die Ebenen des tiefern Theiles der Campagna eignen sich
zur Viehzucht, die aber nach den besten Mustern mit Stall-
fütterung und der damit verbundenen Düngung, sowie mit
guten Racen von Mastvieh durchzuführen ist.
189
Auf den Höhenrücken des obern Theiles sollte, nach dem
Vorgange in der nächsten Nähe Roms, mit Vortheil die Cultur
kleiner Obstbäume versucht werden, so von Oliven, Mandeln, Pfir-
sichen und wohl auch Weinreben. Die dazwischen liegenden
Thäler eignen sich zur Anlage von Kunstwiesen und zu Acker-
land.
Um dies Alles zu schaffen, bedarf es voraus der Zustim-
mung der Gutsbesitzer und sollte angesichts der hohen hygiei-
nischen Rücksichten für die nahe Hauptstadt, bei Widerstand
dieser Letztern der Staat einschreiten.
Dieses Einschreiten kann und soll auch hier, wie bei allen
gemeinnützigen Schöpfungen, in Expropriation des Grund und
Bodens liegen mit der Absicht, denselben zu parzelliren und
an kleinere, bewährte Pächter zu vergeben.
Dies genügt a»ber nicht, sondern diesen Pächtern ist die
billige Hilfe des Kapitals zu sichern und dazu bedarf es der
Bodenkreditinstitute. Diese gedeihen aber inmitten einer von
der Bauspekulation besessenen Bevölkerung nicht ohne Staatshilfe.
Man steht somit bezüglich der Campagna nach Behebung
und Lösung der technischen Probleme vor den socialen, deren
Lösung weit schwieriger ist und weit länger dauert»
Das mag denn auch der Grund sein, wesshalb die Arbeit
der zweiten Gruppe, von der wir oben gesprochen, noch nicht
sichtbare Früchte trägt und hier scheint das thatkräftige Ein-
schreiten noch zu fehlen.
Ueberall und in allen Verhältnissen ist es weit leichter,
im ersten Anlaufe die Summen zusammenzubringen, um die
Grundlage eines grossen Werkes zu schaffen, dessen Ausfüh-
rung dann einer verhältnissmässig kleinen Gruppe von Menschen
anvertraut wird, als diesem Gerippe später Fleisch und Blut
und Leben zu geben, das nur von der dauernden einsichtsvollen
Gesammtarbeit zahlreicher Individualitäten hervorgebracht wer-
den kann.
Man baut Kanäle, Seehäfen, Eisenbahnen mit grossen Opfern
an Geld und Zeit und vergisst zu deren Gedeihen gleichzeitig
Zufahrtsstrassen, leichte Ein- und Ausladevorrichtungen, pas-
sende Haltstellen etc. zu schaffen, um das neue Werkzeug den
Bedürfnissen von Handel und Wandel anzupassen.
Die Beharrlichkeit auf dem Wege zum Ziele fehlt im All-
gemeinen den Individuen schon, wo es sich um Eigenzwecke
190
handelt, in noch höherem Grade fehlt sie den politischen Orga-
nismen der Neuzeit, bildet aber vollends eine Ausnahme und
Seltenheit bei den Einzelnen, wo es sich um Verfolgung eines
gemeinnützigen Problems handelt.
Eine solche Individualität fehlt nun eben zur Bonifikation
der Campagna romana, obgleich unbedingt ein erreichbares Ziel
vorliegt, würdig einen italienischen Patrioten zur höchsten That-
krafb anzuspornen. Es kann in der That nicht bestritten werden,
dass die Campagna im Alterthum blühender war, als heute, und
die Ursachen der Verschlimmerung sind zahlreich.
Einmal hatte damals der Tiber sein Delta nicht so weit
vorgeschoben wie heute. Es beweist uns das die Lage von
Ostia und Porto Trajano, die damals nächst der Tibermündung
lagen und heute fünf Kilometer davon entfernt im Lande liegen.
Die Sümpfe längs des Meeres hatten somit 'auch blos eine ganz
beschränkte Ausdehnung und konnten deshalb nur wenig Scha-
den bringen.
Die ganze Campagna, es beweisen dies alle Schriftsteller,
war dichter bevölkert als heute, deshalb die Cultur intensiver.
Was heute fehlt, bestand eben damals zum Theile, d. h.
Entwässerungsanlagen, Abzugsgräben, bessere Bewirtschaftung
des Bodens. Aber die Invasionen und langjährigen Kriege des
Mittelalters haben mit der geistigen Cultur auch die materielle
zerstört.
Die Herrschaft der Päpste konnte, wenn auch Männer
von Hochsinn darnach strebten, diesem Ruin keinen Einhalt ge-
bieten oder Abhilfe bringen, weil im Crossen und Ganzen die
Ceistesrichtung des Mittelalters nicht auf Verbesserung der
Bodenwirthschaft hinzielte.
Die Entsumpfung der Campagna romana, sowie eine bessere
Bewirtschaftung des nationalen Bodens ist eine der dringend-
sten Aufgaben für die regenerirende G-rossmacht Italien, ein-
mal zur Erhöhung ihrer politischen Stellung, sodann aber zur
Eindämmung der Auswanderung, die sonst stets und alljährlich
erschreckend zunimmt.
Möge Italien der Patriot erstehen, der sein Leben, seine That-
kraft, seinen Einfluss mit Erfolg diesem Ziele widmet.
2-— i— •— <*-— • — i— ^
VIII.
Aegyptische Bauerntöpfereien der Gegenwart
im Ethnologischen Gewerbemuseum in Aarau.
Von Conservator Karl Bührer.
Unser verdientes Ehrenmitglied, Herr Kaufmann Andreas
Bircher in Cairo, überraschte dies Jahr die Gesellschaft mit
einem prächtigen Geschenk, in Form einer reichhaltigen Samm-
lung von etwa 300 Nummern ägyptischer Landes- und Industrie-
produkte, deren Demonstration dem von ihm während des VII.
Schweizerischen Geographentages in Aarau gehaltenen Vor-
trage über die gegenwärtigen ökonomischen und commerciellen
Verhältnisse Aegyptens, einen ganz besondern Reiz verlieh.
Aus all dem mannigfaltigen, mit grosser Umsicht und mit
feinem Sachverständniss zusammengestellten Material, welches
diese Sammlung nach verschiedenen Richtungen hin bietet,
möchte ich mir erlauben, eine Specialität herauszugreifen, und
zwar die Erzeugnisse moderner ägyptischer Gefässbildnerei.
Ich thue dies mit um so mehr Vergnügen, als ich im Falle bin,
sämmtliche in unserm Museum enthaltenen Typen dem ver-
ehrten Leser im Bilde vorzuführen.
Betrachten wir die Abbildungen, so fällt uns sofort eine
erste zusammengehörige Gruppe von Töpfereien auf, welche
die Nummern 1 — 5 umschliesst. Ihre Heimat ist Ken eh, die
Provinzialhauptstadt des Mudirieh (Provinz) Kosseir-Keneh, eine
bedeutende Ortschaft, und, nach Assiut, die grösste Stadt Ober-
ägyptens. "Wir haben hier sogenannte Ula oder eigentlich Ku-
lah vor uns, Gefässe, die zum Aufbewahren des Trinkwassers
dienen. Sie sind gefertigt aus einem sehr leichten Thon, welcher
durchs Brennen porös wird. Diese Porosität gestattet eine un-
unterbrochene Verdunstung des "Wassers, wodurch demselben
eine immerwährende Frische erhalten wird.
192
Der Thon von Keneh, welcher nicht eisenhaltig ist, erhält
im Feuer eine schöne, hellgraue Farbe und zeichnet sich hie-
durch sowohl, als durch seine Feinheit, von Rohmaterial an-
derer Herkunft aus, sodass die Farbe allein genügt, um daran
den Ursprung eines Gefasses sofort erkennen zu können.
Fig. 4.
(l—ö Poröse Thongeßi
In grossen Mengen finden diese billigen Töpferwaaren ih
"Weg in jedes ägyptische Haus, allwo sie sich wegen ihrer "S
züglichen Zweckdienlichkeit allgemeiner Beliebtheit erfreuen.
Interessant ist der Versand nach den untern Theilen des
Landes. Derselbe vollzieht sich auf leichten Schilfflössen, welche
aus — auf einem einfachen Holzgerüst aufgebundenen — Bün-
193
dein von Schilf und Stengeln von Durrha Sorghum (Hirse) be-
stehen. Ausgehöhlte grosse Kürbisse oder auch leere Petroleum-
büchsen verhindern das Versinken dieser primitiven Fahrzeuge,
welche, hochbeladen mit ihrer zerbrechlichen Waare, meist nur
von zwei Mann gesteuert, langsam von den trägen Fluthen des
Nil nach Cairo getragen werden.
Nachdem die Waare wohl einen oder sogar mehrere Mo-
nate unterwegs war, wird sie in einigen grossen Magazinen in
Bulak bei Cairo zum Verkauf ausgeboten. Auch in den meisten
Töpferläden sind die Gefässe erhältlich und überdies sorgen
geschäftige Hausirer mit ihrem anhaltenden Ruf „ TJla Kenaui"
— Ullen von Keneh — für die Bequemlichkeit des kauflustigen
Publikums.
Aufs mannigfaltigste gestaltet, zeugen diese einfachen Ge-
brauchsgefasse von der Geschicklichkeit des orientalichen Tö-
pfers, der sich der Scheibe mit der grössten Gewandtheit zu
bedienen weiss.
Schon die wenigen Formen, welche wir besitzen (Abbil-
dungen 1 — 5) geben ein Bild der Varietät graziöser Profile,
welche diese Bauern töpfereien auszeichnen. Wahrscheinlich ist
der Ursprung der ganzen Industrie von Keneh bis ins alte
Aegypten zurückzuführen.
Bemalt werden die Ullen von Keneh nie, es sei denn von
europäischen Dilettanten, welche dieselben, zur Ausschmückung
von Zimmern in ägyptischem Geschmack, mit alten Mustern
dekoriren. Sehr gerne würde man den einzigen hie und da
angebrachten Schmuck vermissen, den einige flüchtig mit dem
Finger oder mit dem Kamm eingekritzten Zickzacklinien, wie
sie Abblg. 5 zeigt, bilden sollen.
Noch zu bemerken ist schliesslich, dass ein im Hals der
Ullen angebrachtes Sieb etwaige im Wasser befindliche Un-
reinlichkeiten zurückhält.
Figur 6 gehört zur zweiten Spezialität der ägyptischen
Töpfereien, welche unsere Sammlung enthält. Sie stammt aus
El-Wedi bei El-,Ayat in der Provinz Gizeh, und zwar aus der
Ziegelei des Donators, wo die Herstellung derselben jedoch nur
nebenbei betrieben wird. Diese Gefässe bestehen aus einem
Thon, der weit geringer ist, als derjenige von Keneh, und
werden durch's Brennen röthlichgelb. In Cairo werden ähn-
liche ordinäre Töpfereien gefertigt.
Fernschau HI. l3
194
Die Form der Ullen von El-Wedi ist die-
jenige der porösen Wassergefäsae, welche
man in Spanien, Südamerika u. s. w. in
allen Häusern sieht. Der Bruch ist kugelig,
nach unten einen breiten, flachen Boden
bildend und oben in einen weiten massig-
langen Hals endigend. Sie werden nie be-
malt.
Ich glaube an dieser Stelle eines interes-
i santen Stückes erwähnen zu müssen, das
der Sammlung Bireher angehört und wel-
n El- Wedi. ches Abbildung 7 darstellt.
Es ist dies ein eigenthümlich ge-
formter grosser schwerer Henkelkmg
aus röthlicb gelbem Thon, welcher unweit
von Cairo aus einem Trümmerhaufen
ausgegraben wurde, und dessen Ursprung
iu dieChalifenzeit zurückversetzt werden
dürfte. Fremdartig wirken die mit Tupfen-
reihen eingefassten lamellen- und war-
zenartigen Aufsätze, welche den ei-
förmigen Untertheil dekoriren. Ein dick-
plumper, langer, tiefange setzt er Henkel
verbindet diesen untern Theil mit dem
obern Theil des kurzen, mit senkrechten
Einschnitten und kleinen Vertiefungen
i- 'ifatMkrwi. gezierten Halses, welcher von einem
dreifingerbreiten Aufsatz gekrönt ist.
Ein kurzes, enges, unterhalb des Aufsatzes angebrachtes, schwach
aufwärts gerichtet es Eöhrehen dient als Ausgussrinne des Ge-
fässes, das wahrscheinlich zu Abwaschung bei goUesdienstlichen
Handlungen verwendet wurde.
Wir gelangen nun zur letzten Gruppe unserer Thonerzeug-
nisse, und zwar zu derjenigen, welche unsere Leser am meisten
fesseln dürfte.
Assiut (As-sint), woher diese reichhaltige Sammlung stammt
{Abb. 8 — 39), ist die Hauptstadt von Oberägypten und zu-
gleich der wichtigste und bedeutendste Platz dieses Landes-
theiles. Er zählt circa 60,000 Einwohner, ist am Ende der
ägyptischen Eisenbahn gelegen und erfreut sich einer blühen
Älter AegypU
195
den Industrie. Der vorzügliche, nur hier vorkommende, eisen-
haltige Thon, welcher in der Nähe ausgegraben wird, gestattet
es den Bewohnern, ein lohnendes Töpfereigewerbe zu betreiben,
dessen erste Anfange ohne Zweifel ebenfalls schon in Altägyp-
ten zu suchen sind.
Aehnlich wie in Heimberg, im Berner Oberland, wird in
hunderten von Häusern die Töpferscheibe in Thätigkeit gesetzt,
n in den mannigfaltigen Gegenständen, welche unsere Illustra-
tionen veranschaulichen, Gestalt zu verleihen. Viele Töpfer
zeichnen ihre Produkte mittelst kleiner runder Stempel mit
ihrem Namen.
In zwei verschiedenen Farben treten uns die keramischen
Produkte von Assiut, welche, wie bereits angedeutet, einen be-
deutenden Handelsartikel bilden und sowohl in den vornehmen
ägyptischer] Bäusern, als auch beiden im Lande wohnenden Frem-
den massenhaft in Gebrauch sind, entgegen. Entweder ist es
ein schönes, mattglänzende a, saftiges Dunkelbraunroth, oder ein
feines, tiefes Schwarz. Letztere Nuance scheint in verdecktem
Feuer erstellt zu werden in der Art, dass man die Gefässe im
Ofen mit Kuhmist umgiebt. Der Thon wird bei Anwendimg
dieser Technik durch und durch schwarz, also nicht nur
die Oberfläche.
Die Assiuter Thongeschirre werden sowohl im Hause, als
in der Kirche verwendet.
Die Räuchergefässe (Abb. 8 — 11) vertreten die letztere
Gruppe. Ich unterlasse es, deren Form näher zu beschreiben;
Fig. S. Fi<J 9. Fig. 10. Fy. II.
Räucheryefäsw
die Illustrationen, welche die ausfuhrlichste Schilderung er-
setzen, mögen für sich seihst sprechen. — Arabisch, heissen
19fi
diese Rauchergefässe Mabhara. - Man bedient sich derRaucher-
gefässe von Assiut in ärmeren Moscheen sowohl, wo sie solche
als Silber ersetzen müssen, als auch bei Beerdigungen und son-
stigen Ceremonien. Diejenigen ohne Deckel (Nr. 8, 9, 10) zeigen
eine halbkreisförmige Oeffnung, durch welche man glühende
Kohlen und Essenzen einschütten kann. Der Rauch entströmt
entweder kleinen, in den Ornamenten angebrachten durch-
brochenen Stellen (Fig. 8 — 10), oder eigenen oben befindlichen
Oeffnungen wie bei Mg. 10.
Unter den Profangefässen finden wir vertreten: Bluineu-
vasen, arabisch Zahriek, Abb. 12 u. 13; Wasser-
undLiqueurflaschen oder Ula, verschiedenster
Form, Abb. 14—20; Kaffee- und Theekannen,
AbrikKahnauixlAbrikScIiui, Abb. 21-24, an wel-
chen besonders der Ausgussschnabel sehr ge-
schickt so gefertigt ist, dass kein Tropfen
Fig. IX
l^ljj. 12. Klri'ii' IShnit<:t
(ir.Muinriteat* c. Axsint. i-rnsfiniiiAxHid
Ullett von Axsiitt
nachriimt ; Mik-h topfe, Malih.ihel Laban, Abb. '25 u. 26; Tabak-
toj.fr. KIM- thtrhan, Abb. 27; Zuckerbüchsen, Sukarieh, Abb. 28;
Kaffee- und Tkeegeßsn von Antut.
Wassergläser, Cubaiah, Abb. 29; Kaffeetässchen , Fingan, mit
eierbecherförmigen Untertassen, Zarf, Abb. 30; Leuchter, Scka-
madan, Abb. 31; Schalen, womit man im Bade "Wasser schöpft,
nm sich damit zu begiessen , Tassa lisum el Ma, Abb. 32 ;
Fussreiber oder Krokodilsteine, Hagar timsah, Abb. 33—38,
welche dazu dienen , die nach dem Bade weichgewordenen,
schwieligen Fusssohlen wieder abzuglätten. Zu diesem Be-
hufe sind die Fussreiber auf ihrer Unterseite durch Einritzen vor
dem Brennen mit einer rauhen Fläche versehen. Die bekannten
rothen türkischen Pfeifenköpfe, welche man in Assiut in grossen
Mengen herstellt, werde ich bei einem andern Anlass und in anderm
Zusammenhang den Lesern der „Fernschau" im Bilde vorführen.
198
Alle diese Gegen stände, welche sich zum Theil durch ihre
edlen und wohlgeformteii Profile auszeichnen, sind mit von
Hand eingeritzten und geschnitzten Ornamenten verziert, die
sich meist in Form eines breiten Bandes um den weitesten
Theil derselben legen. Da der noch weiche Thon auch die
feinsten Eindrücke aufnimmt und da er sich beim Brennen so-
zusagen nicht ausdehnt, ist es möglich, dass die feinen, mittelst
eines geschnitzten Holzmodellchens eingedrückten Perlenstäb-
chen den Aufputz der Gefässe so elegant vollenden. Um ein
genaueres Stndium der Einzelheiten zu erlauben, geben wir
Nr. 19 in grö'sserm Massstab wieder, Abb.
Fig. SS. Fig. 36. Fig. 27. Fig. SU.
Milchtöpfe. Tabaktopf. Z/uekerbüch*.
Alles ron Assiul.
Farbe, Feinheit des Thons, Eleganz der
Formen und Originalität der Dekoration ver-
einigen sich zu einem Ganzen, welches den ■
meisten Gefässen von Assiut den Stempel
des N ob ein aufdrückt.
Ich glaube annehmen zu dürfen, dass Form und Orna-
mente theilweise auf Tradition aus derjeuigen Zeit beruhen,
als die Kopten in Aegypten durch ihren Zutritt zum Christen-
thum, byzantinischem Einflösse stark ausgesetzt waren, also
vom Jahr 200—600 nach Chr. Geb.
Die Töpfereien sind u. A. käuflieh in einigen grossen Ma-
gazinen in Cairo.
Hienrit wäre soweit mein Thema erschöpft. Es sollte mich
freuen, wenn ich damit auch meinen Zweck erreicht hätte.
Derselbe war, unsern werthen Lesern — und speciell nnsern
verehrten Freunden im fernen Ausland — zu zeigen, wie
schätzenswerth für ein Ethnologisches Gewerbemuseum der Be-
sitz von wohlangelegten Sperialftainmlmifjen ist, und ferner
gleichzeitig anzudeuten, in welcher Art und "Weise ungefähr
diese Specialsammlung mittels beigefügter Notizen nutzbringend
beleuchtet werden könnten.
Je mehr unser Ethnologisches Gewerbemuseum aufblüht,
desto mehr zeigt es sich, wie wichtig es ist, jede einzelne Ab-
theilung desselben nach und nach zu einer Specialsainmlniiij
auszubilden, in welche wiederum jede einzelne Gruppe für sich
ein abgerundetes Games bildet.
Lassen wir gerade die soeben geschilderte Sammlung spre-
chen, so wird Jedermann gerne zugeben, dass ein Besucher
unseres Museums sich ein ganz unrichtiges Bild von der mo-
dernen ägyptischen Töpferei macheu müsste, wenn es bloss je ein
oder zwei Muster der verschiedenen Specialitäten enthalten würde.
In diesem Falle könnte man den Reichthum an Formen, Orna-
menten und Farben ebensowenig erkennen, als es jeder Gruppe
möglich wäre, sich ohne Weiteres dem Beschauer als Vertreter
einer eigentlichen Industrie aufzudrängen, mit andern Worteu,
die betreffenden Muster würden zur blossen Curiosität her-
absinken, an welcher kaum etwas zu sehen und zu lernen wäre.
200
Wenn wir uns also erlauben dürften, diejenigen unserer
Freunde und Mitglieder im Ausland, die beabsichtigen soll-
ten, unser Ethnologisches Gewerbemuseuiu durch eine Sendung
von Gewerbs- und Industrieprodukten zu bereichern, unsere
Wünsche auszudrücken, ao würden wir sie ergebenst bitten,
jeweilen darnach zu trachten, irgend eine Specialität ihres
Landes durch eine Sammlung nach allen Richtungen getreu
zu illustriren. Möglichst einlässliche Notizen würden den Werth
einer solclieu Zusammenstellung noch bedeutend erhöhen.
Fig. 37,
Hi:il-:ntiitxif.ht unn Fig. ■'.
Fig. 38.
fSeilenansicht oon Fig. 36.
Auf diese Weise wäre es uns möglich, in verhältniss massig
kurzer Zeit unsere jetzt schon ansehnlichen Sammlungen zu
einem Museum zu gestalten, welches thatsächlich, wie im Pro-
gramm vorgesehen, eine auf wissenschaftlicher Basis begründete,
aber in allen Theilen ganz im Besondern für das praktische
Leben bedeutungsvolle, vergleichende Darstellung der Ge-
werbe- und Industrietkätigkeit aller Zeiten und Lander um-
fassen würde.
Als wir unser Sammelpro gram m zu einem die Erzeugnisse
aller Zeiten und Länder in sich schliessenden stempelten,
•201
geschah dies nicht durch Zufall. Wir thaten es in
der Ueber-
zeugung, dass gerade
das Streben nach Universalil
ät den
Blick suhärfe für das
Einzelne, dass der Wunsch
etwas Gros-
ses zu erringen, einen
zwinge, alle die kleinen Theile,
welche
das Grosse bilden, ganz besonders zu würdigen
uml
zu er-
forschen.
Fig. 39. '
Utle riHi A Saint.
Vi
m ü
IX.
neber den nordpontischen Flussnamen
und andere mit pant oder p a n t i beginnende Eigennamen.
Von Dr. Hermann Bmnnhofer.
Herodot's halbmythischer Strom im Norden des Pontus,
der Pantikapes, „ist (nach Cuno Forschungen pag. 240) viel-
leicht identisch mit dem Hypanis." Dieser Hypanis, der heu-
tige Kuban, ist seinerseits wieder bei Strabo im XI. Buche
identisch mit dem so gelesenen Flusse 'Avrtzhzyq, welcher Name
nichts anderes ist, als ein verlesenes flavzixixrjq, in welchem
ausserordentlich leicht das n als ein mit r verbundenes; gelesen
werden konnte, während der Abfall des 77 am Anfange des
Wortes sich ebenso leicht aus einer Versehreibung erklären
lässt. Dass neben J/iwrizä-ZT/S auch ein lla^-ixe-r^ oder IJavti-
/.u-mog möglich war, schliesse ich aus der Doppelform des
orphischen Gottes 'Hp-zi-wag oder 'Hpt-xü-aiog, dessen zweiter
Theil offenbar mit dem zweiten Theil des Flussnamens Ilavrt-
xür.ifi, resp. des Stadtnamens IluvTi-zäxaiov identisch ist. Den
'll/iezäzaiog selbst möchte ich mit dem Vriskä'-kapi, resp. mit
der Vrishä-kapäiji des Rigveda, in Zusammenhang bringen,
dessen zweiter Theil zweifellos mit kapi, der Affe, identisch
ist, wie denn Rigv. X, 80, 5 der Gott Vrisha kapi unmittelbar
auch kapi, Affe, genannt wird. Ohne mich hier schon in eine
nähere Untersuchung über den etymologischen und mytho-
logischen Einklang des vedischen Gottes Vrishakapi mit dem
orphischen '///«««-««jg-Dionysos einzulassen, was ich mir für
eine andere Gelegenheit verspare, bemerke ich nur, dass,
wenn für Vviahä'kapi die Bedeutung Stieraffe = stiergleich, keinem
Zweifel unterliegt, auch das Etymon von flavze-xdinjg bald zu
Tage treten wird.
203
Im Norden des Pontus sassen zur Zeit Herodots bekannt-
lich Eranier, in Pantikapäum die Sinder, vielleicht vorbrah-
manische Inder. Es wird also erlaubt sein müssen, das panti
in llavTC'xä'Krjq aus arischem, resp. urindogermanischem Sprach-
material zu deuten. Und da bietet sich denn der Name des
Pontos selbst zur Vergleichung dar. Der 7:6 wog, das Meer, ist,
wie lat. ponti zeigt, ursprünglich identisch mit dem sanskri-
tischen panihan, path, der Pfad, der Weg, in der Avestasprache
pantan mit derselben Bedeutung. Als Flussname vergleicht
sich der Padus, noch augenfälliger aber der Fluss llovrog in
Sintia in Makedonien nach Stephanus Byzant. (ed. Meineke
pag. 570). Liegt nun in dem pmvti von [IavTc-xdnrjg die hier
nachgewiesene ältere Form *panti, Meer, so bedeutet nach Ana-
logie von vrishä'-kapi = Stieraffe, stiergleich, der Name flavTc-
xaizrjg soviel als Meeraffe = meergleich.
Diesem IIavTt-xd7riqg möchte ich in Kürze noch zwei Völker-
namen von grosser Tragweite anschliessen. Ich erblicke näm-
lich in den Ilavri-fia&oc des Herodot nur *panti-mädha, „Meer-
Meder a , meeranwohnende Meder. Diesen gesellte Th. Keiper
(Les noms propres Perso-avestiques. Louvain, 1885, pag. 38) die
Gleichung bei, die Herodots Volk IlavdcaXaioc mit den indischen
Pancäla verbindet. Die Pancäla, resp. diese Ilavds-aMüoe ergeben
sich mit Hilfe des Sanskrit direkt als *panthi-älaya, das Meer
zur Wohnung habend, als Meeranwohner, wie Herodots
Hayapauxae, im Osten des kaspischen Meeres, offenbar reine sa-
garauka= skt. sagara -f- oka = Meeranwohner, sind. Es kann sich
naturgemäss sowohl bei denPanthimathern, wie beidenPanthyal-
ayoi = Pancäla bezüglich des Meeres nur um das kaspische Meer
handeln, und zwar nur um das südliche Ende des kaspischen
Meeres, aber ob nun um das südwestliche, südliche oder südöst-
liche Ufer, darüber werde ich an einem andern Orte ausführ-
lichere Untersuchungen anstellen.
'i * .-^j ' t^ * >' -
X.
Reflexe von Namen der Familie Zarathustras
im Qatapatha-Brähmana.
Von Dr. Harm. Br.
Im Catapatha-Brähmana, jenem umfangreichen, an wich-
tigen Traditionen aus der indischen Urzeit unerschöpflichen
Prosabuche, dessen Abfassungszeit wohl nicht unter 1000 Jahre
vor Chr. angesetzt werden darf, dessen Legenden und cultur-
historische Nachrichten aber vielfach aus einem bedeutend
höheren Alterthum herstammen, erscheint in einer Liste alter
Königsgeschlechter im Buch XIII, 5, 4, 4 (in "Webers Ausg.
pag. 994), aus einer Ballade citirt, der König Para Atnära
(Atnärasya parah pütrah) Kausalyo räjä und unmittelbar dar-
auf in Abschnitt 6 auch ein Ayogavo räjä. Auch in der Tait-
tiriya-Samhitä V, 6, 5, 3 wird Para Atnära neben Kakshivän
Augijas, Vitahavyah {!räyasah, Trasadasyuh Paurukutsyah als
prajäkämäh, als „kmder- und nachwuchsliebend" erwähnt.
In Cankhäyanans Crantasütra XVI, 9, 11; 13 heisst Para
Atnä'rah der König der Videha: Vaideho räjä, was zu der Dar-
stellung des Catapatha-Brähmana passt, nach welcher er König
der Kosala ist, die mit den Videha eng verbündet waren.
Nun ist der Name Atnära zweifellos aus dem Sanskrit
nach jeder Richtung hin unverständlich. Wie aber, wenn aus
dem Avesta soviel Licht auf denselben fiele, dass nicht nur
Atnära selbst, sondern auch der Zuname Para, ja sogar der
im Oat.-Br. unmittelbar auf diesen folgende Ayogavo räjä ver-
ständlich würde?
Ich erblicke in dem Namen Atnära eine hypokoristisehe
Abkürzung des Urvatatnara des Avesta! Urvatatnara war nach
dem Vendidad II, 143 der dritte Sohn des Zarathustra und
als solcher der Verkünder des Gesetzes im Garten des Yima
205
(Bundehesh, ed. Justi, cap. XXIX, pag. 39). Er gilt als Stamm-
vater aller Ackerbauer und wird bei der Auferstehung als
Helfer des Co9yosch, des Heilandes der Parsen, auftreten. In
Yasht XIII, 127 wird er apara-zäta, nachgeboren, genannt.
Nach Justi, Handbuch der Zendsprache, pag. 66, zerlegt
sich urvatatnara sehr einfach in das particip. praes. urvatat
und das subst. nara. Die Form urvatant kommt vom Verbal-
stamme urvat, welches eine Umstellung von varet ist, mit hin-
zugetretenem u als Vorschlag.
Das sonst nicht gebräuchliche varet, urvat bedeutet: sich
befreunden, übereinkommen, zu Stande bringen, urvatat-nara
bezeichnet also: den sich zu den Menschen befreundend wen-
denden, den Menschenbeglückenden, was zu seiner traditionel-
len Aufgabe als Lehrer des Ackerbaus sich vorzüglich fügt.
Das Hypokoristicon Atnära des Catapatha-Brähmana findet
sein Analogon in dem Nare des Bundehesh. Dieser Nare ist
ein Sohn des Vivanhäo und einer der unsterblichen Helden.
Windischmann in seinen Zoroastrischen Studien, pag. 153, er-
kennt aber in ihm den Aoshnara des Avesta. Aehnliche hypo-
koristische Abkürzungen sind z. B. im Sanskrit Datta für De-
vadatta. Nach Hellanicus (ed. Sturz), pag. 144, Fragm. CXXXIII,
einem Scholion zu des Aeschylos Persern, v. 778 hiess Arta-
phernes hypokoristisch Daphernes CApviKpipvrjq, rouzov 'ßMdvexog
JcMpipvYjv xakel). Im Griechisch-Lateinischen des spät römischen
Geschichtschreibers Julius Capitolinus, Gordiani tres, cap. 26,
27, begegnet der Name des römischen Feldherrn Misitheus für
Timesitheus (bei Spiegel, Eran. Alterthumskunde, Bd. III,
pag. 249, Anm. 1).
Aehnlich^ gebildete Hypokoristica sind italienisch Ghis-
munda für Sigismunda, Masetto und Masaccio für Thomas, Mina
für Wilhelmina u. s. w.
In derselben Weise möchte ich den Zunamen Para, den
Atnära führt, aus des Urvatatnara Beinamen aparazäta, nach-
geboren, erklären. Wir haben hier eines der zahlreichen, durch
Abwerfung des Anfangs- J. gewonnenen Hypokoristica. So ist
z. B. Spamzthres, bei Ktesias der Eunuche des Xerxes, mit
dessen Hilfe Artabanos den Xerxes in seinem Schlafgemach
ermordete, einfach Aspa-mithres. Neben 'AzponuTYjvrj begegnet in
der Geographie des Ptolemaeos (VI, 2) Tponarrj^ (s. Spiegel,
Eranische Alterthumskunde, Bd.I, pag. 125). Aus der persischen
206
Flussgöttin Anähita wird eine Nymphe Nats, vergl. Pherekydes
Fragm. ed. Sturz, pag. 92).
A
Sollte diese Gleichstellung des Para Atnära des Qatapatha-
Brähmana mit dem Urvatatnara aparazäta des Avesta durch-
schlagen — und sie hat Alles für sich — so nehme ich keinen
Anstand, in dem mit diesem König Para Atnära textuell so
eng verbundenen König Ayogavo rajä den mit Zarathustra eng
befreundeten Minister des Königs Jämäspa, nämlich den Hvogva
A
oder Hvöva zu erblicken. Denn Ayogava kann in diesem Zu-
sammenhange unmöglich etwas anderes , als eine indische
Assimilation des zendischen Hvogva sein, da es sonst, — für
einen stolzen Vedenkönig ein unmöglicher Name — den „Sohn
einer Dirne", einer ayogü bezeichnen würde.
Nach alledem, was A. Weber in seiner Indischen Literatur-
geschichte, seit dreissig Jahren auch in seinen Indischen Studien,
insbesondere im Bd. IV in seiner Abhandlung über das Van^a-
Brähmana, in Bezug auf die iranische Herkunft zahlreicher
indischer Lehrhäupter geschrieben und durch seine neuern
Forschungen „ Ueber die Magavyakti des Krishnadäsa Migra"
(Berlin 1879), ferner durch die Abhandlung „lieber zwei Partei-
schriften zu Gunsten der Maga, resp. Qäkadvlpiya Brähmana"
(Berlin 1880), dann neuestens in den Abhandlungen der Berliner
Akademie „Ueber den Pärasiprakdga des Krishnadäsa" (Berlin
1887) erhärtet hat, ist es kaum noch zweifelhaft, dass, wie
Weber in der Magavyakti pag. 460 sagt, „eben wirklich
auch direkte Spuren zarathustrischer Einwirkungen
auf indischem Boden" angenommen werden müssen. Eine
ganze Reihe ältester Hymnen des Rigveda sind meines Er-
messens überhaupt nur dann erst richtig zu verstehen, wenn
man sich für deren Interpretation durchaus auf das Hochland
von Iran versetzt. In dieser Beziehung gilt für die Veda-
forschung Indra's Wahlspruch (Rigv. IV, 18, 2):
bdhüni me dkritd kdrtvdni.
*< » .•■^ • ^•■ * - v
XL
Ein altindisches Gebet um Wohlgeruch
des Hundes.
Rigveda, IV, 39, 6.
Von Dr. Herrn B r.
In einem Hymnus des Vämadeva, dessen Liedersammlung
ich in meiner Abhandlung über Dialektspuren im Rigveda
(Kuhns Zeitschr. f. vgl. Sprachforschung, Bd. 21 [1879], pag.
3'29 — 377) als die älteste des gesammten Rigveda nachgewiesen
habe, spricht der Sänger, ein rinderhütender Nomade, an den
Gott Dadhikrävan, der wahrscheinlich ein Thaugott ist, den
Schlusswunsch aus:
surdbhi no mükhä karaf?
„möge er unsere Münde wohlriechend machen"!
Es bedarf wohl keiner weitern Erörterung, dass dem JBe-
dürfniss zu diesem Gebet die landläufige Empfindung von der
Widerwärtigkeit üblen Mundgeruchs als bestimmende Ursache
zu Grunde liegen muss. Aus der vedischen Zeit haben wir
über Dysodie bei den Indern keine weitern Nachrichten, wohl
aber über die Dysodie desjenigen eranischen Volkes, in welchem
sich die Traditionen der vedischen, d. h. also arischen Noma-
den, bis in den hellen Mittag der antiken Geschichte lebendig
forterhalten haben, nämlich der Parther.
Von den Parthern berichtet Plinius Hist. Nat., Lib. XI,
cap. 53 folgendes: Hujus quoque tarnen reperta poena est: ut
neque idipsum, quo vivitur, in vita juvaret. Parthorum populis
hoc praecipue, et a juventa, propter indiscretos cibos: namque et
vino foetent ora nimio.
* Wiederholt in der Taittiriya-Samhitä (ed. Weber) I, 5, 11, 4 (Bd. I,
pag. 72); Vajasaneyi-Samhitä XXIII, 32 (ed. Weber, pag. 722).
Es war jedoch sicher nicht allem der übermässige "Wein-
genuss, der die Parther in schlechten Geruch brachte, sondern
sehr wahrscheinlich der Genuss einer Pflanze, die noch heut-
zutage gerade in den Gegenden der ehemaligen "Wohnsitze der
Parther als ein Leckerbissen gilt, der Genuss der Assa foe-
tida. Der Hauptexportplatz für diesen ekeln Handelsartikel
ist die Oase von Herat, wo sie die Delicatesse des Landvolks
bildet (Ritter, Asien, Bd. VIII, pag. 175, 249). Der englische
Reisende Fräser berichtet darüber in seiner Histor. u. beschrei-
benden Darstellung von Persien (deutsch von J. Sporschil) Thl. 2
(Lpzg., 1836), pag. 214: „Zu den merkwürdigsten und werth-
vollsten Produkten de? östlichen Theile dieses Landes gehört die
Assa-foetida-Pfianze, welche in einigen Theilen von Khoraaan, Belud-
schistan und Afghanistan im Ueberfluss vorkommt. Ihr SHel ist
2'fc luss hoch [nach Ritter, Asien, Bd. VIII, pag. 260 wird sie
8 bis 10 Puss hoch], die Blatter gleichen jenen der indischen
rothen Bube und wenn sie reif ist, bringt sie einen blumenkohl-
ähnlichen Kopf von lichtem Strohgelb hervor. Der milchartige Saft,
der in der Nähe der Wurzel erhalten wird, gerinnt zu dem wohl-
bekannten Gummi, von welchem jede Pflanze fast ein Pfund liefert ;
die Pflanzen selbst werden von den Eingebornen, welche den Stiel
dämpfen oder in Butter rösten, als Leckerbissen verspeist. Sie
riechen da noch stärker und übler als das Gummi, und
nur diejenigen, die daran gewöhnt sind, können den ent-
setzlichen Gestank ertragen" Daher denn allerdings das
flehentliche Gebet der indischen Hirten um die wohlgeruch-
verleihende Gunst des Thaugottes Dadhikrävan, daher denn
aber auch die praktischen Bemühungen der Parther, über welche
Plinius nach Schluss des oben citirten Satzes wörtlich so weiter-
berichtet: Sed sibi procerw medcutur grano Ass-grü mali, cujus
est suavitas praecipua, in esctdenta addito. Von dieser Methode
der alten Eranier, zur Beseitigung des Uebelgeruchs den Spei-
sen Orangenkerne beizumengen, weiss auch Virgil, wenn er in
den Georgica II, 134 singt:
animas et olentia Medi
Ora fovent illo, et senibus rnedicantur anhelis.
V
T^-
, ij«ii^i
XII.
Ein altindischer Haarwuchsbeförderungs
zauber.
Von Dr. Herrn. Br.
Atharvaveda VI, 137.
W 33T ^ ■STOnTT *fN0W ^Rjrii: nft II S H
W 33T 3^ WWT ^^J^T ^T%n: ift II ? I
yaw Jamddagnir dkhanad duhitre kecavdrdhanim i
Jörn Vitdhavya äbharad Äsitasya grihrbhyah n I u
ablncunä meyä äsan vydmenänumeyäh i
kecä nadä iva vardhantäm cirshnds te äsltäh pari n 2 H
drmha mü'lam ägram yächa vi mddhyam yämayaushadhe i
ke'fä nadä iva vardhantäm pirshnäs te dsitäh pari n 3 n
Uebersetzung.
Das Kraut, das Jamadagni grub, dass seiner Tochter Haar es
stärk',
Entführte Vitahavya den Wohnungen des Asita. 1 |j
Fernschau III. 14
210
Sie waren wie ein Leitseil lang und kaum ein Klafter mass
sie aus.
Wie Schilfrohr wachse dir das Haar und schwarz rings um
dein Haupt herum. j| 2
Die Wurzel stärk', das Ende zieh', die Mitte dehn', o Zauberkraut!
Wie Schilfrohr wachse dir das Haar und schwarz rings um
dein Haupt herum. j 3 j|
Anmerkungen,
Jamadagni und Vitahavyah sind Weise der indischen Urzeit; Asita, der
Schwarze, ist wahrscheinlich der Fürst der Unterwelt. Vgl. auch Grill, Hundert
Sprüche des Atharvaveda, (Tübingen 1879), pag. 33 und 67. Vgl. auch Ludwig,
Rigveda, Bd. III, pag. 512. Vgl. damit noch den folgenden Atharvaspruch.
Atharvaveda VI, 21.
Drei Erden gibt es auf der Welt und Bhümi ist die oberste:
Von dieser dreien Decke pflück' ich mir ein Zauberkraut her-
aus. 1 j
Du bist die beste Arzenei, der Pflanzen ausgezeichnetste,
Wie der Planeten Herr der Mond, unter den Göttern Varuna 2
An Kräften reich und wirkungsfest, so spendet ihr nach
Herzenslust,
Verleiht des Haares Wurzel Kraft und fördert seines Wachs-
thums Hast. 3
Vgl. damit Grill, Hundert Sprüche des Atharvaveda, pag. 32 und 64.
•/
*J
\e>
XIII.
Die geographische Namensherkunft des
Hexenmeisters Pineiss
in Gottfried Kellers Seldwylermärchen: Spiegel,
das Kätzchen.
Von Dr. Herrn. Br.
In Gottfried Kellers artigem Seid wylermärchen vom Kätz-
chen Spiegel reizte vor Jahren der mir sonderbar vorkommende
Name des Hexenmeisters Pineiss meine etymologische Neu-
gierde. Diese gelangte erst nach langen Jahren zu ihrer Be-
friedigung, als ich eines Tages in Florenz auf einem Laden-
schild den Namen Pineida las. Erinnerung und Nachforschung
zeigten mir, zu welchem Glänze dieser Schriftstellername, der
auch in der Form Pineda, Pinedo auftritt, in der spanischen
Literatur des siebzehnten Jahrhunderts gediehen war. Der
Name der berühmten Pineda (pinetum), des Pinien waldes bei
Ravenna, gewährte die erwünschte Aufklärung, die ihrerseits
wieder reiche Analogien erschloss in Namen wie Avellaneda von
Avellana seil, mix (vergl. Helm, Culturpflanzen und Hausthiere 4 ,
pag. 321) oder in folgenden, aus dem Diplomatenverzeichniss
des Gothaer Almanachs von 1888 geschöpften Namen :~Figuei-
redo (ficetum), brasilianischer Staatsmann (Goth. Alm., pag.[59B),
Cannedo (cannetum), Gouverneur der Provinz Sinaloa in Mexiko
(pag. 807), Arias y Salcedo (salicetum), bolivianischer Consul
in Cobija in Peru (pag. 598). Aus dem dritten Aufzug von
Goethes Egmont ist bekannt ..der fleissige Freneda" (fraxinetum).
Diese aus Hainnamen abgeleiteten Familiennamen wären aus
der Geschichte massenhaft herbeizuschaffen. Im Rhätoroma-
nischen , wo dieselben häufig deutscher Behandlung ausge-
setzt sind, wird aus Pineida leicht ein Pineid. Tritt dann an
dieses das die Familie bezeichnende s, so gewinnen wir in
Pineids, nach Analogie von Kellers = die Familie KeUer, die
Grundlage des etymologischen Verständnisses des Namens Pineiss.
vmtfz
Miscellen.
i.
MittheiluDgen aus der Praxis.
Von Conservator Karl Bührer.
Die Mottengefahr in den Sammlungen und deren Be-
kämpfung:
Für den Conservator eines Museums sowohl, wie für den Privat-
sammler kann nichts entmuthigender wirken, als die Entdeckung, dass
seine Schätze der nicht zu stillenden Gefrässigkeit der Motten zum Opfer
gefallen seien.
Der Anblick der in den Glasfehränken herumfliegenden kleinen
Ungeheuer versinnbildlicht in abschreckender Weise die Vergänglich-
keit alles Weltlichen, so dass dem armen Sammler wohl in manchen
Fällen der Muth Reissaus nehmen würde, wenn nicht Hilfe geschafft
werden könnte.
Die Bemerkung, dass bei weitem die meisten meiner Herren Col-
legen bezüglich Sicherstellung ihrer Sammlungen vor Mottenfrass noch
denselben irrthümlichen Ansichten huldigen, wie ich sie ebenfalls bis
zu dem Zeitpunkte besserer Belehrung hegte, veranlasst mich zu dieser
kurzen Mittheilung , deren Beachtung ich allen Sammlern nicht genug
empfehlen kann.
Alle gewöhnlich angewendeten Präservativen als: Kampher, Ta-
bakblätter, Insektenpulver, Pfeffer, Cedernholz, Sandel-
holz, Naphthalin taugen nämlich zum gründlichen Unschäd-
lichmachen der Motten nichts, da der starke Geruch, der unter
Umständen dem Insekt schädlich sein könnte, bald nachgibt. Ich habe
in dieser Beziehung leider die frappantesten Erfahrungen gemacht. Ab-
gesehen davon, dass die oben genannten Stoffe nicht den gewünschten
Erfolg bieten, verbreitet namentlich das Naphthalin einen derartig wider-
wärtigen Geruch, dass dadurch dem Besucher einer damit präparirten
Sammlung der Genuss zum allermindesten sehr geschmälert wird.
Alle obgenannten Mängel: Vergänglichkeit der Wirkung und un-
angenehmer Geruch, haften nachstehendem Verfahren nicht an, es ist
213
dies die Vergiftung der gefährlichen Objekte, als wollene
Stoffe, Stickereien, Feder- und Pelzwerk mit verdünnter
Arseniklösung. Ich verdanke nachstehendes Recept und dessen An-
wendungsmodus Herrn Oberst Zellweger in Aarau, einem kunsterfah-
renen Taxidermen, welchem ich hier meinen herzlichsten Dank für seine
gütigen Rathschläge und seine persönliche Hilfe zur gründlichen Be-
seitigung einer grossen, unseren Sammlungen drohenden Gefahr, mit
besonderm Vergnügen ausspreche.
Man kocht 1 ko. weissen Arsenik in glasigen Stücken (Arsenik
in Pulver ist weniger zu empfehlen) mit l j% ko. kohlensaurem Natron
mit ungefähr 2 Liter Wasser etwa 1 Stunde lang über gelindem Feuer.
Die so gewonnene, sehr starke Arseniklösung (Arseniksaures Natron)
wird alsdann in Flaschen abgefüllt, um später zu weiterer entsprechen-
der Verdünnung benutzt zu werden.
Ein genames Verhältniss der zum Desinficiren nöthigen verdünnten
Lösung lässt sich nicht leicht feststellen. Am besten ist es, wenn man
die günstigste Proportion durch den Versuch feststellt. Man tauche zu
diesem Behufe eine schwarze Hühnerfeder in die Lösung und lasse sie
einige Stunden liegen. Bleibt nach dem Trocknen ein weisser Staub
resp. Niederschlag zurück, so muss man den Zusatz von Wasser er-
höhen, bis nach nochmaliger Probe kein Niederschlag mehr entsteht.
Nachdem man nun mit einem guten Blasbalg die zu conser-
virenden Gegenstände recht tüchtig und beidseitig ausgeblasen, bedient
man sich eines Zerstaubapparates, am besten mit continuirlichem Blas-
balg, um gewissenhaft alle Seiten des Gegenstandes aus einer
Entfernung von etwa */2 Meter mit einem ganz feinen Staub-
regen zu überdecken.
Geht man mit dem Apparat zu nahe, so entstehen Tropfen, die
zu vermeiden sind.
Sammlungsgegenstände, welche nach solcher Behandlung in ge-
schlossenen Glasschränken aufbewahrt werden, sind sozusagen für alle
Zeit vor Mottenfrass sicher.
Werden dieselben aber offen aufgestellt und häufig abgestäubt
oder gebürstet, so ist eine gelegentliche Neubespritzung rathsam, da
das Arsen, welches sich in krystallinischem Zustande auf den präser-
virten Objecten niedergeschlagen hat, durch derartige Reinigungsarbeiten
ebenfalls zum Theil beseitigt wird.
Trocken angewendeter Arsenik bietet nach unserer Er-
fahrung keine Garantie.
214
Wer nicht gerne selbst mit Arsen zu schaffen hat, oder nicht die
nöthige Gewohnheit hat, mit solchen Giften umzugehen, wird leicht bei
einem Apotheker die nöthige Anleitung oder Hilfeleistung finden.
Die mit den Motten an Gefährlichkeit wetteifernden
Pedermilben vertilgt Arsenbespritzung mit demselben Er-
folg. Ebenso die Borkenkäfer im Holz.
II.
Aelteste Erwähnung menschensprachekundiger
Papagaien im Veda,
Diese, sowie die folgenden Miscellen, von Dr. Hermann Brunnhofe r.
Sowohl im weissen als im schwarzen Yajurveda begegnet uns die
Erwähnung menschensprachekundiger Papagaien. Beide Abtheilungen
des Yajurveda sind chronologisch um das Jahr 1000 — 1200 vor Chr.
anzusetzen. Väjasaneyi-Samhitä (ed. Weber, pag. 744) XXIV, 33 heisst
es: Särasvate cükah purushaväk „dem Sarasvant (dem männlichen
Stellvertreter der Sarasvati, der Göttin der Beredtsamkeit) ist der
menschensprachekundige Papagei heilig" und in der Taittiriya-Samhitä
(ed. Weber, Bd. II, pag. 88) V, 5, 12 wird noch hinzugefügt, dass
es der weisse (eye t ah) Papagai sei.
III.
Die ältesten Spuren primitivster Botanik und
Zoologie in Indien.
Die Taittiriya-Samhitä (ed. Weber II, pag. 68) V, 4, 9, 1 kennt
folgende Eintheilung der Pflanzen : saptä grämyä öshadhayah saptä
äranyä'. „Es gibt sieben zahme Pflanzen, sieben wilde". Ebenso
heisst es in der Taittiriya-Samhitä VI, 1, 8, 1 (Weber II, pag 147):
saptä grämyä'h pacävah saptä' Vanyä'h „es giebt sieben zahme
Thiere, sieben wilde".
IV.
Altindteche Yolksverachtung.
(^atapatha-Brähmana II, 3, 3, 10 (ed. Weber, pag. 168): brah-
manö vä rä'jä vä creyän manushyö nveva „ein Brahmane, ein
König oder sonst ein besserer Mensch"!
215
V.
Geburtsstätte des Dichters.
In der Väjasaneyi-Samhitä XXVI, 15 (ed. Weber, pag 779) heisst es:
upahvare girinä'm samgame ca nadi'näm
dhiyä' vipro ajäyata.
„Am Abhang der Berge und an der Mündung der Flüsse erstand der
Dichter durch Denkbetrachtung. u
VI.
Sündlosigkeit der Creatur.
Im Qat.-Brähin. V, 2, 3, 1 (ed. Weber, pag. 440) treffen wir die
sehr vorbuddhistische, für die Geschichte der indischen Erlösungslehre
ausserordentlich wichtige Behauptung : äkilbishäprajäh präjäyante
„die Geschöpfe kommen ohne Sünde auf die Welt".
VII.
Ueber den Ursprung der Sprache nach alt-
indischer Auffassung.
Der deutsche Sprachphilosoph Wilhelm Geiger hat vor etwa zehn
Jahren den grossen Satz ausgesprochen: „Die Sprache hat die Ver-
nunft erschaffen". Dieser vielfach wiederholten Behauptung gegen-
über ist die knapp und klar ausgedrückte Ansicht der altindischen
Brahmanen beherzigenswerth (Taittiriya-Samhitä VII, 5, 1, 3, (ed. Weber
II, pag. 317): mänah pü'rvo, vä'g üttarah „Im Anfang war der
Geist, dann kam die Sprache. u Aehnlich heisst es im Qat a patha-Bräh-
mana X, 2, 6, 7: manä e vä puräh mäno hi prathamäm p ran an am:
„Der Geist war früher da, denn der Geist ist das erste der Lebens-
elemente. u Wieder vermittelnd lautet die Stelle Qat.-Br. XII, 3, 3, 6:
atho mänah samänam hi vä'k ca manacca: „Nun ist der Geist
dasselbe was die Sprache."
Recensionen.
Das Verzeiehniss der Spraehen und Sehriften der Uebersetzungs-
thätigkeit der Britischen Bibelgesellschaft.
Ev. St. Joh. UI, 16
in den meisten der
Sprachen und Dialekte,
in welchen die
Britische und Ausländische Bibelgesellschaft
die Heilige Schrift druckt und verbreitet.
Vermehrte Auflage.
8°.
LONDON,
Britische und Ausländische Bibelgesellschaft
146 Queen Street, E. C.
1885.
Eines der inhaltsvollsten Büchelchen der Welt! Auf etwa 70
Seiten giebt es Nachricht von der weltumfassenden Wirksamkeit der
britischen und ausländischen Bibelgesellschaft in London. In 267 Sprachen
und Dialekten wird uns ein Bibelspruch aus den ebensovielen Bibel-
übersetzungen mitgetheilt , welche die Gesellschaft schon veranstaltet
hat. Abgesehen von dem nicht messbaren Nutzen, den die Verbreitung
der Bibel, als eines der gedanken- und empfindungsreichsten Erbauungsbücher
der Welt, in so vielen Sprachen, Dialekten und Schriften schon für die
Humanität geleistet hat und noch leisten wird, empfiehlt sich das Bro-
schürchen von rein linguistischem Standpunkte aus allen Sprachforschern,
Culturhistorikern und Geographen als die bis jetzt reichste Quelle zur
Kenntnissnahme der verschiedensten Schriftgattungen der Welt. Weder
Wuttke's noch Faulmanns Geschichte der Schrift kommen an Reichthum
der Mittheilung verschiedenartiger Schrifttypen diesem Büchelchen gleich.
21 7
Die äusserst merkwürdigen Schriitgattungen der Battas auf Sumatra
(pag. 8, Nr. 18), der Koreaner (pag. 1 7, Nr. 49), die sonderbare Schrift
der Cree- Indianer an der Hudsonebay (pag. 18, Nr. 50), die javanische
Schrift (pag. 30, Nr. 105), das Lepcha in Darjeeling am Himälaya
(pag. 87, Nr. 132), dann wieder das Multäni (pag. 46, Nr. 166), das
curiose Slave am Mackenzie Strom (pag. 58, Nr. 226), das Tinne oder
Chippewayische Alphabet von der Hudsonsbay (pag 63, Nr. 246), sowie
die auf der Grundlage des romanischen Alphabets erfundene Schrift der
Feuerländer, das Yahgan, werden auch schriftkundigen Sprachgelehrten
kaum anderswo als in diesem ausserordentlich belehrenden Buchelchen
begegnen, dessen weiteste Verbreitung wir von ganzem Herzen wünschen.
Spezialwunschliste
der
Mittelschweizerischen
Geographisoh-Commeroiellen Gesellschaft
in AARAU.
I. Photographisches Museum.
Photographieen
von
Landschaften, Städten, Häfen, Dörfern, Tempeln, Palästen, Hütten,
Denkmälern, Kunstwerken, Statuen, Gemälden.
Racen- und Trachtenbilder, letztere wo möglich colorirt.
Vegetations-, Früchte- und Thierbilder.
Schiffe, Fahrzeuge und Maschinen aller Art.
Stereoskopbilder.
Kunstgewerbliche und ethnologische Gegenstände.
Alle Photographien erbitten wir uns, sofern möglich, unaufgezogen , da
wir für alle Bilder ein einheitliches großes Format eingeführt haben.
Auch Stahl- und Kupferstiche, Licht- und Farbendrucke, Holzschnitte und
Lithographieen sind willkommen.
II. Ethnologisches Gewerbemuseum
a. Rohprodukte.
1. Höl&er.
Bau-, Nutz- und Luxushölzer.
Hölzer, Rohre, Schilfe, die zur Stock- und Schirm fabrikation
verwendet werden.
Farbhölzer, Rinden, Korke, Baste.
219
2. Faserstoffe.
Baum Wollarten, Flachs, Hanf und Jute.
Seidenarten, Wollarten.
Polsterstoffe, als: Gespinnstfasern, Haare und Federn.
Sparto- und Haifagräser, Kokosfaser.
Binsen- und Stroharten. Roh, verarbeitet und gefärbt.
3. Rohprodukte zur Papierfabrikation.
4. Sortier und Zähne {Elfenbein, Walross ete.).
5. Perlmutter und Schildpatt.
6. Pelz- und Ledermuster, roh und gefärbt.
7. Erze und Nutzmineralien.
Minex-alische Farbstoffe. Cemente. Schieferarten. Meerschaum. Erden.
Asbestprodukte.
8. Gerbstoffe.
Hölzer, Früchte, Rinden.
9. Harze und Oele.
Gummi, Bernstein, Kopal, Asphalt und Erdharze aller Art.
Petroleum.
10. Droguen.
Officinelle Pflanzen-, Thier- und Mineralstoffe. Gewürze.
11. Parfümerie- und Schminkstoffe
der Naturvölker.
12. Genusspflanzenstoffe.
Tabak in Blättern, Carotten und Stangen zur Schnupftabakfabrikation.
Thee. Kaffee. Cacao. Früchte.
13. Getreide-, Oel- und Hülsenfrüchte.
b. Gewerbe, Industrie- und Kunstgewerbe
aller Zeiten und Länder.
1. Töpferei und Gefässbildnerei.
in Thon, Steingut, Fayence, Porcellan, Glas, Metall, Holz, Rinde, Bast,
Kokosschalen, Muscheln, Bambusrohr und Strausseneiern,
220
1. a. OfenfabrikaUon.
Bemalte und modellirte Kacheln, ganze Oefen alter und neuer
Fabrikation.
2. TextUprodukte.
Gewebe und Gespinnste aus Jute, Hanf, Lein, Wolle, Baumwolle, Seide
u. 8. w. Flecht- uud Seilerei waaren aus Binsen, Garn, Stroh,
Holzfasern, Schnüren, Palmblättern, Draht, Stickereien und Strickereien,
Spitzen und Näthereien.
3. Papiere und Papier Surrogate.
Phantasiepapiere und Vignetten in Blind-, Schwarz- und Farbendruck.
Künstlerisch ausgestattete
Gratulations-, Visit-, Adress- und Reclamekarten
in Lithographie, Stich und Farbendruck.
Papierservietten mit Vignetten.
Meisterwerke von farbigen Plakaten.
4. MetaUarbeiten
in Erz, Eisen, Stahl, Bronce, Kupfer, Messing, Zinn, Zink, Silber
und Gold.
Guß- und Schmiedewaaren aller Art, sowohl einfache als ornamentirte
Gebrauchs- und Luxusgegenstände.
Schlösser und Schlüssel. Thürbescbläge und Gitterwerk.
Messerschmiedearbeiten.
Gefäße, Schmuck n. s. w. — Uhren.
5. Meisterwerke der Buchbinderkurist.
Bücherbeschläge.
6. Molzwaaren.
Schreinerei, Drechslerei, Schnitzerei, Holzmosaik, Parquetmuster,
Intarsia, Reliefmosaik,
decorative Panneaux in allen Techniken.
7. Lederarbeiten.
Kunstvoll genähtes, gesticktes, durchbrochenes, gepunztes und bemaltes
Leder in Form von Möbeltiberzügen, Sattelzeug, Taschen, Kleidungs-
stücken, Tapeten etc.
8. Bäckerei.
Landwirtschaftlich charakterisirende Haus- und Festgebäcke,
im Original, in bemaltem Gypsabguß oder Abbildung.
9. Kleinkunst.
Arbeiten in Elfenbein, Schildpatt, Hörn, Muscheln, Perlmutter, Metall,
Filigran, Holz, Lack, Korallen, Glasperlen, Wachs, Federn, Papier,
Karton.
221
10. Kunst der Natur- und Salbkulturvölk&r,
in Original und Nachbildung.
Baukunst, Bildnerei, Malerei und vervielfältigende Künste.
11. Vervielfältigende Künste.
Muster aller Reproduktionsverfabren, als Stahl- und Kupferstich,
Holzschnitt, Licht- und Farbendruck, Pbotochromie, Zinkographie,
Aetzkunst, Lithographie, Autographie etc.,
womöglich unter Beifügung der Originalplatten zu den Abdrücken.
12. Sausgeräthe.
Modelle von Häusern, Hütten, Zelten, Möbeln und andern Hausgeräthen.
Gefäße und Geschirre aus Holz, Rinde, Bast, Thierhaut, Knochen, Stein,
Thon, Glas, Metall, Porzellan für Wasser, Wein, Oel u. s. w.,
sowohl in primitiver Rohheit, als gemalt, geritzt, geschnitzt, eingelegt,
emaillirt.
Innerer Hausschmuck, Schlösser, Schlüssel, Stuck, Mosaiken, Tapeten,
Teppiche, Vorhänge.
Möbel: Tische, Stühle u. s. w. — Hängematten.
Tischgeräthschaf fcen : Messer, Löffel, Gabeln.
Flaschen, Gläser, Becher.
Schnupfdosen, Tabakpfeifen und Rauchutensilien.
Laternen, Leuchter, Ampeln. Feuerzeuge.
Spiegel in Metall und Glas.
13. Fahrzeuge
in Original und Modell.
Schiffe, Barken, Kähne und deren Ausrüstung.
Wagen und Karren. Schlitten und Sänften.
Fahr- und Reitgeschirr: Sättel, Sporren, Peitschen.
14. Bekleidungsgegenstände und Schmuck
aus mineralischen, pflanzlichen und thierischen Stoffen.
Möglichst vollständige Costüme und Uniformen fremder Völker,
wofür wir ausgestopfte Puppen in natürlicher Größe anfertigen lassen.
Kopfbekleidung und Kopfputz.
Halsschmuck.
Brustschmuck.
Arm- und Handschmuck: Armbänder, Ringe, Handschuhe.
Beinschmuck.
Künstliche Verunstaltungen.
Fußbekleidung: Schuhe, Stiefeln, Sandalen, Pantoffeln und Strümpfe.
Toilettenartikel: Kämme, Diademe, Schmucknadeln, Knöpfe,
Kleiderbesatz. Schirme, Fächer, Taschen. Beutel, Schürzen,
Schleppenhalter. Trachtenpuppen.
222
15. Kriegsrüstungen und Waffen.
Möglichst vollständige Krieg&rüstungen und Kriegsschmuck fremder
Völker, vorzugsweise der Naturvölker.
Offensiv- und Defensivwaffen aller Art.
Feldzeichen: Fahnen, Standarten u. s. w.
Kriegerischer Pferdeschmuck.
16. Reise - Utensilien.
Stöcke, Taschen, Körbe u. s. w.
17. Werkzeuge und Maschinen aller Gewerbe und
Hantirungen,
in Original und Abbildung,
als : für den häuslichen Gebrauch,
„ „ Ackerbau,
„ „ Gartenbau,
„ „ Bergbau,
zu Jagd und Fischfang,
zum Weben Spinnen, Nähen, Stricken, Sticken,
„ Mahlen, Schleifen u. s. w.
18. Apparate und Instrumente
fremder Völker
für die Schifffahrt, Chirurgie und Rechenkunst.
19. Masse, Gewichte, Münzen und Briefmarken.
Maßstäbe, Kerbhölzer und Meßinstrumente.
Waagen und Gewichte.
Münzen, Medaillen und Papiergeld zur möglichst vollständigen Darstellung
aller im gegenwärtigen Handelsverkehr cursirenden Geldsorten.
Nothgeld, Geldsurrogate: Muscheln, Wampongs u s. w.
Briefmarken, Postkarten, Briefcouverts, Stempelmarken u. s. w.
c. Das Seelenleben der Völker,
insbesondere der Natur- und Halbkulturvölker,
in Schrift und Wort, in Bild und Ton, in Ernst und Scherz.
1. Schriften 9 Drucke und Bücher, namentlich
Bilderbücher, fremder Völker.
Vocabularien, Lieder, Sprüche, Räthsel, Sagen und Märchen
schriftloser Naturvölker.
Zeitungen.
2. Schreibmaterialien.
Papiere, Rinden, Baste, Blätter, Häute, roh und präparirt,
Tafeln in Holz, Schiefer, Wachs.
Griffel, Stifte, Federn, Rohre,
Schreibzeuge.
223
3. Geographische und ethnologische, kunstgewerbliche
und technische Literatur
über fremde Völker :
Adressbücher, Reisehandbücher, illustrirte Kataloge von Museen
und Ausstellungen
zur Bereicherung unserer Bibliothek, besonders aber auch
schriftliche Mittheilungen zur Aufnahme in unser Jahrbuch.
4. Karten^ T&eliefs und Globen.
Landkarten, Eisenbahnkarten, Seekarten, Pläne, Atlanten.
5. Cultusgegenstände.
Modelle und Photographien von Opferstätten, Tempeln, Kirchen, Kapellen
und heiligen Orten.
Gottesdienstliche Gebrauchs- und Ausschmückungsgegenstände.
Götzenbilder und Fetische.
Heiligenbilder.
Amulete und Rosenkränze.
Trachten, Festgewänder und Auszeichnungen der Priester.
6. Volksfeste und Theater.
Costüme, Masken, Perrücken der Schauspieler und Tänzer.
Laternen, Papierdrachen u. s. w.
7. Strafwerkzeuge
der Natur- und Halbkulturvölker.
8. Musikinstrumente.
Trommeln, Pauken, Becken, Rasseln, Schnurren, Klappern.
Blasinstrumente: Pfeifen, Flöten, Posaunen, Hörner u. s. w.
Saiteninstrumente : Geigen, Guitarren u. s. w.
Klingeln, Schellen, Glocken u. s. w.
9. Spiele und Kinder Spielzeug.
Schachspiel, Damenbrett, Dominos, Würfelspiele, Spielkarten u. s. w.
Geduldspiele.
Puppen, Bleisoldaten u. s. w.
10. Geduldsarbeiten aller Art.
Zur gefl. Beachtung.
Gipsabgüsse von plastischen Kunstwerken, Reliefs, Ornamente
und kunstgewerblichen Produkten sind uns sehr willkommen.
Bei der Einsendung von Gegenständen ist es für uns von
keit, sofort zu erfahren, ob dieselben in ihrer Heimat bestimmt i
für den täglichen Gebrauch oder aber für Luxus nnd Festanlä*
Höh produkts endo n gen erbitten wir uns sowohl in ihrer Natttrfori
wie in ihrer Handelsform , d. h. gemahlen, geschlemmt, geraspi
geschnitten u. s. w. Er7,e z. B. wünschen wir uns in allen Form
ihres natürlichen Vorkommens, sowie in allen Abstufungen ihrer i
striellen Verarbeitung bis zu Blech und Draht; die Baumwolle bis
auf zu ihrer Verarbeitung als Tuch: den Sand bis i
hing in Glas u. s. w.
Für Produkte der Textilindustrie bedürfen wir nur Muster.
Für alle Roh- und Industrieprodukte erbitten wir uns nach Möglich-
keit die Angabe der einheimischen, commerciellen and lateini-
schen Namen.
Correspondenzen, Anmeldungen von neuen Mitgliedern (Jahres-
beitrag Fr. 5) und Angaben von Adressen mittelschweizerischer Reisender,
Kaufleute, Missionare im Ausland erbitten wir uns m richten an den
Präsidenten.
Realsendungeu an das Ethnologische Gewerbemuseum in
Aarau, das als öffentliche Sammlung Zolifreiheit, genielit.
Auf den Frachtbrief beliebe man ausdrücklich zu bemerken:
UV Zur /i •! l beliaiicl 1 1 1 im in V;i rn n. ~^$
I
Die Gotthardbahn,
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Uhimi ■lni da KipiiHlÜ£« lium ll
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FUr Hin- und Rlickfahrts- und Sonntagsbfllete werden er-
hebliche PreisermässigunBen gewährt.
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taipericlie Melier
Ford. Philipp & &
IIKItt-
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Diplome:
Zürich 1883, ■;• Mnicriflur 1879.
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BITTER DENNLER
INTERLAKEN
ZroW und ilwito Tibrik für Schm
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Wermuth Bitter Dulcamaro
li Interlukt!«
irnfluuer Erfolg in dieser Branche. "^S
■ lialen in
kV.iltlshut, Hitui. l'iiris. Wm ■
sport in alle Länder der Erde,
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r-li-j'in- - I"iissl>iillt_- - Xiinnu-i--
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und der k. sächs. Porzellan - Manufactur zu
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¥011 dem Redaktor der „ Fernschau" sind bis jetzt als be-
sondere Sehnften erschienen und dureh alle Buchhand-
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Volker. Groß H». Aarau, Sauerländer, 1872. Fr. 2. 50
Ueber den Geist der indischen Lyrik, mit Original Übersetzun-
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diehteru und Häla's Anthologie volkstümlicher Liebeslieder.
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den Quellen dargestellt. Groli 8". Leipzig, Fu
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Der Indienfahrer Anquetil Duperron.
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Ueber den Ursitz der Indogermanen. Vortrag, Groß 8".
Basel, Schwabe, 1884. Fr. 1. —
Der Wetterprophet. Lustspiel in drei Akten von Alfred Werder.
56 Seiten 8". Aarau, Sauerländers Verlag, 1884. Fr. 1. 40
Fach-Katalog der aargauischen Kantonsbibliothek, im Auf-
trag der li. Regierung entworfen und ausgeführt. Erster
Band: Archäologie und Kunstwissenschaft, Geschichte, Geo-
graphie und Ethnologie. (XXX und 1001 Seiten.) Groß 8°.
Aarau, Albrecht, 1881. — Zimter Band. Erster Theil: Reli-
gionswissenschaft u. Mythologie, Rechtswissenschaft, Staats-
wissen schaffen, Haushai üingsku ust, Landwirtschaft, Forst-
wissenschaft nebst Jagd und Fischerei, Bergbau und Salinen,
Technologie, Kriegs Wissenschaft, Nautik u.Aeronautik, Mathe-
matik, Astronomie, Naturwissenschaften nebst Medicin, Philo-
sophie und Pädagogik. (XXXIT und 1042 Seiten.) Zweiter
Theil: Sprachwissenschaft. I. i t erat.tirwissi ■lisch af't und Philo-
logie. (XXII und 1043— 1Ü19 Seiten.) Groß 8". Aarau,
Keller, 1887. Beide Bände (3 Thle.) zusammen Fr.15.—
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der Kaufleutc, Fabrikanten, Gewerbetreibenden etc.
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C. Leuchs & Co. in Nürnberg (gegründet 1794)
Dieselben sind eingetheilt in <lu Binde, toq denen jeder Band eil
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frir sich abgeschlossenes tianze bildet.
Bayern. 1886. Preis M. 20.
2. Baden. 1886. M. 15.
3. Württemberg u. Hohenzollem. 1886. M. 15.
i- Provinz Hessen und Grossherzogthum Hessen. 1885. M, 18
13a. Elsass und Lothringen. 1888. M. 15.
Oh n z siii/</i-iii<ifil<iiitl (Nr 1 — 4 und 13a) 5 Bände zusammen-
genommen blos M. 40.
5. Kö'nigr. Sachsen. 1887. M. 20.
6a, Sächs.-lhür. Staaten. 1887. M. 15.
i!. Hannover, Oldenburg, Braunsdiw., Mecklenb. etc. 1685. M.20
6a, Hamburg, Bremen, Lübeck. 1886. M. 18.
7. Rheinpreussen, Luxemburg u. Sirkenfeld. 1885. M. 20.
7», Westfalen. FUrstentli. Lippe. 1888. M. 18.
8. Berlin mit Umgebung. 1868. M. 18.
Sit. Provinz Brandenburg. 1888. M, 15.
'■). Schlesien und Posen. 1885. M. IB.
<>. Preuss. Sachsen u. Anhall. 1884. ..tscIi. mul**". Lmieui,. M.20.
I. Ost- und Westpreussen. 1885. M. 12.
5. Pommern. 1885. M. 12.
18. Schleswig-Holstein und Lauenburg. 1885. M. 12.
Gans: Norddentfchtaitil (Nr. ,">■ -VA) l.'i ISiin.de zusammeitge-
nnmnien blau M. 75.
Das ganze denUehe Heien (Nr. 1— l:)a) IS Bände blos M. 100.
«Nr. 14. Wien u. seine Umgebung. 1884. M. 12. ersch. neu 1883.
15. Ober- u.Niederö'sIerr.m.SaUburg. 1883. MIO. era eh. neu 1889.
M. Tirol, Vorarlberg, Fürstenth. Lichtenslein, Triesl, Islrien. Küsten'
land u. Oalmatien. 1883. AI. 10. trsdi. neu 1889.
17. Steiermark, Kärnten u. Krain. 1884. M. 10. ei-ach. neu 1889.
IM. Ungarn, Siebenbürgen, Croalien, Slawonien. Bosnien, Herze-
gowina. 1884. M. 18. ersch. neu lNöü.
V.l. Böhmen. M. (6. cu-ach. ueu 1889.
tda. Mähren, österr. Schlesien. Galizien. Bukowina. tr;<cl].ueuia8;t.
M. 15.
Ganz Itvsterreieli (Nr. ll — V.Ui) 7 Bände zusammen blos M. HO.
Deutsehland mit 1 teste i-reah-L nt/arn (Nr. 1 — lüa) •»';( Bände
zii.iammeiii/enomnien M. 130.
Nr. 20. Die Schweir. 1885. M. 20.
,, '21. Belgien. 1882. M. 18,
„ '22. Holland. 1885. M. 18.
.. 23. Dänemark. Schweden, Norwegen. 1887. M. 15.
' „ 24. Russland und Polen. 1881. U. 12. erscli. neu
„ So. Paris und Umgebung. [886. M. 20.
., arm. Frankreich (iVi.iivtrmi.'TiW) 1886. M. 25.
„ 2*1. Italien. 1682. «rsi-rioiiif n.-u INS). M. 20.
„ 27. I. Tlieil. London. 1888. M. 18.
„ 27-. IT. Th.-il. England (('Munli^j 1888. M, 25.
„ 27a. Schottland und Irland. 1888. M. 18.
„ 2B. Spanien und Portugal. 1885. M. 12.
„ 38si. Türkei. Ostrumelien, Bulgarien. Rumänien, Serbien, Monte-
negro, Griechenland. 1884. M. 12.
: | 89. Asien, Afrika u. Australien. 1880. M.I2. erseh, neu 1889. M.20.
„ 80. Amerika. 1887. M. 25.
Alte 40 Bde. (Nr. 1— :-inj zusammengenommen hin*
1 M. 20.
i M. 200. J
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l tti-ifK'ifr.
igabe erfolgt ^
1. Die Aufnahme der Adressen nebst genauer Branchen-Angabe
kostenfrei.
-J. (jrössere Zusnt/e im l'csl. Reduktiousveruierkc und Ht'wpreiiluiiiyeu,
'ie Sulnitein.uk en null (.'liehes werden pro zwtigespalleuc ivtitzeite
v 30 Buchstaben) oder deren Ilauni mit M. 2 berechnet.
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Der Preis eines Inserates im Text
für eine ganze Seito . .
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1. Inserate, im redaktionell«] Tb
und Absatz in allen Landern die
eine]] um so grösseren Werth, als
des Publikums bleibt
Der Frei« eine, Inserate* im Anhang
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Hei Irjsi'ratii'm in mehreren. Bünden
nachfolgenden Tarif.)
2. Holzschnitte oder Cliches niü-seu
dessen Konten angefertigt werden.
Der Betrug für Inserate wird
des Correctitrboffena durch Postatiftrag erhoben.
pro Band :
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in iiieii. welche hei der grossen Auflage
weiteste Verbreilung geniessen, Miiilieu
das Adrewbueh in jahrelanger Benutzung
Besteller geliefert oder auf
Tage muh Vehersrttdnmi
Bei Bezug unserer Adressbücber fremder Länder empfiehlt sieb die
Anschaffung des soeben erat hie neuen
Branchenschlüssels
Preis gebunden M. 12. —
Derselbe enthält in 5 Ahtliei hingen (deutsch, engl., frauzös., italieniacb und
spanisch) alle Geschäfts brauchen etc. se^enseititj in den 5 Sprachen und
ist somit das Auffinden irgend einer Branche in einer dieser 5 Sprachen
erleichtert.
Zweck, Nutzen und Verwendbarkeit
der Leuchs'schen Adressbücher.
1) Der Leuchs ist ein Hilfsbuch zur Aufstellung vuji Offerten- Atlrwii, denn
er gibt Niieljuei- der Absatzgebiete und Absatzslellert tiller handeltreiben-
den Lander für alle Artikel.
2) Der Leuchs ist desgli-irlien ein Hilfsbuch zur Aufsuchung von Bczugs-
,ptdb:>i iilli-1- S|nviiilai'tilivl. Ein be Mindere.- Wniiim- und Fabrik- Register
findet sieh ;i») ScUune jedes Bandes.
3) Der Leuchs ^t ein Hilfsbuch bei Aufstellung neuer und bei Ergänzung
alter lii'isHoure». Die Beschreibung jedes Platze- nach Lage, Industrie,
Einwohnerzahl etc. gibt ein ungefähres Bild, ob aich derselbe überhaupt
zur AuFsuchuiiir vjii Kundschaft eiynet. Wie l;i-liur und zeitraubend das
unerlässlic he Erkundigen au einem Platze ist, wo Kein Stadt-Adressbuch
1 existirt, weis- jeder Reisende ans eigener Erfahrung, resp. Praxis.
neh J L
' MreasbEcher kleinerer L-itildte entbehren zum grolien Tlieil auch eines
li ran c heu -Verzeichnisses, und ist der Reisende da.ni; erst, recht gezwungen,
sich die Kundschaft unter den Tausenden von Namen herauszusuchen;
dar 'Leuchä» dagegen gibt nnparteiisolie Auskunft, indem die Adressen
aller Industrie-, Handel- und Gewerbetreibenden auf ollen Platzen nach
Branchen genau zusammengestellt siud, so daas der Reisende die l_!e-
wissheit hat, das- er keine» Kunden re.sii. keine Adresse seiner Branche
am Platze übersieht. Die Kra[iarjiili des. Reisenden an Zeit ersetzt die
Kosten reichlich.
1) her Leuehs i.-t ein Ai/nili'u-Xui-hmi* für diejenigen, welche nicht reisen
lassen, aber ihrer Ltii3tuug4fiihiglie.il enteprechetid vertreten sein wollen.
!>) Der Lauchs ist ein \-«lh:liiiidifji'-~- ihU-Itcijisler : heim Versand von Brie len
und Waaren sehr wichtig ; der Leuehs sagi. fth der qu. Platz Eisenbahn-,
Post-, Telegraphenstation, eveut. welches die uitchstgelogene Eisen bahn-,
Poet- und Telegraphenstation ist.
6) Der Lauchs dient, m gewissem Umfang zur Auskunft über C'redit-
verhiiltnisse und Lelftuiißf-fiHiii/keit von Finnen. — Fehlt eine
Ad:-"— 1\ su kann in nii annehmen, dass die Pinna ganz neu ist, d. h. dasa
sie hei der letzten Aufnahme noch nicht esislirte oder sehr unbedeutend
ist. — Bei vielen Pinnen linden sieh nähere Angilben, die als Anhalts-
punkte dienen. Will man am Platze Ki-kiindinungeu eiu'ieheo, so findet
man dafür die Adresse einen blank- nder ä pedtti in is hause.-: uder .-eiist-i^er
respectahler Firmen.
7) Der Leuehs ist. endlich auch ein Hilfsbuch für den »otMeithiiilru Cr&Iit.
Durch Bezeichnung des Amts- und Landgerichtsbezirks, zu welchem ein
fr! gehört und dureh Anführung der Adressen von Rechtsanwälten und
Notaren bezw. von Finnen. Bankhäusern etc. bietet er Adressen, an die
man unter Umständen sich wenden kann.
War dan Lauchs recht ausnutzt, sei es durch daraus entnommene ge-
naue Instruction des Reisenden . sei es dureh Versendung von brieflichen
Offerten, wird sich eine lohnende Kundschaft erziehen und mit Sicherheit
in weiteste Fernen arbeiten können, wenn er — da unsere heutigen Credit-
verhältnisse schnell wechselnde geworden sind — .sieh über die zeitigen Ver-
hältnisse der einzelneu Besteller nebenher immer genau informirt, TJnBeren
Subacnbenten diene zur Nachricht, dass das größte und anerkannt tüchtigste
Auskunftsbüreau Deutsehtands das Institut von II". S<Jiimmelpfeng in
HERLIN W. ist: daslelbe besteht seit 1872 und ist. durch vertragsmäßige
Vereinbarung mit angesehenen kaufmännischen Vereinen und industriellen
Verbänden (-/.. ]{. Central verband der Deiit-cheu Industriellen etc.) empfohlen.
Leber den Werl h der Leindis'scheu Ai.lressbiicher liegen zahlreiche
Kccensionen wie der Kölnischen Zeitung 11. Juli 1865. Basier Nachrichten,
Frankfurter Journal etc. vor: hier folgt nur eine. Die „Weser-Zeitung"
schreibt am 24. Mai 1884:
Lauch) Adrttsbüctitr d,r Kiuinciik-. Fiihrikiiiilcn, licw-erbi-tn-ihi-ndeii ct.. ulk.r Länder,
isl ein i-l.< iimi iimr.,--. i-..|. ■■ .11=.= I.|-.nn-]ii!nr. - VVi vi. I'i. -. .. A ■ I ! ■ - r- 1 :i . hi i-l .he, i i m .■ ,1, v Ai i
in Hell tschb.mil und 1 i ein.- sehr Ircundlkiic Aüllialnuo, au data die llcrullsfii-b t r nur
\ t>r:i]ibilii]tii]iL[ Neuer 11 cli. -s..Tti-i in i'l i i'in.lirl.i- Anlliijii.'ii ermutliiul wurden, die skli bi~
lieiltn l tl-rhii.rlnn [-...kr.ji. Wli lireuil die ei' sie Ause;,!,c inirj Uli, nie iiili! NT Ui.ji.:]i s1. a rt
war und nur in 1l'.' i:\,i;ii.|;ii-n ;mi.:.le.;i iv, uile. iiiiiiiis-l .[ie jeliige Auflage 35 8*rnfe
i>i-i .-[is.-j- Fi -L.-n,..,l.: i [ir i,l- Im I .■,,..■!■ A-.iil.,,- i-..„ .::,... I >,■,.,,. ;..i.,i Siebemiu
(leid! l:je ltc.huTcuvc und .V_.ni, Ü l,.,l.e„ •«! '> .Lihicn ..änii i:nrufi.i 'dn.vhreisl und In
-■ ■ .- ■ r i ■!!,.■ n. Wie v, iilai- I ■ .lir K.initnij-. v..ii rivliri_i,.|i Adressen für de»
Fabrikanten. KiilUiu illi, rlniunf i.-d.n i ..-iliii lli-in:. uu lhI. Iiewcisl ■ L j -i ■ L'iusatf NiuhfrUüO
nud Abnahme, deren sich a| '.-.■ i<- 1 1' <li. .Leu. F.- -. hei A,;r,-:.l...nlii|. in l-Viiie iliri r ^edicueueu
praktischen und iit.cr.-icl> Highen Au-arheüun!; im erirciicii haben. VulM-iiwiiL: ist eil.
AilrtiNüblli'll nie Hin kl nie vnll-riinilij i-i-in. .]■■!, II i-l.. Mull. Fe l.riur.l neue Vi.Tiil]ili.Tllni;i-ii.
Was aber im Yullknll .nieit und Y.v.' erl;i--.i-l . Il ein Weit leisten kann, das bringt "ilir
tceilünattf Flrnui, ^'..riu.'l^e ihn v -i..l...iL:jiiii|-i::.:L l h ln.vi> ■ ■ :i ■ I ihrer iiüilr eichen V l-J^JpeihI ii li^t-ji
/.[ SUnile. Ilie v.. lr ,,.|a,-.l.i,.n |I Ie /.-k.-n nh.-riili .1..- St.. i I, steter Vervi.llkvlijni-
nunK, In dci s vurliciien.l. n li;iii.<.n sirui Anl.iue. lürii li.ilium I L'etn raiehl, I.iuck.
Alikiii'/.ilu.L-.n und Zeirrhfn dcruH hesi>l'f--l-. ilnss niiin riiseh erientii'l wird. Uns Unter- .
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Anfang jedes Jahres eine neue Auflage erscheint, kostet für Besteller per
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zahlbar bei Zusendung des Correcturbogens gegen Nachnahme.
Der berühmte Keimende Friedrich Gerstäcker hat, uns die ernte Anregung
zur HerauHgabe dieses internationalen Adressbuches gegeben, da er sich
auf seinen Reisen in frenuk-n. n.i.mi'iitiieii noer in aus-ii '[europäischen Län-
dern überzeugte, dass auswärtigen Häusern die Bezugsquellen deutscher
Waaren und Fabrikate noch sehr häufig, unbekannt sind.
:■ einheimische Fabrikate nun Fabrikanten in tVemdeu
Ländern bekannt zu niiirln'ii, und ist es i .-in leuchtend. 'Ins- bei seiner uruascii
Verbreitung bin Inserat von durelisi'lilajr.'iii.btem Kiloige -ein muss. Wir ver-
weisen in dieser lliin-icbl rtueh auf das trtcil. welches eines dn- gelegensten
Blätter der Welt -die „Gartenlaube" — über das Tulei-neliinen abgegeben bat.
„Für jedes leistungsfähige Geschäft ist es daher von höchstem Werth
Firma und »reis würdige Fabrikate speziell dann aufnehmen zu lassen, und
e grässtmügliche Vollständigkeit
ir durch unsere ( iescIififts-Adressbücher die Adressen
last aller Finnen, „da wir jedoch darin nicht iiutemchM sind, welche da-
von geeignete Waaren luv den F.xpmt liefern, so kennen wir aelbstveistiind-
Hch, um nicht Finnen init/nf heilen, die kenn' l'A|j'.>rtgesdiäl'te treiben, nur
die uns speziell für diesen Zwack zugebenden Adrosen aufnehmen, und
haben es sieh die NichtüUerseuder daher selbst zu/,usuhi*eiheu. wenn ihr
Geschäft im Ksport-Adress buch fehlt."
Das Export-Adressbuch, welches durch die früheren Ausgaben im Auslande
schon langst bekannt ist, wird durch den Buchhandel verbreitet, und ausser-
dem an bedeutende Ex- u. Importfirmen gratis geliefert.
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