STUDIEN ZUR ENGLISCHEN PHILOLOGIE
HERAUSGEGEBEN VON LORENZ MORSBACH
FESTSCHRIFT
FÜR LORENZ MORS BACH
DARGEBRACHT
VON
FREUNDEN UND SCHÜLERN
REDIGIERT
VON
F. HOLTHAUSEN und H. SPIES
HALLE A. S.
VERLAG VON MAX NIEMEYER
1913
Verlag von Max Nieiiieyer in Halle a. S.
Studien zur englischen Philologie.
Herausgegeben von Lorenz Morsbacli.
8.
1. Spies, II einrieb, Studien zur G eschichte des englischen Pronomens
im XV. und XVI. Jahrhundert. (Flexionslehre und Syntax) 1S97.
XIX, 311 S. J^S-
2. Herzfeld, Georg, William Taylor von Norwich. Eine Studie
über den Einfluss der neueren deutschen Literatur in England. 1897.
VIII, TIS. .fi 1-
3. Tamson, George J., Word-Stress in English: A short Treatise
on the Accentuation of Wurds in Middle-English as compared with
the Stress in Old and Modern English. 1898. XIII, 1B4 S. Ji \-
4. Roeder, Fritz, Die Familie bei den Angelsachsen. Eine kultur-
und literarhistorische Studie auf Grund gleichzeitiger Quellen. Erster
Hauptteil : Mann und Frau. Mit 1 Abbildung. 1899. IX, ls3S. Ji<c,—
5. Schmeding, Otto, Ueber Wortbildung bei Carlyle. 1900. VIII,
352 S. Ji !•»,—
t). Cushman, L. W. , The Devil and the Vice in the English dramatic
Literature betöre Shakespeare. 190(1. XIV, 148 S. ./£ 5,—
7. Björk man, Erik, Scandinavian Loan-Words in Middle English.
Parti. 19U0. VI, 192 S. Jih —
8. Mac Gillivray, H. S. . The Influence of Christianity on the
Vocabnlary of Old English. Parti. 1902. XXIX, 171 S. Ji^ —
9. Schücking, Levin Ludwig, Studien über die stofflichen Be-
ziehungen der englischen Komödie zur italienischen bis Lilly. 1901.
109 S. Ji :< —
10. Hackmann, Gottfried, Kürzung langer Tonvokale vor einfachen
auslautenden Konsonanten in einsilbigen Wörtern im Alt-, Mittel-
und Neuenglischen. 1908. XII, 19»i S. ^£6,50
11. Björkman,Erik, Scandinavian Loan-Words in Middle English.
Part II. 1902. S. 193— 3r.0. Jih —
12. Boerner, Oskar, Die Sprache Roberd Mannyngs of Brunne und
ihr Verhältnis zur neuenglischen Mundart. 1904. X, 313S. Ji%, —
13. Wildhagen, Karl, Der Psalter des Eadwine von Canterbury.
Die Sprache der altenglischen Glosse ; ein frühchristliches Psalterium
die Grundlage. Mit 2 Abbildungen, li^oö. 264 S. ./i 9,—
STUDIEN
ZUR
ENGLISCHEN PHILOLOGIE
HERAUSGEGEBEN
VON
LORENZ MORSBACH
O. Ö. PROFESSOR AN DER UNIVERSITÄT GÖTTINGEN
HEFT L
FESTSCHRIFT FÜR LORENZ MORSBACH
HALLE A. S.
VERLAG VON MAX NIEMEYER
1913
M^^-ic^
A, Sohmidt, OSttinfen,
FESTSCHRIFT
FÜR LORENZ MORS BACH
DARGEBKACHT
VON
FREUNDEN UND SCHÜLERN
REDIGIERT
VON
F. HOLTHAUSEN und H. SPIES
HALLE A. S.
VERLAG VON MAX NIEMEYER
1913
■le?
Dem Meister, Lehrer und Freunde!
Inlialtsverzeiclinis.
Seite
1. Bjürkman, Erik. Die „festermen" des ^Ifric. Eine Nanienliste
ans York 1
2. Förster, Max. Der Vercelli-Codex CXVII nebst Abdruck einiger
altengliscber Ilorailien der Handschrift 20
3. Foerster, Weudelin. Der Feuertod als Strafe in der altfrz. er-
zählenden Dichtung IsO
4. Hulthausen, F. Das altenglische Reimlied (s. Nachtrag S. 722) . 190
5. Hecht, Hans. Deacon Brodie. Eine Quelleustudie zu R.L.Stevenson
(mit einem Porträt) 201
6. Rohde, Richard. Zu Marlowes Doctor Faustus. Erörterung einiger
Probleme 222
7. Mühe, Theodor. W. M. Thackeray über die Liebe 233
8. Breier, Willi. Synthesis und Analysis des Konjunktivs in dem
frühmittelenglischen Streitgedicht „Eule und Nachtigall" . . . 251
9. Mauly, John Matthews. What is the Parlemeut of Foules? . . 278
lu. Deutschbein, Max. Beowulf der Gautenkönig 291
11. Boerner, Oskar. Reimnutersuchung über die Qualität der betonten
langen E-Vokale bei Robert of Brunne 29'>
12. Cornelius, Heinrich. Die englischen Ortsnamen auf -tvick, -wich 352
13. Wildhagen, Karl. Studien zum Psalteriiim Romanum in England
und zu seinen Glossierungen (in geschichtlicher Entwicklung) . 417
14. Hoops, Johannes. Virginien zur Kolonialzeit. Eine kultur-
geschichtliche Studie 473
15. Bülbring, K. D. Untersuchungen zur mittelenglischen Metrik . 510
K). Roeder, Fritz. Neue Beiträge zur Erziehung der angelsächsischen
adeligen Jugend. (Dieser Beitrag erscheint in Kürze separat.) . 625
17. Spies, Heinrich. Chaucer's religiöse Grundstimmung und die
Echtheit der Parson's Tale 626
Die „festermen" des J^lfric.
Eine Namenliste aus York
von
Erik Björkman.
Inhalt.
Seite
I. Einleitung 2
II. Faksimile (zwischen) 4—5
III. Die Nameuliste 5
IV. Personennamen 6
V. Ortsnamen 18
Studien z. engl. Phil. L.
Einleitung.
Die Namenliste befindet sieh in einer Hs. in der Bibliothek
des Münsters zu York (York Minster). Diese Hs. enthält die
Evangelien in lateinischer Sprache. Auf der letzten Seite findet
sich ein „Bittgebet" (bidding prayer), das von Simmons, The
Lay Folks Mass Book (EETS. No. 71, London 1879) S. 62
abgedruckt ist.i)
Dieses Bittgebet endet mit den folgenden Worten: For
Porlfeyjjes"^) saule bidde we paier noster . and for micel niere
Saide and for ealle pa saula ])e fulluM underfengan . and on
crist ^elyfdan . frani adames da^^e to pisum dce^e . pater noster.
Danach folgt die Namenliste. Sie scheint von einer mit
der vorhergehenden Eintragung zeitgenössischen Hand (d. h.
aus dem Anfang des 11. Jahrhunderts) zu stammen.
Die Liste ist zweimal vorher veröffentlicht worden. Zu-
erst von George Stephens, En Yorkshire Liste over dansk-
engelske Mandsnavne fra det 11. Aarhundrede, in Blandinger
') Über dieses „Bittgebet" sagt Simmons S. 321 : „This is the earliest
of our York bidding prayers, and it is believed to be the earliest example
of the bidding prayers in the Church of England which is kuown to have
come down to us. It is written at the end of the York Gospels, but by
another and a later hand. I took advantage of a visit from Mr. Maunde
Thompson to obtain his opinion, and he pats it at early XI th Century,
which quite agrees with the internal evidence; and the Gospels at
Xth Century, but hardly at the beginning of the Century, which is the
date traditionally assigned to them."
*) Dies ist ein nordischer Personenname. Siehe Purferd Björkman,
Nord. Personennamen S. 155 f. Wer dieser ßorferd war, kann wohl kaum
entschieden werden. Vgl. Simmons S. 330. Nach dem Faksimile bei
Stefänsson , Saga Book IV S. 293 ist der Name sicher als PorferÖ zu lesen,
obgleich die Buchstaben fe teilweise getilgt sind.
til Oplysning om dansk Sprog i icldre og nyere Tid udgivne af
Universitets-JubihTcets danske Samfund, Kopenh. 1881 — 1887
S. 60ff., dann von Jon Stefdnsson, The Oldest known List of
Seandinavian Names in Saga- Book of the Viking Club Vol. IV, 2
S. 294 if.
Stefilnsson gibt aacli ein Faksimile von der Hs. Dies ist
an gewissen Stellen ziemlich undeutlich; das schlimmste ist
aber, dafs rechts ein Streifen abgeschnitten ist. Hierdurch
sind ein paar Fehler verursacht worden, ja ein ganzer Name
(Äsi) ist der Aufmerksamkeit Stefanssons (wie auch merk-
würdigerweise vorher Stephens) entgangen.
Der Umstand, dals sowohl dieStephenssche alsStefansonsche
Ausgabe dieses überaus wichtigen Denkmals in mehreren Hin-
sichten fehlerhaft ist, wird, glaube ich, einen neuen Abdruck
rechtfertigen. Auch dürfte der Umstand, dals beide Abdrucke
im allgemeinen wohl schwer zugänglich sind, einer neuen Aus-
gabe eine gewisse Existensberechtigung verleihen.
Die Liste ist ein Verzeichnis der festermen des ü^^lfrie.
Laut des northumbrischen Priestergesetzes mufste ein Geistlicher
bei dem Eintreten in sein Amt für sein Wohlverhalten zwölf
Bürgen {festermen) stellen: celc preost finde Jiün XII festermen
])at he preostlage wille hcaldan mid rihte'A) 'Und jeder Priester
verschaffe sich zwölf Gewährsleute, dafs er die Priestergesetze
pflichtmäfsig halten will'. 2) Wie man sieht, waren die Gewährs-
leute des ^Ifrie viel mehr als zwölf. Ihre Zahl genau fest-
zustellen ist nicht möglieh, da die Hs. lückenhaft ist. Die
Namen von 76 Bürgen scheinen uns noch erhalten zu sein.
Unter diesen sind roser und freer zweifelhaft, da sie vielleicht
keine Namen sind, und das rätselhafte jV<^^* bildet zum höchsten
1) Liebermaun, Gesetze der Angelsachsen I S. 380; Thorpe, Ancient
Laws and Institutes of England II S. 290; Schmid, Gesetze der Angel-
sachsen S. 365; Stephens Blandinger S. 63; ötefänsson, Saga Book IV
S. 296.
'^) Übersetzung nach Schmid a. a. 0. — Für das Wort *festmnan,
pl. festermen fehlen andere ae. Belege. Aus mittelenglischer Zeit stammt
die Rubrik De emptionibus sine fideiussoribus, quod anglice dicitur faster-
mannes Rubr. Lond. zu Leg. Edvv. Conf. 38 (Liebermann , Gesetze der Angel-
sachsen S. 668). fester- ist sicher Genetiv von ostn. foest, worüber Geländer,
Xenia Lideniaua (Stockholm 1912) S. 257, gehandelt hat.
1*
den Schliils eines Namens. Auch läfst es sich wobl darüber
streiten, ob das teilweise undeutliche Worr dna einen oder
zwei Namen bildet. Ich meinerseits möchte darin zwei Namen
erblicken. Der imter dem ersten TJlfcetel hinzugefügte Name
Ascetel ist vielleicht derselbe Mann wie der später vorkommende
Ascetel.
Man hätte zu erwarten, dals die Zahl der Gewährsleute
mit zwölf teilbar wäre. Zu dieser Vermutung führen uns einiger-
malsen die nordischen Rechtsverhältnisse, die bekanntlich im
skandinavischen England mafsgebend wurden. Die Zahl 72
scheint aber zu klein, 84 zu grofs.
Die Liste enthält aber andere Namen als die der Gewährs-
leute, nämlich den Namen Elfric selbst (im Genetiv) und die
Genetive asbeornnas(una) und scefuscilas[s]{una). Dazu kommt
Snel, Beiname des Eleivine. Wir erhalten in dieser Weise 80
oder wenn wir von roser und frecr absehen, 78 Namen-
aufzeichnungen. Unter diesen kommen einige Namen mehr als
einmal vor: Alfcetel zweimal, Ascetel zweimal, Asniund zwei-
mal, Godtvin zweimal, Grim zweimal, Ulf zweimal, TJlfcetel
zweimal, Grimcetel viermal.
Die hier zu behandelnden Namen sind also, wenn wir
roser und freer mitrechnen, 70. Unter diesen sind 44 sicher
nordisch, sieher englisch nur 14 (darunter drei in skandinavi-
sierter Form: Ardolf, Wul^er, Wulstain). Von den übrigen
können einige sowohl englisch als nordisch sein.
Der Elfric ist sicher mit dem Elfric, der 1023 zum Erz-
bischof von York gewählt wurde, identisch. Dafür spricht
vor allem die stattliche Zahl seiner Gewährsleute. Elfric
starb 1051.
Die anderen im Denkmal erwähnten Männer sind sonst
gänzlich unbekannt. Eine Ausnahme bildet der Merleswuain;
er hatte „Saeam et socam" in Yorkshire unter Edward dem
Bekenner. In Urkunden aus den Regierungszeiten des Be-
kenners und des Eroberers nennt er sich M. vice comes. Er
muls ein ziemlich hohes Alter erreicht haben.
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Die ISTamenliste.
Dis sindan ]'a festermen Elfricas.
Ulfcötel . cynin^es reue . and Merleswuaini) a7id asceteP)
Wulstain . Ulf . Lijolf . Baraö . Farj'ain jreua . Ösulf .
and Wulfeh . Folcric (md FA . . .3)
we5;:;a . and Adseeorl . Gamal , ])reshyt€r . Grira . and
Grimcetel . Asmimd . roser (?) . Grimcetel in
barnabi . Godwina . folcer . Berböor . JBretecol . and
Aröolf . and forna . Menniüs . and
Wulser . j'or . incaer . and Arcetel . Siuerö . Ra)ua3n .
arner . Colbrand . dericus . Blih . Elewin(e)0
ud . Snel . Godwine . lefer . Eöastan . ulfer . Elnoö .
freer . Roscetel . and Edric . Grimcetel .
hdwer . Ascetel . Grim . incirer . Cetel . \}xe%byter . Gunner .
Alfcetel inhil . loluarö . inburh(tun) ^)
Vlfcetel . ^resli/tcr . Alfcetel . and Asmund . leofnoö .
inbroöortun*') . porcetel . unbain . asi')
Ulf . \)Yed)yter . [nrne . beorn . and Ailaf . inbraipatun .
Wülfrie . and lustan . R6c . in hilluwi .
(Worr?) tlna . and Gr(im)cetel . liis mab . Ra^auald . as-
beomnaßS) suna . Ordric .
') So Hs.; Stefänsson bat in der Photographie Merlcsivua, in der
Abschrift Merlessuan, S. 304 Merlesuuan; alle drei Lesungen unrichtig.
Stephens hat Merlesivain.
2) and ascetel unter Ulfcetel mit kleinerer Schrift. Wie Stephens
ascettel lesen konnte, ist mir unbegreiflich.
3) Die drei fast verwischten Buchstaben nach El kann ich nicht lesen.
Vielleicht ric'^ Weder Stephens noch Stefänsson haben gesehen, dafs
nach El etwas gestanden haben mufs. -
*) Das Endungs -e undeutlich. Elewin (Stephens, Stefänsson) sicher
unrichtig.
5) So wahrscheinlich Hs. Die Buchstaben nach burh haben weder
Stephens noch Stefänsson bemerkt.
^) Nicht brothortun wie Stefänsson schreibt.
') Diesen Namen, der doch ganz deutlich ist, haben weder Stephens
noch Stefänsson gesehen.
») So Hs. Stephens und Stefänsson schreiben asbeornas.
6
pfoh . iubrernabi . Hdlw?erö . sa3fu5alasuua . and
Aröor .
polf . ^Ycshyter . Anöcetel . \ircBbyter.
Personennamen.
Ädsceorl. Ein sehr rätselhafter Name, der sieh sonst nicht
nachweisen lälst. -ccorl ist natürlich mit dem bekannten
ae. Wort zu identifizieren. Ist Ädsceorl eine volksetymo-
logische Umgestaltung- von Ätsere, Adser usw. (Björkman,
Nord. Personennamen S. 22)? Vgl. engl. Lamhecarl{e) , Odin-
carl{e), Budcarl, altwestn. Bigrnkarl, *Slc6gliarl, Ondalcarl.
Über den englischen Namen Ceorl siehe Searle S. 133,
Muller, Über die Namen des nordhumbrischen Liber Vitse
S. 126; Yg\. Ealdceorl, Äldceorl Searle ö. 195, Müller a.a.O.
— Atsere, {*Ädsere) wurde vielleicht mit ae. adesa (adese, adse)
'Breitbeil, Deissel, Krummaxt, Krummhacke' assoziiert.
Oder hat der Name schon von Anfang an 'ein ceorl der mit
einem Breitbeil usw. arbeitet' bedeutet?
Ailaf (in Brail>atun). Nordischer Name. Siehe Björkman,
Nord. Personennamen S. 32, Zur engl. Namenkunde S. 30.
Der Name scheint zunächst ostnordischen Ursprungs zu sein.
Alfcetel (zwei Männer A. u. A. in EL). Nordischer Name,
wahrscheinlich spezifisch ostnordisch. Siehe Björkman, Nord.
Personennamen S. 3 f.. Zur engl. Namenkunde S. 7, 12.
Über -cetel ebenda S. 6 ff. Vgl, Arcetel, Ascetel, Auöcetel,
Grimcetel, Boscetel, Ulfcetel.
Ana, falls richtig gelesen, entspricht dem altwestn. Ani, alt-
schwed. J.we, a\tdi'är\. Ani. Wie ich. Zur engl. Namenkunde S. 13
hervorgehoben habe, ist die Hs. aber hier sehr undeutlich.
Wie aus der Photographie zu ersehen ist, sind die Buch-
staben zwar an nnd für sich nicht undeutlich; es ist aber
sehr schwierig zu entscheiden, ob dna (so Hs.) einen be-
sonderen Namen oder nur den Schlafs eines Namens aus-
macht. Der Akzent über d bezeichnet vielleicht, dafs dieser
Buchstabe den Anfang eines Namens bildet. Vgl. Wolfg.
Keller in den Joh. v. Kelle dargebrachten Untersuchungen
u. Quellen (Prag 1908) I S. 97—120. Die Buchstaben vor
dna scheinen Worr zu sein; wohl der ae. Name Worr (vgl.
unten).
Aröolf. Über diesen schwierigen Namen habe ich Nord.
Personennamen S. 6 gehandelt. Die von mir dort vor-
geschlagene Erklärung des Namens als eine 'skandinavisierte'
Form von ae. Eard{iü)ulf halte ich jetzt bestimmt für die
richtige; die von Stefansson gebotene Deutung ardr 'Pflug'
+ iilfr ist unmöglich, zumal das End -r in arör zum Stamm
gehört (Gen. arörs). Inlautendes d zwischen r und Vokal
war den altskandinavisehen Sprachen nicht geläufig; dagegen
kam d in dieser Umgebung sehr häufig vor. In einer skan-
dinavischen Gegend wie die aus welcher unsere Liste stammt,
mufste (durch Lautsubstitution) ae. Eard{iv)ulf zu '^Aröulf,
Aröolf werden. 1) Der Diphthong ea fehlte ebenfalls den
nordischen Sprachen ; a statt ea könnte aber auch auf nord-
englische Lautverhältnisse zurückgeführt werden (vgl. Bülbing,
Altengl. Elementarb. § 132 c).
Arcetel. Häufiger nordischer Name. Siehe Björkman, Nord.
Personennamen S, 8, Zur engl. Namenkunde S. 14, 95. Vgl.
Alfcetel, Ascetd, Audcetel, Grimcetel, lloscetel, Ulfcetel.
Arner. Nach Stefdnsson S. 298 soll dieser Name mit altwestn.
(isl.) Arnörr zusammenzustellen sein (vgl. Björkman, Nord.
Personennamen S. 9. 2) Der Name müfste in dem Falle is-
ländischen Ursprungs sein. Ich glaube aber nunmehr, dafs
der Name besser mit altschwed. Arnar (Lundgren S. 14)
1) Ähnlich altn.prüdr aus ae. *prüd, IdvarÖr (Beiname) aus ae. hläford,
hirÖ aus ae. Jüred. Zwischen zwei Vokalen war d den nordischen Sprachen
ungeläufig; in Lehnwörtern wird fremdes d in dieser Stellung bisweilen
durch dd ersetzt, z. B. altwestn. kredda f. 'das Credo' aus ae. creda,
schweä.. krydda 'Gewürz' (vgl. mnd. krüde), ae. stedda f. 'Rofs' aus ae.
steda m. 'stallion' (anders über stedda Hellquist, Tidsskrift f. fil. 3 Raekke 12
S. 65).
-) Die Erklärung Stefänssons von Arnestor2) a. a. 0. als zu diesen
Namen gehörend, ist unrichtig. Siehe Björkman, Zur englischen Namen-
kunde S. 14.
8
zu verbinden ist. Wegen der Endung ist Gunner (= nord.
Gunnar) zu vergleichen.
Ardor. Nordischer Name. Siehe Björkman, Nord. Personen-
namen S. 9, Zur engl. Namenkunde S. 14.
Asheorn (Vater des JRaganald), Gen. Asheornnas, gehört nicht
zu den festermen. A. ist sicher ein nordischer Name; siehe
Björkman, Nord. Personennamen S. 10. Zu dem a der
Endung ist auf Godwina (unten) zu verweisen.
Asi. Nordischer Name. Siehe Björkman, Nord. Personen-
namen S. 16, Zur engl. Namenkunde S. 16. Dieser Beleg
ist mir erst durch die hier wiedergegebene Photographie
der Hs. bekannt geworden. Er fehlt sowohl bei Stephens
als bei Stefänsson.
Ascetel (vielleicht zwei Männer). Sehr häufiger nordischer
Name. Siehe Björkman, Nord. Personennamen S. 16if., Zur
engl. Namenkunde S. 16 f. Vgl. Alfcetel, Arcetel, AuÖcetel,
Grimcetel, Roscetel, Ulfcetel..
Asmund (zwei Männer). Nordischer Name. Siehe Björkman,
Nord. Personennamen S. 21 , Zur englischen Namenkunde
S. 18.
AuÖcetel (presbyter). Nordischer Name. Siehe Björkman,
Nord. Personennamen S. 22. Vgl. Alfcetel, Arcetel, Ascetel,
Grimcetel, Eoscetel, Ulfcetel.
Bar ad. Nordischer Name; siehe Björkman, Nord. Personen-
namen S. 24 f.
Seorn. Dieser Name kann sowohl nordisch als englisch sein.
Vgl. Björkman, Nord. Personennamen S. 26.
Berhöor. Nordischer Name. Siehe Björkman, Nord. Personen-
namen S. 26.
Blih. Nordischer Name. Siehe Björkman, Nord. Personen-
namen S. 27, Zur engl. Namenkunde S. 25.
Bretecol. Sicher ein nordischer Name, obgleich sich keine
direkte nordische Entsprechung nachweisen läfst. Es gibt
mehrere Möglichkeiten, den Namen zu erklären. In meinen
Nord. Personennamen S. 30 — wo weiteres Material zur Be-
leuchtung der Frage herangezogen wird — habe ich den
Namen als *Breta-Kollr 'der britische KoW 'der aus
Wales gebürtige Kollr'' oder dergl. aufgefafst. ') Nun ist
aber daran zu erinnern, dafs -l^ollr als letztes Glied nordischer
Namen nicht immer darauf beruht, dafs der Träger des
Namens ursprünglich Kollr geheifsen hat; das erste Glied
solcher Namen erfüllt also nicht immer die Funktion eines
Beinamens. Im Gegenteil kommt es vor, dafs der ganze
Name, von welchem -hollr das zweite Glied ist, ein Beiname
ist oder gewesen ist. Beispiele sind Ami dalaJcollr, Por-
geirr shotalcollr (Kahle, Arkiv f. nord. fil. 27 S. 38), Jiorgeirr
afruöslcollr (Finnur Jonsson, Aaboger f. nord. Oldkynd. og
Hist. 1907 S. 295, Björkmau, Nord. Personennamen S. 43
Anm. 2). Jjorgeirr sJiotaJcollr bedeutet sicher ')?orgeirr, ein
Mann, der irgendwelche Beziehungen zu den Schotten oder
zu Schottland gehabt hat '.2) Iq einer solchen Komposition
bedeutet -Jcollr kaum mehr als 'Mann, Individuum '3), ja macht
sogar fast den Eindruck eines Suffixes oder Namenbildungs-
elementes. Um -Jcollr in solchen Zusammensetzungen und
mit dieser abgeblafsten Bedeutung zu erklären, haben wir
zwei verschiedene Möglichkeiten in Anschlag zu bringen.
Es mufs entweder dem Personennamen Kollr oder dem
Appellativum Jcollr "abgerundeter Gipfel, Kopf entstammen.
A. Die erstere von diesen Alternativen bietet an und für
sich nichts unwahrscheinliches. In vielen Sprachen kommt
es ja vor, dafs eine Zusammensetzung, deren zweites Glied
ein Personenname ist, sich zu einem reinen Appellativum
(bezw. Beinamen) entwickelt hat, dafs also die mit diesem
Appellativum (od. Beinamen) benannte Person den betreffenden
Personennamen nicht geführt zu haben braucht. So kann
ja ein Mann von seinen Mitmenschen ein Ängstmeier,
Biedermeier, Duselmeier usw. genannt werden, -*) ohne den
^) *Breta -Kollr wäre vielleicht besser als 'Kollr der etwas mit den
Bretar zu tun hat oder gehabt hat' aufzufassen. Man könnte es z. B.
als 'der im Land der Bretar gewesene Kollr, der Kollr, der mit den
Bretar gekämpft hat' auffassen.
2) Fiunur Jonsson, Aarbeger f. nord. Oldk. og Hist. 1907 S. 195 kann
den Beinamen skotakollr nicht übersetzen. Sein Vorschlag 'rystende,
stödende' ist nicht einleuchtend.
') Vgl. Björkman a. a. 0., Kahle a. a. 0.
*) Vgl Reinius, On transferred Appellations of Human Beings 1903
S. 140.
10
Familiennamen il/e^'ey zu führen; ebensogut kann ja z.B. von
einem Bnselfritz, Quasselfritze, Cigarrenfritze,^) Gaulcelhans,'^)
Schicatzhans, Quaclcelhans , Quasselhcms^) geredet werden,
ohne dals der so benannte Mensch zu Iritz oder Hatis ge-
tauft zu sein braucht. Aus dem Schwedischen brauche ich
nur solche Wörter wie dummer jöns 'Dummerjan', larfotalasse
'Barfülser', smörgäsnisse 'Piccolo' zu erwähnen. Englische
Beispiele sind; ivhip-jach 'a vagabond who begs for alms
as a distressed Seaman' (vgl. Jach 'generic name for a sailor'),
glhn-jacJc 'a link-boy', sl:ip-jack 'a youth who rode horses
up and down, showing them off with a view to sale; a
shally, impertinent fellow', steeple-jach 'a man who elimbs
steeples and fall chimmeys to make repairs, or to erect
scaffolding'.*) Gegen diese Erklärung von afrdÖsJcollr usw.
spricht der Umstand, dals ähnliche Bildungen, soviel ich
weifs, im Altnordischen nicht nachgewiesen sind.
B. Die andere Alternative ist auch nicht von vornherein
von der Hand zu weisen. Kahle, Arkiv f. nord. fil. 26 S. 161,
fafst slcotaJcollr als 'Schottenkopf' auf, und seine Auffassung
führt er, Arkiv 27 S. 381 f. weiter aus; an die von mir
eben erwähnte Möglichkeit scheint er nicht gedacht zu
haben. Er stellt sJwtaJcollr mit den altwestn. Beinamen
hldkollr 'Schwarzkopf', kvitJcollr 'Weilskopf, svartaltollr
'Schwarzkopf' ganz auf eine Linie.
Dagegen vergilst Kahle zu erwähnen, dafs schon das
Simplex hollr 'Mannsperson' bedeuten kann. &) Es gibt
1) Vgl. Reinins S. 86.
2) Vgl. Reinius S. 86, 92, 129.
3) Vgl. Reinius S. 94.
*) Vgl. Reinius S. 68 f. — Über Namenelemente als Suffixe in
reinen Appellativen handelt Reinins S. 137. Interessante Beispiele sind
ae. feondulf 'furcifer', abd. rihholf 'dives' (vgl. Kluge, Nom. Stammb.
§30), das Sufix -hart (frz. -engl. -arrf) , nbd. Wüterich, me. feminina auf
(h)ild z. B. fostrüd 'nutrix', sünegild 'female sinner', maÖelild 'sermoci-
natrix', grucchild 'murmnratrix' (vgl. Kluge, Nom. Stamb. §52). Da aber
-kollr als reiaes Namenelement in den nordischen Sprachen nicht im
eigentlichen Sinne gang und gäbe war, dürfen die nord. Beinamen mit
-kollr nicht mit diesen Bildungen verglichen werden.
5) Noreen, Svenska Etymologier, Uppsala 1897 S. 55, Björkman
I. F. XXX S. 264. — Neben kollr 'Mann' steht die Femininform kolla,
11
zwar nur einen Beleg dafür, aber er mufs als ausschlag-
gebend betrachtet werden: Jivi vildir Im, Jcollr minn!
Ijüga at okkr Mariu? (Bp. 1600^^; vgl. Fritzner II S. 315).
Ich halte Fritzners Erklärung von den Beinamen afrddslcollr,
Fljodakolh- , slcotalcoUr für durchaus richtig, wenn er diesen
ein Simplex Jcollr 'Mannsperson' zugrunde legt. Die Tatsache,
dals es ein Simplex Jcollr 'Mannsperson' gab, mufs, glaube
ich, die Frage entscheiden, da in der Weise die Schwierig-
keiten am leichtesten und uugesuchtesten gelöst werden, i)
Falls Bretecol nicht als nord. *Breta-KoUr aufzufassen ist
— was ich jedoch für sehr gut möglich halte — mufs es
zunächst mit dem nordischen Beinamen sJcotaJcollr zusammen-
gestellt werden. Es ist dann ursprünglich ein Beiname
(bretaJcollr) mit der Bedeutung 'ein Mann, der irgendwelche
Beziehungen zu den Bretar oder dem Lande der Bretar
gehabt hat' gewesen und ist späterhin zum eigentlichen
Eigennamen geworden. In derselben "Weise ist der Eigen-
name Scotcol, Scotecol (Domesd. B.)^) entstanden. Die Eigen-
namen Snccol, Swartcol (Nord. Personennamen S. 125, 138)
dürften ursprünglich 'Schneekopf, Schwarzkopf' bedeutet
haben. FrWcol, Styrcol (Nord. Personennamen S. 43, 132 f.)
sind wohl ursprünglich als Frid-Kollr, Styr-Kollr aufzufassen,
obgleich jenes auch aus einem Beinamen fridJcollr ent-
standen sein könnte (vgl. Kahle, Arkiv f. nord. fil. 27 S. 382).
Edastan habe ich mit ae. JEäelstan zu identifizieren versucht
(Zur engl. Namenkunde S. 30). Es gibt auch andere Fälle
von ?- Schwund in dieser Stellung; vgl. ^therred,^) ^tJiesi,
^tliestan bei Searle S. 62. Interessant sind ^Öe- statt
^del- in der altengl. Chronik: z. B. ^dehdld (a. 778),
^dered (a. 866, 871, 886, 910), JEderic (a. 1034), JEöestan
(a. 927, F.). Mau vergleiche auch die Bemerkung bei Napier
schwed. dial. kuUa 'Mädchen', worüber Nureen a.a.O., Kahle, Arkiv 26
S. 161; 27 S. 3S2 gehandelt haben. Kollur ist auf Island noch Kosename
für kleine Knaben; vgl. Finnur Jönsson, Aarbeger 1907 S. 194.
1) Vgl. altwestn. skegg{i) in Pörolfr Mostrarskegg{i) , Fritzner III
S. 299, Kälund. Laxdola c. VII § 25, Kahle, Arkiv 26 S. 153, 159; 27 S. 381.
2) Bjorkman, Nord. Personennamen S. 124.
3j Hier liegt wohl Assimilation von Ir > rr vor, vgl. Bülbring §552.
12
und Stevenson, Crawf. Chart. S. 99, dafs l im Namen JEöel-
stan sehr oft nach dem Anfang des 11. Jahrh. geschwunden
ist. Siehe auch Zachrisson, A Contribution to the Study of
Anglo- Norman Influence on English Place -Names S. 102 f. —
Das a der Mittelsilbe ist mit a in Godivlna zu vergleichen.
E- steht mit in Elfricas, Elnod, Eletvine auf einer Linie.
Edric. Häufiger englischer Name. Normalform Eadric. Siehe
Björkman, Zur engl. Namenkunde S. 30 Anm. 3.
El . . . (zwischen Folcric und Wesja). Dieser nunmehr teil-
weise unleserliche Name hat wohl sicher das Namenelement
jElf- enthalten. Vgl. Eleivine, Elfricas, ElnoÖ.
Eletvine (uel SneT). Sehr häufiger englischer Name. Normal-
form ^Ifwine. Wegen des anlautenden E- sind EÖastan,
Elfricas, Elnod zu vergleichen. Das inlautende e hat auch
Gegenstücke ; vgl. z. B. jEleric, Eleivine, ElenoÖ, Elewig,
Eleivine im Index II zu Gruebers Catal. of Engl. Coins.
Elfric gen. Elfricas. Sehr häufiger englischer Name ; Normal-
form ae. Elfric. Wegen des anlautenden E sind Eöastan,
Elnod, Eleivine zu vergleichen. Zum a der Endung siehe
Godivina unten.
Elnod (freer?). Englischer Name. Normalform ^Ifnod. Vgl.
Eöastan, Eletvine, Elfricas.
\*Elwessa bei Stephens Blandinger 1881 S. 64, Stefilusson
S. 302, Searle S. 227 (vgl. Björkman, Zur engl. Namenkunde
S. 30) ist aus dem alteuglischen Namenschatz auszumerzen,
da in der Handschrift zwischen El- und Wessa drei nun-
mehr unleserliche Buchstaben gestanden haben.]
Farpai7i. Nordischer Name; siehe Björkman, Nord. Personen-
namen S. 39.
I oleer. Nordischer Name. Vgl. altschwed. JFo?/iar, altdän.
Fulkarslef. Siehe Björkman, Zur engl. Namenkunde S. 33;
anders Nord. Personennamen S. 41.
Folcric. Zweifellos ein englischer Name. Keine nordische
Entsprechung läfst sich nachweisen. Aulserdem sind Namen
mit Fol!:- viel seltener in Skandinavien, als in England. Bei
Lind findet sich — abgesehen von Folki und FolJcungr — nur
Folhvardr, das vielleicht ausländischen Ursprungs ist. Bei
Lundgren finden wir: Folkar, FoUce, Folkmar, Folkvidh,
13
Folhvin. Bei Searle finden sich (abgegeben von einigen un-
sicheren oder nicht in England belegten Namen): FolcheorJtt,
Folchurh, Folchere, Folcm(er, Folcred, Folcric, Folctveald,
Folctvine.
Forna. Nordischer Name. Siehe Björkman, Nord, Personen-
namen S. 42, Zur engl. Namenk. S. 34. Die Endung a kann
auf Anglisierung beruhen, könnte aber auch für e stehen
(wie in Goihvina; siehe dies).
Freer kann ich nicht deuten. Unsicher ob ein Name oder zu
Elnod gehörig.
Gamal (presbyter). Sehr häufiger nordischer Name. Siehe
Björkman, Nord. Personennamen S. 45fif., Zur engl. Namen-
kunde S. 35.
Godtviiia, Godwine. Sehr häufiger englischer Name. Die
Schreibung Godivina beruht wohl auf der beginnenden Re-
duktion unbetonter Vokale, wodurch a und e in unbetonter
Stellung zusammenzufallen begannen, ist also zunächst als
umgekehrte Schreibung zu betrachten. Vgl. Asheornnassuna,
EÖastan, Elfricas, Scefuscdasuna.
Grim (zwei Männer: Gr. and Gr. in Cirer). Sehr häufiger
nordischer Name. Siehe Björkman, Nord. Personennamen
S. 50 f., Zur engl. Namenkunde S. 38 f.
Grimcetel (vier Männer: zwei Gr., Gr. in Barnabi, Gr. bis
mah 'Verwandter des Ana'). Sehr häufiger nordischer Name.
Siehe Björkman, Nord. Personennamen S. 51 f. Zur engl.
Namenkunde S. 39. Vgl. Älfcetel, Ärcetel, Äscetel, Audcetel,
Pioscetel, ülfcetel.
Gunner. Häufiger nordischer Name, altn. Gunnarr. Björk-
man, Nord. Personennamen S. 54f., Zur engl. Namenkunde
S. 40.
jy"a7?c;cpy(? CSsefujalasuna). Sicher ein nordischer Name. Siehe
Björkman, Nord. Personennamen S. 62 f.
Haiver. Nordischer Name, altn, Hdvarr. Siehe Stefansson,
Saga Book IV S. 303, Engl. Hist. Review 1910 S. 595, Björk-
man, Zur engl. Namenkunde S. 45.
loluarÖ (in Burhtuu). Sicher ein nordischer Name, obgleich
keine nord. Entsprechung (westn. ^Jöhiarör, ostn. *t7wZ-
uardh[er\) belegt ist. Vgl. Björkman, Nordische Personen-
14
namen S. 74. lo- deutet auf westnordische Provenienz
hin.i)
lustan. Sicher ein nordischer Name, wahrscheinlich ost-
nordischen Ursprungs, da die westnordische Entsprechung
Josteinn lautet; vgl, Björkman, Nord. Personennamen S. 74,
Zur engl. Namenkunde S. 50. Der bekannteste Träger des
Namens war der dänische Vikingerhäuptling Justin (991),
Thorpe, Ancient Laws I S. 284 ff., Liebermann, Gesetze
S. 220, Flor. Worc, Sym. of Durh. Vgl. auch v. Friesen,
Fornvännen 1909 S. 72 f.
Cetel (presbyter). Sehr häufiger nordischer Name. Siehe
Björkman, Nord. Personennamen S. 79, Zur engl. Namen-
kunde S. 54.
Colhrand (clericus). Nordischer Name (vielleicht west-
nordischeo Ursprungs). Siehe Björkman, Nord. Personen-
namen S. 83, Zur engl. Namenkunde S. 56.
Lefer. Nordischer Name; e statt ei {ai) deutet auf ostn. Ur-
sprung hin. Siehe Björkman, Nord. Personennamen S. 90 f.,
Zur engl. Namenkunde S. 59, Lindkvist, Middle English
place- names S. 70. -er ist die nordische Nomiuativendung.
Leofnod (in Broöortun). Englischer Name. Siehe Searle
S. 329.
Li^olf. Über diesen schwierigen Namen habe ich. Zur engl.
Namenkunde S. 60 Anm. 2, gehandelt. Ob er englischen oder
nordischen Ursprungs ist, wage ich nicht bestimmt zu ent-
scheiden. Hier nur eine unsichere Vermutung. Auf den Orkneys
gab es nach dem Fiateyarbuch im 12. Jahrb. einen nordischen
Namen Hlifulfr, Lifulfr; im gegenüber liegenden Caithness
wohnte 1158 nach derselben Quelle ein Lifolfr i ])orsdal.
Viel später läfst sich der Name in Norwegen nachweisen
^) In diesem Zusammenhang möchte ich eine Bemerkung zu lulferÖ
(Nord. Personennamen S. 74) machen. Dieser Name ist sicher nordischen
Ursprungs, aber einen entsprechenden nordischen Namen konnte ich nicht
nachweisen. Nun sehe ich, dafs Lind Sp. 650 einen dän. Namen Julfrid
erwähnt. Dieser Name ist aber ein Frauenname {Julfridis Liber Mem.
Cap. Lundensis S. SOil) kann also nicht die nordische Entsprechung zu
lulferö sein, -ferö beruht natürlich auf Anglisierung wie AsferÖ, purferÖ,
worüber Lindkvist, Middle English place -uames uf Scaudinaviaa orlgin
S. 171 f. gehandelt hat.
15
(Lind, Norsk - isländska dopnamn Sp. 554, Rygb, Gamle
Personnavne S. 175). — Vor u konnte auf englischem Ge-
biet die stimmhafte labiale Spirans wohl leicht schwinden;
eine solche Lautverbindung war ja weder der englischen
noch der normannischen Sprache geläufig. So wurde wohl
in England ^Lividf zu Liulf, Liolf; diese Schreibungen sind
ziemlich häufig, wie aus dem von mir a. a. 0. zusammen-
gestellten Material hervorgeht. Wenn meine Vermutung
richtig ist, bezeichnet ä einen zwischen / und ti entwickelten
Gleitlaut, i)
Henning. Siehe Björkman, Zur engl. Namenkunde S. 62.
Eine endgültige Erklärung des schwierigen Namens kann
ich nicht geben. Der Name ist möglicherweise mit dem
ersten Gliede des altschwed. Ortsnamens Mcmiinyliaaslie,
Mcenningasker (Hellquist, Om de svenska ortnamnen pä
-inge, -unge och -unga S. 210) zusammenzustellen.
Merlesivuain. Siehe Björkman, Nord. Personennamen S. 93 f.
Das erste Glied des Namens ist schwierig zu deuten. Wohl
kaum mit dem urn. Personennamen w2[a]r['/]/a (Etelhem), das
in altisl. Sprache *mwtie 'der Berühmte' geworden wäre
(vgl. Noreen, Altisl. Gr. S. 336), zusammenzustellen?
Ordric. Englischer Name. Siehe Searle S. 369.
Osulf ist zunächst als englischer Name zu betrachten; vgl.
Björkman, Nord. Personennamen S. 21 f., Zur engl. Namen-
kunde S. 19.
. . . pfoh (in Bffirnabi), der Schlufs eines Namens, ist sehr
rätselhaft, jp muls zum ersten Glied des Namens gehören,
aber Namen mit -fog sind sonst unbekannt. Es hat also
hier wohl ein ursprünglicher Bei- oder Spottname vor-
gelegen.
Ra^anald (Asbeornnas suna). Nordischer Name. Siehe Björk-
man, Nord. Personenname S. 112, Zur engl. Namenkunde
S. 68.
^) (Korrekturnote): Mein Freund Liden schlägt mir eine andere, sehr
beachtenswerte Erklärung vor: wie nord. *HroÖwolfr zu *Hrüolfr (woraus
später Hrölfr) wird, so könnte Liulf, Liolf aus einem älteren ^LiÖolf
(vgl. altn. Lidi'arÖr) entstanden sein. Auch in dem Falle wäre g als
Gleitlaut aufzufassen.
16
Moeucen. Häufiger nordischer Name. Siehe Björkman, Nord.
Personennamen S. 109 f., Zur engl. Namenkunde S. 68. R-
statt Hr- ist wohl auf ostnordisehe Lautverhältnisse zurück-
zuführen, braucht aber nicht notwendig zu beweisen, dafs
der Mann selbst Däne oder Schwede war; siehe Björkman,
Zur engl. Namenkunde S. 8 u. 9 Anm. 1. Der Stammvokal
ce^) beruht wohl auf Anglisierung.
Hoc (in Hillum). Höchstwahrscheinlich ein nordischer Name.
Siehe Björkman, Nord. Personennamen S. 113, Zur engl.
Namenkunde S. 70.
Böser ({). Die Handschrift ist hier sehr undeutlich, und es
fragt sich, ob nicht einfach die Abkürzung für preshyter
vorliegt, wie ich. Zur engl. Namenkunde S. 70, zögernd vor-
geschlagen habe. Es ist aber möglich, dals wir es hier mit
einem Namen zu tun haben. Wie dieser Name zu erklären
wäre, kann ich nicht entscheiden.
Boscetel Nordischer Name, vielleicht spezifisch westnordisch,
da keine Entsprechung auf ostnordischem Gebiet gefunden
ist. Siehe Björkman, Nord. Personennamen S. 114, Zur engl.
Namenkunde S. 70. Über R statt Hr, das wohl auf otsnordische
Lautverhältnisse zurückzuführen ist, siehe Pioeucen oben. Zur
engl. Namenkunde S. 8 u. 9 Anm. 1. Über -cetel {-cel) habe
ich ebenda S. 6 ff. gehandelt. Vgl. Älfcetel, Arcetel, Äscetel,
Audceiel, Grimcetel, Ulfcetel.
Scefngal (Vater des Haliv(erd) gehört nicht zu den festernten.
Vielleicht ein nordischer Name. Siehe Björkman, Nord.
Personennamen S. 115.
SiuerÖ. Häufiger nordischer Name. Siehe Björkman, Nord.
Personennamen S. 118, Zur engl. Namenkunde S. 73. Auf-
fallend ist w statt zu erwartendem tv ; vgl. Haiver, Halwcerd.
Dals u hier den ?(^-Laut bezeichnet, ist aber nicht zu be-
zweifeln; ein Gegenstück dazu hiei^i Joluard. Meine, Nord.
Personennamen S. 118 Anm. 2, alternativ vorgetragene Zu-
sammenstellung mit ae. Sig{e)feröf glaube ich getrost zurück-
nehmen zu können. — cf beweist hier sicher nordischen
Ursprung. Der Name ist, wenn mit d geschrieben, sehr
1) Es mag erwähnt werden, dafs beide cc- Vokale in der Hs. sehr
undeutlich sind.
17
schwierig von dem einheimischen Sisetcearä, Siwarcl zu
unterscheiden. Wenn aber z. B. im Domesd. B. (Yorkshiro)
Torcliil Siuuard Bonde (I, 324) zusammen auftreten, kann
wohl über die nordische Herkunft des Siuuard kein Zweifel
bestehen.
Snel (Beiname des Elewine). Ob dieser Beiname (= das
Adj. snell, altu snjaUr) nordischen oder englischen Ursprungs
ist, kann ich nicht entscheiden. Weiteres Material bei
Björkmau, Nord. Personennamen S. 125 f.. Zur engl. Namen-
kunde S. 77 f. — Vgl. Snella bei Müller, Über die Namen
des nordh. Liber Vita3 S. 59.
Pirne. Nordischer, zunächst schwedischer Name. Siehe
Björkman, Zur engl. Namenkunde S. 88f.. Stephens S. 65
glaubt, dals Pirne zu dem folgenden Beorn gehört, Stefans-
son bespricht den Namen nicht.
Polf (presbyter). Nordischer Name. Siehe Björkman, Nord.
Personennamen S. 163.
Por (in caer). Über diesen nordischen Namen habe ich, Nord.
Personennamen S. 146 (vgl. Zur engl. Namenkunde S. 84)
gehandelt.
Porcetel. Sehr häufiger nordischer Name. Siehe Björkman,
Nord. Personennamen S. 151 fif., Zur engl. Namenkunde S. 85.
Ulf (zwei Männer: U. und U. presbyter). Sehr häufiger nor-
discher Name. Siehe Björkman, Nord. Personennamen
S. 165 f.. Zur engl. Namenkunde S. 89 f.
Ulf er. Nordischer Name. Siehe Björkman, Nord. Personen-
namen S. 167, Zur engl. Namenkunde S. 90.
Ulfcetel (zwei Männer: U. cyninges reue und U presbyter).
Sehr häufiger nordischer Name. Siehe Björkman, Nord.
Personennamen S. 168 f.. Zur engl. Namenkunde S. 91. Vgl.
Alfcetel, Arcetel, Ascetel, Auöcetel, Grimcetel, Boscetel.
Unhain. Sicher nordischer Name, ursprünglich Beiname; er
entstammt dem nord. Adj. übeinn. Als Name lälst sich dieses
Adj. in Skandinavien nicht nachweisen, das hindert aber
nicht die Herleitung des vorliegenden Namens als völlig
sicher zu betrachten. Stevens S. 65 betrachtet Unhain als
Beiname des Porcetel. Das ist aber nicht notwendig zumal
Unhain usw. auch sonst als wirklicher Eigenname (Tauf-
Studien z. engl. Phil. L. 2
18
name) iu England bezeugt ist. Siebe Björkmau, Kord.
Persouennamen S. 169 f.
We^ga. Engliscber Name; wabrscbeinlieb Kurzname. Vgl.
Wejga optimas (Peterb. ca 1063) Kemble, Cod. Dipl. No. 819.
Worr(?). Die Hs. ist bier sebr undeutlicb. Sonst ist Worr
ein gut bezeugter Name. Siebe Searle S. 505.
Wulf eh. Engliscber Name; wsäcbs. Wulfheah.
Wulfric. Woblbekannter engliscber Name.
Wul^er. Häufiger engliscber Name; Normalform ae. Wulfgär.
-ser statt -sar berubt wobl auf Skandinavisierung.
Wulst ain ist entweder eine im ersten Gliede anglisierte Form
von nord. Ulfsteimi oder eine im zweiten Gliede skandinavi-
sierte Form von engl. WulfstanA) Vgl. Nord. Personen-
namen S. 169.
Ortsnamen.
Barnabi, Bcernabi, jetzt vielleicbt Barnby-on- Don, Yorksb.
West Rid. Vgl. Moormau, West Riding place- uames S. 20.2)
Braijyatun (Ailaf in BraiJ^atun), jetzt Brayton, Yorksb., West
Riding (sUdlicb von Selby in Barkston Asb). Vgl. Lindkvist,
Middle Englisb place -names of Scand. origin S. 26, Moor-
man S. 34.
Brodortun (Leofnoö in Broöortun), jetzt Brotherton Yorksb.,
West Rid. Vgl. Moorman a. a. 0. S. 37.
Burhtun (loluarö in Burhtuu), wobl jetzt Bnrton, falls der
Name nicbt ausgestorben ist. Pbilips' Atlas bat 15 ver-
scbiedene Orte in Yorksb. mit diesem Namen.
') Letzteres scheint mir — in Anbetraclit des Übergewichts des Skandi-
naviertums im ganzen Denkmal; vgl. Aröolf, Wulge7' — wahrscheinlicher.
Zu vergleichen sind mittelenglische Ortsnamen mit nord. -heim, die sicher
auf ältere Formen mit engl. -harn zurückgehen; von besonderem Interesse
sind solche Namen im Lincsh. Sarvey (aus der Zeit Heinrichs I.) , worüber
auf Lindkvist, Middle English place -names S. 62 f. zu verweisen ist.
-) Es gab aber andere Orte in Yorkshire mit diesem Namen, wie
aus dem Index zum D. B. hervorgeht. Philips' Atlas gibt nur ein Barnby
in Yorkshire; dies liegt im nordüstlicheu Teil der Grafschaft, nicht weit
von Lythe.
19
IIa (Alfcetel in Ha). Den Ort kann ich sonst nicht finden. i)
Hillum (Roc in Hillum), jetzt Hillam (und Hillam Lodge)
Yorksh. West Kid. (Barkston Ash). Vgl. Moorman a. a. 0. S. 98.
Caer (J>or in Caer). In Philips' Atlas gibt es mehrere Orte in
Yorkshire mit dem Namen Car, Carr.'^)
Cirer (Grim in Cirer). Den Ort kann ich sonst nicht finden.
Hat der Name irgendwie Beziehungen zu dem jetzigen
Chirwell Yorksh. (Philips' Atlas)?
1) Nach Stephens (S. 65) und Stcfänsson (S. 297) soll es in Yorkshire
einen Ort Ho geben, der aber bei Philips nicht zu finden ist.
') Car Gate, Car Green & Upper Car (Rydale Wapentake), Carr,
West Carr, Carr End, Carr Hall, Carr Head, Carr House.
2*
Der Vercelli- Codex CXVII
nebst Abdruck
einiger altenglisclier Homilien der Handschrift
Von
Max Förster
Inhalt.
Seite
I. Beschreibung der Handschrift 21
IL Alter und Schriftcharakter 25
III. Die Sprache der Handschrift 32
IV. Herkunft der Handschrift 35
V. Geschichte des Bekanntwerdens der Handschrift 54
VI. Inhaltsangabe der Handschrift 64
VII. Abdruck der Predigten II, VI, IX, XV und XXII 87
VIII. Lexikalisches 148
I. ßesclireibunof der Handschrift.
Die Handschrift, die Rom 1913 in photographischer Re-
produktion vorgelegt wird, befindet sieh in der Bibliothek des
Domkapitels zu Vercelli i) in Oberitalien und trägt dort die
Signatur „Cod. CXVII". Sie besteht jetzt aus 136 Pergament-
blättern, die je 23 — 33 Zeilen enthalten, sofern sie nicht, wie
fol. 16 a, 24 b, 29 a, 54 a, 71a, 101a, 120 b, teilweise unbeschrieben
oder, wie die beiden letzten Seiten (fol. 136 a und 136 b), ganz
leer gelassen sind. Die Gröfse der einzelnen Blätter beträgt
rund 30 x 20 cm, der Schreibspiegel meist 23 X 14,4 cm. Die
neue Reproduktion ist also um ein Drittel der Originalgrölse
verkleinert. Das Pergament ist von jener überaus dünnen Art,
wie sie besonders gern in England verwendet wurde, so dass,
wie auch auf dem neuen Faksimile (z. B. fol. 33 a) deutlich zu
sehen ist, die Schrift der anderen Seite gelegentlich hindurch-
schimmert und das Lesen erschwert. 2) Mehrfach zeigt es
Löcher (fol. 2, 10, 14, 19, 33, 44, 45, 46, 47, 50, 54, 55, 56, 66,
71, 75, 76, 77, 78, 83, 84, 85, 88, 90, 92, 99, 113, 120, 131),
die jedoch in keinem Falle den Text beeinträchtigen, da die
schadhaften Stellen vom Kopisten ausgespart sind. Ein gleiches
^) Die Philologen haben sich gewöhnt, diese Handschrift schlecht-
weg als Codex Vercellensis oder Vercelli Book zu bezeichnen. Um einer
Verwechslnng vorznbeugen, der z. B. auch Grein (Bibliothek der angel-
sächsischen Poesie. 1S57, Bd. I, S. 364) zum Opfer gefallen ist, sei bemerkt,
dafs die Theologie ebenfalls schlechthin von einem Codex Vercellensis
spricht, darunter aber das berühmte, vielleicht vom Bischof Ensebins
(f 371) geschriebene Evangeliar versteht, welches heute den kostbarsten
Besitz des Vercellenser Domschatzes darstellt (Literatur bei L. Traube,
Vorlesungen und Abhandlungen, Bd. I, 1909, S. 247).
2) In Wülkers Faksimile des Codex Vercellensis (Leipzig 1S94) ist
die durchgeschlagene Schrift mehrfach fortretouchiert, wodurch seine
Seiten allerdings oft ein klareres Bild zeigen als die unserigen.
22
gilt von deu Rissen am Seitenrande von Blatt 63, 94, 98 und
135, von denen aber die drei ersteren mit einer zwirnähnliehen
Schnur (vgl. Wattenbaeh, Schrifttvesen des Mittelalters, 1896,
S. 212) zusammengenäht worden sind, wenn auch bei Blatt 94
diese jetzt wieder verloren gegangen ist. Mehrere grölsere
Rasuren, Abschabungen und auch durch Anwendung von
Reagentien i) hervorgerufenen Verdunkelungen beeinträchtigen
oder zerstören die Lesbarkeit der Schrift: so auf fol. 1*, Ib,
25 a 26 a, 36 b, 37 b, 38 a, 38 b, 42 b, 54 a, 55 b, 57 a, 65 a, 75 b,
77a, 84a, 86a, 86b und 135b.
Die 136 Folioblätter sind in der bekannten Weise zu
19 Lagen vereinigt, die, so wie sie uns heute vorliegen, aus
je zwei (bei Lage XVII), sechs (Lage III, XI, XII, XIV), sieben
(Lage VI, XIII, XV, XVI, XIX), acht (Lage IV, V, VII, VIII,
IX, X, XVIII) oder neun Blättern (Lage I und II) zusammen-
gesetzt sind. Die ungerade Blätterzahl mancher Lagen erklärt
sich daher, dafs mehrfach Pergamentstücke benutzt sind, die
klein für einen s-anzen Boc-en waren und nur zu einem
zu
gCliU^V^U ■•J^^
Eiuzelblatte ausreichten. Diese Einzelblätter sind dann mittelst
eines Falzes 2) eingeheftet worden. Nur in einem Falle (bei
Bl. 136) ist ein solches Einzelblatt hinten an die Lage an-
geklebt. Die heutige Zusammensetzung der Lagen entspricht
jedoch nicht mehr in allen Fällen der ursprünglichen. In
13 Fällen sind nämlich, wie Inhalt und Form der in Betracht
kommenden Textstellen beweisen, 3) Blätter verloren gegangen.
Dies ist der Fall hinter fol. 29, 35, 38, 42, 50, 53, 55, 63, 85,
100, 103, 111 und 118, wahrscheinlich auch hinter f. 75 (zwei
Blätter als Mittelbogen), so dafs, da zumeist zwei ausgefallene
Blätter auf eine Lage treffen (VI, VII, VIII, XIV, XVI) die
Lage XI ursprünglich mindestens 7 Blätter (statt 6), die Lagen
^) Diese Reagentien sind vermutlich von Dr. Maier angewandt, der
als der erste im Jahre 1834 oder 1835 im Auftrage englischer Geschichts-
forscher die Handschrift abgeschrieben hat.
2) Durch die Falze in der Handschrift hat sich Wülker {Grundriß
der angelsächsischen Literatur, S. 238) zu der Annahme verleiten lassen,
dafs einzelne Blätter herausgeschnitten seien; doch hat schon Napier
{Zeitschrift für deutsches Altertum, Bd. XXXIII, S. 67) auf das Irrige
dieser Ansicht hingewiesen.
ä) Das Nähere siehe bei der Inhaltsangabe der einzelnen Stücke
in 8 VI.
23
VI und XIV ursprünglich 8 (statt 6 bezw. 7), die Lagen IV und XVI
9 (statt 8 bezw. 7) und die Lagen V, VII, VIII und wahrscheinlich
XI 10 (statt 8) Blätter gehabt haben müssen. Im einzelnen setzen
sich die Lagen folgendermafsen zusammen: Lage I = Bl. 1 — 9;
Lage II = Bl. 10—18; Lage III = Bl. 19 — 24; Lage IV =
Bl. 25 — 32; Lage V -- Bl. 33—40; Lage VI = Bl. 41—47;
Lage VII = Bl. 48 — 55; Lage VIII = Bl. 56—63; Lage IX =
Bl. 64—71; Lage X = Bl. 72—79; Lage XI = Bl. 80 — 85;
LageXII = Bl. 86—91; Lage XIII = Bl. 92— 98; LageXIV =
B1.99-104;LageXV = B1.105— 111; Lage XVI = B1. 112— 118;
Lage XVII = Bl. 119 und 120; Lage XVIII = Bl. 121—128;
Lage XIX = Bl. 129 — 136. Die einzelneu Lagen sind, wie
ich glaube, und von einem anderen Schreiber, gezählt und
signiert worden, und zwar in der Weise, dafs an den Kopf der
ersten Seite einer jeden Lage eine römische Zahl und dann
wieder auf den Fufs der Schlufsseite jeder Lage einer der
Buchstaben A— T gesetzt ist. Nicht in allen Fällen sind diese
Zahlen und Buchstaben aber jetzt noch erhalten oder erkenn-
bar. Bei der Lage VIII und XVI fehlen beide Bezeichnungs-
arten, weil der ganze äussere Bogen dieser Lagen verloren
gegangen ist. Bei der Lage XI ist das Sehlufsblatt und damit
die Buchstabensignatur L verloren gegangen. Bei der Lage I
ist von der Zahl nichts mehr zu erkennen, da überhaupt die
ganze erste Seite unlesbar geworden ist; doch ist diese Lage
durch die Buchstabensignatur A auf fol. 9 b hinreichend als die
erste gesichert. Die Lagen XVII und XIX scheinen beide der
Buchstabensignatur (R und T) zu ermangeln; doch weisen
beide zu Beginn die ihnen zukommenden Lagenzahlen auf. In
den anderen Fällen sind bis auf den heutigen Tag Lagenzahl
und -Buchstabe noch erhalten. i)
Von etwaiger alter Paginierung ist keinerlei Spur zu
entdecken. Die heutige Zählung der Blätter mit 1 — 135 rührt
erst aus dem 19. Jahrhundert her. Dafs der Kopist die Hilfe
von eingeritzten Schreiblinien und Seitenlinien nicht ver-
') Die auf fol. 54^ stehende Zahl XVI hat mit der Lagenzählung
nichts zu tun, schon weil sie offenbar von anderer Hand herrührt, als die
Lagenzahlen. Freilich vermag ich nicht anzugeben, was die Zahl dort
bedeuten soll, falls es nicht eine blofse Federprobe ist, wie das mehrmalige
'xb' am Kopfe von fol. 119», 121«, 123« und 126».
24
scbmälite, lehrt schon auf unserem Faksimile z. B. fol. 24a,
25 b, 26 b, 32 a, 61a und 131a.
Der Kopist scheint im allgemeinen mit rechter Sorgfalt
seiner Arbeit obgelegen zu haben, so class die Schrift überall
deutlich und leicht lesbar geraten ist und nur selten Rasuren
oder Korrekturen sich nötig machen und Verschreibungen oder
Auslassungen sich finden, i).
Auf eine kunstmäfsige Ausstattung der Handschrift ist er
wenig bedacht gewesen. Nur dreimal (fol. 49 a, 106 b, 112 a)
finden sieh verzierte Initialen, die aber künstlerisch betrachtet
recht tief stehen und die Armut der Erfindung auch dadurch
dokumentieren, dafs die JJ- Initiale auf fol. 112a eine ganz
genaue Wiederholung desselben Buchstabens auf fol. 106 b
darstellt. Selbst von dem bescheidenen Schmucke, der durch
die Herbeiziehung roter Farbe erzielt wird, hat er nur spärlich
Gebrauch gemacht: nämlich nur bei einigen Überschriften und
Initialen auf fol. 71b, 73 b, 75 b. Sonst begnügt er sieh überall
damit, die Überschriften und Initien durch grofse, aber völlig
schmucklose und in ihrer Form recht nüchterne Majuskeln
hervorzuheben, von denen allerdings zwei, an die irische Art
erinnernd, mit Punktumrahmung (fol. 51a) bezw. Schraffier-
füllsel (fol. 47b) versehen sind.
Den heutigen Einband bilden zwei mit Kalbsleder über-
zogene Holzdeckel. Er stammt nach F. Ehrle aus dem Anfang
des 19. Jahrhunderts. Auf dem Rücken ist in schwarzer Farbe
auf das dunkelbraune Leder aufgedruckt:
Homiliarum
Liber
ignoti idiomatis
41
Seeolo X
CXVII
') Das schliefst natürlich nicht aus, dafs er mehrfach ziemlich ver-
derbte Texte zur Schreibvorlage gehabt hat.
25
IL Alter und Scliriftcliarakter. .
Irgendwelche äulsere Anhaltspunkte zur Datierung der
vorliegenden Handschrift stehen uns leider nicht zu Gebote.
Auch aus dem Inhalt der Texte, der poetischen sowohl wie
der prosaischen, läfst sieh nichts für diese Frage entnehmen;
denn die häufige Erwähnung des Weltendes, das zweimal
direkt als nahe bevorstehend bezeichnet wird — in Hom. XI
{ure edlra ende stviöe mislice toiveard nedlceced, fol. 73 a) und
Hom. XV {on Öam nexstan tide, fol. 80 b) — sowie die auf
fol. 73 a erscheinenden Klagen über Plünderung und Zerstörung
der Kirchen und Klöster durch „heidnische Männer", womit
natürlich die Dänen gemeint sind, beweisen zunächst nur etwas
für die Abfassungszeit der betreifenden Homilien oder deren
lateinischer Vorlagen und können sehr wohl auch von einem
späteren Abschreiber beibehalten sein.
Wir sind daher für die Datierung der Handschrift nur
auf den allgemeinen Eindruck angewiesen, den das Alter der
Schriftzüge auf uns macht. Leider ist nun in der Schriftkunde
kaum ein Zweig so vernachlässigt w^orden, wüe die angel-
sächsische Palaeographie, die erst ganz neuerdings von Wolfgang
Keller in ihren gröbsten Umrissen festgelegt worden ist. Und
so erklärt es sich, dals die älteren Angaben über die Ent-
stehungszeit unseres Vercelli-Codex sehr weit auseinander gehen
und zwischen Überschätzung und Unterschätzung seines Alters
hin und her pendeln. Nachdem Jacob Grimm, — der erste, *)
der seine Meinung hierüber geäulsert hat — , sicherlich be-
trächtlich zu früh auf den „Beginn des 10. oder noch den Schlufs
des Q.Jahrhunderts" geraten hatte, griffen Kemble,^) Wülker,^)
^) Zwar hatte schon 174S der italienische Bibelforscher Bianchini,
ohne den Text lesen zu können, die Schrift ins 10. Jahrhundert gesetzt
(ne v' ha dubbio, che non sia stato scritto al piti tardi del X secolo). Aber
das war in einem Privatbriefe geschehen, der erst 1S24 von De -Gregory,
Istoria della vercellese letteratura, (Torino 1^2-J) Bd. IV, S. 556, publiziert
ist und überdies von der Wissenschaft bis auf den heutigen Tag unbeachtet
gelassen ist. — J. Grimm, Andreas und Elene (1840) S. XLV.
2) Codex Vercellensis {London 1843) Vol. I p. IX (indirekt).
') Grimdrifs zur Geschichte der angelsächsischen Litteratur (Leipzig
1885) S. 237; Codex Vercellensis (Leipzig 1894) S. V und VII („oifenbar
aus dem Anfange des elften Jahrhunderts").
(
26
Cookji) Krapp 2) und M. B, Smitb ') offenbar etwas zu hoch, in-
dem sie den Anfang oder sogar die erste Hälfte des 11. Jahr-
hunderts dafür in Anspruch nahmen. Erst Keller hat durch
eine systematische Yergleichung des datierten Urkundenmaterials
des Britischen Museums die Grundlagen zu einer objektiven
Beantwortung der Frage geschaffen. Auf Grund seiner Zu-
sammenstellungen können wir jetzt mit Bestimmtheit sagen,
dafs die Schrift unseres Yercelli-Codex jenem Typus der irisch-
angelsächsischen Cursive angehört, der sich seit der Mitte des
10. Jahrhunderts in Süd-England, nicht ohne kontinentalen Ein-
flufs, ^) zu einer breiteren, stumpferen, regelmälsigeren Form
entwickelt hatte, ohne jedoch schon den gedrungenen, kräftigen
Charakter und die völlig senkrechte Federhaltung aufzuweisen,
die sich seit dem Beginn des 11. Jahrhunderts infolge der Ge-
wöhnung an die fränkische ]\Iiniiskel bei lateinischen Texten
der englischen Nationalschrift mitteilte. Wir werden daher
unsere Vercelli- Handschrift mit ziemlicher Sicherheit in die
zweite Hälfte des 10. Jahrhunderts setzen dürfen. Keller selbst
glaubt zwar, die Eutstehungszeit noch etwas mehr einengen
zu können: „etwa auf die Zeit von 960 — 980." Er sagt wört-
lich auf S. 39 f. seiner Angelsäclisischen Palaeographie (Berlin
1906): „Wülker sagt in der Einleitung zu dem Faksimile
(p. VII): .Die Handschrift stammt der Schrift nach offenbar
aus dem Anfang des 11. Jahrhunderts.' Dagegen spricht mir
aber der meist spitze Absatz der Tiefstriche, der sehr beliebte
Gebrauch des runden 5, das y mit divergierenden Schenkeln
ohne Punkt — die andern Formen, die ebengenannte mit
Punkt, nach links gebogene Schenkel mit und ohne Punkt, und
die F-Form kommen auch vor, sind aber selten — , ferner das
dreistriehige a, der geschwungene Horizontalstrich bei t und g,
1) The Dream of the Eood (Oxford 1905) f. V ('early part of the
eleventh Century').
2) Andreas and the Fates of the A^wstles (Boston 1906) S. XIV
('beginniDg of the eleventh Century').
=*) In The Cambridge History of English Literature (Cambridge 1907)
Vol. I, S. 430 ('written, probably, in the eleventh Century').
*) Dafs sich fränkische Einflüsse seit dem 10. Jahrhundert auch in
der englischen Buchmalerei geltend machen, ersehen wir jetzt klar aus
Otto Homburgers lehrreicher Abhandlung über Die Anfänge der Malschide ^
von Winchester im X. Jahrhundert (Halle 1912) passim, bes. S. 7 ff.
27
und zum Sehlufs unser hohes e. In ihrer Gesamtheit seheinen
mir diese Elemente nicht auf die erste Hälfte des 11. Jahr-
hunderts zu weisen, sondern etwa auf die Zeit von 9(50—980."
Neuerdings in seiner Darstellung der , angelsächsischen vSchrift'
in Hoops licallexilion der germanischen Altertumskunde (Strafs-
burg 1911) S. 102 hat er das Datum noch ein klein wenig nach
unten eingeengt und die Jahre von „etwa 970 bis 980" dafür
angesetzt. Wenn Keller nun auch mit seiner Zuweisung der
Handschrift an das 10. Jahrhundert wohl zweifellos das Richtige
getroffen hat, so erregt mir doch seine zu bestimmte Festlegung
und zu enge Abgrenzung des Zeitraumes auf 20 oder sogar
10 Jahre starkes Bedenken. Eine so genaue Datierung läfst
sich meiner Ansicht nach bei dem Fehlen auf serer Anhalts-
punkte allerhöchstens dann wagen, wenn uns die Erzeugnisse
ein und derselben Schreibschule in ausgiebigem Material und
in ununterbrochener, datierter Reihenfolge vorliegen. Was aber
Keller zum Vergleich heranzieht, ist den allerverschiedensten
Skriptorien entnommen, ohne Rücksicht darauf, dafs die fort-
schreitende Entwicklung der Schrift nicht an allen Orten
gleichen Schritt hielt. Die zeitliche Reihenfolge, die Keller
den poetischen Haupthandschriften auf Grund der mehr oder
weniger grofsen Altertümlichkeit ihrer Schrift innerhalb der
zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts zuweist — Exeter-MS.,
Vercelli-MS., C;cdmon-MS. und Beowulf-MS. — kann nur dann
objektive Geltung beanspruchen, wenn es ausgemacht wäre,
dafs der Skala der Altertümlichkeiten auch genau die zeitliche
Reihenfolge der Entstehung entspräche. Dals dies aber keines-
wegs der Fall ist, lehrt z. B. unsere angelsächsische Beowulf-
handschrift, wo der zweite Schreiber, der die Schlufshälfte des
Gedichtes kopierte, eine altertümlichere Handschrift aufweist
als der erste Schreiber, doch aber natürlich nicht vor diesem
geschrieben haben kann. Ebenso zeigt das Evangeliar der
Yorker Kapitelbibliothek die erste Seite des Matthäus -
Evangeliums „in einem runden charakteristisch englischen
Schrifttyp, der gegen 1020 (in Canterbury?) aufgekommen sein
mag, während der Rest der Handschrift einen älteren Stil
vertritt." i) Aulser den lokalen Unterschieden wäre endlich
') Otto Hombnrger, Die Anfange der Malschule von Winchester im
10. Jahrhundert, Halle 1912, S. 56.
28
die noch heute zu beobachtende Verschiedenheit der Schrift
der einzelnen Generationen zu beachten: ein alter Mann schreibt
im selben Jahrzehnt anders als sein Sohn, so dafs man bei
Datierungsangaben zum mindesten immer den Spielraum eines
Menschenalters, also 30 Jahre, lassen muls. Die richtig von
Keller beobachteten Altertüralichkeiten des Vercelli - Codex
mögen sich daher aus einer etwas konservativeren Schreibschule
oder aus dem höheren Alter des Kopisten erklären, ohne gerade
eine so frühe Datierung, wie sie Keller wünscht, notwendig
zu machen. Als einen älteren Mann möchte ich mir ohnehin
den Kopisten unserer Handschrift vorstellen, da die grofse
Seltenheit offenkundiger Schreibversehen und vor allem die
grofse Gleichmäfsigkeit der Schriftzeichen den ganzen umfang-
reichen Codex hindurch einen recht erfahrenen Abschreiber
voraussetzen.
Auf Grund der vorstehenden Erwägungen werden wir also
besser tun, es bei einer allgemeineren Zeitbestimmung bewenden
zu lassen, also die Handschrift entweder mit Holthauseni) in
die „zweite Hälfte des 10. Jahrhunderts" oder mit Brandl^)
in „das Ende des 10. Jahrhunderts" zu verlegen.
Es mag noch besonders erwähnt werden, dafs die lateinischen
Zitate ebenfalls in insularer Schrift gegeben sind, noch nicht,
wie es gegen Ende des 10. Jahrhunderts immer mehr üblich
wird, in fränkischer Minuskel.
Runen sind verwendet zu einem Namenachrostichon auf
fol. 54^ und fol. 133a. Ein einzelnes Runenzeichen ist auch
fol. 99 b Z. 15 verwendet, nämlich die Jf-Rune für das Wort
man in gefean man meaJite s^seon (= Blickling Homilies,
ed. Morris, S. 22335).
Wie schon oben erwähnt, ist die ganze Handschrift von
ein und demselben Kopisten geschrieben. Höchstens kann
zweifelhaft sein, wie weit einzelne der spärlichen Korrekturen,
die in etwas kleinerer Schrift meist über der Zeile angebracht
sind, von einer anderen Hand herrühren. Die Hauptmasse
1) Cynewtdfs Elene (Heidelberg 1910) S. IX.
2) Brandl, Geschichte der altenglischen Literatur (in Paals Grundrifs
der germanischen Philologie, Bd IT, S. 941 ff.), Strafsbnrg 1908, S.lllO.
29
dieser übergeschriebenen i) Wörter, Silben und Buchstaben
stammt jedenfalls von dem ursprünglichen Schreiber der Hand-
schrift her, wie die völlig übereinstimmende Form der Buch-
staben lehrt. Aber einige wenige, wie das ^ auf fol. 88 a Z. 16,
ra auf fol. 94a Z. 18, vorgesetztes m auf fol. 108 a Z. 8, mce^en
und J)njmme auf fol. 128a Z. 20, das nicht zum Text gehörende
(also Federprobe?) ivritjms am Fufse von fol. 63b, werden doch
wohl von anderer Hand nachgetragen sein.
Höchst fraglich ist mir, ob die Lagensignaturen von dem
ursprünglichen Schreiber herrühren. 2) Die lagenzählenden
römischen Zahlen weisen jedenfalls eine etwas andere Form
der V und X auf, als sie unserem Schreiber geläufig sind. 3)
Und jedenfalls sind die am Schluls der Lagen stehenden Buch-
staben mit anderer, nämlich völlig steiler Federhaltung ge-
schrieben und zeigen zum Teil auch Formen, die unserem
Schreiber fremd sind: man vergleiche z. B. das Ä am Fufse
von fol. 9b, das e auf fol. 40b und namentlich das f (fol. 47 b)
und G (fol. 55 b).
Sicher ist ein spätes Einschiebsel der verstümmelte Fsalmen-
vers (XXVI, 9) mit Neumen, den ein Schreiber des 13. Jahr-
hunderts auf den frei gebliebenen Raum von fol. 24 b einge-
tragen hat. Ein gleiches gilt natürlich auch von der späten
Federprobe auf der letzten Seite. Wenn aber Wülker meinte,
dafs auch der Grundtext der Handschrift „wenigstens von zwei
Händen (wahrscheinlich aber von dreien)" *) geschrieben sei,
1) Nur fol. 113 a haben wir einen kleinen Satzteil auf dem Rande
nachgetragen.
^) Sie können deswegen auch nicht als Beweis dafür angeführt
werden, wie Krapp, Andreas (Boston 1906) S. XIV, es tut, dafs die
Handschrift in ihrer ursprünglichen Form auf uns gekommen ist.
^) Wegen der 'V vgl. die Köpfe von fol. 33 »■ und 105^ mit fol. 13»
Z. 3, f. 65» Z. 18, f. 7la Z. 10, f. 124^ Z. 16, f. Vlb^ Z. 7, f 12G* Z. 29,
f. \21^ Z. 13, f. 128» Z. 4, f. 132b z. 16. Wegen der 'X' vgl. die Köpfe
von fol. 64a, 72b, 86», 92'\ 99», 105», 119», 121», 129» mit 1531» Z. 18,
f. 121» Z. 2, f. I28b Z. 28, f. 129» Z. 14, f. 131» Z. 13, f. 132» Z. 6, f. 132b
Z. 22. Erwähnt mag auch werden, dafs die Neunzahl vom Lagenzähler
mit 'IX' (f. 64'^ und 129^), vom Hauptschreiber aber mit 'Villi' (f 128»
Z. 4) dargestellt ist.
*) So im Codex Vercellensis (Leipzig 1894) S. VIL Näheres darüber
gibt er in seinem Grundri/s der angelsächsischen Litteratur (Leipzig 1885)
30
so hat Napier Zeitschrift für deutsches Altertum Bd. XXXIII
(1889) S. 67, sclion dag-egen Einspruch erhoben und die ganze
Handschrift einem Schreiber zuerteilt. Und wenn die Schrift
gelegentlich etwas kleiner (z.B. auf fol. 47a, 131a oder 132b),
etwas enger oder etwas schräger und weniger sorgfältig (beides
auf fol. 133b bis 135b = Guthlac) erscheint, i) so sind das
Schwankungen, wie sie noch heutzutage bei jedem Schreiber
innerhalb eines längeren Zeitraumes sich geltend machen.
Abkürzungen sind, wie üblich bei angelsächsischen Texten,
nur sehr spärlich verwendet. Am häufigsten erscheint der ge-
schwungene Abkürzungsbalken für in oder n^ der meist am
Ende der Wörter gebraucht ist, jedoch gelegentlich auch im
Wortiunern erscheint, z.B. in cluhuni (= dumhum) fol. 10b, ^nme
{^= grimme) fol. 10 b, lichälic {=lichamlic) fol. 2a und 16a, licäUce
(= licumlice) fol. 75a, fry].)e (= frymj)e) fol. 12a, ^enwnan^ nennen'
{== ^encemnan) fol, 13 a, tvynsünesse (= wynsumnesse) fol. 19 a,
untrünesse (= untrumnesse) fol. 19 a, iwgehyrsUnesse (= un^e-
hyrsiimnesse) fol. 90 a usw. Die Kopula ist mit wenigen Aus-
nahmen durch das bekannte, den tironischen Noten entlehnte
S. 239 an: „Die Handschrift ist nicht von einem Schreiber, sondern von
zwei oder drei Schreibern geschrieben, besonders Lage D (25 — 32) und
P (105 — 111), doch auch ein Teil von 0 ist in anderer Hand geschrieben.
Deutlich unterscheiden sich eine spitzere feinere und eine breitere Schrift,
doch scheint mir auch eine dritte Hand zu erkennen zu sein". Allerdings
wagt er nicht, wie er in einer Anmerkung hinzufügt, „ganz genau zu
bestimmen, wo die eine, wo die andere Hand anfängt. Verschiedenes
Schreibmaterial, verschiedene Beleuchtung, verschiedenes Befinden der
Augen und manches andere können auf die Züge derselben Hand einwirken.
Bekannt ist, wie man bei etwas schlechterer Beleuchtung unwillkürlich
grüfser schreibt. — Aufserdem sieheu aber gerade in unserer Hand-
schrift öfters nur ein paar Zeilen in kleinerer i^chrift, doch in gleichen
Zügen, gleich darauf aber tritt wieder die gewöhnliche Gröfse ein (vgl.
z. B. Andreas Bl. 31=»). Es ist nicht anzunehmen, dafs ein zweiter Schreiber
drei, vier Zeilen geschrieben und ihn dann gleich wieder der erste abgelöst
hätte." In der Annahme mehrerer Schreiber ist ihm Cook, Dream of the
Rood, S. VH; Holthausen, Elene, S. IX und A. Brandl, Geschichte der Alt-
englischen Literatur (Strafsbnrg 1908) S. 946 gefolgt.
*) Gerade diese Seiten der Guthlac- Legende hat Gouser im Auge,
wenn er Seite 35 sagt: „Die Schrift ist grob [sicherlich etwas viel be-
hauptet!] und zeugt von geringer Sorgfalt", was von den übrigen Teilen
jedenfalls in keiner Weise gut.
31
insulare Zeichen ^ wiedergegeben. Wo sie ausgeschrieben ist,
erscheint sie bald als ond (z.B. fol.lOb, Ha, 2Gb, 27b 41b, 42b,
43a 45a, 46b, 48a, 52b, 130a, 130b, 1,32b, 135a), bald als and
z.B. fol.54b, 55a, 57a, 58a, 60b, 62a, 63a 63b, 64a, 77b, 112b).
Auch in AYörtern wie andwlita, andsyt, andsivarode usw. wird
das Zeichen gelegentlich verwendet. Mehrmals erscheint ein s
für ^e, meist um die Vorsilbe auszudrücken (z. B, in geleafa
fol.l2b, ^edale fol.lQb, gehyrsume fol.l2a, gehrecan fol.Sb, gestyre
fol. 16a, ^csylicö fol. 16a, gcstriidiap fol. 17a, ^eopenode fol. 88a,
Secyö fol. 110a), zuweilen aber auch am Wortende zur Flexions-
bezeichnuug (o/fcTA?/f??^e fol. IIb, J^^e fol. 1 1 a, forestiliimise fol.
28b). Recht häufig wird^ für 7;fe^ undj^öw für Jionne geschrieben,
gelegentlich auch c (z.B. fol. 12b, 13a, 13b, 14a, 15a) oder cw
(fol. 15 b, 120 b) für cwced. Die öfter vorkommende Anrede 3Ien
pa leofcstan wird mit J//)a? (fol. 9a, 117b), Menpal (fol. 23b,
24b, 80a, 87 b, 16b, 17 b), MenÖl (fol. 80a) oder auch blofsem Men
(fol. 18 a) oder gar nur M (fol. 18 a, 19 a, 20 a, 20 b, 24 a, 85 a,
85b, 90b, 91b, 92a, 93a, 94a) abgekürzt. Auch alleinstehendes
men wird manchmal durch M (fol. 22 a, 80b) wiedergegeben.
Ganz vereinzelt stehen die Abkürzungen lichom (am Zeilenende
für lichoman) fol. 21», ])rU (für Jmrh) fol. 26b, aptas (für
apostolas) fol. 71b, seilt {im sciUins) fol. 80a, Joh {{m Johannem)
fol. 85b, dd (für Dauid) fol. 14a und 15a, dryli (Zeilenende),
driU (Zeilenmitte) für drillten fol. 90a und 9a (2 mal), heri^
(am Zeilende für lierigade) fol. 19 a und middan^ (für middan-
searde) fol. 21a, 26a.
Die Länge eines Vokals ist hin und wieder durch einen
akutförmigen Apex angedeutet. ') Ganz vereinzelt begegnen
Doppelschreibungen, wie tiid (fol. 25a) oder tiid (fol. 25b).
Etwas häufiger erscheinen Abkürzungen in den gelegentlich
eingestreuten lateinischen Zitaten. Da uns Ludwig Traube 2)
erst neuerdings die Wichtigkeit der Abkürzungsform^n vor
*) Für die poetischen Texte sind die Läugebezeichnuugen zusammen-
gestellt bei Rieb. Wiilker Bibliothek der cmgelsächsischen Poesie (Cassel
1888), Bd. II, S. 204 — 207. Vgl. auch W. Keller, Über die Akzente in den
angelsächsischen Handschriften (Prager Deutsche Studien VIII) Prag 1908.
'') Traube, Perroyxa Scottorum (Sitzungsberichte der bayrischen
Akademie der Wissenschaften, 1900) S. 497f. u. Nomina Sacra, München
1907, S. 214f.
32
Augeu geführt hat, seien die Kontraktionen, Suspensionen und
Symbole, die in den lateinischen Zitaten unserer Handschrift
vorkommen, hier zusammengestellt: am (== amen) fol. 94b, aut
(= autem) fol. 75b, ds {= deus) fol. 74b, di (= dei) fol. 26b,
27a, 54b, 90a, dö {= deo) fol. 25b, 28 a, dni (= doinini) fol. 75a,
dne {=domme) fol. 25a, 93b, dnm {= dominum) fol. 75a, dno
(== domino) fol. 72a, 77a, m (= esset) fol. 4b, // (= autem)
fol. 85b (2 mal), ihs, ihu oft, noJr {= nohis) fol. 4a, 25a, nri
(== nostri) fol. 54b, j; (= j^er) in lierseuerit fol. 72 a, percipite
f. 84b, p (=j;r[a]e) in praedicate fol. 26a, praeparatus fol. 84 b,
presuram f. 72a, p (= pro) in xtrohihehod fol. 85b, ^ (= qui)
fol. 27 b, qfio {^= quoniam) fol. 26b, scdm {=^ semndum) fol. 59a,
93 b, scia sclorum {^= saecula saeculorum) fol. 85 b, 90 b, 94 b,
scs, sca sehr oft, sps (== spiritus) fol. 27 b, ür (= uester) fol. 6b,
ura {=uestra) fol. 27a, 72a, uoh' {= uohis) fol. IIb, 84b, xps
sehr häufig. Die Endung -iis ist nach b mit ; {hominihus
fol. 28b) ausgedrückt. Die Kopula et ist ausgeschrieben; nur
einmal (fol. IIb) steht dafür das insulare Zeichen, was
sonst im 10. Jahrhundert für lateinisches et kaum verwendet
wird.
Als Satzzeichen zur Markierung grülserer oder kleinerer
Sprechpausen werden der Punkt oder Strichpunkt verwendet;
selten, namentlich am Schluls eines Abschnittes erscheinen : ,
oder : - .1)
111. Die Sprache der Handschrift.
Nachdem man in Vercelli selbst, wie die Rückenaufschrift
des Einbandes zeigt, lange Zeit mit der Sprache dieser Hand-
schrift nichts anzufangen wuIste, wurde dieselbe zuerst von
Professor Blume richtig als „angelsächsisch" erkannt. Die in-
zwischen erlangte genauere Kenntnis der altenglischen Laut-
lehre setzt uns heute in den Stand, den Sprachcharakter etwas
näher zu bestimmen und die Handschrift einer bestimmten
Mundart des Altenglischen zuzuweisen: nämlich dem in Süd-
^) Vgl. W. KeUer, Angelsächsische Palaeographie , S. 50f.; Luick im
Beiblatt zur Anglia, Bd. XXIII (1912) S. 228 ff.
33
westengland heimischen westsUchsisehen Dialekte, und zwar
seiner jüngeren Form, wie sie sich etwa seit der Mitte des
10. Jahrhunderts herausgebildet hat. Bei näherem Zusehen
ergibt sich weiter, dafs die Sprache kein reines Jungwest-
sächsisch ist, sondern hie und da altwestsächsische, auch einige
kentische, vor allem aber zahlreiche anglische Sprachelemente
einmengt. "Wie diese Dialektmischung zu erklären ist, muls
einer Spezialuntersuchung des Sprachcharakters der einzelnen
Texte vorbehalten bleiben. Hier sei nur darauf hingewiesen,
dafs sich prinzipiell für das Zustandekommen dieses Sprach-
zustaudes verschiedene Erklärungsmöglichkeiten ergeben. Die
gewöhnliche Annahme geht dahin, dafs die Dialektmischung
erst durch die Abschreiber hineingetragen sei. Und tatsächlich
weisen manche Anzeichen darauf hin, dafs die Mehrzahl der
Gedichte sowie verschiedene Prosatexte unserer Handschrift
trotz des westsächsischen Gewandes, in dem sie uns jetzt ent-
gegentreten, ursprünglich in anglischer Mundart geschrieben
sind. Bei der Umschrift ins Westsächsische wäre dann manches
möglicherweise von dem ursprünglichen Dialekte stehen ge-
blieben — daher die anglischen Elemente in unserer Handschrift.
Dals diese Umsetzung ins Westsächsische erst von unserem
Kopisten vorgenommen sei, scheint nicht recht glaublich. Viel-
mehr weisen altwestsächsische Sprachspuren in einigen Texten
darauf hin, dafs unser Schreiber, bereits eine südliche, auf alt-
westsächsischer Grundlage beruhende Umschrift vor sich gehabt
hat. Wie die kentischen Dialektspuren hinein gekommen sind,
ist nicht so leicht zu sagen. Jedenfalls sind sie zu spärlich,*)
als dafs man mit Brandl^) kentische Herkunft des letzten Ab-
schreibers annehmen könnte. Eher wäre die Annahme möglich,
dafs einzelne Texte vorher durch eine kentische Kopie hin-
durchgegangen sind. Vielleicht ist aber auch letztere Hypo-
these nicht einmal nötig, wenn man nämlich annimmt, dafs der
sächsische Kopist der Vercelli-Handschrift irgend einem Grenz-
distrikte nach Kent zu angehört hat.
^) Aus Jane Weightman, The Language and Dialed of the later Old
English Poetnj (Liverpool 1907) S. 70 ergibt sich, dafs in den poetischen
Teilen des Vercelli- Codex die anglischen und kentischen Sprachformen
sich etwa wie 9 : 1 verhalten.
*) Geschichte der altenglischen Literatur, S. 1110.
Studien z. engl. Phil. L. 3
34
Eine andere Erklärungsmöglichkeit ergäbe sich, wenn wir
zeigen könnten, dals ein ebensolcher Mischdialekt irgendwo in
England gesprochen oder wenigstens geschrieben worden ist.
Als wirklich gesprochenen Ortsdialekt wird sich bei dem gegen-
wärtigen Stande der englischen Mundartenforschung diese
Sprachform nun wohl nicht leicht erweisen lassen. Dagegen
kann man nachweisen, dafs dasselbe Dialektgemisch in einer
Gruppe von Handschriften begegnet, die in dem Marienkloster
zu Worcester geschrieben sind und die Werke des Worcesterer
Bischofs Wulfstan I. (1003—1016) enthalten. Es sind das in
erster Linie die von dem Schreiber Wulfgeat hergestellten Ab-
schriften Wulfstanscher Predigten in den drei Oxforder Hand-
schriften Junius 121, Hatton 113 und Hattou 114, deren Sprache
Heinrich Dunkhase 9 als im wesentlichen westsächsisch mit
mercischen Beimischungen und einigen kentischen Formen
gefunden hat. Da es sich bei diesen Predigten aus Worcester
um Texte handelt, bei denen Verfasser und Abschreiber
demselben Dialektgebiet augehören, wird die sprachliche
Mischung nicht durch Umschreiben aus einem Dialekt in den
anderen zustande gekommen sein; sondern dem Abschreiber
mufs eine solche Sprachform, wenn auch nur als geschriebene
Sprache, geläutig gewesen sein. Wir werden also, wenn wir
uns vorsichtig ausdrücken wollen, jenes Westsächsisch mit
mercisch-kentischer Beimischung, wenn nicht als Worcester-
Dialekt, so doch als Worcesterer Schulorthographie bezeichnen
dürfen und sagen können, dafs die Sprache unserer Vercelli-
Handschrift mit dieser Worcesterer Schreibsprache überein-
stimmt. Wenn sich erweisen lassen sollte, — wozu es bisher an
den nötigen Voruntersuchungen fehlt — , dafs sich diese Schreib-
sprache auf die Diözese Worcester beschränkt und nicht viel-
mehr, wofür ich Anzeichen zu haben glaube, über einen breiten
Gürtel bis Essex hin sich ausdehnt, so würde damit der Ent-
stehungsort des Vercelli-Codex festgelegt sein. Auf jeden Fall
wird man aber sagen dürfen, dafs vom sprachlichen Stand-
punkte aus der Hypothese nichts im Wege stände, dafs unsere
Vercelli- Handschrift in Worcester geschrieben ist, wo gerade
1) Heinrich Dunkhase, Die Sprache der Wulf stan' sehen Homilien in
Wulfgeats Handschriften, Jena 1906.
in der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts unter Abt Oswald
(959—992), also zur Entstehungszeit des Vereelli-Codex, ein
reiches literarisches Leben erblüht war. ') Dieser Hypothese
stände natürlich nicht entgegen, dafs einzelne Texte desVercelli-
Codex ursprünglich in anderen Dialekten geschrieben waren.
TV. Herkunft der Handschrift.
Wo die Vercelli- Handschrift geschrieben ist, und auf
welchem Wege sie in die Kapitel-Bibliothek zu Vercelli ge-
langt ist, lälst sich nicht mehr feststellen.
In dem Abschnitt über die Sprache suchten wir zwar zu
zeigen, dals der Abschreiber der Handschrift ein SUdengländer
gewesen ist. Damit ist aber zunächst noch nicht ausgemacht,
dals er wirklich in einem südenglischen Kloster geschrieben
hat, ja dals die Handschrift überhaupt in England hergestellt
ist. Sonderlich wahrscheinlich ist es freilich nicht, dals eine
so umfangreiche Handschrift in einer Sprache geschrieben sei,
die von der Umgebung des Schreibers nicht verstanden wurde.
Und wenn wir hinzuziehen, dafs die Homilien, die den Haupt-
inhalt des Manuskriptes ausmachen, doch sicherlich zum
praktischen Gebrauch beim öffentlichen Predigen berechnet
waren, so werden wir mit einiger Bestimmtheit die Hypothese
ablehnen dürfen, dafs der Vercelli -Codex auf dem Kontinent
geschrieben sei. 2) Danach würden wir also die Herstellung
der Handschrift in England selbst, und zwar im südlichen
England, als eine ziemlich gesicherte Tatsache hinstellen dürfen.
Schwieriger ist die Frage, wie die Handschrift aus Eng-
land nach Vercelli gekommen sei, schwierig besonders des-
wegen, weil uns die Handschrift selbst keinerlei Anhaltspunkte
dafür liefert, wir also lediglich auf Vermutungen angewiesen
') W. Keller, Die litterarischen Bestrebungen von Worcester in
angelsächsischer Zeit (Quellen und Forschungen zur Sprach- und Kultur-
geschichte der germanischen Völker, Heft 84), Strafsburg 1900, S. llf.
2) Jacob Grimm, Andreas und Elene (Cassel 1840) S. XL VI, glaubte,
mit dieser Hypothese rechnen zu müssen, hielt aber auch die Entstehung
in England für wahrscheinlicher.
3*
36
sind, und weil bei den mannigfachen Beziehungen zwischen
Vereelli und England der Möglichkeiten eben sehr viele ge-
wesen sind. Aber alle bisher darüber aufgestellten Theorien
sind entweder unbeweisbar oder entbehren der Wahrschein-
lichkeit. 1)
Am meisten Anhänger hat die älteste Hypothese gefanden,
die schon 1845 von einem Anonymus anlälslich einer Be-
sprechung von H. G. Knight's Ecdesiasiical ArcJütecture of
Italy (London 1843) in der Ouarterly Revietc-) vorgetragen war
und dann 1888 von Prof. Albert Cook im Bibliotheksbulletin
der Universität Californien eingehender begründet worden ist.^)
Danach wäre unsere angelsächsische Handschrift durch den
1) Aus chronologischen Gründen völlig hinfällig ist die Theorie,
welche der italienische Gelehrte Costanzo Gazzera 1S4T in einem Tnriner
Akademievortrag über 'Epigrafi ed altre antichitä cristiane vercellesi'
{Delle iscrizio7ii cristiane antiche del Piemonte discorso in 'Memorie della
reale accademia delle scienze di Torino', Seriell, Tom. XI [Torino 1S51]
p. 255) aufgestellt hat. Er vermutet dort, dafa der berühmte irische
Philosoph Johannes Scotus Eringena in Vereelli gewesen sei, und dalä
unser angelsächsischer Codex ihm gehört habe. Letzteres ist aber schon
darum unmöglich, weil unser Codex erst über 100 Jahre nach Eriugenas
Tode (ca. 877) geschrieben ist. — Ohne jeden Anhaltspunkt ist die
Hypothese von Prof. Earle (in seiner Ausgabe von Tico of the Saxon
Chronicles Parallel, Oxford 1&65, p. xxii), wonach ein uns so gut wie
imbekannter Bischof Cyneweard von Wells im Jahre 9T5 nach Rom gereist
sei und dabei unseren Codex in Vereelli zurückgelassen habe. Aber wir
wissen nicht einmal, ob dieser Cyneward je in Italien gewesen ist. Earle
folgert das nur aus der Angabe eines Gedichtes auf den König Eadgar in
den Worcester-Annalen {Saxo7i Chronicles Parallel, ed. Ch. Plummer,
Oxford 1S92 — 99, Vol. I, p. 120; Vol. II, p. 163), dafs Bischof Cyneweard
975 „von Britannien gegangen sei" (of Brytene geicät). Selbst wenn diese
poetische Phrase nicht bedeuten sollte „er starb", was doch das wahr-
scheinlichste ist, weil der Chronist Florence von Worcester (Chronicon,
ed. B. Thorpe, English Historical Society, 1S49, Vol. I, p. 145: [zu 974]
Cinewardus Smnertunensis episcopxis ohiit) 974 als Todesjahr des Cyneweard
angibt und dessen nachfolger Sigegar seit 979 urkundend (Kemble, Cod.
Dipl., Nr. 621) nachzuweisen ist. Mit demselben Rechte wie Cyneweard
könnte man jedem englischen Bischof, mit gröfserem Rechte jedem angel-
sächsischen Rompilger die Übertragung des Vereelli -Codex zuschreiben.
2) Quaterly Review, Bd. LXXV (März 1S45) S. 39Sf.
^) A.Cook, Cardinal Guala and the Vereelli Book, im Library Bulletin
No. 10, University of California (Sacramento 1S88) 8 Ss. Dazu A. Cook,
Sxqjplementary l:\ote to ' Cardinal Guala and the Vereelli Book' in 'Modern
37
italienisclien Kardinal Guala Bicchieri i) (gest. 1227) aus Eng-
land nach Vercelli gebracht worden. Dieser aus einem
Vercellenser Patriziergeschlecht stammende, sehr kluge, ge-
lehrte und für Kunst und Wissenschaft interessierte Kardinal
war von Papst Innozenz III. als Legat nach England gesandt
und hatte sich dort während seiner dreijährigen Amtstätigkeit
(1216—1218) einen gewaltigen politischen Einfiufs zu erwerben
gewufst und in Sonderheit beim Tode des englischen Königs
Johann (1216) so geschickt in den Streit der Parteien zu
gunsten des neuen, erst neunjährigen Herrschers Heinrich IL
eingegriflfen, dafs ihm dieser zu dauerndem Danke verpflichtet
blieb.2) Schon vor seiner Englandreise hatte der sehr reiche
Kardinal Schritte getan, sein Andenken durch eine Stiftung
in Vercelli dauernd zu erhalten: durch Urkunde vom 10. März
1215 hatte er sich vom bischöflichen Kapitel ein Terrain für
die Gründung eines Kanonikerstiftes abtreten lassen. Kaum
drei Monate nach seiner Rückkehr, am 20. Februar 1219, hatte
er die Freude, zusammen mit dem Bischof von Vercelli den
Grundstein zu dem neuen Gebäude, das dem Apostel Andreas 3)
Language Notes', Vol. IV, S. 212f. Siehe auch Krapp, Andreas (Boston
1906) p. X— XIV.
^) Vgl. Gualae Bicherii irreshyteri cardinalis S. Martini in Montibus
vita et gesta colleda a Philadel fo Liblco [Psendouym für den Abt Giu-
seppe Frova], Mediolani 1767 [Exemplar der Kgl. Bibl. Berlin, Sign.:
Ce 13230] und (darauf fufsend) Gioanni Lampugnani, Sulla vita di Guala
Bicchieri patrizio vercellese, prete cardinale di S. Martino ai Monti, cenni
storici, Vercelli 1842 [Exemplar der Kgl. Hof- und Staatsbibliothek in
München, Ital. 4«. 73 g].
^) Siehe H. R. Luard, On the Relations betiveen England and Borne
during the Earlier Portion of the Reign of Henry III (Cambridge 1877)
und Abbot Gasquet, Henry the Third and the Church (London 1905)
S. 27—76.
3) Die Wahl dieses Namens hat man {Quarterly Review, Vol. LXXV
[1845] S. 398) durch den Hinweis auf die englische Andreaspfründe, aus
der die Neugründung gröfstenteils ihren Unterhalt bezog, zu erklären
versucht. Indes ist zu beachten, dafs das vom Bischof abgetretene Terrain
schon vorher eine Kirche des heil. Andreas trug, die im Jahre 1169 erbaut
war. Vermutlich hat also Guala mit Rücksicht auf diese ältere Kirche
seine Neugründung nach dem Apostel Andreas benannt, wie diese denn
auch in mehreren Urkunden vom Jahre 1223 und 1224 geradezu als
'ecclesia nova S. Andreae Vercellensis' bezeichnet wird (Frova a.a.O.
S. 134ff. und Lampugnani a. a. 0. S. lu2ff.).
38
geweiht wurde, zu legen; aber erst nach fünfeinhalbjähriger
Bauzeit, am 7. Dezember 1224, konnte die feierliche Einweihung
der dazu gehörigen Stiftskirche vollzogen werden. Es war
dies die geräumige und prächtig ausgestattete Basilica di
S. Andrea, die noch heute eine Sehenswürdigkeit von Vercelli
bildet. Diese im Übergangsstil erbaute Kirche erinnert in
vielen Konstruktions- und Dekorationselementen so stark an
nordfrauzösisch - englische Vorbilder, dafs man lange Zeit an-
nahm, dafs sie von einem englischen Architekten, den Guala
mit nach Italien gebracht habe, erbaut worden sei. i) Indefs
ist 1894 von dem französischen Archäologen C. Enlart^) der
Nachweis erbracht, dals die Stileigentümlichkeiten der Andreas-
kirche zu Vercelli deutlich auf die nordfranzösische Gotik
hinweisen und dafs die Kirche also jedenfalls von den nord-
französischeu Augustiner Chorherren erbaut ist, welche Guala
aus St. Victor bei Paris berufen und in sein ueugegrtindetes
Kanonikerstift eingesetzt hatte. Die isolierte Stellung, welche
S. Andrea di Vercelli in der italienischen Kunstgeschichte ein-
nimmt, erklärt sich hienach daraus, dals die italienische Gotik
sieh sonst ganz und gar dem stidostfranzösischen Stile ange-
^) So z.B. noch Fergnsson, A Eistory of Arcliitecture (London 1865
bis 1867) Vol. II, S. 199 u. a. m. Sogar den Namen des englischen Archi-
tekten glaubte die Vercellenser Lokaltradition zu wissen: es sei ein ge-
wisser Brighint gewesen [Fergnsson schreibt fälschlich 'Brigwhite']. Diese
Angabe leitet sich indes lediglich daher, dafs man im 15. Jahrhundert in
dem Stift am 30. August den Gedenktag eines 'Joannes Dominicus
Brighinthius' feierte, der allerdings seinem irischen Namen zufolge wohl
ein Engländer gewesen sein mag (Carlo Emmanuele Arborio - Mella, Cenni
istorici sulla chiesa ed abbazia di Sant' Andrea in Vercelli, Torino 1856,
S. 27 [ein Exemplar dieses lithographierten, sehr seltenen Werkes ist in
meinem Besitz]).
*) C. Enlart, Origines frangalses de V arcliitecture gothique en Italic
(Bibliotheque des ecoles frangaises d'Athenes et de Rome, fasc. LXVI,
Paris 1894) bes. S. 18—21, 176—186 und 309; 0. Stiehl, Der Backsteinbau
romanischer Zeit, besonders in Oberitalien und Norddeutschland, Leipzig
1898. Der äufsere Skulpturenschmuck der Kirche rührt gröfstenteils von
dem bekannten, ganz auf französischer Kunst fufsenden norditalienischen
Bildhauer Benedetto Antelami her (A. Venturi, Storia deW arte italiana.
Vol. III [Milano 1904] S. 336—340). — Mit dieser Ablehnung der englischen
Herkunft der Andreas - Kirche fällt eine der Hauptstützen der Guala-
Hypothese.
39
schlössen hat, mit dem die Zisterzienser im 12. Jahrhundert
die Gotik in Italien einführten, während jene nordfranzösisehe
Bauweise der Pariser Augustiner, wie sie uns in dem Vereellenser
Andreas-Stift entgegentritt, ohne weitere Nachfolge geblieben
ist. Auch jene vermeintlichen englischen Anklänge lassen sich
nun leicht verstehen, da auch die englische Gotik auf die
nordfranzösische Schule zurückgeht.
Für den Unterhalt seiner Klostergründung hatte Kardinal
Guala in der Weise gesorgt, dafs er noch während seines
Aufenthaltes in England den englischen König Heinrich III.
dazu bewog, dem von ihm zu stiftenden Andreas-Kloster in
Vercelli die reichen Einkünfte der Priorei St. Andrews in
Chesterton, Diözese Ely, zu überweisen. ^) Durch diese Benefiz-
verleihung, welche durch königliches Patent vom 8. November
1217 betätigt wurde und bis zum Jahre 1440 dem Vercelli-
kloster verblieben ist, war also eine dauernde Verbindung
zwischen England und Vercelli hergestellt und mithin — was
für uns das Wichtigste ist — das ganze Mittelalter hindurch
die Möglichkeit eines Bücheraustausches eröffnet. Befestigt
wurde diese Verbindung dadurch, dafs Guala mit dem Kanoniker-
stift eine Schule verband, die sich bald (1228) zu einer
blühenden Universität entwickelte, die manchen Engländer,
^) Die Originalausfertigungen des kgl. Verleihungspatentes sowie der
Zustimmungsurkunde der englisclien Magnaten und der Bestätignngsurkunde
des Bischofs von Ely befanden sich noch im 18. Jahrhundert im Archiv
des Stiftes und sind von Frova a.a.O. S. lOOf. in Anmerkung r und s
abgedruckt. Päpstliche Bestätigungsbullen haben wir aus den Jahren 1223,
1227 und 1261. Als Heinrich III. grofsjährig geworden, bestätigte er die
Verleihung durch Urkunde vom 16. Januar 1239, die wir noch heute in
den 'Charter RoWs^ {Caleiular of Charter Rolls, Vol. I S. 234) lesen können.
Eine vom 20. Oktober 1420 datierte Abschrift dieser Bestätigung findet
sich im Archiv des Trinity College zu Cambridge (gedruckt von George
Williams als Anhang zu Official Correspondence of TJwmas Bekynton,
London 1872, Vol. II S.344, vgl. auch Vol. I S. LXXIX— LXXXI), dem diese
Pfründe später zufiel. Vgl. J. E. Foster, The Connection of the Church
of Chesterton ivith the Äbbey of Vercelli in 'Proceedings of the Cambridge
Antiquarian Society', Vol. XIII (Cambridge 1909) p. 185— 212. Das dort
zitierte Werk von Paste, L'ahhazia di S. Andrea di Vercelli (Vercelli 1907)
ist mir imzugänglich. — Dafs Guala 'zum Prior von St. Andreas zu Chester
[sie!] ernannt' sei, wie Wülker Codex Vercellensis -p. Y angibt, beruht auf
einem Irrtum.
40
darunter auch den berühmten Oxforder Franziskaner Adam
de Marisco (gest. 1257) anlockte. Letzterer blieb auch nach
seiner Rückkehr in die Heimat mit Vercelli in Verbindung:
in seinem Briefwechsel befindet sich ein Schreiben an den
Abt Thomas von S. Andrea di Vercelli, in welchem er diesen
um Übersendung seines neuen Werkes über das 'minisierium
thcologicum' bittet und ihm als Gegengabe die Übersendung
seiner eigenen Erklärung des Englischen Grufses ankündigt, i)
Hier also ein Beispiel eines regelrechten Schriftaustausches
zwischen Vercelli und Oxford.
Erkennen wir nun in diesen Tatsachen allgemeine Mög-
lichkeiten für den Weg, auf dem unser angelsächsischer Codex
nach Vercelli gelangt sein mag, so muls speziell noch damit
gerechnet werden, dafs Kardinal Guala selbst den Codex in
seine Heimat mitgebracht haben kann. Wenigstens wissen wir
aus einem kurz vor seinem Tode aufgenommenen Inventar, 2)
dafs unter den Büchern, die er mit seiner ganzen Habe dem
Andreaskloster hinterliels, sich wenigstens zwei 'de liitera
Anglicana' d. h. 'in englischem Schrifttypus geschriebene' und
wahrscheinlich also aus England stammende Handschriften
befanden und dafs obendrein gerade diese beiden, nämlich
eine 'bibliotheca^) de littera Anglicana, qua JD. Cardinalis ute-
iatur in capelW und ein ' Omeliarum de capella D. Cardinalis
de bona littera Anglicana' dem persönlichen Gebrauche Gualas
gedient hatten. Wenn nun auch, wie man sieht, diese beiden
Manuskripte in keiner Weise mit unserem Vercelli - Codex
identifiziert werden können, so Heise sich doch daraus eine
gewisse Vorliebe des Kardinals für englische Manuskripte her-
leiten und damit die Mitnahme eines ihm unverständlichen
angelsächsischen Codex in etwa begreiflich machen. Ja, wenn
man jenes littera Anglicana als irisch- angelsächsische Schrift
auffassen dürfte — was mir allerdings nicht angängig scheint ■*)
1) Monumenta Franciscana, ed. J. S. Brewer, Vol. I (1858) S. 206.
^) Abgedruckt bei Frova a. a. 0. S. 174 — 177 (Anm. p) und bei
Lampugnani a. a. 0. S. 125 — 130.
2) d. h. nach mittelalterlichem Sprachgebrauch 'eine Bibel'.
*) Dafs es sich hierbei nicht, wie J. E. Foster S. 187 meint, um die
Sprache, sondern lediglich um die Schrift handelt, ergeben andere Aus-
drücke der Liste, wie 'de littera Boloniensi' (vgl. Ducange s. v. Literae;
41
— , so könnte man daraus einen Beweis ableiten, dafs Kardinal
Giiala zu den Wenigen gehörte, die damals angelsächsische
Schriftzeichen überhaupt lesen konnten, was die Mitnahme des
damals in England für wertlos erachteten angelsächsischen
Codex um einiges plausibler erscheinen lassen würde.
Aus dem Vorstehenden ergibt sich also die Möglichkeit,
dafs unser angelsächsischer Codex von Guala selbst, oder in-
folge der durch ihn zwischen England und Vercelli angeknüften
Verbindungen an seinen heutigen Aufenthaltsort gekommen sei.
Sicher, oder, wie wir gleich sehen werden, irgendwie wahr-
scheinlich ist dies aber keineswegs. Und wenn manche
Forscher wie Pauli i) oder neuerdings J. E. Foster 2) und
E. A. Savage^) diese Hypothese wie eine feststehende Tatsache
Delisle, Cabinet des Mss. de la Bibliotheque Imperiale, Voll [Paris 1868]
S. 32; F. Ehrle, Historia bibliofhecae Romanonmi Pontificuyn, Rom 1890,
Vol.I 8.5(19; F. Ehrle und P. Liebaert, Specimina codicum latmorumVatica-
norum, Bonn 1912, S. XXXIf. und Tafel 43 und 44), 'de littera Parisiensi'
(Ehrle und Liebaert, a.a.O. S. XX VIII f., Tafel 41), 'de littera Lombarda',
'de bona littera antiqua Aretina' und 'de littera antiqua' (Ehrle, Hist.
bibl. Rom. Pont., Vol. I S. 5(i9). Gerade letzterer Ausdruck scheint mir
dafür zu sprechen, dafs mit obigem littera Anglicana nicht die alte angel-
sächsische Schrift gemeint ist. Wenigstens bezeichnet ein allerdings jüngerer
vatikanischer Bücherkatalog vom Jahre 1375 mit littera antiqua Hand-
schriften, die frühestens aus dem Ende des 12. Jahrhunderts stammen,
da sie Briefe des heil. Bernhard (gest. 1153) oder Peter Comestors
Historia scholastica (1170) enthalten (Ehrle, Hist. bibl. Rom. Pont., Vol.I,
S. 569 Nr. 332 und l()7(j). Wenn dieser Katalog des U.Jahrhunderts
schon eine allerhüchstens zwei Jahrhunderte ältere Minuskel als littera
antiqua bezeichnet, so würde in Gualas Inventar sich dieser Ausdruck
frühestens auf die Schrift von 1025 beziehen können, sodafs also die alte
insulare Schrift mit dem Namen littera antiqua und nicht mit littera
Anglicana bezeichnet wäre. Da die Ausdrücke Bologneser und Pariser
Schrift, wo sie sonst vorkommen, sich auf zeitgenössische Varianten der
gotischen Minuskel des 13. und 14. Jahrhunderts beziehen, so wird auch
nnser obiges littera Anglicana nicht die alte irisch-angelsächsisch^ Kursive
im Auge haben, sondern eine englische Abart der gotischen Minuskel,
also etwa eine Schrift, wie sie der 1253 in England geschriebene Codex
Urbin. 20G (Probe bei Ehrle und Liebaert, a. a. 0., Tafel 40) darstellt.
>) Geschichte von England, Hamburg 1853, S. 512; Göttinger Gelehrte
Anzeigen 1866, S. 1412.
^) Proceedings ofthe Cambridge Antiquarian Society, Vol. XIII (1909)
S. 187.
3) Old Engliah Libraries, London [1911], S. 87.
42
behandeln und andere, wie Cooki) und Krapp 2) die Sache so
gut wie bewiesen erachten, so muls dem gegenüber energisch
auf die Schwierigkeiten hingewiesen werden, die einer solchen
Annahme im Wege stehen. Zunächst muls betont werden, dals
in dem obengenannten Bücherinventar des Kardinals kein Ein-
trag sich findet, der auch nur im entferntesten auf unseren
angelsächsischen Codex sich beziehen Heise. Man könnte
diesem Einwand nur dadurch begegnen, dals man annähme,
die fragliche Handschrift sei von Guala schon vor Aufstellung
des Inventars fortgeschenkt worden. Schwerwiegender ist ein
anderer Einwand, nämlich der, dafs unser Codex keineswegs
als ein Bestandteil des Andreasstiftes auf uns gekommen ist,
sondern vielmehr dem Domkapitel gehört, und dals auch für
seine ehemalige Zugehörigkeit zu ersterem nicht das geringste
angeführt werden kann. 3) Allerdings scheinen Kirche und
Hospital von San Andrea alte Manuskripte nicht mehr zu be-
sitzen; und über den Verbleib der Bücher des Andreasstiftes
ist nichts bekannt geworden;*) möglich, dals sie ein ähnliches
Schicksal gehabt haben, wie das Archiv des Stiftes, welches
in den Eevolutionskriegen nach der Säkularisation (1802) bis
1) California Library Bulletin Nr. 10 (Sacramento 18S8); The Dream
of the Eood, Oxford 1905, S. Vf.
2) Andreas, Boston 1906, S. X— XIV.
3) AllerdiDgs meint J. E. Foster, a. a. 0. S. 187, dafs sich der Eintrag
'Item Codex' in Gualas Inventar (Frova S. 175; Lampugnani S. 126) sich
auf unsere angelsUchsische Handschrift beziehe, weil er einer näheren Be-
zeichnung entbehre. Indessen ist zu beachten, dafs der Eintrag mitten
unter lauter juristischen Büchern erscheint, und da unmittelbar vorher
{Item Digestion novum) und unmittelbar nachher {Infortiatum) Teile des
Corpus iuris genannt werden, so ist jedenfalls auch mit jenem Item Codex
ein Teil des Corpus iuris gemeint, nämlich die bekannte Konstitutionen-
sammlung, welche unter dem Namen Codex Justinianus läuft. Obendrein
ist gleich darauf im Inventar von tres lihri Codicis und einer summa
Azonis super Codicem die Rede, so dafs diese Identifizierung nicht im
geringsten zweifelhaft sein kann.
*) Im 18. Jahrhundert war die Bibliothek des Andreas-Stiftes noch
erhalten. Der gelehrte Jesuit F. A. Zaccaria besuchte sie zwischen 1742
und ] 752 und fand dort mehrere interessante Handschriften, wie z. B. einen
Beda des 10. Jahrhunderts, vor. Vgl. F. A. Zachariae excursus litterarii
per Italiam ab anno MDCCXLll ad annum MDCCLII, Venetiis 1754,
Vol. I p. 59.
43
auf wenige Stücke verloren gegangen ist. i) Aber diese Lücke
in unserem Wissen ist für unsere Frage deswegen irrelavent,
weil wir nachweisen können, dafs unsere angelsächsische Hand-
schrift schon vor der Säkularisation nicht dem Andreasstifte
gehört, sondern sich — was man bisher nicht beachtet hat 2) —
mindestens schon im Jahre 1748, wahrscheinlich aber bereits
im Jahre 1602 in der Dombibliothek befunden hat. Aus dem
Jahre 1748 haben wir nämlich einen Briefe) des berühmten
Bibelforschers und Handsehriftenkenners Giuseppe Bianchini
(1704 — 1764) aus Verona an den Kardinal Carlo Vittorio delle
Laneie, in dem ersterer über die auf seinen verschiedenen
Reisen eingesehenen Manuskripte des 'archivio Eusehiano di
VercclW, d. h. der Dombibliothek, berichtet. In diesem Briefe
handelt er besonders ausführlich über 'ü codice segnato col
man. 41 . . . in lingua ignoia', der — darüber kann aus seinen
Angaben und dem lateinischen Titel mehrerer Predigten gar
kein Zweifel bestehen^) — mit unserem altenglischen Codex
identisch ist. In dem von demselben Bianchini abgefafsten
Elencus Mss. hibliothecae seit arcliivii Eiisehiani cathedralis
Vercellensis^) wird unser Codex nochmals deutlich bezeichnet
*) Siehe Arborlo-Mella, a. a. 0. S. 17 und 25. Auszüge ans den Urkunden
des Stiftes, die im Jahre 1709 gemacht sind, befinden sich jetzt im Archivio
della Curia Arcivescovile zu Yercelli. Manche jetzt verschollene Urkunde
hat im Jahre 1767 Abt Frova in seinem Leben Gnalas gedruckt und da-
durch für uns gerettet. — Wenn Foster a.a.O. S. IS" behauptet, 'the
CardinaVs nianiiscripts icere early absorbed iji the library of the Cathedral
at Vercelli', so ist dies eine durch nichts zu stützende Vermutung, die
auch jeder Wahrscheinlichkeit entbehrt. Und wenn Fuster weiter erklärt,
dafs in einem (gleich noch zu besprechenden) Inventar der Dombibliothek
vom Jahre 1602 verschiedene von Gualas Büchern sich wiedererkennen
lassen, so ist darauf zu erwidern, dafs natürlich jede mittelalterliche
Bibliothek ihre Bibeln, ihre Homilien von Gregor und Augustin u. a. m.
besafs, dafs aber ein irgendwie charakteristisches Detail, das eine auch
nur wahrscheinliche Identifikation zweier Einträge ermöglichte, nicht er-
scheint.
-) ;Nachträgllch sehe ich, dafs schon J. E. Foster darauf hinge-
wiesen hat.
') Gedruckt bei G. De -Gregory, Istoria della vercellese letteratura
ed arti, Parte IV (Torino 1S2^) S. 554-560.
*) Siehe den Abdruck der ganzen Stelle weiter unten auf S. 55.
*) Abgedruckt bei De-Gregory, a. a. 0. IV S. 562—566.
u
als Nr. 41 (CXVII) Codex saeculi X. Liher ignotae linguae,
Videtur über Homiliarius per anni eireulum, id constat ex non-
nullis nihricis latine conscriptis {linguae thcotiscae). Wenn
unser Manuskript wirklich durch Kardiual Guala nach Vercelli
gekommen wäre, so würde es zum mindesten sehr sonderbar
sein, dals wir hier im Jahre 1748 den Codex nicht im Andreas-
stift, sondern in der Dombibliothek vorfinden, i) Dafs die
Handschrift schon um 1600 im Dome war, möchte ich aus
einem anderen, zwar nicht ganz so sicheren, aber kaum anders
deutbaren Zeugnis schlielsen: in dem alten Kataloge 2) der
Vercellenser Dombibliothek, welchen der bischöfliche General-
vikar Giovanni Francesco Leone am 5. Juni 1602 aufgezeichnet
hat, findet sich unter Nr. 90 der Eintrag 'Liher Gothicus, sive
Langohardus, {eum legere non valeo)\ der sehr wohl auf
unsere altenglische Handschrift passen würde und höchst-
wahrscheinlich dieselbe wirklieh im Auge hat. Wenn diese
Deutung richtig ist, würde unser Codex also schon um 1600
in der Dombibliothek gewesen sein, und nicht in dem Andreas-
stift, was einigermafsen gegen die Guala-Hypothese spricht.
Endlich noch ein letzter Einwand, der mir der schwer-
wiegendste von allen zu sein scheint: nämlich der, dafs sich
kein einigermafsen befriedigendes Motiv auffinden läfst, das
den Kardinal Guala zur Mitnahme einer ihm und den Seinen
gänzlich unverständlichen und dazu nach Format und Umfang
reichlich grofsen, also schwer transportablen Handschrift habe
veranlassen können. Dafs Guala für die englische Sprache
oder überhaupt für germanisch- englische Kultur Interesse ge-
wonnen haben könnte, ist trotz seines Aufenthaltes in England
Dach Lage der damaligen Verhältnisse^) so gut wie ausge-
schlossen. Vielmehr wird er dort ausschlielslich mit den
französisch sprechenden und von französischer Kultur durch-
drungenen Kreisen des englischen Klerus und Hochadels in
Berührung gekommen sein. Und dafs er von französischer
') Cook, California Library Bulletin S. 7 scheint beide für identisch
za halten.
-) Abgedruckt bei G. De-Gregory, a. a. 0. IV S. 567—569.
^) Über die Französieruug des damaligen England siehe z. B. Behrens
in Pauls Grundriss der germanischen Philologie (Strafsburg * 1901) Bd. I
S. 952f.
45
Bildung eingenommen war, die er 1215 als päpstlicher Legat
in Paris aus eigener Anschauung kennen gelernt hatte, lehrt
zur Genüge die eine Tatsache, dafs er in sein neugegrlindetes
Andreasstift nicht Landsleute, sondern französische Kanoniker, i)
nämlich die Augustiner Chorherren von St. Victor bei Paris,
einsetzte (1223), als ersten Abt einen Franzosen, den gelehrten
Thomas von Paris (gest. 1246) berief und dals er die Kirche
seines Stiftes von nordfranzösischen Architekten erbauen liefs.
Wir können aber auch von der Person des Kardinals Guala
ganz absehen und ganz allgemein behaupten, dals im 13. Jahr-
hundert wohl kaum ein Mitglied des höheren Klerus sich für
eine altenglische Handschrift interessierte und einen in alt-
englischer Sprache abgefafsten Text verstehen, ja überhaupt
die insularen Schriftzeichen des 10. Jahrhunderts hätte lesen
können. Bekannt ist, dafs die in irisch-angelsächsischer Schrift
geschriebenen Codices in den mittelalterlichen Bibliotheken
2L\%lihri Scottici,'^) weil unlesbar, beiseite gestellt wurden; und
ein in insularer Schrift lateinisch glossierter Psalter 3) der
St. Martin's Priorei zu Dover erhielt sogar den Bibliotheks-
vermerk: 'Psalterhmi vetus glosatum ydiomnte mcognito'. Die
altenglische Sprache konnten nicht einmal geborene Engländer
am Ende des 12. Jahrhunderts mehr völlig verstehen, wie uns
zahlreiche lateinische Glossen in altenglischen Handschriften
beweisen. *)
Wenn wir dies alles erwägen, so muls es uns im höchsten
Grade zweifelhaft dünken, dals ein angelsächsischer Codex
gerade im 13. Jahrhundert — und noch mehr gilt das vom
') Vgl. Arborio-Mella, Cenyii istorici sulla chiesa ed abbazia di
St. Andrea in Vercelli S. 45 f.
'^) G.Becker, Catalogi bibliothecarum antiqui (Bonn 1885) S. 323;
Gottlieb, Über mittelalterliche Bibliotheken (Leipzig 1890) S. 320 f. ; L. Traube,
Perrona Scottorwn (Bayer. Sitz.- Ber.), München 1900, S. 529— 532~.
3) Jetzt in Cambridge, St. John's College, Ms. Nr. 9 ; vgl. M. R. James,
The Ancient Libraries of Canterbury and Dover (Cambridge 1903)
S. LXXXV und 523.
*) So schlimm um die Kenntnis der altenglischen Sprache stand es
selbst im Marienkloster zu Worcester, das bis an das Ende des 12. Jahr-
hunderts eine besonders eifrige Pflegestätte der heimischen Sprache ge-
wesen war. Vgl. W. Keller, Die litterarischen Bestrebungen von Worcester
in angelsächsischer Zeit (Strafsburg 1900) S. 20,
46
14. und 15. Jahvliundert — aus England nach Vercelli gebracht
sein sollte. Es mölste denn sein, dals er geradezu durch eine
Laune des Zufalls oder als reine Kuriosität mitgenommen wäre.
In der Tat greifen die Anbänger der Guala- Hypothese zu einer
ähnlichen Begründung, indem sie annehmen, dafs Guala nur
deswegen den sonst für ihn wertlosen Codex an sich genommen
habe, weil sich darin ein Gedicht auf den heil. Andreas befand,
und er sich gewissermolsen unter dem Schutz dieses Heiligen
stehend fühlte.') Das letztere mülste aber erst noch bewiesen
werden. Denn einen Beweis dafür vermag ich darin nicht zu
sehen, dafs Mattbaeus Parisiensis 2) nach Art mittelalterlicher
Chronisten, die gern Heiligentage zu Zeitangaben benutzen,
ihn seine Rückkehr nach England 'circa festum St. Ändreae'
— andere geben obendrein ein ganz anderes Datum an 3) —
antreten läfst, oder dafs König Johann von England am Vor-
abend de3 Audreasfestes im Jahre 1215 — also zu einer Zeit,
wo Guala erst auf dem Wege nach England war 4) — die
Stadt Eochester erobert hat. °) Und dafs die Benennung von
Gualas Vercellenser Klosterstiftung nach einer älteren dort
befindlichen Andreaskirche erfolgt ist, wurde schon oben- aus-
einandergesetzt.
Aber selbst wenn man mit der Möglichkeit rechnen wollte,
dafs Guala dem heil. Andreas besondere Verehrung entgegen-
brachte, so ist nicht sonderlieh wahrscheinlich, dafs er oder
irgend ein anderer damals herausgefunden hätte, dafs unser
Codex ein Gedicht auf den Apostel Andreas enthält, zumal
der Name des Andreas nirgendwo in dem fortlaufend als Prosa
') Cook, a a. 0. S. 7, erinnert in diesem Zusammenhange daran, dafs
Guala, wie alle Kardinäle, Titularpresbyter einer römischen Kirche, und
zwar von San Martino ai Monti war, und dafs unser Codex eine Homilie
auf den heü. Martin enthält. Er scheint aber selbst diesem Zusammen-
treflfen wenig Bedeutung beizulegen, worin ich ihm nur durchaus bei-
stimmen kann.
^) Chronica Majora, ed. H. R. Lnard, Vol. III (1S76) S. 42 f.
^) Die Annalen von Waverley {Annales monastici, ed. H. R. Lnard,
Vol. II [ 1 S65] S. 291 ) geben als Datum der Abfahrt : ' circa festum S. Ckmentis,
d. h. den 23. November.
*) Guala landete in England erst am 19. Mai 1216.
5) Higden, Polychronicon 1. VII c. 33 (ed. Lumby, Vol. VIII [1S82]
S. 194).
47
geschriebenen Texte an augenfälliger Stelle ersclieint. Wie
schwer dies überhaupt für einen Nichtfachrnann herauszufinden
ist, geht schon daraus hervor, dafs ein so gewiegter Iland-
schriftenkenner wie Giuseppe Rianchini, der sich offenbar die
Handschrift recht genau angesehen hatte, nicht bemerkt hat,
dafs in dem Codex etwas über den heil. Andreas steht.
Nach sorgsamster Erwägung all dieser Umstände komme
ich zu dem Ergebnis, 1. dafs es nicht gerade unmöglich, aber
doch sehr unwahrscheinlich ist, dafs unser angelsächsischer
Codex durch Guala oder sein Andreasstift nach Vercelli gelangt
sei, und 2. dafs überhaupt die ganze Zeit vom 13. bis zum
15. Jahrhundert als ein höchst unwahrscheinlicher Zeitpunkt für
die Herübernahme des Codex anzusehen ist. Positiv läfst sich
aber daraus der Satz ableiten : Wenn unser Vercelli - Codex
überhaupt als Lesestoff und nicht nur als reine Kuriosität
nach Vercelli mitgenommen ist, so kann dies überhaupt nur
in der Zeit zwischen 1000 und allerhöchstens 1175 geschehen
sein. Denn dies ist der einzige in Betracht kommende Zeit-
raum, in dem man Schrift und Sprache des Codex noch wirk-
lich lesen konnte. Und wenn wir die gröfsere Wahrschein-
lichkeit mitsprechen lassen wollen, so werden wir diesen
Zeitraum sogar noch um 50 bis 75 Jahre verkürzen dürfen,
da nach 1125 die heranblühende französische Theologie so
völlig alles beherrschte, das Interesse und Verständnis für
einen altenglischen Codex selbst in England nur noch eine
vereinzelte Liebhaberei bleibt, und weil im Mittelalter die
Wertschätzung eines Manuskriptes in genauem Verhältnis zur
Hohe seines Alters abnimmt.
Mit mehr Sicherheit ward man sich über diese Frage
äufsern können, wenn es gelingen sollte, mehr Licht in die bis
jetzt ganz ins Dunkel gehüllte Geschichte ^) der jedenfalls sehr
^) Siehe die spärlichen Angaben, die sich ans den bei G. Ottino e
G. Famagli, Bibliotheca hihliogra])hica Italica (Rom 1S89) Vol. I S. :iö4f.
und U. Chevalier, Repertoire des sonrces historiqiies du Moyen-Age. Topo-
BihUographie (1903) S. 3270 angeführten Werken gewinnen lassen. Dazu
demnächst noch M. Vattasso, Codici Vercellesi. — Die Gründung der Dom-
bibliothek wird dem Bischof Atto von Vercelli (924—961) zugeschrieben.
Nach allem, was wir über diesen ungemein belesenen und rege schrift-
stellerisch tätigen Bischof wissen (vgl. Julius Schulz, Atto von Vercelli,
48
alten Dombibliothek und namentlich über die Herkunft der
vielen, mit unserer Handschrift gleichaltrigen Codices dieser
Bibliothek zu verbreiten. Iq einem Einzelfalle ist dies nun
schon auf Grund des zur Zeit vorliegenden Materials möglich.
Von den zahlreichen alten Codices der Dombibliothek ist
wenigstens noch einer nachweislich über die Alpen nach Vercelli
gekommen. Es ist dies der ein Gregorianisches Sacramentar
des 10. Jahrhunderts enthaltende Codex Nr. CLXXXI, der in
einer nur wenig jüngeren Hand folgenden Eintrag ') am Ende
aufweist :
Nouerit astantium et futurorum popalonim pia deuotio, qnemad-
modum Erkaubaldus, sancti Fuldensis coUegii prouisor indignus,
Heinricho, sanctae Uairziburgensis praesali uenerabillimo , librum hnnc
missalem deos sanctisque suis seruiendum prestetit, eo dicto, ut post
terminnm uitae suae ad dei sauctique Bonifatü seruitinm sine dilatione
praeseutetur.
Diese Notiz lälst sich zeitlich einigermalsen fixieren, da wir
die darin genannten Bücheraustauscher gut identifizieren können.
Es sind dies auf der einen Seite der 18. Abt des Benediktiner-
stiftes zu Fulda namens Erkanbald, der 997 an die Spitze
seines Klosters berufen wurde und 1011 starb, 2) auf der anderen
Seite der Würzburger Bischof Heinrich L, der von 995 bis
1018 diese Würde inne hatte. 3) Mithin muls jene Notiz
zwischen 997 und 1011 geschrieben sein. Wie wir hier die
Beiden durch ein geliehenes Buch verbunden sehen, so treten
sie auch zusammen handelnd in der Geschichte auf: als sie
nämlich im Auftrage des deutschen Kaisers Heinrich II. im
Göttingen 1S85), hat er jedenfalls grofsen Wert auf eine gute Bibliothek
gelegt und darum höchstwahrscheinlich den Grund zur heutigen Dom-
bibliothek gelegt. Überdies weisen viele der zahlreichen alten Codices
des 10. und 1 1. Jahrhunderts der Dombibliothek einen so gleichmäfsigea
Typus auf, dafs man sie alle demselben Skriptorium, also wohl dem in
Attos Kloster, zuweisen möchte. Einige sicher damals in Vercelli ge-
schriebene Handschriften nennt D. Luigi Bruzza, Delle lodi della cittä di
Vercelli orazione (Vercelli 1842) S. 49, Aum. 36.
^) Abgedruckt von Friedrich Blume, Iter Italicum, Berlin und
Stettin 1824, Bd. I S. 99.
^) Fr. Scbannat, Historia Fuldensis, Frankfurt a. M. 1729, S. 134 f.
^) A. E. Ussermannus, E-piscopatus Wirceburgensis , Freiburg 1794.
49
Jalire 1003 geraeinsam eine Strafexekution an der fränkischen
Burg- Schweinfurt zu vullzieheu hatten. Möglich, dafs seit
jener Zeit erst ihre Freundschaft datierte, die zur lebensläng-
lichen Überlassung jenes Sacramentars an den WUrzI)urger
Bischof fübrte. Ob das Buch nun nach des Bischofs Tode
wieder nach Fulda zurückgegeben ist und von dort aus den
Weg über die Alpen genommen hat, oder ob es direkt von
Würzburg aus nach Vercelli gekommen ist, wird sich kaum
mehr bestimmen lassen. Aber bei den engen Beziehungen, die
zwischen Deutschland und der Lombardei im 11. und 12. Jahr-
hundert bestanden, kann die Übertragung eines Codex aus
irgendeinem deutscheu Kloster nach Vercelli nicht das geringste
Befremden erregen, zumal gerade das Bistum Vercelli im
Mittelpunkt jener Kämpfe der lombardischen Bischöfe gegen
den Markgrafen Arduiu von Ivrea stand, die das mehrmalige
Eingreifen der deutschen Kaiser nötig machten. Auf einem
dieser Züge gegen Arduin (989) batte der obengenannte Fuldaer
Abt Erkanbald seinen Kaiser Otto III. nach Italien zu begleiten.
Und im Jahre 1002 treffen wir den Bischof Leo von Vercelli
beim deutschen Kaiser Heinrich II. in Bayern (Regensburg?),
um von ihm Hilfe gegen Arduin zu erbitten, i) Mehrere Deutsche
sal'sen im 10. Jahrhundert auf italienischen Bischofstühlen. Und
ähnliehe Tatsachen lielsen sich noch mehrere erbringen. Sicher-
lich können wir also behaupten, dals die Beziehungen Vercellis
zu Deutschland im 11. und 12. Jahrhundert so rege und in-
tensive w-aren, dafs damit die durch Guala später angebahnten
Verbindungen auch nicht im entferntesten verglichen werden
können.
Gerade die genannten beiden Orte, Fulda und Würzburg,
sind zudem aber auch rege Pflanzstätten der irisch -angel-
sächsischen Mission gewiesen und haben seit Alters her und
lange Zeit hindurch enge Beziehungen zu England unterhalten.
In Fulda entsteht sogar eine blühende Schreibschule, die sich
des insularen Alphabetes bedient; 2) Fulda habe „durchaus
^) Samuel Lüwenfeld, Leo von Vercelli (Göttinger DissertatioD, Posen
1877) S. 24f.
2) Ed. Heydenreich, Das älteste Fuldaer Cartular im Staatsarchive
zu Marburg, Leipzig 1899.
Studien zur engl. Phil. L. 4
50
insulare Kultur", sagt geradezu Traube. ') Und älmlich alte
Beziehungen zu England hat Würzburg, das heute noch mehrere
aus England stammende oder in der Insulare geschriebene
Handschriften aufweist."'') In Sonderheit ist hier auf die
Handschrift Mp. th. qu. 2 der Würzburger Universitätsbibliothek
zu verweisen, die im 6. Jahrhundert in einem norditalienisehen
Kloster geschrieben ist, dann um 700 in einem Kloster in oder
bei Worcester sich befand'*) und schlielslieh in der zweiten
Hälfte des 9. Jahrhunderts in der Dombibliothek zu Würzburg
auftaucht. Halten wir nun die beiden Tatsachen zusammen,
dafs einerseits eine der Vercelli- Handschriften — jenes oben
genannte Gregorianische Sacramentar — aus Würzburg oder
Fulda kam, andererseits aber Würzburg und Fulda Hand-
schriften aus England empfingen, so ergibt sich die weitere
Möglichkeit, dafs unsere altenglische Handschrift nicht auf
direktem Wege nach Vereelli gelangt ist, sondern vielleicht über
eines der deutschen Klö.ster mit insularer Kultur, also etwa
über Fulda oder Würzburg. Dafs die Beziehungen zwischen
Norditalien und Deutschland gerade im 11. und 12 Jahrhundert
besonders enge waren, also gerade in einem Zeiträume, den
wir oben a priori als den wahrscheinlichsten Zeitpunkt für
die Übertragung unserer alteuglischeu Handschrift erkannt
haben, verleiht einer soleheu Annahme nur noch mehr Wahr-
scheinlichkeit, Ja, mau könnte sogar mit einem gewissen
Kechte vermuten, dafs jene beiden Vereelli -Manuskripte auch
zusammen nach Vereelli gelaugt sind und vielleicht auch sonst
1) Vorlesungen und Abhandlungen, Bd. II (Müuclien 191 1) S. 23.
'^) L. Chr. Stern, Epistolae. beati Pauli glosatae glosa interlineali.
Irisch-lateinischer Codex der Würzhur ger Universitätsbibliothek, Halle 1910;
Brand), Chroust's Fund einer der ältesten angelsächsischen Aufzeichnungen
im 'Archiv für das Stadium der neueren Sprachen und Literaturen'
Bd. CVII, Braunschweig l',)'il, S. 103 — 105. In insularer Schrift geschrieben
sind nach meinen Notizen z.B. die Würzburger Dss. Mp. th. fol Gl, 62, 65,
69, 78, 79; th. q. 32 und 26 (alle s. VIII); Mp. th. q. 2Sb (um 800); Mp.
foL 13, 48, 66 (alle s. IX).
^) Sie gehörte laut Eintragung auf dem ersten Blatte der Äbtissin
CuÖswiö {Cuthsauithae boec thaerae abbatissan), die sich als Vorsteherin
eines Worcesterer Klosters um 700 nachweisen läfst; siehe Chroust, Monu-
menta palaeographica, V (München 19oO) Tafel 2 und 3 und 'Archiv für
neuere Sprachen' Bd. CVII S. 103
r
1
gleiche Scliieksale gehabt haben. Wenigstens stimmt gut zu-
sammen, dafs sowohl jene Würzburger Cuthswith-Handsehrift,
als auch unser altenglischer Vercelli- Codex nach derselben
Gegend England?, nämlich dem Bistumc Worcester hinweisen. i)
Nach allem halte ich es also für nicht ausgeschlossen, dafs
unser angelsächsischer Vercelli- Codex auf dem Umwege über
Würzburg oder Fulda im 11. oder 12. Jahrhundert nach Vercelli
gelangt ist. Auch dies ist selbstverständlich nur eine Hypo-
these, aber eine Annahme, die manche AVahrscheinlichkeits-
grnnde für sich hat und nicht mit solchen Schwierigkeiten zu
kämpfen hat, wie die Guala-llypothese.
Eine dritte Hypothese hat endlich Richard WUlker mit
folgenden Worten aufgestellt'^):
"Wie mir in Vercelli mitgeteilt wurde, befand sich dort schon ziem-
lich frühe ein Hospiz für angelsächsische Pilger, welche nach Rom
wollten. Vercelli liegt ja auch für jeden, der über den Moiit Cenis, den
kleinen oder grofsen St. Bernhard wollte (dies waren im frühern Mittel-
alter die Strafsen. welche für einen Angelsachsen in Betracht kamen),
geradezu auf dem "Wege nach Rom. Hier mag bei dem Hospiz auch
eine kleine Bibliothek gewesen sein und aus dieser dann später die
Handschrift in den Besitz der üombibliothek übergegangen sein."
Das Hospiz, das Wülkers Gewährsmänner hier im Auge
hatten, ist nicht, wie Krapp a. a. 0. S. X meint, das Ospedale
di S. Andrea (jetziges Ospedale Maggiore), das Kardinal
Guala 1224 gegründet hat, sondern vielmehr das Ospedale
di S. Brigida degli Scoti,^) das schon in der zweiten Hälfte
>) Siehe oben S. 34.
'^) Grunch-iss zh7- Geschichte der angelsächsischen Litteratur (Leipzig
1885) S. 237; Codex Vercellensis (Leipzig 1894) S. VI; Anglia V, 454 und
Xn, 029.
ä) Vgl. D. Luigi Bruzza, Delle lodi della cittä di Vercelli orazione
(Vercelli 1842) S. 4S Anui. 33, der eine handschriftliche Memoria sopra
V ospedale degli Scoti von seinem Freunde Vittorio Mandelli herbeiziehen
konnte. Für die so frühe Gründung des Schottenspitals im 6. Jahrhundert
haben wir (nach Bruzza) keinen anderen Anhaltspunkt als die Angabe
des Vercellenser Historikers Cusano in seinen Discorsi istoriali concernenti
la vita ed azioni dt' Yescovi di Vercelli (Vercelli 1C76) S. 205 und seiner
handschriftlich auf der Vercellenser Stadtbibliothek liegende Storia di
Vercelli. — Mit dem Schottenspital darf nicht verwechselt werden ein
drittes der 15 alten Spitäler Vercellis, das Ospedale dei Pellegrini, detto
di S. Giacome delle Cascine di Strä, welches von Gualas Neffen Pietro
Bicchieri gegründet und 1557 ebenfalls mit dem Andreas -Spital ver-
4*
52
des 6. Jahrhundert gegründet sein soll, sieher aber sieh bis in
die zweite Hälfte des 12. Jahrhunderts zurückverfolgen läfst
und am 27. August 1343 mit dem Andreas -Spital vereinigt
worden ist. Das Schottenspital wird also wohl alt genug
gewesen sein, um die Vermittlerrolle für unseren altenglischen
Codex gespielt zu haben. Da mir aber über die Geschichte
dieses Instituts und seine Einrichtungen nichts vorliegt, vermag
ich nicht zu beurteilen, wieviel Wahrscheinlichkeit die
Wülkersche Hypothese in Anspruch nehmen kann. Immerhin
scheint die ehemalige Existenz eines solchen Schottenspitals
doch zu beweisen, dals der Zustrom irisch -angelsächsischer
Kleriker nach oder durch Vercelli kein geringer gewesen ist.
Es mag dies auch damit zusammeuhäugen, dafs Vercelli nicht
nur auf dem Wege nach Rom, sondern auch auf dem Wege
nach dem weltberühmten lombardischen Schottenkloster Bobbio
liegt, das, von dem Iren Columban um 598 gestiftet, lange
Zeit seine Beziehungen zu England aufrecht erhalten hat. i)
Weiter ist es wohl noch nützlich, darauf hinzuweisen, dafs
im September 1050 zu Vercelli eine Synode 2) stattfand, an der
schmolzen ist. Vgl. Domenico Soria, Giiida di Vercelli (Vercelli 1857)
S. 27. — Wenn Arborio-Mella, a.a.O. S. 3S, diese Scoti den heutigen
Schotten gleichsetzt, so ist daran zu erinnern, dafs im früheren Mittelalter
das lateinische Scoti für alle Bewohner des luselreiches, also sowohl die
keltischen Iren, wie die germanischen Angelsachsen, gebraucht wird.
1) Reiches Belegmaterial hierfür ist sicherlich in Ludwig Traubes
Nachlnfs in dem Konvulut über 'Insulare Halbunziale' {Vorlesungen und
Abhandlungen, Bd. I S. LXIV) zu finden, vor allem in dem Kapitel über
'Das Verhältnis zwischen der irischen und italienischen Schreibschule in
Bobbio.'
2) Regesta Fontificum, ed. Jaffe (M8S5) Bd. I S. 538; A. Freeman,
The ^Norman Conquest Vol. II S. 112—117; W.Hunt, The English Church
from its Foundation to the Norman Covquest (London 1899) S. 404. Dafs
diese Synode und ihr Befund in England Eindruck gemacht hat, lehren
die Einträge in den altenglischen Annalen. In den Peterborough-Annalen
z.B. heifst es (zum Jahre 1047!): se papa hcefde sinoÖ on Uercel [man
beachte die französische Namensform I] ; 7 Ulf hiscop com ßoir-to 7 /b»*-
neah man sceolde to-hrecan his stef, gif he ne sealde pe mare gcrsuman;
fordan he ne cuöe don his ge-rihte swa wel, swa he sceolde, und der
Worcester-Annalist schreibt in sichtlicher Entrüstung (zum Jahre 1 U50) : he
(d.i. Ulf) icces syööan of-adryfon, forpan-pe he ne grefremede naht biscoplices
poeron, sioa poet us sceamad hit nu mare to tellanne (ed. Plummer Vol. I
p. 170f. und Vol. II p. 233).
53
nachweislich der englische Bischof Ulf von Dorehester (1050
bis 1052) teilgenommen hat, um sich vom Papste seine Kon-
sekration zu holen. Ganz ausgeschlossen, dafs Bisehof Ulf
unsere Handschrift mit nach Vercelli genommen habe, ist es
ja nun freilich nicht, zumal die Sprache unseres Codex die
Gegend von Dorchester nicht ausschlösse. AVahrscheinlich will
es mir aber nicht bedlinken, weil nach dem, was wir von Ulf
wissen, bei ihm weder allgemeine literarische Interessen, noch
speziell irgendein Interesse für die altenglisehe Sprache voraus-
gesetzt werden kann. Denn einerseits wurde er von der
bisehöflichen Prüfungskommission in Vercelli als zu unwissend
für das Bischofsamt befunden, andererseits stand er politisch
ganz auf Seite der französischen Partei, wobei es gleichgültig
ist, ob er, wie uns Florence von Worchester berichtet, ein
Normanne, oder, wie sein Name vermuten Ulf st, ein Skandinavier
gewesen ist.i)
Endlich möchte ich selbst noch auf eine fünfte Möglich-
keit aufmerksam machen. Wenn wir oben den Zeitpunkt für
die Überführung des Codex nach Vercelli auf das 11. und
12. Jahrhundert beschränken zu dürfen glaubten, so mufs das
dahin erweitert werden, dals im Renaissancezeitalter allerdings
der Eifer für alte Handschriften so grols war, dafs damals
auch ein Codex, den man zunächst nicht lesen konnte, mitge-
nommen werden konnte. Nach einer allerdings, wie es scheint,
recht unsicheren Lokaltradition, die Neigebaur im Serapeum,
Bd. XVIII (1857) S. 184, verzeichnet, -vermutet' man eine so
späte Übertragung für die obengenannte Handschrift des
Gregorianischen Sacramentars, das aus Würzburg-Fulda stammt:
" Wie diese Handschrift von Würzburg nach Vercelli gekommen,
darüber ist keine Spur aufzufinden; doch vermutet man, dals
hiesige Bischöfe als geistliche Legaten nach Deutschland ge-
schickt wurden, z. B. Geanfrancesco Bonomio und Geanstefano
Terrerio zu Ende des 16. Jahrhunderts, welche sie erworben
haben könnten." Wenn diese Lokaltradition das Richtige
träfe, so wäre es sehr wohl möglich, dafs auch unser
angelsächsischer Codex erst in der Renaissance in Deutschland
*) Erik Bjürkman, Noi'dische Personennamen in England (Halle 1910)
S. 165 f. und Zur englischen Namenkunde (Halle 1912) S. 89 f.
54
aufgekauft und nach Vercelli gebracht sei. Aber Anhaltspunkte
hierfür lassen sieh aus der Handschrift selbst nicht gewinnen.
Doch sei nochmals darauf hingewiesen, dafs allerdings um
1600 (siehe oben S. 44) der Codex schon in der Dombibliothek
gewesen sein wird.
Zusammenfassend würde man sich also über die Herkunfts-
frage folgeudermafsen äufsern dürfen. Der gröfsten Wahr-
scheinlichkeit nach wird unser angelsächsischer Codex ent-
weder im 11. oder 12. Jahrhundert nach Vercelli gekommen
sein , oder aber vielleicht erst im 16. Jahrhundert durch
humanistische Bücherverkäufer erworben w^orden sein. In der
dazwischenliegenden Zeit hatte niemand ein Interesse an einer
alteuglischen Handschrift. Die Übertragung kann erfolgt sein
entweder direkt von England aus, — in welchem Falle neben
vielen anderen Möglichkeiten auch das Schottenhospital in
Vercelli eine Rolle gespielt haben mag — , oder durch Ver-
mittelung irgend eines kontinentalen Klosters mit englischen
Verbindungen, sei es eines deutscheu, wie etwa Würzburg oder
Fulda, oder auch eines französischen, wie z. B. die von dem
Iren Columbau gegründete Abtei Luxeuil, die in engsten Be-
ziehungen zu Bobbio stand, oder Fleury, das sich nach der
cluniazensischen Reform einer führenden Stellung im Bene-
diktinerorden erfreute. Wenig wahrscheinlich ist es, dafs der
Codex durch den Kardinal Guala zu Beginn des 13. Jahr-
hunders nach Vercelli gelangt ist.
V. Gescliiclite des Bekanntwerdeiis
der Handschrift.
Die älteste Spur unseres Codex scheint jener schon oben
erwähnte Eintrag in dem Bücherinventar des Domes zu Vercelli
zu sein, welches der bischöfliche Generalvikar Giovanni
Francesco Leone im Jahre 1602 angefertigt hat. ^) Dort er-
scheint als Nr. 90 ein
^) Abgedruckt bei G. De-Gregory, Istoria della vercellese letteratura
ed arti, Parte IV (Torino 1824) S. 568.
55
Liber Gotliicus, sive Longobardus, (enm legere uon valeo),
mit dem liöclistwahrscbeiulieli unser Codex gemeint ist.
Wenn dieser Eintrag aber niclit ganz eindeutig ist, so be-
zieht sich zweifellos auf unsere Handschrift, was der berühmte
Handschriftenforseher Giuseppe Biunchini von Verona im Jahre
1748 an den Kardinal Carlo Vittorio delle Lancie sehreibt. Da
dies die älteste deutliche Erwähnung unserer Handschrift ist,
mag die Stelle hier im Wortlaut folgen i) :
"Singolarissimo e il codice segnato col nurn. 41, perche scritto con
caratteri nostraii, ma in lingua ignota, e in meiubrane beu conservate,
ne v' ha dnbbio, che non sia stato scritto al pii'i tardi del X secolo.
Chi sa, che non sia in lingua Teotisca? Vülli irupiegar sii tale codice
Hna mezza giornata, per vedere se poteva venire in cognizione dol con-
teuuto; e per gran sortc la cosa mi riusci a secouda dcl mio, e del
comun desiderio di quei siguori Canonici, e uomiuatameute del signor
canouico Fiicppi. Questo signore perö non mi volle mal mostrare i
cüdici capitolari, che avcva trasportati in sua casa, cou la facoltä del
Capitolo, quantimqiic il degnissimo Vescovo, ed i siguuri Canonici
bellamentc 1' andassero csortando a voler farlo, ed io gli avessi messo
al fiauco r ottimo padre abbate D. Giuseppe Frova canouico laterauense
in Saut' Andrea di Vercelli. Forse avrä aviiti a casa i piii preziosi, dei
qaali in conseguenza non posso reader conto. Per quanto mi disse,
aveva un salterio antichissimo, ed unciale, secondo 1' antica latina versione
Itala, ed uu sacramentario d' incomparabile auticbitä. Aveva intenzione
di stampare tutto; ma benche ogui giorno mi favorisse colla sua com-
paguia, c mi condncesse ogni giorno nell' archivio capitolare, con tutto
ciö non vi fu mai caso, che ml volesse mostrare i codici, che si era
portati a casa, quantunqne ne fosse pregato e dal gentilissimo Prelato,
e dal siguori Canonici. Io perö 1' amo, e fa lo stesso con me. Deo
gratias. Tornaudo adunqne al codice 41 di lingtia ignota, avendolo io
piii volte rivokato per veder se iutendeva qualche parola, ritrovai alla
fiue, che couteueva nn omiliario per anni circuliim, e che i passi
scritturali si riportavauo in latino secondo la nostra volgata, e cosi ancora
i titüli. lu un luogo ho letto: incijnt narrare miracula, quae facta
fuerxmt ante adventum Salvatoris Domini nostri Jesu Christi."^)
In \m altro: alia omelia de die jndicii.^) In essa ho lette queste
parole chiare chiare
1) Gedruckt bei G. De-Gregory, a. a. 0 , S. 556—558.
2) Dies ist die Überschrift der VI. Vercelli-Predigt auf fol. 54^; doch
liest die Hs. fuerant (statt fuerunt).
ä) So lautet die Überschrift der XV. Vercelli-Homilie auf fol. SO'^
56
Manna Babylonia Cananea,^
e questi passi: venite henedicti Patris mei : percipite regmmi, quod vobis
paratum est ab origine mundi: diseedite maledicti, in ignem aefernum,
qui 2)aratas est diabido, et a7igelis ejus.-) In un altro: omelia Epiffania
Domini.^) Portero uno squarcio di tale omelia, accio si possa rif lettere
in quäl lingua sia scritto un tale omeliario. lo la trascrissi alla meglio
che seppi; cd in quauto ai caratteri replico non vi ebbi difficoltä, perche
sono somigliauti a quelli degli altrl codici latini del secolo decimo.
'■Venu Jesus a Galilaea in Jordanem, ut baptizaretur ab eo Seheled
yom ram Galilea dam lande to Jordanem pere Cyto Joh pet he der
pole ben gefulpad fram lum Johannes li p hibebad eum dicevs Joannes
him p de beperede yhim to eped hpet det yy gedaveli ere det du
me Fulpge 7 du nu to me come, respondit Jesus et dixit pet
peter etc^)
Altre due omelie ho potuto in detto codice rilevare, su quäle argomento
siano State fatte dal Vescovo.
La prima e iutitolata: de Purificatione S. Mariae,^) e la seconda:
de Sando Martino pontiflce.^)"
Es ergibt sich also, dafs sieh Bianchini den Codex ziem-
lich genau angesehen hat; denn er zitiert wörtlich, wenn auch
mit Fehlern, die lateinischen Überschriften der fünf Homilien,
die solche in der Handschrift aufweisen (fol. 54b, 80b, 85b,
90b, 94b), hebt aus zwei weiteren Seiten (fol. 84b und 85b)
lateinische Zitate aus und versucht sogar von fol. 85 b einen
altenglischen Satz zu reproduzieren, der allerdings — wenigstens
^) Diese Eigennamen kommen tatsächlich in der Homilie nicht vor,
müssen also aus irgendwelchen altenglischen Wörtern verlesen sein.
-) Diese beiden Zitate (Matth. XXV, 34 und 41) stehen auf der dritt-
letzten Seite (fol. 84 b) der Homilie.
3) Dies die Überschrift der XVI. Vercelli-Predigt auf fol. Sö^; doch
liest die Hs. Epyffania (statt Epiffania).
♦) Die Stelle steht auf der ersten Seite (fol. 85 1) der ebengenannten
Predigt, doch lautet sie in Wirklichkeit folgendermafsen: "Uenit Jesus a
galilea in lordanem ad lohannem, ut baptizarentur ab eo; se hselend
cwom fram ^^^^ü^ä ^^^i* lande to Iordaue»i psere ea 7 to lohannem, pset
he öser wolde beon ^efulwad fram liim . Johannes autem prohibebaÖ eum
dicens . lohannes him ]>cet 8a bewerede 7 him to cwseö: 'Hwset, öaet is
^edauenlicre, Öset 5u me falwi^e, 7 öu nu to me come . Resjwndit autem
Jesus et dixit, paet wseter . . ."
») Dies die Überschrift der XVII. Vercelli-Predigt auf fol. 90 b.
6) Dies die Überschrift der XVIII. Vercelli-Homilie auf fol. 94^; doch
liest die Hs. CON d. i. Confessore (statt pontifice).
57
in De -Gregorys Abdruck — ein grausam verstümmeltes Alt-
engliseh aufweist.
Für die Wissenschaft entdeckt worden ist der Codex
erst von dem deutschen Professor der Rechtswissenschaft
Dr. Friedrich Blume in Halle, der in den Jahren 1821 — 23
Italien bereiste zwecks Aufstöberung rechtshistorischer Hand-
schriften und das reiche Ergebnis dieser Reise in einem vier-
bändigen Werke Iter Italicum (Berlin 1824—1836) nieder-
gelegt hat. Vom 27. Oktober bis 19. November 1822') hielt
sich Prof. Blume in Vereelli auf und war hier der erste, der
unseren Codex richtig als angelsächsisch erkannte. Er sagt
darüber in seinem Iter Italicum, Bd. I (1824) S. 99 folgendes:
" Zwei Bücher müssen über die Alpen nach Vereelli gekommen
sein. Das erste (Cod. CLXXXI) ist ein sehr schönes Sacrameutarium
Gregoriannm . . . Das andere (Cod. CXVII) enthält Legenden oder
Homilien in angelsäxischer Sprache. Dies ist umso merkwürdiger, da
keine Kapitularbibliothek in Italien andere als lateinische oder italienische
Handschriften enthält".
Ein kurzer Bericht über diese Entdeckung erschien dann so-
fort von G. H. Pertz2) im "Archiv der Gesellschaft für ältere
deutsche Geschichtskunde", Bd. V (1824) S. 585. Eine etwas
ausführlichere Mitteilung über die Handschrift machte dann
Blume selbst in den Nachträgen zum Iter Italicum, die er
1832 unter dem Titel "Juristische Handschriften in Italien"
im "Rheinischen Museum für Jurisprudenz", Bd. IV, 2. Heft
(1832) S. 233flf. veröffentlichte. Hier gab er zum ersten. Male
mit Unterstützung der Gebrüder Grimm auch ein paar Zeilen
Textproben, nämlich den Anfang der XIX. Homilie. Der Ein-
trag lautet dort auf S. 234 Anm. 3 :
Komiliarum Über incognito sermone scriptus . . . Cod. CXVII.
Dieser merkwürdige, saubere Folioband ist ein angelsächsisches
Homiliarium. Ich habe zur Probe eine kleine Stelle kopiert, deren In-
halt nach den Berichtigungen und Erläuterungen der Gebrüder Grimm
folgender ist:
De ptirificatione satictae Mariae. Men sceged iis and tnyngath this
1) So nach Blumes eigener Angabe im Iter Italicum Bd. I S. 87.
'^) Er sagt dort: "Cod. CXVII, eine sauber geschriebene Sammlung
von Homilien in angelsächsischer Sprache."
58
hdlige godsj^el bevyrrc ärvyrdhayi tide, the ve nu tö dcege gode cel-
niiMigiim tö lofe a7id to dre vyrdhiath, thcet irre (is) . . .*)
"Jlan sagt uns nnd erinnert, dieses heilige Evangelium hindere die
ehrwürdige Zeit, welche (das ehrwürdige Fesr, welches) wir heute Gott
dem Allmächtigen zu Lob und Ehre feiern: das ist ein Irrtum."
Dieselbe Textprobe nebst Übersetziiug nahm Blume in seine
Bihliotheca Ubrorum mamiscripiorum Itcdica (Göttiugen 1834)
S. 6 auf, nur daXs die beiden Einführungesätze anders lauten,
nämlich :
Homiliarum liber lingua anglosaxonica elegantissime scriptus. fol.
Cod. CXVII.
(Huius Cüdicis specimcn a me exscriptum Grimmiorum lacobi
Gulielmique fratrum auxiliis emendatum atqiie explicitum, hoc est:
De purificatioue sanctae Marias \%i..s.w. icie oben]).
Von Blumes Entdeckung war inzwischen, vielleicht durch
Vermittlung von Jacob Grimm, die Kunde auch nach England
gedrungen, wo man ^on zwei Seiten unabhängig von einander
eine Ausgabe dos Codex herauszubringen unternahm. Auf der
einen Seite war es die Record-Commission in London, die den
Dr. Maier ^) aus Elslingen, der damals die italienischen Biblio-
1) Dies ist der Anfang der XVII. Vercelli-Predigt auf fol. 90^; doch
liest die Hs. scngcd, be pysae (statt bevyrre) und is sc (statt irre).
2) Dafs nicht, wie gewöhnlich angegeben wird (Kemble, Codex
Vcrcelloisis S. V; Wülker, Grundriss der angelsächsischen Litteratur, S. 55
und 241 n. ö.), diese Abschrift von Prof. Blume angefertigt ist, der nach
seiner altenglischen Probe in der Bihliotheca Ubrorum manuscriptorum
Italica, S. (5 (s. oben) zu urteilen, auch wenig dazu geeignet gewesen
wäre, lehrt Blumes eigene Angabe in den Nachträgen zu seinem Iter
Italieum, Bd. IV (Halle 1S36) S. 133:
"S. 99. Das angelsäxische Homiliarium ist vor kurzem, auf Veranstaltung eng-
lischer Geschichtsforsoher, von (dem nun schon verstorbeneu) Dr. Maier vollständig
abgeschrieben worden; es haben sicli wichtige angelsäxische Lieder darin gefunden.
(J ac. Grimm)."
Diese Nachricht ist also Blume durch Jacob Grimm zugegangen. Dafs
Jacob Grimm aber die Maiersche Abschrift 'gesehen' habe, wie Krapp
S. XIX annimmt, scheint jeglichen Anhaltes zu entbehren. — Nach dem
Wortlaut der Grimm-Blumeschen Notiz hat Dr. Maier den ganzen Codex,
also auch die Ilomilien abgeschrieben. Damit stimmt überein die Angabe
von Ch. W. Goodwin, The Anglo-Saxon Version of the Life of St. Guthlac,
London 1S4S, S. IV, dafs er Benjamin Thorpe die Abschrift der letzten
Vercelli-Predigt über Guthlac verdanke. — Wo die Maiersche Abschrift
59
theken zu Handschviftenstudion bereiste und 1835 oder 1836
gestorben ist, mit einer Abschrift des Codex beauftragte, die
dieser im Jahre 1834 oder 1835 1) angefertigt haben mufs.
Ohne hiervon etwas zu wissen, machte sich der in Deutsch-
land (Heidelberg, München, Göttingen) germanistisch geschulte
englische Philologe John Mitchell Kemble (1807—1857) im
Sommer 1834 auf den Weg nach Vercelli, verweilte jedoch
unterwegs so lange ('einige Monate' sagt er) in Deutschland,
dals schliefslich die Winterstürme ihm den Übergang über
die Alpenpässe abschnitten und er unverrichteter Sache nach
England zurückkehren mufste. Hier fand er, dafs inzwischen
bereits die Record-Commission der Ausführung seines Planes
nahe getreten war.
Die Maiersche Abschrift, die übrigens eine recht gute ge-
wesen sein mufs und anerkennenswerte Kenntnisse im Angel-
sächsischen voraussetzt, hatte das überraschende Resultat er-
geben, dafs jenes vermeintliche 'Homiliarium' auch 'wichtige
angelsächsische Lieder' enthielt. 2) Von diesen sechs Gedichten
nun liefs die Record-Commission unverzüglich einen Abdruck
herstellen, dessen Leitung dem Oxforder Gelehrten Benjamin
Thorpe (1782—1870) anvertraut wurde, der auch einige Text-
besseruugen beisteuerte. Hier waren die sechs Vercelli -
Gedichte mit sieben anderen angelsächsischen Texten (meist
sich jetzt befindet, habe ich n-cht feststeUen können. Im Record Office
zu London scheint sie sich, wie mir R. A. Roberts freundlichst mitteilt,
nicht zu befinden. Wahrscheinlich ist sie in Thorpes Nachlafs geblieben.
^) Dieses Datum erschliefse ich daraus, dafs Blume 1S:'.4 in seiner
BibUotheca liWorum manuscripto7-um Italica von einer Abschrift noch
nichts weifs und Ostern 183G (s. die vorhergehende Anmerkung) den
Dr. Maier 'nun schon verstorben' nennt.
2) Wer zuerst das Vorhandensein von Gedichten im Vercelli-Codex
bemerkt hat, läfst sich nicht mehr mit Sicherheit sagen. Nach der oben
erwähnten Grimm -Blumeschen Notiz wird erst die Maiersche Abschrift
dazu geführt haben. Denn bis zum Jahre 1S3() spricht Blume selbst nur
von 'Ilomiliun' als Inhalt des Codex, wie noch lb47 Costanzo Gazzera.
[Danach ist Wülkers Angabe im Grundrifs S. 241 Z. 11 zu berichtigen.]
Nach der Darstellung, die Kemble 1 843 in seinem Codex Vercellensis S. V
gegeben hat, hat er selbst allerdings schon vor Antritt seiner Reise
(Sommer 1S34) von dem Vorhandensein der Gedichte gewufst; in solchen
Nebenumständen ist aber dem Gedächtnis von Kemble nicht immer un-
bedingt zu trauen.
60
Glossen) zu einem Quaitbande von 165 Seiten vereinigt, der
gedacht war als "Appendix B" zu einem Berichte über die
Notwendigkeit der Fortführung des vierten Neudruckes von
Thomas Rymer's Foßäera (zuerst 1704 — 35 in 20 Vols., 4. Aus^g.
1816—30 mit dem 3. Bande abbrechend), den der gelehrte
Rechtsantiqiiar Charles Purtou Cooper (1793 — 1873) als Sekretär
der (zweiten) Record-Commission vorlegen wollte. Da dieser
Bericht jedoch nicht zur Ausführung gelangte, weil die Record-
Commission — wahrscheinlich wegen der grofsen Schuldenlast,
die sie durch ihre zu zahlreichen und zu kostbaren Publikationen
dem Lande aufgehalst hatte i) — im Jahre 1837 aufgelöst
wurde, so blieben die Bogen des "Appendix B" zunächst un-
veröffentlicht liegen, ja brachten es nicht einmal zu einem Titel-
bogen 2) oder Titelblatte. Nur aus den Bogenkustoden, welche
"App. B. to 3Ir.Cooper's Report" lauten, kann man überhaupt
ersehen, zu welchem Werke das Ganze 2i\^" Appendix (B.)" — so
die Überschrift der ersten Seite — gedacht ist. In Ermangelung
eines wirklichen Titels hat man sich gewöhnt, das Werk nach
den Bogenkustoden als "Appendix B to 3Ir. Cooper's Eeport"
zu zitieren. Erst im Jahre 1869 ordnete der Oberarchivar
Lord Romilly die Verteilung der vorhandenen Exemplare^)
^) Didionary of National Biogrcqjhy, Vol. ^ IV S. 1065.
") Dafs ein solcher ursprÜDglich geplant war, ergibt sich daraus, dafs
der jetzige erste Bogen gleich mit ßß signiert ist und damals allgemein,
wie gelegentlich noch hente in England (entgegen unserem jetzigen deutschen
Brauche), der Titelbogen als ^- Bogen gezählt wird.
3) Willker, Änglia Bd. V (1S82) S. 453, gibt an, dafs der Appendix
nur in 250 Exemplaren gedruckt ist. Daraus erklärt sich auch, dafs das
Werk in Deutschland wunigstens nur schwer erreichbar ist. Ich benutze
das Exemplar der Kgl. Bibliothek in Berlin (Signatur: Tq 454). — Wann
der 'Appendix B' gedruckt ist, läfst sich bei dem Fehlen eines Titelbogens
nicht mehr feststellen; doch dürfte wohl nur das Jahr tS35 oder 1836
dafür in Betracht kommen. Vgl. S. 62 Anm. 1. — Über die Ausgabe der
Exemplare im Jahre ls69 orientiert folgende Notiz, welche (nach freund-
licher Mitteilung Alfred Pollards) dem Exemplare des Britischen Museums
beigegeben ist: " Tliis voliime contains a portion of the Appendices to a
Report on Rymer's Fwdera intended to havc been made, to the late
Commissiotiers on Public Records, by Mr. Charles Purton Cooper, their
Secretary. — As these Appendices have been in störe since the year 1837,
when the Record Commission expired, and the Report was not made, 1
have directed the Appendices, although imperfect, to be distributed in such
61
an. Diese offiziell ausgegebenen Exemplare tragen hinten auf
dem Rücken des Eiiibandes in Goldschrift den Aufdruck:
"Report on Fccdera. Äpp. B." Wie das Werk uns jetzt vor-
liegt, bietet es die Vereelli-Gedichte ohne jede Beigabe, nach
ihrer Reihenfolge im Manuskript abgedruckt: "The Legend of
St. Andrew" auf Seite 47—89, "The Fatcs of the Twelve
Äpostles" S. 90-92, "The Beparted SouVs Addrcs io the Bodtj"
S.93— 97, "A Fragment, Moral and Bdigious" S. 98-99, "The
Hohj Bood, a Dream" S. 100 — 104 und "The Invention of the
Gross" S. 105 — 138. Um eine Vorstellung vom Schriftcharakter
der Handschrift zu geben, sind Faksimile-Nachzeichnungen (in
Originalgröfse) von zwei Seiten, nämlich fol. 43» und 75b, sowie
der iiT-Initiale auf fol. 49a dem Bande beigefügt. Wenn die
öffentliche Versendung des Werkes auch erst im Jahre 1S69
erfolgte, so waren doch gleich nach Vollendung des Druckes
einige wenige Exemplare, wn)hl nur persönliche Widmungs-
exemplare, an englische wie an deutsche Gelehrte zur Ver-
teilung gelangt. Zu den ersteren gehörte durch Coopers Freund-
lichkeit J. M. Kemble, i) der im Appendix und Glossary zu seiner
a manner as may render them most useful for Liferary and Historical
purposes. — This volume is therefore transmitted to the British Museum
Printed Books Department. (Gez.) Romilly, M. R., Public liecord Office
29 May 1869." Diese Notiz Rouiillys ist auch deswegen wichtig, weil
wir aus ihr ersehen, dafs mit dem Report, zu dem unser Werk den Appendix
B bilden sollte nicht Cooper's General Report to the King in Council from
the Honourable Board of Commimoners on the Public Records . . . With
an Appendix and Index (London 1837) gemeint ist, sondern ein nicht fertig-
gestellter "Report on Rymer's Foedera". Dies ergibt sich übrigens auch
aus dem erstgenannten General Report Cooper's, wo es offenbar in Hin-
blick auf unseren Appendix B heifst (Seite XXII) : "A large and valuable
coUection has been obtaincd of notices of manuscripts of English, Scottish,
or Itibh writers, or which relate to the affairs of the British Islands, to
he foujid in libraries or archives on the Continent. Some of the Information
collected is already printed, in the form of Appendixes to a Report
on the Foedera, which is in a State of preparation."
*) Darüber Kemble, Codex Vercellensis Bd. I S. V: " Circumstanccs
prevented the puhlication of the book, but a few copies of it found their
way into the hands of persons intcrested in the subject, both here and in
Germany. One of them had been placed at my disposal (through the
courtesy of Mr.Cooper), and had furnished important aid during the pre-
paration of the second volume of Beöwidf; but in general the contents
remained inaccessible and unknown."
62
Bcownlf-Übersetznng') davon Gebrauch machte; zu den letzteren
der Hamburger Archivar Dr. J. M. Lappenberg-, der sein Exemplar
wahrscheinlich der Freundschaft Benjamin Thorpes verdankte,
der g-leich 1834 sich an die englische Übersetzung von Lappen-
bergs Geschichte von England'^) gemacht hatte. Lappenberg
lieh sein Exemplar Anfang 1839 an Jacob Grimm, der sieh
sogleich die Gedichte abschrieb und von den beiden v\'ichtigsten
und umfangreichsten, 'Andreas' und 'Elene', noch im selben
Jahre eine Ausgabe mit trefflicher Einleitung veranstaltete,
die 1840 zu Kassel erschien. 3) Da jeuer Appendix B eigent-
lich nur den Charakter eines Privatdruckes trug, erwarb sieh
so Jacob Grimm das Verdienst, den Vercelli-Codex zuerst in die
Wissenschaft eingeführt zu haben. Der deutsehen Ausgabe folgte
in wenigen Jahren die erste englische von Grimms Schüler und
Freunde J. M. Kemble, als Nr. 5 und 6 der eben gegründeten
^Ifrie Society, Teil I (1843, Umschlag 1844) den 'Andreas' ent-
haltend, Teil II (1846) die 'Elene' und die kleineren Dichtungen.'*)
Wenn diese Ausgabe nun auch in bezug auf die beiden Haupt-
gedichte keinen wissenschaftlichen Fortschritt über Grimm
hinaus bedeutete,^) so gebührt ihr doch das Verdienst, zum
ersten Male die kleineren Gedichte des Vercelli-Codex zugäng-
lich gemacht zu haben. Eine deutsche Gesamtausgabe aller
Dichtungen erhielten wir in C. W. M. Greins Bthliotheh der
angelsächsischen Poesie (Göttingen 1857 — 58), die 1883 — 97 von
Richard Paul Wülker einer Neubearbeitung unterzogen wurde.
1) Die Vorrede dieses 1837 erschienenen Buches ist "München, Nov.
1S35" datiert. Wenn wir sicher sein könnten, dafs jene zahlreichen Hin-
weise auf den Verceüi-Codex nicht erst während des Druckes eingesetzt
sind, würde dies beweisen, dafs der Appendix B schon 1835 gedruckt
war. Aber Kembles Werke bieten uns mehrfach ähnliche chronologische
Schwierigkeiten.
'^) Das Original erschien Hamburg 1834, Thorpes Übersetzung
erst 1845.
^) Andreas und Elene, herausgegeben von Jacob Grimm, Cassel 1840,
bei Theodor Fisclicr. 1S2 Seiten mit Faksimile von ful. 43» (aus dem
Ajjpendix B). Die Vorrede ist vom 1'.*. Oktober 1839 datiert.
*) The Poetry of the Codex Vercellensis with an English Translation.
By J. M. Kemble, M. A., London, Printed for the ^Ifric Society, 1843—46.
*) Kembles Text des 'Andreas' ist sogar ganz auf Grimm basiert,
wie schon 1858 Grein (Bibliothek II, 408) erkannt und Krapp, Arulrcas
S. XIX Anm. 2 des näheren nachgewiesen hat.
63
FUr die Sepai'atansg-al)en der einzelnen Diclitungen miifs auf
die Angaben in § VI verwiesen werden.
Da die ersten Ileransgeber, Tliorpe, Grimm, Kemble und
Grein, das Originalnianuskript selbst nicht eingesehen hatten
und sieh also die ganze Textgestalt auf Dr. Maiers Abschrift
stützte, so machte sich immer mehr das Bedürfnis geltend,
eine neue Vergleichung der Handschrift herbeizuziehen. Eine
solche Kollation nahm zuerst für die 'Elene' Prof. P. Knüll
aus Wien vor, die iu Zupitzas Elene-Ausgabe (Berlin 1877) ver-
wendet wurde. Ihm folgte Kiciiard Wtilker im Herbst 1881 und
Ostern 1884-, der alle Gedichte für seine Neuausgabe von
Greins Bibliothek verglich. Ostern 1887 ") hat Friedrich Kluge
eine Kollation des 'Traumgesiehtes vom Kreuze' (für sein
Angelsächsisches Lesebuch, 1888) sowie der ereten 1497 Verse
des 'Andreas' hergestellt, die Wülker vorlag.-) Zuletzt end-
lieh hat Arthur Napier im Sommer 1888 eine "CoUation der
Altenylischcn Gedichie im Vercellihuch" vorgenommen ('Zeit-
schrift für deutsches Altertum', Bd. XXXIII S. 66— 73), wobei
er den bisher übersehenen ychliifs (28 Verse) zu den 'Fata
Apostolorum' entdeckte.
Die ang-elsächsischen Prosapredigten, welche fast drei Viertel
der Handschrift ausmachen, warten bisher noch auf eine Aus-
gabe. Nur zwei sind bereits gedruckt worden. Wülker druckte
die kurze XIII. Homilie in der Awjlia Bd. V (1882) S. 464f.
und Paul Gonser die fragmentarische letzte Homilie in seiner
Ausgabe des Angelsächsischen Prosa-Lehens des heil. Guthlac
(Heidelberg 1909) S. 117 f. Vorher hatte die Varianten des
Guthlac-Lebens aus dem Vercelli-Manuskript Ch. W. Goodwin,
llie Anglo-SaxonVersion of ihe Life of St. Guthlac (London 1848)
beigebracht. Goodwin bediente sich dabei einer Abschrift des
Vercelli- Fragments, die er der Güte Benjamin Thorpes ver-
dankteJ) d.h. Thorpe, der ja die Handschrift selbst nie ge-
sehen, hat ihm Dr. Maiers Kopie oder eine Abschrift davon
mitgeteilt. Wir erhalten somit den Beweis, dals Dr. Maier,
^) Nach freundlicher brieflicher Mitteilung Prof. Kluges vom
27. September li)12.
") Siehe Bibliothek Bd. II (188S) S. V.
^) Goodwin sagt auf S. IV : "Fora transcript of this most interesting
fragment 1 am indebted to the kindness of Mr. Benjamin Thorpe".
6i
wie es naeli dem Wortlaut der Grimmsehen Angabe bei Blume
auch zu erwarten ist, nicht nur die poetischen Texte, sondern
die ganze Handschrift abgeschrieben hat. Eine Abschrift aller
Vercelli- Predigten hat Napier 1888 hergestellt und ich selbst
1912 auf Grund des von Fr. Ehrle veranstalteten Faksimiles.
Die bisher nicht belegten Wörter dieser Homilieu hat Napier
in seinen Conirihutions to Old English Lexicographij ("The
Philological Society's Transactions" 1906 S. 265 -358) ver-
zeichnet, nachdem einige Proben, wie milite, ncecedo, forpylman,
ofpyhnan und ydhylgea auf Grund der Handschrift schon von
Friedrich Kluge im Glossar zu seinem Angelsächsischen Lese-
huche (1. Aufl. 1888) mitgeteilt waren. Einige Nachträge zu
Napier stelle ich am Schlüsse dieser Arbeit zusammen.
Im Herbst des Jahres 1888 sind die 83 Seiten der Hand-
schrift, welche Gedichte enthalten, von Dr. Ludwig Lange in
Elberfeld in halber Gröfse photographiert für eine Lichtdruck-
reproduktion, die 1894 unter Wülkers Leitung erschien. ') Die
Homilien sind zum ersten Male in dem Ehrleschen Faksimile
reproduziert und damit überhaupt der Forschung zuerst er-
schlossen.
VI Inlialtsaiigabe der Handsclirift.
Die Handschrift enthält sechs Gedichte und 23 Prosa-
predigten. Wie sich aus der folgenden Inhaltsübersicht im
einzelnen ergibt, ist die Zusammenstellung der Handschrift
völlig von christlich -gottesdienstlichem Interesse beherrscht.
Denn nicht nur, dafs jene sechs Gedichte sämtlich zur Gattung
der geistlichen Poesie gehören, sie behandeln auch sämtlich
bekannte Predigtthemen und sind wohl alle — für das Frag-
ment über Psalm XXVII, 3 (fol. 104a— 104b) können wir es
seiner Kürze wegen zwar nicht direkt beweisen — teils für
bestimmte Kirchenfeste geschrieben, nämlich den Andreastag
('Andreas'), das Apostelfest ('Fata Apostolorum') und die
1) Codex Vercellensis. Die Angelsächsische Handschrift zu Vercelli
in getreuer Nachbildung, herausgegeben von Dr. Eichard Wülker, Leipzig,
Verlag von Veit & Comp., 1894 [trotz des allgemeinen Titels nur die
Gedichte enthaltend].
65
Kreuzesei'höhuug ('Elene' und 'Tniumgesicht vom Krenz'), oder
bestimmten Predigtgattungen zuzuweisen, wie die 'Reden
zwischen Seele und Leib' den Fastenpredigten. Bemerkt mag
aber werden, dafs in der Anordnung der einzelnen Texte kein
einheitliches Prinzip, wie etwa der Aufbau des Kirchenjahres,
befolgt ist und dafs also vermutlieh die Sammlung erst nach
und nach ohne bestimmten Plan zustande gekommen ist. Nur die
Predigten VII-X sowie die drei Bittwochenprodigten XI-XIII
werden dem Schreiber höchstwahrscheinlich schon vereinigt
zugeflossen sein. Die Interessensphäre des Sammlers liegt klar
zu Tage. Fast gar nicht ist er interessiert für Dogmatik —
nur die kurze Stelle über die Trinität in Homilie XIX wäre
da zu nennen — , verhältnismäfsig wenig auch für Schrift-
exegese (nur Hom. I, V, VI, XVI und XVII) und Hagiographie
(Hom. XVIII, XXIII). Dagegen liegt sein Herz bei der Parä-
nese, der 17 von den 23 Homilien gewidmet sind. Den grüfsten
Raum nehmen Bufs- und Beichtpredigten ein (Hom. III, IV,
VIII, IX, XV), namentlich solche, die für die Bittwoche be-
rechnet sind (Hom. XI, XII, XIII, XIX, XX). Dabei verwendet
er gern den Hinweis auf den Tod und das jüngste Gericht
und kontrastiert gern die Himmelswonnen mit den Höllenstrafen.
Ganz die Stimmung, die man bei einem Kleriker des 10. Jahr-
hunderts erwarten würde.
1. Fol. la— 9a: Erste Yercelli- Predigt.
Eine Passionspredigt, die im wesentlichen eine freie Über-
setzung von Joh. XVIII, 11 bis XIX, 42 mit kurzen exegetischen
Einschiebseln und Ergänzungen aus den Synoptikern darstellt.
Da die beiden ersten Seiten völlig unlesbar geworden sind,
fehlt der Anfang für uns.
2. Fol. 9 b— 12 a: Zweite Yercelli -Predigt.
Eine kurze Homilie über die Schrecken des jüngsten
Gerichtes, welche noch einmal in unserer Handschrift erscheint.
Abgesehen vom Schlüsse findet sieh nämlich genau derselbe
Predigttext, wenn auch in etwas jüngerer, leicht gekürzter
und stärker ent- anglisierter Gestalt auf fol. 112a — 116*
(= Nr. 26) wieder, wo er als zweiter Teil der XXI. Homilie
Stadien z. engl. Phil. L, 5
66
auftritt. Der Scliluls (von stva sylfa civced auf fol. IIb Z. 2
und von ido[n] ne s^orivenan auf fol. 116a Z. 20 an) ist jedoch
an beiden Stellen gänzlich verschieden. In einer teilweise
stark abweichenden Form, d. h. teils wörtlich, teils nur lose
mit unserer Vercelli-Fassung übereinstimmend, findet sich die-
selbe Predigt auch noch in der unter dem Namen des Bischofs
Wulfstan von Woreester (1013 — 1023) laufenden altenglischen
Predigtsammlung als Nr. XL (ed. Napier, Berlin 1883, S. 182
bis 189), wo wiederum namentlich der Anfang und Sehlufs ganz
anders lauten, aber von S. 182 Z. 10 bis S. 187 Z. 15 textliche
Übereinstimmung herrscht. Interessant ist, und wohl noch
nicht beachtet, dafs ein Teil der Predigt (bei Napier S. 186
Z. 3 bis 19) metrische Form besitzt, was wahrscheinlich
so zu erklären ist, dafs der Homilet, wie es nachweisbar
mit dem altenglischen Gedichte Be domes dcege bei Wulfstan
(ed. Napier, S. 136 Z. 25 bis S. 140 Z. 2) geschehen ist, ein
Stück aus einem fertig vorliegenden Gedichte in seine Predigt
aufnahm. Aber auch sonst zeigt die Predigt eine dichterisch
gehobene Sprache.
Da aus einer Bemerkung von Gustav Grau, Quellen und
Verwandtschaften der älteren gcr manischen Darstellungen des
jüngsten Gerichtes (in 'Studien zur englischen Philologie', Heft 31,
Halle 1908) S. 192 herausgelesen werden kann, dafs unsere
Predigt gleichen Inhalts mit der 7. Blickling-Homilie und einer
Hatton-Predigt sei, so bemerke ich ausdrücklich, dafs dieses
nicht der Fall ist.
Gedruckt ist diese Predigt weiter unten unter A.
3. Fol. 12b— 16a: Dritte Vercelll- Predigt.
Eine Beichtpredigt zum zweiten Fastensonntage über
Beichte, Bufse, Fasten, Gebet und Almosen.
Die gleiche Predigt befindet sich noch in folgenden vier
Handschriften; a) Corpus Christi College, Cambridge, Nr. 198
(früher S. 8), ca. 1000 (aus Woreester) f. 132 b [Wanley, Cat.
S.126]; b) Corpus Christi College, Cambridge, Nr. 162 (früher
S. 5), 11. Jh., pag. 243ff. [Wanley, Cat. S. 118]; c) Oxford,
Bodl. 340 (früher NE. F. 4. 10), 11. Jh., fol. 108 a [Wanley S. 12];
d) Oxford, Bodl. 343 (früher NE. F. 12), um 1150-70, fol. 56b
bis 58b als "Dominica in Quadragesima" [Wanley S. 18j.
6-?
Gedruckt ist die Predigt nach Bodl. 343 von A. 0. Belfour,
Twelfth Century HomUies in MS. Bodlcij 343 [Early English
Text Society, Örigiaiil Series, Nr. 137, London 1909] S. 40—48.
4. Fol. 16b— 24«>: Vierte Yercelli- Predigt.
Eine Bufspredigt im Hinblick auf das jüngste Gericht
mit längeren Reden zwischen Seele und Leib. Zu letzterem
Thema vgl. Brandl, Altenglische Literatur, S. 1096 und Louise
Dudley, An Early Homily on the 'Body and Soul' Theme im
'Journal of English and Germanic Philology', Vol. VIII (1909)
S. 225 — 253 und The Egyptian Element in the Lcgends of the
Body and Soul (Baltimore 1911).
Dieselbe Predigt befindet sich in der Handschrift Corpus
Christi College, Cambridge, Nr. 41 (frliher S. 2) auf den Rändern
von pag. 254 — 280, woraus eine Stelle, die Rede der guten
Seele zu ihrem Leib, von Julius Zupitza im Archiv für das
Studium der neueren Sprachen, Bd. XCI (1893) S. 379—381
veröfifentlicht ist. Der Anfang der Homilie stimmt auch mehr
oder weniger wörtlich überein mit einer Predigt des Corpus
Christi College, Cambridge, Nr. 201 (früher S. 18) pag. 222 ff.,
die bei B. Thorpe, Ancient Laivs and Institutes of England
(Loudon 1849) Vol. II S. 394ff. gedruckt ist. Eine andere Stelle
stimmt zu einem Übergangssatze in der Pseudo-Wulfstanschen
Homilie Nr. XXIX (ed. Napier, S. 140 Z. 3 bis Z. 8 = Vercelli
fol. 17 b).
Am Sehluls auf die freigelassene Hälfte von fol. 24b hat
ein Schreiber des 13. Jahrhunderts einen Pt^almenvers (XXVI, 9
in verstümmelter Form) mit Neumen eingetragen : B. Adiutor
meus esto, Domine; ne derelinquas me, JDeus salutaris meus.
5. FoL25a— 29a: Füufte Vercelli -Predigt.
Überschrift: To middan ivintra. Ostende nohis, Domine.
Eine rein texterklärende Homilie zum ersten Weihnachts-
tage an der Hand der Weihnachtsperikope Lukas II, 1 — 14.
Dieselbe Predigt befindet sich a) im Corpus Christi College,
Cambridge, Ms. 198 (früher S. 8) fol. laff. als 'Sermo in Natale
Domini' [Wanley p. 125] und b) im Bodl. Ms. 340 (früher NE.
F. 4. 10) fol. la — 5b als ''Sermo in Natale Domini" [Wanley p.9].
68
6. Fol. 29l>— 52b: Erstes Yercelli- Gedicht
('Andreas').
Ein unter dem Titel 'Andreas' laufendes Gedicht von
1722 alliterierenden Versen über die Leiden und Wundertaten
der Apostel Matthäus und Andreas auf der Meuschenfresser-
insel "Myrmidonia". Das von manchen Forschern (wohl mit
Unrecht) dem Dichter Cynewulf beigelegte Werk ist höchst-
wahrscheinlich in der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts ab-
gefalst und zwar ursprünglich in einer anglisehen Mundart,
die aber in der vorliegenden Aufzeichnung ins Westsächsische
transponiert erscheint. Als Quelle lag dem Dichter eine
lateinische Fassung der Ada s. Andreae et MaWiaei (ed. Max
Bonnet, Acta apostolorum apocrijpha, Leipzig 1898, S. 66ff.)
vor, nicht, wie man früher annahm, das griechische Original
dieser Apostelakten.
Das Gedicht ist vollständig überliefert, doch ist zwischen
fol. 42h und 43» nach Ausweis von Versbau, Grammatik und
Inhalt eine Lücke. Der Umfang derselben lälst sich mit Hilfe
der Quelle dahin berechnen, dafs zwischen fol. 42 und 43 ein
Blatt ausgefallen sein muls.
Gedruckt ist das Gedicht von Benjamin Thorpe (1836),
Jacob Grimm (1840), Kemble (1843), Grein (1858), Wülker
(1888) und Basquerville (1885), die aber sämtlich überholt sind
durch die trefflich eingeleitete und kommentierte Ausgabe von
George Philip Krapp, Andreas and the Fates of tlie Apostles
(Albion Series, Boston 1906). Ein um die Hälfte verkleinertes
Faksimile des ganzen Gedichtes gab Wülker im Codex Ver-
cellensis (Leipzig 1894); eine Seite in Originalgrölse (fol. 43»)
erschien in Faksimilezeichnung im Appendix B, woselbst auch
die grofse Initiale von fol. 49 a reproduziert ist. Die Faksimile-
zeichnung von fol. 43 a ist bei Grimm wiederholt.
Die Literatur über das Gedicht siehe in Wtilkers Grund-
riss der angelsächsischen Litteratur S. 187, Brandl, Altenglische
Literatur S. 1040 und vor allem bei Krapp a. a. 0. S. LXXIII
bis LXXVIII; dazu jetzt noch Grau a.a.O. S. 131— 145 und
Carl Richter, Chronologische Studien zur angelsächsischen
Literatur (in Morsbachs 'Studien zur englischen Philologie',
Heft 33, Halle 1910) S. 37—40 und S. 86.
69
1. Fol. 52')— 51a: Zweites Yercelli- Gedicht
('Apostelliymnus').
Ein Gedicht von 122 Stahreimversen, welches für alle
zwölf Apostel Ort und Umstände ihres Martyriums angibt,
dann die Apostelscbar um Beistand anfleht und zum Schlufs
den Namen des Dichters in Form eines Runen-Akrostichons als
"Cynwulf" [sie!] bietet. Gegenüber den verschiedenen Ver-
suchen, Zweck und Charakter dieser Dichtung zu bestimmen,
möchte ich daran festhalten, J) dafs es sich am ehesten um die
altenglische Nachbildung eines lateinischen Apostelliymnus
(Hymnus de Apostolis) handelt, wie solche für die Feier des
seit dem 7. Jahrhundert im Abendlande eingeführten Festes
aller Apostel, das teils am 1. Mai, teils am 29. Juni gefeiert
wurde, bestimmt waren und uns mit ganz ähnlichen Auf-
zählungen der Martyrien der einzelnen Apostel z. B. bei Mone,
Lateinische Hymnen des Mittelalters, Bd. III (1855) Nr. 666
bis 669 in lateinischer Form vorliegen. Da ich einen richtigen
Apostelhymnus in dem altenglischen Gedichte sehe, kann ich
auch den Forschern nicht beistimmen,^) die in unseren Versen
nichts weiter als den Schlufs des vorhergehenden Andreas-
gedichtes erkennen wollen. 3) Eine direkte Quelle für dieses
Gedicht ausfindig zu machen, hat bisher nicht recht gelingen
wollen ; denn keine der bisher herangezogenen lateinischen
Apostel listen •) noch das für so frühe Zeit einzig in Betracht
^) Ich habe diese Ansicht schon in meiner Arbeit Über die Quelle^i
von JFAfrics Homüiae Catholicae, I. Legenden (Berlin 1892) S. 11, Anm. 1,
ansgesprocheu, damit aber bisher keine Beachtung gefunden.
2) Auch dem neuesten Verteidiger dieser Hypothese, Gustav Grau,
(Quellen, S. 131 — 145, vermag ich in keiner Weise beizustimmen, zumal
alles, was er 'Quellen' nennt, nicht vielmehr als entfernte Anklänge und
Parallelen darbietet. — Wenn Grau meint, der mittelalterliche Leser habe
die Erwähnung des Heldentodes des Andreas geradezu verlangt, so mufs
ich ihn darauf hinweisen, dafs die griechisch-lateinische Quelle des eng-
lischen Dichters, die Acta s. Andreae et Matthaei gleichfalls nichts vom
Tode des Andreas erzählt.
*) Aus der Form der Überlieferung läfat sich weder für noch gegen
diese Ansicht etwas entnehmen, da die einzelnen Abschnitte des Andreas
mit ebendenselben Majuskeln beginnen wie die selbständigen Stücke der
Handschrift.
*) Am besten ediert von Th. Schermaun, Indices ajiostolonmi (Leipzig
1907) S. 206—221.
70
kommende Martyrologium Bedas stimmen vollständig mit
Cynewiilfs Angaben überein. Vielleicht ist das Suchen nach
einer besonderen Quelle aber auch überflüssig, weil die Um-
stände des Märtyrertodes der einzelnen Apostel dem mittel-
alterlichen Kleriker — und geistliche Bildung wird Cynewulf
zweifellos besessen haben — sicherlich wohl hinreichend ge-
läufig waren, um eine so kurze Zusammenstellung, wie sie
unser Gedicht bietet, dem Gedächtnis entnehmen zu können.
"Wer Zeile 2 des Gedichtes, wo Cynewulf sagt, dals er den
Stoff "weither sammelte" {samnode ivide) nicht als dichterische
Floskel auffassen will, könnte annehmen, dafs Cynewulf die
Einzelfakten seines Hymnus der sog. Abdias- Sammlung der
Apostelakten entnommen habe, die sich im Mittelalter und
speziell auch in England einer ungeheuren Verbreitung erfreute.')
Jedenfalls steht alles, was Cynewulf in diesem Apostelhymnus
über die Apostel vorbringt, und zwar ganz genau in derselben
Weise, in der Textzusammensetzung der Abdias-Sammlung, die
dem Abt ^Ifric nach Ausweis seiner verschiedenen Apostel-
predigten vorgelegen hat. 2)
Die ersten 94 Verse unseres Gedichtes sind schon von
Thorpe (1836,8.90—92), Kemble (1856,11,94—99), Grein
{Bibliothek II, 7—9) und Wülker {Bihliotheh II, 87—91) ver-
öffentlicht. Die Schlulsverse mit dem Runen-Akrostichon sind
erst 1888 von Napier entdeckt worden, der sie in der Zeit-
schrift für deutsches Altertum, Bd. XXXIII S. 70 — 73, mitteilte.
Danach sind sie wiederholt von Wülker, Bihliotheh II, 566 f.
und Codex Vercellensis S. VIII. Das ganze Gedicht zusammen
haben wir zuerst bei Krapp, Andreas (Boston 1906) S. 69 — 73
abgedruckt. Ein verkleinertes Faksimile des ganzen Gedichtes
gibt Wülker im Codex Vercellensis (Leipzig 1894).
Die Literatur über dieses Gedicht siehe bei Wülker, Grund-
riss der Angelsächsischen Litteratur S. 242 f., Brandl, Altenglische
Literatur S. 1043 f. und Krapp S. LXXIIIf.; dazu noch Grau,
Quellen S. 131 — 145 und C. Richter, Chronologische Studien
S. 40, 86 und 101.
j
1) Auch der Blickling-Homilet und ein irischer Prediger haben diese
Abdias - Samminog besessen. Siehe Max Förster, Über die Quellen von
JElfrics Homiliae Catholicae (Berlin 1S92) S. 43.
^) Siehe Max Förster, a. a. 0., S. 43.
71
8. Fol. 54»>— 56a: Sechste Vercelli- Predigt.
Überschrift: INcipit narrare mirncida, que facta fuerant
ante adnentum Sahiatoris, äotnini nostri Jesu Christi.
Eine zweite Weihnaehtshomilie, die nach apokryphen
Berichten die Wiindererscheinung an Christi Geburtstage sowie
die Flucht nach Ägypten schildert. Letztere wird nach dem
Pseudo- Matthäus -Evangelium erzählt und zwar in meist ganz
wörtlicher Anlehnung au die lateinische Version dieser Apokryphe
(ed. C. de Tischendorf, Evangelia Äi)ocryplia, Leipzig 2 1876,
S. 51 ff.). Mit fol.55b Z. 15 {Mitte-öe Herodes se cyning) setzt
die wörtliche Übersetzung von Kap. 17 des Originals ein und
endet auf fol. 5Ga Z. 15 mit Kap. 25 der Apokryphe. Dazwischen
ist, wie schon der Sinn des alteuglisehen Textes lehrt, ein
Abschnitt ausgefallen : fol. 55 b nämlich bricht mitten im Satze
bei der Begegnung der Flüchtlinge mit den Löwen (Pseudo-
Matthäus Kap. 18) ab und setzt nach Überspringung von
Kap. 19 — 21 mit der zweiten Hälfte von Kap. 22 (Einzug in
die ägyptische Stadt Sotinen) wieder ein. Im altenglischen
Texte mufs also etwas ausgefallen sein, dessen Umfang sich
annähernd berechnen lälst Wenn die Übersetzung in dem
verloren gegangenen Teile so wörtlich war wie bei Kap. 17
und 18, dann müfsten ca. 100 Zeilen, d. i. zwei Blätter,
ausgefallen sein. War die Übersetzungstechnik aber kürzend,
so wie sie uns am Schlüsse bei Kap. 22—24 vorliegt, so
würden nur ca. 50 Zeilen, d. i. ein Blatt, fehlen. Für erstere
Eventualität spricht zwar die häufig zu machende Beobachtung,
dafs die Übersetzung anfangs wörtlich einsetzt, gegen den
Schluls aber immermehr kürzt. Auch der nur geringe Um-
fang der Homilie lielse vermuten, dafs ihr eher zwei Blätter
als eines fehlen. Dagegen Heise sich folgendes für die zweite
Möglichkeit anführen: die Zerreilsung des Sinnes lehrt, dals
an der korrespondierenden Stelle der Lage, d. h. hinter fol. 63h,
dem letzten Blatte der Lage H, etwas fehlt. Da diese Lage
nun sowohl des Zahlzeichens auf dem ersten Blatte — es
sollte VIII sein — wie des Buchstabens {E) auf dem letzten
Blatte entbehrt, so ergibt sich, dafs der ganzen Lage H der
äulsere Bogen, der beides tragen würde, fehlt.
Gedruckt ist die Homilie weiter unten unter B.
72
9. Fol. 56b_59a: Siebente Vercelli- Predigt.
Eine Mahnpredigt zur Warnung vor weichlichem Leben
und Üppigkeit. Die Homilie ist in der Handschrift als zweite
Predigt (nämlich nach den Dichtungen) bezeichnet durch eine
römische ".//.", welche am Ende von fol. 56 a steht und einer
".J/7." auf fol. 59 a, einer "Jllir auf fol. 61a, einer ".F." auf
fol. 65 a und einer ".Fi." auf fol. 71» entspricht. Diese fünf
Predigten scheinen also irgendwie zusammengehangen zu haben.
Dann hört die Zählung der Predigten auf.
10. Fol. 59a -61a: Achte Vercelli-Predigt.
Als Nr. '\Ilir bezeichnet auf 59 a.
Eine Bufspredigt unter Bezugnahme auf das jüngste Gericht
sowie die Höllenstrafen und Himmelsfreuden. Als Quelle wird
angegeben: Sanctus Gregorius se halega ivritere, se öis gewrit
sette and wrat\ doch vermag ich diese Homilie bei Gregor
nicht nachzuweisen.
Die gleiche altenglische Predigt findet sich noch in zwei
weiteren Handschriften : a) in Corpus Christi College, Cambridge,
Ms. 198 (früher S. 8) fol. 43b als "Dominica .1. post TJieophania
Bomini'' [Wanley p. 125] und b) im Oxforder Bodl. Ms. 340
(früher NE. F. 4. 10) fol. 33 a— 35 b mit der Bestimmung für
die "Dominica .1. post Theopliania et qiiando vohieris'^ [Wanley
p. 10].
11. Fol. 61a— 65a: Neunte Yercelli -Predigt.
Als Nr. ".IUI." bezeichnet auf fol. 61a.
Eine Bufspredigt, die von dem dreifachen Tod und den
fünf irdischen Vorbildern der Hölle handelt sowie die Schrecken
der Hölle und die Seeligkeit ausmalt. Als Quelle beruft sich
der Homilet dreimal auf ein "Buch" (fol. 63a, 63b, 65a), womit
jedenfalls eine lateinische Predigt gemeint ist. Der zweite
Teil schöpft aus einer thebaischen Einsiedler -Legende, die in
ausführlicherer Form, ebenfalls aus dem Latein übersetzt, in der
Cotton-Hs. Tib. A. III fol. 87 a— 88 b uns vorliegt und von
J. Kemble, The Dialogue of Salonion and Saturnus (London 1848)
Seite 84 — 86 [daraus wiederholt von A. v. Vincenti, Die alt-
englischen Dialoge von Salonion und Saturn (Leipzig 1904)
73
Seite 103 — 105] gedruckt ist. Die gleiche Einsiedler-Legende
ist benutzt in der Pseudo-Wulfstanschen Homilie XXX (ed.
Napier, S. 146 ff.) und zwar in einer altenglisehen Form, die
auch dem Vereelli-Homileten vorlag; denn nur so erklären sieh
bei starken Abweichungen und Auslassungen mehrere wörtlich
übereinstimmende Sätze und Satzfolgen (Napier 146^-24;
14718-23; 14729 — 148^).
Die gleiche Homilie steht in Bodl. 340 (früher NE. F. 4. 10)
fol. 35b— 40b (Wanley S. 10) als "Dominica .IL post The-
phania et quando volueris^\
Zwischen fol. 63b und 64 a fehlt ein Blatt, wie der Ver-
gleich mit der zweiten Handschrift lehrt (=: Bodl. 340 fol. 38b
Z.12 bis fol. 39 a Z. 26).
Die Homilie ist mit den Varianten der Bodley-Hs. gedruckt
weiter unten unter C.
12. Fol. 65a-71a: Zehnte Vercelli-Predigt.
Auf fol. 65a als Nr. ".F." bezeichnet.
Dieselbe Homilie, welche nach drei anderen Handschriften
von Napier unter dem Titel Larspell als Nr. XLIX der Pseudo-
Wulftanschen Predigten (S. 250 Z. 15 bis S. 265 Z. 20) gedruckt
ist und fragmentarisch (= Napier S. 250 Z. 15 bis S. 252 Z. 12)
auch unter den Blickling-Homilien (ed. Morris, London 1880
S. 105 — 107, als Nr. IX "Crist se goldbloma") sich findet; nur
ist in unserer Vercelli- Handschrift der Predigt ein neuer Ein-
gang vorgesetzt, welcher folgendermalseu lautet:
Her sajaö on pyssnm halejuw bocnm be aelmihtijes Dryhtnes
jodspelle, J'e he liim sylfum |?urh his Öa hale^an mihte ^eworhte mannuwt
to bysene 7 to lare. 7 he sylf jecwseö his hale^an muöe, j^eah man auum
men ^od-spel secje: 'ponne bio ic paer on middan.' 7 ]>nm bioö synna
forjifena, J'e öget jodspel sejö 7 [nachträglich dazivischen eingefügt]
cwiö. 7 synna pam bioö forjifene, pe hit for ^"^odes naman lustlice
jehyreö. 7 pam biö wa aefre seworht, pe secsan can 7 nele. ForÖam
men sculon parh Öa sodcundan lare becuman to life.
Ein Vergleich mit den anderen Handschriften lehrt übrigens,
dafs unser Manuskript keine sonderlich gute Textgestalt auf-
weist und sich namentlich durch häufige Auslassungen von
Worten und Satzteilen auszeichnet.
74
13. Fol. 71b— 731>: Elfte Yercelli- Predigt.
Überschrift: "Siwl to forman gangdcege^\
Auf fol. 71a als Nr. ".VI." bezeichnet.
Die nun folgenden drei Homilien stellen Predigten für die
dreitägigen Bittgänge (Rogationen) dar, die seit dem 6. Jahr-
hundert im Abeudlande vor Christi Himmelfahrt stattfanden.
Die erste Bittagspredigt enthält eine Mahnung auszuharren und
das Himmelreich zu gewinnen, wobei Ecclesiastes III, 4 {tem]}us
flendi et tenipus ridendi) zu Grunde gelegt ist. Kulturhistorisch
beachtenswert ist der Schluls, welcher vom nahen Bevorstehen
des Weltendes spricht — also wird die Predigt vor dem Jahre
1000 abgefafst sein — und nicht nur über die Plünderung und
Zerstörung der Kirchen und Klöster durch "heidnische Männer"
jammert — gemeint sind jedenfalls die dänischen Invasoren — ,
sondern auch über die Beraubung des geistlichen Standes —
an Klöster wird in erster Linie zu denken sein — durch Könige,
Bischöfe und Aldormen zu klagen hat. |
Die lateinischen Bibelzitate weichen des öfteren von
der hieronymianischen Version ab, sind also einem älteren
lateinischen Homileten entnommen, der, wie z. B. Gregor der
Grolse, noch einer vorhieronymianischen Bibel sich bediente.
14. Fol. 73»>— 7ob: Zwölfte Yercelli- Predigt.
Überschrift: "Sj^el to dam odrum gangdcege".
Eine zweite Bittagspredigt über die Furcht Gottes als den
Anfang der Weisheit (Psalm CX, 10). Als Einleitung voraus-
gesandt ist ein Abschnitt über die Bittprozessionen, die an die
Stelle heidnischer Feste getreten seien und bei denen man
das Kreuzeszeichen, das Evangelienbuch und die Reliquien der
Heiligen um Hof, Vieh und Flur tragen solle.
Auf fol. 74a ist ein den Sinn störender Satz eingeschoben
über die Quadragesimalzeit, der offenbar aus einer anderen
Predigt stammt.
15. Fol. 75b— 76b: Dreizehnte Yercelli -Predigt.
Überschrift: "Spei to priddan gangdcege".
Die dritte der Bittgangspredigten, die kürzeste der ganzen
Sammlung, betont in ihrem Eingänge den Charakter jener
I
75
Gangtage als Vorbereitungszeit auf das Himmelfahrtsfest. In
einem zweiten Teile (= fol. 7Ga— b) bietet sie Mahnworte zur
Vorbereitung auf den Tod, die gröfstenteils den toten Gebeinen
im Grabe in den Mund gelegt sind. Syntaktisch läfst sich
der Satzteil, mit dem fol. 75 b schliefst, nicht verknüpfen mit
dem Satzgliede, das fol. 76 a beginnt, so dafs entweder eine
starke Verderbnis der Textüberlieferung vorliegt oder zwischen
beiden Seiten ein oder zwei Blätter (als mittelster Bogen) aus-
gefallen sind. Für letztere Annahme spricht die auffallende
Kürze der Predigt, sowie der unvermittelte Übergang von
einem Thema zum anderen.
Die Predigt ist 1882 in zeilengetreuem Abdruck wieder-
gegeben von Richard Wülker in der Anglia Bd. V S. 464 f., wo
aber upastignes (statt upafagnes) und ^eearnigan (statt gecar-
nijan) zu lesen ist. Teilweise (fol. 75b) war sie schon
faksimiliert im Appendix B.
16. Fol. 76»>— 80b: Yierzeliute Tercelli- Predigt.
Überschrift: "Larspel to sivylcere ticle swa man wile^\
Eine paränetische Predigt über die rechte Art des Opfers
und, unter Heranziehung des Gleichnisses vom Schalksknecht
(Matth. XVni, 23 — 35), über die Versöhnlichkeit und andere
christliche Tugenden.
17. Fol. 80b— 85b: Fünfzehnte Yercelli- Predigt.
Überschrift: "Alia omelia de die itidicii".
Eine Bulspredigt, welche eine apokryphe Beschreibung der
sieben Vorzeichen des jüngsten Gerichtes, i) sowie der Scheidung
der Gerechten und Ungerechten, bei der die Jungfrau Maria,
der Erzengel Michael und Petrus als Fürsprecher auftreten,
enthält. Die Legende von den Sieben Vorzeichen des Jüngsten
Gerichts findet sich auch in zwei anderen altenglischen
Homilien, -) in der Oxforder Handschrift Hatten 116 (früher
1) Wenn Wülker angibt, die Predigt handele über "die Vorzeichen
am Dienstag", ^fcs tiives dceges tacnn (Grmidriss S. iW), so trifft das nur
für einen kleinen Abschnitt, die Vorzeichen des zweiten Tages, zu.
'^) Auf die Übereinstimmung dieser drei Homilien hat zuerst G. Grau,
Quellen und Vertvandtscliaften der älteren germanischen Darstellungen des
Jimgsten Gerichtes (Halle 1908) S. 180 ff. und S. Xllf. öffentlich hinge-
76
Jun. 24) pag. 382 — 395 (gedruckt von mir weiter unten unter
D, vorher teilweise von C. Hofmann in den Münchener Gelehrte
Anzeigen, Bd. L [1860] Sp. 349 — 365 und von G. Grau, Quellen
S. 190) und in dem zweiten Teile der VII. Blickling-Homilie
(ed. Morris, 1880, S. 91 — 95), und zwar in inhaltlich so stark
ühereinstimmender Form, dafs für alle drei Predigten eine
gemeinsame lateinische Quelle anzunehmen ist. In der Vereelli-
Handschrift bietet sieh das Ganze dar als eine Antwort Christi
auf die Frage des Apostels Thomas, wann der Antichrist
komme. Hier wird also die Offenbarung auf die Vermittlung
des Apostels Thomas zurückgeführt, sodafs das Ganze füglich
als Thomas - Apokalypse bezeichnet werden darf Dieser
Ursprungsvermerk kann unmöglich Zusatz des angelsächsischen
Homileten gewesen sein, sondern mufs schon in seiner
lateinischen Vorlage gestanden haben. Da nun aber das dem
Papst Gelasius (gest. 496) zugeschriebene Decretum de libris
recipiendis et non recipiendis (ed. Thiele, Epistolae Bomanormn
Pontificum genuinae, Bd. I [Braunsberg 1868] S. 465) eine
"Revelatio quae appellatur Thoniae apocrypha" aufführt, so ist
anzunehmen, dals die supponierte gemeinsame Quelle jener
altenglischen Homilien eben diese verloren geglaubte Thomas-
Apokalypse gewesen ist. Tatsächlich sind nun kürzlich, wie
ich durch Erwin Preuschens Güte erfahre, zwei lateinische
Texte gedruckt worden, die diese lange gesuchte Thomas-
Apokalypse in zwei verschiedenen Rezensionen darstellen,
nämlich eine "Epistula domini nosiri Jesu Christi ad Thomam
discipulum suum" in ausführlicherer (interpolierter?) Fassung
gedruckt von Friedrich Wilhelm in Deutsche Legenden und
Legendare (Leipzig 1907) S. 40* — 42* und eine kürzere Form
von D. P. Bihlmeyer in der Revue Bcnedictine, Vol. XXVIII
(1911) S. 272— 274. Ein Vergleich dieser Lateiutexte mit unserer
Vercelli-Homilie ergibt, dafs der Angelsachse im allgemeinen
besser zu der ausführlicheren Fassung stimmt — er hat z. B.
auch die ganze Einleitung mit den Wehrufen — , in den Einzel-
wiesen. Die Art, wie sich Grau das Verhältnis der Homilien denkt, ver-
mag ich mir jedoch ebensowenig anzueignen, wie vieles andere in diesem
zwar sehr fleifsigen und anregenden, aber methodisch recht bedenklichen
und in den Formulierungen oft unklaren, unpräzigen und unvorsichtigen
Buche.
77
lesarteu der Torzeichen aber oft enger mit der kürzeren
Fassung zusammengeht. Diese Tatsache ist nur so zu erklären,
dafs dem Angelsachsen eine bessere und ursprünglichere Text-
form der längeren Rezension vorgelegen hat. Ob die in der
alteuglischen Predigt folgenden Auftritte mit Maria, Michael
und Petrus ursprünglich der längeren Fassung angehörten oder
erst später angefügt sind — der Angelsachse muls sie jeden-
falls schon in seinem Lateintexte gelesen haben — , vermag
ich nicht zu entscheiden, halte aber das letztere für wahr-
scheinlicher.
Die altenglische Übersetzung ist übrigens meist so wörtlich,
dafs sie stellenweise zur Textrekonstruktion verwandt werden
kann, i)
Gedruckt ist die Predigt zusammen mit der Hattou-Homilie
weiter unten unter D.
Wie der Inhalt beweist, fehlt zwischen fol. 83h und 84a
ein Stück Text. Möglicherweise ist ein ganzes Blatt dazwischen
ausgefallen.
18. Fol. 851)— OO»»: Seclizelinte Vercelli- Predigt.
Überschrift: " Omelia Epyffania DommV\
Eine Epiphanias-Predigt über die Taufe Jesu 2) (Matth. III,
13—17), die im ersten Teile eine ausführliche Exegese der
Perikope gibt und im Schlulsteile über das Geheimnis der
Dreinigkeit handelt. Zwischen fol. 85 b und 86a fehlt mindestens
ein Blatt, da sowohl formell wie inhaltlich der Anfang des
Blattes 86 nicht zum Schlufs des vorhergehenden pafst. Das
fehlende Blatt wird den gleichfalls vermilsten Schlulsbuchstaben
der Lage {L) getragen haben.
^) Was Gran a.a.O. S. 180 ff. als Quellen anführt (4.Esrabuch, Johannes-
Apokalypse, Pseudo-Johannes, Psalmen, Ephraem) kann nur die Bedeutung
von Parallelen beanspruchen. — Die Auffindung der Quelle beweist übrigens
auch, dafs die Fassung dos Vercelli -Codex die ursprüngliche Form der
Vorzeichen -Legende darbietet und nicht, wie Grau S. XII meinte, die
Predigt Hatton 116.
2) Nach Ausweis der westsächsischen Evangelienversion, welche die
Perikopen durch Überschriften bezeichnet, ist dies eigentlich das Evan-
gelium für den Donnerstag nach Epiphanias. Das Perikopensystem der
angelsächsischen Prediger sollte einmal in gröfserem Zusammenhange
untersucht werden.
78
19. Fol. 90t>— 94:«>: Siebzehnte Tercelli- Predigt.
Überschrift: "De purificatione sanda Maria^^ [sie!].
Eine exegetische Homilie über Christi Darstellung im
Tempel (Lukas II, 22—39) zum Tage Maria Keinigung.
20. Fol. 94'>_l01a: Achtzehnte Tercelli- Predigt.
Überschrift: "De sancto Martino confessore'\
Eine Predigt über den heil. Martin, Bischof von Tours
(gest. ca. 400), welche nach Max Förster im Archiv für das
Studium der neueren Sprachen, Bd. XCI 1893) S. 200, Leben
Taten des Heiligen im Anschlufs an seines Schülers Sulpicius
Severus' Vita S. Martini (ed. Halm im Corpus Script, eccles. I,
Wien 1866, S. 109 fP.) sowie seinen Tod nach Sulpicius' Epistida
ad Bassulam (ed. Halm a. a. 0. S. 147 ff.) erzählt.
Dieselbe altenglische Predigt findet sich noch in zwei
weiteren Handschriften: a) in der XVIII. Blickling- Homilie
(ed. K. Morris, Early English Text Society, London 1880,
S. 211-227), wo der Schlufs fehlt, und b) in dem Bodl. Ms.
Junius 86 fol. 62—81, welches mit dem Blickling-Ms. zusammen
gegenüber unserem Vercelli-Text eine Gruppe bildet. Alle drei
Handschriften sind zur Keinigung des Blickling-Textes heran-
gezogen von A. Napier, Notes on the Blickling Honülies I.
St. Martin in der amerikanischen Zeitschrift Modern Philo-
logy, Bd. I (Chicago 1903) S. 303— 308. Napier hat dort auch
gezeigt, dals in der Vercelli-Handschrift zwischen fol. 100h und
und fol. 101a ein Textstück fehlt, das etwa zwei Seiten des
Vercelli-Manuskriptes füllen würde, und dafs somit zwischen
Blatt 100 und 101 ein Blatt ausgefallen sein muls. Dies
stimmt trefflich damit überein, dafs auch an der korrespon-
dierenden Stelle der Lage zwischen fol. 103 und 104 ein Blatt
vermilst wird. Somit ist, da Blatt 99 — 104 eine Lage bilden,
in der Lage 0 der ganze dritte Bogen ausgefallen.
21. FoL101i)-103i): Drittes Yercelli- Gedicht.
Ein Gedicht von 169 Alliterationsversen, gewöhnlich be-
titelt "Rede der Seele an den Leichnam", welches die Vor-
würfe einer sündigen Seele an ihren Leib sowie die tröstenden
Verheilsungsworte einer frommen Seele an ihren Leib enthält
79
und vermutlicli von einem Sachsen am Ende des 10. Jahr-
hunderts gedichtet sein wird. Der erste Teil, die Hede der
sündigen Seele (= Vers 1—129) ist auch in dem poetischen
Sammelcodex des Kapitels zu Exeter tiberliefert, der zweite
Teil, die Rede der tugendhaften Seele (= Vers 130—169) aber
nur in der Vercelli-Handschrift.
Das Gedicht ist auch in unserer Vercelli-Handschrift nicht
vollständig überliefert: es bricht mitten im Satz und Vers mit
fol. 103b ab, während fol. 104» mit einem neuen Gedichte
(s. Nr. 22) und zwar gleichfalls mitten im Verse anhebt. Zwischen
fol. 103 und 104 mufs also mindestens ein Blatt ausgefallen
sein, was gut stimmt zu dem Ergebnis, das wir bei der Martins-
predigt fanden, wo an der korrespondierenden Stelle der Lage
zwischen fol. 100 und 101 ebenfalls ein Blatt fehlt.
Gedruckt ist das Gedicht nach unserer Handschrift bereits
1836 von Benjamin Thorpe im Appendix B, weiter 1856 von
Kemble im Codex Ve?-ceUensis, Part. II, S. 100 — 110, in
kritischer Herstellung unter Heranziehung der Exeterhandschrift
1857 von Grein in der Bibliothek der angelsächsiscJien Poesie
Bd. I S. 198—204, sowie jetzt am besten in Wülkers Bibliothek
der angelsächsischen Poesie, Bd. II (1888) S. 92 — 107. Faksimi-
liert ist das Gedicht bei Wülker, Codex Vercellensis (Leipzig
1894). Weitere Literatur siehe bei Wülker, Grundriss S. 231
und Brandl, Altenglische Literatur S. 1096; dazu noch Grau,
Quellen und Verwandtschaften (Halle 1908) S. 174 f., der die
Quelle gefunden haben will, sie aber nicht nennt, und C.Richter,
Chronologische Studien zur angelsächsischen Literatur (Halle
1910) S. 65, 98f. und 101.
22. FoL 104a imd 104b: Viertes Yercelli- Gedicht.
Fragment eines religiös-moralisierenden Gedichtes über die
Falschheit der Menschen, von Grein ^Bi manna lease^ g.etauft,
das an den Psalmvers XXVII, 3, der im Gedicht Vers 9 — 15
zitiert wird, anknüpft und in die Hoffnung auf die Himmels-
wonnen ausklingt. Erhalten ist nur der Schlui'steil von 47 Versen;
dagegen ist der Anfang verloren gegangen, da, wie wir schon
unter Nr. 21 sahen, vor fol. 104 ein Blatt ausgefallen ist. Viel
mehr Verse, als die erhaltene Zahl, werden schwerlich fort-
gefallen sein; denn, da das ausgefallene Blatt auch noch den
80
Schlufsteil des vorhergehenden Gedichtes enthalten mulste,
bleiben höchstens anderthalb Seiten zu je 33—40 Versen für
unser Gedicht zur Verfügung. Mithin werden höchstens 40 bis
60 Verse fehlen, d. h. etwa die Hälfte von dem ursprünglichen
Gedichte wird uns erhalten sein.
Herausgegeben ist das Fragment 1836 von Benjamin Thorpe
im Appendix B S. 98 f., 1856 von Kemble im Codex Vercellensis
Part. II S. 79 — 82, 1858 in Greins Bihliothelx der angelsächsischen
Poesie Bd. II S. 142f. und 1888 in Wülkers Bibliothek der angel-
sächsischen Poesie Bd. II S. 108 — 110. Faksimiliert ist der
Text in Wülkers Codex Vercellensis (Leipzig 1894). Weitere
Literatur siehe bei Wülker, Grundriss S. 200 und Brandl, Alt-
englische Literatur S. 1048.
Wülker hat im Grundriss S. 201 das Ganze als "poetische
Predigt über Psalm XXVIIl (XXVII) 3" bezeichnet und in
seiner Neuausgabe der Greinschen Bibliothek unser Gedicht
geradezu als "Predigtbruchstück über Psalm 28" betitelt, worin
ihm Brandl, Altenglische Literatur S. 1048, mit "Predigtbruch-
stück über Psalm 23, 3" (lies 28 oder nach der Vulgata, 27) gefolgt
ist. Ich halte diese Bezeichnung aber nicht für empfehlenswert.
Eine poetische Predigt über den ganzen Psalm (Wülker) kann
unmöglich vorgelegen haben, erstens weil der erhaltene Teil
des Gedichtes nichts von den auf Vers 3 folgenden Psalm-
strophen 4 — 9 verwendet — für Vers 1 — 2 können wir es des
fehlenden Anfangs wegen nicht nachweisen — und weil nach
dem breiten Vortragsstil des erhaltenen Teils zu urteilen, in
der verloren gegangenen Anfangshälfte dafür kein Kaum ge-
wesen wäre; zweitens, weil das Hauptthema und die Gesamt-
tendenz des Psalms gänzlich andere sind als in unserem
Gedichte, welches, abgesehen von den Schlulsversen, aus-
schliefslich über die Verleumdungssucht der Menschen handelt.
Auch mit Beschränkung auf den dritten Vers des Psalmen
(Brandl) halte ich diese Formulierung nicht für zutreffend,
weil das Gedicht zur Hauptsache macht, was der Psalmen-
vers nur nebenbei zur Ausmalung in Form eines Relativ-
satzes vorbringt. Höchstens als paränetische Verspredigt
werden wir meiner Ansicht nach das Fragment bezeichnen
dürfen.
81
23. Fol. 104»)— 106a: Fünftes Vercelli- Gedieht.
Ein altes, vielleicht noch in die erste Hälfte des 8. Jahr-
hunderts gehörendes Gedicht von 156 alliterierenden Versen,
jetzt meist als "Traumgesicht vom Kreuze Christi" bezeichnet,
in welchem das Kreuzesholz dem Dichter in einer Vision
erscheint und ihm selbst seine Geschichte (Kreuzigung, Kreuzes-
abnahme, Vergrabung und Wiedorauffindung des Kreuzes und
jetzige Verehrung) in poetisch tief empfundener Sprache und
mit starker Anlehnung an die Anschauungen der altgermanischen
Gefolgschaftskreise vorträgt.
Gedruckt ist das Gedicht des öfteren: zuerst 1836 von
Benjamin Thorpe im Appendix B und am besten in Grein-
Wülkers BibJiotheJü der angelsächsischen Poesie, Bd. II (1888)
S. 116 — 125 sovs^ie mit gutem Kommentar von Albert Cook, The
Dream of the Eood (Oxford 1905). Faksimiliert ist es in
Wülkers Codex Vercellensis (Leipzig 1894). Sonstige Literatur
siehe bei WUlker, Grundriss, S. 139 und 189 ff., sowie bei Brandl,
Altenglische Literatur S. 1030 — 1032; dazu jetzt noch Grau,
Quellen und Verivandtschaften S. 175 (ein wertloser Quellenver-
weis) und C.Richter, Chronologische Studien, S.47f., 93 und 101.
24. Fol. 106b— 109i>: Neunzehnte Yercelll- Predigt.
Eine Predigt für die Rogationen, die nach einer Einleitung
über die Dreieinigkeit (ganz nach Augustins De Trinitate)
und den Sündenfall, über das Fasten an den drei Bittagen,
die Einsetzung desselben durch den Propheten Jonas und die
Einrichtung der Bittprozessionen durch den Bischof Mamertus
von Vienne sich verbreitet.
Die gleiche Pregigt enthalten: a) Corpus Christi College,
Cambridge, Ms. 162 (früher S. 5) pag. 403 ff. als "Feria .IL in
Letania Maiore" [sie!] [Wanley S. 119], b) Corpus Christi
College, Cambridge, Ms. 303 (früher S. 17) p.215ff. als "Sermo
in Letania 3faiore" [Wanley S. 135] und c) Cotton Ms. Cleopatra
B. XIII, fol. 42b als "Dominica ante Rogationum" [Wanley
S. 202].
25. FoL 109b— 112a: Zwanzigste Tercelli-Predigt.
Eine Bittwochenpredigt, die über das Almosengeben und
die acht Hauptlaster handelt, — letzteres wörtlich übersetzt
Studien z. engl. Phil. Ii. ß
82
aus Pseiido-Alciiins Liher de virkitihus et viiiis, Kap. 27 — 34
(Migue, Patrologia laüna Vol. CI Sp. 632ff.), der seinerseits hier
Cassiaus fünfte Kollation Kap. 16 ausschreibt. Der Eingangs-
satz ist der gleiche wie bei der XI. Homilie unseres Codex,
dann gehen aber beide Predigten völlig andere Wege, sodafs
sich Wülkers Vermutung (Gnmdriss S. 491), es möchte sich
um ein und dieselbe Predigt handeln, nicht als richtig erweist.
Zwischen fol. 111 und 112 liegt eine Lücke im Text vor,
da sowohl formell wie inhaltlich der Schlufs von 111b mit
dem Anfang von fol. 112 a sich nicht vereinigen lälst. Auch
die Quelle lehrt, dafs mit fol. 111b mitten in einem wörtlich
übersetzten Satze die Übersetzung aus Alcuin abbricht. Nimmt
man die Tatsache hinzu, dafs die Lage Q (fol. 112 — 118) der
Lagenzahl {XVI) ermangelt, so wird man mit Bestimmtheit
sagen dürfen, dafs hier das erste Blatt der Lage vor fol. 112
ausgefallen ist. Wie wir unter Nr. 27 sehen werden, fehlt
auch das Schlulsblatt der Lage, das den Buchstaben Q tragen
sollte. Also ergibt sich, dafs der ganzen Lage der äufsere
Bogen abhanden gekommen ist.
Die gleiche Homilie findet sich noch in zwei Cambridger
Handschriften des Corpus Christi College, nämlich in Ms. 162
(früher S. 5) pag. 412 ff. als "In tertia feria in Letmiia" [Wanley
S. 119] und in Ms. 303 (früher S. 17} pag. 219 ff. als "Alius sermo
Fr. .III. in Bogationihus" [Wanley S. 135].
26. FoL 112a— 116b : Einundzwauzigste Yercelli- Predigt.
Eine wenig einheitliche Homilie, die wohl für die Quadra-
gesimalzeit bestimmt war. Sie handelt, ohne den Zusammen-
hang klar herauszuarbeiten, über die Notwendigkeit eines
gottesfürchtigen Lebens und Almosengebeus, ohne welches das
Fasten nutzlos sei, über die "zwölf Tugenden der Seele", über
den Opfertod Christi, über den Stolz, der sogar die Engel zu
Fall gebracht habe, und über die Schrecken des Jüngsten
Gerichts. Dieser letztere Teil, fol. 115a — Hßa umfassend, er-
schien vorher auf fol. 9a — 12a unserer Handschrift schon ein-
mal als selbständige Predigt, nämlich Nr. 2, und es kann
daher die Frage aufgeworfen werden, ob nicht auch an unserer
Stelle eine neue, selbständige Predigt anzunehmen sei. Gegen
eine solche Annahme sprechen aber die zwei Tatsachen, dafs
83
erstens der Schreiber keine grofse Initiale anwendet, womit
er sonst in diesem Teile der Handschrift ein neues Werk zu
beginnen pflegt, und dafs zweitens dem vorhergehenden Teile
jeglicher Predigtabschlufs, wie er sonst bei allen Homilien des
Vercelli-Codex auftritt, abgeht. Über das Verhältnis der beiden
Textfassungen des Abschnitts über das Jüngste Gericht siehe
oben unter Nr. 2, woselbst auch weitere Literaturnachweise
verzeichnet sind.
27. Fol. 116b— 120'): Zweiundzwauzigste Yercelli- Predigt.
Ein kurzer Auszug aus den beiden Büchern Synonyma
des spanischen Bischofs Isidor von Sevilla, der wiederholt von
angelsächsischen Homileten als Quelle zitiert wird. Der Angel-
sachse hat von der grammatisch - stilistischen Tendenz des
Werkes, synonyme Ausdrücke vorzuführen, so gut wie nichts
mehr übrig gelassen, aber den erbaulichen Inhalt des Ge-
spräches zwischen dem Menschen und der Vernunft (dem Logos)
sehr geschickt zu einem kurzen Traktat über die Sündhaftig-
keit des Menschen und die Frömmigkeit als einziges Rettungs-
mittel vor den Höllenstrafen zusammengeschnitten, in dem er hie
und da einzelne Sätze, oft in wörtlicher Übersetzung, heraus-
gegriffen und geschickt aneinander gereiht hat. Möglich ist,
dafs der altenglische Übersetzer bereits einen so zurecht ge-
machten lateinischen Auszug vor sieh hatte, da er auch den
im Originalwerke fehlenden paränetischen Schlufs ausdrücklich
auf Isidor zurückführt.
Der Schlufsbuchstabe der Lage (Q) fehlt auf Blatt 118 b,
Man möchte daher annehmen, dafs nach fol. 118 ein Blatt aus-
gefallen ist. Grammatisch - sj^ntaktisch läfst sich der Bruch
nicht erweisen, weil das einen neuen Satz beginnende Schlufs-
wort von fol. 118 b {GehyraÖ) sich mit dem folgenden tuen ])a
leofestan durchaus verbinden läfst. Indes schliefst sich der
Inhalt, wenn wir nicht tatsächlich einen Gedankensprung an-
nehmen wollen, nicht gut an das Vorhergehende an. Auch ist
zu beachten, dafs mit fol. 118 die Benutzung des ersten Buches
der Synonyma mit Paragraph 50 abbricht und mit fol. 119a
mit dem Anfang des zweiten Buches wieder einsetzt, so dafs
also mehr als ein Drittel des ersten Buches übersprungen wäre.
Von diesem Gesichtspunkte aus scheint es nicht unwahrschein-
6*
84
lieh, dafs dazwischeu, also nacli fol. 118, ein Blatt ausgefallen
ist. Gestärkt wird diese Annahme durch die oben unter Nr. 25
gemachte Beobachtung, dals auch das korrespondierende
Aufangsblatt der Lage fehlt. Also werden wir mit ziemlicher
Sicherheit sagen dürfen, dafs der sechzehnten Lage der ganze
äulsere Bogen fehlt, der vorn die Zahl XVI, hinten den Buch-
staben Q getragen hat.
Gedruckt ist diese Predigt weiter unten unter E.
28. FoLlSla— 133i>: Sechstes Tercelli- Gedicht
CElene').
Ein Gedicht von 1321 Alliterationsversen über die Auf-
findung des Kreuzes Christi durch die Kaiserin Helena mit
Hilfe des Juden Judas, der dann getauft als Cyriacus zum
Bischof von Jerusalem gemacht wird. Dieses unter dem Namen
'EleneV) der altenglischen Form von Helena, in der Literatur-
geschichte laufende Gedicht ist nach Ausweis eines Runen-
Akrostichons am Ende (Vers 1258 — 1270) von einem Dichter
'Cynewulf verfalst, der es wohl in der zweiten Hälfte des
8. Jahrhunderts in auglischer Mundart geschrieben hat, während
es uns in der Vercelli- Handschrift in einer jüngeren, west-
sächsischen Umschrift vorliegt. Als Quelle benutzte unser
Dichter eine lateinische Form der Kreuzauffindungslegende,
*) Dieser von Jacob Grimm 1840 aufgebrachte Titel ist nicht sonder-
lich glücklich gewählt, weil Cynewulf bestimmt nicht eine Verherrlichung
der Helena im Auge gehabt bat, wie Brand), Altenglische Literatur S. Iü42,
anzunehmen scheint. Die ersten Spuren einer Verehrung der heil. Helena
im Abendlande finden sich erst im 9. Jahrhundert (s. H. Kellner, Heorto-
logie, Freiburg ^ 1911, S. 248), also nach Cynewulfs Zeit, wie denn auch
das Gedicht die Helena nirgendwo als 'Heilige' bezeichnet, sondern ihr
nur das Prädikat 'selig' (eadhredig Y.2ö'd = \s,t. beata) beilegt. Cynewulf
wollte sicherlich nicht eine Person, sondern vielmehr die Auffindung des
heiligen Kreuzes verherrlichen, die seit dem 7. Jahrhundert als Festtag im
Abendlande begangen wurde. Dafs Cynewulf dieses Fest im Auge hatte,
ergibt sich auch aus Vers 1228 f., wo ausdrücklich eine Feier des S.Mai
angeordnet wird. Dies ist aber das im Abendlande übliche Datum des
Festes der Inventio s. Crucis, während der Festtag der heil. Helena auf
den 18. August fällt. Besser war daher der Name, den Thorpe (1836) dem
Gedichte gegeben hatte, der es " Tlie Invention of the Gross" betitelte.
Kemble schlofs einen Kompromifs zwischen Thorpe's und Grimm's Titel
und nannte das Gedicht "Eietie, or the Recovery of the Gross."
85
wie sie als Invenlio s. Crucis oder Vita s. Quiriaci in den
Acta Sandorum (zum 4. Mai) und sonst mehrfach gedruckt
vorliegt, wenn auch die spezielle Textrezension der Cynewulf-
schen Vorlage noch aufzusuchen bleibt.
Gedruckt ist unser Gedicht von Benjamin Thorpe (1836),
Jacob Grimm (1840), Kemble (1856), Grein (1858), Julius
Zupitza {Cyneiüulfs Elene, Berlin 1877, 4 1899), C. W. Keut
{Elene, Boston 1889, 21902), Wülker (1888) und mit trefflichen
Anmerkungen von F. Holthausen {Cyneividfs Elene, Heidel-
berg 1905, 2 1910). Ein um die Hälfte verkleinertes Faksimile
des ganzen Gedichtes gibt Wülker im Codex Vercellcnsis
(Leipzig 1894). Eine Seite, die erste, gab in gröfserem, aber
immer noch fast um ein Drittel verkleinertem Faksimile —
was der Herausgeber zu erwähnen vergessen hat — Holthausen
in der zweiten Auflage seiner Ausgabe (1910). Weitere Literatur
siehe bei K. Jansen, Die Cynetvidf-Forschung von ihren An-
fängen bis zur Gegenivart (Bonn 1908), Brandl, Altenglische
Literatur S. 1043 f. und Holthausen in seiner Ausgabe S. XflF.;
dazu Grau, Quellen, S. 15—29 und Richter Chronologische
Studien S. 40—45, 86—88, 101.
29. Fol 133 i>— 135»): Dreiundzwanzigste Yercelli- Predigt
('Guthiac').
Eine Homilie, die uns die Heimsuchung des heil. Guthlac
von Croyland (gest. 714) durch zwei Teufel und deren Besiegung
mit Hilfe des heil. Bartholomäus erzählt und offenbar für den
11. April, den Gedenktag des heil. Guthlac, i) bestimmt war.
In Wirklichkeit handelt es sieh dabei nicht um ein selbständiges
Werk, sondern um einen mit der doxologischen Predigtschluls-
^) Sein Gedenktag findet sich schon in einem der ältesten der nns
erhaltenen klösterlichen Festkalender eingetragen, dem in dem west-
sächsischen Kloster New Miuster zu Winchester um 1050 hergestellten
Kalender der Cottonhandschrift Titas D. XXII (ed. R. T. Hampson, Medii
Aevi Calendarimn [London 1847] Vol. I S. 435 if.; vgl. dazu W. de Gray
Birch, Liber Vitae: Register and Martyrology of New Mhister and Hyde
Abbey, Winchester, [London 1S92] S. 269 ff. und F.Piper, Die Kaiendarien
und Martyrologien der Angelsachsen [Berlin 1862] S. 76). Ich halte es
daher nicht für richtig, dem heil. Guthlac nur die Bedeutung eines
'mercischen Lokalheiligen' zuzugestehen, wie es Brandl, Altenglische
Literatur S. 1115, tut.
86
formel versehenen Abschnitt ans einer umfangreicheren alt-
englischen Lebensbeschreibung des heil. Guthlac, welche voll-
ständig in der Londoner Handschrift Cotton Vespasian. D XXI
(aus dem 11. Jahrhundert) vorliegt und ihrerseits eine freie,
kürzende Übersetzung der um 730 verfafsten Vita S. Giithlaci
eines Mönches Felix darstellt. Unser Vercelli-Fragment um-
fafst die Kapitel 4 und 5 der vollständigen Vita und verhält
sieh textlich zur Londoner Handschrift in der Weise, dafs es
eine ältere, den angli sehen Dialekt des Originales besser be-
wahrende und der gemeinsamen Urhandsehrift näher stehende
Textgestalt aufweist. Dafs unser Vercelli-Fragment aus einem
grölseren Zusammenhange herausgelöst ist, zeigt noch das in
der ersten Zeile stehen gebliebene "in dem erwähnten Eilande"
{in Jjam sprecenan iglande). 0
Die angelsächsische Fassung der Guthlac-Legeude ist unter
Herbeiziehung der Lesarten des Vercelli-Fragmentes zuerst von
Ch. W. Goodwin, The Anglo-Saxon Version of ilie Life of
St. Guthlac (London 1848) mit englischer Übersetzung und An-
merkungen veröffentlicht worden. Eine sehr sorgfältige Aus-
gabe verdanken wir Paul Gonser, Das Angelsächsische Prosa-
Leben des heil.Giithlac (Heidelberg 1909), wo auf Seite 117 — 134
neben dem Londoner Text auch das Vercelli-Fragment voll-
ständig abgedruckt ist. Weitere Literatur siehe bei Wülker,
Grundriss S. 491 — 493 und Brandl, Altenglische Literatur
S. 1114f.
30. Fol. 136a— 136b
sind leer. Auf fol, 136b stehen nur in jüngerer Hand in Majukel-
schrift die Worte: CVM FERUENISSE.
^) Nicht möchte ich hieraus mit Gonser S. S5 schliefsen, dafs "die
einleitenden Worte der Homilie, in denen von der Besiedlung des Eilandes
durch Guthlac die Rede gewesen sein mufs, verloren gegangen sind."
Auch bei anderen Homilien setzt unsere Handschrift ohne besondere
Predigteingangsformel sofort mit dem Text ein, so bei den Predigten XV
und XXII. Das Wort sprecenan mag eben von unserem Homileten
mechanisch seiner Vorlage entnommen sein.
87
VII. Abdruck der IL, VI., IX., XV. und
XXII. Vercelli-Homilie.
A.
IL Yercelli- Predigt
fol. 9 a — r2a.
MEN DA LEOFESTAN, l>a}s myelan döm-daeses worci)
biö swiöe ejes-lic 7 andryslic eallu?» ^esceaftum. In }?a»i
dffi^e, ]'a bleoöriendan lijeas for-ba3rnaJ;» )^?enc blod-je-mensdan
jeard^) 7, J>a-]'e uu her syndon on myclu;« sylpe 7 on unnyttre^)
Äesyhöe soldes 7 seolfres 7 jod-webbes 7 wossestreona. Ac 5
we sint nu pam je-liccost for-truwode, ]'e he us noto*) ne
cyme. 7 on ]'am düo^e jewit sunuan leoht 7 monan leoht 7
)>a leoht ealra tunsla. 7 on ]mm dieje biö Dryhtnes rod blöde
flowende betweox wolcnii»^"') 7 in pa.m dse^e biö Dryhtnes
onsyn swiöe ejeslicu 7 ondryslicii, 7 on pam hi\Ye, ]?e he wfes, 10
l?a hine ludeas swunjon 7 uhenjon 7 hiora spatluwi him on^)
Varianteu des 2. Teiles der XXL Vercelli-Predigt, welche ich unserer
obigen ersten Vercelli-Fassung (= V) gegenüber mit V^ bezeichne. Man
vergleiche den stark abweichenden Text der XL. Ps.-Wulfstan-Homilie,
ed. Napier lS2"ff., die ich hier nur gelegentlich als W [oder B
= C.C.C.C.419; C = C.C.C.C.201; F = Hattonll4; N = Cleopatra
B. XIII] heranziehe, meist nur bei Differenzen zwischen V^ und V^ : 1 /)a
V^ I pces myelan dvm-dceges worc] pcesÖe ive ^e-rced habbad 7 ge-leornod
on hali^um bocum, se ytetnesta dce^ pysse toorulde V^ 2 hyö \ e^es-
fullic \ ondrysenlic \ in] on \^ 3 li^,^eas for-boertiaÖ pone 4 ^eard]
middan-^eard V^ W ] pa-pe] ponne, pe V^, pcet mancynn, pe W | her syn-
don] ys Y'W 5 gode-ioebbes ö synt \ gelicost \ noto ne] na to V
7 cume \ 71 f. V^ | öam \ dcege Y^ W] d(Ege pces myelan domes Y^ 8 eallra \
7 f. Vä 1 Öam I byd hinter rod 9 on dam \ byö 10 ondrysenlice \
7» f. V* 11 hyra
') Vielleicht ist hier das angl. w^rc 'Schmerz' einzusetzen, das öfter
von südlichen Schreibern mit tveorc 'Werk' verwechselt ist
^) Lies middangeard mit V^ W.
^) Das erste t über der Zeile.
*) Lies no to = na to (V^).
*) Die beiden Sätze stehen auch in einer Hs. (B) der Wulfstanschen
Homilie, fehlen aber den andern Hss. (CFN).
^) 5 [sicij über der Zeile.
/
88
spiwonJ) lu psini da33e }'a synfuUan lieofia}? 7 wepa}>, forj^an
hie 'xv noldon hira Bynna betan, ac hie sarije aswaima]' 7 in
susle afeallaö. In ]?am dfcse beoö blawende ]?a byman of .1111.
sceattu)« )'yses middan-seardes. 7 j'onwe ealle arisap; swa-
5 hwjct-swa eoYpe forswealh 7 fyr forbjernde 7 s» senete^) 7
wildeor fr?eton 7 fii^las toba^ron, eall pcet py diüse ariseÖ.
Ou pa,m dseje^) ure Dryh^^^^w in bis pum myclan mteseu-prymme,
7 bis onsyne setyweö 7 bis licboman.'*) ponwe biö seo wund
gesewen pam firen-fullum, 7 J'a?« soö-faestan be biö hal je-
10 sewen,4) y })ouwe Iiideas mason ge-seou, poae-pe bie ler cwealdon
7 bengon. 7 se soöfsesta dema pomie demeö ealra manna je-
bwylcuwi i\3fter [fol. W] bis sj^lfes je-wyrbtu/». Hwa^t ponne
}?inceö }?am synfiülan, |?a3t nobt ne sie pses bates ue jjses cealdes,
ne paes beardes ne pies buesces, ne pajs leofes ne öa^s laöes, poet
15 biue ponne mreje fram Drybtnes lufan Mon 7 bis^) willau
ascadan; 7 nu nella]? bis willan wyrcean, nii we eaöe majou.ß)
1 in] on V^ | heofaö 7 xoepai), forÖan-ße 2 noldan liyra \ sarige
asivcemap] ponne sceolon sarie asicceman Y'^ \ i7i] on V^ 3 afeallan \
in] on V^ | Öam | beoö blawende] fcoiver englas blatvaÖ V^, singaÖ W |
pa V^W] feoiver V^ | of .IUI. sceattuni] on feoiver healfa [lies healfum]
Y^, of pam feoiver sceatum W [halfmn Korr. F] 4 pysses 5 swa-
/afcef-siüa V* V] sioa hwcct manncynnes swa Vf \ eorÖe \ sende] be-sende
V^ W 6 fugelas \ py V^ WJ on öam Y^ \ arist V* 7 öa,» | Jce^g
V^J dwge sitt Y^, dcege cymeÖ W | in] on Y'^ \ pam V W] f. Y^ \ m^gen
8 ansyne \ 7 his lichoman bis hal ge-seicen felilt V^; in W steht etwas
anderes, s. oben 10 cwealdon 7 hengon V] ahengon 7 cwealdon Y\
aliengon 7 acwealdon W II öoJine | ea/ir« 12 a^ftcr VW] be Y^ |
0 Siehe Note 5 S. 87.
2) Vielleiclit besser mit V^ und W besende zu lesen.
ä) Dahinter ist jedenfalls ein Verbum ausgefallen : so etwas wie cymeÖ
(W und Hatton 116 pag. 3S8) oder sifAÖ {sitt V).
*) Vielleicht ist dieser und der folgende Satz verderbt. Wenigstens
ist die stark abweichende Lesung von W viel verständlicher: ponne biö he
pam syyifullum stviöe wräÖ ceteowed, and pam soÖfcestum he bi/Ö bliÖe
^esewen; vgl. auch Vercelli-Homilie XV fol. S'6^: ures Dryhtnes onsyn biÖ
siciÖe reÖe 7 siviö', egesful 7 grim. Allerdings sagt noch Hatton 116
pag. 388 erst Drihten cymÖ ponne on micclum viegenprimme, 7 fyr on his
dnsyne scinep 7 blyceö und später he cetyweö pa wunda on his sidan.
^) Hierzu ist das vorausgehende fram im Sinne zu ergänzen.
®) Etwas klarer in W ausgedrückt : 7 pa ungesMigan yrmingas nellaö
nü pcet gepencan ne his tvilla7i be sumon dcele wyrcan, nu hig eaöe magon.
80
Hwjct, la, p;i3t is ofer eul 3e-met to seeawi.'^cnne 7 to
smjesenne, pcef )'a earman fyren-fullan seulon sarije aswfeman
frajH ansyne ures Drihtnes 7 fram bis lialigra 7 frsan pam
wulclre heofona-riees; 7 )?on«e 1) ^ewitaj'i) liie^) in )?a tintreso
pa3re ecean helle. Eala, liwjct, inod2) syndon earralice a]?ri- 5
stode,3) pixit hie ajfre L'ctan seulon ]>cp/ dea]>-berende dioful
liis'*) on unnyttre geswipuniesse hie >) to pam jedwellan, pxt
hie synne freuinieu 7 pa)S willan ne wyrcea]', pe hie on eorl^an
Se-sceop 7 mid his gaste jeliffjeste 7 him eece lif for-^eaf. La,
hwa^t meM him eallinja ne ondneda}?, hu pcet dioful him on- 10
staileÖ ealle |^a un-rihtan weorc, pe her woihte bioö beforan
l^aive mengeo pxs myclan domes! La, hwjet men bira ne on-
drjeda]^ pxt myele dioful Ante-crist rnid his helle-witura 7 mid
his yrm]>u?« 7 his pain saran suslum, pe him biol? to edleane
bira firena golden. La, hvfxt we us ne oudnedaj? pone to- 15
weardan eje domes-dieses, se is yrmpa dsej 7 earfoöa da35 7
sylfes] a^enum V^ f. W [a,^enutn N] | HiccBt ponne pinceö bis tce eade
ma,^on (Z. 16, S. SS) fehlt V^; in W ist vor Hwcpt noch ein Passus einge-
schoben (ed. Napier IS-i* '*).
1 ys I eal ^emd V*W] ealla ping V^ | to sceawigenne 7 f. V'^W
2 smci'genue] smeagenne V^ W ] sceolon | sarie 3 dryhtnes 4 ponne
geicitap hie] panon yAvito7i V*, panon geioitan W | in V^W] on V^ |
tintrego V* W] tregan flies fin^rex^aw] V* 5 ecfl» | Eala, Jnccet bis ece
lif forgeaf (Z. 5-9) f. V- 9 La, hiva^t] Eala, pcet V^ 10 itietm \ 01-
(Iradad \ pc^t dioful] Öa deoflu V^ | 07istcelad 11 ge-tvorht beod [lies
beoÖ] V^ 12 menegeo \ La] EalaY'^ 13 pcet mycle dioful] pone deofol
V^ I his f. V^ I mid^ f. V* 14 yrrnÖmn \ Öam sarum \ beoö 15 hyra
fyrena \ golden] agolden Y"^ | La V W] Eala Y'^ | oyidrcedaÖ 16 domes-
dcEges] pces domes-dceges Y'^ \ ys | yrmpa V^W] yrmöe Y^ | earfoöa V
W] carfoöncssa Y^
') Wahrscheinlich ist in Übereinstimmung mit V^ und W das Sätzchen
noch zum Vorhergehenden zu ziehen und zu lesen : heofona-rices 7 panon
gewifan i7i pa tintrego.
'^) Wohl besser mit W zu lesen : manna mod. Jenes mod steht in
V am Zeilenaufange, was darum zu beachten, weil beim Übergang von
einer Zeile zur andern leicht ein Ausfall eintritt.
^) apristode 'dreist gemacht' pafst nicht sonderlich gut zu eartnlice
und zum folgenden Objektsatz mit gedivellan 'irreführen'. Somit ist wohl
apystrode einzusetzen in Übereinstimmung mit W: apystrode 7 adysgode 7
gedicealde.
") Das eine der beiden hie ist zu streichen; in W fehlt das erste.
90
uu-rotnesse dxz 7 cirmes dsöÄ 7 wanunse dxz 7 sares djej
7 sorjes 1) ävcs 7 se J'ystra da^3 ! On )^am daBje us biö set-eowed
[foLlO^] se opena heofon 7 enjla prym,
7 eall-wilitna hryre 7 eor]:'an for-wyrht,^)
5 treowleasra Äe-wiiin 7 tungla jefeall,
]niDor-rada cyrm 7 se pystra storm,
<.])(Bya hjfta leoma'>^) 7 )mera lija bl?estm
7 graniendra jesoeaft 7 ]'a?ra gasta sefeoht,
7 sio Äri»»me je-syhö 7 ]?a jod-cundan mibt, 4)
10 7 se bata scür 7 bell - warena 5) dream,
< ^«?;-a heorga .^ehrest > ß) 7 para byraena sanj ,
7 se bnlda bryne 7 se bitera d^e^
< y se micla cwyld 7 /jara manna dream > ')
1 cirmes 2 so)*^e | öawi | ftyö cetywed 3 Für die Versstelle
gebe ich alle Siunvarianten aus W | se opena /i] se ^esewcna (| über der
Zeile) heofon V*, sco ^eopenimg heofena W 4 eall-ioihtna V^ V^] /teZ-
tvihta W [doch eal-ivihtna C] | eorÖan V^ W | forwyrht] fonvyrd V^ W
6 ci/mi VV*] Äiynn W | Ö^/sim V*, ßeostra W [pistra C] | sfor»?. V*
V^] prosm W [doch sform C] 7 die erste Halbzeile fehlt V'V*; sie
lautet inW: Öceralyfta leoma | paraY^ \ liga Y^Y'^] ligettaW \ blcestm
V] ^ebrasl VS hlcest W [doch gchrasil C] 8 7' f. W | sraniendra V»]
pa grav^endan V^, /)a ^raniendan W [para grcmigendran C] | ^esceaft
ViW] sesccafta V« | /jam V 9 7» f. W 1 sfo V^] seo V«, /)fl W |
grimme V V-] ^»•imm^n W [ gesyhÖ VV^W [doch gesihÖe C] | mt7ii V^
W] mihtaY'' 10 7' f . W | helwaraW \ dream ViV-'] /iream W [doch
ream (lies dreawi?) C] 11 der l.Halbvers f. V^V''; er lautet in W : 7&«ra
beorga [beorha N] geberst 12 7^ f. W | bryne V'V-j bryne ofer ealle
woruld W 13 der ganze Vers fehlt V; doch iu V^ und W lautet er:
7 [f. WJ se micla cwyld [cwealmW] 7 para [p(era'W] manna dream [wianW]
') Man beachte die Genetivform auf -es (Sievers, Ags. Gramm. § 252,
Anm. 2).
'^) Vielleicht ist mit V*W fonvyrd zu lesen.
^) So wohl nach W zu ergänzen.
*) Lis mihte oder mihta (V"), falls man nicht mit Napier den ganzen
Ausdruck in den Singular transponieren will {seo godcmide mihi), wobei
allerdings zu beachten ist, dafs alle sechs Handschriften pa godcundan
überliefern.
^) Vielleicht mit W hell-wara zu lesen. — Auf die Ausmerzung
jüngerer Formen aus metrischen Rücksichten verzichte ich im folgenden.
«) So wohl nach W zu ergänzen.
') Wohl mit V'' und W einzuschieben.
91
< 7 seo sare sorli > i) 7 J'ara sawla ^edal
7 se deaö-berenda draca 7 diofla forwyrd
7 se nearwa seal' 7 se swearta deaf>^)
7 se byruenda gi'wnd 7 se blodija streawr')
7 mycen) fionda fyrhto 7 se fyrena r^n 5
7 ^) ba3Öenra sranun^ 7 bira berisa fyll,
beofon-warena 6) meuso 7 biora blafordes mibt
7 ]?set myele ") jemot < 7 seo e^csfulle fyrd > ^)
7 sio reöe rod'-') 7 se ribta dorn
< ure fyrena edwit > 10) 7 |?ara feonda gestal 10
7 J>a bMcan owf/wlitan 7 bifiendan word'^)
< se forlita cyrm > 1*) 7 para folca wöp
1 der 1. Halbvers fehlt V^ und B; er lautet in V^ und W: 7 [f. W]
seo sarie \säre W] sorh 2 der ganze Vers fehlt W | dead-bereyida V*]
deaä-berenda \~ \ deoßa Y"^ 3 der Vers lautet metrisch besser in W:
se sära siÖ 7 se sorhfalla d(Fg \ seaÖ V- | dead V 4 in W in zwei Verse
zerlegt ; s. Anm. 3 5 7 f . W | myccl V] seo mycle V^, f. W | fwnda fyrhto
V^W] fyrhto para feonda V^ P. 7 f. VMV | hira [hyra\''] heriga fyll
V V"] reafera wänuv^ W 7 heofon-warena V'V^] heofon - wara W
[warn F] | men^o V] menigeo Y^, falmcegen W | Ä^ra V-, Aeora W |
mihi W'-] /»"i/ju W 8 7 f . W | micle VS mycele V^] on^rislice W |
der 2. Halbvers fehlt V V^ 9 7 sio [seo V-] rede rorf V V^] se reda
icealdend W 10 der l.Halbvers fehlt V^V^; er lautet in W: nre fyrena
edicit 11 7 f . W I andivlita7i Y'^ W \ bifiendan w. V^] pa bifiendan w.
V«, l)cet bifiende wered W 12 der 1. Halbvers fehlt V^V^; er lautet in
W: se forhta cyrm [cearm N] | hinter wo^ in W noch (ohne Alliteration,
also wohl späteres Einschiebsel): pcera feonda grimnes 7 se hlilda heof
0 So wohl mit V'^W zu ergänzen.
'^) Den Anstofs bezüglich des Stabreims beseitigt die Lesart von W
se sdra siÖ 7 se sorhfalla dceg. Vielleicht ist also so zu lesen, oder sara
(für neariva) und sorhfulla (für swearta) einzusetzen.
3) Dieser Vers erscheint in W in zwei zerlegt: poet brdde bealo 7 se
byrnenda grund | pcet bitere wite 7 se blodiga stream.
*) mycel ist jedenfalls mit W zu streichen.
'•') Die Kopula zu Beginn der Verse, welche hier in V^ W und im
folgenden Verse in allen Hss. fehlt, ist vielleicht durchgängig zu streichen.
^) "Wohl mit W heofon-tvara zu lesen.
') Wohl des Stabreimes wegen mit W ongrislice statt mycle zu lesen.
*) So wohl nach W zu ergänzen.
'0 Ob vielleicht mit W se reöa icealdend zu lesen?
^°) So wohl nach W zu ergänzen.
") Ob mit W 7 past bifiende iverod zu lesen?
'^) So wohl nach W zu ergänzen.
92
ond se scamienda •) here < j se synniza heap,
SCO gmniende neowelnes > '^) 7 sio for-slendrede^) hell
7 ]^ara wyrma jryre.
7 ]:>onne biö us ') jcsliwylc J'yllie ejesa set-eowed pxT ]7a
5 fyren-fullan ponwe meahton se-wiscan, pi'et hie naifre ne wteren
acenuede fram liiora fa^drum 7 modrum, oööe selc liiora to
dii;»biim nytennm je-wurde. Hwjet, bim \^onne w;iere'') leofre
ponne eal middan-jeard mid ^estreoniim, J:>e heofon be-bwylfeö.
La, }iait we us ne oiidniidaj:', l^iait we d?ej-bwamliee je-seoö
10 beforan urnm easum, nu we }?am oöruw ne 3e-lyfa]?, ure J^a
ueahstau swelta]?. ") 7 ponne ]?a ') licboman biö laö-lic lejer
Segyrwed in'') psßre eealdan [fol. ll""] cealdan"') foldan je-
1 otid [7 V*] se scamienda [auf Rasur? V] here V* V'^] l)cet sarige
mancijnn W \ Der 2. Halbvers fehlt V'V-^; er lautet in W: 7 se synniga
[syngia N] heap 2 der 1. Ilalbvers fehlt V^ V^; er lautet in W: seo
graniende neowelnes [-nys N] | seo V^ W | for-glendrede V^ W {forglcen-
drede C, forgleddrede F)] byrnende V 3 7 f . W | gryre V* V^] ongryre
W I dahinter noch in W ohne Alliteration, also jung: 7 pcera sorhwita
[-iclhta N] mcBst, se nidfulla here 7 se teonfulla dceg. 4 ^ ponne V^]
on pam dcege ns byÖ V- W | ceghioylc] celc Y^, call W | pylic V- | celywed
V* I Peer V "V*] a«fZ W 5 mihton geiviscean V^ | ne icceren] nceron
V 6 '^hira V ] fcedermn V | ^/ly^-fl V2 7 ^eiüwrrfe] gewurdon V^ |
/jonjic] ponne pect Y'^, pcet ponne BCF S eall Y^ | mifZ] mid pam V*
9 La, pcet] La, hivcet Y^ \ ondrwdaÖ Y'^ 10 eagum] eagun Y^ \ nu ive
pam odrum ne s^lyfap fehlt V- | pa (V> W) fehlt V=* 11 sweltap Y^]
sweltan V^, feallan 7 sweltan W | pa V'V^J pam W | ii//) V* | ladlic
Y'^ ! leger V^V] legerbed W [/e^er C] 12 gegyred V^ I in] innan
Y'; 7 inW I eealdan"- fehlt V» W | /"oZ^/an V^ FN] eoröan V^ B, moldan C
^) Falls die Ergänzung des 2. Halbverses nach W richtig, müfste auch
wohl sariga (W) statt scamienda eingesetzt werden.
*) So wohl nach W zu ergänzen.
3) Ob nicht vielmehr forglendrende 'verschlingend' statt (des aller-
dings in 5 Hss. überlieferten) forglendreds. 'verschlungen' zu lesen ist?
*) Vielleicht mit V- W besser zu lesen : On Öam dcege us biÖ.
^) Lies mit V^ (W) pcet ivcere. — Man beachte, dafs an dieser Stelle
(Napier 187 ^~') die Hss. BCF zu unserem Vercelli-Text stimmen, also wohl
das Ursprünglichere bieten, während Napier die stark abweichenden
Lesungen von N in den Text gesetzt hat.
*) Lies mit V- W sweltan.
'•) Lies mit W: pam lichoman.
^) Mit W die Kopula davor zu ergänzen (7 in), ist wohl nicht nötig.
^) Das eine eealdan ist natürlich zu streichen.
93
brosDodon ; 1) 7 pcet la^ne lic J?aer ge-rota)' to fulnesse 7 l'am
wiclslitendan wyrmii»? to ajte.
Hwjet, psat po)iue la biö sarlic sar 7 carmlio je-dal psca
lichoman 7 ]'iere sawle, ^if ponne se earma innera man, pcßt
is seo weri^e sawl, pe her for-wyrlit biö 7 ajiraeleasedu^) 5
^odes be-boda, )>ii^t3) hio^) j'ouwe^) jefter paii je-dale aslidan
seile in )\a ecean helle-witu 7 }?a3r )'oune mid dioflum drohtisan
in morj're 7 on mane, in susle 7 on sare, on wean 7 on
wurmum*) be-tweox deadum 7 diofluwj, 7 ■>) bryne 7 on biter-
nesse, 7 on fulnesse 7 on eallum J>am wituwt, |^e dioflu jear- 10
wedon fram f>8ere frymj>e, }?e hie to se-seeapene wajron 7 hie
sylfe se-earnedon.
Ae ntan we beon jemyndi^e ussa sawla J^earfe, 7 wyreen
we s6d on pam daeje, pe we öurhteon ma35en. 7 forlaitan we
morpor 7 man 7 ofer-hydyj^) 7 aifeste 7 idel-iilp 7 nn-riht- 15
1 ^ebrosnodon] ^cbrosnad V^, ^ehrosnab BN, gebrosnoÖ CF | /)fer (V^
W) f. V^ 2 lücelslitendum V^ W 3 7jon«e hinter fci5 V^ | la f. V» W
4 »Hrtnn V^ 5 u-ene V'^ | byö V^ 1 a^ymcleasudu V- ö Äeo V- | ßam
V^ 7 sciZe] sceole V'^, sceai W i in V W] o?i V- | ecan V^ | ponne (V^
W) f. V- I deoflum V* | V- | drohtigan] drolünian V^, drohlnod habban
W 8 o?i moröre V* | o?i stwZe V"- 'J lourtnuml wyrmnyn V-, ivyrDidi-
tim W I cZeo/Zit»i V-' | 7'] on V^, in W [on C] | 7^ f. V^ 10 dioflu
^earivedon] deof{l)um wcBS ge{g)earicodY'- 11 frympe iN^ \ to gesceapene
wceroti] on forwurdon V^ 12 ^e-earnodon Y'^ 13 von hier an lautet
W gänzUcli anders | iifon V* | we f. V^ | urra V* | pca{r)fa V* | wyreen
v:e\ uton icyrcan V^ 14 dce^e f. V'^ | purh-teon ma^on Y'^ | forlceten loe]
iito(;n) for-lceton V^ 15 moröor V^ | ofer-hydy^] 'ofer-higdo V^ | ce/isfa
V"'' I idel-giljj] idelne ^ylp Y'^
') Wohl mit W zu lesen gcbrosnaö.
^) Entweder zn bessern in 7 agiyneleasede 'nnd vernachlässigte' oder,
was mir wahrscheinlicher dünkt, in on agimeleasedu . . . beboda (von
forwyrht abhängig). Zu letzterem vgl. gif htva hine sylfne siciöe fonvyrce
on mcenigfealdan synnan Eadgars Poenitential (Thorpe II, 276/"*). Vgl.
Anm. 5.
') Der Satz würde glätter, wenn man peet hio ponne striche. Viel-
leicht hat aber der Übersetzer nach dem Zwischensatze damit das Subjekt
wieder aufnehmen wollen. Das pcet möchte man aber demnach am liebsten
entbehren.
*) Vgl. Bülbring, Ae. Elementarbuch § 2S0.
*) Lies on bryne (V^ W) statt 7 bryne.
«) Vgl. Pariser Psalter LXXVII, 58: oferhydis ['Stolz'] ahofan.
94
wisnessa 7 uuriht-htomedas, ') ser-ajtas 7 ealo-^alnesse, dysiuessa
7 jcdwoU-eraeftas, sitsunja 7 sifernessa, leasunja 7 licettun^a,
tailnessa 7 twyspmecnessa, niöas 7 nearopancas, 7 heamol-scipas
7 oallra }^ara peawa, 2) }?e dioflu on bim sylfum onstealdoD.
5 Ac lufigen we urne Dryhten niid ealle mode 7 mtiesene, 7 mid
eallre usse beortan 7 byjdo, mid ealre soöfestnesse 7 snyttro.
Lufiseu we usse pa nebstan swa-swa us sylfe. 7 sin we mild-
beorte earmum mannuw 7 elf'eodcÄum 7 un-trumu«^, ]?a?^ us
ure Drybte« jnirb J^te^ milde weor)?e. Ond peah ure bwylc
10 wiö oöerne [fol. 11^] je-sylte od worde oööe on worce, forbere
be bim ]>sßt liöe-lice, pe la3S bim Jod pcet yrre, witDise, swa
sylfa cwfeö: ^DiniiUe 7 dimitetur uoh\%\ Je-]>rowi5en we for
ures Drybtnes lufau eall, pcet us man to earfeönessum jedöö
ber on worulde.
15 Hwffit, we be-bofijaö, pcet we ge-munen, bu mycel be for 3)
US ^e-^'i'owode, sefter jjan-p'e be menuiscum licboman onfenj
man-cynne to ecre bajlo 7 us purb l^set je-nerede of deofles
]:>eow-dome 7 us edbwyrft forjeaf to pam ecean life, pQ we
ser for-worbtou, jif we bit ge-earnian willap, swa se witija
20 cwa3Ö: 'Drybten }?a je-bfeleö 7 bafa)? on beofona-rice, ]?a-pe
ber on worulde beoö eaö-mode^) Jode 7 mannuw.
Hwjet, we ge-byraö, l^set J'a beoö for Jode eadi^e 7 welije,
J^a-pe on worulde bioö eaö-mode 7 manp>w8ere. Hwset we
1 unriht-hcemcdo V- | ealu-^alnessa, disipiessa y^ 2 ge-dweoll
dtcoll crceftas [so!] vor 7 twysprcEcnessa V^ | gytsuvga V | ^iftrnessa
hinter dmgnessa 7 ¥'•' | 7^ f. V^ | liccetun^a 7 talnessa (7 vor fa?«.) V*
3 niöas 7 nearu-pancas liiuter talnessa V^ | 7 lieamol-seipas f. Y- 4 eaHra
ßara pemva] ealle pa l)eawas V- | deoflu ¥'■* | sylfum f. V^ | astealdon V*
5 ac hifigeti we\ 7 nfon Zu^an V^ | ealliun \'^ \ 7] 7 »tirf eallitm V*
6 nsse f. V^ | 7 hygdo] hyldo 7 V^ | eallre V | 7 snyttro f. V^ 7 Infixen
ice'\ 7 wfo» Z»/tan ¥'•' | usse pa'\ ure \'^ \ nelistan] neahstan, pcet syndon
ealle cristene menn V^ | sin ice] uton beon Y'' 8 elpeodi^um V*
9 iveorpe] ivyrÖe V^ 10 ^e^ylte] agylte Y^ | on^] oÖÖe on V^ 11 pcet
f. V^ I liÖehce] bliÖlice 7 for^yfe on pysse hal^an tide V^ ] god hinter
yrre V \ icitnie V^ | Mit diesem Worte hört die Übereinstimmung beider
Predigten auf, so dafs wir keine Varianten mehr zu verzeichnen haben.
') Lies unrilit-hcemedu (V^).
*) Wohl mit V^ zn lesen: ealle pa peawas.
^) 0 aus u korrigiert.
*) Davor Schemen 3—4 Buchstaben fortradiert.
95
pomie ma^ou be j'am witan 7 on^itan, }'a)t )>a beoö for Jode
earme 7 unljude, pa-^e her on worulde bioö ofer-hydisc 7
a3fe8ti5e. Eallra synna sio is Jode lapost 7 un^ccwemost, for-
l'an-J'e uian-eynn airest ]nuh. \>Si aifeste wreroQ on belle besencte
7 eft J'urb mild-beortnesse; 7 eaömodnesse bie wieron j'auon 5
alysde of diofles öeowdome.
La hwjet, we be-hofiÄa)', pwt we iisse earan ontynen 7 usse
heortan to pam jodspellican laruw, l'e iis man oft beforan
8a35Ö 7 usse lareowas beodaj' 7 seesap. Hwa)t, we nu on
idlum silpe us mid jolde 7 mid gimmu/?? searwia)' 7 blissiap 10
7 ^laid-mode beoö, swa we wenen, l^ret we na^fre [fol. 12^^] bit
forla^tan seylen 7 to seldan mycles urne Drihten ^e-munan 7
ure sawle ^'earfe, f>al'e sculou bion on eenesse ajfter l?yssii»i
life mid sawle 7 mid lichoman in svva-bwieörum-swa we ber
nu 3e-earniap. Habben we jode hreowe ura synna, peab psat 15
je-limpe, pcet ure hwyle wiö oöerne jesynnije on worde oööe
on worce. pses f>onwe bot biö betst; forp'an ne biö na^fre se
man to l?an swiöe synful, ]>cet bim symle ne sie sio bot
alyfedu.
Utan we nu forj'an efstan to Jode, rerj^an us se deaö 20
jejripe, for|?an be us swiöe to nea-heceö. 7 sien we snotre
7 soöfieste 7 mild-beorte 7 rummode 7 ribt-wise 7 a3lmes-
Seorne 7 chenbeorte 7 frerasume 7 jod-wyrhte 7 larsume 7
l'eowfeste 7 je-hyrsume Jode 7 urum blaforduw, 7 gej^yldise
Jodes willan. 7 he us ponne pasa to leane forjifeö }>aet ece, 25
p(et US Sßt fry>«-J>e je-teohod waäs. Utan we nu efstan to J^an,
j^a hwile }^e we ura weja wealdan moton. pair hie nfefre
leofe sedalaj? ne laj^e jesamnia}', ne na^fre da35 ne cymeö jefter
A'xze, ne niht «fter nihte. Ae piQi biö ece leobt 7 blis 7 ece
wuldor 7 ece jefea mid uruwi Dryhtne, middan-jeardes aly- 30
sende, piet is efne se ilca Jod, seöe leofajp 7 ricsaf» mid
fieder 7 mid suna 7 mid l^am haljan saste, p'am is wuldor 7
wyrö-mynd purh ealra worulda 1) woruld aa butan ende. Amen.
0 In der Hs. falsch abgetrennt: looruld aworuld.
96
B.
Tl. Yercelli- Predigt
fol. 54b_56a
[fol. 54^] INcipit narrare miracula, qiie facta fuerant
ante adncntum ') Saluatoris, doToini wostri iesit Christi.
HER sajaö ymb öas mserau je-wyrd, pe to p'yssum dseje
gewearö, |?set-te selmihtis Dryhten sylfa \>as world jesohte 7
5 ]7urh unwemme ftemnan 011 ]?as world acenned wses to pan,
pitöt he eall manna-cyn fram hell-wara-rice alysde 7 to heo-
fona-riees wuldre sefremede. 7 to j^yssum daije, j^e dse^ is
aelinihtijes Dryhtnes sebyrd-tid, ealne pjsne middan-seard mid
niwan leohte bis to-cymes he ^efylde. And be }?ysse jewyrde,
10 \>e we to-da3g weoröiaö, fram worulde fruman ealle Jodes
halije s?edon; hie J?set on bocu?» 7 on hale^um leoöum suDjon.
7 J^eahöe hit ealle s^don 7 bodedoo, hwjeöre an Jodes ]?a3ra
haljona pcet eallra swiotelecot 2) jesang be öysses dsejes
weoröu3a3) 7 swa cwseö: l)cet is se dsej, ]?one Dryhten je-
15 worhte; utan we blissian 7 sefeon on him. Foröan-öe on
f'yssum dffije ealra cyninja cyniu^ 7 ealra wealdendra waldend
}?ysne middan-jeard for usse lufan jesohte of öam hean heofena-
rice, foröam-}'e öa upliean mid pysse eoröliean 7 mid J^ysse
neowolan gesceafte him wundorlice }?eowiaö.
20 Mitte -}?e hit }?a losere eade^an tide nealsehte, )?8et-te
Dryhten lichomlice wolde wesan je-boren, swiöe eyne-f'rym-
liea tacen hi>w beforan samod siöedon. Arest je-eode to l'am
se, ■*) l>e he on geboren w'ses, ]?8et nsenije men mid wsepnum
jefeohtan ne meahton, ac hraöe, J^ses hie mid waipnum feohtan
25 woldon, hiora earmas ajaledon 7 hira handa him ge-lugon, 7
hie sylfe wseron to sybbe jeliöe \fol. 55'^] wacede, 7 jefeohtan
ne meahton. Swylce l^set eac je-eode, pset-te siofon nihtum,
ser Crist je-boren wsere, l'set sio sunne sct midre nihte onjan
seinan, swaswa on sumera, |?onne hio hattost 7 beorhtost scinö;
30 J?set tacnode, pißt he pas eoröliean sunnan nihtes scinende him
') ünlesbar, weil Fleck.
*) Lies swiotelecost.
') Lies weordunga.
*) Lies dce^e, wie schon Napier, Contributions S. 279 vorgeschlagen hat.
97
to sisl^ beforau sende. Swylci) pmt eae ^e-eode: unmanesum
nihtum, jcr Crist seboren wies, onsprunson ]^ry wyllas 7 of
I?ara anra Äe-liwyleum ele fleow fram turmersen oö lefen; und
manna sehwyleuni wies for^ifen, ]\et he moste niman, swa he
sylf wolde, para-pe |>a3i' to cwomon. Swylce manesa oöeru 5
wuudor J'ter wieron gewordene xy j'iere . . . tide,^) pe he on
Se-boren wies, öa nu un-eaöe mugon wesan arimede to-eacan
]?am, )'e hie na^nis man aseejau ne ma}^.
Da pixit se-eode pj sylfan da?Äe, j^e jyreandais^) wajs,
f'cTSÖe Dryhten on niht geboren wa38, a^r morsensteorra upeode, 10
öä^t se casere ferde mid ealle bis man-J^rymme to Bethlem
J>a3re byris, }?e Dryhten on jeboren wa3S. Mitte-I^e hit pa.*)
wa^s sio jTidde tid pses dtü^es, psc^) ^yrsan-da33 wa3S, he öa
beseah on pa lyft onjean pa sunnan ; 7 he 5^-seah mid ealle
his werede, l^e mid bim wies, j^ajt sio sunne beorhtor scan, 15
]?onne hio a;fre ler seine; 7 hio wjes eall utan ymb-worpenu
mid pry-fealde syldene hrinje. Mitte -öe A^ustus se casere
)?set jeseah, he cisde ofer eall ]?set werud 7 cwa^ö: *I)a3t is
Se-syne, j^tet J'is is hiofona eyninjes taeen, pe he bim beforan
onsende ; 7 ic wat, pcet sio tid nu a3t-is, *0 I^^^t he us wille on 20
l'as World sesecan; foröam he fram fruman middan-jeardes sied
wa38, ... on ") oönwi wund-rum, pa ymb his je-byrd aeweden
wairon [fol 00*], psct ]?is wäre ytemest J^ara taena, pe seeoldon
wesan jeseepen, ser f'au-pe he on pysne middan-^eard aeenned
wajre. Us öonne nu je-dafenaö, l^iet we }:>one wuldor-fa3stan 25
eyning, se us his tacn swa swiotolice beforan bim sende.^) 7
pR hraöe he abead, J^set sended wa^re to stowa se-hwylcre,
J^iara-l^e to his riee belumpe, 7 abeodan het, ösette anra se-
0 Lies sivylce.
^) Davor ein kleiner Fleck. Auf der Photographie lälst sich nicht
erkennen, ob Schriftzeichen darunter gestanden haben, etwa .111. (?), oder
ob nur die Schrift der andern Seite durchscheint.
^) syrsandce^ statt gyrstandce^ erscheint auch Z. 13.
*) iiber der Zeile.
^) Die Schreibung ß(e für pe begegnet nur an diesen Stellen der
Handschrift, ist also wohl als Schreibfehler aufzufassen.
^) Ühei cet-is 'steht bevor' vgl. Archiv f. neuere Sj^rachen CXXII, 251.
'') Davor ein Fleck; wohl zu buton zu ergänzen. Vielleicht ist auch
das vorhergehende he in hit zu verwandeln.
*) Hierhinter fehlt etwas.
Studien zur engl. Fbil. L. 7
98
liwylc, ]nira-f>e on earcern wjcre, pxt se waere ut-forlajten, 7
}?a-pe oü bendum jesette wneron, pcet öa wseron ealle onlysede,
7 p&öe for liiora mauiu« sceoldon wesan acwealde, pcet J?am
eallum wa^re liira feorh ^ifen, 7 Ywt eallu;w scyldgum wjeron
5 hira scylda forjifene.
7 ]^a to ]>XYQ sylfan nibt, xr morsen-steorra up-eode, Dryhteu
wses ge- boren on öysne middan-jeard. 1^7 bine geborene
enslas onfenjon 7 bine sebfedon 7 bim wundorlico lof sunjon
7 swa cwiedon: 'Wuldor on beannesse "^ode, 7 on eoröan
10 sib mannu)» öses ^odan willan'.
^'Mitte-öe Herodes se cyning je-ascode, J'fet Crist wfes
Seboren on Betblem ludea byrij, be bine bet secan purb ealle
]?a ma3^öa, pxt be wajre acweald. Ane daije, air]'an-}?e be
Erodesi) se eyning bete ]^a cild cwellan, Drybtnes enjel
15 Jctywde losepe on jesyböe 7 cwaiö: 'Je-nim Mariau 7 Hselend
psdt cild 7 fer |^urb l^ait westen to E^yptum'. losep pR dyde,
swa bim beboden wa3S. ^^ {Mit) te-pe^) by ferdon, by cwomon
to sumum scrafe 7 bie Vf{oldon)^) restan on bim. Maria |'a
astas of Öam nytene btebbende Hailend ]:'?et cild on bire faiöme.
20 l3an' waii'on ]?i'y cnibtas mid losepe 7 mid Marian p'ffire
Ps.-Mattliaei Evangelium: Kap. 13 ... Et ibi peperit masculum, quem
circumtlederunt aiigeli nascentem et natum adoraverunt dicentes: 'Gloria
in excelsis Deo et in terra pax hominibus bonae volnntatis' [Luc. II, 14]
Kap. 17. Videns autem Herodes rex, quod illusus esset a magis,
inflammatum est cor eius, et misit per omnes vias volens capere eos et
interficere. Quos cum penitns inveuire non potuisset, misit in Bethleem
et occidit omnes infantes a bimatu et infra, secundum tempus, quod ex-
quisierat a magis. Ante unum vero diem quam hoc fieret, admonitus est
loseph in somnis ab angelo domini, qui dixit illi: 'Tolle Mariam et infantem
et per viam eremi perge in Egyptum' [vgl. Matth. II, 13]. Joseph vero
secundum angeli dictum ivit.
Kap. 18. Cumque pervenisseut ad speluncam quandam et in ea
requiescere vellent, descendit Maria de iumento et sedens habebat lesnm
in gremio sno. Erant autem cum loseph tres pueri et cum Maria quae-
dam puella [simul AB] iter agentes. Et ecce subito de spelunca egressi
sunt multi dracones, quos [videntes pueri prae nimio timore exclamaverunt.
1) he erodes [so die Hs.], was an sich natürlich durchaus zulässig
wäre, ist möglicherweise durch Dittographie ans herodes entstanden.
2) Über mit ein Fleck.
3) Teilweise von einem Fleck überdeckt.
99
fa3muan ^) siöiende. Semuin^a j^a ut-eodon of öam scrafe
manije dracan, pvct . . . .'^)
[fol.56''] '■'^denum, hy locedon on Ejypta dune, 7 hie wteron swiöe
Sefeonde. 7 mytte-)?e hie eomou to j^aire eeastre, hie n;unigne
euöne ntL^fdon, mid hwam hie wunian meahtou. Hy be-eyrdon
to J^ara joda teinple. 23-7 mitte-]'e hio ineode ]\[aria hicbbende
HiX'lend )';L't cild on hyre fiuöme, call (>a dioful-sild se-hrurou
beforan Marian fotum, 7 hie wa^ron jelytlode. ^^B'^t mitte wa38
Kap. 22 ... Hsec illis loquentibus ecce prospicientes] videre
cocpenint montes Egyptios et civitates eins. Et gaudentes et exultantes
devenerunt in finibus Hermopolis et in nnaoi ex civitatibiis Egypti, quae
Sütinen dicitur, ingressi sunt; et quoniam in ea uulliis erat notus, apud
quem potuissent hospitari, teuiplum ingressi sunt, quod capitolium Egypti
vocabatur. In quo templo trecenta sexaginta quinqne idola posita erant,
quibus singulis diebus honor deitatis in sacrilegiis perhibebatur.
Kap. 23. Factum est autem, cum beatissima Maria cum infantulo
temphim fuisset ingressa, universa idola prostrata sunt in terram, ita ut
omnia convulsa iacerent penitus et confracta in faciem suam; et sie se
nihil esse evidenter docuenint. . . .
Kap. 24. Tunc Affrodosio [Afrodisio C] duci civitatis illius cum
nnntiatum fuisset, cum universo exercitn suo venit ad templam. . . . lUe
autem ingressns templam, ut vidit omnia idola in faeics suas prostrata
iacere, accessit ad Mariam et adoravit infantem, quem ipsa in sinu suo
portabat, et cum adorasset eum, allocutus est Universum exercitum sunm
et amicos suos dicens: 'Nisi hie deus esset deorum nostrornm, dii nostri
coram eo in facies suas minime cecidissent, neque in eins conspectn
prostrati iacerent. . . . Nos ergo deos nostros quod videmus facere nisi
*) Das von einem Fleck verdeckte Wort lautete wohl samod (vgl.
lat. simul iter agentes in C). Vielleicht ist auch statt pcere fcetnnan dem
Latein entsprechend an fcenine zu lesen.
-) Das letzte Wort ist unleserlich durch einen Fleck. — Hier fehlt
in der Handschrift mindestens ein ganzes Blatt (vgl. S. 71 unter Nr. 8)
und damit der alteugllsche Text, welcher im Latein dem Kap. 18 Zeile 5
{quos videntes) bis Kap. 22 Zeile 6 {prospicientes) entsprechen würde. In
den fehlenden Abschnitten ist erzählt, wie Jesu die Drachen der Höhle
besänftigt, wie Löwen, Panther und andere wilde Tiere mit ihnen weiter
durch die Wüste ziehen (Kap. 19), wie Jesu eine Palme sich niederbiegen
heifst, damit seine Mntter von den Früchten esse, und Wasser aus ihrer Wurzel
hervorquellen läfst (Kap. 20), wie er einen Zweig dieser Palme von Engeln
gen Himmel führen läfst (Kap. 21) und die Reise auf wunderbare Weise
abkürzt (Kap. 22).
7*
100
s?ed Afradisio l?am bere-tosan, he J^feder cwom mid ealle bis
werode. 7 he wa3S insarisende on l?a3t templ, 7 he jeseah eal \>a
dioful-^ild 011 eoröan liesan. He eode to Marian pißve fsemnan
7 he se-ba^d Hallend ]?a3t cild, 7 he spraye to ealluMi bis werode
5 7 cwicö: 'pa3röe Jns Jod ne wajre, nainise }?iD5a ura ^oda on
byra onsyne sefeollon; 7 for)?an us is )?earf, pcet we don swa
ura Äod, }'yl?es bis yrre 7 deaöes frecnes ofer us cume.'
25^fter ]?an öa Dryhtnes enjel ait-eowde losepe 7 Marian,
7 bim to cwseö: 'Hwyrfaö eft to ludea-lande; ealle syndon
10 deade, pa.-pe sobton ]??ene cnibt to aewellanne'.
Hffilend pa weox 7 he wses jestranjod gaste; 7 rasejene
7 snytero he wa3S jefylled mid Jode 7 mid mannnm. Hirn
anum wuldor 7 weorö-mynd on worulda woruld.
Hwait we nu je-hyrdon secjan, bwylcne-hwesu dsel ymb
15 usses Dryhtnes jebyrd, swylce eac ymb \>a wun,i) }'e he on
bis cildhade. 2) Utan we nu eorne^) tilian, ]?set we pe sekan
syn ponne we }?ylleca bysena usses Dryhtnes beforan us
recean 7 rsedange'^) sehyraö. Utan we bealdan sybbe 7 lufan
be-twiobs us; J^ionne syldeö us Jod eee mede set ussum ende.
C.
IX. Vercelli- Predigt
fol. 61a — 65a.
.ini.
20 MEN öa leofestan, manaö ^) us 7 mynsaj? l?eos haiige boc,
psdt we sien senayndi^e ymb ure sawle l>earfe 7 eac swa ures
cautius fecerimus omnes, poterimus pericalum eins indignationis incurrere
et universi in interitum devenire. . . .
Kap. 25. Non post inultuin tempus dixit ad losepli: 'Revertere in
terram Inda; mortui sunt, qui quaerebant animam pueri.'
Varianten von Bodl. 340 fol. 35b — 40^ (^B): 1 us fortradiert und
von späterer Hand vor manaÖ übergeschrieben \ mynegad \ syn 2 ytnbe
•) Lies ivundor (oder ivnndru).
^) Dahinter ergänze dyde.
') d. i. georne.
*) Lies rcedinge.
'") Vgl. die auf gleicher Quelle beruhende Stelle der XLIV. Ps.
Wulfstan-Homilie (ed. Napier) 22513 — 226«.
101
YxB nehstan dji3Äes 7 pvcve toseeadednesse ure sawle, *) ponue
hio of öani lichoman lji3dde bion. 7 Loten we us siusallice
bion on ^eiiiyndiu« 7 on 5e]'aDCum ]^a.>s eses-fullican djcjes
tocyme, on öam we sculon Jode riht ajifan for ealles ures
lifes d^udum, pe we siö oööe ser sefremedon fram fruman ures 5
lifcs ende, 2) foröan-|'e we nu magon be-hydan 7 behelian ura
dtcda. Ac bic bioö ]>ünDe opena 7 iiawri^eua. ForJ^an we
babbaö micle nyd-]'earfe, J'a bwile,]7e we her syndon on pys
la3uan life 7 on pyssnm sewitendlieum, pmt we ponce on pxre
toweardan woruld^) msejeu 7 moton becuman to life pa38 10
[fol. 61^'] beofonciindan rices 7 to pam wundre *) j^a^re ecean
eadijoesse, ]ner we moton siööan orsorslice lybban 7 rixian
butan allere onwendeduesse mid bim emne swa ure Dryhten
Hailende Crist 7 rnid eallum bis bal^um, jif we bit jearnian ^)
willaö mid mwm sodum djedum. 15
Nis j'onne nainises mannes jemet, pset be ma^je asee^an
l'ara soda 7 j^ara yönessa, pe Jod bafaö ^e-earwod^) eallum,
]\am-)'e biue lufiaö 7 bis bodu bealdan willaö 7 gelsestan. Jif
J^jet l^onne biö, j^'ct we willaö wyrcean bis willan 7 on bis
1 pcere von späterer Hand geändert in Jxes \ tosctadednesse ist aus-
radiert; dafür von anderer Hand am Rande ^e-dales | üra sdwla 2 heo \
lichanian \ ^elcvdd \ bion] biÖ B \ y Iceton ife] auf Rasur uton Icetan B |
sw^allice ist ausradiert; darüber von anderer Hand l cefre B 3 beon \ on
gemynde 7 07i gepance \ ful in egesfullican ausradiert B 4 sceolon \ agifan
i von späterer Hand in y korrigiert B 5 fruman von ganz späterer Hand
korrigiert in frymeöe B 6 ende] oÖ done ende B i behydan 7 fehlt B |
ure 7 hi beoö \ opene 7 ünivrigene \ Foröan 8 miede \ on Öysum
IcBnan 9 Öysum \ öcere 10 tvoriilde magen 11 dam tvuldre \ ecan \
12 eadipiysse \ sydöan orsorhlice libban 13 buton celcere dwendednysse
mid ürum drihtne hcelendmn criste 14 ;geearninn 15 uriim ist aus-
radiert B 16 über gemet von späterer Hand: l mceö B | /te f. B 17 ealle
pa [a über der Zeile] god -] pa ednysse \ gegearewod 18 bebodu 19 ponne
jbset I xoyrcan
0 Lies ura saivla (B) wegen des folgenden Plurals, den ß allerdings
wegen des anglischen hio (Plur.) in den Singular verwandelt hat.
^) Lies (wie Hs. B) : oÖ öone ende.
^) Lies tvorulde (B).
*) Lies widdre (B).
*) Lies geearnian (B).
^) Lies gegearwod (B).
102
lufe jnirh-wnniaD, J^onne mason we <T3Öer je us heofonrice je-
earnian je öonne eac, |'?et we ma^ou se-sjieliÄlice befleon ]?a
stowe 7 pa dimman tintresan, ]'a3r belle dioflu on syndon mid
eallum hyra wea-je-siönm 7 mid pam sawlu???, l^e hyra \anwi
5 hlystaö 7 be byra larum lybbaö 7 to ^ode ge-cyrran nellaö
Jnirb soöe andetnesse m^esse-preosta 7 ]mrb soöe böte, swa se
hale^a lareow cwa^ö: 'Wa la öam manaivw, j^e sculon mid
dioflu?» babban seardunsstowa ; i) foröam p'xr is sar butan
frofre, 7 pscv is yrmö butan are, 7 pser is weana ma, ponne
10 bit a3ni5 man wite to asecganne, swa bit on "Öam sealme by
öam awriten standeö'. He cwaeö se sealm-seop [Ps. VI, 6] pmh.
Drybtnes jife: 'Hwylc man is, 2) j^tet-te be sie Drybtues je-
myndij, oööe hwylc is, ösette byne on belle andette!' 7 se
sealm-seop us san^ ]?is be deaöes onlienesse 7 be helle jryre.
15 ponne syndon ]n-j deaöas liornode on hocmn : pcet is ponne
se {cresta deaö ber on worulde, pcet se man se-öe^) mid
ma^nesu»^ synnuw ofer-bealden biö. ponne [fol. 6^"] is se
aeftera dea}? psere sawle jesceadwisnes *) 7 lieboman. ponwe
1 heofona nee 2 Öonne fortradiert B 3 deoflu 4 mid eallum
hyra iveagesidum 7 fortradiert B | hyra larum] nu [über der Zeile] him B
5 hyra] heora B | lihbad 6 andetnysse \ mcessepreoata f. B | vor hote
von anderer Hand übergesclirieben dced, also do'dhote meinend B 7 haJga \
hinter lareow übergeschrieben von anderer Hand Dauid B | la fortradiert B |
sceolon 8 deoflum \ eardun^ stöwe \ forban \ buton 9 buton | loeana]
tvammge B 10 asecgenne | by dam f . B 11 standeö] Stent (korrigiert
aus standeö) B | sceojJ, darüber von späterer Hand Dauid B 12 drihtnes \
hioilc I is] is on deaöe B | ^aet he sy drihtnes 13 Öcette] pe auf Rasur B |
hine \ andette ist durchstrichen und darüber von späterer Hand geschrieben
IncemnieB \ 7 ausradiert 14 onlicnysse von anderer Hand in gelicnysse
korrigiert B 15 geleornod von späterer Hand korrigiert in ge-rced B 16 se
de f. B IT md7ie^mn \ oferhealden biÖ] for biö radiert und von
späterer Hand korrigiert in biÖ [über der Zeile] for-ivorht tciÖ god B
18 deaö \ gesceadwimes] ^edal auf Rasur B | pces lichaman
1) Lies eardungstowa (vgl. B).
^) Lies mit B : is on deaÖe [■= Psalm VI, 6 : Qaoniam non est in
morte, qui memor sit tui; in in ferne autem quis confitebitur tibi?]
^) Streiche se-öe, wie in B.
*) gesceadwisnes 'Klugheit' pafst nicht in den Zusammenhang. Lies
gescead 'Trennung'. Der Korrektor von B bietet gedal (auf Rasur), was
wohl nur eine Konjektur darstellt.
103
is se j^ridda deaö, ^xt pa, sawla sciilon eardijan on helle, |??ßr
nis nfenis man, J^a^tte ma33e his scippend herijan, for öam sare,
])e him onsitet. i)
Emne swa öa l'ry deaöas syndon fyren-fulra, swa J^^enoe
gyndon preo lif be öam soö-f;t'stum: an lif is, J^jet he biö on 5
fla^see; ponne ia oöer lif, öait biö on ^odes wuldre; 7 Jn-idde
lif is on j^a^re toweardan wonilde mid eallum hal^um. 7 se
deaö is |>icnne for]\an to ondricdanne, foröan hine ne ma^3
namis man for-flion. 7 se deaö is nyöer-lic; 7 he is forj'an
nyöer-lic se deaö: J^eah se man je-wite in öa neowelestan 10
seiafa 7 on ]^a deoppestan dene, pe on middan-jearde sy,
):'onne sceal he [»eah-hwa^öere sweltan. And se deaö is for-
J^am uplic: peah se man astije ofer ]?one yfemystan dad psea
hyhslan holtes, swa-]>eah-hwa3Öere hiene se deaö ge-seceö.
And se deaö is swiöe manij-fealdlie 7 e^eslic; 7 he is forJ^an 15
ma^nii-fealdlic: ]'eah se man eardije in middiim bursum 7 on
midre his ma?5Öe 7 be-tweox hiind-teoute^um jnisenda manna
l^onwe sceal he hwa^öere sweltan. 7 se deaö is forj'an e^eslie,
J^a^t na^ni^ man swa feor ne je-witeö nt on westen 7 swa-l?eah
he ne mivj J'one deaö for-flion. Se deaö is jionlic, 2) foröan- 20
\>e cild ewelaö'^) 7 unmajan. 7 se deaö is freolic 7 deoplic,
1 sceolon earclian 2 nceni^ korrigiert in nan B | scyppend lierian
3 onsiteö durch Radieren geändert in onsit 4 da f.B | fyren-fulra]
auf Rasur von späterer Hand sen-fal-lum manmim B | ßcenne] auf Rasur
von späterer Hand eac B ö be fortradiert B 6 pxt he \ iculdre]
weorce B 7 dcere 8 pCBtine forpan f. B | ondra;denne 9 iicenig]
ndn B | mann \ for-fieon | 7* ausradiert | niöerlic \ 7^ f.B 10 foröan niderlic \
i7i] on B 11 scrcEfu | öa \ dcene \ middan earde \'l ponne sceal /le]
he sceal B | sweltan] deaÖe sioeltan B 13 forÖan upplic \ yfemestan
14 hyhstan f.B ] hiyxe \ gesecÖ 15 mceni^-fealdlic | forÖan 16 in]
on B 17 middere \ be-twux | hund-teonte^um f. B \ pusetid 18 sweltafi]
deaöe siceltan \ forÖan 19 f)cet nceni;^] durch Radieren und Überschreiben
von späterer Hand geändert in foröanpe [über der Zeile] 7ian B | mann \
^eicited, radiert zu geivit 20 7 f . B | forfieon \ geornlic mit ausradiertem
r und Akzent von späterer Hand über e B 21 iinma^on
^) Mischform aus angl. siteö und ws. sitt.
*) Dies ^ionlic (mit Rasur [r?] vor n) meint offenbar gionglic 'jung';
doch las schon der beiden Hss. zu Grunde liegende Text ^ionlic, da B ein
geornlic in geonlic bessert. Auch im Ags. Martyrologiiim (ed. Herzfeld S. 156
Z, 18) liest eine Londoner B.S. geoidices, wo offenbar geonglices gemeint ist.
^) l aus II gebessert.
104
foitan cynin^as swelta]i 7 eae l^eowe-men. 7 se deaö is ]:'islie 1)
7 snotorlic, for-]'an-]^e se-peowan 1) sweltap 7 uöwitan. Foröan
se deaö is iinrotlic 7 bliöelie, for)\an synfulle swelta]' [fol. 63^']
7 eac hali.se; j^y hyö wel wyrö,^) )?jct se deaö sy unrotlic
5 fyren-fulluw mannu?«.
Forj^an is deaö to ondr.nedanne, forj^an he ne myrneö
Seonsum. Foröan we sculou ure sawle georne tilian 7 hy
leornlice Jode jesearwian. Ne rnaes ponne eall manna-eyn
mid hyra wordum ariman J'a god, pe Jod hafaö soöf?estiim
10 sawlum jeearwod ^) tojeanes for hyra jastlieum worcum, 7 se
deaö is for)?an to dr?edenne, forj^an ealle ]'a sedseledan *) sawla
1 foröan | sxceltah | menn \ Jnslic] pristlic B 2 vor snortorlic von
späterer Hand ein «w übergeschrieben B | forÖanöe \ ^e-peowan] dysige B |
sivcltaÖ 3 blidlic forÖan | sioeltad 4 bid, mit he davor von späterer
Hand übergeschrieben B | wyröe \ unrotlic] ünsnotorlic B 5 fyrenfullum]
senfullum von späterer Hand auf Rasur B 6 ForÖan \ se deaÖ \ oti-
drcedenne foröan \ myrnÖ 7 ^eonpmi\ geongum ne ealdum, vor ne von
späterer Hand übergeschrieben mannum B | sceolon \ hy] hioB 8 Jofie
gegearwian] ge-gearivian to '^odes willaji B | eal mann cynn 9 heora
10 gegeareivod \ heora \ lücorcum 11 foröan \ to ondrckdende foröan \
gedoeledan f. B
1) gepeowan als Gegensatz zu xiöwitan 'Weise, Älteste' kann wohl
kaum, wie man rein etymologisch annehmen möchte, "Mitsklavc" bedeuten.
Dagegen würde die Bedeutung "Verknechteter" passen, die das Substantiv
doch wohl in Anlehnung an das Verbum gepeowian " verknechten"' gehabt
haben mag. [Über die Verknechtung bei den Angelsachsen siehe jetzt
den tiefgründigen Artikel bei F. Liebermann, Gesetze der Angelsachsen, II
2. Hälfte, 1912, S. 707.] Der spätere Schreiber von B scheint das Wort
nicht mehr gekannt zu haben, da er dysige 'Törichte' dafür einsetzt, —
an sich kein übler Gegensatz zu uöwita, aber wohl erst spätere Konjektur.
— Da auch im vorhergehenden Satze auf die zwei gegensätzlichen Sub-
stantiva mit gegensätzlichen Adjektiven hingewiesen ist, so wird sich auch
hier das unverständliche pislic auf gepeowan und natürlich snotorlic auf
uöwitan beziehen. Die Lesart von B (pristlic 'dreist') entspricht kaum
dieser Bedingung; ebensowenig die naheliegende Besserung von pislic in
wislic 'weise', — man müfste dann schon unwislic lesen Und die gepeoivan
als Repräsentanten der Umbildung und Torheit fassen. Vielleicht ist
daher pislic in fnoivlic 'knechtisch' zu bessern, das wenigstens m einer
Hs. der iElfricschen Grammatik (ed. Zupitza 55 1) erscheint.
2) Lies tveorÖ oder mit B ivyrÖe.
') Lies gegearwod (B).
'') gedoeledan ist wohl besser mit B zu streichen.
105
hio 1) d.ielet^. 1) 7 j'onne bii"^ ealliim cuö, Inet sio sawl jedeö
beforan hire. 7 {^onne hwa;öere biö beforan hyre semeted swa
jod swa yfel, swa he 2) jcr ÄC-t'arnod ha^fde.
Is US eac ]?onne to beliealdanne, pxt we nu onwarijan
f>one to-cyme, 3) pxt hira ne sy to feala. ponne is \>(et a^rest ■*) 5
Sedal wiö ealliim bis freondum; foröam bim iia'ni,-^ jcfter ne
wedeö, 5) j^a^t bim amij to cyrae. /Ejbwylcre sawlo bic") on-
siindriim to-seyred; 7 sio biö, swylce byre se licboma sei' je-
worhte. I)onne breoweö hyre swiöe ]'a yfelan d:i;da; 7 J>onwe
hie hit awendan ne magon, j'oane ncllaö hie. ß) 7 öoniie is 10
I^jet jnidde sedal wiö ealluw coro - warum ; forj^an he nrefre
eft to eortVwarum ne se-hwyrfeö. Ne biö funden beforan bim,
ne huru aifter boren,') buton he ier bis jast mid jodum
1 hio dceled] he to-d(ded B | sco saivul 2 hwceöcre fortradiert B |
hire \ ^emctcd f.B 3 hinter ^dfZ ein 7 zwisebengefiigt B | he cer] heoB |
hcefö, von späterer Hand gebessert in hceföe, d. i. hcefde 4 eac] f. B |
hehealdennc, darüber von späterer Hand ivarnie7me B | poet we nu on-
tvari^an ßoiie tocyme pcet hira] pccra yfcla j ßcera ibnihtaB 5 to fela]
ealles to fela, dahinter übergeschrieben von späterer Hand mid us B |
ponne] Forban B | cereste 6 foröan \ ncenig durch Radieren geändert in
lidn mann \ cefter ne loedeÖ] to dan siviöe ne ondrcet (ans ondrcedeÖ korrigiert)
B 7 him (enig] he him B | cyme] ne cunie B 8 i^osci/rerZ fortradiert,
übergeschrieben von späterer Hand gedemed B | sio] auf Rasur von späterer
Hand se dorn B | hyre se lichoma] heo hire sylf B 9 der Satz ponne
hreoioiö bis nellaÖ hie fehlt B 10 ponne^ 11 forÖan 12 gehtvyrfeÖ
hat das cö ausradiert, doch vergafs der Korrektor das ö einzusetzen B | biö]
biö pa'r B 13 boren] geboren ndti göd B | (er f. B, doch von späterer
Hand am SchUifs des Satzes übergeschrieben
^) Lies he todceleö (B).
2) Lies heo (B).
^) Wegen des folgenden, sonst schwer beziehbaren hira ist vielleicht
statt l)07ie to-cyme mit B /^cera yfela 7 pcvra unrihta zu lesen.
*) Lies cereste (B) ; vgl. pcet pridde gedal (Z. 1 1) und pcet feorde gedal
(S. 106 Z. 2).
5) tcedeö 'wütet' ist doch wohl in tceneö 'wähnt' zu ändern. — Der
stark abweichende Sinn des ganzen Satzes in B scheint auf den ersten
Blick verständlicher, ist aber wohl kaum ursprünglicher.
") Hierhinter ist etwas fortgefallen : aufser einer Ergänzung zu nellaÖ
auch ein ganzer Satz, der über die "zweite Trennung" handelte. B kann
uns nicht helfen, da ihm der ganze Passus fehlt.
') Lies boren nan god (B).
106
weoreura Sfifr.Ttewod h.Tfde, ]:'a hwile |^e he w;cre mid mannum.
Donne biö ]i?ßt feoröe sedal, pxt hine man jedajle wiö pyssuw»
eorlieu/u') jnymme 7 plegan 7 l)lisse; 7 him for J'yssa njeuesum
ne biö ^lenj witod. l)omie biö hit swa ejeslic for J^a^re biter-
5 iiesse, pe on him biö se-eyöed. Forj^an he be-tyneö pa ea^an
fram je-syhöe [fol. 63"] 7 pa earan fram ^e-hyrnesse 7 ]m
weloras fram spra^ce 7 pa fet fram ^an^e 7 pa handa fram
weorce 7 pa njes-öyrelu fram stence.
Donne «fter pon be-tyneö he öa scyldejan on helle. Wa
10 öam ]'a3t biö, pcet he l:>onne sceal bion betyned on helle.
t)onne is leornod on bocnm, j^a^t on l^ysse worulde syn fif
oulienessa be helle-jryre. Sio aereste onlicnes is nemned wriec;^)
foröan se wraic ^) biö mieeles cwelmes 3) seleum, }?ara-pe he
to-cymeö; foröan hine sona ne lysteö metes ne drynces, ne
15 him ne biö Iseten jold ne seolfor, ne öa3r ne biö seni^ wiildor
2 ßonne pi/stim 3 eorÖlicum \ 7 him for pyssa ncenigiim ne bid glceng
icitod fortradiert B 4 hit bid | Öcere biternysse, -se fortradiert, doch von
späterer Hand wieder angefügt 5 foröan he bttyn ö 6 gesihöe \ ^ehyr-
vysse 7 iceler as 8 nces-pyrlo 9 ponne \ pan \ betyned fortradiert,
darüber von späterer Hand ^edcet B | scylde^an] scyldi^an säicle B | der
Satz loa pam bis betyned on helle f . B 11 geleornod fortradiert, darüber
von späterer Hand ^e^-ed B | Sysse 12 onlicnys{se)^^~ von späterer Hand
beidemal korrigiert in gelicnys{se) \ seo \ nemned, davor von späterer
Hand übergeschrieben ^e B | wroic'] uaerc (beidemal) B 13 cwealmes \
pcera-pe 14 cymd \ lysted radiert za lyst B 15 heten, darüber vom
ursprünglichen Schreiber (?) to ge, dahinter übergeschrieben ne B | pcer |
cBnig, von späterer Hand korrigiert in nan B
^) Lies eorÖlicum (B).
-) Lies beidemal tvcerc (B). Dafs hier das anglische ivcerc 'Schmerz'
(s. Jordan, Eigentihnlichkeiten des angl. Wortschatzes S. 52) gemeint ist,
lehren die folgenden maskulinen se nnd he. Auch sonst verwechseln
südliche Schreiber das anglische iccerc mit neutralem wrcec 'Bedrängnis',
wie vier Beispiele bei Jordan S. 51 zeigen.
^) Obiges cwelni mit dem cwelm des Daniel V. 668 sowie das cwylm der
Boul. Prudentius-Glossen, cwylm-bcere ^5^1fric Hom. 11,260', Napiers Gloss.
I, 920, cw€lm-b(Ere Napiers Gloss. 1, 4882, XI, 83, cwelm-bcernys ^Ifric Hom.
I, 118^ und Gramm. 82'* {cwcelmbcernys Hs. U), civylmnes Beda IV, 9
Hss. BO Ca, gecivylmful Haupt-GIoss. 428, gecivelmhceran Hanpt-Gloss. 470
lehren, dafs cwelm nicht Verschreib ung für cwealm ist, sondern dafs wir
neben dem 0- Stamme cwealm auch ein i-umgelautetes cwelm, cwylm,
cuicBlm anzusetzen haben, das entweder einen i- Stamm darstellt oder Ein-
flufs des Verbums cwylman aufweist.
107
mid bim, ]\T>t he fore-wyiisumise, j^eah bim syudon calle wuldor-
dreamas to-^e-laidde. ponne is Inere a^fteran belle onlicnes ge-
uemned ofer-yldo; forj'an bim i) amolsniaö j'a ea^an for öjcre
ofer-yldo, öa-]'e wasron jleawe on je-syböe. 7 f>a earan adim-
miaö, öaöe 'Mt meabton jebyran fncsere sansas; and sio tun^e 5
awistlaö, 2) pe an* bjefde gerade sprajce; 7 pa earan aslapaö,^)
pe 8ßr wa3ron ful swifte to je-byranne; 7 pa banda awiudaö/)
]?e scY hjofdon fnl hwate fin^ras, 7 ]^(et feax afulaö, ^) pe a;r
■w»s on fullere wa}stme; 7 pa teö ajeolewiaö, J^a-pe Wicron^)
bwite on bywe; 7 )v/'^ oroö afulaö, ]'e wiies ;er swete on stence. 10
Don?ie is pjcre priddan belle onlicnes her on worulde deaö
1 pcet he foreicyvsumige radiert und von späterer Ilaud geändert
in nc nan Kc^nsumnes B \ sy7ulo7i] sijn B | iculdor-dreamas] woruld-drcamas
B 2 onlicnys von späterer Hand korrigiert in gelic::ys B 3 oferyld.
fordan 4 ofer-ylde | öa-pe] pa B | ^e-sihöe 5 paöe | militon | san^as]
sav^es B | syo 6 mvystlaÖ | 7 j6a ecraw bis ^0 gehyranne f . B 8 /"«Zi |
/eoj I afidad} afeaUcd, das e fortradiert B 9 fulre \ ageohviaÖ pa-de ]
wceron] (erwccronB 10 hnve \ pcet f . B | oraö | (Er rcces B 11 ponne |
onlicnys von späterer Ilaud korrigiert in geliaiys B
') Der lange Satz /n'»? amolsniab bis sfeHce (Z. 3 — 10) steht in leicht
abweichender Form in der Ps.-Wulfstanschen Houiilie XXX, ed. Napier
14729 — HS': hhn amolsniaö and adunmiad pa eagan, pe (hr icceron beorhte
and gleatve on gesihde; and seo tunge awistlaÖ, pe cer hcefde gelinge sprcece
and gerade; and Öa earan aslaiciad, pa-pe cer woiron fid sicifte and hrcede
to gehyrenne fcegere dreamas and sa7igas; and pa handa awindaö, pa-Öe
a;r licefdon ful hiccete fingras; and pcet feax afealled, pe cer leces fceger on
hitoe and on fulre iccestme; and pa teÖ ageolwiaÖ, pa-Öe wceron cer hivite
on hiice; and pcet oreö stincÖ and afulaö, pe cer wces swete on stence.
[Der dann folgende Satz steht ähnlich in der IV. Vercelli-Predigt fol. IG^.]
*) aicistlian, wie beide Ess. und Ps.-Wulfstan lesen, wird ahwistlian
'zischen' meinen. Doch vgl. Hatton 115 f. 142'^ (Napier, Contribiitions
S. 33S) : Seo tunge aivlyspap, seo-pe cer licefde ful recene sprcece.
^) Wegen des folgenden swift ist wohl besser aslaioiaö 'werden träge'
(mit Ps.-Wulfstan) als mit unserer Hs. aslapaÖ 'schlafen ein' zu lesen. In
B fehlt der Satzteil.
*) Ich fasse awindan hier als 'sich krümmen, krumm werden'. Toller
nimmt fiir die Wulfstan-Stelle eine besondere Bedeutung 'to becomc weak'
an und denkt au eine Verschreibung fiir asxoindaö, was mir aber wegen
der Übereinstimmung zwischen Wulfstan und unseren beiden Hss. nicht
wahrscheinlich dünkt.
^) afulaö ist heraufgenommen aus dem Folgenden (Z. 10). Lies mit
B und Wulfstan: afecdleö.
'') Lies cer wceron (B nnd W).
108
jenemned; for}'an pomie se mau sceal sweltau, ]'onne swyrceö
bim fram ]?a3S biises hrofe, öe he inne biö; J^oune nis iiaini^
streu^o, ]'{Tct hine arare, foröan be ne biö jelust-fullod metes,
ne be ue symeö J^ysses eorö-liean riees torbtnessa. Donne is öa3ve
5 feoröan belle onlienes byr^en [fol. 03''] uemned; forl^an pxä
bnses brof biö nemned, i) ]'e bim on-ufan öam breostum siteö,
7 bim mon ponue deö bis jestreona j^one wisestau^) da;!, j''iet
is, ]Het bine ne swiceö on nanum rejule. Hafaö bim J'onue
syööan pry jebeddan, J?aet is ponne jreot 7 melde 7 wyrmas.
10 ponne is losere fiftan belle onlienes tintreja je-nemned; foröan
J'Hinne nis nainis man, pxt mscge mid bis wordum aseegan, bu
myeel psßve fiftan belle sar is. 7 peab .vii. men sien 7 }?ara
ba;bbe a?5bwylc twa-7-bund-siofonti3 jereorda 7 3) swa feala,
8wa ealles ]?ysses middan-geardes jereorda syndon, and l^'onne
15 sy l:'ara seofon manna ajjhwyle to alife-') jesceapen 7 byra
1 foröan \ gesrvyrceÖ, das zweite e fortradiert B 2 pe \ ncenig, durch
Radieren geändert in nan B 3 strengöo, mit fortradiertem Öo B | ^elust-
fallad 4 ^yind pyses | torJitnesse] to brucennc B | ponne \ Heere f. B,
aber als pccre von ganz später Hand übergeschrieben B 5 onlicmji von
späterer Hand korrigiert in .^c^icH^s B | byri^en | ^e vor nemned von späterer
Hand übergeschrieben B | foröan 6 nemned'] gehneged, das zweite e von
späterer Hand in ce verwandelt B | siteÖ radiert zu sit 7 man, von
späterer Hand geändert in mce B | deÖ f. B, dafür aber von späterer Hand
übergeschrieben of \ ivisestan] wyrsestan (n von späterer Hand) B | dcel]
doel (ge)iHynt (ge von späterer Hand) B 8 pcet hine bis gebeddan, pcet
is f. B 9 moldan 10 onlicnys von späterer Hand korrigiert in geliaiys B
11 ponne, aber durchgestrichen B | nceni^] ndn B | mann 12 micel |
seofan | wen f. B, aber von späterer Hand übergeschrieben | syn 13 ob^-
hwylc] cele vor ha^bbe B 1 LXXII. | 7 ^ f. B | fela 14 siva f. B |
pyses I middan eardes \ syndon vor ealles 15 pcera seofan \ to alife] d
to life I heora
1) nemned ist heraufgenommen aus dem Vorigen und Folgenden.
Lies ^ehnce^ed (B: gehne^ed).
^) Dies ivisestan ist wohl richtiger als wyrsestan in B.
3) Streiche 7 (B).
^) Dieses sonst nicht belegt to alife — die Lesart von B (a to life)
ist offenbar nur die Konjektur eines jüngeren Kopisten — mufs dem
Zusammenhange nach dasselbe bedeuten, wie das etymologisch gleiche
an. at ei -Ufa (noch nisl. aö eiUfii), nämlich 'für alle Ewigkeit'. Wenn
man auf Grund dieser Stelle schwanken kann, ob man fürs Alteuglische
ein (dem an. ei-Zi/V 'ewig' entsprechendes) Adjektiv ae. ällf 'ewiglebend'
oder ein (mit an. ei-lifi, ei-lifd vergleichbares) Substantiv ae. rdif 'ewiges
109
hicbbe aesbwylc siofon tun^an 7 f»ara tun.5eaa ailc lijubbe iseiie
stemne, 7 i) ponne bwicAre iie inaÄOU )?a ealle ariman belle-
witii. 7 emne swa mycel, swa frara beofenes brofe is to j'ysse
eoröan,2) j'onne is leornod on balgum bocuni, J'iet sio bei sie
swyle^) twa^) deop 7 nis na öe unvvidre. pjet bus is mid 5
swiöe onsrist-liee frea'-) afylled 7 belle-hus bafaö forclas
raiele. Se nama is to se-J'cnceanne jcleuiii men, butau bwius
beorte sie mid diofles strahle )nirb-wreeen. Forj'y nis nan
mau, j'iet be J'onwe*') awoj bine astyrian msese; 7 foröam
is mycel l?earf aisbwyleum men to onwari^anne, l'aw-l'e 10
1 seofan \ pcera \ isene von späterer Uaud korrigiert in a7ie B
2 ponne von späterer Hand korrigiert in peak B | hwceÖere | pa [fortradiert]
ealle hinter hwadere B 3 neben witu am Rande von späterer Iland
^rere \ 7 emne f. B | sica niicel siva fram lieofones hrofe is to öyssc eoröan
hinter bocum B 4 gcleornod korrigiert in ^ered B | seo hell sy swylce
5 de fortradiert; dafür vor na von späterer llsrnd py übergeschrieben B |
ünividdre 6 onp-istlice frea] egeslican [auf Rasur von späterer Hand] fyre
B 7 miede \ ^epencenne \ menn \ buton \ hwces von späterer Hand
korrigiert in liys B 8 sie] seo hinter streue B | deoßes \ f'oröan \
mann 9 hoi \ ponne] hanon B | awe^ ausradiert B | foröan | micel
10 menn \ onivari^amie] warnianyie B
Leben' ansetzen soll, so wird dieser Zweifel gehoben durch einen zweiten
Beleg in unserer Homilie (Z. 115 Z. 2) , wo ällf klärlich Substantiv ist :
/jOT bid eallum haljum auf sceapen. Andere ae. Komposita mit ä 'immer'
sind Wühl ä-breinende (Crist V. 387), ä-libbende und ä-ivuni^ende (Bückling
Hom. 109^), bei denen der kompositioneile Charakter allerdings nicht so
sicher ist.
^) Dieses 7 ist vielleicht zu streichen.
2) Falls nicht eine plumpe Nachahmung einer lateinischen Periode
vorliegt — was mir durchaus wahrschelulich — , wäre dieser Satzteil wohl
besser in den Objektsatz einzubeziehen, wie die Stelle bei B auch tat-
sächlich überliefert ist: ponne is leornod on hal^um bocum, poet emne swa
mycel, sica fram Jieofenes hrofe is to pysse eorÖan, sio hei sie sivylce tica
deop. Derselbe Satz erscheint in der XXX. Ps.-Wulfstanschen Homilie
(ed. Napier, 146"*"): We habbad gerced and geleornod on halgumböcum,
Pcet swa mycel, siva ys fram heofontim to pissere eorÖan, Poet seo hell ys
twä stva deop and heo ys ealsioa ivid eac.
*) Lies sivylce (B).
*) Über die Kardinalzahl als Multiplikativ s. Zupitza, Archiv f. neuere
S2)rachen LXXXIV, 123. Beispiele auch bei Bosworth-ToUer S. 1022 unter
Nr. IV.
5) Lies fyre (B).
^) Vielleicht ist mit B panon zu lesen.
110
a?ni3 andjit habbe oöö i) wisdoraes aioisne d?el, pxt he |?i8
symle ha^bbe od ^eiiiyndu;« pxve esesfallau stowe.
ForJ^an,2) jif bwyle man biö on belle ane niht, j^onne biö
bim leofre, jif he J^anon mot, J'a^t be bangie siofon Jausend
5 wiutra on J'am len^estan treowe ufe-weardum , J?e ofer sie
standet on pam bybstan sa^-elife, 3) [hier fehlt ein Blatt, dessen
Text nach der Hs. Bodl. 340, fol. 3S'' — 5^" folgendermafsen
lautete :]
[fol. 3S''] 7 syn pa fet jebnndeue to 5am hehstan teljan 7 pcet
10 beafod lianji^e ofdün-rihte 7 pa fet uprihte. 7 liim sije ycet blöd üt
]mrh ]>Que muö 7 hine ponne jesece selc pa^ra yfela, \>e sefre on helle
sy, 7 hiue selc yö jesece mid pam hehstan, pe seo s^ forö-brinsö, 7
peah hiue selc tor jesece, pe on eallum clyfnwi syndon, ponne wile he
eall ]ns [luflice] *) jTowian, wiöSau-pe he nsefre eft helle ne je-sece.
15 Wa [biö]*) )7am mannum, \>e beoö se[teohhode] =) to Ösere stowe;®)
1 oÖÖe 2 ge-myridum, von späterer Hand korrigiert in ^e-mynäe B
3 foröan \ mann 4 .YII. 5 öam 6 standed, korrigiert in stcent B |
on] y on B | dam hehstan \ sck-clyfe
1) Lies oiöe (B).
2) Von Z. 3 bis S. 115 Z. 7 schöpft der Homilet aus einer thebaischen
Einsiedler-Legende, die uns in ausführlicherer altenglischer Form, ebenfalls
aus dem Lateinischen übersetzt, in der Cotton Hs. Tiberins A. III fol. 87*
bis 8Sb vorliegt und von Kemble, The Dialogue of Salomon and Saturmis
(London 184S) S. 84 — 86 (daraus wiederholt von A. von Vincenti, Die ae.
Dialoge von Salomon und Saturn, Leipzig 1904, S. 103 — 105) gedruckt ist.
Die gleiche Einsiedler -Legende ist benutzt in der Ps.-Wulfstanschen
Homilie XXX (ed. Napier 14(>^ — 14S**) und zwar in einer altenglischen
Form, die auch dem Vercelli- Homileten vorlag; denn nur so erklären
sich bei starken Abweichungen und Auslassungen mehrere wörtlich über-
einstimmende Sätze und Satzfolgen; vgl. Verc. oben S. lOT^^^" = Napier
1472a— 148'; s. 1093-5 = Napier UG^^i'; S. HO'* = Napier 140 1«;
S. UP-i« = Napier 146'3-2<; S. 112^ = Napier 147"-'«; S. 112" -'^
= Napier 147 i®^^^ Unsere Vercelli-Homilie liest richtig Salemanes (statt
Samsones) und bietet auch die Stelle über Saturnes dohtor in besserer
Form, die zugleich beweist, dafs das Zusammengenanntwerden von Salomon
und Saturn hier nur ein Zufälliges ist (s. S. 114*~^).
^) Dahinter fehlt ein ganzes Blatt im Vercelli-Codex. — Am unteren
Rande der Seite steht ganz links mit sehr schräger Federhaltung: writjms.
*) Fortradiert.
^) Fortradiert; darüber von späterer Hand: l tealde.
") Derselbe Satz steht in der Ps.-Wulfstanschen Homilie XXX (ed.
Napier 146"): Wd byÖ pam-pe pcer biÖ geteohhod to and dxr symble
wunian sceal.
111
foröan pxT is wop buton frofrc 7 hreow ') buton reste ; 7 pxr biö peow-
dom bnton fr^o-dome; 7 peer biö uurotuys buton jefeau; 7 pser biö
biteniys buton swetnysse; 7 paer bi(> hi'in^or 7 J'nrst; 7 fser biÖ ^ranunj
7 jeomruDS 7 micel [fol. 39c] wroht, 7 bi wepaö heora synna swirie
biterlicuui tearum. 7 on heom sylfum beoö ealle heora synua ^esöne, 5
J>a-Öe hi ser ^eworhtou, 7 ne maes nän oöres jelielpan. Ac hi ponue
ousinnai^ sinjan swiöe sorli-fulue sanj 7 swiöe wependre stemne: 'Nu
we ma;^on sceawian ealle üre synna beforan ealre pysse maeui^o, j'eah
we hyo") ealle a3r ;^e\vorhtou.' Nc'') biö poer ^esibbes lafu to oörum.
Nis paer nitni^*) man, pcet-') paer sy bis scyppeudes semyudis for öam 10
sare, pe bim onsiteö. 7 paer beoö pa sawle forjyteue ealra pa^ra,") pe
hi fer on 6oröan jemetton.
Saejeö'') hit 6ac on bocum, ^(et sum deofles-jast saede anum ancran
ealle helle -sereord"") 7 para süwla tintreja, 7 he , ") ]ni't call
p6s middan-eard '°) naere ]'e märe dr)'5es landes ofer pone micclan 15
Sarse^c, pe man ^nne prican aprycce on äuum brede. 7 nis ]'es middan-
eard'") swilco se seofoöa diel ofer pone micclan jarsecs, se mid micclum
6rma3tnyssum ealle ]'as eoiöan ütan ymb-lijeÖ. 7 lytel dtel is under
heofonum dryjes landes, pce^ hit ne sy mid jarsecje ofer-urnen.
9—18 Varianten ans Ps.-Wulfstan [= W] XXX (ed. Napier UGi^-a*):
9 dcer ne by byö sybbes W 10 nis] atii nis W | ncenig] cenig W |
iget] pe W | his scyppenäes gemyndig] getnyndig drihtenes celmihtiges W
11 him onsiteö] he on ivunaÖ W | 7 f . W | sauia W | ealra pcera] fram
eallmn pam W | Öe 12 ^emetto7i] cuöon hinter cer W 13 hit segö W |
on] on halgum W | sum deoßes-^ast scede] an deofol arehte W 1 4 helle-
^ereord] hellegryras and yrrnda W | sdwla] synfaha sawla W | tintregan]
tintregan and susla W | he scede W | ea^ W 15 driges MV \ mycelan
garsecg W 16 pe] ponne W | apricce W | brede] brädum brede W |
nys W 17 swilce] buton (von anderer Hand) sicylce W | mycelan W |
se] se Öe W 18 ormcetnysse W | öas W | ymb-ligeö] embliö W [d.i.
tmbli^ö; ein embliöan 'Surround', wie Dood's Glossary S. öG ansetzt, gibt
es natürlich nicht].
') Dahinter von späterer Hand nes (also hreownes).
-) Das y von späterer Hand auf Easur.
^) ^'e biö pcer bis ütan ymbli^eö (Z. 9— 18) stimmt wörtlich zu Ps.-
Wulfstans Homilie XXX (ed. Napier), S. 146 Z. 13—24, so dafs ohen die
Varianten gegeben werden konnten.
■*) Durch Rasuren korrigiert in nan.
'") Lies mit Ps.-Wulfstan: pje.
'^) Darüber von späterer Hand pynce.
') Mit unterpunktiertem, also getilgtem e.
^) Vielleicht mit Ps.-Wulfstan zu lesen: helle-gryras.
^) Auf der Rasur von späterer Hand scede, wie auch Ps.-Wulfstan liest,
") Lies middan^eard.
112
Wä bis pam sawlum, pe on helle beon sceolon, ^) oröan-f'e \>cet
helle-hns is mid swiöe läölicum sästum afj'lled.
Uton we, men Öa leofestau, nü we syndon je^aderode on öysne
drihtenlican dse^ . .^) we . . .^) for Jodes lufan *) pcet we
5 [Verc. fol. 64"] be-flion ]'a helle -wita, forl^an liit is öicr-inne
swiöe sarlic to wunisanne.
Ac utan ^e-earwian ->) us nu öa mid iune - weardum je-
bedum 7 mid jjeste-dome, ]'aet we ne weoröan aslidene innon
l'a fyren-fullan J'ystro, ]^cet^) synfuUum sawlm» is je-earwod")
10 on helle to^eanes. Ac^) utan ]?ydan us to ]\am uplican riee;
foröau psiT is psut wuldor, psßt npenis man ne masg mid bis
wordum asecgan öa wynsumnesse |>?es beofon-cundan lifes.
Daßi- biö lif butan deaj'e 7 goA butan ende 7 yld butan sare
7 da33 butan nihte; and l'ier biö je-fea butan unrotnesse 7 riee
5 Hier beginnen wieder die Textvarianten von Bodl. 340 : befleon |
helle-icitu \ fordan \ pcer-hme 6 über io von späterer Hand 7 sorlilice
übergesclirieben B | wimienne 7 Aci ortradiert | uton \ ^egearwian \ Öa
fortradiert | inweardum fortradiert 8 ^ceste-dome] gastlicum dcedum B ]
ivurda7i I aslidene] auf Rasur ascofene von späterer Hand ) innon pa] i»
öa B 9 fyretifullan fortradiert | ßsßt von späterer Hand korrigiert in
ße I is] auf Rasur von späterer Hand syn | gegeareicod{e), -e angefügt
von späterer Hand 1 0 Ac fortradiert | uton, daliinter tccecc (?) auf Rasur
von späterer Hand | pydan] peodan B | ms f. B | Öam 1 1 foröan-pe \
pcet von späterer Hand korrigiert iüpe \ ncenig] nan B | mann 12 pa wyn-
sumnysse 13 pcer j buton^^^^^ | deaöe | 7^ f. B 14 buton^ ^ \ unrotnysse
1) = Napier 147 ^^^i^: wä pam saiohmi biß, pe on helle beon sceolon.
^) Auf der Rasur von späterer Hand poit.
3) Über der radierten Stelle von späterer Hand übergeschrieben:
Jiogian georne. Vielleicht hatte der ursprüngliche Schreiber syn geschrieben.
*) Zwei Wörter scheinen fortradiert; über der Zeile von späterer
Hand fid.
^) Lies gegearwian (B).
•^) Dieses pset lehrt, dafs das Original das Neutrum peostre and nicht
das Femininum pystru hatte, also pcet fyretifulle peostre las. Dafs pcet
nicht etwa Schreibfehler für pe ist, wird dadurch bewiesen, dafs auch B
ursprünglich ^set hatte.
') Lies gegearwod (B).
®J = Napier 147^*^': uton us warnian ... 7 gepeodan üs to Öam
ujAican riee, foröatnpe pcer ys seo bliss and pmt ivuldor, pcet nan eorÖlic
mann ne can ne ne mceg mid his wordum areccan and asecgan pa wyn-
sumnysse and blisse pces heofonlican lifes.
113
butun {ivveudednesse. 7 ne j^'earf man niefre ne siiunan ne
monan ne nteni^es eorö-liees liohtes, foröau I'ut is se ajlniih-
tija Drybten seiuendra 7 liolitra, ]?oune ealle oöre Höht. 7
psGT a3fre aspiinjaö öa wuldor-lioan dreamas 7 |?a }>iymlican
sanjas, öamöe on hyra midlene wioröan. ') pjcr biö se sweta 5
stenc 7 sio syn^alu lufn 7 sio wieusiimnes 2) butan ieleere un-
wynsumnesse. Ne pier ne biö bunter ne öurst, ne eyle ne
bryne ne njenij unwyusumnes semeted.
ponne swa ö;et dioful sjcde )>am aucran be belle seryne,
swa be bim a)r raide be beofena-riees wuldre. Swa öiet dioful 10
1 buton onwendednysse \ pearf] be-ßearfB \ man fortradiert B | ncefre]
pcer ndfre mannum [a von späterer Iland aus 0?, «' aus r] B | ne sunnan
ne monan ne f. B, dafür Rasur von ca. 7 Buchstaben 2 nceni^es] ndnes
B I leohtes 3 drihten \ scinendra] beorhtra auf Rasur von anderer Hand
B I leohtra \ höht 4 cefre] ncefre ne B | asprin^aÖ] ablinnaÖ [b aus-
radiert] B I Jm mindorlican 5 pampe [a von späterer Hand korrigiert
in cb] I heora \ twüZie«e] auf Rasur von späterer Hand j»t/r/(de B | iviorban']
^ewurdan möt B ] sioete ß seo shi^nle \ seo ivynsumnya buton 7 ün-
wynsumnysse 8 univynsumnys gemet 9 Der ganze Abschnitt von
ponne siva ÖCBt dioful bis heofena-rices ivuldre 7 him (Z. 9 S. 113 bis Z. 18
S. 114), etwa eine Seite umfassend, fehlt B. Doch kann hier zum Vergleich
und zugleich als Probe des Verhältnisses beider die auf gleicher Quelle
beruhende Tiberius-Homilie herangezogen werden [Tib. A. III, M. 11. Jb.,
fol. 88, ed. Kemble S. 85f., : 7 Öa cwceö se deofol to dam ancran öa-git Öus:
Deah-Öe sie sum smetegelden dun eal mid gimmum asett at sunnan up-
^ange on neorxna-ivovge, 7 sie donne oferhlif^e ealle eoröan bradnesse, 7
Öcer silte Öonne sum cynebearn an-ufan Öcere ^yldenan dune, 7 he sie eac
an-midan his fere fe^ernisse 7 Ms life, 7 he mote Öcer sittan a oÖ ende
Ms lifes, 7 he haibbe öonne Samsones (lies: Salomones s. S. 114*) wüte 7 his
wisdom, 7 him sie eal middangeard on ^eiceald ^^eseald mid eallum öam,
iveltim 7 öam woruld- ^estreonum , öe heofen behweolfeÖ (d. i. behivelfan,
kentisch für ws. behwylfan) abutan, 7 Mm Saturnas dohtor (verstümmelt,
s. S. 114^ **), 7 öeah-Öe him ealle streamas huni^e fieowan (lies floicen) 7
Mm Öanne an ecröan ncefre ncere ceM;^ wiÖerbrcsta (lies wiÖerbreca?) on
pisum life, Öeah-öe him sa'on (d. i. seo7i, syji) ealle wyiisumnesse 7 ealle
swetnessa to gehriordum (d. i. ^ereordum) forÖgeborenne, 7 him öonne sie
sivgal sumor 7 lytel winter, 7 he Öonne sie lange to life gescajjen butan wrace
7 butan sare, 7 he Öonne ÖeahhwceÖere ne mceg for sorgum Öcet he {öoet he zu
*) Lies wioröan mot (B).
^) Lies wynsumnes. Das ie scheint zu beweisen, dafs der Text aut
eine altwestsächsische Vorlage zurückgeht, die den Schreiber oft nütigte,
an Stelle von ie sein jüngeres y zu setzen, so dafs er in ivyn- irrtüm-
licherweise sein y mit (hier unmöglichem) ie vertauschen konnte.
Studien z. engl. Phil. L. g
114
cwseö to öam aneran: 'ppali |'a3r sy eal smffite-sylden mor set
sunnan up^anje on neorxna-wanje 7 sio ') ofer-hlifaö^) ealle
ioröan. 7 se man mote sittan swa dyre swa cyne-bearn ofer
öam Äyldenan more 7 haehbe Saleraanes wlite 7 vvisdom 7 him
5 sie eal middan-goard on ^eweald geseald mid öam ^Hstreonnm,
}'e Äeond ealue niiddan^) syndou, 7 him [fol. 64^\ sy selee niht
niwe bryd to bedde je-la^d 7 sio hsebbe Enone'') wlite,
Saturnes dolitor, 7 i^U' stan sy ^ylden, 7 ealle l?a streamas
buiiise flowen. 7 bim })onne ne sie ofer eoröan menij wiöer-
10 breca, 7 l^nah j'e syn ^) ealle sunder-('ra?ftas 7 wnldor-san^as in
^e-sarauode, 7 )7f'ah-J?e biene ealle freCran, 7 him sieu ealle
swetnessa tojelfedde mid pam fa^jerestaii jestreonum, 7 bim
j^oiHie sy siujal sumor biitan selcre ouwendednes, 7 he mote
a lybban sare,6) - ponne, gif he wsere her ane nibt ori beofona-
15 rices wuldre, ]?onne for') he, \>(Bt he aer od l:»yssum wuldre
|e-lyfede, pe ic mr bi sajde ofer pcet beofena-rice, pe he a3r
on wges pa ane niht, 7 he eft ne mote to beofena-rices wubire.
7 him pssr ne biö nanes jefean to lytel; foipan he mot l>a3r
a lybban 7 on wuudre*) 7 on wioröunse butan aBlere on-
20 wendednesse mid l?ara nigon ende-byrdnessa engla 7 beab-
streichen) on eallum Öysmn iculdre wuni^e (lies wunigen), gef he cer iccere
ane niht on heofonum 7 eft Öider mote 7 sceanigmi dar dces heofon-cyniv^es
ajiswne "/ da tvynsamnesse, de on heofonum bioÖ.] 18 forönn \ mot hinter
ä libban 19 7^] on wlite 7 B | 'nu7idre] uidlre B | 7*] 7 a B | wurdunge
bufon celcere onivcendednysse 2it para nigon bis sceapen (S. 115 Z. 2)
ist fortradiert; dafür von späterer Hand urum drihteiie
1) Lies se, weil mor maskulin, falls nicht für mor mit Tib. das
Femininum dun eiuziisetien ist.
2) Besser mit Tib. und den übrigen Verben der Optativ oferhlifie.
^) Lies middan^eard.
*) Lies lunone. Enone ist wohl verschrieben für Eonone, welches
seinerseits eine Anglisierung mit Subsrituierung des jüngeren Diphthongs
eo für die (fälschlich als Diphthong aufgefafste) Graphik iw darstellt.
^) Wohl besser him syn (Tib.) zu lesen.
*) Lies bu,tan sare; vgl. Tib.: lan^e to life gescapen butan wrace 7
butan aare.
') Die Stelle mufs verderbt sein; sie ist auch in der Tiberius-Hs.
nicht ganz in Ordnung. Vielleicht ist nach Keuibles Besserung von Tib.
auch hier statt for he past zu lesen: he ne mceg for sor^um on eallum
dysum wuldre wunian, pcet. In B fehlt die ganze Stelle.
*) Lies on widdre (B).
115
enjla 7 pxY wa^ron') Jode secweme. pjcr biö eallum bal^urn
alif2) sceapen betweox enslum 7 heah-enslum 7 heah-fiuderum
7 witcÄum 7 apostolum 7 niid raartyruwi'.
7 J'encen we togeanes bis to-cyme, }?«'^ is se eses-fullica
domes-d{U3,3) )7jet us J'onne ne öiirfe scamisan, }?onne be U8 5
n^ala^cö, pxt be us sesion wille. Fortan }?R't biö mycel scamu,
psßt man bis sylfes scami^e on l^am myclan Remote,
paet we nu je-byrdon sec^an, f>jet we ure synna scswiean
sculon 7 pa betan daijes 7 nibtes. 7 j'urb l^'a ylean j^inj we
majon J?e eaö sedon, psat eorö-cimdliee men majou sewioröan 10
biofou-wlitise, jif bie willaö eaö-modliee Jode j^'eowijan 7
byran, 7 pser biö jelic*) biofena-rices wlite.
Eala, [fol. 65'*] mycel is on boeuw leornod 7 bit is ^) soö-
liee eal jesewen. Sajaö bit, f>[et on belle sy anband. '') Ne
meabte bit pcet dioful ]'am ancran eall asecjan, bu mycel 15
l?8er') 8wa") lewitu") bioö, pe to bim bioö jescyrede. He
bafaö hundteoutis*) beafda, 7 be bafaö on selcum beafde hund
2 bettcux 4 vor ßencen von späterer Hand übergeschrieben utan B | we
fortiadiert, dafür von späterer Hand sivyöe B | se e^es-fullica domes-dce^]
on dam egesfallican domes-dce^e B 5 sceamian 6 genealceceÖ, das
letzte -e- ausradiert B | geseon icile. forÖan \ micel sceavm 7 sceamige |
dam micclmn 8 pcet] hivcet B | iira 9 sceolon \ ilcan 10 eö
eoröcmullice] eorÖlice B | geweoröan 11 hiofon-iditij;e] heofonlice B |
hi I eadmodlice \ peowian 12 heran \ 7 /)«»• bis tüiife f . B 13 micel \
geleornod, 0^ und nod ausradiert B | liit] pset B 14 eall \ Sx^Ö 15 mihte \
pcet dioful] se deofol B | niiccle 16 pcer swa leicitu] pcere satvle wito
B 1 beod'-^ I to über der Zeile B | He] 7 he 17 .c. /iea/iZa 1 heafde]
pcera heafde B | .c.
1) Lies wesan? In B ist die ganze Stelle fortradiert.
^) Siehe oben S. 108 Anna. 7.
^) domes in Verc. über der Zeile nachgetragen.
*) Ob gelice 'in gleicher Weise' zu lesen ist? In B fehlt der Satzteil.
*) Das i über der Zeile.
•^j Dahinter ein Fleck oder Rasur ; vielleicht stand ivita dahinter. In
B schliefst sich allerdings anhund uhue Lücke au ne mcahte an, so dafs
vielleicht doch nichts ausgefallen ist.
') Lies pcBre sawle witu (B).
^) Das d über der Zeile.
8*
116
eaÄena, 7 a3le l^ira esena 1) is fyre bat. 2) 7 he bafaö .c.
lianda, 7 on vtAcre handa hnudteontis fiusra, 7 on .X'lciim fiD^re
.c. na?3la; 7 hyra is ade 011 n^edrau wisan ascyrped.
Eala min Dryhteu, laölic is bit foiöy on belle to bionne.
5 Wa öam sawlum, pe-pe öser bion sculon. Hwaet, we nu je-
byrdou seesau, bwylc bit is on belle to bionne! Foröan we
sculon seswican nrra sj'nna 7 Jode eaömode bion mid sel-
messum 7 mid jodum weorcum. 7 seeen we nie cyrcean mid
eljennesse 7 mid blutran mode, 7 bidden we eaö-modliee^)
10 bene, p'^t we ne wioröan je-teodde on pa belle-witu. Jif we
}?senne swa don wyllaö,^) < swa > us Drybten beden ^) bafaö,
ponne moton we mid bim 7 mid bis l?am balejan jaeste wunijean
in ealra worulda woriüd. Amen.
D.
1. XV. Tercelli-Predigt (Thomas-Apokalypse)
fol. 80 b — 85 b.
ALIA OMELIA DE DIE IVDICIl.
15 Man ssejö us on l^yssum bocum, bu se balja Tbomas, Jodes
apos^ol, acsode urne Drybten, bwienne Ante-cristes eyme wa3re.
Da wses Drybten sprecende to bim 7 öus cwseö:
1 pcera eagena \ hat] hattre B 2 celcere 3 .c. \ heora \ nceddran
4 drillten | forÖi \ beone 5 pe-ße Öcer] pe pcer B | beon sceolon
6 hivilc I beone | forÖam 7 sceolon \ ure, über e von spaterer Hand a |
eadmode beon 8 celmessuni] celmessum 7 mid fcestenuni B | secan \
cyrcan 9 clcennysse \ hluttrum \ eadmodlicere 10 iieorÖan \ ge-
teohhode, darüber von späterer Hand l scofene B \ da 11 ponne \ tvillad \
drihte7i \ beden] bebodenB 12 hale^wn gaste wunian 13 Amen] a buton
ende on ecr,ysse. AMEN B
[Den lat. Text der Thomas-Apokalypse gebe ich, soweit das Fragment
reicht, wesentlich nach der Münchener Hs. Clm. 45S5, s. IX (= MO ed.
0 Lies eagena (B), falls nicht, wie anch 117 ^ (gefehta), die anglische
Ebnung beibehalten ist.
2) Wohl mit B zu lesen hatre.
^) Lies eadmodlicre (B).
*) Dahinter eine längere Rasur; doch ist vom Text nur swa fortge-
fallen, wie B lehrt.
s) Ob mit B (^e)boden 'geboten' statt beden 'gebeten' zu lesen ist?
117
Hit sedafenaö, ^cet bit sie on öara nexstan tide. i) ponne
hun^or 7 sweorda ^efeoht biö, 7 mycel }?reat-nes j^eworden
biö, 7 manisra folca je-febta beoö in öam nebstan tiduni 7 un-
ribt-wisnesse 7 niöas 7 jcfest ofer eall middan-seard 7 on iunje
cyninjas 7 on iun^an papan 7 on iun^um bisceo])nm 7 on 5
iunsum ealdor-mannnni. 7 J'urb Jnut j'onne aviseö unsebt-nesse
be-tweob twam cynin^um 7 twani Äebroöium. 7 jnet ^ewyröeö
on ]?am daije, a^r se mycla da>3 bio; 7 psat eac, J^ait niinra
majsse-preosta cwemeö ade oöruni on bis Rpra!ce, 7 bie J'onne
nabbaö sybbe bim be-tweonum, ae bie me (^onne onsacaö^) mid 10
swiöe myele faene mode. 7 J^onne jesybö pect fole, pixst pa,
m;esse-preo8tas bioö mid un-ribt sefyllede ymbe biora welan.
7 hie beoö on biora ceastrum 3) under[/o/. Si^Jöeodde, swa
hie a^r wa?ron, öa^t biö, pset-pset hie settap gyldene heafda ')
Fr. Wilhelm, Deutsche Legenden und Legendare (Leipzig 1907) S. 40* — 42*.
Doch korrigiere ich den sehr verderbten Text unter Zuhilfenahme von
Clm. 4öfi3 (=ÄP) ed. Bihlmeyer, llev. Bened. XXVIII (1911) S. 272ff. so-
wie des Cod. Vat. Pal. 22ü (= P), in den mir E. v. Dubschiitz hochherzig
Einsicht gestattet hat. Stellenweise habe ich versucht die Textform zu
rekonstruieren, die dem Angelsachsen vorgelegen hat. B = Wien Pal. 16.]
Incijnt epistula Domini nostri lesu Christi ad Thomam discijmhim
suum [lesus dixit Thomas dii iudicii P]. Audi, Thomas, quae oportet
fieri i7i novissimis temporibus. Erunt fames et bellum, . . ., gladius . . .,
plurimae dissensiones in populo, . . ., iniquitas, nequitia hominum, superbia,
temperantia [-{- Tunc erunt participationes in saeculo inter regem et regem
}iP], ita ut unusquisque, qiiod Uli placeat, hoc loquatur; et sacerdotes mei
inter se pacem von habebunt et ficto animo mihi sacrificabunt. . . . Tunc
videbunt homines sacerdotes [so P] de domo Dei recedentes [P] .... Et
1) Sicherlich wird nach dem lat. temporibus der Plural tidum zu
zn lesen sein, wie auch Z. 3 überliefert ist; dann würde auch das vorher-
gehende pam möglich sein.
*) Lies onsec^ad = lat. ficto animo mihi sacrificabunt [sacri-
ficant P].
ä) Das a über der Zeile.
*) Es scheint, dafs der Angelsachse das lat. capitularium 'Kopfsteuer'
{dantes capitularia civitatum aurum ntque argentum) nicht verstanden hat.
Oder sollte das ae. heafod die Bedeutung 'Kopfsteuer' annehmen können?
Dafs die Kopfsteuer au sich den Angelsachsen bekannt war, lehrt (nach
F. Liebermann, Gesetze der Angelsachsen II 2, 55S f ) K. J^Öelreds Gesetz
VII 1, 3 und der Wulfstan- Homilet (ed. Napier 110'^°: sceote man
almessan . . . : swa cet heafde peninc, swa cet sylh peninc).
118
7 seolfrene on heora ceastrum. 7 mam'se men bioö J^onne J^uvh
]ia l'incÄ 3e-niörade. 7 jold-liord bioö ponne je-openode seond
eall eoröan ymb-hwyrft. 7 Jodes sewe beoö }?e-fylde. 7 mycel
folc-jedrefnesse biö öonne ler domes dxze. 7 Jodes bus beoö
5 aweste; 7 ]'a weofodu beoö to }:'an swiöe for-l?etene, pcet öa
attor-coppan habbaö innan awefene. 7 J>a balijüessa beoö
I'onne for-molsnode. 7 J>a msesse-preostas beoö }?onne on iin-
ribt awende fra«i Jode; 7 heora eilen beoö je-brocene; 7 heora
blis 7 heora lar biö eall to tselnesse ^e]?eoded; 7 heora ^efea
10 sewiteö 7 for-wyröeö. 7 l^'onne biö eac on öam dasum yfeles
nihtsumnesse. 7 lefeu-sanjas bioö ]?onne ^ewitene 7 of-tojene
of Jodes huse. 7 eall soöftestnesse biö p>onne onblunnen; 7
leasunja 7 jymeleasnessa Jodes beboda biö )?onne gemeted on
öam meesse-preostum.
15 7 l>onne arifsaö twejen ealdormen to ]?eoda werijum on
heora dajum. ponne biö hunjeres je-nihtsiimnesse. Donne
ariseö l>eod wiö ]?eode, 7 hie bioö J^onne aytte fram heora je-
maerum.
7 ]?onne ariseö sum swiöe weorö cyninj, 7 se be-beodeö
20 ]7am manneynne, psßt man wyree ^yldene anlienesse, 7 hateö
päit settan in Jodes cyricean 7 }?sßrto je-biddan. Biö l>onne
on l>a tid martyra jenihtsiimnesse for öam J?ingum, psdt man
cwelmeö l'a mseran, pe nellaö jebiddan to öam haeöenan on
[fol 81^] licnesse. 7 a3fter öyssum jeweoröeö manna geleafan
25 to Jode sehwyrfed; 7 hie beoö on bis halijnessa jebledsod; 7
erunt subiecta Caesaris, sicut antea fuerunt, dantes capitularia civitatum
aurum et argentum. Contemnabimtiir priores [?] urbinm []; thesauri
reguni implebimtur. Erit enim turbatio rtiagna in omni populo []. Domus
X>ei erit [] deserta; et altaria das abominabuntur, ut araneae intexant
in eis. Sanctitas corrumpitur; sacerdotium adulterabitur; agoma frangltar
[P; adcrescit W]; virtris dominabitur [dimiuuetur Pj; laetitia periit et
gaudium recedit. In Ulis diebus nialum abimdahit. . . . Hymni de domo
Dei cessabunt. Veritas non erit; avaritia abunddbit. Sacerdotium [ ]
integrum minime invenitur. . . .
Post ea exsurgent duo [-|-P] principes adpremendas gentes; sub quorum
manibus fames nimiae ernnt . . ., ut exsurgat gens super geiitem et con-
finibus suis excludantur.
Iterum exsurget alius rex, vir versuins [P, subtiis M*]; et iuhct fieri
imaginem aurcam [ ] [ -j- Caesaris in domo Dei adorare Pj. Tunc [P]
119
nnri'm halisra beoö sefylled mid py se-wuldredan wuldor-
belme.
7 ]?onDe aefter fean tidum ariseö sum swiöe mtere cyninj
fram east-da^le; 7 hwjcöre se biö lufi^ende Jodes -A 7 bim
biö seald ealle cynelice jeofa; 7 biö J'onne mycel ^enibt- 5
sumnesse on bis dasum.
7 pomie sauer bim ariseö eft sum oöer eynins fram suö-
dffile. 7 se bafaö swiöe myeel on bis g;e-wealdiim; 7 fea tide
be biö on bis djese; 7 jold-bord bioö asprunjenne wiö Koma-
nisce peode. 7 J'onne bebeodeö se ilea cyninj, f>iet bis myela 10
^estreon man todiele wiö bwaetes se-nibtsiimnesse 7 wiö wines
7 for eles lufan. ') For-f'y biö beora jold asprungen; 7 swa-
öeab bwajöere öter biö eeapes se-nihtsumnesse, 7 beora joldes
ontimbernesse') 7 biora seolfor biö seald for bwaetes lufan. 3)
Foröan on sie biö ]?aet seip-liöendra cwalm swa mycel, pxt 15
ahundabunt martyria. Tunc revertiUir fides in servis Domini, et sanditas
abundabitur, et agonia increscit. . . .
Post i)aucum tempus exuurget rex ab Oriente, amator legis . . . ; domixn-
que [domun que P, domum que^ W] . . praecijnt; temporibus eius [-f- P]
omnia abundabimt.
Et post ea Herum exsiirget rex a meridiano; orbis terranim hie {-{- P)
obtinebit Imperium; piaucum tempus sub cidus diebus; thesauri deficient a
stipendiis Romanis miiitibus, ita ut omnis adquisitio maioruyyi nattt, iubeatur
cum eodem [P, et eadtm M'] rege diuidi [ ] abundavtia frumenti et vini
et olei Caritas. Ändern [tamen P] pecuniarum, ita ut materia auri et
argenti pro frumento dabitur, Caritas nimia. erit. Illo tempore navium
adcessio erit in pelago, ut nemo nemini novum referat reg'i [reges M^]
terrae. . . .
^) for eles lufan erklärt sich aas mifsverständlicher Hinzuziehung des
eigentlich einen neuen Satz beginnenden Caritas (Caritas autem pjecuni-
arum) zu olei, welches eigentlich noch, wie frumenti et vini, vom vorher-
gehenden abundatitia abhängt.
*) Wie die latciüische Grundlage für den ganzen Satz gelautet hat,
ist nicht recht klar. Jedenfalls ist aber ontimbernesse hier eine wörtliche
Übersetzung von lat maffria und hat also hier seine ursprüngliche koi.krete
Bedeutung 'Materie, Stoff' und nicht die in dem einzigen bisherigen Belege
(Beda-Übersf-tznng IV c. 17, ed. Th Mdier 1 S. islO'» Hs. 0) vorliegende
übertragene Bedeutung von 'Belehrung'.
^) L)ieses for huatt's lufan ist wohl nicht durch das in der Quelle
folgende lat. Caritas veranlafsf, sondern nur eine (allerdings ungeschickte)
Übersetzung von pro frumento.
120
nsenis man ne wat to seejanne ne nseni^um eorö-eyninje i) be
öam scip-liöendum.
iEfter )>au ariseö oöer cynnins swiöe J^iwecrh; 7 se hafaö
Se-weald ofer middan-jeard; 7 fea tide be biö on bis da^um.
5 7 ]'?et mennisce cynn biö a yfeled 7 a in for-wyrd je-lseded.
7 l^onne sefter ]\an ^viseö fram east-dsele on öam mycelan
Babilonia-ceastre swiöe mycel buujor 7 sweorda jefeobt fram
suö-öcele on Cananea-lande. 7 ponne {«fter pan bioö ealle
waeteras [fol. 83"] 7 ealle wyllas on blöde. 7 steorran feallaö
10 of beofenum on eoröau; 7 sunne biö aj'ystrod; 7 se mona
bire-) leobt ne syleö; 7 eall bit biö on J^eostra je-cyrred.
Dis sindon I^a fore-tacnu to l^am dajum, l?e bit nealsßceö
to Antecristes cyme.
Wa öam mannnm, J^e in öam dajum eardiaö ofer eoröan,
15 for öam brojum, )^e ponne cumaö 7 euman sceolon ofer eoröan.
Wa öam mannum, pe J^onne bus timbriaö 7 bearn jestrynaö.
Wa öam mannum, l^e f>onne wifiaö 7 eorölieum spedum tiliaö
7 strynaö; forl^an bie ealinja on wos winnaö 7 swincaö. Wa
öam mannum ponne, pe 3e]?eodeö bus to buse 7 land to lande;
Post ea exsurget alius rex, vir versutus [suptus M^], qui obtinebit
irnperium; pauciim tempus sub cuius diebiis. Omnia malaerunt; interitus
generis humani. Ab Oriente usque i?t Babylonia post ea autem i7iterent
faniGS et gladius in terra Chanaan usque ad nona. Timc omnes fontes
aquarum et putei . . . in sanguinexa. cotivertentur. Caelam commovebitur ;
stellae cadunt in ten-am; sol mediabitur siciit luna; et luna non dabit
lumen suwwi. . . .
In diebus Ulis adpropinquante iam Antechristo haec sunt signa.
( Vae) Ulis, qui habitant in terra; in diebus Ulis magnae parturitiotres
super eos veniunt. Vae Ulis, qui aedificant, quia non habitabunt. Vae
Ulis, qui novellant, quia sine ca^isa laborant. Vae Ulis, qui nujriias
faciunt; ad famem et necessitatem filios generant. Vae Ulis, qui iungunt
1) eord-cyninge lehrt, dafs auch hier der Angelsachse eine falsche
Satzabteilung des Lateins vorgenommen hat. Eigentlich gehört das Wort
als Nominativ zu einem neuen (vom Übersetzer ausgelassenen) Satze : Reges
terrae et principes et tribuni et omnes locuplites commovebuntur.
2) hire läfst sich nur auf das vorhergehende spinne beziehen, als ob
der Mond der Sonne sein Licht nicht gäbe. Das lat. Original meirft aber
natürlich, dafs der Mond in seinem gewohnten Lichte nicht erstrahle. Den-
selben Sinn würden wir im Altenglischen erhalten, wenn wir hyre in his
verwandelten, und so hat der Übersetzer vielleicht selbst auch geschrieben
gehabt.
121
for|?an hit eall mid fyre forb.ierneö, 7 he sylf niid forwyröeö.
Wa öam maunum J>üDue, ['e hie sylfe ne woldon a^r be-liealdan
for heora synna, f>o liie xr worhton, 7 hie sebetan noldon, }'a
hwile pe hie ]>'Mt weorö haifdon; forjnin hie J^onne bioö for-
hiitene, J^oiine sio tid cyraeö; 7 hie j^onne icfre bioö je-niörade 5
ä in ecnesse.'
pis i.s }?onne \>sßs a^lmihtisan Dryhtnes sylfes miiöes cwide,
7 he öiis wa38 eweöende: 'Ic eom se telmihtisa Dryhten 7
eallrai) jasta nerisend. pfe^öa3t is soö, J^aet ic secse, pmt
ealle J^is tacenii bioö a;t J^ysse worulde ende 3e-a3ty wde. *) 7 10
eac biö swiöe mycel hunsor 7 swiöe micle adle ofer ealle
eoröan. Foröan raanesum men biö swiöe mycel nyd-J^earf ter
piera tide, pxt hie to Jode gehwyrfen, forj^an in öa tid ealle
men beoö se-herjode [fol 83^] pmh ealle J^eode, 7 hie f>ODne
feallaö in sweordes eesu»?. 15
[/] 7 pset is l'onne j^y a^restan da^je; biö^) pcet a^reste
fore-tacn ;er öam domes-da^je, |?a)t3) is,^) l^tet biÖ a3t öa^re
l'riddan tide da^^es on monan-daeje, swiöe mycel seomruns, 7
l^aer *) biö *) mycel wanun^ 7 sranunj 7 murnuns 7 sworetun^
7 swiöe stranjlicu word on heofenes roderum. 7 swiöe mycel 20
domum ad domiini vel agrum ad agrum, quoniam otnnia igne conflabuntur
[cremabuntnr PJ. Vae Ulis, qni non sibi ])raevident, cum tempus p^rmittit ,
quoniam j^ostenus [posterum M'] ia perpetuum damnabuntar. . . .
Et scitote [-f~P]: ^90 sum pater altissitnus [altissimi P]; ego sutn
pater omniimi spirituum [-{- P]- [ ] Haec sunt signa in fine [finitio-
nem M'] saeculi ]mius. Ermit per universam tetram fames et pestilentiae
magnae, necessitntes mtdtae. Tanc captivabuntw omnes hominis per uni-
versas gentes et cadent in mncrones [-f- M^ PJ gladii [so P B, gradi M'].
[I] In prima, die [so P M^ B] iudicii hora tertia diei erit vox magna
et fortis in firmamento caeli; et nubes magna sanguinea descendit [aacendit
P M-] de aquilone. Tonitrua magna et fulgura fortia se^'uuntur [M-, scque-
*) Das r über der Zeile.
2) Das t ist unterpangiert, also vom Schreiber getilgt. Walirscbein-
lich wollte er sein cetyicde also korrigieren, etwa in das synouyme
oÜgwde.
^) Vielleicht sind diese biö und [jcet is zu streichen, so dafs der Satz
mehr in Übereinstimmung mit dem Latein und glätter lauten würde: 7
ßcet is ponne py cerestan dcege pcet cereste foretacn cer dam domes-dcege,
pcet bid cet . . .
*) Auch dieses pcer biÖ würde besser fehlen.
122
blodij wolcn astijeö fram norö-wearöum of beofone. 7 bioö
f>onne swiöe mycele ]?uner-i'ade 7 mycle lijitta; 7 }?am foljiaö
sum swiöe mycel wolcenD.^) 7 piet wolcen be-wryjö ealne
beofon. 7 panon cymeö swiöe mycel blodig regn of öara wolcne
5 ofer ealle eoröan. |)is syndon |?ics monan-dse^es fore-tacnu.
[//] 7 ponne biö on Tiwes-dseje swiöe mycel stefn ^e-
byred on east-weardnm beofones roderum; 7 swiöe mycle
milita 7^) pser ut-eömia]? J^urb J?a beofonas-^eatii. 2) 7 ponue
biö se beofon mid micie wolcne bewrisen fram serne-merjen
10 oö aifen. pis syndon l^aes tiwes-dseses tacnu.
[III] 7 l'onne ]?y j^riddan dsejp, J>8et biö on Wodnes-dges,
set ]?8ere aefteran tide p2ßs dsejes l^'onne cymeö sige-beacen^)
of beofonum; 7 weallas^) bioö eyrmende 7 eoröan jrundas of
feower hwommnw l^ysses middan-^eardes. 7 se a^resta beofon
bantur M'] Hin nubes [lies illam vubem mit M^P] et operiet illa totum
caelum [M'' P, f. M' B]. Et erit pluvia sanguinis super totam tertam. Ista
sunt Signa primae diei.
[II] Secunda, autem die erit vox magna in fimiamento caeli
ab orieyite; et potestas magna eructabitur [eruptunvit P, eruptus erit ÄP]
per portas caeli ; et [+ P M^] cooperiet totum caelum usque in vespera.
Ista sunt siyna secuvda.e diti.
[III] Tertia autem die hora secunda erit vox [-{-magna M^] in
caelo; et abtjftsi terrae dabunt de quattuor angulis mundi vocem [dabunt . . .
mugitum P, mugebunt M'^]. Primum caelum plicabitur ut über. Et
') Hier hat entweder der Übersetzer die grammatischen Beziehungen
falsch aufgefafst, vielleicht verführt durch ein ebensolches korruptes illa
nubes, wie es unsere Hs. M' bietet, oder die Kupisten haben den Text
verdt-rbt aus 7 [streiche bioÖ] ponne siviöe mycde ßiiner-rade 7 mycle
ligitta [streiche 7 ßam] ful^iad pam [statt sum] swide myclan icolcne [statt
mycel icolcenn]. Für letztere Annahme spricht, dafs selbst unsere Vercelli-
Kopie noch das pluralische Prädikat folyiap beibehalten hat, das Wuhl zu
punerrade und Hgitta, aber nicht zu dem Singularsubjekte siim mycel
wolcenn pafst.
2) Das Latein zeigt, dafs jedenfalls dieses 7 zu streichen ist.
^) Lies heofones-geatu.
*) si^-'-feea-en 'Siegeszeichen' und das fyrm-tacen 'Feuerzeichen' der
Hattun-Preiligt (S. i31 Z. i2) setzen beide eine andere Lesart voraus als das
vox {magna) unserer Lateintexte.
*) Es ist nicht rectit ersichtlich, ob weallas 'Wälle, Mauern' ein Zu-
satz des Übersetzers ist, oder auf das in einigen Hs. (P M-; auftretende
pinnat ('Mauerspiizen') firmamenti caeli aperitntur zurückgeht.
123
biö jefealden 7 tolesen, swa-swa boea leaf beoö; 7 p^t he
eft ne ?et-yweö. 1) 7 )?onne aifter pum swiöe raöe biö. psct seo
sweöflennesse |7a3S muö^) je-openade ^) 7 ,^runda8 aj^ystrode on
pa. teoöan tid dseses. 7 J^onne \fol. 83"] cweöaö ealle men:
*Wä US nu. earminsas 7 swa pynfullan, piet we a^fre J?i8 sceol- 5
don je-bidan! Wa us f»a3s, J'ait we aifre jeatrynde wa3ron oööe
je-borene! 7 nu we irajon je-seon 7 witan witodlice, öa^t nu
neal^eceö ure ende-daise, swa us oft Piesdon, öaöe ure lareowas
7 ure bofieras wserou. )?aet öas taerio sceoldon euman, }?e we
nu 5e-seoö 7 gyt peeolnn. 7 we him dydon to bysmere. öa 10
hie US \A\\\c s»3don! Wa us nu, earmin^as, )?iet we nu lifiaö
to lan^e on swylcnm e^e. psm we najfre ne wendon. powne
man üs oft f>yllic toweard Sffijde 7 laerde. hu we soeoldon to
Jode 3<^-eyrran 7 ure earman sawle alysan of helle- wite! Ac
we bis ne rohton; ac we lufedon miole swiöor ura wamba 15
fylnesse 7 on ure jold 7 on ure tlenjnesse 7 on ure myclan
^estreone 7 on reaflaeum 7 on jitsunje. Swiöor we pset
lufedon, ponne we dydon Jodes be-boda 7 j^yllic, pe we nu
ge-seoö. Wa öam-l?e öis eal sceal ^e-bidan!' Bis syndon J^ses
Wodnes-da^ses taenu. 20
[2V] 7 l^onne on I)urres-dsege J^set biö, ^'«t )?onne ariseö 3)
[vov] npparehit confitiuo [] funms et pudor sulphurJs; ahyfifii [] obficurnbunfur
usqne in komm decimam. Tnnc dicimt otvnes homives: 'Futo fiiiis ad-
propitiquabit, ut pereamus.' Haec signa sunt tertiae diei.
[IV] Quarta autem die Jiora prima terra orientis loquitur [liqua-
*) Anch hier weifs man nicht recht, ob 7 ßcet he eft ve cetywed eine
Ausschmücknng des Ang^ilsachsen ist oder auf das unmittelbar folgende
et non apjmrebit zurückgeht. Im letzteren Falle bliebe allerdings für das
ae. geopetiade des folgenden Satzes kein Lateinsubstrat, es sei denn, dafs
das aperienfur des in Aum. 5 S. 122 genannten Sätzchens einiger Hss.
hierhin heruntergerntscht sei.
-) Soll man pces mnöes lesen und geopevade intransitiv fassen oder
mud von (dem transitivem) ^eopenade abhängig machen und zu ßces etwas
wie receit 'Rauches' ergänzen?
') Dies nrisfd 'erhebt sich' kann wedi^r lat. loqnifur noch kaum lat.
liquabitur wiedergeben Doch scheint der Übersetzer überhaupt die Stelle
nicht ganz verstanden zu haben. Denn terra orientis 'das Land des Ostens'
läfst sich nicht in ae eoröan frymöe 'der Erde Anfang' finden. Las der
Übersetzer terrae origo, oder etwa terra oritns, das er sich so zurecht-
deutete?
124
eoröan frymöe ') fram norö-djrle 7 fram east-dfele;*'') 7 eoröan
Srundas bioö srimetiende, 7 ealle eort^au ma35en 3) on-brered
}^onne. 7 dioful-jild biö J'ODwe tobroeen, 7 ealle je-niö-tim-
bernesse-*) sefylled od öara dscz^e. Dis sindon pses feoröan
5 dieses tacnu.
[V — TT] 7 öon«e on FrijedffiÄe Jßt J^a^re syxtan tide }?onne
breeeö heofones rodor fram east-d^ele oö öone west-rodor. 7
|:'onne beoö [fol. 85*] lociende Dryhtnes en^las ufan on pas
eorölican ^esceafta j'urb pa iinse-wemmedan dum. 7 f>0Dne
10 ealle men ajfter J^an sona mid mycle ejesan swiöe sef'reade
beoö. 7 hie ponne fleoö to nuintum 7 to denum hie to be-
hydanne. 7 hie öus eweöaö: "We halsiaö eow, muntas 7 dena,
pset 56 US ofer-feallen 7 be-wri^en, J'aet we iiaefre eft cwice
sien, 7 US eoröe eac forswelje 7 swiöe hraöe je-^ripe, j^set we
15 Djefre eft cwice arisan, foröan-pe we nsefre se-ahsodon j^yllic
bitur M.^]; abyssus mugit [abyssi niugebunt P]. Tunc niovebitur universa
terra a virtute terrae motus. In illo die cadent idola gentium et omnia
aedificia terrae. Isla sunt sigtta guartae diei.
[V — VI] Quinta autem die hora sexta [die Vorzeichen des fünften
Tages sind in Verc. ausgelassen; statt dessen sind hier und in der Blickling-
Homilie — nicht in der Hatton-Predigt — die des sechsten Tages ge-
geben, wie die des siebenten zum sechsten Tage] : scinditur firmamentum
caeli ab Oriente usque in occidentem. Erunt angeli caelorum j^rospicietites
super terrani per [-|- P M''] aperturayn caelorum. £< o»i?ies homines [+ M''*
Pj videbant desuper terram exercitum angdorum prospicientem de caelo.
Tunc omnes Jiomines fugiunt [hier hört der Text in M^ auf; ich folge
jetzt in erster Linie JP]: in speluncas montium [so P, monumentis M'] et
abscondent se a conspectu iustorum angelorum et dicent: 'Utinam terra
') Siehe Note 3, S. 123.
^) Die beiden Himmelsrichtungen stehen nicht in unseren Lateintexten.
^) Ae. mcegen entspricht dem lat. virtus, also hat der Übersetzer ent-
weder das Latein falsch verstanden oder eine andere Lesart (etwa terrae
universae virtiis) vor sich gehabt.
*) 'Ein geniÖ-timbernesse ist weder sonst belegt noch läfst es sich
etymologisch-semasiologisch recht deuten. Wenn ein Kompositum mit nid
vorläge, so müfste dasselbe mindestens niÖ-getimbernesse heifseu. Aber
ae. nlö 'Neid' pafst nicht in den Zusammenhang, ae. niööas 'Männer' kommt
nur im Plural vor und ae. niö 'Abgrund'? ist höchst unsicher und eben-
falls hier wenig passend. Vielleicht ist daher das nid gänzlich zu streichen,
sodafs wir das bekannte getimbernesse 'Gebäude' erhielten. Oder nid ist
hinter ,^etimbernesse zu stellen, zu niöer zu ergänzen and mit gefylled za
verbinden, so dafs wir niÖer gefylled 'niedergefällt' erhielten.
125
weorc 7 ^yllic cjesa 7 J'yllic wite, syt^öan we se-borene wtDron
7 Öeos woruld se-sceapen wa)8 7 je-worclen. Wa öam-]?e öait
eall sceal ^ebidan."
[VII] 7 öonne is |'a3S Sfcternes-da'Äes taeenu, l'set finm
}^am feower secatum middan-seardes 1) biö ^efylled 011') 5
beofones rodor mid helle - jastimi 1) 7 mid beofouliee cam-
werod pxve cDselican 3c-sceaft. 2) 7 j^onne ]?£er biö niicel se-
feobt be-tweob en^la 7 deofla^) 7 bie se-stefniac^ bim be-
tweoDiDH wiö öam unchenum sastum for Jodes ]?am ^e-coreDum
7 bis öam leofiim. 7 j^oune öa enjlas ofer-swiöaö öa werij- jq
dan^) jastas 7 bie j'onne mid ealle ofer-eumaö. Broöor miue,
J'is sindon ]^a3S Sieternes-dages taeno 7 j^a mibtlican, ['aj^e se-
weoröaö a3r Öam myelan Drybtnes domes-da^je.
[VIII] 7 l^onne on sunnan-da^^e soöliee in öam da^se ures
aperiret se et deglutiret nos. Fixmt eyiim talia, qrialia numquam facta
sunt, ex quo saeculum istiid creatum est.' . . .
[VII] Septimo [der Angelsachse las Sexto] autem die hora odava
erunt voces in quattuor angulis caeli et movetur totus aer et inqtlebitur
angelis sanctis [miiltitudiiie angelorum P]; et faciunt inter se bellum tota
die; et in illa die inquirentur electi ab angelis sanctis [-f- ut liberenfur P]
de perditione saeculi. Tunc vidcbunt omnes homines, quia hora perditionis
illorum adpropi'nqnabit. Ista sunt signa septimae diei.
[VIII] [Von hier ab keinerlei Übereinstimmung mehr mit den
Lateintexten.] Transactis autem Septem diebus octava die hora scxta erat
vox tenera et suavis in caelo ab Oriente . . .
1) Das Englische stimmt wenig gut zum Latein, welches nicht von
den 'vier Ecken der Erde' (so Vercelli un4 Hatton HC), sondern 'des
Himmels' spricht. Von 'Eüllengeistern' ist im Lateinischen überhaupt
nicht die Rede; doch mag der Begriff aus lat. voces entnommen sein. —
Endlich fehlt dem Satz ein eigentliches Subjekt; wahrscheinlich ist heofones
rodor als Subjekt zu nehmen und das on davor zu streichen, falls es nicht
Rest einer Kopula ond ist und damit in engerer Anlehnung ans Latein
die vorhergehenden Worte zu einem selbständigen Satze zu ergänzen
wären.
*) Lies ^esceafte.
ä) Entweder fehlt dahinter ein Wort wie werod oder, was mir wahr-
scheinlicher düükt, die beiden Genetive selbst sind in Akkusative (englas
7 deoflu) zu verwandeln. Wahrscheinlich hat die jüngere Akkusativform
deofla den Anstofs gegeben, dafs englas in engla verwandelt wurde.
*) Das d über der Zeile.
126
Dryhtnes onsyn biö swiöe reöe 7 swiöe ejes-ful 7 ^rim. 7 sio
wund biö swiöe 3rim pam 1)
\fol. 84"] borene sceoldon bion 7 to swyleum wundre^)
5 sceoldon aefre se-weoröan. 7 J^onne jesyhö ure leofe hlsefdie
mncta Maria, Cristes moder, |?one earman heap 7 j^one sarijan
7 jjone dreori^an, 7 J^oune ariseÖ heo mid wependre stefne 7 je-
fealleö to 3) Cristes cneowum 7 to bis fotum ; 7 heo swa eweö :
'Min Drihten, Hselenda Crist, öu pe semedomadest, j^set öu
10 waere on minuw innoöe eardiende: ne for-Iset öu nsefre ]?a
deofla se-weald agan öus myelan heapes ymea hand-ge-worces.'
Donne forjifeö ure Dryhten }?ryddan dael psds synfullan heapes
]>sßYe haljan sawc^a Marian.
ponne biö |?3er gyt be-hindan swiöe mycel heap 7 swiöe
15 saris 7 dreorij, |?8esöe hie sefre jewurdon jestrynde. 7 ]?onne
ariseö se halja m . . . .^) 7 crypö mid handum 7 mid fotum 7
mid myel(e) ») teara, 7 luteö swiöe ead - modlice
to Dryh(tn) 6) 7 to bis cneowe; 7 he öus eweö:
'Min Drih (Os»') öu me sealdest ealdor-dom under
20 heofena-rice, ^) J^set ic moste bion ]?in je
sawla and-femi. 7 nu ic öe bidde, min Drih
*) Hier liegt ein Bruch im Texte vor. Grammatiscli liefse sich zwar
durch blof'-e Einfügung eines relativischen pe hinter pam die Verbindung
herstellen. Aber dt-r Inhalt verlangt, dafs über das Zustaadekommen von
pone earman heap (Z. 6), also die Scheidung der Gerechten und Uogerechten,
kurz das eigentliche jüngste Gericht etwas berichtet wird. Wie viel aus-
gefallen ist, ist schwer zu sagen. Vielleicht fehlt, wie noch an anderen
Stellen, ein ganzes B att zwischen fol. 83 und 84. Eine ungefähre Vor-
stellung von dem Ausgefallenen kann man sich machen aus dem, was
Hatton 116 pag. 3SS ^,s. unten S. 133 f.; bietet.
*) Lies iculdre.
^) Über der Zeile.
*) Eine grofse, meist 15 mm breite Rasur zieht sich schräg von
rechts nach links über die untere Hälfte der Seite hin. Hier ist klärlich
zu lesen: Michahel (vgl. S. 127, Z. 3).
^) Hier mufs so etwas wie agotamysse gestanden haben.
^) Wahrscheinlich zu lesen: to Dryktnes fotum; vgl. Z. 8.
') Vielleicht zu lesen: min D rihten (elmihtig ; doch scheint der dritt-
letzte Buchstabe eher ein s, r, f oder iv gewesen zu sein.
*) Vielleicht zu lesen: undcr engla werode (oder iverodum) on heo-
fena-rice.
127
ajfre i) forlaete Öus myelan heapes (s) (flu)^) ajan plnes
hand-se-weorces.' 7 ]'(o) (|if)eö3) ure Dryhten j^am
haljan sawc^e Micha .... (ne) *) ]?riddan dail öies sjofullan
heapes.
7 f'on(iie) . . . (ö)»!' '->) syt swiöe mycel werod 7 swiöe ofer- 5
ma!tl(ic) (1) be-hindan J'ara syn-f ul [/b^. 84 *"] Ira sawla.
7 ponne ariseö se halja HdnQtu» Petrus, his ealdor-pejn, swiöe
Sans 7 swiöe dreorij 7 mid miclan sarigan tearnni; 7 he öonne
mid myc'lum eadmedum fealh*ö to Ösas Ha3leDdes fotum 7 to
his cneowu//<; 7 he öonne cweö: 'Miu Dryhteu, min Drihten 10
selmihtis, öii me sealdest 7 rae ^e-uöest heofoua-rices ffe^an
7 eac helle-wita, J'jet ic moste swylcne je-biiidan on eoröan,
swylcne ic f>OQne wolde, 7 swylcne alysan, swylcne ic wolde.
Ic bidde f>e, min Dryhten, for }?iniim cyne-dome 7 for J^inum
f'rymme, öaet öii rae forsife öysses earman 7 öysses synfullan 15
heapes J?riddan dael.' 7 \H)unc for-jiteö ure Dryhten öam haljan
sawc^e Petre öoue öriddan dsel ]?tes syufulhm heapes.
7 ponne biö jjser jyt swiöe mycel werod be-hindan 7 pcet
Jode swiöe laö. Doune besyhö se soöfaista dema on ]>&
swiöran healfe to his öam jecorenum 7 to his öam haJÄum, 7 20
he Öus cweö : ' JJtnite, benechcii, patris mei •>) per-cipite re^num,
a"') duobw^,') paratum est ab origine muticW [Matth. XXV, 34]
He swa cwaeö: 'Ciimaö je nu, gebledsode, 7 onfoö mines fader
rice, }?8et eow waes jeearuwad fram fruman middan-seardes.'
7 Jjonne jyt besyhÖ ure Dryhten on pa wynstran band to öam 25
synfulhin heape, 7 he öus cweö to him: ^DiscedUe, maledkti,
in tönern cetcrnum, qui pre-jyaruttis est diabulo et cmylts eius''
[Matth. XXV, 41]. Heswacwa3Ö: 'Jewitaö, ^e awyrijde, fram
me \foL 85"] in öa neoöemestan helle- wite 7 in öset ece fyr,
1) Wahrscheinlich zn lesen : min Drihten, poet pu ncefre.
2) Lies geiceald dfofixi; vgl. S. 126 Z. 1 1.
3) Lies: 7 p07,ne fo>giftd; vgl. S. 126 Z. 12.
*) Lies: Michahel pone; vgl. Z. 17.
^) Lies: poyine biÖ Öcer; vgl. Z. IS.
®) patris mei gehört eigentlich zu benedicti {oi ev?.oy7j/j.kvoc xov
nazQoq fiov), wie es auch der Hatton-Homilet richtig fafst; aber die oben
angegebene Interpunktion gibt die Autfassung des Vercelli- Homileten
wieder.
') Lies : quod iwbis (so auch die ae. Übersetzung).
128
öe öam diofle wies je - earwod i) 7 eow , pe je him
hyrdon.'
7 poune ÄcsamniaCi öa dioflu hie tosomne, 7 hie öonwe
drifaö ]^a syufullau 7 ]'a cear-fulhin aawla to helle. 7 se halja
5 Petrus 6'V!Ö mid 7 bereö helle-caisau on handa. Eala, broöor
mine, hwait! öa3r maes ^e-hyran micel sorh 7 myeel waDunj 7
myeel sworetunj 7 myeel w6p 7 toöa srist-bitun^ 7 ]?one
hludestan sarij-cerm 7 ]?oue sarisestan stefn 7 ]?one sarijestan
wanuDse 7 sranuDSe. 7 J^onne drifaö öa deofla pa. synfullan
10 sawla 7 ]?a dreorigan in helle-witu. 7 hie sylfe jaö mid in
ou pa. helle. 7 J^onwe wendeö sawc^tts Petrus ]:'anon fram j^sere
helle- dura. 7 he be-lueeö p-a helle-duru, syöj^an ]?a earman
sawla bioö in öa ecan helle 7 in öa eean cwylmnesse, 7 öa
deofla mid him. 7 ]?onne wendeö him mncius Petrus )?anon
15 fram l:'a3re helle-dura. 7 he öoune weorpeö öa cearfullan cai^e
ofer ba3C in on pa helle. Bis he deö, foröam-}?e he ne mseg
loeian on öset myele sär 7 on öam myelan wanunje 7 on öam
myelan wope, pe pa earman sawla dreojaö mid öam deoflum
in helle tintrejo. Eala, broöor mine, hu myeel 7 hu hlud biö
20 se cuyll, ponne seo eseje fealleö in öa helle.
Mew J)a leofestan, siööan ne öurfan l^'a synfullan 7 öa
sorhfullan sawla wenan ne öa diofla pon ma, l?a3t hie sefre
onfon syöp'an \fol. 85^] raste. 7 }?oune Dryhten fserö him mid
his2) enjlum 7 mid his apostolum 7 mid his öam hali^ra werod
25 to heofena-rice mid myelan Inymme 7 l^'ser syööan wuniaö in
ecum wuldre. 7 hie habbaö symle ge-fean syööan 7 bliese
mid urum Dryhtne, öam sie symble wuldor 7 wyrö-mynd 7
ece ^efean a butan ende in secula secxdoruni. Amen.
2. Bittwochen-Predigt aus Hattou 116
(früher Junius 23), Ende 11. Jahrb., pag. 382—395.
MEN pa leofestan, ]?is sinden haiige dagas mid eallu7?2
30 cristenuw folee. 7 swa cwajö se halga lareow: Hwet we ge-
munan magan, pcet we oft gehyrdon secgan, for hwon wise
men )?urh haiiges gastes gife gesetton ]?as haiige gang-dagas
^) Lies: gegearwod.
'*) Das i über der Zeile.
129
f»ry to festenne 7 on to gangonne rcffer f'.'ore lialegan Drilitnes
rode 7 to liis hnlig-ra reli([uiuj», )^a nu forögeboreue sindon
geoud eall middan-eard fra>H ge-leafnllu/>? mannu»« to-geanes
bis lialgan ii})stige. J^e uü on punres-dieg hij>, pect he bis j'one
balgan licbaman ab/tf up in beofene byht^o 7 be fore ure 5
lufan deaö ge-]'rowade 7 ge-r:efnode. 7 J'nrb bis ma^gon-]'ri;>nn
he aeft of deal'e aras 7 bis gingrura binc jctywde 7 by inungode
pere gastlican lare, I?e be bym a^r bis In'owunge sogde, 7 f>ry-
7-J'rittig wintra on j'issum niiddan-gearde be wji'S. ü^^gbwyl-
[2)ag. 585] ces godes bysene be onstalde . 7 forj'on mid mennis- 10
cum lieboman be bine gegerode ofer bis godcundnesse, pcet he
eae ]?urh ]>cet ma.m\m for-geafe, ^cet bi pe e]?elicor ingang
haifdon. ForJ^on we seeolon biddan bine for bis J'era baligan
roda weorlninga 7 bis iipstige, pe nu to morgen bi]?. 7 ealle
balgan we sceolan biddan, pcet hi mid ns eac bidden a?lmihtigne 15
Drihtew, pone ecan cyning, pcet be us ge-scilde wiö ge-dwohm
7 wiö deofol-gyld 7 wiö bepene J'eoda 7 wiö arleasu;» bungre
7 beregunge, 7 pa^t be ns sibbe for-gife 7 smyltnesse lif. 1) 7
eae swylee we bine biddan, pcet be üs gescilde wiö grimnesse
misenliera yfela 7 wita, }'ara-f>e be on middan-geard sende]' 20
for manfiilra mauna synnu?;^
To ]nssuwi dagu?« ]nirh baligne gast ]:'ls festen 7 pas
gangdagas ge-set weron, swa we oft on boeum ge-hyrdon secgan.
7 swylee mid p>ere balgan ]'rinnesse 7 rode 7 mid bis balegra
[pag. 384] reliquiuj», ]'e we mid gangaö, we sceolan mid 25
halguw sangum bletsian ure land 7 Drihten bidden, pcet psi
Wffistmas, l'e on eoröaa syndon, ge-]'eon motan mannu)u to
gode 7 to helpe. Uton we bine nu georne biddan, nu he us
for-geaf, pcet we ]>issere tide ge-bidan moston, pcet he us bis
yrre frara ähwyrfe 2) 7 bis miidbeortnesse üs t6 Isete on eallu?« 30
unwi life ge on^) l^issm» andweardan ge on pscm to-weardan.
Men pa \eo festem, ge-byraö lifes bebodu, 7 l^a ecan lare
lustlice onfoö, 7 on-gytaö ]'one cwide j^es so]?an dajman, pe
we*) be-dydrian ne magon; forj'on Drihtew ]?us cweö: 'Se-
pe ofer-bogeö ]:'one lareow, on-drede he hhn l^one heofonlican 35
0 Lies lifes?
2) Das y über der Zeile nachgetragen.
^) Aus ond durch Rasur gebessert.
*) Das e über der Zeile nachgetragen.
Studien z. engl. Phil. L. 9
130
deman, ]>cet is Drilitf?^ God'. His leorneras weron lareowas
ge-nemnede, forj'ou hi us |?a lialgan lare of Godes bocu»n secgaö
7 l^es heofoncundan cyninges to-oyme bodiaö. ForJ^on-J'e he
cymep to demanne ealliun middangearde, forj^on j'one sopan
5 deman urne Drihten [i^ag. 385] we us on-dredon sceolan. 7 for
his dorne we sceolan forhtian 7 j'one raicclan 7 J^one langan
domes-da^g. Warnian we üs, lerl^on-j^e he cume; 7 tilian we
georne, pcet we J'onne ge-mette synd on godum weorcum
diBdum, 1) forp'on-J^e pcet is se myecla Drihtnes domesdseg 7
10 ealles maneynnes. licet is yrm]:'e daig 7 gnornunge dseg, 7
unrotnesse da.^g 7 cwanuwge'^) da3g 7 nearonesse dag 7 bytter-
nesse dreg 7 earfoönesse da;g 7 ge-somnunga äsag heofon-wara
7 eoröwara 7 helwara. 7 ]^cet is ge-wrixles da3g licharaan
7 sawla. 7 ne biö naenig m^cgp ]'a3S mycclan maneynnes ge-
15 gaderod on j'a?» dsege, pwt hine J^er ge-seyldan m^ege. Ne f'a
snyttero ne ]'a gleawnes ne nfonig man nah swa mycel rice on
]?issii?M middan-earde, pcet he hine j^aiv be-ladian mage beforan
p&re awf?weardnes9e j^era halgan )?rinne8se. Dset is cyönesse
da3g ealles maneynnes Inirh ge-sceafte fyres 7 wseteres 7 windes
20 7 Jnmorrade [pag. 386] swij^e sträng. ])cet is bemena da?g 7
hire leoöringa. pysne d^eg we üs on myeelre rernesse^) to-
weardne on-gytan magon be msenifealdum ]nngu7», j'e us oft
7 gelome he eypaö.
Be paw diege Drihtew sylf eweö^): 'Arisa|? l?eod wiö
25 ]?eode 7 riee wiö rice' [Lulc. XXI, 10]. pone^) biö pser j^eoda
ge-j^ring 7 mieuigfeald reohnes") geond m^nig stowa. pas
Zum Vergleich mag hier die entsprechende Stelle der VII. Blickling-
Homilie, ed. Morris, S. .9i2o — 9523 Jiigr Platz finden:
On pxm dseje jewitep heofon 7 eorpe 7 sse 7 ealle f>a pin^, ]?e on
f>3em syndon, swa eac fore psere ilcan wyrde 5ewite}> sunne 7 moua, 7
*) Zwischen weorcum und dcednm ist entweder ein 7 einznfügen, oder
eines der Wörter ist zu streichen, oder es ist tveorc-dcedum zu lesen.
^) Man beachte, dafs n hier durch einen Strich über dem Vokal ab-
gekürzt ist. Holthausen leugnet also zu Unrecht das Vorkommen dieser
Abkürzungsweise in ae. Texten (Archiv f. n. Sprachen CXXIII, 401).
^) Lies hrernesse.
*) Vgl. den lateinischen Text der Thomas-Apokalypse, wie er oben
S. 117 ff. gegeben ist.
^) Lies ponne.
•) Lies hreohnes.
I
131
eoröliean tticnn we iin ge-wordene oft sceawiacV I)one ') ge-
weoröii]' ]'as taenu syfou dagiim idv j'aw dorne.
[I] On pain uirestan dünies-djTiges tacne biö mycel stefeu
ge-byred of J'a>» lieofones tungle, se hate]^ 'firmamentum'. 7
blodig wolcn astiga]? nor]?aD, 7 myeele Jninorrade 7 lygytu 5
blycetal>; 7 p(et wolcn bjierne]'^) ealne heofen; 7 bit ponne uu-
ginna]' rinau blodigan regne.
[II] On psim {cfteran djege stefen h\\> gebyred of beo-
fonu;», 7 eoröe biö on-brered; 7 beofoneund leobt^) ofer-btefö
ealne middnn-eard 0]' pes da3ge8 a3fen. 10
[///] On psim l'riddan diege a3t ]?ere a3ftevan \pag. 387]
tide p'JGH dxges on beofonuw fietyweö fyren-tacen, 7 of eoröan
eal tuDjla leoht asprinsep. 7 seo rod ures Drihtnes biö arjered on pcvt
^ewrixle para tnn;^la, seo du on middanjearde awerjde jastas flemep. 7
on ]?8eui daeje heofon bip befealden swa-swa boc; 7 on ]?fem dseje eorpe
bi]' forbserned to axan; 7 on p?em dseje sffe adm^ap; 7 on J'sem dseje eall
heotona ma-jen bip onwended 7 onhrered. 7 syx dajum jer ]?issum dse^e
Sebmpep sj'Ulce tacn te^hwylc aue dseje.
[1] py jerestan daeje ou midne dtej ^elimpe}? mycel snornnDj
ealra ^esceafta; 7 men jehyrap myccle stefne on heofennm, swylce paer
man fyrde trymme 7 samnije. ponne astii^f*]' blodig wolcen mycel from
norpdsele, 7 oforpecp ealne pysne heofon. 7 sefter psem wolene cymep
legetu 7 punor ealne pone döej. Rinep blodij rejn set tefen.
[II \ On psem sefteran dseje bip jehyred mycel stefu ou heofeuum
fyrdweorodes jetrymnesse ; 7 eorpe bip onhrered of hire stowe, 7 heofon
bip open on sumum ende on psem eastdsele. 7 mycel maejen forpcymep
pnrh pone openan dtel. 7 )'one heofon oforpecp 7 oforwryhp set «fen.
7 blodig rejn 7 fyren fuudlap päs eorpan to forswyljenue 7 to forb^ernenne.
7 seo heofon bip jefeallen aet psem feower endum middanjeardes. 7 eall
eorpe biö mid peostrnra oforpeaht set pa endlyftan tid J'ses da^jes. 7 ponne
cwep eall folc: 'Ari^e us nu 7 miltsije se Dribten, pe on en^la endebryd-
nesse wa^s jehered, pa he on Betleem waes acenned.' pa cleopodan hie,
7 pus cwsedon: "Wnldor sy Jode on heanessawi 7 mannum on eorpan,
pam-pe jödes willan syn".
[III] py priddan daeje seo eorpe on psem norp-ende 7 on pam
east-ende sprecap him betweonnm. 7 pa neolnessa grymetiap 7 pa eorpan
0 Lies ponne.
2) Der Begriff 'verbrennen' erscheint in keinem unserer Lateintexte,
die beiden anderen ae. Handschriften stimmen zum Latein (operietiir).
^) Vielleicht aus dem ignis, das die Hs. P M- zu potestas hinzufügen,
entnommen.
9*
ICiO
OJ
deopnesse astigeö mycel sweflen lyge; 7 £et pam feower
healfum pisses middaneardes se beofon to-berste|?; 7 mycel
sweg cyraf> 7 ge-sweorc; 7 of helle astigej^ mycel dymuesse
7 fulnesse stenc, 7 ofer-bfefö ]?as eoröan ane tide dseges.
5 ponwe ongytaö syufulle men hyre forwyrö 1) 7 for-wyrbtu.
[/T''^ On pam feorp'an daige {ram norödsele )nsses middan-
eardes mycel brea>» astigö belle-gasta. 2) l)oüne fealleö eall
hej'enra manna deofolgyld on p3im da3ge.
[V] On psim fiftan daige set picre fiftan tide dseges mycel
10 samnuuga cumaj? 7 J^iunorrade 8wy)?e mycele; 7 steorran feallap
of beofonuw; 7 l^eostre biö swipe mycei; 7 pcet lyft bi}' on-
hrered. ponwe ealle peoda wiösacap pme worulde; 7 bi ou-
gitaj' ponne Üribtnes mibte. 3)
willaj? forswel^an. ponne bip eall eorj^an msejen onweaded 7 mycel
eorj^hrerues biö on J?sem dseje geworden.
[IV] py feor}?an dseje ofor undern beop mycele puneras on heof-
nnm. 7 ponne jefeallap ealle deüfoljyld. 7 )?ünue Lit bip aet sunuan
setlgange, 7 ]ieah-hwe]7re nseaij leoht ne feteowep; 7 mcna bif» adwsesced ;
7 beop f>eostra forp gewordene ofor ealle world; 7 steorran yrnaj? wi)7er-
synes ealne pooe dsej. 7 men hie magan jeseon swa sutole swa on niht,
ponne hit swipe freosep. 7 ponne on paem dseje hatigap pisse worlde
welan 7 pa piug, pc hie nu lufiap.
[V] py fiftan dsege set underne se heofon tobyrst from psem east-
dsele op pone westdtel . 7 ponne eall engla-cynn lociap purh pa ontynnesse
on manna-cynn. ponne jeseop ealle menn, pcet hit wile beon set pisse
worlde ende. Fleop ponne to mnntum, 7 hie hydaS for para engla onsyne,
7 ponne cwepap to paere eorpan, 7 biddap, pcet heo hie forswelge 7 ge-
hyde, 7 wyscap, pcet hie ntefre naeron acennede from fseder ne from meder,
swa hit geara be pon on Cristes bocum gewitgod wses, 7 pus cwepap:
'Eadige syndon pa men, pa-pe wseron ünberende; 7 eadige syndon pa
^) Sollte cl haben. Das Ö erklärt sich vielleicht, wenn es nicht Schreib-
fehler ist, durch Anlehnung an das Verbum forweordan.
2) Stimmt nicht zu unseren Lateintexten.
^) Die Vorzeichen zum fünften Tage sind im Vercelli-Text über-
schlagen, aber in Hatton und Bückling mitübersetzt: Quinta autem die hora
sexta subito erunt tonitrua magna in caelo; et virtutes hiniinis et rota
solis rapietur [aperietur M-]; et erunt tenebrae magnae in saeculo usque
in veHj)erum; et stellae vertebuntur [vetabuntur P, cessabunt }iP] a [arf M^]
ministerio suo. In illo die et omnes gentes ocliebunt [hadibunt M', vide-
bunt M*] saeculum et contempent [so JPP, continebunt M'] vitani saeculi
huius. Ista sunt signa quintaa diei.
133
[VI] On ]\'un sixtim djcge tet J'ere sixtan tide djeges.
l)es heofon tohlyt fram east-diiele op pxne west-dtel; [pay.SSS]
7 eall eng-la werod eym|? ofer eoröan 7 seeada]> ]'a soöfestan
raen fram J\iw« arleasan. ])oüne ]?a arleasan men fleoö pcet
heofoneunde werod hi sylfe to be-hydenne on dunum 7 on 5
beorgu»?, 7 eweöa]': 'Untyn pn pe. la eorj'e, 7 for-swelh üs,
)^y-les-}'e we fundene beon'.
[VII] On pixm seofol'un da^ge fct J^ere seofoj'an tide djeges
biö domes tacen, 7 Mi pam feovver bealfum ]?isse 1) middan-
eardes feovver englas standap 7 blawap feower byman. l)oime 10
be-fealdal> pes heofon to-giiedere, swylce man ane boc be-tine.^)
7 se sunne biö on-weuded od j^eostru, 7 se mona on blöd; 7
steorrau of heofouum fealla}?. 7 eall beofoncund ma3gen powie
on-hrered. biö. Drihten cymö ponne on miccluMi megen-J'ri»<me,
7 fyr on bis tinsyne seine]? 7 blyeeö; 7 on bis ymbe-bwyrfte 15
biö swij'e myeel hrerenes. l)onne arisaö ealle ]?a men, J>a-|'e
mid gebregdnessuwi on deap'e swulton, fram j?aw feower beal-
innopas, J?a-pe naefre ne cecdon, 7 pa breost, Jia-pe ngefre meolcjende
iicieroa.' 7 j'onnc hie cwepaf> to pSBva dunum 7 to ppem Lyllnin : 'Feallaf»
ofor ns 7 ns bewreop 7 johydaö, pect we ne }nirfon ]7ysne eje len^ f»ro-
wian fet fyssum en^lum. Nu is eal ^esyne, pcet we eer behyded hasfdon.'
[VI] py syxtan dseje per underne ponne bip» from feower endum
J'pere eorpan eall middanj;eard mid awerjdum jastam jefylled, pa fundiaj?,
pcet hie willou jenimon myecle herehyp manna saula, swa Antecrist ser
bcforan dyde. 7 ponue he cymep, ponne beotaj? he, pcet he wile pa saala
seudan on ece witu, ]?a-]?e him heran nella]'. 7 ponne ?et nehstan bip
he sylfa on eone wean bedrifen. Swa ponne py dseje cymep sanctus
Michahel mid heofonlicnm preate hali^ra jasta; 7 pa ponne ofsleap ealle
pa awerjdan; 7 on helle-jrund bodrifap for heora unhyrsumnesse Jodes
beboda 7 for heora mäudsedum. ponne jeseop ealle jesceafta ures Dribtnes
mihte, peah-pe hie nu mennisce men oncnawan nellau ne on^ytan.
[VII] ponne sefter peossum pinjum bip neh ptem seofopan dseje.
7 ponne hatep sanctus Michahel se heahen^l blawan pa feower beman set
pissnm feower endum middan^eardes; 7 awecceap ealle pa lichoman of
deape, peah-pe hie aer eorpe bewrijen bsefde oppe on wsetere adruncan
oppe wildeor abiton oppe fujlas tobseron oppe fixas toslitan oppe on
feni^e wisan of pisse worlde jewiton. Ealle hie sceolan ponne arisan 7
forpgän to pam dorne, on swylcum heowe swa hie aer hie sylfe sefrEet-
^) Lies ßisses.
2) Aus dem Vorzeichen des dritten Tages herübergenommen.
134
inm Jnsses miüdfixigcardcs , pcet syndon, j^aj^e on [pag. 389]
pissuw life on fyre for-ba^rnede wseron oj'pe on wsetere adrencte
weron oj^l^e on rode ahaugene weron o]^pe on niorl^e of-slagene
weron oj^J^e wilde- deor fra^ton o]']'e fugelas to-bseron, ealle l^a
5 l'onnc sßt pern bymene stefne arisa]' 7 }nirh fyres leoman to
Godes dorne gn]\ ©er ait-standap l'useud pusend engla 7
myeel megen heali-engla 7 ealle haiige 7 so)>'feste Godes
witegan 7 heahfrederas 7 apos^olas. Bonne letyweö Dribte»*
]7a rode, pe he on )?rowade; 7 p'er seiueö leobt ofer eallne
10 middangfarc^. 7 he ietyweö }m wunda on bis sidan 7 l^aera
naegla wunda, swa pa. on bis banduw 7 fotu>«, pa he mid wes
on rode ge-fa3stnod, swa blodig, swa bi weron on pam forman
dege.
Donwe cwiö se eca cyning to anra gebwyleum: ^Men ]?a
15 \eofestan, sege me, bwet ge-worbtest pxx ol^l^e hwet ge-cwede
]?u o|?}?e hwet gedydest p\\i Syle wedd be ]:>issu>« eallm», l^e
ic for l^e dyde 7 for pe prowade.'
Donwe [pag- 396\ awdswarap> se man wxwm Dribtne^) 7 cwiö:
'Nebbe ic a3nig wedd to syllanne, nimf>e mine.' \)omie biö boe
20 ontyned on ansyne l?es hexbstan cyninges. On }?ere b6e beoö
awritene a^ghwylces mannes da3da, eall pmt he to gude dyde
op>l?e to yfele gedyde on l'isum middangeard per se broper
p2im o)>rum ne maeg gebelpan, ne se feder J^aw suna, ne pa
neahmagas ne l^a madm-ge-streon. '^) Ne pysse worulde sehta
25 benigne man per ge-scyldan ne mag ol>ru>». Ae Drihte?* gyldej?
anra ge-bwyleu«* men ixiiier bis sylfes ge-wyrbtu?>L
ponwe soj'feste 7 geeorene men forö-berap beora wuruea
byrsumnesse, 7 Drihtnes haiige martiras beora ]n*owunga 7
l^aera carcerna nearownessa 7 manige earfoöe, j^e bi adrigou 3)
30 for Drihtnes uaman. Gehddode men beraj? beora hyrsuwmesse
7 for-wyrnednesse pyssa woruldliera pinga 7 beora pa singalan
wodan. Nses na mid ^olde ne mid jodwebbennm hrae^lum, ac mid ^odum
d?ednm 7 hal^um we sceolan beon ^efraitwode, ^if \ve poune willaj? beon
on pa swlpran healfe Drihtnes Hselendes Cristes mid sopfsestum saulum 7
jecorenum, pa he sende)? on ece leoht.
*) Das t über der Zeile nachgetragen.
'^) Dasselbe Wort wie Beowulf 1931 (»icedtn^estreon).
°) Falls hier nicht Verschreibung für adrugon anzunehmen ist, müfste
hier eine alte t-umgelautete Optativform (adrygon) vorliegen.
135
wcccan 7 |'a drihtciilican [inig. 391] hclxxlu 7 hyra j^a gast-
lican f>eowdomas. Lii'wecle men, J^a-l^e her ribtliee hyra lif
libba]', hi beraö heora a.'lmes-da?da 7 hluttor lif 7 clene on
ansyne pes hehstan scyppendes.
Bomie cwiö se eca cyning: 'Venite, heneäicti patris mei,^) 5
percipHc rcgmtm, qnod uohis jmratum est ab oriyhie mundi
[Matt. XXV, 34]. Cume ge, gebletsode mines feder, 7 onfoö
pcüt rice, pcet eow is gearu imaced 2) of frumpa. }>issere worulde.'
Bonne pa. arleasan 7 ]n\ syufullan hi beraö nearowne w.'estm
7 seeand-fulue on ansyue )?es beahstau scyppendes. Donne 10
cwiö se beofona Dribte«: ^Discedite a me, maledicti, in ignem
etermim [Matt. XXV, 41]. Fare ge fr um me, awyrigde.' 7 hi
l'onnc ahwyrfa]? fram baligra manna dreame 7 swij^e beofigende
belle-witu secaj^, }'iier is deaö butan life, 7 J^eostru buton leobte,
7 breow buton frofre, 7 yrrnj^e buton ende. Der ne on-git se 15
feder J^one sunu; [2mg. 392] ne se sunu J?one fader ne wuröa]^;
ne seo dobter j^a modor ne lufaö; ne seo moder pd dobter ne
niiltsaö./ Ac anra ge-bwylc bis sylfes yrmpa beofaö, for)?on-
l^e helle-fyr nefre ne bi]' adweseed, ac a j^a dracan 7 l^a
wyrmas j'ara arleasra manna sawla slitaö; 7 hi nefre ne beoö 20
sweltenda. Der is eagena w6p 7 to]?a gristbitung; 7 ]?er is
welera }Hirst, wita stow.i
Of piissu?» tintregu)?i, men l>a leofestmt, tilien we us to ge-
scyldene, 7 üs ge-warnige,3) ):'a hwile pe we lifes leobt habban
moton, l^e-lffis üs feringa }^as }>eo8tru for-gripen. 7 mid georn- 25
fullu;» mode tyligen we ure sylfra, swa lange swa we libbon
moton, mid godu;» dedu?>i to ge-wyreenue, pcet we beofona-
rice ge-earmian moten mid nnwi Dribtene 7 eallum bis balgu??«.
Der is ece bliss 7 engla sangum ge-swi)7erod, 7 un-asec-
gendlic ge-fea, 7 Godes lof, 7 unawendenlie ■*) wynsujnnyss 7 30
se so]?e fegernes, swa us cyöde sa«c^!<s lohanne», se Drihtnes
dyrling. He 8cea[pö^. 393]wode beofonarices wuldor, 7 he
on beofonum wes, 7 he cweö [Ajjok XXI, 1 — 27]: 'Ic ge-seo
niwne beofon 7 niwe eorj'an 7 J?a balgan ceastre paradisum^)
1) Vgl. oben S. 127 Anm. 6.
2) Man beachte das frühe Beispiel für den Übergang von ge- in i-,
') Lies gewarnige7i.
*) Lies luiaicendendlic.
^) Dieses Wort ist durchgestrichen und also wohl zu tilgen.
r-
136
leriisalo«, ^a'i is paraJisiu». seo wes fra?;i Gode ge-fretewod.
7 heo wes befangen niid swipe raieelon wealle; 7 twelf gatu
weron on J^ere eeastre, J^a wairon ge-worbte of twelf cynna
gymmn/». 7 seo eeastre wes ymbe-seald mid Godes beorht-
5 nesse; 7 hire sta]?ol wes of ealliim deorwyrpujM stanu??^ ge-
fretewod; 7 hyra worj^ias i) weron }?es bluttrestau goldes. 7
on p'ere eeastre suune ne liliteö ne mona; ae Godes beorbtuesse
bi on-libteö. 7 seo beorbtues wes \(Bt so)?e lamb, \(Bt wes se
ailmibtiga Dribte«. per ineodon ealle ]^eode 7 eoröcyningas;
10 bi eomon 7 ge-segou Godes wuldor 7 bis megen-]?rim. 7 hl
saldon Gode weorpunga.'
7 aifter ]?on cweö umttu'S, lobawwes: 'le ge-seab mcn
gangan of ealliu?i l^eodum, ]?a weron be-swapene ealle mid
bwitiu)? rreglum 7 elypodon 7 cwedon {yag. 3d-i\\ "Sy belo
15 uru?« Dribtne 7 ]?ane, pe sitteö ofer l?issu«i beab-setle: foröon
US is mycel neod-pearf." '
Meji ]?a \eofestan, ]net we bidden p'a beofoueiindan ge-
samnunge, pcet bi us eae j^ingian to J^awi celmibtigan Dribtne.
7 mnctus Micbael pone beab-engel uton we üs on fnltu«» eigen,
20 se is byrde neorxna-wonges 7 Ebrea p'eoda 7 a^gbwilces godes
mannes sawle. He ge-weald baBfö,^) 7 be nefre by ne for-
Iffit, ser be bi ge-bringe be-foran Drihtnes beab-settle. 7 l^er
he is 7 weardal^ ealra balegra sawla, 7 seo ece bliss unasec-
geudlic on beofona-riee, 7 pcet berigendlice rice 7 pcet smylte 7
25 j^cet ge-sibsume, pcet God bsefö gegeareod bis balgum 7 mid
bis megen-l^ri»2me ge-fretewod.
Men p2i leofestan, berigen we nu l^oue a3lmibtigan Dribte)^
7 lufien we hine 7 wurl^ian. He is cyning ealra cyninga; 7 be
is scyppend ealra ge-sceafta ge-segeulicra 7 ungesegenlicra ;
30 7 he is fegerest ealra blostma; 7 he is snottro paare [2)ag. 395]
sol>an lufe; 7 be is engla symbelues; 7 he is wuldor psera
eadigra apo5^ola; 7 he is leobt }?3era haligra martira; 7 he is
neorxna-wanges ece ge-fea; 7 he is belo ealra uutrumra; 7
he is alysend J^aera ge-hieftendra ; 7 be is ealra }?inga leobt 7
35 ealra tida.
') Lies tvorpigas, entsprechend dem et platea civitatis aurum mundum
der Quelle (Apok. XXI, 21).
^) Dahinter scheint ein Genetiv Pliir. zu fehlen (godra sawla?), auf
den sich das folgende hy bezieht.
137
Bidden we im. nun ]\a \eofcstan. urue Drihtc» wuldres
kyning, ]HEt he üs ge-bwyrfe to his niildan uillan 7 he sy
ure mildsigend 7 uro frefrigeod to his his miklheortnesse, \>(et
he US ge-hi'de, J>jDr we on jnim ecan ge-fcan beon niotoii mid
him 7 mid calhuw halgn;« wiinian on wiihlre 7 on weorö-
mynte. Ile is Drihten sylfa, se-|'o leofaö 7 rixad mid siina 7
mid }'a?« halgao gaste a biitan leghwylcu»; ende. AMEN.
E.
XXII. Vercelli- Predigt
fol. 116b— 120b.
HER sjosö, hu Banetus Isodorus i) spr^ec be (Viire sawle
Se-dale 7 be f>{X3S lichoman. He cwteö:
^'Min sawl on nearunesse is jeseted, 7 min jast me hataö, 10
7 min heorte is sedrefedu, 7 mines modes nearunesse me na-tt.'
'Eallum yflum ic eom seald', cwaiö seo synfuUe sawl, '7 eallre
un-^e-sjclisnesse ic eom be-wrijen. Ne raetto ic najfre on
min um life swa raycles sares ne yfeles ge-mseccan, swa ic me
nu ?et-foran je-seo, ^foröan-J'e, swa-hwyder-swa ic fare, min 15
un^e-sjeli^nesse me fserö mid, 7 min yfel ic uahwar be-fleon
ne ma35, p'a ic jer ne wolde. Swa-hwyder-swa ic me hwyrfe,
hie me samod siöiaö. Ea-la, J^a^t ic wajs pie,s heardestan je-
S. Isidori Synonyma de lamentatione animae peccatricis (S. Isldori
Hisp. Opera, Eom 1802, Vol. VI S. 472 fr.):
Liber I, § 5. Homo: Auima mea iu angiistiis est, Spiritus raeus
aestuat, cor meum fluctuat, angnatia animi possidet me, augustia auimi
affligit me. Circumdatus sum omuibus maus, . . ., opertus iufelicitate. . . .
Nou reperio uspiam taati luali perfugium, tauti doloris uon iuvenio argu-
mentum, . . . ubique me infellcitas mea persequitur. . . .
§6. Ubicumque fttgio, mala mea me iuseqnuntur; ubicumque me con-
vertero, malorum meorum me umbra comitatur; . . ., sie mala mea fngere
non possum. Ego ille homo ignoti nominis, homo obscnrae opiniouis,
homo iufimi geueris; . . . .; nuUi adversus extiti, . . .; vitam mcam omnes
laedere nituntur, . . . , conserta manu iu me pericula ingerunt, ad exitinm
me pertrahunt, ad periculum me adducunt, ....
^) Isodorus oder Ysodorus statt Isidoriis ist jedesmal (S. 138 Z. 13,
16,20; S. 139 Z. 9, 21; S. 141 Z. 3; S. 143 Z. 5; S. 141 Z. 14; S. 146Z. 8;
S. 148 Z. 24) vom Schreiber geschrieben.
138
l'obtes mann 7 ]ws for-cu(iestnn, Jnut ic me miiie (lajas to
nytte ne jeclyde, }^a hwile pe ic on worulde wses. Ac öal>e
ic hira willan worhte, [fol. 117"] hie willaö me nu Äe-sceööan.
Hie sendaö hira handa ou me, pat hie me mid sare utateon
5 7 to frecnessu»< ut-3eUeden. 'Nienis minuw yfliim me je-
fiiltumaC», J'a ic sylfa ?er ne wolde. Ac eallum ic eom la^öed,
7 ealle hie me mid searwe 7 mid inwidde onlociaJ\' 'Wala',
cwa;ö sio synfulle sawl, 'hwam sceal ic gelyfan sefter me, oööe
ivt hwam sceal ic jetreowöa habban, ]^a ic mine forleas?
10 Najnig min pi^xa nehsteua jetreowne jeleafan hafa]\ Eawla,
se ge-leafa is je- worden, 7 he is numen, 7 he n^es naworn ')
ge-suud.'
'On-jita]', mine J^a leofestau bearn', cwajö mnatm Isodorus,
'7 .Tjhwylc cristen mann smeaje on him sylfiim, hu nearo se
15 siö-fet biö J?a;re synfullan sawle. Forpan ne sceal niefre se
cristena man beon or-sorhleas'. Cwieö sawc^tts Ysodorus: 'J^-
J^euce nu öu, man, 7 on-jyt, jif öu sylf l>e nelt alysan, l'a
hwile ]'e öu mihi Hwi wenst öu, pset oöres jastes hord-fict
J?e wile alysan, jif öu sylf nelt?'
20 'Eawla', cwa3Ö se halja Isodorus, ^'hwiet, j^aet is yfelie
l'eaw 7 synlic, f>8et najnis j^'am synjeudum wiö-cwiö, ne nanij
l^am man-fullan wreceö. pa jodan waädlial? on l?ysse worulde,
7 ]'a man-fullan ge-hyhta]'. pa män-fullan wealdap» nu on
heora rice 7 hynaö J?a godan. "Da uurihtan synt ^e-weoröode
§ 7. Nullas mihi protectionem praebet, . . . , millus maus meis
succnrrit, desertus sum ab omnibus liominibus; qaicumque me aspicinnt,
aut fugiunt aiit fortasse me persequuntur, . . . Sub pietatis habitu animo
venenatü incedunt. Velant malitiam fnco bonitatis, . . . amicitiam dolo
Simulant; ostendunt vultu, quod in corde uou gestant. Cui credas? cui
fidem Labeas? quem proximnm sentias? nbi iam fides? Periit fides, ablata
est fides, nusquam tuta fides
§ 8. ... Ubique iudicium veuale est; nullus legibus metus; . . . Im-
punita manet male vivendi licentia. Nemo peccantibus contradicit; nee
scelas ulciscitur quisquam. . . . Iniqui salvi fiunt; innocentes pereunt; boni
indigent; improbi abundaut; scelerati potentes sunt.
§ 9. lusti egent, iniqui honorantur; iusti despiciuutur, iniqui laetantur;
iusti in maerore et luctu sunt. Impius praevalet adversus iustum; damnant
') Lies naicern (= lat. 7ius^uam).
139
nu, 7 l'ii soöfiustan awcorpene. l)a uii-rihtan blis.siaö, 7 j'a soö-
fa'stan synt on jnornuQse 7 ou licafe. 7 se ar-leasa ."^.tö nu
beforan para soöfiostan, 7 se yfla wylt ]'ani soö-fa'stan 7 j'ara
Äodiim. 7 ]'a uii-scyldisan beoc") witnode, 7 pa. scyldisau beoö
for-laitene. '^For j'yllicum synnuni 7 oöium beoö j^a sawla 5
witnode on Jodes ^e-syböe, 7 bio nat, J^onwe beo syiifnll biö,
mid bwam bio «nt/swerise. ^''Ac bio swijaö, forJ\in-]'e beo
nafa)' nane bylde on bire.'
Se balja Isodorus cwa3Ö: 'Eawla, pxt sio sawl bio of öam
lieboman aniimen biö. ^''Ealle bie bie swa wiindiÄo byrwaö 10
7 swa fule stincende bie bie on-seuniaö 7 swa breofe bie bie
ascufaö. 7 se lieboma liö on coröan isne je-nearwod 7 mid
raeentunje seöryd [fol. 117''] 7 mid bendum gebunden 7 mid
fetriuH sefaistnod. 7 J'aue synfiillan sawle ne beoö ]'a tintrejo
Se-lytlode. ^'Ac )?a cwelleras ^) un-oflinnedlice ewelmaö, 7 15
bie un-aseeejendlice s^ornun^e^) bire wite ma^naö, forJ^an-J^e
öa deofln, swa-bw^et-swa bie ma^on, wa'1-breowlices bie ]'enea]>
be bire 7 doö. 7 ]nisend-fealdum witum hie bie tiutrejiaö
7 slitaö. 7 se lieboma ou eoröau fiünessum to-floweö, \>q we
a>r mid wistum feddon; 20
•Eawla', ewa3Ö se balga Ysodorus, ']'onne 3yt jeomraö seo
iiiali bonos; houüratur iuiquiis pro iusto; instns dainuatur pro impio; iuuo-
ccntes pro nocentibus pereunt nulla re impediente.
§11. Testinm et iudicnm falsa et cnideli sententia iudicor. . . . Cui
dicarnV cui credamy cui locjuar? quem adeaui? a quo consilium petam?
in quo animum meum ponam? quem potissimum quaeram?
§ 13. Ego autem recliuato capite, humiliato vultu, deposita facie
sileo, taceo, iu incepto persisto silentlo . . .
§ 16 ... Quicnmque me intuentur, omnes ut ulcerosum conteninunt,
ut foetentem expuunt, nt leprosum tangere horrent. lacet caro astricta
ferro, iacet pressa cateuis, iacet ligata vinculis, lacet vincta compedibns.
Non desuut tormenta, uon desuut cruciameuta, . . .
§ 17. Corporis mei carnifices Bovis me cruciatibus lacerant, iuaudito
geuere poeuarum viscera mea et membra mea dilauiant; quidquid possunt,
super me crudele excogitant; non perimor nuda morte, millc poenis ex-
tortus, mille subactus tormentis, . . . Caro mea plagis secta computruit
1) Das zweite l über der Zeile eingefügt.
*) Der Text scheint hier verderbt. Las der Angelsachse iu seiner
Quelle vielleicht gemitn statt gcnere'i
140
sawl, j^c liire lif iiT on rcccleaste lifde 7 cwiö : i^'Wala, pixit
ic a)fre swa iinse-sieli^o geboren sceolde weoröau 7 pxt ic
swa earm micldan-3eardes leoht je-seon seeolde! Wala, pa^t ic
swa laoje 011 miniim lichaman eardijan sceolde, ]\i be me reste
5 ge-earniÄau ne wolde! Unlust me wses to lifianne 7 Avalie to
sweltauue, Eawla deaö, swete eart öu )'am earmum 7 )'am
wjedliendum, 7 wunsiim 1) eart öu J'am un-rotum 7 ]'am jaor-
niendu???; 7 biter eart öu öa?« welisum p-isse worulde, for}?an
bie forla^tan sceolon liira blissa 7 onfoö nnrot-nessa, ]:'ese deö
10 jclces yfeles 7 e^es.'^)
2'Selre biö men, l^;et be s weite, jjonne be yfele lybbe mid
synuum 7 on Jodes un-willan sy 7 unse-sselislice drobtiende,
for]'an-]'e seo synfuUe pawl cwiö to öam deoflum, J'onüe bie
hie tintregia]:> : 'Ic eow bidde, arisaö minum sare to fultumme
15 7 alysaö me of l^j'ssum nearoues^um, foröam-pe ic swa earm
ne mx^ wesau afrefredu. Foröan nnje-endedu is min snoruuns,
7 mine wita^) ne synt je-libte, iie min sar ende naifö. Nis
me na^nij leobt ne naenijo byldo on minum mode. Foröan J^as
witu ic ierest aberan ne mseg.'
20 22j)a deoflu bire j^onue a>2fZsweriaö 7 cweöaö: 'Nfiefst öu
biht ne byldu on }^e eallra l>ara 3oda, ]m öe Jod on eoröan
§ 19. Cur infelix natus snm? . . . Ut quid miser haue lucem vidi?
. . . Utinam velocius egrederer a saeculo, quam sura iugressns, . . . sed, heu,
miseris expectata uiors tarde venit. . . . Vivendi enim mihi taediuiu est,
nioriendi votuui ... 0 mors, quam dulcis es miseris ! 0 mors, quam suavis
es amare viventibns! Quam iucunda es, 0 mors, tristibus atque maerentibns!
§ 21. Gerte vel mors sub venit miseris. Melius est bene mori quam
male vivere; melius est non esse quam infeliciter esse. . . . Parcite dolori
meo, quaeso; maerori meo, quaeso, ignoscite; angustiae meae veniam date.
. . . Non valeo consolari miser. Impatiens enim est dolor meus, infinitus est
maeror meus; nullatenus linitur vulnus nieum; . . .\ nullus dolorum finis
est. lam nuUa fiducia est animi;'iam ferre non potest animus; iam victus
miseriis concidit animus.
§ 22. Ratio: 0 homo, quid tantum diffidis animo? . . . Cur spem at-
que fiduciam omnem amittis? . . .
*) Lies wynsuni.
^) Dieser Satzteil ist verderbt. Vielleicht folgte hier etwas dem § 20
(Mors malorum onmium finem imponit) entsprechendes. Also etwa se
deaö oelces yfeles 7 e^es ende is.
^) a aus e gebessert.
141
Seaf. ITwis jMncaö j'e J'as witn py niaran, l'e öc ;cr }'a je-
wyrbtu ]'uhton?'
'On3ita(\ mine )m leofestan', cw.icö se halga Isodoriis, 'hu
mycel uearones pjere sawle biö, j'onue beo bit ^ebetan ne m;i35.
28Foröan ne hetac^ eow, mrn J^a leofestan, [fol. IIS"] )'ysse 5
woriilde welau be-swiean, for(\nn lieo is sceort 7 swicol eallu»?,
pe bire fyl^eaj^ Ealle Jvis bcnendlicau earfeönessa ende babbaö;
ae öa to-weardan ende nabba)\ Ne na^nises mannes lif ne biö
to )'an lause, J^aet on sceortre 7 on sarijre hwile ne Äe-endije.
Foröan sare 7 eallum öam iinrotnessum on j'ysse worulde we 10
beoö 5e-ntette. Na)ni5 ne sie, seöe ne sari^e bis synna. 7
wepan be seeal 7 breowsian, pißt be ne scyle on eenesse
heofan. -"Us se-dafnaö jnirb manij-fealde eavfeönessa to
ganjanne on beofena-rice. Lytle synt J'as la3neDdliean earfoö-
nessa, ]'y we nu dra^fuan raagon for j'ics lufan, 7 myele synt 15
j^a raeda 7 J'^et ece wiildor, pe he us ^e-haten ba3fö, jif we
fullice wiö-standa]i deofles larum. "-^Swa myele swiöor swa we
nu beoö na^tte on j'yssum life, swa myele ma we feojaö on
öam to-weardan life. Foröan symle ^od her wundaö 7 swinjö,
öaj'e be wile habbau 7 to pam ecan life je-la^dan. Swa-swa 20
5old on ofne be hie syö 7 costaö; 7 swa onsa^jdnesse be bie
onfebö. 29 foröan ne seeal nan man gnornisau on bis un-
§ 26. Transeunt omnia saeculi huins nee permanent. . . . Nihil est
tamdiu, niiiil tarn longuui, quod non brevi finiatnr; oiunia sub caelo finem
suuiu habent. . . . Nemo in perpetuum expers mali est; . . . Vita ista
lacrimis plena est, vita ista a fletibus inclioat. . . .
§ 27. . . . Oportet nos per multas tnbulationes intrare iti regnum Dei.
[Act. XIV, 22.] No7i sunt condignac passiones hiiius teniporis ad futuram
gloriain, quae revelabitnr in 7wbis [Rom. VIII, 18]. Quod in praesentl est,
momentanenm est, et leves tribulationes in nobisj quod aeternum est, supra
modum est, pondus excellens gloriae. . . .
§ 28. . . . Quantum enim in hoc saeculo frangimnr, tantum in perpetno
saccnlo solidamnr; quantuui in praesenti affligimur, tantum in futuro
gaudebimus. . . . Seuiper Deus hie vulnerat, quos ad salutem perpetuaui
praeparat. In fornace probatur aurum; tu, ut sorde careas, tribnlationis
Camino purgaris. . . .
§ 29. Non igitur murmures, non blaspbemes; non dicas: 'quare
sustineo mala? cur affligor? ut quid mala patior?' Sed magis die: 'peccavi;
ut eram dignus, recipio." . . . Qui enim in flagellis murmurat, Deum contra
se plus irritat, fororem Dei amplius provocat, iram Dei iudignantis plus
sibi exaggerat.
142
trnmnesse ne cweöau: "Forliwan anefne ic öasyfel? oööc hwi
eom ic iia?tecr? Wala, to-hwan l'rowije ic J'is." Ac raa öu
scealt eweöan: "Dryhten, J^e ic synsode; swa mycel ic ne je-
fele, swa ic wyröe eom." Seöe snornaö on bis un-trumnesse,
5 Jod he tyi-jö 7 bis yrre he awecö. 3'^ 7 seöe bit je-j^yMlice
a-bereö, Jod liöe he awaeaö to bim, JeJ^enc nu öu, man,
J'oune öu sie cwylmed on j'yssum middan-jearde on j'inum
uu-trymnesse; be-beald on jnnum mode ]^a to-weardan witu.
ponne ]'u ^e-fele psat sar, je-myne J^set cwic-susles ') fyr. Jif
10 öu l^e on-dra3dest pa to-weardan witu, J'onne ne sar^ast öu na
pißs la3neudlican. 3' pa)t biö twy-feald yfel, ]??et man sarije
bis licbamlicau earfoönessa, foröan he bie sceal J^rowian swa-
J'eab 7 nafaö bis nane mede [fol. 118^] set Jode; ac bafaö pa
ecan se-niörunje.
15 32«"\\7"ite öu, man, butan Jodes willan l'e on beeymeö piet
yrre. Ac öonne he yrre geworden biö 7 for urum synnu?w ge-
Sremed biö, J'onne set he us J'rowunsa on, foröan-]>e he wolde
US to bis willan sebijean. "^l)?es lichoman lustum we oftost
ful-jan^aö; foröan he sceal bion bwilum swunjen. Se licboma
20 oftost sesyngaö, 7 foröan he sceal beon je-un-trumod 7 witnod,
3'Jif we woldon je-sceawian us sylfe on ure beortan, hwylce
§ 30. Qui vero adversa patienter tolerat, Deam citius placat. . . .
Cogita, o hoiao, quoslibet luundi cruciatus; intende animo quascumque
saecnli poenas; . . . Compara hoc totum Gehennae, et leve est omne, quod
pateris. Si times, illas poenas tiuie. Istae temporales sunt, illae aeternae. . . .
§ 31. ... Eis duplex damnatio est, gemiua bis pecussio est, quia et
hie habent initium tormeutoram et illic perfectionem poenarum. Vide,
quia manus Dei te tradidit ad poenam.
§ 32. Scito autem, o homo, nulluni tibi adversari potuisse, nisi Dens
potestatem dedisset; . . .; universa, quae tibi accidunt, absqne Dei non
veniunt vo'untate. . . . Indignatio Dei te affligere iussit; ipse iratus iussit
te omnia mala experiri; ... Et hoc ipsum tibi pro peccato tuo diviua
iustitia irrogat et ipsum pro culpa tibi divini iudicii infertur sententia.
§ 33. ... Per quae enim peccasti, per haec et torqueris. Secutus es
carnem, flagellaris in carne; in ipsa gemis, in qua peccasti; in ipsa cruciaris,
in qua deliquisti. . . .
§ 34. 0 homo, discute conscientiam tuam, . . ., examina te; loquatur
tibi cor tuum; considera meritum tuam. luste argueris, iuste flagellaris,
iusto indicio iudicaris, . . ., iustitiae poena te premit. . . .
1) Das zweite s über der Zeile.
143
we wjeron 7 us [»onne deman be nriini ge-wyrbtnni, l'onne
n.Tvon we eft se-nic^rode on ]>am ecan dorne, ^n^c ^ye uu-
Sesjoli^e byrnaö on J\yf?se woruldc lufaii 7 on hire .^itsnnÄC 7
Iffitaö US eolian pa lufe J'a3S heofonlican rices seleafan.'
Cwffiö pcet se Lalga Ysodorus: ss'fj^ lanje willaö je 5
cristenan reeelease wunisan on Jwre fuliiesse )'a;8 licboraan
fyrenlustes V Oflinnaö, la, ler eow se deaö ofer-eume. <^Ac eow
J^inceö swiöe earfoöliee pa. unse-lnvieran J'eawas 7 J'a je-
seyndan to for-hctanne; foiöan ]'y öset dioful biö on eowrum
heortum, Yy eow eft biter se-deö ]'a swetnessa. ^^Ac wi(>- 10
standaö him uu, |>a hwile pQ je majon 7 raoton. 7 settaö to-
Seanes eowres liehoman histum 7') cwic-siisles fyres bryne;
*'• 7 settaö be-foran eow J'one ejeslican dorn. ^^ 7 eowres deaöes
dixiz se-munaö; foröan ailce üsez ws nealseceö J?iere sawle ge-
dal 7 öixiä liehoman. '^''We witon, hw?et we on )>yssum da33e 15
wyreende wjeron ; ac we nyton on J'ysse nihte, l?eah hio sie
utala^dedu 7 ''"us ponne öa3t deoful la^de on bis witu, pe us
ler on life mid paire syn-bryne'^) unasecsendliean tintrejo be
§ 3G. ... Flagras in terreno amore, . . .; nescit satiari cupiditatis tiiae
sitis. Novis te cottidie peccatis involvis. . . .
§ 38. Cur in peccati sordibus uaanes? . . . Pone peccato finem; . . .
§ 43. ... Sed heu ! difficile est pravam consaetudinem vlncere ....
§ 46. Relucta contra malam cousuetudinem; . . . Propoue tibi ad-
versns praesentis carnis ardores fatnri supplicii iguem ; superet aestum
libidinis recordatio aeterni incendii; memoria ardoris Gehennae ardorem
exclndat luxuriae.
§ 47. ... Versetur ante oculos tuos imago faturi iudicii. . . .
§ 48. ... De morte tiia cottidie cogita. . . . Cottidie dies ultimus appro-
pinquat. . . .
§ 49. Nescimns, quid nobis hodie contingat; . . .; ignoramus, si liac
nocte animam nostram conditio mortis reposcat. . . .
§ 50. Spiritus, qni ad peccandum saccendit, peccantem saepe subito
raplt; . . .; qui inflectit ad vitia, pertrahit subito ad tormenta. ... (^uanti
repente ad aeterna supplicia deducunturV . . . Alienos casus tua fac esse
pericula; morientis vocatio tua sit emendatio; aliorum perditio tua sit
cautio.
^) Diese Kopula ist nacli Ausweis des Lateins zu streichen.
'^) Hier fehlt augenscheinlich ein Verb, etwa nfyllde, als Abschlufs
des Satzes und eine Präposition, wohl Mid, als Anfang des nächsten
Satzes. Auch ist wohl mid pcem [statt pcere] syn-hryne (= lat. ardorem
luxtiriae) zu lesen.
144
US cwylmeö, seöc we ?er bis willan worhton on worulde. For-
öan US let Jod on j'yssu?» life, |>iet oöera manna forö-for seeolde
bion ure je-lienesse.
■''''Eawla, sawl, öuöe eavdodest on jnnes lichoman tin-
5 tresum, waca 7 ^-'^e-bide )'inne Drybten, J'e-la?s j^e slajpende
se deaö ofer-cume. Jebyraö ^
[fol. HO"], men |m leofestan, öa-öe ber syndoü on }?yssum folce
dysije 7 recelease, sanjaö to deadra mauna be-byri^nesse 7
Seseoö ]';i3r lifisendra bysene. lo bie w?eron us jelice on pysse
10 worulde wynsumnesse lifisende 7 bim welena stryudon 7 bim
mycla aibta biebbende wseron. Ac öas ealle synt fram bim
anumen, pj bine ne scele nan man swa sylfne be-swican, p(^t
be bim langes lifes wene.'
^^i'Ac öu, man', cwce^ se balga Ysodorus, 'ie öe bidde 7
15 balsije, 7 seornlice ic ]'e manise, J'fet öu^) nan-wibt leobt-
lices ne leaslices ne do, ne öu l^ine synua eft ne edniwa, ne
]?u ]nn yfel to eft ne bwyrfe. - Ac öu, ma, 3) bewite pe sylfne
7 wite, bwset öu eart 7 for-bwan ön sie 7 bwset öu sie, 7
forbwan pu. je-boren wseie oö|:'e to bwylere nytuesse )ni acenned
20 vvsere, 7 to bwyleum Innje öu on pas woruld ge-eacnod wsere.
Je-myne ]'inne seippend 7 je-myne, öset öu ge-worbt eart; 7
ongyt, bwylcne pe Jod je-sceop. 7 semyue, bwylc^) wyrbta
§ 51. ... Dum potes, a vitio et a peccato te revoea; dum tempus
est, clama. . . .
§ 63. Sucurre mihi, Deus meus, antequam moriar, anteqnam mors
me praeveniat. . . .
Liber Secimdns. § 1. Homo: Quaeso te, anima, obsecro te, de-
precor te; imploro te, ne quid ultra leviter agas, ue quid inconsnlte gerag,
ne temere aliqaid facias; ne repetatur malum, . . ., ne redeat iniquitas, ne
denuo exoriatar nequitia. . . .
§ 2. Ratio: Scito, homo, temetipsum; scito, quis sis; scito, cur
ortus sis, quare natus sis, in quem usum genitus sis, quare sis faetas, qua
conditione sis editus, aut quare sis in hoc saeculo procreatus. Memento
conditionis tuae; naturae tuae ordinem serva. Esto, qnod factus es,
qualem te Deus fecit, qualem te factor condidit, qualem te creator instituit.
*) Vielleicht fehlt hier ein Blatt, aus den oben S. S3 angegebenen
Gründen.
^) Über der Zeile eingefügt.
^) Lies man (== lat. homo).
*) Lies hu-ylcne (— lat. qualem te fabricator condidit).
145
I''e ^c-worhte 7 hu fscjer seyppend J'e sawle on-sctte 7 sende.
3 He öe bebt ad, piet öu healde )'inne rihtan jelcafan 7 J^jet öu
lijebbe bylwitne geleafan 7 wunije on I>e se un-forhta 7 se
unjc-brosuoda ^eleafa. Nfcni^ )'e mid imsnotre lare öe ^) be-
swiee ; ne iijenis sej'worneese j'ysse woriilde öe ateo fram Jodes 5
willan. Ne njenij J'ius l'ristlicc be Criste öu sprec; ne nxms
wiht öweorliees be him öu ^e-byr sprecan. -^Ac öonne öu
bine eisst on J'inum worduin, ne wiö-sac öu bine on J'iuum
weoreum; 7 {ram ealluui. ]'am-|^e sio jcw for-byt.^) 7 nan-
wiht wiö Jodes be-bodu öu do. Ae leofa on gode 7 sebide 10
l^e to bim, foi-öau-}?e öurb yfelra manna j^eawas 7 bira bysna^)
man wyrö oft be-smiten. 7 jnirb jodra J^eawa 7 bysna man
wyrö oft Jode je-stryned. '^Ne syle öu J'ine sawle on Jnnes
liebaman jew . . . J) ^Ac se-elajnsa öu p'm mod fram yfeluwi
5e-]'obtum, 7 jebi ...••) eow fram J>a38 lieboman scionesse, f'a3t 15
eowre J'obt ....•') [fol 119^] ebene 7 blutre. Foröan we
witon, piet be urum gej^obtum we sceolon beon demede Jode'):
§ 3. Serva rectam fidem, tene sinceram fidern, custodi intemeratam
fidem, maneat in te recta fides. Sit in te incornipta confessionis fides.
Nulla te insipiens doctrina decipiat-, nnlla religio per versa corruuipat;
nuUa pravitas a fidei soliditate avertat. Nihil temere de Christo loquaris;
nihil de Deo pravnm, nihil impium sentias. . . .
§ 4. Non delinquas in opere, qui in fide perfectus es. Fidem tur-
piter vivendo non polluas ; fidei integritatem pravis moribus non corrumpas.
Nihil contra praeceptnm Dei facias. Vive in bono, nullo adiuncto malo.
Bonos mores nulla conversatio mala coinqninet. . . .
§ 5. ... Non des anlmam tuam in potestatem carnis. . . . A cogitatione
noxia custodi animam tuam. . . .
§ 6. Sit animus tuns ab omni poUutione purgatus. Sit mens tua
pura. . . . Scito te de cogitationlbus iudicandum; Deus conscientias iudicat.
Dens non solum carnem, sed et meutern examinat. Deus iudex et de
0 Das zweite de ist zu streichen.
^) Dahinter fehlt wohl so etwas wie öe tvidbregd.
ä) Davor fortradiert ein byra.
*) Ein Fleck macht das Ende dieser und der beiden nächsten Zeilen
nnleserlich. Hier ist oifenbar zu lesen getveald (= lat. in jjotestatem).
^) Der letzte lesbare Buchstabe ist wohl die linke Hälfte eines u,
nicht ein i. Lies gebii^aö.
'^) Lies pohtas sie«.
') Lies fram Joc?e.
Studien z. engl. Phil. L. jq
146
Dales ]'fet an. |'?ßt Iie ure licboman sceawaö, ac eac swylce
ure jej'ohtas. Jod se is dema; be mivn 5e)?ohtum he msenö
ure sawle. Foröan, j^onne hie us cumaö, utan him wiö-standan
7 of ure heortan aweorpau öa yflan se-}^ohtas. ' For}'an ne ms^z
5 se lieharaa nan-wiht don, butan hit pset mod wille. Utan
cliensian ure seöohtas ponne; ure lichoma ne syn^aö.'
^'Je-hyr öu, mann', ewaö se halja Ysodorus, '7 hlyst to
]'an-]ie ic )'e bere, 7 onsyt, )7a-öe ic pe to manise. Ne ^e-
wemmaö eowre lichaman öurh for-healdnesse. For eallum
10 yflum hio ys wyrse, 7 mani^e men )nirh hie forö-cumaö.
'-•Selre biö men, psdt he swelte, }'onne he bis licboman fyrwet-
Syrnessum je- wenige. ') Selre wsere öaere sawle, pcet hio
brajdlice of öam licboman anumen wrere, öonne he hie öurh
bis synlustas for-lure. Sio for-hjefdnesse jedeö Jode j^one
15 mannan uealreean. 1)xy sio for-bsefdnesse wunaö, J^ier wunaö
Jod. i^-'7 sio clsennes us je-bset beofona-rice. Sio fyrwet-
Syrnes besencö ]?one mannan on belle; 7 sio fyrwet-^yrnesse
syleö l?one mannan |mm sweartan fynd, öe hine ge-lsedeö to
helle-tintrejum. i^Ealaöu, man, jif öe nu syt j?ine8 licboman
cogitationibus iudicat animam. Quando titillat prava cogitatio, non con-
sentias illi. . . . Primam peccati snggestionem contemne; Don sinas eaui in
corde tuo manere ; quacumque hora venerit, expelle illam. [§ 7. Si ex-
puleris cogitatiunem a corde . . .]. ...
§ 7. ... Non enim potest corpus corrumpi, nisi prins animas corrup-
tu3 fuerit. . . . Munda ergo a cogitatione animum, et caro non peccat. . . .
§ S. Audi, anima, quae loquor; ausculta, quae dico; attende, quae
moneo. Xulla iam immunditia polluaris; . . .; ab omni te carnis corruptela
suspende. ... Fornicatione contaminari deterius omni peccato puta; omnibus
peccatis fornicatio maior est.
§9. ... Melius est mori quam fornicari; . . .; melius est animam
eflfundere quam eam per incontinentiam perdere. Continentia hominem Deo
proximum reddit; . . .; ubi manserit continentia, ibi et Deus permanet.
§ 10. Castitas hominem caelo iungit; . . .; castitati caeli regnum
promittitur. . . . Libido vero in infernnm mergit hominem ; libido ad tar-
tara hominem mittit; ad poenas tartari hominem libido perducit.
§ 11. Quod si adhuc carnis molestias sentis, si adhuc carnis stimulis
tangeris, si adhuc libidinis suggestione pulsaris, si animum tuum adhnc
fomicationis titillat memoria, . . . memoriam mortis tibi obiice, . . . propone
tibi futura tormenta; . . .; propone tibi infernorum perpetuos ignes; pro-
pone tibi gehennae poenas horribiles.
^) Lies ^eivemme.
147
unec^nessa hrinen oöpe hie öe cynsende >) fyrwet-^yrnesse lajre
oööe nii gyt pin mod pQ for-healdnesse mynjie, Äemyne ]'a to-
weardan 7 )?a unaseesendliean witu, hu ^rinimo hie synt. 7
forj'au sie öc swa mycel s^^orn-fiünes pa syiina to betanne, swa
öe wa;s jer hie to wyrcanue. Nfcnis l'inj on j'ysse worulde 5
pe se-do ]?inra sycua sorh-leasne ; ac öurh-wuni^e on J'inre
heortan eje 7 fyrhtu. purh j'oue e^e öu se-betest |'a syone.
pa)!' lufu ne biö, }7{er biö ealles lifes to-lysiiesse.
'Eala, hu ünaseesendlica sj-nt J'ysses lifes ideluessa 7 for-
wyrda! For}'an ]?eah-J?e we hie forheten, we ne sculon ure 10
heortan eft to him hweorfan, forJ^am-J^'e öa welan for-wyröaö
7 öset wuklor \fol. 130"] for-wyrö 7 sio Ae^ernes for-wisnaö.
Jod )?one maniian to bis anlicnesse je-worhte; 7 )'onne hwa^öere
idelliee he swincö 7 on gewinne he biö drefed. He jold-hord
samnaö; ae he ne wat, hwam he hit samnaö. foröam-]'e we 15
ealle naeode 7 for-hetene arisaö, swa-swa we jeborene w<^eron ;
7 to ]?am andrvsenlican we feraö naeode 7 earme 7 unrote
7 jesworcene mid eje 7 mid fyrhöu. Beforan heah-setle pias
ecan deman we beoö ahiedde, öonne we bioö aworpene of
pysses rices welan 7 of l'ysse worlde se-fean. 7 we ne bioö 20
Se-dyrstije for urum synnum urne wealdend je-sion. Ae öaöe
nu to swiöe ne blissiaö on j^ysse leasan^) worulde welum,
hie feoö f'onne on f'am to-weardan dorne. Daöe nu be sylf-
wille Jode }'eowiaö, hie se-feoö ]?onne on l^iam heofonlican
bryd-bure. 7 öaöe nu forlaitaö J^as eorölican, hie onfoö }?onne 25
pH heofonlican. Ac öa earman 7 l^a synfullan to fyres
tintrejura hie beoö se-to^ene. We jraniaö ]>onne, 7 ne biö,
seöe ure ge-miltsie. We seomriaö l'onne, 7 ne biö, seöe us
hal sedo.
'Ac utan efestan, pa hwile pe we tide htebben, to hebbanne 3o
ure handa to Dryhtne 7 cweöan, pait us je-haile Jod, pcet we
ne for-wyrpen. La, hu lange we urne wealdend 7 nrne
scyppend to hat-heortnesse je-tihten! ^Ice d^eje he us gearwaö,
7 we bis bioö unje-inyndise. Mlce da^je he us fedeö 7 selce
daije he us miltsaö, 7 we hira bioö for-jitende. He us fet, 35
7 he US scylt, 7 ealle ussa nyd-pearfa he je-siehö. 7 pea\\
^) Lies cnyssende.
^) Hinter s ist ein e durch Punkte getilgt.
10*
148
ajlce d?e5e Ins be-bodu we liyrwaö. La, hwi ne seeamaö us?
Utan seeamian ure, aM]>au-}?e sio tid cume, öe us nealaiceö, pmi
we sceolon ures lifes 7 eallra ura dwda ribt agildan. 7 foröan
uton oflinnan }'ara unarimedra metta 7 j^ara je-scyndendra je-
5 streona 7 J^ara oft-riedra symla 7 para unribt-haimeda.
'Utan eac oflinnan j'ara ta^lnessa, 7 uton us on |e-bedu
ge-lom-bi}can, 7 uton ure lif ou ribtre je-wendan, «röan us
deaö ge-5ripe. le bidde 7 balsije a^ibwylcne eristene \foLl20'']
mann, pset we betan öas lare on ure heortan feste wunian, 7
10 uton ne Isetan bie diofol purh bis searwa us frara animan. Ae
utan sorsiau on öysse med-myclan tide, p?et we ne p'yrfen
wepan in ecuesse ]>one biterestan wop. 7 utan winnan on
}?yssu>)i l?ßnan life, }'e-la3S we prowien eft J^a ecan tintrego.
peos tid is sceort, 7 sio ') is mycel 7 un^e-endod. Foröan
15 piet is se wyrresta djej, se nsenijne onlyst. pser biö soht fram
anra jebwylcum, bwait be yfeles jedyde oöj'e jodes. Wa öam
j'onne, pe nu biö wail-breow; foröan be biö cwylmed on
ecnesse. Wa öam, pe nele nu bis synna breowe don; for|^an
be biö seald ponne öam reöestan feondmri, J^a bine ^rimlice
20 deaöe cwylmaö. Xe sceolon we to swiöe arian ussum fl»sce,
}'y Ises bit eft in for-wyrd forl?ede. Se licboma Isemen is,
foröam-J^e be of öam je-worbt wäis, 7 be eft to duste ge-
weoröan sceal.'
'Ac uton we, men öa leofestan', cwceä se balja Ysodorus,
25 'eaömodlice biddan Jod, psdt he us ge-healde her on worulde
7 on J?{ere toweardan, seöe leofaö 7 ricsaö ää butan ende in
ecnesse.'
VIII. Lexikalisches.
Der Wortsebatz der Vereelli-Homilien ist in meisterbafter
Weise ausgeseböpft worden von Artbur Napier, Coiitrihutions
to Old English Lexicography (Trausactions of tbe Pbilol. Soc.
for 1906, S. 265 — 358j. Die wenigen, zum Teil zweifelbaften
*) Dahinter ist so etwas wie ecnesse ausgefallen.
149
Nachträge dazu, die ich luaeben kann, mögen hier zusammen-
gestellt werden, wobei ieh die Gelegenheit ergreife, auch ein
paar andere bei Bosworth-Toller nicht oder nicht genau belegte
Wörter, zum Teil solche, auf die ich in den letzten Jahren im
Archiv für neuere Spraclien gelegentlich hingewiesen habe,
hiermit der lexikalischen Verwertung zu erschliefsen. •) Die
ae, Disticlia Catonis zitiere ich dabei nach meiner in Vor-
bereitung befindlichen Ausgabe.
äblinncdiies 'Uuterlafs' (Nel)enform zu ablinnendnes, Tl^^lfric,
Liv. of S.) : '^od wolde, Jxvt J)am men ivccre Jus ijtcmesta dceg
uncud, pcet lic hine forJ)a7i to Jxüi sC<searivode hiäan cenisre
aUinnednesse , Verc. f. 76* (Hom. XIII, ed. Wülker, Anglia
V, 465 ; danach von Hall gebucht).
ii'ldius (IIs. liccldysg) 'Feuerung', s. unter erfle.
aiiforugean 'gegenüber von' weist mir Herr cand. phil. Karl
Glaeser nach aus Vesp. D. XIV fol. 52 b: Ac seo eadige ivces
sivyde gcanysnmed mid mycelre Jjroivunge, ])a-J)a heo stod
anforngean Cristes rode 7 hire leofe cild gesell mid irene
nccglen on hearde treowe gefcestnod (= Thorpe, Hom. 1,444:
foran ongean). Unsere obige Form mag für anforan angean
verschrieben sein. Jedenfalls stellt sie aber mit ihrer Er-
setzung des ae. foran durch onforcm eine Übergangsform
von ae. foran ongean zu dem me. aforne^en (Layamon),
aforiiasens (WiclifiF), aforeyens (Chaucer) u. a. dar. Vgl. afor-
nens im Oxforder Wörterbuche.
äere = ws. yy'e 'Ör', s. unter erfle.
1) Meiner Überzeugung nach mnfs es das Bestreben eines jeden
Herausgebers sein, bei aller Vorsicht möglichst viel neue Wörter und
Formen seinem Texte zu entnehmen, und ich kann daher nicht begreifen,
warum Prof. Belfour bei seiner Besprechung von Wildhagens Psalter-
Ausgabe {Modern Language Revieiv VII S. 557 if.) diesem jenes Bestreben
zum Tadel macht. Eine Übertreibung nach dieser Richtung scheint mir
das kleinere Übel. Man bedenke, wie viele ae. Wörter den Augen der
Forscher dadurch entschwunden sind, dafs Toller in andererseits lobens-
werter Vorsicht all die Wörter nicht mit aufgenommen hat, für die er
keine Belege wufste. Napier hat manches hübsche Beispiel hierfür bei-
gebracht (z. B. scora). Übrigens kann ich auch mein Bedauern darüber
nicht unterdrücken, dafs die mühevolle, entsagungsreiche Kleinarbeit, die
Wildhagen an Cambridger Psalter geleistet hat, einen so wenig aner-
kennungsfreudigen Kritiker gefunden hat.
150
a'tsceotau •hinwegsebiersen, entschwinden': Jic fwstcre man
geheaU, piQt])xt he lia'fd, gyfhc Mm ondrcett, Jnxit hit wtsccote
[opsceote A«]; J)eo man dcelS sparlice, pe man nele, ]}2Qt hit
forhersfc. Vesp. D. XIV fol. 8» (= Disticha Catonis B, ed.
Förster Nr. 17, ed. Müller Nr. 18).
jctwesan 'unmittelbar bevorstehen', s. Archiv CXXII, 251
Anm. 2 und oben S. 97 Z. 20.
»-werd = lat. religiosus 'fromm' oder 'Ordensgeistlicher', s.
Archiv CXXVIII, 298 Anm. 2.
ä-llf 'ewiges Leben', Verc. fol. 63b und 64b (s. oben Hom. IX
S. 108 Z. 15 und S. 115 Z. 2 nebst Anmerkung dazu).
äsadiau 'völlig sättigen': Fall pact is for pan gode mannen,
pseX heo ascunigen 7 lytel teilen 7 umvurd of pan ivele, ])e
J)a yfela mcen ht/d of swa sw^jde asadede, 7 ])a gode mmnn
synden hijrstige 7 gedrefde 7 unfere, pelceste heo to swyde
blissoden on heora lichames hcele 7 on heora tvurld-ivelen.
Vesp. D. XIV fol. 160 b = Elucidarium lib. II c. 5: Propter
electos his redundant mali, ut haec boni despiciant, quibus
florere etiam pessimos videant. . . . Boni autem ideo
media, oppressione et longuore afficiuntur, ne in malis de-
lectentur.
astillian 'beruhigen' belegt mir Karl Glaeser aus Vesp. D. XIV
fol. 85 b: Ke scule we ])eh ßa Jnvyre mcenn to ure ehtnysse
gremigen, ac swydre, gyf heo astyrede hyd, mid rihtwisnysse
astilligen (wo Thorpe, Hom. I, 554b gestillan liest). Glaeser
vergleicht richtig das einmal in der ßeda-Übersetzung belegte
{ge)unstillian 'beunruhigen'.
äweiidendnes 'Änderung, Wandel': Peer ys ece med, 7 Peer ys
lif hutan deaöe, 7 pmr ys gefea hutan unrotnesse, 7 pcer is
leoht Ijutan pystrum, 7 äcer is wlite hutan aivendendnesse.
Verc. fol. 112 a (Hom. XX). Tollers Suppl. zitiert zwei Glossen-
Belege. Die Nebenform aiüendednes ist öfter belegt.
l)eliwylfan 'überwölben', bisher aus dem Exodus-Gedicht V. 426
und der Prosa-Exodus 142'' bekannt, erscheint auch Verc.
fol. 10 b (s. oben S. 92 Z. 8). Die anglische Form hehweolfan
findet sich in Tib. A. III (Eremiten - Legende, ed. Kemble,
Dialogue of Salomon and Saturnus 86 3). Vgl. as. hehweWian,
mnl., nnl. tvelve7i, ahd. ivelhen, an. hvelfa.
151
bcorhtues 'Lciieliten, Glanz': Soölicc Drylitcn (dmihtis, pc
callu ping gesceop, ys ure lif 7 ure ludo 7 ure hiht; 7 he
is ure ^c-f^ci 7 he ys ure strengÖ 7 he ys ure frofer 7 he
ys ure alyscnchies 7 he ys ure gescyJdnes 7 he ys ure on-
lihting; 7 he hyÖ on Jxvre to-weardan worulde ure wuldor 7
ure bliss 7 ure syhh 7 ure yrfe-iveardas [lies yrfe-iveardnes]
7 ure eoics 7 ure Icoht 7 ure beorhtnes 7 ure wlite 7 ure
ece rest. Verc. fol. 112 a (Hom. XXI).
berian 'schlageu, stjunpfen, kneten' — das Partizip gchcred
ist mehrmals belegt — liegt wahrscheinlich vor in der
Daniel -Version des Cotton-Ms. Vesp. D. XIV fol. 47 b (um
1125): Daniel ])a worhte lau drace ])as lac. He nam pich
7 hrysel 7 pimede togcedere 7 mid hyrstcn gemcengde 7
berede to wclcren; 7 sead heo sivyde 7 sealde pan drace
= Daniel c. XIV, 26 Tulit ergo Daniel picem et adipem et
pilos, et coxit pariter fccitque massas et dedit in os draconis.
Dann kcinnte wclcren vielleicht so etwas wie 'Mundbissen'
beifseu, eine Bedeutung-, die durch die Harleian- Glosse
wclriim 'buccis, buccellis' (Wr.-W. 195 32) gestützt werden
könnte.
besecan 'nachsuchen, bitten' erscheint in der Übersetzung von
Joh. XIV, 1—13 (Abschiedrede) in Vesp. D. XIV fol 87 a (um
1125): 7 eall, psat ge bcseccd cet mine fceder on minenname,
call ic hit do = Joh. XIV, 14 : Si quid petieritis me in
nomine meo, hoc faciam. Dies ist der älteste bisher gefundene
Beleg für das Kompositum, da bisher die Lambeth-Homilien
(von 1175) als früheste Stelle galten (so im Oxf. Dict).
bl^estiu 'Blasen, Flackern', Verc. 10b (Hom. II, s. oben S. 90
Z.7), wo Wulfstan 186^ bl(est und Verc. M. 110^ sebrasl liest.
l)uc 'Bock' s. unter erfle.
byrstig 'gebrochen' kennt man bisher aus einem Glossenbeleg
(Haupts Gl. 454, Napier 0. E. Gl. I, 2037). In zusammen-
hängendem Text erscheint es Vesp. D. XIV fol. 160 b (s. die
Stelle oben S. 150 unter äsadian) und fol. 161b: 7 eft pcere
byd sume yfele mcenn, pe byÖ sunjde byrstigc 7 unfere, for
Jjan psdt heo understanden beo pan, Jjs^t bitere byd pa saregan,
pe heo sculen on helle on ecnysse gcöroivigen for heora unrihte
= Elucidarium lib. II c. 5 : Econtra mali qiiidam hie eye-
152
State, affUdione, corporis dolore suspirant, ut per haec discant,
quam amara sint, ad quae pravis morihus festinant.
CTveluiere 'Totschläger' zu ciuyhnan 'töten' weist mir K.Glaeser
nach aus Vesp. D. XIV fol. 30^: Heo [die sieben Schläfer]
ivosroii (ßdelborene for ivurlde and wurden to Jjan hceöene
cwehnere geivreigde for hcora cristendome (= Thorpe, Hom.
11,42413: to dam hcedenan civellere geivrehte). Vgl. oben
S. 106 Anm. 3.
cwidböc in der Bedeutung Tredigtsammlung' erscheint in
Vesp. D. XIV fol. 741j: Äugusti7ius scede on his cwidhocan,
pjdt nan mann ne mihte asmeagan Godes de 7 his hehodan
fullice healden, hüte se-pe smijlte med hcefde 7 frig wlcere
gedrefednysse. An den anderen Belegenstellen, die bisher
bekannt geworden, hat cwidböc die Bedeutung 'Spruch-
sammlung', da es mit bezug auf die Proverhia Salomonis
und zwar c. XX, 27 gebraucht ist: on Salomonnes cividhocum
(Cura Pastoralis ed. Sweet 257 23). Es erklärt sich diese
Doppelbedeutung von cwidböc aus der Doppelbedeutung von
ae. cwide 1. 'Spruch', 2. 'Predigt'. Flir letztere Bedeutung
vgl. etwa ^Ifric, Hom. cath. II, 2 1^ {o7i o^s^er Jicera boca
sind feowertij civyda), II, 2 1' {cetforan celcum ewyde ive
setton da swutelunse on Leden) und I, 18 ^e (smeagaÖ pysne
cwyde).
cwylm 'Qual', s. oben Vercelli-Homilie IX S. 106 Z. 13 nebst An-
merkung.
dysis - craeftis (Hs. disi-creafti) 'zauberkuudig', s. Archiv
CXXVIII, 300 Anm. 3.
efncristeu 'Mitchristen', Vesp. D. XIV fol. 160h (s. den Beleg
unter geswincleas).
elding 'Feuerung', s. unter erfle.
end 'und' s. Archiv CXXII, 253 Anm. 2.
erfle (Hs. cerflce, hcerflce) 'Erbbier, Leichenschmaus', erscheint
in einem spätaltenglischen Texte, welcher etwa um die Mitte
des 12. Jahrhunderts auf dem vorderen Schutzblatt der aus
St. Edmundsbury stammenden Beda- Handschrift Nr. 83 des
Pembroke College zu Cambridge eingetragen ist. Der Text
ist in arg entstellter Form von M. R. James in seinem
Descriptive Catalogue of the Manuscripts in the Library of
• I
153
Pemhrol-c College (Cambridge 1905) S. 73 verüffi-ntlieht worden.
Ich drucke ilm daher nochmals ab auf Grund einer Kollation,
die ich im August 1911 in Cambridge vorgenommen habe^):
7 hvcelf orwn-) under pxQstces 7 dcmaices'^) 7 clcercces;*)
7 fyf orce cd his ])ruth;^) 7 an--j -twcenti i)eni'^cs at liis
hoferhredles;^') 7 seuen Penises at hale; 7 twa ore 7 an 3
cere') at hrcead; 7 hol>cer hwrce') at an ^lijchca 7 at an
') Die Erklärung dos Texfes habe ich znra gröl'stcu Teil, wie aus
meinen Aumerkungen zu erselieu ist, F. Liebennaun und E. Sievcrs zu
verdanken, denen hiermit herzlichst gedankt sei.
*) Über den Rechnungswert von ü.q. ora 'Ör' im Denalagu s. jetzt
Liebermaun, Gesetze d. Ägs. II, 2, 601.
•'') Der linke Grundstrich des n scheint aus einem h verändert zu sein.
— James druckt fälschlich dcccnces.
*) Liebermann schreibt mir dazu: „Priester, Diakon, Kleriker [dies
hier im Sondersinu 'niederer Weihen'] ist die gewohnte Abstufung."
^) Lies prah; wegen p statt h s. Napier, O.E. Gl. I, G(> und M.Förster,
Archiv CXXVII, 3fiT. pnth ist hier in dem gewöhnlichen Sinne von 'Sarg'
gebraucht: at hispruh 'an seinem Sarge' (= 'bei offenem Grabe'; s. Lieber-
mann, Ges. d. Ags. IT, 2, 479 Grab 1 ^). „Das his geht auf den redenden
Erblasser. Dafs dieser die dritte Person (oft hinter erster) anwendet, kann
leicht belegt werden" [so Liebermann].
®) oferbrcedels bedeutet nach Liebermann hier 'Bahrtuch, Sargdecke'.
— Ein historisch nicht berechtigtes h setzt unser Schreiber mehrmals vor
Vokale: hale 'Bier', hoper 'andere, zweite', haddy^ge 'Feuerung' (für
elding, s. weiter unten), fceouhcerti 'vierzig', hrerflce 'Erbbier', hwrce
'Ör'. Umgekehrt fehlt h in repcer 'Rind' {3,e. hryper). — James: hofer-
bred les.
') Dies are (bezw. h(ere, ere) das dem Zusammenhange nach jeden-
falls einen kleineu Geldwert darstellt, erscheint an allen vier Stellen, wo
es vorkommt (Z. 4 [zweimal], 8, 10), mit einem Singularbegriff verbunden,
während als Plural stets die Form ore, bezw. orce, ora, orcen verwendet
ist (Z. 1, 2, 3, 5, 7, 10, 11, 12). Daher wird man dieses ere als Fort-
setzung des an. Singulars eyrir (mit i- Umlaut) auffassen dürfen, während
das ae. oran — eine Singularform *ora ist nirgend belegt — bekanntlich
aus dem an. Plural aurar herzuleiten ist. An der einzigen anderen Stelle,
wo dieser Wertbegriff im Altenglischen im Singular erscheint, steht
yre: mid prim pundum 7 mid anxmi yre (Cartularium Saxonicum, ed. de
Gray Birch, Nr. 1130, A.D. 972— 992; vgl. Björkman, Scandinavian Loan-
Words S. 11). Und dieses ws. yre stimmt lautlich genau zu unserem obigen
angl. ere. — Wer daran Anstofs nimmt, dafs '2 Ore und 1 Ör' nicht zu
'3 ()re' zusammengezogen sind, niufs wohl annehmen, dafs hinter ttca ore
(Z. 3) etwas ausgefallen ist. Ähnlich liegt die Sache in Z. 10 (fyf ora 7
half ticoilf ere).
*.
154
hncJi;^) 7 scmvii-'j-üvcenti penises cd tvax;"^) 7 fyf one at te
6 fi/nw^) cerflce'^) at malt 7 at hceldy^gce ; ^) 7 tiva-'j-fGioiüiarti
jjenises at hj'wd; 7 seuentene peniies at an sivin; 7 tiva ore
') Die Form buc, gegenüber sonstigem ae. bncca findet sich sonst
nur noch in den Peterborough-Annalen zum Jahre 1127 (ed. Plummer
I S. 25S).
^) James druckt fiilschlich 'pax'l
3) at te fyrra; cerflce 'beim ersterea Erbmahl'. Fyrre ist sicher,
worauf mich Sievers hinweist, aus dem Sia. fyrre 'erster' entlehnt. "Wenn
sonst von einer Ilerübernahme nordischer Zahlwörter nichts bekannt zu
sein scheint — auch Bjürkmau sagt darüber nichts — so sei darauf hin-
gewiesen, dafs die nordenglischen Ilomilien (ed. Small) drei weitere
Beispiele für nordische Entlehnung der Ordinalzahlen bietet, nämlich
achtelnde 26,11 (auch Prick of C. 6S95: aghtend) =^ an. dttande, neynd
26, 13 (auch sonst; vgl. das Oxf. Dict. s. v. nintli) = an. nioride und
tend 26,15 (auch Orrm, Gen. & Ex., Townl., Will., Ayenb., Prick, Hom.
I, 219, Brunne, Hampole u. a.) = au. tionde. Bei näherem Zuschauen
werden sich wohl noch mehr nordische Einflüsse bei den Zahlwörtern
zeigen. Jedenfalls ist obiges fyrre der früheste Beleg eines nordischen
Zahlwortes im Englischen. — Auch das folgende ccrfice ist — auch diesen
Hinweis verdanke ich Sievers — aus dem an. erfiol 'Erbmahl' entlehnt.
Dafs das nordische Wort ins Englische herübergenommen, wnfsten wir
bereits durch einen mittelenglischen Beleg von 1459 in einem sonst lateinisch
geschriebenen Testament aus Yorkshire: [John Alanson leaves an ox] ad
distrib. inter propinquos et amicos raeos, scilicet ad meiim arvell [s. Oxford
Dictionary s.v. ari'al]. Seitdem ist das ne. arval für das 16. — 19. Jahrb.
gesichert [Belege im Oxf. Dict.] und namentlich in nordenglischen Mund-
arten. In obigem Testament liegt uns nun der früheste Beleg für das
englische Wort vor. — Die beiden ce in cerflce werden wohl ebenso für e
stehen, wie das cb in ßrce 'drei', clcerc 'Kleriker', dceacn 'Diakon', brccad
'Brot', fceouer 'vier', tucelf 'zwöW. Über das dem fyrrce cerflce 'ersten
Erbmahl' nach Jahresfrist (?) folgende (h)opcr (h)cerflce 'zweite Erbmahl'
siehe oben im Text S. 155 f. — James liest an unserer Stelle fälschlich
'at tesyrroee aerflae'.
*) Auch dies Wort erklärt mir Sievers sicherlich richtig für celding
'Feuerung' [zum Malzen] stehend. Es wird gleichfalls eine Entlehnung
aus dem Altnordischen sein, wo wir eidin g 'Feuerung' als nominale Ab-
leitung zum Verbum elda 'brennen' haben, während dem ae. Celan 'brennen'
ein heimisches nominales cüling 'Feuerung' entspricht. Über die Bildung
von an. elditig s. F. Tamm, Et. svensk ordbok s. v. eld und Falk-Torp, Et.
Ordbog s. v. ild. Wegen der Reduktion von -in^ >> -ig s. meine Zu-
sammenstellung im Archiv CXXV, 6.'5 Anm. 8. Das cb (statt an. -e) in
{h)cxildigge liefse sich durch Anlehnung an das heimische ae. (xling er-
klären, ist aber einfacher wohl als Schreibung für e zu nehmen, wofür die
Beispiele in der vorigen Anmerkung zu vergleichen sind, — Dafs das
155
an rejxvr ; 7 an ccrce ])rai hices; 7 .VIII. ^^eni^es a)i cese;
7 prce jjenises at fysc; 7 fceouer pcenises'^) at milch. 9
7 fyf ora"^) 7 half twculf crc'^) at te hojxer hcer/Uc; 7
Ilafslwm^) halfmarc 7 an mentel\^) 7 Swcedce Uva ore; 7 at
Siva'gildce twa ore; 7 Alfno]) pvest tiva viarc; Ww^oi^) 7 his 12
sune .1. marc. Wcegen +.
Über deu Charakter dieses Textes schreibt mir Lieber-
maun: „Das Stück ist zweifellos Bruchstück eines letzten
Willens für eine Weltgeistlichen- Konventuale meines Erachtens
aus der Denelagu."' „Der Testator, oder sein 'Handpriester'
(Hauskaplan, den wir lesen), scheint mir in Denelagu zu
leben; vielleicht war er eines Dänen Sohn oder Enkel."
„Man beachte, dals Schilling fehlt, Or und Mark die Rechnungs-
werte sind, was entweder auf Denelagu oder (weniger wahr-
scheinlich) nur auf Normannenzeit deutet." Inhaltlich scheint
mir an dem Testamente besonders beachtenswert, dafs wir
den Beleg haben, dafs die spezifisch -nordische Sitte des
doppelten 'Erbmahles' — das erste am Begräbnistage, das
zweite nach Monats- oder nach Jahresfrist — auch auf
englischen Boden übertragen ist. Über diese Sitte berichtet
Kr. Käluud in Pauls Grundrifs ^IH S. 427 folgendermafsen :
„Nach der Bestattung wurde zur Ehre für den Verstorbenen
nordische elding ins Englische gedrungen, wnfsten wir bisher durch zwei
mitteleuglische Belege in Cursor Mundi und Prompt. Parv. [Oxf. Dict.] so-
wie die heute noch lebendige dialektische Verwendung [Wright, £. D.D.].
In obigem Testament liegt uns der früheste Beleg für das englische Wort
vor. — James druckt fälschlich 'heeldyggae'.
^) James druckt fälschlich 'peniges'.
') James druckt fälschlich 'orae'.
^) Lies half twelft ere 'elfthalb Ör'. Diese im Nordischen besonders
häufige Konstruktion (s. Fritzners Wörterbuch) findet sich im 9.-^12. Jahr-
hundert mehrfich auch im Englischen. Vgl. Fr. Koch, Eist. Gr. des Engl. *II
§285; Pauls Gruudrifs ^I, g.'iS und 1131; Oxford Dictionary unter half.
*) Das a undeutlich. James: 'hofslaem'.
^) Ich wollte dies als ae. mentel' Mantel' deuten. Doch bemerkt Lieber-
mann: „Wenn es 'Hufe' bedeuten könnte, so wäre endlich ten-mental
nachgewiesen; s. Gesetze II s.v. 'Zehnerschaft' ß c."
®) Dies W(e,^en wird eine Anglisierung des typisch dänischen Namens
Vagn sein ; vgl. E. Björkman, Nordische Personennamen in England (Halle
1910) S. lT2f.
156
ein Erbiiiahl {crfi) gehalten, das zugleieli eine rechtliebe
Bedeutung gehabt zu haben scheint, indem hierbei die Erb-
schaft augetreten wurde. Das Erbmahl konnte mehrere
Tage dauern; diese Gastmähler sowie die Hochzeitsmähler
scheinen die prächtigsten und weitläufigsten Familienfeste
gewesen zu sein. Bis das Erbmahl des Hausherrn gebalten
war, stand dessen Hochsitz leer. Mittelalterlichen schwedischen
Quellen zufolge hielt man am Begräbnistage selbst ein Be-
gräbnismahl und am Jahrestage darauf im Zusammenhang
mit der Erbteilung ein Erbmahl. In Norwegen wurde die
Erbteilung in der Kegel am Begräbnistage selbst vorge-
nommen." Belegstellen hierfür aus den schwedischen und
norwegischen Gesetzen hat mir Sievers freundliehst zusammen-
gestellt: Peer ceru Jwy öl cer iammyhit sJcal hötce at Jwal sum
l)uengen: ceit cer hruUöp, annat giftceröl, pridire cer oßrvitöl
[liesfermö7] Västgötalag I, Af Mandrapi 13 {Corpus iuris sveo-
gotorum antiqui, ed. Collin und Sehlyter, Bd. I S. 15), womit
die ähnliche Stelle im jüngeren Västgötalag (II, Dra^pare B. 27
= Corj;. 1, 129) zu vergleichen ist; erfis gierpir iru allar af
tacnar Gutalag I, 24, 1 {Corp. VII, 00) ; hroplöp, Jcirkiogcmgs-öl,
vt-f(erj)a-öl, pa liik sJcal iorpas, cerue (Var. (Brfues-ööl, oerfive-
ööl) cellce förstomesso-öl K.Magnus Erikssons Laudslag, Gifto
ß.VIII prol. {Corp. X, 58); I ceruum cellce vtfcerjmm (Var. wt-
fcerthaölom) ib. G. B. VIII, 4 ( Cor^J. X, 59 ) ; fcestninga-öll,
hryllüps-öll, barns-öll, JclrJciogangs-üll, tvtfcerclhis-öU epter then
dödha ella cerffdha-öll K. Magnus Erikssons Stadslag, Giffto-
mala B. VII prol. {Corp. XI, 58); tvtfcerdhis-öll tha liik
iordhas ok cer/fuis-öll som kallas aars-moot ib. VII, 5 {Corp.
XI, 60) ; all testament, all giceld, alt thet liiksins vtfcerdh
cer, ok graffaa-öoll, offer ok tholikt alt skal äff oskipto
godze vtgi/fivas ok giceldas; cen all epter-gcBrdh sidhan epter
then clödha giffs, giffui then vi som arffuit optok, swa som
manadha-motz-ööll (Var. manadlia-oll) ok aarsmotz-ööll ok
andra tholika eptergcerde ib. Mrffdsi B. XIX § 2 {Corp.
XI, 98 f.); I cer/fuom eller ^üthfmrdom (Var. vtfärda-ölloni)
K. Kristoffers Landslag, Giftamala B. VIII, 4 {Corp. XII, 66).
Ein norwegischer Beleg ist: En hvervetna ^ess er menn
verda dauöer, oc vill ervingi-ol efter gera, livärt sem gera
vill at siaund ceda at Iwitugsmorne ceöa enn siöarr, pat
157
halla menu crviol GulaJ^ngsliig- 23 [Korges Gamle Love
ed. Keyser und i\IuiK'li, Bd. I S. 14). Für das moderne
englische arval vergleiche das Kapitel in lirands Ohservaüons
on Populär Antiquiiics (Neudruck 1900) S. 442 ff.; C. Hazlitt,
Faiths and Folklore (1905) H. 16f.; Hurland & Wilkinson,
Lancashire Folk-Lore (18G7) S. 270; Atkinson, Glossary of
the Cleveland Dialcd (1868).
cynowyröc *k()niglich' weist mir Karl Glaeser in einem zweiten
Beleg (Toller, Suppl.) nach aus Vesp. D. XIV fol. 136b: J,a
aras se hing of liis Icyncsetie 7 mvearp Jus cynewuröe reaf
him of, wo Thorpe, Hom. I, 246 ^^ his deorioyrde reaf liest.
eald-nioder kennt man bisher nur in der Bedeutung 'Grofs-
mutter'. Die ursprünglichere Bedeutung 'Vorfahrin' (vgl.
ae. ealdfoider) hat das Wort, wie mir Karl Glaeser mitteilt,
in einer yElfricsehen Homilie in Vesp. D. XIV fol. 53b: Purh
ure ealdemoder [so deutlich als ein Wort in der Handschrift]
Euan US iveard hcofone-gaten helocan 7 eft purh Marian us
is geopened, Jmrh Jisat lieo sylf nu todceig Widder fullice in-
ferde (= Thorpe, Hom. I, 446 ^o; purh ure ealdan modor).
endemiBst 'letzte' erseheint in der späten Schreibung wnde-
mest in Vesp. D. XIV fol. 86a (Anf. 12. Jahrb.): Pa ehte eadig-
nyssen helimped to eallen gcleaffulle mannen, 7 se cendemeste
cwide, peh he syndorlice to pan apo^iolen gecweden lucere,
helimpd cac to eallen Cristes lymen (= Thorpe 1, 554''*: se
oiftemysta cwyde). Das Wort war schon von Somner
(Benson, Lye) gebucht, aber ein Beleg war bisher nicht be-
kannt. Tollers Supplement konnte aber das Kompositum
endemestnesse 'extremitas' aus der Regula Benedicti ed.
Logeman S.33 Z. 15 zitieren. Bedenken, die Toller gegen die
Richtigkeit der Überlieferung zu hegen scheint, vermag ich
nach unserem neuen Belege des Simplex nicht mehr als be-
rechtigt anzuerkennen. Ich verdanke obigen Beleg Herrn cand.
phil. Karl Glaeser, der uns bald mit einer Lautlehre der
J^lfrie sehen Homilien der Hs. Vesp. D. XIV beschenken wird.
estellc Adj. 'fein, angenehm'. Neben dem öfter belegten Adv.
estelice war ein Beleg für das Adjektiv bisher nicht bekannt.
Das Adjektiv erscheint aber Vesp. D. XIV fol. 163»: Eallswa
pa rice mmnn for pan estlice meten 7 pa gode drcencen heo
sculen heon gefyllede mid hiternyssen, siva-siva ivces se rice
158
mann on helle, pe 2)i&i godspell gemund = Elucidarium lib. II
c. 6: Nam pro epidis replentur, ut ille dives äbsinthio
amaritudinis. Das Oxforder Wörterbuch fafst auch das
estelice der Keutischen Glossen (W.-W. 842«) als Adjektivum
auf, was aber falsch ist, weil es sich um eine Glosse zu den
Proverhia Salomonis XXIX, 21 handelt, wo im Original ein
Adverbium {delicate .... nutrit) steht.
faldliri]>ei' 'Hürdenrind V) d.i. entweder falodhrider oder ws.
faldhriper, erscheint in einem kurzen Text, welcher in eine
aus St. Edmundsbury stammende Gregor - Handschrift des
O.Jahrhunderts, Ms. Nr. 88 des Pembroke College, Cambridge,
auf fol. 167 b in einer grofsen Hand des 10. Jhs. eingetragen
ist. Der Text ist abgedruckt von M. R. James, A Descriptive
Catalogue of the MSS. in the Library of Pemhroke College,
Cambridge (Cambridge 1905) S. 81, aber in so entstellter und
daher unverständlicher Form, dafs ich im Sommer 1911
meinen Aufenthalt in Cambridge dazu benutzte, den Text
mit der Handschrift zu kollationieren. Darnach lautet das
am linken Seitenraude defekte Fragment folgeudermafsen:
. . .1 weorc-ivyrära-) manna: .XYIII. oxana
. . . .XXXVl. faldhrijjera^); hundteonti^ sivina; y .VI.
... iJidnigontig *) sceapa; sifonhund flicca;
*) Prof. F. Lieb ermann schreibt mir dazu: „Vom 'Hürdenrind' kann
gesprochen sein entweder im Gegensatz zum Stallvieh; vielleicht diente
jenes wesentlich der Zucht, dieses der Arbeit, wie equae silvestres 'wilde
Pferde', im Gegensatz zu eafor 'Arbeitsganl'. Oder aber gemeint ist der
Dung, der als wertvolles Hiirdenresidnum Gegenstand besonderer Ab-
machung zwischen Grundeigner und Herdenbenutzer war; faldworthi heifst
(vor 1066 schon) der Bauer, der seine Schafe nicht in die herrschaftliche
Hürde, behufs deren Düngung, zn treiben nötig hat." Vgl. ae. feldhrißer,
das Napier, Contribntions S. 320 belegt.
*) Liebermann ergänzt den abgerisseneu Anfang: <is'^fo^l weorc-
u-yrÖra, und übersetzt: „[jährliche] Abgabe [sämtlicher] Fronpflichtiger
[insgesamt] , d. h. der GntsvoUbauern = des Dorfes als Einer Körperschaft,
an den Grofsgutsherm beträgt: 18 Ochsen [zum Einschlachten]." — James
druckt fälschlich: 'iveon ivvnöna', indem er die alten kurzschenkeligen
Formen des insularen r nnd y verkennt.
■'') James druckt fälschlich: ' faldhiu pena' .
*) Wohl zu ergänzen zu: 7 hundnigontig [von u ist noch der rechte
Grundstrich erhalten], so dafs der Eintrag lautete: j .VL-^-lrnndni^onti^
sceapa.
i,
159
.... nhiind^) ceasa; .Vll. sysfras^) himi^es; ojiar
. . . Ifhiüid^) fojira cornes^): .ccc. cecera asaiuen.-')
Nach freundlicher Mitteilung von Felix Lieberniann, der
durch seine tiefgründigen Anmerkungen zu dem Texte, die
ich unten mitteilen kann, das Verständnis des Fragmentes
überhaupt erst erschlossen hat, handelt es sich bei dem
Stück um den „Vermerk des Gutsherrn (oder eines Amt-
mannes) über sein (der Ortsname fehlt, vielleicht einziges)
Herrschaftsgut, im besonderen die ihm daraus erwachsende
Naturalien-Rente." „Natürlich könnte der Grundherr auch
eine Kirche sein."
fifnihte 'fünf Nächte [d.i. Tage] alt', s. Archiv CXXIX,22
Anm. 2.
forepryciies [lies forpryciies] 'Bedrückung' = lat. pressura:
'In hoc mundo pxcsuram hahchitis, mundus hie gaudehit;
uos autem tristis [lies tristes] eritis, sed tristitia uestra con-
uertit in gaudium [Job. XVI, 20]. ^e sculon hdUban forc-
Prycnesse on pyssum middan - gearde, 7 ^es middan - secird
scfyhd; 7 ^e hiod un-hlide 7 hwmdere ^e hiod unsiofiende;
hio se-cijrreö eft eow on sefcan. Verc. fol. 72a (Hom. XI).
forlieafod 'Vorderhaupt' (B-T nur Glossen -Belege]: Manig
man hcefd mycel fex on forheafde 7 gewurö Jjeh fcerlice calow,
Disticha Catonis B Nr. 40.
foriiyrwan 'bedrängen', s. Archiv CXXVIII, 57 Anm. 6.
forscyriau 'absondern, trennen': 7 we us urne Dryhten ondrce-
dan, Jjcenne ive hyne mid his mce^en-lnymme cumendne
sesiod in öam dorne mid his en^lum. 7 hie Ijonne Jja en^Jas
him leforan sinsan onsinna]) 7 cwedaÖ: 'ArisaJ) nu ealle l)a
1) Lies sifonliund oder nigonhund.
2) Über das Hohlmafs 'Sextar' s. Liebermann, Gesetze d. Ags. II, 2
S. 64S und 31L — James druckt fälschlich 'avstnas'.
^) Lies: twelfhund.
*) James druckt fälscWich: 'folma connes'.
^) Dazu schreibt Liebermauu: „300 Acker besät heifst: die Hinter-
sassen haben der herrschaftlichen Domäne (die ja einen Teil des Ilerrschafts-
guts in eigener Wirtschaft hält) 300 Äcker mit ihrem (der Bauern) Saat-
korn zu besäen."
IGö
forsciriäan [forscyredan Bodl. 340 fol. 33b] 7 gehyrad
Drijlünes stemne' Verc. fol. 59b (Hom. VIII)
forö-ädilgiaii 'forttilgen, austilgeu, yeruicbten': Men da
Jcofestcüi, manad us 7 myndsaö on Injssum hocum sanctus
'^resorius se halega writere, se öis s(^writ sette 7 wrat, ])ait
%ve ymh us sylfe eorne [seorne Bodl. 340 fol. 33a] Jjejicen.
Leereff he us, ])Hit ive sien s^-'^nyndisc J)ara ivorda, J)e Dryhteti
scede on his hocum, dcet Ins ivoruldlice lif sceolde forÖ-ge-
wiian 7 forö-adUsod hion. Verc. fol. 59=^ (Honi. VIII) und
Bodl. 340 fol. 33 a.
foröiin^ 'Förderuüg', s. Archiv CXXV, 49 Anm. 2.
forwyiiit n. 'Verbrechen' Verc. fol. 10b (s. oben S. 90 Z. 4)
und Hatton 116 pag. 387 (s. oben S. 132 Z. 5). Das Wort
war schon von Soraner-Beusou verzeichnet als: forivyrht
'delictus\ Bosworth-Toller belegt nur das Kompositum män-
forivyrht (Crist 1095).
framllc 'stark', B.Archiv CXXVIII, 300 Anm. 11. Tollerweist
mich freundlichst darauf hin, dals das Adjektivum auch im
ae. Beda I c. 3 (iioht fromlices Hs. B) begegnet.
full-pUDgenues 'Vollgedeihen': Po7ine ys se fifta heafod-leahtor
se-civeden yrre. Purh Jjcet ne mceg ncm mann hahhan full-
Inm^ennesse hys ge-J^eahtes, Verc. fol. lila (Hom. XX); vgl.
die lat. Quelle Ps.-Alcuin, De virtutibus et vitiis c. 31: Ira
una est de octo vitiis prmcipcdibus ; quae si ratione non
regitur, in furorem vertitur, ita ut homo sui animi impotens
erit, faciens quae non convenit. Das zugrunde liegende ful-
Imngen begegnet in der Benediktiner-Regel ed. Schröer 133.
ful-weris 'sehr müde': ive J)onne gejjeticaji, hu dysiglic ])cet sie,
//(ait) ane on hwylcne sidfcet feran 7 ful-weyig
on pa 7 ponne neue, Jjcet se sidfcet 7 se wej
cefre geende. Verc. fol. 77a (Hom. XIV). Die punktierten
Stellen sind fortradiert.
fyrre 'erster' (an. fyrre), s. unter erfle.
6£este-doni 'Geistigkeit', Verc. fol. 64a (s. oben Hom. IX S. 112
Z. 8).
sealpettau 'prahlen' zitiert Napier aus Verc. fol. 17» (Hom. IV)
richtig mit der Bedeutung 'to hoasV. Er meint aber, dals
es in dem Vercelli-Beleg die Bedeutung 'to live gluttonoushf
IGl
zu haben selieine. Ich vermag ihm darin nicht beizu-
stimmen und glaube, dafs wir hier mit der ursprünglichen
Bedeutung 'prahlen' sehr wohl auskommen, wenn wir die
beiden Verbalbegriffe des Vordersatzes nicht als Synonyma
nehmen, sondern als gesonderte Begriffe, die allerdings sich
leicht zu einem einheitlichen Bilde, dem des prahlenden
Prassers, verschmelzen. Die Stelle lautet in der Vercelli-
Handschrift: Paöe her swiöost scilpettad 7 on imriht-hadian
[nicht unrihttidum, wie Napier druckt] on oferfijllo hioö for-
sripene, ])a hioÖ Peer on mcestum liun^re for-])rycced. Statt
foT^ripenc druckt Napier for^rkvene, und ich mufs anerkennen,
dals der fragliche Buchstabe keine ausgesprochene jj-Form
hat, so dafs ein Schwanken möglich ist. Aber es ist auch
kein entschiedenes w. Gegen die Auffassung als p spricht,
dafs er nicht eine so energische Einziehung des Rundbogens
aufweist wie sonst. Gegen die Auffassung als ^u spricht,
dafs der Bogenstrich nicht so weit heruntergezogen ist, wie
sonst beim w^ und dafs derselbe in einen (allerdings nur
schwach ausgebildeten) Punkt ausläuft. Auch die Richtung
und Lage der Druckstelle scheint mir eher für p als für 10
zu sprechen. Alles in allem möchte ich also annehmen, dafs
der Schreiber ein p meinte. Hinzukommt, dafs ich mit for-
sriivene nichts anzufangen weifs, da ein solches Wort weder
bisher belegt noch in etymologischen Zusammenhang zu
setzen ist. Selbst wenn der Schreiber deutlich forgriwene
gesehrieben, müfste es meiner Ansicht nach in for^ripene
gebessert werden. Das letztere findet Anwendung auf eine
zweite ähnliche Stelle derselben Homilie fol. 21b, wo der
Schreiber deutlich he-^riicen geschrieben hat: in ofer-fyllo he
wces be-grhven on un-riht-tidum. Da tv das j; an Häufigkeit
des Vorkommens im Altenglischen bei weitem überragt, ist
die psychologische Einstellung der Schreiber von vornherein
auf iv gerichtet, so dafs dieses ihnen leichter in die Feder
fliefst.
searlice 'völlig, klar' (neben sonstigem ^earolice) s. S. 168 unter
leseleoht.
gebau. Hierzu bietet Bosworth-Toller die beiden Bedeutungen
1. 'Befehl', 2. 'Zyklus von 15 Jahren'. Es fehlt die Ur-
bedeutung 'Aufgebot (zu einer Versammlung)', die das Wort
Studien z. engl. Phil. L. U
162
z. B. Be domes-dcege 130 hat: Bio geban micel 7 ahoden pider
eal Adames cnosl = lat. omnes imriter honmies cogentur adesse.
[Ich glaube, dafs das den Sinn störende ce^ie zu Beginn des
Verses ganz zu streichen ist. Die Änderung in Jxjenne (Traut-
mann bei H. Lohe) dünkt mir lahm.]
Sebrasl 'Geprassel' erscheint Be dömes-dce^e 262, Wulfstan
1392i', Verc. fol. 115b (s. oben S. 90 Z.21) und als sebrasÜ
Wulfstan 186 & Hs. C [letzterer Beleg fehlt in Dodds über-
haupt wenig befriedigendem Wulfstan-Glossar].
sebrosuian 'zerfallen' erscheint Wulfstan 1482*, 187^3 un^
Verc. IIa (s. oben Hom. II S. 92 Z. 12 f.).
sebresdnes 'Not, Qual' Hatton 116 pag. 388 (s. oben S. 133
Z. 17). Schon Somner - Benson - Lye führen ein gehregdnesse
'terror' an.
geörycceduysse 'Bedrücktheit, Bedrängnis' weist mir Karl
Glaeser nach aus Vesp. D. XIV fol. 77 a: Tacna gewuröed
on sumie 7 on mone 7 on steorran, 7 on eoröen hyö ])eoda
geörycednysse [so mit einem c die Hs.] for gemoengednysse
scelicra yÖan 7 siveges, wo Thorpe, Hom. I, 608 2 ' ofdriccednys
liest.
seelfremed 'entfremdet': Foesten ys haiig ping .... 7 se hyÖ
"^ode s^l^eodd, seÖe liyt haliglice ded; 7 he hyÖ geelfremed
fram middan-^erde, 7 he hyö gastlic ge-worden. Verc. 110a
(Hom. XX).
sehsefteud 'Gefangene', Hatton 116 pag. 395 (s.oben S.136 Z.34).
seliealde (?) 'zufrieden, sparsam': Beo gehalde [gehealden AB]
on Imm de 2>u hcebbe. Unpleoricre [lies Unpleolicre A, Vn-
pleolucar B] hyt hyÖ on liÜum scype 7 07i litlum wcetere
J)ane on miclum scype 7 on miclum tvcetre. Jul. A II fol. 142 a
= Disticha Catonis Hs. a Nr. 27. Nun ist wohl bei der
Übereinstimmung der beiden nicht verwandten Hss. A und
B gehealden jedenfalls die ursprüngliche Lesung. Das schliefst
aber nicht aus, dafs das in a tiberlieferte und formell mög-
liche gehealde oder gehylde daneben als Adjektiv existiert hat.
sehrorenlic 'vergänglich' belegt Napier mit zwei Beispielen.
Ein drittes erscheint, mit falschem (stummen) d, in der
XVI. Vercelli-Homilie: 7 he [d.i. Crist'\ swa cwoed, Pcet
lohannes him andswerecZe 7 him to civceö, öcet öcet wcere
163
Sedauenlicra, J)(ßt Crist hine gefulwade, deali-lie he da liim
io ctüome, efne siva-swa he cwcede: 'Ic eom deadlic mann 7
gehrorendlic, 7 purh Adames scylde ic eom gebunden; 7 ic
fordan hcebhe ]}(€s fulwihtes hceö 7 Jjcere clamsunge Itearfe'
Verc. fol. 86 a.
gemetues 'Mäfsigung': Gemetnysse hyö eönysse. Vesp. D. XIV
fol. IIb r= Disiicha Catonis B Nr. 81 (A: Gemet ne secÖ
nan selre).
seoiid-scriöan 'durchschreiten' fehlt bei Bosworth-Toller. Doch
findet es sich bei Wulfstan 250 3 und Anglia VIII, 302 (Hall)
sowie in der XX. Vercelli-Homilie (Verc. fol. lila): Ponne
ys se syxta heafod-Ieahtor ^e-civeden sleacnes, seo deraö pearle
for-oft, J)a7n-J)e "^ode peow^ean willaö; foröam poit mod ^eond-
scriö geond eallo pins = Ps.-Alcuin, Be virtutihus et vitiis
c. 32: Äcedia est pestis, quae Deo famulantibus multum
nocere probatur ; .... et otiosa mens x>er omnia discurrit.
seoulic 'jung', Verc. fol. 62a (g. oben Hom. IX S. 103 Z. 20).
seoiislö 'Jenseitsfahrt, Hinscheiden': Butan tweon cefter hyra
seon-slde hie to helle-iüiium heod seJcedde, 7 ])oer ponne on
ecnesse sceolon mid deof{l)um ivitu pa s^i^^'^^iGstaii 7 J"^
e^esfuUan, pe un-asecsendlic syndon, liolian. Verc. fol. 112b.
sesejenlic 'sichtbar'. Diese anglische Form zu öfter belegtem
WS. geseivenlic erscheint Hatton 116 pag. 394, s. oben S. 136
Z.29.
sestäl n. 'Anklage' erscheint im Corpus-Glossar 1421 und den
Cleopatra-Glossen W.-W. 459''. Dazu kommen noch im fort-
laufenden Text vier Belege in der IL, IV. und XXI. Vercelli-
Homilie: Eala, men J?a leofestan, hu us is to ondra'danne,
pcet 2ve stcelan sculon on domes-da'^e heforan ealles middan-
geardes deman 7 heforan eallum menni{s)cum. cymie. 7 eall
helle-mwsen pis sestal ^e-hyraÖ. 7 eal engia iverod j-heah-
ensla heoÖ Py mete heforan "^ode, paot hie sculon pam sod-
fcestum sauulum [!] onfon 7 him piniende hion. 7 eall hel-
warena rnce^en cymp to pam dome, /)8et hie pcet s^-stal ^e-
hyren (Verc. fol. 18b) und Verc. fol. 10b = 115b (s. oben
S. 91 Z. 10).
Äestefuiaii 'vor Gericht zitieren, verhandeln, festsetzen', Verc.
fol. 83b (Hom. XV, s. oben S. 125 Z. 8). Das Simplex stefnian
11*
164
ersclieint dreimal in den Peterborougli-Annalen (zu 1048 und
1093). Das Wort stammt jedenfalls aus an. stcfna 'vor-
laden, festsetzen' (J. Steenstrup, Danelag- S. 182f.). Zur Sache
siebe Liebermauu, Oes. d. Ags. II 2, 724, woselbst auf Brunner,
Deutsche Rechtsgeschichte II, 333 verwiesen ist.
gestrod n. 'Plünderung'. Bosworth- Tollers einziger Beleg
Boetbius e. 3 § 4 läfst diesen zweifeln, ob die Bedeutung
'plunder' anzusetzen ist, weil das Wort bier mit einem
sestreon der anderen Hs. konkurriert. Sieber liegt die Be-
deutung 'Plünderung' vor in der XL Vercelli-Homilie: Magon
we nu 07isitan, men pa leofestem, ])cet-te ure ealra ende
swide mislice to-iveard nealceeed. Nu syndon pa "^odes cyrican
hereafode 7 J)a iviofeda to-worpene Jmrh hosdenra manna
^ehresp 7 g^strodu. 7 pa weallas syndon tohrocene 7 toslitene
7 ])a godcundan hadas syndon geivanode for hyra sylfra
gewyrhtum 7 ^eearnunsuni. Vere. fol. 73a. Hall weist auf
Vesp. Ps. 61, 11 und die Cleopatra-Glosse jestrod 'proscriptio-
nem' W.-W. 500 3^, leb glaube aber nicbt, dafs auf Grund
biervon mit Hall eine zweite Bedeutung 'proscription, exiW
anzusetzen ist; es wird nur eine ungenaue Glossierung oder
vielmehr Anglisierung des fremden Begriffes vorliegen.
geswencennes (Hs. geswcencennysse) 'Kummer', Nebenform zu
geswenced7iess, erscheint Vesp. D, XIV fol. 76 a (s. die Stelle
unter hceftnes).
geswiucleas 'ohne Plage' erscheint in der ae. Elucidarium-
Version von Vesp. D. XIV fol. 160b: Pa geaf God Mm ane
wica, Jjcet he ncefre ne hyd geswyncleas [ge über der Zeile];
for he is smid, His heorö is seo gedrefodnysse 7 seo tyn-
trega; ^a hameres 7 Jja heiiges synden pa costninga; pa
tangen synden ehteres ; pa fielen 7 pa sagen synd pcera ma?ina
tungen, pe wyrced hatunge hetweoyien heora emcristene 7
hlidelice specad yfel = Elucidarium lib. II c. 4: Fecit eum
Deus Idboriosum fdbrum in hoc mundo, ut coactus totis
viribus serviat. . . . Cuius fabri caminus est afflictio et
tribulatio; folles sunt tentationes et suggestiones ; mallei et
forcipes sunt terrores et persecutores ; limae et serrae sunt
linguae maledicentium et detrahentium.
sepristlJecTing 'Erdreistung' = lat. praesumptio: Se forma
heafod-leahtor ys ofer-modipies, seo ys ^e-cweden cwen eallra
I
165
yfela. ... Of ]>cere hijd sodlice acenncd celc un-liyrsumnes 7
^eljristlcecuns 7 s^flit 7 .scdivyJd 7 ^ylp 7 oJere manesa yfelu,
Verc. fol. 110b = Ps.-Alcuin, De virtutihus et vitiis c. 27 :
Frimum vitium est spirituale, superUa, . . . quae regina est
omnium malorum. . . . Ex ipsa vero nascitur omnis in-
oboedientia et omnis praesumptio et omnis pertinacia, con-
tentiones, haereses, arrogantid.
gepeoTva 'Verknecbteter' (wolil nicht 'Mitsklave'), Verc. fol. 62a
(Hom. IX, s. oben S. 104 Z. 2). Liebermann bezweifelt diese
Deutung.
3eJ>wornesse 'Verkehrtheit, Schlechtigkeit' = lat. pravitas.
Verc. fol. 119a (Hom. XXII, s. oben S. 145 Z. 5).
Äeunfjestnian 'unfest, kraftlos machen': Poime hceß ])CBt
dioful ^eiüorht hosan 7 strcela. ... 7 celce d(e^e pws diofles
tvilla hiÖ, 2)set J)issa stnela nan ne sie ^eunfcestnod, ^if he
findan mw,s, hivcer he hie afcestnian moese. Verc. fol. 24 a
(Hom. IV).
sewitende 'vergänglich' als Adjektiv: Pis andwearde lif is
heard 7 s^-ivitende 7 swide s^sivincfull 7 mid manigfealdum
costimsum. Verc. fol. 79b (Hom. XIV).
Slaes-se^ot n. 'Glasgufs': Peer woes getymlro on Beles dci^um
(7) lohes temple of isernum geivorcum 7 of slces-sesotum
Vitell. A. XV = ae. Mirabilien-Version c. 24, ed. Fr. Knappe,
Das ags. Frosastüch 'Die Wunder des Ostens^ (Berlin 1906)
S. 58.
SOdes-templ 'Gottestempel' Verc. fol. 91a und oft. Ich glaube,
dafs man mehr als bisher üblich solche Komposita wird an-
setzen müssen. Ob eine Genetivgruppe oder ein Kompositum
vorliegt, kann man doch wohl annähernd auf Grund des
Akzentes unterscheiden. Sobald beide Komponenten unter
einen Akzent zusammengefafst werden, sollte man ein Kom-
positum annehmen. [Jetzt X.Bergsten, Compound Suhstantives
in English, Upsala 1911, S. lOOff.J
hjeftnes 'Gefangenschaft' ist überliefert Vesp. D. XIV fol. 76a:
Hit sceigd on halgen hocan; ])2di cefter gearan ymhryne swa
geiüurden scide, J)vei ecdl middeneard mid hoedenra ])eode
gedrynge 7 mid heordan [das d über der Zeile; ob von
späterer Hand? vielleicht ist vielmehr heora zu lesen] hceft-
166
nysse swa swyde gedrecced 7 gedrefod ivuröeö, J)ait hine
uneaöe cenig riht gelefcd mann mid pan heofonlicen Thinges
tacne gebletsigen mote oöde gesenigen dürre. Pas gesivcencen-
nysse we mugcn nu mycele mare on us sylfen ongyten, Jjonne
we hit on hocan leornigeyi. Oder kann obiges lueftnes viel-
leicht als 'Siclifestsetzen, Niederlassung' verstanden werden?
haeftuiig 'Fessel': Ac Jia gode mcenn, Jie hahhcö pine on pyssen
middcnearde, for J)an cwarterne 7 for Jja lioiftunsan heo
seiden lidbben pa heofenlice seien; 7 for Jm sivinglen heo
gebideö frofre 7 Misse, Vesp. D. XIV fol. 163 b = Elucidarium
lib. II c. 6: Ita iusti pro carcere recipientur in ceterna
tabernacula, pro verueribus ohtinehunt gaudiuni et laetitiam.
Vgl. das hcefting 'Band' des Nicodemus-Evangeliums.
heali-prymm 'Herrlichkeit' Be dömes-doe^e V. 96.
healdsum {E.ä.halsiim) 'genügsam', s. Archiv CXXIX,25 Anm. 1;
vgl. healtsumnesse, Napier, 0. E. Gl. 1,1101.
hecen 'Bock', s. Archiv CXXV,48i.
helle-c«se 'Höllenschlüssel', Verc. fol. 85a (Hom. XV; s. oben
S. 128 Z. 4).
helle - mjpseii 'Höllenschar': Pa-Jye her hioö pa mcEstan dry-
ic^an 7 scin-lacan 7 sealdor-cr(Bfti^an 7 hjhlacan, ne cuma])
Jja ncefre of pcera wyrma seade 7 of Jjces dracan ceolan, pe
is Satan nemned; Jxer cet his ceolan is poet fyr ^ebet, pcet eall
helle-rnoßsen on his ivylme for pces fyres hceto fonveorÖeö.
Verc. fol. 17 b (Hom. IV).
higendlice 'eilig', die ae. Vorstufe für das me. hisendliche
(Layamon usw.), weist mir Karl Glaeser nach aus Vesp. D. XIV
fol. 30»: Pa nolde he heo siva higendlice acwellen, wo Thorpe,
Hom. II, 42414 liest: Ba nolde he hi soemtinges acivellan.
Milder Adj, 'nachträglich; lästig': Heo nebyd noefre teonlease;
for heo byd geteontreged. mid hindre gedanca, Vesp. D. XIV
f. 162 b = Elucidarium II c. 6 sine supplicio non sunt, quia
saeva conscientia cruciantur. Dieses ist der früheste Beleg
für die aus der Nominalkomposition herausgelöste adjek-
tivische Verwendung von hinder-, die bisher erst aus dem
13. Jahrhundert belegt war (Oxf. Dict.).
liiiidernes 'Hinterlist' im ae. Elucidarium Vesp. D. XIV
fol. 161b: God Icett libben Pa yfele mccnn, for pan past pa
167
gode heon Jmrh heon gefandode, oööc psct heo heo heöcencen
7 gecerren of heora hindermjs.-ie 7, hate heo gecerren, hcora
pine ivurd Jja mare = Elueidarinra lib. II c. 5: Mali ideo
diu vivere permittwitur, ut eledi per eos exerceantur et a
vitiis corrigantur, ipsi verso post maioribus suppliciis tor-
queantur.
lihvfe^er 'scbüDgestaltig': Eawla, tvif, to hwan wenest öajnnes
lichoman hcele mid smyriuse 7 oft-pwcale 7 oörum liÖnessum?
Of öam cijmcö unhcelo, nah [vgl. alid. nals] mwgen, J^if öu
])a ilcan olcdonge [vgl. S. 170 unter olehtuns?] pam lichomaji
[dahinter fehlt etwas, mindestens ein Verbuni], hitv-fa^gere
hid, ponne hit (er looes. Vere. fol. 58 a (Hom. VII).
hläford-swlc 11115 'Ilerrenbetrug': Yton us nu ealle pe ^eoriior
ivarnian 7 forlcetan urne ^edivolan 7 unriM-licemedo 7 cer-
cetas 7 ofcr-dnmcenncssa 7 hiaford-stvicunja 7 ofer-mett 7
andan 7 oferfißle 7 ^alnesse 7 sceandlicnessa 7 leohtbrcednessa
7 idele sproica 7 ealle widcennessa 7 eallc yfelo. Vere. fol. 110»
(Hom. XX).
hlytiiian '(durch Los) zuerteilen'?: Imrli maiiijfeald geivinn 7
ear[fodnesse ausradiert] ive sculon geearnisan, Jicet we moton
hecuman on "^odes vice; forpan ce^hivylc para manna, pe for
Ms naman pctt ^vile, pcet he arfcestlice mid Dryhtne riesige
on heofona-rices j^fean, he ponne ceghiüylce ehtnesse 7 ear-
foäiiesse mid geprßde abere, siva ive panne nu purh missen-
lico god 7 purh mmiigfeald gastlic geivin Dryhten [lies
Dryhtne?] fultumendum lue [zu streichen] sculon tiliayi, pcet
loe to Pam ecan sefeaji hecuman moton, pcet [lies p(Br] hid
celc man to his yldrum hlytmeÖ [lies hlytmed?]. Vere. fol. 77b
(Hom. XIV).
läröeaw 'Lehrer', das man meist als Grundlage von läreow
ansetzt (Sweet, Anglia 111,152; Sievers §43, Anm.4; ßlUbring
§ 396), ist mehrmals in Vesp. D. XIV belegt. Schon Hall
hatte auf die Stelle aus der Ps.-Alcuin- Version (ed. Assmann,
Anglia XI, 374) verwiesen. Es erscheint aber auch z. B.
Vesp. D. XIV fol. 38a (dreimal): Pa ceapmcen hinnen pan
temple getacnodan unrihtivise laröeaives on Godes geladange.
. . . Oxe tyled his hlaforde, 7 se laröeatv sylÖ oxen on Godes
ciricen, ggf he hegced his laferdes teolunga Se lardeaw
hyd culfre cepe, pe nele pa gyfe, pe Mm God forgeaf hüten
168
his geearnungctiy odre mannen hüte sceatte nytte don (= Thorpe,
Hom. I, 410 ff., wo jedesmal lareow steht). Oder Vesp. D. XIV
fol. 50b (zweimal): CivceÖen peh ceghwylce laröeawes, Jt^t
hire sune, se-pe on Jjan ^ridden dceige mihtlice of deade aras,
])set he eac his modre lichame of deade aroerde. . . . Eac siva
gelice forrwel ma7iega laröeawes on heora boca setteji . . .
(= Thorpe, Hom. 1,440 lareoiv). Oder Vesp. D. XIV fol. 123 a:
Paulus se apostel, eallra peode laröeaw {= Thorpe, Hom.
11,332 lareow). Oder Vesp. D. XIV fol. 128a: Purh feower
pmg losied manna sawlen : J)8i?.t is Jmrh lehtres 7 J)urh deofles
tyhtmige 7 ])urh laröeaiües gemeleaste 7 purh yfele ge-
hisnunge unrihüvisra heafodmannen (= Thorpe, Hom, II, 342:
lareowa). Oder Vesp. D. XIV fol. 146b: Ac swa-])eh seo
gastUee getacnung Jjcere gereccednysse helimpö to Cristes
mcenniscmjsse 7 to his geladunge, swa-siva laröeawes trahtodan
(= Thorpe, Hom. II, 460 : lareoivas).
leje-leoht 'Flammenlieht': Hwcet, we seseoÖ ponne gcarlice,
2>cet ])is fyr, p)e her man leforan us hafaö, [hivcet, ])cet] is ayi
leg, 7 hiüceöre se an leg ])reo pmis fullice on him hafad. He
hafad cerest his sylfes onsijne, pjmt he is hwit, siva we geseon
magon, 7 Jjonne is ])(Bt Iwidde [also fehlt etwas, das Zweite],
J)(Bt lihteÖ eall geoiid eoröcern, sehivilum mycle ividdor ponne
sceole. 7 po7ine is hit hivceöre an leg 7 7ie mceg cenig man
}cet hate fram öam hivite ascadan, 7ie dcet hivite fram pam
lege-leohte; ac JxBt is an fyr, swa we geseoö. Verc. fol. 89 b
(Hom. XVI).
leoht-torjednes 'Leichtfertigkeit' haben wir in der XX.Vereelli-
Homilie (fol. lila), wo es das lat. levitas wiedergiebt: ])onne
ys se oder heafod-leahter .gecweden gifernes, seo ys unge-
metigende geivilnuns mgöer ge cetes ge wcutes. ... Of pcere
hid acenned ungescead Miss 7 sceandlicnes 7 leoht-brcednes 7
idel sprosc 7 lichoman unclcennes 7 unstadolfcestnes modes 7
druncenes 7 galnes 7 oöere mane^a yfelo unatellmdlice
= Ps.-Alcuin, De virtutihus et vitiis e. 28: Primum est cor-
porate peccatum gula, id est, intemperans cihi vel potus
voluptas. . . . De qua gula nascitur inepta laetitia, scurrilitas,
levitas, vaniloquium, immunditia corporis, instdbilitas mentis,
ehrietas, libido. Weitere Belege für das Wort finden sieh
Verc. fol. 110a (s. die Stelle oben S. 167 unter hlaford-swicung) ,
160
in der Benediktiner-Hegel ed. Schröer 76 ^^, wo der Heraus-
geber (S. 249) fälschlich die Übersetzung 'Andentaglegen'
vorschlägt (iviÖ leohthrcednesse idelra worda), und in der
Aldhelm-Glosse leohthrcednesse 'lasciviae' (Napier, 0. E. Gl.
1,4706; Z.f.d.A. IX, 515ii, wo ein falsches Glossem ange-
geben ist).
lyre-wreiic 'Verlust -schaffende Ränke': La, hivi ne mot ic
hdjhan, ])(et ic me sylf hc^et ynid minum lyre-wrencum?
Vere. 23b (Hom. IV).
maii-cyst 'menschliche Tugend': Healdan ive eac J)cet mid
^odum dcedum 7 mid ceöelum mcüi-cystum, pcet ive beon godum
mannum geJice in dam. mce^enum, ])e ive don magon, 7 in dam
dcedum, ])e lüe purliteon ma^on. Verc. fol. 93 b (Hom. XVII).
niarmclstäu bezw. marmorstäii 'Marmorstein' erschien in der
Phöuix-Homilie, die Fr. Kluge Encjl. Stud. VIII, 476 flF. heraus-
gegeben hat. Die erstere Form bietet die Londoner Es.,
Vesp. D. XIV fol. 167 b (his forebreost fce^ere gelieowed simjlce
marmelstan mceres cinneB), die letztere die Cambridger Hs.,
Corp. Chr. Coli. Nr. 198 fol. 875b (his forebreost fw^re ^e-
hkvod sivylce marmorstan mcerost cynnes). Die Form marmel-
stan (vgl. frühmhd. marmilstein) ist besonders deswegen
interessant, weil sie die Grundlage für das ne. marble-stone
ist, welche im Oxforder "Wörterbuch erst seit ca. 1200 belegt
ist. [Das Simplex marble ist erst seit dem 14. Jahrhundert
belegt.]
niealni-stän 'Sandstein', s. Archiv CXXIX, 48 Anm. 1.
mere-steall 'stehendes Gewässer' (vgl. ae. wcetersteall Gtiöläc
c. 3 = lat. stagnum) : Ac of Jxjere oferfylle cumaö ])a un-
rihtan lustas, s^^ice 7 on mere-stealJum wyrmas tyddriaö, 7
of öosre semetegunse ^od wiorc, ^elice 7 of clcenre eoröan
$ode ivcestmas. Verc. fol. 58b (Hom. VII).
met-sceatt Verc. 73 b = ae. med-sceatt.
napcedu 'Nacktheit' (gt. 7iaqadei): A7id ]>cer is eagena wüp 7
toda grist-bituns ; and ])an- syndon pa unmcctan pnjstro; 7
^a?r is egesa 7 fyrhto; 7 ])cer is siviÖ -hreownes ; 7 ])air is
unriht-wisnes; 7 J)cer is hunger 7 ncecedu: 7 pcer is yrmöo
7 nearones; 7 pcer is unmoete cyle 7 unahefendlic hceto ge-
meted. Verc. 60 b (Hom. VIII); vgl. ae. nceced.
170
nöiidwite 'unentrinnbare Strafe' weist mir Karl Glaeser nach
ans Vesp. D. XIV fol. 126»: Swa se lichame hjö ontend Jmrli
imalefde lustes, swa eac heornd seo sawle ]mrh neadivüe
(= Thorpe, Hom. II, 338^0 : öurli neadivis ivite).
uisaniiihte 'neun Nächte (d. i. Tage) alt', s. Archiv CXXIX, 22
Anm. 2.
nihtsiiiuiies 'Eeichlichkeit' (vgl. ae. s^nylitsumnes) , Verc. ful. 81a
(Hom. XV, s. oben S. 118 Z. 11).
ofdünrihte 'direkt abwärts, hinab', Bodl, 340 fol. 38^ (s. oben
S. 110 Z. 10). Altester Beleg für ne. doivnriglit.
oferyldu 'übermäfsiges Alter', Verc. fol, 63a (zwei Belege),
s. oben Hom. IX S. 107 Z. 3 f.; vgl. ae. ofereald Keg. Bened.
ed. Schröer 61^2.
ofweard 'abwesend', mit analogischen of-, für ae. cefivcard:
7 we eac Iceren oÖre men, ])oyine lue to us cymen, J)cet we
donne ealle, ])e selran sien, ^e onivearde ^e ofwearde, pas
godspelle 7 Jm sodan lufan "^odes 7 manna eorne [= georne]
healden anviordlice eallum tidum usses lifes. Verc. fol. 75 b
(Hom. XII).
ölehtuus 'Schmeichelei': "^emunaö eac, pa-de eall Iura lif
071 ])isse 'worulde on olehtunsum lifedon, Verc. fol. 57a
(Hom. VII) und: Bona se lichoma sceal bion unfceser, ])onne
he mid unrotnesse 7 mid sare aseted hiö, öa cumaÖ of dam
lidan olehtunse, Verc. fol. 58 a (Hom. VII). Ein unmittelbar
vorhergehender Beleg derselben Homilie, dessen Wortlaut
oben unter hlwfa'^er S. 166 zu lesen ist, bietet olecümse,
was wohl durch psychologische Kreuzung von oleccung und
olehtuns dem Schreiber in die Feder geflossen ist. Vgl. auch
ölyht-ivord Blickl.-Hom. 992«.
onäsäwan 'aufsäen auf: Imt hyö sodlice oferswiöed ])urh ^e-
dyld 7 ])urh Ijolomodnesse 7 ])urh anAsytUc ,^escead, de "^od
on-a-scewd on manna modum Verc. fol. lila (Hom. XX)
= Ps.-Alcuin, De virtutihus et vitiis c. 31: Quae vincitur per
patientiam et longaniynitatem et per rationem intellectualem,
quam Dens inserit mentibus hmnanis.
onblinnan 'aufhören' {= äblhman) , Verc. fol. 81a (Hom. XV,
s. oben S. 118 Z. 12).
onstJelan 'zuschieben, beschuldigen', Verc. fol. 10a (Hom. II,
s. oben S. 89 Z. lOf.) und Verc. fol. 115a (ebenda).
171
outinibernes ist in der übertragenen Bedeutung 'Erbauung,
Belehrung' in der ae. Beda-Version IV c. 17 belegt. Die
urs})r angliche konkrete Bedeutung des Wortes 'Stoff, Materie'
erseheint in der XV. Vereelli-Predigt fol. 81b (s. oben S. 119
Z. 14).
onunder (Hs. anunder) 'unter': Se-])e amvealdes wilneö ofer
his hlaford, for tivam Jnngoi he his ivilhieÖ: oder for he
ivyle pone hlaford lecgen anunder hine 7 scÜigen him mid
J)an, pcet he sylf sitte ])e ufer; oÖde he ivyle Jjone hlaford
hahhen up ofer hine sylfne 7 stigcn him sylf mfter 7 eae
onhagigen, sciifcn peh simle Jione hlaford heforen. Vesp.
D, XIV fol. IIb := Disticha Catonis B Nr. 86. Vgl. ae. onufan
(z.B. auch Verc. fol. 63 b, s. oben S. 108 Z. 6) und onuppan.
onwarian 'sich hüten' fol. 62b und 63b (Hom. IX, s. oben
S. 105 Z. 4 und S. 109 Z. 10).
orenlice 'auf serordentlich, übermäfsig': l)a he [der Mensch]
fedde his lichoman orenlicost mid smea-mettum, Jja scearnode
he me [der Seele] Jiws ecan hun^res. Verc. fol. 22 b. Vgl.
ae. orcne 'aufsergewöhnlich' P'pist.Alex. Z. 554: ive da siodjjaii
hutan orenum Jnngum mete Jji^doJi (== lat. ab securis nobis
epulae capiicntur), Leechdoms III, 16 ^ {nan orne 'nichts Aufser-
gewöhnliches') und III, 702'^ {^uiÖ ornum utsan^e 'gegen über-
mäfsigen Stuhlgang'), wo Toller, meines Erachtens zu prägnant,
die Bedeutung 'unhealthy, harmful' annimmt. Dazu ae. un-
orne (Byrht. 256) und unornlic (Jos. IX, 5) 'gewöhnlich'.
Auch die me. Belege von orne und unorne fügen sich diesem
Bedeutungsansatze, der es sogar ermöglicht das (im Oxf.
Dict. zu frz. 07-ne gestellte) oriie der me. Freiraaurerregel
(V. 569) hierherzuziehen.
recel 'Weihrauch': Ere mid ])inen oxen 7 offre mid Jnne recele.
Vesp. D. XIV f. 10b = Disticha Catonis B Nr. 67. Die Form
recel, welche die Grundlage von me. rechelen 'räuchern'
(0. E. Hom. 11,133) und rechel-fat 'Räuchergefäfs' (vier Belege
bei Stratmann-Bradley) ist, stellt sich zum gewöhnlichen
ae. recels wie ae. scytel neben scytels 'Bolzen', ^yrdel
neben syrdels 'Gürtel', pricel neben pricels 'Stachel', hi-idel
neben br'idels 'Zügel', sticel neben sticcls 'Stachel' und sciccel
neben sciccels 'Mantel'. Das Neuenglische hat sich stets für
172
die Formen ohne -s entschieden (shuttle, girdle, hridlc, sticJcle,
prickle), auch da, wo die s-losen Formen im Altenglischen
noch nicht belegt scheinen (ne. ridcUe gegenüber ae. rwdds\
ne. hurial gegenüber ae. byr^els, wo mir die Erklärung des
Oxf. Dict. ^incorrecÜii formed as a sing.' also nicht richtig
seheint).
reliquia-söcu 'Aufsuchen (d. i. Besuchen) von Reliquien': 7^is
sijndon halige da^as 7 liahvendlice 7 ussum saivhcm Icece-
domlice. 7 us ^erised, ])cet we hie ivel hesansen mid ficstenum
7 mid gebediim 7 77iid reliquia-socnuYO- 7 mid usse eadmod-
lice s^in^e, Verc. fol. 71b (Hom. XI) und: 7 hie da ealle siua
dydon, 7 gesetton ])a him hetiüinan, Jjcet man a sydÖan sceolde
])as pry gan^dagas healdan fuUice mid fcestenum 7 mid
celmes-sylenum 7 mid cyric-socnum 7 mid eadmodUcum. s^nge
7 mid reliquia-socnum 7 mid eallum godum tveorcum, Verc.
fol. 109 a (Hom. XIX).
rynstjBf 'Runenstab' erscheint in einer J^lfricsehen Homilie
in Vesp. D. XIV fol. 135b: 2)a axode se ealdormann pone
hceftting, hiveöer he purh drycrceft oÖde purh rynstafes Ms
bcendes tohrcece (= Thorpe, Homilies II, 358 11, wo rimstafas
überliefert ist). Wie es scheint, liegt hier Anlehnung an
ryjie vor.
säris-cyrm 'Trauerklang', Verc. fol. 85a, s. oben S. 128 Z. 8.
scürfäh 'regnerisch, stürmisch' = lat. imhrosus, turbulentus :
Donne hit [der Jahresanfang] hyö monendceig, hit hyÖ scurfah
lüinter, 7 god loenden, 7 ivindig sumer 7 storemig, 7 gesivync-
full ha^rfest, Vesp. D. XIV fol. 75b (Bauernpraktik ed. Assmann,
Änglia XI, 369) =-: lat. Titus D. XXVI fol. 10b (nm 1020):
Si .11. feria [die Lunae ABEFHI] fuerint Kai. Jan., hiemps
mixta [hnhrosa D, d.i. Clm. 14456 fol. 75b, um 820 geschrieben],
vei' iocundum [bonum ABCDEK], aestas sicca et ventosa
[ae. ventuosa et tempestuosa B, d. i. Tib. A III fol. 36 a] et
vindemia 7ion bona [der Angelsachse las laboriosa, wie für
den Freitag in K, d. i. Ps.-Beda, Migne XC, 954]. — Ein
zweiter Beleg für scurfah steht in derselben Bauernpraktik
zum Samstage (Vesp. D. XIV fol. 75b): Bonne hit byd Sceter-
dceig, hit byd scurfah winter, 7 windig Imnten, 7 ealle
tvcestmes yfeles geivcende; scep cwelleö 7 ealde mcenn = lat.
Si .VII. feria [die Saturni BF] fuerint Kai. Jan., hiemps
173
turhuUnta [turhUla C^ turUnosa DGK u.a.m.], ver ventosum,
et fructus lahoriosus erit; oves peribunt, et senes morieiitur.
self-cwalu m. 'der Selbstmörder': 7 ])a-J)e her nellad hyra
sijnna andettan 7 betau, Iiidas J)07iüe 7 sylf-cwalan 7 hceöene
men, ne Jurfon hie to l)am dorne; ac hie biod sona fordemcde.
Verc. fol. 59b (Hom. VIII). Über Selbstmord in angelsächsiselier
Zeit s. F. Liebermann, Ocs.d.Äys. 112,479 (s.v. 'Grab' 2a D).
Vgl. ae. self-cwalu 'Selbstmord'. [Schon Napier, 0. E. Gl. VI, 26J.
seofonuihto 'sieben Nächte (d.i. Tage) alt', 8. Archiv CXXIX, 22
Anm. 2.
Siele (\vs. *s//6'/(?) 'krank', s. Archiv CXXIX, 21 Anm. 6.
sixuihte 'sechs Nächte (d.i. Tage) alt', s. Archiv CXXIX, 22
Anm. 2.
siiidonisc 'aus sindonischer (d. i. indischer) Leinewand'
(gr. öivdcöv) : Soö hit is, pcet ic hine abced 7 on clceneii syn-
donissce hrceiyle befeold. Vesp. D. XIV fol. 88 a = Nicodemus-
Ev., ed. Hulme, Mod. Phil. I, 592 12). Vgl. Fr. Straub, Lautlehre
der jungeyi Nicodemus -Version (Würzburger Diss. 1908) S. 71.
sleacmodues 'Schlaffheit, Faulheit' = lat. acedia: Witodlice
eahta synt heafod - leahtras pridde is sleac-ynodnes 7
unrotnes. Vere. 13a (Hom. III).
sni^tesold 'Reingold': 7 his sweora sivilce smmte^old [smete-
gold Vesp. D, XIVJ 7 his forebreost fcegre ^ehiwod. Corp.
Chr. Coli. Cambr. 198 fol. 375 b = Phöuix-Homilie ed. Kluge,
Engl Stud. VIII, 478 ^\
smjete-syldeii 'aus reinem Gold' ist bei Bosworth-ToUer durch
zwei Glossen belegt. In zusammenhängendem Text erscheint
es in der IX. Vercelli- Predigt (s. oben S. 114 Z. 1) und in
der Eremiten -Legende von Tib. A III ed. Kemble, Salomon
(& Saturnus 85^6 (smetegelden), s. oben S. 113, Varianten.
spicinj 'Nagel', s. Archiv CXXV, 51 Anm. 4.
sunnan-scima 'Sonnenschein'. Ein solches Kompositum setze ich
an Juliane V. 166 {Min se swetesta sunnan-scima, Juliana!),
Boethius 12^, 8923, 126 2" und Verc. fol. 59a (Hom. VIII:
Jionne ^cer ncenig man his sylfes gewyrhta behydan ne mces,
ne man his asenne andwlitan on Höhte wedere oööe on
sunnan-sciman becyrran ne moe^).
swär n. 'das Schwere; Kummer': Bis syndon sivares 7 ^e-
174
swinces da^as, siva we hit sylfe onsytan ma^on on Jjam
manisfcaldum. uniednessum, ])e dieghwamlice on manna-cynn
fealleö on misseividrum for manna jewyrhtum, Verc. fol. 73a.
sweofleuuess 'Schwefligkeit, Schwefelranch und -Gestank',
Verc. fol. 82 b (Rom. XV, s. oben S. 123 Z. 3).
swiö-hreownes 'starke Eeue', s. S. 169 unter 7icecedu.
sjn-l)ryue 'Sliudenbrennen' = lai ardot' luxuriae, Verc. fol. 118b
(Hom. XXII, s. oben S. 143 Z. 18).
teonleas 'ohne Leid': ßa arlease mcenn, peh Jieo liabhen on
pysser iviirlde sum dcel heora geivilles, pehliwedere heo hyd
wwiihtige, 7 7ie hjd heo 7icefre teonhase, Vesp. D. XIV
fol. lG2b = Elucidarium lib. II c. 6: Reprohi, quamvis Corona
regni potiantur, omnino impotentes sunt et nunquam sine
supplicio erunt. Einen zweiten Beleg- aus dem Elucidarium
s. oben S. 166 unter liinder.
töselaöiins 'Versammlung': On Jjam synt enslcL weredu 7 riht-
ivisra to^eladung Jjcer symle wuniendra, pcer hie ncefre leofe
ne totivcemaj), ne lade ne sGsamniad, ne ncefre dceg ne cymed
cefter dce^e ne niht cefter nihte. Verc. fol. 116 b (Hom. XXI).
töhäelan 'kastrieren; schwächen': Fordon ic halsie, J)cet we
urne lichoman 7 saiule mid ^eswincum ^estransien, ncdces mid
idehiessum tohcelen. Verc. fol. 58 a (Hom. VII). Vgl. das
Simplex hoelan 'kastrieren', das Schlutter aus den Leechdoms
III, 186 21 herausgehoben und mit Hinweisen auf deutsche
Verwandte (mnd. helen, heilen 'verschneiden', obd. heilen
'kastrieren' u.a.m.) gestützt hat {Anglia XXX, 131).
twysehtau 'streiten', s. Archiv CXXV,56 295.
tyuniiite 'zehn Nächte (d. i. Tage) alt', Archiv CXXIX, 22
Anm. 2.
psernian, s. weiter unten unter J)ornian.
pencendlic 'nachdenklich': Ac ive hivceöre ma^on for ])ces
lytlan ])in;^es hysene 7 Imt mceste eac geseon 7 ])cet an ymh
Jjencendlice leon, Jxet ive Jjy eö 07icnaican 7 onsyta^i magon.
Verc. 89 a (Hom. XVI).
))eof-sceaöa (?) 'Dieb', s. Archiv CXXIX, 24 Anm. 6.
pornian 'verlieren'?: Ne ondrced pu pe dead to swyÖe. Ne
leofeö man naht myriges, pa htvyle J)e he him ondrcett. Ne
■ forgitt ]ju hine peh ealne, pelceste pu pornise pces ecen lifes.
i
175
Vesp.D. XIV fol. 7l> = Disticha Catonis B Nr. 15 (die {luderen
Hss. haben Jjolise Trin. C. bezw. (Jolie Julius). Aus dem Zu-
sammenhang ergibt sieh, dals pornigen so etwas wie 'ver-
lustig gehen' bedeuten mufs und daher irgendwie mit der
Sippe von ae. Jjearf 'ich bedarf zusammenhängen wird, wie
das der Bedeutung nach passende an. ])arf)ia, jünger Jjmma
'entbehren; verlieren'. Sieher ist auch, dafs es, ebenso wie
an. iKirna, eine Bildung mit dem inchoativen Präsensformans
-nä- ist, Schwierigkeiten macht nur die Gestalt des Stamm-
vokales. Ein dem an. pania genau entsprechendes Verbum
sollte ae. *l)ear{f)nian lauten; und es scheint fast, dafs es
ein solches Wort wirklich im Altenglischen gegeben hat.
Wenigstens würde sich so am einfachsten das in den
Peterborough-Auualen auftretende ])cernode 'er ging verlustig'
{he J)us his arcehiBGO^rices Jjcernode, Laud Ms. zum J. 1119)
erklären, welches dann Monophthongierung des ea ^ ce (^?)
aufwiese. Dieselbe Ablautsform zeigt das me. Immen 'ent-
behren, verlieren' (Orm, Havelok usw.), welches entweder
die Fortsetzung des eben erwähnten heimischen ^Jjccunian
(mit Aufgabe der ae. Dehnung) oder eine Entlehnung aus
a.Tii.])arna darstellt. Natürlich liefse sich auch das Ixernode
der Peterborough-Auualen mit Kluge (Pauls Grundriss ^I^OSl:),
Björkman u. a. als Entlehnung aus dem Altnordischen auf-
fassen, wenn man sein ce als falsch archaisierende Schreibung
für a ansehen kann. Falls dasselbe Wort in unserem obigen
^ornian zu suchen wäre, mülsten wir wohl Verschreibung
von 0 für a annehmen. Nach Sievers verlaugt aber die
Melodie eine Form mit o, also Jiornie. Sehr wohl möglich
wäre aber auch, dals pornian eine Ableitung zu ae. ])orfa
'arm, entbehrend' (= an. purfi, Jmrfa 'entbehrend') wäre und
also das o des Stammes zu Recht bestände.
örählic 'langdauernd' (vgl. präge 'lange Zeit'): on eallen
yniddanearde hijö swyde mycele ungedivcermjsse 7 örcüilice
leiten on manna hearnen, Vesp. D. XIV fol. 76 b. — Sollte
das J)yäg-hysi^ der Rätsel nicht bedeuten 'lange Zeit ge-
schäftig' {ic sceal prasbysi^ Jjepie minum hyran georne vom
Mühlstein, Rats. Vi)?
pristllc Adj. 'dreist, kühn'. Während das zugehörige Ad-
verbium pristlice bereits des öfteren nachgewiesen ist, fehlte
176
bisher ein Beleg für das Adjektiv, Dieses erscheint aber
Bodl. 340 fol. 37 : se deaÖ is JmstUc 7 snotorlic, s. S. 104 Z. 1.
))Uiiiwuneiies 'Ausdauer' = lat.j^erseverantia: Seo ])urhwune7ies
heo is mcegen J)ces sodan weorces, siväs^vä Drillten sylf civceö:
'se])e Imrhivunad on pam sodan weorciwi od ende, he hid hol.
Nd se-])e god onsinned, ac scj)e on J>am go'de Jjurhwunad,
hid hal, Tib. A III fol. 105b {Archiv CXXII,260) = Ps.-Aleuin,
De virtutibus et vitiis c. 26: Virtus honi operis est perse-
vermitia, ipso Domine dicente: 'Qui x>G'>'severaverit usque in
finem, hie salvus eriV [Matth. X, 22J. Non igiiur qui coeperit
honum, sed qui perseveraverit in bona, hie salvus erit.
uiiähefeudlic 'unauf hebbar, unaufhörlich', Verc. fol. 60h, s. den
Beleg oben S. 169 unter mccedu.
uucweine 'unangenehm', s. unter unfenge.
unfense 'unannehmbar': Nu we gehjrad, Jjoette mwstra ceghwylc
syn mce^ hioii J)wh andetnesse 7 hote 7 Öurh da unsylibe ane.
Für pcere hid sio ure onswgdnes "^ode unciveme 7 unfenge.
Verc. fol. 79a. Eine Änderung in ^imdandfense verbietet
nach Sievers die Melodie.
ungerade 'töricht' weist mir Karl Glaeser nach aus Vesp. D.XIV
fol. 57^: Si/7id siva-J)eh get Jja divoUice hec ceigder gea on
Jeden gea on oenglisc, 7 heo rceded ungercede mcen (= Thorpe,
Hom. II, 4442a: ungerade men). Das angerced 'insipidus' der
Kubens-Glossen OY.-W. 165 le) ist nach AngUa VIII, 451 in
ungerad zu bessern. Das Simplex gercede wird vermutlich
in der Cleopatra- Glosse (W.-W. 399^) gercedre 'eleganti'
stecken.
imgescaöignysse 'Unschuld' erscheint in einer ^Ifrieschen
Homilie in Vesp. D. XIV fol. 71b: Siva eac scyleti Godes
folgeres, Jjset synd 2>a cristene, habhen ]ja ungescadignysse on
heore mode, Jje cild hcefd on ylde (= Thorpe, Hom. I, 5121^^
wo aber unscceddignysse tiberliefert ist).
ungesegeulic 'unsichtbar' (angl. Form), Hatten 116 pag. 394,
8. oben S. 136 Z. 29.
uulif 'Nicht-Leben, Tod': A^e pearf namie man tiveo^ian,
cefter his deajje odrum Jnssa he onfehd: siva life siva un-
life, swader his gewyrhto hiod 7 his earnun^. Verc. fol. 18 b
(Hom. IV).
177
imriht-tld 'unrechte Zeit': 7 in oferfyllo he ivces hegriwen [lies
be^ripe^i] on unrlht-Hdum, Verc. fol. 21b, wn^ Jja he swidost
his lichoman drende unriht-tidum, ^a earnode he me Jxes
ecan purstes, Verc. fol. 22b (beides Hom. IV).
unseofende 'nicht -seufzend', Vere. fol. 72a (Hom. XI, s. die
Stelle oben unter forejjnjoies).
untimber?? 'Material' erscheint Verc. fol. 73b (Hom. XII):
Liornodon ive, pcet s<^o hcedene liode hcefdon pry dagas
synderlic heforan hira oörum s^wunan, Jmt hie onsuldon
hira ^odum 7 hiera ceapes ivcestma 7 ealle hira cehta hie
hira gode hebudon, pcet wws dioflum sijJfum, forponpe hie
hira ^odu hcefdon geworhte of treoivum 7 of stanmn 7 of
oörum untimhrum missenlicum. Wahrscheinlich ist aber zu
lesen an{d)timher. Möglicherweise lag- dem Kopisten eine
Handschrift vor, die noch die alte offene Form des a, die
dem u einigermafsen ähnelt, anwandte.
unwrisen Adj. 'offenbar', Verc. fol. 61a (Hom. IX, s. oben
S. 101 Z. 7).
ütäiiydau 'hinausnötigen, austreiben' = lat excutere : pone ys
se syxta heafod-leahtor geciveden sleacnes . . . pis is sc leahtor,
Pe swiäost munecas ut-amjü of hyra mynstrum on worulde
7 hie utäwyrpÖ of hira resullican drohtunse on leahtra
seaÖas. Of pcere hyÖ acenned slajjohies 7 sleacnes sodes
weorces 7 unstadolfcestnes stotve 7 woruns of stoive to stowe 7
miircnuns 7 idele spra'ca 7 oÖere mane^a yfelo. Verc. fol. lila
(Hom. XX) ^= Ps.-Alcuin, De virtutihus et vitiis e.32: Äcedia
est pestis. . . . Haec est, quae maxime monachos excutit de
cella in saeculum et de regulari conversatione eiicit eos in
ahrupta vitiorum, . . . De qua nascitur somnolentia, pigritia
operis honi, instaUlitas loci, pervayatio de loco in locum,
tepiditas Idborandi, taedium cordis, murmuratio et inaniloquia.
ntieömian 'ausatmen; Atem herausströmen lassen ' = lat. erwdare,
Vere. fol. 82 b (Hom. XV, s. oben S. 122 Z. 8).
ütäwyrttrumian 'entwurzeln, mit der Wurzel ausreifsen': Of
dam Dryhtnes esesan us wiorÖaÖ acenned hiortan onb{r)yrd-
nes; of Öcere onh{r)yrdnesse eaömodnes hid acenned; of Öoere
ead-modnesse licumlice lustas 7 ealle uncysta wiord{ad)
utaivyrtrumade. Verc. fol. 75a (Hom. XII).
Studien z. engl. Phil. L. 12
178
ütfeolan 'binausgelangen': Kces me ncefre gyt in ^üm [d.i. im
Körper] iedc to icunianne niliies fijrst ne dce^es fyrst; ne
iedlice noes ic ane nihtes fyrst ne dce^es on Mm, ßcer ic wiste,
hu ic utfulse. Vere. fol. 22 a (Hom. IV).
welöig (Hs. ^velc^i, wceleöi) 'reich' s. Archiv CXXVIII, 299
Anm. 2.
wjestuifjest 'fruchtbar' = Isit. fecundus, s. Archiv CXXII, 247
Anm. 4.
weden (d. i. ws. tvcuden 0. E. Gl. VII, 372 und VIII, 374 zu wäd
'Waid') 'waidfarben, bläulich' erscheint im Neunkräutersegen
Z.49 und 51 (Grein -Wülker I S.323). Zur Sache vgl. Lieber-
mann, Ges. d. Ags. II 2, S. 728.
weler 'Mundbissen', s. S. 151 unter lerian.
wel-geweiide 'gut ausfallend' (vgl. ae. gewendan 'sich wenden')
erscheint in dem Donnerbuch Vesp. D. XIV fol. 103 b (ed.
Assmann, Anglia X, 185) : On Januarius monde gijf hit punreö,
hit loded toiveard mpcele windes 7 ivel-gewmnde eoröe-wcestme
7 geflit = lat. Gg. 1.1 fol. 394 b (von 1400): Mense Januarii
si tonitrus sonuerit, ventos validos, ahundantiam frugum et
bellum in eodem anno significat.
wellician 'wohl gefallen' = lat. complacere: Fall Jnn yfel, pe
da aworhtest, ä hie ])e welUcodon [so die Hs.], Verc. fol. 21b
(Hom. IV) und: Pis is min se leofa sunu, in pam me welli-
cade, Verc. fol. 88 b (Hom. XVI) = Mark. 1,11: Tu es filius
meus dilectus, m te complacui.
weorc-wyröe 'fronpflichtig', s. den Beleg oben unter faldhryper.
weorpu (angl.) 'Würde', 9,. Archiv CXXII, 250 Anm. 7.
wilde-swln 'Wildschwein', s. Archiv CXXIX, 44 Anm. 13.
witelic 'reich an Strafe, (Beschwerlichkeit)': Se hunser pone
lichoman sona acwelled 7 alyseÖ of dam ivitelica{n) life.
Verc. fol. 58b (Hom. VII).
wijjpilisian (mit unbetontem Präfix) 'fürsprechen, vermitteln':
We ponne, men pa leofestan, ive ^ehyrdon oft secgan he dam
ceöelan tocyme usses Dryhtnes 7 hu htm man in da woruld
ivid-pinsian [Bückling -Hom. 105 ^ und Wulfstan ed. Napier
250'" lesen nur pin^ian^ on^an. Verc. 65 b (Hom. X).
Tföd-heortnes 'Raserei': J^emunap eac, hu pa forwwdoti, pe
mid ivod-hcortnessc willan to wcepned-mannum hcemed
179
sohton, 7 callra Bahilone 7 E^ypta cyninga. Verc. fol. 57b
(Hom.VII).
wönin^ 'Umlierscli weifen, Abschweifen' =; lat. pervagatio,
Verc. fol. lila (Hom. XX, s. die Stelle oben S. 177 unter
utanydan).
wuldorsanj 'herrlicher Sang', Verc. fol. 64^ (Hom. IX, s. oben
S. 114 Z. 10).
yrfeiiam.T, 'Erbnehmer, Erbe' weist mir K. Glaeser nach aus
Vesp. D. XIV fol. 61b: Ac hit ivces swa gewunelic on J)cm
time, ])iKt vice mjt'nn [fortradiert] scoj)e7i hcora hearnen namen
cefter heom sijlfen, jKat hit wcere geduht J)ces ])e mare gemy7id
Jices fceder, Jjci-Jjci se sime wcbs his yrfename 7 ^vcbs for J)y
gecegd his fceder name, wo Thorpe. Hom. 1,478 ^1 liest: äaöa
se sunu, his yrfcnuma, ivces geciged . . . Gegenüber dem
älteren ae. yrfenuma (= ahd. arbinomo ; vgl. got. arlinumja)
stellt obiges yrfenama eine dem afr. erfnama, mnl. erfname
(noch nnl. crfgenaam, s. Frauck), mnd. crve-name 'der Erbe'
entsprechende Umbildung da, welche auch dem me. arrßiame
(Orm 17744) zugrunde liegt. Für letzteres eine (nicht nach-
weisbare) altnordische Quelle anzunehmen, wie das Oxforder
Wörterbuch unter arfname tun möchte, scheint mir danach
nicht nötig, wenn auch der erste Bestandteil durch an. arfr
'Erbschaft' beeinflul.st sein mufs. Eine andere Umbildung
haben wir in dem earfcdneme (lies earfeneme) der Hatton-
Evangelien Matt. XXI, 38, welches einem mhd. erbenceme
'der Erbe' entspricht.
Berichtigungeu.
S. 48 Z. 14 lies deo (statt deos) und prestitit.
S. 56 Anm. 1 mufs lauten: die von Biaucliini zitierten Wörter manva,
Babilonia und Cananea finden sich in der Verc.-Hs. auf fol. 811» (s. oben
S. 1 18 Z. 24 und S. 120 Z. 7-8).
S. 62 Z. 17: der 2. Teil von Kembles Codex Vercellensis tiTSchien ISöt)
(nicht 184(3).
S. 155: Streiche in Anm. 5 die Bemerkung von Liebermaun und lies
'zwölfthalb' in Anm. 3.
Das S. 22 erwähnte Faksimile der ganzen Vcrcelli-Hs. erscheint 1913
bei Danesi, Via dei Bagni, Roma.
12*
Der Feuertod als Strafe in der
altfrz. erzählenden Dichtung.
Von
Wendelin Fo erster.
i :
Bei meinen Ivainstudicn beschäftigte mich n. a. vielfach
die Verurteilung der armen Lunete zum Scheiterhaufen und
wenn auch die Tatsache, dafs der Dichter sich diesen Zug
aus dem Tristan geholt hat, sieher war, so versuchte ich doch,
ob nicht durch Aveiteres Nachgehen derselbe irgend für meinen
Gegenstand nutzbar gemacht werden könnte. „Ich erinnerte
mich — so sehrieb ich 1902 im kl. Iv.^ S. X — dann des
Feuertodes, mit dem die geschäftige Zofe unserer Heldin für
Felonie (also gerade so wie Isolde wegen Ehebruch) gestraft
werden soll, eine Strafe, für die ich in der damaligen Zeit
vergeblich nach einem Beispiel gesucht habe. Keine Chronik,
kein Rechtsbueh kennt m. W. etwas ähnliches. Selbst Fach-
gelehrte, auch der selten im Stich lassende G. Baist wuIsten
nichts beizubringen. Der Feuertod steht das eine oder andere
Mal auf Zauberei und Giftmischerei, wird später eine fast
nationale Institution für Ketzerei — aber für Felonie und
Ehebruch findet sich m. W. kein Beispiel. Der Dichter ist
aber an kein Gesetzbuch gebunden; so meint denn Baist:
«Das poetische Strafrecht bevorzugt mit der Miene der Selbst-
verständlichkeit die phantastischsten Strafen, das Vierteln im
Roland, das genagelte Fafs in unseren Volksmärchen usw.
Ausgangspunkt der Vorstellung ist neben der Legende gewifs
auch der Leichenbrand (in Sachsen und England im 8. Jahr-
hundert, im Norden noch erheblich länger üblich), denn wir
müssen bei ihrer besonderen Häufigkeit im Altfranzösischen
auch nach besonderen Ursachen fragen >." Die 3. Auflage (1906)
gibt die Stelle genau wieder, streicht nur den letzten Satz.
Die Frage, ob der Feuertod, zu dem Isolde und Tristan
wegen Ehebruchs verurteilt werden, keltischen Ursprungs ist,
stellt sich hier von selbst ein, ist zwar als solche allein m. W.
noch nicht behandelt worden, doch hat J. Bödier (Tristan II,
182
130 — 167) die Frage naeli der (insularen) Keltizität i) der
einzelnen Züge des Tristanromaus sehr eingehend und erfolgreich
behandelt und zwar in ablehnendem Sinne. Dagegen polemi-
siert J. Loth (Rev. eelt. 30 [1909] 270 ff.), greift aber nur einen
einzigen Punkt seiner Aufstellungen an, nämlich dafs die Ehe
der Kelten sehr lose war und Ehevergehen durch materielle
Leistungen geregelt wurden, indem er aus den Gesetzbüchern
einzelne Züge der Kulturgeschichte anführt, die für eine strengere
Auffassung sprechen. Wenn er aber S. 278 behauptet, c'ctait
hien Vliahitude chez les anciens Irlandais de hrüler la fcmme
aäulüre, so ist das, gar bei dem völligen Schweigen der Gesetz-
bücher, ein gar zu gcAvagter Schlufs, wenn man bedenkt, dafs
die ganze keltische Literatur nach H. d'Arbois de Jubainville,
Cours de Litt6'ature celtique, VIT, 242 nur zwei Fälle da-
für anführen kann. So erscheint auch der Schlufs S. 277 :
Quant au cluUiment au cas oh il n'y a pas compensation, et
Voffense peut la refuser, nul doute quo ce n'ait cte le feu mehr
als unsicher. Die kontinentalen Kelten, die Gallier, sind uns
zu wenig bekannt, als dafs man hieraus irgendwelche Schlüsse
ziehen könnte. Cäsar, Bell. gall. 6, 19, erzählt, dafs bei ihnen
des Gattenmords verdächtige Frauen verbrannt wurden; sonst
kennt er den Feuertod noch als Strafe für Hochverrat 1, 4, am
gefangenen Feind 1, 58. Als militärische Strafe erwähnt in
Bell. hisp. 20. Die germanischen und englischen Gesetze kennen
nichts ähnliches, ebensowenig die Skandinavier. Man wird
also mit Notwendigkeit auf die Römer selbst geführt, bei denen
die vivicrematio eine der ältesten, schon in den ersten Zeiten
der Republik vorkommenden Strafen ist, s, Th. Mommsen, Rom.
Strafrecht 923. Nach Digest. 48, 19, 1. 8, § 2 und 1. 28, § 11
werden so Sklaven, kleine Leute, ferner Brandstifter bestraft,
später dieselbe Strafe gegen standhafte Christen (frz. Eulalia)
angewandt, usf.
Ich hatte vor längerer Zeit für diesen Stoff zu sammeln
angefangen und habe auch einiges teils selbst, teils durch
freundliche Mitteilungen anderer zusammengebracht; aber im
Verhältnis zum weitschichtigen Gegenstand selbst ist es so
1) Vgl. kl. CHges^ S. XLIX Anm. 1.
183
gering, dafs ich die Arbeit andern überlasse, die der dankbare
Stoff hoffentlich anziehen wird, i)
') Bei dieser Gelegenheit möchte ich, ohne auf die einschlägige
Literatur der französischen Gesetzbücher einzugehen, auf eine vortreffliche
deutsche Monographie anfmerksani machen, die, wie es scheint, den
Romanisten entgangen ist. Es ist die von den Juristen gut eingeschätzte
Arbeit von A. Coulin, Der gerichtliche Zweikampf im altfranz. Prozefs I
(1906), der S. 148(10) für Jläuncr den Feuertod anführt als Strafe für
Brandstiftung nach Livre des Droiz et des commandements d'office de
justice, ed. Beautemps-Beauprc (Paris 1865) S. 823, S. 150 (1), für Frauen bei
Verbrechen der hohen Gerichtsbarkeit nach Coustumes d'Anjou et du
Maine 1366 (in Cout. et Instit. de l'Anjou et du Maine, J. Beautemps-
Beauprc I« partie, T. 2 (Paris 1S79), A. Canel, n. 111 : Combat judiciaire en
Normandie, Caen 1858. Livre des Droiz 347 (s. oben), endlich P. Violet,
Etablissement de S. Louis I, 244, Cout. de Tonraine und das Livre de
Justice et de Plet. — S. 107 kommt Coulin im Lauf seiner Darstellung
aller Formalitäten des damaligen gerichtlichen Zweikampfes auch auf den
Zweikampf Thieri- Gaueion im Oxforder Ilolandslied zu sprechen. Ich
erwähne es hier, weil es den Rolandforschern bis jetzt unbekannt geblieben
ist. Die Stelle lautet also: „Die ursprünglichen, allen Ständen gemein-
samen KampfwatTen [zu Fufs] sind Stock und Schild ; noch in der Karolinger-
zeit kannten die Franken keine anderen Waffen als fustis et scutum [zu
jeder Feststellung geben die Fufsnoten jedesmal die urkundlichen Belege,
die ich hier unterdrücke], während nach Ermoldus Nigellus in jener Zeit
schon zwei comites gotici auf Grund des Personalitätsprinzips (so !) zu
Pferd mit hasta und mncro kämpften. Diese Quelle betont aber ausdrück-
lich, dafs diese Kampfesart den Frauken fremd war. In einer Urkunde
für Carcasson vom Jahre l'i70 kämpft noch der caballarius beim gericht-
lichen Kampf mit scuUim und basto; dagegen findet sich in dem um 1090
entstandenen Chanson de Roland schon der Kampf zu Pferd für den
ritterlichen Zweikampf. In manchen Rechtsaltertümern bleiben aber Stock
und Schild noch bis ins 13. Jalirhuudert die übliche Bewaffnung für alle
Stände, so insbesondere in der Normandie, wo der Kampf zu Pferd erst
nach der Vereinigung mit Frankreich Eingang fand. Um 1300 ist jedoch
auch in der Normandie der ritterliche Kampf stets ein Kampf zu Pferde.
Trotzdem sprechen die Quellen in späterer Zeit, wo der Kampf zu Pferd
für den Ritter zur Regel geworden war, noch immer von einem Kampf
mit Stock und Schild, so sehr hatte sich dieser Ausdruck zur Bezeichnung
des gerichtlichen Zweikampfes eingebürgert." Ich drucke diese Stelle hier
vollständig ab, ihrer Wichtigkeit wegen, da wenig Aussicht vorhanden ist,
dafs sie, nachdem sie sechs Jahre den Romanisten entgangen ist, in der
Zukunft noch von irgend jemand entdeckt werden könnte. Durch die dort
mitgeteilten Tatsachen ist sicher, dafs der Schlufsteil des Oxforder Rolands
weder im Frankengebiet noch in der Normandie verfafst sein
kann, da zu jener Zeit (11. Jahrh.) diese Art des Zweikampfes dort ganz
184
Wober stammt also der Feuertod im Tristan? Bei den
Germanen,^) Augelsaebsen und Skandinaviern kommt der Feuer-
tod ebensowenig vor, aucb nicbt in der engliscbeu Literatur.
Er wird also dort desselben Ursprungs sein, wie in der kon-
tinentalen Literatur, und auf diese und indirekt die Römer
und die späteren Märtyrer zurückgeben. Der Urtristan, den wir
beute erscbliefsen können, ist in Cornwall und Irland lokalisiert
und spielt naeb der Bretagne binüber und auf diese fübren aucb
Namensformen und anderes, wie denn aucb Berol Festländer
ist und selbst Tbomas, der in England scbreibt, nacb den Reimen
dortbin geboren könnte.
L In der altfranzösiseben erzäblenden Dicbtung kommt
die Feuertodstrafe, aufser im Tristan und Ivain, öfter vor. Ich
ordne die Fälle, soweit dies tiberbaupt möglieb ist, in cbrono-
logiscber Reibenfolge.
Da ist zunächst Orson von Beauvais anzuführen. Der
Verräter Hugo will Aeeline, die sich ihm verweigert, verbrennen
lassen. 2022 Ardoir voiidra la dame au gent cort signori.
2050 aufserbalb Beauvais fit Hugues fare un feu d'aubepines
jioinnans. Mener i fait la dame qui out le euer dolant, Et
jure Damedeu . . Qu'ü la fera ardoir . . Quant de li n'avcra
son hon ne son talant . . . Man scbleppt sie zum Scheiterhaufen,
sie fleht nur noch um Aufschub für ein Stofsgebet. Da kommt
dann Doon mit den Seinigen und befreit sie.
Ich fübre jetzt zwei Texte an, die zwar dem späten 13. Jahr-
hundert angeboren, aber Überarbeitungen älterer, noch dem
12. Jahrhundert angehörender Chansons de Geste sind, Berta
mit den grolsen Füfsen von Adenet und Macaire. In der
nnbekannt war. Es bliebe dann nur noch der Südosten und Süden übrig.
Vgl. G. Baist, Zs. 10,508. Auf die Entscheidung der Frage nach der
Heimat des Rolandliedes hat dieser Umstand freilich keinen Einflnfs, da,
soviel mich seinerzeit eine eingehende Untersuchung gelehrt hat, jener
Schlufsteil ein späterer Zusatz eines fremden Verfassers sein dürfte.
') J.Grimm, Deutsche Rechtsaltertümer 3. A. S. 699 (Lex. Visig.),
4. A. 11,41 (Greg. Tur.). Es wird dabei Eracle 4u95 zitiert: es kann
dies nur Eraclius (Mafsmann) S. 306^ 4104 gemeint sein, wo l'ardee ein
Fehler für lardee (von larder) ist. — H. Brunner, Deutsche Rechts-Gesch.
P. 246, 11,601; R. Schröder, D. R.-G. S.A. S. 40. 78. 349. 676. 778. 781.;
V. Amira, Grundr. z. g. Ph.^ und Abh. Münch. Ak. 1911.
i
185
Berta hat die alte Margiste durch List ihre eigeue Tochter
Aliste an Bertas, der Gemahlin Pipins, Stelle das Beilager
teilen lassen und Berta des versuchten Mordes an Pipins ver-
meintlicher Gattin überwiesen, worauf Pipin 476 (Seheier) be-
stimmt: Vo ßlle (Berta) sera arse . . Als die Wahrheit offen-
kundig geworden, verurteilt Pipin die Alte zum Scheiterhaufen
2202 Car tu en seras arse. Die Alte bekennt ihre Schuld, 2266
A anloir fu jugic. Dies geschieht 2293 ff.
Im Macaire (über eine blolse Anspielung darin s. w. u.
unter II) weist die Königin Blancheflor ebenso die Anträge
Maeaires ab, der Rache plant S. 20 (Guessard): JDe la raine
prenderese mo venrament. Arsa seroit a li fois ardanf, S. 26 ad
albe espine il (der König) la fera hrusler. Der Anschlag mit
dem Zwerg gelingt, die Königin soll verbrannt werden S. 46.
Li rois coniande a li ses camerlant Qe cela dame iroa davant,
de noir soia vestue e hindea ensemant Si como ferne qi vait a
tormant. Desor la plage de li pales davant Fo aporte legne,
espine qe pongant. Inluminer li fait on gran fogo ardant.
Durch Naimes Hinweis auf ihre Schwangerschaft verbannt sie
der König und übergibt sie Aubri, um sie ins Ausland zu
bringen. Aubri wird ermordet, während die Königin entkommt,
und später durch seinen Hund gerächt. Der besiegte Macaire
wird dann gehängt und endlich verbrannt S. 92.
Es folgt Parise la Duchesse, die S. 9 angeklagt wird,
den Bovon vergiftet zu haben. Der Verräter Milon, der sie
verteidigt, läfst sich im gerichtlichen Zweikampf besiegen,
worauf sie zum Feuertode verurteilt wird: S. 19 Li dus a
comande sa moillier a Her, il dit qiCil la feroit ardoir o es-
corchier. S. 21 will sie vorher noch ihre Beichte ablegen, die
ein schurkischer Bischof abnimmt, der dann schreit: Sire dus
de s. Gile, ceste putain hardez! Ele a mort vostre frere . . .
Certes, en sa confesse le m'a dit et conte. Zum Glück wirft
sich der brave clerc Guillamne de Losanne zu ihrem Verteidiger
auf und verlangt zuerst die Bestrafung des Bischofs: (S. 21)
Vers le feii Vtn trainent, cns le vorent geter, Far davers lo
visage le fönt el feu voler. Tant i fu li cuverz qiie il fu en-
brasez; worauf die Königin zur Verbannung begnadigt wird.
Zwei Dichtungen behandeln das gleiche Motiv, die Bestrafung
der jugendlichen bösen Stiefmutter, die sich an ihrem Stief-
186
söhn, der ihre Liebe verschmäht hat. rächen will, Dolopathos
und die Siebenweisen. Im Dolopathos verurteilt der
Gerichtshof den Stiefsohn zum Feuertod S. 158 und 161 : La
lois et li decres devise Q'en feu sott ars li hom ki fet Tel le-
cherie et iel forfet. S. 348 wiederholt sich die Szene, die Stief-
mutter besteht auf dem Verbrennen des Sohnes, wozu der
König- wieder bereit ist, was durch Virgils Dazwisehenkunft
verhindert wird. Dieser überführt die Stiefmutter, die nun
S. 382 selbst verbrannt wird: Li jugeor tot erranmant Dissent
Icelle c'estoit jiigie. Maintenant fut el feu lande Et ses xmcelles
i lancierent.
Ahnlich in den Siebenweisen (Keller) S. 195. Der Sohn
erzählt seinem Vater: Cuidiies vos, s'en haut montaisse, Pere,
que jou vos vergondaisse ? Certes, ains me laissasse xiendre, Et
ardoir en feu et en cendre, C^avoec ma dame (Stiefmutter) ine
coucaisse; die Königin gesteht ihre Schuld; Or avrois vos le
jugement Que li 7niens fds devoit avoir; Car vostre cors ferai
ardoir . . . Ales, harons! si me Vardes! was sofort geschieht
(vgl. Rom. Rev. 1912, V. 1994. 2020).
Sehr anziehend ist das Motiv im Veilchenroman, weil
hier die ganze Scheiterhaufenepisode aus dem Ivain geschickt
verwendet wird und zwar nicht allein dieses Motiv selbst in
ganz gleicher Ausführung, sondern auch die ganze Vorgeschichte
(vgl. S. 226 ff. der F. Michelschen Ausgabe = Iv. 4090 ff.). Auch
hier kommt ebenso ein Riese hruiant an, Qui le pdis vait
destruiant; Les set (Ivain: sechs 3863, von denen zwei gleich
getötet werden, so dafs der Riese nur vier mit sich führt)
fiex le seignor amainne, Qui mout ont trait dure semaine.
Der Riese hat keine Eisenrüstung, sie war aus einem cuir
gemacht, Qui fu le inel d'un serpent und kämpft mit einer
Keule, mache, machue und iincl genannt, usf. Die Geretteten
wollen ihren Retter zurückhalten, aber er kann nicht bleiben;
Que jou ai un afaire empris, Dont je seroie mout repris, Se le
metoie en noncaloir (= Iv. 3997, 4157 u. 4268). Euriaut soll
wegen Mordes durch ein jugement verurteilt werden: Hui en
doit on le jugement rendre, si sera tourmentee, Arse ert et la
2)ourre ventee. Da kommt ihr Mann dazu und sieht schon
alume un grant feu. Euriaut amenee avoient, Que en cel fu
ardoir devoient. Desor un drap Vavoient mise trestote nue en
187
sa cliemise . . . Ele faisoit ja s'orison Et rcclamoit cn sa raison
Dkl Jhcsu Christ mout hautement. Der Held tritt als ihr
Kämpe auf und wird als solcher zugelassen: ihm tritt Melatir
(= Senesehall im Ivain; dessen zwei Kampfgenossen hat der Vf.
als eine zu starke Übertreibung weggelassen)') entgegen. —
Der einzige Unterschied besteht darin, dafs der besiegte Melatir
nicht dieselbe Strafe, also Feuer, erduldet, wie die falsch
Angeklagte (Iv. 4570), sondern gevierteilt und gehenkt wird,
wohl weil die Feuerstrafe nur bei Frauen angewandt wurde.
In der Mauekine (Suchier) verurteit der König seine
eigene Tochter Joie, weil sie ihn nicht heiraten will, zum
Feuertod (S. 28) und befiehlt dem Senesehall, Qu' au tierchjour
saus nul contredit Arde sa fille ens en un re . . Et se nel
faites a estrous, Sacies, je le ferai de voiis. Voller Mitleid
läfst dieser zwar den Scheiterhaufen anzünden, das Opfer aber
setzt er heimlich in einem Nachen in das Meer aus.
Endlich soll in dem von G. Gröber ungemein hart beurteilten
anziehenden Schwanenritter (Hippeau) die Königin auf Be-
treiben der bösen Matabrune wegen Sodomie verbrannt Averden:
(I, S. 32) Les espines atraient et Vestrain environ. Matahrune,
la vielle, . . Li a Jos mains loiies ausi com un larron, s. auch
S. 35, als Elyas plötzlich für sie auftritt. Matabrune wird zur
Strafe für ihre Ränke dann selbst zum Feuer verurteilt und
verbrannt: S. 86—89.
Im Thebanerkrieg 10146 befiehlt man nach Einnahme
der Stadt alle, die sich nicht ergeben, a prendre Et ... a
desmemhrer, En foii ardoir o afoler. Im Athis A 2055 hätte
man die Mörder feist ardoir ou patidre, wenn man sie gefafst
hätte, und 2100 wird ein vermeintlicher Mörder dazu verurteilt.
Im Karrenroman bedroht der König die Mörder Lancelots del
pandre Ou de Vardoir ou del noiier 4167. In einer Perceval-
fortsetzung sollen zwei ptuceles verbrannt werden, ohne dafs
wir den Grund erfahren 42241 f. Im Maugis d'Aigremont
^) Dies ist wichtig für die methodische Behandlung von Fällen, wo
eine Redaktion irgendein Motiv einer anderen Fassung übertrieben dar-
stellt und man deshalb diesen Fall für sekandär, den einfacheren für ur-
sprünglich hält. Unser Fall lehrt, dafs so ein Schlufs durchaus nicht
zwingend ist.
188
bedroht Renaiit den gefaugenen Richard mit ardoir et encroer
au vent (s. Castets, S. 405). Im Robert der Teufel verfolgt
ein Verräter die Witwe, faire la vout ardoir par mortel träison
(Festband Tobler S. 505). In der Chanson d'Esclarmonde,
der Turiner Fortsetzung des Hugo von Bordeaux (hg. H. Schäffer,
A. u. A. N. 90) bedroht Escorffaulx den jungen Hulin S. 60:
Fd traytre inurdrier, Qni vous a delivre mon escu de cartier
Et mon riche heaiime et mon riche destrier? Ce fist ma faulse
niepce qui le vous vault haillier; Mais je feray son corps
ardoir et assiller . . .
Hierher gehören auch Floire und Blancheflor I, 2504, vgl.
II, 2076, ferner Cleomades und Doon von Mainz, die A. Schultz
II, 137 bereits herangezogen hat.
Der Vollständigkeit halber nenne ich noch A. Junge,
Gerichtsbeamte (Diss. Gott. 1906), der aus den Miracles N. D.
noch anführt für Mörder IV, 207, V, 18, für Widersetzlichkeit
II, 322.
II. Aufser diesen Fällen findet sich der Feuertod gelegent-
lich in vielen Gedichten in der Weise erwähnt, dafs jemand
lieber sich verbrennen liefse, als dafs er etwas täte, was er
verabscheut, also in feststehenden Redensarten, wie deren in
demselben Sinne es mehrere gibt: lieber gehenkt, gepfählt
w^erden, lieber ein Auge verlieren usf.
In dieser Verwendung finden wir es z. B. Athis 6789, ebenso
im Wilhelm von England 1205, Perc. Forts. 21525, Hervis
von Metz 1880, Placidas 1039, Siebenweisen S. 195, Macaire
S. 8. 10.
Eine systematische Durchmusterung der einschlägigen Texte
wird für II wohl noch viele andere Belege ergeben, aber wohl
nur wenige neue Fälle für I.
Wenn wir die einzelnen Fälle von I durchgehen, so finden
wir, dafs aulser Theben, Athis, Karre, Maugis, wo die Strafe
Mördern, ferner Gefangenen gilt, und Macaire, wo ein Bischof
verbrannt wird, und Dolopathos der Königssohu wegen ver-
meintlichem Inzest, nur Frauen damit bedroht werden, und
zwar wegen geplantem Inzest Dolopathos und Siebenweisen,
wegen Ehebruch Tristan und Macaire, wegen Sodomie Dolo-
pathos und Schwanenritter, wegen Giftmord Parise, wegen
1
189
grobem Betrug Berta und Maeaire, wegen verweigertem Leib
Orson, Mnnekine und Maeaire, wegen Felonie Ivaiii und
Veilchen. Dieselbe Strafe, die jemand für Unschuldige l)e-
treibt, erfährt er selbst in Berta, Parise, Dolopathos und
Siebenweisen. Erwähnt sei noch das Motiv, dafs ein un-
schuldiges Opfer eben verbrannt werden soll, als ein Retter
erscheint: Parise, Ivain und Veilchen, Schwanenritter und
Dolopathos.
I
Das altenslisclie Reimlied.
Von
F. Holthausen.
Inhalt.
Peite
Einleitung 191
Hergestellter Text 192
Übersetzung 193
Anmerkungen 198
H i
Einleitung.
Das in der Hs. Cod. Exon. fol. 94 f. erhaltene 'Reinilied'
wurde zuerst gedruckt i) von Conybeare in seinen Illustrations
of Anglo-Saxon Foeiry, London 1826, p. XVIlIff., dann von
GuEST, A Uistorg of English lihijthms, London 1838 (Neu-
bearbeitung von W. Skeat,2) London 1882, p. 388 ff.), von
Thorpe, Codex Exon., London 1842, p. 352 ff., von Ettmüller,
Engla and Seaxnu scopas and höceras, Quedlinburg uud
Leipzig 1850, S. 220 ff., von Grein, Bibl. d. ags. Poesie, 2. Bd.,
Göttingen 1858, S. 137ff., von Wüi.ker in der Neubearbeitung,
3. Bd., Leipzig 1897, S. 156ff., zuletzt von Kluge, Ang eis. Lese-
buch, 3. Aufl. Halle 1902, S. 150 ff. Während Conybeare und
Thorpe es fast unverändert abdruckten, steuerte Ettmüller
schon eine Anzahl guter Besserungen bei, die dann Grein noch
erheblich vermehrte. Neuerdings hat sich besonders Sievers
durch seine Bemerkungen in Paul u. Braunes Beitr. IX, 235
Aum, und XI, 345ff. um das Verständnis des Gedichtes verdient
gemacht, ich selbst habe kleine Nachlesen geliefert im Beiblatt
zur Anglia XX, 313 f und XXI, 12 f. 155 f.
Eine, wenn auch sehr mangelhafte, englische Übersetzung
des Liedes gab schon Conybeare neben dem Urtext, besser
ist die — allerdings lückenhafte — von Thorpe S. 523 ff. Im
Jahre 1865 veröffentliche dann Grein in Pfeiffers Germania
X, 306 f. eine wörtliche lateinische Wiedergabe, die ebenso wie
sein kritischer Text einen erheblichen Fortschritt gegenüber
seinen Vorgängern bedeutet; infolgedessen gibt auch Skeats
^) Vgl. die Literaturangaben in Wülkers Grundrifs S. 215 f, und 515;
Brandl, Pauls Grundr.« II, lOSOf.
*) Ich verdanke meine Kenntnis dieses Buches zwei Schülern von
Dr. Spies, die für mich eine Kollation des Textes sowie eine Abschrift
der Übersetzung und der Anmerkungen anzufertigen die Freundlichkeit
hatten.
192
Revision von Guests englischer Übersetzung a. a. 0. im ganzen
das Original richtig wieder, wenn auch mehrere Stellen falsch
aufgefafst oder als gar zu dunkel einfach unübersetzt ge-
blieben sind.
Mit der Metrik und lleimkunst des Gedichtes beschäftigten
sich Guest a. a. 0., dann Rieger, Zeitschr. f. Deutsche Phil.
IV, 321 f. und Kluge, Beitr. IX,440ff. 450.
Wie aus den Reimen und manchen stehengebliebenen
Formen hervorgeht, war das Reimlied in anglischer Mundart
verfafst; jedoch hat der Text durch teilweise Übertragung ins
Westsächsische seinen ursprünglichen Charakter zum grölsten
Teile verloren. Die alte Verbalendung -iö, die noch in den
Versen 52 f. erhalten ist, weist nach Sievers, Beitr. XI, 352 in
die erste Hälfte des 8. Jahrhunderts als Entstehungszeit des
Gedichtes (vgl. auch Anglia XIII, 13f); als Vorbild nimmt
Hergestellter Text.
Me llfes onläh, se I>i8 leht onwräh
oud J>set torhte getäh tillice onwräh.
Gla;d wses ic gk'owum, glenged weowum
blissa bleo[w]um, blöstma heowum.
5 Seegas mec segon, symbel ne älegon,
fehgefe gefegon; fr^etwe wegow
wic[gj ofer wongum wr^nan gongum
lisse mid longum leoma ge/wngum.
pä wses wsestwi äwceht, [ofer] wor[o]ld onspreht,
10 under roderum ärceht, redmsegene oferj'CBht.
Gestas gengdon, gersc/pe mengdon,
lisse lengdon, lustum gleugdon.
ScrT^en[d]scräd gläd |?urh gescäd in bräd:
wses on lagustreame lad, per me[c] leopu ne bigläd.
15 Hsefde ic heanne häd: ne wa3S me in halle gäd,
}?ajt l^er röf weor[o]d räd. Oft ^ex rinc gebäd
1 leoht 2 getah Gr.] geteoh 3 gleowum Si.] gliwum || uiowum
G., neowum Si.] hiwum 4 bleowum Si. || heowum Si.] hiwum C feoh-
giefe E] feorhglfe || frsetwa E.] frsetwed || waegou 6r.] wsegum 7 wieg
193
Kluge, Beitr. IX, 450 wohl richtig die lateinische Ilymnen-
diehtung' an.
Ich habe nun versucht, das Gedicht mit Beseitigung der
zahlreichen, oft geradezu grotesken Textverderbnisse in ang-
liseher (wenn auch nicht der ältesten) Form herzustellen und
füge die erste deutsche Übersetzung bei, die ebenso sehr wört-
lich wie verständlich sein soll. Vielleicht gelingt es jetzt, wo
die meisten Schwierigkeiten beseitigt sind, dem einen oder
andern Fachgenossen, noch diese oder jene Stelle des schwierigen
Textes durch eine glückliche Konjektur oder Erklärung auf-
zuhellen. — Die Namen der Gelehrten, die Textbesserungeu ge-
liefert haben, sind folgendermafsen abgekürzt: C. = Conybeare,
JE. = EttmUller, G. = Grein, K. = Kluge, B. = Rieger,
Si. = Sievers, Sic. = Skeat, lli. = Thorpe. Unbezeichnete
Konjekturen rühren von mir selbst her.
Übersetzung-.
Mir verlieh das Leben, der dieses Licht enthüllte
und die herrliche Lehre trefflich enthüllte.
Froh war ich durch Unterhaltungen, geschmückt mit neuen
Farben der Freuden, mit der Blumen Schönheit.
Männer besuchten mich, — Mahlzeiten hörten nicht auf — 5
freuten sieh der Schatzspeude; Schmuck trugen
Rosse über den Wangen stolzen Ganges
freudig mit langen Gliederbehängen.
Da war Gedeihen erweckt, über die Welt erblüht,
unter dem Himmel erhöht, durch starken Rat gedeckt. 10
Gäste gingen ein und aus, mischten Scherze ein,
verlängerten das Vergnügen, schmückten sich mit Lust.
Das fahrende Schiif glitt durch die Entfernung ins Weite:
es war auf dem Wasser ein Weg, wo mir die Führung nicht
[entglitt.
Ich hatte hohen Rang: nicht war mir in der Halle Mangel, 15
dafs da eine berühmte Schar ritt. Oft erwartete da ein Manu,
Gr. II wFcenan Si.] wennan 8 gehougnm Si.] getongum 9 wsestmum
aweaht || ofer Si. lu arealit || peabt 11 giestas || scype 13 scrifen
14 ]?8er 15 healle 16 pser || weorud E.
Studieu z. engl. Phil. L. 13
194
l'a^t he in sele scgc sincgewege,
J^egnuiii gepege. pendeu wjüs ic wege,
horsee mec lieredoD, bilde generedoo,
20 fa3gre feredou, hondum beweredou.
Swä mec bybtgtofu beold, bygedrybt befeokl,
8ta]:'obBbtum steold, stepegongum weold,
swelce eorp-e öl; abte ic «Idorstöl,
galdorwordum göl: gomel sibbe ne okö\,
25 ac wa^s gef[f]est gcr, gellende sner;
[geJwuDiendo wer \\i[g]blBd bescier.
Scalcas weron scearpe, scel weos hearpe:
binde bljnede, bleoj^or dynede,
sweglräd swinsade, swij'o ne minsade;
30 burgsele bifade, berbt blifade,
eilen ecnade, ead «t?(ecnade,
fre^num frödade, fr[e]omum gödade,
möd msegnade, myne fsegnade,
treow telgade, tlr welgade,
35 bled blissade, [bleow glissade,]
gold gearwade, gim bwearfade,
sine searwade, sib nearwade.
From ic w^es in frsetwum, freolic in gcetwiim,
wses min dream drybtlic, drobtoö bybtlic:
40 foldan ic freoj'ode, folcum ic leol^ode,
llf wa3S min longe leodum in gemonge
tirum get^Dge, teala gebenge. —
Nu mm brel?er is breb, beofsll'um sceb,
neadbysgum n^b: gewTteö n^btes in ^eh,
45 se ar in daege wjes Aeor. Scri]?eö nü deop[e] Jjeor,
brondbord geblöwen, breostum in forgröwen,
t
17 ssege || gew?ege 18 ]?ege Si.] pybte || wege Si.} msegen
20 feondum E.] feondon 21 giefu 1| hyge Sic] hige 22 steold E.]
steald 23 swylce || ealdor 24 col St.] oll 25 geffest Si. || ger E.]
gear 2G wer .S'i.] wier || wilbcc 27 scealcas wseron |j scyl 29 swij'e
l
195
dafs er im Saale sähe einen gewichtigen Seliatz,
den Degen angenehm. Solange ich bedcnitend war,
priesen mich Kühne, retteten mich durch Kampf,
führten mich schön, verteidigten mich vor Feinden. 20
So erhielt mich erfreuende Gabe, eine liebende Schar umringte
[mich,
Landgüter besafs ich, stolzen Schrittes herrschte ich
über alles, was die Erde hervorbrachte; ich hatte den llerrscher-
[stuhl,
sang Lieder: alte Freundschaft erkaltete nicht,
sondern es war ein gesegnetes Jahr, es klang die Saite; 25
dauernder Friede schnitt Kriegsruhm ab.
Die Diener waren eifrig, helltönend war die Harfe:
laut erseholl sie, der Klang brauste,
Musik rauschte, die Stärke nahm nicht ab;
der Burgf»aal bebte, ragte glänzend empor, 30
die Kraft nahm zu, Reichtum entstand,
ich wurde klug durch Fragen, gedieh durch Vorteil,
der Sinn kräftigte sich, das Herz wurde froh,
Treue sprofste, Ruhm war reich,
Macht erfreute, [Schönheit glänzte], 35
Gold bereitete ich, der Edelstein wanderte,
Kostbarkeiten verfertigte ich, die Eintracht wuirde fest.
Trefflich war ich im Schmuck, stattlich in der Rüstung,
mein Jubel war herrlich, die Lebensweise angenehm:
das Land befriedete ich, die Völker führte ich, 40
mein Leben war lange unter den Leuten
mit Ruhm verbunden, gut zusammenhängend. —
Jetzt ist mein Herz betrübt, durch Unglücksfälle zaghaft,
Drangsalen nahe: es geht des Nachts auf die Flucht,
der ehedem bei Tage tapfer war. Es dringt nun tief die 45
[Entzündung,
der Brand, erblüht, in der Brust eingewachsen,
30 bifade E.] beofode ]1 beorht 31 ecnade Si.] eacnade |! wsecnade Si.,
weacnade G.] beacnade 32 freaum 33 inyne E.] mine 35 blsed ||
bleo gl. erg. E. 3S iu gsetwam Si.] in iu geatwum 42 getouge ||
gehonge 43 hreh, sceh Si.] hreoh, sceoli 44 nyd || neb, fleb Si.]
neah, fleah || nibtes 45 deor Th.] dyre |! feor
13*
196
Flab is gebloweu
50
55
60
65
70
flylitiim tofloweu.
micliim in gemj^nde; mödes gecynde
gröJteö ungrynde
bealoffis hyiimeö,
Wffi'ig winneö,
sär ne sinni]',
blM bis bliuniö,
listum linneö,
grorn oferpynde,
bittre tor/)^neö.
widsTö onginneö,
sorg Jiine cinniö,
blisse linnjö,
lustum ne tinneö.
Dreamas swa ber gedreosaö, drybtsc/pe gebreosaö,
iTf ber meu forleosaö, l^ebtras oft geceosaö.
TreowJ'rag is tö trag, seo untrume genag,
steapum [stjea^ole misj'äb ond a\ stund ge[b]näg.
Swä nü wor[o]ld wendef», wyrde sende]?
ond hetes bencZeö, btelej? [g]escendeö.
AVe;cyn gewTteö, wa^lgär sllteö,
flän man bwiteö,
bald ald ]?wltep,
wra|? äö smitep,
searöfearo glldap»,
fläh mäb flite)?,
borgsorg biteö,
wra3efa3C vf'iteö,
syngvyn sldaö,
gro>-ntorn grtefe]', graäft [eraeft] ncefeiS,
searohwlt sola]?, sumurhat eölaö,
foldwela falleö, feondscipe walleö,
eorömaegen alda]?, eilen eal[d]aö.
Me J>8et wyrd gewsef ond getvyrM iorgcef,
l^ffit ic gröfe grsef ond ]'?et grimme scrsaf
fleon fläsce ne m?eg, j'onne flanhred dseg
nmdgrapum nimef», J?onne seo uc6'b[t] becymeö,
seo me «Öles ofonn ond mec ber eardes onconn.
75 ]>onne licboma ligeö, lim« wyrm Jngep
ond bim wynne gewigeö ond ]?ä wist gepigeö,
41) greteö || ofer Si.] efen 50 brinneö Si.] byrneö || rinneö Si.]
yrneö 51 werig 52 sorg Line] sorgum 53 blsed || linniö E.] linnaö
55 -scype 56 leahtras 58 steaöole E.] eatole i| eal || gebiiag E.
60 hendeö G. ] lienteö || hselej? gescendeö G. ] h8ele]:'e scyndeö
61 wer E.\ wen C2 man E.] mou 03 borh E.] bürg 64 witeöj wri]'aö
197
durch Flug verbreitet. Falscbheit ist erblüht
gar sehr im Geiste; der Natur des Gemütes
naht uuergründliehcr Sehmerz, den Damm übersteigend,
brennt zum Tnlioil bereit, ergiefst sich gewaltsam. 50
Der Ermüdete kämpft, beginnt eine weite Reise,
der Sehmerz vergeht nicht, Sorge ergreift ihn,
seine Macht hört auf, an Freude nimmt er ab,
an Klugheit nimmt er ab. er brennt nicht vor Lust.
So schwindet hier der Jubel, Herrlichkeit vergeht, 55
das Leben verlieren hier die Mensehen, oft erwählen sie Laster.
Treue ist zu träge, Untreue drängend,
der hohen Stätte ging es übel und die ganze Zeit ist gesunken.
So wendet sich nun die Welt, sendet Geschicke
und fafst Hafs, schändet die Männer. 60
Das ^lännergeschlecht vergeht, der Mordspeer zerreilst,
hinterlistige Bosheit eifert, Frevel glättet den Pfeil,
Borgen macht Sorgen, das Alter schneidet die Kühnheit ab,
die Zeit des Elends macht Vorwürfe, der Böse befleckt den Eid,
das Sündenelend verbreitet sich, künstliche Fahrzeuge 65
[entgleiten,
Kummer gräbt, das Bildwerk hat keine Kunst,
das glänzend Weil'se wird schmutzig, die Sommerhitze kühlt ab,
der Reichtum der Erde verfällt, Feindschaft wallt,
die Stärke der Erde altert, die Kraft erkaltet.
Mir wob dies das Schicksal und verlieh das Verdienst, to
dafs ich eine Grube grub und die grimme Höhle
mit dem Fleische nicht fliehen kann, wenn der pfeilschnelle
[(Tod) den Tag
mit gewaltigen Griffen nimmt, wenn die Nacht herankommt,
die mir den Erbsitz mifsgönnt und mir hier die Wohnung zur
[Last legt.
Dann liegt der Leichnam da, die Glieder empfängt der Wurm 75
und trägt Lust und nimmt die Speise,
65 syngryn E.] singrynd || sjearo C] stecra |1 glida)? E] glidep 66 grorn
E.] grom II hafaö G8 fealleö || wealleö 69 ealdap |1 cealdaö E.] colaö
70 gewyrht G.] gehwyrt 1| gjef Si.] geaf 71 scrief R.] graef 73 nyd ||
neaht E.] neab 74 eöles ij ofonu E.] onfonn || eardes E.] heardes
75 limu E.] lima || pigeö Gr.] fritej? 76 and G.] ac || wynne G.] wenne ||
gepigeö E.] gej^geft
198
o}>]'a3t beop )'a bau [gebrosnad on] an
ond Jet Dfhstan nau. nefne se neda tän
h[reöjerbal;iwu;» gehroren: [f'onjne bif> se hlisa adroren.
SO ^r Ipset eadig gef>enceö, he hine ]>e oftor swenceö,
b/rgeö bim J^a bitran synue, hoga]> tö piere betran wynne,
gemon iii[e]or)?a lisse, pBr sindon miltsa blisse
byhtlice in heofona rice. Uton nü balgum gelTce
scyldnm biscerede scyndan generede
85 wommum biwerede, wuldre ge/«erede,
]^er moncyn möt for meotude röt
sööne god gese«n ond aa in sibbe gefean!
77 b erg. G. 7S uyhstan 79 balawun her || gehroren A'.] gehlotene
Aiiinerkungen.
V. 3 f. Über die Reime gleoiviim etc. vgl, Sievers. Beitr.
IX, 235. — 6. frcehve ivegon: vgl. Sievers ib. XI, 345 f. Schon
Ettmüller fragt: frcetwa cetwcegon? — 9. ofer ivorold: vgl.
Sievers ib. 346 und meine Bemerkungen Beibl. XX, 313. —
10. Grein möchte rädnicegene 'mit Reitersehar' lesen. —
11. Gerscipe stellt Guest fragend zu aisl. gär *a joke, a quiz'
(nach Fritzner: 'spot, kaadspßg'); geadorscipe, das ich Beibl.
XX, 313 vorschlug, scheint mir jetzt doch zu unsicher. —
13. Vgl. Beibl. a. a. 0. — 14. Zu leo])u vgl. Sievers, Beitr.
XI, 349 (zuV. 40). — 17. sincgeiväge: 'a weight of abundance
of treasure' richtig Bosworth-Toller, 'weight of silver' Guest-
Skeat. — 18. Vgl. Sievers ib. IX, 235 und XI, 347; Verf., Beibi.
XX, 313. Sollte nicht peoden für penden zu sehreiben sein?
— 21. Über hijgednjht vgl. Sievers, Beitr. XI, 347. — 23 f. Vgl.
199
bis die Gebeiue alle zusammen zerfallen sind
und zuletzt nichts aufser dem Los der Notwendigkeit
durch Kummer gefallen: dann ist der Ruhm dahin.
Vorbei- bedenkt dies der Glückliche, er kasteit sieb desto 80
[öfter,
rettet sich vor der schweren Sünde, denkt an die bessere
[Wonne,
erinnert sich der Slifsigkeit der Belohnungen, wo die Freuden
[der Erbarmungen
lieblich sind im Himmelreich. — Lafst uns jetzt den Heiligen
[gleich,
von (Sünden) schulden befreit, errettet eilen,
vor ^lakeln behütet, mit Herrlichkeit geehrt, 85
(dahin), wo das Menschengeschlecht wegen des Schöpfers froh
den wahren Gott sehen und immer in Frieden sich freuen darf!
81 byrgeö 82 meorj'a G. || ]>xt G.] her 84 scerede E.] scyrede
85 geherede G.\ geuerede 86 paer 87 geseon
Sievers ib. — 24. Oder 1. gomenscipe, resp. -simhl ? Vgl. Sievers,
ib. 348; Verf., Beibl. XX, 313. — 25. Vgl. Sievers, Beitr.
XI, 348 f. — 26. Da es anglisch wiinendo (ohne -i-) heilst, ist
das Präfix ge- notwendig, tvilhec hatte ich Beibl. XX, 313 zu
wcelhend gebessert, näher liegt aber ivlghled, da wilbec wohl
aus tviblec, tv'ihled entstellt sein kann. — 29. sivtpo entspricht
genau dem got. sicinjjei. — 30. Zu hlfian verweist Sievers,
Beitr. XI, 349 auf ahd. liba 'das Beben'. — 31. Vgl. Sievers
a.a.O. — 32. Vgl. Verf., Beibl. XX, 313 f. Über fngn vgl.
Förster, Engl. Stud. XXXVI, 325 f. — 38. Vgl. Sievers, Beitr.
IX, 235. — 40. Vgl. id. ib. XI, 349 über Icojjode. — 42. Vgl.
Sievers a.a.O.; Verf., Beibl. XX, 314. — 43 f. Vgl. Sievers,
Beitr. XI, 350; Verf., Beibl. XXI, 12. — 45. feor ist wohl aus
2)eor (vgl. dazu Bosworth-Toller) entstellt, wie scrlfen V. 13 aus
scrlpeiid oder umgekehrt heaöii aus heafu Beow. 1862. J)eor
stelle ich zu lat. ob-tUro und türunda. — 48 f. Vgl. Sievcrs,
200
Beitr. XL 351. — 50flf. Vgl id. ib. 352 f. — 52. Sieyers möchte
S. 353 chman als iutrans. zu cennan, etwa in der Bedeutung
'wachsen' erklären. Da er aber selbst auf Sal. u. Sat.107:
donne hine forcinnad Öa cirican [1. cyrigan?] getuinnas ver-
weist, möchte ich dasselbe Verb auch hier annehmend sorgum
zu sorg hine bessern. — 54. Zu tinnan vgl. Verf., Beibl. XXI, 156.
— 57. Zu trcoivpräg vgl. Verf. ib. 12. — 58. Grein Übersetzt
stund Germ. X, 307 fragend mit 'studium', was es aber schwer-
lich heifsen kann! — 62. Oder ist fläh-mäh als Kompositum
zu fassen? 7näh kann sowohl Adj. m., wie Subst. n. sein! —
63b. Grein tibersetzt gewifs richtig: 'audaciam senectus ex-
cindit'. — 64. Was bedeutet Greins ivriteÖ hier? Sein 'rixa
(sie!) importat' ist doch höchst unwahrscheinlich! Möglich
wäre metrisch noch wUted, aber auch dieses Verb pafst schlecht.
— 65. glidaj) mufs hier wohl so viel wie 'verschwinden' be-
deuten. — 66. Vgl. Verf., Beiblatt XX, 314 und XXI, 13. —
67. searohwlt fasse ich als Komposition (vgl. ~ cene, <^ grimm,
'^ sceled, '^ImncoT). während Grein searo liwU liest, das er
mit 'armatura Candida' tibersetzt. Zu sölian vgl. Verf., Beibl.
XXI, 13; das zugehörige Adj. söl ist im Me. belegt. — 71. scrcef
besserte schon Rieger, Zeitsehr. f. d. Phil. IV, 321, dann auch
Sievers, Beitr. XI, 354. — 72. Grein falst dwg als Objekt,
flänlired als 'Tod': 'quum (mors) sagittis praeceps diem
violenta arreptione surripit.' — 73. seo ncelit: 'die Nacht des
Todes.' — 74. onconn tibersetzt Grein direkt mit 'privat', was
68 doch eigentlich nicht bedeutet. — 78. sc neda tan: vgl.
hearmtänas Gen. 992. — 79. Vgl. Verf., Beibl. XX, 314. Zwischen
V. 78 und 79 nehme ich eine Lücke an, da hier kein Zusammen-
hang besteht; vielleicht gehört aber halawun noch in die Zeile
hinter tän und die Lticke ist zwischen halawun und Aer?
Doaeoii Brodle.
Eiue Quellenstudie zu K. L. Stevenson
von
Hans Hecht.
Mit einem Porträt.
0! do bat wait tili I pnblisli the Causes
Cel'cbrcs of Caledonia, and you will find no
want of a novel or a tragedy for some time
to come.
The Heart of Mid-Lothian. Chap. I.
In R. L. Stevensons Edinhurgh Pictiiresqiie Notes — einem
Meisterwerke, dessen Qualitäten niemand, der nicht aus eigener
Erfahrung die Stimmungen dieser wundervollen Stadt in sich
aufgenommen hat, ganz zu würdigen imstande ist — findet
sieh im vierten Kapitel — Leycnds — eine Stelle, die den
Kommentator aus mancherlei Gründen zum Verweilen nötigt.
Stevenson spricht da von den Legenden, die sich um die viel-
stöckigen, düsteren Hänsermassen der High -Street ranken,
romantischer Schauer voll, wie die Stätten, zu denen sie ge-
hören und mit denen sie eine unauflösliche Einheit bilden.
Eine dieser „Legenden" handelt von Deacon Brodle:
„A great man in his day was the Deacon; well seen in
good Society, erafty with his hands as a cabinet-maker, and
one who could sing a song with taste. Many a Citizen was
proud to welcome the Deacon to supper, and dismissed him
with regret at a timeous hour, who would have been vastly
disconcerted had he kuown how soon, and in what guise,
his visitor returned. Many stories are told of this redoub-
table Edinburgh burglar, but the one I have in my mind
most vividly gives the key of all the rest. A frieud of
Brodie's, nested some way towards heaven in one of these
great lands, had told him of a projected visit to the country,
and afterwards, detained by some affairs, put it off and
stayed the night in town. The good man had lain some
time awake; it was far on in the small hours by the Tron
bell ; when suddenly there eame a creak, a jar, a faint light.
203
Softly he clarahered out of bed and up to a false window
whieh looked upon anotlier room, and there, by the glimmer
of a thieves' lantern, was bis good friend the Deacon in a
mask. It is charaeteristic of the town and the town's manners
that this little episode should have been quietly tidcd over,
and quite a good time elai)sed before a great robbery, an
escape, a Bow Street runner, a cock-fight, an apprehension
in a eupboard in Amsterdam, and a last step into the air
off bis own greatly improved gallows drop, brought the
career of Deacon William Brodie to an end. But still, by
the mind's eye, he may be seen, a man harassed below a
mountain of duplicity, slinking from a magistrate's siipper-
room to a thieves' keu, and piekeeriug among the eloses by
the flieker of a dark lamp." i) —
Das Thema von der Doppelnatur des Mensehen, die Ver-
feinerung des Verkleidungsmotives naiverer Perioden, hat in
den neueren Literaturen zahlreiche Bearbeiter und ein stets
aufuahmebereites Publikum gefunden. Es hat sieh auch mit
immer wechselnden Varianten, meist höchst gefährlicher Natur,
im wirklichen Leben häufig wieder offenbart, und so durch
die Realität seines Auftretens die Kombinationsgabe grölserer
und geringerer Geister zu seiner Bearbeitung vielfach heraus-
gefordert. Der englische Sensationsroman von M. G. Lewis bis
zu Wilde und Hornung lebt davon. Stevenson hat sich wieder-
holt in die Mysterien der Doppelexistenz vertieft, die seiner
brillanten Erzählergabe und seiner Freude am Gegenständlichen
den denkbar grölsten Vorschub leisteten. Seine Wiedergabe
der Diebestragikomödie, die mit der historischen Persönlichkeit
William Brodies verbunden ist, verrät denn auch in der Fassung,
die sie in den Edinhurgh Piciiircsque Notes erhalten hat, deut-
lich genug das künstlerische Wohlbehagen, das der eigenartige
Stoff in ihm auslöst: Edinburghs Winkel und Gassen, graue,
himmelhohe Häuserreihen, Höfe, Plätze, Treppenfluchten, bunte
Menschenfülle, die das achtzehnte Jahrhundert dort durchein-
ander gewürfelt hatte, der halb humoristische Zusammenstols
des ehrsamen Bürgertums mit einem Manne, der zu gleicher
1) The Works ofR.L.S. {Swanston Edition) I, S. 292. — Eine weitere
hierhergehörende Episode iiu neunten Kapitel desselben Buches, S. 32(5.
204
Zeit als eine der Stützen dieser Gesellscliaft galt, bei Tage
Zunftmeister und Stadtrat war, bei Nacht aber als einer der
gefährlichsten Einbrecher seiner Zeit seine hervorragenden
Kenntnisse als Kunsttischler zur Erforschung fremder Schränke
und Truhen in höchst unwillkommener Weise in Anwendung
brachte — es bedarf nur des Zugreifens sollte man glauben,
und neben Scotts Heart of Midlothian stellt sich ein zweites
Zeit-, Sitten- und Menschheitsgemälde von nicht geringerem
"Werte, nicht geringerer Anziehungskraft. Stevenson hat zu-
gegriffen, aber das Ergebnis blieb hinter den Möglichkeiten,
die der Vorwurf in sich birgt, zurück: es ist sein gemeinsam
mit W. E. Henley verfafstes Melodrama Deacon Brodle or the
Doiible Life, von dem später zu reden sein wird. Einstweilen
soll nur, von Gelingen oder Nichtgelingen abgesehen, das
dauernde Interesse festgestellt werden, das Stevenson an den
Vorgängen und Persönlichkeiten dieses Krimiualfalles genommen
hat. Es ist mehrfach angedeutet worden, i) dals die Duplizität
des unheimlichen Br. Jehßl and Mr. Ilyde auf Stevensons
Beschäftigung mit Brodie, dem Manne mit dem „doppelten
Leben", zurückzuführen sein könne. Ein unmittelbares Ab-
hängigkeitsverhältnis liegt allerdings nicht vor, aber die Ge-
schichte des Deacon Brodie gehört doch zweifellos zu seinen
„Quellen" 2) und hat für Stevenson eine ähnliche Bedeutung,
wie die Prozesse des Jack Sheppard und des Jonathan Wild
für John Gay und der des Hauptmanns John Porteous für Sir
Walter Scott. —
Der Prozels, der sich am 27. und 28. August des Jahres
1788 abspielte und am 1. Oktober mit der Hinrichtung der
beiden Angeklagten sein Ende fand, ist in mancher Beziehung
unseres Interesses wert. Er liefert ein Kulturbild von drastischer
Anschaulichkeit. Die Gefahren des Edinburgher Lebens, die
Abgründe, denen ein Robert Fergusson zum Opfer gefallen ist
und die für Burns eine bedenkliche Anziehungskraft besafsen,
^) Roughead wie unten, S. 10. Andrew Längs Einleitung zur
Swanston Editio7i, I, S. XXXIII; L. Kellner, Die Englische Literatur wi
Zeitalter der Königin Viktoria, S. 550, Anm.
2) Weder L. Maier, Die Abenteuerromane R. L. Stevensons, Mar-
burger Dissertation 1912, S, 44—51, noch Kurt Mandel, Die Belesenheit
von R. L. Stevenson, Kieler Diss. 1912, gehen darauf ein.
205
tun sich vor uusereu Augen auf. Die Katastrophe Rrodies hat
Bums zwar nicht selbst miterlebt — er befand sich während
der in Frage kommenden Wochen in Mauchline und in Ellis-
land — , aber zwei treilt'ende Epigramme Extempore in the Court
of Session^) zeigen ihn uns als scharfen Beobachter der in den
Gerichtshöfen ein- und ausgehenden Persönlichkeiten. Die
beiden von ihm skizzierten Juristen, Sir Ilay Campbell und
Henry Erskine, spielten in dem Brodie-Prozesse erste Rollen:
jener als Vertreter der Krone (Lord Advoeate), dieser, vornehm
und beredt, wie er in Burnss Epigramm erscheint, als Ver-
teidiger des Hauptaugeklagten William Brodie. Dafs Brodie
am Lawnraarket einer von Burns's nächsten Nachbarn war, sei
nebenher erwähnt: sie wohnten einander gegenüber. Ebenso,
dafs wir den ersten ausführlichen Bericht über den Prozefs
dem eitlen, rührigen Verleger Burns's, William Creech, ver-
danken, der als Geschworener die beste Gelegenheit hatte, den
Gang der Ereignisse aus nächster Nähe zu verfolgen. Eine
Menge namhafter Gestalten und Genossenschaften tritt uns in
ungewöhnlicher Erregtheit über einen Rechtsfall entgegen, der
von den Sammelplätzen des juristischen und literarischen
Edinburgh bis zu der lauten Geselligkeit der bürgerlichen
Klubs, von da zu den Hahnenkämpfen, Falschspielerkneipen,
Verbrecherspelunken und Gefängnissen hinab- und in seinen
Nebenerscheinungen nach London, ja bis nach Holland hinüber-
reicht.
Die aktenmälsigen Tatsachen sind die folgenden ^j:
») Centenary Edition II, S. 240 nnd 430.
^) Siehe Trial of Deacon Brodie ed. by William Roughead, W. S,
London, Sweet & Maxwell, 1906: ein Band aus der wertvollen Serie
^'otahle Scottish Trials. Das Werk enthält, aufser den vollständigen Ver-
handlungsprotokollen, die natürlich seinen Mittelpunkt bilden, ^ine aus-
führliche Darstellung des Lebens und der Taten Brodies auf dieser Grund-
lage und in einer Reihe von Appendices ergänzendes Material verschiedener
Art, aus dem die reichhaltige Bibliographie (S. 232— 237) und die bio-
graphischen Angaben über die an dem Prozefs beteiligten Juristen (S. 217
— 232) als besonders wertvoll erwähnt seien. Alle älteren Berichte über
den Prozefs, so auch die von Roughead häufig herangezogene oben ge-
nannte Publikation von Creech, sind damit veraltet. Die köstlichen
Karrikatureu John Kays finden sich bei R. wieder. — Es sei in diesem
Zusammeuhaog darauf hingewiesen, dafs Roughead auch The Trial of
206
Willi:nu Rrodie. geboren am 28. Sopteniber 1741, entstammte
väteilieher- und mütteilieherseits liocbangesehenen Familien.
Sein Vater, Francis, besafs das Bürgerrecht in Edinburgh, ge-
hörte der Tisehlerznnft an, deren Vorsitzender (deacon) er wurde
und die er kraft dieser Würde im Stadtrat zu vertreten hatte.
Schliefslich erhob ihn das Vertrauen, das er allgemein genofs,
als Schriftführer in den Ausschufs der Zünfte. Sein stattliches
Haus mit den dazu gehörenden Liegenschaften gab der Gasse,
zu der es gehörte, den Namen Brodie's Close, der sich an
ihrem Eingang am Lawnmarket bis zum heutigen Tage erhalten
hat. Sie führte ursprünglich vom Lawnmarket zur Cowgate
herunter, ist aber jetzt gröfstenteils Neubauten zum Opfer ge-
fallen. In dieser würdigen Umgebung verbrachte William
Brodie seine Jugend und sein frühes Mannesalter, heranwachsend
im Gewerbe und einträglichen Geschäfte seines Vaters, bis
nach dessen Tode im Jahr 1782 die bedeutende Hinterlassen-
schaft an Besitz und Vertrauen, die Francis Brodie angesammelt
hatte, auf ihn als den ältesten Sohn überging. In diesem
Lebensabschnitt begegnet uns Brodies Name nicht häufig, doch
findet sich unter den Akten des Cape Club noch das Pro-
tokoll der Sitzung (vom 25. Februar 1775), in der er unter
die Ritter dieses hochachtbaren Ordens, der zahlreiche Nota-
bilitäten, biedere Bürger, Künstler und Handwerker Edinburghs
zu seinen Mitgliedern zählte, aufgenommen wurde. Unter
anderen wohnte auch David Herd, der Lieder- und Balladen-
sammler, in seiner Eigenschaft als ehemaliger Präsident des
Klubs jener Sitzung bei. i) Auch sonst erfahren wir nur Ehren-
volles über Brodie. Noch zu Lebzeiten seines Vaters erwarb
er wie dieser das Ehrenamt eines Deacon der Tischler (1781),
durch das er zugleich Mitglied des Stadtrats wurde, und behielt
es mit einer einzigen Unterbrechung bis kurz vor seiner
tragischen Entlarvung. Der Tod des Vaters machte ihn zum
reichen Manne und obwohl seine Beziehungen zu zwei Frauen,
Anne Grant und Jean Watt, ebensowenig unbekannt ge-
Captain Porteous ähnlich erschöpfend behandelt hat : Hodge & Company,
Edinburgh und Glasgow, 1909.
^) Siehe Roughead, Appendix V, und meine Songs from David Herd's
Mus., Edinburgh 190J, S. 36 ff.
>K-AY-DEI. ST-LP
MBRODIE
Aus John Kay's Edinburgh Portraits.
207
blieben sein werden, wie seine ausgesprochene Neigung zum
Spielen und Wetten, besonders bei liabnenkänipfen, so scheint
die Ortentlichkeit von diesen Seitensprüngen des hochniögenden
Herrn Stadt vaters doch weiter keine Notiz genommen zu haben:
ein Beweis dafür, wie allgemein verbreitet dergleichen Laster
bei der guten und besten Gesellschaft damals waren. Man
fand sieh mit seinem Gewissen ab, solange es nicht zum öffent-
lichen Skandal kam. Aufträge flössen ihm bis zuletzt in Menge
zu, insbesondere bedachte die Stadtverwaltung ihr Mitglied in
reichem Mafse und zog ihn häufig zu gröfseren Bauarbeiten
an Kirchen, Brücken, unter anderem auch an der neueinzu-
richtenden Hinrichtungsstelle an der Westmauer des Tolbooth,
des Edinburgher Stadtgefängnisses, hinzu. So schritt er tags-
über dahin „in a proud swaggering sort of style, bis legs
small above the aucle, large ancle bones and a large foot,
high brawns, small at the knees, which bend when he walks,
as if through weakness, dressed in a black coat, vest, breeches,
and stockings, a striped duffle great coat, and silver shoe-
buckles." ') — Die Ausmalung seines nächtlichen Beginnens,
das Wirken seiner zweiten Natur, worüber aus jeuer Zeit nur
ein paar unsichere Anekdoten im Umlauf sind, muls der
Phantasie des Lesers überlassen bleiben. —
Im Jahre 1786 erscheinen nun einige dunkle Gestalten
auf der Bildfläche, deren Eingreifen das tragische Ende unter
Aufsehen erregenden Umständen bald herbeiführt. In einer
inferioren Herberge am Grassmarket ist der aus England
stammende Hausierer George Smith abgestiegen, erkrankt
und zu längerem Aufenthalt genötigt worden. Seine Wege
führen ihn unter anderem in eine Spielhölle am Fleshmarket
Close, wo sich zwei Gesellen von dunklem Vorleben, Andrew
Ainslie und John Brown, deren Bekanntschaft er in seiner
Behausung gemacht hat, öfters zu löblichem Tun mit ihm ver-
einigen. Hier tritt eines Tages bei passender Gelegenheit
Brodie an Smith, den er in bedrängten Umständen weifs, mit
der Bemerkung heran, es Heise sich in Edinburgh dies und
das machen, w^enn es nur geschickt angefafst würde, und man
*) Signalemeut Brodies in dem hinter ihm erlassenen Steckbriefe; bei
Roughcad S. 256.
208
könne sich die Sache ja einmal Überlegen i) — eine Aufserung,
die den Schlufs erlaubt, dafs Brodie schon damals kein Neu-
ling in dem Berufe war, zu dem auch Smith wohl schon die
nötigen Vorstudien betrieben hatte. Der Vierbund Brodie,
Smith. Ainslie, Brown wird gebildet, und das Ergebnis seiner
Betätigung ist eine Keihe schwerer, verwegener Einbruchs-
diebstähle, die von November 1786 bis zum März 1788 ganz
Edinburgh in Schrecken und Empörung versetzen. Juwelen,
Thee, Seidenwaaren, Geld, Uhren, ja sogar das silberne Szepter
der Universität Edinburgh fallen den Übeltätern zum Opfer,
auf deren Ergreifung vergeblich immer höhere Summen gesetzt
werden. Vor allem dachte kein Mensch daran, den Herrn
Stadtrat Brodie auch nur zu verdächtigen, obwohl, besonders
infolge eines peinlichen Zwischenfalls, als ihn ein wackerer
Mitbürger, ein Kaminfegermeister mit Namen Hamilton, beim
Spielen mit falschen Würfeln ertappt hatte, sein Ruf nicht
mehr ganz so fest stand wie zuvor. 2j Aber noch im Februar
1788 safs er in einer hochnotpeinlichen Angelegenheit als Schöffe
zu Gericht. Unter dem ermutigenden Eindruck des unentdeckteu
Gelingens früherer Taten wird nun ein Hauptscblag ins Auge
gefafst, dessen Ziel nichts geringeres als die Plünderung des
königlichen Hauptzollamtes (General Excise Office for Scotland)
sein soll. Die Vorbereitungen werden mit der grölsten Sorgfalt
getroffen: das Gelände und die Gepflogenheiten der Wache
ausgekundschaftet. Abdrücke der Schlüssel zu den äufseren
Türen besorgt und zur Forcierung des eigentlichen Kassen-
raumes auf einem Felde bei dem benachbarten Duddingston
eine Pflugschar entwendet. Am Nachmittag des 5. März 1788,
zu der gewöhnlichen Essensstunde, um drei Uhr, sieht Brodie
Gäste, meist Familienmitglieder, bei sich. Das Zusammensein
dauert bis in den Abend hinein, dann wechselt der Meister
schnell sein Kosttim, rüstet sich mit den nötigen Instrumenten,
Masken, der Perücke seines in Gott entschlafeneu Vaters und
mit Waffen aus : der Räuber ist fertig. So eilt er in gehobener
') Erklärung Smiths, bei Rougliead S. 140.
') Hamilton hatte den Prozefs gegen Brodie, Smith nnd Ainslie an-
hängig gemacht, er gelangte aber nicht zur Verhandlung. Ein bissiges,
witziges Schreiben von Hamiltons Seite veröffentlicht Ronghead, S. 262
— 264.
209
Stimmung in die Wohnung Smiths, wo ihn seine Gefährten
bereits mit Ungeduld erwarten. Theatralisch, wie er sich
gerne gab, und sicher auch im Gefühl einer Geistesverwandt-
schaft mit dem Helden von Gays Bettleroi)er, zieht er beim
Eintreten eine Pistole aus der Tasche und stimmt das kecke
Lied Macheaths an:
Lei US take the Road.
Hark! I hear the sound of Coaehes!
The Hour of Attack approaches,
To your Arms, brave Boys, and load.
See the Ball I hold!
Let the Chymists toil like Asses,
Our Fire their Fire surpasses,
And turns all our Lead to Gold, i) —
Was in dieser Nacht folgte, entsprach keineswegs den
gehegten Erwartungen. Zwar gelang der Einbruch, doch
wurde in der Kasse nur wenig bares Geld gefunden. Die
Hauptsumme lag in einem Geheimfach, das den Dieben ent-
ging, verborgen. Ferner kehrte einer der höheren Steuerbeamten
zufällig noch einmal in das Gebäude zurück und verscheuchte
dadurch, ohne übrigens selbst Verdacht zu schöpfen, die Räuber.
Brodie eilte nach Hause, warf sich wieder in seine gewohnte
Kleidung und brachte, in der deutlichen Absicht ein Alibi
herzustellen, den Rest der Nacht bei seiner Geliebten, Jean
Watt, zu. Die Anderen versammelten sich in unbefriedigter,
ziemlich gereizter Stimmung, und der Gefährlichste, nebenbei
wegen eines früheren Verbrechens auch Gefährdetste, unter
ihnen, Brown, ging zwei Tage darauf hin, wurde Kronzeuge,
und verriet seine Spiefsgesellen den Behörden, einstweilen
allerdings ohne Brodies Namen zu nennen. Mittwochs war der
Einbruch geschehen, Samstags safsen Aiuslie und Smith im
Old Tolbooth hinter Schlols und Riegel, und Sonntags schüttelte
Deacon Brodie, nach einem vergeblichen Versuch, die beiden
Verhafteten zu sehen und so den Umfang ihrer bereits ab-
gegebenen Aussagen kennen zu lernen, den Staub Edinburghs
von seinen Füfsen: das unheimliche Rätsel hatte eine über-
•) Nach den Aussagen John Browns, wie oben, S. 133.
Studieo z. engl. Phil. L. 14
210
raschende Lösung gefunden. „Witli wbat amazement", schrieb
der Edinburgh Eve,nmg Courant in der Nummer, die den
Steckbrief gegen Brodie veröffentlichte und eine Belohnung
von if 200 für seine Verhaftung ankündigte, „must it strike
every friend to virtue and honesty to find that a person is
charged with a crime of the above nature [viz. house-breaking]
who very lately held a distinguished rank among bis Citi-
zens?" etc. etc. Recht und Ordnung erhoben triumphierend
ihr Haupt. Ladenbesitzer und Polizei atmeten auf. Die
Zeitungen moralisierten.
Einstweilen aber l)efand sich die gefallene Gröfse in leid-
licher Sicherheit zunächst in London „snug and safe in the
house of an old female friend" und entzog sich mit Gewandt-
heit den Kachforschungen des ihn verfolgenden königlichen
Kriminalagenten George Williamson. Während der ganzen Zeit
seiner Flucht, seiner Haft, des Prozesses und der letzten schweren
Stunden seines Lebens treten Charakterzüge an Brodie zu
Tage, die angetan sind, uns für ihn zu gewinnen und unser
Interesse an ihm wachzuhalten, vor allem sein Humor und sein
Mut, dann die Fürsorge, mit der er sich nach den Schicksalen
ihm nahe stehender Persönlichkeiten, insbesondere seiner Mit-
schuldigen und seiner unehelichen Kinder erkundigt. So schreibt
er an den Herbergsvater Michael Henderson am Grassmarket:
„During all my trials since I left Edinburgh, my spirits nor
my presence of mind never once forsook me, for which I have
reason to be thankful." ') Und in demselben Briefe berichtet
er, er habe in London nicht weiter als 500 Schritte von Bow
Street, dem Sitze der Kriminalpolizei, gehaust. „I did not
keep the house all this time, but so altered, excepting the
scar under my eye, I think you could not have rapt to me. I
saw Mr. Williamson twice; but, although countrymen commonly
shake hands when they meet from home, yet I did not choose
to make so free with him, notwithstauding he brought a letter to
me — den Haftbefehl! — ; he is a clever man, and I give him
credit for bis conduct." — Brodie, der bedrückenden Doppel-
rolle ledig, erscheint in bester Laune, unverzagt, von Reue un-
belästigt, in Freiheit und im grofsen Leben nach neuen Ländern
1) Siehe Ronghead S. 152f.
211
und nach neuen Zielen liintreibend. Er heabsiehtigte über
Holland nach Amerika auszuwandern, und gelangte, wenn auch
mit viel Verzögerung, so doch unbehelligt, unter dem ange-
nommenen Namen John Dixon zunächst nach Vlissingen und
von da nach Bruges und Ostende — „so I begin my travels
where most gentlemen leave them off." ') An Bord hatte er
die Bekanntschaft eines Ehepaares namens Geddes gemacht
und ihm beim Abschied an der holländischen Küste Briefe an
seine Edinburgher Freunde mitgegeben — zu seinem Verhängnis.
Geddes schöpfte Verdacht, händigte, allerdings erst nach
weiteren drei Wochen, die Briefe den Gerichten aus, das aus-
wärtige Amt wurde in Tätigkeit gesetzt und schliefslich Brodie
von dessen Abgesandten, Daly und Groves, in Amsterdam in
einem Wandschrank, in -den er sich geflüchtet hatte, aufge-
funden, verhaftet und nach London gebracht. Dort nahm ihn
George Williamson in Empfang und überführte ihn nach Edin-
burgh, wo er am 17. Juli 1788 ohne weiteren Zwischenfall in
bester Laune und Zuversicht eintraf, um im Tolbooth seiner
Aburteilung entgegenzusehen.
Der Prozefs, der am 27. August zur Verhandlung kam und
nur gegen Brodie und George Smith geführt wurde — Ainslie
trat neben Brown als Kronzeuge auf — zeigt im Ganzen und
im Einzelnen eine Fülle interessanter Züge, bei denen wir hier
unmöglich länger verweilen können. Smith bot während des
Verlaufs der Verhandlungen ein Jammerbild der Zerknirschung.
Er war ein Sünder niedriger Klasse, tränenreich und voller
Todesangst, Brodie dagegen blieb von Anfang bis zu Ende der
gentleman burglar und erschien vor Gericht „säuberlich angetan
in einem neuen, dunkelblauen Rock, moderner Phantasieweste,
schwarzen Plüschhosen, weifsen Seidenstrümpfen, aufge-
krempeltem Hut und mit aller Sorgfalt frisiert und gepudert."-)
Dem Gerichtshof gegenüber legte er den gröfsten Respekt zu
Tage und wenn sich eine erheiternde Episode zutrug, dann
lächelte er wie ein unbeteiligter Zuhörer. Für den Kleinmut
seines Mitangeklagten Smith hatte er nichts wie Verachtung
übrig. Die Verteidigung, die von Henry Erskine, dem da-
1) Roughead a.a.O. S. 151.
*) Nach Creechs Bericht bei Roughead S, 55.
14*
212
maligen Dekan der Juristen fakultät, und von John Clerk, dem
späteren Lord Eidin, geführt wurde, hatte von vornherein einen
verzweifelten Stand, und nahm zu einer Reihe von Spitzfindig-
keiten und Wiukelzügen ihre Zuflucht, die das Gericht jeweils
einstimmig und mit vollem Hecht zurückwies. Auch die
Plaidoyers, Clerks jugendlich robuste Angriffe und Erskines
vornehme, grofszügige Beredsamkeit, vermochten die Schöffen
nicht umzustimmen. Insbesondere Erskines Rede bleibt als
Meisterwerk nach Inhalt und Form, mit ihren die allgemeinen
Kulturzustände charakterisierenden Ausführungen und gewandt
angebrachten Zitaten aus Shakespeare und Home, bis auf den
heutigen Tag durchaus lesenswert, i) Das Urteil aber fiel aus
wie es ausfallen mufste. Es lautete für beide Angeklagte auf
Tod durch den Strang.
Nicht ohne Versuche zu seiner Begnadigung zu machen,
aber in vollkommener Gefalstheit sah Brodie dem Ende ent-
gegen. Noch lange zeigte man im Tolbooth die Umrisse eines
Schachbrettes auf dem Fufsboden, die er dort zu seiner Be-
lustigung eingeritzt hatte. Als ihn ein Freund besuchte und
') Zu der Frage, ob die königliche Prärogative einen Verbrecher wie
Brown zum glaubwürdigen Zeugen machen könne, stellen sich beide Ver-
teidiger auf einen ablehnenden Standpunkt. Clerk: Gentlemen of the
Jury, I ask you, on your oaths, can Eis Majesty make a tainted sconndrel
an honest man? (Roughead S. 178). Erskine: He [Brown] has no doubt
received Uis Majesty's pardon. It has been ubtained for him, at a very
great expense, for the sole purpose of enabling him to be a witness in this
cause. But though the Court has determined that this pardon, the crimes
being committed in England, rehabilitates this man, and that his evidence
is admissable; yet no pardon can restore his credibility, or render him
an honest man. The pardon cannot alter the nature of the criminel; "can
the Ethiopian change his skin, or the leopard his spots?" Is it possible
that a King's pardon can resture pnrity of heart, rectitude, and integrity?
Can "a piece of parchment with a seal dangling at it" . . . turn wickedness
into honesty/and transmute infamy into honour? The King has no such
perogative etc. (a.a.O. 8.185—186). Roughead verweist in seiner Ein-
leitung S. GO auf den Parallelismus dieser Sentenzen mit Burns's:
A prince can mak' a belted knight,
A marquis, duke, an' a' that!
But an honest man's aboon his might —
Guid faith, he mauna fa' that!
Ein unmittelbarer Zusammenhang dürfte jedoch nicht anzunehmen sein.
21
o
das Gespräch auf die Gefahren des Umgangs mit Franen-
ziramern hinlenkte, stimmte Brodie alsbald ein Lied aus seiner
Lieblingsoper, Gays Beijgars Opera, an:
'Tis Woman that seduces all Mankind' (Air II)
und liefs sieh, trotz der Einwendungen des Besuchers gegen
diese Leichtherzigkeit im Anblick des Todes, nicht davon ab-
halten, das Lied bis zum Ende durchzusingen. Seine letzten
Stunden haben die Entstehung einiger schwer kontrollierbarer
Anekdoten veranlalst; so soll ein französischer Quacksalber,
Peter Degravers, sich anheischig gemacht haben, ihn nach
Ablauf einer bestimmten Frist wieder ins Leben zurückzurufen.
Nach der Hinrichtung, heilst es weiter, hätten zwei seiner
Gesellen den Leichnam auf einen Wagen gelegt und seien mit
ihm in rasendem Tempo um den Schlofsberg herumgefahren,
in der Hoffnung, ihm durch die Erschütterung der Fahrt zu
körperlicher Wiederauferstehung zu verhelfen. ') Auch wurde,
zur Erhöhung der Pikanterie des letzten Auftrittes, behauptet,
das System des Galgens, an dem er und Smith gehängt wurden,
der sogenannte „drop", sei von Brodie erfunden worden, und
er selbst der erste Delinquent nach dieser Methode gewesen,
was nicht zutrifft. 2) Allerdings hatte er zwei Jahre zuvor seine
eigene Hinrichtungsstätte an der Westmauer des Tolbooth kon-
struieren helfen und wird sie nun, als er genötigt war, sie am
Nachmittage des ersten Oktober 1788 wieder zu betreten —
diesmal nicht als Sachverständiger — mit besonderem Inter-
esse in Augenschein genommen haben. Eine ungeheure
Menschenmenge — der zeitgenössische Bericht spricht von
40000 Zuschauern — wohnte der Exekution bei. Ihr gegenüber
bewahrte Brodie, der wie immer aufs Sorgfältigste gekleidet
erschien, das volle Mafs unerschütterlicher Ruhe. Sein grofses
Vorbild Macheath mag ihm vorgeschwebt haben. Zweimal, als
die Verurteilten schon auf dem Schaffott standen, mufsten die
Stränge abgeändert werden, aber ohne Anzeichen erheblicher
Erregung stieg Brodie wieder herab und unterhielt sich mit
^) Kays Edinburgh Portraits (Populär Letterpress Edition) I,
S. 182—183.
^) R. Chambers' Traditions of Edinburgh, S. 106—107, und A'eiü
English Didionary anter drop sb. 17.
2U
unibersteheiideu Bekannten. Endlich ging er aus dem Leben
wie ein guter, erfahrener Schauspieler: ..behutsam löste er seine
Halsbinde, knöpfte Weste und Rock auf und unterstützte den
Henker, der ihm den Strang umlegte. Darnach zog er die
Kappe über das Gesicht, faltete seine Arme und nahm eine
Haltung ein, in der Unverzagtheit und Entschlossenheit zum
Ausdruck kamen." ') Endlich gab Smith, der bis dahin un-
entwegt gebetet hatte, durch Fallenlassen eines Taschentuchs
das verabredete Zeichen
Dieser abenteuerlichen Geschichte vom ..doppelten Leben"
AVilliam Brodies, die der grolse Prozefs an den Tag gebracht
hatte, wird Stevenson schon frühzeitig mit Spannung gefolgt
sein. Eine Schrank, von der Hand des Meisters selbst ange-
fertigt, soll, nach Graham Balfours Bericht, in seiner Kinder-
stube gestanden haben.^) Die ersten Entwürfe zu einem Drama
über den Stoff reichen, ebenfalls nach Balfour,^) bis in die Mitte
der 1860er Jahre zurück. Die epische Darstellung, die wir
aus den Edinburgh Flcturesque Notes kenneu, fällt in das Jahr
1879; 1880 erfolgt ein Privatdruck des Dramas, vermutlich
bereits in der Fassung, die es durch sein Zusammenarbeiten
mit W. E. Henley erhielt. Spätere Ausgaben davon wurden
1892, 1896 und 1897 veröffentlicht. Jetzt steht es natürlich
in den gesammelten Werken, so in dem vor kurzem veröffent-
lichten 15. Bande der Sivansion Edition, SS. 1 — 89. Auf-
führungen haben 1882, 1884 und 1887 stattgefunden: es ist
somit eines der ersten in der langen Reihe der heute so be-
liebten Detektiv- Dramen. Erfolg hat das Werk augenschein-
lich keinen gehabt. Andrew Lang erzählt in der Einleitung zur
Stvanston Edition (Bd. I, S. XXXIII), eine Dame habe beim
Verlassen des Theaters das Urteil gefällt: „I hope Mr. Henley
wrote most of it." Trotzdem sollte es, sowohl um seines
Gegenstandes als um seines Verfassers willen, nicht ganz in
Vergessenheit geraten.
Was haben zwei so vorzügliche Kenner des schottischen
und insbesondere des Edinburgher Lebens wie Henley und
') Nach Creechs Bericht bei Roughead S. 275—276.
2) Life of IL L. Stevenson, Londun 1901, I, S. (J7.
') Ebenda, II, S. 21.-).
215
Stevenson aus den Persönlielikeiten und Vorgängen gemacht,
die sie aus Creechs oder Morrisons Prozefs-Beriehten und aus
dem Anekdoten -Material bei Kay, Chambers und anderen
kennen gelernt haben? Was vor allem ist aus der rassigen
und vielseitigen Natur des Deacon selbst geworden?
Schon der Titel sagt vieles: Deacon Jhodie or the Double
Life. A 3Ielodnü)ia in Five Acts and Eiglit Tahleaux. Unter
den Persons liepresented begegnen, neben den uns bereits
bekannten historischen Haujjtpersönlichkeiten, der alte Brodie,
gelähmt, im Kolistnhl, sowie eine Schwester des Deacon, Mary,
und ihr Verlobter Walter Leslie, die selbdritt für die von dem
Melodrama erwartete Rührung zu sorgen haben, ein Londoner
Detektiv groben Stiles, Hunt, der an die Stelle des George
Williamson der Quelle getreten ist, ein englischer Wegelagerer,
Captain Rivers, William Lawson, Staatsanwalt (Procurator-
Fiscal) von Edinburgh, der als Brodies Oheim eingeführt wird,
nnd eine Reihe von Nebentiguren. Die Handlung ist auf
einige 48 Stunden konzentriert und gruppiert sich um zwei
Einbruchsdiebstähle, der eine bei Brodies Schwager in spe
Leslie, bei dem Brodie ertappt, entlarvt — und wieder frei-
gelassen wird. Aber schon in der nächsten Nacht unternimmt er,
weniger aus freiem Willen, als unter dem Druck seiner Spiefs-
gesellen handelnd, die Beraubung des Hauptsteuerarates. Doch
Ainslie ist bereits Kronzeuge geworden. Hunt, der Detektiv,
hält das Spiel vollkommen in Händen, überrascht die Ein-
brecher und überwältigt sie. Brodie entkommt zunächst und
ersticht auf der Flucht den Verräter Ainslie, der auf diese
Weise schneller und gerechter Strafe anheimfällt. Der fünfte
Akt bringt nach einer rührenden Szene zwischen Mary und
Leslie und einer nicht weniger rührenden zwischen den Vorigen
und Brodie, die alle von Vergebung, Reue und Grofsmut triefen,
das heroische Ende Brodies: er stürzt sich in den Degen
Hunts, der gekommen ist, um ihn zu verhaften, und entzieht
sich so dem Walten des irdischen Richters. Die Fülle der
Ereignisse, unglaubhaft in ihrer raschen, ungenügend motivierten
Aufeinanderfolge, interessiert uns hier nicht. Auch die Mehr-
zahl der auftretenden Persönlichkeiten ist uns in ihrer matten
Alltäglichkeit gleichgültig. Wir sehen uns nur nach dem
Helden um, den die Prozefsakten uns in dramatischer Lebendig-
216
keit, unheiinlieh. komödiantisch, tapfer, humorvoll bis nnter
den Galgen gezeigt hatten. Von ihm ist nichts mehr übrig
ge])liebeu, als ein weichlicher Schurke, dessen Handeln unfrei,
dessen Benehmen von der Veruntreuung der Mitgift seiner
Schwester an bis zu seinen häufigen Anwandlungen von Reue,
die sich in verschiedenen Stärkeabstufungeu durch das ganze
Stück hinziehen, stets gleich jämmerlich und abstofsend er-
scheinen. Die Bedeutung der Quelle geht in der Bearbeitung
verloren, und wir müssen zu der kurzen Legende in den Pic-
tuyesqiie Notes zurückkehren, wenn wir von einer künstlerischen
Gestaltung des Stoffes bei Stevenson sprechen wollen. Sein
eigenes Urteil läuft übrigens dem unsrigen nicht zuwider. Nach
den Aufführungen im Jahre 1884 schreibt er an Sidney Colvin:
,,It is about Henley, not Brodie, that I care. I fear my affections
are not strong to my past works; they are blotted out by
others; and anyhow the Deacon is damn bad." ')
Dals aber auch nach Erledigung des Melodramas das
Problem des doppelten Lebens, das ihm mit Brodie entgegen-
getreten war, Stevenson weiter zu fesseln vermochte, zeigt
seine berühmte Novelle Strange Gase ofDr.JeJcyll and Mr.Hyde
(gedruckt Januar 1886). Vorwurf und Handlung hängen in
keiner Weise mit dem Brodie -Stoff zusammen. Umgebung,
zeitlicher und örtlicher Charakter sind durchaus verschieden,
übernatürliche, schauerliche, groteske Elemente sind hinzu ge-
kommen. Aber das eigentümliche Problem ist geblieben: die
Duplizität des Mannes, in dessen Seele Tugend und Verbrechen
miteinander kämpfen, der bei Tag ein Forseher und ein Wohl-
täter der Menschen, bei Nacht ihr Verderber ist, bis sein
schlechteres Selbst sein besseres erstickt. Das Mysterium der
Novelle, die tatsächliche Scheidung der Seelenteile in zwei
selbständige und zunächst unabhängig von einander sich be-
tätigende Persönlichkeiten, ist Stevensons phantastische Neu-
schöpfung und steht wiederum in keinerlei Beziehung zu dem
schottischen Kriminalfalle. Die psychologischen Erörterungen
im letzten Kapitel des Dr. Jeckyll — Henry Jehyll's Füll
Statement of the Gase — zeigen aber, soweit sie allgemeiner
>) Leiters 1911, II, S. 188 -189; vgl. auch den Brief an Henley, ebenda,
S. 192.
217
Natur sind, die Stärke der Roeiudruokung, die Stevenson durch
seine vorausgegangene Beschäftigung mit Deaeon Brodie er-
fahren hat. Wie weit der Einflufs Stevensons und somit des
Brodiestoffes von hier aus Über Oscar Wilde {The Picturc of
Borian Gray!) bis zu den Okkulisten unserer Tage hinabreieht,
wie weit er auf der anderen Seite das zahlreiche Volk der
Detektivromane vermehren geholfen hat, mufs späteren Unter-
suchungen vorbehalten bleiben. Vielleicht bringt uns die von
Marburg aus angekündigte Arbeit von Keinath über den Aben-
teuerroman nach Stevenson die gewünschte Aufklärung. ^ —
Einer dieser Abenteuer- und Detektivromane mufs jedoch
erwähnt werden, denn in ihm sind, Jahrzehnte nach Stevensons
Bearbeitung des Stoffes, die Schicksale Deacou Brodies noch
einmal zur Darstellung gelangt. Es ist DickDonovans Beacon
Brodie or Behind thc Maslc. London, Chatto c^ Windus, 1901.
Über den Verfasser geben weder die Literaturgeschichten noch
der neueste Who's Wlio irgendwelche Auskunft. Die Vorrede
betont das Ungewöhnliche und doch zugleich Typische der
Doppelnatur in Brodie, dessen Schicksale zeigten „how a clever
man may lead a double life — a life by daylight, and a life
behind a mask, which no one suspects", das Leben eines
Mannes, der zu grofsen Ehren in seiner Vaterstadt ausersehen
schien, aber alle Vorteile in den Wind schlug und Pfade
wandelte, die ihn zum Galgen führten. Donovan fährt fort:
„The extraordinary and romantic eareer of the man Stands
out very conspicuously in the records of bis time, and in many
respects it is so pieturesque, and so füll of the Clements of
mystery, that in truth it reads more like fiction than fact."
Als seine Quellen nennt er dann die Gerichtsakten (legal
documents) und anderes bisher unbekanntes Material, dieses
selbstverständlich eigener Erfindung. Das Geschichtliche schliefst
sich denn in der Tat so eng an die uns bekannten Vorgänge
vom Beginn der Übeltaten Brodies bis zu seinem Ende an,
dafs ein Nacherzählen Kaumverschwendung wäre. Der Epiker
bietet uns auch die Episoden, die der Dramatiker ungltick-
*) Vgl. einstweilen die auf S. 204 f. zitierte Dissertation von Maier,
S. 79—88 und B. Fehr, Streif züge durch die neueste englische Literatur,
Strafsburg 1912, S. 137—140.
218
lieberweise unterdrUekt hatte : die Flucht, die Gefangenuahme,
den Prozefs, die Hinrichtnag. Auch Peter Degravers, der
französische Quacksalber, und seine Wiederbelebungsversuche
sind nicht vergessen. Die hinzuerfundenen Episoden sind
Kolportageliteratur. Sie schildern ein Liebesverhältnis Brodies
mit einem ..anständigen" BUrgermädchen, Isabella Stewart, die,
nachdem sie unbequem geworden ist, unter Mitwirkung von
Jean Watt eines eben so gelegenen wie grausigen Todes stirbt;
die Szenen in der Spielhölle, bei den Hahnenkämpfen und in
den Londoner Verbrecherkneipen; die Figur des schurkischen
Hehlers Moses Benjamin, der unter vielem Wehklagen das ge-
stohlene Silber zu einem Spottpreise kauft, schliefslich aber
am Galgen in Tyburn sein wohlverdientes Ende findet; Brodie
selbst als Opfer von Strafsenräubern, die ihm das unrecht er-
worbene Gut wieder abnehmen; endlich die Ermordung des
Verräters Brown auf der Flucht aus Edinburgh durch ein
Mitglied des Spielklubs — sie alle werfen Stoffmassen in die
Erzählung, deren einzige Wirkung, ganz ähnlich wie in Steven-
sons und Henleys Drama die ist, dals die Gestalt des Deacon
Brodie allmählich auf das Niveau eines niedrigen Verbrechers
herabgedrüekt wird. Die Doppelheit seines Wesens geht gleich-
falls so gut wie ganz verloren, Feigheit, Heuehelei, Habsucht und
Prahlerei bleiben als Grundeigenschaften seines Charakters im
Eindruck des Lesers zurück, seine fast weiche Fürsorge für
die mit ihm verbundenen Frauen, von der seine Briefe erzählen,
erscheint im Roman in ihr krasses Gegenteil verwandelt, sein
unverwüstlicher Humor tritt nur am Ende des Romanes, wo
sich der Verfasser an das Urkundenmaterial eng anschliefst, zu-
tage, aber er wirkt unecht, als Grimasse, denn er befindet sich
im Widerspruche zu der voranstehenden Charakterentwicklung
des Helden. Endlich ist, was nach dem Gesagten kaum hervor-
gehoben zu werden braucht, auch nicht einmal der Versuch
gemacht worden, die Gestalt des Deacon in die Edinburgher
Atmosphäre seiner Zeit, in die reiche, noch heute so lebendige
AVeit gesellschaftlichen und geistigen Getriebes hineinzuver-
setzen. —
Ein schlechtes Drama, dem der Name seines Verfassers
ein gewisses bescheidenes Mafs von Leben erhält, ein schlechter
Roman, der längst in verdiente Vergessenheit gesunken ist, eine
219
voi'treflFIiclie Skizze in .Stevensons Ediuhurgher Impressionen,
und dahinter das Urbild, wie es vor allem die Prozefsakten über-
liefern — William Brodie, Meister der Tisclilerzunft, der Nachbar
Burns's, Stadtrat, Einbrecher, Gauner und Biedermann — ,
das alle diese Bearbeitungen überragt, dem Freunde dieser
Periode schottischer Stadtkulturgeschiehte hier und dort be-
gegnet und immer mit Interesse von ihm begrüfst werden wird:
so steht es mit der Überlieferung und der literarischen Aus-
gestaltung dieses eigenartigen Falles. Der Gedanke, dafs
vielleicht ein solcher Stoff an sich unbrauchbar, und die Ver-
brecher- und Detektivwelt überhaupt nur minderwertige Motive
zu liefern imstande sei, ist natürlich, im Hinblick auf vor-
handene Meisterwerke der Literatur, abzuweisen. Wir denken
an unseres Kleist Zerbrochenen Krucj und an den Biberpelz
Gerhart Hauptmanns, der in seiner Mutter Wolffen eine Art
weibliches Gegenstück zu William Brodie geschaffen hat. Auch
Sir Arthur Conan Doyle hat sich in einigen Teilen seiner Sherlock-
Holmes - Serie über das Durchschnittsmafs der Sensations-
novelle zu erheben und seinem weltberühmten Detektiv durch
den Gedanken des Kampfes gegen das Prinzip des Verbrechens,
das wie eine Spinne in einem tiefverborgenen Winkel Londons
hockend seine verderbliehen Fäden überall hin ausspannt, un-
zweifelhaft eine gewisse Gröfse zu verleihen gewufst. Haupt-
manns Werk zeigt insbesondere, wie für den Künstler die Tat,
das verbrecherische Ereignis, von geringerer Bedeutung ist, wie
die Wirkung, die sie bei Verübenden und Betroffenen hervor-
ruft, von geringerer vor allem wie die Charakterschilderung
des Täters selbst. Was bei dem Sensationsroman und -Drama
vorübergehend fesselt, erscheint schal, sobald wir die geheinmis-
volle Kette kennen und die nervenreizende Spannung gelöst
ist. Das Problem des verbrecherischen Charakters, dichterisch
behandelt, werde er nun von der tragischen oder humoristischen
Seite dargestellt, bleibt dagegen in seinem literarischen Werte
durchaus bestehen.
William Brodie ist dieser Tat künstlerischer Verklärung
nicht teilhaftig geworden, und doch wäre fraglos einer da-
gewesen, sie zu vollbringen, Walter Scott, Stevensons grolses
Vorbild. The Heart of Midlofkian berührt in seinem Vorwurfe,
seiner Stimmung und seiner Szenerie die Welt, in der Brodie
220
lebte, süudigte uud starb, so oft und so nahe, dals man
die Frage, ob sieh der Brodiestoff Scott bei dieser Gelegen-
heit nicht aufgedrängt habe, unwillkürlich aufwirft. Die
Antwort fällt bejahend aus: es sind im Heart of Midlo-
fhian Spuren der Beschäftigung Scotts mit dem Prozefs des
Deacon nachzuweisen. Zwar spielt der Roman zur Zeit des
Porteous- Aufstandes im Jahre 1736, Scott unterläfst es aber
keineswegs, gelegentlich auf viel spätere Persönlichkeiten uud
Ereignisse vorausgreifend Bezug zu nehmen. Hierher gehören
die interessanten Anspielungen auf Robert Fergusson und auf
den bereits erwähnten Karikaturisten John Kay im dritten
Kapitel des Romans, S. 34—37. i) Auf S. 265—266 begegnet
uns nun folgender Satz: „One woman", said Sharpitlaw, —
for, like all rogues, he was a great calumniator of the fair
sex, — „one woman is enough to dark the fairest ploy that
ever was planned; and how could I be such an ass as to ex-
pect to carry through a job that had two in it?" Hierzu ver-
weist Scott in einer Anmerkung auf das „Journal of Graves
[sie!], a Bow- Street officer, dispatched to Holland to obtain
the surrender of the unfortunate William Brodie." 2) In diesem
Tagebuch Groves', das bereits Creech in seinem Bericht auf
8.227—239 abgedruckt hat, 3) begegnet bei der Beschreibung
der Schwierigkeiten, die der Auslieferung William Brodies
vorangingen, das ungeduldige N. B.: „No mischief but a woman
or a priest in it, — here both." Daher die Parallele mit
Sharpitlaw, dem „great calumniator of the fair sex.'' Auch in
dem Geständnis, das George Staunton, alias Robertson, der
Schurke des Romans, Jeanie Deans gegenüber ablegt, findet sich
eine Stelle, die zum mindesten die Erinnerung an Brodies Vor-
liebe für den Helden der Bettleroper wachruft. Staunton sagt
da, er habe Effie, seinem Opfer, den Unterschlupf bei der
Hexe Murdockson anempfohlen „by a letter, in which I recollect
that I endeavoured to support the cbaracter of Macheath under
condemnation — a fine, gay, bold-faced ruffian, who is game to
the last. Such, and so wretchedly poor, was my ambition!"^)
') Zitate aus der Border Edition, ed. Andrew Lang.
2) Ebenda S. 802.
') Jetzt bei Roughead, S. 265—268.
*) a. a. 0. S. 497.
221
Scott hat als Student der Rechte in Edinburgh den Prozefs
und die Hinrichtung Brodies selbst miterlebt, und wenn er
von einer Darstellung der damit verbundenen Ereignisse und
Persönlichkeiten Abstand genommen hat, so ist ihre zeitliche
und örtliche Nähe für diesen Entschlufs gewifs mit ausschlag-
gebend gewesen. Und doch: es ist schade um den Stoff, der,
seiner Feder nicht unwert, sieh unter der Hand des Meisters zu
einem kulturgeschichtlich und psychologisch gleich interessanten
Zeitgemälde hätte entwickeln können, denn: „a great man in
his day was the Deaeon!"
J
Zu Marlowes Doctor Faustus.
Erürtenmg- einiger Probleme
von
Richard Rohde. '
I
i
Die Faiistusliteratur verdankt ihren immer noch wachsenden
Umfang- nicht so sehr der Bedeutung des Stückes als der
Schwierigkeit der Probleme, vor die seine Überlieferung uns
gestellt hat und jetzt, nach Jahrzehnten angestrengter For-
schungsarbeit, noch immer stellt. Es will mir scheinen, als
ob neuerdings auch da, wo man festen Boden zu haben glaubte,
wieder Unsicherheit und Zweifel sich einstellen wollen, infolge
der manchmal geradezu boshaften Streiche, die der Zufall uns
bei der Überlieferung dieses Stückes gespielt hat. Ich erinnere
— um nur auf einzelne Lücken in unserm Wissen hinzuweisen
— an die Tatsache, dafs der Titel der uns erhaltenen mit
dem der 1588 erschienenen Faustballade nicht übereinstimmt,
so dafs das auf uns gekommene Gedicht nicht, wie früher all-
gemein geschah, zu chronologischen Beweisen benutzt werden
kann.i) Ferner gehört hierher der Verlust der editio prince2)S
des englischen Faustbuches, der es uns unmöglich macht zu
entscheiden, ob, wie wir vermuten und hoffen, die uns erhaltene
Ausgabe von 1592 mit der verloren gegangenen übereinstimmt,
oder ob nicht doch die letztere sich in manchen Punkten mehr
dem deutschen Original näherte. Angesichts der Legion von
Fragen aber, die auf dem am meisten bearbeiteten Gebiet der
textlichen Überlieferung nach wie vor der endgültigen Be-
antwortung harren, darf man sich nicht wundern, wenn hier
besonders eine Hypothese die andere drängt, und wenn zeit-
weilig Vermutungen auftauchen, die alles, was als richtig galt,
über den Haufen werfen wollen. So verlegt z. B. Venzlaff
(a.a.O. S. 55ff.) die in B erhaltenen Zusätze in das Jahr 1588/89,
während nach ihm das Machwerk der Herren Birde und
Rowley verloren gegangen ist. Es würde mich zu weit führen,
^) Vgl. G. Venzlaff, Textüberlieferung und Entstehimgsgeschichte
von Marloioes Doctor Faustus. Diss., Berliu 1909, S. 69.
224
hier noch einmal im einzelnen auf seine Gründe einzugehen,
zumal ich glaube, dafs die von H. deVries') und R. Root^)
gegen ihn vorgebrachten Einwände im ganzen berechtigt sind,
und dafs Venzlaffs Theorie, weil eine Art Gipfel der Kompli-
ziertheit und Umständlichkeit, voraussichtlich nicht viele An-
hänger finden dürfte. Aber — wie auch Root hervorhebt —
es findet sich in seinen Ausführungen manches Gute, und so-
viel wird man schon jetzt sagen können, dafs bei der immer
noch ausstehenden kritischen Ausgabe des Stückes in Einzel-
heiten B mehr heranzuziehen sein wird, als vorher meist
angenommen wurde, s)
Auf S. 123 ff. der oben erwähnten Besprechung geht Root
auf die von de Vries a. a. 0. S.15ff. aufgestellte Rollen d ruek-
hypothese ein. Er weist die sämtlichen, z. T. sehr ein-
sehneidenden Veränderungen, die de Vries vornehmen zu müssen
glaubte, um den Originaltext herzustellen, als unrichtig zurück
und erklärt diese Theorie überhaupt für „over-ingenious" und
unnötig.
Nun habe ich schon in meiner 1910 erschienenen Schrift
„Das englische Faustbuch und Marlowes Tragödie" (Morsbach,
Sind. z. engl. Fhü. 43) auf S. 37ff. und 45 nachgewiesen, dafs
die einschneidendste der de Vries sehen Änderungen aus inneren
Gründen nicht richtig sein kann, nämlich die Zerlegung der
Rofstäuscherszene in zwei von einander getrennte Teile. Auch
in der Beurteilung der Stellung des Wagnermonologs Z. 1273ff.
stimme ich Root 4) zu. Jedoch kann ich seine Gründe für die
Beibehaltung der Stellung des Chorus Z. 922 ff. nicht aner-
kennen. In der aus Shakespeares Heinrich V. (Schlufs des
Prologs zu Akt II) zum Beweise herangezogenen Stelle liegen
^) Die Überlieferung von Marlowes Doctor Fausfus, Halle 1909
(Morsbach, Sind. z. etigl. Phil. 35). Vgl. besonders Anhang 1.
^) Robert K. Root, Besprechung der drei 1909 erschienenen, das
Textproblem behandelnden Schriften voti Vetizlaff, K. Schröder und de Vries.
In Engl. Studien 43, 117 ff., vgl. besonders S. 130.
^) Vgl. hierzu z. B. Root, Two notes on Marloive's Doctor Fanstiis.
Engl.Stud. 43, 144fif.
*) Prof. Morsbach, welcher am 10. Juli 1910 den Marloweschen
Faust von Güttinger Studenten zum erstenmale in Deutschland öffentlich
aufführen liefs, hatte diesen Monolog gleichfalls (gegen de Vries) an seiner
überlieferten Stelle belassen.
I
I
225
die Verbältnisse doch vollkoinnicn anders als im Faustus. Root
selbst räumt dies ein, wenn er sagt: „In Henry V. the delay
is expressly provided for in the final lines of thc Chorus"
(S. 124). In diesen Scbliü'szcilen wird ausdrücklich gesagt,
dafs die Szene noch nicht sogleich nach Soutbampton ver-
legt werden soll, sondern erst später. Dies ist im Faust nicht
der Fall; jeder Zuschauer mufste die Szene am Kaiserhof
erwarten. Wo wir sonst im Drama einen Chorus haben, so
vor Szene I und VII, folgt stets unmittelbar darauf die Szene,
auf die seine Worte hindeuten. So ist denn auch bei einer
Aufführung des Stückes, die unter Roots Leitung im Frühjahr
1907 in Princeton stattgefunden hat, der Chorus tatsächlich an
die Stelle gerückt, an die er gehört, vor die Kaiserhof szene. ')
Root hat damit selbst den Beweis dafür geliefert, dafs der
Text nicht so einwandfrei ist, als er ihn hinstellen möchte.
In engstem Zufiammenhange mit der Frage nach der
Stellung des Chorus steht das schwierige Problem der beiden
allgemein als echt geltenden Robin-Ralph-Szenen (Sz. VIII
und IX in Qu. A). Wie die Erwähnung von Konstantinopel
(Z. 1018 und 1020) beweist, steht Szene IX mit Recht hinter
Szene VII, da Faust auch im Volksbuch erst nach Rom, dann
nach der türkischen Hauptstadt kommt. Die Frage ist aber,
ob sie ursprünglich auch, wie Root S. 124 ff. vermutet, un-
mittelbar auf Szene VIII folgte. In der von Marlowe am
sorgfältigsten komponierten Szenenreihe I — V finden wir jenen
Parallelismus von ernsten und komisehen, Haupt- und Neben-
szenen, jenen „starren Schematismus"', der Marlowe eigentüm-
lich ist. 2) Nirgends in der ganzen Quarto A haben wir zwei
Szenen hintereinander, in denen der Titelheld nicht auftritt.
Diese Erwägung, sowie die Tatsache, dafs — wie die Stellung
des Chorus zeigt — die ganze Partie zwischen Szene VII und
X in Unordnung ist, läfst darauf schlielsen, dafs VIII und IX
ursprünglich auch nicht zusammen standen. Dazu kommt die
Bühnenanweisung Exeunt — Entcr zwischen zwei Szenen, in
denen dieselben Personen auftreten, wie auch die Stellung in
der Quarto von 1616, wo die Szene VIII vor dem die Vatikan-
1) Vgl. Engl. Stud. 43, S. 130.
*) R. Flacher, Kunst entivicklung, S. llSflf.
Studien z. engl. Phil. L. 15
226
Szene eiuleitenden Chorus steht. Auch Venzlaff (a. a. 0. S. 32)
hält die Stellung VIII vor IX für unmöglich und vermutet
aufserdem mit Recht, dafs Szene V und VI in A höchstwahr-
scheinlich durch eine Zwischenszeue getrennt gewesen sind
(S. 30). Jedoch meint er, dies sei ein Chorus oder ein dumhshoiv
gewesen und hält es nicht für angängig, zur Lösung der
Schwierigkeiten einfach der Szene VIII den Platz zwischen V
und VI anzuweisen. Wie sollte sie von dort weggekommen
sein? Das ist die Frage, und hier ist nun meiner Ansicht nach
der Punkt, wo der de Vriessche Gedanke allein helfen
kann. Der Text der Quarto mag im übrigen entstanden sein,
wie er will. Ich selbst halte es — im Gegensatz zu der
1910 von mir vertretenen Ansicht — nicht mehr für wahr-
scheinlich, dafs das ganze Stück nach Einzelrollen rekonstruiert
ist. Furnivall spricht in seinem Vorwort zum Faksimile der
ersten Hamlet-Quarto ja auch nur von den Abschriften einzelner
weniger Rollen (des Horatio z. B.), die neben dem Steno-
gramm zur Hand waren.') Ähnlich mag mau sich auch hier
die Entstehung der Quarto A denken. Wenn jedoch der
Drucker den Text einem Stenogramm verdankte oder auf
irgend eine andere Weise erhalten hatte — ich will diese
Frage nicht entscheiden; mit positiver Sicherheit wird sie nie
entschieden werden — so steht fest, dafs sein Text ihn an
dieser Stelle (Chorus 922 ff. und Robin-Ralph-Episode) gänzlich
im Stich gelassen hat. Um aber aus dem unleugbar vor-
handenen Dilemma herauszukommen, ist meines Erachtens der
gangbarste, ja, bis ein besserer gefunden wird, einzige Weg
die Annahme, der Drucker habe sich, um den Text zu ver-
vollständigen und zu verbessern, die Rollen der in diesen
Szenen tätigen Schauspieler verschafft und nun die Szene VIII
und manches andere an einen falschen Platz gestellt. Nur so
ist es möglich, den gestörten Parallelismus herzustellen, den
Chorus 922 ff. vor die Kaiserhofszene zu setzen, wohin er un-
bedingt gehört, und endlich die am Schluls der Szene IX
(Z. 1007 ff.) vorhandene Unordnung zu beseitigen. Die Sach-
lage ist also, um noch einmal zusammenzufassen, die: Roots
*) Vgl. Münckemeyer, Prolegomena zur Darstellung d. engl. Volks-
bühne (Diss., Göttingen 1905) S. 6S.
227
Ansicht, der betreffende Teil der Qu. A biete den ursprüngliebeu
Text, seheint mir nicht haltbar. De Vries' Hypothese aber ist
in dem Umfange, wie er sie anwenden will, ebenfalls zurück-
zuweisen. Sie mufs insofern modifiziert werden, als man sieh
eine Entstehung des Textes nur nach Rollenniederschriften
nicht gut vorstellen kann. Der als Grundlage dienende Text
wurde, wo er versagte, nach den Rollenniederschriften ergänzt
und verbessert. Die Annahme einer solchen Ergänzung ist
meiner Ansicht nach notwendig, so weit die Robin-Ralph-
Episode und der mit ihr in Kollision geratene Chorus in
Frage kommt. Ob und wie weit sonst noch, weifs ich nicht;
auf jeden Fall aber ist eine solche Theorie nur mit der aller-
gröfsten Vorsicht in die Praxis zu übersetzen, da sie sonst der
Willkür Tor und Tür öffnet. De Vries hat sich sicherlich
manchmal mehr von seinem subjektiven Gefühl leiten lassen,
als seinem Zweck dienlich war.
Gegenüber diesen Problemen ist die Frage, ob ursprünglich
eine Akteinteilung vorhanden war (vgl. de Vries, a. a. 0.
S. 20f.), ob und wie wir diese wiederherstellen können, von
geringerer Bedeutung. Es ist aber wohl anzunehmen, dafs der
Dichter sein Stück in der üblichen Weise einteilte. Da ich
diese Frage in meiner Abhandlung S. 59 f. besprochen habe, will
ich hier nur auf meine dortigen Ausführungen hinweisen.
Ich wende mich dem zweiten Teil meiner Aufgabe zu,
einer Erwiderung auf mehrere Einwände, die Max Förster i)
gegen meine Vermutungen über die Entstehung des englischen
Faustbuches erhoben hat.
Der Gedanke, die Abfassung des englischen Faustbuches
könnte mit John Dees Aufenthalt in Deutschland in Zu-
sammenhang stehen, kam mir bei der Lektüre der Abhandlung
von Herzfeld, Zur Geschichte der Faustsage in England und
Frankreich (Tobler- Festschrift, Braunschweig 1905), die ich
leider durch einen Zufall erst zu Gesicht bekam, als meine
Arbeit schon druckfertig vorlag. Ich habe deshalb nur die
Gründe, die mir für einen solchen Zusammenhang zu sprechen
schienen, meinen Ausführungen eingefügt, ohne an eine syste-
matische Untersuchung herantreten zu können. Letzteres wird
') Shakespeare -Jahrbuch 47, 360 ff.
15*
228
mir auch in den nächsten Jahren ebensowenig möglich sein
wie das von Förster empfohlene Studium der Geschichte der
deutschen Schottenklöster, bei dem übrigens wahrscheinlich
anch der Erfolg in keinem Verhältnis zu der aufgewandten
Muhe stehen würde. Doch will ich hier wenigstens noch auf
einige Punkte hinweisen. Wenn es Max Förster bedenklich
erscheint, dals ein so gelehrter, geistig hochstehender Natur-
wissenschaftler wie John Dee sich mit der Adaption eines
simplen Volksbuches befafst haben sollte, so ist dagegen ein-
zuwenden, dafs es sich hier doch um ein ganz besonderes
Volksbuch handelt, dessen Stoff die ganze damalige Welt
mächtig packte und einen John Dee ebenso gut interessieren
konnte, wie einen Mario we. Zumal jener selbst eine Art Faust
war und vielleicht bei seinen alchemistischen Studien und
Experimenten oft ähnliche Gedanken hatte, wie sie die Historie
ihrem Helden zuschreibt. Ferner geht aus vielen Anzeichen,
so z. B. aus der angebahnten Umgestaltung des Fausteharakters,
hervor, dafs der Übersetzer ein Mann gewesen sein mufs, dessen
geistiger Horizont ein wesentlich weiterer war als der des
Deutschen, und dafs er sich dessen auch bewufst gewesen ist.
Max Förster meint, dafs die elementare Astronomie seiner
Vorlage Dee, dem feinen Mathematiker, sicherlich nur ein mit-
leidiges Lächeln abzugewinnen vermochte. Nun, wir glauben
dies Lächeln zu sehen, wenn er im Gefühl seiner Überlegenheit
schreibt: „/ ivil opcn vnto theo tlie diuinc opinion of tliis
confused Chaos, farre more than any rüde Germane
Author . . . tvas ahle to iitter (S. 50), und wenn er gerade die
ganzen astronomischen Kapitel gründlich umarbeitet. Nirgends
im ganzen deutschen Faustbuch tindet sich eine Stelle, die wie
die folgende auf Kenntnis des Kopernikanischen Systems
hindeutet : „We thinJce that the Sunne rimneth his course . . .
no, . . . the Sun ahideih perpetually in this place, and although
ivee See him heginning to ascend in the Orient or East . . . yet
Tie moueth not" (S. 50). So verstehen wir, wenn er sich anders-
wo (S. 63) mit berechtigtem Stolz einen „man of understanding"
nennt. Diese Bedenken Försters scheinen mir also nicht er-
heblich. — Ein Vergleich der Sprache John Dees mit der des
Faustbuehes dürfte wenig zur Lösung der Frage beitragen, da
der Stil eines Schriftstellers sich ändert und die Sprache hier
220
aufserdem viel zu sehr durch die Vorlage bedingt ist, als dal's
sie genug charakteristische Eigenheiten aufweisen könnte, um
damit etwas, sei es für oder wider, zu beweisen.
Schlielslich meint A[ax Förster, eine systematische Unter-
suchung müfste erst festlegen, ob wirklieh gerade Ostdeutsch-
land soviel besser in den geographischen Znsätzen des eng-
lischen Faustbuches wegkomme. Eine solche genaue Prüfung
hat mir eben gezeigt, dafs die vielen Zusätze, die der Eng-
länder bei allen möglichen Städten Deutsehlands und Italiens
macht, ganz verschiedenen Wert haben, wenn sie auch mit
derselben, etwas selbstgefälligen Sicherheit gemacht werden.
Ich erinnere an die Stelle S. Gl (Beschreibung von Basel), wo
er sagt : „No Churcli pleased him but the Jesiiites Church, ivhich
iims so sumptuoushj huilded and leset füll of Alabaster pülers."
Ein Zusatz, von dem man an sich wohl annehmen könnte, dais
er auf eigener Anschauung beruhe, der aber nichtsdestoweniger
gänzlich unrichtig ist, wenn auch nicht so unsinnig wie der
bei der Beschreibung von Regensburg. Hier verlegt nämlich der
Engländer durch die Hinzusetzung des Wortes „thereon" die
Remigiuskirche auf die Donaubrücke! (the bridge ouer thc
same water, ivith the church standing thereon, S. 64). 0 Be-
sonders eingehend behandelt Max Förster die Zusätze bei
Würzburg, die ich natürlich auch schon auf ihre Richtigkeit
hin geprüft hatte, ohne in meiner Arbeit darauf einzugehen.
Genau sind auch sie nicht; denn der Marienberg liegt west-
lich von der Stadt, nicht „on the North side". Doch kommen
solche Uugenauigkeiten auch bei den Schilderungen der ost-
deutschen Ürtlichkeiten vor (z. B. bei der Angabe der Lage
von Kazimierz S. 67). Aber nun kommt die Hauptschwierigkeit,
der mit solchem Enthusiasmus beschriebene Altar (S. 63,
Förster, a. a. 0., S. 362). Ist es möglich, dafs von einem selchen
Kunstwerk, das mit ebenso grofser Bewunderung geschildert
wird wie das Stralsburger Münster, nicht die geringste Spur
geblieben sein sollte, keine Notiz in irgend einer Chronik,
einer Urkunde, einem der zahlreichen deutschen und lateinischen
1) Vgl. Loge mau, The English Faust-Book of 1592, S. 102. Bezieht
man thereon auf tvater statt auf bridge (gegeu Logeman) und übersetzt es
„daran", so wird der Uasinu, uiclit aber die Uurichtigkeit beseitigt.
230
geographiselieii Werke? Das ist undenkbar. AVenn wir nicht
reine Phantasterei annehmen wollen, wie Logeraan, wohl mit
Unrecht, tut, so bleibt nur die Möglichkeit einer Verwechslung
mit einem xVltar in irgend einer andern Stadt; aber von
Autopsie kann keine Rede sein. — Zu den eben besprocheneu
Zusätzen tritt für den Westen Deutsehlands nur noch eine,
die schon erwähnte Beschreibung des Strafsburger Münsters,
die bei der Weltberühmtheit dieses Bauwerks auch nicht als
Beweis für einen Aufenthalt in dieser Stadt benutzt werden
kann. Über die bei den Beschreibungen von Basel und Konstanz
hinzugefügten Anekdoten habe ich mich auf S. 7 f. meiner
Arbeit ausgesprochen.
Als nachweisbar richtige Zufügungen bleiben also für
ganz Deutsehland abgesehen vom Osten nur die folgenden:
bei Stralsburg die Beschreibung des Münsters, bei Würzburg
die Feststellung, dals das Schlols auf einem Hügel steht,
an dessen Fufse sich eine Kirche befindet, ferner die Angabe,
dals der Main durch die Stadt flielst, nicht „daneben", wie
es bei Spies heilst. Wenn man hiermit Zahl und Art der Zu-
sätze vergleicht, die der Engländer bei Prag, Krakau und der
Umgegend der letzteren Stadt macht (S. 65 — 67), so ist meines
Erachtens kein Zweifel mehr, welcher Teil von Deutschland
am besten wegkommt. — Wie ich an dieser Stelle einschieben
will, wird die Richtigkeit eines der von dem Engländer ge-
machten Zusätze, ,^the Garden ivhcre all manner of sauage
Beasts are kept" (Besehreibung von Prag, S. 65), gestützt
durch eine spätere Notiz, die sich in der Cosmo(jraphia pro-
sometrica von Steph. Ritter (Marburg, 1619) findet: „Est ctiam
hie viridarium regium amoenissimum variis exoticis planus et
stirpibus heue excultum, in quo etiam visuntur areae, in quibus
. . . herhae e terra pullulant. Äluntur etiam hie ligneis cancellis
inclusi leones" (Beschreibung von Prag, S. 1014 f.) Hiernach
wird doch wohl, wenn man die übrigen von mir a. a. 0.
S. 4f. zusammengestellten, nachweisbar richtigen Zusätze mit
in Betracht zieht, nicht mehr behauptet werden können,
dals diese Angabe in das Reich der „phantastical stories"
gehöre.
Was nun die Frage nach der zweiten schriftlichen Quelle
neben Spies anlangt, deren xVnnahme Max Förster auch jetzt
231
noch nicht völlig ausgeschlossen erscheint, so habe ich in
diesem Jahre noch einmal, was mir in der Göttinger Universitäts-
bibliothek an lateinischen, französischen, deutschen geo-
graphischen Werken erreichbar war, geprüft.') Mit völlig
negativem Erfolge. Fester als je bin ich nach dieser Prüfung
davon überzeugt, dafs eine schriftliche Quelle, ein Buch, aus
dem der Engländer abgeschrieben haben soll, wie Logeman
meint, nie gefunden werden wird. Was die Zusätze des Eng-
länders charakterisiert, ist gerade die persönliche Note, das
otfene Auge und Ohr, das Bestreben, anscliaulich zu schildern.
Man vergleiche mit den trockenen Aufzählungen der Sehedel,
Münster, Postellus, Schardius, Andre Thevet etc. und ihres
darin getreuen Abbildes, der auf Schedel beruhenden Be-
schreibung bei Spies, einmal die kurze Stelle über das nicht
weit von Krakau liegende Salzwerk, unter dem nach meiner
Ansicht nur Wieliczka zu verstehen sein kann (S. 67), Man
sieht sie vor sich, die kolossalen, neunhundert bis tausend Pfund
schweren Steinsalzblöcke, mit ihrer Erdkruste „as hlack as the
NetvcasÜe cooles", wenn sie losgebrochen werden, aber „as white
as snoive", wenn sie zerschlagen sind. Die einzige Beschreibung
von Wieliczka, die mir begegnet ist, findet sich in der „Cos-
mograplüe universelle" von Andr^ Thevet (Paris, 1575) II,
Livr.XX, Cap. 2, S, 884r: „Je ne veux ouhlier un village, nomme
Wislicie, distant de quelques cinq Heues de Cracovie, aupres
duqiiel y a force marests et de Grenouilles une milliace, les-
quelles ne crient en Hyver ne en Este, comme fönt Celles de
pardega . . ." Dann folgt eine Anekdote von der Heilung eines
Kranken durch die Galle eines Fisches und eine Beschreibung
der grolsen Müekensch wärme. Von dem Wichtigsten, dem
Salzwerk also keine Spur.-) — Da das nicht uninteressante
') Mit freundlicher UnterstUtzaug des Prlvatdozentea Dr., August
AVolkenhauer in Göttingen, sowie meines Bruders, des wissenschaftlichen
Hilfslehrers Martin Rohde, damals in Güttingeu.
2) Ebenso erwähnt der Verfasser des deutscheu suwohl wie der des
englischen Faustbuches in dem verhältnismäfsig langen Abschnitt, der von
der Stadt Köln handelt (Spies, S. 60f., Engl. F.-B. S. 60) wohl die ganz
unbedeutende Kirche von St. Ursula, nicht aber den gewaltigen Torso des
Domes, der damals schon seit langer Zelt das Wahrzeichen der Stadt war.
Beide kannten Köln ebensowenig ans eigener Anschauung wie der Franzose
Wieliczka.
232
Werk des Frauzoseu Andr6 Thevet vielleicht mancliem Leser
nicht so leicht zugänglich ist wie die deutscheu und die in
Deutschland entstandenen lateinischen geographischen Werke,')
setze ich noch als ein Beispiel für viele seine Beschreibung
der Stadt Prag hierher (a.a.O. II S.912r.):
„ . . . Fragile ... est dkiisee en trois; une est apj^elUe la
jpetite Prague, laquelle est arrousee du fleuve Molta: puis y
est la nouvelle Prague: l'autre la vieille Prague, tonte posee
en la planure, oh est le Palais, oü les causes se vuident, et
le College Royal: et est jointe ä la petite Prague par un pont
de xnerre, oü y a 24 arceanx sur le Molta: et en ceste petite est
Vcglise Cathedrale. Ceste rille se peut esgaller ä Florence en
Itale, soit en beautc, soit en grandeur" Sehen wir von dem
Vergleich mit Florenz ab, so wird jedem die Ähnlichkeit mit
dem Bericht des deutschen Volksbuches auffallen, die bis zu
der — auch von dem Engländer gebrachten — Zahl 24 der
Brückenbogen geht. Von dem, was der Übersetzer selbständig
hinzugefügt, findet sich hier ebensowenig wie in den deutschen
und lateinischen Werken jener Zeit, soweit sie mir zur Kenntnis
gekommen sind.
Ich muls also, um zum Schlüsse zu kommen, noch einmal
betonen, dafs ich, nach weiterer eingehender Prüfung der vor-
liegenden Tatsachen, die Annahme einer zweiten schriftlichen
Quelle des englischen Faustbuches neben Spies (abgesehen
vielleicht von handschriftlichen Einzeluotizen) nach wie vor
für ausgeschlossen halte. Ebenso erscheinen mir die von Max
Förster erhobenen Bedenken nicht erheblich genug, um die
Vermutung, John Dee stecke hinter dem anonymen Verfasser
des englischen Faustbuches, zu widerlegen. Es liegt bis jetzt
keine Tatsache von Belang vor, die sich gegen diese von mir
aufgestellte und mit äufsern und Innern Gründen gestützte
Hypothese mit Erfolg ins Feld führen lielse.
') Von letzteren nenne ich aufser Simon Scliardius, Historicum
opus (Basel 1574) und Gull. Postellns, Cosmographicae disciplinae com-
pe)idium (Basel 1561) noch: Franciscus Irenicus, Gerinaniae exegeseos
vol. XII (Hagenau 1518).
W.M.Thackerav über die Liebe.
Von
Theodor Mühe.
To loce and tvin is ihe best thmg,
to love and lose is the next best.
In allen grolsen und in den meisten kleineren Werken
W. M, Thackerays ist Liebe, im weitesten Sinne, letzten Endes
das ausschlaggebende Agens allen Geschehens, und an der be-
sonderen Art, Tvie seine einzelnen Geschöpfe sich als Liebende
oder Geliebte verhalten, pflegt der Dichter in erster Linie ihre
Persönlichkeit überhaupt deutlich zu machen. Trotzdem ist
kaum ein Schriftsteller in der neueren Romanliteratur so be-
harrlich und ängstlich wie gerade Thackeray an der Detail-
schilderung von Liebesszenen vorbeigegangen, und hat es
keiner so konsequent vermieden, das Seelenleben Liebender in
Individualfällen zu analysieren, wie dieser Meister realistischer
Kleinmalerei und psychologischer Analyse. Die Erklärung
dieses seltsamen Widerspruchs gibt an zwei Stellen seiner
Romane der Autor selbst. In der Shabby Genteel Story
S. 80 ') sagt er : It cannot he from want of experietice tliat I am
imable to descrihe, step hy step, the progress of a love affair;
nay, I am perfectly certain that 1 could, if I chose, maJce a
most astonishing and heart-rending Über amoris; hut never-
theless, I ahvays feel a rast repugnance to ihe followmg out
of a subject ofthis Jciml, which I attribute to a natural diffidence
and sharne that prevent me from enlargmg on a theme that
has in it something sacred — certain arcana which an honest
man, althoagh initiated into them, should not divulge.
') Alle Zitate beziehen sich auf die Gesamtausgabe von Thackerays
Werken in 26 Bänden im Verlage von Smith, Eider & Co., London. Die
im gleichen Verlage 1SS6 veröffentlichten Extracts from the Writings of
W. M. Thackeray enthalten gleichfalls einen Teil der weiterhin gegebeneu
Belege, waren aber für die folgenden Ansfiihrungen ebenso wie für meine
früheren üntersachungen zu Thackerays Ethik nicht verwendbar.
ä
235
If such coy scniples and UusMikj delicact/ prevent one
from passing the threshold even of an honowahle love, and
setting down, at so mang guineas or Shillings per page, the
pious emoUons and tendernesses of two persons chastelg and
legally engaged in sighing, ogJing, hand-squceziiig, kissing, and
so forth (for with such outward sig7is I belicve that the passion
of love is expressed), if a man feel, I sag, squeamish about
descrihing an innoce^it love, he is douhly disinclined to descrihe
a guiJty one; and 1 haue alwags feit a kind of loathing for
the skill of such geniusses as Eoassean or llichardson, who
could imint ivhith such painful accuracy all the struggles and
woes of Hclo'ise and Clarissa, — all the ivicked arts and
triumphs of such scoundrels as Lovelace.
Diese Bemerkungen finden ihre Ergänzung im 2. Band der
Vivginiaus S. 171: I protest for one, love is sacred. Wherever
I see it (as one sometimes may in the ivorld) shooting suddenly
out of two pair of eyes; or glancing sadly even from one pair;
or looking doivn from the mother to the haby in her lap; or
from papa at his girVs happiyiess as she is whirling round the
room with the captain; or from John, Anderson, as his old
tvife comes into the room — the bonne vieille, the ever
peerless among women; wherever I see that signal, I sag, let
US salute it. It is not only ivrong to Jciss and teil, but to teil
about kisses. Everybodg who has been admitted to the mystery,
— hush about it. Down with him qui Deae sacrum vulgat
vulgarit arcanae. Beware how you dine ivith him, he will
print your private talk : as sure as you sail with him, he will
throw you over.
Die Scheu vor der Entweihung von etwas Heiligem, als
das ihm unter allen Umständen die Liebe galt, und zugleich
das Gefühl eine Art Vertrauensbruch zu begehen durch Ent-
hüllung von Gedanken und Gefühlen, die jeder nur sieh selbst
oder doch nur einem einzigen anderen Mensehen einzugestehen
pflegt, hinderte Thackeray, anders als andeutungsweise und
skizzenhaft auf die Bekundungen der Liebe und Leidenschaft
bei seinen Personen einzugehen. Vielleicht werden solche zu-
mal bei einem realietischen Schriftsteller immerhin etwas
eigentümlich anmutenden Bedenken einigermafsen begreiflich,
wenn man sich Thackerays ganz einzigartiges Verhältnis zu
236
den von ihm gescbaffeDen Gestalten vergegenwärtigt. .,1 donH
control my characters, I am in their hands, and they talce me
where they please. The personage does or says something, and
I asl; »How the diclcens did he come to thinh ofthat?«'', sagt
er von ihnen. Sie sind ihm durchaus Realitäten, gute Be-
kannte, deren Denken und Handeln vor ihm wie vor einem
Beichtiger offen daliegt, und zu denen er höchst persönliche
Beziehungen von Sympathie und Antipathie unterhält, wenn-
schon er durch die Objektivität seines Urteils über sie zu
zeigen weifs, dafs alles verstehen alles verzeihen heilst. Mag
sieh der Dichter nun im allgemeinen auch an das Beicht-
geheimnis durchaus nicht gebunden halten, für ihr Liebesleben
heilst es bei ihm in gewisser Beziehung: Diskretion Ehrensache!
Diese Rücksicht auf seine eigenen Geschöpfe darf nicht
als eine Art Maskierung engherziger Prüderie, wie sie Thackeray
wohl gelegentlich vorgeworfen wird, aufgefafst werden; sie ist
vielmehr der aufrichtige Ausdruck einer feinfühligen Ritter-
lichkeit. Dals Thackeray durchaus nicht prüde ist, und im
gegebenen Zusammenhang die Dinge sehr wohl beim rechten
Namen zu nennen weils, davon ist im folgenden mehr als ein
Bew^eis enthalten. So spärlich und unbestimmt nämlich in
seinen Romanen Liebesbeziehungen in ihrer Entstehung und _
Entwicklung an konkreten Handlungen und individuellen Seelen- IJ
Vorgängen praktisch demonstriert werden, so reichlich und
präzise unterrichten uns über des Autors Beobachtungen und
Auffassung über die Liebe zahlreiche theoretische, durch eine
Fülle überaus lebendig erschauter Musterbeispiele illustrierte
Erörterungen, die zwischen der Schilderung der Begebenheiten
eingestreut sind. ') Diese Erörterungen mögen über das vor-
liegende Thema Auskunft erteilen.
Liebe im weitesten Sinne ist für Thackeray die in allen
Menschen vorhandene Fähigkeit zum Altruismus; sie ist die
eigentliche ethische Kraft, die je nach dem Grade ihrer Stärke
den moralischen Wert jeder Persönlichkeit bestimmt; sie ist
das Mysterium, durch das der Mensch über die Schranken
') Über den Zusammenhaug von Thackerays Auffassung der Liebe
mit seiner Ethik überhaupt, soweit diese aus direkten Zeugnissen zu er-
schliefsen ist, cf.: Zw Ethik W. M. Thackerays , Prograrambeilage der
O.-R.-S. Hamburg, Eimsbüttel 1910.
237
seiner ludividualität liinaiisg'cliobeii wird «nd sich selbst im
Nächsteu ahnt; in dem er sieh geborgen fUhlt, und dem er in
entscheidenden Lebensfragen mehr vertraut als selbst seinem
Egoismus: What is the sccrct mcsmcrism tvhlch frmulship
jjossesses, and ander which a person ordinarily sluggish or cold,
or timid, hecomes wisc, adive and resolute, in anothcr's hchalf'^
— you sce, under the magnctism of frioidship, the modest man
beconie bohl, ihe shij confident, the lazy adive, or the impetuous
prudent and peacefal. What is it, an the other hand, that
makes the lawyer escheiv his oivn cause, and call iii his learned
hrother as an aduiser? And what causes the dodor, when
ailing, to send for his rival, and not sit doiun and examine
his own tongue in the chimney glass or ivrite his own pre-
scription at his study-faUc? (Vanity Fair I, 234).
Unbegreiflich in ihrem Ursprung und ihrer Wirkung, ist
die Liebe — wie der Hafs — eine elementare Gewalt, die
aller Berechnung spottet: Pcoplehaie, as they love, ureasonahly.
Whether is it the more mortifying to us, the feel that we are
disliJced or liJced undcservedly? (New com es II, 205).
Die Liebe ist überall die gleiche geheimnisvoll heilige Macht,
„shooting suddenly out of two pairs of eyes, glancing sadly
even from one pair, looJcing doivn from the mother to the haby
in her lap, or from papa at his girVs happiness, or from John
Anderson as his old ivife comes into the roo7n" (s. o.). Es gibt
nicht verschiedene Arten der Liebe, sondern nur verschiedene
Anlässe zu ihrer Betätigung; es gibt also auch in diesem Sinne
keine erste, zweite und fernere, sondern immer nur die eine
Liebe, die von Anbeginn in der Natur eines jeden Menschen-
kindes begründet liegt und der Betätigungsgelegenheit harrt:
I donH believe there is any such thing Jcnoivn as first love
— 7iot within man's or tvoman^s memory. No male or female
rememhers his or her own christening. What? You faricy that
your sweet mistrcss, your spoiless spinster, your blanJc maiden
just out of the schoolroom, never carcd for any but you? And
she teils you so? 0, you idiot! When she was four years old
she had a tender feeling towards the Buttons who brought the
coals up to the nursery, or the little sweep at the crossing, or
the music master, or never mind whom. She had a secret
longing towards her broihe/s schoolfellotv, or the third charity
238
hoy at church, and if occasion liad scrved, the comedij enacted
ivith you liad heen performed along with another. I do not
mean to saij that shc confesscd this amatory sentiment, hut that
she had it. Lay doivn this page, and thinh how many and
many a time you ivcre in love before you seleded the present
Mrs. Jones as the partner of your name and aff'ection
(Virg-inians I, 206).
Unter den Anlässen zu altruistischer Betätigung hat der
Geschlechtstrieb den Geist der Liebe zu beschwören die all-
gemeinste und gröfste Macht. Durch ihn geweckt und von
ihm beherrscht, dient die Liebe der Erhaltung der Gattung.
If Nature had not made that j^^'ovision for each sex in the
credulity of the other, which sees yood qualities where 7ione
exist, good looJcs in donheys eai's, wit in their numshulls, and
music in their hray, there would not have heen near so much
marrying and giving in marriage as now obtains, and as is
necessary for the due propagation and cojitinuance of the noble
raee to ivhich we belong (Pendennis IT, 301). Mit unge-
schminkter Deutlichkeit wird der wahre Sinn der durch Eros
entzündeten Liebe gegenüber ethischem und religiösem Phrasen-
tum hervorgehoben. Daher heilst es mit Bezug auf den
Mann:
What is the meaning of fidclity in love, and whence the
birth of it? 'Tis a state of mind that men fall into and
depending on the man rather than the woman. We love being
in love, ihafs the truth on't. If ive had not met Joan, we
should have met Kate, and adorcd her. We Jcnoiv our inistresses
are no better than many other ivomen, nor no wittier. 'Tis
not for these reasons we love a woman or for any special
quality or cliarm I knoiv of; tve might as well demand that a
lady should he the tallest woman in the ivorld like the
Spropshire giantess, as that she should be a paragon in any
other character, before we began to love her (Esmond 11,288).
Und von der Frau gilt im wesentlichen dasselbe:
You have an instinct ivitldn you which inclines you to
attach yourself to some one: you meet Somebody: you hear
Somebody constantly x^raised: you walk, or ride, or lüaltz, or
talJc, or sit in the same pew at church with Somebody: you
239
meet again and again, and — »3farriages are made in Rcaveni-,
your dear manima saijs, xrinning gour orange-flower wreath on,
tvith her hlcssed eyes dinimcd ivith tears — and thcrc is a
ivedding hvcalcfast, and you iahe off your white salin and retire
to your coach-and-four, and you and he are a happy jiair —
Or, the affair is hrolcen off, and then, poor dear wounded heart!
ivhy then you meet Somebody Else, and tivine your young
affedions round numher tivo. It is your nature so to do. Do
you suppose it is all for the man's sähe that you love, aiid not
a bit for your oivn? Do you suppose you ivould drinlc if you
were not thirsty, or eat if you were not hungry? (Pendennis
II, 164).
Die Tatsache, dafs in diesem Zustande alle altruistischen
Kräfte, die bei der Mehrheit der Menschen sonst latent zu
bleiben pflegen, plötzlich frei werden und die Natur des ein-
zelnen in g-anz ungewohntem, abnormem Lichte erseheinen
lassen, gibt nicht selten der Liebe den Anstrich einer Krank-
heit. Infirmity, evil, disease, siehiess, complaint, intoxicatiofi,
delirium werden daher bei Thackeray als Synonyma für love
gebraucht. Das Übel erfafst jeden zu seiner Zeit und nimmt
fast stets denselben typischen Verlauf:
For it is my opinion, Madam, that love is a bodily i7i-
firmity, from which humanhiyid can no more escapc than from
small pox; and ivhich attracts euery one of us, from ihe first
duhe in the Feerage down to Jach Ketch inclusive; ivhich has
no respect for ranh, virtue or roguery in a man, hut sets each
in his turn in a fever; which breahs out the deuce hnoivs hotv
or ivhy, and raging its appointed time, fills each individual of
the one sex with a blind fury and longing for some one of
the other (who mag be pure, gentle, blue-eyed, beautiful, and
good; or vile, shrewish, squinting, hunchhached, and hideous,
according to circumstances and luch) ; ivhich dies aivay, perhaps
in the natural course, if left to have its wag, but which contra-
diction causes to rage more furiously than ever (Catherine
IL 31).
Die Symptome dieser Krankheit, die in Wirklichkeit keine
ist, sind nun infolge des Gegensatzes von Schein und Sein für
den Unbeteiligten äufserst belustigend. Mit besonderem Nach-
druck verweilt der Dichter immer wieder auf der Blindheit
240
gegenüber allem Realen, mit der Liebende geschlagen zu sein
pflegen; so wenn es sieh um den vor keinem Vernunfttribunal
zu rechtfertigenden Energieaufwand handelt, der in solchem
Zustande entwickelt wird:
The heilig ivhom a young man wishes to see, he sees. What
business is supcrior to that of seeing her? 'Tis a litth Helles-
pontine matter Jceeps Leander from his Ilero? He ivould die
rather than not see her. Had he sivum out of that difficulty
071 that stormy night and carried on a few months later, it
might have been: »Belored! my cold and rheumatism are so
severe that thc doctor says I must not thinh of cold bathing
at night <.<; or »Dearestf ive have a party at tea, and you
must'nt exped your ever fond Lambda to night <.<■, and so forth,
and so forth. But in thc heat of his 2)assio7i water could not
stay him; tempest could yiot frighten him; and in one of them
he went down, white poor Herd's lamp ivas tivinhling and
spcnding its best flame in vain (Philip 1,2); oder wenn
plötzlich Urteile und Sympathien der Betroffenen ganz neue
Richtung erhalten. „Er" entdeckt ungeahnte Vorzüge bei allen
Personen, die zu „ihrem" Lebenskreis gehören und ist von
rührender Nachsicht für alles dort etwa vorhandene Unzu-
längliche:
When a man is in love with one ivoman in a family, it
is astonishing hoiv fond he becomes of every person coimected
with it. He ingratiates himself with the maids; he is bland
ivith the butler; he interests himself about the footman; he
runs on errands for the daughters; he gives advice and lends
moncy to the young son at College; he pats little dogs which
he would liick otherivise; he smiles at old stories which woidd
mähe him break out in yawns, werc they uttered by any one
but papa; he drinlcs siveet port ivine for which he ivould curse
the Steward and the whole comynittee of a club; he bears cven
with the cantanJcerous old maiden aunt; he heats time when
darling little Fanny performs her inece on the piano; and
smiles when iviched lively little Bobhy upsets the coffee over
his shiii (Virginiaus 1,178).
„Sie" gibt „ihm" natürlich in dieser Hinsicht nichts nach:
People will grow interesting to them for ivhom they did
not care sixpence on the day before; as on the other hand
241
persans of whom thcij fancied themselves fond tviU he foimd
to liave become msipid and disagreeahle. Then youv dearest
Eliza or Maria of the other day, to ivhom you wrote letters
and sent loclcs of hair yards long, ivill on a sudden he as in-
different to you as your stujndest relation; irilst on the contray,
ahoiit his rclations you ivill hegin to feel such a ivarm inierest!
such a loving desire to ingratiate yourself with his mamma!
such a Jiking for that dear kind old man his father! If He
is in the hahit of visiting at any house, tvhat advances you
will make to visit there too! If He has a married sister, you
will like to spend long mornings tvith her. You will fatigue
your servant by scnding notes to her, for which there will he
the most pressing occasion, twice or thrice in a day. You will
C7'y if your mamma ohjccts to your going too often to see His
family. The only one of them you ivill dislikc, is perhaps
his younger brother, ivho is at home for the holidays, and who
will persist in staying in the room when you come to see
your new dear friend, his darling second sister (Pendennis
II, 9).
Absolute Sorglosigkeit und Verkennuug der Schwierig-
keiten, die das nüchterne Alltagsleben idealen Liebesträumen
nur zu oft entgegenstellt, sind natürliche Begleiterscheinungen
der Liebesblindheit:
Love in some passionate and romantic dispositions nevcr
regards consequences, or measures accomodation. Who has not
experienced that frame of mind; what thrifty ivife has not seen
and lamentcd her husband in that condiiion; ivhen, with rather
a heightened colour and a deuce-may-care smile on his face,
he comes home and announces that he has asked twenty people
to dinner next Saturday? He doestiH know ivhom exactly; and
he does know the dining-room ivill only hold sixteen. Never
mind! Two of the prettiest girls can sit upon young gentlemen^s
knees; others won't come: there' s sure to be plenty! In the
intoxication of love people venture upon this dangerous sort of
housekeeping ; they don't calculate the resources of their dining-
table, or those inevitable butchers' and fisher-mongers' hills which
will he brought to the ghastly housekeeper at the heginning
month (Virginians II, 216).
Die Nutzlosigkeit des Bemühens, durch Vernunfteinwirkung
Studien z. eugl. Phil. L. \Q
242
einem „Übel" abzuhelfen, »wliich coniradiciion causes to
rage more furiously than ever«, liegt auf der Hand:
Ä man gets his own cxperience about women, and ivill
tdke ndbodr/s hearsay; nov, indeed, is the young fellow worth
a fig that woidd. ^Tis I that am in love ivith my mistress,
not my old grandmother that counsels me: 'tis I that have
fi.red the value of the thing I ivould have, and Icnoiv the prlce
I would pay for it. It may he ivorthless to you, hut 'tis all
my life to me ... There's some particular prize ive all of us
value, and that every ynan of spirit will venture his life for.
With this, it may he to achieve a great reputation for learning;
tvith that, to he a man of fashion, and the admiration of the
toum; with another, to consummate a great ivorh of art or
poetry, and to go to immortality that ivay; and tvith another,
for a certain tiyne of his life, the sole ohject and aim is a
woman (Esmond 111,326).
Infolge der in ihrem Zustand begründeten Beschränkung
ihrer Urteilsfähigkeit, können Liebende nicht im vollen Umfang
für ihr Handeln verantwortlich gemacht werden:
It is 7iot fair to taJce down a young fellow^s words when
he is raging in that delirium. Suppose he is in love with a
woman tivice as old as himself have ive not read ofthe young
gentleman who committed suicide in consequence of his fatal
passion for Mademoiselle Ninon de VEnclos who tarned to he
his grandmother 'i' Suppose thou art maJcing an ass of thyself,
young Harry Warrington of Virginia! are there not people in
England who hehaw too? Kich and ahuse him, you ivho have
never hrayed; hut hear with him, all holtest felloiv-cardophagi:
long-eared messmates, recognise a hrother donhey! (Virginians
I, 173).
Besondere Gefahren birgt die Liebesblindheit für diejenigen,
deren Liebe keine Erwiderung findet, aber aus Berechnung er-
hört wird; rettungslos erliegen ihnen zumeist die Betroffeneu:
When men of a certain sort are in love, though they see
the hooJc and the string, and the whole apparatus tvith which
they are to he tahen, they gorge the hait nevertheless — they
must come to it — they must swalloiv it — and are presently
strucTc and landed gasping (Vanity Fair I, 141). Zu spät
I
1
243
erkennen sie, dafs, was sie flir Gegenliebe hielten, lediglich
ein Spiegelbild ihrer eigenen Leidenschaft war:
That silly dog (of ivJiom Äesoj) or the SpelUng-hooJc used
io teil US in ijouth) beheld a heeßone in the pond, and snapped
at it, and lost the heefbone he icas carrying. Oh, absurd cur!
He saiv the beefbone in his uivn mouth reflcded in the treacherous
pool, n'hich dimpled, I dare say, ivith ever so many. smiles,
coolly sucked up the meat, and returned to its usual placidity.
Ah! lühat a heap of tvrech lies bencath some of those quiet
surfaces! What treasures we have dropped into them! Wliat
chased golden dishes, n-hat precious jeivels of love, tvhat bones
after bones, and sweetest heart's fiesh! Do not some very
faithful and unluchj dogs jump in bodily, when they are
Sivalloived up heads and tails entirely? When some ivomen
comc to be dragged, it is a marvel tvhat ivill be found in the
depths of them. Cavete canes! Have a care lunv ye lap
that water. What do they ivant ivith us, the mischievous syren
sluts? Ä green-eyed Naiad neuer rests until she has in-
veigled a felloiv under the water; she sings after him, she
dances after him; she winds round him, glittering tortuously ;
she tvarbles and whispers dainty secrets at his cheeJc, she Jcisses
his feet, she leers at him from out of her rushes: all her beds
sigh out, >yCome siveet youth! Hither, hither, rosy Hylas! Pop
goes Hylas. (Surely the fable is reneived for ever and ever?)
Has his captivator any pleasure? Doth she take any account
of him? No more than a fisherman landing at Brighton does
of one out of a hundred thousand herrings (Virginians 1,165).
Auch von den Wirkungen der „Blindheit" abgesehen,
birgt die Liebe noch mancherlei Gefahren für Glück und "Wohl-
ergehen derer, die sie befällt.
Most of US play ivith edged tools at some period of our
lives, and cut ourselves accordingly. At first the cid htirts and
stings and doivn drops the Jcnife, and ive cry out lihe ivounded
little babies as ive are. Some very feio unluclcy follcs at the
game cut their heads sheer off, or stab themselves mortally,
and perish outright, and there is an end of them. But, —
heaven help us! — 7nany people have fingered those ardentes
sagittas tvhich Love sharpens on his tvhetstone, and are
stabbed, seared, pricked, perforated, tattoed all over with the
lü*
244
wounds, u^ho recover, and live to he quite lively. Wir auch
haue tasted das irdische Glück: we also have gelebt und —
und so weiter, Warhle your death song, sweet TheJcla!
Pcrish off the face of the earth], poor imlmonary victim, if
so minded! Had you survived to a later period of life, you
would have thought of a sentimental disappointment ivitliout
any reference to the undertaher (Virginians I, 306).
Freilieb, mag ihr Ausgang sein wie er will, eine GlUeks-
(juelle ist jede Liebe. Gewährt glückliche Liebe die höchste
Lust auf Erden, so ist unglückliche Liebe noch immer freuden-
reicher als Liebeleere:
Something like this will happen to you, young ladies, or,
at any rate, Ict us liope it may. Yes you must go through
the hot fts and the cold fits of that pretty fever. Your mothers,
if they ivuidd achiowledge it, have passed through it iefore
you were hörn, your dear p)apa heing the ohject of the passion,
— lüho could it he hut he'^ And as you suffer it, so will your
hrothers, in their way, and after their Tcind. More selfish than
you: more eager and headstrong than you: they ivill rush on
their destiny ivhen the doomed charmer maJces her appearance.
Or if they don't and you don't, Heaven help you! As the
gamhler said of his dice, to love and win is the hest thing, to
love and lose is the next hest (Pendennis 11,10). %
Doch 80 beseeligend auch die von Eros geweckte Liebe
ist, Bestand hat sie nur, wenn sie zu einem Bunde führt, in
dem nicht allein Mann und Weib, sondern Mensch und Mensch
zueinander finden. Selten nur ist auf beiden Seiten dazu gleiche
Bereitschaft vorhanden.
I have Seen, to he sure, some people carry doivn tvith them
into old age the actual hloom of their youthfid love, and I
Jmow that Mr. Thomas Barr lived to he a hundred and sixty
years old. Bat, for all that, threescore and ten is the age of
men, and few get heyond it; and His certain that a man tvho
marries for mere heaux yeux, considers his pari of the con-
tract at an end ivhen the woman ceases to fulfil hers, and his
love does not survive her heauty. I knoiü His often othei'ivise, \
I say; and can thinh (as most men in their own expterience
may) of many a house, whe^-e lighted in early years, the sainted
lamp of love hath never heen extinguished ; hut so there is
245
Mr. Barr, and so thcre is the grcat giant at thc fair that is
cight fcet high — exceptions to men — aiid that poor lamp
whercof I speak, that lights at first thc nuptial Chamber, is ex-
tinguished hg a hundred winds and draughts doicn the chimney;
or futters out for want of feeding. Änd then — and then it
is Chloe i?i the dark, stark awake, and Strephon snoring un-
heeding; or vice versa, 'tis poor Strephon that has married
a heartless jilt, and awoke out ofthat absurd vision of conjugal
fclicity, which ivas to last for ever, and is over like any othcr
dream. One and other has made his hed, and so must lie in
it, until that final day ivhen life ends, and they sleep separate
(Esmond 1,83).
Gewöhnlicli hält wobl nur bei der Frau die Kraft der
Liebe zu dauernder innerer Vereinigung vor:
A woman's first love lasts for ever^) (a man's twenty-forth
or tiventy-fifth is perhaps the best) : you canH kill it, do what
you lüHl; it takes root, and lives and even groivs, neuer mind
what the soil may he in ivhich it is planied, or the bitter
weather it must hear — often as one has seen a ivall-flower grow
— out of a stone (Catherine S. 31).
Hie und da ist solche Beständigkeit auch beim Mann zu
finden :
Some hoys have the complaint of love favourahlg and
gcntly. Others, when ihcy get the fever, are sick unto death
with it; or recovering, carry the marks ofthe malady dornt tvith
them to the grave or to remotest old age (Virginians 1,173).
Wo aber die Liebe keinen dauernden Bund zu knüpfen
vermag, da hat ihr Tod bittere Enttäuschung und herbes Leid
im Gefolge:
Who does not know of eyes, lighted by love once, ivhere
the flame shines no more? oflamps extinguished, once p)yoperly
tnmmcd and tended? Every man has such in his house.' Such
mementoes make our splendidest Chambers look blank aml sad;
such faces seen in a day cast a gloom upon our sunshine. So
') Diese Jugcudaaffassnng hat Thackeray in ihrer Uubedingtheit
allerdings später fallen lassen, indem er durch die Gestalt von Rachael
Esmond zeigte, wie auch die Liebe der Frau ertijtet werden kann ; cf. auch
Pendennis II, 1G4 und Virginians I, 'JOti.
246
oaths miduaUy sioorn, and invocations of heavcn, and priesthj
ceremonies, a)id fond belief, and love, so fond and faithful that
it never douhted btit that it sliould live for ever, are all of no
avail towards inaJcing love eternal: it dies, in spite of the
hanns and the priest: and I have oftcn thought there should
he a Visitation of the sich for it, and a funeral service, and
an extreme nnetion, and an ahi in pace, It has its course,
liJce all mortal things — its heginning, progress and decay.
It huds and ends. Strephon and Chloc languish apart; join
in rapture: and presently you hear that Chloe is crying, and
Strephon has broken his crooh across her back. Can you mend
it so as to show no marks of ruptiire? Not .all the priests of
Hymen, not all the incantations to the gods, can mähe it
ichole! (Esmond 1, 105f.).
Mit der ErnüchteruDg erfolgt auch die EntdeckuDg der
wahren Beschaffenheit des andern. Die kalte Beleuchtung des
grauen Alltags raubt dem einstigen Idealbild allen früheren
Glanz:
After the illumination, when the love-lamp is put out, and
by the common daylight ive look at the picture, what a dauh
it looks! what a clumsy effigy! How many men and ivives
come to this knowledge, think you? And if it be painful to a
lüoman to find herseif mated for life to a boor, and ordered
to love and honour a dullard; it is worse still for the man
himself perhaps, whenever in his dim comprehension the idea
dawns that his slave and drudge yonder is, in truth, his
superior; that the ivoman ivho daes his bidding, and submits
to his humonr, should be his lord; that she can think a thousand
things beyond the power of his muddled brains; and that in
yonder head, on the pillow opposite to him, lie a thousand
feelings, mysteries of thought, latent scorns and rebellions,
where he only dimly percieves the existence as they look furtively
from her eyes: treasures of love doomed to perish tvithout a
hand to gather them; sweet fancies and Images of beauty that
would grow and unfold themselves into fioioer; bright wit that
would shine like diamonds could it be brought into the sun:
and the tyrant in possession crushes the outbreak of all
these, drives them back like slaves into the dungeon and
darkness, and chafes without that his prisoner is rebellious.
247
and his sworn suhjed undutiful and refradory (Esmund
I, 107).
So traurig das Erlösehen der Liebe ist, so herrlich und
erhebend strahlt alles überwindende standhafte Liebe:
Alas that youthful love and truth should end in hitterncss
and Mnhniptcy! To see a yount) c<mple loving tack othcr is
no ivonder; hut to see an old couple loving each other is the
best sight of all (Esmond 1,109). Hallowed rememhrances of
sacred times! If the sight of youthful love is pleasant to
behold, how mucli more charming the aspect of the affection
that has survived years, sorroivs, faded heauty perhaps, and
life's düidjts, di/ferences, trouhle! (Virginians 1,303).
Derartig gefestigte Liebe ist über Anfechtungen nicht nur
erhaben, sondern findet darin erst die rechte Gelegenheit sieh
zu betätigen und macht dadurch das Unglück fast willkommen:
In the midst of grief, Love the consolcr appears amongst
US tvith such fond blandishments and tender caresses, that one
scarce tvishes the calamity aivay (Virginians II, 310).
Liebe in diesem Sinne ist die Offenbarung Gottes im
Menschen:
Ash of your oivn hearts and memories, brother and sister,
if we do not live in the dead ; and (to speak reverently) prove
God by love? (Pendennis 11,260). Let us bc thanhful for
our race, as ive thinh of the love that hlesses some of us.
Surely it has something of Heaven in it, and angels celestial
niay rejoice in it, and admire it (Newcomes I, 174).
Im Vergleich zu solcher Liebe sind alle anderen Lebens-
güter wertlos oder haben doch nur bedingten Wert. Unbe-
dingten Wert hat nur die Liebe:
To be rieh to be famous? What do these pro fit a year
hence, ivhen other namcs sound louder than yours, when you
lie hidden away under the growid, along ivith idle titles
engraven on y<mr cofßi? But only true love lives after you
— follows your memory ivith secret blessing — or precedes
you, and intercedes for you. Non omnis moriar — if dying,
I yet live iji a tender heart or two ; nor am lost and hopeless
living, if a sainted departed soul still loves and 2)rays for me
(Esmond 11,203).
248
Wahres und liöclistes Glück ist daher auch nur in echter
reiner Liehe zu erleben:
Canst thoii, 0 friendly reader, count upon the fidelity of
a}i artless and tender heart or tivo, and recJcon among the
hlessi)igs which lieavcn hath hestowcd on thee the luve of faithful
wmnen? Purify thine oivn heart, and try to mähe it ivorthy
theirs. On thy hnees, on thy hiees, give thanJcs for the hlessmg
aicarded thee! All the prizes of life are nothing compared to
ihat onc. AU the rewards of amhition, ivealth, pleasure, only
vanity and disappointment — grasped at greedily and fought
for fiercely, and, over and over again, found tvorthless hy the
weary ivinners. Bat love seems to survive life, and to reach
heyond it. I think we taJce it ivith us xnist the grave. Do loe
not still give it to those ivho have left us? May ive not hopc
that they feel it for us, and that we shall leave it here in one
or two fond hosoms, ivhen we also are gone? (Virginians
I, 196).
Nur zu oft freilieh wissen wir erst zu spät das Glück zu
erkennen und zu würdigen, das treue Liebe uns bot:
We taJce goodness, for the most 2)art, as if it was our due;
the Marys who bring ointment for our feet get litt little thanhs.
Some of US never feel this devotion at all, or are movcd hy it
to gratitude or achiowledgement ; others only reeall it years
after, when the days are past in ivhich those sweet kindnesses
ivere spent on us, and ive offer hack our return for the debt
by u poor tardy payment of tears. Then forgotten tones of
love recur to us, and kind glances shine out of the past —
oh so bright and clearf — oh so longed after! — hecause they
are out of reach; as holiday miisic from u-ithin-side a prison
tvall — or sunshine seen through the bars; more prized hecause
unattainahle — more bright hecause of the contrast of present
darkness and solitude, tvhence there is no escape (Esmond I, 91).
Doch es liegt Trost in dem Gedanken, dafs wir Liebe
auch über das Grab hinaus noch nachträglieh vergelten können:
The old French satirist avers that, in a love affair, there
is usually one p)erson luho loves, and the other qui se laisse
aimer; it is only in later days perhaps, whe)i the treasures
of love are spent, and the kind hand cold ivhich ministered
them, that ive remember how tender it was; how soft to soothe,
249
hoiü oager fo f^hield, how readij io support and caress. The
ears maij no longer hear which ivouJd have received our words
of thanJcs so deJighfedlij. Let iis hope fhosc fmits of love,
though tardy, are yet not all too latc; and tJiough wc hring
our tributc of reverence and gratitude, it mag he to a grave-
stone, there is an acceptance even there for the shicJcen hearVs
ohlation of fond remorse, contritc memories, and pious tears
(Neweomes I, 214).
Unsere Fälligkeit, über das Grab hinaus zu lieben, ist ein
Zeichen dafür, dafs die Liebe nicht wie der Körper vergänglich
ist. Sie ist unsterblich wie unsere Seele. Keine Zeit und
keine Trennung kann ihr etwas anhaben. Die folgenden Be-
trachtungen über die Unsterblichkeit der Liebe finden sich
Neweomes II, 86 (bis those we love?), (Neweomes I, 178
(bis round her hiee), und Esmond 111,369):
If love lives through all life; and survives through all
sorrow: and remains steadfast with us through all changes;
and in all darkness of spirit hurns hrightly; and, if we die,
deplores us for euer and loves still equally; and exists ivith the
very last gasp and throb of the faithful bosom — whence it
passes with the pure soul, beyond death; surely it shall be
immortal! Though we ivho remaiu are separated from it, is
it not ours in Heaven? If we love still those ive lose, can ive
althogether lose those ive love?
It is an old saying that we forget nothing, as people in
a fever hegin suddenly to talk the language of thcir infancy,
we are stricken hg memory sometimes, and old affcctions rush
hack on us as vivid as in the time ichen theg were our daily
talk, ivhen their presence gladdened our eges, ivhen their accents
thrilled in our ears, ivhen with passionate tears and grief we
fiung ourselves upon their hopeless corpses. Parting is death,
at least as far as life is coneerned. A passion conies to an
end; it is carried off in a coffin, or weeping in a post chaise;
it drops out of life one ivay or other, and the earth clods close
over it, and we see it no more. But it has been part of our
Söuls, and it is eternal. Does a mother not love her dead in-
fant? a man his lost mistress? with the fond loife nestling at
his side, — yes, with tiventy children smiling round her knee.
Parting and forgetting! What faithful heart can do these?
250
Our ijreat thoiights, our great affedions, the Truths of our
lifo, never leave us. Siireh/, theij cannot separate from our
coiisciousness ; shaJl folloiv it ivithersoever that shall go; and
are of thcir nature clivine and immortal.
Die Liebe wird so zn jenem ewig mächtigen Band, durch
das Gott die vergänglichen Individuen untereinander über
Kaum und Zeit hinweg als Menschheit dauernd zusammenfügt
und erhält. In dieser ihrer tiefsten Bedeutung erfafst und
preist sie der Dichter, wenn er in der Voyage from Corn-
hill to Cairo S. 207 sagt:
The Malier has linhed togeiher the u-hole race of man with
this cliain of love. I like to thinh that there is no man hat
has had kindly feelings for some other, and he for his neighhoar,
nntil ive hind together the tcliole famiJij of Adam. Nor does it
end here. It joins heaven and earth together. For my friend
or mij child of past days is still my friend or my child here,
or in the home prepared for us hy the Father of all.
Syiidiesis und Analysis des Koiijüid^üvs
in dem fiühniiUelenglisehen
Streitgedielit „Eule und Nacliligall".
Vou
Willi Breier.
Inhalt.
Seile.
Einleitung 252
I. Übersicht über die Flexion des Verbums iu EN 253
II. Synthesis und Analysis des Konjunktivs 255
Einleitung-.
In den Studien zur etiglischen Philologie, Heft 40, hrsg.
von L. Mors b ach (= Said.), hat W. Zenke ausführlich und
erschöpfend die Synthesis und Analysis des Verbums im
Orrmulum behandelt. Mit Recht betrachtet er seine Arbeit
als einen Baustein zu einer Geschichte der Svnthesis und
Analysis des Verbums in der englischen Sprache. Ehe diese
umfassende Aufgabe in Angriff genommen werden kann, müssen
zahlreiche Einzeluntersuchungen nachweisen, wie sich die Sprache
wichtiger Denkmäler der englischen Literatur zu jenem Ent-
Avicklungsvorgang im Leben des Verbums verhält.
Die folgenden Ausführungen über die Synthesis und Ana-
lysis des Verbums in „Eule und Nachtigall" (:= EN.) wollen
mithelfen, die Frage der endgültigen Beantwortung entgegeu-
zuführen. Das bekannte frühmittelenglische Streitgedicht ist
wohlgeeignet, die Ergebnisse Zenkes zu ergänzen. EN. ist mit
dem Orrmulum etwa gleichzeitig entstanden; denn diese
Dichtung wird „um 1200" angesetzt, vgl. Morsbach, Mc. Gr.,
§ 3, Anm. 2, und jene muls „kurz vor oder nach 1200" ver-
fafst sein, wie ich in den Stud., Heft 39, nachgewiesen habe.
Die Mundart der beiden Dichter jedoch ist wesentlich ver-
schieden. Das Orrmulum ist in der Sprache des Nordens vom
östlichen Mittellande geschrieben; EN. dagegen weist sprach-
lich auf den mittleren Süden hin, und zwar auf eine Graf-
schaft westlich von Hampshire, vgl. Stud., Heft 39, § 56.
253
T. Übersicht ilbor die Flexion des
Verbiims in EK
§ 1. Die Sfiul, Heft 39. eiithulteu auf S. 134—150 eiue
ausfuhrliebe Formenlehre des Verbums in EN. Flir den Zweck
der vorliegenden Abhandlung genügt ein Überblick über die
Flexion des Praesens Indikativ und Konjunktiv sowie des
Praeteritums Indikativ und Konjunktiv. Zum Vergleich ist
das Bild beigefügt, das die Flexion der entsprechenden Zeiten
im Orrmulum bietet, vgl. Stwl, Heft 40, § 60, 2.
P
raesens.
Orrm.
Indikativ
EN
Orrm.
EN.
Sing. 1.
-e
-e
Konjunktiv.
2.
-esst
-est
Sing.
1
3.
-e]>p
-ep
Plur.
-672)1 1
Plur.
-67171
-eP
Bemerkungen: 1. Die Verba eontracta und die Verben
auf -mi haben lautgesetzlich kein -e in der Endung.
2. Synkopierte Formen der 2. und 3. Sing. Praes. Ind. sind
im Orrmulum und in EX. belegt.
3. Das -i- der ursprünglich kurzsilbigen Verben auf -)'
und bei den Verben der II. Klasse der schwachen Verben ist
im Orrmulum geschwunden, aber in EX. erhalten, jedoch hat
hier die Überlieferung die ursprünglich klaren Verhältnisse
getrübt.
4. Die der III. schwachen Konjugation angehörenden
Verben: ae. habhan. Iibba7i, sec^{e)an und ae. wilhm haben im
Orrmulum Ausgleich zu Gunsten des einfachen Konsonanten,
während EX. die alten Verhältnisse bewahrt, die allerdings
bei den Formen von ae. wilhm ebenfalls durch die Über-
lieferung gestört worden sind.
254
Praet
Starke Verben.
eritum.
Schwache Verben.
Orrm.
Sing. 1.
o
3.
Plur.
EN.
Indikativ.
— -e
-enn -e{n)
Orrm. EN
Indikativ.
Sing. 1. -de -de
2. -desst -dest
3. -de -de
Plur. -denn -de{n)
Sing.
Plur.
Konjunktiv.
-e -e
-enn -e{n)
Konjunktiv.
Sing. -de \ _^^
Plur. -den7i J
Bemerkungen: 1. Die ae. Ablautreihen haben sich wie
im Orrmulum so auch in EN. im grofsen und ganzen laut-
gesetzlich entwickelt, und die verschiedenen Klassen der ab-
lautenden Verben sind im allgemeinen gut erhalten.
2. Die 2. Sing, ist im Orrmulum wie ja in der Literatur
jener Zeit überhaupt verhältnismäfsig selten belegt, vgl. StudAO,
§ 47. In EN., dem Streitgespräch zwischen zwei Gegnern,
tritt sie öfter auf.
Die Praeterito-Praesentia.
Sie entsprechen in ihren Formen im Orrmulum und auch
in EN. im wesentlichen dem Altenglischen, vgl. Sievers, Ags.
Gr., §§ 517 ff.
Das Verbum substantivum.
Praesens.
Praeteritum.
Orrm.
EN.
Orrm.
EN.
Indikativ.
Indikativ.
Sg.l. amm
am
Sg.l.
ivass
tvas
2. -airt (best)
art
2.
wass
ivere
3. iss (hej), beojj)
is
3.
wass
was
PL -sinnden
h{e)oP
PL
wcerenn
ivere{n)
{arm)
Konjunktiv.
Konjunktiv.
Sg. he{o) {si)
he{o)
Sg.
wcere
ivere
PL Im
l{e)o{n)
PI.
wcerenn
ivere{n)
Aum.: Genaueres über die Verteilung der Formen des ae. bion im
Orrmulum vgl. Stxul. 40, § 59.
255
Zusammenfassung: Ein Blick auf die vorstehende Über-
sicht lälst erkennen :
1. Im Orrmulum unterscheiden sich der Form nach im
Praesens Ind. und Konj. nur die 2. und 3. Sing., während in
EN. nur die 1. Sing, des Praesens Ind. mit der des Praesens
Konj. zusammenfällt.
2. Im starken Praeteritum sind dagegen im Orrmulum
alle drei Personen des Sing. Ind. von denen des Konj, äufser-
lich zu unterscheiden, in EN. aber nur die 1. und 3. Person
des Sing.
Der Dichter von EN. hatte also in seiner Mundart einen
gröfsereu Reichtum von äufserlieh erkennbaren Koujunktiv-
formen zur Verfügung; denn der Vorteil, den Orrm in der
2. Sing. Praet. der starken Verben hatte, dürfte den Nachteil,
der sich für ihn aus dem Zusammenfall des Plur. Praes. Ind.
mit dem des Konj. ergeben hatte, nicht voll ausgleichen.
11. Synthesis und Analysis des Konjunktivs.
§ 2. Der Verfall der Flexionsendungen und die dadurch
geschaffene äufsere Gleichheit der Indikativ- und Konjunktiv-
formen bewirkte das Aufkommen neuer Ausdrucksweisen für
den Konjunktiv. Schon im Altenglischeu wurde das Bedürfnis
gefühlt, den Konjunktiv mit Hilfe gewisser Verben dort sinnen-
fällig darzustellen, wo die synthetische Konjunktivform mit
dem Indikativ übereinstimmte. Im Mittelenglischen aber mufste
dies sprachliche Bedürfnis in dem Mafse stärker werden, wie
die Vereinheitlichung der Verbalflexion durch Endungsabfall
und Endungsausgleich fortschritt. Wie nun z. B. im Verfall
der Substantivflexiou und dem damit zusammenhängenden
Schwinden des grammatischen Geschlechts der Substantive der
Norden und das Mittelland dem Süden Englands gegenüber
voran waren, so auch in der unaufhaltsamen Entwicklung, die
immer mehr dazu führte, formelle Unterschiede zwischen In-
dikativ und Konjunktiv aufzuheben. Im Hinblick auf den
Bestand an äufserlieh erkennbaren synthetischen Konjunktiven
256
ist es begreiflich, dafs Orrm schon häufiger als der Dichter
von EN. den Zwang empfinden mufste, zur Umschreibung zu
greifen. In der Mundart von EN. bestund, soweit die äufsere
Erkennbarkeit oder Nichterkennbarkeit des synthetischen Kon-
junktivs ausschlaggebend war, nicht mehr Nötigung, zur Ana-
lysis die Zuflucht zu nehmen, als im Spätwestsächsischen.
Bedenkt man überdies, dafs wie in der altenglischen Zeit so
auch im Frnhmittelenglischen die äufserlich nicht erkennbaren
synthetischen Konjunktive dem Sprachgefühl bezüglich der
Auffassung ihrer syntaktischen Bedeutung genügen konnten,
so liegt auch von diesem Gesichtspunkte aus kein Grund vor,
für den Dichter von EN. einen dringenderen Anlafs zur Ana-
lysis des Konjunktivs zu beanspruchen als für einen Schrift-
steller der spätws. Zeit,
Die folgenden Paragraphen bieten die Belege für die
Synthesis und Analysis des Konjunktivs aus EN. In der An-
ordnung folge ich Zenke schon aus dem Grunde, den Vergleich
zwischen beiden Arbeiten zu erleichtern, der den Abschlufs
der Untersuchung bilden soll.
Es braucht wohl nicht besonders betont zu werden, dals
in einzelnen Fällen nicht endgültig zu entscheiden ist, welcher
Satzart ein Beleg zuzuweisen ist.
Anm. : Die Belege sind der Hs. C entnommen, die in Wells: The
Owl and the Nightmgale, Heath, London und Boston, 1907, abgedruckt
ist. In der Schreibung der Worteinheiten bin ich oftmals, selten in Text-
fragen von ihm abgewichen. Die aufgelüsten Abkürzungen sind im Druck
nicht kenntlich gemacht. Ein paarmal ist auch die Hs. J, die gleichfalls
bei Wells zu finden ist, herangezogen worden. — Die Frage, ob ein Verb
zu den starken oder zu den schwachen zu stellen sei, ist vom ae. Sprach-
zustand ans entschieden.
A. Der Konjunktiv im Hauptsatze.
I. Der Konjunktiv des Praesens.
§ 3. Der synthetische Konjunktiv steht zum Ausdruck
des Wunsches, Starke Verben:
1173: Ood Almisti tvrpe him tvroj) . . ,
1382: Wrojj tvurjje heom Jjc hoJi rode . . ,
257
Schwache Verben:
52: so hit hiticle J)at ich mote.
99: Dahct hahhe J)at ilke best . . .
tobe: 993: So ho hit euer in unher sijic . . .
do: 1092: Je.^us his soide do merci.
§ 4. Umschrieben ist der Konjunktiv schwacher
V^erbeu durch mote, das selbst formell Konjunktiv ist:
987 ff.: Euer mote pu ,s ollen 7 wejjcii
Pat Jm pi lif mote forleten,
an sollen mote pu so he^e,
pat uiberste ho Jnn e^e.
§ 5. Einer Aufforderung gibt der Konjunktiv Ausdruck
in einer Reihe von Belegen. Starke Verben:
33: Vnwi^t, ho sede, awei pu flo ...
177: Ac lete ive aivei pos eheste . . .
179: j fo tve on mid rigte dorne . . .
Schwache Verben:
1273: oie truste no mon to his iveole . . .
555: an pu me ansuare sif pu migt'
do: 1781: Do ive, pe nigtegale seide, ...
go: 297: uorp pu go.
ae. uton\ 1779: Ah ute ive pah to him fare, . . .
Anm. : In 33, 297 und 555 könnte man auch Belege für den Imperativ
erblicken; 177, 179, 1779 und 1781 sind alte adhortative Plurale.
§ 6. Umschreibung durch mai, bezw. mist erfährt der
Konjunktiv in einigen Fällen, wo auch der Imperativ stehen
könnte. Starke Verben:
658: Hong up pin ax, nu Pu migt fare.
743: Nu pu migt, hule, sitte 7 clinge.
Schwaches Verb:
185 f.: 7 mai hure eiper wat hi ivile
mid riste segge 7 mid schile.
wite: 1139: Nu pu migt lüite siherliche . . .
1281: Nu pu mist ivite readliche . . .
Studien z. engl. I'hil. L. 17
258
II. Der Konjunktiv dos Praeteritums.
§ 7. 1. Der äulserlicli nicht erkennbare syn-
thetische Konjunktiv drückt einen Wunsch aus, 'isur 2volde
ist belegt: 425: He wolde 2>at he isege . . .
1261 : . . . for ich ivolde
pat hi wel understonde schulde . . .
1742 f.: Ich nolde Jmt wirihtfulnesse
me at J)en e7ide ouerlcome.
§ 8. 2. Umschrieben ist der Konjunktiv eines schwachen
Verbs, der eine Aufforderung ausdrückt, durch schulde in:
1223 f.: For Alfred seide a wis ivord,
euch Ytion hit schulde leggeon hord, ...
§ 9. 3. Im Hauptsatz eines Bedingungssatzes steht
der äufserlich nicht erkennbare synthetische Konjunktiv
Praet. einmal:
283fF.: vor nere ich neuer no Jje betere,
[s]if ich mid chauling 7 mid chatere
hom sehende . . .
§10. Zur Umschreibung wird mic^fe verwendet. Schwache
Verben: 977 f.; sohle hi sollen cdso Jm dest,
hi migte oferen here \^p\rost.
1503 f.: An s^f ]}e lauerd is a [tvrjecche,
hwuch este rnigtistu xmr uecche.
to he: 1491 ff.: gef hire lauerd is foru-urde
an unorne at hedde 7 at horde,
hu mi^te par beo eni luue. . . .
§ 11. Die Analysis wird durch sholde ausgedrückt.
Starkes Verb:
51 ff.: sif ich Jje holde on mine uote. . . .
7 ])u ivei'e vt of J)ine rise,
Jm sholde st singe an ojjer tv[i]se.
don: 381 f.: ne sholde he uor bope his ege
so don gif he ])e bet nisege.
§ 12. Endlich dient wolde zur Bildung der Analysis.
Starke Verben:
259
1067 if.: 1)6 nistingah at Jnssc worde . . .
gif ho mon ivere, wolde (igte.
1419f.: Ich wolde ivip Jje maide holde,
gif J)u hit const ariht atholde.
1677 f.: alle heo beoj) of mine Jcunrede,
an IV aide come gif ich hede.
§ 13, 4. Synthetische Konjunktive im Hauptsatze
eines konzessiven Satzgefüges:
were: 785 f.: peg alle strengte at one were,
monnes wit get more were.
1026 f.: ne sunge ich hom neuer so longe,
mi song were ispild ech del.
§14. Aufserlich nicht erkennbar sind die synthetischen
Formen des Konjunktivs in zwei Belegen. Sehwaches Verb:
427 f.: ne rogte he peg floches were
imeind . . .
to he: 1313f.: 2)ah no preost a londe nere,
a ivrecche neopeles pu were.
§ 15. Die Analysis wird mit Hilfe von migte gebildet.
Ein starkes Verb und ein schwaches Verb werden um-
schrieben: ^oi5ff. jjQ^ em god man to hom come ...
he migte het sitte stille . . .
he migte het teche ane höre. ...
§ 16. Einmal steht ivolde zur Umschreibung des Kon-
junktivs bei einem starken Verb:
171 f.: Ne helpP nogt Pat Jju ho to [p]riste,
ich wolde vigte het mid liste . . .
Der Vordersatz hat zwar nicht die Form, aber doch wohl
die Bedeutung eines Konzessivsatzes.
§ 17. 5. Den Beschluls der Belege für den Konjunktiv
im Hauptsatze bilden einige Beispiele, in denen ein Potentialis
in der Konjunktivform des Praeteritums auftritt. Die Mehr-
zahl der Belege gestattet die Ergänzung eines Bedingungs-
satzes, sie berühren sich also mit den in §§ 9 — 12 aufgeführten
Fällen.
IT*
260
Synthetische Formen:
to he: 85: pe ivere icundur to one frogge . . .
549: 'J)at nere noM rigt', pe hule sede, . . .
§ 18. Aulserlich nicht erkennbar ist die synthetische
Konjunktivform bei einem schwachen Verb und bei scholde:
39: Me liiste het speten ])cme singe. . . .
1025: Wat schold ich (J) par mid mine songe, . . .
§ 19. Umschreibung' des Konjunktiv durch mietest, bezw.
mihte findet statt bei zwei starken Verben:
256: Jm 7nigtest het hoten galegale.
1749: Äh [iv]ar mihte we hine finde?
§ 20. In vier Belegen dient sholde zur Bildung der ana-
lytischen Form. Starkes Verb:
965 f.: Sholde ich for one hole hrede
fori et e mine riste st\e\de, . . .
Schwaches Verb:
463 f.: [T7]a/i min er ende is ido,
sholde ich hileue? nai, \iv]arto.
1019 f.: he migte het sitte stille,
for al his wile he sholde Spille,
do: 997: Ah! ivat sholde ich among hom do!
§ 21. Endlich wird auch ivolde{st) zur Umschreibung
gebraucht. Starkes Verb:
1697: sot ich ow alle wolde rede . . .
Schwache Verben:
69 f.: 7 eh forjje pe sulue mose,
hire ponhes, wolde pe tot ose.
84: mid pine cliures woldest me meshe.
B. Der Konjunktiv in Nebensätzen.
I. Substautivslitze.
a) Subjektssätze.
§ 22. Synthetische Konjunktive finden sich in einer
Reihe von Belegen. Starke Verben:
261
Praesens. 225 f.: hit J)inclic[Jj] ho])e ivise 7 siirpc,
iio^t pat J)u singe, ac Jmt ])u ivepc.
475 ff.: Hit is gode monne iivone . . .
])at ech gotl man his frond icnoive. .
931: for hetere is J)at heo ^vepen here. . . .
Schwache Verben:
Praesens. 289 ff.: Hit is a wise monne dorne . . .
])at me ne chide wit Jje gidie,
ne wit ])an ofne me ne ^onie.
Hit is gode monne iwone . . .
pat ech god man his frond icnoive,
an blisse mid hom sume pvoiue. . . .
])i hit is 2)e more unriht
pat he his luue spene on pare . . .
Ne helpp no^t pat pu ho to [p^ristc.
Weper is hetere of twere twom,
pat man ho hlipe oper gram?
So ho hit euer in unker sipe,
pat pu ho sori 7 ich hlipe.
\lj\et pugte pe dreim pat he ivere
of harpe 7 pipe pan he nere,
het puste pat he were ishote . . .
so hit hitide pat ich mote!
to hc
475ff
1548f.:
Praes. 171:
991 f.;
993 f.:
Praeter] tum. 21 ff.
mote: 52:
§ 23. Äulserlich nicht erkennbar ist die synthetische
*orm in I661f.: forpan heom puhte pat heo hadde
Pe houle ouercome, uorpan heo gradde
§ 24. Umschreibung des Konjunktivs eines starken
Verbums durch sholde in
1689 ff.: Äh hit was unker uoreivard ...
Pat we parto holde scholde . . .
b) Objektssätze.
Die Synthese.
§25. 1. Der Konjunktiv ist abhängig von einem Aus-
druck des Wollens.
a) An die Spitze gestellt seien zwei Belege, wo der die
262
Praesens. 599 ff.:
w[i]te: 439 f.
929 f.
1078f.
Willensäurseruiig eutbalteude Hauptsatz zu ergänzen ist.
Starkes Verbiim:
Ac wat etestu, JjcU pu ne lige,
hüte attercoppe 7 fule uliso.
J)e lilie mid hire faire tvlite
ivolcumep me, ])at ])u hit w [i\ t e.
b) Im Hauptsatz steht ein Ausdruck des Wollens oder
Nicbtwollens: Gebietens, Zustimmeus, Fürchteus, Sorgens, Ver-
hütens. Starke Verben:
Praesens. 673 f.: gif muj) ivijjute med hiwro
])at me ])e horte nogt niso.
I hidcle hom ])at heo isivike,
Jjat lieom seolue ne hisivihe.
pat he ne miste for his liue
iso ])at man ivi}) hire spelce.
1484 f.: for he mai him adrecle grame,
an J)at he forleose pat ])er ho)igeJ). . . .
He ivolde Jjat he isege ...
Ich nolde Jjat unrihtfubiesse
me at pen ende ouerJcome.
Schwache Verben:
Praesens. 154: ne kep[e] ich nagt pat J)u me clawe.
201: Ich granti wcl pat he iis deme.
1253: an bidde inoh Jjat hi heom schilde, , . .
ich hidde Jmt men heon iiva[r]re
an halbe gode reades 6<^[r]re.
lohe J)at hit ne b 0 isene.
Lohe Jjat Jju ne bo J)are . . .
ich nelle Jtat hi bon to sade.
ich bidde Jmt men beon iwa[r]re ...
Jjat he ne mai tvene 7 adrede
Jjat sum unhivate ne[y\ him beo.
ivite: 1467: Ah wel ich ivide Jjat Jju hit wite . . .
go'. 745: ich graunti Jjat [w]e go to dorne.
§ 26. 2. Der Konjunktiv ist abhängig von einem Verb
des Meinens. Starke Verben:
Praesens. 854: Wenest Jju hi bringe so listliche . . .
Praeteritum. 425 f.
1742f.:
to he
1221 f.
166
295
452
1221
1266 f.
268
901 f.: ne wened na man for pi piphiye
]jat cni jjyßost in chir[ch]e singe.
961 tf.: Wcnstu pat uise tuen fo riete
for fule venne pe ri^tte strete,
ne sunne pe later shine . . .
Schwache Verben:
Praesens. 1501: pu migt wene pat pe mistidc, . . .
844: hi ivenep pat pu segge sop.
to he: 259: Pu xvenest pat pes dai ho pin o,se.
303: Wenestu pat haueck ho pe ivorse . . .
315: pu wenist pat eck song ho grislich. . . .
1241 f.: ivenest pu, pah ich al iseo,
pat hit for me pe rapere heo?
cunne: 47: ]F<?['«]s^ pu pat ich ne cunne singe.
§27. Aulserlich nicht erkennbar ist der synthe-
tische Konjunktiv an drei Stellen.
wule: 1554
1748
miste: 371
he ueneö he wule anon tohreJce .
an s^\t\ ich wene Jmt he wule.
Pu wenest pat ich ne miste iso.
Anm. lu diesem Beleg hat mi^te selbständigen Wert. In 1694:
Ich wene dorn pe ping (pinkp J) to hard ist in C die Verbform
verderbt.
§ 28. 3. Der Objektssatz hat die Form einer indirekten
Frage. Starke Verben:
Praeteritum. 661 f.: a)i Po^te sorne on hire mode
sif ho Ost elles understode, . . .
1300: pu Ji[us]test ivanene he pe come, ...
Schwache Verben:
Praesens. 60: ne recche ich neuer what Jju segge.
1006: hi ne recchep hu hi lihhe.
tohe: Praes. 151 f.: 7 setvi [w]are unlcer ho
of hrister hoive, of uairur hlo'^
1443: an wite iwis htvuch heo Pjc gome. . . .
Praeteritum. 1310f.: an pu asJcedest gef ich were
a hisemere to preost ihoded.
do: 1010: hi nute elles [tv]at hi do.
r
264
§29. Die Synthese ist äiifserlicb nicht wahrnehm-
bar in folgenden Piaeterita: Schwaches Verb:
1295 f.: Heo ivas hoivful 7 erede
hivat heo J)arafter hire sede.
were: 1180: Ich not ^ef Jm ivere gaure prest.
JcuJ)e: 661ff.: cm JjOite gorne on hire mode . . .
sif ho Jcu])e ogt hüte singe. . . .
§ 30. 4. In der indirekten Rede findet sich der syn-
thetische Konjunktiv zweimal. Starkes Verb:
Praesens. 1269 ff.: Forjn seide Alfred swipe wel . . .
Jjat eureuch man, Jje het him heo,
eauer pe het he hine heseo.
ivcre: 1764 f.: Hivi nullej) hi nimen heom to rede,
Jjat he ivere mid heom Home. . . .
Die Analyse.
§ 31. Umschrieben ist der Konjunktiv zuweilen im
01)jekt88atz, der von einer Willensäulserung abhängig ist; B
als modales Hilfsverb ist benutzt ae. sculan, Praesens, das
Konjunktivform hat.
Starkes Verb:
441 f.: hit me mid hire faire hlo
Jjat ich shulle to hire fio.
445: hit me Jjat ich shulle singe ...
Schwaches Verb:
1745 ff.: Bihote ich hahhe, soj) hit is,
Jjat Maister Nichole, J)at is wis,
hituxen vs deme schulte (J).
Starkes Verb:
Praeteritum. 1261f.: ah ich heom singe, for ich ivolde
]iat hi wel understonde schulde.
Schwaches Verb:
moten: 741: a7i hidde ])at hi moten iseche ...
Starkes Verb:
wr2>e: 399 f.: an xvas oferd pat hire anstvare
ne wrjje 7iogt arigt ifare.
265
§32. In der iiidi rekteu Frage steht der analytische
Konjunktiv dreimal, zur Umsehreibung ist muhe, bezw. migte
gebraucht.
Praesens. 1581 f.: cm ,^eorne fonde]) ha heo muhe
d 0 ping pat him bco idu^e.
Praeteritum, 392 f.: .... 7 lojigc poste
wat ho parafter miste segge.
4G9f.: an after Po^te hu he mi^te
ansvere uinde lest mid ri^tc.
IL Temporalsätze.
§ 33. Das einleitende Bindewort ist ar, bezw. car. Es
finden sich nur synthetische Konjunktive.
Starke Verben:
Praesens. 552 ff.: Äc ar ive to unlcer dorne fare,
ich iville speJce toward pe
also pu spelce toward me.
1673 f.: ^56 schule ivite, ar ge fleo heomie,
hwuch is pe strenpe of mine kunne.
Schwache Verben:
Praesens. 864 f.: Vorpi he mot, ar he wende honne,
mid teres an mid ivope bete. . . .
121 5 f.: gef eni mon schal rem ahide,
al ich hit wot, ear hit itide.
to hc: Praes. 691 f.: Vorpi nis neuere mon redles,
ar his horte ho witles.
1225 f.: gef Pu isihst, [er] he heo icume,
his str[e]ncl}e is him wel neh hinume.
1687 f.: ne schal, ar hit heo fulliche eue,
a wreche feper on otv hileaue.
§ 34. Die synthetische Form des Konjunktivs ist
äulserlich nicht erkennbar. Starkes Verb:
Praesens. 1697 ff.: ;^ot ich ow alle ivolde rede,
ar [icK\ utheste uppon ow grede,
pat ower fihtlac letep heo, . . .
266
Praeterito-Praesens:
Praesens. 856 ff.: Nai, Jiai, hi shuUe wel auinde
Jjat hi mid lowje ivope mote
of höre sunnen bidde böte,
ar hi mote euer Tcume Jmre.
III. Bedingungssätze.
Zumeist verbindet ^if den Bedingungssatz mit dem
übergeordneten Satze, seltener bute. Fehlt das Bindewort, so
tritt Inversion ein. Synthetische Formen, die äulserlich
erkennbar sind, bieten folgende Belege. Starke Verben:
Praesens. 795 ff.: gif tueie men gojj to ivraslinge,
an eiper oper faste liringc,
an pe an can swenges supe feie, . . .
an ])e oper ne can siveng but anne,
a7i pe is god ivijj eche manne . . .
[w]at parf he recche of a ?no swejige. . . .
Praeteritum. 51 ff.: ^if ich pe holde on mine uote, . . .
pu sholdest singe an ojjer w[i]se.
381 f.: ne sholde he uor bojje his ege
so don sif he pe bet nise^e.
1677 f.: alle heo beop ofmine kunrede,
an walde come gif ich bede.
Schwaches Verb:
Praesens. 515f.: habbe he istunge under göre,
ne last his luue no leng more.
Verbum substantivum:
Praesens. 567 f.: an bo pi piping ouergo,
ne bop on pe craftes namo.
Praeterit. 1067 ff.: pe nigtüigale at pisse ivorde, . . .
gif ho mon were, wolde figte.
1300 f.: pu [7ius]test ivanene he pe come,
bute hit of wicchecrefte ivere.
tu nie: 1289 f. : Bute Jm wille bet aginne,
ne shaltu bute schäme iwinne.
267
§ 36. In einigen Fällen ist die Synthese nicht erkenn-
bar. Schwaches Verbum:
Praeteritniii. 283 ff.: vor nere ich neuer no J)e hetere,
[cSj if *c/i micl chauling 7 mid chatere
hom sehende . . .
iverc: 51 ff.: sif ich pe holde on mine uote, . . .
7 Jru were vt of Jnne rise,
])ii sholdest singe cm ojjer w[i]se.
IV ist e: 116: Segge[p] me sif ^e hit iviste.
§ 37. Viermal ist die Analyse des Konjunktivs belegt.
Zur Umschreibung dient sohle, hezw. schulde:
975ff.: Solde euch mon wonie 7 grcde
ri^t suich hi iveren unlede,
sohle hi sollen also Jm dest,
hi miste oferen here [2j]rost
lU7f.: Bet sif ich schulde a luue bringe
wif Oper maide, hwanne ich singe.
IV. KouzessiYSätze.
§ 38. Eine grolse Anzahl synthetischer Belege ist vor-
handen. Starke Verben:
Praesens. 303 f.: Wenestu Jmt haueclc ho pe worse,
pos croive bigrede hirti bi J)e mershe.
359 f.: pes Jju nime euere o[f] pan lepe,
hit is eure ful bi hepe.
1237ff.: pjoh pu iseo pat sum blind ynon . . .
to pare diche his diveole fulied. . . .
1329 f.: pah pm iseo pe steorre alswa,
nartu Pe ivisure neauer pe mo. -
1389: nis wunder nan pah he abide.
1425ff.: for pah heo sum hwile pleie,
heo nis nout feor ut of pe wcie.
1440: Hivat mai pat chil\d], pah hit misfo)igc.
1487 f.: An pah he pat no^t ne adrede,
hit is unri^t 7 gret sothede. . . .
1561 f.: Dahet pat to sivupe hit bispeJce,
pah swucche iviues [heom] awreke.
?68
1015
1025
1543 f.:
1273 f.
1019 f.: For pah ]m ligge deud 7 clinyc,
])i dej) nis naivt to none pinge.
Praeteritimi. 132 ff.: euer he cu]) ^at he com pomie . . .
J)C^ he a fro nest leie.
ff.: Jjeg eni god man to honi come ...
he miste het sitte stille.
f.: Wat sol[de] ich par mid mine songe,
ne siinge ich hom neuer so longe.
1512 ff.: heo poste Jjat te nihtegale,
pah heo wel speJce atte frume,
hadde at pen ende misnume.
Schwache Verben :
Praesens. 135ff.: peg appel trendli fro[m'\ pon troive
he cup wel ivhonene he is icume.
La, Godd hit ivot! heo nah iweld,
p)a\K\ heo hine maJcie huTceiveld.
ne truste no mon to his iveole
to swipe, pah he hahhe ueole.
Herhi men segget a hispel,
pes hit ne ho fuliche spei.
peg he ho parfrom hicume,
he cup wel luhonene he is icume.
181 ff.: peg ive ne ho at one acorde,
we muge het mid fayre ivorde . . .
plaidi . . .
233 f.: A ivis word, peg hit ho unclene,
is feie manne a mupe imene.
Ne ho pe song neuer so murie,
pat he ne shal pinche wel unmurie.
ne Jean he hine so hipenche,
pjeg he ho gep an supe snel . . .
879 f.: peg sume men ho purgut gode . . .
\Ji\om longep honne nopeles.
883 f.: vor pjeg hi hon hom solue ihorgc,
hi ne sop her nowigt hote sorwe.
963f.: ne sunne pe later shine,
pjeg hit h 0 ful ine nest pine ?
1233 f.: pa[h] eni man heo falle in odivite,
lohe: Praes. 127 f.:
137 f.:
3451
828 f.
269
wi schal he mc his soj- afwite?
1349 ff.: pah sum ivif heo of nesche mode . . .
^at heo, Jmrh sume softes lore . . .
77iis[r]em2')c 7 misdo sumne stunde . . .
shal ich Jmruore beon ibunde?
1374: pah heo heo god, me hine mal misfonge,
1378: Bo ivuch ho ho. ...
1015: pah hit heo sop, ich do heom god.
1623 f.: AJi pah mi lif me heo atschote,
pe get ich mai do gode note.
Praeteritum. 202 ff.: vor peg he loere ivile hreme,
7 lof him tv ere nistingale . . .
ich tüot he is nit supe acoled.
409 f.: . . . peg pe nigtingale
were aferd, ho spac holde tale.
1313 f.: pah no preost a londe nere,
a tvrecche neopeles pu were.
1724 f.: vor peg heo nere ihred a ivolde,
ho ivas itogen among manlcimne (J)
cunnc: 47 f.: We[)i\st pu pat ich ne cunne singe,
pCs ich ne cunne of tvrifelinge?
8 10 f.: pe hat ful ivel him sulue liue]>,
peg he ne hunne wrench hüte anne.
812 f.: pe fo[x\ so godne ne can nanne,
pe[g^ he hunne so uele wrenche.
1267 f.: l>at sum unhwate ne[y] him heo,
pah he ne conne hit iseo.
go: 128.5: Go so hit go. ...
Anm. : Die Überlieferung hat den Indikativ statt des Konjunktivs
eingesetzt in 1471 f.; An wif ah lete so[t]tes lore,
pah spusinghendes /mnchep sore.
§39. Nicht erkennbar ist der syntlietisclie Kon-
junktiv in folgenden Belegen:
Starke Verben:
Praesens. 383 f.: Ich mai ison so ivel so on hare,
peg ich hi daie sitte an dare.
1235 f.: pah ich iseo his härm hiuore,
ne comep hit nogt of me paruare.
270
1241 f.: icenest Im, Jiali ich al iseo,
pat hit for me pe raj)er€ beo?
1255 f.: Äh pah ich grede lüde an stille,
al hit itid piir\h'\ Oodes wille.
S e b w a c h e Verben :
Praesens. 1257 f.: Hwi ividlep men of yne hi mene,
pah ich mid sope heo awene.
383 f.: Ich mai ison so ivel so on hare,
pes ich bi daie sitte an dare.
1259 f.: pah ich hi warni al pat ^ei',
nis heom perfore harem no pe ner.
hadde: 1708 fiF.: for Pah heo nadde swo hwatliche
ifare after hire here,
heo walde neopeles ^efe answere.
1720 f.: for pah heo hadde steuern smale,
heo hadde gode p[ro'\te 7 schille.
were: 427: ne roste he peg fockes ivere. ...
785 f.: pes alle strengpe at one ivere,
monnes ivit get more ivere.
1727 f.: heo migte speJce hwar heo walde,
toiiore pe hing pah heo scheide.
Anm. : Ein Praeteritum des Konjunktivs liegt wohl auch vor in
1107 f.: vor hit bitidde ene sivo,
ich am pe blipur euer mo.
y. Finalsätze.
§ 40. EN. entbält eine Reibe von Absiebtssätzen mit
syntbetiseben Konjunktiven. Starke Verben:
Praesens. 121 f.: Worp hit ut mid Pe alre ivrste,
pat his necTce him tob erste.
402 flp,: vor he is wis pat hardeliche
wipj [h]is uo berp grete Hefe,
Pat he uor aregpe hit ne fo riete.
722 ff.: an clerJces ginnep songep tvirche . . .
pat he pe mursPe ne u ortete,
ac parof penche 7 bis et e,
an nime gerne of chirchesteuene.
8G0f.: Ich rede pi pat men bo ^ß^'e,
271
Ml more wepe pane singe. . . .
973 f.: an seist Jm uisest manlcunne,
Jtat hi hiiucpen höre sunne.
Schwache Verben:
Praesens. 722 ff.: an Clerkes ginne}) songes ivirche,
Pat man ij) enc he hi pe songe . . .
pat he pe mw\spe ne uor.sete,
ac l)arof penche 7 hisete.
869 ff.: for al m[i] song is of longinge,
an imend sumdel mid tvoninge,
pat mon hi me hine hipenche . . .
925 f.: an lüarni men mid mine here,
pat pi dweole song heo ne forlere.
11 12 ff.: pu ne canst finde, ne pu nost,
an holg stok par pu pe migt hude,
pat me ne twenge (J) ') pine hude.
869 ff.: for al m[i'\ song is of longinge,
and imend sumdel mid ivoninge . . .
pat he groni for his unwrenche;
mid mine songe ich hine pulte,
pat he groni for his guJte.
927 f.: Ich ivisse men mid mi7i[e] songe,
pat hi ne sunegi noiviht longe.
to he: 739 f.: Ich warni men to here gode,
Pat hi hon hlipe on höre mode. . . .
860 f.: Ich rede pi pat men ho gare. . . .
864 ff.: Vorpi he mot . . .
mid teres an mid tvope hete,
pat him ho sur pat er was sivete.
§ 4:1. Der synthetische Konjunktiv ist äufserlich nicht
erkennbar in einem Belege, der wohl als Finalsatz aufzu-
fassen ist: 965 ff.: Sholde ich for one hole hrede
forlete mine rigte st[e]de,
Pa[t] ich ne singe hi pe hedde. . . .
§ 42. An analytischen Konjunktiven findet sich die
Umsehreibung mit mote, das selbst formell Konjunktiv ist:
') C hat tivengep.
272
987 f.: Euer mote Jni joUe 7 tvepen,
Jmt Jiu pi lif mote forleten.
migte dient zur Bildung der Aualysis in
1767 f.: an siue him reizte a uale stude,
2)at he migte heom Home he mide.
Tl. Folgesätze.
§ 43. Aufserlicli erkennbar ist die synthetische
Form des Konjunktivs in einigen Belegen. Starkes Verb:
Praesens. 989 f.: a7i sollen mote pu so hege,
])at utberste ho Jmi ege.
Schwache Verben:
Praesens. 206 ff.: Nis he vor pe nost afoled,
J)at he, for pine aide luue,
me adun legge 7 l)e huue;
ne schaltu neure so him queme,
2)at he for pe fals dom deme.
1350 ff.: for ivummon beop of softe blöde,
pat heo mis[r]em2)e . . .
dürre: 1705 f.: vor nis of oiv non so Jcene,
])at dürre abide mine onsene.
Dieser Beleg könnte vielleicht auch als Beispiel für die
Analyse des Konjunktivs betrachtet werden; eine sichere Ent-
scheidung ist nicht zu treifen, da ae. dear{r) in EN. sonst nicht
zur Umschreibung verwandt wird.
misdo: 1350 ff.: for wummon heo]) of softe blöde,
Jjat heo misdo ...
§ 44. Analyse des Konjunktivs liegt in einigen Fällen
vor. Zur Umschreibung dient wolde:
Starkes Verb:
1078 ff.: . . . Jjcit he ne migte for his liue
iso Jjat man ivip hire spehe,
fmi his horte nolde breJce.
Schwaches Verb:
1023 f: . . . Jjan me pat wilde folc ihringe,
' Jiat hi me ivolde ihere singe.
273
mi^te umschreibt das Praeteritum eines starken Ver-
biinia in HT-if.: . . . hu eni mon so eaiiar for,
Jiat [h]e his heorte migte driue . . .
\U. Modalsätze.
§45. Es liegen eine Reihe von synthetischen Kon-
junktiven vor. Starkes Verb:
Praesens. 1021 ff.: he migte bct teche ane bore
to we^e hope sheld 7 spere,
J)an me pat tvilde folc ihringe ...
to he: Praes. 97: ho sitte]} par so hi ho hisne.
1271: pat euereuch man, ^e het him heo,
eauer pe het he hine beseo.
1378
1533
Praeteritum. 21 f.
Bo tvuch ho bo. ...
he chid 7 gred stvuch he heo wod . . .
[b\et pu^te J)e dreini ßat he tvere
of harpe 7 pipe pan he nere ...
IC nie: 11: Jm starest so Jm tville abiten . ..
305 f.: 7 go]) to him mid höre chirme
rist so hi wille ivii him schirme.
go: 1285: Go so hit go. ...
§46. Nicht erkennbar ist die Synthese au einer
Anzahl von Stellen, die den Konjunktiv Praet. enthalten.
Starkes Verb:
1013 f.: hi go]) biUgt mid rüge uelle,
rigt suich hi co m e n ut of helle.
Schwaches Verb:
141 f.: he song so lüde 7 so scharpe,
rigt so me griilde schille harpe.
hadde: 145 f.: 7 sat tosvolle 7 ibolive
also ho hadde one frogge isuolge.
1007 f.: Hi etej) fihs an flehs unsode,
suich tvulues hit hadde tobrode,
tvere: 75 f.: ]nn egene boj) colblaJce 7 brode,
rigt sivo ho weren ipeint mid tvode.
Studien z. engl. Phil. L. ]§
274
975 f.: Sohle euch mon u-onie 7 grede
rigt suich hi iv eren unlede. ...
1061 f.: Jm naddest non oper dorn ne läge,
hüte mid ivilde horse were fodrage.
VIII. Relativsätze.
§47. Die Synthese bieten einige Belege im Praesens.
Starke Verben:
1343 f.: a7i maide mal luue clieose
])at hire ivurpschipe ne forleose.
1561: Dahet Jmt to siruj)e Kit hispehe. ...
Seh waches Verb :
1567 ff.: Mid heom ich wepe swi[l)\e sore,
cm for heom bidde Cristis ore,
pat pe lauedi sone aredde. ...
to he: 1581 f.: an s&orne fondep hu heo muhe
do ping J)at him heo iduge.
cunne: 187 f.: Wu schal us seme,
pat Tcunne 7 ^cille rigt us deme.
§ 48. Nicht erkennbar ist die synthetische Form in
einem Falle.
wille: vgl. den vorhergehenden Beleg.
§49. Die Umschreibung mit migte zeigt
663 f.: gif ho Jcupe ogt hüte singe,
pat migte helpe to oper pinge.
Analyse bieten auch zwei sog. Lokalsätze, und zwar
ist je eiumal sholde, bezw. ivolde verwandt.
shohle: 763 f.: Oft spet tvel a lute liste,
par muche strengpe sholde miste,
ivolde: 1691 f.: pat ive parto holde scholde
Par riht dom us giue wolde.
Ergebnisse.
§ 50. Gleich Orrm gehörte der Dichter von EN. dem
geistlichen Stande an. Wie jener so hatte auch er ein aus-
gebildetes Gefühl für den spraehrichtigen Gebrauch des Eng-
275
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276
lisehen und somit auch für die Anwendung des Konjunktivs.
Es sei aber nicht vergessen, dafs Orrna ein literarischer Hand-
werker und Verseschmied war, während der Schöpfer von EN.
als echter Dichter und Meister der Sprache zu betrachten ist.
Nach Zenke, Stud. 4:0, § 138, enthält das Orrmulum eine
Gesamtzahl von 1153 Konjunktiven; EN. dagegen bietet nur
266. Zieht man jedoch die Ausdehnung und das Versmafs
beider Dichtungen in Betracht, so weist EN. eine verhältnis-
mäfsig weit grölsere Anzahl von Konjunktiven auf als das
Orrmulum.
Halten sich im Orrmulum Synthese und Analyse fast das
Gleichgewicht (573 : 580), so herrseht in EN. die Synthese
stark vor (218 : 53). Ein Grund für diese Tatsache ist bereits
in § 2 angeführt: In der Mundart des Dichters von EN. standen
noch mehr äulserlich erkennbare synthetische Konjunktiv-
formen zur Verfügung als im Dialekt des Orrmulum.
Im Orrmulum würden 254 von den 580 analytischen Kon-
junktiven, wenn man sie in synthetische verwandelte, sich formell
vom Indikativ unterscheiden, und von den 573 synthetischen
Formen fallen 136 (oder 146?, vgl. Stud. 40, S. 86 oben) mit
dem Indikativ zusammen. In EN. liegen die Verteilungs-
verhältnisse folgendermalsen : Von den 53 analytischen Kon-
junktiven würden 31 auch in der Synthese als Konjunktive
äufserlich erkennbar sein, und unter den 213 synthetischen
Formen befinden sich 38, die mit dem Indikativ der Form
nach übereinstimmen. Aus diesen Zahlen geht wie für das
Orrmulum so auch für EN. klar hervor: Oftmals wurden ana-
lytische Konjunktive verwandt, wo bereits die Anwendung
der Synthese den Modus deutlich zum Ausdruck gebracht hätte;
häufig wurde die Synthese beibehalten, wo nur durch Gebrauch
der Analyse der Modus auch äufserlich zutage getreten wäre.
Wie Zenke richtig hervorhebt, hat bei der Verwendung
der Analyse oft das Streben bestimmend gewirkt, eine gewisse
Bedeutung des Konjunktivs schärfer hervortreten zu lassen.
Orrm benutzte zur Umschreibung die Verben mote^in, murshenn,
sliulenn, wiletin, mime und Jjurrfe, das in der Übersicht, vgl.
Stud. 40, § 138, versehentlich nicht aufgeführt worden ist. Die
ersten vier dieser Verben finden sich als modale Hilfsverben
auch in EN. wieder, dazu tritt ae. weorpan. Über die Häufig-
277
kcit der Verwendung der einzelneu Verben vgl. die Übersicht.
Wie im Orrmnlum so sind ;iucb in EN. die Formen der zur
Umsehreibung des Konjunktivs benutzten Verben als formelle
Konjunktive aufzufassen, abgesehen von einigen Belegen in
§ 6, wo mai, bezw. mi^t zur Bildung der Analyse dient. Betont
sei ansdrüeklich, dafs die genannten Verben nicht blol's als
Hilfsverben des Modus, sondern auch häufig als Begriffsverben
auftreten und dafs es daher zuw^eilen zweifelhaft ist, ob eine
Umschreibung des Konjunktivs vorliegt oder nicht.
Das Streben nach äufserer Kennzeichnung des Modus
sowie nach schärferer Hervorhebung der verschiedenen im
synthetischen Konjunktiv liegenden Bedeutungen hat nicht
allein zu analytischen Konjunktiven geführt. Auch die Kunst-
form, Vers und Reim, zwang die Dichter, zur Umschreibung
ihre Zuflucht zu nehmen. Unzweifelhaft erhellt das z. B. aus
folgender Stelle in EN.:
1581 f.: an sporne fondep hu lieo muhe
do Inng pat him heo idu^^e.
Zenke weist in den Stud. 40, § 131. darauf hin, dafs
mushenn von Orrm zur Umschreibung des Indikativs benutzt
worden ist, und sucht mit Recht die Veranlassung dazu in der
Metrik, da ein begrifflicher Unterschied nicht vorliegt. Mir
scheint, dafs Orrm auch hin und wieder zur Analyse des
Konjunktivs gegriffen hat, nur um die Silbenzahl seiner
Septenare zusammenzubekommen.
Das Vorhandensein der zahlreichen, äufserlich nicht er-
kennbaren synthetischen Konjunktive bezeugt, dafs diese Formen
noch genügten, das Modusgefühl in den Sprachträgern der
frühme. Zeit anklingen zu lassen, vgl. z.B. hierzu den Konjunktiv
in Konzessivsätzen.
Wha( is Ihe Parlemeiil of Foiiles?
Von
John Matthews Manly.
Inhalt.
Seite
Discnssiou 279
Note on the Astrouomical Alliisiou 288
Disciission.
Chaucer's Parlement of Foules is currently believed
to be an allegorical poem of eompliment, setting forth the
wooing üf Anne of Bobemia by Riebard II of England, Friedrich
of Meissen, and Charles VI of France, i) One of the latest
writers says, „Koch's theory as modified by Prof. Emerson
rests upon grounds of proof that come little short of amounting
to a demonstration." 2)
That this theory is more plausible in its present than in
its original form is true; but several difficulties still remain.
To whom was the poem intended as a eompliment? To
Kichard, or Anne, or both? The critics are, in general, not
very specific on this point. Let us examine the possibilities.
If, as the astronomical allusion '^) seems to indicate, the poem
was written and presented after Anne's arrival in England, it
may have been intended as a eompliment to either or both.
But is it eonceivable that it was so intended? Would a poet
of intelligence and tact represent her at this time as undecided
in her choice. ') whereas her very presence in England was due
to her having decided in favor of liichard? Surely, if Chaucer
had planned to write a poem com|)limentary to both, it would
have been easy to contiuue and complete this poem in such a
way as to make it a clear and unequivoeal eompliment. If it
be contended that it was planned for either Richard or Anne
alone, can we suppose that either would be satisfied to have
the Situation left as it is? Years after her marriage a lady
1) Cf. Koch, Engl.Stud., I, 2S7— 89; Chaucer Chron., 37—38; Tatlock,
Dev. & Chron. ofCh., 4]— 44; Emerson, Mod. Phil, VIII, 45— 62.
=) Moore, M. L. N., Jan. 1911, pp. 1— 4.
') See „Note on the Astronomical Allusion" p. 288.
*) The respite of a year (1. ü48) is not au allusion to the time occupied
by the negotiations, but ouly to the faet that the next day for the choosing
of mates would be Saint Valentine's Day of the next year.
280
may be flattered by an allusion to the difficiüty she bad in
cboosing among bei* siiitors, but at or near tbe time of the
weddiug to repvesent her as unable to deeide is not a com-
plinient but a joke, and a joke not in tbe best taste.
If tbe poem was written before Aune's arrival in England,
in December 1381, it is difficult to see bow it can bave been
intended for her. She conld not bave known of it unless
Cbaueer bad sent it to ber in Bobemia, and tbis, wbile possible,
is bigbly improbable. It must, tberefore, if written at tbis
time, bave been intended as a eompliment to Eicbard. But
can any one seriously maintain tbat Riebard would bave
regarded it as eomplimentary, or tbat Chaucer, a courtier and
an artist, could bave supposed tbat it v^'ould be aeeeptable to
bim? It is true tbat, aceording to tbe current tbeory, Riebard
is represented by the first of tbe suitors; but the lady is re-
presented as unable to deeide whether to choose him, or an
insignificant princeling, >) or tbat rival wbom he ealled, not
king of France, but „nostre adversaire". It is conceivable tbat
after tbe development of bis sineere and deep affection for
Anne, he might bave feit no olfenee at a representation so
derogatory to bis royal dignity; but at tbis time, wben be
knew of Anne only by report, he can, to say tbe least, hardly
bave feit complimented.
Moreover, it may be questioned whether, at any time,
Richard would bave been pleased with the emphasis upon the
Claims of the third suitor to a more passionate devotion tban
bis own;2) and it is equally questiouable whether it would, at
any time, bave been diplomatic or tactful in Chaucer to make
any reference to Friedrich , wliose Claims to Anne and
„10000 Schock Groschen" 3) Wenzel bad eitber cancelled or
disregarded, and would gladly bave forgotten.
But sume stress bas been laid ui)on the aceuracy with
which the descriptions of the suitors in the poem fit the three
candidates.^) Tbis appearance uf aceuracy is obtained by
^) That Friedrich later became notable for liis warlike qualities has
no bearlng upon the Situation at this time.
2) P. F., 470—63.
«) Cf. Emerson, Mod. Phil., VIII, 47, n. and 50.
*) Emerson, 02k cit., pp. 50, 57—60, and Moore, ut sujjra.
281
empbasiziug certain phascs of tlie Situation and disregarding
others. ') If the poeni be taken not seriously, as au intended
compliment to Kiebard and Anne, but, as a bit of merriment
intended to aniuse tbe adults at the expense of tbese royal
cbildren,-) tbe deseriptions will fit well enuugb. But if tbis
is tbe ease, tbe poem is not a complinient to Kiebard and
Anne, but makes sport of tbeni.
Tbat Kiebard is bigbest in rank and birtb, tbat Friedrieb
has served longest, tbat Cbarles' suit, if really urged at all,
is of sbortest duration, is all literally true. But only in a
poem designed to make tbe ebildren appear ridiculous
could tbese niatters be stressed. In 1380, wben Cbarles V
reeognized tbe betrotbal of Kiebard and Anne as an ac-
complisbed fact, Kiebard was tbirteen years old, Friedrieb
eleven, and Cbarles not yet twelve; and in May, 1382, tbe
') Emerson (p. 58) not only finds two equally good explanatious of
tbe „half a yere" of 1. 475; bat also sees in the langaage of the third
suitor allnsions to the youth of Charles and bis helplessness in the hands
of his uncles (p. 5S n. 3, p. (iO). Richard — the first suitor, the tercel eagle,
„wyse aud worthy", „worthieste uf Knighthode, and longest hath nsed
hit" — was, to be sure, more than thirteen in May, 13S0, wheu Charles
was „a boy little over eleven years of age" (Emerson, p. 58, n. 3), but
cven at the time of his marriage Richard was alinost as helpless in the
hands of his uncles as Charles was in the hands of his; and lines suggestiug
the condition of the one mnst have suggestcd that of the other also.
It may be adtuitted that allegories need not go on all fours, bat
niay be reeognized if they can uiove on three legs, or two, or even one;
bnt how can the subject of an allusion be expected to take the sweet
and disregard the bitter of it? Emerson belle ves that Anne would have
reeognized, as Lowes does, in the tempest at the home-coming of Hippo-
lita (K. T., 1. 26) an allusion to her own journey to England, and have
been pleased; and also that Richard was shadowed forth in Palemon, a
„kluges brother soue" (Emerson iu Studies in Lang, and Lit. in Honor
of J. M. Hart, p. 253). Would Richard, King of England in his own
right, have been pleased to be represeuted as son of the brother of the
King of Castille? Or was Richard not to listen wbile this compliment
was paid to John of Gaunt? To date a poem of Chancer's by obscure
allusions to contemporary eveuts is a fine achievement; but allusions can
be found almost anywhere if diligently sought.
2) Anne was born May 11, 1366; Richard, January 6, 1367 (Wednes-
day, the day of the Epiphany, says Froissart); Charles, December 3, 136S;
and Friedrich, that veterau of love, March 29, 136Ü.
282
latest date suggested for the poem, tliey were still ehildrcu
of fifteen, thirteeu, and tbirteen and a half. In view of this,
wliat Cduld be more ludicrous than tbe application to llicbard
of tbe language used in support of the claims of the royal
eagle by tbe tercelet!
„Me wolde tbiuke bow that tbe worthieste
Of knighthode, and lengest bath used bit,
Were sittiugest for her." (548—51)
If DO other interpretati(»n of tbe poem than that proposed
were possible, we sbould doubtless be obliged to aecept it in
spite of tbe difficulties, but anotber Interpretation entirely
devoid of diffieulty seems not only possible but elearly in-
dieated by a careful study of tbe elements of tbe poem and
tbeir provenieuce.
It bas long been recognized that tbe general frame-work
of tbe poem is that of the conventional love vision: tbe dream,
tbe guide, the paradise of love, tbe temple of Venus, the
presentation of birds or other animals in tbe ebaracter of human
beings, the central theme of love. i) Tbe only element in the
Parlement supposed to be new and charocteristic is the
central Situation; namely, the assembly of birds to choose mates.
On investigation, bowever, we find that this is as conventional
as any of the other elements, and its use in this poem is
conditioned, as I sball try to show, by tbe social pastime then
in vogue which gave occasion for tbe poem.
Tbe well known ty})e of tbe love debate, to which this
poem belongs, is represented in mediaeval literature by numerous
poems discussed in chapter III of Neilson's Oriyins and
Sources of „the Court of Love."^) It presents not only the
^) The latest discussion of tlie love visiou and its elements is that
by Sypherd, Studies in Chaucer's House of Farne (EETS, 19ü7) Part. I,
csp. pp. 1 — (), and 23, 24; he glves abuudant refereuces to previuus dis-
cnssions.
*) NeilsoD discusses the Romaricimontis Conciliuni, theAlter-
catio Phyllidls et Florae, Florance et Blancheflor, Hueline et
Aiglantiue, the Geste de Bianchefluur et Florence, Melior et
Idoine, Li Fablel dou Dieu d'Amors, De Venus la Deesse
d'Amor, and others less pertinent to our theme.
283
droam, the guide, and tlie i)aradise of love, biit also the
debate before the god or goddess of love (or a representative)
of a qiiestion of the comparative merits of h)vers. In niost of the
poems of this type the h)vers are representatives of tvvo classcs,
knights and clerks, but the ränge of such discussions in the
middle ages was far wider than this, and may include any
of the nnmerons demandes d'amours. *)
Few themes of literary or social diseussion were more
populär in the middle ages than those known as demandes
d'amours.^) These are found in many and various forms,
from the simple cases proposed in the De Amore^) of Andreas
Capellanus and elsewhere, to the jeux-partis, partiiuens, tenzonc,
Streitgedichte, torniamens, debats, and arrests d'amours.^) The
qiiestions proposed present usually indeed a choice between
two objects or two situations or two courses of action: as,
between the knight and the clerk as the better lover, or
between two knights, or between the canonesses and the gray
nuus; or between the felieity of the lover who can see as often
as he wishes bis lady who does not love him, and of the
lover who can only see at a distance the lady who loves him. ^)
But there are many iustances in which the problem has three
branches. One of the most iuteresting is the partimen between
Raimbaut de Vaqueiras and two friends concerning the pre-
^) In the Fablei dou Dieu d 'Amors the Claims of the „vilaiuue
gent" (that is, all who are not knights or clerks) are maintained by the
„malvis" and the „gais" against the „espreviers" in an assembly presided
over by the „loussignos". In the Messe des Oiseans of Jean de Condc
the comparative attractiveness of the white canonesses and the gray nuus
is discussed before Venus.
^) Cf. Eero Ilvonen, Les demandes d'amours dans la litterature fran<;aise
du moyen äge, ^euphil. Alitteilungen, Helsingsfors 1912, Nr. 5/6, pp. 128
to 144; A. Klein, Die altfranzösischen Minnefragen; Rajna, Le Questioni
d'Amore nel Filocolo, Romania, XXXI.
') See especially Liber II, Cap. VII : De variis iudiciis amoris.
*) Cf. Seibach, Das Streitgedicht in der altprov. Lyrik; Knobloch,
Streitgedichte im Prov. u. Altfr. ; Wechssler, Ein Altfrz. Katechismus der
Minne, Philol. u. Volksk. Arbeiten, Festschr. f. Vollmöller; Steffens, Archiv,
XCVIII; Lubinski, Rom. Forschung., XXll; Jeanroy, iJomani«, XL, 35U ff.,
XLV, 209ff.; Fiset, Rom. Forschungen, XIX, 407 ff.; Schultz-Gora, Rotn.
Forschungen. XXIII, 497 ff. ; etc.
'') Cf. Klein, p. 40.
284
ference to be givcn to one (»f three barons, distinguished
respectively for valor, for courtesy aud liberality, and for
wisdom. ') Another, less interesting perhaps, is the triple jeu-
parti of Colart aud Mabieu, as to wbetber marriage, religioas
life, or bachelorbood is tbe i)referable condition.2) A triple
question of considerable vogue is tbat in regard to the choice
of ladies, involving tbe comparative attraetiveness of maid,
"wife, and widow. 3) A somewbat peeiüiar form of tbe triple
question is tbat preseuted in Fiez d'Amours by Jacques
de Baisieux.*) Tbree kuigbts love tbe same lady. Sbe tests
tbem by asking tbem to figbt in tournament in a „camieia"
tbat sbe sends. Anotber triple problem of special interest as
sbowing bow tbe demande d'amours was utilized in narrative,
is presented by tbe Lai du Conseil.^) In it, a lady married
to a rieb old man asks advice of a ebevalier „sage et bien
appris" on tbe eboice sbe ougbt to make between tbree suitors.
Tbe first is „preux, riebe, et mal el^ve" ; tbe secoud is „courtois,
riebe, et mal renommö pour la prouesse"; tbe tbird „a peu de
fortune, mais il est preux, discret, et sage". But perbaps tbe
most interesting for our purpose is tbe triple problem preseuted
in book IV of tbe Filocolo. Tbe tbird of tbe tbirteen
questions of love presented under tbe presideney of Fiammetta
is tbat presented by an unnamed lady wbo bas to cboose
among tbree lovers wbo please her equally. The first sur-
passes in ,.fortezza" tbe „buono Ettore"; tbe courtesy and
liberality of tbe seeond is so great tbat bis fame reacbes to
eitber pole; tbe tbird surpasses in wisdom all tbe wise.
It may be noted in passing tbat immediately preeeding
tbe episode of tbe questions of love in the Filocolo,«) Florio
') Text in Appel, Prov. Chrest, Nr. 9S; cf. Nr. 99, which discnsses
which of three robbers was treated worst. Cf. also the amusing one,
Klein p. 56, Nr. 13. Eqnally amusing is that given in Hist. Litt, de la
Fr., XXIII, 755.
*) Jeanroy, Chansons, Jeux Fartis et Refrains Inedits du Xlll « siede,
pp. 42-44.
•'') Rajna, Bomania, XXXI, p. 52; cf. Hist. Litt, de la Fr., XXIII, 601
and 717.
*) Rajna, Romania, XXXI, pp. 72 — 74.
•■) Hist. Litt, de la Fr., XXIII, p. 63 f.
•) Chaucer's acquaintance with the Filocolo is well established.
285
reports a dream wliicli lie has liad about a gathering of birds.O
It need not be argued thut this siiggested t(» Chaucer the idea
of prosenting a demande d'amoiirs in the setting of a bird
parliameut. Birds are present, eitber as spectators or as actors,
in almost all the love visions sumniarized by Neilson,-) and
the formal parliament of birds was a populär type of mediaeval
literatiire. Twentv-nine such i)arliaments are listed by Seelmann
«.1. *
in bis artiele on „Die Vogelspraehen."^) He distinguishes
several types. The two whieh are <»f most interest to ns are
that in whieh the birds chuose a king, and that in whieh they
give advice, either of a general or of a specific character. '•)
We have seen thus far that the Parle ment of Foules
is a conventional love visiou, in whieh the central Situation is
a demande d'amours, presented before a parliament of birds,
presided over by a representative ^) of the god or goddess (»f
love, who in this case is Dame Nature. '5) It is now neeessary
For his nse of it in Troilus and Criseyde, see Young, Mod. Phil,
IV, 109—77, aud The Origin and Devel. of the Story of Troilus
and Criseyde, Chap. IV. For its connectiou with the Frankeleyu's
Tale, see Eajna, Bomania, XXXII, •20-1— 67. The Frankeleyn's Tale
itself, it will be remembered, is a triple love problem of the type we are
now discnssing.
') Oj)ere Volgan, VIII, 23— 26.
^) In Florance et Blancheflor the problem is pnt for decision
before a conrt or assembly of birds (Neilson, p. 36). In the Geste de
Blancheflour et Florence and iu Melior et Idoine also the birds
render the decision (Neilson, p. 38). In the Fablei dou Dieu d'Amors
the discussion is carried on by birds aud the nightingale presides; and iu
De Venus la Deesse d'Amor the Situation is alinost the same (Neilson,
pp. 41, 42). For the Messe des Oiseaus cf. Neilson, p. 67. See also
ibid., pp. 216—27.
*) Jahrb. f. nd. Sprachforscliung, XIV, 101— 47. To these add the
Conseil des Oiseaux noted in Romania, XIX, 344.
*) Loc. cit., pp. 108 — 15.
'•') In Le Court d'Amours of Mahieu Poriier the „grand bailli"
presides over the discussion of the problems. In the Romaricimontis
Concilium the president is called „cardinalis domina". In the Alter-
catio the judges are „Usus et Natura." In Machaut's Dit du Vergier
Nature takes part in the dialogue with the author.
*') The presenco of Nature is no doubt due to the influence of Alanus
de Insulis, as has often been remarked; but the passage in the Planctus
Naturae can hardly be regarded as having suggeeted the poem, even
286
only to emphasize the fiirtber well known fact tbat this
asserably is beld on Saint Valentine's Day, and to point out
the significanee of tbis fact for tbe Interpretation of the poem.
Tbe cult of Saint Valentine appears to bave existed as
a folk ciistom from very remote anticiuity. We are not bere
coneerned with its origiu or early bistory. Tbe point of
interest for us is tbat in tbe fourteeutb centuiy — apparently
in the seeond or tbird quarter — tbis folk custom was taken
up by courtiers and transformed into a literary and social
amusement. I bave found uo traces of tbis earlier tban the
poems of Granson, wbose vogue as a court poet Chaueer has
clearly indicated in tbe well known lines of bis Envoi to tbe
triple balade of the Compleynt of Venus. Among tbe few
poems by Granson wbich remain to us, there are six Valentine
poems. These are given by Piaget in Romania XIX, pp. 406,
409, 420, 422, 424, 432. Tbe cult indicated by tbese poems
finds expression also in Gower's CinJcante Balnäes,^) two
of wbich are Valentines. Tbat tbe cult continued into tbe
fifteenth Century is indicated by tbe Valentine poems written
by Lydgate,^) or ascribed to bim, and by tbe sixteen poems
of similar nature written by Charles of Orleans and bis friends.^)
Wbetber any definite social Organization in connection with
this cult was made before the year 1400 is unknown, but it
is not unlikely tbat parallel to the organizations of tbe Flower
thoagh it does contain the phrase animalium concilium. Both idea
and term were common.
') Nrs. 34 and 35 are Valentines.
2) Clearly Valentine poems are the Flour of Cnrtesye (aee
especiallj- the Balade and the Envoy), Skeat, Chaiicerian and Other Pieces,
pp. 266—274; To My Soverain Lady (see especially 11. 106—12), ibid.,
pp. 2S1 — 4; and A Valentine to Her that Excelleth All, Minor
Poems of Lydgate, ed. MacCracken, 1,304—10. The Cuckoo and
the Nightingale belongs also to this class, as does also the Ameroas
Complaint ascribed doubtfuUy to Chaueer, cf. Oxford ed., 1,411 — 14
(esp. 11. 85—91).
*) Poesies CornjAdes de Charles d'Orleans, ed. d'Hericault, I, Poeme
de la Prison, Balade Ixvi, p. 85, Fredet au duc d'Orleans, p. 177; II, Chanson
cxviii, cxix, p. 68, Rondeau x, p. 82, cxix, p. 144, clxxxviii, p. 193, Rondeau
de Fredet, ibid., ccvi, ccvii, p. 210, ccviii, ccix, p. 211, Rondeau par Tigon-
ville, p. 212, ccxxx, p. 224, cclili, p. 237. See 11,21)7 note ou 177.
287
and the Leaf. permanent or temporary eonrts of Saint Valentine
were established. It is well known tliat in 1400 tliere was
organized at Paris, on Saint Valentine'« Day, a niagniticent and
elaborate eour amonrense, the purpose of wbieli was to
hold meeting'S for the presentation of balades and otber poemsJ)
That Chaucer hiniself took part in the literary features
of such social entertainments is indicated by bis Coniplaint
of Mars, which the introductory stan/as cleavly show to have
been intended as a Valentine poen).^) It is therefore not
difficult to believe that the Parlement of Foules was
written for such an occasion and that it finds its sufficient
explanation in this fact.
If this view be adopted, it is no longer necessary to search
for an historical Situation suitable to give rise to the poeni
and to be shadowed forth in it. Every detail of the poeni
is simply and adequately accounted for.-') The choice among
the three suitors is a typieal triple problera of love; the choice
is left undeeided in order to furnish a basis for aniniated
social diseussion,^) as is so often the case with the demandes
d'amours; the respite of a year is couditioned by the fact
that the next assembly for choosing mates will occur ou the
next day of Saint Valentine.
^) A. Plaget, La Cour Amourense dite de Charles VI, Romania,
XX, 417 — 54. Tliere is nothiög of value in Reiffeuberg's article in the
Biill de l'Acad. Roy. de Brnxelles, VII, part I (18^0).
*) The natnre of the poem is such that only the desire to make a
Valentine of it can account for the setting; cf. Mauly, Harv. Studies and
Notes (Child Memorial Volume), V, 107 ft'. The Legend of Goode
Women is not a Valentine poem, despite the allusions to the choosing
of mates.
^) Skeat thought that the summer landscape contradicted the in-
dication of Valentine's Day, and he explalned the presence pf 11. 172,
184 — 210, by supposing that the poet was writiug in the summer; see his
note on 1. 117. Bat these lines come from Boccaccio and are used by
Chaucer in depicting the unchanging summer which is a conventional
characteristic of the amorons paradise.
The „longe day", 1. 21, is of course not intended for Valentine's Day.
*) American and perhaps some English readers will recall the vigorous
discussion produced by the demande d'amours of Ötockton's The
Lady or the Tiger.
288
Note on tlie Astronomical Allusion.
As wisly as I saw thee (Venus) north-north-west
Wben I began my sweven for to write. {F.F., 113 — 19.)
It is true that Veuus can uever be seen „nortb-nortb-west",
but — unless tbis term ineans only „in an unpropitious
Position", (Ab aquilone omne nialum) and is a bit of slang, as
in Hamlet's, „I am but mad nortb-nortb-west" — tbis must
be an inexaet pbrase for tbe extreme nortbern position of
Venus as an evening star. Professor Forest Ray Moulton tbinks
it a natural expressiou for a layman to use. and says tbat
wben Venus oeeupies tbis position astrouomers always reeeive
inquiries about „tbe new star in tbe nortb-nortb-west". Cbaucer
had, of course, some knowledge of astronomy, but be is writing
here, not as seientist, but as poet.
Early in May, 1382, Venus would be tbe evening star,
as Kocb pointed out {Clironology, pp. 37 — 38). Sbe would tben
be visible sligbtly nortb of tbe uortb-west point, thougb not
teebnically nortb-nortb-west. Tbis extreme nortbwest position,
says Professor Äloulton, can be reacbed „only wben Venus is
near ber greatest distanee nortb of tbe equator. Sbe is at ber
greatest distanee nortb of tbe equator wben sbe is 90 o east
of tbe vernal equinox. In ber greatest easteru elongation sbe
is approximately 45 " east of tbe sun. Consequently, Venus is
Seen in tbe nortb-nortb-west only wben tbe sun is about 45*
east of tbe vernal equinox, tbat is, about May 10. A differenee
of two or tbree weeks from tbis date would cause no very
great differenee in tbe apparent position of Venus."
The synodie period of Venus, tbat is, tbe period of ber
return to tbe same position relative to tbe eartb and tbe sun,
is 1.599 yr. On May 12, 1374, Venus was in ber greatest
eastern elongation. Tbe following are tbe dates of similar
positions for tbe next ten years or so:
1374.362 = May 12, 1374
1375.961 = Dee. 15, 1375
1377.560 = July 23, 1377
1379.159 =- Feb. 27, 1379
289
1380.758 = Oct. 2, 1380
1382.357 == May 10, 1382
1383.956 = Dec. 14, 1383
The year 1380 is out of the questiou, for in September and
October the sun sets too nearly in the west to allow Venus
to appear very far north of west. If therefore Chaucer is
speaking of the planet Venus, he teils us that he began to
write bis poem in 1374, or 1382, or 1390. The first date i»
too early and the last too late.
This diseussion is based, of eourse, upon the usual inter-
pretation of the lines (P. F. 113 — 19) eited at the head of
this note. But Dr. Koch, in the second of his articles on the
relations of the manuscripts of the P. F. (Das Handsehriften-
verhältnis in Chaucer's „Parlement of Foules", Archiv [1903J
CXI, p. 306-7) öfters a new interpretation of 1.117. Ms Gg.
reaas. ^^ wisly as I saw thee north nor west.
The Word nor has heretofore been regarded as a mere
seribal error or variant for north, the reading of all the other
MSS (except Tr. and Ff., whieh omit the word entirely). Koch,
however, now suggests that it is not a seribal error but the
only right reading. He understands the line to mean, „As
truly as I saw thee neither north nor west, that is, south
and east."
If Chaucer says this, he indieates, as Koch explains, that
Venus was morning star at the date in question. This might
have been in 1381, when Venus was morning star from January
to July. „Im Januar 1381 kamen aber gerade die Abge-
sandten König Richards an den Hof König Wenzels, um für
ihn um die Hand der Prinzessin Anna zu werben, um welche
Freischaft, wie ich früher nachgewiesen, sich das Vogel-
parlament dreht. Sicher wuIste aber Chaucer bei der Ab-
fassung seines Gedichtes noch nichts vom Ergebnis dieser
Werbung, und so dürfte es bald nach Eintritt jener Venus-
stellung, d. h. um den 14. Februar 1381 — welcher Tag
(s. V. 309) gleichfalls hier eine wichtige Rolle spielt — , ent-
standen sein." (p. 307.)
Even if this ingenious Suggestion of Koch's be admitted
the reasons given in the present article against regarding the
Studien zur engl. Phil. L. ^9
290
poem as intended for a conii)linieut to Richard or Anue and
in favor of taking it as a Valentine poem still retain their
foree. But it is difficult to adniit the Suggestion.
In the first place, „I saw thee north nor west" (meaniug
„south and east") would be, at auy period, awkward and
questionable English. To me it seems impossible for Chaucer,
and I thiuk all f:\miliar with the syntax of Chaucer will agree
with me. Furthermore, in order to aceount for the presence
in Gg. of a correct reading possessed by none of the other
MSS, Koch himself is obliged to suppose that, in addition to
its direet source, Gg. must occassioually have used another MS,
nearer to the author's original than the common ancestor of
all the cxtant MSS {Archiv, CXII, p.68). This is not impossible,
of eourse, but the evidence adduced is hardly convincing.
Moreover a seribe who, finding in bis direet source „north
north west", would „correct" it to „north nor west" of a
supposedly better copy, would not have been content to use
the supposedly better copy „gelegentlich", but would have
adhered to it with scrupulous fidelity.
BeowLilf der Gautenköiiiff.
Von
Max Deutschbein.
19'
Jeder, der sich eingehender mit der Chronologie der im
Beowulfepos auftretenden Personen beschäftigt hat,i) bemerkt
bald, dafs die Zeitangaben, die sich auf das Alter und Lebens-
schieksale der fraglichen Personen beziehen, oft nicht zu ein-
ander stimmen, ja sich direkt widersprechen. Zum Teil
erklären sieh die Schwierigkeiten aus dem Umstände, dafs ein
Teil der Angaben des Epos wirklich auf guter historischer
Tradition beruht, während andere nur die eigene Erfindung
des angelsächsischen Dichters sind — dafs die fiktiv-poetischen
Angaben nicht mit den historischen-wirklichen Zeitbestimmungen
übereinstimmen können, ist klar. Vor allem werden davon
jene Partien betroffen, die von Beowulf handeln, besonders
aber soweit es sich um Beowulf den Gauteukönig handelt. —
Dafs Beowulf je den Thron der Gauten bestiegen hat,
halte ich für unmöglich — es ist dies nur eine Fiktion des
angelsächsischen Dichters, der das ihm vorliegende Rohmaterial
zu einer Art Biographie von Beowulf umgestaltete. Alles, was
er von Beowulf als König, von seiner Verwandtschaft mit den
W^Smundingen, mit Hygeläc erzählt, ist poetische Erfindung.
Das hat schon MüUenhoff {Beowulf S. 14f.) richtig gefühlt,
der mit Recht die passive Rolle Beowulfs in dem Kampfe
gegen Onela betont und weiterhin vermutet, dafs ursprünglich
wohl Hygelac im Mittelpunkt des epischen Interesses gestanden
habe. Die Ereignisse gehen so vor sich, als wenn Beowulf
überhaupt nicht existierte, einer Meinung, der sich auch neuer-
dings Klaeber {Anglia 36, 190) anschliefst: „Kurz, die ver-
breitete Ansicht von einem ursprünglichen historischen Beowulf,
0 So neuerdings Heusler, Archiv 124, 9if. und Panzer, Beowulf
393 Anna.
293
Neffen des Gautenkönigs, unterliegt schwerwiegenden Be-
denken."
Dazu kommt noch ein spraebliches Argument, auf das
schon Olrik {DntimarJis Heltedigtning 1,24) aufmerksam gemacht
hat. Vor Reowulf sitzt auf dem Throne der Gauten ein Ge-
schlecht, deren Namen mit II heginnen (HreAel — Hygeläc
— Ileardred); nach Beowulf regiert Wiglaf, Sohn des Weohstän
aus dem Geschlecht der Wiejmnndiuge; ganz isoliert steht
Beowulf, Sohn des Ecgl'eow.
Der einzig mögliche Schlufs ist daher, dafs Reowulf ein
Fremdling auf dem Gautenthrone ist, dafs vielmehr auf das
Geschlecht der Hygelacs die Wiesmundinge direkt gefolgt sind.
Diese Folgerung bringt auch Klarheit in die etwas ver-
wirrten VerhUltuisse, die im Beowulfepos zwischen Gauten und
Schweden zu herrschen scheinen. Die spätere skandinavische
Überlieferung hat hier manches Ursprüngliche bewahrt.
Aus Vers 2381 ff. in Verbindung mit 2611ff. des Epos er-
fahren wir, dafs Kanmund und Kadgils sich gegen ihren Oheim
Onela, den Schwedenkönig, empört haben und diese sich zu
Heardred, dem Gautenkönig, geflüchtet haben. Onela unter-
nimmt nun einen Kriegszug gegen Heardred und tötet diesen;
bei dieser Gelegenheit wird Kanmund durch Weohstän getötet.
Später (!) unternimmt Eadgils mit Beowulfs Unterstützung einen
Rachezug nach Schweden und besiegt und tötet seinen Oheim
Onela.
Wenn nun die Gestalt Beowulfs unhistorisch ist, so kann
auch Eadgils kaum mit gautischer Unterstützung in sein
Vaterland zurückgekehrt sein. Vielmehr wird der Zusammen-
hang folgender gewesen sein : Nach der Niederlage und Tötung
Heardreds wird der Gautenthron wohl von den schwedischen
Siegern besetzt worden sein — was lag für Onela näher, den
Wie^munding Weohstän einzusetzen, der ihm so wertvolle Dienste
geleistet hat (seil, seinen Neffen Eanmund getötet hat) und
zwar wird wohl Weohstän schwedische Truppen zur Sicherung
seiner neuen Macht mit nach Gautland gebracht haben. Jetzt
wird auch verständlich, warum sein Sohn Wiglaf ein leod
Scylfinga (V. 2603) genannt wird, ') und der oben gefolgerte
') Die auffällige Bezeichnung ist schon früher von MüUenhoff (Anz.
294
Scblufssatz, dafs auf die Hygeläc-Dynastie die schwedischen
Wssmundinge direkt gefolgt sind, neu bestärkt.
Nur eine Schwierigkeit bleibt bestehen: wenn Weohstän
und nicht Beowulf der Nachfolger Heardreds auf dem Gauten-
thron gewesen ist, mit wessen Hilfe hat dann Eadgils die Rück-
kehr in sein Vaterland bewirkt? Ich glaube, dafs hier die
spätere nordische Überlieferung einen guten alten Kern ent-
hält: Nach dieser sendet Eölf (= Hrööulf, Neffe des Hröösär)
dem König Aöils 12 Berserker, die diesem im Kampf gegen
den König Ali {■= Onela) zur Seite stehen. Aus der späteren
nordischen Überlieferung dürfen wir also schliefsen, dals Eadgils
mit dänischer, und nicht mit gautischer Hilfe zurückgekehrt sei.
Über die Beziehungen Rolfs zu A(^ils haben wir m der
altnordischen Literatur zwei Versionen — eine dänische (bei
Saxo) und eine isländische (bei Snorri und Arngrim). i) Die is-
ländische Darstellung ist folgende: Da der König A(Mls Hilfe
gegen den Uplandskönig Ali braucht, wendet er sich an seinen
Stiefsohn Hrölf, den König von Dänemark; dieser schickt ihm
seine 12 Berserker. Aöils wird seines Gegner Herr, verweigert
aber den Berserkern den versprochenen Lohn. Rolf entschliefst
sich daher, nach Upsala zu ziehen, um den Lohn einzu-
fordern. —
Anders wird bei Saxo der Upsala-Zug Rolfs begründet:
Yrsa, die Gemahlin des Schwedenkönigs Aöils und die Mutter
R61fs, ist ihres geizigen Gemahls überdrüssig und wünscht, ihn
seiner Schätze zu berauben. Sie veranlafst daher ihren Ge-
mahl, den Stiefsohn zu sich zu berufen; dieser sollte — nach
der Absicht Yrsas — den Sehatz seines Stiefvaters in seine
Hände bringen und ihn mit sich fortführen. Rolf zieht darauf-
hin nach Upsala. —
f.d Altertum 3,177 und Bugge, Beitr. 12,50) zu deuten versucht worden.
Nach diesen wäre der Sachverhalt folgender: Nach der Rückkehr Eadgils
und nach dem Tode Onelas konnte Weohstän nicht länger in Schweden
bleiben, sondern wandte sich nach Gautland, wo er von Beowulf aufge-
nommen wurde. Beowulf hätte aber dann sehr unklug und inkonsequent
gehandelt: erst unterstützt er den Eadgils, um ihm die Rückkehr nach
Schweden ^u ermöglichen, dann aber nimmt er den Weohstän, den Tod-
feind des Eadgils, bei sich auf!
') Für das Folgende vgl. Olrik, üanmarks UeUedigtning; Hausier,
Zeitschr. f. d. Alt. 48, SUff.
295
Olrik ist nun geneigt, die Begründung bei Saxo — ab-
gesehen von der sog. Yrsa-Intrigue — für die ursprüngliche zu
halten: AiMls lädt den Stiefsohn zu sich, um ihn zu verraten.
Gegen diese Annahme erhebt Heusler (a.a.O. S. 81flf.) mit
Recht Bedenken, indem er die isländische Tradition für die
primäre hält. E^ hat also vor dem Upsala-Zug Rolfs ein
freundschaftliches Verhältnis zwischen dem A(Mls und Rolf
bestanden: daher die Entsendung der 12 Berserker, als Aöils
gegen Ali kämpft.
Nach meiner Ansieht spiegelt die isländische Überlieferung
den älteren historischen Tatbestand wieder: Eadgils besiegt
mit dänischer Hilfe (und zwar mit Ilrööulfs Hilfe) den Ali
(Onela). Offenbar ist dann Eadgils seinen Verpflichtungen
gegenüber Hrööulf nicht nachgekommen — daher der Upsala-
Zug, — Es ist so alles recht begründet und auch mit der
Liberlieferung, wie sie das Beowulfepos repräsentiert, in Über-
einstimmung. —
Damit wird für uns auch eine Erklärung überflüssig,
die nach Olrik die letzte Ursache und Grundlage des Upsala-
Zuges erklären soll (I. c. S. 38). Rolfs feindseliges Verhalten
gegen Aöils beruhe auf folgenden Motiven: Onela (= Ali)
hatte die Schwester Ilälgas (Helgi) zur Frau, des Vaters von
Hrööulf; Ali war demnach der Onkel Rolfs. Onela und sein
Neffe Eadgils geraten später in Streit und Olrik nimmt nun
an, dafs sich Hrööulf auf die Seite seines Oheims gestellt habe
und entweder ihm geholfen oder seinen Tod durch einen Zug
gegen Aöils gerächt habe. —
Diese Annahme, dafs Rolf sich auf Seite des Ali gestellt
habe, ist nicht nur überflüssig, sondern sogar unmöglich für
uns — sie hat kaum eine positive Grundlage.
Sehen wir uns einmal die Verhältnisse in Dänemark und
Schweden etwas genauer an, um vielleicht etwas über die Be-
Ziehungen Alis zu Rolf zu erfahren.
Im Beowulfepos herrscht der greise Hröösär über Däne-
mark — zwischen ihm und seinem Neffen Hrööulf herrscht
noch Frieden, wenn auch auf die spätere Fehde innerhalb der
Scjoldungendyiiastie augespielt wird. Diese Fehde ist offenbar
zum Ausbruch gekommen, als das Heer der Hadubarden eine
296
vernichtende Niederlage bei Heorot erfahren hatte; vgl. die
bekannten Verse des WldsTö V. 45flf.
HröJ^wulf ond Hröögär heoldou lengest
sibbe ictsomne snhtorfa^dran,
sij^l^an hv forwneeon "Wicinga cyun
and Ingeides ord forblgdan
forheowan a't Heorote Heaöo-Beardna ^rym.
Ich fasse heoldon als Plusquamfekt und übersetze: Hröjnüf
und Hrööjär hatten Frieden am längsten gehalten, Oheim und
Neffe — als (nachdem) sie ...
Hröösär und Hroöulf sind offenbar nach der Niederlage
der Hadubarden in Streit geraten — wahrscheinlich über die
Beute. Hrööulf wird wohl seinen Oheim gewaltsam vom
Dänenthron beseitigt und ebenso seine Mitwerber und Vetter
Hreörie. Hröömund und Heoroward verdrängt haben. ') Es ist
natürlich nicht ganz sicher, wie sich zu dem gewalttätigen Ver-
fahren die Schwester des Hröösär, die an Onela verheiratet
war, gestellt — wahrscheinlich ist, dals diese gerade nicht mit
günstigen Augen das Vorgehen Hro]^ulfs beobachtet hat. Als
nun später Ouelas Neffen Eadmund und Eadgils sich gegen ihn
empörten und nach ihrer Niederlage ihr Heil in der Fremde
suchen mufsteu, gingen sie zunächst zu den Gauten — und
als nach der Niederlage Heardreds auch hier keine sichere
Stätte war, wird sich Eadgils nach Dänemark zu Hrööulf ge-
wandt haben, mit dessen Hilfe dann Eadgils zurückkehrt. —
So ist alles klar und verständlich und ohne jeden Zwang. —
Aus dem von uns angenommenen Zusammenhang wird
auch die Stellung Heorowards (= Hjörvarör), in der nordischen
Überlieferung verständlieh. Nach dieser wird Rolf in Leyre
von Hjörvarör verräterriseh überfallen und getötet. Nach der
Bjarkimäl (9. Jahrh.) besteht das Heer des Hjörvarör aus
gautischen bezw. schwedischen Truppen. Wie kommt nun er
zu diesem Heere?
^) Bei der von mir vorgeschlageneu Interpretation der WidsTÖstelle
fällt dann auch die von manchen Forschern berührte Schwierigkeit weg,
dafs der greise HrSÖgär des Beowulfepos noch nach der Hadubardenschlacht
sehr lange am Leben ist. Allerdings ist zu beachten, dafs das hohe Alter
des Hröögär im Epos möglicherweise unhistorisch und erst das Produkt
eines Dichters ist (vgl. Ilcusler, Archiv 124, lOf.).
297
Die Situation mag für Heoroward nach der gewaltsamen
Usurpation seines Vetters Hröt^ulf äufserst schwierig gewesen
sein — in Schweden, falls er sich dorthin (zu seinem Oheim
Onela) geflüchtet hatte, konnte er nicht auf die Dauer bleiben,
da dort später Eadgils, der von Rolf unterstützt worden war,
herrschte. — So blieb ihm nur Gautland übrig, wo Wiglaf
herrscht, der leod Scylfinga, der mit Eadgils verfeindet war.
Es ist nun wohl anzunehmen, dafs Heoroward mit Wiglafs
Unterstützung nach Dänemark zurückkehrt, wie denn im Beowulf
V. 1835, 1855 auf freundliche Beziehungen zwischen Dänen und
Gauten hingewiesen wird. Dafs sich in lijörvarörs Heer Gauten
und Schweden befinden, erscheint natürlich.
Reiimintersiichiinof über die
Qualität der betonten langen E -Vokale
bei Robert of Brunne.
Von
Oskar Boerner.
Inhalt.
Seite
Einleitung 299
Aus den Jieinien .lüO
-er{e), ■er{e)s, -örcst .... 300
srd, -erd 311
-erl, -erles 312
-ern, -enies 312
-cd{e), -ed(e)s 312
-U(e), -Bl(e)s, -Step, -Uen . .319
-e, ?s 323
-es(e), eses; -est{e), -Sstes, -esed 331
-em{e), -sm{e)s, -emed . . . 334
-en(e), &«(e).9 335
-el(e), -el(e)s, ded 337
-Eche, -eches, -echyp .... 340
Seite
-Bue(n), -Suyn, -caep, -Siied,
-euyl, -Suel
-ehe. -ekyn, -ckyr,
-epe
-e/"(0
• &
cked
.340
343
343
344
-ece, -eees, -ecys 34.5
-ep, -epen, -eper 345
-end{es), -end{es), -endyp . . 345
-eld{es), -eld(efi) 346
-eng, -eng 348
Zur Frage über die ^/?- Grenze 348
Tabellen über gewisse Reim-
Mörter 349
Einleitung'.
Die folgende Reimiintersuchung bietet einen Beitrng zu
einer Reihe von Einzelaibeiten , wie sie namentlich die
Morsbaeh'sche Schule auf dem Gebiete der mittelenglischen
Grammatik geliefert hat. Der Forschung im einzelnen eröffnet
sich hier immer noch ein weites Feld. Material bieten Reim-
listen, wie sie für einzelne Denkmäler vorliegen; jedoch sind
nur geringe Ansätze von Untersuchungen vorhanden, die das
einzelne Wort und den einzelnen Laut erschöpfend behandeln.
Zwar hat man einzelne Wörter durch eine mehr oder minder
grofse Zahl von Denkmälern verfolgt; man hat auch umfassende
Reimuntersuchungen angestellt, wie Reitemeyer, der den ge-
samten französischen Lehnwortschatz in Denkmälern aus dem
gesamten Sprachgebiet auf die langen e- Vokale hin untersucht
hat (L.Reitemeyer, Die Qualität der betonten langen E-Yokale
in den franzüsischen Lehnicörtern des Mitteleiußischen, Göttinger
Diss., Halle 1911; hier ist auch die einschlägige Literatur ver-
zeichnet). Dabei ergibt sich jedoch, dafs wir uns manchen
Schlui's hinsichtlich des einzelnen Lautwertes versagen müssen,
wenn wir nicht das einzelne Denkmal nach dieser Richtung
hin erschöpfend behandeln. Z. B. Heise sich für den e-Laut
in den französischen Lehnwörtern mehr feststellen, wenn auch
der einheimische Wortschatz herangezogen würde.
So mufs sich die Forschung vorläufig noch auf recht
schmale Wege begeben, ehe sie imstande ist, die Laut-
erscheinungeu für einen gröfseren Bezirk mehr oder weniger
scharf abzugrenzen.
Über den Wert der Reime für die Lautgeschichte hat sich
W. Hörn in seinen Untersuchungen zur neuenglischen Laut-
geschichte ausgesprochen (Q. u. F. 98, Strafsburg 1905). Von
besonderm Wert sind die Werke Roberts of Brunne, weil
300
sie zeitlieh und örtlicli bestimmt sind und wegen ihres Um-
fanges manchen Sehlufs gestatten, wo er bei kleineren Denk-
mälern nicht möglich wäre.
Die vorliegende Reimuutersuchung beschränkt sich auf die
langen c- Vokale, auch in den französischen Lehnwörtern, da
Keitemeyer R. of ßrunne nicht berücksichtigt hat; mehrfach
begegnen hier Wörter, die bei Reitemeyer fehlen. Die neu-
englische Mundart ist nur gelegentlich herangezogen worden,
da die Wortlisten bei Ellis für unsere Zwecke nur in wenigen
Fällen auf die mittelenglischen Verhältnisse ein Licht werfen
konnten.
Die Beispiele aus der Handlyng Synne beruhen auf
eigener Sammlung, die aus der Chronik auf den Reimlisten
von Furnivall in seiner Ausgabe. Von Reimen mit Eigennamen
habe ich abgesehen, da sie für den Lautwert keinen sicheren
Sehlufs zulassen.
(H. S. = Handlyng Synne, Chr. = Chronik.)
Aus den Reimen.
Sichere Fälle von geschlossenen c-Reimen liegen vor, wo
das [e] zurückgeht auf
1. urengl. e.
2. ae, e < ö + i, i«
3. aangl. e mit Umlaut = ws. ca (durch Kontraktion).
4. aangl. w, eo ohne Umlaut < wg. iu.
5. aangl. e = ws. w, i, y <. ea -\- i, j.
6. geschl. [e] in an. Lehnwörtern.
7. ae. eo durch Kontraktion.
8. ae. e, gedehnt im Wortauslaut < *e < *i.
Das e vor r.
-er{e), -er{e)Sf -er est, (eryst),
L Geschl. [e] innerhalb der Fälle 1 — 8.
lier{e) adv. : ser adv. (< an.) Chr. 15280.
: dere {dear) H. S. 325, 3611, 3694, 3855, 3907,
5037, 5313, 5741, 9111, 9313, 9489, 10864, 10889,
301
11813. — Chr. 1234, 2284, 537G, 884G, 10088,
11606, 12280.
here adv. : ferc (fire) H. S. 1737.
(lere (deer) : here adv. Chr. 1508, 16420, 16454.
(lere {(lear) : here {to hear) H. S. 4735, 5379, 0245, 10388,
10471, 12501. — Chr. 2314, 5258.
her (to hear) : stcre {to steer) Chr. 1450.
Au in.: vcr (iiear) hat geschl. [e] •< aangl. we>' mit Umlaut (vgl. Verf.,
Die Sprache Hob. Mannijngs of Brunne S. 13(i, 11 Anm. 2). Über nvr mit
[(";] vgl. W. Huru, Hisl. ne. Grammatik § S7, Anm. 2.
?iö>-(e) : hsre adv. H. S. 5893.
: ser « an.) Chr. :H!40.
: (lere {deer) Chr. 0442.
: fsr 'gesund' Chr. 16 438.
2. Gesehl. [e] innerhalb der Fälle 1 — 8 im Reim auf e in
franz. Lehnwörtern,
her adv. : ernster Chr. 9870.
: mater{e) H. S. 11196. — Chr. 344.
: j^owere Chr. 4230, 8084, 9220.
: chere 'Gesicht' H. S. 8531. — Chr. 7198.
: manere H. S. 244, 1997, 2466, 3597, 4992, 5759,
6224, 7087, 10358, 11053. — Chr. 2212, 7322,
15636, 15864.
: ryuere Chr. 8158.
: messegere Chr. 1520.
: scolere H. S. 8069.
: (liibonure, nach der andern Handschr. debonurere
H. S. 5797.
: ^oZ?ere 'Zöllner ' H.S. 5885, vgl. W. of Wadding-ton
5054: Peres le Theoloner; Prompt. Parv. tollare
= 'telo7iarius' (Endung -ere!}.
: frere H. S. 6188, 10396.
: to aiiere H. S. 1857.
(ler{e) dear : manere H.S. 1787, 1905, 4752, 4949, 6594, 6975.
: c/ieTe 'Gesieht' H.S. 5154. — Chr. 9454, 12078.
: njuer Chr. 11048.
: clere (clear) Chr. 14880.
here {to hear) \ prayere H. S. 753, 9310, 10502, 11135. —
Chr. 5236, 9326, 15034.
302
^ou heres
se{e)r{e)s{<SLU.)
ner {near)
here {to hcar) : frcre H. S. 10411, 11852.
: mauere H. S. 4553, 7252, 9068, 9G30. — Chr. 56,
1090, 2824, 8750, 11544, 12582, 16582.
ehre (clear) H. S. 5922.
tollere H. S. 5569.
chayer Chr. 11212.
pere {peer) Chr. 1694.
fr er es H. S. 10459.
auteres Chr. 7362.
centeners Chr. 13528,
maners Chr. 7432.
squiers Chr. 5086.
messcgers Chr. 1294.
ryuers Chr. 14576.
maners Chr. 11362.
sonders (soldier) Chr. 9344, 14232.
hotyler Chr. 13602.
Corner Chr. 10316.
plener Chr. 11172.
poiver H.S. 8205, 11240, 12048. — Chr. 10098.
chere 'Gesieht' H. S. 4039.
auter H.S. 10599.
Anm. 1: der (clear) hat geschl. [ej entsprechend den Reimen in
andern Denkmälern, so bei Wallace (cf. W. Heuser, AngliaXYlll, 114ff.),
desgleichen bei Reitemeyer, der nur einen auffallenden Reim auf maistere
belegt (S. 42).
Anm. 2: Ein seltenes Reimwort ist auster mit [e] statt [f] (mit An-
lehnung an die häufige Endung -erie) << -nr-). Auch auster : liter (litter)
Chr. y604 (oder [f]!).
Anm. 3: Unrein ist wohl ner : fer {— far) Chr. 3374; oder ist in-
folge satztieftoniger Verwendung ner anzunehmen? Die ne. Mundart hat
[id] < me. [e].
3. Geschl. \e\ innerhalb der Fälle 1-8 im Reim auf e < ae.^^
(wg. a).
lere {hier) : here (hear) H.S. 8063, 11025. — Chr. 9606.
: fere 'gesund' Chr. 9650.
rere sb. 'Lärm' (< ixQ.hreran, vgl. Verf., R. of Brunne S. 131,e, 1)
: here {hear) Chr. 10207.
fere 'Gefahr' : de)'e {dear) H.S. 5295.
Ijer : her Chr. 5348.
303
Nach Palatalen gilt auf dem gcsanitpu Sj)rael)g'ebiet mit
Ausiialiinc des westl. und niittl. Südens der gesehl. [eJ-Laut.
der(e) : here {hear) H. S. 4534.
: hür{e) (hcre) H.S. 1965, 62G2. — Chr. 1750, 3722,
3732, 5710, 578G, 6324, 14860, 15108, 15400,
15532, 16026.
: ser{e) « an.) H. S. 2030. — Chr. 438, 714,
15114.
: ner Chr. 1938, 3276.
Seres : sers (< an.) Chr. 10962.
4. Verhältnisuiälsig- zahlreich sind die Reime mit franz.
Lehnwörtern, die [e], aber auch [(;] haben:
/ele 'Gefährte' : maneye Chr. 5526, 7878.
were {ivere) : mauere Chr. 2736.
fere {< fwran) : conqucre Chr. 6784 (mit [u] oder [f] vgl. Verf.,
B.of Brunne S. 123/4).
pere : conqucre Chr. 4181, 10448, 10702.
here {<i gebcere 'Gebahren'} : autere H. S. 9062.
pere : preyere H.S. 10599.
Das Suffix -ere (offene [f]-Reime).
ledere : ivere [war) Chr. 1470.
oherere : aumenere H. S. 5573.
okerers : maners H. S. 2415.
ser{e)
Gesehl. [e]-Reime.
power{e) H. S. 810. — Chr. 2238, 3300.
autere H.S. 11092.
leysere H. S. 835.
maner{e) H.S. 902, 2334. — Chr. 2812.
iustiser Chr. 2222.
bacheler Chr. 10740.
der Chr. 3062, 3922.
daunger Chr. 2426.
Diester Chr. 11576.
plener Chr. 5272, 15118.
iver! {war) Chr. 828, 2126, 9962, 16394.
304
6er{e)s : maneres H. S. 69, 7761.
: pers 'gleich' H.S. 6075.
Anm. 1: Auffallend sind die Reime mit icer {icar). ^er : wer wohl
unrein ([?]:[?]). Reitemeyer belegt tver nur im Reim auf [e]. Vgl.
auch Heuser a. a. 0.
Anm. 2: Zu mester vgl. die entsprechenden Belege bei Reite-
meyer (S. 12).
Anm. '6: Conquere begegnet auch sonst im Reim auf geschl. [g]
(anal, nach den stammbetonten Formen). (Vgl. Reitemeyer S. 87/88
und Verf., R. of Brunne S. 123,4.)
Das Wort tvej- (schott. iver{e), weir < ? vgl. Verf., R. of
Brunne S. 136) findet sich nur im Reim auf geschl. [e\ Vgl.
auch Reitemeyer S. 10 und Heuser, Amjlia XIX, 319fF.):
were : sere H.S. 8095, 10768.
: chere 'Gesicht' H.S. 5673.
: manere H. S. 461.
: ehre (clear) H. S. 9522.
Unrein ist der Reim geres : feres, Handschr.D fers [=fresh)
H.S. 2573, [e] : [^]. Über den s-Laut vgl. Verf, R. of Brunne
S. 64 Anm. 1 und S. 285 § 176. Dieser Reim ist den dort an-
geführten hinzuzufügen. Vgl. auch Owl and Night. 303 ivorse
: mershe (ae. mersc > ne. marsh). Sonst habe ich noch die
Schreibung s statt sli gefunden H. S. 7392, Handsehr. 0 rauys,
desgl. 7402, 7421.
Auf Kürzung in fakultativ unbetonter Silbe deutet der
Reim haner : fer (= far) Chr. 8446.
5. e < ae. ^2 jm Selbstreim.
fere (to fear) : here {hier) Chr. 9626.
])er{e) : ay-ivhere Chr. 8578.
: ser Chr. 5286.
: wer{e) {were) H.S. 999, 1405, 1934, 5009, 11444.
— Chr. 1124, 2746, 3656, 4986, 5330, 5876,
8370, 11412, 13322, 14134, 15286.
wei'B {were) : lühere Chr. 2976, 5702.
her Quiir) : euery ivhere H. S. 3199.
ivere : were (rührender Reim) H.S. 3941.
euei-y where : ivhere H. S. 5781.
: l)ere H.S. 12203.
ffythelers : sangesters Chr. 4032,
305
6. Reime von franz. Lehnwörtern.
Cluster : liter (Htter) Chr. 9604 (vgl. S. 302 Anm. 2).
cheker : tahler Chr. 11396.
cle^- : rocher Chr. 10200.
poiver{e) : auter{e) H.S. 10384, 10492, 10631, 10801. —
Chr. 1376.
Jca7jser Chr. 5120, 13604 (vgl. Reitemeyer S. 20).
per {peer) Chr. 554.
messeger Chr. 2512.
iver {war) Chr. 4558.
scoJer H. S. 7999.
saniere H. S. 4767, 11617.
syeiisere H. S. 6445.
pere 'gleich' H.S. 7299, 9348.
clere H. S. 9820, 9827, 11604, 11943.
custumer H. S. 8805.
poer : mester Chr. 586.
secoler Chr. 15274.
maner{e) : hanere Chr. 9918.
ivere (ivar) Chr. 2736.
ryuere Chr. 3136.
messeger Chr. 4808, 15914.
my pere 'meinesgleichen' H.S. 1923.
frere H.S. 10447.
to apere H. S. 8197.
sanier H. S. 6581.
squier : plener Chr. 12446.
squyere : ^^ere 'gleich' H.S. 4371.
clere : auiere H. S. 2285, 9957, 10024, 10315.
saniere H. S. 9966.
manere H.S. 12419.
vsurere : sere (< sire = ne. sir, vgl. Verf., B. of Brunne
S. 186 Anm. 3) H. S. 2604.
dyner : tahler H. S. 4305.
: auter H. S. 7319.
tresorer : spenser H. S. 6069.
aunienere : spensere H. S. 6837.
: mystere H. S. 6859.
Studien z. engl. Phil. L. 2Ü
306
Corners
fers (fierce)
aumenere : powere H. S. 6917.
auter : pecher {airz. picher = pitcher) H. S. 10748.
archers : arblasters Chr. 12020.
: arhalasters Chr. 13392.
: maners Chr. 10720.
: squiers Chr. 11422.
: clers adj. Chr. 9900.
bachelers : clers adj 7312.
halyngers < auglo-frz. halengier, hallcnjer (vg-1. Oxf. Dict.
unter Balinger; darnacli wäre diese Stelle der erste Beleg)
: mariners Chr. 5928.
maners Chr. 10314.
ynessegers Chr. 6626.
: pers {peers) Chr. 11142, 12010 (lleitemeyer
gibt nur Belege für die Form fer).
hostagers : peres {peers) Chr. 3450.
: pers Chr. 4984.
: truagers Chr. 5440.
pcr(e)s Chr. 1358, 3896.
messegers Chr. 6166, 11450, 11888.
archers Chr. 14468.
fers adj. Chr. 12054.
pers Chr. 13106.
squiers Chr. 3012, 4716, 12786.
squyers Chr. 5562.
pers Chr. 5200.
per{e)s {peers) : truagers Chr. 4276.
sonders {soldiers) : maners Chr. 7154.
vserers : ßy peres H. S. 2453.
maners : preyers H. S. 7703.
: i?eres H.S. 12410.
: vserers H. S. 8733.
freres : cunseijlers H.S. 6177.
sopers : squyers H. S. 7267.
: (^?/wers H. S. 7291.
7. e < ae. fe 2 :
a) ea < wg. au.
]jere : e(e>-e 'Ohr' H. S. 4759, 6929 [?].
inaner {e)i
maryners
messegers
ptarceners
307
b) ea durch Kontraktion.
ellesivheres : tcres 'Zähre' H. S. 115G4 [^'].
8. ^ < ae. ea < wg. au im Reim auf Ca durch Kontraktion.
eres 'Ohren' : teres 'Zähren' H. S. 11561 [f].
Anm. 1: per adv. findet sieh meist im Selbstreim (ISx), 4 x im
Reim auf franz. Lehnwörter mit ff], 1 -< im Reim anf [p] <; ae. Pa
-C wg. an; demgegenüber nur 2 •' : geschl. [?] in /«er adv. und ,^cr. Somit
stellen diese beiden Fülle Ausnahmen dar, während der offene e-Laut
in Übereinstimmung mit andern Denkmälern gilt (vgl. Reitemeyer ö. 4).
Für uhrre findet sich kein Reim auf geschl. [<']; es steht 6 x im
Selbstreim und 1 x auf [t'J ■< ea.
Anm. 2: ivere prt. begegnet IßX; ßzre, 1 X: franz. [p], 2X: where;
mithin auf [f] deutend. Siehe imter e iu offener Tonsilbe.
Anm. 3: Das Suffix -cre reimt 1 >< auf geschl. [c] (S. 301, 2), 1 x anf [e]
in iver (ivar) und 2 x auf franz. «• in fakultativ unbetonter Silbe.
Anm. 4: Franz. Lehnwörter mit fakultativ unbetonter Silbe, die teils
mit geschl. [c] teils mit off. [ej reimen, finden sich im Reim auf
1. geschl. [e] 85 x,
2. im Selbstreim 52 x ,
3. geschl. [p] < afrz. c, ie = auglo-frz. c <; vlt. « oder vlt. e 28 x^
4. -h-e (Suffix) [P] 2 X.
Dies Ergebnis mit den weitaus überwiegenden Fällen von geschl. [e]
(113 X) stimmt zu den Reimverhältnissen in mittelländischen Denkmälern
überhaupt, während im Norden und in Schottland die Reime auf oft'. [^1
öfter begegnen.
9. e < ae. ce 2 im Reim auf e < ae. ^ 1.
fere 'gleich' : lere vb. Chr. 12864.
mere ' berühmt' : lere sb. (^br. 7046.
her {Jiai7') : er adv. Chr. 4058, 14904.
per : er Chr. 15258 [e].
yn fere 'zusammen' : lere vb, RS. 5055.
Zu lere sb. vgl. Verf., R. of Brunne S. 121, Anm. Nach
Björkman kommt an. Einflufs für den e-Laut gegenüber ae. lär
nicht iu Frage. Mit Rücksicht auf die zahlreichen Reime
von lere mit geschl. [e] gilt auch hier der geschlossene Laut.
Auch bei Chaucer kommt er vor (vgl. H. Cromie, Index to
the Ellesmere Ms. of Chaucer' s Canterhury Tales, London 1875).
Bei pjer : er hingegen ist nach dem vorhergehenden der
off. [f] -Laut anzunehmen; überhaupt kehrt er namentlich mit
Pere und ivere prt. innerhalb einer Reimgruppe mit off. \f,\
20*
308
liüufig wieder (vgl. Eeitemeyer S. 4/5). Vielleicht steht her
mit offenem [f]-Lant aufserhalb der Wörter mit geschl. [e]
< ae. ^2. Auch die ne. Mundart hat iu Übereiustimmuiig mit
der Schriftsprache hair [fa] < me. [?] im Gegensatz zu there
mit [id + r].
10, e < &e. ä K
a) Gesicherte geschlossene [c]- Reime innerhalb der
Gruppen 1 — 8.
lere vb. : here {to hear) H. S. 126, 794, 2914, 4765, 5481,
6719, 7810, 8668, 9596, 11417, 11897. — Chr.
Handschr. P 162, 260, 8098, 15136.
: dere (dear) H. S. 8165, 9652. — Chr. 6148.
: here adv. H. S. 3170, 5034, 10705. — Chr. 2
Handschr. P, 7040.
b) Im Reim auf franz. Lehnwörter:
lere vb. : frere H. S. 4304 [e].
: manere [c] H.S. 2377, 3945. - Chr. 4300, 8228.
: preyere H. S. 4245 [e].
lere sb. : manere [e] H. S. 3520.
Urs prs. : maners [e] H. S. 8618.
lere vb. : mystere H. S. 1201 [e] (vgl. S. 304 Aum. 2).
So weit haben sich auch für den e-Laut vor r sichere
Verhältnisse ergeben, wie sie Heuser {Anglia XVIII, 121ff.)
schon für Wallace festgestellt hat. Auch für die übrigen
Denkmäler werden sich mehr imd mehr sichere Verhältnisse
ermitteln lassen.
e in offener Tonsilbe.
1. Selbstreime.
to stvere : bere vb. H. S. 787, 2705, 2793, 2899. - Chr. 3880.
sweryst : pou heryst H. S. 637.
heryn : siveryn (prs.) H. S. 2681.
here vb. : dere vb. H. S. 2367, 10616. — Chr. 8882.
lerej) : derej) (prs.) H. S. 7637, 8291, 12447.
: ivere}) (prs.) H.S. 11973.
heres : deres (prs.) Chr. 7968.
here vb. : dere sb. H.S. 4101. — Chr. 8906, 12128.
: were 'wehren' Chr. 1896, 5958, 9312,9568, 10458.
309
dere vb. : forhcre vb, H. S. 5375.
deryp : stveryp H. S. 2759.
dere prs. konj. : here 'Bär' II. S. 4053.
bere 'Bär' : wei-e vb. H.S. 4077.
dere sb. : wcrc \h. Chr. 6492, 6904, 7662.
spere : were 'wehren' Chr. 1770.
Auch here vb. : were 'tragen' H.S. 11957.
In Verf., R. of Brunne S. 83 § 36 a 1 irrtümlich ; zu S. 84, 2
zu stellen : jQy heuy Jjyrdon, pat y of hem bere,
y am confoimded, my seif to were
'wegen der schweren Last, die ich an ihr — meiner Sünde —
trage, bin ich aufser stände, mich selbst zu tragen.'
Vgl. W. of Wadington 8768: e porter mei mesmes ne poei.
2. e- im Heim auf [c] (abgesehen zunächst von den c-
Lauteu in den zweiten Gliedern von Korapositis):
here 'Heer' : ivere prt. Chr. 6088 [e] : [?].
bere vb. : tvere {war) H. S. 4985. — Chr. 4322, 13422 [c] : [^.
to swere : jxtc 'Stein' H.S. 770 [e] : [e].
Anm. 1 : Zu were prt. vgl. S. 307 Anm. 2. Were findet sich auch in andern
Denkujülern des Nordens und Mittellandes verhältnisniäfsig häufig im Keim
auf e- in oftencr Tonsilbe (vgl. Reitemeyer S. 4 5). Ich erkläre diese Fälle
aus der häufigen satztieftonigeu Verwendung des Wortes und stelle sie
somit auf eine Stufe mit den verhältnismäfsig zahlreichen Reimen von e-
iu offener Tonsilbe auf c in minder betonter Silbe. So steht auch heute
iu der Schriftsprache neben [^vt'^] << me. [ivcre] ein satzunbetontes [w?]
< [iccr]. (Vgl. Ilorn a.a.O. S. 76 § S8.) Bei satzticftoniger Verwendung
ist aber die Qualität des e unbestimmt, schwankend zwischen [c] und [c],
wie es bereits Morsbach in seiner 3Ie. Grammatik (S. 14G) ange-
nommen hat.
Anm. 2: Auch were (war): e ist andern Denkmälern keineswegs
unbekannt. Bei dem Nebeneinander von werre mit [f] und ivere mit [f]
zeigt hier der e-Laut einen gewissen uufesten Charakter (vgl. Verf., li. of
Brunne S. is4 §64, lb9,4 Anm.). Vgl. auch lüeje 'Krieg führen' : dnsivere
unter 4 S. 310 und S. 31U Anm. 1).
Anm. 3: Das Wort per mit geschl. [e] (■< afrz. p(i)erre) fehlt bei
Reitemeyer.
3. e- im Reim auf -cre in zweiten Gliedern von Kom-
positis, die z. T. schon starke Schwächung erlitten haben und
daher von guten Dichtern vermieden werden (vgl. Morsbach,
Me. Or. § 67).
310
der(e)s prs.
ivere (wear)
hers prs. (hcar)
bey{i/)s prs.
dere vb.
bei'e vb.
ivere 'wehren'
here vb.
forhere
dere sb.
shappers H. S. 9655.
hakhyteres H. S. 3527.
Z/e^^^er^' Chr. 15832.
hakhytcre H. S. 4213.
baJcbytcrs H. S. 1516.
hakhjters H. S. 3628.
Zerferc 'Führer' H.S. 1804.
oÄ-ererc H. S. 2420.
hakhjtere H. S. 3549, 3604, 4170.
answere H. S. 1317. — Chr. 4308.
ansivere H. S. 511, 7621, 8353,
Chr. 11650.
answere H. S. 1077.
answere H. S. 1769.
10177.
4. e im Reim auf e in franz. Lehnwörtern.
a) In betonter Silbe:
answere : were vb. 'Krieg führen' Chr. 4786.
b) In fakultativ unbetonter Silbe:
to swere : mauere H. S. 2773.
])ou herys : preyerys H. S. 1007.
to here : preyere H. S. 1012.
heres : preyers H. S. 2752.
were vb. : mauere H. S. 3670.
: preyere H. S. 5718.
!i;er(e)s prs. : p)reyers H.S. 11429.
5. Minder betontes e im Selbstreim.
answere : hysmere sb. H. S. 7400.
A n m. 1 : Einen mehrfach vorkommenden Fall bildet der Reim der
Endnng -er des Komparativs:
holdere : ivere (loar) Chr. 5464.
Anm. 2: Zn cheyre {chair{e), chaier(e) < afrz. chaire und chaiere)
vgl. Reitemeyer S. 2o.
fo Z;e>-e : cheyre (Handsehr. 0 chayere) H. S. 7758 [e] : [?]
oder auch [e].
Die ne. Mundart hat chair mit [faj. daneben aber in der
Bedeutung chaise [sed] < me. [ai], wie [e^] in /*air, pair.
311
Alles in allem ergibt sich, tlafs c in offener Tonsilbe für
sich steht, getrennt von [f] sowohl wie [e]. Der Reim swerc
: x>ere mit [c] : [f] stellt eine ganz vereinzelte Ausnahme dar.
Ganz besonders ist ein Reim hervorzuheben, der auf Dehnung
von i in offener Tonsilbe > [ü] hinweist. Ich habe ihn in
meiner Arbeit über R. of Brunne übersehen (vgl. S, 92).
Steve (ae. stirian) : hsre sb. (ae. öi- = ne. hier) H. S. 8037.
Vgl. auch die Schreibung sferyj) \)rä. II. S. 5186.
In der ne. Mundart erscheint me. [e] ebenso wie [^] und
[e] als [w] in to wear und to swear im Gegensatz zur Schrift-
sprache, hingegen in t'bereinstimmung mit spear, shear vb. Der
Laut [ta] weist auf ein älteres [e] hin, das sich mundartlich
in spätmittelengl. oder frühneuengl. Zeit aus [?] und [e] vor
r entwickelt haben mag. Schriftsi)rachliches [id] mag dia-
lektischer Einschlag sein. Eine andere Vermutung spricht
Hörn a. a. 0. § 87 aus.
erd und -erd.
1. Etymol. langes e im Selbstreim.
fercle (glossiert mit ^ede < a.e. feran) : herde 'hörte' H. S. 3816,
4883.
forde prt. (aangl. e = ws. ce"^): herde prt. Chr. 92 P, 6002, 6382,
7188, 8050, 9702, 11156, 12834, 16170, 16628.
Geschl. [e] ist auch möglich in:
ferd prt. : conquer{e)d Chr. 6782.
2. Etymol. langes e\ e vor dehn. Kons.
for fcrde 'Furcht' : cherche ^erde H. S. 12186.
a-ferd{e) (ae. s^fcerde, geferde p. p. von fceran) : cherchegerde
H. S. 8647, 8989, 9053, 9249.
: yerd 'Gerte' H. S. 4859.
: herd (= heard) Chr. 12458.
ferd prt. : swerd sb. Chr. 15366.
In allen diesen Fällen ist Kürzung des e möglich; vgl.
Orrms ferrde (Verf., R. of Brunne S. 105, IVa, auch Morsbach,
Me.Gr. S. 70ff.). Zu herd vgl. auch Hörn, a.a.O. S. 74 Anm.,
wonach in unserm Fall ein reiner Reim von [e] vorliegen
kann, ebenso wie in herd : conquerd p.p. Chr. 12476.
312
Auf kurzes ferde (< ö + 0 weist der Reim weyl y ferde
: sperde (spiitae. sperren vgl. Verf., R. of Brunne S. 106 Anm.)
H.S. 6134. ferd prt. 'ging-' : sperd p.p. Chr. 9342.
Gesichert ist die Kürze in herd{e) prt. p. p. in den ver-
hältnismälsig zahlreichen Reimen auf werkl 'Welt' (s. Verf.,
R. of Brunne S. 106) : H. S. 2764, 3558, 4194, 7098, 7940, 8267,
10507, 10633, 11685. — Chr. 222, 3298, 4168, 5368, 7328,
11336, 11480, 14874.
hyherd : iverld Chr. 10544.
Ebenso herd{e) prt. p.p. : sperd{e) prt. p. p. Chr. 1400, 8500,
11624, 13166, 14288.
Desgl. herd 'Hirt' : werlde H. S. 7098, 10508.
Mehrfach steht herd prt. p. p. im Reim auf minder betontes
-erd in answer{e)d Chr. 5238, 6942, 7996, 9480, 11926, 13442,
15238.
-erlf -erles.
erle : cherle H.S. 10653.
erles : cherles H. S. 8695.
-ern, -ernes
(vgl. Verf., R. of Brunne S. 100/101).
serne adv. : werne vb. Chr. 7064, 8036, 8494, 8836.
: ster7ie (star) Chr. 1682, 9032.
gernes : tvernes prs. Chr. 640.
Mit Kürzung des c > [e]:
gerne (vgl. Orrms gerrne) : ferne {a.e. feorran) Chr. 5040, 10194,
10360.
gerti prs. : fem Chr. 9130.
Werne vb. : esterne H. S. 10 168.
-ed{e)f -ed{e)s.
1. Geschl. [e] innerhalb der Fälle 1—8.
fede : 7iede sb. adv. H.S. 5385.— Chr. 1072, 5994, 7218.
mede : spede vb. H. S. 8325.
: nede Chr. 2044, 7492.
: zede H.S. 5399. — Chr. 11374.
ned{e) sb.adv. : sped{e) Chr. 591, 9186, 14240.
313
nM{c) sb. vb. : ^cdc II. S. 8677, 9587, 10324, 12205, 12213. —
Chr. 2434, 2520, 4388, 8478, 14938, 15870,
fede vb. : spede sb. vb. Chr. 9896, 10230, 12710.
: mede Chr. 2044, 7492.
spedc : ^^äZc Chr. 3370, 5212,9896, 10230, 11792, 1:;016,
13332, 16136, 16356.
: sede H.S. 8211, 9097, 10412, 10438, 12597. —
Chr. 7910, 7988, 15182.
: kcde sb. Chr. 5038.
stcdcsh.{stced): nede Chr. 10874, 13174, 13940.
: spede Chr. 1120, 5466.
: sede Chr. 10100, 12680.
7iedes sb. pl. adv. : stedes (= steeds) Chr. 12561.
: forhvdcs prs. II. S. 9934.
fede : Me 'Leute' Chr. 7346.
hledc (tohleed) : ,s<^de H.S. 10541.
Me 'Leute' : ^ede H.S. 9214.
ledys 'Leute' H.S. 10563.
iiede H.S. 12362.
nede H. S. 2745.
lede {to lead)
thedys ^Yölker'
forhede vb.
hede prs.
2. e < ae. «1 im Reim auf geschl. \e] innerhalb der
Fülle 1—8.
forhede prs. H. S. 1950.
to hede 'bieten' H. S. 6603.
sede H. S. 9140. — Chr. 1438, 10728, 11290.
spede Chr. 1538, 6956. 8848, 11734, 11876, 14062.
siede (steed) Chr. 11184, 12186, 15520.
mede H. S. 4313.
hede sb. H.S. 12181.
nede H. S. 4887.
7iede H. S. 4835.
forhede prs. H. S. 683.
7iede H. S. 643.
nede H. S. 201.
7iede H.S. 11341.
hred{e) {hreadth) : sede Chr. 3100, 6702, 7512, 9172, 14006.
sprede : sede Chr. 9046, 12146, 12784.
Anm. 1: Geschl. [e] ist auch gesichert in ledc vb. : crzäa (ae. o'grfa)
H.S. 4244.
vnhyndhcde
manhede
falshede
munkhede
maji-hede
3U
Anni. 2: ( ber credc (= crowd) : siede Chr. 11 244 s. Oxf. Dict. unter
crowd. Es gehört wohl zu ae. crüdan, cread, *crudon, *croden.
Die Erböhiiug; des [f] > [e] gilt also namentlich für Icde.
Hoofe belegt sie für Osbern Bokenam {Engl Stud. VIIT,227ff.)-
Die sichere Scheidung zwischen [f] und [("•], die Heuser
{Anglia XVIII, 114ff.) bei -cd annimmt, schliefst auch lede mit
ein. Der geschlossene Laut ist für R. of Brunne gesichert, da
auch keine sicheren Fälle von off. [e] nachzuweisen sind. Die
Erhöhung vor Dentalen gilt auch sonst weithin (s. Dibelius,
John Capgrave und die engl. Schriftsprache. Anglia XXlII,327if.).
Auch für -licd ist bei R. of Brunne kein Fall von [fij nachzu-
weisen. Heuser (J.??<7Z?a XIX, 319ff.) führt es unter den Aus-
nahmen an, deren e schwankt.
3. c' < ae. ä' i im Selbstreim.
manliede : godhede H. S. 655.
wyH-cdhedc : lede H. S. 773.
gladehede : ivrajihede H. S. 12459.
bred (hreadth) : Me Chr. 14980.
4. e < ae. (^2 = aangl. e im Reim auf geschl. [e] inner-
halb der Fälle 1—8.
dred{c) vb. sb. : hlede Chr. 4378.
: nedc H. S. 156, 2249, 4113, 7324, 9689, 11361.
— Chr. 5122, 6618, 6682, 7898, 8434, 9340,
9882, 11878, 12334, 12778, 14998.
: sedc H. S. 1390, 2492, 3265, 3594, 6972, 8039,
8767, 9740. — Chr. 1586, 2628, 3184, 5938, 8422,
9488, 9594, 9630, 13630, 14462, 15674, 16452,
: bede vb. Chr. 6590, 11774.
: forbcTde inf. prs. H.S. 1247, 2974, 5150, 10175.
Chr. 1540,
furhede prs. Chr. 9400.
lede 'Leute' Chr. 7238, 14300, 14882.
spede H. S. 5017, 7819. — Chr. 4506, 9186,
9374, 15828..
: jnede H. S. 101, 2732, 4137.
: hede 'Obacht' H. S. 2949.
: go to wede H.S. 3585 {^\om.mad\ Sit.ivedan
zu toöd).
31J
drcdej)
dede 'Tat'
almes dcdc
dcde
dede 'taten'
mysdede
dedes sb. pl.
dedijs sb. pl.
if^fZe' Gewand'
rede vb. 'sagen
rede 'raten' (!)
felawrede
fo7-bedc]> prs. II. S. 7630.
bMc H. S. 5299.
fcde vb. H. S. 9907.
fede U.S. 6622, 10787.
ncde li.S. 12, 1479, 3465, 3639, 4525, 5672, 5886,
5955, 6087, 6410, 6733,6939. 7166. - Chr. 13440.
medc H. S. 344, 2443, 2822, 3146, 4562, 5141,
6468, 6894, 7179, 8178, 9396. — Chr. 9690.
spedc H.S. 1767, 7640, 11396. — Chr. 4280, 7410.
forhede H.S. 2024, 7410, 9065, 10181, 11613,
11641, 12401.
gede H. S. 184, 194, 2856, 5776, 7876, 7906,
8523, 10821, 11065. — Chr. 2786, 7030, 7592,
9716, 12576, 12870.
sedc II. S. 926.
sede H.S. 3824, 3865, 12370.
7iede H.S. 4391, 11689. — Chr. 5158.
hede vb. Chr. 14064.
forhedes prs. H. S. 8930.
ne(?e5 sb.pl. H.S.10929,11519. - Chr. 3148, 9750.
])0u sedes Chr. 3232.
nedys adv. H. S, 5665.
Sede H. S. 2343.
spede H. S. 6853.
, 'lesen' : ncde H.S. 6303, 6361. — Chr. 14786.
mede Chr. 130.
spede Chr. 200, 12136.
forhede H. S. 8804.
gede H. S. 4451.
nede Chr. 11638.
nede H.S. 11389.
5. e < ae. re^ im Selbstreim.
dede sb. : drede H.S. 1087, 3663, 3782, 4917, 5357, 5769,
6287, 7403, 7569, 7713, 8955, 8976, 10837,
10872, 11 138, 11848, 11964. — Chr. 2872, 12480.
: rede 'lesen, sagen' H.S. 533, 3469, 4097, 4439,
5997. — Chr. 1872, 10970, 11874.
: rede 'raten' H.S. 5653.
316
dede sb. : felaurüde H. S. 16-49.
: felawrede H. S. 7369.
dcde 'tat' prt. : drede H.S. 6819.
almes dede : rede 'lesen' H.S. 6915.
mysdede : drede H.S. 3493, 4961, 8011, 9556, 11701.
: rede 'lesen' H.S. 1015.
dedys, dcdis, dcdes sb. pl. : redys, redis, redes prs. 'sagen,
'lesen' H.S. 117, 1559, 5171, 6703, 10797. —
Chr. 66, 194, 10592.
: dredes sb.pl. Chr. 11036.
rede 'sagen, lesen' : drede H.S. 9577.
rede 'raten' : drede Chr. 4828, 7788.
6. e < ae. cc- im Reim auf e < ae. «?'.
dede sb. : Me vb. H. S. 3140, 5645, 5936.
: sloghjjhede H. S. 5074.
dedes, dedys : ledes, ledys prs. H. S. 4582, 4951, 5159, 6439.
— Chr. 8400, 9424, 13404.
drede vb. sb. : Me vb. H. S. 6107, 10666. — Chr. 934, 1138,
2942, 6916, 7848, 13116, 14288, 16624.
: slog]ieJ)chede H. S. 4520.
: hauncenliede H. S. 5161.
: maydenhede H. S. 7391.
: cJiyldhede H. S. 7657.
: holdhede Chr. 13466.
: sprede Chr. 14548.
rede prs. 'sagen, lesen' : godhede H.S. 12295.
Nach dem Vorhergehenden haben wir in allen Fällen unter
5 und 6 den geschl. [e]-Laut anzunehmen. Über rede s. Näheres
S. 318.
7. e < ae. «2 jm Reim auf e < ae. ea < wg. au.
rede 'raten' : hrede sb. (hread) H.S. 837.
: ded{e) (dead) Chr. 864, 1262.
rede prs. 'raten' : forbede p. p. 'verboten' H. S. 4571 (anal.
Form zum prt).
red{e)sh.'n'dV: ded{e) sb. und adj. {dead) H.S. 950. 1216, 1321,
2243, 3741, 3805, 4016, 4405, 6709, 7966, 9586,
10742. — Chr. 4860, 5696, 5788, 7068, 7780,
8322, 9028, 9402, 9682, 10630, 12298.
317
mZ(e)sb.'Kat': hrede (bread) H.S. 7301, 098G.
: forhcdc prt. H.S. 12354.
8. (7< ae. Sa < wg. cm im Keiin auf geselil. [t'] iiiiierluill)
der Gruppen 1 — 8.
iMe 'Tod' : nede Chr. 8704 (einziger Fall!).
9. e < ae. ea < wg. au im Selbstreim.
dcd{e) : forhed{e) prt. H. S. 2053, 2611, 12378.
hrede \hread) H.S. 7283, 10356.
lede 'Blei' H.S. 11728. — Chr. 9070.
quede {ae.*cwead, vgl. Verf., R. of Brunne S. 124
Anm. 1) H. S. 6279, 8025. — Chr. 8596.
: dede adj. H. S. 9199.
: hed prt. Chr. 7090, 9522, 9662, 10778, 14352,
16204.
: furhed Chr. 9158.
: mished (ae. misbead von misbeodan) Chr. 2088,
16058.
: redie) adj. {red) H. S. 3503. — Chr. 1848, 9086.
: on heued (head) Chr. 1526.
qued{e) sb. : furbcd prt. Chr. 5620.
: brede (bread) H. S. 5603.
Auni.: Vielleicht nicht unreiu ist der Reim ded sb. : icedde
H.S. 1704; = dcd?l, vgl. Verf., E. of Brunne S. 28,2b. Gerade vor d
— neben t — und gerade in dem Worte dead — neben head — scheint
die Kürzung nicht nur am frühesten eingetreten zu sein, sie findet sich
hier aucli am häufigsten und ist im 15. Jahrh. schon ziemlich verbreitet
gewesen (vgl. G. Hackmann, Kürzung langer Tonvokale vor einfachem
auslautenden Konsonanten in einsilbigen Wörtern im Alt-, Mittel-, und
Neuenglischeu in Morsbach, Stud. z. engl. Phil. Heft X, S. 142 3). Für
das 14. Jahrh. hat Hackmann eiu gekürztes dead noch nicht belegt. Doch
ist Orrms dcepf) wohl zu beachten. Was die Gründe für die Kürzung des
Vokals betrifft, so hat sie Hackmann mit liecht namentlich in der Satz-
phouetik gesucht (a. a. 0. § 7ü). Wir lassen uns m. E. überhaupt bei der
Betrachtung des einzelnen Wortes viel zu sehr dazu verleiten, es als für
sich allein stehend anzusehen, während wir es doch vielmehr als ein Glied
im lebendigen Zusammenhang der Sprache betrachten sollten. So er-
scheinen die Wörter in häufig wiederkehrenden engen syntaktischen Gruppen
(vgl. auch Verf, R. of Brunne S. 286, 7) oder in vielfach noch engeren
Zusammensetzungen. Dies aber trifft gerade für die Wörter dtath, dead
und head zu, die schon im ae. geläufige Komposita bilden. Namentlich
318
möchte ich auf ac. dead-, dcadlic hinweisen, ebenso anf das Adj. heved-
lich unter zahlreichen Beispielen, die das Würterbuch bietet. So sehe ich
in unserui Reim das erste Beispiel für das gekürzte did. Die
ne. Mundart hat neben der Kürze in dead [f] die Länge [is] bewahrt.
Kürze gilt auch in head, lead sb., bread und red.
Für e < ae. ^^ kommen fast ausscliliefslicli in Betracht die
AVörter drede sb. und vb., dede sb. 'Tat' und vereinzelt auch
= prt. 'tat(en)' und rede 1. lesen, sagen, 2, raten, 3. Rat. Als
vereinzelte Fälle kommen hinzu: ivede 'Gewand' (3x) und
felaivrede (ix). Auf Grund von 144 Reimen mit geschl. [e] ist
in jenen drei Wörtern der geschl, [e]-Laut anzunehmen. Für
rei^e jedoch gilt dieser Laut, wie es scheint, nur in der Bedeutung
'lesen', 'sagen', wofür ich acht Reime angeführt habe, während
ich ihn für die Bedeutung 'raten' nur in dem einen Reim
Chr. 11638 belegt habe. Allerdings deuten die unter 5. ange-
führten Reime von 7'ede 'raten' : dede (< ae. re^; 2x) und
drede (ae. ce"^; 2x) auf geschl. [e\ hin. Wenn diesen vier Fällen
nur vier gegenüberstehen, die auf off. [?J deuten, so scheint
es fraglich, ob wir für rede in der Bedeutung 'raten' den oflF.
[f]-Laut anzunehmen haben. Eine Scheidung zwischen [e] und
[?] haben schon Heuser {Anglia XIX, 346) und Curtis {Anglia
N. F. IV, V) erkannt. Jenen Reimen gegenüber stehen Reime
von e < ae. m"^ mit e < ae. ea\ für rede ausschlief slich in der Be-
deutung 'raten' — allerdings nur 4x — und 'Rat' (sb. < ae.
rced) 26 X. Wenn wir dann berücksichtigen, dafs die Wörter
dede sb. adj. {dead) und hrede {bread) mit Ausnahme eines
einzigen Falles von dede {: nede Chr. 8764) nie im Reim auf
geschl. [e] begegnen, auch nie im Reim auf dede (ae. ce^) und
drede, auch nie auf lede (ae. ce > = to lead) ; dafs ferner dede
'Tat', drede und rede 'lesen', 'sagen' im übrigen nur im Selbst-
reim (50 x) und endlich e < ea nur im Selbstreim in dem
Wort dede (dead) (einzige Ausnahme unter 8) — dazu zwei Fälle
von quede sb. — vorkommen, so ergibt sich daraus die Sonder-
stellung von rede 'Rat' und vielleicht auch 'raten', d.h. der
oft'. [(?]-Laut, der mithin auch für dede (dead) und (juede an-
zunehmen ist.
Besonders sind noch die Formen scde und lede (= laid)
mit geschl. [e] zu erwähnen (vgl. Verf , R. of Brunne S. 143/144):
seyde prt. : nede H. S. 7709.
319
scijde p. 1). : nc{y)de H. S. 2020, 8586, 10130.
Jeijdc p. p. : nede H. S. 7855.
Ferner scyde : deyde prt. II. S. 9705 (vgl. Morsbaeli. ^[e. Qr.
§ 130 A 6).
c- in offener Tonsilbe.
1. Im Selbstreini.
hkle 'Gebet' (ae. *icrf(z*) naeb dem Oxf. Did. oder <. 3i^. sebed,
Verf., E. of Brunne S. 84, 2) : staie sb. Ohr. 152G0.
s/eiZcs 'Stätten': Udes sb. H. S. 9001.
2. Im Reim auf gescbl. [e].
stede : crede sb. {^=^ crowd) Chr. 11244 (vgl. Verf., 7?.
of Braune S. 124 Anm. 2).
: drede Chr. 10570.
: felaivredc H. S. 1879.
Anm. 1: Es ist fraglich, ob wir in den unter 1. angeführten Belegen
für stede Länge anzunehmen haben. Das Wort ist in präpositionaler Ver-
wendung iin Satze oft minder betont (vgl. Morsbach, Me. Gr., §04
Anm. 3), und eine frühe Kürzung des e wäre daher leicht erklärlich, auch
abgesehen von der Möglichkeit einer Dehnung des Konsonanten nach dem
Verstummen des -e (vgl. Verf., R. of Brunne S. 4'J/50). Dann hätten wir
bed {<^^ebtd) : sted. Über spätere t-Foimen vgl. Hörn a.a.O. S. 69, Anm.
Anm. 2: felaicrede haben wir schon mit langem [g]-Laut belegt;
doch wäre sehr wohl Kürzung des [öj in nebentoniger Silbe möglich. Vgl.
bei Stratmanu-Bradley veolauredden in der Aticren Riivle.
Anm. 3: Sehr fraglich wäre die Annahme einer Kürzung in drede,
die vor 15i)0 bisher nicht nachgewiesen ist, vgl. Hackmann, a. a. 0. S. 156, c.
Hinsichtlich der Annahme einer Analogiewirkuug nach den Formen des
prt. und p. p. schliefse ich mich den Ausführungen Hackmanns an (S. 195,
§ 75). drede findet sich im frühne. nur im Reim mit [f] und [r] (vgl.
Hörn, a. a. 0. S. 6^). Somit stellt ein Fall von e im Keim auf \e\ bei
R. of Brunne eine ganz vereinzelte Ausnahme dar.
-et{e)f -et{e)s, -etep, -eteti.
1. Gescbl. [e] innerhalb der Fälle 1 — 8.
fet{e) : swete adj. H. S. 3311.
: metc prs. {to meet) IL S. 4491.
: let{e) prt. H. S. 5273, 11569, 11 718. — Chr. 992G.
1240G, 14580, 14686.
sicete : yrctc (greet) H. S. 4179.
320
sivete : Ute prt. H. S. 7991.
flet sb. {fieet) : liet prt. Chr. 14536.
schete 'scliiefsen' : metc (to meet) Chr. 8418, 13546.
2. Geschl. [e] im Reim auf franz. e.
sivete 'süfs' : jproiihete H. S. 5186, 11508 (afrz. prop}iete\ ge-
lehrt). Auch Reitemeyer bringt für ;prophete
nur Reime mit geschl. [e].
3. e < ae. ^ ^ im Reim auf geschl. [e] innerhalb der Fälle 1- 8.
hyhete vb. : swete adj. Chr. 15054.
hete 'verheifsen' : grete prs. (greet) Chr. 12742.
4. e < ae. (c^ im Reim auf geschl. [e] innerhalb der Fälle 1-8.
J)Ou ete prt. : J)ou Ute prt. H. S. 9417.
stret{e) : mete {meet) H. S. 179, 2850, 3449, 8457, 8529.
— Chr. 3382, 6308.
sivete adj. H. S. 2101.
sliete 'schielsen' H. S. 1371.
Ute inf. : hete 'bessern' Chr. 9078,
mete {meet) Chr. 7850.
gretes prs. {greet) Chr. 7576.
Ut prt. Chr. 3786, 13714.
Ute prt. H. S. 3180.
Ut prt. Chr. 15576.
Utes
et prt.
sete 'als'
ivet adj. {ivet)
Anm. 1: grite 'weinen' -< 2.Q. ^reotan oder ^rcutan, aangl. ^»eian;
vgl. Verf., B. of Brunne S. 122b:
strete : grst Chr. 9124.
lete inf. prs. : grete inf. prs. H. S. 715, S423, 11572. — Chr. 15584,
15854.
Anm. 2: Über biset prt. : flet (fleet) Chr. 5914, sowie set p.p. : sehet
prt. (ae. sceaf) Chr. 12394, 14076, gret p.p. 'geweint' : set prt. Chr. 15243,
vgl. Verf., E. of Brmne S. 122 b.
Anm. 3: [e] : [f] liegt vor in f.et : met prt. (ae. }«P<an) Chr. 2943
(vgl. Verf., R. of Brunne S.31,b).
5. e < ae. ce'^ im Reim auf e <C ae. «i.
«{?efe 'benetzen' : M^e sb. Qieat) H. S. 6669.
Ute inf. : sivete 'schwitzen' H. S. 4258.
: hete {heat) H. S. 7449.
: ivete {icheat) H. S. 10024.
321
6. ^ < ae. (^2 im Reim auf e < ae. ea < wg. au.
Ute inf. prs. : (jrete 'grofs' H. S. 7, C93, 743, 2365, 2985, 3960,
11490, 12422. — Chr. 5844, 13292.
: bete {to heat) H. S. 6801, 6813, 6827.
: l^rcte prs. Chr. 12658.
wetey\i.{toicet): grcte adj. Chr. 10340.
tvetes prs. : letes prs. Chr. 10344.
Anm. : grH prt. p. p. 'weinen' ■< ae. ^rMt oder s'^-H vgl. Verf., J{. of
Brunne S. 226,11:
gret prt. p. p. : forlet prt. Chr. 3614.
: Ute inf. U. S. 5720.
: ete prt. H. S. 12 374.
: Ute prt. H. S. 10 485.
: fet ifeet) Chr. 10 248.
7. e < ae. w- im Selbstreira.
jwe^e 'träumen' : ?c^e inf. H. S. 387,
strcte : s^^e (ne. seat < ae. sä^^e < an.) H. S. 2599.
8. e <. ae. ie'^ im Reim auf franz. e.
strete : prophete H. S. 9403.
lete inf. : proxihete H. S. 12088, geschl. \e] s. unter 2.
9. e < ae. ea < wg. au im Selbstreim.
^0 _^r^^e (ae. preatian) : ^re^e adj. H. S. 6397.
gret adj. : sehet prt. (ae. st^nO Chr. 3796, 10054, 12370,
12790, 13808, 16446.
10. e < ae. ea im Reim auf geschl. [e\.
gret 'grofs' : sMe 'schiefsen' H. S. 3582, 8514.
: sket 'schnell' (< an. vgl. Verf, R. of Brunne
S. 251) Chr. 9556.
Die Reime sind zu wenig zahlreich, als dafs sieh zwingende
Schlüsse daraus ziehen liefsen. Einigermafsen sieher hingegen
erseheint der geschlossene Laut in strete (8x : geschl. [e],
einschl. ^9ro^;/ie^e). Bei lete mag der geschl. [e]-Laut des prt.
verstärkend eingewirkt haben, so dafs die drei Reime von great
auf geschl. [e] durch die verhältnismäfsig zahlreichen Reime
mit let (inf. 9x) gestützt würden. Für gret scheint der er-
höhte [e]-Laut tatsächlich weithin gegolten zu haben (vgl.
Verf, R. of Brunne S. 129, 11 und 139, 2). Darauf weisen auch
Studien z. engl. Phil. L. 21
322
die acht Reime bei Thomas Castelford hin (s. Reitemejer
a. a. 0. S. 91).
Was (J< ae. ce^ betrifft, so sind lieat und stveat von Heuser
als schwankend hingestellt worden.
Die ne. Mundart zeigt in gewissen Wörtern Kürzung des
Vokals, und zwar stimmt der Süden von Lincolnshire im
Gegensatz zum Norden mehrfach mit der Schriftsprache überein;
z. B. ivet im Süden mit [^], im Norden mit [^], death im Süden
mit [?], im Norden mit [id]^ great im Süden mit \ed\ neben [i],
im Norden mit [td\. Wenn nach der Annahme von Hörn
(a.a.O. S. 70 §81) der e-Laut aus südwestlichen Mundarten
in die Schriftsprache eingedrungen ist, so mag der e-Laut in
Lincolnshire ihr entlehnt worden sein.
e- in offener Tonsilbe.
\. Im Selbstreim.
J)ou ete prs. konj. : gete prs. konj. Chr. 12708.
ete inf. : mete (meat) H. S. 5002, 10353. — Chr. 10528,
11294, 16094.
: to- freie inf. H. S. 3625.
furgete, forgete inf. imper. : mete (meat) H. S. 6631, 6751, 6963.
— Chr. 14119.
gete inf. prs. : mete {meat) H. S. 4695, 6815. — Chr. 5110,
9946, 10442, 16084.
^ete 'essen' : mete {meat) H. S. 5383, 6017.
: gete p. p. H. S. 8335.
ete p. p. : gete p. p. H. S. 6213.
forsetep : ete]) prs. H. S. 10831.
Anm.: In den Partizipien der 1. Ablautsreihe wechselt in der Schreibung
vielfach e mit % (y). Vgl. darüber Morsbach, Me. Gr. § 115 und Anm. 2,
z. B. lorytyn : wetyn Handschr. 0, icrete : wete H. S. 133, tcryte : uete
prs. H. S. 2091, 9961, ivrete : smde p. p. H. S. 2179.
2. Im Reim auf [e].
ete inf. prs. : mete vb, {meet) Chr. 15732.
: lete prt. H. S. 8676.
: wete adj. {wet) Chr. 9952.
: fete {feet) H. S. 8762.
: whete {wheat) H. S. 10092.
323
eten p. p.
to gete
forgt'teiii) p. p.
seien prt. Chr. 10540.
flete (fleet) Chr. 7744, 8956, 15818.
Ute inf. H.S. 10165.
Jcte{n) p. p. H. S. 8609. — Chr. 2362.
forlete p. p. H. S. 9756.
Diese Reime sind Ausnahmen. Überdies wäre in den
Partizipialformen eten, forgeten auch [e] nach Analogie des
prt. möglich.
Besondere Fälle.
Kürze liegt in folgenden Reimen vor:
get p.p. : suget 'unterworfen' Chr. 15322; vergl. die
Schreibung suggette bei Reitemeyer a.a.O.
S. 79. Über get s. Morsbach, Me. Gr. S. 84.
: set p. p. Chr. 648.
get prt. : set Chr. 13342, 13534.
leet 'urteilte' = let : vnder-feet Chr. 284 'unterstützte' (wofür
die andere Handschrift richtig vndersette hat).
entermetimiiew: recet sb. Chr. 7498 (afrz. reset) neben receit; vgl.
eniremet prs. subj. : set Chr. 12666 prs. konj.
von settan. Reitemeyer a. a. 0. S. 79 belegt
recet im Reim auf e.
-e(s).
1. Geschl. [e] innerhalb der Fälle 1 — 8.
>-e (num.) : &e H.S. 207, 4227, 7407, 7997. — Chr. 604, 9508,
12640.
])e (pron.) H. S. 3595. — Chr. 548.
me H. S. 8015.
to fle H.S. 11322.
^e H. S. 6328.
be{e) inf. imper. p. p. : pe pron. H. S. 241, 450, 561, 729, 1629,
2387, 2785, 3086, 3108, 3300, 3753, 4269,
4685, 5277, 5373, 5405, 5515, 7707, 9385,
9709, 11635, 11692, 11821, 11251, 11364,
11404, 11821, 11941, 12042. — Chr. 1102,
1398, 4306, 4956, 7644, 11770, 15326, 15602,
16516.
21*
324
he{e) inf. imper. \\ p. : scc p. p. H. S. 281, 1249, 1384.
: fre KS. 807, 1539, 5691, 5853, 6421, 7053, 7461,
11177, 11352, 12287. — Chr. 790.
: me H. S. 871, 976, 1779, 2323, 7841, 12533. —
Chr. 588, 1680, 5156, 7058, 11652, 15306, 15740.
: fle inf. prs. H.S. 2045, 2633, 9705, 10674, 12001,
12494. — Chr. 1788, 3518, 12302, 13334, 13436,
14256, 14590.
: he H. S. 3739, 3949, 5103, 6583, 7655.
: fe{e) 'Besitz' H. S. 6331, 6807. — Chr. 7456.
10750, 12008, 12550, 13110, 14068, 14730.
: se inf. prs. H. S. 1569, 1661, 1823, 2063, 2931,
3969, 3993, 5077, 8756, 9135, 10019, 11656,
12396, 12505, 12590. — Chr. 2444, 3866, 4208,
4866, 8152, 8748, 9074, 10076, 10304, 11476,
15262, 15588, 15778.
tre 'Baum' H.S. 12359.
Me sb. (ae. hleo{h)) Chr. 14914.
tve H. S. 957. — Chr. 14532.
^e Chr. 13496.
s{c)he H. S. 1709. - Chr. 5106.
])e (thigh) Chr. 15756.
pe (< Jjeoii? Furnivall S. 620 = to suffer)
Chr. 3242.
ss{e) inf. p. p. prs. imper. : J)e pron. H.S. 717, 1791, 2871, 6501,
8917, 11550.
: ])e (thigh) H. S. 2327.
: me H.S. 2481, 3149, 4429, 4442, 6349, 11514,
11740, 11953, 12221. — Chr. 2476, 8058, 15232.
: he H. S. 3965, 6433, 6809. — Chr. 8180, 9292,
12400.
fe{e) 'Besitz' H.S. — Chr. 672.
se H. S. 5485.
hre (aangl. *bre, s. Verf., II of Brunne S. 137/8)
Chr. 10334.
^e Chr. 4674, 8516, 11640, 12292, 13752, 14590.
fre Chr. 15076.
Tcne Chr. 7864.
])0u hcs : ])0u ßcs Chr. 11528.
325
sees prs.
2)6 pron.
me
he
fre
fie
hiees
Inces ab. 'Knie' H. S. 951.
>• pron. H.S. 312.
fre H.S. 678, 6269, 6447, 10684. - Chr. 4282,
16490.
ge H.S. 10463. — Chr. 2846.
me H.S. 1269, 2311, 2316, 3258, 5867, 10660,
11721, 12215.
fle inf. prs. H. S. 1854, 5099, 9'J29. — Chr. 3228,
16288.
ive Chr. 16580.
he H. S. 2863. — Chr. 620, 7246.
fe Chr. 5230.
/)-e H. S. 5199. — Chr. 11730.
tre 'Baum' H. S. 3843, 4757.
fe H.S. 4461, 7908. — Chr. 4882, 9668, 13878.
me Chr. 7500.
se Chr. 1572, 2744, 7388.
fe{e) Chr. 4934, 7072, 7210, 12560.
she H. S. 10422.
fie H. S. 7921. — Chr. 2002, 5478, 6614.
fe Chr. 9592.
ivc Chr. 7380.
tre 'Baum' H. S. 8237.
sehe Chr. 3188.
fe Chr. 3480.
fte Chr. 14926.
Pre Chr. 15412.
we Chr. 16.524.
l,e ipeon) H. S. 4235.
pees (fhigh) H. S. 1473.
2. Gesehl. [e] innerhalb der Fälle 1 — 8 im Reim auf franz. [e].
k" inf prs. p.p. : vanyte U.S. 3Sl, 3345, 3432, 3690.
: mey{g))ie H. S. 3419, 3421, 7089. — Chr. 2388,
9274, 11300, 11986.
: hewte H. S. 3044.
: autoryte H. S. 3547, 12161.
: charyteR.S. 1958, 2629, 3681, 5609, 6922, 7167,
10913.
326
he inf.prs.p.p.
]>e
dygmjte, dignite H. S. 3934. — Chr. 15812.
propertc H. S. 3974, 12255.
cuntre, contre H. S. 1392, 1436, 1756, 1877, 6383,
7725, 10554, 10958, 11120. — Chr. 14514,
14906, 15500, 15548.
maugre H. S. 7777. — Chr. 12898.
cyte, cUe H. S. 1465, 2596, 8257, 8748. —
Chr. 1906, 5530, 5774, 7698, 8020, 10188, 14168.
pleiite H. S. 849. — Chr. 11052.
prymjte, pryuete H. S. 2037, 2568, 3650, 3660,
7260, 7441, 8375, 11500. — Chr. 3858, 8776.
deere H. S. 8718.
poiiste H. S. 4197. — Chr. 1244.
pryue H. S. 4417. — Chr. 3394.
gre 'zu Willen' H. S. 6571.
soherte H. S. 7269.
sacre H. S. 8846.
cou7ite p. p. H. S. 8912.
seruee H.S. 11775.
gre 'Stufe' H. S. 1563.
se{e) 'Sitz' H.S. 2587. — Chr. 5754, 6872, 14946.
specyalte H. S. 9723.
degre H.S. 10055, 11594. — Chr. 11200.
entre H.S. 12144. — Chr. 9412.
jnßc H. S. 12314. — Chr. 8560.
solemp{ne)U H. S. 9631. — Chr. 6304.
crystyanytc, cristianite H. S. 11 235. — Chr. 9138.
assenible Chr. 7042.
eyse Chr. 3170.
feaute Chr. 14402, 15470.
Trynite Chr. 14992.
liuere Chr. 10558.
vylte Chr. 5516.
pyte H. S. 257, 2273, 5439, 5477.
2)ryuyte H.S. 397, 429, 12020.
charyte, charite H. S. 1941, 3023, 7879.- Chr. 3248.
meyne H. S. 3417, 3517.
gre 'Stufe' H.S. 3707.
hoimte H. S. 7801.
327
se{e) in f. prs.
J)ö : certeynte H. S. 8217.
soherte H.S. 5921.
chastyte H. S. 1677.
mageste H. S. 11536.
pauste H.S. 11837.
cite Chr. 7484, 15094.
mo7ic {moncy) Chr. 8996.
saJcarc ('Konsekration', ein Teil der Messe)
II. S. 7298.
ejitre Chr. 1094.
vylte Chr. 11504.
pyte, pite H. S. 329. — Chr. 3852.
pryue H. S. 467.
sacre H. S. 8828.
pryuytv, pryuete H.S. 2485, 3621, 9682, 11598.
Chr. 7552.
se{e)s prs. : j^^'yuyfes H. S. 7579.
: vcmytes H. S. 9853.
: propertes H.S. 10139.
: cites Chr. 4088.
se : (leere H. S. 4637.
: pouste H. S. 6293.
: cuntre, contre H. S. 9445. — Chr. 2524, 5850,
10342.
vblc sb. H. S. 10083.
charyte H. S. 10380.
heute H. S. 12609.
cite Chr. 4728, 14898.
semble sb. Chr. 15424.
Tr^/m'^e Chr. 15142.
gre 'Grad' Chr. 490, 10856.
pimte Chr. 11964.
at/5e Chr. 1900. .
77ietjne Chr. 10518, 11158.
me : virgmite H. S. 2876.
jmjuyte H. S. 3592, 5749, 8121.
chastyte H. S. 7547.
charyte, charite H.S. 2258, 5735, 10223, 10364,
10408. — Chr. 12252.
328
mc
he
ive pron.
sehe
fle
pre
Chr. 2074.
- Chr. 324.
leaute Chr. 12892.
cuntre Chr. 694.
pite Chr. 5210.
eerteynete Chr. 8160.
comonalte Chr. P 124.
charyte fl. S. 6864.
pryuyte H. S. 10643. -
pyte, pite H. S. 11009.
cu7itre H.S. 10523.
avyse adj. Chr. 4064.
bounte Chr. 6160, 6200.
äte Chr. 812, 2270, 9616, 13778, 14750.
degre H. S. 7553. — Chr. 10 626.
digjiite Chr. 6216, 15112.
ese adj. Chr. 7954, 9754.
hache Chr. 15760.
solempnete Chr. 11206.
vanyte H. S. 4281.
cuntre H. S. 895.
pite Chr. 8696.
contre Chr. 7316, 15 066.
pite Chr. 8670.
solempnete Chr. 5593.
I^nwe Chr. 3410.
mene sb. Chr. 6040.
pouste Chr. 1174.
cww^re H. S. 439, 10575. — Chr. 2598, 10656.
dignite Chr. 6508.
sacre H. S. 7949.
autorite Chr. 14596.
pr^/w^^^ H. S. 10 038.
plante Chr. 4352.
cite Chr. 1950.
j;rme Chr. 11552.
contre Chr. 14674.
entre Chr. 1118.
Germyne {Germany) Chr. 2014.
specialte Chr. 534.
aWse adj. Chr. 12 604.
!
329
/>rß^ : certeyjitc Chr. 1152.
thee 'Schenkel' : grs H.S. 4633.
Jens : pyte H. S. 4878.
Jenes : iornes Chr. 7964.
tre : vylte H. S. 5205.
trees : entres Chr. 5088.
/•c(c) : pouste H.S. 6029, 11710.
cite Chr. 1934, 2160.
coM^re Chr. 14764.
feante Chr. 6462, 10666, 10 946.
fre : charyte H. S. 6850, 6875.
pyte, pite Ch. 2938, 9248.
(legre H. S. 8873.
feaide Chr. 10 494.
pryue H. S. 8902.
Cristiente Chr. 5730.
I^owsie H.S. 9811.
Euere Chr. 3118.
contre Chr. 4550.
re^raZfe Chr. 9770.
plente Chr. 958.
meyne Chr. 4018.
^Zc sb. : saiitre H. S. 4769.
Anm. : hc : /aLs^e H.S. 9461 = falsch/. lu minder betonter Silbe
ist Kürzung des // eiDgetroteu. Die Schreibung e, die in solchem Fall oft
mit y wechselt, mag die flüchtige Aussprache des t andeuten, ohne dafs
damit ein wirklicher e-Laut bezeichnet wird.
3. 6^ < ae. fei.
a) Im Reim auf geschl. [c] innerhalb der Fälle 1 — 8.
se (sea) : be H. S. 1741, 3797. — Chr. 1800, 5910.
: me H.S. 12 511. — Chr. 4240, 8796, 11526.
: fle Chr. 6278, 6292, 8254, 9586, 10132; 10236,
14 456.
fe sb. Chr. 2536, 4202, 14 524.
Jjre Chr. 660, 690, 1944, 2000, 7674, 11086.
he Chr. 744, 3096, 9114.
b) Im Reim auf geschl. [e] in franz. Lehnwörtern.
se (seä) : cimtre, contre H. S. 5443, 9239. — Chr. 1488,
1730, 3772, 6418, 8940, 9558.
330
se (sea) : mtre Chr. 6008, U 092.
: meyne Chr. 8428, 9796.
: pitc Chr. 5672.
: cyte H. S. 877, 10729.
Auni.: Zur Erhöhung des [f] >- [e] vgl. Luick, Lautyeschichle § 350.
4. In franz. Lehnwörtern.
cuntrc
pryuytc
cyte, cite
dignite
degre{e)
autoryte
charyte
soUmnyte H. S. 915.
charyte H. S. 3897.
pyte H. S. 8071.
ayse adj. Chr. 6438.
cite Chr. 1334, 3086, 8958.
meyne Chr. 9156.
plmte Chr. 1302.
quarre Chr. 10310.
seine (V) Chr. 11448 (ef. Fm-nivaU II, 619).
autoryte H. S. 1239.
honeryte H. S. 1927.
cimfre, cowfre H. S. 10779. — Chr. 1714, 3322,
12 500, 14342, 16 424.
louyite H. S. 8159. — Chr. 5508.
iurne 'Tag' H. S. 1951.
assemhie H. S. 9391.
solempnete Chr. 6032.
entre Chr. 6062.
meyne Chr. 10014.
dignite Chr. 2778.
plente Chr. 3552.
^tfe Chr. 5342.
See Sitz Chr. 11060.
Jolyte H. S. 2399.
See 'Sitz' Chr. 10384.
me?/we H. S. 7687.
se sb. {see) Chr. 15 288.
2;ri/we H. S. 8315.
crystyanyte H. S. 11704.
lounte H. S. 8723.
maugre H. S. 6907.
ewfre H. S. 4703.
331
charyte : nycets H. S. 4719.
pryue : communaltc H. S. 5961.
: plente Chr. 5966.
obU sb. (Hantlschr. i'hUc) : sacvc sb. H. S. 10005.
s^'Sitz' : poustc H.S. 11473.
aducrsete : prosperite Chr. 11612.
couivee adj. 'geschwänzt' : cnterlace adj. Clir. P 86.
^wrc^e sb. : meynöe Chr. 14124.
feaute : maugre Chr. 14148.
flamcc (= flamen) : se sb. 'Sitz' Chr. 5762.
?mere : mei/nc Chr. 2396.
i?i^^ : regalte Chr. 3892, 3944.
e?2fre : suivaiäe (= sauvete) Chr. 1060.
wZe {valley) : esß adj. Chr. 5580.
Ijountes : fees Chr. 13 876.
causes (causeiray) : vales (valley) Chr. 3088.
dies : fees Chr. 4588, 11408, 15 538.
: contres Chr. 13988.
mitres : /e(e)s Chr. 1930, 6864, 8708, 11586,15316,15464.
-es{e)f -eses; est{e)f -estes; -esed,
1. Geschl. [e] innerhalb der Fälle 1 — 8.
lese iuf. prs. : chese inf. prs. H.S. 11153, 11584, 12 475. —
Chr. 4242, 8412, 13590.
hrcst{e) [breast) : prest{e) H. S. 945, 2533, 3655, 10080, 10855,
11346, 11470, 11751, 12492.
pou seest : prest H.S. 7664, 10964, 11283.
hrest : sest Chr. 12262.
2. Geschl. [e] innerhalb der Fälle 1 — 8 im Reim auf
franz. [e].
flees (< aangl. fleos = ws. flys > ne. ffeece) : cites Chr. 450.
3. e < ae. ce K
a) Im Reim auf geschl. [e] innerhalb der Fälle 1 — 8.
lest{e) (sup.) : Jwu scst H. S. 8307.
: prest{e) sb. H.S. 3013, 3203, 7605, 7934, 11547,
11605.
332
b) Im Reim auf franz. e.
mest{e) adj. : fest{c) sb. Chr. 4712, 7370.
heste (ae. hws 'Gebeifs') : geste sb. Chr. 16698.
hestes sb. : gestes sb. Chr. 14592.
leste (Jeast) : /e6-^e(/casf) H.S.6986,11126,11237.— Chr.4912
P, 11342.
: tempest{e) H. S. S51, 7788. — Chr. 2984.
all)cr meste : beste (beast) H. S. 6765.
c) Im Selbstreim.
Iest{e) sup. : 7nest{e) Chr. 2332, 2580, 7632.
Demnach findet sich lest (least) 7x im Reim auf geschl.
[e]. Auch Hoofe {Engl. Stud. VIlI,227ff.) führt aus Osbern
Bokenham Belege für den geschlossenen Laut an (: brest
< breost). Nach Di bei ins (a.a.O.) reimt John Capgrave e
< ae. ^1 fast stets mit geschl. [e]. Der geschl. [e]-Laut dürfte
danach gesichert sein, während Reitemeyer (S. 69) nur mit
dem off. [e]-Laut rechnet.
4. e < ae. ce'^.
a) Im Reim auf geschl. [e] innerhalb der Fälle 1 — 8.
Jiext, Handschr. ncst{e) (< aangl. nestä) : brest sb. Chr. 7872.
: prcst{e) {sie. jjrcost) H. S. 1679, 4403, 9202, 9637,
10344.
Vgl. Orrms nesst!
b) Im Reim auf franz. e.
res sb. (ae. rms vgl. Verf., R. of Brunne S. 123, 3) : destres Chr. 3472.
: peie)s (peace) Chr. 1238, 4815, 5181, 16345.
Diese Reime deuten auf offenes [?]; Reitemeyer belegt für
destres, pes ausschlielslich [?].
Anm. : ChEst{e) 'Streit' (ae. ceast = aangl. *cest ■< wg. ä) : fcst{e) sb.
Chr. 4792. — Jedoch scheinen gewisse Reime auch auf gekürztes fest zu
deuten: f^ste : herneste H. S. 815.
: nobleste Chr. b918.
Vgl. ähnliche Reime bei Reitemeyer S. 71/72.
5. e < ae. ea < wg. au (= ae. ws. [e] neben ea nach Palatalen).
a) Im Reim auf geschl. [e] innerhalb der Fälle 1 — 8.
Jjou dies prt. : les sg. prs. konj. {lose) Chr. 16494.
1 1
333
b) Im Selbstreim [f].
chcs{e) prt. : les (ae. Icas -falsch') adj. H.S. 1655, 6381.
: les{e) prt. H.S. 11015. — Chr. 3988, 12624,14600,
Anin. : les {a-e. leas) : slBs prs. (von sIpp) H.S. 1525 (zu Verf., Robert
of Brunne S. 152 Auui. 1 hiuziizufiigeu I).
c) Im Reim auf franz. c \ß].
chcs{e) prt. : pc{e)s {peace) IL S. 1039, 2603. — Chr. 1952,
2570, 2576, 2796, 3102, 3908, 4002, 4500, 5540,
5782, 5894, 7304, 8700, 9204, 9772, 10294, 10492,
10690, 10918, 14420, 14522, 15496, 15656.
: pres sb. {prcss) Chr. 7052, 11242, 15874.
le{e)s prt. : prcic)s sb. Chr. 370, 720, 738, 1558, 4884, 8514,
10762, 12818, 13184, 13222.
: pes {peace) Chr. 6404, 8692, 10936.
tvithoute les {leas) : ^;es sb. H. S. 2198.
helples : pes sb. Chr. 10250.
herteles : ^;es sb. Chr. 11564.
ivemles : ^;re5 Chr. 7906.
est (east) : best (beast) Chr. 12 106.
: conquest Chr. 11018, 12626, 14066.
: gest sb. Chr. 38 P, 6636.
: tempest Chr. 1416.
Anm. 1: geste {guest < an.) : feste sb. H.S. 9366.
Anm. 2: Statt dos pl. prs. : tverynes lies des (s. Verf., R. of Brunne
S. 240, § 122) H.S. 914.3.
Anm. 3: Bei den Wörtern auf st ist das Scliwanken der Quantität
zu berücksichtigen (s. Morsbacli, Me. Gr. § 61).
6. es in franz. Lehnwörtern im Selbstreim,
ches {choice) : pes sb, Chr. 11596.
deces, deses 'Tod' : pes sb. Chr. 3724, 5352, 5338, 7664, 14396.
ese sb. (aise) : plese vb. Chr. 7444.
: sese {seize) Chr. 6388, 7142.
pesed {=^ appeased) p.p. : sesed p.p. {seized) Chr. 11550.
presed prt. {pressed) : sesed prt. Chr. 13612, 13812 (vgl. Mors-
bach, Über die anglo- franz. Konsonanten-
Dehnung, Beitr. z. vom. u. engl. Phil, Festgabe
für W. Foerster, Halle 1902; auch Reitern ey er
S. 89).
334
7ni'es {nicss of meat) : dccs (clais) Chr. 7832.
2H'S sb. : pres (praise) Chr. 7832.
2n'es {press, croivd) : ses inf. (cease) Chr. 13026, 13070.
: pees Chr. 1496.
: at trauers Chr. 13394.
mysese : at ese H. S. 1097, 6057.
conqucst : prest adj. Chr. 13406.
: fest sb. Chr. 5198.
fest{e) : gest{e) H. S. 11563. — Chr. 1774, 7578, 10372,
11298.
: honeste Chr. 302, 9276.
prest{e) adj. : rest sb. Chr. 822, 1114, 9930, 10884, 14126.
hestes sb. : gestes sb. Chr. 464, 11428.
gestes : festes sb. Chr. 10504.
Anm. : Auf Kürze deuten:
X)rest{e) adj. : best sup. Chr. 13804.
: west Chr. 11942, 13540.
: vnfest adj. Chr. 652.
conquest : icest Chr. 14 150.
Der Reim ches prt. : Ics prs. (5 a) ist wohl unrein, [f] : [e] , wenn
man nicht ches mit geschl. [e] annehmen will mit Rücksicht auf ae. ws. t-es
mit geschl. [e] (vgl. Bülbring, Ae. Elementarbuch §315, d). Für Chaucer
{Legend of Good Wome7i bei Marshall and Porter, Rime-index to the
Manuscr. Texts of Chaucer' s Minor Poems, London 1887 (Chaucer -Soc.)
finde ich einmal natheles : fies (fleece); allerdings steht hier les in minder-
betonter Silbe.
-ein{e), -eiH{e)Sf -enied,
1. Geschl. [c] innerhalb der Fälle 1 — 8 und < wg. ä
+ nas. + i, j.
deme vb. : queme vb. H. S. 145. — Chr. 16506.
seme vb. : queme vb. H. S. 12412. — Chr. 7390.
hesemed prt. p. p. : demed prt. p. p. Chr. 154 P.
: quemed prt. Chr. 7602.
setnes : quemes vb. Chr. 578.
queme vb. : seme vb. (< ea < au + i, j) H. S. 1305, 4822,
6513, 9901, 11313, 12630. — Chr. 15514.
: seme sb. Chr. 7126.
queme]) : serny}) prs. H. S. 1903.
hyseme : seme Chr. 6150.
335
demes : fernes Cbr. 11474.
demcd p. p. : ficmed p. p. Chr. 4902 (ae. sefheman zu fleam).
to reme (ne. hremaji, hryman zu hream) : seme vb. H. S. 7857.
2. Gesebl. [e] innerhall) der Fälle 1 — 8 im Keim auf franz. c,
queme vb. : antPme sb. Cbr. 15092.
Urne inf. : creme sb. H. S. 9545.
3. Offenes [('] < ae. ea < wg. au.
a) Im Selbstreim.
dreme sb. : seme 'Saum' H. S. 7597.
eem 'Oheim' (ae. eam) : teem sb. (ae. team) Cbr. 4124, 4794.
stremes sb, : semes sb. (ae. seam) Chr. 13970.
b) Im Reim auf [f ] < ae. ce K
heme (< heam) : gleme sb. H. S. 2235.
Aum. : Statt clnie : hapWne H. S. l'J9 ist mit der andern IlaudscLr.
clayme zu lesen.
4. In franz. Lehnwörtern.
hapteme : crme H. S. 9493, 9691. — Cbr. 15268.
: cleme inf. H. S. 9560.
-en{e)f 'en{e)s.
1. Geschl. \ß\ innerhalb der Gruppen 1 — 8.
quen{e) : hm{e) p. p. Chr. 772, 2116, 2092, 10414, 12048.
: hyüven{e) Chr. 1274, 6184, 14210.
: Seen p. p. Chr. 2528.
grme : scheue adv. Chr. 11252.
Jce7ie adj. : tene sb. Chr. 5826, 8598.
he?i{e) p.p. : bytiven{e), heüven{e) H. S. 7784. — Chr. 4148,
11562.
: se{e)n{e) p.p. H. S. 4449, 5168, 5529, 6281, 6369,
7059, 9881. — Chr. 3198, 4862, 5152, 10582,
11024, 12224, 12540, 15106, 15250.
leyn p. p. : seyn p. p. H. S. 317, 1667.
yhen p. p. : seen p. p. Chr. 7450.
hytwene, hehrene : tene sb. H. S. 4083. — Cbr. 2060, 2644, 14368.
se(if)n p.p. : a^e{:y)n (oder [ai] vgl. Verf., E. of Brunne
S. 203, 2} H. S. 523 (Handscbr. D Iscn : asm).
336
se7i{e) : tene sb. H. S. 3909.
: bettvene H. S. 8203.
Chr. 14618.
2. Gesehl. [e] < amerc. a, e < wg. « + uas. + /. j im Reim
auf gesehl. [e] imierhalb der Fälle 1 — 8.
we7ie iuf. prs. : sme H. S. 3177, 3614.
: grme adj. H. S. 1394.|
: hytwene Chr. 14262, i5560.
: Wie H. S. 9522. — Chr. 1250.
ouerivcne imper. : hetwcne H. S. 5164.
3. Gesehl. [e] innerhalb der Fälle 1 — 8 im Reim auf
franz. [e\
hene adj. : mayntene vb. Chr. 16246.
grmes 'grünt' : paryshenes H. S. 8659.
Anm.: a-gene : fysycyene H. S. 1184.
4. Erhöhtes [e] < ae. rc'.
a) Im Reim auf gesehl. [e] innerhalb der Fälle 1 — 8.
alle he dene 'zusammen' : sen{e) H.S. 2576; Handsehr. 0 glossiert
rewe 'Reihe'.
sme H.S. 1439, 7561, 8157, 8229, 10189, 11537,
12467. — Chr. 10178, 12562.
hßwene Chr. 1718, 2330, 3834, 10320.
tene sb. Chr. 8364, 13946, 15126.
tene sb. (ae. teone) H. S. 2461.
tene sb. H. S. 4793, 12039. — Chr. 1838, 4258,
8216, 11780, 12126, 15410.
tene vb. (< teonian) H. S. 7471.
iiftene Chr. 15406.
hitwene Chr. 3494.
to seme H.S. 12415.
sene Chr. 8452, 9050.
menes prs. : tenes sb. Chr. 12 138.
b) Im Reim auf gesehl. [e] < amerc. w, e < wg. ä
+ nas. + i, j.
hemene 'bedeuten' : zvene vb. H. S. 6633.
clene : wene vb. H. S. 4345.
mme vb. : wene vb. Chr. 6888.
I
clene adj.
lene (to lend)
mene vb.
337
c) Im Selbstreim.
mme vb. : clc7ie adj. H. S. 1541, 2177, 7C85, 8273, 8859,
10500, 10824.
d) Im Reim auf franz. e; gescbl. [e].
hemme vb. : emcnjstene H. S. 5120.
menes prs. : 2)arysslienes H. S. 10881.
Die Erböbuug von [?] > \e] ist für cUne 17 x und {be)mP7ie
19 X gesicbert (iPne Ix). Sie ist vor n aueb sonst bäiitig
nacbg-ewiesen worden, wie von Hoofe, Heuser, aucb Dibelius a.a.O.
-el{e)f -el{e)Sf -eled,
1. Gescbl. [e] innerbalb der Gruppen 1 — 8.
ive{y)l adv. : ste{ij)l (steel) H. S. 2337. — Cbr. 1108, 5817,
6864, 9652, 10026, 10030, 10852, 14060.
: ivhel (= ivlieel) Cbr. 5104.
feled (= feit) : Ineled (= hielt) Cbr. 3206.
2. Erböbtes [e] < ae. ^i im Reim auf gescbl. [<j] innerbalb
der Fälle 1—8.
detjl{e) sb. : luheyl (= ivheel) H. S. 3274.
: we{y)l{e) 'wobl' H. S. 116, 238, 371, 404, 455,
554, 906, 1438, 1579, 2237, 2550, 2784, 3235,
3917, 4373, 4481, 4586, 5586, 5766, 6106, 6148,
6579, 6823, 6996, 7038, 7174, 7334, 7879, 8030,
8068, 8089, 8527, 8701, 8842, 9441, 9458, 9815,
9940, 9993, 10220, 10340, 10483, 10691, 10785,
10841, 10904, 11179, 11541, 11639, 11749,
11833, 11855, 11880, 12079, 12236, 12552,
12619. — Chr. 176 P, 928, 1278, 1430, 1458,
2874, 3434, 3634, 4684, 4826, 5394, 5438, 6352,
6390, 6452, 6972, 7038, 7118, 7224, 7650,-8324,
9102, 100056, 10790, 11682, 11782, 11928,
12882, 15230, 15758.
3. e < ae. ce'^ im Reim auf gescbl. [e] innerbalb der Fälle 1-8.
te{:y)l (ae. töel, vgl. Verf., R, of Brunne S. 127, 2) : weyl H. S. 2042,
8621.
sele 'Zeit' : iue{y)le H. S. 5877, 6968. — Cbr. 7006.
wj^?e'Mablzeit': ^vele H. S. 7232.
Studien z. engl. Tbil. L. 22
338
4. Geschl. [e] iunerlialb der Fälle 1-8 im Reim auf franz. e.
we{y)l
pe(y)l H.S. 2165. — Chr. 15912.
kateyl H. S. 3370, 10677.
hostele H.S. 12469.
osteyl H. S. 1937.
spyrytuele H. S. 12 170.
castel H. S. 3809. — Chr. 794, 1658, 5294.
pomel Chr. 10038.
cruel Chr. 5176.
eschel sb. Chr. 13340, 13366, 13522.
5. e < ae.w^ im Selbstreim.
Kele 'Gesundheit' : dele vb. H.S. 5225.
: ivasshele H.S. 11034.
6. e < ae. ^ 1 im Reim auf franz. e.
de{y)l{e) sb. : cate{y)l H.S. 1226, 5746, 11209.
: pele 'Stange' H.S. 2119. — Chr. 4638.
de{tj)l vb. : sele vb. {seal) Chr. 4850.
: mele vb. (= meddle) Chr. 10 096.
deJed p. p. : enseled p. p. (= sealed) Chr. 11890.
hele sb. : sele vb. {seal) H. S. 7010.
7. Franz. e {e) im Selbstreim.
castel : quarel Chr. 8314 [§], [e] od. [e].
chapel : z'mt'eZ Chr. 16408.
l-arneles (< afr. carnel) : quarels Chr. 1036.
: manganeles (afrz. mangonel) Chr. 6790.
Anm. 1 : Auf Kürzung deutet Jt-ey? : gospel H. S. 2S16; ferner das e
in franz. Lehnwörtern in fakultativ unbetonter Silbe :
castel : fei prt. (feil) Chr. 7518. |,
c/ifli^ei : fei prt. (/e«) Chr. 12162.
Der gekürzte Laut kommt auch mehrfach in der Schreibung zum Ausdruck,
z. B. castell, chajjell.
Anm. 2: sei (= seal) : lesl (loyal) Chr. 5924 geschl. [ß].
Anm. .3: turpel sb. (afrz. trepeil 'Erregung') : conseil sb. Chr. 1666,
oder [e] ; vgl. Schreibungen wie conseil, auch im Reim auf kurzes e belegt
(Reitemeyer S. 58).
Anm. 4 : Quantitativ unrein sind :
ecke del : gospel H. S. 3792, oder del (?) mit Rücksicht auf die
häufige minder betonte Stellung in Zusammensetzungen
mit euery, ecke usw., vgl. auch die Schreibung dell vb.
'
339
bei Reitemeyer S. 58. Seit dem 15. Jahrb. ist die Kürze
belegt; vgl. Ilackmann a. a. 0. S. Iö.t, § 40 b. In den
ne. Mundarten ist die Kürze in del ziemlich verbreitet,
vgl. Ilackmann S. 104 und 158, § 47, 1.
hde : skylle (lies skelle) H.S. 4264.
Die ErhöliuDg des [f] > [e] ist demnach nur für de{y)l
gesichert, und zwar für das Subst. de{y)l. Eine Scheidung
zwischen Subst. und Verb ist nicht zu erkennen, da das Verb
deal nur 4 x im Reim begegnet. Der geschlossene Laut gilt
auch in den Reimen mit franz. ^;e(e)L (Vgl. Reitemeyer S. 88/89.)
Für Wörter wie catel ist auch sonst der geschl. [e]-Laut
belegt, ebenso für sele (seal), obwohl Wörter mit afr. ee < vlt.
vorton. sekundärem e + e im me. gewöhnlich off. [^] haben.
Auch für hele ist der geschl. [e]-Laut sonst gesichert,
z. B. bei Osberu Bokenham (Hoofe a. a. 0., S. 227 ff.) und
Heuser, Änglia XVIII, 114 ff.
Über das Reimwort ive{y)l vgl. Reitemeyer S. 56 Anm.
-el(e), -el{e)s in offener Tonsilbe.
1. Im Selbstreim.
stele {steal) : icele 'Reichtum' (< amerc. tceolä) H. S. 2055.
: feie adj. viel Chr. 6796.
feie 'viel' : speie (ae. spelaii) Chr. 12428, 14270, 14470.
Stele (steal) : forhele inf. H. S. 2047.
: hele vb. H. S. 2149.
feie : forhele vb. H. S. 8313.
Anm. 1: stele (steal) : feie (ae. f{i)ellan). Vielleicht nicht unrein
[e] : [f]. Sehr fraglich ist es, ob wir in feie kurzen Konsonanten nach
Analogie der P'ormen der 2. und 3. sg. prs. anzunehmen haben (vgl. Verf.,
M. of Brunne S. 86, Anm. 4). Wahrscheinlicher wäre wohl, in steh Dehnung
des Konsonanten anzunehmen, nachdem das Endungs-e verstummt war
(s. Verf., R. of Brunne S. 49; 50).
Anm. 2: feie 'viel' : tcele 'wählen' Chr. 7340, zu an. reZJa (s. Verf.,
R. of Brunne S. 88, § 36, Anm. 1 und S. 250).
2. Im Reim auf franz. e.
J)Ou steles prs. : parcelles sb. H.S. 11824.
e : [?].
Abgesehen von den beiden Lehnwörtern kommt e somit
nur im Selbstreim vor.
22*
340
-ecUe, -echeSf -ecJiyJ),
1. e < ae. (B\
a) Im Selbstreim.
speche : nreche (ae. ivrcec) H. S. 8287. — Chr. 10774.
: leclie 'Arzt' Chr. 8988.
b) Im Reim auf e < ae. ^ '.
speche : reche vb. Chr. 10510.
: teche Chr. 8760.
speches pl. : reches prs. Chr. 5004.
e) Im Reim auf franz. e.
speche : preche vb. H. S. 4298.
wreche sb. : preche sb. vb. H. S. 4551.
Anm.: wreche sb. : knoivleche H. S. 10302.
2. e < ae. cS^ im Reim auf franz. e.
teche : i^rec/ie Chr. 5596, 5746, 15068, 15194.
techej) : preche]) (prs.) H. S. 9529.
3. Franz. e im Selbstreim.
preche : preche (andere Hdschr. teche) H. S. 11705.
Es läfst sich aus diesen wenigen Reimen nicht erkennen,
ob wir [q] oder [e] anzunehmen haben. Der erhöhte [e]-Laut
ist für teche sonst vielfach belegt worden (vgl. Hoofe, Osbern
Bokenam). Die Reime auf preche deuten allerdings auf off. [f],
da preche meist auf off. [i^] reimt (vgl. Reitemeyer S. 84,85).
Anderseits reimt preche auf teche in Denkmälern, in denen ce^
fast ausschlielslich auf geschl. [ej reimt (vgl. Dibelius a. a. 0.).
-eue{n), -euyn, -euepf -eued, -eiii/l, -eiiel.
1. Geschl. [e] innerhalb der Fälle 1 — 8.
a) Im Selbstreim.
leuys prs. 'glauben' : peuys 'Diebe' H. S. 2079.
b) Im Reim auf e < ae. ce-.
leue 'glauben' : eue (ne. eve) H. S. 7288.
c) Im Reim auf [e] in franz. Lehnwörtern.
byleue vb. : greue vb. Chr. 9484, 13720.
yleued 'geglaubt' : ychmed (chevir) Chr. 15062.
341
mishcleucd : gruucd prs. Chr. 15 222.
belcucd 'glaubte' : a-greucd p.p. 'bekümmert' H. S. 9076.
nujsheleue vb. : greue vb. H. S. 9852.
leue 'lieb' : fo greue H. S. 1613.
: greue 'schwer' H. S. 7566.
: cheue 'sieh unterwerfen' Chr. 15962.
J)cues 'Diebe' : greues prs. H. S. 6091.
Anm. : Gesclil. [f] gilt anch analogisch für das Subst. Icue (ae. Ca),
das anch in anderen Denkmälern häufig auf geschl. [c] reimt (vgl. Verf.,
E- of Brunne S. 139, 2):
Isue 'Erlaubnis' : greue vb. H. S. 2398. — Chr. 2892, 3234, 5916, 7324,
73Sr), 7684, 7S36, 16 228, 16 254, 16 338.
belsue 'Glaube' : greue vb. H. S. 8149.
mysbekue 'Unglaube' : greue vb. H. S. 10 027.
: meschP,ue sb. Chr. 16 280.
Imc 'Erlaubnis' : reue {iie. ^erefa = ce^) H. S. 8792.
Anm. 2: Eine Assonanz liegt vor in greuys (= groves) : semys prs.
H.S. 4051.
2. Off. [^] < ae. ea < wg. au.
a) Im Selbstreim.
reued p. p. : heued sb. Chr. 7250.
b) Im Reim auf [(]] < ae. (pK
licued[e) sb. : leued prt. p. p. H.S. 3275, 9668.— Chr. 952, 3886,
5392, 6092, 6914, 8404, 10244, 11604, 12482.
reue 'rauben' : heleue 'bleiben' H. S. 3315. — Chr. 4788,
11522, 15 616.
: leue vb. Chr. 5170, 5674, 9670, 11488, 16352.
heued sb. : hileued (= left) Chr. 5492.
3. [?] < ae. «1 im Reim auf franz. [f].
leued prs. : sesed {seized) Chr. 5318 (Asson.).
Anm.: Unrein ist wohl der Reim ZeitefZ p. p. : saued p.p. H.S. 10306,
denn dialektisches ä in leued läge zu fern.
4. Franz. e im Selbstreim.
cheue (afr. chevir) : greue vb. Chr. 15 466.
-eue{ne) in offener Tonsilbe.
1. Im Seibetreim.
In allen Fällen ist auch kurzes [?] möglich.
seuenie) : heuen{e) H. S. 7349, 7355, 7465.
342
seucn{e) : cuen{c) Chr. 6512, 0096.
: neuene vb. H. S. 10154.
: enleuene vb. Chr. 7616.
heucne : steuene H. S. 10061.
hcuene : neueyie H.S. 3415, 4693, 7951, 10497, 11807,
12107, 12276. — Chr. 138 P, 2292, 14920.
: cuene 'eben' H.S. 105, 2489, 2565, 12139, 12471.
cuen{e) : neuen{e) Chr. 13 356.
2. Im Reim auf [?] < ae. ce^.
heue {to heave) : leue inf. H.S. 9698 (Ausnahme!).
i- in offener Tonsilbe.
Es handelt sich hauptsächlich um die beiden Wörter
to live und to give. In der Schreibung wechselt i (</) mit e.
geue inf. {&.e. s{i)efan) : lyue inf. H.S. 4119.
to leue H. S. 4357.
])0u . . . sßuys : lywjs sg. prs. H.S, 1707, Hs. D: jeuyth : leuyp.
gyue H. S. 1839, Hdschr. D lyiiyn : seuyn,
syue p. p. H. S. 2703.
seue p.p. H.S. 3441.
forseuyn H. S. 4477.
lyue inf. H.S. 5411.
slireuyn H. S. 15, 35.
shryue Verbalsubst. H. S. 587.
sepen (Assou.) H. S. 1637.
sepyii (Handschr. ^ijuen) H. S. 8790.
cleued prs. (ae. cUoficm, eo) H. S. 2577.
Demgegenüber stehen zwei Reime, in denen give auf
geschl. [e] reimt:
seue inf. : leue 'erlauben' (aangl. Ze/a?z) H. S. 4029.
geue vb. : leue 'glauben' Chr. 5426.
Es fragt sich, ob wir g{g)eue, also e : [e], einen Reim,
den wir nur in Ausnahmen bereits belegt haben, oder mit
Dehnung von -i > [e] g(g)eue anzunehmen haben. Die Form
geue [e] wird durch Angaben von Orthoepisten gestützt (vgl.
Hörn, a. a. 0. §31, 78).
Gesichert ist der geschl. [e]-Laut von evil durch zahl-
reiche Reime:
• seuys
to leue
dreue p. p.
shreue p. p.
dreuyn
seue (prs.)
seuyn
forgeue p. p.
syueii p. p.
geuyn p. p.
lyued
343
euijl : deuyl « co) H. S. 1019, 1272, 2145, 2674,
3529, 3921, 3985, 7653, 8105, 8329, 10911,
11475, 11684, 12 248, 12 577.
iuel (1. c) : deuel Chr. 1 1 566.
Auf me. evil [e] beruht das \l\ der Orthoepisten des 16.
und 17. Jahrhunderts.
-ekCf -eki/Hf -^I^U^'f -eJced.
1. Geschl. [e] innerhalb der Fälle 1 — 8.
sehe : meJce adj. H. S. 259, 5823, 8641, 11467. —
Chr. 1476, 2488, 3948, 4532, 7834.
hesechyj) (1. -ckyj)) : he meJcyJ) (zu meek) H. S. 783.
sekyn : mehyn (prs.) H. S. 6573.
hjst'ke : meke Chr. 6750, 15634.
2. Erhöhtes [e] < [s] < ae. ea + pal. im Reim auf geschl. [e]
(gegenüber sUdl. [f]).
Ickc sb. (ne. leek < ae. leac) : seke Chr. 12 654, 13182.
3. In oflFener Tonsilbe.
a) Im Selbstreim.
S2)eke : streke (^= to streich) H. S. 943.
: breke H. S. 2635, 8359, 9898, 10609. — Chr.
3662, 6938, 15 620.
: to stehe H. S. 7742, 11224.
: tüveke vb. Chr. 7454, 9838, 14520, 15 716.
breke : sieke vb. Chr. 1454.
b) Im Reim auf geschl. [e\ (Ausnahmen!).
speke : cheke (ae. äceocian) H. S. 3190.
steke p. p. : breke pl. prt. Chr. 13048.
streked p. p. : cheked p. p. (= choked) Chr. 12 704.
4. e — i in offener Tonsilbe.
In der Schreibung Avechselt wieder e mit i (y).
mekyl : fykyl H. S. 2683.
bekyr : sekyr H. S. 7913, 9825.
• epe.
1, Geschl. [e'] innerhalb der Fälle 1 — 8.
a) Im Selbstreim.
depe adj. : kepe vb. Chr. 1182.
344
b) Tni Roini auf [r] < ae. rc^.
slepc vb. : kepe vb. H. S. 1258.
slcpe sb. : /ct-^j)e sb. H.S. 432,4259,7751,0312. — Chr. 12 102.
: dep Chr. 2068, 8150.
: Jcejje vb. H. S. 9848. — Chr. 12083.
: wepe vb. H. S. 1567, 5722.
s{c)hcpic) : hepe vb. H.S. 4049, 4073, 5521, 10895.
: ]cep{e) sb. H.S. 10884. — Chr. 4736, 15 380.
2. [c] < ae. «2 im Reim auf [?] < ae. ea < wg. aw.
sltpie) vb. : Z^p(e) vb. H. S. 12 543. — Chr. 7486, 9018,
9202, 11530, 15 566.
slcjje sb. : prepe {ae. preapian) H.S. 4351.
schep : lep vb. Chr. 13 898.
3. e < ae. «2 jm Selbstreim.
sZ?2^ vb. : schep Chr. 11492.
4. [?] < ae. ea < wg. au im Selbstreim.
^J^'^i^e : hepe sb. H. S. 6065.
Anm. 1: Das Wort slej) kommt als Subst. II x, als Verb 8x vor,
als Subst. 6 X , als Verb 1 x im Reim auf geschl. [e]. Auf den anglisch
geschlossenen [e]-Laut mag, beim Verb zunächst, und dann auch beim
Subst., der geschl. [e]-Laut des prt. eingewirkt haben.
Anm. 2: Der geschl. [c]-Laut ist auch in den Reimen auf shspe an-
zunehmen, da shcjj mit offenem [?] südliche Form wäre, wogegen auch
der Reim auf das Verb kspe sprechen würde.
In dem Subst. kspe aber nehme ich analogisch geschl. [e] an nach
dem umgelauteten Verb aangl. cq^nn == ws. cyi)an (vgl. Verf., R. of Brunne
S. 126 c, ü).
Anm. 3: Die Reime mit Upe halte ich nicht mehr für unrein; auch
hier gilt geschl. [e] mit Rücksicht auf die umgelautete ae. Form hliepen
zu *hhepan (s. Sievers, Ags. Gr. §377 Anm.). Somit bliebe nur der
eine unreine Reim mit prepe (unter 2).
-e/(e).
1. Geschl. [e] innerhalb der Fälle 1 — 8.
a) Im Selbstreim.
lefe adj. : ])cfe sb. H.S. 1340, 2068, 2110, 2417, 5204.
b) Im Reim auf franz. [e\
M^ ■■ grefe sb. (grief) H. S. 2134, 5397, 10 262,
11117, 11185, 11366, 12 333.
845
lef{e) : gref{c) H.S. 3711, 9505, 12145.
: meschef Chr. 9856.
Anm.: clPf \nt (ae. dca/") : rhr/" prt. (ac. drcnf) Chr. 15S',i, 10 908,
12 432; llandscbr. P dräfe : klclfe s. Verf., R. of Brunne S. 125,5, Aum. 2,
2. Geschl. [e] in franz. Lehnwörtern.
href 'Brief : chef (chief) Chr. 940, 4246.
meschef : gref Chr. 14014.
•ece, -eceSf -ecys.
Es kommen nur franz. Lehnwörter in Frage. Geschl. [e]:
nece {niece) : pece (piece) Chr. 12 264,
spece : grece 'Stufe' H.S. 2413, 7277, 8319.
grccys : pecys H. S. 3577.
spyces (1. speces mit Hdsehr. 0) : grecys H. S. 6519.
•e/;, -ejjen, -€j)er.
1. OflF. [?] < ae. ^1 im Reim auf [(^] < ae. ^a < wg. aw.
/i^T' {hcath) : s^^ prt. (ae. s^0(fa7i) Chr. 16428.
2. e in offener Tonsilbe im Selbstreim.
hej)cn (< an. heifcni) : he-{by-)nej)en H. S. 8579. — Chr. 6760,
13 012, 16316.
w1icj)cy konj. : «;e/jer sb. (< aangl. Mvecter > ne. wctlier) Chr.
11490.
Anm. : bep 'sind' : recZ^^ prs. H.S. lOl'O geschl. [e].
• encl(e)Sf •eudes, •eHclj/p»
1. Etym. langes e im Selbstreim.
/>liclc : frcnde H.S. 8233, 10851.
/"mi^es : fmdcs H.S. 10927.
2. Etym. langes e im Reim auf e vor dehnenden Kon-
sonanten.
fr ende : ewcüe sb. Chr. 5154.
: ivende vb. Chr. 15 714.
freinde : sende vb. Chr. 7465.
frendys, frmdes : mdys, mdes prs. H.S. 2251. — Chr. 2482.
: hides sb. H.S. 10235.
ffrendes : sendes vb. Chr. 15922.
346
ffrendes : hmdes sb. (ae. cynd\ s. Verf., Robert of Brimne
S. 103,c, l) Chr. 7160.
wende 'wähnte' (ae. loenan) : ende Chr. 9472.
: hende adj. H. S. 10739.
fendcs : endes prs. H. S. 842.
3. Gekürztes c < e im Reim auf franz. e.
frende : amende H. S. 2452.
Anm.: frende : neuende H. S. 7680.
4. e im Selbstreim oder gekürztes e.
ende sb. : hende adj. Chr. 326, 1408, 3940, 10536.
: vnhende adj. Chr. 16022.
: se?ide H.S.'l780, 11303. — Chr. 3158, 5138.
: letide (< lendcm) Chr. 7 10, 3700, 4272, 7 100, 7660.
: we7ide vb. H.S. 9081, 9185, 9568, 10368, 10475.
11248, 11905, 12613. — Chr. 1660, 1728, 2884,
3052, 3204. 3844, 4192, 4686, 4968, 5594, 5630,
6228, 6714, 6800, 8352, 8668, 9778, 10474, 10674,
13274, 13396, 14988, 15386.
: s{c)hende vb. H.S. 12303. — Chr. 16322.
endes sb. : tuendes prs. Chr. 14982.
ende vb. : sehende vb. Chr. 14220.
: loende vb. H.S. 9193, 10457, 10758.
cndy]) : hlynde]) (1. Uendyl)) H.S. 12149.
luende vb. : /ie^zcZe adj. adv. Chr. 1226, 7740,9320,9498, 12726.
: hende prt. {cennan) Chr. 664.
: lende vb. Chr. 626, 1884, 4462, 4568, 7354, 8946,
10438, 11046, 15630.
: sende Chr. 12532, 14940, 15026.
: shende vb. H.S. 10146, 12054.
lende vb. : vnhende adj. Chr. 15070.
sende vb. : hende adv. Chr. 6052, 11080.
lende vb. : vnhende adj. Chr. 15070.
Gekürztes e ist demnach nur für frmd nachzuweisen.
•eld{es)f •eldes.
1. Etym. langes \e] im Selbstreim.
held : held prt. Chr. 2400.
347
2. Etyni. laugee \('] im Keim auf c vor dehnenden Kon-
sonanten.
beheld{e), byheld{e) pvt. : felde H.S. 3269, 4093, 8511. — Chr. 506,
1564, 1894, 8872, 11380, 12758.
: scheid sb. Chr. 10046, 10842.
: teld p.p. Chr. 11258 {tellan).
vphelde prt. : scheide sb. Chr. 4374 P.
held{e) prt. : fcld{e) Chr. 4158, 4658, 5904, 5990, 6414, 8522,
12886, 13098, 13190, 13446, 13830, 13942,
14338, 14672, 16574.
: scheid sb. Chr. 918, 4416, 4426, 5886, 7624, 9268,
9736, 10736, 10866, 10960, 11128, 11216, 11710,
12372, 12414, 13526, 13726, 14234, 15154,
15354, 15502, 16214.
: telde sb. 'Zelt' Chr. 12598.
: teld prt. p.p. Chr. 9442, 10798, 12816, 14054,
15176.
heldcd prt. (ae. äheldan, s. Bülbring § 175 Anm.) : telded p. p.
(= tented) Chr. 12588.
3. eld{es) im Selbstreim oder e.
clde sb. : ivelde vb. H.S. 1093, 1163, 6437. — Chr. 476,
760, 1936, 2218, 2280, 2724, 3144, 3246,3604,
3726, 3770, 4132, 4436, 5044, 5522, 6026, 6272,
6322, 7342, 9744, 13816, 14806, 15518, 16100.
: to beide (ae. healdicm, ne. dial. io hield] s. N.
E.D.) H.S. 9721.
^elde inf. : icelde 'wollte' H. S. 4837.
weldes prs. : feldes sb. pl. H. S. 9891.
scheid sb. : teld prt. Chr. 6366, 11910.
felde sb. : Ulde inf. Chr. 6036.
eld{e) adj. : to hyhelde Chr. 1802.
: teld{e) prt. Chr. 854.
feld : scheid Chr. 8462.
: teld prt. Chr. 3692, 11910.
: ^eld inf. Chr. 3274.
telde sb. 'Zelt' : weide vb. 650.
ivelde vb. : ^elde Chr. 4232.
^elde vb. : wilde, ivylde prt. Chr. 4914 P, 13444.
348
ScMc vi). : wolde prt. Chr. G2t38, 1. ivelde nach H. S. 4837.
Danach ist Verf., R. of Brunne S. 242 § 126
zu berichtigen.
scheldes sb. : tcldes sb. Chr. 12808.
: weldes prs. Chr. 12070.
Eine Kürzung des c ist somit nicht nachzuweisen.
-enfff -eng,
1. Etym. langes [e] im Reim auf e vor dehnenden Kon-
sonanten.
hc7ig prt, : streng sb. Chr. 10010, 15196.
2. e im Selbstreim.
heng inf. : streng sb. Chr. 8650.
Möglich ist heng mit Rücksicht auf Orrms henngedd.
Zur Frage über die ^e/e- Grenze.
Zu der viel erörterten Frage über die re/e- Grenze sei zu-
sammenfassend noch ein Wort gesagt.
Bei den Reimwörtern auf -ere sind sieben Fälle mit ge-
sichertem geschl. [e\ nachzuweisen. Dazu kommt mit vorher-
gehendem Palatal das Wort sere 24 x im Reim auf geschl. [e\
Das ist eine grolse Zahl im Verhältnis zu nur 27 Selbstreimen.
Ferner sind für den geschlossenen Laut die S. 307 f. unter 9
aufgeführten Reime auf lere beweisend. Bei -erd{e) handelt
es sieh um das Wort {a)ferde, das 17 x im Reim auf geschl. [e]
begegnet.
Für dede, drede und rede ist der geschlossene Laut mit
Sicherheit festzustellen. Höchstwahrscheinlich gilt er auch für
strete (street). Bei lete kann das geschl. [e] auf aangl. [e]
oder auf Analogie nach den Formen des prt. beruhen.
Gesichert ist ferner geschl. [c] in nest (< aangl. nesta),
wohingegen die Reime von 7-es sb. (ae. rces) auf destrqs (1 x)
und i??s {ix) auf oflf. [?] deuten.
349
Von den Reimen auf -Pche sprechen die beiden vereinzelten
Reime mit preche nicht gegen den geschlossenen Laut.
Bei -epe bleibt am Ende nur der einzige Reim auf Jirepe
mit off. [?] übrig.
Das Ergebnis aus den umfangreichen Werken Roberts of
Brunne ist somit für den off. [^]-Laut entschieden negativ.
Daraus dürfte sich doch der positive Schlufs ziehen lassen,
dals auf dem anglischen Boden von Lincolnshire der
aangl. geschl. [5] -Laut gegolten hat. Was wir in den
Denkmälern unserer Gegend an offenen [?]- Lauten finden, wird
über die Dialektgrenzen hinausgreifende literarische Ausnahmen
darstellen.
Tabellen über gewisse Reimwörter.
Ich schlielse noch eine Tabelle über das häufige oder
seltene Vorkommen gewisser Reimwörter an. Ich führe darin
Reimwörter auf, die wegen ihrer Häufigkeit auffallen, sodann
solche, die hinsichtlich ihrer Bedeutung für den religiös - sitt-
lichen und sozialen Inhalt der Handlyng Synne einerseits und
den mehr kriegerisch-ritterlichen Inhalt der Chronik anderseits
bedeutsam sind. Die Zahlangaben sind hie und da insofern
nicht völlig genau, als die Reime mit Eigennamen nicht berück-
sichtigt worden sind.
ncie{s) H. S. 43 x
spede
S^de
lede {to lead) .....
drede sb. und vb. . . .
rede 'lesen', 'sagen' . .
rede 'raten'
rede sb. 'Rat' . . . . ,
dede (dead) adj. und sb.
dede 'Tat'
dede prt ,
de(y)l sb. und vb. ...
ive(y)l
ewrfe sb. und vb. ...
here adv
nEre {near)
n
n
n
»
n
n
»
n
n
»
n
n
n
n
Ux
36 X
17 X
55 X
17X
4x
15X
23 X
87 X
2x
62 X
71 X
35 X
6X
Chr. 44 X
„ 37 X
„ 42 X
25 X
51 X
10 X
5x
13X
28 X
19X
45 X
42 X
26 X
10 X
87 X
48 X
78 X
42 X
106 X
27 X
9x
28 X
51 X
106 X
2x
107 X
113 X
59 X
61 X
16 X
350
ßSre H. S. 8 X
wEre prt , (5 x
dear „ 1 5 x
hear „ 45 x
manere „ 41 x
ausler .....'... „ —
ßre „ lOx
bs(n) „ 144X
sö(") „ 55X
pS „ 39X
me « 16X
he , 7x
se (sea) „ 7 x
(%), (vp)helde „
Chr. 18 X
„ 15 X
» 3x
„ 45 X
„ 34 X
,. IX
„ 14 X
„ IITX
„ 38 X
„ 21 X
„ 24 X
„ 25 X
26 X
21X
18X
90 X
75 X
IX
24 X
2(51 X
93 X
56 X
37 X
31 X
32 X
57 X.
1. Wörter religiös -sittliclier und sozialer Bedeutung.
auter sauter diibonure prayere scoler frere
H.S. Chr. H.S. Chr. H.S. Chr. H.S. Chr. H.S. Chr. H.S. Chr.
14 1 4— 1— 15 4 3— 8 —
15
aumenere
H.S. Chr.
1 —
1 19 3
deuyl prest ahnesdede tnysdede
H.S. Chr. H.S. Chr. H.S. Chr. H.S. Chr.
15 1 21 — 3 — 10 —
8
1 16 21 3 10
Summe für die Handlyug Synne 95, für die Chronik 6.
2. Wörter kriegerischer und ritterlicher Bedeutung.
arblaster
H.S. Chr.
— 3
pes {p>eace) rene 'rauben' öierZe 'bluten'
H.S. Chr. H.S. Chr. H.S. Chr.
1 9
3
41
44
mariner
H.S. Chr.
— 3
10
deer sb.
H.S. Chr.
— 4
1
1
hostager
H.S. Chr.
— 3
archer
H.S. Chr.
— 5
S2)ere
H.S. Chr.
— 1
3
1
351
here 'Heer'
to shoot
scheid
feld
messe ger
H.S. Chr.
II. S. Chr.
II. S. Chr.
H.S. Chr.
H.S. Chr.
— 1
:{ 8
— 30
4 27
1 !)
1
11
30
31
10
squier
were (ivar)
conquere
ledere {leader)
basier
II. S. Chr.
H.S. Chr.
II. S. Chr.
H.S. Chr.
H.S, Chr.
2 11
1 11
— 6
1 1
— 1
13
12
Summe für die Handlj'ng Synne 17, für die Chronik 193.
,
Die eiißiisclien Ortsnamen
auf
-tvich, -wich.
Von
Heinrich Cornelius.
Inhalt.
Seite
Einleitung 353
Die Namenliste 357
Zusammenfassaug 399
Index 409
Einleitung.
Eine Untersucliung englischer Ortsnamen, wenn sie etwas
tiefer eindringen soll, gehört heute nicht zu den angenehmsten
Aufgaben auf dem Gebiete der Anglistik. Eine Vorstellung
davon kann man sich schon machen, wenn man die einleitenden
Worte liest zu R. E. Zachrisson, Ä Contrihution to the Study
of Änglo-Korman Infliience on Emjlish Place-Nanies, Lund 1909.
Es bedarf wahrlich eines grofsen Aufwands an Zeit und Ge-
duld, an Arbeit und Mühe, um nur ein einigermalsen brauch-
bares Material zu beschaifen. Denn gründliche Vorarbeiten
fehlen fast ganz, und wo sie vorhanden sind, behandeln sie
nur ganz kleine Gebiete. So mufs jeder, der eine Ortsnamen-
untersuchung anstellen will, Haufen von Urkundensammlungen
durcharbeiten, ohne oft einen wirklichen wissenschaftlichen
Nutzen von dieser Arbeit für seine Untersuchung zu haben.
Als meine Aufgabe betrachtete ich es, die Verbreitung der
•ivick- und -z<;2c/i- Formen festzustellen und diese beiden gegen-
einander abzugrenzen. Dafs ich mich dabei nicht auf die Fälle
beschränken durfte, in denen wich und wich als Endung er-
seheinen, wurde mir bald klar. So wurde also auch ivick- und
ivich- in die Untersuchung einbezogen. Zunächst war es dem-
nach nötig, eine möglichst vollständige Liste der zur
Behandlung stehenden Ortsnamen anzulegen; zu diesen
mufste ich dann Belege aus früheren Jahrhunderten sammeln.
Diese alten Formen sollten mich vornehmlich davon überzeugen,
dafs tatsächlich die Endung oder der Stamm des Wortes schon
aus ae. Zeit stammt, nicht erst später die heutige Form, sei
es durch Eiuflufs der Katasterbeamten, sei es durch volks-
etymologische Umdeutung oder aus anderer Ursache, ange-
nommen hat. Es genügte aber für diesen Zweck, nur Urkunden
aus ae. und me. Zeit zu prüfen. Nach Möglichkeit mufste
Studian z. engl. Phil. L. 23
354
dann versuclit werden, eine Deutung der Ortsnamen zu geben.
Sehlierslich war es für die Lösung der Aufgabe von Wichtigkeit,
festzustellen, wie die Ortsnamen beute gesprochen werden.
Die Schreibung kann hier in vielen Fällen täuschen.
Wenn dies der Gang war, dea meine Untersuchung eigent-
lich hätte gehen müssen, so ist sie doch in ihren Ergebnissen
hinter den Forderungen zurückgeblieben. Eine ziemlich voll-
ständige Sammlung der Ortsnamen auf -ivicli, und -tvicJi glaubte
ich aus Cassell's GazeUeer of Great Britain and Irelcmd,
London 1898—1900, wohl dem gröfsten Werke dieser Art, er-
halten zu können. Als ich dann im Sommer 1912 in England
weilte, prüfte ich das gewonnene Material auf seine Voll-
ständigkeit nach, indem ich Karten mit kleinem Mafsstabe auf
die mich interessierenden Ortsnamen hin durchsah. Diese
Prüfung überzeugte mich davon, dals das durch Cassell ver-
mittelte Material durchaus unvollständig und lückenhaft ist,
da viele kleine Orte überhaupt nicht erwähnt werden. Es ist
ja auch die Frage, ob eine solche völlig einwandfreie Samm-
lung von Ortsnamen überhaupt im Rahmen eines derartigen
Gazetteers, der doch praktische Zwecke verfolgt, möglich ist.
Aus diesem Grunde habe ich versucht, mein Material durch
Prüfung einer grofsen Anzahl Karten zu vervollständigen. Es
war natürlich, dals ich die vortrefflichen englischen Ordnance
Survey Maps nicht gebrauchen konnte, da sie zu kostspielig
und auch schwer erreichbar waren. Ich benutzte deshalb
Bartholomews Keiv Eediiced Survey, Hcäf-Inch to MiUMaps.
Aber auch, nachdem ich diese Karten einer mehrmaligen, sorg-
fältigen Durchsicht unterzogen, glaube ich nicht, behaupten zu
können, dafs mein Material nunmehr absolut vollständig ist.
Denn die Karten zeigten mehrfach gerade dort Lücken, wo
Cassells Gazetteer mir einen Ortsnamen vermittelte ; auch liefsen
andere Karten, die zum Vergleich herangezogen wurden, er-
kennen, dals auf Bartholomews Karten nicht alle Ortsnamen
verzeichnet sind. Obwohl die in Frage stehenden Ortsnamen
um etwa 200 anschwollen, ist wirkliche Vollständigkeit nur
nahezu erreicht worden.
Die zweite Forderung nach Belegen aus früherer
Zeit war auch nicht vollständig zu erfüllen. Ganz abgesehen
davon, dafs ich bei der Kürze meiner Arbeitszeit im British
355
Museum gar nicht das gesamte Urkundcnmaterial durchar1)eiten
konnte, das mir dort zur Verfügung stand, war es m. E. bei
vielen Ortsnamen schlechthin unmöglich, Belege aus früheren
Jahrhunderten zu finden. Wenn man bedenkt, dafs gerade die
Ortsnamen auf -tvich vielfach kleine und kleinste Orte be-
zeichnen, so darf man sich nicht wundern, dafs Belege nicht
aufzufinden waren. Eine weitere Schwierigkeit ergab sieh aus
der Identifizierung der alten Belege, die manchmal unmöglich
war, so sehr ich mich auch bemühte, darin allen Anforderungen
gerecht zu werden. Man beachte aber, dafs z. B. der Ortsname
Hanlwicli in irgend einer Form, sei es als Ilardeiviclce, Herd-
wich, Uurdivick oder dergleichen, im Ganzen nicht weniger als
40 mal im Ne. belegt ist, dabei oft mehrmals in derselben
Grafschaft (Oxfordshire, Gloucestershire, Devonshire), und man
wird sich eine Vorstellung davon machen können, dafs es oft
einfach unmöglich war und sein mufste, zu sagen, welcher Ort
nun mit der alten Form gemeint war. Noch mehr wird man
diese Schwierigkeit erkennen, wenn man die 54 Orte nimmt,
die nur Wiclx, Wiche, Weeh, Weehe heifsen. Von diesen hat
Devonshire allein schon 18 Belege. Häufig kommen auch Orts-
namen vor, um eine Person genauer zu bezeichnen. Diese
Fälle waren naturgemäfs sehr vorsichtig zu verwerten, da eine
Person den Namen durch ganz England tragen konnte. Wenn
also in einer Urkunde z. B. W., fugitiuus de Berwic {Fipe Bolls
1171/2. 132) belegt werden konnte, so war der Umstand, dafs
die Urkunde aus Sussex stammte, doch allein kein Beweis
dafür, das nun Berwiek in Sussex gemeint war.
So sehr also der Wunsch bei mir bestand, möglichst für
jeden heutigen Ortsnamen eine alte Form zu finden, so war
dies durch die ganze Art der Arbeit und durch das Fehlen
jeglicher Vorarbeit für eine derartige Sammlung sehr .oft un-
möglich.
Die weitere Forderung, die ich gern erfüllt hätte, ist
die der etymologischen Deutung. Aber auch hier liegen
nur sehr spärliche, brauchbare Vorarbeiten vor; ich nenne nur
die von Skeat, Duignau, Wyld-Hirst und Moorman. So
Gutes diese Arbeiten leisten, mir konnten sie nur wenig Nutzen
bringen, da sie sich alle auf einen kleinen Kreis, eine Graf-
schaft beschränken, während ich doch immer auf das Ganze
23*
356
sehen mufste. So war ich gezwungen, mich darauf zu be-
schränken, zu untersuchen, welche Bedeutung ivick, ivich in
den verschiedenen Ortsnamen haben können, um so die aus-
zuscheiden, die für unsere Frage der Entwicklung von ae. wie
nicht mitsprechen dürfen.
Gleich ungünstig liegen die Verhältnisse, wenn wir an die
Frage der heutigen Aussprache der Ortsnamen heran-
treten. Bücher, die uns die Aussprache aller ne. Namen
vermitteln, gibt es nicht. Kleine Sammlungen wie Hope,
A Glossary of Dialedal Place -nomenclature, London 1883,
wurden gern benutzt; wenn wir hier auch nur 39 Namen auf
-wich, -wich finden, so erhalten wir doch manchen Fingerzeig.
Bei der grolsen Mehrzahl meiner Ortsnamen war es mir aber
einfach unmöglich, die Aussprache festzustellen, da ich keinerlei
Hilfsmittel zur Hand hatte.
Über die benutzte Literatur vgl. man Zaehrisson,
a.a.O., S. VII — XV. Einige wenige Werke sind nachzutragen:
Wyld, H. C. in Collaboration with T. Oakes Hirst, The
Place -Names of Lancashire, London 1911.
Moor man, F. W., Tlie Place -Names of the West JRiding of
Yorhshire. 1900.
Habben, F. H., London Street Names. L, 1896.
Middendorff, H., Ae. Flurnamenhuch. Halle 1902.
Da vi es, G. St., Surrey Local Names.
Victorian History of the Counties of England. (Dies
Werk enthält in den meisten Bänden eine Bomesday Map
der betr. Grafschaft, woraus die Lage des im D. B.
belegten Ortes zu erkennen war. Diese überaus sorgfältig
angelegten Karten erwiesen sich von grofsem Nutzen.)
Ich lasse nunmehr die Sammlung der Ortsnamen folgen.
In der Bezeichnung der Lage bin ich zunächst Cassells Gazetteer
gefolgt und es weisen auch die Zahlen hinter den Namen
(z. B. Hardwiclv 20) auf Cassell hin; falls der Ort mir durch
die Karte vermittelt wurde, ist dies besonders vermerkt und
die Lage von mir näher bezeichnet. Einige wenige Orte habe
ich nicht auflinden können. Da aber die Quellen für die
Namen im allgemeinen einwandfrei sind, habe ich geglaubt,
357
auf diese nicht verzicliten zu dürfen. In jedem Falle ist
natiiilieli der Gewälirsniann bezeichnet worden. Die Aussprache-
bezeichnung- nach Hope ist stets hinzugefügt. Diejenigen Orte,
die durch die spätere Untersuchung auszuscheiden waren, sind
durch den Druck kenntlich gemacht. Folgende Abkürzungen
sind für die alten Formen benutzt worden:
Anc. Chart. = Facsimiles of Anciens CJiarters in the British
Museum ed. Bond. L. 1873—1878.
Cart. Sax. = W. de Gray Birch, Cartularium Saxonicum.
London 1885-1893.
C. C. R. = Calendar of Charter llolls, I— III. L. 1903—1906.
D. B. = Domesäay BooJc scu Liber Censualis etc., Bd. I, II,
ed. A. Farley, London 1783, Bd. III, IV ed. IL Ellis,
London 1816.
F. A. = Inquisitions and Assessments relating to Feudal Aids
etc. 7 Bde. London 1899 ff.
Kemble, Cod. = J. M. Kemble, Codex diplomaticus aevi
Saxonici. 6 Bde. L. 1839 — 1848. [Oft ungenau.]
Pa. R. = Caletidar of the Patent Rolls. Rolls Series, London
1891 ff.
Pi. R. = The great Eolls of the Pipe. Rolls Series, London.
Sax. Chron. = Tivo of the Saxon Chronicles parallel ed.
Earle -Plummer. Oxford 1892.
Die Namenliste.
Schottland.
1. OttersiüicJc, Shetl. isl., Island of Yell, Ostküste am Otters
Wich, einem Meerbusen (nach Karte!).
2. WestsandiüicJc, Shetl, Westküste von Yell, 31 n. Lerwick,
3. MouiüicJc, Ort am Tresta Wick, Shetl., Insel Fetlar (nach
Karte!). Auf derselben Insel: Gruting Wick, Meerbusen.
4. Haroldstüick, am Haroldswick Bay, Shetl, 14 n. von
Fetlar island. Die Bucht auf Karte = Haralds Bay!
5. Eswich, auf Maiuland, Shetl., 8 ','2 Q- von Lerwick.
358
6. Gulbericick, 3 s. von Lerwick, Mainkmd, Shetl.
7. HiUswicl-, Hafenort!, Mainland, Shetl., 17 n. w. von Voe.
8. Hosivick, Ort an der Küste, Mainland, Shetl., l^/o w. von
Sandwick.
9. Lerwic'k, Hafenort, Mainland, Shetl., 104- n. n. o. von
Kirkwall.
10. LeieiiwicJc, Dorf an der Küste, Mainland, Shetl, 4 s. w.
von Sandwick.
11. Sandwich o, Kirchspiel, Süden von Mainland, Shetl.,
12 s. s. w. von Lerwick.
12. ReawicTi, Gut, an Scalloway ßay, W. Shetl, 6 n. w. von
Scalloway.
13. Nor Wich, Bucht, auf Uist, N. Shetl, 48 n. u. o. von
Lerwick.
14. Sandwich 2, Kirchspiel, an sandiger Bucht, Mainland,
Orkn., 14 w. n. w. von Kirkwall.
15. EUwich oder Eiswich, Dorf und Bucht, auf Shapinshay,
Orkn., 5 s. o. von Rendall
16. Burivich, auf South Ronaldshay, Orkn., 10 n. von Dunnet
Head in Caithness.
17. Barswich, Vorgebirge, auf South Ronaldshay, Orkn.
18. Mariüich Head, Vorgebirge, u. w. auf Mainland, Orkn.
19. Otter siüich, Bucht an Nordküste von Sanday Island,
Orkn., 26 n. n. o. von Kirkwall.
20. Auld Wich Castle, Turm in Ruinen, als Seezeichen „the
old man of Wick" genannt, l^/^ s. o. von Wick (7).
21. Wich 7, Hafenort, 0. Caiths, 20 s. o. von Thurso.
22. Treswich, Dorf, an Treswick Bay, N. 0. Caiths., 12 n,
von Wick.
23. Diuarwich Head, Vorgebirge, am Pentland Firth, N. Caiths,
9 n. 0. von Thurso.
24. Treswich, Bach (zu 22) und Wich Water (zu 20).
25. Sandiüich 4, Dorf, 1 s. o. von Stornoway, Insel Lewis,
Ross and Crom.
26. Marwich, Marvig oder Malabhig, Dorf, Insel Lewis, Ross
and Crom., S'/o s. von Stornoway.
27. Hedderwich, Dorf, 3 n. w. von Montrose, N.-O.-Forfar.
28. Inverwich, Wald, Invs., 7 n. von Fort Augustus.
29. Innerwich 2, Dorf, N.-W.-Perths, 13 w. von Kenmore.
359
30. Inner iviclc-in-Glcnhjyi^ Dorf, N.-W.-Perths, 10 w. von
Fortingall.
31. Inner wich 1, Dorf, au der Nordsee, O.-IIaddiiigs, 4 s. o.
von Dunbar.
32. North Berivick, Ilafenort, N.-Haddings.
33. BorthwicJc 1, Dorf, S. E. Ediubs, 12'/., s. o. von Edinburgh.
34. FishwicJc, jetzt in Hutton, S.-O.-Berws, 5'/2 w. s. w. von
Berwick.
35. DaliüicJc, DatuicJc, Gut, Mitte Peebless, 7 s. w. von Peebles.
36. Hawick 2^ Stadt, W.-Roxbs, 11 s. s. o. von Selkirk.
37. JBorthwickbrae, Borthtvickshields, Güter am Borthwick,
Flufs in Selks und Roxb., mündet in den Teviot, 2 m ober-
halb Hawick.
38. Pr est IV ick 2, kl. Stadt, W.-Ayrs, 3 n. von Ayr.
39. Fenwick 4, Dorf, N.-Ayrs, 3^'2 n. o. von Kilmarnock.
40. Alnwick (oder Annick) Lodge, Dorf, N. Ayrs, 3 u. o. von
Irvinetown.
41. Crmvick, Strom, N.-Dumfrs.
42. Wigtoivn, Hafenort, O.-Wigs.
43. Castleiüigg, Gut, 2'/.2 "• w. von Wbithorn, S.-O.-Wigs.
44. Rerwiek, S.-Kirkcuds. (nach Karte), 5 s.w. von Kirkcud-
bright. — 1305 Ovrereraik (sie!) und Nethrereraik, C.C.R.
III, 61.
45. Southivick 7, Ort, S.-O.-Kirkcudbs., 12 1/2 s. w. von
Dumfries.
46. Seniüick, ehemals Kirchspiel, S. Kirkcudbs.
Eiiglaud.
Isle of Man.
Perwick Bay, Garwick Bay, Flesluvick, Bucht und „glen",
ferner
47. Greeniüick oder Grenaugh, Dorf und felsige Bucht,
6 s. von Douglas.
Northumberland.
48. Äbberwick, Stadt am Alne, 3^2 11. von Edlinghani. —
1346 Älherwyk F. A. IV, 66, 67. 1428 Äwbenvyke ib. IV, 86.
49. Almcick, Stadt, N.-North. Alnwick Castle stand schon
zur Zeit der Eroberung, da sein Eigentümer auf Senlae
360
Hill fiel. Aluwick Abbey, IUI gegründet. — 1217 Älne-
wich Pa. R. 122, Alnewie ib. 127. 1218, 1226 Alncivic
ib. 134, 159, 34. 1226 Hawmvic ib. 34. 1244 Annewic
ib. 447. 1297 Äbmviß C. C. R. II, 470. 1307 Ahieivik
C. C. R. III, 87.
50. BcrwicJc-iipoJi-Tiveed, Hafeuort, 57 ^ 2 s. 0. von Edinburgh.
— 1217—1240 Beroivic Pa. R. 122 öfter. 1277, 1279, 1281
Bcreiviß Pa. R. 235, 331, 448. 1277 Bcrwich Pa. R. 246.
51. BerwicJ: Hill, Stadt, S.-Northumb., 61/2 s. von Morpeth.
— 1311 Berewyc C. C. R. III, 184. 1346 Parva Bereivih
F. A. IV, 57. 1346 Bcrivyk ib. 58. 1428 Bercivic super
Montem. ib. 80.
52. Neiü BeivicJi, Stadt, 3 w. von Eglingbam. Old Bewicl;
Dorf, 3 n. w. von Eglingbam. 1253 manor of Beivijh
C.C.R. 1,416. 1271 Beitnßh, Beivic ib. II, 170, 172. 1428
Beivtß F. A. IV, 79.
53. Brotherwick, Stadt, 6 s. 0. von Alnwick.
54. CheswicJc, kl. Dorf, 41/2 s. 0. von Berwiek.
55. Bemvich, Stadt, IV2 0. von Alnwick. 1307 Denewic
C. C. R. III, 87.
56. Eachwich, Stadt, 91/2 n. w. von Neweastle. 1307 Ecfiewyh
C. C. R. III, 83. 1346 Echewie F. A. IV, 54, Echewyh ib. 55.
1428 Echeivyc ib. 85.
57. ElstvicJi 1, Stadt, nahe Neweastle- lipon -Tyne. — 1271
AUistvik, Alesivycha C. C. R. II, 172, 170. 1428 ElstwyJc
F. A. IV, 79.
58. ElivicJö, Stadt an der Küste, 2 n. e. von Beiford. — 1346
Ehvyl; F. A. IV, 64 f. 1428 EhvyJc ib. 87.
59. Fenwich 2, Ort, 9 n. 0. von Hexam. 1346 Fennetvyk
F. A. IV, 54.
60. Fenwicli 3, Dorf, 5 n. w. von Beiford. 1346 Fynnewyh
F. A. IV, 64.
61. GothericTi, nach Pa. R. — 1281 GateristvyJc Pa. R. 448.
62. Goswick, Küstenort, 6 s. 0. von Berwick-iipon-Tweed.
63. Haiüich 1, Ort, 7 0. von Bellingbam. 1346 Hauwyk
F. A. IV, 54.
64. HowicJc 1, Dorf nahe der Küste, 6 n. 0. von Alnwick.
1230 Haivic Pa. R. 443. 1346 HoiviJc F. A. IV, 68. Hoivyk
ib. 76. 1428 Howyk ib. 78.
361
65. LoivicJc 2, Dorf, 9 u. w. von Heiford. — 1277 Lowick Pa.
R. 235, Lomß ib. 246. 1291 Loinß C. C. R. IT, 382. 1346,
1428 Loivyh F. A. IV, 64, 87.
66. Moriviclc 1, Ort, 2 s.w. von Waikworth. — 1167—1168
Morewic Fi. R. 171. 1186—1188 Morcwich ib. 86. 1346
Moreinjh F. A. IV, 57.
67. Oshoru-yh, nach F. A. IV, 69 (1346).
68. Prenclwick, Ort, 1 n. von Alnhani. 1346 Prcndeiiijk
F. A. IV, 72. 1428 Prendicyk ib. 89.
69. Prestivick 1, Ort, 6'/., n. w. von Neweastle. 1270 Prest-
ivik C. C. R. II, 147. 1346, 1428 Presticyk F. A. IV, 58, 80.
70. Saltivick, [Sorltiek], Ort, 3 w. von Stanniugton. 1346
Salticyk F. A. IV, 59, Saltchjk ib. 60.
71. Tretvick, Ort, 3 s. o. von Bolam. 1346 Treivyk F. A. IV, 59.
72. Wahvick, Ort, 3 n. von Warden. 1262 WaUcivick C. C. R.
II, 41.
Durhara.
73. Butterwick 4, Ort, 2 n. o. von Sedgefield. Boldon Book:
Butencyk.
74. Elivick 2^ Dorf, 8 n. von Stockton. Elwiek Hall, 9 n. o.
von Stockton. — 1237 f. (V) Elseiuick Pa. R. 213, Elneivyk
ib. 207.
75. Hardivick 17. Ort, l^'o n- von Monk Hesledon. — Boldon
Book: Herdewic, Hcrdeivyk. 1270 Hcrdeicyk C. C. R.
II, Ulf.
76. Huiitvick, Kirchspiel, 2 w. n. w. von Aiickland St. Andrew.
Boldon Book: Huneivyc.
11. Muggleswick, Ort, 9 n. n. o. von Stanhope. — Boldon
Book: Muglyngaic. 1270 Mudingivyke, Muclingivik C. C. R.
II, 141. 1300 Miiclingivyk ib. 484.
78. Southwick 4, Ort, 1 n. w. von Sunderland.
79. Westwick 3, Ort, 2 s. o. von Barnard Castle.
80. Whickham, Stadt, 31/2 w. 8. w. von Gatcshead. 1312
Quicham C. C. R. III, 193.
Cumberland.
81. Kelsick oder Kelttvick, [Kelsick], Ort, 2 d.w. von Wigton.
82. Kesiüick 1, [Kezzick], Ort, 13 0. s. 0. von Cockermouth.
1276 Kesewik in Derwentfelles C. C. R. II, 200.
362
83. Ben wich, Dorf, 11 u. o. von Penritli.
84. W'üricicJc J2, Dorf, -l o. vou Carlisle. 1088 die Kirche
St. Leonard als „ Warthe/vicJc cliapel " der Abtei St. Mary
zu York übergeben. 1308 WartheivyJc C. C. R. III, 116.
85. Warwiclc Bridge, Dorf, 5 o. von Carlisle.
86. Wickham 2 oder Whicham, Kirehsp., 4 s.w. von Bootle.
— D. B. Witingham. 1290 Wyünglmm C. C. K. II, 365.
1308 Witingham ib. III, 117.
87. Wigto7i 1, 11 w. s. w. von Carlisle. — 1202 Wigcto7i
C. C. R. IL 40.
Westmoreland.
88. Biowich Bay, Teil von Ulleswater, 1 u. von Patterdale.
89. Butter ivich 5, Ort, 71/0 s. von Penrith.
90. Frostüich, ein „peak", 12 n. w. vou Kendal.
91. Kearstwich, Ort, 1 n. w. von Kirkby Lonsdale.
92. Sandivich 1, Ort am Ulleswater, 3 n. 0. von Patterdale.
93. Sedgivich, Dorf, 4 s. von Kendal.
Yorkshire.
A. North Ridiug.
94. Inglehy Barwich, Ort, 3 n. n. 0. von Yarn.
95. Butter ifich 3, Ort 4^2 s. w. von New Malton.
96. Earsivich, Dorf, 4'/2 n. vou York,
97. Holwich, Dorf, 11 n. w. von Barnard Castle. 1251 Hole-
tvic C. C. R. I, 367.
98. Haihurn Wyhe, „narrow glen" an der Küste, 6V2 n. w.
von Searborough,
99. Kepu'ich, Dorf, 8 n. 0. von Thirsk. — D. B. Chipmc.
1165—1166 Chepewich Pi. R. 44.
100. Osbaldwich, Dorf, 2 0. von York. — D, B. Osholdeswic.
101. Runstvich, Fischerdorf an Runswiek Bay. 1290 Rise-
u-yh C. C. R. II, 356. 1308 Risewic C. C. R. III, 114.
102. Stanwick 1, Dorf, 8 w. von Darlington. D. B. Stenwege,
Steiiuueghe, Stemme ghes.
103. Wyheham, Dorf, 7 s. w. von Searborough. D, B. Wicha\
363
B. West Kidiug
(weitere Belege bei Moormau, F. W., The Place-Namcs of ihe
West Riding of YorJcshire, 1910).
101. Äppletreeu'icJi, [Applewick], kl. Dorf, 8' ^ ö. o. von
Skipton. D. B. Äpictreimie. 1272 — 1281 Appcitreivyk
Pa. R. 405. 1278 ÄppeltreiciJc C. C. K. II, 208. 1310
Appeltreuiß ib. III, 166. („Der Wohnort beim Apfelbaum"
nach Moorman.)
105. AiisticicJc, Dorf, 4 n. w. von Settle. D. B. Ousieuuic.
1304 Oustivyh C. C. R. III, 38 (nach Moorman = eastern
village, nach altnord. austr.).
106. Adwich - up on-D earne , [Addick], Dorf, 8 s. w. von
Doncaster; Kirche aus 11. Jh. — 1280 Addeivylce, Adeivyh
C. C. R. II, 234.
107. Ad/vickle-Street, Ort, 4 n. w. von Doncaster. — D. B.
Adeuuic. 1269 Adeicic C. C. R. II, 120. 1291 AtheicyJc
ib. 388 (nach Moormau = Adaiuclc, Addas Wohnort).
108. Barnoldswick, [Barnowic, Barlic], Ort, 7V2 s. w. von
Skipton.
109. BarwicJc-in-Elmet, 7 n. o. von Leeds. D. B. Bercuuic.
1228 Bereivic Pa. R. 216. 1249 BerewicJc C. C. R. I, 346.
1251 Bereivih C. C. R. I, 367, BercivycJc ib. 357 (= barley
wich, Moorman).
110. CreswicJc, Ort, 2 s. w. von Ecclesfield.
111. CowicJc 1, Ort an Don, 6 w. von Goole.
112. DiuiJceswick, Ort, 6^0 w. von Wetherby.
113. UldivicJc, Dorf, 1 n. o. von Bingley. D. B. Edclesuuie,
(Helgi's oder Helgas Wohnung, Moorman).
114. Fenivylc 1, Ort, 6 s. w. von Snaith. 1165 — 1166 FenicicJc
Pi. R. 45. 1249 Femcyc C. C. R. I, 342. 1252 Fenifyl
ib. 357.
115. Giggleswick, Dorf, 8 s. o. von Ingleton. 1253 Gikeswik
C. C. R. I, 432, (skand. gigl, cf. Björkman p. 153. Dies
Adj. als Spitzname gebraucht, der Ort also = Gikkels
Wohnung. Moorman).
116. Cojjt Heivick, Ort, 2 s. o. von Ripon.
117. Bridge Hewick, Ort, 2 o. von Ripon. (Moorman: für
116 und 117: heah wie, hoher Ort).
364
118. HuntwicTc, Ort, 5 o. s. o. von Wakelield. 1280 Hunte-
ivyles C. C. R. II, 234.
119. IIccJcmo7i(hviJce, Kirchspiel, 2 n. w. von Dewsbury.
(Moorman: Hecnninds 'SYohmmg. Hecmund ae. nielit belegt.)
120. Hardivich, East, Kirehsp., 21/2 s. s. 0. vou Pontefraet.
HardwicJc, West, Ort, 4 s. w. von Pontefraet.
121. HardwicTc 20, Ort, 1 n. 0. von Aston -with-Augliton. —
D. B. Hardiiic, Ärdmcic. 1251 Herden-yJc C. C. R. I, 357.
1252 Hcrdivyh ib. 404. 1280 Hcrdeivilce ib. II, 234, (nach
]\[oorman == Hardulfesiuic oder Heardivulfesivic auf Grund
D. B.-Form [?]).
122. East KeswicJc, Dorf, 4 s. w. von Wetherby. D. B.
Chesvic, (Moorman: the eheese favm).
123. Kildivicl', Dorf, 5 n. w. von Keighley. D. B. Chüdeuuic.
1257 Kyhvyl C. C. R. I, 462, (Moorman: anord. Kelda
„Quelle" + ivlc'i).
124. Morivich 2, Dorf, 5 n. 0. von Leeds.
125. Nuntvidc-tvith-Hoivgrave, Dorf, 2 n. von Ripon. —
D. B. Nonneivic. 1165 — 1166 ISiunneivk. 1283 Nunetvih
C. C. R. II, 265, (Moorman : Wohnung der Nonnen).
126. Snaith and CoicicJc, kl. Stadt, am Aire, vgl. Beleg 111.
127. Todicich, Dorf, 8 n. w. von Worksop. D. B. Tatevvic.
1232 Taleivic (sie!) C. C. R. I, 146. 1300 Toteict/h ib.
II, 489. 1316 Tateivich C. C. R. III, 302. (Moorman:
Wohnung des TataT)
128. W igt 011 2, Dorf, 6 n. von Leeds.
129. Wihe 2, Dorf, 8 s. 0. von Otley. — D. B. Wie. 1285
WyTc? C. C. R. II, 284.
130. Wihe 1, Dorf, 4 0. n. 0. von Halifax. — D. B. Wiche,
(Moorman: village).
131. Wighill, Dorf, 21/.2 vou Tadeaster.
132. WestivicJc 2, Dorf, 3 w. von Boroughbridge. — D. B.
Westuic. 1162 — 1163 Wcstwic Pi. R. 51, (Moorman: the
tvestern village).
133. Yorh, Hauptst. von Yorks., vgl. Bradley, Engl. Pl.-Names
S. 19 f. — 189 Senerus ge endode on Eoferwic, Sax. Chr.
S. 10, römisch Eboracum. 675 uEfenvic Sax. Chr. 680
Eorfenvic Cart. Sax. I, 80. 948 Eoforivic, Heoforivic Sax.
Chr., Zeit Edw. I. Eofenvicscire, Kemble, Cod. 1343.
36
o
10G5 Eaforivic Sax. Cbr. 1070, 1125 Eferivic. 1138
Euenvic, Euorwic. 1166—1167 Euerwichscr Pi. K. XI, 77.
1169 — 1170 Eueru-ich Pi. R. 35, Euerivicscr' Pi. R. 35.
1308—1326 Evenvic C. C. R. III, oft.
C. East Riding.
134. ÄtwicJc, [Attie], Kirchs})., 3 n. von Hornsea.
135. Buttern-ich 2, Dorf, 10 n, von Driffield. — D. B. Biäruic.
1308 Butratvic. 1310 Buttermß C. C. R. III, 114, 167.
136. Burstivich, [Böstweek], Kirchsp., 9 o. von IIull. — 1280
Bursiiiih Pa. R. 380. 1292 Bursimcl C. C. R. II, 424,
1308. 1309 Brusüvych ib. III, 131.
137. BestvicJc 1, Dorf, 6'/., n. w. von Beverley. — D. B. Baseivic.
1261 Beseu'ih C. C. R.' II, 37.
138. Beirick, Dorf, 7 s. o. von Hornsea. — 1196 Bewic Pi. R.
152. 1299 Bewiß C. C. R. II, 476.
139. Hidton Cranswich, [Cransick]. Dorf, 3 s. von Driffield.
— D. B. CransuuiCj Cranzvic. 1165 — 1166 Gafr' de
CranJceivic oder Cranclieivic Pi. R. 44. 1228 Crans2vic Pa. R.
208. 1292 Craunceicik, Craunswich CG. E.U,i27. 1310
Craunceivyh C. C. R. III, 166 (hierzu käme Cransiviclc, 3 8.
von Driffield).
140. Cattuick, [Cattick], Dorf, 13 n. n. o. von Hüll. — D. B.
Catingeimic, Catinvvic. 1230 Catteivyk C. C. R. I, 110
(Anm.). 1292 Catwik C. C. R. II, 426.
141. Elstermvick {Elstronivick), Dorf, 4 n. o. von Hedon.
142. Etherdtvick, Dorf, 7V> n. o. von Hedon,
143. Kilmvick, or Kilnuick-on-tlie-Wolds, Dorf, 7 s, s. w,
von Driffield, — 1300 Külingu-yk C. C, R. II, 489. 1304,
1307 Killingivyk C. C. R. III, 41, 83.
144. Kilmvick Percy, Dorf, l'/2 ^- o- von Pocklington. —
D, B. Chelingetvic. 1194 — 1195 Killingeivick Pi, R, 21.
1232 KiUingivic Pa. R. 516, 1253 Killirign-yk C, C, R.
I, 418. 1300 Killingeu-ik C, C, R, II, 481,
145. Nesivick, Dorf, 5 s, w, von Driffield.
146. Oicsttcick, Dorf, li/o n, w. von Roos. — D, B, Ousteimic.
1272 Oustivyk C. C, R, II, 182, 1285 Oustwike ib. 308.
1292 Oustewik ib. 427, 1297 Ousfemjk ib, III, 469. 1318
Oustewyk ib. III, 392,
366
147. Smithu-ich Shoal, Sandbank in Rridlington Bay.
148. Sunderlandivich, Dorf, 1 s. von Driftield. — D. B, Sundre-
lanuuic, Sundreslanuic. 1308 SundarlandaKic C. C. R.
III, 115.
149. Wclwich, Dorf, 2 s. o. von Patrington. — D. B. Wehiuic.
150. Wither7iu'iel-, Dorf, 12 n. w. von lluU. — D. B.V Wid-
fornevvic, Widforneuuinc. 1292 Withormvike C. C, R.
II, 426.
151. Barlawieh, nicht bei Cassell. — D. B. Bernulfesivic.
152. East Witton. 1227 EsUvidon Pa. R.
153. Yarnwich near Kirhlmgton, nicht bei Cassell — 1296
Yarneivylc C. C. R. II, 465 (als „depopulated" bezeichnet).
1317 Yarnewyl ib. III, 363.
Lancasliire
(Belege zum Teil und Erklärungen nach Wyld-Hirst, a. a. 0.).
154. Ardivicli, nahe Manchester. — 1282 Atherisivylce. 1502
Ardeivyh, (Bedeutung: yEöeles-ivic, Wechsel zwischen
l und r, vgl. Zachrisson 142).
155. Beswich 2, nahe Manchester. — 1327 Bexivylc. 1360
Bexivih. 1530 Bexwike (erklärt als: the place of Bece
or Becca).
156. Blotvich, Higher und Lower, Dürfer, 2 o. von Southport,
w. Lancs.
157. BortvicJc, Dorf, 2 o. von Carnforth, N.-Laucs. — D. B.
Bereu'ic. 1272 Bereivylce. 1316 Berivicke. 1522 Barwyh.
1597 Boriviche. 17. Jahrh. Barwiche, Borwicic, {bere-ivic
= harley tviclc).
158. BorzvicJc Groicnd, Dorf, 1 n. von Hawkshead, N.- Lancs.
159. ChadtvicJc 1, Dorf, Vj^ vr. von Rochdale, S.-O.-Lancs.
— 1329 Chadeicyle. 1369 Chadetvyh (= the abode of
Chadd).
160. ChadtvicJc Oreen, Ort, 3V4 s. von Billinge, S.-W.-Lancs.
161. Elsivich 2, Ort, 41/2 d- von Kirkham, Mitte Lancs. —
D. B. Edelesuuic. 1303 EUestviß F. A. III, 83. 1346
Etheleswyh ib. 87. 1431 EUeswyl ib. 95. 1159—1164
Hedthelsiwic (nach Wyld) vereitere Belege bei Wyld-Hirst
p. 118.
367
162. Fishwiclc 1, Vorstadt von Preston, N.-O.-Lancs. — D. B.
Fiscuie. 1202 Fisiric. 1203 Fishric. 1225 Fischivic.
1252 Fiswic. 1303 Fissheivß F. A. III, 84. 1311 Fysshe-
inßc. 1320 — 1346 ffysslmvylce. 1346 Fisslmvih F. A.
III, 91. 1506 Fisshetrili, FisshiriJc (= the abode of
Fish, wo Fish Personeunaine; kann aber auch das Tier
bedeuten).
163. Olodtvich 1 und 2, Kirchspiele, nahe Prestwich, S.-O.-
Lanes. — 1246 — 1247 Glothicke. 1307, 1347 Glotheyk.
1540 Glodyth, Glodethe.
164. Hon-icJc 2, Dorf, 3 s. w. von Preston, W.-Lancs. —
1096—1122 Hokcwike. 1149 Homica. 1202, 1210 Hocwic.
1256 Hocu-yl: 1322 Hogivihe. 1323 Hougiryh. 1292,
1329, 1373, 1431 Hoghwyh. 1506 Houghiiih, Hogwik,
daneben aber: 1335 Howick, (= the wick of Hoc).
165. Hortvich, Stadt, 5 w. n. w. von Bolton, S.-Lancs. —
1254 Horeu-iche. 1332 Horeicich. 1332 Horwiche. 1346
Horeivych F. A. III, 89, (ae. horu + ivic = dirty place).
166. KiUerwich in Monsell, u. w. von ülverston. — D. B.
Chiluestreuic.
167. LowicJc .->, Ort, 5 n. von Ülverston, N.-Lancs. — 1202
Lofwic. 1256 Lotvyh (ae. Lufa, Lufii, Frauenname + tvlc).
168. Presttvich, 4 n. w. von Manchester. 1193 — 1194 Prest-
tvich. 1200 — 1202 Presticic. 1292 Presimjch. 1311
Presticych (= the priest's abode).
169. SaUvich, Ort, 6 w. von Preston, N.-Lancs. — D. B.
Saleuuic. 1200—1201 Salewic. 1256 SaUeivyke. 1320
— 1346 SahvicJce. 1662 Salwicke. 1678 SohvicJc, daneben:
1562 Saivick. 1630 Satvicke. 1072 Soivick {= salig-ivic
= u'illoirwick).
170. Urszvick, Dorf, 3 s. von Ülverston, N.-W.-Lancs. — 1189
Hursetvic. 1202 Urstvic. 1198 — 1208 vrsivic, Ursewich.
1277 Ursivyk. 1285 Urstvyke. 13. Jh. Ursetvyk, Urseivik.
1346 Vrsu'icke. 1460 Ursetvyk, daneben 1283 Hurst ivicke.
171. Wintvick 1, Dorf, 3 n. w. von Warrington, S.-W.-Lancs.
— D. B. Wy7iequic. 1169—1170 Wmequich. 1170—1172
Wi7ie(ßiic (diese Belege Wyld's in Personennamen! Pi. R.
69—71, 53, 70-71, 30, 71—72, 64, 65). 1184—1185
368
Winewich. 1192 Wynetvicl, WyneiiMh. 1200 — 1201
Wiiiequiq. 1208 Wenequec. 1227 Wynquic (= the dwell-
ing of Wineca).
172. Pi<?Z Tr?/Ä;e Bay, Bucht am Westufer von Windermere,
N.-W.-Lanes., 1^/2 s. s. w. von Ambleside.
Cheshire.
173. D. B. Cepmundeiviche = Chap-mones-wyk = trades pro-
tection town in einer Urkunde Edw. III, vgl. Transl. of
D. B. relating to Cheshire and Lancs., by Beaumont,
ehester 1882, p. 57, ne. nicht belegt.
174. Keckivich oder Keketvick, Dorf, 4^-2 s. w. von
Warrington, N.-Cbesh.
175. Leftu'ich, Vorst. von Northwich. — D. B. Wice.
176. Middlewich, Stadt, 41/2 n. w. von Sandbach, Mitte Chesh.
— D. B. Müdestvic, MUdestvich. 1275, 1277 Middleirich
Pa. K. 111, 246. (Das D. B. bezeugt hier Salzquellen.)
177. Kant wich, anciently Wich Malhank, Stadt, 41-2 8. w. von
Crewe. D. B. Wich (in quo erat puteus ad sal faciendum).
1246 IT7c C. C. R. I. 310. 1253 Wycus ib. 428. 1277 de
Wychio Mauhayn Pa. R. 233. 1283 Wych Mauhaunk C. C.
R. IL 265. 1285 Which Mauhan ib. 293.
178. Northwich, Stadt, 11 s.o. von Warrington. D.B.iSl'orwich
(Salzquelle durch D. B. bestätigt). 1276 Wich C. C. R.
II, 199. 1277 Northivich Pa. R. 246.
179. Castle Northwich, Vorstadt von 179.
180. Shotivick, Dorf, 7 n. w. von ehester, W.- Chesh. — D.B.
Sotoiviche. 1278 Shoiwick Pa. R. oft. 1312 Shotetvyk
C.C.R. III, 202 f
181. Smethtüick 2 = Brereton-cum-Smethwick, Dorf, 3 n. 0.
von Sandbach, Mitte Chesh.
182. Wichaugh oder Wychough, Dorf, 1 s. von Malpas,
S.-W.- Cheshire.
Shropshire.
183. Great Berivick, Ort, 2 n. w. von Shrewsbury, N.-Shrops.
D.B. Beretvic. 1245 Peretü/c C.C.R. 1, 132. 126h Bereicik
ib. II. 57. 1284/85, 1316 Bereivyk F. A. IV, 216, 230.
184. Berwick 2, auf Karte B.-Maveston, 3'/4 s.o. von Shrews-
bury, N.-Shrops. — D. B. Bereivic. 1284/85 Berewyke
360
F. A. IV, 219. 1346 BenviJc ib. 236. 1428 BerewyJc ib. 247.
1431 Berewiße Mavesin ib. 269.
185. Duddleivick, nach F.A. 1184/85 Dodelewyl:, F.A. IV, 218.
186. Eastwich 3, Dorf, 21/2 n. w. von Elleemere, N.-Shrops.
187. HardivicJc 13, Dorf, 2 w. von Ellesmere. 1284 Herdewy'k
C. C. R. II, 278.
188. Hardwich 14, auf Karte HardtvicTce Orange, 5 n. n. 0. von
Shrewsbury. — 1320 Hanlwiclc, C. C. R. 111,426.
189. HardivicJc 15, 3 n. 0. von Bishops Castle, S.-Shrops.
190. Keiiivicl', Kenivick Wood, KemvicJc Park, Kenivicl: Lodye,
Dörfer, 3 — 4 s. von Ellesmere.
191. Ledivich, Dorf, 5 n. 0. von Ludlow, S.-Shrops. (auf Karte
Upper LedivycJie [sie!] und Lower Ledwyche [sie!] 1 0. von
Ludlow). D. B. Ledewic. 1284/85 Ledeivkh F. A. IV, 223.
1290 Ledeivych C. C. R. II, 382.
192. Mucklewick, 5 n. 0. von Chureh Stoke, W.-Shrops. —
1316 MMelweye F. A. IV, 232.
193. Wigtvig in Mueh Wenlock (nach F. A.) D. B. Wigeivic.
1316 Wygelivyl- F. A. IV, 232.
194. Wistansiüick, Dorf, 2 n.o. von Stoke-upon-Tern, N.-Shrops.
— 1285,'86 Wystaneswyk F. A. IV, 220.
195. Das D. B. erwähnt noch Wiche, N.-W.-Shrops. uud£'/mM?i(?e-
wic, S.-E.-Shrops.
Staffordshire.
(Erklärungen und einige Belege nach Duignan,
Staffordshire Place Narties).
196. Basu'ich oder Berksuich, Dorf, 2 s. 0. von Stafford. —
D. B. Berchesicic. 1259 Berkeivic C. C. R. II, 18 (A. S.
Personenname Beorcol + tvic, „village").
197. Bloxwich [Bloxidge], Dorf, 3 n.w. von Walsall, O.-Staffs.
— D. B. Blochesivic (die Endung nach Duignan = ae. wie).
198. West Bromivich [Brumidge], Stadt, 6 n.w. von Birmingham.
— D. B. Bromu-ic. 1228 Bromivich Pa. R. 224. 1232
Bromwico ib. 524; nach Duignan: 12. und 13. Jahrh.
Bromivic, Bramivic, West Bromwich, Bromicych (ae. bröm-
ivic = „village in the broom").
199. Calwich, Dorf, 71/2 n. 0. von Uttoxeter, N.-Staffs. 1314
Caloivic C. C. R. III, 278.
Studien i, engl, Pbil, L. 24
370
200. Colwieh, Dorf, 6 s. o. von StaflPord, W.-Staffs.; nach
Duignan: 11G6 Caleiricli, 13. Jahrh. Colewicli, Cohvych, oft.
Endung = ae. tcic, Dorf.
201. Fishcru-icl-, Dorf, 4 o. von Liebfield, S.-Staffs. 1166/67.
Flscendc Pi. K. XI, 54. 1284, 85 Fissernilc F. A. V, 8
(= „the fislierman's village").
202. Gratwich, Dorf, 4 s. w. von Uttoxeter. D. B. Oratewiche.
1317 Gretewych C. C. R. III, 367. 12. Jahrh. Grotewich.
13. Jahrh. Gretewyc (ae. grcat + wTc, = „great village").
203. Hammertvich, Dorf, 3 s.w. von Liehfield. D. B. Duae
Hamenvich. 1166/67 Ham'wicK Pi. R. XI, 53. 12. Jahrh.
Hamerwich, Hameriviche. 13. Jahrh. Homerivich (probably
„Homa's village").
204. HardeivicTx, Dorf, 2 n. w. von Sandon, W.-Staffs. —
1317 Herdeimß C. C. R. 111,367.
205. Milwich, Dorf, 5 s.o. von Stone, Mitte StafFs. — D. B.
Meleiviclie. 1166/67 MuleivicK Pi. R. XI, 53. 1304 und
1313 Meleuyche C. C. R. III, 45, 219. 1284/85 Meluyz F. A.
V, 4. 1316 Mulemch ib. V. 12 (probably „the Mill village";
it may be wich, a salt spring, as it is 3'/2 ui. only from
Salt, where salt Springs exist).
206. Shirleywich, Dorf, 1 s. o. von Weston-ou-Trent, Mitte
Staflfs. (auf Karte Wichdon Lodge).
207. Smethivich 1 [Smerrick], Stadt, 3 w. von Birmingham. —
D. B. Smedeiüich. 1232 in Smethewico Pa. R. 524. 1284/5
Smeyeuih F. A. V, 7 (lies y = th, wie vielfach im Me.).
Ae. und me. smethe „smooth", flat. + tele, village „the village
on the piain."
208. Wich7i07', Dorf, 6V2 n- o- von Liehfield. — D. B. Wicenore.
1284/5 Wychnor F. A. V, 7. 1290 Wichenore C. C. R. II, 342.
1316 Wychenouere F. A. V, 15. 1428 Wychenore, Whiche-
nore ib. 21,23. 11. Jahrh. (nach Duignan) Htviccenofre.
209. Wighttvicli, Dorf, 3 w. von Wolverhampton. — D. B.
WisteU'ic. 13. Jahrh. WystetvyJc, Wytetvylc {zweiter Bestand-
teil = „village").
210. Wigginton, Dorf, 2 n. von Tamworth, O.-Staffs. (vgl.
dazu Duignan unter Wiclcen, wonach Wicken, Quicleti,
Wiggin ein Dialekt word Nordenglands ist =■ Bergesche).
371
Derbysbire.
211. Greenivich 2, Dorf, nahe Ripley, S.-Derbs.
212. HardwicJ: .s [Hardiek], Dorf, 6Vj s. o. vou Chesterfield,
O.-Derbs. — 1271 Herdmyh C.C.R. II, 1G5.
213. Parn-ich [Parritcb], Dorf, W.-Derbs. — D. B. Pevreivic.
1431 Peruiche F. A. I, 295.
214. Swamvich 1, Dorf, IV2 s. von Alfreton, O.-Derbs.
Anm.: Ne. Pinxtoyi im D. B. = Esvotreivic, in Wnlfric Spot's will
= Snodswic. Ne. uiclit identifiziert: pasture called „Wethertvik" i7i
WirksKorth, Derbs. 1272 81 Pa.R. :i31 und Fenewick, 1251 C.C.R. 373.
Nottingbamshire.
215. Cohvicl- [Colliek], Dorf, 2 s.o. von Nottingbam. — D. B.
Coleivic. 1302,03 Colwyh F. A. IV, 9G. 131G Cohvyk and
Over CohryJc ib. 105. 1346 Coleicyk ib. 113. 1428 Cohii/k
ib. 128, 141.
216. KirJihy Hardwich in Worksop (nacb C.C.R.). Karte:
4 8. w. von Mansfield. — 1232 Herdeivic C. C. R. 1, 165.
1286 HerthenyJc ib. II. 330. 1316 Herthwicli, Herthetvich,
Herdeivic, Hertivic, Herhivic C. C. R. III, 295, 303.
217. Papplewic'k, Dorf, 7 s. von Mansfield. WQQjQl PapetvicK
Pi.R. 135. 1168,69 Pajje^iWr ib. 95. 1247 Paj;e??a7^ C.C.R.
I,.315. 1316 Papelivich C.C.R. III. 316. Papuhvyk F. A.
IV, 110. 1428 Papihnß ib. 141.
218. SlosivieJc, Dorf, 3. s. w. von Worksop. 1316 Slastcyc,
Slasivic C.C.R. III, 295 f.
219. Wigsley, Dorf, 1»/.. von Thorney, O.-Notts.
Lineolnshire.
220. Anwiclc, Dorf, 4'/2 d- 0. von Sleaford. — D. B. Amuinc.
1228 Ameivlc Pa. R.'220. 1303 Ämnyk F. A. III, 154. 1316
Ameivyk ib. 190. 1326 Ameivyk C. C. R. III, 493. 1346
Anuvil- F. A. III, 205.
221. Butter ivich 1, Dorf, 4 0. von Boston. — D. B. Butreuuic,
1271 Butterwyh C. C. R. II, 174. 1284/5 Buterwih F. A.
111,370. 1303. 1346 Boterivyh F. A. III, 163. 241. 1316
Boteriüik ib. 184.
222. East und West Biitterwiclc, Dörfer, 5 n. 0. von Epworth,
N.- Lines. — D. B. Butruic. 1316 West ButferivyJc F. A.
24*
372
III, 185. 1401/2 Botenvyl ib. 248. 1431 West Butterwylc
ib. 364.
223. Canwicli, Dorf, l'/2 s.o. von Lincoln. — D. B. Caneuuic,
Canvic. 1252 Ccmeivich C. C. R. I, 383. 13. Jh. Kanewil:,
Camriß C.C.R., F.A. oft. 1401/02 Cauneivyh F. A. 111,251.
224. Asivich Grange (Karte) S.- Lines., 7 s.o. von Spalding.
225. Caseu-ic7:, Dorf, 3'/4 n. o. von Stamford, S.- Lines. — D. B.
Casvic. 1275 CasetvyJc Pa. R. 81. 1292 Caseivik C. C. R.
II, 413. 1303 Tatewyh {rectius Casen-ylS) F. A. III, 166.
Caseniß \h.\10. 1346 Casse?t?/Z; ib. 213. l^^lß Cassewyh
ib. 253.
226. Oartvicli, Dorf, 5'/2 s- o- von Sleaford.
227. HardwicJc Grange (Karte) 5 w. s. w. von Boston.
228. HardwicJc 6 [Harriek], Dorf, 7 w. n. w. von Lincoln. —
D. B. Harduuic. 1284/85 Hardivyk F. A. III, 366. 1294
Hertheivyk C. C. R. II, 455. 1316 Hertheivyl F. A. III. 187.
229. Seopn-ick [Scawby], Dorf, 9 n. von Sleaford. — D. B.
Scapeuic, Scapiiic. 1170/71 Scapwic Pi. R. 108. 1225
Scajmvic Pa. R. 72. 1284/5 SMpetvüe F. A. III, 368. 1303
Scau2m-yJcib.l4:b,170L 1316 Scauj^eivyJi ih.l90. 1346 Scaup-
wik ib. 201, Skaupetvik ib. 213. 1401/2 Sconpivyk ib.250f.
230. Wickenby 6V2 s. von Market Rasen. 1252 Wykingby
C. C. R. I, 383. 1261 Wykyngeby ib. IL 36.
231. Wigford, Lines, (nach C. C. R.) 1279, 1281 Wykeford C. C. R.
II, 222, 249. 1291 Wickeford ib. 391. 1317 Wickford,
Wyckford, Wycheford ib. III, 364 f.
232. Wigtoft, Dorf, 3 s. 0. von Swineshead. 1228 Wyketoff,
Wiketoft Pa. R. 206. 1316 Wyketoft, Wiketoft C. C. R.
III, 319 ff.
233. The Wykes (Manor House), 8 s.w. von Boston (Karte).
1241 Wikes C. C. R. 1, 259.
234. East Wykeham, Farm, 7 w. von Louth (Karte: Wykeham
Hall). — D. B. Wichä. 1252 Wykham C. C. R. I, 392.
1303 Wykeham F.A. III, 158. 1316 Est Wykham ib. 178,
Wikham ib. 182. 1346 Wicham ib. 233. 1428 Wycham
ib. 296. Est Wykeham ib. 318.
235. West Wykeham, Lines, (nach F. A.) 1316 West Wykham
F. A. III, 178. 1428 West Wykeham ib. 318.
236. Wykeham, Dorf, 31/2 n. 0. von Spalding.
373
Norfolk.
237. uLshwic/cen, 5 o. von King's Lynn. — D. B. IVice. 1271
La WiJce C. C. R. 11, 168. 1302 Asse Wyki7i F. A. III, 409.
1316 Wi/Jcen ib, 450. 1346 WykcJi ib. 523. 1428 WyJcyii
ib. 583.
238. Barivich 2 [Barriek], Dorf, 9 n. w. von Fakenham. —
D. B. Bereicica. 1195 Bcrcicic Pi. R. 38. 1281 Bencyk
Pa. R. 450. 1802 Bercmß F. A. III, 410. 1316 7 Bereiriek
F. A. III, 452, 369. 1346 Benäc, BerwyJc ib. 516, 523. 1428
Berwyh, Bereicyh ib. 584 f
239. Rcpps-icith-BasttficJc [Barstwick], kleines Dorf, n. w.
von Yarmouth. 1044 47 Bastuic Kemble, Cod. 785. D. B.
Bastuic. 1226 Bastenic Pa. R. 80. 1302 Bastivych F. A.
III, 437. 1316 Bastivylic) ib. 470f. 1346 Bastivyl ib. 519.
1401/2 Bastemjlc ib. 621.
240. Bohciclc Hall (Karte), 6 s. w. von North Walsbam.
241. Cranwieh, Dorf am Wissey, 9 n. n. v\^. von Thetford. —
D. B. Craneivisse. 1302 Carnuyz {Graneiüyz) F. A. III, 426.
1316 Cranetves ib. 459. 1346 Craneicyz ib. 493.
242. Crostwick [Crossiek], Dorf, 41/2 «• o- von Nor wich. —
D. B. Crostivit 1230 Crostvic Pa. R. 329. 1302 CrosUceyth
C. C. R. III, 33. 1316 Crosweyth F. A. III, 474.
243. GoclicicJi, 4 n. von Litcham. — D. B. Gocluic. 1267 Code-
mi- (sie!) C. CR. II, 80. 1271 G^of?es^ac7.' ib. 168. 1308
OodwyJc ib. III, 110. 1316 GodeivyJce F. A. 111,454. 1428
Godivilc ib. 610.
244. Guestv^iek [Gestio], Dorf, 5 n. w. von Reepham. — D. B.
Gegestueit (w. s. w. davon liegt Guist, D. B. Gegesete). 1253
Geysticeyt C. CR. 1,427. 1269 GeysUceyt ib. II, 123. 1302
Gestiveyt F. A. III, 413. 1303 Geistweit C C R. III, 35.
1316 Gesttveyt F. A. III, 466. 1346 Geysticeyth ib. 536.
245. Hardtvick 1 [Haddick], Dorf, 5 n. von Harleston. — D. B.
Herdeivic. 1166,67 ÄerfZe^ac/i' Pi. R. XI, 25. 1316 ifm^-
ivylc F. A. III, 477. 1346 Herdewyl ib. 527. 1428 Hmle-
wiJce ib. 586.
246. Hardtvick 10, Dorf, 1 s. 0. von King's Lynn. 1304 Herd-
u-yck C C R. III, 43. 1310 Herdicyck F. A. III, 450. 1346
Herdewyk ib. 521, Herdeivich ib. 521. 1401/2 Hardeivyk
ib. 613. 1428 Hardivyk ib. 584.
374
247. KcHH-ic/: Hall, nneli Karte, 3 w. von King's Lynn.
248. Kcsiricl-, nach Karte, 5 o.u.o. von North-Walsham. 1319
KesciviJce F. A. Ill, 46G.
249. KcsivicJc 2 [Kessick], Dorf, 3 s.s.w. von Norwieb. — D, B.
Kescwic. 1226 Kesewic Pa. R. 78. 1302 Keswylc F. A. 111,443.
1316, 1346, 1401/2, 1428 Kesavyh F. A. 476, 532, 589, 626.
1318 Kesewilc C. C. R. III, 403.
250. Nor IV ich [Norridgel, Stadt, 20 w. von Yarmoutb. Soll im
6. Jabrbnndert gegründet sein, jedenfalls sebr alt und scbon
])edeuteud zur Zeit der Angelsaebsen. 1004 Nordivic.
1122 Korhtmc. 1130 Noruuic Sax. Cbron. Zeit Knuts:
nordivic Kemble, Cod. 759, Nordwich ib. 947, Northuuicha
ib. 1328. D. B. Nonvic. 12. und 13. Jabrbnndert Norwic\
in Personennamen Norwiz, Noreinjz Pa. R. oft.
251. Oxiciclc, Dorf, 31/2 S- von Falkenbam. — D. B. Ossuic,
1316 Oxewylx F. A. III, 454.
252. Postivick [Possick], Dorf, 4 0. s. 0. von Norwieb. — D.B.
Possuic. 1268 PassewyJc C. C. R. II, 92. 1302, 1316, 1346,
1428 Posseivyk F. A. III, 418, 472, 545, 598. 1401/02 Post-
imß F. A. III, 622.
253. Wattonu'icJc (naeb Karte), S.-Norf., 1 s. von Watton.
254. Westtvick 1 [Westic], Dorf, 2^U »• von N.-Walsbam. —
D. B. Wesiivic. 1316, 1346 Westwyh F. A. III, 467, 484.
1317 Weshvich C. C. R. III, 370. 1401,2 Westivyh F. A.
III, 619 f. 1428 Wesüvylce \h.mi.
255. Wichen (naeb Karte), 5 w. von Fakeubam, N.-Norf.
256. Wich End in Syderstone, naeb F. A. 1302 Sidesterne
Wyh F. A. 111,404, äbnlicbe Form 1346, 1401/2, 1428.
257. Wichhampton, 8 w. s. w. von Yarmoutb. — D.B. Wich-
hamtun. 1302, 1316 Wychampton F. A. III, 437, 472. 1346
Wihamxiton ib. 519. 1428 Wijhhampton ib. 579.
258. Wichmere, Dorf, 9 w. n. w. von N.-Walsbam. — D. B.
Wicmara. 1302, 1303 Wyhemere F. A. 111,389, C. C. R.
III, 38. 1316 Wihemere F. A. III, 462. 1346, 1428 Wyhe-
mere F. A. III, 485, 554. 1401 02 Wyhmere ib. 616f.
259. Wig genhall, 5 s. von King's Lynn. 1270 Wigenhal C.C.R.
II, 155.
260. Witebingbam, Great und Witcbingbam, Little, 10 n.w.
von Norwieb. — D. B. Wittcinyeham. 1196 ivichig'ha'
375
Pi. R. 207. 11. Jahrli. Wichingham , Wychynqham F. A.,
C. C. K.
201. Woodbasf irick [Wood-bas-tie], Dorf, 8 n. o. von Norwicli.
— D. B. Bastuic. 1253 Wodbast(cyk C. CK. 1,431.
Suffolk.
262. Beiviclc Farm (nach Karte), N.-Suflf., 2 w.s. w. von Beceles.
263. Brunsivicli Farm, 5 n. n. w. von Wiekbam Market (nach
Karte).
264. Dun wich, Dorf an der Küste, 4'/.2 s. w. von Soutlnvold.
— Komisch SUomagus. Um 730, Beda: Dommoc. 890
Dommocccaster, Alfr. the Great, Sax. Chr. : Domuc (nach
Ingram a. a. 0.). 1200 Gervasius Domoc. D. B. Daneivic.
12. Jahrh. Dunewic, einmal Duncivich Pi. K. 13. Jahrh.
Dune wie, Donewyc, Dunwych, Donewich Pa. R., C. C. R.
265. IIa rd wich 3, Dorf, 1 s. s. w. von Biiry St. Edmunds.
266. Ipswich [Ips-ich, Ipswieh], Stadt, Hafen! 17 n. o. von
Colehester. — 951 Gypeswich Gart. Sax. III, 210. 991
Gipeswic, Oypeswic Sax. Chr. D. B. "^epeswiz, 12. und
13. Jahrh. Gipesivic, Gipeswich, Gypetvic, Gipeivych oft.
267. ira^&ers^cicÄ-, Dorf, 1 s. von Southwold. 1281 Walherdcs-
wik Pa. K. 470. 1319 Walberdeswike C. C. R. III, 413. 1326
WalberdesivyJcc ib. 483.
268. Wick by Ipswieh (nachPa.R.). 1230 Wyke Pa. R. 403.
1241 Wikes under Gippeswic C. C. R. I, 259. 1262 Wykes
under Ipswieh ib. II, 42, 44.
269. Wicks^s Green (nach Karte), 4 n. von Needham Market.
270. Wieken Hall, auf Karte Wyken Hall und Wyken Lodge,
zwischen Bardwell und Ixworth. — D. B. Wieam. 1168 9
Wicha Pi. R. XII, 24. 1263 WiJces C. C. R. II, 47. 1346
Wikes RA. IV, 71.
271. Wickhambrook, Dorf, 10 n. o. von Haverhill. — D. B.
Wicham. 1172/3 Wieham (?) Pi. R. 118. 1314, 1321 Wyk-
hambrok C. C. R. III, 235, 437. 1316 Wickhambroke F. A.
IV, 45. 1346. 1401/2 Wykhambrok ib. 75, 99.
272. Wickham Market, Stadt, 5 n. von Woodbridge. — D. B.
Wikham. 1253 Wykham C. CR. 1,418. 1304 Wieham
CCR. III, 41. 1316, 1346 Wikham F. A. V, 42, 91.
376
273. Wicl-ham SJccith, Dorf, 5 s.w. von Eye. — 1253 Wuchern
C. C. R. I, 424. 1316 WycJMm F. A. V, 34.
274. Bishops Wicl-s, nach Pa. K. — 1277 WiJces Pa. R. 245.
1191 conuentu de Wilccs Pi. R. 8.
Essex.
275. Ärdlcigh Wich (Karte), 1 w. von Ardleigb, 5 n. o. von
Colchester.
276. Barwich Hall, Karte: Berwich Berners Hall, 8 s. w. von
Dunmow. — 1303, 1346 Berewyh F. A. II, 152, 174.
277. Bertvich Place (Karte), 3'/2 s- w. von Witbam.
278. Berwich 3 (Karte Berwich House), 4 s. s. o. von Romford.
279. Berwich (Karte), 7 n. von Romford.
280. Berwich in To2^pesfield (nach F. A.). — 1428 Berewyh
F. A. II, 230.
281. Braisivich House (Karte), 2 n. von Colchester.
282. Bridgeivich (Karte), O.-Essex, 4 w. von Soutbmiuster.
283. Burnham Wich (Karte), O.-Essex, 1 o. von Burnham.
284. Clacton Wich, O.-Essex, lV-2 s- von Great Clacton.
285. Crustwich, O.-Essex, in Little Clacton. — 1316 Crustwich
C. C. R. III, 307.
286. Buwmow Wich (Kaite), O.-Essex, 1 n. o. von Burnbam.
287. Eastwich (Karte), O.-Essex, 4 s. o. von Soutbminster.
288. Eastwich (Karte), O.-Essex, 1 s. o. von Foulness. Inder
Nähe Eastwich Head.
289. Froivich (Karte), O.-Essex, 3 n. o. von Brigbtliugsea. —
1316 Frothewich C. C. R. III, 307.
290. Furtherivich, S.- O.-Essex, 5 vf. von Soutbend.
291. Harivich [Harridge], Hafenstadt, 18 u.n.o. von Colchester.
— 1229 Herdwic Pa. R. 241. 1253 Heretvyh C. C. R. I, 433.
1275 de Erewico Pa. R. 95. 1319 Harwich C. C. R. III, 414.
292. Hatfield Wich (Karte), 1 n. von Hatfield Peverel, 2V2 S-w.
von Witham.
293. lay Wich (Karte), 3 s. 0. von St. Osyth.
294. Knightstvich (Karte), 5'/2 w. von Soutbend.
295. Land wich (Karte), O.-Essex, 2 n. 0. von Soutbmiuster.
296. Land Wich (Karte), O.-Essex, 6 0. von Soutbend.
297. Lee Wich (Karte), N.-O.- Essex, 2 s. w. von St. Osyth.
298. Loiver Wich (Karte), N.-O.-Essex, 2 s.w. von Harwich.
377
209. Mahl 071 Wich (Karte), 1 s. w. von Maltlon.
300. Middicwick (Karte), O.-Essex, 4 w. von Sdiitliminstor.
301. Monl-wick (Karte), 2 s. von Colchester.
302. Äfo7iJiSwick (Karte), S.-O.-Essex, 7 vv. von Southend.
303. Nase Wick (Karte), O.-Essex, 31/2 s. 0. von Burnham.
304. New Wich (Karte), O.-Essex, 41/2 s. 0. von Burnham.
305. Northivick (Karte), S.-O.-Essex, 8 w. von Soutbend.
306. North Wick (Karte), O.-Essex, 1 0. von Southininster.
307. Pattiswick, Dorf, 4 0. von Braintree. — 124(3 Patcsivyck
C. C. R. T, 292. 1265 Pateswyk ib. IL 55.
308. Ramsey Wick (Karte), O.-Essex, 4 n. von Soutbminster.
309. Steeple Wick (Karte), O.-Essex, 3 n. von Soutbminster.
310. St. Osyth Wick (Karte), 41/2 n. 0. von Brig-btlingsea.
311. Tolleshury Wick Marslies (Karte), 1 0. von Tolleshury.
312. Ulting Wick (Karte), 1/2 s. von Ulting-, 3 n.w. von Maldon.
313. Gt Wakering Wick (Karte), 1 0. von G^Wakering, 6 0.
von Soutbend.
314. Warivicks (Karte), 7 s. s. w. von Great Dunniow.
315. Weatherwick (Karte), 2 s. 0. von Bradwell super Marc.
316. Well Wick, N.-O.-Essex, 1 u. 0. von St. Osyth.
317. Westivick, S.-O.-Essex, 8 w. von Soutbend.
318. Westivick (Karte), 1 w. von Bradwell super Mare.
319. Westivick (Karte), 4 n. n. 0. von Soutbminster.
320. West Wick (Karte), 2 s. 0. von Soutbminster.
321. West Wick (Karte), 6^/2 s. von Maldon.
322. Wicken Bonhunt, Dorf, 5 s. \v. von SaftVon Waiden.
— D. B. Wicam.
323. Wickford, Dorf, 51/2 0. von Billericay. — 991 Wieford
(Aneient Charters). D.B. Wiefort. 1227/8 Wycford Q.Q.U.
1,12,82. 1303 Wycford¥.k.l\,\?,^. 1428 TFz/Ä/onZ ib.217.
324. Wickham Bishops, Dorf, 3 n. von Maldon, In der Nähe
Wickham Place und Wickham Hall. Zeit ^tbelstans:
Picham Gart. Sax. II, 451. D. B. Wicham. 1221, 1303
Wycham Pa. R. 280, F. A. II, 131. 1321 Wykham C. C. R.
III, 435. 1346 Wijham F. A. II, 157. 1418 Wykeham ib. 189.
Wykham ib. 204.
325. Wickham St. Paul, Dorf, 5 n. von Halstead. — D.B.
Wicam (y). 1316 Wykain C. C. R. III, 305. 1428 Wykham
Sancti Pauli F. A. II, 201.
"18
ö<i
326. WicJiS (Karte Wix), 4 w. s. w. von Harwich. — D. B.
Wica. 1196 Wila Pi. R. 181. 1281, 1301, 1303, 1346, 1428
Wykes C. C. R. II, 253, III, 22 ; F. A. II, 129, 154, 190.
327. Great Wighorough und Little Wighorough, 8 s. von
Colchester. — 1303 Wyghenve F. A. II, 132. 1346 Wygge-
berice ib. 158. 1428 Wtßeherice ib. 183, 189, Wyghorive
ib. 228.
328. Gt Wighorough Wich (Karte), 1 s. von St. Osyth.
329. Wiggens Green (Karte), 3 s. von Haverhill.
330. Writtle Wich (Karte), 1 n. von Writtle,
Cambridgesbire
(vgl. Skeat, The Place-Xamcs of Cambridgeshirc, p. 24, 28).
331. Benn-ich, Dorf, 6 s.w. von March {^= village of Bcnna).
332. ChisivicJv End (Karte), 3 n. n. o. von Reyston.
333. Hardivicli 4, Dorf, 4 o. von Caxton. — Zeit Edw. des
Bek. Hardwic Kemble, Cod. 907. 1167/68 Hcrdwic, Herd-
u-ich Pi. R. 108. 1171/2 Herdwich Pi. R. 117. 1251 Herdc-
ivyl C. C. R. I, 367. 1316 Herdmße F. A. I, 157 (ae.
Heorde-wlc).
334. WesUvicJc 4, Dorf, 1/2 »• 0. von Oakington. — 1284/86
M^sticiJce F. A. 1, 137. 1302/03, 1316, 1346 WesticyJce ib. 148,
153, 167. Westwike ib. 187.
335. Wickeji 1, Dorf, 8 n. w. von Newmarket. — 1284/86,
1302/03, 1316, 1346 WyJces F. A. 1, 136, 142, 156, 159 (Wykes
ist me. Plural von uijk, ae. wtc „village"; Wicken ist der
alte Dativ tclcuni. Palatalisierung konnte hier nicht ein-
treten. Skeat).
336. Wickham, West, 2, Dorf, 10 s. von Newmarket. — 970,
974 on Pichamme Cart. Sax. III, 563, 628. 1284/86, 1302/03
Wycham F. A. 1,139, 145. 1316, 1346 Wykham ib. 155, 163.
1428 Wikham ib. 182.
337. Witcham, Dorf, 6 w. von Ely. — 1302'03 Wychham F. A.
1, 151. 1346 Wicham ib. 173 (nach Skeat liegt ae. Wican,
gen. zu Wica, das in verschiedenen Zusammensetzungen
vorkommt, zu Grunde. Dasselbe wohl in 338 der Fall).
338. Witchford, Dorf, 21/2 s. w. von Ely. — 1277 Wychinford (?)
Pa. R. 215. 1314 Wicheford C. C. R. III, 244.
370
339. Brihthdmcicic, ne. nicht belegt. — 1166,G7 Ti. K. XI, 167.
340. Tidhritivic. — 1314, C. C. K. III, 245.
H u n t i n g d 0 n 8 h i r e.
341. Uardivick li), Dorf, 1/4 n. von Biickden.
342. Eyncshury HardwicJc (nach F. A. und Karte), 2 w, von
Abbotsley.
343. Monlis llardwicl-, 21/2 n. 0. von St. Neots.
344. Hardwicke (Karte), 3 n. 0. von Great Gransden.
345. Ilardu'icJiS (Karte), 4 w. von Kimbolton.
346. Spaldicick, Dorf, 7 w. von lluntingdon. — Zeit Edw. I
Spaldicic Kemble, Cod. 907. D. B. Spalduic, Spalvice.
1162/3 Spalde/cic PI, 11. 64. 1166 — 69 Spaldeivic, Spalde-
wich Pi. R. 1227 Spaldeicich C. C. R. I, 42. 1229 Spalde-
iric ib. 105. 1285 Spaldeivyk, Spaldeivik F. A. II, 467 f.
1316 Spaldivycke ib. 471.
347. Winwick 3, Dorf, 7 s.o. von Oundle. — 1227 Wynewinche
C. C. R. 1,21. 1285 Wincwik F. A. 11,467. 1303, 1316
Wyneivyk{c) ib. 470, 472. 1428 Wyn{c)wyk ib. 474, 481.
Northamptonshire.
348. Ast IV ick 2, Dorf, 3 s. w. von Brackley. — 1316 Adwyk
F. A. III, 19. 1346 Aüwike ib. 446. 1428 Asteivyk ib. 41.
349. Blathcrivick, auf Karte: Blathcrwycke, 6 n. w. von
Onndle. — D. B. Blarewiclie, Blatherwyk. 1166/67 Blarc-
wic Pi. R. XI, 117. 1227 Blatherwic C. C. R. I, 11, 65.
1285 Blatherwyke F. A. 111,15. 1303, 1316 Blatherwyk
C. C. R. III, 37, F. A. III, 25. 1324 Blaretvyk C. C. R.
III, 464. 1346 Blathewicke F. A. III, 447.
350. Buhviek, 7 n. w. von Oundle. — D. B. Bolewyk. 1662/3
Bule^üic Pi. R. 37. 1166/7 Buleivich Pi. R. XI, 117.. 1167/8
Buleivic Pi. R. 25. 1226 Bulewic Pa. R. 63, 84. 1285 Bolc-
wike F. A. 111,18. 1293 Bolewyk C. C. R. II, 432. 1301
Buleivik C. C. R. III, 21. 1316 Bolewyk F. A. III, 25.
351. Hardivick 2, Dorf, 3 n. w. von Wellingborough. — um
1066 Heordewic, Kemble, Cod. 953. D. B. Herdewiche,
Hardeniche, Herdivyk. 1166/67 Herdewich {CJi. Herde-
wic) Pi. R. 123. 1285 Herdeivike F. A. III, 17. 1316 Herd-
ivyk ib. 27. 1428 Hardewik ib. 52.
380
352. Low ich 1, Dorf, 2 n. w. von Thrapston. — D. B. Liihwic,
Ludowic, Lofwyc. 11G6;67 Luffcwkh Pi. R. 119. 1284
LouwyTce, LowyJc, LomviJce F. A. 111,13. 1316 Luff'eivyk
ib. 29.
353. SouthwicJc 3, Dorf, 3 n. w. von Oundle. — D. B. Sothe-
wyTc. 1275 Sotlicwß C. C. R. 11, 189. 1316 Suthinße
F. A. III, 23. 1346 SuthwiJc ib. 447. 1428 Suthnnß ib. 46.
354. Stanwick 2, Dorf, 1' o n. o. von Higliam Ferrere. —
D. B. Stanwige, Stancivigge. 1137 Stancicig Sax. Cbr.
1227 Stamvigg, Stammjgg C. C. R. 1, 19, 60. 1248, 1284
Stanewigg{e) ib. 332. F. A. III, 14. 1302/03, 1346 Stan-
ivyggie) F. A. I, 9, 25. 1316 Stanewic F. A. III, 29. 1428
Stamvigge, Stanewyggc ib. 48, 51.
355. Weekleg, Dorf, 2 n. o. von Kettering. — D. B. Wiclei.
1218 Widegh Pa. R. 168.
356. Wichen 2, Dorf, 31/2 w. von Stony Stratford. — D. B.
WicM. 1166/7 Wiclia Pi. R. 122. 1169/70 WicMm ib. 19.
1267 Wiha C. C. R. II, 69. 1284 Wile (part of WicUn)
F. A. III, 5. Wihe Hamuncl (part of Wichen) ib. 1307
Wyhehamond C. C. R. III, 108. 1316 Wehedyve F. A. III, 22.
Wyhehamond ib. 1346 Wyhehamond ib. 446. 1428 Wihe-
dyve, Wyhehamunde, ib. 43.
357. Wi7Uüich 2, kl. Dorf, 9 n. 0. von Daventry. — 1043
Winewican Kemble, Cod. 916. um 1050 Wynwyhe ib. 939.
D. B. Winewiche, Wineuuiche, Winewic, Winewinche, Wyfie-
wyh. 1235 Witiewich C. C. R. I, 206f. 1267 Wilcivihe
ib. II, 70. 1284 Winwih F. A. IV, 441. 1316 Weimvyh
ib. 24. 1346 Wimvih ib. 445. 1428 Wyncivyh, Weneivyg
ib. 48, 51.
358. Hardivich 12. N. 0. Rutlandshire, 5 n. w. von Stamford.
Leicestershire.
359. Whitivich [Whittich], 13 n. w. von Leicester. — D. B.
Witeivic. 1292 Whitewyh C. C. R. II, 429. 1318 Witeivich
ib. III, 380. 1428 Wyteivyh F. A. III, 114.
360. a) Wigston Magna, 4 s. von Leicester.
b) Wigsto7i Parva, 3 n. w. von Ullethorpe.
e) Wigston, South, 4 s. von Leicester. — D. B. Wichinge-
381
stoiie (a, c), Wicesta7i (b), 122,1 Wijgycstanam C. C. R.
1,15. 131G ]Vmchiiigcsto)i, Wychingeston ib. III, 31Gf.,
318.
361. Wycomhe, nacb F. A. — 131G Wicham.
362. Wylin, 21/2 "• w. von Ilinckley. — 1316 Wißijn F. A.
V, 184.
Warwickshire.
363. Birmingbani (?) = BromwicbbamV — D. B. Bcrmingehä.
1166/71 Brcmingcha, Brimingcham Pi. K. 1232 — 47
Birmingcham, Burmingcham, Bermincham Pa. II. 1265, 83
Bermingham C. C. R. II, 58, 264, 1316 Birmyngham F. A.
V, 180. 1428 Byrmyngliam ib. V, 191.
364. Brotmvich, Little, iiabe Birniinghaiu. 1286 Broynwych
C. C. R. II, 329. 1428 Bromivtjche F. A. V, 190.
365. Castle Bromwich, 4 n. 0. von Birmingbam.
366. ChadivicJc End, Dorf, 7 n. w. von Warwiek.
367. Chesivich near Jamworth, nacb C. C. R. 1301 Cheseivyh
C. C. R. III, 1.
368. Kytes Hardivich, 5 s. w. von Rugby.
369. Priors Hardwick, Dorf, 6 p. s. 0. von Soutbam. — 1043
Herdeivic, Herdetvyh Kemble, Cod. 916. Zt. Edvv. I,
Herdivihe ib. 939. D. B. Herdeiviche. 1257 Herdeivyhe
C. C. R. 1, 472.
370. KnightivicTc, Dorf, 7V2 w. von Worcester. 1428 Knyght-
ivyh F. A. V, 313.
371. Wartvich 1 [Warrik], Stadt und Scblofs, Wyrengeuiße
Beda um 730; 914 oder 915 Wcerincwic, W(Bringivic.
Sax. Cbr. 1001 Wcerinc wicu Anc. Chart. 1062 Wterinc
ivic scir Anc. Chart. D. B. Warwic, Warwyh. 1166/67
Warivich, Wareivichscr\ Waretvicscr Pi. R. XI, 159. 1168/69
Wareivic' Pi. R. 1180/81 Waretvie' Pi. R. X, 80. 1272/81
Warivich, in Personennamen Wareivih Pa. R. 1257 — 1300
Wareivyc, Warretvil; Warivik C. C. R. 22 und oft.
372. Whichford, Dorf, 6 s. 0. von Sbipston-on-Stour. — D. B.
Wieford. 1253 Wycheford C. C. R. 1,431. 1281 Wicche-
ford Pa. R. 444. 1316 Wiclieford F. A. V, 174.
373. Wyhen, 3 n. 0. von Coventry. Hoies de Wicliä (Wicham)
Pi. R. 27 (?). 1257 Wyhe C. C. R. 1, 461.
382
Worcestershire.
374. Baswiclc (Karte), Dorf, 1 s. von Evesham.
375. Biiddiji gleich';!, nach Kemble, Cod., am Severn. 816 to
budding }ncan Cart. Sax. I, 496.
376. ChadtvicJc 3, Dorf, 1 s. w. von Hartlebury. — D. B.
Celdvic. 1196 Chadelewic Pi. R. 170. 1232 Chadehvic
C. C. R. 1, 172 (nach Duignan = Ceadiveallan -\- ivic- = ne.
Ceadtvealla' s village).
^77. ChadwicTc 3, auf Karte Chadwick Orange und Chadivicli
Manor, 3 n. von Bromsgrove (Erklärung vgl. 376).
378. Droit IV ich, Stadt, 7 n. o. von Woreester. — 716/17 Salt-
wich Cart. Sax. I. 873/99 Saltivic Kemble 1075. 888
Saltivic Kemble 1068. 961/70 at [ncan Cart. Sax. III, 386.
1017 seaUvic Kemble 1313. 1049 Wie Sax. Chr. D. B.
Wich. 1162/63 Wich' Pi. R. 4. 1196 Wihe Pi. R. 170.
1236 Wych C. C. R. I, 218. 1257—1300 Wie, Wich, Wichium,
Wikc, Wych ib. II oft. 1273 Droitivich Pa. R. 27. 1319
Wychium C. C. R. III, 416. 1428 Wiche, Wychc, Wytton,
Witto7i F. A. 315 (Erklärung siehe Duignan, Wores. PL N.
p. 53 f.).
379. Ducksivich (Karte), 2 w. von Upton-upou-Severn.
380. Hardwick 16, Karte: Bredon's Hardivick, 2 n. o. von
Tewkesbury. — 1212 Herdeivyk cf. Vict. Hist. Worcs p. 322.
note b. 1319 Ilerdeivijk C. C. R. III, 415.
381. Hardivick Green in Eldersfield (Karte), 5 w. von Tewkes-
bury (vgl. Duignan).
382. Henwick 1, Vorstadt von Woreester (nach Duignan
= ae. mt Hean + wie, high village).
383. Hida ding pic (?), belegt 904 Cart. Sax. II, 266 nahe
Woreester.
384. Hollickstone, 709 Halwichestan und Aliviehestan Cart.
Sax. 1, 148.
385. Kensivick, 4'/2 n. w. von Woreester. — D. B. Checinwiche.
1346 Kekyngtvyk F. A. V, 307. 1428, 1431 Kekymvych
ib. 319, 332 (nach Duignan = Cyginyes + wie, Cyging's
village, verglichen mit 174).
386. Knightivick (nach Cart. Sax. und Karte), 7^2 w. von
Woreester. — 964 Cnihtapice Cart. Sax. III, 379. 1023
383
Ciiihtewiccüi Kemble, Cod. 738 (Diiignan: the servant's
village).
387. Lencluvich, 2i/.) n. von Eveshani. — 709 Lenchivic Cart.
Sax. 1, 183. D. B. Lencheivic (= Lench village, da in der
Nähe Lench).
388. Ludwidge (?), nach Kemble, Cod. — 716/7 LooUcic Cart.
Sax. I, 202. Kemble, Cod.
389. Middel pic, belegt 972, nach Cart. Sax. = MiddleivicTc in
Wores., vgl, dazu Beleg 395.
390. Northu'ick 4, 2V-2 n. w. von Moreton-in-tbe Marsb. —
1346 NonvyJc F. A, V, 310 (wie 391 = North village,
Duiguan).
391. Northiüich 5, Dorf, 1 s.w. von Claiues-Nortb. — 964 (?)
Noräivica Cart. Sax. 377. D. B, Noriviche. 1108/18 Northe-
wiJce. Survey of tbe Ilundred of Oswaldslow, ed. Hearne,
1255 Norinjh C. C. R. I, 443. 1346, 1428 Norivylc-juxta-
Wigorniam F. A. V, 306, 312. 1428 Northivyh ib. 318.
392. Foiviclc (Karte), 3 s. von Worcester. — 972 Poincguuic
Anc. Chart. 1249 Poytvick C. C. R. I, 341, 1300 Fmvyk
C. C. R. II, 489. 1346, 1428, 1431 Poijivyh F. A. V, 305, 314,
327 (bei Duignan nicht erklärt. Die Endung gleich village).
393. Bushivich (Karte), 2 s, w, von Worcester.
394. LotverWich, Upper Wich, 2 s. bezw. s.w. von Worcester
(nach Karte), vgl. Beleg 395,
395. Loiver Wyche, Upper Wyche, 1 s. von Great Malvern,
letzteres schon in Ilerefordshire. Zwischen beiden liegt
Spa. Ob wir es in Upper Wyche mit dem im Cart. Sax,
und bei Kemble 962 belegten Uppic (Cart, Sax, III, 318)
zu tun haben, ist schwer zu entscheiden; ob ferner Upper
Wyche und Loiver Wyche identisch sind mit dem bei
Habingdon, Survey II, 296 (cf. Vict. Hist. Wores. I, 287a,
Anm.) belegten Upivich und Neather Wich, ist auch nicht
mit Sicherheit zu sagen. Im letzteren Falle würde das
heutige Sjya vielleicht das ebenfalls bei Habingdon genannte
Middlewich (vgl. Beleg 389) sein.
396. Wichen ford, 6 n. w. von Worcester. — 817 picforda
Cart. Sax. I, 502. 1346 Wychenford F. A, V, 308. 1428
Wichynford, Wycheneford ib. 319, 313 (nach Duiguan = The
ford of Witchelmsf).
384
397. Wich 1, Dorf, ' o o. von Persbore. — D. B. Wiche, ferner
Wicha als hereicich von St. Mary of Persore (uacli Duignan
= ae. unc, village).
398. Wich Episcojji (Karte), 11/.2 s, w. von Woreester. 1255
Wiße C. C. R. I, 443. ? 972 Ähhandunas ivica Anc. Chart.
399. Wickhamford, 3 s. o. von Evesbam. — 972 Uuiguenna
Ane. Chart. D. B. Wiqucne. 1251 irfMmwz C. C. Pt. 1, 364.
1428 Wyleu-one F. A. V, 317 (hier liegt wohl ae. oder
an. ivic, vtc nicht zu Grunde, vgl. Beleg 428).
400. Willingwiclc, ne. nicht belegt, in Bromsgrove. — D. B.
WilUngewic. 1196 WeUngeivic Pi. R. 170. 1346 Wyling-
ivyl- F. A.Y, 303. 1428 WyUiiesu-yJc ih. 324:. 1431 Wyllyns-
u-ych ib. 330 (nach Duignan = the village of the Willings
or sons of Willa).
401. Wychbold, Dorf, 2 n. o. von Droit wich. — 692 Uuicbold
Cart. Sax. 1, 112. 831 Wicbold Anc. Chart, und Cart. Sax.
1, 557. D. B. Wicelhold (26 salt pans erwähnt). 1266
Wyceband C. C. R. II, 62. 1346, 1428 Wychehaiid F. A.
V, 302, 323. 1431 Wychehailde ib. 330 (nach Duignan
= the palace at or near Wich [Droiüvich]).
402. Wychbury Hill (Karte), 3 s.o. von Stourbridge, darauf
ein „Camp" (prähistorisches Lager!).
Herefordshire.
403. HardwicJce 3, Dorf, 21/2 n. 0. von Hay,
404. SheUvich, Dorf, 1 n. 0. von Holmer, 2 n. von Hereford.
— D.B. Scehviche. 1241 SheUivich C. CR. 1,261. 1316
Shehvyl F. A. II, 385.
405. UllingsivicTc, Dorf, 9 n. u. 0. von Hereford. — D. B.
Ullingivic. ca. 1127 olingeiviche' Pi. R. X, 20. 1303 üllyng-
uyg F. A. II, 378. 1316, 1346, 1428 UUyngwyJc ib. 390,
394, 408. 1428 OUyngivylce ib. 401.
406. Whitivich (Karte), 6V2 n- O- von Hereford. — D.B. Wite-
tviche. 1303 Witeivyl F. A. II, 379 1346, 1428, 1431
Whitewyk ib. 395, 411, 421.
Aum.: Wigmore gehört wohl nicht hierher. D.B. Wige»iore, 13. Jh.
Wiggemora, Wyggtmore.
385
Monmoiithshire.
407. Hardivich 9, 1 s. von Cbepstow.
408. Harihvick 18, 1 o. von Abergavenny.
409. HotvicJc 3, 2\l.2 n. w. von Chepstow.
410. Eedivicl-, 7 w. von Newport. — 1290 Redcivic C. C. R.
II, 301. 40. J. Edw. III. Rodeivyl F. A. II, 291.
Gloucestershire.
411. AshwicJce Parh (Karte), 1 s. von Marshfield.
412. Berivick Lodge (Karte), 6V2 n. n. w. von Bristol.
413. Oatwich (Karte), 2 s. von Grange Court Station.
414. HardtvicJce 2, Dorf, 4 s. s. w. von Glouccster.
415. Ilardiviclce 4, Dorf, 3 s. von Tewkesbury. — D. B.
Herdcuuic. 1316 HardivtJie F. A. II, 266.
416. HinchicieJc und Old HinchivicTx, 1 n. von Condieote.
417. MalsivicJi, Dorf, 1 0. von Newent.
418. Northivich 1, 5 s. w. von Tiiornbnry.
419. Painswicl', 6 s.o. von Gloucester. — 1284 5 Paijndesivike
F. A. II, 236. 1303 Paynesmße ib. 251, 258. 1316 Paynes-
wicle ib. 276. 1321 Paynesivyk C. C. R. III, 435. 1346,
1402 Paynesicyli{e) F. A. II, 286, 300.
420. Bandwiclc, 8 s. von Gloucester.
421. PedwicJc, 10 n. w. von Bristol. — 1316 Eadeivik F. A.
11,276.
422. Southivick 6, I1/2 s. von Tewkesbury. — D. B. Sud-
wicha' (??).
423. Stotvicl in Henbury (nach F. A.). — 1303 Wyke F. A.
II, 253. 1316 Stokeivyke ib. 276. 1346 Wik ib. 289.
424. Wick 2, Dorf, 7 0. von Bristol. — 1137/8 Wicha Fi. R.
X,36. 1168/9 ^Yiclla, iriAft Pi. R. 118. 1253 Wyk C. C. R.
I, 428.
425. Wick 5, Dorf (auf Karte Loiver und Upper Wick), 2 s. 0.
von Berkeley.
426. Wick Rissijigton, Dorf, 3 s. von Stow-on-the-Wold.
— 1269 Risingdon Wyk C. C. R. II, 123. 1303 Wyke
Rysyndon F. A. 11,252. 1316 Wyke ib. 274. 1346 Wik
et Risindon ib. 287.
427. Cerney Wick, 2 ^. 0. von South Cerney.
Studien z. engl. Phil. L. 25
386
428. Childs Wickh am, 4 s. o. von Evesbam. — 706 Childes-
imimuon Cart. Sax. I, 173. D. B. Wiclia'. 1316 Wylcle-
wane F. A. IT, 267. 1346 WyJcenwie ib. 292 (vgl. Beleg 399.
Es liegt bier kaum ae. wie oder an. vic zu Grunde).
429. Wickwai-, 4 u. von Chippiug Sodbury. — 1285 Warre
ir^/Äe C. C. R. II, 282. 1284/5 H>/.- F. A. II, 243. 1303
Wißewarre ib. 249. 1316 Wikkcware ih.2Q9. 1346 Wyle
Warre ib. 283.
430. Wickridge Street (Karte), 51/2 u- von Gloueester.
431. Wiclsgreen (Karte), 5 w. s. w. von Gloueester.
Oxfordshire.
432. Hardwicl: 5, 5 n. von Bicester. — 1284/5 Herdeunke
F. A. IV, 158. 1313 Herdeicyk C. C. R. III, 210. 1316 Herd-
n-yke F. A. IV, 169. 1428 Herdeivike ib. 190.
433. Hardivick 7, 2 s. 0. von Witney. — 1316 Herdwike F. A.
IV, 162.
434. Hardivick 11, 1 u. von Banbury. — 1267 Herdeivik
C. C. R. II, 69. 1316 Herdewyke F. A. IV, 166.
435. Hardivick House, 4 n. w. von Reading. 1401/2 Herd-
ivik F. A. IV, 174.
436. Wick in Headington (nach F. A.). — 1316 ^Yike
F. A. IV, 168.
437. Wickliam 5, 2 s. von Banbury. — 969 wt pic ham Cart.
Sax. 111,519. 1044 mc/iawKemble, Cod. 775. D.B. ]I7c/ia'.
1158 Wicha Pi. R. 34. Wikan C. C. R. III, 330.
438. Wretchivick, 1 s. 0. von Bicester. — 1252 Wherctvyk
C. C. R. I, 409. 1284 5 Wrecheivike F. A. IV, 158. 1316
m-etcJiwike ib. 169. 1346, 1428 Wrechetvyk{e) F. A.
IV, 180, 190.
439. Wychwood Forest und Kirchspiel (dazu Ascot, Milton
und Shipton under Wychwood). — 841 Huiccepudu Cart.
Sax. II, 6. 13. Jahrb. Wicheivud, Wycchewode, Wycheicode
Pa. R., Wicheivod, Wicheivood, Wycliivode, Whicheivode,
Whucchewode C. C. R.
Buckinghamshire.
440. Ankerivyke (nach C. C. R.). — 1242 Ankernik C. C. R.
I, 269. 1257 Ajikerivyk ib. 472.
387
441. Eton Wide, 1 n. w. von Eton.
442. Hardwiche 1, 4 n. von Aylesbiiry. — D. B. Harduich.
1284/8G Ilcrdcn-ilc F. A. I, 78. 1302/3 Hcrdeinß ib. 101.
1316 Herdcnyhe ib. 111. 134G Hardcinß ib. 126.
443. Kimhlc Wicl-, Dorf, 1 n. w. von Kimble. — 1313 W}ilca
C. CK. 111,210.
444. Long IV ick, Dorf, 2 n. w. von Princes Risborough.
445. Oivlsicich, Dorf, 2 n. w. von Princes Risborough. — 1284/6
Olvesivih F. A. I, 85.
446. Teteluvich, Dorf, 31/4 n. von Brill. — D.E. Tochinge-
iviche. 1302/3 Toucheiviß F. A. I, 95. 1346 Tocheiviß
ib. 121.
447. Tingeiviclc [Tingiek], 2. w. von Ruekingbara. — D. B.
Tediniviche. 1162 3 Tingivich' Y\. Yi. \Q. 1166,67 Tew^e-
wicha Pi. R. 109. 1276 Tijngcwijl; Tingenih Pa. R. 166, 236.
1284/6 Tyngcivyke F. A. 1,87 f. 1316 Tyngeivyle ib. 108.
418. In den „Ancient Charters*' sind in Bueks. belegt: Cyne-
mimding uic, Udding nie, Willering nie, Jahr 869. Diese
sind ne. nicht zu identifizieren.
Bedfordshire.
449. Ast IV ick 1, Dorf, 4V-2 0. von Shefford. — D. B. Estwiche.
1284 6 Est/vil-e F. A. I, 3. 1316 ÄstwicJc ib. 19. 1346
Estivyk ib. 23 (nach Skeat = east village, vgl. Beleg 458).
450. Flittivieh [FiittickJ, Dorf, 2>/., s.w. von Ampthill. ~
D. B. Ficteiviche. 1253 FUtivyk C. C. R. I, 415. 1281 Flitte-
ivyTi Pa. R. 476. 1284,6 Flythcmh F. A. I, 2. 1305 Flete-
u-tß C. C. R. 111,53. 1316 Flittcuike F. A. 1,20. 1321
Flettvyk C. C. R. III, 437. 1323 Flitivyle ib. 453. 1346
Fhßteivyl F. A. I, 31. 1428 Fhjtmße ib. 36 (nach Skeat
== village hy tJie Flitt).
451. Shefford Hardwiclc, Dorf, 8'/2 s.o. von Bedford.
452. Hardtvicle Bell End, 3 s. w. von Bedford. — 1302/3
Herdivik F. A. 1,9. 1346 Herd{e)ivylc ib. 26, 30. 1428 Herde-
ivyke ib. 38 (nach Skeat = herd village).
453. Hinivick, Dorf, 3 n. n. w. von Harrold. — D.B. Haneuich,
Heneivich, Ilaneivic, Hmeivic. 1165/73 Heneivic, Hcneivich
Pi. R. 1302, 1317 Jlyneivyk C. C. R. III, 192, 366. 1302/3
25*
388
Hijncmle, Hlneiiihe F. A. 1, 11, 12. 1346 Hijneivyh ib. 29
(nach Skeat = ae. Hanan tvtc = Hanaus village).
454. TilnicJc Farm (uaeh C. C. K.). — 1304 Dyhnß C. C. R.
111,46. 1317 Dileivlc ib. 359.
455. Wide End (uaeb F. A. und Karte), 31/2 w. von Bedford.
1302,3 Aylcwike F.A. 1, 11.
Hertfordsbire.
456. Alfledawicha, D. B., 2 n. von Alswick Hall., ne. nicbt
belegt, wabrscbeiülieb Beauchamps nabe Wyddial. 1303
Alßadetvyl- F. A. I, 431. 1428 Aißfladeiryk ib. 446.
457. Alstvick Hall (Karte), 10 n. n. 0. von Hertford. — D.B.
Ahiariclie. 1303 AlstvyJc F. A. I, 431. 1428 AJstcyh ib. 446
(uacb Skeat == JElfsige's village).
458. Astwiclc Manor, 2 w. n. w. von Hatfield (nacb Skeat
= Eashvick = East village).
459. Great Barivich (Karte), S^o n. n. 0. von Wase. — 1292
Benvik C. C. R. II, 413 (nacb Skeat = harley village).
460. Bild IV ich Hall (Karte), 71/2 n. von St. Albaus.
461. Childtvick, 3 n. von St. Albans. — 1249 Childivic C.C.R.
I, 342. 1301 ChiUhvyc ib. III, 18. 1303 Childeivih Magna
F. A. II, 427. 1402 ChyldwyJc Magna ib. 444. 1428 Childe-
uilce Magna ib. 452 (nacb Skeat = ae. cilda tvic, children's
village).
462. Childivichhury, 3 n. w. von St. Albans. — 1303 C/?<7tZe-
icik Say F. A. II, 426. 1402 ChyldeivyUsay ib. 444. 1428
ChildeivyJcesay ib. 451.
463. Danestvich (Karte), 2'/2 s.w. von St. Albans.
464. Easttvicli 1, Dorf, 5 s. 0. von Ware. — D.B. Esteiviche.
1253 Esüvyh C. C. R. I, 429. 1303, 1428 EsUvyh F. A.
11,435,451 (nacb Skeat = east village).
465. Haultivick (Karte), 6 u. von Hertford.
466. Ha tvkswick (Karte) , 2 n. vou St. Albans.
467. Ludtvick (Karte), 2 n. 0. vou Hatfield. — 1302 Lodcivyk
C. C. R. III, 26.
468. Marshalwiek (Karte), 1 n. 0. von St. Albans.
469. Ramerich (Karte und F. A.), 2V-2 n- von Hitcbiu. — 1303
Banmordwyh F. A. II, 428. 1340 Eanmortheivyh ib. 437.
1428 Eannvorthtryh ib. 449.
389
470. Upwick Oreen (Karte), 8 n.w. von Bisliop Stortford (nach
Skeat ^= Upper village).
All. Wcstivick (Karte), 3'/., w. von St. Albans. — 1301 Wcst-
icic C. C. R. III, 17. 1303 Viiestwick F. A. II, 426. 1402,
1428 Westwi/k ib. 444,451. 1428 ^Vcstwi!ce ib. 452.
472. WicJcham (Karte), 11 o. n. o. von Hertford, — D. B.
Wichcham (naeh Skeat = A. S. wie -|- häm).
473. WoUe7iivicJc, ne. verloren gegangen, vgl. Viet. Ili.st. Herta.
1, 297. — D. B. Wlweneivichc. Zeit Heinr. II Wulßncivich,
Wluenewic. 1303 Wollenwkh.
474. High Wych, ^j-i s. w^. von Sawbridgeworth.
M i d d 1 e s e X.
475. Aldtcych Crescent, Name einer neuen Strafse in London,
Name jedoch alt. — 1267 the garden in Aldetvich Fa. R.
Später 0hl Witch Street.
476. Candel/riJcstrete 1274 Pa. R. 1428 Candelinßstrctc
F. A. III (in London!).
477. Chistviclc [Chiz-ickJ, 6 w. von Hyde Park Corner. — 1316
Chesenijk F. A. III, 374. 1428 ChestryJc ib. 379.
478. Gamvick Corner (Karte Gannick C), 2 n. o. von Barnet.
479. Hackney Wick, Vorstadt von London, erbaut a\i( Hackney
Marsh.
480. Hampton Wick, 1 o. n. o. von Hampton Court.
481. Lundenwic = London. — 604 Sax. Chron.
482. Outtvich (nach F. A. 111,385). — 1428 ecclesia Sancti
Martine Ottewich, wahrscheinlich heute St. Martin's in the
Fields, nahe Trafalgar Square.
Kent.
483. Bertvick (Karte), 2V2 w. von Hythe. — 697 Bereueg
Ane. Chart. 1032 Berwican Kemble, Cod. Zeit Edw. I
Berivica Kemble, Cod. D. B. Berewic. 1168-73 Ber{e)wica
Pi. R.
484. Bursttvick Island (Karte), im River Medvvay.
485. Farivig, Dorf, 1/2 n. von Bromley.
486. Fordivich, Dorf, 2 0. n. 0. von Canterbury. — 675
Fordeuuicum Cart. Sax. I, 60. 747 Forcluuic ib. I, 249. 761
390
Forduuic ib. I. 268. Zoit Edw. I Fordm'c Kemble, Cod. 854.
1). B. Foreivic. 1225 Fonvich Pa. R. 1230 Foreuic ib.
487. Greenivich [Griuidg-e], Stadt, 4V2 s.o. von St. Paul's,
London. — 1013 Grenawic, Grenwic Sax. Chr. 1044 Grecn-
wic Kemble. Cod. 771. D. B. Greniciz. 1229 Greneivic
Pa. R. 279. 1335 Greimiiz ib. 131. 1279 Est Greneuich
Pa.R.317. 1316 Estgreneivich, West Grenewich F. A. 111,18.
488. Orgarsicick, Farm, 2 n. w. von Dymchurch. — 1316
Orgaresivyle C. C. R. III, 314.
489. Sandwich, Stadt, 7 8. w. von Ramsgate. — 851 Nieder-
lage der Dänen bei Sondivic, Sandicic Sax. Chr. 966
Scmduuich Cart. Sax. III, 488. 1023 Sanduuic Kemble,
Cod. 737. 1038 Sandivic Anc. Chart. Zeit Knuts und
Edw. I Sandivic Kemble, Cod. 896, 1328. D. B. Sandivic,
Sanivic, Sandivice. 1164 95 Sandwiz, Sandivich, Sanivic,
SanivicK Pi. R. 1217 Sondiviz Pa. R. 88, Sondwich ib. 89.
1218—1225 Sandivic Pa. R. 1247, 1274 Sandivicli C. C. R.
I, 319, Pa. R. 1290, 1313 Sandivich C. C. R. II, 368, III, 219.
490. Sheldivich, Dorf, 3 s. von Faversham. — 784 Scilduuic
Cart. Sax. I, 337. 1315 Sheldivych C. C. R. III, 283.
491. WicJcham, Fast, Dorf, 5 n. w. von Dartford; Wichham,
West, Dorf, 4 s. o. von Croydon. — 862, 987 Wichoima
mearc Anc. Chart. 998 Wichcemes gemwra Kemble, Cod. 700.
D. B. Wicheham. 1284 Estivycham, Westivycham C. C. R.
II, 276. 1318 Westivicham ib. III, 376. 1316, 1346 WyJc-
ham F. A. III, 18, 50.
492. Wickhamhreaux, Dorf, S'/a o. von Canterbury. — 973
Wie hamnies gemceru Anc. Chart. D. B. Wicheham. 1196
UilchamYi.R. 1278-81 ir^/c/iam, mWiam Pa.R, 1316
Wiliham F. A. III, 10.
493. Woolivich [Woolidge, Woolitch], 7 o. s. o. von St. Paul's.
— 1044 Wideivic Kemble, Cod. 771. D. B. Huhiz. 1279
Wolivich Fa. K 3U. 1284/5 ]FoZ«v/^ F. A. III, 8. 1316
Woleivich ib. 18. 1346 Woleivych ib. 47.
An in. 1: In den Anc. Chart, sind noch belegt, ne. aber nicht: 740
marascwn qui dicitur Biscopesumc. 79S Hremping wiic. 844 52 Uuer-
hurgeuuic = St. Werbiirgh. l)^54 swine pasture called Wiöig tvic.
Anm. 2: In Witchling liegt ein anderer Stamm vor. D. B. Win-
chelesmere.
391
S u r r e y.
494. Anherwyhe, Gut, 3 s. o, von Windsor.
495. Dulwich, 5 s. von St. Paurs. — 1316 Dylcirysh F. A.
V, 107.
496. Eastwich (Karte), 1/2 n. von Great Bookhaui.
497. Qatwick (Karte), 1 s. s. w. von Horley.
498. Gatwich (Karte), 5V2 9. w. von Guildford. — 947 gatapic
Gart. Sax. II, 603. 963 gate pic ib. 111, 363.
499. HollicJc? Zeit .Elfr. Haleuuih Gart. Sax. II, 204. Zeit
Edw. I IMewih Keuible, Cod. 344. 1227 llaleivike C.C.R.
I, 37. 1252 IMeuijke ib. 409.
500. Prestiviclc (Karte), Dorf, 2 w. von Gbiddingfold. — 1251
Prcstewic G. G. R. I, 365.
501. Ef/ham Wich, 2 s.w. von Egham.
502. Wilder wich (Karte), l'/^ n. von East Grinstead.
503. Wyhc, Dorf, 6 n. 0. von Faruham. — D, B. Wucha. 1428
Wyhc F.A. V,123.
S u s s e X.
504. Aldwich, 3 w. von Bognor. — 1296 AJdcwyh G. G. R. IL
505. Berwich 1, Dorf, 7 s. 0. von Lewes. — D. B. Bereivice,
Beruice. 1292 Berewyh G. G. R. II, 421. 1316 Bcrewyhe
F. A. V, 138. 1401/2 Berwyke ib. 146.
506. Bonivichs Place (Karte), 2 w. s. w. von Ifield.
507. Drungeivich (Karte), 3 n. von Wisborough Green. —
1307 Dringeivyh G. G. R. III, 101.
508. Goddenwich F>>i (Karte), 2 n. von Lindfield.
509. Hazelivich? — 947 Hctslwic Gart. Sax. II, 603. 963
Heaseluuic ib. III, 363. 1317 Hesehvyh G. G. R. III, 359.
510. Hohjivych (Karte), 6 w. von Tunbridge Wells. — 1320
Holetvyche G. G. R. III, 434.
511. Ho wich (Karte), 6 w. von Horsham.
512. Ludiüich (Karte), 4 w. von Horsham.
513. Lynwych House (Karte), 1 w. von Rudgwick.
514. Neivich, Dorf, 8 n. von Lewes. — 1121 niivicha Pi. R.
X, 12. 1316 NywiJce F. A. V, 136. 1428 Newylce ib. 165.
515. *Orlestvick vgl. Vict. Hist. 437. — D. B. Lcmesivice. 1121
orthlauesivica Pi. R. X, 12.
516. Pioundwich (Karte), 41/2 s. von Ghiddingfold.
392
517. Rad gn- ich [Rudgiek], Dorf, 7 n. n. w. von Horsliain. —
1260 Buggeniß C. C. r! II, 29. 1276 Rageidl: Pa. R. 152.
518. Rumhold s WyJce, nahe Chichester. — D. B. Wiche.
1316 RomhaldesicycJc F. A. V, 141. 1317 Rumhaldcsicyk
C. C. R. III, 334. 1428 Rumhai diswyke, Rumholdes iryJie F. A.
V, 157, 164.
519. Sedgewich Castle (Karte), 3 s. von Horsham.
520. Shopwyhe (Karte), l'/2 o. von Chichester. — 1428
Shapu-yhe F. A. V, 157.
521. Southivick 1, Dorf, 41/2 w- von ßrighton. — 1428 Suth-
wyhe, Southwyh F. A. V, 152, 160.
522. Terwich, 5 w. von Midhurst. — 1271, 1326 TortewyJc
C. C. R. II, 169, III, 493.
523. Wliyhe (Karte), 1 s.o. von Chichester.
524. Wich 3, Dorf, 1 s. von Lyminster. — 1267 La Wik
C. C. R. II, 82.
525. Wichliam (Karte), 5^/2 n. von Shoreham. — D. ß. Wicham.
526. WicJvhursi (Karte), 4 0. s. 0. von Tnnbridge Wells.
527. Wich Street (Karte), 1 s.o. von Glynde Station.
528. Kingston Wyhe, Dorf, 4 w. von Worthing.
529. Wyhehurst (Karte), 3 w. von Cuckfield.
530. Wytch Gross, 5 s. von East Brinstead (Karte).
Anm.: 956 sind belegt fl^/t^M;ic, Cart. Sax. III, 143, Strodioic Anc.
Chart.
Berkshire.
531. Ardington Wich (Karte), 2V2 0. n. 0. von Wantage.
532. Banterwich Barn (Karte), 7 n. von Newbury.
533. Bray Wich, nahe Maidenhead, Kirchspiel von Bray.
534. Charney Wich, nahe Charney Basset (Karte), 6'/2 w. s. w.
von Abingdon.
535. Fyfield Wich, 2 s. von Fyfield (Karte).
536. Heil wich 2, Ort, I1/2 n- w. von Thatcham.
537. Littlewich Green, 3 w. von Maidenhead.
538. Petwich (y), nach C. C. R. und F. A. — 1286 Pcttewyhe
C. C. R. II, 336. 1316 Putwyhe F. A. I, 49.
539. Sutton Wich, 2 w. von Button Courtney. 1316 Sutton
et Wihe F. A. I, 53.
540. Wich Green (Karte), 1 0. u. 0. von Abingdon.
393
541. JVicJcham 4 und Wicl-ham IFcath, Orte, 4 bis 5 n. w.
von Newbury. — 767 Wicliam (?) Ancieiit Chart. 821
Wicham Cart. Sax. I, 506. 1166/73 Wicha' Pi. R.
542. Wickfield, nach F. A. — 1316 WykefcUe 1,50.
Hampshire.
543. Uagivieh (Karte), 1 w. von Godsbill, I. o. Wigbt. 1313
Bagwich C. C. R. III, 229, 234.
544. Brunage, 2 s. w. von Titehficld. — 962 Brimuuic [)cr
Cart. Sax. 111,325. D. B, Brimetvic. 1316 Brunneivyche
F. A. II. 307. 1346 Bronewych ib. 335. 1428 Bronewijchc
ib. 357.
545. EasttvicJc 2, Ort, 9 d. von Andover.
546. OiitivicTc, Ort, 3 n. von Fordingbridge. D. B. Otoichc.
547. RotherivicJc, Dorf, 7 n. n. o. von Bas^ingstoke.
548. Soutliiüich 2, Dorf, 41/2 n. o. von I'arebam. — 13. Jh.
Suwic, Suicylc, Suthwic, Sutliivyl- Pa. R. C. C. R. 1316
SufJmnß F. A. 11,319.
549. Sivanwich 2, 6 w. n. w. von Fareham. — 1231 Sivaiie-
wic C. C. R. 1, 140. 1294 Sivanewyh C. C. R. II, 454.
550. Weeh 1, 4 n. 0. von Andover. — 1316, 1346, 1428 Wyhc
F. A. II, 308, 330, 346.
551. WeeTc 5 (Karte Wych und Binstead Wyck), 2 n. 0. von Alton.
1316 Wyhe F. A. II, 314.
552. Weehe, nahe Winchester. — 1316 Wylce F. A. 11,321.
553. Weel in Arreton, I. 0. Wigbt, nach F. A. 1316 Wyk F.A.
II, 321.
554. Wickham 1, Dorf, 12 n. w. von Portsmouth. Y).^.Wiche-
ham. 1269 Wykham C. C. R. II, 124. 1316, 1346 Wykham
F. A. II, 308, 336. 1428 Wykeliam ib. 356.
555. Wigland, 5 w. von Southampton.
556. Wick (Karte), 1 8. von Christehurch.
557. Wick (Karte), 5 n. von Havant.
Wiltshire.
558. Berwick-Bassett, 6V2 n- ^^- ^"on Marlborougb. — 1228
Berewik Pa. R. 181. 1231 Bereivic C. C. R. 1, 140. 1300
Bereivyk ib. II, 489. 1325 Berwyk Basset ib. III, 477.
1316 Berivilcc F. A. V, 209. 1402 Bereivyk ib. 220.
394
550. Bcnricl- Sf.tTamcs, Dorf, 5Vi w. s. w. von Amesbury. —
1243, 1316 Ikrcn-ih- Pa. K. 372, F. A. V, 203. 1324, 1428
Bcr{i}injk F. A. V, 215, 243, 296.
560. Bcncick St. John, Dorf, 5''2 f»- von Shaftesbnry. — 1316,
1428 Bcrewyl-e F. A. V, 201, 251.
561. BcrtcicJc St. Leonard, 13 w. von Salisbury. — 1428
Jknn/Jc Sancti Leonardi F. A. V, 256, 293.
562. Chaddenwiclce, Dorf, IV2 "• 0. von Mere. — D. B. Chcdel-
wich. 1428 Chademvyckc F. A. V, 267.
563. PicJcicicJc, Dorf, 1/2 w. von Corsbam.
564. SouthivicJc 5, 2 s.w. von Trowbridge. — 1194/5 Sud' icich,
Sutwich Pi. Pt. 1322 Sothewyhe C. C. Pv. III, 446.
565. Wadswich, Dorf, 3 s.w. von Corsbam,
566. Wide (Karte), 2'/'2 s. von Salisbury.
567. Farleigh Wich, Kircbspiel von Monkton Farleigb, 3 n. w.
von Bradford-on-Avon.
568. Brcmhill Wich (Karte), 1 n. w. von Brembill,
569. Badhur y Wich (Karte), 1 n. von Badbury, 3 s. o. von
Swindon.
570. Hannington Wich, 1 n. von Haunington.
571. llaydon Wich, IV2 Q- w. von Rodborne Cheney. — 1428
Haydoncswyhe F. A. V. 260.
572. Heddington Wich (Karte), 1 w. von Heddington.
573. He s wich Farm (Karte), 4 u. von Marlborougb.
574. Kemhle Wich (Karte), 1 s. von Kemble, 5 s. w. von
Cirencester.
575. West Kington Wich (Karte), V2 s. von W. Kington.
576. Liddington Wich, 2 s. 0. von Liddiugton.
577. Tochenham Wich, l'/2 n. von Toekenbam.
578. Oreat and Little Wishford, 5V2 Q- ^- von Salisbury.
— 1316 Magna et Parva Whicheford F. A. V, 212. 1324
Wychford ib. 215. 1428 Wyccheford ib. 243.
Anm. : lu Norridge, 1 s w. von Upton Scudainore, liegt anderer
Stamm vor: 1332 JSWthrigge C. C. R. III, 450
D 0 r 8 e t s h i r e.
579. Benvich 4, Dorf, 4V2 s. 0. von Bridport.
580. Butterivihe in Folke, nacb F. A. — 1431 Boterivyhe
F. A. II, 107.
395
581. Shapiviclc 1, 5 s. o. von Blandford. — D. R. Scapcwic.
1267 Shapici/c C. C. R. IL 84. 1285 Sapir>/Ic F. A. II, 14, 15.
14. u. 15. Jh. S{c)hap[c)iryk{c) F. A.
582. Swanagc, Stadt, 877 Swanaioic Sax. Chr. — 1303, 1346
Swancwich F. A. II, 37, 56. 1428, 1431 8wancwicn{c)
ib. 72, 87, 109.
583. M^ijhe Farm, 3 o. von Yeovil. — 1316 liy^e F. A. 11,41.
584. Witchampton, Dorf, 8 o. von Rlandford. — 1). B. Wichc-
mcüme. 1278 Wichchnmpton Pa. li. 278. 1303, 1318,
1346, 1428, 1431 Wychampton F. A. II, 26, C.C. R. III, 391,
F. A. II, 45, 61, 117.
585. Wf/Jce Rcgis, Dorf, l'/i s- 'W- von Weymouth. — 955
H7c Kenible, Cod. 435. 988 IfV/tC ib. 1284. 13. Jh. 11 VA-,
Wyk C.C.R. 1428, 1431 Wi/kc F. A. II, 85, 115.
Somerset.
586. Ahlwick Court (Karte), 8 s. s. w. von Bristol. — D. B.
Ahhic. 1260 AUlcwyk C. C. R. II, 26. 1313 Oklcwike
ib. 111, 224. 1303, 1346, 1428, West Holdeivyk F. A.
IV, 305, 348, 381.
587. ^45^ Week, nahe Bishops Lydeard.
588. Ashwick, 3 n. von Shepton Mallet. — 1061 uEscwica
Kemble, Cod. 811. 1060/66 .Escwican ib. 821. D. B. Escc-
wiche, Esewica. 1316 Ashwyk F. A. IV, 328.
589. Barwick 1, l^/o s. von Yeovil. 1231 13er ewik C. C. R.
1, 132. 1272/81 Bcreu-yk Pa. R. 64. 1284/5 Bcreivik F. A.
IV, 273. 1303, 1316, 1346, 1428 Berewyk ib. 315, 320,
338, 376.
590. Bathwick, heute in Bath. — 1303 Wykc F.A. IV, 311.
1316 Bateivyke ib. 329. 1346, 1428 Wyk{e) ib. 357, 378.
591. Chelvey, 71/2 w. s. w. von Bristol. — D. B. Calviche.
592. Comhivich, Dorf, 4 n. n. w. von Bridgwater. — D. B.
Comich, Comiz. 1284/5 Comivych F. A. IV, 281. 1303, 1346
Comuich ib. 308, 352. 1428 Comuiche ib. 394. 1431 Co7nbe-
wyche ib. 435.
593. Coxley Wick (Karte), ^/i n. von Coxley, 2 s. w. von Wells.
594. Eckweek House (Karte), 5 s. s.w. von Bath.
595. Honeyivick (Karte), 2 w. von Cole Station. — 1284/5
396
lluncinl-c F. A. IV. 294. 1303, 1316, 1346 HoneivyJc
ib. 306, 322, 349. 1428 Honywiße ib. 385.
596. Milhorne WicT<:, l'/j d.w. von Milborne Port.
597. North wicJc 2, l'/-i w. von Mark.
598. Northwich 3, 2 n. von Chew Magna.
599. Shapwich 2, Dorf, 61/2 0. von Bridgwater. — 725 Scqjicic,
Cart. Sax. L 208. 729 Schapuil- ib. 213. 971 SchcqjcwyJce
ib. III, 575. D. B. Sapcesuica. 1172 73 Sehepfcich Pi. R.
196. 1284/5 Schapciryl'G F. A. IV, 290. 1316 Shapeivyk
ib. 317. 1428 Schcqmyk, ib. 404.
600. ShocJceru'ick, I1/2 n. von Bathford.
601. SoiithwicJc (Karte), 2'/.2 o- von Hig-hbridge.
602. South Wich (Karte), 4 n. von Highbridge.
603. Standeriüich, 4 0. n. 0. von Frome. — D. B. Estalrewica,
Stalreiciche. 1284/5 Stanreivil F.A. IV, 277. 1303 Stan-
rewyl ib. 310, 312. 1316 StaneiryJc ib. 319. 1346 Stan-
reivyh ib. 355, Staiverivyh ib. 358. 1428 Staverwyh ib. 368.
Stander IV ylce ib. 386.
604. Stanton Wich (Karte), l^/o s. von Pensford.
605. Sutton Wich (Karte), 1 s. w. von Bishop Sutton, 4 s. w.
von Pensford.
606. Swainswich, 3 n. 0. von Bath. — 1303 Swamvyk F. A.
IV, 311. 1316, 1346, 1428 Sivaynesivyh{e) ib. 329, 357, 378.
1428 Siveynestvyh ib. 410, 411.
607. Tadwich, 3 n. von Bath. — D.B. Tatewiche. 1227 Tadeicic
Pa. R. 157.
608. Way Wich (Karte), 5'/2 n. w^. von Axbridge.
609. Weeh 2, nahe Glastonbury. 1303 Wihe F. A. IV, 307.
1346, 1428 Wyk{e) ib. 351, 367.
610. Weeh 3, 6^/2 n. w. von Bridgwater. 1284/5, 1303, 1346,
1428 Wyh{e) F. A. IV, 282, 308, 352, 393.
611. Weeh 4, 7 s.w. von Axbridge.
612. Weehfield (Karte), 41/2 n. von Dulverton.
613. Westwich 5, h^ji n. w. von Axbridge.
614. ""Woodwich, ne. gesehwunden, nahe Freshford. — D. B.
Wdewica. 1303 TrocZew;?/^ F. A. IV, 311. 1316 Godewyh
ib. 329. 1346, 1428 Wodetvyh{e) ib. 358, 378.
615. Wich 4, 6 s. von Weston-super-Mare.
k\
397
616. WicJc (Karte), S^/j w. von Somerton,
617. WicJc St. Lawrence, G n. vou Weston- super -Mare. —
1428 Wyk F. A. IV, 401.
618. Wighorough (Karte), 4 n. von Crewkerue.
619. WyJce Champfloirer, l'/'j vv. von Briiton. — 1284/5 Wyice
F. A. IV, 294. 1303 Wyk ib. 301. 1316 Wilke ib. 322.
1346, 1428 Wyke ib. 346, 384.
Devonshire.
620. Avon Wick (Karte), 2 so. von South Brent, am Avon.
621. Barivick (Karte), 2 w. von Winkleigh.
622. Chawleigh Week (Karte), 2 w. von Cbawleigh, V2 s- von
Chulmleigh.
623. Chol wich Toivn (Karte), 2 n. v/. von Coruwood.
624. Cookhuryweek (Karte), 1 s. w. von Cookbury.
625. Co wick, in Exeter. — D. B. Coic. 1284/5 Cowyk, Cou-
wyke F. A. 1,311, 314. 1316 Cowykc ib. 377.
626. Doriveeke (Karte), 4 w. von Cullompton.
627. Exioick, nahe Exeter. — D. B. Essoic.
628. Germansiveek, 10 w. von Okehampton. — D. B, Wicha.
Dazu vgl. Westiveek, 2 w. von Germansiveek, Westweekmoor,
3 w. und Soiähiveek 1 8. von Oermansweek.
629. Hardu'ick (Karte), 1 s. von Plympton.
630. TIerdiüick (Karte), 1 n. 0. von Holsworthy.
631. Highweek, Dorf, 1 n. w. von Newton Abbot.
632. Hurdivick (Karte), 1 n. von Tavistoek. 1303 Hurdeiryk
F. A. I, 372, 384.
633. Langtree Week (Karte), 1 0. von Langtree, 2^/2 ?. s. w.
von Torrington.
634. North Week (Karte), 2'/., s. von North Tawton.
635. Pancrasweek, Dorf, 6 0. von Bude. — 1284/6 Wyke-
Xtranhard F. A. I, 328. 1303 Prancardiswyk ib. 357. 1346,
1428 Wyk{e) Sancti Pancratii ib. 407, 457.
636. Spitchtvick, Dorf, S'/a o- w. von Newton Abbot. — 1167/68
Spikesivic Pi. R. XII, 136. 1168/9 Spichivic ib. 53. 1284/6
Spichicik F. A. I, 318. 1303, 1346 Spychewyk ib. 348, 391.
1316 Spicheimjk ib. 378.
637. Stickwick (Karte), 2 u. 0. von Bovey Tracey.
398
638. Teig7iwecJc, ne. nicht belegt, vielleicht = 631. — 1230
Teyneivicum Pa. R. 400.
639. Weelx (Karte), 1 o. von Cullonipton. — 1284/6 Wyh Lange-
ford F. A. I, 320. 1303 Wik Langeford ib. 355. 1316
Wylce Langeford ib. 384.
640. Weeh (Karte), 5 s. w. von Okehampton.
641. Weeh (Karte), 2 u, w. von Totnes.
642. Weel (Karte), 1 w. von North Tawton.
643. Weeh (Karte), 4 s. o. von North Tawton.
644. Weeh (Karte), 1 s. von Morehard Bishop.
645. Week (Karte), 4'/2 s. von Torringtou.
646. Weeh (Karte), 3 s. von Umberleigh Station.
647. Week (Karte), 3 o. n. o. von Chnlmleigh.
648. Week (Karte), 6'/2 w. von Tivertou.
649. Weeh (Karte), 3 o. n. o. von Milton Abbot. — 1284/86,
1303, 1346, 1428 Wyke F. A. I, 322, 372, 404, 451.
650. Weeh (Karte), 5 w. s. w. von Winkleigh. — 1303 Wyh
Tammill F. A. I, 356.
651. Weehahorough (Karte), 5 s. von Newton Abbot.
652. Weehe Barton (Karte), 2 w.n.w. von Christow Station.
653. Weeks-in-the Moor (Karte), 5 w. von Okehampton,
654. Wich, East und West, 17-2 s. o. von South Tawton.
655. Witchcomhe (Karte), 4 s. von South Brent.
656. Wyhe (Karte), 2'/2 o. von Crediton.
657. Wyhe Green (Karte), 2 s. von Axmiuster. — 1284/6, 1303,
1346 Wyk F. A. I, 319, 366, 429.
C 0 r n w a 1 1.
658. Week St. Mary, 7 s. von Stratton. — D. B. Wich. 1303
Wyk F. A. I, 202. 1306 Wik ib. 208. 1428 Wyke ib. 238.
659. Gtreek, ancieutly Wyke, 3 s. o. von Heiston.
660. Rossivick (nach F. A.). — 1303 Rossewyc F. A. I, 196.
1306 Roseivik ib. 204. 1346 Bosseivyk ib. 217. 1428
Rosnwik ib. 222.
\
399
Zusammen fassunji'.
Wir haben uus uiiii zunächst zu fragen, welche Be-
deutung die ne. Endung -wich, wich, das ne. Wich,
Wich, Weck haben kann. Die Mehrzahl der Forscher ist
Ubereinstinnueud der Meinung, dafs zwei Stämme, ae. iclc
„Ort, Dorf" < lat. viciis oder das auord. vilc „Bucht, Bach"
vorliegen können, vgl. J. Wright, English Dialect. Dict. unter
ivicJc^ und 2. Doch dürfte damit die Bedeutungsniöglichkeit
noch längst nicht erschöpft sein. Diese beiden Worte muI'Hten
sich entwickeln zu ne. [uit/ bezw. uick], daneben findet sich
[uaits]. Diese Form und Aussprache habe ich zwar selbst
nicht belegen können; nur Wyld-llirst a.a.O. p. 397 stellen
als besondere Schwierigkeit, die bisher nicht berührt sei, das
Vorkommen von ne. wicic neben ivich [wit/] und [tvait/], z. B.
in NanUvich [luentwaitf] hin. AVährend bei -wick und -wich
m. E. die Schwierigkeiten nicht grofs sind, macht das Vor-
kommen von [ivaitf^ in Nantwich und Droitivich, wofür
Wyld-Iiirst es bezeugen, die Frage tatsächlich verwickelter.
Da aber die «/-Form nur für eine Gruppe besonderer Orte
belegt ist, auf die ich unten noch zurückkommen mufs, kann
ich sie hier vorläufig fortlassen. Hier kann ich zunächst sagen,
dafs in allen Fällen, wo ae. ivlc oder anord. vlc zugrunde liegen,
im Ne. nur -wick [uik\, -ivich [uit/] und week [ivlk] belegt
sind. Über die Kürzung des ae. l vgl. unten und G. Hack-
mann, Kürzung langer Tonvokale vor einfachen, auslautenden
Konsonanten. Morsbach, Studien X (1908) passim. Dafs die
Kürzung in wich durch die satztieftonige Stellung in den
Ortsnamen beschleunigt wurde, dürfen wir wohl annehmen.
Diese tieftonige Stellung hatte ja noch zur Folge, dafs in der
weiteren Entwicklung das anlautende lo dort meist schwand,
wo wick Endung war (vgl. J. Marik, ?(;-Schwund im Mittel-
und Frühneuengl., Wiener Beiträge XXXHI, S. 25), d. h. au
Bedeutung verlor. Die meisten englischen Ortsnamen zeigen
Schwund des w. Nun haben aber einige ne. Namen langen
Vokal, nämlich [?]. Burstivick (136) ist Beleg für den Norden,
zahlreiche ee-Scbreibungen scheinen es für den Süden, besonders
für Hampshire, Somerset und Devonshire, zu bezeugen. Dieses
400
lange 7 kann jedoch nicht unmittelbar auf ae. l znrüekgefühvt
werden, welches ja [ai\ hätte werden müssen, sondern es
mufs sich dialektisch die Vokalqualität in me. Zeit verändert
haben.
Wann ist nun die Kürzung eingetreten? Darüber
läfst mein Material einen bestimmten Sehhii's nicht zu. Wenn
wir die alten Schreibungen betrachten, müssen wir zunächst
fragen, welche Kriterien wir in ihnen für Länge und Kürze
haben. Länge und Kürze kann -wie bezeichnen, Länge ist
vielleicht als wahrscheinlich bei -tvi/Jc, -icylce, aber nicht als
unbedingt notwendig anzunehmen. Sicher ist nur, dafs
Schreibungen wie -wich, -ivicke, -ivylke Kürzung bezeichnen.
Diese Formen sind nun im ganzen selten, müssen es auch wohl
sein, da auch die andern Schreibungen die Kürze wiedergeben
können. Interessant ist es aber zu sehen, wann diese gekürzten
Formen zuerst auftreten. Der älteste Beleg dafür ist Femvich
(114) 1105; sonst aus dem 12. Jh. nur Wynewicl: (171) 1192.
Häufiger schon sind die Belege aus dem 13. Jh., ziemlich
oft findet sich -wick in und seit dem 14. Jh. Wenn die
Schreibungen wenig Schlüsse zulassen, so scheint es mir doch,
als wenn die Kürzung seit dem 13. Jh. eingetreten ist.
Da ae. wie und anord. -vik sich zum Ne. völlig gleich
entwickeln mufsten, bedarf es zum Ziehen der Z^—c" Grenze
einer Scheidung dieser beiden Wörter nicht. Genau wird sich
auch nicht mehr sagen lassen, welches Wort im Einzelfalle zu
zugrunde liegt. Die meisten Forscher nehmen für Küstenplätze
wie Berwich-upon-Tweed , Norivich, Greemvich, Woolwich,
Santhvich, Fordwich und andere die Herleitung aus dem Alt-
nordischen als die bessere an; immerhin ist es auffällig, dafs
die Endung -ivic sich schon im Jahre 675 belegen läfst (vgl.
Fordiüicli 486), als von an. Eiufluls noch nicht die Rede war.
Sonderbar ist es auch, dafs in vielen Fällen nur die Ortschaft
heute den Namen mit der Endung -iviclx, wich trägt, nicht die
Bucht so bezeichnet wird. Dort wo sicher anord. vtk zugrunde
liegt, auf den Shetland-Inseln, den Orkneys und der Isle of
Man (vgl. die Belege) führt die Bucht noch heute den Namen.
Weshalb ist das dann im Süden nicht auch der Fall? Auch
der Umstand, dafs für Dumvich in Sutfolk, worin höchst
wahrscheinlich die altnordische Form vorliegt, noch im 8. und
401
9. Jh. Belege ohne -ivich vorhanden sind, scheint mir darauf
hinzuweisen, dafs bei an. Einfhifs das -wie wesentlich später
hinzutrat als G75, wo wir sie in Fordwich schon fanden. Ich
neige deshalb der Aussicht zu, die ae. Form als die auch in
diesen Orten zugrunde liegende anzunehmen. Eine sichere
Entscheidung Heise sich aber nur fällen, wenn gültige Belege
aus älterer Zeit, als ich sie bringen konnte, aufzufinden
wären.
Herleitung aus dem Altnordischen nehmen mehrere
Forscher, unter ihnen Skeat, für die Formen auf -tvich an, wo
letzteres sich in den Namen von Orten findet, in denen sich
Solquellen befinden. Für diese Worte belegt Wyld-Hirst die
oben erwähnte Aussprache [wait/]. Wenn auch nach J. Wright,
Engl. Dial. Grammar ne. clitch = ae. die gerade in diesen
Dialekten als [dait/] belegt ist, so scheinen doch diese Orts-
namen eine Gruppe für sich zu bilden und es fragt sich, ob
die Herleitung aus dem Altnordischen richtig ist. Schon
Duignan, WorcestersMre Place-Names p. 177, weist darauf hin,
dafs die Belege für Wich so alt sind, dafs man altnordischen
Einflufs nicht annehmen dürfe (Belege unter Droitwich 378).
Wenn Skeat demgegenüber (vgl. Duignan, Worcester Place-
Names p. 177 Anm.) meint, dafs an. Einflufs doch möglich wäre,
weil die Dänen doch schon zu Alfreds Zeit fast ganz England
unterworfen gehabt hätten, so entkräftet das ra. E. nicht die
Tatsache, dafs Saltivich schon 716 belegt ist und die Ver-
mutung, dafs diese Zusammensetzung jedenfalls älter als 700
ist. Aber gerade die Entwicklung des Namens Droitwich, wie
sie das Material zeigt, ist überaus interessant, um so mehr, als
eine derartige Entwicklung in England selten ist. Der Name
der Stadt war zunächst Saltivich, verlor dann wahrscheinlich
wegen Bedeutungswandlung des zweiten Wortteils den. ersten
Bestandteil, so dafs wir schon im 10. Jh. pic finden. Im Laufe
des 11. Jhs. verschwindet der erste Bestandteil völlig, und
Wich allein gilt durchaus. Dann trat im 13. Jh. wieder das
neue, aus dem Französischen stammende droit davor, das
wahrscheinlich dadurch notwendig geworden war, dafs man
ein unterscheidendes Merkmal zwischen den vielen Städten
dieses Namens brauchte und dafs man die Bedeutung von
Wich allein nicht mehr fühlte. Doch findet man neben dieser
Studien zur engl. Phil. L, 26
402
neuen Bezeichnung noeli bis ins 15. Jh. hinein die ältere Form.
Aus dieser Entwicklung des Namens folgt aber wohl der
Schlufs, dafs Saltivich zunächst lediglich ,.Salz-Ort" bedeutete,
eine Erklärung, für die ja auch andere Salhvick sprechen.
Bald aber wurde die Bezeichnung wie auf die Solquelle über-
tragen, die Bedeutung änderte sich also. Denn das ist aufser
Zweifel, dafs ivich diese Bedeutung hat, wie das Dialektwort
wich-waller, „Salzkocher" (vgl. Lucas, Wth. und Engl. Dial.
Dict. unter Wych) bezeugt. Immerhin ist diese Erklärung von
-7vich als isolierter Form von ae. wie nicht als unbedingt gültig
anzunehmen, da die Endung -wiek in Flufsnamen bezeugt, dafs
auch andere Deutung möglich ist.
Die Salzstädte Englands sind ziemlich zahlreich; schon im
D. B. ist eine grofse Zahl zu belegen (vgl. Ellis, An Intro-
dudioti to D. B. I, 126 ff.). Von meinen Beispielen kommen
Middlewich 176, Nantwicli 177, Northwich 178, ShirUtjwich 206,
DroiUüich 378 und Loiver und Upper Wtjclie 395 in Frage. Diese
Orte wären, da die Herleitung weder von ae. wie noch an. vtli
sicher ist, bei Behandlung der Hauptfrage auszuschalten.
Aber aufser diesen drei Bedeutungen kann noch eine
weitere zugrunde liegen. In mehreren Ortsnamen wird wohl
witcli („Ulme" < ae. ivic oder wice (vgl. Middendorf, Ae. Flur-
namenbuch) die Endung bilden. Wych-Elms gab es früher
in England vielfach, heute ist eine besonders bekannt (vgl.
Baedecker, Grofshrit. p. 78). Das English Dial. Dict. belegt
dies Wort allerdings nur für Somerset und Devonshire. Orts-
namen wie High Wych (474) (vgl. dazu High OaJ: und ähnliehe)
und Holyivych (510), auch Wych Cross (511) dürften hierher
gehören, desgleichen Formen wie Witcham (338), während
Witchford 339 und Whichford 372 wohl auf das Altnordische
zurückgehen. Im Norden ist im Ne. das Dialektwort Wicke?!,
Wicken Tree „Eberesche" zu belegen, vgl. English Dial. Dict,
unter Wiggen, Quicken, auch Witchen. Dies wird vielleicht
derselbe Stamm sein. Da hier im Ae. auch auslautendes -c
vorliegt, ist natürlich kein Grund vorhanden, diese Ortsnamen
aus unserer Untersuchung auszuschalten.
Wich „Docht" und ivitch „Hexe" dürften in unseren
Ortsnamen kaum vorliegen. Anhaltspunkte dafür sind Jeden-
falls nicht vorhanden. In wieweit die Bedeutung „Vorgebirge"
403
und „peak", die tvicJ: in Schottland und Nordengland zu haben
scheint (vgl. die Belege 17. 23. 90) mit unseren Wörtern zu
tun hat, ist kaum zu sagen.
Doch noch weitere Erklärungsraüglichkeiten sind gegeben.
Sicher liegt in einigen Ortsnamen, zum wenigsten in einem,
der Name des alten Stammes der Hwiccas vor, die in den
angelsüchsiseheu Annalen erwähnt werden. Dafür sprechen
mehrere Schreibungen, nämlich Huiccepudu für Wychivood (439),
Hiviccenofre für Wichnor (209). Diese Ortsnamen müssen wir
jedenfalls bei der Untersuchung ausscheiden.
Die Annahme, dafs wtc dem Bedeutungswandel stark unter-
lag, wie wir für ivich = „Solquelle" angenommen haben, wird
weiter befestigt durch das zahlreiche Vorkommen insbesondere
in Essex und dem Süden Englands in Zusammensetzungen, in
denen ivick „Marsch, Marschland, Weide" bezeichnet. Dies ist
sicher in Hackneij Wich der Fall, höchstwahrscheinlich bei den
eng aneinanderliegenden Wich in Essex' Küstenmarsch. Doch
kann hier auch die Bedeutung „Meierei, Käserei, dairy" vor-
liegen (vgl. English Dicd. Dict. unter Wide i). Jedenfalls ist hier
ein Bedeutungswandel eingetreten. Die in Frage kommenden
Ortsnamen aus unserer Untersuchung auszuscheiden, liegt aber
kein Grund vor.
Nachdem wir so zunächst gesehen haben, welche von den
im Material mit aufgezählten Orten für unsere Frage aus
Gründen der Bedeutung der Endung nicht in Betracht kommen,
müssen wir jetzt sehen, bei welchen Orten andere Gründe für
ein Ausscheiden vorliegen. Hier haben wir vor allem die
alten Formen zu befragen, aber auch Nebenformen, die heute
noch im Gebrauch sind, müssen Zweifel in uns erwecken. Dies
ist z. B. der Fall in ManvicJc (26), wozu die Formen Marvig
und Maldbhig belegt sind. Zweifelhaft müssen wir auch werden
bei der Schreibung -wig, da das -g auf stimmhafte Aussprache
hinzuweisen scheint. Doch wird -wich im Ne. vielfach \ividz\
gesprochen, sodafs wir die Orte auf -g nicht streichen dürfen.
Dafs weder ae. tvic noch an. vllc vorliegt, beweist der alte
Beleg für JRenvicJc (44). Wichham oder Whicham (86) hat mit
unserem Worte nichts zu tun, wie die alten Belege Witingham
deutlich zu zeigen scheinen. Auch in Stanwich (102) scheint
die Endung früher anders gelautet zu haben, da das D. B.
26*
404
Stenwege und äbnliclie Formen hat. Für Glodwich (163) ist
keine alte Form mit -ivick belegt, sodafs es auch hier zweifel-
haft sein muls, ob wir es zur Untersuchung heranziehen dürfen.
Wichaugh (182) ist ein sehr schwer zu deutender Name, Aus-
scheidung scheint mir auch hier angebracht. In Muchlewick
(192) liegt wahrscheinlich eine ähnliche Umbildung vor, wie
in dem oben erwähnten Stamuick. Auch hier lautet die Form
des 14. Jahrhunderts auf -wege. In Wiekenhy (230) liegt ein
altes Wikmghy zu Grunde und kommt es deshalb für uns nicht
in Betracht. Schwierig ist die Entscheidung bei Cranivich (241),
wo die Belege aus früheren Jahren niemals -wich, sondern
-wisse, -wyz, -wes zeigen. Obwohl diese Schreibung vielleicht
nur darauf hindeutet, dals hier [ts] gesprochen wurde, scheint
es mir ratsam zu sein, die Form ganz fortzulassen. Crostivick
(242) und und Guesttvich (244) scheinen auch ursprünglich eine
ganz andere Endung gehabt zu haben. Zwar ist für das erstere
die Endung -ivic im 13. Jahrhundert bezeugt, die heutige Aus-
sprache ist m. E. auch beweisend dafür, dafs es wirklich eine
Zeit gegeben haben muls, wo man [hJc] sprach, die Erklärung
der Namen ferner würde bei Annahme eines alten -tvic keine
Schwierigkeit bereiten. Immerhin scheint mir das Gewicht
der alten Belege auf -tveit, -2vit so bedeutend, dafs ich lieber
auf die beiden Orte verzichten möchte. Ausscheiden mufs
auch Witchiiigham (260), wie auch Wigston (360) auf Grund
der alten Form. Stanwick 2 (355) muls ebenso ausgelassen
werden wie das oben erwähnte Stanwick und wie MuMeiviclc.
Auch hier sprechen zahlreiche Belege für andere Endung.
Auch Wigmore in Herefordshire mulste aus gleichem Grunde
gestrichen werden. Wiclcliamford (399) und Child's WicMiam
(428) müssen fallen ; Wychbold (401) Wijckhurij Hill (402) sind
auch nicht sicher auf -wich zu deuten. Schlielslich ist Comb-
ivich (592) noch zweifelhaft ; die heutige Schreibung ist zuerst
im 15. Jahrhundert belegt.
Strittig ist die Bedeutung von Aldtvych, einem Namen,
der 1905 einer neuen Strafse in London gegeben wurde, und
zwar, um den alten Namen Wijch Street wieder aufleben zu
lassen. Wenn also auch der Name erst kürzlich gegeben wurde,
ist die Form selbst doch sehr alt und mufs von uns berück-
sichtigt werden. Fraglich ist nur, was die Endung bedeutet.
405
F. H. Habben, London Street A^ames, deutet icijch hier auf
ein altes Kloster, ohne allerdings diese Deutung etymologisch
zu begründen, andere sehen die an. Form als zu Grunde liegend
an, wieder andere glauben, dafs hier loitch = „Ulme" zu setzen
ist. Mir selbst erscheint es aber, als wenn hier ae. iv'ic in der
isolierten Form zu Grunde liegt, die wir oben schon besprochen,
nämlich „Weide, Wiese, Marsch". Darauf scheint zunächst
der alte Beleg The garclen in Aldeivych zu deuten, ferner auch
die Bemerkungen über die Geschichte des Orts in Notes and
Qiieries 1905, S. 411. Danach war an dieser Stelle früher ein
ca. zwei Acker grolser Platz vorhanden, Oldiviclc, Oldwich oder
Old Witch Close benannt. Dieser Platz war noch im Jahre
1629 unbebaut, da in diesem Jahre Beschwerde geführt wurde
über gewisse Leute, die versucht hatten, auf dem kleinen Platz
zu bauen.
Interessant sind nun die wenigen Worte, die früher die
Form -wich gehabt, sie aber in der Entwicklung der Jahr-
hunderte verloren. Yorh ist der hervorragendste dieser Plätze
(man vgl. Bradley a.a.O. S. 19f.). Allerdings scheint mir die
Kontraktion von Evervic > York wesentlich später eingetreten
zu sein, als Bradley annimmt. Ich konnte doch noch im
14. Jahrhundert die Form Everwic belegen, also muls bis dahin
diese Form bekannt gewesen sein. Die Form lorviJc als
Zwisehenform anzunehmen, ist auch gewagt; Beispiele und
Belege habe ich dafür nicht gefunden, wüIste auch nicht, dafs
dieser Name irgendwo belegt wäre. Sicher liegt hier aber
altes -2ütc zugrunde. Birmingham ist von verschiedenen
Gelehrten als Brummidgeham gedeutet worden, unter Bezug-
nahme auf die in der Nähe liegenden Bromwich. Zachrisson
a. a. 0. S. 2 hat aber durch den Hinweis darauf, dafs in alter
Zeit nur Ber-, Bir- begegnen, diesen Irrtum wieder richtig
gestellt.
Die alte Endung ist nicht mehr zu erkennen, aber durch
Belege aus früherer Zeit erwiesen in Holliclcstone (384)
< Hahvichestan, Ramerich (469) < BamnordwyJc, in Brunage
(544) < Brunuuic, in Wishford (587) < Whicheford, Swanage
(582) < Swanawic, wahrscheinlich auch in Chelveg (591) aus
Calviche. Von diesen sind Brunage, Swanage und Wishford
besonders interessant, da sie die wenigen Belege für die
406
palatalisierte Form vermebreu in einer Gegend, in der sonst
U'ich-Formen nicht belegt sind.
Nachdem wir so die einzelnen Ortsnamen, soweit etwas
darüber zu sagen ist, für die Zwecke unserer Untersuchung
geprüft haben, möchte ich dazu übergehen, die Überlieferung
unserer Ortsnamen bezüglich der Palatalisierung des
auslautenden Konsonanten zu schildern. Auffallen mufs
auf den ersten Blick, dafs das Bild kein reines ist, dafs wir
überall die Formen auf -ivick, -loeclc vorherrschend finden,
während -wich die Ausnahme darstellt. Es bleiben nach Ab-
zug der oben ausgeschiedenen nur noch 44 wich-Yoxmen gegen-
über der grofsen Zahl derer auf -ivick. Das darf aber nicht
Wunder nehmen. Wir müssen vielmehr bedenken, dafs wie
nur dann der Palatalisierung unterlag, wenn das c im Auslaut
stand, also nicht in den flektierten Formen (vgl. E. Björkman,
Scand. Loanw. S, 145). So mulsten sich notwendigerweise
Doppelformen ergeben, und die nicht palatalisierte Form hat
im allgemeinen den Sieg davongetragen. Leider können wir
an Hand des Materials diesen Vorgang nicht verfolgen, da die
Schreibungen fast stets versagen. Nur ganz wenige Belege
zeigen durch die Schreibung -luyz, -wes, -wys oder tvicche an,
dafs hier ein Laut vorlag, der den Schreibern Schwierigkeiten
bereitete. Denn die oft belegten Formen mit ch sind keines-
wegs beweisend für Palatalisierung. Das geht aus vielen
Schreibungen hervor, wie z. B. Cheiit und Norfolch in den Pipe
liolls. Auch c ist nicht beweisend für den [fsJ-Laut, obwohl
es natürlich diesen Laut bezeichnen könnte. Das zeigt die
Schreibung Wieford, im D. B. für heutiges Whichford (372)
deutlich an. Andererseits setzen die Schreiber zuweilen h, wo
sicher [ts] vorlag, wie in Wike statt Wiche = Droitwich. Auf
die Schreibungen dürfen wir also nicht viel geben.
Stellen wir nun die Verbreitung der -wich und -ivich-
Formen fest. In ganz Schottland und dem ganzen Norden
aufser Lancashire gibt es kein einziges -ivich, sondern nur tvick-
Formen sind zu belegen, Whicham in Cumberland war zu
streichen. In Lancashire begegnen neben vielen -wich auch
zwei -lüich, Horwich (165) und Presttvich (168). In Cheshire
sind neben wenigen wich mehrere wich zu belegen; bis auf
Leftwich (175) haben diese aber die Bedeutung „Solquelle".
407
In Shropsbiro überwiogeu die wiclc durchaus, nur Ledwich (191)
zeigt Palatalisierung. Zahlreich sind die -j^/c/i- Formen dann
in Statfordshire, doch sind daneben einige wich zu belegen.
Derbyshire zeigt liberwiegend wich, doch haben Grecnwich
(211) und Parivich (213) auch hier die palatalisierte Form.
Lincolnshire, Nottinghamshire, Leicestershire und Rutlandshire
sind ganz frei von Palatalisieruug. Norfolk, Suffolk und Essex
zeigen ein starkes Überwiegen von 7vicl', nur vier sichere Belege
für -wich sind vorhanden. Cambridgeshire hat im Osten zwei
Witch-, neben mehreren wicJc; Bedfordshire und Northampton-
shire haben nur wicl: Warwiekshire dagegen hat schon wieder
zwei ivich-Formeu, neben überwiegendem wicJc. Worcestershire
hat dann neben vielen tvicJc und aulser einigen zweifelhaften
Ortsnamen noch DucJcswich (379), Liidwidge (388) und Wichen-
ford (396). Herefordshire, Moumonthshire, Gloucestershire,
Oxfordshire und Buckinghamshire sind ganz frei von jeder
palatalisierten Form. Dann treten wir wieder in das tvich-
Gebiet Ostenglands ein: In Hertfordshire ein wych, in Middlesex
zwei, in Kent sogar überwiegend -wich. Die übrigen Graf-
schaften des Südens haben bis auf die nördlichste, Berkshire,
und die westlichste, Cornwall, vereinzelte ivich-Formen. Dabei
ist die eine Form Somersets sogar noch auszuscheiden (vgl.
oben).
Wir sehen also zwei deutlich von einander getrennte Ge-
biete, die tvich-Formen enthalten. Die eine befindet sich im
Nordwesten des Mittellandes mit dem Hauptsitz in Staffordshire
und umfafst den Süden von Lancashire, dann Cheshire, West-
Derby, Shropshire, StaflFordshire, Worcestershire und West-
Warwickshire; die andere im Osten und Südosten mit dem
Zentrum in Kent, von wo einzelne Ausläufer sich nach Norden
und Westen erstrecken. Hier finden sich wic/i-Formen in Nor-
folk, Suffolk, Cambridgeshire, Hertfordshire, Essex, Middlesex,
Kent, Surrey, Suesex, Hampshire, Wiltshire, Dorsetshire und
Devonshire. Der Südwesten und die Mitte des Mittellandes
sind ganz frei von der palatalisierten Form. Bei der eigen-
artigen Überlieferung können wir aber wohl kaum hieraus den
Schlufs ziehen, dafs nun überall, wo heute -ivich-Formen fehlen,
auch früher die Palatalisieruug nicht eingetreten sei. Das
scheint m. E. nur für Schottland und Nord-England festzustehen.
408
Wir dürfeu deshalb wohl auch die Scheidung zwischen nord-
westlicher und südöstlicher Gruppe nicht so streng nehmen.
Wenn wir überhaupt eine Grenze ziehen wollen, kann es sich
nur um eine Grenzlinie gegen Norden handeln und auch diese
wiederum kann nicht unbedingte Zuverlässigkeit für sich in
Anspruch nehmen. Denn das Mittelland beweist uns doch, dafs
wir heute nicht unbedingt da wich-Formeu zu suchen haben,
w^o Palatalisierung wirklich eingetreten ist. Um eine eigent-
liche Grenzlinie kann es sich aber schon deshalb nicht handeln,
da die Verbindung zwischen Ost- und West -England ganz
fehlen würde. Im Westen findet sich die nördlichste Form
{Horwich 165) in Süd-Lancashire, und die Verbreitung des
palatalisierten ivich endigt hier genau dort, wo auch die chester-
Form aufhört (vgl. H. Cornelius, Die ae. Diphthongierung
durch Palatale im Spiegel der me. Dialekte in Morshacli- Studien
XXX S. 78). Dasselbe ist der Fall im Osten. Norwich liegt
allerdings noch nördlich von der von mir gezogenen Grenze,
doch müssen wir bei jeder derartigen Linie etwas Spielraum
lassen.
Zusammenfassend muls ich sagen, dals die Frage der
dialektischen Abgrenzung der ivich- und wich-Yoxm wohl gelöst
ist. Wir haben zwei völlig von einander getrennte Gebiete
mit -wich gefunden. Damit ist aber leider nicht das Gebiet
umgrenzt worden, in welchem Palatalisierung des auslautenden
c (vgl. K. D. Bülbring, Ae.El. §496) überhaupt eintrat. Viel-
mehr wird in ae. Zeit neben der palatalisierten Form die nicht
palatalisierte Form der flektierten Formen bestanden haben;
dieser Umstand allein mulste natürlich eine Entscheidung un-
möglich machen.
Anmerkung: Während der Drucklegung erschien das Buch von
H. Alexander, The Place-Names of Oxfordshire, Oxford 1912. Aus dem
Inhahc wäre nachzutragen der weitere Beleg Berrick Prior, Bcrrick Salome
(s. 52). Alte Formen beweisen, dafs hier dieselbe Endung wie iu Berwick
zugrunde liegt.
409
I n (l e X.
Abberwlck, Nhmiih., JS
Adwick-le-Strcet, W. K. Yks., 107
Adwick-upou-Dearne, W. R. Yks.,
106
Aldwick, Süss., 504
Aldwick Court, Hom., 5S6
Aldwych Crescent, Middx., 475
Alfledawiclia, Ilerts., 4ö(l
Alnwick, Nhnmb., 49
Alnwick Lodge, Sc. Ayrs., 40
Alswick Hall, Herta., 457
Aukerwyke, Biicks., 440.
Ankorwyke, Surr., 494
Anuick Lodgc s. Alnwick Lodge
Anwick, Lines., 220
Appletreewick, W. R. Yks., 104
Ardwick, Lancs., 154
Ashwick, Som., 5SS
Ashwicken, Norf., 2.Ü7
Ashwicke Tark, Gloucs., 411
Astwick 1, Beds., 449
Astwick 2, Nhauts., 348
A.stwiek Manor, Herts., 458
Aswick Grange, Lines., 224
Atwick, E. R. Yks., 134
Auld Wick Castle, Sc. Caitbs , 20
Anstwick, W. R. Y'ks., 105
Bagwich, Hants., 543
Banterwick Baru, Berks., 532
Barlawick, Yks., 151
Barnoldswick, W. R. Yks., 108
Barswick, Sc. Ork., 17
Barwick 1, Som., 5S9
Barwick 2, Norf., 238
Barwick, Dev., (121
Barwick, Great, Herts., 459
Barwick Hall, Ess., 276
Barwick- in-Elmet, W. R. Yks., 109
Barwick, Ingleby, N. R. Yks., 94
Bastwick, Repps-with-, Norf., 239
Baswich, Staffs., 196
Baswick, Worcs., 374
Bathwick, Soui., 590
Beuwick, Cambr., 831
Borkswich, Staffs., 196
Bcrrick Prior, — Saloiuc, s. 408 A.
Berwick 1, Süss., 505
Berwick 2, Shrops., 184
Berwick 4, Dors., 579
Berwick, Kent, 4S3
Berwick, Ess., 279
Berwick-Bassett, Wilts., 558
Berwick, Great, Shrops., 183
Berwick Hill, Nhumb., 51
Bcrwick-in-Toppesfield, Ess., 280
Berwick Lodge, Gloucs., 412
Berwick, New und Old, Nhumb., 52
Berwick, North, Sc. Haddings., 32
Berwick Place, Ess., 277
Berwick-St. James, Wilts., 559
Berwick-St. John, Wilts., 560
Berwick-St. Leonard, Wilts., 561
Berwick- upon -Tweed, Nhumb., 50
Beswick 1, E.R. Yks., 137
Beswick 2, Lancs., 1.^5
Bewick, E.R. Yks., 138
Bewick Farm, Suff., 262
Birmingham, Warws., 363
Biscopesunic, Kent, 493 A. 1
Bishops Wicks, Suff., 274
Blatherwick, Nhauts , 349
Bloxwich, Staffs., 197
Blowick, Higher und Lower, Lancs.,
150
Blowick Bay, Wmld., 88
Bolwick Hall, Norf., 240
ßonwicks Place, Süss., 506
Borwick, Lancs., 157
Borwick Ground, Lancs., 158
Borthwick 1, Sc. Edins, 33
Borthwick, Flufs, Sc, 37
Borthwickbrae, Sc, Roxbs., 37
Borthwickshields, Sc, Roxbs., 37
ßraiswick House, Ess., 281
Bridgewick, Ess., 282
410
Brihthelmewic, Cambrs., 339
Broniwlcli, Castle, Warws.," 3r)5
Bromwich, Little, Warws., 364
Bromwich, West, Stafifs., 11)8
Brotberwick, Nhumb., 53
Bninage, Eants., 544
Bruuswick Farm, Suff., 2(13
Buddingwick, Worcs., 375
Bndwick Hall, Herts., 460
Bulwick, Nhants., 350
Burstwick, E. R. Yks., 136
Burstwiek Island, Keut, 4S4
Biirwick, Sc. Ork., 16
Butterwick 1, Lines., 221
Butterwick 2, E. R. Yks., 1 35
Butterwick 3, N. R. Yks., Ü5
Butterwick 4, Dur., 73
Butterwick 5, Wmld., 89
Butterwick, East und West, Lines.,
222
Butterwike, Dors., 580
Calwicb, Staffs.; 199
Candelwikstrete, Middx., 476
Canwick, Lines., 223
Casewick, Lines., 225
Castlewigg, Sc. Wigs., 43
Catwick, E. R.Yks., 140
Cepmundewiche, Chesh., 173
Chaddeuwicke, Wilts., 5G2
Chadwick 1, Laues., 159
Chadwick 2, Wores., 376
Chadwick 3, Worcs , 877
Chadwick End, Warws , 366
Chadwick Green, Laues., 160
Chelvey, Som., 591
Cheswick, Nhumb., 54
Cheswick near Tamwortb, Warws.,
367
Childwick, Herts., 461
Childwickbury, Herts., 462
Chiswick, Middx., 477
Chiswick End, Cambrs., 332
Cholwicb Town, Devon, 623
Colwicb, Staffs., 200
Cülwick, Notts., 215
Combwicb, Som., 502
Cookburyweek, Devon, 624
Cowick, Devon, 625
Cowick 1, W. R.Yks., 111
Cowick, Snaitb and, W. R. Yks., 126
Cranswick, E. R.Yks., 139
Crauswick, Hutton, E. R. Yks., 139
Cranswich, Norf., 241
Crawick, Flufs, Sc. Damfs., 41
Creswick, W. R.Yks., 110
Crostwick, Norf., 242
Crustwick, Ess., 285
Cynemunding wie, Bucks., 448
Dalwick, Sc. Peebs., 35
Daneswick, Herts., 463
Dawick s. Dalwick.
Denwick, Nhumb., 55
Dorweeke, Devon, 626
Droitwicb, Worcs., 378
Drungewick, Süss., 507
Duekswich, Worcs., 379
Duddlewick, Shrops., 185
Dulwich, Surr., 495
Dankeswick, W. R.Yks., 112
Dunwich, Suff., 264
Dwarwick Head, Sc. Caitbs., 23
Eacbwick, Nhumb., 56
Earswick, N. R.Yks., 96
Eastwick 1, Herts., 464
Eastwick 2, Hants., 545
Eastwick 3, Shrops., 186
Eastwick, Ess., 287
Eastwick, Ess., 288
Eastwick, Surr., 496
Eckweekhouse, Som., 594
Eldwick, W. R.Yks, 113
Ellwick, Sc. Ork., 15
Elsternwick, Elstronwick, E. R.Yks.,
141
Elswick 1, Nhumb., 57
Elswick 2, Lancs., KU
Elswick, Sc. Ork., 15
Elwick 1, Nhumb., 58
Elwick 2, Dur., 74
Elwick Hall, Dur., 74
Esüotrewic, Derbs., 214 A.
I
411
Eswiuk, Sc. Shetl., 5
Etherdwiek, E. R. Yks.,
Etou Wick, Backs., 111
Exwick, Devou, (i27
42
Farwig, Kent, 485
Feuwick I, W. R.Yks., 114
Feuwick 2, Nhiimb., 59
Fenwick 3, Nhuiub., HO
P'enwick 4, Sc. Ayrs., .H'J
Fishwick 1, Laues., lt')2
Fishwick, Sc. Berws., 34
Fisberwick, Staffs., 201
Fleshwick, I. o. IM., 47
Flitbwick, Beds., 45U
Fordwicb, Kent, 486
Froswick, Wmld., UO
Frowick, Ess , 2>\)
Furtlicrwick, Ess , 29il
('anwick Corner, Middx., 478
(larwick, Lines., 226
Garwick Bay, I. o. M., 47
(Tatwick, Sarr., 497
Gatwick, Surr., 498
Gatwick, Gloucs., 41 .'5
Gernianswcek, Devon, (.28
Giggleswick, W. R.Yks., 115
Giodwick 1 nud 2, Laues., 163
(ioddeuwick Farm, Süss., 508
Godwick, Norf., 243
Güswick, Nhumb., 62
Gotherick, Nhumb., 61
Gratwich, Staffs., 2ü2
Greenwich, Kent, 487
Greeuwick, Derbs., 211
Greenwick, L o. M., 47
Grenaiigh, s. Greenwick, L o. M.
Gräting Wick, Bucht, Sc. Shetl, 3
Guestwick, Norf., 244
Gulberwick, Sc. Shetl., 6
Gweek, Cornw., 659
Ilamiuerwich, Staffs., 203
Hardewick, Staffs., 204
Hardwick 1, Norf., 245
Hardwick 2, Nhants., 351
11 iruwick 3, Suff, 265
Hardwick 4, Cambs., 333
Hardwick 5, Oxfs., 432
Hardwick 6, Lines., 228
Hardwick 7, Oxfs., 43:5
Hardwick 8, Derbs., 212
Hardwick 9, ]\Ioum., 407
Hardwick 10, Norf., 246
Hardwick 11, Oxf., 431
Hardwick 12, Rutls., 358
Hardwick 13, Shrops., 187
Hardwick 14, Shrops., 188
Hardwick 15, Shrops., 189
Hardwick 16, Worcs., 380
Hardwick 17, Dur., 75
Hardwick 18, Monm., 408
Hardwick 19, Hunts., 341
Hardwick 20, W. R.Yks., 121
Hardwick, Devon, 629
Hardwick, East u. West, W. R.Yks.,
120
Hardwick, Eynesbury, Hunts., 342
Hardwick Grange, Lines., 227
Hardwick Green, Worcs., 381
Hardwick House, Oxfs., 435
Hardwick, Kirkby, Notts., 216
Hardwick, Kytes, Warws., 368
Hardwick, Monks, Hunts., 343
Hardwick, Priors, Warws., 369
Hardwick, Shefford, Beds., 451
Hardwicke 1, Bucks., 442
Hardwicke 2, Glouc, 414
Hardwicke 3, Herefs., 403
Hardwicke 4, Gloucs., 415
Hardwicke, Hunts., 344
Hardwicke Bell End, Beds., 452
Hardwicks, Hunts., 345
Haroldswick, Sc. Shetl., 4
Harwich, Ess, 291
Haultwick, Herts., 465
Hawick 1, Nhuuab., 63
Hawick 2, Sc. Roxbs., 36
Hawkswick, Herts., 466
Hazelwick, Süss., 509
Heckraondwike, W. R. Yks., 119
Hedderwick, Sc. Forfs., 27
Henwick 1, Worcs., 382
412
Henwick 2, Berks., 536
Herdwick, Devou, G30
Heswick Farm, Wilts., 573
Hewiek, Bridge, W. R. Yks., 117
lIcMick, Copt., W. R.Yks., 116
Ilida ding pie, Worcs., 383
Ilillswick, Sc. Slietl., 7
Hiuchwick nnd Old Ilinchwick,
Glüucs., 416
Hiuwick, Beds., 453
Hlidwic, Süss., 5;i0 A.
HoUick, Surr., 499
HoUickstoue, Worcs., 3S4
Hülwick, N. R.Yks., 97
Holywych, Süss., 510
Iloneywick, Som., 595
Horwieb, Lancs., 165
Hoswick, Sc. Shetl., 8
Howick 1, Nhnmb. 64
Howick 2, Lancs., 164
Howick, Snss., 511
Howick, Monm., 409
Hremping wiic, Kent, 493, A. 1
Huntwick, W. R.Yks., 118
Hunwick, Dnr., 76
Hnrdwick, Devou, 632
Innerwick 1, Sc. Haddings., 31
Innerwick 2, Sc. Perths., 29
lunervvick-in-Glenlyu, Sc. Perths , 30
luverwick. Sc. luvs., 2^
Ipswich, Suff., 266
Kearstwick, Wmld., 91
Keckwick, Kekewick, Chesli., 174
Kelsick, Cumb., 81
Keltwick, s. Kelsick
Kenswick, Worc, 385
Kenwick, Shrops., 190
Keuwick Hall, Norf., 247
Kepwick, N. R. Yks., 99
Keswick 1, Cumb., 82
Keswick 2, Norf, 249
Keswick, Norf., 248
Keswick, East, W. R, Yks , 122
Kildwick, W. R.Yks,, 123
Killerwick-iü-Monsell, Lancs., 166
Kilnwick, E. R. Yks., 143
Kiluwick Percy, E. R. Yks., 144
Kuightwick, Warws., 370
Kniglitwick, Worcs., 3S6
Kniglitswick, Ess., 294
Landwick, Ess., 295
Land Wick., Ess., 206
Ledwicb, Shrops., 191
Leftwich, Chesh., 175
Lenchwick, Worcs., 387
Lerwick, Sc. Shetl., 9
Levenwick, Sc. Shetl., 10
Littlewick Green, Berks., 537
Longwick, Bucks., 444
Lowick 1, Nhants., 352
Lowick 2, Nhumb., 65
Lowick 3, Lancs., 167
Lndwick, Herts., 467
Ludwick, Süss., 512
Ludwidge, Worcs., 388
Lundenwic, Middx., 4SI
Lyn wick House, Süss., 513
Malabhig s. Marwick
Malswick, Gloncs., 417
Marshalwick, Herts., 468
Marvig s. Marwick
Marwick, Sc. Lewis, 26
Marwick Head, Sc. Ork., IS
Middel pik, Worcs., 3S9
Middlewich, Chesh., 170
Middlewich, Worcs., 395
Middlewick, Ess., 300
Milwich, StafTs., 205
Monkwick, Ess., 301
Monkswick, Ess., 302
Morwick 1, Nhumb., 66
Morwick 2, W. R. Yks., 124
Mouwick, Sc. Shetl., 3
Jlucklewick, Shrops., 192
j Muggleswick, Dur., 77
Nantwich, Chesh., 177
Neswick, E. R. Yks , 145
Newick, Süss., 514
Norridge, Wilts., 578 A.
413
Northwich, Chesh., 178
Northwicb, Castle, Chesh., 179
Northwick 1, Gloucs., 41b
Northwick 2, Som., 597
Northwick 4, Wurcs., 390
Northwick 5, Worcs., 3i)I
Northwick, Ess., ;!u5
Norwich, Norf., 250
Nor Wick, Sc. Shetl., 13
Nimwick-with-Howgrave, W. R.Yks.,
125
Orgarswick, Kent, 4SS
Orleswick, Süss., 515
Üsbaldwick, N. R.Yks., 100.
Osborwyk, Nhiimb., 67
Otterswick, Sc. Ork., 19
Otterswick, Sc. Shetl., 1
Oiitwich, Middx., 4S2
Oiitwick, Hauts., 5-iü
Owlswick, Bucks., 445
Üwstwick, E. R. Ykä., 116
Oxwick, Norf., 251
Paiuswick, Gloucs., 419
Paucrasweek, Devon, 635
Papplewick, Notts., 217
Parwich, Derbs., 213
Pattiswick, Ess., 307
Penewick, Derbs., 214 A.
Perwick Bay, I. o. M., 47
Petwick, Berks., 538
Pickwick, Wilts., 563
Postwick, Norf., 252
Powick, Worcs., 392
Preudwick, Nhumb., 68
Prestwich, Laues., ICS
Prestwick 1, Nhumb., 69
Prestwick 2, Sc. Ayrs., 38
Prestwick, Surr., 500
Pull Wyke Bay, Lancs., 172
Ramerick, Ilerts., 469
Randwick, Gloucs., 420
Reawick, Sc. Shetl., 12
Redwick, Monm,, 410
Redwick, Gloucs., 420
Renwick, Curab., 83
Rerwick, Sc. Kirkcuds., 44
Rosswick, Cornw., 660
Rotherwick, Hauts., 547
Round wick, Süss., 516
Rudgwick, Süss., 517
Ptunswick, N. R.Yks., 101
Rushwiek, Worcs., 393
Saltwick, Nhumb., 70
Salwick, Laues., 169
Sandwich, Kent, 489
Sandwick 1, Wmld., 92
Sandwick 2, Sc. Ork., 14
Sandwick 3, Sc. Shetl., 11
Saudwick 4, Sc. Ross Croms., 25
Scopwick, Liucs., 229
Sedgewick Castle, Süss., 519
Sedgwick, Wmld., 93
Senwick, Sc. Kirkcuds., 46
Shapwick 1, Dors., 581
Shapwick 2, Som., 599
Sheldwich, Kent, 490
Shelwick, Herefs., 404
Shirleywich, Staffs., 206
Shockerwick, Som., 600
Shopwyke, Süss., 520.
Shotwick, Chesh., ISO
Sloswick, Notts., 218
Smethwick 1, Staffs., 207
Smethwick 2, Chesh., ISl
Smithwick Shoal, E. R. Y'ks., 147
Suaith aud Cowick, W. R. Yks., 126
Snodswic, Derbs., 214 A.
Southwick 1, Süss., 521
Southwick 2, Hants., 548
Southwick 3, Nhauts., 353 ^
Southwick 4, Dur., 78
Southwick 5, Wilts., 564
Southwick 6, Gloucs., 422
Southwick 7, Sc. Kirkcuds., 45
Southwick, Som., 601
Spaldwick, Hunts., 346
Spitchwick, Devon, 636
Stauderwick, Som., 6ii3
Stanwick 1, N. R. Yks., 102
Stauwick 2, Nhauts., 354
414
Stickwick, Devon, 637
Stowick, Gloncs., 423
Strodwic, Süss., ö'M) A.
Snnderlandwick, E. R. Yks., 1 48
Swainswick, Som., 6UG
Swauage, Tors., 5S'2
Swanwick 1, Derbs., 214
Swanwick 2, Hants., 54!)
Tadwick, Soin., 607
Teignweek, Devon, 638
Terwick, Snss., 522
TetcLwick, Bncks., 446
Tidbritwic, Cambrs , 340
Tilwick Farm, Beds., 454.
Tingewick, Bucks., 447.
Todwick, W.ß. Yks, 127
Treswick, Sc. Caiths., 22
Treswiek, burn. Sc. Caiths., 24.
Trewick, Nhumb., 71.
rdding wie, Bucks., 44S
Ullingswick, Herefs., 405
Upwick Green, Herts., 470
Urswick, Lancs., 170
Unerburgenuic, Kent, 493 A. 1
IVadswick, Wilts., 565
Walberswick, Suff., 267
AValwick, Nhumb., 72
Warwick 1, Warws , 371
Warwick 2, Cumb., b4
Warwick Bridge, Curab., 85
Warwicks, Ess., 314
Wattouwick, Norf., 253
Weatherwick, Ess., 315
Week 1, Hants., 550
Week 2, Som , 609
Week 3, Som., 610
Week 4, Som., 611
Week 5, Hants., 551
Week, Devon, o. Cullompton, 639
Week, Devon, s.w. Okehampton, 640 '
Week, Devon, n. w. Totnes, 641
Week, Devon, w. North Tawton, 612
Week, Devon, s. o. North Tawton, 643
Week, Devon, s. Morehard Bishop, 644
Week, Devon, s. Torriugton, 645
Week, Devon, s. Umberleigh Station,
646
Weck, Devon, o.n.o. Clmlmleigh, 647
Week, Devon, w. Tivertou, 648
Weck, Devon, o. n. o. Milton Abbot,
649
Weck, Devon, w.s.w. Wiukleigh, 650
Weekaborough, Devon, 651
Week, Ash, Som., 587
Week, Chawleigh, Devon, 622
Weeke, Hants., 552
Wecke Barton, Devon, 652
Weekfield, Som., 612.
Week, Langtree, Devon, 633
Weekley, Nhants., 355
Week in Arreton, Hants , 533
Week, North, Devon, 634
Week St. Mary, Cornw., 658
Weeks-in-the-Moor, Devon, 653
Weiwick, E. R.yks., 149
Westsandwick, Sc. Shetl., 2
Westwick 1, Norf., 254
Westwick 2, W. R. Yks., 132
Westwick 3, Dur., 79
Westwick 4, Cambs., 334
Westwick, Ess., 317
Westwick, Ess., 318
Westwick, Ess., 319
Westwick, Herts., 471
Westwick, Som., 613
Wetherwik, Derbs., 214 A.
Whichford, Warws., 372
Whickham, Dur., SO
Whitwick, Herefs., 406.
Whitwick, Leics., 359
Whyke, Süss., 523
Wichaugh, Chesh., 182
Wiche, Shrops., 195
Wichenford, Worcs., 396
Wichnor, Staffs., 208
Wick 1, Worcs., 397
Wick 2, Gloucs., 424
Wick 3, Süss., 524
Wick 4, Som., 615
Wick 5, Gloucs., 425
Wick 7, Sc Caiths., 21
i\
415
Wick, Hants., 556
Wick, Hants., 557
Wick, Soni., 6 Kl
Wick, Wilts, 566
Wick, Ardingtou, Berks., 531
Wick, Ardleigb, Ess., 275
Wick, Avon, Devon, 620
Wick, Badbnry, Wilts., 569
Wick, Bray, Berks., 533
Wick, Bremhill, Wilts., 568
Wick, Burnham, Ess., 2S2
Wick by Ipswich, Suff., 268
Wick, Cerney, Gloucs., 427
Wick, Charuey, Berks., 534
Wick, ClactüD, Ess., 284
Wick, Coxley, Sern., 593
Wick, Dunmow, Ess., 286
Wick, East und West, Devon, 654
Wick, Egham, Surr., 501
Wick End, Norf., 256
Wick End, Beds., 455
Wick Episcopi, Worcs , 398
Wick, Eton, Bucks., 441
Wick, Farleigh, Wilts., 567
Wick, Fyfield, Berks., 535
Wick, Great Wakering, Ess., 313
Wick Green, Berks., 540
Wick, Ilackney, Middx., 479
Wick, Hampton, Middx., 480
Wick, Hannington, Wilts., 570
Wick, Hatfield, Ess., 292
Wick, Haydon, Wilts., 571
Wick, Heddiugton, Wilts., 572
Wick, Jay, Ess., 293
Wick in Headiogton, Oxfs., 436
Wick, Kemble, Wilts., 574
Wick, Kimble, Bucks., 443
Wick, Land, Ess., 296
Wick, Lee, Ess., 297
Wick, Liddington, Wilts., 576
Wick, Lower und Upper, Worcs., 394
Wick, Lower, Ess., 298
Wick, Maldon, Ess., 299
Wick, Milborne, Som., 596
Wick, Nase, Ess, 303
Wick, New, Ess., 304
Wick, Nor, Bucht, Sc.Shetl., 13
Wick, North, Ess., 306
Wick, Ramsay, Ess., 308
Wick Eissington, Gloucs., 426
Wick St. Lawrence, öoiu., 617
Wick, St. Osyth, Esa., 310
Wick, South, Som., 602
Wick, Stanton, Som., 604
Wick, Steeple, Ess., 3(i9
Wick Street, Süss., 527
Wick, Sutton, Som., 605
Wick, Sutton, Berks, 539
Wick, Tockenham, Wilts., 577
Wick, ToUesbury-Marshes, Ess., 31 1
Wick, Ulting, Ess., 312
Wick Water, Sc. Caitbs., 24
Wick, Way, Som., 60S
Wick, Well, Ess., 316
Wick, West, Ess., 320
Wick, West, Ess., 321
Wick, West Kington, Wilts., 575
Wick, Writtle, Ess., 330
Wicken 1, Cambrs., 335
Wicken 2, Nhants., 356
Wicken, Norf., 255
Wickenby, Lines., 230
Wicken Bonhunt, Ess., 322
Wicken Hall, Suff., 270
Wickfield, Berks., 542
Wickford, Ess., 323
Wickham !, Hants, 554
Wickham 2, Cumb., 86
Wickham 4, Berks., 541
Wickham 5, Oxfs., 437
Wickham, Herts., 472
Wickham, Süss., 525
Wickham Bishops, Ess., 324
Wickham, Childs, Gloucs., 42S
Wickham, East und West, Kent, 4'.)1
Wickham Heath, Berks.. 541
Wickham Market, Sutl'., 272
Wickham St. Paul, Ess., 325
Wickham Skeith, Suff., 273
Wickham, West, Cambrs., 336
Wickham, West, Kent, 491
Wickhambreanx, Kent, 492
Wickhambrook, Suff., 271
Wickbamford, Worcs., 399
416
Wickhampton, Norl., 257
Wickburst, Süss., 526
Wickmere, Norf., 25»
AVickridge Street, Gloucs., 430
Wickwar, Gloucs., 429
Wicks, Ess., :-t2H
Wieks Greeu, Suff, 2t;9
Wicksgreeu, Gloucs., 431
Wiöig wie, Kent, 493 A. 1
Wigborongh, Soin., 61S
Wigborough, Great und Little, Ess.,
327
Wigborough Wick, Great, Ess., 32S
Wigford, Lines., 231
Wiggenhall, Norf., 259
Wiggeus Green, Ess., 329
Wiggiuton, Staffs., 210
Wighill, W.R.Yks., 131
Wightwick, Staffs., 209
Wigland, Uants., 555
Wigmore, Herefs., 406 A.
Wigsley, Notts., 219
Wigston, Magna, Parva und South,
Leics., 360
Wigtoft, Lines., 232
Wigton 1, Cumb., 87
Wigton 2, W.K.Yks., 128
Wigtown, Sc. Wigs., 42
Wigwig, Shrops., 193
Wike 1, W.R.Yks., 130
Wike 2, W.R.Yks.. 129
WilderNvick, Surr., 502
Willerixigwic, Bncks , 448
Willingwick, Worcs., 400
Winwick 1, Lancs., 171
Winwick 2, Nhants., 357
Winwick, Hunts., 347
Wishford, Great uud Little, Witts., 578
Wistauswick, Shrops., 194
Witchampton, Dors., 584
Witchcombe, Devon, 655
Witchford, Cambrs., 338
Witchingham, Great und Little, Norf.,
260
Witchliug, Kent, 493 A. 2
Withernwick, E. R. Yks., 150
Wittou, East, Yks., 152
Wollenwick, Herts., 473
Woodbastwick, Norf., 261
Woodwiek, Som., 614
Woolwich, Kent, 493
Wretebwick, Oxfs., 438
Wych, High, Herts., 474
Wychbold, Wores., 401
Wyehbury Hill, Worcs., 402
Wyche, Lower und Upper, Worcs.,
395
Wychough, Chesh., 182
Wychwood Forest, Oxf., 439
Wycombe, Leics., 361
Wyke, Surr., 503
Wyke, Devon, 656
Wyke Champflower, Som., 619
Wyke Farm, Dors., 583
Wyke Green, Devon, 657
Wyke, Haiburn, N. R. Yks., 98
Wyke, Kingston, Süss., 528
Wyke Regis, Dors. 585
Wyke, Rumbolds, Süss., 518
Wykeham, N. R. Yks., 103
Wykeham, Lines., 236
Wykeham, East, Lines., 234
Wykeham, West, Lines., 235
Wykehurst, Siiss., 529
Wyken, Warws., 373
The Wykes, Lines., 233
Wykin, Leics., 362
Wyteh Gross, Süss., 530
Yarnwick, Yks., 153
York, Yks., 133
]
Studien
zum
PsalteiMiiin lAOinanuiii in Engiand und
zu seinen Glossier ungen
(in geschichtlicher Entwicklung)
von
Karl Wildhagen.
Inhalt.
Seite
Einleitung 418
Die nordhumbrisch-mercische Zeit 427
Alfred — ^thelstan 441
Die Benediktiner-Reform 446
Beginn der Noruiaunisieruug und Verflachung 401
Studien z. engl. Phil. L.
Einleitung.
Die angelsächsische Kirche hat sieh in Organisation,
Lehre, Ritus, Kursus und Gesang nach dem Muster Roms
eingerichtet, doch nicht, wie wir im einzelnen unten sehen
werden, ohne dabei eine gewisse, durch völkischen Charakter
und politische Faktoren bedingte Selbständigkeit zu entwickeln,
und hat den engen Zusammenhang mit Rom eigentlich nie
aufgegeben. Schon gegen Ende des 7. Jahrhunderts, nach
den grofsen Synoden zu AVhitby (664), Hertford (673) und
Hatfield (680) und der ordnenden und zugleich aufbauenden
Tätigkeit Theodors und Hadrians war in allen grofsen Fragen
eine Regelung erzielt und ein einheitlicher Geist in der Kirche
lebendig mit der Spitze in Canterbury. Der Weg dahin
war freilich nicht ohne eine Reihe schwerer Krisen und
Konflikte zurückgelegt. Die Anfänge im Süden waren durch
Augustins aufopfernde Arbeit für Rom ja sehr verheifsungsvoll
gewesen, ihre gedeihliche Entwicklung aber war durch einen
neuen Aufschwung der schottisch-irischen Kirche unter
Oswald von North umbrien stark in Frage gestellt. Erst 664
wurde der Streit zwischen den beiden Kirchen endgültig zu
Gunsten Roms entschieden, und der Grund zu einer englischen
Nationalkirche gelegt.
Naturgemäfs war auch der in der römischen Liturgie
gebräuchliche Psaltertext in dieser Zeit in England bekannt
geworden. Nicht nur August in soll Exemplare aus seinem
Kloster mit nach Canterbury gebracht — darunter eins, das
später fälschlich mit dem Vespasian-Ms. identifiziert worden
ist — sondern auch Benedikt Bisco pi) wird von seinen
vier Romreisen seinen Klöstern Wearmouth und Jä,rrow Hand-
0 W. Hunt, A History of the English Church, I p. 187 flf.
419
Schriften des lömiselien Psalters zugeführt haben. Nichts
davon ist uns erhalten. Auffälligerweise zeigen nun alle auch
schon die ältesten der in England entstandenen Handschriften
ein so charakteristisches Gepräge, dafs man vermuten könnte,
sie seien von einer römischen Vorlage kopiert. Dem wider-
spricht aher entschieden das handschriftliche Material des
Psalterium Romanum, wie es auf dem Kontinent vorliegt und
von Jacobus Faber Stapulensis,^) Lucas Holstenius,^)
Martianajj^*) Jos. Mar. Thomasius,^) Martinetti») und
Vallarsi^) veröffentlicht und behandelt ist. Denn auch nicht
eine der von diesen benutzten Handschriften, noch auch eine
der Handschriften des altlateinischen Textes, also das Psalterium
Carnutense, ') Coislinianum,^) Corbeiense,'-') Mediola-
nense,io) Mozarabicum, 'i) Sangermanense, i^) und Vero-
nense, '3) noch auch einer der Kommentare bezw. die Psalmzitate
der Kirchenväter Hilarius, Ambrosius, Augustinus, Hiero-
nymus, Prosper und Cassiodor, die sämtlich von Sabatier
in seinem Bibelwerk i^) ausgezogen sind, teilt die den englischen
Texten anhaftenden Eigentümlichkeiten. Somit ist der Annahme
^) Quincnplex Psalterium, Parisiis 1513.
*) Anonym brsg. als Psalterium Romanum cum vettistissimis exem-
plaribus mss. . . . collatum . . ., Komae 1663.
^) In Ilieronymi Opera I, Parisiis 1693.
*) Josepbi Mariae Thomasii Opera Tomus II. rec. Antonius Frauciscus
Vezzosi, Romae 1747, wo auf p. VI die von Holstenins benutzten, auf
p. VII die von Thomasius coUationierten Hss. abgedruckt sind.
^) Antouii Martinetti, Dissertatio de Psalterio Romano, Rom 1745.
®) Hieronymi Opera, Verona 1740.
') Ms. 22 der Bibl. municipale zu Chartres aus dem 10. Jahrhundert;
vgl. Cat. gener. des Mss. des Bibl. publ. de France, Departements t. XI p. 10,
^) Ms. Coisl. 186 Bibl. nat. Paris aus dem 7. Jahrhundert. Enthält nur
Ps. 18, 14 — 36, 3. 30,9-72,10; vgl. Rahlfs Septuaginta- Studien 2,6.
^) Ms. F. I 5 Kais. off. Bibl. Petersburg aus dem 8. Jahrhundert; vgl.
Staerk, Les Mss. Latins ... ä la bibl. imper. de St. Petersbourg, p. 24,
pl. XXXVIII.
»0) Rahlfs, a. a. 0. p. 29.
") Rahlfs, a.a.O. p. 29. Das Ms. Addit. 30851 Brit. Mas. aus dem
11. Jahrhundert in: Henry Bradshaw Society Vol. XXX (1905).
^2) Ms. Lat. 11947 Bibl. nat. Paris aus dem 6, Jahrhundert, abgedruckt
von Sabatier.
13) Hrsg. von Blanchiuus; vgl. Rahlfs, p. 6. 29.
") Bibliorum Sacrornm Latinae Vers. ant. Bd. II.
27*
420
nicht auszuweicheD, dafs Letztere auf eine gemeinsame Vor-
lage zurückgehen, die in England die ihr eigene Gestaltung
erfahren hat.
Der Gedanke, für England eine besondere Liturgie zu
schaffen, mufste sich schon früh der jungen Kirche aufdrängen
und wir wissen, dals er schon Augustin beschäftigt hat.
Im Zweifel, welcher der bestehenden Liturgien er den Vorzug
geben sollte, wandte er sich an Papst Gregor um Auskunft, i)
Der Papst war weit entfernt, der neugewonnenen Provinz
seines Reiches irgend etwas aufzuzwingen, vielmehr eifrig
darauf bedacht, wie er die von Selbst- und Freiheitsgefühl
durchdrungenen germanischen Geistlichen zu gefügigen und
arbeitsfreudigen Beamten erziehen konnte. Daher riet er
Augustin, unter Benutzung der vorhandenen Liturgien eine
neue zusammenzustellen,-) die der angelsächsischen Kirche
am besten eignete. So mag denn dieser den Plan gleich in
Angriff genommen und als Grundlage des Ganzen zuerst einen
Psalter text nach den päpstlichen Vorschlägen hergestellt
haben, der vielleicht als Archetyp des englischen Psalterium
Romanum und als Ausgangspunkt für alle unsere Handschriften
zu gelten hat. Denn sonderbar ist es doch, dafs der Text,
der sich aus einer Untersuchung des gesamten Handschriften-
materials als gemeinsame Vorlage ergibt, durchaus den Charakter
zeigt, den der Papst 3) in die englische Liturgie gelegt wissen
wollte. Folgte er auch im wesentlichen der römischen Fassung,
so blieb er doch in beträchtlichem Grade der altlateinischen
(vorhieronymianischen) Version^) treu — vielleicht hier und
1) Dieser antwortet: . . . Sed mihi placet, sive in Romana, sive in
Galliarum, seu in qualibet ecclesia, aliquid invenisti quod plus omnipotenti
Deo possit placere, soUicite eligas, et in Anglornm ecclesia, quae adhuc
ad fidem nova est, institutione praecipua, quae de multis ecclesiis colligere
potuisti, infundas. Non euim pro locis res, sed pro bonis rebus loca
amanda sunt. — Haddau and Stubbs, Councils and Eccles. Docnm. III, 19.
Beda, Historia Eccl. ed. Plummer, I, 27. Hunt, History of the Englisch
Church I p. 27 f.
2) Siehe Anm. 1.
') Übrigens war Gregor dem Gallicanum ebenso wohlgesinnt wie dem
Romanum und hat beide für seine Arbeiten benutzt. Martinetti, Dissertatio
De Psalterio Romano, Rom 1745, p. 89 ff.
*) Hier gebe ich einige Beispiele aus den Pss. 1—77 und zwar nur
421
da in Anlehnung an Hieron5'nina' Bearbeitung des Psalterium
Gallieanum ') — , die von Gallien aus eingeführt bis zum 6. Jahr-
hundert in England verbreitet gewesen war, 2) und brachte
drittens eine grofse Anzahl eigener Lesarten,^) die vielleicht
von dem englischen Bearbeiter selbst — oft nur durch Ver-
schmelzung *) zweier vorhandener Lesungen — konstruiert und
geeignet waren, dem Ganzen einen gewissen selbständigen
Anstrich zu geben. Auch Cassiodor mufs schon für diese
erste Fassung herangezogen sein, wenigstens folgen ihm alle
Handschriften an einigen recht bemerkenswerten Stellen, &) wo
er zum Unterschiede von der römischen und allen oder fast
allen anderen Versionen eigene Wege geht.
Mit dem wachsenden Ansehen der römischen Kichtung in
England mufste auch das Psalterium Romanum und seine
Canterbury - Gestalt an Bedeutung gewinnen. Entscheidend
für die Zukunft beider war natürlich die Stellung, welche die
leitenden Männer dieser Zeit zu ihnen einnehmen würden.
Diese aber waren, wie selten wieder, eifrige Verfechter Roms
und alles, w^as von da ausging. So hören wir, dafs Wilfriö,
der in seiner Jugend die in der irischen -schottischen Kirche
eingeführte gallikanische Version erlernt hatte, an Earconberts
die Psalmstellen (der Bnchstabe rechts oben hinter dem Beleg bezieht
sich auf die entsprechende Anmerkung in meiner Ausgabe des Cambridger
Psalters, wo Näheres): 1,5=. 2, 13'i. 5,13b. 9, 7^. 21,16". 27, 5e. 28,9a.
31,51». 31,9s. 33,23=1. 34, s<i. 34,24». 36,34«. 39, 5i'. 41,6i>. 42,5».
43,23a. 44,9b. 44,15b. 45,4b. 48,20». 53,9". 56,10':. 57,30. 65,15».
67,7''. 67, 8»<'. 67, 22«^. 67,31'^. 67, 36". 68,36«. 68,37b. 71,6a. 76,8«;
im übrigen verweise ich auf meine Ausführungen im Eadwine- Psalter
p. 211 ff., im Archiv f. n. Spr. 116, 159 ff. und DLZ. 1909 Sp. 3106 f.
') Z. B. 3,8a. 7,13''. 10,8b. 14,5b. 20,9b. 20,13a. 21,18c. 34,13».
36,23=. 49,3''. 51, 11''. 55,9c. 58, 16i. 61,10c etc.
2) Williams, Christianity in Early Britain, Oxford 1912, p. 81 f. 449.
^) Hier sind einige der wichtigsten (vgl. vorige Seite Anm. 4): 7, 15».
8,8». 9,31e. 11,4a. 13,6b. 17,36». 17,45». 18,4^. 18, 9e. 43, 4=. 43, 14c.
4«J, 7f. 48,8». 57,6b. 65, 14^. 66,8''. 69,4a. 75,12». 76,13». 77, 17e. 78, 4^.
81,4b. 86,4a. 103,32». 104,40c. 106,10c. 108,18». 117,8°. 119,ll>. 121,4c.
142,10b.
*) Z.B. 57,6b. 75,12».
•^) 17,13». 42,5». 48, 12 f. 57,6b. 57, ic. 72,14b. 76,20''. 89,9b.
103,2». 103,11b. 107 3». 114,1». \IS,\11^. 140,5».
422
Hofe (652) sich rasch zn der römischen bekehrte, i) Und auch
Benedikt Biseop mufs, während er Abt von St. Augustinus-
Kloster war, mit ihr vertraut geworden sein. Durch sie beide
wird der Canterbury-Text in den uordhumbrischen Klöstern
Fufs gefafst haben. Zur allgemeinen Anerkennung und Ein-
führung aber kam er erst infolge der kirchlichen Organisationen
Theodors und Hadrians. Ihrem Strebeu nach einheitlicher
Ausgestaltung der Diözesen entsprach es, wenn sie auch einen
festen Text für die Officia diuina in Anwendung brachten.
Welcher aber wäre hierzu geeigneter gewesen als jene Canter-
burj'-Fassung, die von Rom autorisiert und ins Leben gesetzt
war, und die aulserdem in ihrem altertümlichen Gewände
dem Erzbischof als gebornem Cilicier, wie auch Hadrian,
dem Afrikaner, besondere Sympathieen abgewinnen mufste?^)
Zweifellos war jetzt ihre Zukunft gesichert. Denn nachdem
sie einmal in der Liturgie Wurzel geschlagen hatte, gab es
kein Aufhalten mehr. Eine jede Diözese wird binnen kurzem
— schon um 700 — eine Kopie von ihr erhalten und solche
auch für ihre Klöster und Kirchen angeregt haben. Als Aus-
läufer dieses weitverzweigten Netzes werden die neun er-
haltenen Handschriften 3) aufzufassen sein, die in recht ver-
*) Psalmos . . . quos primo secundnm Hieronymi emendationem legerat,
more Komanornm inxta quintam editionein memoraliter transmetuit, sagt
sein Biograph Eddius Stephanus (The Great Historians of the Church of
York, ed. Raine, Vol I p. 5).
") Theodor war sicher geneigt, wie man bei seiner Ernennung
befürchtete (Beda, Histor. Eccl. IV, cap. 1), den Bräuchen seiner Heimat
Konzessionen zu machen. Besonders in monastischen Fragen galten ihm
Antonius und vor allem Basilius mehr als Benedikt. Die Regel des Basilius
würde er auch den englischen Klöstern als Muster zugrunde gelegt haben,
wenn nicht der heil. CuÖbert, WilfriÖ und Benedikt Biseop u, a. den
Benediktinern vorgearbeitet hätten. In dem 'Poeniteutiale", das zweifellos
unter seiner Führung entstanden ist und aus leicht verständlichen Gründen
nicht für sein Werk gehalten wurde, auch nicht von Beda, wird stets die
Consuetudo der Griechen neben, oft gar vor, der der Römer erwähnt
(vgl. Councils and Eccl. Doc. III, 173 ff.); Liber II cap. XII, 6 heifst es
gar: Basilius hoc iudicauit. Von Benedikt erwähnt es kein Wort.
ä) Psalterium Salabergae Berlin Kgl. Bibl. Hamilton 553. — Psalterinm
zu Blickling Hall im Besitze des Marquis von Lothian. — Ms. Vespasian A I
Brit. Mus. (A). — Ms. Junius 27 Bodl. Libr. Oxford (B). — Ms. Regius 2
BV Brit. Mas. (D). — Ms. Addit. 37 517 Brit. Mus. (L). — Ms. Ff. 1. 23
423
sehiedene Gegenden weisen und zum Teil starke Umarbeitungen
und Korrekturen erfahren haben.
Die ältesten dieser Handschriften tragen, vielleicht in
Anlehnung an den Archetyp, deutlich die Beziehung zum
römischen Officium zur Schau, indem sie einmal die in
diesem markanten, d.h. die Gebetsstunden, beginnenden Psalmen
durch besonderen Schmuck hervorheben, und andererseits die
in dem Officium hervortretenden liturgischen Stücke dem
Psalter nachtragen. ') Die so ausgezeichneten Psalmen sind
Psalm 1 (Beatus iiir qui nou abiit; der erste der 12 Psalmen,
Vigiliae für Sonntag), 2G (Dominus inluminatio mea; Vigiliae
für Montag), 38 (Dixi custodiam uias meas; Vigiliae für
Dienstag), 52 (Dixit insipiens in corde suo non est deus;
Vigiliae für Mittwoch), 68 (Saluum me fac deus; Vigiliae für
Donnerstag), 80 (Exultate dco; Vigiliae für Freitag), 97 (Cantate
domino canticum nouum; Vigiliae für Sonnabend), 109 (Dixit
dominus domiuo raeo; der erste von fünf Psalmen zur Vesper
am Sonntag). 2) Dieselbe Behandlung erfahren — dies scheint
ein besonderes Kennzeichen der insularen Gruppe — Psalm 17
(Diligam te domine uirtus mea) und Psalm 118 (Beati imma-
culati in uia), 3) letzterer vielleicht auch infolge seiner bevorzugten
Stellung in der irischen Liturgie, ') die ja in den nordhum-
brischen Klöstern eingeführt war. Zweifellos ist in diesen
Univ. Libr. Cambridge (C). — Ms. fonds lat. 8824 Bibl. nat. Paris (P). —
Psalterium Eadwini Trin. Coli. Cambridge (E). Die Buchstaben in Klammern
beziehen sich aaf die Siglen, die bis jetzt für die ae. Glossen dieser Hss.
üblich gewesen sind.
0 In irischen Mss. (z. B. Ms. C 0 St. John College Library Cambr.)
sind sie oft an drei Stellen eingetragen: zwischen Ps. 50 und 51, desgl.
zwischen 100 und 101, nach Ps. 150.
") Dieser Psalm spielte noch eine besondere Rolle im römischen
Offizium und wird daher vor allen anderen besonders ausgezeichnet. La
distribntion des psaumes aux divers nocturnes de la semaine, etait regl6e
d'aprcs ce principe que le psautier etait divise en deux parties : la premiere
s'arretait au Dixit Dominus (Ps. CIX) exclusivement et etait attribuee ä
Toffice nocturne; la seconde ä partir du Dixit Dominus etait attribuee k
l'office diurne (Batiffol, Ilistoire du Breviaire romain^, p. US f.).
^) Er wurde im römischen Stundengebet täglich in den Horae (Prima,
Tertia, Sexta, Nona) gesungen, im monastischen war er nur auf Sonntag
und Montag beschränkt.
*) Plummer, Bedas Eist. Eccl. II, p. 137.
424
ancli in der älteren Zeit der irische Brauch, den Psalter in
drei Teile, die sogenannten drei Fünfziger, mit den Ein-
schnitten hinter Psalm 50, 100 einzuteilen, übernommen und
in den Handschriften zum Ausdruck gebracht worden, anfangs
aussehlielslich, dann, nach 664, neben der römisch-liturgischen
Einteilung, wie uns der Salaberga- und der Blickling-Psalter
lehren. Da dieses Prinzip auch sonst von der angelsächsischen
Kirche beibehalten und verwandt wurde, ') so könnte es sich
auch allmählich der südlichen Buchkunst bemächtigt und
neben dem römisch-liturgischen Fuls gefalst haben. Leider
fehlt es an Handschriften besonders des 9. Jahrhunderts,
um dies mit Sicherheit zu entscheiden. Wo wir daher in
englischen Psaltern 10., 11. Jahrhunderts, die dem Süden an-
gehören, die Psalmen 51, 101 ausgezeichnet finden, tun wir
gut, die Möglichkeit eines Einflusses fremder und zwar entweder
irischer oder, was wahrscheinlicher, kontinentaler Vorlagen in
Erwägung zu ziehen. Denn auf dem Kontinent hatte der
irische Brauch allgemeine Anerkennung und Verbreitung ge-
funden. 2)
0 Als Bnfse z.B. wurden oft der ganze Psalter, zwei Drittel oder
ein Drittel znm Hersagen auferlegt. So wird fiftig zu einem reinen Straf-
inafs, vgl. celc gegilda . . . gesinge an fiftig, Liebermann, Gesetze der Angel-
sachsen VI As 8,6 (I, p. 18Ü), ähnlich: eghwüc godes öiow gesin^e twa
fiftig, Kemble, Codex diplom. No. 226 (vol. 1, p. 293, Z. 5 v.u.). In den
Kanzleien und Klosterschulen scheint man nach diesem Prinzip auch die
Arbeit des Abschreibens und Glossierens der Psalterien unter den Schreibern
verteilt zu haben, vgl. unten beim Regius- Psalter S. 451 Anm.
') Die ganze Frage über diese Einteilungsprinzipien ist zum ersten
Male von Goldschmidt (Der Albani -Psalter in Hildesheim 1895, p. 1 ff.)
angeschnitten und in ihrer Bedeutung gewürdigt worden. Im folgenden
seien zu seinen Resultaten, besonders der älteren Zeit (bis ca. 1000), einige
Ergänzungen gestattet. Die Dreiteilung (Auszeichnung der Pss. 1. 51.
101) ist m. E. in einer Zeit entstanden, in der eine feste Ordnung betreffs
Verwendung des Psalters in der Liturgie noch nicht ausgebildet war. Sie
ist also wohl nach rein formalen, praktischen Gesichtspunkten ein-
gerichtet, gewinnt aber gerade deshalb rasch au Verbreitung und hält sich
trotz starker Konkurrenz das ganze Mittelalter hindurch. Daher treffen
wir sie in ältester Zeit besonders in Irland, soweit die uns erhaltenen
Psalterien des 9.— 11. Jahrhunderts (St. John's College Cambridge Ms. C. 9;
Brit. Mus. Vitellius XI ; Trinity College Dublin : Psalter des Ricemarchus)
zu Schlüssen auf frühere Zeit berechtigen, und in späterer Zeit in kontinen-
talen Klöstern, die von irischen Mönchen gegründet und durch ihre Lage
425
Die dem Psalter folgenden Hymnen spiegeln wohl den
jeweiligen Stand des Kursus wieder. Demnach ergeben sich
drei Etappen der Entwicklung, die ältesten Manuskripte
kennen nur die zur Matutin des Sonntags und des Wochen-
tags gesungenen Stücke aus dem alten Testament: Hymnus
dem Einflüsse der grofseu Kulturzentren (Metz, Aachen, Tours, Corbie,
Reims) entrückt waren, also iu der Schweiz, überdcutschland. Nicht
selten findet eine Erweiternng zu 15 Abschnitten statt (Pss. I. 11. 21. 31.
41 etc., z. B. im Lothar-Psalter, Add. 3776B Brit. Mns.). Aach das Franken-
reich wird sich in früher Zeit diesem Prinzip angeschlossen haben, teils
iu Verfolgung einer alten Tradition, die von südgallischen Klöstern aus-
gegangen war, teils in direkter Anlehnung an Irland.
Die übrigen Einteilungen, abgesehen von der hebräischen und byzan-
tinischen, die hier nicht in Frage kommen, sind aus liturgischen Rück-
sichten entstanden und entweder dem römischen Officium, wie es sich
im 6. 7. S. Jahrhundert gebildet hatte, oder dem Benediktineroffizium
angepafst. Ersteres war schon im 7. Jahrhundert in England (Canterbury-
Wearmouth) bekannt und bindend geworden und verdrängte im Laufe des
S.Jahrhunderts auch die gallikanische Liturgie im Frankenreich (Chrode-
gang, Remedius-Alkuin, Amalar). In letzterem treffen wir daher zur Zeit
Pippins und Karls d. Gr. in den Psalterien beide Einteilungsprinzipien
im Kampf miteinander, bald das formale (St. Gallen, Stiftsbibl. Cod. 23
Folkart's Psalter; Brit. Mus. Galba A XVIII: .Ethelstan-Psalter; Brit. Mus.
Add. 37768: Lothar-Psalter, vgl. oben); oft aber doch mit Hervorhebung des
Ps. 109 (Wien, k.k.IIofbibl. cod. 1861: Dagulfpsalter; Corp. Chr. Coli. Cam-
bridge Ms. 111), bald das liturgische (Paris, Bibl. nat. lat. 13 159), bald beide
nebeneinander (Paris, Bibl. nat. lat. 1152: Psalter Karls d. K.; Corp. Chr.
Coli. Cambridge Ms. 272: Achadeus-Psalter); im letzteren Falle sind die
Pss. 1. 51. 101 stets besonders markiert. In England herrscht im Norden
in Anlehnung an Irland zuerst ansschliel'slich das formale Prinzip, das aber
im 7. 8. Jahrhundert nach dem im Süden allein gebräuchlichen (Vespasian-
Psalter) römisch -liturgischen modifiziert wird, so dafs hier bald beide
nebeneinander auftreten (Salaberga-Psalter, Blickliug-Psalter). Das formale
Prinzip sehen wir dann im 10. 11. Jahrhundert auch im Süden vertreten,
weniger infolge einer Übertragung aus dem allerdings einflufsreicheu Norden
als infolge einer erneuten Einwirkung kontinentaler (fränkischer), bezw.
irischer Vorbilder. Die Folge ist, dafs wir jetzt im Fraukenreich bald diese
allein, doch meist mit Ps. 109 (Regius-Ps., Cambriger-Ps., Arundel-Ps.),
bald beide vereint vorfinden (Junius-Ps., Salisbury-Ps., Tiberius-Ps., Arundel-
Ps. 155), in letzterem Falle aber auch mit besonderer Betonung der Pss. 1.
51. 101. 109. — Das Benediktineroffizium spiegelt sich in englischen
Psalterien am deutlichsten im Bosworth-Ps., z. T. auch im Harleian Ps. 2904
wieder, die aber beide auch die eigentlichen Pausen vor Pss. 51. 101 und
109 ansetzen.
426
trium puerorum (Benedicite omnia opera) aus Daniel 3.57 flir
Sonntag; Cantieum Esaiae Propliete (Confitebor tibi domine)
aus Isaias 12 für Montag; Cantieum Ezechiae (Ego dixi in
dimidio dierum meorum uadam) aus Isaias 38, 10 für Dienstag ;
Cantieum Annae (Exultauit cor meum) aus 1. Samuel (bezw.
1. Reg.) 2,1 für Mittwoch; Cantieum Moysi Prophete (Cantemus
domino gloriose) aus Exodus 15,1 für Donnerstag; Cantieum
Habaeuc (Domine audiui auditum tuum) aus Habacue für
Freitag; Cantieum Äloysi ad filios Israhel (Attende caelum et
loquar) aus Deuteronomium 32, 1 für Sonnabend. Daneben
existierten natürlich das Credo in der nicäno-konstantinopoli-
tanisehen Form, wie es der Salaberga Codex bietet und
das Pater Noster. Unter Einwirkung des Benediktiner-
off iciums erweitert sich der Kreis bald durch die Hymnen
Cantieum Zachariae (Benedictus dominus) aus Lukas 1, 68
(täglich zur Matutin), Cantieum Sanctae Mariae (Magnificat
anima mea dominum) aus Lukas 1,46 (täglich zur Vesper) und
vielleicht noch etwas später, durch den Hymnus Siraeonis
(Nunc dimittis seruum tuum domine) aus Lukas 2,29 (täglich
zur Komplet). Die letzte Bereicherung erfährt der Kursus erst
im 10. Jahrhundert durch die benediktinische Renaissance,
Das Quicumque uult, Gloria in eccelsis, Te deum werden
der Liturgie einverleibt, das alte Credo durch das Symbolum
apostolicum ersetzt.
Fast alle der in Frage kommenden Manuskripte sind mit
altenglischen Glossen versehen, die im allgemeinen, je
früher desto ausschliefslicher, durchaus praktischen Bedürf-
nissen entsprangen und dienten. Daher erklärt sich die aus-
giebige Benutzung von Vorlagen, wo solche vorhanden waren.
Den Anspruch auf Selbständigkeit können eigentlich nur drei
machen: die Eadwine Urglosse, Verpasian und Regius, denen
sich für die spätere Zeit die Lambeth-Glosse anschliefst. Alle
übrigen sind Kopieen oder Umarbeitungen. Nicht nur die
Klosterschulen, auch die Hof- und Adelskreise mögen oft Ver-
anlassung zu solchen Arbeiten gegeben haben. Mit besonderer
Vorliebe aber seheinen Frauen zu diesen Hilfen in der
Muttersprache gegriffen zu haben, um den Schwierigkeiten
des Lateinischen Herr zu werden. Wenigstens lassen sich bei
einigen Psalter- Handschriften deutliche Beziehungen zu Frauen
427
bezw. Fmiicnklöstcrn herstellen. Unter letzteren wird das
Nunnaminstcr in Winchester, das Dank seiner Verbindung-en
zum königlichen Hause sehr gut fundiert war und zeitweise
grofseu Einilufs auf das öffentliche Leben, auf Kult und Moden
ausübte, zu Zeiten eines Alfred und .Ethehvold auch eine
starke literarische Produktion entwickelt haben. Von einigen
unserer Glossen spinnen sich deutliche Fäden zu ihm hinüber.
Die nordluinibrisch-mercisclie Zeit.
Die drei ältesten Manuskripte (Salaberga, Bückling und
Vespasian) ragen wohl in ihren Anfängen sämtlich noch
in das 7. bezw. 8. Jahrhundert hinein. Die beiden ersteren
stammen, wenn nicht aus nordhuuibrischen Klöstern, so doch
bestimmt von irisch-nordhumbrischen Schreibern, während das
letzte sicher nach Canterbury weist. Der Salaberga-Psalter
soll, wie der Name sagt, von der heiligen Salaberga i) für das
von ihr gegründete St. Johannis-Kloster zu Laon, das für
Mönche und Mönchinnen eingerichtet war, geschrieben sein.
Als einziges Zeugnis dafür gilt meines Wissens nur eine Ein-
tragung auf fol. 26 V (hinter Psalm 50) der Handschrift, die
eine im Auftrage der Äbtissin Adelheid 2) (ca. 1120) an-
gefertigte Liste von Gegenständen aus der Schatzkammer des
betreffenden Klosters darstellt. Nun hatte ja die irische Kultur
in Gallien frühe Aufnahme und Verbreitung gefunden. Der
heilige Columban hatte mit einem Stab von auserlesenen
Jüngern eine Reihe gelehrter Schulen dort gegründet, in denen
natürlich die Schrift und Kunst seiner Heimat gepflegt wurden.
Der Brennpunkt dieses hochgespannten Lebens war das in der
') Vgl. die Vita Sadalbergae abbatissae Landuneusis, hrsg. von
B. Krusch in Mon. Germ. Hist., Script. Rer. Merovingicarum V (I'JIO) p. 40 ff.
Im folgenden ist der Name Salaberga, weil er gebräuchlich geworden ist,
beibehalten.
*) Unter ihr geriet das Kloster in argen Verfall, so dais es durch
Synodalbeschlufs im Jahre 112S aufgelöst wurde. Vgl. Taiee, L'abbaye
de Saint- Jean de Laon in 'Bulletin de la Societc academique de Laon',
tome XXI (1876) p. 20Uf.
428
Diözese Besaugon, am Fufse der Vogesen gelegene Luxeuil,i)
das sich weit über die Grenzen Galliens hinaus eines hohen Rufes
erfreute. Salaberga war in dieser Gegend vielleicht in einem
Dorfe Mosa, in der Diözese Langres, geboren, wenigstens soll
sie, die blind war. hier durch Eustasius,^) den Abt von Luxeuil,
(615 — 629) das Augenlicht wieder erhalten und auf Anregung
Walberts, des Nachfolger des Eustasius (629 — 670), sich dem
Kloster gewidmet haben. Sie wird also durchaus in Columban-
scheu Geiste erzogen sein und sowohl ihr erstes Kloster
in derselben Diözese 3) wie auch das Kloster zu Laon nach
dem Muster von Luxeuil eingerichtet haben. Irisch-angel-
sächsische Mönche mögen in den Häusern oft Aufnahme
gefunden und die Mönchinnen in ihrer Kunst unterrichtet
haben. Somit würde die Entstehung einer Handschrift die in
Schrift,^) Schmuck^) und Schreibung ß) irisch-angelsächsischen
Charakter zeigt, in dieser Gegend nichts Auffälliges bieten.
1) lu der Chronik von Luxeuil heilst es: Huius tempore beatus Walde-
bertus Luxovium regebat in quo erant 600 monachi (Pertz, Mon. Germ.
Script. III p. 220 Sp. 2).
2) Vgl. M. Büdinger in : Sitzungsberichten der Akad. d. Wiss. Wien,
Bd. 23 (1857) p. 376 ff.
3) distans a Luxovio mouasterio paulo minus milibus quadraginta,
sagt der Biograph der Salaberga (cap. 12).
*) Die Schrift zeigt einen nach links geneigten Charakter, Die Schäfte
von 1, b, h etc. sind nur gering erhöht, 1. b stark ausgebogen, die äufsersten
Spitzen der Buchstaben durch dreieckige Ansätze verziert — alles im
Gegensatz zu dem zwischen 6S0 — 691 in Irland geschriebenen Antiphonar
von Bangor, in dem die letzten beiden Erscheinungen nur schwach aus-
gebildet sind, aber in Übereinstimmung mit den nordhumbr. Hss. Dagegen
erscheinen wie in jenem gewisse Buchstaben nach unten oft weit ver-
längert (fol. 42>'. 49^^ etc.), und eine verhältnismäfsig häufige Verwendung
der Unziale C neben J. An Abkürzungen bemerke ich h = autem (36, 20),
p z= per, pp = propter, an Kontraktionen näm = nostram etc., scs = sanctus
etc., sps = Spiritus.
■') Im Gegensatz zum Antiphonar von Bangor, aber in Übereinstimmung
mit den nordhumbr. Denkmälern ist jede Initiale mit Punkten umtupft,
die Innenfläche meist gelb, blau oder grau ausgefüllt. Gold ist nicht
verwandt. Auch die Ornamentik bewegt sich durchaus in den Bahnen
der Lindisfarner und Durhamer Hss., wenn auch nicht in der Vollendung.
*) Es begegnen häufige i für e, e für i, s für ss, ss für s und ähnliches,
vgl. Warren, The Antiphonary of Bangor (Henry Bradshaw Society
vol. IV. X), Part I § 24f.
A
429
Und wenn man auch nicht Jinzunehmen brauchte, dai's sie von
Salaberga selbst geschrieben sei, so könnte sie immerhin in
ihrem Kloster und auf ihre Veranlassung- entstanden sein.
Gegen diese Annahme erheben sieh jedoch von anderer
Seite schwere Bedenken. Der Text des Psalters ist der
römische, während doch im 7. Jahrhundert in Luxeuil und
seinen Töchterklösteru irischem Brauche gemäfs sicher das
Gallicanum eingeführt war. Er teilt ferner in allen Einzelheiten
die Eigentümlichkeiten der Gruppe von Handschriften, die
wir oben als insular') gekennzeichnet haben, und bekennt
sich durch Auszeichnung der Psalmen 17, 26, 52, 68, 80, 97,
118 zu derselben Liturgie wie jene, wenngleich er auch alter
Tradition gemäfs, der Ausschmückung der Psalmen 1, 51, 101,
109 seine besondere Aufmerksamkeit schenkt. Er muls also
wohl entweder aus England importiert oder in einem der von
Luxeuil aus gegründeten Klöster nach einem englischen Original
kopiert sein. Letzteres wäre nur möglich gewesen zu einer
Zeit, als das römische Officium und mit ihm der ihm eigene
Psaltertext im Frankenreich Eingang gefunden hatten, also
nach dem entscheidenden Vorgehen Chrodegangs in Metz
(754) und den sich daran schlief senden Reformen Pippins.
Ob man aber die Handschrift so spät datieren darf, scheint
mir sehr fraglich, schon aus paläographischen Gründen. Ver-
gleicht man mit ihr z. B. den halbunzialen Teil (fol. 11 Ir)
im Cuöberht-Evangeliar,-) das von einem Angelsachsen im
Westfränkischen geschrieben sein mag, so ergeben sich auf
den ersten Blick zwar grolse Ähnlichkeiten, bei näherer
Prüfung aber erkennt man bald, dafs der Psalter einen älteren
Zustand repräsentiert 3) und daher, wenn jenes in der ersten
') Merkwürdigerweise bietet auch das Credo mit keiner der neun Hss.,
die es überliefern (vgl. Barn, Facsimiles of tbe Creeds, p. IT), so viele
und auffällige Berührungspunkte wie mit der Hs. G. g. 5. 35, Univ. Libr.
Cambridge, die aus St. Augustine's Cauterbury stammt und der Form im
Missale Romauum angelehnt ist. Vgl. S. 430 Anm. 1 .
■■') Wien, k. k. Hof bibl. Cod. lat. 1224; vgl. Chronst, Monum. Pahieog.
Ser. I, Lief. VII, Tafel 2b; Bretholz, Latein. Paläographie, p. 02.
^) Ins Gewicht fallen die häufigen uucialen C neben 3? die äufserst
sparsame Verwendung von Minuskel n (r, d), Abkürzungen wie näm für
uostram, die mit dem 8. Jahrhundert aufhören (Lindsay, Contractions iu
Early Latin Miuusc. Mss. p. 37), qm für quouiam (Lindsay, a. a. 0. p. 45),
430
Hälfte des 8. Jahrhunderts entstanden ist, vermutlich noch dem
7. Jahrhundert zuzurechnen ist. Der Ursprung der Salaberga-
•Hs. wird somit nicht im Frankenreich, sondern in England und
zwar in einem der nordhumbrischen Klöster zu suchen sein.
Mit dieser Zeit, eher als mit dem 8. Jahrhundert, verträgt sich
auch das dem Psalter vorausgeschickte nicaeno-konstantino-
politanische Symbolum,i) das im Frankenreich des 8. Jahr-
hundert schon durch das apostolische, und auch in England
gegen Ende des 7. Jahrhunderts durch das alte römische, wie
es im Codex Laudianus und Bernensis^) vorliegt, ersetzt sein
wird, sowie die nur sieben Nummern zählende Sammlung von
Hymnen, 3) die auf einen wenig entwickelten Kursus der
Liturgie schliefsen läfst. Die Handschrift mufs vor oder um
1120 der Bibliothek des Johannis-Klosters einverleibt sein,^)
entweder durch Vermittlung angelsächsischer Mönche, bezw.
Geistlicher, oder höfischer Kreise, wahrscheinlich aber ersterer.
Beziehungen zwischen fränkischen und angelsächsischen speziell
nordhumbrischen Klöstern waren schon im 7. Jahrhundert
augebahnt. Die grolsen Verfechter der römischen Sache in
•) Da dieses, soviel ich weifs, noch nicht gedruckt ist, wird es hier
manchem willkommen sein. Die gesperrten Stelleu stimmen mit dem Ms.
G. g. 5. 35 der Univ. Libr. Cambridge (vgl. S. 429, Anm. 1) überein. Incipit
symbulum Credo in unnm deum. patrem omnipotentem factorem caeli
et terrae uisibilium omnium et inuisibilium et in [u]num dominum lesum
chrisiitm filinm dei uugeuitum natum ex patre ante omnia saecula lumen
de lumine deitm uerum de deo uero natum non factum consubstautialem
patri pe/- quem omnia facta sunt qui propfe»- nos homines et propier
nos^ram salutem discendit de caelo et incarnatus est de spinfu sawc^o
ex maria uirgine et humanatus est crucifixus autem pro nobis sub pontio
pylato passus et sepultus et resurrexit tertia die secundum scripturas
ascendit in caelos sedit ad dexteram patris et iterum uenturus est cnui
gloria iudicare uiuos ac mortuos cuius regni non erit finis et in spin^um
sanctum äomiünm uiuificatorem ex patre procedentem cum patre et filio
coadorandum et conglorificandum qui locutus est perprophetas in unaw
Srtr.cfam catholicam et apostolicam ecclesiam confiteor unum baptisma
in remisione peccaturum spero resurrectionem mortuorum et nitam futuri
saeculi amen. Vgl. Lietzmann, Symbole der alten Kirche, 1906, p. 32.
^) Burn, Facsimiles of the Creeds, p. 4.
2) Vgl. die Aufstellung oben S. 425f.
*) Um diese Zeit etwa wurde Adelheid Äbtissin, welche die Inventar-
liste fol. 26 ' aufnehmen liefs.
431
England Wilfriö, Benedikt Biseop und Ceolfriöi) haben
Reisen nach Rom unternommen und sieh dabei oft längere
Zeit in Gallien aufgehalten. Laon, Langres und Luxeuil
lagen ungefähr auf dem Wege, den die englischen Romfahrer
einschlagen mochten. So grofs auch die Spannung zwischen
römischer und irischer Kirche, zwischen Mönchen der ver-
schiedenen Orden geworden sein mag, es könnten diese Männer
doch versucht haben, die durch ihren religiösen Eifer weithin
bekannte und angesehene Salaberga inmitten ihrer segensreichen
Einrichtungen 2) kennen zu lernen und Propaganda für Rom zu
machen. — Lebendiger und inniger aber wurden die Beziehungen
zwischen beiden Ländern unter Karl d. Gr. als sich die fränkische
Kirche im wesentlichen zu der römischen Liturgie bekannt und
Alk u in seine literarische und organisatorische Tätigkeit in
Karls Diensten begonnen hatte. Und im frühen 10. Jahrhundert
wissen wir sogar von direkten Beziehungen zwischen England
und Laon, bezw. der Abtei der Salaberga. 913 verheiratete
sich Eadjifu, die Tochter Eduards des I., mit Karl dem
Einfältigen von Frankreich, der in Laon residierte, und erhielt
von ihm als Mitgift die Abtei der Salaberga, in die sie sich
936, nach ihrer Rückkehr aus England, zurückzog. 3) In
demselben Jahre (936) verweilte der einflufsreiche Bischof
Odo von Ramsbury mit anderen angelsächsischen Bischöfen
und Edlen längere Zeit in Laon, um mit dem Herzog Hugo
dem Grolsen, der übrigens auch eine Schwester iEthelstans,
namens Eadhild, geheiratet hatte, über die Nachfolge Ludwigs,
des Sohnes Karls des Einfältigen und der Eadjifu zu verhandeln,
welcher mit seiner Mutter seit 923 am Hofe seines Onkels
Zuflucht gefunden hatte. ^)
Die beiden übrigen Psalterien, Bückling sow^ohl wie
Vespasian, sind mit altenglischen Glossen versehen. Zeitlich
^) CeolfriÖ starb (716) auf einer Romreise in Langres, in deren Um-
gebung Sadalberga ihr erstes Kloster errichtet hatte. Er hatte einen kost-
baren Codex (den Amiatinus) bei sich, den er dem Papst zum Geschenk
machen wollte.
2) Nicht weniger als sieben Kirchen sollen durch sie in Laon erbaut
worden sein (Krusch, p. 41).
3) Bulletin de la Societe acad. de Laon XXI, 195.
*) Hunt, History of the English Churchs I, 308.
432
mit ihren Glossieriingen ziisamraenznstelleii ist der Archetyp
der Eadwine-Glosse, denn sie alle sind zu einer Zeit ent-
standen, als Mereien das Inselreieh, sei es politisch, sei es
literarisch, beherrschte, und seine Sprache vielleicht zur
Schriftsprache erhoben war. i) Letzterem Denkmal habe ich
vor Jahren eine eingehende Monographie gewidmet, in der
ich genügend Argumente für sein hohes Alter vorgebracht
habe. Der lateinische Text, dem wie im Salaberga- Psalter
nur die sieben Ferial- und Sonntagshymnen angefügt waren, 2)
wie auch seine Glosse haben im Laufe der Zeit mehrere
Umarbeitungen erfahren, so daXs es ungemein schwer ist, aus
der letzten um 1120 vorgenommenen Redaktion ihre ursprüngliche
Gestalt herauszuschälen.
Bei dem Bückling- und Vespasian - Psalter befinden wir
uns auf etwas festerem Boden. Was den lateinischen Teil
betrifft, so repräsentieren sie, wie schon oben angedeutet
wurde, in charakteristischer Weise die beiden Schreibschulen
der älteren Zeit: die nördliche mit dem Zentrum in Lindisfarne,
die südliche in Canterbury. Der Blickling-Psalter^) kann
sieh, in Schrift und Ornamentik mit den besten Erzeugnissen
der nordhumbrischen Schreibkunst messen^) und wird
sicherlich für eine Königskapelle oder eine Bischofskirche
bestimmt gewesen sein, in der er, wie aus liturgischen Zeichen
und Neumen (Psalm 118) hervorgeht, als Handexemplar beim
Gottesdienst fungiert hat. Leider sind von den geschmückten
Psalmeingängen nur die der Psalmen 38, 68, 80, 118 erhalten,
die übrigen sind verloren: die betreffenden Blätter mit den
1) Vgl. unten S. 436 f.
*) Denn nur diese tragen Glossen des ersten Bearbeiters. Alle übrigen
sind später nachgetragen; vgl. mein Vorwort zu 'Der Psalter des Eadwine'
p. XIII f.
^) Sir George Warner ermöglichte mir in entgegenkommender Weise
einen Einblick in das fast nnzngängliche Ms. und schenkte mir einige
Kopien seiner photographischen Aufnahmen für die New Palaeographical
Society, vgl. jetzt deren letzte Lieferang plate 231. 232 (1912).
*) Wo der Schreiber gearbeitet hat, ist kaum zu entscheiden. Er
mag eine Kopie der Canterbury -Fassung oder diese selbst für sein Kloster
zur Abschrift erhalten haben, er mag auch (so Warner) von seinem Konvent
zur Abschrift nach Canterbury beurlaubt sein.
433
Anfängen von Psalm 51, 52, 97, 109 sind herauBgesehnitten,
die Blätter mit Psalm 1 — 9,9 und 9,30 — 31,3, von denen 1,
17, 26 zweifellos markiert waren, scheinen auf ähnliche Weise
entfernt zu sein. ') Dasselbe Schicksal hat auch sämtliche
dem Psalter folgenden liturgischen Stücke ereilt,^) die uns
eine wortvolle Handhabe geboten hätten, die Handschriften
chronologisch richtig einzureihen.
Aus den in Anm. 1 und 2 erwähnten Notizen Lincoln scher
Schreiber dürfen wir wohl schliefsen, dafs die Handschrift zu
Lincoln gehört hat, bevor sie in den Besitz des Marquess
von Lothian nach Blickling Hall in Norfolk überging. Dafs sie
nicht in Lincoln geschrieben sein kann, ist klar, da diese Diözese
erst 1067 gegründet worden ist. Auch kann ein frühes Kloster
in oder um Lincoln, etwa Lindsey, kaum in Betracht kommen.
Wie aber mag die Handschrift nach Lincoln gekommen sein?
Hier helfen uns vielleicht einige alte Glossierungen in alt-
englischer und lateinischer Sprache, die von verschiedenen, aber
doch ziemlich gleichzeitigen Benutzern des Psalters herrühren.
Sie sind im ausgehenden 8. oder beginnenden 9. Jahrhundert ^j
in roter Tinte und schöner mercischer National- d.h. Kursivschrift
geschrieben. Ein abschlielsendes Urteil über die Sprache der
angelsächsischen Wörter 4) — 21 an der Zahl — zu fällen,
ist bei dem geringen Material sehr gewagt, zumal auch sie
^) Dem Psalter vorgeheftet ist ein Kalender in einer Hand des
15. Jahrhunderts, in den Namen von städtischen Beamten Lincolns ans
den Jahren 15U5 — 1035 eingetragen sind.
'^) Dem Psalter augefügt sind zwei Blätter: das erste mit Evangelien
in einer Hand 15. Jahrhunderts, das zweite wieder mit Namen von städtischen
Beamten von Lincoln (1540 — lö35), ähnlich wie im Ms. der Blickliug
Homilies (New Palaeogr. Soc. pl. 210).
3) Beachte: aacoben 117, 13. — dolgsuaphe 37,0; quemde 34,14. —
dol^suaphe 37,6. — adoen (neben dreimaligem e, s. Anm. 1, S. 434)130, 2.
Aber: suprador 125,4. — pedr 106,29; precscype 119,5. — Viermaliges
on neben einmaligem in.
") Die Ausgaben von Brock (E. E. T. S. 58. 63. 73 p. 252) und Sweet
(OE. T. p. 122) bedürfen folgender Berichtigungen bzw. Ergänzungen: pem
ascadendum 119,4 glossiert ' desolatoriis ' (nicht ' inseparunt ! ') ; — zu
asten 37, 9 wird die Endung de der ersten darüberstehenden Glosse p-anode
zu ergänzen sein; — für onhrenässe 120,3 lies on hrernisse, das 'in
commotiouem' (nicht 'obdormiet') erklärt; — iincZe ('teteuderunt') :'.C, 14
steht Wühl unter Einflul's von 'tetendit' 7,13.
Studien z. engl. Pbil. L. 28
434
nicht von einer Hand zu sein scheinen, doch darf man wohl
behaupten, dafs sie dasselbe Bild zeigen, das die meisten
Denkmäler dieser Periode kennzeichnet: ein Gemisch von
anglischen, und zwar mercischeu, und südlichen besonders
kentischen Formen, i) Der Plural forsceta für forscetan (Cata-
racta 41,8) mag nordhumbrisch sein, doch ist eher nachlässige
Schreibung anzunehmen, zumal da hoscm 36, 14, sm^o-n 127, 3
von derselben Hand zu sein scheinen. In sliet 128, 4 dagegen
wird wohl westsächsischer Einflufs vorliegen (vgl. forsliet Corpus
Gl. 1135), der auch sonst durchzukommen scheint. Eine solche
dialektische Mischung war nuu zwar auch in Canterbury
möglich, wo Mönche aus den verschiedensten Gegenden zusammen-
trafen, von hier aber knüpfen sich schwer die Fäden hinüber
nach Lincoln. Empfehlenswerter erscheint mir auf Grund des
westsächsischen Einschlags ein Ort an der mereischen und
westsächsischen Grenze. Vortrefflich pafst meines Erachtens
Dorchester in Oxfordshire direkt auf der Grenze von Mercien
und Westsachsen, das, nachdem es im 7. Jahrhundert einige
Zeit westsächsischer Bisehofssitz gewesen war, im 8. Jahrhundert
Jahrzehnte lang zwischen mercischer und westsächsischer
Herrschaft hin und her geworfen, Ende des 9. Jahrhunderts
mercischer Bischofssitz wurde, welcher dann 1085 endgiltig
nach Lincoln verlegt wurde. Auf alle Fälle wird das Manuskript,
wenn es im Norden gewesen ist, schon früh in den engeren
Machtbereich des südlichen Primats gekommen sein. Dafs es
gegen Schluls des 10. oder Anfang des 11. Jahrhunderts im
Süden und zwar in der bischöflichen (über Canterbury?)
oder königlichen Kanzlei zu Winchester gewesen sein
mufs, beweisen die zahlreichen in ihm befindlichen jüngeren
ae. Glossierungen aus dieser Zeit, die durchaus mit der damals
in Winchester befindlichen Regius-Glosse übereinstimmen und
z. T. sicher aus ihr kopiert sind. 2) Letzteres erhellt deutlich
aus übernommenen Schreibungen und ähnlichem, wie horh^iend
1) Beachte: ^ehtplicnissum 9,10; rvrecscyjje 119,5. — s.ltne wohl
für saltne 106, 34. — sel^um (versehen für ]>el^um), mit i -Umlaut 132, 2. —
sliet (ohne h) 12S, 4. — milcum 130,2. — adoen 130,2 neben asten 37,9,
hrernisse 120,3, quemde 34,14, und kurzes e: eletrioiv 127,3. — pem
119,4. — pa ÄJw^ja« eletri°w 127,3,
'') Vgl. S. 451 ff.
435
108,11, cived 82,11 gegenüber cwcade 112,7, sCiveUsgiaii 64,10,
wiöcist {-cijst Regina) . . . wiöceoseö 32,10. Die Glossen finden
sich regellos über den ganzen Psalter verstreut, über schwierigen
wie leichten Lemmata. Besonders reichlich sind die Psalmen
34, 54, 67, 68, 77, 90, 101, 102, 103, 104, 144 bedacht. Nicht
immer scbliefsen ^ie sich eng an die Vorlage *) an. Die wenigen
in Psalm 125, 131, 141 zeigen anfserdem Übereinstimmungen
mit der Junius-Glossc, die aber auch zufälliger Natur sein
können. Welche Ursachen das Manuskript nach AVinchester
gebracht haben, ist schwer zu sagen. Da es wohl als Reliquie
der altwestsäehsischen Kirche betrachtet und verehrt wurde,
kann es mit dem Erstarken Winchesters bald an dieses ab-
getreten sein. Vielleicht auch hat es sich unter den Bücher-
schätzen befunden, die ^-Ethelred seiner Gemahlin Emma zum
Geschenk machte.-) Der normannische Bischof Ulf, der mit
anderen (Robert of Jumifeges) den König völlig in seiner Gewalt
hatte, wird bald ein Auge auf den kostbaren Codex geworfen
und ihn bei seiner Ernennung auf den Stuhl zu Dorchester
(1049)3) mit sich genommen haben. 1085, bei der Auflösung
der Diözese Dorchester, ist er dann an Lincoln tibergeben,
wird hier als wertlos an die Stadt veräufsert und schliefslich
um die Mitte des 17. Jahrhunderts in den Privatbesitz der
Grafen von Lothian übergegangen sein."*) Dieselbe Geschichte
wird auch das im Besitz derselben Familie befindliche Manu-
skript der Blickling-Homilies^) hinter sich haben.
Die lateinische Schrift des Vespasian Psalters ist in
schönen kontinentalen Unzialen gehalten, wie sie im 7. und
frühen 8. Jahrhundert im Süden Englands, besonders im
St. Augustinus- Kloster zu Canterbury, gepflegt wurden. Nur
^) tyrin^ IIS, 139 stammt ans fiS, 10 in Regius; desgl. on un^efarenum
106,40 aus 62,3; ntrynas 1 IS, 136 ans 106,35 iisw.
*) eouor und aivnrtwalude 79, 14 als Beeinflussungen normannischer
Schreibungen in Anspruch zu nehmen, wird kaum angängig sein, obgleich
diese nach meiner Überzeugung schon im frühen 1 1 .Jahrhundert in stärkerem
Mafse vorhanden gewesen sind, als man annimmt.
3) Hunt, History of the English Church ^ I, 403 f.
*) Vgl. die einschlägigen Artikel in der Encyclopaedia Britannica
nnd im Dictionary of National Biography.
'") New Palaeographical Society, plate 210. Vgl. die Ausgabe von
Morris, Early English Text Society 58. 63. 73.
28*
436
iu der Initial-Ornamentik ist bereits deutlich eine Einwirkung
der irisch -uordhumbrisclien Kunst sichtbar, die ähnlich wie
die Schrift bald im Siegeszuge von dem Süden Besitz nimmt
und die fremden Elemente verdrängt. Die altenglische Glosse
ist in der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts, also etwa 150
Jahre später, in der spitzen mercischen Insulare geschrieben.
Ihr sprachlicher Gruudcharakter ist ebenfalls mereisch. Damit
braucht natürlich nicht gesagt zu sein, wie schon von anderen
betont ist, dals sie in Mercien abgefalst ist, im Gegenteil, für
diese Zeit war die Entstehung eines solchen Denkmals in
Mercien kaum möglich. Denn was an Gelehrsamkeit hier
noch vorhanden war, das scheint Alfred mit genialem Blick
für sich und sein Land nutzbar gemacht zu haben. Schon
872, gleich nach seinem Regierungsantritt berief er, so berichtet
Florenz von Worcester, vier gelehrte Mercier an seinen Hof:
Werferth, Bisehof von Worcester, Plegmund aus der Nähe von
ehester, iEthelstan und Werwulf, da es seinem Lande an
tüchtigen Gelehrten gebrach. Viele andere werden ihnen
gefolgt sein. In dieser Strömung und von einem solchen Mercier,
der sich aber in Sprache und Schrift den Gepflogenheiten
Canterburys angepafst hatte, wird die Glosse geschrieben sein i)
und zwar sicher wohl in Canterbury, wo der lateinische
Text lag. Derartige Vermischungen zwischen dem Mercischen
und Kentischen scheinen nicht auf einzelne Individuen, noch
auf diese Zeit beschränkt geblieben zu sein, sondern schon
seit dem 8. Jahrhundert in gröfserem Umfange stattgefunden
zu haben. Die mercische Sprache wird in Kent nach der
Eroberung durch iEthelbald rasch und besonders tief Wurzel
1) Der Glossator scheint schon nach einer Vorlage gearbeitet zu
haben. Dafür sprechen die überaus zahlreichen Schreibfehler, die einem
selbständigen Bearbeiter kaum passiert wären, ferner Fälle wie ^odes hus
godes (domum dei) 41, 5. Auch die verhältnismäfsig häufigen ö, ä für ce,
ib (vgl. Zeuner §§ 14. 16, 1) werden so zu deuten sein, falls in ihnen nicht
lautliche Verhältnisse der Vorlage durchschimmern. Diese würde wohl
in die mercische Glanzperiode, also ins &. Jahrhundert, zu verlegen sein,
in die Zeit König ^Ethelbalds, scheint doch die Tatsache, dafa dem Psalter
einst eine Urkunde dieses Königs aus dem Jahre 736 vorgebunden war,
auf eine frühe Tradition zu deuten, die das Denkmal ruit diesem in seiner
Jugend geistlichen Studien gern ergebenen Herrscher in Verbindung
brachte.
437
gefafst li.aben — drei Mereier safseu nacheinander von 731 — 759
auf dem erzbiseliöfiieheu Stuhle zu Cauterbury — von Anfang
an aber von dem Dialekt Canterburys als des Mittelpunkts
der kirchlichen Verwaltung- und der Hochburg der Gelehr-
samkeit starke Beeinflussungen erfahren haben, besonders im
Laufe des 9. Jahrhunderts, als Mereien als politischer Faktor
nahezu ausgeschieden und Cauterbury als Haupterbe und Hüter
dieser Kultur übriggeblieben war, so dafs man vielleicht
berechtigt ist, von einer mereisch-kentischen Kirchensprache
zu reden. Eine ähnliche Veränderung durch das Kentische,
wenn auch in schwächerem Malse, wird aus denselben Gründen
auch mit der westsächsischen xoiry) im 10., 11. Jahrhundert
vor sich gegangen sein. Als das Resultat eines solchen Aus-
gleichungsprozesses also wird die Sprache der meisten Denkmäler
des 8. und 9. Jahrhunderts, auch die der Vespasian -Glosse,
aufzufassen sein. So erklären sich mir die häufigen e für (^,
e für ce (besonders aus gerra. ai-[-i), lo für eo besonders in
Wörtern, die keine lautgesetzlichen Formen mit Umlaut Jo
neben sich hatten, also in hlod, liofa, nlolcecan, so hiofen und
liortum über (Jiiortum), ') alles Erscheinungen, die dem späteren
Kentischen eigen sind, so vielleicht auch, gegen Bülbring
(Elem. 376) und Pogatscher (Literaturblatt für germanische
und romanische Philologie 1901, 161), das e für y in ymbhwerß
(49, 12), das, soweit ich erkennen kann, nur in solchen Texten
begegnet, die auch sonst e für y schreiben, also z. B. in den
Metren des Boethius (vgl. die Ausgabe Sedgefields, p. 325), im
Bosworth- und Lambeth-Psalter.
Im 9. Jahrhundert war im politischen und kirchlichen
England ein grofser Umschwung eingetreten, der auch natur-
gemäfs in Cauterbury einen neuen Kurs zur Folge hatte.
Mereien hatte bei dem seit 802 wieder erstarkten und un-
abhängigen Stuhl in Cauterbury, wie überall im Reiche, jeden
Eiufluls verloren, mercische Schreiber waren in der erzbischöf-
*) Dafs in den Yo für eo z. T. wülkürliche Übertragungen vorliegen,
geht daraus liervor, dafs die lautgesetzlichen zo im Texte durchaus nicht
rein bewahrt sind. Der kurze Laut wird z. B. regelmäfsig durch eo wieder-
gegeben und auch beim langen finden sich neolnis neben niolnes, neosian
neben iiiosian, neowe neben häufigerem niowe, nur Öeostrian, getreo-
tvati usw.
438
liehen Kanzlei seltener geworden, dafür aber hatte sich dort
schon im zweiten Viertel des 9. Jahrhunderts eine neue Macht
Ausehen und Anerkennung verschaift: "Westsachsen. Um
830 war Kent von Ecgbert erobert, der Erzbischofssitz 833
durch Ceolnoth, wie man sagt, einen Westsachsen besetzt
worden, dem 870 Ethelred folgte, der als Bischof von Wiltshire
bezeichnet wird. Damit war ein stärkerer Zuzug westsächsischer
Mönche und Geistlicher nach der kirchlichen Metropole und
zugleich eine ßeeinflufsung der hier üblichen Schreibweise
und Sprache seitens des Westsächsischen gegeben. Die für
diesen Dialekt charakteristischen kurzen und langen ie für e
in den übrigen Dialekten werden in Canterbury Eingang
gefunden und von gewissen Schreibern als moderne Schreibung
Verwendung gefunden haben. Ob nicht auch die zahlreichen
le für zu erwartendes w (eo) in der Vespasian Glosse auf
diese Weise zu deuten sind ? Sie finden sich in onsiene ')
(ausschlielslich 65 mal), fiend (4), fiede, fiedon (6), gchiewade
(1), pie (1), gediede (1) und übertragen in died (3), dieowe (1),
bei Kürze in hiefene, also begreiflicherweise fast nur bei
Länge, wo ja der Laut in der eigenen Sprache schon vorlag
(hie, sie usw.), und in Wörtern, die lautgesetzlich lo verlaugten,
bezw. wohl mit io gesprochen wurden.
Von derselben Hand glossiert sind aulser dem Psalter,
inkl. Psalm 151, auch die sich daran schlielseuden Hymnen.
Es sind dies aufser den oben besprochenen sieben, die beiden
aus dem neuen Testament 'Benedictus dominus' (täglich zur
Matutin), und 'Magnificat anima mea' (täglich zur Vesper), ferner
(auf zwei überschüssigen Blättern) die beiden ambrosianischen
Hymnen 'Splendor paternae gloriae' (Hymnus ad Matutinos)
und 'Deus creator omnium polique rector' (Hymnus ad
Vespertinum) und der von den Bischöfen Caesarius und
Aurelianus zitierte Nocturnhymnus 'Ptex aeterno domine'
(Hymnus Diebus Dominicis).^) Zweierlei lernen wir aus dieser
Sammlung. Einmal weist sie auf eine Zeit, in der das
Completorium noch nicht festgesetzt, bezw. noch mit keinem
*) Hier könnte aach der Nebenton mitgewirkt haben.
2) Blume, Der Cursns S. Benedicti und die liturgischen Hymnen des
6. — 9. Jahrhunderts. Leipzig 1908. p. 37.
439
festen Hymnus bedaclit war, sonst wäre wolil sieher das zu
jener Gebetsstunde später i) vorgeschriebene Cantieum Simeonis:
Nunc dimitte seruuni tuum nicht übergangen worden, in der
ferner der Hymnus Kex aeterne noch unverkürzt lebte und
nicht auf Ostern beschränkt war, wie es nach 900 geschah. 2)
Zum zweiten aber weisen die letzten drei Hymnen auf Grund
der Untersuchungen, die Blume-) augestellt hat, entschieden
auf nicht-irische Provenienz. Hiernach begegnet der Nocturn-
Hymnus z. B. überhaupt nicht in irischen Hymnareu ') älterer
Zeit und wird wohl mit den beiden ambrosianischen aus der
römischen Vorlage übernommen sein. Sicherlich sind alle drei
mit anderen alt-benediktinisehen Hymnen im 7. Jahrhundert
nach römischem Muster in die englische Liturgie aufgenommen
worden, aus der sie dann im 9., 10. Jahrhundert wie auf dem
Kontinent von der irischen Gruppe verdrängt wurden, wie wir
unten beim Bosworth Psalter sehen werden. Der Vespasian
Psalter nimmt also auch in hymnologiecher Beziehung eine
sehr bedeutende Stellung ein: er bietet die älteste Quelle alt-
benediktinischer Hymnen überhaupt und die einzige, wenn
auch nur fragmentarisch, auf englischem Boden.
Was aufser dem Psalter und den oben besprochenen
Hymnen dem Manuskript angehört, stammt alles von anderen
Händen •'') und aus anderen Zeiten. Die erste Folio mit dem
Christusbilde ist aus einem Psalter des 13. Jahrhunderts
wahrscheinlich von Sir Robert Cotton eingeheftet worden
(vgl. Reproductions from Hluminated Manuscripts in the Brit.
Mus., Series HI, plate XV). Die darauf folgenden 10 Blätter
1) Seit Chrodegang, vgl. Baeumer, Geschichte des Breviers 1895, p. 253.
2) Vgl. Bhime, a.a.O. pp. 75. 113.
=*) Die Hymnen des Thesaurus Hymnologicus H. A. Daniels (= Analecta
Hymnica medii aevi 51) 1908, p. XX ff.
*) Von englischen Sammlungen begegnet er überhaupt nur noch im
Durham-Ms. (B. III, 82) aus dem 11. Jahrhundert, vgl. nuten p. 458.
*) Auch der 151. Psalm (Pusillus eram), ein pseudoepigraphisches
Stück (aus 1. Samuel 16, 1 — 3. 17), das von Hieronj'mus aus der Septua-
ginta mit übernommen war, gehört dem ursprünglichen Ms. nicht an, sondern
ist auf einem besonderen Blatte zugefügt worden, doch bevor die ae.
Glossieruug begann, da diese ihn einschliefst. Er fehlt meist den römischen
Versionen und dringt erst mit dem Psalterium Gallicanum ein.
440
bringen die Prolegomena zum Psalter, im ganzen 16Nummern,0
die in bäurischer Kapitalschrift von einer Hand des 7. oder
8. Jahrhunderts gesehrieben sind. Fünf^) von ihnen sind
neuerdings von Beer 3) auch im Psalter Karls des Grolsen'*)
entdeckt, der kurz nach 783 von einem Schreiber Dagulf
vielleicht im Auftrage Alkuins angefertigt ist.'') Was den
Hymnen am Schlufs der Handschrift folgt, ist im 11. Jahr-
hundert auf neuen Blättern angefügt worden und zwar von
einer Hand. Da sind zuerst die im 10. Jahrhundert vom
Kontinent aus eingeführten Stücke: das Te deum und das
Quicunque uult, dann einige Gebete: Oratio Eugenii Toletani
episcopi,^) Confessio ad dominum siue oratio (Deus inestimabilis
misericordiae usw.),'') 0 sanctum et uenerabile nostri redemptoris
Signum, 0 Ihesu Christe crucifixe, Salue crux saneta et uenerauda,
Salue saneta crux omnium arborum gloriosissima, Te saneta
dei crux humiliter adoro. Das Te deum und Quicumque
uult sind mit einer ae Glosse versehen, aber von einer
anderen Hand, die ganz im Duktus der Winchester Schule
gehalten ist und auffällig mit der der Tiber ins- Glosse tiber-
einstimmt. Da auch in der Psalterglosse einige Zusätze gemacht
sind (vgl. Psalm 6, 26, 31, 37, 101, 118. 15—28, 142), die zum
grölsten Teil aus der in Winchester befindlichen Regiusglosse
genommen sind, so dürfte das jManuskript im Anfang des
11. Jahrhunderts für einige Zeit in Winchester^) gewesen
sein. Und zwar kann meines Erachtens nur Krieg oder eine
ähnliche Gefahr hierzu Veranlassung gegeben haben, da, wie
wir erfahren, das Manuskript als Heiligtum auf dem Altar
^) Vgl. die ausführliche Beschreibung der Hs. im Catalogue of Ancient
Mss. in the British Museum, II (18S4), p. 8.
2) Epistola Damasi ad Hieronymum, Versus Damasi, Epistola Hieronymi
ad Damasum, Versus Hieronymi, Origo psalmorum.
^) Monumenta Palaeographica Vindobouensia, Lieferung 1 (Leipzig
1910), p. 45, die mir A. Goldschmidt freundlichst zur Verfügung stellte.
*) Wien, K. K. Bibl. cod. 1861; Chroust, Munum. Palaeog. Ser. II,
11. Lief., Tafel 4.
^ «) Beer, a. a. 0. p. 61 f.
«) Migne, Patr. Lat. 87 col. 359.
') Unter dem Titel 'Oratio sancti Augnstini' im Ms. Arandel 155.
*) Auch die zahlreichen Korrekturen im lat. Text nach dem Psalterium
Gallicannm werden aus dieser Zeit stammen.
441
des St. Augustinus-Klosters sorgsam })chUtet und infolgedessen
kaum ausgeliehen wurde. Als daher 1011 die Dünen Canterbury
])elagerten und monatelang plünderten, werden St. Augustiner-
Mönche ihre Schätze, darunter auch unseren Psalter, nach dem
sichereren Winchester gebracht und solange verborgen gehalten
haben, bis die Gefahr vorüber war.
Alfred — iEthelstan.
Die neue Zeit, deren Vorboten sich schon im Yespasian-
Psalter ankündigten, kam rasch heran. Mercien wurde von
Westsachsen bald aus dem Sattel gehoben. Schon Ecgbert
gelaug es in der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts, ganz England
unter seinem Szepter zu vereinigen, allerdings nur für kurze
Zeit. Erst als Alfred durch sein erfolgreiches Einschreiten
gegen die Dänen und durch soziale und kirchliche Reformen
einer gedeihlichen Friedensarbeit die Wege geebnet, und sein
Genius der westsächsischen Sprache Kraft und Ausdauer ver-
liehen hatte, erst jetzt setzt der eigentlich politische und
literarische Vorstofs Westsachens ein. Die Anfänge waren
freilich, wie zu erwarten war, recht mühsam. Denn selbst ein
Alfred hatte die Wunden nicht zu heilen vermocht, welche die
Einfälle der Dänen geschlagen hatten, und hatte andererseits
auch nicht solche Erfolge über sie errungen, dafs sie das Ver-
langen nach ferneren Raubzügen in das Südreich verloren hätten.
Die Kraft des Volkes war lahmgelegt für Jahrzehnte. Den
Geistlichen und Mönchen, den Trägern der Bildung und berufenen
Erziehern des Volkes fehlte es, soweit sie nach den mörderischen
Kriegen noch vorhanden waren, an lebendigem Interesse und
Verständnis für diese ihre wichtigste Aufgabe, wie auch an
sittlicher Kraft und religiösem Feuer, um die Massen in einheit-
lichem Geiste zusammenzuhalten. Aber Anfänge, wenn auch
nur schwache, waren doch da, und das Lebenswerk des genialen
Königs trug unter der sorgsamen Pflege seiner Mitarbeiter und
nächsten Nachfolger schöne Früchte. Eine emsige Tätigkeit
beginnt allmählich unter dem Schutze des Staates und der
Kirche, vor allem in der politischen und kirchlichen Metropole,
442
in Wiucliester') und Caiiterbury (uuter Plegmuiid). doch
nicht minder in dem mit Winchester nahe verbundenen Sher-
borne (unter Asser) und in den von Alfred gegründeten Klöstern
zu Athelucy (unter John dem Altsachsen) und Shaftesbury.
Sie gilt der Übertragung und Umarbeitung der alten eng-
lischen üenkmäler ins WestsUchsische. Die bischöflischcn
Schreiberschulen und Klöster, speziell der genannten Diözesen,
treten in innigen Konnex miteinander, sowohl durch Austausch
von Manuskripten wie auch durch gegenseitigen Besuch ihrer Mit-
glieder. Cauterbury mit seinen kostbaren IIss. im St. Augustinus-
Kloster war natürlich bei weitem der gebende Teil. Auch der
Psalter, der wie kein anderes Buch in das Leben aller Gebildeten
eingriff, wird um diese Zeit in Westsaehsen manche Glossierung
erfahren haben, teils als Ergebnis literarischer Arbeiten in den
Klosterschulen, teils auch im Anschlnls an die amtliche Tätigkeit
der Geistlichen und Mönche, meist aber, wie ich schon oben
hervorhob, auf Bestellung hochstehender Persönlichkeiten, vor
allem adliger Damen, die dem Psalter stets ein reges Interesse 2)
entgegenbrachten und des Lateins unkundig, einer Hilfe in ihrer
^lutterspraehe bedurften.
Zwar sind unter Eduard dem Alteren, um dem Verlaut
der Entwicklung etwas näher zu treten, kaum nennenswerte
Erfolge zu verzeichnen, noch auch zu erwarten, zumal da seine
llegierungszeit noch oder wieder mit ständigen Beunruhigungen
seitens der Dänen zu rechnen hatte. Aber mit ^-Ethelstan,
der sich nach siegreichen Kämpfen mit den inneren und äulseren
Feinden seines Reiches mit Stolz curagulus totius bryttannie
nennen konnte, scheint doch ein allgemeiner Aufschwung des
geistigen Lebens stattgefunden zu haben. Wenn uns auch die
wichtigsten Zeugen angelsächsischer Annalistik wie die angel-
sächsische Chronik, ^thelward u. a. gerade für seine Zeit mit
Angaben im Stich lassen, so belehren uns doch andere zuverlässige
Quellen, welch weitgehende literarische, künstlerische und
') Besonders in den nenerrichteten Klöstern, dem Newminster unter
Grimbald und dem Nunnaminster.
-j Es scheint mir eine lohnende Aufgabe, einmal die Stellung der
Frau zum Psalter im Mittelalter zu untersuchen. Besonders reich fliefsen
die handschriftlichen Quellen im 12. bis 14. Jahrhundert, doch fehlt es auch
nicht an solchen aus früherer Zeit.
443
religiöse Interessea dieser König- geliabt hat. Wir besitzen
eine Keibe Gesetze') von ihm, die der späteren Zeit 'als
Ideal für Kirchlicbkeit' galten.-) Ans der lls. Cott. Domitian
AI (fol. 56b) und sonstigen handscbriftliehen Notizen 3) er-
fahren wir, dafs er eine ausgewühlte Bibliothek sein eigen
nannte. Wir wissen ferner, dafs er durch Verheiratung seiner
fünf Schwestern enge Beziehungen mit Herrschern und durch
diese oder seine Schwestern mit geistigen Kulturzentren (Lobbes!)
des Kontinents gehabt hat.-*) Aus der Gründung des kornischen
Bischoftums'') und der Klöster Middletou (Dorset) und Michelney
(Somerset),*') aus dem freundschaftlichen Verhältnisse, das er
mit Malmesbury und Bath unterhielt, ersehen wir eine Anteil-
nahme an dem Gedeihen von Kirche und Mönchtum, das immerhin
ein Verständnis für ihre Bedeutung voraussetzt, und die Unter-
suchung der Kalcndarien bzw. Martyrologien der späteren Zeit
lassen es als sicher erscheinen, dafs in seiner Umgebung
besonders unter den Damen ein tiefes religiöses Leben im
Flufs war, das mit seinem Brennpunkt in dem von Eduards
Tochter Eadburga geleiteten Nunnaminster in einem aus-
gedehnten Heiligenkultus Ausdruck fand.') Zahlreiche kost-
bare Kodizes, auch Psalterien, sollen vom Kontinent^) in seine
Bibliothek übergegangen sein, so dafs er ihm nahestehende
Klöster damit beschenken konnte.'') Darunter befand sich wohl
sicher auch der Psalter Cott. Galba A XVIII (Brit. Mus.),i")
•) Liebermann, Gesetze der Angelsachsen I, p. 140 ff.
2) Liebermann, a. a. 0. II, 2, p. 275 Sp. 2.
3) Gottlieb, über mittelalterliche Bibliotheken p. 27i)f.
*) Onaau, England before the Norman Conquest p. 522. Hunt, A
History of the Euglish Church I, 306 f.
^) Hunt, a.a.O. p. 3U0.
«) Hunt, a. a. 0. p. 304.
') Bishop-Gasquet, The Bosworth Psalter p. Sti.
«) Gottlieb, a.a.O. p. 279 ff.
") Cott. Claud. B V au die St. Peter Abtei zu Bath, Cott. Tiberius A II
au Christ Church Canterbury, Regius I A XVIII an St. Augustine's Canter-
bury.
10) Catalogne of Ancient Manuscripts in the British Museum, p. 12;
Westwood, Facsimiles of the Miniatures and Ornaments of Anglo-Saxon
and Irish Mss., l&6b, p. y6ff, plate32; J. A. Herbert, Illnminated Mss.,
London 1910, p. 122f.
444
der iu Englniul von einer Hand des 10. Jnlirliunderts — auf
Veranlassung des Königs? — Zusätze verschiedener Art erhalten
hat. Zu letzteren gehört auch der mit einem metrischen Mar-
tyrologium versehene Kalender, ^) in dem unter dem 26. Oktober
der Tod Alfreds, unter dem 5. Dezember der seiner Gemahlin
Ealhswiö eingetragen sind. Da auch der Kalender des Junius-
Psalters Auszüge aus diesem Martyrologium, besonders aber
die beiden erwähnten Eintragungen aufweist, so kann es keinem
Zweifel unterliegen, dafs auch dieses Manuskript, dessen übrige
Teile von derselben Hand in insularer Minuskel geschrieben
sind, bis auf die Glosse in der Winchester Atmosphäre ent-
standen und vielleicht für eine Angehörige des königlichen
Hauses oder für das von Alfred gegründete Nunnarainster
hergestellt ist, in dem Ealhswiö nach des Königs Tode Auf-
nahme fand und starb (905).
Dem entspricht denn auch die künstlerische Ausstattung
des Psalters. ^2) Alle Psalmen beginnen mit schönen Initialen,
die sich aus fabelhaften, meist drachenähnlichen Tiergebilden
zusammensetzen und deren Innenfläche nicht selten durch
Figuren von Menschen oder Tieren ausgefüllt ist. Dafs hier
grölstenteils bodenständige Kunst vorliegen kann, erhellt aus
der Art, wie diese Tierkörper der Verzierung dienstbar gemacht
sind, sowie aus der in einigen Initialen auftretenden Flecht-
und Bandversehlingungsornamentik, deren 'phantastische aber
ausdrucksvolle Liniensprache' im allgemeinen als irisch, neuer-
dings als typisch germanisch aufgefalst wird. 3) Sie mag im
7. Jahrhundert aus dem Norden nach dem Süden gedrungen
und hier im Laufe des 8. Jahrhunderts den kontinental-römischen
Einfluls allmählich ausgeschaltet haben, ähnlich wie dies in der
Schrift der Fall war, um dann nach einer Zeit der Sammlung
und Vorbereitung im frühen 10. Jahrhundert zu neuem und selb-
ständigem Leben zu erwachen. Wir begegnen ihr iu dieser Zeit
in zahlreichen Hss. aus den grofsen Kulturzentren Winchester und
0 Ilampson, Medü Aevi Kalendarium I, 397 ff.
') Westwood, a.a.O., Tafel 34; Westwood, Palaeographia Sacra
Pictoria N. 41.
*) W. Worringer, Formprobleme der Gotik 1911, p. 28fif.
445
Cauterbury^ z.B. im Pontifikale Dunstans'^) und im Boswortli-
Psaltei*3), und zwar zuerst in obigen Denlcniälern in Winchester,
wo sie allerdings schon in den sechziger Jahren durch kon-
tinentale Vorbilder verdrängt wird, doch auch an anderen Orten,
z. B. in der heiligen Kreuzabtei zuWaltham (Aldhelni Als.) 0 und
in dem mit Winchester nahe verbundenen Sherijorne (Salisbury
Psalter).-') Inwieweit in einigen, auch in Junius, Beeinflussung
durch kontinentale Hss. anzunehmen ist, die ja in der Bibliothek
des Königs, aber auch wohl nur da, zur Verfügung standen,
wage ich nicht zu beurteilen. Meines Erachtens liegt aber eine
solche vor, wenn wir hier, wie auch im Salisbury- Psalter, die
Psalmen 51,'') 101, 119, mit den Psalmen 1, 17, 26, 38, 52, G8,
80, 97, 109 und 118,') die, wie wir sahen, im Officium der
englischen Kirche eine markante Stellung einnahmen, auf eine
Stufe gestellt und durch besonderen Schmuck und Verwendung
der Kapitale in der ersten Zeile ausgezeichnet finden. Wie ich
oben S. 424 andeutete, ist die Auszeichnung von Pss. 51, 101 in
dieser Zeit vor allen auf dem Kontinent gebräuchlich und wird
daher von dort, vermutlich vom Frankenreich aus, auf Eng-
land neuen Eindruck gemacht haben. Ahnlich verhält es sich
mit Ps.ll9, dem ersten der 15 Gradualpsalmen (Pss. 119-133).
Da wir diese in Hss. früherer Jahrhunderte in keiner Weise
hervorgehoben noch, in Übereinstimmung mit dem römischen
Officium,^) irgend welche Spuren finden, die auf liturgische Ver-
wendung sehliefsen lielsen, so liegt es nahe, auch hierfür den
^) Neuestens zusammeDgestellt von 0. Schoinburger, Die Anfänge der
MalscLule von Winchester im X.Jahrhundert, Leipzig 1912, p. df.
^) New Palaeographicai Society pl. 111, 112.
*) Gasquet-Bishop, a.a.O., pl. 1; New Palaeogr. Society, pl. 163. 164.
*) Palaeographicai Society, II. Series, pl. 191; Westwood, a.a.O.,
pl. 31 ; James, The Mss. in the Library at Lambeth Palace, Cambridge
1900, p. 9.
') Palaeographicai Society, I. Series, pl. 188. 189; Westwood, a.a.O.
p. IUI, pl. 35.
^) Die Initiale ist herausgeschnitten.
') Die Blätter, Pss. 1 und 68 enthaltend, sind herausgeschnitten.
**) Zwar vorwendet der heilige Benedikt die sog. kleinen Gradual-
psalmen (119 — 127) für die Terz, Sext und Non der Wochentage Dienstag
bis Samstag (Baeumer, Gesch. des Breviers, p. 175), doch scheint diese
Vorschrift in England vor dem 10. Jahrhundert keine Beachtung gefunden
za haben.
446
Ursprung auf dem Kontinent zu snchen. Und er liegt in der
Tat in der monastisehen Bewegung des 9. und 10. Jahrhunderts,
denn die Cluniacenser sollen jene Psalmen zuerst in die Liturgie
des Abendlandes aufgenommen haben. Verbindungen mit clunia-
censischen Klöstern, ja vielleicht mit Cluny selbst waren aber
in Winchester ohne weiteres hergestellt durch ^thelstans
Schwestern, von denen eine (Ead^ifu) an Karl den Einfältigen
von Frankreich, eine andere (EadÄifu) an Ludwig IL von der
Provence, eine dritte (Eadhild) an Hugo den Grofsen, den
Grafen von Paris, verheiratet war. ')
Der lateinische Teil des Psalters wird also mit ziemlicher
Sicherheit in Winchester geschrieben und dann (auf Bestellung?)
nach Canterbury geschafi't sein, um von demselben Schreiber
nach Vespasiau glossiert zu werden. Dafs die Glosse, die
sich im allgemeinen, auch im Wortschatz, eng der Vorlage
anschliefst, 2) an der Hand der Vespasian-Handschrift nieder-
geschrieben ist, geht aus einer Reihe übernommener Schreibfehler
deutlich hervor. s) Die Sprache verrät einen starken Einschlag
uicht-westsächsischer, d. h. kentischer-mercischer Elemente,^)
der nicht nur auf Kosten der Verlage zu setzen ist. Sie könnte
ein Niederschlag sein des grofsen Kampfes, der sich in der
ersten Hälfte des 10. Jahrhunderts in der erzbischöflichen
Kanzlei zu Canterbury zwischen der alten mercisch-kentischen
y.oivTj, wenn wir so sagen dürfen, und dem an Ausdehnung und
Ausehen gewinnenden Westsächsischen abspielte.
Die Benediktiner -Eeform.
Die Hervorhebung der Pss. 51. 101 in Junius könnte mm
an sich eine rein äufsere Nachahmung sein, brauchte also keines-
wegs einem neuen liturgischen Brauche Ausdruck zu verleihen.
*) Oman, a. a. 0., p. 522.
^) Leider ist sie nur bis Ps. 144, 6 erhalten, docli werden auch der
Schlafs und die Hymnen, die wir z.T. aus dem Bosworth-Psalter erschliefsen
können, sich nicht von Vespasian entfernt haben.
^) Vgl. die Einleitung zu Brenners Ausgabe.
*) Vgl. Brenners Einleitung zu seiner Ausgabe und DLZ. Jahrgg. 1909,
Sp. 3105 flf.
447
Doch möchte ich glauben, dafs sie dieses in der Tat tut, dafs
mit andern Worten schon unter ^Ethelstan eine tiefere Ein-
wirkung der klösterlichen und kirchlichen Reformen des
Kontinents auf die englischen Zustände auch auf liturgischem
Gebiete ausgeübt und eine teilweise Rehabilitierung und Keu-
belcbung des englischen Mönchtunis, das im Laufe des 0. und
frühen 10. Jahrhunderts in gänzliche Zerrüttung geraten war,
her])eigeführt ist, wenn auch vorläufig nur in der Macht- und
Wirkungssphäre einzelner grofsangelegter Männer. Der dänische
Bischof Odo von Ramsbury (927), der zu verschiedenen Malen
mit auswärtigen Klöstern in persönliche Berührung getreten
und besonders von seinem Aufenthalte beim Herzog Hugo
in Laon (930) 0 mit nachhaltigen Eindrücken in die Heimat
zurückgekehrt war, wird sofort Schritte zu einer Umgestaltung
der Klöster seiner Diözese, die sich über Wiltshire und Berk-
shire ausdehnte,-) getan haben. Von grundlegender Bedeutung
für das kirchliche Leben Englands wurden dann Odos Be-
strebungen, als er 942 Erzbischof von Canterbury geworden war
und von Fleury den Benediktinerhabit erworben hatte. Ob er
bei dieser Gelegenheit wieder in Fleury gewesen ist, wissen
wir nicht, wohl aber wissen wir, dafs er seinen Neffen Oswald,
der unter seiner Leitung in Canterbury erzogen war, veranlafste,
als Mönch dort einzutreten und einige Jahre der Regel gemäfs
zu leben, denselben Oswald, der später als Bischof von Woreester
und Erzbischof von York der Hauptmitarbeiter und Berater
Dunstans und ^Ethelwolds werden sollte.
Das Schicksal fügte es, dafs auch Winchester in diesem
Augenblick der rechte Mann erstand, der, durchdrungen von
dem Verlangen nach einer Gesundung des religiösen Lebens,
die Gabe besals, die mannigfachen Anregungen und Lehren,
welche ihm durch Vermittlung -/Ethelstans von auswärtigen
Klöstern zuteil wurden, für seine Diözese nutzbar zu machen.
Elphege, genannt Calvus, soll noch vor Odo die ersten Reform-
versuche in Winchester angestrebt haben. 3) Seine idealen Ziele,
seine hohe Vorstellung von der sozialen Bedeutung des i\[önch-
1) Vgl. oben S. 431.
") Hin, English Dioceses, p. 221 f.
■■*) Oman, a. a. 0. p. 540.
448
tums übertrugen sich auf zwei junge Mönche, die von ihm fürs
Kloster vorbereitet und zum Priester geweiht waren, Dunst an
und iEthelwold. Sie waren berufen, die Ideen des Meisters
zu verwirklichen und im Bunde mit Oswald durch eine nach
religiösen und sittlichen Grundsätzen vorgenommene Um-
gestaltung der Klöster, durch kirchliche und soziale Reformen
das geistige Leben Englands einer gänzlichen Neugestaltung
entgegenzuführen. Fulste ersterer, was die Klöster betraf, vor
allem auf persönlichen Eindrücken und Erlebnissen, die er
während seiner Verbannung (956) im St. Peters-Kloster (Blan-
dinium) zu Gent gesammelt hatte, so letzterer auf Berichten
seines Schülers Osgar über Fleury. Odo und Oswald, Elphege
und Dunstan-^thelwold, das sind die Kamen, an welche die
Geschichte der Kirche und des Mönehtums, ja die ganze Kultur
Englands im 10. Jahrhundert für immer geknüpft ist. Freilich,
das dürfen wir nicht vergessen, es wäre ihnen trotz aller Hin-
gebung und Begeisterung nicht gelungen, durchzudringen, wenn
sie nicht die volle Unterstützung des Staates gefunden hätten,
^thelstan und vor allem Edgar verdienen in der Tat mit
oder neben ihnen genannt zu werden. Hatte jener verstanden,
durch eine grolszügig angelegte Politik Verbindungen mit
kontinentalen Macht- und Bilduugszentren anzubahnen und zu
pflegen, so gelang es diesem, seine persönlichen Interessen den
höheren, der Wohlfahrt des Landes dienenden zu unterwerfen
und im Einverständnis mit jenen Grolsen zu arbeiten.
Als erste Frucht der neuen Schulung, die jetzt in die
Kanzleien und Klöster Englands einzog, tritt uns die Regius-
Glosse entgegen: eine in gewissem Sinne selbständige Arbeit,
die sich in jeder Beziehung weit über ihre Vorgängerinnen
erhebt. Der Verfasser ist bereits zu einer bemerkenswerten
Kenntnis des Lateinischen vorgedrungen und tiberträgt gewissen-
haft, aber nicht sklavisch, ja, er steht dem Material mit einer
gewissen Überlegenheit und, trotz aller Scheu vor der Über-
lieferung, kritischem Auge gegenüber, indem er den oft ver-
derbten Text sorgfältig prüft und an der Hand zuverlässiger
Quellen erklärt und auch verbessert. Er verfügt daneben in
seiner IMuttersprache über ein reiches Wortniaterial, das auf
eine ausgedehnte Ubersetzerarbeit hinweist und zugleich Zeugnis
449
ablegt von der enormon Entwicklung des englischen Wort-
schatzes im 10. Jahrhundert. Für 'honor" bietet er beispiels-
weise nicht weniger als fünf Glossen: anveorjmv^ (8,6. 28,2.
48,13. 95,7), anreorlmisse (44,10), iveorjtscipe (48,21), ivcorjtwi^
(61,5) und Hi/rÖmi/nt (98,4), wo A und B nur ar haben, für
'tabescere" sechs: tveorjnan (ßS, 12), snindan (111,10), cssian
(118,139), weorman (118,158), sirarcian (138,21), wo A und
B nur asuindan kennen, usw. Eine ganze Anzahl sonst nirgends
belegter, wohl neugeprägter und spezifisch westsächsischer
Wörter treten uns entgegen, die z. T., aber nur z. T., von
Boeder i) und Napier 2) zusammengestellt sind. Meist sind es
Neuschöpfungen durch Komposition wie 3) freareccere 'princeps'
(118, 161), fromrinc 'princeps' (Hy 4, 15), geneyme 'adinuentio'
(Hy 1, 4), ^icel^ebJand 'pruina' (Hy 7, 70), manswcBS 'mansuetus'
(24,9), unseffid 'insensatus' (Hy6, 31); heinsislmn 'signare'
(Hy 6, 34), freapajician 'exultare' (52, 7), ^csynthecan 'pro-
sperare' (117,25), jnidpeahticm ^couseutire' (Hy6, 27), ofehtan
'persequi' (43,17), riht^cliatan 'iurare' (14,4) oder durch Ab-
leitung wie hlissis 'letans' (112, 9), sceadwi^ 'umbrosus' (Hy
5,3); ausicm 'anxiare' (60,3. 142,4), ^ecocsicm 'eonfrigere'
(101, 4), geliffcestnian 'uiuificare (142, 11). — Der Glossator
hat zweifellos ältere Vorlagen benutzt, ja ich glaube, dafs er
eine bestimmte zugrunde gelegt und verarbeitet hat. Und
zwar wird diese Vorlage einen ähnliehen Charakter gehabt
haben wie die ältesten Glossen und der Vespasian-Text, was
nach den Ausführungen p. 436 f. ja nicht auffällt. Besonders
deutlich zeigt sich ihre Eigenart in den Ps. 1 — 50. Hier finden
wir, genau wie in Vespasian, häufige e für m, ^) besonders e für
ce^) gegenüber fast regelmälsigem ce im folgenden Teil.
') In seiner Ausgabe des Psalters: Studien zur engl. Philologie, Bd. 18,
Anhang.
■ä) Contributions to Old English Lexicography (Reprinted from the
Philological Society's Transactions, 1906), Hertford ltiO(>, pp. 72 ff.
ä) Die folgenden Beispiele finden sich nicht in Roeders und Napiers
Sammlungen.
") efter 5,11, {he) ofer^et 9,32, ic segde 15,2, (mud) sprec 16,10,
me^ene 23, 10 usw.
5) a) eclran 7, 10, hy tobrecon 10,4, breioas 10,5, spreca 11,7, nedrana
13,3, icedlan 13,6 usw. b) /)w tobreddest 4,2, ^elede he 7,6, gereciun
9,10, 22, aclensod 11,7, he ^eledde 17,20, tobredednesse 17,20 usw.
Studien zur engl. Phil. L. 29
450
Wenn nun auch an sich nicht ausgeschlossen wäre, dafs
der Bearbeiter Vespasian gekannt und benutzt hat, so müssen
diese Abweichungen doch anderwärts ihren Ursprung haben,
da sie sich auch da finden, wo A (B) verschiedene Lesungen
bezw. Schreibungen aufweisen; z. B. entspricht dem hij tobrecon
10,4 in A(B): hie ton-urpun, dem clensa 18,13 in A: scdas7ia,
in B: i-ec/fCTzsa, dem ])u tohreddest 17,37 in A: öii s^bracddes,
in B: J)u gehrceddes usw. Es wird ihm also wohl ein A ver-
wandter Text vorgelegen haben, dessen Eigenarten er anfangs
in weiterem Umfange übernommen, im Verlauf der Arbeit aber
abgestreift hat, falls nicht mercisch- kentische Schreibertradition,
unter deren Eindrücken er in seiner Jugend gestanden haben
mag, ihm diese e diktiert haben sollten. Letzteres wäre in
der Tat eine ganz plausible Deutung. Leider aber zeigen
sich noch andere Spuren in dem Texte, die auf die Benutzung
anglischer Quellen, und zwar wiederum anderer (vgl. Anm. 1.2)
als A (B) schlielsen lassen. So begegnet man besonders im
ersten Teil (Pss. 1 — 50) doch auch später häufigen o für a vor
Nas., a für ea vor l + Kons.,') wo der ältere Junius-Text
z. B. schon meist ea schreibt, vor allem aber häufigen icheom,'^)
mec^) für me usw. Dasselbe Bild zeigt der Wortschatz. Im
allgemeinen herrscht westsächsisches Material vor, unter dem
aber ab und zu alte, nur in anglisch en Texten belegte Wörter ^)
auftauchen. Und zwar ist die Verteilung dieser heterogenen
Elemente oft nicht ohne Interesse für uns. Die Pss. 1 — 50
bieten z. B. für 'ecce' nur on {in) gesihjje, von Ps. 51 an führt
sich plötzlich efnenu ein, das ersteres ganz verdrängt und mit
efne abwechselnd bis zum Schluls beibehalten wird. Der betr.
erste Teil kennt nur fla für 'sagitta', Teil II (Pss. 51—100)
setzt sofort mit strwl ein (56,5. 63,8. 77,9), ohne jedoch fia
ganz zu vernachlässigen (76, 18. 90, 6), Teil III (Pss. 101 bis
Schluls) hat zwei fia neben einem strcel. Dieser plötzliche
Wechsel im Wortgebrauch an einer und derselben Stelle ist
auffällig. Sollte etwa die Glosse die Kopie einer Arbeit sein,
^) Beachte salde 15,7 {sdaö AB), aniualdu 70, 16 (maehte AB) usw.
2) Beachte ic beom {Mo A, beo B) swenced 68, 18.
3) mec 72, 24 (mic A, fehlt B).
*) Vgl. ESt. :i9, 195f.
451
die von verschiedenen,') aber unter einer Leitung tätigen
Mönchen an der Hand einer anglisclien Vorlage vorgenommen
worden ist? Wie dem auch sei, die Gh)S8e zeigt bei über-
wiegend westsächsischeu einen festen Stock von anglischeu
Elementen, die mir älter scheinen als jene und nur aus ang-
lischeu Quellen übernommen sein können.
Wo letztere gelegen haben, läfst sich nur vermuten.
Scheinbar nicht in Canterbury. Vielleicht hat sie iEthelwold,
mit dessen Kreise wir die Arbeit wohl in Verbindung bringen
dürfen, von Abingdon, das hart an der mercischen Grenze lag,
nach Winchester mitgebracht. Vielleicht auch hat er die
Glossierung schon dort oder in einem anderen der von ihm
organisierten Klöster, die ihn bei der Durchführung der Re-
formen unterstützten, ausarbeiten und das ganze Manuskript
in Winchester kopieren lassen. Das in einem Gusse von
einer Hand in insularer Minuskel geschriebene Werk macht
in der Tat den Eindruck einer Kopie, was auch durch manche
Versehen in der Glosse bestätigt wird, auf die ich ESt. 39, 195
Anm. 3 aufmerksam gemacht habe. Dals die Glosse im
11. Jahrhundert in Winchester gewesen ist, ist kaum in Ab-
rede zu stellen, wenn man bedenkt, dafs verschiedene Glossen
des 11. Jahrhunderts, deren Kalender und Maltechuik mit
Sicherheit nach Winchester weisen, direkt aus ihr geschöpft
haben. Auch spricht dafür der Umstand, dafs dem Psalter
ein Officium der heiligen Jungfrau vorgeheftet ist (auf sieben
Blättern), das nach E. S. Dewick (Henry Bradshaw Society
vol. XXI, pp, X ff.), von einer ca. 100 Jahre späteren Hand ge-
schrieben, sicher dem Nunnaminster in Winchester angehört
hat, demselben Kloster also, in dem wir auch Junius ver-
muteten. Sicherlich hat auch Regius wenn nicht hier, so in
Newminster, unter der Aufsicht iEthelgars (964 — 980), dem
wohl auch die literarischen Arbeiten des Kunnaminsters unter-
stellt waren, die Gestalt erhalten, die uns vorliegt. Dals das ganze
Werk in der Tat aus der neubenediktinischen Bewegung heraus-
gewachsen (also rund nach 950) entstanden ist, dafür gibt uns
die Hs. untrügliche Kriterien an die Hand. Als erstes nenne ich
1) Vielleicht von dreien, von denen jeder fünfzig Psalmen bewältigte,
vgl. oben S. 424, Anm. 1.
29*
452
die ausschlief sliclie, wohl nach kontinentalen Mustern ein-
gerichtete Auszeichnung der Pss. 1. 51. 101, denen von den
übrigen nur Ps. 109 gleichgestellt ist. Eine Reihe wichtiger
Kriterien liefert sodann der lateinische Text. Eine Lesart wie
7 ic heo umvemme heforan ^if ic healde i ivarnie
Et ero inmaeulatus coram eo : si obseruauero
fram unrijhtivisnesse minre
nie ab iniquitate mea in 17, 24, die nur in der
Regula S. Benedictii) begegnet, konnte, ja durfte nur von
einem Benediktiner neuen Schlages in den Text eingeführt
werden. Sie findet sich aufserdem in dem gleichzeitigen
Bosworth-Psalter, -) ferner im Cambridger 3) und Eadwine^)-
Psalter, deren lateinischer Text wohl um diese Zeit fixiert
ist, ■'^) hat aber nicht in das Psalterium Gallieanum Aufnahme
gefunden. Auf ähnliche Weise erklären sich auch die vielen
sonstigen Übereinstimmungen, welche die lateinischen Texte
obengenannter 6) Psalterien im Gegensatz zu den früheren und
späteren des 11. Jahrhunderts aufweisen.') Von besonderer
Beweiskraft sind m. E. die ab und zu in den Text, besonders
den des täglich gesungenen 118. Psalms,*) eingeschobenen domine
(24,20. 101,14. 118,4,49,103,142,165), da sie fraglos auf
eine Form der Liturgie hinweisen. Ein Kriterium von nicht
zu unterschätzendem Werte bieten endlich die dem Psalter
folgenden Hymnen. Nach den sechs Ferialhymnen (vgl. oben
S. 425f.), dem Sonntagshymnus 'Benedicite omnia opera', den
Hymnen 'Benedictus dominus', 'Maguificat' und 'Nunc dimitte'
erscheinen hier zum ersten Male das sonntags zur Prim ge-
•) Ed. Woelfflin, c. 7, 42, p. 18.
'') Von späterer Hand korrigiert zu: et obseruabo.
2) Die Glosse liest: [si ohne Glo.] ic healde.
*) Die Glosse liest : 7 ic me geheadde.
^) Eadwine wird ihn unverändert korrigiert Laben.
^) Nicht selten folgt auch der Pariser Psalter diesen Lesarten.
') Nur einige seien hier angeführt: eripiet (-piat iibr.) 21,9; ut enarrem
(et übr.) 25,7; in erunina mea (mea fehlt iibr.) 31,4; deuerte (diu- übr.)
33,15; iuste iudicate (iusta, recta übr.) 57,2; sie memor fui (si übr.) 02,7;
gladii et partes . . . erunt (et fehlt iibr.) 62, 11; inhabitare in eo (in eo fehlt
übr.) 67,19; ne me demergat (nou übr.) 68, 16.
*) Auch der Arundel-Psalter schliefst sich VV. 49. 142. 165 an.
453
suiigcnc 'QuicuiiH(ue uiilt', dessen liturgisclie Vcrweuduug
auf dem Kontinent nachweislich erst im 9. Jahrhundert ') und
in Enghind keinesfalls vor der Reform erfolgt ist, und zum
Schlafs der zur Matutin gesungene Festtagshymnus 'Gloria
in excelsis', der ebenso wie das gleich zu erwähnende
'Te deum'2) erst jetzt definitive Aufnahme in die englische
Liturgie gefunden haben wird. Da der gleichaltrige Bosworth-
Psalter in diesem Punkte wieder durchaus mit Regius zu-
sammengeht, nur dafs er als Festtagshymnus das 'Te deum'
hat, das mit dem Gloria abzuwechseln pflegte, beide also sich
deutlich abheben einerseits gegen Vespasian (Junius), anderer-
seits gegen die späteren Texte, so nehme ich an, dafs sich in
ihren Hymnen der Kursus der Liturgie widerspiegelt, wie er
sich unter den ersten Eindrücken der Reform gebildet hatte.
Bei dem regen Verkehr, den Winchester mit allen Klöstern,
besonders mit Canterbury, unterhielt, hat die mit grofser
Gelehrsamkeit und allen Mitteln der Glossierungstechnik an-
gefertigte Arbeit weit über die Hauptstadt hinaus Beachtung
gefunden und zeitgenössische wie spätere Versuche dieser
Art stark beeinflulst. Sie gibt den Grundstock ab zu den
Glossen in Tiberius, Stowe und Salisbury und liefert mit
Junius zusammen das Material zu Vitellius und Arundel. ^)
Wir treffen Einzelglossen aus ihr in Bückling ^) und Vespasian ■■)
und einzelne Psalmen endlich in dem Bosworth- Psalter.
Der Bosworth-Psalter^) bildet eine würdige Ergänzung
zu Regius. Diente dieser mit seinem grofsen, in zwei Sprachen
(lateinisch und altenglisch) durchgeführten Erklärungsapparat,
*) Vgl. Buchberger, Kirchl. Handlexikon, München 1907,12 und Herzog,
Realencyklopädie. Es existierte bereits seit dem 7. Jahrhundert, vgl. Burn,
Facsimiles of the Creeds, 1909, p. 18if.
-) Dieses begegnet zuerst im Krönungsofficium für ^Ethelred 978
(Cotton Ms. Claud. A III). Julian, A Dictionary of Hymnology, 1892,
p. 1 1 30, Sp. 2.
^) Sämtlich Hss. 11. Jahrhunderts, die dem Psalterium Gallicauum
folgen, vgl. Liudelöf, Studien zu ae. Psalterglossen ^1904) p. 1.
*) Vgl. üben S. 434.
*) Vgl. oben S. 440.
«) Vgl. The Bosworth Psalter, an Account of a Ms. . . . by Abbot
Gasquet and Edmund Bishop, London 1908.
454
seiner jeden Selimucks und sonstigen Beiwerks entbehrenden
Sachlichkeit dem wissenschaftlichen Unterricht, den praktischen
Übungen in der reformierten Kathedral- oder Klostersehule, so
fungierte dieser als Handexemplar im Gottesdienste, für
die Officia divina nach der Regula S. Benedict i. Hier finden
wir daher, wie in Regius, die charakteristische Lesung in
Psalm 17, 24, ') hier die Drei- bezw. Vierteilung (ganzseitiger
Sehmuck bei den Psalmen 1, 51, 101, 109), hier die Hymnen
'Quicumque uult' und 'Te deum'. Hierzu gesellen sich in diesem
Denkmal aber noch mehrere gewichtigere Zeugnisse. Ich verweise
nur auf die Auszeichnung der Psalmen 1. 20. 26. 45. 59. 68. 73.
85. 97. 118. 119. 134. 138. 141. 144,10. 148, 2) die sämtlich im
monastischen Officium einen besonderen Platz einnehmen,
auf die Rubriken 'Diuisio institutionis Benedict!' und 'Diuisio
Beati Benedieti' in der Mitte des Psalm 143 und der Sabbat-
hymue 'Attende eaelum', die zur Matutin gesungen wurde, aut
die Teilungen der Psalmen 68. 77. 138 und 144 nach der
Vorschrift der Regel (cap. XVIII), ferner auf die Sammlung
der Cantica de prophetis für die dritte Nocturn, die
ebenfalls Benedikt (cap. XI) augeordnet hatte.
Die altenglischen Glossierungen, die sich über die
Psalmen 40 (V.5), 50. 53. 63. 66. 68. 69. 70. 85. 101. 118—133.
139 (V. 2, 9). 140. 142 und die Sonntagshymnen: 'Benedicite
omnia opera', 'Quicumque uult', 'Te deum laudamus', 'Magnificat',
'Benedictus dominus', 'Nunc dimitte' erstrecken, erscheinen in-
haltlich als eine Kompilation aus Junius^) und Regius,*)
worauf schon Lindelöf'') hingewiesen hat, doch zeigen sich
im Junius-Teile deutliche Rücksichtnahmen auf Regius^) und
^) Von späterer Hand korrigiert zu: et obseruabo.
') Sie begegnet sonst nur in Psalterien, die aus der Beueventaner
Schale hervorgegangen sind.
3) Der weitaus grüfsere Teil: Pss. 40. 50. 53. 63. 66. 68. 101. IIb— 133.
142; über die Eymnen s. unten S. 460.
") Pss.: 69. 70. 85. 139. 140.
^) Die altenglischen Glossen im Bosworth-Psalter (Memoires de la
Soc. neophil. ä Helsingfors V) p. 223 ff.
«) Z.B. 101,12: scua 7 sccadu, 101,24: sce^^e 7 ^ec2/ö, 118,13: ic
cyöde 7 bodode. Charakteristisch für die Arbeitsweise des Glossators ist
die Gl. londbe^en^nes (incolatus) 119, 5, eine Kontamination aus londleod
455
in beiden zii^^leich eine Reihe anderer, vielleicht selbständiger
Glossierungen '■) neben nicht seltenen Modernisierungen. Ob
der Bearbeiter aber nach diesen beiden Manuskripten ge-
arbeitet hat, scheint mir zweifelhaft, vor allem für Junius.
Zweifelhaft deshalb, weil die Fassung in Bosworth einige
bedeutsame Abweichungen aufweist von den Entsprechungen
in Junius. Erstere verwendet nämlich häufige Te (aus ea + t,
westgerm. c nach j)2) an Stellen, wo die vermeintliche Vor-
lage nur e hat. Dafs diese 1c ihre Ursache in der Vorlage
haben werden, also nicht vom Schreiber stammen, beweist
der Umstand, dals sie in dem Regius-Teile, sowie in den
jüngeren 'Te deum '- Glossen gänzlich fehlen. Überhaupt
kennt die ganze Regius-Glosse nicht ein Beispiel mehr für
den kurzen und nur wenige für diesen langen Laut. Um
blolse Schreibungen kann es sich ebensowenig handeln, da die
ie für e anderer Herkunft nicht auftreten. Nun fand zwar der
Schreiber solche 'Ie an anderen Stellen in seiner Vorlage vor,
so dals er sie analog in obigen Fällen eingeführt haben könnte.
Doch würden sie ihm dann sicher auch in dem übrigen Teil
gelegentlich in die Feder gelaufen sein. Denn ich kann mir
nicht denken, dafs er diesen Unterschied zwischen seinen beiden
Vorlagen deutlich als ein Resultat sprachlicher Entwicklung
erkannt und die ie daher in den jüngeren Teilen mit Bewulstsein
gemieden hätte. Eine solche feine Beobachtung und Einsieht
in sprachliche Verhältnisse dürfen wir dieser Zeit keinesfalls
zutrauen. Eher umgekehrt: dem Schreiber mögen diese ie
noch durchaus geläufig gewesen sein, ja er mag sie in Erinnerung
an frühere Jahre, in denen er oft ähnliche Übertragungsarbeiten
gemacht, ein e durch ie ersetzt hatte, mit Vorliebe verwandt
haben im Gegensatz zu den modernen y/ des jugendlichen und
fortschrittlichen Regius-Verfassers, die er nur aus Rücksicht auf
diesen in den aus seinem "Werke unternommenen Partieen bei-
behielt. Wer auch hieran nicht glauben kann, dem bleibt nichts
(Jnnius) und cardhe^en^nes (Reglus). Ähnlich verfährt der Glossator des
Cambridger Psalters.
') Z.B. (Eiüepe 101,8, landbe^evga 118,19, unhalian 118,139.
2) Beachte: acitr 50,11, 53,7, 118,37, on ieWe 118, 147; pa die^lan
50,8, iiend{um) 53,9, 68,19, ^e(/i)ier 68, 14, 18, altes 118, 134, I5i, piester-
nesse 119,5, liliet 124,3 etc.
456
weiter übrig als anzunehmen, dafs niebt Jimiiis selbst oder nur
Jnnius dem Boswortli-Glossator als Muster gedient bat, sondern
eine Scbwester- oder Ergänzungsarbeit von ihr, die aber ein
reineres Westsächsisch repräsentierte.
Dals solche Arbeiten damals existiert haben, ist wohl nicht
zu bestreiten. Canterbury wie auch Winchester werden deren
besessen haben, ersteres im Anschluls au Vespasiau, letzteres
an Junius. Da nun auch Regius für Bosworth benutzt ist,
so würde wohl Winchester als Entstehungsort der Glossen
besonders in Frage kommen, aber auch nur dieser, nicht der
übrigen Teile der Handschrift. Vielmehr haben wir allen Grund,
für diese Canterbury in Anspruch zu nehmen. Ausschlag-
gebend hierbei ist wobl weniger der Kalender, der mit
Bishop sicher nach Canterbury weist, aber, wohl zu merken,
von späterer Hand in karolingischen Minuskeln zugefügt ist,
sondern die auffallende Ähnlichkeit, die der Psalter mit einem
Denkmal aufweist, welches sicher zu Dun s tan in Beziehung
zu setzen ist. Ich meine das Pontifikale zu Paris (Bibl. uat.
Ms. lat. 943). 1) Diese Handschrift enthält zwei wichtige
Dokumente: 1. auf fol. 7 die Kopie eines Briefes von Papst
Johann XH au Duustan, in dem er dessen Primat bestätigt
und ihm das Pallium verleiht ; 2. auf fol. 2 die Kopie eines
Briefes, den ein Erzbischof (^ElfricV) an Bisehof Wulfsise
von Sherborne (992 — 1001) gerichtet hat. Auf Grund des
zweiten Briefes, der in ähnlicher Schrift gehalten ist wie der
übrige Teil, neigt man dazu, das Manuskript letzterem Bischof
zuzuschreiben. Ich kann mir aber nicht denken, wie der
Bischof von Sherborne oder irgendein anderer nähere Kenntnis
oder gar eine Abschrift von einem so wertvollen Schriftstücke,
wie es ein Papstbrief und dazu noch dieser ist, gewonnen
haben soll. Zweifellos würde er es aulserdem in diesem Falle
an die Spitze des Kodex gestellt haben. Meines Erachtens
kann die Abschrift erstens nur in der erzbischöfiichen Kanzlei
zu Canterbury erfolgt und zweitens nur von bezw. für Dunstan
selbst besorgt sein, denn nur er konnte ein Interesse daran haben,
diesen Brief zu veröffentlichen und dadurch seinem Werk eine
1) New Palaeographical Society, plate 111,112; Steffens, Latein. Paläo-
g^aphie^ 1909, Tafel 71a; Westwood, a. a. 0. p. 128.
457
besondere Weihe zu verleihen. Die enge Zusanimeugehörigkeit
des Briefes aber mit dem Pontilikale ergibt sieh sowohl durch
seine direkte Anordnung vor diesem, wie auch daraus, dafs
beide von derselben Hand geschrieben sind. Angesichts dieser
Tatsachen kann man sich der Annahme kaum entziehen, dafs
dieses Pontilikale mit dem Papstbrief in Canterbury im Auftrage
Dunstans hergestellt und nach seinem Tode in die Hände
Wulfsises^) gekommen ist, der ihm einige Stücke vor- und
nachgesetzt hat.
Der Schreiber des lateinischen Bosworth- Psalters ist nun
sicherlich derselben Schule zuzuweisen, wie auch Schom-
burgers-) Untersuchungen über den künstlerischen Schmuck
der Handschriften ergeben. Seine in insularer Minuskel ge-
haltenen Buchstaben zeigen denselben Duktus, seine Initialen
dieselben Motive und stilistischen Eigentümlichkeiten wie
die A-Initiale (fol. 10) im Pontilikale, wenn diese jene auch
an technischer Vollendung w^eit hinter sich zurückläfst. Und
auch zu Dunstan lälst sich, glaube ich, eine Brücke
schlagen. 3) Das Manuskript enthält u. a. ein Hymnar von 90
Nummern (fol. 105 — 128) welches das älteste in seiner Art ist
auf englischem Boden und als Grundlage für alle späteren')
betrachtet werden mufs. Es ist nicht etwa, wie wir erwarten
sollten, eine Fortsetzung oder Erweiterung der Sammlung, die
wir oben bei Vespasian besprachen, also der alten benedik-
tinischen Hymnen, sondern schliefst sich im Gegensatz zu jenen
der irischen Gruppe an, die im Laufe des 9. Jahrhunderts von
Rom aus auf dem Kontinent eingeführt war und die benedik-
') Dafs dieser in näheren Bezielinngen zu Dunstan gestanden hat,
betont Bishop, Boswurth-Psalter, S. 62, Anm.
2) Die Anfänge der Malschnle von Winchester, p. 3f.
3) Vgl. Bishop, a. a. 0. p. 126.
*) Von den übrigen acht englischen Hymuenhandschriften (vgl. Blnme,
Anal. Hymn. 51 p. XVII) interessieren uns hier besonders die mit ae.
Glossen versehenen: Cott. Julius A VI (10.; 11. Jahrhundert), Cott. Vespasian
DXII (11. Jahrhundert), beide im Brit. Mus. und Ms. B III 32 in der
Kathedralbibliothek zu Durham (11. Jahrhundert), von denen letztere ver-
öffentlicht ist als: The Latin Hymns of the Auglo-Saxon Church, Durham
1S51. Sie ist ebenfalls von einem Kenter und wohl in Canterbury ge-
schrieben , wie sich aus häufigen e für y (m + 0 und dem glossierten
Dunstan -Hymnus (p. 98) ergibt.
458
tinische bald gänzlich verdrängte.') Nur in Canterbury konnte
naturgemäfs die offizielle Einführung dieser neuen Hymnen in
die englische Liturgie-) unternommen werden. Und hier
wiederum nur zur Zeit des grofsen Gährungs- und Umformungs-
prozesses und zugleich von einem Manne, dem gerade die Pflege
des Kirchengesanges am Herzen lag. Von keinem der führenden
Männer dieser Zeit ist dies aber mit grölserer Wahrscheinlich-
keit anzunehmen, als von Dunstan, der eine ausgesprochene
Vorliebe und Begabung für Musik gehabt, ja sogar selbst
komponiert haben soll. 3) SovN'ohl einige Hymnen^) dieser Samm-
lung wie auch einige Antiphonen und Kesponsorien im Pontifikale
sind mit Neumen versehen, die von einer sauberen Hand ein-
getragen sind. Das Hymnen register ist „mit grolser Sorgfalt
systematisch geordnet" und sicher direkt von einer kontinentalen
Vorlage^) kopiert. Daher kann es uns nicht wundern, wenn
wir Hymnen auf englische Heilige darin vergeblich suchen.
Letztere scheinen, soweit sie in den späteren Hymnaren
vorliegen,^) überhaupt erst später') verfalst und — zum
') Ich möchte veriunten, besonders wegen ihrer schönen Melodien.
Vgl. Blume, a. a. 0. p. XIII.
^) Ich folge Blume nicht, wenn er meint, dafs in England von jeher
irische Hj'mneu verwandt wären. Da auf der Synode zu Cloveshoe (747)
„für den Gesang das Buch für verbindlich erklärt wurde, das in Rom
hergestellt war" (P.Wagner, Einführung in die gregor. Melodien ^ p. loi),
so werden wohl auch die Hymnen die alten benediktinischen gewesen sein.
3) Hunt, a. a. 0. p. 364.
*) Es sind: 'Lucis creator optime', 'Iste confessor' und '[Rex] Cliriste
splendor glorie'. Alle drei begegnen nicht in der altbenedikt. Sammlung.
Ihre Vertonung beweist wohl, dafs sie in der Liturgie benutzt wurden.
^) Besonderes Interesse erregt der Andreas -Hymnus 'Nobis ecce dies'
des Rabanus Maurus.
«) Das Durham-Ms. B III 32 enthält deren drei: Ymnus De Sancto
Cuthberhto (Magnus miles mirabilis), Ymnus De Saneto Dunstano
Episcopo (Aue Dunstane presulum), Ymnus De Sancto Angustino
(Caelestis aule nobiles), dazu kommt aus Cott. Vesp. D. XII: Ymnus De
Sancto Eadmundo Rege Et Martyre (Eadmundus martyr inclytus).
') Sicher der Dunstan -Hymnus, vielleicht auch der auf Augustin,
der nach Blume (Anal. Hym. 51, 165) auf Winchester beschränkt war und
von Wulfstan, dem Kantor ^thelwolds (Liber Vitae: Register ... of
New Minster 1892, p. 25), verfafst ist.
459
mindesten in Canteihury^ — liturg-isi'li nicht verwandt zu
sein. 2)
Beide Manuskripte, denen man nach obigen Ausführungen
das Heimatsrecht in Canterbury nicht absprechen wird, müssen
nach Dunstans Tode entweder durch Vermächtnis in anderen
Besitz übergegangen oder unrechtmäfsig von anderer Seite in
Beschlag genommen sein, was ja in dem von Säkulargeistlichen
überfüllten Kathedralkloster leicht möglich war, besonders
während der Zeit, in der der Stuhl noch unbesetzt war. Das
Pontilikale kam nach Sherborne in die Hände des Bischofs
Wulfsije, wie wir oben sahen, der Psalter wohl durch Ver-
mittlung einer Dunstan verwandten oder nahestehenden Dame
in das Xunnaminster zu Winchester. So wunderlich diese
Vermutung im ersten Augenblick klingt, so gewinnt sie doch
bei näherer Prüfung. Der gemütvolle, sentimental angelegte
Dunstan mufs von früh auf einen besonderen Reiz auf Frauen
ausgeübt haben. Die Überlieferung nennt Namen verschiedener,
meist hochstehender Frauen, deren besonderer Gunst er sich
erfreute. Auch in Canterbury w4rd sieh eine hohe Gemeinde
in Verehrung um ihn geschart haben, aus der einige wohl
nach seinem Tode in das dem königlichen Hause nahestehende
Nunnaminster ül)ersiedelten. Eine von ihnen hat vielleicht den
Psalter mit sich genommen und zur leichteren Benutzung mit
ae. Glossen versehen au der Hand der Hss., die ihr in
Winchester zur Verfügung standen, also vor allem Junius und
Ivegius. Diese Überzeugung drängt sich einem auf schon nach
paläographischer Untersuchung der Glossen, die jetzt jedem
durch den Abdruck in der New Palaeographical- Society 3)
ermöglicht ist. Sie sind nämlich von einer feinen und zugleich
unsicheren, zittrigen (!) Hand') geschrieben, was vermuten
lälst, dafs die Dame sehr betagt war. Doch auch die elementare,
unselbständige und unstete Art der Glossierung, die zu den
') Abgesehen vom Dunstan -Hymnus.
-) Dies schliefse ich daraus, dafs sie aufser dem Dunstan -Hymnus
nicht mit ae. Glossen versehen sind.
3) Plate 114, Ps. 118, 113— 1 OS wiedergebend.
*) Sie gleicht im Dtiktus auffällig der Janius-Glosseuhand. Vielleicht
ist diese voa derselben Dame einige Jahrzehnte früher geschrieben worden.
So erklärten sich auch die S. 39 besprochenen lautlichen Eigentümlichkeiten.
460
übrigen Inhalten des Kodex iu starkem Gegensatz steht und
einem Mönche der neuen Schulung keine Ehre machen würde,
iiudet so eine plausible Erklärung. Die Schreiberin muls, wenn
nicht in Kent geboren, längere Zeit dort gelebt haben, das
beweisen Sehreibungen wie ^engra 118, 141, cmhhwer/te 127,3,
zenehtsmn 129,7. Die Auswahl der glossierten Psalmen scheint
durch liturgische Eüeksichteu bestimmt zu sein,') wie ich
vornehmlich aus den glossierten Psalmen 119 — 133, den so-
genannten Gradualpsalmen, vermuten möchte.
Die Quellen für die dem Psalter folgenden Hymnen-
glossen — die Ferialhymnen sind bezeichnenderweise nicht
glossiert — sind zum Teil schwer nachweisbar, da unser Haupt-
gewährsmann das Juniusmanuskript, mit dem Psalm 144 ab-
schlielst. Ivegius zeigt zwar inhaltlich, was den lateinischen
Teil betrifft, mit Bosworth vollkommene Übereinstimmung 2) im
Gegensatz zu allen anderen Psalter-Hss., jedoch im ae. Teile
keine Berührungspunkte mit ihm. Die Glossen zum Benedicite,
Benedietus und Magnifieat werden zweifellos Juuius, bzw. der
Vorlage des Schreibers angehört haben, da sie sieh in Wort-
schatz und Glossierungsart ganz Vespasian anpassen. Das
'Quicumque uult' und 'Nunc dimitte' stammen jedoch sicher
nicht aus dieser Quelle, wie sie ja auch iu Vespasian fehlen,
mögen aber, aus ze- Schreibungen 3) zu folgern, auf Vorstufen
fufseu, die nicht weit von Junius ab liegen können. Auf einer
solchen beruht vielleicht die Fassung des 'Quicumque uult' im
Salisbury-Psalter, die, wenn auch etwas modernisiert, mit dem
in Bosworth wesentlich übereinstimmt. Das 'Te deum' endlich
gibt sich deutlich als jüngere, mit Regius^) gleichaltrige Arbeit
zu erkennen.
') Vielleicht auch durch den Eindruck grofser Ereignisse (Dänen-
einfälle 991—95!), denn mit wenigen Ausnahmen (118. 123. 126. 127. 12S.
132. 133) sind es Bittpsalmen, die glossiert sind; vgl. die Verfügungen
yEthelreds in Liebermann, Gesetze der Angelsachsen I, p. 262.
-) Nur dafs es, wie schon erwähnt, für das 'Te deum' das 'Gloria
in excelsis' hat, ebenfalls einen Festtagshymnus, der wie jenes zur Matutin
gesungen zu werden pflegte.
^) agieldende 2, 60; prienesse 2,5, 34, 3S ; niedde 2, 27; %oe geliefan 2, 43.
•) Doch stammt sie nicht etwa ans Regius, wie sich mit Sicherheit
aus dem Wortschatz ergibt.
461
Beginn der ISTormannisierung uiul Verllachung.
Ein neuer Geist war in die englischen Klöster und damit
in die gebildeten Schiebten des Volkes eingezogen. Erhielt er
auch seine Anregung und Nahrung, seine Vorbilder von aus-
wärts, so sind doch seine eigentlichen Ursachen und treibenden
Kräfte in England selbst zu suchen. Sie liegen in einer orga-
nischen Entwicklung, in einer Steigerung der Bewufstheit, des
Lebens, die sieh im 10. Jahrhundert im englischen Volke voll-
zogen hat und sich aus politischen und wirtschaftlichen Gründen
hier nicht früher vollziehen konnte. Zur vollen Entfaltung
freilich kam er erst im letzten Viertel des 10. Jahrhunderts,
als die Klöster und Kirchen dem neuen Standard angepafst
und alle Kräfte zur Betätigung freigelegt waren. Wie mächtig
dieser neue Impuls gewesen sein mufs, das zeigt sich am augen-
fälligsten an dem rapiden Aufstieg der künstlerischen Produktion,
dem sich bald ein solcher auf literarischem Gebiete anschlofs.
Doch wird er auch, wie schon oben betont wurde, eine Ver-
tiefung des religiösen und sittlichen Lebens, eine Hebung der
wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse im Gefolge gehabt
haben.
Deutlich tritt der grolse Umschwung im Rahmen des
hier behandelten Gegenstandes zutage. Es verlohnt sich, hier
alles einmal übersichtlich zusammenzustellen. In der Schrift
wird die Insulare, was das Lateinische betrifft, gänzlich
durch die karolingisehe Minuskel verdrängt und zwar durch
den unmittelbaren Einfluls ^Ethelwolds und seiner Kauzlei in
New-Minster (Hyde Abbey), wo sie von Abingdoni) aus ein-
geführt und ernstlich gepflegt wurde. Wir begegnen ihr unter
den Psalterien zuerst in dem berühmten, aus jener Schule
hervorgegangenen Harleian Manuskript 2904, 2) dann in den
lateinischen Texten des Lambeth- und Pariser Psalters, die
beide dem beginnenden 11. Jahrhundert angehören. Die Buch-
malerei empfängt einen reichen Schatz neuer Motive und
>) Sie tritt zuerst in einer Abiugdoner Urkunde auf aus dem Jahre
961, vgl. Homburger a. a. 0. p. 39.
*) Vgl. nuten S. 464 und Anm. 3.
462
Ornamente, den sich besonders die Malschulen Winchesters zu
eigen machen und zu höchster Vollendung entwickeln. Die
Psalmen 1. 51. 101 (und 109) werden nach Art der kontinentalen
Psalterien, wenn nicht ausschliefslich, so doch vornehmlieh
markiert, sei es durch ganzseitige Initialen und Verwendung
von Kapitalen, sei es durch vor ihnen angebrachte Miniaturen.
Zeitlich und künstlerisch den ersten Platz unter den hier in
Frage kommenden Hss. nimmt zweiellos das erwähnte Harleian-
Älanuskript ein. Der Kirchenmusik flielsen in den irischen
Hymnen, welche im 9. Jahrhundert von Rom sanktioniert waren,
eine Fülle von unbekannten Melodien und Texten zu, welche
die bis dahin gebräuchlichen fast ganz aufser Kurs setzen.
Das Officium divinum erfährt eine Korrektur und Erweiterung
nach dem beuediktinischen. Die Gradualpsalmen (119 — 133), das
'Te deum', das 'Gloria in excelsis' und das 'Quincumque uult',
das gerade in der englischen Kirche eine grofse Rolle spielen
sollte, werden als feste Bestandteile der Liturgie angeschlossen.
Das Symbolum apostolicum (Credo in deum patrem), das sich in
der uns vorliegenden Fassung im 6. 7. Jahrhundert im Franken-
reich gebildet und durch Karl den Grofsen Anerkennung ge-
funden hatte,') ersetzt das alte römische, 2) bis dahin in England
übliche, das wiederum, wie mir scheint, das nicaeno-constantino-
politanum (Credo in unum deum) ablöste, welches im Salaberga-
Kodex vorliegt und zu dem sich wohl auch noch die Synode
zu Hatfield^) bekannte.
In dieser Zeit setzt nun auch der Vorstofs des im Franken-
reich eingeführten Psaltertextes gegen die römische Version
ein. Das Psalterium Gallicanum ist sicher schon vor der
^) Die Religion in Geschichte und Gegenwart I, 599.
") Erhalten im Codex Laudianns (Bodl. Oxford) und Codex Berneusis,
vgl. Burn, Facsimiles of the Creeds (Henry Bradshaw Society, vol. XXXVI,
1909) p. 4 und plate IV A sowie Traubes Anmerkung ebd. p. 27 zum
Codex Beruensis.
^) Diese anerkannte ausdrücklich die Beschlüsse der Synoden zu
Nicaea, Konstantinopel, Ephesus, Chalcedon, Constantinopel und Rom. So
finden sich denn in den Berichten Anklänge ans nicänische, ans nicänisch-
konstantinopolitanische und ans athauasianische Bekenntnis. — Haddan
nnd Stubbs, Councils and Eccl. Doc. III p. 141 f.; Swainson, The Nicene
and Apostles' Creeds, London 1S75, p. 192fiF.
463
eigentlichen Reform in verseliiedenen Exemplaren, die aber aus-
sehlielslieh kontinentalen, bzw. irischen Ursprungs waren, in
England vertreten gewesen. Bestimmt wissen wir dies von dem
sogenannten ^Ethelstan-Psalter, von dem S. 443f. die Rede
war. Fraglich scheint es mir von den übrigen in englischen
Bibliotheken erhaltenen IIss. älterer Zeit: dem Southampton-
Psalter,!) dem Psalter Cott. Vit. F. XI;-) dem Ry 1 an ds -Psalter, 3)
dem Achadeus-Psalter^) und dem Psalter Corp. Christ. Coli,
Cambr. Ms. 411.^) Wie James überzeugend darlegt, ist der
Vorletzte in den achtziger Jahren des 9. Jahrhunderts aus
Reims^) hervorgegangen, in dessen näherer Umgebung auch
der Utrecht-Psalter,") bis zum Jahre 1674 ein Schmuckstück
der Cottonian-Bibliothek zu London,'') entstanden ist. Beide
0 St. John's Coli. Cambridge CD; im 9. Jahrhundert iu Irland ent-
standen, in irischen Ealbunzialen, ausgezeichnet sind Pss. 1. 51. 101 durch
Initialen nnd Miniaturen. Vgl. Westwood, Facsiniiles p. 84, plate 30;
Westwood, Palaeogr. Sacra Pict. plate IS; Herbert, Illuui. Mss. p. 82.
-) Im Brit. Mus., London, aus dem ü. oder 10. Jahrhundert ganz
im Stile des Southampton-Ps. Catalogtie of Ancient Mss. in the Brit.
Mus. II, p. 13; Westwood, Facsimiles p. 85, plate 51, 5, G; Herbert, a. a. Ü.
p. 81 f.
3) The John Rylauds Library, Manchester, Ms. Lat. 133. Er ist in
karoling. Minuskel im 9. Jahrhundert in der St. Maximin -Abtei bei Trier
geschrieben und anzusehen als ein Produkt der berühmten Ada-Schule,
wie aus einer Eaudnote im Kalender erbellt.
*) Corpus Christi College, Cambridge, Ms. 272, zwischen 883 und S84
im Auftrage eines Grafen Acbadeus in karoling. Minuskel geschrieben,
mit Te deum, Gloria in excelsis, Quicumque, Symbolum und wertvoller
Litanei, gehörte später zu Christ Church Canterbury. Ausgezeichnet sind,
bezw. waren Pss. 1. 2G. 38. 51. 52. ü8. 80. 97. 101. 109, von denen nar
Pss. 52. 97 erhalten sind. Vgl. M.R.James, A Descriptive Catalogue of
the Mss. in the Libr. of Corp. Chr. Coli. Cambr. Part IV (Vol. II), Cambridge
1911, p. 27ff.
^) Im 10. Jahrhundert, vielleicht in Tours, iu karoling. Miunskel ge-
schrieben, mit Auszeichnung der Pss. 1 (im 1 L Jahrhundert in England).
51. 101. 109, mit Quicumque und Credo. Eine zweite Litanei ist im 11. Jahr-
hundert in England (Canterbury?) der ursprünglichen zugefügt. James,
a. a. 0. Part V, p. 296.
^) Sicher ans einem Beuediktinerkloster, wie die Oratio S. Benedict!
fol 168^ als erstes unter den Gebeten beweist.
') J. J. Tikkanen, Die Psalterillustration im Mittelalter I, 3. Heft: Der
Utrecht -Psalter, Helsingfors 1900; Herbert, a.a.O. p. 106 ff.
'') Herbert, a.a.O. p. 107.
464
Manuskripte mögen zusammen ihren Weg nach England gefunden
haben. Der Gelegenheiten boten sieh viele, besonders in der
hier behandelten Zeit, doch auch früher unter Erzbischof Fulk
von Reims, der die Kulturarbeit Alfreds mit lebhafter Teil-
nahme verfolgte und diesem zu verschiedenen Malen Mönche
aus seiner Diözese zur Unterstützung übersandte, i) dann aber
namentlich durch die mannigfachen verwandtschaftlichen Bande,
die das englische Königshaus durch Verheiratung seiner
Prinzessinnen mit französischen Fürsten anknüpfte; ich erinnere
an Alfred, Eadward und vor allem ^Ethelstau. Sicher erst in
späterer Zeit nach England gekommen ist der berühmte Lothar-
Psalter. 2)
Es lag in der Natur der Sache, dafs man in dieser älteren
Zeit von dem neuen Texte als solchen nur wenig oder gar
keine Notiz nahm, da er eben im englischen Gottesdienst nicht
verwandt wurde und von dem dort eingebürgerten nicht
unwesentlich abwich. Dies wurde jedoch anders, als der
monastische Gedanke in dem politisch und kulturell erstarkten
Frankenreieh neue Nahrung und Schwungkraft erhielt und
selbst Rom und allen mit ihm verbundenen Staaten, also
besonders England, seinen Stempel aufdrückte. Erst jetzt
beginnt der gallikauische Text, nach dem das Stundengebet
der französischen Klöster eingerichtet war, in England kopiert
und wohl auch studiert zu werden. Nur wenige dieser
Abschriften sind auf uns gekommen, unter ihnen aber besitzen
wir zwei von grolsem kunsthistorischen Werte, die diesen
Verlust wohl verschmerzen lassen, das schon oft erwähnte
Harleian Manuskript 2904 3) und den Salisburj'-Psalter,
^) U. a. den gelehrten Grimbald von St. Bertin zu St. Omer, der erster
Abt des New Minster wurde.
*) Additional 37 76S, Brit. Mus. London, gesclienkt von Sir Thomas
Brooke of Huddersfield, der ihn von Mssrs. EUis and White in London
gekauft hatte. Ist in karoling. Minuskel zwischen 84U und 855 geschrieben
und gehörte im frühen 10. Jahrhundert der Benediktiner -Abtei St. Hubert
in den Ardenuen. Er enthält das Te deum, Quicumque und Symbolum
und zeichnet aus die Pss. 1. 11. 21. 31. 41 usw. Vgl. Catalogue of Additious
to the Mss. in the Brit. Mus. 1906—1910 p. 127 £f.; Palaeogr. Society, Ser.I,
pl. 69. 70. 93. 94.
ä) Über die kostbare Hs. ist oft und eingehend gehandelt worden,
vor allem von Warner, lUuminated Mss. üi the Brit. Mus. 1899—1903 und
465
den einzigen Text dieser Art meines Wissens, der in englischer
Minuskel geschrieben ist. Nicht einer aller bisher genannten
Texte ist mit gleichzeitigen ae. Glossen versehen, denn die
Glosse im Salisbury- Manuskript ist etwa hundert Jahre später
eingetragen worden. Daraus dürfen wir wohl folgern, da die
Glossen im wesentlichen praktischen Zwecken dienten, dafs
das Gallieanum im 10. Jahrhundert noch nicht in die englische
Liturgie eingedrungen war, hier vielmehr das Romanum, das
uns in drei Handschriften (Regius, Bosworth und Blickling)
glossiert vorliegt, nach wie vor seine Stellung behauptete.
Immerhin aber müssen sich schon früh einige Lesarten des
ersteren in das englische Officium eingeschlichen haben. Dies
ist ja auch leicht erklärlich. Denn einmal werden wir mit
einer ganzen Reihe auswärtiger, besonders französischer Mönche ')
in englischen Klöstern zu rechnen haben und andererseits
standen die führenden Kreise in Canterbury, Winchester und
Worcester zu sehr im Banne des Neuen, das von der anderen
Seite des Kanals auf sie eindrang, als dals sie sich gegen
derartige Beeinflussungen hätten ganz verschliefsen können.
Stärker wurde natürlich dieser fremde Einschlag, als infolge
der im frühen IL Jahrhundert beginnenden verwandtschaftlichen
Beziehungen des englischen Hofes mit dem normannischen
Fürstenhause und vornehmlich infolge der französisches Wesen be-
günstigenden Neigungen Eduards des Bekenuers, der während
seines 26jährigen Aufenthalts in Ronen vollkommen normanni-
siert war, den kontinentalen, besonders normannischen Geist-
lichen, die sich in Mengen einfanden, Zutritt zu den geistlichen
Ämtern, ja als Königsklerikern gar ein Vorrecht bei der Besetzung
der Stellen eingeräumt wurde. Schon lange vor der eigentlichen
Eroberung finden wir daher einflufsreiche und gut dotierte
Eeproductions from Illuru. Mss., 11,4,5; Herbert, Illum. Mss. p. 116. 127.
Unter den Hymnen finden sich das Te dernn, Gloria in excelsis, Symbolum
und Quicumque. Besonderen Schmuck zeigen die Pss. 1. 26. 45. 61 (ver-
loren). 52. 68. 80. 90. 97. 101. 109. 114. 115. 118. 119. 137. 143. 148.
J. P. Gilson, der Nachfolger von Sir George Warner, hat mir über diese
wie andere Hss. des ßrit. Mus. bereitwilligst Auskunft erteilt.
^) Erinnert sei nur an die umfassende Tätigkeit, die Abbo, der
spätere Abt von Fleury (988 — 1004) in Ramsey und anderen mercischen
Klöstern entfaltete, vgl. Delisle, Ancieus Sacramentaires p. 210; Hunt,
History of the English Church I, 377.
Studien z. engl. Phil. L. 30
466
Stellen in den Händen fremder Geistliclier,^) teils Lothringer,
teils Normannen, die sicherlich viele Schreiber aus ihrem Lande
nach sich gezogen haben. Sie alle waren an den gallikanischen
Text gewöhnt und werden ihn ihrem Gottesdienst zugrunde
gelegt haben.
Schon dem Schreiber und Glossator des Cambridger
Psalters wird die neue Version geläufiger gewesen sein, als
dies aus seinem Texte erscheinen mag. Denn hier und da
sucht er Lesarten aus ihr in seinen Text hineinzubringen und,
was mir wichtiger erscheint, auch seine Glossierung danach
einzurichten.2) Teilweise finden sie sich zwar auch bei einem
der Kirchenväter. Da aber sämtliche übrigen englischen Texte
(Vespasian, Blickling, Eadwine, Junius, Regius, Bosworth) an
diesen Stellen geschlossen der Vorlage treubleiben, und anderer-
seits nur der Pariser Psalter, der der neuen Fassung im
lateinischen Teil die weitesten Konzessionen ^) macht, mit dem
Cambridger Texte zusammengeht, so kann hier einzig und
allein Beeinflussung durch das Psalterium Gallicauum vorliegen.
Letztere beiden Hss. zeigen auch sonst wesentliche Berührungs-
punkte, so dafs sie wohl zu einem Kloster oder gar einer
') 1021 wird ein gewisser Withman (Teutonicus) Abt von Eamsey,
1033 der Lothringer Duduc Bischof von Wells, 104-1 Robert von Jumieges
Bischof von London und 1051 Erzbischof von Canterbury, 1045 Herman,
ein Lothringer, Bischof von Ramsbury und 105S von Sherborne, 1046
Leofric, ein Angelsachse, aber in Lothringen erzogen, Bischof von Crediton
und 1050 von Exeter, 1049 Ulf, ein Normanne, Bischof von Dorchester,
1051 Wilhelm, ein Normanne, Bischof von London, 1061 Walter aus
Lothringen Bischof von Hereford. — Vgl. Hunt, a.a.O. pp. 396. 403 flf.;
Hill, English Dioceses pp. 233flf.; Wright, Biographia ßrit. Lit. (1842),
pp. 511ff.
2) Man vergleiche z.B. Pss. 13,7. 17,7. 17,48. 23,1. 24,7. 25,9.
32,22. 44,6. 57,11. 70,22. 89,13. 89,17. 91,12. 101,6. 102,3. 111,7.
131,11 in meiner Ausgabe.
ä) Ich beschränke mich auf einige Beispiele: 9,23: quaeret (inquiret
Ro); 11,7: argentum igne examinatum probatum (fehlt Ro) terrae; 12,5:
in misericordia tua speraui (in tua mis — sperabo Ro); IG, 12 : eripe animam
meam ab impio frameam tuam ab inimicis manus tuae (. . . frameam inimi-
corum de manu tua Ro); 16,13: a paucis de terra diuidc eos in uita
eorum (a paucis a terra dispertlre eos et supplanta eos in uita ipsorum Ro);
24,18: non erubescam (domine non confundar Ro); 57,4: et uenifici in-
cantantis sapienter (et nenificia quae iucantantur a sapiente Ro); 95,9:
dicite in gentibus quia (fehlt Ro) dominus regnauit.
467
Vorlage ein Verhältnis gehabt haben. Als interessanter und für
die Datierung wichtiger Punkt erseheint mir eine Stelle in den
Litaneien beider, welche Martialis, den Patron von Linioges,
unter die Apostel einreiht. Die Frage über den Ursprung der
Apostelschaft dieses Heiligen ist, soviel ich weifs, noch nicht
geklärt. Ob er aber wirklich vor 1000 in England als Apostel
verehrt worden ist, wie die Mönche des St. Martialis -Klosters
und ihr Abt Odolrich zur Stütze ihres Antrages auf dem
Konzil zu Limoges (1031)0 behaupteten, ist bis jetzt nicht
bewiesen und wenig glaubhaft, da sich in den englischen
Litaneien und vielleicht auch Kaiendarien dieser Zeit unbedingt
Spuren davon zeigen würden. 2) Auffällig ist dagegen, dafs
im frühen 11. Jahrhundert nicht nur eine, nein, verschiedene
Hss. auftauchen, in denen dem Heiligen diese Ehrung zuteil
wird. Neben unseren beiden Psaltern verweise ich besonders
auf die Litanei im Missale des Robert von Jumiöges,^) das
nach Wilson^) zwischen 1008 und 1023 in AVinehester ge-
schrieben und später in den Besitz Roberts gekommen sein
soll, und auf die im Officium der heiligen Jungfrau der Hs.
Cotton Tiberius A III, dessen Entstehung Dewick'') in die
Jahre 1032 — 1050 verlegt. *') Dies zwingt zu der Annahme, dals
^) Duchesne, Saint Martial de Limoges in 'Annales du Midi' 1892
p. 324.
-) Diese finden sich aber weder im Harleian Ms. 2904 (hier rangiert er
unter den Confessores), noch im Bosworth- Psalter, noch im Benedictionale
^thelwolds, noch im Pontificale Dunstaus, noch im Pontificale Lanalatense
(Ronen, Bibl. Municipale Ms. A 27), noch im Benedictionale des Erzbischofs
Robert (ebd. Ms. Y 7).
») Roueu, Bibliotheque Municipale Ms. Y 6. Vgl. Hombnrger, a. a. 0.
p. 60.
*) The Missal of Robert of Jumicges, London 1S96 (Henry Bradshaw
Society vol. XI), p. XXIV ff.
^) Facsimiles of Horae De Beata Maria Uirgine, London 1902 (Henry
Bradshaw Society vol. XXI), p. XIV.
^) Charakteristisch für die Litaneien dieser und einiger anderer Hss. —
des Benedictionale des Erzbischofs Robert von Rouen (Ronen, Bibl. Muuic.
Ms. Y7), des Pontificale Lanalatense (ebd. Ms. A 27) und des Ms. Titus
D XXVI (Liber Vitae: Register . . . of New Minster and Hyde Abbey 1892,
p. 262) — ist ferner die Aufeinanderfolge der Apostel Johannes Jacobus,
die sonst stets als Jacobus Johannes aufgeführt werden.
30*
468
der Brauch erst nach den Synoden, i) die über die Streitfrage
abgehalten wurden, in England bekannt geworden ist und so-
mit alle vier Hss. frühestens nach dem ersten Konzil zu Limoges
im Jahre 1021, wahrscheinlich aber nach 1024, als der Streit
auf der von Herzog Wilhelm V. von Aquitanien veranstalteten
Synode zu Paris zugunsten der Antragsteller entschieden
wurde, geschrieben worden sind. Dafs der Erfolg nicht zum
mindesten dem tatkräftigen Eintreten des Landesherrn zu ver-
danken war, scheint mir dabei von Wichtigkeit betont zu
werden. Denn dieses mag auch zu einer raschen Verbreitung
und Annahme der Mode im übrigen Frankreich und, was für
uns wesentlicher ist, in England, besonders am Hofe Knuts,
mit dem Wilhelm V. wohl Verbindungen hatte, 2) beigetragen
haben. Besonders in Winchester in der Umgebung Emmas
wird sich der Kult rasch eingebürgert und englische Schreiber
zur Anerkennung gezwungen haben, zumal wenn sie auf
Bestellung von Damen aus diesen Kreisen arbeiteten. Und
dies taten offenbar die Schreiber der beiden hier in Frage
kommenden Psalterien. Das schmale, tascheubuchartige Format
(18x52,5 cm) des Pariser Fsalters,^) wie wir es oft auf Minia-
turen dargestellt finden, 4) deutet auf privaten Gebrauch hin.
Das Gebet fol. 195 v; Te deprecor domine michi famule (uel
famulo) tue (uel tuo) et famulis et famulabus tuis per inter-
cessionem etc. lälst ferner keinen Zweifel darüber, dafs diese
Hs. für eine Dame bestimmt und vielleicht gar von einer solchen
geschrieben war. Zu einem ähnlichen Schlüsse berechtigt wohl
der Vortritt der Sancta Scolastica unter den Virgines der
Litanei im Cambridger Psalter. Ich denke mir, dafs er für die
Angehörige eines Benediktinerklosters, vielleicht auch für ein
solches selbst, angefertigt ist.
') 1021 zu Limoges, 1023 zu Poitiers, 1024 zu Paris, 1029 zu Limoges,
1031 (l.Nov,) zu Bonrges, 1031 (18. Nov.) zu Limoges. Hefele, Konzilien-
gescliichte IV (1879), pp. 679. 689.
-) Im Jahre 1023 soll ihm Knut eiuen Codex übersandt haben, in
dem Martial als Apostel figurierte. Hefele IV, 679; Duchesne, a. a. 0. p. 324.
^) Links läuft der lateinische Text, in karolingischer Minuskel, rechts
parallel die altenglische Übertragung in der Insulare.
*) Man vergleiche nur in /Ethelwolds Benedictionale bei Gage (Archaeo-
logia 24) Tafel 4. 5. G. 7. 8. 9. 23. 24. Siehe auch Homburger, a. a. 0.
p. 22 Anm. 2.
469
Beide Schreiber haben für den lateinischen wie auch eng-
lischen Teil nach Vorlagen gearbeitet, zu denen ich eingehend
erst in meiner Untersuchung über die Cambridger Hs. Stellung
nehmen werde. Der des Pariser Psalters benutzte, soviel sei
schon hier erwähnt, deren zwei in seiner Muttersprache: eine
jüngere, anglisch gefärbte und nicht lange vor ihm ver-
fafste, 1) der er den poetischen Teil Pss. 51 — 150 entnahm, und
eine rein westsächsische, aber scheinbar mehrfach überarbeitete,^)
der er die Prosaübersetzung des übrigen Teils und die Ein-
leitungen ^) entlieh. Aus letzterer wird er auch den lateinischen
Text, der dem Romanum folgte, im Laufe der Zeit aber z. T.
nach dem Gallicanum umkorrigiert war, *) sowie auch die Ein-
teilung^) und die Aufstellung der liturgischen Stücke 6) über-
nommen haben.
*) Znr Literatur vgl. Braudl, Geschichte der ae. Literatur 2, p. 1094;
The West-Saxon Psalms, ed. by Bright and Ramsay, p. 149 ff. — Beweisend
für die späte Abfassung dieses Teiles sind, abgesehen von zahlreichen
alliterierenden Bindungen von sc mit s u.a., Verse wie Ei heora dagena
ticl dccdun idle 77,32; pu Ms dagena tid deorce gescyrtest 88,38; ßcet pii
tue meaht 07i midie minra dagena 101,21; Hu-cet synt pinum csne ealra
dagena 118, S4, die metrisch nur mit spätbelegtem (!) dagena möglich sind.
^) Für ältere wests. Vorlage sprechen häufige 7e (beachte besonders
Ps. IT, 36) und he afierd 45,8, häufige alte io, häufige 0 für späteres a vor
Nas., endlich die 2. Person Sing.: du adilgas 9,5, [ßu] underpydes 17,45,
[pu] demdcs 30, S, /jk ■;estrangodcs 37,2, forgits pn 41,11.
^) Diese finden sich aulserdem in dem stark beschädigten Ms. Vitellius
E XVin. — Vgl. die ausführliche Literatur in Brights Ausgabe, p. 151 ff.
*) Nicht selten wurde eine Verschmelzung beider Lesarten angestrebt,
z.B. 9,24, 11,3, 26,5, 30,4, 46,2.
'■') Diese folgt noch durchaus dem alten Brauch aus der Zeit vor der
Reform, markiert also Pss. 1, 26, 6S, 80, 97, 109. Ps. 51 scheint nur
hervorgehoben als Ausgangspunkt eines neuen Schreibers. Sämtliche Blätter
mit benannten Psalmen sind herausgeschnitten, dazu auch ein solches vor
Ps. 21 und nach Ps. 150.
') Dies sind (nach Omonts frdl. Mitteilung) : Cauticum Ezechie (Ego
dixi), Cant. Anne (Exultauit cor menm), Cant. Moysi (Cantemus domino),
Cant. Abbacuc (Domine andiui). Cant. Moysi ad filios Israhel (Attende
coelum), Ymnus trium puerorum, Ymnus ad matutiuas (Te Deum), Cant.
Zachariae (Benedictus dominus), Cant. saucte Mariae (Magnificat), Fides
catholica Athanasii episcopi. Da fehlen auffälligerweise das Canticum
'Confitebor tibi' für die Matutin am Montag und der Komplethymnus
'Nunc dimitte', ersteres vielleicht nur aus Verschen, letzterer in Anlehnung
an die Vorlage, die vielleicht mit Vespasiau übereinstimmte. Sonst stellt
sich diese Sammlung durchaus zu Bosworth (Regius).
470
Beide Schreiber sind sicher nicht aus einem der grofsen
Kulturzentren, Canterbury oder Winchester, hervorgegangen.
Das Vorkommen von Winchesterheiligen (Swiöun, Birinus, ludoc)
in den Litaneien ist also lediglich als Beweis zu nehmen für
den im 11. Jahrhundert beginnenden, rasch wachsenden Einflufs
der Winchesterkulte und Moden, welche die Schreiber vielleicht
an Ort und Stelle selbst kennengelernt hatten. Besonders
grofs ist der Abstand von beispielsweise Winchesterprodukten
dieser Zeit und dem Cambridger Psalter. Seine Initialen und
Miniaturen tragen deutlich den Stempel grofser Unreife und
technischer Unfertigkeit. Die Schrift ist steif und plump.
Überhaupt scheint der Schreiber nur die einheimische erlernt
zu haben, sonst hätte er für den lateinischen Teil zweifellos
die „moderne" karolingische Minuskel verwandt. Die lateinische
wie die englische Vorlage werden mit grofser Willkür und
Respektlosigkeit behandelt. Alles in allem, diese Arbeit kann
nur von einem Manne gemacht sein, der in einem — wenigstens
um diese Zeit — unbedeutenden und rückständigen Kloster
vorgebildet war. Da Kenelm ') unter den englischen Märtyrern
und Petrus unter den Aposteln allein in Kapitalen erscheinen,
so zögere ich nicht, Win ch comb, wo ersterer verehrt wurde
und letzterem eine Kirche geweiht war, 2) als Standort des
Schreibers bezw. der Dame, für die er arbeitete, vorzuschlagen,
zumal da auch die Sprache der Glosse hier und da zu einer
solchen Annahme einlädt. Was Winchcomb einst zur Zeit
eines Germanus und Abbo vermocht hatte, darüber belehrt
uns das aus ihm hervorgegangene Sakramentar der Stadt-
bibliothek zu Orleans, 3) dessen Schriftcharakter an die Monu-
mentalität der Canterburyschreibkunst gemahnt. Die Dänen-
kriege Ende des 10. und Anfang des 11. Jahrhunderts aber
hatten der ganzen Gegend und besonders den Klöstern arg
mitgespielt und alle edleren Kräfte und Triebe lahmgelegt bzw.
erstickt. Erst Knut machte in den zwanziger Jahren des 11. Jahr-
hunderts die ersten Belebungsversuche und mit grolsem Erfolg.
') Stadler, Heiligenlexikou III (1S58) p. 599, Chevalier, Bio-Biblio-
graphie II, Sp. 2712.
*) Delisle, Anciens Sacramentaires p. 214.
') Bibliotheque municipale 127; Ilomburger pp. 0, 40, Anm. 3; Delisle,
a.a.O. p. 211 ff.
471
Ihnen werden wir auch unser Denkmal zu verdanken haben.
Die Glossieruug braucht nicht, wird aber wohl durch Ver-
mittlung der Bestellerin in Wincheorab vor sieh gegangen sein.
Auf alle Fälle ist sie direkt nach der Vespasian- Handschrift
geschehen, die sich vermutlich damals in Winchester befand.
Günstigere Verhältnisse hatten dem Schreiber Wulfwine
des Pariser Psalters eine bessere Bildung beschieden. Er meistert
die fremde Schrift so gut wie seine heimische. ^) Und auch
seine künstlerischen Leistungen, von denen leider nur wenige
Proben erhalten sind, werden den Durchschnitt überragt haben,
sonst hätten sie sicher nicht solch „einnehmende" Liebhaber
gefunden. Dagegen zeigt er in der Abschrift der Vorlagen
eine ähnliche Willkür und Nachlässigkeit wie sein Zeitgenosse
in Wincheomb. Auf Grund der eigenartigen Schreibfehler ist
Bright2) geneigt, ihn mit dem Schreiber Wulf wi 3) der Hand-
schrift Cotton Otho C I der westsächsischen Evangelien
zu identifizieren, der, aus einer Urkunde zu schliefsen, in
Malmesbury gewirkt zu haben scheint. Malmesbury erfüllt
nun in der Tat wie kein anderer Ort alle die Bedingungen,
die wir an die Entstehung unserer Handschrift und ihrer Vor-
lagen zu stellen haben. Von Wichtigkeit ist erstens, dafs
Aid heim, der erste Abt jenes Klosters, in der Litanei unter
den Confessores auftritt. Das von Iren (675) gegründete Kloster
war altes westsächsisches Stammgut, in dem angelsächsische
Gelehrsamkeit ihre ersten Früchte trieb und Jahrhunderte hin-
durch sorgsame Pflege gefunden hatte. Es zählte erste litera-
rische Gröfsen zu den Seinen und erfreute sich der besonderen
Gunst der westsächsischen Könige, vor allem Alfreds und
iEthelstans, der hier begraben wurde. Hier scheint mir durch-
aus der richtige Boden und die passende Atmosphäre für ein
Werk, wie wir es in der aus verschiedenen lateinischen Quellen
schöpfenden Prosaübersetzung mit den gleichfalls lateinische
Vorlagen *) benutzenden Einleitungen vor uns haben. Malmes-
^) Über Handschriftproben vgl. Brights Ausgabe p. 154 f., dazu West-
wood, Facsimiles plate 122.
2) The Gospel of Saint John (Beiles Lettres Series) 190-1, p. XIX.
3) Für Wulfwi?
*) Diese Argumenta wurden fälschlich Beda zugeschrieben und finden
sich daher abgedruckt in den verschiedenen Beda -Ausgaben von 1563,
472
bury ist aber auch das bedeutendste Kloster au der Grenze
der Diözese "Woreester, von dem aus sieb leicht Beziehungen
zu Woreester und dem noch nähergelegenen Wincheomb
einstellen mufsten, und zugleich auf der Scheide westsächsischen
und mercischen Sprachgebiets, wo eventuell auch der mit
anglisehen Dialektspuren behaftete poetische Teil geschrieben
sein könnte, den der Verfasser des Benediktinerofficiumsi)
in sein Werk verarbeitet hat.
1612 etc., bei Migne aber unter den Opera dubia et spuria. Sie können
schon deshalb nicht von ihiu herrühren, da der ihnen beigegebene Psalmen-
kommentar durchaus das Psalteriam Gallicanum zugrunde legt, während
doch Beda weniger diesem als dem Psalterium Vetus und Romanum zu-
getan war. Vgl. auch Plummer, Bedas Hist. Eccl II, S92ff.
^) Feiler, Das Benediktiner-Offizium, Heidelberg 1901, p. 51flf,
Virg-inien zur Koloiiialzeit,
Eine kulturgescliichtliche Studie
von
Johannes Hoops.
Inhalt.
Seite
1. Eiuleitung: Die ersten Versuche britischer Kolouisatioa in Amerika 474
2. Die Gründung des Kolonie Virginien 478
3. Wandlungen im Verfassungssystem 484
4. Der Tabak als Grundlage des Wirtschaftslebens 487
5. Plantagenwirtschaft und Negersklaven 490
6. Die Kavaliere 492
7. Pflanzertum und Wirtschaftsleben 494
8. Geistige Kultur 499
1. Einleitung.
Die ersten Tersiiclie britischer Kolonisation in Amerika.
Die ersten kolonisatorischen Unternehmungen der Eng-
länder fallen in eine Periode grofsen nationalen Aufschwungs.
Unter Elisabeths glorreicher Regierung in den siebziger und
achtziger Jahren des 16. Jahrhunderts war es, als das Heldeu-
geschlecht der Seekönige Brake, Gilbert und Raleigh, dem
Vorbild der Spanier, Portugiesen und Franzosen folgend, die
britische Flagge auf dem Boden Amerikas aufpflanzte. Aber
die denkwürdige Weltumsegelung Sir Francis Brakes (1577
bis 1580) war weniger ein kolonisatorisches Unternehmen als
ein Freibeuterzug gegen die spanischen Niederlassungen an
der pazifischen Küste und eine Forschungsreise. Bie erste Ex-
pedition des Sir Humphrey Gilbert (1578 — 79) hatte zum Teil
wohl die Aufsuchung einer nordwestlichen Burch fahrt im Auge,
für die sich Gilbert besonders interessierte, verfolgte aber im
übrigen auch mehr abenteuernde und kriegerische als kulturelle
Ziele. Eine zweite Ausfahrt Gilberts 1583, die zur Gründung
einer dauernden Niederlassung unternommen war, führte nur
zur nominellen Besitznahme von Neufundland, verlief im übrigen
ergebnislos und brachte der Mehrzahl der Schiffe den Unter-
gang und ihrem Führer den Tod durch Schiffbruch. Nur das
letzte Wort des sterbenden Befehlshabers: „The way to heaven
is as near by sea as by land" hat das Andenken an dieses
verunglückte Unternehmen lebendig erhalten und legt Zeugnis
ab von dem Heldengeist, der diese englischen Seefahrer
erfüllte.
Eine Expedition von zwei Schiffen, die Walter Raleigh
1584 unter Führung von Amidas und Barlow aussandte, führte
zur Entdeckung des Landstrichs, der später die erste wirkliche
475
britische Kolonie werden sollte. Einem Wink Elisabeths folgend,
nannte man ihn Virginia zu Ehren der jungfräulichen Königin.
Die Berichte der Teilnehmer dieser Fahrt über die Natur und
die Produkte des Landes und über den Charakter der Ein-
gebornen waren enthusiastisch, und so schickte denn Kaleigh
im folgenden Jahr (1585) eine neue Expedition unter Führung
seines Vetters Sir Richard Grenvillc auf sieben Schiffen
hinaus, die mit über hundert Personen den Anfang einer wirk-
lichen Niederlassung macheu sollte. Sie wählten die Insel
Roanoke an der Küste des heutigen Nord -Carolina als Ort
der zu gründenden Ansiedlung aus; aber infolge unrichtiger
Behandlung der Eingebornen und aus andern Gründen ging
es ihnen nach Abfahrt der Schiffe bald schlecht, und nach
Jahresfrist waren sie dem Verhungern nahe, als unerwartet
Drake mit einer mächtigen Kriegsflotte vor der Insel er-
schien und die verzweifelten Kolonisten mit nach England
heimnahm.
Trotz dieser schlimmen Erfahrungen und trotzdem in-
zwischen der Krieg mit Spanien ausgebrochen war, rüstete
Raleigh 1587 ein drittes Unternehmen aus, an dem sich etwa
150 Kolonisten, worunter 17 Frauen, beteiligten. Sie siedelten
sich auf derselben Stätte wie ihre Vorgänger an, aber sie
waren ebensowenig erfolgreich wie jene, und ihr Ende war
ungleich tragischer. Der Gouverneur dieser neuen Kolonie,
John White, kehrte noch im Herbst 1587 nach England zurück,
um für Unterstützung zu sorgen. Aber zwei Hilfsexpeditionen,
die Raleigh in dem ereignisvollen Jahr 1588 aussandte, mufsten
der kriegerischen Verhältnisse wegen umkehren. Erst 1591
kam White als Passagier auf einem Westindienfahrer wieder
nach Amerika. Auf der Heimreise wurde auf der Insel Roanoke
gelandet: man fand die Ansiedlung verlassen, mit Gras über-
wachsen, verschiedene Habseligkeiten lagen auf deni Boden
verstreut; eine Inschrift wies auf eine benachbarte Insel als
letzten Zufluchtsort der Ansiedler; aber ein Sturm verhinderte
den Kapitän, dort zu landen, und White, dessen Tochter an
einen der Kolonisten verheiratet war, mufste unverrichteter
Dinge heimkehren. Nie hat die Welt mit Sicherheit erfahren,
was aus den verschollenen Gründern dieser Kolonie Roanoke
geworden ist.
476
Wenn alle diese Kolonisationsversuehe trotz der eifrigsten
Bemühungen und der gröfsten pekuniären Opfer von Seiten
Gilberts und besonders Ealeighs ein so trostloses Ende nahmen,
so war dies zum Teil in der Ungunst der politischen Welt-
lage begründet. Die Königin hatte Gilbert und Raleigh zwar
durch Verleihung von Freibriefen einen gewissen offiziellen
Küekhalt für ihre privaten Kolonisationsabenteuer gegeben,
aber sie konnte ihnen doch nicht das ganze Schwergewicht
der staatlichen Unterstützung angedeihen lassen. Die grofse
Abrechnung mit Spanien lag damals in der Luft, und mitten
in den Unternehmungen Raleighs brach der Sturm los, der die
gewaltigste der Flotten vom Ozean hinwegfegen sollte. Fast
zwei Jahrzehnte lang hat sich dieser Kampf zwischen Eng-
land und Spanien hingezogen: die Vernichtung der Armada
durch Drake im Jahr 1588 und der glänzende Seesieg von
Cadix unter der Führung von Kaleigh, Essex und Howard
1596 entschieden ihn, wie man weils, zu Englands Gunsten
und gaben diesem freie Hand zur See.
Die Niederwerfung der spanischen Weltherrschaft ist das
grofse Lebenswerk der Elisabeth gewesen. Als es durch den
Frieden von 1604 seinen förmlichen Abschlufs erhielt, weilte
sie nicht mehr unter den Lebenden. So ist es gekommen, dals
die Kolonisation Amerikas, die erste und wichtigste Frucht
der Überwindung Spaniens, erst unter ihrem Nachfolger durch-
geführt wurde, und es mutet uns fast wie eine Ironie des
Schicksals an, wenn wir hören, wie die erste Regierungs-
handlung dieses bigotten, engherzigen Pedanten darin bestand,
dals er eben den Mann, der mit unverzagter Ausdauer sein
Alles an die Idee des amerikanischen Kolonialreichs gesetzt
hatte, Walter Raleigh, den heldenmütigen Liebling der Nation,
in den Tower schickte, während andere den Lohn seiner
Bemühungen und Erfahrungen ernteten.
Das wichtigste zivilisatorische Ergebnis jener milsglückten
ersten Kolonisationsversuche war die Einführung der Kartoffel
und des Tabaks nach Europa. Der Tabak vor allem wurde
bald ein Genulsmittel von rasch zunehmender Beliebtheit und
dadurch zugleich ein Handelsartikel von unschätzbarer Be-
deutung für die amerikanischen Kolonien, da er nicht so leicht
wie die Kartoffel in Europa selbst gebaut werden konnte. Sir
477
Walter Raleigli hat durch sein persönliches Beispiel viel zur
Verbreitung des Tabaksgenusses beigetragen, und keine Ver-
ordnung weltlicher oder geistlicher Obrigkeiten hat dieses
„Teufelskraut" seitdem aus der Zahl der menschlichen Genufs-
pflanzen zu verdrängen vermocht.
Die Gründung der englischen und der holländischen ost-
indischen Kompanien IGOO und 1G02 wirkte belebend auf die
Kolonisierung Amerikas zurück. Ein Unternehmen nach dem
andern wurde in den ersten Jahren dos neuen Jahrhunderts
von England aus ins Werk gesetzt. 1602 sandte Raleigh
abermals eine Expedition nach Virginien; sie sollte u.a. erneute
Nachforschung nach den Überlebenden von Whites Koanoke-
Kolonie von 1587 anstellen, kehrte aber im folgenden Jahr
ergebnislos zurück. 1602 fuhr Gosnold im Auftrag des aus
Shakespeares Leben bekannten Earl of Southampton über
den Ozean, wobei er zum ersten Mal auf gradem Weg nach
Virginien segelte, statt den üblichen Umweg über die west-
indischen Inseln zu machen. Es folgten die Fahrten von Pring
und dem jüngeren Gilbert (beide 1603) und die vonWeymouth
(1605). Aber alle diese Unternehmungen führten ebensowenig
wie die früheren zu dauernden Niederlassungen.
Ihr Mifslingen zeigt, dafs es nicht die politischen Ver-
hältnisse allein waren, die diese älteren Kolonisationsversuche
scheitern liefsen; ihre Hauptfehler lagen in anderer Richtung.
Sie waren noch zu sehr von dem alten Konquistadorengeist
getragen, von der Sucht nach Abenteuern, mühelosen Er-
oberungen und dem raschen Erwerb blendender Reichtümer;
es maugelte an der nötigen Erfahrung im Kolonisieren, an dem
geeigneten Menschenmaterial, an Klugheit und Mälsigung im
Verkehr mit den Eingebornen; vor allem aber waren die
meisten dieser Unternehmungen nicht sicher genug fundiert
und nicht planmäfsig genug vorbereitet und durchgeführt.
478
2. Die Gründung der Kolonie Virginien.O
Schon Raleigh hatte nach seinen ersten Enttäuschungen
erkannt, dafs die Ausrüstung dieser Kolonialexpeditionen auf
die Dauer an die finanzielle und geistige Leistungsfähigkeit
*) Wir sind in der glücklichen Lage, über die Anfänge der britischen
Niederlassungen in Amerika eine ausführliche, sehr lebendig und anschau-
lich geschriebene Darstellung aus der Feder des Captain John Smith
zu besitzen, des Mannes, der in der ältesten Siedlungsgeschichte eine
besonders wichtige Rolle spielte. Seine Generali Historie of Virginia,
New England and the Summer Isles erschien 1024 und wurde 1626, 1627
und 1632 neu aufgelegt. Ein guter Neudruck in zwei Bänden kam 1907
im Verlag von James MacLehose and Sons zu Glasgow heraus. Die beste
Gesamtausgabe von Smiths Werken ist die von Edward Arber in The
English Scholar' s Library, Birmingham 1884; neu herausgegeben mit bio-
graphischer und kritischer Einleitung von A. G. Bradley, Edinburgh, John
Grant, 1910; 2 Bde.
Die umfassendste Sammlung der Gesetze und sonstiger für die Ver-
fassungsgeschichte Virginieus wichtigen Dokumente von 1606 — 1808 enthält
das grofse 13 bändige Werk von William W. Hening, The Statutes at
Large; heing a Colledion of all the Laws of Virginia, mit einer 3 bändigen
Fortsetzung von S. Shepherd.
Die wichtigste Aktensammlung für die Anfänge der virgiuischen Ge-
schichte ist: The Records of The Virginia Company of London: The
Court Book, from the Manuscript in the Library of Congress ed. with an
Introductiou and Bibliography by Susan MyraKingsbury; Washington
1906. Das 2 bändige Werk enthält aufser einer bibliographischen Übersicht
über sämtliche bekannten Dokumente zur virgiuischen Geschichte von
1600—1626 eine Ausgabe der Akten der Gesellschaft von 1619—24. Die
Originale derselben sind verschollen. Die Ausgabe beruht auf einer zeit-
genössischen Abschrift, die sich im 16. Jahrhundert zuerst im Besitz des
Earl of Southampton, dann in der Bibliothek von William Byrd befand
(s. unten S. 503), und die später durch Jefferson erworben und der
Kongrefsbibliothek überwiesen wurde.
Diese Abschrift lieferte William Stith den Hauptstoft' zu seiner
treflflichen History of Virginia, deren erster und einziger Band 1747 zu
Williamsburg erschien, worin der gelehrte Verfasser eine sehr sorgfältige
und noch heute wertvolle Darstellung der ältesten Geschichte Virginiens
bis 1624 gibt (s. unten S. 505f.).
Für die spätere Zeit ist auch Robert Beverleys History and
Present State of Virginia (London 1705) beachtenswert, namentlich in
kulturgeschichtlicher Hinsicht (s. unten S. 505).
Die besten neueren Monographian über die Geschichte Virginiens und
seiner Nachbarstaaten sind das Buch des Engländers J. A. Doyle, The
479
des einzelnen zu hohe Anforderungen stellte. Eine Besserung
trat denn auch erst ein, seitdem Gesellschaften oder Ge-
nossenschaften die Kolonisation systematisch in die Hand nahmen.
Nach dem Muster der Ostindisehcu Handelskompanie von 1600
gründete sich jetzt eine Aktiengesellschaft für die Kolonisierung
Amerikas, die am 10. April IGOC von Jakob I. einen Freibrief
erhielt. Sie zerfiel in zwei Gruppen: die südliche oder Lon-
doner und die nördliche oder Plymouther Kompanie, zwischen
denen die ganze amerikanische Ostküste von Carolina bis
hinauf nach Maine verteilt wurde.
Und nun ging es energisch an die Ausrüstung einer neuen
Expedition nach Virginien. An Zustrom von Teilnehmern
fehlte es nicht. Wenn die letzten Unternehmungen auch er-
gebnislos verlaufen waren, so hatten sie doch das öffentliche
Interesse an Virginien mächtig erregt, und die übertriebenen
Erzählungen der Heimkehrenden von der Üppigkeit der Vege-
tation und dem Reichtum des Landes an Edelmetallen lielsen
es den staunenden Bürgern Altenglands geradezu als irdisches
Paradies erscheinen. „Virginia, earth's only paradise!" nennt
Drayton es in einer Ode. Das Goldfieber hatte weite Kreise
des Volks ergrilfen. In einer gelungenen Szene von Chap-
mans und Marstons Lustspiel EasUvard Hoe!^) (1605) kommt
diese Stimmung drastisch zum Ausdruck. Captaiu Seagull be-
lehrt die Herren Spendall und Scapethrift, die unter seiner
Führung au der Expedition des Industrieritters Sir Petronel
Flash nach Virginien teilnehmen wollen, über die Natur und
die Schätze dieses Wunderlandes (Akt III, Sz. 3).
Seagull. Comc boys, Virginia longs tili we share the rest of her
maidenhead.
Spendall. Wliy, is she inhabited already with any Englisli?
Seagull. A whole country of Engllsh is there, man, bred of those
English m America: Virginia, Maryland, and the Carolinas (London 1882),
und besonders das zweibändige Werk des Amerikaners John Fiske, Old
Virginia and her Neighbours (Boston u. New York: Houghton, Miftlin & Co.;
London: Macmillan; 1897).
') Herausgegeben von A. H. Bullen in seiner Ausgabe von Marstons
Werken, London ISST, Bd. 3. — Sonderausgabe von Felix E. Schelling
in der Beiles Lettres Series, Boston 1903; in der Originalorthographie und
mit Varianten.
480
that were left there in '79 ;i) they have married with the Indians, and
rnake 'bem bring forth as beautiful faces as any we have in England ; and
tberefore the Indians are so in love with 'hem, that all the treasure they
have the)' lay at their feet.
Scapethrift. But is there such treasure there, captaiu, as 1 have
heard?
Seagull. I teil thee, gold is more plentiful there than copper is with
US; and for as much red copper as I can bring I'll have thrice the weight
in gold. Why, man, all thcir dripping-pans and thelr chamber-pots are
pure gold; and all the chalns with which they chain np their streets are
massj' gold; all the prisoners the}' take are fettered in gold; and for
rubies and diamonds, they go forth on holidays and gather 'hem by the
seashore, to hang on their children's coats, and stick in their caps, as
commonly as our children wear saffron-gilt brooches and groats with holes
in 'hem.
Scapethrift. And is it a pleasant country withal?
Seagull. As ever the snn shined on: temperate, and füll of all sorts
of excellent viauds; wild boar is as common there as our tarnest bacon
is here; venison as mutton. And then you shall live freely there, without
sergeants, or courtiers, er lawyers, or intelligencers .... Then for yonr
means to advaucement, there it is simple and not preposterously mixed.
You may be an alderman there, and never be scavenger; you may be a
nobleman, and never be a slave. You may come to preferment enongh,
and never be a pander; to riches and fortune enongh, and have never
the more villaiuy nor the less wit. Besides, there we shall have no more
law than conscience, and not too much of either; serve God enough, eat
and drlnk enough; and enough is as good as a feast.
Diese köstliche Satire zeigt wirkungsvoll, was für phan-
tastische Vorstellungen von dem Eldorado jenseits des Ozeans
damals in England verbreitet waren und von den Amerika-
fahrern absichtlich in Umlauf gesetzt wurden. Aber die Namen
Spendall 'Verschwender' und Scapethrift 'Tunichtgut' und die
utopistische Schilderung, die der alte Seebär den beiden von dem
Schlaraifenleben drüben entwirft, lassen erkennen, aus was für
Elementen sich das Kolonistenmaterial in erster Linie zusammen-
setzte.
Am 19. Dezember 1606 fuhren die drei Schiffe, die von
der Londoner Gesellschaft ausgerüstet waren, mit einer Schar
wagemutiger Abenteurer an Bord die Themse hinunter, von
den Wünschen der hauptstädtischen Bevölkerung und einer mehr
*) Mufs heifsen '87: die Anspielung bezieht sich zweifellos auf die
verschollenen Ansiedler von Roanoke, die 1587 dort landeten (s. oben
S. 475).
481
schwungvollen als formvollendeten Ode Michael Draytons
geleitet. You brave heroic minds,
Worthy yonr country's name,
That honour still pursue,
Go and subdue,
Whilst loiteriug hinds
Lark bere at home with sbame.
BritüDS, you stay too long,
Quickly aboard bestow you,
And with a merry gale
Swell your stretched sail,
With vows as streng
As the winds that blow you.
And cheerfuUy at sea
Success you still entice,
To get the pearl and gold,
And ours to hold
Virginia,
Earth's only paradise! etc.
Auf dem üblichen Umweg- über die Kanarischen Inseln
und Westindien erreichten die Auswanderer nach mehr als
vierteljähriger Fahrt das Festland Nordamerikas. Ein Sturm
warf sie am 26. April in die Chesapeake-Bai, und hier gründeten
sie auf einer niedrigen, militärisch günstigen Halbinsel am
13. Mai 1607 den Ort Jamestown, den Eckstein der Kolonie
Virginien.
Die Ankömmlinge waren voll Entzücken über den üppigen
Pflanzenwuchs und das milde Klima ihrer neuen Heimat, die
sie gerade in der günstigsten Jahreszeit kennen lernten. Sie
mulsten nur zu bald erfahren, dafs ihre Wohnstätte ein wahres
Fiebernest war, in dem bald der grölste Teil der Ansiedler
zugrunde ging.
Das Menschenmaterial, das den Grundstock dieser ersten
dauernden Niederlassung der Engländer auf amerikanischem
Boden ausmachte, war buntscheckig, zusammenhangslos und
in der Hauptsache unbrauchbar. Von 100 Kolonisten waren
über die Hälfte Gentlemen, meist junge Herrchen der jeunesse
doree, die zu Hause nicht gut getan hatten, einige davon
aus angesehenen Familien. Die kleinere Hälfte setzte sich aus
vier Zimmerleuten, einem Grobschmied, zwei Maurern, einem
Studien z. engl. Phil. L. 31
482
Schneider, einem Chirurg, einem Barbier, einem Matrosen, einem
Tambour, vier Knaben und einer Anzahl von Arbeitern zu-
sammen;') gerade die wichtigsten Berufszweige, Handwerker
und Bauern, fehlten ganz oder waren nur sehr schwach ver-
treten. Von all diesen Männern lag die Mehrzahl unter der
Erde Virginiens, ehe noch das Jahr zu Ende ging.
Die Lücken, die der Tod rifs, wurden durch Nachschübe
ersetzt. Im Januar 1608 kam ein zweiter Transport mit etwa
120 Mann, wovon ein gutes Viertel Gentlemen waren; im Sep-
tember 1608 folgten wieder etwa 70, davon über ein Drittel
Gentlemen.-) In den Jahren 1609 — 10 kamen dann weitere
500, darunter auch Frauen und Kinder. Aber die Zusammen-
stellung aller dieser Nachschübe war nicht besser als die der
ersten Expedition. Vergebens beschwerte sich Captain John
Smith, der fähigste unter den Führern der jungen Kolonie,
über die „vielen unbotmäfsigen Galans, die von ihren Freunden
hierher geschickt wurden, um schlimmerem Los zu entgehn";^)
vergebens bat er 1608 den Verwaltungsrat in London, man
möge ihm „lieber dreifsig gut ausgerüstete Zimmerleute, Land-
wirte, Gärtner, Fischer, Schmiede, Maurer und Holzhauer
schicken als tausend von denen, die sie da hätten". *) Seine
Stimme verhallte wie die des Rufenden in der Wüste.
Deutlich geht aus alledem die heterogene Zusammen-
setzung der Ansiedler hervor. Es standen sich zwei scharf ge-
*) Siehe die Liste bei John Smith, Generali Historie III Kap. 1 (Aus-
gabe von Arber-Bradley 3S9f., von MacLehose I S. 90 f.), wo die einzelnen
nach Stand und Namen aufgeführt werden.
*) Siehe die Listen bei Smith, Gen. Eist. III Kap. 4 (bei Arber-
Bradley S. 411f. 445 f., MacLehose I S. 113f. 151).
3) „Many unruly Gallants, packed thither by their friends to escape
ill destinies"; Generali Eistorylll'K.z.T^. VI (Arber-Bradley 480, MacLehose
I 189).
*) „When you send againe I intreat you rather send but thirty
carpenters, husbandmen, gardiners, fishermen, blacksmiths, masons, and
diggers up of trees' roots, well provided, then a thousand of such as we
have: for except wee be able both to lodge them, and feed them, the most
will consume with want of necessaries betöre thej' can be made good for
auything." Aus Smiths Rüde Ansiver, die er 1608 an den Londoner Ver-
waltungsrat schickte {Gen. Bist. III Kap. 7: bei Arber-Bradley 444, Mac
Lehose I 150).
483
trennte Schichten gegenüber: auf der einen Seite Adlige und
Gentlemen, auf der andern niederes Volk. Das Wichtigste, ein
solider Mittelstand, fehlte; es mangelte an Handwerkern und
Bauern, es gebrach vor allem an einer zusammenhaltenden
Idee: Abenteuerlust und Gewinnsucht war es, was die meisten
herüber getrieben hatte. Der Prozentsatz der Gentlemen blieb
andauernd ein starker: er ist für die weitere Entwicklung des
virginischen Wirtschafts- und Verfassungslebens bedeutsam; der
Kest waren vorwiegend Arbeiter oder Bummler und Desperados
aus den untern Schichten des Volks. Die einen waren keine
Arbeit gewohnt, die andern liebten sie nicht; selbst der ver-
hältnismäfsig leichte Maisbau, die Hauptquelle für den Lebens-
unterhalt in Virginien, war ihnen zu beschwerlich; sie hatten
die Heimat verlassen, um in der neuen Welt mühelos reich zu
werden, nicht um ein zweites Europa zu finden.
Ein kommunistisches Betriebssystem, das die Grund-
lage der jungen Kolonie bildete, war nicht gerade dazu ange-
tan, die schlimmen Folgen einer verfehlten Zusammensetzung
der Ansiedler zu parieren. Nach der Charter von 1606 mufsten
alle Kolonisten für die Kompanie arbeiten, dafür wurden sie
von ihr aus gemeinsamen Mitteln erhalten und hatten einen
gewissen Anteil am Gewinn. Infolgedessen tat natürlich keiner
etwas. Eine im Jahr 1609 vorgenommene Änderung der Charter,
wonach jeder Auswanderer für seine Arbeit sieben Jahr lang
von der Gesellschaft unterhalten werden, einen Anteilschein an
dem Unternehmen und am Schlufs der sieben Jahre eine Land-
parzelle erhalten sollte, lockte Hunderte neuer Auswanderer
an, teils aus den Reihen der abenteuerlustigen oder nichts-
nutzigen Vertreter der besseren Stände, teils aus den Kreisen
des unbemittelten Volks und des verworfenen Pöbels, aber eine
Besserung der Verhältnisse wurde dadurch nicht geschaflFen.
Im Gegenteil, die Mafsregel war zunächst nur zu sehr geeignet,
die Elemente der Faulheit, Zügellosigkeit, Unzufriedenheit und
Anarchie in der jungen Niederlassung zu vermehren.
Dazu kam, dals in London die Kolonien direkt als Plätze
zum Abschieben von Faulenzern und Taugenichtsen empfohlen
wurden, wie es ja zu andern Zeiten auch bei andern Völkern
geschehen ist, und dals es seit 1619 stehender Brauch britischer
31*
484
Gerichtsbarkeit ward, Sträflinge nach Virginien zu schicken,
wo sie als Diener verkauft wurden.
Unfähigkeit verschiedener der ersten Präsidenten, kon-
stitutionelle Schwäche und rascher Amtswechsel derselben,
beständige Gefahr der Hungersnot, Indianerüberfälle, grofse
Sterblichkeit infolge der fieberschwangern Lage der ersten
Niederlassung vervollständigen das trübe Bild der Ursprünge
englischen Kolonialwesens in Amerika.
3. Wandlungen im Verfassungssystem.
"Wenn trotzdem diese Kolonie nicht einging, wie die früheren,
so ist es in erster Linie das Verdienst eines Mannes, der als
Präsident (1608 — 09) mit eiserner Faust ein autokratisches
Szepter führte, der durch die Macht seiner furchtlosen, graden
Persönlichkeit, seine vorausschauende Klugheit und rücksichts-
lose Tatkraft die Widerspenstigen bändigte, die Kolonie vor
Hungersnot bewahrte, die Indianer in Schach hielt und zugleich
durch die Feder in England für die Sache Virginiens wirkte:
Captain John Smith, i) Sein scharfer Verstand, seine Tapfer-
keit und rücksichtslose Energie in Verbindung mit einer reichen
Lebens- und Kriegserfahrung, die er sich auf zahlreichen Feld-
zügen in allen Ländern Europas erworben hatte, machten ihn
trotz seiner verhältnismälsig jungen Jahre rasch zu der mar-
kantesten, überragendsten Persönlichkeit in jener Schar koloni-
satorischer Abenteurer. Freilich aus dem minderwertigen
Menschenmaterial fleilsige Arbeiter zu machen, Ackerbau und
Industrie zu begründen und so die Folgen der kommunistischen
Verfassung zu paralysieren, das hat auch Smith nicht vermocht.
Es fehlte ihm dazu die nötige autoritative Gewalt und der
Eückhalt an der Verfassung und an dem Londoner Ver-
waltungsrat.
1) Über sein abenteuerliches und ereignisreiches Leben (1580 — 1631),
seine Persönlichkeit und seine Bedeutung für die Anfänge Virginiens
handelt eine treffhche Monographie von A. G. Bradley in der Serie
'English Men of Action' {Cujitain John Smith; London, Macmillan, 1905).
485
Erst allniiiblieli im Lauf der Jahre ergab sich durch die
schlimmen Erfahrungen der richtige Weg, auf dem die Schäden
des Systems allein zu beseitigen waren. Die Überführung
anarchischer Zustände in geordnete staatliche Verhältnisse
wird am sichersten und schnellsten durch ein vernünftig
despotisches Regime erreicht. Hatte Smith mit seinem
praktischen Instinkt das sofort erkannt und deshalb auf eigne
Verantwortung und auf seine persönliche Autorität hin ein in
der Verfassung nicht begründetes autokratisches Regiment
geführt, so ward bald nach seinem Abgang der wählbare
Präsident offiziell durch einen Gouverneur mit unum-
schränkten Befugnissen ersetzt, der von der Gesellschaft
ernannt und vom König bestätigt wurde. Die drakonische
Gesetzgebung Dales (seit 1611) sorgte für die Herstellung und
Aufrechterhaltung der Disziplin. Die Autorität des Königs,
der Staatskirche und der Londoner Kompanie ward nunmehr
aufs strengste eingeschärft. Gottes- und Religionslästerung,
ja Fehlen beim Gottesdienst, Majestätsbeleidigung, Schmähung
der Kompanie, unerlaubter Handel mit Indianern, böswillige
Zerstörung der Ernte oder Tötung von Vieh wurden mit dem
Tode bestraft, Faulheit im Tagewerk aufs strengste geahndet.
Zugleich aber tat man einen Sehritt, der für die Gesundung
der Verhältnisse von ungleich tiefergreifender Bedeutung war
als der rigorose Straf kodex: man schaffte das kommunistische
System ab und schränkte damit die Verlockung zu Mülsig-
gang und Übertretungen und die Notwendigkeit zu strafen ein.
Jeder gewöhnliche Einwanderer erhielt sofort drei Acker
urbares Land und zu dessen Bearbeitung während der Saat-
und Erntezeit einen Monat frei. Dadurch war ein natürlicher
Anreiz zu individueller Arbeit und persönlichem Erwerb ge-
geben. Die Wirkung war wunderbar. Verbrechen, Unordnung,
Unzufriedenheit, Hungersnot schwanden, überall kehrten Fleils,
Tätigkeit, Wohlstand ein. Die Arbeit von drei bis vier Mann,
so berichtet uns ein Augenzeuge (Master Hamor),0 brachte
fortan ebensoviel zustande wie die Arbeit von dreilsig unter
1) Zitiert bei Bradley iu seinem Leben Smiths S. 192 und 194. Auch
Smith selbst in seiner Gen. Hist. IV (ed. Arber-Bradley 508, MacLehose
I 214) gibt Hamors günstiges Urteil über Dales drakonische Herrschaft
wieder.
486
dem komrauiiistisclien System, das selbst die Fleilsigen ent-
mutigt hatte. Es war ein vollständiger Sieg des in-
dividualistischen Prinzips über das sozialistische.
Nachdem so mit Gewaltmitteln in wenigen Jahren ge-
ordnete Verhältnisse geschaffen waren, war die Bahn zu freiheit-
licher Entwicklung der Kolonie geebnet. Mit dem Sieg der
Liberalen in der Londoner Kompanie und der Wahl des Sir
Edwin Sandys zum Schatzmeister im Jahr 1619 waren die
Tage des Despotismus gezählt. Sandys gab 1619 der jungen
Kolonie eine parlamentarische Verfassung, die für die
Verfassungen der andern Kolonien vorbildlich wurde. Der
Gouverneur blieb bestehen, aber er hatte neben sich eine be-
ratende Körperschaft (council) und eine gesetzgebende Ver-
sammlung, das House ofBurgesses, das bis zur Unabhängigkeits-
erklärung von 1776 bestanden hat. Am 30. Juli 1619 hielt
dies Abgeordnetenhaus seine erste Zusammenkunft. Damit
beginnt die Periode der Selbstregierung, die von segensreichstem
Einfiuls auf das Gedeihen der Kolonie war.
Eine Schiffsladung Frauen, die im gleichen Jahr von
England herüber kam, trug wesentlich zur Hebung des häus-
lichen Lebens und zur Festigung der Gesittung bei. Es wurden
feste Häuser gebaut und Möbel dafür aus England importiert.
Die Bevölkerung nahm nun rasch zu: 1619 zählte man
1000, 1622 schon 4000 weilse Einwohner und 22 Neger. Das
indianische Massakre von 1622 erzeugte nur einen vorüber-
gehenden Stillstand der Entwicklung. Selbst die Aufhebung
der Kompanie (1624), die seit dem Sieg der Liberalen von
König Jakob mit scheelen Augen angesehen wurde, und die
Übernahme der Kolonie durch die Krone hatte unerwarteter
Weise gute Wirkungen. Die Befürchtungen einer Erneuerung
der despotischen Regierung, die sich an dies Ereignis knüpften,
wurden durch Jakobs Tod 1625 zerstreut. Karl L, von der
allerdings trügerischen Hoffnung auf das einträgliche Tabaks-
raonopol geleitet, erkannte das koloniale Parlament an. Und
als Kronkolonie war Virginien schlielslich doch mehr sich
selbst überlassen und unabhängiger gestellt als unter der
Herrschaft der Kompanie; denn die Krone konnte sich natur-
gemäls nicht so viel um die Kolonie kümmern wie eine Ge-
sellschaft, die beständig geneigt war, in ihre Verwaltung hinein-
487
zureden und in ihre Entwicklung einzugreifen, und die als
Aktiengesellsebaft doch auch ihren Gewinn aus dem Kolonial-
unternehmen haben wollte, was sich mit dem Interesse der
Kolonie nicht notwendig deckte.
So breiteten sich denn die Ansiedlungen in den nächsten
Jahren immer weiter ans, und mehr und mehr wich die
Indianergrenze zurück. Im Jahr 1629 wird die Einwohner-
zahl auf etwa 5000 angegeben und der Bestand an Grofsvieh
gleichfalls auf 5000 Stück geschätzt. Ziegen, Schweine, Ge-
flügel, Fische, Wild und Korn aber waren in solcher Menge
vorhanden, dafs man 3 — 400 Menschen mehr hätte ernähren
können. ')
4. Der Tabak als Grundlage des
WirtschaHtslebens.
Das Wirtschaftsleben der neuen Kolonie aber nahm sehr
eigentümliche Formen an, die von denen des wirtschaftlichen
Lebens in den Neu-England-Staaten von Grund aus verschieden
waren.
Über dem Eingangstor der virginischen Kolonie stand zu-
nächst auch noch in blendenden Lettern das Wort „Gold"
eingegraben. Die atiri sacra fames, die HoflFnuug, drüben Gold
und Edelsteine zu finden, hatte die Mehrzahl der ersten Aus-
wanderer über den Ozean getrieben. Es war jedenfalls kein
Zufall, dals sich unter den Teilnehmern an der ersten Er-
gänzungsexpedition ein Juwelier, zwei Goldschmiede und zwei
Kaffineure befanden. 2) Bezeichnend für den Geist, der das
ganze Unternehmen ursprünglich durchwehte, ist die Weisung,
die der Londoner Verwaltungsrat 1608 dem Führer des zweiten
Nachschubs, Captain Newport, mit auf den Weg gab: er solle
nicht zurückkehren, ohne einen Klumpen Gold oder die nord-
westliche Durchfahrt (nach dem Goldland Indien) gefunden
1) J. Smith, Jrue Travels, Kap. 21 (ed. Arber -Bradley S. 887, Mac
Lehose Bd. U S. 177f.).
■') Siehe die Liste bei Smith, Generali Historie, III Kap. 4 (ed. Arber-
Bradley 412, MacLehose Bd. I S. 114).
488
zu haben i) — also immer noch dieselbeu Ziele wie zu Raleighs
Zeit. Erst laugsam wurde man durch die Erfahrung erntiehtert
und erkannte, dals die Neue Welt doch nicht das Eldorado
sei, das die erregte Phantasie goldgieriger Abenteurer sich
dort ausgeträumt hatte. Man lernte einsehen, dals man, um
reich zu werden, in Amerika ebenso gut arbeiten mlisse wie
im alten Europa.
Aber man fand wenigstens einen vollwertigen Ersatz für
das Gold. Seit 1612 wurden Versuche mit dem Anbau von
Tabak gemacht, der von den Indianern seit langem in kleinen
Gärten gezogen worden war. John Rolfe, der weilse Gatte
der sagenumwobenen indianischen Schönheit Pocahontas, war
der erste, der mit einer systematischen Tabakkultur erfolgreich
den Anfang machte.
Trotz der Bannbulle Urbans VIII. und der Verdammung
durch Jakob I. war der Tabakgenufs in Europa seit 1600
immer mehr Mode geworden, und wenige Jahrzehnte nach
seiner ersten Einführung war das neue amerikanische Genufs-
mittel bereits ein bedeutender Handelsartikel.
Für Virginien war der Tabak als Anbaupflanze und Erwerbs-
mittel ganz hervorragend geeignet. Der Boden war so günstig
wie nur möglich, der Anbau war leicht, erforderte keine grolsen
Kapitalien und gab einen schnellen und sichern Gewann.
Kein Wunder, dals man nach den ersten Versuchen sehr rasch
die hohe Kaufkraft der Pflanze erkannte. Und nun warf sich
alles mit Ungestüm auf den Tabakbau: 1617 fand Argall ihn
unter den Kolonisten schon überall verbreitet und sogar den
Marktplatz, die Stralsen und alle verfügbaren Plätze in James-
town mit Tabak bepflanzt. 2) Der Tabak wurde fortan das
Hauptprodukt des Landes und die Quelle des Wohlstands
seiner Bevölkerung. Seine Bedeutung als Gewinnmittel liels
') „not to retnrne without a lumpe of gold, a certaintie of the South
sea, or one of the lost Company sent out by Sir Walter Raleigh" ; Smith,
Gen. Hist, III, Kap. 7 (ed. Arber -Bradley 434, MacLehose Bd. I S. 138).
Siehe auch Captain Smiths Erwiderung auf diese unsinnige Weisung in
seiner Rüde Answer an den Verwaltungsrat : Gen. Hist., III, Kap. 7 (ed.
Arber-Bradley 443, MacLehose I S. 148).
2) Smith, Gen. Hist, 4. Buch (ed. Arber-Bradley 535, MacLehose Bd. I
S. 240).
489
selbst dann nicht nach, als die Preise allmählich zu sinken
begannen.
Die Nachrichten von dem grofsartigen Erfolg der vir-
ginischen Tabakkultiir aber wurden in England ein neues,
wichtiges Lockmittel zur Auswanderung. Und das Menschen-
material, das dadurch für die Kolonie gewonnen wurde, war
ein besseres als das frühere. Die Träume von Gold und Edel-
steinen und die kommunistischen Pläne der ersten Chartern
hatten Glücksritter und Tagediebe angelockt; der Tabakbau
zog vorwiegend Landwirte, Geschäftstreibende und Handelsleute
an, solidere Elemente, die wirklich arbeiten wollten.
Der Tabak beherrschte von jetzt an das gesamte wirt-
schaftliche Leben Virginiens nach der guten wie nach der
schlechten Seite. Landbau, Industrie, Handel, gesellschaftliches
Leben, ja die intellektuelle Kultur — alles stand mehr oder
weniger unter dem Zeichen des Tabaks. Der Tabak war
Zahlmittel und Wertmesser: die Preise der "Waren wurden nach
Pfunden Tabak berechnet, Steuern wurden in Tabak ausge-
schrieben, Löhne, Gehälter, Strafen, ja Frauen und Sklaven in
Tabak bezahlt, i) Es war für unsre Begriffe ein etwas un-
gewöhnliches Zahlungsmittel; aber in einem Lande, das keine
Edelmetalle lieferte, hatte der Tabak in der Tat manche
Eigenschaften, die ihn als Ersatz dafür besonders geeignet
machten: er war dauerhaft, er war allgemein begehrt und
dabei doch von jedermann leicht zu beschaffen.
In Europa ward die Nachfrage nach virginischem Tabak
bald sehr lebhaft; er machte dem teuern westindischen empfind-
liche Konkurrenz. Die Ausfuhr nach London war schon von
1614 an beträchtlich, und auch in diesem Handelsverkehr mit
dem Mutterland war der Tabak nicht nur Exportartikel, sondern
zugleich Zahl- oder Tauschmittel. Dabei war die Kolonie
offenbar der gewinnende Teil, denn sie tauschte dauerhafte
oder unentbehrliche Kulturartikel gegen ein rasch verbrauchtes
und stets wieder begehrtes Genufsmittel ein. Ein Mitglied
der Kompanie selbst, namens Middleton, wies 1614 in einer
') Hening, Statutes at large I 12,3 ff. Siebe Doyle, The English in
America 255 — 58. Durch ein Gesetz von 1633 wurde bestimmt, dafs die
Berechnung bei Verträgen, Käufen, Schulden, Strafen, in Geld nicht in
Tabak zu geschehen habe (Hening I 216).
490
Parlamentsdebatte nachdrüeklicbst auf das Bedenkliche dieser
Zahlungsweise hin. „Die Londoner Kaufleute", sagte er, „senden
Waren aller Art hinüber und erhalten dafür Tabak statt Geld,
zum ganz entschiedenen Nachteil des Staates. Viele Geistliche
riechen jetzt nach Tabak, und arme Leute verschwenden vier
Pence ihres Tagelohns des Abends in Rauch." i)
Die ganze Bevölkerung Virginiens war somit auf die Tabak-
kultur angewiesen, ihr Wohlstand auf dem einen Artikel auf-
gebaut. Und das wurde in noch höherem Mafs der Fall, seit
Karl L den Import spanischen Tabaks in England verbot, wo-
durch Virginien das Monopol bekam. Der Reichtum der
Kolonie wuchs nun schnell, und immer neue Scharen von
Kolonisten wurden ins Land gezogen.
5. Plantagenwirtscliaft und Negersklaven.
Liegt der Charakter Virginiens als Ackerbaukolonie mit
ausgesprochener Vorherrschaft eines einzigen Produkts in der
natürlichen Beschaffenheit des Landes und in der hohen Kauf-
kraft des Tabaks begründet, so wurde die Organisation des
landwirtschaftlichen Betriebs und die Struktur der Gesellschaft
anderseits durch Charakter und Zusammensetzung der Ein-
wanderer und die Verwaltungspraxis der Kompanie bestimmt.
Die soziale Schichtung in Aristokratie und Proletarier, die uns
in den Anfängen der virginisehen Kolonie entgegentrat, ist für
die weitere Entwicklung der Dinge mafsgebend geblieben.
Nachdem die reichtumbringende Macht des Tabakbaus
erkannt war, war das Streben nach Grofsgrundbesitz
eine natürliche und unausbleibliche Erscheinung. Dieses Streben
wurde durch die Gesellschaft begünstigt. Zwar hatte jeder
Einwanderer oder Einführer von Einwanderern für jede ein-
geführte Person Anspruch auf 50 Acres gegen jährlichen Zins
von 1 Schilling auf je 50 Acres. Aber vermögende Leute
konnten sich auch grölsere Parzellen erwerben. Die Ange-
stellten der Kompanie vom Gouverneur abwärts wurden durch
1) Neill, Virginia Comjmny, S. 67 (bei Fiske, Old Virginia, I 180).
i
491
Verleihung- von Grundbesitz verschiedener Grölse für ihre
Dienste entschädigt. Auch Mitglieder der Gesellschaft erhielten
für ihre Einzahlungen grölsere Strecken Landes angewiesen,
die sie auf ihre Kosten besiedeln und bewirtschaften sollten.
Das waren die Anfänge des Grolsgrundbesitzes , der
Piautagenwirtschaft, die für das virginische Wirtschafts-
leben bis in die Gegenwart hinein ausschlaggebend geblieben
ist. 1619 bestanden bereits elf solcher Plantagen.
Eine direkte Folge dieser Bewirtschaftung ausgedehnter
Areale durch einzelne Grofsgrundbesitzer war die Nachfrage
nach billiger Arbeit. Jeder freie Kolonist suchte möglichst
selber ein Gut zu erwerben und zu bewirtschaften; für den
Grolsbetrieb auf den Plantagen war man deshalb gezwungen,
sich nach billigeren Arbeitskräften umzusehn. Woher sie
nehmen? Es ist das gleiche Problem, das auch in den
Kolonialstaaten der Gegenwart eine solche Hauptrolle spielt.
Der natürlichste Weg ist offenbar die Verwertung der
Eingebornen, und die billigste Methode ist die Sklaverei. Da
nun die stolze, aber unzivilisierbare Herrenrasse der Indianer
sich bald als zu Dienstzwecken völlig ungeeignet erwies, so
war es von grolser Wichtigkeit für die weitere Entwicklung
Virginiens, dals 1619 eine Anzahl Negersklaven, wie sie in
Westindien schon seit längerer Zeit in Verwendung waren,
durch ein holländisches Schiff eingeführt wurde. Es waren
ihrer zunächst etwa 20, und ihre Zahl nahm nur langsam zu:
1649 zählte Virginien nach der Angabe einer damals erschienenen
Broschüre ungefähr 15 000 weilse Ansiedler und 300 Neger;
1670 schätzte Gouverneur Berkeley die Bevölkerung auf 32000
freie Weilse, 6000 weilse Dienstleute und 2000 Negersklaven, i)
Während der beiden ersten Drittel des 17. Jahrhunderts
wurde die Hauptarbeit also noch von Weifsen getan. Es
kamen hierfür verschiedene Klassen von Menschen in Frage.
Ein beträchtlicher und nicht der schlechteste Teil dieser weifsen
Lohnarbeiter waren die sogenannten redemptioners, arme, aber
meist ehrenhafte Leute, die sich zur Abtragung der Reise-
kosten vorübergehend als Sklaven verkauften. Auch kleine
Grundbesitzer verdingten sich bisweilen als Lohnarbeiter. Dazu
0 Siehe Fiske, Old Virginia, II 2. 6.
492
kamen Kriegsgefangene und als minder erwUusclite Elemente
Proletarier aller Art und Sträflinge.
Aber seit 1670 nimmt die Zahl der Negersklaven schnell
zu. Im Jahr 1700 betrug die Bevölkerung Virginiens un-
gefähr 60 000 Weif se und 6000 Neger; 1715 waren es etwa
72000 Weifse und 23000 Neger; und 1750 standen 250 000 Weifsen
wahrscheinlich schon 250 000 Schwarze gegenüber! i) Bedroh-
lich entrollt sich vor unsern Augen hier bereits das Problem
der Negerfrage, das im 19. Jahrhundert Nord und Süd der
Vereinigten Staaten in den Bruderkrieg stürzen sollte, und
das, nach Entscheidung der Sklavenfrage, als Rassenproblem
bis in unsere Tage hineinragt, der Lösung durch kommende
Geschlechter harrend.
6. Die Kavaliere.
Während des Bürgerkriegs zwischen König und Parlament
nahm die Zahl der Plantagen rasch zu. Virginien war von
jeher gut königlich und hoehkirchlich gesinnt. Im Kampf
zwischen den Stuarts und dem Parlament stand die Kolonie
mit Entschiedenheit auf königlicher Seite.
Zwar waren seit 1611 auch viele Puritaner eingewandert,
aber die Masse des Volks war gegen sie. 1631 wurde, wohl
unter Erzbischof Lands Einflufs, von der Kolonialvertretung
ein Uniformitäts- Gesetz angenommen, welches die Lehren und
die Verfassung der Staatskirche in der Kolonie für allgemein-
gültig erklärte. Das Gesetz wurde zunächst nicht sehr streng
durchgeführt, aber nachdem 1642 mit Berkeley ein schroffer
Feind der Puritaner Gouverneur geworden, begann 1643 eine
systematische Verfolgung und Ausweisung der puritanischen
Geistlichen, die den Puritanern das Leben in Virginien immer
unleidlicher machte. Und als 1649 das virginische Parlament
die Hinrichtung Karls I. für eine hochverräterische Freveltat
erklärte und sogar jeden, der sie verteidigte, mit Todesstrafe
bedrohte, da wanderten in dem einen Jahr 1649 mehr als
tausend Puritaner in das katholische Maryland aus, wo Lord
Baltimore im gleichen Jahr ein Toleranzgesetz erlassen hatte.
») Nach Fiske, a.a.O., II 169. 191.
493
Aber der Abgang, den die Bevölkerung Virginiens durch
diesen Auszug der Puritaner erlitt, wurde noch im selben Jahr
durch die Einwanderung von Kavalieren reichlich ersetzt.
Nach der Enthauptung Karls I. (am 30. Januar 1649) lud
Berkeley die bedrängten Royaliston ein, nach Virginien zu
kommen, und im Lauf eines Jahrs trafen gegen tausend der-
selben ein. Das starke Anwachsen der weifsen Bevölkerung
Virginiens von 15 000 im Jahr 1649 auf 38 000 im Jahr 1670
(s. oben S. 491) ist wohl in erster Linie auf Rechnung dieser
Royalisten-Einwauderung zu setzen. Gleichwie die puritanischen
Familien Neu -Englands waren diese „Kavalifere" meist An-
gehörige der besseren Mittelklasse: Vertreter der Gentry, freie
Bauern, Gewerbtreibeude, vielfach auch Adlige, fast alles ge-
bildete, wohlhabende Leute. Und ähnlich wie die deutschen
Auswanderer von 1848 bildeten diese politischen Flüchtlinge
ein auserlesenes Kultureleraent von hervorragender Tüchtig-
keit. Ihnen vor allem verdankt Virginien seine Gröfse imd
seine historische Bedeutung. Eine grofse Anzahl virginischer
Familien mit Namen von bestem Klang, wie Randolph, Madison,
Monroe, Washington, sind damals eingewandert.
Von jetzt an nimmt die Zahl und Gröfse der Plantagen
und damit auch die Sklavenzahl sehr rasch zu — ein Zeugnis
für den Zustrom wohlhabender Leute. In dem Zeitraum von
1032 bis 1648 wurden nur zwei Plantagen von je 5350 Acres
vergeben; sonst bewegt sich der Umfang der bewilligten
Landgüter in diesen Jahren im Maximum zwischen 1000 und
3000 Acres, und die durchschnittliche Gröfse der Güter beträgt
gar nur 330 — 600 Acres. In den Jahren 1649 — 55 zählen wir
bereits 4 Plantagen von über 5000 Acres, und die Maximal-
grölse der bewilligten Güter steigt auf 10000 Acres; von
1656 — 66 haben wir 20 Plantagen von über 5000, die Maximal-
gröfse eines Guts ist 10 000 Acres; 1667 — 79 sind es 37 von
über 5000, Maximum 20 000; 1680—89 endlich 19 von über
5000, bei einer Maximalgröfse von 20 000 Acres. Die durch-
schnittliche Zahl der Acres in einer einzelnen Bewilligung
schwankt in den Jahren 1649 — 89 zwischen 522 und 890. 9
^) Diese Übersicht stützt sich anf die statistische Zusammenstellung
von Philip Bruce, Economic Hist. of Virginia, I 48" — 571 ; wiedergegeben
bei Fiske, Old Yirg., II 24.
494
Aus dieser Zeit also stammt die Masse des virginischen
Grofsgruüdbesitzes, auf dem sieh fortan das ganze wirtschaft-
liche und soziale Leben der Kolonie aufbaute, Unteilbarkeit
der Guter und Erstgeburtsrecht haben dafür gesorgt, dafs sich
diese Besitzverhältnisse bis in die Gegenwart erhalten haben.
". Pflanzertmn und Wirtschaftsleben.
Gröfsere und kleinere Herrschaftssitze lagen, den englischen
Manors gleich, über das Land zerstreut. Mount Vernon, das am
Potomae gelegene stattliche Landgut des Generals Washington,
gibt uns noch heute eine ungefähre Vorstelluug von dem Aus-
sehen eines solchen virginischen Herrensitzes in der späteren
Zeit. Ungeheure Tabaksfelder, hie und da von ausgedehnteren
Waldungen durchzogen, machten den Hauptbestand der meisten
dieser Güter aus. Von zahlreichen Wirtschaftsgebäuden und
einem Obst- und Gemüsegarten umgeben, lag das Herrenhaus
da, im 17. Jahrhundert zunächst noch einfach gehalten, ohne
architektonische Schönheit, nur den praktischen Bedürfnissen
sich anpassend, erst vom 18. Jahrhundert an auch künst-
lerischen Ansprüchen Rechnung tragend. Die Herrensitze be-
fanden sich mit Vorliebe an Flüssen und Meeresarmen, die
überall tief ins Land dringen und lange die Rolle der Heer-
strafsen vertraten. War doch noch bis in die Mitte des
18. Jahrhunderts fast keine Strafse gebaut, was die Isolierung
der ohnehin sehr zerstreut wohnenden Ansiedler noch ver-
grölserte.
Auf diesen Plantagen der wohlhabenden virginischen
Pflanzer nun entfaltete sich im 18, Jahrhundert ein ungemein
reiches, volles, ja üppiges Leben mit verfeinerten Sitten und
Kulturbedürfnissen, allerdings vorwiegend materieller Natur.
Speisen und Getränke waren im Überfluls da, und unter den
Getränken spielten Importweine eine wichtige Rolle: für die
Prinzipien moderner Temperenz hatten diese alten virginischen
Pflanzer wenig Verständnis. Gastfreiheit bis zur Verschwendung
war die naturgemälse Folge der räumlichen Isolierung. Das
Bild, das uns Chaucer (im Prolog der Canterhicry Tales) im
495
14. Jahrhundert hnniorvoll übertreibend von einem englischen
Gutsherrn seiner Zeit entwirft, es dürfte in den Hauptzügen
vielleicht auch für den virginischcn Pflanzer des 18. Jahr-
hunderts Geltung haben. Die Vorliebe für den Sport hatten
die Kolonisten aus der Heimat mitgebracht. Pferderennen (schon
1674 erwähnt), Jagd, Fischfang, Hahuenkämpfe, Spiele, länd-
liche Feste und Musik dienten zur Erholung und Unterhaltung.
In Williamsburg, das 1699 als Sitz der Regierung gegründet
und als solcher bald auch der städtische Mittelpunkt des ge-
selligen Lebens der Kolonie wurde, bestand seit 1716 sogar
ein Theater, in dem nicht nur neuere Trauerspiele und Lustspiele
wie Addisons Cato, Susan Centlivres Busy-Body, Farquhars
Hecruiting Officer und Beaux' Stratagem (alle 1636) aufgeführt,
sondern auch Shakespeare - Dramen wie FiicJiard III., The
Merchant of Venice und Othello (zur Eröffnung der Saison von
1751 und 1752) gegeben wurden, i) Kurz, es war das merry
old England mit all seiner urwüchsigen Lebensfreude, das, in
England durch die puritanische Revolution unterdrückt, in der
neuen Welt auf dem Boden der jungfräulichen Kolonie eine
kräftige Fortsetzung erlebte.
Die grofsen Tabakplantagen, mit deren Bestellung oft
Hunderte von Arbeitern beschäftigt waren, sind auch für die
Geschichte und das Verfassungsleben Virginiens im Gegensatz zu
jenen Neu-Englands von ausschlaggebender Bedeutung gewesen.
Aus dem Kreise der Pflanzer erwuchs eine Aristokratie, die
zum Herrschen wie geschaffen war. In ihren Händen lag die
Regierung der Kolonie, die frühzeitig einen oligarchischen
Charakter annahm.
Aber auch die Schattenseiten dieses Pflanzertums traten
bald genug zutage. Zwar die Furcht, dafs die Mode des
Rauchens rasch vorübergehn und damit die Tabakindustrie
vernichtet werden könnte, sollte sich als grundlos erweisen.
Aber die ausschielsliche Pflege eines einzigen Artikels und
die eigentümliche Wirtschaftsform, die sich aus seinem Anbau
ergab, barg doch der Schäden und Gefahren genug in sich.
Verhältnismäfsig am wenigsten machten sie sich noch
1) Siehe E. S. Cook, Literary Influences in Colo7iial Nexvspapers, New
York 1912, S. ISl — 1S3.
496
in der Landwirtschaft geltend. Viehzucht, Getreide- und
Gemüsebau wurden, als zur Beschaffung des nötigen Lebens-
unterhalts unerläfslich, nach den schlimmen Erfahrungen der
ersten Hungerjahre in ausreichendem Mafse betrieben. Von
Getreidearten wurden Mais, Weizen und Gerste kultiviert; Mais
wurde zeitweise sogar nach Neu -England ausgeführt. Im all-
gemeinen aber wurde doch nur das zum eignen Hausbedarf
Unentbehrliche produziert, und von Zeit zu Zeit waren trotz
allem Verordnungen zur Einschränkung des Tabakbaus und zur
zwangsweisen Aussaat von Brotkorn erforderlich, weil immer
wieder die Gewinnsucht die Schranken der Vernunft zu über-
schreiten drohte.
Schlimmer war die Wirkung auf Handwerk und In-
dustrie. Der grobe Hausbedarf wurde auf den Gütern selbst
hergestellt, wo sich unter den weifsen Dienern und Kegern
Handwerker aller Art befanden. Die Kinder der Diener und
Sklaven schon wurden als Lehrlinge erzogen. Aulser Eisen
wurden die meisten Rohmaterialien, wie Holz, Häute, Leinen,
Wolle, Obst, auf den Gütern selbst erzeugt und verarbeitet.
Gerätschaften und Gebäude wurden von den eignen Leuten
verfertigt und ausgebessert, Kleider, Strümpfe und Schuhe für
die Neger und die Kinder der Pflanzerfamilien im Hausbetrieb
hergestellt.
Hie und da gab es auch wohl selbständige freie Hand-
werker, aber ihre Zahl war gering, und sie betrieben ihre
Kunst meist nur im Nebengeschäft; der Tabakbau war rentabler,
das Handwerk als Erwerbsquelle ihm gegenüber minderwertig,
und es blieb infolgedessen auf primitiver Stufe stehen. Ein
unabhängiger Handwerkerstand konnte sich unter solchen Ver-
hältnissen nicht entwickeln — noch viel weniger eine Grols-
industrie.
Nur Ziegeleien wurden in Tidewater-Virginien, d. h. dem
Küstenland, dessen Kleiboden für diese Zwecke günstig war,
frühzeitig gegründet. Hingegen schlugen wiederholte Versuche,
andere Industriezweige, wie die Seiden-, Baumwollen- und
Eisenindustrie einzubürgern, vollständig fehl. Der Tabak er-
drückte alles, er liefs keine Konkurrenten aufkommen, da er
mit leichter Produktion und geringen Betriebskosten grofse
Einträglichkeit vereinigte. Die feineren Kulturgegenstände und
497
Modeartikel: bessere Kleider, Hüte, Leder, Seide, Pelzsachen,
Möbel, wurden alle aus England bezogen. Die Londoner Mode
war tonangebend. Umsonst klagte Beverley 1705 darüber, dafs
die Kobartikel der aus England eingeführten Waren oftmals
amerikanischen Ursprungs seien. Diese Bezugsweise hatte ja
wohl manche Unannehmlichkeiten, man mul'ste höhere Preise
zahlen, aber man erhielt dafür auch bessere Ware, als sie in
der Kolonie selbst zu erlangen war.
Besonders verhängnisvoll für die Entwicklung aller ge-
werblichen Tätigkeit war die Naturalwirtschaft. In den
primitiven Verhältnissen der ersten Zeit, bei dem Mangel an
Arbeitsteilung, an Überproduktion und Verkehr war die Rück-
kehr zum Tauschhandel erklärlich; das dauernde Festhalten
daran aber war von den bedenklichsten Folgen für die kulturelle
Entwicklung des Landes. Ein Grundstock von barer Münze
war wohl stets vorhanden, aber es war wenig, und das Wenige
zeigte zudem die Neigung, durch den Handelsverkehr ins Aus-
land abzuHiei'sen , wie es bei Doppelwährung dem besseren
Zahlungsmittel stets ergehen wird. Die Handwerker, Gewerb-
treibenden und Händler wurden in Tabak gelohnt, der aber
oftmals erst nach der Ernte zahlbar war; deshalb waren die
Leute, um überhaupt leben zu können, darauf angewiesen,
selbst Lebensmittel oder aber Geld, d. h. Tabak, zu produzieren,
und das war wieder ihrem Gewerbe hinderlich, zumal man
schon grolser Mengen Tabak bedurfte, um damit seinen Unter-
halt bestreiten zu können, da der Tabak in der Kolonie selbst
spottbillig war. Gesetzliche Versuche, die Handwerker und
Händler vom Tabakbau abzuziehen, schlugen fehl und mulsten
fehlschlagen aus dem einfachen Grunde, weil die Leute darauf
angewiesen waren. So bewegte man sich in einem circulus
vitiosus, aus dem schwer herauszukommen war.
Man sollte nun denken, dafs die enorme Tabakproduktion,
wenn sie auch Gewerbe und Industrie erstickte, wenigstens
einen reichen Handelsstand erzeugt hätte, da sie doch
gröfstenteils auf Export angewiesen war. Gerade das Gegen-
teil war der Fall: ein einheimischer Handel entwickelte sich
ebensowenig wie Gewerbe und Industrie. Auch hier war die
Naturalwirtschaft hinderlich: der Tabak war ein unzuläng-
liches Umlaufsmittel. Aber noch verhängnisvoller fast war ein
Studien z. engl. Pbil. L. 32
498
anderer Umstand, der an und für sieh gerade dem Handel
günstig zu sein scheint: die Zahl und Sehiflfbarkeit der Flüsse.
Die Plantagen lagen, wie wir sahen, an oder nicht weit
von den Flüssen und den Armen der Chesapeakebai, die bis
tief in das Land hinein schiffbar sind. Dies hatte den grofsen
Vorteil, dafs die Produkte der Landwirtschaft direkt in die
SchiflFe verladen werden konnten, es hatte aber gleichzeitig die
auf die Dauer verderbliche AVirkung, dals von Anfang an fremde
Kaufleute — meist Engländer, seltner Neu -Engländer — mit
ihren Schiffen bis in das Innere des Landes kamen, den Tabak
von den Gütern selbst abholten und dafür alle notwendigen Ver-
brauchsartikel ins Land hineinbrachten. Durch diesen direkten
Tauschverkehr wurde aller Zwischenhandel ausgeschaltet und
die Entwicklung eines einheimischen Handelsstandes von vorn-
herein unmöglich gemacht, zugleich aber auch die Entfaltung
einer einheimischen Industrie unterbunden.
Eine wichtige Einrichtung in diesem direkten Handels-
verkehr der virgiuischen Pflanzer mit ausländischen Import-
händlern waren die Kaufhäuser, die über das ganze Land
zerstreut lagen und mit allen notwendigen Gebrauchsartikeln
versehen waren. In ihnen dürfen wir ja auf der einen Seite
wohl Ansätze zur Ausbildung eines einheimischen Kaufmanns-
standes erblicken, auf der andern aber waren gerade sie ein
Haupthemmnis für das Emporkommen von Grofskaufleuten und
für die Konzentration des Handels in bedeutenderen Zentralen,
die für die Entfaltung einer grolszügigen Handelspolitik von
höchster Bedeutung ist. Der inländische Handel Virginiens
blieb dauernd in Händen von Kleinkaufleuten und Hausierern.
Die unausbleibliche und wichtigste Folge jener Allein-
herrschaft der Landwirtschaft, des direkten Tauschhandels
und des embryonalen Zustands von Handwerk, Industrie und
Handel war das gänzliche Fehlen von Städten. Noch zu
Anfang des 18. Jahrhunderts gab es kaum ein Dorf in Virginien.
Jamestown war in dem Aufstand Bacons 1676 und dann noch-
mals in den neunziger Jahren durch Feuer zerstört und nicht
wieder aufgebaut worden. Williamsburg zählte noch um die
Mitte des 18, Jahrhunderts nur etwa 200 Holzhäuser. Richmond,
das 1737 gegründet wurde und 1780 Williamsburg als Sitz
der Regierung ersetzte, hatte 1790 erst 3761 Einwohner. Am
499
schnellsten bat sich noch Norfolk entwickelt, wo sich der
Handel mit Nord -Karolina und Westindien allniühlieh kon-
zentrierte: es hatte 1776 eine Einwohnerzahl von gegen 6000
erreicht.
Wie sehr Virginien in der Entwicklung seiner Städte hinter
den Nordstaaten zurück blieb, und wie sehr die Plantagen-
wirtschaft alle Kraft der Bevölkerung absorbierte, zeigt am
augenfälligsten ein Vergleich der obigen Ziftern mit den Ein-
wohnerzahlen von New York und Philadelphia, von denen das
erstere bei Beginn des Unabhängigkeitskriegs bereits 25000,
das letztere gar 35000 Einwohner zählte, obwohl die Be-
völkerung der beiden Staaten New York und Pennsylvanieu
zusammen damals kaum so grofs wie diejenige Virginiens war. i)
Die Regierung begünstigte die Gründung und den Aushau
von Städten in jeder Weise — es half nichts, ihre Mafsregeln
wurden nicht ausgeführt. Die Verordnungen von 1680 und
1691, wonach eine Stadt in jeder Grafschaft gegründet werden
sollte, blieben auf dem Papier. Die Grafschaftszentren enthielten
meist nur ein Gerichtsgebäude, ein Gefängnis, eine Wirtschaft
und ein Kaufhaus. Die Landwirtschaft war und blieb das
Hauptgewerbe, und die Pflanzer zogen es auch fernerhin vor,
ihren direkten Tauschverkehr mit den ausländischen Schiffen
und Kaufleuten fortzusetzen. Noch heute hat Virginien im
Vergleich mit den Nordstaaten sehr wenig Städte aufzuweisen.
Dieses Fehlen von Städten seinerseits war natürlich wieder
von der hemmendsten Rückwirkung auf die Ausbildung von
Handel und Gewerbe, es war zugleich ein Haupthindernis für
eine fruchtbare Entfaltung geistiger Kultur, insbesondere
der Literatur, der Presse und des Schulwesens.
8. Geistige Kultur.
Für den ersten Unterricht der Jugend auf den Plantagen
sorgten die „old field schools", die hie und da errichtet und
von schreib- und lesekundigen Männern der Nachbarschaft ge-
leitet wurden. Auch arme, strebsame Auswanderer, ja selbst
•) Fiske, Old Virginia, II 2 10 f.
32*
500
gebildetere Sträflioge versahen bisweilen die Stelle von Lehrern.
Der Unterricht war meist recht elementarer Art; man war zu-
frieden, wenn die Kinder ihre drei R: Keading, Writing,
'ßithmetic, lernten, die ja noch bis in die Mitte des 19. Jahr-
hunderts die Hauptunterrichtsgegenstände der englischen Volks-
schulen bildeten. Immerhin hat auch George Washington in
einer solchen virginischen Landschule seinen ersten Unterricht
genossen.
Doch machte sich frühzeitig auch das Bedürfnis nach
höherer Bildung geltend. Unter dem liberalen llegiment des
Sir Edwin Sandys beschlols die Virginische Kompanie schon
1621, dals Gelder ausgeworfen werden sollten zur Errichtung
einer „public free school", damit die Pflanzer ihre Kinder nicht
mehr, wie es bis dahin nötig war, mit grofsen Kosten zur
Erziehung nach England zu schicken brauchten. Ja, man hegte
sogar viel hochfliegendere Pläne: diese höhere Schule, die man
in Charles City zu errichten gedachte, sollte nur die Vorstufe
zu einer Universität werden, als deren Sitz die Stadt Henricus
in Aussicht genommen war. Grolse Summen waren schon ge-
sammelt und der erste Präsident der neuen Universität bereits
ernannt: — da machte der blutige Indianerüberfall von 1622
und die Aufhebung der Gesellschaft im Jahr 1624 all diesen
kühnen Bildungsträumen ein jähes Ende.
In der Folgezeit war vor allem das Fehlen städtischen
Lebens und die grolsen Entfernungen der Plantagen von-
einander verhängnisvoll für die Entwicklung eines geregelten
Staats- oder Gemeindeschulwesens. Auch stand die Kolonial-
regierung der Ausbreitung der Volksbildung feindlich gegen-
über. Auf eine Anfrage des Londoner Kolonialamts, in welcher
Weise in Virginien für den öffentlichen Unterricht gesorgt sei,
gab der orthodox-konservative Gouverneur Sir William Berkeley
1671 die vielsagende Antwort: „I thank God, there are no
free schools nor printing, and I hope we shall not have these
hundred years; for learning has brought disobedience and
heresy and sects into the world, and printing has divulged
them, and libels against the best government. God keep us
from bothP) Berkeleys Angabe, dafs keine „free schools"
') Henlng, Statutes at large, II 517.
l
,
501
vorhanden seien, widerspricht der Tatsache, dafs schon 1630,
1655, 1667, 1669 sohdic Anstalten geg-rUndet wurden. ') Wenn
seine Aussage nicht tendenziöse Übertreibung ist, so müssen
wir annehmen, dafs jene Schulen 1671 entweder wieder ein-
gegangen waren oder nur geringe Bedeutung hatten, oder dais
Berkeley, wie Fiske meint, an den Gegensatz zu Neu England
dachte, wo von Anfang an die Gemeinden die Gründung von
Schulen energisch in die Hand nahmen, während jene er-
wähnten virginischen Anstalten durchweg Privatanstalten waren.
Im Jahr 1636 hatten die Neu England-Staaten durch die
Gründung von Harvard College zu Cambridge, Mass., ihre erste
Hochschule erhalten. Der virginische Universitätsplan, der 1622
gescheitert war, wurde erst zu Anfang der neunziger Jahre
von einem schottischen Geistlichen, Dr. James Blair, wieder
in Angriff genommen und durchgeführt. 1692 wurde die
Stiftungsurkunde der neuen virginischen Hochschule, die nach
dem englischen Königspaar benannt werden sollte, unterzeichnet,
und 1693 wurde das William and Mary College auf der
Stätte des späteren Williamsburg gegründet, und Blair wurde
sein erster Präsident. Es war die zweite Universitätsgründung
auf dem Boden der späteren Union, aber das ehrwürdige vir-
ginische College hat seinen älteren neuenglischen Nebenbuhler
an Bedeutung als Mittelpunkt geistigen Lebens nie erreicht
und ist später von jüngeren Hochschulen wie Yale (gegründet
1700), Princeton (1746), der University of Pennsylvania (1749)
u, a. überflügelt worden. Das Niveau des gesamten geistigen
Lebens und die Energie des intellektuellen Vorwärtsdrängens
stand in der royalistischen Pflanzerkolonie Virginien von Anfang
an hinter dem der puritanischen Neueugland-Staaten mit ihren
grofsen städtischen Kulturzentren zurück. Und manche Pflanzer
zogen es auch nach der Gründung von William and Mary , noch
vor, ihre Kinder zur Erlangung feinerer Sitte und tieferer
Bildung auf englische Schulen zu schicken oder doch ihre in
Virginien begonnene Schulbildung durch den Besuch einer
englischen Universität vollenden zu lassen. Dabei wurde das
royalistische Oxford von den königlich gesinnten Virginiern
vor dem liberalen Cambridge bevorzugt.
») Vgl. Fiske, Old Virginia, II 246.
502
Der Gegensatz zwischou Land und Stadt war es auch,
der Virgiuien in der Gründung von Druekerpressen und Zeitungen
gegenüber den andern Kolonien ins Hintertreffen brachte. Drei
Jahre nach der Stiftung von Harvard College wurde zu Cam-
bridge, im engen Zusammenhang mit der Universität, 1639 die
erste Druck erpresse in Amerika errichtet. 1674 folgte Boston,
1685 Philadelphia, 1693 New York, 1700 Maryland, 1730
Charleston mit der Gründung von Druckereien, i) Und nach-
dem 1704: als erste amerikanische Zeitung der Boston Xetvs
Leiter gegründet worden war, nahm auch das Zeitungswesen
überall einen raschen Aufschwung. 1719 wurde in Pennsylvanien,
1725 in New York die erste Zeitung begründet; seit 1727
hatte auch Maryland und seit 1732 sogar South Carolina bereits
seine Lokalzeitung. In Virginien wurde der Gebrauch der
Druckerpresse durch eine Verordnung Karls IL 1684 streng
verboten, und erst 1736 erhielt endlich auch diese Kolonie ihre
Zeitungsdruckerei, in der die Virginia Gasette gedruckt wurde,
welche namentlich in der ersten Zeit nicht ohne literarische Ver-
dienste war und als publizistischer Sammelpunkt des geistigen
Lebens der Kolonie ihre Bedeutung hatte. 2)
Wenn uns schon die Gazette zeigt, dafs es in Virginien
nicht an Leuten mit feiner geistiger Bildung fehlte, so legen
die uns erhaltenen Verzeichnisse einiger Privatbibliotheken
sprechendes Zeugnis von dem Umfang und Mals literarischen
Interesses ab, das einzelne dieser Pflanzer auszeichnete. Die
Bibliothek des 1701 verstorbenen Ralph Wormeley, der in
Oxford erzogen wurde und später Präsident des Kolonialrats,
Staatssekretär und Mitglied des Verwaltungsrats von William und
Mary College war, zählte 400 Bände. Darunter befanden sich
zahlreiche historische, geographische, medizinische, juristische,
theologische Werke, AVörterbücher und Grammatiken, sowie
') Siehe S. L. Whitcomb, Chronological Outlines of American Litera-
ture, unter deu genannten Jahren.
*) Siehe die ausführliche Erörterung des Inhalts und Charakters dieser
Wochenschrift bei Elizabeth Christine Cook in ihrem kürzlich erschienenen
Buch Literary Influetices in Colonial Newsjiapers 1704 — 1T50 (New York,
Columbia University Press, 1912), das mir während der Korrektur zugeht.
Vgl. auch die bibliographische Zusammenstellung der amerikanischen
Zeitungen aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts am Schlufs ihres Buchs.
I
I
i
503
Klassikorjuisgabon; von Werken der neueren Literatur: Don
Quixote, Butlers Jfndibras, Ilowells Faniiliar Letters, die Gedichte
von Qnarlos, Herbert, Waller, die Dramen von Davenant und
gegen 50 andere Komödien und Tragödien. Die Bibliothek von
Richard Lee (f 1715) enthielt 300 Bände, darunter bedeutend
mehr griechische und lateinische Autoreu, als die Sammlung von
Wormeley aufzuweisen hatte. Weit gröfser als beide und wohl
eine der gröfsteu Büchersammlungen der Kolonialzeit überhaupt
war die Bibliothek von William Byrd. Von ihren 3625 Bänden
entfallen ungefähr 700 auf Geschichte, 650 auf die Klassiker,
550 sind französische Werke, 350 juristische, 300 theologische,
200 medizinische, 225 naturwissenschaftliche, 650 Unterhaltungs-
lektUre.i) Kobert Beverleys Büchersammlung, über die in dem
Inventar seines Guts von 1734 berichtet wird, umfafste nicht
nur eine bedeutende klassische und religiöse Bibliothek, sondern
auch Werke von Locke, Temple, Bacon, Shaftesbury, Clarendon,
ferner den Spcctator, Tatlcr, die Dichtungen von Ambrose
Phillips, ^UltomFaradise Lost, Garths Disj^ensari/, Popes Homer-
übersetzung und seine übrigen Dichtungen, Butlers Hudihras,
Pomfrcts Gedichte, Mores TJiopia, Aesops Fabeln, einen Band
Tragödien und Gays Beggar's Opera. Auch in den Testamenten
und Gutsinventaren von verhältnismäfsig weniger bemittelten
Leuten ist vielfach von kleineren oder grölseren Bücher-
sammlungen die Rede/'')
Bemerkenswert ist bei der Zusammensetzung der Biblio-
theken wie auch in der literarischen Produktion Virginiens
das verhältnismäfsig starke Hervortreten des Interesses an
weltlicher Literatur. Überhaupt hatte das gesamte geistige
Leben dieser Kolonie im Gegensatz zu dem der Neuenglaud-
Staaten ein mehr verfeinert weltmännisches als moralisch-
religiöses Gepräge.
Byrd und Beverley gehörten zu den wenigen Virginiern der
Kolonialzeit, die sich literarisch betätigten. Im allgemeinen ist
Virginiens Anteil an der Literatur der Kolonialepoche ein
geringer.
Zwar die Anfänge schienen recht viel zu versprechen.
*) Siehe die Znsammenstellnngen bei Fiske, Old Virginia, II 243 ff.
2) Siehe Cook a.a.O. ISO.
504
Captain John Smith (1580—1631), dessen Verdienste um die
Begründung der Kolonie und die Schaffung geordneter Ver-
hältnisse in dem neuen Gemeinwesen wir schon gewürdigt
haben, machte mit verschiedenen geographisch -historischen
Werken einen bedeutsamen Beginn literarischer Tätigkeit auf
amerikanischem Boden, Wie Sir Philip Sidney und Sir Walter
Kaleigh, deren Beispiel er nacheiferte, verstand er Feder und
Schwert gleich geschickt und gleich kraftvoll zu führen. Durch
und durch ein Mann der Tat, ein fahrender Bitter ohne Furcht
und Tadel, war er zugleich der erste literarische Vertreter der
neuen Kolonie. Seine True Belaiion of Virginia, noch im Lauf
des ersten Jahrs im Lärm des Lagers geschrieben und 1608
in London gedruckt, entwirft ein lebensfrisches Bild von den
Anfängen der Kolonie, von den Entdeckungsfahrten, Indianer-
überfällen, von den Hoffnungen und Leiden der Ansiedler. Es
folgten zwei weitere Bücher über Virginien : A Map of Vir-
ginia, ivith a Description of the Country, tlie Commoditics,
People, Government, and Religion (Oxford 1612) und die
wichtige General History of Virginia, Neiv England, and the
Summer Isles (London 1624); dazu verschiedene weitere
Schriften über Neu England. Alle sind ausgezeichnet durch
packende Realistik und Grolszügigkeit der Darstellung, die
gelegentlich vor phantasievollen Übertreibungen nicht zurück-
schreckt. Die Sprache ist ungehobelt und rauh, aber markig,
energisch, ausdrucksvoll, der Satzbau nachlässig und formlos,
aber voll Mannigfaltigkeit und Leben. Ästhetische Rück-
sichten lagen dem Verfasser fern, die Form war ihm gleich-
gültig, auf die sachliche Wirkung kam ihm alles an. Und
doch gewährt die Lektüre dieser Schriften durch die Originalität
der Ausdrucksweise, die warme Lebensfrische der Erzählung
und Schilderung und nicht zum wenigsten auch durch die
trotzige, charaktervolle Persönlichkeit des Verfassers einen
ganz eigenartigen Genufs.
Aber Smith hat nur wenige Jahre in Virginien zugebracht;
die meisten seiner Werke sind nach seiner Rückkehr in Eng-
land entstanden und gedruckt; sie gehören also nur teilweise
der eigentlichen amerikanischen Literatur an. Und das Gleiche
gilt von dem einzigen bekannteren Werk der schönen
Literatur, das in Virginien entstanden ist. George Sandys,
505
der jüngste Bruder des sclion erwähnten Gouverneurs Sir Edwin
Sandys, der von 1621 an einige Jahre als Schatzmeister der
Kolonie in Virginien lobte, verfafste hier von 1621 — 24 den
gröfsteu Teil seiner Übersetzung von Ovids Meta-
morphosen (die letzten zehn Bücher), die 1626 in London
erschien.
Von diesen beiden Männern abgesehen, die doch mehr im
Mutterland als in der neuen Welt wurzelten, hat Virginien im
17. Jahrhundert keinen einzigen Schriftsteller von etwas be-
kannterem Namen gehabt. Erst im 18. Jahrhundert begegnen
wir ein paar historischen Werken, die einigen Anspruch
auf Beachtung haben.
Robert Beverleys History and Present State of Virginia,
1705 zu London erschienen, gibt die Geschichte Virginiens bis
1700 und enthält eine Fülle interessanter Schilderungen und
Beobachtungen über die Natur des Landes und die Lebens-
weise seiner Bewohner. Eine französische Ausgabe des Buchs
erschien 1707 in Paris und Amsterdam ; eine erweiterte eng-
lische kam 1722 in London heraus.^)
William Byrd, der eine hervorragende Rolle im öffent-
lichen Leben der Kolonie spielte, hat auf seinem Gut Westover
nicht nur die oben (S. 503) erwähnte bedeutende Bücher-
sammlung angelegt, sondern war auch selber literarisch tätig.
Die Beobachtungen, die er auf seinen Reisen als Mitglied der
Kommission zur Festlegung der Grenze zwischen Virginien und
North Carolina 1727 machte, hat er in seiner History of the
Dividing Line und in andern Schriften niedergelegt, die durch
originelle Bilder und Vergleiche, einen schalkhaften Humor und
scharfsinnige, wertvolle Beobachtungen über Land und Leute
gekennzeichnet sind. Sie wurden erst 1841 aus seinem hand-
schriftlichen Nachlals herausgegeben. 2)
Bedeutender vom historiographischen Standpunkt als die
genannten Werke ist die History of Virginia des Rev. William
Stith, der von 1752 bis an seinen Tod 1755 Präsident des
William and Mary College war. Sein Buch, dessen erster
Band 1747 in Williamsburg herauskam, 1) ist ein Torso ge-
') Ein Neudruck existiert, soviel ich weifs, nicht.
^) Bessere Ausgabe von T. H. Wynne 1S66 unter dem Titel Byrd
Manuscripts. Vgl. Fiske, Old Virginia, II 257 f., Anm. ].
506
blieben. Es sollte 6—8 Bände umfassen; der erschienene Band
gibt nur die Anfänge der virgiuisclien Geschichte bis zur Auf-
hebung der Gesellschaft im Jahr 1624. Stiths Darstellung
gründet sich auf ein genaues Studium der Akten der Gesell-
schaft, die ihm in einer wertvollen, heute in der Library of
Cougress zu Washington befindliehen Abschrift zur Verfügung
standen (s. oben S. 478, Anm. 1). Sie zeichnet sich durch
Gründlichkeit, Zuverlässigkeit und einen klaren, einfachen
Stil aus.
Aber so anerkennenswert die Leistungen dieser Älänner
sind: im ganzen ist Virginiens Anteil an der literarischen
Produktion der amerikanischen Kolonien vor dem Unab-
hängigkeitskrieg ein unbedeutender. Der Unterschied in der
Intensität und dem Niveau des geistigen Lebens in Virginien
und den Neu England-Staaten ist ein starker und augenfälliger.
Er erklärt sich einerseits aus dem verschiedenen Charakter
der Besiedler, anderseits aus dem Unterschied der Siedlungs-
weise.
Neu England ist vorzugsweise von puritanischen
Sekten besiedelt worden, die in der Neuen Welt die religiöse
und bürgerliche Freiheit suchten, welche ihnen in der alten
Heimat versagt wurde. Max Weber hat in einer geistvollen
Abhandlung die Bedeutung dieser Puritaner für die Geschichte
des modernen Kapitalismus dargetan. ^) Die Puritaner ver-
banden aber mit ihrer streng religiösen Lebensanschauung
nicht nur einen sparsamen, nüchternen und unternehmungs-
freudigen Geschäftssinn, sondern sie hatten auch einen
klaren Blick für den Wert der Bildung und Erziehung
im sozialen Leben. Unter den puritanischen Geistlichen, die
an der Gründung der Neu England -Staaten hervorragenden
Anteil hatten, begegnen wir einer Reihe gelehrter, fein ge-
bildeter und weitblickender Männer, wie John Cotton, die
Mathers, Roger Williams, William Penn u. a., und Namen wie
Bradford und Winthrop zeigen, dafs sich auch unter den
Laien literarisch tätige Männer befanden. Wie in Schottland,
80 sind die Puritaner auch in Neu England von Anfang an
») Archiv f. Sozialwissenschaft 20, Iflf. and 21,1 ff. (l')05). Vgl. noch
25,24:} (1907) und 30,176 (1910).
507
wirksam und zioll)e\vnfst für die Hebung der Volksbildung
tätig gewesen. Überall, wo sie sieh niederlielsen, sorgten sie
für die Errichtung von Schulen, und schon sechzehn Jahre
nach der Einwanderung der Pilgerviiter wurde durch die
Gründung von Harvard College (1636) ein Mittelpunkt für die
höhere Bildung geschaffen, der sich als aufserordentlich segens-
reich erwies und einen weitreichenden Einflufs auf das geistige
Leben Neu Englands ausübte.
Die systematische Organisation des Schulwesens aber wurde
den Puritanern durch die Art, wie sie sich in der Neuen Welt
ansiedelten, erleichtert. Ihre Auswanderung erfolgte in straff
organisierten Sekten und Gemeinden, und ihre Nieder-
lassung in Amerika vollzog sich demgemäls von Anfang an
vorzugsweise in Form von Städten und geschlossenen
Dorfsehaften. Die Regierung von Massachusetts begünstigte
diese Siedlungsweise, indem sie Land nicht an einzelne Ein-
wanderer, sondern an kirchliche Genossenschaften bewilligte.
Die religiöse Idee, um derentwillen sie die Heimat verlassen
hatten, bildete das Band, das die Gemeindegenossen in der
Fremde fest aneinander schmiedete, und eine strenge Disziplin
sorgte für Regelung des bürgerlichen Lebens. Der demo-
kratische Geist aber, der das Gemeinwesen durchwehte, liel's
zunächst keine starken gesellschaftlichen Unterschiede auf-
kommen. Anstelle der grolsen virginischen Plantagen haben
wir in Neu England zahlreiche kleinere Farmen mit selb-
ständigen Bauerngutsbesitzeru. Das engere Zusammenleben
der Kolonisten Neu Englands aber erleichterte naturgemäfs
die Errichtung und den Betrieb von Schulen und begünstigte
so die Hebung der Volksbildung, während die zahlreich ent-
stehenden kleineren oder gröfseren Städte nicht nur Stützpunkte
des geistigen, sondern ebenso sehr auch des wirtschaftlichen
Lebens und Pflanzstätten von Handel und Gewerbe und bürger-
licher Freiheit wurden.
Ein Rückblick auf die geschilderten virginischen Ver-
hältnisse (S. 481 ff. 490) wird uns den Unterschied der beiden
Kolonisationssysteme vor Augen führen. In Virginien erfolgte
die Besiedlung nicht durch solche straff organisierten, von einer
gemeinsamen Idee getragenen und verbundenen Gemeinschaften,
sondern durch einzelne Personen und Familien, die miteinander
508
keine gemeinsamen Interessen hatten und jeder seinen eignen
Weg zum Glücke suchten. Und diese bunt zusammengewürfelten
virginischen Einwandrer waren, namentlich in der ersten Zeit,
nur zum kleinen Teil ein brauchbares Menschenmaterial. Unter
den Ansiedlern überwogen, wie wir gesehen haben, auf der
einen Seite Angehörige der oberu Stände, auf der andern ge-
wöhnliches Volk; ein solider Mittelstand fehlte; und ein grofser
Teil der Einwandrer bestand obendrein aus Glücksrittern, Tage-
dieben und Verbrechern. Das blieb so bis weit ins 18. Jahr-
hundert hinein, und in zahlreichen Werken der zeitgenössischen
Literatur wird darauf angespielt. Es sei nur auf Aphra Behns
Tragikomödie The Widoiv Banier, or, The History of Bacou
in Virginia (1690 gedruckt), Defoes Erzählungen 3IoU Flanders
(1722) und Colond Jacqiic (1723) und John Gays Oper Polli/
(1729) hingewiesen, obschon in letzterer der Schauplatz der
Handlung nur ganz unbestimmt als „Westindien" bezeichnet
wird.
Wir sahen (S. 490f.), wie sich infolge dieser Zusammen-
setzung der Gesellschaft und infolge der Verwaltungspraxis
der Kompanie frühzeitig der Grolsgruudbesitz, die Plantagen-
wirtschaft entwickelte, die durch die wirtschaftliche Bedeutung
des Tabakbaus noch weiter begünstigt Avurde. Einmal einge-
führt, wurde an diesem Agrarsvstem auch dann festgehalten,
als mit der Ankunft der Kavaliere Augehörige der besseren
Mittelklassen im Lande erschienen. Der Grolsgrundbesitz aber
war in Virginien, wie wir dargelegt haben, das Haupthindernis
für die Gründung von Städten und damit nicht nur für die
Entwicklung von Handel und Gewerbe, sondern auch von
geistigem Leben.
Die schädlichen Folgen der Plantagenwirtschaft wurden
übrigens wirklich fühlbar erst dann empfunden, als Virginien
(seit der Mitte des 18. Jahrhunderts etwa) in nähere Beziehungen
und schärferen Wettbewerb mit andern amerikanischen Kolonien
trat, und als endlich neu entstehende Konkurrenten, wie der
Brasil- und asiatische Tabak, der Kaufkraft des virginischen
ernstlich Abbruch taten. Einstweilen war es bei aller Ein-
seitigkeit seiner wirtschaftlichen Unterlage das Ideal einer
Pflanzer-Kolonie, deren Mängel durch ihre Vorzüge mehr als
509
ausgeglichen wurden. Es war ein schönes fruchtbares Land,
ein irdisches Paradies mit wohlhabenden, gesitteten, zufriedenen
Einwohnern und geordneten, patriarchalischen Verhältnissen.
Und obschon in andrer Weise als Neu England, so hat
doch auch Virginien seine historische Rolle bei der Begründung
der amerikanischen Union gespielt. Aus dem Kreise der grofsen
virginisehen Pflanzer, die auf ihren ausgedehnten Gütern das
Herrschen gelernt hatten, sind später die ersten grofsen Staats-
männer der Union und ihre ersten Präsidenten hervorgegangen.
Aus des Virginiers Thomas Jeffersons Feder ist die berühmte
Unabhängigkeitserklärung von 1773 geflosseü, ein literarisches
Meisterstück; der Virginier James Madison hat die originellsten
und tiefgründigsten in jener glänzenden Reihe politischer Essays
geschrieben, die 1788 in der Zeitschrift The Fcderalist so
wirkungsvoll die Grundlagen der Unionsverfassung verteidigten ;
auch John Marshall, Monroe und flenry Clay waren Söhne
Virginieus; und der Gründer der Union, George Washington
selbst, war ein virgiuischer Pflanzer.
Untersuchiinß-en
zur
mitleleiiö'liselien Metril^
von
K. D. Bülbring.
Einleitung: Stand der bisherigen Forschung.
1. In der niittelenglisehen Metrik liegt noch vieles im
argen. Am meisten ist zu beklagen, dafs sieh unversöhnlielie
Ansichten über die metrischen Formen zahlreicher Gedichte
schroff gegenüberstehen. Namentlich in der Beurteilung des
Stabreimverses gehen die Meinungen gänzlich auseinander.
Ebenso in der Auffassung gewisser Metren, die meist vom
Stabverse abgeleitet werden und jedenfalls eng damit ver-
wandt sind. Hierzu gehört die Schweifreimstrophe, in der
Sir Ferceval, Sir Degrevant und ähnliche Romanzen verfalst
sind. Die Meinungsverschiedenheiten über diese Strophe zu
beseitigen, ist der nächste Zweck der vorliegenden Unter-
suchung. Gelingt es, so sind damit auch andere, weitergehende
Fragen entschieden.
2. Als Beispiel einer solchen Schweifreimstrophe möge
der Anfang des Avoivijnge of King Arther, Sir Gatvan, Sir
Kaye, and Sir Baicdewyn of Breton (= Av.) dienen, da dies
Gedicht der folgenden Untersuchung hauptsächlich zugrunde
gelegt werden soll. Es ist bisher nur einmal gedruckt worden
von John Robson in seinem Buche Three Early Englisli
Metrical Romances, London 1842. Ich habe seinen Text vor
Jahren mit der einzigen Handschrift verglichen und gebe daher
hier und bei allen späteren Zitaten die handschriftliche Lesart.
Die erste Strophe lautet:
Ile ]?at »»ade vs on pe »mlde,
And /'air /burmet f>e /olde,
Atte bis it'ill, as lie wolä,
The See and the sande,
Giffe hörn joy ]?at will here
Of claiü inen and of Jere,
Of lialdurs f>at before vs were,
pat Zifd in tbis /onde.
512
One was ^rther the kiiige,
Wi]'-owtim any lotting;
Wif> him was mony lordinge,
Haxdi of /londe.
TT'ice and ivslt ofte pay ?rere,
Bold vndur dauere,
And u'ijte ioeppuns wold tüere,
And sfifly wold sfond.
Die Strophe besteht also aus 16 Zeilen uod ist dergestalt
aus miteinander abwechselnden längeren und kürzeren Versen
zusammengesetzt, dafs auf je drei längere Verse viermal je
ein kürzerer folgt; mit dieser Reimstellung: aaah \ ccch \
ddäb I eeeb.
In der Anglia XII,440ff. und in Pauls Grundrifs-^ II, 170
hat K. Luiek noch mehr Gedichte dieser Art aufgezählt. Das
älteste ist ein von E. Kölbing in den Englischen Studien
IX, 440 ff. herausgegebenes Gedieht „Die Feinde des Mensehen";
und am bekanntesten sind wohl die beiden schon genannten
Romanzen von Sir Perceval und Sir Degrevant (hgg. von
J. 0. Halliwell, The Thornton Bomances, 1844, S. Iff. und
S. 177 ff.) 0
3. Eine Gruppe von blofs drei längereu und einem kürzeren
Vers {aaab), also der vierte Teil der Schweifreimstrophe, er-
scheint aufserdem als Abgesang einer dreizehnzeiligen Strophe,
welche für zahlreiche Gedichte verwandt ist, die Luick in
Pauls Grundrifs^ II, 169 aufzählt. Hier seien nur The Bistill
of Susan, '^) The Äivntyrs of Arthur at the TerneWathelyne^)
1) Eine neue Ausgabe des Sir Perceval von J. Campion und F. Holt-
hausen wird bald erscheinen. Den Text und die Anmerkungen bis
Vers 20SI), die bereits gedruckt sind, habe ich schon im voraus zur Be-
nutzung erhalten. Danach wird unten zitiert werden. Jedoch sind viel-
leicht einige Zitate, die ich vor Jahren ans Halliwells Ausgabe gesammelt
habe, unverändert stehen geblieben. Doch ist dies ohne Bedeutung.
^) Die erste Strophe dieses Gedichts, die als Beispiel dienen kann,
ist unten in § 9 und 10 (mit verschiedener Skandierung) abgedruckt. Als
Beispiel kann auch die erste Strophe der Awntyrs of Arthur genommen
werden, die zu Anfang von § 6 (wieder mit anderer Skandierung) ge-
druckt ist.
') Von diesem Gedichte bereitet einer meiner Schüler, Wilhelm Wolff
in Trier, eine kritische Ausgabe vor.
513
nud The Knightly Tale of Oolagros and Oauwie naniluift ge-
macht, die alle zuletzt von F. J. Aniours für die Scottish Text
Society (1891—97) herausgegebeu sind.
Von andern Verwendungen desselben Metrums kann hier
abgesehen werden. Wie ist es aber aufzufassen?!)
Zunächst ist festzustellen, welche Ansichten bisher vor-
gebracht sind, und wie es mit dem Beweis für ihre Kiehtig-
keit steht. Dabei müssen auch die Theorien über den me.
Stabvers berücksichtigt werden, weil die meisten Forscher bei
') Über die Entstehung der vorliegenden Abhandlung möchte ich
folgendes bemerken. Ich bin mit dem Av. (§ 2) zuerst näher bekannt
geworden, als ich im Winter ISS'J/JO im Britischen Museum die von Robson
gedruckten Threc Early Enylish Mdrical liomances mit der Ireland-
Handschrift verglich. Ich eutschlofs mich damals, das Gedicht kritisch
herauszugeben, machte bald ein Glossar dazu und stellte eine metrische
und grammatische Untersuchung an. Diese sollten zunächst in textkritischen
und metrischen Seminarübnugen verwertet werden, die ich in Heidelberg
für das Sommersemestcr 181);-) ankündigte; doch gelangte der Plan erst in
Groningen im Jahre 1895 zur Ausführung. Auch in Bonn habe ich dreimal
Seminarübuugen über das Gedicht abgehalten. Diese häufige Beschäftigung
mit dem Gedicht ist der zufällige Grund, warum ich gerade das Äv. für
die vorliegende metrische Untersuchung gewählt habe. Man wird ihr den
Ursprung vielleicht noch etwas anmerken. Doch kann ihr die nicht ganz
ausgemerzte lehrhafte Art wohl kaum schaden, noch das ausführliche oder
wiederholte Eingehen auf manche Einzelheiten, die für den erfahrenen
Forscher fast selbstverständlich sind und kürzer hätten behandelt werden
können. Für den gegenwärtigen Zweck wäre auch vielleicht ein geeigneteres
Gedicht zu finden gewesen, weil das Av. nur in einer Handschrift über-
liefert ist, manche sinnlose Stellen hat, dialektisch verderbt ist und daher
von vornherein auch metrische Verderbnisse erwartet werden müssen.
Aber einen tadellosen Text gibt es auch sonst nicht, und einige Ent-
stellungen mehr oder weniger verschlagen in Wirklichkeit nicht viel.
Jedenfalls mufste ich bei der Vorbereitung der Ausgabe wie für die
Seminarübungen über die metrische Form ins Keine kommen. Schon
im Jahre 1890 lagen hierüber vier verschiedene unbewiesene Ansichten
vor (sieh § 4 1!.). Diese oder wenigstens drei davon fanden unter den
Teilnehmern an den Übungen gewöhnlich hartnäckige Verteidiger, bis eine
methodische Untersuchung des Gedichtes ein Metrum als das wirklich
zugrunde liegende erwies. Zu meiner Ansicht des Metrums bin ich auf
die unten ausgeführte Weise gelangt. Und umgekehrt als Luick (§ 7)
und Trautmann (§ 10), die vom Stabvers ausgehend zu ihrer Auffassung
der Kurzzeilen der Susarme, des Av. usw. kamen, bin ich von meiner
metrischen Untersuchung des Av. aus zu einer ähnlich begründeten Ansicht
über die me. alliterierende Langzeile gekommen.
Studien nur engl. Phil. L, 33
514
ihrer Erklärung der iu Frage stehenden Kiirzzeilen von der
alliterierenden Langzeile ausgegangen sind.
4. Im ersten Bande der Anglia, auf Seite 93, gibt
K. Horstmann den ersten drei von den vier Schlufsversen
der Susanne drei Hebungen, dem letzten Vers zwei Hebungen.
Derselben Ansieht war M. Trautmann im Jahre 1879, als er
seine Ausgabe von Golagrus and Gaivain im zweiten Band
der Anglia veröffentlichte (siehe S. 408). Die ersten acht
Verse des Ai\ (== Avoivynge) würden nach dieser Theorie
folgendermafsen zu skandieren sein:
H6 J>at »iäde vs on f'e wn'ilde,
And /äir /^uurmet ]?e /ulde,
Atte bis u;ill, as he «tuld,
The See and the sände,
Giflfe hom joy pat will here
Of dii^ti uien and of dere,
Of häldurs pat befure vs were,
pat Zifd in this Zünde.
Eine Begründung ihrer Ansicht wurde von keinem der
beiden Gelehrten gegeben. Die alliterierenden und reimenden
Langzeilen des Aufgesanges der Susanne und von Gol. and
Gawain lasen sie mit vier Hebungen (mit je zweien in der
Halbzeile).
5. H. Lübke in seiner Berliner Dissertation The Aunters
of Arthur at the Tern-Wathelan, Teil I, 1883, S. 15, teilte
ebenfalls dem letzten Kurzvers zwei Hebungen zu; aber er
meinte, dafs die Zahl der Hebungen in den unmittelbar vor-
hergehenden drei miteinander reimenden Versen zwischen zwei
und drei schwanke. Er lälst dies abhängen von der Zahl der
in den Versen vorkommenden sprachlich stark betonten
Silben; gewöhnlich seien nur zwei vorhanden, oft aber auch
mehr als zwei, in welchem Falle man den Vers mit drei
Hebungen lesen müsse oder könne. Nach Lübke wäre also
zu lesen:
He )?at mäde vs on pe »nülde,
And /air /ourmet pe /olde,
Atte bis iüill, as he u-'old,
The See and the 6:iude, usw.
515
Aiieli Lühke hat jedoch keine Begriindiuig seiner An-
sieht versucht. Seine Annahme eines Wechsels von zwei oder
drei Hebungen m den drei längeren Versen befriedigt schon
darum nicht, weil diese Verse sich alsdann auf verschiedene
Weise von dem folgenden (vierten) Schlufsverse unterschieden:
denn die dreihebigen längeren Verse würden sich durch die
Zahl der Hebungen, aber die zweihebigen längeren Verse
nur durch die Zahl der Senkungen — wenn überhaupt — von
dem stets zweihebigen Schlufsverse unterscheiden. Aufserdem
verstöfst seine Erklärung gegen den metrischen Grundsatz,
dafs Verse, die an gleichen Stelleu eines Gedichts vorkommen,
stets dasselbe Mafs haben müssen, was bei einem regellosen
Wechsel zwischen zwei und drei Hebungen in den drei Au-
fangsversen nicht der Fall ist.
6. J. Schipper, Englische Metrik (1881) I, § 104 f., liest
alle vier Verse des Abgesanges in der Susanne und ähnlichen
Gedichten mit je zwei Hebungen. Er ist der erste, der sie
für Halbverse der Stabreimzeile erklärt hat, die nach seiner
Ansicht vierhebig ist. „Nur macht sich", fügt er hinzu, „in-
folge gröfserer oder geringerer Ausdehnung der Senkungen
... ein gewisser Unterschied [zwischen den Tripletzeilen und
der letzten Zeile] bemerkbar." In seinem „Grundrifs der
englischen Metrik" (1895), S. 92, gibt er als Beispiel die erste
Strophe von Golagrus and Gaivane:
In the tjm^ of Arthur, | as ir6w men me fäld,
The King ^i'iruit on ane iyde | ^öwart Tüskäne, ')
Hyin to seik our the 66y, | that säiklese wes säld,
The syre that sendis") all seill, | süthly to säne;
With tänrentcs, tärounis, | and iernis füll iäld,
Biggast') of taue and 61ude | 6red in Sritüne.
Thei uälit out werryouris | with tfäpinnis to t<jäld,
The ^^äyest') ^rumys on ^ründ | with ^6ir that layght (/äue
Dükis and rfigne lördis, *) rfouchty and rfeir,
S'embillit to his Äi'immövne,')
i?enkis of grete renövue, ')
Cümly') Mngis with crövne
Of göld that wes cleir.
) Die Nebenakzeute sollen jedoch nach Schipper metrisch nicht ala
33*
Hebungen zählen
516
Schippers Ansieht, dass sich die Tripletverse von den
„kürzereu" Schlufsversen durch die gröfsere Zahl der Senkuugs-
silbeu unterscheiden, ist jedoch irrtümlich. Es ist leicht zu
zeigen, dafs das nicht überall der Fall ist. Gelegentlich kommt
dieselbe Zeile sowohl als Tripletvers wie als Schlulsvers vor.
In der Susanna stimmen z. B.
Zeile 361 : pis ierlys MM und
Zeile 286: />ts ierlys to irayne
in der Silbenzahl und überhaupt in ihrem Bau so genau tiberein,
dafs man sie als gleich betrachten kann. Vers 361 ist aber
ein Tripletvers und Vers 286 ein Schlufsvers. In andern Ge-
dichten kommen sogar Verse mit genau gleichem Wortlaut als
Triplet- und Schlufszeilen vor. Im Sir Perceval dient z. B.
wolde he none forsaJce 3, 16 als Scblufsvers der Strophe und
4, 1 als erster Tripletvers der nächsten, — also unmittelbar
darnach. Ebenso 9, 16 und 10, 1 tvhen he we7it on his vfay;
und wieder 29, 16 und 30, 1 ])ofe he were of no pryde. Auch
85, 16 tili he come to pe prese und 86, 1 tvhen he come to pe
prese sind so gut wie gleich. Wenigstens auf dem Papier sind
alle diese Verse gleich; aber mufs das auch für den Vortrag
angenommen werden? Man könnte versucht sein, gerade in
der Silbengleichheit einen Beweis dafür zu finden, dafs die
Verse auch gleich skandiert werden mülsten. Und folglich
in der Hauptsache auch alle übrigen Triplet- und Schlufsverse ;
nämlich mit der gleichen Zahl von Hebungen und einer einiger-
mafsen beliebigen Zahl von Senkungssilben, — so zwar, dals
die Tripletzeilen im Vergleich mit den Schlufsversen gewöhnlich
eine gröfsere und selten dieselbe Zahl von Senkungsilben hätten.
Aber auch dies ist nicht richtig. Es kommen Tripletverse mit
nur vier oder fünf Silben und anderseits Scblulszeilen von sechs
oder sieben Silben vor. Zwei Beispiele mögen einstweilen ge-
nügen. Das kürzeste Mals der Tripletzeile ist vier Silben;
diese hat z. B. der Vers Kay come home sone Av. 44, 6 ; und
das längste Mafs der Schlufszeile ist sieben Silben; diese hat
z. B. der Vers and hrittunt all to honus Av. 12, 8. Der Schlufs-
vers kann also die Tripletzeilen sogar sehr beträchtlich an
Silbenzahl übertreffen. Trotzdem ist im allgemeinen unver-
kennbar, dafs die Tripletzeilen sich wirklieh durch gröfsere
517
Länge von den Sehlufszeilen unterscheiden; Lesen von be-
liebigen \ier aufeinander folgendem Versen zeigt das fast stets
sofort, und je mehr Versgrnppen man prüft, um so gewisser ist
der allgemeine Eindruck. In der Tat sind in dieser Auffassung
alle Forscher einig, die sich um die Metrik der unter Betrach-
tung stehenden Gedichte bemüht haben, mögen ihre Erklärungen
der Verschiedenheit sonst noch so sehr voneinander abweichen.
Ein Unterschied der Triplet- und Schlufsverse ist sicher vor-
handen; aber bei Beachtung der oben gegebenen Beispiele ist
klar, dafs er nicht in der Zahl der Senkungssilben liegen kann.
Wenn man nicht den schon oben in § 5 ausgesprochenen Grund-
satz verleugnen will, dafs in einem Gedicht mit gleichen Strophen
alle Verse an den wiederkehrenden entsprechenden Stellen aller
Strophen dasselbe Metrum haben müssen, so müssen die Triplet-
verse sich stets auf eine und dieselbe Weise von den Schlufs-
versen unterscheiden. Durch die Silbenzahl tun sie es nicht;
denn die Tripletzeile kann, wie gezeigt, mehr, ebenso viel und
weniger Silben als die Schlufszeile haben. Der Unterschied
kann überhaupt nicht in den Senkungen gefunden werden.
Denn wie will man bei Annahme von zwei Hebungen in
Schlufszeile wie Tripletzeile durch verschiedenen Vortrag der
Senkungen eine genügende rhythmische Verschiedenheit z. B.
in Verse bringen, die bei gleichem Wortlaut sowohl als Sehlufs-
zeilen wie als Tripletzeileu dienen? Also z. B. die schon an-
geführten Verse
when he it-ent on his M;äy: Perc 9, 16 u. 10, 1
pofe he w6re of no pryde: Perc. 29, 16 n. 30, 1.
Etwa blofs durch verlangsamten Vortrag, sobald diese Zeilen
Tripletverse sind? Das würde aber das Verhältnis gerade
umkehren, das sonst beim Lesen der Verse mit durchgehends
zwei Hebungen sich einstellt. Noch deutlicher zeigt sich die
Unmöglichkeit, auf diese Weise das Mafs der Tripletzeile über
das der Schlufszeile zu dehnen, wenn man z. B. neben den
fünfsilbigen Tripletvers
then cärpus Sir Kay: Av. 37, 2
den siebensilbigen Schlufsvers
and firittunt all to fcönus: Av. 12,8
stellt. Ein Vergleich der beiden Verse zeigt zugleich, dafs
518
auch etwa mit Annahme von sprachlichen Nebenakzenten in
der Tripletzeile nicht auszukommen ist; denn ein Nebenakzent
(auf all) in der zuletzt angeführten Sehlufszeile macht sich
viel eher merkbar als in der damit verglichenen Tripletzeile.
Oder man vergleiche die Tripletverse
he hade diede and rZoüte: Av. 12,1
he is Hiäsly »»äde: Av. '^, 13
mit dem Schlufsvers
ich ertheli thinke has ende: Av. 62, 16
Auch diese Sehlufszeile ist den angeführten Tripletzeilen an
Silbeuzahl und Nebenakzenten überlegen. Ahnliche Vergleichs-
paare lassen sich in grofser Zahl zusammenstellen. Oder wenn
man Bedenken hat, Verse aus verschiedeneu Strophen zu ver-
gleichen, so nehme man z. B. folgende Versgruppe, mit Schippers
Skansion :
Av. 28,5: Thenne speke Gäuan to Kay:
"A mons häppe is notte äy,
Is none so sekur of a säy,
Butte he may hiirmes /tente."
Die Silbenzahl ist 6, 6, 8 und 6. Oder
iär. 29, 1: "^e, härdely!" quod Kay,
"Bat }'ou hast lost pi fayre mäy,
And p>i iiffe I dar Zäy," —
pus Kalkes he him tiWe.
Die vier Verse haben 5, 7, 6 und 6 Silben. Mit dieser Skansion
ist kein fester Unterschied herauszubringen.
Aus dieser ganzen Überlegung geht aber meines Erachtens
zwingend hervor, dafs, weil eben ein konstanter metrischer
Unterschied zwischen den beiden unzweifelhaft verschiedenen
Arten von Versen nicht in den Senkungen gefunden werden
kann, er in den Hebungen liegen muls. Ihre Zahl kann in
den beiden Versarten nicht gleich sein; und Schippers Auf-
fassung muls daher abgelehnt werden. Gegenüber der Ansicht
Horstmanns und Trautmanns (§ 4) ist sie ein Rückschritt.
Denn bei ihrer Skandierung sind die wörtlich überein-
stimmenden Schluls- und Anfangsverse der Strophen im
Perc. metrisch verschieden; also
Schlufsvers: wolde he nöne forsäke 3,16 und
Tripletvers : wolde he n6ne forsäke 4, 1
519
oder Schlufsvers: when he »dnt on his Jfäy ;•, 16 und
Triplotvcrs: wheii he iccnt on his wiiy Kl, 1 usw.
Uud ebenso sind silbenarnie Tripletverse wie Kay come
hü'mc söiie Av. 44, 6 durch die drei Hebungen von silben-
reieben Scblufsversen mit nur zwei Hebungen wie and hriitunt
all to hönus Av. 12, 8 leicht zu scheiden. Freilich ist damit
nicht bewiesen, dafs dies Metrum wirklich zugrunde liegt.
Denn auch mit vier Hebungen in der Tripletzeile und dreien
in der Schlufszeile wird die Forderung eines ständigen Unter-
schiedes zwischen den zwei Versarten erfüllt; also
Tripletverse : Wölde he nön forsäke : Perc 4, 1
When he u'cut ön his tfäy: Perc. Kl, 1
Kay c6me h6me söne: Av. 44,6
pis /"^rlys bi/'el: Sus. 3G1
SchUifsvorse : Wölde he non forsäke: Perc. 3, Ifi
When he K-6nt 6u his iciiy: Perc. 9, 10
And fcrittnut all to ^onus: ^Ir. 12,8
pls /"erlys to /räyue: Siis. 286.')
') Kollege C. v. Kraus macht mich auf folgende zwei Stellen aus
den Gedichten llartmauus von Aue aufmerksam, wo ebenfalls derselbe
Wortlaut auf zweierlei Weise rhythmisiert vorkommt. Im 'Armen Heinrich'
heilst es, V. \M)ff.:
Tl'rtn ez leit lob der guote
mit gedultigem muotc
do ez ime ze lidentie geschach
durch der sele gemach
den siechtuom und die smächeit
die er von der iverlte leit:
des lobet er got und frönte sich.
Dagegen im 'Iweiu', V. 2557flF.:
Sime herzen liebe geschach,
dö er jenen holden sach
der allez guot verkerte,
do in got so gerte
daz erm solte gelten
sin ungevüegez schelten
und sinen tägelichen Spot.
des 16bet er göt.
Iweins Dank an Gott, (fügt v. Kraus erläuternd hinzu) dafür dafs er
ihm den verhafsten Keii zur Abrechnung in die Arme liefert, kommt aus
dem Innersten: daher die emphatische Betonung seines Dankes. — Beide
Verse, der im 'Armen Heinrich' wie der im 'Iwein', müssen je vier
Hebungen haben.
520
7. Die erste einigermafsen eiugoliende Untersucliung des
Abgesangs der dreizehnzeiligen Strophe des Awntyrs of Arthur
und ähnlicher Gedichte, sowie der Schweifreimstrophe des
Sir Begrevant u. ä. hat K. Liiiek veröffentlicht im XII. Bande
der Anglia (1889), S. 438 ff. Er hat auch zuerst gesehen, dafs
der Abgesang und die Schweifreimstrophe metrisch überein-
gtimmen. Schipper folgend, nimmt er Zweihebigkeit für alle
Und noch eine weitere Bemerkung meines Kollegen möchte ich hierher
setzen. ^^ Durch got = um Gottes willen", sagt er, "wird normalerweise
im Verse so gestellt, dafs durch die Senkung (oder den Auftakt) und göt
die Hebung bildet. Zum Beispiel : Si sprach : durch göt wer ist der mein ?
Iwein 2084; Ouwe, durch göt, tcaz wil du sägen 2120; Durch göt ir sült
die rede län 2521; und so noch öfter. — Im 'Armen Heinrich' dagegen,
wo das Mädchen den Arzt flehentlich bittet, ihr das Herz anszuschneiden,
damit ihr lieber Herr von dem Aussatz befreit und sie selbst des himm-
lischen Lohnes teilhaftig werde, sagt sie (V. 1152 flf.):
Getrütvent ir mim herren
sin gesunt wider geben
und mir daz ewige leben,
diirch göt, daz tüont enzit:
länt sehen welch meister ir sit.
In solcher und ähnlicher Weise zeigt sich bei einem Meister wie
Hartmann die Art der Versfüllung überall abbäugig von der Situation,
den Gedanken oder Empfindungen, die der Vers schildert."
Hiernach ist es leicht, die beiden angeführten Verse aus der Susanne
zu verstehen. An der ersten Stelle (V. 286 f.):
Änd alle ßey stöted and Stade,
pis Urlys to irdyne
ist pis unbetont und bildet den Auftakt, da. pis ferlys die gewöhnliche
Bedeutung hat. Dagegen ganz am Schlüsse des Gedichtes (V. 361 f.) gibt
die ungewöhnliche Betonung /)ts ferlys den Worten des Dichters besonderen
Nachdruck: pis ferlys biUl
in pe days of Danyel;
pe pistel yritnesses yrel
of pat profete.
Man vergleiche H. Kösters Bemerkung auf S. 26 seiner Ausgabe des
Gedichts.
Auch dafs im Perc. die Schlufsverse einer Strophe als Anfangsverse
der nächsten Strophe zwar ohne wörtliche Veränderung, aber mit anderer
und vermehrter Betonung wiederholt werden können, ist begreiflich.
Offenbar erhalten diese Wiederholungen im Strophenanfange emphatische
Betonung.
521
Verse an. Er weist jedoch darauf hin, dafs bei Scliij^pers
Meinung über die Herkunft des Metrums (aus den Halbversen
der Stabreimzeile) zunilebst noch niebt ersichtlich ist, „warum
der letzte der vier Verse immer ganz merklich kUrzer ist als
die drei vorhergehenden"'. Zur Erklärung „dieses merk-
würdigen Verhältnisses" erinnert er an „die nicht unbeträcht-
lichen Unterschiede" zwischen den ersten und zweiten Halb-
versen der Stabreimzeile, die er Anglia XI, 420 ff. festgestellt
habe, und kommt zu dem Ergebnis, „dafs die drei ersten
längeren der in Frage stehenden gereimten Kurzzcilen nichts
anderes sind als erste Halbzeileu, die vierte, kürzere, ein
zweiter Halbvers." Als Beispiele gibt er die Abgesänge
der ersten Strophen der Pistill of Sw et c Susanne, der Aivntyrs
of Arthur und von Golagros and Oawane:
Sus. wip Inne f»e sercle of sees
Of ii'rberi and ^älees
Of alle Mäner of trees
Söpely to säy.
ÄÄ. Bothe tbe Arynge, and the qwene,
And all pe (^öghety by-rfene
Syr Gäwane, ^ayeste on ^rene,
Dame Gäyenoure he Icdis.
GG. S'embillit to bis summövne,
iJenkis of grete ren6vne,
C'amly Mngis witb crovne
Of göld, f>at wes cleir.
Er handelt dann über einige Einzelheiten des Baues solcher
Kurzzeilen und über ihre Verbreitung, und sucht seine Auf-
fassung durch verschiedene Überlegungen zu stützen. Aus
seinen Ausführungen geht ziemlich deutlich hervor, dafs er
die erste Strophe des Av. folgendermafsen skandieren würde:
He f>at »iäde vs on pe »lülde,
2 And /air /bürmet J>e /"(ülde,
Atte bis ttill, as he «-öld,
4 The see and the sände,
Giffe hom jöy pat will here
6 Of rfn^ti men and of f?ere,
Of häldurs }7at beföre vs werc, ')
8 pat iifd in this Wnde.
*) Vgl. seine Skandierung von Versen wie To sie such an inyioc'ent
(mit Nebenton auf der Reimsilbe), Seite 450.
522
One was /irther tlie kinge,
lil Wi]'-oiituii üny Icttinjj;;')
Wiji hiiu was uiöny lordinge, ')
12 H-Xrdi of /ioude.
irice aiid ?(;ir ofte )'ay jrcre,
14 B6\d vndur 6aii6re, ')
And leiste ?c6ppuus wold u*ere,
l(i And süüy wold sfond. 4
Oder viclloiclit
2 And fiUT /burmet ]^e /olde
6 Of (/u^ti nieu and of dere
13 iricc and ?rar ofte pay icbre^)
oder irice and nar öfte pay iccre.^)
Luick lehnt es ausdrücklich ab (S. 440), „die längeren
Verse vier-, die kürzeren dreitaktig zu lesen" ; oder die längeren
dreitaktig und die kürzeren zweitaktig. Auf beide Weisen
komme man „zu keinem befriedigenden Khythmus". Die
durchgehende Zweihebigkeit in allen Versen, für die er sich
entscheidet, befriedigt aber viel weniger. Oft bleibt dabei
zweifelhaft, auf welche Silben die beiden Versakzente zu legen
sind. Oft geht die volle Wirkuuii: der Alliteration verloren.
So, wenn offenbar drei Vollwörter alliterieren sollen, wie in
Vers 2, 13 und 15; und ebenso, wenn von zwei Stäben der
eine in die Senkung gesetzt wird, wie in Luieks Skansion
von Vers 14.
Schipper und Luick sind zu ihrer Auffassung gelangt,
weil sie, der eine ursprünglich auf Vetters, der andere auf
Sievers' Theorie des altengli sehen Stabverses fufsend, auch
dem mittelenglischen Stabvers zwei Hebungen in jeder Halb-
zeile geben. Diese Auffassung bat Luick öfters auseinander-
gesetzt und mit Gründen verteidigt. Sie hat auch viele An-
hänger gefunden, scheint in der Tat geraume Zeit ganz oder
fast allgemein angenommen worden zu sein und ist wohl auch
jetzt noch die verbreitetste Auffassung des Stabverses. Da sie
für ihn eine bewiesene Tatsache ist, so ist sie auch seine
') Vgl. die Skansion Hembillit to his siimmöv7ie auf S. 438 und die
Erliiiiterungcn auf S. 450.
*) Vgl. seine Skansion tvith eny fdls Jüggem'ent, S. 450.
^) Vgl. pe vfince and pe wederlyng, S. 450,
523
Hauptstützo für pcino Krklärnn^ der liior in Frage stehenden
gereimten Kurzzeilen. Für den jedoch , der seine Voraus-
setzungen nieht teilt, ist natürlich erst recht diese seine Folge-
rung nicht zwingend. Andere Gelehrte hahen bekanntlich
Luicks Theorie des me. Stabverses verworfen und andere
Theorien aufgestellt oder neu belebt. Ihre Schriften sind von
ihm selber in Pauls Grundrifs, 2. Aufl. (1905), II, 177 f., auf-
gezählt. Hinzugekommen ist seitdem namentlich noch W. Heuser,
der seine abweichende Ansicht in der Anglia (1907) XXX, 528ff.
dargelegt und begründet hat. ') Es ist für meinen jetzigen
Zweck nicht nötig, hier unmittelbar in den Streit einzutreten;
doch werde ich an anderer Stelle meine Auffassung in dieser
Sache mit ausführlicher Begründung auseinandersetzen. Schon
aus der sich mehrenden Zahl von Luicks Gegnern geht hervor,
dafs er seine Theorie des Stabverses nicht hinreichend be-
wiesen hat. Unsicher wie diese Theorie sind daher auch
seine Folgerungen über die hier in Frage stehenden gereimten
Kurzverse; zumal das, was er sonst zu ihrer Erklärung vor-
gebracht hat, viel eher zu einem andern Schlüsse nötigt
(siehe unten § 107).
Die oben (in § 6) aus Sir Pcrceval angeführten gleich-
lautenden Schlufs- und Anfangsverse von Strophen hat auch
Luick bemerkt. Auf S. 441 sagt er: „Bemerkenswert ist die,
wenn auch nicht vollkommen durchgeführte Strophenverkettung:
jede erste Zeile wiederholt die Worte der letzten Zeile der
vorangehenden Strophe. Da der Anfangsvers der Strophe einer
ersten Halhzeile [des Stabverses], der Schlufsvers einer zweiten
entspricht, also 2) verschiedenen Baues sind, so kann die Wieder-
holung, auch wenn sie syntaktisch möglich ist, keine wörtliche
sein; es ist nun lehrreich zu beobachten, wie der Dichter
*) Sieh ferner M. Kaluza, Englische Metrik in historischer Entwick-
lung, Berlin iy09, S. 187 ff., und die dort angeführte Schrift von Bunzen.
Und vgl. weiter unten § 11.
*) Dieses „also" erregt Befremden, da Luick in seinem früheren in
Anglia XI, 419f. veröfifeutlichten Aufsatze hervorgehoben hatte, der erste
Halbvers habe neben verschiedenen auch „dieselben Formen" wie
der zweite. Die beiden Halbverse haben in der Tat häufig dieselbe
sprachliche Füllung. Siehe unten § 95, namentlich die Fnfsnote am
Schlufs.
524
diesem rhytlimisohen Unterschiede gerecht zu werden sucht.
Er fügt reine Flickwörter ein; so
Now of justyngez thay teile 8,1
There lie lijgges !m thc fehle 5, 1
WUhowtte7ie any mercy 58, 1
With thaire wapyns ^7^ thaire hande 72, 1
oder ein zugesetztes He says, He sayde . . . Wenn daher ge-
legentlich der SchluCsvers der Strophe zu lang ist für das
Ausmafs eines zweiten Halbverses, aber wörtlich übereinstimmt
mit dem Anfangsverse der nächsten Strophe, so haben wir
gewifs Fehler des Schreibers vor uns, der bereits die folgende
Zeile im Auge hatte."
Hierbei sind jedoch bei genauerem Zusehen zweierlei Verse
zu unterscheiden. Nämlich erstens Schlufsverse, die nach Luick's
System wirklich zu lang sind; und zweitens Schlufsverse, die
auch nach seiner Theorie ganz iu Ordnung sind.
a) Überlange und als Anfang der folgenden Strophe ganz
wörtlich wiederholte Schlufsverse kommen dreimal vor:
When he went on bis näy 9, 16 (— 10, 1)
pofe he were of no pryde 2», 10 (= 30, 1)
tili be come to pe prese 85, 16 (When he ... S6, 1)
Nach Luick's System gemessen, sind die Schlufsverse zu
lang, weil sie zweisilbige Eingangssenkung haben; denn zwei-
silbige Eingangssenkung verträgt sich im zweiten Halbvers
der Stabzeile und daher auch hier nicht mit zweisilbiger Mittel-
senkung, während im ersten Halbvers (und im Tripletvers)
zweimalige zweisilbige Senkung „aufserordentlich häufig" und
richtig ist. Da diese Regel verletzt ist, schliefst er, dafs die
Überlieferung falsch sein mufs. Es würde aber sehr schwer
sein, wenn nicht unmöglich, einleuchtende Änderungen für
alle drei Verse zu finden. In allen Fällen ist der Sinn und
der sprachliche Ausdruck durchaus angemessen. Und wenn
man diese Verse ändern wollte, so müfste man ganz aus
demselben Grunde auch noch viele andere Verse des Gedichts
ändern, die genau dieselbe Form haben; z. B,
to pe mette p&j pam dighte 59,16
ther als man sali be täne 79, S
I sali /iölde pat I Aighte 87, 16;
525
ferner 130,12; 134.16; 139,4 u.a. Man mufs die Verse also
als richtige Scblufsverse gelten lassen; und da dieselbe Form
zugleich in den Tripletversen überaus häufig ist (siehe z. B.
Vers 10,18,22,35 usw.), so besteht hier eine grofse Schwierig-
keit für die Zweihebungstheorie, die sie nicht zu lösen vermag.
Anderseits ist alles in bester Ordnung, wenn man die Zwei-
hebungstheorie fallen läfst und verschiedene Hebungszahlen
für die verschiedenen Zeilen annimmt (§ C).
b) Einmal wird ein regelrechter Sehlufsvers als Strophen-
anfang wiederholt:
Wolde he non forsäke 3, 16 (= 4, 1).
Dieser Sehlufsvers ist auch nach Luicks System voll-
kommen tadellos. Hier hat der Schreiber also keinen zu
langen Vers aus „der folgenden Zeile" abgeschrieben. Der
Vers hat den „Typus B"' xx-X-> wofür Luiek in der Anglia
XI, 402 und 412, zahlreiche Beispiele aus dem Troy-Book bei-
gebracht hat, die als zweite Halbzeilen stehen ; z. B.
and the cloudes dyn 4ü9
and the ledys all 488 usw.
Auch im Perc. ist diese Form in den Schlulsversen sehr ge-
bräuchlich. In den ersten zwanzig Strophen begegnen aufser
dem schon angeführten Verse:
And \>Q (/>6ves ^fraye 11, 12
To hir lyves lüde 12,12
Bot a gäytes skynu IT, 12
When he sch61de say öughte 18, 4
In this /ioltis /tiire 19,12
And 1 Cüuie hym tili 20, 12
Da das Gedicht 143 Strophen hat, so werden ungefähr sieben
mal sieben Scblufsverse dieser Art darin vorkommen. Und
auch als ersten Halbvers der Stabzeile findet Luick diese Form
in Ordnung (siehe Anglia XI, 420); und daher mufs er natürlich
auch als Tripletvers im Perc. richtig sein, wo aufserdem z. B.
vorkommen „., ^ . > ,. '^ « ,
Who f>at Mghte can rede 2, 1
(Sali he no thyng s6e 11, 10.
Aber mit solchen Versen wird der Dichter dem erforderlichen
rhythmischen Unterschiede zwischen den beiden Versarten nicht
gerecht; — allerdings wieder nur bei Luicks Skandierung
nicht. Liest man sie aber mit verschiedener Zahl von Hebungen,
80 sind alle Verse in Ordnung.
526
Auch ein anderer Sclilufsvers ist hier noch zu erwähnen:
and fro pam he rade Perc. 39, 16,
der in der Form
Now fro pam he rade 40, 1
als Aufangsvers der nächsten Strophe wiederholt wird.
Mit Luieks Betonung müssen sie ühereinstimmeud
and 1
Nüw J f'^™ *^ ^'^^^
skandiert werden, so dafs wieder kein rhythmischer Unterschied
besteht. Nach seinem System sind sie mit dieser Betonung
sowohl richtige Schlufsverse als richtige Tripletverse, da diese
Formen als erste und zweite Halbverse der Stabzeile vorkommen
(Anglia XI, 409 und 410 ff.); und auch hier kann man also
nicht sagen, dafs der Schreiber „bereits die folgende Zeile im
Auge hatte" und daraus einen „zu langen" Schlufsvers abschrieb.
Vielmehr sind beide Verse, der Schlufs- wie der Anfangsvers,
vollkommen in Ordnung; man mufs sie nur anders skandieren
und wieder dem Tripletvers eine Hebung mehr geben.
Dies hat drei Vorteile. Erstens bleibt die Überlieferung in
allen Fällen unangetastet. Zweitens ist tiberall die erforderliche
Verschiedenheit der zwei Versarten vorhanden. Und drittens
gelangen wir erst so dazu, die vier vollkommenen Vers-
wiederholungen richtig zu würdigen. Denn der Dichter strebte
offenbar nach Strophenverkettung durch möglichst wörtliche
Wiederholung. Diese Aufgabe war schwer; und daher begnügte
er sich meist mit halbem Erfolg, indem er Flickwörter einfügte
(siehe oben!); oder er vernachlässigte sie ganz, indem er
nichts wiederholte. Das Vollkommenste aber war genaue
wörtliche Wiederholung der ganzen Zeile, ohne Zusatz oder
Veränderung eines einzigen Wortes. Das ist ihm viermal ge-
lungen. —
Nach Luieks eigner Ansicht ist eine solche Wiederholung
bei gleicher Anzahl von Hebungen und Senkungen nicht möglich;
in der Tat läfst sein metrisches System sie nicht zu. Aber
da sie dennoch fünfmal in sonst tadellosen Versen vorkommt,
mufs man annehmen, dafs der Dichter in einem andern Metrum
schrieb, als Luick zu erkennen glaubt.
527
8. Ungefähr gloielizeitig mit Luieks Aufsatz in Anglia
XII erschien eine Abhandlung von J. EUinger, Über die
sprachliehen und metrischen Eigeutiinilichkeiten in 21ie Romance
of Sir Perceval of Gallcs, im Jahresbericht der Staats- Ober-
Realschule vou Troppau 1889. Ellinger, der Luick's Aufsatz
offenbar noch nicht benutzen konnte, nimmt ohne jede
Begründung an, dafs die Tripletverse des Perc. vier Hel)uugen
haben und der kürzere vierte Vers drei, und handelt dann
auf fünf Seiten kurz über Fehler der Senkung, doppelte
Senkung, Auftakt und schwebende Betonung (S. 27 tf.). Seine
Skandieruug sehr vieler Verse fordert zum Widerspruch heraus.
Es ist daher nicht zu verwundern, dafs Luick in einer Anzeige
der Abhandlung in der Zeitschrift für die österreichischen
Gymnasien, Bd. 42, S.853f., EUinger's Auffassung glatt ablehnt.
9. Zu einer von Luick etwas abweichenden Meinung
kam H. Köster in seiner kritischen Ausgabe von „Huchown's
Pistel of Swete Susan'''' (1895). Für die alliterierenden Lang-
zeilen des Aufgesangs hält er an der Zweihebungstheorie fest,
und auch für den Schlufsvers der Strophe nimmt er zwei
Hebungen an ; aber seine Untersuchung der Tripletzeilen führt
ihn zu der Annahme von drei Hebungen für diese drei Verse.
Hiermit gelangt er also zu der Ansicht, die zuerst Horstmann
und Traut mann verkündet haben (§ 4). Er skandiert die erste
Strophe folgendermafsen :
per was iu Ä'ibiloine a iern, in pat Wrw riebe:
pat was a Jeu^ Jentil, and Joachim he hibt.
Ile was so Zele iu his /äwe: per Zived iion him Ziehe.
Of alle tiehes ]?at renke aräyed he was tiht.
His tnnes and his Jrchardes was wij? a rfep dieli,
i?alles and /terbergages Äeij apon /liht.
To seche purii f>at cite: l^er näs non sieh
Of crbes and of erberi so a'veuauutly diht
Pat däy,
Wipinne pe sercle of sees,
Of erberi and nlees
Of alle maner of tr6es —
Söpely to säy!
Auch Köster nimmt an, dals die Tripletverse des Ab-
gesauges aus den ersten Halbversen der Stabzeile abgeleitet
sind. Er glaubt aber, dafs sie unter Eiufluis des Keimes drei
528
Hebungen statt zwei erhielten, weil dieser zuweilen auf eine
sprachlich nebentonige Silbe fiel (wie in der drittletzten Zeile).
Und einen Beweis für die Dreihebigkeit findet er hauptsächlich
in dem häutigen Vorkommen von drei Stäben in den Triplet-
versen, z. B. in dem Vers BUpest hriddes o pe best 77. Dafs
seine Beweisführung nicht zwingend ist, geht daraus hervor,
dafs seine Schlufsfolgerung von Luiek (in Paul's Gruudrifs^
I, 173), Brotanek (im Beiblatt zur Anglia VI, 231) und Heuser
(in der Anglia XXX, 529) abgelehnt worden ist, wenn auch
nicht ohne einige Anerkennung für die Sorgfalt der Untersuchung.
10. Ein Jahr später erschien M. Trautmanns Aufsatz
„Zur Kenntnis und Geschichte der mittelenglischen Stabzeile"
in der Anglia, Bd. XVIII (1896), 83 ff. Von der Überzeugung
ausgehend, „dafs der ae. Stabvers (die halbe Stabzeile) nicht
ein zweitreffiger Vers sei, sondern ein viertaktiger", hatte er
beobachtet, „dafs die zweiten Hälften (die b -Verse) im Mittel-
englischen einen Takt weniger hätten als die a-Verse" ; und
so erklärte er zum ersten Male den me. Stabvers, den „geraden
Nachkommen" des ae., für einen „Siebentakter", mit vier
Takten vor, und drei Takten nach dem Einschnitte. Und
daraus ergab sich für den Abgesang in der Pistill of Susan,
in Golagrus and Gaivane usw. die Skansion mit vier Treffen
in den Tripletzeilen und dreien in der Schlufszeile, also grund-
sätzlich dasselbe Metrum, wie EUinger es für die Schweifreim-
strophe des Sir Perceval angenommen hatte. Als Beispiel sei
die erste Strophe der Susanyie mit Trautmann's Skandierung
hierher gesetzt:
Ther was in Sabiloiue a iern, || in tbat ftörw riebe,
That was a Jeugh jentil, || and Joacbim be bibt ;
he was so Zele in bis /äwe, || tbere ?ived uön bim ^cbe;
4 of all riches tbat renke || aräyed be was »iht:
bis innes änd bis o'rcbärdes || weren witbinne a (Z6p rfich,
/iälles änd /ierbergäges || /ley üppon /i6igbt;
to secbe tböm tbat cite || th6r nas non sieb
8 of erbes änd of erberi, 1| so ovenaiintlicbe idibt
tbat däy,
10 witbinne tbe sercle of sees,
of erberi änd alees,
12 of alle mäner of trees
«Sotbely to säy.
529
Leider bat Trautinann es sich nicht angelegen sein
lassen, einen Beweis für seine neue Ansiclit zu liefern; er hat
sieh darauf beschränkt, durch Skandieren einiger kurzer Proben
aus einer Reihe von Gedichten zu zeigen, dafs man die
alliterierende Langzeile siebentreffig lesen kann, aber nicht
dafs man sie so lesen muls.
Manche seiner Skandierungen sind, auch vom Standpunkte
seiner TLeorie, anfechtbar; z. B. in der Destriiction of Troy,
Zeile 2, einlies imd öii, wo in endlcs and 6nc zu bessern ist;
oder in der eben zitierten Strophe der Susanne ist besser zu
lesen Z. 6 hdlUs and hcrhergdges , Z. 11 of ^rheri and (xlces;
und in Z. 10 ist das End-e von ^erde stumm, und es ist etwa
%crhel zu lesen.
Später haben einige Schüler Trautmanns -F.Mennicken,
J. Fischer, H. Steffens und A. Schneider — ganze allite-
rierende Gedichte mit Hilfe seiner neuen Theorie untersucht ')
und haben geglaubt, die Richtigkeit werde dadurch bewiesen,
„dafs sieh fast alle (Halb-) Verse als Vier- bezw. Dreitakter
lesen lassen". Aber auch Luick hatte ja schon 2000 und
mehr Verse des Troy-BooJc genau untersucht, um zu zeigen,
dafs seine Zweihebungstheorie sich darauf anwenden lasse.
Es ist daher begreiflich, dafs weder Trautmann's kurze
Darlegungen noch die ausführlichen Abhandlungen seiner
Schüler ihn zu überzeugen vermochten; er hat vielmehr die
neue Theorie aufs entschiedenste abgelehnt und seine eigene
dagegen verfochten; siehe Anglia Beiblatt XII, 33 S. (1901)
und Pauls Grundrifs, 2. Auflage, IL Bd., s. 141 ff. (1905).
Auch viele andere Gelehrte sind bei der von Schipper
und Luick vertretenen Zweihebungstheorie geblieben; sechse
nennt Luick auf S. 178 im Grundrifs mit Namen: M. Förster,
E. SokoU, F. Holthausen, M. Deutschbein, G. Gerould
und O.Ritter. 2)
Schon hieraus ist ersichtlich, dafs Trautmanns Theorie
des Stabverses von ihm und seinen Schülern nicht hinreichend
') Auf diese Bonner Dissertationen habe ich keinerlei Einflufs gehabt;
ebensowenig habe ich für den vorliegenden Aufsatz etwas daraus ent-
nommen.
'^) Andrerseits hat wieder L. Morsbach Luicks Auffassung abgelehnt ;
siehe Festschrift für W. Foerster, S. 302 f.
Studien z. engl. Phil. L. 3^
530
bewiesen ist. und daher auch nicht seine Skansion des Ab-
gesanges der Suscume usw.
11. Auch alle, die sonst Trautmanns Auffassung an-
genommen oder eine ähnliche vorgebracht haben (mit Annahme
dipodischen Baues statt gleichtaktiger Skandierung), haben es
an schlagenden Beweisen mangeln lassen. B. Kuhnkes
Versuch, die Zweihebungstheorie zu widerlegen, in seiner
Königsberger Dissertation „Die alliterierende Langzeile in der
mittelenglischen Romanze Sir Gaivayn and the Green Knight'',
Berlin 1900. ist zusammen mit zwei gleichzeitig erschienenen
Dissertationen von Schülern Trautmanns von Luick im Beiblatt
zur Anglia XII, 33 ff., abgewiesen worden. Ein anderer Versuch
von A. Bunzen in seiner Dissertation „Ein Beitrag zur Kritik
der Wakefielder Mysterien", Kiel 1903, S. 22 ff., ist nichts
weiter als eine Umformung von Trautmanns monopodischer
Messung in dipodische; an eine Widerlegung der Zweihebungs-
theorie mit Gründen denkt der Verfasser nicht. Luick hat
auch Bunzens Theorie abgelehnt; s. Anglia Beiblatt XVII, 161 ff.
M. Kaluza, in seiner „Englischen Metrik in historischer Entwick-
lung*', Berlin 1909, S. 190 f., nimmt eine vermittelnde Stellung
zwischen Trautmann und Bunzen ein. Auch W. Heuser,
der bei Gelegenheit einer Ausgabe einer Katharinenhymne des
Ricardus Spaldyng im XXX. Bande der Anglia (1907), S. 523 ff.,
auf die tiefgehenden Meinungsverschiedenheiten über den Bau
des me. Stabverses zu sprechen kommt, wiederholt gegen die
Zweihebungstheorie eingestandenermafsen nur „die inneren
Widersprüche und Schwierigkeiten", die Luick selber alle
schon im Grundrils erwähnt, aber für nicht ausschlaggebend
erklärt habe. Damit kommt unsere Erkenntnis keinen Schritt
weiter. Was er ferner über den Ursprung des me. Stabverses sagt,
den er für eine Neubildung hält und in Zusammenhang bringt
„mit dem rein taktierenden Septenar", z. B. des Poema MoraJe,
ist ganz problematischer Natur. Aufserdem bietet er noch ein
paar Bemerkungen zu den Kurzzeilen, welche sich in der
Katharinenhymne, ähnlich wie in der Susanne, als Abgesang
den Langzeilen des Aufgesanges anschliefsen. Doch ist sein
Argument gegen die Zweihebungstheorie kein anderes als das
schon von Kuhnke vorgebrachte, der Halbverse mit drei
531
Reimstäben wie ])e ^xiaive mitcred ful snart Gawtiin 2003
und iibnliehes bereits obne Erfolg gegen Schipper und Luick
ins Feld geführt hatte. ')
Ein Zeichen dafür, dafs alle Bemühungen der Anhänger der
Siebentakttheorie die Zweihebungstheorie keineswegs beseitigt
haben, ist die Dissertation von J.Thomas, „Die alliterierende
Langzeile des Gawain-Dichters", Jena 1908. Nach Trautmanns
Theorie war der Stabvers des Gawains-Dichters bereits zweimal
genau untersucht worden: von Kuhnke (§ 11) im Jahre 1900 und
von Fischer (§ 10) im Jahre 1901. Trotzdem hat es Thomas
für nötig gehalten, dieselben Dichtungen nochmals genau auf
Grund der Zweihebungstheorie durchzuarbeiten. Er verwirft
die siebentaktige Messung — freilich ohne sie zu widerlegen
— und kommt zu dem Ergebnis, dafs „in der Hauptsache die
Zweihebungstheorie sich auf den Gawain- Dichter ohne jede
Schwierigkeit anwenden läfst", — was aber ihre Richtigkeit
leider ebensowenig beweist wie die Darlegungen von Kuhnke
und Fischer das Gegenteil.
(Nachtrag bei der Korrektur des Druckes:) Ebenso hält
in der allerjüngsten Publikation Holthausen an der Zwei-
hebungstheorie fest. In der schon (in § 2 Fufsnote) erwähnten.
1) Heuser weist auch auf eine merkwürdige, "im Mittelenglischen
völlig vereinzelte" Art der Reimbildung hin, die sich in der Katharinen-
legende in den lliugereu Kurzzeilen des Abgesauges findet. Der sechs-
zeiligc Abgesang der ersten Strophe lautet z. B. folgendermafsen :
To spare ße he tynt pere,
Qiven he his myht mynt pere
to momyl on his inaiüme7it,
And for pou styßy stynte pere,
As fyre doth of üynt pere,
pi xesons hyni rent.
Die Eigentümlichkeit besteht in der "konsequenten Anfügung eines
einsilbigen schwachtonigen Wortes, das meist ein überflüssiges Flickwort
ist, an den Schluls der [paarweise gereimten] Verse des Abgesanges". Als
Beweismittel gegen die Zweihebungstheorie benutzt Heuser diese Reime
nicht, obwohl er natürlich den Wörtcheu am Versende einen metrischen
Akzent gibt. An sich können ja derartige zusammengesetzte Reime sehr
wohl einhebig sein, wie in E. A. Poe's Raven:
'Wretch', I cned, 'thy God hath lent thee —
by those angds he hath sent thee
Respite — respite and nepenthe, etc.
34*
532
vou ihm uud Camyiou vorbereiteten neuen Ausgabe des Sir
Percevah deren Erseheinen jetzt unmittelbar bevorsteht, nimmt
er, im Ansehlufs an Luiek und Schipper, für das Gedicht
zwei Hebungen in jedem Vers an. Er beruft sich (in § 4
der Einleitung) auch auf Kaluza, Liheaus Desconus (1890),
S. LXIXf. Aber Kaluza, der hier Luicks Theorie für den
Perc. und ähnliehe Gedichte "rückhaltlos" angenommen hatte,
hat sie später natürlich mit der Zweihebungstheorie der Stab-
zeile fallen lassen; siehe seine "'Englische Metrik" (1909),
S. 222 f.
12. Es wäre nutzlos, noch andre Anhänger der einen oder
anderen Theorie über die Stabzeile oder die in Frage stehenden
Kurzzeilen hier namhaft zu machen; niemand sonst hat meines
Wissens Beweisgründe für oder wider eine der Theorien vor-
gebracht oder eine andere Skansion vorgeschlagen. Es genügt,
nochmals festzustellen, dafs überhaupt noch keine Gründe ver-
öffentlicht sind, die vermocht hätten, einen Gegner von seiner
Meinung abzubringen; wenigstens ist bisher nichts von einem
solchen Erfolge bekannt geworden. AVohl ist eine Ansicht oft
mit zu viel Siegeszuversicht verfochten. Am weitesten darin
ist wohl Schipper gegangen, der in seinem „Grundrifs der
englischen Metrik" (1895) alle, die sich durch seine Gründe von
der Zweihebigkeit der ae. und me. alliterierenden Halbzeile und
ähnlicher Verse nicht überzeugen lassen wollen, mit den Worten
yl']lfric8 Gif hicä ])ises ne ge\yfd, he is üngeXeafidtc zu den
hoffnungslos verlorenen Ketzern rechnet, die man ihrem traurigen
Schicksal überlassen müsse. Aber gerade seit dem Jahre 1895
haben viele Ungläubige ihre abweichenden Meinungen bekannt.
13. Gruppiert man, so sind im ganzen vier verschiedene
Ansichten über die Kurzverse der Sus.. des Av. usw. vorgebracht:
1. Horstmann und Köster geben den Tripletzeilen 3
und den Schlufszeilen 2 Hebungen (§ 4 und 9).
2. Lübke gab ihnen 3 oder 2, und bzw. 2 Hebungen (§ 5).
3. Schipper und Luiek geben ihnen durchweg 2 Hebungen
(§ 6 und 7).
4. Ellinger, Trautmann, Kaluza und Heuser geben
ihnen bzw. 4 oder 3 Hebungen (§ 8, 10 und 11).
533
Hiervon selioidet Tiiihke wolil ohne weiteres ans; und bei
der folgenden Untersucliung hantlelt es sieh also nnr darum,
ob die längeren Kurz/eilcn durchweg- 4, 3 oder 2 Ilcbnngen
haben und die kürzeren Sehlnfszeilen 3 oder 2. Damit sind
zugleich alle Möglichkeiten erschöpft.
14. Überblickt man die bisherigen Versuche zur Be-
stimmung des Metrums, so kann man dreierlei Wege unter-
scheiden.
1. Ilorstmann und Ellinger haben sich anscheinend
blofs durch ilir rhythniisichps Gefühl bestimmen lassen. Sie
sind jedoch zu entgegengesetzten P'rgebnissen gelangt. Ebenso
verschieden ist z. B. der Geschmack Luicks und Trautmanns,
die ihre eigne Skansion schön und die des andren unbefriedigend
finden. Auf diese Weise ist oflFenbar kein Ausgleich der
Meinungen zu erreichen.
2. Schipper, Luick und Trautmann sind von der
alliterierenden Langzeile aus zu ihrer Auffassung der Kurzzeilen
gelangt. Solange aber das Metrum des Stabverses nicht zweifel-
los feststeht, ist für einen auf diese Weise gezogenen Schluls
nicht auf allgemeine Anerkennung zu rjechnen. Im folgenden
ist daher von diesem Wege abgesehen.
3. Nur sehr selten sind die Kurzzeilen etwas näher unter-
sucht, um aus ihnen selber Beweisgründe für das Metrum zu
entnehmen. Eigentlich ist nur von Köster und von Heuser
ein Versuch dieser Art gemacht (siehe § 9 u. 11). Was Luick
in der Anglia XII, 440 ff. vorbringt, ist allzu summarisch, um
tiberzeugen zu können. Er ist von vornherein in der Meinung
befangen, dals die Kurzzeilen, wie die alliterierenden Halbzeilen,
zweihebig sind. Gelegentlich (S. 442 f.) findet er allerdings, dafs
z. B. „die ganze erste Strophe (12 Zeilen) von Lybeaus Disconus :
Jhesu Cryst, our Savyour,
And bis modyr, that swete flour,
Helpe hem at her nede,
That harkeneth of a conquerour,
Wya of Uz-ytte and it-yght icerronr,
And (foughty man in dede, etc.
als Schweifreimstrophe aus vier- und dreitaktigen Versen gelesen
werden kann"; ja, er fügt hinzu, dafs „sie sogar — für sein
534
Ohr wenigstens — in dieser Skansion viel wohllautender" ist.
Aber er lälst sich dadurch dennoch nicht von seiner grund-
sätzlichen Ansieht abbringen. Ebensowenig durch ähnliche Tat-
sachen, die er aus andern Gedichten anführt und die noch
deutlicher sprechen. (Siehe § 107.)
15. Bei dieser Lage der Dinge ist die Notwendigkeit
einer genaueren Untersuchung der Kurzzeilen nicht zu verkennen.
Sie dürfte jedermann willkommen sein, wenn sie zu einem
ül)erzeugenden Beweis führt. Nichts ist so nötig, als endlich
eine feste Grundlage zu gewinnen, über die kein Zweifel mehr
möglich bleibt.
Wie schon angedeutet, soll das Äv. der Untersuchung zu-
grunde gelegt werden. Wegen des unsicheren Standes der
Forschung über die me. Stabzeile empfiehlt es sich, dabei
zunächst von einer Berücksichtigung der allerdings ofienbaren
Beziehungen der Kurzzeilen zu den Laugzeilen abzusehen und
ohne vorgefaXste Meinung die Verhältnisse des einen Gedichtes
zu prüfen. Die verschiedenen Gestalten der einzelnen Verse
sind festzustellen, zu vergleichen und systematisch zu ordnen;
und es ist zu versuchen, aus dieser Zusammenstellung und Ver-
gleichung Schlüsse auf das zugrunde liegende Metrum zu ziehen.
Die einzelnen Verse für sich betrachtet lassen verschiedene
metrische Auffassungen zu, wie das aus der bisherigen Forschung
bereits genugsam ersichtlich ist. Welche von diesen ver-
schiedenen möglichen Skansionen die des Dichters war, kann
aus dem einzelnen Fall nicht erkannt werden. Wohl aber ist
vielleicht herauszufinden, welche metrischen Interpretationen
der vielen Einzelfälle sich zu einem vernünftigen, einfachen und
daher zum Dichten brauchbaren System vereinigen lassen. Es ist
bekannt, dafs ein und dieselbe kurze Wortgruppe verschieden
rhythmisiert werden kann (Beispiele siehe oben § 6 und 7);0
es ist aber nicht wahrscheinlich, dafs das Wortmaterial eines
Gedichtes von beträchtlichem Umfange eine solche verschiedene
') Vgl. anch A. Heuslers Beispiel Und dieses Herz fühlt wieder
jugendlich, welches 1. als Prosa gelesen werden kann, 2. als eine Jainben-
reihe, und 3. als „Füllung freier Viertakter". Siehe den kurzen Bericht
seines Vortrags auf dem Baseler Philologentage in der Zs. f. deutsche
Philologie XXIV, 93.
535
Rhytliniisieruiij;- zuläfst, dals man os von Anfang bis zu Ende
gleich richtig nach zwei oder drei verschiedenen metrischen
Systemen lesen könnte, — es sei denn, dafs der Dichter von
vornherein so ein Kunststück beabsichtigt hätte. Dies wäre
aber etwas so Aulsergcwöhnliches, dafs diese Möglichkeit fUr
unsere Untersucliung nicht in Betracht gezogen zu werden
braucht. Namentlich weil unser Gedicht aus Versen von
zweierlei ^Mafs besteht, nämlich aus den Triplet- und den
Schweifreimversen, denen aber doch offenbar etwas Gemein-
sames, etwas Einheitliches, in einem System Vereinbarliches
zugrunde liegt, ist zu erwarten, dafs durch sorgfältige und
deutliche Unterscheidung des Gemeinsamen und des Ver-
schiedenen in den beiden Versarten das wahre Metrum aufs
bestimmteste herauszuarbeiten ist. Es wäre ja überhaupt fast
unglaublich, dafs ein Gedicht — noch dazu ein gereimtes
Gedicht — von weit über tausend Zeilen, wie das Äv., bei
genauer Untersuchung sein Metrum nicht zweifellos verraten
sollte.
16. Vorab sei auf Grund meiner Vergleichung von Robsons
Ausgabe mit der Hs. eine Liste der handschriftlichen Lesarten
gegeben, die er ungenau wiedergegeben hat. Nur wenige
Fälle sind von Bedeutung.
1, 13 Wice. — h,l no mo. — 7, 4 raftc. — 7, 5 rengnyng]
Die Hs. hat rcnguyng, mit zwei Punkten unter dem ersten g\
lies also rennyng. — 8, 12 Hen tili. — 8, 13 Sir mit einem
kurzen senkrechten Endstrieh oben an dem r. — 9, 7 Quo se.
— 13,1 Span os; das a steht über ausgestrichenem e. — 15,3
Lies vidore. In der Hs. sind d und tt nicht zu unterscheiden.
— 17, 10 hur. — 18, 8 He. — 19, 2 Quile. — 24, 14 ^f^e. —
27, 5 kithun. — 27, 10 from. — 36, 11 po. — 36, 15 preucabull.
— 42, 10 joppiä. — 43, 3 Baiceivin. — 52, 9 vnto. — 53, 5
Damesoll. — 62, 10 hör. — 63, 4 per fore. — 64, 6 hrode. —
65, 16 heghhest mit einem Strich durch jedes der beiden inneren
h. — 67, 5 Zwischen come und a ist in über der Zeile zu-
gefügt. — 69, 15 mury. — 70, 2 hepiii. — 70, 6 Sethin, —
70, 7 Sythin. — 72, 11 holdin.
Aufserdem bat Robson oft th für handschriftliches p
gedruckt, und z. B. wille für will mit einem durch das II
536
gezogenen Strich, und ähnliches, was hier nicht der besonderen
Erwähnung wert ist.
17. Das Gedieht ist bekanntlich ums Jahr 1400 in nörd-
licher Mundart verfalst, in der einzigen erhaltenen Hs. aber
dialektisch stark entstellt. Fast in jeder Strophe ist aus dem
Reime zu erkennen, dafs das End-e in der Sprache des
Dichters verstummt war; vgl. z. B. die Reime sande 'Sand'
Akk. Sg. : lonäe 'Lande' Dat. : honde 'Hand' Dat. : siond Inf.
1,4 ff.; — lay 'lag' : (Z««/'Tage' Dat. : iimj 'Wege' Dat. 2, 13 ff.;
— bar 'Eber' (ae. bar) : arc 'eher' (ae. (Pr) : care 'Sorge' Akk. (ae.
care) 3, 1 ff. Sonst sind wegen der Silbenmessung nur noch
folgende Reime von einiger Bedeutung: lise (einsilbig) 'liegt'
3. Sg. : aprise Subst. : vnwise 59, 13ff. ; — ivise : price : lyce
(einsilbig) 'liegt' 3. Sg. 72, 5 ff. ; — prise : ladise (zweisilbig)
'Frauen' : wise 34, 5. Alle so durch Reime nachweisbaren
Formen entsprechen dem, was man von einem nördlichen Ge-
dicht am Ende des 14. Jahrhunderts erwartet.
In der nun folgenden metrischen Untersuchung sollen zuerst
die kürzeren Schluls- oder Schweifreimverse geprüft werden,
welche also in jeder Strophe viermal einzeln auf die längeren
Tripletverse folgen (vgl. § 2). Es soll gezeigt werden, welche
Versformen vorkommen, und ob das Metrum zwei- oder drei-
hebig ist.
A. Die Schlufs- oder Schweifreimverse.
18. Die Silbenzahl der Schweifreim- oder Schlulsverse
schwankt in Av. zwischen sieben und vier. Diese äufsersten
Grenzen zeigen sieh z.B. in folgenden zwei Versen:
and /jertely him re^roues 19, S
a well ^rrlm ^rise 2, 16
Im Gedicht von Sir Perceval (§ 2) kommen auch Verse
mit nur drei Silben vor ; z. B.
twelve stone wcghte Ferc. 2024.
Aus gewissen Formen der Tripletverse kann man schliefsen,
dals solche dreisilbigen Schlulsverse im Av. nur zufällig nicht
begegnen; denn, wie sich später ergeben wird, nur unter der
Annahme, dals der Dichter auch dreisilbige Schlulsverse
537
zulässig fand, läfst sich verstehen, dafs er vierzeilige Triplet-
verse schrieb wie
Kay I come home sone 44, 6
oder fiinfsilbige wie
he s^roke | Kay stlüy 21, 10
oder .sVayn hörn | downe s/ely 3, 5
oder myae a|vo\v wiake I 8, 0
oder sechssilbig-e wie
and I a|vo\v, sayd Kaye 9,5
Hierüber sehe man § 88 f. Diese Tripletverse enden alle aut
drei schwere Silben, die ich soeben durch einen senkrechten
Strich abgeteilt habe. Vor dem Strich stehen eine, zwei oder
drei Silben, wovon immer eine sprachlich betont ist. Es ist
dieser vor dem Strich stehende Teil, der den Tripletvers von
der für den Schlufsvers üblichen Form unterscheidet, wie
später ausführlich nachgewiesen werden wird.
11). Die längste Form der Schlufsverse (in Zeilen wie
aiid \sertcly Mm rc^roiics 19, 8) zeigt einen regelmäfsigen
AVechsel von einzelnen sprachlich unbetonten und betonten
Silben. Und die kürzeste mögliche Form (in Versen wie twclve
stone wcghte Perc. 2024) besteht aus drei schweren Silben;
keine von diesen darf tonlos sein, etwa von so geringer Stärke
als die zweite Silbe von stohJces (vgl. § 66 ff.). Denn Verse wie
twelve knigtes
doiuesman,
schildiis brade, oder
a fayre stede
kommen nicht vor, offenbar weil zwei schwere Silben zu-
sammen mit einer tonlosen nicht genügen.
Setzen wir für sprachlich betonte, d. h. mit natürlichem
Hauptton oder Nebenton versehene Silben das Zeichen — und
für sprachlich tonlose Silben das Zeichen x, so haben wir also
diese zwei extremen Füllungen von Schlulsversen :
x-x-x-x
und
Man sieht, die tonlosen Silben können stehen oder fehlen,
und zwar wird sich aus der folgenden Untersuchung ergeben,
dals entweder eine oder zwei oder drei beliebige oder alle
538
vier tonlosen Silben fehlen können. Alle hierdurch geschaffenen
Möglichkeiten kommen vor; also
(x) - X - X - (x)
(x)--x-(x)
(x)-x (X)
und (x) (x)
Schon diese Betrachtung der wechselnden Gestalten des
Schlnfsverses weist eher auf eine dreiteilige Gliederung hin
als auf eine zweiteilige, d. h. auf Trautmanns Skansion eher
als auf die von Schipper und Luick.
20. Aus dieser Betrachtung ergibt sich auch leicht eine
natürliche systematische Einteilung und Gruppierung der ver-
schiedenen Formen des Schlufsverses für die folgende nähere
Untersuchung. Es wird zu untersuchen sein das Auftreten
und Fehlen tonloser Silben
I. am Verseingang,
II. am Versende,
III. im Innern,
Und in diesem dritten Teil der Untersuchung ergibt sich
folgende weitere Einteilung:
1. Keine der beiden inneren tonlosen Silben fehlt.
2. Eine fehlt; nämlich
a) die erste,
b) die zweite.
3. Beide fehlen.
I. Der Yerseiugaiig.
21. In bezug auf den Verseingang gibt es zwei Gruppen
von Versen, je naclidem im ersten Teil des Verses eine sprachlich
volltonige Silbe oder nur schwächere Silben stehen. Zur ersten
Gruppe gehören Verse wie
sfokkes and stones 12, 12
imd pat iifd in this Zoade 1,8;
zur zweiten Verse wie
hym to rfethe digte 9, 8
und ne him to rfethe rfijte 4, 8
22. a) In der ersten Gruppe ist die sprachlich volltonige
Silbe, die von allen Metrikern auch als metrische Hebung
I
539
anerkannt wird, entwodor die erste 8ill)e dea Verees. oder es
geht eine einzige, ebenfalls allgemein als solelie anerkannte,
spraclilicb und metrisch unbetonte Silbe vorher; sonst sind die
Verse gleich gebaut, wie z. B. folgende Parallelverse zeigen
wyude to ]'e bore 5, 8
pat) lud in this londe 1,8
Aardi of /jonde 1, 12
os) hardy and wijte '11, 8
6^kkes and stones 12, 12
and) (7ape3 aud ^ones 12,4
honut on a stede 11,12
]iat) brediis iu pc rise 2, 12
^laddcly .^rawuntutte pay b, 10
füll) litill rechiejs lue 51, 12
Mehr Beispiele für alle Versarten können bequem in der
weiter unten (§ 30 ff.) gegebenen vollständigen Statistik ge-
funden werden.
"Weil die unbetonte Silbe zu Anfang nach Belieben stehen
oder fehlen kann und nirgends eine Kegel darüber zu erkennen
ist oder eine besondere Wirkung durch ihr Auftreten oder
Wegbleiben eintritt, so haben wir es hier offenbar mit einem
„echten*', d. h. aulserhalb der eigentlichen rhythmischen Takte
stehenden „Auftakte" oder „Vorsehlage" zu tun, worüber man
E. Sievers, Metrische Studien (1901), S. 54 ff., nachlesen möge.
23. Da, wie bereits oben (§ 18 ff.) gezeigt, neben Versen,
die auf drei tonfähige Silben enden, wie
a well grim griae 2, 16
I jrold Jüete more 64, 4
auch dreisilbige Verse möglich sind und im Fcrc. auch vor-
kommen, z. B. fy„e stryde mette Perc 1708
twelve stouc weghte Perc. 202),
80 ist auch die unbetonte Silbe zu Anfang der beiden erst au-
geführten Verse nicht als eigentliche „Eingangssenkung", sondern
als „Auftakt" aufzufassen; also
a) well grim grise u. ä.
24. Zweisilbiger Auftakt ist verhältnismälsig sehr selten
überliefert; drei- und mehrsilbiger kommt gar nicht vor:
540
pat j^e) rote is vun;;;te 4, 12
to pe) ilennc connc he r/raw 6, 12
so sore) gerutte liim to drcdc 11, 16
sir, a) »»eruael thiuke me 37, 4
euj^n) dowue to payre fete 39, IG
schall haue) u'ontyng of tvjfe 60, 8
Es ist sehr wolil möglich, dafs der Dichter leichten zwei-
silbigen Auftakt zulässig fand;') aber es ist unwahrscheinlich,
dafs alle diese sechs Verse so vom Dichter verfafst sind.
Vielmehr ist bemerkenswert, dafs alle sechs die regelrechte
Form von Versen der längeren Art haben, wie er sie für die
Triplets verwendet (siehe §86 ff.).
Der Vers 11, 16 so sore gerutte him to drede ist bei jeder
metrischen Interpretation unbefriedigend, sowohl mit zwei als
mit drei Hebungen. Mit nur zwei Hebungen würde entweder
X — xxxx— o^ß*" XX -XXX- "^^^ lesen sein; aber für keine
der beiden Skansionen wäre ein zweites Beispiel im Gedieht
zu finden. Bei Annahme von drei Hebungen ist der zweisilbige
schwere Auftakt aufsergewöhnlieh. Doch ist der Vers mit
Sicherheit zu bessern, da auch andere Verse mit dem Präte-
ritum gerutte metrisch falsch sind uud alle durch Einsetzen
der einsilbigen Form gert richtig gestellt werden können.
Vier solche Verse sind in § 35 angeführt und fünf andere in
§ 100. Überdies ist einsilbiges gart in dem Tripletvers gart
threte ])o othir for to slo 60,2 wirklich überliefert und einmal
die Fehlschreibung gret 63, 5. Da also ein und dieselbe
Änderung so häufig Regelmäfsigkeit herbeiführt und für die
einzusetzende einsilbige Form gert oder gart auch in der hand-
schriftlichen Überlieferung Stützen zu finden sind, so ist der
in Frage stehende Vers 11, 16 so sore gerutte him to drede
wohl sicher mit einsilbigem Auftakt folgendermafsen zu lesen :
so) sore gert him to drede,
wodurch er die metrische Form zahlreicher anderer Verse
erhält (vgl. § 31 ff.).
Müssen so viele Verse auf diese Weise gebessert werden,
so erhält man einiges Recht, auch an anderen Stellen wegen
1) Im Perc. begegnet er sehr oft; zahlreiche Beispiele sind bereits
in ij 7 gegeben. Aber in diesem Gediclit läfst sich auch sonst abweichende
Versfüliung nachweisen.
I
541
des Metrums zu ändern. In dem angeführten Vers C, 12 (mit
zweisilbigem Auftakt in der Überlieferung: to ])C de;me co7ine
he draiv) kann he getilgt werden ; dadurch kommt der Vers
auf das richtige Mals (vgl. §33/9). Der Schreiber hat an-
scheinend das he aus der vorhergehenden Zeile wiederholt.
Im Miltelenglischen kann aber ein persönliches Fürwort als
Subjekt das zweite Mal fehlen (siehe EUinger, Syntaktische
Untersuchungen zu Sir Pcrccval, 1893, S. 18^. Die Stelle
lautete also ursprünglich wohl:
Qnen ["at he /terd, he hade care,
To pQ denae conne draw.
In Vers 37, 4 Sir, a meruael thinhe me ist Sir entbehrlieh.
In 39, 10 eiiyn doivne to J^ayre fete kann e[uy)n einsilbig ge-
lesen werden; vgl. einsilbiges nere 52,15 = never im Reim
auf herc und fere. Statt ivontyng kann der Dichter ivont ge-
schrieben haben in 60, 8 schall haue wont{yng) of wyfe (ohne
Auftakt). Und schliefslich ist nicht unmöglich, wenn auch
nicht wahrscheinlich, dafs statt ]jat pe) rote is viirigte 4, 12
ursprünglich gestanden hat ])e) rote is vnxi^tc. Dann bliebe
kein Schlufsvers mit zweisilbigem Auftakt übrig.
25. b) In der zweiten Gruppe (vgl. § 21) liegen die Ver-
hältnisse einfacher. Die hierher gehörigen Verse sind durch
zwei starke Hebungen am Ende des Verses ausgezeichnet, die
entweder unmittelbar aufeinander folgen oder durch eine einzige
unbetonte Silbe getrennt sind; nach der Zweihebungstheorie
sind e« die einzigen Hebungen des Verses. Voraus gehen immer
entweder zwei oder drei schwächere Silben, nie weniger.
Folgende und zahlreiche andere gleiche oder ähnliche Parallel-
verse zeigen, dafs die erste von diesen drei schwächeren Silben
als „echter Auftakt" aufzufassen ist; er kann beliebig stehen
oder fehlen, sein Erscheinen ist an keinerlei metrische Kegeln
gebunden, und kein besonderer künstlerischer Effekt wird durch
sein Setzen erzielt:
hym to dethe diste 9, 8
ne) hlm to ciethe di^te 4, 8
to )?ine Äerte /lold 72, 8
iü) tili uiir fced 6eed 61, 16
pat iü /"ritli /'oandes 3, IG
and) of bis life drediis 40, 12
1
542
üf )?i ladi (53, IC
with) outen letting 30,10
in payre /loltus höre 43, 12
and) for our lyuya pray 69, 8
Mehrsilbiger Auftakt kommt in dieser Gruppe nicht vor;
eine Silbe mehr im Anfang würde den Schlufsvers vielmehr in
einen Tripletvers verwandeln (§ 86 ff.).
Dals in Versen wie 7ie Mm to Acthe Aigtc 4, 8 oder and of
his life clredus 40, 12 u. ä. nur die erste Silbe als Auftakt an-
7Aisehen ist, gebt daraus hervor, dafs, wie schon angedeutet,
nur sie, nicht aber zugleich auch die zweite fehlen darf. Aus
demselben Grunde ist es ausgeschlossen, in Versen wie pat in
früh foundes 3, 16 Auftakt anzunehmen, da die erste Silbe
unentbehrlich ist. Die Formen
X--
X--X
x-x-
x-x-x
kommen als Schlufsverse nicht vor (vgl. § 19).
II. Der Versausgang.
26. Die meisten Verse enden stumpf; klingender Vers-
ausgang ist verhältnismäfsig selten. Dies erklärt sich aus dem
damaligen Sprachzustand.
27. Gerade nun wie alle Versformen mit oder ohne Auftakt
auftreten können (§21 flf.), so kann jede Versform auch beliebig
stumpf oder klingend enden. Man vergleiche z. B. folgende
Parallelverse: , , , ^i j- . n o
hym to aetbe aijte 9, 8
that in /rith /oundes 3, 1 G
ne of no öirde bry^te 9, 12
and in pe holte /loues 1 ü, 4
quere ?üan pou ]?at ii^i^te 2(i, 4
I bede pe my glouus 19, 12
and sfifly wold s^ond 1, IG
so (/risly lie (/ronus 12, IG
his fcuguU con be Maw 6, 4
and ^ertly bim re^^roues 1 9, 8
pat üfd in tbis londe 1,8
and hart of my /io wundes 3,4
543
28. Aus diesen Beispielen, die sieh leieht vermehren lasj^en,
folgt, dafs der klingende Ausgang eintaktig ist. Die zweite
Silbe ist immer von der leichtesten Art. Dagegen sind Wörter
mit schweren Endsilben wie lady, letting, sorehj, tithand am
Versende immer zweitaktig. Dies geht daraus hervor, dafs
neben Versen wie
wip Ms lady 56, 8 (§ 57 b)
Verse wie wip his hoivndes
nie vorkommen, wohl aber
and on ke'ne Kciij 8, \ (§ 56);
oder auch daraus, dafs neben Versen wie
withouteu letting 30, 16; 31, 12
he had no horsing 31,8
opon f>e bed-syde 55, 4 u. ä.
nie Verse begegnen wie
withouten howudes
he had no howudes
opon pe beddes,
wohl aber 7ie him to äethe diste 4, 8 u. ä. (§ 54).
29. Der Reim erstreckt sich immer nur auf einen Takt.
Er ist also entweder einsilbig (z. B. hrinye : Jdiiy; oder thingc :
letting) oder zweisilbig {hoiüundes : woivundes). Nie begegnet
etwa riding : ahiding oder ähnliches.
III. Das Tersinuere.
30. Nachdem so festgestellt ist, dafs eine unbetonte Silbe
am Anfang wie am Ende eines Verses nach Belieben stehen
oder fehlen kann, darf in der weiteren Untersuchung von einer
ständigen Unterscheidung von Versen mit oder ohne Auftakt
und von Versen mit stumpfem oder klingendem Ausgang ab-
gesehen werden. Was so noch genauer zu prüfen bleibt, —
also Verse ohne Auftakt und ohne überschüssige Schlufssilbe
und Verse, von denen Auftakt und unbetonte Schlufssilbe ab-
getrennt ist, — kann der Kürze wegen Versrumpf oder Vers-
körper genannt werden. Er besteht bei den Schlufsversen
entweder aus fünf oder vier oder drei Silben:')
') Dies ist auch gemeint, wenn zuweilen der Kürze wegen von „lÜnf-
silbigen Versen" usw. gesprochen wird.
544
1. Füüfsilbig ist der Rumpf z. B. in den Versen
^fladdely prawuutntte pay 8, IG
]7us) Kalkes he him iille 29, 4
and) fcrittuut all to fcon(us 12,8
Verse dieser Art haben stets drei spraclilicli betoute Silben
und zwischen diesen je eine unbetonte.
2. Verse mit viersilbig-em Rumpf haben stets eine
spraehlich unbetonte Silbe, entweder an zweiter oder dritter
Stelle. An zweiter Stelle steht sie z. B. in folgenden Versen:
ichone sere way 10,4
aud) durst notte /nrthe /tire 64,16
]?at in /rith /bund(es 3, 16
aud) in pe holte /iou(es 19,4
to) here bis tithand 47, 16
An dritter Stelle erscheint die schwächste Silbe in folgen-
den Beispielen:
qnatt schall I geue 24, 8
and) /'erd /'urthe in /"ere 50, 16
for) swelle of'er swiek(is 15,12
3. In Versen mit nur dreisilbigem Rumpf hat jede Silbe
einen sprachlichen Haupt- oder Nebenton (vgl. § 19):
a) well ^rim ^rise 2, 16
]7at) ^riselich geste 7,16
Diese Silbenzahlen stehen für den Verskörper fest. Die
einzigen Ausnahmen sind in § 35 besprochen.
Wie schon aus den angeführten Beispielen ersichtlich, ist
jedoch die natürliche Akzentstärke der zur Versfüllung dienen-
den Silben einigermafsen schwankend, so dafs sich das zugrunde
liegende Metrum nicht ohne weiteres deutlich verrät. Im
folgenden ist daher die Versfulluug genauer zu untersuchen.
1. Fünfsilbiger Verskörper.
31. Der fünfsilbige Vers oder Versrumpf (d. h. ohne Auf-
takt und überschüssige Endsilbe) hat, wie gesagt, in allen
Fällen einen regelmälsigen natürlichen Wechsel von einzelneu
starken und schwachen Silben: (x)-x-x-(x); z.B.:
Zette vs haue oure iife 60, 4
and) Z^rittunt all to 6on(us 1 2, 8
545
Die drei starken Silben können volle oder geringere Stärke
haben, sind aber stets den nächst benachbarten Silben an
Nachdruck überlegen. Meist sind zwei von den starken Silben
stärker als die dritte; viel seltener tritt nur eine von den beiden
andern hervor. Ganz gleiche Betonung aller drei kommt kaum
vor. So schwankt die Versfülhing zwischen den beiden Extremen
von Versen mit drei sogenannten Vollwörtern (Substantiven,
Adjektiven, davon abgeleiteten Adverbien, gewissen andern
Adverbien und Verben), und solchen mit nur einem Vollwort;
vgl, folgende zwei Beispiele der beiden äufsersten Grade:
gif him sory care 71,8
foT hur fov to /'igte 27, 4.
Nur in diesem und zwei andern Versen (siehe § 33«, c)
kommt dreifache Alliteration vor; in dem Umfange ist sie
also vielleicht nur zufällig. Oft sind die zwei stärksten Silben
mit Alliteration ausgestattet, zuweilen auch eine starke und
eine mittelstarke. Die Alliteration kann jedoch auch fehlen.
Zu der folgenden Einteilung in Gruppen ist (wie auch bei
den späteren Abschnitten) zu bemerken, dafs eine strenge
Scheidung nach der Tonstärke nicht immer möglich ist, da die
Satzbetonung von widerstrebenden Faktoren abhängig ist, so
dals oft nicht gesagt werden kann, welcher vorwiegt; am
brauchbarsten ist daher wohl die Einteilung nach der Anzahl
der Vollwörter im Verse,
a) Verse mit drei Vollwörtern.
32. In diesen Versen mit stärkster Füllung können die
drei Vollwörter alle mit gleichem oder doch fast gleichem
Nachdruck gesprochen werden. Es kann aber auch eine beträcht-
liche Unterordnung stattfinden, entweder eines Wortes oder
selbst zweier.
«) Verse mit Alliteration an erster und dritter Stelle:
ich) ertheli thinke has ende 62, 16
lütte vs haue oure life 60, 4
Im erstgenannten Vers ist thirike in natürlicher Rede dem
vorhergehenden Adjektiv an Betonung untergeordnet. Im zweiten
hat haue die Bedeutung 'behalten', ist also als Vollwort zu
betrachten. Dieser Vers läfst mehrerlei Abstufung zu.
Studien z. engl. Phil. L. 35
546
ß) Verse ohne Alliteration:
gif hirn sory care 71, 8
he) stode butte lituU awe 6, 16
and) toke bim vppe on werre 21,16
Über den Vers pe tone behouus ])e nede 40, 16 siebe § 35.
b) Verse mit zwei Vollwörtern,
33. Die beiden Vollwörter können an erster und dritter,
an erster und zweiter, und an zweiter und dritter Stelle steben.
«) Verse mit stärkster Betonung an erster und dritter
Stelle und Unterordnung der zweiten. Der Grad der Unter-
ordnung, bier wie in den folgenden Gruppen, kann ver-
schieden sein,
a) Verse mit Alliteration an den beiden stärksten Stellen,
An der mittleren Stelle steht meist ein schwächer betontes
Wort (von verschiedener Stärke), Pronominaladjektiv, Adverbium,
Pronomen, Präposition, Konjunktion, Hilfszeitwort ') oder dgl,:
him) ruet all his rees 22, 16 1 34,4; 35, 16; 39, 8; 42, 12;
and) Wttunt all to ftonus 12,8 00,16; 62,8; 72,16;
hold f>at ]7ou be-/iejte 34, 8
the) soth [schall] thou me sayn 33,8;
ähnlich 38, 8
and) ^ertely him re^^roaes 19, 8
J'us) falkes he him ^ille 29, 4
rennyng on a raw G, 8 ; ähn-
lich 51, 4
was) /allun in \>e filde 13,8; ähn-
lich 22, 4; 28, 12; 29, 12;
and) lernet as pe Zeuyn 65,4; ähn-
lich 53,8
to) M/'ete wythoutyn wene 48, 12
his) 6ugull con he ftlaw 6,4; ähnlich
14, 12; 44,16; 65,16; 70,16,
and) sguithely ger(u)t him sauere
36, 12 2)
jett) dyntus ger(a)t him (to) dedur
25, 8 3)
Hierher ist auch vielleicht ])i) "^atis are euyr ^are 64,8 zu
stellen; wenn nämlich ere für euyr einzusetzen ist (siehe § 35).
Ebenso der Vers and) s^illutte on hom gode spe^e 11>8, wenn
spillute einsilbig zu lesen ist (siehe § 35), Vielleicht auch der
Vers schall haue vfontyng of vfyfe 60, 8 ; nämlich wenn ivontyng
in wont verändert wird, worüber § 24 zu vergleichen ist.
') Die Anfzählnng und Unterscheidung dieser sogenannten Formwürter
mit Beispielen kann bei den folgenden Gruppen unterbleiben.
*) Für das handschriftliche ^erw^ ist einsilbiges ^e»i einzusetzen; siehe
§ 24 u. 35.
^) Statt yerut ist gert zu lesen und to ist zu streichen ; siehe § 24 u. 35.
i
547
Die mittlere, schwächer betonte Silbe kann auch die letzte
Silbe eines dreisilbigen Wortes sein:
pis) Satanas me sekes 15,4
Jone) »S'ateuas to say b, S
b) Verse mit derselben Betonung, aber ohne Alliteration:
fat) bredus in pe rise 2,12; ähn-
lich 13,4; 17, 8; 35, S; 16,4
houut on a stede 11,12; ähyi-
lich 24,4; 31,4; 53, 12
so) runuun pay to ged(ur 25,4;
ne) lengur myjte he wake 17, IG;
ähnlich 37, Ki; 51, 16
Lord, 56 schall wel wete 66, 16
se I neujT are 49, 12
de)lyuer(y)t hase pon Kay 26,8')
ähnlich 19, 16 je) ger(ijt)te me notte to flee 41,4-)
c) Verse mit Alliteration an allen drei Stellen, auch der
mittleren schwächeren; vielleicht nur zufällig (vgl. § 31):
wecul way ho »«ende 62, 4
such) /iarmes /taue I /lente 44, 16
b) Verse mit Alliteration an erster und zweiter Stelle,
obgleich diese den beiden andern untergeordnet ist; vielleicht
z. T. nicht beabsichtigt:
in) tfedde I ?6'old hur lay 26, 16
to) fake bit ^o none ille 29, 8
he) jfepputte ttnndnr-sore ') 18,8
ß) Mit stärkster Betonung an zweiter und dritter Stelle
und schwächerer an erster:
q) mit Alliteration an den beiden stärksten Stellen:
how he dedde his (/ede 11,4 butte) he may /tarmes /jente 28,8
in payre Äoltns /tore 43,12 naiithir of fting ner Ärnyste
9,16*)
Auch der Vers to pe dicnne conne he Araic 6,12 ist hierher
zu stellen, wenn he gestrichen wird; siehe darüber § 24.
b) Mit derselben Betonung, jedoch ohne Alliteration:^
and) inne pe courte is ligte 34,12. and) for cur lyuys pray 69,8.
]>dX) is a bettur rede 61,8 his) was a sekur thinge 30, 12
os) he had keghet scathe 16,12 | hen-)till to-morne atte day 8,12
1) Das handschriftliche delyueryt ist in zweisilbiges delyiiert zu
bessern; siehe § 35.
^) Statt genitte ist einsilbiges gert zu lesen; siehe § 24 u. 35.
^) Vgl. die deutsche Betonung von wunderschön, das allerdings
zweierlei Betonung haben kann.
*) Über nauthir siehe § 35.
35*
548
/) Verse mit stärkster Betonung an erster und zweiter
Stelle und schwächerer an dritter:
q) Mit Alliteration an den beiden stärksten Stellen:
gfladdely ^rawuntatte pay 8, 16
b) ohne Alliteration:
fall) litill rech[e]s me 51, 12
e) Verse mit nur einem oder ohne Vollwort.
34. Hier seien die noch übrigen Fälle zusammengestellt.
Dabei ist zu bemerken, dals auch nicht eigentliche „Vollwörter"
volle Betonung haben können.
a) Mit Alliteration an allen drei Stellen; das letzte Wort
hat die stärkste Betonung:
foT hur for to fi^te 27,4
ß) Ohne Alliteration. In den meisten Fällen hat das
letzte Wort den gröfsten Nachdruck.
für him bade he drede 54, 16 do) pou me neuyrmore 45, 16
with-)üutun any stryue 60, 1 2
and pou will no^te layne 58, 4
p'at he may only^te 38,12
pen per othir toe 59, 8
]?at) he myjte e(uy)r it feie 13,12»)
howsume(uy)r hit cheuis 24, 1 6 »)
wiste he neuyr quednr 25,12
will 56 any more 43, 4
and) all hur compauy 63, 8
wif> J?e schall he be 51,8
teile me quyche is hit 66, 12
35. Zum Schlüsse ist im Zusammenhang zu handeln über
die bereits in die obigen Listen mit eingereihten Verse, welche
mit zwei aufeinander folgenden tonlosen Silben im Versinnern
statt einer einzelnen überliefert sind. Ihre Zahl ist nicht grols ;
und in einem Teil der Fälle ist ganz sicher zu bessern.
Namentlich ist dies zulässig oder vielmehr notwendig, wenn
durch eine und dieselbe Änderung mehrere Verse regelmälsig
werden.
In zwei oder drei Versen ist für euyr die einsilbige Form
er oder ere einzusetzen. Dafs der Dichter diese Form kannte,
lälst sich auch aus dem Reim nere (= neuer) : here : fere
52,15 schlielsen. Aulserdem ist zu vergleichen, was in § 24
über die Form euyn im Auftakt gesagt ist. Die Verse lauten :
*) Hier ist euyr einsilbig zu lesen; siehe § 35.
549
f>at) he myjte e(iiy)r hit feie IT, 12
ho\vsuiiie(tiy)r hit cheuis 24, 16
p\) ^atis ar e(uy)r ^are 64, 8
Die letzte Zeile kJmnte ursprünglich auch ])i jaf is ewjr
Zare gelautet liaben, und die Änderung könnte durch Verlesen
von ^at is als gatis veranlafst sein.
Ahnlich ist eine Kurzform ohne v wahrscheinlich in Vers
40, 16 einzusetzen:
pc toue behonus J'e ncdc.
So wie er da steht, hat der Vers das Mafs eines Triplet-
verses (vgl. § 89). Aber schon im Altenglischen kommt in den
Lindisfarner Evangelien hooßic für bchoflic vor (siehe Cooks
Glossar S. 19). Mittelenglische einsilbige Formen für die
3. Sing. Präs. Ind. des Verbs sind im 'New English Dictionary'
unter bus gesammelt. Man lese also
p>e) tone bos fe nede,
wodurch der Vers zu den viersilbigen kommt (siehe § 48). 0
In vier andern Versen, die in der Überlieferung ebenfalls
das Mafs von Tripletversen haben, ist einsilbig gert oder
gart einzusetzen (vgl. § 24) :
je) ger(u)t(te) me notte to flee 41, 4
and) s^idthely ger(u)t him sauere 36, 12
so) sore ger(u)t(te) him to drede 11,16
jett) fZyntus ger(u)t him (to) dedur 25, 8
Im letzten Vers ist auch to zu streichen, welches nach gert
stehen oder fehlen kann. Dals dies Prät, im Gegensatz
zu andern einsilbig ist, erklärt sich durch seine Bedeutung
und enge Verbindung mit dem folgenden Infinitiv, wodurch
es in der Betonung herabsank und Verkürzung erfuhr.
In Vers 26, 8 delyuerijt hase pou Kay ist delyueryt drei-
silbig zu lesen. Zwischen v und r stand im Altfranzösischen
und daher auch anfangs im ME. kein Vokal: altfranzösisch
deliurcr ergab zunächst das me. Prät. delyuryt. Und auch
wenn diese Form verloren ging und durch eine Neubildung
vom Infinitiv delyuer (mit sekundärem e) ersetzt wurde, so
') Diese Verbesserung wird gestützt durch den Tripletvers go behoues
gild vppe pis stid 69, 7, welcher ebenfalls eine ungewöhnliche Form hat
die durch Einsetzen von bos für behoues beseitigt wird (siehe § 83).
550
hatte die lautliche Entwicklung des viersilbigen ddtjaeryt zur
Zeit der Abfassung des Gedichts durch Synkope des e in der
vorletzten Silbe doch bereits wieder zu deJyu{e)ri/t geführt.
Daneben bestand noch die Möglichkeit, durch Neubildung vom
Präsens delyuer ein Prät. delyiiert zu bilden, durch Zufügung
eines blofsen t, da der Stamm auf eine unbetonte Silbe aus-
ging. Beide Formen machen den Vers metrisch regelmäfsig.
Bei dem Vers nauthir of kmg ner 'knyste 9,16 ist daran
zu erinnern, dafs bei Shakespeare either und whether im Verse
einsilbig gemessen werden (siehe H. Reimer, Der Vers in
Shakespeare's nicht -dramatischen Werken, Bonn 1908, S. 25);
ebenso bei Chaucer whether und rather (siehe ß. ten Brink,
Chaucer's Sprache und Verskunst, § 263), und in den Werken
des Gawain-Dichters oper, ivheper und sy])en (nach J. Thoraas,
Die alliterierende Langzeile des Gawain-Dichters, Jena 1908,
S. 30). Wenn nicht für nauthir eine Form ohne th anzunehmen
ist, so kann Verschleifung des folgenden Vokals vorliegen.
Vgl. auch unten § 83.
Hiernach ist nur noch ein einziger Vers mit einer über-
zähligen Silbe übrig, die ihn für einen Schlufsvers zu lang
macht und ihm das Mals eines Tripletverses gibt (vgl. § 80 ff.) :
and sj;illute on hom gode s^jede 11,8.
Doch auch hier kann der Dichter sehr wohl eine einsilbige
Form statt spülutte gebraucht haben. Das ae. und früh-me.
Prät. lautete spilde. Daraus wurde spild\ und hierfür konnte,
wie in der ne. Schriftsprache, spilt eintreten.
36. Es bleibt also kein sicherer Vers mit zwei aufein-
ander folgenden tonlosen Silben übrig. Vielmehr ist keine mehr
als fünfsilbige Füllung des Verskörpers für die ursprüngliche
Form des Gedichtes anzuerkennen, und betonte und unbetonte
Silben wechseln also einzeln nacheinander ab (§ 31).
37. Prüft man nun die in § 31 — 35 zusammengestellten
und nach dem wechselnden sprachlichen Material geordneten
fünfsilbigen Verse näher, um das zugrunde liegende Metrum
zu erkennen, so muls vielleicht zugegeben werden, dafs die
Verse einzeln für sich betrachtet alle sowohl mit zwei als mit
drei Hebungen gelesen werden können. Doch sind die beiden
metrischen Auffassungen nicht gleich gut.
551
38. Eins ist sofort sicher; uämlieh, dnfs bei Annahme von
drei Hebungen nieht die geriny-stc Schwierigkeit besteht. Die
Skansion ergibt sich in allen Phallen von selber, da sie mit der
natürlichen Hetonnng vollkommen übereinstimmt. Dafs die
HebuDgeii nicht alle gleich stark sind, ist in der nie. Dichtung
ja überhaupt das Gewöhnliche. Diese Messung der fünfsilbigeu
Schlufsverse ist also, weil natürlich, auch durchaus befriedigend,
und alle Verse zeigen den gleichen Wechsel von Hebung und
Senkung (vgl. § 31); nämlich die Form
x)-x-x-(x-
Ob auf sei' dieser einfachen Abwechslung von Hebung und
Senkung noch eine andere, höhere Gliederung des Verses durch
Abstufung der Hebungen stattfindet, ist eine weitere Frage,
die hier aufser Betracht bleiben kann.
39. Bei der andern Auffassung — mit nur zwei Hebungen
— mufs eine der drei sprachlich betonten Silben zur metrischen
Senkung herabgedrückt werden. Welche das ist, ergibt sich
gewöhnlich von selber, da in den meisten Versen eine von den
sprachlich betonten Silben bedeutend schwächer als die beiden
andern ist; z. B. in den Versen
höiiut on a stede 11, 12 | pat is a bettur rede 61,8
J?at bredns in pe rise 2, 12 | ^läddely ^räwuntutte pay 8, 16.
In andern Fällen muls ein Voll wort in die Senkung treten;
z. B. in «r u- / • ^1 o
gif him sory care 71,8.
Dieser Umstand ist häufig gegen Schipper und Luick
ins Feld geführt worden; aber Luick hat mit zahlreichen
ne. Beispielen gezeigt, daXs eine solche Rhythmisierung nicht
unmöglich ist (Anglia, Beiblatt XII, 40ff.). Dafs sie jedoch
für die in Frage stehenden me. Gedichte angenommen werden
mufs, folgt daraus freilich nicht. Es erheben sich aber auch
noch andere Bedenken.
40. 1. Bei Annahme von nur zwei Hebungen wird die
Stellung der Senkungen zu den Hebungen beinahe regellos, —
jedenfalls so unbestimmt, dafs sich keine einfache oder ver-
nünftige Regel für den Wechsel von Hebungen und Senkungen
geben läfst. Die zwölf möglichen Versformen von fünf Silben
552
(und mit oder ohne Auftakt und unbetonten Ausgang) sind bei
Annahme von nur zwei Hebungen:
X) - X X X - (x
X) X X - X - (x
x) - X - X X (X
Fast alle sind wirklich belegt.
Das Übereinstimmende besteht allein in den zwei Hebungen;
die Senkungen aber können ein-, zwei- und dreisilbig sein.
Doch nicht nach Belieben. Stehen drei Senkungssilben in der
Mitte, so ist am Anfang und Ende des Verses nur eine einzelne
unbetonte Silbe möglich, aber nicht erforderlich. Steht eine
einzelne Senkungssilbe zwischen den Hebungen, so kann der
Vers mit einer, zwei oder drei Seukungssilben anheben oder
auch ohne eine solche. Je nachdem gestaltet sich dann der
Versschlufs nach der zweiten Hebung; dieser folgen entweder
keine oder eine oder zwei oder drei Senkungssilben. Nämlich
keine oder eine folgt, wenn bereits drei oder vier Senkungs-
silben vorausgehen; aber zwei oder drei beschlielsen den Vers,
wenn vorher nur eine oder zwei Senkungssilben angebracht sind.
Vernünftige Gründe für diese Regeln sind nicht erfindlich ;
die tatsächlich vorliegenden Verse fügen sich aber diesen
Regeln. Niemand wird zu behaupten wagen, dafs der Dichter
die Verse nach so verwickelten Regeln verfafst habe; auch
nicht, dafs er die komplizierten Erfordernisse des Verses in
solcher Gestalt unbewufst im Gefühl gehabt habe, so dafs die
Verse ihm von selber in diesem Sinne korrekt von den Lippen
oder von der Feder flössen, ohne dafs er sich Rechenschaft
von ihrer Richtigkeit geben konnte.
Im weiteren Verlaufe dieser Untersuchung wird noch klarer
werden, dafs überhaupt bei Annahme von nur zwei Hebungen
keine brauchbaren Regeln zu finden sind, nach denen das Äv.,
80 wie es vorliegt, hätte verfafst werden können.
41. 2. Eine Besonderheit der Zweihebungstheorie ist es,
dafs in vielen Versen neben den Hebungen auch nebentonigen
Silben eine gewisse Rolle zugewiesen wird (in den Triplet-
versen wie den Schlufsversen) ; siehe Luick, Anglia XII, 450 f.
und in Pauls Grundrils^ II, 172; und von ihm z.T. abweichend
Schipper, Grundrifs der englischen Metrik (1895), S. 89 ff.
«
553
In einem früheren Aufsätze (Anglia XI, 411) bezeichnet Luiek
einen solchen Nebenton genauer als „rhythmischen Nebenton,
d. h, eine mehr betonte Senkungssilbe", die nicht als „Neben-
hebung" aufzufassen sei. Namentlich wird diesem Nebenton
Bedeutung gegeben am Versschlusse, wo er „genügt, um die
Schlufssilben für den Reim zu qualifizieren" (Luick, Pauls Gr.,
S. 172). Hierher gehören Verse wie
and all hur Company 63, 8
//h'iddely //räwnntiitte piiy 8, 16
füll litill rcch[cjs luc 51, 12.
So würde sie wenigstens Schipper skandieren; Luick
scheint jedoch diesen Versausgang nur für die Tripletzeilen an-
zunehmen, z. ß. in dem Verse to sie such an innocent Sus. 321.
Schipper und Luick vergleichen damit ähnliche ne. und
nhd. Verse; z. B. in der englischen Nationalhymne
G6d save onr gräcious King
Göd save onr noble King,
G6d save the King;
Send liira victöriöus,
Iläppy and glörious,
Long to reign över iis;
Göd save the King.
Hier fällt in den längeren Zeilen der Reim durchweg aut
eine nebentonige Senkungssilbe. In andern Gedichten, z. B.
Thomas Moore's Bcautij and Song, kommen auch Bindungen
von nebentonigen Senkungen mit haupttonigeu Hebungen vor
(Schipper, S. 94) ; z. B. in den Zeilen
Väin were its melody,
Rose, without thee.
Aber die Tatsache, dafs solche Verse und Reimbindungen
in ne. Liedern vorkommen, deren Text offenbar im engen An-
schlufs au die Musik geschrieben ist, beweist natürlich gar
nichts für das Metrum der me. Gedichte — weder die Not-
wendigkeit, noch die blofse Möglichkeit einer ähnlichen Vers-
messung im Av., der Susanne usw.
Die neuenglischen Lieder bestehen aus gleichen Takten.
Aber das ist ja gerade, was Luick und Schipper für die in
Frage stehenden me. Gedichte, ebenso wie für den me. Stab-
reimvers, leugnen. In diesen me. Gedichten „stehen [bei ihrer
554
Aiiffassurifc] die Hebungen in zu ungleichen Abstunden, um in
ein gleichtaktiges Schema zu passen; bald folgen sie unmittelbar
aufeinander, bald sind sie durch vielsilbige Senkungen getrennt,
die noch dazu manchmal schwerere Silben, ja Vollwörter ent-
halten" (Luick im 'Grundrils' S. 160). Dies angenommene
freie Metrum hat also mit dem festen Metrum der ne. Lieder
nichts gemein, welches zusammen mit der Melodie sogar die
natürliche Betonung in vielen Versen in eine ganz wider-
natürliche verkehrt, z. B. in den schon angeführten ersten
beiden Zeilen der englischen Nationalhymne, oder noch ärger
in der ersten, dritten, vierten und sechsten Zeile der nächsten
Strophe :
Öh Lord, our Göd, arise;
Scätter his eneruies,
And make tbem fäll;
Cönfound their pölitics,
Früstrate their kuävish tricks
Öü Thec our hopes we lix,
Göd save us all. ')
Dafs aber je aufser in solchen Liedern nebentonige
Senkungssilben im Reime unter sich oder (wie bei Moore) mit
Hebungssilben gebunden vorkommen, bleibt noch nachzuweisen.^)
Wenn es auch aufserhalb der Liederdichtung zulässig wäre,
so würde man es z. B. in vierhebigen Gedichten wie King
') Der deutsche Text von Heil dir im Siegerkranz, der nach der-
selben Melodie gedichtet ist, ist ebenso mifslich. Man vergleiche auch,
was J. Minor in seiner 'Neuhochdeutschen Metrik' (1902), S. 114, über
ähnliche daktylische Verse Arndts sagt:
Wer soll dein Euter sein? J
Sprich, Vater Rhein!
Mögen dich Wäll und Schanz,
Mag dich vor Stürmen
Ein diamäntner Kranz
Hüten utul schirmest; nsw.
'Es charakterisiert diese Dichtungen', bemerkt Minor, 'dafs es weniger
darauf ankommt, was man sagt, als dafs mau es in schwungvollen
Rhytlimen sagt.'
*) Die von Luick, Anglia XII, 451, aus Puttenham's Art of English
Poesy angeführte Stelle vermag ich nicht mit Vertrauen hinzunehmen
Puttenham's Bemerkungen über den Daktylus im Englischen enthalten
auch sonst viel Unsinn (siehe S. 130, 139 und 140 von Arber's Ausgabe).
*
Ü
555
Jahn and tho Abbot of Cmtorhnrii zu Imden erwarten, deren
Metrum allgemein als Abkömmling des altgermauisehen Vers-
mafses angesehen wird (vgl. Schipper, 'Grundrifs', S. 107 ;
und Luiek, 'Grundrifs', S. 180). Aber die Verse enden alle
stumpf oder klingend, aber nie daktylisch:
An äncient story | I'le teil you anüu
Of a u6table priaco | that was cüUed King John ; asw-
Die ausschliefslich zum Singen bestimmten Texte von
God saue our gracious King oder Heil Dir im Sicgerhranz
sind zum Deklamieren gar nicht geeignet, ohne dafs dabei ihr
Rhythmus umgestaltet wird und viele Verse in Prosa um-
gewandelt werden. Ebenso steht es, wenn auch nicht ganz so
schlimm, mit Moores Lied Beauty and Song. Die Pistill of
Susan, die Awntijrs of Arthur at the Tcrne Wathelyne u. ä.
wurden aber nicht gesungen, sondern erzählt; ebenso die
Eomancc of Sir Percyvelle, das Avowynge u. a. ; wie auch
Cbaucer die Geschichte von Sir Thopas, in Schweifreimstrophen,
den Pilgern erzählt, und nicht vorsingt. Verse, deren Wort-
niaterial in natürlicher Betonung am Schlufs 'daktylisch' ist
(z.B. and all hur coynpany 63,8), begegnen hier nur vereinzelt,
neben gewöhnlichen stumpfen und selteneren klingenden Versen.
Unnatürliche Betonungen wie Oh Lord, our Oöd arlse nach
dem ue. Muster auch in die me. Gedichte einzuführen, etwa
in Versen wie
Lette vs haue our Me 6(i, 4
Gif bim söry cäre 71,8,
]>Ät he mäy onlyjte 38,12
pät »lade vs ön f>e »iülde 72, 16
wird ja niemandem einfallen. Die Folge ist, dafs die Verse
im Ar. usw., wenn wir nur zwei Hebungen annehmen, in ihren
mannigfaltigen Formen stark auseinander gehen ; die Hebungen
springen hin und her; mau vergleiche z. B. nur die Verse
Lette vs hane our Zife 60, 4
pat he mäy onlyjte 38, 12
Gläddely ^räwuntutte f>äy 8, 16.
Durch den Hinweis auf das, wie gesagt, nicht vergleich-
bare God save our gracious King mit seiner starren Regel-
mälsigkeit wird die Verschiedenheit in den me. Gedichten um
nichts annehmbarer.
556
42. 3. Sieht man näher zu, so findet man, dafs nicht
blofs Verse wie der zuletzt angeführte, sondern überhaupt
alle Verse mit ftinfsilbigem Rumpfe (§31) aufser den zwei
von Schipper und Luick angesetzten Hebungen noch eine
uebentonige Silbe haben (wenn nicht gar eine dritte haupt-
tonige, § 32). Wo diese am Versende steht, erkennen die beiden
Gelehrten sie an, wenn auch nur als nebentonige Senkung;
und auch im Anfang und in der Mitte des Verses zeichnet
Schipper, wenigstens in den Tripletzeilen und den ent-
sprechenden ersten Halbversen der Stabzeile, sie zuweilen
vor den unbetonten Senkungen aus, namentlich wenn der
„Nebenton" auf ein mit alliterierendes Vollwort fällt. Er
skandiert z. B. einen ersten Halbvers folgendermafsen :
The syre that sendis all seill
oder eine Tripletzeile so:
ciimly Mngis with crövne
(siehe seinen 'Grundrifs', S. 92ff.).
Überträgt man diese Art auf die Schlufsverse des Av.,
so würde folgendermafsen zu skandieren sein:
leite vs haue oure /ife 60, 4
and töke him vppe on werre 21, 16
se I nenyr äre 49, 1 2.
Diese Skansion ist in der Tat ganz folgerichtig. Wenn man
gldddely grdwimfutte ]}äy 8, 16 und and dll hur Company 63, 8
liest, so erheischt die Konsequenz, auch vor den andern Nebeu-
tönen die Ohren nicht zu verschliefsen — selbst nicht, wenn
sie schwächerer Art sind, z. B. in den Versen
aud ftrittunt all to ftoniis 12,8
jcnnyng ön a »äw 6, 8
pis /Sätanäs me sekes 15,4
»iecnl «läy ho wende 02, 4
höw he rfedde his dcde 11,4
butte he may /iärmes /icnte 28,8;
usio.
Die sprachlichen Nebentöne sind da und bleiben in allen
Versen bei jeder Skansion, ob man sie nun metrisch als
Hebungen oder als Senkungen gelten läfst.
Aber ein Unterschied ist dabei. Rechnet man die neben-
tonigen Silben als .Senkungen, so kommt in Wahrheit nicht
ein Versmafs heraus, sondern wir erhalten in Wirklichkeit
drei, weil eben
i
m
557
(X)-XXX-(X) metrisch als (x)-xxx-(x)
(x) - X - X X (x) (x) - X - X X (x)
(x) X X - X - (x) (x) X X - X - (x)
aufgefafst werden soll (mit nur zwei Hebungen). Diese Formen
weichen so sehr voneinander ab, dafs sie sieh nicht auf eine
einzige Grundform zurückführen lassen. Der rhythmische
Eindruck z. B. von
butte he may /cirmes /ißnte 28, 8
rennyng on a ?-ii\v (!, 8 und
t/läddely ^räwuntutte f>äy 8,16
ist SO verschieden, dafs man nicht dreimal dasselbe Metrum,
sondern nur wechselnden Tonfall wie in der Prosa heraus-
hören kann.
Andernfalls ist alles einfach, regelmäfsig, klar und ein-
leuchtend, wenn man den Versen drei Hebungen gibt; sie
haben dann übereinstimmend das Metrum x) — x-X-(x? ^^^
schon in § 38 hervorgehoben ist.
In der Tat, wenn nur Verse mit dieser Füllung vorhanden
wären, würde wohl niemand sie je anders als mit drei
Hebungen gelesen haben. Auch Schipper und Luick nicht.
In einförmiger gebauten jüngeren Dichtungen, wo solche
Versfüllung die Kegel ist, nehmen auch sie drei Hebungen an
(siehe Schipper im Grundrifs der englischen Metrik S. 99
und Luick, Anglia XII, 443 ff.). Freilich soll dies erst eine
spätere Entwicklung des „zweihebigen" Metrums zu einem
„dreitaktigen" darstellen, bzw. zu einem „viertaktigen" in
den Tripletzeilen. Das ist aber eine Annahme, die sich als ein
ganz überflüssiger Notbehelf herausstellen wird (siehe § 107).
43. 4. Aus der Beobachtung der Silbenzahl lassen sich
noch weitere Gründe gegen die Annahme von nur zwei
Hebungen und für die Annahme von drei Hebungen in den
Schlufszeilen ableiten. So ist bei Annahme von drei Hebungen
sofort verständlich, warum einsilbiger Auftakt zulässig ist,
aber kein zweisilbiger. Denn zweisilbiger Auftakt würde eine
vierte Hebung ergeben. Richtig ist z. B.
bis) ii'igull cön he feläw 6, 4.
Aber Jms his huguU cön he hläiv wäre kein Schlufs-, sondern
558
ein Tripletvers (§ 89). Oder um zwei wirklich vorkommende
Verse zu nehmen, der letzte Vers des Gedichts lautet:
That) >»äde us ön p& »n'ilde 72,16;
aber es beginnt mit dem Tripletvers
H6 f>at mäde vs ön pe miilde 1,1.
Bei der Zweihebungstheorie ist in der Tat gar nicht ein-
zusehen, warum Verse wie
He f>at mMe vs on p>e rwiilde
nicht als Schlufsverse gebraucht werden.
Die Anhänger dieser Theorie betrachten das Metrum
als 'wesentlich anapästisch' (Luick, Anglia, Beiblatt XII, 34).
Nun, der zuletzt zitierte Vers beginnt ja mit einem Anapäst;
er ist aber dennoch als Schlulsvers falsch. Und der Vers
That wäde us on J?e wiülde 72, 16
enthält keinen Anapäst und ist dennoch gerade ein richtiger
Sehlufsvers. *)
Ebensowenig ist ferner bei der Zweihebungstheorie zu
begreifen, warum zwar zu der Versform xx — X— i°^ Anfang
noch eine dritte Senkungssilbe hinzutreten kann, so dals die
Form XXX — X— entsteht, 2) — warum aber bei derselben Form
xx-x- iö ^^^ Mitte zu der einzelnen Senkungssilbe keine
zweite kommen darf, obgleich dadurch ein vollkommener
anapästischer Vers (x x - X X -) entstände. Auch erklärt die
Zweihebungstheorie nicht, warum diese „anapästische" Form
andrerseits richtige Tripletverse gibt; z.B.
als he rode in pe nyjte 18,5
on bis squrd tili bis hande 16,7
was als rüde as a rafte 25, 3
Alles dies ist bei der Zweihebungstheorie rätselhaft. Der
einfache, vernünftige Grund ist aber der, dafs die Versformen
xx-x-
xxx-x-
nicht zwei, sondern drei hebungsfähige und wirklich gehobene
Silben enthalten, und die Form
xx-xx-
II
') Vgl. unten § 63.
2) Vgl. z. B. How he dedde Ms dede 11,4 mit Butte he may harmes
hente 28, 8.
559
nicht zwei, sondern vier, so dafs skandiert werden miifs
in den Schlufsversen ly-x- (statt xx-x-)
X-X-X- (st^tt XXX-X-)
und in den Tripletversen lx--X- (statt xx-XX-)>
also z. B. als he rüde in pe mj^te 18, 5.
2. Viersilbiger Verskörper.
44. Die Verse der soeben an erster Stelle behandelten
Art mit gleiehniUfsigem Wechsel von natürlich betonten und
unbetonten Silben sind zahlreich ; sie werden aber an Häufigkeit
weit übertroffeu durch Verse mit nur vier Silben (abgesehen
vom etwaigen Auftakt und überschüssiger unbetonter Schlul's-
silbe). Diesen viersilbigen Versen fehlt eine von den beiden
inneren unbetonten Silben der fünfsilbigen Art. Je nachdem
die erste oder die zweite unbetonte Silbe fehlt, erhalten wir
also zwei Gruppen ; vgl. z. B.
a) X— bis) fcrode schildus ftothe 16, 16 und
b) — X he) wan pis fciurde fcryste 32, IG.
45. In der ersten Gruppe sind die erste und die letzte
Silbe des Versrumpfes den mittleren zwei Silben an Gewicht
meist stark überlegen; in der zweiten Gruppe übertreffen die
beiden letzten Silben des Versrumpfes gewöhnlich die zwei
vorhergehenden bedeutend ; vgl. z. B.
a) g&y in bor yere 21,8 mit
b) bym to cZetbe (üjte 9, 8.
46. Es ist bemerkenswert, dafs eine von den vier Silben
unbetont sein mufs; denn vier schwere Silben bilden einen
Triptletvers; z. B. Kay come liome sone 44,6, oder mit Auftakt
he) stroJce Kay 9>tifiy 21, 10 (vgl. § 89). Dies begreift sich
sofort bei Annahme von drei Hebungen in den Schweifreim-
versen und von vier Hebungen in den Tripletzeilen. Die
Zweihebungstheorie dagegen bietet keine vernünftige Erklärung
hierfür; sie vermag z. B. nicht verständlich zu machen, warum
he sctte füll sorely 57,12 eine Schlufszeile ist, dagegen he
ströke Kay stifly 21, 10 ein Tripletvers.
560
a) X- '
47. In der ersten Gruppe schwankt die Versftillung
zwischen folgenden Extremen, die durch zwei Beispiele ver-
anschaulicht werden mögen: ;
his) fcrode schildus fcothe 16, IG %md '
was) holdun in prise 2, 4.
Die beiden Beispiele zeigen zugleich, dafs Alliteration
vorkommen und fehlen kann. Dreifache Alliteration begegnet
nur einmal: and) feid /"urthe in ßre 50, 16.
48. a) Verse mit Maximalfüllung, d. h. mit drei Voll-
wörtern, die aber unter sich abgestuft sein können: «
bis) fcrode schildus 6othe 10,16 butte) saue wele my knyjte 38,4
and) /"erd /urthe in /ere 50, 16 ; I) life neuyr more 23, 8.
as) ttayt men and ?<;ise 2, 8 |
Auf ungefähr derselben Stufe stehen folgende Verse; doch
ist der Betonungsunterschied eher etwas gröfser:
lette) see quo dose beste 7,12
how {lies quo) öest myjte be 37, 12
i-) wisse he were toijte 4, 16 *)
je »narre nette me 41, 8.
In diesen vier Versen muls das Pronomen betont werden.
Die Verse 37,12 und 41,8 wären sonst falsch, da X-X- bei
keiner Theorie genügt (Siehe § 73). Der zuletzt angeführte
Vers gewinnt durch die starke Betonung von ge an Sinn: Die
sechs Ritter haben ihre Verkleidung abgeworfen, und Sir
Bawdewyn antwortet: „Da ihr gute Hirten seid, haltet t/ir
mich nicht auf"'.
ß) Einmal steht ein zweisilbiges Formwort mit nebentoniger
erster Silbe in der Mitte zwischen zwei Vollwörtern:
for) smeWe o)?er smekis 15, 12
7) Viel häufiger sind Verse mit zwei einsilbigen schwach-
tonigeu Wörtern in der Mitte. Von diesen ordnet sich in der
natürlichen Rede das zweite dem ersten entweder unbedingt
unter, oder diese Unterordnung steht frei.
■) Das Pronomen he steht hier stark betont. Vollständiger lautet
die Stelle: Quo durst a-biäe him a buffe, I-wisse he were vfi^te.
f
561
wynde to pQ bore 5, 8 1 wele) inore tlianne we thre 37, 8
ga.y in hör (/ere 21,8 | aud) /uirte of my /jowundes 3,4
speke gif he luay '26, 4 ne) ti'urclie bim no «uwundes
qwi schuld 1 layuc 33, 12 3, 12
hie pe gud spede 54,4 durste) tide in his fcaudus 3,8
the) see and the sande 1,4 f>at) ÜM in this londG 1,8
mi) trautlie I J^e plighte '21, Itl and) /"urthe conue J'ay /are 5, 1('>.
Diese häufigste Gestalt der Sehlufsverse begegnet aufser-
dem uoc'li in 7,4; 10,16; 14,8; 14,16; 17,4; 19,12; 20,4;
20,12; 20,16; 24,8; 24,12; 27,12; 28,4; 28,16; 32,4; 32,8;
32,12; 33,16; 35,4; 35,12; 36,8; 36, 16; 38, 16; 39, 12; 42, 16;
44,4; 44,12; 46,8; 46,12; 47,4; 47,8; 48,16; 49,4; 49,16;
50,4; 50,12; 52,12; 52,16; 53,16; 57,4; 58,8; 58, 12; 59, 12;
59,16; 61,4; 61,12; 65,8; 67,8; 68,8; 68,16; 09,12; 70,8;
71,4; 71,16.
Hierher ist auch zu stellen
hls) /led onus to Aide 55, 8,
da für onus die einsilbige Form (vgl. ne. o«ce) einzusetzen ist; •)
in schwacher Satzstellung verlor das Wort frühzeitig den Vokal
der zweiten Silbe. Wie der Vers überliefert ist, ist er falsch,
da die Form x) — XX-, also mit einer unbetonten Endungs-
silbe in der Mitte eines fünfsilbigen Verses, als Schlufsvers
nicht vorkommt (vgl. § 31 ff.). Diese Form wird vielmehr nur
als Tripletvers gebraucht, offenbar weil sie vier hebungsfähige
Silben hat und so: x)---x- skandiert werden mufs; vgl.
z. B. den Vers 14, 15 Jje höre hrittwit his schild und siehe
§ 89, 3 und 98.
Ahnlich ist in dem Vers
]7e tone behonus J?e nede 40, 16
einsilbiges hos für hehouus einzusetzen (vgl. § 35), da der
Vers, wie er überliefert ist, unter den Schlufszeilen keine
Parallele hat.
Drei Verse haben in der Überlieferung zweisilbigen Auftakt
(siehe jedoch § 24) ;
to f>e) denne conne he rZraw 6, 1 2
euyn) downe to payre fete 39, 16
f>at f>e) rote is vnriste 4, 12.
0 Vgl. den auch für a^aynus anzunehmenden Ausfall des u nach
dem Nebenton § lüO.
Studien z, engl. Phil. L. 36
562
6) Es steht ein Kompositum an erster Stelle, mit Neben-
treff auf der zweiten Silbe:
my) gode-fadur hijte 20, 8
is) rferwurtbe ou desa 22, 8
Dabei ist das letzte Wort des Verses, ein Pronomen,
durch den Reim gehoben:
welcum is hit 66, S
ne) selcouthe thinge rne 56, 16
uiuch) uiangreue haue Y 57, 8.
e) Oder ein zweisilbiges Wort mit schwerer Ableitungssilbe:
squytheW con squete 46, 16
f>as) rudely he rekes 15,8
lüorlyke in wede 54, 8
Ähnlich 1,16; 12,16; 21,4; 66,4; 69,4; 71,12; 72,4.
Oder ein anderes zweisilbiges Wort mit schwerer zweiter
Silbe:
a) meruail hit wäre 45, 4
Aardi of /ionde 1, 12
os) hardi and wijte 27, 8
his) maistry he »lekes 15, 16
Ähnlich 18,12; 30,4; 31,16; 34,16; 39,4; 48,8; 58,16.
Hierher ist auch zu setzen V. 37, 4 : Sir, a meruael thiiike me,
wenn Sir zu streichen ist (§ 24).
rf) Endlich sind häufig Verse mit Wörtern wie stoJckes an
erster Stelle, also mit einer Schlulssilbe schwächster Art:
vs) wontutte pe fode 67, 4
sfokkes and s^ones 12, 12
and) «jrapes and ^rones 12,4
fro) ?rothes bim w-eylde IH, 16
he) rennes füll rathe 16, 8
hit) lypputt füll enyn 65, 12
wi]?-)owtyn delees 22,12
and) buckes of pride 55, 16
Gerade SO oder ähnlieh noch 2,4; 5,12; 14,4; 16,4; 30,8;
36,4; 56,12; 59,4; 64,12; 67,12; 70,4.
49. Für sich allein genommen, lassen sich alle diese Verse
ungefähr gleich gut mit zwei oder drei Hebungen lesen. Luick
hat namentlich an neuenglischen Beispielen gezeigt, dals man
die starken Wörter in der Mitte der unter a) angeführten
Stellen auf das Niveau von Senkungen herabdrücken kann.
Andererseits kann man in den übrigen Fällen ohne Schwierig-
keit einen metrischen Nebeniktus auf der zweiten Silbe hören
lassen, wodurch der Vers dreihebig wird; z. ß.:
g'ky in hör ^-ere 21, 8
my) ^6de-f;idur Liste 2o, 8
Aärdi of Aonde 1, 12
s/6kkes and s/önes 12, 12 «siü.
563
50. Wenn man aber die viersilbigen Verse im Zusammen-
hang mit andern betrachtet, so »^rgibt sieh, dafs die letztere
Skaudieriing angenommen werden mufs.
Von den beiden mittleren Silben darf keine fehlen; es
hei f st z. B.
wip scbild and wip spere 36,16 j in six or in seuyn 65,8
to lasse ne to uiare 49,4; 68,8 ' hit lyputt füll enyn 6:,, 12 usw.,
]>e lasse and pe mare 71,4; 71, 16 !
obgleich das vorletzte Wort in diesen und vielen andern Versen
ohne Sehaden für den Sinn ausgelassen werden konnte. Bei
der Zweihebungstheorie ist nicht recht zu verstehen, warum
nicht neben (x)lxx-(x) ^^^^'^ (x)-X-(x) zulässig ist. Der
wahre Grund ist aber, dafs dann die dritte hebungsfähige
Silbe fehlen würde. Ist sie vorhanden, so ist dem Versmafs
Genüge getan, auch wenn zwischen den beiden äufseren Silben
nur eine einzige Silbe steht. Denn Vers 7,16 lautet:
f>at) ^riselicbe ^este 7, 16.
OriscUche hat auf der zweiten Silbe einen natürlichen Neben-
treff und kann daher zwei Hebungen tragen; in dem Verse
wi]) Schild and wip spere 36, 16 u. ä. hat a7id durch seine
Stellung vor einem andern schwachen Worte einen NebentreflF,
der aber verloren geht, wenn das zweite ivip fehlt; wenn nun
pat griseliche gestc und wip schild and wip spere und andre
gleich gebaute Verse richtig sind, wip schild and spere u. ä.
aber nicht, so ist daraus nur zu folgern, dals die in der ersten
Art von Versen vorkommenden hebungsfähigen Silben wirklich
gehoben sind, d. h. dafs die Verse drei Hebungen haben.
51. Vergleicht man bei dieser Auffassung die bisher be-
trachteten viersilbigen Verse (§ 47 ff.) mit den fünfsilbigen
(§ 31 ff.), also die Formen
X) - X - X - (x
und xj--x-(x»
so gewahrt man, dafs die metrische Verwendung des Wort-
materials überall mit der natürlichen Betonung (§ 31 und § 44)
übereinstimmt.
Dabei ist bemerkenswert, dafs in den vierzeiligen Versen
durch das Fehlen der Senkung nach der ersten Hebung diese
zu einer sogenannten „Überlänge" oder „beschwerten Hebung"
564
wird, was eine bekannte Erscheinung germanischer Versbetonung
ist. 1) Demgemäfs ist gewöhnlich die erste Silbe des Vers-
rumpfes stärker betont als die zweite (§ 45); in selteneren
Fällen (§ 48) haben die ersten beiden Hebungen gleiche natür-
liche Stärke oder stehen im umgekehrten Betonungsverhältnis.
Diese Verse, z. B.
his) örode schildus bothe 10, 16
butte) saue wele my kDyjte 38, 4,
lesen sieh mit drei Hebungen sinugemäfser und metrisch besser
als mit zweien. Drei Hebungen sind namentlich erforderlieh
für den Vers , , ,, r ., ^
je marre notte »ne 41, S.
Bei der Zweihebungstheorie ist er falsch, 2) wenn mau ihm
die Betonung , ..
'=' 56 »iarre notte me
gibt, die durch die Alliteration und den Sinn verlangt würde.
Die Skandierung ^e marre notte me, welche nach dieser Theorie
metrisch zulässig wäre, '2) läfst weder den Sinn zum Ausdruck
kommen, noch die Alliteration, die doch offenbar beabsichtigt
ist, zur Geltung gelangen. Nur mit drei Hebungen wird dem
Sinn und dem Stabschmuck Genüge getan.
52. Am Anfang des Verses steht stets ein vollbetontes
Wort; entweder ist es ein sogenanntes Vollwort, — dies ist
das Gewöhnliehe, — oder es hat in allen andern Fällen gleich
starke Betoiiung:
qui schuld I layne 33, 12
wel) more thenne we thre 37, 8
and) /"urtlie conne pay /are 5, IG
enjTi) downe to )'ayre fete 39, IG
wif>-)outyn delees 22, 12
quo (-Hs. how) best myste be
37,12
56 marre notte me 41, 8
pe) tone bos {Hs. behouus) p'e
nede 40, 16
Nie dagegen trägt ein schwächeres Wort die erste Hebung,
während das in fünfsilbigen Versen wohl vorkommt (§34):
/br hur /"or to /"ijte 27, 4
wip ]?e schall he be 51,8.
In eine Regel gefafst, würde das bei der Zweihebungs-
theorie heilsen: Wenn drei Silben zwischen den beiden
') Siehe darüber Franz Saran, PBb. XXIII, 50 und Carl Kraus,
Metrische Untersuchungen über Reinbots Georg, Berlin 1902, S. 17 ff.
~) Siehe Luick, Anglia XI, 404 ff.
565
Hebuiig'cn stehen (J.xxx-)» ^^^ kann die erste Hebung auf ein
sehwaehtoniges Wort fallen; bei zweisilbiger Senkung (-!.xx-)
jedoch nur auf ein volltoniges Wort. Ein Grund für den Unter-
schied ist bei dieser Theorie aber nicht ersichtlich.
Gibt man den Schlufsversen dagegen drei Hebungen, so
wird klar, warum z.B. foV hw iör to ftste 27,4 richtig ist,
aber för hur to figte falsch wäre. Denn Träger einer be-
schwerten Hebung kann naturgeraäfs nur ein volltoniges Wort
sein ; i) die Präposition for hat aber zu geringen Bedeutungs-
inhalt, um eine so auszeichnende Betonung zu vertragen. Ein
Vers för hur to fi^te wäre nur zulässig, wenn for einen un-
gewöhnlichen Nachdruck etwa durch einen Gegensatz zu asenes
hur hätte. Aber es handelt sich an der Stelle nicht um „für"
oder „gegen", sondern um „fechten" oder „nicht fechten".
Ahnlich verhält es sich mit dem andern angeführten Verse.
Vollständiger lautet diese Stelle:
I comuiawande pe to be all nyjte oute;
Bawdewyn, ]7at is s^urun and stowte,
Wip> pe schall he be.
In der letzten Zeile ist he grammatisch entbehrlich, ja
sehr überflüssig; aber metrisch ist es erforderlich, denn die
Skandicruug WiJ) Jxi schall be wäre nicht sinngemäfs, weil ivip
dabei für seine Bedeutung* zu viel Tongewicht bekäme. Daher
hat der Dichter he hinzugesetzt; und nun hat loij) in dem
Verse tvfp pe schall he be nur seine gewöhnliehe Betonung
und Bedeutung.
Aus demselben Grunde begegnen keine Versfüllungen wie
was in pe wode,
if he wil cum, oder
sal him not drede.
53. Auch in den in §48?y angeführten Versen mufs die
mittlere Hebung auf die zweite Silbe des Versrumpfes gelegt
werden ; z. B. ....■,, , , , , ., , „
' sfokkes and s^ones 12, 12
vs) wontütte pe füde 67, 4
he) rennes füll räthe 16,8.
') Siehe hierüber Kraus, Metrische Untersnchungea über Keinbots
Georg, S. 17 ff. und 145 f. Seinen feinsinnigen Beobachtungen verdanke ich
die Anregung zn diesem Argument.
566
Die Ilohuug fällt also bei zweisilhigen Wörtern in dieser
StelluDg auch auf die Endsilbe schwächster Art, gerade so
gut wie auf stärkere Endsilben (z. B. in den Versen hrt?Yr^ of
\ionde 1,12 und is dcYwürthe on dese 22,8), und nicht aut
etwa folgende Wörter wie /je, and, of, him, füll usw. Das
geht aus folgenden Erwägungen hervor :i)
a) In Versen wie vs ivontutte pe fode 67, 4 muls die
Endung -läte die Hebung tragen, weil diese sonst auf den
bestimmten Artikel fallen würde, was offenbar nicht zulässig ist.
Es w'ürde dem Artikel eine zu starke demonstrative Bedeutung
geben. Auch erscheint der Artikel sonst nie mit Hebung im
Gedichte.
b) Nur zweisilbige Vollwörter oder gleichstark betonte
Wörter erscheinen am Versanfang, nicht aber Präpositionen
wie under oder ouer; — offenbar weil diese einen zu geringen
Bedeutungsinhalt haben, um zwei Hebungen zu tragen. Dagegen
begegnet wij>-)öwt.yn delees 22, 12,
wahrscheinlich weil ivipoiütyn als Negation die Bedeutung der
Wortgruppe von Grund auf bestimmt.
Die Zweihebungstheorie erklärt nicbt, warum Verse wie
linder a tree vom Dichter gemieden werden. 2) Bei Annahme
von drei Hebungen ist der Grund ersichtlich.
c) Die Betonung stöJcJces and stönes\ he rennes füll rdthe;
and hüdces öf pride usw. ist unmöglich, weil dadurch die
Wörter aiid, füll, of u. ä. in die beschwerte Hebung kommen
würden, was offenbar nicht geht. Die Skandierung ^x- —
verlangt vielmehr ein vollbetontes Wort an dritter Stelle;
siehe § 54 ff.
b) -X
54. Der zweiten Art der viersilbigen Verse (abgesehen von
Auftakt und überschüssiger unbetonter Endsilbe) fehlt die zweite
*) Vgl. Kraus in seinem schon genannten Buche, S. 155 f., und die
dort angeführte Literatur.
^) Im Perc. begegnet einmal öfter pe stede 712. Aber hier hat after
nicht seine einfache Bedeutung von 'hinter'; sondern die Stelle heifst:
Percevall machte sich auf seiner Mähre hinter dem entflohenen Rosse des
Roten Ritters her, um es einzufangen. Daher die gesteigerte Betonung.
567
der schwäclistfii inneron Silben, die sich in den fUnffilhigen
Versen (§31 ff.) linden. Also statt _x-X- ^^t das Schema
hier _x
Die VersfüUnng schwankt zwischen den Extremen, die
durch folgende zwei Beispiele veranschaulicht werden:
he) wan \ns 6iurde fery^te 32, IG und
of pi lady 63, 16.
Die unbetonte schwächste Stelle des Verses wird immer
durch die zweite Silbe (des Versrumpfes) eingenommen. Die
vorangehende erste Silbe ist ihr an Nachdruck stets überlegen,
aber ordnet sich ihrerseits meist dem Versende unter; z.B. in
on a faire stede 40, 4
and) durst not /"urthe /"are 61, 16.
Die beiden letzten Silben des Verses (abgesehen von der
etwaigen überschüssigen unbetonten Silbe am Schlufs) sind
gewöhnlich zwei Vollwörter entweder mit gleich starker Be-
tonung oder mit geringem Stärkeuntersehied zugunsten des
ersten oder zweiten:
a) pat in /rith /bnndes 3, 16
and) se hom sie care 68, 12
b) ue) him to dethe fZijte 4, 8
for-)sothe in bed lay 52,8
c) and) bede bim cum see 56, 4
durst) on pe /"ynde /ast 7, 8.
Die starke Betonung des ersteren ist durch das Fehlen
einer folgenden Senkungssilbe begründet, die des letzteren
durch den Reim.
55. Verse mit Maximalfüllung, d. h. mit drei Vollwörtern,
sind :
bade hom sie care 49,8 1 he) hies') gode spede 40,8
he) wan \>\s fciurde öry^te 32, 16 i he) hiees') gode waye 52,4
and) bede him stWle stonde 47,12; and) durste notte/'urthe /are 04,16
48,4 durste) on*) pe /ynde /ast (lies /est)
and) se hom sie care 6S, 12
f>ou) knoes') best here 50,8
7,8
and) bede him cum see 56, 4.
*) Knoes und Ines können auch einsilbig sein (vgl. § 17); dann
gehören die Verse in § 66.
^) Durate on mit schwebender Betonung.
568
Auf derselben Stufe der Betonung stehen
aud) lay her down by 63, 12
für-)sothe iu bed lay 52,8
per-fore come I 03, 4.
iclione sere way 10,4
to) wake hit all nyjte 9, 4
and) j^rius of ich iAa.y 26, 12')
and) joy att iche ende 62, 12
Hierher ist auch V. 33, 4 God and Sir Gawaii zu stellen,
in welchem and zu streichen ist. Das verlangt der Sinn und
die Alliteration und wahrscheinlich auch die Betonung des
Namens Gaioan (siehe § 106).
56. Meist enthält der Vers zwei einsilbige Vollwörter am
Schlufs bei schwächerem Eingang (§ 54) :
and on Ä:ene ^ay 8, 4
hym to rfethe rii^te 9, 8
to )nne /terte /told 72,8; ähnlich
54, 12
for J?i sune sake 17, 12
J?at in /rith /bundes 3, 16
with a scharpe spere 21, 12; ahn-
lich 29,16; 40,4; 41,16; 54,12;
67,16; 72, 12
ne) him to rfethe f^i^te 4, 8
ne) of no fcirde try^te 9, 12
quere) I schuld /"urthe /are 43,16;
45,8
in-) tili our 6ed ieed 61,16
and) in ]>q /lolte /loues 19,4
and) of his lyfe dredua 40, 12
sum) pat his gate lay 10, 12; ä/t?i-
lich 53,4; 58,4.
Ungefähr dieselbe Betonung haben:
butte) gif J^ou ded be 41, 12 | we are all schent 44,8
loke) J?at f>ou duelle pere 45, 12 I je schall here niore 18,4
I J?at schall greue pc 41,16.
57. Statt der beiden vollbetonten einsilbigen Wörter kann
am Schlüsse auch ein zweisilbiges Vollwort mit NebentrefF
auf der zweiten Silbe stehen.
a) Aufserdem steht ein Vollwort oder anderes starktoniges
Wort im Versanfang:
and) sette füll sorely 57, 12
to) here his tithand 47, 16
wij7-)oaten letting 30,16; 31,12.
b) Bei seh wachem Verseingang:
v}\]> his lady 56,8; ähnlich op)on pe bed-syde 55,4
57, 16; 63, 16 als) hit wcre jole-day 69, 16.
he) had no horsing 31,8
1) Im Perc. kommt auch dreifache Alliteration vor: and) Kay the
kene kny^te 87, 12.
569
58. Bei der Skandiening der §§54 — 57 anf,^eflihrtoii Verse
naeh der Zweihebniig'stheorie ergeben sich SchwierigkeiteD,
welche die beiden Haupt Vertreter der Theorie auf verschiedene
Weise zu lösen versucht haben, i) Nur in Fällen wie
wip his lädy 56, 8
and on Hne A'äy 8, 4,
ne him to f/6the rfijte 4, 8,
wo der Vers nur öin oder zwei Vollwörter aufweist, und zwar
am Versende, sind die beiden Gelehrten einer Meinung. Da-
gegen in den übrigen Fällen ist nach Luiek so zu skandieren:
and sette fall sorely 57, 12
bade hom sie cäre 49, 8 itsto.
Er gibt die „sehr einfache Regel" : „Die erste Hebung trifft
die Stammsilbe des ersten Vollwortes, die zweite die Reim-
silbe; in welchem Abstände beide voneinander stehen, kommt
nicht in Betracht." Das ergibt aber manchmal widersinnige
Betonungen ; z. B.
he wäu pis Wurde öryste 32, 16
and bede him stille stunde 47, 12.
Solche Fälle haben anscheinend Schipper veranlaXst, eine
andere Skandierung anzunehmen und z. B. zu lesen:
and sette füll sörely 57, 12
he wän pis Murde örjste 32, 16.
Das ist sinugemäfser, ergibt aber Reimsilben, die als Senkungen
angesehen werden sollen, obwohl sie stark betont sind (vgl. §41 f.).
Andrerseits bietet die Skansion mit drei Hebungen keinerlei
Schwierigkeit; und sie hat noch den andern Vorteil, dass sie
in allen Versen die gleiche ist. Die zweite Silbe des Vers-
rumpfes bildet die Senkung, und die drei übrigen Silben tragen
die Hebungen: Also i-x--; z. B.
bade hom sie cäre 49, S | and) sette füll sorely 57, 12
änd on kene Kky 8, 4 1 Wip his lädy 56, 8.
ne) him to d6the dijte 4,8 |
Und drittens kann der Vortrag hierbei überall sinngemäfs ge-
schehen, da die drei Hebungen natürlich nicht gleich stark zu
sein brauchen.
») Siehe Luick, Anglia XII, 449 und in Pauls Grundrifs^ § 60 fr.; und
Schipper, Grandrifa der engl. Metrik, S. b9flf.
570
59. Nach Luioks Regel würden folgende Verse ver-
schiedene Skansiou haben:
a) he had no hörsing 31,8
opon ]>e bedsyde 55, 4
b) to liere his tithänd 47, 16
and sette füll sorely 57, 12.
Alle diese Verse haben am Schlufs ein zweisilbiges Vollwort
mit natürlichem Haupt- und Nebentreff (§ 57); und in allen
Fällen gehen dem Voll wort drei Silben voraus, wovon die
mittlere betont ist. Bei Annahme von drei Hebungen behalten
alle Verse ihre natürliche Betonung, die in allen Fällen die
gleiche ist; Luicks Skandierung aber tut ihr in der zweiten
Gruppe Gewalt an ; und zugleich hören bei seiner Skandierung
die Verse auf, ein und dasselbe Metrum zu haben; siehe §61.
60. Schippers Annahme (§ 58), dafs zu skandieren sei
and sette fall sörely 57, 12
to here bis tithänd 47, 16,
SO zwar, dafs die letzte Silbe wegen des Reimes sprachlich
„tieftonig" (= nebentonig) sei, aber metrisch „in der Senkung
stehe", bedeutet in Wahrheit, dafs das Versschema x-x-X
pei. Dann müfsten aber auch Verse wie to here his wördes,
etwa im Reim mit sivördes, vorkommen. Sie fehlen aber ganz.
Nach der Dreihebungstheorie erklärt sich das einfach daraus,
dafs solche Verse nur zwei hebungsfähige Silben haben und
daher unmöglich sind. Die Zweihebungstheorie dagegen bietet
keine Erklärung für das Fehlen solcher Verse.
61. Die von den Zweihebungstheoretikern angenommene
Skansion in Versen wie
X X — — tiyü^ to dethe di^te 9, 8 xind
XXX — — 116 liiüi to rfethe dijte 4, 8
läfst sich nicht vereinigen mit der in Versen wie
— X X — bade hom sie cäre 49, 8
— X X X — ^ette vs haue oure Üfe 60, 4 (§ 32),
wie Luick sie skandieren würde. Dieselbe Silbenzahl ist
zwar vorhanden, auch dieselbe Zahl von Hebungen und
Senkungen; aber die Stellung der Hebungen und Senkungen
ist so verschieden, dafs von den Versen nicht gesagt werden
571
kann, ilafs sie alle dasselbe Metrum liaben. Dies mufs aber
als grimdsiitzliehe Notwendigkeit betrachtet werden, zumal
für ein Gedieht, das in Strophen von gereimten und ungleich
langen Versen verfafst ist. Sie wird nur durch die Annahme
von drei Hebungen in den Sohlnfsversen erfüllt, wodurch alle
vier eben angeführten Verse das Mals x)-x-(x)- erhalten.
63. Bei der Zweihebungstheorie sieht man nicht ein,
warum neben
X X X — — De bim to dötha rfijte 4, 8
X X — — ^y^ ^^ f^ctlio rfijte 9, 8
nicht auch
X — — to fZethe rfijte
vorkommen kann. Luick nimmt an, dafs die beiden vor-
kommenden Formen aus dem ae. Typus C durch „Abfall der
Endsenkung"' entstanden seien ; ') warum aber die ae. Grund-
form X--X "^^t einer Eingangsseukung verloren gegangen sei,
bleibt unerklärt. Die einfachste und einzige rationelle Er-
klärung aber ist, dafs Verse wie to Aethe Ai^te unmöglich sind,
weil die dritte hebnngsfähige Silbe fehlt. Dies wird bestätigt
durch andere dreisilbige Verse, wo sie vorhanden ist (§§ 19
und 66 ff.).
()3. Ebensowenig ist bei der Zweihebungstheorie zu be-
greifen, warum zwar Schlulsverse wie
XX — — hym to dethe fiijte 9,8 und
XX-X- Jn päyre /ioltus /töre 43, 12 (§ 33/?)
vorkommen, aber
xx-xx-
ausgeschlossen ist, obwohl diese Form ja vollkommen ana-
pästisch wäre und angenommen wird, dafs Anapäste gerade
das Wesen des zweihebigen Verses ausmachen. 2) Der wahre
Grund ist, dafs ein Vers von der Form xx-XX— vierhebig
wäre ; er wird daher als Tripletvers gebraucht, z. B.
püs ho fälkes him t\\\ 19, 1
tö J?e /brest f>a /äre 2, 9
öne was Jrther p>e kinge 1,9 (§ 89).
1) Anglia XI, 403 u. 414.
-) Vgl. z. B. Anglia XII, 444 und oben § 13.
572
(>4:. Ebenso erklärt die Zweiliebuugstbeorie nicht, warum
neben Versen wie
bilde hom sie cäre 49, 8
he wäu ]ns iiiirde fery^te 32, IG
mit Luieks Skansion, nämlich (x)lxx-7 nicht auch Verse
mit etwa folgender Füllung zulässig sind:
X — XXX— be wönt to f>is fciurde öry^te,
zumal doch, wenn das mittlere Voll wort um eine Stelle vor-
rlickt, Verse mit derselben Skansion und derselben Füllung
(drei Vollwörtern und drei schwachen Silben) vorkommen, z. B.
ich e'rtheli thinke has ende 62, 16.
Offenbar ist auch hier die Erklärung in der Zahl der hebungs-
fähigen Silben zu suchen: Sind vier hebungsfäbige Silben wie
in he wcnt tö ])is hiurde hry^te vorhanden, so ergibt dies
keinen Schlufsvers, sondern solche Füllung könnte nur für
einen Tripletvers verwandt werden, wie es in der Tat häufig
geschieht; z. B.
he speke wif» a vöis law 26, 7
pe feöre wip his ftröde schild 11,6 (§89,2).
Dagegen ich irtheli thinhe has 6iide 62, 16 mit seinen drei be-
tonten Silben ist ein Schlufsvers (§32«).
Mit andern Worten: Die in einer Zeile sprachlich vor-
handenen haupt- und nebentonigen Silben werden nicht, wie
Luick will, alle mit Ausnahme von zweien zu Senkungen
herabgedrückt, sondern sie dienen als ebenso viele Hebungen,
80 dafs in den Schlufsversen drei und in den Tripletversen
vier herauskommen.
Übrigens ist auch bei Schippers Skansion nicht be-
greiflich, warum neben
he wäu fis Murde örygte 32, 16
nicht auch Verse wie
he went to J^is tiarde irygte
als Schlufsverse zulässig sind.
65. Wenn Luieks Skandier ung von Versen wie
bade hom sie cäre 49, 8
richtig wäre, so mülsten auch Versfüllungen wie
säl him notte see
poü will notte läyne
573
vorkommen. Zwei Voll Wörter in der Zeile sind nicht iiötip:,
weder wenn das einzige (am Schlufs) zwei Hebungen trägt
(wie in irip his Jddy 50,8). noch wenn es nur eine hat und
der ganze übrige Teil des Verses sehwäeher betont ist; vgl.
die Verse in § 34, z. B.
ßx hur /br to /'iste 27,4.
Dafs dieser Vers richtig ist, ml kirn nottc sce u. ä. aber
nicht, liegt nicht etwa daran, dafs drei Senkungssilben er-
forderlich seien; denn Verse wie gäy in hör gcre 21,8 und
stokkes and stunes 12,12 u.a. (§48;;) begegnen ja sehr häufig.
Die Zweihebuugstheorie vermag in der Tat keine annehmbare
Erklärung dafür zu geben. Nimmt man aber drei Hebungen
für die Schlufsverse an, so ist der Grund klar: Wortgruppeu
wie ml Mm notte see und 2)0u will no^te layne sind metrisch
ungenügend, weil sie keine drei Hebungen tragen können. Die
Skaudierung ml htm notte see und Jjoil will nogte läyne ist
unzulässig, weil sal und pou wegen ihres zu geringen Gewichts
nicht mit beschwerter Hebung auftreten können i) (vgl. § 51 f.).
Und ebenso ist ml him notte see und poü ivill notte Idyne
ausgeschlossen, weil notte zu seh wach ist. Tatsächlich haben
alle viersilbigen Verse, die mit zwei schwachen Silben be-
ginnen, am Schlüsse zwei voll betonte Wörter (§ 5G) oder ein
Wort wie lady mit zwei Hebungen (§ 57 b), z. ß.
dad OD Äene Kkj 8, 4
wip liis hidy 56, 8.
Dies ist nur bei Annahme von drei Hebungen begreiflich.
3. Dreisilbige Verskörper.
GG. Verse dieser Art sind verhältnismäfsig selten. Im
Av. haben sie stets (einsilbigen) Auftakt (vgl. § 18 f.):
a) well gr\m giyse 2, 10
pat) (/riselich geste 7, 16^^)
I) it'old tvete more 64, 4
he) hies gode spede 40, 8
he) hiecs gode waj'e 52, 4
puu) knoes best here 50, 8. 3)
') Abgesehen natürlich von dem seltenen FaUe, dafs sie in Gegensatz
etwa zu will oder I stehen.
^) Vgl. Thnt coynelych knyght Degrevant 2,4; 43,16.
') Zu den letzten beiden Versen beachte die Reime lise 'liegt' 3. Sg.
: aprise Subst. : vnwise 59, 13 ff. und lyce 'liegt' 3. Sg. : loise : price 72, 5ff.
und vgl. § 1"; doch können hies (hiees) und hioes auch zweisilbig
574
Im Perc. begegneu jedoch auch Verse ohne Auftakt:
i/orse /laiue brynge 352
fyue stryde luette 1708
twelve stone weghte 2024
neben the) ryng owte glade 2116
the) horse s^ode sfille 1272
and) /»ome wente /jee 2276
with) Arthours inen 836
off) Arthurs in 2t)0.
67. Bei der stärksten Füllung stehen also drei einsilbige
volltönende Wörter im Verse; aber auch halbstarke Wörter
(wie ivold 'wollte' und hee 'er') oder nebentonige Silben (wie
in griselich und Arthours) gentigen anstatt einer voUtönigen.
Sprachlich unbetonte Silben sind jedoch zu schwach; denn
Verse der Form x — (etwa a grini gryse) oder -X— (etwa
marres me) oder x — X- (etwa pe kinges men) fehlen in beiden
Gedichten. Die geringste zulässige Füllung ist also oder
mit Auftakt x oder mit klingendem Ausgang (x) X.^)
Der Nebenton kann an jeder beliebigen Stelle statt des
Volltones eintreten:
X) — — — I tüöld w^iQ möre Av. 64, 4
X) — — — pat griselich ^este Av. 7,16
X)— — — pou knöes best Lere Av. 50,8.-)
68. Versucht man die Verse mit zwei Hebungen zu lesen,
so ergeben sich grofse Schwierigkeiten.
Luick hat einige entsprechende Verse aus den Atmityrs
of Arthure in Anglia XII, 452 f. besprochen. Da er vier Silben
für das Mindestmafs der Verse hält, so betrachtet er dreisilbige
mit Mifstrauen, und schiebt sie, wenn nur in einer Handschrift
überliefert, einfach bei Seite. Sie sind aber so nicht ganz weg-
zuschaffen, und er läfst z. B. gelten
Stande vp ryght 51,7 und
he) carf downe clene 47, 5,
gelesen werden, so dafs die Verse in § .'>5 gehören. Die Endung -es nach
betontem Vokal hat z. B. Silbenwert in den Tripletversen That hotk his
hrees con hlake 15, 15 und Jxd hoth liis hre'es con hltde 27, 11 (siehe § 105).
*) Verse mit klingendem Ausgang finden sich in Sir Degrevant:
hrodelyche hledus 69, 12
to) do suche dedus 69, 16.
«) Vgl. den Tripletvers he atröke \ Kay stiflp 21, lo (§ sy, i).
575
weil sie in zwei Handschriften übereinstimmend überliefert
sind. Er nennt sie „verkürzte Verse", gibt diese Deutung
aber in Pauls Grundrifs 2, S. 164, wieder auf, da er meint, dafs
„möglicherweise in diesen Versen doch die ae. Grundformen
nachwirken". Wie er sich das denkt, ist ans seinem früheren
Aufsatze über die Stabzeile des Troy-Booli zu erkennen. Hier
setzt er (Anglia XII, 403) auseinander, wie aus Sievers' A-Typus
(x)-x(x)-X ™ Me. „durch Abfall der Endsenkung" (x)-xx-
entstanden sei und ebenso aus Sie vers' C- Typus (x)x--x ^i^
die me. Form xx — -• Offenbar meint er, dafs neben diesen
gewöhnlichen me. Formen .ixx- ^^^ XX — - auch die
altenglischen mit nur ^iner Senkungssilbe sich spärlich erhalten
haben; also -x- und x--- Damit läfst sich aber schwerlich
die Tatsache vereinbaren, dafs im Av. und in Perc. an der
nach seiner Theorie metrisch unbetonten Stelle keine tonloge,
sondern nur eine sprachlich haupt- oder nebentonige Silbe ge-
funden wird (§ 65), während im Ae. gerade ^x — X {Grendles
dceda) und x- — X (o^^ so? wöeron) die gewöhnlichen Formen
sind, dagegen l_^x {wisfoest Kordum) und __LZ-x (oft Scyld
Scefing) nur selten begegnen. Jedenfalls ist nicht ersichtlich,
warum a grim gryse ein falscher Vers ist, aber a well grtm
gry.se 2,16 richtig; oder warum ivith Arthours men Perc. 836
vorkommt, aber etwa pe hinges mm oder eine ähnliche Füllung
nicht genügt. In ^inem Worte: Woher stammt die me, Regel,
die doch offenbar besteht (§ 66 ff.), dafs aufser den beiden
Hebungssilben der Luickschen Theorie noch eine dritte haupt-
oder nebentonige Silbe vorhanden sein mufs?
69. Bei Annahme von nur zwei Hebungen wird überdies
wieder gleichmäfsige Skandierung unmöglich. Denn bald tritt die
nebentonige „Seukungssilbe" vor die beiden Hebungen, bald da-
zwischen, bald dahinter (siehe § 67 am Schlufs und vgl. § 41 f.).
Dementsprechend würde Schipper sie z.T. mit Nebenton
skandieren. Luick freilich würde lesen (vgl. Anglia XII, 449):
a well grim grysQ 2, Kl 11 ttold ttete mure 64,4
f>at ^riselich ^6ste 7, Hi | /i6rse Aame brjuge Perc. 352 usw.
Aber dadurch käme ebensowenig überall das gleiche Metrum
heraus, und überdies geht in einem Teil der Verse die Wirkung
der Alliteration verloren.
576
70. Gibt man den Versen dagegen drei Hebungen, so be-
steht nicht die geringste Schwierigkeit. Es ist vielmehr sofort
klar, warum in Versen von nur drei Silben keine tonlose Silbe
statt einer der tonfähigen eintreten kann (§ 66 f.). Ebenso,
warum x-x- und x — x "od -x-x und x-x-x (z- B-
and schildus brade oder of twelve hiy^tes oder scuen hiystes
oder a litull tabulT) nicht vorkommen. Der Grund ist überall,
dafs solche Verse nur zwei hebungsfähige Silben haben würden.
Alle die genannten ungenügenden Formen werden aber
ausreichend, wenn zu der unbetonten Silbe noch eine andere,
gleichviel welcher Art, — eine starke oder schwache — hin-
zutritt, oder auch, wenn statt der einzelnen tonlosen Silbe eine
stärkere eintritt :
Falsch ist x — ; aber richtig x x — i) oder
-X- -xx-2)
x-x- |XX-X-3) |X
Ix -XX-*) l X-5)
X X XX X6) X
-x-x -xx-x') X
x-x-x (X x-x-x 8) X
Ix -xx-x 9) X
Die übereinstimmende Folge aller dieser Veränderungen
ist, dafs dadurch der Vers eine hebungsfähige Silbe mehr
erhält; und das kann nicht anders gedeutet werden, als dafs
diese hebungs fähige Silbe dem Verse auch eine wirkliche
Hebung mehr zuführt, und nicht blofs eine „mehr betonte
Senkungssilbe" (wie Luick in Anglia XI, 411, Fufsnote 2, sieh
ausdrückt). Daher ist diese Silbe häufig ein volltöniges Wort :
1) Z. B. and on kene Kay 8, 4 (§ 56) nnd ich one sere tvay 10, 4 (§ 55).
2) Z.B. gay in hör gere 21, 8 (§ 48 y).
ä) Z. B, injxiyre holtus höre 43, 12 (§ 33^5) und gif him sory care 71,8.
*) Z. B. the see and the sande 1,4 (§ 4S y) und his hrod schildus hothe
IG, 16 (§48ß).
^) Z. B. ge marre notte me 41,8 (§48 a).
6) Z. B. ßat in irith iaundes 3, 16 (§ 56).
') Z.B. stokkes and stoyies 12, 12 (§48??).
^) Z. B. leiste he neuyr quedur 25, 12 (§ 34/9).
3) Z. B. and hurte of my hoivndes 3, 4 (§ 48 y) und for smelle oper
smekis 15, 12 (§48^).
577
1. bade htm sie care 49,8 (siehe § 55); — 2. and ierd furthe
in fere 50,16 (siehe § 48); — 3, leite vs haue oure Mfe 60,4
(siehe § 31 ff.); usw.
71. Dafs in Versen wie J)at griselich geste 7, lö (§ 66)
auf griselich zwei Hebungen fallen und pat Auftakt bildet,
lilfst sieh aus einem Vergleich mit Versen wie hrödelyche
hlediis Degrev. 69,12 und That hörUch and holde Degr. 29,4
und That irehj to iölde Degr. 29, 12 folgern; auch würde 7ja^
mit beschwerter Hebung bei der Skansion ])dt griselich geste
eine sinnwidrige Betonung haben (vgl. auch § 105).
72. Bei der bisherigen Betrachtung der einzelnen Vers-
gruppen mit fünf-, vier- und dreisilbigem Rumpf haben sich
bereits viele Beweisgründe gegen die Zweihebungstheorie und
für die Annahme von drei Hebungen ergeben. Ihre Zahl läfst
sich noch vermehren, namentlich wenn man die drei Versgruppen
zusammen betrachtet.
73. In § 21 ff. hat sich ergeben, dafs sowohl beim fünf-
silbigen als vier- und dreisilbigen Verskörper in gewissen
Fällen eine einzige Silbe im Versanfang weggelassen werden
kann. Dasselbe kann am Schlüsse geschehen (siehe § 26 ff.
und § 67 Fufsnote mit den Beispielen aus Sir Degrevant).
Mehr als diese einzelne Silbe darf aber nicht fehlen. Das ist
bei Annahme von drei Hebungen ganz verständlich. Es heilst
nichts anderes, als dafs vor der ersten Hebung eine unbetonte
Silbe stehen oder fehlen darf (nämlich der Auftakt), und
ebenso nach der letzten Hebung (der unbetonte Teil des
klingenden Ausganges), ohne dals der wesentliche Teil des
Verses dadurch verändert wird:
x)-x-x-(x; vgl. §31ff.
x)lAx^(x; vgl. §47 ff.
x)-x--(x; vgl. §54ff.
x)-ii.-l(x; vgl. §66ff.
Würde am Anfang oder Ende aber mehr als eine Silbe weg-
gelassen, so wäre es eben eine Hebuugssilbe, was natürlich
unmöglich ist.
Bei der Zweihebungstheorie, wo im Allgemeinen Verse
mit 1, 2 oder 3 Senkuugs.silben am Anfang angenommen
Studien zur engl. Phil. L. 37
!
578
werden, ist — wie z. T. sebon frliher hervorgehoben ist —
nicht ersichtlich, warum in gewissen Fällen zwar eine, aber
nicht zwei oder drei fehlen dlirfen. Als richtig gelten
x) X X - —
X) X X - X - ?
warum aber nicht auch x-- iind x-x-? Zumal —LL und
__Lx— zulässig sind, und ae. Urformen mit einsilbiger Senkung
zu Anfang ja vorhanden waren {on sce ivwroii und purh änes
crceft).
Und warum kann am Schlüsse z. B. von Versen wie
giläddely ^fräwnntutte p>äy 8, 16
and all hur Company 63, 8,
welche Schipper metrisch als x-x — xx auffalst, die letzte
Silbe nicht fehlen?
Die vorletzte kann hier fehlen, wie der Vers to here his
tithand 47, 16 u. a. zeigen. To here his songes aber wäre
falsch. Mit andern Worten: Nach dem Anfang x)-x-
genügt eine tonlose Silbe nicht, um den Vers zu vervollständigen;
es mufs mindestens noch eine nebentonige Silbe folgen: to
here his tithand. Es kann aber auch eine haupttonige sein:
he wan J)is hiurde hrygte 32, 16 u. ä. (Ob davor aulserdem noch
eine tonlose steht oder nicht, ist gleichgültig). Begreifen läfst
sich das nur, wenn man annimmt, dafs die erforderliche neben-
oder haupttonige Silbe am Versschluls auch den Wert einer
Hebung hat.
74. Oder wenn man Luick folgend die mittleren
Senkungen von Versen mit der Füllung
x) — X X X — (x , z. B. in V.7\,S gif him sory cäre
x) — XX — (x, z. B. in V. 16,16 his ftrode schildus iothe
oder in V. 32, 16 he wän pis feinrde ftry^te')
betrachtet und sie mit denen von Versen geringerer Füllung
vergleicht, so findet man, dals die drei, bzw. zwei mittleren
„Senkungssilben" bis auf eine reduziert werden können, falls
diese einen sprachlichen Haupt- oder Nebenton hat. So wären
neben he stode hut litull awe 6, 16 auch Verse wie he stode
1) Siehe seine in § 58 (aus Anglia XII, 449) zitierte „einfache Regel"
für die Skansion der Schlnfsverse.
579
Utull aice und he stode miich awe möglich; oder statt / lif
neuyr more 23, 8 könnte I lif nere more stehen ; und neben
hade hom sie carc 49, 8 •niue bade sie care ebenfalls richtig.
Aber eine einzelne tonlose vSilbe zwischen den beiden Hebungen
{-X— oder x - x -) würde nicht genügen. Auch hieraus mufs
man auf drei Hebungen als das erforderliche Mafs schlielsen.
Oder man kann auch so tiberlegen: Folgende drei Vers-
fUlliingen (mit Luicks Skansion) sind gleichwertig:
- — X — worlyke in iiede 54, 8 (§ 48 s)
— X — — bade him sie care 49, 8 (§ 55)
— XX— sfokkes and s^ones 1 2, 1 2 (§ 4S ?]).
Aus dem häufigen Vorkommen von Versen der letzten Art
(mit zwei Silben schwächster Form in der Mitte) darf man
aber nicht folgern, dals der sprachliche Haupt- oder Nebenton
in den beiden ersten Versarten zur Senkung herabgedrückt
wird. Denn wohl kann in den ersten beiden Verearten die
schwächste Silbe getilgt werden (weil dann noch drei hebungs-
fähige Silben übrig bleiben, vgl. ^ 66); aber in Versen der
dritten Art kann keine der tonlosen Silben ausgelassen werden,
weil die Versfüllung sonst zu gering würde. Das ist nur zu
begreifen, wenn man folgert, dals von den beiden mittleren
Silben der schwächsten Versfüllung (-xx-) eine rhythmisch
auf die Stufe der nebentonigen Silbe von Versen wie wörli/Jce
in wede gehoben ist, so dafs überall drei Hebungen heraus-
kommen.
75. Zusammenfassend kann man also sagen, dals, wo
immer bei der Zweihebungstheorie zwei oder drei Senkungs-
silben nebeneinander erscheinen, nie blols eine einzelne Silbe
dafür eintreten kann; es sei denn eine haupt- oder nebentonige
Silbe. Mit andern Worten, neben den Versfüllungen
(x) X X - (x) - (x) und (x) - (x) x x - (x)
kommen — (x)-(x) und (x) (x) vor,
aber nicht x — (x) - (x) oder (x) - x - (x).
Das Übereinstimmende zwischen der Gruppe (x) x x und der
damit wechselnden haupt- oder nebentonigen Silbe (-) besteht
in der Betonung, in dem Vorhandensein eines Akzentes; und
dieser unterscheidet sie auch sprachlich und metrisch von der
einzelneu tonlosen Silbe (x), die nicht für sie eintreten kann.
37*
580
Man rnufs daraus scliliefsen, dafs die Seblufsverse drei Hehiiogen
haben.
76. Schon bei Behandlung der ftinfsilbigen Schlulsverse
(§ 400".) ist hervorgehoben worden, dafs bei der Zweihebungs-
theorie nicht alle Verse sieh auf ein einziges Metrum zurück-
führen lassen. Das zeigt sich auch, wenn man Verse wie
X X - - w'f l^is lädy 56, 8 (§ 57)
on a fair stede 40, 4 (§ 56)
mit IxX- 9^y in hör ^ere 21,8 (§ 48y)
vergleicht. Gleiches Mafs erhalten sie erst, wenn man drei
Hebungen und drei gleiche Versfüfse annimmt; denn xxl-l-
ist metrisch dasselbe wie Ijxxl--
Ebenso können
XXX — — ^6 ^^^ ^^ hörsing 31,8 (§57)
ne him to rfethe dijte 4, 8 (§ 56)
und ^ X X X - »"ennyng on a rkw 6, 8 (§ 32)
nicht gleich gesetzt werden; wohl aber bei Annahme von drei
Hebungen. Denn x)xxl-l- ^^^ metrisch gleich Ixlxxl--
Diese Art Messung ist aus zahlreichen andern Gedichten alter
und neuer Zeit sehr bekannt; aber die für die Zweihebungs-
theorie angenommene ist rein theoretisch.
Das dreihebige Metrum macht zudem starke Versfülluug
ganz natürlich, z. B. in
bade him sie cäre 49, 8 (§ 55)
and se hom sie cäre 68, 12 (§ 55)
Ms 6r6de schildus böthe 16, 16 (§ 47)
gif him söry cäre 71,8 (§31)
and /erd /'iirthe in /ere 50, 16 (§ 48)
(/läddely ^rräwuututte f>äy 8, 16 (§ 33).
Anderseits machen Verse dieser Art, welche einen sehr
ausgeprägten natürlichen Khythmus haben, bei der Zwei-
hebungstheorie so grolse Schwierigkeiten, dafs die beiden
Hauptvertreter der Theorie über ihre metrische Form sich
nicht einig sind. Luick legt die Ikten, ohne Rücksicht auf
die Alliteration, überall auf das erste Vollwort und die Reim-
silbe; und Schipper schwankt, z.T. wegen der Alliteration,
z.B. zwischen' ,. ,j , . ^ .^ v.- o w
^laddely ^rawuntutte f»ay 8, 10
und bis iröde scbildns böthe 16, 16.
581
77. Auch Verse wie die fdlgeudon (mit Schippers
Sk.insioii) /j^rye /,.-,H,e bryngc Pcrc. 352 (§ m)
und buttc he niay /lärmes /leute Av. 2S, s (§ 33,9)
haben nichts miteiniuider gemein aufscr den zwei Hebungen,
und sind wegen der verschiedenen Art, Zahl und Stellung der
Senkungssilben einander so uuälmlieh, dafs man sie metrisch
nicht gleich setzen kann.
Nicht besser ist es mit Luicks Skansion von Versen wie
/iörse /jame brjnge Ferc. 352 (§ 66)
und he /iad no /jorsing Av. 31,8 (§57).
Nicht nur ist hierbei die Alliteration vernachlässigt; auch
mit der gleichen Hebungszahl sind die beiden Verse zu ver-
schieden, als dals man sie als metrisch gleich betrachten
könnte.
78. So haben sich überall bei Anwendung der Zwei-
hebungstheorie unüberwindliche Schwierigkeiten ergeben; und
anderseits hat sich gezeigt, dafs sie alle bei Annahme von
drei Hebungen sofort und gänzlich verschwinden.
Die Zweihebungstheorie bietet überhaupt keine rationellen
Regeln für das Auftreten, die Art und die Zahl der Senkungen.
Sie lehrt nicht, warum mindestens eine „Senkungssilbe" (in
Versen wie fyue stryde mette Perc. 1708; § 66) vorhanden
sein mufs; noch warum diese einzige „Senkungssilbe" immer
schwerer Art ist; noch warum die Zahl der „Senkungssilben"
bis auf fünf steigen darf (z. B. mid hrittunt all to hoiius Av.
12,8; §31). aber nicht höher; noch warum zwei oder drei
„Senkungssilbeu" zusammen stehen dürfen (wie im letzten
Beispiel), jedoch nie vier; noch warum im Av. kein einziger
sicher ursprünglicher Vers mit zwei „zweisilbigen Senkungen"
vorkommt; noch warum das Gedicht neben einer dreisilbigen
„Senkung" im selben Vers nie eine zweisilbige hat.
Dies sind alles unerklärte und unerklärbare Tatsachen,
wenn der Vers nur zwei Hebungen hat. Oder mit andern
Worten, es sind Regeln, die der Dichter erfüllt hat, nach
denen er aber so weder bewufst, noch unbewulst gearbeitet
haben kann, weil sie eben unvernünftig sind.
Anderseits hat sich ergeben, dafs jeder Schlufsvers drei
hebungsfähige Silben hat und nie weniger. Hinzuzufügen ist,
582
(lafs in den wenigen Fillleu, wo vier hebungsfällige Silben
vorhanden sind, eine in natürlicher Rede unbetont bleiben
(und also im Vers in die Senkung treten) kann; z. B. die
zweite Silbe von gladdely in dem Verse
^läddely .(jTcäwantntte f>äy 8, 16,
weil sie zwischen zwei volltönigen Silben steht. (Siehe ferner
§ 79). Es gibt keine Tatsachen, aus denen zu folgern ist,
dafs immer eine von den stets vorhandenen drei hebungsfähigen
Silben zur Senkung herabgedrückt werden muls; im Gegenteil,
viele Tatsachen bew^eisen, dals die drei als wirkliche Hebungen
im Verse angesehen werden müssen. Es ist ferner gezeigt
worden, dafs und in welcher Weise Senkungssilben neben den
Hebungssilben stehen oder fehlen können. Vier Formen haben
sich ergeben: / / ,
^ -x-x-
--X-
r t I
-X--
/ / /
Jede dieser Formen kann mit oder ohne Auftakt beginnen
und kann mit oder ohne Senkungssilbe schlielsen. Ein Unter-
schied zwischen ihnen besteht nur im Vorhandensein oder
Fehlen von Senkungssilben. Wo die Senkungssilbe fehlt, sind
Hebung und Senkung in einer Hebungssilbe vereinigt, die
dadurch „überlang" oder „beschwert" wird. ') Das Grund-
schema des Verses ist also x-x-x-x, oder mit Gliederung
in Ftilse x) - x I - X I - X 5 ^^^ andern Formen leiten sich daraus
durch Schwinden einer oder mehrerer oder aller Senkungs-
silben ab. 2)
79. Welche Silben Hebungen und welche Senkungen
bilden, wird durch die Betonungsverhältnisse der natürlichen
Rede geregelt; das hat sich bei der Untersuchung allenthalben
ergeben. Die meisten Regeln sind bekannt,'') Hervorzuheben
oder hinzuzufügen ist hier nur folgendes: Zweisilbige Wörter
0 Sie wird vou Saran durch das Zeichen ^ wiedergegebeu.
*) Etwa wie aus dem Grundschema x) — x I — X die Formen x) ^ I —
und L I L der Verse Der) Mensch \ denkt,
Gott I lenkt-
») Siehe z. B. M. Kaluza, Englische Metrik, S. 193 ff.
583
wie stoMes, dipitus, irontuttc usw. sind einbebig; aber wenn
unmittelbar darauf eine Senkungssilbe folgt, bilden sie stets
zwei Hebungen: stökla's and 8tü7ics 12,12. Zweisilbige Wörter
mit scbweren Ableitungssilben (wie ghidly) folgen derselben
Regel; sie können aber aueb unmittelbar vor einer Hebung zwei-
bebig gebrauebt werden, wenn sie mit besonderm Nachdruck
auftreten, vgl. den Vers pat grisclich gcstc 7, 16 (§ 66) mit
ghiddcJi/ ^rdivuntutte Jidy 8, 16. Nebentonige Ableitungssilben
sind also in dieser Stellung steigerungsfäbig; die seh wachen
Flexionssilben von stoMes, ivontutte usw. aber nicht. Dies
ist ein Unterschied, an dem die Zweihebungstheorie achtlos
vorbeigeht.
Wie die nebentonige Ableitungssilbe von gladdely im zu-
letzt angeführten Verse, so können auch nebentonige einsilbige
Wörter zwischen zwei Hebungen in die Senkung treten: he
Ycmics füll rathe 16,8 (siehe § 53 c); sogar einsilbige Voll-
wörter, namentlich wenn sie an Bedeutung eingebUlst haben:
110 schöuthe thingc mc 56, 16; so söre gerutte (lies gcrt) htm
to drc'de 11,16. Dasselbe kann im Auftakt geschehen: here
fluiden is hcc 56, 12. Zu skandieren here fünden is hee geht
nicht, weil dadurch here als beschwerte Hebung für seine Be-
deutung zu viel Gewicht bekommen würde; auch gibt es kein
zweites Beispiel mit zwei Senkungen im zweiten Fufs. Ahnlich
ist lolce) J)dt 1) J)ou duelle ])ere 45, 12 und do) pöu ^) me neuijr-
mo're 45, 16 zu skandieren.
B. Die Tripletverse.
SO. Den Tripletversen haben Horstmann (§ 4) und
Köster (§9) drei Hebungen gegeben; Schipper (§6) und
Luick (§7) lesen sie mit zweien; und Ellinger (§ 8),
Trautmann (§ 10), Kaluza und Heuser (§ 11) mit vieren.
Es fragt sich, welche Theorie sich als richtig erweisen lälst.
') Dies ist wohl die natürliche Betonung, so dafs es nicht nijtig ist,
„schwebende" Betonung zu Hilfe zu nehmen. Vgl. E. Sievers" Auffassung
des mhd. Verses an die got ainen fiiz leit, wozu er bemerkt: „So, nicht
an die göt, ist doch wohl die natürliche Betonung" (Rhythmisch-Melodische
Studien, Heidelberg 1912, S. 29).
584
Bei der Untersncliung ergil)t sieh bald, dafs die Triplet-
zeilen nicht durchweg sich so einfachen Regeln fügen, als
sieh für die kürzereu Sehlufszeilen ergeben hat.
Da jedoch die Formen der Schlulsverse bei der Unter-
suchung beständig zum Vergleichen heranzuziehen sind, so
empfiehlt es sich, zunächst immer die am leichtesten vergleich-
baren, d. h, nach übereinstimmenden Regeln gebauten Triplet-
verse zu prüfen und verderbte Verse und besondern Regeln
folgende vorerst beiseite zu lassen, da sie für die Beweis-
führung entbehrlieh und hinderlich sind.
81. Die Silbenzahl der auf diese Weise gesichteten Triplet-
verse im Äv., welche bei weitem die Mehrzahl bilden, schwankt
zwischen vier und neun. Vier Silben hat der Vers
Xay come home sone 44, 6 ;
neun Silben stehen in dem Vers
J>is is no /antum ne no /"abuU 2, 1.
Der viersilbige Vers besteht aus vier schweren Silben;
keine von ihnen dürfte tonlos sein. Setzt man an irgend einer
Stelle statt einer schweren eine tonlose Silbe ein, so entsteht
ein Seh weifreim vers ; z.B. he come home sone, oder Kay is come
home, oder Kay comes sone, oder Kay home comes. Schon
hieraus kann mau schlielsen, daXs der Tripletvers eine Hebung
mehr hat als der Schlufsvers, also im ganzen vier.
Der neunsilbige Vers hat einen regelmälsigen Wechsel
von einzelnen unbetonten und betonten Silben. Vier Silben
sind betont, was zu dem eben gezogenen Sehluls stimmt. Jede
der fünf unbetonten Silben kann fehlen, und zwar nach Be-
lieben blols eine oder zwei, drei, vier oder alle fünf; in allen
Fällen bleibt ein richtiger Tripletvers über. Die vier betouten
Silben aber sind unentbehrlich als Träger der erforderlichen
vier Hebungen (vgl. § 18 ff.).
Weder Schippers und Luicks Theorie, noch Kösters
Ansicht trägt diesen Tatsachen Rechnung.
I. Auftakt und kliugeuder Ausgang.
82. Was in § 21 ff. über den Auftakt und klingenden
Ausgang in den Schlufsversen gesagt ist, hat in der Haupt-
sache auch Gültigkeit für die Tripletverse und braucht kaum
585
nochmals ebenso ausführlich dargelegt zu werden: Einsilbiger
Auftakt und klingender Ausgang können beliebig auftreten.
Man vergleiche z. B. folgende Parallelverse mit und ohne
Auftakt:
/aste /blatte to him thore 6,10 j colurt him fiil A-yndcIy 17,2
pe) king tiiruus to pe bore ic, •") to) 6nttuuhiinaii(ldowne6>-inge 8,9
>«yne avow make I S, 0
aud) I avow sayd Kaye 9, 5
/'eye folke will ho /ere 4, ü
f»i) rijte iiame }>oii me say 20, 3
shyn hörn downe sZely 3,5 fiid as a da-^ty knyj;te 14.5
he) sZoje hoiu dowue s/ely ('., i:^ pe) kiuge with a nobull brande 1(1,5
hunting füll warly 2, T j sayd ^rodely a-^ayn 27, 2
with) fo^img fall /"urcely 3, 6 and) sayd (/odely a-^iayn 24, 6.
83. Während es aber bei den Schlulsversen zweifelhaft
war, ob der Dichter je zweisilbigen Auftakt angewandt hat,
läfst sich dies für die Tripletverse nicht leugnen. ') So wird
man in folgenden Versen an der handschriftlichen Überlieferung
festhalten müssen:
lbr-)ii) jelins schall I neuer be 62, 13
I coni)iuawuDde ]>e to be all uy^te oute 51,6
I com)mawunde pe, or poa cnm agayne 45,10
He be-)gaii to cZotur and rfote 16, 11
Ile be-)gan to romy and rowte 12,3.''')
Weniger sicher sind andere Fälle, wo das erste Wort des
Verses vom Abschreiber zugesetzt sein könnte:
And atte) euyn ]?e kiug cou him dyjte 52, 1
Nene pe) king sayd, Fle he ne eau 4ö, 1
For f>e) sege a-boute vs lay stille 67, 1
For pe) mete of pe »uessyngere 71,9.
Namentlich häufig sind Fälle, wo das Adverb pejme mit
dem bestimmten Artikel im Auftakte steht:
penne pe) hunter sayd lo him pare 7,9
penne pe) /tunter turnes /lome agayne 8, 1 ;
ähnlich 13,1; 14,1; 41,9; 45,5; 46,1; 51,1; 55,1; 57,1;
70,5; 72,1.
1) Vgl. § 100 erste Fufsuote.
2) Es empfiehlt sich nicht, in den letzten beiden Versen die erste
Hebung auf He zu legen und die Verse zu § 101 c zu stellen, da das Pro-
nomen nur eine Wiederholung aus den unmittelbar vorhergehenden Versen
ist und nicht wohl betont werden kann.
586
Auch hier könnte lienne vom Abschreiber hinzugesetzt
sein; es ist aber uuwahrscheiulich. da ans zahlreichen andern
Stellen ersichtlich ist, dafs der Dichter häufig solche Sätze mit
^enne begann. In folgenden Versen kann es nicht gestrichen
werden : ^g^ \^)„]^q p-Ai (kmescll rfere 33, 2
fien vnsqnarut Gauan 9, 1 ; 24, 5 ; 27, 1
)">enne ]'ay rode to-gedur ryste 21,5
J^onue }'ay /bebet /"iirth a boke 3*;, 9 ; "*
ferner nicht iu 28,5; 30,9; 37,2; 47,9; 54,1; 54,7; 60,3;
63,9; 66,1; 70,1; auch nicht in 32,5; 33,5; 43,3; 44,1;
49,9; 56,9; 71,11.
Sicher zweisilbigen Auftakt haben auch mehrere Verse, die
mit He sayd, Ho sayd, And sayd oder Sayd eingeleitet werden : i)
Sayd: pis) socoiir poii hase send me 17,11
He sayd) J'en to-gedur schull we goe 24, 15
He sayd) I, Jiay, pat p>on Änawes 23, 5
And sayd) And je were als mony wo 41,3
IIo sayd) Haue je notte jour aune quene here 52, 13.
Dagegen ist in dem Verse
50 behones jild vppe ]?is slid G9, 7
für hchoucs wahrscheinlich einsilbiges hos einzusetzen, wie in
V. 40, 16 (siehe § 35).
Zu den Versen
Quetlier) ho may serue vs all to pay til,7
Quethur) ho wulle sfynte lue of iny sirife 33, 15
Sethuu) f'ou art in my wille stade 35, 11
ist zu vergleichen, was oben in § 35 und unten in § 100 über
die Wörter quethur und sethun bemerkt ist.
Bemerkenswert sind aulserdem noch die Verse
justur-) euyn '•^) in pe enning 37,6
5istur-)euyn I pe king hi^te 42,3;
vielleicht war gustur-, gistur- hier einsilbig.
') Man vergleiche hiermit die von Kraus aus Reiubots Georg zu-
sauinicngestellten Verse mit er sprach im Auftakt (S. 97 f. seiner 'Metrischen
Untersachungen'); z. B.
er sprach \ daz tet ein ritter unervorht\
und seine treffenden Bemerkungen dazu: „Hier [wo das er sprach den
Vers überfüllt] bringt die Herabdrückung der Stimme, die erst bei der
folgenden direkten Rede ihre normale Stärke wieder auuimmt, die Herab-
drückung des Geltungswertes der Einleitungsworte mit sich."
'^) Vgl. die Betonung von yestreeyi im heutigen Schottischen.
587
84. Sogar droisilhiger Auftakt kommt vor:i)
Biittc üf )'o) otliir thinges )'at-) poii uie told (51,3
He sayd, Sir) Kay fi lyfe I the liebte 22, LS.'')
lu dem Verse 43, 11 viersilbigen Auftakt anzunelimcn
scheint zu gewagt: He asshcd, if) lie hadc \\crd anij tithing
(vgl. S. 101 e). Vielleicht ist für asshed eine einsilbige Form
einzusetzen. ')
85. Klingendi^r Ausgang ist verhältnismäl'sig selten (vgl.
§ 26). Als Parallelen zur Vergleichuug mit stumpf ausgehenden
Versen mögen dienen:
}nis }'ay ^iirnut ^o j^e furne 23, 1
tlieuuü he 6etus oa pe öussbes 4, 10
)nis he Kalkes hiui tili 19, 1
quen he gnettus his tnsshes 4, 9
with /esting füll /"urcely 3, 6
of ^rest men and j;riueabull 2, 3.
Bemerkenswert ist, dafs Wörter wie himtcre schwere Ab-
leitungssilbe haben (vgl. § 29); vgl.
penne }>e) kynge cald his huntere 51, 1,
wobei die Reimwörter sind here und chere. Merkwürdig ist,
dafs auch die zweite Silbe von Jcechine 'Küche' schwer ist und
46, 15 und 49, 1 mit fine und wine reimt •>) und 56, 2 mit fi/ne
und Bawdeivine. Gerade wie fürcely, hilntcre u. ä. bildet es
daher zwei Hebungen:*')
And eocns in pe A'echine 46, 15
Now ]?er come fro pc Ä;cchine 49, 1
And bade it to kechine 56, 2.
II. Der Yersruinpf.
86. Die Tripletverse unterscheiden sich von den Schlufs-
versen durch Zutreten einer haupt- oder nebentonigen Silbe,
1) Vgl. § 100 erste Fufsnote.
») Vgl. § 101 b.
^) Wenn hier nicht zu skandieren ist He säyd Sir Kay pi lyfe I
the hegte; vgl. § 101c.
*) Vielleicht ist es aber besser zu skandieren IIc asshed if he hade
herd any tithing (vgl. § 102). Fraglich ist auch, ob hade zu streichen ist.
^) Dies erinnert an me. Onmin und dryhtin.
") Ebenso im Perc. 455.
588
die. wie man schliofsen miils, eine neue Hebung bildet. Man
vergleicbe z. B. den letzten Vers des Gedichtes mit dem ersten,
die schon früher einmal miteinander verglichen sind:
that Hiade vs on pe JMulde 72, 16
He I )'at »tade vs on pe »uilde 1, 1.
Oder aus Sir Pcrc, wo die Übereinstimmung der Verse zur
Strophenverkettung dient (vgl. § 8), z. B.
lor sothe als I say 131,16
now I for sothe als I say 132, 1.
Die so hinzutretende Tonsilbe kann von einer oder zwei
unbetonten Silben begleitet sein; und die Silben können an
beliebiger Stelle des Verses zugesetzt werden:
with-owtteu any lett Perc. 83, 16
he sayd | witb-outten auy lett Perc. S4, 1
Aorse /lame brynge Perc. 22, 16
scho saw li ym | /lorse /iarnc brynge Perc. 23, 1
with-owtten mercy Perc. 57, 16
with-owtteu auy mercy Perc- 58, 1
with bestez to playe Perc. 11,16
with wilde bestez for^) to playe Pac. 12, 1.
Dagegen eine tonlose Silbe allein macht keinen Unter-
schied; denn z. B.
hym to cZethe rfijte Av. 9,8 und
ne) him to fZethe fii^te Av. 4, 8
sind beide Schlulsverse (vgl. § 21 ff.). Tritt sie aber hinter
eine bereits vorhandene schwache Silbe, so wird diese ton-
fähig, und es entsteht ein Tripletvers; vgl.
with) craftez pat he cau Perc- 38, 16 mit
With his I craftez gan he calle Perc. 39, 1,
oder zugleich mit einer andern kleinen Änderung im Wortlaute:
and) l3'gges in the felde Perc. 4, 16
There he | lygges in the felde Perc. 5, 1
with) wapyns in bände Perc. 71, 16
with paire | wapyns in J^aire bände Perc. 72, 1.
Alles dies weist deutlich darauf hin, dals die Tripletzeilen
eine Hebung mehr haben.
') For übernimmt nur die Hebung, die im Schlufsvers auf die zweite
Silbe von bestez füllt, während auf wilde eine neue Hebung fällt.
589
87. Wie schon iu § 7 hervorgehoben ist, hat Luiek
bereits in Anglia XII, 441 auf solche fast gleichlautenden
Schlufs- und Tripletverse im Perc. und die dadurch erzielte
Strophenverkettung hingewiesen und in dem rhythmischen Unter-
schiede solcher Parallelverse eine Stütze für seine Theorie zu
finden gesucht. Er meint, der Dichter i^v^e „reine Flickwörter"
ein z. B. in
No%v of justingez thay teile S, 1
oder erweitere durch schmückende Beiwörter, z. B. in
Witli wilde bestez for to playe 12, 1.
So erhalte der Vers nur eine gröfsere Zahl von Senkungssilbeu.
Das ist aber keineswegs der Fall. An vielen Stellen sind die
Zusätze gar keine „reinen Flickwörter" oder „schmückenden
Beiwörter" ; z. B. nicht in
Eis hode was juste to bis cliynne 1 S, 1
Scho saio hym horse haiiie brynge 2;i, 1
The gates made he füll guede 4(1, 1
per brent of birke and of ake 4!), 1 .
Vielmehr erhalten die Verse, hier wie in allen Fällen, eine
hebungsfähige Silbe mehr; das ist das Unterscheidende,
und man mufs eben daraus schliefsen, dafs es geschah, um
der Zeile eine wirkliche Hebung mehr zu geben.
Schon vom Standpunkte seiner Theorie ist nicht zu
begreifen, warum der Dichter, um aus dem Schlufsvers
and p>ou were wele dijte 34, 16
einen Strophenanfangsvers zu machen, vor die drei „Senkungs-
silben" noch zwei andere setzte:
he Saide: And pon were wele dighte 35, 1.
Ebensowenig versteht man, warum er aus
are I doüne lyghte 51,16
einen Tripletvers mit vier „Senkungssilben" am Eingang macht:
Nowther wolde he doüne lyghte 52, 1.
Denn nach Luiek entsprechen die Tripletzeilen den ersten
Halbversen der Stahzeile; aber iu Anglia XI, 420 hat er selber
hervorgehoben, dafs C, -Verse, wie er solche Verse mit zwei
Hebungen am Ende (...xx--) uennt, als erste Halbverse „gar
nicht vorkommen".
590
Der Dichter des Pcrc. verändert auch den Schlufsvers
(mit Luicks Skausion)
that scho may häfe no pese Gl, IG
in den Tripletvers
He sayse f>at scho may häfe no pese G2, 1.
Auch solche „B -Verse" findet man nicht unter den ersten
Halbversen der Stabzeile.
Und alle diese und ähnliche angebliche C)- und B -Verse
sind ja doch auch wahre Ungeheuer und passen ebensowenig
in die Schweifreimstrophe des Sir Perc. wie in die alliterierende
Dichtung. Liest man sie aber mit vier Hebungen, so haben
sie nichts Ungewöhnliches:
He Saide: And poü were wele dighte 35,1
Nöwther wolde he doune lyghte 5?, 1
He säyse p>at scho may häfe no pese 62, 1.
88. Am besten und übersichtlichsten lassen sich die
Tripletverse mit den Schlulsversen vergleichen, wenn man
den überschielsenden Teil am Versanfang abtrennt, als
wären die Tripletverse durchweg durch Vorsetzen von ein,
zwei oder drei Silben aus den verschiedenen Formen der
Schlufsverse entstanden; im Zusammenhang mit der oben
gegebenen Darstellung der Schlufsverse, aus welcher ihre
Dreihebigkeit erhellt hat, zeigt diese Gruppierung zugleich
am klarsten, dafs die Tripletverse vierhebig sein müssen.
Folgende Fälle sind in jeder Gruppe zu unterscheiden:
1. Aus auftaktlosen Schlufsversen entsteht ein Tripletvers,
indem eine starke oder halbstarke Silbe davor tritt, und zwar
^ ' /aste I /blutte to him thore 6, 10;
b) mit einer unbetonten Vorsilbe (Auftakt):
he) s^roke | Kay siifly 21, 10;
c) mit einer unbetonten Folgesilbe (Senkung):
sZayn hom | downe sZely 3,5;
d) mit Auftakt und unbetonter Nachsilbe (Senkung):
he) sto^e hom | downe sZely 6, 13.
2. Aus Schlufsversen mit Auftakt entsteht ein Tripletvers
durch Vorsetzen einer oder zweier Silben:
591
a) eine Silbe gleichviel welcher Stärke:
»iyne | avow »iake I 8,6;
b) zwei Silbeu, wovon die erste Auftakt wird:
and) I I avow sayd Kaye 9, 5.
89. Diese sechs Entstehungsarten lassen sich bei jeder
der früher behandeltt-n vier Ilanptgruppen von Sehlufsversen
unterscheiden j wie nun durch geordnete Beispiele zu zeigen
ist. Es sei mit den kürzesten Versen begonnen, weil sie am
leichtesten zu übersehen sind. Wenige Beispiele für jede
Entsprechung von Triplet- und Sehlufsversen genügen. Für
alle Hauptgruppen und die meisten Untergruppen sind die
Belege überaus zahlreich; sie vollständig hier anzuführen, ist
für die Beurteilung des Metrums nicht nötig.
1. Vergleich mit dreisilbigen Sehlufsversen.
1 a) _ I JTay | come home sone 44,0')
b) X — I of ) -K^ay I carpe we nowe 1 S, 2
he) siroke | Kay stiüy 21,10
Ihe) iorde | lenge wold noste 4S, 1:5-)
c) — X I shyu hom j downe slely H, 5
tu ward I Carlele ryjte 40, 7
d) X — X I he) slo-^e bom | dowue sZely G, i:j
Le) jL»rekut | oute j:>restely 19,5
gif) Gawan | gode endiuge 34, 2.
2 a) — I X myne | avow make I 8, 6
and I my nowne body 35, 7
wif> I pe </iriuand thorne 23, 2
atte I J?e same castell 64, 10
b) X— I X he mette | pe bore comande 10,6
and I I avow sayd Kaye 9, 5; ähnlich 21,3.
2. Vergleich mit viersilbigen Sehlufsversen der Form _x
la) _ I _x brayd \ onte a fcrande bry^te 14,6
liunt|ing füll warly 2, 7
le|dand a ftirde ftryjte 18,7
>) Vgl. Where\fore üedde ^ee Perc. 902.
^) Vgl. to) feche \ doun armoure Perc. 651
he) saive | ten me^i ryde Perc. 870.
592
b) X — ! — X of j;>est I men and ^;jiueabull 2, 3
wlth /esiting füll /"urcely 3,6
and aure-|hiet him radly 19,6
to me I wade pay grete »»one 69, 3
to /lold I pat f>ay Ae^te /tade 10, 3
]>e hed \ of pat /tardy 17,3
c) _ X I - X castell I gete je none here 69, 14
come f>ay | home from /luntyng 55,14
pou schall I /iaue no /iarmyuge 53, 3
d) X — xl— X tase takyn | me to presownn 2-1,2
be chesun | of ]?at iiurde irijte 19,11; 21,7
if he were | in a dale rfepe 17, 13
and /lertis | conne p>ay Äome bring 55,15
2 a) _|x-x pere ] to-gedur fajte we 23, 13
sowunde | with-ontun hurting 65,14
b) X— ix — x and all | a-jayn(u)s ^) payre awne wille 2ü, 15
with him | was mony lordinge 1,11
butte of I pi thryd a-vowyng 66, 1 1
he graunt | vs all bis blessynge 72, 14
3. Vergleich mit viersilbigen Schiufsversen der Form x-
1 a) - I X - Aye I folke will he /ere 4, 6
all I wToth ivex pat sqwyne 15,5
bold I hardy aud wijte 44, 1 1
b) X — I X — and sayd | ^odely a^fayn 9, 2; 24, 6
pi rijte I name pou me say 20, 3
pe kynge ] mj-^te him nojte see 15,9
p>e öore | ftrittunt Ms schild 14, 15 {vgl. § 98)
c) —X I X— ichone | make jour avowe S, 15
giffe hom | joy pat will here 1,5
J>at were | hardy and wijte 70, 11
d) X — X I X — of dujti I men and of dere 1, 6
]?ay /leld him | fast in bis hold 7, 1
now may je i sone to him fare 7, 11
now Jhesu i Lord heuyu-kynge 72, 13.
2 a) — I X X — ^1q I and 6rayd vppe his ftryne 1 5, 6
to I f e forest pa. /are 2, 9
mete | and drinke vs to fiUe 67, 3
quen | he quettus his tnsshes 4, 9 (vgl. § 9S)
]?us I he Kalkes him iille 1 9, 1
^^) X— I X X— opon I pe kinge for to sette 12, 10
pe k'mg I at Carlele he lay 2, 13
J>er mone | no dintus him (Zere 3, 1 J (vgl. § 98).
1) A-gaynus ist zweisilbig; siehe § 100.
593
4. Vergleich mit fünfsilbigen Schlufsversen.
la) _|_x — X— /aste | /olutte to him thore 6, 10
Ä:ynde|nesse of curtesy 2, G
(lid I as a dn^ty knyjte 14, 5
(vgl. auch ra|ches with opon mouthe 0,7; sie/te § 9S)
b) X— I— X — X— he prays | to Sayn Margarete 14, 3
f>e kinge | turnus to pe bore 10,5;
pe king | sayd, and I hade pojte 57, 13
(vgl. auch and car|putte of venerle 11,10; sie/je §98)
c) _xl— X — X— he has I wrojte me mycull care 3, 3
Gawan | asshes is hit soe 24, 13
wittur|ly pay sojte pe southe 6, 6
(1) X — x|— X — X— when f>ou art | armut in pi gere 24, 9
be chesan | of pe birdus sake 21,2
to fcrittun | him pe king was bowne IG, 14
and Gawan | rydus to him ryjte 2G, 2.
2 a) _|x — X — X— sqwith I with-outun any more 14, 10
penne | pay rode to-gedur ry^te 21,5
or I he myjte his bridnll hente 13, 11
thus I his maystry mekes he 16, 1
b) X — I X — X — X — be rode | pe forest vppe and downe 10, 10
and ride | to him a course on werte 24, 11.
90. Aus diesen Listen erhellt der Unterschied in der
Füllung zwischen den Triplet- und Schlufsversen aufs deut-
liebste. Überall besteht er in der verschiedenen Zahl der
natürlichen Tonsilben; jeder Tripletvers hat vier haupt- oder
nebentonige Silben und jeder Schlufsvers drei. Macht man
nun diese Tonsilben zu Trägern von Hebungen, so ist auch
der metrische Unterschied zwischen den zwei Versarten
sofort ganz klar. Es ist ein Unterschied derselben Art, wie
wir ihn auch sonst im Me. überall finden, wo innerhalb «ines
Gedichtes Verse von verschiedenem Mafs vereinigt sind. Und
er beruht auf demselben Prinzip wie überhaupt in der gesamten
me. Dichtung, nämlich dafs die Versbetonung mit der natür-
lichen Betonung übereinstimmt; nur ganz geringe, leicht er-
trägliche Abweichungen sind gestattet. Der Wechsel zwischen
vier und drei Hebungen in den Versen, aus denen die Schweif-
reimstrophe besteht, ist zugleich von der einfachsten und
fafslichsten Art, so dafs der Dichter ein brauchbares Metrum
Studien z. engl. Phil. 1^. 38
594
hatte, in welches sich seine Worte ohne besondere Mühe, wie
von selber, natürlich fügten, indem Versrhythmus und natür-
liche Betonung zusammenfielen. Und auch die Alliteration
kommt überall vollkommen zu ihrem Rechte.
91. Bei der Zweihebungstheorie aber ist das alles keines-
wegs der Fall. Für die Schlufsverse ist dies oben schon nach-
gewiesen; aber die Tripletverse mit nur zwei Hebungen zu
lesen, hat noch viel gröfsere Schwierigkeiten. Schon wenn
man sie für sich allein betrachtet. Die Hebungen erscheinen
ganz beliebig irgendwo im Verse; und dementsprechend ver-
teilen und gruppieren sich die Senkungssilben fast regellos,
während zugleich ihre Zahl in unbegreiflicher Weise schwankt.
Nämlich bald stehen die Hebungen unmittelbar nebeneinander,
am Anfang, in der Mitte oder am Ende des Verses : i)
müche besenes hade we 61, 1
the Zörde Zenge wold nojte 48, 13
nowe g6de frindns ar fay 37, 1
bede bringe 6red plente ü8, 5
and ]n w6nch löst with-alle 27,15
if he were in a rfäle depe 17, 13
for bitte was atte hur äwen wille 57, 5
for pou conne hom best kenne 50, 7
sethim pou art in my wille städe 35, 1 1
Bald sind die Hebungen durch ein, zwei oder mehr Senkungen
getrennt:
1 : Kay come hörne sone 44, 6
Ho sayd haue se notte jour äune qnene here 52, 13
Ryjte as p>ay had bene vncowthe men S9, 14
2: Of Kay carpe we nöwe 18,2
Blu and fcräyd^) vppe his iryne 15,6
3: f>e kynge myste him nojte s6e 15,9
And Gauan ryd.es to him ryjte 26, 2
and all a5ayn(u)s^) payre awne wille 20,15
4: of dügti men and of dere 1,6
]?U8 dw611us he atte pe Röwuntabulle 36, 14
^) Ich habe die folgenden Verse nach den Regeln und Beispielen
Schippers bezw. Luicks, so gut wie ich konnte, skandiert. Da ihre
Darlegungen jedoch lückenhaft sind und nicht immer übereiustimmeu, so
konnte ich nicht für alle Verse zweifellose Anleitung finden.
*) Vgl. Luick, Anglia XI, 397f
') Das u ist stumm ; s. § 1 00.
595
5: iyjtc opon bitte atte pe Zäst 65,5
r/iryuaudly with-ontun f/irete 62, 1 1
he »üskes vppe') mony a röte 12, 14
to irittun him pe king was 66wne IG, 14
will) j<')-äthc he be-gyimus to rcröta 12, 13
s^cheon segh I neuyr äre 3, 2
6 : Gäwau withoutun any möre 1 0, (;
Dafs dabei oft eine der alliterierendeu Silben iu die Senkung
tritt, gilt nicht als Hindernis.
Das einzige Übereiustimniende bei dieser Art der Skansion
ist, dafs jeder Vers zwei Hebungen bekommt; wäre sie richtig,
so wäre es ein geradezu erbärmliches Metrum. Um das ein-
zusehen, genügt es, die beiden eben zusammengestellten Gruppen
von Versen mit denen in § 89 zu vergleichen und sie alle in
der dort angedeuteten Weise vierbebig zu skandieren. 2) Dabei
kann man nicht zweifeln, ob alle diese Verse mit zwei oder
ob sie mit vier Hebungen rhythmisch vollkommener und über-
haupt schöner und befriedigender sind. Mit vier Hebungen
ist ein sinngemäfser Vortrag möglich ; beim Lesen mit zwei
Hebungen aber leidet der Vortrag vieler Verse sehr, namentlich
wenn durch Häufung von vier oder fünf Silben in einer
„Senkung" Überhastung hineinkommt.
92. Eigentümlich ist bei der Zweihebungstheorie die Be-
urteilung der in jedem Verse vorkommenden nebentonigen
Silben. Luick und Schipper fassen sie übereinstimmend als
„mehrbetonte Senkungssilben" auf, also nicht als „Neben-
hebungen" (Anglia XI, 411). Luick zieht sie jedoch nur bei
Versausgängen mit dreisilbigen Wörtern der Form xxx ^^
Betracht, z. B. in Versen wie
to sl6 such an innocent Sus. 323.
Bei zweisilbigen Wörtern wie riding, la'di, cruel u. ä. nimmt er
dagegen „Tonverschiebung" zu riding, ladt usw. an; freilich
keine „wirkliche", sondern eine, die man „durch schwebende
') Vgl. Luick, Anglia XI, 397 f.
-) Der Vers 52, 1 3 Ho sdyd haue ge nötte gour dune quene here erhält
dabei einmal zweisilbige Senkung (s. § 101a) oder zweisilbigen Auftakt:
Eo sayd) hdue ^c iiutte gour dune quene here (s. § 83).
38*
596
Betonimg: zu verschleiern gesucht" habe. ^) Wo diese vor-
kommeUj skandiert er also
S6mbillit to bis summovne
i?6nkis of grete renuvne,
obwohl dabei in beiden Versen die Alliteration nicht zu ihrem
Rechte kommt. — Die übrigen „Nebentöne" (im Versaufang
oder -Innern) läfst er in seiner Behandlung der Kurzverse
aulser Acht. 2)
Schipper ist viel konsequenter. Er erkennt den Nebenton
in beiden genannten Arten von Versausgängen an; also auch in
Sembillit to bis si'immövne^)
-Renkis of grete renövne.
Und er ist auch darin konsequenter, dals er Nebentöne auch
im Versaufang bezeichnet; z. B. in Versen wie
Ciimly ftingis witb cruvne.
Freilich nur, wenn die Silbe mit alliteriert. Nicht aber z. B.
in Versen wie
Lame pi frendis shäme.*)
Noch auch, wenn der „Nebenton" zwischen den „beiden
Hebungen" steht; also nicht in
fer we finde a /als /rende,^)
1) Anglia XII, 450.
^) In seiner Untersuchung des Stabverses (Anglia XI) spielen dagegen
auch andere Nebentüne eine Rolle.
3) Grundrifs, S. 92.
*) S. 97.
^) In dieser Skandierung scheint sich Furcht vor der Annahme von
"Ci -Versen" zu verraten, die die Form (xx)xx — — haben. Wie bereits
in §87 bemerkt, fehlen sie nach Luick (Anglia XI, 420) im Troy-Book
in den ersten Halbzeilen und passen daher auch nicht in die Theorie von
zweihebigen Kurzversen in der Schweifreimstrophe. Wohl darum skandiert
Schipper (S. 9S) in demselben Gedicht auch
and walk mdni wil wdys,
hebt dadurch die Wirkung der Alliteration von wil (= wild) auf, indem
er dies am stärksten betonte Wort des Satzes in die Senkung setzt und
das unbedeutendere mayii in die Hebung! — Das Fehlen von Ci -Versen
in den ersten Halbversen des Troy-Book zeigt übrigens, dafs die Zwei-
hebungstheorie falsch ist; daraus dafs Ci (x x — — ) fehlt, aber C (x x — — x)
vorkommt, mufs gefolgert werden, dafs die letzte Silbe von C eine Hebung
bildet. Sonst ist das nicht zu begreifen.
597
obwohl fals alliteriert iiiul in der Tat das am stärksten be-
tonte Wort im Satze ist.
Scbon durch die bäufig ganz sinnwidrige Skansion (wie
in dem zuletzt und dem in der Fnfsnote angeführten Verse)
richtet sich diese Theorie selber. Aufserdem sind dagegen
Gründe wie die schon oben in § 41 f. gegebenen geltend zu
machen; jedoch das auch für die Tripletverse hier näher aus-
zuführen, seheint unnötig.
Etwas Wesentliches bedeuten die „Nebentöne" weder bei
Luiek noch bei Schipper; alle Verse sollen trotz ihres Auf-
tretens zweihebig bleiben. Nur des Reimes wegen, der das
Herabdrücken zum Niveau der Senkung schwierig oder eigentlich
unmöglich macht, müssen sich die beiden Gelehrten mit ihnen
wohl oder übel abzufinden bemühen. Luick schlägt dabei
zweierlei Wege ein, indem er z. B. ladi und innochit ver-
schieden behandelt. Diesen Widerspruch vermeidet Schipper.
Er findet es mit Recht nötig, sich sowohl bei Reimwörtern
als sonst im Verse auch um die Alliteration zu kümmern, da
blofse Senkungssilben zu schwach, sind als Träger des Stab-
reims aufzutreten. Aber für Anfang und Mitte des Verses ge-
langt er nur zu einer halben Mafsregel. Nur Völlwörtern mit
Alliteration, die der „ersten" Hebung vorausgehen, gibt er
einen „rhythmischen Nebenton" ; alliterieren sie nicht, oder
stehen sie „zwischen den zwei Hebungen", so unterlälst er es.
Im ersteren Falle hält er es anscheinend wegen der mangelnden
Alliteration für nicht nötig; im zweiten Falle ist der Grund
versteckter. Auch bleibt er seinen Grundsätzen nicht immer
treu. Er skandiert (S. 97f.) z. B. in einem Gedieht, das dasselbe
Versmals wie Av. hat:
If f»6u be made wittenesse,')
aber Forsop flipers {statt flipers)
and alle /'als /"läters {statt /läters);
ferner For pen sälle no gode mäu
pat any göde lare cän,
for to säy pat sop is,
') Bei dieser Skandiernng — es ist die erste Zeile des Gedichts —
wird übrigens auch wieder der Sinn gestört, da yjoit zu stark betont wird:
pou kann dem Verbum made nur übergeordnet werden, wenn es im Gegen-
satz etwa zu I, he usw. steht. Anderseits wäre es ebenso sinnwidrig zu
1
598
obwohl im ersten Verse gode ein Vollwort ist und salle nicht.
Auch wäre es, da der Versausgang loittencsse angenommen
wird, folgerichtig gewesen, in dem letzten Couplet gödc man
und Iure ccm zu lesen; doch zieht Schipper diese Konsequenz
nur, wenn das vorletzte Wort alliteriert, z. B. in dem kurz
vorher stehenden Verse
for to säy f>at söp Is
Der Unterschied scheint sehr willkürlich; und es mtifste erst
bewiesen werden, dals er vom Dichter beabsichtigt war.
93. Aller dieser Schwierigkeiten, die mit der Zweihebungs-
theorie verknüpft sind, wird man mit einem Schlage Herr,
wenn man die „rhythmischen Nebentöne" für das nimmt, was
sie wirklich sind, nämlich Hebungen. Dann erhalten Wörter
wie cniell, riding und Iddy am Versschluls zwei Hebungen, ')
gerade wie innocent. Auch braucht dann im Versanfang kein
Unterschied zwischen Volhvörtern mit und ohne Alliteration
gemacht zu werden, noch zwischen Vollwörtern im Anfang
und im Innern des Verses, wie Schipper das tut (§ 92).
Auf diese Weise hat Köster (in seiner Ausgabe der Susanne,
S. 22 ff.), unter Vermeidung von Luicks und Schippers
„Nebentönen", überall drei Hebungen angenommen:
ölipest Z/riddes o pe 6est
to ^öd stode hir ^ret äwe
hire servauns had selli
we töke pe wif» ävoutri usw.
Diese Art zu skandieren ist jedenfalls besser als die mit zwei
Hebungen.
Hierbei enthält jedoch jeder Vers noch immer einen
„Nebenton", den Köster zwar zur Senkung herabdrttckt, der
aber in vielen Versen ein ebenso gutes Recht hat, als Hebung
anerkannt zu werden als der andere „Nebenton" ; z. B. in den
Versen des Av.
skandieren: If pon be mäde icittenesse. Dem Sinn entsprechend kann der
Vers nur vier Hebungen haben.
^) Dies erklärt zugleich, warum zwar fabnll : tabull und horsing :
letting, aber nie etwa riding : abiding miteinander reimen ; der Reim umfafst
nie zwei Hebungssilben (vgl. § 29).
599
Ins stMe was s^^nct stärke d6de 13, 13
gif Gäwau (/öde cndinge lii, 2
he i/o^e hom downe s/ely 6, 13
he ^jckut önte i>»)-6stely 19,5
briiyd önte a 6r<ände bry^te 14,6
hc rode pe f('»rest vppe and döwne 10, 10
j'eune J^e /a'inter ti'irmis Aüuie agayne 8, 1
A'üy cöme hötne söne 44, 6
knyite, squycr, soinan ne') knme 47,5
he ?je5hit ?ieu)T-) uo xäked sj'de 03, 15
Büw lesu, Lörd, Leuyn-kynge 72,13
bede bringe brdd plent6^) 08,5
Läfst man in diesen und ähnlichen Versen Reim, Alliteration
und Sinn gleichmäfsig zur Geltung kommen, so gelangt man
zu vier Hebungen. Auch wäre es bei den meisten von diesen
Versen sehr schwer zu entscheiden, welche von den vier Ton-
silben in die Senkung soll.
Bei Annahme von vier Hebungen verschwindet auch der
Gegensatz von Luicks und auch Schippers Behandlung
zweisilbiger AVürter wie rkling, lady usw., je nachdem sie am
Versende stehen oder nicht; denn nun können sie überall zwei-
hebig sein, z. B. in den Versen
;;elgreme and pälmere 48, 7
ledänd a 6irde feryjte 23, 11
with festing füll /i'ircely 3, 6 xiSiv.
sittände and lyggände*) Perc. 1143
94. Die bisher erörterten Schwierigkeiten der Zwei-
hebungstheorie ergaben sieh aus der Betrachtung der Triplet-
verse allein; vergleicht man weiter die Triplet- mit den
Schlufsversen, so mehren sich die Schwierigkeiten noch be-
deutend. Bei Annahme von vier bezw. drei Hebungen ist der
Unterschied der beiden Versarteu ganz bestimmt und ganz
einfach; er besteht in der vierten Hebung. Aber mit der
Zweihebungstheorie bleibt man bei näherer Prüfung ratlos.
Die beiden Vertreter der Theorie haben nirgends den Unter-
schied scharf und klar angegeben ; und was sie als Unterschied
angegeben haben, stimmt nur zum Teil und ist zum Teil falsch.
1) Vgl. § 101 c.
') Vgl. § 100.
') Vgl. §106.
*) Luick skandiert sittände and lyggdnde.
600
95. Sie sagen, die Tripletzcilen seien nichts anderes als
erste Ilalbzeilen des me. Stabverses, und die Schlufsvcrse
nichts anderes als die zweiten Halbverse. Aber, wie schon in
§ 87 zu Versen aus dem Perc. bemerkt ist, kommen Triplet-
verse des sogenannten Cj- Typus vor, welcher unter den ersten
Halbzeileu fehlt. Beispiele aus dem Avoivynge sind:
at ]7e same cästöll 64, 10
pon schall haue no härmynge 53, 3
sethun J^on art in my wille städe 35, 1 1
be chesun of pat iiurde iri^te 10, 11; 21,7
if he were in a däle rfepe 17, 13.
Und umgekehrt ist bemerkenswert, erstens dafs sich
unter den ersten Halbversen viele finden, denen keine Triplet-
verse, sondern nur Sehlufsverse entsprechen; und zweitens
dafs es viele zweite Halbverse gibt, die nicht als Schlufs-
vcrse, aber wohl als Tripletverse gebraucht werden könnten.
Nämlich
1. erste Halbverse wie^)
A (x X x) — (x) X X — X &r6uy t into fcökis Troy-Book 1 4
Hörnet was /iölden 38
now göd. of pi ^rräce 3
of s<ithe men in s^önre 7
with sight for to serche 24
BC (x) X X — X — X and forsek his fäder 721
vppon Gädes ^röandes 311
ne of his /eynit /are 44
unter den Tripletversen keine Entsprechungen. Ihnen ent-
sprechen vielmehr Schlufsverse wie
A and /iurte of my /iowundes Av. 3, 4
durste 6ide in his iandus 3, S
ne tüurche him no u'o wundes 3, 12
and ftrittunt all to ionus 1 2, S
so gn^lj ^6 öfJ'ouus 12, 16 usw.
BC wiste he neuyr quednr 25, 12
forpi come I hedur 25, 16.
Wenn aber die letzte Silbe der ersten Halbverse des
Typus A und BC einen natürlichen Nebenton hat, wie in
folgenden Versen, die Luick den eben angeführten voll-
') Mit Luicks Skandierung; s. Anglia XI.
601
ständig gleichsetzt, so finden wir umgekehrt zahlreiche
entsprechende Tripletverse (und keine entsprechenden Schlufs-
verse). Mau vergleiche die alliterierenden llalbverse
A (x X X) - (x) X X - X left it in lidyu Troy-Book 32
with /Viblis and /alsbed 36
in ^ctturs of pere iiingage 59
}iat b6th.e were in 6ätell 5(i
BC (x) X X — X — X the wliiche 66kes fcärely 68
)?an )my clädde liom clcnly 771
pat was cläuly c6mpil(e)t 53
mit folgenden Tripletversen
A fcold vndnr ftanere Av. 1, 14
and fcayet liim füll ioldely 7, 6
hase takyn me to presowun 24, 2
and maydyns füll beuteowse 52, 6
j^ilgreme and paAmere 48, 7
BC come f>ay home from /juntyng 55, 14
was per none so hardi 3,7
he wold pay my rawunsone 22, 1 1
to make bis /lowundus /tardi 11, 11
now ar pay fawre all redie 5, 1 5
Im Äroicynge werden die augeführten zwei Gruppen von
Versen streng auseinander gehalten; die Regel ist, dafs Verse
mit Wörtern wie hotvwides (— x) am Ende nicht als Triplet-
verse dienen können, und die mit Wörtern wie hanere ( — )
schlielsenden Verse zu lang für Sehlufsverse sind. Im Troy-
Boolc aber haben beide Arten von Versen die gleiche metrische
Gestalt; denn alle sind erste Halbverse.
Weder Luick noch Schipper handelt über diesen Unter-
schied. Er ist mit der Zweihebungstheorie nicht zu erklären.
Nur 6ine Erklärung ist möglich. Luicks sogenannte A- und
BC-Verse im Avoivynge müssen, je nachdem sie auf ein Wort
der Gestalt -x oder — ausgehen, verschiedene Betonung
haben, da sie ja (bei sonst ganz gleicher Gestalt) entweder
Sehlufsverse oder Tripletverse sind; der Unterschied kann nur
in der Betonung des letzten Wortes liegen. Und was kann
man da anders schliefseu, als was in der Tat auch zahlreiche
andere Verse des Gedichts lehren ; nämlich erstens, dafs Wörter
wie hoiuundes am Versschlufs einhebig sind, und zweitens,
1
602
dafs Wörter wie hanerc iiiid holdeJy zwei Hebungen haben
gerade wie in den Seblufsverseu
of pat pröfete Sus. 364
all luy Icaing GG. 1076 u. ä,
für welche das auch Luick und Schipper anerkennen.
2. Ebenso gibt es unter den zweiten Halbversen zwei
Gruppen, die in der alliterierenden Dichtung zwar ganz gleich
zu skandieren sind, von denen aber die eine Schlufsversen
entspricht, die andere jedoch blols Tripletverse liefern würde.
Ich entnehme die Beispiele alle Luick s Abhandlung über die
Metrik des Troy-Boolc.
a) Als Schlulsverse könnten dienen:
A- (x) - (x) X X - X by sZöuiering of cäge 6
sfröugest in armes 7
^räunt me pi helpe 3
BC! (x) X X — X - X and iiieu to sörow bringes 743
vnto /ielle yätes 299
b) Dagegen nur als Tripletverse könnten gebraucht werden:
-^ (x) — (x) X X — X for j^erill f>at may folowe 837
sothly was Elyn lül9
jtTÖght in a mesure 164S
^C (x)xx — X — X but ye were clene victörius') 1101
and bis joly flf^lowes^) 963
and per /'ine relikes') 1412
hit is fZere welcum 5S3
Auch hier liegt der Unterschied offenbar in der letzten
Silbe des Verses; und die Erklärung kann nur dieselbe sein
wie in dem unter 2. bespi-ochenen Fall, die somit eine voll-
kommene Bestätigung findet.^)
>) Das Wort ist hier dreisilbig.
'^) Das e in der letzten Silbe ist stumm.
^) Alle ans dem Troy-Buok angeführten ersten und zweiten Halbverse
können sowohl als erste wie als zweite Ualbversc gebraucht
werden. Dies liegt daran, dafs das letzte Wort zweisilbig ist. Ist es
einsilbig, so geht das nicht; z. B. zweite Halbverse wie for lervyv// of vs 32
oder \cmond as göld 459 sind zu kurz für erste Halbverse. Wenn man
diese Verse z. B. mit ersten Halbversen wie ßat höthe ivere in hätell 56
and Römer was holden 38 vergleicht, so mnfs man, um den Unterschied
erklären zu können, schliefsen, dafs die letzte Silbe in diesen beiden Versen
einen metrischen Iktus hat. Also ist die Zweihebungstheorie falsch.
603
9G. Sieht man von dem Vergleich mit den Ilalbversen
der Stabzeile ab und sucht sonst bei der Zweihebungstheorie
nach dem kennzeichnenden Unterschiede zwischen Triplet- und
Schlafsversen, so erhält man nur die allgemeine Auskunft, dafs
der Schlufsvers „immer ganz merklich kürzer ist als die drei
vorhergehenden" Verse, i) Da angenommen wird, dafs die
Hebungszahl in beiden Versarten dieselbe sei, so kann das
nur bedeuten, dafs die Senkungssilben weniger zahlreich seien.
Auch dies ist nur z. T. richtig. Denn es kommen viele Schlufs-
verse vor, die
1. gerade so lang sind als Tripletverse und im Perc. zu-
weilen sogar denselben Wortlaut haben; und solche, die
2. sogar länger sind als Tripletzeilen.
Da die Schlufszeileu bis zu sieben Silben enthalten können
und in Wirklichkeit meistens fünf oder mehr haben (siehe die
zahlreichen Relege in §31tf.), und da andrerseits die Triplet-
zeilen nur vier zu haben brauchen (§ 89), so sind in der Tat
die meisten Schlufszeileu „länger" 2) als der kürzeste Tripletvers
(Ka// eo»ie liome sone 44,6); und ebenso sind die zahlreichen
sechs- und siebensilbigen Schlufsverse „länger" 2) als die nicht
seltenen Tripletverse mit fünf Silben; usw. Und mit gleicher
Silbenzahl lassen sich also vier-, fünf-, sechs- uud siebensilbige
Schlufs- und Tripletverse nebeneinander stellen. Die Zwei-
hebungstheorie versagt diesem Tatbestand gegenüber vollständig.
Schipper und Luick nehmen keine Notiz davon; oder wo
Luick (in Auglia XII, 441 f.) über die gleichlautenden Schlufs-
und Tripletverse in Sir Perc. handelt, sieht er sieh zu dem
Auskunftsmittel genötigt, in allen solchen Fällen Textverderbnis
anzunehmen. Schon oben in § 7 ist gezeigt, dass dieser ver-
zweifelte Ausweg verkehrt und unnötig ist; und in § 6 ist
bereits klargelegt, dafs der Unterschied zwischen den Triplet-
und Sehlufsversen nicht in der Silbenzahl, d. h. also nicht in
den Senkungen, gefunden werden kann. Worin er liegen mufs,
ergibt sich sofort, wenn man Verse beider Arten mit gleicher
Silbenzahl, aber verschiedenem Wortlaut nebeneinander hält.
Sobald man in einem Tripletvers eine hebungsfähige (d.h. haupt-
') Luick, Anglia XII, 438.
*) Das heifst „silbenreicher".
604
oder nebentonige) Silbe in eine tonlose verändert, bleibt er kein
Tripletvers mehr, sondern es wird ein Sehlnfsvers daraus. Man
vergleiche z. B.
den Tripletvers /lay come home sone Av. 44, 6
mit den Schlufsversen x and homc went hee Perc. 143,4
X— ÄOnge Percj'velle Perc.1,1'2 .
X fcrodelyche iledus Degr. ü9, 12; r-
den Tripletvers x he s/roke Kay sttfly Av. 21,10 '
mit den Schlufsversen 1) x-x — he wan pis Murde fcryste 32,16
X X— his fcrode schildus fcothe 16,16;
den Tripletvers - x myne avow make I 8, 6
mit den Schlufsversen -x-x - Mte vs haae oure iife 60, 4
— X X }'at in /rith /bundes 3, IG;
den Tripletvers x- all ?tToth ivcx pat sqwyne 15,5
mit den Schlufsversen x x- and /"erd füith. in fere 50,16')
— X — X— gif him sory care 71,8;
den Tripletvers --x-- fcrayd out a ftrande bryite 14,6
mit dem Schlufsvers x-x and bede him s«lle s^onde 47,12.
Ebenso können auch sechs- und siebensilbige Triplet- und
Schlufsverse nebeneinander gestellt werden. Wenige Yergleichs-
paare werden als Beispiele genügen:
Tripletvers : x-x he sloze hem down siely 6, 13
Schlufsvers : x - x - - x and of his life dredus 40, 12
Tripletvers: x-x-x he graant vs all his blessynge 72,14
Schlufsvers : X - x - X - X and fcrittunt all to 6onas 12, 8
Obwohl in jeder dieser Gruppen die Triplet- und Schlufs-
verse dieselbe Silbenzahl haben, so kann doch immer nur
der zuerst aufgeführte als Tripletvers gebraucht, und die
übrigen können nur als Schlufsverse verwandt werden. Mit
^) Bemerkenswert ist, dafs keine Umwandlnng in einen Schlafs vers
eintritt, wenn eine neben einer tonlosen Silbe stehende hebungsfähige
Silbe in eine tonlose verändert wird. Man vergleiche z. B. die beiden
Triplet verse /jg stroke Kay stifly 21, 10
wiß ße priuand pornc 23, 2.
Der Grund ist, dafs von zwei so nebeneinander stehenden schwachen Silben
{wiß ße) die erste stärker als die andere und daher hebungsfähig ist.
"^j Oder die Tripletzeile ßcn aarpus Sir Kay 37, 2 mit der Schlafs-
zeile fro wothes him weylde 13, 16 (§ iSr]), in welchen ßen nebentonig und
fro tonlos ist.
605
Hilfe der Zweihebuugstbeorie ist das nicht begreiflich; sie
erklärt nicht, warum z. B. Schlufsverse wie
bis brode scbildus fcothe IG, IG
leite vs haue oure liie 60,4
}^at in /rith /"ouudes 3, IG
and /erd /"urth in /ere 5ü, 16
and üf his life drediis 40, 12
and irittunt all to boauä 12,8
nicht als Tripletverse dienen können. Da dies aber tatsächlich
ausgeschlossen ist, kann die Theorie nur als ungenügend be-
zeichnet werden. Sie mufs falsch sein.
Anderseits ist, wenn man die in jedem Verse vorkommenden
vier bezw. drei hebungsfähigen haupt- und nebentonigen Silben
als Hebungen gelten läfst, alles vollkommen verständlich. Dann
ist ganz natürlich, dals die Silbenzahl der Tripletverse bis
auf vier (und nicht weniger) herabgehen kann, und dals die
Schlufsverse die kürzesten Tripletverse um drei übertreffen
können; ebenso dafs ihre Silbenzahl übereinstimmen kann,
und dafs sie sogar den gleichen Wortlaut haben können (wie
im Ferc).
97. Kösters Theorie (§ 9) ist abzulehnen, weil, wie oben
(§ 30 ff.) nachgewiesen ist, die Schlufszeilen nicht zwei, sondern
drei Hebungen haben, und weil, wie soeben gezeigt ist, die
Tripletzeilen eine mehr, also vier, haben müssen. Aufserdem
auch, weil nicht einzusehen ist, warum von den immer vor-
handenen vier bezw. drei hebungsfähigen Silben in jedem
Triplet- oder Schlufsverse jedes Mal eine nicht gehoben sein
sollte (vgl. auch § 93).
98. Noch mehr Argumente behufs Feststellung der
Hebungszahl können aufgestellt werden. Es ist aber vielleicht
fast des Guten schon zuviel getan. Daher sei blofs noch eins
erwähnt.
Durch Ausmerzen gewisser Silben entstehen aus Triplet-
versen Schlufsverse; z. B. wenn im folgenden Vers die ein-
geklammerte Endung weggelassen würde, könnte er nicht mehr
als Tripletvers gebraucht werden:
Rach(es) vfi\> opon mouthe 6, 7.
Dagegen der Vers
Aud laump(us) breuoyag fall fcn^te 55, 6
606
bleibt auch ohne dieselbe Pluralendiing ein richtiger Triplet-
vers. Weder die Zweihebuugsthtorie, uoeh Küsters Theorie
vermag den Unterschied vernünftig zu erklären. Nur bei
Annahme von vier Hebungen in der Zeile ist der Grund der
Verschiedenheit sofort vollständig klar: Baches hat vor dem
tonlosen tvip zwei Hebungen; dagegen Idumpus vor der un-
mittelbar folgenden neuen Hebung nur eine. Die Unterdrückung
der zweiten Silbe von raches würde daher dieselbe Wirkung
haben wie die Auslassung irgend einer betonten Silbe in
einem Tripletverse, z. ß. eines der eingeklammerten einsilbigen
Wörter in folgenden der ersten Strophe entnommenen Versen:
(He) pat wjade vs oa p>e wulde 1, 1
And (/air) /buriuet ]?e /blde 1, 2
Giffe hom (joy) pat will here 1,5
irice and war (ofte) pay wtTQ \,V.i
(2>old) under dauere 1,14;
oder wie die Unterdrückung eines zweisilbigen Wortes,
^* ^^ Withouten (auy) letting 1,10
The hanter (cammys) ou a day 2, 14
Faste (/blutte) to him thore 6, 10
Alle diese Streichungen, ebenso wie die bei rach(es), ') würden
die Verse durch Tilgung einer Hebung auf das Mals der
Schlufsverse herabsetzen. Für diese Tatsachen bietet keine
Theorie aufser der hier verteidigten eine einheitliche Erklärung.
Und nur diese Theorie vermag auch vollkommen zu erklären,
warum zwar aus Versen wie den zuletzt angeführten bei Aus-
lassung von zweisilbigen Tonwörtern richtige Schlufsverse
würden, aber aus gewissen anderen Tripletverseu nicht; denn
was z. B, von folgenden Versen übrig bliebe, wäre selbst für
Schlufsverse zu kurz:
And /air (/burmet) p>e /blde 1 , 2
He is a (öalefull) Z>are 3, 1
And sayd (^rodely) a-^'ayn 9, 2
Der Grund ist, daXs in diesen und ähnlichen Versen mit dem
eingeklammerten Wort zwei Hebungen verloren gehen würden.
99. Soweit über die Hebungen. Es ist jetzt noch über
die Senkungen in den Tripletverseu zu handeln. Meist sind
') Oder in dem Verse butte rayk(et) into the halle 46, 9.
f
607
sie einsilbig; oder „beschwerte" Hebungssilben enthalten die
Senkung mit. Das Metrum ist also x-x-x-x-x. Wie
in den Sehlufsversen können einzelne oder mehrere oder alle
Seukungssilben fehlen. Beispiele für alle Fälle sind in § 89
angeführt.
100. Aulserdeni kommen auch Verse mit zweisilbigen
Senkungen vor. Während es unter den Sehlufsversen keine
sicheren Beispiele gibt (§ 35 f.), sind Tripletverse mit zwei-
silbigen Senkungen auch für den Dichter anzuerkennen, —
ebenso wie Tripletverse mit zweisilbigem Auftakt (§ 83). i)
Freilich ist der überlieferte Text häufig zu verbessern.
So mufs in folgenden Versen die Endung un der mittel-
ländischen Formen iverun, hithun,-) comun, rummn und irijnmm
beseitigt werden, wodurch die Senkung einsilbig wird:
With (Zyutus pät wernn (lies were) dü^te IG, 2
Thöse Ärnystus Ä:ithun {lies kithe) p'a[yre] gere 27, 5
And these /cDy^tus /cithuia {lies kithe) hör criifte 25, 1
Eis thi'irt no mon cömun (lies come) hur tille 57, 6
Ri'innun {lies Ran) to g^dür on w^rre 27, 7
Je tüynnun {lies wynne) him no^te owte of his^) wky 38, 13.
In andern Fällen ist einsilbiges gert, gart für gerut,
geruite einzusetzen, wie schon in § 24 und § 35 für ähnliche
Schlufsverse ausgeführt worden ist; nämlich in den Versen
I ger(u)t hom ?fässhe, to mete tfönte 68, 1
and g6r(u)t me sauere s^uyftely 35, 5
we ger(ut)te him drinke ätte pe jäte G8, 14.
Zugleich ist die Präposition to vor dem Infinitiv in
folgenden Versen zu streichen:
and cäure his südull ger(u)t him (to) held 21,14
and g6r(u)t hom (to) giffe vs pe büke 70, 1 5
pi lädy gret {lies g6rt) me (to) Square squyftele 63,5.*)
1) Der Dichter vermeidet in den Schliifsz eilen zweisilbige Senkung
und zweisilbigen Auftakt, anscheinend, weil sie sonst an das Mafs der
Tripletzeilen kommen. Der Dichter des Perc. scheut dies nicht, wie schon
aus seinem Bemühen bei der Strophenverkettung (§ 7) hervorgeht. — Man
kann aber überhaupt sagen, dal's Dichter sich in längeren Versen eher
freier bewegen als in kürzeren, und namentlich im Anfang längerer Verse
(vgl. § 84).
^) Die Handschrift hat dafür einmal fehlerhaft kithum.
^) Vgl.§ 101c.
*) Wegen der Skansion siehe jedoch auch § 106,
608
Ahulicli ist wahrscheinlich in folgenden Versen statt callut
einsilbiges cald einzusetzen, das in andern Versen vom Schreiber
beibehalten ist:
f>e hing cällut on tny^tis thre 5, 5
J?e Ä:ing callnt on Sir Gauan 8,2 (siehe § 106)
Ääy cällnt on Gäuan jorne 23, 3.
Vgl. penue \>q kiug cäld bis myostrelle 45, 5
penne p>e /cynge cäld bis buntere 51, 1
and cäld a rfämes61 rfere 55, 2.
Häufig hat die Handschrift dreisilbiges vnsquarut. Setzt
man dafür eine zweisilbige Form (etwa ansivert) ein, so erhalten
die Verse alle einsilbige Senkung:
f>en vnsquarut Gäwän 9,1; 24,5; 27, 1
penne vnsquarut Kay agäyn 22, 5
p>e tüper vnsquarut bim witb skill 19, 13; 33,9
pe töper vnsquarut bim agäyn 20, 5
pe föper vnsquarut bim per-fille 43, 5.
Ebenso ist in ameruaylet das unbetonte e nach der neben-
tonigen Silbe geschwunden:
Thanne was pe kinge am6ruayl(e)t päre 44,1.
Auch für sithun {sethin) 'since' und hethin 'hence' hat
der Dichter anscheinend einsilbige Formen gebraucht, da durch
ihre Einführung so häufig zweisilbige Senkung (oder Auftakt)
einsilbig wird (vgl. § 83) :
and sethun forse'tte bim ]?e strete 38, 6
setbin to c6wuusell wente p>ay all 70, 6
sytbin no bettur mäy be-fäll 70, 7
And setbun to ied iownus he 10,13
and sitbin payre folis will fulfill 62, 6
setbun be büskette him järe 14,9; 30,13
I rede 50, hie 50 /jetbin awäy 70, 2.
Die nördlichen Formen tas und tane für taJces und talcyn
sind wahrscheinlich in folgenden Versen einzusetzen:
tö pe cbämbur be täkes pe wäy 56,5 (vgl. § 101)
pe sex to hom bas täkyn vppe Kay 43, 2.
Zahlreiche Verse haben in der Überlieferung zweisilbige
Senkung, weil neuyr für einsilbiges 7iere eingesetzt ist (vgl. § 35):
were be neuyr so bärdy 8,7; 16, 3
he «^sbit «euyr no «äked syde 63, 15
for clMe neuyr (to) be rfrery 66,7
609
pou pussiis neuyr a-wäy here 41, 11
aud 5ette ho dyd me neuyr no tene 57, 10
he sh'ird nenyr owt 6f pat s/6de 13, 14
he se neuyr no syjte are 11,15*)
Der Plural avowes kann ebensogut zweisilbig wie drei-
silbig sein : , . , '^ ^-v. n ^^ , ^
° ]?ia avowes arne profetabuU 71,14
In der Präposition agaynus ist das u wahrscheinlich zu
synkopieren (vgl, das über onus in § 48 / gesagte) :
ajäynus pe /ynde för to /äre 14, 11
and all ajäynus payre awne wille 20, 15^^)
101. Zweisilbige Senkung kommt sowohl im ersten als
im zweiten und dritten Fufse vor.
a) Im ersten Fuls:
fölut hom /jist in \>q /'ilde 11,7
aftnr pe stüard peu I sent 68, 2
lede hur to Gäynonr f'e quene 29, 1 1
düwun to f>e kinge c6n he 16wte 51,5
neuyr*) to be jelus öf my wife 9, 11
Da in diesen Versen dem ersten Fuls kein Auftakt voraus-
geht, so kann durch schwebende Betonung der beiden ersten
Silben des Verses die zweisilbige Senkung mehr oder weniger
verschleiert werden. Doch ist ganz unsicher, ob dies der
Vortragsart des Dichters entspricht, da auch nach Auftakt
zweisilbige Senkung öfters vorkommt, wobei Verschleierung
unmöglich ist:
with rtTäthe he begynm^s to wröte 12,13
butte lenyt hiin döune bi a tree 15, 10
thns dwellus he ätte fe rowuntäbull 30, 14
he jöpput him äure ön his phäy 42, 10
sayd, Sir, as I cöme thro jöndur wöde 43, 14
and löket a-boute him a'ure alle 46,11
he fyndus pe kiug ätt his pläy 56, 6
pe töne of owre fölöys had döute 64, 15
pay nedut notte äftur hit to cräue 47, 7
ajäyn(u)s*) him refeöundet f»e fcäre 11, 14
p>e messyngere cöme agäyu pän 69, 10
*) Vgl. auch neuyr to be jelus of my ivife 9, 11 und § 101a.
^) Vgl. auch agdynus him rehöundet pe baVe 11, 14, mit zweisilbiger
Senkung im ersten Fufs; siehe § 101a.
*) Neuyr ist einsilbig; siehe § 100.
*) A^aynus ist einsilbig, siehe § 100.
Studien z. engl. Phil. L. 39
610
Da in diesen und den unter b) und c) aufzuführenden
Versen zweisilbige Senkung gesichert ist, so empfiehlt sieh
dieselbe Auffassung auch bei der zuerst gegebenen Gruppe;
jedenfalls wäre es unberechtigt, bei jenen Versen von „ver-
setzter Betonung" zu sprechen.
b) Im zweiten Fuls:
huw pay preuyd hör wedde-fee 10,15
für all \>e weppuDS {^at he my^te weld 14, 14
für he is sekur in alle kyune thinge 34, 3
for h6 has mestar of such a thinge 35, 14
Thenne pe king tisshet a chekkere 55, 1
to p>e chänmbur he täkes pe wäy 56, 5 (§ 10(J)
hit befeile in jour fi'idur tyme 58, 5
and p6 f>at giffus hom tö pe ille 62, 5
for-]n of jelnsnes b6 pou bold 64, 1
and püs recordus pe röwnndetiibull 71, 15
tu gö in bed wip pe fciiirde ftry^te 63, 10
penne Bäwdewyn smylit and ön him logh 49, 13
and säyd, Medäme, I am hedur sente 34, 15
butt cärpe we now of per othir thre 10,14
he sette him dowue on hur b6ddus fete 53, 7
butte of f>o') öthir thinges f>at pön me told 61,3
and pöu hase höldin all piit pou hijte 72, 1 1
Auch die folgenden Verse sind hierher zu stellen:
tö pe forest pay take pe wäy 31, 1
in pe forest he mette a knyjte 18, 6; 23, 10
änd pis hidy sum I pe teile 20, 9
Da Wörter wie lady, forest in den Schlufsversen vor einer
tonlosen Silbe stets zweihebig sind (§ 79), so könnte man ver-
sucht sein, die Verse mit zweisilbigem Auftakt zu lesen (§ 83) :
to ])e) forest ])ay tdJce ])e ivdy usw. In den Tripletversen gilt
aber die Regel nicht; siehe § 106. Sie würde auch nicht zu-
lassen, folgenden Vers befriedigend zu skandieren, der mit
dreisilbigem Auftakt (§ 84), aber nicht mit fünfsilbigem er-
träglich ist:
he sayd, Sir) in pe forest as I con wake 32, 6
c) Im dritten Fuls:
pe räches cömun rennyng him \>y 7, 5
he ri'iskes ^ppe mony a rote 12,14
pat owte of tyme böstus and i>l:'iwus 23, 6
») Siehe § 84.
611
in bis sädull sette him on hi^te 26, 3
pät 0 pjlyn on iife and on Zonde 3S, 2
penne p>ay A-est payre copus hom frö 41, 1
knf-^te, squyer, ^öman ue knime 47, 5 ')
hit c6me in a nöbuU a-räy 68, 10
he asshed if he hade Äerd any tithing 43, 11 (vgl. § 84)
härdely with6uten deläy 43, 1
to do all pät*) a woman schild fäll 61, 10
36 wynnun {lies wyane) hitn nöjte owt of bis tcäy 38, 13
he stnvd neuyr öwte of pat stMe 13,14
102. Einigemal ist zweisilbige Senkung in einem Verse
zweimal überliefert:
jisse, qaod ]>& king, on f>at cömände^) 38, 1
he sayd) Sir, in pe forest as I con wäke 32, 6 (§ 83)
if äny man go meteles awäy 45, 14
ofif <äll j^läyus he berus pe prise 34, 5
purnäyed a grete öste and a fyne 58, 7 ;
doch ist zu den beiden letzten Versen zu bemerken, dafs der
Vokal der Endung in playus, herus und puruayed in der Sprache
des Dichters synkopiert werden kann. Zum ersten Vers vgl. § 106.
103. Alle Verse mit zweisilbiger Senkung lesen sich bei
Annahme von vier Hebungen ohne Schwierigkeit; dagegen bei
Skandierung mit zwei oder drei Hebungen sind sie oft sehr
ungefügig.
104. In ein paar Versen scheint dreisilbige Senkung vor-
zukommen: penne all pe /iärmes pat he /lente päre 28,14
for mony wyntur to-gedur we haue b6ne 57, 9
Vgl. die Verse mit dreisilbigem Auftakt (§ 84). Der letzte
Vers hat daneben auch zweisilbige Senkung. Er enthält elf
Silben und wird nur noch durch den in § 84 und 101 b an-
geführten zwölfsilbigen Vers übertroffen: Butte of po othir
thinges pat pöu wie töld 64, 3. ^)
Auch der Vers 54, 9 he sdyd lye downe preuely hur hy
scheint hierher zu gehören, wenn er richtig überliefert ist;
^) Vgl. Knyght, Diike, erle and baröun Perc, 135.
2) Dies ist wohl die natürliche Betonung (vgl. § 79 letzte Fufsnute
und § Ui5).
^) Comande steht für couenavt, conant
*) Die Tripletverse des Äv. schwanken also zwischen vier und zwölf
Silben; vgl. §81.
39*
612
doch ist downe vielleicht zu streichen, i) Möglieherweise auch
der Vers 63, 5 ^i Iddy gert nie 2) squere squy fiele (siehe § 106).
105. Schlief slich sind noch Verse zu besprechen, die zu
kurz sind oder zu kurz scheinen.
Falsch überliefert ist 17, 7 hothe ])e songe and lees (im
Reim mit best 'beast' und forest). Vermutlich ist zu lesen
hüth pe \6yne and [^e] Vest (8: he hongus on a noke 'Die
Lende und die Leiste [des getöteten Ebers] hängt er an eine
Eiche'). Weder gonge noch lees gibt Sinn. Durch die Kor-
rektur wird die Alliteration hergestellt; und leest, obwohl
sonst nirgends in dieser Form im Englischen belegt, läfst sieh
aus verwandten ne. und kontinentalen Formen erschliefsen.
Im NEDict. wird das neuenglische Dialektwort list 'the flank
(of pork); a long piece cut from the gammon' angeführt.
Damit läfst sich in Beziehung setzen nhd. Leiste 'inguen',
welches Kluge im 'Etym. Wörterbuch' (1910) auf ein gotisches
Haistö zurückführt. Er verweist auch auf ein engl, dialek-
tisches last 'Schambug, Leiste', das aus Halliwells „Dictionary"
stammt. In Koolmans „Wörterbuch der ostfriesischen Sprache"
ist angeführt leste^ lest 'Leiste, Weiche, Biegung in der Scham-
gegend'. Es kann daher auf ein me. leest (aus urgerm. *Zais^iä)
geschlossen werden, das im Ae. Hmst lauten würde,
Vers 11,9 ist wahrscheinlich durch Einfügen des Pronomens
zu vervollständigen : ])en pe ]s.inge \he\ con erye. Ebenso V. 19, 7
a7id 6n pe kiiygte \he] conne arye. Solche Verdoppelung des
Subjekts ist bei Mätzner II 2, 40 häufig belegt.
Vers 53, 9 ist Sdyd, Madame (statt Meddme), my Icmjste
zu lesen.
Der Plural hrees ist zweisilbig zu lesen in V. 15, 15 pat
höth his hre'es con hldhe und 27, 11 pat hoth his hre'es con
hlede, die sonst nur als Schlufsverse (mit drei Hebungen) dienen
könnten. Andere Tripletverse mit zwei Hebungen auf Stamm-
') Ausgeschlossen scheint die Skansion he sdyd lye döivne preuely
hur by mit schwebender Betonung des dreisilbigen preuely, zumal selbst
zweisilbige Wörter wie migty , lüente, Gawan im Versinnern nie mit
schwebender Betonung vorkommen; siehe § 1Ü6. Dagegen kann man
vielleicht auch dreisilbigen Auftakt (§ S4) annehmen und so skandieren:
Re sayd lye) döivtie preuely hur by.
2) Die Handschrift hat yret me to.
613
und Flexionssilbe sind z. B, Q, 7 rdches uip öpon möuthe;
46, 9 butte rdyJcct into ])e halle und J)er-to grdivuntüs ])e hiy^te
30, 1.
Ebenso ist wohl keine Korrektur nötig in den Versen
öthir /"lee ör^) /"igte 40,15
no quyte wine nyf red 69, 6
I herd ne s6 bntte gode 43, 15.
Im Sir Degr. kommt die Tripletzeile ivcnch ne Umone 4, 14
und die Sehlufszeile hröche ne bjje 35, 12 vor, und Kraus,
„Metrische Untersuchungen", belegt auf S. 20 aus Reinbots
Georg: tveder dort noch hie und fünf andere Verse mit noch
in der Hebung zwischen zwei anderen Hebungen. Dieselbe
Betonung ist daher wohl für o?', ne und nyf möglich. Die drei
Verse werden dadurch sehr eindrucksvoll, was namentlich bei
dem ersten sehr am Platze ist.
Nur drei Hebungen scheint auf den ersten Blick auch der
Vers 19, 15 ])at fonvard to fidfille zu enthalten. Man ver-
gleiche aber z. B.
B16de-r6de was bis stede Perc. 1101
By sexty one a däy Degr. 111.
Daher ist auch im Avowynge zu skandieren
]7at /"örwiird to ful/'ille.
Dies wird auch durch die folgenden Erwägungen bestätigt.
Auch die Verse
he is a ftalefuU öare 3, 1
hit is a kyndelych thißge 1 ! , 2
hit is a kyndely thing 66, 9
he has a kythelych Zuflfe 4, 13,
die alle ganz gleich gebaut sind, scheinen für Tripletverse zu
kurz zu sein und nur drei Hebungen zu haben (lie is a hdle-
full hdre usw.). Aber schon die Zahl dieser Verse erregt Be-
denken gegen die Annahme von Textverderbnis. Dazu kommen
noch ähnlich gebaute:
he is wiasly »«ade 3, 13
pou schall harmeles be 53, 14
J>at ho schuld harmeles be 63, 7
') Hier otMr für or einzusetzen wäre bedenklich. Die beiden anderen,
ähnlich gebauten Verse stützen die überlieferte Form von V. 40, 15. In
Vers 15, 12 kommt zwar oper vor, aber es geht nicht othir voraus.
614
we schall f>at Satnace see 5, 3
ho is a 6iurde fall ftry^te 72, 9
f>er is no buM so trade 3, 15.
Man wird also annehmen müssen, dals die Verse richtig
sind. Wie sind aber die vier Hebungen zu verteilen?
Bei den zuerst aufgeführten Versen wird man an Kinder-
reime erinnert wie
Hier | wohnt ein | reicher | Mann,
Der I lins was | schenken kann.
Soll man daher auch skandieren
He is a Z>älefull bkre usw.?
Ich denke nicht. Das Kinderlied steht unter dem Einflufs der
Melodie, und dabei wird der natürlichen Sprache Gewalt an-
getan (vgl. § 7). Solange aber nicht nachgewiesen ist, dafs
das Av. für den Gesang bestimmt war, können wir dieselbe
Erklärung für die ähnliche auffällige Versfüllung in diesem
Gedicht nicht annehmen. Sie würde den persönlichen Für-
wörtern he, hit, ])ou, ho und tve und dem Pronominaladverb
])er zu viel Gewicht geben, da sie „beschwerte" Hebungen
bilden würden; und ebenso würden in den Versen he is mdsly
meide und J)öu schall hdrmeles he und 2><^t ho schuld hdrmeles
he, aufserdem die Hilfsverben is, schall und schuld viel zu stark
betont sein. Man muls vielmehr anders skandieren. Man ver-
gleiche z, B. die Tripletverse
t6 no leueänd bärne 66, 14
wip> pe priuänd J^örne 23, 2
töward Cärlele ryjte 40, 7
fiilly feftene jere Perc. 1581
The Kyng had ferly päa 497
amängez üncöuthe men 1047
he was ane ünhende knäue 2094.
Alle diese Verse haben vor dem einsilbigen Reimwort ein
zweihebiges (mit sprachlichem Nebentreff auf der zweiten Silbe),
gerade wie die meisten der oben angeführten fraglichen Verse.
Zum Teil können sie absolut nicht anders skandiert werden
(z. B. ivip Im ])nudnd ])örne). Dazu kommt, dafs nie Verse
vorkommen wie he is a nohull hiy^te; mit andern Worten,
würde das zweitletzte Wort durch ein anderes ohne sprach-
lichen Nebenton ersetzt, so wäre der Vers zu kurz. Daraus
615
folgt, (iafs die nebentonige Silbe eine Hebung trägt. Es mufs
also skandiert werden:
he is a fcälefüU bkve 3, 1
he is Hi.äsly »nide 3, 13 nsiv.
Dazu stimmt die Skansion der Schlulsverse pat gnscUch geste
Av. 7, 16; pat cömchjch Imyght Degr. 2, 4; 43,16 (§66). In
Übereinstimmung mit diesen Versen ist der syntaktisch ganz
gleich gebaute Tripletvers Av. ii^'l pat mi-cümly cörse; gegen
die Skansion pdt vn-cumJy cörse würden die in § 71 erhobenen
Bedenken sprechen. Bemerkenswert ist noch, dals dieser Vers,
wie auch die zum Vergleich herangezogenen Schlufsverse und
eben behandelten Tripletverse he is a hdlefidl hdre usw., wegen
ihres Inhalts alle sehr nachdrücklichen Vortrag verlangen, was
durch das Zusammentreffen der drei bezw. vier beschwerten
Hebungen aufs beste bewirkt wird.
Was die beiden letzten der in Frage stehenden Verse be-
trifft, so zeigt z. B. der Tripletvers
in p»e felde so bräde Perc. 104,5,
welcher nicht anders skandiert werden kann, dals auch
per IS no 6üll so fcräde Av. 3, 15
zu lesen ist; und Verse wie
he säwe a füll /"äire st6de Perc. 326
lehren, dals im Av.
ho IS a biarde füll bvfite 72, 9
gelesen werden mufs. i)
Andrerseits wird in V. 14,5 zu skandieren sein did ds a
düsty knyste\ das verlangt die Bedeutung von did (= 'handelte')
und die Alliteration. Ebenso 56, 2 and Jidde ü to Jcechine, wo
hade die Bedeutung 'schaffte, trug' hat.
Emphatische Betonung haben die beiden Tripletverse in
folgenden kraftvollen Antworten Gawaus:
„i M;ille w'imdur-fäyne,
Qucätt schall I geue?" 24, 7 f.
„I äiii wimdnr-fäyne,
F6t hur föT to fi^te" 27, 3 f.
^) Vgl. auch die Schlufsverse o well gvirn giise Av. 2, 16 und and
s-^gth füll sdre Degr. 78, 16 (§ 66).
616
Dadurch erklärt sich, dals die beiden ersten Worte beschwerte
Hebungen bilden.
Dasselbe ist wohl auch für folgende Verse anzunehmen:
He häd drede and rföute 12, 1
He ströke him sädde and söre 25,9.')
Der erste dieser Verse bildet einen Strophenanfang ; der zweite
steht am Beginn eines Strophenviertels. 2) Ahnlich heilst es
gewichtig in V, 44, 5 f.
By the mässe wässe döne,
Khy cöme hönae sone.
Dafs der Strophen- und Strophenviertelanfang Einfluls auf
die Betonung haben kann, lälst sich auch aus folgenden Bei-
spielen folgern, in welchen ein Wort geringen Bedeutungs-
inhaltes eine beschwerte Hebung bildet:
pen vnsquarnt Gäuän 9,1; 27, 1; 24,5
pen gerut I my kuyjte 63, 9
penne vnsqaarnt Kay a-güyn 22, 5
böthe knyjte and squiere 48, 5
sä sömun c6nne pa hie 25,5
Ipeie döwne knelus h6 15, 1.
In den letzten beiden Beispielen trägt auch die ungewöhnliche
Wortstellung zur stärkeren Betonung des ersten Wortes bei. 3)
Gesteigerte Betonung läfst sieh auch sonst bei Beginn
eines neuen Abschnittes in der Erzählung oder überhaupt im
Anfang eines neuen Satzes beobachten, der eine Wendung oder
etwas Überraschendes bringt:
J>en cärpüs Sir iTay 37, 2
]?6n löghe pat (iämesell dere 33,2.*)
1) Vgl. die mhd. Beispiele bei Kraus § 38.
0 Vgl. Kraus § 39.
ä) Vgl. Kraus §39.
*) Diese Versantange stehen im Gegensatz zu den in § 83 angeführten,
wo penne (zusammen mit dem Artikel, z. B. in dem Verse penne pe hilnter
türnes hötne agäyne 8, 1) unbetont im Auftakt steht; ebenso zu Fällen,
wo penne allein den Auftakt bildet (z. B. in V. 32, 5 pen)ie Kay tö pe king
spdke). Die verschiedene Verwendbarkeit yon penne und ähnlichen Wörtern
mit wechselnder Betonung widerspricht der oben versuchten Erklärung
nicht; die Fälle mit unbetontem penne bestätigen sie vielmehr. In diesen
wird die Erzählung einfach fortgeführt, während penne mit beschwerter
Hebung das Neue, Wichtige, Erstaunliche usw. wirkungsvoll einführt. Von
617
Unter demselben Gesichtspunkt ist vielleicht der auffällige
zweite Vers im Anfange der 18. Strophe zu betrachten :
The king hase fillut his a-vöwe; —
Of Kky cärpe we nowe.
Emphatische Betonung liegt sicher bei dem steigernden all
vor in den Versen
all lüröth wex pat sqwyne 15, 5
all squitbe to pe knyste 4'J, 10.
Zuweilen bringt der Dichter die Hilfsverben ivolcl und
may in besehwerte Hebung (zwischen zwei anderen Hebungen) :
]>& Wrd Iküg wüld nöjte 48, 13
qnen I ^ode mäy ^rete 9, 14
h6 f>at 5'öde mäy ^ete 71,5.
Der erste und letzte dieser Verse steht zugleich am An-
fang eines Strophenviertels; und in allen dreien wird die Be-
schwerung von tvoJd und may durch die ungewöhnliche Wort-
stellung begünstigt oder geradezu erst ermöglicht.
Dagegen der Vers 15, 9 />e hjnge my^te liim nogte see
dürfte bei natürlichem Vortrag nur drei Hebungen haben; nur
dem Versrhythmus zu liebe hat der Dichter ihm vier gegeben,
vorausgesetzt, dafs er getreu überliefert ist: 2>e lynge mygte
hm Hoste see.
Unklar ist der Grund für die Beschwerung der ersten
Hebung auch in dem Vers 11, 3 dtte his hegynnyng\ wahr-
scheinlich haben wir auch hier entweder sinnwidrige Rhythmi-
sierung oder falsche Überlieferung anzunehmen. Ebenso für
folgende Verse:
als fast äs he mäy 46, 2
als squithur päy are gäre 44, 3
äs pe bore häd m6nte 13,9
änd cIqvlq däd in st61e 38, 10
änd ^äfe bim ^iftus ^rete 68, 15
hitte mendutte all oure chere 71,10.
100. Im allgemeinen gelten für die metrische Verwendung
des sprachlichen Materials in den Tripletzeilen natürlich die-
selben Regeln wie in den Schlulszeilen (vgl. § 79). Jedoch
ähnlicher, aber geringerer Wirkung ist einfach betontes penne (vor einer
Senkungssilbe) in Versen vfie pmne pay rode to-gedur ry^te 21,5; 36,9 usw.
618
bestehen auch Unterschiede. Zweisilbige Wörter wie stoJcJces,
icontutte usw. können auch vor einer tonlosen Silbe einhebig
gebraucht werden (siehe die Verse mit zwei Senkuugssilben
in § 101). Dasselbe gilt für zweisilbige Wörter mit schwerer
Ableitungs- oder sonst schwerer zweiter Silbe (wie rennyng^
lady usw.) Dies wird bewiesen durch Verse wie
\iQ räclies cöuma rennyng bim by 7, .5 (§ 102 c)
knyiie, sqiiyer, souian ne Ä:>jäue 47, 5.
Beispiele für Herabdrückung von Vollwörteru zu Senkungs-
silbeu sind lio saijd haue sc nöttc sour dune quene heVe 52, 13;
1)6 länge sonde dfter Bdwdewine 56, 3 ; and ivc come frö Im
fe^ting 65,13; and gife vs all god cnding 72,15; oder im
Auftakt lohe fürst qivdtt hur seluun will sdy 61, 6; come
preJvand fast dure pe iilde 40,3; darin bekundet sich die
natürliche Betonung solcher Wortgruppen (vgl. § 79 letzte Fuls-
uote). Erst recht können daher Wörter von natürlicher halber
Stärke in die Senkung treten, z. B. all in V. 61, 10 to dö all
pdt a wöman schild fdll, obwohl auch to dö all pat a ivoman
Schild fdll möglich wäre (§ 102), wenn besonderer Nachdruck
auf all gelegt werden soll.
Schwebende Betonung oder Tonversetzung kommt im An-
fang und Innern des Verses nicht vor; es heilst immer Gdican
(27,10; 29,5; 32,3; 32,13), rdwunsun (29,15), riall (49,2),
dügti (1,6) usw., oder Odwdn (28,5; 29,13; 31,2), Odynöur
(29,11), CaWe7e (34, 11; 40,7), seVmce (49, 2) , hünt mg (2,7),
hdrdy (44,11), hjndencsse (2,6) usw. i) Daher muls V. 35, 1
mit dreisilbigem Auftakt skandiert werden (§ 84): He sayd,
Meddme, Gdivdn gour knygte 35, 1.
Ob der Dichter am Versende solche Wörter je mit
schwebender Betonung (und einer Hebung auf der Reimsilbe)
verwandt hat, ist einigermalsen zweifelhaft. Auffällig ist zu-
nächst, dals französische Lehnwörter wie plente, 2)dlmcre,
rdwunsun, renöwun, 2}'>'(^söivun usw^ stets zweihebig sind.
Denn auch V. 68, 5 ist hede hvinge hred pUnte zu skandieren, i)
da hede blols aus dem vorhergehenden Tripletverse wiederholt
ist und daher wegen seiner geringen Bedeutung für eine be-
schwerte Hebung nicht geeignet wäre. Blofs hxinge und hxed
^) Vgl. And gestus grete plente 46, 6.
619
alliterieren. Der einzige andere fragliche Vers 38,1 ist am
besten zweimal mit zweisilbiger Senkung zu lesen (vgl, § 102) :
sisse quod pe kmg, on J)at cömdnde. Dadurch kommt die
Alliteration zu Gehör ; und es bleibt keine Ausnahme übrig, i)
Ferner ist zu beachten, dals auch Eigennamen wie Gaivan
am Ende des Verses stets zweihebig sind. Nur din zweifel-
hafter Vers (8,2) begegnet, wo die Skansion l)e king adllut
on Sir Oaudn nahe liegt. Aber auch J)e hing cald"^) 6n Sir
Odudn ist möglich. Bei dieser Skandierung geht allerdings
die Alliteration verloren. Nicht ausgeschlossen ist aber auch
he king cdld on Sir Odudn (vgl. § 101 b). Am wahrschein-
lichsten ist mir jedoch, dafs Sir zu streichen und dafs so zu
lesen ist: pe king edld on Gdudn. Dann ist die fragliche
Betonung von Gaudn und ähnlichen Eigennamen aus dem
Gedicht beseitigt. 3)
Schliefslich bleiben noch drei Verse mit mygUj und squyftely
am Ende übrig, die anscheinend mit schwebender Betonung^)
gelesen werden müssen:
J?i lädy gert^) me (to")) sauere sgayftele 63,5
i¥euealfe was ]?e H/6re »»y^ty 21,9
gif Jfenealfe was pe möre my^tie 2"), 7
Bedenklich ist, dafs bei dieser Skandierung in allen drei
Versen die Alliteration des letzten Wortes beeinträchtigt wird.
Ferner, dafs diesen drei Versen überaus zahlreiche mit der
Betonung squyftely (35, 5), hödy, Iddy, ivdrly, slely, hdrdi, rcdie,
dü^te usw. am Schlufs gegenüberstehen. Daher ist es viel-
leicht das beste, im ersten Vers dreisilbige Senkung anzunehmen
(vgl. § 104) und zu lesen: pi Iddy gert me sqiiere sqny fiele,
und in den beiden andern Versen pe zu streichen.
Dadurch käme man für alle behandelten Wörter zu über-
einstimmenden Regeln fürs Versinnere und Versende, .
1) Im Perc. begegnet dagegen Knijght, düke, erle and baröun 135
und in Sir Eglamour z. B. A geant häse a fdyre forest 233.
2) Siehe § 100.
3) Der Schlufsvers 33, 4 God and Sir Gawan ist bereits in § 55 ver-
bessert.
*) Vgl. dazu Morsbach, Mittelengliscbe Grammatik § 25.
^) Gret in der Hs.
®) To ist zu streichen, siehe § 100,
620
107. Aus Rücksicht auf den beschränkten Raum und die
drängende Zeit muls ich es mir leider versagen, auf einige
andere Dinge einzugehen, die mit der in diesem Aufsatze be-
handelten Hauptfrage zwar im Zusammenhang stehen, aber
für ihre Lösung entbehrlich sind. Es lälst sich nicht in zwei
"Worten sagen, inwieweit sieh mit dem niederen Rhythmus von
vier Hebungen in den Tripletzeilen und dreien in den Schlufs-
zeilen noch ein übergeordneter, höherer Rhythmus (in Dipodien)
verbindet. Gern würde ich auch den Anregungen, die ich den
mehrfach erwähnten lehrreichen metrischen Untersuchungen
von C. Kraus verdanke, noch weiter folgen und den Einflufs
der Rhethorik auf den Versbau des Avotvynge vollständiger
darstellen. Ferner bleibt noch der Ursprung des Metrums be-
stimmter nachzuweisen und das Verhältnis der Schweifreim-
strophe zu dem Abgesang der dreizehnzeiligen Strophe der
Aivntyrs of Ärther und ähnlicher in § 3 genannter Gedichte
festzustellen. Der Strophenbau folgt offenbar fremden Mustern ; i)
aber die Versbildung ist einheimischer Art. Auch auf die
spätere Geschichte des Metrums kann ich nicht mehr aus-
führlich eingehen, die jedenfalls anders aussieht, als Luick
und Schipper sie geschildert haben. Im fünfzehnten und
sechzehnten Jahrhundert begegnen wir Schweifreimstrophen,
die auch nach ihrer Ansicht aus „unzweifelhaft vier- und drei-
taktigen Versen" mit geregeltem Wechsel von Hebungs- und
Senkungssilben bestehen, und ebensolchen Abgesängen (in Ver-
bindung mit gereimten Stabzeilen). Sie lassen diese vier- und
dreihebigen Verse aus den von ihnen angenommenen früheren
zweihebigen entstehen; wobei es zweifelhaft bleibt, wie. Da
das Metrum aber, wie oben gezeigt ist, von Anfang an vier-
und dreihebig war, so brauchte gar kein Wandel dieser Art
einzutreten; das Metrum blieb vielmehr dasselbe, und man
veränderte nur die Versfüllung, indem man allmählich regel-
mälsiger die Senkungen zwischen den Hebungen durch Silben
ausfüllte. 2) Das ist ein Vorgang, für den genug englische
') Eine nützliche, übersichtliche Darstellung der "History and Relations
of the Tail-Rhyme Strophe in Latin, Freuch, aud English" von Caroline
StroEg ist in den "Publications of the Modern Lauguage Association of
America" XXII, 371 flf. erschienen.
*) Regelmäfsiger ist z.B. der Wechsel zwischen Hebungs- und Senkungs-
621
und deutsche Parallelen aus früherer, gleicher und späterer
Zeit bekannt sind, und der leicht und vollkommen zu begreifen
ist, zumal auch die Ursachen klar am Tage liegen.
108. Mit einem kurzen Rückblick und einer Zusammen-
fassung der Gründe, die für oder wider die verschiedenen
metrischen Erklärungen sprechen, möge die Abhandlung
schliefsen.
Schipper und Luick sind, ohne vorab eine vorurteils-
freie Untersuchung der me. Gedichte anzustellen, von einer
strittigen Theorie des altenglischen Alliterationsverses aus-
gegangen und haben sie mit einigen dabei notwendigen Ände-
rungen auf den me. Stabvers übertragen und von da auf die
Schweifreimstrophe des Avoivynge usw. Kost er ist ihnen
darin gefolgt; er hat sich freilich bei der Anwendung der Theorie
auf das von ihm herausgegebene Gedicht veranlafst gesehen,
in den Tripletzeilen eine Weiterentwicklung zu einem drei-
hebigen Metrum anzunehmen. Auch Trautmanns Verfahren
ist dasselbe gewesen ; nur ist er von einem andern ae. Metrum
ausgegangen, das auch er den me. Verhältnissen entsprechend
umgestalten mulste. Bei allen diesen Versuchen ist die
historische Ableitung und Deutung der Feststellung des Tat-
bestandes und seiner genauen Prüfung vorausgeeilt; und sie
besafsen daher keine allgemein überzeugende Kraft. Höchstens
konnte dem einen oder andern Systeme eine gröfsere oder
geringere Wahrscheinlichkeit zuerkannt werden; und selbst
der, bis zu einem gewissen Grade für jedes der drei Systeme
(von Luick und Thomas, von Trautmann und seineu
Schülern, und von Kost er) gelieferte Nachweis der Durch-
führbarkeit liefs die Unsicherheit weiter bestehen.
Aus der vorliegenden Untersuchung, die blofs auf einer
vorurteilslosen und genauen, vergleichenden Analyse eines
leicht und sicher deutbaren Tatsachenmaterials beruht, wie es
Silben im Sir Eglamour. Beiläufig gesagt, begegnen in der ersten Strophe
zwei Verse, die auch in der ersten Strophe des Äv. stehen, und bezeichnender-
weise sind sie silbenreich:
Änd giff pam joye pat will here
Of eldyrs pat byfore us were.
Das Gedicht hat überhaupt offenbar vier- und dreitaktige Verse,
622
in der wechselnden Gestalt der VersfUllung eines einzigen
Gedichts gegeben ist, haben sieh so viele Gründe für eine
Theorie und so viele gegen die andern ergeben, dafs Zweifel
über das zugrunde liegende Metrum wohl nicht länger bestehen
können.
Schipper und Luick haben sich einfach geirrt, als sie
feststellen zu können glaubten, dafs sich die Tripletverse durch
gröfsere Zahl der Senkungssilben von den Schlufsversen unter-
schieden ; oft ist das Gegenteil der Fall (§§ 6 u. 96).
Luick hat sich auch geirrt, als er die Tripletverse für
„nichts anderes als erste Halbzeilen" und die Schlulsverse für
zweite Halbzeilen erklärte (§ 95). Seinen Ausführungen im
12. Bande der Anglia liegt der Gedanke zugrunde, dals die
erste und zweite Halbzeile und „also" auch die Triplet- und
Schlulsverse „verschiedenen Baues" seien; das ist aber bei
seiner Theorie nicht durchaus der Fall, wie er selber im
11. Bande derselben Zeitschrift für die Alliterationsdichtung
dargetan hatte. Er und Schipper haben diesen Umstand
aufser acht gelassen; um so leichter mulsten sie zu falschen
Schlüssen und Versregeln gelangen.
Nach ihrer Theorie sollen die Kurzverse, wie der Stab-
vers, „nicht taktierende Sprechverse" sein, mit sehr freier
Verteilung von Hebungen und Senkungen. Aber aus der
oben gebotenen genaueren Untersuchung hat sich ergeben, dafs
die Kurzverse in Wirklichkeit doch aus gleichen Takten be-
stehen. Die zugrunde liegenden „Verstypen" sollen dieselben
oder ähnliche sein wie die von Sievers fürs Ae. aufgestellten
(unter Ausschlufs der Typen D und E und zum Teil eines Ci
genannten Typus xx--); es ist aber nicht ersichtlich, wie
die Dichter nach solchen Typen hätten Verse schreiben können,
da darin kein brauchbares Arbeitsschema zu erkennen ist;
noch weniger begreift mau, wie die angenommenen, aus un-
gleichen Einheiten zusammengesetzten Typen, trotz ihrer un-
übersichtlichen Vielgestaltigkeit, und obwohl sie kein einfaches,
unmittelbar fafsliches, in sich geschlossenes, leicht erinnerliches
System bilden, von Generation auf Generation vererbt werden
konnten. Um diese Schwierigkeiten richtig einzuschätzen,
vergleiche man damit das nach allgemeiner Auffassung vier-
taktigQ Metrum des nationalen Reimverses, wo sie nicht be-
623
stellen. Sie schwinden aucli bei der Sehweifreimstrophe sofort
bei Annahme desselben Metrums, bezw. eines dreitaktigen in
den Schlufsversen. Nach diesem Metrum ist leicht zu arbeiten,
und es erbt sieh endlos fort. Nur hierbei hat jede der beiden
Versarten, aus denen die Schweifreimstrophe besteht, in allen
Versen gleiches Mafs und gleichen Khythmus, was, wie oben
mehrfach gezeigt ist, bei der Zweihebungstheorie keineswegs
der Fall ist.
Die Zweihebungstheorie hat noch andre Mängel. Es hat
sich gezeigt, dafs sie keinen durchgreifenden Unterschied
zwischen den Triplet- und den Schlufszeilen anzugeben ver-
mag; dafs sie zu Änderungen der Überlieferung (wie im
PercevaU § 7) nötigt, die bei genauerem Zusehen mifsbilligt
werden müssen; dafs sie häufig die otFenbar beabsichtigte
Wirkung der Alliteration vereitelt; dafs des Reimes wegen
prinzipwidrige Auskunftsmittel gesucht werden müssen (§ 58 ff.);
dafs die Versbetonung sehr oft der natürlichen, sinngemässen
Betonung in unerträglicher Weise zuwider geht, so dafs ein
leeres Geplapper entsteht; dafs bei sehr vielen Versen zweifel-
haft bleibt, wie sie zu skandieren sind; und dafs bei anderen
arge Ungeheuer von rhythmischen (oder vielmehr unrhyth-
mischen) Gebilden herauskommen. Alle diese Mifsstäude ver-
schwinden beim Skandieren mit vier bezw. drei Hebungen:
Es ergibt sich damit ein einfacher, durchgehender Unterschied
zwischen den beiden Versarten; die Überlieferung bleibt ge-
wahrt; die Alliteration kommt zu ihrem Recht; die Reim-
wörter machen keine Schwierigkeiten; das Skandieren ist
leicht und ergibt gefällige Verse; und da die Versbetonung,
auch in feineren Unterschieden, mit der natürlichen Betonung
übereinstimmt, so erlaubt sie durchweg sinnentsprecheudeu
Vortrag, ja oft Hervorbringen besonderer deklamatorischer
Wirkungen, die beim Lesen mit nur zwei Hebungen nicht zu
erzielen sind.
Überdies hat die genaue Analyse des in den Versen des
Av. enthaltenen sprachlichen Materials eine grofse Menge von
Tatsachen zutage gefördert, die sich in strenge Regeln fügten.
Sie bestanden in Feststellungen inbezug auf die Silbenzahl,
die Zahl der natürlichen Tonsilben und die Anordnung natür-
lich betonter und tonloser Silben — alles sowohl in den Schlufs-
624
wie den Tripletversen ; — ferner in der Feststellung des Ver-
hältnisses dieser beiden Versarten inbezug auf jene drei Dinge.
Die so unter Regeln geordneten sprachlichen Tatsachen wiesen
in allen Fällen auf 6ine bestimmte metrische Auslegung, und
zwar so, dafs sich die Annahme von drei bzw. vier Hebungen
als die einzige mögliche Erklärung von selber ergab. Denn
weder mit Luicks oder Schippers, noch mit Kösters Theorie
liefsen sich die befolgten Regeln rationell begründen; ja bei
Skandierung nach diesen Theorien, die nur gröbere sprachliche
Unterschiede berücksichtigen, kommen viele von den doch
zweifellos bestehenden feineren Regeln gar nicht zum Vorschein.
Andererseits erwiesen sich gerade diese Regeln als von be-
sonderem Nutzen für die Wiederherstellung der Sprache des
Dichters, was für die geplante kritische Ausgabe des Gedichts
erhebliehe Bedeutung haben wird.
Kurz, die hier methodisch erschlossene Theorie ist den
andern in jeder Hinsicht überlegen; für sie spricht alles, gegen
sie nichts.
Neue Beiträge
zur Erziehung" der angelsächsischen
adehgen Jugend.
Von
Fritz Roeder.
Dieser Beitrag konnte wegen Überlastung des Verfassers mit
Berufsgeschäften nicht rechtzeitig fertig gestellt werden und
erscheint deshalb in Kürze separat.
Studien z. engl. Phil. li. 40
Chaueer's religiöse Grundstimmung*
und die Echtheit der Parson's Tale.
Eine textkritische Untersuchung
von
Heinrich Spies.
Inhalt.
Seite
Benutzte Literatur 627
Abkürzungen 627
A. Einleitung 628
I. Zur Einführung . 628
II. Chaueer's religiöse Grundstimraung und die Parson's Tale
im Spiegel der Literaturgeschichte und wissenschaftlichen
Forschung 629
III. Methodische Behaudlung der Frage 647
B. Hauptteil: Die Erzählung des Pfarrers 653
I. Zur Einführung 653
IL Die Bufspredigt ein einheitliches Werk? 655
III. Die Einheit und Echtheit der ganzen Parson's Tale .... ti61
a) Vorbemerkungen 661
b) Chaucer der Verfasser der Bufspredigt und des Sünden-
traktats 662
u) Negative Beweise (Kritik der gegen die P. T. er-
hobenen Einwände) 662
ß) Positive Beweise 676
a^) Methodische Grundsätze 676
b') Quelleukriterien 679
ci) Andere Kriterien 710
y) Ergebnis 717
c) Bufspredigt und Sündentraktat von Chaucer zur P. T.
vereinigt? 717
C. Schlufsergebnis 720
i
Benutzte Literatur
Eine Aufzählung der für diese Untersuchung benutzten Literatur
würde einen Band für sieh füllen und mufs daher unterbleiben.
Bis zum Jahre 1907 einschliefslich steht jetzt fast alles in Miss
E. P. Hammond's Chaucer A bibliographical Manual. New York IPOS;
doch ist z.B. mein auf S.G'29 erwähnter für die P. T. in Betracht kommender
Artikel über die „Retractatio" vergessen. Aus Miss Caroline F. B. Spu r-
geon's Werk (Ch. devant la critique en Angleterre et en France depuis
son temps jusqu'ä nos jours. Paris 1911) habe ich nach den voran-
gegangenen Arbeiten dieser Art keinen nennenswerten Nutzen für meine
Zwecke ziehen können.
Die anderen neueren Arbeiten sind aus dem Germ. Jahresbericht
und, soweit dieser noch nicht erschienen ist, aus den laufenden Zeitschriften
leicht zu entnehmen. Von besonderem Wert sind ferner die gelegentlichen
Gesamtübersichten über den jeweiligen Stand der Chaucer-Forschuug oder
über Neuerscheinungen von der Hand John Koch 's (so in den Ergeb-
nissen und Fortschritten der germanistischen Wissenschaft S. 411 — 419; Ver-
handlungen des 9. Neuphilologentags zu Hannover 1901 S. 117 — 12S; GRM.
1,490—507; Anglia, Belbl. XXII, 265— 282; ESt. XXXVII, 223— 240; ib.
46, 98 — 114 etc.
Häufiger zitierte Werke und Artikel sind in der Abhandlung selbst
genau zitiert.
Abkürzungen.
C = Ms. Bodl. 923 The Clensyng of Mannes Sowie.
F = Frere Lorens, Somme des Vices et des Vertues.
P = Guilelmus Peraldus, Summa seu Tractatus de Viciis.
P. T. = Chaucer's Parsou's Tale.
R = Raymimd von Pennaforte, Summa casuum poenitentiae.
Die sonst gebrauchten Abkürzungen sind bekannt.
40 ^
A. Einleitung.
I. Zur Einführuug.
Über die Stellung, die Chaueer religiösen Fragen und ins-
besondere der katholisclien Kirche gegenüber eingenommen
hat, ist zwar im Lauf der Zeit vielerlei vermutet und be-
hauptet worden, aber nirgends hat dieses Problem bis heute
eine allseitig befriedigende Lösung erfahren.
Das liegt teils an dem Material, auf das wir uns stützen
könnten, teils an der von Dilettanten und Philologen hierbei
bisher befolgten Methode.
Die aus dem Leben des (weltliehen!) Dichters Chaueer
durch Urkunden bekannten Tatsachen bieten in dieser Be-
ziehung ja kaum einen Anhaltspunkt, und auch die Rück-
schlüsse, die man aus ihnen zu ziehen versucht sein könnte,
sind recht unsicherer Natur. Wie Ereignisse und Beziehungen
im Leben des Dichters sind seine Werke nach verschiedenen
Richtungen hin ausgelegt und vielfach mifsdeutet worden. So
beruhen die meisten der früheren falschen oder schiefen Urteile,
besonders der Puritaner, die den Dichter ihren parteireligiösen
Zwecken nutzbar zu machen suchten, ') überhaupt auf der irr-
tümlichen Annahme der Echtheit mehrerer später von der
Kritik als unecht ausgeschiedenen Dichtungen, wie des Testa-
ment of Love, der Plotvman^s Tale u. a. m., oder auf einseitiger
Beurteilung und Verkennung von Chaucer's gelegentlichen Be-
merkungen über gewisse unerfreuliche Erscheinungen im Leben
der niederen Geistlichkeit.-) Aber auch in neuerer Zeit hat,
0 Vgl. dazu T. R. Lounsbury, Studies in Chaueer. New York 1892.
Vol. II 4Ö5 flf.
^) Nicht der hohen Geistlichkeit, wie Chaueer überhaupt die sozial
höchsten Klassen (Adel und Hof) schonte; vgl. W. Ewald, Der Humor
in Ch.'s CT. (Morsbachs Studien 45). Halle 1911. S. 71f. und 74.
629
wie das Beispiel von Simon (1876; s.u.) zeigt, vor dem Er-
scheinen des Six-Text Print der Parson's Tale (1877) ein
nicht verläfslicher Text einige Forscher auf falsche Fährte
gelockt und in einer aus anderen Gründen einigerraafsen
wahrscheinlichen, aber doch irrtümlichen Meinung bestärkt.
Ebensowenig wäe das bisher herangezogene Material immer
ganz verläfslich war, war die angewandte Methode ganz
einwandfrei. Gerade die Individualisierungskunst Chaucers
schafft hier insofern grofse Schwierigkeiten, als viele Stellen
an und für sich eine mehrfache Deutung zulassen. Diesen
Stellen können wir, wie unten in der Einleitung unter III und
im Hauptteil B unter III b (9 auseinandergesetzt ist, m. E, nur
auf andere Weise beikommen, indem wir in jedem Einzelfall
auf die Quellen zurückgehen und die Vergleiche kombinieren.
Wer sich mit Chaucers religiösen Anschauungen befassen
will, hat zunächst als Grundfrage zu beantworten: War unser
Dichter sein er religiösen Grund Stimmung nach Katholik
oder AVicliffit? Und diese Frage ist, wie schon die bis-
herige Forschung mit Kecht hervorgehoben hat, von der Be-
urteilung der Parson's Tale hinsichtlich ihrer Echtheit
abhängig. Dies ist der Gegenstand der folgenden Unter-
suchung, 1)
II. C'haucer's religiöse Orundstimmuug und
die Parson's Tale im Spiegel der Literaturgeschichte
und wissenschaftlichen Forschung.
Um einen Ausgangspunkt für die weitere Erörterung zu
gewinnen, ist es zunächst nötig, die bisherige Forschung in
ihrem Gange und ihren Ergebnissen kurz zu skizzieren. Bei
der Bedeutung, die ein genauer Überblick für einen Dichter
wie Chaucer haben mufs, halte ich es für angebracht, dabei
bis auf die älteste Zeit surückzugehen und möglichst alle er-
reichbaren Aufserungen und Urteile, soweit sie mir bei
^) Andeutungen darüber habe ich an folgenden Stellen gemacht:
Herrig's Archiv 108,430 — 435 (Kritik von Miss K. Oelzner-Petersen,
The sources of the P. T. Boston 1901); Herrig's Archiv 110,130—132
(Bericht über einen Vortrag); Adolf Tobler-Festschrift. Braunschweig
1905. S. 383 — 394 (Über „Chaucer's Retractatio").
C30
kritischer Botraclitung von Interesse und Wert erschienen,
im folgenden mitzuteilen.
Von Chaueers Freunden und Schülern ist keine dies-
bezügliche Bemerkung überliefert. — Ebenso schweigt sich
sein erster Biograph Lei and (gest. 1552) in seinem sonst
recht ansehnlichen Artikel über diese Seite des Dichters völlig
aus. Zwar nennt er ihn einen „gravis j^hilologus'"' und „sandus
ihcologus"/) eine Bezeichnung, die in gleicher oder ähnlicher
Form von zahlreichen späteren Biographen^) übernommen
worden ist, aber das ist auch alles; denn die Ansicht, dals
Chaucer Piers Ploughman's Vision gesehrieben habe, die „multos
sacerdotum mores vehementer increpavit''^ gibt er ganz objektiv
ohne Kommentar wieder. — Bei dem Nachfolger Lelands, bei
Joh. Bale^) finden wir schon eine subjektive Auffassung;
das einzige Interesse, das er an Chaucer nahm, entsprang aus
dessen vermeintlicher Feindschaft gegen die katholische Kirche:
„Aliasque phira fecit, in quibus monachornm ocia, missantium tarn
raagnam multitudinem , horas non intellectas, reliquias, peregrinationes, ac
ceremonias parum probavit" (a. a. 0. S. 526).
Deutlich spricht sich zuerst Speght in der seiner Aus-
gabe (1598) vorangeschiekten Lebensbeschreibung Chaueers aus,
wenn er von dessen Studium spricht, zusammen mit „John
WicJcelife, ivhose opinions in religion he much a/feded". —
Hierauf fulst Will. Winstanley, Englands worthies (Lo. 1660),
der sein Urteil auf die vermeintliche Echtheit des Testament
of Love und der Plowman's Tale stützt, wenn er S. 92 sagt:
„Eis (d.h. Chaucer's) Education, as Leland writes, was in both the
Universities of Oxford and Cambridge ... in Oxford, with John Wicliffe,
whose opinious in religion he uanch aifected: For who shall read bis
Works, will finde him not covertly, but with füll month to cry out against
the vices and enorm ities of the Priests in those times. Ilear him in the
Ploughmans tale."
') Commentarü de Scriptoribus Britannicis. Oxford 1709. S. 419.
^) So von Joh. Bale, Scriptoram illustrium maioris Brytannie . . .
Catalogus. Basileae 1557; von Joh. Pits (um 1G16), Relationum Histori-
carum de Rebns Anglicis. Parisiis J(il9. (Wortlant beider bei Ilammond
S. 8 — IT); von Thomas Pope Blount, Censura celebriornm authornm etc.
Genevae 169G. S. 443f.; Speght 1598 imd von ihm abschreibend: William
Winstanley 16ST, Giles Jacob 1720 U.A.
631
oder wenn er S. 98 Cbaueers mit Recht angezweifeltes Ren-
contre mit dem Frauziskanermöncli erzählt und dazu bemerkt
„Geofery Chaucer, no friend to the covetous and leacherons Clergy-men
of those times."
Dieser Standpunkt, bald mehr bald weniger schroff betont,
war der der Puritaner seit dem 16. Jahrhundert (vgl. dazu
auch T. R. Lounsbury a.a.O. II 461 ff.). So heilst es in
Thomas Füllers Church History of Britain (Ausgabe London
1842. Vol. I, S. 469):
„I find this Chancer fined in the Temple two Shillings for striking a
Franciscan friar in Fleet-street; and it seems bis hands ever after itched to
be revenged, and have his penoyworths oiit of them; so tickling religious
Orders with his tales, and yet so pinching them with his truths, that friars,
in readiug his books, know not how to dispose their faces betwixt crying
and laughing."
Ihren charakteristischen Ausdruck fand die Auffassung
der Puritaner in John Foxe's Actes and Monumentes, wo es
nach der Ausgabe von 1576 S. 812 heilst:
„Thys I meruail to see the idle lyfe of the priestes and clergymen
of that tyme, seyng these lay persones shwed themselnes in these kynd
of liberall studies so industrions & fruitfiilly occupied; but much more I
maruell to cousider this, how that the Bishops conderaning and abolishing
all maner of english bookes and treatiscs which might bring the people
to auy light of knowledge, did yet anthorise the woorkes of Chaucer
to reniajme still and to be occupied : ^) Who (no doubt saw in religion
') Bekanntlich wurden Chaucers (und Gowcrs) Werke bei der Aus-
führung der Parlamcntsakte vom Jahre 1546 unter Heinrich VIII., die zur
Förderung der wahren Religion die Vernichtung kirchenfeindlicher Werke
anordnete (..For the Advancement of true Religion"), ausdrücklich aus-
genommen, da sie nichts als „fahles" seien. Vgl. dazu auch die Bemerkung
Thyune's über eine Chaucers Werke betretfeude Parlamentsäul'seruug
(Animaduersions ed. Chaucer Society Series II 13, S. 10). Der Ausdruck
„Canterbury Tale" wurde, wie man weifs, für eine Zeit die Bezeichnung
für eine unwahrscheinliche Geschichte. Typisch dafür ist eine Aufserung
des Erzbischofs Cr an m er, die mir, ich weifs nicht woher, zugeflossen ist.
Cranmer spricht einmal (Miscell. writings and letters ed. Parker Soc. 21,
S. 198) vom evangelium und sagt:
„If ive takc it for a Canterbury Tale tchy do ive not refuse it? why
do ive not laugh it out of place, and rvhistle at it? why do ive with ivords
approve it, xoith conscience receive and alloiv it, give credit unto it, repute
and take it as a thing most true, wholesome and godly, and i« cur living
clearly reject it?"
632
as much almost as eueu we do now, & vtteretb in his works no lesse,
and seemeth to be a right Wlcleulan, or eis was uever any, and
tbat all hys workes almost, if tliey be throughly aduised, will testifie,
albeit it be doue iu mirlh, and couertly) and especially the latter ende
of bis third booke of the Testament of loue: for there pucely he toncheth
the highest matter, tbat is, tbe communiou: Wberin, except a man be
altogetber blynd, be may espy bym at tbe fall. Altbougb in tbe same
booke (as in all otber be vsetb to do) vnder sbadowes couertly, as vnder
a visonr, be suborneth truth, in such sort, as botb priuily she may proOte
tbe godly mynded, and yet not be espied of tbe erafty adncrsary and
tberfore tbe bisbops belike, takyng b!sworkos[!] bnt for iestes and toyes,
iu condemning otber bookes yet permitted his bookes to be red. [Absatz!]
So it pleased God to blynd tben tbe eies of tbem, for the more com-
moditie of his people, to tbe entent tbat tborough the reading of bis
treatises, some fruit migbt redound tberof to bis Cburch, as no doubt, it
did to many: As also I am partly cnformed of certaine wbicb knewe tbe
parties, wbich to tbem reported, tbat by reading of Cbaucers works, they
were brougbt to tbe true knowledge of religion ... [es folgt näheres
über die Plowman's Tale]."
Diesen von flammender Begeisterung getragenen Worten
des Eiferers Foxe liönnen die gleichgesinnten Sätze Henry
Whartons in seinem Lebensabrils Chaiicers zur Seite gestellt
werden, die nach der (einzigen) Handschrift Lambeth 956 in
Cave's Scriptores eeclesiastici (aber ungenau) abgedruckt sind.
Nach H. J. Todd (Hlustrations of Chaucer and Gower. Lo.
1810, S. XXXVII) sagt er von Chaucer u. a.:
„in rebns denique tbeologicis apprime versatus, de qiiibus acute atqne
crndite saepius disputat. Sabtiliorem etenim Scholarum disciplinam probe
noverat; castioris autem Tbeologiae studio nullos fere non sui temporis
Theologos antecelluit [!] , Wiclefi dogmata ut plurimum secntus,
et infncatam ac genuinam pietatem sectatug. Hinc graviores Ecclesiae
Romanae superstitiones et errores acerbe saepius vellicat; corruptam in-
eptissimis commentis disciplinam ecclesiasticam luget; Cleri luxnriam et
ignaviam castigat; in Ordines autem Mendicantes projectissimo ubique
odio invebitur, quorum hypocrisin ambitionem, aliaque vitia turpissima,
aliquoties data opera, nuUibi vero non oblata quavis occasione, acerrime
insertatur."
Weniger stürmisch und wesentlich vorsichtiger, wenn auch
ebenfalls bis zu einem gewissen Grade von falscher Voraus-
setzung ausgehend, äulsert sich Dryden im Vorwort zu seinen
Fahles, Lo. 1700 (nicht paginiert):
„As for the religion of our Poet, be seems to have some little Byas
towards the Opinions of Wickliff, after John of Ghant his Patron;
633
somewhat of which appears in the tale of Piers Plovvman: Yet I cannot
blame Iiim for inveighing so sharply agaiust the Vices of the Clergy in
his Age: Their Pride, their Ambitiou, their Pomp, their Avarice, their
Worldly Interest, deserv'd the Lashes whish he gave them, both in that,
aud iu most of his Cauterbury Tales: Neither has his Coutemporary
Boccace spar'd thein. Yet both those Poets liv'd iu much esteem, with
good aud holy Men iu Orders: For the Scaudal which is given by parti-
cular Priests, reflects not on the Sacred Function. Chancer's Mouk, his
Chanon, and his Fryar, took not from the Character of his Good Parson.
A Satyrical Poet is the Check of the Laymeu on bad Priests. We are
ouly to take care, that we involve not the Innocent with the Guiity in
the same Condemnation." Dieser Gedanke wird dann weiter ausgeführt
und durch Vergleiche erläutert.
Wie Diydens Urteil basiert auch das Miltons auf der
Plowman's Tale (vgl. Prose Works, ed. Cb. Symmons, Lo. 1806,
1,33 f.).
Jobn Dart (oder Will. Tbomas; vgl. Hammond S. 37), der
Verfasser des Lebens Chaucers in Urrys Ausgabe, Lo. 1721,
mied eiuen Teil der falschen Voraussetzungen seiner Vorgänger,
wie z, B. Drydens, indem er die Plowman's Tale und Jack Up-
land aus Chaucers Werken ausschied, während er sich andrer-
seits dessen Urteil zu eigen machte:
„. . . that he (Chaucer) was a Fanourer of the Lollards (as were
likewise most of his friends, and particularly Occleve) is evident from
several places in his Writings where he bittcrly inveighs against the
Priests andFryers: Not that he disliked all ofthat order; for he mentions
Fryer John Some and Fryer Nicholas Leune, or Lynne,i) with respect
calling them Eeverent Clerkes, and expresscs his regard for the secular
Clergy who lived up to their Profession iu his Description of the Parson.
Nor was he disesteemed by the Clergy of those times; Lidgate, who
was a Mouk of St. Edmoudsbnry and several others entertaining a great
reverence for him, and speaking of him with the ntmost respect: Nor
was he less esteemed by Gower, tho' a violent Bigot to the Church of
Eome, aud a perpetual exclaimer against Wicliffe and his FoUowers" ;
und au anderer Stelle:
„There can be no doubt of Chaucer's intimacy with Wicliffe; being
probably of the same College with him , a Follower of his Opinious, aud
both Retainers to the Duke of Lancaster."
Von Wichtigkeit sind hier besonders die Hinweise auf
Gower und Lydgate.
Colley Cibber (The Lives of the Poets, Lo. 1753), der
1) Vgl. Astrolabe Prol. 62.
634
sich sonst in seinen Aus füll rimgeu bauptsäcblieb auf Leland,
Speght und Tbynne stützt, sagt I, 12:
„Gowcr, Occleve, Lidgate, Wickliffe teere great admirets, an parti-
ciliar fricnds of Chaucer",
ein Urteil, das sieb ansebeinend auf dessen Verbindung mit
dem Duke of Laneaster, dem Patron Wiclifs, gründet. — Dem
■würden wir dann die Bemerkung in Jobn Berkenbout's
Biograpbia Literaria, Lo. 1777, an die Seite stellen können, wo
es 1,310 beifst:
„Tlis satires agaiust tbc priests were probably written to oblige bis
patrou tbe duke of Laneaster, who favoured the cause of WicHff."
Diesen selben Gedanken finden wir kurz darauf in der
Biograpbia Britannica (Lo. 1784, S. 455) wieder. Dann
beifst es bier aber weiter, was z. T. an Dryden und Dart an-
klingt:
„Yet it does not at all appear that he was an enemy to religiou or
even to that of the Cburch of Rome; bat rather the contrary; for he
speaks very submissively of her doetriiies, aud bestows high characters
upou such of the Clergy, as acted suitably to their calliiig, so that it
was the ill meu who brought religiou iato coutempt aud prostitudcd their
own fiiuction in the vilest manner, that feit the severity of Chaucer's
niiise, and not Priests iu geueral, or eveu tbe Christian Faith: for the
former he highly revered, and tbc latter he firmly believed, as bis writings
l)laiuly shew." —
lu einer Anmerkuug dazu wird gesagt: „The true design of onr
autbor was not to expose or abuse the Clergy from a dislike to their
Order, but quite tbe contrary, to amcud and reform theui; aud he was
with tbis view, that he wrote mauy pieces . . ."
Diese Ansiebt ist natürlicb eine irrige, Cbaucer Reform-
absiebten unterscbieben, bielse seine gesamte dicbteriscbe und
künstleriscbe Tätigkeit verkennen. Der kritische Geist, der
sieb im übrigen in den Bemerkungen der Biogr. Brit. offenbart,
war der Befruchtung zu danken, die der Cbaucer-Forscbung
durch Thomas Tyrwhitt (Tbe Canterbury Tales, Oxford
1775 — 78) zuteil geworden war. Seit Tyrwhitt ist bekanntlich
die Plowman's Tale endgültig aus der Liste von Chaucers
Werken gestrichen. Tyrwhitt bezeichnet Chaucer als
einen gläubigen Katholiken, indem er zuerst die Er-
zählung des Pfarrers als Beweis dafür in den Vorder-
grund der Betrachtung rückt. Er sagt:
635
„Thoiigli he and Boccace have laughcd at some of the abiises of
religion and the diaordcrs of Ecclesiastical persons, it is qnite iucrcdible
that either of them or eveu Wicliff himself woiild have railed at the whole
goverument of the Chnrch, m the style of this Ph)wiuau's Tale. If they
had been disposed to such au attenipt, their times wonld not have born
it; but it is probable, that Chaucer, though he has beeu pressed into the
Service of Protestantisuie hy some zealous writers, was as good a Catholick
as men of his uuderstandiug and rank, in life have gencrally beeu. The
necessity of auricular Confession, one of the great scandals
of Popery, cannot be more strongly incnlcated than it is iu
the followiug Tale of the Person" (iu der Ausgabe Oxford 1798,
S 112 Anm.).
Mit Tywhitts Urteil deckt sich im wesentlichen das von
Will. Godwin (Life of Geoffrey Chaucer, 2nd ed., Lo. 1804).
Godwin weist (S. 343) auf die falsche Auffassung der Puri-
taner und ihre Ursachen hin und fährt dann -fort:
„Chaucer, thongh an euemy to the artificcs and insincerity of the
friars and pcrhaps personaliy the frieud of Wiclifife, does not seem ever
to have enlistcd himself iu the party of the Lollards. In the Testament
of Love, he expresses his belief in the real presence; and iu the disconrse
of the Person, with which the C. T. are concluded, he declaims with great
emphasis for the Utility of auricular confession."
Auf Godwin folgt eine Pause von mehr als drei Jahr-
zehuten. Erst 1836 finde ich ein im Lapidarstil abgefafstes
(in anderen Punkten sicher ungerechtes) Urteil über Chaucer
das lediglich wegen der Persönlichkeit des Verfassers Er-
wähnung verdient. Chateaubriand, der Schriftsteller und
Staatsmann, fällt in seinem „Essai sur la litterature anglaise",
Paris 1836, S. 110 folgendes herbe Urteil:
„Courtisan, Lancastrien, Wiclefiste, infidele ä ses convictions, traitre
ä son parti, tantöt banni, tautöt voyageur, tantöt en faveur, tautöt en dis-
grace, Chaucer avait rencontre Petrarque ä Padne:"
Ein Jahr später bemerkt J. H. Hippisley, der sich wie
seine Nachfolger im Urteil zum grofsen Teil an Tyrwhitt an-
lehnt, in seinen „Chapters on Early Euglish literature", Lo.
1837, S. 106:
„Geuerally speaking, a freedom from credulity and snperstition , is
one of the most striking characteristics of Chaucer."
S. 177 „It may be thought, perhaps, that the satire contained in
Chaucer's work, upon the Catholic clergy, affords direct proof of his
adherence to the reforming priuciples of Wickliffe but we have already
636
seen how the charlatanerie of reliques was ridiculed in another age, by
the pioiis Catholic, John Hey wo od."
Aluilieh George Gilfillan (G. Chaucer, Canterbury Tales
with memoir and critical dissertation. 3 vok. Edinburgh 1840):
„Chaucer, says old Foxe the Martyrologist, was a right Wicklivian,
or eise there nener was auy. This is undoubtedly overstated, bat there
can be as little doubt that he had strong syiupathies with Wickliffe and
bis canse." —
Als Gründe führt er an: 1. intimacy Avith the reformer. 2. contempt
for the clergy and the corruption of the chnrch. 3. intimacy with John
of Gannt's faction. 4. rebouud against Rome. 5. Einflufs Petrarka's und
Boccaccio'S.
Leonhard Schmitz (Life of Chancer in the poems of
G. Chancer, modernized, Lo. 1841) vertritt S. CXXf. die An-
sicht, dafs Chaiicer nur die Milsbräuche und Auswüchse der
Kirche, nicht aber das System der Kirche selbst angriff und
das Gute anerkannte, wo er es fand.
Das Jahr 1844 (vgl. Hammond S. 40) bedeutet wieder
einen Wendepunkt in der Geschichte der Chancer- Forschung
— es ist das Jahr des Erscheinens von Sir Harris Nicolas'
Chaucer- Biographie. Durch ihn wurde der Glaube an die
Echtheit des Testament of Love erschüttert, indem er
ihr jeden autobiographischen Wert für Chaucer absprach. Der
endgültige Beweis der Unechtheit erfolgte durch W, Hertzberg
(Übersetzung der Canterbury-Geschichten, Hildburghauseu 1866).
Auf Sir Harris Nicolas folgen nun mit dem Aufschwung
des literarhistorischen Interesses und der historisch-kritischen
Forschung zahlreiche Literarhistoriker, die aber zum grofsen
Teil nur die Ergebnisse früherer Forschungen ohne eigene
originelle Zutaten wiedergeben. Ich habe mir die Mühe ge-
nommen, sie alle, soweit sie mir in Berlin, Göttingen und
London erreichbar waren, durchzusehen, doch können hier
natürlich nur die Erwähnung finden, die einen neuen gedanken
aufweisen.
Bevor ich zu den eigentlichen Forschern übergehe, teile
ich zunächst noch eine gefühlvolle Aulserung E. B. Brownings
mit, die sie in einem ihrer Briefe an John Kenyon (25. März
1845) bei Gelegenheit einer Reflexion über das Thema „Religion
und Dichtung" macht („Letters", Lo. 1877, I, 128):
637
„The Christian religion is true or it is not, and if it is true it oifers
the highest and purest objects of coutemplation. And the poetical faculty,
which expresses the highest moods of the mind, passes natnrally to the
highest objects. Who cau separate these things? Did Dante? Did Tasso?
Did Petrarch? Did Cakleron? Did Chaucer? Did the poets of our
best British days ? Did any one of these shrink from speaking out Divine
names when the occasion came? Chaucer with all his jubilee of spirit
and resounding laughter had the name of Jesus Christ and God
as frequeutly to familiarity on his Ups as a child had its
father's name."
Doch nun zurück zur wissenschaftlichen Forschung! J, S.
Brewer sagt im Preface zu den „Monunienta Franciscana"
(Lo. 1858, S. XV Anm.) :
„Even in their degeneracy, Chaucer a Wickliffite, and therfore not
favonrable to the friars, notices their eucouragement ofmarriage." (Bezieht
sich auf CT. Prol. A. 212 f.).
Nicht ohne Interesse wegen des Cliaueer sugeschriebenen
Einflusses sind die Bemerkungen von Henry Reed (Lectures
on the British poets, Lo. 1857, S. 62) :
„The writings of Chaucer have an interest in connection with
ecclesiastical history; for, abounding as they do in kcen and earuest
Satire of clerical and nionastic abnses, they have truly been reckoned
araoug the means by which populär sentinient was animated and prepared
for the great change of the Reformation."
Auch Stephan Gätschenberger (Gesch. d. engl Litt. I,
Prag 1859) nennt Chaucer einen „Busenfreund Wickliffe's",
natürlich eine ganz haltlose Behauptung. —
In demselben Jahr (Paris 1859) erschien das bemerkens-
werte Buch von E. G. Sandras, Etüde sur G. Chaucer. S.
glaubt nicht, dafs Wiclif das Urbild für den Pfarrer der
Canterbury Tales abgegeben hat, und sagt über Chaucers
religiöse Grundstimmung (S. 168):
„Chaucer n'etait Lollard que dans une certaine mesure; il ne s'est
nullement associe anx erreurs religieuses, anx menees politiques de Wiclef.
II a fait, comme nos trouveres, la satire du vice; il a Signale les infractions
faites ä la loi morale gravee dans le coeur de l'homme, et admirablement
exprimee par l'Evangile; c'est lä qu'il s'est arr§te. Les ecrivains anglais
se livrent sur Chaucer ä des iuductions temeraires. S'ils venlent trouver
la professiou de foi du poete dans cet eloge du eure de campagne, j'y
sonsens; mais qu'ils n'oublient pas que le sermon est tout-ä-fait
orthodoxe."
638
Ähnliche Aust'haimngen vertrat später Robert Bell in
seinem den „Poetical works of Geoffrey Chaucer" (Lo. 1878)
vorgefügten Memoir. Er erklärt Chaucers Darstellung der
geistlichen Personen für eine Folge seiner Verbindung mit John
of Gaunt, Vol. I, 45) und fährt dann fort :
„Yet notwithstanding the gnsto with which he turns the religious
Orders into ridicule, there ist no indication of his having embraced tlie
tenets of Wickliffe. It lias been thougbt that in bis character of a conntry
parsuu be intended to record bis adiniratiou of that active reformer but
tbere is not a Single poiut of resemblance between tbem. Wickliflfe . . .
was everytbing that the parson was not, and the reverse of everytbing
that he was . . . if Chaucer meant to apply the sketch to Wicklifife, it
must have been as a masked sarcasm and not as a panegyric."
Vol. IV, 10 in der Einleitung zur Parson' s Tale
hebt er die Betonung der confession hervor und erklärt, dafs
Chaucer zwar zu der politischen Partei gehörte (vgl. auch
Vol. I, 99 Anm.), die Wiclif stützte, dafs er sich aber keines-
wegs dessen theologische Grundsätze zu eigen machte.
Begründeter und eingehender sprach sich der treffliche
Übersetzer der „Canterbury- Geschichten", Wilhelm Hertz-
berg, 1866 aus. Nachdem er, wie schon erwähnt, die Un-
echtheit des Testament of Love erwiesen und die Gründe für
Chaucers Amtsentsetzung auseinandergesetzt hat, fährt er über
die Vorwände dazu fort:
„Auf keinen Fall sind sie in Chaucer's religiöser Parteistellung zu
suchen. Man bat den Dichter zu einem entschiedenen Anhänger Wiclif s
machen wollen, ist aber den Beweis dafür schuldig geblieben. Er erkannte
allerdings die groben Mifsbräuche der Hierarchie und eiferte warm und
freimütig dagegen. Er verabscheute den Ablafskram, er verabscheute die
schleichenden Umtriebe und die unverschämte Herrschsucht der Bettel-
mönche. Er neigte sich daher ... zu den Lehren Wiclif! 's, insofern diese
das Kirch enregiment betrafen." H. verweist dann auf John of Gaunt,
bespricht spitze Bemerkungen Chaucer's über die Lollarden (Shipm. Prol.
B1173 und Pars. Prol. 143), Chaucer's souveräne Behandlung der Ver-
weltlichung des Klerus und seine den Heiligen in gewissen aus Legenden
umgearbeiteten Geschichten der C. T. bezeugte Verehrung. Was Chaucer's
Auffassung der strengen katholischen Dogmen anlangt, so glaubt H., dafs
jener darüber im einzelnen zu keiner Entscheidung gekommen sei, da der
Pfarrer alle Streitpunkte vermeide und schliefslich auch die Prädestinations-
lehre als unentschieden beiseite schiebe. „Sonach erscheint Chaucer zwar
als ein denkender und freisinniger Kopf, aber doch zugleich als ein
guter und gläubiger Katholik, die Extreme meidend und von jedem
Fanatismus frei."
639
Matthew Browne vergleicht, lediglich vom Gefühl ge-
leitet, in seinem Buch Chaucer's England (Lo. 1869, S. 147 f.)
den geist, der aus den C. T., insbesondere dem „slippery pro-
logue" spreche, mit dem von Wiclifs Schriften und kommt zu
dem (selbstverständlichen) Ergebnis, dai's beide schlecht zu-
einander passen. Wir werden ihm auch recht geben, wenn er
im Anschlufs daran die Frage
„Ts it conceivable, that the author of the C. T. could, ander auy
circumstances, have become a martyr? Could Shakspear?
im verneinenden Sinne beantwortet.
Charles Corden Clarke, The riches of Chaucer, Lo.
1870, ist zwar in manchen Punkten noch recht rückständig,
fällt aber (S. 47) folgendes bemerkenswerte Urteil:
„Indeed we do not find it confirmed that he sided with Wickliffe
npon points of faith or doctrine, but in exposing the abuses of his mother
church. He was a reformer, not a seceder; he would have restored
the Catholic worship to its primitive pnrity, bat he would not
have removed one stone of the fabric."
Gotthard Lechler in seinem monumentalen Lebensbild
des englischen Reformators (Johann von Wiclif und die Vor-
geschichte der Reformation, Lpz. 1873) findet (Bd. I, 408ff.) in
Chaucer's Pfarrer zahlreiche Züge wieder, die auf Wiclif passen.
Und gerade in dem Umstand, dafs dem Pfarrer die grolsartigen
Züge des Reformers vollständig fehlen (worauf Robert Vaughan
[Life and opinions of John de Wicliffe, 1831, II, 139 f.] zuerst
aufmerksam gemacht hatte), glaubt Lechler, was ich für
ausgeschlossen halte, einen Grund zu finden, dals der Dichter
gerade Wiclif als Pfarrer habe schildern wollen.
„Denn es ist nicht blofs zweifelhaft, sondern geradezu unwahr-
scheinlich, dafs Ch. für die grofsen Reformgedanken und Bestrebungen
Wiclif 's ein entgegenkommendes Verständnis, eine wirkliche Anerkennung
gehabt haben sollte. Chaucer nahm in betreff der kirchlichen Dinge eine
Stellung ein, die am ehesten mit der Denkart mancher Humanisten im
Anfang des 16. Jahrhunderts sich vergleichen läfst: ein offenes Ange und
ein spöttisches Lächeln für alle Fehler und Schwächen im kirchlichen
Wesen, aber kein Herz für den Ernst und die Heiligkeit der Sache."
Etwas im Gegensatz dazu bemerkt Reinhold Pauli,
der Geschichtsschreiber und Essayist, ein gründlicher Kenner
des 14. Jahrhunderts, in seinen „Bildern aus Altengland'' ^ (Gotha
1876, S. 219) über Chaucers Pfarrer:
640
„Es ist dies die Klasse, ans welcher damals Wiclif's berühmte Eeise-
prediger hervorgegangen. War Chaucer auch selbst kein Lollarde, so
stand sein grofses englisches Herz doch ofleu genug, um den Anklang
dieser echt evangelischen Bewegung zu empfinden. Sein Bildnis des
Pfarrers trägt entschieden Züge, die von einer der populärsten Er-
scheinungen des Tages hergenommen sind."
Mittlerweile (1868) war durch Dr. Furnivall's unermüdliche
BemühuDgen die „Chaucer Society" ins Leben gerufen
worden, und Furnivall hatte in den „Trial-forewords" (1871)
S. 113 seinen Glauben an die Echtheit der Parsons Tale und
der Retractatio ausgesprochen.
Im Jahre 1876 brachte die Chaucer-Society als Nr. 9 der
„Essays on Chaucer" eine zugleich als Programm der höheren
Bürgerschule zu Schmalkalden erschienene Abhandlung von
H. Simon, „Chaucer a Wicliffite". Der Verfasser suchte
darin den Beweis zu führen, dafs Chaucer ein Anhänger Wiclifs
gewesen sei, den Pfarrer der Canterbury Tales dem Wiclifschen
Ideal nachgezeichnet und seiner Erzählung einen dement-
sprechenden Wiclifitischen Inhalt gegeben habe, dem aber
später von einem Mönch durch umfangreiche Interpolationen
eine entschieden orthdodoxe Färbung verliehen sei. Diese
vermeintlichen Interpolationen schied S. aus und stellte da-
durch den nach seiner Ansicht ursprünglichen Text der Parson's
Tale wieder her.
Die zweifellos scharfsinnigen Auseinandersetzungen Simons
riefen aus den verschiedensten Gründen Widerspruch hervor.
Man verkannte zwar nicht die Bedeutung seiner Argumente,
die sich bei dem damaligen Stande der Forschung nicht sämt-
lich entkräften lielsen, konnte oder mochte ihm aber nicht bis
zu seinen letzten Konsequenzen folgen. Vor allem ist da
John Koch's kritische Besprechung (Anglia II, 540—4) zu
nennen, die Simons Auffassung zwar entschieden entgegentrat,
aber betonte, dafs das letzte Wort in dieser und den damit
zusammenhängenden Fragen noch nicht gesprochen sei, da noch
mancherlei Voraussetzungen, wie ein zuverlässiger Text, Auf-
hellung der Quellen u. a., fehlten.
Ohne sich wie Koch auf Einzelkritik einzulassen, aber an-
scheinend unter dem Einfluls von dessen Besprechung ging
A.W. Ward („Chaucer" i Lo. 1880, English Men of Letters 16,
641
S. 133 ff.) auf die Frage ein. Er zollt dem „German daring"
Simons bewundernde Anerkennung, glaubt aber an die
Echtheit der Parson's Tale, ohne dafür (wohl mit Rück-
sicht auf den Charakter seines Buchs) einen genauen Beweis
anzutreten und findet sich schliefslich auf folgende Weise mit
der Frage ab:
„In sum, the P. T. cannot, any more than the character of the Parson
in the Prologue, be interpreted as proving Chaucer to have been a
Wycliffite. Bat the one as well as the other proves him to have per-
ceived much of what was noblest in the Wycliffite movement, and mi;ch
of what was ignoblest in the reception with which it met at the hands
of worldlings — before, with the aid of the State, the Church finally
sacceeded in crushing it . . . ont of existence."
W. W. Skeat bemerkt in der Chaucer -Ausgabe III, 504,
obwohl er Simons Interpolationentheorie vollkommen ablehnt:
„The object of the Essay is to prove that Chaucer was a Wycliffite . . .
the truth of whlch I am not particularly careful either to deny or assert."
Die grofse Anregung, die Simons Arbeit und Kochs Be-
sprechung unserem Gegenstande gebracht hatten, äulserte sich
nun zunächst darin, daXs man sichere Voraussetzungen für
eine weitere Behandlung zu schaffen suchte. Dazu war es vor
allen Dingen nötig, die Quelle oder Quellen der P. T.
ausfindig zu machen.*)
Einen Schritt auf diesem Wege bezeichnet die Abhandlung
von W. Eilers, Die Erzählung des Pfarrers in Chaucer's Canter-
bury- Geschichten und die Somme de vices et de vertues des
Frbre Lorens. Erlanger Diss. 1882, auch in den Publikationen
der Chaucer-Society 1884. Tyrwhitt hatte schon im „Intro-
ductory Discourse" zu seiner Chaucer-Ausgabe über die Er-
zählung des Pfarrers gesagt:
„It is entitled in some Mss. Tractatns de Poenitentia pro fabnla, ut
dicitur, Rectoris, and I much suspect that it is a translation of some
such treatise."
') In A. W. Ward's Chaucer lese ich S. 140: „No enquiry conld
satisfactorily establish how much of this [sc. gewissen Abschnitten über
Lehren der katholischen Kirche] was taken over or introduced into the
Parson's Tale by Chaucer himself." Diese Äufserung, die jede Möglichkeit
einer Scheidung von Originalem und Entlehnten a limine abweist, ist mir
unverständlich; denn das hängt doch von der Auffindung der Quellen ab.
Studien z. engl, Phil. L. 41
642
Alinlicli Sandras in der schon weiter oben erwälinten
„Etüde sur Chaucer" :
„Le sermon du eure de campague est une version de quelqae
doctrinal de conscience."
Hertzberg fügte (Canterbury-Gesehichten S. 670) hinzu
„natürlich müssen wir ein lateinisches Original voraussetzen".
Bei Gelegenheit der 1866 veröffentlichten Ausgabe von Dan
Michel's Ayenbite of Inwyt wurde Richard Morris, der damals
gleichzeitig an seiner Chaucer- Ausgabe arbeitete, mit dem
französischen Original des Ayenbite bekannt, der Somnie des
Frfere Lorens. Die Ähnlichkeit dieser mit dem in der P. T.
vorhandenen Sündentraktat (sowie einem Teil der Bnfspredigt)
war in die Augen springend und so ersetzte Morris in dem
Neuabdruck von Tyrwhitt's Intr. Disc, den er seiner Chaucer-
Ausgabe vorausschickte, die "Worte Tyrwhitt's:
„And I much suspect bis treatise" durch „and is a translation or
rather adaptation of some chapters of a work, entitled 'Li libres roianx
de vices et de vertus, by Frere Lorens'."
Diese Bemerkung wurde dann bald in Warton's History
of English poetry II, 373 übernommen, indem zugleich auf er-
hebliche Abweichungen zwischen Cbaucer's und Frhve Lorens'
Fassung hingewiesen wurde. Einzelne Übereinstimmungen
zwischen der P. T. und dem Ayenbite wurden von Mätzner
an Stellen des Kommentars zu dem von ihm in den „Sprach-
proben" 11, 58 ff. abgedruckten Abschnitte aus dem Ayenbite
aufgezeigt.
An diesen Faden knüpfte nun Eilers an, indem er die
P. T., soweit sie überhaupt Ähnlichkeiten zeigte, bis ins einzelne
hinein mit der Somme des Frfere Lorens verglich. Er suchte
damit zu beweisen, dafs der gröfsere Teil der P. T., der von
den sieben Todsünden handelt (Sündentraktat), eine Bearbeitung
des genannten altfranzösiscben Traktats sei und kam des
weiteren zu dem Ergebnis, dafs dieser Teil der P. T.
wegen der „gröbsten Verstöfse gegen Logik, Grammatik
und Stil, Inkonsequenzen und Absurditäten Chaucer
nie durch die Feder geflossen", vielmehr interpoliert
sei. Eilers ging in dieser Hinsicht noch einen Sehritt
weiter als Simon, der die Echtheit des Sündentraktats
nicht ganz von der Hand gewiesen hatte. Dagegen hielt
643
Eilers den Versuch Simons, die echte Parson's Tale aus dem
überlieferten Text herauszuschälen, für verfehlt, weil unaus-
führbar.
Die Untersuchung von Eilers stand, obwohl sie in das
Dunkel der Quelleufrage nicht ohne Erfolg hineinleuchtete, im
ganzen doch auf recht schwachen Boden. Ob die fran-
zösische Somme wirklich die direkte Quelle sei, wenn sie auch
von allen bis dahin bekannten Werken dieser Art der P. T.
am nächsten kam, mufste aber in anbetracht vieler und er-
heblicher Abweichungen sehr bezweifelt werden. Schon die
blofse Betrachtung der äufseren Anlage beider Fassungen
mufste Bedenken erwecken. Bei Chaucer folgte auf jede der
sieben Sünden unmittelbar das entsprechende Remedium, so
auf die Superbia die Humilitas, auf die Invidia die Miseri-
eordia usw. In der Somme des Frfere Lorens werden aber
erst alle Sünden abgehandelt und dann erst folgen die Remedia.
Auf dieses zwar äulserliche aber für die Entlehnungsfrage i)
sehr wesentliche Moment ist man früher gar nicht aufmerksam
geworden. Da ferner die Darstellung der Remedia in beiden
Fassungen eine grundverschiedene ist, war die Annahme mehr
als gerechtfertigt, dafs Chaucer nicht dieser sondern einer
ähnlichen Fassung gefolgt sei, deren äufsere Anordnung mit
der seinigen übereinstimmte. Da der Stoff durch die Lehre
der katholischen Kirche beschränkt war, die Summae selbst
wohl grölstenteils miteinander irgendwie verwandt, ergaben sich
gewisse Ähnlichkeiten von selbst. Das beweisen auch die später
von Mark H. Liddell in der Academy Mai 30, 1896, S. 447,
und Juni 20, S. 509 beigebrachten Übereinstimmungen zwischen
der P. T. und Mo. Bodl. 90, das zeigen weiter gewisse Über-
einstimmungen der P. T. mit anderen Werken, die Miss Kate
Oelzner-Petersen in ihrem Buch „The sources of the P. T."
Boston 1901 (RadcliflFe College Monographs 12) S. 80 zu einer
dankenswerten Liste vereinigt hat. Trotz alledem gewährte
die von Eilers gefundene Quelle schon damals einen Einblick
in den Stoff, wie ihn Chaucer etwa vorgefunden haben mufste.
Den Folgerungen von Eilers betreffs der Interpolierung der
*) Hierfür vergleiche man aucli Marie Gotliein, Die Todsündeii.
Archiv für Religionswissenschaft X, 416 — 484 (19i'7).
41*
644
P.T. schlofs sich John Koch in einer inhaltreichen Besprechung
der Eilers'schen Arbeit nnd nach nochmaliger Prüfung mancher
Einwände Simon's nicht an (Anglia V, Anz. 130 ff.), kam viel-
mehr zu dem Ergebnis
„dafs die gegen den Verf. der P. T. erhobenen Anklagen teils wider-
legt, teils gemildert sind, so dafs nun wohl niemand Bedenken tragen wird,
sie als echt anzuerkennen. Sie gehört in der überlieferten Gestalt aller-
dings zu Ch.'s schwächeren Leistungen; doch hätte er gelebt, um noch
die letzte Hand daran zn legen, so hätten wir gewifs ein Werk erhalten,
das den übrigen würdig an die Seite treten dürfte."
Beistimmung fanden Simon und Eilers bei Henry Morley
(English writers Vol. V Lo. 1890 S. 346), der auch meint
„that the P.T. is longer than Chancer made it."
Im übrigen äulsert er sich sehr vorsichtig S. 304
„G. Chaucer's sketches of the Monk, the Frlar, The Town Parson
^ . . suggest . . . füll sympathy with John Wyclif 's desire towards life as it
ought to be." ')
Ähnlich wie Morley, aber entschiedener urteilte ten Brink
(Lit- Gesch., 1 Strafsburg 1893, 11,189). Er sprach seine Über-
zeugung dahin aus, dafs die P. T. nicht in ihrer ursprünglichen
Gestalt überliefert sei:
„Deutlich lassen sich in der Erzählung des Pfarrers verschiedene
Hände unterscheiden, deren Arbeit schlecht zueinander pafst."
Indem sich ten Brink die Gründe von Eilers zum Teil zu
eigen macht, hebt auch er scbliefslich die Schwierigkeit, Echtes
vom Unechten zu scheiden, hervor. In der Auffassung des
Pfarrers neigt ten Brink der leider nicht des näheren be-
gründeten Anschauung zu, dafs er einige Züge von Wiclif
habe. Chaucer selbst war nach ihm (S. 58)
„ein gläubiger Sohn seiner Kirche, wenn er sich auch über manche
manche Dinge seine eigenen Gedanken machte."
Demgegenüber stellten sich A. v. Düring (Geoffrey Chaucer's
Werke übersetzt. Bd. III. Strafsburg 1886) und E. Koeppel
auf die Seite Kochs, v. Düring sagt (S. 467) unter Verweis
auf Koch und Ward, aber ohne eigene Detailuutersuchung:
•) Hierfür vgl. man aber jetzt die Ausführungen von W. Ewald,
Der Humor in Ch.'s CT. (Morsbacha Studien 45, Halle 1911) S.72flf., die
leider durch R. K. Root (E. St. 45,443—445) eine einseitige Beurteüung
erfahren haben.
645
„Begründete Zweifel an der Autorschaft Ch.'s lassen sich nicht
erheben."
und über Ch.'s religiöse Grundstimmung (S. 468) :
„Der Inhalt der Predigt entspricht darchans den Anschauungen des
Dichters und die Fabel vom Wiclifiteu Chaucer kann lediglich zu den
Exlravaganzen der Forscherklasse gezählt werden, welche Vischer als
„Sinuhuber* kennzeichaet [!] A. v. D. bespricht sodann die Fehler, Lücken
und Inkorrektheiten, die er der Vorlage zur Last legt.
Mit neuen Hilfsmitteln erschien E. Koeppel auf dem Plan.
Sein Aufsatz „Chaucer's Prosa werke; die Echtheit der P. T.,
Herrigs Archiv LXXXVII, 29—46, lenkte wieder in das Fahr-
wasser streng kritischer Einzelbetrachtungsweise ein.
K. wies zunächst zahlreiche Parallelen zwischen der P. T. und den
poetischen Werken Ch.'s nach und zwar nicht nur solche, die sich auf
den Text von Frere Lorens' Somuie zurückführen lassen. Dadurch sei
der Süudentraktat der P. T. als von Ch. stammend erwiesen. Dieser habe
ihn in den 80 er Jahren sehr wahrscheinlich nach der französischen Vorlage
verfafst, aber vorderhand nicht veröffentlicht. Als ihm dann eine Bufs-
predigt als der geeignetste Schlufsstein der C. T. erschienen sei, habe er
selbst „mit der Sparsamkeit, welche ihm in der Verwaltung seiner geistigen
Habe eigen ist", die Übersetzung des Traktats eigenhändig eingefügt. Das
beweise die der Bulspredigt und den Einschaltungen gemeinsame Ver-
wendung des Adverbs forthcrover (vgl. dazu meine Bemerkungen S. 7 IS f.).
A. W. Pollard, Chaucer. Lo. 1893 (letzte Auflage 1912),
gibt (S. 124 — 126) die Möglichkeit von Interpolationen, eventuell
mit Beistimmung Chaucer's — er meint, die Mönche hätten
ihn dazu beschwatzt — zu, doch folge aus der Annahme von
Interpolationen noch nicht ohne weiteres, dafs das Original
nun auch wirklich Wiclif's Ansichten vertreten habe.
Dagegen zeige sich „unzweifelhaft" Wiclif's Einflufs in den CT.,
womit aber noch lange nicht gesagt sei, dafs der Dichter dem Reformator
nun auch bis zu den letzten Konsequenzen gefolgt sei und bewufst dessen
Lehrsätze vertreten habe. Dies würde dem Geist Chaucer'scher Poesie
ganz widersprechen. Ähnlich spricht sich Pollard mit Beziehung auf
Simon und Eilers in der Einleitung zur Globe edition S. XXXI aus:
,a recent German theory that it (the P. T.) was tampered with, after
Chaucer's death, or with his consent, by some orthodox priest, being quite
unnecessary" (vgl. auch ib. S. 265 Anm.).
Eine sehr umfangreiche Behandlung ist „Chaucer's relation
to religion" in T. K. Lounsbury's Studies in Chaucer, Lo. 1892,
zu teil geworden (Vol. II, 458 ff.).
646
L. behandelt zunäehst das Verliältnis von Chnncer's Ansichten zu
denen Wiclif s. Er streift die z. T. anf irrtümlichen Voraussetzungen auf-
gebauton früheren Ansichten, uiu dann zu einer selbständigen Prüfung der
Frage auf Grund von Ch.'s persönlichen Beziehungen und des allgemeinen
Eindrucks seiner Werke überzugehen, die ihn zu folgendem Ergebnis führt:
„He sympathized with the military party in the State as opposed to
the ecclesiastical. In the divisions prevailing in the church he s. with the
secular clerg}^ as opposed to the regulär . . . his hostility was greatcr
towards tho friars than towards the mouks . . . Upon all these points he
doubtless approached Wycliffe and all those who shared in WyclifFe's
sentiments. This agreement in opinion, however, is very far from makiug
him a follower of the Reformer."
Zweitens betrachtet L. Ch.'s religiöse Dichtungen, aus denen wir
aber keine wirkliche Kenntnis über seine religiösen Ansichten schöpfen
könnten.
Daher geht er drittens znr Beantwortung der Frage über, welches
die Tendenzen religiösen Glaubens waren, deren Einflufs Ch. ausgesetzt
sein konnte. Er zeigt, wie das Vorherrschen skeptischer Zeitströmungen
im 14. Jahrhundert sich bei Ch. wiederfinde, der oft die Person Gottes in
nicht gerade sehr ehrerbietiger Weise behandle [!?]. Im übrigen aber
seien (und da berührt sich L.'s Ansicht mit der ten Briuk's) mehrere
Perioden der religiösen Anschauungen bei Ch. zu unterscheiden, eine
frühere, wo er ganz auf dem Boden der orthodoxen katholischen Kirche
stehe, und eine spätere, wo er freisinnigere, der Kirche und ihren Dogmen
geradezu feindliche Anschauungen bekunde. Im allgemeinen jedoch sei
es nicht wahrscheinlich, dafs er diese geistig völlig verarbeitet und genau
formuliert habe. Auch böten seine Werke teils nicht genügendes, teils
zweideutiges Material, um überhaupt jemals zu einer genauen und sicheren
Entscheidung zu kommen.
Eine weitere Förderung der an die P. T. sieh knüpfenden
Probleme bedeutet ein Aufsatz, der in der Furnivall-Festschrift
(An English Miseellany", Oxford 1901) erschienen ist. Es ist
das der Beitrag Mark H. Liddell's ,,A new souree of the
P. T.", der an den Faden von Eilers anknüpfte und zu dessen
Quellenuntersuchung eine sehr schätzbare Ergänzung lieferte, i)
mit deren Hilfe wir allein schon die P. T. in ganz anderem
Lichte sehen konnten als bisher. Während Eilers in Frbre
Lorens eine Quelle (verwandte Fassung) des in der P. T. ent-
^) Man vgl. meine Besprechung in der Neuen Philologischen
Rundschau 1U02, S. 115 — 118. Dort habe ich auch das Ergebnis meiner
Nachprüfung des Liddell'schen Textes in der Bodleyana mitgeteilt, der
sehr mangelhaft kopiert und daher nicht verläfslich ist (Ms. Bodl, 923 The
Clensyny of Mannes Soivle).
647
haltenen Siiudentraktats gefuuden hatte, bot Liddell eine solche
für den anderen Teil der P. T., für die Bufspredigt. Diese
Fassung zeigte mit den entsprechenden Teilen der P. T. schon
viel gröfsere Ähnlichkeit als die Somme des Fröre Lorens mit
der Abhandlung über die sieben Todsünden.
Kurz nach dem Liddell'schen Artikel ist dann die bereits
oben (S. 629) erwähnte Quellenuntersuchung von Mifs Kate
Oelzner- Petersen „The sources of the Parson's Tale" er-
schienen, die ein Ergebnis mühseligsten Handschriftenstudiuras
darstellt. Mifs Petersen i) hat nicht, wie nach dem Titel viel-
leicht zu erwarten wäre, die direkten Quellen der P. T. ent-
deckt, sondern vorerst nur diejenigen, auf welche Chaucer's
Fassung im letzten Grunde zurückgeht. Es ist das für die
Bufspredigt Raymund von Pennaforte's Summa casuum
pocnitentiae (geschrieben spätestens 1243, wofür die Verfasserin
auf von Schulte, Die Gesch. d. Quellen und Literatur des
canonischen Rechts II, 412 verweist) und zwar lib. III, titulus
XXXIV De poenitentiis et remissionibus (S. 415 — 458 in der
Ausgabe vom Jahre 1744 zu Verona erschienen); für d*n
Sündentraktat Guilielmus Peraldus, Summa seu Tradatus
de Viciis (geschrieben vor 1261). Mifs Petersen'« Abhandlung
enthält eine genaue Vergleichuug dieser Werke mit der P, T.
und zwar durch eine fortlaufende Gegenüberstellung im An-
schlufs an den Text der P. T. und stellt eine bahnbrechende
Leistung und eine wesentliche Förderung der Chaucer-Forschung
dar. Auf einzelne von der Verfasserin ausgesprochenen Be-
hauptungen werde ich an den betr. Stellen in meiner Unter-
suchung eingehen. Diese hat jedenfalls durch die Auffindung
der letzten Quellen der P. T. eine entschiedene Festigung ihrer
Voraussetzungen erfahren.
III. Methodische Behandlung der Frage.
Betrachten wir zunächst noch einmal rückschauend, wie
sich die Ansichten über Chaucer's Stellung zu religiösen Dingen
und über die Erzählung des Pfarrers im Lauf der Jahrhunderte
1) Vgl. die Besprechungen von E. Koeppel, ESt. 30,464—467 und
von mir Herrigs Archiv 108,430—435.
648
in der Forschung- verändert und entwickelt haben, so gewahren
wir gewisse treibende Motive, die das jedesmalige Urteil in
charakteristischer Weise beeinflufsten. Zunächst hält man sich
fast ausschliefslich an die in Chaucer's Werken sich offen-
barende theologische Kenntnis und an die Kritik und Satire
des Mönchswesens, wie sie vor allem in der Chaueer früher
fälschlich zugeschriebenen Plowman's Tale zum Ausdruck kommt
(Hauptargumeut der Puritaner). Nachdem sich deren Unechtheit
erwiesen (Tyrwhitt 1775) und gegenüber der früheren, lediglich
auf dem Gefühl beruhenden Beurteilung eine verstandesmäfsige,
kritische Betrachtungsweise Platz gegriffen hat, klammert man
sich mehr an die vorher weniger offen verwerteten Beziehungen
Chaucer's zum Duke of Gaunt, bis dann (schon von Tyrwhitt,
besonders aber seit Sandras 1859) der Schwerpunkt der Frage
auf die Ausdeutung der Persönlichkeit des Pfarrers und die
kritische Betrachtung seiner Erzählung in den C. T. verlegt
wird. In den letzten hierüber erschienenen Arbeiten ist dann
die Quellenfrage in den Vordergrund getreten.
Und da knüpfe ich mit der folgenden Erörterung an.
An einer umfassenden Darstellung, die, auf den früheren
Einzelarbeiten und Einzelurteilen aufbauend, sich das gesamte
Material von Chaucer's Leben und Werken nach einem ein-
heitlichen Plan zu nutze macht, gebricht es bisher. Allerdings
hat das seine guten Gründe, fehlten doch (worauf John Koch
schon mit Recht hinwies) bei den zeitlich immerhin ziemlich
zurückliegenden Untersuchungen mancherlei Voraussetzungen,
um an eine solche Aufgabe mit der Aussicht auf guten Erfolg
herantreten zu können. Inzwischen ist vielerlei geschehen,
teils durch die unermüdliche Tätigkeit Dr. Furnivall's mittels
der Chaucer-Society, besonders was Textveröffentlichungen an-
langt, teils durch die sich hierauf aufbauende Handschriften-
und Textkritik, schlielslich durch unzählige Abhandlungen und
Einzelartikel bezüglich der sachlichen Erklärung und der Er-
forschung der Quellen.
In Bezug auf das zur Erörterung gestellte Thema berühren
die bisherigen Arbeiten teils nur einige Punkte, teils kranken
sie bei umfassenderer Erörterung doch an einer gewissen Ein-
seitigkeit. Man merkt, dals sie nicht aus dem Vollen schöpfen,
es fehlt an der Grundlage, an dem genügenden Material.
649
Unser Gegenstand verlangt eine sehr subtile Behandlung, viel
vorsichtiges Tasten und eine genaue Heranziehung aller Möglich-
keiten in Einzelfällen, Man darf daher weder das Haupt-
gewicht auf Chaucer's persönliche Beziehungen legen, noch
bei seinen Werken lediglich dem Gesamteindruck nach urteilen,
noch einzelne Stellen für sich nach einer besimmteu Richtung
hin ohne Berücksichtigung des Ganzen und ähnlicher Stellen
auslegen wollen. Nur eine vergleichende Betrachtung im
weitesten Umfange und eine gegenseitige vorsichtige Abwägung
aller Momente gegeneinander können zum Ziele fuhren.
Dazu bedarf es aber einer zusammenhängenden syste-
matischen Prüfung aller Stellen in Chaucer's Werken, die
religiöse Fragen berühren oder mit ihnen in Zusammenhang
gebracht werden können. Um diese Stellen nun zunächst für
sich allein einigermafsen richtig zu bewerten, ist nicht nur
der Zusammenhang zu beachten, in dem sie zur Umgebung
stehen, man hat sich auch zugleich zu fragen, ob der
Dichter sie original geschaffen oder einer Quelle ent-
lehnt und dann vielleicht in charakteristischer Weise durch
Zusätze und Fortlassungen verändert hat (Quellenkriterien).
Durch solches Vorgehen erst erhält jede Stelle ein gewisses
Mafs von Bedeutung und wird erst so zum Vergleich mit
anderen reif und für das Resultat, d. h. für die Ansicht des
Dichters, malsgebend. Selbstverständlich mufs dieses Material
von erschöpfender Vollständigkeit sein. Einzelne Ansätze, wie
sie z. B. Lounsbury a. a. 0. IT, 487 zeigt, können, wenn sie
auch den richtigen Weg andeuten, natürlich nicht zu sicheren
Resultaten im ganzen führen.
In dieser Erkenntnis habe ich nun sämtliche Werke Chaucer's
Zeile für Zeile mit den ihnen zugrunde liegenden Quellen, so-
weit solche vorhanden oder bekannt sind, verglichen und das
so gewonnene Material nach gewissen Gesichtspunkten ge-
ordnet. Da somit die Behandlung des Themas zum Teil von
der bisherigen Erforschung der Quellen von Chaucer's Schriften
abhängig gemacht wird, könnte der Umstand, dals noch nicht
alle Quellen gefunden sind, zu der Meinung verführen, die
Grundlage sei für eine vielleicht endgültige Lösung des Themas
noch nicht breit genug. Auf grund einer genauen durch-
gehenden Prüfung halte ich jedoch eine solche Befürchtung
650
für uüweseutlieh, weuu uns auch die tatsäcblicbeu Verbältnisse
bisweilen zur Vorsiebt mabueu. In soleben Fällen habe icb
das stets bemerkt. Um mögliebst sieber zu geben, werden wir
also stets beacbten müssen, ob für eine Stelle die unmittel-
bare Quelle vorbanden ist (in welcbem Fall es sieb um eine
Übersetzung oder Bearbeitung Cbaucer's bandeln kann), oder
nur eine mittelbare oder ob endlicb gar keine Quelle bekannt
ist. In diesem letzteren Fall wird man stets mit der Möglieb-
keit reebnen müssen, dafs die Quelle nocb einmal gefunden
wird, wenn die betreffende in Frage kommende Stelle niebt
so cbarakteristiscbes Gepräge zeigt, dafs wir sie nacb anderen
Fällen ohne weiteres dem Diebter zusebreiben können, wie das
z. B. mancbmal der Fall ist bei reflektierenden Einfügungen
gegenüber der Quelle, die dann ja bekanntlicb vielfacb scbon
in den Handscbriften durcb den Randvermerk „auctor" als
Zusätze Cbaucer's gekennzeiebnet sind.
Aber aucb sonst ist vielerlei zu beacbten, das metbodiseb
von der grölsten Bedeutung werden kann. Es ist mir uatürlicb
niebt möglieb, auf alles au dieser Stelle einzugeben, obwobl
es von allgemeinem Interesse sein dürfte; icb mülste dann eine
eigene Abhandlung über Cbaucer's Verhältnis zu seinen Quellen
der Erörterung meines eigentlichen Themas voranstellen. Daher
begnüge icb mich hier mit einigen Andeutungen, Weiteres wird
man in meiner Untersuchung bei der praktischen Anwendung
zerstreut finden,
Zusätze und Fortlassungen religiöser Art im weitesten
Sinne des Worts sind nicht immer für die Meinung des Dichters
absolut sicher entscheidend. Zunächst wird man sich fragen,
wie Chaueer den StoflF, in dessen Rahmen die betr. Stelle fällt,
überhaupt behandelt, ob er gegenüber der Vorlage vv^eit aus-
führt oder mehr oder weniger zusammendrängt. Bei einer
Übersetzung, wo naturgemäfs der Anscbluls an das Original
am engsten ist, wird ein für die von mir behandelte Frage
charakteristischer Zusatz natürlich doppelt schwer ins Gewicht
fallen. Wir ersehen daraus, dafs der Diebter auf gewisse
Sachen Wert legte und — wie z. B. im Boethius — seinen
Lesern besonders eindringlich vor Augen führen wollte. Und
derartige Zusätze sind bei Chaueer durchaus keine Seltenheiten,
wie uns die Erzählung von Melibaeus oder die Boethius-
651
Übersetzung- zeigen (vgl. Cliaucer's eigene Bemerkung C. T.
B. 2149 ff.). Im übrigen wird sieh bei einer Übersetzung unsere
Ausbeute auf diejenigen Stellen zu bescbränken haben, in die
vom Dichter mit deutlieh erkennbarer Absicht ein anderer
Sinn hineingebracht ^Yorden ist, — Das beste Bild von Chaucer's
ureigenster Tätigkeit bieten uns, abgesehen natürlich von
seinen Origiualschöpfungen diejenigen Dichtungen, die sich als
Bearbeitungen einer uns bekannten direkten Vorlage darstellen.
Bei Dichtungen, wo wir zwar nicht die direkte Quelle kennen,
wohl aber ein oder mehrere mit Chaucer's Version weitläufiger
verwandte Fassungen betreten wir zwar ein weniger festes
Gebiet, können aber doch auch hier in manchen Fällen durch
Vergleichung und Rückschlüsse zu einer gesicherten Auffassung
kommen. Bisweilen gelingt das auch bei Stellen in Dichtungen,
bei denen uns selbst der geringste Anhaltspunkt fehlt.
Weiter hat mau sich zu fragen, ob anzunehmen ist, dafs
der Dichter nach dem Gedächtnis arbeitet oder etwa die
Quelle vor sich liegen hatte. In ersterem Fall kann die Fort-
lassung gewisser Einzelheiten (nicht etwa wichtiger oder un-
entbehrlicher Tatsachen !) auf blolsem Vergessen beruhen. In
letzterem Fall wäre es das Ideal der Forschung, zu wissen,
welches Exemplar der betr. Vorlage (wenn es überhaupt noch
vorhanden sein sollte) vom Dichter benutzt wurde; Randglossen,
die in einer Handschrift des betr. Werkes vorhanden sind,
während sie in einer anderen fehlen, sind häufig Veranlassung
für Zusätze oder Veränderungen. Ferner können (in allerdings
teils seltenen, teils minder wichtigen Fällen) Rücksicht auf
das Metrum und den Reim sowie Tradition der Dichtersprache
ausschlaggebend sein. Weit wichtiger sind Veränderungen aus
poetischen Rücksichten, insbesondere solche vorgenommen mit
Rücksicht auf die Charaktere der betr. Dichtung. Dabei- kann
es in den C. T. vorkommen, dafs der Dichter eine doppelte Rück-
sicht walten lassen muls, einerseits auf den Charakter und die
Lebensauffassung der erzählenden Person, andrerseits auf die in
der betr. Erzählung vorgeführten Personen. Wie tief sich der
Dichter in jedem Falle in den Geist seiner Charaktere hinein-
versetzt und aus ihm heraus unter Entäulserung seiner eigenen
persönlichen Anschauung empfunden hat, wird uns allerdings
vielfach ein Rätsel bleiben müssen. Sehr oft wird die Rück-
652
sichtnahme auf den Erzähler auf dio Wahl des Stoffs beschränkt
sein, zumal wenn wir uns vergegenwärtigen, dals gewisse Er-
zählungen — man denke nur an die „Man of Lawes Tale" —
in ihren wesentlichen Bestandteilen bereits fertig waren, ehe
der Dichter überhaupt den Gedanken an die Abfassung einer
Rahmenerzählung gefafst hatte. Auch Mifsverstäudnisse
und Fehler können in Betracht kommen, wissen wir doch, dals
Cbaucer bisweilen dergleichen passierte (vgl. z.B.Troilus IV, 154,
Hous of Farne 1390, C. T. G. 173). Bei der vergleichenden
Abwägung mehrerer Stellen gegen einander mufs natürlich die
Chronologie der Werke, denen sie entnommen sind, Berück-
sichtigung finden, sowie die Art des Erzählungsstoffs, ob christ-
lich oder heidnisch-antik usw.
Wenn es sich nun herausstellt, dals gewisse mit dem
religiösen Leben in Zusammenhang stehende Zusätze in vielen
und charakteristischen Fällen vorhanden sind, so ist damit
bewiesen, dafs Chaucer sie aus seiner persönlichen Über-
zeugung heraus hinzugefügt hat und nicht etwa mit Rücksicht
auf die Charaktere in seinen Dichtungen oder einen Erzähler
in den Canterbury Tales. Solche Zusätze, die also für die
Anschauungen des Dichters mafsgebend sind, werden in dem
betr. Kapitel den Mittelpunkt bilden, um den die übrigen
weniger bezeichnenden Stellen bei der Ermittlung einer ob-
jektiven Auffassung für die betr. Frage zu gruppieren sind.
Man ersieht schon aus diesen wenigen Andeutungen, dafs
mancherlei beachtet sein will, um die so vielfach doppelsinnige
Ausdrucksweise Chaucer's richtig zu beurteilen, oder vorsichtiger
gesagt, annähernd richtig zu beurteilen und den einzelnen
Stellen ein gewisses Mals absoluter Bedeutung zu geben. Über
alle Möglichkeiten in jedem einzelnen Falle mit Sicherheit zu
entscheiden, ist natürlich ein Ding der Unmöglichkeit, und wir
werden uns daher oft mit weniger begnügen und zu einem
Ausgleich kommen müssen, wenn wir uns nicht auf den
schlüpfrigen Boden gewagter Spekulationen verirren wollen.
In der Einführung (unter I) und in der Übersicht über
die bisherige Forschung (unter II) ist der Gedanke zum
Ausdruck gebracht, dafs Chaucer's religiöse Grundstim-
mung von der Echtheit oder Unechtheit der Erzählung
des Pfarrers abhängt.
653
Dieses Problem mufs daher den Aiisgangspunkt einer
Untersuchung von Chaueer's Stellung zu religiösen Dingen
überhaupt bilden und soll im folgenden zunächst be-
handelt werden.
B. Hauptteil: Die Erzäliliing des Pfarrers.
I. Zur Einführung.
Von den in der Übersicht über die bisherige Forschung
genannten Untersuchungen und Kritiken, die sich mit der
Parson's Tale befassen, ist die von H. Simon für unsere Frage
die wichtigste. Simon hat als Erster die Ansicht, dals Chaucer
Wielifit gewesen sei und auch seinen Pfarrer als Wiclifiten
gezeichnet habe, systematisch und kritisch zu begründen ver-
sucht (damit gab er zugleich den Anstols zu den wertvollen
Quellenuntersuchungen). Zu einer wiclifitischen Auffassung
stimmte aber nicht der orthodoxe Charakter der Erzählung
(Predigt) des Pfarrers. Daher wurde Simon, wie oben an-
gedeutet, auf Grund der mangelhaften Struktur der P. T., sowie
vieler in ihr vorkommenden Inkonsequenzen und logischen
Fehler zu der Annahme geführt, es seien in der ursprünglichen
von Chaucer stammenden und Wiclifs religiöse Überzeugung
wiederspiegelnden P. T. Interpolationen katholisch-ortho-
doxer Färbung vorgenommen. Diese Interpolationen habe
ein Mönch, wahrscheinlich vom Kloster St. Mary's in West-
minster, wo Chaucer in der letzten Zeit seines Lebens bis zu
seinem Tode wohnte, im ersten Dezennium des 15. Jahrhunderts
zu dem ausgesprochenen Zweck vollführt, die Nachwelt fälschlich
in den Glauben zu versetzen, der grolse Dichter sei als gläu-
biger Katholik, ja als eifriger Verteidiger der Ohrenbeichte
und der von den Priestern auferlegten Bufse aus dem Leben
geschieden. Simon suchte nun in seiner höchst eingehenden
Untersuchung, die zweifellos mit grofsem Scharfsinn geführt
ist, Originales vom Interpolierten zu trennen und so den ur-
sprünglichen Text der P. T. zu rekonstruieren. Nach
ihm besteht der überlieferte Text der P. T. aus Chaueer's
(wiclifitischer) Bufspredigt + der interpolierten (katholisch-
^
654
orthodoxeu) Bufgprodigt + dem später zur Vervollstän-
digung des Ganzen vom Interpolator eingefügten, viel-
leicht von Chaucer stammenden Sündeutraktat. Nach-
dem nun durch Mark H. Liddell für den wichstigeren ersten
Teil dej P, T., für die Bufspredigt, eine der eigentlichen Vor-
lage nahestehende Quelle, von Mifs Petersen aufserdem die
letzten Quellen und mehrere Parallelen entdeckt worden sind,
eigentlich erst jetzt sind wir in der Lage, vermittelst eines
genauen Vergleichs dieser Quellen mit der überlieferten Fassung
der P, T. Simon's Hypothese endgültig zu widerlegen und die
Echtheit der gesamten Erzählung des Pfarrers über alle Zweifel
erhaben zu stellen. Hat doch Koeppel (wie vorher ähnlich
schon John Koch) in seinem wohl ausnahmslos anerkannten
Aufsatz, auf viel schwächerem Boden arbeitend, dasselbe be-
reits mit verhältnismäfsig gutem Erfolge versucht. Es ver-
schlägt auch nichts, wie meine Erörterung zeigen wird, dafs
die direkten Quellen der P. T. noch nicht gefunden sind
(vielleicht werden sie nie gefunden).
Da die von Liddell (s. o.) veröffentlichten Auszüge aus
Ms. Bodl. 923 meinen Zwecken nicht genügen konnten, habe
ich diese Handschrift seinerzeit in Oxford selbst einer genauen
Durchsicht unterzogen und zu einem grolsen Teil kopiert.
Bekanntlich besteht die Parson's Tale aus zwei Teilen,
einer Bufspredigt und einem in diese eingeschobenen Traktat
über die sieben Todsünden.
Wer es sich zur Aufgabe setzt, die Einheit und Echtheit
der ganzen P. T. zu beweisen, mufs, wenn er streng methodisch
verfahren will, folgeudermalsen vorgehen:
1. mufs gezeigt werden, dafs die Bufspredigt der P. T.,
die ja nach Simons Hypothese zweierlei, und zwar verschieden-
artige Bestandteile von verschiedenen Verfassern enthalten soll,
in ihrer überlieferten Form ein einheitliches Ganze bildet.
Dann mufs
2. gezeigt werden, dafs Bufspredigt und Sündentraktat
von einem Verfasser stammen. Dann
3. dafs dieser eine Verfasser Chaucer ist. Und endlich
4. dafs Bufspredigt und Sündentraktat von Chaucer zur
P. T. vereinigt sind. (Dieser Punkt würde fortfallen, wenn
I
L
655
sich, was aber m. E. im höchsten Grade unwahrscheinlich ist,
zeigen liefse, dafs Chaneer schon ein aus Bulspredigt und
Sündentraktat zusammeng-esetztes Werk vorgefunden hätte.
Unabliiingig davon mnfs die Retractatio, die für Chaucer's Lebens-
auffassung von nicht geringer Bedeutung ist, auf ihre Echtheit geprüft
werden; sie gehört ja nicht eigentlich zur P. T. hinzu.
II. Die Bufspredigt eiu einheitliches Werk?
Aus einem Grunde, der durch den Verlauf meiner Er-
örterung seine Erklärung und Rechtfertigung finden wird, be-
handle ich zuerst diejenigen einzelnen Abschnitte der Bufs-
predigt, die nach Simon's Hypothese echte und unechte Be-
standteile enthalten, lasse also die zunächst beiseite, die von
ihm in ihrem ganzen Umfang als interpoliert angesehen
werden. Die demnach hier in Frage kommenden Abschnitte
sind:
a) Die §§ 1, 2, 7, 12, 14; dazu § 13.
§1 (J 75-83).
Simon beanstandete in diesem Abschnitt zunächst (S. 248)
die Formen ivil und wol (J 75) wegen des syntaktischen Ge-
brauchs; dieser Gebrauch ist aber durchaus nicht ungewöhnlich
(vgl. Skeat's Note) und an dieser Stelle durch die lateinische
Fassung der Vulgata (IL Peter 3,9) gerechtfertigt: . . . Dominus
. . . nolens aliquos perire, sed omnes ad poenitentiam re-
verti.
Seite 283 f., wo Simon die von ihm rekonstruierte so-
genannte ursprüngliche Form der P. T. gibt, erklärt er auch
1. die lateinische Fassung des Zitats aus Jeremia in der Über-
schrift, sowie 2. den Schlafs des Abschnitts J 82 — 83 ... and
in hotv manye maneres bis Penitence für interpoliert. Er st er es
ist unverständlich und dazu ganz bedeutungslos für die Echt-
heitsfrage; denn die lateinische Form des Zitats aus Jeremia
steht aufserhalb des Textes, und in englischer Fassung kehrt
es in diesem Abschnitt (J 76 — 78) noch einmal wieder, wo
Simon es für ursprüngiicb hält. Das Zweite wird durch
die Quellen erklärt: dem „m hoiv mmiye maneres been the
accions or werhinges of Penitence'''' entspricht in R „cZe trihus
actionihus poenitentiae''^ und in C „In ivhat maner a man
656
schal he verrey repentaunt for syn7ie" ; dem „how ynanye spyces
ther heen of Fenitence'^, ebenso in R „de tribus speciebus
cjusdem^^ und in C „The fift [sc. chajntle] is of ihre spices of
pe sacrement of pe)iau7ice" ; dem „whiche thinges aparte^ien
and hihoven to Pe?iiteiice" : „quae sint necessaria in vera peni-
tentia^^ und „tchat is nedeful to he had in fulfyllinge verrey
and treiue penawice'' ; dem „tvhiche thinges destourhen Peni-
tence": „de impedimentis poenitentiae" , dagegen nichts in C
(ein Beweis dafür, dafs dieses nicht die direkte Vorlage der
P. T. sein kann und auch entfernter verwandt ist). Ähnliches
in F (s. Eilers S. 61f.).
J 80 — 83, von Simon teils als echt, teils als interpoliert
angesehen, finden sieh bereits in den Quellen und sind also
durch diese für den Verfasser der Bulspredigt als zusammen-
gehörig bewiesen.
§ 2 (J g4-W).
Simon glaubte (S. 249 ff.) aus inhaltlichen und stilistischen
Gründen, dafs der katholische Interpolator vor allem die in
den drei Definitionen der Penitence (J 84 - 86) fehlenden Be-
griffe „shrift of mouthe", „satisfaceion" sowie Besserung des
Lebenswandels nachträglich in J 87 — 88 hineingebracht und,
um dies unauffällig zu machen, vor repentaunce (J 86) und
fenitent (J 87) das Wörtchen „verray" eingefügt habe. Ein
Blick auf C zeigt aber (Liddell S. 262), dafs Beichte und
Bulse schon dort als „confessioim of mouth" und „satisfaccioim
in dede" nach der zweiten Definition ausdrücklich genannt
sind. Ebenso kehrt der Gedanke der Besserung des Lebens-
wandels in R und in C wieder. An der Einheitlichkeit dieser
Stelle wird man also nicht mehr zweifeln können. Die Haupt-
sache ist aber, dafs die Ohrenbeichte, der Kardinal-
punkt, um den sich hier alles dreht, nicht allein inter-
poliert sein kann.
R hat überdies das Zitat aus Isidor, das Liddell samt
der ersten Definition der Penitence nebeneinander aus Ms.
Bodl. 451 fol. 106 b nachgewiesen haben will, i)
') Bei meiner Nachprüfung in Oxford stellte sich heraus, dafs
der Nachweis nicht stimmt. Trotz vielen Suchens habe ich ihn nicht
rektifizieren können.
I
>
i
657
Zweifellos ergeben die durch die Quellen ans Licht ge-
kommenen Tatsachen die Hinfälligkeit der Betrachtungen
Simons über den Inhalt und die Entstehung der Definitionen
in J 84-86.
Wie leicht eine vorgefafste Meinung zum Irrtum führen
kann, wenn ihr tatsächliche Unterlagen fehlen, zeigt weiter
die zweite Definition, wo Simon (S. 249 Anm.) in dem „doctour'^
Wiclif vermutet und eine angebliche Parallele aus dessen
Werken beibringt. „Dodour" bedeutet aber auch „Kirchen-
vater", und R nennt auch direkt Augustin, während Skeat
(Anm.) auf Ambrosian verweist, der eine formell entferntere,
inhaltlich aber gleiche Fassung aufweist (vgl. auch weiter
unten, wo C diesen Ausdruck hat).
Ahnlich finden auch die minder wichtigen von S.
angezweifelten Stellen ihre Erklärung: Die drei De-
finitionen stehen bereits inC; „witli certeyne circumstaimces^
(J 86) erklärt sich einfach nach § 85 — 86, wo solche „circiim-
staunces" im einzelnen aufgeführt werden. (Es ist demnach
nicht mit von Düring als „umständlicher ausgedrückt" zu
übersetzen.) — Ebensowenig kann „verrmj" auffällig sein, es
ist dies sicher nichts weiter als eine Reminiszenz aus der
Quelle. Den Quellen ist der Zusatz „wahr" durchaus geläufig.
Man vgl. z. B. in R vera poenitentia gegenüber J 88 bei
Petersen; J317 to verray Confession bei R ad veram c. und
die J 318 folgende Erklärung, die gegenüber R eine Zusammen-
ziehung bedeutet. — Im Inhaltsverzeichnis von C (Liddell
S. 259) Kap. 4 und 5 „verrey repentaunt", „verray petiaunce",
„verrey and treive penaunce"\ vgl. auch J 98— 100, wo der
Ausdruck „verrey" seine Erklärung findet, ferner J 129,
J 235 etc. Die Bedeutung einer wahren Bulse wird bei jeder
Gelegenheit hervorgehoben.
Dagegen bleibt uns der Verfasser der P. T. die Beantwor-
tung der Frage „ivhemies it is cleped penitence" (Liddell
S. 262, Petersen S. 4 Anm. 3) schuldig. Ob ein Kompositions-
fehler vorliegt, ob dieser der direkten Vorlage zur Last zu
legen ist, oder ob der Ausdruck durch die Unachtsamkeit
eines Schreibers hineingebracht worden ist (Koch, Angl, 11,542)
oder schlielslich von Cbaucer absichtlich fortgelassen ist (Koch,
Anglia V, Anz. 134 f.), lälst sieh nicht beweisen.
Studien z. engl. Phil. L. 42
658
§ 7 (J 128—132).
In diesem Absebnitt bielt Simon J. 128 mit Ausnabme der
Frage „what is coiitricioun" und der Zabl „foure'', wofür er
(wie sieb jetzt zeigt, da R „quattuor" bat) fälscblicb „ihre"
einsetzte, für ursprünglicb, alles andere für interpoliert. Durch
die Quellen lälst sieb aber erweisen, dals dieser
ganze Abscbnitt mit geringfügigen Änderungen aber
um so wiebtigereu wörtlieben Anklängen aus ibuen als ein
einbeitliebes Ganze berübergenommen ist. Cbapitle VI
und VII in C bandeln von der contricioun (und nebenbei aber
ganz kurz aueb von der attricioim, die R und die P. T. nicbt
kennen); nun vergleicbe man die P. T. mit C und R:
P.T.
R: Prima dicta est Contritio, circa
quam quattuor suut conside-
randa scilicet
C: whiclie is contriciouu
R: quid ipsa sit
C: wbiche ben pe causes pat
bryDgen or Sterin a man to
contricioun
R: quae siut causae inductivae
ipsius;
C: what longj'tli to contricioun;
R: qnalis debeat esse et
C: how effectuelly contricioun
wurcheth in ]?e soule
R: quis ejus effectus
In this Penitence er Contricion
man shal understonde foure tbinges
that is to seyn:
what is Contricion
and whiche been the causes that
moeven a man to Contricion
and how he sholde
be contrit:
and what Contricion availleth to
the soule.
Hieraus gebt zur Evidenz bervor, dafs sich die Frage
„ivliat is Contricion" nicht von den übrigen trennen lälst.
Genau so steht es mit der Antwort darauf, sie stimmt
fast wörtlich mit der Quelle tiberein. Man vgl.
P.T.
C : For after diffinicioun of doctours
contricioun is a sorowe taken
for syunes wip purpos to be
confessed & to do satisfaccioun
etc.
R: Contritio est dolor pro peccatis
assumtus, cum proposito con-
fitendi et satisfacieudi.
(den Ausdruck „doctour" hatte
der Verf. der P. T. schon I 85 ver-
wandt)
,that Contriciouu is the verray
sorwe that a man recciveth in his
herte for his siunes, with sad purpos
to shryve him, and to do peuaunce,
and nevermore to do synue etc."
41
i
mi.
659
Angesichts dieser Tatsachen kann man hier nicht wohl
von Interpolationen sprechen.
Anm.: Die Worte „Tlianne is it thus" (I 129) küunen aucü nicht,
wie S. will, den Sinn haben ,,Now after l've made the necessary alterations,
it is thus." Vielmehr bilden sie einen ganz natürlichen, wenn anch kurzen
Übergang von der im vorhergehenden Satze ausgesprochenen Vierteiluug
zu der folgenden Ausführung im einzelneu. Vgl. den ähnlichen, aber
etwas ausführlicheren Fall I 770; s. auch Boeth. B. III, Pr. X 174, wo
„thanne. is it ^/üts" das lat. „quare" wiedergibt. Ich vermute, dals dieser
Ausdruck Chaucerisch ist, da für 1 129 und I 770 die Quellen nichts bieten.
Ferner bemängelte Simon S. 255 — 257) die angebliche
Identifizierung von Penitence und Contricion, wie sie zum Aus-
druck komme in den diesen Absatz einleitenden Worten: „Bi
this Penitence or Contricion mayi shal understonde foure
thinges . . ." und in der Definition von contricion (J 129), die
der oben an dritter Stelle für j^eiiitence gegebenen (J 86 ff.)
gleichkommt (nur mit Auslassung des zweiten Teils des Hin-
weises auf einen besseren Lebenswandel).
Diese Definition steht aber schon wörtlich in C (ef. Liddell
a. a. 0. S. 265 = C fol. 31 b). Die begriffliche Identifizierung
fällt also nicht dem Verfasser der P. T., sondern seiner Quelle
zur Last, Wenn der Verfasser der P. T. nun diesen Abschnitt
mit Rücksicht auf die in ihm enthaltene Definition mit den
Worten einleitet „In this Penitence or Contricion", so bedarf
das keiner Erklärung mehr, wie sie von Koch in der Be-
sprechung von Eilers gegeben und von Skeat wiederholt ist,
nämlich „In this Penitence" als „in diesem Teil der Reue"
zu fassen.
Da der Verfasser von C natürlich nicht in den Verdacht,
Wiclifit zu sein, kommen kann, entfallen auch die von Simon
(S. 257, Abs. 2) an den in Frage stehenden Ausdruck geknüpften
Betrachtungen.
Der Rest dieses Abschnitts, gegen den Simon nichts ein-
zuwenden hatte, entspricht vollkommen z. T. wörtlich den betr.
Stellen in C (Liddell S. 265 f.) und R (Petersen S. 10).
§ 12 (J 268).
Die vier Wörter „and to he deed" wurden von Simon ge-
strichen, da der durch sie ausgedrückte Gedanke erst J 271
behandelt werde. Bei genauerer Betrachtung des Textes zeigt
42*
660
sieh aber, dafs eine einwandfreie logische Anordnung vorliegt.
J 268 gibt erst gewissermafsen die Gesamtdisposition. Dann
folgt J 269 ein allgemeiner Verweis auf Christus; hierauf
jeder Punkt gesondert für sich: J 270 shame = sonve, J 271
the deeth = to he deed.
§ 14 (J 305).
Simon strich hier folgerichtigerweise den Zusatz „and
that man have stedefast xmrpos to shryven him, and for to
amenden him of his lyf . Dies steht aber schon in R: . . . con-
tritio . . . quod sit universalis, et continua, hdbens propositum
confitendi, et satisfaciendi . . . Aulserdem stimmt die Stelle
genau zu J 87 „a7id stidefastly purposen in Ms herte to have
shrift of mouthe . . . and continue in goode iverhes", ein Passus,
für den ich die Einheitlichkeit und daher Ursprüugliehkeit
oben S. 656 gezeigt habe.
Anin.: § 13, 1291. Hier ändert S. penaunce in loenitence auf Grund
seiner Erörterung auf S. 253 f., wo er dem Verf. der P. T. wegen des unter-
scliiedslosen Gebrauchs vorwirft, beide verwechselt zu haben. Dafs beide
tatsächlich zu jener Zeit im Englischen (und Französischen) unterschiedslos
gebraucht wurden, hat schon Eilers a. a. 0. 8. f>1 mit Recht betont.
(Vgl. Koch, Angl. 5, 135). Überdies wird es durch C insofern bestätigt,
als dort stets penaunce verwandt wird.
Ergebnis.
Es ergibt sich somit, dafs die §§ 1, 2, 7, 12, 14 (dazu 13),
die nach Simon' s Hypothese aus zwei verschiedenartigen Be-
standteilen, aus ursprünglichen (die Simon für Chaucer in An-
spruch nahm) und interpolierten (mit Hilfe einer orthodoxen
Bufspredigt) bestehen sollten, ein einheitliches Ganze bilden
müssen, da schon die Quellen sie als zusammengehörig er-
weisen; die Annahme von Interpolationen im Simon'schen
Sinne ist also nicht gerechtfertigt. Allerdings finden sich Ver-
änderungen und Zusätze, doch sind diese erstens verhältnis-
mäfsig unwichtig, weil sie keine Prinzipienfragen berühren,
und zweitens decken sie sich nicht mit den von Simon aus-
geschiedenen Bestandteilen.
b) Die übrigen §§.
Da nun erwiesen ist, dafs ein Teil der Bufspredigt, wie
sie uns in der P. T. überliefert ist, in seineu wesentlichen ße-
1
I
l
i.
661
standteilen von einem Verfasser herrühren mufs, und da ferner
die Zusammengehörigkeit dieses Teils mit den übrigen durch
die Quellen verbürgt ist, so folgt daraus die Einheit der
ganzen Bufspredigt, d.h. die Möglichkeit der Annahme
von Interpolationen überhaupt. (Betr. des Sündentraktats
sieh v^eiter unten.)
III. Die Einheit und Echtheit der ganzen Parson's Tale.
a) Vorbemerkungen.
Nachdem ich im vorigen Abschnitt gezeigt habe, dafs die
Bufspredigt der P. T. ein einheitliches Ganze bildet, also nur
eine Person zum Verfasser haben kann, wende ich mich nun
zu den Fragen, ob für Bufspredigt und Sündentraktat ein
und dieselbe Person als Verfasser anzunehmen ist, ob also die
ganze P. T. in ihrer überlieferten Form von einem Verfasser
stammt, und, wenn das der Fall, ob dieser eine Verfasser
Chaueer sein kann. Wollte ich ganz streng vorgehen, müfste
ich beide Fragen getrennt behandeln. Das würde jedoch
mancherlei Unzuträglichkeiten im Gefolge haben und so viele
Wiederholungen und Verweise nötig machen, dafs dadurch die
ganze Darstellung erheblich an Übersicht verlöre. Ich fasse
daher beide Fragen zusammen, indem ich unter Beweis
stelle, dafs die ganze P. T. in der überlieferten Form
das Werk Chaucer's ist. Dies begreift wiederum zweierlei
in sieh :
1. dafs Chaueer der Verfasser jedes einzelnen Teils der
P. T. ist;
2. dafs er selbst diese beiden Teile zu einem Ganzen ver
einigt hat.
Anm. ; Die Ansichten darüber habe ich in der Einleitung berührt.
Der besseren Übersicht halber stelle ich die Urteile hier noch einmal ganz
kurz einander gegenüber:
Simon, der zuerst neben der Bnlspredigt auch einen Teil des Sünden-
traktats einer genaueren Kritik unterzog, leugnete nicht, dafs er von Ch.
in einer früheren Zeit seines Lebens geschrieben sein könnte, er bestritt
nur, dafs Ch. ihn als einen Teil des P. T. beabsichtigt habe. — Eilers
glaubte wegen der Fehler nicht an seine Echtheit, sondern an eine Inter-
polation, über deren Art er sich aber nicht ausspricht. — ten Brink
unterschied auch zwei Hände in der P. T. Demgegenüber glaubt Koch
662
wie Furnivall an die Einlicit und Eclitheit dt-r ganzen P. T. und suchte
die darin hervortretenden Mängel teils zu entschuldigen, teils zu erklären.
— Seinen Ausführungen schlol's sich v. Düring au, sowie Koeppel, der
in seinem methodisch und sachlich fördernden Aufsatz vollständig neues
Material beibrachte.
b) Chaucer der Verfasser der Bufspredigt und des Sündentraktats?
Da uns keinerlei äulsere Kriterien für Chaucer's Verfasser-
schaft zu Gebote stehen (die Fortlassung der P. T. in Lydgate's
Aufzählung von Chaucer's Werken bewiese eher für das Gegen-
teil, wenn man etwas darauf geben wollte), können wir nur
mit inneren operieren.
Der Beweis kann in doppelter Weise geführt
werden, negativ und positiv. Negativ insofern, als wir
die Argumente der Gegner von Chaucer's Verfasserschaft zu
entkräften suchen, positiv insofern, als wir charakteristische
Übereinstimmungen und Beziehungen zwischen der P. T. und
Chaucer's Werken nachweisen. Diese Wege sind bis zu einem
gewissen Grade bereits von meinen Vorgängern beschritten
worden. Die Beweise gegen Chaucer's Verfasserschaft be-
stehen lediglich aus den in der P. T. vorkommenden „Ver-
stölsen gegen Logik, Grammatik und Stil, Inkonsequenzen und
Absurditäten", die sich mit den Werken eines Chaucer (an-
geblich) nicht vertrügen. Es ist also zunächst notwendig, die
Einwände von Simon u. a. durch einen Vergleich der Quellen
auf ihre Stichhaltigkeit zu prüfen. Die von anderen Gelehrten
(Koch und Koeppel) beigebrachten Argumente werden dabei
natürlich die ihnen gebührende Berücksichtigung finden.
Die zunächst folgenden Ausführungen schlielsen sich in
ihrer Art an das weiter oben über die Einheit der Bufspredigt
Gesagte an.
a) Negative Beweise.
(Kritik der gegen die P. T. erhobenen Einwände.)
1. Contricion,
§ 3 (J 95—101).
Der von Simon hervorgehobene Widerspruch zwischen
„The firste accion of Penitencc" auf der einen Seite und
„Another defaute" und „thridde defaute-' auf der andern hat
«I
663
Koch und Skeiit (Anm.) zu der Annahme einer Lücke ver-
anlafst. Fassen wir die entsprechende Stelle in R ins Auge,
so steht dort nichts von .,defautes'' ; der lateinische Passus
heilst vielmehr:
„Altera vcro poeuitcutia est, sivc actio poeuitentiae, quam quis post
baptismuui facit de mortalibus pcceatis. Tertia est, qiiae fit de peccatis
venialibus quotidianns."
Es liegt also ein Mifsverstilnduis des Verfassers der Bufs-
predig't in der P. T. oder in seiner Quelle vor. Ein solches
Milsverständnis beim Übersetzen wäre für Chaucer, wenn wir
es aufsein Konto setzen wollen, nichts Überraschendes; Fehler
dieser Art sind ihm mehrfach passiert,
§ 4 (J 102 -lOG).
The spices of Penüence heen three. Betreffs der angeb-
lichen Verwechslung von pcnitencc und penaunce sieh zu § 13
S. 660. C zeigt überdies an dieser Stelle, dafs die Wieder-
holung von penaunce in doppeltem Sinne (J. 106), von Simon
als „complete nonsense" bezeichnet, in ihr gleich zu Beginn
dieses Abschnitts vorkommt (Liddell S. 263 „In the sacrement
of penaunce hen ihre spices of penaunce"). Im übrigen herrscht
gerade hier eine sehr grofse, z. T. wörtliche Übereinstimmung
mit den Quellen, so dafs der Vorwurf der „awkward definitions"
auf diese fällt, und nicht auf der Verfasser der P. T.
§ 5 (J 107-112).
„What is hihovehj and necessarie to verray parfit Peni-
tence."
In der dritten Definition von Penüence (J 86 ff.) waren
vier Forderungen aufgestellt: contricion, confession, satisfaccion
und Besserung des Lebenswandels. Diese letzte fehlt nun in
diesem Abschnitt, und Simon sah darin die Hand des Inter-
polators, dem es vor allen Dingen auf „shrift and satisfaccion"
ankam, und der allein deshalb die Besserung als einen Teil
der ,, satisfaccion" betrachten und übergehen konnte.
Dafs diese vierte Forderung hier fehlt, wird in sehr ein-
facher und befriedigender Weise durch den Anschluls an die
Quelle erklärt:
In R heifst es: SequiUcr videre quae sint necessaria in poenitentia
Vera et xierfecta; et quidem tria, videlicet:
664
C stellt zuuiiclist fünf Forderungen auf: es gehen nämlich der con-
tricion, confession, satisfacc)07i noch zwei vorher: Ms. Bodl. 023 heifst es
fol. 2Sa: To pis sncrement of penance & to haue verrey penauncc fyne
pinges ben nedeful. The first is pat hit behouith htm pat schal take
<t do penaunce pat he be criste7ie and he bc in füll bileeue in all pe articles
of the feith. tvith icill to forsake all actael synne and alle icille of synne.
The secunde is pat he tohich schal gene a man penaunce haue poiver
and auctorite to assoile for all prestes haue liehe power as ge schal se
after: The prid is etc.
Aber in dem zusammenfassenden Schlufssatz wird nur noch von drei
Arten gesprochen,
Simon hätte übrigens auf Grund, dieser Stelle zu einer
weiteren Folgerung kommen müssen. Wenn er annahm, dafs
nur der luterpolator die Besserung als einen Teil der „satis-
faccion" ansah, nicht aber der Verfasser, mufste er weiterhin
folgern, daXs der luterpolator auch später den die Besseruug
enthaltenden, aber im tiberlieferten Text der P. T. nicht vor-
handenen Abschnitt ausgemerzt habe, wenn er nicht annahm,
dafs der Dichter selbst schliefslich die nähere Ausführung
dieses Kapitels absichtlich oder unabsichtlich unterliels, eine
Vermutung, die man in Simon's Aufsatz vergeblich sucht.
Über den von Simon an dieser Stelle erhobenen Vorwurf
der Unproportioniertheit der P. T. vgl. Kochs treffende Be-
merkung Anglia V, 135,
§ G (§ 113-127).
„. , . Penitence, tliat may he lyhied im-to a tree."
Gegen diesen Abschnitt erhebt Simon nur geringe Ein-
wendungen, Warum der folgerichtig durchgeführte Vergleich
der Sünde mit der Milch einer Amme „illogical" sein soll, ist
mir unverständlich. Das „tertium „comparationis" liegt doch
in der Mischung, —
Den Vergleich der „penite^ice" mit einem Baum, der Früchte
trägt, hält Simon für künstlich. Das ist aber eine ganz sub-
jektive Auffassung. Der Vergleich würde sogar in unsere
moderne Zeit vorzüglich passen. Überdies steht er schon in
C (s. Liddell S. 265 oben),0 aber nicht in R und ist vom
') Dafs dieser Vergleich ganz geläufig war, zeigt auch die Bemerkung
von Mils Petersen (S, 9 Aum. 1), die ihn mit Bezug auf den Penitens aus
Bonaventura nachweist. — Für Chaucer vgl. man F. Klaeber, Das Bild
bei Chaucer. B. Ib93. S. 44 f.
.t \
\ I
665
Verfasser der P. T., der aiif^ensebeinlieli Gefallen daran fand,
mit vielen Einzelheiten weiter ausgeführt, wie denn überhaupt
dieser Abschnitt durch eine Betrachtung über die Verderblicb-
keit der Sünde mit ihren Folgen, den Köllenstrafen, und über
die Freuden des ewigen Lebens eine erhebliche und charakte-
ristische Erweiterung gegenüber den bekannten Fassungen zeigt
(vgl. dazu S. 684 ff.).
§ 8—11 (J 133-307).
„TJie causes tliat oghtc moevc a man to Contricion hecn sixJ'''
Simon behauptete im Einklang mit seiner Beweisführung,
dafs der Interpolator J 134 das Wort „Co7ifcssion" statt Con-
tricion eingesetzt habe. Simon war zweifellos insofern im Recht,
als „Confession'^ hier nicht möglich ist. Ein Vergleich mit R
(C hat dies nicht) fördert nun ein sehr interessantes Mils-
verstäudnis von Seiten des Verfassers der Bafspredigt in der
P. T. oder seiner unmittelbaren Quelle zutage. R hat: „Job:
Res dignas confusione agunt. Daher suchte auch Skeat auf
dem Wort ,.Co7ifcssion^^ fufsend, vergeblich nach einer Parallele.
Der Ausdruck findet sich Prov. XII, 4:
Malier diligens, corona est viro siio; et putredo iu ossibus ejus, quae
confusione res dignas gerit.
Weiter vermutete Simon in J 138 eine Interpolation, doch
gibt die in den Hss. sehr gleichmäfsig überlieferte Fassung einen
ganz vernünftigen Sinn (die bekannten Quellen haben nichts).
Im übrigen hielt Simon diesen Teil der Bufspredigt für echt.
Der Verf. schaltet hier anscheinend freier mit seiner Quelle.
Zwar hat er auch „six causes''^ aber seine 1. entspricht der
1. und 2. von R und C, seine 2. der 3., seine 3. der 4., seine 4.
der 5. und seine 6. der 6. von R und C. Um die Zahl 6
wieder voll zu machen, ist als 5. cause eingeführt: „ihe remem-
hrance of the passion that oure lord Jesu Crist i) etc.
§ 15 (J 308-315).
„ivher-of avayleth contricion.^
An diesem Abschnitt bemängelte Simon zunächst die Worte
„som tyme". Dem entspricht aber schon in R „m 2^<^^'i^^^
1) Betreffs der in den bekannten Quellen nicht vorhandenen Aus-
führungen über die Qualen der Hülle und die Freuden im Himmel siehe
S. 684 ff. und 691 ff.
I
666
{Patct autcm cffcctus ejus in parte . . . adive . . .). Die dadurch
herbeigeführte Einschränkung: findet ihre Erläuterung durch
J 309; der Gedanke ist der, dafs „contncion, shrift und satis-
faccioini" jedes für sich allein wertlos sind, zur Befreiung von
den Sünden gehören alle drei. — „The passage (Psalm 32, 5)
is not applicable here, for it speaks of confession of sin" sagt
Simon, aber die Stelle spricht, genau genommen, vom festen
Vorsatz zu bekennen, der gleich Zerknirschung ist, und diese
wahre Zerknirschung nützt bisweilen zur Vergebung,
Die Häufung der Ausdrücke des Sagens in J 308/9, an
der mau nach Simon sehen konnte, „wie sauer dem Interpolator
seine Arbeit geworden ist", wurde von Koch (Anglia V, 135)
für einen Kopistenfehler erklärt, ohne dafs er eine Vermutung
über seine Entstehung gab. Ich erkläre die Stelle auf folgende
Weise :
Das erste „/ seye^^ (Subjekt ist der Pfarrer) gehört zu
J 308 und mufs natürlich bei der Betrachtung ausscheiden. —
Das zweite „I seyc^^ (J 309, Subjekt der Pfarrer')), quod David^^
erklärt sich durch Parallelen wie J 958 :
. . . as I bigan in the firste chapitrc, I seyo, seiut Augnstin seith:
NB. Diese beiden Stellen haben in den bekannten Quellen
keine Parallelen!
Betreffs „David seith . . . quod David"' scheinen mir zwei
Parallelen aus Melibaeus (womit ich meiner Erörterung durch
einen Hinweis auf die Verfasserschaft etwas vorgreife) die
Häufung vollkommen zu erklären.
CT. B. 2811 „Therfore seith Tullius: „the goodes," he seith, „of
thyn hons ne sholde becn opened by pitee and debouairete." — In der
Quelle heifst es blofs: ,,Pour ce dit Tulles."
Ebenso B. 2^29 „And therfore he seith in another place: „do greet
diligence," seith Salomon, „in keping ot'thy freend and of thy gode name."
— Qnelle: „et ponr ce, il dit autre part."
Nun bleibt noch ,.that is to se?/??" übrig. Es erscheint
mir wahrscheinlich, dafs dieses die hier ursprünglich stehende
lat. Fassung der Vulgata 2) erklären sollte, wie es z. B. in
') Die Anführungszeichen bei I seye in der Skeat'schen Ausgabe sind
also zu tilgen.
•^) Das Zitat steht Ps. 3.3, 5 (Skeat hat infolge Druckfehler 32, 5).
m
667
C durchgebends der Fall ist; vgl. z. B. fol, 35b (Liddell
S. 268):
,for this mater we haue in the apocalips thus: Eccc sto ad ostinm
et pulso & cetera;" that is to sey „to I stoude at the dore aud ryuge."
Wir müssen uns den Vorgang dann so denken, dafs der
Verf. der P. T. diese lat, Fassung später wieder strieb, ') den
Zusatz „that is to scy/w" aber zu streicben vergafs, oder dafs
die Streiebung vom Kopisten iibersebeu wurde. Diese beiden
letzten Möglicbkeiten wurden vielleiebt dadurcb begünstigt,
dafs, wie im Ellesmere Ms., mit „that is to seyn^^ ein neues
Blatt (216) begann.
Ein weiterer Einwand Simon's, dafs J 311 — 312 die
vierfaebe Frucht der „contricion^^ zweimal, wenn auch in etwas
versebiedener Weise, ausgeführt sei, erledigt sich durch die
fast wörtliche Übereinstimmung mit R und C (Liddell S. 268
und Petersen S. 16). Dafs der Verfasser der P. T. die Stelle
so genau herüberuabm, erklärt sich nach S. 666.
J 313 hatte die von Simon benutzte Ausgabe von Morris
die Lesart „he provith^\ Simon konjizierte bereits das später
als richtig erwiesene „he proved^^.
Über den doch gewifs bemerkenswerten Gedanken „and
alle thise thinges heen preved by holy tv7it'% der übrigens in
E, und C fehlt, 2) sagt Simon nichts. Die Berufung auf die
Bibel war doch eine Eigentümlichkeit Wiclifs und seiner An-
hänger! Aber an dieser Stelle war sie für Simon's Argumen-
tationen höchst unbequem, mufste er doch diesen Abschnitt
für unecht erklären.
2. Confesaion.
§16—17 (J 316—321).
Diese beiden kleinen Abschnitte leiten zu dem grofsen in
die Bufspredigt eingeschobenen Traktat über die sieben Tod-
1) In der Bufspredigt findet sich kein lat. Zitat im Gegensatz zum
Süudentraktat.
2) Vgl. Mifs Petersen, S. 16, Anm. 2, wo sie auf die mögliche Ent-
stehung dieser Stelle hindeutet (weil in der Quelle viele Zitate gestanden
haben). Dann käme der Bemerkung nur eine stilistische Bedeutung zu,
nicht eine der religiösen Überzeugung.
668
Sünden ü])or. — Simon wies hier auf den willkürliehen Wechsel
der Pronomina ye, thotv und hc hin; ye und thoiv gehören
zusammen. Es heifst J 317 „Noiv shul ye understonde, ivhat
is Confession'" etc. und J 318 „First shaltow understonde that
Confession is^^ etc.
Hierin liegt aber nichts Auffallendes; denn ganz abgesehen
davon, dals ye und thotv, wenn wir eine einzelne Person hier
als angeredet annehmen wollen, zu Chaucer's Zeit nebeneinander
verwandt werden könnten (vgl. dazu z. B. L. Kellner, Outlines
§278, W.Franz, Sh. Gr. §289) ist, wenn wir ye pluralisch
fassen, bei einer Bulspredigt diese Verschiedenheit der Ein-
führung eines neuen Gedankens m. E. schon an und für sich
erklärlich. Der Verf. stellt sich bald wie der Priester in der
Beichte eine einzelne Person vor, an die er seine Ermahnungen
richtet, bald in Anlehnung an die Ausdrucksweise der Bibel
eine ganze Zuhörerschar (vgl. als schöne Parallelen dazu J 95
und 107). Man beachte ferner, dufs neben thotv und ye auch
noch „man" und „men" (z. B. J371 und 381) gebraucht werden.
Demnach wäre auch hc J 319, him J 320 nicht auffällig. Über-
dies zeigt beispielshalber der Abschnitt J 608 — 611, aufweiche
Weise ein „he" in die Darstellung hineinkommen konnte.
Nun liegt hier aber zweifellos eine gewisse Mischung der Kon-
struktionen vor, wie der Übergang ins Passivum mit unpersön-
licher und der (psychologisch erklärliche) Sprung ins Aktivum
zurück mit persönlicher Konstruktion zeigen. Die bekannten
Quellen geben hierfür keine Anhaltspunkte. Diese Unebenheit
scheint mir dadurch entstanden, dafs derjenige, welcher zuerst
aus einer lateinischen Vorlage tibersetzte — eventuell der Verf.
der P. T. selbst — , eine bei der Mangelhaftigkeit des damaligen
Prosastils im Französischen oder Englischen, was es nun war,
schwer wiederzugebende oder ungeschickt lautende Konstruktion
vorfand, wie etwa eine der folgenden:
„omnia dicenda sunt nee quidquam excusaudiim est vel occultaudum
vel celandiiin vel gloriaudum de"
„omnia debent dici . . . uec qiiisquam debet gloriari de . . . ähnlieh
mit oportet, necesse est oder opus est.
, omnia dicenda sunt nee quidquam excusaudum vel . . . nee quis-
quam debet gloriari."
oder . . . nee licet gloriari mit unterdrücktem euiquam n. a, m.
669
An diese Stelle der Bufspvedigt würde die Beantwortung
der Frage gehören „ivhethe}' confession oglite necles he doon
or 710071^^,^) was der Verfasser vergifst. Wenn man den Charakter
dieses Kapitels als Überleitungskapitel in Betracht zieht, scheint
eine absichtliche Auslassung, wie sie Koch (Anglia V, 135) an-
nimmt, nicht ungerechtfertigt. Dann würde der Verfasser die
Streichung der Frage vergessen oder der Schreiber die Streichung
tibersehen haben. Jedenfalls erscheint das viel plausibler als
die gekünstelten und höchst unwahrscheinlichen Vermutungen
Simon's (S. 209).
3. Sündentraktat und Überleitung.
Der weitaus gröfste Teil der Arbeit ist hierfür schon von
Koch geleistet worden, dessen Ausführungen ich in den meisten
Punkten beipflichten kann.
§ 18-22 (J 321-386).
Übergang von der Bulspredigt zum Sündeutraktat.
Zu J 331 im Vergleich mit J 351 bemerkt Simon S. 261,
das eine Mal sei der Teufel als erste, das andere Mal als
zweite Ursache der Sünde bezeichnet. Aber es liegt kein
Widerspruch vor. Im ersten Fall ist der Sinn der, dafs durch
den Teufel die Sünde überhaupt erst in die Welt kam, wie
an dem ersten Sündenfall im Paradies gezeigt wird. Im zweiten
dagegen handelt es sich darum, dals der Teufel in der Gegen-
wart (relativ gesprochen) die vom Menschen gehegten sündigen
Begierden anstachelt. Also offenbar zwei ganz verschiedene
Fälle.
Auch in § 22 sah Simon die Hand des Interpolators. Auf
Grund meiner Ausführungen unter ß) weiter unten ist dieser
Gedanke auch hier abzuweisen. Die Behauptung Simon's
(S. 262), dafs
„A person fall of bnrning love to Jesus Christ will practise prayer
and good works as a matter of course; consequently it is not necessary
to mention them:"
ist an und für sich ganz richtig. Aber das ist doch kein
Grund dafür, dafs es doch Leute gibt, denen auch dies immer
und immer wieder eingeschärft werden mufs.
*) Sprachlich ist dies (entgegen Simon) ganz in Ordnung.
670
§ 23—29 (J 3S7-483) De Siiperbia.
Zu Simon S. 263 und Eilers S. 5 betreffs „prydc^' als
,,roofc of fhise sevene smncs^^ (J 388) sieh Koch 's Erklärung
(Auglia V, 135), die jetzt durch die Quelle P bestätigt wird
(vgl. Petersen S. 36). — Betreffs „chajntres"' (J 389 und J 532)
und des entsprechenden ,Jitel tretice^'' ebenda; betreffs ,,but so
heigh a dodrine I Icte to divines" (J 957) ebenda und schon
FurnivalPs Anmerkung zu Simon S. 264. Betreffs „chajntres''''
könnte man auch noch eventuell eine Erinnerung an „chajntles^^
oder Ähnliches in der Vorlage vermuten, wenn nicht anzunehmen
wäre, dafs § 23 in dieselbe Zeit fiele wie die Abfassung des
ganzen Sündentraktats.
§ 30-31 (J 41^-532) De Invidia.
J 486 „tuo spiccs^^. Eilers wünscht drei. — Vgl. Koch's
Erklärung (Anglia V, 135), die durch die Quelle P glänzend
bestätigt wird (vgl. Petersen S. 46).
§ 32-52 (J 553—676) De Ira.
J 557 ff. Eilers, S. 13 Anm. 2, sah in der durch hothe —
and ausgedrückten Zweiteilung einen Widerspruch mit der
angeblich folgenden Dreiteilung. Koch (Anglia V, 135) glaubte,
dafs mit bothe — and keine strenge Klassifizierung beabsichtigt
sei. Dies glaube ich aber doch und zwar aus dem Grunde,
weil Christus und der Teufel die in P (siehe Petersen S. 51),
teilweise auch in Frere Lorens' „/SWme", also selbständige
Faktoren neben dem Menschen und seinem Nächsten fungieren,
in der P. T. als treibende Kräfte des Guten oder Bösen in der
Seele des Menschen dargestellt und darum in der Disposition
des Abschnittes untergeordnet sind.
J 565. An ein Schreibversehen (sixe für ihre), das Koch
(Anglia V, 136) annimmt, vermag ich nicht zu glauben. Da
P hier versagt, steht die Erklärung noch aus.
J 611. „/Som lesmge comth, for he wole sustene his word."
Eilers (S. 18, Anm.) sah in dem „he" einen grammatischen
Fehler. Koch (a.a.O.) meint, es seien zwischen „comth" und
„for" einige Worte ausgefallen. Die Stelle ist aber grammatisch
doch ganz in Ordnung; „he" bedeutet „man" (siehe oben
671
und vgl. „fei's" im Sinne von „07ie's^^ hier und J610); „comth^^
gibt das lat, „/f^" wieder und bedeutet „geschieht".')
J612ff. Zu Simon S. 266 und Eilers S.15flf. sieh Koch,
a.a.O. S. 136. Der Abschnitt steht im wesentlichen schon in P.
§ 53-01 (J 677—738) De Accidia.
keine Einwände.
§ 62-69 (J 739—817) De Auaricia.
J 739 s. Eilers S. 26. „Covelüse" als „rote of alle harmes"
(im Widerspruch mit J 388) stand schon bei Fr^re Lorens und
findet sich ebenso in P. Den Verfasser der P. T. trifft also
keine Schuld. — J 767 ff. Eilers S. 27; s. Koch a.a.O., dessen
Erklärung dadurch eine Stütze erhält, dafs auch P keine Parallele
zu den weiteren Ausführungen der P. T. bietet. — J 781 ff.
Eilers S. 28, vgl. Koch ib.
§ 70-73 (J 818-835) De dJula.
keine Einwände.
§ 74—84 (J 836-957) De Luxuria.
J916 Eilers S. 44; vgl. Koch a.a.O., ebenso zu J939ff.
und Eilers S. 47.
§ 85—86 (J 958—981).
Nachdem der Verfasser der P. T. in § 83 die Abhandlung
über die sieben Todsünden beendet und in § 84 seine Absicht
kundgegeben hat, die zehn Gebote nicht zu behandeln, kehrt
er zur Beichte mit den Worten zurück:
„Now for-as-muche as the second partie of Penitence staut in Con-
fessiou of mouth, as I bigan in the firste chapitre, I seye . . .
Simon beanstandete (S. 267) hier das auffällige „in the
firste chapitre^' und erging sich in Vermutungen, die auf An-
nahme der Tätigkeit des Interpolators hinausliefen. Die Er-
klärung erscheint sehr einfach durch die Annahme, dafs die
Quelle zur Bulspredigt in Kapitel eingeteilt war, etwa so wie
C drei Teile zu je sieben Kapiteln enthält. Es entsprechen
auch J 318 ff. dem ersten Kapitel der „coiifession" in C. Übrigens
hätte schon J 318, wo es heilst: „First slialtow understondc . . ."
1) V. Darin g übersetzt S. 285 richtig: „Einige Lügen kommen daher,
weil man das einmal Gesagte aufrecht erhalten will."
672
Simon oder Eilers, der sich Simon S. 51 anschliefst, darauf
bringen küuueu, dafs „m the firste chapitre" auf dieses „first"
zurückweist. — Betreffs Simon's Einwand zu J 9G0 „evei'y
synne" s. Koch, Anglia V, 136 f.
§ 87 (J 982—997).
Simon erhebt gegen diesen Abschnitt einen auch von Koch,
ÄDglia II, 543, anerkannten Einwand, der sieh auf das Ver-
hältnis des Pfarrers zur Parsou's Tale bezieht. Er meint, dafs
die Stelle:
J 991 : „. . . thanne sbolde nat the sinnere sitte as heighe as his cou-
fessour, bat knele biforn him or at his feet . . ."
sich nicht vertrüge mit den Versen des Gen. Prol., wo vom
Pfarrer gesagt wird:
A 516 He was to sinful man nat despitons.
und A 525 He wayted after no pompe and reverence.
Die erste Stelle ist m. E. nicht so auszulegen, als ob der
Pfarrer auf demütiges Benehmen seiner Beichtkinder nichts
gäbe, weil er ihnen versöhnend entgegenkam. Das beweisen
die Verse A 521—523:
But it were any persone obstinat,
What-so he were, of heigh or Iowa estat,
Him wülde he suibben sharply for the nones.
Die zweite Stelle A 525 kann überhaupt nicht zum Ver-
gleich herangezogen werden, da sie sich nicht mehr auf den
Verkehr des Pfarrers mit seiner Gemeinde während der Beichte
bezieht.
§ 88 (J 998-1011).
Betreffs des Wechsels der Person siehe mein Bemerkuugen
zu § 17. —
Für J 1007 hat Koch die richtige Erklärung geliefert;
der Satz steht wörtlich so in R (s. Petersen S. 21). — Weiter
macht Simon darauf aufmerksam, dafs wir es eigentlich mit
„5 thinges" dieser „2. condicion" zu tun haben, während J 1003
nur vier angekündigt werden. Die ersten vier finden sich in
den bekannten Quellen an dieser Stelle nicht, und es wäre
unter den obwaltenden Umständen müfsig, Vermutungen zu
äufsern. Vgl. auch Koch zu Eilers 359, 29 ff.
673
Ob vor J 1003 eine Lücke anzunehmen ist, die den Uber-
gangssatz enthalten hätte, wie Koch will, möchte ich sehr
bezweifeln, zumal auch dessen Vermutung auf der Annahme
basierte, dals Fr^re Lorens die Quelle für diesen Abschnitt sei.
Ob der Verfasser der Bulspredigt oder seine Vorlage die strenge
Disposition aufgegeben hat, lälst sich vorderhand für diese
Stelle ebensowenig mit Sicherheit ermitteln wie für
§ 89—90 (J 1012—1027).
WO neue Vorschriften ohne Ordnung aneinander gereiht sind.
Ich bin aber geneigt, das erstere anzunehmen und die Schuld
auf die vom Verfasser der Bulspredigt vorgenommenen
Kürzungen und seine augenscheinliche Eile zu schieben.
Simon meinte ferner, dafs die Ermahnung, an der Barm-
herzigkeit Christi nicht zu verzweifeln und dem Priester nicht
zu zürnen, aus dem Zusammenhang herausfielen. Das mag
sein. Aber das erste stand aller Wahrscheinlichkeit nach schon
in der Quelle, den C hat es, und das zweite könnte mit dem
Charakter des Pfarrers in Verbindung gebracht werden. Zu
§ 87 habe ich schon die Verse aus dem Gen. Prol. A 521 — 523
angeführt, sie passen ganz vorzüglich zu J 1013:
„. . . ce he shal nat . . . wrattlie him agayn tbe preest for bis ainonest-
inge to leve sinne."
Ein letzter Einwand Simon's wird durch die Quellen er-
ledigt. J 1025 heilst es:
„Aud generally sbryve thee ofte . . . And thogh thou shryve tbee
after tbau ones of sinne, of wbicb tbon hast be shriven, it is the more
merite."
Hierzu meint S.: „There is no härm in confessing the
same sin twice." Dieser ironisch zugespitzte Ausruf S.'s verliert
für die P. T. seine Bedeutung einfach dadurch, dafs wir diese
Forderung schon in den Quellen finden. Besonders ausführlich
wird das in C auseinandergesetzt. Es heilst dort ausdrücklich
nach den einleitenden "Worten (Liddell S.272; nach „co7ifessed"
füge noch ein: „and J)at to diuers confessours & som to her
oivne confessour") :
„Natbeles such ofte rehersynge pough hit be gode and plesing to god
Set hit is no nede so to do bnt in certein cases."
Solcher Fälle werden nun fünf mit eingehender Begründung
Studien zur engl. Phil. L. 43
674
aufgezählt (fol. 56 a bis 57 b). Indem nun der Verf. der P. T.
(oder der seiner Vorlage?), der sich um so kürzer fafste, je
weiter er dem Ende zukam, alles dies fortliels und nur die
nackte Forderung der wiederholten Beichte erhob, erhielt die-
selbe einen ganz schiefen Sinn, der in dieser allgemein aus-
gesprochenen Form sogar den Geboten der Kirche zuwider lief.
Zweifellos hätte auch hier eine Revision des Ganzen diese
Unebenheit ausgeglichen. — Übrigens sollte mit J 1026 ein neuer
Absatz beginnen,
Satisfaccioun.
§ 91—92 (J 1028—1037).
„Contricion of herte" und ;,2)itee of defaute of hise neighe-
hores" als Arten der Almosen weist schon (wie Koch richtig
vermutete) R auf, wodurch Simon's Einwände (S. 273) fallen.
Das Zitat aus Matthaeus J 1036 ist deplaziert, wie Simon
bemerkte (ähnliche Fälle kommen auch sonst vor).
§ 93-98 (J 1038-1054).
„Discipline or techinge" hat keine Parallele in den Quellen.
Auch läfst sich nach dem Text nicht sagen, dals (vgl. Eilers
S. 10 f.) ein Mifsverständnis vorliegt. Man kann darin aber
(entgegen Simon) sehr wohl eine Art „hodily peyne" sehen. Das
Zitat aus Coloss. III 12 (nicht in C und R vorhanden) ist eine
oflfenkundige Bestätigung des in J 1053 gegebenen Gedankens.
§ 99— 102 (J 1055—1075).
Die hier erhobenen Einwände Simon's sind bereits oben
an verschiedenen Stellen gewürdigt. Für 1057 vgl. Koch und
Eilers S. 63, 1. — Ferner für J 1060 auch Koch in der Rez.
von Simon, überdies steht es schon in R (Petersen S. 31). —
J 1070 ff. Die hier angeblich vorhandene Verwirrung, die
Eil er s S. 63 hervorgehoben hatte, suchte Koch durch Schreiber-
versehen zu erklären, indem er „the seconde" J 1073 zu 1074
zog oder ganz strich. Nun mufs aber eine aufmerksame Prüfung
des Abschnitts zu dem Ergebnis führen, dals sich J 1072 auf
„greethf (J 1071), J 1073 auf „so ofte bis saved" (J 1071)
als Unterabteilungen der „firste wanhope" J 1070, J 1074 aber
auf „that other^' (J 1070) zurückbezieheu, also eine ganz logische
Disposition vorherrscht. Die Entstehung der angeblichen Un-
675
Ordnung, die schon in der Vorlage zur P. T. gestanden haben
kann, bietet uns jetzt R, wo es heilst:
„Priinam iüduciint tria, scilicet, peccati quantitas, frequeutia, et
diurnitas. Contra primum oppoiiitnr Passio Christi, qviae fortior est ad
dissolvendum, quam peccatnm aliquod ad ligandum . . . Contra secundum,
Ilierunymus, de poea. dist. 3: Septies in die cadit justus, et resurgit . . .
si coDvertatnr ad poeüiteutiam . . . Contra tertium, Psalin.: Misericordia
Domiüi ab aeterno usqae in aeteruum super tiiuentes enm . . . Item circa
secuudam desperationem, scilicet, perseverandi post veniam obtentam,
appouuutur tria remedia . . ."
§ 103 (J 1076—1080).
Dieser Abschnitt, der keine Parallele in C und R findet,
wurde von Simon für echt und als der wahre Sehlufs der P, T.
angesehen.
5. Ergebnis und Schlufswort zu 1 — 4.
Eines genauen Eingehens auf sozusagen alle von Simon
und Eilers gegen die P. T. erhobenen Vorwürfe konnte ich
nicht entraten, da es nur so möglich war, ihre Stichhaltigkeit
zu prüfen. Es stellte sich nun dabei heraus, dafs sehr viele
dieser (angeblichen) Fehler und Inkonsequenzen auf die Quellen
zurückgehen, also dem Verfasser der P. T. nicht zur Last zu
legen sind, andere, wie schon Koch richtig vermutete, ihre
Entstehung dem engen Ansehluls ') an die Vorlage verdanken,
und wieder andere lediglich auf Grund eines fehlerhaften
Textes fälschlieh vermutet wurden. Manche, die nur durch
eine tüftelnde Auslegung von Simon hatten konstruiert werden
können, erledigten sich sogar ohne Zuhilfenahme der Quellen.
Einzelnes mag man schliefslich auf Kosten des oder der Schreiber
setzen, was ein bequemes, aber nicht immer sicheres Aushilfs-
mittel ist. Die grolse Zahl angeblicher Fehler schrumpft somit
auf ein Minimum zusammen; denn es darf mit gutem Recht
versichert werden, dafs auch diejenigen Einwände grölstenteils,
wenn nicht alle, fallen würden, die Simon nach seiner eigenen
Aussage (S. 265) unausgesprochen gelassen hat. Was schlielslich
an Unebenheiten übrig bleibt, kann mit dem Namen Chaucer's
^) Es ist ja auch nicht zu erwarten, dafs der Verfasser der P. T., der
sicher kein Geistlicher war, bei Behandlung eines theologischen Themas
allzn selbständig vorgegangen sein sollte.
43*
676
sehr wohl in Eiulilaug gebracht werden, zumal wenn wir be-
rücksichtigen, was Koch und Koeppel (Arch. LXXXVII, 50
Anm.) bereits mit Recht betonten, dals Fehler auch in anderen
Werken Chaueer's vorkommen, dafs eine endgültige Revision
der C. T. und damit auch der P. T. durch den Tod des Dichters
verhindert wurde, und dafs die P. T. das einzige Werk Chaueer's
ist, das ausschlielslich theologisch -dogmatische Themen be-
handelt, wo ein Laie leicht straucheln konnte, sobald er seiner
Vorlage selbständig gegenübertrat.
Es läfst sich also aus der Konstruktion der P. T,
kein Beweis gegen ihre Echtheit gewinnen. Vielleicht
würde Simon jetzt selbst zugeben, dafs seine auf Grund der
Annahme des Pfarrers als Wiclifiten zum Teil erzwungene
Hypothese nach dem gegenwärtigen Stand der Forschung
fallen muls.
ß) Positive Beweise für die Echtheit der P. T.
a^) Methodische Grundsätze.
Die positiven Beweise können der verschiedensten Art
sein; sie können bestehen in dem Nachweis von Gedanken,
von wörtlich übereinstimmenden Sätzen oder Teilen von Sätzen,
die in charakteristischer Form der P. T. und den Werken
Chaueer's gemeinsam sind. Diesen Weg haben Koch und
Koeppel a. a. 0. eingeschlagnn. Letzterer formulierte einen
von Koch ausgesprochenen methodischen Satz näher, indem er
sagte, dafs von den angeführten Stellen (mehr als 30) nur die-
jenigen wirklich beweisend sein könnten, die sich „überzeugend"
auf den Text der Sonime [also der angenommenen Quelle] zu-
zückführen lassen.
Als über alle Zweifel erhaben vermag ich diesen Satz
nicht anzuerkennen. Denn wenn sich auch viele der wichtigsten
Stellen in der Somme wiederfinden, blieben immer noch die
zwei Möglichkeiten, dafs Chaucer entweder die (französische)
Quelle und die englische Bearbeitung gekannt und benutzt
hätte, oder dafs Chaucer nur die Quelle kannte, und dafs die
Übereinstimmungen zwischen einzelnen Stellen in Chaueefs
Werken und der P. T. nur dadurch zustande kamen, dafs
677
Chaucer und der Verfasser der P. T. sieh ihrer Vorlage sehr
eng anschlössen.
Wir bedürfen also eines noch sichereren Kriteriums, gegen
das sich diese oder ähnliche Einwände nicht erheben lassen.
Dieses Kriterium gewinnen wir, wenn wir das von mir in der
Einleitung (S. 649 ff.) betoute Zurückgehen auf die Quellen ver-
allgemeinern. Wir zeigen, dafs die P. T. und Chaucer's Werke
ein gleiches oder ähnliches Verhalten der jeweiligen Quelle
gegenüber aufweisen, d. h. dals sich bei gewissen Punkten,
die für Chaucer von besonderem Interesse sind, dieselbe Art
der Zusätze oder Veränderungen findet oder umgekehrt auch
wohl Auslassungen. Selbst wenn der angebliche Interpolator
ein ganz raffinierter Schwindler gewesen wäre, würde er doch
nicht imstande gewesen sein, die Feinheiten von Chaucer's
Methode in der Verwertung seiner Quellen herauszufinden, i)
Gewisse Züge und stilistische Eigentümlichkeiten hätte er
immerhin nachahmen können, und wir werden daher auf
letztere als Gründe für die Echtheit auch weniger Gewicht
legen, aber Chaucer's Gedankenrichtungen bei der Konzeption
und Komposition konnte er nicht nachspüren ; denn eine philo-
logische Methode, die das allein mit liebevoller Geduld ver-
mocht hätte, gab es noch nicht. Da es sich in der P. T. um
religiöse Themen handelt, werden natürlich diejenigen Beweise
die sichersten und für meine weiteren Absichten am zweck-
mälsigsten sein, die sich auf die Übereinstimmung der reli-
giösen Gesinnung, oder vorsichtiger ausgedrückt, auf das
gleichmälsige Vorhandensein gewisser religiöser Anschauungen
oder Eigentümlichkeiten beziehen. Wenn es gelingt nach-
zuweisen, dals sich im Gegensatz zur jedesmaligen Quelle
an Stellen, wo von religiösen Dingen (im weitesten Sinne des
Wortes) die Rede ist, gewisse Zusätze oder Veränderungen
finden, und diese Erscheinung in der P. T. und in den Werken
Chaucer's zahlreich wiederkehrt, wir also eine gleichmälsige
Quelleubehandluug auf Grund bestimmter religiöser Einzel-
anschauungen nachweisen können, so ist damit eine Überein-
stimmung festgestellt, die die Einheit und Echtheit der P. T.
') Das galt besonders als Argument für meine Beweisführung der
Echtheit der Retractio in der Alfred Tobler-Festschrift (s. S. 629 Anm. 1).
678
m. E. eudi^Ultig über alle Zweifel erhebt. Da diese Beweise
auch für Chaueer's Anschauungen von religiösen Dingen über-
haupt und zum Teil für die Echtheitsfrage der Retractio im
besonderen von gröfster Bedeutung sind, erscheint eine genaue
Darstellung gerechtfertigt.
Neben diese religiösen Quellenkriterien treten andere Quellen-
kriterien, die sich auf Dinge beziehen, die für Chaucer von be-
sonderem Interesse waren, und auf die er daher vielfach mit
Vorliebe zurückkommt. Von diesen führe ich hier nur solche
an, die mir nach dem gegenwärtigen Stande der Forschung
genügend beweiskräftig erscheinen.
Als Kriterien schwächerer Beweiskraft endlieh sind
sprachlich -stilistische anzusehen, die ich aber (anschlielsend
an Koeppel) nicht ganz aulser acht lassen möchte, weil sie
geeignet sind, den Gesamtbeweis zu ergänzen und für die
Chaucer- Forschung überhaupt Interesse beanspruchen dürfen.
Gröfsere Bedeutung für die Beurteilung von Einzelstellen werden
diese zwar erst dann gewinnen, wenn die Flügel'sche Kon-
kordanz uns einen genauen Überblick ermöglicht.
Bevor ich in den eigentlichen Beweis eintrete, bedarf es
noch einiger Worte über die Quellenkriterien hinsichtlich ihrer
Beweiskraft. Um einem eventuellen Einwand zu begegnen,
bemerke ich im Voraus, dafs sie in ihrer Art für Chaucer
charakteristisch sind, aber nicht für einen anderen Dichter
oder Schriftsteller der Zeit, trotzdem sie sich meist auf Themen
beziehen, die jedes Menschenherz im Innersten bewegen müssen.
Der beste Beweis dafür, dals die Behandlung dieser Themen
im Vergleich zu den Quellen Chaucer und keinem andern
eigentümlich ist, liegt in einem Vergleich mehrerer Fassungen
desselben Stoffs auf Grund derselben Quelle. Zum Beispiel:
vergleichen wir Chaucers Fassung der Erzählung von Konstanze
mit der Gower's, die ja beide auf Trivet beruhen, so werden
wir bei Gower kein einziges der für Chaucer charakteristischen
Merkmale entdecken können (vgl. dazu den Aufsatz von Lücke,
Anglia XIV, 77—122 und 147—185). Dasselbe gilt für andere
Erzählungen. Damit ist die Sicherheit der Quellenkriterien
festgelegt.
679
b 1) Quellenkriterien.
1. Teufel und Hölle.
An zahlreichen Stellen in Chaucer's Werken gewahren
wir die merkwürdige Erscheinung, dafs der Dichter teils die
Person des Teufels ganz neu in seine Darstellung einfügt, wo
die Quelle keinen Anhaltspunkt bietet, teils eine kurze An-
deutung in dieser zu einer grölseren Auslassung über die für
den Mensehen verderbliche Tätigkeit des Teufels erweitert.
Besonders charakteristisch sind hierfür zunächst zwei Fälle
im ABC und einer in der Erzählung von Melibaeus, weil dies
Übersetzungen einer uns bekannten Vorlage sind. So heilst es
ABC 47 Thyn eueiuy and myn — lady tak hede,
Un-to my deth iu poynt is me to chace,
während die Quelle hat: Si te fais aussi requeste
Qae ta pitie un me veste,
Car je n'ay nulle autre rente.
ABC 79 Now, queeu of comfort . . .
Lat not my foo no more my wounde entame,
Myn hele in-to thyn hand al I resigne.
Quelle: Ne sueffre que de gainne
Isse justice devine
Par quoy je soye extermine.
Melib. B 27S5 : And thcrfore seith seint Jerome: „doth somme gode
dedes, that the devel which is our enemy ne finde yow nat nnoccupied."
For the devel ne taketh nat lightly etc.
Im franz. Original steht nur „l'ennemi".
Dagegen ist ABC 83 durch die Quelle veranlalst :
But for your bothes peynes, I you preye,
Lat not our alder foo make his bobaunce
That he hath in his listes of mischaunce
Convict that ye bothe have bought so dere.
franz.: Mez se tu veus tu as l'entrait
Par quoy tantost sera retrait
Le mehain qui m'est contraire.
Ähnlich der Vorlage, aber meiner Empfindung nach ver-
tieft, ist CT. B582:
Sathan, that ever us waiteth to bigyle,
Sangh of Ciistance al hir perfeccioun,
And caste anon how he mighte quyte hir whyle,
And made a yong knight, that dwelte iu that tonn,
Love hir so hote . . .
680
Die Quelle (Trivet) sagt: „. . . par inaueise aprise & temptacioun
del diable.
NB. C. T. B 59S Tliis kniglit, thurgh Sathanas temptaciouns
AI softely is to the bed y-go . . .
entspricht bei Trivet 'que tut estoit pris en la mayn al diable'."
Ebenfalls etwas erweitert gegenüber der Vorlage ist C. T.
C- o44 : j^Q(j atte laste the feend, our enemy,
Putte in his thonght that he shold poyson beye,
With which he mighte sleen his felawes tweye;
For-why the feend tond him in swich lyvinge,
That he had leve him to sorwe bringe,
Ital. Quelle: „II Demonio eh' e ingegnoso . . . mise in cnore a
costui . . ."
Auch in der Geschichte der Virginia stammt die Einführung
des Teufels von Chaucer:
C. T. C 130 Anon the feend iu-to his herte ran,
And taughte him sodeynly, that he by slighte
The mayden to his purpos winne mighte.
Vgl. hierzu ferner CT. B 1748:
Our firste fo, the serpent Sathanas,
That hath in Jewes herte his waspes nest,
Up swal, and seide, o Hebraik peple, alias!
Is this to yow a thing that is honest,
That swich a boy shal walken as him lest
In your despyt, and singe of swich sentence,
Which is agayn your lawes reverence?
eine Stelle, die wir wegen der Ähnlichkeit des Gedankens und
des Fehlens des Satans in der Fassung Alphonsus von Lincoln
hierher stellen dürfen.
In Anbetracht der in F 522 liegenden Insinuation gehört
hierher CT. F520:
Swich was this ypocrite, bothe cold and hoot.
And in this wyse he served his entente,
That (save the feend) non wiste what he mente.
Die Quelle ist zwar nicht bekannt, doch können wir in
den eingeklammerten Worten einen Zusatz Ch.'s mit Sicherheit
vermuten.
Nach der ganzen Art der Ausführung stimmt zu den ge-
gebenen Beispielen CT. G 6 :
Wel oghten we to doon al our entente,
Lest that the feend thurgh ydelnesse us hente.
681
For he, tliat with his thousaud cordes slye
Contiuuelly us waiteth tu biclappe,
Whan be may man in ydeluesse espye,
He can so lightly cacclie him in his trappe,
Til that a man be hent right by the läppe,
He nis nat war the feend hath him in honde;
Wel oughte us werche, and ydelnes withstonde.
Bei Jebaii de Vignay, der sieh auf Hieronymus bezieht,
heilst es nur: Tut immer etwas Gutes ,,que le dyahle ne te
troiive oyseiix''. Der Gedanke selbst war ein weit verbreiteter
(vgl. Skeats Parallelen in seiner Note hierzu), die Ausführung
aber ist ganz chauceriseh.
Ein weiteres Beispiel bietet sich in einem 12 zeiligen Zusatz
Ch.'s in der Man of Lawes Tale CT. B365:
0 Satan, envious sin thilke day
That thon were cbased from onr heritage
Wel knowestow to wommen the olde way!
Thoa madest Eva bringe ns in servage.
Thou wolt fordoon this cristen mariage.
Thyn iustrnment so, weylawey the whyle!
Makestow of wommen, whan thou wolt begyle.
Weitere auf den Teufel bezügliche Zusätze ebenda 780
(und 1064): ^q^j therfor to the feend I thee resigae,
Let him endyten of thy fraitorye!
Doch sind diese allgemeinerer Natur.
Ein ganz hervorragendes Beispiel bietet weiter
die Freres Tale, Hier sind ja die Grundzüge der Geschichte
fast gar nicht verändert. Dafür sind aber eine Menge Eiuzel-
züge von Chaucer hinzugetau, die Zeugnis dafür ablegen, mit
welchem Eifer und Nachdruck der Dichter die Gelegenheit
benutzte, auf die bedeutsame Kolle hinzuweisen, die der Teufel
nach der Anschauung der Zeit im Leben des Menschen spielt.
Ich kann hier nicht alle Stellen vorführen und verweise des-
halb nur auf eine, die in ihrer Art an oben gegebene Zitate
anklingt:
C. T. D 1494 And somtyme be we suffred for to seke
Up-on a man, and doou his soule unreste.
And nat his body, and al is for the beste.
Whan he withstandeth our temptacioun,
It is a cause of his savaciounj
682
Al-be-it that it was uat cur entente,
Ile sliolde be sauf, but that we wolde him hente.
Der .,savaciou7i" werden wir uoch an anderer Stelle als
einem Lieblingsthema Cli.'s begegnen.
Der Teufel, dargestellt im Kampf gegen Christus und die
Heiligen,') an einer originalen Stelle CT. G33:
Thou comfort of us wrecches, do me endyte
Thy maidens [Cezilie] deeth, that wan thurgh hir meryte
The etcrnal lyf, aud of the feend victorie,
oder C. T. B 633 :
Bat he, that starf for onr redempciouu
Aud bond Sathau (and yit lyth ther he lay).
Weniger Bedeutung ist folgenden zwei Stellen beizumessen,
obwohl die den gleichen Stoff behandelnde italienische Novelle
in keinem Fall eine Parallele bietet:
C. T. C 467 They daimce and pleye at dees bothe day and night
And ete also and drinken over hir might,
Thurgh which they doon the devel sacrifyse
With-in that develes temple in cursed wyse,
By superfluitee abhominable;
C. T. C 479 tombesteres, fruytesteres, singeres
Whiche been the verray develes officeres
To kindle aud blowe the fyr of lecherye.
Dasselbe gilt für C. T. H 305 :
And made him blak, and refte him at his song
And eek his speche, and out at dore him slong
Un-to the devel, which I him bitake;
und CT. E 1218:
I have a wyf, the worste that may be;
For thogh the feend to hir y-conpled were,
She wolde him overmacche, I dar wel swere.
Vgl. ferner CT. D 1S33, 1982 etc.
In Str. 1 — 4 des See. Nonne's Prol. fand Ch. den Teufel
schon in seiner Quelle.
Auch Vergleiche mit dem Teufel liebt Chaucer; da diese
nichts spezifisch Charakteristisches sind, so würde ich auf sie
weniger Gewicht legen, wenn sie nicht (an den betreffenden
Stellen originell und) durch die anderen Beispiele gestützt
würden :
0 Gegen die Jungfrau Maria s. o. S. 679.
683
Hons of Farne 1636 What did this Eolas, bat he
Tok out bis blakke truuipe of bras,
That foulor tliau the devil was.
Dies spricht für die Originalität von CT. B4476:
Nüw certes, I were worse thau a feeud
If I to yow wolde barm or vileinye.
CT. 11 319 My soue, keep wel tby tonge and keep tby frceud.
A wikked tonge is worse tban a fecud.
My soue, from a feend men may bem blesse;
stammt aus Albertano von Breschia, wie Koeppel, Archiv 86, 44
gezeigt hat.
Ferner C. T. B 3653 (auch wobl original) :
Al-thougb tbat Nero arere as vicions
As auy feend tbat lytb ful lowe adoun,
CT. B 4.579 (von Ch. binzugesetzt) :
Tbey yelleden as feendes doou in belle;
C T. D 2i3 And if I bave a gossib or a freend,
Witb-onten gilt, tbou cbydest as a feend.
Hier stammt der Vordersatz aus Hieronymus contra
Joviniauura (im letzten Grunde aus Theophrastus, Aureolus liber
de Nuptiis), der Nachsatz ist Chaucer's (vgl. dazu auch CT.
F 950 ,,as a furie doth".
Ferner CT. J630: „ther is no-thing so lyh the develes
child as he that ofte chydeth" (= Quelle).
Vgl. auch Lenvoy a Bukton 9, wo „mariage" als „the
cheijne of Sathanas" bezeichnet wird.
Auch CT. B 750 könnte hierher gestellt werden:
Tbe lettre spak tbe queen delivered was
Of so borrible a feendly creature
Tbat in tbe castel noon so hardy was
Tbat auy wbyle dorste tber endure.
Trivet bat: „l'enfaunt de lui nee, qae ne receuible pas a fouraie de
bomme mes a vue maladite fourme, bidouse & dolorouse."
Und ebenda 783 f. in einer Einschaltung Ch.'s, wo er
Donegild als „feendly spirit" verflucht.
Vgl. ferner Duchesse 594:
Tbat naan batb a feendly berte
und CT. G 1069 In tbis cbanoun ... Swicb feendly tbougbtes in
bis bert impresse —
How Cristes peple he may to meschief bringe ;
684
wo die Quelle zwar nicht bekannt ist, wir aber durch einen
Vergleich mit den anderen Stellen auf einen Zusatz Cb.'s
schlielsen dürfen.
Auf die übrigen Stellen, an denen uns in Ch.'s Werken
der Teufel begegnet, ist nicht viel zu geben, obwohl man
einige von ihnen für Ch. in Anspruch nehmen kann.i) Zitate
in Übersetzungen wie Melib. B 2454, 1612 fallen natürlich von
vornherein fort. Auch Verwünschungen und Ausrufe, 2) die dem
täglichen Leben entnommen und lediglich zur lebenswahren
Schilderung eingeflochten sind, haben für meine Beweisführung
keine Bedeutung.
Ähnlich wie über den Teufel zeigen Chaueer's
Werke entsprechende charakteristische Zusätze oder
Veränderungen über die Hölle.
Allgemein kann ich da zunächst auf die Freres Tale ver-
weisen, sodann auf den Anfang der Legend of Good Women,
wo über die Existenz von Himmel und Hölle Betrachtungen
angestellt werden. Weiter haben wir zwei wichtige Änderungen
im ABC 95: , ,
Now lady, from the fyr thou us defende
Which that in helle eterually slial dure,
wo die Quelle hat: A ce veoir, vierge, veüs
Süie par toy et receüs,
Oste chaussement d"ordure.
und 54 So have I doon in erthe, alias ther-whyle!
That certes, but-if thou my socour be,
To stink cterne he wol my gost exyle.
franz.: Tu devant li [Gott] pour moy te per
En li moustrant que, s'a li per
Ne sui, si est il mon frere.
Sieh auch den erläuternden Zusatz Boeth. b. IV pr. IV 101.
Zwei weitere Einführungen der Hölle finde ich an zwei
originalen Stelleu im
Troilas: IV 1554 And I with body and soule sinke in helle!
ib. 1697 The cruel peynes of this sorwful man,
That passen every torment doun in helle.
») CT. A 3903, B 3189 ff., D 262, 1687, E 1436, F 603, G 861, 916 ff.
2) Legend 2694, Troilus 1623, II 1737, CT. G 1238; A3134; Legend
2177, CT. A3713, 4257, G 7S2; Legend 2227, 2493, Fame 408, Troilus
1806, II 896, IVO.iO, CT. A 3751, B 1408, 2114, D 476, G 705, 1159,
1273, H 38.
685
Vgl. auch CT. B784:
Tliongh thou beer walke, thy spirit is in helle.
Desgleichen bei sonst engem Anschlurs an die Quelle in
dem zum grofsteu Teil auf Innocenz III. De Contemptu Muiidi
beruhenden Prolog zur Man of Lawes Tale folgender Zusatz
.V. liU. Parfay, seistow, soiutyme be rekne shal,
Wban tliat bis tayl sbal brennen in tbe glede,
For be nogbt belpetb needfuUe in hir nede.
Ebenda 337 Wbat sbulde us tyden of tbis newe lawe
But thraldom to onr bodies and penance?
And afterward in belle to be drawe
For we reneyed Maboun our creance?
Diese Stelle würden wir auch ohne Zuhilfenahme der
Quelle als chaucerisch ansprechen köunen (wegen Vers 339).
Chaucerisch scheint mir auch die Verwünschuug
C. T. F 891 But wolde god that alle tbise rokkes blake
Were senken in-to belle for bis sake.
Allerdings ist hier die unmittelbare Vorlage nicht bekannt.
In der von Chaueer nicht benutzteu, aber seiner nächststehenden
Fassung Boceaecio's findet sich dieser Gedanke nicht.
Auf andere Stellen (Legend A502, 1104, Troilus II 896,
C. T. B 3193 etc., F 448, G 918 u. ä.), sowie auf Vergleiche mit
der Hölle ist nicht so viel zu geben (Anelida 166, Fame 1654,
1800, Duehesse 170, Troilus IV 712, V 1376, Compl. of Mars 120,
CT. D 371, E 1964), wenn sie auch augenscheinlich meistens
von Chaueer herrühren.
Anm. : Nnr der Vollständigkeit halber, nicht zum Beweise erwähne
ich noch, dafs das Fegefener bei Cb. nur eine geringe Rolle spielt.
Abgesehen von den Vergleichen der Frauen mit dem „purgatorie" (C. T.
D4S8, E 1C69), habe ich nur eine Stelle im Parlament of Foules 78 ge-
funden, die in dieser Hinsicht vollkommen der Quelle (Somnium Scipiouis)
entspricht.
Sehen wir nun, wie die Verhältnisse in der P. T.
liegen:
Teufel: Die Zahl der Fälle ist eine aufserordentlich
grofse, doch kann das an und für sich nicht tiberraschen, da
die P. T. ausschlielslich religiöse Fragen erörtert. Doch mufs
es bemerkenswert erscheinen, dals in den aus den Quellen
herübergenoramenen Abschnitten sämtliche Stellen, die auf den
Teufel Bezug nehmen, bis auf verschwindende Ausnahmen,
686
vom Verf. der P. T. wiedergegeben sind. Dies bedeutet für
den Süudeutraktat sogar noch etwas mehr als für die Buls-
predigt, weil dort die Darstellung kompeudiöscr ist. Fast
ausnahmslos ist überdies die Wiedergabe peinlich genau, ein
Zeichen dafür, dafs der Verfasser grofsen Wert darauf legte.
Als besonders bezeichnend vergleiche man J 311 ff. mit der.
bei Petersen S. 16 gegebenen Fassung. Ferner J 132, J 439,
J 492, J 544, J 558 im Vergleich zu ABC 47, J 613, J 617, J 621,
J630 im Vergleich zu CT. D 243, J 637, J651f. im Vergleich
zu CT. C479, J643, J 791, J 821, J 830, J 852, J895, J 1074.
Von grölserer Wichtigkeit sind nun aber schon solche
Fälle, wo der Verfasser der P. T. durch seine Vorlage auf
den Teufel hingewiesen ward und dieser gegenüber eine Er-
weiterung vornahm.
J 616: Flatereres been the develes enchauntours; . . . They been lyk
to Judas tbat bitraysed god; and thise flatereres bitraysen a mau to
seilen him to bis enemy, that is, to the devel.
Quelle: Item sunt incantatores diaboli ... Adulator etiam proditor
est. Sub spe enim osculi ad modum Jude bomineni tradit hostibus suis.
Der Ausdruck „that is, to the devel" erinnert zudem an
die erklärenden Zusätze in Chaucer's Boethius- Übersetzung.
Diese Erklärungstechnik begegnet ferner:
J 509: „whicbe wordes men clepen the develes Pater-noster, though
so be that the devel ne badde nevere Pater-noster, but tbat
lewed folk yeven it swich a name."
Das gesperrt Gedruckte hat keine Parallele in der Quelle,
und für das andere heilst es dort: „quasi Pater iioster dei sui.
Weiter vergleiche man J714:
„An ydel man is lyk a place tbat batb uo walles; the develes
niay entre on every syde and sheten at him at discovert, by temptacion
on every syde."
Quelle: Est etiam ociosus velut castrum absque mnro . . . Homo
ociosus non tamen uni bosti expositus est, sed etiam pluribus.
Keinen grofsen Wert lege ich auf J 863, weil es nicht
ganz ohne Parallele dasteht (vgl. J 852).
Weiter Einführung des Teufels J486:
„Now bath malice two speces, tbat is to seyu, bardnesse of berte
in wikkednesse, or elles tbe flesh of man is so blind, tbat be considereth
nat tbat be is in sinne, or rekketb uat tbat he is in sinne, whicb is tbe
bardnesse of the devel."
687
a
Wichtige Änderungen liegen vor:
J 626 : And if he repreve bim nncharitably of sinne . . . tbanne
aparteuetb tbat to tbe reioysinge of tbe devel, tbat evere batb Joye tbat
men doon sinne.
Quelle: „diabolicum est gaudere de boc quod aliquis ilhid com-
miserit."
J 878 : Certes, tbis is tbe fouleste tbefte tbat may be . . . and steleth
bir sonle fro Crist, and yevetb it to tbe devel.
Quelle: Exuperat autem istud peccatuni orane furtum, quia quod
aufertur cum sit creatura rationalis melius est quacumque terreua substantia.
Die Hervorhebung des Kancipfes zwischen Christus und
dem Teufel ist ja ein Lieblingsgedanke Chaucer's. Man ver-
gleiche dazu auch J 906 :
„But in swicb folk batb tbe devel power, as seyde tbe aungel Rapbael
to Tbobie; for in bir assemblinge tbey putten Jesu Christ out of bir berte,
and yeven bem-self to alle ordure."
Die Quelle bietet für J 896 — 906 keine Parallele.
Ein grolses Mafs von Bedeutung kommt nun weiter solchen
Stellen zu, wo sich ein auffälliger Zusatz bei sonst engem
Auschluls an die Vorlage findet:
J 897 : . . . tbe sones of Belial, tbat is tbe devel . . .
J788: for it is tbe gretteste sinne tbat may be, after tbe sinne of
Lucifer and Antecbrist.
J59S: for it is so beigb and so worsbipful, tbat tbe cursede
feend in belle sbolde tremblen to beren it y-nempned.
J599: Tbanne semetb it, tbat men tbat sweren so borribly by bis
blessed name, tbat tbey despyse bim more boldely tban dide tbe cursede
Jewes, or elles tbe devel, tbat trembletb wban be bereth bis name.
J967: Tbe fourtbe circumstaunce is, by wbicbe mediatours or by
•whicbe messagers, as for entycement, or for conseutement to bere com-
panye witb felawesbipe; for many a wreccbe, for to bere compauye, wil
go tbe devel of belle.
Quelle: Per Quos, scilicet, mediatores, et internuncios ; quia, etc.,
was J 986 entspricht.
Demgegenüber sind Stellen, an denen sich die Fassung
der P. T. weiter von denen der bekannten Quellen entfernt,
natürlich minder beweisend, wenn nicht sonstige charakte-
ristische Merkmale hinzukommen. Dies ist der Fall für:
J 137: „but for your sinne ye been woxen tbral and foul, and
membres of tbe feend, bäte of aungels . . . perpetuel matere of the
fyr of belle.
688
J 245 : and eek they availleu for to usen a man to doon gode werkes,
that Ihe feend liave tbc lasse power of bis soule.
J276: Certes, sinful maunes soule is bitraysed of tlie devel by
coveitise of teuiporel prosperitee, aud scoiued by deceite whan he chesetli
fleshly dclyces;
Alle drei Stellen finden sieh in Abschnitten, die auch
sonstige Eigentümlichkeiten Chaucer's aufweisen und uotabene
auch von Simon für chaucerisch gehalten wurden. Letzteres
gilt ebenso für J 183 ff.:
J512: Thanue comth accnsinge, as when man seketh occasion to
auoyen bis ueigbebor, wbicb tbat Is lyk to the craft of tbe devel,
tbat waitetb botbe nigbt and day to accusen us alle.
Das zugrunde liegende Thema wird auch J 622 ff. behandelt,
aber an keiner Stelle bieten die Quellen auch nur einen Anhalt.
Vgl. dazu auch C. T. B 582 und G 9.
Erwähnungen des Teufels bei grofsen Abweichungen sonst,
wo auch andere Kriterien versagen : J 528, J 729, J 733, J 848,
J 850 (eine stehende Redensart „it is ful plesaunt to the devel"),
J 851. Schliefslich verweise ich noch auf J 331, wozu man
W.K. Smart, Some Euglish and Latin sources and paiallels
for the morality of wisdom. Chicagoer Diss. (Menasha, Wis.)
1912, S. 56 vergleiche.
Ferner J 350 ff., deren Bedeutung sich bei dem fast völligen
Versagen der Quellen nicht mit Sicherheit feststellen lälst.
Anm. : Bezeichnend ist ai;cb für Cbaucer, dals er, wo es angängig ist,
eine in der Quelle vorkommende Mehrzahl der Teufel in die Einheit ver-
wandelt. Darauf kann ich jedoch hier nicht weiter eingehen.
Wenden wir uns nun den auf die Hölle und die Höllen-
strafen bezüglichen Stellen zu; ich werde hier nach den-
selben Grundsätzen zu scheiden und zu verfahren haben, wie
im vorigen Abschnitt.
Genau, fast wörtlich, entsprechend den Quellen sind J 132,
J 311 ff, J 544, J 554.
Veranlafst durch die Vorlage ist:
J Syo : Soothly, the vengeaunce of avoutrie is awarded to the peynes
of helle, but-if so be that it be destourbed by peuitence.
Quelle: Secundum enim in penis teuet locum.
Eine bezeichnende Umprägung zeigt J839:
Aud after that, he brente fyve citees wlth thonderloyt, and sank
them in-to helle.
I
689
In der Fassung von Frere Lorens heifst es „e enfondi V citez en
ahyme".
Eine weitere AusführuDg zeigt:
J 1 IS ff. : The grace of tliis seed spriugeth of god, thiirgh remembrance
of tlie day of dorne and on the peynes of helle.
In C (Liddell S. 265) steht : ... be grace which soroAV comith uf
bethenkynge of a mannes synnes and of the drede of the day of dorne
with stedefast purpos etc.
Zusätze bei sehr enger Übereinstimmung mit Quelle P:
J500: Agayns god it [sc. grncching] is, whan a man grnccheth
agayn the peynes of helle, or agayns poverte or los of catel.
Das Unterstrichene nicht in den Quellen, s. Petersen S. 47
und auch Eilers S, 11.
J 1069: And as seith seint Gregorie, that it aperteneth to the grete
rightwisnesse of god, that nevere shal the peyne stinte of hem that uevere
wolde withdrawen hem fro sinne, hir thankes, bat ay continue in sinne;
for thilke perpetnel wil to do sinne shul they han perpetael peyne.
Quelle: Contra tertium, Gregorius: Ad magnam justitiam judicantis
pertinet, ut nunquam careant supplicio, qui in hac vita numquam voluernnt
carere peccato . . .
Vgl. auch Skeat's Anmerkung,
Zusätze bei freierer Stellung der Umgebung gegenüber
den Quellen:
J 277 : ein häufig vorkommender Gedanke.
J 442: for which thus seith David the prophete, „wikked deeth uiote
come up-on thilke lordshipes, and god yeve that they mote descenden
in-to helle al douu; etc.
J 686 : The fourthe thinge is , that Accidie is lyk to hem that beeu
in the peyne of helle, bycause of hir slonthe and of hir hevinesse.
Dagegen leitet J 809 :
„and therby relessed us fro the peynes of helle and amenused the
peynes of purgatorie by penitence, and yeveth grace wel to do, and atte
laste the blisse of hevene."
schon zu den Abschnitten über, die allgemein für echt gehalten
und von Simon sogar ausdrücklich für Chaucer's Werk erklärt
wurden.
Originale, vom Verfasser der P. T. stammende
Stellen sind:
J 136 — 141 Hervorhebung des Höllenfeuers und der Hölle
als Folge der Sünde.
Studien z. engl, PhU. L, 44
690
Höclist bezeichnend ist J 158 — 230:
The thridde cause that oghte moeve a man to Contricion, is drede
of the day of dorne, and of the horrible peynes of helle"
In C heilst es : The ferthe [= d. 3. der P. T.] is the drede of the
day of dorne and of the peyn of helle. — In R: et poenarum inferni.
Während für diese Quellen die „cause" damit erledigt
ist, knüpft der Verf. der P. T. daran eine längere Erörterung
der Hüllenstrafen, die mit ihren zahlreichen Zitaten i) aus
gewissen Lieblingsbüchern, der Bibel und aus Kirchenvätern,
80 auf Chaucer als Verfasser hindeuten, dafs selbst Simon
die Echtheit ausdrücklich anerkannte.
NB. Ob der Verf. der P. T. diesen Abschnitt irgendwo in einer
geschlossenen Form vorfand oder aus dem Schatze seines Wissens mit
Zuhilfename eines Zitatenbüchleins selbst zusammenstellte, ist schwer zu
sagen, für den hier behandelten Punkt aber nicht wesentlich.
Original in einem von den bekannten Quellen viel ab-
weichenden Abschnitt ist auch J 243 f.:
. . . yet availlen they [sc. goode werkes] to abregge of the peyne
of helle.
Ähnlich J 1077: . . . the endelees blisse of hevene . . . ther-as is the
sikernesse fro the peynes of helle (obgleich mir das hier vorkommende
Wort „contrarioustee'' verdächtig ist).
A n m. 1 : Die Qualen des Fegefeuers werden in der Quelle C an
einer Stelle erwähnt, wo der Verf. der P. T. sie allgemein auf die Strafe
als Vergeltung der Sünden bezieht; dem Zitat (J 1U26) ist keine grofse
Bedeutung beizumessen. (Sieh auch Petersen S. 21). — J 71G und 809
entsprechen der Quelle.
Anm. 2: Vereinzelte Fälle der Auslassung des Teufels können nicht
gegen meine Beweisführung sprechen. J 313 mag sich durch stilistische
Rücksichten erklären, die vier Parallelglieder der Vorlage [childre of god
and of grace — child of the deiiel & of wrath) sind zu zweien vereinfacht
{sone of ire to be sone of grace).
Ferner mag darauf hingewiesen werden, dafs in C (nicht in P, das
an dieser Stelle von der P. T. überhaupt sehr verschieden ist) fol. 37a
gesagt wird:
„Contricion also most be euen right for pe oflfense done to god namely
& nat oonly ne principaly for drede of euerlastynge peyn." Der Gedanke
„for pe offense done to god^ klingt in J 307 an, von dem andern ist keine
Spur zu finden. Wenn wir auf die Stelle überhaupt Wert legen wollen,
kann sie nur für Chaucer sprechen, dem ein solcher Hinweis auf die
Höllenstrafen natürlich unbequem sein mufste.
*) Vgl. die Anmerkungen bei Miss Petersen auf S. 12 und 13.
691
2. Himmel iiud ewiges Leben.
Wenn wir, wie im vorigen Kapitel gezeigt ist, eine durch-
gängig stärkere Betonung oder Neueinfiibrung der dem Menschen
durch die Versuchung des Teufels drohenden Gefahr und der
Folgen der Sünden beobachten können, liegt die Wahrschein-
lichkeit nahe, dafs auch die Belohnung eines tugendhaften
oder reuigen Lebens, also der Hinweis auf die himmlischen
Freuden, eine ähnliche Ausgestaltung erfahren hat. Und tat-
sächlich ist dem so. Jedem aufmerksamen Leser Chaueer's
wird es auffallen, wie der Dichter zum Teil nach französischen
Vorbildern, zum Teil in Anlehnung an Boethius (vgl. z. B.
Troilus 111,813-836) den Wandel des Glücks, der „Fortune",
beklagt, den er ja selbst so oft in herber Form am eigenen
Leibe v^erspüren mulste, wie er dann weiter die eitle Nichtig-
keit und Flüchtigkeit irdischer Freude ') betont und demgegen-
über auf die dauernde Glückseligkeit im himmlischen Leben
hinweist.
Auch hier werden wir als sicheres Beweismaterial nur
diejenigen Stellen heranziehen können, die in den jedesmaligen
Vorlagen keine Entsprechung finden. Der bedeutendste Fall
ist zweifelsohne C, T. Melib. B 3073, weil es sich da um einen
deutlichen Zusatz in einer sonst wortgetreuen Übersetzung
handelt. Die Stelle ist für Chaucer's Auffassung überhaupt sehr
wertvoll, da sie sieh ja auch in seiner eigenen Erzählung findet:
„to this effect aöd to this ende, that god of bis endelees mercy wole
at the tyme of our dyinge foryeven ns onr gutes that we hau trespassed
to hlm in this wrecched world. For doutelees, if we be sory and repentant
of the Sinnes and gutes whiche we han trespassed in the sighte of our
lord god, he is so free and so merciable, that he wole foryeven us our
gutes, and bringen ns to his blisse that never hath ende. Amen."
In der franz. Quelle steht nur: „. . . a celle fin que Dien au point
de la mort nous vueille pardonner les nostres."
Vgl. dazu C. T. G 68.
Be myn advocat in that heighe place
Ther-as withouten ende is songe „Osanne".
1) Zum Beispiel CT. B 421 ff., 1132 flf. in Anlehnung an Innozenz' De
contemptu mundi, aber auch sonst, vgl. C. T. A 1265, E 2055 (Ch.'s eigen),
B 4395 f. (nicht im Eenart) und genau derselbe Gedanke Troilus IV 835
(Ch.'s eigen), ähnlich Troilus III 827, 163G. Ferner G319ff. (= Quelle)
und der Znsatz Boeth. b. 2 m. 6, 109; ferner b. 5 pr. (5, 36.
44*
692
Dazu nehme man C. T. E 1650.
Melib. B 2996 ist lediglich eine genaue Wiedergabe der
betr. Stelle in dem Original.
Dagegen ist ein Zusatz zu verzeichnen ßoeth. b, 4 m. 7, 44
Güth now thauue, ye stronge men, ther-as the heye wey of the grete
ensaumple ledeth yow. 0 nyce men, why niake ye your bakkes? As who
seyth: 0 ye slowe and delicat men, why flee ye adversitees,
and ne figbten nat ayeins hem by vertu, to wiuneu the mede
of the hevene? For the erthe overcomen yeveth the sherres; this is
to seyn, that, whan that erthely Inst is overcomen a man is
maked worthy to the hevene.
Das gesperrt Gedruckte ist Zusatz Chaucer's.
Aber auch folgende zwei Zitate aus Troilus sind Zusätze
Chaucer's ; im ersten Fall spricht der Dichter sogar persönlich :
V ISl-i And doun froin thennes faste he gan avyse
This litel spot of erthe, that with the see
Enbraced is, and fuUy gan despyse
This wrecched world, and held al vanitee
To respect of the pleyn felicitee
That is in hevene above.
V 1821 And in him-self he lough right at the wo
Of hem that wepten for his deeth so faste;
And dampned al onr werk that folweth so
The blinde last, the which that may not laste,
And sholden al cur herte on hevene caste.
Für bedeutungsvoll halte ich ferner den Zusatz Chaucer's
C. T. B 1075
And swich a blisse is ther bitwix hem two
That, save the Joye that lasteth evermo,
Ther is non lyk, that any creature
Hath seyn or shal, whyl that the world may dure.
weil in der Man of Lawes Tale sonst das eigentlich christliche
Element gegenüber der Quelle (Trivet) stark in den Hintergrund
gedrängt ist.
Die Jungfrau Maria als hilfreicher Beistand des Mensehen
und Mittler zwischen ihm und Gott zur Erlangung des Himmel-
reichs wird von Chaucer mehrfach eingeführt; vgl. ABC 23
That-quene; CT. B 640, G 68 (s.o.), G 75 etc., insbesondere
ib. 32 ff.).
Auch einer wichtigen Änderung des Sinnes mufs Er-
wähnung getan werden; Pari, of Foules 78ff. wird von der
693
LäuteruDg- der Seelen uach dem Tode auf Grund des SomDium
Seipionis gesprochen:
And than, for-yeven alle hir wikked dede
Tliau slml they come nnto that bllsful place,
To which to comen god thee sende his grace!
Quelle: nee in hune locum [sc. terramü] nisi multis exagitati saeculis
revertuntnr.
Auch die Betrachtung über völlige Glückseligkeit auf
Erden und im Himmel (CT. March. 163fr.) könnte man hier
anführen.
Ganz ähnlich in der P. T.
Inhaltlich z. T. wörtlich gleichlautend mit der Vorlage
sind J 636, 716; J 700 ist die auf Chaucer deutende Fassung
der P. T. zu beachten
„wher-as Crist seith that aa wel shal ther be Joye in hevene upon
a sinful man that dotb penitence,"
Quelle: Dico vobis quod gaudium est angelis . . .
Ähnlich J 738 wo der „consideracioim of the joyes of
hevene^' die „consideratio eterni premii" gegenüber steht.
Einen Zusatz bei sonst engem Ansehluls an die Vorlage
stellt P. T. J 884 dar.
„And therfore wol Christ putte hem out of the regne of hevene,
that is heritage to gode folk."
Weiter einige Stellen, deren Echtheit nie bezweifelt worden
ist; für J 80
„of whiche weyes, ther is a ful noble wey and a ful convenable,
which may nat faile to man ne to womman, that thurgh sinne hath mis-
goon fro the righte wey of Jerusalem celestial."
wird das bekanntlich durch J 50f. bewiesen (Koeppel, a.a.O.
S. 45). Die eigentliche Quellenstelle hat ,,vi(im rectam, ne-
cessariam, et mfallibilem" während es vorher (Petersen^ S. 3)
heilst:
„restat, ut ad portnm quietis, ac serenitatis aeternae soliciti festinemus."
Der Beginn der P. T. J 75
„Oure swete lord god of hevene, that . . . wole that we comen alle
to the knowleche of him, and to blisful lyf that is perdurable,"
Vgl. dazu die betr. Stelle aus 2. Peter III, 9
. . . Dominus . . . nolens aliquos perire, sed omnes ad poenitentiam
reverti.
694
J 79 : Mauye bcen the weyes espirituels that ledea folk to ouro Lord
Jesu Crist, aud to the regne of glorie.
J 184: „Covered with tlie derkuesse of deeth": that is to seyn, that
he that is in helle shal have defaute of the sighte of god; for certes, the
sighte of god is the lyf perdurable.
J234: The othere gode werkes, that he wroghte whyl he lay in
deedly sinne, they been outrely dede as to the lyf perdurable in
hevene.
J 1076: . . . what is the fruit of penaunce; and, after the word of Jesu
Crist, it is the eudelees blisse of hevene, ther Joye hath uo
coutrarioustee of wo ne grevannce, ther alle harmes been passed of this
preseut lyf; (hierfür s. o.)-
Diese stets für echt gehaltenen Stellen beweisen für die
Echtheit des folgenden Zusatzes, der seine Entstehung nur
einer schwachen Anregung von selten der Quelle verdankt:
J 240 f.: For certes, in the werkinge of the deedly sinne, ther is no
trust to no good werk that we han doon biforn; that is to seyn, as for
to have therby the lyf perdurable in hevene. Bnt nathelees, the
gode Werkes quiken agayn, and comen agayn, and helpeu and auaillen to
have the lyf perdurable in hevene, whan we han contricion.
In C heifst es: „The fifte sorowe is for the losse of heuen & for
owre grete oflFence to our maker and creator", in R „De quinto, scilicet,
de amissione caelestis gloriae."
Ferner beweisen sie für folgende Stellen:
J 1 20 : The hete of this seed is the love of god, and the desiring o f
the Joye perdurable.
J124 (im Zusammenhang damit): but fro that tyme that he loveth
sadly our lord Jesu Crist, and desireth the lif perdurable, ther nis
to him no-thing more abhominable.
J669: Heer may man lerne to be pacieut; for certes, noght only
Cristen men been pacient for love of Jesu Crist, and for gnerdouu of
the blisful lyf that is perdurable.
denen aus den Quellen nichts Entsprechendes an die Seite
gestellt werden kann. In diesen wie in folgenden Fällen ist
der ganze Abschnitt neu gegenüber den Quellen. Doch stimmt
die Gegenüberstellung von irdischen und himmlischen Gütern
zu Chaucer's Gedankenrichtung und auch die von Skeat (Anm.)
und Miss Petersen (S. 9 Anm. 2) bemerkte Übertragung der
Worte Johannes' des Täufers an Christus könnte im Hinblick
auf Abschnitt 4 (s.u.) für Echtheit und Original- Chaueerisch
gedeutet werden.
695
„but soolhly, liere behoveth the consideracioau uf the grace of Jesu
Crist, and ofbis temporelgoüdes, and eek of the godesperdurablea
that Crist yaf to us."
J832: Abstinence, he seith, is litel worth, but-if. men doon it for
godes sake, and in hope to have the blisse of hevene.
Ein vom Verfasser der P. T. nur etwas weiter ausgeführter
Absatz enthält darin folgenden Zusatz:
J 791: They seilen the soviles . . . And therfore shul they nevere han
part of the pastnre of lambes, that is, the blisse of hevene.
Es ist vielleicht nicht unangebracht, auch an den ziemlich
gleichen Wortlaut zu erinnern.
3. Reue, Bufse und Vergebung.
Der Himmel steht auch dem sündigen Menschen offen,
sofern er seine Vergehen aufrichtig bereut, wenn auch —
gemäls der Anschauung der Kirche — erst im letzten Augen-
blick. Reue und Bulse samt der Vergebung schlielsen sich
also eng an die in den beiden vorigen Kapiteln erörterten
Themen an und sind folgerichtigerweise vom Dichter in ähn-
licher oder gleicher Weise behandelt.
Das durch den Zusatz überaus wichtige Zitat aus Melibaeus
habe ich schon oben unter 2. angeführt. Hier wie an anderen
Stellen wird das Motiv der Reue oder Bufse samt der
Vergebung von Chaucer hineingebracht. Vielfach kehrt dabei
derselbe Gedanke in ähnlicher Form wieder:
Troilus 1318 Repeutingehim that he hadde ever y-iaped
Of loves folk, lest fully the descente
Of scorn fille on himself
Bei Boccaccio fehlt der Gedanke der Reue:
Troilus I 391 For with good hope he gan fully assente
Criseyde for to love, and nought repente,
Boccaccio: Bene sperando, e tutto si dispose
Di voler sola Griseida amare
Troilus II 523 He seyde, „lord ! have routhe up-on my peyne,
AI have I been rebel in mvn entente;
Now, mea culpa, lord! I me repente.
Ohne Parallele bei Boccaccio.
Hierher gehört auch die bezeichnende Änderung
C. T. B 376
She (die Sultanin) . . . seyde him that she wolde reneye hir lay,
And cristendom of preestes handes fonge,
Repenting hir she hethen was so longe,
696
Trivet sagt: „inra que par grant teinps auoit ele este en mesme
la volunte priuement;"
Motiv der Bulse.
ABC 50 (von Christus gesagt) :
And with bis precious blood he wroot the bille
Up-on the crois, as general acquitaiince
To every penitent in fiil creauuce;
Quelle: Quant pour moy se viut enterrer,
Se il ne se veut desterrer
Encor puis s'amour acquerre.
ABC 147 To you my soule penitent I bringe.
Quelle: A toy vieng, de toy me herite.
ABC 183 So bring us to that palais that is bilt
To penitents that ben to mercy able.
Quelle: Moy laver veillez entendre
Moy garder et moy deffendre,
Que justice ne m'assomme.
Original und im Zusammenhang mit den übrigen Belegen '
bemerkenswert ist: Legend of Good Women (B) 153:
And tho that hadde duon nnkindenesse j
As dooth the tydif, for new-fengelnesse —
Besoghte mercy of hir trespassinge,
And humblely songen hir repentinge,
And sworen on the blosnes to be trewe. ;
■• •
Eine wesentliche Änderung des Sinnes hat Chaueer gleich
zu Beginn des ABC vorgenommen:
Almighty and al merciable quene,
To whom that all this world fleeth for socour,
To have relees of sinne, sorwe and tene,
In der Quelle lautet es so: r
A toy du monde le refui,
Vierge glorieuse, m'en fui
Puisqu'en toy ont tous repaire.
Auch ein Zeugnis für Chaucer's persönlichen Glauben
an die Vergebung der Sünden haben wir im Allg. Prolog
Vers Ot)U: q£ cursing oghte ech gilty men him drede —
For curs wol slee, right as assoilling saveth —
And also war him of a significavit.
Die wichtigste Stelle von allen ist, wie ich nochmals
wiederhole, C. T. Melib. B 3073. '
' I '.
697
Bei Durclisicht der P. T. stofsen wir auf die gleiche
Erscheinung.
Vor allen Dingen mufs zunächst darauf hingewiesen werden,
dafs Chaucer sein grofses Werk der Cauterbury Tales mit einer
Bulspredigt beschlielst. Damit hat der Dichter seiner eigenen
religiösen Grundstimmung Rechnung getragen.
Sodann die Einzelfälle:
Gleichlautend mit den Quellen ist J 945. — Eine (aller-
dings nicht erhebliche) Änderung zeigt J688if., wo „accidie"
als Feindin der drei Stufen der Bufsfertigkeit geschildert wird,
während wir in den Quellen nur eine kurze Andeutung finden.
Daneben lassen sich vielfache Zusätze bei sonst engem
Anschluls an die Quelle nachweisen; so J 93, wo auf die
gleiche Ausdrucksweise wie in C. T. C 286 schon von anderen
aufmerksam gemacht ist. Aber auch J 91 :
But nathelees, men shal hope that every tyitie tliat man falletb, be
it never so ofte, that he may arise thurgh Penitence, if he have grace:
but eorteiüly it is greet doate.
Ebenso J 94: And he that sinneth, and verraily repenteth hlm
in bis biste ende, holy chircbe yet hopeth bis savaeioun, by the grete
mercy of oure lord Jesu Crist, for bis repeutaunce; bat tak the
siker wey.
wofür die Quellen keine Parallele aufzuweisen haben. Die
ganze Stelle ist überhaupt echt Chaucerisch ; J 93 stimmt fast
wörtlich mit C. T. C 286 überein. (Vgl. zu ersterem die schon
in R gleichlautenden Stellen J 1026 und J 1073.) Dieses sind
Gedanken, auf die Chaucer besonderen Wert legte (vgl. dazu
das Zitat aus Melib. 3073).
NB. Nebenbei bemerke ich zu Simon S. 250, dafs Chaucer auf den
Ausdruck „but tak the siker wey-'- durch seine Quellen gekommen ist; vgl.
dazu Liddell S. 264, Anm. 2.
Gleiche Gedanken tauchen ferner auf in deutlichen Zu-
sätzen gegenüber den Quellenfassungen:
J 306: For soothly, wbyl contricion lasteth, man may evere have
hope of foryifnesse;
J704: Certes, ther is noon so borrible sinne of man, tbat it ne may,
in bis lyf, be destroyed by penitence . . .
J 872 : She may have mercy, thls woot I wel, ifshe do penitence.
/
f
698
J 71(5: . . . tliey shiil uat beeu wliipped with men, that is to seyn, in
purgatorie. Certes, thauue senielb it, thcy shul be turmeuted with the
devel in helle, but-if they doou peuitence.
Quelle: . . . non flagellabnntiir cnm hominibus in purgatorio, sed
cnm denionibus in inferno (Betr. Plural demonibus und Singular devel siehe
oben S. 6hS Anui.).
Eine genaue Parallele dazu ist:
J 890 : Soothly, the vengeaunce of avoutrie is awarded to the peynes
üf helle, but-if so be that it be destoürbed by penitence.
Quelle: Secundum euim in penis teuet locum.
Aus einem von Simon für echt gehaltenen Abschnitt der
P. T., der aber in den Quellen keine Entsprechung findet, sei
noch J 179 angeführt:
And for-as-muche as a mau may acquiten him-self biforn god by
penitence in this world .. . therfore sholde he preye to god to yeve
him respyt a whyle, to biwepe and biwailleu his trespas.
Einige minder wichtige tibergehe ich.
Aulser diesen direkten Zusätzen lassen sich einige erheb-
liche Veränderungen des Sinnes beobachten, die gedanklieh
mit den vorher gegebenen Zitaten in enger Berührung stehen:
J5S2: ... thilke sinne is so greet, that unnethe may it been
relesed, but that the mercy of god passeth alle hise werkes;
it is so greet and he so benigne.
Die der Fassung der P. T. am nächsten stehende Fassung
des Frhre Lorens spricht dagegen die Unmöglichkeit der Ver- j
gebung dieser Sünde aus: ■
eist pecchies est si grans que Dieus le punist aucnne foiz aperte-
ment, come nous avons dit devant, quant nous parlames de mauvais gens.
De cest pecchie dist Dieus en l'evaugile, qu'il n'i ert ja pardones,
n'en cest siecle, n'en lautre.
Ähnlich J 945 :
Thise been tho that han been wy ves and han forgoon hir housbondes,
and eek wommen that hau doon lecherie and been releeved byPeui-
tence.
WO das Motiv der Vergebung hineingebracht ist gegenüber
z. B. Frfere Lorens:
... et toutes voies sont confes e repentanz de leur pecchies.
Eine Milderung der starren Negation in der Quelle R
zeigt auch J 1002:
And for-as-muche as he ne hath nat in his lyf herkned Jesu Crist,
I
699
whanne he hath spoken, he shal crye to Jesu Crist, at bis laste day, and
scarsly wol he herkue him.
Quelle: et non audietur.
Anm.: Hinweise auf den Tag des jüngsten Gerichts gibt der Verf.
der P. T. stets wieder: J 648 (wörtliche Übereinstimmung), J 1063 (Über-
einstimmung dem Sinne nach). J 1033 hat keine Entsprechung in den
Quellen, die für J 378 versagen; J 1092 ist Chaucer's.
4. Die Person Jesu Christi.
Die Gestalt des Heilands als desjenigen, der den Kreuzestod
erlitt, um für die Menschlieit Vergehung der Sünden zu er-
wirken, wird von Chaucer stets mit demütiger Verehrung und
aufrichtiger Dankbarkeit gedacht. Er gedenkt seines Lebens
und Wirkens, das er als Vorbild hinstellt, preist, teils selbst,
teils durch den Mund seiner poetischen Gestalten seine Milde,
seine aufopfernde Liebe, beklagt seine Leiden, bittet um seine
Gnade oder ruft in Not und Bedrängnis seine stets bereite
Hilfe an. Dies entspricht Chaucer's innerster Überzeugung,
uud es wäre überflüssig, wollte ich dies durch viele Belege
an dieser Stelle beweisen, i) Ich sehe daher von einer Auf-
zählung (selbst in der kurzen Form von blolsen Verweisen),
im allgemeinen ab und führe zur Bekräftigung des Gesagten
nur einige besonders ins Auge springende Fälle an:
ABC 59 s. mit Qnellenfassung oben S. 696 — damit vgl. man
J 132: which with bis precious blood hath delivered us (R hat
proprio sangaine) und
J 789: . . . the soule that he boghte with bis precious blood . . .
CT. E556 But, sith I thee have marked with the croys,
Of thilke fader blessed mote thou be,
Quelle: Sed . . . puellulam . . . benedixit.
Sehr wichtig sind die Belege aus der Man of Lawes
Tale, weil in ihr sonst das christliche Element gegenüber der
Vorlage stark zurückgedrängt ist:
CT. B 1793 They seyde, „nay"; but Jesu of his grace,
Yaf in his thought, inwith a litel space, That . . .
CT. B 1506 And hastily they for the provost sente;
He cam anon with-outen tarying,
And herieth Crist that is of heven king,
And eek his moder . . .
0 Diese Tatsache scheint schon E. B. Browning besonders tief
berührt zu haben (siehe oben S. 637).
700
In beiden Fällen fehlt der Gedanke in der Alphonsus von
Lincoln -Version.
Die Neueinführung der Person Christi ist ebenso
für alle Teile der P. T., mögen sie von einzelnen Forschern
für echt oder unecht gehalten sein, ein bezeichnendes Merkmal.
Wir finden sie 1. in Abschnitten eingeführt, die ihrem ganzen
Umfang nach neu sind gegenüber der Quelle, 2. an Stellen,
wo sie sich bei mehr oder weniger engem Anschluls an die
Umgebung als Zusätze erweisen. In beiden Fällen wird ihre
Beweiskraft bisweilen dadurch verstärkt, dals derselbe
Satz einen Hinweis auf die oben unter 1 — 3 abgehan-
delten Dinge enthält (von einer vollständigen Aufzählung
aller Fälle muls ich natürlich absehen und führe daher nur
einen Teil an).
Für den ersten Fall: J 79, J 255— 282 (selbständige
Einführung eines ganz neuen Gedankens), J 358 ff. und 382,
J 689, J 878, J 996, J 1023 und vielleicht auch J 447.
Für den zweiten Fall: J 94, J 124, J 434, J 502, J 504,
J 669. Wegen sonstiger genauer Übereinstimmung ist besonders
bedeutsam am Schlufs des ersten grolsen Abschnitts J 314 —
315 (wie schon bei anderer Gelegenheit oben hervorgehoben.
— Betonung des Kreuzestodes und seiner Bedeutung für die
Eintracht der Menschen J 642, neu gegenüber der Quellen-
fassung.
I
Im Zusammenhang mit dieser Erscheinung läfst sich eine
andere beobachten. Schon in der Erzählung von Melibaeus 1
und Prudenee setzt Chaucer an zwei Stellen anstatt der <
Person Gottes die Christi ein: l
C. T. ß 2490 : ye shul understonde that he tbat hath werre shal ever-
more mekely aad devoutly preyen biforn alle thinges, that Jesus Crist
I of bis grete mercy | (Zusatz) wol han him in his proteccioun, and been
his sovereyn helping at his nede. For certes, in this world ther is no
wight that may be conseilled ne kept suffisantly withouten the keping
of our lord Jesu Crist ...
Quelle: . . . doit tous les jours . . . humblement et devotement
demander la garde et l'aide de Dien.
Ebenda B2602: And hast forgeten Jesu Crist thy creatour; 1
thou ne hast nat doon to him swich honour and reverence as thee onghte
(wozu man das leider in der Quelle nicht belegte J 358 vergleichen möge).
Quelle: Dieu ton createur.
i
701
Dies darf nicht als eine blofse Aufserlichkeit aufgefafst
werden, trotzdem Gott und Christus nach der streng christ-
lichen Auffassung ein und dieselbe Person sind. Vielmehr lehrt
uns diese Erscheinung (neben anderen), dafs der Dichter für
den Teil der Dreieinigkeit, der die Leiden für die Erlösung
der Menschheit auf sich genommen hatte, eine besondere Hin-
neigung empfand, und daher auf ihn gern manches zurück-
führte, das seine Vorlage der Person Gottes zuwies.
Weitere höchst auffällige Beispiele liefert die Maji of
Lawes Tale. Da der Vergleich mit der Quelle gerade hier
einen genauen Überblick ermöglicht, stelle ich alle Belege mit
den entsprechenden Abschnitten der Vorlage hierher:
CT. B 106 Thou blamest Crist, and seyst ful bitterly,
He misdeparteth richesse temporal; "
Thy neighebonr thou wytest sinfnlly,
And seyst thou hast to lyte, and he hath al.
Quelle: (Innozenz, De contemptu mundi): Deum causatur iniquum,
qnod non reete diuidat; proximum criminatur mallgnum, quod non plene
snbneniat.
C. T, B 509 And in the send hir ship sticked so faste,
That thennes wolde it noght of al a tyde,
The wüle of Crist was that she shulde abyde.
Bei Trivet heifst es, gott sandte einen günstigen wind.
C. T. B 563 This lady wex affrayed of the soun,
Lest that hir housbond, shortly for to sayn,
Wolde hir for Jesu Cr ist es love han slayn,
Til Custance made hir bold, and bad hir werche
The wil of Crist, as doghter of his chirche.
Quelle: Mes constaunce entendaunt la vertue dien [estre] en la
parole leueugle, conforta hermigilde & lui dist, „Ne mucez pas, dame, la
vertue ge dieu te ad done.
CT. B 719 Now faire Custance, that is so humble and meke,
So longe is goon with childe, til that stille
She halt hir chambre, abyding Cristes wille.
Zu vergleichen aus der Quelle: Puis quant dieux & nature voleient
constaunce fu deliuerez de vn enfaunt Madie.
C. T. B 824 But natheles she taketh in good entente
The wille of Crist, and, kneling on the stronde,
She seyde, „lord"! ay wel-com be thy sonde!
Quelle: Mes puis qne a dieu plest, & a mon seignur le Roys,
inon exil, a bon gree le doys prendre en esperauuce que dnre comeuce-
ment ameuera dieu a bon fin . . .
702
CT. B 827 schliefst sich an das letzte Zitat an:
Ile that ine kepte fro tlie false blarne
Whyl I was on the londe amonges j'ow,
He cau me kepe from härme and eek fro shame
In salte see . . .
In him triste I, and in his moder dere;
Gemeint ist Christus; die Quelle meint Gott ... a bon fyn, et qil
me purra en la mere saiuier, gi en mere et en terre est de tonte puissaunce.
C. T. B 900 But now wol I un-to Custance go,
That fleteth in the see, in peyne and wo,
Fyve yeer and more, as lyked Cristes sonde
Er that hir ship approched un-to londe.
Quelle: E com sou trebon & courteis giour, dieux gouerna & gya
sa neef plus pres & plus . . .
Ähnlich auch C. T. B 950. Ferner vgl. :
CT. D 469 But, lord Crist! whan that it remembreth me . . .
It tikleth me aboute myn herte rote.
An der entsprechenden Stelle im lloman de la Rose heifst es „Par
Diex!"
Für CT. C474 vgl. scblielslieh J.L.Lowes, Illustrations
of Chaucer drawn cliiefly from Descbamps. Romauic Review
11,113—128 (1911).
Die gleiche frappante Erscheinung finden wir nun
in der P. T.:
J 1 1 0 : And this is fruitful Peniteuce agayns three things in whiche
we wratthe our lord Jesu Crist;
Quelle: Quia enim in tribus modisDeum oflfendimus.
J413: . . . if ther ne hadde be no sinne in clothing, Crist wolde
nat have noted and spoken of the clothing of thilke riche man in the
gospel.
Quelle: Si culpa preciosarum vestium culpa non esset, sermo Dei
non ita vigilauter exprimeret quod dives purpura et bysso indntus apud
inferos torqueretur.
J 4C2 : For sothe, oo maner gentrye is for to preise that apparailleth
mannes corage with vertues and moralitees, and maketh him Cristes
child.
Quelle: Animi vero nobilitas . . . quando aliquis gratiam Dei habet
qua Dei filius est . . .
J 55S: For certes, outrageous wratthe doth al that evere the devel
him comaundeth; for he ne spareth neither Crist, ne his swete mooder.
Quelle: Homo enim iratus non timet facere quodcumque diabolus
precepit sibi . . . Ipsi Deo et Matri ejus non parcit . . .
703
J 625 : Now if he repreve him by härm of peyne, thanne turueth
the repreve to Jesu Crist;
Quelle: ... cum malum pene a Deo sit, ipse dicendo opprobrium
homini, exprobat creatori jus.
J 642 : Now comth the sinue of hem that sowen and makcH discord
amonges fclk, which is a siune that Crist hateth outrely; and no
wondcr is. For he deyde for to make concord (oben S. 700
kurz erwähnt).
Quelle: Sequitur de peccato eorum qui semiuant discordias, a quo
peccato primo deberet homiues cohibere hoc, quod illud peccatum adeo
est exosum Deo ...
Dies Beispiel ist besonders durch die vom Verfasser der
P. L. hinzugefügte Begründung interessant.
J 697 : Certes, aboven alle sinnes thanne is this sinne most displesant
to Crist .. .
Quelle: Et notandum quod peccatum desperationis valde dis-
plicet Deo.
J 745 : Soothly, this Avarice is a siune that is ful dampnable . . .
for it dooth wrong to Jesu Crist.
Quelle: Tertio ostenditur iuiquitas avari per hoc quod ipse est
iniquus in Denm.
J790: For they putten in theves, that stelen the soules of Jesu
Crist and destroyen bis patrimoine.
Quelle: . . . quod latrones et sacrilegos facit obtinere locum et
vicem Dei.
J 990 geht der Verfasser der P. T. plötzlich zu Christus über, während
vorher immer von Gott die Rede war. R hat für J 9S9 — 992 keinerlei
Parallele.
J 996 ist auch bemerkenswert in der Fassung gegenüber R aber
vielleicht durch die biblische Erzählung hervorgerufen.
J 1015, auch ohne Parallele in R, ist ebenfalls beachtenswert, wenn
wir das oben unter 3. Gesagte zur Erläuterung heranziehen.
J 1023: . . . and eek thou shalt nat shryve thee for veyue glorie, ne
for ypocrisye, ne for no cause, but only for the doute of Jesu Crist
and the hele of thy soule.
In C heifst es: nat for veyn glorie ne for drede of peyn oonly; but
specially for pe offense to god wi]?ont eny feynynge.
Dies Beispiel lehrt zugleich, dafs die Person Gottes
allen Werken dieser Art gemeinsam gewesen sein mufs; darin
liegt zugleich ein Beweis für die Richtigkeit dieses Quellen-
kriteriums.
J 1067: . . . surquidrie that he hath in Cristes mercy.
Quelle: de nimia Dei misericordia.
704
Vielleicht erklärt sieh auf diese Weise auch die Ein-
setzung des „fifthe thing" gegenüber der Quelle in J255:
The fifthe thing that oghte moeve a man to contricion is remembrance
üf the passion that onre lord Jesu Crist snflfred for our sinnes.
Vgl. C (Liddell S. 26Sf.) The fifthe sorowe is for the losse of heuen
& for owre grete offense to onr maker and creator.
Auui. 1: Solche Stellen, an denen sich in der lateinischen Vorlage
dominua findet, was Gott oder Christas bezeichnen kann, sind natürlich
als doppeldeutig (vgl. dominus — god 3 1050) aufser Betracht gelassen
(J 2S9, 1001, 1007, 1039, 1048, 1073). — Beachtenswert ist aber, dafs
J 997 Jesu Crist steht, während R dominus hat, womit auch Christus ge-
meint ist.
Anm. 2: Der umgekehrte Fall (Gott für Christus) J 985 bei Petersen
S. 19 erklärt sich augenscheinlich durch die Änderung des Sinnes. — J 643
gehört nicht hierher, wie eine genaue Betrachtung der Stelle ergibt.
Die Bedeutung der in diesem Abschnitt erörterten Stellen
in Chaucer's Werken für die Echtheit der Erzählung des
Pfarrers wie für die religiöse Grundstimmung des Dichters
selbst wird erst dann in das richtige Licht gerückt, wenn
wir das Verhalten anderer hervorragender Dichter damit ver-
gleichen. So Shakespeare, in dessen Werken Worte wie
Bible, Holy Gliost, Trinity überhaupt nicht zu belegen sind,
Jesu und Christ nur in einigen seiner Jugenddramen vor-
kommen, Saviour nur einmal im Hamlet und Creator nur zwei-
mal im dritten Teil Heinrich VI. und im Troilus erscheint
(vgl. 0. Jespersen, Growth and structure of the English
language^ "°'^ ^ § 217). Der Unterschied der Zeitalter, in denen
Chaucer und Skakespeare lebten, kann die Bedeutung der von
mir angezogenen Stellen als Quellenkriterien nicht mindern.
5. Die Juden.
Dals Chaucer für die Juden, deren Rechte ja in England
sehr eingeschränkt waren, irgendwelche Sympathien gehabt
habe, iälst sich, wenn wir die Prioresse's Tale daraufhin
betraehten, nicht behaupten. Chaucer folgt in dieser Hinsicht
einer Strömung der Zeit. Anderseits aber sind es auch der
Anhaltspunkte zu wenig, um einen festumschriebenen Stand-
punkt, falls Chaucer einen solchen überhaupt eingenommen
hat, daraus zu erschliefsen. Vor allen Dingen fehlt uns trotz
■y
705
der vortrefflichen UntersuchuDgen von Carleton F. Brown i)
die direkte Quelle, so dafs eine gewisse Vorsielit geboten ist.
Es läfst sicli aber doch die Tatsache herausschälen, dafs
Chaucer die Juden mehr vom religiösen als vom sozialen und
Rasseustaudpunkt aus betrachtete und beurteilte. Allerdings
heilst es zu Beginn der Prioresse's Tale CT. B1678:
Ther was . . . a .Tewerye,
Sustened by a lord of that contree
For foule usure aud lucre of vilanye
Hatefnl to Crist and to his companye;
Hier hat keine der bisher bekannt gewordenen Versionen
eine Parallele, auch mutet die Stelle in der Art ihrer Ein-
führung ganz chaucerisch an, und es wäre ja nicht aus-
geschlossen, dals Chaucer hier eine kaufmännische Erfahrung
verwertete oder eine volkstümliche Ansicht wiedergab. Aber
nichts wäre verfehlter, als aus diesem einen Beispiel weit-
gehende Schlüsse zu ziehen. Schon der Zusatz „Hatefal to
Crist '' leitet uns auf die richtige Fährte: auf die religiöse
Seite der Frage kommt es an. Die ganze Prioresse's Tale
durchweht ein Hauch sittlich -religiöser Entrüstung über die
fanatisch -grausame Tat des Juden, nicht die polemische Ent-
rüstung eines religiösen Eiferers, der sich einen Hinweis auf
Judenverfolgungen und Judenvertreibungen, wie er sich ähnlich
in der Alphonsus von Lincoln -Version findet, nicht hätte ent-
gehen lassen, sondern die eines gut -gläubigen katholischen
Christen. Das religiöse Moment überwiegt das allgemein
Menschliche in der Erzählung. Überall scharfe Gegenüber-
stellung von Christentum und Judentum, viel schärfer als in
den übrigen bekannten Fassungen, wie die unter 4. gezeigte
Neueinführung der Person Christi an mehreren Stellen beweist.
Religiösen Ursprungs ist auch die Heranziehung des Teufels
als Motiv des Bösen:
CT. B 1748 Our firste fo, the serpent Sathanas
That hath in Jewes herte his waspes nest,
Up swal and seyde . . .
eine Bemerkung, die keinen Anhaltspunkt in den anderen
1) Letzte mit Verweisen auf die früheren : A Study of the Miracle of
Our Lady told by Chaucer's Prioress. Ch. Soc. Second Seriös 45, for the
issue of 1906.
Studien z. engl. Phil. L. 45
706
FassuDgeu findet. Letzteres gilt, wenn auch in bedingter Weise,
für das dreimal wiederholte Beiwort cursed (C. T. B 1759,
1788, 1874; vgl. auch CT. G 1259).
Die Überzeugung, dals Chaueer's Aversion gegen die Juden
mehr religiöser Natur ist, die im letzten Grunde auf die
Kreuzigung Christi durch die Juden zurückgeführt werden
mufs, verstärkt sich, wenn wir die übrigen Stellen in Chaueer's
Werken betrachten: Nie ein abfälliges Wort über die Juden
des Alten Testaments, im Gegenteil David und Salomo
werden mit ihrer Lebenserfahrung und Lebensweisheit mit
Vorliebe herangezogen. Nun mag ja C. T. E 2277 :
I woot wel tbat this Jew, this Salomon,
Fond of US wouimen foles many oon.
im Munde der disputierenden Proserpina verächtlich klingen,
doch beweist das nur für Chaueer's Individualisierungstalent,
aber nicht für seine persönliche Auffassung. Und selbst wenn
wir weiter den ebenda Vers 2297 gegen Salomo erhobenen
Vorwurr: gg ^^s a lechoar and an ydolastre
And in bis elde he verray god forsook
im letzten Grunde auf Chaueer's persönliche Meinung zurück-
führen wollten, würde ja darin nicht das Judentum, sondern Jf
der Abfall von Gott getroffen sein. Auch der Ausdruck „holy
Jetv^' an den allerdings noch nicht mit völliger Sicherheit auf-
geklärten Stellen im Prolog des Pardoner beweist das.
C. T. C 350 Than have I in latoun a sholder-boon
Which that was of an lioly Jewes shepe.
C. T. C 361 As thüke holy Jewe our eldres taughte.
Bell hatte sehr recht, wenn er in seiner Anmerkung zu
C 351 bemerkte: „it must be understood of some Jew before
the Incarnation."
Wenn schliefslich Chaucer in Melibaeus C. T. B 2291 die
Juden als „the peple of god" bezeichnet, während die Quelle
nur „S071 j^cujjle" mit Bezug auf Hester hat, und wenn der-
selbe Ausdruck in der Man of Lawes Tale B 942 an einer von
Chaucer stammenden Stelle wiederkehrt, so ist das wohl nur
als eine Reminiszenz aus der Bibel aufzufassen. Diese Stellen,
wie auch Man of Lawes Tale B 489, wo der Übergang des
„peple Ebraik" über das Rote Meer (als Zusatz zur Quelle)
707
erwähnt wird, sind ganz objektiv. (Oliue Bedeutung sind die
Stellen Farne 1433, C. T. B 2052, C. T. J 889).
Ich habe bei dieser „Judeufrage" etwas weiter ausgeholt,
weil sie für Chaueers religiöse Grundstimmung von Bedeutung
ist und ferner, weil nur so mehrere Stellen der P. T. richtig
gedeutet werden können. Es sind das:
J 591: For certes, it senieth that ye thinke that the cursede Jewes
ne dismembred uat y-nough the preciouse persone of Crlst, but je dis-
membre bim more.
J599: Tlianne semeth it, that men that sweren so horrlbly by bis
blessed name, that they despyse him more boldely than dide the cursede
Jewes, er elles the devel that ireiubleth whan he hereth bis name.
Der erste Fall, den schon Koeppel,i) Archiv 87,40 in
Parallele zu CT. C 475 und 709 stellte, steht ähnlich bei
Frfere Lorens (s. Eilers S. 16 Diss.-Ausgabe) und stellt einen
allgemein üblichen Ausdruck dar. 2) Die zweite Stelle ist
samt der Umgebung ohne jegliche Parallele in den Quellen.
Bezeichnend ist mir der Ausdruck „cursed" an beiden
Stellen. Im ersten Fall ist es bedeutsamer, weil die Quelle,
wie gesagt, sonst grofse Übereinstimmung zeigt. Hiermit ver-
gleiche man folgende Stellen der Prioresse's Tale, für die die
vielen anderen Versionen nichts Gleichartiges bieten:
CT. B 1759 And as the child gan for-by for to pace,
This cursed Jew him heute aud heeld him faste
C. T. B 1788 ... and atte laste thus she wroghte,
Among the cursed Jewes she him soghte.
CT. B 1874 0 yonge Hugh of Lincoln, slayn also
With cursed Jewes, as it is notable,
Für J 599 ist überdies der scharf pointierte Gegensatz
zwischen den Juden und Christus zu beachten, der sich weiter
in der erst hierdurch ins rechte Licht gerückten Stelle aus-
spricht :
J663: The firste grevance is of wikkede wordes; thilke suffrede
Jesu Crist with-outen grucching, ful pacieutly, whan the Jewes despysed
and repreved him ful ofte.
1) Nachdem dies geschrieben war, kommt J. Koch, ESt. 44,114
hierauf zurück, indem er als gemeinsamen Ursprung der Ausführungen
über Fluchen und Spielsucht die Quelle zur P. T. vermutet.
*) Vgl. dazu J.L.Lowes, Illustratious of Chaucer. Drawn chiefly
from Deschamps. Eomanic Review II 113 ff. (1911).
45*
708
Diese Stelle ist ohne Parallele, aber an und für sieli
weniger beweisend, weil der ganze Abseliuitt — Remedium
Irae — überhaupt von den bekannten Quellen stark abweicht.
Mau könnte weiter auch J 899 heranziehen, gleichfalls
ohne Parallele in der Quelle, aber mit Gegenüberstellung von
Judengesetz und Christi Auffassung; überdies wird in J 890
der für Chaucer charakteristische Bufsgedanke (s. oben unter 3)
eingefügt.
Dazu die schon von Koeppel (s. o.) wegen ihrer wört-
lichen Anklänge herangezogenen Stellen CT. C 475 und 709
(letztere ohne Beziehung auf die Juden).
Danach kann betreffs des Zusammenhangs zwischen der
P. T. und der Prioresse's Tale, sowie betreffs Chaucer's An-
schauungen und Äulserungen über die Juden m. E. kein Zweifel
mehr bestehen.
Schlulsbemerkung.
Weitere religiöse Quellenkriterien, für die das Material aus ver-
schiedenen Gründen zurzeit noch nicht ausreicht, werden sich voraus-
sichtlich ergeben aus Chaucer's Stellung zur höheren Geistlichkeit, aus
seiner Ansicht von der Flagellatiou, aus seinen Anspielungen auf Adauj,
Eva und den Sündenfall, auf Judas und aus anderem mehr.
6. Mcht- religiöse Quelleukriterieu.
Aulser den unter Nr. 1 — 5 behandelten Quellenkriterien,
die sich auf rein religiöse Dinge beziehen, ergeben sich natürlich
aus einer aufmerksamen Betrachtung von Chaucer's Werken
und Vorlagen noch solche anderer Art. Da ich in Anbetracht
des Charakters der Parson's Tale und des Zwecks meiner
Gesamtuntersuchung (von der diese vorliegende nur ein Teil
ist) das Hauptgewicht auf die religiösen Kriterien legen mufste,
ist diese zweite Gruppe nur anhangsweise gestreift. Besondere
Untersuchungen werden dafür nötig sein; ihre Zahl wird sich
parallel den Fortschritten der Quellenforschung und der durch
diese ermöglichten Vergleichungen mit den Werken Chaucer's
vermehren. Auch für die im folgenden schon angedeuteten
Kriterien ist das Material bei der vielfachen Unsicherheit
unserer Kenntnis der direkten Vorlagen noch nicht von solcher
Fülle und Beweiskraft, wie man es wünschen könnte. Trotz-
dem will ich mir nicht versagen, wenigstens in Kürze darauf
hinzuweisen.
I
4
709
ResouD.
Der Dame „Raisoun" hat Chaucer in Leben und Dichtung
stets ein williges Ohr geliehen. Jean Clopinel, der Skeptiker,
war ihm darin ein guter Lehrmeister gewesen, und das Studium
des Boethius und des Augustin hatte ihn mancherlei direkt
und indirekt über die ratio gelehrt.
Um die „Resoun" als Quellenkriterium voll auszumünzen,
fehlen uns zurzeit noch einige Voraussetzungen. Miss Kate
Oelzner-Peterseni) hat in verdienstvoller Weise aufChaucer's
Anlehnung an Trivet's Kommentar zum Boethius durch zahl-
reiche Einzelbeispiele hingewiesen. Es fehlt uns aber noch die
vollständige Parallelausgabe, mit Hilfe derer ich die folgenden
Beispiele aus Boethius richtig bewerten könnte:
Boethius b. III pr. X 32; b. I pr. III 48; b. III met. XI 25;
b. IV met. III 28.
Daher beschränke ich mich hier einstweilen darauf, die
ührigen charakteristischen Stellen in den Werken Chaucer's
und in der P. T. nur durch Versangabe zu kennzeichnen und
behalte mir die weitere Erörterung für den zweiten Teil vor,
der auch Chaucer's Ansicht von den Erkenntnisquellen christ-
licher Wahrheit behandeln wird.
C. T. A 37 und im Vergleich mit C. T. E 24, F 591, D 2277
und C. T. A 847 (ebenso C. T. F 295).
Ferner CT. B15; C457; B 3408; B 219; (dazu vielleicht
auch D 1796).
Im Vergleich hierzu sehr viele Stellen in der P. T. :
J261fif., von Simon für echt gehalten. Die Quelle ver-
sagt, aber die Stelle zeigt zum mindesten Spuren Chaucer'scher
Überarbeitung. Heranzuziehen wären vielleicht Troilus IV 572 flF.,
1583 ff., 1678.
J294flF. Erweiterung gegenüber R, aber es ist Frage, ob
nicht eine andere Stelle von Einfluls war.
J 436 Quelle (s. Petersen) hat keine Parallele.
J 537, J 560, J 707, J 733, J 746 (gestützt in J 745 durch
das Quellenkriterium „Gott > Christus" (s. oben S. 700 ff.), J 752
(wahrscheinliche Erweiterung), J 764 (ohne Entsprechung in
1) Chaucer and Trivet. Publications of tlie Modern Language
Association of America 18, 173—193 (1903).
I
710 3
den Vorlag-en, aber priiclitig zu Chaucer.s's Anseljauimgen
stimmend), J 811, J 822, J 990.
Gentilesse.
Auch hier fehlen noch allerlei Voraussetzungen, so bezüg-
lich des Boethius, wie oben erwähnt. Chaucer's Abhängigkeit
vom Kosenroman liegt uns klarer vor Augen. Man vergleiche
„Gentilesse", C. T. D 1109 ff. mit J 461 ff. (was in allem Wesent-
lichen aus der Quelle übernommen ist, wenn auch J 462 die
oben unter 4 besprochene Änderung von Gott in Christus
bemerkenswert ist) und J 154 (ein kürzerer Hinweis auf die
Gentilesse Christi -Gottes in einem unzweifelhaft echten Ab-
schnitt). «
Schliefslieh wird der Druck des Trivetkomraentars zum "
Boethius auch auf folgende interessante Stellen Licht werfen:
Boethius II p. 2, 53. fl
Lernedest nat thon iu Greke, whau thou were yonge, that in tlie
entree or in the celere, of Jupiter, ther beu concbed two tounes;
Der lat. Text hat:
Noune adulescentnlus duas urnas ... in Jouis limine iacere
didicisti ?
Dazu J 411:
. . . signe of the wyn that is in the celer. fl
P hat: . . . si ibi non est vinum renale.
NB. Einiges über Qnellenkriterien siehe auch unter c').
ci) Andere Kriterien.
Bei allen bisher augeführten Kriterien konnte ich Chaucer's
Methode der Quellenbehandluug als Beweis für die Echtheit
der P. T. ins Feld führen. Bei einer Eeihe anderer, auf die
schon Koch und Koeppel mehr oder weniger ausführlich
hingewiesen haben, ist das überhaupt nicht oder nur einseitig
möglich. Trotzdem darf ich es zur Schliefsung der Beweis-
kette nicht unterlassen, sie — meist durch blolsen Verweis
auf die Artikel der genannten Gelehrten — in aller Kürze
wenigstens zu streifen.
1. Spott über die Frauen. Mann und Frau (Ehe).
Themen, die Chaucer bekanntlich mit grofser Vorliebe,
z.T. allerdings im Anschluls an den Rosenroman, behandelte.
Man denke vor allem an die Frau von Bath.
?■
711
Betreffs des Ersteren') erinnert uns Koch (Auglia
V, 134) an J 631 — 634, wofür die Quelle (P) aber schon deut-
liche Anhaltspunkte gibt, und § 79 f. Koeppel zeigt die
Gleichheit von J 155, eine Stelle, die keine Entsprechung in
den Quellen hat, und C. T. D 784.
Betreffs des zweiten lälst sich beobachten, wie schon
Eil er 8 au mehreren Stellen hervorhob, dafs Chaucer die von
der Ehe handelndeu Abschnitte mit breiter Behaglichkeit
wiedergibt oder weiter ausführt oder gar, im Gegensatz zu
seiner Vorlage neu einführt. So J 917 ff. über den sittlichen
und kirchlichen Begriff der Ehe (vgl. Eilers S.45, 47, Petersen
S. 76f.), J 921 ff. über die sittlichen und natürlichen Gründe
der Monogamie (Eilers S. 47, Petersen S. 76f.) und J 925 ff.
über die ehelichen Pflichten des Mannes, Duldung und Achtung
des Weibes und umgekehrt (Eilers und Petersen ebenda,
Koeppel a. a. 0., der J 929, C. T. E 1384 an die Seite stellt).
Weitere wichtige Parallelen führte Koeppel a. a. 0. an und
zwar C. T. E 1443 ff. und D 129 ff zu J 739 f. und C. T. E 1838 ff.
zu J 859. — Dazu vgl. schlielslich J 927 mit Lenvoy a
Bukton 22.
2. Kritik aktueller Frageu.
Geifselung der Modetorheiten J 416 ff. (vielleicht dazu
J 197). Vgl. Koch, Anglia V, 134. — Klage über die „harde
lordshipes" J 752 ff. im Vergleich zum Envoy von Stedfastnesse.
Vgl. Koch ib. — Bemerkungen über den Reichtum. Sieh
Koeppel a a. 0. S. 42 f. (dazu vgl. J 276 und auch J 193 mit
den entsprechenden Quellenfassungen). Hier liefse sich auch
wohl am besten die schon von Eilers erwähnte Tatsache an-
führen, dafs der Verfasser der P. T. beim Kapitel „lesinges,
thefte, fals ivitinesse, and false othes" J 795 ff. mehr den kauf-
männischen Betrug (über den schon J 777 ähnlich der Vorlage
gehandelt war) berücksichtigt. Sollten wir darin vielleicht
einen Einfluls von Chaucer's Beruf auf seine dichterische
Tätigkeit erblicken? — Dann würden wir auch vielleicht die
vom Verfasser der P. T. hineingebrachten Stellen über Kuppelei
etc. J 885 f. und 976 als eine Wirkung seiner in London ge-
machten Erfahrungen ansehen können.
1) Vgl. auch G.L.Kittredge, Ch.'s Discussioa of marriage. MPh. IX
(April 1912) und dazu John Koch, ESt. 44, 112 f.
712
3. Aberglauben, Zauberei «lud ähnliches.
Koch (Angliii V, 134) verweist schon mit Recht auf J603flf.
(ohne Parallele iu den Quellen), wobei uns die Frankeleyn's
und Canon Yeoman's Tale einfallen; vgl. insbesondere:
J 6U5: and swich inanere wrecchednesse mit CT. F 1271: . . . and
his wrecchednesse of swich a supersticious cursednesse.
Aber es sind der Stellen noch mehr:
J 341: bat fnlly ne shal it [die Verführung] nevere qnenche, that he
ne shal som tyme be meoved in him-self, but-if he were al refreyded by
siknesse, or by malefice of sorcerie, or colde driukes.
Dazu J 97f>: And the same shal Ihe man teile pleynly . . . whether
he hath . . . per-aventure, broken ther-fore his penance enioyned; by whos
help and whos conseil; by sorcerie or craft; al moste be told.
Im ersten Fall ist der ganze Abschnitt (die Überleitung
von der Bufspredigt zum Sündentraktat) original, im zweiten
charakterisiert sich der zweite teil des mitgeteilten Zitats als
ein deutlicher Zusatz bei sonst engem Ansehluls an die Quelle.
Der Zusammenhang zwischen beiden Stellen erhellt auch daraus,
dafs die Abfassung beider Abschnitte zeitlich zweifellos zu-
sammenfiel. Im übrigen vgl. man hierzu:
C. T. B 754 The moder was an elf, by aventnre
Y-come, by charmes or by sorcerye
Die Quelle (Trivet) hat nur : ele fu malueise espirit en fourme de femme.
Zu J 602 und 605: der Ausdruck ,,hj sort" klingt uns
besonders vertraut. Troilus III, 1047 und IV, 115 begegnet er
in Abschnitten, die von Chaucer hinzugefügt sind. Über „hy
dremes" braucht kein Wort verloren zu werden.
Weiter läfst sich aus der P. T. anführen :
J 574: Eek if a man, by caas or aventnre shete an arwe etc.
(ohne Parallele in den Quellen).
Vgl. an einer originalen Stelle im Troilus:
IV 388 „thorugh cas or aventure"
und ebenso an einer originalen Stelle in der Knightes Tale:
CT. A 1074 „by aventure or cas."
J 585: or elles it is his destinee, as he seith,
Dazu Hous of Fame 187: And seyde, he moste unto Itaile,
As was his destinee, sauns faule.
Ferner C. T. A 1108 (nicht bei Boccaccio); ebenso ib. 2323;
vgl. auch C. T. A 1644.
713
Ahnlich dlirfeu wir vielleicht auch die Einführung des
Gedankens
J 913: Somtyme of iufenuetec ; for tlie feblesse of the vertu retentif
as phisik inaketh lueucionn (vgl. Eilers S. 39 und Petersen S. 76)
für Chaucerisch halten. Vgl. dazu die Erwähnung der jthysik
an einer originalen Stelle im Troilus II, 1038 und ebenso C. T.
B 1189.
4. The four Inimours.
Hingewiesen sei auf die Zusätze:
J 537 : For certes the herte of man, by eschaufinge and moevinge of
bis blood, wexeth so trouble, that he is ont of alle Jugement of resoun.
J826: The fourthe is whan tbiirgh the grete habundaunce of bis
mete, the humours in bis body been destempred.
J913: Somtyme, of langnissinge of body; for the humours been
to ranke and habuudannt in the body of man.
Fröre Lorens hat „li soef lit" (sonst enger Anschlufs).
Ich erinnere an Gen. Prol. A 419 :
Ile (the doctour) kuew the cause of everich maladye,
Were it of hoot or cold, or moiste, or drye,
And where eagendred, and of what humour;
(Gedanken, die Chaucer wohl aus seiner Kenntnis des
Boethius geschöpft hatte, vgl. Boethius b. III, met. XI, 13fif.);
vgl. auch C. T. A 1375 (ohne Parallele bei Boccaccio).
Ferner J 585 : or elles he dide it for his yonthe, or elles his com-
plexiouu is so corageous mit Hous of Farne 21, CT. A 333 sowie dem
wahrscheinlichen Zusatz Chaucer's in Boeth. B. IV pr. VI 135 flf.
5. Stilistische Kriterien.
Gegenüber dem in den vorangegangenen Kapiteln heran-
gezogenen Beweismaterial spielen stilistische Kriterien nur eine
nebensächliche Rolle; dazu kommt, dafs sie bei dem gegen-
wärtigen Stande der Forschung auf diesem Gebiet zum Teil
noch schwer greifbar und überall da unsicher sind, wo wir
nicht die unmittelbare Quelle Chaucer's, man könnte sagen,
wo wir nicht die von ihm benutzte Handschrift seiner unmittel-
baren Quelle zur Verfügung haben und zum Vergleich heran-
ziehen können. Denn wie oft sind nicht kommentierende Rand-
bemerkungen in Chaucer's Darstellungen übergegangen! Und
daran anschlielsend hat Chaucer selbst die Kommentiermethode
übernommen.
7U
a) Zwei Synonyma für ein Wort der Qnelle.
T. N. Lounsbury sagte in seinen „Studies in Chaucer"
11,154:
„Every 'one wlio examiues carefutly the poet's versiou of Boetbius
will be Struck by the frequeiicy with which a Single noiin or verb of the
Latin is reudered into English by two which have littlc or no dififereuce
in thcir meaning."
Mifs K. Oelzner- Petersen hat nun in ihrem Aufsatz
„Chaucer and Trivet" (PubMLA. XVlIl,178ff. u. Anm.) die über-
raschende Tatsache durch Beispiele erhärtet, dafs Chaucer diese
Kommentiermethode einfach aus Trivet's Boethiuskommentar
übernommen hat. In welchem Umfang Chaucer diese Methode
seinerseits selbständig ausbildete, kann erst nach Veröffentlichung
der Parallelausgabe entschieden werden.
Bei der Frage der Echtheit der Parson's Tale interessiert
zunächst die Tatsache, dafs hier genau dieselbe Methode An-
wendung findet, ob in Anlehnung an die unmittelbare Quelle
oder in selbständiger HinzufUgung, läfst sich vorderhand nicht
sagen und wäre vielleicht auch gleichgültig; denn die Zahl
der Beispiele ist Legion und über die ganze Parson's Tale ver-
streut; Substantive, Adjektive und Verben sind vertreten, wenn
auch in ungleichem Malse und in verschiedener Weise. Ich führe
für jede Wortart an dieser Stelle nur je ein Beispiel an:
JS9: he is ajaper and a gabber and no verray pcnitent
Quelle (Petersen S. 5): Irrisor est, uon poenitens.
J 107: . . . what is bihovely and necessarie . . .
Quelle: quae sint necessaria.
J 83: ... and whiche thinges apertenen and bihoven to Pcuitence.
Qnelle: quae sint necessaria in vera peuitentia.
Manche Beispiele lassen sich schon in den bekannten
Quellen nachweisen, andere erweisen sich als Übergaogs-
beispiele zur Erklärung dieser stilistischen Erscheinung, wieder
andere werden sich voraussichtlich wie im Boethius als original
Chaucerisch herausstellen. Jedenfalls liegen stilistische Pa-
rallelen vor, die wir zur Ergänzung des Beweises für die
Echtheit der P. T. heranziehen dürfen.
b) Zusätze mit „that is to seyn".
Mutatis rautandis können wir das unter a) Gesagte auch
auf diese stilistische Eigentümlichkeit anwenden. Wie jene
I
i
715
ist auch diese Frage aus den angegebenen Gründen noch nicht
spruchreif. Teils liegt lat. scilicet oder id est vor, teils sind
die Stellen ohne Parallelen in den Quellen.
c) God wot, god forbede.
Auch diese Ausdrucksformeln können nur dann zum Be-
weise verwertet werden, wenn und wo die direkten Quellen
vorliegen. Ich gehe also darüber hinweg, füge aber hinzu,
dafs Lounsbury die erste Wendung als einen Beweis für die
Echtheit des ßosenromans gedeutet hat.
d) Quelleuzitate — Berufung auf Autoritäten.
Hierfür gilt das gleiche. Aufserdem sind auch hier noch
viele einzelne Vorarbeiten erforderlich.
e) Lebendigkeit des Stils.
Alle Werke, die mit der P. T, quellenmälsige Berührungs-
punkte zeigen, von Fr^re Lorens and Raymund angefangen
bis zum „Clensyng of Mannes Sowie" sind ohne Ausnahme in
einem gleichmälsig lehrhaft- trocknen Stil geschrieben, ohne
jede Spur eines Versuchs, die Darstellung anschaulich zu ge-
stalten. Auch den der Bulspredigt verwandten Fassungen
kann man keine lebendige Frische nachrühmen. Dagegen ist
in der P. T. das entschiedene Bestreben zu erkennen, das
Interesse des Hörers (Lesers) durch eine gewisse lebhafte und
anschauliche Ausdrucksweise zu wecken und zu fesseln. Man
vergleiche z. B. § 9 der P. T. mit dem entsprechenden Passus
in der Quelle C (Liddell S. 267), man achte auf „for soothly'^
J 125, J 488 etc., das von der Sprache der Bibel hergenommen,
nur vereinzelt in den Quellen vorkommt, aber zu dem vom
Pfarrer anzuschlagenden pastoralen Ton vorzüglich pafst (ebenso
die Wendungen „Noiv shal[t] ye [thoiv] understonde"), ferner
das eingeschobene „And ivhy?^' J 167 und 265 und die Ein-
führung sonstiger Sätze in Frageform wie J 203, 236.
Aber wie an echt gehaltenen Stellen, so auch an angeblich
interpolierten. Man lese z.B. J 497, 559, 578, 670 ff., 811 (vgl.
auch [unter Vorbehalt] Boeth. b. I met. 1, 15 Alias! Alias! gegen-
über „Eheu" im Original) u. a. und wird bei einem Vergleich
mit den vorher angegebenen eine gewisse Einheitlichkeit in
716
der Darstelluiiffsform herauskennen müssen. Die Tatsache
springt zu selir in die Aug-en ah dafs es nötig wäre, über diese
kurzen Andeutungen hinauszugehen.
Eine ebenfalls stilistische aber auch den Inhalt stark be-
rührende Eigentümlichkeit der P. T. sind Vergleiche, die nur
zum geringen Teil in den Vorlagen eine Entsprechung finden.
Furnivall machte schon 1871, also lange Zeit vor Entdeckung
der Quellen, in den „Notes" zu seinen „Trial Forewords" die
Bemerkung, dals ihm J 424, wo von dem dürftig gekleideten
Volk gesprochen wird, der Ausdruck
„aud eek the buttokes of hein faren as it were the hindre part of a
she-ape iu the fülle of tlie mone."
Chaucerisch schiene. Seine Hoffnung, nach Entdeckung der
Quelle diesen Vergleich in ihr nicht zu finden, ist (bisher)
erfüllt worden (dagegen hat sich der Ausdruck über die
„harde lordshipes^' , auf den aber F. auch ausgesprochenermalsen
weniger Gewicht legte, als aus der Vorlage übernommen heraus-
gestellt).
Aber es sind nocb manche andere Vergleiche da, die wir
in den Vorlagen vergeblich suchen. Ich erwähne nur J 185
zu Anfang des langen (stets für echt gehaltenen) Exkurses
über die Höllenstrafen:
The derknesse of deeth been the sinnes that the wrecched mau bath
doon; whiche that destourben hiiu to see the face of god-, right as doth
a derk cloude bitwixe us and the sonne.
Ein weiterer Vergleich aus der Natur J 620 bei sonst
engem Anschluls an die Quelle:
And ofte tyme swich cursinge wrongfully retorneth agayn to bim
that curseth, as a bird retorneth agayn to bis owene nest.
Quelle: Aliud malum est quod maledictio quam aliquis facit, super
Caput malediceutis revertitur.
J 1068 und Koeppels Parallelen etc. Jedenfalls zeigt uns
diese kleine Auslese die Belebung der Darstellung durch Ver-
gleiche in Bulspredigt und Süudentraktat. ')
Anm.: Sonstige stilistische Anklänge sind von Koch und Koeppel
a. a. 0. beobachtet, worauf ich verweise. Betreffs des von Koch heran-
gezogenen Zitats
\
*) Im übrigen vgl. man auch Fr. Klaeber, Das Bild bei Chaucer.
Berlin 1893.
717
„Jay tont perdu mon temps et mon labour" (J 248)
und Fortune 7, sowie des Ausdrucks J 2G3 ,,turned up so doun" im Ver-
gleich zu Stedfastnesse 4 sei darauf hingewiesen, dafs die diese Stellen
enthaltenden Abschnitte auch von Simon nicht beanstandet worden sind.
— Betr. fortherover s. S. 718 ff.
6. Syutax und IVortschatz.
Auf diesen Gebieten bedarf es noch vieler Vorarbeiten, ehe
wir aus ihnen mit Sicherheit Kriterien entnehmen können; für
den Wortschatz insbesondere ist die zu erwartende Flügel'sche
Konkordanz ein unentbehrliches Hilfsmittel.
y) Ergebnis.
Die Antwort auf die beiden zu Anfang des Abschnitts III a
(„Vorbemerkungen") auf S. 661 aufgeworfenen Fragen kann
nun nicht mehr zweifelhaft sein. Die zahlreich nachgewiesenen
Übereinstimmungen zwischen der Bufspredigt und dem Sünden-
traktat, besonders die von mir herangezogenen Quellenkriterien,
lassen keinen anderen Schluls zu als den: Bufspredigt und
Sündentraktat müssen dieselbe Person zum Verfasser haben.
Weiter zeigen meine Ausführungen im Verein mit denen ^on
Koch und Koeppel, dals auf grund derselben Beziehungen
zwischen der Bufspredigt und dem Sündentraktat einerseits und
den Werken Chaucer's andrerseits an dessen Autorschaft nicht
mehr gezweifelt werden kann.
c) Bufspredigt und Sündentraktat von Chaucer zur Parson's Tale
vereinigt?
Es bleibt nun noch zu untersuchen übrig, ob auch die
Verschmelzung von Bufspredigt und Süudentraktat zm\P. T.
durch Chaucer vorgenommen ist. Wie schon erwähnt, war es
Simon, der das zuerst entschieden verneinte, wenn er auch
die Verfasserschaft Chaucer's betreffs des Sündentraktats nicht
gerade in Abrede stellen wollte. Diese Frage hat Koeppel
kritisch beleuchtet. Nachdem er die aus Eilers's Unter-
suchung sich ergebende Tatsache erwähnt hat, dals der englische
Traktat
„von unzähligen kleineren Verschiedenheiten abgesehen, der Somme
gegenüber einige gröfsere Einschaltungen aufweist",
718
stellt er den Satz auf:
„Wenn sich nun feststellen lUfst, dafs diese Einschaltungen aus der-
selben Feder geflossen sind, welche die Bufsiiredigt schrieb, wird die
Annahme, dafs, von einigen Korruptelen der Überlieferung abgesehen, die
uns vorliegende Gestalt der P. T. das Resultat einer von Chancer selbst
vorgenommenen Redaktion ist, festen Boden gewinnen."
Den Beweis dafür sielit Koeppel dann in der der Bufs-
predigt und den Einsehaltung-eu gemeinsamen Verwendung des
Adverbs „fortherover", das eine stilistische Eigentümlichkeit
des alten Chaucer ist.
Ich kann mich der Beweismethode Koeppel's in dieser
Form nicht wohl anschliefsen. Zwar wird durch die neuer-
lichen Quelleufunde an der Tatsache nichts geändert, dafs
die in Frage stehenden Einschaltungen in ihren wesentlichen
Bestandteilen noch ohne Parallele in den Quellen sind. Die
Sachlage bleibt also dieselbe. Aber Koeppel's Art der Frage-
stellung würde zur Voraussetzung haben, dafs alle Ein-
schaltungen zu derselben Zeit vorgenommen sind, als nämlich
der Dichter die Verschmelzung von Bufspredigt und Sünden-
traktat zur P. T. bewerkstelligte. Nun wäre es aber doch
sehr merkwürdig — und das müfste überdies erst bewiesen
werden — , wenn der Dichter, der doch nach Koeppel's eigener
Annahme den Sündentraktat schon „in den 80er Jahren" über-
setzt hatte und erst viel später den Gedanken zur Ausführung
brachte, eine Bufspredigt zum Schlaf sstein der CT. zu be-
nutzen, erst bei der Einfügung in die P. T. eigene Gedanken
in gröfserem Umfange hinzugetan hätte. Vielmehr ist doch
der Vorgang so zu denken, dafs der Dichter diese Ein-
schaltungen, wohlgemerkt innerhalb des Textes des Sünden-
traktats, also zwischen J 387 und J 955, gleich bei der Über-
setzuug oder besser gesagt bei der Bearbeitung seiner Vorlage
vornahm.
Anders steht es nun aber mit der Einschaltung oder
richtiger den Abschnitten, die von der Bufspredigt zum Sünden-
traktat hiuü herleiten (J 321 — 386). Wenn sich zeigen läfst,
dafs dieser Absatz, sowie der vom Süudentraktat zum zweiten
Teil der Bufspredigt hinüberleiteude Abschnitt (J 958 t!'.) offen-
kundig zum Zwecke der Überleitung gemacht ist und von
Chaucer stammt, so ist damit bewiesen, dafs der Dichter den
I
719
Sündeutraktat als einen Teil der P. T. gewollt hat. Wie man
sieht, mufs die ganze Fragestellung verschoben, der Umfang
der Frage eingeschränkt werden. Aus einem Vergleich mit
den hier in Frage kommenden Quellen geht nun hervor, dals
der Verfasser der P. T. in diesen Abschnitten charakteristische
Umstellungen seiner Vorlage gegenüber gemacht hat, um einen
möglichst geschickten Übergang von einem Teil zum andern
herzustellen.!)
Sind nun diese Übergangskapitel mit dem Namen Cbaucer
in Verbindung zu bringen? Bei Gelegenheit der Erörterung
der zahlreichen Kriterien für die Einheit und Echtheit der
P. T. habe ich an vielen Stellen auch aus diesen Abschnitten
Beispiele der verschiedensten Art anführen können, die in ihrer
Gesamtheit an der Echtheit auch der Übergangskapitel keinen
Zweifel mehr lassen können. (Eine nochmalige Aufzählung
der charakteristischen Stellen wäre eine zwecklose Wieder-
holung, daher genüge der Hinweis). Darnach wird man sich
nicht mehr der Überzeugung verschliefsen können, dafs der
Traktat über die sieben Todsünden von Chaucer's eigener Hand
zu einem Bestandteil der P. T. gemacht worden ist. Ich komme
also zu demselben Ergebnis wie Koeppel, nur auf anderem
Wege und mit Hilfe vieler Kriterien, während Koeppel nur
das stilistische Kriterium des Adverbs „fortherover'' zu Gebote
stand.
Anm. 1: Da dieses Adverb „fortherover" für Koeppel's Beweis-
führung eine ausschlaggebende Rolle gespielt hat, verlohnt es sich, anhangs-
weise noch eißiges darüber zu sagen. K. fand es (siehe Arch. 87, 49) in
Chaucer's Werken aufser in der P. T. nur fünfmal Troilus IV 99 1 , V 903,
Compleynt unto Pite 85, Astrolabe zweimal; dazu käme noch CT. C 648.
In der P. T. findet es sich, soviel ich sehe, im ganzen 17mal und zwar
in der Bufspredigt J 1915, 199, 207, 270, 271, 304, 305, 313 (an Stellen, die
von Simon für echt gehalten wurden), J 321 im Übergangskapitel; im
Sündentraktat J421, 437 (forther), 701 (desgl.), 758, 765, 839, 893, 924.
(Auffällig ist es, dafs sich danach kein Beispiel mehr findet.) Koeppel
hatte zweifellos recht, dafs er den Gebrauch dieses Adverbs für eine
Eigentümlichkeit des (alten) Chaucer erklärte. Das beweist sein häufiges
Vorkommen iu den Abschnitten der Bufspredigt, deren Echtheit nie
bezweifelt worden ist, das beweisen insbesondere die Stellen, wo sonst
der Anschlufs an die Quelle eiu genauer ist, und schliefslich sein Vor-
^) Man vergleiche die befr. Stellen bei K. Oelzner-Petersen und
Mark H. Liddell a. a. 0.
720
handeuseiu in Teilen des Siiudentraktats, die in den Vorlagen keine Ent-
sprechnng finden. Die Bedentung dieses Adverbs für die P. T. ist bei-
spiclshalber ähnlich der des von mir angelührten „that is to sey7i". Es
beweist die Einheit und Echtheit der P. T. (also auch der Übergänge).
Darauf allein jedoch den Beweis zu bauen, dafs Chaucer die P. T. in
der überlieferten Form hergestellt hat, schien mir nicht ausreichend.
Anm. 2: Der unter c) geführte Beweis würde sich erübrigen, wenn
wir Mifs Petersen's Ansicht über die Parson's Tale beipflichten könnten.
Mil's Petersen spricht (a. a. 0. S. SO) die Ansicht aus, dal's „Chaucer's
original was a single treatise, consisting of a wofked-over copy of De
Poenitentia into which had been fitted a similarly worked-over copy of
the Summa de Vitiis".
Dafs Ch. einen aus Sündentraktat und Biifspredigt zusammengesetzten
Traktat schon vorgefunden hat, ist aber unwahrscheinlich, denn dann würde
er — soviel dürfen wir unserem Chaucer doch zutrauen — mit Rücksicht
auf seinen Pfarrer, der die Predigt hält —
1. die lateinischen Sätze oder Teile von Sätzen und Zitate,
die sich im SUndentiaktat finden, nicht mit übernommen haben.
Dals sie im Sündentraktat vorhanden sind und wohlg-emerkt(!)
nur da vorhanden sind (nicht auch in der Bufspredigt), zeigt
2. im Verein mit den Bemerkungen J956f., dals der
Abschnitt über die Sünde von Chaucer ursprünglich als eine
Abhandlung für sich bearbeitet war; sonst würde er eben das
lateinische Beiwerk übersetzt und die Bemerkungen J956f.
fortgelassen haben.
C. Sclilussergebnis.
Wenn wir zum Schlufs den Weg der hier geführten Unter-
suchung noch einmal überschauen, so gewinnen wir daraus mit
zweifelloser, abschliefseuder Gewifsheit als Gesamtergebnis,
dals die Parson's Tale in allen ihren Teilen, so wie sie uns
überliefert ist, als ein Werk Chaucer's angesehen werden
mufs.
Die von Simon, Eilers und ten Brink gegen die Echt-
heit erhobenen Einwände haben teils eine Widerlegung erfahren,
teils mit Hilfe früherer Forschungen eine Erklärung gefunden,
die jeder billig Denkende als befriedigend wird bezeichnen
müssen. Ich gebe mich der begründeten Hoffnung hin, dafs
721
der früher von Furnivall, Koch, v. Düring iind Koeppel
vertretenen und mit guten, aber nicht immer ausreichenden
Kampfesmitteln verteidigten Ansicht nunmehr zur dauernden
Anerkennung verholfen ist.
Müssen wir somit die Erzählung des Pfarrer's in den
Canterbury Tales als ein Werk Chaucer's ansprechen, so folgt
daraus weiter, wie schon eingangs betont, dafs sich der Dichter
die darin enthaltenen religiösen Anschauungen zu eigen gemacht
und (wenigstens zur Zeit der Abfassung und Kompilation der
Parson's Tale) ein streng -gläubiger Katholik war. Da die
Entstehung der P. T, in das letzte Drittel seiner Lebenszeit ^)
fällt, müssen wir in ihr die Überzeugung des geistig aus-
gereiften Mannes niedergelegt sehen.
Diese Überzeugung bietet uns nun des weiteren die Grund-
lage für eine Darlegung der Lehre und der Einrichtungen der
katholischen Kirche im Lichte Chaucer'scher Auffassung.
') Auf die Frage der Chronologie konnte ich hier natürlich ebenso-
wenig eingehen wie auf die Frage, ob Chaucer als unmittelbare Vor-
lagen lateinische oder französische Texte benutzt hat. — Auch die Frage
der „Retractatio" möchte ich erst an anderer Stelle wieder erörtern.
Studien zur engl. Phil. L, 46
Nachtrag*
zu dem Artikel „üas alteuglisclie lleimlied"
(S. 194f.).
1. Zu V. 45 {feor = Jjeoj') vgl. noch weorcfeos = -peos
'Arbeiter' Gen. V. 2720. Ob hier ein Schreib- oder Hörfehler
vorliegt, dürfte schwer zu entscheiden sein. Bekannt ist ja,
dafs englische Kinder oft das th durch f ersetzen, und auch
dialektisch kommt dieser Wechsel vor, vgl. Wright, Engl. Dial.
Gram. § 313. Ich erinnere noch an russ. Feodor für Theodor.
2. Zu V. 67 des Reimliedes vgl. noch den von Zupitza in
der Anglia I, 285 aus der Hs. Gott. Faust. A, X veröffentlichten
Vers *
hat äcölaö, hivit äsöJad,
mit der lat. Übersetzung: ardor frigescit, nitor sqiialescit.^)
Er weist auch S. 286 darauf hin, dafs im Reimlied sumurhät
und searohwU als Composita aufzufassen seien. Das Adj. sol
finde ich in der metrischen Psalmenübersetzung GXX, 6 :
ne ])e sunne an dcege sölne gebcerne,
d. h. ' die Sonne brenne dich nicht dunkel am Tage ! '
*) Sollte nicht ein derartiges lat. Gedicht dem Reimlied zugrunde
liegen ?
F. Holthauseu.
Verlag- von Max Niemeyer in Halle a. S.
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Ji 3,60
Druck von Ehrhanlt Karras, HaUc a. 8.
T.
I
fiiNDiNG SZZ7. ::t n 1985
PE Festschrift für Lorenz
26 Morsbach
M6
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