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Full text of "Festschrift für Lorenz Morsbach, dargebracht von Freunden und Schülern. Redigiert von F. Holthausen und H. Spies"

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STUDIEN  ZUR  ENGLISCHEN  PHILOLOGIE 

HERAUSGEGEBEN  VON  LORENZ  MORSBACH 


FESTSCHRIFT 
FÜR  LORENZ  MORS  BACH 

DARGEBRACHT 

VON 

FREUNDEN  UND  SCHÜLERN 


REDIGIERT 

VON 

F.  HOLTHAUSEN  und  H.  SPIES 


HALLE  A.  S. 
VERLAG  VON  MAX  NIEMEYER 

1913 


Verlag  von  Max  Nieiiieyer  in  Halle  a.  S. 


Studien  zur  englischen  Philologie. 

Herausgegeben  von  Lorenz  Morsbacli. 

8. 

1.  Spies,  II einrieb,  Studien  zur  G eschichte  des  englischen  Pronomens 
im  XV.  und  XVI.  Jahrhundert.  (Flexionslehre  und  Syntax)  1S97. 
XIX,  311  S.  J^S- 

2.  Herzfeld,  Georg,  William  Taylor  von  Norwich.  Eine  Studie 
über  den  Einfluss  der  neueren  deutschen  Literatur  in  England.  1897. 
VIII,  TIS.  .fi  1- 

3.  Tamson,  George  J.,  Word-Stress  in  English:  A  short  Treatise 
on  the  Accentuation  of  Wurds  in  Middle-English  as  compared  with 
the  Stress  in  Old  and  Modern  English.     1898.    XIII,  1B4  S.    Ji  \- 

4.  Roeder,  Fritz,  Die  Familie  bei  den  Angelsachsen.  Eine  kultur- 
und  literarhistorische  Studie  auf  Grund  gleichzeitiger  Quellen.  Erster 
Hauptteil :  Mann  und  Frau.  Mit  1  Abbildung.  1899.  IX,  ls3S.    Ji<c,— 

5.  Schmeding,  Otto,  Ueber  Wortbildung  bei  Carlyle.  1900.  VIII, 
352  S.  Ji  !•»,— 

t).  Cushman,  L.  W. ,  The  Devil  and  the  Vice  in  the  English  dramatic 
Literature  betöre  Shakespeare.     190(1.    XIV,  148  S.  ./£  5,— 

7.  Björk man,  Erik,  Scandinavian  Loan-Words  in  Middle  English. 
Parti.     19U0.    VI,  192  S.  Jih  — 

8.  Mac  Gillivray,  H.  S. .  The  Influence  of  Christianity  on  the 
Vocabnlary  of  Old  English.     Parti.     1902.    XXIX,  171  S.      Ji^  — 

9.  Schücking,  Levin  Ludwig,  Studien  über  die  stofflichen  Be- 
ziehungen der  englischen  Komödie  zur  italienischen  bis  Lilly.  1901. 
109  S.  Ji  :< — 

10.  Hackmann,  Gottfried,  Kürzung  langer  Tonvokale  vor  einfachen 
auslautenden  Konsonanten  in  einsilbigen  Wörtern  im  Alt-,  Mittel- 
und  Neuenglischen.     1908.    XII,  19»i  S.  ^£6,50 

11.  Björkman,Erik,  Scandinavian  Loan-Words  in  Middle  English. 
Part  II.     1902.     S.  193— 3r.0.  Jih  — 

12.  Boerner,  Oskar,  Die  Sprache  Roberd  Mannyngs  of  Brunne  und 
ihr  Verhältnis  zur  neuenglischen  Mundart.     1904.    X,  313S.    Ji%, — 

13.  Wildhagen,  Karl,  Der  Psalter  des  Eadwine  von  Canterbury. 
Die  Sprache  der  altenglischen  Glosse ;  ein  frühchristliches  Psalterium 
die  Grundlage.    Mit  2  Abbildungen,     li^oö.    264  S.  ./i  9,— 


STUDIEN 

ZUR 

ENGLISCHEN  PHILOLOGIE 


HERAUSGEGEBEN 


VON 


LORENZ   MORSBACH 

O.  Ö.  PROFESSOR   AN   DER  UNIVERSITÄT   GÖTTINGEN 


HEFT  L 

FESTSCHRIFT  FÜR  LORENZ  MORSBACH 


HALLE  A.  S. 
VERLAG  VON  MAX  NIEMEYER 

1913 


M^^-ic^ 


A,  Sohmidt,   OSttinfen, 


FESTSCHRIFT 
FÜR  LORENZ  MORS  BACH 


DARGEBKACHT 


VON 


FREUNDEN  UND  SCHÜLERN 


REDIGIERT 


VON 


F.  HOLTHAUSEN  und  H.  SPIES 


HALLE  A.  S. 

VERLAG  VON  MAX  NIEMEYER 

1913 


■le? 


Dem  Meister,  Lehrer  und  Freunde! 


Inlialtsverzeiclinis. 

Seite 

1.  Bjürkman,  Erik.    Die  „festermen"  des  ^Ifric.    Eine  Nanienliste 

ans  York 1 

2.  Förster,  Max.    Der  Vercelli-Codex  CXVII  nebst  Abdruck  einiger 
altengliscber  Ilorailien  der  Handschrift 20 

3.  Foerster,  Weudelin.    Der  Feuertod  als  Strafe  in  der  altfrz.  er- 
zählenden Dichtung IsO 

4.  Hulthausen,  F.    Das  altenglische  Reimlied  (s.  Nachtrag  S.  722)  .     190 

5.  Hecht,  Hans.  Deacon  Brodie.  Eine  Quelleustudie  zu  R.L.Stevenson 
(mit  einem  Porträt) 201 

6.  Rohde,  Richard.  Zu  Marlowes  Doctor  Faustus.  Erörterung  einiger 
Probleme 222 

7.  Mühe,  Theodor.    W.  M.  Thackeray  über  die  Liebe 233 

8.  Breier,  Willi.    Synthesis   und  Analysis  des  Konjunktivs  in  dem 
frühmittelenglischen  Streitgedicht  „Eule  und  Nachtigall"     .     .     .    251 

9.  Mauly,  John  Matthews.    What  is  the  Parlemeut  of  Foules?    .     .     278 
lu.   Deutschbein,  Max.    Beowulf  der  Gautenkönig 291 

11.  Boerner,  Oskar.    Reimnutersuchung  über  die  Qualität  der  betonten 
langen  E-Vokale  bei  Robert  of  Brunne 29'> 

12.  Cornelius,  Heinrich.     Die  englischen  Ortsnamen  auf  -tvick,  -wich    352 

13.  Wildhagen,  Karl.    Studien  zum  Psalteriiim  Romanum  in  England 

und  zu  seinen  Glossierungen  (in  geschichtlicher  Entwicklung)    .    417 

14.  Hoops,    Johannes.      Virginien    zur    Kolonialzeit.      Eine    kultur- 
geschichtliche Studie 473 

15.  Bülbring,  K.  D.     Untersuchungen  zur  mittelenglischen  Metrik     .     510 
K).   Roeder,  Fritz.    Neue  Beiträge  zur  Erziehung  der  angelsächsischen 

adeligen  Jugend.    (Dieser  Beitrag  erscheint  in  Kürze  separat.)  .     625 
17.   Spies,   Heinrich.     Chaucer's   religiöse    Grundstimmung    und    die 

Echtheit  der  Parson's  Tale 626 


Die  „festermen"  des  J^lfric. 


Eine  Namenliste  aus  York 


von 


Erik  Björkman. 


Inhalt. 

Seite 

I.  Einleitung 2 

II.  Faksimile (zwischen)  4—5 

III.  Die  Nameuliste 5 

IV.  Personennamen 6 

V.   Ortsnamen 18 


Studien  z.  engl.  Phil.    L. 


Einleitung. 


Die  Namenliste  befindet  sieh  in  einer  Hs.  in  der  Bibliothek 
des  Münsters  zu  York  (York  Minster).  Diese  Hs.  enthält  die 
Evangelien  in  lateinischer  Sprache.  Auf  der  letzten  Seite  findet 
sich  ein  „Bittgebet"  (bidding  prayer),  das  von  Simmons,  The 
Lay  Folks  Mass  Book  (EETS.  No.  71,  London  1879)  S.  62 
abgedruckt  ist.i) 

Dieses  Bittgebet  endet  mit  den  folgenden  Worten:  For 
Porlfeyjjes"^)  saule  bidde  we  paier  noster  .  and  for  micel  niere 
Saide  and  for  ealle  pa  saula  ])e  fulluM  underfengan  .  and  on 
crist  ^elyfdan  .  frani  adames  da^^e  to  pisum  dce^e  .  pater  noster. 

Danach  folgt  die  Namenliste.  Sie  scheint  von  einer  mit 
der  vorhergehenden  Eintragung  zeitgenössischen  Hand  (d.  h. 
aus  dem  Anfang  des  11.  Jahrhunderts)  zu  stammen. 

Die  Liste  ist  zweimal  vorher  veröffentlicht  worden.  Zu- 
erst von  George  Stephens,  En  Yorkshire  Liste  over  dansk- 
engelske  Mandsnavne   fra  det  11.  Aarhundrede,  in  Blandinger 


')  Über  dieses  „Bittgebet"  sagt  Simmons  S.  321 :  „This  is  the  earliest 
of  our  York  bidding  prayers,  and  it  is  believed  to  be  the  earliest  example 
of  the  bidding  prayers  in  the  Church  of  England  which  is  kuown  to  have 
come  down  to  us.  It  is  written  at  the  end  of  the  York  Gospels,  but  by 
another  and  a  later  hand.  I  took  advantage  of  a  visit  from  Mr.  Maunde 
Thompson  to  obtain  his  opinion,  and  he  pats  it  at  early  XI th  Century, 
which  quite  agrees  with  the  internal  evidence;  and  the  Gospels  at 
Xth  Century,  but  hardly  at  the  beginning  of  the  Century,  which  is  the 
date  traditionally  assigned  to  them." 

*)  Dies  ist  ein  nordischer  Personenname.  Siehe  Purferd  Björkman, 
Nord.  Personennamen  S.  155  f.  Wer  dieser  ßorferd  war,  kann  wohl  kaum 
entschieden  werden.  Vgl.  Simmons  S.  330.  Nach  dem  Faksimile  bei 
Stefänsson ,  Saga  Book  IV  S.  293  ist  der  Name  sicher  als  PorferÖ  zu  lesen, 
obgleich  die  Buchstaben  fe  teilweise  getilgt  sind. 


til  Oplysning  om  dansk  Sprog  i  icldre  og  nyere  Tid  udgivne  af 
Universitets-JubihTcets  danske  Samfund,  Kopenh.  1881  — 1887 
S.  60ff.,  dann  von  Jon  Stefdnsson,  The  Oldest  known  List  of 
Seandinavian  Names  in  Saga- Book  of  the  Viking  Club  Vol.  IV,  2 
S.  294  if. 

Stefilnsson  gibt  aacli  ein  Faksimile  von  der  Hs.  Dies  ist 
an  gewissen  Stellen  ziemlich  undeutlich;  das  schlimmste  ist 
aber,  dafs  rechts  ein  Streifen  abgeschnitten  ist.  Hierdurch 
sind  ein  paar  Fehler  verursacht  worden,  ja  ein  ganzer  Name 
(Äsi)  ist  der  Aufmerksamkeit  Stefanssons  (wie  auch  merk- 
würdigerweise vorher  Stephens)  entgangen. 

Der  Umstand,  dals  sowohl  dieStephenssche  alsStefansonsche 
Ausgabe  dieses  überaus  wichtigen  Denkmals  in  mehreren  Hin- 
sichten fehlerhaft  ist,  wird,  glaube  ich,  einen  neuen  Abdruck 
rechtfertigen.  Auch  dürfte  der  Umstand,  dals  beide  Abdrucke 
im  allgemeinen  wohl  schwer  zugänglich  sind,  einer  neuen  Aus- 
gabe eine  gewisse  Existensberechtigung  verleihen. 

Die  Liste  ist  ein  Verzeichnis  der  festermen  des  ü^^lfrie. 
Laut  des  northumbrischen  Priestergesetzes  mufste  ein  Geistlicher 
bei  dem  Eintreten  in  sein  Amt  für  sein  Wohlverhalten  zwölf 
Bürgen  {festermen)  stellen:  celc  preost  finde  Jiün  XII  festermen 
])at  he  preostlage  wille  hcaldan  mid  rihte'A)  'Und  jeder  Priester 
verschaffe  sich  zwölf  Gewährsleute,  dafs  er  die  Priestergesetze 
pflichtmäfsig  halten  will'. 2)  Wie  man  sieht,  waren  die  Gewährs- 
leute des  ^Ifrie  viel  mehr  als  zwölf.  Ihre  Zahl  genau  fest- 
zustellen ist  nicht  möglieh,  da  die  Hs.  lückenhaft  ist.  Die 
Namen  von  76  Bürgen  scheinen  uns  noch  erhalten  zu  sein. 
Unter  diesen  sind  roser  und  freer  zweifelhaft,  da  sie  vielleicht 
keine  Namen  sind,  und  das  rätselhafte  jV<^^*  bildet  zum  höchsten 


1)  Liebermaun,  Gesetze  der  Angelsachsen  I  S.  380;  Thorpe,  Ancient 
Laws  and  Institutes  of  England  II  S.  290;  Schmid,  Gesetze  der  Angel- 
sachsen S.  365;  Stephens  Blandinger  S.  63;  ötefänsson,  Saga  Book  IV 
S.  296. 

'^)  Übersetzung  nach  Schmid  a.  a.  0.  —  Für  das  Wort  *festmnan, 
pl.  festermen  fehlen  andere  ae.  Belege.  Aus  mittelenglischer  Zeit  stammt 
die  Rubrik  De  emptionibus  sine  fideiussoribus,  quod  anglice  dicitur  faster- 
mannes  Rubr.  Lond.  zu  Leg.  Edvv.  Conf.  38  (Liebermann ,  Gesetze  der  Angel- 
sachsen S.  668).  fester-  ist  sicher  Genetiv  von  ostn.  foest,  worüber  Geländer, 
Xenia  Lideniaua  (Stockholm  1912)  S.  257,  gehandelt  hat. 

1* 


den  Schliils  eines  Namens.  Auch  läfst  es  sich  wobl  darüber 
streiten,  ob  das  teilweise  undeutliche  Worr  dna  einen  oder 
zwei  Namen  bildet.  Ich  meinerseits  möchte  darin  zwei  Namen 
erblicken.  Der  imter  dem  ersten  TJlfcetel  hinzugefügte  Name 
Ascetel  ist  vielleicht  derselbe  Mann  wie  der  später  vorkommende 
Ascetel. 

Man  hätte  zu  erwarten,  dals  die  Zahl  der  Gewährsleute 
mit  zwölf  teilbar  wäre.  Zu  dieser  Vermutung  führen  uns  einiger- 
malsen  die  nordischen  Rechtsverhältnisse,  die  bekanntlich  im 
skandinavischen  England  mafsgebend  wurden.  Die  Zahl  72 
scheint  aber  zu  klein,  84  zu  grofs. 

Die  Liste  enthält  aber  andere  Namen  als  die  der  Gewährs- 
leute, nämlich  den  Namen  Elfric  selbst  (im  Genetiv)  und  die 
Genetive  asbeornnas(una)  und  scefuscilas[s]{una).  Dazu  kommt 
Snel,  Beiname  des  Eleivine.  Wir  erhalten  in  dieser  Weise  80 
oder  wenn  wir  von  roser  und  frecr  absehen,  78  Namen- 
aufzeichnungen. Unter  diesen  kommen  einige  Namen  mehr  als 
einmal  vor:  Alfcetel  zweimal,  Ascetel  zweimal,  Asniund  zwei- 
mal, Godtvin  zweimal,  Grim  zweimal,  Ulf  zweimal,  TJlfcetel 
zweimal,  Grimcetel  viermal. 

Die  hier  zu  behandelnden  Namen  sind  also,  wenn  wir 
roser  und  freer  mitrechnen,  70.  Unter  diesen  sind  44  sicher 
nordisch,  sieher  englisch  nur  14  (darunter  drei  in  skandinavi- 
sierter  Form:  Ardolf,  Wul^er,  Wulstain).  Von  den  übrigen 
können  einige  sowohl  englisch  als  nordisch  sein. 

Der  Elfric  ist  sicher  mit  dem  Elfric,  der  1023  zum  Erz- 
bischof von  York  gewählt  wurde,  identisch.  Dafür  spricht 
vor  allem  die  stattliche  Zahl  seiner  Gewährsleute.  Elfric 
starb  1051. 

Die  anderen  im  Denkmal  erwähnten  Männer  sind  sonst 
gänzlich  unbekannt.  Eine  Ausnahme  bildet  der  Merleswuain; 
er  hatte  „Saeam  et  socam"  in  Yorkshire  unter  Edward  dem 
Bekenner.  In  Urkunden  aus  den  Regierungszeiten  des  Be- 
kenners  und  des  Eroberers  nennt  er  sich  M.  vice  comes.  Er 
muls  ein  ziemlich  hohes  Alter  erreicht  haben. 


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Die  ISTamenliste. 


Dis  sindan  ]'a  festermen  Elfricas. 

Ulfcötel  .  cynin^es  reue  .  and  Merleswuaini)  a7id  asceteP) 

Wulstain  .  Ulf  .  Lijolf  .  Baraö  .  Farj'ain  jreua  .  Ösulf  . 
and  Wulfeh  .  Folcric  (md  FA  . .  .3) 

we5;:;a  .  and  Adseeorl  .  Gamal  ,  ])reshyt€r  .  Grira  .  and 
Grimcetel  .  Asmimd  .  roser  (?)  .  Grimcetel  in 

barnabi  .  Godwina  .  folcer  .  Berböor  .  JBretecol  .  and 
Aröolf  .  and  forna  .  Menniüs  .  and 

Wulser  .  j'or  .  incaer  .  and  Arcetel  .  Siuerö  .  Ra)ua3n  . 
arner  .  Colbrand  .  dericus  .  Blih  .  Elewin(e)0 

ud  .  Snel  .  Godwine  .  lefer  .  Eöastan  .  ulfer  .  Elnoö  . 
freer  .  Roscetel  .  and  Edric  .  Grimcetel  . 

hdwer  .  Ascetel .  Grim  .  incirer  .  Cetel  .  \}xe%byter  .  Gunner  . 
Alfcetel  inhil  .  loluarö  .  inburh(tun)  ^) 

Vlfcetel  .  ^resli/tcr  .  Alfcetel  .  and  Asmund  .  leofnoö  . 
inbroöortun*')  .  porcetel  .  unbain  .  asi') 

Ulf  .  \)Yed)yter  .  [nrne  .  beorn  .  and  Ailaf  .  inbraipatun  . 
Wülfrie  .  and  lustan  .  R6c  .  in  hilluwi  . 

(Worr?)  tlna  .  and  Gr(im)cetel  .  liis  mab  .  Ra^auald  .  as- 
beomnaßS)  suna  .  Ordric  . 


')  So  Hs.;  Stefänsson  bat  in  der  Photographie  Merlcsivua,  in  der 
Abschrift  Merlessuan,  S.  304  Merlesuuan;  alle  drei  Lesungen  unrichtig. 
Stephens  hat  Merlesivain. 

2)  and  ascetel  unter  Ulfcetel  mit  kleinerer  Schrift.  Wie  Stephens 
ascettel  lesen  konnte,  ist  mir  unbegreiflich. 

3)  Die  drei  fast  verwischten  Buchstaben  nach  El  kann  ich  nicht  lesen. 
Vielleicht  ric'^  Weder  Stephens  noch  Stefänsson  haben  gesehen,  dafs 
nach  El  etwas  gestanden  haben  mufs.    - 

*)  Das  Endungs -e  undeutlich.  Elewin  (Stephens,  Stefänsson)  sicher 
unrichtig. 

5)  So  wahrscheinlich  Hs.  Die  Buchstaben  nach  burh  haben  weder 
Stephens  noch  Stefänsson  bemerkt. 

^)  Nicht  brothortun  wie  Stefänsson  schreibt. 

')  Diesen  Namen,  der  doch  ganz  deutlich  ist,  haben  weder  Stephens 
noch  Stefänsson  gesehen. 

»)  So  Hs.    Stephens  und  Stefänsson  schreiben  asbeornas. 


6 

pfoh  .  iubrernabi  .  Hdlw?erö  .  sa3fu5alasuua  .  and 

Aröor  . 

polf  .  ^Ycshyter  .  Anöcetel  .  \ircBbyter. 


Personennamen. 


Ädsceorl.  Ein  sehr  rätselhafter  Name,  der  sieh  sonst  nicht 
nachweisen  lälst.  -ccorl  ist  natürlich  mit  dem  bekannten 
ae.  Wort  zu  identifizieren.  Ist  Ädsceorl  eine  volksetymo- 
logische Umgestaltung-  von  Ätsere,  Adser  usw.  (Björkman, 
Nord.  Personennamen  S.  22)?  Vgl.  engl.  Lamhecarl{e) ,  Odin- 
carl{e),  Budcarl,  altwestn.  Bigrnkarl,  *Slc6gliarl,  Ondalcarl. 
Über  den  englischen  Namen  Ceorl  siehe  Searle  S.  133, 
Muller,  Über  die  Namen  des  nordhumbrischen  Liber  Vitse 
S.  126;  Yg\.  Ealdceorl,  Äldceorl  Searle  ö.  195,  Müller  a.a.O. 
—  Atsere,  {*Ädsere)  wurde  vielleicht  mit  ae.  adesa  (adese,  adse) 
'Breitbeil,  Deissel,  Krummaxt,  Krummhacke'  assoziiert. 
Oder  hat  der  Name  schon  von  Anfang  an  'ein  ceorl  der  mit 
einem  Breitbeil  usw.  arbeitet'  bedeutet? 

Ailaf  (in  Brail>atun).  Nordischer  Name.  Siehe  Björkman, 
Nord.  Personennamen  S.  32,  Zur  engl.  Namenkunde  S.  30. 
Der  Name  scheint  zunächst  ostnordischen  Ursprungs  zu  sein. 

Alfcetel  (zwei  Männer  A.  u.  A.  in  EL).  Nordischer  Name, 
wahrscheinlich  spezifisch  ostnordisch.  Siehe  Björkman,  Nord. 
Personennamen  S.  3  f..  Zur  engl.  Namenkunde  S.  7,  12. 
Über  -cetel  ebenda  S.  6  ff.  Vgl,  Arcetel,  Ascetel,  Auöcetel, 
Grimcetel,  Boscetel,  Ulfcetel. 

Ana,  falls  richtig  gelesen,  entspricht  dem  altwestn.  Ani,  alt- 
schwed.  J.we,  a\tdi'är\.  Ani.  Wie  ich.  Zur  engl.  Namenkunde  S.  13 
hervorgehoben  habe,  ist  die  Hs.  aber  hier  sehr  undeutlich. 
Wie  aus  der  Photographie  zu  ersehen  ist,  sind  die  Buch- 
staben zwar  an  nnd  für  sich  nicht  undeutlich;  es  ist  aber 
sehr  schwierig  zu  entscheiden,  ob  dna  (so  Hs.)  einen  be- 
sonderen  Namen  oder  nur  den  Schlafs   eines  Namens  aus- 


macht.  Der  Akzent  über  d  bezeichnet  vielleicht,  dafs  dieser 
Buchstabe  den  Anfang  eines  Namens  bildet.  Vgl.  Wolfg. 
Keller  in  den  Joh.  v.  Kelle  dargebrachten  Untersuchungen 
u.  Quellen  (Prag  1908)  I  S.  97—120.  Die  Buchstaben  vor 
dna  scheinen  Worr  zu  sein;  wohl  der  ae.  Name  Worr  (vgl. 
unten). 

Aröolf.  Über  diesen  schwierigen  Namen  habe  ich  Nord. 
Personennamen  S.  6  gehandelt.  Die  von  mir  dort  vor- 
geschlagene Erklärung  des  Namens  als  eine  'skandinavisierte' 
Form  von  ae.  Eard{iü)ulf  halte  ich  jetzt  bestimmt  für  die 
richtige;  die  von  Stefansson  gebotene  Deutung  ardr  'Pflug' 
+  iilfr  ist  unmöglich,  zumal  das  End  -r  in  arör  zum  Stamm 
gehört  (Gen.  arörs).  Inlautendes  d  zwischen  r  und  Vokal 
war  den  altskandinavisehen  Sprachen  nicht  geläufig;  dagegen 
kam  d  in  dieser  Umgebung  sehr  häufig  vor.  In  einer  skan- 
dinavischen Gegend  wie  die  aus  welcher  unsere  Liste  stammt, 
mufste  (durch  Lautsubstitution)  ae.  Eard{iv)ulf  zu  '^Aröulf, 
Aröolf  werden.  1)  Der  Diphthong  ea  fehlte  ebenfalls  den 
nordischen  Sprachen ;  a  statt  ea  könnte  aber  auch  auf  nord- 
englische Lautverhältnisse  zurückgeführt  werden  (vgl.  Bülbing, 
Altengl.  Elementarb.  §  132  c). 

Arcetel.  Häufiger  nordischer  Name.  Siehe  Björkman,  Nord. 
Personennamen  S,  8,  Zur  engl.  Namenkunde  S.  14,  95.  Vgl. 
Alfcetel,  Ascetd,  Audcetel,  Grimcetel,  lloscetel,  Ulfcetel. 

Arner.  Nach  Stefdnsson  S.  298  soll  dieser  Name  mit  altwestn. 
(isl.)  Arnörr  zusammenzustellen  sein  (vgl.  Björkman,  Nord. 
Personennamen  S.  9. 2)  Der  Name  müfste  in  dem  Falle  is- 
ländischen Ursprungs  sein.  Ich  glaube  aber  nunmehr,  dafs 
der  Name  besser  mit   altschwed.   Arnar  (Lundgren   S.  14) 


1)  Ähnlich  altn.prüdr  aus  ae.  *prüd,  IdvarÖr  (Beiname)  aus  ae.  hläford, 
hirÖ  aus  ae.  Jüred.  Zwischen  zwei  Vokalen  war  d  den  nordischen  Sprachen 
ungeläufig;  in  Lehnwörtern  wird  fremdes  d  in  dieser  Stellung  bisweilen 
durch  dd  ersetzt,  z.  B.  altwestn.  kredda  f.  'das  Credo'  aus  ae.  creda, 
schweä..  krydda  'Gewürz'  (vgl.  mnd.  krüde),  ae.  stedda  f.  'Rofs'  aus  ae. 
steda  m.  'stallion'  (anders  über  stedda  Hellquist,  Tidsskrift  f.  fil.  3  Raekke  12 
S.  65). 

-)  Die  Erklärung  Stefänssons  von  Arnestor2)  a.  a.  0.  als  zu  diesen 
Namen  gehörend,  ist  unrichtig.  Siehe  Björkman,  Zur  englischen  Namen- 
kunde S.  14. 


8 

zu  verbinden  ist.     Wegen  der  Endung  ist  Gunner  (=  nord. 
Gunnar)  zu  vergleichen. 

Ardor.  Nordischer  Name.  Siehe  Björkman,  Nord.  Personen- 
namen S.  9,  Zur  engl.  Namenkunde  S.  14. 

Asheorn  (Vater  des  JRaganald),  Gen.  Asheornnas,  gehört  nicht 
zu  den  festermen.  A.  ist  sicher  ein  nordischer  Name;  siehe 
Björkman,  Nord.  Personennamen  S.  10.  Zu  dem  a  der 
Endung  ist  auf  Godwina  (unten)  zu  verweisen. 

Asi.  Nordischer  Name.  Siehe  Björkman,  Nord.  Personen- 
namen S.  16,  Zur  engl.  Namenkunde  S.  16.  Dieser  Beleg 
ist  mir  erst  durch  die  hier  wiedergegebene  Photographie 
der  Hs.  bekannt  geworden.  Er  fehlt  sowohl  bei  Stephens 
als  bei  Stefänsson. 

Ascetel  (vielleicht  zwei  Männer).  Sehr  häufiger  nordischer 
Name.  Siehe  Björkman,  Nord.  Personennamen  S.  16if.,  Zur 
engl.  Namenkunde  S.  16  f.  Vgl.  Alfcetel,  Arcetel,  AuÖcetel, 
Grimcetel,  Roscetel,  Ulfcetel.. 

Asmund  (zwei  Männer).  Nordischer  Name.  Siehe  Björkman, 
Nord.  Personennamen  S.  21 ,  Zur  englischen  Namenkunde 
S.  18. 

AuÖcetel  (presbyter).  Nordischer  Name.  Siehe  Björkman, 
Nord.  Personennamen  S.  22.  Vgl.  Alfcetel,  Arcetel,  Ascetel, 
Grimcetel,  Eoscetel,  Ulfcetel. 

Bar  ad.  Nordischer  Name;  siehe  Björkman,  Nord.  Personen- 
namen S.  24  f. 

Seorn.  Dieser  Name  kann  sowohl  nordisch  als  englisch  sein. 
Vgl.  Björkman,  Nord.  Personennamen  S.  26. 

Berhöor.  Nordischer  Name.  Siehe  Björkman,  Nord.  Personen- 
namen S.  26. 

Blih.  Nordischer  Name.  Siehe  Björkman,  Nord.  Personen- 
namen S.  27,  Zur  engl.  Namenkunde  S.  25. 

Bretecol.  Sicher  ein  nordischer  Name,  obgleich  sich  keine 
direkte  nordische  Entsprechung  nachweisen  läfst.  Es  gibt 
mehrere  Möglichkeiten,  den  Namen  zu  erklären.  In  meinen 
Nord.  Personennamen  S.  30  —  wo  weiteres  Material  zur  Be- 
leuchtung der  Frage  herangezogen  wird  —  habe  ich  den 
Namen    als   *Breta-Kollr   'der    britische   KoW   'der   aus 


Wales  gebürtige  Kollr''  oder  dergl.  aufgefafst. ')  Nun  ist 
aber  daran  zu  erinnern,  dafs  -l^ollr  als  letztes  Glied  nordischer 
Namen  nicht  immer  darauf  beruht,  dafs  der  Träger  des 
Namens  ursprünglich  Kollr  geheifsen  hat;  das  erste  Glied 
solcher  Namen  erfüllt  also  nicht  immer  die  Funktion  eines 
Beinamens.  Im  Gegenteil  kommt  es  vor,  dafs  der  ganze 
Name,  von  welchem  -hollr  das  zweite  Glied  ist,  ein  Beiname 
ist  oder  gewesen  ist.  Beispiele  sind  Ami  dalaJcollr,  Por- 
geirr  shotalcollr  (Kahle,  Arkiv  f.  nord.  fil.  27  S.  38),  Jiorgeirr 
afruöslcollr  (Finnur  Jonsson,  Aaboger  f.  nord.  Oldkynd.  og 
Hist.  1907  S.  295,  Björkmau,  Nord.  Personennamen  S.  43 
Anm.  2).  Jjorgeirr  sJiotaJcollr  bedeutet  sicher  ')?orgeirr,  ein 
Mann,  der  irgendwelche  Beziehungen  zu  den  Schotten  oder 
zu  Schottland  gehabt  hat '.2)  Iq  einer  solchen  Komposition 
bedeutet  -Jcollr  kaum  mehr  als  'Mann,  Individuum '3),  ja  macht 
sogar  fast  den  Eindruck  eines  Suffixes  oder  Namenbildungs- 
elementes. Um  -Jcollr  in  solchen  Zusammensetzungen  und 
mit  dieser  abgeblafsten  Bedeutung  zu  erklären,  haben  wir 
zwei  verschiedene  Möglichkeiten  in  Anschlag  zu  bringen. 
Es  mufs  entweder  dem  Personennamen  Kollr  oder  dem 
Appellativum  Jcollr  "abgerundeter  Gipfel,  Kopf  entstammen. 
A.  Die  erstere  von  diesen  Alternativen  bietet  an  und  für 
sich  nichts  unwahrscheinliches.  In  vielen  Sprachen  kommt 
es  ja  vor,  dafs  eine  Zusammensetzung,  deren  zweites  Glied 
ein  Personenname  ist,  sich  zu  einem  reinen  Appellativum 
(bezw.  Beinamen)  entwickelt  hat,  dafs  also  die  mit  diesem 
Appellativum  (od.  Beinamen)  benannte  Person  den  betreffenden 
Personennamen  nicht  geführt  zu  haben  braucht.  So  kann 
ja  ein  Mann  von  seinen  Mitmenschen  ein  Ängstmeier, 
Biedermeier,  Duselmeier  usw.   genannt  werden, -*)   ohne  den 


^)  *Breta -Kollr  wäre  vielleicht  besser  als  'Kollr  der  etwas  mit  den 
Bretar  zu  tun  hat  oder  gehabt  hat'  aufzufassen.  Man  könnte  es  z.  B. 
als  'der  im  Land  der  Bretar  gewesene  Kollr,  der  Kollr,  der  mit  den 
Bretar  gekämpft  hat'  auffassen. 

2)  Fiunur  Jonsson,  Aarbeger  f.  nord.  Oldk.  og  Hist.  1907  S.  195  kann 
den  Beinamen  skotakollr  nicht  übersetzen.  Sein  Vorschlag  'rystende, 
stödende'  ist  nicht  einleuchtend. 

')  Vgl.  Björkman  a.  a.  0.,  Kahle  a.  a.  0. 

*)  Vgl  Reinius,  On  transferred  Appellations  of  Human  Beings  1903 
S.  140. 


10 


Familiennamen  il/e^'ey  zu  führen;  ebensogut  kann  ja  z.B.  von 
einem  Bnselfritz,  Quasselfritze,  Cigarrenfritze,^)  Gaulcelhans,'^) 
Schicatzhans,  Quaclcelhans ,  Quasselhcms^)  geredet  werden, 
ohne  dals  der  so  benannte  Mensch  zu  Iritz  oder  Hatis  ge- 
tauft zu  sein  braucht.  Aus  dem  Schwedischen  brauche  ich 
nur  solche  Wörter  wie  dummer jöns  'Dummerjan',  larfotalasse 
'Barfülser',  smörgäsnisse  'Piccolo'  zu  erwähnen.  Englische 
Beispiele  sind;  ivhip-jach  'a  vagabond  who  begs  for  alms 
as  a  distressed  Seaman'  (vgl.  Jach  'generic  name  for  a  sailor'), 
glhn-jacJc  'a  link-boy',  sl:ip-jack  'a  youth  who  rode  horses 
up  and  down,  showing  them  off  with  a  view  to  sale;  a 
shally,  impertinent  fellow',  steeple-jach  'a  man  who  elimbs 
steeples  and  fall  chimmeys  to  make  repairs,  or  to  erect 
scaffolding'.*)  Gegen  diese  Erklärung  von  afrdÖsJcollr  usw. 
spricht  der  Umstand,  dals  ähnliche  Bildungen,  soviel  ich 
weifs,  im  Altnordischen  nicht  nachgewiesen  sind. 

B.  Die  andere  Alternative  ist  auch  nicht  von  vornherein 
von  der  Hand  zu  weisen.  Kahle,  Arkiv  f.  nord.  fil.  26  S.  161, 
fafst  slcotaJcollr  als  'Schottenkopf'  auf,  und  seine  Auffassung 
führt  er,  Arkiv  27  S.  381  f.  weiter  aus;  an  die  von  mir 
eben  erwähnte  Möglichkeit  scheint  er  nicht  gedacht  zu 
haben.  Er  stellt  sJwtaJcollr  mit  den  altwestn.  Beinamen 
hldkollr  'Schwarzkopf',  kvitJcollr  'Weilskopf,  svartaltollr 
'Schwarzkopf'  ganz  auf  eine  Linie. 

Dagegen  vergilst  Kahle  zu  erwähnen,  dafs  schon  das 
Simplex    hollr   'Mannsperson'    bedeuten    kann. &)      Es    gibt 


1)  Vgl.  Reinins  S.  86. 

2)  Vgl.  Reinius  S.  86,  92,  129. 

3)  Vgl.  Reinius  S.  94. 

*)  Vgl.  Reinius  S.  68 f.  —  Über  Namenelemente  als  Suffixe  in 
reinen  Appellativen  handelt  Reinins  S.  137.  Interessante  Beispiele  sind 
ae.  feondulf  'furcifer',  abd.  rihholf  'dives'  (vgl.  Kluge,  Nom.  Stammb. 
§30),  das  Sufix  -hart  (frz. -engl. -arrf) ,  nbd.  Wüterich,  me.  feminina  auf 
(h)ild  z.  B.  fostrüd  'nutrix',  sünegild  'female  sinner',  maÖelild  'sermoci- 
natrix',  grucchild  'murmnratrix'  (vgl.  Kluge,  Nom.  Stamb.  §52).  Da  aber 
-kollr  als  reiaes  Namenelement  in  den  nordischen  Sprachen  nicht  im 
eigentlichen  Sinne  gang  und  gäbe  war,  dürfen  die  nord.  Beinamen  mit 
-kollr  nicht  mit  diesen  Bildungen  verglichen  werden. 

5)  Noreen,  Svenska  Etymologier,  Uppsala  1897  S.  55,  Björkman 
I.  F.  XXX  S.  264.  —  Neben  kollr  'Mann'  steht  die  Femininform  kolla, 


11 

zwar  nur  einen  Beleg  dafür,  aber  er  mufs  als  ausschlag- 
gebend betrachtet  werden:  Jivi  vildir  Im,  Jcollr  minn! 
Ijüga  at  okkr  Mariu?  (Bp.  1600^^;  vgl.  Fritzner  II  S.  315). 
Ich  halte  Fritzners  Erklärung  von  den  Beinamen  afrddslcollr, 
Fljodakolh- ,  slcotalcoUr  für  durchaus  richtig,  wenn  er  diesen 
ein  Simplex  Jcollr  'Mannsperson'  zugrunde  legt.  Die  Tatsache, 
dals  es  ein  Simplex  Jcollr  'Mannsperson'  gab,  mufs,  glaube 
ich,  die  Frage  entscheiden,  da  in  der  Weise  die  Schwierig- 
keiten  am   leichtesten   und   uugesuchtesten  gelöst  werden,  i) 

Falls  Bretecol  nicht  als  nord.  *Breta-KoUr  aufzufassen  ist 
—  was  ich  jedoch  für  sehr  gut  möglich  halte  —  mufs  es 
zunächst  mit  dem  nordischen  Beinamen  sJcotaJcollr  zusammen- 
gestellt werden.  Es  ist  dann  ursprünglich  ein  Beiname 
(bretaJcollr)  mit  der  Bedeutung  'ein  Mann,  der  irgendwelche 
Beziehungen  zu  den  Bretar  oder  dem  Lande  der  Bretar 
gehabt  hat'  gewesen  und  ist  späterhin  zum  eigentlichen 
Eigennamen  geworden.  In  derselben  "Weise  ist  der  Eigen- 
name Scotcol,  Scotecol  (Domesd.  B.)^)  entstanden.  Die  Eigen- 
namen Snccol,  Swartcol  (Nord.  Personennamen  S.  125,  138) 
dürften  ursprünglich  'Schneekopf,  Schwarzkopf'  bedeutet 
haben.  FrWcol,  Styrcol  (Nord.  Personennamen  S.  43,  132  f.) 
sind  wohl  ursprünglich  als  Frid-Kollr,  Styr-Kollr  aufzufassen, 
obgleich  jenes  auch  aus  einem  Beinamen  fridJcollr  ent- 
standen sein  könnte  (vgl.  Kahle,  Arkiv  f.  nord.  fil.  27  S.  382). 

Edastan  habe  ich  mit  ae.  JEäelstan  zu  identifizieren  versucht 
(Zur  engl.  Namenkunde  S.  30).  Es  gibt  auch  andere  Fälle 
von  ?- Schwund  in  dieser  Stellung;  vgl.  ^therred,^)  ^tJiesi, 
^tliestan  bei  Searle  S.  62.  Interessant  sind  ^Öe-  statt 
^del-  in  der  altengl.  Chronik:  z.  B.  ^dehdld  (a.  778), 
^dered  (a.  866,  871,  886,  910),  JEderic  (a.  1034),  JEöestan 
(a.  927,  F.).    Mau  vergleiche  auch  die  Bemerkung  bei  Napier 


schwed.  dial.  kuUa  'Mädchen',  worüber  Nureen  a.a.O.,  Kahle,  Arkiv  26 
S.  161;  27  S.  3S2  gehandelt  haben.  Kollur  ist  auf  Island  noch  Kosename 
für  kleine  Knaben;  vgl.  Finnur  Jönsson,  Aarbeger  1907  S.  194. 

1)  Vgl.  altwestn.  skegg{i)   in    Pörolfr   Mostrarskegg{i) ,   Fritzner  III 
S.  299,  Kälund.  Laxdola  c.  VII  §  25,  Kahle,  Arkiv  26  S.  153,  159;  27  S.  381. 

2)  Bjorkman,  Nord.  Personennamen  S.  124. 

3j  Hier  liegt  wohl  Assimilation  von  Ir  >  rr  vor,  vgl.  Bülbring  §552. 


12 

und  Stevenson,  Crawf.  Chart.  S.  99,  dafs  l  im  Namen  JEöel- 
stan  sehr  oft  nach  dem  Anfang  des  11.  Jahrh.  geschwunden 
ist.  Siehe  auch  Zachrisson,  A  Contribution  to  the  Study  of 
Anglo- Norman  Influence  on  English  Place -Names  S.  102  f.  — 
Das  a  der  Mittelsilbe  ist  mit  a  in  Godivlna  zu  vergleichen. 
E-  steht  mit  in  Elfricas,  Elnod,  Eletvine  auf  einer  Linie. 

Edric.  Häufiger  englischer  Name.  Normalform  Eadric.  Siehe 
Björkman,  Zur  engl.  Namenkunde  S.  30  Anm.  3. 

El .  .  .  (zwischen  Folcric  und  Wesja).  Dieser  nunmehr  teil- 
weise unleserliche  Name  hat  wohl  sicher  das  Namenelement 
jElf-  enthalten.    Vgl.  Eleivine,  Elfricas,  ElnoÖ. 

Eletvine  (uel  SneT).  Sehr  häufiger  englischer  Name.  Normal- 
form ^Ifwine.  Wegen  des  anlautenden  E-  sind  EÖastan, 
Elfricas,  Elnod  zu  vergleichen.  Das  inlautende  e  hat  auch 
Gegenstücke ;  vgl.  z.  B.  jEleric,  Eleivine,  ElenoÖ,  Elewig, 
Eleivine  im  Index  II  zu  Gruebers  Catal.  of  Engl.  Coins. 

Elfric  gen.  Elfricas.  Sehr  häufiger  englischer  Name ;  Normal- 
form ae.  Elfric.  Wegen  des  anlautenden  E  sind  Eöastan, 
Elnod,  Eleivine  zu  vergleichen.  Zum  a  der  Endung  siehe 
Godivina  unten. 

Elnod  (freer?).  Englischer  Name.  Normalform  ^Ifnod.  Vgl. 
Eöastan,  Eletvine,  Elfricas. 

\*Elwessa  bei  Stephens  Blandinger  1881  S.  64,  Stefilusson 
S.  302,  Searle  S.  227  (vgl.  Björkman,  Zur  engl.  Namenkunde 
S.  30)  ist  aus  dem  alteuglischen  Namenschatz  auszumerzen, 
da  in  der  Handschrift  zwischen  El-  und  Wessa  drei  nun- 
mehr unleserliche  Buchstaben  gestanden  haben.] 

Farpai7i.  Nordischer  Name;  siehe  Björkman,  Nord.  Personen- 
namen S.  39. 

I oleer.  Nordischer  Name.  Vgl.  altschwed.  JFo?/iar,  altdän. 
Fulkarslef.  Siehe  Björkman,  Zur  engl.  Namenkunde  S.  33; 
anders  Nord.  Personennamen  S.  41. 

Folcric.  Zweifellos  ein  englischer  Name.  Keine  nordische 
Entsprechung  läfst  sich  nachweisen.  Aulserdem  sind  Namen 
mit  Fol!:-  viel  seltener  in  Skandinavien,  als  in  England.  Bei 
Lind  findet  sich  —  abgesehen  von  Folki  und  FolJcungr  —  nur 
Folhvardr,  das  vielleicht  ausländischen  Ursprungs  ist.  Bei 
Lundgren   finden   wir:    Folkar,   FoUce,   Folkmar,   Folkvidh, 


13 

Folhvin.  Bei  Searle  finden  sich  (abgegeben  von  einigen  un- 
sicheren oder  nicht  in  England  belegten  Namen):  FolcheorJtt, 
Folchurh,  Folchere,  Folcm(er,  Folcred,  Folcric,  Folctveald, 
Folctvine. 

Forna.  Nordischer  Name.  Siehe  Björkman,  Nord,  Personen- 
namen S.  42,  Zur  engl.  Namenk.  S.  34.  Die  Endung  a  kann 
auf  Anglisierung  beruhen,  könnte  aber  auch  für  e  stehen 
(wie  in  Goihvina;  siehe  dies). 

Freer  kann  ich  nicht  deuten.  Unsicher  ob  ein  Name  oder  zu 
Elnod  gehörig. 

Gamal  (presbyter).  Sehr  häufiger  nordischer  Name.  Siehe 
Björkman,  Nord.  Personennamen  S.  45fif.,  Zur  engl.  Namen- 
kunde S.  35. 

Godtviiia,  Godwine.  Sehr  häufiger  englischer  Name.  Die 
Schreibung  Godivina  beruht  wohl  auf  der  beginnenden  Re- 
duktion unbetonter  Vokale,  wodurch  a  und  e  in  unbetonter 
Stellung  zusammenzufallen  begannen,  ist  also  zunächst  als 
umgekehrte  Schreibung  zu  betrachten.  Vgl.  Asheornnassuna, 
EÖastan,  Elfricas,  Scefuscdasuna. 

Grim  (zwei  Männer:  Gr.  and  Gr.  in  Cirer).  Sehr  häufiger 
nordischer  Name.  Siehe  Björkman,  Nord.  Personennamen 
S.  50  f.,  Zur  engl.  Namenkunde  S.  38  f. 

Grimcetel  (vier  Männer:  zwei  Gr.,  Gr.  in  Barnabi,  Gr.  bis 
mah  'Verwandter  des  Ana').  Sehr  häufiger  nordischer  Name. 
Siehe  Björkman,  Nord.  Personennamen  S.  51  f.  Zur  engl. 
Namenkunde  S.  39.  Vgl.  Älfcetel,  Ärcetel,  Äscetel,  Audcetel, 
Pioscetel,  ülfcetel. 

Gunner.  Häufiger  nordischer  Name,  altn.  Gunnarr.  Björk- 
man, Nord.  Personennamen  S.  54f.,  Zur  engl.  Namenkunde 
S.  40. 

jy"a7?c;cpy(?  CSsefujalasuna).  Sicher  ein  nordischer  Name.  Siehe 
Björkman,  Nord.  Personennamen  S.  62  f. 

Haiver.  Nordischer  Name,  altn,  Hdvarr.  Siehe  Stefansson, 
Saga  Book  IV  S.  303,  Engl.  Hist.  Review  1910  S.  595,  Björk- 
man, Zur  engl.  Namenkunde  S.  45. 

loluarÖ  (in  Burhtuu).  Sicher  ein  nordischer  Name,  obgleich 
keine  nord.  Entsprechung  (westn.  ^Jöhiarör,  ostn.  *t7wZ- 
uardh[er\)   belegt  ist.    Vgl.  Björkman,   Nordische  Personen- 


14 

namen  S.  74.  lo-  deutet  auf  westnordische  Provenienz 
hin.i) 

lustan.  Sicher  ein  nordischer  Name,  wahrscheinlich  ost- 
nordischen Ursprungs,  da  die  westnordische  Entsprechung 
Josteinn  lautet;  vgl,  Björkman,  Nord.  Personennamen  S.  74, 
Zur  engl.  Namenkunde  S.  50.  Der  bekannteste  Träger  des 
Namens  war  der  dänische  Vikingerhäuptling  Justin  (991), 
Thorpe,  Ancient  Laws  I  S.  284  ff.,  Liebermann,  Gesetze 
S.  220,  Flor.  Worc,  Sym.  of  Durh.  Vgl.  auch  v.  Friesen, 
Fornvännen  1909  S.  72  f. 

Cetel  (presbyter).  Sehr  häufiger  nordischer  Name.  Siehe 
Björkman,  Nord.  Personennamen  S.  79,  Zur  engl.  Namen- 
kunde S.  54. 

Colhrand  (clericus).  Nordischer  Name  (vielleicht  west- 
nordischeo  Ursprungs).  Siehe  Björkman,  Nord.  Personen- 
namen S.  83,  Zur  engl.  Namenkunde  S.  56. 

Lefer.  Nordischer  Name;  e  statt  ei  {ai)  deutet  auf  ostn.  Ur- 
sprung hin.  Siehe  Björkman,  Nord.  Personennamen  S.  90  f., 
Zur  engl.  Namenkunde  S.  59,  Lindkvist,  Middle  English 
place- names  S.  70.     -er  ist  die  nordische  Nomiuativendung. 

Leofnod  (in  Broöortun).  Englischer  Name.  Siehe  Searle 
S.  329. 

Li^olf.  Über  diesen  schwierigen  Namen  habe  ich.  Zur  engl. 
Namenkunde  S.  60  Anm.  2,  gehandelt.  Ob  er  englischen  oder 
nordischen  Ursprungs  ist,  wage  ich  nicht  bestimmt  zu  ent- 
scheiden. Hier  nur  eine  unsichere  Vermutung.  Auf  den  Orkneys 
gab  es  nach  dem  Fiateyarbuch  im  12.  Jahrb.  einen  nordischen 
Namen  Hlifulfr,  Lifulfr;  im  gegenüber  liegenden  Caithness 
wohnte  1158  nach  derselben  Quelle  ein  Lifolfr  i  ])orsdal. 
Viel   später  läfst  sich   der  Name   in  Norwegen  nachweisen 


^)  In  diesem  Zusammenhang  möchte  ich  eine  Bemerkung  zu  lulferÖ 
(Nord.  Personennamen  S.  74)  machen.  Dieser  Name  ist  sicher  nordischen 
Ursprungs,  aber  einen  entsprechenden  nordischen  Namen  konnte  ich  nicht 
nachweisen.  Nun  sehe  ich,  dafs  Lind  Sp.  650  einen  dän.  Namen  Julfrid 
erwähnt.  Dieser  Name  ist  aber  ein  Frauenname  {Julfridis  Liber  Mem. 
Cap.  Lundensis  S.  SOil)  kann  also  nicht  die  nordische  Entsprechung  zu 
lulferö  sein,  -ferö  beruht  natürlich  auf  Anglisierung  wie  AsferÖ,  purferÖ, 
worüber  Lindkvist,  Middle  English  place -uames  uf  Scaudinaviaa  orlgin 
S.  171  f.  gehandelt  hat. 


15 

(Lind,  Norsk - isländska  dopnamn  Sp.  554,  Rygb,  Gamle 
Personnavne  S.  175).  —  Vor  u  konnte  auf  englischem  Ge- 
biet die  stimmhafte  labiale  Spirans  wohl  leicht  schwinden; 
eine  solche  Lautverbindung  war  ja  weder  der  englischen 
noch  der  normannischen  Sprache  geläufig.  So  wurde  wohl 
in  England  ^Lividf  zu  Liulf,  Liolf;  diese  Schreibungen  sind 
ziemlich  häufig,  wie  aus  dem  von  mir  a.  a.  0.  zusammen- 
gestellten Material  hervorgeht.  Wenn  meine  Vermutung 
richtig  ist,  bezeichnet  ä  einen  zwischen  /  und  ti  entwickelten 
Gleitlaut,  i) 

Henning.  Siehe  Björkman,  Zur  engl.  Namenkunde  S.  62. 
Eine  endgültige  Erklärung  des  schwierigen  Namens  kann 
ich  nicht  geben.  Der  Name  ist  möglicherweise  mit  dem 
ersten  Gliede  des  altschwed.  Ortsnamens  Mcmiinyliaaslie, 
Mcenningasker  (Hellquist,  Om  de  svenska  ortnamnen  pä 
-inge,  -unge  och  -unga  S.  210)  zusammenzustellen. 

Merlesivuain.  Siehe  Björkman,  Nord.  Personennamen  S.  93  f. 
Das  erste  Glied  des  Namens  ist  schwierig  zu  deuten.  Wohl 
kaum  mit  dem  urn.  Personennamen  w2[a]r['/]/a  (Etelhem),  das 
in  altisl.  Sprache  *mwtie  'der  Berühmte'  geworden  wäre 
(vgl.  Noreen,  Altisl.  Gr.  S.  336),  zusammenzustellen? 

Ordric.    Englischer  Name.     Siehe  Searle  S.  369. 

Osulf  ist  zunächst  als  englischer  Name  zu  betrachten;  vgl. 
Björkman,  Nord.  Personennamen  S.  21  f.,  Zur  engl.  Namen- 
kunde S.  19. 

.  .  .  pfoh  (in  Bffirnabi),  der  Schlufs  eines  Namens,  ist  sehr 
rätselhaft,  jp  muls  zum  ersten  Glied  des  Namens  gehören, 
aber  Namen  mit  -fog  sind  sonst  unbekannt.  Es  hat  also 
hier  wohl  ein  ursprünglicher  Bei-  oder  Spottname  vor- 
gelegen. 

Ra^anald  (Asbeornnas  suna).  Nordischer  Name.  Siehe  Björk- 
man, Nord.  Personenname  S.  112,  Zur  engl.  Namenkunde 
S.  68. 


^)  (Korrekturnote):  Mein  Freund  Liden  schlägt  mir  eine  andere,  sehr 
beachtenswerte  Erklärung  vor:  wie  nord.  *HroÖwolfr  zu  *Hrüolfr  (woraus 
später  Hrölfr)  wird,  so  könnte  Liulf,  Liolf  aus  einem  älteren  ^LiÖolf 
(vgl.  altn.  Lidi'arÖr)  entstanden  sein.  Auch  in  dem  Falle  wäre  g  als 
Gleitlaut  aufzufassen. 


16 

Moeucen.  Häufiger  nordischer  Name.  Siehe  Björkman,  Nord. 
Personennamen  S.  109  f.,  Zur  engl.  Namenkunde  S.  68.  R- 
statt  Hr-  ist  wohl  auf  ostnordisehe  Lautverhältnisse  zurück- 
zuführen, braucht  aber  nicht  notwendig  zu  beweisen,  dafs 
der  Mann  selbst  Däne  oder  Schwede  war;  siehe  Björkman, 
Zur  engl.  Namenkunde  S.  8  u.  9  Anm.  1.  Der  Stammvokal 
ce^)  beruht  wohl  auf  Anglisierung. 

Hoc  (in  Hillum).  Höchstwahrscheinlich  ein  nordischer  Name. 
Siehe  Björkman,  Nord.  Personennamen  S.  113,  Zur  engl. 
Namenkunde  S.  70. 

Böser ({).  Die  Handschrift  ist  hier  sehr  undeutlich,  und  es 
fragt  sich,  ob  nicht  einfach  die  Abkürzung  für  preshyter 
vorliegt,  wie  ich.  Zur  engl.  Namenkunde  S.  70,  zögernd  vor- 
geschlagen habe.  Es  ist  aber  möglich,  dals  wir  es  hier  mit 
einem  Namen  zu  tun  haben.  Wie  dieser  Name  zu  erklären 
wäre,  kann  ich  nicht  entscheiden. 

Boscetel  Nordischer  Name,  vielleicht  spezifisch  westnordisch, 
da  keine  Entsprechung  auf  ostnordischem  Gebiet  gefunden 
ist.  Siehe  Björkman,  Nord.  Personennamen  S.  114,  Zur  engl. 
Namenkunde  S.  70.  Über  R  statt  Hr,  das  wohl  auf  otsnordische 
Lautverhältnisse  zurückzuführen  ist,  siehe  Pioeucen  oben.  Zur 
engl.  Namenkunde  S.  8  u.  9  Anm.  1.  Über  -cetel  {-cel)  habe 
ich  ebenda  S.  6  ff.  gehandelt.  Vgl.  Älfcetel,  Arcetel,  Äscetel, 
Audceiel,  Grimcetel,  Ulfcetel. 

Scefngal  (Vater  des  Haliv(erd)  gehört  nicht  zu  den  festernten. 
Vielleicht  ein  nordischer  Name.  Siehe  Björkman,  Nord. 
Personennamen  S.  115. 

SiuerÖ.  Häufiger  nordischer  Name.  Siehe  Björkman,  Nord. 
Personennamen  S.  118,  Zur  engl.  Namenkunde  S.  73.  Auf- 
fallend ist  w  statt  zu  erwartendem  tv ;  vgl.  Haiver,  Halwcerd. 
Dals  u  hier  den  ?(^-Laut  bezeichnet,  ist  aber  nicht  zu  be- 
zweifeln; ein  Gegenstück  dazu  hiei^i  Joluard.  Meine,  Nord. 
Personennamen  S.  118  Anm.  2,  alternativ  vorgetragene  Zu- 
sammenstellung mit  ae.  Sig{e)feröf  glaube  ich  getrost  zurück- 
nehmen zu  können.  —  cf  beweist  hier  sicher  nordischen 
Ursprung.     Der   Name   ist,  wenn   mit  d  geschrieben,   sehr 


1)  Es  mag  erwähnt  werden,  dafs  beide  cc- Vokale  in  der  Hs.  sehr 
undeutlich  sind. 


17 

schwierig  von  dem  einheimischen  Sisetcearä,  Siwarcl  zu 
unterscheiden.  Wenn  aber  z.  B.  im  Domesd.  B.  (Yorkshiro) 
Torcliil  Siuuard  Bonde  (I,  324)  zusammen  auftreten,  kann 
wohl  über  die  nordische  Herkunft  des  Siuuard  kein  Zweifel 
bestehen. 
Snel  (Beiname  des  Elewine).  Ob  dieser  Beiname  (=  das 
Adj.  snell,  altu  snjaUr)  nordischen  oder  englischen  Ursprungs 
ist,  kann  ich  nicht  entscheiden.  Weiteres  Material  bei 
Björkmau,  Nord.  Personennamen  S.  125  f..  Zur  engl.  Namen- 
kunde S.  77  f.  —  Vgl.  Snella  bei  Müller,  Über  die  Namen 
des  nordh.  Liber  Vita3  S.  59. 

Pirne.  Nordischer,  zunächst  schwedischer  Name.  Siehe 
Björkman,  Zur  engl.  Namenkunde  S.  88f..  Stephens  S.  65 
glaubt,  dals  Pirne  zu  dem  folgenden  Beorn  gehört,  Stefans- 
son  bespricht  den  Namen  nicht. 

Polf  (presbyter).     Nordischer  Name.     Siehe  Björkman,   Nord. 

Personennamen  S.  163. 
Por  (in  caer).    Über  diesen  nordischen  Namen  habe  ich,  Nord. 

Personennamen  S.  146   (vgl.   Zur   engl.   Namenkunde  S.  84) 

gehandelt. 
Porcetel.    Sehr   häufiger  nordischer  Name.     Siehe  Björkman, 

Nord.  Personennamen  S.  151  fif.,  Zur  engl.  Namenkunde  S.  85. 

Ulf  (zwei  Männer:  U.  und  U.  presbyter).  Sehr  häufiger  nor- 
discher Name.  Siehe  Björkman,  Nord.  Personennamen 
S.  165  f..  Zur  engl.  Namenkunde  S.  89  f. 

Ulf  er.  Nordischer  Name.  Siehe  Björkman,  Nord.  Personen- 
namen S.  167,  Zur  engl.  Namenkunde  S.  90. 

Ulfcetel  (zwei  Männer:  U.  cyninges  reue  und  U  presbyter). 
Sehr  häufiger  nordischer  Name.  Siehe  Björkman,  Nord. 
Personennamen  S.  168  f..  Zur  engl.  Namenkunde  S.  91.  Vgl. 
Alfcetel,  Arcetel,  Ascetel,  Auöcetel,  Grimcetel,  Boscetel. 

Unhain.  Sicher  nordischer  Name,  ursprünglich  Beiname;  er 
entstammt  dem  nord.  Adj.  übeinn.  Als  Name  lälst  sich  dieses 
Adj.  in  Skandinavien  nicht  nachweisen,  das  hindert  aber 
nicht  die  Herleitung  des  vorliegenden  Namens  als  völlig 
sicher  zu  betrachten.  Stevens  S.  65  betrachtet  Unhain  als 
Beiname  des  Porcetel.  Das  ist  aber  nicht  notwendig  zumal 
Unhain  usw.    auch   sonst  als   wirklicher   Eigenname   (Tauf- 

Studien  z.  engl.  Phil.     L.  2 


18 

name)  iu  England  bezeugt  ist.  Siebe  Björkmau,  Kord. 
Persouennamen  S.  169  f. 

We^ga.  Engliscber  Name;  wabrscbeinlieb  Kurzname.  Vgl. 
Wejga  optimas  (Peterb.  ca  1063)  Kemble,  Cod.  Dipl.  No.  819. 

Worr(?).  Die  Hs.  ist  bier  sebr  undeutlicb.  Sonst  ist  Worr 
ein  gut  bezeugter  Name.     Siebe  Searle  S.  505. 

Wulf  eh.     Engliscber  Name;  wsäcbs.  Wulfheah. 

Wulfric.     Woblbekannter  engliscber  Name. 

Wul^er.  Häufiger  engliscber  Name;  Normalform  ae.  Wulfgär. 
-ser  statt  -sar  berubt  wobl  auf  Skandinavisierung. 

Wulst ain  ist  entweder  eine  im  ersten  Gliede  anglisierte  Form 
von  nord.  Ulfsteimi  oder  eine  im  zweiten  Gliede  skandinavi- 
sierte  Form  von  engl.  WulfstanA)  Vgl.  Nord.  Personen- 
namen S.  169. 


Ortsnamen. 


Barnabi,  Bcernabi,  jetzt  vielleicbt  Barnby-on- Don,   Yorksb. 

West  Rid.    Vgl.  Moormau,  West  Riding  place- uames  S.  20.2) 
Braijyatun  (Ailaf  in  BraiJ^atun),  jetzt  Brayton,  Yorksb.,  West 

Riding  (sUdlicb  von  Selby  in  Barkston  Asb).    Vgl.  Lindkvist, 

Middle   Englisb   place -names   of  Scand.  origin  S.  26,   Moor- 

man  S.  34. 
Brodortun  (Leofnoö  in  Broöortun),  jetzt  Brotherton  Yorksb., 

West  Rid.    Vgl.  Moorman  a.  a.  0.  S.  37. 
Burhtun   (loluarö   in  Burhtuu),   wobl  jetzt  Bnrton,  falls  der 

Name   nicbt    ausgestorben    ist.     Pbilips'  Atlas   bat   15   ver- 

scbiedene  Orte  in  Yorksb.  mit  diesem  Namen. 


')  Letzteres  scheint  mir  —  in  Anbetraclit  des  Übergewichts  des  Skandi- 
naviertums  im  ganzen  Denkmal;  vgl.  Aröolf,  Wulge7'  —  wahrscheinlicher. 
Zu  vergleichen  sind  mittelenglische  Ortsnamen  mit  nord.  -heim,  die  sicher 
auf  ältere  Formen  mit  engl. -harn  zurückgehen;  von  besonderem  Interesse 
sind  solche  Namen  im  Lincsh.  Sarvey  (aus  der  Zeit  Heinrichs  I.) ,  worüber 
auf  Lindkvist,  Middle  English  place -names  S.  62  f.  zu  verweisen  ist. 

-)  Es  gab  aber  andere  Orte  in  Yorkshire  mit  diesem  Namen,  wie 
aus  dem  Index  zum  D.  B.  hervorgeht.  Philips'  Atlas  gibt  nur  ein  Barnby 
in  Yorkshire;  dies  liegt  im  nordüstlicheu  Teil  der  Grafschaft,  nicht  weit 
von  Lythe. 


19 

IIa  (Alfcetel  in  Ha).     Den  Ort  kann  ich  sonst  nicht  finden. i) 

Hillum   (Roc   in    Hillum),    jetzt  Hillam   (und  Hillam  Lodge) 

Yorksh.  West  Kid.  (Barkston  Ash).  Vgl.  Moorman  a.  a.  0.  S.  98. 

Caer  (J>or  in  Caer).  In  Philips'  Atlas  gibt  es  mehrere  Orte  in 
Yorkshire  mit  dem  Namen  Car,  Carr.'^) 

Cirer  (Grim  in  Cirer).  Den  Ort  kann  ich  sonst  nicht  finden. 
Hat  der  Name  irgendwie  Beziehungen  zu  dem  jetzigen 
Chirwell  Yorksh.  (Philips'  Atlas)? 


1)  Nach  Stephens  (S.  65)  und  Stcfänsson  (S.  297)  soll  es  in  Yorkshire 
einen  Ort  Ho  geben,  der  aber  bei  Philips  nicht  zu  finden  ist. 

')  Car  Gate,  Car  Green  &  Upper  Car  (Rydale  Wapentake),  Carr, 
West  Carr,  Carr  End,  Carr  Hall,  Carr  Head,  Carr  House. 


2* 


Der  Vercelli- Codex  CXVII 

nebst  Abdruck 
einiger  altenglisclier  Homilien  der  Handschrift 


Von 

Max  Förster 


Inhalt. 

Seite 

I.    Beschreibung  der  Handschrift 21 

IL    Alter  und  Schriftcharakter 25 

III.  Die  Sprache  der  Handschrift 32 

IV.  Herkunft  der  Handschrift 35 

V.    Geschichte  des  Bekanntwerdens  der  Handschrift 54 

VI.    Inhaltsangabe  der  Handschrift 64 

VII.   Abdruck  der  Predigten  II,  VI,  IX,  XV  und  XXII 87 

VIII.   Lexikalisches 148 


I.   ßesclireibunof  der  Handschrift. 


Die  Handschrift,  die  Rom  1913  in  photographischer  Re- 
produktion vorgelegt  wird,  befindet  sieh  in  der  Bibliothek  des 
Domkapitels  zu  Vercelli  i)  in  Oberitalien  und  trägt  dort  die 
Signatur  „Cod.  CXVII".  Sie  besteht  jetzt  aus  136  Pergament- 
blättern, die  je  23  —  33  Zeilen  enthalten,  sofern  sie  nicht,  wie 
fol.  16  a,  24  b,  29  a,  54  a,  71a,  101a,  120  b,  teilweise  unbeschrieben 
oder,  wie  die  beiden  letzten  Seiten  (fol.  136  a  und  136  b),  ganz 
leer  gelassen  sind.  Die  Gröfse  der  einzelnen  Blätter  beträgt 
rund  30  x  20  cm,  der  Schreibspiegel  meist  23  X  14,4  cm.  Die 
neue  Reproduktion  ist  also  um  ein  Drittel  der  Originalgrölse 
verkleinert.  Das  Pergament  ist  von  jener  überaus  dünnen  Art, 
wie  sie  besonders  gern  in  England  verwendet  wurde,  so  dass, 
wie  auch  auf  dem  neuen  Faksimile  (z.  B.  fol.  33  a)  deutlich  zu 
sehen  ist,  die  Schrift  der  anderen  Seite  gelegentlich  hindurch- 
schimmert und  das  Lesen  erschwert.  2)  Mehrfach  zeigt  es 
Löcher  (fol.  2,  10,  14,  19,  33,  44,  45,  46,  47,  50,  54,  55,  56,  66, 
71,  75,  76,  77,  78,  83,  84,  85,  88,  90,  92,  99,  113,  120,  131), 
die  jedoch  in  keinem  Falle  den  Text  beeinträchtigen,  da  die 
schadhaften  Stellen  vom  Kopisten  ausgespart  sind.    Ein  gleiches 


^)  Die  Philologen  haben  sich  gewöhnt,  diese  Handschrift  schlecht- 
weg als  Codex  Vercellensis  oder  Vercelli  Book  zu  bezeichnen.  Um  einer 
Verwechslnng  vorznbeugen,  der  z.  B.  auch  Grein  (Bibliothek  der  angel- 
sächsischen Poesie.  1S57,  Bd.  I,  S.  364)  zum  Opfer  gefallen  ist,  sei  bemerkt, 
dafs  die  Theologie  ebenfalls  schlechthin  von  einem  Codex  Vercellensis 
spricht,  darunter  aber  das  berühmte,  vielleicht  vom  Bischof  Ensebins 
(f  371)  geschriebene  Evangeliar  versteht,  welches  heute  den  kostbarsten 
Besitz  des  Vercellenser  Domschatzes  darstellt  (Literatur  bei  L.  Traube, 
Vorlesungen  und  Abhandlungen,  Bd.  I,  1909,  S.  247). 

2)  In  Wülkers  Faksimile  des  Codex  Vercellensis  (Leipzig  1S94)  ist 
die  durchgeschlagene  Schrift  mehrfach  fortretouchiert,  wodurch  seine 
Seiten  allerdings  oft  ein  klareres  Bild  zeigen  als  die  unserigen. 


22 

gilt  von  deu  Rissen  am  Seitenrande  von  Blatt  63,  94,  98  und 
135,  von  denen  aber  die  drei  ersteren  mit  einer  zwirnähnliehen 
Schnur  (vgl.  Wattenbaeh,  Schrifttvesen  des  Mittelalters,  1896, 
S.  212)  zusammengenäht  worden  sind,  wenn  auch  bei  Blatt  94 
diese  jetzt  wieder  verloren  gegangen  ist.  Mehrere  grölsere 
Rasuren,  Abschabungen  und  auch  durch  Anwendung  von 
Reagentien  i)  hervorgerufenen  Verdunkelungen  beeinträchtigen 
oder  zerstören  die  Lesbarkeit  der  Schrift:  so  auf  fol.  1*,  Ib, 
25  a  26  a,  36  b,  37  b,  38  a,  38  b,  42  b,  54  a,  55  b,  57  a,  65  a,  75  b, 
77a,  84a,  86a,  86b  und  135b. 

Die  136  Folioblätter  sind  in  der  bekannten  Weise  zu 
19  Lagen  vereinigt,  die,  so  wie  sie  uns  heute  vorliegen,  aus 
je  zwei  (bei  Lage  XVII),  sechs  (Lage  III,  XI,  XII,  XIV),  sieben 
(Lage  VI,  XIII,  XV,  XVI,  XIX),  acht  (Lage  IV,  V,  VII,  VIII, 
IX,  X,  XVIII)  oder  neun  Blättern  (Lage  I  und  II)  zusammen- 
gesetzt sind.  Die  ungerade  Blätterzahl  mancher  Lagen  erklärt 
sich  daher,  dafs  mehrfach  Pergamentstücke  benutzt  sind,  die 
klein   für   einen   s-anzen   Boc-en   waren  und  nur   zu   einem 


zu 


gCliU^V^U        ■•J^^ 


Eiuzelblatte  ausreichten.  Diese  Einzelblätter  sind  dann  mittelst 
eines  Falzes  2)  eingeheftet  worden.  Nur  in  einem  Falle  (bei 
Bl.  136)  ist  ein  solches  Einzelblatt  hinten  an  die  Lage  an- 
geklebt. Die  heutige  Zusammensetzung  der  Lagen  entspricht 
jedoch  nicht  mehr  in  allen  Fällen  der  ursprünglichen.  In 
13  Fällen  sind  nämlich,  wie  Inhalt  und  Form  der  in  Betracht 
kommenden  Textstellen  beweisen,  3)  Blätter  verloren  gegangen. 
Dies  ist  der  Fall  hinter  fol.  29,  35,  38,  42,  50,  53,  55,  63,  85, 
100,  103,  111  und  118,  wahrscheinlich  auch  hinter  f.  75  (zwei 
Blätter  als  Mittelbogen),  so  dafs,  da  zumeist  zwei  ausgefallene 
Blätter  auf  eine  Lage  treffen  (VI,  VII,  VIII,  XIV,  XVI)  die 
Lage  XI  ursprünglich  mindestens  7  Blätter  (statt  6),  die  Lagen 

^)  Diese  Reagentien  sind  vermutlich  von  Dr.  Maier  angewandt,  der 
als  der  erste  im  Jahre  1834  oder  1835  im  Auftrage  englischer  Geschichts- 
forscher die  Handschrift  abgeschrieben  hat. 

2)  Durch  die  Falze  in  der  Handschrift  hat  sich  Wülker  {Grundriß 
der  angelsächsischen  Literatur,  S.  238)  zu  der  Annahme  verleiten  lassen, 
dafs  einzelne  Blätter  herausgeschnitten  seien;  doch  hat  schon  Napier 
{Zeitschrift  für  deutsches  Altertum,  Bd.  XXXIII,  S.  67)  auf  das  Irrige 
dieser  Ansicht  hingewiesen. 

ä)  Das  Nähere  siehe  bei  der  Inhaltsangabe  der  einzelnen  Stücke 
in  8  VI. 


23 

VI  und  XIV  ursprünglich  8  (statt  6  bezw.  7),  die  Lagen  IV  und  XVI 
9  (statt  8  bezw.  7)  und  die  Lagen  V,  VII,  VIII  und  wahrscheinlich 
XI  10  (statt  8)  Blätter  gehabt  haben  müssen.  Im  einzelnen  setzen 
sich  die  Lagen  folgendermafsen  zusammen:  Lage  I  =  Bl.  1 — 9; 
Lage  II  =  Bl.  10—18;  Lage  III  =  Bl.  19  —  24;  Lage  IV  = 
Bl.  25  —  32;  Lage  V  --  Bl.  33—40;  Lage  VI  =  Bl.  41—47; 
Lage  VII  =  Bl.  48  —  55;  Lage  VIII  =  Bl.  56—63;  Lage  IX  = 
Bl.  64—71;  Lage  X  =  Bl.  72—79;  Lage  XI  =  Bl.  80  —  85; 
LageXII  =  Bl.  86—91;  Lage  XIII  =  Bl.  92— 98;  LageXIV  = 
B1.99-104;LageXV  =  B1.105— 111;  Lage XVI  =  B1. 112— 118; 
Lage  XVII  =  Bl.  119  und  120;  Lage  XVIII  =  Bl.  121—128; 
Lage  XIX  =  Bl.  129  — 136.  Die  einzelneu  Lagen  sind,  wie 
ich  glaube,  und  von  einem  anderen  Schreiber,  gezählt  und 
signiert  worden,  und  zwar  in  der  Weise,  dafs  an  den  Kopf  der 
ersten  Seite  einer  jeden  Lage  eine  römische  Zahl  und  dann 
wieder  auf  den  Fufs  der  Schlufsseite  jeder  Lage  einer  der 
Buchstaben  A— T  gesetzt  ist.  Nicht  in  allen  Fällen  sind  diese 
Zahlen  und  Buchstaben  aber  jetzt  noch  erhalten  oder  erkenn- 
bar. Bei  der  Lage  VIII  und  XVI  fehlen  beide  Bezeichnungs- 
arten, weil  der  ganze  äussere  Bogen  dieser  Lagen  verloren 
gegangen  ist.  Bei  der  Lage  XI  ist  das  Sehlufsblatt  und  damit 
die  Buchstabensignatur  L  verloren  gegangen.  Bei  der  Lage  I 
ist  von  der  Zahl  nichts  mehr  zu  erkennen,  da  überhaupt  die 
ganze  erste  Seite  unlesbar  geworden  ist;  doch  ist  diese  Lage 
durch  die  Buchstabensignatur  A  auf  fol.  9  b  hinreichend  als  die 
erste  gesichert.  Die  Lagen  XVII  und  XIX  scheinen  beide  der 
Buchstabensignatur  (R  und  T)  zu  ermangeln;  doch  weisen 
beide  zu  Beginn  die  ihnen  zukommenden  Lagenzahlen  auf.  In 
den  anderen  Fällen  sind  bis  auf  den  heutigen  Tag  Lagenzahl 
und  -Buchstabe  noch  erhalten. i) 

Von  etwaiger  alter  Paginierung  ist  keinerlei  Spur  zu 
entdecken.  Die  heutige  Zählung  der  Blätter  mit  1 — 135  rührt 
erst  aus  dem  19.  Jahrhundert  her.  Dafs  der  Kopist  die  Hilfe 
von    eingeritzten    Schreiblinien    und    Seitenlinien    nicht    ver- 


')  Die  auf  fol.  54^  stehende  Zahl  XVI  hat  mit  der  Lagenzählung 
nichts  zu  tun,  schon  weil  sie  offenbar  von  anderer  Hand  herrührt,  als  die 
Lagenzahlen.  Freilich  vermag  ich  nicht  anzugeben,  was  die  Zahl  dort 
bedeuten  soll,  falls  es  nicht  eine  blofse  Federprobe  ist,  wie  das  mehrmalige 
'xb'  am  Kopfe  von  fol.  119»,  121«,  123«  und  126». 


24 

scbmälite,  lehrt  schon  auf  unserem  Faksimile  z.  B.  fol.  24a, 
25  b,  26  b,  32  a,  61a  und  131a. 

Der  Kopist  scheint  im  allgemeinen  mit  rechter  Sorgfalt 
seiner  Arbeit  obgelegen  zu  haben,  so  class  die  Schrift  überall 
deutlich  und  leicht  lesbar  geraten  ist  und  nur  selten  Rasuren 
oder  Korrekturen  sich  nötig  machen  und  Verschreibungen  oder 
Auslassungen  sich  finden,  i). 

Auf  eine  kunstmäfsige  Ausstattung  der  Handschrift  ist  er 
wenig  bedacht  gewesen.  Nur  dreimal  (fol.  49  a,  106  b,  112  a) 
finden  sieh  verzierte  Initialen,  die  aber  künstlerisch  betrachtet 
recht  tief  stehen  und  die  Armut  der  Erfindung  auch  dadurch 
dokumentieren,  dafs  die  JJ- Initiale  auf  fol.  112a  eine  ganz 
genaue  Wiederholung  desselben  Buchstabens  auf  fol.  106  b 
darstellt.  Selbst  von  dem  bescheidenen  Schmucke,  der  durch 
die  Herbeiziehung  roter  Farbe  erzielt  wird,  hat  er  nur  spärlich 
Gebrauch  gemacht:  nämlich  nur  bei  einigen  Überschriften  und 
Initialen  auf  fol.  71b,  73  b,  75  b.  Sonst  begnügt  er  sieh  überall 
damit,  die  Überschriften  und  Initien  durch  grofse,  aber  völlig 
schmucklose  und  in  ihrer  Form  recht  nüchterne  Majuskeln 
hervorzuheben,  von  denen  allerdings  zwei,  an  die  irische  Art 
erinnernd,  mit  Punktumrahmung  (fol.  51a)  bezw.  Schraffier- 
füllsel (fol.  47b)  versehen  sind. 

Den  heutigen  Einband  bilden  zwei  mit  Kalbsleder  über- 
zogene Holzdeckel.  Er  stammt  nach  F.  Ehrle  aus  dem  Anfang 
des  19.  Jahrhunderts.  Auf  dem  Rücken  ist  in  schwarzer  Farbe 
auf  das  dunkelbraune  Leder  aufgedruckt: 

Homiliarum 

Liber 

ignoti  idiomatis 

41 

Seeolo  X 

CXVII 


')  Das  schliefst  natürlich  nicht  aus,  dafs  er  mehrfach  ziemlich  ver- 
derbte Texte  zur  Schreibvorlage  gehabt  hat. 


25 

IL  Alter  und  Scliriftcliarakter.  . 


Irgendwelche  äulsere  Anhaltspunkte  zur  Datierung  der 
vorliegenden  Handschrift  stehen  uns  leider  nicht  zu  Gebote. 
Auch  aus  dem  Inhalt  der  Texte,  der  poetischen  sowohl  wie 
der  prosaischen,  läfst  sieh  nichts  für  diese  Frage  entnehmen; 
denn  die  häufige  Erwähnung  des  Weltendes,  das  zweimal 
direkt  als  nahe  bevorstehend  bezeichnet  wird  —  in  Hom.  XI 
{ure  edlra  ende  stviöe  mislice  toiveard  nedlceced,  fol.  73  a)  und 
Hom.  XV  {on  Öam  nexstan  tide,  fol.  80  b)  —  sowie  die  auf 
fol.  73  a  erscheinenden  Klagen  über  Plünderung  und  Zerstörung 
der  Kirchen  und  Klöster  durch  „heidnische  Männer",  womit 
natürlich  die  Dänen  gemeint  sind,  beweisen  zunächst  nur  etwas 
für  die  Abfassungszeit  der  betreifenden  Homilien  oder  deren 
lateinischer  Vorlagen  und  können  sehr  wohl  auch  von  einem 
späteren  Abschreiber  beibehalten  sein. 

Wir  sind  daher  für  die  Datierung  der  Handschrift  nur 
auf  den  allgemeinen  Eindruck  angewiesen,  den  das  Alter  der 
Schriftzüge  auf  uns  macht.  Leider  ist  nun  in  der  Schriftkunde 
kaum  ein  Zweig  so  vernachlässigt  w^orden,  wüe  die  angel- 
sächsische Palaeographie,  die  erst  ganz  neuerdings  von  Wolfgang 
Keller  in  ihren  gröbsten  Umrissen  festgelegt  worden  ist.  Und 
so  erklärt  es  sich,  dals  die  älteren  Angaben  über  die  Ent- 
stehungszeit unseres  Vercelli-Codex  sehr  weit  auseinander  gehen 
und  zwischen  Überschätzung  und  Unterschätzung  seines  Alters 
hin  und  her  pendeln.  Nachdem  Jacob  Grimm,  —  der  erste,  *) 
der  seine  Meinung  hierüber  geäulsert  hat  — ,  sicherlich  be- 
trächtlich zu  früh  auf  den  „Beginn  des  10.  oder  noch  den  Schlufs 
des  Q.Jahrhunderts"  geraten  hatte,  griffen  Kemble,^)  Wülker,^) 

^)  Zwar  hatte  schon  174S  der  italienische  Bibelforscher  Bianchini, 
ohne  den  Text  lesen  zu  können,  die  Schrift  ins  10.  Jahrhundert  gesetzt 
(ne  v'  ha  dubbio,  che  non  sia  stato  scritto  al  piti  tardi  del  X  secolo).  Aber 
das  war  in  einem  Privatbriefe  geschehen,  der  erst  1S24  von  De -Gregory, 
Istoria  della  vercellese  letteratura,  (Torino  1^2-J)  Bd.  IV,  S.  556,  publiziert 
ist  und  überdies  von  der  Wissenschaft  bis  auf  den  heutigen  Tag  unbeachtet 
gelassen  ist.  —  J.  Grimm,  Andreas  und  Elene  (1840)  S.  XLV. 

2)  Codex  Vercellensis  {London  1843)  Vol.  I  p.  IX  (indirekt). 

')  Grimdrifs  zur  Geschichte  der  angelsächsischen  Litteratur  (Leipzig 
1885)  S.  237;  Codex  Vercellensis  (Leipzig  1894)  S.  V  und  VII  („oifenbar 
aus  dem  Anfange  des  elften  Jahrhunderts"). 


( 


26 

Cookji)  Krapp  2)  und  M.  B,  Smitb ')  offenbar  etwas  zu  hoch,  in- 
dem sie  den  Anfang  oder  sogar  die  erste  Hälfte  des  11.  Jahr- 
hunderts dafür  in  Anspruch  nahmen.  Erst  Keller  hat  durch 
eine  systematische  Yergleichung  des  datierten  Urkundenmaterials 
des  Britischen  Museums  die  Grundlagen  zu  einer  objektiven 
Beantwortung  der  Frage  geschaffen.  Auf  Grund  seiner  Zu- 
sammenstellungen können  wir  jetzt  mit  Bestimmtheit  sagen, 
dafs  die  Schrift  unseres  Yercelli-Codex  jenem  Typus  der  irisch- 
angelsächsischen  Cursive  angehört,  der  sich  seit  der  Mitte  des 
10.  Jahrhunderts  in  Süd-England,  nicht  ohne  kontinentalen  Ein- 
flufs,  ^)  zu  einer  breiteren,  stumpferen,  regelmälsigeren  Form 
entwickelt  hatte,  ohne  jedoch  schon  den  gedrungenen,  kräftigen 
Charakter  und  die  völlig  senkrechte  Federhaltung  aufzuweisen, 
die  sich  seit  dem  Beginn  des  11.  Jahrhunderts  infolge  der  Ge- 
wöhnung an  die  fränkische  ]\Iiniiskel  bei  lateinischen  Texten 
der  englischen  Nationalschrift  mitteilte.  Wir  werden  daher 
unsere  Vercelli- Handschrift  mit  ziemlicher  Sicherheit  in  die 
zweite  Hälfte  des  10.  Jahrhunderts  setzen  dürfen.  Keller  selbst 
glaubt  zwar,  die  Eutstehungszeit  noch  etwas  mehr  einengen 
zu  können:  „etwa  auf  die  Zeit  von  960 — 980."  Er  sagt  wört- 
lich auf  S.  39  f.  seiner  Angelsäclisischen  Palaeographie  (Berlin 
1906):  „Wülker  sagt  in  der  Einleitung  zu  dem  Faksimile 
(p.  VII):  .Die  Handschrift  stammt  der  Schrift  nach  offenbar 
aus  dem  Anfang  des  11.  Jahrhunderts.'  Dagegen  spricht  mir 
aber  der  meist  spitze  Absatz  der  Tiefstriche,  der  sehr  beliebte 
Gebrauch  des  runden  5,  das  y  mit  divergierenden  Schenkeln 
ohne  Punkt  —  die  andern  Formen,  die  ebengenannte  mit 
Punkt,  nach  links  gebogene  Schenkel  mit  und  ohne  Punkt,  und 
die  F-Form  kommen  auch  vor,  sind  aber  selten  — ,  ferner  das 
dreistriehige  a,  der  geschwungene  Horizontalstrich  bei  t  und  g, 

1)  The  Dream  of  the  Eood  (Oxford  1905)  f.  V  ('early  part  of  the 
eleventh  Century'). 

2)  Andreas   and   the   Fates   of  the   A^wstles   (Boston   1906)    S.  XIV 
('beginniDg  of  the  eleventh  Century'). 

=*)  In  The  Cambridge  History  of  English  Literature  (Cambridge  1907) 
Vol.  I,  S.  430  ('written,  probably,  in  the  eleventh  Century'). 

*)  Dafs  sich  fränkische  Einflüsse  seit  dem   10.  Jahrhundert  auch  in 
der  englischen  Buchmalerei  geltend  machen,   ersehen  wir  jetzt  klar  aus 
Otto  Homburgers  lehrreicher  Abhandlung  über  Die  Anfänge  der  Malschide  ^ 
von  Winchester  im  X.  Jahrhundert  (Halle  1912)  passim,  bes.  S.  7  ff. 


27 

und  zum  Sehlufs  unser  hohes  e.    In  ihrer  Gesamtheit  seheinen 
mir  diese  Elemente   nicht  auf  die   erste  Hälfte  des  11.  Jahr- 
hunderts zu  weisen,  sondern  etwa  auf  die  Zeit  von  9(50—980." 
Neuerdings  in  seiner  Darstellung  der  , angelsächsischen  vSchrift' 
in  Hoops  licallexilion  der  germanischen  Altertumskunde  (Strafs- 
burg  1911)  S.  102  hat  er  das  Datum  noch  ein  klein  wenig  nach 
unten  eingeengt   und  die  Jahre  von  „etwa  970  bis  980"  dafür 
angesetzt.     Wenn  Keller   nun   auch  mit  seiner  Zuweisung  der 
Handschrift  an  das  10.  Jahrhundert  wohl  zweifellos  das  Richtige 
getroffen  hat,  so  erregt  mir  doch  seine  zu  bestimmte  Festlegung 
und   zu   enge  Abgrenzung   des  Zeitraumes   auf  20  oder  sogar 
10  Jahre   starkes  Bedenken.     Eine   so  genaue  Datierung  läfst 
sich   meiner  Ansicht   nach   bei   dem   Fehlen   auf  serer  Anhalts- 
punkte allerhöchstens  dann  wagen,  wenn  uns  die  Erzeugnisse 
ein  und  derselben  Schreibschule  in  ausgiebigem  Material  und 
in  ununterbrochener,  datierter  Reihenfolge  vorliegen.    Was  aber 
Keller  zum  Vergleich    heranzieht,   ist  den  allerverschiedensten 
Skriptorien  entnommen,   ohne  Rücksicht  darauf,  dafs  die  fort- 
schreitende   Entwicklung    der    Schrift    nicht    an    allen    Orten 
gleichen  Schritt  hielt.    Die   zeitliche  Reihenfolge,  die   Keller 
den  poetischen  Haupthandschriften  auf  Grund  der  mehr  oder 
weniger   grofsen   Altertümlichkeit   ihrer  Schrift  innerhalb   der 
zweiten   Hälfte   des   10.  Jahrhunderts   zuweist  —   Exeter-MS., 
Vercelli-MS.,  C;cdmon-MS.  und  Beowulf-MS.  —  kann  nur  dann 
objektive   Geltung   beanspruchen,   wenn    es   ausgemacht  wäre, 
dafs  der  Skala  der  Altertümlichkeiten  auch  genau  die  zeitliche 
Reihenfolge  der  Entstehung  entspräche.     Dals  dies  aber  keines- 
wegs der  Fall  ist,   lehrt  z.  B.  unsere  angelsächsische  Beowulf- 
handschrift,  wo  der  zweite  Schreiber,  der  die  Schlufshälfte  des 
Gedichtes   kopierte,   eine  altertümlichere  Handschrift  aufweist 
als  der  erste  Schreiber,   doch  aber  natürlich  nicht  vor  diesem 
geschrieben   haben   kann.     Ebenso    zeigt   das   Evangeliar   der 
Yorker    Kapitelbibliothek    die    erste    Seite     des    Matthäus - 
Evangeliums    „in    einem    runden    charakteristisch    englischen 
Schrifttyp,  der  gegen  1020  (in  Canterbury?)  aufgekommen  sein 
mag,   während    der  Rest   der   Handschrift   einen    älteren    Stil 
vertritt."  i)     Aulser   den   lokalen  Unterschieden   wäre   endlich 

')  Otto  Hombnrger,  Die  Anfange  der  Malschule  von  Winchester  im 
10.  Jahrhundert,  Halle  1912,  S.  56. 


28 

die  noch  heute  zu  beobachtende  Verschiedenheit  der  Schrift 
der  einzelnen  Generationen  zu  beachten:  ein  alter  Mann  schreibt 
im  selben  Jahrzehnt  anders  als  sein  Sohn,  so  dafs  man  bei 
Datierungsangaben  zum  mindesten  immer  den  Spielraum  eines 
Menschenalters,  also  30  Jahre,  lassen  muls.  Die  richtig  von 
Keller  beobachteten  Altertüralichkeiten  des  Vercelli  -  Codex 
mögen  sich  daher  aus  einer  etwas  konservativeren  Schreibschule 
oder  aus  dem  höheren  Alter  des  Kopisten  erklären,  ohne  gerade 
eine  so  frühe  Datierung,  wie  sie  Keller  wünscht,  notwendig 
zu  machen.  Als  einen  älteren  Mann  möchte  ich  mir  ohnehin 
den  Kopisten  unserer  Handschrift  vorstellen,  da  die  grofse 
Seltenheit  offenkundiger  Schreibversehen  und  vor  allem  die 
grofse  Gleichmäfsigkeit  der  Schriftzeichen  den  ganzen  umfang- 
reichen Codex  hindurch  einen  recht  erfahrenen  Abschreiber 
voraussetzen. 

Auf  Grund  der  vorstehenden  Erwägungen  werden  wir  also 
besser  tun,  es  bei  einer  allgemeineren  Zeitbestimmung  bewenden 
zu  lassen,  also  die  Handschrift  entweder  mit  Holthauseni)  in 
die  „zweite  Hälfte  des  10.  Jahrhunderts"  oder  mit  Brandl^) 
in  „das  Ende  des  10.  Jahrhunderts"  zu  verlegen. 

Es  mag  noch  besonders  erwähnt  werden,  dafs  die  lateinischen 
Zitate  ebenfalls  in  insularer  Schrift  gegeben  sind,  noch  nicht, 
wie  es  gegen  Ende  des  10.  Jahrhunderts  immer  mehr  üblich 
wird,  in  fränkischer  Minuskel. 

Runen  sind  verwendet  zu  einem  Namenachrostichon  auf 
fol.  54^  und  fol.  133a.  Ein  einzelnes  Runenzeichen  ist  auch 
fol.  99  b  Z.  15  verwendet,   nämlich   die  Jf-Rune  für  das  Wort 

man  in  gefean  man  meaJite s^seon  (=  Blickling  Homilies, 

ed.  Morris,  S.  22335). 

Wie  schon  oben  erwähnt,  ist  die  ganze  Handschrift  von 
ein  und  demselben  Kopisten  geschrieben.  Höchstens  kann 
zweifelhaft  sein,  wie  weit  einzelne  der  spärlichen  Korrekturen, 
die  in  etwas  kleinerer  Schrift  meist  über  der  Zeile  angebracht 
sind,    von    einer   anderen    Hand   herrühren.     Die   Hauptmasse 


1)  Cynewtdfs  Elene  (Heidelberg  1910)  S.  IX. 

2)  Brandl,  Geschichte  der  altenglischen  Literatur  (in  Paals  Grundrifs 
der  germanischen  Philologie,  Bd  IT,  S.  941  ff.),  Strafsbnrg  1908,  S.lllO. 


29 

dieser  übergeschriebenen  i)  Wörter,  Silben  und  Buchstaben 
stammt  jedenfalls  von  dem  ursprünglichen  Schreiber  der  Hand- 
schrift her,  wie  die  völlig  übereinstimmende  Form  der  Buch- 
staben lehrt.  Aber  einige  wenige,  wie  das  ^  auf  fol.  88  a  Z.  16, 
ra  auf  fol.  94a  Z.  18,  vorgesetztes  m  auf  fol.  108  a  Z.  8,  mce^en 
und  J)njmme  auf  fol.  128a  Z.  20,  das  nicht  zum  Text  gehörende 
(also  Federprobe?)  ivritjms  am  Fufse  von  fol.  63b,  werden  doch 
wohl  von  anderer  Hand  nachgetragen  sein. 

Höchst  fraglich  ist  mir,  ob  die  Lagensignaturen  von  dem 
ursprünglichen  Schreiber  herrühren.  2)  Die  lagenzählenden 
römischen  Zahlen  weisen  jedenfalls  eine  etwas  andere  Form 
der  V  und  X  auf,  als  sie  unserem  Schreiber  geläufig  sind.  3) 
Und  jedenfalls  sind  die  am  Schluls  der  Lagen  stehenden  Buch- 
staben mit  anderer,  nämlich  völlig  steiler  Federhaltung  ge- 
schrieben und  zeigen  zum  Teil  auch  Formen,  die  unserem 
Schreiber  fremd  sind:  man  vergleiche  z.  B.  das  Ä  am  Fufse 
von  fol.  9b,  das  e  auf  fol.  40b  und  namentlich  das  f  (fol.  47  b) 
und  G  (fol.  55  b). 

Sicher  ist  ein  spätes  Einschiebsel  der  verstümmelte  Fsalmen- 
vers  (XXVI,  9)  mit  Neumen,  den  ein  Schreiber  des  13.  Jahr- 
hunderts auf  den  frei  gebliebenen  Raum  von  fol.  24  b  einge- 
tragen hat.  Ein  gleiches  gilt  natürlich  auch  von  der  späten 
Federprobe  auf  der  letzten  Seite.  Wenn  aber  Wülker  meinte, 
dafs  auch  der  Grundtext  der  Handschrift  „wenigstens  von  zwei 
Händen   (wahrscheinlich  aber  von  dreien)"  *)   geschrieben   sei, 


1)  Nur  fol.  113  a  haben  wir  einen  kleinen  Satzteil  auf  dem  Rande 
nachgetragen. 

^)  Sie  können  deswegen  auch  nicht  als  Beweis  dafür  angeführt 
werden,  wie  Krapp,  Andreas  (Boston  1906)  S.  XIV,  es  tut,  dafs  die 
Handschrift  in  ihrer  ursprünglichen  Form  auf  uns  gekommen  ist. 

^)  Wegen  der  'V  vgl.  die  Köpfe  von  fol.  33 »■  und  105^  mit  fol.  13» 
Z.  3,  f.  65»  Z.  18,  f.  7la  Z.  10,  f.  124^  Z.  16,  f.  Vlb^  Z.  7,  f  12G*  Z.  29, 
f.  \21^  Z.  13,  f.  128»  Z.  4,  f.  132b  z.  16.  Wegen  der  'X'  vgl.  die  Köpfe 
von  fol.  64a,  72b,  86»,  92'\  99»,  105»,  119»,  121»,  129»  mit  1531»  Z.  18, 
f.  121»  Z.  2,  f.  I28b  Z.  28,  f.  129»  Z.  14,  f.  131»  Z.  13,  f.  132»  Z.  6,  f.  132b 
Z.  22.  Erwähnt  mag  auch  werden,  dafs  die  Neunzahl  vom  Lagenzähler 
mit  'IX'  (f.  64'^  und  129^),  vom  Hauptschreiber  aber  mit  'Villi'  (f  128» 
Z.  4)  dargestellt  ist. 

*)  So  im  Codex  Vercellensis  (Leipzig  1894)  S.  VIL  Näheres  darüber 
gibt  er  in  seinem  Grundri/s  der  angelsächsischen  Litteratur  (Leipzig  1885) 


30 

so  hat  Napier  Zeitschrift  für  deutsches  Altertum  Bd.  XXXIII 
(1889)  S.  67,  sclion  dag-egen  Einspruch  erhoben  und  die  ganze 
Handschrift  einem  Schreiber  zuerteilt.  Und  wenn  die  Schrift 
gelegentlich  etwas  kleiner  (z.B.  auf  fol.  47a,  131a  oder  132b), 
etwas  enger  oder  etwas  schräger  und  weniger  sorgfältig  (beides 
auf  fol.  133b  bis  135b  =  Guthlac)  erscheint,  i)  so  sind  das 
Schwankungen,  wie  sie  noch  heutzutage  bei  jedem  Schreiber 
innerhalb  eines  längeren  Zeitraumes  sich  geltend  machen. 

Abkürzungen  sind,  wie  üblich  bei  angelsächsischen  Texten, 
nur  sehr  spärlich  verwendet.  Am  häufigsten  erscheint  der  ge- 
schwungene Abkürzungsbalken  für  in  oder  n^  der  meist  am 
Ende  der  Wörter  gebraucht  ist,  jedoch  gelegentlich  auch  im 
Wortiunern  erscheint,  z.B.  in  cluhuni  (=  dumhum)  fol.  10b,  ^nme 
{^=  grimme)  fol.  10 b,  lichälic  {=lichamlic)  fol. 2a  und  16a,  licäUce 
(=  licumlice)  fol.  75a,  fry].)e  (=  frymj)e)  fol.  12a,  ^enwnan^ nennen' 
{==  ^encemnan)  fol,  13  a,  tvynsünesse  (=  wynsumnesse)  fol.  19  a, 
untrünesse  (=  untrumnesse)  fol.  19  a,  iwgehyrsUnesse  (=  un^e- 
hyrsiimnesse)  fol.  90  a  usw.  Die  Kopula  ist  mit  wenigen  Aus- 
nahmen durch  das  bekannte,   den  tironischen  Noten  entlehnte 


S.  239  an:  „Die  Handschrift  ist  nicht  von  einem  Schreiber,  sondern  von 
zwei  oder  drei  Schreibern  geschrieben,  besonders  Lage  D  (25  —  32)  und 
P  (105 — 111),  doch  auch  ein  Teil  von  0  ist  in  anderer  Hand  geschrieben. 
Deutlich  unterscheiden  sich  eine  spitzere  feinere  und  eine  breitere  Schrift, 
doch  scheint  mir  auch  eine  dritte  Hand  zu  erkennen  zu  sein".  Allerdings 
wagt  er  nicht,  wie  er  in  einer  Anmerkung  hinzufügt,  „ganz  genau  zu 
bestimmen,  wo  die  eine,  wo  die  andere  Hand  anfängt.  Verschiedenes 
Schreibmaterial,  verschiedene  Beleuchtung,  verschiedenes  Befinden  der 
Augen  und  manches  andere  können  auf  die  Züge  derselben  Hand  einwirken. 
Bekannt  ist,  wie  man  bei  etwas  schlechterer  Beleuchtung  unwillkürlich 
grüfser  schreibt.  —  Aufserdem  sieheu  aber  gerade  in  unserer  Hand- 
schrift öfters  nur  ein  paar  Zeilen  in  kleinerer  i^chrift,  doch  in  gleichen 
Zügen,  gleich  darauf  aber  tritt  wieder  die  gewöhnliche  Gröfse  ein  (vgl. 
z.  B.  Andreas  Bl.  31=»).  Es  ist  nicht  anzunehmen,  dafs  ein  zweiter  Schreiber 
drei,  vier  Zeilen  geschrieben  und  ihn  dann  gleich  wieder  der  erste  abgelöst 
hätte."  In  der  Annahme  mehrerer  Schreiber  ist  ihm  Cook,  Dream  of  the 
Rood,  S.  VH;  Holthausen,  Elene,  S.  IX  und  A.  Brandl,  Geschichte  der  Alt- 
englischen Literatur  (Strafsbnrg  1908)  S.  946  gefolgt. 

*)  Gerade  diese  Seiten  der  Guthlac- Legende  hat  Gouser  im  Auge, 
wenn  er  Seite  35  sagt:  „Die  Schrift  ist  grob  [sicherlich  etwas  viel  be- 
hauptet!] und  zeugt  von  geringer  Sorgfalt",  was  von  den  übrigen  Teilen 
jedenfalls  in  keiner  Weise  gut. 


31 

insulare  Zeichen  ^  wiedergegeben.  Wo  sie  ausgeschrieben  ist, 
erscheint  sie  bald  als  ond  (z.B.  fol.lOb,  Ha,  2Gb,  27b  41b,  42b, 
43a  45a,  46b,  48a,  52b,  130a,  130b,  1,32b,  135a),  bald  als  and 
z.B.  fol.54b,  55a,  57a,  58a,  60b,  62a,  63a  63b,  64a,  77b,  112b). 
Auch  in  AYörtern  wie  andwlita,  andsyt,  andsivarode  usw.  wird 
das  Zeichen  gelegentlich  verwendet.  Mehrmals  erscheint  ein  s 
für  ^e,  meist  um  die  Vorsilbe  auszudrücken  (z.  B,  in  geleafa 
fol.l2b,  ^edale  fol.lQb,  gehyrsume  fol.l2a,  gehrecan  fol.Sb,  gestyre 
fol.  16a,  ^csylicö  fol.  16a,  gcstriidiap  fol.  17a,  ^eopenode  fol.  88a, 
Secyö  fol.  110a),  zuweilen  aber  auch  am  Wortende  zur  Flexions- 
bezeichnuug  (o/fcTA?/f??^e  fol.  IIb,  J^^e  fol.  1 1  a,  forestiliimise  fol. 
28b).  Recht  häufig  wird^  für  7;fe^  undj^öw  für  Jionne  geschrieben, 
gelegentlich  auch  c  (z.B.  fol.  12b,  13a,  13b,  14a,  15a)  oder  cw 
(fol.  15  b,  120  b)  für  cwced.  Die  öfter  vorkommende  Anrede  3Ien 
pa  leofcstan  wird  mit  J//)a?  (fol.  9a,  117b),  Menpal  (fol.  23b, 
24b,  80a,  87  b,  16b,  17  b),  MenÖl  (fol.  80a)  oder  auch  blofsem  Men 
(fol.  18  a)  oder  gar  nur  M  (fol.  18  a,  19  a,  20  a,  20  b,  24  a,  85  a, 
85b,  90b,  91b,  92a,  93a,  94a)  abgekürzt.  Auch  alleinstehendes 
men  wird  manchmal  durch  M  (fol.  22  a,  80b)  wiedergegeben. 
Ganz  vereinzelt  stehen  die  Abkürzungen  lichom  (am  Zeilenende 
für  lichoman)  fol.  21»,  ])rU  (für  Jmrh)  fol.  26b,  aptas  (für 
apostolas)  fol.  71b,  seilt  {im  sciUins)  fol.  80a,  Joh  {{m  Johannem) 
fol.  85b,  dd  (für  Dauid)  fol.  14a  und  15a,  dryli  (Zeilenende), 
driU  (Zeilenmitte)  für  drillten  fol.  90a  und  9a  (2  mal),  heri^ 
(am  Zeilende  für  lierigade)  fol.  19  a  und  middan^  (für  middan- 
searde)  fol.  21a,  26a. 

Die  Länge  eines  Vokals  ist  hin  und  wieder  durch  einen 
akutförmigen  Apex  angedeutet. ')  Ganz  vereinzelt  begegnen 
Doppelschreibungen,  wie  tiid  (fol.  25a)  oder  tiid  (fol.  25b). 

Etwas  häufiger  erscheinen  Abkürzungen  in  den  gelegentlich 
eingestreuten  lateinischen  Zitaten.  Da  uns  Ludwig  Traube  2) 
erst   neuerdings    die  Wichtigkeit    der    Abkürzungsform^n    vor 


*)  Für  die  poetischen  Texte  sind  die  Läugebezeichnuugen  zusammen- 
gestellt bei  Rieb.  Wiilker  Bibliothek  der  cmgelsächsischen  Poesie  (Cassel 
1888),  Bd.  II,  S.  204  —  207.  Vgl.  auch  W.  Keller,  Über  die  Akzente  in  den 
angelsächsischen  Handschriften  (Prager  Deutsche  Studien  VIII)  Prag  1908. 

'')  Traube,  Perroyxa  Scottorum  (Sitzungsberichte  der  bayrischen 
Akademie  der  Wissenschaften,  1900)  S.  497f.  u.  Nomina  Sacra,  München 
1907,  S.  214f. 


32 

Augeu  geführt  hat,  seien  die  Kontraktionen,  Suspensionen  und 
Symbole,  die  in  den  lateinischen  Zitaten  unserer  Handschrift 
vorkommen,  hier  zusammengestellt:  am  (==  amen)  fol.  94b,  aut 
(=  autem)  fol.  75b,  ds  {=  deus)  fol.  74b,  di  (=  dei)  fol.  26b, 
27a,  54b,  90a,  dö  {=  deo)  fol.  25b,  28  a,  dni  (=  doinini)  fol.  75a, 
dne  {=domme)  fol.  25a,  93b,  dnm  {=  dominum)  fol.  75a,  dno 
(==  domino)  fol.  72a,  77a,  m  (=  esset)  fol.  4b,  //  (=  autem) 
fol.  85b  (2  mal),  ihs,  ihu  oft,  noJr  {=  nohis)  fol.  4a,  25a,  nri 
(==  nostri)  fol.  54b,  j;  (=  j^er)  in  lierseuerit  fol.  72  a,  percipite 
f.  84b,  p  (=j;r[a]e)  in  praedicate  fol.  26a,  praeparatus  fol.  84  b, 
presuram  f.  72a,  p  (=  pro)  in  xtrohihehod  fol.  85b,  ^  (=  qui) 
fol.  27  b,  qfio  {^=  quoniam)  fol.  26b,  scdm  {=^  semndum)  fol.  59a, 
93  b,  scia  sclorum  {^=  saecula  saeculorum)  fol.  85  b,  90  b,  94  b, 
scs,  sca  sehr  oft,  sps  (==  spiritus)  fol.  27  b,  ür  (=  uester)  fol.  6b, 
ura  {=uestra)  fol.  27a,  72a,  uoh'  {=  uohis)  fol.  IIb,  84b,  xps 
sehr  häufig.  Die  Endung  -iis  ist  nach  b  mit  ;  {hominihus 
fol.  28b)  ausgedrückt.  Die  Kopula  et  ist  ausgeschrieben;  nur 
einmal  (fol.  IIb)  steht  dafür  das  insulare  Zeichen,  was 
sonst  im  10.  Jahrhundert  für  lateinisches  et  kaum  verwendet 
wird. 

Als  Satzzeichen  zur  Markierung  grülserer  oder  kleinerer 
Sprechpausen  werden  der  Punkt  oder  Strichpunkt  verwendet; 
selten,  namentlich  am  Schluls  eines  Abschnittes  erscheinen  : , 
oder  :  -  .1) 


111.    Die  Sprache  der  Handschrift. 

Nachdem  man  in  Vercelli  selbst,  wie  die  Rückenaufschrift 
des  Einbandes  zeigt,  lange  Zeit  mit  der  Sprache  dieser  Hand- 
schrift nichts  anzufangen  wuIste,  wurde  dieselbe  zuerst  von 
Professor  Blume  richtig  als  „angelsächsisch"  erkannt.  Die  in- 
zwischen erlangte  genauere  Kenntnis  der  altenglischen  Laut- 
lehre setzt  uns  heute  in  den  Stand,  den  Sprachcharakter  etwas 
näher  zu  bestimmen  und  die  Handschrift  einer  bestimmten 
Mundart  des  Altenglischen   zuzuweisen:   nämlich  dem  in  Süd- 


^)  Vgl.  W.  KeUer,  Angelsächsische  Palaeographie ,  S.  50f.;  Luick  im 
Beiblatt  zur  Anglia,  Bd.  XXIII  (1912)  S.  228  ff. 


33 

westengland  heimischen  westsUchsisehen  Dialekte,  und  zwar 
seiner  jüngeren  Form,  wie  sie  sich  etwa  seit  der  Mitte  des 
10.  Jahrhunderts  herausgebildet  hat.  Bei  näherem  Zusehen 
ergibt  sich  weiter,  dafs  die  Sprache  kein  reines  Jungwest- 
sächsisch  ist,  sondern  hie  und  da  altwestsächsische,  auch  einige 
kentische,  vor  allem  aber  zahlreiche  anglische  Sprachelemente 
einmengt.  "Wie  diese  Dialektmischung  zu  erklären  ist,  muls 
einer  Spezialuntersuchung  des  Sprachcharakters  der  einzelnen 
Texte  vorbehalten  bleiben.  Hier  sei  nur  darauf  hingewiesen, 
dafs  sich  prinzipiell  für  das  Zustandekommen  dieses  Sprach- 
zustaudes  verschiedene  Erklärungsmöglichkeiten  ergeben.  Die 
gewöhnliche  Annahme  geht  dahin,  dafs  die  Dialektmischung 
erst  durch  die  Abschreiber  hineingetragen  sei.  Und  tatsächlich 
weisen  manche  Anzeichen  darauf  hin,  dafs  die  Mehrzahl  der 
Gedichte  sowie  verschiedene  Prosatexte  unserer  Handschrift 
trotz  des  westsächsischen  Gewandes,  in  dem  sie  uns  jetzt  ent- 
gegentreten, ursprünglich  in  anglischer  Mundart  geschrieben 
sind.  Bei  der  Umschrift  ins  Westsächsische  wäre  dann  manches 
möglicherweise  von  dem  ursprünglichen  Dialekte  stehen  ge- 
blieben —  daher  die  anglischen  Elemente  in  unserer  Handschrift. 
Dals  diese  Umsetzung  ins  Westsächsische  erst  von  unserem 
Kopisten  vorgenommen  sei,  scheint  nicht  recht  glaublich.  Viel- 
mehr weisen  altwestsächsische  Sprachspuren  in  einigen  Texten 
darauf  hin,  dafs  unser  Schreiber,  bereits  eine  südliche,  auf  alt- 
westsächsischer  Grundlage  beruhende  Umschrift  vor  sich  gehabt 
hat.  Wie  die  kentischen  Dialektspuren  hinein  gekommen  sind, 
ist  nicht  so  leicht  zu  sagen.  Jedenfalls  sind  sie  zu  spärlich,*) 
als  dafs  man  mit  Brandl^)  kentische  Herkunft  des  letzten  Ab- 
schreibers annehmen  könnte.  Eher  wäre  die  Annahme  möglich, 
dafs  einzelne  Texte  vorher  durch  eine  kentische  Kopie  hin- 
durchgegangen sind.  Vielleicht  ist  aber  auch  letztere  Hypo- 
these nicht  einmal  nötig,  wenn  man  nämlich  annimmt,  dafs  der 
sächsische  Kopist  der  Vercelli-Handschrift  irgend  einem  Grenz- 
distrikte nach  Kent  zu  angehört  hat. 


^)  Aus  Jane  Weightman,  The  Language  and  Dialed  of  the  later  Old 
English  Poetnj  (Liverpool  1907)  S.  70  ergibt  sich,  dafs  in  den  poetischen 
Teilen  des  Vercelli- Codex  die  anglischen  und  kentischen  Sprachformen 
sich  etwa  wie  9  : 1  verhalten. 

*)  Geschichte  der  altenglischen  Literatur,  S.  1110. 

Studien  z.  engl.  Phil.    L.  3 


34 

Eine  andere  Erklärungsmöglichkeit  ergäbe  sich,  wenn  wir 
zeigen  könnten,  dals  ein  ebensolcher  Mischdialekt  irgendwo  in 
England  gesprochen  oder  wenigstens  geschrieben  worden  ist. 
Als  wirklich  gesprochenen  Ortsdialekt  wird  sich  bei  dem  gegen- 
wärtigen Stande  der  englischen  Mundartenforschung  diese 
Sprachform  nun  wohl  nicht  leicht  erweisen  lassen.  Dagegen 
kann  man  nachweisen,  dafs  dasselbe  Dialektgemisch  in  einer 
Gruppe  von  Handschriften  begegnet,  die  in  dem  Marienkloster 
zu  Worcester  geschrieben  sind  und  die  Werke  des  Worcesterer 
Bischofs  Wulfstan  I.  (1003—1016)  enthalten.  Es  sind  das  in 
erster  Linie  die  von  dem  Schreiber  Wulfgeat  hergestellten  Ab- 
schriften Wulfstanscher  Predigten  in  den  drei  Oxforder  Hand- 
schriften Junius  121,  Hatton  113  und  Hattou  114,  deren  Sprache 
Heinrich  Dunkhase  9  als  im  wesentlichen  westsächsisch  mit 
mercischen  Beimischungen  und  einigen  kentischen  Formen 
gefunden  hat.  Da  es  sich  bei  diesen  Predigten  aus  Worcester 
um  Texte  handelt,  bei  denen  Verfasser  und  Abschreiber 
demselben  Dialektgebiet  augehören,  wird  die  sprachliche 
Mischung  nicht  durch  Umschreiben  aus  einem  Dialekt  in  den 
anderen  zustande  gekommen  sein;  sondern  dem  Abschreiber 
mufs  eine  solche  Sprachform,  wenn  auch  nur  als  geschriebene 
Sprache,  geläutig  gewesen  sein.  Wir  werden  also,  wenn  wir 
uns  vorsichtig  ausdrücken  wollen,  jenes  Westsächsisch  mit 
mercisch-kentischer  Beimischung,  wenn  nicht  als  Worcester- 
Dialekt,  so  doch  als  Worcesterer  Schulorthographie  bezeichnen 
dürfen  und  sagen  können,  dafs  die  Sprache  unserer  Vercelli- 
Handschrift  mit  dieser  Worcesterer  Schreibsprache  überein- 
stimmt. Wenn  sich  erweisen  lassen  sollte,  —  wozu  es  bisher  an 
den  nötigen  Voruntersuchungen  fehlt  — ,  dafs  sich  diese  Schreib- 
sprache auf  die  Diözese  Worcester  beschränkt  und  nicht  viel- 
mehr, wofür  ich  Anzeichen  zu  haben  glaube,  über  einen  breiten 
Gürtel  bis  Essex  hin  sich  ausdehnt,  so  würde  damit  der  Ent- 
stehungsort des  Vercelli-Codex  festgelegt  sein.  Auf  jeden  Fall 
wird  man  aber  sagen  dürfen,  dafs  vom  sprachlichen  Stand- 
punkte aus  der  Hypothese  nichts  im  Wege  stände,  dafs  unsere 
Vercelli- Handschrift  in  Worcester  geschrieben  ist,  wo  gerade 


1)  Heinrich  Dunkhase,  Die  Sprache  der  Wulf stan' sehen  Homilien  in 
Wulfgeats  Handschriften,  Jena  1906. 


in  der  zweiten  Hälfte  des  10.  Jahrhunderts  unter  Abt  Oswald 
(959—992),  also  zur  Entstehungszeit  des  Vereelli-Codex,  ein 
reiches  literarisches  Leben  erblüht  war. ')  Dieser  Hypothese 
stände  natürlich  nicht  entgegen,  dafs  einzelne  Texte  desVercelli- 
Codex   ursprünglich   in   anderen  Dialekten   geschrieben  waren. 


TV.    Herkunft  der  Handschrift. 


Wo  die  Vercelli- Handschrift  geschrieben  ist,  und  auf 
welchem  Wege  sie  in  die  Kapitel-Bibliothek  zu  Vercelli  ge- 
langt ist,  lälst  sich  nicht  mehr  feststellen. 

In  dem  Abschnitt  über  die  Sprache  suchten  wir  zwar  zu 
zeigen,  dals  der  Abschreiber  der  Handschrift  ein  SUdengländer 
gewesen  ist.  Damit  ist  aber  zunächst  noch  nicht  ausgemacht, 
dals  er  wirklich  in  einem  südenglischen  Kloster  geschrieben 
hat,  ja  dals  die  Handschrift  überhaupt  in  England  hergestellt 
ist.  Sonderlich  wahrscheinlich  ist  es  freilich  nicht,  dals  eine 
so  umfangreiche  Handschrift  in  einer  Sprache  geschrieben  sei, 
die  von  der  Umgebung  des  Schreibers  nicht  verstanden  wurde. 
Und  wenn  wir  hinzuziehen,  dafs  die  Homilien,  die  den  Haupt- 
inhalt des  Manuskriptes  ausmachen,  doch  sicherlich  zum 
praktischen  Gebrauch  beim  öffentlichen  Predigen  berechnet 
waren,  so  werden  wir  mit  einiger  Bestimmtheit  die  Hypothese 
ablehnen  dürfen,  dafs  der  Vercelli -Codex  auf  dem  Kontinent 
geschrieben  sei.  2)  Danach  würden  wir  also  die  Herstellung 
der  Handschrift  in  England  selbst,  und  zwar  im  südlichen 
England,  als  eine  ziemlich  gesicherte  Tatsache  hinstellen  dürfen. 

Schwieriger  ist  die  Frage,  wie  die  Handschrift  aus  Eng- 
land nach  Vercelli  gekommen  sei,  schwierig  besonders  des- 
wegen, weil  uns  die  Handschrift  selbst  keinerlei  Anhaltspunkte 
dafür  liefert,   wir  also  lediglich  auf  Vermutungen  angewiesen 


')  W.  Keller,  Die  litterarischen  Bestrebungen  von  Worcester  in 
angelsächsischer  Zeit  (Quellen  und  Forschungen  zur  Sprach-  und  Kultur- 
geschichte der  germanischen  Völker,  Heft  84),  Strafsburg  1900,  S.  llf. 

2)  Jacob  Grimm,  Andreas  und  Elene  (Cassel  1840)  S.  XL  VI,  glaubte, 
mit  dieser  Hypothese  rechnen  zu  müssen,  hielt  aber  auch  die  Entstehung 
in  England  für  wahrscheinlicher. 

3* 


36 

sind,  und  weil  bei  den  mannigfachen  Beziehungen  zwischen 
Vereelli  und  England  der  Möglichkeiten  eben  sehr  viele  ge- 
wesen sind.  Aber  alle  bisher  darüber  aufgestellten  Theorien 
sind  entweder  unbeweisbar  oder  entbehren  der  Wahrschein- 
lichkeit. 1) 

Am  meisten  Anhänger  hat  die  älteste  Hypothese  gefanden, 
die  schon  1845  von  einem  Anonymus  anlälslich  einer  Be- 
sprechung von  H.  G.  Knight's  Ecdesiasiical  ArcJütecture  of 
Italy  (London  1843)  in  der  Ouarterly  Revietc-)  vorgetragen  war 
und  dann  1888  von  Prof.  Albert  Cook  im  Bibliotheksbulletin 
der  Universität  Californien  eingehender  begründet  worden  ist.^) 
Danach  wäre   unsere   angelsächsische   Handschrift    durch   den 


1)  Aus  chronologischen  Gründen  völlig  hinfällig  ist  die  Theorie, 
welche  der  italienische  Gelehrte  Costanzo  Gazzera  1S4T  in  einem  Tnriner 
Akademievortrag  über  'Epigrafi  ed  altre  antichitä  cristiane  vercellesi' 
{Delle  iscrizio7ii  cristiane  antiche  del  Piemonte  discorso  in  'Memorie  della 
reale  accademia  delle  scienze  di  Torino',  Seriell,  Tom.  XI  [Torino  1S51] 
p.  255)  aufgestellt  hat.  Er  vermutet  dort,  dafa  der  berühmte  irische 
Philosoph  Johannes  Scotus  Eringena  in  Vereelli  gewesen  sei,  und  dalä 
unser  angelsächsischer  Codex  ihm  gehört  habe.  Letzteres  ist  aber  schon 
darum  unmöglich,  weil  unser  Codex  erst  über  100  Jahre  nach  Eriugenas 
Tode  (ca.  877)  geschrieben  ist.  —  Ohne  jeden  Anhaltspunkt  ist  die 
Hypothese  von  Prof.  Earle  (in  seiner  Ausgabe  von  Tico  of  the  Saxon 
Chronicles  Parallel,  Oxford  1&65,  p.  xxii),  wonach  ein  uns  so  gut  wie 
imbekannter  Bischof  Cyneweard  von  Wells  im  Jahre  9T5  nach  Rom  gereist 
sei  und  dabei  unseren  Codex  in  Vereelli  zurückgelassen  habe.  Aber  wir 
wissen  nicht  einmal,  ob  dieser  Cyneward  je  in  Italien  gewesen  ist.  Earle 
folgert  das  nur  aus  der  Angabe  eines  Gedichtes  auf  den  König  Eadgar  in 
den  Worcester-Annalen  {Saxo7i  Chronicles  Parallel,  ed.  Ch.  Plummer, 
Oxford  1S92  — 99,  Vol.  I,  p.  120;  Vol.  II,  p.  163),  dafs  Bischof  Cyneweard 
975  „von  Britannien  gegangen  sei"  (of  Brytene  geicät).  Selbst  wenn  diese 
poetische  Phrase  nicht  bedeuten  sollte  „er  starb",  was  doch  das  wahr- 
scheinlichste ist,  weil  der  Chronist  Florence  von  Worcester  (Chronicon, 
ed.  B.  Thorpe,  English  Historical  Society,  1S49,  Vol.  I,  p.  145:  [zu  974] 
Cinewardus  Smnertunensis  episcopxis  ohiit)  974  als  Todesjahr  des  Cyneweard 
angibt  und  dessen  nachfolger  Sigegar  seit  979  urkundend  (Kemble,  Cod. 
Dipl.,  Nr.  621)  nachzuweisen  ist.  Mit  demselben  Rechte  wie  Cyneweard 
könnte  man  jedem  englischen  Bischof,  mit  gröfserem  Rechte  jedem  angel- 
sächsischen Rompilger  die  Übertragung  des  Vereelli -Codex  zuschreiben. 

2)  Quaterly  Review,  Bd.  LXXV  (März  1S45)  S.  39Sf. 

^)  A.Cook,  Cardinal  Guala  and  the  Vereelli  Book,  im  Library  Bulletin 
No.  10,  University  of  California  (Sacramento  1S88)  8  Ss.  Dazu  A.  Cook, 
Sxqjplementary  l:\ote  to  ' Cardinal  Guala  and  the  Vereelli  Book'  in  'Modern 


37 

italienisclien  Kardinal  Guala  Bicchieri  i)  (gest.  1227)  aus  Eng- 
land nach  Vercelli  gebracht  worden.  Dieser  aus  einem 
Vercellenser  Patriziergeschlecht  stammende,  sehr  kluge,  ge- 
lehrte und  für  Kunst  und  Wissenschaft  interessierte  Kardinal 
war  von  Papst  Innozenz  III.  als  Legat  nach  England  gesandt 
und  hatte  sich  dort  während  seiner  dreijährigen  Amtstätigkeit 
(1216—1218)  einen  gewaltigen  politischen  Einfiufs  zu  erwerben 
gewufst  und  in  Sonderheit  beim  Tode  des  englischen  Königs 
Johann  (1216)  so  geschickt  in  den  Streit  der  Parteien  zu 
gunsten  des  neuen,  erst  neunjährigen  Herrschers  Heinrich  IL 
eingegriflfen,  dafs  ihm  dieser  zu  dauerndem  Danke  verpflichtet 
blieb.2)  Schon  vor  seiner  Englandreise  hatte  der  sehr  reiche 
Kardinal  Schritte  getan,  sein  Andenken  durch  eine  Stiftung 
in  Vercelli  dauernd  zu  erhalten:  durch  Urkunde  vom  10.  März 
1215  hatte  er  sich  vom  bischöflichen  Kapitel  ein  Terrain  für 
die  Gründung  eines  Kanonikerstiftes  abtreten  lassen.  Kaum 
drei  Monate  nach  seiner  Rückkehr,  am  20.  Februar  1219,  hatte 
er  die  Freude,  zusammen  mit  dem  Bischof  von  Vercelli  den 
Grundstein  zu  dem  neuen  Gebäude,  das  dem  Apostel  Andreas  3) 

Language  Notes',  Vol.  IV,  S.  212f.  Siehe  auch  Krapp,  Andreas  (Boston 
1906)  p.  X— XIV. 

^)  Vgl.  Gualae  Bicherii  irreshyteri  cardinalis  S.  Martini  in  Montibus 
vita  et  gesta  colleda  a  Philadel fo  Liblco  [Psendouym  für  den  Abt  Giu- 
seppe Frova],  Mediolani  1767  [Exemplar  der  Kgl.  Bibl.  Berlin,  Sign.: 
Ce  13230]  und  (darauf  fufsend)  Gioanni  Lampugnani,  Sulla  vita  di  Guala 
Bicchieri  patrizio  vercellese,  prete  cardinale  di  S.  Martino  ai  Monti,  cenni 
storici,  Vercelli  1842  [Exemplar  der  Kgl.  Hof-  und  Staatsbibliothek  in 
München,  Ital.  4«.  73  g]. 

^)  Siehe  H.  R.  Luard,  On  the  Relations  betiveen  England  and  Borne 
during  the  Earlier  Portion  of  the  Reign  of  Henry  III  (Cambridge  1877) 
und  Abbot  Gasquet,  Henry  the  Third  and  the  Church  (London  1905) 
S.  27—76. 

3)  Die  Wahl  dieses  Namens  hat  man  {Quarterly  Review,  Vol.  LXXV 
[1845]  S.  398)  durch  den  Hinweis  auf  die  englische  Andreaspfründe,  aus 
der  die  Neugründung  gröfstenteils  ihren  Unterhalt  bezog,  zu  erklären 
versucht.  Indes  ist  zu  beachten,  dafs  das  vom  Bischof  abgetretene  Terrain 
schon  vorher  eine  Kirche  des  heil.  Andreas  trug,  die  im  Jahre  1169  erbaut 
war.  Vermutlich  hat  also  Guala  mit  Rücksicht  auf  diese  ältere  Kirche 
seine  Neugründung  nach  dem  Apostel  Andreas  benannt,  wie  diese  denn 
auch  in  mehreren  Urkunden  vom  Jahre  1223  und  1224  geradezu  als 
'ecclesia  nova  S.  Andreae  Vercellensis'  bezeichnet  wird  (Frova  a.a.O. 
S.  134ff.  und  Lampugnani  a.  a.  0.  S.  lu2ff.). 


38 

geweiht  wurde,  zu  legen;  aber  erst  nach  fünfeinhalbjähriger 
Bauzeit,  am  7.  Dezember  1224,  konnte  die  feierliche  Einweihung 
der  dazu  gehörigen  Stiftskirche  vollzogen  werden.  Es  war 
dies  die  geräumige  und  prächtig  ausgestattete  Basilica  di 
S.  Andrea,  die  noch  heute  eine  Sehenswürdigkeit  von  Vercelli 
bildet.  Diese  im  Übergangsstil  erbaute  Kirche  erinnert  in 
vielen  Konstruktions-  und  Dekorationselementen  so  stark  an 
nordfrauzösisch  -  englische  Vorbilder,  dafs  man  lange  Zeit  an- 
nahm, dafs  sie  von  einem  englischen  Architekten,  den  Guala 
mit  nach  Italien  gebracht  habe,  erbaut  worden  sei.  i)  Indefs 
ist  1894  von  dem  französischen  Archäologen  C.  Enlart^)  der 
Nachweis  erbracht,  dals  die  Stileigentümlichkeiten  der  Andreas- 
kirche zu  Vercelli  deutlich  auf  die  nordfranzösische  Gotik 
hinweisen  und  dafs  die  Kirche  also  jedenfalls  von  den  nord- 
französischeu  Augustiner  Chorherren  erbaut  ist,  welche  Guala 
aus  St.  Victor  bei  Paris  berufen  und  in  sein  ueugegrtindetes 
Kanonikerstift  eingesetzt  hatte.  Die  isolierte  Stellung,  welche 
S.  Andrea  di  Vercelli  in  der  italienischen  Kunstgeschichte  ein- 
nimmt, erklärt  sich  hienach  daraus,  dals  die  italienische  Gotik 
sieh  sonst  ganz   und  gar  dem  stidostfranzösischen  Stile  ange- 


^)  So  z.B.  noch  Fergnsson,  A  Eistory  of  Arcliitecture  (London  1865 
bis  1867)  Vol.  II,  S.  199  u.  a.  m.  Sogar  den  Namen  des  englischen  Archi- 
tekten glaubte  die  Vercellenser  Lokaltradition  zu  wissen:  es  sei  ein  ge- 
wisser Brighint  gewesen  [Fergnsson  schreibt  fälschlich  'Brigwhite'].  Diese 
Angabe  leitet  sich  indes  lediglich  daher,  dafs  man  im  15.  Jahrhundert  in 
dem  Stift  am  30.  August  den  Gedenktag  eines  'Joannes  Dominicus 
Brighinthius'  feierte,  der  allerdings  seinem  irischen  Namen  zufolge  wohl 
ein  Engländer  gewesen  sein  mag  (Carlo  Emmanuele  Arborio  -  Mella,  Cenni 
istorici  sulla  chiesa  ed  abbazia  di  Sant'  Andrea  in  Vercelli,  Torino  1856, 
S.  27  [ein  Exemplar  dieses  lithographierten,  sehr  seltenen  Werkes  ist  in 
meinem  Besitz]). 

*)  C.  Enlart,  Origines  frangalses  de  V arcliitecture  gothique  en  Italic 
(Bibliotheque  des  ecoles  frangaises  d'Athenes  et  de  Rome,  fasc.  LXVI, 
Paris  1894)  bes.  S.  18—21,  176—186  und  309;  0.  Stiehl,  Der  Backsteinbau 
romanischer  Zeit,  besonders  in  Oberitalien  und  Norddeutschland,  Leipzig 
1898.  Der  äufsere  Skulpturenschmuck  der  Kirche  rührt  gröfstenteils  von 
dem  bekannten,  ganz  auf  französischer  Kunst  fufsenden  norditalienischen 
Bildhauer  Benedetto  Antelami  her  (A.  Venturi,  Storia  deW  arte  italiana. 
Vol.  III  [Milano  1904]  S.  336—340).  —  Mit  dieser  Ablehnung  der  englischen 
Herkunft  der  Andreas  -  Kirche  fällt  eine  der  Hauptstützen  der  Guala- 
Hypothese. 


39 

schlössen  hat,  mit  dem  die  Zisterzienser  im  12.  Jahrhundert 
die  Gotik  in  Italien  einführten,  während  jene  nordfranzösisehe 
Bauweise  der  Pariser  Augustiner,  wie  sie  uns  in  dem  Vereellenser 
Andreas-Stift  entgegentritt,  ohne  weitere  Nachfolge  geblieben 
ist.  Auch  jene  vermeintlichen  englischen  Anklänge  lassen  sich 
nun  leicht  verstehen,  da  auch  die  englische  Gotik  auf  die 
nordfranzösische  Schule  zurückgeht. 

Für  den  Unterhalt  seiner  Klostergründung  hatte  Kardinal 
Guala  in  der  Weise  gesorgt,  dafs  er  noch  während  seines 
Aufenthaltes  in  England  den  englischen  König  Heinrich  III. 
dazu  bewog,  dem  von  ihm  zu  stiftenden  Andreas-Kloster  in 
Vercelli  die  reichen  Einkünfte  der  Priorei  St.  Andrews  in 
Chesterton,  Diözese  Ely,  zu  überweisen.  ^)  Durch  diese  Benefiz- 
verleihung, welche  durch  königliches  Patent  vom  8.  November 
1217  betätigt  wurde  und  bis  zum  Jahre  1440  dem  Vercelli- 
kloster  verblieben  ist,  war  also  eine  dauernde  Verbindung 
zwischen  England  und  Vercelli  hergestellt  und  mithin  —  was 
für  uns  das  Wichtigste  ist  —  das  ganze  Mittelalter  hindurch 
die  Möglichkeit  eines  Bücheraustausches  eröffnet.  Befestigt 
wurde  diese  Verbindung  dadurch,  dafs  Guala  mit  dem  Kanoniker- 
stift eine  Schule  verband,  die  sich  bald  (1228)  zu  einer 
blühenden   Universität    entwickelte,    die   manchen    Engländer, 


^)  Die  Originalausfertigungen  des  kgl.  Verleihungspatentes  sowie  der 
Zustimmungsurkunde  der  englisclien  Magnaten  und  der  Bestätignngsurkunde 
des  Bischofs  von  Ely  befanden  sich  noch  im  18.  Jahrhundert  im  Archiv 
des  Stiftes  und  sind  von  Frova  a.a.O.  S.  lOOf.  in  Anmerkung  r  und  s 
abgedruckt.  Päpstliche  Bestätigungsbullen  haben  wir  aus  den  Jahren  1223, 
1227  und  1261.  Als  Heinrich  III.  grofsjährig  geworden,  bestätigte  er  die 
Verleihung  durch  Urkunde  vom  16.  Januar  1239,  die  wir  noch  heute  in 
den  'Charter  RoWs^  {Caleiular  of  Charter  Rolls,  Vol.  I  S.  234)  lesen  können. 
Eine  vom  20.  Oktober  1420  datierte  Abschrift  dieser  Bestätigung  findet 
sich  im  Archiv  des  Trinity  College  zu  Cambridge  (gedruckt  von  George 
Williams  als  Anhang  zu  Official  Correspondence  of  TJwmas  Bekynton, 
London  1872,  Vol.  II  S.344,  vgl.  auch  Vol.  I  S.  LXXIX— LXXXI),  dem  diese 
Pfründe  später  zufiel.  Vgl.  J.  E.  Foster,  The  Connection  of  the  Church 
of  Chesterton  ivith  the  Äbbey  of  Vercelli  in  'Proceedings  of  the  Cambridge 
Antiquarian  Society',  Vol.  XIII  (Cambridge  1909)  p.  185— 212.  Das  dort 
zitierte  Werk  von  Paste,  L'ahhazia  di  S.  Andrea  di  Vercelli  (Vercelli  1907) 
ist  mir  imzugänglich.  —  Dafs  Guala  'zum  Prior  von  St.  Andreas  zu  Chester 
[sie!]  ernannt'  sei,  wie  Wülker  Codex  Vercellensis -p.  Y  angibt,  beruht  auf 
einem  Irrtum. 


40 

darunter  auch  den  berühmten  Oxforder  Franziskaner  Adam 
de  Marisco  (gest.  1257)  anlockte.  Letzterer  blieb  auch  nach 
seiner  Rückkehr  in  die  Heimat  mit  Vercelli  in  Verbindung: 
in  seinem  Briefwechsel  befindet  sich  ein  Schreiben  an  den 
Abt  Thomas  von  S.  Andrea  di  Vercelli,  in  welchem  er  diesen 
um  Übersendung  seines  neuen  Werkes  über  das  'minisierium 
thcologicum'  bittet  und  ihm  als  Gegengabe  die  Übersendung 
seiner  eigenen  Erklärung  des  Englischen  Grufses  ankündigt,  i) 
Hier  also  ein  Beispiel  eines  regelrechten  Schriftaustausches 
zwischen  Vercelli  und  Oxford. 

Erkennen  wir  nun  in  diesen  Tatsachen  allgemeine  Mög- 
lichkeiten für  den  Weg,  auf  dem  unser  angelsächsischer  Codex 
nach  Vercelli  gelangt  sein  mag,  so  muls  speziell  noch  damit 
gerechnet  werden,  dafs  Kardinal  Guala  selbst  den  Codex  in 
seine  Heimat  mitgebracht  haben  kann.  Wenigstens  wissen  wir 
aus  einem  kurz  vor  seinem  Tode  aufgenommenen  Inventar,  2) 
dafs  unter  den  Büchern,  die  er  mit  seiner  ganzen  Habe  dem 
Andreaskloster  hinterliels,  sich  wenigstens  zwei  'de  liitera 
Anglicana'  d.  h.  'in  englischem  Schrifttypus  geschriebene'  und 
wahrscheinlich  also  aus  England  stammende  Handschriften 
befanden  und  dafs  obendrein  gerade  diese  beiden,  nämlich 
eine  'bibliotheca^)  de  littera  Anglicana,  qua  JD.  Cardinalis  ute- 
iatur  in  capelW  und  ein  '  Omeliarum  de  capella  D.  Cardinalis 
de  bona  littera  Anglicana'  dem  persönlichen  Gebrauche  Gualas 
gedient  hatten.  Wenn  nun  auch,  wie  man  sieht,  diese  beiden 
Manuskripte  in  keiner  Weise  mit  unserem  Vercelli  -  Codex 
identifiziert  werden  können,  so  Heise  sich  doch  daraus  eine 
gewisse  Vorliebe  des  Kardinals  für  englische  Manuskripte  her- 
leiten und  damit  die  Mitnahme  eines  ihm  unverständlichen 
angelsächsischen  Codex  in  etwa  begreiflich  machen.  Ja,  wenn 
man  jenes  littera  Anglicana  als  irisch- angelsächsische  Schrift 
auffassen  dürfte  —  was  mir  allerdings  nicht  angängig  scheint  ■*) 


1)  Monumenta  Franciscana,  ed.  J.  S.  Brewer,  Vol.  I  (1858)  S.  206. 

^)  Abgedruckt  bei  Frova  a.  a.  0.  S.  174 — 177  (Anm.  p)  und  bei 
Lampugnani  a.  a.  0.  S.  125 — 130. 

2)  d.  h.  nach  mittelalterlichem  Sprachgebrauch  'eine  Bibel'. 

*)  Dafs  es  sich  hierbei  nicht,  wie  J.  E.  Foster  S.  187  meint,  um  die 
Sprache,  sondern  lediglich  um  die  Schrift  handelt,  ergeben  andere  Aus- 
drücke der  Liste,  wie  'de  littera  Boloniensi'  (vgl.  Ducange  s.  v.  Literae; 


41 

— ,  so  könnte  man  daraus  einen  Beweis  ableiten,  dafs  Kardinal 
Giiala  zu  den  Wenigen  gehörte,  die  damals  angelsächsische 
Schriftzeichen  überhaupt  lesen  konnten,  was  die  Mitnahme  des 
damals  in  England  für  wertlos  erachteten  angelsächsischen 
Codex  um  einiges  plausibler  erscheinen  lassen  würde. 

Aus  dem  Vorstehenden  ergibt  sich  also  die  Möglichkeit, 
dafs  unser  angelsächsischer  Codex  von  Guala  selbst,  oder  in- 
folge der  durch  ihn  zwischen  England  und  Vercelli  angeknüften 
Verbindungen  an  seinen  heutigen  Aufenthaltsort  gekommen  sei. 
Sicher,  oder,  wie  wir  gleich  sehen  werden,  irgendwie  wahr- 
scheinlich ist  dies  aber  keineswegs.  Und  wenn  manche 
Forscher  wie  Pauli  i)  oder  neuerdings  J.  E.  Foster  2)  und 
E.  A.  Savage^)  diese  Hypothese  wie  eine  feststehende  Tatsache 


Delisle,  Cabinet  des  Mss.  de  la  Bibliotheque  Imperiale,  Voll  [Paris  1868] 
S.  32;  F.  Ehrle,  Historia  bibliofhecae  Romanonmi  Pontificuyn,  Rom  1890, 
Vol.I  8.5(19;  F.  Ehrle  und  P.  Liebaert,  Specimina  codicum  latmorumVatica- 
norum,  Bonn  1912,  S.  XXXIf.  und  Tafel  43  und  44),  'de  littera  Parisiensi' 
(Ehrle  und  Liebaert,  a.a.O.  S.  XX VIII f.,  Tafel  41),  'de  littera  Lombarda', 
'de  bona  littera  antiqua  Aretina'  und  'de  littera  antiqua'  (Ehrle,  Hist. 
bibl.  Rom.  Pont.,  Vol.  I  S.  5(i9).  Gerade  letzterer  Ausdruck  scheint  mir 
dafür  zu  sprechen,  dafs  mit  obigem  littera  Anglicana  nicht  die  alte  angel- 
sächsische Schrift  gemeint  ist.  Wenigstens  bezeichnet  ein  allerdings  jüngerer 
vatikanischer  Bücherkatalog  vom  Jahre  1375  mit  littera  antiqua  Hand- 
schriften, die  frühestens  aus  dem  Ende  des  12.  Jahrhunderts  stammen, 
da  sie  Briefe  des  heil.  Bernhard  (gest.  1153)  oder  Peter  Comestors 
Historia  scholastica  (1170)  enthalten  (Ehrle,  Hist.  bibl.  Rom.  Pont.,  Vol.I, 
S.  569  Nr.  332  und  l()7(j).  Wenn  dieser  Katalog  des  U.Jahrhunderts 
schon  eine  allerhüchstens  zwei  Jahrhunderte  ältere  Minuskel  als  littera 
antiqua  bezeichnet,  so  würde  in  Gualas  Inventar  sich  dieser  Ausdruck 
frühestens  auf  die  Schrift  von  1025  beziehen  können,  sodafs  also  die  alte 
insulare  Schrift  mit  dem  Namen  littera  antiqua  und  nicht  mit  littera 
Anglicana  bezeichnet  wäre.  Da  die  Ausdrücke  Bologneser  und  Pariser 
Schrift,  wo  sie  sonst  vorkommen,  sich  auf  zeitgenössische  Varianten  der 
gotischen  Minuskel  des  13.  und  14.  Jahrhunderts  beziehen,  so  wird  auch 
nnser  obiges  littera  Anglicana  nicht  die  alte  irisch-angelsächsisch^  Kursive 
im  Auge  haben,  sondern  eine  englische  Abart  der  gotischen  Minuskel, 
also  etwa  eine  Schrift,  wie  sie  der  1253  in  England  geschriebene  Codex 
Urbin.  20G  (Probe  bei  Ehrle  und  Liebaert,  a.  a.  0.,  Tafel  40)  darstellt. 

>)  Geschichte  von  England,  Hamburg  1853,  S.  512;  Göttinger  Gelehrte 
Anzeigen  1866,  S.  1412. 

^)  Proceedings  ofthe  Cambridge  Antiquarian  Society,  Vol.  XIII  (1909) 
S.  187. 

3)  Old  Engliah  Libraries,  London  [1911],  S.  87. 


42 

behandeln  und  andere,  wie  Cooki)  und  Krapp  2)  die  Sache  so 
gut  wie  bewiesen  erachten,  so  muls  dem  gegenüber  energisch 
auf  die  Schwierigkeiten  hingewiesen  werden,  die  einer  solchen 
Annahme  im  Wege  stehen.  Zunächst  muls  betont  werden,  dals 
in  dem  obengenannten  Bücherinventar  des  Kardinals  kein  Ein- 
trag sich  findet,  der  auch  nur  im  entferntesten  auf  unseren 
angelsächsischen  Codex  sich  beziehen  Heise.  Man  könnte 
diesem  Einwand  nur  dadurch  begegnen,  dals  man  annähme, 
die  fragliche  Handschrift  sei  von  Guala  schon  vor  Aufstellung 
des  Inventars  fortgeschenkt  worden.  Schwerwiegender  ist  ein 
anderer  Einwand,  nämlich  der,  dafs  unser  Codex  keineswegs 
als  ein  Bestandteil  des  Andreasstiftes  auf  uns  gekommen  ist, 
sondern  vielmehr  dem  Domkapitel  gehört,  und  dals  auch  für 
seine  ehemalige  Zugehörigkeit  zu  ersterem  nicht  das  geringste 
angeführt  werden  kann.  3)  Allerdings  scheinen  Kirche  und 
Hospital  von  San  Andrea  alte  Manuskripte  nicht  mehr  zu  be- 
sitzen; und  über  den  Verbleib  der  Bücher  des  Andreasstiftes 
ist  nichts  bekannt  geworden;*)  möglich,  dals  sie  ein  ähnliches 
Schicksal  gehabt  haben,  wie  das  Archiv  des  Stiftes,  welches 
in  den  Eevolutionskriegen  nach  der  Säkularisation  (1802)  bis 


1)  California  Library  Bulletin  Nr.  10  (Sacramento  18S8);  The  Dream 
of  the  Eood,  Oxford  1905,  S.  Vf. 

2)  Andreas,  Boston  1906,  S.  X— XIV. 

3)  AllerdiDgs  meint  J.  E.  Foster,  a.  a.  0.  S.  187,  dafs  sich  der  Eintrag 
'Item  Codex'  in  Gualas  Inventar  (Frova  S.  175;  Lampugnani  S.  126)  sich 
auf  unsere  angelsUchsische  Handschrift  beziehe,  weil  er  einer  näheren  Be- 
zeichnung entbehre.  Indessen  ist  zu  beachten,  dafs  der  Eintrag  mitten 
unter  lauter  juristischen  Büchern  erscheint,  und  da  unmittelbar  vorher 
{Item  Digestion  novum)  und  unmittelbar  nachher  {Infortiatum)  Teile  des 
Corpus  iuris  genannt  werden,  so  ist  jedenfalls  auch  mit  jenem  Item  Codex 
ein  Teil  des  Corpus  iuris  gemeint,  nämlich  die  bekannte  Konstitutionen- 
sammlung, welche  unter  dem  Namen  Codex  Justinianus  läuft.  Obendrein 
ist  gleich  darauf  im  Inventar  von  tres  lihri  Codicis  und  einer  summa 
Azonis  super  Codicem  die  Rede,  so  dafs  diese  Identifizierung  nicht  im 
geringsten  zweifelhaft  sein  kann. 

*)  Im  18.  Jahrhundert  war  die  Bibliothek  des  Andreas-Stiftes  noch 
erhalten.  Der  gelehrte  Jesuit  F.  A.  Zaccaria  besuchte  sie  zwischen  1742 
und  ]  752  und  fand  dort  mehrere  interessante  Handschriften,  wie  z.  B.  einen 
Beda  des  10.  Jahrhunderts,  vor.  Vgl.  F.  A.  Zachariae  excursus  litterarii 
per  Italiam  ab  anno  MDCCXLll  ad  annum  MDCCLII,  Venetiis  1754, 
Vol.  I  p.  59. 


43 

auf  wenige  Stücke  verloren  gegangen  ist.  i)  Aber  diese  Lücke 
in  unserem  Wissen  ist  für  unsere  Frage  deswegen  irrelavent, 
weil  wir  nachweisen  können,  dafs  unsere  angelsächsische  Hand- 
schrift schon  vor  der  Säkularisation  nicht  dem  Andreasstifte 
gehört,  sondern  sich  —  was  man  bisher  nicht  beachtet  hat  2)  — 
mindestens  schon  im  Jahre  1748,  wahrscheinlich  aber  bereits 
im  Jahre  1602  in  der  Dombibliothek  befunden  hat.  Aus  dem 
Jahre  1748  haben  wir  nämlich  einen  Briefe)  des  berühmten 
Bibelforschers  und  Handsehriftenkenners  Giuseppe  Bianchini 
(1704 — 1764)  aus  Verona  an  den  Kardinal  Carlo  Vittorio  delle 
Laneie,  in  dem  ersterer  über  die  auf  seinen  verschiedenen 
Reisen  eingesehenen  Manuskripte  des  'archivio  Eusehiano  di 
VercclW,  d.  h.  der  Dombibliothek,  berichtet.  In  diesem  Briefe 
handelt  er  besonders  ausführlich  über  'ü  codice  segnato  col 
man.  41  .  .  .  in  lingua  ignoia',  der  —  darüber  kann  aus  seinen 
Angaben  und  dem  lateinischen  Titel  mehrerer  Predigten  gar 
kein  Zweifel  bestehen^)  —  mit  unserem  altenglischen  Codex 
identisch  ist.  In  dem  von  demselben  Bianchini  abgefafsten 
Elencus  Mss.  hibliothecae  seit  arcliivii  Eiisehiani  cathedralis 
Vercellensis^)  wird  unser  Codex  nochmals  deutlich  bezeichnet 


*)  Siehe  Arborlo-Mella,  a.  a.  0.  S.  17  und  25.  Auszüge  ans  den  Urkunden 
des  Stiftes,  die  im  Jahre  1709  gemacht  sind,  befinden  sich  jetzt  im  Archivio 
della  Curia  Arcivescovile  zu  Yercelli.  Manche  jetzt  verschollene  Urkunde 
hat  im  Jahre  1767  Abt  Frova  in  seinem  Leben  Gnalas  gedruckt  und  da- 
durch für  uns  gerettet.  —  Wenn  Foster  a.a.O.  S.  IS"  behauptet,  'the 
CardinaVs  nianiiscripts  icere  early  absorbed  iji  the  library  of  the  Cathedral 
at  Vercelli',  so  ist  dies  eine  durch  nichts  zu  stützende  Vermutung,  die 
auch  jeder  Wahrscheinlichkeit  entbehrt.  Und  wenn  Fuster  weiter  erklärt, 
dafs  in  einem  (gleich  noch  zu  besprechenden)  Inventar  der  Dombibliothek 
vom  Jahre  1602  verschiedene  von  Gualas  Büchern  sich  wiedererkennen 
lassen,  so  ist  darauf  zu  erwidern,  dafs  natürlich  jede  mittelalterliche 
Bibliothek  ihre  Bibeln,  ihre  Homilien  von  Gregor  und  Augustin  u.  a.  m. 
besafs,  dafs  aber  ein  irgendwie  charakteristisches  Detail,  das  eine  auch 
nur  wahrscheinliche  Identifikation  zweier  Einträge  ermöglichte,  nicht  er- 
scheint. 

-)  ;Nachträgllch  sehe  ich,  dafs  schon  J.  E.  Foster  darauf  hinge- 
wiesen hat. 

')  Gedruckt  bei  G.  De -Gregory,  Istoria  della  vercellese  letteratura 
ed  arti,  Parte  IV  (Torino  1S2^)  S.  554-560. 

*)  Siehe  den  Abdruck  der  ganzen  Stelle  weiter  unten  auf  S.  55. 

*)  Abgedruckt  bei  De-Gregory,  a.  a.  0.  IV  S.  562—566. 


u 

als  Nr.  41  (CXVII)  Codex  saeculi  X.  Liher  ignotae  linguae, 
Videtur  über  Homiliarius  per  anni  eireulum,  id  constat  ex  non- 
nullis  nihricis  latine  conscriptis  {linguae  thcotiscae).  Wenn 
unser  Manuskript  wirklich  durch  Kardiual  Guala  nach  Vercelli 
gekommen  wäre,  so  würde  es  zum  mindesten  sehr  sonderbar 
sein,  dals  wir  hier  im  Jahre  1748  den  Codex  nicht  im  Andreas- 
stift, sondern  in  der  Dombibliothek  vorfinden,  i)  Dafs  die 
Handschrift  schon  um  1600  im  Dome  war,  möchte  ich  aus 
einem  anderen,  zwar  nicht  ganz  so  sicheren,  aber  kaum  anders 
deutbaren  Zeugnis  schlielsen:  in  dem  alten  Kataloge  2)  der 
Vercellenser  Dombibliothek,  welchen  der  bischöfliche  General- 
vikar Giovanni  Francesco  Leone  am  5.  Juni  1602  aufgezeichnet 
hat,  findet  sich  unter  Nr.  90  der  Eintrag  'Liher  Gothicus,  sive 
Langohardus,  {eum  legere  non  valeo)\  der  sehr  wohl  auf 
unsere  altenglische  Handschrift  passen  würde  und  höchst- 
wahrscheinlich dieselbe  wirklieh  im  Auge  hat.  Wenn  diese 
Deutung  richtig  ist,  würde  unser  Codex  also  schon  um  1600 
in  der  Dombibliothek  gewesen  sein,  und  nicht  in  dem  Andreas- 
stift, was  einigermafsen  gegen  die  Guala-Hypothese  spricht. 

Endlich  noch  ein  letzter  Einwand,  der  mir  der  schwer- 
wiegendste von  allen  zu  sein  scheint:  nämlich  der,  dafs  sich 
kein  einigermafsen  befriedigendes  Motiv  auffinden  läfst,  das 
den  Kardinal  Guala  zur  Mitnahme  einer  ihm  und  den  Seinen 
gänzlich  unverständlichen  und  dazu  nach  Format  und  Umfang 
reichlich  grofsen,  also  schwer  transportablen  Handschrift  habe 
veranlassen  können.  Dafs  Guala  für  die  englische  Sprache 
oder  überhaupt  für  germanisch- englische  Kultur  Interesse  ge- 
wonnen haben  könnte,  ist  trotz  seines  Aufenthaltes  in  England 
Dach  Lage  der  damaligen  Verhältnisse^)  so  gut  wie  ausge- 
schlossen. Vielmehr  wird  er  dort  ausschlielslich  mit  den 
französisch  sprechenden  und  von  französischer  Kultur  durch- 
drungenen Kreisen  des  englischen  Klerus  und  Hochadels  in 
Berührung  gekommen   sein.     Und    dafs    er   von    französischer 


')  Cook,  California  Library  Bulletin  S.  7  scheint  beide  für  identisch 
za  halten. 

-)  Abgedruckt  bei  G.  De-Gregory,  a.  a.  0.  IV  S.  567—569. 

^)  Über  die  Französieruug  des  damaligen  England  siehe  z.  B.  Behrens 
in  Pauls  Grundriss  der  germanischen  Philologie  (Strafsburg  *  1901)  Bd.  I 
S.  952f. 


45 

Bildung  eingenommen  war,  die  er  1215  als  päpstlicher  Legat 
in  Paris  aus  eigener  Anschauung  kennen  gelernt  hatte,  lehrt 
zur  Genüge  die  eine  Tatsache,  dafs  er  in  sein  neugegrlindetes 
Andreasstift  nicht  Landsleute,  sondern  französische  Kanoniker, i) 
nämlich  die  Augustiner  Chorherren  von  St.  Victor  bei  Paris, 
einsetzte  (1223),  als  ersten  Abt  einen  Franzosen,  den  gelehrten 
Thomas  von  Paris  (gest.  1246)  berief  und  dals  er  die  Kirche 
seines  Stiftes  von  nordfranzösischen  Architekten  erbauen  liefs. 
Wir  können  aber  auch  von  der  Person  des  Kardinals  Guala 
ganz  absehen  und  ganz  allgemein  behaupten,  dals  im  13.  Jahr- 
hundert wohl  kaum  ein  Mitglied  des  höheren  Klerus  sich  für 
eine  altenglische  Handschrift  interessierte  und  einen  in  alt- 
englischer Sprache  abgefafsten  Text  verstehen,  ja  überhaupt 
die  insularen  Schriftzeichen  des  10.  Jahrhunderts  hätte  lesen 
können.  Bekannt  ist,  dafs  die  in  irisch-angelsächsischer  Schrift 
geschriebenen  Codices  in  den  mittelalterlichen  Bibliotheken 
2L\%lihri  Scottici,'^)  weil  unlesbar,  beiseite  gestellt  wurden;  und 
ein  in  insularer  Schrift  lateinisch  glossierter  Psalter  3)  der 
St.  Martin's  Priorei  zu  Dover  erhielt  sogar  den  Bibliotheks- 
vermerk: 'Psalterhmi  vetus  glosatum  ydiomnte  mcognito'.  Die 
altenglische  Sprache  konnten  nicht  einmal  geborene  Engländer 
am  Ende  des  12.  Jahrhunderts  mehr  völlig  verstehen,  wie  uns 
zahlreiche  lateinische  Glossen  in  altenglischen  Handschriften 
beweisen.  *) 

Wenn  wir  dies  alles  erwägen,  so  muls  es  uns  im  höchsten 
Grade  zweifelhaft  dünken,  dals  ein  angelsächsischer  Codex 
gerade   im  13.  Jahrhundert  —   und   noch   mehr  gilt  das  vom 


')  Vgl.  Arborio-Mella,  Cenyii  istorici  sulla  chiesa  ed  abbazia  di 
St.  Andrea  in  Vercelli  S.  45  f. 

'^)  G.Becker,  Catalogi  bibliothecarum  antiqui  (Bonn  1885)  S.  323; 
Gottlieb,  Über  mittelalterliche  Bibliotheken  (Leipzig  1890)  S.  320  f. ;  L.  Traube, 
Perrona  Scottorwn  (Bayer.  Sitz.- Ber.),  München  1900,  S.  529— 532~. 

3)  Jetzt  in  Cambridge,  St.  John's  College,  Ms.  Nr.  9 ;  vgl.  M.  R.  James, 
The  Ancient  Libraries  of  Canterbury  and  Dover  (Cambridge  1903) 
S.  LXXXV  und  523. 

*)  So  schlimm  um  die  Kenntnis  der  altenglischen  Sprache  stand  es 
selbst  im  Marienkloster  zu  Worcester,  das  bis  an  das  Ende  des  12.  Jahr- 
hunderts eine  besonders  eifrige  Pflegestätte  der  heimischen  Sprache  ge- 
wesen war.  Vgl.  W.  Keller,  Die  litterarischen  Bestrebungen  von  Worcester 
in  angelsächsischer  Zeit  (Strafsburg  1900)  S.  20, 


46 

14.  und  15.  Jahvliundert  —  aus  England  nach  Vercelli  gebracht 
sein  sollte.  Es  mölste  denn  sein,  dals  er  geradezu  durch  eine 
Laune  des  Zufalls  oder  als  reine  Kuriosität  mitgenommen  wäre. 
In  der  Tat  greifen  die  Anbänger  der  Guala- Hypothese  zu  einer 
ähnlichen  Begründung,  indem  sie  annehmen,  dafs  Guala  nur 
deswegen  den  sonst  für  ihn  wertlosen  Codex  an  sich  genommen 
habe,  weil  sich  darin  ein  Gedicht  auf  den  heil.  Andreas  befand, 
und  er  sich  gewissermolsen  unter  dem  Schutz  dieses  Heiligen 
stehend  fühlte.')  Das  letztere  mülste  aber  erst  noch  bewiesen 
werden.  Denn  einen  Beweis  dafür  vermag  ich  darin  nicht  zu 
sehen,  dafs  Mattbaeus  Parisiensis  2)  nach  Art  mittelalterlicher 
Chronisten,  die  gern  Heiligentage  zu  Zeitangaben  benutzen, 
ihn  seine  Rückkehr  nach  England  'circa  festum  St.  Ändreae' 
—  andere  geben  obendrein  ein  ganz  anderes  Datum  an  3)  — 
antreten  läfst,  oder  dafs  König  Johann  von  England  am  Vor- 
abend de3  Audreasfestes  im  Jahre  1215  —  also  zu  einer  Zeit, 
wo  Guala  erst  auf  dem  Wege  nach  England  war  4)  —  die 
Stadt  Eochester  erobert  hat.  °)  Und  dafs  die  Benennung  von 
Gualas  Vercellenser  Klosterstiftung  nach  einer  älteren  dort 
befindlichen  Andreaskirche  erfolgt  ist,  wurde  schon  oben-  aus- 
einandergesetzt. 

Aber  selbst  wenn  man  mit  der  Möglichkeit  rechnen  wollte, 
dafs  Guala  dem  heil.  Andreas  besondere  Verehrung  entgegen- 
brachte, so  ist  nicht  sonderlieh  wahrscheinlich,  dafs  er  oder 
irgend  ein  anderer  damals  herausgefunden  hätte,  dafs  unser 
Codex  ein  Gedicht  auf  den  Apostel  Andreas  enthält,  zumal 
der  Name  des  Andreas  nirgendwo  in  dem  fortlaufend  als  Prosa 


')  Cook,  a  a.  0.  S.  7,  erinnert  in  diesem  Zusammenhange  daran,  dafs 
Guala,  wie  alle  Kardinäle,  Titularpresbyter  einer  römischen  Kirche,  und 
zwar  von  San  Martino  ai  Monti  war,  und  dafs  unser  Codex  eine  Homilie 
auf  den  heü.  Martin  enthält.  Er  scheint  aber  selbst  diesem  Zusammen- 
treflfen  wenig  Bedeutung  beizulegen,  worin  ich  ihm  nur  durchaus  bei- 
stimmen kann. 

^)  Chronica  Majora,  ed.  H.  R.  Lnard,  Vol.  III  (1S76)  S.  42 f. 

^)  Die  Annalen  von  Waverley  {Annales  monastici,  ed.  H.  R.  Lnard, 
Vol.  II  [  1 S65]  S.  291 )  geben  als  Datum  der  Abfahrt :  ' circa  festum  S.  Ckmentis, 
d.  h.  den  23.  November. 

*)  Guala  landete  in  England  erst  am  19.  Mai  1216. 

5)  Higden,  Polychronicon  1.  VII  c.  33  (ed.  Lumby,  Vol.  VIII  [1S82] 
S.  194). 


47 

geschriebenen  Texte  an  augenfälliger  Stelle  ersclieint.  Wie 
schwer  dies  überhaupt  für  einen  Nichtfachrnann  herauszufinden 
ist,  geht  schon  daraus  hervor,  dafs  ein  so  gewiegter  Iland- 
schriftenkenner  wie  Giuseppe  Rianchini,  der  sich  offenbar  die 
Handschrift  recht  genau  angesehen  hatte,  nicht  bemerkt  hat, 
dafs  in  dem  Codex  etwas  über  den  heil.  Andreas  steht. 

Nach  sorgsamster  Erwägung  all  dieser  Umstände  komme 
ich  zu  dem  Ergebnis,  1.  dafs  es  nicht  gerade  unmöglich,  aber 
doch  sehr  unwahrscheinlich  ist,  dafs  unser  angelsächsischer 
Codex  durch  Guala  oder  sein  Andreasstift  nach  Vercelli  gelangt 
sei,  und  2.  dafs  überhaupt  die  ganze  Zeit  vom  13.  bis  zum 
15.  Jahrhundert  als  ein  höchst  unwahrscheinlicher  Zeitpunkt  für 
die  Herübernahme  des  Codex  anzusehen  ist.  Positiv  läfst  sich 
aber  daraus  der  Satz  ableiten :  Wenn  unser  Vercelli  -  Codex 
überhaupt  als  Lesestoff  und  nicht  nur  als  reine  Kuriosität 
nach  Vercelli  mitgenommen  ist,  so  kann  dies  überhaupt  nur 
in  der  Zeit  zwischen  1000  und  allerhöchstens  1175  geschehen 
sein.  Denn  dies  ist  der  einzige  in  Betracht  kommende  Zeit- 
raum, in  dem  man  Schrift  und  Sprache  des  Codex  noch  wirk- 
lich lesen  konnte.  Und  wenn  wir  die  gröfsere  Wahrschein- 
lichkeit mitsprechen  lassen  wollen,  so  werden  wir  diesen 
Zeitraum  sogar  noch  um  50  bis  75  Jahre  verkürzen  dürfen, 
da  nach  1125  die  heranblühende  französische  Theologie  so 
völlig  alles  beherrschte,  das  Interesse  und  Verständnis  für 
einen  altenglischen  Codex  selbst  in  England  nur  noch  eine 
vereinzelte  Liebhaberei  bleibt,  und  weil  im  Mittelalter  die 
Wertschätzung  eines  Manuskriptes  in  genauem  Verhältnis  zur 
Hohe  seines  Alters  abnimmt. 

Mit  mehr  Sicherheit  ward  man  sich  über  diese  Frage 
äufsern  können,  wenn  es  gelingen  sollte,  mehr  Licht  in  die  bis 
jetzt  ganz  ins  Dunkel  gehüllte  Geschichte  ^)  der  jedenfalls  sehr 


^)  Siehe  die  spärlichen  Angaben,  die  sich  ans  den  bei  G.  Ottino  e 
G.  Famagli,  Bibliotheca  hihliogra])hica  Italica  (Rom  1S89)  Vol.  I  S.  :iö4f. 
und  U.  Chevalier,  Repertoire  des  sonrces  historiqiies  du  Moyen-Age.  Topo- 
BihUographie  (1903)  S.  3270  angeführten  Werken  gewinnen  lassen.  Dazu 
demnächst  noch  M.  Vattasso,  Codici  Vercellesi.  —  Die  Gründung  der  Dom- 
bibliothek wird  dem  Bischof  Atto  von  Vercelli  (924—961)  zugeschrieben. 
Nach  allem,  was  wir  über  diesen  ungemein  belesenen  und  rege  schrift- 
stellerisch tätigen  Bischof  wissen   (vgl.  Julius  Schulz,  Atto  von  Vercelli, 


48 

alten  Dombibliothek  und  namentlich  über  die  Herkunft  der 
vielen,  mit  unserer  Handschrift  gleichaltrigen  Codices  dieser 
Bibliothek  zu  verbreiten.  Iq  einem  Einzelfalle  ist  dies  nun 
schon  auf  Grund  des  zur  Zeit  vorliegenden  Materials  möglich. 
Von  den  zahlreichen  alten  Codices  der  Dombibliothek  ist 
wenigstens  noch  einer  nachweislich  über  die  Alpen  nach  Vercelli 
gekommen.  Es  ist  dies  der  ein  Gregorianisches  Sacramentar 
des  10.  Jahrhunderts  enthaltende  Codex  Nr.  CLXXXI,  der  in 
einer  nur  wenig  jüngeren  Hand  folgenden  Eintrag ')  am  Ende 
aufweist : 

Nouerit  astantium  et  futurorum  popalonim  pia  deuotio,  qnemad- 
modum  Erkaubaldus,  sancti  Fuldensis  coUegii  prouisor  indignus, 
Heinricho,  sanctae  Uairziburgensis  praesali  uenerabillimo ,  librum  hnnc 
missalem  deos  sanctisque  suis  seruiendum  prestetit,  eo  dicto,  ut  post 
terminnm  uitae  suae  ad  dei  sauctique  Bonifatü  seruitinm  sine  dilatione 
praeseutetur. 

Diese  Notiz  lälst  sich  zeitlich  einigermalsen  fixieren,  da  wir 
die  darin  genannten  Bücheraustauscher  gut  identifizieren  können. 
Es  sind  dies  auf  der  einen  Seite  der  18.  Abt  des  Benediktiner- 
stiftes zu  Fulda  namens  Erkanbald,  der  997  an  die  Spitze 
seines  Klosters  berufen  wurde  und  1011  starb,  2)  auf  der  anderen 
Seite  der  Würzburger  Bischof  Heinrich  L,  der  von  995  bis 
1018  diese  Würde  inne  hatte. 3)  Mithin  muls  jene  Notiz 
zwischen  997  und  1011  geschrieben  sein.  Wie  wir  hier  die 
Beiden  durch  ein  geliehenes  Buch  verbunden  sehen,  so  treten 
sie  auch  zusammen  handelnd  in  der  Geschichte  auf:  als  sie 
nämlich  im  Auftrage   des   deutschen  Kaisers   Heinrich  II.  im 


Göttingen  1S85),  hat  er  jedenfalls  grofsen  Wert  auf  eine  gute  Bibliothek 
gelegt  und  darum  höchstwahrscheinlich  den  Grund  zur  heutigen  Dom- 
bibliothek gelegt.  Überdies  weisen  viele  der  zahlreichen  alten  Codices 
des  10.  und  1 1.  Jahrhunderts  der  Dombibliothek  einen  so  gleichmäfsigea 
Typus  auf,  dafs  man  sie  alle  demselben  Skriptorium,  also  wohl  dem  in 
Attos  Kloster,  zuweisen  möchte.  Einige  sicher  damals  in  Vercelli  ge- 
schriebene Handschriften  nennt  D.  Luigi  Bruzza,  Delle  lodi  della  cittä  di 
Vercelli  orazione  (Vercelli  1842)  S.  49,  Aum.  36. 

^)    Abgedruckt    von    Friedrich    Blume,    Iter  Italicum,    Berlin   und 
Stettin  1824,  Bd.  I  S.  99. 

^)  Fr.  Scbannat,  Historia  Fuldensis,  Frankfurt  a.  M.  1729,  S.  134  f. 
^)   A.  E.  Ussermannus,   E-piscopatus   Wirceburgensis ,   Freiburg  1794. 


49 

Jalire  1003  geraeinsam  eine  Strafexekution  an  der  fränkischen 
Burg-  Schweinfurt  zu  vullzieheu  hatten.  Möglich,  dafs  seit 
jener  Zeit  erst  ihre  Freundschaft  datierte,  die  zur  lebensläng- 
lichen Überlassung  jenes  Sacramentars  an  den  WUrzI)urger 
Bischof  fübrte.  Ob  das  Buch  nun  nach  des  Bischofs  Tode 
wieder  nach  Fulda  zurückgegeben  ist  und  von  dort  aus  den 
Weg  über  die  Alpen  genommen  hat,  oder  ob  es  direkt  von 
Würzburg  aus  nach  Vercelli  gekommen  ist,  wird  sich  kaum 
mehr  bestimmen  lassen.  Aber  bei  den  engen  Beziehungen,  die 
zwischen  Deutschland  und  der  Lombardei  im  11.  und  12.  Jahr- 
hundert bestanden,  kann  die  Übertragung  eines  Codex  aus 
irgendeinem  deutscheu  Kloster  nach  Vercelli  nicht  das  geringste 
Befremden  erregen,  zumal  gerade  das  Bistum  Vercelli  im 
Mittelpunkt  jener  Kämpfe  der  lombardischen  Bischöfe  gegen 
den  Markgrafen  Arduiu  von  Ivrea  stand,  die  das  mehrmalige 
Eingreifen  der  deutschen  Kaiser  nötig  machten.  Auf  einem 
dieser  Züge  gegen  Arduin  (989)  batte  der  obengenannte  Fuldaer 
Abt  Erkanbald  seinen  Kaiser  Otto  III.  nach  Italien  zu  begleiten. 
Und  im  Jahre  1002  treffen  wir  den  Bischof  Leo  von  Vercelli 
beim  deutschen  Kaiser  Heinrich  II.  in  Bayern  (Regensburg?), 
um  von  ihm  Hilfe  gegen  Arduin  zu  erbitten,  i)  Mehrere  Deutsche 
sal'sen  im  10.  Jahrhundert  auf  italienischen  Bischofstühlen.  Und 
ähnliehe  Tatsachen  lielsen  sich  noch  mehrere  erbringen.  Sicher- 
lich können  wir  also  behaupten,  dals  die  Beziehungen  Vercellis 
zu  Deutschland  im  11.  und  12.  Jahrhundert  so  rege  und  in- 
tensive w-aren,  dafs  damit  die  durch  Guala  später  angebahnten 
Verbindungen  auch  nicht  im  entferntesten  verglichen  werden 
können. 

Gerade  die  genannten  beiden  Orte,  Fulda  und  Würzburg, 
sind  zudem  aber  auch  rege  Pflanzstätten  der  irisch -angel- 
sächsischen Mission  gewiesen  und  haben  seit  Alters  her  und 
lange  Zeit  hindurch  enge  Beziehungen  zu  England  unterhalten. 
In  Fulda  entsteht  sogar  eine  blühende  Schreibschule,  die  sich 
des  insularen   Alphabetes    bedient; 2)    Fulda   habe    „durchaus 


^)  Samuel  Lüwenfeld,  Leo  von  Vercelli  (Göttinger  DissertatioD,  Posen 
1877)  S.  24f. 

2)  Ed.  Heydenreich,  Das  älteste  Fuldaer  Cartular  im  Staatsarchive 
zu  Marburg,  Leipzig  1899. 

Studien  zur  engl.  Phil.     L.  4 


50 

insulare  Kultur",  sagt  geradezu  Traube. ')  Und  älmlich  alte 
Beziehungen  zu  England  hat  Würzburg,  das  heute  noch  mehrere 
aus  England  stammende  oder  in  der  Insulare  geschriebene 
Handschriften  aufweist."'')  In  Sonderheit  ist  hier  auf  die 
Handschrift  Mp.  th.  qu.  2  der  Würzburger  Universitätsbibliothek 
zu  verweisen,  die  im  6.  Jahrhundert  in  einem  norditalienisehen 
Kloster  geschrieben  ist,  dann  um  700  in  einem  Kloster  in  oder 
bei  Worcester  sich  befand'*)  und  schlielslieh  in  der  zweiten 
Hälfte  des  9.  Jahrhunderts  in  der  Dombibliothek  zu  Würzburg 
auftaucht.  Halten  wir  nun  die  beiden  Tatsachen  zusammen, 
dafs  einerseits  eine  der  Vercelli- Handschriften  —  jenes  oben 
genannte  Gregorianische  Sacramentar  —  aus  Würzburg  oder 
Fulda  kam,  andererseits  aber  Würzburg  und  Fulda  Hand- 
schriften aus  England  empfingen,  so  ergibt  sich  die  weitere 
Möglichkeit,  dafs  unsere  altenglische  Handschrift  nicht  auf 
direktem  Wege  nach  Vereelli  gelangt  ist,  sondern  vielleicht  über 
eines  der  deutschen  Klö.ster  mit  insularer  Kultur,  also  etwa 
über  Fulda  oder  Würzburg.  Dafs  die  Beziehungen  zwischen 
Norditalien  und  Deutschland  gerade  im  11.  und  12  Jahrhundert 
besonders  enge  waren,  also  gerade  in  einem  Zeiträume,  den 
wir  oben  a  priori  als  den  wahrscheinlichsten  Zeitpunkt  für 
die  Übertragung  unserer  alteuglischeu  Handschrift  erkannt 
haben,  verleiht  einer  soleheu  Annahme  nur  noch  mehr  Wahr- 
scheinlichkeit, Ja,  mau  könnte  sogar  mit  einem  gewissen 
Kechte  vermuten,  dafs  jene  beiden  Vereelli -Manuskripte  auch 
zusammen  nach  Vereelli  gelaugt  sind  und  vielleicht  auch  sonst 


1)  Vorlesungen  und  Abhandlungen,  Bd.  II  (Müuclien  191 1)  S.  23. 

'^)  L.  Chr.  Stern,  Epistolae.  beati  Pauli  glosatae  glosa  interlineali. 
Irisch-lateinischer  Codex  der  Würzhur ger  Universitätsbibliothek,  Halle  1910; 
Brand),  Chroust's  Fund  einer  der  ältesten  angelsächsischen  Aufzeichnungen 
im  'Archiv  für  das  Stadium  der  neueren  Sprachen  und  Literaturen' 
Bd.  CVII,  Braunschweig  l',)'il,  S.  103 — 105.  In  insularer  Schrift  geschrieben 
sind  nach  meinen  Notizen  z.B.  die  Würzburger  Dss.  Mp.  th.  fol  Gl,  62,  65, 
69,  78,  79;  th.  q.  32  und  26  (alle  s.  VIII);  Mp.  th.  q.  2Sb  (um  800);  Mp. 
foL  13,  48,  66  (alle  s.  IX). 

^)  Sie  gehörte  laut  Eintragung  auf  dem  ersten  Blatte  der  Äbtissin 
CuÖswiö  {Cuthsauithae  boec  thaerae  abbatissan),  die  sich  als  Vorsteherin 
eines  Worcesterer  Klosters  um  700  nachweisen  läfst;  siehe  Chroust,  Monu- 
menta  palaeographica,  V  (München  19oO)  Tafel  2  und  3  und  'Archiv  für 
neuere  Sprachen'  Bd.  CVII  S.  103 


r 


1 


gleiche  Scliieksale  gehabt  haben.  Wenigstens  stimmt  gut  zu- 
sammen, dafs  sowohl  jene  Würzburger  Cuthswith-Handsehrift, 
als  auch  unser  altenglischer  Vercelli- Codex  nach  derselben 
Gegend  England?,  nämlich  dem  Bistumc  Worcester  hinweisen. i) 
Nach  allem  halte  ich  es  also  für  nicht  ausgeschlossen,  dafs 
unser  angelsächsischer  Vercelli- Codex  auf  dem  Umwege  über 
Würzburg  oder  Fulda  im  11.  oder  12.  Jahrhundert  nach  Vercelli 
gelangt  ist.  Auch  dies  ist  selbstverständlich  nur  eine  Hypo- 
these, aber  eine  Annahme,  die  manche  AVahrscheinlichkeits- 
grnnde  für  sich  hat  und  nicht  mit  solchen  Schwierigkeiten  zu 
kämpfen  hat,  wie  die  Guala-llypothese. 

Eine  dritte  Hypothese  hat  endlich  Richard  WUlker  mit 
folgenden  Worten  aufgestellt'^): 

"Wie  mir  in  Vercelli  mitgeteilt  wurde,  befand  sich  dort  schon  ziem- 
lich frühe  ein  Hospiz  für  angelsächsische  Pilger,  welche  nach  Rom 
wollten.  Vercelli  liegt  ja  auch  für  jeden,  der  über  den  Moiit  Cenis,  den 
kleinen  oder  grofsen  St.  Bernhard  wollte  (dies  waren  im  frühern  Mittel- 
alter die  Strafsen.  welche  für  einen  Angelsachsen  in  Betracht  kamen), 
geradezu  auf  dem  "Wege  nach  Rom.  Hier  mag  bei  dem  Hospiz  auch 
eine  kleine  Bibliothek  gewesen  sein  und  aus  dieser  dann  später  die 
Handschrift  in  den  Besitz  der  üombibliothek  übergegangen  sein." 

Das  Hospiz,  das  Wülkers  Gewährsmänner  hier  im  Auge 
hatten,  ist  nicht,  wie  Krapp  a.  a.  0.  S.  X  meint,  das  Ospedale 
di  S.  Andrea  (jetziges  Ospedale  Maggiore),  das  Kardinal 
Guala  1224  gegründet  hat,  sondern  vielmehr  das  Ospedale 
di  S.  Brigida  degli  Scoti,^)   das  schon   in  der  zweiten  Hälfte 

>)  Siehe  oben  S.  34. 

'^)  Grunch-iss  zh7-  Geschichte  der  angelsächsischen  Litteratur  (Leipzig 
1885)  S.  237;  Codex  Vercellensis  (Leipzig  1894)  S.  VI;  Anglia  V,  454  und 
Xn,  029. 

ä)  Vgl.  D.  Luigi  Bruzza,  Delle  lodi  della  cittä  di  Vercelli  orazione 
(Vercelli  1842)  S.  4S  Anui.  33,  der  eine  handschriftliche  Memoria  sopra 
V  ospedale  degli  Scoti  von  seinem  Freunde  Vittorio  Mandelli  herbeiziehen 
konnte.  Für  die  so  frühe  Gründung  des  Schottenspitals  im  6.  Jahrhundert 
haben  wir  (nach  Bruzza)  keinen  anderen  Anhaltspunkt  als  die  Angabe 
des  Vercellenser  Historikers  Cusano  in  seinen  Discorsi  istoriali  concernenti 
la  vita  ed  azioni  dt'  Yescovi  di  Vercelli  (Vercelli  1C76)  S.  205  und  seiner 
handschriftlich  auf  der  Vercellenser  Stadtbibliothek  liegende  Storia  di 
Vercelli.  —  Mit  dem  Schottenspital  darf  nicht  verwechselt  werden  ein 
drittes  der  15  alten  Spitäler  Vercellis,  das  Ospedale  dei  Pellegrini,  detto 
di  S.  Giacome  delle  Cascine  di  Strä,  welches  von  Gualas  Neffen  Pietro 
Bicchieri    gegründet    und    1557   ebenfalls    mit   dem   Andreas -Spital   ver- 

4* 


52 

des  6.  Jahrhundert  gegründet  sein  soll,  sieher  aber  sieh  bis  in 
die  zweite  Hälfte  des  12.  Jahrhunderts  zurückverfolgen  läfst 
und  am  27.  August  1343  mit  dem  Andreas -Spital  vereinigt 
worden  ist.  Das  Schottenspital  wird  also  wohl  alt  genug 
gewesen  sein,  um  die  Vermittlerrolle  für  unseren  altenglischen 
Codex  gespielt  zu  haben.  Da  mir  aber  über  die  Geschichte 
dieses  Instituts  und  seine  Einrichtungen  nichts  vorliegt,  vermag 
ich  nicht  zu  beurteilen,  wieviel  Wahrscheinlichkeit  die 
Wülkersche  Hypothese  in  Anspruch  nehmen  kann.  Immerhin 
scheint  die  ehemalige  Existenz  eines  solchen  Schottenspitals 
doch  zu  beweisen,  dals  der  Zustrom  irisch -angelsächsischer 
Kleriker  nach  oder  durch  Vercelli  kein  geringer  gewesen  ist. 
Es  mag  dies  auch  damit  zusammeuhäugen,  dafs  Vercelli  nicht 
nur  auf  dem  Wege  nach  Rom,  sondern  auch  auf  dem  Wege 
nach  dem  weltberühmten  lombardischen  Schottenkloster  Bobbio 
liegt,  das,  von  dem  Iren  Columban  um  598  gestiftet,  lange 
Zeit  seine  Beziehungen  zu  England  aufrecht  erhalten  hat.  i) 

Weiter  ist  es  wohl  noch  nützlich,  darauf  hinzuweisen,  dafs 
im  September  1050  zu  Vercelli  eine  Synode  2)  stattfand,  an  der 

schmolzen  ist.  Vgl.  Domenico  Soria,  Giiida  di  Vercelli  (Vercelli  1857) 
S.  27.  —  Wenn  Arborio-Mella,  a.a.O.  S.  3S,  diese  Scoti  den  heutigen 
Schotten  gleichsetzt,  so  ist  daran  zu  erinnern,  dafs  im  früheren  Mittelalter 
das  lateinische  Scoti  für  alle  Bewohner  des  luselreiches,  also  sowohl  die 
keltischen  Iren,  wie  die  germanischen  Angelsachsen,  gebraucht  wird. 

1)  Reiches  Belegmaterial  hierfür  ist  sicherlich  in  Ludwig  Traubes 
Nachlnfs  in  dem  Konvulut  über  'Insulare  Halbunziale'  {Vorlesungen  und 
Abhandlungen,  Bd.  I  S.  LXIV)  zu  finden,  vor  allem  in  dem  Kapitel  über 
'Das  Verhältnis  zwischen  der  irischen  und  italienischen  Schreibschule  in 
Bobbio.' 

2)  Regesta  Fontificum,  ed.  Jaffe  (M8S5)  Bd.  I  S.  538;  A.  Freeman, 
The  ^Norman  Conquest  Vol.  II  S.  112—117;  W.Hunt,  The  English  Church 
from  its  Foundation  to  the  Norman  Covquest  (London  1899)  S.  404.  Dafs 
diese  Synode  und  ihr  Befund  in  England  Eindruck  gemacht  hat,  lehren 
die  Einträge  in  den  altenglischen  Annalen.  In  den  Peterborough-Annalen 
z.B.  heifst  es  (zum  Jahre  1047!):  se  papa  hcefde  sinoÖ  on  Uercel  [man 
beachte  die  französische  Namensform  I] ;  7  Ulf  hiscop  com  ßoir-to  7  /b»*- 
neah  man  sceolde  to-hrecan  his  stef,  gif  he  ne  sealde  pe  mare  gcrsuman; 
fordan  he  ne  cuöe  don  his  ge-rihte  swa  wel,  swa  he  sceolde,  und  der 
Worcester-Annalist  schreibt  in  sichtlicher  Entrüstung  (zum  Jahre  1 U50) :  he 
(d.i.  Ulf)  icces  syööan  of-adryfon,  forpan-pe  he  ne  grefremede  naht  biscoplices 
poeron,  sioa  poet  us  sceamad  hit  nu  mare  to  tellanne  (ed.  Plummer  Vol.  I 
p.  170f.  und  Vol.  II  p.  233). 


53 

nachweislich  der  englische  Bischof  Ulf  von  Dorehester  (1050 
bis  1052)  teilgenommen  hat,  um  sich  vom  Papste  seine  Kon- 
sekration zu  holen.  Ganz  ausgeschlossen,  dafs  Bisehof  Ulf 
unsere  Handschrift  mit  nach  Vercelli  genommen  habe,  ist  es 
ja  nun  freilich  nicht,  zumal  die  Sprache  unseres  Codex  die 
Gegend  von  Dorchester  nicht  ausschlösse.  AVahrscheinlich  will 
es  mir  aber  nicht  bedlinken,  weil  nach  dem,  was  wir  von  Ulf 
wissen,  bei  ihm  weder  allgemeine  literarische  Interessen,  noch 
speziell  irgendein  Interesse  für  die  altenglisehe  Sprache  voraus- 
gesetzt werden  kann.  Denn  einerseits  wurde  er  von  der 
bisehöflichen  Prüfungskommission  in  Vercelli  als  zu  unwissend 
für  das  Bischofsamt  befunden,  andererseits  stand  er  politisch 
ganz  auf  Seite  der  französischen  Partei,  wobei  es  gleichgültig 
ist,  ob  er,  wie  uns  Florence  von  Worchester  berichtet,  ein 
Normanne,  oder,  wie  sein  Name  vermuten  Ulf  st,  ein  Skandinavier 
gewesen  ist.i) 

Endlich  möchte  ich  selbst  noch  auf  eine  fünfte  Möglich- 
keit aufmerksam  machen.  Wenn  wir  oben  den  Zeitpunkt  für 
die  Überführung  des  Codex  nach  Vercelli  auf  das  11.  und 
12.  Jahrhundert  beschränken  zu  dürfen  glaubten,  so  mufs  das 
dahin  erweitert  werden,  dals  im  Renaissancezeitalter  allerdings 
der  Eifer  für  alte  Handschriften  so  grols  war,  dafs  damals 
auch  ein  Codex,  den  man  zunächst  nicht  lesen  konnte,  mitge- 
nommen werden  konnte.  Nach  einer  allerdings,  wie  es  scheint, 
recht  unsicheren  Lokaltradition,  die  Neigebaur  im  Serapeum, 
Bd.  XVIII  (1857)  S.  184,  verzeichnet,  -vermutet'  man  eine  so 
späte  Übertragung  für  die  obengenannte  Handschrift  des 
Gregorianischen  Sacramentars,  das  aus  Würzburg-Fulda  stammt: 
"  Wie  diese  Handschrift  von  Würzburg  nach  Vercelli  gekommen, 
darüber  ist  keine  Spur  aufzufinden;  doch  vermutet  man,  dals 
hiesige  Bischöfe  als  geistliche  Legaten  nach  Deutschland  ge- 
schickt wurden,  z.  B.  Geanfrancesco  Bonomio  und  Geanstefano 
Terrerio  zu  Ende  des  16.  Jahrhunderts,  welche  sie  erworben 
haben  könnten."  Wenn  diese  Lokaltradition  das  Richtige 
träfe,  so  wäre  es  sehr  wohl  möglich,  dafs  auch  unser 
angelsächsischer  Codex  erst  in  der  Renaissance  in  Deutschland 


*)  Erik  Bjürkman,  Noi'dische  Personennamen  in  England  (Halle  1910) 
S.  165 f.  und  Zur  englischen  Namenkunde  (Halle  1912)  S.  89 f. 


54 

aufgekauft  und  nach  Vercelli  gebracht  sei.  Aber  Anhaltspunkte 
hierfür  lassen  sieh  aus  der  Handschrift  selbst  nicht  gewinnen. 
Doch  sei  nochmals  darauf  hingewiesen,  dafs  allerdings  um 
1600  (siehe  oben  S.  44)  der  Codex  schon  in  der  Dombibliothek 
gewesen  sein  wird. 

Zusammenfassend  würde  man  sich  also  über  die  Herkunfts- 
frage folgeudermafsen  äufsern  dürfen.  Der  gröfsten  Wahr- 
scheinlichkeit nach  wird  unser  angelsächsischer  Codex  ent- 
weder im  11.  oder  12.  Jahrhundert  nach  Vercelli  gekommen 
sein ,  oder  aber  vielleicht  erst  im  16.  Jahrhundert  durch 
humanistische  Bücherverkäufer  erworben  w^orden  sein.  In  der 
dazwischenliegenden  Zeit  hatte  niemand  ein  Interesse  an  einer 
alteuglischen  Handschrift.  Die  Übertragung  kann  erfolgt  sein 
entweder  direkt  von  England  aus,  —  in  welchem  Falle  neben 
vielen  anderen  Möglichkeiten  auch  das  Schottenhospital  in 
Vercelli  eine  Rolle  gespielt  haben  mag  — ,  oder  durch  Ver- 
mittelung  irgend  eines  kontinentalen  Klosters  mit  englischen 
Verbindungen,  sei  es  eines  deutscheu,  wie  etwa  Würzburg  oder 
Fulda,  oder  auch  eines  französischen,  wie  z.  B.  die  von  dem 
Iren  Columbau  gegründete  Abtei  Luxeuil,  die  in  engsten  Be- 
ziehungen zu  Bobbio  stand,  oder  Fleury,  das  sich  nach  der 
cluniazensischen  Reform  einer  führenden  Stellung  im  Bene- 
diktinerorden erfreute.  Wenig  wahrscheinlich  ist  es,  dafs  der 
Codex  durch  den  Kardinal  Guala  zu  Beginn  des  13.  Jahr- 
hunders  nach  Vercelli  gelangt  ist. 


V.    Gescliiclite  des  Bekanntwerdeiis 
der  Handschrift. 


Die  älteste  Spur  unseres  Codex  scheint  jener  schon  oben 
erwähnte  Eintrag  in  dem  Bücherinventar  des  Domes  zu  Vercelli 
zu  sein,  welches  der  bischöfliche  Generalvikar  Giovanni 
Francesco  Leone  im  Jahre  1602  angefertigt  hat.  ^)  Dort  er- 
scheint als  Nr.  90  ein 


^)  Abgedruckt  bei  G.  De-Gregory,  Istoria  della  vercellese  letteratura 
ed  arti,  Parte  IV  (Torino  1824)  S.  568. 


55 

Liber  Gotliicus,  sive  Longobardus,  (enm  legere  uon  valeo), 
mit  dem  liöclistwahrscbeiulieli  unser  Codex  gemeint  ist. 

Wenn  dieser  Eintrag  aber  niclit  ganz  eindeutig  ist,  so  be- 
zieht sich  zweifellos  auf  unsere  Handschrift,  was  der  berühmte 
Handschriftenforseher  Giuseppe  Biunchini  von  Verona  im  Jahre 
1748  an  den  Kardinal  Carlo  Vittorio  delle  Lancie  sehreibt.  Da 
dies  die  älteste  deutliche  Erwähnung  unserer  Handschrift  ist, 
mag  die  Stelle  hier  im  Wortlaut  folgen  i) : 

"Singolarissimo  e  il  codice  segnato  col  nurn.  41,  perche  scritto  con 
caratteri  nostraii,  ma  in  lingua  ignota,  e  in  meiubrane  beu  conservate, 
ne  v'  ha  dnbbio,  che  non  sia  stato  scritto  al  pii'i  tardi  del  X  secolo. 
Chi  sa,  che  non  sia  in  lingua  Teotisca?  Vülli  irupiegar  sii  tale  codice 
Hna  mezza  giornata,  per  vedere  se  poteva  venire  in  cognizione  dol  con- 
teuuto;  e  per  gran  sortc  la  cosa  mi  riusci  a  secouda  dcl  mio,  e  del 
comun  desiderio  di  quei  siguori  Canonici,  e  uomiuatameute  del  signor 
canouico  Fiicppi.  Questo  signore  perö  non  mi  volle  mal  mostrare  i 
cüdici  capitolari,  che  avcva  trasportati  in  sua  casa,  cou  la  facoltä  del 
Capitolo,  quantimqiic  il  degnissimo  Vescovo,  ed  i  siguuri  Canonici 
bellamentc  1'  andassero  csortando  a  voler  farlo,  ed  io  gli  avessi  messo 
al  fiauco  r  ottimo  padre  abbate  D.  Giuseppe  Frova  canouico  laterauense 
in  Saut'  Andrea  di  Vercelli.  Forse  avrä  aviiti  a  casa  i  piii  preziosi,  dei 
qaali  in  conseguenza  non  posso  reader  conto.  Per  quanto  mi  disse, 
aveva  un  salterio  antichissimo,  ed  unciale,  secondo  1'  antica  latina  versione 
Itala,  ed  uu  sacramentario  d'  incomparabile  auticbitä.  Aveva  intenzione 
di  stampare  tutto;  ma  benche  ogui  giorno  mi  favorisse  colla  sua  com- 
paguia,  c  mi  condncesse  ogni  giorno  nell'  archivio  capitolare,  con  tutto 
ciö  non  vi  fu  mai  caso,  che  ml  volesse  mostrare  i  codici,  che  si  era 
portati  a  casa,  quantunqne  ne  fosse  pregato  e  dal  gentilissimo  Prelato, 
e  dal  siguori  Canonici.  Io  perö  1'  amo,  e  fa  lo  stesso  con  me.  Deo 
gratias.  Tornaudo  adunqne  al  codice  41  di  lingtia  ignota,  avendolo  io 
piii  volte  rivokato  per  veder  se  iutendeva  qualche  parola,  ritrovai  alla 
fiue,  che  couteueva  nn  omiliario  per  anni  circuliim,  e  che  i  passi 
scritturali  si  riportavauo  in  latino  secondo  la  nostra  volgata,  e  cosi  ancora 
i  titüli.  lu  un  luogo  ho  letto:  incijnt  narrare  miracula,  quae  facta 
fuerxmt  ante  adventum  Salvatoris  Domini  nostri  Jesu  Christi."^) 

In  \m  altro:  alia  omelia  de  die  jndicii.^)  In  essa  ho  lette  queste 
parole  chiare  chiare 


1)  Gedruckt  bei  G.  De-Gregory,  a.  a.  0  ,  S.  556—558. 

2)  Dies  ist  die  Überschrift  der  VI.  Vercelli-Predigt  auf  fol.  54^;  doch 
liest  die  Hs.  fuerant  (statt  fuerunt). 

ä)  So  lautet  die  Überschrift  der  XV.  Vercelli-Homilie  auf  fol.  SO'^ 


56 

Manna  Babylonia  Cananea,^ 
e  questi  passi:  venite  henedicti  Patris  mei :  percipite  regmmi,  quod  vobis 
paratum  est  ab  origine  mundi:  diseedite  maledicti,  in  ignem  aefernum, 
qui  2)aratas  est  diabido,  et  a7igelis  ejus.-)  In  un  altro:  omelia  Epiffania 
Domini.^)  Portero  uno  squarcio  di  tale  omelia,  accio  si  possa  rif lettere 
in  quäl  lingua  sia  scritto  un  tale  omeliario.  lo  la  trascrissi  alla  meglio 
che  seppi;  cd  in  quauto  ai  caratteri  replico  non  vi  ebbi  difficoltä,  perche 
sono  somigliauti  a  quelli  degli  altrl  codici  latini  del  secolo  decimo. 

'■Venu  Jesus  a  Galilaea  in  Jordanem,  ut  baptizaretur  ab  eo  Seheled 
yom  ram  Galilea  dam  lande  to  Jordanem  pere  Cyto  Joh  pet  he  der 
pole  ben  gefulpad  fram  lum  Johannes  li  p  hibebad  eum  dicevs  Joannes 
him  p  de  beperede  yhim  to  eped  hpet  det  yy  gedaveli  ere  det  du 
me  Fulpge  7  du  nu  to  me  come,  respondit  Jesus  et  dixit  pet 
peter  etc^) 

Altre  due  omelie  ho  potuto  in  detto  codice  rilevare,  su  quäle  argomento 
siano  State  fatte  dal  Vescovo. 

La  prima  e  iutitolata:    de  Purificatione  S.  Mariae,^)  e  la  seconda: 
de  Sando  Martino  pontiflce.^)" 

Es  ergibt  sich  also,  dafs  sieh  Bianchini  den  Codex  ziem- 
lich genau  angesehen  hat;  denn  er  zitiert  wörtlich,  wenn  auch 
mit  Fehlern,  die  lateinischen  Überschriften  der  fünf  Homilien, 
die  solche  in  der  Handschrift  aufweisen  (fol.  54b,  80b,  85b, 
90b,  94b),  hebt  aus  zwei  weiteren  Seiten  (fol.  84b  und  85b) 
lateinische  Zitate  aus  und  versucht  sogar  von  fol.  85  b  einen 
altenglischen  Satz  zu  reproduzieren,  der  allerdings  —  wenigstens 


^)  Diese  Eigennamen  kommen  tatsächlich  in  der  Homilie  nicht  vor, 
müssen  also  aus  irgendwelchen  altenglischen  Wörtern  verlesen  sein. 

-)  Diese  beiden  Zitate  (Matth.  XXV,  34  und  41)  stehen  auf  der  dritt- 
letzten Seite  (fol.  84  b)  der  Homilie. 

3)  Dies  die  Überschrift  der  XVI.  Vercelli-Predigt  auf  fol.  Sö^;  doch 
liest  die  Hs.  Epyffania  (statt  Epiffania). 

♦)  Die  Stelle  steht  auf  der  ersten  Seite  (fol.  85 1)  der  ebengenannten 
Predigt,  doch  lautet  sie  in  Wirklichkeit  folgendermafsen:  "Uenit  Jesus  a 
galilea  in  lordanem  ad  lohannem,  ut  baptizarentur  ab  eo;  se  hselend 
cwom  fram  ^^^^ü^ä  ^^^i*  lande  to  Iordaue»i  psere  ea  7  to  lohannem,  pset 
he  öser  wolde  beon  ^efulwad  fram  liim  .  Johannes  autem  prohibebaÖ  eum 
dicens  .  lohannes  him  ]>cet  8a  bewerede  7  him  to  cwseö:  'Hwset,  öaet  is 
^edauenlicre,  Öset  5u  me  falwi^e,  7  öu  nu  to  me  come  .  Resjwndit  autem 
Jesus  et  dixit,  paet  wseter  .  .  ." 

»)  Dies  die  Überschrift  der  XVII.  Vercelli-Predigt  auf  fol.  90  b. 

6)  Dies  die  Überschrift  der  XVIII.  Vercelli-Homilie  auf  fol.  94^;  doch 
liest  die  Hs.  CON  d.  i.  Confessore  (statt  pontifice). 


57 

in  De -Gregorys  Abdruck  —  ein  grausam  verstümmeltes  Alt- 
engliseh  aufweist. 

Für  die  Wissenschaft  entdeckt  worden  ist  der  Codex 
erst  von  dem  deutschen  Professor  der  Rechtswissenschaft 
Dr.  Friedrich  Blume  in  Halle,  der  in  den  Jahren  1821 — 23 
Italien  bereiste  zwecks  Aufstöberung  rechtshistorischer  Hand- 
schriften und  das  reiche  Ergebnis  dieser  Reise  in  einem  vier- 
bändigen Werke  Iter  Italicum  (Berlin  1824—1836)  nieder- 
gelegt hat.  Vom  27.  Oktober  bis  19.  November  1822')  hielt 
sich  Prof.  Blume  in  Vereelli  auf  und  war  hier  der  erste,  der 
unseren  Codex  richtig  als  angelsächsisch  erkannte.  Er  sagt 
darüber  in  seinem  Iter  Italicum,  Bd.  I  (1824)  S.  99  folgendes: 

"  Zwei  Bücher  müssen  über  die  Alpen  nach  Vereelli  gekommen 
sein.  Das  erste  (Cod.  CLXXXI)  ist  ein  sehr  schönes  Sacrameutarium 
Gregoriannm  .  .  .  Das  andere  (Cod.  CXVII)  enthält  Legenden  oder 
Homilien  in  angelsäxischer  Sprache.  Dies  ist  umso  merkwürdiger,  da 
keine  Kapitularbibliothek  in  Italien  andere  als  lateinische  oder  italienische 
Handschriften  enthält". 

Ein  kurzer  Bericht  über  diese  Entdeckung  erschien  dann  so- 
fort von  G.  H.  Pertz2)  im  "Archiv  der  Gesellschaft  für  ältere 
deutsche  Geschichtskunde",  Bd.  V  (1824)  S.  585.  Eine  etwas 
ausführlichere  Mitteilung  über  die  Handschrift  machte  dann 
Blume  selbst  in  den  Nachträgen  zum  Iter  Italicum,  die  er 
1832  unter  dem  Titel  "Juristische  Handschriften  in  Italien" 
im  "Rheinischen  Museum  für  Jurisprudenz",  Bd.  IV,  2.  Heft 
(1832)  S.  233flf.  veröffentlichte.  Hier  gab  er  zum  ersten. Male 
mit  Unterstützung  der  Gebrüder  Grimm  auch  ein  paar  Zeilen 
Textproben,  nämlich  den  Anfang  der  XIX.  Homilie.  Der  Ein- 
trag lautet  dort  auf  S.  234  Anm.  3 : 

Komiliarum  Über  incognito  sermone  scriptus  .  .  .  Cod.  CXVII. 

Dieser  merkwürdige,  saubere  Folioband  ist  ein  angelsächsisches 
Homiliarium.  Ich  habe  zur  Probe  eine  kleine  Stelle  kopiert,  deren  In- 
halt nach  den  Berichtigungen  und  Erläuterungen  der  Gebrüder  Grimm 
folgender  ist: 

De  ptirificatione  satictae  Mariae.    Men  sceged  iis  and  tnyngath  this 


1)  So  nach  Blumes  eigener  Angabe  im  Iter  Italicum  Bd.  I  S.  87. 
'^)  Er  sagt  dort:    "Cod.  CXVII,  eine  sauber  geschriebene  Sammlung 
von  Homilien  in  angelsächsischer  Sprache." 


58 

hdlige  godsj^el  bevyrrc  ärvyrdhayi   tide,    the   ve   nu   tö   dcege  gode  cel- 
niiMigiim  tö  lofe  a7id  to  dre  vyrdhiath,  thcet  irre  (is) .  .  .*) 

"Jlan  sagt  uns  nnd  erinnert,  dieses  heilige  Evangelium  hindere  die 
ehrwürdige  Zeit,  welche  (das  ehrwürdige  Fesr,  welches)  wir  heute  Gott 
dem  Allmächtigen  zu  Lob  und  Ehre  feiern:   das  ist  ein  Irrtum." 

Dieselbe  Textprobe  nebst  Übersetziiug  nahm  Blume  in  seine 
Bihliotheca  Ubrorum  mamiscripiorum  Itcdica  (Göttiugen  1834) 
S.  6  auf,  nur  daXs  die  beiden  Einführungesätze  anders  lauten, 
nämlich : 

Homiliarum    liber    lingua    anglosaxonica    elegantissime    scriptus.     fol. 

Cod.  CXVII. 

(Huius  Cüdicis  specimcn  a  me  exscriptum  Grimmiorum  lacobi 
Gulielmique  fratrum  auxiliis  emendatum  atqiie  explicitum,  hoc  est: 

De  purificatioue  sanctae  Marias  \%i..s.w.  icie  oben]). 

Von  Blumes  Entdeckung  war  inzwischen,  vielleicht  durch 
Vermittlung  von  Jacob  Grimm,  die  Kunde  auch  nach  England 
gedrungen,  wo  man  ^on  zwei  Seiten  unabhängig  von  einander 
eine  Ausgabe  dos  Codex  herauszubringen  unternahm.  Auf  der 
einen  Seite  war  es  die  Record-Commission  in  London,  die  den 
Dr.  Maier  ^)  aus  Elslingen,  der  damals  die  italienischen  Biblio- 


1)  Dies  ist  der  Anfang  der  XVII.  Vercelli-Predigt  auf  fol.  90^;  doch 
liest  die  Hs.  scngcd,  be  pysae  (statt  bevyrre)  und  is  sc  (statt  irre). 

2)  Dafs  nicht,  wie  gewöhnlich  angegeben  wird  (Kemble,  Codex 
Vcrcelloisis  S.  V;  Wülker,  Grundriss  der  angelsächsischen  Litteratur,  S.  55 
und  241  n.  ö.),  diese  Abschrift  von  Prof.  Blume  angefertigt  ist,  der  nach 
seiner  altenglischen  Probe  in  der  Bihliotheca  Ubrorum  manuscriptorum 
Italica,  S.  (5  (s.  oben)  zu  urteilen,  auch  wenig  dazu  geeignet  gewesen 
wäre,  lehrt  Blumes  eigene  Angabe  in  den  Nachträgen  zu  seinem  Iter 
Italieum,  Bd.  IV  (Halle  1S36)  S.  133: 

"S.  99.  Das  angelsäxische  Homiliarium  ist  vor  kurzem,  auf  Veranstaltung  eng- 
lischer Geschichtsforsoher,  von  (dem  nun  schon  verstorbeneu)  Dr.  Maier  vollständig 
abgeschrieben  worden;  es  haben  sicli  wichtige  angelsäxische  Lieder  darin  gefunden. 
(J  ac.  Grimm)." 

Diese  Nachricht  ist  also  Blume  durch  Jacob  Grimm  zugegangen.  Dafs 
Jacob  Grimm  aber  die  Maiersche  Abschrift  'gesehen'  habe,  wie  Krapp 
S.  XIX  annimmt,  scheint  jeglichen  Anhaltes  zu  entbehren.  —  Nach  dem 
Wortlaut  der  Grimm-Blumeschen  Notiz  hat  Dr.  Maier  den  ganzen  Codex, 
also  auch  die  Ilomilien  abgeschrieben.  Damit  stimmt  überein  die  Angabe 
von  Ch.  W.  Goodwin,  The  Anglo-Saxon  Version  of  the  Life  of  St.  Guthlac, 
London  1S4S,  S.  IV,  dafs  er  Benjamin  Thorpe  die  Abschrift  der  letzten 
Vercelli-Predigt  über  Guthlac  verdanke.  —  Wo  die  Maiersche  Abschrift 


59 

theken  zu  Handschviftenstudion  bereiste  und  1835  oder  1836 
gestorben  ist,  mit  einer  Abschrift  des  Codex  beauftragte,  die 
dieser  im  Jahre  1834  oder  1835 1)  angefertigt  haben  mufs. 
Ohne  hiervon  etwas  zu  wissen,  machte  sich  der  in  Deutsch- 
land (Heidelberg,  München,  Göttingen)  germanistisch  geschulte 
englische  Philologe  John  Mitchell  Kemble  (1807—1857)  im 
Sommer  1834  auf  den  Weg  nach  Vercelli,  verweilte  jedoch 
unterwegs  so  lange  ('einige  Monate'  sagt  er)  in  Deutschland, 
dals  schliefslich  die  Winterstürme  ihm  den  Übergang  über 
die  Alpenpässe  abschnitten  und  er  unverrichteter  Sache  nach 
England  zurückkehren  mufste.  Hier  fand  er,  dafs  inzwischen 
bereits  die  Record-Commission  der  Ausführung  seines  Planes 
nahe  getreten  war. 

Die  Maiersche  Abschrift,  die  übrigens  eine  recht  gute  ge- 
wesen sein  mufs  und  anerkennenswerte  Kenntnisse  im  Angel- 
sächsischen voraussetzt,  hatte  das  überraschende  Resultat  er- 
geben, dafs  jenes  vermeintliche  'Homiliarium'  auch  'wichtige 
angelsächsische  Lieder'  enthielt. 2)  Von  diesen  sechs  Gedichten 
nun  liefs  die  Record-Commission  unverzüglich  einen  Abdruck 
herstellen,  dessen  Leitung  dem  Oxforder  Gelehrten  Benjamin 
Thorpe  (1782—1870)  anvertraut  wurde,  der  auch  einige  Text- 
besseruugen  beisteuerte.  Hier  waren  die  sechs  Vercelli - 
Gedichte  mit  sieben   anderen   angelsächsischen  Texten   (meist 


sich  jetzt  befindet,  habe  ich  n-cht  feststeUen  können.  Im  Record  Office 
zu  London  scheint  sie  sich,  wie  mir  R.  A.  Roberts  freundlichst  mitteilt, 
nicht  zu  befinden.    Wahrscheinlich  ist  sie  in  Thorpes  Nachlafs  geblieben. 

^)  Dieses  Datum  erschliefse  ich  daraus,  dafs  Blume  1S:'.4  in  seiner 
BibUotheca  liWorum  manuscripto7-um  Italica  von  einer  Abschrift  noch 
nichts  weifs  und  Ostern  183G  (s.  die  vorhergehende  Anmerkung)  den 
Dr.  Maier  'nun  schon  verstorben'  nennt. 

2)  Wer  zuerst  das  Vorhandensein  von  Gedichten  im  Vercelli-Codex 
bemerkt  hat,  läfst  sich  nicht  mehr  mit  Sicherheit  sagen.  Nach  der  oben 
erwähnten  Grimm -Blumeschen  Notiz  wird  erst  die  Maiersche  Abschrift 
dazu  geführt  haben.  Denn  bis  zum  Jahre  1S3()  spricht  Blume  selbst  nur 
von  'Ilomiliun'  als  Inhalt  des  Codex,  wie  noch  lb47  Costanzo  Gazzera. 
[Danach  ist  Wülkers  Angabe  im  Grundrifs  S.  241  Z.  11  zu  berichtigen.] 
Nach  der  Darstellung,  die  Kemble  1 843  in  seinem  Codex  Vercellensis  S.  V 
gegeben  hat,  hat  er  selbst  allerdings  schon  vor  Antritt  seiner  Reise 
(Sommer  1S34)  von  dem  Vorhandensein  der  Gedichte  gewufst;  in  solchen 
Nebenumständen  ist  aber  dem  Gedächtnis  von  Kemble  nicht  immer  un- 
bedingt zu  trauen. 


60 

Glossen)  zu  einem  Quaitbande  von  165  Seiten  vereinigt,  der 
gedacht  war  als  "Appendix  B"  zu  einem  Berichte  über  die 
Notwendigkeit  der  Fortführung  des  vierten  Neudruckes  von 
Thomas  Rymer's  Foßäera  (zuerst  1704 — 35  in  20  Vols.,  4.  Aus^g. 
1816—30  mit  dem  3.  Bande  abbrechend),  den  der  gelehrte 
Rechtsantiqiiar  Charles  Purtou  Cooper  (1793 — 1873)  als  Sekretär 
der  (zweiten)  Record-Commission  vorlegen  wollte.  Da  dieser 
Bericht  jedoch  nicht  zur  Ausführung  gelangte,  weil  die  Record- 
Commission  —  wahrscheinlich  wegen  der  grofsen  Schuldenlast, 
die  sie  durch  ihre  zu  zahlreichen  und  zu  kostbaren  Publikationen 
dem  Lande  aufgehalst  hatte  i)  —  im  Jahre  1837  aufgelöst 
wurde,  so  blieben  die  Bogen  des  "Appendix  B"  zunächst  un- 
veröffentlicht liegen,  ja  brachten  es  nicht  einmal  zu  einem  Titel- 
bogen 2)  oder  Titelblatte.  Nur  aus  den  Bogenkustoden,  welche 
"App.  B.  to  3Ir.Cooper's  Report"  lauten,  kann  man  überhaupt 
ersehen,  zu  welchem  Werke  das  Ganze  2i\^" Appendix  (B.)"  —  so 
die  Überschrift  der  ersten  Seite  —  gedacht  ist.  In  Ermangelung 
eines  wirklichen  Titels  hat  man  sich  gewöhnt,  das  Werk  nach 
den  Bogenkustoden  als  "Appendix  B  to  3Ir.  Cooper's  Eeport" 
zu  zitieren.  Erst  im  Jahre  1869  ordnete  der  Oberarchivar 
Lord   Romilly    die   Verteilung  der    vorhandenen    Exemplare^) 


^)  Didionary  of  National  Biogrcqjhy,  Vol.  ^  IV  S.  1065. 

")  Dafs  ein  solcher  ursprÜDglich  geplant  war,  ergibt  sich  daraus,  dafs 
der  jetzige  erste  Bogen  gleich  mit  ßß  signiert  ist  und  damals  allgemein, 
wie  gelegentlich  noch  hente  in  England  (entgegen  unserem  jetzigen  deutschen 
Brauche),  der  Titelbogen  als  ^- Bogen  gezählt  wird. 

3)  Willker,  Änglia  Bd.  V  (1S82)  S.  453,  gibt  an,  dafs  der  Appendix 
nur  in  250  Exemplaren  gedruckt  ist.  Daraus  erklärt  sich  auch,  dafs  das 
Werk  in  Deutschland  wunigstens  nur  schwer  erreichbar  ist.  Ich  benutze 
das  Exemplar  der  Kgl.  Bibliothek  in  Berlin  (Signatur:  Tq  454).  —  Wann 
der  'Appendix  B'  gedruckt  ist,  läfst  sich  bei  dem  Fehlen  eines  Titelbogens 
nicht  mehr  feststellen;  doch  dürfte  wohl  nur  das  Jahr  tS35  oder  1836 
dafür  in  Betracht  kommen.  Vgl.  S.  62  Anm.  1.  —  Über  die  Ausgabe  der 
Exemplare  im  Jahre  ls69  orientiert  folgende  Notiz,  welche  (nach  freund- 
licher Mitteilung  Alfred  Pollards)  dem  Exemplare  des  Britischen  Museums 
beigegeben  ist:  " Tliis  voliime  contains  a  portion  of  the  Appendices  to  a 
Report  on  Rymer's  Fwdera  intended  to  havc  been  made,  to  the  late 
Commissiotiers  on  Public  Records,  by  Mr.  Charles  Purton  Cooper,  their 
Secretary.  —  As  these  Appendices  have  been  in  störe  since  the  year  1837, 
when  the  Record  Commission  expired,  and  the  Report  was  not  made,  1 
have  directed  the  Appendices,  although  imperfect,  to  be  distributed  in  such 


61 

an.  Diese  offiziell  ausgegebenen  Exemplare  tragen  hinten  auf 
dem  Rücken  des  Eiiibandes  in  Goldschrift  den  Aufdruck: 
"Report  on  Fccdera.  Äpp.  B."  Wie  das  Werk  uns  jetzt  vor- 
liegt, bietet  es  die  Vereelli-Gedichte  ohne  jede  Beigabe,  nach 
ihrer  Reihenfolge  im  Manuskript  abgedruckt:  "The  Legend  of 
St.  Andrew"  auf  Seite  47—89,  "The  Fatcs  of  the  Twelve 
Äpostles"  S.  90-92,  "The  Beparted  SouVs  Addrcs  io  the  Bodtj" 
S.93— 97,  "A  Fragment,  Moral  and  Bdigious"  S. 98-99,  "The 
Hohj  Bood,  a  Dream"  S.  100  —  104  und  "The  Invention  of  the 
Gross"  S.  105 — 138.  Um  eine  Vorstellung  vom  Schriftcharakter 
der  Handschrift  zu  geben,  sind  Faksimile-Nachzeichnungen  (in 
Originalgröfse)  von  zwei  Seiten,  nämlich  fol.  43»  und  75b,  sowie 
der  iiT-Initiale  auf  fol.  49a  dem  Bande  beigefügt.  Wenn  die 
öffentliche  Versendung  des  Werkes  auch  erst  im  Jahre  1S69 
erfolgte,  so  waren  doch  gleich  nach  Vollendung  des  Druckes 
einige  wenige  Exemplare,  wn)hl  nur  persönliche  Widmungs- 
exemplare, an  englische  wie  an  deutsche  Gelehrte  zur  Ver- 
teilung gelangt.  Zu  den  ersteren  gehörte  durch  Coopers  Freund- 
lichkeit J.  M.  Kemble,  i)  der  im  Appendix  und  Glossary  zu  seiner 


a  manner  as  may  render  them  most  useful  for  Liferary  and  Historical 
purposes.  —  This  volume  is  therefore  transmitted  to  the  British  Museum 
Printed  Books  Department.  (Gez.)  Romilly,  M.  R.,  Public  liecord  Office 
29  May  1869."  Diese  Notiz  Rouiillys  ist  auch  deswegen  wichtig,  weil 
wir  aus  ihr  ersehen,  dafs  mit  dem  Report,  zu  dem  unser  Werk  den  Appendix 
B  bilden  sollte  nicht  Cooper's  General  Report  to  the  King  in  Council  from 
the  Honourable  Board  of  Commimoners  on  the  Public  Records  .  .  .  With 
an  Appendix  and  Index  (London  1837)  gemeint  ist,  sondern  ein  nicht  fertig- 
gestellter "Report  on  Rymer's  Foedera".  Dies  ergibt  sich  übrigens  auch 
aus  dem  erstgenannten  General  Report  Cooper's,  wo  es  offenbar  in  Hin- 
blick auf  unseren  Appendix  B  heifst  (Seite  XXII) :  "A  large  and  valuable 
coUection  has  been  obtaincd  of  notices  of  manuscripts  of  English,  Scottish, 
or  Itibh  writers,  or  which  relate  to  the  affairs  of  the  British  Islands,  to 
he  foujid  in  libraries  or  archives  on  the  Continent.  Some  of  the  Information 
collected  is  already  printed,  in  the  form  of  Appendixes  to  a  Report 
on  the  Foedera,  which  is  in  a  State  of  preparation." 

*)  Darüber  Kemble,  Codex  Vercellensis  Bd.  I  S.  V:  "  Circumstanccs 
prevented  the  puhlication  of  the  book,  but  a  few  copies  of  it  found  their 
way  into  the  hands  of  persons  intcrested  in  the  subject,  both  here  and  in 
Germany.  One  of  them  had  been  placed  at  my  disposal  (through  the 
courtesy  of  Mr.Cooper),  and  had  furnished  important  aid  during  the  pre- 
paration of  the  second  volume  of  Beöwidf;  but  in  general  the  contents 
remained  inaccessible  and  unknown." 


62 

Bcownlf-Übersetznng')  davon  Gebrauch  machte;  zu  den  letzteren 
der  Hamburger  Archivar  Dr.  J.  M.  Lappenberg-,  der  sein  Exemplar 
wahrscheinlich  der  Freundschaft  Benjamin  Thorpes  verdankte, 
der  g-leich  1834  sich  an  die  englische  Übersetzung  von  Lappen- 
bergs Geschichte  von  England'^)  gemacht  hatte.  Lappenberg 
lieh  sein  Exemplar  Anfang  1839  an  Jacob  Grimm,  der  sieh 
sogleich  die  Gedichte  abschrieb  und  von  den  beiden  v\'ichtigsten 
und  umfangreichsten,  'Andreas'  und  'Elene',  noch  im  selben 
Jahre  eine  Ausgabe  mit  trefflicher  Einleitung  veranstaltete, 
die  1840  zu  Kassel  erschien.  3)  Da  jeuer  Appendix  B  eigent- 
lich nur  den  Charakter  eines  Privatdruckes  trug,  erwarb  sieh 
so  Jacob  Grimm  das  Verdienst,  den  Vercelli-Codex  zuerst  in  die 
Wissenschaft  eingeführt  zu  haben.  Der  deutsehen  Ausgabe  folgte 
in  wenigen  Jahren  die  erste  englische  von  Grimms  Schüler  und 
Freunde  J.  M.  Kemble,  als  Nr.  5  und  6  der  eben  gegründeten 
^Ifrie  Society,  Teil  I  (1843,  Umschlag  1844)  den  'Andreas'  ent- 
haltend, Teil  II  (1846)  die  'Elene'  und  die  kleineren  Dichtungen.'*) 
Wenn  diese  Ausgabe  nun  auch  in  bezug  auf  die  beiden  Haupt- 
gedichte keinen  wissenschaftlichen  Fortschritt  über  Grimm 
hinaus  bedeutete,^)  so  gebührt  ihr  doch  das  Verdienst,  zum 
ersten  Male  die  kleineren  Gedichte  des  Vercelli-Codex  zugäng- 
lich gemacht  zu  haben.  Eine  deutsche  Gesamtausgabe  aller 
Dichtungen  erhielten  wir  in  C.  W.  M.  Greins  Bthliotheh  der 
angelsächsischen  Poesie  (Göttingen  1857 — 58),  die  1883 — 97  von 
Richard  Paul  Wülker  einer  Neubearbeitung  unterzogen  wurde. 

1)  Die  Vorrede  dieses  1837  erschienenen  Buches  ist  "München,  Nov. 
1S35"  datiert.  Wenn  wir  sicher  sein  könnten,  dafs  jene  zahlreichen  Hin- 
weise auf  den  Verceüi-Codex  nicht  erst  während  des  Druckes  eingesetzt 
sind,  würde  dies  beweisen,  dafs  der  Appendix  B  schon  1835  gedruckt 
war.  Aber  Kembles  Werke  bieten  uns  mehrfach  ähnliche  chronologische 
Schwierigkeiten. 

'^)  Das  Original  erschien  Hamburg  1834,  Thorpes  Übersetzung 
erst  1845. 

^)  Andreas  und  Elene,  herausgegeben  von  Jacob  Grimm,  Cassel  1840, 
bei  Theodor  Fisclicr.  1S2  Seiten  mit  Faksimile  von  ful.  43»  (aus  dem 
Ajjpendix  B).    Die  Vorrede  ist  vom  1'.*.  Oktober  1839  datiert. 

*)  The  Poetry  of  the  Codex  Vercellensis  with  an  English  Translation. 
By  J.  M.  Kemble,  M.  A.,  London,  Printed  for  the  ^Ifric  Society,  1843—46. 

*)  Kembles  Text  des  'Andreas'  ist  sogar  ganz  auf  Grimm  basiert, 
wie  schon  1858  Grein  (Bibliothek  II,  408)  erkannt  und  Krapp,  Arulrcas 
S.  XIX  Anm.  2  des  näheren  nachgewiesen  hat. 


63 

FUr  die  Sepai'atansg-al)en  der  einzelnen  Diclitungen  miifs  auf 
die  Angaben  in  §  VI  verwiesen  werden. 

Da  die  ersten  Ileransgeber,  Tliorpe,  Grimm,  Kemble  und 
Grein,  das  Originalnianuskript  selbst  nicht  eingesehen  hatten 
und  sieh  also  die  ganze  Textgestalt  auf  Dr.  Maiers  Abschrift 
stützte,  so  machte  sich  immer  mehr  das  Bedürfnis  geltend, 
eine  neue  Vergleichung  der  Handschrift  herbeizuziehen.  Eine 
solche  Kollation  nahm  zuerst  für  die  'Elene'  Prof.  P.  Knüll 
aus  Wien  vor,  die  iu  Zupitzas  Elene-Ausgabe  (Berlin  1877)  ver- 
wendet wurde.  Ihm  folgte  Kiciiard  Wtilker  im  Herbst  1881  und 
Ostern  1884-,  der  alle  Gedichte  für  seine  Neuausgabe  von 
Greins  Bibliothek  verglich.  Ostern  1887  ")  hat  Friedrich  Kluge 
eine  Kollation  des  'Traumgesiehtes  vom  Kreuze'  (für  sein 
Angelsächsisches  Lesebuch,  1888)  sowie  der  ereten  1497  Verse 
des  'Andreas'  hergestellt,  die  Wülker  vorlag.-)  Zuletzt  end- 
lieh hat  Arthur  Napier  im  Sommer  1888  eine  "CoUation  der 
Altenylischcn  Gedichie  im  Vercellihuch"  vorgenommen  ('Zeit- 
schrift für  deutsches  Altertum',  Bd.  XXXIII  S.  66— 73),  wobei 
er  den  bisher  übersehenen  ychliifs  (28  Verse)  zu  den  'Fata 
Apostolorum'  entdeckte. 

Die  ang-elsächsischen  Prosapredigten,  welche  fast  drei  Viertel 
der  Handschrift  ausmachen,  warten  bisher  noch  auf  eine  Aus- 
gabe. Nur  zwei  sind  bereits  gedruckt  worden.  Wülker  druckte 
die  kurze  XIII.  Homilie  in  der  Awjlia  Bd.  V  (1882)  S.  464f. 
und  Paul  Gonser  die  fragmentarische  letzte  Homilie  in  seiner 
Ausgabe  des  Angelsächsischen  Prosa-Lehens  des  heil.  Guthlac 
(Heidelberg  1909)  S.  117 f.  Vorher  hatte  die  Varianten  des 
Guthlac-Lebens  aus  dem  Vercelli-Manuskript  Ch.  W.  Goodwin, 
llie  Anglo-SaxonVersion  of  ihe  Life  of  St.  Guthlac  (London  1848) 
beigebracht.  Goodwin  bediente  sich  dabei  einer  Abschrift  des 
Vercelli- Fragments,  die  er  der  Güte  Benjamin  Thorpes  ver- 
dankteJ)  d.h.  Thorpe,  der  ja  die  Handschrift  selbst  nie  ge- 
sehen, hat  ihm  Dr.  Maiers  Kopie  oder  eine  Abschrift  davon 
mitgeteilt.     Wir   erhalten   somit   den   Beweis,   dals   Dr.  Maier, 


^)  Nach  freundlicher  brieflicher  Mitteilung  Prof.  Kluges  vom 
27.  September  li)12. 

")  Siehe  Bibliothek  Bd.  II  (188S)  S.  V. 

^)  Goodwin  sagt  auf  S.  IV  :  "Fora  transcript  of  this  most  interesting 
fragment  1  am  indebted  to  the  kindness  of  Mr.  Benjamin  Thorpe". 


6i 

wie  es  naeli  dem  Wortlaut  der  Grimmsehen  Angabe  bei  Blume 
auch  zu  erwarten  ist,  nicht  nur  die  poetischen  Texte,  sondern 
die  ganze  Handschrift  abgeschrieben  hat.  Eine  Abschrift  aller 
Vercelli- Predigten  hat  Napier  1888  hergestellt  und  ich  selbst 
1912  auf  Grund  des  von  Fr.  Ehrle  veranstalteten  Faksimiles. 
Die  bisher  nicht  belegten  Wörter  dieser  Homilieu  hat  Napier 
in  seinen  Conirihutions  to  Old  English  Lexicographij  ("The 
Philological  Society's  Transactions"  1906  S.  265  -358)  ver- 
zeichnet, nachdem  einige  Proben,  wie  milite,  ncecedo,  forpylman, 
ofpyhnan  und  ydhylgea  auf  Grund  der  Handschrift  schon  von 
Friedrich  Kluge  im  Glossar  zu  seinem  Angelsächsischen  Lese- 
huche  (1.  Aufl.  1888)  mitgeteilt  waren.  Einige  Nachträge  zu 
Napier  stelle  ich  am  Schlüsse  dieser  Arbeit  zusammen. 

Im  Herbst  des  Jahres  1888  sind  die  83  Seiten  der  Hand- 
schrift, welche  Gedichte  enthalten,  von  Dr.  Ludwig  Lange  in 
Elberfeld  in  halber  Gröfse  photographiert  für  eine  Lichtdruck- 
reproduktion, die  1894  unter  Wülkers  Leitung  erschien. ')  Die 
Homilien  sind  zum  ersten  Male  in  dem  Ehrleschen  Faksimile 
reproduziert  und  damit  überhaupt  der  Forschung  zuerst  er- 
schlossen. 


VI    Inlialtsaiigabe  der  Handsclirift. 


Die  Handschrift  enthält  sechs  Gedichte  und  23  Prosa- 
predigten. Wie  sich  aus  der  folgenden  Inhaltsübersicht  im 
einzelnen  ergibt,  ist  die  Zusammenstellung  der  Handschrift 
völlig  von  christlich -gottesdienstlichem  Interesse  beherrscht. 
Denn  nicht  nur,  dafs  jene  sechs  Gedichte  sämtlich  zur  Gattung 
der  geistlichen  Poesie  gehören,  sie  behandeln  auch  sämtlich 
bekannte  Predigtthemen  und  sind  wohl  alle  —  für  das  Frag- 
ment über  Psalm  XXVII,  3  (fol.  104a— 104b)  können  wir  es 
seiner  Kürze  wegen  zwar  nicht  direkt  beweisen  —  teils  für 
bestimmte  Kirchenfeste  geschrieben,  nämlich  den  Andreastag 
('Andreas'),    das    Apostelfest    ('Fata    Apostolorum')    und    die 


1)  Codex  Vercellensis.  Die  Angelsächsische  Handschrift  zu  Vercelli 
in  getreuer  Nachbildung,  herausgegeben  von  Dr.  Eichard  Wülker,  Leipzig, 
Verlag  von  Veit  &  Comp.,  1894  [trotz  des  allgemeinen  Titels  nur  die 
Gedichte  enthaltend]. 


65 

Kreuzesei'höhuug  ('Elene'  und  'Tniumgesicht  vom  Krenz'),  oder 
bestimmten  Predigtgattungen  zuzuweisen,  wie  die  'Reden 
zwischen  Seele  und  Leib'  den  Fastenpredigten.  Bemerkt  mag 
aber  werden,  dafs  in  der  Anordnung  der  einzelnen  Texte  kein 
einheitliches  Prinzip,  wie  etwa  der  Aufbau  des  Kirchenjahres, 
befolgt  ist  und  dafs  also  vermutlieh  die  Sammlung  erst  nach 
und  nach  ohne  bestimmten  Plan  zustande  gekommen  ist.  Nur  die 
Predigten  VII-X  sowie  die  drei  Bittwochenprodigten  XI-XIII 
werden  dem  Schreiber  höchstwahrscheinlich  schon  vereinigt 
zugeflossen  sein.  Die  Interessensphäre  des  Sammlers  liegt  klar 
zu  Tage.  Fast  gar  nicht  ist  er  interessiert  für  Dogmatik  — 
nur  die  kurze  Stelle  über  die  Trinität  in  Homilie  XIX  wäre 
da  zu  nennen  — ,  verhältnismäfsig  wenig  auch  für  Schrift- 
exegese (nur  Hom.  I,  V,  VI,  XVI  und  XVII)  und  Hagiographie 
(Hom.  XVIII,  XXIII).  Dagegen  liegt  sein  Herz  bei  der  Parä- 
nese,  der  17  von  den  23  Homilien  gewidmet  sind.  Den  grüfsten 
Raum  nehmen  Bufs-  und  Beichtpredigten  ein  (Hom.  III,  IV, 
VIII,  IX,  XV),  namentlich  solche,  die  für  die  Bittwoche  be- 
rechnet sind  (Hom.  XI,  XII,  XIII,  XIX,  XX).  Dabei  verwendet 
er  gern  den  Hinweis  auf  den  Tod  und  das  jüngste  Gericht 
und  kontrastiert  gern  die  Himmelswonnen  mit  den  Höllenstrafen. 
Ganz  die  Stimmung,  die  man  bei  einem  Kleriker  des  10.  Jahr- 
hunderts erwarten  würde. 

1.  Fol.  la— 9a:   Erste  Yercelli- Predigt. 

Eine  Passionspredigt,  die  im  wesentlichen  eine  freie  Über- 
setzung von  Joh.  XVIII,  11  bis  XIX,  42  mit  kurzen  exegetischen 
Einschiebseln  und  Ergänzungen  aus  den  Synoptikern  darstellt. 
Da  die  beiden  ersten  Seiten  völlig  unlesbar  geworden  sind, 
fehlt  der  Anfang  für  uns. 

2.   Fol.  9  b— 12  a:   Zweite  Yercelli -Predigt. 

Eine  kurze  Homilie  über  die  Schrecken  des  jüngsten 
Gerichtes,  welche  noch  einmal  in  unserer  Handschrift  erscheint. 
Abgesehen  vom  Schlüsse  findet  sieh  nämlich  genau  derselbe 
Predigttext,  wenn  auch  in  etwas  jüngerer,  leicht  gekürzter 
und  stärker  ent- anglisierter  Gestalt  auf  fol.  112a  — 116* 
(=  Nr.  26)  wieder,  wo   er  als   zweiter  Teil  der  XXI.  Homilie 

Stadien  z.  engl.  Phil.    L,  5 


66 

auftritt.  Der  Scliluls  (von  stva  sylfa  civced  auf  fol.  IIb  Z.  2 
und  von  ido[n]  ne  s^orivenan  auf  fol.  116a  Z.  20  an)  ist  jedoch 
an  beiden  Stellen  gänzlich  verschieden.  In  einer  teilweise 
stark  abweichenden  Form,  d.  h.  teils  wörtlich,  teils  nur  lose 
mit  unserer  Vercelli-Fassung  übereinstimmend,  findet  sich  die- 
selbe Predigt  auch  noch  in  der  unter  dem  Namen  des  Bischofs 
Wulfstan  von  Woreester  (1013 — 1023)  laufenden  altenglischen 
Predigtsammlung  als  Nr.  XL  (ed.  Napier,  Berlin  1883,  S.  182 
bis  189),  wo  wiederum  namentlich  der  Anfang  und  Sehlufs  ganz 
anders  lauten,  aber  von  S.  182  Z.  10  bis  S.  187  Z.  15  textliche 
Übereinstimmung  herrscht.  Interessant  ist,  und  wohl  noch 
nicht  beachtet,  dafs  ein  Teil  der  Predigt  (bei  Napier  S.  186 
Z.  3  bis  19)  metrische  Form  besitzt,  was  wahrscheinlich 
so  zu  erklären  ist,  dafs  der  Homilet,  wie  es  nachweisbar 
mit  dem  altenglischen  Gedichte  Be  domes  dcege  bei  Wulfstan 
(ed.  Napier,  S.  136  Z.  25  bis  S.  140  Z.  2)  geschehen  ist,  ein 
Stück  aus  einem  fertig  vorliegenden  Gedichte  in  seine  Predigt 
aufnahm.  Aber  auch  sonst  zeigt  die  Predigt  eine  dichterisch 
gehobene  Sprache. 

Da  aus  einer  Bemerkung  von  Gustav  Grau,  Quellen  und 
Verwandtschaften  der  älteren  gcr manischen  Darstellungen  des 
jüngsten  Gerichtes  (in  'Studien  zur  englischen  Philologie',  Heft  31, 
Halle  1908)  S.  192  herausgelesen  werden  kann,  dafs  unsere 
Predigt  gleichen  Inhalts  mit  der  7.  Blickling-Homilie  und  einer 
Hatton-Predigt  sei,  so  bemerke  ich  ausdrücklich,  dafs  dieses 
nicht  der  Fall  ist. 

Gedruckt  ist  diese  Predigt  weiter  unten  unter  A. 

3.   Fol.  12b— 16a:   Dritte  Vercelll- Predigt. 

Eine  Beichtpredigt  zum  zweiten  Fastensonntage  über 
Beichte,  Bufse,  Fasten,  Gebet  und  Almosen. 

Die  gleiche  Predigt  befindet  sich  noch  in  folgenden  vier 
Handschriften;  a)  Corpus  Christi  College,  Cambridge,  Nr.  198 
(früher  S.  8),  ca.  1000  (aus  Woreester)  f.  132  b  [Wanley,  Cat. 
S.126];  b)  Corpus  Christi  College,  Cambridge,  Nr.  162  (früher 
S.  5),  11.  Jh.,  pag.  243ff.  [Wanley,  Cat.  S.  118];  c)  Oxford, 
Bodl.  340  (früher  NE.  F.  4. 10),  11.  Jh.,  fol.  108  a  [Wanley  S.  12]; 
d)  Oxford,  Bodl.  343  (früher  NE.  F.  12),  um  1150-70,  fol.  56b 
bis  58b  als  "Dominica  in  Quadragesima"  [Wanley  S.  18j. 


6-? 

Gedruckt  ist  die  Predigt  nach  Bodl.  343  von  A.  0.  Belfour, 
Twelfth  Century  HomUies  in  MS.  Bodlcij  343  [Early  English 
Text  Society,  Örigiaiil  Series,  Nr.  137,  London  1909]  S.  40—48. 

4.  Fol.  16b— 24«>:   Vierte  Yercelli- Predigt. 

Eine  Bufspredigt  im  Hinblick  auf  das  jüngste  Gericht 
mit  längeren  Reden  zwischen  Seele  und  Leib.  Zu  letzterem 
Thema  vgl.  Brandl,  Altenglische  Literatur,  S.  1096  und  Louise 
Dudley,  An  Early  Homily  on  the  'Body  and  Soul'  Theme  im 
'Journal  of  English  and  Germanic  Philology',  Vol.  VIII  (1909) 
S.  225 — 253  und  The  Egyptian  Element  in  the  Lcgends  of  the 
Body  and  Soul  (Baltimore  1911). 

Dieselbe  Predigt  befindet  sich  in  der  Handschrift  Corpus 
Christi  College,  Cambridge,  Nr.  41  (frliher  S.  2)  auf  den  Rändern 
von  pag.  254  —  280,  woraus  eine  Stelle,  die  Rede  der  guten 
Seele  zu  ihrem  Leib,  von  Julius  Zupitza  im  Archiv  für  das 
Studium  der  neueren  Sprachen,  Bd.  XCI  (1893)  S.  379—381 
veröfifentlicht  ist.  Der  Anfang  der  Homilie  stimmt  auch  mehr 
oder  weniger  wörtlich  überein  mit  einer  Predigt  des  Corpus 
Christi  College,  Cambridge,  Nr.  201  (früher  S.  18)  pag.  222 ff., 
die  bei  B.  Thorpe,  Ancient  Laivs  and  Institutes  of  England 
(Loudon  1849)  Vol.  II  S.  394ff.  gedruckt  ist.  Eine  andere  Stelle 
stimmt  zu  einem  Übergangssatze  in  der  Pseudo-Wulfstanschen 
Homilie  Nr.  XXIX  (ed.  Napier,  S.  140  Z.  3  bis  Z.  8  =  Vercelli 
fol.  17  b). 

Am  Sehluls  auf  die  freigelassene  Hälfte  von  fol.  24b  hat 
ein  Schreiber  des  13.  Jahrhunderts  einen  Pt^almenvers  (XXVI,  9 
in  verstümmelter  Form)  mit  Neumen  eingetragen :  B.  Adiutor 
meus  esto,  Domine;  ne  derelinquas  me,  JDeus  salutaris  meus. 

5.  FoL25a— 29a:   Füufte  Vercelli -Predigt. 

Überschrift:  To  middan  ivintra.    Ostende  nohis,  Domine. 

Eine  rein  texterklärende  Homilie  zum  ersten  Weihnachts- 
tage an  der  Hand  der  Weihnachtsperikope  Lukas  II,  1 — 14. 
Dieselbe  Predigt  befindet  sich  a)  im  Corpus  Christi  College, 
Cambridge,  Ms.  198  (früher  S.  8)  fol.  laff.  als  'Sermo  in  Natale 
Domini'  [Wanley  p.  125]  und  b)  im  Bodl.  Ms.  340  (früher  NE. 
F.  4. 10)  fol.  la — 5b  als  ''Sermo  in  Natale  Domini"  [Wanley  p.9]. 


68 

6.   Fol.  29l>— 52b:   Erstes  Yercelli- Gedicht 
('Andreas'). 

Ein  unter  dem  Titel  'Andreas'  laufendes  Gedicht  von 
1722  alliterierenden  Versen  über  die  Leiden  und  Wundertaten 
der  Apostel  Matthäus  und  Andreas  auf  der  Meuschenfresser- 
insel  "Myrmidonia".  Das  von  manchen  Forschern  (wohl  mit 
Unrecht)  dem  Dichter  Cynewulf  beigelegte  Werk  ist  höchst- 
wahrscheinlich in  der  zweiten  Hälfte  des  8.  Jahrhunderts  ab- 
gefalst  und  zwar  ursprünglich  in  einer  anglisehen  Mundart, 
die  aber  in  der  vorliegenden  Aufzeichnung  ins  Westsächsische 
transponiert  erscheint.  Als  Quelle  lag  dem  Dichter  eine 
lateinische  Fassung  der  Ada  s.  Andreae  et  MaWiaei  (ed.  Max 
Bonnet,  Acta  apostolorum  apocrijpha,  Leipzig  1898,  S.  66ff.) 
vor,  nicht,  wie  man  früher  annahm,  das  griechische  Original 
dieser  Apostelakten. 

Das  Gedicht  ist  vollständig  überliefert,  doch  ist  zwischen 
fol.  42h  und  43»  nach  Ausweis  von  Versbau,  Grammatik  und 
Inhalt  eine  Lücke.  Der  Umfang  derselben  lälst  sich  mit  Hilfe 
der  Quelle  dahin  berechnen,  dafs  zwischen  fol.  42  und  43  ein 
Blatt  ausgefallen  sein  muls. 

Gedruckt  ist  das  Gedicht  von  Benjamin  Thorpe  (1836), 
Jacob  Grimm  (1840),  Kemble  (1843),  Grein  (1858),  Wülker 
(1888)  und  Basquerville  (1885),  die  aber  sämtlich  überholt  sind 
durch  die  trefflich  eingeleitete  und  kommentierte  Ausgabe  von 
George  Philip  Krapp,  Andreas  and  the  Fates  of  tlie  Apostles 
(Albion  Series,  Boston  1906).  Ein  um  die  Hälfte  verkleinertes 
Faksimile  des  ganzen  Gedichtes  gab  Wülker  im  Codex  Ver- 
cellensis  (Leipzig  1894);  eine  Seite  in  Originalgrölse  (fol.  43») 
erschien  in  Faksimilezeichnung  im  Appendix  B,  woselbst  auch 
die  grofse  Initiale  von  fol.  49  a  reproduziert  ist.  Die  Faksimile- 
zeichnung von  fol.  43  a  ist  bei  Grimm  wiederholt. 

Die  Literatur  über  das  Gedicht  siehe  in  Wtilkers  Grund- 
riss  der  angelsächsischen  Litteratur  S.  187,  Brandl,  Altenglische 
Literatur  S.  1040  und  vor  allem  bei  Krapp  a.  a.  0.  S.  LXXIII 
bis  LXXVIII;  dazu  jetzt  noch  Grau  a.a.O.  S.  131— 145  und 
Carl  Richter,  Chronologische  Studien  zur  angelsächsischen 
Literatur  (in  Morsbachs  'Studien  zur  englischen  Philologie', 
Heft  33,  Halle  1910)  S.  37—40  und  S.  86. 


69 

1.   Fol.  52')— 51a:   Zweites  Yercelli- Gedicht 
('Apostelliymnus'). 

Ein  Gedicht  von  122  Stahreimversen,  welches  für  alle 
zwölf  Apostel  Ort  und  Umstände  ihres  Martyriums  angibt, 
dann  die  Apostelscbar  um  Beistand  anfleht  und  zum  Schlufs 
den  Namen  des  Dichters  in  Form  eines  Runen-Akrostichons  als 
"Cynwulf"  [sie!]  bietet.  Gegenüber  den  verschiedenen  Ver- 
suchen, Zweck  und  Charakter  dieser  Dichtung  zu  bestimmen, 
möchte  ich  daran  festhalten, J)  dafs  es  sich  am  ehesten  um  die 
altenglische  Nachbildung  eines  lateinischen  Apostelliymnus 
(Hymnus  de  Apostolis)  handelt,  wie  solche  für  die  Feier  des 
seit  dem  7.  Jahrhundert  im  Abendlande  eingeführten  Festes 
aller  Apostel,  das  teils  am  1.  Mai,  teils  am  29.  Juni  gefeiert 
wurde,  bestimmt  waren  und  uns  mit  ganz  ähnlichen  Auf- 
zählungen der  Martyrien  der  einzelnen  Apostel  z.  B.  bei  Mone, 
Lateinische  Hymnen  des  Mittelalters,  Bd.  III  (1855)  Nr.  666 
bis  669  in  lateinischer  Form  vorliegen.  Da  ich  einen  richtigen 
Apostelhymnus  in  dem  altenglischen  Gedichte  sehe,  kann  ich 
auch  den  Forschern  nicht  beistimmen,^)  die  in  unseren  Versen 
nichts  weiter  als  den  Schlufs  des  vorhergehenden  Andreas- 
gedichtes erkennen  wollen.  3)  Eine  direkte  Quelle  für  dieses 
Gedicht  ausfindig  zu  machen,  hat  bisher  nicht  recht  gelingen 
wollen ;  denn  keine  der  bisher  herangezogenen  lateinischen 
Apostel  listen  •)   noch  das  für  so  frühe  Zeit  einzig  in  Betracht 

^)  Ich  habe  diese  Ansicht  schon  in  meiner  Arbeit  Über  die  Quelle^i 
von  JFAfrics  Homüiae  Catholicae,  I.  Legenden  (Berlin  1892)  S.  11,  Anm.  1, 
ansgesprocheu,  damit  aber  bisher  keine  Beachtung  gefunden. 

2)  Auch  dem  neuesten  Verteidiger  dieser  Hypothese,  Gustav  Grau, 
(Quellen,  S.  131 — 145,  vermag  ich  in  keiner  Weise  beizustimmen,  zumal 
alles,  was  er  'Quellen'  nennt,  nicht  vielmehr  als  entfernte  Anklänge  und 
Parallelen  darbietet.  —  Wenn  Grau  meint,  der  mittelalterliche  Leser  habe 
die  Erwähnung  des  Heldentodes  des  Andreas  geradezu  verlangt,  so  mufs 
ich  ihn  darauf  hinweisen,  dafs  die  griechisch-lateinische  Quelle  des  eng- 
lischen Dichters,  die  Acta  s.  Andreae  et  Matthaei  gleichfalls  nichts  vom 
Tode  des  Andreas  erzählt. 

*)  Aus  der  Form  der  Überlieferung  läfat  sich  weder  für  noch  gegen 
diese  Ansicht  etwas  entnehmen,  da  die  einzelnen  Abschnitte  des  Andreas 
mit  ebendenselben  Majuskeln  beginnen  wie  die  selbständigen  Stücke  der 
Handschrift. 

*)  Am  besten  ediert  von  Th.  Schermaun,  Indices  ajiostolonmi  (Leipzig 
1907)  S.  206—221. 


70 

kommende  Martyrologium  Bedas  stimmen  vollständig  mit 
Cynewiilfs  Angaben  überein.  Vielleicht  ist  das  Suchen  nach 
einer  besonderen  Quelle  aber  auch  überflüssig,  weil  die  Um- 
stände des  Märtyrertodes  der  einzelnen  Apostel  dem  mittel- 
alterlichen Kleriker  —  und  geistliche  Bildung  wird  Cynewulf 
zweifellos  besessen  haben  —  sicherlich  wohl  hinreichend  ge- 
läufig waren,  um  eine  so  kurze  Zusammenstellung,  wie  sie 
unser  Gedicht  bietet,  dem  Gedächtnis  entnehmen  zu  können. 
"Wer  Zeile  2  des  Gedichtes,  wo  Cynewulf  sagt,  dals  er  den 
Stoff  "weither  sammelte"  {samnode  ivide)  nicht  als  dichterische 
Floskel  auffassen  will,  könnte  annehmen,  dafs  Cynewulf  die 
Einzelfakten  seines  Hymnus  der  sog.  Abdias- Sammlung  der 
Apostelakten  entnommen  habe,  die  sich  im  Mittelalter  und 
speziell  auch  in  England  einer  ungeheuren  Verbreitung  erfreute.') 
Jedenfalls  steht  alles,  was  Cynewulf  in  diesem  Apostelhymnus 
über  die  Apostel  vorbringt,  und  zwar  ganz  genau  in  derselben 
Weise,  in  der  Textzusammensetzung  der  Abdias-Sammlung,  die 
dem  Abt  ^Ifric  nach  Ausweis  seiner  verschiedenen  Apostel- 
predigten vorgelegen  hat.  2) 

Die  ersten  94  Verse  unseres  Gedichtes  sind  schon  von 
Thorpe  (1836,8.90—92),  Kemble  (1856,11,94—99),  Grein 
{Bibliothek  II,  7—9)  und  Wülker  {Bihliotheh  II,  87—91)  ver- 
öffentlicht. Die  Schlulsverse  mit  dem  Runen-Akrostichon  sind 
erst  1888  von  Napier  entdeckt  worden,  der  sie  in  der  Zeit- 
schrift für  deutsches  Altertum,  Bd.  XXXIII  S.  70 — 73,  mitteilte. 
Danach  sind  sie  wiederholt  von  Wülker,  Bihliotheh  II,  566  f. 
und  Codex  Vercellensis  S.  VIII.  Das  ganze  Gedicht  zusammen 
haben  wir  zuerst  bei  Krapp,  Andreas  (Boston  1906)  S.  69 — 73 
abgedruckt.  Ein  verkleinertes  Faksimile  des  ganzen  Gedichtes 
gibt  Wülker  im  Codex  Vercellensis  (Leipzig  1894). 

Die  Literatur  über  dieses  Gedicht  siehe  bei  Wülker,  Grund- 
riss  der  Angelsächsischen  Litteratur  S.  242  f.,  Brandl,  Altenglische 
Literatur  S.  1043  f.  und  Krapp  S.  LXXIIIf.;  dazu  noch  Grau, 
Quellen  S.  131 — 145  und  C.  Richter,  Chronologische  Studien 
S.  40,  86  und  101. 


j 


1)  Auch  der  Blickling-Homilet  und  ein  irischer  Prediger  haben  diese 
Abdias  -  Samminog  besessen.  Siehe  Max  Förster,  Über  die  Quellen  von 
JElfrics  Homiliae  Catholicae  (Berlin  1S92)  S.  43. 

^)  Siehe  Max  Förster,  a.  a.  0.,  S.  43. 


71 

8.   Fol.  54»>— 56a:   Sechste  Vercelli- Predigt. 

Überschrift:  INcipit  narrare  mirncida,  que  facta  fuerant 
ante  adnentum  Sahiatoris,  äotnini  nostri  Jesu  Christi. 

Eine  zweite  Weihnaehtshomilie,  die  nach  apokryphen 
Berichten  die  Wiindererscheinung  an  Christi  Geburtstage  sowie 
die  Flucht  nach  Ägypten  schildert.  Letztere  wird  nach  dem 
Pseudo- Matthäus -Evangelium  erzählt  und  zwar  in  meist  ganz 
wörtlicher  Anlehnung  au  die  lateinische  Version  dieser  Apokryphe 
(ed.  C.  de  Tischendorf,  Evangelia  Äi)ocryplia,  Leipzig  2  1876, 
S.  51  ff.).  Mit  fol.55b  Z.  15  {Mitte-öe  Herodes  se  cyning)  setzt 
die  wörtliche  Übersetzung  von  Kap.  17  des  Originals  ein  und 
endet  auf  fol.  5Ga  Z.  15  mit  Kap.  25  der  Apokryphe.  Dazwischen 
ist,  wie  schon  der  Sinn  des  alteuglisehen  Textes  lehrt,  ein 
Abschnitt  ausgefallen :  fol.  55  b  nämlich  bricht  mitten  im  Satze 
bei  der  Begegnung  der  Flüchtlinge  mit  den  Löwen  (Pseudo- 
Matthäus Kap.  18)  ab  und  setzt  nach  Überspringung  von 
Kap.  19 — 21  mit  der  zweiten  Hälfte  von  Kap.  22  (Einzug  in 
die  ägyptische  Stadt  Sotinen)  wieder  ein.  Im  altenglischen 
Texte  mufs  also  etwas  ausgefallen  sein,  dessen  Umfang  sich 
annähernd  berechnen  lälst  Wenn  die  Übersetzung  in  dem 
verloren  gegangenen  Teile  so  wörtlich  war  wie  bei  Kap.  17 
und  18,  dann  müfsten  ca.  100  Zeilen,  d.  i.  zwei  Blätter, 
ausgefallen  sein.  War  die  Übersetzungstechnik  aber  kürzend, 
so  wie  sie  uns  am  Schlüsse  bei  Kap.  22—24  vorliegt,  so 
würden  nur  ca.  50  Zeilen,  d.  i.  ein  Blatt,  fehlen.  Für  erstere 
Eventualität  spricht  zwar  die  häufig  zu  machende  Beobachtung, 
dafs  die  Übersetzung  anfangs  wörtlich  einsetzt,  gegen  den 
Schluls  aber  immermehr  kürzt.  Auch  der  nur  geringe  Um- 
fang der  Homilie  lielse  vermuten,  dafs  ihr  eher  zwei  Blätter 
als  eines  fehlen.  Dagegen  Heise  sich  folgendes  für  die  zweite 
Möglichkeit  anführen:  die  Zerreilsung  des  Sinnes  lehrt,  dals 
an  der  korrespondierenden  Stelle  der  Lage,  d.  h.  hinter  fol.  63h, 
dem  letzten  Blatte  der  Lage  H,  etwas  fehlt.  Da  diese  Lage 
nun  sowohl  des  Zahlzeichens  auf  dem  ersten  Blatte  —  es 
sollte  VIII  sein  —  wie  des  Buchstabens  {E)  auf  dem  letzten 
Blatte  entbehrt,  so  ergibt  sich,  dafs  der  ganzen  Lage  H  der 
äulsere  Bogen,  der  beides  tragen  würde,  fehlt. 

Gedruckt  ist  die  Homilie  weiter  unten  unter  B. 


72 

9.   Fol.  56b_59a:   Siebente  Vercelli- Predigt. 

Eine  Mahnpredigt  zur  Warnung  vor  weichlichem  Leben 
und  Üppigkeit.  Die  Homilie  ist  in  der  Handschrift  als  zweite 
Predigt  (nämlich  nach  den  Dichtungen)  bezeichnet  durch  eine 
römische  ".//.",  welche  am  Ende  von  fol.  56  a  steht  und  einer 
".J/7."  auf  fol.  59  a,  einer  "Jllir  auf  fol.  61a,  einer  ".F."  auf 
fol.  65  a  und  einer  ".Fi."  auf  fol.  71»  entspricht.  Diese  fünf 
Predigten  scheinen  also  irgendwie  zusammengehangen  zu  haben. 
Dann  hört  die  Zählung  der  Predigten  auf. 

10.  Fol.  59a -61a:   Achte  Vercelli-Predigt. 

Als  Nr.  '\Ilir  bezeichnet  auf  59  a. 

Eine  Bufspredigt  unter  Bezugnahme  auf  das  jüngste  Gericht 
sowie  die  Höllenstrafen  und  Himmelsfreuden.  Als  Quelle  wird 
angegeben:  Sanctus  Gregorius  se  halega  ivritere,  se  öis  gewrit 
sette  and  wrat\  doch  vermag  ich  diese  Homilie  bei  Gregor 
nicht  nachzuweisen. 

Die  gleiche  altenglische  Predigt  findet  sich  noch  in  zwei 
weiteren  Handschriften :  a)  in  Corpus  Christi  College,  Cambridge, 
Ms.  198  (früher  S.  8)  fol.  43b  als  "Dominica  .1.  post  TJieophania 
Bomini''  [Wanley  p.  125]  und  b)  im  Oxforder  Bodl.  Ms.  340 
(früher  NE.  F.  4.  10)  fol.  33  a— 35  b  mit  der  Bestimmung  für 
die  "Dominica  .1.  post  Theopliania  et  qiiando  vohieris'^  [Wanley 
p.  10]. 

11.  Fol.  61a— 65a:   Neunte  Yercelli -Predigt. 

Als  Nr.  ".IUI."  bezeichnet  auf  fol.  61a. 

Eine  Bufspredigt,  die  von  dem  dreifachen  Tod  und  den 
fünf  irdischen  Vorbildern  der  Hölle  handelt  sowie  die  Schrecken 
der  Hölle  und  die  Seeligkeit  ausmalt.  Als  Quelle  beruft  sich 
der  Homilet  dreimal  auf  ein  "Buch"  (fol.  63a,  63b,  65a),  womit 
jedenfalls  eine  lateinische  Predigt  gemeint  ist.  Der  zweite 
Teil  schöpft  aus  einer  thebaischen  Einsiedler -Legende,  die  in 
ausführlicherer  Form,  ebenfalls  aus  dem  Latein  übersetzt,  in  der 
Cotton-Hs.  Tib.  A.  III  fol.  87  a— 88  b  uns  vorliegt  und  von 
J.  Kemble,  The  Dialogue  of  Salonion  and  Saturnus  (London  1848) 
Seite  84 — 86  [daraus  wiederholt  von  A.  v.  Vincenti,  Die  alt- 
englischen Dialoge  von  Salonion  und   Saturn  (Leipzig  1904) 


73 

Seite  103 — 105]  gedruckt  ist.  Die  gleiche  Einsiedler-Legende 
ist  benutzt  in  der  Pseudo-Wulfstanschen  Homilie  XXX  (ed. 
Napier,  S.  146  ff.)  und  zwar  in  einer  altenglisehen  Form,  die 
auch  dem  Vereelli-Homileten  vorlag;  denn  nur  so  erklären  sieh 
bei  starken  Abweichungen  und  Auslassungen  mehrere  wörtlich 
übereinstimmende  Sätze  und  Satzfolgen  (Napier  146^-24; 
14718-23;  14729  —  148^). 

Die  gleiche  Homilie  steht  in  Bodl.  340  (früher  NE.  F.  4.  10) 
fol.  35b— 40b  (Wanley  S.  10)  als  "Dominica  .IL  post  The- 
phania  et  quando  volueris^\ 

Zwischen  fol.  63b  und  64  a  fehlt  ein  Blatt,  wie  der  Ver- 
gleich mit  der  zweiten  Handschrift  lehrt  (=:  Bodl.  340  fol.  38b 
Z.12  bis  fol.  39  a  Z.  26). 

Die  Homilie  ist  mit  den  Varianten  der  Bodley-Hs.  gedruckt 
weiter  unten  unter  C. 

12.   Fol.  65a-71a:   Zehnte  Vercelli-Predigt. 

Auf  fol.  65a  als  Nr.  ".F."  bezeichnet. 

Dieselbe  Homilie,  welche  nach  drei  anderen  Handschriften 
von  Napier  unter  dem  Titel  Larspell  als  Nr.  XLIX  der  Pseudo- 
Wulftanschen  Predigten  (S.  250  Z.  15  bis  S.  265  Z.  20)  gedruckt 
ist  und  fragmentarisch  (=  Napier  S.  250  Z.  15  bis  S.  252  Z.  12) 
auch  unter  den  Blickling-Homilien  (ed.  Morris,  London  1880 
S.  105 — 107,  als  Nr.  IX  "Crist  se  goldbloma")  sich  findet;  nur 
ist  in  unserer  Vercelli- Handschrift  der  Predigt  ein  neuer  Ein- 
gang vorgesetzt,  welcher  folgendermalseu  lautet: 

Her  sajaö  on  pyssnm  halejuw  bocnm  be  aelmihtijes  Dryhtnes 
jodspelle,  J'e  he  liim  sylfum  |?urh  his  Öa  hale^an  mihte  ^eworhte  mannuwt 
to  bysene  7  to  lare.  7  he  sylf  jecwseö  his  hale^an  muöe,  j^eah  man  auum 
men  ^od-spel  secje:  'ponne  bio  ic  paer  on  middan.'  7  ]>nm  bioö  synna 
forjifena,  J'e  öget  jodspel  sejö  7  [nachträglich  dazivischen  eingefügt] 
cwiö.  7  synna  pam  bioö  forjifene,  pe  hit  for  ^"^odes  naman  lustlice 
jehyreö.  7  pam  biö  wa  aefre  seworht,  pe  secsan  can  7  nele.  ForÖam 
men  sculon  parh  Öa  sodcundan  lare  becuman  to  life. 

Ein  Vergleich  mit  den  anderen  Handschriften  lehrt  übrigens, 
dafs  unser  Manuskript  keine  sonderlich  gute  Textgestalt  auf- 
weist und  sich  namentlich  durch  häufige  Auslassungen  von 
Worten  und  Satzteilen  auszeichnet. 


74 

13.   Fol.  71b— 731>:   Elfte  Yercelli- Predigt. 

Überschrift:  "Siwl  to  forman  gangdcege^\ 
Auf  fol.  71a  als  Nr.  ".VI."  bezeichnet. 

Die  nun  folgenden  drei  Homilien  stellen  Predigten  für  die 
dreitägigen  Bittgänge  (Rogationen)  dar,  die  seit  dem  6.  Jahr- 
hundert im  Abeudlande  vor  Christi  Himmelfahrt  stattfanden. 
Die  erste  Bittagspredigt  enthält  eine  Mahnung  auszuharren  und 
das  Himmelreich  zu  gewinnen,  wobei  Ecclesiastes  III,  4  {tem]}us 
flendi  et  tenipus  ridendi)  zu  Grunde  gelegt  ist.  Kulturhistorisch 
beachtenswert  ist  der  Schluls,  welcher  vom  nahen  Bevorstehen 
des  Weltendes  spricht  —  also  wird  die  Predigt  vor  dem  Jahre 
1000  abgefafst  sein  —  und  nicht  nur  über  die  Plünderung  und 
Zerstörung  der  Kirchen  und  Klöster  durch  "heidnische  Männer" 
jammert  —  gemeint  sind  jedenfalls  die  dänischen  Invasoren  — , 
sondern  auch  über  die  Beraubung  des  geistlichen  Standes  — 
an  Klöster  wird  in  erster  Linie  zu  denken  sein  —  durch  Könige, 
Bischöfe  und  Aldormen  zu  klagen  hat.  | 

Die  lateinischen  Bibelzitate  weichen  des  öfteren  von 
der  hieronymianischen  Version  ab,  sind  also  einem  älteren 
lateinischen  Homileten  entnommen,  der,  wie  z.  B.  Gregor  der 
Grolse,  noch   einer  vorhieronymianischen  Bibel  sich  bediente. 


14.    Fol.  73»>— 7ob:  Zwölfte  Yercelli- Predigt. 

Überschrift:   "Sj^el  to  dam  odrum  gangdcege". 

Eine  zweite  Bittagspredigt  über  die  Furcht  Gottes  als  den 
Anfang  der  Weisheit  (Psalm  CX,  10).  Als  Einleitung  voraus- 
gesandt ist  ein  Abschnitt  über  die  Bittprozessionen,  die  an  die 
Stelle  heidnischer  Feste  getreten  seien  und  bei  denen  man 
das  Kreuzeszeichen,  das  Evangelienbuch  und  die  Reliquien  der 
Heiligen  um  Hof,  Vieh  und  Flur  tragen  solle. 

Auf  fol.  74a  ist  ein  den  Sinn  störender  Satz  eingeschoben 
über  die  Quadragesimalzeit,  der  offenbar  aus  einer  anderen 
Predigt  stammt. 

15.   Fol.  75b— 76b:  Dreizehnte  Yercelli -Predigt. 

Überschrift:   "Spei  to  priddan  gangdcege". 
Die  dritte  der  Bittgangspredigten,  die  kürzeste  der  ganzen 
Sammlung,   betont   in  ihrem   Eingänge    den   Charakter  jener 


I 


75 

Gangtage  als  Vorbereitungszeit  auf  das  Himmelfahrtsfest.  In 
einem  zweiten  Teile  (=  fol.  7Ga— b)  bietet  sie  Mahnworte  zur 
Vorbereitung  auf  den  Tod,  die  gröfstenteils  den  toten  Gebeinen 
im  Grabe  in  den  Mund  gelegt  sind.  Syntaktisch  läfst  sich 
der  Satzteil,  mit  dem  fol.  75  b  schliefst,  nicht  verknüpfen  mit 
dem  Satzgliede,  das  fol.  76  a  beginnt,  so  dafs  entweder  eine 
starke  Verderbnis  der  Textüberlieferung  vorliegt  oder  zwischen 
beiden  Seiten  ein  oder  zwei  Blätter  (als  mittelster  Bogen)  aus- 
gefallen sind.  Für  letztere  Annahme  spricht  die  auffallende 
Kürze  der  Predigt,  sowie  der  unvermittelte  Übergang  von 
einem  Thema  zum  anderen. 

Die  Predigt  ist  1882  in  zeilengetreuem  Abdruck  wieder- 
gegeben von  Richard  Wülker  in  der  Anglia  Bd.  V  S.  464 f.,  wo 
aber  upastignes  (statt  upafagnes)  und  ^eearnigan  (statt  gecar- 
nijan)  zu  lesen  ist.  Teilweise  (fol.  75b)  war  sie  schon 
faksimiliert  im  Appendix  B. 

16.  Fol.  76»>— 80b:   Yierzeliute  Tercelli- Predigt. 

Überschrift:   "Larspel  to  sivylcere  ticle  swa  man  wile^\ 
Eine  paränetische  Predigt  über  die  rechte  Art  des  Opfers 
und,  unter  Heranziehung  des  Gleichnisses  vom  Schalksknecht 
(Matth.  XVni,  23 — 35),   über  die  Versöhnlichkeit  und   andere 
christliche  Tugenden. 

17.  Fol.  80b— 85b:   Fünfzehnte  Yercelli- Predigt. 

Überschrift:   "Alia  omelia  de  die  itidicii". 

Eine  Bulspredigt,  welche  eine  apokryphe  Beschreibung  der 
sieben  Vorzeichen  des  jüngsten  Gerichtes,  i)  sowie  der  Scheidung 
der  Gerechten  und  Ungerechten,  bei  der  die  Jungfrau  Maria, 
der  Erzengel  Michael  und  Petrus  als  Fürsprecher  auftreten, 
enthält.  Die  Legende  von  den  Sieben  Vorzeichen  des  Jüngsten 
Gerichts  findet  sich  auch  in  zwei  anderen  altenglischen 
Homilien, -)   in   der   Oxforder  Handschrift  Hatten  116   (früher 


1)  Wenn  Wülker  angibt,  die  Predigt  handele  über  "die  Vorzeichen 
am  Dienstag",  ^fcs  tiives  dceges  tacnn  (Grmidriss  S.  iW),  so  trifft  das  nur 
für  einen  kleinen  Abschnitt,  die  Vorzeichen  des  zweiten  Tages,  zu. 

'^)  Auf  die  Übereinstimmung  dieser  drei  Homilien  hat  zuerst  G.  Grau, 
Quellen  und  Vertvandtscliaften  der  älteren  germanischen  Darstellungen  des 
Jimgsten  Gerichtes   (Halle  1908)   S.  180  ff.   und   S.  Xllf.  öffentlich   hinge- 


76 

Jun.  24)  pag.  382 — 395  (gedruckt  von  mir  weiter  unten  unter 
D,  vorher  teilweise  von  C.  Hofmann  in  den  Münchener  Gelehrte 
Anzeigen,  Bd.  L  [1860]  Sp.  349 — 365  und  von  G.  Grau,  Quellen 
S.  190)  und  in  dem  zweiten  Teile  der  VII.  Blickling-Homilie 
(ed.  Morris,  1880,  S.  91  — 95),  und  zwar  in  inhaltlich  so  stark 
ühereinstimmender  Form,  dafs  für  alle  drei  Predigten  eine 
gemeinsame  lateinische  Quelle  anzunehmen  ist.  In  der  Vereelli- 
Handschrift  bietet  sieh  das  Ganze  dar  als  eine  Antwort  Christi 
auf  die  Frage  des  Apostels  Thomas,  wann  der  Antichrist 
komme.  Hier  wird  also  die  Offenbarung  auf  die  Vermittlung 
des  Apostels  Thomas  zurückgeführt,  sodafs  das  Ganze  füglich 
als  Thomas  -  Apokalypse  bezeichnet  werden  darf  Dieser 
Ursprungsvermerk  kann  unmöglich  Zusatz  des  angelsächsischen 
Homileten  gewesen  sein,  sondern  mufs  schon  in  seiner 
lateinischen  Vorlage  gestanden  haben.  Da  nun  aber  das  dem 
Papst  Gelasius  (gest.  496)  zugeschriebene  Decretum  de  libris 
recipiendis  et  non  recipiendis  (ed.  Thiele,  Epistolae  Bomanormn 
Pontificum  genuinae,  Bd.  I  [Braunsberg  1868]  S.  465)  eine 
"Revelatio  quae  appellatur  Thoniae  apocrypha"  aufführt,  so  ist 
anzunehmen,  dals  die  supponierte  gemeinsame  Quelle  jener 
altenglischen  Homilien  eben  diese  verloren  geglaubte  Thomas- 
Apokalypse  gewesen  ist.  Tatsächlich  sind  nun  kürzlich,  wie 
ich  durch  Erwin  Preuschens  Güte  erfahre,  zwei  lateinische 
Texte  gedruckt  worden,  die  diese  lange  gesuchte  Thomas- 
Apokalypse  in  zwei  verschiedenen  Rezensionen  darstellen, 
nämlich  eine  "Epistula  domini  nosiri  Jesu  Christi  ad  Thomam 
discipulum  suum"  in  ausführlicherer  (interpolierter?)  Fassung 
gedruckt  von  Friedrich  Wilhelm  in  Deutsche  Legenden  und 
Legendare  (Leipzig  1907)  S.  40* — 42*  und  eine  kürzere  Form 
von  D.  P.  Bihlmeyer  in  der  Revue  Bcnedictine,  Vol.  XXVIII 
(1911)  S.  272— 274.  Ein  Vergleich  dieser  Lateiutexte  mit  unserer 
Vercelli-Homilie  ergibt,  dafs  der  Angelsachse  im  allgemeinen 
besser  zu  der  ausführlicheren  Fassung  stimmt  —  er  hat  z.  B. 
auch  die  ganze  Einleitung  mit  den  Wehrufen  — ,  in  den  Einzel- 


wiesen. Die  Art,  wie  sich  Grau  das  Verhältnis  der  Homilien  denkt,  ver- 
mag ich  mir  jedoch  ebensowenig  anzueignen,  wie  vieles  andere  in  diesem 
zwar  sehr  fleifsigen  und  anregenden,  aber  methodisch  recht  bedenklichen 
und  in  den  Formulierungen  oft  unklaren,  unpräzigen  und  unvorsichtigen 
Buche. 


77 

lesarteu  der  Torzeichen  aber  oft  enger  mit  der  kürzeren 
Fassung  zusammengeht.  Diese  Tatsache  ist  nur  so  zu  erklären, 
dafs  dem  Angelsachsen  eine  bessere  und  ursprünglichere  Text- 
form der  längeren  Rezension  vorgelegen  hat.  Ob  die  in  der 
alteuglischen  Predigt  folgenden  Auftritte  mit  Maria,  Michael 
und  Petrus  ursprünglich  der  längeren  Fassung  angehörten  oder 
erst  später  angefügt  sind  —  der  Angelsachse  muls  sie  jeden- 
falls schon  in  seinem  Lateintexte  gelesen  haben  — ,  vermag 
ich  nicht  zu  entscheiden,  halte  aber  das  letztere  für  wahr- 
scheinlicher. 

Die  altenglische  Übersetzung  ist  übrigens  meist  so  wörtlich, 
dafs  sie  stellenweise  zur  Textrekonstruktion  verwandt  werden 
kann,  i) 

Gedruckt  ist  die  Predigt  zusammen  mit  der  Hattou-Homilie 
weiter  unten  unter  D. 

Wie  der  Inhalt  beweist,  fehlt  zwischen  fol.  83h  und  84a 
ein  Stück  Text.  Möglicherweise  ist  ein  ganzes  Blatt  dazwischen 
ausgefallen. 

18.   Fol.  851)— OO»»:  Seclizelinte  Vercelli- Predigt. 

Überschrift:    " Omelia  Epyffania  DommV\ 

Eine  Epiphanias-Predigt  über  die  Taufe  Jesu  2)  (Matth.  III, 
13—17),  die  im  ersten  Teile  eine  ausführliche  Exegese  der 
Perikope  gibt  und  im  Schlulsteile  über  das  Geheimnis  der 
Dreinigkeit  handelt.  Zwischen  fol.  85  b  und  86a  fehlt  mindestens 
ein  Blatt,  da  sowohl  formell  wie  inhaltlich  der  Anfang  des 
Blattes  86  nicht  zum  Schlufs  des  vorhergehenden  pafst.  Das 
fehlende  Blatt  wird  den  gleichfalls  vermilsten  Schlulsbuchstaben 
der  Lage  {L)  getragen  haben. 


^)  Was  Gran  a.a.O.  S.  180 ff.  als  Quellen  anführt  (4.Esrabuch,  Johannes- 
Apokalypse,  Pseudo-Johannes,  Psalmen,  Ephraem)  kann  nur  die  Bedeutung 
von  Parallelen  beanspruchen.  —  Die  Auffindung  der  Quelle  beweist  übrigens 
auch,  dafs  die  Fassung  dos  Vercelli -Codex  die  ursprüngliche  Form  der 
Vorzeichen -Legende  darbietet  und  nicht,  wie  Grau  S.  XII  meinte,  die 
Predigt  Hatton  116. 

2)  Nach  Ausweis  der  westsächsischen  Evangelienversion,  welche  die 
Perikopen  durch  Überschriften  bezeichnet,  ist  dies  eigentlich  das  Evan- 
gelium für  den  Donnerstag  nach  Epiphanias.  Das  Perikopensystem  der 
angelsächsischen  Prediger  sollte  einmal  in  gröfserem  Zusammenhange 
untersucht  werden. 


78 

19.   Fol.  90t>— 94:«>:   Siebzehnte  Tercelli- Predigt. 

Überschrift:    "De  purificatione  sanda  Maria^^  [sie!]. 
Eine    exegetische    Homilie    über    Christi    Darstellung    im 
Tempel  (Lukas  II,  22—39)  zum  Tage  Maria  Keinigung. 

20.   Fol.  94'>_l01a:  Achtzehnte  Tercelli- Predigt. 

Überschrift:  "De  sancto  Martino  confessore'\ 
Eine  Predigt  über  den  heil.  Martin,  Bischof  von  Tours 
(gest.  ca.  400),  welche  nach  Max  Förster  im  Archiv  für  das 
Studium  der  neueren  Sprachen,  Bd.  XCI  1893)  S.  200,  Leben 
Taten  des  Heiligen  im  Anschlufs  an  seines  Schülers  Sulpicius 
Severus'  Vita  S.  Martini  (ed.  Halm  im  Corpus  Script,  eccles.  I, 
Wien  1866,  S.  109  fP.)  sowie  seinen  Tod  nach  Sulpicius'  Epistida 
ad  Bassulam  (ed.  Halm  a.  a.  0.  S.  147  ff.)  erzählt. 

Dieselbe  altenglische  Predigt  findet  sich  noch  in  zwei 
weiteren  Handschriften:  a)  in  der  XVIII.  Blickling- Homilie 
(ed.  K.  Morris,  Early  English  Text  Society,  London  1880, 
S.  211-227),  wo  der  Schlufs  fehlt,  und  b)  in  dem  Bodl.  Ms. 
Junius  86  fol.  62—81,  welches  mit  dem  Blickling-Ms.  zusammen 
gegenüber  unserem  Vercelli-Text  eine  Gruppe  bildet.  Alle  drei 
Handschriften  sind  zur  Keinigung  des  Blickling-Textes  heran- 
gezogen von  A.  Napier,  Notes  on  the  Blickling  Honülies  I. 
St.  Martin  in  der  amerikanischen  Zeitschrift  Modern  Philo- 
logy,  Bd.  I  (Chicago  1903)  S.  303— 308.  Napier  hat  dort  auch 
gezeigt,  dals  in  der  Vercelli-Handschrift  zwischen  fol.  100h  und 
und  fol.  101a  ein  Textstück  fehlt,  das  etwa  zwei  Seiten  des 
Vercelli-Manuskriptes  füllen  würde,  und  dafs  somit  zwischen 
Blatt  100  und  101  ein  Blatt  ausgefallen  sein  muls.  Dies 
stimmt  trefflich  damit  überein,  dafs  auch  an  der  korrespon- 
dierenden Stelle  der  Lage  zwischen  fol.  103  und  104  ein  Blatt 
vermilst  wird.  Somit  ist,  da  Blatt  99 — 104  eine  Lage  bilden, 
in  der  Lage  0  der  ganze  dritte  Bogen  ausgefallen. 

21.   FoL101i)-103i):  Drittes  Yercelli- Gedicht. 

Ein  Gedicht  von  169  Alliterationsversen,  gewöhnlich  be- 
titelt "Rede  der  Seele  an  den  Leichnam",  welches  die  Vor- 
würfe einer  sündigen  Seele  an  ihren  Leib  sowie  die  tröstenden 
Verheilsungsworte  einer  frommen  Seele  an  ihren  Leib  enthält 


79 

und  vermutlicli  von  einem  Sachsen  am  Ende  des  10.  Jahr- 
hunderts gedichtet  sein  wird.  Der  erste  Teil,  die  Hede  der 
sündigen  Seele  (=  Vers  1—129)  ist  auch  in  dem  poetischen 
Sammelcodex  des  Kapitels  zu  Exeter  tiberliefert,  der  zweite 
Teil,  die  Rede  der  tugendhaften  Seele  (=  Vers  130—169)  aber 
nur  in  der  Vercelli-Handschrift. 

Das  Gedicht  ist  auch  in  unserer  Vercelli-Handschrift  nicht 
vollständig  überliefert:  es  bricht  mitten  im  Satz  und  Vers  mit 
fol.  103b  ab,  während  fol.  104»  mit  einem  neuen  Gedichte 
(s.  Nr.  22)  und  zwar  gleichfalls  mitten  im  Verse  anhebt.  Zwischen 
fol.  103  und  104  mufs  also  mindestens  ein  Blatt  ausgefallen 
sein,  was  gut  stimmt  zu  dem  Ergebnis,  das  wir  bei  der  Martins- 
predigt fanden,  wo  an  der  korrespondierenden  Stelle  der  Lage 
zwischen  fol.  100  und  101  ebenfalls  ein  Blatt  fehlt. 

Gedruckt  ist  das  Gedicht  nach  unserer  Handschrift  bereits 
1836  von  Benjamin  Thorpe  im  Appendix  B,  weiter  1856  von 
Kemble  im  Codex  Ve?-ceUensis,  Part.  II,  S.  100 — 110,  in 
kritischer  Herstellung  unter  Heranziehung  der  Exeterhandschrift 
1857  von  Grein  in  der  Bibliothek  der  angelsächsiscJien  Poesie 
Bd.  I  S.  198—204,  sowie  jetzt  am  besten  in  Wülkers  Bibliothek 
der  angelsächsischen  Poesie,  Bd.  II  (1888)  S.  92 — 107.  Faksimi- 
liert ist  das  Gedicht  bei  Wülker,  Codex  Vercellensis  (Leipzig 
1894).  Weitere  Literatur  siehe  bei  Wülker,  Grundriss  S.  231 
und  Brandl,  Altenglische  Literatur  S.  1096;  dazu  noch  Grau, 
Quellen  und  Verwandtschaften  (Halle  1908)  S.  174 f.,  der  die 
Quelle  gefunden  haben  will,  sie  aber  nicht  nennt,  und  C.Richter, 
Chronologische  Studien  zur  angelsächsischen  Literatur  (Halle 
1910)  S.  65,  98f.  und  101. 

22.   FoL  104a  imd  104b:   Viertes  Yercelli- Gedicht. 

Fragment  eines  religiös-moralisierenden  Gedichtes  über  die 
Falschheit  der  Menschen,  von  Grein  ^Bi  manna  lease^  g.etauft, 
das  an  den  Psalmvers  XXVII,  3,  der  im  Gedicht  Vers  9 — 15 
zitiert  wird,  anknüpft  und  in  die  Hoffnung  auf  die  Himmels- 
wonnen ausklingt.  Erhalten  ist  nur  der  Schlui'steil  von  47  Versen; 
dagegen  ist  der  Anfang  verloren  gegangen,  da,  wie  wir  schon 
unter  Nr.  21  sahen,  vor  fol.  104  ein  Blatt  ausgefallen  ist.  Viel 
mehr  Verse,  als  die  erhaltene  Zahl,  werden  schwerlich  fort- 
gefallen sein;  denn,  da  das  ausgefallene  Blatt  auch  noch  den 


80 

Schlufsteil  des  vorhergehenden  Gedichtes  enthalten  mulste, 
bleiben  höchstens  anderthalb  Seiten  zu  je  33—40  Versen  für 
unser  Gedicht  zur  Verfügung.  Mithin  werden  höchstens  40  bis 
60  Verse  fehlen,  d.  h.  etwa  die  Hälfte  von  dem  ursprünglichen 
Gedichte  wird  uns  erhalten  sein. 

Herausgegeben  ist  das  Fragment  1836  von  Benjamin  Thorpe 
im  Appendix  B  S.  98  f.,  1856  von  Kemble  im  Codex  Vercellensis 
Part. II  S.  79 — 82,  1858  in  Greins  Bihliothelx  der  angelsächsischen 
Poesie  Bd. II  S.  142f.  und  1888  in  Wülkers  Bibliothek  der  angel- 
sächsischen Poesie  Bd.  II  S.  108 — 110.  Faksimiliert  ist  der 
Text  in  Wülkers  Codex  Vercellensis  (Leipzig  1894).  Weitere 
Literatur  siehe  bei  Wülker,  Grundriss  S.  200  und  Brandl,  Alt- 
englische Literatur  S.  1048. 

Wülker  hat  im  Grundriss  S.  201  das  Ganze  als  "poetische 
Predigt  über  Psalm  XXVIIl  (XXVII)  3"  bezeichnet  und  in 
seiner  Neuausgabe  der  Greinschen  Bibliothek  unser  Gedicht 
geradezu  als  "Predigtbruchstück  über  Psalm  28"  betitelt,  worin 
ihm  Brandl,  Altenglische  Literatur  S.  1048,  mit  "Predigtbruch- 
stück über  Psalm  23, 3"  (lies  28  oder  nach  der  Vulgata,  27)  gefolgt 
ist.  Ich  halte  diese  Bezeichnung  aber  nicht  für  empfehlenswert. 
Eine  poetische  Predigt  über  den  ganzen  Psalm  (Wülker)  kann 
unmöglich  vorgelegen  haben,  erstens  weil  der  erhaltene  Teil 
des  Gedichtes  nichts  von  den  auf  Vers  3  folgenden  Psalm- 
strophen 4 — 9  verwendet  —  für  Vers  1 — 2  können  wir  es  des 
fehlenden  Anfangs  wegen  nicht  nachweisen  —  und  weil  nach 
dem  breiten  Vortragsstil  des  erhaltenen  Teils  zu  urteilen,  in 
der  verloren  gegangenen  Anfangshälfte  dafür  kein  Kaum  ge- 
wesen wäre;  zweitens,  weil  das  Hauptthema  und  die  Gesamt- 
tendenz des  Psalms  gänzlich  andere  sind  als  in  unserem 
Gedichte,  welches,  abgesehen  von  den  Schlulsversen,  aus- 
schliefslich  über  die  Verleumdungssucht  der  Menschen  handelt. 
Auch  mit  Beschränkung  auf  den  dritten  Vers  des  Psalmen 
(Brandl)  halte  ich  diese  Formulierung  nicht  für  zutreffend, 
weil  das  Gedicht  zur  Hauptsache  macht,  was  der  Psalmen- 
vers nur  nebenbei  zur  Ausmalung  in  Form  eines  Relativ- 
satzes vorbringt.  Höchstens  als  paränetische  Verspredigt 
werden  wir  meiner  Ansicht  nach  das  Fragment  bezeichnen 
dürfen. 


81 

23.   Fol.  104»)— 106a:   Fünftes  Vercelli- Gedieht. 

Ein  altes,  vielleicht  noch  in  die  erste  Hälfte  des  8.  Jahr- 
hunderts gehörendes  Gedicht  von  156  alliterierenden  Versen, 
jetzt  meist  als  "Traumgesicht  vom  Kreuze  Christi"  bezeichnet, 
in  welchem  das  Kreuzesholz  dem  Dichter  in  einer  Vision 
erscheint  und  ihm  selbst  seine  Geschichte  (Kreuzigung,  Kreuzes- 
abnahme, Vergrabung  und  Wiedorauffindung  des  Kreuzes  und 
jetzige  Verehrung)  in  poetisch  tief  empfundener  Sprache  und 
mit  starker  Anlehnung  an  die  Anschauungen  der  altgermanischen 
Gefolgschaftskreise  vorträgt. 

Gedruckt  ist  das  Gedicht  des  öfteren:  zuerst  1836  von 
Benjamin  Thorpe  im  Appendix  B  und  am  besten  in  Grein- 
Wülkers  BibJiotheJü  der  angelsächsischen  Poesie,  Bd.  II  (1888) 
S.  116 — 125  sovs^ie  mit  gutem  Kommentar  von  Albert  Cook,  The 
Dream  of  the  Eood  (Oxford  1905).  Faksimiliert  ist  es  in 
Wülkers  Codex  Vercellensis  (Leipzig  1894).  Sonstige  Literatur 
siehe  bei  WUlker,  Grundriss,  S.  139  und  189  ff.,  sowie  bei  Brandl, 
Altenglische  Literatur  S.  1030 — 1032;  dazu  jetzt  noch  Grau, 
Quellen  und  Verivandtschaften  S.  175  (ein  wertloser  Quellenver- 
weis) und  C.Richter,  Chronologische  Studien,  S.47f.,  93  und  101. 

24.  Fol.  106b— 109i>:  Neunzehnte  Yercelll- Predigt. 

Eine  Predigt  für  die  Rogationen,  die  nach  einer  Einleitung 
über  die  Dreieinigkeit  (ganz  nach  Augustins  De  Trinitate) 
und  den  Sündenfall,  über  das  Fasten  an  den  drei  Bittagen, 
die  Einsetzung  desselben  durch  den  Propheten  Jonas  und  die 
Einrichtung  der  Bittprozessionen  durch  den  Bischof  Mamertus 
von  Vienne  sich  verbreitet. 

Die  gleiche  Pregigt  enthalten:  a)  Corpus  Christi  College, 
Cambridge,  Ms.  162  (früher  S.  5)  pag.  403  ff.  als  "Feria  .IL  in 
Letania  Maiore"  [sie!]  [Wanley  S.  119],  b)  Corpus  Christi 
College,  Cambridge,  Ms.  303  (früher  S.  17)  p.215ff.  als  "Sermo 
in  Letania  3faiore"  [Wanley  S.  135]  und  c)  Cotton  Ms.  Cleopatra 
B.  XIII,  fol.  42b  als  "Dominica  ante  Rogationum"  [Wanley 
S.  202]. 

25.  FoL  109b— 112a:  Zwanzigste  Tercelli-Predigt. 

Eine  Bittwochenpredigt,  die  über  das  Almosengeben  und 
die  acht  Hauptlaster  handelt,   —  letzteres   wörtlich   übersetzt 

Studien  z.  engl.  Phil.     Ii.  ß 


82 

aus  Pseiido-Alciiins  Liher  de  virkitihus  et  viiiis,  Kap.  27 — 34 
(Migue,  Patrologia  laüna  Vol.  CI  Sp.  632ff.),  der  seinerseits  hier 
Cassiaus  fünfte  Kollation  Kap.  16  ausschreibt.  Der  Eingangs- 
satz ist  der  gleiche  wie  bei  der  XI.  Homilie  unseres  Codex, 
dann  gehen  aber  beide  Predigten  völlig  andere  Wege,  sodafs 
sich  Wülkers  Vermutung  (Gnmdriss  S.  491),  es  möchte  sich 
um  ein  und  dieselbe  Predigt  handeln,  nicht  als  richtig  erweist. 

Zwischen  fol.  111  und  112  liegt  eine  Lücke  im  Text  vor, 
da  sowohl  formell  wie  inhaltlich  der  Schlufs  von  111b  mit 
dem  Anfang  von  fol.  112  a  sich  nicht  vereinigen  lälst.  Auch 
die  Quelle  lehrt,  dafs  mit  fol.  111b  mitten  in  einem  wörtlich 
übersetzten  Satze  die  Übersetzung  aus  Alcuin  abbricht.  Nimmt 
man  die  Tatsache  hinzu,  dafs  die  Lage  Q  (fol.  112 — 118)  der 
Lagenzahl  {XVI)  ermangelt,  so  wird  man  mit  Bestimmtheit 
sagen  dürfen,  dafs  hier  das  erste  Blatt  der  Lage  vor  fol.  112 
ausgefallen  ist.  Wie  wir  unter  Nr.  27  sehen  werden,  fehlt 
auch  das  Schlulsblatt  der  Lage,  das  den  Buchstaben  Q  tragen 
sollte.  Also  ergibt  sich,  dafs  der  ganzen  Lage  der  äufsere 
Bogen  abhanden  gekommen  ist. 

Die  gleiche  Homilie  findet  sich  noch  in  zwei  Cambridger 
Handschriften  des  Corpus  Christi  College,  nämlich  in  Ms.  162 
(früher  S.  5)  pag.  412 ff.  als  "In  tertia  feria  in  Letmiia"  [Wanley 
S.  119]  und  in  Ms.  303  (früher  S.  17}  pag.  219  ff.  als  "Alius  sermo 
Fr.  .III.  in  Bogationihus"  [Wanley  S.  135]. 

26.   FoL  112a— 116b :  Einundzwauzigste  Yercelli- Predigt. 

Eine  wenig  einheitliche  Homilie,  die  wohl  für  die  Quadra- 
gesimalzeit  bestimmt  war.  Sie  handelt,  ohne  den  Zusammen- 
hang klar  herauszuarbeiten,  über  die  Notwendigkeit  eines 
gottesfürchtigen  Lebens  und  Almosengebeus,  ohne  welches  das 
Fasten  nutzlos  sei,  über  die  "zwölf  Tugenden  der  Seele",  über 
den  Opfertod  Christi,  über  den  Stolz,  der  sogar  die  Engel  zu 
Fall  gebracht  habe,  und  über  die  Schrecken  des  Jüngsten 
Gerichts.  Dieser  letztere  Teil,  fol.  115a — Hßa  umfassend,  er- 
schien vorher  auf  fol.  9a — 12a  unserer  Handschrift  schon  ein- 
mal als  selbständige  Predigt,  nämlich  Nr.  2,  und  es  kann 
daher  die  Frage  aufgeworfen  werden,  ob  nicht  auch  an  unserer 
Stelle  eine  neue,  selbständige  Predigt  anzunehmen  sei.  Gegen 
eine  solche  Annahme  sprechen  aber  die  zwei  Tatsachen,   dafs 


83 

erstens  der  Schreiber  keine  grofse  Initiale  anwendet,  womit 
er  sonst  in  diesem  Teile  der  Handschrift  ein  neues  Werk  zu 
beginnen  pflegt,  und  dafs  zweitens  dem  vorhergehenden  Teile 
jeglicher  Predigtabschlufs,  wie  er  sonst  bei  allen  Homilien  des 
Vercelli-Codex  auftritt,  abgeht.  Über  das  Verhältnis  der  beiden 
Textfassungen  des  Abschnitts  über  das  Jüngste  Gericht  siehe 
oben  unter  Nr.  2,  woselbst  auch  weitere  Literaturnachweise 
verzeichnet  sind. 

27.  Fol.  116b— 120'):  Zweiundzwauzigste  Yercelli- Predigt. 

Ein  kurzer  Auszug  aus  den  beiden  Büchern  Synonyma 
des  spanischen  Bischofs  Isidor  von  Sevilla,  der  wiederholt  von 
angelsächsischen  Homileten  als  Quelle  zitiert  wird.  Der  Angel- 
sachse hat  von  der  grammatisch  -  stilistischen  Tendenz  des 
Werkes,  synonyme  Ausdrücke  vorzuführen,  so  gut  wie  nichts 
mehr  übrig  gelassen,  aber  den  erbaulichen  Inhalt  des  Ge- 
spräches zwischen  dem  Menschen  und  der  Vernunft  (dem  Logos) 
sehr  geschickt  zu  einem  kurzen  Traktat  über  die  Sündhaftig- 
keit des  Menschen  und  die  Frömmigkeit  als  einziges  Rettungs- 
mittel  vor  den  Höllenstrafen  zusammengeschnitten,  in  dem  er  hie 
und  da  einzelne  Sätze,  oft  in  wörtlicher  Übersetzung,  heraus- 
gegriffen und  geschickt  aneinander  gereiht  hat.  Möglich  ist, 
dafs  der  altenglische  Übersetzer  bereits  einen  so  zurecht  ge- 
machten lateinischen  Auszug  vor  sieh  hatte,  da  er  auch  den 
im  Originalwerke  fehlenden  paränetischen  Schlufs  ausdrücklich 
auf  Isidor  zurückführt. 

Der  Schlufsbuchstabe  der  Lage  (Q)  fehlt  auf  Blatt  118  b, 
Man  möchte  daher  annehmen,  dafs  nach  fol.  118  ein  Blatt  aus- 
gefallen ist.  Grammatisch  -  sj^ntaktisch  läfst  sich  der  Bruch 
nicht  erweisen,  weil  das  einen  neuen  Satz  beginnende  Schlufs- 
wort  von  fol.  118  b  {GehyraÖ)  sich  mit  dem  folgenden  tuen  ])a 
leofestan  durchaus  verbinden  läfst.  Indes  schliefst  sich  der 
Inhalt,  wenn  wir  nicht  tatsächlich  einen  Gedankensprung  an- 
nehmen wollen,  nicht  gut  an  das  Vorhergehende  an.  Auch  ist 
zu  beachten,  dafs  mit  fol.  118  die  Benutzung  des  ersten  Buches 
der  Synonyma  mit  Paragraph  50  abbricht  und  mit  fol.  119a 
mit  dem  Anfang  des  zweiten  Buches  wieder  einsetzt,  so  dafs 
also  mehr  als  ein  Drittel  des  ersten  Buches  übersprungen  wäre. 
Von  diesem  Gesichtspunkte  aus  scheint  es  nicht  unwahrschein- 

6* 


84 

lieh,  dafs  dazwischeu,  also  nacli  fol.  118,  ein  Blatt  ausgefallen 
ist.  Gestärkt  wird  diese  Annahme  durch  die  oben  unter  Nr.  25 
gemachte  Beobachtung,  dals  auch  das  korrespondierende 
Aufangsblatt  der  Lage  fehlt.  Also  werden  wir  mit  ziemlicher 
Sicherheit  sagen  dürfen,  dafs  der  sechzehnten  Lage  der  ganze 
äulsere  Bogen  fehlt,  der  vorn  die  Zahl  XVI,  hinten  den  Buch- 
staben Q  getragen  hat. 

Gedruckt  ist  diese  Predigt  weiter  unten  unter  E. 

28.   FoLlSla— 133i>:  Sechstes  Tercelli- Gedicht 

CElene'). 

Ein  Gedicht  von  1321  Alliterationsversen  über  die  Auf- 
findung des  Kreuzes  Christi  durch  die  Kaiserin  Helena  mit 
Hilfe  des  Juden  Judas,  der  dann  getauft  als  Cyriacus  zum 
Bischof  von  Jerusalem  gemacht  wird.  Dieses  unter  dem  Namen 
'EleneV)  der  altenglischen  Form  von  Helena,  in  der  Literatur- 
geschichte laufende  Gedicht  ist  nach  Ausweis  eines  Runen- 
Akrostichons  am  Ende  (Vers  1258  —  1270)  von  einem  Dichter 
'Cynewulf  verfalst,  der  es  wohl  in  der  zweiten  Hälfte  des 
8.  Jahrhunderts  in  auglischer  Mundart  geschrieben  hat,  während 
es  uns  in  der  Vercelli- Handschrift  in  einer  jüngeren,  west- 
sächsischen Umschrift  vorliegt.  Als  Quelle  benutzte  unser 
Dichter   eine   lateinische   Form    der    Kreuzauffindungslegende, 

*)  Dieser  von  Jacob  Grimm  1840  aufgebrachte  Titel  ist  nicht  sonder- 
lich glücklich  gewählt,  weil  Cynewulf  bestimmt  nicht  eine  Verherrlichung 
der  Helena  im  Auge  gehabt  bat,  wie  Brand),  Altenglische  Literatur  S.  Iü42, 
anzunehmen  scheint.  Die  ersten  Spuren  einer  Verehrung  der  heil.  Helena 
im  Abendlande  finden  sich  erst  im  9.  Jahrhundert  (s.  H.  Kellner,  Heorto- 
logie,  Freiburg  ^  1911,  S.  248),  also  nach  Cynewulfs  Zeit,  wie  denn  auch 
das  Gedicht  die  Helena  nirgendwo  als  'Heilige'  bezeichnet,  sondern  ihr 
nur  das  Prädikat  'selig'  (eadhredig  Y.2ö'd  =  \s,t.  beata)  beilegt.  Cynewulf 
wollte  sicherlich  nicht  eine  Person,  sondern  vielmehr  die  Auffindung  des 
heiligen  Kreuzes  verherrlichen,  die  seit  dem  7.  Jahrhundert  als  Festtag  im 
Abendlande  begangen  wurde.  Dafs  Cynewulf  dieses  Fest  im  Auge  hatte, 
ergibt  sich  auch  aus  Vers  1228 f.,  wo  ausdrücklich  eine  Feier  des  S.Mai 
angeordnet  wird.  Dies  ist  aber  das  im  Abendlande  übliche  Datum  des 
Festes  der  Inventio  s.  Crucis,  während  der  Festtag  der  heil.  Helena  auf 
den  18.  August  fällt.  Besser  war  daher  der  Name,  den  Thorpe  (1836)  dem 
Gedichte  gegeben  hatte,  der  es  " Tlie  Invention  of  the  Gross"  betitelte. 
Kemble  schlofs  einen  Kompromifs  zwischen  Thorpe's  und  Grimm's  Titel 
und  nannte  das  Gedicht  "Eietie,  or  the  Recovery  of  the  Gross." 


85 

wie  sie  als  Invenlio  s.  Crucis  oder  Vita  s.  Quiriaci  in  den 
Acta  Sandorum  (zum  4.  Mai)  und  sonst  mehrfach  gedruckt 
vorliegt,  wenn  auch  die  spezielle  Textrezension  der  Cynewulf- 
schen  Vorlage  noch  aufzusuchen  bleibt. 

Gedruckt  ist  unser  Gedicht  von  Benjamin  Thorpe  (1836), 
Jacob  Grimm  (1840),  Kemble  (1856),  Grein  (1858),  Julius 
Zupitza  {Cyneiüulfs  Elene,  Berlin  1877,  4  1899),  C.  W.  Keut 
{Elene,  Boston  1889,  21902),  Wülker  (1888)  und  mit  trefflichen 
Anmerkungen  von  F.  Holthausen  {Cyneividfs  Elene,  Heidel- 
berg 1905,  2 1910).  Ein  um  die  Hälfte  verkleinertes  Faksimile 
des  ganzen  Gedichtes  gibt  Wülker  im  Codex  Vercellcnsis 
(Leipzig  1894).  Eine  Seite,  die  erste,  gab  in  gröfserem,  aber 
immer  noch  fast  um  ein  Drittel  verkleinertem  Faksimile  — 
was  der  Herausgeber  zu  erwähnen  vergessen  hat  —  Holthausen 
in  der  zweiten  Auflage  seiner  Ausgabe  (1910).  Weitere  Literatur 
siehe  bei  K.  Jansen,  Die  Cynetvidf-Forschung  von  ihren  An- 
fängen bis  zur  Gegenivart  (Bonn  1908),  Brandl,  Altenglische 
Literatur  S.  1043  f.  und  Holthausen  in  seiner  Ausgabe  S.  XflF.; 
dazu  Grau,  Quellen,  S.  15—29  und  Richter  Chronologische 
Studien  S.  40—45,  86—88,  101. 

29.   Fol  133  i>— 135»):  Dreiundzwanzigste  Yercelli- Predigt 

('Guthiac'). 

Eine  Homilie,  die  uns  die  Heimsuchung  des  heil.  Guthlac 
von  Croyland  (gest.  714)  durch  zwei  Teufel  und  deren  Besiegung 
mit  Hilfe  des  heil.  Bartholomäus  erzählt  und  offenbar  für  den 
11.  April,  den  Gedenktag  des  heil.  Guthlac, i)  bestimmt  war. 
In  Wirklichkeit  handelt  es  sieh  dabei  nicht  um  ein  selbständiges 
Werk,  sondern  um  einen  mit  der  doxologischen  Predigtschluls- 


^)  Sein  Gedenktag  findet  sich  schon  in  einem  der  ältesten  der  nns 
erhaltenen  klösterlichen  Festkalender  eingetragen,  dem  in  dem  west- 
sächsischen Kloster  New  Miuster  zu  Winchester  um  1050  hergestellten 
Kalender  der  Cottonhandschrift  Titas  D.  XXII  (ed.  R.  T.  Hampson,  Medii 
Aevi  Calendarimn  [London  1847]  Vol.  I  S.  435  if.;  vgl.  dazu  W.  de  Gray 
Birch,  Liber  Vitae:  Register  and  Martyrology  of  New  Mhister  and  Hyde 
Abbey,  Winchester,  [London  1S92]  S.  269  ff.  und  F.Piper,  Die  Kaiendarien 
und  Martyrologien  der  Angelsachsen  [Berlin  1862]  S.  76).  Ich  halte  es 
daher  nicht  für  richtig,  dem  heil.  Guthlac  nur  die  Bedeutung  eines 
'mercischen  Lokalheiligen'  zuzugestehen,  wie  es  Brandl,  Altenglische 
Literatur  S.  1115,  tut. 


86 

formel  versehenen  Abschnitt  ans  einer  umfangreicheren  alt- 
englischen Lebensbeschreibung  des  heil.  Guthlac,  welche  voll- 
ständig in  der  Londoner  Handschrift  Cotton  Vespasian.  D  XXI 
(aus  dem  11.  Jahrhundert)  vorliegt  und  ihrerseits  eine  freie, 
kürzende  Übersetzung  der  um  730  verfafsten  Vita  S.  Giithlaci 
eines  Mönches  Felix  darstellt.  Unser  Vercelli-Fragment  um- 
fafst  die  Kapitel  4  und  5  der  vollständigen  Vita  und  verhält 
sieh  textlich  zur  Londoner  Handschrift  in  der  Weise,  dafs  es 
eine  ältere,  den  angli sehen  Dialekt  des  Originales  besser  be- 
wahrende und  der  gemeinsamen  Urhandsehrift  näher  stehende 
Textgestalt  aufweist.  Dafs  unser  Vercelli-Fragment  aus  einem 
grölseren  Zusammenhange  herausgelöst  ist,  zeigt  noch  das  in 
der  ersten  Zeile  stehen  gebliebene  "in  dem  erwähnten  Eilande" 
{in  Jjam  sprecenan  iglande).  0 

Die  angelsächsische  Fassung  der  Guthlac-Legeude  ist  unter 
Herbeiziehung  der  Lesarten  des  Vercelli-Fragmentes  zuerst  von 
Ch.  W.  Goodwin,  The  Anglo-Saxon  Version  of  ilie  Life  of 
St.  Guthlac  (London  1848)  mit  englischer  Übersetzung  und  An- 
merkungen veröffentlicht  worden.  Eine  sehr  sorgfältige  Aus- 
gabe verdanken  wir  Paul  Gonser,  Das  Angelsächsische  Prosa- 
Leben  des  heil.Giithlac  (Heidelberg  1909),  wo  auf  Seite  117 — 134 
neben  dem  Londoner  Text  auch  das  Vercelli-Fragment  voll- 
ständig abgedruckt  ist.  Weitere  Literatur  siehe  bei  Wülker, 
Grundriss  S.  491 — 493  und  Brandl,  Altenglische  Literatur 
S.  1114f. 

30.    Fol.  136a— 136b 

sind  leer.  Auf  fol,  136b  stehen  nur  in  jüngerer  Hand  in  Majukel- 
schrift  die  Worte:  CVM  FERUENISSE. 


^)  Nicht  möchte  ich  hieraus  mit  Gonser  S.  S5  schliefsen,  dafs  "die 
einleitenden  Worte  der  Homilie,  in  denen  von  der  Besiedlung  des  Eilandes 
durch  Guthlac  die  Rede  gewesen  sein  mufs,  verloren  gegangen  sind." 
Auch  bei  anderen  Homilien  setzt  unsere  Handschrift  ohne  besondere 
Predigteingangsformel  sofort  mit  dem  Text  ein,  so  bei  den  Predigten  XV 
und  XXII.  Das  Wort  sprecenan  mag  eben  von  unserem  Homileten 
mechanisch  seiner  Vorlage  entnommen  sein. 


87 


VII.    Abdruck  der  IL,  VI.,  IX.,  XV.  und 
XXII.  Vercelli-Homilie. 


A. 

IL  Yercelli- Predigt 

fol.  9  a  — r2a. 

MEN  DA  LEOFESTAN,  l>a}s  myelan  döm-daeses  worci) 
biö  swiöe  ejes-lic  7  andryslic  eallu?»  ^esceaftum.  In  }?a»i 
dffi^e,  ]'a  bleoöriendan  lijeas  for-ba3rnaJ;»  )^?enc  blod-je-mensdan 
jeard^)  7,  J>a-]'e  uu  her  syndon  on  myclu;«  sylpe  7  on  unnyttre^) 
Äesyhöe  soldes  7  seolfres  7  jod-webbes  7  wossestreona.  Ac  5 
we  sint  nu  pam  je-liccost  for-truwode,  ]'e  he  us  noto*)  ne 
cyme.  7  on  ]'am  düo^e  jewit  sunuan  leoht  7  monan  leoht  7 
)>a  leoht  ealra  tunsla.  7  on  ]mm  dieje  biö  Dryhtnes  rod  blöde 
flowende  betweox  wolcnii»^"')  7  in  pa.m  dse^e  biö  Dryhtnes 
onsyn  swiöe  ejeslicu  7  ondryslicii,  7  on  pam  hi\Ye,  ]?e  he  wfes,  10 
l?a  hine  ludeas  swunjon  7  uhenjon  7  hiora  spatluwi  him  on^) 

Varianteu  des  2.  Teiles  der  XXL  Vercelli-Predigt,  welche  ich  unserer 
obigen  ersten  Vercelli-Fassung  (=  V)  gegenüber  mit  V^  bezeichne.  Man 
vergleiche  den  stark  abweichenden  Text  der  XL.  Ps.-Wulfstan-Homilie, 
ed.  Napier  lS2"ff.,  die  ich  hier  nur  gelegentlich  als  W  [oder  B 
=  C.C.C.C.419;  C  =  C.C.C.C.201;  F  =  Hattonll4;  N  =  Cleopatra 
B.  XIII]  heranziehe,  meist  nur  bei  Differenzen  zwischen  V^  und  V^ :  1  /)a 
V^  I  pces  myelan  dvm-dceges  worc]  pcesÖe  ive  ^e-rced  habbad  7  ge-leornod 
on  hali^um  bocum,  se  ytetnesta  dce^  pysse  toorulde  V^  2  hyö  \  e^es- 
fullic  \  ondrysenlic  \  in]  on  \^  3  li^,^eas  for-boertiaÖ  pone  4  ^eard] 
middan-^eard  V^  W  ]  pa-pe]  ponne,  pe  V^,  pcet  mancynn,  pe  W  |  her  syn- 
don] ys  Y'W  5  gode-ioebbes  ö  synt  \  gelicost  \  noto  ne]  na  to  V 
7  cume  \  71  f.  V^  |  öam  \  dcege  Y^  W]  d(Ege  pces  myelan  domes  Y^  8  eallra  \ 
7  f.  Vä  1  Öam  I  byd  hinter  rod  9  on  dam  \  byö  10  ondrysenlice  \ 
7»  f.  V*        11  hyra 


')  Vielleicht  ist  hier  das  angl.  w^rc  'Schmerz'  einzusetzen,  das  öfter 
von  südlichen  Schreibern  mit  tveorc  'Werk'  verwechselt  ist 

^)  Lies  middangeard  mit  V^  W. 

^)  Das  erste  t  über  der  Zeile. 

*)  Lies  no  to  =  na  to  (V^). 

*)  Die  beiden  Sätze  stehen  auch  in  einer  Hs.  (B)  der  Wulfstanschen 
Homilie,  fehlen  aber  den  andern  Hss.  (CFN). 

^)  5  [sicij  über  der  Zeile. 


/ 


88 

spiwonJ)  lu  psini  da33e  }'a  synfuUan  lieofia}?  7  wepa}>,  forj^an 
hie  'xv  noldon  hira  Bynna  betan,  ac  hie  sarije  aswaima]'  7  in 
susle  afeallaö.  In  ]?am  dfcse  beoö  blawende  ]?a  byman  of  .1111. 
sceattu)«  )'yses  middan-seardes.     7  j'onwe   ealle  arisap;    swa- 

5  hwjct-swa  eoYpe  forswealh  7  fyr  forbjernde  7  s»  senete^)  7 
wildeor  fr?eton  7  fii^las  toba^ron,  eall  pcet  py  diüse  ariseÖ. 
Ou  pa,m  dseje^)  ure  Dryh^^^^w  in  bis  pum  myclan  mteseu-prymme, 
7  bis  onsyne  setyweö  7  bis  licboman.'*)  ponwe  biö  seo  wund 
gesewen   pam  firen-fullum,   7  J'a?«  soö-faestan  be  biö  hal  je- 

10  sewen,4)  y  })ouwe  Iiideas  mason  ge-seou,  poae-pe  bie  ler  cwealdon 

7  bengon.  7  se  soöfsesta  dema  pomie  demeö  ealra  manna  je- 
bwylcuwi  i\3fter  [fol.  W]  bis  sj^lfes  je-wyrbtu/».  Hwa^t  ponne 
}?inceö  }?am  synfiülan,  |?a3t  nobt  ne  sie  pses  bates  ue  jjses  cealdes, 
ne  paes  beardes  ne  pies  buesces,  ne  pajs  leofes  ne  öa^s  laöes,  poet 

15  biue   ponne   mreje   fram  Drybtnes   lufan   Mon   7    bis^)   willau 
ascadan;  7  nu  nella]?  bis  willan  wyrcean,  nii  we  eaöe  majou.ß) 

1  in]  on  V^  |  heofaö  7  xoepai),  forÖan-ße  2  noldan  liyra  \  sarige 
asivcemap]  ponne  sceolon  sarie  asicceman  Y'^  \  i7i]  on  V^  3  afeallan  \ 
in]  on  V^  |  Öam  |  beoö  blawende]  fcoiver  englas  blatvaÖ  V^,  singaÖ  W  | 
pa  V^W]  feoiver  V^  |  of  .IUI.  sceattuni]  on  feoiver  healfa  [lies  healfum] 
Y^,  of  pam  feoiver  sceatum  W  [halfmn  Korr.  F]  4  pysses  5  swa- 
/afcef-siüa  V*  V]  sioa  hwcct  manncynnes  swa  Vf  \  eorÖe  \  sende]  be-sende 
V^  W  6  fugelas  \  py  V^  WJ  on  öam  Y^  \  arist  V*  7  öa,»  |  Jce^g 
V^J  dwge  sitt  Y^,  dcege  cymeÖ  W   |  in]  on  Y'^  \  pam  V  W]    f.  Y^   \   m^gen 

8  ansyne  \  7  his  lichoman  bis  hal  ge-seicen  felilt  V^;  in  W  steht  etwas 
anderes,  s.  oben  10  cwealdon  7  hengon  V]  ahengon  7  cwealdon  Y\ 
aliengon  7  acwealdon  W        II    öoJine  |   ea/ir«        12  a^ftcr  VW]  be  Y^  | 


0  Siehe  Note  5  S.  87. 

2)  Vielleiclit  besser  mit  V^  und  W  besende  zu  lesen. 

ä)  Dahinter  ist  jedenfalls  ein  Verbum  ausgefallen :  so  etwas  wie  cymeÖ 
(W  und  Hatton  116  pag.  3S8)  oder  sifAÖ  {sitt  V). 

*)  Vielleicht  ist  dieser  und  der  folgende  Satz  verderbt.  Wenigstens 
ist  die  stark  abweichende  Lesung  von  W  viel  verständlicher:  ponne  biö  he 
pam  syyifullum  stviöe  wräÖ  ceteowed,  and  pam  soÖfcestum  he  bi/Ö  bliÖe 
^esewen;  vgl.  auch  Vercelli-Homilie  XV  fol.  S'6^:  ures  Dryhtnes  onsyn  biÖ 
siciÖe  reÖe  7  siviö',  egesful  7  grim.  Allerdings  sagt  noch  Hatton  116 
pag.  388  erst  Drihten  cymÖ  ponne  on  micclum  viegenprimme,  7  fyr  on  his 
dnsyne  scinep  7  blyceö  und  später  he  cetyweö  pa  wunda  on  his  sidan. 

^)  Hierzu  ist  das  vorausgehende  fram  im  Sinne  zu  ergänzen. 

®)  Etwas  klarer  in  W  ausgedrückt :  7  pa  ungesMigan  yrmingas  nellaö 
nü  pcet  gepencan  ne  his  tvilla7i  be  sumon  dcele  wyrcan,  nu  hig  eaöe  magon. 


80 

Hwjct,  la,  p;i3t  is  ofer  eul  3e-met  to  seeawi.'^cnne  7  to 
smjesenne,  pcef  )'a  earman  fyren-fullan  seulon  sarije  aswfeman 
frajH  ansyne  ures  Drihtnes  7  fram  bis  lialigra  7  frsan  pam 
wulclre  heofona-riees;  7  )?on«e  1)  ^ewitaj'i)  liie^)  in  )?a  tintreso 
pa3re  ecean  helle.  Eala,  liwjct,  inod2)  syndon  earralice  a]?ri-  5 
stode,3)  pixit  hie  ajfre  L'ctan  seulon  ]>cp/  dea]>-berende  dioful 
liis'*)  on  unnyttre  geswipuniesse  hie  >)  to  pam  jedwellan,  pxt 
hie  synne  freuinieu  7  pa)S  willan  ne  wyrcea]',  pe  hie  on  eorl^an 
Se-sceop  7  mid  his  gaste  jeliffjeste  7  him  eece  lif  for-^eaf.  La, 
hwa^t  meM  him  eallinja  ne  ondneda}?,  hu  pcet  dioful  him  on-  10 
staileÖ  ealle  |^a  un-rihtan  weorc,  pe  her  woihte  bioö  beforan 
l^aive  mengeo  pxs  myclan  domes!  La,  hwjet  men  bira  ne  on- 
drjeda]^  pxt  myele  dioful  Ante-crist  rnid  his  helle-witura  7  mid 
his  yrm]>u?«  7  his  pain  saran  suslum,  pe  him  biol?  to  edleane 
bira  firena  golden.  La,  hvfxt  we  us  ne  oudnedaj?  pone  to-  15 
weardan  eje  domes-dieses,  se  is  yrmpa  dsej  7  earfoöa  da35  7 


sylfes]  a^enum  V^  f.  W  [a,^enutn  N]  |  HiccBt  ponne  pinceö  bis  tce  eade 
ma,^on  (Z.  16,  S.  SS)  fehlt  V^;  in  W  ist  vor  Hwcpt  noch  ein  Passus  einge- 
schoben (ed.  Napier  IS-i*   '*). 

1  ys  I  eal  ^emd  V*W]  ealla  ping  V^  |  to  sceawigenne  7  f.  V'^W 
2  smci'genue]  smeagenne  V^  W  ]  sceolon  |  sarie  3  dryhtnes  4  ponne 
geicitap  hie]  panon  yAvito7i  V*,  panon  geioitan  W  |  in  V^W]  on  V^  | 
tintrego  V*  W]  tregan  flies  fin^rex^aw]  V*  5  ecfl»  |  Eala,  Jnccet  bis  ece 
lif  forgeaf  (Z.  5-9)  f.  V-  9  La,  hiva^t]  Eala,  pcet  V^  10  itietm  \  01- 
(Iradad  \  pc^t  dioful]  Öa  deoflu  V^  |  07istcelad  11  ge-tvorht  beod  [lies 
beoÖ]  V^  12  menegeo  \  La]  EalaY'^  13  pcet  mycle  dioful]  pone  deofol 
V^  I  his  f.  V^  I  mid^  f.  V*  14  yrrnÖmn  \  Öam  sarum  \  beoö  15  hyra 
fyrena  \  golden]  agolden  Y"^  |  La  V  W]  Eala  Y'^  |  oyidrcedaÖ  16  domes- 
dcEges]  pces  domes-dceges  Y'^  \  ys  |  yrmpa  V^W]  yrmöe  Y^  |  earfoöa  V 
W]  carfoöncssa  Y^ 


')  Wahrscheinlich  ist  in  Übereinstimmung  mit  V^  und  W  das  Sätzchen 
noch  zum  Vorhergehenden  zu  ziehen  und  zu  lesen :  heofona-rices  7  panon 
gewifan  i7i  pa  tintrego. 

'^)  Wohl  besser  mit  W  zu  lesen :  manna  mod.  Jenes  mod  steht  in 
V  am  Zeilenaufange,  was  darum  zu  beachten,  weil  beim  Übergang  von 
einer  Zeile  zur  andern  leicht  ein  Ausfall  eintritt. 

^)  apristode  'dreist  gemacht'  pafst  nicht  sonderlich  gut  zu  eartnlice 
und  zum  folgenden  Objektsatz  mit  gedivellan  'irreführen'.  Somit  ist  wohl 
apystrode  einzusetzen  in  Übereinstimmung  mit  W:  apystrode  7  adysgode  7 
gedicealde. 

")  Das  eine  der  beiden  hie  ist  zu  streichen;  in  W  fehlt  das  erste. 


90 

uu-rotnesse  dxz   7   cirmes  dsöÄ   7   wanunse  dxz   7  sares  djej 
7  sorjes  1)  ävcs  7  se  J'ystra  da^3 !     On  )^am  daBje  us  biö  set-eowed 

[foLlO^]    se  opena  heofon        7  enjla  prym, 
7  eall-wilitna  hryre        7  eor]:'an  for-wyrht,^) 
5  treowleasra  Äe-wiiin         7  tungla  jefeall, 

]niDor-rada  cyrm        7  se  pystra  storm, 
<.])(Bya  hjfta  leoma'>^)        7  )mera  lija  bl?estm 
7  graniendra  jesoeaft        7  ]'a?ra  gasta  sefeoht, 
7  sio  Äri»»me  je-syhö        7  ]?a  jod-cundan  mibt,  4) 
10  7  se  bata  scür        7  bell  -  warena  5)  dream, 

<  ^«?;-a  heorga  .^ehrest  >  ß)        7  para  byraena  sanj , 
7  se  bnlda  bryne        7  se  bitera  d^e^ 

<  y  se  micla  cwyld        7  /jara  manna  dream  >  ') 

1  cirmes  2  so)*^e  |  öawi  |  ftyö  cetywed  3  Für  die  Versstelle 
gebe  ich  alle  Siunvarianten  aus  W  |  se  opena  /i]  se  ^esewcna  (|  über  der 
Zeile)  heofon  V*,  sco  ^eopenimg  heofena  W  4  eall-ioihtna  V^  V^]  /teZ- 
tvihta  W  [doch  eal-ivihtna  C]   |   eorÖan  V^  W  |  forwyrht]  fonvyrd  V^  W 

6  ci/mi  VV*]  Äiynn  W  |  Ö^/sim  V*,  ßeostra  W  [pistra  C]  |  sfor»?.  V* 
V^]  prosm  W  [doch  sform  C]  7  die  erste  Halbzeile  fehlt  V'V*;  sie 
lautet  inW:  Öceralyfta  leoma  |  paraY^  \  liga  Y^Y'^]  ligettaW  \  blcestm 
V]  ^ebrasl  VS  hlcest  W  [doch  gchrasil  C]  8  7'  f.  W  |  sraniendra  V»] 
pa  grav^endan  V^,  /)a  ^raniendan  W  [para  grcmigendran  C]  |  ^esceaft 
ViW]  sesccafta  V«  |  /jam  V  9  7»  f.  W  1  sfo  V^]  seo  V«,  /)fl  W  | 
grimme  V  V-]  ^»•imm^n  W  [  gesyhÖ  VV^W  [doch  gesihÖe  C]  |  mt7ii  V^ 
W]  mihtaY''  10  7'  f .  W  |  helwaraW  \  dream  ViV-']  /iream  W  [doch 
ream  (lies  dreawi?)  C]  11  der  l.Halbvers  f.  V^V'';  er  lautet  in  W :  7&«ra 
beorga  [beorha  N]  geberst  12  7^  f.  W  |  bryne  V'V-j  bryne  ofer  ealle 
woruld  W        13   der  ganze  Vers  fehlt  V;   doch  iu  V^  und  W  lautet  er: 

7  [f.  WJ  se  micla  cwyld  [cwealmW]  7  para  [p(era'W]  manna  dream  [wianW] 


')  Man  beachte  die  Genetivform  auf  -es  (Sievers,  Ags.  Gramm.  §  252, 
Anm.  2). 

'^)  Vielleicht  ist  mit  V*W  fonvyrd  zu  lesen. 

^)  So  wohl  nach  W  zu  ergänzen. 

*)  Lis  mihte  oder  mihta  (V"),  falls  man  nicht  mit  Napier  den  ganzen 
Ausdruck  in  den  Singular  transponieren  will  {seo  godcmide  mihi),  wobei 
allerdings  zu  beachten  ist,  dafs  alle  sechs  Handschriften  pa  godcundan 
überliefern. 

^)  Vielleicht  mit  W  hell-wara  zu  lesen.  —  Auf  die  Ausmerzung 
jüngerer  Formen  aus  metrischen  Rücksichten  verzichte  ich  im  folgenden. 

«)  So  wohl  nach  W  zu  ergänzen. 

')  Wohl  mit  V''  und  W  einzuschieben. 


91 

<  7  seo  sare  sorli  >  i)        7  J'ara  sawla  ^edal 
7  se  deaö-berenda  draca        7  diofla  forwyrd 
7  se  nearwa  seal'        7  se  swearta  deaf>^) 

7  se  byruenda  gi'wnd        7  se  blodija  streawr') 

7  mycen)  fionda  fyrhto        7  se  fyrena  r^n  5 

7  ^)  ba3Öenra  sranun^        7  bira  berisa  fyll, 

beofon-warena  6)  meuso        7  biora  blafordes  mibt 

7  ]?set  myele ")  jemot         <  7  seo  e^csfulle  fyrd  >  ^) 

7  sio  reöe  rod'-')        7  se  ribta  dorn 

<  ure  fyrena  edwit  >  10)        7  |?ara  feonda  gestal  10 
7  J>a  bMcan  owf/wlitan        7  bifiendan  word'^) 

<  se  forlita  cyrm  >  1*)        7  para  folca  wöp 

1  der  1.  Halbvers  fehlt  V^  und  B;  er  lautet  in  V^  und  W:  7  [f.  W] 
seo  sarie  \säre  W]  sorh  2  der  ganze  Vers  fehlt  W  |  dead-bereyida  V*] 
deaä-berenda  \~  \  deoßa  Y"^  3  der  Vers  lautet  metrisch  besser  in  W: 
se  sära  siÖ  7  se  sorhfalla  d(Fg  \  seaÖ  V-  |  dead  V  4  in  W  in  zwei  Verse 
zerlegt ;  s.  Anm.  3  5  7  f .  W  |  myccl  V]  seo  mycle  V^,  f.  W  |  fwnda  fyrhto 
V^W]  fyrhto  para  feonda  V^  P.  7  f.  VMV  |  hira  [hyra\'']  heriga  fyll 
V  V"]  reafera  wänuv^  W  7  heofon-warena  V'V^]  heofon  - wara  W 
[warn  F]  |  men^o  V]  menigeo  Y^,  falmcegen  W  |  Ä^ra  V-,  Aeora  W  | 
mihi  W'-]  /»"i/ju  W  8  7  f .  W  |  micle  VS  mycele  V^]  on^rislice  W  | 
der  2.  Halbvers  fehlt  V  V^  9  7  sio  [seo  V-]  rede  rorf  V  V^]  se  reda 
icealdend  W  10  der  l.Halbvers  fehlt  V^V^;  er  lautet  in  W:  nre  fyrena 
edicit  11  7  f .  W  I  andivlita7i  Y'^  W  \  bifiendan  w.  V^]  pa  bifiendan  w. 
V«,  l)cet  bifiende  wered  W  12  der  1.  Halbvers  fehlt  V^V^;  er  lautet  in 
W:  se  forhta  cyrm  [cearm  N]  |  hinter  wo^  in  W  noch  (ohne  Alliteration, 
also  wohl  späteres  Einschiebsel):  pcera  feonda  grimnes  7  se  hlilda  heof 

0  So  wohl  mit  V'^W  zu  ergänzen. 

'^)  Den  Anstofs  bezüglich  des  Stabreims  beseitigt  die  Lesart  von  W 
se  sdra  siÖ  7  se  sorhfalla  dceg.    Vielleicht  ist  also  so  zu  lesen,   oder  sara 
(für  neariva)  und  sorhfulla  (für  swearta)  einzusetzen. 

3)  Dieser  Vers  erscheint  in  W  in  zwei  zerlegt:  poet  brdde  bealo  7  se 
byrnenda  grund  |  pcet  bitere  wite  7  se  blodiga  stream. 

*)  mycel  ist  jedenfalls  mit  W  zu  streichen. 

'•')  Die  Kopula  zu  Beginn  der  Verse,  welche  hier  in  V^  W  und  im 
folgenden  Verse  in  allen  Hss.  fehlt,  ist  vielleicht  durchgängig  zu  streichen. 

^)  "Wohl  mit  W  heofon-tvara  zu  lesen. 

')  Wohl  des  Stabreimes  wegen  mit  W  ongrislice  statt  mycle  zu  lesen. 

*)  So  wohl  nach  W  zu  ergänzen. 

'0  Ob  vielleicht  mit  W  se  reöa  icealdend  zu  lesen? 

^°)  So  wohl  nach  W  zu  ergänzen. 

")  Ob  mit  W  7  past  bifiende  iverod  zu  lesen? 

'^)  So  wohl  nach  W  zu  ergänzen. 


92 

ond  se  scamienda  •)  here         <  j  se  synniza  heap, 

SCO  gmniende  neowelnes  > '^)        7  sio  for-slendrede^)  hell 

7  ]^ara  wyrma  jryre. 

7  ]:>onne  biö  us ')  jcsliwylc  J'yllie  ejesa  set-eowed  pxT  ]7a 
5  fyren-fullan  ponwe  meahton  se-wiscan,  pi'et  hie  naifre  ne  wteren 
acenuede  fram  liiora  fa^drum  7  modrum,  oööe  selc  liiora  to 
dii;»biim  nytennm  je-wurde.  Hwjet,  bim  \^onne  w;iere'')  leofre 
ponne  eal  middan-jeard  mid  ^estreoniim,  J:>e  heofon  be-bwylfeö. 
La,  }iait  we  us  ne  oiidniidaj:',  l^iait  we  d?ej-bwamliee  je-seoö 
10  beforan  urnm  easum,  nu  we  }?am  oöruw  ne  3e-lyfa]?,  ure  J^a 
ueahstau  swelta]?. ")  7  ponne  ]?a ')  licboman  biö  laö-lic  lejer 
Segyrwed   in'')    psßre   eealdan    [fol.  ll""]    cealdan"')    foldan  je- 

1  otid  [7  V*]  se  scamienda  [auf  Rasur?  V]  here  V*  V'^]  l)cet  sarige 
mancijnn  W  \  Der  2.  Halbvers  fehlt  V'V-^;  er  lautet  in  W:  7  se  synniga 
[syngia  N]   heap  2    der  1.  Ilalbvers  fehlt  V^  V^;    er  lautet  in  W:   seo 

graniende  neowelnes  [-nys  N]  |  seo  V^  W  |  for-glendrede  V^  W  {forglcen- 
drede  C,  forgleddrede  F)]  byrnende  V  3  7  f .  W  |  gryre  V*  V^]  ongryre 
W  I  dahinter  noch  in  W  ohne  Alliteration,  also  jung:  7  pcera  sorhwita 
[-iclhta  N]  mcBst,  se  nidfulla  here  7  se  teonfulla  dceg.  4  ^  ponne  V^] 
on  pam  dcege  ns  byÖ  V-  W  |  ceghioylc]  celc  Y^,  call  W  |  pylic  V-  |  celywed 
V*  I  Peer  V  "V*]  a«fZ  W  5  mihton  geiviscean  V^  |  ne  icceren]  nceron 
V  6  '^hira  V  ]  fcedermn  V  |  ^/ly^-fl  V2  7  ^eiüwrrfe]  gewurdon  V^  | 
/jonjic]  ponne  pect  Y'^,  pcet  ponne  BCF  S  eall  Y^  |  mifZ]  mid  pam  V* 
9  La,  pcet]  La,  hivcet  Y^  \  ondrwdaÖ  Y'^  10  eagum]  eagun  Y^  \  nu  ive 
pam  odrum  ne  s^lyfap  fehlt  V-  |  pa  (V>  W)  fehlt  V=*  11  sweltap  Y^] 
sweltan  V^,  feallan  7  sweltan  W  |  pa  V'V^J  pam  W  |  ii//)  V*  |  ladlic 
Y'^  !   leger  V^V]    legerbed  W    [/e^er  C]  12   gegyred  V^   I  in]   innan 

Y';   7  inW  I  eealdan"-  fehlt  V»  W  |  /"oZ^/an  V^  FN]  eoröan  V^  B,  moldan  C 


^)  Falls  die  Ergänzung  des  2.  Halbverses  nach  W  richtig,  müfste  auch 
wohl  sariga  (W)  statt  scamienda  eingesetzt  werden. 

*)  So  wohl  nach  W  zu  ergänzen. 

3)  Ob  nicht  vielmehr  forglendrende  'verschlingend'  statt  (des  aller- 
dings in  5  Hss.  überlieferten)  forglendreds.  'verschlungen'  zu  lesen  ist? 

*)  Vielleicht  mit  V-  W  besser  zu  lesen :    On  Öam  dcege  us  biÖ. 

^)  Lies  mit  V^  (W)  pcet  ivcere.  —  Man  beachte,  dafs  an  dieser  Stelle 
(Napier  187  ^~')  die  Hss.  BCF  zu  unserem  Vercelli-Text  stimmen,  also  wohl 
das  Ursprünglichere  bieten,  während  Napier  die  stark  abweichenden 
Lesungen  von  N  in  den  Text  gesetzt  hat. 

*)  Lies  mit  V-  W  sweltan. 

'•)  Lies  mit  W:  pam  lichoman. 

^)  Mit  W  die  Kopula  davor  zu  ergänzen  (7  in),  ist  wohl  nicht  nötig. 

^)  Das  eine  eealdan  ist  natürlich  zu  streichen. 


93 

brosDodon ;  1)   7  pcet  la^ne  lic  J?aer  ge-rota)'  to  fulnesse  7  l'am 
wiclslitendan  wyrmii»?  to  ajte. 

Hwjet,  psat  po)iue  la  biö  sarlic  sar  7  carmlio  je-dal  psca 
lichoman  7  ]'iere  sawle,  ^if  ponne  se  earma  innera  man,  pcßt 
is  seo  weri^e  sawl,  pe  her  for-wyrlit  biö  7  ajiraeleasedu^)  5 
^odes  be-boda,  )>ii^t3)  hio^)  j'ouwe^)  jefter  paii  je-dale  aslidan 
seile  in  )\a  ecean  helle-witu  7  }?a3r  )'oune  mid  dioflum  drohtisan 
in  morj're  7  on  mane,  in  susle  7  on  sare,  on  wean  7  on 
wurmum*)  be-tweox  deadum  7  diofluwj,  7  ■>)  bryne  7  on  biter- 
nesse,  7  on  fulnesse  7  on  eallum  J>am  wituwt,  |^e  dioflu  jear-  10 
wedon  fram  f>8ere  frymj>e,  }?e  hie  to  se-seeapene  wajron  7  hie 
sylfe  se-earnedon. 

Ae  ntan  we  beon  jemyndi^e  ussa  sawla  J^earfe,  7  wyreen 
we  s6d  on  pam  daeje,  pe  we  öurhteon  ma35en.  7  forlaitan  we 
morpor  7  man  7  ofer-hydyj^)   7  aifeste  7  idel-iilp  7  nn-riht-  15 

1  ^ebrosnodon]  ^cbrosnad  V^,  ^ehrosnab  BN,  gebrosnoÖ  CF  |  /)fer  (V^ 
W)  f.  V^  2  lücelslitendum  V^  W  3  7jon«e  hinter  fci5  V^  |  la  f.  V»  W 
4  »Hrtnn  V^  5  u-ene  V'^  |  byö  V^  1  a^ymcleasudu  V-  ö  Äeo  V-  |  ßam 
V^  7  sciZe]  sceole  V'^,  sceai  W  i  in  V  W]  o?i  V-  |  ecan  V^  |  ponne  (V^ 
W)  f.  V-  I  deoflum  V*  |  V-  |  drohtigan]  drolünian  V^,  drohlnod  habban 
W  8  o?i  moröre  V*  |  o?i  stwZe  V"-  'J  lourtnuml  wyrmnyn  V-,  ivyrDidi- 
tim  W  I  cZeo/Zit»i  V-'  |  7']  on  V^,  in  W  [on  C]  |  7^  f.  V^  10  dioflu 
^earivedon]  deof{l)um  wcBS  ge{g)earicodY'-  11  frympe  iN^  \  to  gesceapene 
wceroti]  on  forwurdon  V^  12  ^e-earnodon  Y'^  13  von  hier  an  lautet 
W  gänzUcli  anders  |  iifon  V*  |  we  f.  V^  |  urra  V*  |  pca{r)fa  V*  |  wyreen 
v:e\  uton  icyrcan  V^  14  dce^e  f.  V'^  |  purh-teon  ma^on  Y'^  |  forlceten  loe] 
iito(;n)  for-lceton  V^  15  moröor  V^  |  ofer-hydy^]  'ofer-higdo  V^  |  ce/isfa 
V"''  I  idel-giljj]    idelne  ^ylp  Y'^ 


')  Wohl  mit  W  zu  lesen  gcbrosnaö. 

^)  Entweder  zn  bessern  in  7  agiyneleasede  'nnd  vernachlässigte'  oder, 
was  mir  wahrscheinlicher  dünkt,  in  on  agimeleasedu  .  .  .  beboda  (von 
forwyrht  abhängig).  Zu  letzterem  vgl.  gif  htva  hine  sylfne  siciöe  fonvyrce 
on  mcenigfealdan  synnan  Eadgars  Poenitential  (Thorpe  II,  276/"*).  Vgl. 
Anm.  5. 

')  Der  Satz  würde  glätter,  wenn  man  peet  hio  ponne  striche.  Viel- 
leicht hat  aber  der  Übersetzer  nach  dem  Zwischensatze  damit  das  Subjekt 
wieder  aufnehmen  wollen.  Das  pcet  möchte  man  aber  demnach  am  liebsten 
entbehren. 

*)  Vgl.  Bülbring,  Ae.  Elementarbuch  §  2S0. 

*)  Lies  on  bryne  (V^  W)  statt  7  bryne. 

«)  Vgl.  Pariser  Psalter  LXXVII,  58:  oferhydis  ['Stolz']  ahofan. 


94 

wisnessa  7  uuriht-htomedas, ')  ser-ajtas  7  ealo-^alnesse,  dysiuessa 
7  jcdwoU-eraeftas,  sitsunja  7  sifernessa,  leasunja  7  licettun^a, 
tailnessa  7  twyspmecnessa,  niöas  7  nearopancas,  7  heamol-scipas 
7    oallra   }^ara  peawa,  2)   }?e   dioflu  on   bim   sylfum  onstealdoD. 

5  Ac  lufigen  we  urne  Dryhten  niid  ealle  mode  7  mtiesene,  7  mid 
eallre  usse  beortan  7  byjdo,  mid  ealre  soöfestnesse  7  snyttro. 
Lufiseu  we  usse  pa  nebstan  swa-swa  us  sylfe.  7  sin  we  mild- 
beorte  earmum  mannuw  7  elf'eodcÄum  7  un-trumu«^,  ]?a?^  us 
ure  Drybte«    jnirb    J^te^  milde   weor)?e.     Ond  peah  ure   bwylc 

10  wiö  oöerne  [fol.  11^]  je-sylte  od  worde  oööe  on  worce,  forbere 
be  bim  ]>sßt  liöe-lice,  pe  la3S  bim  Jod  pcet  yrre,  witDise,  swa 
sylfa  cwfeö:  ^DiniiUe  7  dimitetur  uoh\%\  Je-]>rowi5en  we  for 
ures  Drybtnes  lufau  eall,  pcet  us  man  to  earfeönessum  jedöö 
ber  on  worulde. 

15  Hwffit,  we  be-bofijaö,  pcet  we  ge-munen,  bu  mycel  be  for 3) 

US  ^e-^'i'owode,  sefter  jjan-p'e  be  menuiscum  licboman  onfenj 
man-cynne  to  ecre  bajlo  7  us  purb  l^set  je-nerede  of  deofles 
]:>eow-dome  7  us  edbwyrft  forjeaf  to  pam  ecean  life,  pQ  we 
ser  for-worbtou,   jif  we   bit  ge-earnian  willap,   swa  se  witija 

20  cwa3Ö:  'Drybten  }?a  je-bfeleö  7  bafa)?  on  beofona-rice,  ]?a-pe 
ber  on  worulde  beoö  eaö-mode^)  Jode  7  mannuw. 

Hwjet,  we  ge-byraö,  l^set  J'a  beoö  for  Jode  eadi^e  7  welije, 
J^a-pe   on   worulde   bioö    eaö-mode   7    manp>w8ere.     Hwset   we 

1  unriht-hcemcdo  V-  |  ealu-^alnessa,  disipiessa  y^  2  ge-dweoll 
dtcoll  crceftas  [so!]  vor  7  twysprcEcnessa  V^  |  gytsuvga  V  |  ^iftrnessa 
hinter  dmgnessa  7  ¥'•'  |  7^  f.  V^  |  liccetun^a  7  talnessa  (7  vor  fa?«.)  V* 
3  niöas  7  nearu-pancas  liiuter  talnessa  V^  |  7  lieamol-seipas  f.  Y-  4  eaHra 
ßara  pemva]  ealle  pa  l)eawas  V-  |  deoflu  ¥'■*  |  sylfum  f.  V^  |  astealdon  V* 

5  ac  hifigeti  we\    7  nfon  Zu^an  V^  |   ealliun  \'^    \    7]    7  »tirf  eallitm  V* 

6  nsse  f.  V^  |  7  hygdo]  hyldo  7  V^  |  eallre  V  |  7  snyttro  f.  V^  7  Infixen 
ice'\  7  wfo»  Z»/tan  ¥'•'  |  usse  pa'\  ure  \'^  \  nelistan]  neahstan,  pcet  syndon 
ealle  cristene  menn  V^  |  sin  ice]  uton  beon  Y''  8  elpeodi^um  V* 
9  iveorpe]  ivyrÖe  V^  10  ^e^ylte]  agylte  Y^  |  on^]  oÖÖe  on  V^  11  pcet 
f.  V^  I  liÖehce]  bliÖlice  7  for^yfe  on  pysse  hal^an  tide  V^  ]  god  hinter 
yrre  V  \  icitnie  V^  |  Mit  diesem  Worte  hört  die  Übereinstimmung  beider 
Predigten  auf,  so  dafs  wir  keine  Varianten  mehr  zu  verzeichnen  haben. 


')  Lies  unrilit-hcemedu  (V^). 

*)  Wohl  mit  V^  zn  lesen:  ealle  pa  peawas. 

^)  0  aus  u  korrigiert. 

*)  Davor  Schemen  3—4  Buchstaben  fortradiert. 


95 

pomie  ma^ou  be  j'am  witan  7  on^itan,  }'a)t  )>a  beoö  for  Jode 
earme  7  unljude,  pa-^e  her  on  worulde  bioö  ofer-hydisc  7 
a3fe8ti5e.  Eallra  synna  sio  is  Jode  lapost  7  un^ccwemost,  for- 
l'an-J'e  uian-eynn  airest  ]nuh.  \>Si  aifeste  wreroQ  on  belle  besencte 
7  eft  J'urb  mild-beortnesse;  7  eaömodnesse  bie  wieron  j'auon  5 
alysde  of  diofles  öeowdome. 

La  hwjet,  we  be-hofiÄa)',  pwt  we  iisse  earan  ontynen  7  usse 
heortan  to  pam  jodspellican  laruw,  l'e  iis  man  oft  beforan 
8a35Ö  7  usse  lareowas  beodaj'  7  seesap.  Hwa)t,  we  nu  on 
idlum  silpe  us  mid  jolde  7  mid  gimmu/??  searwia)'  7  blissiap  10 
7  ^laid-mode  beoö,  swa  we  wenen,  l^ret  we  na^fre  [fol.  12^^]  bit 
forla^tan  seylen  7  to  seldan  mycles  urne  Drihten  ^e-munan  7 
ure  sawle  ^'earfe,  f>al'e  sculou  bion  on  eenesse  ajfter  l?yssii»i 
life  mid  sawle  7  mid  lichoman  in  svva-bwieörum-swa  we  ber 
nu  3e-earniap.  Habben  we  jode  hreowe  ura  synna,  peab  psat  15 
je-limpe,  pcet  ure  hwyle  wiö  oöerne  jesynnije  on  worde  oööe 
on  worce.  pses  f>onwe  bot  biö  betst;  forp'an  ne  biö  na^fre  se 
man  to  l?an  swiöe  synful,  ]>cet  bim  symle  ne  sie  sio  bot 
alyfedu. 

Utan   we   nu   forj'an   efstan   to   Jode,  rerj^an  us   se   deaö  20 
jejripe,   for|?an   be   us   swiöe   to  nea-heceö.     7  sien  we  snotre 
7   soöfieste   7   mild-beorte   7   rummode   7   ribt-wise   7   a3lmes- 
Seorne    7   chenbeorte  7   frerasume   7   jod-wyrhte  7   larsume   7 
l'eowfeste  7  je-hyrsume  Jode  7  urum  blaforduw,  7  gej^yldise 
Jodes  willan.     7   he  us  ponne  pasa  to  leane  forjifeö  }>aet  ece,  25 
p(et  US  Sßt  fry>«-J>e  je-teohod  waäs.     Utan  we  nu  efstan  to  J^an, 
j^a  hwile   }^e   we   ura   weja   wealdan   moton.     pair  hie   nfefre 
leofe  sedalaj?  ne  laj^e  jesamnia}',  ne  na^fre  da35  ne  cymeö  jefter 
A'xze,  ne  niht  «fter  nihte.     Ae  piQi  biö  ece  leobt  7  blis  7  ece 
wuldor  7  ece  jefea  mid  uruwi  Dryhtne,  middan-jeardes  aly-  30 
sende,     piet    is   efne  se   ilca   Jod,   seöe   leofajp    7    ricsaf»   mid 
fieder  7  mid  suna  7  mid  l^am  haljan  saste,  p'am  is  wuldor  7 
wyrö-mynd  purh  ealra  worulda  1)  woruld  aa  butan  ende.   Amen. 


0  In  der  Hs.  falsch  abgetrennt:  looruld  aworuld. 


96 

B. 

Tl.  Yercelli- Predigt 

fol.  54b_56a 

[fol.  54^]  INcipit  narrare  miracula,  qiie  facta  fuerant 
ante  adncntum ')  Saluatoris,  doToini  wostri  iesit  Christi. 

HER  sajaö  ymb  öas  mserau  je-wyrd,  pe  to  p'yssum  dseje 
gewearö,   |?set-te  selmihtis  Dryhten  sylfa  \>as  world   jesohte  7 

5  ]7urh  unwemme  ftemnan  011  ]?as  world  acenned  wses  to  pan, 
pitöt  he  eall  manna-cyn  fram  hell-wara-rice  alysde  7  to  heo- 
fona-riees  wuldre  sefremede.  7  to  j^yssum  daije,  j^e  dse^  is 
aelinihtijes  Dryhtnes  sebyrd-tid,  ealne  pjsne  middan-seard  mid 
niwan  leohte  bis  to-cymes  he  ^efylde.    And  be  }?ysse  jewyrde, 

10  \>e  we  to-da3g  weoröiaö,  fram  worulde  fruman  ealle  Jodes 
halije  s?edon;  hie  J?set  on  bocu?»  7  on  hale^um  leoöum  suDjon. 
7  J^eahöe  hit  ealle  s^don  7  bodedoo,  hwjeöre  an  Jodes  ]?a3ra 
haljona  pcet  eallra  swiotelecot  2)  jesang  be  öysses  dsejes 
weoröu3a3)    7    swa   cwseö:    l)cet  is  se  dsej,   ]?one  Dryhten  je- 

15  worhte;  utan  we  blissian  7  sefeon  on  him.  Foröan-öe  on 
f'yssum  dffije  ealra  cyninja  cyniu^  7  ealra  wealdendra  waldend 
}?ysne  middan-jeard  for  usse  lufan  jesohte  of  öam  hean  heofena- 
rice,  foröam-}'e  öa  upliean  mid  pysse  eoröliean  7  mid  J^ysse 
neowolan  gesceafte  him  wundorlice  }?eowiaö. 

20  Mitte -}?e    hit    }?a    losere    eade^an    tide   nealsehte,    )?8et-te 

Dryhten  lichomlice  wolde  wesan  je-boren,  swiöe  eyne-f'rym- 
liea  tacen  hi>w  beforan  samod  siöedon.  Arest  je-eode  to  l'am 
se,  ■*)  l>e  he  on  geboren  w'ses,  ]?8et  nsenije  men  mid  wsepnum 
jefeohtan  ne  meahton,  ac  hraöe,  J^ses  hie  mid  waipnum  feohtan 

25  woldon,  hiora  earmas  ajaledon  7  hira  handa  him  ge-lugon,  7 
hie  sylfe  wseron  to  sybbe  jeliöe  \fol.  55'^]  wacede,  7  jefeohtan 
ne  meahton.  Swylce  l^set  eac  je-eode,  pset-te  siofon  nihtum, 
ser  Crist  je-boren  wsere,  l'set  sio  sunne  sct  midre  nihte  onjan 
seinan,  swaswa  on  sumera,  |?onne  hio  hattost  7  beorhtost  scinö; 

30  J?set  tacnode,  pißt  he  pas  eoröliean  sunnan  nihtes  scinende  him 


')  ünlesbar,  weil  Fleck. 
*)  Lies  swiotelecost. 


')  Lies  weordunga. 

*)  Lies  dce^e,  wie  schon  Napier,  Contributions  S.  279  vorgeschlagen  hat. 


97 

to  sisl^  beforau  sende.  Swylci)  pmt  eae  ^e-eode:  unmanesum 
nihtum,  jcr  Crist  seboren  wies,  onsprunson  ]^ry  wyllas  7  of 
I?ara  anra  Äe-liwyleum  ele  fleow  fram  turmersen  oö  lefen;  und 
manna  sehwyleuni  wies  for^ifen,  ]\et  he  moste  niman,  swa  he 
sylf  wolde,  para-pe  |>a3i'  to  cwomon.  Swylce  manesa  oöeru  5 
wuudor  J'ter  wieron  gewordene  xy  j'iere  .  .  .  tide,^)  pe  he  on 
Se-boren  wies,  öa  nu  un-eaöe  mugon  wesan  arimede  to-eacan 
]?am,  )'e  hie  na^nis  man  aseejau  ne  ma}^. 

Da  pixit  se-eode   pj  sylfan   da?Äe,    j^e   jyreandais^)   wajs, 
f'cTSÖe  Dryhten  on  niht  geboren  wa38,  a^r  morsensteorra  upeode,  10 
öä^t   se   casere  ferde  mid   ealle   bis   man-J^rymme   to  Bethlem 
J>a3re  byris,   }?e  Dryhten   on   jeboren  wa3S.    Mitte-I^e   hit  pa.*) 
wa^s  sio  jTidde  tid  pses  dtü^es,  psc^)  ^yrsan-da33  wa3S,  he  öa 
beseah  on  pa  lyft  onjean  pa  sunnan ;  7  he  5^-seah  mid  ealle 
his  werede,   l^e   mid   bim   wies,  j^ajt   sio   sunne  beorhtor  scan,  15 
]?onne  hio  a;fre  ler  seine;   7  hio  wjes  eall   utan   ymb-worpenu 
mid   pry-fealde   syldene   hrinje.     Mitte -öe  A^ustus  se   casere 
)?set  jeseah,   he  cisde  ofer  eall  ]?set  werud  7   cwa^ö:   *I)a3t  is 
Se-syne,  j^tet  J'is  is  hiofona  eyninjes  taeen,  pe  he  bim  beforan 
onsende ;  7  ic  wat,  pcet  sio  tid  nu  a3t-is,  *0  I^^^t  he  us  wille  on  20 
l'as  World  sesecan;  foröam  he  fram  fruman  middan-jeardes  sied 
wa38,  ...  on ")  oönwi  wund-rum,  pa  ymb  his  je-byrd  aeweden 
wairon  [fol  00*],  psct  ]?is  wäre  ytemest  J^ara  taena,  pe  seeoldon 
wesan  jeseepen,  ser  f'au-pe  he  on  pysne  middan-^eard  aeenned 
wajre.    Us  öonne  nu  je-dafenaö,   l^iet  we  }:>one  wuldor-fa3stan  25 
eyning,  se  us  his  tacn  swa  swiotolice  beforan  bim  sende.^)     7 
pR  hraöe   he   abead,  J^set  sended  wa^re  to  stowa   se-hwylcre, 
J^iara-l^e   to   his   riee   belumpe,   7  abeodan  het,  ösette  anra  se- 

0  Lies  sivylce. 

^)  Davor  ein  kleiner  Fleck.  Auf  der  Photographie  lälst  sich  nicht 
erkennen,  ob  Schriftzeichen  darunter  gestanden  haben,  etwa  .111.  (?),  oder 
ob  nur  die  Schrift  der  andern  Seite  durchscheint. 

^)  syrsandce^  statt  gyrstandce^  erscheint  auch  Z.  13. 

*)  iiber  der  Zeile. 

^)  Die  Schreibung  ß(e  für  pe  begegnet  nur  an  diesen  Stellen  der 
Handschrift,  ist  also  wohl  als  Schreibfehler  aufzufassen. 

^)  Ühei  cet-is  'steht  bevor'  vgl.  Archiv  f.  neuere  Sj^rachen  CXXII,  251. 

'')  Davor  ein  Fleck;  wohl  zu  buton  zu  ergänzen.  Vielleicht  ist  auch 
das  vorhergehende  he  in  hit  zu  verwandeln. 

*)  Hierhinter  fehlt  etwas. 

Studien  zur  engl.  Fbil.    L.  7 


98 

liwylc,  ]nira-f>e  on  earcern  wjcre,  pxt  se  waere  ut-forlajten,  7 
}?a-pe  oü  bendum  jesette  wneron,  pcet  öa  wseron  ealle  onlysede, 
7  p&öe  for  liiora  mauiu«  sceoldon  wesan  acwealde,  pcet  J?am 
eallum  wa^re  liira  feorh  ^ifen,  7  Ywt  eallu;w  scyldgum  wjeron 
5  hira  scylda  forjifene. 

7  ]^a  to  ]>XYQ  sylfan  nibt,  xr  morsen-steorra  up-eode,  Dryhteu 
wses  ge- boren  on  öysne  middan-jeard.  1^7  bine  geborene 
enslas  onfenjon  7  bine  sebfedon  7  bim  wundorlico  lof  sunjon 
7  swa   cwiedon:    'Wuldor   on    beannesse    "^ode,    7    on   eoröan 

10  sib  mannu)»  öses  ^odan  willan'. 

^'Mitte-öe  Herodes  se  cyning  je-ascode,  J'fet  Crist  wfes 
Seboren  on  Betblem  ludea  byrij,  be  bine  bet  secan  purb  ealle 
]?a  ma3^öa,  pxt  be  wajre  acweald.  Ane  daije,  air]'an-}?e  be 
Erodesi)    se    eyning    bete    ]^a    cild    cwellan,    Drybtnes    enjel 

15  Jctywde  losepe  on  jesyböe  7  cwaiö:  'Je-nim  Mariau  7  Hselend 
psdt  cild  7  fer  |^urb  l^ait  westen  to  E^yptum'.  losep  pR  dyde, 
swa  bim  beboden  wa3S.  ^^  {Mit) te-pe^)  by  ferdon,  by  cwomon 
to  sumum  scrafe  7  bie  Vf{oldon)^)  restan  on  bim.  Maria  |'a 
astas  of  Öam  nytene  btebbende  Hailend  ]:'?et  cild  on  bire  faiöme. 

20  l3an'    waii'on    ]?i'y    cnibtas    mid    losepe    7    mid    Marian    p'ffire 

Ps.-Mattliaei  Evangelium:  Kap.  13  ...  Et  ibi  peperit  masculum,  quem 
circumtlederunt  aiigeli  nascentem  et  natum  adoraverunt  dicentes:  'Gloria 
in  excelsis  Deo  et  in  terra  pax  hominibus  bonae  volnntatis'  [Luc.  II,  14] 

Kap.  17.  Videns  autem  Herodes  rex,  quod  illusus  esset  a  magis, 
inflammatum  est  cor  eius,  et  misit  per  omnes  vias  volens  capere  eos  et 
interficere.  Quos  cum  penitns  inveuire  non  potuisset,  misit  in  Bethleem 
et  occidit  omnes  infantes  a  bimatu  et  infra,  secundum  tempus,  quod  ex- 
quisierat  a  magis.  Ante  unum  vero  diem  quam  hoc  fieret,  admonitus  est 
loseph  in  somnis  ab  angelo  domini,  qui  dixit  illi:  'Tolle  Mariam  et  infantem 
et  per  viam  eremi  perge  in  Egyptum'  [vgl.  Matth.  II,  13].  Joseph  vero 
secundum  angeli  dictum  ivit. 

Kap.  18.  Cumque  pervenisseut  ad  speluncam  quandam  et  in  ea 
requiescere  vellent,  descendit  Maria  de  iumento  et  sedens  habebat  lesnm 
in  gremio  sno.  Erant  autem  cum  loseph  tres  pueri  et  cum  Maria  quae- 
dam  puella  [simul  AB]  iter  agentes.  Et  ecce  subito  de  spelunca  egressi 
sunt  multi  dracones,  quos  [videntes  pueri  prae  nimio  timore  exclamaverunt. 


1)  he  erodes  [so  die  Hs.],   was   an   sich  natürlich   durchaus  zulässig 
wäre,  ist  möglicherweise  durch  Dittographie  ans  herodes  entstanden. 

2)  Über  mit  ein  Fleck. 

3)  Teilweise  von  einem  Fleck  überdeckt. 


99 

fa3muan ^)  siöiende.    Semuin^a  j^a  ut-eodon  of  öam  scrafe 

manije  dracan,  pvct  .  .  .  .'^) 

[fol.56'']  '■'^denum,  hy  locedon  on  Ejypta  dune,  7  hie  wteron  swiöe 
Sefeonde.  7  mytte-)?e  hie  eomou  to  j^aire  eeastre,  hie  n;unigne 
euöne  ntL^fdon,  mid  hwam  hie  wunian  meahtou.  Hy  be-eyrdon 
to  J^ara  joda  teinple.  23-7  mitte-]'e  hio  ineode  ]\[aria  hicbbende 
HiX'lend  )';L't  cild  on  hyre  fiuöme,  call  (>a  dioful-sild  se-hrurou 
beforan  Marian  fotum,  7  hie  wa^ron  jelytlode.    ^^B'^t  mitte  wa38 

Kap.  22  ...  Hsec  illis  loquentibus  ecce  prospicientes]  videre 
cocpenint  montes  Egyptios  et  civitates  eins.  Et  gaudentes  et  exultantes 
devenerunt  in  finibus  Hermopolis  et  in  nnaoi  ex  civitatibiis  Egypti,  quae 
Sütinen  dicitur,  ingressi  sunt;  et  quoniam  in  ea  uulliis  erat  notus,  apud 
quem  potuissent  hospitari,  teuiplum  ingressi  sunt,  quod  capitolium  Egypti 
vocabatur.  In  quo  templo  trecenta  sexaginta  quinqne  idola  posita  erant, 
quibus  singulis  diebus  honor  deitatis  in  sacrilegiis  perhibebatur. 

Kap.  23.  Factum  est  autem,  cum  beatissima  Maria  cum  infantulo 
temphim  fuisset  ingressa,  universa  idola  prostrata  sunt  in  terram,  ita  ut 
omnia  convulsa  iacerent  penitus  et  confracta  in  faciem  suam;  et  sie  se 
nihil  esse  evidenter  docuenint.  .  .  . 

Kap.  24.  Tunc  Affrodosio  [Afrodisio  C]  duci  civitatis  illius  cum 
nnntiatum  fuisset,  cum  universo  exercitn  suo  venit  ad  templam.  .  . .  lUe 
autem  ingressns  templam,  ut  vidit  omnia  idola  in  faeics  suas  prostrata 
iacere,  accessit  ad  Mariam  et  adoravit  infantem,  quem  ipsa  in  sinu  suo 
portabat,  et  cum  adorasset  eum,  allocutus  est  Universum  exercitum  sunm 
et  amicos  suos  dicens:  'Nisi  hie  deus  esset  deorum  nostrornm,  dii  nostri 
coram  eo  in  facies  suas  minime  cecidissent,  neque  in  eins  conspectn 
prostrati  iacerent.   .  .  .   Nos  ergo  deos  nostros  quod  videmus  facere  nisi 


*)  Das  von  einem  Fleck  verdeckte  Wort  lautete  wohl  samod  (vgl. 
lat.  simul  iter  agentes  in  C).  Vielleicht  ist  auch  statt  pcere  fcetnnan  dem 
Latein  entsprechend  an  fcenine  zu  lesen. 

-)  Das  letzte  Wort  ist  unleserlich  durch  einen  Fleck.  —  Hier  fehlt 
in  der  Handschrift  mindestens  ein  ganzes  Blatt  (vgl.  S.  71  unter  Nr.  8) 
und  damit  der  alteugllsche  Text,  welcher  im  Latein  dem  Kap.  18  Zeile  5 
{quos  videntes)  bis  Kap.  22  Zeile  6  {prospicientes)  entsprechen  würde.  In 
den  fehlenden  Abschnitten  ist  erzählt,  wie  Jesu  die  Drachen  der  Höhle 
besänftigt,  wie  Löwen,  Panther  und  andere  wilde  Tiere  mit  ihnen  weiter 
durch  die  Wüste  ziehen  (Kap.  19),  wie  Jesu  eine  Palme  sich  niederbiegen 
heifst,  damit  seine  Mntter  von  den  Früchten  esse,  und  Wasser  aus  ihrer  Wurzel 
hervorquellen  läfst  (Kap.  20),  wie  er  einen  Zweig  dieser  Palme  von  Engeln 
gen  Himmel  führen  läfst  (Kap.  21)  und  die  Reise  auf  wunderbare  Weise 
abkürzt  (Kap.  22). 

7* 


100 

s?ed  Afradisio  l?am  bere-tosan,  he  J^feder  cwom  mid  ealle  bis 
werode.  7  he  wa3S  insarisende  on  l?a3t  templ,  7  he  jeseah  eal  \>a 
dioful-^ild  011  eoröan  liesan.  He  eode  to  Marian  pißve  fsemnan 
7  he  se-ba^d  Hallend  ]?a3t  cild,    7  he  spraye  to  ealluMi  bis  werode 

5  7  cwicö:  'pa3röe  Jns  Jod  ne  wajre,  nainise  }?iD5a  ura  ^oda  on 
byra  onsyne  sefeollon;  7  for)?an  us  is  )?earf,  pcet  we  don  swa 
ura  Äod,  }'yl?es  bis  yrre  7  deaöes  frecnes  ofer  us  cume.' 

25^fter  ]?an  öa  Dryhtnes  enjel  ait-eowde  losepe  7  Marian, 
7  bim  to  cwseö:    'Hwyrfaö   eft  to   ludea-lande;   ealle   syndon 

10  deade,  pa.-pe  sobton  ]??ene  cnibt  to  aewellanne'. 

Hffilend  pa  weox  7  he  wses  jestranjod  gaste;  7  rasejene 
7  snytero  he  wa3S  jefylled  mid  Jode  7  mid  mannnm.  Hirn 
anum  wuldor  7  weorö-mynd  on  worulda  woruld. 

Hwait  we  nu  je-hyrdon  secjan,  bwylcne-hwesu  dsel  ymb 

15  usses  Dryhtnes  jebyrd,  swylce  eac  ymb  \>a  wun,i)  }'e  he  on 
bis  cildhade.  2)  Utan  we  nu  eorne^)  tilian,  ]?set  we  pe  sekan 
syn  ponne  we  }?ylleca  bysena  usses  Dryhtnes  beforan  us 
recean  7  rsedange'^)  sehyraö.  Utan  we  bealdan  sybbe  7  lufan 
be-twiobs  us;  J^ionne  syldeö  us  Jod  eee  mede  set  ussum  ende. 


C. 

IX.  Vercelli- Predigt 

fol.  61a  — 65a. 

.ini. 

20  MEN  öa  leofestan,  manaö  ^)  us  7  mynsaj?  l?eos  haiige  boc, 

psdt  we  sien  senayndi^e  ymb  ure  sawle  l>earfe  7  eac  swa  ures 

cautius  fecerimus  omnes,  poterimus  pericalum  eins  indignationis  incurrere 
et  universi  in  interitum  devenire.  .  .  . 

Kap.  25.    Non   post  inultuin  tempus  dixit  ad  losepli:   'Revertere  in 
terram  Inda;  mortui  sunt,  qui  quaerebant  animam  pueri.' 

Varianten  von  Bodl.  340  fol.  35b  — 40^  (^B):    1   us  fortradiert  und 
von  späterer  Hand  vor  manaÖ  übergeschrieben  \  mynegad  \  syn       2  ytnbe 


•)  Lies  ivundor  (oder  ivnndru). 
^)  Dahinter  ergänze  dyde. 
')  d.  i.  georne. 
*)  Lies  rcedinge. 

'")  Vgl.  die   auf  gleicher   Quelle  beruhende   Stelle   der  XLIV.  Ps. 
Wulfstan-Homilie  (ed.  Napier)  22513  —  226«. 


101 

YxB  nehstan  dji3Äes  7  pvcve  toseeadednesse  ure  sawle,  *)  ponue 
hio  of  öani  lichoman  lji3dde  bion.  7  Loten  we  us  siusallice 
bion  on  ^eiiiyndiu«  7  on  5e]'aDCum  ]^a.>s  eses-fullican  djcjes 
tocyme,  on  öam  we  sculon  Jode  riht  ajifan  for  ealles  ures 
lifes  d^udum,  pe  we  siö  oööe  ser  sefremedon  fram  fruman  ures  5 
lifcs  ende,  2)  foröan-|'e  we  nu  magon  be-hydan  7  behelian  ura 
dtcda.  Ac  bic  bioö  ]>ünDe  opena  7  iiawri^eua.  ForJ^an  we 
babbaö  micle  nyd-]'earfe,  J'a  bwile,]7e  we  her  syndon  on  pys 
la3uan  life  7  on  pyssnm  sewitendlieum,  pmt  we  ponce  on  pxre 
toweardan  woruld^)  msejeu  7  moton  becuman  to  life  pa38  10 
[fol.  61^']  beofonciindan  rices  7  to  pam  wundre  *)  j^a^re  ecean 
eadijoesse,  ]ner  we  moton  siööan  orsorslice  lybban  7  rixian 
butan  allere  onwendeduesse  mid  bim  emne  swa  ure  Dryhten 
Hailende  Crist  7  rnid  eallum  bis  bal^um,  jif  we  bit  jearnian  ^) 
willaö  mid  mwm  sodum  djedum.  15 

Nis  j'onne  nainises  mannes  jemet,  pset  be  ma^je  asee^an 
l'ara  soda  7  j^ara  yönessa,  pe  Jod  bafaö  ^e-earwod^)  eallum, 
]\am-)'e  biue  lufiaö  7  bis  bodu  bealdan  willaö  7  gelsestan.  Jif 
J^jet   l^onne   biö,  j^'ct  we  willaö  wyrcean   bis  willan   7    on  bis 


1  pcere  von  späterer  Hand  geändert  in  Jxes  \  tosctadednesse  ist  aus- 
radiert; dafür  von  anderer  Hand  am  Rande  ^e-dales  |  üra  sdwla  2  heo  \ 
lichanian  \  ^elcvdd  \  bion]  biÖ  B  \  y  Iceton  ife]  auf  Rasur  uton  Icetan  B  | 
sw^allice  ist  ausradiert;  darüber  von  anderer  Hand  l  cefre  B  3  beon  \  on 
gemynde  7  07i  gepance  \  ful  in  egesfullican  ausradiert  B  4  sceolon  \  agifan 
i  von  späterer  Hand  in  y  korrigiert  B  5  fruman  von  ganz  späterer  Hand 
korrigiert  in  frymeöe  B  6  ende]  oÖ  done  ende  B  i  behydan  7  fehlt  B  | 
ure  7  hi  beoö  \  opene  7  ünivrigene  \  Foröan  8  miede  \  on  Öysum 
IcBnan  9  Öysum  \  öcere  10  tvoriilde  magen  11  dam  tvuldre  \  ecan  \ 
12  eadipiysse  \  sydöan  orsorhlice  libban  13  buton  celcere  dwendednysse 
mid  ürum  drihtne  hcelendmn  criste  14  ;geearninn  15  uriim  ist  aus- 
radiert B  16  über  gemet  von  späterer  Hand:  l  mceö  B  |  /te  f.  B  17  ealle 
pa  [a  über  der  Zeile]  god  -]  pa  ednysse  \  gegearewod  18  bebodu  19  ponne 
jbset  I  xoyrcan 


0  Lies  ura  saivla  (B)  wegen  des  folgenden  Plurals,  den  ß  allerdings 
wegen  des  anglischen  hio  (Plur.)  in  den  Singular  verwandelt  hat. 
^)  Lies  (wie  Hs.  B) :  oÖ  öone  ende. 
^)  Lies  tvorulde  (B). 
*)  Lies  widdre  (B). 
*)  Lies  geearnian  (B). 
^)  Lies  gegearwod  (B). 


102 

lufe  jnirh-wnniaD,  J^onne  mason  we  <T3Öer  je  us  heofonrice  je- 
earnian  je  öonne  eac,  |'?et  we  ma^ou  se-sjieliÄlice  befleon  ]?a 
stowe  7  pa  dimman  tintresan,  ]'a3r  belle  dioflu  on  syndon  mid 
eallum  hyra  wea-je-siönm  7  mid  pam  sawlu???,  l^e  hyra  \anwi 

5  hlystaö  7  be  byra  larum  lybbaö  7  to  ^ode  ge-cyrran  nellaö 
Jnirb  soöe  andetnesse  m^esse-preosta  7  ]mrb  soöe  böte,  swa  se 
hale^a  lareow  cwa^ö:  'Wa  la  öam  manaivw,  j^e  sculon  mid 
dioflu?»  babban  seardunsstowa ;  i)  foröam  p'xr  is  sar  butan 
frofre,   7  pscv  is  yrmö   butan  are,   7   pser  is  weana  ma,   ponne 

10  bit  a3ni5  man  wite  to  asecganne,  swa  bit  on  "Öam  sealme  by 
öam  awriten  standeö'.  He  cwaeö  se  sealm-seop  [Ps.  VI,  6]  pmh. 
Drybtnes  jife:  'Hwylc  man  is,  2)  j^tet-te  be  sie  Drybtues  je- 
myndij,  oööe  hwylc  is,  ösette  byne  on  belle  andette!'  7  se 
sealm-seop  us  san^  ]?is  be  deaöes  onlienesse  7  be  helle  jryre. 

15  ponne  syndon  ]n-j  deaöas  liornode  on  hocmn :  pcet  is  ponne 

se  {cresta  deaö  ber  on  worulde,  pcet  se  man  se-öe^)  mid 
ma^nesu»^  synnuw  ofer-bealden  biö.  ponne  [fol.  6^"]  is  se 
aeftera  dea}?  psere  sawle  jesceadwisnes  *)  7  lieboman.    ponwe 


1  heofona  nee  2  Öonne  fortradiert  B  3  deoflu  4  mid  eallum 
hyra  iveagesidum  7  fortradiert  B  |  hyra  larum]  nu  [über  der  Zeile]  him  B 
5  hyra]  heora  B  |  lihbad  6  andetnysse  \  mcessepreoata  f.  B  |  vor  hote 
von  anderer  Hand  übergesclirieben  dced,  also  do'dhote  meinend  B  7  haJga  \ 
hinter  lareow  übergeschrieben  von  anderer  Hand  Dauid  B  |  la  fortradiert  B  | 
sceolon  8  deoflum  \  eardun^  stöwe  \  forban  \  buton  9  buton  |  loeana] 
tvammge  B  10  asecgenne  |  by  dam  f .  B  11  standeö]  Stent  (korrigiert 
aus  standeö)  B  |  sceojJ,  darüber  von  späterer  Hand  Dauid  B  12  drihtnes  \ 
hioilc  I  is]  is  on  deaöe  B  |  ^aet  he  sy  drihtnes  13  Öcette]  pe  auf  Rasur  B  | 
hine  \  andette  ist  durchstrichen  und  darüber  von  späterer  Hand  geschrieben 
IncemnieB  \  7  ausradiert  14  onlicnysse  von  anderer  Hand  in  gelicnysse 
korrigiert  B     15  geleornod  von  späterer  Hand  korrigiert  in  ge-rced  B     16  se 

de  f.  B        IT  md7ie^mn  \  oferhealden  biÖ]  for biö  radiert  und  von 

späterer  Hand  korrigiert  in   biÖ   [über  der  Zeile]   for-ivorht  tciÖ  god   B 
18   deaö  \  gesceadwimes]  ^edal  auf  Rasur  B   |  pces  lichaman 


1)  Lies  eardungstowa  (vgl.  B). 

^)  Lies  mit  B :  is  on  deaÖe  [■=  Psalm  VI,  6 :  Qaoniam  non  est  in 
morte,  qui  memor  sit  tui;  in  in  ferne  autem  quis  confitebitur  tibi?] 

^)  Streiche  se-öe,  wie  in  B. 

*)  gesceadwisnes  'Klugheit'  pafst  nicht  in  den  Zusammenhang.  Lies 
gescead  'Trennung'.  Der  Korrektor  von  B  bietet  gedal  (auf  Rasur),  was 
wohl  nur  eine  Konjektur  darstellt. 


103 

is  se  j^ridda  deaö,  ^xt  pa,  sawla  sciilon  eardijan  on  helle,  |??ßr 
nis  nfenis  man,  J^a^tte  ma33e  his  scippend  herijan,  for  öam  sare, 
])e  him  onsitet.  i) 

Emne  swa  öa  l'ry  deaöas  syndon  fyren-fulra,  swa  J^^enoe 
gyndon  preo  lif  be  öam  soö-f;t'stum:    an  lif  is,   J^jet  he  biö  on    5 
fla^see;   ponne  ia  oöer  lif,  öait  biö  on  ^odes  wuldre;    7  Jn-idde 
lif  is  on  j^a^re  toweardan  wonilde  mid   eallum  hal^um.     7  se 
deaö    is    |>icnne    for]\an   to   ondricdanne,    foröan   hine   ne   ma^3 
namis   man   for-flion.     7   se  deaö  is  nyöer-lic;    7  he  is  forj'an 
nyöer-lic   se   deaö:    J^eah   se   man   je-wite   in    öa   neowelestan  10 
seiafa    7    on   ]^a   deoppestan   dene,   pe   on    middan-jearde    sy, 
):'onne   sceal   he   [»eah-hwa^öere  sweltan.     And  se  deaö  is  for- 
J^am  uplic:   peah  se  man  astije  ofer  ]?one  yfemystan  dad  psea 
hyhslan   holtes,   swa-]>eah-hwa3Öere    hiene    se   deaö   ge-seceö. 
And  se  deaö  is  swiöe  manij-fealdlie  7  e^eslic;  7  he  is  forJ^an  15 
ma^nii-fealdlic:  ]'eah  se  man  eardije  in  middiim  bursum  7  on 
midre  his  ma?5Öe  7  be-tweox  hiind-teoute^um  jnisenda  manna 
l^onwe  sceal  he  hwa^öere  sweltan.     7  se  deaö  is  forj'an  e^eslie, 
J^a^t  na^ni^  man  swa  feor  ne  je-witeö  nt  on  westen  7  swa-l?eah 
he  ne  mivj  J'one  deaö  for-flion.    Se  deaö  is  jionlic, 2)   foröan-  20 
\>e  cild  ewelaö'^)  7  unmajan.     7  se  deaö  is   freolic  7  deoplic, 

1  sceolon  earclian       2  nceni^  korrigiert  in  nan  B  |  scyppend  lierian 
3    onsiteö  durch  Radieren  geändert  in  onsit  4    da  f.B  |  fyren-fulra] 

auf  Rasur  von  späterer  Hand  sen-fal-lum  manmim  B  |  ßcenne]  auf  Rasur 
von  späterer  Hand  eac  B  ö    be  fortradiert  B  6  pxt  he  \  iculdre] 

weorce  B  7  dcere  8  pCBtine  forpan  f.  B  |  ondra;denne  9  iicenig] 
ndn  B  |  mann  \  for-fieon  |  7*  ausradiert  |  niöerlic  \  7^  f.B  10  foröan  niderlic  \ 
i7i]  on  B  11  scrcEfu  |  öa  \  dcene  \  middan  earde  \'l  ponne  sceal  /le] 
he  sceal  B   |  sweltan]    deaÖe  sioeltan  B  13   forÖan  upplic  \  yfemestan 

14  hyhstan  f.B  ]  hiyxe  \  gesecÖ  15  mceni^-fealdlic  |  forÖan  16  in] 
on  B  17  middere  \  be-twux  |  hund-teonte^um  f.  B  \  pusetid  18  sweltafi] 
deaöe  siceltan  \  forÖan  19  f)cet  nceni;^]  durch  Radieren  und  Überschreiben 
von  späterer  Hand  geändert  in  foröanpe  [über  der  Zeile]  7ian  B  |  mann  \ 
^eicited,  radiert  zu  geivit  20  7  f .  B  |  forfieon  \  geornlic  mit  ausradiertem 
r  und  Akzent  von  späterer  Hand  über  e  B        21    iinma^on 


^)  Mischform  aus  angl.  siteö  und  ws.  sitt. 

*)  Dies  ^ionlic  (mit  Rasur  [r?]  vor  n)  meint  offenbar  gionglic  'jung'; 
doch  las  schon  der  beiden  Hss.  zu  Grunde  liegende  Text  ^ionlic,  da  B  ein 
geornlic  in  geonlic  bessert.  Auch  im  Ags.  Martyrologiiim  (ed.  Herzfeld  S.  156 
Z,  18)  liest  eine  Londoner  B.S.  geoidices,  wo  offenbar  geonglices  gemeint  ist. 

^)  l  aus  II  gebessert. 


104 

foitan  cynin^as  swelta]i  7  eae  l^eowe-men.  7  se  deaö  is  ]:'islie  1) 
7  snotorlic,  for-]'an-]^e  se-peowan  1)  sweltap  7  uöwitan.  Foröan 
se  deaö  is  iinrotlic  7  bliöelie,  for)\an  synfulle  swelta]'  [fol.  63^'] 
7  eac   hali.se;   j^y   hyö   wel   wyrö,^)   )?jct   se   deaö   sy  unrotlic 

5  fyren-fulluw  mannu?«. 

Forj^an  is  deaö  to  ondr.nedanne,  forj^an  he  ne  myrneö 
Seonsum.  Foröan  we  sculou  ure  sawle  georne  tilian  7  hy 
leornlice  Jode  jesearwian.  Ne  rnaes  ponne  eall  manna-eyn 
mid  hyra  wordum   ariman   J'a  god,   pe  Jod  hafaö   soöf?estiim 

10  sawlum  jeearwod  ^)  tojeanes  for  hyra  jastlieum  worcum,     7  se 
deaö  is  for)?an  to  dr?edenne,  forj^an  ealle  ]'a  sedseledan  *)  sawla 

1  foröan  |  sxceltah  |  menn  \  Jnslic]  pristlic  B  2  vor  snortorlic  von 
späterer  Hand  ein  «w  übergeschrieben  B  |  forÖanöe  \  ^e-peowan]  dysige  B  | 
sivcltaÖ  3  blidlic  forÖan  |  sioeltad  4  bid,  mit  he  davor  von  späterer 
Hand  übergeschrieben  B  |  wyröe  \  unrotlic]  ünsnotorlic  B  5  fyrenfullum] 
senfullum  von  späterer  Hand  auf  Rasur  B  6  ForÖan  \  se  deaÖ  \  oti- 
drcedenne  foröan  \  myrnÖ  7  ^eonpmi\  geongum  ne  ealdum,  vor  ne  von 
späterer  Hand  übergeschrieben  mannum  B  |  sceolon  \  hy]  hioB  8  Jofie 
gegearwian]  ge-gearivian  to  '^odes  willaji  B  |  eal  mann  cynn  9  heora 
10  gegeareivod  \  heora  \  lücorcum  11  foröan  \  to  ondrckdende  foröan  \ 
gedoeledan  f.  B 


1)  gepeowan  als  Gegensatz  zu  xiöwitan  'Weise,  Älteste'  kann  wohl 
kaum,  wie  man  rein  etymologisch  annehmen  möchte,  "Mitsklavc"  bedeuten. 
Dagegen  würde  die  Bedeutung  "Verknechteter"  passen,  die  das  Substantiv 
doch  wohl  in  Anlehnung  an  das  Verbum  gepeowian  "  verknechten"'  gehabt 
haben  mag.  [Über  die  Verknechtung  bei  den  Angelsachsen  siehe  jetzt 
den  tiefgründigen  Artikel  bei  F.  Liebermann,  Gesetze  der  Angelsachsen,  II 
2.  Hälfte,  1912,  S.  707.]  Der  spätere  Schreiber  von  B  scheint  das  Wort 
nicht  mehr  gekannt  zu  haben,  da  er  dysige  'Törichte'  dafür  einsetzt,  — 
an  sich  kein  übler  Gegensatz  zu  uöwita,  aber  wohl  erst  spätere  Konjektur. 
—  Da  auch  im  vorhergehenden  Satze  auf  die  zwei  gegensätzlichen  Sub- 
stantiva  mit  gegensätzlichen  Adjektiven  hingewiesen  ist,  so  wird  sich  auch 
hier  das  unverständliche  pislic  auf  gepeowan  und  natürlich  snotorlic  auf 
uöwitan  beziehen.  Die  Lesart  von  B  (pristlic  'dreist')  entspricht  kaum 
dieser  Bedingung;  ebensowenig  die  naheliegende  Besserung  von  pislic  in 
wislic  'weise',  —  man  müfste  dann  schon  unwislic  lesen  Und  die  gepeoivan 
als  Repräsentanten  der  Umbildung  und  Torheit  fassen.  Vielleicht  ist 
daher  pislic  in  fnoivlic  'knechtisch'  zu  bessern,  das  wenigstens  m  einer 
Hs.  der  iElfricschen  Grammatik  (ed.  Zupitza  55 1)  erscheint. 

2)  Lies  tveorÖ  oder  mit  B  ivyrÖe. 
')  Lies  gegearwod  (B). 

'')  gedoeledan  ist  wohl  besser  mit  B  zu  streichen. 


105 

hio  1)  d.ielet^.  1)  7  j'onne  bii"^  ealliim  cuö,  Inet  sio  sawl  jedeö 
beforan  hire.  7  {^onne  hwa;öere  biö  beforan  hyre  semeted  swa 
jod  swa  yfel,  swa  he  2)  jcr  ÄC-t'arnod  ha^fde. 

Is  US  eac  ]?onne  to  beliealdanne,  pxt  we  nu  onwarijan 
f>one  to-cyme,  3)  pxt  hira  ne  sy  to  feala.  ponne  is  \>(et  a^rest  ■*)  5 
Sedal  wiö  ealliim  bis  freondum;  foröam  bim  iia'ni,-^  jcfter  ne 
wedeö,  5)  j^a^t  bim  amij  to  cyrae.  /Ejbwylcre  sawlo  bic")  on- 
siindriim  to-seyred;  7  sio  biö,  swylce  byre  se  licboma  sei'  je- 
worhte.  I)onne  breoweö  hyre  swiöe  ]'a  yfelan  d:i;da;  7  J>onwe 
hie  hit  awendan  ne  magon,  j'oane  ncllaö  hie.  ß)  7  öoniie  is  10 
I^jet  jnidde  sedal  wiö  ealluw  coro  -  warum ;  forj^an  he  nrefre 
eft  to  eortVwarum  ne  se-hwyrfeö.  Ne  biö  funden  beforan  bim, 
ne   huru   aifter   boren,')    buton    he    ier    bis    jast   mid   jodum 


1  hio  dceled]  he  to-d(ded  B  |  sco  saivul  2  hwceöcre  fortradiert  B  | 
hire  \  ^emctcd  f.B  3  hinter ^dfZ  ein  7  zwisebengefiigt  B  |  he  cer]  heoB  | 
hcefö,  von  späterer  Hand  gebessert  in  hceföe,  d.  i.  hcefde  4  eac]  f.  B  | 
hehealdennc,  darüber  von  späterer  Hand  ivarnie7me  B  |  poet  we  nu  on- 
tvari^an  ßoiie  tocyme  pcet  hira]  pccra  yfcla  j  ßcera  ibnihtaB  5  to  fela] 
ealles  to  fela,  dahinter  übergeschrieben  von  späterer  Hand  mid  us  B  | 
ponne]  Forban  B  |  cereste  6  foröan  \  ncenig  durch  Radieren  geändert  in 
lidn  mann  \  cefter  ne  loedeÖ]  to  dan  siviöe  ne  ondrcet  (ans  ondrcedeÖ  korrigiert) 
B  7  him  (enig]  he  him  B  |  cyme]  ne  cunie  B  8  i^osci/rerZ  fortradiert, 
übergeschrieben  von  späterer  Hand  gedemed  B  |  sio]  auf  Rasur  von  späterer 
Hand  se  dorn  B  |  hyre  se  lichoma]  heo  hire  sylf  B  9  der  Satz  ponne 
hreoioiö  bis  nellaÖ  hie  fehlt  B  10  ponne^  11  forÖan  12  gehtvyrfeÖ 
hat  das  cö  ausradiert,  doch  vergafs  der  Korrektor  das  ö  einzusetzen  B  |  biö] 
biö  pa'r  B  13  boren]  geboren  ndti  göd  B  |  (er  f.  B,  doch  von  späterer 
Hand  am  SchUifs  des  Satzes  übergeschrieben 


^)  Lies  he  todceleö  (B). 

2)  Lies  heo  (B). 

^)  Wegen  des  folgenden,  sonst  schwer  beziehbaren  hira  ist  vielleicht 
statt  l)07ie  to-cyme  mit  B  /^cera  yfela  7  pcvra  unrihta  zu  lesen. 

*)  Lies  cereste  (B) ;  vgl.  pcet  pridde  gedal  (Z.  1 1)  und  pcet  feorde  gedal 
(S.  106  Z.  2). 

5)  tcedeö  'wütet'  ist  doch  wohl  in  tceneö  'wähnt'  zu  ändern.  —  Der 
stark  abweichende  Sinn  des  ganzen  Satzes  in  B  scheint  auf  den  ersten 
Blick  verständlicher,  ist  aber  wohl  kaum  ursprünglicher. 

")  Hierhinter  ist  etwas  fortgefallen :  aufser  einer  Ergänzung  zu  nellaÖ 
auch  ein  ganzer  Satz,  der  über  die  "zweite  Trennung"  handelte.  B  kann 
uns  nicht  helfen,  da  ihm  der  ganze  Passus  fehlt. 

')  Lies  boren  nan  god  (B). 


106 

weoreura  Sfifr.Ttewod  h.Tfde,  ]:'a  hwile  |^e  he  w;cre  mid  mannum. 
Donne  biö  ]i?ßt  feoröe  sedal,  pxt  hine  man  jedajle  wiö  pyssuw» 
eorlieu/u')  jnymme  7  plegan  7  l)lisse;  7  him  for  J'yssa  njeuesum 
ne  biö  ^lenj  witod.     l)omie  biö  hit  swa  ejeslic  for  J^a^re  biter- 

5  iiesse,  pe  on  him  biö  se-eyöed.  Forj^an  he  be-tyneö  pa  ea^an 
fram  je-syhöe  [fol.  63"]  7  pa  earan  fram  ^e-hyrnesse  7  ]m 
weloras  fram  spra^ce  7  pa  fet  fram  ^an^e  7  pa  handa  fram 
weorce  7  pa  njes-öyrelu  fram  stence. 

Donne  «fter  pon  be-tyneö  he  öa  scyldejan  on  helle.    Wa 

10  öam  ]'a3t  biö,  pcet  he  l:>onne  sceal  bion  betyned  on  helle. 

t)onne  is  leornod  on  bocnm,  j^a^t  on  l^ysse  worulde  syn  fif 
oulienessa  be  helle-jryre.  Sio  aereste  onlicnes  is  nemned  wriec;^) 
foröan  se  wraic  ^)  biö  mieeles  cwelmes  3)  seleum,  }?ara-pe  he 
to-cymeö;    foröan   hine   sona   ne   lysteö  metes  ne  drynces,   ne 

15  him  ne  biö  Iseten  jold  ne  seolfor,  ne  öa3r  ne  biö  seni^  wiildor 

2  ßonne  pi/stim  3  eorÖlicum  \  7  him  for  pyssa  ncenigiim  ne  bid  glceng 
icitod  fortradiert  B  4  hit  bid  |  Öcere  biternysse,  -se  fortradiert,  doch  von 
späterer  Hand  wieder  angefügt  5  foröan  he  bttyn  ö  6  gesihöe  \  ^ehyr- 
vysse  7  iceler as  8  nces-pyrlo  9  ponne  \  pan  \  betyned  fortradiert, 
darüber  von  späterer  Hand  ^edcet  B  |  scylde^an]  scyldi^an  säicle  B  |  der 
Satz  loa  pam  bis  betyned  on  helle  f .  B  11  geleornod  fortradiert,  darüber 
von  späterer  Hand  ^e^-ed  B  |  Sysse  12  onlicnys{se)^^~  von  späterer  Hand 
beidemal  korrigiert  in  gelicnys{se)  \  seo  \  nemned,  davor  von  späterer 
Hand  übergeschrieben  ^e  B  |  wroic']  uaerc  (beidemal)  B  13  cwealmes  \ 
pcera-pe  14  cymd  \  lysted  radiert  za  lyst  B  15  heten,  darüber  vom 
ursprünglichen  Schreiber  (?)  to  ge,  dahinter  übergeschrieben  ne  B  |  pcer  | 
cBnig,  von  späterer  Hand  korrigiert  in  nan  B 

^)  Lies  eorÖlicum  (B). 

-)  Lies  beidemal  tvcerc  (B).  Dafs  hier  das  anglische  ivcerc  'Schmerz' 
(s.  Jordan,  Eigentihnlichkeiten  des  angl.  Wortschatzes  S.  52)  gemeint  ist, 
lehren  die  folgenden  maskulinen  se  nnd  he.  Auch  sonst  verwechseln 
südliche  Schreiber  das  anglische  iccerc  mit  neutralem  wrcec  'Bedrängnis', 
wie  vier  Beispiele  bei  Jordan  S.  51  zeigen. 

^)  Obiges  cwelni  mit  dem  cwelm  des  Daniel  V.  668  sowie  das  cwylm  der 
Boul.  Prudentius-Glossen,  cwylm-bcere  ^5^1fric  Hom.  11,260',  Napiers  Gloss. 
I,  920,  cw€lm-b(Ere  Napiers  Gloss.  1, 4882,  XI,  83,  cwelm-bcernys  ^Ifric  Hom. 
I,  118^  und  Gramm.  82'*  {cwcelmbcernys  Hs.  U),  civylmnes  Beda  IV,  9 
Hss.  BO  Ca,  gecivylmful  Haupt-GIoss.  428,  gecivelmhceran  Hanpt-Gloss.  470 
lehren,  dafs  cwelm  nicht  Verschreib ung  für  cwealm  ist,  sondern  dafs  wir 
neben  dem  0- Stamme  cwealm  auch  ein  i-umgelautetes  cwelm,  cwylm, 
cuicBlm  anzusetzen  haben,  das  entweder  einen  i- Stamm  darstellt  oder  Ein- 
flufs  des  Verbums  cwylman  aufweist. 


107 

mid  bim,  ]\T>t  he  fore-wyiisumise,  j^eah  bim  syudon  calle  wuldor- 
dreamas  to-^e-laidde.  ponne  is  Inere  a^fteran  belle  onlicnes  ge- 
uemned  ofer-yldo;  forj'an  bim  i)  amolsniaö  j'a  ea^an  for  öjcre 
ofer-yldo,  öa-]'e  wasron  jleawe  on  je-syböe.  7  f>a  earan  adim- 
miaö,  öaöe  'Mt  meabton  jebyran  fncsere  sansas;  and  sio  tun^e  5 
awistlaö,  2)  pe  an*  bjefde  gerade  sprajce;  7  pa  earan  aslapaö,^) 
pe  8ßr  wa3ron  ful  swifte  to  je-byranne;  7  pa  banda  awiudaö/) 
]?e  scY  hjofdon  fnl  hwate  fin^ras,  7  ]^(et  feax  afulaö,  ^)  pe  a;r 
■w»s  on  fullere  wa}stme;  7  pa  teö  ajeolewiaö,  J^a-pe  Wicron^) 
bwite  on  bywe;  7  )v/'^  oroö  afulaö,  ]'e  wiies  ;er  swete  on  stence.  10 
Don?ie   is   pjcre  priddan   belle   onlicnes  her  on  worulde   deaö 

1  pcet  he  foreicyvsumige  radiert  und  von  späterer  Ilaud  geändert 
in  nc  nan  Kc^nsumnes  B  \  sy7ulo7i]  sijn  B  |  iculdor-dreamas]  woruld-drcamas 
B  2  onlicnys  von  späterer  Hand  korrigiert  in  gelic::ys  B  3  oferyld. 
fordan  4  ofer-ylde  |  öa-pe]  pa  B  |  ^e-sihöe  5  paöe  |  militon  |  san^as] 
sav^es  B  |  syo  6  mvystlaÖ  |  7  j6a  ecraw  bis  ^0  gehyranne  f .  B  8  /"«Zi  | 
/eoj  I  afidad}  afeaUcd,  das  e  fortradiert  B  9  fulre  \  ageohviaÖ  pa-de  ] 
wceron]  (erwccronB  10  hnve  \  pcet  f .  B  |  oraö  |  (Er  rcces  B  11  ponne  | 
onlicnys  von  späterer  Ilaud  korrigiert  in  geliaiys  B 


')  Der  lange  Satz  /n'»?  amolsniab  bis  sfeHce  (Z.  3 — 10)  steht  in  leicht 
abweichender  Form  in  der  Ps.-Wulfstanschen  Houiilie  XXX,  ed.  Napier 
14729  —  HS':  hhn  amolsniaö  and  adunmiad  pa  eagan,  pe  (hr  icceron  beorhte 
and  gleatve  on  gesihde;  and  seo  tunge  awistlaÖ,  pe  cer  hcefde  gelinge  sprcece 
and  gerade;  and  Öa  earan  aslaiciad,  pa-pe  cer  woiron  fid  sicifte  and  hrcede 
to  gehyrenne  fcegere  dreamas  and  sa7igas;  and  pa  handa  awindaö,  pa-Öe 
a;r  licefdon  ful  hiccete  fingras;  and  pcet  feax  afealled,  pe  cer  leces  fceger  on 
hitoe  and  on  fulre  iccestme;  and  pa  teÖ  ageolwiaÖ,  pa-Öe  wceron  cer  hivite 
on  hiice;  and  pcet  oreö  stincÖ  and  afulaö,  pe  cer  wces  swete  on  stence. 
[Der  dann  folgende  Satz  steht  ähnlich  in  der  IV.  Vercelli-Predigt  fol.  IG^.] 

*)  aicistlian,  wie  beide  Ess.  und  Ps.-Wulfstan  lesen,  wird  ahwistlian 
'zischen'  meinen.  Doch  vgl.  Hatton  115  f.  142'^  (Napier,  Contribiitions 
S.  33S) :  Seo  tunge  aivlyspap,  seo-pe  cer  licefde  ful  recene  sprcece. 

^)  Wegen  des  folgenden  swift  ist  wohl  besser  aslaioiaö  'werden  träge' 
(mit  Ps.-Wulfstan)  als  mit  unserer  Hs.  aslapaÖ  'schlafen  ein'  zu  lesen.  In 
B  fehlt  der  Satzteil. 

*)  Ich  fasse  awindan  hier  als  'sich  krümmen,  krumm  werden'.  Toller 
nimmt  fiir  die  Wulfstan-Stelle  eine  besondere  Bedeutung  'to  becomc  weak' 
an  und  denkt  au  eine  Verschreibung  fiir  asxoindaö,  was  mir  aber  wegen 
der  Übereinstimmung  zwischen  Wulfstan  und  unseren  beiden  Hss.  nicht 
wahrscheinlich  dünkt. 

^)  afulaö  ist  heraufgenommen  aus  dem  Folgenden  (Z.  10).  Lies  mit 
B  und  Wulfstan:  afecdleö. 

'')  Lies  cer  wceron  (B  nnd  W). 


108 

jenemned;  for}'an  pomie  se  mau  sceal  sweltau,  ]'onne  swyrceö 
bim  fram  ]?a3S  biises  hrofe,  öe  he  inne  biö;  J^oune  nis  iiaini^ 
streu^o,  ]'{Tct  hine  arare,  foröan  be  ne  biö  jelust-fullod  metes, 
ne  be  ue  symeö  J^ysses  eorö-liean  riees  torbtnessa.  Donne  is  öa3ve 
5  feoröan  belle  onlienes  byr^en  [fol.  03'']  uemned;  forl^an  pxä 
bnses  brof  biö  nemned,  i)  ]'e  bim  on-ufan  öam  breostum  siteö, 
7  bim  mon  ponue  deö  bis  jestreona  j^one  wisestau^)  da;!,  j''iet 
is,  ]Het  bine  ne  swiceö  on  nanum  rejule.  Hafaö  bim  J'onue 
syööan  pry  jebeddan,   J?aet   is   ponne  jreot  7  melde  7  wyrmas. 

10  ponne  is  losere  fiftan  belle  onlienes  tintreja  je-nemned;  foröan 
J'Hinne  nis  nainis  man,  pxt  mscge  mid  bis  wordum  aseegan,  bu 
myeel  psßve  fiftan  belle  sar  is.  7  peab  .vii.  men  sien  7  }?ara 
ba;bbe  a?5bwylc  twa-7-bund-siofonti3  jereorda  7  3)  swa  feala, 
8wa  ealles  ]?ysses  middan-geardes  jereorda  syndon,  and  l^'onne 

15  sy   l:'ara   seofon   manna   ajjhwyle   to  alife-')  jesceapen  7  byra 

1  foröan  \  gesrvyrceÖ,  das  zweite  e  fortradiert  B  2  pe  \  ncenig,  durch 
Radieren  geändert  in  nan  B  3  strengöo,  mit  fortradiertem  Öo  B  |  ^elust- 
fallad  4  ^yind  pyses  |  torJitnesse]  to  brucennc  B  |  ponne  \  Heere  f.  B, 
aber  als  pccre  von  ganz  später  Hand  übergeschrieben  B  5  onlicmji  von 
späterer  Hand  korrigiert  in  .^c^icH^s  B  |  byri^en  |  ^e  vor  nemned  von  späterer 
Hand  übergeschrieben  B  |  foröan  6  nemned']  gehneged,  das  zweite  e  von 
späterer  Hand  in  ce  verwandelt  B  |  siteÖ  radiert  zu  sit  7  man,  von 
späterer  Hand  geändert  in  mce  B  |  deÖ  f.  B,  dafür  aber  von  späterer  Hand 
übergeschrieben  of  \  ivisestan]  wyrsestan  (n  von  späterer  Hand)  B  |  dcel] 
doel  (ge)iHynt  (ge  von  späterer  Hand)  B  8  pcet  hine  bis  gebeddan,  pcet 
is  f.  B  9  moldan  10  onlicnys  von  späterer  Hand  korrigiert  in  geliaiys  B 
11  ponne,  aber  durchgestrichen  B  |  nceni^]  ndn  B  |  mann  12  micel  | 
seofan  |  wen  f.  B,  aber  von  späterer  Hand  übergeschrieben  |  syn  13  ob^- 
hwylc]  cele  vor  ha^bbe  B   1   LXXII.    |    7  ^  f.  B   |   fela  14   siva  f.  B    | 

pyses  I  middan  eardes  \  syndon  vor  ealles       15  pcera  seofan  \  to  alife]  d 
to  life  I  heora 


1)  nemned  ist  heraufgenommen  aus  dem  Vorigen  und  Folgenden. 
Lies  ^ehnce^ed  (B:  gehne^ed). 

^)  Dies  ivisestan  ist  wohl  richtiger  als  wyrsestan  in  B. 

3)  Streiche  7  (B). 

^)  Dieses  sonst  nicht  belegt  to  alife  —  die  Lesart  von  B  (a  to  life) 
ist  offenbar  nur  die  Konjektur  eines  jüngeren  Kopisten  —  mufs  dem 
Zusammenhange  nach  dasselbe  bedeuten,  wie  das  etymologisch  gleiche 
an.  at  ei -Ufa  (noch  nisl.  aö  eiUfii),  nämlich  'für  alle  Ewigkeit'.  Wenn 
man  auf  Grund  dieser  Stelle  schwanken  kann,  ob  man  fürs  Alteuglische 
ein  (dem  an.  ei-Zi/V 'ewig'  entsprechendes)  Adjektiv  ae.  ällf  'ewiglebend' 
oder  ein  (mit  an.  ei-lifi,  ei-lifd  vergleichbares)  Substantiv  ae.  rdif  'ewiges 


109 

hicbbe  aesbwylc  siofon  tun^an  7  f»ara  tun.5eaa  ailc  lijubbe  iseiie 
stemne,  7  i)  ponne  bwicAre  iie  inaÄOU  )?a  ealle  ariman  belle- 
witii.  7  emne  swa  mycel,  swa  frara  beofenes  brofe  is  to  j'ysse 
eoröan,2)  j'onne  is  leornod  on  balgum  bocuni,  J'iet  sio  bei  sie 
swyle^)  twa^)  deop  7  nis  na  öe  unvvidre.  pjet  bus  is  mid  5 
swiöe  onsrist-liee  frea'-)  afylled  7  belle-hus  bafaö  forclas 
raiele.  Se  nama  is  to  se-J'cnceanne  jcleuiii  men,  butau  bwius 
beorte  sie  mid  diofles  strahle  )nirb-wreeen.  Forj'y  nis  nan 
mau,  j'iet  be  J'onwe*')  awoj  bine  astyrian  msese;  7  foröam 
is    mycel    l?earf   aisbwyleum    men    to    onwari^anne,    l'aw-l'e  10 

1  seofan  \  pcera  \  isene  von  späterer  Uaud  korrigiert  in  a7ie  B 
2  ponne  von  späterer  Hand  korrigiert  in  peak  B  |  hwceÖere  |  pa  [fortradiert] 
ealle  hinter  hwadere  B  3  neben  witu  am  Rande  von  späterer  Iland 
^rere  \  7  emne  f.  B  |  sica  niicel  siva  fram  lieofones  hrofe  is  to  öyssc  eoröan 
hinter  bocum  B  4  gcleornod  korrigiert  in  ^ered  B  |  seo  hell  sy  swylce 
5  de  fortradiert;  dafür  vor  na  von  späterer  llsrnd  py  übergeschrieben  B  | 
ünividdre  6  onp-istlice  frea]  egeslican  [auf  Rasur  von  späterer  Hand]  fyre 
B  7  miede  \  ^epencenne  \  menn  \  buton  \  hwces  von  späterer  Hand 
korrigiert  in  liys  B  8  sie]  seo  hinter  streue  B  |  deoßes  \  f'oröan  \ 
mann  9  hoi  \  ponne]  hanon  B  |  awe^  ausradiert  B  |  foröan  |  micel 
10  menn  \  onivari^amie]  warnianyie  B 


Leben'  ansetzen  soll,  so  wird  dieser  Zweifel  gehoben  durch  einen  zweiten 
Beleg  in  unserer  Homilie  (Z.  115  Z.  2) ,  wo  ällf  klärlich  Substantiv  ist : 
/jOT  bid  eallum  haljum  auf  sceapen.  Andere  ae.  Komposita  mit  ä  'immer' 
sind  Wühl  ä-breinende  (Crist  V.  387),  ä-libbende  und  ä-ivuni^ende  (Bückling 
Hom.  109^),  bei  denen  der  kompositioneile  Charakter  allerdings  nicht  so 
sicher  ist. 

^)  Dieses  7  ist  vielleicht  zu  streichen. 

2)  Falls  nicht  eine  plumpe  Nachahmung  einer  lateinischen  Periode 
vorliegt  —  was  mir  durchaus  wahrschelulich  — ,  wäre  dieser  Satzteil  wohl 
besser  in  den  Objektsatz  einzubeziehen,  wie  die  Stelle  bei  B  auch  tat- 
sächlich überliefert  ist:  ponne  is  leornod  on  hal^um  bocum,  poet  emne  swa 
mycel,  sica  fram  Jieofenes  hrofe  is  to  pysse  eorÖan,  sio  hei  sie  sivylce  tica 
deop.  Derselbe  Satz  erscheint  in  der  XXX.  Ps.-Wulfstanschen  Homilie 
(ed.  Napier,  146"*"):  We  habbad  gerced  and  geleornod  on  halgumböcum, 
Pcet  swa  mycel,  siva  ys  fram  heofontim  to  pissere  eorÖan,  Poet  seo  hell  ys 
twä  stva  deop  and  heo  ys  ealsioa  ivid  eac. 

*)  Lies  sivylce  (B). 

*)  Über  die  Kardinalzahl  als  Multiplikativ  s.  Zupitza,  Archiv  f.  neuere 
S2)rachen  LXXXIV,  123.  Beispiele  auch  bei  Bosworth-ToUer  S.  1022  unter 
Nr.  IV. 

5)  Lies  fyre  (B). 

^)  Vielleicht  ist  mit  B  panon  zu  lesen. 


110 

a?ni3   andjit   habbe  oöö  i)  wisdoraes  aioisne   d?el,   pxt  he  |?i8 
symle  ha^bbe  od  ^eiiiyndu;«  pxve  esesfallau  stowe. 

ForJ^an,2)  jif  bwyle  man  biö  on  belle  ane  niht,  j^onne  biö 
bim  leofre,  jif  he  J^anon  mot,  J'a^t  be  bangie  siofon  Jausend 
5  wiutra  on  J'am  len^estan  treowe  ufe-weardum ,  J?e  ofer  sie 
standet  on  pam  bybstan  sa^-elife,  3)  [hier  fehlt  ein  Blatt,  dessen 
Text  nach  der  Hs.  Bodl.  340,  fol.  3S'' — 5^"  folgendermafsen 
lautete :] 

[fol.  3S'']  7  syn  pa  fet  jebnndeue  to  5am  hehstan  teljan  7  pcet 
10  beafod  lianji^e  ofdün-rihte  7  pa  fet  uprihte.  7  liim  sije  ycet  blöd  üt 
]mrh  ]>Que  muö  7  hine  ponne  jesece  selc  pa^ra  yfela,  \>e  sefre  on  helle 
sy,  7  hiue  selc  yö  jesece  mid  pam  hehstan,  pe  seo  s^  forö-brinsö,  7 
peah  hiue  selc  tor  jesece,  pe  on  eallum  clyfnwi  syndon,  ponne  wile  he 
eall  ]ns  [luflice]  *)  jTowian,  wiöSau-pe  he  nsefre  eft  helle  ne  je-sece. 
15  Wa  [biö]*)  )7am  mannum,  \>e  beoö  se[teohhode]  =)  to  Ösere  stowe;®) 

1  oÖÖe  2  ge-myridum,  von  späterer  Hand  korrigiert  in  ^e-mynäe  B 
3  foröan  \  mann  4  .YII.  5  öam  6  standed,  korrigiert  in  stcent  B  | 
on]    y  on  B  |  dam  hehstan  \  sck-clyfe 

1)  Lies  oiöe  (B). 

2)  Von  Z.  3  bis  S.  115  Z.  7  schöpft  der  Homilet  aus  einer  thebaischen 
Einsiedler-Legende,  die  uns  in  ausführlicherer  altenglischer  Form,  ebenfalls 
aus  dem  Lateinischen  übersetzt,  in  der  Cotton  Hs.  Tiberins  A.  III  fol.  87* 
bis  8Sb  vorliegt  und  von  Kemble,  The  Dialogue  of  Salomon  and  Saturmis 
(London  184S)  S.  84 — 86  (daraus  wiederholt  von  A.  von  Vincenti,  Die  ae. 
Dialoge  von  Salomon  und  Saturn,  Leipzig  1904,  S.  103 — 105)  gedruckt  ist. 
Die  gleiche  Einsiedler -Legende  ist  benutzt  in  der  Ps.-Wulfstanschen 
Homilie  XXX  (ed.  Napier  14(>^  —  14S**)  und  zwar  in  einer  altenglischen 
Form,  die  auch  dem  Vercelli- Homileten  vorlag;  denn  nur  so  erklären 
sich  bei  starken  Abweichungen  und  Auslassungen  mehrere  wörtlich  über- 
einstimmende Sätze  und  Satzfolgen;  vgl.  Verc.  oben  S.  lOT^^^"  =  Napier 
1472a— 148';  s.  1093-5  =  Napier  UG^^i';  S.  HO'*  =  Napier  140 1«; 
S.  UP-i«  =  Napier  146'3-2<;  S.  112^  =  Napier  147"-'«;  S.  112" -'^ 
=  Napier  147  i®^^^  Unsere  Vercelli-Homilie  liest  richtig  Salemanes  (statt 
Samsones)  und  bietet  auch  die  Stelle  über  Saturnes  dohtor  in  besserer 
Form,  die  zugleich  beweist,  dafs  das  Zusammengenanntwerden  von  Salomon 
und  Saturn  hier  nur  ein  Zufälliges  ist  (s.  S.  114*~^). 

^)  Dahinter  fehlt  ein  ganzes  Blatt  im  Vercelli-Codex.  —  Am  unteren 
Rande  der  Seite  steht  ganz  links  mit  sehr  schräger  Federhaltung:  writjms. 

*)  Fortradiert. 

^)  Fortradiert;  darüber  von  späterer  Hand:  l  tealde. 

")  Derselbe  Satz  steht  in  der  Ps.-Wulfstanschen  Homilie  XXX  (ed. 
Napier  146"):  Wd  byÖ  pam-pe  pcer  biÖ  geteohhod  to  and  dxr  symble 
wunian  sceal. 


111 

foröan  pxT  is  wop  buton  frofrc  7  hreow ')  buton  reste ;  7  pxr  biö  peow- 
dom  bnton  fr^o-dome;  7  peer  biö  uurotuys  buton  jefeau;  7  pser  biö 
biteniys  buton  swetnysse;  7  paer  bi(>  hi'in^or  7  J'nrst;  7  fser  biÖ  ^ranunj 
7  jeomruDS  7  micel  [fol.  39c]  wroht,  7  bi  wepaö  heora  synna  swirie 
biterlicuui  tearum.  7  on  heom  sylfum  beoö  ealle  heora  synua  ^esöne,  5 
J>a-Öe  hi  ser  ^eworhtou,  7  ne  maes  nän  oöres  jelielpan.  Ac  hi  ponue 
ousinnai^  sinjan  swiöe  sorli-fulue  sanj  7  swiöe  wependre  stemne:  'Nu 
we  ma;^on  sceawian  ealle  üre  synna  beforan  ealre  pysse  maeui^o,  j'eah 
we  hyo")  ealle  a3r  ;^e\vorhtou.'  Nc'')  biö  poer  ^esibbes  lafu  to  oörum. 
Nis  paer  nitni^*)  man,  pcet-')  paer  sy  bis  scyppeudes  semyudis  for  öam  10 
sare,  pe  bim  onsiteö.  7  paer  beoö  pa  sawle  forjyteue  ealra  pa^ra,")  pe 
hi  fer  on  6oröan  jemetton. 

Saejeö'')  hit  6ac  on  bocum,  ^(et  sum  deofles-jast  saede  anum  ancran 

ealle  helle -sereord"")  7  para  süwla  tintreja,   7  he , ")  ]ni't  call 

p6s   middan-eard '°)    naere   ]'e    märe   dr)'5es    landes   ofer   pone   micclan  15 
Sarse^c,  pe  man  ^nne  prican  aprycce  on  äuum  brede.     7  nis  ]'es  middan- 
eard'")  swilco  se  seofoöa  diel  ofer  pone  micclan  jarsecs,  se  mid  micclum 
6rma3tnyssum   ealle  ]'as   eoiöan   ütan  ymb-lijeÖ.     7  lytel   dtel  is  under 
heofonum  dryjes  landes,  pce^  hit  ne  sy  mid  jarsecje  ofer-urnen. 

9—18  Varianten  ans  Ps.-Wulfstan  [=  W]  XXX  (ed.  Napier  UGi^-a*): 
9    dcer  ne  by  byö  sybbes  W  10    nis]   atii  nis  W   |   ncenig]   cenig  W    | 

iget]  pe  W  |  his  scyppenäes  gemyndig]  getnyndig  drihtenes  celmihtiges  W 
11  him  onsiteö]  he  on  ivunaÖ  W  |  7  f .  W  |  sauia  W  |  ealra  pcera]  fram 
eallmn  pam  W  |  Öe  12  ^emetto7i]  cuöon  hinter  cer  W  13  hit  segö  W  | 
on]  on  halgum  W  |  sum  deoßes-^ast  scede]  an  deofol  arehte  W  1 4  helle- 
^ereord]  hellegryras  and  yrrnda  W  |  sdwla]  synfaha  sawla  W  |  tintregan] 
tintregan  and  susla  W  |  he  scede  W  |  ea^  W  15  driges  MV  \  mycelan 
garsecg  W  16  pe]  ponne  W  |  apricce  W  |  brede]  brädum  brede  W  | 
nys  W  17  swilce]  buton  (von  anderer  Hand)  sicylce  W  |  mycelan  W  | 
se]  se  Öe  W  18  ormcetnysse  W  |  öas  W  |  ymb-ligeö]  embliö  W  [d.i. 
tmbli^ö;  ein  embliöan  'Surround',  wie  Dood's  Glossary  S.  öG  ansetzt,  gibt 
es  natürlich  nicht]. 


')  Dahinter  von  späterer  Hand  nes  (also  hreownes). 

-)  Das  y  von  späterer  Hand  auf  Easur. 

^)  ^'e  biö  pcer  bis  ütan  ymbli^eö  (Z.  9— 18)  stimmt  wörtlich  zu  Ps.- 
Wulfstans  Homilie  XXX  (ed.  Napier),  S.  146  Z.  13—24,  so  dafs  ohen  die 
Varianten  gegeben  werden  konnten. 

■*)  Durch  Rasuren  korrigiert  in  nan. 

'")  Lies  mit  Ps.-Wulfstan:  pje. 

'^)  Darüber  von  späterer  Hand  pynce. 

')  Mit  unterpunktiertem,  also  getilgtem  e. 

^)  Vielleicht  mit  Ps.-Wulfstan  zu  lesen:  helle-gryras. 

^)  Auf  der  Rasur  von  späterer  Hand  scede,  wie  auch  Ps.-Wulfstan  liest, 

")  Lies  middan^eard. 


112 

Wä  bis  pam  sawlum,  pe  on  helle  beon  sceolon,  ^)  oröan-f'e  \>cet 
helle-hns  is  mid  swiöe  läölicum  sästum  afj'lled. 

Uton  we,  men  Öa  leofestau,  nü  we  syndon  je^aderode  on  öysne 
drihtenlican  dse^  .  .^)  we  .  .  .^)  for  Jodes  lufan *)  pcet  we 

5  [Verc.  fol.  64"]   be-flion   ]'a   helle -wita,   forl^an   liit  is   öicr-inne 
swiöe  sarlic  to  wunisanne. 

Ac  utan  ^e-earwian  ->)  us  nu  öa  mid  iune  -  weardum  je- 
bedum  7  mid  jjeste-dome,  ]'aet  we  ne  weoröan  aslidene  innon 
l'a  fyren-fullan  J'ystro,  ]^cet^)  synfuUum  sawlm»  is  je-earwod") 

10  on  helle  to^eanes.  Ac^)  utan  ]?ydan  us  to  ]\am  uplican  riee; 
foröau  psiT  is  psut  wuldor,  psßt  npenis  man  ne  masg  mid  bis 
wordum  asecgan  öa  wynsumnesse  |>?es  beofon-cundan  lifes. 
Daßi-  biö  lif  butan  deaj'e  7  goA  butan  ende  7  yld  butan  sare 
7  da33  butan  nihte;  and  l'ier  biö  je-fea  butan  unrotnesse  7  riee 

5  Hier  beginnen  wieder  die  Textvarianten  von  Bodl.  340 :  befleon  | 
helle-icitu  \  fordan  \  pcer-hme  6  über  io  von  späterer  Hand  7  sorlilice 
übergesclirieben  B  |  wimienne  7  Aci  ortradiert  |  uton  \  ^egearwian  \  Öa 
fortradiert  |  inweardum  fortradiert  8  ^ceste-dome]  gastlicum  dcedum  B  ] 
ivurda7i  I  aslidene]  auf  Rasur  ascofene  von  späterer  Hand  )  innon  pa]  i» 
öa  B  9  fyretifullan  fortradiert  |  ßsßt  von  späterer  Hand  korrigiert  in 
ße  I  is]  auf  Rasur  von  späterer  Hand  syn  |  gegeareicod{e),  -e  angefügt 
von  späterer  Hand  1 0  Ac  fortradiert  |  uton,  daliinter  tccecc  (?)  auf  Rasur 
von  späterer  Hand  |  pydan]  peodan  B  |  ms  f.  B  |  Öam  1 1  foröan-pe  \ 
pcet  von  späterer  Hand  korrigiert  iüpe  \  ncenig]  nan  B  |  mann  12  pa  wyn- 
sumnysse     13  pcer  j  buton^^^^^  |  deaöe  |  7^  f. B     14  buton^   ^  \  unrotnysse 


1)  =  Napier  147  ^^^i^:  wä  pam  saiohmi  biß,  pe  on  helle  beon  sceolon. 

^)  Auf  der  Rasur  von  späterer  Hand  poit. 

3)  Über  der  radierten  Stelle  von  späterer  Hand  übergeschrieben: 
Jiogian  georne.  Vielleicht  hatte  der  ursprüngliche  Schreiber  syn  geschrieben. 

*)  Zwei  Wörter  scheinen  fortradiert;  über  der  Zeile  von  späterer 
Hand  fid. 

^)  Lies  gegearwian  (B). 

•^)  Dieses  pset  lehrt,  dafs  das  Original  das  Neutrum  peostre  and  nicht 
das  Femininum  pystru  hatte,  also  pcet  fyretifulle  peostre  las.  Dafs  pcet 
nicht  etwa  Schreibfehler  für  pe  ist,  wird  dadurch  bewiesen,  dafs  auch  B 
ursprünglich  ^set  hatte. 

')  Lies  gegearwod  (B). 

®J  =  Napier  147^*^':  uton  us  warnian  ...  7  gepeodan  üs  to  Öam 
ujAican  riee,  foröatnpe  pcer  ys  seo  bliss  and  pmt  ivuldor,  pcet  nan  eorÖlic 
mann  ne  can  ne  ne  mceg  mid  his  wordum  areccan  and  asecgan  pa  wyn- 
sumnysse  and  blisse  pces  heofonlican  lifes. 


113 

butun  {ivveudednesse.  7  ne  j^'earf  man  niefre  ne  siiunan  ne 
monan  ne  nteni^es  eorö-liees  liohtes,  foröau  I'ut  is  se  ajlniih- 
tija  Drybten  seiuendra  7  liolitra,  ]?oune  ealle  oöre  Höht.  7 
psGT  a3fre  aspiinjaö  öa  wuldor-lioan  dreamas  7  |?a  }>iymlican 
sanjas,  öamöe  on  hyra  midlene  wioröan. ')  pjcr  biö  se  sweta  5 
stenc  7  sio  syn^alu  lufn  7  sio  wieusiimnes  2)  butan  ieleere  un- 
wynsumnesse.  Ne  pier  ne  biö  bunter  ne  öurst,  ne  eyle  ne 
bryne  ne  njenij  unwyusumnes  semeted. 

ponne  swa  ö;et  dioful  sjcde  )>am  aucran  be  belle  seryne, 
swa  be  bim  a)r  raide  be  beofena-riees  wuldre.    Swa  öiet  dioful  10 

1  buton  onwendednysse  \  pearf]  be-ßearfB  \  man  fortradiert  B  |  ncefre] 
pcer  ndfre  mannum  [a  von  späterer  Iland  aus  0?,  «'  aus  r]  B  |  ne  sunnan 
ne  monan  ne  f.  B,  dafür  Rasur  von  ca.  7  Buchstaben  2  nceni^es]  ndnes 
B  I  leohtes  3  drihten  \  scinendra]  beorhtra  auf  Rasur  von  anderer  Hand 
B  I  leohtra  \  höht  4  cefre]  ncefre  ne  B  |  asprin^aÖ]  ablinnaÖ  [b  aus- 
radiert] B  I  Jm  mindorlican  5  pampe  [a  von  späterer  Hand  korrigiert 
in  cb]  I  heora  \  twüZie«e]  auf  Rasur  von  späterer  Hand  j»t/r/(de  B  |  iviorban'] 
^ewurdan  möt  B  ]  sioete  ß  seo  shi^nle  \  seo  ivynsumnya  buton  7  ün- 
wynsumnysse  8   univynsumnys  gemet  9   Der  ganze  Abschnitt  von 

ponne  siva  ÖCBt  dioful  bis  heofena-rices  ivuldre  7  him  (Z.  9  S.  113  bis  Z.  18 
S.  114),  etwa  eine  Seite  umfassend,  fehlt  B.  Doch  kann  hier  zum  Vergleich 
und  zugleich  als  Probe  des  Verhältnisses  beider  die  auf  gleicher  Quelle 
beruhende  Tiberius-Homilie  herangezogen  werden  [Tib.  A.  III,  M.  11.  Jb., 
fol.  88,  ed.  Kemble  S.  85f., :  7  Öa  cwceö  se  deofol  to  dam  ancran  öa-git  Öus: 
Deah-Öe  sie  sum  smetegelden  dun  eal  mid  gimmum  asett  at  sunnan  up- 
^ange  on  neorxna-ivovge,  7  sie  donne  oferhlif^e  ealle  eoröan  bradnesse,  7 
Öcer  silte  Öonne  sum  cynebearn  an-ufan  Öcere  ^yldenan  dune,  7  he  sie  eac 
an-midan  his  fere  fe^ernisse  7  Ms  life,  7  he  mote  Öcer  sittan  a  oÖ  ende 
Ms  lifes,  7  he  haibbe  öonne  Samsones  (lies:  Salomones  s.  S.  114*)  wüte  7  his 
wisdom,  7  him  sie  eal  middangeard  on  ^eiceald  ^^eseald  mid  eallum  öam, 
iveltim  7  öam  woruld- ^estreonum ,  öe  heofen  behweolfeÖ  (d.  i.  behivelfan, 
kentisch  für  ws.  behwylfan)  abutan,  7  Mm  Saturnas  dohtor  (verstümmelt, 
s.  S.  114^  **),  7  öeah-Öe  him  ealle  streamas  huni^e  fieowan  (lies  floicen)  7 
Mm  Öanne  an  ecröan  ncefre  ncere  ceM;^  wiÖerbrcsta  (lies  wiÖerbreca?)  on 
pisum  life,  Öeah-öe  him  sa'on  (d.  i.  seo7i,  syji)  ealle  wyiisumnesse  7  ealle 
swetnessa  to  gehriordum  (d.  i.  ^ereordum)  forÖgeborenne,  7  him  öonne  sie 
sivgal  sumor  7  lytel  winter,  7  he  Öonne  sie  lange  to  life  gescajjen  butan  wrace 
7  butan  sare,  7  he  Öonne  ÖeahhwceÖere  ne  mceg  for  sorgum  Öcet  he  {öoet  he  zu 


*)  Lies  wioröan  mot  (B). 

^)  Lies  wynsumnes.  Das  ie  scheint  zu  beweisen,  dafs  der  Text  aut 
eine  altwestsächsische  Vorlage  zurückgeht,  die  den  Schreiber  oft  nütigte, 
an  Stelle  von  ie  sein  jüngeres  y  zu  setzen,  so  dafs  er  in  ivyn-  irrtüm- 
licherweise sein  y  mit  (hier  unmöglichem)  ie  vertauschen  konnte. 

Studien  z.  engl.  Phil.    L.  g 


114 

cwseö  to  öam  aneran:  'ppali  |'a3r  sy  eal  smffite-sylden  mor  set 
sunnan  up^anje  on  neorxna-wanje  7  sio ')  ofer-hlifaö^)  ealle 
ioröan.  7  se  man  mote  sittan  swa  dyre  swa  cyne-bearn  ofer 
öam  Äyldenan  more  7  haehbe  Saleraanes  wlite  7  vvisdom  7  him 

5  sie  eal  middan-goard  on  ^eweald  geseald  mid  öam  ^Hstreonnm, 
}'e  Äeond  ealue  niiddan^)  syndou,  7  him  [fol.  64^\  sy  selee  niht 
niwe  bryd  to  bedde  je-la^d  7  sio  hsebbe  Enone'')  wlite, 
Saturnes  dolitor,  7  i^U'  stan  sy  ^ylden,  7  ealle  l?a  streamas 
buiiise  flowen.    7  bim   })onne  ne  sie   ofer  eoröan  menij  wiöer- 

10  breca,  7  l^nah  j'e  syn  ^)  ealle  sunder-('ra?ftas  7  wnldor-san^as  in 
^e-sarauode,  7  )7f'ah-J?e  biene  ealle  freCran,  7  him  sieu  ealle 
swetnessa  tojelfedde  mid  pam  fa^jerestaii  jestreonum,  7  bim 
j^oiHie  sy  siujal  sumor  biitan  selcre  ouwendednes,  7  he  mote 
a  lybban  sare,6)  -  ponne,  gif  he  wsere  her  ane  nibt  ori  beofona- 

15  rices  wuldre,  ]?onne  for')  he,  \>(Bt  he  aer  od  l:»yssum  wuldre 
|e-lyfede,  pe  ic  mr  bi  sajde  ofer  pcet  beofena-rice,  pe  he  a3r 
on  wges  pa  ane  niht,  7  he  eft  ne  mote  to  beofena-rices  wubire. 
7  him  pssr  ne  biö  nanes  jefean  to  lytel;  foipan  he  mot  l>a3r 
a   lybban    7    on   wuudre*)    7    on    wioröunse    butan    aBlere    on- 

20  wendednesse  mid  l?ara  nigon  ende-byrdnessa  engla  7  beab- 
streichen) on  eallum  Öysmn  iculdre  wuni^e  (lies  wunigen),  gef  he  cer  iccere 
ane  niht  on  heofonum  7  eft  Öider  mote  7  sceanigmi  dar  dces  heofon-cyniv^es 
ajiswne  "/  da  tvynsamnesse,  de  on  heofonum  bioÖ.]  18  forönn  \  mot  hinter 
ä  libban  19  7^]  on  wlite  7  B  |  'nu7idre]  uidlre  B  |  7*]  7  a  B  |  wurdunge 
bufon  celcere  onivcendednysse  2it  para  nigon  bis  sceapen   (S.  115  Z.  2) 

ist  fortradiert;  dafür  von  späterer  Hand  urum  drihteiie 


1)  Lies  se,  weil  mor  maskulin,  falls  nicht  für  mor  mit  Tib.  das 
Femininum  dun  eiuziisetien  ist. 

2)  Besser  mit  Tib.  und  den  übrigen  Verben  der  Optativ  oferhlifie. 
^)  Lies  middan^eard. 

*)  Lies  lunone.  Enone  ist  wohl  verschrieben  für  Eonone,  welches 
seinerseits  eine  Anglisierung  mit  Subsrituierung  des  jüngeren  Diphthongs 
eo  für  die  (fälschlich  als  Diphthong  aufgefafste)  Graphik  iw  darstellt. 

^)  Wohl  besser  him  syn  (Tib.)  zu  lesen. 

*)  Lies  bu,tan  sare;  vgl.  Tib.:  lan^e  to  life  gescapen  butan  wrace  7 
butan  aare. 

')  Die  Stelle  mufs  verderbt  sein;  sie  ist  auch  in  der  Tiberius-Hs. 
nicht  ganz  in  Ordnung.  Vielleicht  ist  nach  Keuibles  Besserung  von  Tib. 
auch  hier  statt  for  he  past  zu  lesen:  he  ne  mceg  for  sor^um  on  eallum 
dysum  wuldre  wunian,  pcet.    In  B  fehlt  die  ganze  Stelle. 

*)  Lies  on  widdre  (B). 


115 

enjla  7  pxY  wa^ron')  Jode  secweme.  pjcr  biö  eallum  bal^urn 
alif2)  sceapen  betweox  enslum  7  heah-enslum  7  heah-fiuderum 
7  witcÄum  7  apostolum  7  niid  raartyruwi'. 

7  J'encen  we  togeanes  bis  to-cyme,   }?«'^   is  se  eses-fullica 
domes-d{U3,3)   )7jet   us   J'onne   ne    öiirfe  scamisan,   }?onne  be  U8    5 
n^ala^cö,  pxt  be  us  sesion  wille.     Fortan  }?R't  biö  mycel  scamu, 
psßt  man  bis  sylfes  scami^e  on  l^am  myclan  Remote, 

paet  we  nu  je-byrdon  sec^an,  f>jet  we  ure  synna  scswiean 
sculon   7  pa  betan  daijes  7  nibtes.     7  j'urb  l^'a  ylean  j^inj  we 
majon  J?e  eaö  sedon,  psat  eorö-cimdliee  men  majou  sewioröan  10 
biofou-wlitise,    jif  bie   willaö   eaö-modliee   Jode  j^'eowijan   7 
byran,  7  pser  biö  jelic*)  biofena-rices  wlite. 

Eala,  [fol.  65'*]  mycel  is  on  boeuw  leornod  7  bit  is  ^)  soö- 
liee   eal  jesewen.    Sajaö  bit,  f>[et  on  belle  sy  anband. '')     Ne 
meabte   bit   pcet   dioful   ]'am    ancran    eall    asecjan,    bu   mycel  15 
l?8er')   8wa")   lewitu")   bioö,    pe   to   bim   bioö    jescyrede.     He 
bafaö  hundteoutis*)  beafda,  7  be  bafaö  on  selcum  beafde  hund 


2  bettcux  4  vor  ßencen  von  späterer  Hand  übergeschrieben  utan  B  |  we 
fortiadiert,  dafür  von  späterer  Hand  sivyöe  B  |  se  e^es-fullica  domes-dce^] 
on  dam  egesfallican  domes-dce^e  B  5   sceamian  6   genealceceÖ,  das 

letzte  -e-  ausradiert  B  |  geseon  icile.  forÖan  \  micel  sceavm  7  sceamige  | 
dam  micclmn  8  pcet]  hivcet  B  |  iira  9  sceolon  \  ilcan  10  eö 
eoröcmullice]  eorÖlice  B  |  geweoröan  11  hiofon-iditij;e]  heofonlice  B  | 
hi  I  eadmodlice  \  peowian  12  heran  \  7  /)«»•  bis  tüiife  f .  B  13  micel  \ 
geleornod,  0^  und  nod  ausradiert  B  |  liit]  pset  B  14  eall  \  Sx^Ö  15  mihte  \ 
pcet  dioful]  se  deofol  B  |  niiccle  16  pcer  swa  leicitu]  pcere  satvle  wito 
B  1  beod'-^  I  to  über  der  Zeile  B  |  He]  7  he  17  .c.  /iea/iZa  1  heafde] 
pcera  heafde  B   |   .c. 


1)  Lies  wesan?    In  B  ist  die  ganze  Stelle  fortradiert. 

^)  Siehe  oben  S.  108  Anna.  7. 

^)  domes  in  Verc.  über  der  Zeile  nachgetragen. 

*)  Ob  gelice  'in  gleicher  Weise'  zu  lesen  ist?    In  B  fehlt  der  Satzteil. 

*)  Das  i  über  der  Zeile. 

•^j  Dahinter  ein  Fleck  oder  Rasur ;  vielleicht  stand  ivita  dahinter.  In 
B  schliefst  sich  allerdings  anhund  uhue  Lücke  au  ne  mcahte  an,  so  dafs 
vielleicht  doch  nichts  ausgefallen  ist. 

')  Lies  pcBre  sawle  witu  (B). 

^)  Das  d  über  der  Zeile. 

8* 


116 

eaÄena,  7  a3le  l^ira  esena  1)  is  fyre  bat.  2)  7  he  bafaö  .c. 
lianda,  7  on  vtAcre  handa  hnudteontis  fiusra,  7  on  .X'lciim  fiD^re 
.c.  na?3la;  7  hyra  is  ade  011  n^edrau  wisan  ascyrped. 

Eala  min  Dryhteu,  laölic  is  bit  foiöy  on  belle  to  bionne. 
5  Wa  öam  sawlum,  pe-pe  öser  bion  sculon.  Hwaet,  we  nu  je- 
byrdou  seesau,  bwylc  bit  is  on  belle  to  bionne!  Foröan  we 
sculon  seswican  nrra  sj'nna  7  Jode  eaömode  bion  mid  sel- 
messum  7  mid  jodum  weorcum.  7  seeen  we  nie  cyrcean  mid 
eljennesse  7  mid  blutran  mode,  7  bidden  we  eaö-modliee^) 
10  bene,  p'^t  we  ne  wioröan  je-teodde  on  pa  belle-witu.  Jif  we 
}?senne  swa  don  wyllaö,^)  <  swa  >  us  Drybten  beden  ^)  bafaö, 
ponne  moton  we  mid  bim  7  mid  bis  l?am  balejan  jaeste  wunijean 
in  ealra  worulda  woriüd.     Amen. 


D. 

1.   XV.  Tercelli-Predigt  (Thomas-Apokalypse) 

fol.  80  b  — 85  b. 

ALIA  OMELIA  DE  DIE  IVDICIl. 

15  Man  ssejö  us  on  l^yssum  bocum,  bu  se  balja  Tbomas,  Jodes 

apos^ol,  acsode  urne  Drybten,  bwienne  Ante-cristes  eyme  wa3re. 
Da  wses  Drybten  sprecende  to  bim  7  öus  cwseö: 

1  pcera  eagena  \  hat]  hattre  B  2  celcere  3  .c.  \  heora  \  nceddran 
4    drillten  |  forÖi  \  beone  5  pe-ße   Öcer]  pe  pcer   B  |  beon  sceolon 

6  hivilc  I  beone  |  forÖam  7  sceolon  \  ure,  über  e  von  spaterer  Hand  a  | 
eadmode  beon  8    celmessuni]   celmessum   7  mid  fcestenuni  B   |   secan    \ 

cyrcan  9    clcennysse  \  hluttrum  \  eadmodlicere  10   iieorÖan  \  ge- 

teohhode,  darüber  von  späterer  Hand  l  scofene  B  \  da  11  ponne  \  tvillad  \ 
drihte7i  \  beden]  bebodenB  12  hale^wn  gaste  wunian  13  Amen]  a  buton 
ende  on  ecr,ysse.    AMEN  B 

[Den  lat.  Text  der  Thomas-Apokalypse  gebe  ich,  soweit  das  Fragment 
reicht,  wesentlich  nach   der  Münchener  Hs.  Clm.  45S5,   s.  IX   (=  MO    ed. 


0  Lies  eagena  (B),  falls  nicht,  wie  anch  117  ^  (gefehta),  die  anglische 
Ebnung  beibehalten  ist. 

2)  Wohl  mit  B  zu  lesen  hatre. 

^)  Lies  eadmodlicre  (B). 

*)  Dahinter  eine  längere  Rasur;  doch  ist  vom  Text  nur  swa  fortge- 
fallen, wie  B  lehrt. 

s)  Ob  mit  B  (^e)boden  'geboten'  statt  beden  'gebeten'  zu  lesen  ist? 


117 

Hit  sedafenaö,  ^cet  bit  sie  on  öara  nexstan  tide.  i)  ponne 
hun^or  7  sweorda  ^efeoht  biö,  7  mycel  }?reat-nes  j^eworden 
biö,  7  manisra  folca  je-febta  beoö  in  öam  nebstan  tiduni  7  un- 
ribt-wisnesse  7  niöas  7  jcfest  ofer  eall  middan-seard  7  on  iunje 
cyninjas  7  on  iun^an  papan  7  on  iun^um  bisceo])nm  7  on  5 
iunsum  ealdor-mannnni.  7  J'urb  Jnut  j'onne  aviseö  unsebt-nesse 
be-tweob  twam  cynin^um  7  twani  Äebroöium.  7  jnet  ^ewyröeö 
on  ]?am  daije,  a^r  se  mycla  da>3  bio;  7  psat  eac,  J^ait  niinra 
majsse-preosta  cwemeö  ade  oöruni  on  bis  Rpra!ce,  7  bie  J'onne 
nabbaö  sybbe  bim  be-tweonum,  ae  bie  me  (^onne  onsacaö^)  mid  10 
swiöe  myele  faene  mode.  7  J^onne  jesybö  pect  fole,  pixst  pa, 
m;esse-preo8tas  bioö  mid  un-ribt  sefyllede  ymbe  biora  welan. 
7  hie  beoö  on  biora  ceastrum  3)  under[/o/.  Si^Jöeodde,  swa 
hie  a^r  wa?ron,   öa^t  biö,  pset-pset  hie  settap  gyldene  heafda ') 

Fr.  Wilhelm,  Deutsche  Legenden  und  Legendare  (Leipzig  1907)  S.  40* — 42*. 
Doch  korrigiere  ich  den  sehr  verderbten  Text  unter  Zuhilfenahme  von 
Clm.  4öfi3  (=ÄP)  ed.  Bihlmeyer,  llev.  Bened.  XXVIII  (1911)  S.  272ff.  so- 
wie des  Cod.  Vat.  Pal.  22ü  (=  P),  in  den  mir  E.  v.  Dubschiitz  hochherzig 
Einsicht  gestattet  hat.  Stellenweise  habe  ich  versucht  die  Textform  zu 
rekonstruieren,  die  dem  Angelsachsen  vorgelegen  hat.    B  =  Wien  Pal.  16.] 

Incijnt  epistula  Domini  nostri  lesu  Christi  ad  Thomam  discijmhim 
suum  [lesus  dixit  Thomas  dii  iudicii  P].  Audi,  Thomas,  quae  oportet 
fieri  i7i  novissimis  temporibus.  Erunt  fames  et  bellum,  .  .  .,  gladius  .  . ., 
plurimae  dissensiones  in  populo,  .  .  .,  iniquitas,  nequitia  hominum,  superbia, 
temperantia  [-{-  Tunc  erunt  participationes  in  saeculo  inter  regem  et  regem 
}iP],  ita  ut  unusquisque,  qiiod  Uli  placeat,  hoc  loquatur;  et  sacerdotes  mei 
inter  se  pacem  von  habebunt  et  ficto  animo  mihi  sacrificabunt.  .  .  .  Tunc 
videbunt  homines  sacerdotes  [so  P]   de  domo  Dei  recedentes  [P]  ....  Et 


1)  Sicherlich  wird  nach  dem  lat.  temporibus  der  Plural  tidum  zu 
zn  lesen  sein,  wie  auch  Z.  3  überliefert  ist;  dann  würde  auch  das  vorher- 
gehende pam  möglich  sein. 

*)  Lies  onsec^ad  =  lat.  ficto  animo  mihi  sacrificabunt  [sacri- 
ficant  P]. 

ä)  Das  a  über  der  Zeile. 

*)  Es  scheint,  dafs  der  Angelsachse  das  lat.  capitularium  'Kopfsteuer' 
{dantes  capitularia  civitatum  aurum  ntque  argentum)  nicht  verstanden  hat. 
Oder  sollte  das  ae.  heafod  die  Bedeutung 'Kopfsteuer'  annehmen  können? 
Dafs  die  Kopfsteuer  au  sich  den  Angelsachsen  bekannt  war,  lehrt  (nach 
F.  Liebermann,  Gesetze  der  Angelsachsen  II  2,  55S  f )  K.  J^Öelreds  Gesetz 
VII  1,  3  und  der  Wulfstan- Homilet  (ed.  Napier  110'^°:  sceote  man 
almessan  .  .  . :  swa  cet  heafde  peninc,  swa  cet  sylh  peninc). 


118 

7  seolfrene  on  heora  ceastrum.  7  mam'se  men  bioö  J^onne  J^uvh 
]ia  l'incÄ  3e-niörade.  7  jold-liord  bioö  ponne  je-openode  seond 
eall  eoröan  ymb-hwyrft.  7  Jodes  sewe  beoö  }?e-fylde.  7  mycel 
folc-jedrefnesse  biö  öonne  ler  domes  dxze.     7  Jodes  bus  beoö 

5  aweste;  7  ]'a  weofodu  beoö  to  }:'an  swiöe  for-l?etene,  pcet  öa 
attor-coppan  habbaö  innan  awefene.  7  J>a  balijüessa  beoö 
I'onne  for-molsnode.  7  J>a  msesse-preostas  beoö  }?onne  on  iin- 
ribt  awende  fra«i  Jode;  7  heora  eilen  beoö  je-brocene;  7  heora 
blis  7  heora  lar  biö  eall  to  tselnesse  ^e]?eoded;  7  heora  ^efea 

10  sewiteö  7  for-wyröeö.  7  l^'onne  biö  eac  on  öam  dasum  yfeles 
nihtsumnesse.  7  lefeu-sanjas  bioö  ]?onne  ^ewitene  7  of-tojene 
of  Jodes  huse.  7  eall  soöftestnesse  biö  p>onne  onblunnen;  7 
leasunja  7  jymeleasnessa  Jodes  beboda  biö  )?onne  gemeted  on 
öam  meesse-preostum. 

15  7   l>onne  arifsaö  twejen  ealdormen   to  ]?eoda   werijum   on 

heora  dajum.  ponne  biö  hunjeres  je-nihtsiimnesse.  Donne 
ariseö  l>eod  wiö  ]?eode,  7  hie  bioö  J^onne  aytte  fram  heora  je- 
maerum. 

7  ]?onne  ariseö  sum   swiöe  weorö  cyninj,   7  se  be-beodeö 

20  ]7am  manneynne,  psßt  man  wyree  ^yldene  anlienesse,  7  hateö 
päit  settan  in  Jodes  cyricean  7  }?sßrto  je-biddan.  Biö  l>onne 
on  l>a  tid  martyra  jenihtsiimnesse  for  öam  J?ingum,  psdt  man 
cwelmeö  l'a  mseran,  pe  nellaö  jebiddan  to  öam  haeöenan  on 
[fol  81^]  licnesse.     7  a3fter  öyssum  jeweoröeö  manna  geleafan 

25  to  Jode  sehwyrfed;  7  hie  beoö  on  bis  halijnessa  jebledsod;  7 


erunt  subiecta  Caesaris,  sicut  antea  fuerunt,  dantes  capitularia  civitatum 
aurum  et  argentum.  Contemnabimtiir  priores  [?]  urbinm  [];  thesauri 
reguni  implebimtur.  Erit  enim  turbatio  rtiagna  in  omni  populo  [].  Domus 
X>ei  erit  []  deserta;  et  altaria  das  abominabuntur,  ut  araneae  intexant 
in  eis.  Sanctitas  corrumpitur;  sacerdotium  adulterabitur;  agoma  frangltar 
[P;  adcrescit  W];  virtris  dominabitur  [dimiuuetur  Pj;  laetitia  periit  et 
gaudium  recedit.  In  Ulis  diebus  nialum  abimdahit.  .  .  .  Hymni  de  domo 
Dei  cessabunt.  Veritas  non  erit;  avaritia  abunddbit.  Sacerdotium  [  ] 
integrum  minime  invenitur.  . .  . 

Post  ea  exsurgent  duo  [-|-P]  principes  adpremendas  gentes;  sub  quorum 
manibus  fames  nimiae  ernnt  .  .  .,  ut  exsurgat  gens  super  geiitem  et  con- 
finibus  suis  excludantur. 

Iterum  exsurget  alius  rex,  vir  versuins  [P,  subtiis  M*];  et  iuhct  fieri 
imaginem  aurcam  [  ]    [  -j-  Caesaris  in  domo  Dei  adorare  Pj.    Tunc  [P] 


119 

nnri'm  halisra  beoö  sefylled  mid  py  se-wuldredan  wuldor- 
belme. 

7  ]?onDe  aefter  fean  tidum  ariseö   sum  swiöe  mtere  cyninj 
fram  east-da^le;   7   hwjcöre  se  biö  lufi^ende  Jodes  -A     7  bim 
biö   seald   ealle   cynelice    jeofa;    7    biö   J'onne    mycel    ^enibt-    5 
sumnesse  on  bis  dasum. 

7  pomie  sauer  bim  ariseö  eft  sum  oöer  eynins  fram  suö- 
dffile.  7  se  bafaö  swiöe  myeel  on  bis  g;e-wealdiim;  7  fea  tide 
be  biö  on  bis  djese;  7  jold-bord  bioö  asprunjenne  wiö  Koma- 
nisce  peode.  7  J'onne  bebeodeö  se  ilea  cyninj,  f>iet  bis  myela  10 
^estreon  man  todiele  wiö  bwaetes  se-nibtsiimnesse  7  wiö  wines 
7  for  eles  lufan. ')  For-f'y  biö  beora  jold  asprungen;  7  swa- 
öeab  bwajöere  öter  biö  eeapes  se-nihtsumnesse,  7  beora  joldes 
ontimbernesse')  7  biora  seolfor  biö  seald  for  bwaetes  lufan.  3) 
Foröan   on   sie  biö  ]?aet  seip-liöendra  cwalm  swa   mycel,  pxt  15 

ahundabunt  martyria.  Tunc  revertiUir  fides  in  servis  Domini,  et  sanditas 
abundabitur,  et  agonia  increscit.  .  .  . 

Post  i)aucum  tempus  exuurget  rex  ab  Oriente,  amator  legis  .  .  . ;  domixn- 
que  [domun  que  P,  domum  que^  W]  .  .  praecijnt;  temporibus  eius  [-f-  P] 
omnia  abundabimt. 

Et  post  ea  Herum  exsiirget  rex  a  meridiano;  orbis  terranim  hie  {-{-  P) 
obtinebit  Imperium;  piaucum  tempus  sub  cidus  diebus;  thesauri  deficient  a 
stipendiis  Romanis  miiitibus,  ita  ut  omnis  adquisitio  maioruyyi  nattt,  iubeatur 
cum  eodem  [P,  et  eadtm  M']  rege  diuidi  [  ]  abundavtia  frumenti  et  vini 
et  olei  Caritas.  Ändern  [tamen  P]  pecuniarum,  ita  ut  materia  auri  et 
argenti  pro  frumento  dabitur,  Caritas  nimia.  erit.  Illo  tempore  navium 
adcessio  erit  in  pelago,  ut  nemo  nemini  novum  referat  reg'i  [reges  M^] 
terrae.  .  . . 


^)  for  eles  lufan  erklärt  sich  aas  mifsverständlicher  Hinzuziehung  des 
eigentlich  einen  neuen  Satz  beginnenden  Caritas  (Caritas  autem  pjecuni- 
arum)  zu  olei,  welches  eigentlich  noch,  wie  frumenti  et  vini,  vom  vorher- 
gehenden abundatitia  abhängt. 

*)  Wie  die  latciüische  Grundlage  für  den  ganzen  Satz  gelautet  hat, 
ist  nicht  recht  klar.  Jedenfalls  ist  aber  ontimbernesse  hier  eine  wörtliche 
Übersetzung  von  lat  maffria  und  hat  also  hier  seine  ursprüngliche  koi.krete 
Bedeutung  'Materie,  Stoff'  und  nicht  die  in  dem  einzigen  bisherigen  Belege 
(Beda-Übersf-tznng  IV  c.  17,  ed.  Th  Mdier  1  S.  islO'»  Hs.  0)  vorliegende 
übertragene  Bedeutung  von  'Belehrung'. 

^)  L)ieses  for  huatt's  lufan  ist  wohl  nicht  durch  das  in  der  Quelle 
folgende  lat.  Caritas  veranlafsf,  sondern  nur  eine  (allerdings  ungeschickte) 
Übersetzung  von  pro  frumento. 


120 

nsenis  man  ne  wat  to  seejanne  ne  nseni^um  eorö-eyninje  i)  be 
öam  scip-liöendum. 

iEfter  )>au  ariseö  oöer  cynnins  swiöe  J^iwecrh;  7  se  hafaö 
Se-weald  ofer  middan-jeard;  7  fea  tide  be  biö  on  bis  da^um. 

5  7  ]'?et  mennisce  cynn  biö  a  yfeled  7  a  in  for-wyrd  je-lseded. 
7  l^onne  sefter  ]\an  ^viseö  fram  east-dsele  on  öam  mycelan 
Babilonia-ceastre  swiöe  mycel  buujor  7  sweorda  jefeobt  fram 
suö-öcele  on  Cananea-lande.  7  ponne  {«fter  pan  bioö  ealle 
waeteras  [fol.  83"]  7  ealle  wyllas  on  blöde.     7  steorran  feallaö 

10  of  beofenum  on  eoröau;  7  sunne  biö  aj'ystrod;  7  se  mona 
bire-)  leobt  ne  syleö;  7  eall  bit  biö  on  J^eostra  je-cyrred. 

Dis  sindon  I^a  fore-tacnu  to  l^am  dajum,  l?e  bit  nealsßceö 
to  Antecristes  cyme. 

Wa  öam  mannnm,   J^e  in  öam  dajum  eardiaö  ofer  eoröan, 

15  for  öam  brojum,  )^e  ponne  cumaö  7  euman  sceolon  ofer  eoröan. 
Wa  öam  mannum,  pe  J^onne  bus  timbriaö  7  bearn  jestrynaö. 
Wa  öam  mannum,  l^e  f>onne  wifiaö  7  eorölieum  spedum  tiliaö 
7  strynaö;  forl^an  bie  ealinja  on  wos  winnaö  7  swincaö.  Wa 
öam  mannum  ponne,  pe  3e]?eodeö  bus  to  buse  7  land  to  lande; 

Post  ea  exsurget  alius  rex,  vir  versutus  [suptus  M^],  qui  obtinebit 
irnperium;  pauciim  tempus  sub  cuius  diebiis.  Omnia  malaerunt;  interitus 
generis  humani.  Ab  Oriente  usque  i?t  Babylonia  post  ea  autem  i7iterent 
faniGS  et  gladius  in  terra  Chanaan  usque  ad  nona.  Timc  omnes  fontes 
aquarum  et  putei  .  .  .  in  sanguinexa.  cotivertentur.  Caelam  commovebitur ; 
stellae  cadunt  in  ten-am;  sol  mediabitur  siciit  luna;  et  luna  non  dabit 
lumen  suwwi. .  .  . 

In  diebus  Ulis  adpropinquante  iam  Antechristo  haec  sunt  signa. 

( Vae)  Ulis,  qui  habitant  in  terra;  in  diebus  Ulis  magnae parturitiotres 
super  eos  veniunt.  Vae  Ulis,  qui  aedificant,  quia  non  habitabunt.  Vae 
Ulis,  qui  novellant,  quia  sine  ca^isa  laborant.  Vae  Ulis,  qui  nujriias 
faciunt;  ad  famem  et  necessitatem  filios  generant.     Vae  Ulis,  qui  iungunt 


1)  eord-cyninge  lehrt,  dafs  auch  hier  der  Angelsachse  eine  falsche 
Satzabteilung  des  Lateins  vorgenommen  hat.  Eigentlich  gehört  das  Wort 
als  Nominativ  zu  einem  neuen  (vom  Übersetzer  ausgelassenen)  Satze :  Reges 
terrae  et  principes  et  tribuni  et  omnes  locuplites  commovebuntur. 

2)  hire  läfst  sich  nur  auf  das  vorhergehende  spinne  beziehen,  als  ob 
der  Mond  der  Sonne  sein  Licht  nicht  gäbe.  Das  lat.  Original  meirft  aber 
natürlich,  dafs  der  Mond  in  seinem  gewohnten  Lichte  nicht  erstrahle.  Den- 
selben Sinn  würden  wir  im  Altenglischen  erhalten,  wenn  wir  hyre  in  his 
verwandelten,  und  so  hat  der  Übersetzer  vielleicht  selbst  auch  geschrieben 
gehabt. 


121 

for|?an  hit  eall  mid  fyre  forb.ierneö,  7  he  sylf  niid  forwyröeö. 
Wa  öam  maunum  J>üDue,  ['e  hie  sylfe  ne  woldon  a^r  be-liealdan 
for  heora  synna,  f>o  liie  xr  worhton,  7  hie  sebetan  noldon,  }'a 
hwile  pe  hie  ]>'Mt  weorö  haifdon;  forjnin  hie  J^onne  bioö  for- 
hiitene,  J^oiine  sio  tid  cyraeö;  7  hie  j^onne  icfre  bioö  je-niörade  5 
ä  in  ecnesse.' 

pis  i.s  }?onne  \>sßs  a^lmihtisan  Dryhtnes  sylfes  miiöes  cwide, 
7  he  öiis  wa38  eweöende:  'Ic  eom  se  telmihtisa  Dryhten  7 
eallrai)  jasta  nerisend.  pfe^öa3t  is  soö,  J^aet  ic  secse,  pmt 
ealle  J^is  tacenii  bioö  a;t  J^ysse  worulde  ende  3e-a3ty wde.  *)  7  10 
eac  biö  swiöe  mycel  hunsor  7  swiöe  micle  adle  ofer  ealle 
eoröan.  Foröan  raanesum  men  biö  swiöe  mycel  nyd-J^earf  ter 
piera  tide,  pxt  hie  to  Jode  gehwyrfen,  forj^an  in  öa  tid  ealle 
men  beoö  se-herjode  [fol  83^]  pmh  ealle  J^eode,  7  hie  f>ODne 
feallaö  in  sweordes  eesu»?.  15 

[/]  7  pset  is  l'onne  j^y  a^restan  da^je;  biö^)  pcet  a^reste 
fore-tacn  ;er  öam  domes-da^je,  |?a)t3)  is,^)  l^tet  biÖ  a3t  öa^re 
l'riddan  tide  da^^es  on  monan-daeje,  swiöe  mycel  seomruns,  7 
l^aer  *)  biö  *)  mycel  wanun^  7  sranunj  7  murnuns  7  sworetun^ 
7  swiöe  stranjlicu  word  on  heofenes  roderum.     7  swiöe  mycel  20 

domum  ad  domiini  vel  agrum  ad  agrum,  quoniam  otnnia  igne  conflabuntur 
[cremabuntnr  PJ.  Vae  Ulis,  qni  non  sibi  ])raevident,  cum  tempus  p^rmittit , 
quoniam  j^ostenus  [posterum  M']  ia  perpetuum  damnabuntar.  .  .  . 

Et  scitote  [-f~P]:  ^90  sum  pater  altissitnus  [altissimi  P];  ego  sutn 
pater  omniimi  spirituum  [-{-  P]-  [  ]  Haec  sunt  signa  in  fine  [finitio- 
nem  M']  saeculi  ]mius.  Ermit  per  universam  tetram  fames  et  pestilentiae 
magnae,  necessitntes  mtdtae.  Tanc  captivabuntw  omnes  hominis  per  uni- 
versas  gentes  et  cadent  in  mncrones  [-f-  M^  PJ  gladii  [so  P  B,  gradi  M']. 

[I]  In  prima,  die  [so  P  M^  B]  iudicii  hora  tertia  diei  erit  vox  magna 
et  fortis  in  firmamento  caeli;  et  nubes  magna  sanguinea  descendit  [aacendit 
P  M-]  de  aquilone.    Tonitrua  magna  et  fulgura  fortia  se^'uuntur  [M-,  scque- 


*)  Das  r  über  der  Zeile. 

2)  Das  t  ist  unterpangiert,  also  vom  Schreiber  getilgt.  Walirscbein- 
lich  wollte  er  sein  cetyicde  also  korrigieren,  etwa  in  das  synouyme 
oÜgwde. 

^)  Vielleicht  sind  diese  biö  und  [jcet  is  zu  streichen,  so  dafs  der  Satz 
mehr  in  Übereinstimmung  mit  dem  Latein  und  glätter  lauten  würde:  7 
ßcet  is  ponne  py  cerestan  dcege  pcet  cereste  foretacn  cer  dam  domes-dcege, 
pcet  bid  cet  . .  . 

*)  Auch  dieses  pcer  biÖ  würde  besser  fehlen. 


122 

blodij  wolcn  astijeö  fram  norö-wearöum  of  beofone.  7  bioö 
f>onne  swiöe  mycele  ]?uner-i'ade  7  mycle  lijitta;  7  }?am  foljiaö 
sum  swiöe  mycel  wolcenD.^)  7  piet  wolcen  be-wryjö  ealne 
beofon.  7  panon  cymeö  swiöe  mycel  blodig  regn  of  öara  wolcne 
5  ofer  ealle  eoröan.     |)is  syndon  |?ics  monan-dse^es  fore-tacnu. 

[//]     7  ponne  biö  on  Tiwes-dseje  swiöe  mycel  stefn  ^e- 

byred    on    east-weardnm    beofones    roderum;    7    swiöe    mycle 

milita  7^)  pser  ut-eömia]?  J^urb  J?a  beofonas-^eatii.  2)     7  ponue 

biö  se  beofon  mid  micie  wolcne  bewrisen  fram  serne-merjen 

10  oö  aifen.    pis  syndon  l^aes  tiwes-dseses  tacnu. 

[III]  7  l'onne  ]?y  j^riddan  dsejp,  J>8et  biö  on  Wodnes-dges, 
set  ]?8ere  aefteran  tide  p2ßs  dsejes  l^'onne  cymeö  sige-beacen^) 
of  beofonum;  7  weallas^)  bioö  eyrmende  7  eoröan  jrundas  of 
feower  hwommnw  l^ysses  middan-^eardes.     7  se  a^resta  beofon 

bantur  M']  Hin  nubes  [lies  illam  vubem  mit  M^P]  et  operiet  illa  totum 
caelum  [M''  P,  f.  M'  B].  Et  erit  pluvia  sanguinis  super  totam  tertam.  Ista 
sunt  Signa  primae  diei. 

[II]  Secunda,  autem  die  erit  vox  magna  in  fimiamento  caeli 

ab  orieyite;  et  potestas  magna  eructabitur  [eruptunvit  P,  eruptus  erit  ÄP] 
per  portas  caeli ;  et  [+  P  M^]  cooperiet  totum  caelum  usque  in  vespera. 
Ista  sunt  siyna  secuvda.e  diti. 

[III]  Tertia  autem  die  hora  secunda  erit  vox  [-{-magna  M^]  in 
caelo;  et  abtjftsi  terrae  dabunt  de  quattuor  angulis  mundi  vocem  [dabunt  .  .  . 
mugitum   P,    mugebunt   M'^].     Primum   caelum  plicabitur  ut   über.     Et 


')  Hier  hat  entweder  der  Übersetzer  die  grammatischen  Beziehungen 
falsch  aufgefafst,  vielleicht  verführt  durch  ein  ebensolches  korruptes  illa 
nubes,  wie  es  unsere  Hs.  M'  bietet,  oder  die  Kupisten  haben  den  Text 
verdt-rbt  aus  7  [streiche  bioÖ]  ponne  siviöe  mycde  ßiiner-rade  7  mycle 
ligitta  [streiche  7  ßam]  ful^iad  pam  [statt  sum]  swide  myclan  icolcne  [statt 
mycel  icolcenn].  Für  letztere  Annahme  spricht,  dafs  selbst  unsere  Vercelli- 
Kopie  noch  das  pluralische  Prädikat  folyiap  beibehalten  hat,  das  Wuhl  zu 
punerrade  und  Hgitta,  aber  nicht  zu  dem  Singularsubjekte  siim  mycel 
wolcenn  pafst. 

2)  Das  Latein  zeigt,  dafs  jedenfalls  dieses  7  zu  streichen  ist. 

^)  Lies  heofones-geatu. 

*)  si^-'-feea-en 'Siegeszeichen'  und  das  fyrm-tacen  'Feuerzeichen'  der 
Hattun-Preiligt  (S.  i31  Z.  i2)  setzen  beide  eine  andere  Lesart  voraus  als  das 
vox  {magna)  unserer  Lateintexte. 

*)  Es  ist  nicht  rectit  ersichtlich,  ob  weallas  'Wälle,  Mauern'  ein  Zu- 
satz des  Übersetzers  ist,  oder  auf  das  in  einigen  Hs.  (P  M-;  auftretende 
pinnat  ('Mauerspiizen')  firmamenti  caeli  aperitntur  zurückgeht. 


123 

biö  jefealden  7  tolesen,  swa-swa  boea  leaf  beoö;  7  p^t  he 
eft  ne  ?et-yweö.  1)  7  )?onne  aifter  pum  swiöe  raöe  biö.  psct  seo 
sweöflennesse  |7a3S  muö^)  je-openade  ^)  7  ,^runda8  aj^ystrode  on 
pa.  teoöan  tid  dseses.  7  J^onne  \fol.  83"]  cweöaö  ealle  men: 
*Wä  US  nu.  earminsas  7  swa  pynfullan,  piet  we  a^fre  J?i8  sceol-  5 
don  je-bidan!  Wa  us  f»a3s,  J'ait  we  aifre  jeatrynde  wa3ron  oööe 
je-borene!  7  nu  we  irajon  je-seon  7  witan  witodlice,  öa^t  nu 
neal^eceö  ure  ende-daise,  swa  us  oft  Piesdon,  öaöe  ure  lareowas 
7  ure  bofieras  wserou.  )?aet  öas  taerio  sceoldon  euman,  }?e  we 
nu  5e-seoö  7  gyt  peeolnn.  7  we  him  dydon  to  bysmere.  öa  10 
hie  US  \A\\\c  s»3don!  Wa  us  nu,  earmin^as,  )?iet  we  nu  lifiaö 
to  lan^e  on  swylcnm  e^e.  psm  we  najfre  ne  wendon.  powne 
man  üs  oft  f>yllic  toweard  Sffijde  7  laerde.  hu  we  soeoldon  to 
Jode  3<^-eyrran  7  ure  earman  sawle  alysan  of  helle- wite!  Ac 
we  bis  ne  rohton;  ac  we  lufedon  miole  swiöor  ura  wamba  15 
fylnesse  7  on  ure  jold  7  on  ure  tlenjnesse  7  on  ure  myclan 
^estreone  7  on  reaflaeum  7  on  jitsunje.  Swiöor  we  pset 
lufedon,  ponne  we  dydon  Jodes  be-boda  7  j^yllic,  pe  we  nu 
ge-seoö.  Wa  öam-l?e  öis  eal  sceal  ^e-bidan!'  Bis  syndon  J^ses 
Wodnes-da^ses  taenu.  20 

[2V]     7  l^onne  on  I)urres-dsege  J^set  biö,  ^'«t  )?onne  ariseö  3) 

[vov]  npparehit  confitiuo  []  funms  et  pudor  sulphurJs;  ahyfifii  []  obficurnbunfur 
usqne  in  komm  decimam.  Tnnc  dicimt  otvnes  homives:  'Futo  fiiiis  ad- 
propitiquabit,  ut  pereamus.'    Haec  signa  sunt  tertiae  diei. 

[IV]     Quarta  autem  die  Jiora  prima  terra  orientis  loquitur  [liqua- 


*)  Anch  hier  weifs  man  nicht  recht,  ob  7  ßcet  he  eft  ve  cetywed  eine 
Ausschmücknng  des  Ang^ilsachsen  ist  oder  auf  das  unmittelbar  folgende 
et  non  apjmrebit  zurückgeht.  Im  letzteren  Falle  bliebe  allerdings  für  das 
ae.  geopetiade  des  folgenden  Satzes  kein  Lateinsubstrat,  es  sei  denn,  dafs 
das  aperienfur  des  in  Aum.  5  S.  122  genannten  Sätzchens  einiger  Hss. 
hierhin  heruntergerntscht  sei. 

-)  Soll  man  pces  mnöes  lesen  und  geopevade  intransitiv  fassen  oder 
mud  von  (dem  transitivem)  ^eopenade  abhängig  machen  und  zu  ßces  etwas 
wie  receit  'Rauches'  ergänzen? 

')  Dies  nrisfd  'erhebt  sich'  kann  wedi^r  lat.  loqnifur  noch  kaum  lat. 
liquabitur  wiedergeben  Doch  scheint  der  Übersetzer  überhaupt  die  Stelle 
nicht  ganz  verstanden  zu  haben.  Denn  terra  orientis  'das  Land  des  Ostens' 
läfst  sich  nicht  in  ae  eoröan  frymöe  'der  Erde  Anfang'  finden.  Las  der 
Übersetzer  terrae  origo,  oder  etwa  terra  oritns,  das  er  sich  so  zurecht- 
deutete? 


124 

eoröan  frymöe ')  fram  norö-djrle  7  fram  east-dfele;*'')  7  eoröan 
Srundas  bioö  srimetiende,  7  ealle  eort^au  ma35en  3)  on-brered 
}^onne.  7  dioful-jild  biö  J'ODwe  tobroeen,  7  ealle  je-niö-tim- 
bernesse-*)    sefylled    od    öara   dscz^e.     Dis   sindon   pses   feoröan 

5  dieses  tacnu. 

[V — TT]  7  öon«e  on  FrijedffiÄe  Jßt  J^a^re  syxtan  tide  }?onne 
breeeö  heofones  rodor  fram  east-d^ele  oö  öone  west-rodor.  7 
|:'onne  beoö  [fol.  85*]  lociende  Dryhtnes  en^las  ufan  on  pas 
eorölican   ^esceafta   j'urb   pa  iinse-wemmedan   dum.     7    f>0Dne 

10  ealle  men  ajfter  J^an  sona  mid  mycle  ejesan  swiöe  sef'reade 
beoö.  7  hie  ponne  fleoö  to  nuintum  7  to  denum  hie  to  be- 
hydanne.  7  hie  öus  eweöaö:  "We  halsiaö  eow,  muntas  7  dena, 
pset  56  US  ofer-feallen  7  be-wri^en,  J'aet  we  iiaefre  eft  cwice 
sien,  7  US  eoröe  eac  forswelje  7  swiöe  hraöe  je-^ripe,  j^set  we 

15  Djefre  eft  cwice   arisan,  foröan-pe  we  nsefre  se-ahsodon  j^yllic 

bitur  M.^];  abyssus  mugit  [abyssi  niugebunt  P].  Tunc  niovebitur  universa 
terra  a  virtute  terrae  motus.  In  illo  die  cadent  idola  gentium  et  omnia 
aedificia  terrae.    Isla  sunt  sigtta  guartae  diei. 

[V — VI]  Quinta  autem  die  hora  sexta  [die  Vorzeichen  des  fünften 
Tages  sind  in  Verc.  ausgelassen;  statt  dessen  sind  hier  und  in  der  Blickling- 
Homilie  —  nicht  in  der  Hatton-Predigt  —  die  des  sechsten  Tages  ge- 
geben, wie  die  des  siebenten  zum  sechsten  Tage] :  scinditur  firmamentum 
caeli  ab  Oriente  usque  in  occidentem.  Erunt  angeli  caelorum  j^rospicietites 
super  terrani  per  [-|- P  M'']  aperturayn  caelorum.  £<  o»i?ies  homines  [+ M''* 
Pj  videbant  desuper  terram  exercitum  angdorum  prospicientem  de  caelo. 
Tunc  omnes  Jiomines  fugiunt  [hier  hört  der  Text  in  M^  auf;  ich  folge 
jetzt  in  erster  Linie  JP]:  in  speluncas  montium  [so  P,  monumentis  M']  et 
abscondent  se  a  conspectu  iustorum  angelorum  et  dicent:    'Utinam  terra 


')  Siehe  Note  3,  S.  123. 

^)  Die  beiden  Himmelsrichtungen  stehen  nicht  in  unseren  Lateintexten. 

^)  Ae.  mcegen  entspricht  dem  lat.  virtus,  also  hat  der  Übersetzer  ent- 
weder das  Latein  falsch  verstanden  oder  eine  andere  Lesart  (etwa  terrae 
universae  virtiis)  vor  sich  gehabt. 

*)  'Ein  geniÖ-timbernesse  ist  weder  sonst  belegt  noch  läfst  es  sich 
etymologisch-semasiologisch  recht  deuten.  Wenn  ein  Kompositum  mit  nid 
vorläge,  so  müfste  dasselbe  mindestens  niÖ-getimbernesse  heifseu.  Aber 
ae.  nlö  'Neid'  pafst  nicht  in  den  Zusammenhang,  ae.  niööas  'Männer'  kommt 
nur  im  Plural  vor  und  ae.  niö  'Abgrund'?  ist  höchst  unsicher  und  eben- 
falls hier  wenig  passend.  Vielleicht  ist  daher  das  nid  gänzlich  zu  streichen, 
sodafs  wir  das  bekannte  getimbernesse  'Gebäude'  erhielten.  Oder  nid  ist 
hinter  ,^etimbernesse  zu  stellen,  zu  niöer  zu  ergänzen  and  mit  gefylled  za 
verbinden,  so  dafs  wir  niÖer  gefylled  'niedergefällt'  erhielten. 


125 

weorc  7  ^yllic  cjesa  7  J'yllic  wite,  syt^öan  we  se-borene  wtDron 
7  Öeos  woruld  se-sceapen  wa)8  7  je-worclen.  Wa  öam-]?e  öait 
eall  sceal  ^ebidan." 

[VII]  7  öonne  is  |'a3S  Sfcternes-da'Äes  taeenu,  l'set  finm 
}^am  feower  secatum  middan-seardes  1)  biö  ^efylled  011')  5 
beofones  rodor  mid  helle  -  jastimi  1)  7  mid  beofouliee  cam- 
werod  pxve  cDselican  3c-sceaft.  2)  7  j^onne  ]?£er  biö  niicel  se- 
feobt  be-tweob  en^la  7  deofla^)  7  bie  se-stefniac^  bim  be- 
tweoDiDH  wiö  öam  unchenum  sastum  for  Jodes  ]?am  ^e-coreDum 

7  bis  öam  leofiim.     7  j^oune   öa  enjlas  ofer-swiöaö  öa  werij-  jq 
dan^)  jastas  7  bie  j'onne  mid  ealle  ofer-eumaö.     Broöor  miue, 
J'is  sindon  ]^a3S  Sieternes-dages  taeno  7  j^a  mibtlican,  ['aj^e  se- 
weoröaö  a3r  Öam  myelan  Drybtnes  domes-da^je. 

[VIII]  7  l^onne  on  sunnan-da^^e  soöliee  in  öam  da^se  ures 


aperiret  se  et  deglutiret  nos.    Fixmt  eyiim  talia,  qrialia  numquam  facta 
sunt,  ex  quo  saeculum  istiid  creatum  est.'  . .  . 

[VII]  Septimo  [der  Angelsachse  las  Sexto]  autem  die  hora  odava 
erunt  voces  in  quattuor  angulis  caeli  et  movetur  totus  aer  et  inqtlebitur 
angelis  sanctis  [miiltitudiiie  angelorum  P];  et  faciunt  inter  se  bellum  tota 
die;  et  in  illa  die  inquirentur  electi  ab  angelis  sanctis  [-f-  ut  liberenfur  P] 
de  perditione  saeculi.  Tunc  vidcbunt  omnes  homines,  quia  hora  perditionis 
illorum  adpropi'nqnabit.    Ista  sunt  signa  septimae  diei. 

[VIII]  [Von  hier  ab  keinerlei  Übereinstimmung  mehr  mit  den 
Lateintexten.]  Transactis  autem  Septem  diebus  octava  die  hora  scxta  erat 
vox  tenera  et  suavis  in  caelo  ab  Oriente  .  .  . 


1)  Das  Englische  stimmt  wenig  gut  zum  Latein,  welches  nicht  von 
den  'vier  Ecken  der  Erde'  (so  Vercelli  un4  Hatton  HC),  sondern  'des 
Himmels'  spricht.  Von  'Eüllengeistern'  ist  im  Lateinischen  überhaupt 
nicht  die  Rede;  doch  mag  der  Begriff  aus  lat.  voces  entnommen  sein.  — 
Endlich  fehlt  dem  Satz  ein  eigentliches  Subjekt;  wahrscheinlich  ist  heofones 
rodor  als  Subjekt  zu  nehmen  und  das  on  davor  zu  streichen,  falls  es  nicht 
Rest  einer  Kopula  ond  ist  und  damit  in  engerer  Anlehnung  ans  Latein 
die  vorhergehenden  Worte  zu  einem  selbständigen  Satze  zu  ergänzen 
wären. 

*)  Lies  ^esceafte. 

ä)  Entweder  fehlt  dahinter  ein  Wort  wie  werod  oder,  was  mir  wahr- 
scheinlicher düükt,  die  beiden  Genetive  selbst  sind  in  Akkusative  (englas 
7  deoflu)  zu  verwandeln.  Wahrscheinlich  hat  die  jüngere  Akkusativform 
deofla  den  Anstofs  gegeben,  dafs  englas  in  engla  verwandelt  wurde. 

*)  Das  d  über  der  Zeile. 


126 

Dryhtnes  onsyn  biö  swiöe  reöe  7  swiöe  ejes-ful  7  ^rim.     7  sio 
wund  biö  swiöe  3rim  pam  1) 

\fol.  84"]  borene  sceoldon  bion  7  to  swyleum  wundre^) 
5  sceoldon  aefre  se-weoröan.  7  J^onne  jesyhö  ure  leofe  hlsefdie 
mncta  Maria,  Cristes  moder,  |?one  earman  heap  7  j^one  sarijan 
7  jjone  dreori^an,  7  J^oune  ariseÖ  heo  mid  wependre  stefne  7  je- 
fealleö  to  3)  Cristes  cneowum  7  to  bis  fotum ;  7  heo  swa  eweö : 
'Min  Drihten,  Hselenda  Crist,  öu  pe  semedomadest,  j^set  öu 
10  waere  on  minuw  innoöe  eardiende:  ne  for-Iset  öu  nsefre  ]?a 
deofla  se-weald  agan  öus  myelan  heapes  ymea  hand-ge-worces.' 
Donne  forjifeö  ure  Dryhten  }?ryddan  dael  psds  synfullan  heapes 
]>sßYe  haljan  sawc^a  Marian. 

ponne   biö  |?3er  gyt  be-hindan  swiöe  mycel  heap  7  swiöe 

15  saris  7  dreorij,  |?8esöe  hie  sefre  jewurdon  jestrynde.     7  ]?onne 

ariseö  se  halja  m  .  .  .  .^)  7  crypö  mid  handum  7  mid  fotum  7 

mid   myel(e) »)   teara,    7   luteö  swiöe  ead  -  modlice 

to    Dryh(tn) 6)    7    to   bis   cneowe;    7   he  öus  eweö: 

'Min  Drih (Os»')  öu  me  sealdest  ealdor-dom  under 

20 heofena-rice,  ^)   J^set  ic  moste   bion   ]?in   je 

sawla  and-femi.    7  nu  ic  öe  bidde,  min  Drih 


*)  Hier  liegt  ein  Bruch  im  Texte  vor.  Grammatiscli  liefse  sich  zwar 
durch  blof'-e  Einfügung  eines  relativischen  pe  hinter  pam  die  Verbindung 
herstellen.  Aber  dt-r  Inhalt  verlangt,  dafs  über  das  Zustaadekommen  von 
pone  earman  heap  (Z.  6),  also  die  Scheidung  der  Gerechten  und  Uogerechten, 
kurz  das  eigentliche  jüngste  Gericht  etwas  berichtet  wird.  Wie  viel  aus- 
gefallen ist,  ist  schwer  zu  sagen.  Vielleicht  fehlt,  wie  noch  an  anderen 
Stellen,  ein  ganzes  B  att  zwischen  fol.  83  und  84.  Eine  ungefähre  Vor- 
stellung von  dem  Ausgefallenen  kann  man  sich  machen  aus  dem,  was 
Hatton  116  pag.  3SS  ^,s.  unten  S.  133 f.;  bietet. 

*)  Lies  iculdre. 

^)  Über  der  Zeile. 

*)  Eine  grofse,  meist  15  mm  breite  Rasur  zieht  sich  schräg  von 
rechts  nach  links  über  die  untere  Hälfte  der  Seite  hin.  Hier  ist  klärlich 
zu  lesen:  Michahel  (vgl.  S.  127,  Z.  3). 

^)  Hier  mufs  so  etwas  wie  agotamysse  gestanden  haben. 

^)  Wahrscheinlich  zu  lesen:   to  Dryktnes  fotum;  vgl.  Z.  8. 

')  Vielleicht  zu  lesen:  min  D rihten  (elmihtig ;  doch  scheint  der  dritt- 
letzte Buchstabe  eher  ein  s,  r,  f  oder  iv  gewesen  zu  sein. 

*)  Vielleicht  zu  lesen:  undcr  engla  werode  (oder  iverodum)  on  heo- 
fena-rice. 


127 

ajfre  i)  forlaete  Öus  myelan  heapes  (s) (flu)^)  ajan  plnes 

hand-se-weorces.'     7    ]'(o) (|if)eö3)   ure   Dryhten   j^am 

haljan   sawc^e   Micha  ....  (ne)  *)   ]?riddan   dail    öies   sjofullan 
heapes. 

7  f'on(iie)  .  .  .  (ö)»!'  '->)  syt  swiöe  mycel  werod  7  swiöe  ofer-    5 

ma!tl(ic) (1)   be-hindan   J'ara   syn-f ul [/b^.  84 *"] Ira   sawla. 

7  ponne  ariseö  se  halja  HdnQtu»  Petrus,  his  ealdor-pejn,  swiöe 
Sans  7  swiöe  dreorij  7  mid  miclan  sarigan  tearnni;  7  he  öonne 
mid  myc'lum  eadmedum  fealh*ö  to  Ösas  Ha3leDdes  fotum  7  to 
his  cneowu//<;  7  he  öonne  cweö:  'Miu  Dryhteu,  min  Drihten  10 
selmihtis,  öii  me  sealdest  7  rae  ^e-uöest  heofoua-rices  ffe^an 
7  eac  helle-wita,  J'jet  ic  moste  swylcne  je-biiidan  on  eoröan, 
swylcne  ic  f>OQne  wolde,  7  swylcne  alysan,  swylcne  ic  wolde. 
Ic  bidde  f>e,  min  Dryhten,  for  }?iniim  cyne-dome  7  for  J^inum 
f'rymme,  öaet  öii  rae  forsife  öysses  earman  7  öysses  synfullan  15 
heapes  J?riddan  dael.'  7  \H)unc  for-jiteö  ure  Dryhten  öam  haljan 
sawc^e  Petre  öoue  öriddan  dsel  ]?tes  syufulhm  heapes. 

7  ponne  biö  jjser  jyt  swiöe  mycel  werod  be-hindan  7  pcet 
Jode    swiöe    laö.     Doune    besyhö    se    soöfaista    dema    on    ]>& 
swiöran  healfe  to  his  öam  jecorenum  7  to  his  öam  haJÄum,  7  20 
he  Öus  cweö :  '  JJtnite,  benechcii,  patris  mei  •>)  per-cipite  re^num, 
a"')  duobw^,')  paratum  est  ab  origine  muticW  [Matth.  XXV,  34] 
He  swa  cwaeö:  'Ciimaö  je  nu,  gebledsode,  7  onfoö  mines  fader 
rice,   }?8et  eow  waes  jeearuwad  fram    fruman   middan-seardes.' 
7  Jjonne  jyt  besyhÖ  ure  Dryhten  on  pa  wynstran  band  to  öam  25 
synfulhin  heape,  7  he  öus  cweö  to  him:   ^DiscedUe,  maledkti, 
in  tönern  cetcrnum,  qui  pre-jyaruttis  est  diabulo  et  cmylts  eius'' 
[Matth.  XXV,  41].     Heswacwa3Ö:  'Jewitaö,  ^e  awyrijde,  fram 
me   \foL  85"]   in  öa  neoöemestan  helle- wite  7  in  öset  ece  fyr, 


1)  Wahrscheinlich  zn  lesen :   min  Drihten,  poet  pu  ncefre. 

2)  Lies  geiceald  dfofixi;  vgl.  S.  126  Z.  1 1. 

3)  Lies:  7  p07,ne  fo>giftd;  vgl.  S.  126  Z.  12. 
*)  Lies:  Michahel  pone;  vgl.  Z.  17. 

^)  Lies:  poyine  biÖ  Öcer;  vgl.  Z.  IS. 

®)  patris  mei  gehört  eigentlich  zu  benedicti  {oi  ev?.oy7j/j.kvoc  xov 
nazQoq  fiov),  wie  es  auch  der  Hatton-Homilet  richtig  fafst;  aber  die  oben 
angegebene  Interpunktion  gibt  die  Autfassung  des  Vercelli- Homileten 
wieder. 

')  Lies :  quod  iwbis  (so  auch  die  ae.  Übersetzung). 


128 

öe    öam    diofle    wies    je  -  earwod  i)     7     eow ,     pe    je    him 
hyrdon.' 

7  poune  ÄcsamniaCi  öa  dioflu  hie  tosomne,  7  hie  öonwe 
drifaö  ]^a  syufullau  7  ]'a  cear-fulhin  aawla  to  helle.     7  se  halja 

5  Petrus  6'V!Ö  mid  7  bereö  helle-caisau  on  handa.  Eala,  broöor 
mine,  hwait!  öa3r  maes  ^e-hyran  micel  sorh  7  myeel  waDunj  7 
myeel  sworetunj  7  myeel  w6p  7  toöa  srist-bitun^  7  ]?one 
hludestan  sarij-cerm  7  ]?oue  sarisestan  stefn  7  ]?one  sarijestan 
wanuDse  7  sranuDSe.     7  J^onne   drifaö   öa  deofla  pa.  synfullan 

10  sawla  7  ]?a  dreorigan  in  helle-witu.  7  hie  sylfe  jaö  mid  in 
ou  pa.  helle.  7  J^onwe  wendeö  sawc^tts  Petrus  ]:'anon  fram  j^sere 
helle- dura.  7  he  be-lueeö  p-a  helle-duru,  syöj^an  ]?a  earman 
sawla  bioö  in  öa  ecan  helle  7  in  öa  eean  cwylmnesse,  7  öa 
deofla   mid   him.     7  ]?onne  wendeö  him  mncius  Petrus  )?anon 

15  fram  l:'a3re  helle-dura.  7  he  öoune  weorpeö  öa  cearfullan  cai^e 
ofer  ba3C  in  on  pa  helle.  Bis  he  deö,  foröam-}?e  he  ne  mseg 
loeian  on  öset  myele  sär  7  on  öam  myelan  wanunje  7  on  öam 
myelan  wope,  pe  pa  earman  sawla  dreojaö  mid  öam  deoflum 
in  helle  tintrejo.     Eala,  broöor  mine,  hu  myeel  7  hu  hlud  biö 

20  se  cuyll,  ponne  seo  eseje  fealleö  in  öa  helle. 

Mew  J)a  leofestan,  siööan  ne  öurfan  l^'a  synfullan  7  öa 
sorhfullan  sawla  wenan  ne  öa  diofla  pon  ma,  l?a3t  hie  sefre 
onfon  syöp'an  \fol.  85^]  raste.  7  }?oune  Dryhten  fserö  him  mid 
his2)  enjlum  7  mid  his  apostolum  7  mid  his  öam  hali^ra  werod 

25  to  heofena-rice  mid  myelan  Inymme  7  l^'ser  syööan  wuniaö  in 
ecum  wuldre.  7  hie  habbaö  symle  ge-fean  syööan  7  bliese 
mid  urum  Dryhtne,  öam  sie  symble  wuldor  7  wyrö-mynd  7 
ece  ^efean  a  butan  ende  in  secula  secxdoruni.    Amen. 


2.   Bittwochen-Predigt  aus  Hattou  116 

(früher  Junius  23),  Ende  11.  Jahrb.,  pag.  382—395. 

MEN  pa  leofestan,   ]?is   sinden   haiige  dagas  mid   eallu7?2 

30  cristenuw  folee.     7  swa  cwajö  se  halga  lareow:    Hwet  we  ge- 

munan   magan,   pcet  we   oft   gehyrdon   secgan,   for  hwon  wise 

men   )?urh   haiiges  gastes  gife  gesetton  ]?as  haiige  gang-dagas 


^)  Lies:  gegearwod. 

'*)  Das  i  über  der  Zeile. 


129 

f»ry  to  festenne  7  on  to  gangonne  rcffer  f'.'ore  lialegan  Drilitnes 
rode  7  to  liis  hnlig-ra  reli([uiuj»,  )^a  nu  forögeboreue  sindon 
geoud  eall  middan-eard  fra>H  ge-leafnllu/>?  mannu»«  to-geanes 
bis  lialgan  ii})stige.  J^e  uü  on  punres-dieg  hij>,  pect  he  bis  j'one 
balgan  licbaman  ab/tf  up  in  beofene  byht^o  7  be  fore  ure  5 
lufan  deaö  ge-]'rowade  7  ge-r:efnode.  7  J'nrb  bis  ma^gon-]'ri;>nn 
he  aeft  of  deal'e  aras  7  bis  gingrura  binc  jctywde  7  by  inungode 
pere  gastlican  lare,  I?e  be  bym  a^r  bis  In'owunge  sogde,  7  f>ry- 
7-J'rittig  wintra  on  j'issum  niiddan-gearde  be  wji'S.  ü^^gbwyl- 
[2)ag.  585] ces  godes  bysene  be  onstalde  .  7  forj'on  mid  mennis-  10 
cum  lieboman  be  bine  gegerode  ofer  bis  godcundnesse,  pcet  he 
eae  ]?urh  ]>cet  ma.m\m  for-geafe,  ^cet  bi  pe  e]?elicor  ingang 
haifdon.  ForJ^on  we  seeolon  biddan  bine  for  bis  J'era  baligan 
roda  weorlninga  7  bis  iipstige,  pe  nu  to  morgen  bi]?.  7  ealle 
balgan  we  sceolan  biddan,  pcet  hi  mid  ns  eac  bidden  a?lmihtigne  15 
Drihtew,  pone  ecan  cyning,  pcet  be  us  ge-scilde  wiö  ge-dwohm 
7  wiö  deofol-gyld  7  wiö  bepene  J'eoda  7  wiö  arleasu;»  bungre 
7  beregunge,  7  pa^t  be  ns  sibbe  for-gife  7  smyltnesse  lif.  1)  7 
eae  swylee  we  bine  biddan,  pcet  be  üs  gescilde  wiö  grimnesse 
misenliera  yfela  7  wita,  }'ara-f>e  be  on  middan-geard  sende]'  20 
for  manfiilra  mauna  synnu?;^ 

To  ]nssuwi  dagu?«  ]nirh  baligne  gast  ]:'ls  festen  7  pas 
gangdagas  ge-set  weron,  swa  we  oft  on  boeum  ge-hyrdon  secgan. 
7  swylee  mid  p>ere  balgan  ]'rinnesse  7  rode  7  mid  bis  balegra 
[pag.  384]  reliquiuj»,  ]'e  we  mid  gangaö,  we  sceolan  mid  25 
halguw  sangum  bletsian  ure  land  7  Drihten  bidden,  pcet  psi 
Wffistmas,  l'e  on  eoröaa  syndon,  ge-]'eon  motan  mannu)u  to 
gode  7  to  helpe.  Uton  we  bine  nu  georne  biddan,  nu  he  us 
for-geaf,  pcet  we  ]>issere  tide  ge-bidan  moston,  pcet  he  us  bis 
yrre  frara  ähwyrfe  2)  7  bis  miidbeortnesse  üs  t6  Isete  on  eallu?«  30 
unwi  life  ge  on^)  l^issm»  andweardan  ge  on  pscm  to-weardan. 

Men  pa  \eo festem,  ge-byraö  lifes  bebodu,  7  l^a  ecan  lare 
lustlice  onfoö,  7  on-gytaö  ]'one  cwide  j^es  so]?an  dajman,  pe 
we*)  be-dydrian  ne  magon;  forj'on  Drihtew  ]?us  cweö:  'Se- 
pe  ofer-bogeö  ]:'one  lareow,   on-drede  he  hhn  l^one  heofonlican  35 

0  Lies  lifes? 

2)  Das  y  über  der  Zeile  nachgetragen. 
^)  Aus  ond  durch  Rasur  gebessert. 
*)  Das  e  über  der  Zeile  nachgetragen. 

Studien  z.  engl.  Phil.     L.  9 


130 

deman,  ]>cet  is  Drilitf?^  God'.  His  leorneras  weron  lareowas 
ge-nemnede,  forj'ou  hi  us  |?a  lialgan  lare  of  Godes  bocu»n  secgaö 
7  l^es  heofoncundan  cyninges  to-oyme  bodiaö.  ForJ^on-J'e  he 
cymep  to  demanne  ealliun  middangearde,  forj^on  j'one  sopan 
5  deman  urne  Drihten  [i^ag.  385]  we  us  on-dredon  sceolan.  7  for 
his  dorne  we  sceolan  forhtian  7  j'one  raicclan  7  J^one  langan 
domes-da^g.  Warnian  we  üs,  lerl^on-j^e  he  cume;  7  tilian  we 
georne,  pcet  we  J'onne  ge-mette  synd  on  godum  weorcum 
diBdum,  1)   forp'on-J^e   pcet  is  se   myecla  Drihtnes   domesdseg   7 

10  ealles  maneynnes.  licet  is  yrm]:'e  daig  7  gnornunge  dseg,  7 
unrotnesse  da.^g  7  cwanuwge'^)  da3g  7  nearonesse  dag  7  bytter- 
nesse  dreg  7  earfoönesse  da;g  7  ge-somnunga  äsag  heofon-wara 
7  eoröwara  7  helwara.  7  ]^cet  is  ge-wrixles  da3g  licharaan 
7  sawla.     7  ne   biö  naenig  m^cgp  ]'a3S  mycclan  maneynnes  ge- 

15  gaderod  on  j'a?»  dsege,  pwt  hine  J^er  ge-seyldan  m^ege.  Ne  f'a 
snyttero  ne  ]'a  gleawnes  ne  nfonig  man  nah  swa  mycel  rice  on 
]?issii?M  middan-earde,  pcet  he  hine  j^aiv  be-ladian  mage  beforan 
p&re  awf?weardnes9e  j^era  halgan  )?rinne8se.  Dset  is  cyönesse 
da3g  ealles  maneynnes  Inirh  ge-sceafte  fyres  7  wseteres  7  windes 

20  7  Jnmorrade  [pag.  386]  swij^e  sträng.  ])cet  is  bemena  da?g  7 
hire  leoöringa.  pysne  d^eg  we  üs  on  myeelre  rernesse^)  to- 
weardne  on-gytan  magon  be  msenifealdum  ]nngu7»,  j'e  us  oft 
7  gelome  he  eypaö. 

Be   paw   diege    Drihtew   sylf   eweö^):    'Arisa|?   l?eod   wiö 

25  ]?eode  7  riee  wiö  rice'  [Lulc.  XXI,  10].  pone^)  biö  pser  j^eoda 
ge-j^ring   7   mieuigfeald    reohnes")   geond    m^nig    stowa.    pas 

Zum  Vergleich  mag  hier  die  entsprechende  Stelle  der  VII.  Blickling- 
Homilie,  ed.  Morris,  S.  .9i2o — 9523  Jiigr  Platz  finden: 

On  pxm  dseje  jewitep  heofon  7  eorpe  7  sse  7  ealle  f>a  pin^,  ]?e  on 
f>3em  syndon,  swa  eac  fore  psere  ilcan  wyrde  5ewite}>  sunne  7  moua,  7 

*)  Zwischen  weorcum  und  dcednm  ist  entweder  ein  7  einznfügen,  oder 
eines  der  Wörter  ist  zu  streichen,  oder  es  ist  tveorc-dcedum  zu  lesen. 

^)  Man  beachte,  dafs  n  hier  durch  einen  Strich  über  dem  Vokal  ab- 
gekürzt ist.  Holthausen  leugnet  also  zu  Unrecht  das  Vorkommen  dieser 
Abkürzungsweise  in  ae.  Texten  (Archiv  f.  n.  Sprachen  CXXIII,  401). 

^)  Lies  hrernesse. 

*)  Vgl.  den  lateinischen  Text  der  Thomas-Apokalypse,  wie  er  oben 
S.  117  ff.  gegeben  ist. 

^)  Lies  ponne. 

•)  Lies  hreohnes. 


I 


131 

eoröliean  tticnn  we   iin  ge-wordene  oft  sceawiacV     I)one  ')  ge- 
weoröii]'  ]'as  taenu  syfou  dagiim  idv  j'aw  dorne. 

[I]  On  pain  uirestan  dünies-djTiges  tacne  biö  mycel  stefeu 
ge-byred  of  J'a>»  lieofones  tungle,   se  hate]^  'firmamentum'.     7 
blodig  wolcn   astiga]?   nor]?aD,    7    myeele   Jninorrade   7    lygytu    5 
blycetal>;  7  p(et  wolcn  bjierne]'^)  ealne  heofen;  7  bit  ponne  uu- 
ginna]'  rinau  blodigan  regne. 

[II]  On  psim  {cfteran  djege  stefen  h\\>  gebyred  of  beo- 
fonu;»,  7  eoröe  biö  on-brered;  7  beofoneund  leobt^)  ofer-btefö 
ealne  middnn-eard  0]'  pes  da3ge8  a3fen.  10 

[///]  On  psim  l'riddan  diege  a3t  ]?ere  a3ftevan  \pag.  387] 
tide  p'JGH  dxges  on  beofonuw  fietyweö  fyren-tacen,  7  of  eoröan 


eal  tuDjla  leoht  asprinsep.  7  seo  rod  ures  Drihtnes  biö  arjered  on  pcvt 
^ewrixle  para  tnn;^la,  seo  du  on  middanjearde  awerjde  jastas  flemep.  7 
on  ]?8eui  daeje  heofon  bip  befealden  swa-swa  boc;  7  on  ]?fem  dseje  eorpe 
bi]'  forbserned  to  axan;  7  on  p?em  dseje  sffe  adm^ap;  7  on  J'sem  dseje  eall 
heotona  ma-jen  bip  onwended  7  onhrered.  7  syx  dajum  jer  ]?issum  dse^e 
Sebmpep  sj'Ulce  tacn  te^hwylc  aue  dseje. 

[1]  py  jerestan  daeje  ou  midne  dtej  ^elimpe}?  mycel  snornnDj 
ealra  ^esceafta;  7  men  jehyrap  myccle  stefne  on  heofennm,  swylce  paer 
man  fyrde  trymme  7  samnije.  ponne  astii^f*]'  blodig  wolcen  mycel  from 
norpdsele,  7  oforpecp  ealne  pysne  heofon.  7  sefter  psem  wolene  cymep 
legetu  7  punor  ealne  pone  döej.    Rinep  blodij  rejn  set  tefen. 

[II  \  On  psem  sefteran  dseje  bip  jehyred  mycel  stefu  ou  heofeuum 
fyrdweorodes  jetrymnesse ;  7  eorpe  bip  onhrered  of  hire  stowe,  7  heofon 
bip  open  on  sumum  ende  on  psem  eastdsele.  7  mycel  maejen  forpcymep 
pnrh  pone  openan  dtel.  7  )'one  heofon  oforpecp  7  oforwryhp  set  «fen. 
7  blodig  rejn  7  fyren  fuudlap  päs  eorpan  to  forswyljenue  7  to  forb^ernenne. 
7  seo  heofon  bip  jefeallen  aet  psem  feower  endum  middanjeardes.  7  eall 
eorpe  biö  mid  peostrnra  oforpeaht  set  pa  endlyftan  tid  J'ses  da^jes.  7  ponne 
cwep  eall  folc:  'Ari^e  us  nu  7  miltsije  se  Dribten,  pe  on  en^la  endebryd- 
nesse  wa^s  jehered,  pa  he  on  Betleem  waes  acenned.'  pa  cleopodan  hie, 
7  pus  cwsedon:  "Wnldor  sy  Jode  on  heanessawi  7  mannum  on  eorpan, 
pam-pe  jödes  willan  syn". 

[III]  py  priddan  daeje  seo  eorpe  on  psem  norp-ende  7  on  pam 
east-ende  sprecap  him  betweonnm.    7  pa  neolnessa  grymetiap  7  pa  eorpan 


0  Lies  ponne. 

2)  Der  Begriff  'verbrennen'  erscheint  in  keinem  unserer  Lateintexte, 
die  beiden  anderen  ae.  Handschriften  stimmen  zum  Latein  (operietiir). 

^)  Vielleicht  aus  dem  ignis,  das  die  Hs.  P  M-  zu  potestas  hinzufügen, 
entnommen. 

9* 


ICiO 


OJ 


deopnesse  astigeö  mycel  sweflen  lyge;  7  £et  pam  feower 
healfum  pisses  middaneardes  se  beofon  to-berste|?;  7  mycel 
sweg  cyraf>  7  ge-sweorc;  7  of  helle  astigej^  mycel  dymuesse 
7  fulnesse  stenc,  7  ofer-bfefö  ]?as  eoröan  ane  tide  dseges. 
5  ponwe  ongytaö  syufulle  men  hyre  forwyrö  1)  7  for-wyrbtu. 

[/T''^  On  pam  feorp'an  daige  {ram  norödsele  )nsses  middan- 
eardes mycel  brea>»  astigö  belle-gasta.  2)  l)oüne  fealleö  eall 
hej'enra  manna  deofolgyld  on  p3im  da3ge. 

[V]     On  psim  fiftan  daige  set  picre  fiftan  tide  dseges  mycel 

10  samnuuga  cumaj?  7  J^iunorrade  8wy)?e  mycele;  7  steorran  feallap 

of  beofonuw;   7  l^eostre   biö  swipe  mycei;   7  pcet  lyft  bi}'  on- 

hrered.    ponwe  ealle  peoda  wiösacap  pme  worulde;   7  bi  ou- 

gitaj'  ponne  Üribtnes  mibte.  3) 

willaj?   forswel^an.     ponne   bip    eall   eorj^an   msejen    onweaded   7    mycel 
eorj^hrerues  biö  on  J?sem  dseje  geworden. 

[IV]  py  feor}?an  dseje  ofor  undern  beop  mycele  puneras  on  heof- 
nnm.  7  ponne  jefeallap  ealle  deüfoljyld.  7  )?ünue  Lit  bip  aet  sunuan 
setlgange,  7  ]ieah-hwe]7re  nseaij  leoht  ne  feteowep;  7  mcna  bif»  adwsesced ; 
7  beop  f>eostra  forp  gewordene  ofor  ealle  world;  7  steorran  yrnaj?  wi)7er- 
synes  ealne  pooe  dsej.  7  men  hie  magan  jeseon  swa  sutole  swa  on  niht, 
ponne  hit  swipe  freosep.  7  ponne  on  paem  dseje  hatigap  pisse  worlde 
welan  7  pa  piug,  pc  hie  nu  lufiap. 

[V]  py  fiftan  dsege  set  underne  se  heofon  tobyrst  from  psem  east- 
dsele  op  pone  westdtel  .  7  ponne  eall  engla-cynn  lociap  purh  pa  ontynnesse 
on  manna-cynn.  ponne  jeseop  ealle  menn,  pcet  hit  wile  beon  set  pisse 
worlde  ende.  Fleop  ponne  to  mnntum,  7  hie  hydaS  for  para  engla  onsyne, 
7  ponne  cwepap  to  paere  eorpan,  7  biddap,  pcet  heo  hie  forswelge  7  ge- 
hyde,  7  wyscap,  pcet  hie  ntefre  naeron  acennede  from  fseder  ne  from  meder, 
swa  hit  geara  be  pon  on  Cristes  bocum  gewitgod  wses,  7  pus  cwepap: 
'Eadige  syndon  pa  men,  pa-pe  wseron  ünberende;   7  eadige  syndon  pa 


^)  Sollte  cl  haben.  Das  Ö  erklärt  sich  vielleicht,  wenn  es  nicht  Schreib- 
fehler ist,  durch  Anlehnung  an  das  Verbum  forweordan. 

2)  Stimmt  nicht  zu  unseren  Lateintexten. 

^)  Die  Vorzeichen  zum  fünften  Tage  sind  im  Vercelli-Text  über- 
schlagen, aber  in  Hatton  und  Bückling  mitübersetzt:  Quinta  autem  die  hora 
sexta  subito  erunt  tonitrua  magna  in  caelo;  et  virtutes  hiniinis  et  rota 
solis  rapietur  [aperietur  M-];  et  erunt  tenebrae  magnae  in  saeculo  usque 
in  veHj)erum;  et  stellae  vertebuntur  [vetabuntur  P,  cessabunt  }iP]  a  [arf  M^] 
ministerio  suo.  In  illo  die  et  omnes  gentes  ocliebunt  [hadibunt  M',  vide- 
bunt  M*]  saeculum  et  contempent  [so  JPP,  continebunt  M']  vitani  saeculi 
huius.    Ista  sunt  signa  quintaa  diei. 


133 

[VI]  On  ]\'un  sixtim  djcge  tet  J'ere  sixtan  tide  djeges. 
l)es  heofon  tohlyt  fram  east-diiele  op  pxne  west-dtel;  [pay.SSS] 
7  eall  eng-la  werod  eym|?  ofer  eoröan  7  seeada]>  ]'a  soöfestan 
raen  fram  J\iw«  arleasan.  ])oüne  ]?a  arleasan  men  fleoö  pcet 
heofoneunde  werod  hi  sylfe  to  be-hydenne  on  dunum  7  on  5 
beorgu»?,  7  eweöa]':  'Untyn  pn  pe.  la  eorj'e,  7  for-swelh  üs, 
)^y-les-}'e  we  fundene  beon'. 

[VII]  On  pixm  seofol'un  da^ge  fct  J^ere  seofoj'an  tide  djeges 
biö   domes   tacen,   7  Mi  pam  feovver  bealfum  ]?isse  1)   middan- 
eardes  feovver  englas  standap  7  blawap  feower  byman.    l)oime  10 
be-fealdal>  pes  heofon  to-giiedere,  swylce  man  ane  boc  be-tine.^) 

7  se  sunne  biö  on-weuded  od  j^eostru,  7  se  mona  on  blöd;  7 
steorrau  of  heofouum  fealla}?.  7  eall  beofoncund  ma3gen  powie 
on-hrered.  biö.  Drihten  cymö  ponne  on  miccluMi  megen-J'ri»<me, 
7  fyr  on  bis  tinsyne  seine]?  7  blyeeö;  7  on  bis  ymbe-bwyrfte  15 
biö  swij'e  myeel  hrerenes.  l)onne  arisaö  ealle  ]?a  men,  J>a-|'e 
mid  gebregdnessuwi  on  deap'e  swulton,  fram  j?aw  feower  beal- 

innopas,  J?a-pe  naefre  ne  cecdon,  7  pa  breost,  Jia-pe  ngefre  meolcjende 
iicieroa.'  7  j'onnc  hie  cwepaf>  to  pSBva  dunum  7  to  ppem  Lyllnin :  'Feallaf» 
ofor  ns  7  ns  bewreop  7  johydaö,  pect  we  ne  }nirfon  ]7ysne  eje  len^  f»ro- 
wian  fet  fyssum  en^lum.    Nu  is  eal  ^esyne,  pcet  we  eer  behyded  hasfdon.' 

[VI]  py  syxtan  dseje  per  underne  ponne  bip»  from  feower  endum 
J'pere  eorpan  eall  middanj;eard  mid  awerjdum  jastam  jefylled,  pa  fundiaj?, 
pcet  hie  willou  jenimon  myecle  herehyp  manna  saula,  swa  Antecrist  ser 
bcforan  dyde.  7  ponue  he  cymep,  ponne  beotaj?  he,  pcet  he  wile  pa  saala 
seudan  on  ece  witu,  ]?a-]?e  him  heran  nella]'.  7  ponne  ?et  nehstan  bip 
he  sylfa  on  eone  wean  bedrifen.  Swa  ponne  py  dseje  cymep  sanctus 
Michahel  mid  heofonlicnm  preate  hali^ra  jasta;  7  pa  ponne  ofsleap  ealle 
pa  awerjdan;  7  on  helle-jrund  bodrifap  for  heora  unhyrsumnesse  Jodes 
beboda  7  for  heora  mäudsedum.  ponne  jeseop  ealle  jesceafta  ures  Dribtnes 
mihte,  peah-pe  hie  nu  mennisce  men  oncnawan  nellau  ne  on^ytan. 

[VII]  ponne  sefter  peossum  pinjum  bip  neh  ptem  seofopan  dseje. 
7  ponne  hatep  sanctus  Michahel  se  heahen^l  blawan  pa  feower  beman  set 
pissnm  feower  endum  middan^eardes;  7  awecceap  ealle  pa  lichoman  of 
deape,  peah-pe  hie  aer  eorpe  bewrijen  bsefde  oppe  on  wsetere  adruncan 
oppe  wildeor  abiton  oppe  fujlas  tobseron  oppe  fixas  toslitan  oppe  on 
feni^e  wisan  of  pisse  worlde  jewiton.  Ealle  hie  sceolan  ponne  arisan  7 
forpgän  to  pam  dorne,  on  swylcum  heowe  swa  hie  aer  hie  sylfe  sefrEet- 

^)  Lies  ßisses. 

2)  Aus  dem  Vorzeichen  des  dritten  Tages  herübergenommen. 


134 

inm  Jnsses  miüdfixigcardcs ,  pcet  syndon,  j^aj^e  on  [pag.  389] 
pissuw  life  on  fyre  for-ba^rnede  wseron  oj'pe  on  wsetere  adrencte 
weron  oj^l^e  on  rode  ahaugene  weron  o]^pe  on  niorl^e  of-slagene 
weron  oj^J^e  wilde- deor  fra^ton  o]']'e  fugelas  to-bseron,   ealle  l^a 

5  l'onnc  sßt  pern  bymene  stefne  arisa]'  7  }nirh  fyres  leoman  to 
Godes  dorne  gn]\  ©er  ait-standap  l'useud  pusend  engla  7 
myeel  megen  heali-engla  7  ealle  haiige  7  so)>'feste  Godes 
witegan  7  heahfrederas  7  apos^olas.  Bonne  letyweö  Dribte»* 
]7a  rode,  pe  he   on   )?rowade;    7   p'er  seiueö   leobt  ofer  eallne 

10  middangfarc^.  7  he  ietyweö  }m  wunda  on  bis  sidan  7  l^aera 
naegla  wunda,  swa  pa.  on  bis  banduw  7  fotu>«,  pa  he  mid  wes 
on  rode  ge-fa3stnod,  swa  blodig,  swa  bi  weron  on  pam  forman 
dege. 

Donwe  cwiö  se  eca  cyning  to  anra  gebwyleum:   ^Men  ]?a 

15  \eofestan,  sege  me,  bwet  ge-worbtest  pxx  ol^l^e  hwet  ge-cwede 
]?u  o|?}?e  hwet  gedydest  p\\i  Syle  wedd  be  ]:>issu>«  eallm»,  l^e 
ic  for  l^e  dyde  7  for  pe  prowade.' 

Donwe  [pag-  396\  awdswarap>  se  man  wxwm  Dribtne^)  7  cwiö: 
'Nebbe  ic  a3nig  wedd  to  syllanne,  nimf>e  mine.'    \)omie  biö  boe 

20  ontyned  on  ansyne  l?es  hexbstan  cyninges.  On  }?ere  b6e  beoö 
awritene  a^ghwylces  mannes  da3da,  eall  pmt  he  to  gude  dyde 
op>l?e  to  yfele  gedyde  on  l'isum  middangeard  per  se  broper 
p2im  o)>rum  ne  maeg  gebelpan,  ne  se  feder  J^aw  suna,  ne  pa 
neahmagas  ne  l^a  madm-ge-streon. '^)     Ne  pysse  worulde  sehta 

25  benigne  man  per  ge-scyldan  ne  mag  ol>ru>».  Ae  Drihte?*  gyldej? 
anra  ge-bwyleu«*  men  ixiiier  bis  sylfes  ge-wyrbtu?>L 

ponwe  soj'feste  7  geeorene  men  forö-berap  beora  wuruea 
byrsumnesse,  7  Drihtnes  haiige  martiras  beora  ]n*owunga  7 
l^aera  carcerna  nearownessa  7  manige  earfoöe,  j^e  bi  adrigou  3) 

30  for  Drihtnes  uaman.  Gehddode  men  beraj?  beora  hyrsuwmesse 
7  for-wyrnednesse  pyssa  woruldliera  pinga  7  beora  pa  singalan 

wodan.  Nses  na  mid  ^olde  ne  mid  jodwebbennm  hrae^lum,  ac  mid  ^odum 
d?ednm  7  hal^um  we  sceolan  beon  ^efraitwode,  ^if  \ve  poune  willaj?  beon 
on  pa  swlpran  healfe  Drihtnes  Hselendes  Cristes  mid  sopfsestum  saulum  7 
jecorenum,  pa  he  sende)?  on  ece  leoht. 

*)  Das  t  über  der  Zeile  nachgetragen. 
'^)  Dasselbe  Wort  wie  Beowulf  1931  (»icedtn^estreon). 
°)  Falls  hier  nicht  Verschreibung  für  adrugon  anzunehmen  ist,  müfste 
hier  eine  alte  t-umgelautete  Optativform  (adrygon)  vorliegen. 


135 

wcccan  7  |'a  drihtciilican  [inig.  391]  hclxxlu  7  hyra  j^a  gast- 
lican  f>eowdomas.  Lii'wecle  men,  J^a-l^e  her  ribtliee  hyra  lif 
libba]',  hi  beraö  heora  a.'lmes-da?da  7  hluttor  lif  7  clene  on 
ansyne  pes  hehstan  scyppendes. 

Bomie  cwiö  se  eca  cyning:  'Venite,  heneäicti  patris  mei,^)    5 
percipHc   rcgmtm,   qnod  uohis  jmratum   est  ab   oriyhie  mundi 
[Matt.  XXV,  34].     Cume   ge,   gebletsode   mines  feder,   7   onfoö 
pcüt  rice,  pcet  eow  is  gearu  imaced  2)  of  frumpa.  }>issere  worulde.' 
Bonne  pa.  arleasan   7  ]n\  syufullan   hi  beraö  nearowne  w.'estm 
7  seeand-fulue   on  ansyue   )?es   beahstau    scyppendes.    Donne  10 
cwiö  se  beofona  Dribte«:   ^Discedite  a  me,  maledicti,  in  ignem 
etermim  [Matt.  XXV,  41].     Fare  ge  fr  um  me,   awyrigde.'     7  hi 
l'onnc  ahwyrfa]?  fram  baligra  manna  dreame  7  swij^e  beofigende 
belle-witu  secaj^,  }'iier  is  deaö  butan  life,  7  J^eostru  buton  leobte, 
7  breow  buton  frofre,   7  yrrnj^e  buton  ende.    Der  ne  on-git  se  15 
feder  J^one  sunu;  [2mg.  392]  ne  se  sunu  J?one  fader  ne  wuröa]^; 
ne  seo  dobter  j^a  modor  ne  lufaö;  ne  seo  moder  pd  dobter  ne 
niiltsaö./   Ac  anra  ge-bwylc  bis  sylfes  yrmpa  beofaö,   for)?on- 
l^e  helle-fyr   nefre   ne   bi]'   adweseed,   ac    a   j^a    dracan    7   l^a 
wyrmas  j'ara  arleasra  manna  sawla  slitaö;  7  hi  nefre  ne  beoö  20 
sweltenda.    Der   is   eagena  w6p   7  to]?a   gristbitung;   7  ]?er  is 
welera  }Hirst,  wita  stow.i 

Of  piissu?»  tintregu)?i,  men  l>a  leofestmt,  tilien  we  us  to  ge- 
scyldene,  7  üs  ge-warnige,3)  ):'a  hwile  pe  we  lifes  leobt  habban 
moton,  l^e-lffis  üs  feringa  }^as  }>eo8tru  for-gripen.  7  mid  georn-  25 
fullu;»  mode  tyligen  we  ure  sylfra,  swa  lange  swa  we  libbon 
moton,  mid  godu;»  dedu?>i  to  ge-wyreenue,  pcet  we  beofona- 
rice  ge-earmian  moten  mid  nnwi  Dribtene  7  eallum  bis  balgu??«. 

Der  is  ece  bliss  7  engla  sangum  ge-swi)7erod,  7  un-asec- 
gendlic  ge-fea,  7  Godes  lof,  7  unawendenlie  ■*)  wynsujnnyss  7  30 
se  so]?e  fegernes,  swa  us  cyöde  sa«c^!<s  lohanne»,  se  Drihtnes 
dyrling.  He  8cea[pö^.  393]wode  beofonarices  wuldor,  7  he 
on  beofonum  wes,  7  he  cweö  [Ajjok  XXI,  1 — 27]:  'Ic  ge-seo 
niwne  beofon  7  niwe  eorj'an  7  J?a  balgan  ceastre  paradisum^) 

1)  Vgl.  oben  S.  127  Anm.  6. 

2)  Man  beachte  das  frühe  Beispiel  für  den  Übergang  von  ge-  in  i-, 
')  Lies  gewarnige7i. 

*)  Lies  luiaicendendlic. 

^)  Dieses  Wort  ist  durchgestrichen  und  also  wohl  zu  tilgen. 


r- 


136 

leriisalo«,  ^a'i  is  paraJisiu».  seo  wes  fra?;i  Gode  ge-fretewod. 
7  heo  wes  befangen  niid  swipe  raieelon  wealle;  7  twelf  gatu 
weron  on  J^ere  eeastre,  J^a  wairon  ge-worbte  of  twelf  cynna 
gymmn/».     7  seo   eeastre  wes  ymbe-seald   mid   Godes   beorht- 

5  nesse;  7  hire  sta]?ol  wes  of  ealliim  deorwyrpujM  stanu??^  ge- 
fretewod;  7  hyra  worj^ias  i)  weron  }?es  bluttrestau  goldes.  7 
on  p'ere  eeastre  suune  ne  liliteö  ne  mona;  ae  Godes  beorbtuesse 
bi  on-libteö.  7  seo  beorbtues  wes  \(Bt  so)?e  lamb,  \(Bt  wes  se 
ailmibtiga  Dribte«.     per   ineodon  ealle  ]^eode  7  eoröcyningas; 

10  bi  eomon  7  ge-segou  Godes  wuldor  7  bis  megen-]?rim.  7  hl 
saldon  Gode  weorpunga.' 

7  aifter  ]?on  cweö  umttu'S,  lobawwes:  'le  ge-seab  mcn 
gangan  of  ealliu?i  l^eodum,  ]?a  weron  be-swapene  ealle  mid 
bwitiu)?   rreglum  7   elypodon    7   cwedon   {yag.  3d-i\\    "Sy   belo 

15  uru?«  Dribtne  7  ]?ane,  pe  sitteö  ofer  l?issu«i  beab-setle:  foröon 
US  is  mycel  neod-pearf." ' 

Meji  ]?a  \eofestan,  ]net  we  bidden  p'a  beofoueiindan  ge- 
samnunge,  pcet  bi  us  eae  j^ingian  to  J^awi  celmibtigan  Dribtne. 
7  mnctus  Micbael  pone  beab-engel  uton  we  üs  on  fnltu«»  eigen, 

20  se  is  byrde  neorxna-wonges  7  Ebrea  p'eoda  7  a^gbwilces  godes 
mannes  sawle.  He  ge-weald  baBfö,^)  7  be  nefre  by  ne  for- 
Iffit,  ser  be  bi  ge-bringe  be-foran  Drihtnes  beab-settle.  7  l^er 
he  is  7  weardal^  ealra  balegra  sawla,  7  seo  ece  bliss  unasec- 
geudlic  on  beofona-riee,  7  pcet  berigendlice  rice  7  pcet  smylte  7 

25  j^cet  ge-sibsume,  pcet  God  bsefö  gegeareod  bis  balgum  7  mid 
bis  megen-l^ri»2me  ge-fretewod. 

Men  p2i  leofestan,  berigen  we  nu  l^oue  a3lmibtigan  Dribte)^ 
7  lufien  we  hine  7  wurl^ian.  He  is  cyning  ealra  cyninga;  7  be 
is   scyppend   ealra  ge-sceafta  ge-segeulicra   7    ungesegenlicra ; 

30  7  he  is  fegerest  ealra  blostma;  7  he  is  snottro  paare  [2)ag.  395] 
sol>an  lufe;  7  be  is  engla  symbelues;  7  he  is  wuldor  psera 
eadigra  apo5^ola;  7  he  is  leobt  }?3era  haligra  martira;  7  he  is 
neorxna-wanges  ece  ge-fea;  7  he  is  belo  ealra  uutrumra;  7 
he  is  alysend  J^aera  ge-hieftendra ;  7  be  is  ealra  }?inga  leobt  7 

35  ealra  tida. 


')  Lies  tvorpigas,  entsprechend  dem  et  platea  civitatis  aurum  mundum 
der  Quelle  (Apok.  XXI,  21). 

^)  Dahinter  scheint  ein  Genetiv  Pliir.  zu  fehlen  (godra  sawla?),  auf 
den  sich  das  folgende  hy  bezieht. 


137 

Bidden  we  im.  nun  ]\a  \eofcstan.  urue  Drihtc»  wuldres 
kyning,  ]HEt  he  üs  ge-bwyrfe  to  his  niildan  uillan  7  he  sy 
ure  mildsigend  7  uro  frefrigeod  to  his  his  miklheortnesse,  \>(et 
he  US  ge-hi'de,  J>jDr  we  on  jnim  ecan  ge-fcan  beon  niotoii  mid 
him  7  mid  calhuw  halgn;«  wiinian  on  wiihlre  7  on  weorö- 
mynte.  Ile  is  Drihten  sylfa,  se-|'o  leofaö  7  rixad  mid  siina  7 
mid  }'a?«  halgao  gaste  a  biitan  leghwylcu»;  ende.     AMEN. 


E. 

XXII.  Vercelli- Predigt 

fol.  116b— 120b. 

HER  sjosö,  hu  Banetus  Isodorus  i)  spr^ec  be  (Viire  sawle 
Se-dale  7  be  f>{X3S  lichoman.     He  cwteö: 

^'Min  sawl  on  nearunesse  is  jeseted,  7  min  jast  me  hataö,  10 
7  min  heorte  is  sedrefedu,  7  mines  modes  nearunesse  me  na-tt.' 
'Eallum  yflum  ic  eom  seald',  cwaiö  seo  synfuUe  sawl,  '7  eallre 
un-^e-sjclisnesse  ic  eom  be-wrijen.  Ne  raetto  ic  najfre  on 
min  um  life  swa  raycles  sares  ne  yfeles  ge-mseccan,  swa  ic  me 
nu  ?et-foran  je-seo,  ^foröan-J'e,  swa-hwyder-swa  ic  fare,  min  15 
un^e-sjeli^nesse  me  fserö  mid,  7  min  yfel  ic  uahwar  be-fleon 
ne  ma35,  p'a  ic  jer  ne  wolde.  Swa-hwyder-swa  ic  me  hwyrfe, 
hie  me  samod  siöiaö.    Ea-la,  J^a^t  ic  wajs  pie,s  heardestan  je- 

S.  Isidori  Synonyma  de  lamentatione  animae  peccatricis  (S.  Isldori 
Hisp.  Opera,  Eom  1802,  Vol.  VI  S.  472  fr.): 

Liber  I,  §  5.  Homo:  Auima  mea  iu  angiistiis  est,  Spiritus  raeus 
aestuat,  cor  meum  fluctuat,  angnatia  animi  possidet  me,  augustia  auimi 
affligit  me.  Circumdatus  sum  omuibus  maus,  .  .  .,  opertus  iufelicitate.  .  .  . 
Nou  reperio  uspiam  taati  luali  perfugium,  tauti  doloris  uon  iuvenio  argu- 
mentum, .  .  .  ubique  me  infellcitas  mea  persequitur.  . . . 

§6.  Ubicumque  fttgio,  mala  mea  me  iuseqnuntur;  ubicumque  me  con- 
vertero,  malorum  meorum  me  umbra  comitatur;  .  .  .,  sie  mala  mea  fngere 
non  possum.  Ego  ille  homo  ignoti  nominis,  homo  obscnrae  opiniouis, 
homo  iufimi  geueris;  .  .  . .;  nuUi  adversus  extiti,  .  .  .;  vitam  mcam  omnes 
laedere  nituntur,  .  .  . ,  conserta  manu  iu  me  pericula  ingerunt,  ad  exitinm 
me  pertrahunt,  ad  periculum  me  adducunt,  .... 


^)  Isodorus  oder  Ysodorus  statt  Isidoriis  ist  jedesmal  (S.  138  Z.  13, 
16,20;  S. 139  Z. 9, 21;  S. 141  Z.  3;  S. 143  Z.  5;  S.  141  Z. 14;  S.  146Z.  8; 
S.  148  Z.  24)  vom  Schreiber  geschrieben. 


138 

l'obtes  mann  7  ]ws  for-cu(iestnn,  Jnut  ic  me  miiie  (lajas  to 
nytte  ne  jeclyde,  }^a  hwile  pe  ic  on  worulde  wses.  Ac  öal>e 
ic  hira  willan  worhte,  [fol.  117"]  hie  willaö  me  nu  Äe-sceööan. 
Hie  sendaö  hira  handa  ou  me,  pat  hie  me  mid  sare  utateon 
5  7  to  frecnessu»<  ut-3eUeden.  'Nienis  minuw  yfliim  me  je- 
fiiltumaC»,  J'a  ic  sylfa  ?er  ne  wolde.  Ac  eallum  ic  eom  la^öed, 
7  ealle  hie  me  mid  searwe  7  mid  inwidde  onlociaJ\'  'Wala', 
cwa;ö  sio  synfulle  sawl,  'hwam  sceal  ic  gelyfan  sefter  me,  oööe 
ivt  hwam  sceal  ic  jetreowöa  habban,  ]^a  ic  mine  forleas? 
10  Najnig  min  pi^xa  nehsteua  jetreowne  jeleafan  hafa]\  Eawla, 
se  ge-leafa  is  je- worden,  7  he  is  numen,  7  he  n^es  naworn ') 
ge-suud.' 

'On-jita]',  mine  J^a  leofestau  bearn',  cwajö  mnatm  Isodorus, 
'7  .Tjhwylc  cristen  mann  smeaje  on  him  sylfiim,  hu  nearo  se 
15  siö-fet  biö  J?a;re  synfullan  sawle.  Forpan  ne  sceal  niefre  se 
cristena  man  beon  or-sorhleas'.  Cwieö  sawc^tts  Ysodorus:  'J^- 
J^euce  nu  öu,  man,  7  on-jyt,  jif  öu  sylf  l>e  nelt  alysan,  l'a 
hwile  ]'e  öu  mihi  Hwi  wenst  öu,  pset  oöres  jastes  hord-fict 
J?e  wile  alysan,  jif  öu  sylf  nelt?' 

20  'Eawla',   cwa3Ö   se   halja  Isodorus,   ^'hwiet,  j^aet  is  yfelie 

l'eaw  7  synlic,  f>8et  najnis  j^'am  synjeudum  wiö-cwiö,  ne  nanij 
l^am  man-fullan  wreceö.  pa  jodan  waädlial?  on  l?ysse  worulde, 
7  ]'a  man-fullan  ge-hyhta]'.  pa  män-fullan  wealdap»  nu  on 
heora  rice  7  hynaö  J?a  godan.     "Da  uurihtan  synt  ^e-weoröode 


§  7.  Nullas  mihi  protectionem  praebet,  .  .  . ,  millus  maus  meis 
succnrrit,  desertus  sum  ab  omnibus  liominibus;  qaicumque  me  aspicinnt, 
aut  fugiunt  aiit  fortasse  me  persequuntur,  .  .  .  Sub  pietatis  habitu  animo 
venenatü  incedunt.  Velant  malitiam  fnco  bonitatis,  .  .  .  amicitiam  dolo 
Simulant;  ostendunt  vultu,  quod  in  corde  uou  gestant.  Cui  credas?  cui 
fidem  Labeas?  quem  proximnm  sentias?  nbi  iam  fides?  Periit  fides,  ablata 
est  fides,  nusquam  tuta  fides 

§  8.  ...  Ubique  iudicium  veuale  est;  nullus  legibus  metus;  . .  .  Im- 
punita  manet  male  vivendi  licentia.  Nemo  peccantibus  contradicit;  nee 
scelas  ulciscitur  quisquam.  .  .  .  Iniqui  salvi  fiunt;  innocentes  pereunt;  boni 
indigent;  improbi  abundaut;  scelerati  potentes  sunt. 

§  9.  lusti  egent,  iniqui  honorantur;  iusti  despiciuutur,  iniqui  laetantur; 
iusti  in  maerore  et  luctu  sunt.    Impius  praevalet  adversus  iustum;  damnant 


')  Lies  naicern  (=  lat.  7ius^uam). 


139 

nu,  7  l'ii  soöfiustan  awcorpene.  l)a  uii-rihtan  blis.siaö,  7  j'a  soö- 
fa'stan  synt  on  jnornuQse  7  ou  licafe.  7  se  ar-leasa  ."^.tö  nu 
beforan  para  soöfiostan,  7  se  yfla  wylt  ]'ani  soö-fa'stan  7  j'ara 
Äodiim.  7  ]'a  uii-scyldisan  beoc")  witnode,  7  pa.  scyldisau  beoö 
for-laitene.  '^For  j'yllicum  synnuni  7  oöium  beoö  j^a  sawla  5 
witnode  on  Jodes  ^e-syböe,  7  bio  nat,  J^onwe  beo  syiifnll  biö, 
mid  bwam  bio  «nt/swerise.  ^''Ac  bio  swijaö,  forJ\in-]'e  beo 
nafa)'  nane  bylde  on  bire.' 

Se  balja  Isodorus  cwa3Ö:  'Eawla,  pxt  sio  sawl  bio  of  öam 
lieboman  aniimen  biö.  ^''Ealle  bie  bie  swa  wiindiÄo  byrwaö  10 
7  swa  fule  stincende  bie  bie  on-seuniaö  7  swa  breofe  bie  bie 
ascufaö.  7  se  lieboma  liö  on  coröan  isne  je-nearwod  7  mid 
raeentunje  seöryd  [fol.  117'']  7  mid  bendum  gebunden  7  mid 
fetriuH  sefaistnod.  7  J'aue  synfiillan  sawle  ne  beoö  ]'a  tintrejo 
Se-lytlode.  ^'Ac  )?a  cwelleras  ^)  un-oflinnedlice  ewelmaö,  7  15 
bie  un-aseeejendlice  s^ornun^e^)  bire  wite  ma^naö,  forJ^an-J^e 
öa  deofln,  swa-bw^et-swa  bie  ma^on,  wa'1-breowlices  bie  ]'enea]> 
be  bire  7  doö.  7  ]nisend-fealdum  witum  hie  bie  tiutrejiaö 
7  slitaö.  7  se  lieboma  ou  eoröau  fiünessum  to-floweö,  \>q  we 
a>r  mid  wistum  feddon;  20 

•Eawla',  ewa3Ö  se  balga  Ysodorus,  ']'onne  3yt  jeomraö  seo 


iiiali  bonos;  houüratur  iuiquiis  pro  iusto;  instns  dainuatur  pro  impio;  iuuo- 
ccntes  pro  nocentibus  pereunt  nulla  re  impediente. 

§11.  Testinm  et  iudicnm  falsa  et  cnideli  sententia  iudicor.  . .  .  Cui 
dicarnV  cui  credamy  cui  locjuar?  quem  adeaui?  a  quo  consilium  petam? 
in  quo  animum  meum  ponam?  quem  potissimum  quaeram? 

§  13.  Ego  autem  recliuato  capite,  humiliato  vultu,  deposita  facie 
sileo,  taceo,  iu  incepto  persisto  silentlo  .  .  . 

§  16  ...  Quicnmque  me  intuentur,  omnes  ut  ulcerosum  conteninunt, 
ut  foetentem  expuunt,  nt  leprosum  tangere  horrent.  lacet  caro  astricta 
ferro,  iacet  pressa  cateuis,  iacet  ligata  vinculis,  lacet  vincta  compedibns. 
Non  desuut  tormenta,  uon  desuut  cruciameuta,  .  .  . 

§  17.  Corporis  mei  carnifices  Bovis  me  cruciatibus  lacerant,  iuaudito 
geuere  poeuarum  viscera  mea  et  membra  mea  dilauiant;  quidquid  possunt, 
super  me  crudele  excogitant;  non  perimor  nuda  morte,  millc  poenis  ex- 
tortus,  mille  subactus  tormentis,  . .  .  Caro  mea  plagis  secta  computruit 


1)  Das  zweite  l  über  der  Zeile  eingefügt. 

*)  Der  Text  scheint  hier  verderbt.    Las  der  Angelsachse  iu  seiner 
Quelle  vielleicht  gemitn  statt  gcnere'i 


140 

sawl,  j^c  liire  lif  iiT  on  rcccleaste  lifde  7  cwiö :  i^'Wala,  pixit 
ic  a)fre  swa  iinse-sieli^o  geboren  sceolde  weoröau  7  pxt  ic 
swa  earm  micldan-3eardes  leoht  je-seon  seeolde!  Wala,  pa^t  ic 
swa  laoje  011  miniim  lichaman  eardijan  sceolde,  ]\i  be  me  reste 
5  ge-earniÄau  ne  wolde!  Unlust  me  wses  to  lifianne  7  Avalie  to 
sweltauue,  Eawla  deaö,  swete  eart  öu  )'am  earmum  7  )'am 
wjedliendum,  7  wunsiim  1)  eart  öu  J'am  un-rotum  7  ]'am  jaor- 
niendu???;  7  biter  eart  öu  öa?«  welisum  p-isse  worulde,  for}?an 
bie  forla^tan  sceolon  liira  blissa  7  onfoö  nnrot-nessa,  ]:'ese  deö 

10  jclces  yfeles  7  e^es.'^) 

2'Selre  biö  men,  l^;et  be  s weite,  jjonne  be  yfele  lybbe  mid 
synuum  7  on  Jodes  un-willan  sy  7  unse-sselislice  drobtiende, 
for]'an-]'e  seo  synfuUe  pawl  cwiö  to  öam  deoflum,  J'onüe  bie 
hie  tintregia]:> :   'Ic  eow  bidde,  arisaö  minum  sare  to  fultumme 

15  7  alysaö  me  of  l^j'ssum  nearoues^um,  foröam-pe  ic  swa  earm 
ne  mx^  wesau  afrefredu.  Foröan  nnje-endedu  is  min  snoruuns, 
7  mine  wita^)  ne  synt  je-libte,  iie  min  sar  ende  naifö.  Nis 
me  na^nij  leobt  ne  naenijo  byldo  on  minum  mode.  Foröan  J^as 
witu  ic  ierest  aberan  ne  mseg.' 

20  22j)a  deoflu  bire  j^onue  a>2fZsweriaö  7  cweöaö:    'Nfiefst  öu 

biht  ne  byldu  on   }^e   eallra   l>ara  3oda,   ]m  öe  Jod  on  eoröan 

§  19.  Cur  infelix  natus  snm?  .  . .  Ut  quid  miser  haue  lucem  vidi? 
.  .  .  Utinam  velocius  egrederer  a  saeculo,  quam  sura  iugressns,  .  .  .  sed,  heu, 
miseris  expectata  uiors  tarde  venit.  .  .  .  Vivendi  enim  mihi  taediuiu  est, 
nioriendi  votuui  ...  0  mors,  quam  dulcis  es  miseris !  0  mors,  quam  suavis 
es  amare  viventibns!    Quam  iucunda  es,  0  mors,  tristibus  atque  maerentibns! 

§  21.  Gerte  vel  mors  sub venit  miseris.  Melius  est  bene  mori  quam 
male  vivere;  melius  est  non  esse  quam  infeliciter  esse.  .  .  .  Parcite  dolori 
meo,  quaeso;  maerori  meo,  quaeso,  ignoscite;  angustiae  meae  veniam  date. 
.  .  .  Non  valeo  consolari  miser.  Impatiens  enim  est  dolor  meus,  infinitus  est 
maeror  meus;  nullatenus  linitur  vulnus  nieum;  .  .  .\  nullus  dolorum  finis 
est.  lam  nuUa  fiducia  est  animi;'iam  ferre  non  potest  animus;  iam  victus 
miseriis  concidit  animus. 

§  22.  Ratio:  0  homo,  quid  tantum  diffidis  animo?  .  .  .  Cur  spem  at- 
que fiduciam  omnem  amittis?  .  .  . 


*)  Lies  wynsuni. 

^)  Dieser  Satzteil  ist  verderbt.  Vielleicht  folgte  hier  etwas  dem  §  20 
(Mors  malorum  onmium  finem  imponit)  entsprechendes.  Also  etwa  se 
deaö  oelces  yfeles  7  e^es  ende  is. 

^)  a  aus  e  gebessert. 


141 

Seaf.    ITwis   jMncaö  j'e  J'as  witn  py  niaran,   l'e  öc  ;cr  }'a  je- 
wyrbtu  ]'uhton?' 

'On3ita(\  mine  )m  leofestan',  cw.icö  se  halga  Isodoriis,  'hu 
mycel  uearones  pjere  sawle  biö,  j'onue  beo  bit  ^ebetan  ne  m;i35. 
28Foröan    ne   hetac^   eow,    mrn   J^a   leofestan,    [fol.  IIS"]    )'ysse    5 
woriilde  welau  be-swiean,  for(\nn  lieo  is  sceort  7  swicol  eallu»?, 
pe  bire  fyl^eaj^    Ealle  Jvis  bcnendlicau  earfeönessa  ende  babbaö; 
ae  öa  to-weardan  ende  nabba)\     Ne  na^nises  mannes  lif  ne  biö 
to  )'an  lause,  J^aet  on  sceortre  7  on  sarijre  hwile  ne  Äe-endije. 
Foröan   sare    7  eallum  öam  iinrotnessum  on  j'ysse  worulde  we  10 
beoö   5e-ntette.     Na)ni5   ne   sie,   seöe   ne   sari^e   bis   synna.     7 
wepan    be   seeal   7    breowsian,    pißt   be    ne   scyle   on   eenesse 
heofan.      -"Us    se-dafnaö    jnirb    manij-fealde    eavfeönessa   to 
ganjanne  on  beofena-rice.     Lytle  synt  J'as  la3neDdliean  earfoö- 
nessa,   ]'y  we  nu  dra^fuan   raagon  for  j'ics  lufan,   7  myele  synt  15 
j^a   raeda  7   J'^et  ece  wiildor,   pe  he  us  ^e-haten  ba3fö,   jif  we 
fullice  wiö-standa]i  deofles  larum.    "-^Swa  myele  swiöor  swa  we 
nu   beoö  na^tte  on  j'yssum  life,   swa   myele   ma  we   feojaö  on 
öam  to-weardan  life.     Foröan  symle  ^od  her  wundaö  7  swinjö, 
öaj'e  be  wile  habbau  7  to  pam  ecan  life  je-la^dan.    Swa-swa  20 
5old  on  ofne  be  hie  syö  7  costaö;   7  swa  onsa^jdnesse  be  bie 
onfebö.     29  foröan    ne    seeal    nan    man   gnornisau   on   bis   un- 

§  26.  Transeunt  omnia  saeculi  huins  nee  permanent.  .  .  .  Nihil  est 
tamdiu,  niiiil  tarn  longuui,  quod  non  brevi  finiatnr;  oiunia  sub  caelo  finem 
suuiu  habent.  .  .  .  Nemo  in  perpetuum  expers  mali  est;  .  .  .  Vita  ista 
lacrimis  plena  est,  vita  ista  a  fletibus  inclioat.  .  .  . 

§  27.  . . .  Oportet  nos  per  multas  tnbulationes  intrare  iti  regnum  Dei. 
[Act.  XIV,  22.]  No7i  sunt  condignac  passiones  hiiius  teniporis  ad  futuram 
gloriain,  quae  revelabitnr  in  7wbis  [Rom.  VIII,  18].  Quod  in  praesentl  est, 
momentanenm  est,  et  leves  tribulationes  in  nobisj  quod  aeternum  est,  supra 
modum  est,  pondus  excellens  gloriae.  .  . . 

§  28.  .  .  .  Quantum  enim  in  hoc  saeculo  frangimnr,  tantum  in  perpetno 
saccnlo  solidamnr;  quantuui  in  praesenti  affligimur,  tantum  in  futuro 
gaudebimus.  .  .  .  Seuiper  Deus  hie  vulnerat,  quos  ad  salutem  perpetuaui 
praeparat.  In  fornace  probatur  aurum;  tu,  ut  sorde  careas,  tribnlationis 
Camino  purgaris.  .  .  . 

§  29.  Non  igitur  murmures,  non  blaspbemes;  non  dicas:  'quare 
sustineo  mala?  cur  affligor?  ut  quid  mala  patior?'  Sed  magis  die:  'peccavi; 
ut  eram  dignus,  recipio."  .  .  .  Qui  enim  in  flagellis  murmurat,  Deum  contra 
se  plus  irritat,  fororem  Dei  amplius  provocat,  iram  Dei  iudignantis  plus 
sibi  exaggerat. 


142 

trnmnesse  ne  cweöau:  "Forliwan  anefne  ic  öasyfel?  oööc  hwi 
eom  ic  iia?tecr?  Wala,  to-hwan  l'rowije  ic  J'is."  Ac  raa  öu 
scealt  eweöan:  "Dryhten,  J^e  ic  synsode;  swa  mycel  ic  ne  je- 
fele,  swa  ic  wyröe  eom."  Seöe  snornaö  on  bis  un-trumnesse, 
5  Jod  he  tyi-jö  7  bis  yrre  he  awecö.  3'^  7  seöe  bit  je-j^yMlice 
a-bereö,  Jod  liöe  he  awaeaö  to  bim,  JeJ^enc  nu  öu,  man, 
J'oune  öu  sie  cwylmed  on  j'yssum  middan-jearde  on  j'inum 
uu-trymnesse;  be-beald  on  jnnum  mode  ]^a  to-weardan  witu. 
ponne  ]'u  ^e-fele  psat  sar,  je-myne  J^set  cwic-susles ')  fyr.     Jif 

10  öu  l^e  on-dra3dest  pa  to-weardan  witu,  J'onne  ne  sar^ast  öu  na 
pißs  la3neudlican.  3'  pa)t  biö  twy-feald  yfel,  ]??et  man  sarije 
bis  licbamlicau  earfoönessa,  foröan  he  bie  sceal  J^rowian  swa- 
J'eab  7  nafaö  bis  nane  mede  [fol.  118^]  set  Jode;  ac  bafaö  pa 
ecan  se-niörunje. 

15  32«"\\7"ite  öu,  man,  butan  Jodes  willan  l'e  on  beeymeö  piet 

yrre.  Ac  öonne  he  yrre  geworden  biö  7  for  urum  synnu?w  ge- 
Sremed  biö,  J'onne  set  he  us  J'rowunsa  on,  foröan-]>e  he  wolde 
US  to  bis  willan  sebijean.  "^l)?es  lichoman  lustum  we  oftost 
ful-jan^aö;  foröan  he  sceal  bion  bwilum  swunjen.    Se  licboma 

20  oftost  sesyngaö,  7  foröan  he  sceal  beon  je-un-trumod  7  witnod, 
3'Jif  we  woldon  je-sceawian  us  sylfe  on  ure  beortan,  hwylce 

§  30.  Qui  vero  adversa  patienter  tolerat,  Deam  citius  placat.  .  . . 
Cogita,  o  hoiao,  quoslibet  luundi  cruciatus;  intende  animo  quascumque 
saecnli  poenas;  .  . .  Compara  hoc  totum  Gehennae,  et  leve  est  omne,  quod 
pateris.  Si  times,  illas  poenas  tiuie.  Istae  temporales  sunt,  illae  aeternae. . . . 

§  31.  ...  Eis  duplex  damnatio  est,  gemiua  bis  pecussio  est,  quia  et 
hie  habent  initium  tormeutoram  et  illic  perfectionem  poenarum.  Vide, 
quia  manus  Dei  te  tradidit  ad  poenam. 

§  32.  Scito  autem,  o  homo,  nulluni  tibi  adversari  potuisse,  nisi  Dens 
potestatem  dedisset;  .  .  .;  universa,  quae  tibi  accidunt,  absqne  Dei  non 
veniunt  vo'untate.  .  .  .  Indignatio  Dei  te  affligere  iussit;  ipse  iratus  iussit 
te  omnia  mala  experiri;  ...  Et  hoc  ipsum  tibi  pro  peccato  tuo  diviua 
iustitia  irrogat  et  ipsum  pro  culpa  tibi  divini  iudicii  infertur  sententia. 

§  33.  ...  Per  quae  enim  peccasti,  per  haec  et  torqueris.  Secutus  es 
carnem,  flagellaris  in  carne;  in  ipsa  gemis,  in  qua  peccasti;  in  ipsa  cruciaris, 
in  qua  deliquisti.  .  .  . 

§  34.  0  homo,  discute  conscientiam  tuam,  . .  .,  examina  te;  loquatur 
tibi  cor  tuum;  considera  meritum  tuam.  luste  argueris,  iuste  flagellaris, 
iusto  indicio  iudicaris,  .  .  .,  iustitiae  poena  te  premit.  .  .  . 


1)  Das  zweite  s  über  der  Zeile. 


143 

we  wjeron  7  us  [»onne  deman  be  nriini  ge-wyrbtnni,  l'onne 
n.Tvon  we  eft  se-nic^rode  on  ]>am  ecan  dorne,  ^n^c  ^ye  uu- 
Sesjoli^e  byrnaö  on  J\yf?se  woruldc  lufaii  7  on  hire  .^itsnnÄC  7 
Iffitaö  US  eolian  pa  lufe  J'a3S  heofonlican  rices  seleafan.' 

Cwffiö    pcet   se    Lalga   Ysodorus:     ss'fj^   lanje   willaö    je    5 
cristenan    reeelease   wunisan   on   Jwre   fuliiesse   )'a;8    licboraan 
fyrenlustes  V    Oflinnaö,  la,  ler  eow  se  deaö  ofer-eume.    <^Ac  eow 
J^inceö    swiöe    earfoöliee    pa.   unse-lnvieran    J'eawas    7    J'a   je- 
seyndan   to   for-hctanne;   foiöan  ]'y  öset  dioful  biö  on  eowrum 
heortum,   Yy  eow   eft   biter   se-deö   ]'a   swetnessa.     ^^Ac  wi(>-  10 
standaö  him  uu,  |>a  hwile  pQ  je  majon  7  raoton.    7  settaö  to- 
Seanes   eowres  liehoman   histum    7')   cwic-siisles  fyres  bryne; 
*'•  7  settaö  be-foran  eow  J'one  ejeslican  dorn.     ^^  7  eowres  deaöes 
dixiz  se-munaö;   foröan   ailce  üsez  ws  nealseceö  J?iere  sawle  ge- 
dal  7  öixiä  liehoman.     '^''We  witon,   hw?et  we  on  )>yssum  da33e  15 
wyreende  wjeron ;   ac   we  nyton  on  J'ysse  nihte,   l?eah  hio  sie 
utala^dedu   7   ''"us  ponne  öa3t  deoful  la^de  on  bis  witu,   pe  us 
ler  on  life  mid  paire  syn-bryne'^)   unasecsendliean  tintrejo   be 

§  3G.  ...  Flagras  in  terreno  amore,  .  .  .;  nescit  satiari  cupiditatis  tiiae 
sitis.    Novis  te  cottidie  peccatis  involvis.  .  .  . 

§  38.    Cur  in  peccati  sordibus  uaanes?  .  .  .  Pone  peccato  finem;  . .  . 

§  43.  ...  Sed  heu !  difficile  est  pravam  consaetudinem  vlncere  .... 

§  46.  Relucta  contra  malam  cousuetudinem;  .  .  .  Propoue  tibi  ad- 
versns  praesentis  carnis  ardores  fatnri  supplicii  iguem ;  superet  aestum 
libidinis  recordatio  aeterni  incendii;  memoria  ardoris  Gehennae  ardorem 
exclndat  luxuriae. 

§  47.  ...  Versetur  ante  oculos  tuos  imago  faturi  iudicii.  .  . . 

§  48.  ...  De  morte  tiia  cottidie  cogita.  . . .  Cottidie  dies  ultimus  appro- 
pinquat.  .  . . 

§  49.  Nescimns,  quid  nobis  hodie  contingat;  .  .  .;  ignoramus,  si  liac 
nocte  animam  nostram  conditio  mortis  reposcat.  .  .  . 

§  50.  Spiritus,  qni  ad  peccandum  saccendit,  peccantem  saepe  subito 
raplt;  .  .  .;  qui  inflectit  ad  vitia,  pertrahit  subito  ad  tormenta.  ...  (^uanti 
repente  ad  aeterna  supplicia  deducunturV  .  .  .  Alienos  casus  tua  fac  esse 
pericula;  morientis  vocatio  tua  sit  emendatio;  aliorum  perditio  tua  sit 
cautio. 


^)  Diese  Kopula  ist  nacli  Ausweis  des  Lateins  zu  streichen. 

'^)  Hier  fehlt  augenscheinlich  ein  Verb,  etwa  nfyllde,  als  Abschlufs 
des  Satzes  und  eine  Präposition,  wohl  Mid,  als  Anfang  des  nächsten 
Satzes.  Auch  ist  wohl  mid  pcem  [statt  pcere]  syn-hryne  (=  lat.  ardorem 
luxtiriae)  zu  lesen. 


144 

US  cwylmeö,  seöc  we  ?er  bis  willan  worhton  on  worulde.  For- 
öan  US  let  Jod  on  j'yssu?»  life,  |>iet  oöera  manna  forö-for  seeolde 
bion  ure  je-lienesse. 

■''''Eawla,    sawl,    öuöe    eavdodest    on    jnnes   lichoman   tin- 
5  tresum,   waca  7  ^-'^e-bide  )'inne  Drybten,   J'e-la?s   j^e  slajpende 
se  deaö  ofer-cume.     Jebyraö  ^ 

[fol.  HO"],  men  |m  leofestan,  öa-öe  ber  syndoü  on  }?yssum  folce 
dysije  7  recelease,  sanjaö  to  deadra  mauna  be-byri^nesse  7 
Seseoö  ]';i3r  lifisendra  bysene.  lo  bie  w?eron  us  jelice  on  pysse 
10  worulde  wynsumnesse  lifisende  7  bim  welena  stryudon  7  bim 
mycla  aibta  biebbende  wseron.  Ac  öas  ealle  synt  fram  bim 
anumen,  pj  bine  ne  scele  nan  man  swa  sylfne  be-swican,  p(^t 
be  bim  langes  lifes  wene.' 

^^i'Ac  öu,  man',  cwce^  se  balga  Ysodorus,  'ie  öe  bidde  7 
15  balsije,  7  seornlice  ic  ]'e  manise,  J'fet  öu^)  nan-wibt  leobt- 
lices  ne  leaslices  ne  do,  ne  öu  l^ine  synua  eft  ne  edniwa,  ne 
]?u  ]nn  yfel  to  eft  ne  bwyrfe.  -  Ac  öu,  ma,  3)  bewite  pe  sylfne 
7  wite,  bwset  öu  eart  7  for-bwan  ön  sie  7  bwset  öu  sie,  7 
forbwan  pu.  je-boren  wseie  oö|:'e  to  bwylere  nytuesse  )ni  acenned 
20  vvsere,  7  to  bwyleum  Innje  öu  on  pas  woruld  ge-eacnod  wsere. 
Je-myne  ]'inne  seippend  7  je-myne,  öset  öu  ge-worbt  eart;  7 
ongyt,  bwylcne  pe  Jod  je-sceop.     7  semyue,   bwylc^)  wyrbta 

§  51.  ...  Dum  potes,  a  vitio  et  a  peccato  te  revoea;  dum  tempus 
est,  clama.  .  .  . 

§  63.  Sucurre  mihi,  Deus  meus,  antequam  moriar,  anteqnam  mors 
me  praeveniat.  . . . 

Liber  Secimdns.  §  1.  Homo:  Quaeso  te,  anima,  obsecro  te,  de- 
precor  te;  imploro  te,  ne  quid  ultra  leviter  agas,  ue  quid  inconsnlte  gerag, 
ne  temere  aliqaid  facias;  ne  repetatur  malum,  .  .  .,  ne  redeat  iniquitas,  ne 
denuo  exoriatar  nequitia.  .  .  . 

§  2.  Ratio:  Scito,  homo,  temetipsum;  scito,  quis  sis;  scito,  cur 
ortus  sis,  quare  natus  sis,  in  quem  usum  genitus  sis,  quare  sis  faetas,  qua 
conditione  sis  editus,  aut  quare  sis  in  hoc  saeculo  procreatus.  Memento 
conditionis  tuae;  naturae  tuae  ordinem  serva.  Esto,  qnod  factus  es, 
qualem  te  Deus  fecit,  qualem  te  factor  condidit,  qualem  te  creator  instituit. 


*)  Vielleicht  fehlt  hier  ein  Blatt,  aus  den  oben  S.  S3   angegebenen 
Gründen. 

^)  Über  der  Zeile  eingefügt. 

^)  Lies  man  (==  lat.  homo). 

*)  Lies  hu-ylcne  (—  lat.  qualem  te  fabricator  condidit). 


145 

I''e  ^c-worhte  7  hu  fscjer  seyppend  J'e  sawle  on-sctte  7  sende. 
3  He  öe  bebt  ad,  piet  öu  healde  )'inne  rihtan  jelcafan  7  J^jet  öu 
lijebbe  bylwitne  geleafan  7  wunije  on  I>e  se  un-forhta  7  se 
unjc-brosuoda  ^eleafa.  Nfcni^  )'e  mid  imsnotre  lare  öe  ^)  be- 
swiee ;  ne  iijenis  sej'worneese  j'ysse  woriilde  öe  ateo  fram  Jodes  5 
willan.  Ne  njenij  J'ius  l'ristlicc  be  Criste  öu  sprec;  ne  nxms 
wiht  öweorliees  be  him  öu  ^e-byr  sprecan.  -^Ac  öonne  öu 
bine  eisst  on  J'inum  worduin,  ne  wiö-sac  öu  bine  on  J'iuum 
weoreum;  7  {ram  ealluui.  ]'am-|^e  sio  jcw  for-byt.^)  7  nan- 
wiht  wiö  Jodes  be-bodu  öu  do.  Ae  leofa  on  gode  7  sebide  10 
l^e  to  bim,  foi-öau-}?e  öurb  yfelra  manna  j^eawas  7  bira  bysna^) 
man  wyrö  oft  be-smiten.  7  jnirb  jodra  J^eawa  7  bysna  man 
wyrö  oft  Jode  je-stryned.  '^Ne  syle  öu  J'ine  sawle  on  Jnnes 
liebaman  jew  .  .  .  J)  ^Ac  se-elajnsa  öu  p'm  mod  fram  yfeluwi 
5e-]'obtum,  7  jebi  ...••)  eow  fram  J>a38  lieboman  scionesse,  f'a3t  15 
eowre  J'obt  ....•')  [fol  119^]  ebene  7  blutre.  Foröan  we 
witon,  piet  be  urum  gej^obtum  we  sceolon  beon  demede  Jode'): 


§  3.  Serva  rectam  fidem,  tene  sinceram  fidern,  custodi  intemeratam 
fidem,  maneat  in  te  recta  fides.  Sit  in  te  incornipta  confessionis  fides. 
Nulla  te  insipiens  doctrina  decipiat-,  nnlla  religio  per  versa  corruuipat; 
nuUa  pravitas  a  fidei  soliditate  avertat.  Nihil  temere  de  Christo  loquaris; 
nihil  de  Deo  pravnm,  nihil  impium  sentias.  .  .  . 

§  4.  Non  delinquas  in  opere,  qui  in  fide  perfectus  es.  Fidem  tur- 
piter  vivendo  non  polluas ;  fidei  integritatem  pravis  moribus  non  corrumpas. 
Nihil  contra  praeceptnm  Dei  facias.  Vive  in  bono,  nullo  adiuncto  malo. 
Bonos  mores  nulla  conversatio  mala  coinqninet.  . .  . 

§  5.  ...  Non  des  anlmam  tuam  in  potestatem  carnis.  .  .  .  A  cogitatione 
noxia  custodi  animam  tuam.  . .  . 

§  6.  Sit  animus  tuns  ab  omni  poUutione  purgatus.  Sit  mens  tua 
pura.  .  .  .  Scito  te  de  cogitationlbus  iudicandum;  Deus  conscientias  iudicat. 
Dens  non  solum  carnem,  sed  et  meutern  examinat.     Deus  iudex  et  de 


0  Das  zweite  de  ist  zu  streichen. 

^)  Dahinter  fehlt  wohl  so  etwas  wie  öe  tvidbregd. 

ä)  Davor  fortradiert  ein  byra. 

*)  Ein  Fleck  macht  das  Ende  dieser  und  der  beiden  nächsten  Zeilen 
nnleserlich.     Hier  ist  oifenbar  zu  lesen  getveald  (=  lat.  in  jjotestatem). 

^)  Der  letzte  lesbare  Buchstabe  ist  wohl  die  linke  Hälfte  eines  u, 
nicht  ein  i.    Lies  gebii^aö. 

'^)  Lies  pohtas  sie«. 

')  Lies  fram  Joc?e. 

Studien  z.  engl.  Phil.     L.  jq 


146 

Dales  ]'fet  an.  |'?ßt  Iie  ure  licboman  sceawaö,  ac  eac  swylce 
ure  jej'ohtas.  Jod  se  is  dema;  be  mivn  5e)?ohtum  he  msenö 
ure  sawle.  Foröan,  j^onne  hie  us  cumaö,  utan  him  wiö-standan 
7  of  ure  heortan  aweorpau  öa  yflan  se-}^ohtas.     '  For}'an  ne  ms^z 

5  se  lieharaa    nan-wiht   don,   butan  hit    pset   mod   wille.     Utan 
cliensian  ure  seöohtas  ponne;  ure  lichoma  ne  syn^aö.' 

^'Je-hyr  öu,  mann',  ewaö  se  halja  Ysodorus,  '7  hlyst  to 
]'an-]ie  ic  )'e  bere,  7  onsyt,  )7a-öe  ic  pe  to  manise.  Ne  ^e- 
wemmaö    eowre   lichaman    öurh    for-healdnesse.     For    eallum 

10  yflum  hio  ys  wyrse,  7  mani^e  men  )nirh  hie  forö-cumaö. 
'-•Selre  biö  men,  psdt  he  swelte,  }'onne  he  bis  licboman  fyrwet- 
Syrnessum  je- wenige. ')  Selre  wsere  öaere  sawle,  pcet  hio 
brajdlice  of  öam  licboman  anumen  wrere,  öonne  he  hie  öurh 
bis   synlustas   for-lure.     Sio    for-hjefdnesse    jedeö    Jode   j^one 

15  mannan  uealreean.  1)xy  sio  for-bsefdnesse  wunaö,  J^ier  wunaö 
Jod.  i^-'7  sio  clsennes  us  je-bset  beofona-rice.  Sio  fyrwet- 
Syrnes  besencö  ]?one  mannan  on  belle;  7  sio  fyrwet-^yrnesse 
syleö  l?one  mannan  |mm  sweartan  fynd,  öe  hine  ge-lsedeö  to 
helle-tintrejum.     i^Ealaöu,  man,  jif  öe  nu  syt  j?ine8  licboman 

cogitationibus  iudicat  animam.  Quando  titillat  prava  cogitatio,  non  con- 
sentias  illi.  . .  .  Primam  peccati  snggestionem  contemne;  Don  sinas  eaui  in 
corde  tuo  manere ;  quacumque  hora  venerit,  expelle  illam.  [§  7.  Si  ex- 
puleris  cogitatiunem  a  corde  .  .  .].  ... 

§  7.  ...  Non  enim  potest  corpus  corrumpi,  nisi  prins  animas  corrup- 
tu3  fuerit.  .  . .  Munda  ergo  a  cogitatione  animum,  et  caro  non  peccat.  . . . 

§  S.  Audi,  anima,  quae  loquor;  ausculta,  quae  dico;  attende,  quae 
moneo.  Xulla  iam  immunditia  polluaris;  .  .  .;  ab  omni  te  carnis  corruptela 
suspende.  ...  Fornicatione  contaminari  deterius  omni  peccato  puta;  omnibus 
peccatis  fornicatio  maior  est. 

§9.  ...  Melius  est  mori  quam  fornicari;  .  .  .;  melius  est  animam 
eflfundere  quam  eam  per  incontinentiam  perdere.  Continentia  hominem  Deo 
proximum  reddit;  .  .  .;  ubi  manserit  continentia,  ibi  et  Deus  permanet. 

§  10.  Castitas  hominem  caelo  iungit;  .  .  .;  castitati  caeli  regnum 
promittitur.  .  .  .  Libido  vero  in  infernnm  mergit  hominem ;  libido  ad  tar- 
tara  hominem  mittit;  ad  poenas  tartari  hominem  libido  perducit. 

§  11.  Quod  si  adhuc  carnis  molestias  sentis,  si  adhuc  carnis  stimulis 
tangeris,  si  adhuc  libidinis  suggestione  pulsaris,  si  animum  tuum  adhnc 
fomicationis  titillat  memoria,  .  .  .  memoriam  mortis  tibi  obiice,  .  .  .  propone 
tibi  futura  tormenta;  .  .  .;  propone  tibi  infernorum  perpetuos  ignes;  pro- 
pone tibi  gehennae  poenas  horribiles. 

^)  Lies  ^eivemme. 


147 

unec^nessa  hrinen  oöpe  hie  öe  cynsende  >)  fyrwet-^yrnesse  lajre 
oööe  nii  gyt  pin  mod  pQ  for-healdnesse  mynjie,  Äemyne  ]'a  to- 
weardan  7  )?a  unaseesendliean  witu,  hu  ^rinimo  hie  synt.  7 
forj'au  sie  öc  swa  mycel  s^^orn-fiünes  pa  syiina  to  betanne,  swa 
öe  wa;s  jer  hie  to  wyrcanue.  Nfcnis  l'inj  on  j'ysse  worulde  5 
pe  se-do  ]?inra  sycua  sorh-leasne ;  ac  öurh-wuni^e  on  J'inre 
heortan  eje  7  fyrhtu.  purh  j'oue  e^e  öu  se-betest  |'a  syone. 
pa)!'  lufu  ne  biö,  }7{er  biö  ealles  lifes  to-lysiiesse. 

'Eala,  hu  ünaseesendlica  sj-nt  J'ysses  lifes  ideluessa  7  for- 
wyrda!  For}'an  ]?eah-J?e  we  hie  forheten,  we  ne  sculon  ure  10 
heortan  eft  to  him  hweorfan,  forJ^am-J^'e  öa  welan  for-wyröaö 
7  öset  wuklor  \fol.  130"]  for-wyrö  7  sio  Ae^ernes  for-wisnaö. 
Jod  )?one  maniian  to  bis  anlicnesse  je-worhte;  7  )'onne  hwa^öere 
idelliee  he  swincö  7  on  gewinne  he  biö  drefed.  He  jold-hord 
samnaö;  ae  he  ne  wat,  hwam  he  hit  samnaö.  foröam-]'e  we  15 
ealle  naeode  7  for-hetene  arisaö,  swa-swa  we  jeborene  w<^eron ; 
7  to  ]?am  andrvsenlican  we  feraö  naeode  7  earme  7  unrote 
7  jesworcene  mid  eje  7  mid  fyrhöu.  Beforan  heah-setle  pias 
ecan  deman  we  beoö  ahiedde,  öonne  we  bioö  aworpene  of 
pysses  rices  welan  7  of  l'ysse  worlde  se-fean.  7  we  ne  bioö  20 
Se-dyrstije  for  urum  synnum  urne  wealdend  je-sion.  Ae  öaöe 
nu  to  swiöe  ne  blissiaö  on  j^ysse  leasan^)  worulde  welum, 
hie  feoö  f'onne  on  f'am  to-weardan  dorne.  Daöe  nu  be  sylf- 
wille  Jode  }'eowiaö,  hie  se-feoö  ]?onne  on  l^iam  heofonlican 
bryd-bure.  7  öaöe  nu  forlaitaö  J^as  eorölican,  hie  onfoö  }?onne  25 
pH  heofonlican.  Ac  öa  earman  7  l^a  synfullan  to  fyres 
tintrejura  hie  beoö  se-to^ene.  We  jraniaö  ]>onne,  7  ne  biö, 
seöe  ure  ge-miltsie.  We  seomriaö  l'onne,  7  ne  biö,  seöe  us 
hal  sedo. 

'Ac  utan  efestan,  pa  hwile  pe  we  tide  htebben,  to  hebbanne  3o 
ure  handa  to  Dryhtne  7  cweöan,  pait  us  je-haile  Jod,  pcet  we 
ne  for-wyrpen.  La,  hu  lange  we  urne  wealdend  7  nrne 
scyppend  to  hat-heortnesse  je-tihten!  ^Ice  d^eje  he  us  gearwaö, 
7  we  bis  bioö  unje-inyndise.  Mlce  da^je  he  us  fedeö  7  selce 
daije  he  us  miltsaö,  7  we  hira  bioö  for-jitende.  He  us  fet,  35 
7  he   US   scylt,   7  ealle   ussa  nyd-pearfa  he  je-siehö.     7   pea\\ 


^)  Lies  cnyssende. 

^)  Hinter  s  ist  ein  e  durch  Punkte  getilgt. 

10* 


148 

ajlce  d?e5e  Ins  be-bodu  we  liyrwaö.  La,  hwi  ne  seeamaö  us? 
Utan  seeamian  ure,  aM]>au-}?e  sio  tid  cume,  öe  us  nealaiceö,  pmi 
we  sceolon  ures  lifes  7  eallra  ura  dwda  ribt  agildan.  7  foröan 
uton  oflinnan  }'ara  unarimedra  metta  7  j^ara  je-scyndendra  je- 
5  streona  7  J^ara  oft-riedra  symla  7  para  unribt-haimeda. 

'Utan  eac  oflinnan  j'ara  ta^lnessa,  7  uton  us  on  |e-bedu 
ge-lom-bi}can,  7  uton  ure  lif  ou  ribtre  je-wendan,  «röan  us 
deaö  ge-5ripe.  le  bidde  7  balsije  a^ibwylcne  eristene  \foLl20''] 
mann,  pset  we  betan  öas  lare  on  ure  heortan  feste  wunian,  7 

10  uton  ne  Isetan  bie  diofol  purh  bis  searwa  us  frara  animan.  Ae 
utan  sorsiau  on  öysse  med-myclan  tide,  p?et  we  ne  p'yrfen 
wepan  in  ecuesse  ]>one  biterestan  wop.  7  utan  winnan  on 
}?yssu>)i  l?ßnan  life,  }'e-la3S  we  prowien  eft  J^a  ecan  tintrego. 
peos  tid  is  sceort,   7   sio ')   is  mycel  7   un^e-endod.     Foröan 

15  piet  is  se  wyrresta  djej,  se  nsenijne  onlyst.  pser  biö  soht  fram 
anra  jebwylcum,  bwait  be  yfeles  jedyde  oöj'e  jodes.  Wa  öam 
j'onne,  pe  nu  biö  wail-breow;  foröan  be  biö  cwylmed  on 
ecnesse.  Wa  öam,  pe  nele  nu  bis  synna  breowe  don;  for|^an 
be   biö   seald   ponne  öam   reöestan   feondmri,  J^a  bine  ^rimlice 

20  deaöe  cwylmaö.  Xe  sceolon  we  to  swiöe  arian  ussum  fl»sce, 
}'y  Ises  bit  eft  in  for-wyrd  forl?ede.  Se  licboma  Isemen  is, 
foröam-J^e  be  of  öam  je-worbt  wäis,  7  be  eft  to  duste  ge- 
weoröan  sceal.' 

'Ac  uton  we,  men  öa  leofestan',  cwceä  se  balja  Ysodorus, 

25  'eaömodlice  biddan  Jod,  psdt  he  us  ge-healde  her  on  worulde 
7  on  J?{ere  toweardan,  seöe  leofaö  7  ricsaö  ää  butan  ende  in 
ecnesse.' 


VIII.    Lexikalisches. 


Der  Wortsebatz  der  Vereelli-Homilien  ist  in  meisterbafter 
Weise  ausgeseböpft  worden  von  Artbur  Napier,  Coiitrihutions 
to  Old  English  Lexicography  (Trausactions  of  tbe  Pbilol.  Soc. 
for  1906,   S.  265 — 358j.     Die  wenigen,   zum  Teil  zweifelbaften 


*)  Dahinter  ist  so  etwas  wie  ecnesse  ausgefallen. 


149 

Nachträge  dazu,  die  ich  luaeben  kann,  mögen  hier  zusammen- 
gestellt werden,  wobei  ieh  die  Gelegenheit  ergreife,  auch  ein 
paar  andere  bei  Bosworth-Toller  nicht  oder  nicht  genau  belegte 
Wörter,  zum  Teil  solche,  auf  die  ich  in  den  letzten  Jahren  im 
Archiv  für  neuere  Spraclien  gelegentlich  hingewiesen  habe, 
hiermit  der  lexikalischen  Verwertung  zu  erschliefsen.  •)  Die 
ae,  Disticlia  Catonis  zitiere  ich  dabei  nach  meiner  in  Vor- 
bereitung befindlichen  Ausgabe. 

äblinncdiies  'Uuterlafs'  (Nel)enform  zu  ablinnendnes,  Tl^^lfric, 
Liv.  of  S.) :  '^od  wolde,  Jxvt  J)am  men  ivccre  Jus  ijtcmesta  dceg 
uncud,  pcet  lic  hine  forJ)a7i  to  Jxüi  sC<searivode  hiäan  cenisre 
aUinnednesse ,  Verc.  f.  76*  (Hom.  XIII,  ed.  Wülker,  Anglia 
V,  465 ;  danach  von  Hall  gebucht). 

ii'ldius  (IIs.  liccldysg)  'Feuerung',  s.  unter  erfle. 

aiiforugean  'gegenüber  von'  weist  mir  Herr  cand.  phil.  Karl 
Glaeser  nach  aus  Vesp.  D.  XIV  fol.  52  b:  Ac  seo  eadige  ivces 
sivyde  gcanysnmed  mid  mycelre  Jjroivunge,  ])a-J)a  heo  stod 
anforngean  Cristes  rode  7  hire  leofe  cild  gesell  mid  irene 
nccglen  on  hearde  treowe  gefcestnod  (=  Thorpe,  Hom.  1,444: 
foran  ongean).  Unsere  obige  Form  mag  für  anforan  angean 
verschrieben  sein.  Jedenfalls  stellt  sie  aber  mit  ihrer  Er- 
setzung des  ae.  foran  durch  onforcm  eine  Übergangsform 
von  ae.  foran  ongean  zu  dem  me.  aforne^en  (Layamon), 
aforiiasens  (WiclifiF),  aforeyens  (Chaucer)  u.  a.  dar.  Vgl.  afor- 
nens  im  Oxforder  Wörterbuche. 

äere  =  ws.  yy'e  'Ör',  s.  unter  erfle. 

1)  Meiner  Überzeugung  nach  mnfs  es  das  Bestreben  eines  jeden 
Herausgebers  sein,  bei  aller  Vorsicht  möglichst  viel  neue  Wörter  und 
Formen  seinem  Texte  zu  entnehmen,  und  ich  kann  daher  nicht  begreifen, 
warum  Prof.  Belfour  bei  seiner  Besprechung  von  Wildhagens  Psalter- 
Ausgabe  {Modern  Language  Revieiv  VII  S.  557  if.)  diesem  jenes  Bestreben 
zum  Tadel  macht.  Eine  Übertreibung  nach  dieser  Richtung  scheint  mir 
das  kleinere  Übel.  Man  bedenke,  wie  viele  ae.  Wörter  den  Augen  der 
Forscher  dadurch  entschwunden  sind,  dafs  Toller  in  andererseits  lobens- 
werter Vorsicht  all  die  Wörter  nicht  mit  aufgenommen  hat,  für  die  er 
keine  Belege  wufste.  Napier  hat  manches  hübsche  Beispiel  hierfür  bei- 
gebracht (z.  B.  scora).  Übrigens  kann  ich  auch  mein  Bedauern  darüber 
nicht  unterdrücken,  dafs  die  mühevolle,  entsagungsreiche  Kleinarbeit,  die 
Wildhagen  an  Cambridger  Psalter  geleistet  hat,  einen  so  wenig  aner- 
kennungsfreudigen Kritiker  gefunden  hat. 


150 

a'tsceotau  •hinwegsebiersen,  entschwinden':  Jic  fwstcre  man 
geheaU,  piQt])xt  he  lia'fd,  gyfhc  Mm  ondrcett,  Jnxit  hit  wtsccote 
[opsceote  A«];  J)eo  man  dcelS  sparlice,  pe  man  nele,  ]}2Qt  hit 
forhersfc.  Vesp.  D.  XIV  fol.  8»  (=  Disticha  Catonis  B,  ed. 
Förster  Nr.  17,  ed.  Müller  Nr.  18). 

jctwesan  'unmittelbar  bevorstehen',  s.  Archiv  CXXII,  251 
Anm.  2  und  oben  S.  97  Z.  20. 

»-werd  =  lat.  religiosus  'fromm'  oder  'Ordensgeistlicher',  s. 
Archiv  CXXVIII,  298  Anm.  2. 

ä-llf  'ewiges  Leben',  Verc.  fol.  63b  und  64b  (s.  oben  Hom.  IX 
S.  108  Z.  15  und  S.  115  Z.  2  nebst  Anmerkung  dazu). 

äsadiau  'völlig  sättigen':  Fall  pact  is  for  pan  gode  mannen, 
pseX  heo  ascunigen  7  lytel  teilen  7  umvurd  of  pan  ivele,  ])e 
J)a  yfela  mcen  ht/d  of  swa  sw^jde  asadede,  7  ])a  gode  mmnn 
synden  hijrstige  7  gedrefde  7  unfere,  pelceste  heo  to  swyde 
blissoden  on  heora  lichames  hcele  7  on  heora  tvurld-ivelen. 
Vesp.  D.  XIV  fol.  160  b  =  Elucidarium  lib.  II  c.  5:  Propter 
electos  his  redundant  mali,  ut  haec  boni  despiciant,  quibus 
florere  etiam  pessimos  videant.  .  .  .  Boni  autem  ideo 
media,  oppressione  et  longuore  afficiuntur,  ne  in  malis  de- 
lectentur. 

astillian  'beruhigen'  belegt  mir  Karl  Glaeser  aus  Vesp.  D.  XIV 
fol.  85  b:  Ke  scule  we  ])eh  ßa  Jnvyre  mcenn  to  ure  ehtnysse 
gremigen,  ac  swydre,  gyf  heo  astyrede  hyd,  mid  rihtwisnysse 
astilligen  (wo  Thorpe,  Hom.  I,  554b  gestillan  liest).  Glaeser 
vergleicht  richtig  das  einmal  in  der  ßeda-Übersetzung  belegte 
{ge)unstillian  'beunruhigen'. 

äweiidendnes  'Änderung,  Wandel':  Peer  ys  ece  med,  7  Peer  ys 
lif  hutan  deaöe,  7  pmr  ys  gefea  hutan  unrotnesse,  7  pcer  is 
leoht  Ijutan  pystrum,  7  äcer  is  wlite  hutan  aivendendnesse. 
Verc.  fol.  112  a  (Hom.  XX).  Tollers  Suppl.  zitiert  zwei  Glossen- 
Belege.    Die  Nebenform  aiüendednes  ist  öfter  belegt. 

l)eliwylfan  'überwölben',  bisher  aus  dem  Exodus-Gedicht  V.  426 
und  der  Prosa-Exodus  142''  bekannt,  erscheint  auch  Verc. 
fol.  10  b  (s.  oben  S.  92  Z.  8).  Die  anglische  Form  hehweolfan 
findet  sich  in  Tib.  A.  III  (Eremiten  -  Legende,  ed.  Kemble, 
Dialogue  of  Salomon  and  Saturnus  86  3).  Vgl.  as.  hehweWian, 
mnl.,  nnl.  tvelve7i,  ahd.  ivelhen,  an.  hvelfa. 


151 

bcorhtues  'Lciieliten,  Glanz':  Soölicc  Drylitcn  (dmihtis,  pc 
callu  ping  gesceop,  ys  ure  lif  7  ure  ludo  7  ure  hiht;  7  he 
is  ure  ^c-f^ci  7  he  ys  ure  strengÖ  7  he  ys  ure  frofer  7  he 
ys  ure  alyscnchies  7  he  ys  ure  gescyJdnes  7  he  ys  ure  on- 
lihting;  7  he  hyÖ  on  Jxvre  to-weardan  worulde  ure  wuldor  7 
ure  bliss  7  ure  syhh  7  ure  yrfe-iveardas  [lies  yrfe-iveardnes] 
7  ure  eoics  7  ure  Icoht  7  ure  beorhtnes  7  ure  wlite  7  ure 
ece  rest.     Verc.  fol.  112  a  (Hom.  XXI). 

berian  'schlageu,  stjunpfen,  kneten'  —  das  Partizip  gchcred 
ist  mehrmals  belegt  —  liegt  wahrscheinlich  vor  in  der 
Daniel -Version  des  Cotton-Ms.  Vesp.  D.  XIV  fol.  47  b  (um 
1125):  Daniel  ])a  worhte  lau  drace  ])as  lac.  He  nam  pich 
7  hrysel  7  pimede  togcedere  7  mid  hyrstcn  gemcengde  7 
berede  to  wclcren;  7  sead  heo  sivyde  7  sealde  pan  drace 
=  Daniel  c.  XIV,  26  Tulit  ergo  Daniel  picem  et  adipem  et 
pilos,  et  coxit  pariter  fccitque  massas  et  dedit  in  os  draconis. 
Dann  kcinnte  wclcren  vielleicht  so  etwas  wie  'Mundbissen' 
beifseu,  eine  Bedeutung-,  die  durch  die  Harleian- Glosse 
wclriim  'buccis,  buccellis'  (Wr.-W.  195 32)  gestützt  werden 
könnte. 

besecan  'nachsuchen,  bitten'  erscheint  in  der  Übersetzung  von 
Joh.  XIV,  1—13  (Abschiedrede)  in  Vesp.  D.  XIV  fol  87  a  (um 
1125):  7  eall,  psat  ge  bcseccd  cet  mine  fceder  on  minenname, 
call  ic  hit  do  =  Joh.  XIV,  14 :  Si  quid  petieritis  me  in 
nomine  meo,  hoc  faciam.  Dies  ist  der  älteste  bisher  gefundene 
Beleg  für  das  Kompositum,  da  bisher  die  Lambeth-Homilien 
(von  1175)  als  früheste  Stelle  galten  (so  im  Oxf.  Dict). 

bl^estiu   'Blasen,  Flackern',   Verc.  10b   (Hom.  II,   s.  oben  S.  90 
Z.7),  wo  Wulfstan  186^  bl(est  und  Verc.  M.  110^  sebrasl  liest. 
l)uc  'Bock'  s.  unter  erfle. 

byrstig  'gebrochen'  kennt  man  bisher  aus  einem  Glossenbeleg 
(Haupts  Gl.  454,  Napier  0.  E.  Gl.  I,  2037).  In  zusammen- 
hängendem Text  erscheint  es  Vesp.  D.  XIV  fol.  160  b  (s.  die 
Stelle  oben  S.  150  unter  äsadian)  und  fol.  161b:  7  eft  pcere 
byd  sume  yfele  mcenn,  pe  byÖ  sunjde  byrstigc  7  unfere,  for 
Jjan  psdt  heo  understanden  beo  pan,  Jjs^t  bitere  byd  pa  saregan, 
pe  heo  sculen  on  helle  on  ecnysse  gcöroivigen  for  heora  unrihte 
=  Elucidarium  lib.  II  c.  5 :   Econtra  mali  qiiidam  hie  eye- 


152 

State,  affUdione,  corporis  dolore  suspirant,  ut  per  haec  discant, 
quam  amara  sint,  ad  quae  pravis  morihus  festinant. 

CTveluiere  'Totschläger'  zu  ciuyhnan  'töten'  weist  mir  K.Glaeser 
nach  aus  Vesp.  D.  XIV  fol.  30^:  Heo  [die  sieben  Schläfer] 
ivosroii  (ßdelborene  for  ivurlde  and  wurden  to  Jjan  hceöene 
cwehnere  geivreigde  for  hcora  cristendome  (=  Thorpe,  Hom. 
11,42413:  to  dam  hcedenan  civellere  geivrehte).  Vgl.  oben 
S.  106  Anm.  3. 

cwidböc  in  der  Bedeutung  Tredigtsammlung'  erscheint  in 
Vesp.  D.  XIV  fol.  741j:  Äugusti7ius  scede  on  his  cwidhocan, 
pjdt  nan  mann  ne  mihte  asmeagan  Godes  de  7  his  hehodan 
fullice  healden,  hüte  se-pe  smijlte  med  hcefde  7  frig  wlcere 
gedrefednysse.  An  den  anderen  Belegenstellen,  die  bisher 
bekannt  geworden,  hat  cwidböc  die  Bedeutung  'Spruch- 
sammlung', da  es  mit  bezug  auf  die  Proverhia  Salomonis 
und  zwar  c.  XX,  27  gebraucht  ist:  on  Salomonnes  cividhocum 
(Cura  Pastoralis  ed.  Sweet  257  23).  Es  erklärt  sich  diese 
Doppelbedeutung  von  cwidböc  aus  der  Doppelbedeutung  von 
ae.  cwide  1.  'Spruch',  2.  'Predigt'.  Flir  letztere  Bedeutung 
vgl.  etwa  ^Ifric,  Hom.  cath.  II,  2 1^  {o7i  o^s^er  Jicera  boca 
sind  feowertij  civyda),  II,  2 1'  {cetforan  celcum  ewyde  ive 
setton  da  swutelunse  on  Leden)  und  I,  18  ^e  (smeagaÖ  pysne 
cwyde). 

cwylm  'Qual',  s.  oben  Vercelli-Homilie  IX  S.  106  Z.  13  nebst  An- 
merkung. 

dysis - craeftis  (Hs.  disi-creafti)  'zauberkuudig',  s.  Archiv 
CXXVIII,  300  Anm.  3. 

efncristeu  'Mitchristen',  Vesp.  D.  XIV  fol.  160h  (s.  den  Beleg 
unter  geswincleas). 

elding  'Feuerung',  s.  unter  erfle. 

end  'und'  s.  Archiv  CXXII,  253  Anm.  2. 

erfle  (Hs.  cerflce,  hcerflce)  'Erbbier,  Leichenschmaus',  erscheint 
in  einem  spätaltenglischen  Texte,  welcher  etwa  um  die  Mitte 
des  12.  Jahrhunderts  auf  dem  vorderen  Schutzblatt  der  aus 
St.  Edmundsbury  stammenden  Beda- Handschrift  Nr.  83  des 
Pembroke  College  zu  Cambridge  eingetragen  ist.  Der  Text 
ist  in  arg  entstellter  Form  von  M.  R.  James  in  seinem 
Descriptive  Catalogue  of  the  Manuscripts  in  the  Library  of 


•  I 


153 

Pemhrol-c  College  (Cambridge  1905)  S.  73  verüffi-ntlieht  worden. 
Ich  drucke  ilm  daher  nochmals  ab  auf  Grund  einer  Kollation, 
die  ich  im  August  1911  in  Cambridge  vorgenommen  habe^): 

7  hvcelf  orwn-)  under  pxQstces   7  dcmaices'^)   7  clcercces;*) 
7  fyf  orce  cd   his  ])ruth;^)   7   an--j  -twcenti  i)eni'^cs   at  liis 
hoferhredles;^')    7   seuen  Penises  at  hale;    7    twa   ore  7   an  3 
cere')  at  hrcead;   7    hol>cer  hwrce')   at  an    ^lijchca   7    at  an 


')  Die  Erklärung  dos  Texfes  habe  ich  znra  gröl'stcu  Teil,  wie  aus 
meinen  Aumerkungen  zu  erselieu  ist,  F.  Liebennaun  und  E.  Sievcrs  zu 
verdanken,  denen  hiermit  herzlichst  gedankt  sei. 

*)  Über  den  Rechnungswert  von  ü.q.  ora  'Ör'  im  Denalagu  s.  jetzt 
Liebermaun,  Gesetze  d.  Ägs.  II,  2,  601. 

•'')  Der  linke  Grundstrich  des  n  scheint  aus  einem  h  verändert  zu  sein. 

—  James  druckt  fälschlich  dcccnces. 

*)  Liebermann  schreibt  mir  dazu:  „Priester,  Diakon,  Kleriker  [dies 
hier  im  Sondersinu  'niederer  Weihen']  ist  die  gewohnte  Abstufung." 

^)  Lies  prah;  wegen  p  statt  h  s.  Napier,  O.E.  Gl.  I, G(>  und  M.Förster, 
Archiv  CXXVII,  3fiT.  pnth  ist  hier  in  dem  gewöhnlichen  Sinne  von  'Sarg' 
gebraucht:  at  hispruh  'an  seinem  Sarge'  (=  'bei  offenem  Grabe';  s. Lieber- 
mann, Ges.  d.  Ags.  IT,  2, 479  Grab  1  ^).  „Das  his  geht  auf  den  redenden 
Erblasser.  Dafs  dieser  die  dritte  Person  (oft  hinter  erster)  anwendet,  kann 
leicht  belegt  werden"  [so  Liebermann]. 

®)  oferbrcedels  bedeutet  nach  Liebermann  hier  'Bahrtuch,  Sargdecke'. 

—  Ein  historisch  nicht  berechtigtes  h  setzt  unser  Schreiber  mehrmals  vor 
Vokale:    hale  'Bier',   hoper  'andere,  zweite',    haddy^ge  'Feuerung'    (für 

elding,  s.  weiter  unten),  fceouhcerti  'vierzig',  hrerflce  'Erbbier',  hwrce 
'Ör'.  Umgekehrt  fehlt  h  in  repcer  'Rind'  {3,e.  hryper).  —  James:  hofer- 
bred  les. 

')  Dies  are  (bezw.  h(ere,  ere)  das  dem  Zusammenhange  nach  jeden- 
falls einen  kleineu  Geldwert  darstellt,  erscheint  an  allen  vier  Stellen,  wo 
es  vorkommt  (Z.  4  [zweimal],  8,  10),  mit  einem  Singularbegriff  verbunden, 
während  als  Plural  stets  die  Form  ore,  bezw.  orce,  ora,  orcen  verwendet 
ist  (Z.  1,  2,  3,  5,  7,  10,  11,  12).  Daher  wird  man  dieses  ere  als  Fort- 
setzung des  an.  Singulars  eyrir  (mit  i- Umlaut)  auffassen  dürfen,  während 
das  ae.  oran  —  eine  Singularform  *ora  ist  nirgend  belegt  —  bekanntlich 
aus  dem  an.  Plural  aurar  herzuleiten  ist.  An  der  einzigen  anderen  Stelle, 
wo  dieser  Wertbegriff  im  Altenglischen  im  Singular  erscheint,  steht 
yre:  mid  prim  pundum  7  mid  anxmi  yre  (Cartularium  Saxonicum,  ed.  de 
Gray  Birch,  Nr.  1130,  A.D.  972— 992;  vgl.  Björkman,  Scandinavian  Loan- 
Words  S.  11).  Und  dieses  ws.  yre  stimmt  lautlich  genau  zu  unserem  obigen 
angl.  ere.  —  Wer  daran  Anstofs  nimmt,  dafs  '2  Ore  und  1  Ör'  nicht  zu 
'3  ()re'  zusammengezogen  sind,  niufs  wohl  annehmen,  dafs  hinter  ttca  ore 
(Z.  3)  etwas  ausgefallen  ist.  Ähnlich  liegt  die  Sache  in  Z.  10  (fyf  ora  7 
half  ticoilf  ere). 


*. 


154 

hncJi;^)  7  scmvii-'j-üvcenti  penises  cd  tvax;"^)  7  fyf  one  at  te 

6    fi/nw^)  cerflce'^)  at  malt  7  at  hceldy^gce ;  ^)  7  tiva-'j-fGioiüiarti 

jjenises  at  hj'wd;  7  seuentene  peniies  at  an  sivin;  7  tiva  ore 

')  Die  Form  buc,  gegenüber  sonstigem  ae.  bncca  findet  sich  sonst 
nur  noch  in  den  Peterborough-Annalen  zum  Jahre  1127  (ed.  Plummer 
I  S.  25S). 

^)  James  druckt  fiilschlich  'pax'l 

3)  at  te  fyrra;  cerflce  'beim  ersterea  Erbmahl'.  Fyrre  ist  sicher, 
worauf  mich  Sievers  hinweist,  aus  dem  Sia.  fyrre  'erster'  entlehnt.  "Wenn 
sonst  von  einer  Ilerübernahme  nordischer  Zahlwörter  nichts  bekannt  zu 
sein  scheint  —  auch  Bjürkmau  sagt  darüber  nichts  —  so  sei  darauf  hin- 
gewiesen, dafs  die  nordenglischen  Ilomilien  (ed.  Small)  drei  weitere 
Beispiele  für  nordische  Entlehnung  der  Ordinalzahlen  bietet,  nämlich 
achtelnde  26,11  (auch  Prick  of  C.  6S95:  aghtend)  =^  an.  dttande,  neynd 
26,  13  (auch  sonst;  vgl.  das  Oxf.  Dict.  s.  v.  nintli)  =  an.  nioride  und 
tend  26,15  (auch  Orrm,  Gen.  &  Ex.,  Townl.,  Will.,  Ayenb.,  Prick,  Hom. 
I,  219,  Brunne,  Hampole  u.  a.)  =  au.  tionde.  Bei  näherem  Zuschauen 
werden  sich  wohl  noch  mehr  nordische  Einflüsse  bei  den  Zahlwörtern 
zeigen.  Jedenfalls  ist  obiges  fyrre  der  früheste  Beleg  eines  nordischen 
Zahlwortes  im  Englischen.  —  Auch  das  folgende  ccrfice  ist  —  auch  diesen 
Hinweis  verdanke  ich  Sievers  —  aus  dem  an.  erfiol  'Erbmahl'  entlehnt. 
Dafs  das  nordische  Wort  ins  Englische  herübergenommen,  wnfsten  wir 
bereits  durch  einen  mittelenglischen  Beleg  von  1459  in  einem  sonst  lateinisch 
geschriebenen  Testament  aus  Yorkshire:  [John  Alanson  leaves  an  ox]  ad 
distrib.  inter  propinquos  et  amicos  raeos,  scilicet  ad  meiim  arvell  [s.  Oxford 
Dictionary  s.v.  ari'al].  Seitdem  ist  das  ne.  arval  für  das  16. — 19.  Jahrb. 
gesichert  [Belege  im  Oxf.  Dict.]  und  namentlich  in  nordenglischen  Mund- 
arten. In  obigem  Testament  liegt  uns  nun  der  früheste  Beleg  für  das 
englische  Wort  vor.  —  Die  beiden  ce  in  cerflce  werden  wohl  ebenso  für  e 
stehen,  wie  das  cb  in  ßrce  'drei',  clcerc  'Kleriker',  dceacn  'Diakon',  brccad 
'Brot',  fceouer  'vier',  tucelf  'zwöW.  Über  das  dem  fyrrce  cerflce  'ersten 
Erbmahl'  nach  Jahresfrist  (?)  folgende  (h)opcr  (h)cerflce  'zweite  Erbmahl' 
siehe  oben  im  Text  S.  155  f.  —  James  liest  an  unserer  Stelle  fälschlich 
'at  tesyrroee  aerflae'. 

*)  Auch  dies  Wort  erklärt  mir  Sievers  sicherlich  richtig  für  celding 
'Feuerung'  [zum  Malzen]  stehend.  Es  wird  gleichfalls  eine  Entlehnung 
aus  dem  Altnordischen  sein,  wo  wir  eidin g  'Feuerung'  als  nominale  Ab- 
leitung zum  Verbum  elda  'brennen'  haben,  während  dem  ae.  Celan  'brennen' 
ein  heimisches  nominales  cüling  'Feuerung'  entspricht.  Über  die  Bildung 
von  an.  elditig  s.  F.  Tamm,  Et.  svensk  ordbok  s.  v.  eld  und  Falk-Torp,  Et. 
Ordbog  s.  v.  ild.  Wegen  der  Reduktion  von  -in^  >>  -ig  s.  meine  Zu- 
sammenstellung im  Archiv  CXXV,  6.'5  Anm.  8.  Das  cb  (statt  an.  -e)  in 
{h)cxildigge  liefse  sich  durch  Anlehnung  an  das  heimische  ae.  (xling  er- 
klären, ist  aber  einfacher  wohl  als  Schreibung  für  e  zu  nehmen,  wofür  die 
Beispiele   in   der  vorigen  Anmerkung   zu   vergleichen  sind,   —   Dafs  das 


155 

an  rejxvr ;   7  an  ccrce  ])rai  hices;   7  .VIII.  ^^eni^es  a)i  cese; 
7  prce  jjenises  at  fysc;  7  fceouer  pcenises'^)  at  milch.  9 

7  fyf  ora"^)   7   half  twculf  crc'^)  at   te  hojxer  hcer/Uc;  7 
Ilafslwm^)  halfmarc  7  an  mentel\^)  7  Swcedce  Uva  ore;  7  at 
Siva'gildce  twa  ore;  7  Alfno])  pvest  tiva  viarc;  Ww^oi^)  7  his  12 
sune  .1.  marc.    Wcegen  +. 

Über  deu  Charakter  dieses  Textes  schreibt  mir  Lieber- 
maun:  „Das  Stück  ist  zweifellos  Bruchstück  eines  letzten 
Willens  für  eine  Weltgeistlichen- Konventuale  meines  Erachtens 
aus  der  Denelagu."'  „Der  Testator,  oder  sein  'Handpriester' 
(Hauskaplan,  den  wir  lesen),  scheint  mir  in  Denelagu  zu 
leben;  vielleicht  war  er  eines  Dänen  Sohn  oder  Enkel." 
„Man  beachte,  dals  Schilling  fehlt,  Or  und  Mark  die  Rechnungs- 
werte sind,  was  entweder  auf  Denelagu  oder  (weniger  wahr- 
scheinlich) nur  auf  Normannenzeit  deutet."  Inhaltlich  scheint 
mir  an  dem  Testamente  besonders  beachtenswert,  dafs  wir 
den  Beleg  haben,  dafs  die  spezifisch -nordische  Sitte  des 
doppelten  'Erbmahles'  —  das  erste  am  Begräbnistage,  das 
zweite  nach  Monats-  oder  nach  Jahresfrist  —  auch  auf 
englischen  Boden  übertragen  ist.  Über  diese  Sitte  berichtet 
Kr.  Käluud  in  Pauls  Grundrifs  ^IH  S.  427  folgendermafsen : 
„Nach  der  Bestattung  wurde  zur  Ehre  für  den  Verstorbenen 


nordische  elding  ins  Englische  gedrungen,  wnfsten  wir  bisher  durch  zwei 
mitteleuglische  Belege  in  Cursor  Mundi  und  Prompt.  Parv.  [Oxf.  Dict.]  so- 
wie die  heute  noch  lebendige  dialektische  Verwendung  [Wright,  £.  D.D.]. 
In  obigem  Testament  liegt  uns  der  früheste  Beleg  für  das  englische  Wort 
vor.  —  James  druckt  fälschlich  'heeldyggae'. 

^)  James  druckt  fälschlich  'peniges'. 

')  James  druckt  fälschlich  'orae'. 

^)  Lies  half  twelft  ere  'elfthalb  Ör'.  Diese  im  Nordischen  besonders 
häufige  Konstruktion  (s.  Fritzners  Wörterbuch)  findet  sich  im  9.-^12.  Jahr- 
hundert mehrfich  auch  im  Englischen.  Vgl.  Fr.  Koch,  Eist.  Gr.  des  Engl.  *II 
§285;  Pauls  Gruudrifs  ^I,  g.'iS  und  1131;  Oxford  Dictionary  unter  half. 

*)  Das  a  undeutlich.    James:  'hofslaem'. 

^)  Ich  wollte  dies  als  ae.  mentel' Mantel'  deuten.  Doch  bemerkt  Lieber- 
mann: „Wenn  es  'Hufe'  bedeuten  könnte,  so  wäre  endlich  ten-mental 
nachgewiesen;  s.  Gesetze  II  s.v.  'Zehnerschaft'  ß  c." 

®)  Dies  W(e,^en  wird  eine  Anglisierung  des  typisch  dänischen  Namens 
Vagn  sein ;  vgl.  E.  Björkman,  Nordische  Personennamen  in  England  (Halle 
1910)  S.  lT2f. 


156 


ein  Erbiiiahl  {crfi)  gehalten,  das  zugleieli  eine  rechtliebe 
Bedeutung  gehabt  zu  haben  scheint,  indem  hierbei  die  Erb- 
schaft augetreten  wurde.  Das  Erbmahl  konnte  mehrere 
Tage  dauern;  diese  Gastmähler  sowie  die  Hochzeitsmähler 
scheinen  die  prächtigsten  und  weitläufigsten  Familienfeste 
gewesen  zu  sein.  Bis  das  Erbmahl  des  Hausherrn  gebalten 
war,  stand  dessen  Hochsitz  leer.  Mittelalterlichen  schwedischen 
Quellen  zufolge  hielt  man  am  Begräbnistage  selbst  ein  Be- 
gräbnismahl und  am  Jahrestage  darauf  im  Zusammenhang 
mit  der  Erbteilung  ein  Erbmahl.  In  Norwegen  wurde  die 
Erbteilung  in  der  Kegel  am  Begräbnistage  selbst  vorge- 
nommen." Belegstellen  hierfür  aus  den  schwedischen  und 
norwegischen  Gesetzen  hat  mir  Sievers  freundliehst  zusammen- 
gestellt: Peer  ceru  Jwy  öl  cer  iammyhit  sJcal  hötce  at  Jwal  sum 
l)uengen:  ceit  cer  hruUöp,  annat  giftceröl,  pridire  cer  oßrvitöl 
[liesfermö7]  Västgötalag  I,  Af  Mandrapi  13  {Corpus  iuris  sveo- 
gotorum  antiqui,  ed.  Collin  und  Sehlyter,  Bd.  I  S.  15),  womit 
die  ähnliche  Stelle  im  jüngeren  Västgötalag  (II,  Dra^pare  B.  27 
=  Corj;.  1, 129)  zu  vergleichen  ist;  erfis  gierpir  iru  allar  af 
tacnar  Gutalag  I,  24, 1  {Corp.  VII,  00) ;  hroplöp,  Jcirkiogcmgs-öl, 
vt-f(erj)a-öl,  pa  liik  sJcal  iorpas,  cerue  (Var.  (Brfues-ööl,  oerfive- 
ööl)  cellce  förstomesso-öl  K.Magnus  Erikssons  Laudslag,  Gifto 
ß.VIII  prol.  {Corp.  X,  58);  I  ceruum  cellce  vtfcerjmm  (Var.  wt- 
fcerthaölom)  ib.  G.  B.  VIII,  4  ( Cor^J.  X,  59 ) ;  fcestninga-öll, 
hryllüps-öll,  barns-öll,  JclrJciogangs-üll,  tvtfcerclhis-öU  epter  then 
dödha  ella  cerffdha-öll  K.  Magnus  Erikssons  Stadslag,  Giffto- 
mala  B.  VII  prol.  {Corp.  XI,  58);  tvtfcerdhis-öll  tha  liik 
iordhas  ok  cer/fuis-öll  som  kallas  aars-moot  ib.  VII,  5  {Corp. 
XI,  60) ;  all  testament,  all  giceld,  alt  thet  liiksins  vtfcerdh 
cer,  ok  graffaa-öoll,  offer  ok  tholikt  alt  skal  äff  oskipto 
godze  vtgi/fivas  ok  giceldas;  cen  all  epter-gcBrdh  sidhan  epter 
then  clödha  giffs,  giffui  then  vi  som  arffuit  optok,  swa  som 
manadha-motz-ööll  (Var.  manadlia-oll)  ok  aarsmotz-ööll  ok 
andra  tholika  eptergcerde  ib.  Mrffdsi  B.  XIX  §  2  {Corp. 
XI,  98 f.);  I  cer/fuom  eller  ^üthfmrdom  (Var.  vtfärda-ölloni) 
K.  Kristoffers  Landslag,  Giftamala  B.  VIII,  4  {Corp.  XII,  66). 
Ein  norwegischer  Beleg  ist:  En  hvervetna  ^ess  er  menn 
verda  dauöer,  oc  vill  ervingi-ol  efter  gera,  livärt  sem  gera 
vill  at   siaund   ceda   at  Iwitugsmorne  ceöa  enn  siöarr,  pat 


157 

halla  menu  crviol  GulaJ^ngsliig-  23  [Korges  Gamle  Love 
ed.  Keyser  und  i\IuiK'li,  Bd.  I  S.  14).  Für  das  moderne 
englische  arval  vergleiche  das  Kapitel  in  lirands  Ohservaüons 
on  Populär  Antiquiiics  (Neudruck  1900)  S.  442 ff.;  C.  Hazlitt, 
Faiths  and  Folklore  (1905)  H.  16f.;  Hurland  &  Wilkinson, 
Lancashire  Folk-Lore  (18G7)  S.  270;  Atkinson,  Glossary  of 
the  Cleveland  Dialcd  (1868). 

cynowyröc  *k()niglich'  weist  mir  Karl  Glaeser  in  einem  zweiten 
Beleg  (Toller,  Suppl.)  nach  aus  Vesp.  D.  XIV  fol.  136b:  J,a 
aras  se  hing  of  liis  Icyncsetie  7  mvearp  Jus  cynewuröe  reaf 
him  of,   wo  Thorpe,  Hom.  I,  246  ^^  his  deorioyrde  reaf  liest. 

eald-nioder  kennt  man  bisher  nur  in  der  Bedeutung  'Grofs- 
mutter'.  Die  ursprünglichere  Bedeutung  'Vorfahrin'  (vgl. 
ae.  ealdfoider)  hat  das  Wort,  wie  mir  Karl  Glaeser  mitteilt, 
in  einer  yElfricsehen  Homilie  in  Vesp.  D.  XIV  fol.  53b:  Purh 
ure  ealdemoder  [so  deutlich  als  ein  Wort  in  der  Handschrift] 
Euan  US  iveard  hcofone-gaten  helocan  7  eft  purh  Marian  us 
is  geopened,  Jmrh  Jisat  lieo  sylf  nu  todceig  Widder fullice  in- 
ferde  (=  Thorpe,  Hom.  I,  446  ^o;  purh  ure  ealdan  modor). 

endemiBst  'letzte'  erseheint  in  der  späten  Schreibung  wnde- 
mest  in  Vesp.  D.  XIV  fol. 86a  (Anf.  12.  Jahrb.):  Pa  ehte  eadig- 
nyssen  helimped  to  eallen  gcleaffulle  mannen,  7  se  cendemeste 
cwide,  peh  he  syndorlice  to  pan  apo^iolen  gecweden  lucere, 
helimpd  cac  to  eallen  Cristes  lymen  (=  Thorpe  1, 554''*:  se 
oiftemysta  cwyde).  Das  Wort  war  schon  von  Somner 
(Benson,  Lye)  gebucht,  aber  ein  Beleg  war  bisher  nicht  be- 
kannt. Tollers  Supplement  konnte  aber  das  Kompositum 
endemestnesse  'extremitas'  aus  der  Regula  Benedicti  ed. 
Logeman  S.33  Z.  15  zitieren.  Bedenken,  die  Toller  gegen  die 
Richtigkeit  der  Überlieferung  zu  hegen  scheint,  vermag  ich 
nach  unserem  neuen  Belege  des  Simplex  nicht  mehr  als  be- 
rechtigt anzuerkennen.  Ich  verdanke  obigen  Beleg  Herrn  cand. 
phil.  Karl  Glaeser,  der  uns  bald  mit  einer  Lautlehre  der 
J^lfrie sehen  Homilien  der  Hs.  Vesp.  D.  XIV  beschenken  wird. 

estellc  Adj.  'fein,  angenehm'.  Neben  dem  öfter  belegten  Adv. 
estelice  war  ein  Beleg  für  das  Adjektiv  bisher  nicht  bekannt. 
Das  Adjektiv  erscheint  aber  Vesp.  D.  XIV  fol.  163»:  Eallswa 
pa  rice  mmnn  for  pan  estlice  meten  7  pa  gode  drcencen  heo 
sculen  heon  gefyllede  mid  hiternyssen,  siva-siva  ivces  se  rice 


158 

mann  on  helle,  pe  2)i&i  godspell  gemund  =  Elucidarium  lib.  II 
c.  6:  Nam  pro  epidis  replentur,  ut  ille  dives  äbsinthio 
amaritudinis.  Das  Oxforder  Wörterbuch  fafst  auch  das 
estelice  der  Keutischen  Glossen  (W.-W.  842«)  als  Adjektivum 
auf,  was  aber  falsch  ist,  weil  es  sich  um  eine  Glosse  zu  den 
Proverhia  Salomonis  XXIX,  21  handelt,  wo  im  Original  ein 
Adverbium  {delicate  ....  nutrit)  steht. 

faldliri]>ei'  'Hürdenrind V)  d.i.  entweder  falodhrider  oder  ws. 
faldhriper,  erscheint  in  einem  kurzen  Text,  welcher  in  eine 
aus  St.  Edmundsbury  stammende  Gregor  -  Handschrift  des 
O.Jahrhunderts,  Ms. Nr. 88  des  Pembroke  College,  Cambridge, 
auf  fol.  167  b  in  einer  grofsen  Hand  des  10.  Jhs.  eingetragen 
ist.  Der  Text  ist  abgedruckt  von  M.  R.  James,  A  Descriptive 
Catalogue  of  the  MSS.  in  the  Library  of  Pemhroke  College, 
Cambridge  (Cambridge  1905)  S.  81,  aber  in  so  entstellter  und 
daher  unverständlicher  Form,  dafs  ich  im  Sommer  1911 
meinen  Aufenthalt  in  Cambridge  dazu  benutzte,  den  Text 
mit  der  Handschrift  zu  kollationieren.  Darnach  lautet  das 
am   linken   Seitenraude   defekte  Fragment   folgeudermafsen: 

.  .  .1  weorc-ivyrära-)  manna:  .XYIII.   oxana 

. . .  .XXXVl.  faldhrijjera^);  hundteonti^  sivina;  y  .VI. 

...  iJidnigontig *)  sceapa;  sifonhund  flicca; 


*)  Prof.  F.  Lieb  ermann  schreibt  mir  dazu:  „Vom  'Hürdenrind'  kann 
gesprochen  sein  entweder  im  Gegensatz  zum  Stallvieh;  vielleicht  diente 
jenes  wesentlich  der  Zucht,  dieses  der  Arbeit,  wie  equae  silvestres  'wilde 
Pferde',  im  Gegensatz  zu  eafor  'Arbeitsganl'.  Oder  aber  gemeint  ist  der 
Dung,  der  als  wertvolles  Hiirdenresidnum  Gegenstand  besonderer  Ab- 
machung zwischen  Grundeigner  und  Herdenbenutzer  war;  faldworthi  heifst 
(vor  1066  schon)  der  Bauer,  der  seine  Schafe  nicht  in  die  herrschaftliche 
Hürde,  behufs  deren  Düngung,  zn  treiben  nötig  hat."  Vgl.  ae.  feldhrißer, 
das  Napier,  Contribntions  S.  320  belegt. 

*)  Liebermann  ergänzt  den  abgerisseneu  Anfang:  <is'^fo^l  weorc- 
u-yrÖra,  und  übersetzt:  „[jährliche]  Abgabe  [sämtlicher]  Fronpflichtiger 
[insgesamt] ,  d.  h.  der  GntsvoUbauern  =  des  Dorfes  als  Einer  Körperschaft, 
an  den  Grofsgutsherm  beträgt:  18  Ochsen  [zum  Einschlachten]."  —  James 
druckt  fälschlich:  'iveon  ivvnöna',  indem  er  die  alten  kurzschenkeligen 
Formen  des  insularen  r  nnd  y  verkennt. 

■'')  James  druckt  fälschlich:  ' faldhiu  pena' . 

*)  Wohl  zu  ergänzen  zu:  7  hundnigontig  [von  u  ist  noch  der  rechte 
Grundstrich  erhalten],  so  dafs  der  Eintrag  lautete:  j  .VL-^-lrnndni^onti^ 
sceapa. 


i, 


159 

....  nhiind^)  ceasa;  .Vll.  sysfras^)  himi^es;  ojiar 
. . .  Ifhiüid^)  fojira  cornes^):  .ccc.  cecera  asaiuen.-') 

Nach  freundlicher  Mitteilung  von  Felix  Lieberniann,  der 
durch  seine  tiefgründigen  Anmerkungen  zu  dem  Texte,  die 
ich  unten  mitteilen  kann,  das  Verständnis  des  Fragmentes 
überhaupt  erst  erschlossen  hat,  handelt  es  sich  bei  dem 
Stück  um  den  „Vermerk  des  Gutsherrn  (oder  eines  Amt- 
mannes) über  sein  (der  Ortsname  fehlt,  vielleicht  einziges) 
Herrschaftsgut,  im  besonderen  die  ihm  daraus  erwachsende 
Naturalien-Rente."  „Natürlich  könnte  der  Grundherr  auch 
eine  Kirche  sein." 

fifnihte  'fünf  Nächte  [d.i.  Tage]  alt',  s.  Archiv  CXXIX,22 
Anm.  2. 

forepryciies  [lies  forpryciies]  'Bedrückung'  =  lat.  pressura: 
'In  hoc  mundo  pxcsuram  hahchitis,  mundus  hie  gaudehit; 
uos  autem  tristis  [lies  tristes]  eritis,  sed  tristitia  uestra  con- 
uertit  in  gaudium  [Job.  XVI,  20].  ^e  sculon  hdUban  forc- 
Prycnesse  on  pyssum  middan  - gearde,  7  ^es  middan  - secird 
scfyhd;  7  ^e  hiod  un-hlide  7  hwmdere  ^e  hiod  unsiofiende; 
hio  se-cijrreö  eft  eow   on  sefcan.    Verc.  fol.  72a  (Hom.  XI). 

forlieafod  'Vorderhaupt'  (B-T  nur  Glossen -Belege]:  Manig 
man  hcefd  mycel  fex  on  forheafde  7  gewurö  Jjeh  fcerlice  calow, 
Disticha  Catonis  B  Nr.  40. 

foriiyrwan  'bedrängen',  s.  Archiv  CXXVIII,  57  Anm.  6. 

forscyriau  'absondern,  trennen':  7  we  us  urne  Dryhten  ondrce- 
dan,  Jjcenne  ive  hyne  mid  his  mce^en-lnymme  cumendne 
sesiod  in  öam  dorne  mid  his  en^lum.  7  hie  Ijonne  Jja  en^Jas 
him  leforan  sinsan  onsinna])  7  cwedaÖ:  'ArisaJ)  nu  ealle  l)a 


1)  Lies  sifonliund  oder  nigonhund. 

2)  Über  das  Hohlmafs  'Sextar'  s.  Liebermann,  Gesetze  d.  Ags.  II,  2 
S.  64S  und  31L  —  James  druckt  fälschlich  'avstnas'. 

^)  Lies:  twelfhund. 

*)  James  druckt  fälscWich:  'folma  connes'. 

^)  Dazu  schreibt  Liebermauu:  „300  Acker  besät  heifst:  die  Hinter- 
sassen haben  der  herrschaftlichen  Domäne  (die  ja  einen  Teil  des  Ilerrschafts- 
guts  in  eigener  Wirtschaft  hält)  300  Äcker  mit  ihrem  (der  Bauern)  Saat- 
korn zu  besäen." 


IGö 

forsciriäan  [forscyredan  Bodl.  340  fol.  33b]  7  gehyrad 
Drijlünes  stemne'    Verc.  fol.  59b  (Hom.  VIII) 

forö-ädilgiaii     'forttilgen,    austilgeu,    yeruicbten':     Men    da 

Jcofestcüi,  manad  us  7  myndsaö  on  Injssum  hocum  sanctus 
'^resorius  se  halega  writere,  se  öis  s(^writ  sette  7  wrat,  ])ait 
%ve  ymh  us  sylfe  eorne  [seorne  Bodl.  340  fol.  33a]  Jjejicen. 
Leereff  he  us,  ])Hit  ive  sien  s^-'^nyndisc  J)ara  ivorda,  J)e  Dryhteti 
scede  on  his  hocum,  dcet  Ins  ivoruldlice  lif  sceolde  forÖ-ge- 
wiian  7  forö-adUsod  hion.  Verc.  fol.  59=^  (Honi.  VIII)  und 
Bodl.  340  fol.  33  a. 

foröiin^  'Förderuüg',  s.  Archiv  CXXV,  49  Anm.  2. 

forwyiiit  n.  'Verbrechen'  Verc.  fol.  10b  (s.  oben  S.  90  Z.  4) 
und  Hatton  116  pag.  387  (s.  oben  S.  132  Z.  5).  Das  Wort 
war  schon  von  Soraner-Beusou  verzeichnet  als:  forivyrht 
'delictus\  Bosworth-Toller  belegt  nur  das  Kompositum  män- 
forivyrht  (Crist  1095). 

framllc  'stark',  B.Archiv  CXXVIII,  300  Anm.  11.  Tollerweist 
mich  freundlichst  darauf  hin,  dals  das  Adjektivum  auch  im 
ae.  Beda  I  c.  3  (iioht  fromlices  Hs.  B)  begegnet. 

full-pUDgenues  'Vollgedeihen':  Po7ine  ys  se  fifta  heafod-leahtor 
se-civeden  yrre.  Purh  Jjcet  ne  mceg  ncm  mann  hahhan  full- 
Inm^ennesse  hys  ge-J^eahtes,  Verc.  fol.  lila  (Hom.  XX);  vgl. 
die  lat.  Quelle  Ps.-Alcuin,  De  virtutibus  et  vitiis  c.  31:  Ira 
una  est  de  octo  vitiis  prmcipcdibus ;  quae  si  ratione  non 
regitur,  in  furorem  vertitur,  ita  ut  homo  sui  animi  impotens 
erit,  faciens  quae  non  convenit.  Das  zugrunde  liegende  ful- 
Imngen  begegnet  in  der  Benediktiner-Regel  ed.  Schröer  133. 

ful-weris  'sehr  müde':  ive  J)onne  gejjeticaji,  hu  dysiglic  ])cet  sie, 

//(ait) ane   on  hwylcne  sidfcet  feran  7  ful-weyig 

on  pa 7  ponne  neue,  Jjcet  se  sidfcet  7  se  wej 

cefre  geende.  Verc.  fol.  77a  (Hom.  XIV).  Die  punktierten 
Stellen  sind  fortradiert. 

fyrre  'erster'  (an.  fyrre),  s.  unter  erfle. 

6£este-doni  'Geistigkeit',  Verc.  fol. 64a  (s.  oben  Hom.  IX  S.  112 
Z.  8). 

sealpettau  'prahlen'  zitiert  Napier  aus  Verc.  fol.  17»  (Hom.  IV) 
richtig  mit  der  Bedeutung  'to  hoasV.  Er  meint  aber,  dals 
es  in  dem  Vercelli-Beleg  die  Bedeutung  'to  live  gluttonoushf 


IGl 

zu  haben  selieine.  Ich  vermag  ihm  darin  nicht  beizu- 
stimmen und  glaube,  dafs  wir  hier  mit  der  ursprünglichen 
Bedeutung  'prahlen'  sehr  wohl  auskommen,  wenn  wir  die 
beiden  Verbalbegriffe  des  Vordersatzes  nicht  als  Synonyma 
nehmen,  sondern  als  gesonderte  Begriffe,  die  allerdings  sich 
leicht  zu  einem  einheitlichen  Bilde,  dem  des  prahlenden 
Prassers,  verschmelzen.  Die  Stelle  lautet  in  der  Vercelli- 
Handschrift:  Paöe  her  swiöost  scilpettad  7  on  imriht-hadian 
[nicht  unrihttidum,  wie  Napier  druckt]  on  oferfijllo  hioö  for- 
sripene,  ])a  hioÖ  Peer  on  mcestum  liun^re  for-])rycced.  Statt 
foT^ripenc  druckt  Napier  for^rkvene,  und  ich  mufs  anerkennen, 
dals  der  fragliche  Buchstabe  keine  ausgesprochene  jj-Form 
hat,  so  dafs  ein  Schwanken  möglich  ist.  Aber  es  ist  auch 
kein  entschiedenes  w.  Gegen  die  Auffassung  als  p  spricht, 
dafs  er  nicht  eine  so  energische  Einziehung  des  Rundbogens 
aufweist  wie  sonst.  Gegen  die  Auffassung  als  ^u  spricht, 
dafs  der  Bogenstrich  nicht  so  weit  heruntergezogen  ist,  wie 
sonst  beim  w^  und  dafs  derselbe  in  einen  (allerdings  nur 
schwach  ausgebildeten)  Punkt  ausläuft.  Auch  die  Richtung 
und  Lage  der  Druckstelle  scheint  mir  eher  für  p  als  für  10 
zu  sprechen.  Alles  in  allem  möchte  ich  also  annehmen,  dafs 
der  Schreiber  ein  p  meinte.  Hinzukommt,  dafs  ich  mit  for- 
sriivene  nichts  anzufangen  weifs,  da  ein  solches  Wort  weder 
bisher  belegt  noch  in  etymologischen  Zusammenhang  zu 
setzen  ist.  Selbst  wenn  der  Schreiber  deutlich  forgriwene 
gesehrieben,  müfste  es  meiner  Ansicht  nach  in  for^ripene 
gebessert  werden.  Das  letztere  findet  Anwendung  auf  eine 
zweite  ähnliche  Stelle  derselben  Homilie  fol.  21b,  wo  der 
Schreiber  deutlich  he-^riicen  geschrieben  hat:  in  ofer-fyllo  he 
wces  be-grhven  on  un-riht-tidum.  Da  tv  das  j;  an  Häufigkeit 
des  Vorkommens  im  Altenglischen  bei  weitem  überragt,  ist 
die  psychologische  Einstellung  der  Schreiber  von  vornherein 
auf  iv  gerichtet,  so  dafs  dieses  ihnen  leichter  in  die  Feder 
fliefst. 

searlice  'völlig,  klar'  (neben  sonstigem  ^earolice)  s.  S.  168  unter 
leseleoht. 

gebau.  Hierzu  bietet  Bosworth-Toller  die  beiden  Bedeutungen 
1.  'Befehl',  2.  'Zyklus  von  15  Jahren'.  Es  fehlt  die  Ur- 
bedeutung 'Aufgebot  (zu  einer  Versammlung)',  die  das  Wort 

Studien  z.  engl.  Phil.    L.  U 


162 

z.  B.  Be  domes-dcege  130  hat:  Bio  geban  micel  7  ahoden  pider 
eal  Adames  cnosl  =  lat.  omnes  imriter  honmies  cogentur  adesse. 
[Ich  glaube,  dafs  das  den  Sinn  störende  ce^ie  zu  Beginn  des 
Verses  ganz  zu  streichen  ist.  Die  Änderung  in  Jxjenne  (Traut- 
mann bei  H.  Lohe)  dünkt  mir  lahm.] 

Sebrasl  'Geprassel'  erscheint  Be  dömes-dce^e  262,  Wulfstan 
1392i',  Verc.  fol.  115b  (s.  oben  S.  90  Z.21)  und  als  sebrasÜ 
Wulfstan  186  &  Hs.  C  [letzterer  Beleg  fehlt  in  Dodds  über- 
haupt wenig  befriedigendem  Wulfstan-Glossar]. 

sebrosuian  'zerfallen'  erscheint  Wulfstan  1482*,  187^3  un^ 
Verc.  IIa  (s.  oben  Hom.  II  S.  92  Z.  12 f.). 

sebresdnes  'Not,  Qual'  Hatton  116  pag.  388  (s.  oben  S.  133 
Z.  17).  Schon  Somner  -  Benson  -  Lye  führen  ein  gehregdnesse 
'terror'  an. 

geörycceduysse  'Bedrücktheit,  Bedrängnis'  weist  mir  Karl 
Glaeser  nach  aus  Vesp.  D.  XIV  fol.  77 a:  Tacna  gewuröed 
on  sumie  7  on  mone  7  on  steorran,  7  on  eoröen  hyö  ])eoda 
geörycednysse  [so  mit  einem  c  die  Hs.]  for  gemoengednysse 
scelicra  yÖan  7  siveges,  wo  Thorpe,  Hom.  I,  608  2 '  ofdriccednys 
liest. 

seelfremed  'entfremdet':  Foesten  ys  haiig  ping  ....  7  se  hyÖ 
"^ode  s^l^eodd,  seÖe  liyt  haliglice  ded;  7  he  hyÖ  geelfremed 
fram  middan-^erde,  7  he  hyö  gastlic  ge-worden.  Verc.  110a 
(Hom.  XX). 

sehsefteud  'Gefangene',  Hatton  116  pag.  395  (s.oben  S.136  Z.34). 

seliealde  (?)  'zufrieden,  sparsam':  Beo  gehalde  [gehealden  AB] 
on  Imm  de  2>u  hcebbe.  Unpleoricre  [lies  Unpleolicre  A,  Vn- 
pleolucar  B]  hyt  hyÖ  on  liÜum  scype  7  07i  litlum  wcetere 
J)ane  on  miclum  scype  7  on  miclum  tvcetre.  Jul.  A  II  fol.  142  a 
=  Disticha  Catonis  Hs.  a  Nr.  27.  Nun  ist  wohl  bei  der 
Übereinstimmung  der  beiden  nicht  verwandten  Hss.  A  und 
B  gehealden  jedenfalls  die  ursprüngliche  Lesung.  Das  schliefst 
aber  nicht  aus,  dafs  das  in  a  tiberlieferte  und  formell  mög- 
liche gehealde  oder  gehylde  daneben  als  Adjektiv  existiert  hat. 

sehrorenlic  'vergänglich'  belegt  Napier  mit  zwei  Beispielen. 
Ein  drittes  erscheint,  mit  falschem  (stummen)  d,  in  der 
XVI.  Vercelli-Homilie:  7  he  [d.i.  Crist'\  swa  cwoed,  Pcet 
lohannes  him  andswerecZe   7   him  to  civceö,   öcet  öcet  wcere 


163 

Sedauenlicra,  J)(ßt  Crist  hine  gefulwade,  deali-lie  he  da  liim 
io  ctüome,  efne  siva-swa  he  cwcede:  'Ic  eom  deadlic  mann  7 
gehrorendlic,  7  purh  Adames  scylde  ic  eom  gebunden;  7  ic 
fordan  hcebhe  ]}(€s  fulwihtes  hceö  7  Jjcere  clamsunge  Itearfe' 
Verc.  fol.  86  a. 

gemetues  'Mäfsigung':  Gemetnysse  hyö  eönysse.  Vesp.  D.  XIV 
fol.  IIb  r=  Disiicha  Catonis  B  Nr.  81  (A:  Gemet  ne  secÖ 
nan  selre). 

seoiid-scriöan  'durchschreiten'  fehlt  bei  Bosworth-Toller.  Doch 
findet  es  sich  bei  Wulfstan  250  3  und  Anglia  VIII,  302  (Hall) 
sowie  in  der  XX.  Vercelli-Homilie  (Verc.  fol.  lila):  Ponne 
ys  se  syxta  heafod-Ieahtor  ^e-civeden  sleacnes,  seo  deraö  pearle 
for-oft,  J)a7n-J)e  "^ode  peow^ean  willaö;  foröam  poit  mod  ^eond- 
scriö  geond  eallo  pins  =  Ps.-Alcuin,  Be  virtutihus  et  vitiis 
c.  32:  Äcedia  est  pestis,  quae  Deo  famulantibus  multum 
nocere  probatur ;  ....  et  otiosa  mens  x>er  omnia  discurrit. 

seoulic  'jung',   Verc.  fol.  62a   (g.  oben  Hom.  IX    S.  103   Z.  20). 

seoiislö  'Jenseitsfahrt,  Hinscheiden':  Butan  tweon  cefter  hyra 
seon-slde  hie  to  helle-iüiium  heod  seJcedde,  7  ])oer  ponne  on 
ecnesse  sceolon  mid  deof{l)um  ivitu  pa  s^i^^'^^iGstaii  7  J"^ 
e^esfuUan,  pe  un-asecsendlic  syndon,  liolian.    Verc.  fol.  112b. 

sesejenlic  'sichtbar'.  Diese  anglische  Form  zu  öfter  belegtem 
WS.  geseivenlic  erscheint  Hatton  116  pag.  394,  s.  oben  S.  136 
Z.29. 

sestäl  n.  'Anklage'  erscheint  im  Corpus-Glossar  1421  und  den 
Cleopatra-Glossen  W.-W.  459''.  Dazu  kommen  noch  im  fort- 
laufenden Text  vier  Belege  in  der  IL,  IV.  und  XXI.  Vercelli- 
Homilie:  Eala,  men  J?a  leofestan,  hu  us  is  to  ondra'danne, 
pcet  2ve  stcelan  sculon  on  domes-da'^e  heforan  ealles  middan- 
geardes  deman  7  heforan  eallum  menni{s)cum.  cymie.  7  eall 
helle-mwsen  pis  sestal  ^e-hyraÖ.  7  eal  engia  iverod  j-heah- 
ensla  heoÖ  Py  mete  heforan  "^ode,  paot  hie  sculon  pam  sod- 
fcestum  sauulum  [!]  onfon  7  him  piniende  hion.  7  eall  hel- 
warena  rnce^en  cymp  to  pam  dome,  /)8et  hie  pcet  s^-stal  ^e- 
hyren  (Verc.  fol.  18b)  und  Verc.  fol.  10b  =  115b  (s.  oben 
S.  91  Z.  10). 

Äestefuiaii  'vor  Gericht  zitieren,  verhandeln,  festsetzen',  Verc. 
fol.  83b  (Hom.  XV,  s.  oben  S.  125  Z.  8).    Das  Simplex  stefnian 

11* 


164 

ersclieint  dreimal  in  den  Peterborougli-Annalen  (zu  1048  und 
1093).  Das  Wort  stammt  jedenfalls  aus  an.  stcfna  'vor- 
laden, festsetzen'  (J. Steenstrup,  Danelag-  S.  182f.).  Zur  Sache 
siebe  Liebermauu,  Oes.  d.  Ags.  II  2,  724,  woselbst  auf  Brunner, 
Deutsche  Rechtsgeschichte  II,  333  verwiesen  ist. 

gestrod  n.  'Plünderung'.  Bosworth- Tollers  einziger  Beleg 
Boetbius  e.  3  §  4  läfst  diesen  zweifeln,  ob  die  Bedeutung 
'plunder'  anzusetzen  ist,  weil  das  Wort  bier  mit  einem 
sestreon  der  anderen  Hs.  konkurriert.  Sieber  liegt  die  Be- 
deutung 'Plünderung'  vor  in  der  XL  Vercelli-Homilie:  Magon 
we  nu  07isitan,  men  pa  leofestem,  ])cet-te  ure  ealra  ende 
swide  mislice  to-iveard  nealceeed.  Nu  syndon  pa  "^odes  cyrican 
hereafode  7  J)a  iviofeda  to-worpene  Jmrh  hosdenra  manna 
^ehresp  7  g^strodu.  7  pa  weallas  syndon  tohrocene  7  toslitene 
7  ])a  godcundan  hadas  syndon  geivanode  for  hyra  sylfra 
gewyrhtum  7  ^eearnunsuni.  Vere.  fol.  73a.  Hall  weist  auf 
Vesp.  Ps.  61, 11  und  die  Cleopatra-Glosse  jestrod  'proscriptio- 
nem'  W.-W.  500  3^,  leb  glaube  aber  nicbt,  dafs  auf  Grund 
biervon  mit  Hall  eine  zweite  Bedeutung  'proscription,  exiW 
anzusetzen  ist;  es  wird  nur  eine  ungenaue  Glossierung  oder 
vielmehr  Anglisierung  des  fremden  Begriffes  vorliegen. 

geswencennes  (Hs.  geswcencennysse)  'Kummer',  Nebenform  zu 
geswenced7iess,  erscheint  Vesp.  D,  XIV  fol.  76 a  (s.  die  Stelle 
unter  hceftnes). 

geswiucleas  'ohne  Plage'  erscheint  in  der  ae.  Elucidarium- 
Version  von  Vesp.  D.  XIV  fol.  160b:  Pa  geaf  God  Mm  ane 
wica,  Jjcet  he  ncefre  ne  hyd  geswyncleas  [ge  über  der  Zeile]; 
for  he  is  smid,  His  heorö  is  seo  gedrefodnysse  7  seo  tyn- 
trega;  ^a  hameres  7  Jja  heiiges  synden  pa  costninga;  pa 
tangen  synden  ehteres ;  pa  fielen  7  pa  sagen  synd  pcera  ma?ina 
tungen,  pe  wyrced  hatunge  hetweoyien  heora  emcristene  7 
hlidelice  specad  yfel  =  Elucidarium  lib.  II  c.  4:  Fecit  eum 
Deus  Idboriosum  fdbrum  in  hoc  mundo,  ut  coactus  totis 
viribus  serviat.  .  .  .  Cuius  fabri  caminus  est  afflictio  et 
tribulatio;  folles  sunt  tentationes  et  suggestiones ;  mallei  et 
forcipes  sunt  terrores  et  persecutores ;  limae  et  serrae  sunt 
linguae  maledicentium  et  detrahentium. 

sepristlJecTing  'Erdreistung'  =  lat.  praesumptio:  Se  forma 
heafod-leahtor  ys  ofer-modipies,  seo  ys  ^e-cweden  cwen  eallra 


I 


165 

yfela.  ...  Of ]>cere  hijd  sodlice  acenncd  celc  un-liyrsumnes  7 
^eljristlcecuns  7  s^flit  7  .scdivyJd  7  ^ylp  7  oJere  manesa  yfelu, 
Verc.  fol.  110b  =  Ps.-Alcuin,  De  virtutihus  et  vitiis  c.  27 : 
Frimum  vitium  est  spirituale,  superUa,  . . .  quae  regina  est 
omnium  malorum.  .  .  .  Ex  ipsa  vero  nascitur  omnis  in- 
oboedientia  et  omnis  praesumptio  et  omnis  pertinacia,  con- 
tentiones,  haereses,  arrogantid. 

gepeoTva  'Verknecbteter'  (wolil  nicht  'Mitsklave'),  Verc.  fol. 62a 
(Hom.  IX,  s.  oben  S.  104  Z.  2).  Liebermann  bezweifelt  diese 
Deutung. 

3eJ>wornesse  'Verkehrtheit,  Schlechtigkeit'  =  lat.  pravitas. 
Verc.  fol.  119a  (Hom.  XXII,  s.  oben  S.  145  Z.  5). 

Äeunfjestnian  'unfest,  kraftlos  machen':  Poime  hceß  ])CBt 
dioful  ^eiüorht  hosan  7  strcela.  ...  7  celce  d(e^e  pws  diofles 
tvilla  hiÖ,  2)set  J)issa  stnela  nan  ne  sie  ^eunfcestnod,  ^if  he 
findan  mw,s,  hivcer  he  hie  afcestnian  moese.  Verc.  fol.  24  a 
(Hom.  IV). 

sewitende  'vergänglich'  als  Adjektiv:  Pis  andwearde  lif  is 
heard  7  s^-ivitende  7  swide  s^sivincfull  7  mid  manigfealdum 
costimsum.    Verc.  fol.  79b  (Hom.  XIV). 

Slaes-se^ot  n.  'Glasgufs':  Peer  woes  getymlro  on  Beles  dci^um 
(7)  lohes  temple  of  isernum  geivorcum  7  of  slces-sesotum 
Vitell.  A.  XV  =  ae.  Mirabilien-Version  c.  24,  ed.  Fr.  Knappe, 
Das  ags.  Frosastüch  'Die  Wunder  des  Ostens^  (Berlin  1906) 
S.  58. 

SOdes-templ  'Gottestempel'  Verc.  fol.  91a  und  oft.  Ich  glaube, 
dafs  man  mehr  als  bisher  üblich  solche  Komposita  wird  an- 
setzen müssen.  Ob  eine  Genetivgruppe  oder  ein  Kompositum 
vorliegt,  kann  man  doch  wohl  annähernd  auf  Grund  des 
Akzentes  unterscheiden.  Sobald  beide  Komponenten  unter 
einen  Akzent  zusammengefafst  werden,  sollte  man  ein  Kom- 
positum annehmen.  [Jetzt  X.Bergsten,  Compound  Suhstantives 
in  English,  Upsala  1911,  S.  lOOff.J 

hjeftnes  'Gefangenschaft'  ist  überliefert  Vesp.  D.  XIV  fol.  76a: 
Hit  sceigd  on  halgen  hocan;  ])2di  cefter  gearan  ymhryne  swa 
geiüurden  scide,  J)vei  ecdl  middeneard  mid  hoedenra  ])eode 
gedrynge  7  mid  heordan  [das  d  über  der  Zeile;  ob  von 
späterer  Hand?  vielleicht  ist  vielmehr  heora  zu  lesen]  hceft- 


166 

nysse  swa  swyde  gedrecced  7  gedrefod  ivuröeö,  J)ait  hine 
uneaöe  cenig  riht  gelefcd  mann  mid  pan  heofonlicen  Thinges 
tacne  gebletsigen  mote  oöde  gesenigen  dürre.  Pas  gesivcencen- 
nysse  we  mugcn  nu  mycele  mare  on  us  sylfen  ongyten,  Jjonne 
we  hit  on  hocan  leornigeyi.  Oder  kann  obiges  lueftnes  viel- 
leicht als  'Siclifestsetzen,  Niederlassung'  verstanden  werden? 

haeftuiig  'Fessel':  Ac  Jia  gode  mcenn,  Jie  hahhcö pine  on  pyssen 
middcnearde,  for  J)an  cwarterne  7  for  Jja  lioiftunsan  heo 
seiden  lidbben  pa  heofenlice  seien;  7  for  Jm  sivinglen  heo 
gebideö  frofre  7  Misse,  Vesp.  D.  XIV  fol.  163  b  =  Elucidarium 
lib.  II  c.  6:  Ita  iusti  pro  carcere  recipientur  in  ceterna 
tabernacula,  pro  verueribus  ohtinehunt  gaudiuni  et  laetitiam. 
Vgl.  das  hcefting  'Band'  des  Nicodemus-Evangeliums. 

heali-prymm  'Herrlichkeit'  Be  dömes-doe^e  V.  96. 

healdsum  {E.ä.halsiim)  'genügsam',  s.  Archiv  CXXIX,25  Anm.  1; 

vgl.  healtsumnesse,  Napier,  0.  E.  Gl.  1,1101. 
hecen  'Bock',  s.  Archiv  CXXV,48i. 

helle-c«se  'Höllenschlüssel',  Verc.  fol.  85a  (Hom.  XV;  s.  oben 
S.  128  Z.  4). 

helle  -  mjpseii  'Höllenschar':  Pa-Jye  her  hioö  pa  mcEstan  dry- 
ic^an  7  scin-lacan  7  sealdor-cr(Bfti^an  7  hjhlacan,  ne  cuma]) 
Jja  ncefre  of  pcera  wyrma  seade  7  of  Jjces  dracan  ceolan,  pe 
is  Satan  nemned;  Jxer  cet  his  ceolan  is  poet  fyr  ^ebet,  pcet  eall 
helle-rnoßsen  on  his  ivylme  for  pces  fyres  hceto  fonveorÖeö. 
Verc.  fol.  17  b  (Hom.  IV). 

higendlice  'eilig',  die  ae.  Vorstufe  für  das  me.  hisendliche 
(Layamon  usw.),  weist  mir  Karl  Glaeser  nach  aus  Vesp.  D.  XIV 
fol.  30»:  Pa  nolde  he  heo  siva  higendlice  acwellen,  wo  Thorpe, 
Hom.  II,  42414  liest:   Ba  nolde  he  hi  soemtinges  acivellan. 

Milder  Adj,  'nachträglich;  lästig':  Heo  nebyd noefre  teonlease; 
for  heo  byd  geteontreged.  mid  hindre  gedanca,  Vesp.  D.  XIV 
f.  162  b  =  Elucidarium  II  c.  6  sine  supplicio  non  sunt,  quia 
saeva  conscientia  cruciantur.  Dieses  ist  der  früheste  Beleg 
für  die  aus  der  Nominalkomposition  herausgelöste  adjek- 
tivische Verwendung  von  hinder-,  die  bisher  erst  aus  dem 
13.  Jahrhundert  belegt  war  (Oxf.  Dict.). 

liiiidernes  'Hinterlist'  im  ae.  Elucidarium  Vesp.  D.  XIV 
fol.  161b:    God  Icett  libben  Pa  yfele  mccnn,  for  pan  past  pa 


167 

gode  heon  Jmrh  heon  gefandode,  oööc  psct  heo  heo  heöcencen 
7  gecerren  of  heora  hindermjs.-ie  7,  hate  heo  gecerren,  hcora 
pine  ivurd  Jja  mare  =  Elueidarinra  lib.  II  c.  5:  Mali  ideo 
diu  vivere  permittwitur,  ut  eledi  per  eos  exerceantur  et  a 
vitiis  corrigantur,  ipsi  verso  post  maioribus  suppliciis  tor- 
queantur. 

lihvfe^er  'scbüDgestaltig':  Eawla,  tvif,  to  hwan  wenest  öajnnes 
lichoman  hcele  mid  smyriuse  7  oft-pwcale  7  oörum  liÖnessum? 
Of  öam  cijmcö  unhcelo,  nah  [vgl.  alid.  nals]  mwgen,  J^if  öu 
])a  ilcan  olcdonge  [vgl.  S.  170  unter  olehtuns?]  pam  lichomaji 
[dahinter  fehlt  etwas,  mindestens  ein  Verbuni],  hitv-fa^gere 
hid,  ponne  hit  (er  looes.    Vere.  fol.  58  a  (Hom.  VII). 

hläford-swlc  11115  'Ilerrenbetrug':  Yton  us  nu  ealle  pe  ^eoriior 
ivarnian  7  forlcetan  urne  ^edivolan  7  unriM-licemedo  7  cer- 
cetas  7  ofcr-dnmcenncssa  7  hiaford-stvicunja  7  ofer-mett  7 
andan  7  oferfißle  7  ^alnesse  7  sceandlicnessa  7  leohtbrcednessa 
7  idele  sproica  7  ealle  widcennessa  7  eallc  yfelo.  Vere.  fol.  110» 
(Hom.  XX). 

hlytiiian  '(durch  Los)  zuerteilen'?:  Imrli  maiiijfeald  geivinn  7 
ear[fodnesse  ausradiert]  ive  sculon  geearnisan,  Jicet  we  moton 
hecuman  on  "^odes  vice;  forpan  ce^hivylc  para  manna,  pe  for 
Ms  naman  pctt  ^vile,  pcet  he  arfcestlice  mid  Dryhtne  riesige 
on  heofona-rices  j^fean,  he  ponne  ceghiüylce  ehtnesse  7  ear- 
foäiiesse  mid  geprßde  abere,  siva  ive  panne  nu  purh  missen- 
lico  god  7  purh  mmiigfeald  gastlic  geivin  Dryhten  [lies 
Dryhtne?]  fultumendum  lue  [zu  streichen]  sculon  tiliayi,  pcet 
loe  to  Pam  ecan  sefeaji  hecuman  moton,  pcet  [lies  p(Br]  hid 
celc  man  to  his  yldrum  hlytmeÖ  [lies  hlytmed?].  Vere.  fol.  77b 
(Hom.  XIV). 

läröeaw  'Lehrer',  das  man  meist  als  Grundlage  von  läreow 
ansetzt  (Sweet,  Anglia  111,152;  Sievers  §43,  Anm.4;  ßlUbring 
§  396),  ist  mehrmals  in  Vesp.  D.  XIV  belegt.  Schon  Hall 
hatte  auf  die  Stelle  aus  der  Ps.-Alcuin- Version  (ed.  Assmann, 
Anglia  XI,  374)  verwiesen.  Es  erscheint  aber  auch  z.  B. 
Vesp.  D.  XIV  fol.  38a  (dreimal):  Pa  ceapmcen  hinnen  pan 
temple  getacnodan  unrihtivise  laröeaives  on  Godes  geladange. 
. .  .  Oxe  tyled  his  hlaforde,  7  se  laröeatv  sylÖ  oxen  on  Godes 

ciricen,  ggf  he  hegced  his  laferdes  teolunga Se  lardeaw 

hyd  culfre  cepe,  pe  nele  pa  gyfe,  pe  Mm  God  forgeaf  hüten 


168 

his  geearnungctiy  odre  mannen  hüte  sceatte  nytte  don  (=  Thorpe, 
Hom.  I,  410 ff.,  wo  jedesmal  lareow  steht).    Oder  Vesp.  D.  XIV 
fol.  50b  (zweimal):    CivceÖen  peh   ceghwylce   laröeawes,  Jt^t 
hire  sune,  se-pe  on  Jjan  ^ridden  dceige  mihtlice  of  deade  aras, 
])set  he  eac  his  modre  lichame  of  deade  aroerde.  . . .  Eac  siva 
gelice  forrwel  ma7iega   laröeawes   on   heora  boca  setteji  .  . . 
(=  Thorpe,  Hom.  1,440  lareoiv).   Oder  Vesp.  D.  XIV  fol.  123  a: 
Paulus  se  apostel,   eallra  peode  laröeaw   {=  Thorpe,  Hom. 
11,332  lareow).    Oder  Vesp.  D.  XIV  fol.  128a:  Purh  feower 
pmg  losied  manna  sawlen :  J)8i?.t  is  Jmrh  lehtres  7  J)urh  deofles 
tyhtmige   7   ])urh    laröeaiües    gemeleaste    7    purh    yfele   ge- 
hisnunge  unrihüvisra  heafodmannen  (=  Thorpe,  Hom,  II,  342: 
lareowa).     Oder  Vesp.  D.  XIV    fol.  146b:    Ac   swa-])eh   seo 
gastUee    getacnung  Jjcere    gereccednysse    helimpö   to    Cristes 
mcenniscmjsse  7  to  his  geladunge,  swa-siva  laröeawes  trahtodan 
(=  Thorpe,  Hom.  II,  460 :  lareoivas). 
leje-leoht   'Flammenlieht':   Hwcet,  we  seseoÖ  ponne  gcarlice, 
2>cet  ])is  fyr,  p)e  her  man  leforan  us  hafaö,  [hivcet,  ])cet]  is  ayi 
leg,  7  hiüceöre  se  an  leg  ])reo  pmis  fullice  on  him  hafad.    He 
hafad  cerest  his  sylfes  onsijne,  pjmt  he  is  hwit,  siva  we  geseon 
magon,  7  Jjonne  is  ])(Bt  Iwidde  [also  fehlt  etwas,  das  Zweite], 
J)(Bt  lihteÖ  eall  geoiid  eoröcern,  sehivilum  mycle  ividdor  ponne 
sceole.    7  po7ine  is  hit  hivceöre  an  leg  7  7ie  mceg  cenig  man 
}cet  hate  fram  öam  hivite  ascadan,  7ie  dcet  hivite  fram  pam 
lege-leohte;  ac  JxBt  is  an  fyr,  swa  we  geseoö.    Verc.  fol.  89  b 
(Hom.  XVI). 
leoht-torjednes  'Leichtfertigkeit'  haben  wir  in  der  XX.Vereelli- 
Homilie  (fol.  lila),  wo  es  das  lat.  levitas  wiedergiebt:  ])onne 
ys   se  oder  heafod-leahter  .gecweden  gifernes,   seo  ys  unge- 
metigende  geivilnuns  mgöer  ge  cetes  ge  wcutes.  ...    Of  pcere 
hid  acenned  ungescead  Miss  7  sceandlicnes  7  leoht-brcednes  7 
idel  sprosc  7  lichoman  unclcennes  7  unstadolfcestnes  modes  7 
druncenes    7   galnes    7    oöere   mane^a   yfelo    unatellmdlice 
=  Ps.-Alcuin,  De  virtutihus  et  vitiis  e.  28:  Primum  est  cor- 
porate peccatum   gula,    id   est,   intemperans   cihi   vel  potus 
voluptas.  .  . .  De  qua  gula  nascitur  inepta  laetitia,  scurrilitas, 
levitas,  vaniloquium,  immunditia  corporis,  instdbilitas  mentis, 
ehrietas,   libido.    Weitere   Belege   für   das  Wort  finden   sieh 
Verc.  fol.  110a  (s.  die  Stelle  oben  S.  167  unter  hlaford-swicung) , 


160 

in  der  Benediktiner-Hegel  ed.  Schröer  76  ^^,  wo  der  Heraus- 
geber (S.  249)  fälschlich  die  Übersetzung  'Andentaglegen' 
vorschlägt  (iviÖ  leohthrcednesse  idelra  worda),  und  in  der 
Aldhelm-Glosse  leohthrcednesse  'lasciviae'  (Napier,  0.  E.  Gl. 
1,4706;  Z.f.d.A.  IX,  515ii,  wo  ein  falsches  Glossem  ange- 
geben ist). 

lyre-wreiic  'Verlust -schaffende  Ränke':  La,  hivi  ne  mot  ic 
hdjhan,  ])(et  ic  me  sylf  hc^et  ynid  minum  lyre-wrencum? 
Vere.  23b  (Hom.  IV). 

maii-cyst  'menschliche  Tugend':  Healdan  ive  eac  J)cet  mid 
^odum  dcedum  7  mid  ceöelum  mcüi-cystum,  pcet  ive  beon  godum 
mannum  geJice  in  dam.  mce^enum,  ])e  ive  don  magon,  7  in  dam 
dcedum,  ])e  lüe  purliteon  ma^on.    Verc.  fol.  93  b  (Hom.  XVII). 

niarmclstäu  bezw.  marmorstäii  'Marmorstein'  erschien  in  der 
Phöuix-Homilie,  die  Fr.  Kluge  Encjl.  Stud.  VIII,  476 flF.  heraus- 
gegeben hat.  Die  erstere  Form  bietet  die  Londoner  Es., 
Vesp.  D.  XIV  fol.  167  b  (his  forebreost  fce^ere  gelieowed  simjlce 
marmelstan  mceres  cinneB),  die  letztere  die  Cambridger  Hs., 
Corp.  Chr.  Coli.  Nr.  198  fol.  875b  (his  forebreost  fw^re  ^e- 
hkvod  sivylce  marmorstan  mcerost  cynnes).  Die  Form  marmel- 
stan (vgl.  frühmhd.  marmilstein)  ist  besonders  deswegen 
interessant,  weil  sie  die  Grundlage  für  das  ne.  marble-stone 
ist,  welche  im  Oxforder  "Wörterbuch  erst  seit  ca.  1200  belegt 
ist.  [Das  Simplex  marble  ist  erst  seit  dem  14.  Jahrhundert 
belegt.] 

niealni-stän  'Sandstein',  s.  Archiv  CXXIX, 48  Anm.  1. 

mere-steall  'stehendes  Gewässer'  (vgl.  ae.  wcetersteall  Gtiöläc 
c.  3  =  lat.  stagnum) :  Ac  of  Jxjere  oferfylle  cumaö  ])a  un- 
rihtan  lustas,  s^^ice  7  on  mere-stealJum  wyrmas  tyddriaö,  7 
of  öosre  semetegunse  ^od  wiorc,  ^elice  7  of  clcenre  eoröan 
$ode  ivcestmas.    Verc.  fol.  58b  (Hom.  VII). 

met-sceatt  Verc.  73  b  =  ae.  med-sceatt. 

napcedu  'Nacktheit'  (gt.  7iaqadei):  A7id  ]>cer  is  eagena  wüp  7 
toda  grist-bituns ;  and  ])an-  syndon  pa  unmcctan  pnjstro;  7 
^a?r  is  egesa  7  fyrhto;  7  ])cer  is  siviÖ -hreownes ;  7  ])air  is 
unriht-wisnes;  7  J)cer  is  hunger  7  ncecedu:  7  pcer  is  yrmöo 
7  nearones;  7  pcer  is  unmoete  cyle  7  unahefendlic  hceto  ge- 
meted.    Verc.  60  b  (Hom.  VIII);  vgl.  ae.  nceced. 


170 

nöiidwite  'unentrinnbare  Strafe'  weist  mir  Karl  Glaeser  nach 
ans  Vesp.  D.  XIV  fol.  126»:  Swa  se  lichame  hjö  ontend  Jmrli 
imalefde  lustes,  swa  eac  heornd  seo  sawle  ]mrh  neadivüe 
(=  Thorpe,  Hom.  II,  338^0 :  öurli  neadivis  ivite). 

uisaniiihte  'neun  Nächte  (d.  i.  Tage)  alt',  s.  Archiv  CXXIX,  22 
Anm.  2. 

nihtsiiiuiies  'Eeichlichkeit'  (vgl.  ae.  s^nylitsumnes) ,  Verc.  ful.  81a 
(Hom.  XV,   s.  oben  S.  118  Z.  11). 

ofdünrihte  'direkt  abwärts,  hinab',  Bodl,  340  fol.  38^  (s.  oben 
S.  110  Z.  10).     Altester  Beleg  für  ne.  doivnriglit. 

oferyldu  'übermäfsiges  Alter',  Verc.  fol,  63a  (zwei  Belege), 
s.  oben  Hom.  IX  S.  107  Z.  3 f.;  vgl.  ae.  ofereald  Keg.  Bened. 
ed.  Schröer  61^2. 

ofweard  'abwesend',  mit  analogischen  of-,  für  ae.  cefivcard: 
7  we  eac  Iceren  oÖre  men,  ])oyine  lue  to  us  cymen,  J)cet  we 
donne  ealle,  ])e  selran  sien,  ^e  onivearde  ^e  ofwearde,  pas 
godspelle  7  Jm  sodan  lufan  "^odes  7  manna  eorne  [=  georne] 
healden  anviordlice  eallum  tidum  usses  lifes.  Verc.  fol.  75  b 
(Hom.  XII). 

ölehtuus  'Schmeichelei':  "^emunaö  eac,  pa-de  eall  Iura  lif 
071  ])isse  'worulde  on  olehtunsum  lifedon,  Verc.  fol.  57a 
(Hom.  VII)  und:  Bona  se  lichoma  sceal  bion  unfceser,  ])onne 
he  mid  unrotnesse  7  mid  sare  aseted  hiö,  öa  cumaÖ  of  dam 
lidan  olehtunse,  Verc.  fol.  58  a  (Hom.  VII).  Ein  unmittelbar 
vorhergehender  Beleg  derselben  Homilie,  dessen  Wortlaut 
oben  unter  hlwfa'^er  S.  166  zu  lesen  ist,  bietet  olecümse, 
was  wohl  durch  psychologische  Kreuzung  von  oleccung  und 
olehtuns  dem  Schreiber  in  die  Feder  geflossen  ist.  Vgl.  auch 
ölyht-ivord  Blickl.-Hom.  992«. 

onäsäwan  'aufsäen  auf:  Imt  hyö  sodlice  oferswiöed  ])urh  ^e- 
dyld  7  ])urh  Ijolomodnesse  7  ])urh  anAsytUc  ,^escead,  de  "^od 
on-a-scewd  on  manna  modum  Verc.  fol.  lila  (Hom.  XX) 
=  Ps.-Alcuin,  De  virtutihus  et  vitiis  c.  31:  Quae  vincitur  per 
patientiam  et  longaniynitatem  et  per  rationem  intellectualem, 
quam  Dens  inserit  mentibus  hmnanis. 

onblinnan  'aufhören'  {=  äblhman) ,  Verc.  fol.  81a  (Hom.  XV, 
s.  oben  S.  118  Z.  12). 

onstJelan  'zuschieben,  beschuldigen',  Verc.  fol.  10a  (Hom.  II, 
s.  oben  S.  89  Z.  lOf.)  und  Verc.  fol.  115a  (ebenda). 


171 

outinibernes  ist  in  der  übertragenen  Bedeutung  'Erbauung, 
Belehrung'  in  der  ae.  Beda-Version  IV  c.  17  belegt.  Die 
urs})r angliche  konkrete  Bedeutung  des  Wortes  'Stoff,  Materie' 
erseheint  in  der  XV.  Vereelli-Predigt  fol.  81b  (s.  oben  S.  119 
Z.  14). 

onunder  (Hs.  anunder)  'unter':  Se-])e  amvealdes  wilneö  ofer 
his  hlaford,  for  tivam  Jnngoi  he  his  ivilhieÖ:  oder  for  he 
ivyle  pone  hlaford  lecgen  anunder  hine  7  scÜigen  him  mid 
J)an,  pcet  he  sylf  sitte  ])e  ufer;  oÖde  he  ivyle  Jjone  hlaford 
hahhen  up  ofer  hine  sylfne  7  stigcn  him  sylf  mfter  7  eae 
onhagigen,  sciifcn  peh  simle  Jione  hlaford  heforen.  Vesp. 
D,  XIV  fol.  IIb  :=  Disticha  Catonis  B  Nr.  86.  Vgl.  ae.  onufan 
(z.B.  auch  Verc.  fol.  63  b,  s.  oben  S.  108  Z.  6)   und   onuppan. 

onwarian  'sich  hüten'  fol.  62b  und  63b  (Hom.  IX,  s.  oben 
S.  105  Z.  4  und  S.  109  Z.  10). 

orenlice  'auf serordentlich,  übermäfsig':  l)a  he  [der  Mensch] 
fedde  his  lichoman  orenlicost  mid  smea-mettum,  Jja  scearnode 
he  me  [der  Seele]  Jiws  ecan  hun^res.  Verc.  fol.  22  b.  Vgl. 
ae.  orcne  'aufsergewöhnlich'  P'pist.Alex.  Z. 554:  ive  da  siodjjaii 
hutan  orenum  Jnngum  mete  Jji^doJi  (==  lat.  ab  securis  nobis 
epulae  capiicntur),  Leechdoms  III,  16  ^  {nan  orne  'nichts  Aufser- 
gewöhnliches')  und  III,  702'^  {^uiÖ  ornum  utsan^e  'gegen  über- 
mäfsigen  Stuhlgang'),  wo  Toller,  meines  Erachtens  zu  prägnant, 
die  Bedeutung  'unhealthy,  harmful'  annimmt.  Dazu  ae.  un- 
orne  (Byrht.  256)  und  unornlic  (Jos.  IX,  5)  'gewöhnlich'. 
Auch  die  me.  Belege  von  orne  und  unorne  fügen  sich  diesem 
Bedeutungsansatze,  der  es  sogar  ermöglicht  das  (im  Oxf. 
Dict.  zu  frz.  07-ne  gestellte)  oriie  der  me.  Freiraaurerregel 
(V.  569)  hierherzuziehen. 

recel  'Weihrauch':  Ere  mid  ])inen  oxen  7  offre  mid  Jnne  recele. 
Vesp.  D.  XIV  f.  10b  =  Disticha  Catonis  B  Nr.  67.  Die  Form 
recel,  welche  die  Grundlage  von  me.  rechelen  'räuchern' 
(0.  E.  Hom.  11,133)  und  rechel-fat  'Räuchergefäfs'  (vier  Belege 
bei  Stratmann-Bradley)  ist,  stellt  sich  zum  gewöhnlichen 
ae.  recels  wie  ae.  scytel  neben  scytels  'Bolzen',  ^yrdel 
neben  syrdels  'Gürtel',  pricel  neben  pricels  'Stachel',  hi-idel 
neben  br'idels  'Zügel',  sticel  neben  sticcls  'Stachel'  und  sciccel 
neben  sciccels  'Mantel'.    Das  Neuenglische  hat  sich  stets  für 


172 

die  Formen  ohne  -s  entschieden  (shuttle,  girdle,  hridlc,  sticJcle, 
prickle),  auch  da,  wo  die  s-losen  Formen  im  Altenglischen 
noch  nicht  belegt  scheinen  (ne.  ridcUe  gegenüber  ae.  rwdds\ 
ne.  hurial  gegenüber  ae.  byr^els,  wo  mir  die  Erklärung  des 
Oxf.  Dict.  ^incorrecÜii  formed  as  a  sing.'  also  nicht  richtig 
seheint). 

reliquia-söcu  'Aufsuchen  (d.  i.  Besuchen)  von  Reliquien':  7^is 
sijndon  halige  da^as  7  liahvendlice  7  ussum  saivhcm  Icece- 
domlice.  7  us  ^erised,  ])cet  we  hie  ivel  hesansen  mid  ficstenum 
7  mid  gebediim  7  77iid  reliquia-socnuYO-  7  mid  usse  eadmod- 
lice  s^in^e,  Verc.  fol.  71b  (Hom.  XI)  und:  7  hie  da  ealle  siua 
dydon,  7  gesetton  ])a  him  hetiüinan,  Jjcet  man  a  sydÖan  sceolde 
])as  pry  gan^dagas  healdan  fuUice  mid  fcestenum  7  mid 
celmes-sylenum  7  mid  cyric-socnum  7  mid  eadmodUcum.  s^nge 
7  mid  reliquia-socnum  7  mid  eallum  godum  tveorcum,  Verc. 
fol.  109  a  (Hom.  XIX). 

rynstjBf  'Runenstab'  erscheint  in  einer  J^lfricsehen  Homilie 
in  Vesp.  D.  XIV  fol.  135b:  2)a  axode  se  ealdormann  pone 
hceftting,  hiveöer  he  purh  drycrceft  oÖde  purh  rynstafes  Ms 
bcendes  tohrcece  (=  Thorpe,  Homilies  II,  358 11,  wo  rimstafas 
überliefert  ist).  Wie  es  scheint,  liegt  hier  Anlehnung  an 
ryjie  vor. 

säris-cyrm  'Trauerklang',  Verc.  fol.  85a,  s.  oben  S.  128  Z.  8. 

scürfäh  'regnerisch,  stürmisch'  =  lat.  imhrosus,  turbulentus : 
Donne  hit  [der  Jahresanfang]  hyö  monendceig,  hit  hyÖ  scurfah 
lüinter,  7  god  loenden,  7  ivindig  sumer  7  storemig,  7  gesivync- 
full  ha^rfest,  Vesp.  D.  XIV  fol.  75b  (Bauernpraktik  ed.  Assmann, 
Änglia  XI,  369)  =-:  lat.  Titus  D.  XXVI  fol.  10b  (nm  1020): 
Si  .11.  feria  [die  Lunae  ABEFHI]  fuerint  Kai.  Jan.,  hiemps 
mixta  [hnhrosa  D,  d.i.  Clm.  14456  fol.  75b,  um  820  geschrieben], 
vei'  iocundum  [bonum  ABCDEK],  aestas  sicca  et  ventosa 
[ae.  ventuosa  et  tempestuosa  B,  d.  i.  Tib.  A  III  fol.  36  a]  et 
vindemia  7ion  bona  [der  Angelsachse  las  laboriosa,  wie  für 
den  Freitag  in  K,  d.  i.  Ps.-Beda,  Migne  XC,  954].  —  Ein 
zweiter  Beleg  für  scurfah  steht  in  derselben  Bauernpraktik 
zum  Samstage  (Vesp.  D.  XIV  fol.  75b):  Bonne  hit  byd  Sceter- 
dceig,  hit  byd  scurfah  winter,  7  windig  Imnten,  7  ealle 
tvcestmes  yfeles  geivcende;  scep  cwelleö  7  ealde  mcenn  =  lat. 
Si  .VII.  feria   [die  Saturni  BF]   fuerint  Kai.  Jan.,  hiemps 


173 

turhuUnta  [turhUla  C^  turUnosa  DGK  u.a.m.],  ver  ventosum, 
et  fructus  lahoriosus  erit;   oves  peribunt,  et  senes  morieiitur. 

self-cwalu  m.  'der  Selbstmörder':  7  ])a-J)e  her  nellad  hyra 
sijnna  andettan  7  betau,  Iiidas  J)07iüe  7  sylf-cwalan  7  hceöene 
men,  ne  Jurfon  hie  to  l)am  dorne;  ac  hie  biod  sona  fordemcde. 
Verc.  fol.  59b  (Hom.  VIII).  Über  Selbstmord  in  angelsächsiselier 
Zeit  s.  F.  Liebermann,  Ocs.d.Äys.  112,479  (s.v.  'Grab'  2a  D). 
Vgl.  ae.  self-cwalu  'Selbstmord'.  [Schon  Napier,  0.  E.  Gl.  VI,  26J. 

seofonuihto  'sieben  Nächte  (d.i.  Tage)  alt',  8.  Archiv  CXXIX, 22 

Anm.  2. 
Siele  (\vs.  *s//6'/(?)  'krank',  s.  Archiv  CXXIX,  21  Anm.  6. 
sixuihte   'sechs  Nächte  (d.i.  Tage)  alt',    s.  Archiv  CXXIX,  22 

Anm.  2. 
siiidonisc     'aus    sindonischer    (d.  i.    indischer)    Leinewand' 

(gr.  öivdcöv) :   Soö  hit  is,  pcet  ic  hine  abced  7  on  clceneii  syn- 

donissce  hrceiyle  befeold.   Vesp.  D.  XIV  fol.  88 a  =  Nicodemus- 

Ev.,  ed.  Hulme,  Mod.  Phil.  I,  592  12).  Vgl.  Fr.  Straub,  Lautlehre 

der  jungeyi  Nicodemus -Version  (Würzburger  Diss.  1908)  S.  71. 
sleacmodues   'Schlaffheit,  Faulheit'  =  lat.  acedia:    Witodlice 

eahta   synt  heafod  -  leahtras   pridde  is  sleac-ynodnes  7 

unrotnes.    Vere.  13a  (Hom.  III). 
sni^tesold  'Reingold':    7  his  sweora  sivilce  smmte^old  [smete- 

gold  Vesp.  D,  XIVJ   7   his  forebreost  fcegre  ^ehiwod.     Corp. 

Chr.  Coli.  Cambr.  198  fol.  375  b  =  Phöuix-Homilie  ed.  Kluge, 

Engl  Stud.  VIII,  478  ^\ 

smjete-syldeii  'aus  reinem  Gold'  ist  bei  Bosworth-ToUer  durch 
zwei  Glossen  belegt.  In  zusammenhängendem  Text  erscheint 
es  in  der  IX.  Vercelli- Predigt  (s.  oben  S.  114  Z.  1)  und  in 
der  Eremiten -Legende  von  Tib.  A  III  ed.  Kemble,  Salomon 
(&  Saturnus  85^6  (smetegelden),  s.  oben  S.  113,  Varianten. 

spicinj  'Nagel',  s.  Archiv  CXXV,  51  Anm.  4. 

sunnan-scima  'Sonnenschein'.  Ein  solches  Kompositum  setze  ich 
an  Juliane  V.  166  {Min  se  swetesta  sunnan-scima,  Juliana!), 
Boethius  12^,  8923,  126  2"  und  Verc.  fol.  59a  (Hom.  VIII: 
Jionne  ^cer  ncenig  man  his  sylfes  gewyrhta  behydan  ne  mces, 
ne  man  his  asenne  andwlitan  on  Höhte  wedere  oööe  on 
sunnan-sciman  becyrran  ne  moe^). 

swär  n.  'das  Schwere;  Kummer':   Bis  syndon  sivares  7  ^e- 


174 

swinces  da^as,  siva  we  hit  sylfe  onsytan  ma^on  on  Jjam 
manisfcaldum.  uniednessum,  ])e  dieghwamlice  on  manna-cynn 
fealleö  on  misseividrum  for  manna  jewyrhtum,  Verc.  fol.  73a. 

sweofleuuess    'Schwefligkeit,    Schwefelranch    und    -Gestank', 

Verc.  fol.  82  b  (Rom.  XV,  s.  oben  S.  123  Z.  3). 
swiö-hreownes  'starke  Eeue',  s.  S.  169  unter  7icecedu. 
sjn-l)ryue  'Sliudenbrennen'  =  lai  ardot'  luxuriae,  Verc.  fol.  118b 

(Hom.  XXII,  s.  oben  S.  143  Z.  18). 

teonleas  'ohne  Leid':  ßa  arlease  mcenn,  peh  Jieo  liabhen  on 
pysser  iviirlde  sum  dcel  heora  geivilles,  pehliwedere  heo  hyd 
wwiihtige,  7  7ie  hjd  heo  7icefre  teonhase,  Vesp.  D.  XIV 
fol.  lG2b  =  Elucidarium  lib.  II  c.  6:  Reprohi,  quamvis  Corona 
regni  potiantur,  omnino  impotentes  sunt  et  nunquam  sine 
supplicio  erunt.  Einen  zweiten  Beleg-  aus  dem  Elucidarium 
s.  oben  S.  166  unter  liinder. 

töselaöiins  'Versammlung':  On  Jjam  synt  enslcL  weredu  7  riht- 
ivisra  to^eladung  Jjcer  symle  wuniendra,  pcer  hie  ncefre  leofe 
ne  totivcemaj),  ne  lade  ne  sGsamniad,  ne  ncefre  dceg  ne  cymed 
cefter  dce^e  ne  niht  cefter  nihte.     Verc.  fol.  116  b  (Hom.  XXI). 

töhäelan  'kastrieren;  schwächen':  Fordon  ic  halsie,  J)cet  we 
urne  lichoman  7  saiule  mid  ^eswincum  ^estransien,  ncdces  mid 
idehiessum  tohcelen.  Verc.  fol.  58  a  (Hom.  VII).  Vgl.  das 
Simplex  hoelan  'kastrieren',  das  Schlutter  aus  den  Leechdoms 
III,  186  21  herausgehoben  und  mit  Hinweisen  auf  deutsche 
Verwandte  (mnd.  helen,  heilen  'verschneiden',  obd.  heilen 
'kastrieren'  u.a.m.)  gestützt  hat  {Anglia  XXX,  131). 

twysehtau  'streiten',  s.  Archiv  CXXV,56  295. 

tyuniiite  'zehn  Nächte  (d.  i.  Tage)  alt',  Archiv  CXXIX,  22 
Anm.  2. 

psernian,  s.  weiter  unten  unter  J)ornian. 

pencendlic  'nachdenklich':  Ac  ive  hivceöre  ma^on  for  ])ces 
lytlan  ])in;^es  hysene  7  Imt  mceste  eac  geseon  7  ])cet  an  ymh 
Jjencendlice  leon,  Jxet  ive  Jjy  eö  07icnaican  7  onsyta^i  magon. 
Verc.  89  a  (Hom.  XVI). 

))eof-sceaöa  (?)  'Dieb',  s.  Archiv  CXXIX,  24  Anm.  6. 

pornian  'verlieren'?:  Ne  ondrced  pu  pe  dead  to  swyÖe.    Ne 

leofeö  man  naht  myriges,  pa  htvyle  J)e  he  him  ondrcett.    Ne 

■    forgitt  ]ju  hine  peh  ealne,  pelceste  pu  pornise  pces  ecen  lifes. 


i 


175 

Vesp.D.  XIV  fol.  7l>  =  Disticha  Catonis  B  Nr.  15  (die  {luderen 
Hss.  haben  Jjolise  Trin.  C.  bezw.  (Jolie  Julius).  Aus  dem  Zu- 
sammenhang ergibt  sieh,  dals  pornigen  so  etwas  wie  'ver- 
lustig gehen'  bedeuten  mufs  und  daher  irgendwie  mit  der 
Sippe  von  ae.  Jjearf  'ich  bedarf  zusammenhängen  wird,  wie 
das  der  Bedeutung  nach  passende  an.  ])arf)ia,  jünger  Jjmma 
'entbehren;  verlieren'.  Sieher  ist  auch,  dafs  es,  ebenso  wie 
an.  iKirna,  eine  Bildung  mit  dem  inchoativen  Präsensformans 
-nä-  ist,  Schwierigkeiten  macht  nur  die  Gestalt  des  Stamm- 
vokales. Ein  dem  an.  pania  genau  entsprechendes  Verbum 
sollte  ae.  *l)ear{f)nian  lauten;  und  es  scheint  fast,  dafs  es 
ein  solches  Wort  wirklich  im  Altenglischen  gegeben  hat. 
Wenigstens  würde  sich  so  am  einfachsten  das  in  den 
Peterborough-Auualen  auftretende  ])cernode  'er  ging  verlustig' 
{he  J)us  his  arcehiBGO^rices  Jjcernode,  Laud  Ms.  zum  J.  1119) 
erklären,  welches  dann  Monophthongierung  des  ea  ^  ce  (^?) 
aufwiese.  Dieselbe  Ablautsform  zeigt  das  me.  Immen  'ent- 
behren, verlieren'  (Orm,  Havelok  usw.),  welches  entweder 
die  Fortsetzung  des  eben  erwähnten  heimischen  ^Jjccunian 
(mit  Aufgabe  der  ae.  Dehnung)  oder  eine  Entlehnung  aus 
a.Tii.])arna  darstellt.  Natürlich  liefse  sich  auch  das  Ixernode 
der  Peterborough-Auualen  mit  Kluge  (Pauls  Grundriss  ^I^OSl:), 
Björkman  u.  a.  als  Entlehnung  aus  dem  Altnordischen  auf- 
fassen, wenn  man  sein  ce  als  falsch  archaisierende  Schreibung 
für  a  ansehen  kann.  Falls  dasselbe  Wort  in  unserem  obigen 
^ornian  zu  suchen  wäre,  mülsten  wir  wohl  Verschreibung 
von  0  für  a  annehmen.  Nach  Sievers  verlaugt  aber  die 
Melodie  eine  Form  mit  o,  also  Jiornie.  Sehr  wohl  möglich 
wäre  aber  auch,  dals  pornian  eine  Ableitung  zu  ae.  ])orfa 
'arm,  entbehrend'  (=  an. purfi,  Jmrfa  'entbehrend')  wäre  und 
also  das  o  des  Stammes  zu  Recht  bestände. 

örählic  'langdauernd'  (vgl.  präge  'lange  Zeit'):  on  eallen 
yniddanearde  hijö  swyde  mycele  ungedivcermjsse  7  örcüilice 
leiten  on  manna  hearnen,  Vesp.  D.  XIV  fol.  76  b.  —  Sollte 
das  J)yäg-hysi^  der  Rätsel  nicht  bedeuten  'lange  Zeit  ge- 
schäftig' {ic  sceal  prasbysi^  Jjepie  minum  hyran  georne  vom 
Mühlstein,  Rats.  Vi)? 

pristllc  Adj.  'dreist,  kühn'.  Während  das  zugehörige  Ad- 
verbium pristlice  bereits  des  öfteren  nachgewiesen  ist,  fehlte 


176 

bisher   ein   Beleg   für   das  Adjektiv,    Dieses  erscheint  aber 
Bodl.  340  fol.  37 :  se  deaÖ  is  JmstUc  7  snotorlic,  s.  S.  104  Z.  1. 

))Uiiiwuneiies  'Ausdauer'  =  lat.j^erseverantia:  Seo  ])urhwune7ies 
heo  is  mcegen  J)ces  sodan  weorces,  siväs^vä  Drillten  sylf  civceö: 
'se])e  Imrhivunad  on  pam  sodan  weorciwi  od  ende,  he  hid  hol. 
Nd  se-])e  god  onsinned,  ac  scj)e  on  J>am  go'de  Jjurhwunad, 
hid  hal,  Tib.  A  III  fol.  105b  {Archiv  CXXII,260)  =  Ps.-Aleuin, 
De  virtutibus  et  vitiis  c.  26:  Virtus  honi  operis  est  perse- 
vermitia,  ipso  Domine  dicente:  'Qui  x>G'>'severaverit  usque  in 
finem,  hie  salvus  eriV  [Matth.  X,  22J.  Non  igiiur  qui  coeperit 
honum,  sed  qui  perseveraverit  in  bona,  hie  salvus  erit. 

uiiähefeudlic  'unauf hebbar,  unaufhörlich',  Verc.  fol.  60h,  s.  den 
Beleg  oben  S.  169  unter  mccedu. 

uucweine  'unangenehm',  s.  unter  unfenge. 

unfense  'unannehmbar':  Nu  we  gehjrad,  Jjoette  mwstra  ceghwylc 
syn  mce^  hioii  J)wh  andetnesse  7  hote  7  Öurh  da  unsylibe  ane. 
Für  pcere  hid  sio  ure  onswgdnes  "^ode  unciveme  7  unfenge. 
Verc.  fol.  79a.  Eine  Änderung  in  ^imdandfense  verbietet 
nach  Sievers  die  Melodie. 

ungerade  'töricht'  weist  mir  Karl  Glaeser  nach  aus  Vesp.  D.XIV 
fol.  57^:  Si/7id  siva-J)eh  get  Jja  divoUice  hec  ceigder  gea  on 
Jeden  gea  on  oenglisc,  7  heo  rceded  ungercede  mcen  (=  Thorpe, 
Hom.  II,  4442a:  ungerade  men).  Das  angerced  'insipidus'  der 
Kubens-Glossen  OY.-W.  165  le)  ist  nach  AngUa  VIII,  451  in 
ungerad  zu  bessern.  Das  Simplex  gercede  wird  vermutlich 
in  der  Cleopatra- Glosse  (W.-W.  399^)  gercedre  'eleganti' 
stecken. 

imgescaöignysse  'Unschuld'  erscheint  in  einer  ^Ifrieschen 
Homilie  in  Vesp.  D.  XIV  fol.  71b:  Siva  eac  scyleti  Godes 
folgeres,  Jjset  synd  2>a  cristene,  habhen  ]ja  ungescadignysse  on 
heore  mode,  Jje  cild  hcefd  on  ylde  (=  Thorpe,  Hom.  I,  5121^^ 
wo  aber  unscceddignysse  tiberliefert  ist). 

ungesegeulic  'unsichtbar'  (angl.  Form),  Hatten  116  pag.  394, 
8.  oben  S.  136  Z.  29. 

uulif  'Nicht-Leben,  Tod':  A^e  pearf  namie  man  tiveo^ian, 
cefter  his  deajje  odrum  Jnssa  he  onfehd:  siva  life  siva  un- 
life,  swader  his  gewyrhto  hiod  7  his  earnun^.  Verc.  fol.  18  b 
(Hom.  IV). 


177 

imriht-tld  'unrechte  Zeit':  7  in  oferfyllo  he  ivces  hegriwen  [lies 
be^ripe^i]  on  unrlht-Hdum,  Verc.  fol.  21b,  wn^  Jja  he  swidost 
his  lichoman  drende  unriht-tidum,  ^a  earnode  he  me  Jxes 
ecan  purstes,  Verc.  fol.  22b  (beides  Hom.  IV). 

unseofende  'nicht -seufzend',  Vere.  fol.  72a  (Hom.  XI,  s.  die 
Stelle  oben  unter  forejjnjoies). 

untimber??  'Material'  erscheint  Verc.  fol.  73b  (Hom.  XII): 
Liornodon  ive,  pcet  s<^o  hcedene  liode  hcefdon  pry  dagas 
synderlic  heforan  hira  oörum  s^wunan,  Jmt  hie  onsuldon 
hira  ^odum  7  hiera  ceapes  ivcestma  7  ealle  hira  cehta  hie 
hira  gode  hebudon,  pcet  wws  dioflum  sijJfum,  forponpe  hie 
hira  ^odu  hcefdon  geworhte  of  treoivum  7  of  stanmn  7  of 
oörum  untimhrum  missenlicum.  Wahrscheinlich  ist  aber  zu 
lesen  an{d)timher.  Möglicherweise  lag-  dem  Kopisten  eine 
Handschrift  vor,  die  noch  die  alte  offene  Form  des  a,  die 
dem  u  einigermafsen  ähnelt,  anwandte. 

unwrisen  Adj.  'offenbar',  Verc.  fol.  61a  (Hom.  IX,  s.  oben 
S.  101  Z.  7). 

ütäiiydau  'hinausnötigen,  austreiben'  =  lat  excutere :  pone  ys 
se  syxta  heafod-leahtor  geciveden  sleacnes  .  .  .  pis  is  sc  leahtor, 
Pe  swiäost  munecas  ut-amjü  of  hyra  mynstrum  on  worulde 
7  hie  utäwyrpÖ  of  hira  resullican  drohtunse  on  leahtra 
seaÖas.  Of  pcere  hyÖ  acenned  slajjohies  7  sleacnes  sodes 
weorces  7  unstadolfcestnes  stotve  7  woruns  of  stoive  to  stowe  7 
miircnuns  7  idele  spra'ca  7  oÖere  mane^a  yfelo.  Verc.  fol.  lila 
(Hom.  XX)  ^=  Ps.-Alcuin,  De  virtutihus  et  vitiis  e.32:  Äcedia 
est  pestis.  .  . .  Haec  est,  quae  maxime  monachos  excutit  de 
cella  in  saeculum  et  de  regulari  conversatione  eiicit  eos  in 
ahrupta  vitiorum,  . .  .  De  qua  nascitur  somnolentia,  pigritia 
operis  honi,  instaUlitas  loci,  pervayatio  de  loco  in  locum, 
tepiditas  Idborandi,  taedium  cordis,  murmuratio  et  inaniloquia. 

ntieömian  'ausatmen;  Atem  herausströmen  lassen '  =  lat. erwdare, 
Vere.  fol.  82  b  (Hom.  XV,   s.  oben  S.  122  Z.  8). 

ütäwyrttrumian  'entwurzeln,  mit  der  Wurzel  ausreifsen':  Of 
dam  Dryhtnes  esesan  us  wiorÖaÖ  acenned  hiortan  onb{r)yrd- 
nes;  of  Öcere  onh{r)yrdnesse  eaömodnes  hid  acenned;  of  Öoere 
ead-modnesse  licumlice  lustas  7  ealle  uncysta  wiord{ad) 
utaivyrtrumade.    Verc.  fol.  75a  (Hom.  XII). 

Studien  z.  engl.  Phil.    L.  12 


178 

ütfeolan  'binausgelangen':  Kces  me  ncefre  gyt  in  ^üm  [d.i.  im 
Körper]  iedc  to  icunianne  niliies  fijrst  ne  dce^es  fyrst;  ne 
iedlice  noes  ic  ane  nihtes  fyrst  ne  dce^es  on  Mm,  ßcer  ic  wiste, 
hu  ic  utfulse.    Vere.  fol.  22  a  (Hom.  IV). 

welöig  (Hs.  ^velc^i,  wceleöi)  'reich'  s.  Archiv  CXXVIII,  299 
Anm.  2. 

wjestuifjest  'fruchtbar'  =  Isit.  fecundus,  s.  Archiv  CXXII,  247 
Anm.  4. 

weden  (d.  i.  ws.  tvcuden  0.  E.  Gl.  VII,  372  und  VIII,  374  zu  wäd 
'Waid')  'waidfarben,  bläulich'  erscheint  im  Neunkräutersegen 
Z.49  und  51  (Grein -Wülker  I  S.323).  Zur  Sache  vgl.  Lieber- 
mann, Ges.  d.  Ags.  II  2,  S.  728. 

weler  'Mundbissen',  s.  S.  151  unter  lerian. 

wel-geweiide  'gut  ausfallend'  (vgl.  ae.  gewendan  'sich  wenden') 
erscheint  in  dem  Donnerbuch  Vesp.  D.  XIV  fol.  103  b  (ed. 
Assmann,  Anglia  X,  185) :  On  Januarius  monde  gijf  hit  punreö, 
hit  loded  toiveard  mpcele  windes  7  ivel-gewmnde  eoröe-wcestme 
7  geflit  =  lat.  Gg.  1.1  fol.  394  b  (von  1400):  Mense  Januarii 
si  tonitrus  sonuerit,  ventos  validos,  ahundantiam  frugum  et 
bellum  in  eodem  anno  significat. 

wellician  'wohl  gefallen'  =  lat.  complacere:  Fall  Jnn  yfel,  pe 
da  aworhtest,  ä  hie  ])e  welUcodon  [so  die  Hs.],  Verc.  fol.  21b 
(Hom.  IV)  und:  Pis  is  min  se  leofa  sunu,  in  pam  me  welli- 
cade,  Verc.  fol.  88  b  (Hom.  XVI)  =  Mark.  1,11:  Tu  es  filius 
meus  dilectus,  m  te  complacui. 

weorc-wyröe  'fronpflichtig',  s.  den  Beleg  oben  unter  faldhryper. 

weorpu  (angl.)  'Würde',  9,.  Archiv  CXXII,  250  Anm.  7. 

wilde-swln  'Wildschwein',  s.  Archiv  CXXIX,  44  Anm.  13. 

witelic  'reich  an  Strafe,  (Beschwerlichkeit)':  Se  hunser  pone 
lichoman  sona  acwelled  7  alyseÖ  of  dam  ivitelica{n)  life. 
Verc.  fol.  58b  (Hom.  VII). 

wijjpilisian  (mit  unbetontem  Präfix)  'fürsprechen,  vermitteln': 
We  ponne,  men  pa  leofestan,  ive  ^ehyrdon  oft  secgan  he  dam 
ceöelan  tocyme  usses  Dryhtnes  7  hu  htm  man  in  da  woruld 
ivid-pinsian  [Bückling -Hom.  105 ^  und  Wulfstan  ed.  Napier 
250'"  lesen  nur  pin^ian^  on^an.    Verc.  65  b  (Hom.  X). 

Tföd-heortnes  'Raserei':  J^emunap  eac,  hu  pa  forwwdoti,  pe 
mid    ivod-hcortnessc    willan    to    wcepned-mannum    hcemed 


179 

sohton,  7  callra  Bahilone  7  E^ypta  cyninga.    Verc.  fol.  57b 

(Hom.VII). 
wönin^    'Umlierscli weifen,    Abschweifen'    =;    lat.  pervagatio, 

Verc.  fol.  lila   (Hom.  XX,    s.  die   Stelle   oben   S.  177   unter 

utanydan). 
wuldorsanj  'herrlicher  Sang',  Verc.  fol.  64^  (Hom.  IX,  s.  oben 

S.  114  Z.  10). 

yrfeiiam.T,  'Erbnehmer,  Erbe'  weist  mir  K.  Glaeser  nach  aus 
Vesp.  D.  XIV  fol.  61b:  Ac  hit  ivces  swa  gewunelic  on  J)cm 
time,  ])iKt  vice  mjt'nn  [fortradiert]  scoj)e7i  hcora  hearnen  namen 
cefter  heom  sijlfen,  jKat  hit  wcere  geduht  J)ces  ])e  mare  gemy7id 
Jices  fceder,  Jjci-Jjci  se  sime  wcbs  his  yrfename  7  ^vcbs  for  J)y 
gecegd  his  fceder  name,  wo  Thorpe.  Hom.  1,478 ^1  liest:  äaöa 
se  sunu,  his  yrfcnuma,  ivces  geciged  .  .  .  Gegenüber  dem 
älteren  ae.  yrfenuma  (=  ahd.  arbinomo ;  vgl.  got.  arlinumja) 
stellt  obiges  yrfenama  eine  dem  afr.  erfnama,  mnl.  erfname 
(noch  nnl.  crfgenaam,  s.  Frauck),  mnd.  crve-name  'der  Erbe' 
entsprechende  Umbildung  da,  welche  auch  dem  me.  arrßiame 
(Orm  17744)  zugrunde  liegt.  Für  letzteres  eine  (nicht  nach- 
weisbare) altnordische  Quelle  anzunehmen,  wie  das  Oxforder 
Wörterbuch  unter  arfname  tun  möchte,  scheint  mir  danach 
nicht  nötig,  wenn  auch  der  erste  Bestandteil  durch  an.  arfr 
'Erbschaft'  beeinflul.st  sein  mufs.  Eine  andere  Umbildung 
haben  wir  in  dem  earfcdneme  (lies  earfeneme)  der  Hatton- 
Evangelien  Matt.  XXI,  38,  welches  einem  mhd.  erbenceme 
'der  Erbe'  entspricht. 

Berichtigungeu. 

S.  48  Z.  14  lies  deo  (statt  deos)  und  prestitit. 

S.  56  Anm.  1  mufs  lauten:  die  von  Biaucliini  zitierten  Wörter  manva, 
Babilonia  und  Cananea  finden  sich  in  der  Verc.-Hs.  auf  fol.  811»  (s.  oben 
S.  1 18  Z.  24  und  S.  120  Z.  7-8). 

S.  62  Z.  17:  der  2.  Teil  von  Kembles  Codex  Vercellensis  tiTSchien  ISöt) 
(nicht  184(3). 

S.  155:  Streiche  in  Anm.  5  die  Bemerkung  von  Liebermaun  und  lies 
'zwölfthalb'  in  Anm.  3. 

Das  S.  22  erwähnte  Faksimile  der  ganzen  Vcrcelli-Hs.  erscheint  1913 
bei  Danesi,  Via  dei  Bagni,  Roma. 


12* 


Der  Feuertod  als  Strafe  in  der 
altfrz.  erzählenden  Dichtung. 


Von 


Wendelin  Fo erster. 


i      : 


Bei  meinen  Ivainstudicn  beschäftigte  mich  n.  a.  vielfach 
die  Verurteilung  der  armen  Lunete  zum  Scheiterhaufen  und 
wenn  auch  die  Tatsache,  dafs  der  Dichter  sich  diesen  Zug 
aus  dem  Tristan  geholt  hat,  sieher  war,  so  versuchte  ich  doch, 
ob  nicht  durch  Aveiteres  Nachgehen  derselbe  irgend  für  meinen 
Gegenstand  nutzbar  gemacht  werden  könnte.  „Ich  erinnerte 
mich  —  so  sehrieb  ich  1902  im  kl.  Iv.^  S.  X  —  dann  des 
Feuertodes,  mit  dem  die  geschäftige  Zofe  unserer  Heldin  für 
Felonie  (also  gerade  so  wie  Isolde  wegen  Ehebruch)  gestraft 
werden  soll,  eine  Strafe,  für  die  ich  in  der  damaligen  Zeit 
vergeblich  nach  einem  Beispiel  gesucht  habe.  Keine  Chronik, 
kein  Rechtsbueh  kennt  m.  W.  etwas  ähnliches.  Selbst  Fach- 
gelehrte, auch  der  selten  im  Stich  lassende  G.  Baist  wuIsten 
nichts  beizubringen.  Der  Feuertod  steht  das  eine  oder  andere 
Mal  auf  Zauberei  und  Giftmischerei,  wird  später  eine  fast 
nationale  Institution  für  Ketzerei  —  aber  für  Felonie  und 
Ehebruch  findet  sich  m.  W.  kein  Beispiel.  Der  Dichter  ist 
aber  an  kein  Gesetzbuch  gebunden;  so  meint  denn  Baist: 
«Das  poetische  Strafrecht  bevorzugt  mit  der  Miene  der  Selbst- 
verständlichkeit die  phantastischsten  Strafen,  das  Vierteln  im 
Roland,  das  genagelte  Fafs  in  unseren  Volksmärchen  usw. 
Ausgangspunkt  der  Vorstellung  ist  neben  der  Legende  gewifs 
auch  der  Leichenbrand  (in  Sachsen  und  England  im  8.  Jahr- 
hundert, im  Norden  noch  erheblich  länger  üblich),  denn  wir 
müssen  bei  ihrer  besonderen  Häufigkeit  im  Altfranzösischen 
auch  nach  besonderen  Ursachen  fragen  >."  Die  3.  Auflage  (1906) 
gibt   die  Stelle  genau  wieder,   streicht  nur  den  letzten   Satz. 

Die  Frage,  ob  der  Feuertod,  zu  dem  Isolde  und  Tristan 
wegen  Ehebruchs  verurteilt  werden,  keltischen  Ursprungs  ist, 
stellt  sich  hier  von  selbst  ein,  ist  zwar  als  solche  allein  m.  W. 
noch  nicht  behandelt  worden,  doch  hat  J.  Bödier  (Tristan  II, 


182 

130 — 167)  die  Frage  naeli  der  (insularen)  Keltizität  i)  der 
einzelnen  Züge  des  Tristanromaus  sehr  eingehend  und  erfolgreich 
behandelt  und  zwar  in  ablehnendem  Sinne.  Dagegen  polemi- 
siert J.  Loth  (Rev.  eelt.  30  [1909]  270 ff.),  greift  aber  nur  einen 
einzigen  Punkt  seiner  Aufstellungen  an,  nämlich  dafs  die  Ehe 
der  Kelten  sehr  lose  war  und  Ehevergehen  durch  materielle 
Leistungen  geregelt  wurden,  indem  er  aus  den  Gesetzbüchern 
einzelne  Züge  der  Kulturgeschichte  anführt,  die  für  eine  strengere 
Auffassung  sprechen.  Wenn  er  aber  S.  278  behauptet,  c'ctait 
hien  Vliahitude  chez  les  anciens  Irlandais  de  hrüler  la  fcmme 
aäulüre,  so  ist  das,  gar  bei  dem  völligen  Schweigen  der  Gesetz- 
bücher, ein  gar  zu  gcAvagter  Schlufs,  wenn  man  bedenkt,  dafs 
die  ganze  keltische  Literatur  nach  H.  d'Arbois  de  Jubainville, 
Cours  de  Litt6'ature  celtique,  VIT,  242  nur  zwei  Fälle  da- 
für anführen  kann.  So  erscheint  auch  der  Schlufs  S.  277 : 
Quant  au  cluUiment  au  cas  oh  il  n'y  a  pas  compensation,  et 
Voffense  peut  la  refuser,  nul  doute  quo  ce  n'ait  cte  le  feu  mehr 
als  unsicher.  Die  kontinentalen  Kelten,  die  Gallier,  sind  uns 
zu  wenig  bekannt,  als  dafs  man  hieraus  irgendwelche  Schlüsse 
ziehen  könnte.  Cäsar,  Bell.  gall.  6, 19,  erzählt,  dafs  bei  ihnen 
des  Gattenmords  verdächtige  Frauen  verbrannt  wurden;  sonst 
kennt  er  den  Feuertod  noch  als  Strafe  für  Hochverrat  1, 4,  am 
gefangenen  Feind  1, 58.  Als  militärische  Strafe  erwähnt  in 
Bell.  hisp.  20.  Die  germanischen  und  englischen  Gesetze  kennen 
nichts  ähnliches,  ebensowenig  die  Skandinavier.  Man  wird 
also  mit  Notwendigkeit  auf  die  Römer  selbst  geführt,  bei  denen 
die  vivicrematio  eine  der  ältesten,  schon  in  den  ersten  Zeiten 
der  Republik  vorkommenden  Strafen  ist,  s,  Th.  Mommsen,  Rom. 
Strafrecht  923.  Nach  Digest.  48,  19,  1.  8,  §  2  und  1.  28,  §  11 
werden  so  Sklaven,  kleine  Leute,  ferner  Brandstifter  bestraft, 
später  dieselbe  Strafe  gegen  standhafte  Christen  (frz.  Eulalia) 
angewandt,  usf. 

Ich  hatte  vor  längerer  Zeit  für  diesen  Stoff  zu  sammeln 
angefangen  und  habe  auch  einiges  teils  selbst,  teils  durch 
freundliche  Mitteilungen  anderer  zusammengebracht;  aber  im 
Verhältnis   zum   weitschichtigen   Gegenstand  selbst   ist   es    so 


1)  Vgl.  kl.  CHges^  S.  XLIX  Anm.  1. 


183 

gering,  dafs  ich  die  Arbeit  andern  überlasse,  die  der  dankbare 
Stoff  hoffentlich  anziehen  wird,  i) 


')  Bei  dieser  Gelegenheit  möchte  ich,  ohne  auf  die  einschlägige 
Literatur  der  französischen  Gesetzbücher  einzugehen,  auf  eine  vortreffliche 
deutsche  Monographie  anfmerksani  machen,  die,  wie  es  scheint,  den 
Romanisten  entgangen  ist.  Es  ist  die  von  den  Juristen  gut  eingeschätzte 
Arbeit  von  A.  Coulin,  Der  gerichtliche  Zweikampf  im  altfranz.  Prozefs  I 
(1906),  der  S.  148(10)  für  Jläuncr  den  Feuertod  anführt  als  Strafe  für 
Brandstiftung  nach  Livre  des  Droiz  et  des  commandements  d'office  de 
justice,  ed.  Beautemps-Beauprc  (Paris  1865)  S.  823,  S.  150  (1),  für  Frauen  bei 
Verbrechen  der  hohen  Gerichtsbarkeit  nach  Coustumes  d'Anjou  et  du 
Maine  1366  (in  Cout.  et  Instit.  de  l'Anjou  et  du  Maine,  J.  Beautemps- 
Beauprc  I«  partie,  T.  2  (Paris  1S79),  A.  Canel,  n.  111 :  Combat  judiciaire  en 
Normandie,  Caen  1858.  Livre  des  Droiz  347  (s.  oben),  endlich  P.  Violet, 
Etablissement  de  S.  Louis  I,  244,  Cout.  de  Tonraine  und  das  Livre  de 
Justice  et  de  Plet.  —  S.  107  kommt  Coulin  im  Lauf  seiner  Darstellung 
aller  Formalitäten  des  damaligen  gerichtlichen  Zweikampfes  auch  auf  den 
Zweikampf  Thieri- Gaueion  im  Oxforder  Ilolandslied  zu  sprechen.  Ich 
erwähne  es  hier,  weil  es  den  Rolandforschern  bis  jetzt  unbekannt  geblieben 
ist.  Die  Stelle  lautet  also:  „Die  ursprünglichen,  allen  Ständen  gemein- 
samen KampfwatTen  [zu  Fufs]  sind  Stock  und  Schild  ;  noch  in  der  Karolinger- 
zeit kannten  die  Franken  keine  anderen  Waffen  als  fustis  et  scutum  [zu 
jeder  Feststellung  geben  die  Fufsnoten  jedesmal  die  urkundlichen  Belege, 
die  ich  hier  unterdrücke],  während  nach  Ermoldus  Nigellus  in  jener  Zeit 
schon  zwei  comites  gotici  auf  Grund  des  Personalitätsprinzips  (so !)  zu 
Pferd  mit  hasta  und  mncro  kämpften.  Diese  Quelle  betont  aber  ausdrück- 
lich, dafs  diese  Kampfesart  den  Frauken  fremd  war.  In  einer  Urkunde 
für  Carcasson  vom  Jahre  l'i70  kämpft  noch  der  caballarius  beim  gericht- 
lichen Kampf  mit  scuUim  und  basto;  dagegen  findet  sich  in  dem  um  1090 
entstandenen  Chanson  de  Roland  schon  der  Kampf  zu  Pferd  für  den 
ritterlichen  Zweikampf.  In  manchen  Rechtsaltertümern  bleiben  aber  Stock 
und  Schild  noch  bis  ins  13.  Jalirhuudert  die  übliche  Bewaffnung  für  alle 
Stände,  so  insbesondere  in  der  Normandie,  wo  der  Kampf  zu  Pferd  erst 
nach  der  Vereinigung  mit  Frankreich  Eingang  fand.  Um  1300  ist  jedoch 
auch  in  der  Normandie  der  ritterliche  Kampf  stets  ein  Kampf  zu  Pferde. 
Trotzdem  sprechen  die  Quellen  in  späterer  Zeit,  wo  der  Kampf  zu  Pferd 
für  den  Ritter  zur  Regel  geworden  war,  noch  immer  von  einem  Kampf 
mit  Stock  und  Schild,  so  sehr  hatte  sich  dieser  Ausdruck  zur  Bezeichnung 
des  gerichtlichen  Zweikampfes  eingebürgert."  Ich  drucke  diese  Stelle  hier 
vollständig  ab,  ihrer  Wichtigkeit  wegen,  da  wenig  Aussicht  vorhanden  ist, 
dafs  sie,  nachdem  sie  sechs  Jahre  den  Romanisten  entgangen  ist,  in  der 
Zukunft  noch  von  irgend  jemand  entdeckt  werden  könnte.  Durch  die  dort 
mitgeteilten  Tatsachen  ist  sicher,  dafs  der  Schlufsteil  des  Oxforder  Rolands 
weder  im  Frankengebiet  noch  in  der  Normandie  verfafst  sein 
kann,  da  zu  jener  Zeit  (11.  Jahrh.)  diese  Art  des  Zweikampfes  dort  ganz 


184 

Wober  stammt  also  der  Feuertod  im  Tristan?  Bei  den 
Germanen,^)  Augelsaebsen  und  Skandinaviern  kommt  der  Feuer- 
tod ebensowenig  vor,  aucb  nicbt  in  der  engliscbeu  Literatur. 
Er  wird  also  dort  desselben  Ursprungs  sein,  wie  in  der  kon- 
tinentalen Literatur,  und  auf  diese  und  indirekt  die  Römer 
und  die  späteren  Märtyrer  zurückgeben.  Der  Urtristan,  den  wir 
beute  erscbliefsen  können,  ist  in  Cornwall  und  Irland  lokalisiert 
und  spielt  naeb  der  Bretagne  binüber  und  auf  diese  fübren  aucb 
Namensformen  und  anderes,  wie  denn  aucb  Berol  Festländer 
ist  und  selbst  Tbomas,  der  in  England  scbreibt,  nacb  den  Reimen 
dortbin  geboren  könnte. 

L  In  der  altfranzösiseben  erzäblenden  Dicbtung  kommt 
die  Feuertodstrafe,  aufser  im  Tristan  und  Ivain,  öfter  vor.  Ich 
ordne  die  Fälle,  soweit  dies  tiberbaupt  möglieb  ist,  in  cbrono- 
logiscber  Reibenfolge. 

Da  ist  zunächst  Orson  von  Beauvais  anzuführen.  Der 
Verräter  Hugo  will  Aeeline,  die  sich  ihm  verweigert,  verbrennen 
lassen.  2022  Ardoir  voiidra  la  dame  au  gent  cort  signori. 
2050  aufserbalb  Beauvais  fit  Hugues  fare  un  feu  d'aubepines 
jioinnans.  Mener  i  fait  la  dame  qui  out  le  euer  dolant,  Et 
jure  Damedeu  .  .  Qu'ü  la  fera  ardoir  .  .  Quant  de  li  n'avcra 
son  hon  ne  son  talant  .  .  .  Man  scbleppt  sie  zum  Scheiterhaufen, 
sie  fleht  nur  noch  um  Aufschub  für  ein  Stofsgebet.  Da  kommt 
dann  Doon  mit  den  Seinigen  und  befreit  sie. 

Ich  fübre  jetzt  zwei  Texte  an,  die  zwar  dem  späten  13.  Jahr- 
hundert angeboren,  aber  Überarbeitungen  älterer,  noch  dem 
12.  Jahrhundert  angehörender  Chansons  de  Geste  sind,  Berta 
mit   den   grolsen  Füfsen  von  Adenet  und   Macaire.     In   der 


nnbekannt  war.  Es  bliebe  dann  nur  noch  der  Südosten  und  Süden  übrig. 
Vgl.  G.  Baist,  Zs.  10,508.  Auf  die  Entscheidung  der  Frage  nach  der 
Heimat  des  Rolandliedes  hat  dieser  Umstand  freilich  keinen  Einflnfs,  da, 
soviel  mich  seinerzeit  eine  eingehende  Untersuchung  gelehrt  hat,  jener 
Schlufsteil  ein  späterer  Zusatz  eines  fremden  Verfassers  sein  dürfte. 

')  J.Grimm,  Deutsche  Rechtsaltertümer  3.  A.  S.  699  (Lex.  Visig.), 
4.  A.  11,41  (Greg.  Tur.).  Es  wird  dabei  Eracle  4u95  zitiert:  es  kann 
dies  nur  Eraclius  (Mafsmann)  S.  306^  4104  gemeint  sein,  wo  l'ardee  ein 
Fehler  für  lardee  (von  larder)  ist.  —  H.  Brunner,  Deutsche  Rechts-Gesch. 
P.  246,  11,601;  R.  Schröder,  D.  R.-G.  S.A.  S.  40.  78.  349.  676.  778.  781.; 
V.  Amira,  Grundr.  z.  g.  Ph.^  und  Abh.  Münch.  Ak.  1911. 


i 


185 

Berta  hat  die  alte  Margiste  durch  List  ihre  eigeue  Tochter 
Aliste  an  Bertas,  der  Gemahlin  Pipins,  Stelle  das  Beilager 
teilen  lassen  und  Berta  des  versuchten  Mordes  an  Pipins  ver- 
meintlicher Gattin  überwiesen,  worauf  Pipin  476  (Seheier)  be- 
stimmt: Vo  ßlle  (Berta)  sera  arse  .  .  Als  die  Wahrheit  offen- 
kundig geworden,  verurteilt  Pipin  die  Alte  zum  Scheiterhaufen 
2202  Car  tu  en  seras  arse.  Die  Alte  bekennt  ihre  Schuld,  2266 
A  anloir  fu  jugic.    Dies  geschieht  2293  ff. 

Im  Macaire  (über  eine  blolse  Anspielung  darin  s.  w.  u. 
unter  II)  weist  die  Königin  Blancheflor  ebenso  die  Anträge 
Maeaires  ab,  der  Rache  plant  S.  20  (Guessard):  JDe  la  raine 
prenderese  mo  venrament.  Arsa  seroit  a  li  fois  ardanf,  S.  26  ad 
albe  espine  il  (der  König)  la  fera  hrusler.  Der  Anschlag  mit 
dem  Zwerg  gelingt,  die  Königin  soll  verbrannt  werden  S.  46. 
Li  rois  coniande  a  li  ses  camerlant  Qe  cela  dame  iroa  davant, 
de  noir  soia  vestue  e  hindea  ensemant  Si  como  ferne  qi  vait  a 
tormant.  Desor  la  plage  de  li  pales  davant  Fo  aporte  legne, 
espine  qe  pongant.  Inluminer  li  fait  on  gran  fogo  ardant. 
Durch  Naimes  Hinweis  auf  ihre  Schwangerschaft  verbannt  sie 
der  König  und  übergibt  sie  Aubri,  um  sie  ins  Ausland  zu 
bringen.  Aubri  wird  ermordet,  während  die  Königin  entkommt, 
und  später  durch  seinen  Hund  gerächt.  Der  besiegte  Macaire 
wird  dann  gehängt  und  endlich  verbrannt  S.  92. 

Es  folgt  Parise  la  Duchesse,  die  S.  9  angeklagt  wird, 
den  Bovon  vergiftet  zu  haben.  Der  Verräter  Milon,  der  sie 
verteidigt,  läfst  sich  im  gerichtlichen  Zweikampf  besiegen, 
worauf  sie  zum  Feuertode  verurteilt  wird:  S.  19  Li  dus  a 
comande  sa  moillier  a  Her,  il  dit  qiCil  la  feroit  ardoir  o  es- 
corchier.  S.  21  will  sie  vorher  noch  ihre  Beichte  ablegen,  die 
ein  schurkischer  Bischof  abnimmt,  der  dann  schreit:  Sire  dus 
de  s.  Gile,  ceste  putain  hardez!  Ele  a  mort  vostre  frere  .  .  . 
Certes,  en  sa  confesse  le  m'a  dit  et  conte.  Zum  Glück  wirft 
sich  der  brave  clerc  Guillamne  de  Losanne  zu  ihrem  Verteidiger 
auf  und  verlangt  zuerst  die  Bestrafung  des  Bischofs:  (S.  21) 
Vers  le  feii  Vtn  trainent,  cns  le  vorent  geter,  Far  davers  lo 
visage  le  fönt  el  feu  voler.  Tant  i  fu  li  cuverz  qiie  il  fu  en- 
brasez;   worauf  die   Königin  zur  Verbannung  begnadigt   wird. 

Zwei  Dichtungen  behandeln  das  gleiche  Motiv,  die  Bestrafung 
der  jugendlichen   bösen  Stiefmutter,   die  sich  an  ihrem  Stief- 


186 

söhn,  der  ihre  Liebe  verschmäht  hat.  rächen  will,  Dolopathos 
und  die  Siebenweisen.  Im  Dolopathos  verurteilt  der 
Gerichtshof  den  Stiefsohn  zum  Feuertod  S.  158  und  161 :  La 
lois  et  li  decres  devise  Q'en  feu  sott  ars  li  hom  ki  fet  Tel  le- 
cherie  et  iel  forfet.  S.  348  wiederholt  sich  die  Szene,  die  Stief- 
mutter besteht  auf  dem  Verbrennen  des  Sohnes,  wozu  der 
König-  wieder  bereit  ist,  was  durch  Virgils  Dazwisehenkunft 
verhindert  wird.  Dieser  überführt  die  Stiefmutter,  die  nun 
S.  382  selbst  verbrannt  wird:  Li  jugeor  tot  erranmant  Dissent 
Icelle  c'estoit  jiigie.  Maintenant  fut  el  feu  lande  Et  ses  xmcelles 
i  lancierent. 

Ahnlich  in  den  Siebenweisen  (Keller)  S.  195.  Der  Sohn 
erzählt  seinem  Vater:  Cuidiies  vos,  s'en  haut  montaisse,  Pere, 
que  jou  vos  vergondaisse  ?  Certes,  ains  me  laissasse  xiendre,  Et 
ardoir  en  feu  et  en  cendre,  C^avoec  ma  dame  (Stiefmutter)  ine 
coucaisse;  die  Königin  gesteht  ihre  Schuld;  Or  avrois  vos  le 
jugement  Que  li  7niens  fds  devoit  avoir;  Car  vostre  cors  ferai 
ardoir  .  .  .  Ales,  harons!  si  me  Vardes!  was  sofort  geschieht 
(vgl.  Rom.  Rev.  1912,  V.  1994.  2020). 

Sehr  anziehend  ist  das  Motiv  im  Veilchenroman,  weil 
hier  die  ganze  Scheiterhaufenepisode  aus  dem  Ivain  geschickt 
verwendet  wird  und  zwar  nicht  allein  dieses  Motiv  selbst  in 
ganz  gleicher  Ausführung,  sondern  auch  die  ganze  Vorgeschichte 
(vgl.  S.  226  ff.  der  F.  Michelschen  Ausgabe  =  Iv.  4090  ff.).  Auch 
hier  kommt  ebenso  ein  Riese  hruiant  an,  Qui  le  pdis  vait 
destruiant;  Les  set  (Ivain:  sechs  3863,  von  denen  zwei  gleich 
getötet  werden,  so  dafs  der  Riese  nur  vier  mit  sich  führt) 
fiex  le  seignor  amainne,  Qui  mout  ont  trait  dure  semaine. 
Der  Riese  hat  keine  Eisenrüstung,  sie  war  aus  einem  cuir 
gemacht,  Qui  fu  le  inel  d'un  serpent  und  kämpft  mit  einer 
Keule,  mache,  machue  und  iincl  genannt,  usf.  Die  Geretteten 
wollen  ihren  Retter  zurückhalten,  aber  er  kann  nicht  bleiben; 
Que  jou  ai  un  afaire  empris,  Dont  je  seroie  mout  repris,  Se  le 
metoie  en  noncaloir  (=  Iv.  3997,  4157  u.  4268).  Euriaut  soll 
wegen  Mordes  durch  ein  jugement  verurteilt  werden:  Hui  en 
doit  on  le  jugement  rendre,  si  sera  tourmentee,  Arse  ert  et  la 
2)ourre  ventee.  Da  kommt  ihr  Mann  dazu  und  sieht  schon 
alume  un  grant  feu.  Euriaut  amenee  avoient,  Que  en  cel  fu 
ardoir  devoient.    Desor  un  drap  Vavoient  mise  trestote  nue  en 


187 

sa  cliemise  .  .  .  Ele  faisoit  ja  s'orison  Et  rcclamoit  cn  sa  raison 
Dkl  Jhcsu  Christ  mout  hautement.  Der  Held  tritt  als  ihr 
Kämpe  auf  und  wird  als  solcher  zugelassen:  ihm  tritt  Melatir 
(=  Senesehall  im  Ivain;  dessen  zwei  Kampfgenossen  hat  der  Vf. 
als  eine  zu  starke  Übertreibung  weggelassen)')  entgegen.  — 
Der  einzige  Unterschied  besteht  darin,  dafs  der  besiegte  Melatir 
nicht  dieselbe  Strafe,  also  Feuer,  erduldet,  wie  die  falsch 
Angeklagte  (Iv.  4570),  sondern  gevierteilt  und  gehenkt  wird, 
wohl  weil  die  Feuerstrafe  nur  bei  Frauen  angewandt  wurde. 
In  der  Mauekine  (Suchier)  verurteit  der  König  seine 
eigene  Tochter  Joie,  weil  sie  ihn  nicht  heiraten  will,  zum 
Feuertod  (S.  28)  und  befiehlt  dem  Senesehall,  Qu' au  tierchjour 
saus  nul  contredit  Arde  sa  fille  ens  en  un  re  .  .  Et  se  nel 
faites  a  estrous,  Sacies,  je  le  ferai  de  voiis.  Voller  Mitleid 
läfst  dieser  zwar  den  Scheiterhaufen  anzünden,  das  Opfer  aber 
setzt  er  heimlich  in  einem  Nachen  in  das  Meer  aus. 

Endlich  soll  in  dem  von  G.  Gröber  ungemein  hart  beurteilten 
anziehenden  Schwanenritter  (Hippeau)  die  Königin  auf  Be- 
treiben der  bösen  Matabrune  wegen  Sodomie  verbrannt  Averden: 
(I,  S.  32)  Les  espines  atraient  et  Vestrain  environ.  Matahrune, 
la  vielle,  .  .  Li  a  Jos  mains  loiies  ausi  com  un  larron,  s.  auch 
S.  35,  als  Elyas  plötzlich  für  sie  auftritt.  Matabrune  wird  zur 
Strafe  für  ihre  Ränke  dann  selbst  zum  Feuer  verurteilt  und 
verbrannt:  S.  86—89. 

Im  Thebanerkrieg  10146  befiehlt  man  nach  Einnahme 
der  Stadt  alle,  die  sich  nicht  ergeben,  a  prendre  Et  ...  a 
desmemhrer,  En  foii  ardoir  o  afoler.  Im  Athis  A  2055  hätte 
man  die  Mörder  feist  ardoir  ou  patidre,  wenn  man  sie  gefafst 
hätte,  und  2100  wird  ein  vermeintlicher  Mörder  dazu  verurteilt. 
Im  Karrenroman  bedroht  der  König  die  Mörder  Lancelots  del 
pandre  Ou  de  Vardoir  ou  del  noiier  4167.  In  einer  Perceval- 
fortsetzung  sollen  zwei  ptuceles  verbrannt  werden,  ohne  dafs 
wir  den  Grund  erfahren  42241  f.    Im  Maugis  d'Aigremont 


^)  Dies  ist  wichtig  für  die  methodische  Behandlung  von  Fällen,  wo 
eine  Redaktion  irgendein  Motiv  einer  anderen  Fassung  übertrieben  dar- 
stellt und  man  deshalb  diesen  Fall  für  sekandär,  den  einfacheren  für  ur- 
sprünglich hält.  Unser  Fall  lehrt,  dafs  so  ein  Schlufs  durchaus  nicht 
zwingend  ist. 


188 

bedroht  Renaiit  den  gefaugenen  Richard  mit  ardoir  et  encroer 
au  vent  (s.  Castets,  S.  405).  Im  Robert  der  Teufel  verfolgt 
ein  Verräter  die  Witwe,  faire  la  vout  ardoir  par  mortel  träison 
(Festband  Tobler  S.  505).  In  der  Chanson  d'Esclarmonde, 
der  Turiner  Fortsetzung  des  Hugo  von  Bordeaux  (hg.  H.  Schäffer, 
A.  u.  A.  N.  90)  bedroht  Escorffaulx  den  jungen  Hulin  S.  60: 
Fd  traytre  inurdrier,  Qni  vous  a  delivre  mon  escu  de  cartier 
Et  mon  riche  heaiime  et  mon  riche  destrier?  Ce  fist  ma  faulse 
niepce  qui  le  vous  vault  haillier;  Mais  je  feray  son  corps 
ardoir  et  assiller  .  .  . 

Hierher  gehören  auch  Floire  und  Blancheflor  I,  2504,  vgl. 
II,  2076,  ferner  Cleomades  und  Doon  von  Mainz,  die  A.  Schultz 
II,  137  bereits  herangezogen  hat. 

Der  Vollständigkeit  halber  nenne  ich  noch  A.  Junge, 
Gerichtsbeamte  (Diss.  Gott.  1906),  der  aus  den  Miracles  N.  D. 
noch  anführt  für  Mörder  IV,  207,  V,  18,  für  Widersetzlichkeit 
II,  322. 

II.  Aufser  diesen  Fällen  findet  sich  der  Feuertod  gelegent- 
lich in  vielen  Gedichten  in  der  Weise  erwähnt,  dafs  jemand 
lieber  sich  verbrennen  liefse,  als  dafs  er  etwas  täte,  was  er 
verabscheut,  also  in  feststehenden  Redensarten,  wie  deren  in 
demselben  Sinne  es  mehrere  gibt:  lieber  gehenkt,  gepfählt 
w^erden,  lieber  ein  Auge  verlieren  usf. 

In  dieser  Verwendung  finden  wir  es  z.  B.  Athis  6789,  ebenso 
im  Wilhelm  von  England  1205,  Perc.  Forts.  21525,  Hervis 
von  Metz  1880,  Placidas  1039,  Siebenweisen  S.  195,  Macaire 
S.  8.  10. 

Eine  systematische  Durchmusterung  der  einschlägigen  Texte 
wird  für  II  wohl  noch  viele  andere  Belege  ergeben,  aber  wohl 
nur  wenige  neue  Fälle  für  I. 

Wenn  wir  die  einzelnen  Fälle  von  I  durchgehen,  so  finden 
wir,  dafs  aulser  Theben,  Athis,  Karre,  Maugis,  wo  die  Strafe 
Mördern,  ferner  Gefangenen  gilt,  und  Macaire,  wo  ein  Bischof 
verbrannt  wird,  und  Dolopathos  der  Königssohu  wegen  ver- 
meintlichem Inzest,  nur  Frauen  damit  bedroht  werden,  und 
zwar  wegen  geplantem  Inzest  Dolopathos  und  Siebenweisen, 
wegen  Ehebruch  Tristan  und  Macaire,  wegen  Sodomie  Dolo- 
pathos  und   Schwanenritter,    wegen    Giftmord    Parise,    wegen 


1 


189 

grobem  Betrug  Berta  und  Maeaire,  wegen  verweigertem  Leib 
Orson,  Mnnekine  und  Maeaire,  wegen  Felonie  Ivaiii  und 
Veilchen.  Dieselbe  Strafe,  die  jemand  für  Unschuldige  l)e- 
treibt,  erfährt  er  selbst  in  Berta,  Parise,  Dolopathos  und 
Siebenweisen.  Erwähnt  sei  noch  das  Motiv,  dafs  ein  un- 
schuldiges Opfer  eben  verbrannt  werden  soll,  als  ein  Retter 
erscheint:  Parise,  Ivain  und  Veilchen,  Schwanenritter  und 
Dolopathos. 


I 


Das  altenslisclie  Reimlied. 


Von 


F.  Holthausen. 


Inhalt. 


Peite 


Einleitung 191 

Hergestellter  Text 192 

Übersetzung 193 

Anmerkungen 198 


H   i 


Einleitung. 


Das  in  der  Hs.  Cod.  Exon.  fol.  94  f.  erhaltene  'Reinilied' 
wurde  zuerst  gedruckt  i)  von  Conybeare  in  seinen  Illustrations 
of  Anglo-Saxon  Foeiry,  London  1826,  p.  XVIlIff.,  dann  von 
GuEST,  A  Uistorg  of  English  lihijthms,  London  1838  (Neu- 
bearbeitung von  W.  Skeat,2)  London  1882,  p.  388 ff.),  von 
Thorpe,  Codex  Exon.,  London  1842,  p.  352  ff.,  von  Ettmüller, 
Engla  and  Seaxnu  scopas  and  höceras,  Quedlinburg  uud 
Leipzig  1850,  S.  220  ff.,  von  Grein,  Bibl.  d.  ags.  Poesie,  2.  Bd., 
Göttingen  1858,  S.  137ff.,  von  Wüi.ker  in  der  Neubearbeitung, 
3.  Bd.,  Leipzig  1897,  S.  156ff.,  zuletzt  von  Kluge,  Ang eis.  Lese- 
buch,  3.  Aufl.  Halle  1902,  S.  150  ff.  Während  Conybeare  und 
Thorpe  es  fast  unverändert  abdruckten,  steuerte  Ettmüller 
schon  eine  Anzahl  guter  Besserungen  bei,  die  dann  Grein  noch 
erheblich  vermehrte.  Neuerdings  hat  sich  besonders  Sievers 
durch  seine  Bemerkungen  in  Paul  u.  Braunes  Beitr.  IX,  235 
Aum,  und  XI,  345ff.  um  das  Verständnis  des  Gedichtes  verdient 
gemacht,  ich  selbst  habe  kleine  Nachlesen  geliefert  im  Beiblatt 
zur  Anglia  XX,  313  f  und  XXI,  12  f.  155  f. 

Eine,  wenn  auch  sehr  mangelhafte,  englische  Übersetzung 
des  Liedes  gab  schon  Conybeare  neben  dem  Urtext,  besser 
ist  die  —  allerdings  lückenhafte  —  von  Thorpe  S.  523  ff.  Im 
Jahre  1865  veröffentliche  dann  Grein  in  Pfeiffers  Germania 
X,  306  f.  eine  wörtliche  lateinische  Wiedergabe,  die  ebenso  wie 
sein  kritischer  Text  einen  erheblichen  Fortschritt  gegenüber 
seinen  Vorgängern   bedeutet;    infolgedessen   gibt   auch   Skeats 


^)  Vgl.  die  Literaturangaben  in  Wülkers  Grundrifs  S.  215  f,  und  515; 
Brandl,  Pauls  Grundr.«  II,  lOSOf. 

*)  Ich  verdanke  meine  Kenntnis  dieses  Buches  zwei  Schülern  von 
Dr.  Spies,  die  für  mich  eine  Kollation  des  Textes  sowie  eine  Abschrift 
der  Übersetzung  und  der  Anmerkungen  anzufertigen  die  Freundlichkeit 
hatten. 


192 

Revision  von  Guests  englischer  Übersetzung  a.  a.  0.  im  ganzen 
das  Original  richtig  wieder,  wenn  auch  mehrere  Stellen  falsch 
aufgefafst  oder  als  gar  zu  dunkel  einfach  unübersetzt  ge- 
blieben sind. 

Mit  der  Metrik  und  lleimkunst  des  Gedichtes  beschäftigten 
sich  Guest  a.  a.  0.,  dann  Rieger,  Zeitschr.  f.  Deutsche  Phil. 
IV,  321  f.  und  Kluge,  Beitr.  IX,440ff.  450. 

Wie  aus  den  Reimen  und  manchen  stehengebliebenen 
Formen  hervorgeht,  war  das  Reimlied  in  anglischer  Mundart 
verfafst;  jedoch  hat  der  Text  durch  teilweise  Übertragung  ins 
Westsächsische  seinen  ursprünglichen  Charakter  zum  grölsten 
Teile  verloren.  Die  alte  Verbalendung  -iö,  die  noch  in  den 
Versen  52  f.  erhalten  ist,  weist  nach  Sievers,  Beitr.  XI,  352  in 
die  erste  Hälfte  des  8.  Jahrhunderts  als  Entstehungszeit  des 
Gedichtes   (vgl.  auch  Anglia  XIII,  13f);    als    Vorbild    nimmt 


Hergestellter  Text. 

Me  llfes  onläh,        se  I>i8  leht  onwräh 

oud  J>set  torhte  getäh        tillice  onwräh. 

Gla;d  wses  ic  gk'owum,        glenged  weowum 

blissa  bleo[w]um,        blöstma  heowum. 
5  Seegas  mec  segon,        symbel  ne  älegon, 

fehgefe  gefegon;        fr^etwe  wegow 

wic[gj  ofer  wongum        wr^nan  gongum 

lisse  mid  longum        leoma  ge/wngum. 

pä  wses  wsestwi  äwceht,        [ofer]  wor[o]ld  onspreht, 
10  under  roderum  ärceht,        redmsegene  oferj'CBht. 

Gestas  gengdon,        gersc/pe  mengdon, 

lisse  lengdon,        lustum  gleugdon. 

ScrT^en[d]scräd  gläd        |?urh  gescäd  in  bräd: 

wses  on  lagustreame  lad,        per  me[c]  leopu  ne  bigläd. 

15  Hsefde  ic  heanne  häd:        ne  wa3S  me  in  halle  gäd, 

}?ajt  l^er  röf  weor[o]d  räd.        Oft  ^ex  rinc  gebäd 


1  leoht  2  getah  Gr.]  geteoh  3  gleowum  Si.]  gliwum  ||  uiowum 
G.,  neowum  Si.]  hiwum  4  bleowum  Si.  ||  heowum  Si.]  hiwum  C  feoh- 
giefe  E]  feorhglfe  ||  frsetwa  E.]  frsetwed  ||  waegou  6r.]  wsegum        7  wieg 


193 

Kluge,    Beitr.  IX,  450    wohl    richtig    die   lateinische    Ilymnen- 
diehtung'  an. 

Ich  habe  nun  versucht,  das  Gedicht  mit  Beseitigung  der 
zahlreichen,  oft  geradezu  grotesken  Textverderbnisse  in  ang- 
liseher  (wenn  auch  nicht  der  ältesten)  Form  herzustellen  und 
füge  die  erste  deutsche  Übersetzung  bei,  die  ebenso  sehr  wört- 
lich wie  verständlich  sein  soll.  Vielleicht  gelingt  es  jetzt,  wo 
die  meisten  Schwierigkeiten  beseitigt  sind,  dem  einen  oder 
andern  Fachgenossen,  noch  diese  oder  jene  Stelle  des  schwierigen 
Textes  durch  eine  glückliche  Konjektur  oder  Erklärung  auf- 
zuhellen. —  Die  Namen  der  Gelehrten,  die  Textbesserungeu  ge- 
liefert haben,  sind  folgendermafsen  abgekürzt:  C.  =  Conybeare, 
JE.  =  EttmUller,  G.  =  Grein,  K.  =  Kluge,  B.  =  Rieger, 
Si.  =  Sievers,  Sic.  =  Skeat,  lli.  =  Thorpe.  Unbezeichnete 
Konjekturen  rühren  von  mir  selbst  her. 


Übersetzung-. 


Mir  verlieh  das  Leben,  der  dieses  Licht  enthüllte 
und  die  herrliche  Lehre  trefflich  enthüllte. 
Froh  war  ich  durch  Unterhaltungen,  geschmückt  mit  neuen 
Farben  der  Freuden,  mit  der  Blumen  Schönheit. 
Männer  besuchten  mich,  —  Mahlzeiten  hörten  nicht  auf  —         5 
freuten  sieh  der  Schatzspeude;  Schmuck  trugen 
Rosse  über  den  Wangen  stolzen  Ganges 
freudig  mit  langen  Gliederbehängen. 
Da  war  Gedeihen  erweckt,  über  die  Welt  erblüht, 
unter  dem  Himmel  erhöht,  durch  starken  Rat  gedeckt.  10 

Gäste  gingen  ein  und  aus,  mischten  Scherze  ein, 
verlängerten  das  Vergnügen,  schmückten  sich  mit  Lust. 
Das  fahrende  Schiif  glitt  durch  die  Entfernung  ins  Weite: 
es  war  auf  dem  Wasser  ein  Weg,  wo  mir  die  Führung  nicht 

[entglitt. 
Ich  hatte  hohen  Rang:  nicht  war  mir  in  der  Halle  Mangel,       15 
dafs  da  eine  berühmte  Schar  ritt.     Oft  erwartete  da  ein  Manu, 


Gr.  II  wFcenan  Si.]  wennan  8  gehougnm  Si.]  getongum  9  wsestmum 
aweaht  ||  ofer  Si.  lu  arealit  ||  peabt  11  giestas  ||  scype  13  scrifen 
14  ]?8er        15  healle        16  pser  ||  weorud  E. 

Studieu  z.  engl.  Phil.    L.  13 


194 

l'a^t  he  in  sele  scgc        sincgewege, 
J^egnuiii  gepege.        pendeu  wjüs  ic  wege, 
horsee  mec  lieredoD,        bilde  generedoo, 
20  fa3gre  feredou,        hondum  beweredou. 

Swä  mec  bybtgtofu  beold,        bygedrybt  befeokl, 

8ta]:'obBbtum  steold,        stepegongum  weold, 
swelce  eorp-e  öl;        abte  ic  «Idorstöl, 

galdorwordum  göl:        gomel  sibbe  ne  okö\, 
25  ac  wa^s  gef[f]est  gcr,        gellende  sner; 

[geJwuDiendo  wer        \\i[g]blBd  bescier. 

Scalcas  weron  scearpe,        scel  weos  hearpe: 

binde  bljnede,        bleoj^or  dynede, 

sweglräd  swinsade,        swij'o  ne  minsade; 
30  burgsele  bifade,        berbt  blifade, 

eilen  ecnade,        ead  «t?(ecnade, 

fre^num  frödade,        fr[e]omum  gödade, 

möd  msegnade,        myne  fsegnade, 

treow  telgade,        tlr  welgade, 
35  bled  blissade,        [bleow  glissade,] 

gold  gearwade,        gim  bwearfade, 

sine  searwade,        sib  nearwade. 

From  ic  w^es  in  frsetwum,        freolic  in  gcetwiim, 

wses  min  dream  drybtlic,        drobtoö  bybtlic: 
40  foldan  ic  freoj'ode,        folcum  ic  leol^ode, 

llf  wa3S  min  longe        leodum  in  gemonge 

tirum  get^Dge,        teala  gebenge.  — 

Nu  mm  brel?er  is  breb,        beofsll'um  sceb, 
neadbysgum  n^b:         gewTteö  n^btes  in  ^eh, 
45  se  ar  in  daege  wjes  Aeor.        Scri]?eö  nü  deop[e]  Jjeor, 

brondbord  geblöwen,        breostum  in  forgröwen, 


t 


17    ssege  ||  gew?ege  18    ]?ege   Si.]   pybte  ||  wege   Si.}   msegen 

20  feondum  E.]  feondon  21  giefu  1|  hyge  Sic]  hige  22  steold  E.] 
steald  23  swylce  ||  ealdor  24  col  St.]  oll  25  geffest  Si.  ||  ger  E.] 
gear      2G  wer  .S'i.]  wier  ||  wilbcc      27  scealcas  wseron  |j  scyl      29  swij'e 


l 


195 

dafs  er  im  Saale  sähe  einen  gewichtigen  Seliatz, 

den  Degen  angenehm.     Solange  ich  bedcnitend  war, 

priesen  mich  Kühne,  retteten  mich  durch  Kampf, 

führten  mich  schön,  verteidigten  mich  vor  Feinden.  20 

So  erhielt  mich  erfreuende  Gabe,  eine  liebende  Schar  umringte 

[mich, 
Landgüter  besafs  ich,  stolzen  Schrittes  herrschte  ich 
über  alles,  was  die  Erde  hervorbrachte;  ich  hatte  den  llerrscher- 

[stuhl, 
sang  Lieder:  alte  Freundschaft  erkaltete  nicht, 
sondern  es  war  ein  gesegnetes  Jahr,  es  klang  die  Saite;  25 

dauernder  Friede  schnitt  Kriegsruhm  ab. 
Die  Diener  waren  eifrig,  helltönend  war  die  Harfe: 
laut  erseholl  sie,  der  Klang  brauste, 
Musik  rauschte,  die  Stärke  nahm  nicht  ab; 

der  Burgf»aal  bebte,  ragte  glänzend  empor,  30 

die  Kraft  nahm  zu,  Reichtum  entstand, 
ich  wurde  klug  durch  Fragen,  gedieh  durch  Vorteil, 
der  Sinn  kräftigte  sich,  das  Herz  wurde  froh, 
Treue  sprofste,  Ruhm  war  reich, 

Macht  erfreute,  [Schönheit  glänzte],  35 

Gold  bereitete  ich,  der  Edelstein  wanderte, 
Kostbarkeiten  verfertigte  ich,  die  Eintracht  wuirde  fest. 
Trefflich  war  ich  im  Schmuck,  stattlich  in  der  Rüstung, 
mein  Jubel  war  herrlich,  die  Lebensweise  angenehm: 
das  Land  befriedete  ich,  die  Völker  führte  ich,  40 

mein  Leben  war  lange  unter  den  Leuten 
mit  Ruhm  verbunden,  gut  zusammenhängend.  — 

Jetzt  ist  mein  Herz  betrübt,  durch  Unglücksfälle  zaghaft, 
Drangsalen  nahe:  es  geht  des  Nachts  auf  die  Flucht, 
der  ehedem  bei  Tage  tapfer  war.     Es  dringt  nun  tief  die  45 

[Entzündung, 
der  Brand,  erblüht,  in  der  Brust  eingewachsen, 

30  bifade  E.]  beofode  ]1  beorht  31  ecnade  Si.]  eacnade  |!  wsecnade  Si., 
weacnade  G.]  beacnade  32  freaum  33  inyne  E.]  mine  35  blsed  || 
bleo  gl.  erg.  E.  3S  iu  gsetwam  Si.]  in  iu  geatwum  42  getouge  || 
gehonge  43  hreh,  sceh  Si.]  hreoh,  sceoli  44  nyd  ||  neb,  fleb  Si.] 
neah,  fleah  ||  nibtes         45   deor  Th.]  dyre  |!  feor 

13* 


196 


Flab  is  gebloweu 


50 


55 


60 


65 


70 


flylitiim  tofloweu. 

micliim  in  gemj^nde;        mödes  gecynde 


gröJteö  ungrynde 
bealoffis  hyiimeö, 
Wffi'ig  winneö, 
sär  ne  sinni]', 
blM  bis  bliuniö, 
listum  linneö, 


grorn  oferpynde, 
bittre  tor/)^neö. 
widsTö  onginneö, 
sorg  Jiine  cinniö, 

blisse  linnjö, 
lustum  ne  tinneö. 
Dreamas  swa  ber  gedreosaö,        drybtsc/pe  gebreosaö, 
iTf  ber  meu  forleosaö,        l^ebtras  oft  geceosaö. 
TreowJ'rag  is  tö  trag,        seo  untrume  genag, 
steapum  [stjea^ole  misj'äb        ond  a\  stund  ge[b]näg. 
Swä  nü  wor[o]ld  wendef»,        wyrde  sende]? 
ond  hetes  bencZeö,        btelej?  [g]escendeö. 
AVe;cyn  gewTteö,        wa^lgär  sllteö, 

flän  man  bwiteö, 
bald  ald  ]?wltep, 
wra|?  äö  smitep, 
searöfearo  glldap», 


fläh  mäb  flite)?, 
borgsorg  biteö, 
wra3efa3C  vf'iteö, 
syngvyn  sldaö, 


gro>-ntorn  grtefe]',        graäft  [eraeft]  ncefeiS, 
searohwlt  sola]?,        sumurhat  eölaö, 
foldwela  falleö,        feondscipe  walleö, 
eorömaegen  alda]?,        eilen  eal[d]aö. 
Me  J>8et  wyrd  gewsef        ond  getvyrM  iorgcef, 
l^ffit  ic  gröfe  grsef        ond  ]'?et  grimme  scrsaf 
fleon  fläsce  ne  m?eg,        j'onne  flanhred  dseg 

nmdgrapum  nimef»,        J?onne  seo  uc6'b[t]  becymeö, 
seo  me  «Öles  ofonn        ond  mec  ber  eardes  onconn. 


75  ]>onne  licboma  ligeö,        lim«  wyrm  Jngep 

ond  bim  wynne  gewigeö        ond  ]?ä  wist  gepigeö, 


41)  greteö  ||  ofer  Si.]  efen  50  brinneö  Si.]  byrneö  ||  rinneö  Si.] 
yrneö  51  werig  52  sorg  Line]  sorgum  53  blsed  ||  linniö  E.]  linnaö 
55   -scype         56  leahtras         58   steaöole  E.]  eatole  i|  eal  ||  gebiiag  E. 

60  hendeö    G.  ]    lienteö      ||      hselej?    gescendeö     G.  ]     h8ele]:'e    scyndeö 

61  wer  E.\  wen      C2  man  E.]  mou      03  borh  E.]  bürg      64  witeöj  wri]'aö 


197 

durch  Flug  verbreitet.     Falscbheit  ist  erblüht 

gar  sehr  im  Geiste;  der  Natur  des  Gemütes 

naht  uuergründliehcr  Sehmerz,  den  Damm  übersteigend, 

brennt  zum  Tnlioil  bereit,  ergiefst  sich  gewaltsam.  50 

Der  Ermüdete  kämpft,  beginnt  eine  weite  Reise, 

der  Sehmerz  vergeht  nicht,  Sorge  ergreift  ihn, 

seine  Macht  hört  auf,  an  Freude  nimmt  er  ab, 

an  Klugheit  nimmt  er  ab.  er  brennt  nicht  vor  Lust. 

So  schwindet  hier  der  Jubel,  Herrlichkeit  vergeht,  55 

das  Leben  verlieren  hier  die  Mensehen,  oft  erwählen  sie  Laster. 

Treue  ist  zu  träge,  Untreue  drängend, 

der  hohen  Stätte  ging  es  übel  und  die  ganze  Zeit  ist  gesunken. 

So  wendet  sich  nun  die  Welt,  sendet  Geschicke 

und  fafst  Hafs,  schändet  die  Männer.  60 

Das  ^lännergeschlecht  vergeht,  der  Mordspeer  zerreilst, 

hinterlistige  Bosheit  eifert,  Frevel  glättet  den  Pfeil, 

Borgen  macht  Sorgen,  das  Alter  schneidet  die  Kühnheit  ab, 

die  Zeit  des  Elends  macht  Vorwürfe,  der  Böse  befleckt  den  Eid, 

das  Sündenelend  verbreitet  sich,  künstliche  Fahrzeuge  65 

[entgleiten, 
Kummer  gräbt,  das  Bildwerk  hat  keine  Kunst, 
das  glänzend  Weil'se  wird  schmutzig,  die  Sommerhitze  kühlt  ab, 
der  Reichtum  der  Erde  verfällt,  Feindschaft  wallt, 
die  Stärke  der  Erde  altert,  die  Kraft  erkaltet. 
Mir  wob  dies  das  Schicksal  und  verlieh  das  Verdienst,  to 

dafs  ich  eine  Grube  grub  und  die  grimme  Höhle 
mit  dem  Fleische  nicht  fliehen  kann,  wenn  der  pfeilschnelle 

[(Tod)  den  Tag 
mit  gewaltigen  Griffen  nimmt,  wenn  die  Nacht  herankommt, 
die  mir  den  Erbsitz  mifsgönnt  und  mir  hier  die  Wohnung  zur 

[Last  legt. 
Dann  liegt  der  Leichnam  da,  die  Glieder  empfängt  der  Wurm  75 
und  trägt  Lust  und  nimmt  die  Speise, 


65  syngryn  E.]  singrynd  ||  sjearo  C]  stecra  |1  glida)?  E]  glidep  66  grorn 
E.]  grom  II  hafaö  G8  fealleö  ||  wealleö  69  ealdap  |1  cealdaö  E.]  colaö 
70  gewyrht  G.]  gehwyrt  1|  gjef  Si.]  geaf  71  scrief  R.]  graef  73  nyd  || 
neaht  E.]   neab  74    eöles  ij  ofonu  E.]   onfonn  ||  eardes  E.]   heardes 

75  limu  E.]  lima  ||  pigeö  Gr.]  fritej?  76  and  G.]  ac  ||  wynne  G.]  wenne  || 
gepigeö  E.]  gej^geft 


198 

o}>]'a3t  beop  )'a  bau        [gebrosnad  on]  an 
ond  Jet  Dfhstan  nau.        nefne  se  neda  tän 

h[reöjerbal;iwu;»  gehroren:      [f'onjne  bif>  se  hlisa  adroren. 

SO  ^r  Ipset  eadig  gef>enceö,        he  hine  ]>e  oftor  swenceö, 

b/rgeö  bim  J^a  bitran  synue,     hoga]>  tö  piere  betran  wynne, 

gemon  iii[e]or)?a  lisse,        pBr  sindon  miltsa  blisse 

byhtlice  in  heofona  rice.        Uton  nü  balgum  gelTce 

scyldnm  biscerede        scyndan  generede 
85  wommum  biwerede,        wuldre  ge/«erede, 

]^er  moncyn  möt        for  meotude  röt 
sööne  god  gese«n        ond  aa  in  sibbe  gefean! 

77  b  erg.  G.      7S  uyhstan     79  balawun  her  ||  gehroren  A'.]  gehlotene 


Aiiinerkungen. 

V.  3  f.  Über  die  Reime  gleoiviim  etc.  vgl,  Sievers.  Beitr. 
IX,  235.  —  6.  frcehve  ivegon:  vgl.  Sievers  ib.  XI,  345 f.  Schon 
Ettmüller  fragt:  frcetwa  cetwcegon?  —  9.  ofer  ivorold:  vgl. 
Sievers  ib.  346   und  meine    Bemerkungen   Beibl.  XX,  313.    — 

10.  Grein    möchte    rädnicegene    'mit    Reitersehar'    lesen.    — 

11.  Gerscipe  stellt  Guest  fragend  zu  aisl.  gär  *a  joke,  a  quiz' 
(nach  Fritzner:  'spot,  kaadspßg');  geadorscipe,  das  ich  Beibl. 
XX,  313  vorschlug,  scheint  mir  jetzt  doch  zu  unsicher.  — 
13.  Vgl.  Beibl.  a.  a.  0.  —  14.  Zu  leo])u  vgl.  Sievers,  Beitr. 
XI,  349  (zuV.  40).  —  17.  sincgeiväge:  'a  weight  of  abundance 
of  treasure'  richtig  Bosworth-Toller,  'weight  of  silver'  Guest- 
Skeat.  —  18.  Vgl.  Sievers  ib.  IX,  235  und  XI,  347;  Verf.,  Beibi. 
XX,  313.  Sollte  nicht  peoden  für  penden  zu  sehreiben  sein? 
—  21.  Über  hijgednjht  vgl.  Sievers,  Beitr.  XI,  347.  —  23  f.  Vgl. 


199 

bis  die  Gebeiue  alle  zusammen  zerfallen  sind 

und  zuletzt  nichts  aufser  dem  Los  der  Notwendigkeit 

durch  Kummer  gefallen:  dann  ist  der  Ruhm  dahin. 

Vorbei-  bedenkt  dies  der  Glückliche,  er  kasteit  sieb  desto  80 

[öfter, 
rettet  sich  vor  der  schweren  Sünde,  denkt  an  die  bessere 

[Wonne, 
erinnert  sich  der  Slifsigkeit  der  Belohnungen,  wo  die  Freuden 

[der  Erbarmungen 
lieblich  sind  im  Himmelreich.  —  Lafst  uns  jetzt  den  Heiligen 

[gleich, 
von  (Sünden) schulden  befreit,  errettet  eilen, 
vor  ^lakeln  behütet,  mit  Herrlichkeit  geehrt,  85 

(dahin),  wo  das  Menschengeschlecht  wegen  des  Schöpfers  froh 
den  wahren  Gott  sehen  und  immer  in  Frieden  sich  freuen  darf! 


81  byrgeö  82   meorj'a  G.  ||  ]>xt  G.]  her  84   scerede  E.]  scyrede 

85  geherede  G.\  geuerede        86  paer        87  geseon 


Sievers  ib.  —  24.  Oder  1.  gomenscipe,  resp.  -simhl  ?  Vgl.  Sievers, 
ib.  348;  Verf.,  Beibl.  XX,  313.  —  25.  Vgl.  Sievers,  Beitr. 
XI,  348  f.  —  26.  Da  es  anglisch  wiinendo  (ohne  -i-)  heilst,  ist 
das  Präfix  ge-  notwendig,  tvilhec  hatte  ich  Beibl.  XX,  313  zu 
wcelhend  gebessert,  näher  liegt  aber  ivlghled,  da  wilbec  wohl 
aus  tviblec,  tv'ihled  entstellt  sein  kann.  —  29.  sivtpo  entspricht 
genau  dem  got.  sicinjjei.  —  30.  Zu  hlfian  verweist  Sievers, 
Beitr.  XI,  349  auf  ahd.  liba  'das  Beben'.  —  31.  Vgl.  Sievers 
a.a.O.  —  32.  Vgl.  Verf.,  Beibl.  XX,  313  f.  Über  fngn  vgl. 
Förster,  Engl.  Stud.  XXXVI,  325  f.  —  38.  Vgl.  Sievers,  Beitr. 
IX,  235.  —  40.  Vgl.  id.  ib.  XI,  349  über  Icojjode.  —  42.  Vgl. 
Sievers  a.a.O.;  Verf.,  Beibl.  XX,  314.  —  43  f.  Vgl.  Sievers, 
Beitr.  XI,  350;  Verf.,  Beibl.  XXI,  12.  —  45.  feor  ist  wohl  aus 
2)eor  (vgl.  dazu  Bosworth-Toller)  entstellt,  wie  scrlfen  V.  13  aus 
scrlpeiid  oder  umgekehrt  heaöii  aus  heafu  Beow.  1862.  J)eor 
stelle   ich   zu  lat.  ob-tUro   und   türunda.   —   48  f.  Vgl.  Sievcrs, 


200 

Beitr.  XL  351.  —  50flf.  Vgl  id.  ib.  352 f.  —  52.  Sieyers  möchte 
S.  353  chman  als  iutrans.  zu  cennan,  etwa  in  der  Bedeutung 
'wachsen'  erklären.  Da  er  aber  selbst  auf  Sal.  u.  Sat.107: 
donne  hine  forcinnad  Öa  cirican  [1.  cyrigan?]  getuinnas  ver- 
weist, möchte  ich  dasselbe  Verb  auch  hier  annehmend  sorgum 
zu  sorg  hine  bessern.  —  54.  Zu  tinnan  vgl.  Verf.,  Beibl.  XXI,  156. 

—  57.  Zu  trcoivpräg  vgl.  Verf.  ib.  12.  —  58.  Grein  Übersetzt 
stund  Germ.  X,  307  fragend  mit  'studium',  was  es  aber  schwer- 
lich heifsen  kann!  —  62.  Oder  ist  fläh-mäh  als  Kompositum 
zu  fassen?  7näh  kann  sowohl  Adj.  m.,  wie  Subst.  n.  sein!  — 
63b.  Grein  tibersetzt  gewifs  richtig:  'audaciam  senectus  ex- 
cindit'.  —  64.  Was  bedeutet  Greins  ivriteÖ  hier?  Sein  'rixa 
(sie!)  importat'  ist  doch  höchst  unwahrscheinlich!  Möglich 
wäre  metrisch  noch  wUted,  aber  auch  dieses  Verb  pafst  schlecht. 

—  65.  glidaj)  mufs  hier  wohl  so  viel  wie  'verschwinden'  be- 
deuten. —  66.  Vgl.  Verf.,  Beiblatt  XX,  314  und  XXI,  13.  — 
67.  searohwlt  fasse  ich  als  Komposition  (vgl.  ~  cene,  <^  grimm, 
'^  sceled,  '^ImncoT).  während  Grein  searo  liwU  liest,  das  er 
mit  'armatura  Candida'  tibersetzt.  Zu  sölian  vgl.  Verf.,  Beibl. 
XXI,  13;  das  zugehörige  Adj.  söl  ist  im  Me.  belegt.  —  71.  scrcef 
besserte  schon  Rieger,  Zeitsehr.  f.  d.  Phil.  IV,  321,  dann  auch 
Sievers,  Beitr.  XI,  354.  —  72.  Grein  falst  dwg  als  Objekt, 
flänlired  als  'Tod':  'quum  (mors)  sagittis  praeceps  diem 
violenta  arreptione  surripit.'  —  73.  seo  ncelit:  'die  Nacht  des 
Todes.'  —  74.  onconn  tibersetzt  Grein  direkt  mit  'privat',  was 
68  doch  eigentlich  nicht  bedeutet.  —  78.  sc  neda  tan:  vgl. 
hearmtänas  Gen.  992.  —  79.  Vgl.  Verf.,  Beibl.  XX,  314.  Zwischen 
V.  78  und  79  nehme  ich  eine  Lücke  an,  da  hier  kein  Zusammen- 
hang besteht;  vielleicht  gehört  aber  halawun  noch  in  die  Zeile 
hinter  tän  und  die  Lticke  ist  zwischen  halawun  und  Aer? 


Doaeoii  Brodle. 


Eiue  Quellenstudie  zu  K.  L.  Stevenson 


von 


Hans  Hecht. 


Mit  einem  Porträt. 


0!  do  bat  wait  tili  I  pnblisli  the  Causes 
Cel'cbrcs  of  Caledonia,  and  you  will  find  no 
want  of  a  novel  or  a  tragedy  for  some  time 
to  come. 

The  Heart  of  Mid-Lothian.    Chap.  I. 

In  R.  L.  Stevensons  Edinhurgh  Pictiiresqiie  Notes  —  einem 
Meisterwerke,  dessen  Qualitäten  niemand,  der  nicht  aus  eigener 
Erfahrung  die  Stimmungen  dieser  wundervollen  Stadt  in  sich 
aufgenommen  hat,  ganz  zu  würdigen  imstande  ist  —  findet 
sieh  im  vierten  Kapitel  —  Leycnds  —  eine  Stelle,  die  den 
Kommentator  aus  mancherlei  Gründen  zum  Verweilen  nötigt. 
Stevenson  spricht  da  von  den  Legenden,  die  sich  um  die  viel- 
stöckigen,  düsteren  Hänsermassen  der  High -Street  ranken, 
romantischer  Schauer  voll,  wie  die  Stätten,  zu  denen  sie  ge- 
hören und  mit  denen  sie  eine  unauflösliche  Einheit  bilden. 
Eine  dieser  „Legenden"  handelt  von  Deacon  Brodle: 

„A  great  man  in  his  day  was  the  Deacon;  well  seen  in 
good  Society,  erafty  with  his  hands  as  a  cabinet-maker,  and 
one  who  could  sing  a  song  with  taste.  Many  a  Citizen  was 
proud  to  welcome  the  Deacon  to  supper,  and  dismissed  him 
with  regret  at  a  timeous  hour,  who  would  have  been  vastly 
disconcerted  had  he  kuown  how  soon,  and  in  what  guise, 
his  visitor  returned.  Many  stories  are  told  of  this  redoub- 
table  Edinburgh  burglar,  but  the  one  I  have  in  my  mind 
most  vividly  gives  the  key  of  all  the  rest.  A  frieud  of 
Brodie's,  nested  some  way  towards  heaven  in  one  of  these 
great  lands,  had  told  him  of  a  projected  visit  to  the  country, 
and  afterwards,  detained  by  some  affairs,  put  it  off  and 
stayed  the  night  in  town.  The  good  man  had  lain  some 
time  awake;  it  was  far  on  in  the  small  hours  by  the  Tron 
bell ;  when  suddenly  there  eame  a  creak,  a  jar,  a  faint  light. 


203 

Softly  he  clarahered  out  of  bed  and  up  to  a  false  window 
whieh  looked  upon  anotlier  room,  and  there,  by  the  glimmer 
of  a  thieves'  lantern,  was  bis  good  friend  the  Deacon  in  a 
mask.  It  is  charaeteristic  of  the  town  and  the  town's  manners 
that  this  little  episode  should  have  been  quietly  tidcd  over, 
and  quite  a  good  time  elai)sed  before  a  great  robbery,  an 
escape,  a  Bow  Street  runner,  a  cock-fight,  an  apprehension 
in  a  eupboard  in  Amsterdam,  and  a  last  step  into  the  air 
off  bis  own  greatly  improved  gallows  drop,  brought  the 
career  of  Deacon  William  Brodie  to  an  end.  But  still,  by 
the  mind's  eye,  he  may  be  seen,  a  man  harassed  below  a 
mountain  of  duplicity,  slinking  from  a  magistrate's  siipper- 
room  to  a  thieves'  keu,  and  piekeeriug  among  the  eloses  by 
the  flieker  of  a  dark  lamp."  i)  — 

Das  Thema  von  der  Doppelnatur  des  Mensehen,  die  Ver- 
feinerung des  Verkleidungsmotives  naiverer  Perioden,  hat  in 
den  neueren  Literaturen  zahlreiche  Bearbeiter  und  ein  stets 
aufuahmebereites  Publikum  gefunden.  Es  hat  sieh  auch  mit 
immer  wechselnden  Varianten,  meist  höchst  gefährlicher  Natur, 
im  wirklichen  Leben  häufig  wieder  offenbart,  und  so  durch 
die  Realität  seines  Auftretens  die  Kombinationsgabe  grölserer 
und  geringerer  Geister  zu  seiner  Bearbeitung  vielfach  heraus- 
gefordert. Der  englische  Sensationsroman  von  M.  G.  Lewis  bis 
zu  Wilde  und  Hornung  lebt  davon.  Stevenson  hat  sich  wieder- 
holt in  die  Mysterien  der  Doppelexistenz  vertieft,  die  seiner 
brillanten  Erzählergabe  und  seiner  Freude  am  Gegenständlichen 
den  denkbar  grölsten  Vorschub  leisteten.  Seine  Wiedergabe 
der  Diebestragikomödie,  die  mit  der  historischen  Persönlichkeit 
William  Brodies  verbunden  ist,  verrät  denn  auch  in  der  Fassung, 
die  sie  in  den  Edinhurgh  Piciiircsque  Notes  erhalten  hat,  deut- 
lich genug  das  künstlerische  Wohlbehagen,  das  der  eigenartige 
Stoff  in  ihm  auslöst:  Edinburghs  Winkel  und  Gassen,  graue, 
himmelhohe  Häuserreihen,  Höfe,  Plätze,  Treppenfluchten,  bunte 
Menschenfülle,  die  das  achtzehnte  Jahrhundert  dort  durchein- 
ander gewürfelt  hatte,  der  halb  humoristische  Zusammenstols 
des   ehrsamen   Bürgertums   mit  einem  Manne,  der  zu  gleicher 


1)  The  Works  ofR.L.S.  {Swanston  Edition)  I,  S.  292.  —  Eine  weitere 
hierhergehörende  Episode  iiu  neunten  Kapitel  desselben  Buches,  S.  32(5. 


204 

Zeit  als  eine  der  Stützen  dieser  Gesellscliaft  galt,  bei  Tage 
Zunftmeister  und  Stadtrat  war,  bei  Nacht  aber  als  einer  der 
gefährlichsten  Einbrecher  seiner  Zeit  seine  hervorragenden 
Kenntnisse  als  Kunsttischler  zur  Erforschung  fremder  Schränke 
und  Truhen  in  höchst  unwillkommener  Weise  in  Anwendung 
brachte  —  es  bedarf  nur  des  Zugreifens  sollte  man  glauben, 
und  neben  Scotts  Heart  of  Midlothian  stellt  sich  ein  zweites 
Zeit-,  Sitten-  und  Menschheitsgemälde  von  nicht  geringerem 
"Werte,  nicht  geringerer  Anziehungskraft.  Stevenson  hat  zu- 
gegriffen, aber  das  Ergebnis  blieb  hinter  den  Möglichkeiten, 
die  der  Vorwurf  in  sich  birgt,  zurück:  es  ist  sein  gemeinsam 
mit  W.  E.  Henley  verfafstes  Melodrama  Deacon  Brodle  or  the 
Doiible  Life,  von  dem  später  zu  reden  sein  wird.  Einstweilen 
soll  nur,  von  Gelingen  oder  Nichtgelingen  abgesehen,  das 
dauernde  Interesse  festgestellt  werden,  das  Stevenson  an  den 
Vorgängen  und  Persönlichkeiten  dieses  Krimiualfalles  genommen 
hat.  Es  ist  mehrfach  angedeutet  worden,  i)  dals  die  Duplizität 
des  unheimlichen  Br.  Jehßl  and  Mr.  Ilyde  auf  Stevensons 
Beschäftigung  mit  Brodie,  dem  Manne  mit  dem  „doppelten 
Leben",  zurückzuführen  sein  könne.  Ein  unmittelbares  Ab- 
hängigkeitsverhältnis liegt  allerdings  nicht  vor,  aber  die  Ge- 
schichte des  Deacon  Brodie  gehört  doch  zweifellos  zu  seinen 
„Quellen"  2)  und  hat  für  Stevenson  eine  ähnliche  Bedeutung, 
wie  die  Prozesse  des  Jack  Sheppard  und  des  Jonathan  Wild 
für  John  Gay  und  der  des  Hauptmanns  John  Porteous  für  Sir 
Walter  Scott.  — 

Der  Prozels,  der  sich  am  27.  und  28.  August  des  Jahres 
1788  abspielte  und  am  1.  Oktober  mit  der  Hinrichtung  der 
beiden  Angeklagten  sein  Ende  fand,  ist  in  mancher  Beziehung 
unseres  Interesses  wert.  Er  liefert  ein  Kulturbild  von  drastischer 
Anschaulichkeit.  Die  Gefahren  des  Edinburgher  Lebens,  die 
Abgründe,  denen  ein  Robert  Fergusson  zum  Opfer  gefallen  ist 
und  die  für  Burns  eine  bedenkliche  Anziehungskraft  besafsen, 


^)  Roughead  wie  unten,  S.  10.  Andrew  Längs  Einleitung  zur 
Swanston  Editio7i,  I,  S.  XXXIII;  L.  Kellner,  Die  Englische  Literatur  wi 
Zeitalter  der  Königin  Viktoria,  S.  550,  Anm. 

2)  Weder  L.  Maier,  Die  Abenteuerromane  R.  L.  Stevensons,  Mar- 
burger Dissertation  1912,  S,  44—51,  noch  Kurt  Mandel,  Die  Belesenheit 
von  R.  L.  Stevenson,  Kieler  Diss.  1912,  gehen  darauf  ein. 


205 

tun  sich  vor  uusereu  Augen  auf.  Die  Katastrophe  Rrodies  hat 
Bums  zwar  nicht  selbst  miterlebt  —  er  befand  sich  während 
der  in  Frage  kommenden  Wochen  in  Mauchline  und  in  Ellis- 
land — ,  aber  zwei  treilt'ende  Epigramme  Extempore  in  the  Court 
of  Session^)  zeigen  ihn  uns  als  scharfen  Beobachter  der  in  den 
Gerichtshöfen  ein-  und  ausgehenden  Persönlichkeiten.  Die 
beiden  von  ihm  skizzierten  Juristen,  Sir  Ilay  Campbell  und 
Henry  Erskine,  spielten  in  dem  Brodie-Prozesse  erste  Rollen: 
jener  als  Vertreter  der  Krone  (Lord  Advoeate),  dieser,  vornehm 
und  beredt,  wie  er  in  Burnss  Epigramm  erscheint,  als  Ver- 
teidiger des  Hauptaugeklagten  William  Brodie.  Dafs  Brodie 
am  Lawnraarket  einer  von  Burns's  nächsten  Nachbarn  war,  sei 
nebenher  erwähnt:  sie  wohnten  einander  gegenüber.  Ebenso, 
dafs  wir  den  ersten  ausführlichen  Bericht  über  den  Prozefs 
dem  eitlen,  rührigen  Verleger  Burns's,  William  Creech,  ver- 
danken, der  als  Geschworener  die  beste  Gelegenheit  hatte,  den 
Gang  der  Ereignisse  aus  nächster  Nähe  zu  verfolgen.  Eine 
Menge  namhafter  Gestalten  und  Genossenschaften  tritt  uns  in 
ungewöhnlicher  Erregtheit  über  einen  Rechtsfall  entgegen,  der 
von  den  Sammelplätzen  des  juristischen  und  literarischen 
Edinburgh  bis  zu  der  lauten  Geselligkeit  der  bürgerlichen 
Klubs,  von  da  zu  den  Hahnenkämpfen,  Falschspielerkneipen, 
Verbrecherspelunken  und  Gefängnissen  hinab-  und  in  seinen 
Nebenerscheinungen  nach  London,  ja  bis  nach  Holland  hinüber- 
reicht. 

Die  aktenmälsigen  Tatsachen  sind  die  folgenden  ^j: 


»)  Centenary  Edition  II,  S.  240  nnd  430. 

^)  Siehe  Trial  of  Deacon  Brodie  ed.  by  William  Roughead,  W.  S, 
London,  Sweet  &  Maxwell,  1906:  ein  Band  aus  der  wertvollen  Serie 
^'otahle  Scottish  Trials.  Das  Werk  enthält,  aufser  den  vollständigen  Ver- 
handlungsprotokollen, die  natürlich  seinen  Mittelpunkt  bilden,  ^ine  aus- 
führliche Darstellung  des  Lebens  und  der  Taten  Brodies  auf  dieser  Grund- 
lage und  in  einer  Reihe  von  Appendices  ergänzendes  Material  verschiedener 
Art,  aus  dem  die  reichhaltige  Bibliographie  (S.  232— 237)  und  die  bio- 
graphischen Angaben  über  die  an  dem  Prozefs  beteiligten  Juristen  (S.  217 
—  232)  als  besonders  wertvoll  erwähnt  seien.  Alle  älteren  Berichte  über 
den  Prozefs,  so  auch  die  von  Roughead  häufig  herangezogene  oben  ge- 
nannte Publikation  von  Creech,  sind  damit  veraltet.  Die  köstlichen 
Karrikatureu  John  Kays  finden  sich  bei  R.  wieder.  —  Es  sei  in  diesem 
Zusammeuhaog   darauf  hingewiesen,   dafs  Roughead  auch   The  Trial  of 


206 

Willi:nu  Rrodie.  geboren  am  28.  Sopteniber  1741,  entstammte 
väteilieher-  und  mütteilieherseits  liocbangesehenen  Familien. 
Sein  Vater,  Francis,  besafs  das  Bürgerrecht  in  Edinburgh,  ge- 
hörte der  Tisehlerznnft  an,  deren  Vorsitzender  (deacon)  er  wurde 
und  die  er  kraft  dieser  Würde  im  Stadtrat  zu  vertreten  hatte. 
Schliefslich  erhob  ihn  das  Vertrauen,  das  er  allgemein  genofs, 
als  Schriftführer  in  den  Ausschufs  der  Zünfte.  Sein  stattliches 
Haus  mit  den  dazu  gehörenden  Liegenschaften  gab  der  Gasse, 
zu  der  es  gehörte,  den  Namen  Brodie's  Close,  der  sich  an 
ihrem  Eingang  am  Lawnmarket  bis  zum  heutigen  Tage  erhalten 
hat.  Sie  führte  ursprünglich  vom  Lawnmarket  zur  Cowgate 
herunter,  ist  aber  jetzt  gröfstenteils  Neubauten  zum  Opfer  ge- 
fallen. In  dieser  würdigen  Umgebung  verbrachte  William 
Brodie  seine  Jugend  und  sein  frühes  Mannesalter,  heranwachsend 
im  Gewerbe  und  einträglichen  Geschäfte  seines  Vaters,  bis 
nach  dessen  Tode  im  Jahr  1782  die  bedeutende  Hinterlassen- 
schaft an  Besitz  und  Vertrauen,  die  Francis  Brodie  angesammelt 
hatte,  auf  ihn  als  den  ältesten  Sohn  überging.  In  diesem 
Lebensabschnitt  begegnet  uns  Brodies  Name  nicht  häufig,  doch 
findet  sich  unter  den  Akten  des  Cape  Club  noch  das  Pro- 
tokoll der  Sitzung  (vom  25.  Februar  1775),  in  der  er  unter 
die  Ritter  dieses  hochachtbaren  Ordens,  der  zahlreiche  Nota- 
bilitäten,  biedere  Bürger,  Künstler  und  Handwerker  Edinburghs 
zu  seinen  Mitgliedern  zählte,  aufgenommen  wurde.  Unter 
anderen  wohnte  auch  David  Herd,  der  Lieder-  und  Balladen- 
sammler, in  seiner  Eigenschaft  als  ehemaliger  Präsident  des 
Klubs  jener  Sitzung  bei.  i)  Auch  sonst  erfahren  wir  nur  Ehren- 
volles über  Brodie.  Noch  zu  Lebzeiten  seines  Vaters  erwarb 
er  wie  dieser  das  Ehrenamt  eines  Deacon  der  Tischler  (1781), 
durch  das  er  zugleich  Mitglied  des  Stadtrats  wurde,  und  behielt 
es  mit  einer  einzigen  Unterbrechung  bis  kurz  vor  seiner 
tragischen  Entlarvung.  Der  Tod  des  Vaters  machte  ihn  zum 
reichen  Manne  und  obwohl  seine  Beziehungen  zu  zwei  Frauen, 
Anne  Grant   und  Jean  Watt,    ebensowenig   unbekannt   ge- 


Captain  Porteous  ähnlich  erschöpfend  behandelt  hat :   Hodge  &  Company, 
Edinburgh  und  Glasgow,  1909. 

^)  Siehe  Roughead,  Appendix  V,  und  meine  Songs  from  David  Herd's 
Mus.,  Edinburgh  190J,  S.  36  ff. 


>K-AY-DEI.   ST-LP 


MBRODIE 


Aus  John  Kay's  Edinburgh  Portraits. 


207 

blieben  sein  werden,  wie  seine  ausgesprochene  Neigung  zum 
Spielen  und  Wetten,  besonders  bei  liabnenkänipfen,  so  scheint 
die  Ortentlichkeit  von  diesen  Seitensprüngen  des  hochniögenden 
Herrn  Stadt vaters  doch  weiter  keine  Notiz  genommen  zu  haben: 
ein  Beweis  dafür,  wie  allgemein  verbreitet  dergleichen  Laster 
bei  der  guten  und  besten  Gesellschaft  damals  waren.  Man 
fand  sieh  mit  seinem  Gewissen  ab,  solange  es  nicht  zum  öffent- 
lichen Skandal  kam.  Aufträge  flössen  ihm  bis  zuletzt  in  Menge 
zu,  insbesondere  bedachte  die  Stadtverwaltung  ihr  Mitglied  in 
reichem  Mafse  und  zog  ihn  häufig  zu  gröfseren  Bauarbeiten 
an  Kirchen,  Brücken,  unter  anderem  auch  an  der  neueinzu- 
richtenden Hinrichtungsstelle  an  der  Westmauer  des  Tolbooth, 
des  Edinburgher  Stadtgefängnisses,  hinzu.  So  schritt  er  tags- 
über dahin  „in  a  proud  swaggering  sort  of  style,  bis  legs 
small  above  the  aucle,  large  ancle  bones  and  a  large  foot, 
high  brawns,  small  at  the  knees,  which  bend  when  he  walks, 
as  if  through  weakness,  dressed  in  a  black  coat,  vest,  breeches, 
and  stockings,  a  striped  duffle  great  coat,  and  silver  shoe- 
buckles."  ')  —  Die  Ausmalung  seines  nächtlichen  Beginnens, 
das  Wirken  seiner  zweiten  Natur,  worüber  aus  jeuer  Zeit  nur 
ein  paar  unsichere  Anekdoten  im  Umlauf  sind,  muls  der 
Phantasie  des  Lesers  überlassen  bleiben.  — 

Im  Jahre  1786  erscheinen  nun  einige  dunkle  Gestalten 
auf  der  Bildfläche,  deren  Eingreifen  das  tragische  Ende  unter 
Aufsehen  erregenden  Umständen  bald  herbeiführt.  In  einer 
inferioren  Herberge  am  Grassmarket  ist  der  aus  England 
stammende  Hausierer  George  Smith  abgestiegen,  erkrankt 
und  zu  längerem  Aufenthalt  genötigt  worden.  Seine  Wege 
führen  ihn  unter  anderem  in  eine  Spielhölle  am  Fleshmarket 
Close,  wo  sich  zwei  Gesellen  von  dunklem  Vorleben,  Andrew 
Ainslie  und  John  Brown,  deren  Bekanntschaft  er  in  seiner 
Behausung  gemacht  hat,  öfters  zu  löblichem  Tun  mit  ihm  ver- 
einigen. Hier  tritt  eines  Tages  bei  passender  Gelegenheit 
Brodie  an  Smith,  den  er  in  bedrängten  Umständen  weifs,  mit 
der  Bemerkung  heran,  es  Heise  sich  in  Edinburgh  dies  und 
das  machen,  w^enn  es  nur  geschickt  angefafst  würde,  und  man 


*)  Signalemeut  Brodies  in  dem  hinter  ihm  erlassenen  Steckbriefe;  bei 
Roughcad  S.  256. 


208 

könne  sich  die  Sache  ja  einmal  Überlegen  i)  —  eine  Aufserung, 
die  den  Schlufs  erlaubt,  dafs  Brodie  schon  damals  kein  Neu- 
ling in  dem  Berufe  war,  zu  dem  auch  Smith  wohl  schon  die 
nötigen  Vorstudien  betrieben  hatte.  Der  Vierbund  Brodie, 
Smith.  Ainslie,  Brown  wird  gebildet,  und  das  Ergebnis  seiner 
Betätigung  ist  eine  Keihe  schwerer,  verwegener  Einbruchs- 
diebstähle, die  von  November  1786  bis  zum  März  1788  ganz 
Edinburgh  in  Schrecken  und  Empörung  versetzen.  Juwelen, 
Thee,  Seidenwaaren,  Geld,  Uhren,  ja  sogar  das  silberne  Szepter 
der  Universität  Edinburgh  fallen  den  Übeltätern  zum  Opfer, 
auf  deren  Ergreifung  vergeblich  immer  höhere  Summen  gesetzt 
werden.  Vor  allem  dachte  kein  Mensch  daran,  den  Herrn 
Stadtrat  Brodie  auch  nur  zu  verdächtigen,  obwohl,  besonders 
infolge  eines  peinlichen  Zwischenfalls,  als  ihn  ein  wackerer 
Mitbürger,  ein  Kaminfegermeister  mit  Namen  Hamilton,  beim 
Spielen  mit  falschen  Würfeln  ertappt  hatte,  sein  Ruf  nicht 
mehr  ganz  so  fest  stand  wie  zuvor.  2j  Aber  noch  im  Februar 
1788  safs  er  in  einer  hochnotpeinlichen  Angelegenheit  als  Schöffe 
zu  Gericht.  Unter  dem  ermutigenden  Eindruck  des  unentdeckteu 
Gelingens  früherer  Taten  wird  nun  ein  Hauptscblag  ins  Auge 
gefafst,  dessen  Ziel  nichts  geringeres  als  die  Plünderung  des 
königlichen  Hauptzollamtes  (General  Excise  Office  for  Scotland) 
sein  soll.  Die  Vorbereitungen  werden  mit  der  grölsten  Sorgfalt 
getroffen:  das  Gelände  und  die  Gepflogenheiten  der  Wache 
ausgekundschaftet.  Abdrücke  der  Schlüssel  zu  den  äufseren 
Türen  besorgt  und  zur  Forcierung  des  eigentlichen  Kassen- 
raumes auf  einem  Felde  bei  dem  benachbarten  Duddingston 
eine  Pflugschar  entwendet.  Am  Nachmittag  des  5.  März  1788, 
zu  der  gewöhnlichen  Essensstunde,  um  drei  Uhr,  sieht  Brodie 
Gäste,  meist  Familienmitglieder,  bei  sich.  Das  Zusammensein 
dauert  bis  in  den  Abend  hinein,  dann  wechselt  der  Meister 
schnell  sein  Kosttim,  rüstet  sich  mit  den  nötigen  Instrumenten, 
Masken,  der  Perücke  seines  in  Gott  entschlafeneu  Vaters  und 
mit  Waffen  aus :  der  Räuber  ist  fertig.    So  eilt  er  in  gehobener 

')  Erklärung  Smiths,  bei  Rougliead  S.  140. 

')  Hamilton  hatte  den  Prozefs  gegen  Brodie,  Smith  nnd  Ainslie  an- 
hängig gemacht,  er  gelangte  aber  nicht  zur  Verhandlung.  Ein  bissiges, 
witziges  Schreiben  von  Hamiltons  Seite  veröffentlicht  Ronghead,  S.  262 
—  264. 


209 

Stimmung  in  die  Wohnung  Smiths,  wo  ihn  seine  Gefährten 
bereits  mit  Ungeduld  erwarten.  Theatralisch,  wie  er  sich 
gerne  gab,  und  sicher  auch  im  Gefühl  einer  Geistesverwandt- 
schaft mit  dem  Helden  von  Gays  Bettleroi)er,  zieht  er  beim 
Eintreten  eine  Pistole  aus  der  Tasche  und  stimmt  das  kecke 
Lied  Macheaths  an: 

Lei  US  take  the  Road. 

Hark!   I  hear  the  sound  of  Coaehes! 
The  Hour  of  Attack  approaches, 

To  your  Arms,  brave  Boys,  and  load. 

See  the  Ball  I  hold! 

Let  the  Chymists  toil  like  Asses, 
Our  Fire  their  Fire  surpasses, 

And  turns  all  our  Lead  to  Gold,  i)  — 

Was  in  dieser  Nacht  folgte,  entsprach  keineswegs  den 
gehegten  Erwartungen.  Zwar  gelang  der  Einbruch,  doch 
wurde  in  der  Kasse  nur  wenig  bares  Geld  gefunden.  Die 
Hauptsumme  lag  in  einem  Geheimfach,  das  den  Dieben  ent- 
ging, verborgen.  Ferner  kehrte  einer  der  höheren  Steuerbeamten 
zufällig  noch  einmal  in  das  Gebäude  zurück  und  verscheuchte 
dadurch,  ohne  übrigens  selbst  Verdacht  zu  schöpfen,  die  Räuber. 
Brodie  eilte  nach  Hause,  warf  sich  wieder  in  seine  gewohnte 
Kleidung  und  brachte,  in  der  deutlichen  Absicht  ein  Alibi 
herzustellen,  den  Rest  der  Nacht  bei  seiner  Geliebten,  Jean 
Watt,  zu.  Die  Anderen  versammelten  sich  in  unbefriedigter, 
ziemlich  gereizter  Stimmung,  und  der  Gefährlichste,  nebenbei 
wegen  eines  früheren  Verbrechens  auch  Gefährdetste,  unter 
ihnen,  Brown,  ging  zwei  Tage  darauf  hin,  wurde  Kronzeuge, 
und  verriet  seine  Spiefsgesellen  den  Behörden,  einstweilen 
allerdings  ohne  Brodies  Namen  zu  nennen.  Mittwochs  war  der 
Einbruch  geschehen,  Samstags  safsen  Aiuslie  und  Smith  im 
Old  Tolbooth  hinter  Schlols  und  Riegel,  und  Sonntags  schüttelte 
Deacon  Brodie,  nach  einem  vergeblichen  Versuch,  die  beiden 
Verhafteten  zu  sehen  und  so  den  Umfang  ihrer  bereits  ab- 
gegebenen Aussagen  kennen  zu  lernen,  den  Staub  Edinburghs 
von  seinen  Füfsen:    das   unheimliche  Rätsel   hatte  eine  über- 


•)  Nach  den  Aussagen  John  Browns,  wie  oben,  S.  133. 

Studieo  z.  engl.  Phil.    L.  14 


210 

raschende  Lösung  gefunden.  „Witli  wbat  amazement",  schrieb 
der  Edinburgh  Eve,nmg  Courant  in  der  Nummer,  die  den 
Steckbrief  gegen  Brodie  veröffentlichte  und  eine  Belohnung 
von  if  200  für  seine  Verhaftung  ankündigte,  „must  it  strike 
every  friend  to  virtue  and  honesty  to  find  that  a  person  is 
charged  with  a  crime  of  the  above  nature  [viz.  house-breaking] 
who  very  lately  held  a  distinguished  rank  among  bis  Citi- 
zens?" etc.  etc.  Recht  und  Ordnung  erhoben  triumphierend 
ihr  Haupt.  Ladenbesitzer  und  Polizei  atmeten  auf.  Die 
Zeitungen  moralisierten. 

Einstweilen  aber  l)efand  sich  die  gefallene  Gröfse  in  leid- 
licher Sicherheit  zunächst  in  London  „snug  and  safe  in  the 
house  of  an  old  female  friend"  und  entzog  sich  mit  Gewandt- 
heit den  Kachforschungen  des  ihn  verfolgenden  königlichen 
Kriminalagenten  George  Williamson.  Während  der  ganzen  Zeit 
seiner  Flucht,  seiner  Haft,  des  Prozesses  und  der  letzten  schweren 
Stunden  seines  Lebens  treten  Charakterzüge  an  Brodie  zu 
Tage,  die  angetan  sind,  uns  für  ihn  zu  gewinnen  und  unser 
Interesse  an  ihm  wachzuhalten,  vor  allem  sein  Humor  und  sein 
Mut,  dann  die  Fürsorge,  mit  der  er  sich  nach  den  Schicksalen 
ihm  nahe  stehender  Persönlichkeiten,  insbesondere  seiner  Mit- 
schuldigen und  seiner  unehelichen  Kinder  erkundigt.  So  schreibt 
er  an  den  Herbergsvater  Michael  Henderson  am  Grassmarket: 
„During  all  my  trials  since  I  left  Edinburgh,  my  spirits  nor 
my  presence  of  mind  never  once  forsook  me,  for  which  I  have 
reason  to  be  thankful."  ')  Und  in  demselben  Briefe  berichtet 
er,  er  habe  in  London  nicht  weiter  als  500  Schritte  von  Bow 
Street,  dem  Sitze  der  Kriminalpolizei,  gehaust.  „I  did  not 
keep  the  house  all  this  time,  but  so  altered,  excepting  the 
scar  under  my  eye,  I  think  you  could  not  have  rapt  to  me.  I 
saw  Mr.  Williamson  twice;  but,  although  countrymen  commonly 
shake  hands  when  they  meet  from  home,  yet  I  did  not  choose 
to  make  so  free  with  him,  notwithstauding  he  brought  a  letter  to 
me  —  den  Haftbefehl!  — ;  he  is  a  clever  man,  and  I  give  him 
credit  for  bis  conduct."  —  Brodie,  der  bedrückenden  Doppel- 
rolle ledig,  erscheint  in  bester  Laune,  unverzagt,  von  Reue  un- 
belästigt,  in  Freiheit  und  im  grofsen  Leben  nach  neuen  Ländern 


1)  Siehe  Ronghead  S.  152f. 


211 

und  nach  neuen  Zielen  liintreibend.  Er  heabsiehtigte  über 
Holland  nach  Amerika  auszuwandern,  und  gelangte,  wenn  auch 
mit  viel  Verzögerung,  so  doch  unbehelligt,  unter  dem  ange- 
nommenen Namen  John  Dixon  zunächst  nach  Vlissingen  und 
von  da  nach  Bruges  und  Ostende  —  „so  I  begin  my  travels 
where  most  gentlemen  leave  them  off."  ')  An  Bord  hatte  er 
die  Bekanntschaft  eines  Ehepaares  namens  Geddes  gemacht 
und  ihm  beim  Abschied  an  der  holländischen  Küste  Briefe  an 
seine  Edinburgher  Freunde  mitgegeben  —  zu  seinem  Verhängnis. 
Geddes  schöpfte  Verdacht,  händigte,  allerdings  erst  nach 
weiteren  drei  Wochen,  die  Briefe  den  Gerichten  aus,  das  aus- 
wärtige Amt  wurde  in  Tätigkeit  gesetzt  und  schliefslich  Brodie 
von  dessen  Abgesandten,  Daly  und  Groves,  in  Amsterdam  in 
einem  Wandschrank,  in  -den  er  sich  geflüchtet  hatte,  aufge- 
funden, verhaftet  und  nach  London  gebracht.  Dort  nahm  ihn 
George  Williamson  in  Empfang  und  überführte  ihn  nach  Edin- 
burgh, wo  er  am  17.  Juli  1788  ohne  weiteren  Zwischenfall  in 
bester  Laune  und  Zuversicht  eintraf,  um  im  Tolbooth  seiner 
Aburteilung  entgegenzusehen. 

Der  Prozefs,  der  am  27.  August  zur  Verhandlung  kam  und 
nur  gegen  Brodie  und  George  Smith  geführt  wurde  —  Ainslie 
trat  neben  Brown  als  Kronzeuge  auf  —  zeigt  im  Ganzen  und 
im  Einzelnen  eine  Fülle  interessanter  Züge,  bei  denen  wir  hier 
unmöglich  länger  verweilen  können.  Smith  bot  während  des 
Verlaufs  der  Verhandlungen  ein  Jammerbild  der  Zerknirschung. 
Er  war  ein  Sünder  niedriger  Klasse,  tränenreich  und  voller 
Todesangst,  Brodie  dagegen  blieb  von  Anfang  bis  zu  Ende  der 
gentleman  burglar  und  erschien  vor  Gericht  „säuberlich  angetan 
in  einem  neuen,  dunkelblauen  Rock,  moderner  Phantasieweste, 
schwarzen  Plüschhosen,  weifsen  Seidenstrümpfen,  aufge- 
krempeltem Hut  und  mit  aller  Sorgfalt  frisiert  und  gepudert."-) 
Dem  Gerichtshof  gegenüber  legte  er  den  gröfsten  Respekt  zu 
Tage  und  wenn  sich  eine  erheiternde  Episode  zutrug,  dann 
lächelte  er  wie  ein  unbeteiligter  Zuhörer.  Für  den  Kleinmut 
seines  Mitangeklagten  Smith  hatte  er  nichts  wie  Verachtung 
übrig.    Die  Verteidigung,   die  von  Henry  Erskine,   dem  da- 


1)  Roughead  a.a.O.  S.  151. 

*)  Nach  Creechs  Bericht  bei  Roughead  S,  55. 

14* 


212 

maligen  Dekan  der  Juristen fakultät,  und  von  John  Clerk,  dem 
späteren  Lord  Eidin,  geführt  wurde,  hatte  von  vornherein  einen 
verzweifelten  Stand,  und  nahm  zu  einer  Reihe  von  Spitzfindig- 
keiten und  Wiukelzügen  ihre  Zuflucht,  die  das  Gericht  jeweils 
einstimmig  und  mit  vollem  Hecht  zurückwies.  Auch  die 
Plaidoyers,  Clerks  jugendlich  robuste  Angriffe  und  Erskines 
vornehme,  grofszügige  Beredsamkeit,  vermochten  die  Schöffen 
nicht  umzustimmen.  Insbesondere  Erskines  Rede  bleibt  als 
Meisterwerk  nach  Inhalt  und  Form,  mit  ihren  die  allgemeinen 
Kulturzustände  charakterisierenden  Ausführungen  und  gewandt 
angebrachten  Zitaten  aus  Shakespeare  und  Home,  bis  auf  den 
heutigen  Tag  durchaus  lesenswert,  i)  Das  Urteil  aber  fiel  aus 
wie  es  ausfallen  mufste.  Es  lautete  für  beide  Angeklagte  auf 
Tod  durch  den  Strang. 

Nicht  ohne  Versuche  zu  seiner  Begnadigung  zu  machen, 
aber  in  vollkommener  Gefalstheit  sah  Brodie  dem  Ende  ent- 
gegen. Noch  lange  zeigte  man  im  Tolbooth  die  Umrisse  eines 
Schachbrettes  auf  dem  Fufsboden,  die  er  dort  zu  seiner  Be- 
lustigung  eingeritzt  hatte.    Als   ihn  ein  Freund  besuchte  und 


')  Zu  der  Frage,  ob  die  königliche  Prärogative  einen  Verbrecher  wie 
Brown  zum  glaubwürdigen  Zeugen  machen  könne,  stellen  sich  beide  Ver- 
teidiger auf  einen  ablehnenden  Standpunkt.  Clerk:  Gentlemen  of  the 
Jury,  I  ask  you,  on  your  oaths,  can  Eis  Majesty  make  a  tainted  sconndrel 
an  honest  man?  (Roughead  S.  178).  Erskine:  He  [Brown]  has  no  doubt 
received  Uis  Majesty's  pardon.  It  has  been  ubtained  for  him,  at  a  very 
great  expense,  for  the  sole  purpose  of  enabling  him  to  be  a  witness  in  this 
cause.  But  though  the  Court  has  determined  that  this  pardon,  the  crimes 
being  committed  in  England,  rehabilitates  this  man,  and  that  his  evidence 
is  admissable;  yet  no  pardon  can  restore  his  credibility,  or  render  him 
an  honest  man.  The  pardon  cannot  alter  the  nature  of  the  criminel;  "can 
the  Ethiopian  change  his  skin,  or  the  leopard  his  spots?"  Is  it  possible 
that  a  King's  pardon  can  resture  pnrity  of  heart,  rectitude,  and  integrity? 
Can  "a  piece  of  parchment  with  a  seal  dangling  at  it"  . . .  turn  wickedness 
into  honesty/and  transmute  infamy  into  honour?  The  King  has  no  such 
perogative  etc.  (a.a.O.  8.185—186).  Roughead  verweist  in  seiner  Ein- 
leitung S.  GO  auf  den  Parallelismus  dieser  Sentenzen  mit  Burns's: 

A  prince  can  mak'  a  belted  knight, 
A  marquis,  duke,  an'  a'  that! 
But  an  honest  man's  aboon  his  might  — 
Guid  faith,  he  mauna  fa'  that! 

Ein  unmittelbarer  Zusammenhang  dürfte  jedoch  nicht  anzunehmen  sein. 


21 


o 


das  Gespräch  auf  die  Gefahren  des  Umgangs  mit  Franen- 
ziramern  hinlenkte,  stimmte  Brodie  alsbald  ein  Lied  aus  seiner 
Lieblingsoper,  Gays  Beijgars  Opera,  an: 

'Tis  Woman  that  seduces  all  Mankind'  (Air  II) 

und  liefs  sieh,  trotz  der  Einwendungen  des  Besuchers  gegen 
diese  Leichtherzigkeit  im  Anblick  des  Todes,  nicht  davon  ab- 
halten, das  Lied  bis  zum  Ende  durchzusingen.  Seine  letzten 
Stunden  haben  die  Entstehung  einiger  schwer  kontrollierbarer 
Anekdoten  veranlalst;  so  soll  ein  französischer  Quacksalber, 
Peter  Degravers,  sich  anheischig  gemacht  haben,  ihn  nach 
Ablauf  einer  bestimmten  Frist  wieder  ins  Leben  zurückzurufen. 
Nach  der  Hinrichtung,  heilst  es  weiter,  hätten  zwei  seiner 
Gesellen  den  Leichnam  auf  einen  Wagen  gelegt  und  seien  mit 
ihm  in  rasendem  Tempo  um  den  Schlofsberg  herumgefahren, 
in  der  Hoffnung,  ihm  durch  die  Erschütterung  der  Fahrt  zu 
körperlicher  Wiederauferstehung  zu  verhelfen. ')  Auch  wurde, 
zur  Erhöhung  der  Pikanterie  des  letzten  Auftrittes,  behauptet, 
das  System  des  Galgens,  an  dem  er  und  Smith  gehängt  wurden, 
der  sogenannte  „drop",  sei  von  Brodie  erfunden  worden,  und 
er  selbst  der  erste  Delinquent  nach  dieser  Methode  gewesen, 
was  nicht  zutrifft.  2)  Allerdings  hatte  er  zwei  Jahre  zuvor  seine 
eigene  Hinrichtungsstätte  an  der  Westmauer  des  Tolbooth  kon- 
struieren helfen  und  wird  sie  nun,  als  er  genötigt  war,  sie  am 
Nachmittage  des  ersten  Oktober  1788  wieder  zu  betreten  — 
diesmal  nicht  als  Sachverständiger  —  mit  besonderem  Inter- 
esse in  Augenschein  genommen  haben.  Eine  ungeheure 
Menschenmenge  —  der  zeitgenössische  Bericht  spricht  von 
40000  Zuschauern  —  wohnte  der  Exekution  bei.  Ihr  gegenüber 
bewahrte  Brodie,  der  wie  immer  aufs  Sorgfältigste  gekleidet 
erschien,  das  volle  Mafs  unerschütterlicher  Ruhe.  Sein  grofses 
Vorbild  Macheath  mag  ihm  vorgeschwebt  haben.  Zweimal,  als 
die  Verurteilten  schon  auf  dem  Schaffott  standen,  mufsten  die 
Stränge  abgeändert  werden,  aber  ohne  Anzeichen  erheblicher 
Erregung  stieg   Brodie  wieder  herab   und   unterhielt  sich  mit 


^)   Kays    Edinburgh    Portraits    (Populär    Letterpress    Edition)    I, 
S.  182—183. 

^)  R.  Chambers'   Traditions  of  Edinburgh,    S.  106—107,    und   A'eiü 
English  Didionary  anter  drop  sb.  17. 


2U 

unibersteheiideu  Bekannten.  Endlich  ging  er  aus  dem  Leben 
wie  ein  guter,  erfahrener  Schauspieler:  ..behutsam  löste  er  seine 
Halsbinde,  knöpfte  Weste  und  Rock  auf  und  unterstützte  den 
Henker,  der  ihm  den  Strang  umlegte.  Darnach  zog  er  die 
Kappe  über  das  Gesicht,  faltete  seine  Arme  und  nahm  eine 
Haltung  ein,  in  der  Unverzagtheit  und  Entschlossenheit  zum 
Ausdruck  kamen."  ')  Endlich  gab  Smith,  der  bis  dahin  un- 
entwegt gebetet  hatte,  durch  Fallenlassen  eines  Taschentuchs 
das  verabredete  Zeichen 

Dieser  abenteuerlichen  Geschichte  vom  ..doppelten  Leben" 
AVilliam  Brodies,  die  der  grolse  Prozefs  an  den  Tag  gebracht 
hatte,  wird  Stevenson  schon  frühzeitig  mit  Spannung  gefolgt 
sein.  Eine  Schrank,  von  der  Hand  des  Meisters  selbst  ange- 
fertigt, soll,  nach  Graham  Balfours  Bericht,  in  seiner  Kinder- 
stube gestanden  haben.^)  Die  ersten  Entwürfe  zu  einem  Drama 
über  den  Stoff  reichen,  ebenfalls  nach  Balfour,^)  bis  in  die  Mitte 
der  1860er  Jahre  zurück.  Die  epische  Darstellung,  die  wir 
aus  den  Edinburgh  Flcturesque  Notes  kenneu,  fällt  in  das  Jahr 
1879;  1880  erfolgt  ein  Privatdruck  des  Dramas,  vermutlich 
bereits  in  der  Fassung,  die  es  durch  sein  Zusammenarbeiten 
mit  W.  E.  Henley  erhielt.  Spätere  Ausgaben  davon  wurden 
1892,  1896  und  1897  veröffentlicht.  Jetzt  steht  es  natürlich 
in  den  gesammelten  Werken,  so  in  dem  vor  kurzem  veröffent- 
lichten 15.  Bande  der  Sivansion  Edition,  SS.  1 — 89.  Auf- 
führungen haben  1882,  1884  und  1887  stattgefunden:  es  ist 
somit  eines  der  ersten  in  der  langen  Reihe  der  heute  so  be- 
liebten Detektiv- Dramen.  Erfolg  hat  das  Werk  augenschein- 
lich keinen  gehabt.  Andrew  Lang  erzählt  in  der  Einleitung  zur 
Stvanston  Edition  (Bd.  I,  S.  XXXIII),  eine  Dame  habe  beim 
Verlassen  des  Theaters  das  Urteil  gefällt:  „I  hope  Mr.  Henley 
wrote  most  of  it."  Trotzdem  sollte  es,  sowohl  um  seines 
Gegenstandes  als  um  seines  Verfassers  willen,  nicht  ganz  in 
Vergessenheit  geraten. 

Was  haben  zwei  so  vorzügliche  Kenner  des  schottischen 
und   insbesondere   des   Edinburgher  Lebens   wie  Henley   und 


')  Nach  Creechs  Bericht  bei  Roughead  S.  275—276. 
2)  Life  of  IL  L.  Stevenson,  Londun  1901,  I,  S.  (J7. 
')  Ebenda,  II,  S.  21.-). 


215 

Stevenson  aus  den  Persönlielikeiten  und  Vorgängen  gemacht, 
die  sie  aus  Creechs  oder  Morrisons  Prozefs-Beriehten  und  aus 
dem  Anekdoten -Material  bei  Kay,  Chambers  und  anderen 
kennen  gelernt  haben?  Was  vor  allem  ist  aus  der  rassigen 
und  vielseitigen  Natur  des  Deacon  selbst  geworden? 

Schon  der  Titel  sagt  vieles:  Deacon  Jhodie  or  the  Double 
Life.  A  3Ielodnü)ia  in  Five  Acts  and  Eiglit  Tahleaux.  Unter 
den  Persons  liepresented  begegnen,  neben  den  uns  bereits 
bekannten  historischen  Haujjtpersönlichkeiten,  der  alte  Brodie, 
gelähmt,  im  Kolistnhl,  sowie  eine  Schwester  des  Deacon,  Mary, 
und  ihr  Verlobter  Walter  Leslie,  die  selbdritt  für  die  von  dem 
Melodrama  erwartete  Rührung  zu  sorgen  haben,  ein  Londoner 
Detektiv  groben  Stiles,  Hunt,  der  an  die  Stelle  des  George 
Williamson  der  Quelle  getreten  ist,  ein  englischer  Wegelagerer, 
Captain  Rivers,  William  Lawson,  Staatsanwalt  (Procurator- 
Fiscal)  von  Edinburgh,  der  als  Brodies  Oheim  eingeführt  wird, 
nnd  eine  Reihe  von  Nebentiguren.  Die  Handlung  ist  auf 
einige  48  Stunden  konzentriert  und  gruppiert  sich  um  zwei 
Einbruchsdiebstähle,  der  eine  bei  Brodies  Schwager  in  spe 
Leslie,  bei  dem  Brodie  ertappt,  entlarvt  —  und  wieder  frei- 
gelassen wird.  Aber  schon  in  der  nächsten  Nacht  unternimmt  er, 
weniger  aus  freiem  Willen,  als  unter  dem  Druck  seiner  Spiefs- 
gesellen  handelnd,  die  Beraubung  des  Hauptsteuerarates.  Doch 
Ainslie  ist  bereits  Kronzeuge  geworden.  Hunt,  der  Detektiv, 
hält  das  Spiel  vollkommen  in  Händen,  überrascht  die  Ein- 
brecher und  überwältigt  sie.  Brodie  entkommt  zunächst  und 
ersticht  auf  der  Flucht  den  Verräter  Ainslie,  der  auf  diese 
Weise  schneller  und  gerechter  Strafe  anheimfällt.  Der  fünfte 
Akt  bringt  nach  einer  rührenden  Szene  zwischen  Mary  und 
Leslie  und  einer  nicht  weniger  rührenden  zwischen  den  Vorigen 
und  Brodie,  die  alle  von  Vergebung,  Reue  und  Grofsmut  triefen, 
das  heroische  Ende  Brodies:  er  stürzt  sich  in  den  Degen 
Hunts,  der  gekommen  ist,  um  ihn  zu  verhaften,  und  entzieht 
sich  so  dem  Walten  des  irdischen  Richters.  Die  Fülle  der 
Ereignisse,  unglaubhaft  in  ihrer  raschen,  ungenügend  motivierten 
Aufeinanderfolge,  interessiert  uns  hier  nicht.  Auch  die  Mehr- 
zahl der  auftretenden  Persönlichkeiten  ist  uns  in  ihrer  matten 
Alltäglichkeit  gleichgültig.  Wir  sehen  uns  nur  nach  dem 
Helden  um,  den  die  Prozefsakten  uns  in  dramatischer  Lebendig- 


216 

keit,  unheiinlieh.  komödiantisch,  tapfer,  humorvoll  bis  nnter 
den  Galgen  gezeigt  hatten.  Von  ihm  ist  nichts  mehr  übrig 
ge])liebeu,  als  ein  weichlicher  Schurke,  dessen  Handeln  unfrei, 
dessen  Benehmen  von  der  Veruntreuung  der  Mitgift  seiner 
Schwester  an  bis  zu  seinen  häufigen  Anwandlungen  von  Reue, 
die  sich  in  verschiedenen  Stärkeabstufungeu  durch  das  ganze 
Stück  hinziehen,  stets  gleich  jämmerlich  und  abstofsend  er- 
scheinen. Die  Bedeutung  der  Quelle  geht  in  der  Bearbeitung 
verloren,  und  wir  müssen  zu  der  kurzen  Legende  in  den  Pic- 
tuyesqiie  Notes  zurückkehren,  wenn  wir  von  einer  künstlerischen 
Gestaltung  des  Stoffes  bei  Stevenson  sprechen  wollen.  Sein 
eigenes  Urteil  läuft  übrigens  dem  unsrigen  nicht  zuwider.  Nach 
den  Aufführungen  im  Jahre  1884  schreibt  er  an  Sidney  Colvin: 
,,It  is  about  Henley,  not  Brodie,  that  I  care.  I  fear  my  affections 
are  not  strong  to  my  past  works;  they  are  blotted  out  by 
others;  and  anyhow  the  Deacon  is  damn  bad."  ') 

Dals  aber  auch  nach  Erledigung  des  Melodramas  das 
Problem  des  doppelten  Lebens,  das  ihm  mit  Brodie  entgegen- 
getreten war,  Stevenson  weiter  zu  fesseln  vermochte,  zeigt 
seine  berühmte  Novelle  Strange  Gase  ofDr.JeJcyll  and  Mr.Hyde 
(gedruckt  Januar  1886).  Vorwurf  und  Handlung  hängen  in 
keiner  Weise  mit  dem  Brodie -Stoff  zusammen.  Umgebung, 
zeitlicher  und  örtlicher  Charakter  sind  durchaus  verschieden, 
übernatürliche,  schauerliche,  groteske  Elemente  sind  hinzu  ge- 
kommen. Aber  das  eigentümliche  Problem  ist  geblieben:  die 
Duplizität  des  Mannes,  in  dessen  Seele  Tugend  und  Verbrechen 
miteinander  kämpfen,  der  bei  Tag  ein  Forseher  und  ein  Wohl- 
täter der  Menschen,  bei  Nacht  ihr  Verderber  ist,  bis  sein 
schlechteres  Selbst  sein  besseres  erstickt.  Das  Mysterium  der 
Novelle,  die  tatsächliche  Scheidung  der  Seelenteile  in  zwei 
selbständige  und  zunächst  unabhängig  von  einander  sich  be- 
tätigende Persönlichkeiten,  ist  Stevensons  phantastische  Neu- 
schöpfung und  steht  wiederum  in  keinerlei  Beziehung  zu  dem 
schottischen  Kriminalfalle.  Die  psychologischen  Erörterungen 
im  letzten  Kapitel  des  Dr.  Jeckyll  —  Henry  Jehyll's  Füll 
Statement  of  the  Gase  —   zeigen  aber,   soweit  sie  allgemeiner 


>)  Leiters  1911,  II,  S.  188  -189;  vgl.  auch  den  Brief  an  Henley,  ebenda, 
S.  192. 


217 

Natur  sind,  die  Stärke  der  Roeiudruokung,  die  Stevenson  durch 
seine  vorausgegangene  Beschäftigung  mit  Deaeon  Brodie  er- 
fahren hat.  Wie  weit  der  Einflufs  Stevensons  und  somit  des 
Brodiestoffes  von  hier  aus  Über  Oscar  Wilde  {The  Picturc  of 
Borian  Gray!)  bis  zu  den  Okkulisten  unserer  Tage  hinabreieht, 
wie  weit  er  auf  der  anderen  Seite  das  zahlreiche  Volk  der 
Detektivromane  vermehren  geholfen  hat,  mufs  späteren  Unter- 
suchungen vorbehalten  bleiben.  Vielleicht  bringt  uns  die  von 
Marburg  aus  angekündigte  Arbeit  von  Keinath  über  den  Aben- 
teuerroman  nach  Stevenson    die  gewünschte  Aufklärung.  ^  — 

Einer  dieser  Abenteuer-  und  Detektivromane  mufs  jedoch 
erwähnt  werden,  denn  in  ihm  sind,  Jahrzehnte  nach  Stevensons 
Bearbeitung  des  Stoffes,  die  Schicksale  Deacou  Brodies  noch 
einmal  zur  Darstellung  gelangt.  Es  ist  DickDonovans  Beacon 
Brodie  or  Behind  thc  Maslc.  London,  Chatto  c^  Windus,  1901. 
Über  den  Verfasser  geben  weder  die  Literaturgeschichten  noch 
der  neueste  Who's  Wlio  irgendwelche  Auskunft.  Die  Vorrede 
betont  das  Ungewöhnliche  und  doch  zugleich  Typische  der 
Doppelnatur  in  Brodie,  dessen  Schicksale  zeigten  „how  a  clever 
man  may  lead  a  double  life  —  a  life  by  daylight,  and  a  life 
behind  a  mask,  which  no  one  suspects",  das  Leben  eines 
Mannes,  der  zu  grofsen  Ehren  in  seiner  Vaterstadt  ausersehen 
schien,  aber  alle  Vorteile  in  den  Wind  schlug  und  Pfade 
wandelte,  die  ihn  zum  Galgen  führten.  Donovan  fährt  fort: 
„The  extraordinary  and  romantic  eareer  of  the  man  Stands 
out  very  conspicuously  in  the  records  of  bis  time,  and  in  many 
respects  it  is  so  pieturesque,  and  so  füll  of  the  Clements  of 
mystery,  that  in  truth  it  reads  more  like  fiction  than  fact." 
Als  seine  Quellen  nennt  er  dann  die  Gerichtsakten  (legal 
documents)  und  anderes  bisher  unbekanntes  Material,  dieses 
selbstverständlich  eigener  Erfindung.  Das  Geschichtliche  schliefst 
sich  denn  in  der  Tat  so  eng  an  die  uns  bekannten  Vorgänge 
vom  Beginn  der  Übeltaten  Brodies  bis  zu  seinem  Ende  an, 
dafs  ein  Nacherzählen  Kaumverschwendung  wäre.  Der  Epiker 
bietet  uns  auch   die   Episoden,    die  der  Dramatiker  ungltick- 


*)  Vgl.  einstweilen  die  auf  S.  204 f.  zitierte  Dissertation  von  Maier, 
S.  79—88  und  B.  Fehr,  Streif züge  durch  die  neueste  englische  Literatur, 
Strafsburg  1912,  S.  137—140. 


218 

lieberweise  unterdrUekt  hatte :  die  Flucht,  die  Gefangenuahme, 
den  Prozefs,  die  Hinrichtnag.  Auch  Peter  Degravers,  der 
französische  Quacksalber,  und  seine  Wiederbelebungsversuche 
sind  nicht  vergessen.  Die  hinzuerfundenen  Episoden  sind 
Kolportageliteratur.  Sie  schildern  ein  Liebesverhältnis  Brodies 
mit  einem  ..anständigen"  BUrgermädchen,  Isabella  Stewart,  die, 
nachdem  sie  unbequem  geworden  ist,  unter  Mitwirkung  von 
Jean  Watt  eines  eben  so  gelegenen  wie  grausigen  Todes  stirbt; 
die  Szenen  in  der  Spielhölle,  bei  den  Hahnenkämpfen  und  in 
den  Londoner  Verbrecherkneipen;  die  Figur  des  schurkischen 
Hehlers  Moses  Benjamin,  der  unter  vielem  Wehklagen  das  ge- 
stohlene Silber  zu  einem  Spottpreise  kauft,  schliefslich  aber 
am  Galgen  in  Tyburn  sein  wohlverdientes  Ende  findet;  Brodie 
selbst  als  Opfer  von  Strafsenräubern,  die  ihm  das  unrecht  er- 
worbene Gut  wieder  abnehmen;  endlich  die  Ermordung  des 
Verräters  Brown  auf  der  Flucht  aus  Edinburgh  durch  ein 
Mitglied  des  Spielklubs  —  sie  alle  werfen  Stoffmassen  in  die 
Erzählung,  deren  einzige  Wirkung,  ganz  ähnlich  wie  in  Steven- 
sons und  Henleys  Drama  die  ist,  dals  die  Gestalt  des  Deacon 
Brodie  allmählich  auf  das  Niveau  eines  niedrigen  Verbrechers 
herabgedrüekt  wird.  Die  Doppelheit  seines  Wesens  geht  gleich- 
falls so  gut  wie  ganz  verloren,  Feigheit,  Heuehelei,  Habsucht  und 
Prahlerei  bleiben  als  Grundeigenschaften  seines  Charakters  im 
Eindruck  des  Lesers  zurück,  seine  fast  weiche  Fürsorge  für 
die  mit  ihm  verbundenen  Frauen,  von  der  seine  Briefe  erzählen, 
erscheint  im  Roman  in  ihr  krasses  Gegenteil  verwandelt,  sein 
unverwüstlicher  Humor  tritt  nur  am  Ende  des  Romanes,  wo 
sich  der  Verfasser  an  das  Urkundenmaterial  eng  anschliefst,  zu- 
tage, aber  er  wirkt  unecht,  als  Grimasse,  denn  er  befindet  sich 
im  Widerspruche  zu  der  voranstehenden  Charakterentwicklung 
des  Helden.  Endlich  ist,  was  nach  dem  Gesagten  kaum  hervor- 
gehoben zu  werden  braucht,  auch  nicht  einmal  der  Versuch 
gemacht  worden,  die  Gestalt  des  Deacon  in  die  Edinburgher 
Atmosphäre  seiner  Zeit,  in  die  reiche,  noch  heute  so  lebendige 
AVeit  gesellschaftlichen  und  geistigen  Getriebes  hineinzuver- 
setzen. — 

Ein  schlechtes  Drama,  dem  der  Name  seines  Verfassers 
ein  gewisses  bescheidenes  Mafs  von  Leben  erhält,  ein  schlechter 
Roman,  der  längst  in  verdiente  Vergessenheit  gesunken  ist,  eine 


219 

voi'treflFIiclie  Skizze  in  .Stevensons  Ediuhurgher  Impressionen, 
und  dahinter  das  Urbild,  wie  es  vor  allem  die  Prozefsakten  über- 
liefern —  William  Brodie,  Meister  der  Tisclilerzunft,  der  Nachbar 
Burns's,  Stadtrat,  Einbrecher,  Gauner  und  Biedermann  — , 
das  alle  diese  Bearbeitungen  überragt,  dem  Freunde  dieser 
Periode  schottischer  Stadtkulturgeschiehte  hier  und  dort  be- 
gegnet und  immer  mit  Interesse  von  ihm  begrüfst  werden  wird: 
so  steht  es  mit  der  Überlieferung  und  der  literarischen  Aus- 
gestaltung dieses  eigenartigen  Falles.  Der  Gedanke,  dafs 
vielleicht  ein  solcher  Stoff  an  sich  unbrauchbar,  und  die  Ver- 
brecher- und  Detektivwelt  überhaupt  nur  minderwertige  Motive 
zu  liefern  imstande  sei,  ist  natürlich,  im  Hinblick  auf  vor- 
handene Meisterwerke  der  Literatur,  abzuweisen.  Wir  denken 
an  unseres  Kleist  Zerbrochenen  Krucj  und  an  den  Biberpelz 
Gerhart  Hauptmanns,  der  in  seiner  Mutter  Wolffen  eine  Art 
weibliches  Gegenstück  zu  William  Brodie  geschaffen  hat.  Auch 
Sir  Arthur  Conan  Doyle  hat  sich  in  einigen  Teilen  seiner  Sherlock- 
Holmes  -  Serie  über  das  Durchschnittsmafs  der  Sensations- 
novelle zu  erheben  und  seinem  weltberühmten  Detektiv  durch 
den  Gedanken  des  Kampfes  gegen  das  Prinzip  des  Verbrechens, 
das  wie  eine  Spinne  in  einem  tiefverborgenen  Winkel  Londons 
hockend  seine  verderbliehen  Fäden  überall  hin  ausspannt,  un- 
zweifelhaft eine  gewisse  Gröfse  zu  verleihen  gewufst.  Haupt- 
manns Werk  zeigt  insbesondere,  wie  für  den  Künstler  die  Tat, 
das  verbrecherische  Ereignis,  von  geringerer  Bedeutung  ist,  wie 
die  Wirkung,  die  sie  bei  Verübenden  und  Betroffenen  hervor- 
ruft, von  geringerer  vor  allem  wie  die  Charakterschilderung 
des  Täters  selbst.  Was  bei  dem  Sensationsroman  und  -Drama 
vorübergehend  fesselt,  erscheint  schal,  sobald  wir  die  geheinmis- 
volle  Kette  kennen  und  die  nervenreizende  Spannung  gelöst 
ist.  Das  Problem  des  verbrecherischen  Charakters,  dichterisch 
behandelt,  werde  er  nun  von  der  tragischen  oder  humoristischen 
Seite  dargestellt,  bleibt  dagegen  in  seinem  literarischen  Werte 
durchaus  bestehen. 

William  Brodie  ist  dieser  Tat  künstlerischer  Verklärung 
nicht  teilhaftig  geworden,  und  doch  wäre  fraglos  einer  da- 
gewesen, sie  zu  vollbringen,  Walter  Scott,  Stevensons  grolses 
Vorbild.  The  Heart  of  Midlofkian  berührt  in  seinem  Vorwurfe, 
seiner  Stimmung   und  seiner  Szenerie  die  Welt,  in  der  Brodie 


220 

lebte,  süudigte  uud  starb,  so  oft  und  so  nahe,  dals  man 
die  Frage,  ob  sieh  der  Brodiestoff  Scott  bei  dieser  Gelegen- 
heit nicht  aufgedrängt  habe,  unwillkürlich  aufwirft.  Die 
Antwort  fällt  bejahend  aus:  es  sind  im  Heart  of  Midlo- 
fhian  Spuren  der  Beschäftigung  Scotts  mit  dem  Prozefs  des 
Deacon  nachzuweisen.  Zwar  spielt  der  Roman  zur  Zeit  des 
Porteous- Aufstandes  im  Jahre  1736,  Scott  unterläfst  es  aber 
keineswegs,  gelegentlich  auf  viel  spätere  Persönlichkeiten  uud 
Ereignisse  vorausgreifend  Bezug  zu  nehmen.  Hierher  gehören 
die  interessanten  Anspielungen  auf  Robert  Fergusson  und  auf 
den  bereits  erwähnten  Karikaturisten  John  Kay  im  dritten 
Kapitel  des  Romans,  S.  34—37.  i)  Auf  S.  265—266  begegnet 
uns  nun  folgender  Satz:  „One  woman",  said  Sharpitlaw,  — 
for,  like  all  rogues,  he  was  a  great  calumniator  of  the  fair 
sex,  —  „one  woman  is  enough  to  dark  the  fairest  ploy  that 
ever  was  planned;  and  how  could  I  be  such  an  ass  as  to  ex- 
pect  to  carry  through  a  job  that  had  two  in  it?"  Hierzu  ver- 
weist Scott  in  einer  Anmerkung  auf  das  „Journal  of  Graves 
[sie!],  a  Bow- Street  officer,  dispatched  to  Holland  to  obtain 
the  surrender  of  the  unfortunate  William  Brodie."  2)  In  diesem 
Tagebuch  Groves',  das  bereits  Creech  in  seinem  Bericht  auf 
8.227—239  abgedruckt  hat,  3)  begegnet  bei  der  Beschreibung 
der  Schwierigkeiten,  die  der  Auslieferung  William  Brodies 
vorangingen,  das  ungeduldige  N.  B.:  „No  mischief  but  a  woman 
or  a  priest  in  it,  —  here  both."  Daher  die  Parallele  mit 
Sharpitlaw,  dem  „great  calumniator  of  the  fair  sex.''  Auch  in 
dem  Geständnis,  das  George  Staunton,  alias  Robertson,  der 
Schurke  des  Romans,  Jeanie  Deans  gegenüber  ablegt,  findet  sich 
eine  Stelle,  die  zum  mindesten  die  Erinnerung  an  Brodies  Vor- 
liebe für  den  Helden  der  Bettleroper  wachruft.  Staunton  sagt 
da,  er  habe  Effie,  seinem  Opfer,  den  Unterschlupf  bei  der 
Hexe  Murdockson  anempfohlen  „by  a  letter,  in  which  I  recollect 
that  I  endeavoured  to  support  the  cbaracter  of  Macheath  under 
condemnation  —  a  fine,  gay,  bold-faced  ruffian,  who  is  game  to 
the  last.    Such,  and  so  wretchedly  poor,  was  my  ambition!"^) 

')  Zitate  aus  der  Border  Edition,  ed.  Andrew  Lang. 

2)  Ebenda  S.  802. 

')  Jetzt  bei  Roughead,  S.  265—268. 

*)  a.  a.  0.  S.  497. 


221 


Scott  hat  als  Student  der  Rechte  in  Edinburgh  den  Prozefs 
und  die  Hinrichtung  Brodies  selbst  miterlebt,  und  wenn  er 
von  einer  Darstellung  der  damit  verbundenen  Ereignisse  und 
Persönlichkeiten  Abstand  genommen  hat,  so  ist  ihre  zeitliche 
und  örtliche  Nähe  für  diesen  Entschlufs  gewifs  mit  ausschlag- 
gebend gewesen.  Und  doch:  es  ist  schade  um  den  Stoff,  der, 
seiner  Feder  nicht  unwert,  sieh  unter  der  Hand  des  Meisters  zu 
einem  kulturgeschichtlich  und  psychologisch  gleich  interessanten 
Zeitgemälde  hätte  entwickeln  können,  denn:  „a  great  man  in 
his  day  was  the  Deaeon!" 


J 


Zu  Marlowes  Doctor  Faustus. 


Erürtenmg-  einiger  Probleme 


von 


Richard  Rohde.  ' 


I 


i 


Die  Faiistusliteratur  verdankt  ihren  immer  noch  wachsenden 
Umfang-  nicht  so  sehr  der  Bedeutung  des  Stückes  als  der 
Schwierigkeit  der  Probleme,  vor  die  seine  Überlieferung  uns 
gestellt  hat  und  jetzt,  nach  Jahrzehnten  angestrengter  For- 
schungsarbeit, noch  immer  stellt.  Es  will  mir  scheinen,  als 
ob  neuerdings  auch  da,  wo  man  festen  Boden  zu  haben  glaubte, 
wieder  Unsicherheit  und  Zweifel  sich  einstellen  wollen,  infolge 
der  manchmal  geradezu  boshaften  Streiche,  die  der  Zufall  uns 
bei  der  Überlieferung  dieses  Stückes  gespielt  hat.    Ich  erinnere 

—  um  nur  auf  einzelne  Lücken  in  unserm  Wissen  hinzuweisen 

—  an  die  Tatsache,  dafs  der  Titel  der  uns  erhaltenen  mit 
dem  der  1588  erschienenen  Faustballade  nicht  übereinstimmt, 
so  dafs  das  auf  uns  gekommene  Gedicht  nicht,  wie  früher  all- 
gemein geschah,  zu  chronologischen  Beweisen  benutzt  werden 
kann.i)  Ferner  gehört  hierher  der  Verlust  der  editio  prince2)S 
des  englischen  Faustbuches,  der  es  uns  unmöglich  macht  zu 
entscheiden,  ob,  wie  wir  vermuten  und  hoffen,  die  uns  erhaltene 
Ausgabe  von  1592  mit  der  verloren  gegangenen  übereinstimmt, 
oder  ob  nicht  doch  die  letztere  sich  in  manchen  Punkten  mehr 
dem  deutschen  Original  näherte.  Angesichts  der  Legion  von 
Fragen  aber,  die  auf  dem  am  meisten  bearbeiteten  Gebiet  der 
textlichen  Überlieferung  nach  wie  vor  der  endgültigen  Be- 
antwortung harren,  darf  man  sich  nicht  wundern,  wenn  hier 
besonders  eine  Hypothese  die  andere  drängt,  und  wenn  zeit- 
weilig Vermutungen  auftauchen,  die  alles,  was  als  richtig  galt, 
über  den  Haufen  werfen  wollen.  So  verlegt  z.  B.  Venzlaff 
(a.a.O.  S. 55ff.)  die  in  B  erhaltenen  Zusätze  in  das  Jahr  1588/89, 
während  nach  ihm  das  Machwerk  der  Herren  Birde  und 
Rowley  verloren  gegangen  ist.     Es  würde  mich  zu  weit  führen, 


^)   Vgl.  G.  Venzlaff,   Textüberlieferung  und  Entstehimgsgeschichte 
von  Marloioes  Doctor  Faustus.    Diss.,  Berliu  1909,  S.  69. 


224 

hier  noch  einmal  im  einzelnen  auf  seine  Gründe  einzugehen, 
zumal  ich  glaube,  dafs  die  von  H.  deVries')  und  R.  Root^) 
gegen  ihn  vorgebrachten  Einwände  im  ganzen  berechtigt  sind, 
und  dafs  Venzlaffs  Theorie,  weil  eine  Art  Gipfel  der  Kompli- 
ziertheit und  Umständlichkeit,  voraussichtlich  nicht  viele  An- 
hänger finden  dürfte.  Aber  —  wie  auch  Root  hervorhebt  — 
es  findet  sich  in  seinen  Ausführungen  manches  Gute,  und  so- 
viel wird  man  schon  jetzt  sagen  können,  dafs  bei  der  immer 
noch  ausstehenden  kritischen  Ausgabe  des  Stückes  in  Einzel- 
heiten B  mehr  heranzuziehen  sein  wird,  als  vorher  meist 
angenommen  wurde,  s) 

Auf  S.  123  ff.  der  oben  erwähnten  Besprechung  geht  Root 
auf  die  von  de  Vries  a. a. 0.  S.15ff.  aufgestellte  Rollen d ruek- 
hypothese  ein.  Er  weist  die  sämtlichen,  z.  T.  sehr  ein- 
sehneidenden Veränderungen,  die  de  Vries  vornehmen  zu  müssen 
glaubte,  um  den  Originaltext  herzustellen,  als  unrichtig  zurück 
und  erklärt  diese  Theorie  überhaupt  für  „over-ingenious"  und 
unnötig. 

Nun  habe  ich  schon  in  meiner  1910  erschienenen  Schrift 
„Das  englische  Faustbuch  und  Marlowes  Tragödie"  (Morsbach, 
Sind.  z.  engl.  Fhü.  43)  auf  S.  37ff.  und  45  nachgewiesen,  dafs 
die  einschneidendste  der  de  Vries  sehen  Änderungen  aus  inneren 
Gründen  nicht  richtig  sein  kann,  nämlich  die  Zerlegung  der 
Rofstäuscherszene  in  zwei  von  einander  getrennte  Teile.  Auch 
in  der  Beurteilung  der  Stellung  des  Wagnermonologs  Z.  1273ff. 
stimme  ich  Root  4)  zu.  Jedoch  kann  ich  seine  Gründe  für  die 
Beibehaltung  der  Stellung  des  Chorus  Z.  922  ff.  nicht  aner- 
kennen. In  der  aus  Shakespeares  Heinrich  V.  (Schlufs  des 
Prologs  zu  Akt  II)  zum  Beweise  herangezogenen  Stelle  liegen 


^)  Die  Überlieferung  von  Marlowes  Doctor  Fausfus,  Halle  1909 
(Morsbach,  Sind.  z.  etigl.  Phil.  35).    Vgl.  besonders  Anhang  1. 

^)  Robert  K.  Root,  Besprechung  der  drei  1909  erschienenen,  das 
Textproblem  behandelnden  Schriften  voti  Vetizlaff,  K.  Schröder  und  de  Vries. 
In  Engl.  Studien  43, 117  ff.,  vgl.  besonders  S.  130. 

^)  Vgl.  hierzu  z.  B.  Root,  Two  notes  on  Marloive's  Doctor  Fanstiis. 
Engl.Stud.  43,  144fif. 

*)  Prof.  Morsbach,  welcher  am  10.  Juli  1910  den  Marloweschen 
Faust  von  Güttinger  Studenten  zum  erstenmale  in  Deutschland  öffentlich 
aufführen  liefs,  hatte  diesen  Monolog  gleichfalls  (gegen  de  Vries)  an  seiner 
überlieferten  Stelle  belassen. 


I 


I 


225 

die  Verbältnisse  doch  vollkoinnicn  anders  als  im  Faustus.  Root 
selbst  räumt  dies  ein,  wenn  er  sagt:  „In  Henry  V.  the  delay 
is  expressly  provided  for  in  the  final  lines  of  thc  Chorus" 
(S.  124).  In  diesen  Scbliü'szcilen  wird  ausdrücklich  gesagt, 
dafs  die  Szene  noch  nicht  sogleich  nach  Soutbampton  ver- 
legt werden  soll,  sondern  erst  später.  Dies  ist  im  Faust  nicht 
der  Fall;  jeder  Zuschauer  mufste  die  Szene  am  Kaiserhof 
erwarten.  Wo  wir  sonst  im  Drama  einen  Chorus  haben,  so 
vor  Szene  I  und  VII,  folgt  stets  unmittelbar  darauf  die  Szene, 
auf  die  seine  Worte  hindeuten.  So  ist  denn  auch  bei  einer 
Aufführung  des  Stückes,  die  unter  Roots  Leitung  im  Frühjahr 
1907  in  Princeton  stattgefunden  hat,  der  Chorus  tatsächlich  an 
die  Stelle  gerückt,  an  die  er  gehört,  vor  die  Kaiserhof szene. ') 
Root  hat  damit  selbst  den  Beweis  dafür  geliefert,  dafs  der 
Text  nicht  so  einwandfrei  ist,  als  er  ihn  hinstellen  möchte. 

In  engstem  Zufiammenhange  mit  der  Frage  nach  der 
Stellung  des  Chorus  steht  das  schwierige  Problem  der  beiden 
allgemein  als  echt  geltenden  Robin-Ralph-Szenen  (Sz.  VIII 
und  IX  in  Qu.  A).  Wie  die  Erwähnung  von  Konstantinopel 
(Z.  1018  und  1020)  beweist,  steht  Szene  IX  mit  Recht  hinter 
Szene  VII,  da  Faust  auch  im  Volksbuch  erst  nach  Rom,  dann 
nach  der  türkischen  Hauptstadt  kommt.  Die  Frage  ist  aber, 
ob  sie  ursprünglich  auch,  wie  Root  S.  124 ff.  vermutet,  un- 
mittelbar auf  Szene  VIII  folgte.  In  der  von  Marlowe  am 
sorgfältigsten  komponierten  Szenenreihe  I — V  finden  wir  jenen 
Parallelismus  von  ernsten  und  komisehen,  Haupt-  und  Neben- 
szenen, jenen  „starren  Schematismus"',  der  Marlowe  eigentüm- 
lich ist.  2)  Nirgends  in  der  ganzen  Quarto  A  haben  wir  zwei 
Szenen  hintereinander,  in  denen  der  Titelheld  nicht  auftritt. 
Diese  Erwägung,  sowie  die  Tatsache,  dafs  —  wie  die  Stellung 
des  Chorus  zeigt  —  die  ganze  Partie  zwischen  Szene  VII  und 
X  in  Unordnung  ist,  läfst  darauf  schlielsen,  dafs  VIII  und  IX 
ursprünglich  auch  nicht  zusammen  standen.  Dazu  kommt  die 
Bühnenanweisung  Exeunt  —  Entcr  zwischen  zwei  Szenen,  in 
denen  dieselben  Personen  auftreten,  wie  auch  die  Stellung  in 
der  Quarto  von  1616,  wo  die  Szene  VIII  vor  dem  die  Vatikan- 


1)  Vgl.  Engl.  Stud.  43,  S.  130. 

*)  R.  Flacher,  Kunst entivicklung,  S.  llSflf. 

Studien  z.  engl.  Phil.    L.  15 


226 

Szene  eiuleitenden  Chorus  steht.  Auch  Venzlaff  (a.  a.  0.  S.  32) 
hält  die  Stellung  VIII  vor  IX  für  unmöglich  und  vermutet 
aufserdem  mit  Recht,  dafs  Szene  V  und  VI  in  A  höchstwahr- 
scheinlich durch  eine  Zwischenszeue  getrennt  gewesen  sind 
(S.  30).  Jedoch  meint  er,  dies  sei  ein  Chorus  oder  ein  dumhshoiv 
gewesen  und  hält  es  nicht  für  angängig,  zur  Lösung  der 
Schwierigkeiten  einfach  der  Szene  VIII  den  Platz  zwischen  V 
und  VI  anzuweisen.  Wie  sollte  sie  von  dort  weggekommen 
sein?  Das  ist  die  Frage,  und  hier  ist  nun  meiner  Ansicht  nach 
der  Punkt,  wo  der  de  Vriessche  Gedanke  allein  helfen 
kann.  Der  Text  der  Quarto  mag  im  übrigen  entstanden  sein, 
wie  er  will.  Ich  selbst  halte  es  —  im  Gegensatz  zu  der 
1910  von  mir  vertretenen  Ansicht  —  nicht  mehr  für  wahr- 
scheinlich, dafs  das  ganze  Stück  nach  Einzelrollen  rekonstruiert 
ist.  Furnivall  spricht  in  seinem  Vorwort  zum  Faksimile  der 
ersten  Hamlet-Quarto  ja  auch  nur  von  den  Abschriften  einzelner 
weniger  Rollen  (des  Horatio  z.  B.),  die  neben  dem  Steno- 
gramm zur  Hand  waren.')  Ähnlich  mag  mau  sich  auch  hier 
die  Entstehung  der  Quarto  A  denken.  Wenn  jedoch  der 
Drucker  den  Text  einem  Stenogramm  verdankte  oder  auf 
irgend  eine  andere  Weise  erhalten  hatte  —  ich  will  diese 
Frage  nicht  entscheiden;  mit  positiver  Sicherheit  wird  sie  nie 
entschieden  werden  —  so  steht  fest,  dafs  sein  Text  ihn  an 
dieser  Stelle  (Chorus  922  ff.  und  Robin-Ralph-Episode)  gänzlich 
im  Stich  gelassen  hat.  Um  aber  aus  dem  unleugbar  vor- 
handenen Dilemma  herauszukommen,  ist  meines  Erachtens  der 
gangbarste,  ja,  bis  ein  besserer  gefunden  wird,  einzige  Weg 
die  Annahme,  der  Drucker  habe  sich,  um  den  Text  zu  ver- 
vollständigen und  zu  verbessern,  die  Rollen  der  in  diesen 
Szenen  tätigen  Schauspieler  verschafft  und  nun  die  Szene  VIII 
und  manches  andere  an  einen  falschen  Platz  gestellt.  Nur  so 
ist  es  möglich,  den  gestörten  Parallelismus  herzustellen,  den 
Chorus  922  ff.  vor  die  Kaiserhofszene  zu  setzen,  wohin  er  un- 
bedingt gehört,  und  endlich  die  am  Schluls  der  Szene  IX 
(Z.  1007  ff.)  vorhandene  Unordnung  zu  beseitigen.  Die  Sach- 
lage ist  also,   um   noch   einmal  zusammenzufassen,   die:    Roots 


*)  Vgl.  Münckemeyer,  Prolegomena  zur  Darstellung  d.  engl.  Volks- 
bühne (Diss.,  Göttingen  1905)  S.  6S. 


227 

Ansicht,  der  betreffende  Teil  der  Qu.  A  biete  den  ursprüngliebeu 
Text,  seheint  mir  nicht  haltbar.  De  Vries'  Hypothese  aber  ist 
in  dem  Umfange,  wie  er  sie  anwenden  will,  ebenfalls  zurück- 
zuweisen. Sie  mufs  insofern  modifiziert  werden,  als  man  sieh 
eine  Entstehung  des  Textes  nur  nach  Rollenniederschriften 
nicht  gut  vorstellen  kann.  Der  als  Grundlage  dienende  Text 
wurde,  wo  er  versagte,  nach  den  Rollenniederschriften  ergänzt 
und  verbessert.  Die  Annahme  einer  solchen  Ergänzung  ist 
meiner  Ansicht  nach  notwendig,  so  weit  die  Robin-Ralph- 
Episode  und  der  mit  ihr  in  Kollision  geratene  Chorus  in 
Frage  kommt.  Ob  und  wie  weit  sonst  noch,  weifs  ich  nicht; 
auf  jeden  Fall  aber  ist  eine  solche  Theorie  nur  mit  der  aller- 
gröfsten  Vorsicht  in  die  Praxis  zu  übersetzen,  da  sie  sonst  der 
Willkür  Tor  und  Tür  öffnet.  De  Vries  hat  sich  sicherlich 
manchmal  mehr  von  seinem  subjektiven  Gefühl  leiten  lassen, 
als  seinem  Zweck  dienlich  war. 

Gegenüber  diesen  Problemen  ist  die  Frage,  ob  ursprünglich 
eine  Akteinteilung  vorhanden  war  (vgl.  de  Vries,  a.  a.  0. 
S.  20f.),  ob  und  wie  wir  diese  wiederherstellen  können,  von 
geringerer  Bedeutung.  Es  ist  aber  wohl  anzunehmen,  dafs  der 
Dichter  sein  Stück  in  der  üblichen  Weise  einteilte.  Da  ich 
diese  Frage  in  meiner  Abhandlung  S.  59 f.  besprochen  habe,  will 
ich  hier  nur  auf  meine  dortigen  Ausführungen  hinweisen. 

Ich  wende  mich  dem  zweiten  Teil  meiner  Aufgabe  zu, 
einer  Erwiderung  auf  mehrere  Einwände,  die  Max  Förster  i) 
gegen  meine  Vermutungen  über  die  Entstehung  des  englischen 
Faustbuches  erhoben  hat. 

Der  Gedanke,  die  Abfassung  des  englischen  Faustbuches 
könnte  mit  John  Dees  Aufenthalt  in  Deutschland  in  Zu- 
sammenhang stehen,  kam  mir  bei  der  Lektüre  der  Abhandlung 
von  Herzfeld,  Zur  Geschichte  der  Faustsage  in  England  und 
Frankreich  (Tobler- Festschrift,  Braunschweig  1905),  die  ich 
leider  durch  einen  Zufall  erst  zu  Gesicht  bekam,  als  meine 
Arbeit  schon  druckfertig  vorlag.  Ich  habe  deshalb  nur  die 
Gründe,  die  mir  für  einen  solchen  Zusammenhang  zu  sprechen 
schienen,  meinen  Ausführungen  eingefügt,  ohne  an  eine  syste- 
matische Untersuchung  herantreten  zu  können.     Letzteres  wird 


')  Shakespeare -Jahrbuch  47,  360  ff. 

15* 


228 

mir  auch  in  den  nächsten  Jahren  ebensowenig  möglich  sein 
wie  das  von  Förster  empfohlene  Studium  der  Geschichte  der 
deutschen  Schottenklöster,  bei  dem  übrigens  wahrscheinlich 
anch  der  Erfolg  in  keinem  Verhältnis  zu  der  aufgewandten 
Muhe  stehen  würde.  Doch  will  ich  hier  wenigstens  noch  auf 
einige  Punkte  hinweisen.  Wenn  es  Max  Förster  bedenklich 
erscheint,  dals  ein  so  gelehrter,  geistig  hochstehender  Natur- 
wissenschaftler wie  John  Dee  sich  mit  der  Adaption  eines 
simplen  Volksbuches  befafst  haben  sollte,  so  ist  dagegen  ein- 
zuwenden, dafs  es  sich  hier  doch  um  ein  ganz  besonderes 
Volksbuch  handelt,  dessen  Stoff  die  ganze  damalige  Welt 
mächtig  packte  und  einen  John  Dee  ebenso  gut  interessieren 
konnte,  wie  einen  Mario we.  Zumal  jener  selbst  eine  Art  Faust 
war  und  vielleicht  bei  seinen  alchemistischen  Studien  und 
Experimenten  oft  ähnliche  Gedanken  hatte,  wie  sie  die  Historie 
ihrem  Helden  zuschreibt.  Ferner  geht  aus  vielen  Anzeichen, 
so  z.  B.  aus  der  angebahnten  Umgestaltung  des  Fausteharakters, 
hervor,  dafs  der  Übersetzer  ein  Mann  gewesen  sein  mufs,  dessen 
geistiger  Horizont  ein  wesentlich  weiterer  war  als  der  des 
Deutschen,  und  dafs  er  sich  dessen  auch  bewufst  gewesen  ist. 
Max  Förster  meint,  dafs  die  elementare  Astronomie  seiner 
Vorlage  Dee,  dem  feinen  Mathematiker,  sicherlich  nur  ein  mit- 
leidiges Lächeln  abzugewinnen  vermochte.  Nun,  wir  glauben 
dies  Lächeln  zu  sehen,  wenn  er  im  Gefühl  seiner  Überlegenheit 
schreibt:  „/  ivil  opcn  vnto  theo  tlie  diuinc  opinion  of  tliis 
confused  Chaos,  farre  more  than  any  rüde  Germane 
Author  .  .  .  tvas  ahle  to  iitter  (S.  50),  und  wenn  er  gerade  die 
ganzen  astronomischen  Kapitel  gründlich  umarbeitet.  Nirgends 
im  ganzen  deutschen  Faustbuch  tindet  sich  eine  Stelle,  die  wie 
die  folgende  auf  Kenntnis  des  Kopernikanischen  Systems 
hindeutet :  „We  thinJce  that  the  Sunne  rimneth  his  course  . . . 
no,  . . .  the  Sun  ahideih  perpetually  in  this  place,  and  although 
ivee  See  him  heginning  to  ascend  in  the  Orient  or  East  . . .  yet 
Tie  moueth  not"  (S.  50).  So  verstehen  wir,  wenn  er  sich  anders- 
wo (S.  63)  mit  berechtigtem  Stolz  einen  „man  of  understanding" 
nennt.  Diese  Bedenken  Försters  scheinen  mir  also  nicht  er- 
heblich. —  Ein  Vergleich  der  Sprache  John  Dees  mit  der  des 
Faustbuehes  dürfte  wenig  zur  Lösung  der  Frage  beitragen,  da 
der  Stil  eines  Schriftstellers  sich  ändert  und  die  Sprache  hier 


220 

aufserdem  viel  zu  sehr  durch  die  Vorlage  bedingt  ist,  als  dal's 
sie  genug  charakteristische  Eigenheiten  aufweisen  könnte,  um 
damit  etwas,  sei  es  für  oder  wider,  zu  beweisen. 

Schlielslich  meint  A[ax  Förster,  eine  systematische  Unter- 
suchung müfste  erst  festlegen,  ob  wirklieh  gerade  Ostdeutsch- 
land soviel  besser  in  den  geographischen  Znsätzen  des  eng- 
lischen Faustbuches  wegkomme.  Eine  solche  genaue  Prüfung 
hat  mir  eben  gezeigt,  dafs  die  vielen  Zusätze,  die  der  Eng- 
länder bei  allen  möglichen  Städten  Deutsehlands  und  Italiens 
macht,  ganz  verschiedenen  Wert  haben,  wenn  sie  auch  mit 
derselben,  etwas  selbstgefälligen  Sicherheit  gemacht  werden. 
Ich  erinnere  an  die  Stelle  S.  Gl  (Beschreibung  von  Basel),  wo 
er  sagt :  „No  Churcli  pleased  him  but  the  Jesiiites  Church,  ivhich 
iims  so  sumptuoushj  huilded  and  leset  füll  of  Alabaster  pülers." 
Ein  Zusatz,  von  dem  man  an  sich  wohl  annehmen  könnte,  dais 
er  auf  eigener  Anschauung  beruhe,  der  aber  nichtsdestoweniger 
gänzlich  unrichtig  ist,  wenn  auch  nicht  so  unsinnig  wie  der 
bei  der  Beschreibung  von  Regensburg.  Hier  verlegt  nämlich  der 
Engländer  durch  die  Hinzusetzung  des  Wortes  „thereon"  die 
Remigiuskirche  auf  die  Donaubrücke!  (the  bridge  ouer  thc 
same  water,  ivith  the  church  standing  thereon,  S.  64).  0  Be- 
sonders eingehend  behandelt  Max  Förster  die  Zusätze  bei 
Würzburg,  die  ich  natürlich  auch  schon  auf  ihre  Richtigkeit 
hin  geprüft  hatte,  ohne  in  meiner  Arbeit  darauf  einzugehen. 
Genau  sind  auch  sie  nicht;  denn  der  Marienberg  liegt  west- 
lich von  der  Stadt,  nicht  „on  the  North  side".  Doch  kommen 
solche  Uugenauigkeiten  auch  bei  den  Schilderungen  der  ost- 
deutschen Ürtlichkeiten  vor  (z.  B.  bei  der  Angabe  der  Lage 
von  Kazimierz  S.  67).  Aber  nun  kommt  die  Hauptschwierigkeit, 
der  mit  solchem  Enthusiasmus  beschriebene  Altar  (S.  63, 
Förster,  a.  a.  0.,  S.  362).  Ist  es  möglich,  dafs  von  einem  selchen 
Kunstwerk,  das  mit  ebenso  grofser  Bewunderung  geschildert 
wird  wie  das  Stralsburger  Münster,  nicht  die  geringste  Spur 
geblieben  sein  sollte,  keine  Notiz  in  irgend  einer  Chronik, 
einer  Urkunde,  einem  der  zahlreichen  deutschen  und  lateinischen 


1)  Vgl.  Loge  mau,  The  English  Faust-Book  of  1592,  S.  102.  Bezieht 
man  thereon  auf  tvater  statt  auf  bridge  (gegeu  Logeman)  und  übersetzt  es 
„daran",  so  wird  der  Uasinu,  uiclit  aber  die  Uurichtigkeit  beseitigt. 


230 

geographiselieii  Werke?  Das  ist  undenkbar.  AVenn  wir  nicht 
reine  Phantasterei  annehmen  wollen,  wie  Logeraan,  wohl  mit 
Unrecht,  tut,  so  bleibt  nur  die  Möglichkeit  einer  Verwechslung 
mit  einem  xVltar  in  irgend  einer  andern  Stadt;  aber  von 
Autopsie  kann  keine  Rede  sein.  —  Zu  den  eben  besprocheneu 
Zusätzen  tritt  für  den  Westen  Deutsehlands  nur  noch  eine, 
die  schon  erwähnte  Beschreibung  des  Strafsburger  Münsters, 
die  bei  der  Weltberühmtheit  dieses  Bauwerks  auch  nicht  als 
Beweis  für  einen  Aufenthalt  in  dieser  Stadt  benutzt  werden 
kann.  Über  die  bei  den  Beschreibungen  von  Basel  und  Konstanz 
hinzugefügten  Anekdoten  habe  ich  mich  auf  S.  7  f.  meiner 
Arbeit  ausgesprochen. 

Als  nachweisbar  richtige  Zufügungen  bleiben  also  für 
ganz  Deutsehland  abgesehen  vom  Osten  nur  die  folgenden: 
bei  Stralsburg  die  Beschreibung  des  Münsters,  bei  Würzburg 
die  Feststellung,  dals  das  Schlols  auf  einem  Hügel  steht, 
an  dessen  Fufse  sich  eine  Kirche  befindet,  ferner  die  Angabe, 
dals  der  Main  durch  die  Stadt  flielst,  nicht  „daneben",  wie 
es  bei  Spies  heilst.  Wenn  man  hiermit  Zahl  und  Art  der  Zu- 
sätze vergleicht,  die  der  Engländer  bei  Prag,  Krakau  und  der 
Umgegend  der  letzteren  Stadt  macht  (S.  65  — 67),  so  ist  meines 
Erachtens  kein  Zweifel  mehr,  welcher  Teil  von  Deutschland 
am  besten  wegkommt.  —  Wie  ich  an  dieser  Stelle  einschieben 
will,  wird  die  Richtigkeit  eines  der  von  dem  Engländer  ge- 
machten Zusätze,  ,^the  Garden  ivhcre  all  manner  of  sauage 
Beasts  are  kept"  (Besehreibung  von  Prag,  S.  65),  gestützt 
durch  eine  spätere  Notiz,  die  sich  in  der  Cosmo(jraphia  pro- 
sometrica  von  Steph.  Ritter  (Marburg,  1619)  findet:  „Est  ctiam 
hie  viridarium  regium  amoenissimum  variis  exoticis  planus  et 
stirpibus  heue  excultum,  in  quo  etiam  visuntur  areae,  in  quibus 
.  .  .  herhae  e  terra  pullulant.  Äluntur  etiam  hie  ligneis  cancellis 
inclusi  leones"  (Beschreibung  von  Prag,  S.  1014 f.)  Hiernach 
wird  doch  wohl,  wenn  man  die  übrigen  von  mir  a.  a.  0. 
S.  4f.  zusammengestellten,  nachweisbar  richtigen  Zusätze  mit 
in  Betracht  zieht,  nicht  mehr  behauptet  werden  können, 
dals  diese  Angabe  in  das  Reich  der  „phantastical  stories" 
gehöre. 

Was  nun  die  Frage  nach  der  zweiten  schriftlichen  Quelle 
neben  Spies  anlangt,  deren  xVnnahme  Max  Förster  auch  jetzt 


231 

noch  nicht  völlig  ausgeschlossen  erscheint,  so  habe  ich  in 
diesem  Jahre  noch  einmal,  was  mir  in  der  Göttinger  Universitäts- 
bibliothek an  lateinischen,  französischen,  deutschen  geo- 
graphischen Werken  erreichbar  war,  geprüft.')  Mit  völlig 
negativem  Erfolge.  Fester  als  je  bin  ich  nach  dieser  Prüfung 
davon  überzeugt,  dafs  eine  schriftliche  Quelle,  ein  Buch,  aus 
dem  der  Engländer  abgeschrieben  haben  soll,  wie  Logeman 
meint,  nie  gefunden  werden  wird.  Was  die  Zusätze  des  Eng- 
länders charakterisiert,  ist  gerade  die  persönliche  Note,  das 
otfene  Auge  und  Ohr,  das  Bestreben,  anscliaulich  zu  schildern. 
Man  vergleiche  mit  den  trockenen  Aufzählungen  der  Sehedel, 
Münster,  Postellus,  Schardius,  Andre  Thevet  etc.  und  ihres 
darin  getreuen  Abbildes,  der  auf  Schedel  beruhenden  Be- 
schreibung bei  Spies,  einmal  die  kurze  Stelle  über  das  nicht 
weit  von  Krakau  liegende  Salzwerk,  unter  dem  nach  meiner 
Ansicht  nur  Wieliczka  zu  verstehen  sein  kann  (S.  67),  Man 
sieht  sie  vor  sich,  die  kolossalen,  neunhundert  bis  tausend  Pfund 
schweren  Steinsalzblöcke,  mit  ihrer  Erdkruste  „as  hlack  as  the 
NetvcasÜe  cooles",  wenn  sie  losgebrochen  werden,  aber  „as  white 
as  snoive",  wenn  sie  zerschlagen  sind.  Die  einzige  Beschreibung 
von  Wieliczka,  die  mir  begegnet  ist,  findet  sich  in  der  „Cos- 
mograplüe  universelle"  von  Andr^  Thevet  (Paris,  1575)  II, 
Livr.XX,  Cap.  2,  S,  884r:  „Je  ne  veux  ouhlier  un  village,  nomme 
Wislicie,  distant  de  quelques  cinq  Heues  de  Cracovie,  aupres 
duqiiel  y  a  force  marests  et  de  Grenouilles  une  milliace,  les- 
quelles  ne  crient  en  Hyver  ne  en  Este,  comme  fönt  Celles  de 
pardega  . . ."  Dann  folgt  eine  Anekdote  von  der  Heilung  eines 
Kranken  durch  die  Galle  eines  Fisches  und  eine  Beschreibung 
der  grolsen  Müekensch wärme.  Von  dem  Wichtigsten,  dem 
Salzwerk  also  keine  Spur.-)   —   Da  das  nicht  uninteressante 

')  Mit  freundlicher  UnterstUtzaug  des  Prlvatdozentea  Dr.,  August 
AVolkenhauer  in  Göttingen,  sowie  meines  Bruders,  des  wissenschaftlichen 
Hilfslehrers  Martin  Rohde,  damals  in  Güttingeu. 

2)  Ebenso  erwähnt  der  Verfasser  des  deutscheu  suwohl  wie  der  des 
englischen  Faustbuches  in  dem  verhältnismäfsig  langen  Abschnitt,  der  von 
der  Stadt  Köln  handelt  (Spies,  S.  60f.,  Engl.  F.-B.  S.  60)  wohl  die  ganz 
unbedeutende  Kirche  von  St.  Ursula,  nicht  aber  den  gewaltigen  Torso  des 
Domes,  der  damals  schon  seit  langer  Zelt  das  Wahrzeichen  der  Stadt  war. 
Beide  kannten  Köln  ebensowenig  ans  eigener  Anschauung  wie  der  Franzose 
Wieliczka. 


232 

Werk  des  Frauzoseu  Andr6  Thevet  vielleicht  mancliem  Leser 
nicht  so  leicht  zugänglich  ist  wie  die  deutscheu  und  die  in 
Deutschland  entstandenen  lateinischen  geographischen  Werke,') 
setze  ich  noch  als  ein  Beispiel  für  viele  seine  Beschreibung 
der  Stadt  Prag  hierher  (a.a.O.  II  S.912r.): 

„  .  .  .  Fragile  ...  est  dkiisee  en  trois;  une  est  apj^elUe  la 
jpetite  Prague,  laquelle  est  arrousee  du  fleuve  Molta:  puis  y 
est  la  nouvelle  Prague:  l'autre  la  vieille  Prague,  tonte  posee 
en  la  planure,  oh  est  le  Palais,  oü  les  causes  se  vuident,  et 
le  College  Royal:  et  est  jointe  ä  la  petite  Prague  par  un  pont 
de  xnerre,  oü  y  a  24  arceanx  sur  le  Molta:  et  en  ceste  petite  est 
Vcglise  Cathedrale.  Ceste  rille  se  peut  esgaller  ä  Florence  en 
Itale,  soit  en  beautc,  soit  en  grandeur"  Sehen  wir  von  dem 
Vergleich  mit  Florenz  ab,  so  wird  jedem  die  Ähnlichkeit  mit 
dem  Bericht  des  deutschen  Volksbuches  auffallen,  die  bis  zu 
der  —  auch  von  dem  Engländer  gebrachten  —  Zahl  24  der 
Brückenbogen  geht.  Von  dem,  was  der  Übersetzer  selbständig 
hinzugefügt,  findet  sich  hier  ebensowenig  wie  in  den  deutschen 
und  lateinischen  Werken  jener  Zeit,  soweit  sie  mir  zur  Kenntnis 
gekommen  sind. 

Ich  muls  also,  um  zum  Schlüsse  zu  kommen,  noch  einmal 
betonen,  dafs  ich,  nach  weiterer  eingehender  Prüfung  der  vor- 
liegenden Tatsachen,  die  Annahme  einer  zweiten  schriftlichen 
Quelle  des  englischen  Faustbuches  neben  Spies  (abgesehen 
vielleicht  von  handschriftlichen  Einzeluotizen)  nach  wie  vor 
für  ausgeschlossen  halte.  Ebenso  erscheinen  mir  die  von  Max 
Förster  erhobenen  Bedenken  nicht  erheblich  genug,  um  die 
Vermutung,  John  Dee  stecke  hinter  dem  anonymen  Verfasser 
des  englischen  Faustbuches,  zu  widerlegen.  Es  liegt  bis  jetzt 
keine  Tatsache  von  Belang  vor,  die  sich  gegen  diese  von  mir 
aufgestellte  und  mit  äufsern  und  Innern  Gründen  gestützte 
Hypothese  mit  Erfolg  ins  Feld  führen  lielse. 


')  Von  letzteren  nenne  ich  aufser  Simon  Scliardius,  Historicum 
opus  (Basel  1574)  und  Gull.  Postellns,  Cosmographicae  disciplinae  com- 
pe)idium  (Basel  1561)  noch:  Franciscus  Irenicus,  Gerinaniae  exegeseos 
vol.  XII  (Hagenau  1518). 


W.M.Thackerav  über  die  Liebe. 


Von 


Theodor  Mühe. 


To  loce  and  tvin  is  ihe  best  thmg, 
to  love  and  lose  is  the  next  best. 

In  allen  grolsen  und  in  den  meisten  kleineren  Werken 
W.  M,  Thackerays  ist  Liebe,  im  weitesten  Sinne,  letzten  Endes 
das  ausschlaggebende  Agens  allen  Geschehens,  und  an  der  be- 
sonderen Art,  Tvie  seine  einzelnen  Geschöpfe  sich  als  Liebende 
oder  Geliebte  verhalten,  pflegt  der  Dichter  in  erster  Linie  ihre 
Persönlichkeit  überhaupt  deutlich  zu  machen.  Trotzdem  ist 
kaum  ein  Schriftsteller  in  der  neueren  Romanliteratur  so  be- 
harrlich und  ängstlich  wie  gerade  Thackeray  an  der  Detail- 
schilderung von  Liebesszenen  vorbeigegangen,  und  hat  es 
keiner  so  konsequent  vermieden,  das  Seelenleben  Liebender  in 
Individualfällen  zu  analysieren,  wie  dieser  Meister  realistischer 
Kleinmalerei  und  psychologischer  Analyse.  Die  Erklärung 
dieses  seltsamen  Widerspruchs  gibt  an  zwei  Stellen  seiner 
Romane  der  Autor  selbst.  In  der  Shabby  Genteel  Story 
S.  80 ')  sagt  er :  It  cannot  he  from  want  of  experietice  tliat  I  am 
imable  to  descrihe,  step  hy  step,  the  progress  of  a  love  affair; 
nay,  I  am  perfectly  certain  that  1  could,  if  I  chose,  maJce  a 
most  astonishing  and  heart-rending  Über  amoris;  hut  never- 
theless,  I  ahvays  feel  a  rast  repugnance  to  ihe  followmg  out 
of  a  subject  ofthis  Jciml,  which  I  attribute  to  a  natural  diffidence 
and  sharne  that  prevent  me  from  enlargmg  on  a  theme  that 
has  in  it  something  sacred  —  certain  arcana  which  an  honest 
man,  althoagh  initiated  into  them,  should  not  divulge. 


')  Alle  Zitate  beziehen  sich  auf  die  Gesamtausgabe  von  Thackerays 
Werken  in  26  Bänden  im  Verlage  von  Smith,  Eider  &  Co.,  London.  Die 
im  gleichen  Verlage  1SS6  veröffentlichten  Extracts  from  the  Writings  of 
W.  M.  Thackeray  enthalten  gleichfalls  einen  Teil  der  weiterhin  gegebeneu 
Belege,  waren  aber  für  die  folgenden  Ansfiihrungen  ebenso  wie  für  meine 
früheren  üntersachungen  zu  Thackerays  Ethik  nicht  verwendbar. 


ä 


235 

If  such  coy  scniples  and  UusMikj  delicact/  prevent  one 
from  passing  the  threshold  even  of  an  honowahle  love,  and 
setting  down,  at  so  mang  guineas  or  Shillings  per  page,  the 
pious  emoUons  and  tendernesses  of  two  persons  chastelg  and 
legally  engaged  in  sighing,  ogJing,  hand-squceziiig,  kissing,  and 
so  forth  (for  with  such  outward  sig7is  I  belicve  that  the  passion 
of  love  is  expressed),  if  a  man  feel,  I  sag,  squeamish  about 
descrihing  an  innoce^it  love,  he  is  douhly  disinclined  to  descrihe 
a  guiJty  one;  and  1  haue  alwags  feit  a  kind  of  loathing  for 
the  skill  of  such  geniusses  as  Eoassean  or  llichardson,  who 
could  imint  ivhith  such  painful  accuracy  all  the  struggles  and 
woes  of  Hclo'ise  and  Clarissa,  —  all  the  ivicked  arts  and 
triumphs  of  such  scoundrels  as  Lovelace. 

Diese  Bemerkungen  finden  ihre  Ergänzung  im  2.  Band  der 
Vivginiaus  S.  171:  I  protest  for  one,  love  is  sacred.  Wherever 
I  see  it  (as  one  sometimes  may  in  the  ivorld)  shooting  suddenly 
out  of  two  pair  of  eyes;  or  glancing  sadly  even  from  one  pair; 
or  looking  doivn  from  the  mother  to  the  haby  in  her  lap;  or 
from  papa  at  his  girVs  happiyiess  as  she  is  whirling  round  the 
room  with  the  captain;  or  from  John,  Anderson,  as  his  old 
tvife  comes  into  the  room  —  the  bonne  vieille,  the  ever 
peerless  among  women;  wherever  I  see  that  signal,  I  sag,  let 
US  salute  it.  It  is  not  only  ivrong  to  Jciss  and  teil,  but  to  teil 
about  kisses.  Everybodg  who  has  been  admitted  to  the  mystery, 
—  hush  about  it.  Down  with  him  qui  Deae  sacrum  vulgat 
vulgarit  arcanae.  Beware  how  you  dine  ivith  him,  he  will 
print  your  private  talk :  as  sure  as  you  sail  with  him,  he  will 
throw  you  over. 

Die  Scheu  vor  der  Entweihung  von  etwas  Heiligem,  als 
das  ihm  unter  allen  Umständen  die  Liebe  galt,  und  zugleich 
das  Gefühl  eine  Art  Vertrauensbruch  zu  begehen  durch  Ent- 
hüllung von  Gedanken  und  Gefühlen,  die  jeder  nur  sieh  selbst 
oder  doch  nur  einem  einzigen  anderen  Mensehen  einzugestehen 
pflegt,  hinderte  Thackeray,  anders  als  andeutungsweise  und 
skizzenhaft  auf  die  Bekundungen  der  Liebe  und  Leidenschaft 
bei  seinen  Personen  einzugehen.  Vielleicht  werden  solche  zu- 
mal bei  einem  realietischen  Schriftsteller  immerhin  etwas 
eigentümlich  anmutenden  Bedenken  einigermafsen  begreiflich, 
wenn  man  sich  Thackerays  ganz  einzigartiges  Verhältnis   zu 


236 

den  von  ihm  gescbaffeDen  Gestalten  vergegenwärtigt.  .,1  donH 
control  my  characters,  I  am  in  their  hands,  and  they  talce  me 
where  they  please.  The  personage  does  or  says  something,  and 
I  asl;  »How  the  diclcens  did  he  come  to  thinh  ofthat?«'',  sagt 
er  von  ihnen.  Sie  sind  ihm  durchaus  Realitäten,  gute  Be- 
kannte, deren  Denken  und  Handeln  vor  ihm  wie  vor  einem 
Beichtiger  offen  daliegt,  und  zu  denen  er  höchst  persönliche 
Beziehungen  von  Sympathie  und  Antipathie  unterhält,  wenn- 
schon er  durch  die  Objektivität  seines  Urteils  über  sie  zu 
zeigen  weifs,  dafs  alles  verstehen  alles  verzeihen  heilst.  Mag 
sieh  der  Dichter  nun  im  allgemeinen  auch  an  das  Beicht- 
geheimnis durchaus  nicht  gebunden  halten,  für  ihr  Liebesleben 
heilst  es  bei  ihm  in  gewisser  Beziehung:  Diskretion  Ehrensache! 

Diese  Rücksicht  auf  seine  eigenen  Geschöpfe  darf  nicht 
als  eine  Art  Maskierung  engherziger  Prüderie,  wie  sie  Thackeray 
wohl  gelegentlich  vorgeworfen  wird,  aufgefafst  werden;  sie  ist 
vielmehr  der  aufrichtige  Ausdruck  einer  feinfühligen  Ritter- 
lichkeit. Dals  Thackeray  durchaus  nicht  prüde  ist,  und  im 
gegebenen  Zusammenhang  die  Dinge  sehr  wohl  beim  rechten 
Namen  zu  nennen  weils,  davon  ist  im  folgenden  mehr  als  ein 
Bew^eis  enthalten.  So  spärlich  und  unbestimmt  nämlich  in 
seinen   Romanen   Liebesbeziehungen   in    ihrer   Entstehung   und  _ 

Entwicklung  an  konkreten  Handlungen  und  individuellen  Seelen-  IJ 

Vorgängen  praktisch  demonstriert  werden,  so  reichlich  und 
präzise  unterrichten  uns  über  des  Autors  Beobachtungen  und 
Auffassung  über  die  Liebe  zahlreiche  theoretische,  durch  eine 
Fülle  überaus  lebendig  erschauter  Musterbeispiele  illustrierte 
Erörterungen,  die  zwischen  der  Schilderung  der  Begebenheiten 
eingestreut  sind. ')  Diese  Erörterungen  mögen  über  das  vor- 
liegende Thema  Auskunft  erteilen. 

Liebe   im  weitesten  Sinne   ist  für  Thackeray  die  in  allen 

Menschen   vorhandene   Fähigkeit  zum  Altruismus;   sie   ist   die 

eigentliche  ethische  Kraft,  die  je  nach  dem  Grade  ihrer  Stärke 
den   moralischen  Wert  jeder  Persönlichkeit   bestimmt;   sie   ist 

das   Mysterium,    durch   das  der  Mensch   über   die    Schranken 

')  Über  den  Zusammenhaug  von  Thackerays  Auffassung  der  Liebe 
mit  seiner  Ethik  überhaupt,  soweit  diese  aus  direkten  Zeugnissen  zu  er- 
schliefsen  ist,  cf.:  Zw  Ethik  W.  M.  Thackerays ,  Prograrambeilage  der 
O.-R.-S.  Hamburg,  Eimsbüttel  1910. 


237 

seiner  ludividualität  liinaiisg'cliobeii  wird  «nd  sich  selbst  im 
Nächsteu  ahnt;  in  dem  er  sieh  geborgen  fUhlt,  und  dem  er  in 
entscheidenden  Lebensfragen  mehr  vertraut  als  selbst  seinem 
Egoismus:  What  is  the  sccrct  mcsmcrism  tvhlch  frmulship 
jjossesses,  and  ander  which  a  person  ordinarily  sluggish  or  cold, 
or  timid,  hecomes  wisc,  adive  and  resolute,  in  anothcr's  hchalf'^ 

—  you  sce,  under  the  magnctism  of  frioidship,  the  modest  man 
beconie  bohl,  ihe  shij  confident,  the  lazy  adive,  or  the  impetuous 
prudent  and  peacefal.  What  is  it,  an  the  other  hand,  that 
makes  the  lawyer  escheiv  his  oivn  cause,  and  call  iii  his  learned 
hrother  as  an  aduiser?  And  what  causes  the  dodor,  when 
ailing,  to  send  for  his  rival,  and  not  sit  doiun  and  examine 
his  own  tongue  in  the  chimney  glass  or  ivrite  his  own  pre- 
scription  at  his  study-faUc?  (Vanity  Fair  I,  234). 

Unbegreiflich  in  ihrem  Ursprung  und  ihrer  Wirkung,  ist 
die  Liebe  —  wie  der  Hafs  —  eine  elementare  Gewalt,  die 
aller  Berechnung  spottet:  Pcoplehaie,  as  they  love,  ureasonahly. 
Whether  is  it  the  more  mortifying  to  us,  the  feel  that  we  are 
disliJced  or  liJced  undcservedly?   (New  com  es  II,  205). 

Die  Liebe  ist  überall  die  gleiche  geheimnisvoll  heilige  Macht, 
„shooting  suddenly  out  of  two  pairs  of  eyes,  glancing  sadly 
even  from  one  pair,  looJcing  doivn  from  the  mother  to  the  haby 
in  her  lap,  or  from  papa  at  his  girVs  happiness,  or  from  John 
Anderson  as  his  old  ivife  comes  into  the  roo7n"  (s.  o.).  Es  gibt 
nicht  verschiedene  Arten  der  Liebe,  sondern  nur  verschiedene 
Anlässe  zu  ihrer  Betätigung;  es  gibt  also  auch  in  diesem  Sinne 
keine  erste,  zweite  und  fernere,  sondern  immer  nur  die  eine 
Liebe,  die  von  Anbeginn  in  der  Natur  eines  jeden  Menschen- 
kindes  begründet  liegt  und  der  Betätigungsgelegenheit  harrt: 

I  donH  believe  there  is  any  such  thing  Jcnoivn  as  first  love 

—  7iot  within  man's  or  tvoman^s  memory.  No  male  or  female 
rememhers  his  or  her  own  christening.  What?  You  faricy  that 
your  sweet  mistrcss,  your  spoiless  spinster,  your  blanJc  maiden 
just  out  of  the  schoolroom,  never  carcd  for  any  but  you?  And 
she  teils  you  so?  0,  you  idiot!  When  she  was  four  years  old 
she  had  a  tender  feeling  towards  the  Buttons  who  brought  the 
coals  up  to  the  nursery,  or  the  little  sweep  at  the  crossing,  or 
the  music  master,  or  never  mind  whom.  She  had  a  secret 
longing  towards  her  broihe/s  schoolfellotv,  or  the  third  charity 


238 

hoy  at  church,  and  if  occasion  liad  scrved,  the  comedij  enacted 
ivith  you  liad  heen  performed  along  with  another.  I  do  not 
mean  to  saij  that  shc  confesscd  this  amatory  sentiment,  hut  that 
she  had  it.  Lay  doivn  this  page,  and  thinh  how  many  and 
many  a  time  you  ivcre  in  love  before  you  seleded  the  present 
Mrs.  Jones  as  the  partner  of  your  name  and  aff'ection 
(Virg-inians  I,  206). 

Unter  den  Anlässen  zu  altruistischer  Betätigung  hat  der 
Geschlechtstrieb  den  Geist  der  Liebe  zu  beschwören  die  all- 
gemeinste und  gröfste  Macht.  Durch  ihn  geweckt  und  von 
ihm  beherrscht,  dient  die  Liebe  der  Erhaltung  der  Gattung. 

If  Nature  had  not  made  that  j^^'ovision  for  each  sex  in  the 
credulity  of  the  other,  which  sees  yood  qualities  where  7ione 
exist,  good  looJcs  in  donheys  eai's,  wit  in  their  numshulls,  and 
music  in  their  hray,  there  would  not  have  heen  near  so  much 
marrying  and  giving  in  marriage  as  now  obtains,  and  as  is 
necessary  for  the  due  propagation  and  cojitinuance  of  the  noble 
raee  to  ivhich  we  belong  (Pendennis  IT,  301).  Mit  unge- 
schminkter Deutlichkeit  wird  der  wahre  Sinn  der  durch  Eros 
entzündeten  Liebe  gegenüber  ethischem  und  religiösem  Phrasen- 
tum  hervorgehoben.  Daher  heilst  es  mit  Bezug  auf  den 
Mann: 

What  is  the  meaning  of  fidclity  in  love,  and  whence  the 
birth  of  it?  'Tis  a  state  of  mind  that  men  fall  into  and 
depending  on  the  man  rather  than  the  woman.  We  love  being 
in  love,  ihafs  the  truth  on't.  If  ive  had  not  met  Joan,  we 
should  have  met  Kate,  and  adorcd  her.  We  Jcnoiv  our  inistresses 
are  no  better  than  many  other  ivomen,  nor  no  wittier.  'Tis 
not  for  these  reasons  we  love  a  woman  or  for  any  special 
quality  or  cliarm  I  knoiv  of;  tve  might  as  well  demand  that  a 
lady  should  he  the  tallest  woman  in  the  ivorld  like  the 
Spropshire  giantess,  as  that  she  should  be  a  paragon  in  any 
other  character,  before  we  began  to  love  her  (Esmond  11,288). 

Und  von  der  Frau  gilt  im  wesentlichen  dasselbe: 

You  have  an   instinct  ivitldn  you  which   inclines  you  to 

attach  yourself  to   some   one:  you  meet   Somebody:  you  hear 

Somebody  constantly  x^raised:  you  walk,   or  ride,   or  lüaltz,  or 

talJc,   or  sit   in   the  same  pew  at  church  with  Somebody:   you 


239 

meet  again  and  again,  and  —  »3farriages  are  made  in  Rcaveni-, 
your  dear  manima  saijs,  xrinning  gour  orange-flower  wreath  on, 
tvith  her  hlcssed  eyes  dinimcd  ivith  tears  —  and  thcrc  is  a 
ivedding  hvcalcfast,  and  you  iahe  off  your  white  salin  and  retire 
to  your  coach-and-four,  and  you  and  he  are  a  happy  jiair  — 
Or,  the  affair  is  hrolcen  off,  and  then,  poor  dear  wounded  heart! 
ivhy  then  you  meet  Somebody  Else,  and  tivine  your  young 
affedions  round  numher  tivo.  It  is  your  nature  so  to  do.  Do 
you  suppose  it  is  all  for  the  man's  sähe  that  you  love,  aiid  not 
a  bit  for  your  oivn?  Do  you  suppose  you  ivould  drinlc  if  you 
were  not  thirsty,  or  eat  if  you  were  not  hungry?  (Pendennis 
II,  164). 

Die  Tatsache,  dafs  in  diesem  Zustande  alle  altruistischen 
Kräfte,  die  bei  der  Mehrheit  der  Menschen  sonst  latent  zu 
bleiben  pflegen,  plötzlich  frei  werden  und  die  Natur  des  ein- 
zelnen in  g-anz  ungewohntem,  abnormem  Lichte  erseheinen 
lassen,  gibt  nicht  selten  der  Liebe  den  Anstrich  einer  Krank- 
heit. Infirmity,  evil,  disease,  siehiess,  complaint,  intoxicatiofi, 
delirium  werden  daher  bei  Thackeray  als  Synonyma  für  love 
gebraucht.  Das  Übel  erfafst  jeden  zu  seiner  Zeit  und  nimmt 
fast  stets  denselben  typischen  Verlauf: 

For  it  is  my  opinion,  Madam,  that  love  is  a  bodily  i7i- 
firmity,  from  which  humanhiyid  can  no  more  escapc  than  from 
small  pox;  and  ivhich  attracts  euery  one  of  us,  from  ihe  first 
duhe  in  the  Feerage  down  to  Jach  Ketch  inclusive;  ivhich  has 
no  respect  for  ranh,  virtue  or  roguery  in  a  man,  hut  sets  each 
in  his  turn  in  a  fever;  which  breahs  out  the  deuce  hnoivs  hotv 
or  ivhy,  and  raging  its  appointed  time,  fills  each  individual  of 
the  one  sex  with  a  blind  fury  and  longing  for  some  one  of 
the  other  (who  mag  be  pure,  gentle,  blue-eyed,  beautiful,  and 
good;  or  vile,  shrewish,  squinting,  hunchhached,  and  hideous, 
according  to  circumstances  and  luch) ;  ivhich  dies  aivay,  perhaps 
in  the  natural  course,  if  left  to  have  its  wag,  but  which  contra- 
diction  causes  to  rage  more  furiously  than  ever  (Catherine 
IL  31). 

Die  Symptome  dieser  Krankheit,  die  in  Wirklichkeit  keine 
ist,  sind  nun  infolge  des  Gegensatzes  von  Schein  und  Sein  für 
den  Unbeteiligten  äufserst  belustigend.  Mit  besonderem  Nach- 
druck verweilt   der  Dichter   immer  wieder   auf  der  Blindheit 


240 

gegenüber  allem  Realen,  mit  der  Liebende  geschlagen  zu  sein 
pflegen;  so  wenn  es  sieh  um  den  vor  keinem  Vernunfttribunal 
zu  rechtfertigenden  Energieaufwand  handelt,  der  in  solchem 
Zustande  entwickelt  wird: 

The  heilig  ivhom  a  young  man  wishes  to  see,  he  sees.  What 
business  is  supcrior  to  that  of  seeing  her?  'Tis  a  litth  Helles- 
pontine  matter  Jceeps  Leander  from  his  Ilero?  He  ivould  die 
rather  than  not  see  her.  Had  he  sivum  out  of  that  difficulty 
071  that  stormy  night  and  carried  on  a  few  months  later,  it 
might  have  been:  »Belored!  my  cold  and  rheumatism  are  so 
severe  that  thc  doctor  says  I  must  not  thinh  of  cold  bathing 
at  night <.<;  or  »Dearestf  ive  have  a  party  at  tea,  and  you 
must'nt  exped  your  ever  fond  Lambda  to  night <.<■,  and  so  forth, 
and  so  forth.  But  in  thc  heat  of  his  2)assio7i  water  could  not 
stay  him;  tempest  could  yiot  frighten  him;  and  in  one  of  them 
he  went  down,  white  poor  Herd's  lamp  ivas  tivinhling  and 
spcnding  its  best  flame  in  vain  (Philip  1,2);  oder  wenn 
plötzlich  Urteile  und  Sympathien  der  Betroffenen  ganz  neue 
Richtung  erhalten.  „Er"  entdeckt  ungeahnte  Vorzüge  bei  allen 
Personen,  die  zu  „ihrem"  Lebenskreis  gehören  und  ist  von 
rührender  Nachsicht  für  alles  dort  etwa  vorhandene  Unzu- 
längliche: 

When  a  man  is  in  love  with  one  ivoman  in  a  family,  it 
is  astonishing  hoiv  fond  he  becomes  of  every  person  coimected 
with  it.  He  ingratiates  himself  with  the  maids;  he  is  bland 
ivith  the  butler;  he  interests  himself  about  the  footman;  he 
runs  on  errands  for  the  daughters;  he  gives  advice  and  lends 
moncy  to  the  young  son  at  College;  he  pats  little  dogs  which 
he  would  liick  otherivise;  he  smiles  at  old  stories  which  woidd 
mähe  him  break  out  in  yawns,  werc  they  uttered  by  any  one 
but  papa;  he  drinlcs  siveet  port  ivine  for  which  he  ivould  curse 
the  Steward  and  the  whole  comynittee  of  a  club;  he  bears  cven 
with  the  cantanJcerous  old  maiden  aunt;  he  heats  time  when 
darling  little  Fanny  performs  her  inece  on  the  piano;  and 
smiles  when  iviched  lively  little  Bobhy  upsets  the  coffee  over 
his  shiii  (Virginiaus  1,178). 

„Sie"  gibt  „ihm"  natürlich  in  dieser  Hinsicht  nichts  nach: 

People  will  grow  interesting  to  them  for  ivhom  they  did 
not  care  sixpence  on  the  day   before;  as   on  the  other  hand 


241 

persans  of  whom  thcij  fancied  themselves  fond  tviU  he  foimd 
to  liave  become  msipid  and  disagreeahle.  Then  youv  dearest 
Eliza  or  Maria  of  the  other  day,  to  ivhom  you  wrote  letters 
and  sent  loclcs  of  hair  yards  long,  ivill  on  a  sudden  he  as  in- 
different to  you  as  your  stujndest  relation;  irilst  on  the  contray, 
ahoiit  his  rclations  you  ivill  hegin  to  feel  such  a  ivarm  inierest! 
such  a  loving  desire  to  ingratiate  yourself  with  his  mamma! 
such  a  Jiking  for  that  dear  kind  old  man  his  father!  If  He 
is  in  the  hahit  of  visiting  at  any  house,  tvhat  advances  you 
will  make  to  visit  there  too!  If  He  has  a  married  sister,  you 
will  like  to  spend  long  mornings  tvith  her.  You  will  fatigue 
your  servant  by  scnding  notes  to  her,  for  which  there  will  he 
the  most  pressing  occasion,  twice  or  thrice  in  a  day.  You  will 
C7'y  if  your  mamma  ohjccts  to  your  going  too  often  to  see  His 
family.  The  only  one  of  them  you  ivill  dislikc,  is  perhaps 
his  younger  brother,  ivho  is  at  home  for  the  holidays,  and  who 
will  persist  in  staying  in  the  room  when  you  come  to  see 
your  new  dear  friend,  his  darling  second  sister  (Pendennis 
II,  9). 

Absolute  Sorglosigkeit  und  Verkennuug  der  Schwierig- 
keiten, die  das  nüchterne  Alltagsleben  idealen  Liebesträumen 
nur  zu  oft  entgegenstellt,  sind  natürliche  Begleiterscheinungen 
der  Liebesblindheit: 

Love  in  some  passionate  and  romantic  dispositions  nevcr 
regards  consequences,  or  measures  accomodation.  Who  has  not 
experienced  that  frame  of  mind;  what  thrifty  ivife  has  not  seen 
and  lamentcd  her  husband  in  that  condiiion;  ivhen,  with  rather 
a  heightened  colour  and  a  deuce-may-care  smile  on  his  face, 
he  comes  home  and  announces  that  he  has  asked  twenty  people 
to  dinner  next  Saturday?  He  doestiH  know  ivhom  exactly;  and 
he  does  know  the  dining-room  ivill  only  hold  sixteen.  Never 
mind!  Two  of  the  prettiest  girls  can  sit  upon  young  gentlemen^s 
knees;  others  won't  come:  there' s  sure  to  be  plenty!  In  the 
intoxication  of  love  people  venture  upon  this  dangerous  sort  of 
housekeeping ;  they  don't  calculate  the  resources  of  their  dining- 
table,  or  those  inevitable  butchers'  and  fisher-mongers'  hills  which 
will  he  brought  to  the  ghastly  housekeeper  at  the  heginning 
month  (Virginians  II,  216). 

Die  Nutzlosigkeit  des  Bemühens,  durch  Vernunfteinwirkung 

Studien  z.  eugl.  Phil.     L.  \Q 


242 

einem    „Übel"    abzuhelfen,    »wliich    coniradiciion    causes    to 
rage  more  furiously  than  ever«,  liegt  auf  der  Hand: 

Ä  man  gets  his  own  cxperience  about  women,  and  ivill 
tdke  ndbodr/s  hearsay;  nov,  indeed,  is  the  young  fellow  worth 
a  fig  that  woidd.  ^Tis  I  that  am  in  love  ivith  my  mistress, 
not  my  old  grandmother  that  counsels  me:  'tis  I  that  have 
fi.red  the  value  of  the  thing  I  ivould  have,  and  Icnoiv  the  prlce 
I  would  pay  for  it.  It  may  he  ivorthless  to  you,  hut  'tis  all 
my  life  to  me  ...  There's  some  particular  prize  ive  all  of  us 
value,  and  that  every  ynan  of  spirit  will  venture  his  life  for. 
With  this,  it  may  he  to  achieve  a  great  reputation  for  learning; 
tvith  that,  to  he  a  man  of  fashion,  and  the  admiration  of  the 
toum;  with  another,  to  consummate  a  great  ivorh  of  art  or 
poetry,  and  to  go  to  immortality  that  ivay;  and  tvith  another, 
for  a  certain  tiyne  of  his  life,  the  sole  ohject  and  aim  is  a 
woman  (Esmond  111,326). 

Infolge  der  in  ihrem  Zustand  begründeten  Beschränkung 
ihrer  Urteilsfähigkeit,  können  Liebende  nicht  im  vollen  Umfang 
für  ihr  Handeln  verantwortlich  gemacht  werden: 

It  is  7iot  fair  to  taJce  down  a  young  fellow^s  words  when 
he  is  raging  in  that  delirium.  Suppose  he  is  in  love  with  a 
woman  tivice  as  old  as  himself  have  ive  not  read  ofthe  young 
gentleman  who  committed  suicide  in  consequence  of  his  fatal 
passion  for  Mademoiselle  Ninon  de  VEnclos  who  tarned  to  he 
his  grandmother 'i'  Suppose  thou  art  maJcing  an  ass  of  thyself, 
young  Harry  Warrington  of  Virginia!  are  there  not  people  in 
England  who  hehaw  too?  Kich  and  ahuse  him,  you  ivho  have 
never  hrayed;  hut  hear  with  him,  all  holtest  felloiv-cardophagi: 
long-eared  messmates,  recognise  a  hrother  donhey!  (Virginians 
I,  173). 

Besondere  Gefahren  birgt  die  Liebesblindheit  für  diejenigen, 
deren  Liebe  keine  Erwiderung  findet,  aber  aus  Berechnung  er- 
hört wird;  rettungslos  erliegen  ihnen  zumeist  die  Betroffeneu: 

When  men  of  a  certain  sort  are  in  love,  though  they  see 
the  hooJc  and  the  string,  and  the  whole  apparatus  tvith  which 
they  are  to  he  tahen,  they  gorge  the  hait  nevertheless  —  they 
must  come  to  it  —  they  must  swalloiv  it  —  and  are  presently 
strucTc   and   landed   gasping   (Vanity  Fair  I,  141).     Zu   spät 


I 


1 


243 

erkennen   sie,   dafs,   was   sie   flir  Gegenliebe  hielten,  lediglich 
ein  Spiegelbild  ihrer  eigenen  Leidenschaft  war: 

That  silly  dog  (of  ivJiom  Äesoj)  or  the  SpelUng-hooJc  used 
io  teil  US  in  ijouth)  beheld  a  heeßone  in  the  pond,  and  snapped 
at  it,  and  lost  the  heefbone  he  icas  carrying.  Oh,  absurd  cur! 
He  saiv  the  beefbone  in  his  uivn  mouth  reflcded  in  the  treacherous 
pool,  n'hich  dimpled,  I  dare  say,  ivith  ever  so  many.  smiles, 
coolly  sucked  up  the  meat,  and  returned  to  its  usual  placidity. 
Ah!  lühat  a  heap  of  tvrech  lies  bencath  some  of  those  quiet 
surfaces!  What  treasures  we  have  dropped  into  them!  Wliat 
chased  golden  dishes,  n-hat  precious  jeivels  of  love,  tvhat  bones 
after  bones,  and  sweetest  heart's  fiesh!  Do  not  some  very 
faithful  and  unluchj  dogs  jump  in  bodily,  when  they  are 
Sivalloived  up  heads  and  tails  entirely?  When  some  ivomen 
comc  to  be  dragged,  it  is  a  marvel  tvhat  ivill  be  found  in  the 
depths  of  them.  Cavete  canes!  Have  a  care  lunv  ye  lap 
that  water.  What  do  they  ivant  ivith  us,  the  mischievous  syren 
sluts?  Ä  green-eyed  Naiad  neuer  rests  until  she  has  in- 
veigled  a  felloiv  under  the  water;  she  sings  after  him,  she 
dances  after  him;  she  winds  round  him,  glittering  tortuously ; 
she  tvarbles  and  whispers  dainty  secrets  at  his  cheeJc,  she  Jcisses 
his  feet,  she  leers  at  him  from  out  of  her  rushes:  all  her  beds 
sigh  out,  >yCome  siveet  youth!  Hither,  hither,  rosy  Hylas!  Pop 
goes  Hylas.  (Surely  the  fable  is  reneived  for  ever  and  ever?) 
Has  his  captivator  any  pleasure?  Doth  she  take  any  account 
of  him?  No  more  than  a  fisherman  landing  at  Brighton  does 
of  one  out  of  a  hundred  thousand  herrings  (Virginians  1,165). 

Auch  von  den  Wirkungen  der  „Blindheit"  abgesehen, 
birgt  die  Liebe  noch  mancherlei  Gefahren  für  Glück  und  "Wohl- 
ergehen derer,  die  sie  befällt. 

Most  of  US  play  ivith  edged  tools  at  some  period  of  our 
lives,  and  cut  ourselves  accordingly.  At  first  the  cid  htirts  and 
stings  and  doivn  drops  the  Jcnife,  and  ive  cry  out  lihe  ivounded 
little  babies  as  ive  are.  Some  very  feio  unluclcy  follcs  at  the 
game  cut  their  heads  sheer  off,  or  stab  themselves  mortally, 
and  perish  outright,  and  there  is  an  end  of  them.  But,  — 
heaven  help  us!  —  7nany  people  have  fingered  those  ardentes 
sagittas  tvhich  Love  sharpens  on  his  tvhetstone,  and  are 
stabbed,  seared,  pricked,  perforated,  tattoed  all  over  with  the 

lü* 


244 

wounds,  u^ho  recover,  and  live  to  he  quite  lively.  Wir  auch 
haue  tasted  das  irdische  Glück:  we  also  have  gelebt  und  — 
und  so  weiter,  Warhle  your  death  song,  sweet  TheJcla! 
Pcrish  off  the  face  of  the  earth],  poor  imlmonary  victim,  if 
so  minded!  Had  you  survived  to  a  later  period  of  life,  you 
would  have  thought  of  a  sentimental  disappointment  ivitliout 
any  reference  to  the  undertaher  (Virginians  I,  306). 

Freilieb,  mag  ihr  Ausgang  sein  wie  er  will,  eine  GlUeks- 
(juelle  ist  jede  Liebe.  Gewährt  glückliche  Liebe  die  höchste 
Lust  auf  Erden,  so  ist  unglückliche  Liebe  noch  immer  freuden- 
reicher als  Liebeleere: 

Something  like  this  will  happen  to  you,  young  ladies,  or, 
at  any  rate,  Ict  us  liope  it  may.  Yes  you  must  go  through 
the  hot  fts  and  the  cold  fits  of  that  pretty  fever.  Your  mothers, 
if  they  ivuidd  achiowledge  it,  have  passed  through  it  iefore 
you  were  hörn,  your  dear  p)apa  heing  the  ohject  of  the  passion, 
—  lüho  could  it  he  hut  he'^  And  as  you  suffer  it,  so  will  your 
hrothers,  in  their  way,  and  after  their  Tcind.  More  selfish  than 
you:  more  eager  and  headstrong  than  you:  they  ivill  rush  on 
their  destiny  ivhen  the  doomed  charmer  maJces  her  appearance. 
Or  if  they  don't  and  you  don't,  Heaven  help  you!  As  the 
gamhler  said  of  his  dice,  to  love  and  win  is  the  hest  thing,  to 
love  and  lose  is  the  next  hest  (Pendennis  11,10).  % 

Doch  80  beseeligend  auch  die  von  Eros  geweckte  Liebe 
ist,  Bestand  hat  sie  nur,  wenn  sie  zu  einem  Bunde  führt,  in 
dem  nicht  allein  Mann  und  Weib,  sondern  Mensch  und  Mensch 
zueinander  finden.  Selten  nur  ist  auf  beiden  Seiten  dazu  gleiche 
Bereitschaft  vorhanden. 

I  have  Seen,  to  he  sure,  some  people  carry  doivn  tvith  them 
into  old  age  the  actual  hloom  of  their  youthfid  love,  and  I 
Jmow  that  Mr.  Thomas  Barr  lived  to  he  a  hundred  and  sixty 
years  old.  Bat,  for  all  that,  threescore  and  ten  is  the  age  of 
men,  and  few  get  heyond  it;  and  His  certain  that  a  man  tvho 
marries  for  mere  heaux  yeux,  considers  his  pari  of  the  con- 
tract  at  an  end  ivhen  the  woman  ceases  to  fulfil  hers,  and  his 
love  does  not  survive  her  heauty.    I  knoiü  His  often  othei'ivise,  \ 

I  say;  and  can  thinh  (as  most  men  in  their  own  expterience 
may)  of  many  a  house,  whe^-e  lighted  in  early  years,  the  sainted 
lamp   of  love  hath  never  heen  extinguished ;  hut  so   there  is 


245 

Mr.  Barr,  and  so  thcre  is  the  grcat  giant  at  thc  fair  that  is 
cight  fcet  high  —  exceptions  to  men  —  aiid  that  poor  lamp 
whercof  I  speak,  that  lights  at  first  thc  nuptial  Chamber,  is  ex- 
tinguished  hg  a  hundred  winds  and  draughts  doicn  the  chimney; 
or  futters  out  for  want  of  feeding.  Änd  then  —  and  then  it 
is  Chloe  i?i  the  dark,  stark  awake,  and  Strephon  snoring  un- 
heeding;  or  vice  versa,  'tis  poor  Strephon  that  has  married 
a  heartless  jilt,  and  awoke  out  ofthat  absurd  vision  of  conjugal 
fclicity,  which  ivas  to  last  for  ever,  and  is  over  like  any  othcr 
dream.  One  and  other  has  made  his  hed,  and  so  must  lie  in 
it,  until  that  final  day  ivhen  life  ends,  and  they  sleep  separate 
(Esmond  1,83). 

Gewöhnlicli  hält  wobl  nur  bei  der  Frau  die  Kraft  der 
Liebe  zu  dauernder  innerer  Vereinigung  vor: 

A  woman's  first  love  lasts  for  ever^)  (a  man's  twenty-forth 
or  tiventy-fifth  is  perhaps  the  best) :  you  canH  kill  it,  do  what 
you  lüHl;  it  takes  root,  and  lives  and  even  groivs,  neuer  mind 
what  the  soil  may  he  in  ivhich  it  is  planied,  or  the  bitter 
weather  it  must  hear  —  often  as  one  has  seen  a  ivall-flower  grow 
—  out  of  a  stone  (Catherine  S.  31). 

Hie  und  da  ist  solche  Beständigkeit  auch  beim  Mann  zu 
finden : 

Some  hoys  have  the  complaint  of  love  favourahlg  and 
gcntly.  Others,  when  ihcy  get  the  fever,  are  sick  unto  death 
with  it;  or  recovering,  carry  the  marks  ofthe  malady  dornt  tvith 
them  to  the  grave  or  to  remotest  old  age  (Virginians  1,173). 

Wo  aber  die  Liebe  keinen  dauernden  Bund  zu  knüpfen 
vermag,  da  hat  ihr  Tod  bittere  Enttäuschung  und  herbes  Leid 
im  Gefolge: 

Who  does  not  know  of  eyes,  lighted  by  love  once,  ivhere 
the  flame  shines  no  more?  oflamps  extinguished,  once p)yoperly 
tnmmcd  and  tended?  Every  man  has  such  in  his  house.'  Such 
mementoes  make  our  splendidest  Chambers  look  blank  aml  sad; 
such  faces  seen  in  a  day  cast  a  gloom  upon  our  sunshine.    So 


')  Diese  Jugcudaaffassnng  hat  Thackeray  in  ihrer  Uubedingtheit 
allerdings  später  fallen  lassen,  indem  er  durch  die  Gestalt  von  Rachael 
Esmond  zeigte,  wie  auch  die  Liebe  der  Frau  ertijtet  werden  kann ;  cf.  auch 
Pendennis  II,  1G4  und  Virginians  I, 'JOti. 


246 

oaths  miduaUy  sioorn,  and  invocations  of  heavcn,  and  priesthj 
ceremonies,  a)id  fond  belief,  and  love,  so  fond  and  faithful  that 
it  never  douhted  btit  that  it  sliould  live  for  ever,  are  all  of  no 
avail  towards  inaJcing  love  eternal:  it  dies,  in  spite  of  the 
hanns  and  the  priest:  and  I  have  oftcn  thought  there  should 
he  a  Visitation  of  the  sich  for  it,  and  a  funeral  service,  and 
an  extreme  nnetion,  and  an  ahi  in  pace,  It  has  its  course, 
liJce  all  mortal  things  —  its  heginning,  progress  and  decay. 
It  huds  and  ends.  Strephon  and  Chloc  languish  apart;  join 
in  rapture:  and  presently  you  hear  that  Chloe  is  crying,  and 
Strephon  has  broken  his  crooh  across  her  back.  Can  you  mend 
it  so  as  to  show  no  marks  of  ruptiire?  Not  .all  the  priests  of 
Hymen,  not  all  the  incantations  to  the  gods,  can  mähe  it 
ichole!  (Esmond  1, 105f.). 

Mit  der  ErnüchteruDg  erfolgt  auch  die  EntdeckuDg  der 
wahren  Beschaffenheit  des  andern.  Die  kalte  Beleuchtung  des 
grauen  Alltags  raubt  dem  einstigen  Idealbild  allen  früheren 
Glanz: 

After  the  illumination,  when  the  love-lamp  is  put  out,  and 
by  the  common  daylight  ive  look  at  the  picture,  what  a  dauh 
it  looks!  what  a  clumsy  effigy!  How  many  men  and  ivives 
come  to  this  knowledge,  think  you?  And  if  it  be  painful  to  a 
lüoman  to  find  herseif  mated  for  life  to  a  boor,  and  ordered 
to  love  and  honour  a  dullard;  it  is  worse  still  for  the  man 
himself  perhaps,  whenever  in  his  dim  comprehension  the  idea 
dawns  that  his  slave  and  drudge  yonder  is,  in  truth,  his 
superior;  that  the  ivoman  ivho  daes  his  bidding,  and  submits 
to  his  humonr,  should  be  his  lord;  that  she  can  think  a  thousand 
things  beyond  the  power  of  his  muddled  brains;  and  that  in 
yonder  head,  on  the  pillow  opposite  to  him,  lie  a  thousand 
feelings,  mysteries  of  thought,  latent  scorns  and  rebellions, 
where  he  only  dimly  percieves  the  existence  as  they  look  furtively 
from  her  eyes:  treasures  of  love  doomed  to  perish  tvithout  a 
hand  to  gather  them;  sweet  fancies  and  Images  of  beauty  that 
would  grow  and  unfold  themselves  into  fioioer;  bright  wit  that 
would  shine  like  diamonds  could  it  be  brought  into  the  sun: 
and  the  tyrant  in  possession  crushes  the  outbreak  of  all 
these,  drives  them  back  like  slaves  into  the  dungeon  and 
darkness,  and  chafes   without  that  his  prisoner  is  rebellious. 


247 

and    his   sworn   suhjed   undutiful   and   refradory    (Esmund 
I,  107). 

So  traurig  das  Erlösehen  der  Liebe  ist,  so  herrlich  und 
erhebend  strahlt  alles  überwindende  standhafte  Liebe: 

Alas  that  youthful  love  and  truth  should  end  in  hitterncss 
and  Mnhniptcy!  To  see  a  yount)  c<mple  loving  tack  othcr  is 
no  ivonder;  hut  to  see  an  old  couple  loving  each  other  is  the 
best  sight  of  all  (Esmond  1,109).  Hallowed  rememhrances  of 
sacred  times!  If  the  sight  of  youthful  love  is  pleasant  to 
behold,  how  mucli  more  charming  the  aspect  of  the  affection 
that  has  survived  years,  sorroivs,  faded  heauty  perhaps,  and 
life's  düidjts,  di/ferences,  trouhle!  (Virginians  1,303). 

Derartig  gefestigte  Liebe  ist  über  Anfechtungen  nicht  nur 
erhaben,  sondern  findet  darin  erst  die  rechte  Gelegenheit  sieh 
zu  betätigen  und  macht  dadurch  das  Unglück  fast  willkommen: 

In  the  midst  of  grief,  Love  the  consolcr  appears  amongst 
US  tvith  such  fond  blandishments  and  tender  caresses,  that  one 
scarce  tvishes  the  calamity  aivay  (Virginians  II,  310). 

Liebe  in  diesem  Sinne  ist  die  Offenbarung  Gottes  im 
Menschen: 

Ash  of  your  oivn  hearts  and  memories,  brother  and  sister, 
if  we  do  not  live  in  the  dead ;  and  (to  speak  reverently)  prove 
God  by  love?  (Pendennis  11,260).  Let  us  bc  thanhful  for 
our  race,  as  ive  thinh  of  the  love  that  hlesses  some  of  us. 
Surely  it  has  something  of  Heaven  in  it,  and  angels  celestial 
niay  rejoice  in  it,  and  admire  it  (Newcomes  I,  174). 

Im  Vergleich  zu  solcher  Liebe  sind  alle  anderen  Lebens- 
güter wertlos  oder  haben  doch  nur  bedingten  Wert.  Unbe- 
dingten Wert  hat  nur  die  Liebe: 

To  be  rieh  to  be  famous?  What  do  these  pro  fit  a  year 
hence,  ivhen  other  namcs  sound  louder  than  yours,  when  you 
lie  hidden  away  under  the  growid,  along  ivith  idle  titles 
engraven  on  y<mr  cofßi?  But  only  true  love  lives  after  you 
—  follows  your  memory  ivith  secret  blessing  —  or  precedes 
you,  and  intercedes  for  you.  Non  omnis  moriar  —  if  dying, 
I  yet  live  iji  a  tender  heart  or  two ;  nor  am  lost  and  hopeless 
living,  if  a  sainted  departed  soul  still  loves  and  2)rays  for  me 
(Esmond  11,203). 


248 

Wahres  und  liöclistes  Glück  ist  daher  auch  nur  in  echter 
reiner  Liehe  zu  erleben: 

Canst  thoii,  0  friendly  reader,  count  upon  the  fidelity  of 
a}i  artless  and  tender  heart  or  tivo,  and  recJcon  among  the 
hlessi)igs  which  lieavcn  hath  hestowcd  on  thee  the  luve  of  faithful 
wmnen?  Purify  thine  oivn  heart,  and  try  to  mähe  it  ivorthy 
theirs.  On  thy  hnees,  on  thy  hiees,  give  thanJcs  for  the  hlessmg 
aicarded  thee!  All  the  prizes  of  life  are  nothing  compared  to 
ihat  onc.  AU  the  rewards  of  amhition,  ivealth,  pleasure,  only 
vanity  and  disappointment  —  grasped  at  greedily  and  fought 
for  fiercely,  and,  over  and  over  again,  found  tvorthless  hy  the 
weary  ivinners.  Bat  love  seems  to  survive  life,  and  to  reach 
heyond  it.  I  think  we  taJce  it  ivith  us  xnist  the  grave.  Do  loe 
not  still  give  it  to  those  ivho  have  left  us?  May  ive  not  hopc 
that  they  feel  it  for  us,  and  that  we  shall  leave  it  here  in  one 
or  two  fond  hosoms,  ivhen  we  also  are  gone?  (Virginians 
I,  196). 

Nur  zu  oft  freilieh  wissen  wir  erst  zu  spät  das  Glück  zu 
erkennen  und  zu  würdigen,  das  treue  Liebe  uns  bot: 

We  taJce  goodness,  for  the  most  2)art,  as  if  it  was  our  due; 
the  Marys  who  bring  ointment  for  our  feet  get  litt  little  thanhs. 
Some  of  US  never  feel  this  devotion  at  all,  or  are  movcd  hy  it 
to  gratitude  or  achiowledgement ;  others  only  reeall  it  years 
after,  when  the  days  are  past  in  ivhich  those  sweet  kindnesses 
ivere  spent  on  us,  and  ive  offer  hack  our  return  for  the  debt 
by  u  poor  tardy  payment  of  tears.  Then  forgotten  tones  of 
love  recur  to  us,  and  kind  glances  shine  out  of  the  past  — 
oh  so  bright  and  clearf  —  oh  so  longed  after!  —  hecause  they 
are  out  of  reach;  as  holiday  miisic  from  u-ithin-side  a  prison 
tvall  —  or  sunshine  seen  through  the  bars;  more  prized  hecause 
unattainahle  —  more  bright  hecause  of  the  contrast  of  present 
darkness  and  solitude,  tvhence  there  is  no  escape  (Esmond  I,  91). 

Doch  es  liegt  Trost  in  dem  Gedanken,  dafs  wir  Liebe 
auch  über  das  Grab  hinaus  noch  nachträglieh  vergelten  können: 

The  old  French  satirist  avers  that,  in  a  love  affair,  there 
is  usually  one  p)erson  luho  loves,  and  the  other  qui  se  laisse 
aimer;  it  is  only  in  later  days  perhaps,  whe)i  the  treasures 
of  love  are  spent,  and  the  kind  hand  cold  ivhich  ministered 
them,  that  ive  remember  how  tender  it  was;  how  soft  to  soothe, 


249 

hoiü  oager  fo  f^hield,  how  readij  io  support  and  caress.  The 
ears  maij  no  longer  hear  which  ivouJd  have  received  our  words 
of  thanJcs  so  deJighfedlij.  Let  iis  hope  fhosc  fmits  of  love, 
though  tardy,  are  yet  not  all  too  latc;  and  tJiough  wc  hring 
our  tributc  of  reverence  and  gratitude,  it  mag  he  to  a  grave- 
stone,  there  is  an  acceptance  even  there  for  the  shicJcen  hearVs 
ohlation  of  fond  remorse,  contritc  memories,  and  pious  tears 
(Neweomes  I,  214). 

Unsere  Fälligkeit,  über  das  Grab  hinaus  zu  lieben,  ist  ein 
Zeichen  dafür,  dafs  die  Liebe  nicht  wie  der  Körper  vergänglich 
ist.  Sie  ist  unsterblich  wie  unsere  Seele.  Keine  Zeit  und 
keine  Trennung  kann  ihr  etwas  anhaben.  Die  folgenden  Be- 
trachtungen über  die  Unsterblichkeit  der  Liebe  finden  sich 
Neweomes  II,  86  (bis  those  we  love?),  (Neweomes  I,  178 
(bis  round  her  hiee),  und  Esmond  111,369): 

If  love  lives  through  all  life;  and  survives  through  all 
sorrow:  and  remains  steadfast  with  us  through  all  changes; 
and  in  all  darkness  of  spirit  hurns  hrightly;  and,  if  we  die, 
deplores  us  for  euer  and  loves  still  equally;  and  exists  ivith  the 
very  last  gasp  and  throb  of  the  faithful  bosom  —  whence  it 
passes  with  the  pure  soul,  beyond  death;  surely  it  shall  be 
immortal!  Though  we  ivho  remaiu  are  separated  from  it,  is 
it  not  ours  in  Heaven?  If  we  love  still  those  ive  lose,  can  ive 
althogether  lose  those  ive  love? 

It  is  an  old  saying  that  we  forget  nothing,  as  people  in 
a  fever  hegin  suddenly  to  talk  the  language  of  thcir  infancy, 
we  are  stricken  hg  memory  sometimes,  and  old  affcctions  rush 
hack  on  us  as  vivid  as  in  the  time  ichen  theg  were  our  daily 
talk,  ivhen  their  presence  gladdened  our  eges,  ivhen  their  accents 
thrilled  in  our  ears,  ivhen  with  passionate  tears  and  grief  we 
fiung  ourselves  upon  their  hopeless  corpses.  Parting  is  death, 
at  least  as  far  as  life  is  coneerned.  A  passion  conies  to  an 
end;  it  is  carried  off  in  a  coffin,  or  weeping  in  a  post  chaise; 
it  drops  out  of  life  one  ivay  or  other,  and  the  earth  clods  close 
over  it,  and  we  see  it  no  more.  But  it  has  been  part  of  our 
Söuls,  and  it  is  eternal.  Does  a  mother  not  love  her  dead  in- 
fant?  a  man  his  lost  mistress?  with  the  fond  loife  nestling  at 
his  side,  —  yes,  with  tiventy  children  smiling  round  her  knee. 
Parting  and  forgetting!    What  faithful  heart  can  do  these? 


250 

Our  ijreat  thoiights,   our  great  affedions,  the   Truths   of  our 

lifo,  never  leave  us.     Siireh/,   theij  cannot  separate  from  our 

coiisciousness ;  shaJl  folloiv  it  ivithersoever  that  shall  go;  and 
are  of  thcir  nature  clivine  and  immortal. 

Die  Liebe  wird  so  zn  jenem  ewig  mächtigen  Band,  durch 
das  Gott  die  vergänglichen  Individuen  untereinander  über 
Kaum  und  Zeit  hinweg  als  Menschheit  dauernd  zusammenfügt 
und  erhält.  In  dieser  ihrer  tiefsten  Bedeutung  erfafst  und 
preist  sie  der  Dichter,  wenn  er  in  der  Voyage  from  Corn- 
hill  to  Cairo  S.  207  sagt: 

The  Malier  has  linhed  togeiher  the  u-hole  race  of  man  with 
this  cliain  of  love.  I  like  to  thinh  that  there  is  no  man  hat 
has  had  kindly  feelings  for  some  other,  and  he  for  his  neighhoar, 
nntil  ive  hind  together  the  tcliole  famiJij  of  Adam.  Nor  does  it 
end  here.  It  joins  heaven  and  earth  together.  For  my  friend 
or  mij  child  of  past  days  is  still  my  friend  or  my  child  here, 
or  in  the  home  prepared  for  us  hy  the  Father  of  all. 


Syiidiesis  und  Analysis  des  Koiijüid^üvs 

in  dem  fiühniiUelenglisehen 

Streitgedielit  „Eule  und  Nacliligall". 


Vou 


Willi  Breier. 


Inhalt. 

Seile. 

Einleitung 252 

I.   Übersicht  über  die  Flexion  des  Verbums  iu  EN 253 

II.   Synthesis  und  Analysis  des  Konjunktivs 255 


Einleitung-. 


In  den  Studien  zur  etiglischen  Philologie,  Heft  40,  hrsg. 
von  L.  Mors b ach  (=  Said.),  hat  W.  Zenke  ausführlich  und 
erschöpfend  die  Synthesis  und  Analysis  des  Verbums  im 
Orrmulum  behandelt.  Mit  Recht  betrachtet  er  seine  Arbeit 
als  einen  Baustein  zu  einer  Geschichte  der  Svnthesis  und 
Analysis  des  Verbums  in  der  englischen  Sprache.  Ehe  diese 
umfassende  Aufgabe  in  Angriff  genommen  werden  kann,  müssen 
zahlreiche  Einzeluntersuchungen  nachweisen,  wie  sich  die  Sprache 
wichtiger  Denkmäler  der  englischen  Literatur  zu  jenem  Ent- 
Avicklungsvorgang  im  Leben  des  Verbums  verhält. 

Die  folgenden  Ausführungen  über  die  Synthesis  und  Ana- 
lysis des  Verbums  in  „Eule  und  Nachtigall"  (:=  EN.)  wollen 
mithelfen,  die  Frage  der  endgültigen  Beantwortung  entgegeu- 
zuführen.  Das  bekannte  frühmittelenglische  Streitgedicht  ist 
wohlgeeignet,  die  Ergebnisse  Zenkes  zu  ergänzen.  EN.  ist  mit 
dem  Orrmulum  etwa  gleichzeitig  entstanden;  denn  diese 
Dichtung  wird  „um  1200"  angesetzt,  vgl.  Morsbach,  Mc.  Gr., 
§  3,  Anm.  2,  und  jene  muls  „kurz  vor  oder  nach  1200"  ver- 
fafst  sein,  wie  ich  in  den  Stud.,  Heft  39,  nachgewiesen  habe. 
Die  Mundart  der  beiden  Dichter  jedoch  ist  wesentlich  ver- 
schieden. Das  Orrmulum  ist  in  der  Sprache  des  Nordens  vom 
östlichen  Mittellande  geschrieben;  EN.  dagegen  weist  sprach- 
lich auf  den  mittleren  Süden  hin,  und  zwar  auf  eine  Graf- 
schaft westlich  von  Hampshire,  vgl.  Stud.,  Heft  39,  §  56. 


253 


T.    Übersicht  ilbor  die  Flexion  des 
Verbiims  in  EK 


§  1.  Die  Sfiul,  Heft  39.  eiithulteu  auf  S.  134—150  eiue 
ausfuhrliebe  Formenlehre  des  Verbums  in  EN.  Flir  den  Zweck 
der  vorliegenden  Abhandlung  genügt  ein  Überblick  über  die 
Flexion  des  Praesens  Indikativ  und  Konjunktiv  sowie  des 
Praeteritums  Indikativ  und  Konjunktiv.  Zum  Vergleich  ist 
das  Bild  beigefügt,  das  die  Flexion  der  entsprechenden  Zeiten 
im  Orrmulum  bietet,  vgl.  Stwl,  Heft  40,  §  60,  2. 


P 

raesens. 

Orrm. 

Indikativ 

EN 

Orrm. 

EN. 

Sing.  1. 

-e 

-e 

Konjunktiv. 

2. 

-esst 

-est 

Sing. 

1 

3. 

-e]>p 

-ep 

Plur. 

-672)1            1 

Plur. 

-67171 

-eP 

Bemerkungen:  1.  Die  Verba  eontracta  und  die  Verben 
auf  -mi  haben  lautgesetzlich  kein  -e  in  der  Endung. 

2.  Synkopierte  Formen  der  2.  und  3.  Sing.  Praes.  Ind.  sind 
im  Orrmulum  und  in  EX.  belegt. 

3.  Das  -i-  der  ursprünglich  kurzsilbigen  Verben  auf  -)' 
und  bei  den  Verben  der  II.  Klasse  der  schwachen  Verben  ist 
im  Orrmulum  geschwunden,  aber  in  EX.  erhalten,  jedoch  hat 
hier  die  Überlieferung  die  ursprünglich  klaren  Verhältnisse 
getrübt. 

4.  Die  der  III.  schwachen  Konjugation  angehörenden 
Verben:  ae.  habhan.  Iibba7i,  sec^{e)an  und  ae.  wilhm  haben  im 
Orrmulum  Ausgleich  zu  Gunsten  des  einfachen  Konsonanten, 
während  EX.  die  alten  Verhältnisse  bewahrt,  die  allerdings 
bei  den  Formen  von  ae.  wilhm  ebenfalls  durch  die  Über- 
lieferung gestört  worden  sind. 


254 


Praet 
Starke  Verben. 

eritum. 

Schwache  Verben. 

Orrm. 

Sing.  1. 
o 

3. 
Plur. 

EN. 
Indikativ. 

—             -e 

-enn            -e{n) 

Orrm.                                EN 
Indikativ. 

Sing.  1.  -de              -de 

2.  -desst          -dest 

3.  -de              -de 
Plur.       -denn          -de{n) 

Sing. 
Plur. 

Konjunktiv. 

-e               -e 
-enn           -e{n) 

Konjunktiv. 
Sing.      -de          \  _^^ 
Plur.       -den7i      J 

Bemerkungen:  1.  Die  ae.  Ablautreihen  haben  sich  wie 
im  Orrmulum  so  auch  in  EN.  im  grofsen  und  ganzen  laut- 
gesetzlich entwickelt,  und  die  verschiedenen  Klassen  der  ab- 
lautenden Verben  sind  im  allgemeinen  gut  erhalten. 

2.  Die  2.  Sing,  ist  im  Orrmulum  wie  ja  in  der  Literatur 
jener  Zeit  überhaupt  verhältnismäfsig  selten  belegt,  vgl.  StudAO, 
§  47.  In  EN.,  dem  Streitgespräch  zwischen  zwei  Gegnern, 
tritt  sie  öfter  auf. 

Die  Praeterito-Praesentia. 
Sie  entsprechen  in  ihren  Formen  im  Orrmulum  und  auch 
in  EN.  im  wesentlichen  dem  Altenglischen,  vgl.  Sievers,  Ags. 
Gr.,  §§  517  ff. 

Das  Verbum  substantivum. 


Praesens. 

Praeteritum. 

Orrm. 

EN. 

Orrm. 

EN. 

Indikativ. 

Indikativ. 

Sg.l.  amm 

am 

Sg.l. 

ivass 

tvas 

2.  -airt  (best) 

art 

2. 

wass 

ivere 

3.  iss  (hej),  beojj) 

is 

3. 

wass 

was 

PL      -sinnden 

h{e)oP 

PL 

wcerenn 

ivere{n) 

{arm) 

Konjunktiv. 

Konjunktiv. 

Sg.      he{o)  {si) 

he{o) 

Sg. 

wcere 

ivere 

PL      Im 

l{e)o{n) 

PI. 

wcerenn 

ivere{n) 

Aum.:   Genaueres  über  die  Verteilung  der  Formen  des  ae.  bion  im 
Orrmulum  vgl.  Stxul.  40,  §  59. 


255 

Zusammenfassung:  Ein  Blick  auf  die  vorstehende  Über- 
sicht lälst  erkennen : 

1.  Im  Orrmulum  unterscheiden  sich  der  Form  nach  im 
Praesens  Ind.  und  Konj.  nur  die  2.  und  3.  Sing.,  während  in 
EN.  nur  die  1.  Sing,  des  Praesens  Ind.  mit  der  des  Praesens 
Konj.  zusammenfällt. 

2.  Im  starken  Praeteritum  sind  dagegen  im  Orrmulum 
alle  drei  Personen  des  Sing.  Ind.  von  denen  des  Konj,  äufser- 
lich  zu  unterscheiden,  in  EN.  aber  nur  die  1.  und  3.  Person 
des  Sing. 

Der  Dichter  von  EN.  hatte  also  in  seiner  Mundart  einen 
gröfsereu  Reichtum  von  äufserlieh  erkennbaren  Koujunktiv- 
formen  zur  Verfügung;  denn  der  Vorteil,  den  Orrm  in  der 
2.  Sing.  Praet.  der  starken  Verben  hatte,  dürfte  den  Nachteil, 
der  sich  für  ihn  aus  dem  Zusammenfall  des  Plur.  Praes.  Ind. 
mit  dem  des  Konj.  ergeben  hatte,  nicht  voll  ausgleichen. 


11.  Synthesis  und  Analysis  des  Konjunktivs. 

§  2.  Der  Verfall  der  Flexionsendungen  und  die  dadurch 
geschaffene  äufsere  Gleichheit  der  Indikativ-  und  Konjunktiv- 
formen bewirkte  das  Aufkommen  neuer  Ausdrucksweisen  für 
den  Konjunktiv.  Schon  im  Altenglischeu  wurde  das  Bedürfnis 
gefühlt,  den  Konjunktiv  mit  Hilfe  gewisser  Verben  dort  sinnen- 
fällig darzustellen,  wo  die  synthetische  Konjunktivform  mit 
dem  Indikativ  übereinstimmte.  Im  Mittelenglischen  aber  mufste 
dies  sprachliche  Bedürfnis  in  dem  Mafse  stärker  werden,  wie 
die  Vereinheitlichung  der  Verbalflexion  durch  Endungsabfall 
und  Endungsausgleich  fortschritt.  Wie  nun  z.  B.  im  Verfall 
der  Substantivflexiou  und  dem  damit  zusammenhängenden 
Schwinden  des  grammatischen  Geschlechts  der  Substantive  der 
Norden  und  das  Mittelland  dem  Süden  Englands  gegenüber 
voran  waren,  so  auch  in  der  unaufhaltsamen  Entwicklung,  die 
immer  mehr  dazu  führte,  formelle  Unterschiede  zwischen  In- 
dikativ und  Konjunktiv  aufzuheben.  Im  Hinblick  auf  den 
Bestand  an  äufserlieh  erkennbaren  synthetischen  Konjunktiven 


256 

ist  es  begreiflich,  dafs  Orrm  schon  häufiger  als  der  Dichter 
von  EN.  den  Zwang  empfinden  mufste,  zur  Umschreibung  zu 
greifen.  In  der  Mundart  von  EN.  bestund,  soweit  die  äufsere 
Erkennbarkeit  oder  Nichterkennbarkeit  des  synthetischen  Kon- 
junktivs ausschlaggebend  war,  nicht  mehr  Nötigung,  zur  Ana- 
lysis  die  Zuflucht  zu  nehmen,  als  im  Spätwestsächsischen. 
Bedenkt  man  überdies,  dafs  wie  in  der  altenglischen  Zeit  so 
auch  im  Frnhmittelenglischen  die  äufserlich  nicht  erkennbaren 
synthetischen  Konjunktive  dem  Sprachgefühl  bezüglich  der 
Auffassung  ihrer  syntaktischen  Bedeutung  genügen  konnten, 
so  liegt  auch  von  diesem  Gesichtspunkte  aus  kein  Grund  vor, 
für  den  Dichter  von  EN.  einen  dringenderen  Anlafs  zur  Ana- 
lysis  des  Konjunktivs  zu  beanspruchen  als  für  einen  Schrift- 
steller der  spätws.  Zeit, 

Die  folgenden  Paragraphen  bieten  die  Belege  für  die 
Synthesis  und  Analysis  des  Konjunktivs  aus  EN.  In  der  An- 
ordnung folge  ich  Zenke  schon  aus  dem  Grunde,  den  Vergleich 
zwischen  beiden  Arbeiten  zu  erleichtern,  der  den  Abschlufs 
der  Untersuchung  bilden  soll. 

Es  braucht  wohl  nicht  besonders  betont  zu  werden,  dals 
in  einzelnen  Fällen  nicht  endgültig  zu  entscheiden  ist,  welcher 
Satzart  ein  Beleg  zuzuweisen  ist. 

Anm. :  Die  Belege  sind  der  Hs.  C  entnommen,  die  in  Wells:  The 
Owl  and  the  Nightmgale,  Heath,  London  und  Boston,  1907,  abgedruckt 
ist.  In  der  Schreibung  der  Worteinheiten  bin  ich  oftmals,  selten  in  Text- 
fragen von  ihm  abgewichen.  Die  aufgelüsten  Abkürzungen  sind  im  Druck 
nicht  kenntlich  gemacht.  Ein  paarmal  ist  auch  die  Hs.  J,  die  gleichfalls 
bei  Wells  zu  finden  ist,  herangezogen  worden.  —  Die  Frage,  ob  ein  Verb 
zu  den  starken  oder  zu  den  schwachen  zu  stellen  sei,  ist  vom  ae.  Sprach- 
zustand ans  entschieden. 


A.    Der  Konjunktiv  im  Hauptsatze. 

I.    Der  Konjunktiv  des  Praesens. 

§  3.    Der  synthetische  Konjunktiv  steht  zum  Ausdruck 
des  Wunsches,     Starke  Verben: 

1173:    Ood  Almisti  tvrpe  him  tvroj)  . . , 
1382:    Wrojj  tvurjje  heom  Jjc  hoJi  rode  . . , 


257 

Schwache  Verben: 

52:  so  hit  hiticle  J)at  ich  mote. 

99:  Dahct  hahhe  J)at  ilke  best  .  .  . 

tobe:   993:  So  ho  hit  euer  in  unher  sijic  . . . 

do:    1092:  Je.^us  his  soide  do  merci. 

§  4.  Umschrieben  ist  der  Konjunktiv  schwacher 
V^erbeu  durch  mote,  das  selbst  formell  Konjunktiv  ist: 

987 ff.:    Euer  mote  pu  ,s  ollen  7  wejjcii 
Pat  Jm  pi  lif  mote  forleten, 
an  sollen  mote  pu  so  he^e, 
pat  uiberste  ho  Jnn  e^e. 

§  5.  Einer  Aufforderung  gibt  der  Konjunktiv  Ausdruck 
in  einer  Reihe  von  Belegen.     Starke  Verben: 

33:   Vnwi^t,  ho  sede,  awei  pu  flo  ... 
177:   Ac  lete  ive  aivei  pos  eheste  . . . 
179:    j  fo  tve  on  mid  rigte  dorne  . . . 

Schwache  Verben: 

1273:   oie  truste  no  mon  to  his  iveole  . . . 
555:   an  pu  me  ansuare  sif  pu  migt' 
do:   1781:   Do  ive,  pe  nigtegale  seide,  ... 
go:   297:    uorp  pu  go. 
ae.  uton\    1779:   Ah  ute  ive  pah  to  him  fare,  . . . 

Anm. :  In  33,  297  und  555  könnte  man  auch  Belege  für  den  Imperativ 
erblicken;  177,  179,  1779  und  1781  sind  alte  adhortative  Plurale. 

§  6.  Umschreibung  durch  mai,  bezw.  mist  erfährt  der 
Konjunktiv  in  einigen  Fällen,  wo  auch  der  Imperativ  stehen 
könnte.    Starke  Verben: 

658:   Hong  up  pin  ax,  nu  Pu  migt  fare. 
743:    Nu  pu  migt,  hule,  sitte  7  clinge. 

Schwaches  Verb: 

185 f.:    7  mai  hure  eiper  wat  hi  ivile 
mid  riste  segge  7  mid  schile. 
wite:    1139:   Nu  pu  migt  lüite  siherliche  .  .  . 
1281:   Nu  pu  mist  ivite  readliche  . . . 

Studien  z.  engl.  I'hil.     L.  17 


258 

II.   Der  Konjunktiv  dos  Praeteritums. 

§  7.  1.  Der  äulserlicli  nicht  erkennbare  syn- 
thetische Konjunktiv  drückt  einen  Wunsch  aus,    'isur  2volde 

ist  belegt:         425:    He  wolde  2>at  he  isege  . . . 
1261 :    .  .  .  for  ich  ivolde 

pat  hi  wel  understonde  schulde  . . . 
1742 f.:    Ich  nolde  Jmt  wirihtfulnesse 
me  at  J)en  e7ide  ouerlcome. 

§  8.  2.  Umschrieben  ist  der  Konjunktiv  eines  schwachen 
Verbs,  der  eine  Aufforderung  ausdrückt,  durch  schulde  in: 

1223 f.:    For  Alfred  seide  a  wis  ivord, 

euch  Ytion  hit  schulde  leggeon  hord,  ... 

§  9.  3.  Im  Hauptsatz  eines  Bedingungssatzes  steht 
der  äufserlich  nicht  erkennbare  synthetische  Konjunktiv 
Praet.  einmal: 

283fF.:   vor  nere  ich  neuer  no  Jje  betere, 

[s]if  ich  mid  chauling  7  mid  chatere 
hom  sehende  .  . . 

§10.  Zur  Umschreibung  wird  mic^fe  verwendet.  Schwache 
Verben:  977 f.;    sohle  hi  sollen  cdso  Jm  dest, 

hi  migte  oferen  here  \^p\rost. 
1503 f.:   An  s^f  ]}e  lauerd  is  a  [tvrjecche, 
hwuch  este  rnigtistu  xmr  uecche. 
to  he:    1491  ff.:  gef  hire  lauerd  is  foru-urde 

an  unorne  at  hedde  7  at  horde, 
hu  mi^te  par  beo  eni  luue.  . . . 

§  11.  Die  Analysis  wird  durch  sholde  ausgedrückt. 
Starkes  Verb: 

51  ff.:   sif  ich  Jje  holde  on  mine  uote.  . . . 
7  ])u  ivei'e  vt  of  J)ine  rise, 
Jm  sholde  st  singe  an  ojjer  tv[i]se. 
don:    381  f.:   ne  sholde  he  uor  bope  his  ege 
so  don  gif  he  ])e  bet  nisege. 

§  12.  Endlich  dient  wolde  zur  Bildung  der  Analysis. 
Starke  Verben: 


259 

1067 if.:  1)6  nistingah  at  Jnssc  worde  . . . 

gif  ho  mon  ivere,  wolde  (igte. 
1419f.:    Ich  wolde  ivip  Jje  maide  holde, 

gif  J)u  hit  const  ariht  atholde. 
1677  f.:    alle  heo  beoj)  of  mine  Jcunrede, 

an  IV aide  come  gif  ich  hede. 

§  13,  4.  Synthetische  Konjunktive  im  Hauptsatze 
eines  konzessiven  Satzgefüges: 

were:   785 f.:  peg  alle  strengte  at  one  were, 
monnes  wit  get  more  were. 
1026 f.:   ne  sunge  ich  hom  neuer  so  longe, 
mi  song  were  ispild  ech  del. 

§14.  Aufserlich  nicht  erkennbar  sind  die  synthetischen 
Formen  des  Konjunktivs  in  zwei  Belegen.    Sehwaches  Verb: 

427 f.:   ne  rogte  he  peg  floches  were 
imeind  .  .  . 
to  he:    1313f.:  2)ah  no  preost  a  londe  nere, 
a  ivrecche  neopeles  pu  were. 

§  15.  Die  Analysis  wird  mit  Hilfe  von  migte  gebildet. 
Ein  starkes  Verb  und  ein  schwaches  Verb  werden  um- 
schrieben:   ^oi5ff.  jjQ^  em  god  man  to  hom  come  ... 

he  migte  het  sitte  stille  . . . 

he  migte  het  teche  ane  höre.  ... 

§  16.  Einmal  steht  ivolde  zur  Umschreibung  des  Kon- 
junktivs bei  einem  starken  Verb: 

171  f.:   Ne  helpP  nogt  Pat  Jju  ho  to  [p]riste, 
ich  wolde  vigte  het  mid  liste  . .  . 

Der  Vordersatz  hat  zwar  nicht  die  Form,  aber  doch  wohl 
die  Bedeutung  eines  Konzessivsatzes. 

§  17.  5.  Den  Beschluls  der  Belege  für  den  Konjunktiv 
im  Hauptsatze  bilden  einige  Beispiele,  in  denen  ein  Potentialis 
in  der  Konjunktivform  des  Praeteritums  auftritt.  Die  Mehr- 
zahl der  Belege  gestattet  die  Ergänzung  eines  Bedingungs- 
satzes, sie  berühren  sich  also  mit  den  in  §§  9 — 12  aufgeführten 
Fällen. 

IT* 


260 

Synthetische  Formen: 

to  he:   85:  pe  ivere  icundur  to  one  frogge  . . . 

549:    'J)at  nere  noM  rigt',  pe  hule  sede,  . .  . 

§  18.     Aulserlich  nicht  erkennbar  ist  die  synthetische 
Konjunktivform  bei  einem  schwachen  Verb  und  bei  scholde: 
39:    Me  liiste  het  speten  ])cme  singe.  . . . 
1025:    Wat  schold  ich  (J)  par  mid  mine  songe,  . . . 

§  19.     Umschreibung'  des  Konjunktiv  durch  mietest,  bezw. 
mihte  findet  statt  bei  zwei  starken  Verben: 

256:  Jm  7nigtest  het  hoten  galegale. 
1749:    Äh  [iv]ar  mihte  we  hine  finde? 

§  20.     In  vier  Belegen  dient  sholde  zur  Bildung  der  ana- 
lytischen Form.    Starkes  Verb: 

965 f.:    Sholde  ich  for  one  hole  hrede 
fori  et  e  mine  riste  st\e\de,  . . . 

Schwaches  Verb: 

463  f.:    [T7]a/i  min  er  ende  is  ido, 

sholde  ich  hileue?  nai,  \iv]arto. 
1019 f.:   he  migte  het  sitte  stille, 

for  al  his  wile  he  sholde  Spille, 
do:   997:   Ah!  ivat  sholde  ich  among  hom  do! 

§  21.     Endlich   wird   auch   ivolde{st)   zur   Umschreibung 
gebraucht.    Starkes  Verb: 

1697:   sot  ich  ow  alle  wolde  rede  .  . . 

Schwache  Verben: 

69 f.:    7  eh  forjje  pe  sulue  mose, 

hire  ponhes,  wolde  pe  tot  ose. 

84:   mid  pine  cliures  woldest  me  meshe. 


B.    Der  Konjunktiv  in  Nebensätzen. 

I.   Substautivslitze. 
a)  Subjektssätze. 
§  22.     Synthetische   Konjunktive   finden    sich    in    einer 
Reihe  von  Belegen.     Starke  Verben: 


261 


Praesens.     225 f.:   hit  J)inclic[Jj]  ho])e  ivise  7  siirpc, 

iio^t  pat  J)u  singe,  ac  Jmt  ])u  ivepc. 
475 ff.:   Hit  is  gode  monne  iivone  . .  . 

])at  ech  gotl  man  his  frond  icnoive.  . 
931:   for  hetere  is  J)at  heo  ^vepen  here.  . . . 

Schwache  Verben: 

Praesens.    289 ff.:    Hit  is  a  wise  monne  dorne  .  .  . 

])at  me  ne  chide  wit  Jje  gidie, 
ne  wit  ])an  ofne  me  ne  ^onie. 
Hit  is  gode  monne  iwone  . .  . 
pat  ech  god  man  his  frond  icnoive, 
an  blisse  mid  hom  sume  pvoiue.  . . . 
])i  hit  is  2)e  more  unriht 
pat  he  his  luue  spene  on  pare  . . . 
Ne  helpp  no^t  pat  pu  ho  to  [p^ristc. 
Weper  is  hetere  of  twere  twom, 
pat  man  ho  hlipe  oper  gram? 
So  ho  hit  euer  in  unker  sipe, 
pat  pu  ho  sori  7  ich  hlipe. 
\lj\et  pugte  pe  dreim  pat  he  ivere 
of  harpe  7  pipe  pan  he  nere, 
het  puste  pat  he  were  ishote  . . . 
so  hit  hitide  pat  ich  mote! 


to  hc 


475ff 


1548f.: 

Praes.    171: 
991  f.; 

993  f.: 


Praeter]  tum.    21  ff. 


mote:    52: 


§  23.    Äulserlich  nicht  erkennbar  ist  die  synthetische 
*orm  in        I661f.:   forpan  heom  puhte  pat  heo  hadde 

Pe  houle  ouercome,  uorpan  heo  gradde 

§  24.     Umschreibung    des    Konjunktivs    eines    starken 
Verbums  durch  sholde  in 

1689 ff.:    Äh  hit  was  unker  uoreivard  ... 
Pat  we  parto  holde  scholde  . . . 


b)   Objektssätze. 

Die   Synthese. 

§25.     1.   Der  Konjunktiv  ist  abhängig   von   einem  Aus- 
druck des  Wollens. 

a)   An  die  Spitze  gestellt  seien  zwei  Belege,   wo  der  die 


262 


Praesens.    599 ff.: 


w[i]te:   439 f. 


929  f. 


1078f. 


Willensäurseruiig     eutbalteude     Hauptsatz     zu     ergänzen     ist. 

Starkes  Verbiim: 

Ac  wat  etestu,  JjcU  pu  ne  lige, 
hüte  attercoppe  7  fule  uliso. 
J)e  lilie  mid  hire  faire  tvlite 
ivolcumep  me,  ])at  ])u  hit  w  [i\  t  e. 

b)  Im  Hauptsatz  steht  ein  Ausdruck  des  Wollens  oder 
Nicbtwollens:  Gebietens,  Zustimmeus,  Fürchteus,  Sorgens,  Ver- 
hütens.     Starke  Verben: 

Praesens.    673 f.:   gif  muj)  ivijjute  med  hiwro 

])at  me  ])e  horte  nogt  niso. 

I  hidcle  hom  ])at  heo  isivike, 

Jjat  lieom  seolue  ne  hisivihe. 

pat  he  ne  miste  for  his  liue 

iso  ])at  man  ivi})  hire  spelce. 

1484 f.:    for  he  mai  him  adrecle  grame, 

an  J)at  he  forleose  pat  ])er  ho)igeJ).  .  . . 
He  ivolde  Jjat  he  isege  ... 
Ich  nolde  Jjat  unrihtfubiesse 
me  at  pen  ende  ouerJcome. 

Schwache  Verben: 

Praesens.     154:    ne  kep[e]  ich  nagt  pat  J)u  me  clawe. 
201:    Ich  granti  wcl  pat  he  iis  deme. 
1253:   an  bidde  inoh  Jjat  hi  heom  schilde,  ,  . . 
ich  hidde  Jmt  men  heon  iiva[r]re 
an  halbe  gode  reades  6<^[r]re. 
lohe  J)at  hit  ne  b  0  isene. 
Lohe  Jjat  Jju  ne  bo  J)are  . . . 
ich  nelle  Jtat  hi  bon  to  sade. 
ich  bidde  Jmt  men  beon  iwa[r]re  ... 
Jjat  he  ne  mai  tvene  7  adrede 
Jjat  sum  unhivate  ne[y\  him  beo. 
ivite:   1467:    Ah  wel  ich  ivide  Jjat  Jju  hit  wite  . .  . 
go'.    745:   ich  graunti  Jjat  [w]e  go  to  dorne. 

§  26.     2.   Der   Konjunktiv   ist   abhängig   von   einem  Verb 
des  Meinens.     Starke  Verben: 

Praesens.     854:    Wenest  Jju  hi  bringe  so  listliche  . .  . 


Praeteritum.   425  f. 
1742f.: 


to  he 


1221  f. 

166 

295 

452 

1221 

1266  f. 


268 

901  f.:   ne  wened  na  man  for  pi  piphiye 
]jat  cni  jjyßost  in  chir[ch]e  singe. 

961  tf.:  Wcnstu  pat  uise  tuen  fo riete 
for  fule  venne  pe  ri^tte  strete, 
ne  sunne  pe  later  shine  . . . 

Schwache  Verben: 

Praesens.     1501:  pu  migt  wene  pat  pe  mistidc,  . .  . 
844:   hi  ivenep  pat  pu  segge  sop. 
to  he:    259:  Pu  xvenest  pat  pes  dai  ho  pin  o,se. 

303:    Wenestu  pat  haueck  ho  pe  ivorse  .  .  . 
315:  pu  wenist  pat  eck  song  ho  grislich.  .  . . 
1241  f.:    ivenest  pu,  pah  ich  al  iseo, 

pat  hit  for  me  pe  rapere  heo? 
cunne:   47:    ]F<?['«]s^  pu  pat  ich  ne  cunne  singe. 

§27.    Aulserlich    nicht    erkennbar    ist   der   synthe- 
tische Konjunktiv  an  drei  Stellen. 


wule:    1554 

1748 
miste:    371 


he  ueneö  he  wule  anon  tohreJce  . 
an  s^\t\  ich  wene  Jmt  he  wule. 
Pu  wenest  pat  ich  ne  miste  iso. 


Anm.  lu  diesem  Beleg  hat  mi^te  selbständigen  Wert.  In  1694: 
Ich  wene  dorn  pe  ping  (pinkp  J)  to  hard  ist  in  C  die  Verbform 
verderbt. 

§  28.  3.  Der  Objektssatz  hat  die  Form  einer  indirekten 
Frage.    Starke  Verben: 

Praeteritum.    661  f.:    a)i  Po^te  sorne  on  hire  mode 

sif  ho  Ost  elles  understode,  .  . . 
1300:  pu  Ji[us]test  ivanene  he  pe  come,  ... 

Schwache  Verben: 
Praesens.        60:   ne  recche  ich  neuer  what  Jju  segge. 
1006:    hi  ne  recchep  hu  hi  lihhe. 
tohe:  Praes.  151  f.:    7  setvi  [w]are  unlcer  ho 

of  hrister  hoive,  of  uairur  hlo'^ 
1443:   an  wite  iwis  htvuch  heo  Pjc  gome.  . . . 
Praeteritum.  1310f.:    an  pu  asJcedest  gef  ich  were 

a  hisemere  to  preost  ihoded. 
do:    1010:   hi  nute  elles  [tv]at  hi  do. 


r 


264 

§29.     Die  Synthese  ist  äiifserlicb  nicht  wahrnehm- 
bar in  folgenden  Piaeterita:   Schwaches  Verb: 

1295 f.:    Heo  ivas  hoivful  7  erede 

hivat  heo  J)arafter  hire  sede. 
were:    1180:    Ich  not  ^ef  Jm  ivere  gaure  prest. 
JcuJ)e:   661ff.:    cm  JjOite  gorne  on  hire  mode  .  . . 
sif  ho  Jcu])e  ogt  hüte  singe.  . . . 

§  30.    4.   In  der  indirekten  Rede   findet   sich  der  syn- 
thetische Konjunktiv  zweimal.    Starkes  Verb: 

Praesens.    1269 ff.:    Forjn  seide  Alfred  swipe  wel  . . . 

Jjat  eureuch  man,  Jje  het  him  heo, 
eauer  pe  het  he  hine  heseo. 
ivcre:    1764 f.:    Hivi  nullej)  hi  nimen  heom  to  rede, 
Jjat  he  ivere  mid  heom  Home.  . . . 

Die  Analyse. 

§  31.    Umschrieben   ist  der   Konjunktiv  zuweilen  im 
01)jekt88atz,   der  von  einer  Willensäulserung   abhängig  ist;  B 

als  modales  Hilfsverb  ist  benutzt  ae.  sculan,  Praesens,   das 
Konjunktivform  hat. 

Starkes  Verb: 

441  f.:   hit  me  mid  hire  faire  hlo 
Jjat  ich  shulle  to  hire  fio. 
445:   hit  me  Jjat  ich  shulle  singe  ... 

Schwaches  Verb: 

1745 ff.:    Bihote  ich  hahhe,  soj)  hit  is, 

Jjat  Maister  Nichole,  J)at  is  wis, 
hituxen  vs  deme  schulte  (J). 

Starkes  Verb: 
Praeteritum.  1261f.:   ah  ich  heom  singe,  for  ich  ivolde 

]iat  hi  wel  understonde  schulde. 

Schwaches  Verb: 
moten:   741:   a7i  hidde  ])at  hi  moten  iseche  ... 

Starkes  Verb: 

wr2>e:   399 f.:    an  xvas  oferd  pat  hire  anstvare 
ne  wrjje  7iogt  arigt  ifare. 


265 

§32.  In  der  iiidi  rekteu  Frage  steht  der  analytische 
Konjunktiv  dreimal,  zur  Umsehreibung  ist  muhe,  bezw.  migte 
gebraucht. 

Praesens.     1581  f.:    cm  ,^eorne  fonde])  ha  heo  muhe 

d  0  ping  pat  him  bco  idu^e. 

Praeteritum,    392 f.:    ....  7  lojigc  poste 

wat  ho  parafter  miste  segge. 
4G9f.:    an  after  Po^te  hu  he  mi^te 
ansvere  uinde  lest  mid  ri^tc. 


IL  Temporalsätze. 

§  33.     Das   einleitende   Bindewort   ist   ar,   bezw.  car.    Es 
finden  sich  nur  synthetische  Konjunktive. 

Starke  Verben: 

Praesens.    552 ff.:   Äc  ar  ive  to  unlcer  dorne  fare, 

ich  iville  speJce  toward  pe 
also  pu  spelce  toward  me. 
1673 f.:   ^56  schule  ivite,  ar  ge  fleo  heomie, 
hwuch  is  pe  strenpe  of  mine  kunne. 

Schwache  Verben: 

Praesens.     864 f.:    Vorpi  he  mot,  ar  he  wende  honne, 

mid  teres  an  mid  ivope  bete.  .  .  . 
121 5 f.:   gef  eni  mon  schal  rem  ahide, 
al  ich  hit  wot,  ear  hit  itide. 

to  hc:  Praes.  691  f.:   Vorpi  nis  neuere  mon  redles, 

ar  his  horte  ho  witles. 
1225 f.:   gef  Pu  isihst,  [er]  he  heo  icume, 

his  str[e]ncl}e  is  him  wel  neh  hinume. 
1687 f.:    ne  schal,  ar  hit  heo  fulliche  eue, 

a  wreche  feper  on  otv  hileaue. 

§  34.     Die    synthetische    Form    des    Konjunktivs    ist 
äulserlich  nicht  erkennbar.     Starkes  Verb: 

Praesens.  1697 ff.:   ;^ot  ich  ow  alle  ivolde  rede, 

ar  [icK\  utheste  uppon  ow  grede, 
pat  ower  fihtlac  letep  heo,  . . . 


266 


Praeterito-Praesens: 

Praesens.    856 ff.:   Nai,  Jiai,  hi  shuUe  wel  auinde 

Jjat  hi  mid  lowje  ivope  mote 
of  höre  sunnen  bidde  böte, 
ar  hi  mote  euer  Tcume  Jmre. 


III.   Bedingungssätze. 


Zumeist  verbindet  ^if  den  Bedingungssatz  mit  dem 
übergeordneten  Satze,  seltener  bute.  Fehlt  das  Bindewort,  so 
tritt  Inversion  ein.  Synthetische  Formen,  die  äulserlich 
erkennbar  sind,   bieten   folgende  Belege.     Starke  Verben: 

Praesens.    795 ff.:   gif  tueie  men  gojj  to  ivraslinge, 

an  eiper  oper  faste  liringc, 
an  pe  an  can  swenges  supe  feie,  .  . . 
an  ])e  oper  ne  can  siveng  but  anne, 
a7i  pe  is  god  ivijj  eche  manne  .  . . 
[w]at  parf  he  recche  of  a  ?no  swejige.  . . . 

Praeteritum.    51  ff.:   ^if  ich  pe  holde  on  mine  uote,  . . . 

pu  sholdest  singe  an  ojjer  w[i]se. 
381  f.:   ne  sholde  he  uor  bojje  his  ege 
so  don  sif  he  pe  bet  nise^e. 
1677  f.:   alle  heo  beop  ofmine  kunrede, 
an  walde  come  gif  ich  bede. 

Schwaches  Verb: 

Praesens.     515f.:    habbe  he  istunge  under  göre, 

ne  last  his  luue  no  leng  more. 

Verbum  substantivum: 

Praesens.     567 f.:    an  bo  pi  piping  ouergo, 

ne  bop  on  pe  craftes  namo. 

Praeterit.      1067 ff.:  pe  nigtüigale  at  pisse  ivorde,  . .  . 

gif  ho  mon  were,  wolde  figte. 
1300 f.:   pu  [7ius]test  ivanene  he  pe  come, 
bute  hit  of  wicchecrefte  ivere. 
tu  nie:    1289  f. :    Bute  Jm  wille  bet  aginne, 

ne  shaltu  bute  schäme  iwinne. 


267 

§  36.     In  einigen  Fällen  ist  die  Synthese  nicht  erkenn- 
bar.   Schwaches  Verbum: 
Praeteritniii.  283 ff.:    vor  nere  ich  neuer  no  J)e  hetere, 

[cSj if  *c/i  micl  chauling  7  mid  chatere 
hom  sehende  .  .  . 
iverc:    51  ff.:  sif  ich  pe  holde  on  mine  uote,  . . . 
7  Jru  were  vt  of  Jnne  rise, 
])ii  sholdest  singe  cm  ojjer  w[i]se. 
IV  ist e:    116:    Segge[p]  me  sif  ^e  hit  iviste. 

§  37.     Viermal  ist   die  Analyse   des  Konjunktivs  belegt. 
Zur  Umschreibung  dient  sohle,  hezw.  schulde: 

975ff.:    Solde  euch  mon  wonie  7  grcde 
ri^t  suich  hi  iveren  unlede, 
sohle  hi  sollen  also  Jm  dest, 
hi  miste  oferen  here  [2j]rost 

lU7f.:    Bet  sif  ich  schulde  a  luue  bringe 
wif  Oper  maide,  hwanne  ich  singe. 


IV.   KouzessiYSätze. 

§  38.    Eine  grolse  Anzahl  synthetischer  Belege  ist  vor- 
handen.    Starke  Verben: 

Praesens.     303 f.:    Wenestu  Jmt  haueclc  ho  pe  worse, 

pos  croive  bigrede  hirti  bi  J)e  mershe. 
359 f.:  pes  Jju  nime  euere  o[f]  pan  lepe, 
hit  is  eure  ful  bi  hepe. 
1237ff.:  pjoh  pu  iseo  pat  sum  blind  ynon  . .  . 

to  pare  diche  his  diveole  fulied.  .  .  . 
1329 f.:  pah  pm  iseo  pe  steorre  alswa, 

nartu  Pe  ivisure  neauer  pe  mo.    - 
1389:   nis  wunder  nan  pah  he  abide. 
1425ff.:   for  pah  heo  sum  hwile  pleie, 

heo  nis  nout  feor  ut  of  pe  wcie. 
1440:    Hivat  mai  pat  chil\d],  pah  hit  misfo)igc. 
1487 f.:   An  pah  he  pat  no^t  ne  adrede, 

hit  is  unri^t  7  gret  sothede.  .  .  . 
1561  f.:    Dahet  pat  to  sivupe  hit  bispeJce, 

pah  swucche  iviues  [heom]  awreke. 


?68 


1015 


1025 


1543  f.: 


1273  f. 


1019 f.:    For  pah  ]m  ligge  deud  7  clinyc, 
])i  dej)  nis  naivt  to  none  pinge. 

Praeteritimi.  132 ff.:    euer  he  cu])  ^at  he  com  pomie  . .  . 

J)C^  he  a  fro  nest  leie. 
ff.:  Jjeg  eni  god  man  to  honi  come  ... 

he  miste  het  sitte  stille. 
f.:    Wat  sol[de]  ich  par  mid  mine  songe, 
ne  siinge  ich  hom  neuer  so  longe. 
1512 ff.:   heo  poste  Jjat  te  nihtegale, 

pah  heo  wel  speJce  atte  frume, 
hadde  at  pen  ende  misnume. 

Schwache  Verben : 

Praesens.    135ff.:  peg  appel  trendli  fro[m'\  pon  troive 

he  cup  wel  ivhonene  he  is  icume. 
La,  Godd  hit  ivot!  heo  nah  iweld, 
p)a\K\  heo  hine  maJcie  huTceiveld. 
ne  truste  no  mon  to  his  iveole 
to  swipe,  pah  he  hahhe  ueole. 

Herhi  men  segget  a  hispel, 

pes  hit  ne  ho  fuliche  spei. 

peg  he  ho  parfrom  hicume, 

he  cup  wel  luhonene  he  is  icume. 
181  ff.:  peg  ive  ne  ho  at  one  acorde, 

we  muge  het  mid  fayre  ivorde  . .  . 

plaidi  .  . . 
233 f.:    A  ivis  word,  peg  hit  ho  unclene, 

is  feie  manne  a  mupe  imene. 

Ne  ho  pe  song  neuer  so  murie, 

pat  he  ne  shal  pinche  wel  unmurie. 

ne  Jean  he  hine  so  hipenche, 

pjeg  he  ho  gep  an  supe  snel  . .  . 
879 f.:  peg  sume  men  ho  purgut  gode  .  .  . 

\Ji\om  longep  honne  nopeles. 
883 f.:   vor  pjeg  hi  hon  hom  solue  ihorgc, 

hi  ne  sop  her  nowigt  hote  sorwe. 
963f.:   ne  sunne  pe  later  shine, 

pjeg  hit  h  0  ful  ine  nest  pine  ? 
1233 f.:  pa[h]  eni  man  heo  falle  in  odivite, 


lohe:  Praes.  127 f.: 


137  f.: 


3451 


828  f. 


269 

wi  schal  he  mc  his  soj-  afwite? 
1349 ff.:  pah  sum  ivif  heo  of  nesche  mode  . .  . 
^at  heo,  Jmrh  sume  softes  lore  . .  . 
77iis[r]em2')c  7  misdo  sumne  stunde  .  .  . 
shal  ich  Jmruore  beon  ibunde? 
1374:  pah  heo  heo  god,  me  hine  mal  misfonge, 
1378:    Bo  ivuch  ho  ho.  ... 
1015:  pah  hit  heo  sop,  ich  do  heom  god. 
1623 f.:    AJi  pah  mi  lif  me  heo  atschote, 
pe  get  ich  mai  do  gode  note. 
Praeteritum.  202 ff.:    vor  peg  he  loere  ivile  hreme, 

7  lof  him  tv  ere  nistingale  . . . 
ich  tüot  he  is  nit  supe  acoled. 

409 f.:   . . .  peg  pe  nigtingale 

were  aferd,  ho  spac  holde  tale. 
1313 f.:  pah  no  preost  a  londe  nere, 

a  tvrecche  neopeles  pu  were. 
1724 f.:    vor  peg  heo  nere  ihred  a  ivolde, 

ho  ivas  itogen  among  manlcimne  (J) 
cunnc:   47 f.:   We[)i\st  pu  pat  ich  ne  cunne  singe, 
pCs  ich  ne  cunne  of  tvrifelinge? 
8 10 f.:  pe  hat  ful  ivel  him  sulue  liue]>, 

peg  he  ne  hunne  wrench  hüte  anne. 
812 f.:  pe  fo[x\  so  godne  ne  can  nanne, 
pe[g^  he  hunne  so  uele  wrenche. 
1267 f.:   l>at  sum  unhwate  ne[y]  him  heo, 
pah  he  ne  conne  hit  iseo. 
go:    128.5:    Go  so  hit  go.  ... 
Anm. :    Die  Überlieferung  hat  den  Indikativ  statt  des  Konjunktivs 
eingesetzt  in      1471  f.;    An  wif  ah  lete  so[t]tes  lore, 

pah  spusinghendes  /mnchep  sore. 

§39.    Nicht   erkennbar   ist   der  syntlietisclie  Kon- 
junktiv in  folgenden  Belegen: 

Starke  Verben: 

Praesens.     383 f.:    Ich  mai  ison  so  ivel  so  on  hare, 

peg  ich  hi  daie  sitte  an  dare. 
1235 f.:  pah  ich  iseo  his  härm  hiuore, 

ne  comep  hit  nogt  of  me  paruare. 


270 

1241  f.:    icenest  Im,  Jiali  ich  al  iseo, 
pat  hit  for  me  pe  raj)er€  beo? 

1255 f.:    Äh  pah  ich  grede  lüde  an  stille, 
al  hit  itid  piir\h'\  Oodes  wille. 

S  e  b  w  a  c  h  e  Verben : 
Praesens.     1257 f.:    Hwi  ividlep  men  of  yne  hi  mene, 

pah  ich  mid  sope  heo  awene. 
383 f.:    Ich  mai  ison  so  ivel  so  on  hare, 

pes  ich  bi  daie  sitte  an  dare. 
1259 f.:  pah  ich  hi  warni  al  pat  ^ei', 

nis  heom  perfore  harem  no  pe  ner. 
hadde:   1708 fiF.:   for  Pah  heo  nadde  swo  hwatliche 
ifare  after  hire  here, 
heo  walde  neopeles  ^efe  answere. 
1720 f.:    for  pah  heo  hadde  steuern  smale, 
heo  hadde  gode  p[ro'\te  7  schille. 
were:   427:   ne  roste  he  peg  fockes  ivere.  ... 
785 f.:  pes  alle  strengpe  at  one  ivere, 

monnes  ivit  get  more  ivere. 
1727 f.:   heo  migte  speJce  hwar  heo  walde, 
toiiore  pe  hing  pah  heo  scheide. 

Anm. :   Ein  Praeteritum  des  Konjunktivs  liegt  wohl  auch  vor  in 
1107 f.:    vor  hit  bitidde  ene  sivo, 

ich  am  pe  blipur  euer  mo. 

y.   Finalsätze. 

§  40.     EN.   entbält    eine    Reibe   von    Absiebtssätzen   mit 
syntbetiseben  Konjunktiven.    Starke  Verben: 

Praesens.     121  f.:    Worp  hit  ut  mid  Pe  alre  ivrste, 

pat  his  necTce  him  tob  erste. 

402  flp,:  vor  he  is  wis  pat  hardeliche 
wipj  [h]is  uo  berp  grete  Hefe, 
Pat  he  uor  aregpe  hit  ne  fo riete. 

722 ff.:   an  clerJces  ginnep  songep  tvirche  .  . . 
pat  he  pe  mursPe  ne  u  ortete, 
ac  parof  penche  7  bis  et  e, 
an  nime  gerne  of  chirchesteuene. 

8G0f.:    Ich  rede  pi  pat  men  bo  ^ß^'e, 


271 

Ml  more  wepe  pane  singe.  . . . 
973 f.:   an  seist  Jm  uisest  manlcunne, 
Jtat  hi  hiiucpen  höre  sunne. 

Schwache  Verben: 

Praesens.    722 ff.:    an  Clerkes  ginne})  songes  ivirche, 

Pat  man  ij) enc he  hi  pe  songe  . .  . 
pat  he  pe  mw\spe  ne  uor.sete, 
ac  l)arof  penche  7  hisete. 

869 ff.:   for  al  m[i]  song  is  of  longinge, 
an  imend  sumdel  mid  tvoninge, 
pat  mon  hi  me  hine  hipenche  .  .  . 

925 f.:    an  lüarni  men  mid  mine  here, 

pat  pi  dweole  song  heo  ne  forlere. 
11 12 ff.:  pu  ne  canst  finde,  ne  pu  nost, 

an  holg  stok  par  pu  pe  migt  hude, 
pat  me  ne  twenge  (J) ')  pine  hude. 

869 ff.:   for  al  m[i'\  song  is  of  longinge, 

and  imend  sumdel  mid  ivoninge  . .  . 
pat  he  groni  for  his  unwrenche; 
mid  mine  songe  ich  hine  pulte, 
pat  he  groni  for  his  guJte. 

927 f.:    Ich  ivisse  men  mid  mi7i[e]  songe, 
pat  hi  ne  sunegi  noiviht  longe. 
to  he:    739 f.:   Ich  warni  men  to  here  gode, 

Pat  hi  hon  hlipe  on  höre  mode.  .  . . 

860 f.:    Ich  rede  pi  pat  men  ho  gare.  .  . . 

864 ff.:    Vorpi  he  mot  .  .  . 

mid  teres  an  mid  tvope  hete, 

pat  him  ho  sur  pat  er  was  sivete. 

§  4:1.  Der  synthetische  Konjunktiv  ist  äufserlich  nicht 
erkennbar  in  einem  Belege,  der  wohl  als  Finalsatz  aufzu- 
fassen ist:      965 ff.:    Sholde  ich  for  one  hole  hrede 

forlete  mine  rigte  st[e]de, 
Pa[t]  ich  ne  singe  hi  pe  hedde.  . . . 

§  42.  An  analytischen  Konjunktiven  findet  sich  die 
Umsehreibung  mit  mote,  das  selbst  formell  Konjunktiv  ist: 

')  C  hat  tivengep. 


272 


987 f.:    Euer  mote  Jni  joUe  7  tvepen, 
Jmt  Jiu  pi  lif  mote  forleten. 
migte  dient  zur  Bildung  der  Aualysis  in 

1767 f.:    an  siue  him  reizte  a  uale  stude, 

2)at  he  migte  heom  Home  he  mide. 


Tl.   Folgesätze. 

§  43.     Aufserlicli    erkennbar    ist    die    synthetische 
Form  des  Konjunktivs  in  einigen  Belegen.    Starkes  Verb: 
Praesens.     989 f.:   a7i  sollen  mote  pu  so  hege, 

])at  utberste  ho  Jmi  ege. 

Schwache  Verben: 
Praesens.    206 ff.:   Nis  he  vor  pe  nost  afoled, 
J)at  he,  for  pine  aide  luue, 
me  adun  legge  7  l)e  huue; 
ne  schaltu  neure  so  him  queme, 
2)at  he  for  pe  fals  dom  deme. 
1350 ff.:   for  ivummon  beop  of  softe  blöde, 
pat  heo  mis[r]em2)e  .  . . 
dürre:    1705 f.:    vor  nis  of  oiv  non  so  Jcene, 

])at  dürre  abide  mine  onsene. 

Dieser  Beleg  könnte  vielleicht  auch  als  Beispiel  für  die 
Analyse  des  Konjunktivs  betrachtet  werden;  eine  sichere  Ent- 
scheidung ist  nicht  zu  treifen,  da  ae.  dear{r)  in  EN.  sonst  nicht 
zur  Umschreibung  verwandt  wird. 

misdo:    1350 ff.:   for  wummon  heo])  of  softe  blöde, 
Jjat  heo  misdo  ... 

§  44.  Analyse  des  Konjunktivs  liegt  in  einigen  Fällen 
vor.    Zur  Umschreibung  dient  wolde: 

Starkes  Verb: 

1078 ff.:    . . .  Jjcit  he  ne  migte  for  his  liue 
iso  Jjat  man  ivip  hire  spehe, 
fmi  his  horte  nolde  breJce. 

Schwaches  Verb: 

1023  f:    .  . .  Jjan  me  pat  wilde  folc  ihringe, 
'    Jiat  hi  me  ivolde  ihere  singe. 


273 

mi^te  umschreibt   das   Praeteritum   eines  starken   Ver- 
biinia  in         HT-if.:    .  .  .  hu  eni  mon  so  eaiiar  for, 

Jiat  [h]e  his  heorte  migte  driue  . . . 


\U.   Modalsätze. 

§45.     Es   liegen   eine  Reihe  von  synthetischen  Kon- 
junktiven vor.    Starkes  Verb: 

Praesens.   1021  ff.:    he  migte  bct  teche  ane  bore 

to  we^e  hope  sheld  7  spere, 
J)an  me  pat  tvilde  folc  ihringe  ... 

to  he:   Praes.     97:    ho  sitte]}  par  so  hi  ho  hisne. 

1271:  pat  euereuch  man,  ^e  het  him  heo, 

eauer  pe  het  he  hine  beseo. 
1378 
1533 

Praeteritum.     21  f. 


Bo  tvuch  ho  bo.  ... 

he  chid  7  gred  stvuch  he  heo  wod  .  . . 

[b\et  pu^te  J)e  dreini  ßat  he  tvere 
of  harpe  7  pipe  pan  he  nere  ... 

IC  nie:    11:  Jm  starest  so  Jm  tville  abiten  .  .. 
305 f.:    7  go])  to  him  mid  höre  chirme 

rist  so  hi  wille  ivii  him  schirme. 

go:    1285:    Go  so  hit  go.  ... 

§46.     Nicht    erkennbar   ist  die   Synthese    au    einer 
Anzahl  von  Stellen,  die  den  Konjunktiv  Praet.  enthalten. 

Starkes  Verb: 

1013 f.:   hi  go])  biUgt  mid  rüge  uelle, 

rigt  suich  hi  co  m  e  n  ut  of  helle. 

Schwaches  Verb: 

141  f.:   he  song  so  lüde  7  so  scharpe, 

rigt  so  me  griilde  schille  harpe. 
hadde:    145 f.:    7  sat  tosvolle  7  ibolive 

also  ho  hadde  one  frogge  isuolge. 
1007 f.:    Hi  etej)  fihs  an  flehs  unsode, 

suich  tvulues  hit  hadde  tobrode, 
tvere:   75 f.:  ]nn  egene  boj)  colblaJce  7  brode, 

rigt  sivo  ho  weren  ipeint  mid  tvode. 

Studien  z.  engl.  Phil.    L.  ]§ 


274 

975 f.:    Sohle  euch  mon  u-onie  7  grede 

rigt  suich  hi  iv eren  unlede.  ... 
1061  f.:  Jm  naddest  non  oper  dorn  ne  läge, 
hüte  mid  ivilde  horse  were  fodrage. 

VIII.   Relativsätze. 

§47.  Die  Synthese  bieten  einige  Belege  im  Praesens. 
Starke  Verben: 

1343 f.:    a7i  maide  mal  luue  clieose 

])at  hire  ivurpschipe  ne  forleose. 
1561:   Dahet  Jmt  to  siruj)e  Kit  hispehe.  ... 

Seh  waches  Verb : 

1567 ff.:    Mid  heom  ich  wepe  swi[l)\e  sore, 

cm  for  heom  bidde  Cristis  ore, 

pat  pe  lauedi  sone  aredde.  ... 
to  he:    1581  f.:    an  s&orne  fondep  hu  heo  muhe 

do  ping  J)at  him  heo  iduge. 
cunne:   187 f.:   Wu  schal  us  seme, 

pat  Tcunne  7  ^cille  rigt  us  deme. 

§  48.  Nicht  erkennbar  ist  die  synthetische  Form  in 
einem  Falle. 

wille:   vgl.  den  vorhergehenden  Beleg. 

§49.    Die  Umschreibung  mit  migte  zeigt 

663 f.:  gif  ho  Jcupe  ogt  hüte  singe, 

pat  migte  helpe  to  oper  pinge. 

Analyse  bieten  auch  zwei  sog.  Lokalsätze,  und  zwar 
ist  je  eiumal  sholde,  bezw.  ivolde  verwandt. 

shohle:    763 f.:    Oft  spet  tvel  a  lute  liste, 

par  muche  strengpe  sholde  miste, 

ivolde:    1691  f.:  pat  ive  parto  holde  scholde 

Par  riht  dom  us  giue  wolde. 

Ergebnisse. 

§  50.  Gleich  Orrm  gehörte  der  Dichter  von  EN.  dem 
geistlichen  Stande  an.  Wie  jener  so  hatte  auch  er  ein  aus- 
gebildetes Gefühl  für  den  spraehrichtigen  Gebrauch   des  Eng- 


275 


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276 

lisehen  und  somit  auch  für  die  Anwendung  des  Konjunktivs. 
Es  sei  aber  nicht  vergessen,  dafs  Orrna  ein  literarischer  Hand- 
werker und  Verseschmied  war,  während  der  Schöpfer  von  EN. 
als  echter  Dichter  und  Meister  der  Sprache  zu  betrachten  ist. 

Nach  Zenke,  Stud.  4:0,  §  138,  enthält  das  Orrmulum  eine 
Gesamtzahl  von  1153  Konjunktiven;  EN.  dagegen  bietet  nur 
266.  Zieht  man  jedoch  die  Ausdehnung  und  das  Versmafs 
beider  Dichtungen  in  Betracht,  so  weist  EN.  eine  verhältnis- 
mäfsig  weit  grölsere  Anzahl  von  Konjunktiven  auf  als  das 
Orrmulum. 

Halten  sich  im  Orrmulum  Synthese  und  Analyse  fast  das 
Gleichgewicht  (573 :  580),  so  herrseht  in  EN.  die  Synthese 
stark  vor  (218  :  53).  Ein  Grund  für  diese  Tatsache  ist  bereits 
in  §  2  angeführt:  In  der  Mundart  des  Dichters  von  EN.  standen 
noch  mehr  äulserlich  erkennbare  synthetische  Konjunktiv- 
formen zur  Verfügung  als  im  Dialekt  des  Orrmulum. 

Im  Orrmulum  würden  254  von  den  580  analytischen  Kon- 
junktiven, wenn  man  sie  in  synthetische  verwandelte,  sich  formell 
vom  Indikativ  unterscheiden,  und  von  den  573  synthetischen 
Formen  fallen  136  (oder  146?,  vgl.  Stud.  40,  S.  86  oben)  mit 
dem  Indikativ  zusammen.  In  EN.  liegen  die  Verteilungs- 
verhältnisse folgendermalsen :  Von  den  53  analytischen  Kon- 
junktiven würden  31  auch  in  der  Synthese  als  Konjunktive 
äufserlich  erkennbar  sein,  und  unter  den  213  synthetischen 
Formen  befinden  sich  38,  die  mit  dem  Indikativ  der  Form 
nach  übereinstimmen.  Aus  diesen  Zahlen  geht  wie  für  das 
Orrmulum  so  auch  für  EN.  klar  hervor:  Oftmals  wurden  ana- 
lytische Konjunktive  verwandt,  wo  bereits  die  Anwendung 
der  Synthese  den  Modus  deutlich  zum  Ausdruck  gebracht  hätte; 
häufig  wurde  die  Synthese  beibehalten,  wo  nur  durch  Gebrauch 
der  Analyse  der  Modus  auch  äufserlich  zutage  getreten  wäre. 

Wie  Zenke  richtig  hervorhebt,  hat  bei  der  Verwendung 
der  Analyse  oft  das  Streben  bestimmend  gewirkt,  eine  gewisse 
Bedeutung  des  Konjunktivs  schärfer  hervortreten  zu  lassen. 
Orrm  benutzte  zur  Umschreibung  die  Verben  mote^in,  murshenn, 
sliulenn,  wiletin,  mime  und  Jjurrfe,  das  in  der  Übersicht,  vgl. 
Stud.  40,  §  138,  versehentlich  nicht  aufgeführt  worden  ist.  Die 
ersten  vier  dieser  Verben  finden  sich  als  modale  Hilfsverben 
auch  in  EN.  wieder,  dazu  tritt  ae.  weorpan.    Über  die  Häufig- 


277 

kcit  der  Verwendung  der  einzelneu  Verben  vgl.  die  Übersicht. 
Wie  im  Orrmnlum  so  sind  ;iucb  in  EN.  die  Formen  der  zur 
Umsehreibung  des  Konjunktivs  benutzten  Verben  als  formelle 
Konjunktive  aufzufassen,  abgesehen  von  einigen  Belegen  in 
§  6,  wo  mai,  bezw.  mi^t  zur  Bildung  der  Analyse  dient.  Betont 
sei  ansdrüeklich,  dafs  die  genannten  Verben  nicht  blol's  als 
Hilfsverben  des  Modus,  sondern  auch  häufig  als  Begriffsverben 
auftreten  und  dafs  es  daher  zuw^eilen  zweifelhaft  ist,  ob  eine 
Umschreibung  des  Konjunktivs  vorliegt  oder  nicht. 

Das  Streben  nach  äufserer  Kennzeichnung  des  Modus 
sowie  nach  schärferer  Hervorhebung  der  verschiedenen  im 
synthetischen  Konjunktiv  liegenden  Bedeutungen  hat  nicht 
allein  zu  analytischen  Konjunktiven  geführt.  Auch  die  Kunst- 
form, Vers  und  Reim,  zwang  die  Dichter,  zur  Umschreibung 
ihre  Zuflucht  zu  nehmen.  Unzweifelhaft  erhellt  das  z.  B.  aus 
folgender  Stelle  in  EN.: 

1581  f.:   an  sporne  fondep  hu  lieo  muhe 
do  Inng  pat  him  heo  idu^^e. 

Zenke  weist  in  den  Stud.  40,  §  131.  darauf  hin,  dafs 
mushenn  von  Orrm  zur  Umschreibung  des  Indikativs  benutzt 
worden  ist,  und  sucht  mit  Recht  die  Veranlassung  dazu  in  der 
Metrik,  da  ein  begrifflicher  Unterschied  nicht  vorliegt.  Mir 
scheint,  dafs  Orrm  auch  hin  und  wieder  zur  Analyse  des 
Konjunktivs  gegriffen  hat,  nur  um  die  Silbenzahl  seiner 
Septenare  zusammenzubekommen. 

Das  Vorhandensein  der  zahlreichen,  äufserlich  nicht  er- 
kennbaren synthetischen  Konjunktive  bezeugt,  dafs  diese  Formen 
noch  genügten,  das  Modusgefühl  in  den  Sprachträgern  der 
frühme.  Zeit  anklingen  zu  lassen,  vgl.  z.B.  hierzu  den  Konjunktiv 
in  Konzessivsätzen. 


Wha(  is  Ihe  Parlemeiil  of  Foiiles? 


Von 


John  Matthews  Manly. 


Inhalt. 

Seite 

Discnssiou 279 

Note  on  the  Astrouomical  Alliisiou 288 


Disciission. 


Chaucer's  Parlement  of  Foules  is  currently  believed 
to  be  an  allegorical  poem  of  eompliment,  setting  forth  the 
wooing  üf  Anne  of  Bobemia  by  Riebard  II  of  England,  Friedrich 
of  Meissen,  and  Charles  VI  of  France,  i)  One  of  the  latest 
writers  says,  „Koch's  theory  as  modified  by  Prof.  Emerson 
rests  upon  grounds  of  proof  that  come  little  short  of  amounting 
to  a  demonstration."  2) 

That  this  theory  is  more  plausible  in  its  present  than  in 
its   original   form  is  true;   but  several  difficulties  still  remain. 

To  whom  was  the  poem  intended  as  a  eompliment?  To 
Kichard,  or  Anne,  or  both?  The  critics  are,  in  general,  not 
very  specific  on  this  point.  Let  us  examine  the  possibilities. 
If,  as  the  astronomical  allusion  '^)  seems  to  indicate,  the  poem 
was  written  and  presented  after  Anne's  arrival  in  England,  it 
may  have  been  intended  as  a  eompliment  to  either  or  both. 
But  is  it  eonceivable  that  it  was  so  intended?  Would  a  poet 
of  intelligence  and  tact  represent  her  at  this  time  as  undecided 
in  her  choice. ')  whereas  her  very  presence  in  England  was  due 
to  her  having  decided  in  favor  of  liichard?  Surely,  if  Chaucer 
had  planned  to  write  a  poem  com|)limentary  to  both,  it  would 
have  been  easy  to  contiuue  and  complete  this  poem  in  such  a 
way  as  to  make  it  a  clear  and  unequivoeal  eompliment.  If  it 
be  contended  that  it  was  planned  for  either  Richard  or  Anne 
alone,  can  we  suppose  that  either  would  be  satisfied  to  have 
the  Situation  left  as  it  is?    Years  after  her  marriage  a  lady 

1)  Cf.  Koch,  Engl.Stud.,  I,  2S7— 89;  Chaucer  Chron.,  37—38;  Tatlock, 
Dev.  &  Chron.  ofCh.,  4]— 44;   Emerson,  Mod.  Phil,  VIII,  45— 62. 

=)  Moore,  M.  L.  N.,  Jan.  1911,  pp.  1— 4. 

')  See  „Note  on  the  Astronomical  Allusion"  p.  288. 

*)  The  respite  of  a  year  (1.  ü48)  is  not  au  allusion  to  the  time  occupied 
by  the  negotiations,  but  ouly  to  the  faet  that  the  next  day  for  the  choosing 
of  mates  would  be  Saint  Valentine's  Day  of  the  next  year. 


280 

may  be  flattered  by  an  allusion  to  the  difficiüty  she  bad  in 
cboosing  among  bei*  siiitors,  but  at  or  near  tbe  time  of  the 
weddiug  to  repvesent  her  as  unable  to  deeide  is  not  a  com- 
plinient  but  a  joke,  and  a  joke  not  in  tbe  best  taste. 

If  tbe  poem  was  written  before  Aune's  arrival  in  England, 
in  December  1381,  it  is  difficult  to  see  bow  it  can  bave  been 
intended  for  her.  She  conld  not  bave  known  of  it  unless 
Cbaueer  bad  sent  it  to  ber  in  Bobemia,  and  tbis,  wbile  possible, 
is  bigbly  improbable.  It  must,  tberefore,  if  written  at  tbis 
time,  bave  been  intended  as  a  eompliment  to  Eicbard.  But 
can  any  one  seriously  maintain  tbat  Riebard  would  bave 
regarded  it  as  eomplimentary,  or  tbat  Chaucer,  a  courtier  and 
an  artist,  could  bave  supposed  tbat  it  v^'ould  be  aeeeptable  to 
bim?  It  is  true  tbat,  aceording  to  tbe  current  tbeory,  Riebard 
is  represented  by  the  first  of  tbe  suitors;  but  the  lady  is  re- 
presented  as  unable  to  deeide  whether  to  choose  him,  or  an 
insignificant  princeling,  >)  or  tbat  rival  wbom  he  ealled,  not 
king  of  France,  but  „nostre  adversaire".  It  is  conceivable  tbat 
after  tbe  development  of  bis  sineere  and  deep  affection  for 
Anne,  he  might  bave  feit  no  olfenee  at  a  representation  so 
derogatory  to  bis  royal  dignity;  but  at  tbis  time,  wben  be 
knew  of  Anne  only  by  report,  he  can,  to  say  tbe  least,  hardly 
bave  feit  complimented. 

Moreover,  it  may  be  questioned  whether,  at  any  time, 
Richard  would  bave  been  pleased  with  the  emphasis  upon  the 
Claims  of  the  third  suitor  to  a  more  passionate  devotion  tban 
bis  own;2)  and  it  is  equally  questiouable  whether  it  would,  at 
any  time,  bave  been  diplomatic  or  tactful  in  Chaucer  to  make 
any  reference  to  Friedrich ,  wliose  Claims  to  Anne  and 
„10000  Schock  Groschen"  3)  Wenzel  bad  eitber  cancelled  or 
disregarded,  and  would  gladly  bave  forgotten. 

But  sume  stress  bas  been  laid  ui)on  the  aceuracy  with 
which  the  descriptions  of  the  suitors  in  the  poem  fit  the  three 
candidates.^)     Tbis    appearance    uf  aceuracy   is    obtained    by 


^)  That  Friedrich  later  became  notable  for  liis  warlike  qualities  has 
no  bearlng  upon  the  Situation  at  this  time. 
2)  P.  F.,  470—63. 

«)  Cf.  Emerson,  Mod.  Phil.,  VIII,  47,  n.  and  50. 
*)  Emerson,  02k  cit.,  pp.  50,  57—60,  and  Moore,  ut  sujjra. 


281 

empbasiziug  certain  phascs  of  tlie  Situation  and  disregarding 
others. ')  If  the  poeni  be  taken  not  seriously,  as  au  intended 
compliment  to  Kiebard  and  Anne,  but,  as  a  bit  of  merriment 
intended  to  aniuse  tbe  adults  at  the  expense  of  tbese  royal 
cbildren,-)  tbe  deseriptions  will  fit  well  enuugb.  But  if  tbis 
is  tbe  ease,  tbe  poem  is  not  a  complinient  to  Kiebard  and 
Anne,  but  makes  sport  of  tbeni. 

Tbat  Kiebard  is  bigbest  in  rank  and  birtb,  tbat  Friedrieb 
has  served  longest,  tbat  Cbarles'  suit,  if  really  urged  at  all, 
is  of  sbortest  duration,  is  all  literally  true.  But  only  in  a 
poem  designed  to  make  tbe  ebildren  appear  ridiculous 
could  tbese  niatters  be  stressed.  In  1380,  wben  Cbarles  V 
reeognized  tbe  betrotbal  of  Kiebard  and  Anne  as  an  ac- 
complisbed  fact,  Kiebard  was  tbirteen  years  old,  Friedrieb 
eleven,  and   Cbarles   not  yet   twelve;   and  in  May,  1382,  tbe 


')  Emerson  (p.  58)  not  only  finds  two  equally  good  explanatious  of 
tbe  „half  a  yere"  of  1.  475;  bat  also  sees  in  the  langaage  of  the  third 
suitor  allnsions  to  the  youth  of  Charles  and  bis  helplessness  in  the  hands 
of  his  uncles  (p.  5S  n.  3,  p.  (iO).  Richard  —  the  first  suitor,  the  tercel  eagle, 
„wyse  aud  worthy",  „worthieste  uf  Knighthode,  and  longest  hath  nsed 
hit"  —  was,  to  be  sure,  more  than  thirteen  in  May,  13S0,  wheu  Charles 
was  „a  boy  little  over  eleven  years  of  age"  (Emerson,  p.  58,  n.  3),  but 
cven  at  the  time  of  his  marriage  Richard  was  alinost  as  helpless  in  the 
hands  of  his  uncles  as  Charles  was  in  the  hands  of  his;  and  lines  suggestiug 
the  condition  of  the  one  mnst  have  suggestcd  that  of  the  other  also. 

It  may  be  adtuitted  that  allegories  need  not  go  on  all  fours,  bat 
niay  be  reeognized  if  they  can  uiove  on  three  legs,  or  two,  or  even  one; 
bnt  how  can  the  subject  of  an  allusion  be  expected  to  take  the  sweet 
and  disregard  the  bitter  of  it?  Emerson  belle ves  that  Anne  would  have 
reeognized,  as  Lowes  does,  in  the  tempest  at  the  home-coming  of  Hippo- 
lita  (K.  T.,  1.  26)  an  allusion  to  her  own  journey  to  England,  and  have 
been  pleased;  and  also  that  Richard  was  shadowed  forth  in  Palemon,  a 
„kluges  brother  soue"  (Emerson  iu  Studies  in  Lang,  and  Lit.  in  Honor 
of  J.  M.  Hart,  p.  253).  Would  Richard,  King  of  England  in  his  own 
right,  have  been  pleased  to  be  represeuted  as  son  of  the  brother  of  the 
King  of  Castille?  Or  was  Richard  not  to  listen  wbile  this  compliment 
was  paid  to  John  of  Gaunt?  To  date  a  poem  of  Chancer's  by  obscure 
allusions  to  contemporary  eveuts  is  a  fine  achievement;  but  allusions  can 
be  found  almost  anywhere  if  diligently  sought. 

2)  Anne  was  born  May  11,  1366;  Richard,  January  6,  1367  (Wednes- 
day,  the  day  of  the  Epiphany,  says  Froissart);  Charles,  December  3,  136S; 
and  Friedrich,  that  veterau  of  love,  March  29,  136Ü. 


282 

latest  date  suggested  for  the  poem,  tliey  were  still  ehildrcu 
of  fifteen,  thirteeu,  and  tbirteen  and  a  half.  In  view  of  this, 
wliat  Cduld  be  more  ludicrous  than  tbe  application  to  llicbard 
of  tbe  language  used  in  support  of  the  claims  of  the  royal 
eagle  by  tbe  tercelet! 

„Me  wolde  tbiuke  bow  that  tbe  worthieste 
Of  knighthode,  and  lengest  bath  used  bit, 


Were  sittiugest  for  her."     (548—51) 

If  DO  other  interpretati(»n  of  tbe  poem  than  that  proposed 
were  possible,  we  sbould  doubtless  be  obliged  to  aecept  it  in 
spite  of  tbe  difficulties,  but  anotber  Interpretation  entirely 
devoid  of  diffieulty  seems  not  only  possible  but  elearly  in- 
dieated  by  a  careful  study  of  tbe  elements  of  tbe  poem  and 
tbeir  provenieuce. 

It  bas  long  been  recognized  that  tbe  general  frame-work 
of  tbe  poem  is  that  of  the  conventional  love  vision:  tbe  dream, 
tbe  guide,  the  paradise  of  love,  tbe  temple  of  Venus,  the 
presentation  of  birds  or  other  animals  in  tbe  ebaracter  of  human 
beings,  the  central  theme  of  love.  i)  Tbe  only  element  in  the 
Parlement  supposed  to  be  new  and  charocteristic  is  the 
central  Situation;  namely,  the  assembly  of  birds  to  choose  mates. 
On  investigation,  bowever,  we  find  that  this  is  as  conventional 
as  any  of  the  other  elements,  and  its  use  in  this  poem  is 
conditioned,  as  I  sball  try  to  show,  by  tbe  social  pastime  then 
in  vogue  which  gave  occasion  for  tbe  poem. 

Tbe  well  known  ty})e  of  tbe  love  debate,  to  which  this 
poem  belongs,  is  represented  in  mediaeval  literature  by  numerous 
poems  discussed  in  chapter  III  of  Neilson's  Oriyins  and 
Sources  of  „the  Court  of  Love."^)    It  presents   not   only   the 

^)  The  latest  discussion  of  tlie  love  visiou  and  its  elements  is  that 
by  Sypherd,  Studies  in  Chaucer's  House  of  Farne  (EETS,  19ü7)  Part.  I, 
csp.  pp.  1  — (),  and  23,  24;  he  glves  abuudant  refereuces  to  previuus  dis- 
cnssions. 

*)  NeilsoD  discusses  the  Romaricimontis  Conciliuni,  theAlter- 
catio  Phyllidls  et  Florae,  Florance  et  Blancheflor,  Hueline  et 
Aiglantiue,  the  Geste  de  Bianchefluur  et  Florence,  Melior  et 
Idoine,  Li  Fablel  dou  Dieu  d'Amors,  De  Venus  la  Deesse 
d'Amor,  and  others  less  pertinent  to  our  theme. 


283 

droam,  the  guide,  and  tlie  i)aradise  of  love,  biit  also  the 
debate  before  the  god  or  goddess  of  love  (or  a  representative) 
of  a  qiiestion  of  the  comparative  merits  of  h)vers.  In  niost  of  the 
poems  of  this  type  the  h)vers  are  representatives  of  tvvo  classcs, 
knights  and  clerks,  but  the  ränge  of  such  discussions  in  the 
middle  ages  was  far  wider  than  this,  and  may  include  any 
of  the  nnmerons  demandes  d'amours.  *) 

Few  themes  of  literary  or  social  diseussion  were  more 
populär  in  the  middle  ages  than  those  known  as  demandes 
d'amours.^)  These  are  found  in  many  and  various  forms, 
from  the  simple  cases  proposed  in  the  De  Amore^)  of  Andreas 
Capellanus  and  elsewhere,  to  the  jeux-partis,  partiiuens,  tenzonc, 
Streitgedichte,  torniamens,  debats,  and  arrests  d'amours.^)  The 
qiiestions  proposed  present  usually  indeed  a  choice  between 
two  objects  or  two  situations  or  two  courses  of  action:  as, 
between  the  knight  and  the  clerk  as  the  better  lover,  or 
between  two  knights,  or  between  the  canonesses  and  the  gray 
nuus;  or  between  the  felieity  of  the  lover  who  can  see  as  often 
as  he  wishes  bis  lady  who  does  not  love  him,  and  of  the 
lover  who  can  only  see  at  a  distance  the  lady  who  loves  him.  ^) 
But  there  are  many  iustances  in  which  the  problem  has  three 
branches.  One  of  the  most  iuteresting  is  the  partimen  between 
Raimbaut  de  Vaqueiras   and   two   friends   concerning  the  pre- 


^)  In  the  Fablei  dou  Dieu  d 'Amors  the  Claims  of  the  „vilaiuue 
gent"  (that  is,  all  who  are  not  knights  or  clerks)  are  maintained  by  the 
„malvis"  and  the  „gais"  against  the  „espreviers"  in  an  assembly  presided 
over  by  the  „loussignos".  In  the  Messe  des  Oiseans  of  Jean  de  Condc 
the  comparative  attractiveness  of  the  white  canonesses  and  the  gray  nuus 
is  discussed  before  Venus. 

^)  Cf.  Eero  Ilvonen,  Les  demandes  d'amours  dans  la  litterature  fran<;aise 
du  moyen  äge,  ^euphil.  Alitteilungen,  Helsingsfors  1912,  Nr.  5/6,  pp.  128 
to  144;  A.  Klein,  Die  altfranzösischen  Minnefragen;  Rajna,  Le  Questioni 
d'Amore  nel  Filocolo,  Romania,  XXXI. 

')  See  especially  Liber  II,  Cap.  VII :  De  variis  iudiciis  amoris. 

*)  Cf.  Seibach,  Das  Streitgedicht  in  der  altprov.  Lyrik;  Knobloch, 
Streitgedichte  im  Prov.  u.  Altfr. ;  Wechssler,  Ein  Altfrz.  Katechismus  der 
Minne,  Philol.  u.  Volksk.  Arbeiten,  Festschr.  f.  Vollmöller;  Steffens,  Archiv, 
XCVIII;  Lubinski,  Rom.  Forschung.,  XXll;  Jeanroy,  iJomani«,  XL,  35U ff., 
XLV,  209ff.;  Fiset,  Rom.  Forschungen,  XIX,  407 ff.;  Schultz-Gora,  Rotn. 
Forschungen.  XXIII,  497  ff. ;  etc. 

'')  Cf.  Klein,  p.  40. 


284 

ference  to  be  givcn  to  one  (»f  three  barons,  distinguished 
respectively  for  valor,  for  courtesy  aud  liberality,  and  for 
wisdom. ')  Another,  less  interesting  perhaps,  is  the  triple  jeu- 
parti  of  Colart  aud  Mabieu,  as  to  wbetber  marriage,  religioas 
life,  or  bachelorbood  is  tbe  i)referable  condition.2)  A  triple 
question  of  considerable  vogue  is  tbat  in  regard  to  the  choice 
of  ladies,  involving  tbe  comparative  attraetiveness  of  maid, 
"wife,  and  widow.  3)  A  somewbat  peeiüiar  form  of  tbe  triple 
question  is  tbat  preseuted  in  Fiez  d'Amours  by  Jacques 
de  Baisieux.*)  Tbree  kuigbts  love  tbe  same  lady.  Sbe  tests 
tbem  by  asking  tbem  to  figbt  in  tournament  in  a  „camieia" 
tbat  sbe  sends.  Anotber  triple  problem  of  special  interest  as 
sbowing  bow  tbe  demande  d'amours  was  utilized  in  narrative, 
is  presented  by  tbe  Lai  du  Conseil.^)  In  it,  a  lady  married 
to  a  rieb  old  man  asks  advice  of  a  ebevalier  „sage  et  bien 
appris"  on  tbe  eboice  sbe  ougbt  to  make  between  tbree  suitors. 
Tbe  first  is  „preux,  riebe,  et  mal  el^ve" ;  tbe  secoud  is  „courtois, 
riebe,  et  mal  renommö  pour  la  prouesse";  tbe  tbird  „a  peu  de 
fortune,  mais  il  est  preux,  discret,  et  sage".  But  perbaps  tbe 
most  interesting  for  our  purpose  is  tbe  triple  problem  preseuted 
in  book  IV  of  tbe  Filocolo.  Tbe  tbird  of  tbe  tbirteen 
questions  of  love  presented  under  tbe  presideney  of  Fiammetta 
is  tbat  presented  by  an  unnamed  lady  wbo  bas  to  cboose 
among  tbree  lovers  wbo  please  her  equally.  The  first  sur- 
passes in  ,.fortezza"  tbe  „buono  Ettore";  tbe  courtesy  and 
liberality  of  tbe  seeond  is  so  great  tbat  bis  fame  reacbes  to 
eitber  pole;  tbe  tbird  surpasses  in  wisdom  all  tbe  wise. 

It   may  be   noted  in  passing  tbat  immediately  preeeding 
tbe  episode  of  tbe  questions  of  love  in  the  Filocolo,«)  Florio 


')  Text  in  Appel,  Prov.  Chrest,  Nr.  9S;  cf.  Nr.  99,  which  discnsses 
which  of  three  robbers  was  treated  worst.  Cf.  also  the  amusing  one, 
Klein  p.  56,  Nr.  13.  Eqnally  amusing  is  that  given  in  Hist.  Litt,  de  la 
Fr.,  XXIII,  755. 

*)  Jeanroy,  Chansons,  Jeux  Fartis  et  Refrains  Inedits  du  Xlll «  siede, 
pp.  42-44. 

•'')  Rajna,  Bomania,  XXXI,  p.  52;  cf.  Hist.  Litt,  de  la  Fr.,  XXIII,  601 
and  717. 

*)  Rajna,  Romania,  XXXI,  pp.  72 — 74. 

•■)  Hist.  Litt,  de  la  Fr.,  XXIII,  p.  63  f. 

•)  Chaucer's  acquaintance  with   the  Filocolo   is  well  established. 


285 

reports  a  dream  wliicli  lie  has  liad  about  a  gathering  of  birds.O 
It  need  not  be  argued  thut  this  siiggested  t(»  Chaucer  the  idea 
of  prosenting  a  demande  d'amoiirs  in  the  setting  of  a  bird 
parliameut.  Birds  are  present,  eitber  as  spectators  or  as  actors, 
in  almost  all  the  love  visions  sumniarized  by  Neilson,-)  and 
the  formal  parliament  of  birds  was  a  populär  type  of  mediaeval 
literatiire.  Twentv-nine  such  i)arliaments  are  listed  by  Seelmann 

«.1.  * 

in  bis  artiele  on  „Die  Vogelspraehen."^)  He  distinguishes 
several  types.  The  two  whieh  are  <»f  most  interest  to  ns  are 
that  in  whieh  the  birds  chuose  a  king,  and  that  in  whieh  they 
give  advice,  either  of  a  general  or  of  a  specific  character. '•) 
We  have  seen  thus  far  that  the  Parle ment  of  Foules 
is  a  conventional  love  visiou,  in  whieh  the  central  Situation  is 
a  demande  d'amours,  presented  before  a  parliament  of  birds, 
presided  over  by  a  representative  ^)  of  the  god  or  goddess  (»f 
love,  who  in  this  case  is  Dame  Nature.  '5)     It  is  now  neeessary 


For  his  nse  of  it  in  Troilus  and  Criseyde,  see  Young,  Mod.  Phil, 
IV,  109—77,  aud  The  Origin  and  Devel.  of  the  Story  of  Troilus 
and  Criseyde,  Chap.  IV.  For  its  connectiou  with  the  Frankeleyu's 
Tale,  see  Eajna,  Bomania,  XXXII,  •20-1— 67.  The  Frankeleyn's  Tale 
itself,  it  will  be  remembered,  is  a  triple  love  problem  of  the  type  we  are 
now  discnssing. 

')  Oj)ere  Volgan,  VIII,  23— 26. 

^)  In  Florance  et  Blancheflor  the  problem  is  pnt  for  decision 
before  a  conrt  or  assembly  of  birds  (Neilson,  p.  36).  In  the  Geste  de 
Blancheflour  et  Florence  and  iu  Melior  et  Idoine  also  the  birds 
render  the  decision  (Neilson,  p.  38).  In  the  Fablei  dou  Dieu  d'Amors 
the  discussion  is  carried  on  by  birds  aud  the  nightingale  presides;  and  iu 
De  Venus  la  Deesse  d'Amor  the  Situation  is  alinost  the  same  (Neilson, 
pp.  41,  42).  For  the  Messe  des  Oiseaus  cf.  Neilson,  p.  67.  See  also 
ibid.,  pp.  216—27. 

*)  Jahrb.  f.  nd.  Sprachforscliung,  XIV,  101— 47.  To  these  add  the 
Conseil  des  Oiseaux  noted  in  Romania,  XIX,  344. 

*)  Loc.  cit.,  pp.  108  —  15. 

'•')  In  Le  Court  d'Amours  of  Mahieu  Poriier  the  „grand  bailli" 
presides  over  the  discussion  of  the  problems.  In  the  Romaricimontis 
Concilium  the  president  is  called  „cardinalis  domina".  In  the  Alter- 
catio  the  judges  are  „Usus  et  Natura."  In  Machaut's  Dit  du  Vergier 
Nature  takes  part  in  the  dialogue  with  the  author. 

*')  The  presenco  of  Nature  is  no  doubt  due  to  the  influence  of  Alanus 
de  Insulis,  as  has  often  been  remarked;  but  the  passage  in  the  Planctus 
Naturae   can   hardly  be   regarded  as  having  suggeeted  the  poem,   even 


286 

only  to  emphasize  the  fiirtber  well  known  fact  tbat  this 
asserably  is  beld  on  Saint  Valentine's  Day,  and  to  point  out 
the  significanee  of  tbis  fact  for  tbe  Interpretation  of  the  poem. 

Tbe  cult  of  Saint  Valentine  appears  to  bave  existed  as 
a  folk  ciistom  from  very  remote  anticiuity.  We  are  not  bere 
coneerned  with  its  origiu  or  early  bistory.  Tbe  point  of 
interest  for  us  is  tbat  in  tbe  fourteeutb  centuiy  —  apparently 
in  the  seeond  or  tbird  quarter  —  tbis  folk  custom  was  taken 
up  by  courtiers  and  transformed  into  a  literary  and  social 
amusement.  I  bave  found  uo  traces  of  tbis  earlier  tban  the 
poems  of  Granson,  wbose  vogue  as  a  court  poet  Chaueer  has 
clearly  indicated  in  tbe  well  known  lines  of  bis  Envoi  to  tbe 
triple  balade  of  the  Compleynt  of  Venus.  Among  tbe  few 
poems  by  Granson  wbich  remain  to  us,  there  are  six  Valentine 
poems.  These  are  given  by  Piaget  in  Romania  XIX,  pp.  406, 
409,  420,  422,  424,  432.  Tbe  cult  indicated  by  tbese  poems 
finds  expression  also  in  Gower's  CinJcante  Balnäes,^)  two 
of  wbich  are  Valentines.  Tbat  tbe  cult  continued  into  tbe 
fifteenth  Century  is  indicated  by  tbe  Valentine  poems  written 
by  Lydgate,^)  or  ascribed  to  bim,  and  by  tbe  sixteen  poems 
of  similar  nature  written  by  Charles  of  Orleans  and  bis  friends.^) 
Wbetber  any  definite  social  Organization  in  connection  with 
this  cult  was  made  before  the  year  1400  is  unknown,  but  it 
is  not  unlikely  tbat  parallel  to  the  organizations  of  tbe  Flower 


thoagh  it  does  contain  the  phrase  animalium  concilium.    Both  idea 
and  term  were  common. 

')  Nrs.  34  and  35  are  Valentines. 

2)  Clearly  Valentine  poems  are  the  Flour  of  Cnrtesye  (aee 
especiallj-  the  Balade  and  the  Envoy),  Skeat,  Chaiicerian  and  Other  Pieces, 
pp.  266—274;  To  My  Soverain  Lady  (see  especially  11.  106—12),  ibid., 
pp.  2S1  — 4;  and  A  Valentine  to  Her  that  Excelleth  All,  Minor 
Poems  of  Lydgate,  ed.  MacCracken,  1,304—10.  The  Cuckoo  and 
the  Nightingale  belongs  also  to  this  class,  as  does  also  the  Ameroas 
Complaint  ascribed  doubtfuUy  to  Chaueer,  cf.  Oxford  ed.,  1,411 — 14 
(esp.  11.  85—91). 

*)  Poesies  CornjAdes  de  Charles  d'Orleans,  ed.  d'Hericault,  I,  Poeme 
de  la  Prison,  Balade  Ixvi,  p.  85,  Fredet  au  duc  d'Orleans,  p.  177;  II,  Chanson 
cxviii,  cxix,  p.  68,  Rondeau  x,  p.  82,  cxix,  p.  144,  clxxxviii,  p.  193,  Rondeau 
de  Fredet,  ibid.,  ccvi,  ccvii,  p.  210,  ccviii,  ccix,  p.  211,  Rondeau  par  Tigon- 
ville,  p.  212,  ccxxx,  p.  224,  cclili,  p.  237.     See  11,21)7  note  ou  177. 


287 

and  the  Leaf.  permanent  or  temporary  eonrts  of  Saint  Valentine 
were  established.  It  is  well  known  tliat  in  1400  tliere  was 
organized  at  Paris,  on  Saint  Valentine'«  Day,  a  niagniticent  and 
elaborate  eour  amonrense,  the  purpose  of  wbieli  was  to 
hold  meeting'S  for  the  presentation  of  balades  and  otber  poemsJ) 

That  Chaucer  hiniself  took  part  in  the  literary  features 
of  such  social  entertainments  is  indicated  by  bis  Coniplaint 
of  Mars,  which  the  introductory  stan/as  cleavly  show  to  have 
been  intended  as  a  Valentine  poen).^)  It  is  therefore  not 
difficult  to  believe  that  the  Parlement  of  Foules  was 
written  for  such  an  occasion  and  that  it  finds  its  sufficient 
explanation  in  this  fact. 

If  this  view  be  adopted,  it  is  no  longer  necessary  to  search 
for  an  historical  Situation  suitable  to  give  rise  to  the  poeni 
and  to  be  shadowed  forth  in  it.  Every  detail  of  the  poeni 
is  simply  and  adequately  accounted  for.-')  The  choice  among 
the  three  suitors  is  a  typieal  triple  problera  of  love;  the  choice 
is  left  undeeided  in  order  to  furnish  a  basis  for  aniniated 
social  diseussion,^)  as  is  so  often  the  case  with  the  demandes 
d'amours;  the  respite  of  a  year  is  couditioned  by  the  fact 
that  the  next  assembly  for  choosing  mates  will  occur  ou  the 
next  day  of  Saint  Valentine. 


^)  A.  Plaget,  La  Cour  Amourense  dite  de  Charles  VI,  Romania, 
XX,  417 — 54.  Tliere  is  nothiög  of  value  in  Reiffeuberg's  article  in  the 
Biill  de  l'Acad.  Roy.  de  Brnxelles,  VII,  part  I  (18^0). 

*)  The  natnre  of  the  poem  is  such  that  only  the  desire  to  make  a 
Valentine  of  it  can  account  for  the  setting;  cf.  Mauly,  Harv.  Studies  and 
Notes  (Child  Memorial  Volume),  V,  107 ft'.  The  Legend  of  Goode 
Women  is  not  a  Valentine  poem,  despite  the  allusions  to  the  choosing 
of  mates. 

^)  Skeat  thought  that  the  summer  landscape  contradicted  the  in- 
dication  of  Valentine's  Day,  and  he  explalned  the  presence  pf  11.  172, 
184 — 210,  by  supposing  that  the  poet  was  writiug  in  the  summer;  see  his 
note  on  1.  117.  Bat  these  lines  come  from  Boccaccio  and  are  used  by 
Chaucer  in  depicting  the  unchanging  summer  which  is  a  conventional 
characteristic  of  the  amorons  paradise. 

The  „longe  day",  1.  21,  is  of  course  not  intended  for  Valentine's  Day. 

*)  American  and  perhaps  some  English  readers  will  recall  the  vigorous 
discussion  produced  by  the  demande  d'amours  of  Ötockton's  The 
Lady  or  the  Tiger. 


288 

Note  on  tlie  Astronomical  Allusion. 


As  wisly  as  I  saw  thee  (Venus)  north-north-west 

Wben  I  began  my  sweven  for  to  write.  {F.F.,  113 — 19.) 

It  is  true  that  Veuus  can  uever  be  seen  „nortb-nortb-west", 
but  —  unless  tbis  term  ineans  only  „in  an  unpropitious 
Position",  (Ab  aquilone  omne  nialum)  and  is  a  bit  of  slang,  as 
in  Hamlet's,  „I  am  but  mad  nortb-nortb-west"  —  tbis  must 
be  an  inexaet  pbrase  for  tbe  extreme  nortbern  position  of 
Venus  as  an  evening  star.  Professor  Forest  Ray  Moulton  tbinks 
it  a  natural  expressiou  for  a  layman  to  use.  and  says  tbat 
wben  Venus  oeeupies  tbis  position  astrouomers  always  reeeive 
inquiries  about  „tbe  new  star  in  tbe  nortb-nortb-west".  Cbaucer 
had,  of  course,  some  knowledge  of  astronomy,  but  be  is  writing 
here,  not  as  seientist,  but  as  poet. 

Early  in  May,  1382,  Venus  would  be  tbe  evening  star, 
as  Kocb  pointed  out  {Clironology,  pp.  37 — 38).  Sbe  would  tben 
be  visible  sligbtly  nortb  of  tbe  uortb-west  point,  thougb  not 
teebnically  nortb-nortb-west.  Tbis  extreme  nortbwest  position, 
says  Professor  Äloulton,  can  be  reacbed  „only  wben  Venus  is 
near  ber  greatest  distanee  nortb  of  tbe  equator.  Sbe  is  at  ber 
greatest  distanee  nortb  of  tbe  equator  wben  sbe  is  90  o  east 
of  tbe  vernal  equinox.  In  ber  greatest  easteru  elongation  sbe 
is  approximately  45 "  east  of  tbe  sun.  Consequently,  Venus  is 
Seen  in  tbe  nortb-nortb-west  only  wben  tbe  sun  is  about  45* 
east  of  tbe  vernal  equinox,  tbat  is,  about  May  10.  A  differenee 
of  two  or  tbree  weeks  from  tbis  date  would  cause  no  very 
great  differenee  in  tbe  apparent  position  of  Venus." 

The  synodie  period  of  Venus,  tbat  is,  tbe  period  of  ber 
return  to  tbe  same  position  relative  to  tbe  eartb  and  tbe  sun, 
is  1.599  yr.  On  May  12,  1374,  Venus  was  in  ber  greatest 
eastern  elongation.  Tbe  following  are  tbe  dates  of  similar 
positions  for  tbe  next  ten  years  or  so: 

1374.362  =  May  12,  1374 

1375.961  =  Dee.  15,  1375 

1377.560  =  July  23,  1377 

1379.159  =-  Feb.  27,  1379 


289 

1380.758  =  Oct.  2,  1380 
1382.357  ==  May  10,  1382 
1383.956  =  Dec.  14,  1383 

The  year  1380  is  out  of  the  questiou,  for  in  September  and 
October  the  sun  sets  too  nearly  in  the  west  to  allow  Venus 
to  appear  very  far  north  of  west.  If  therefore  Chaucer  is 
speaking  of  the  planet  Venus,  he  teils  us  that  he  began  to 
write  bis  poem  in  1374,  or  1382,  or  1390.  The  first  date  i» 
too  early  and  the  last  too  late. 

This  diseussion  is  based,  of  eourse,  upon  the  usual  inter- 
pretation  of  the  lines  (P.  F.  113 — 19)  eited  at  the  head  of 
this  note.  But  Dr.  Koch,  in  the  second  of  his  articles  on  the 
relations  of  the  manuscripts  of  the  P.  F.  (Das  Handsehriften- 
verhältnis  in  Chaucer's  „Parlement  of  Foules",  Archiv  [1903J 
CXI,  p.  306-7)   öfters   a   new  interpretation  of  1.117.  Ms  Gg. 

reaas.         ^^  wisly  as  I  saw  thee  north  nor  west. 

The  Word  nor  has  heretofore  been  regarded  as  a  mere 
seribal  error  or  variant  for  north,  the  reading  of  all  the  other 
MSS  (except  Tr.  and  Ff.,  whieh  omit  the  word  entirely).  Koch, 
however,  now  suggests  that  it  is  not  a  seribal  error  but  the 
only  right  reading.  He  understands  the  line  to  mean,  „As 
truly  as  I  saw  thee  neither  north  nor  west,  that  is,  south 
and  east." 

If  Chaucer  says  this,  he  indieates,  as  Koch  explains,  that 
Venus  was  morning  star  at  the  date  in  question.  This  might 
have  been  in  1381,  when  Venus  was  morning  star  from  January 
to  July.  „Im  Januar  1381  kamen  aber  gerade  die  Abge- 
sandten König  Richards  an  den  Hof  König  Wenzels,  um  für 
ihn  um  die  Hand  der  Prinzessin  Anna  zu  werben,  um  welche 
Freischaft,  wie  ich  früher  nachgewiesen,  sich  das  Vogel- 
parlament dreht.  Sicher  wuIste  aber  Chaucer  bei  der  Ab- 
fassung seines  Gedichtes  noch  nichts  vom  Ergebnis  dieser 
Werbung,  und  so  dürfte  es  bald  nach  Eintritt  jener  Venus- 
stellung, d.  h.  um  den  14.  Februar  1381  —  welcher  Tag 
(s.  V.  309)  gleichfalls  hier  eine  wichtige  Rolle  spielt  — ,  ent- 
standen sein."  (p.  307.) 

Even  if  this  ingenious  Suggestion  of  Koch's  be  admitted 
the  reasons  given  in  the  present  article  against  regarding  the 

Studien  zur  engl.  Phil.    L.  ^9 


290 

poem  as  intended  for  a  conii)linieut  to  Richard  or  Anue  and 
in  favor  of  taking  it  as  a  Valentine  poem  still  retain  their 
foree.     But  it  is  difficult  to  adniit  the  Suggestion. 

In  the  first  place,  „I  saw  thee  north  nor  west"  (meaniug 
„south  and  east")  would  be,  at  auy  period,  awkward  and 
questionable  English.  To  me  it  seems  impossible  for  Chaucer, 
and  I  thiuk  all  f:\miliar  with  the  syntax  of  Chaucer  will  agree 
with  me.  Furthermore,  in  order  to  aceount  for  the  presence 
in  Gg.  of  a  correct  reading  possessed  by  none  of  the  other 
MSS,  Koch  himself  is  obliged  to  suppose  that,  in  addition  to 
its  direet  source,  Gg.  must  occassioually  have  used  another  MS, 
nearer  to  the  author's  original  than  the  common  ancestor  of 
all  the  cxtant  MSS  {Archiv,  CXII,  p.68).  This  is  not  impossible, 
of  eourse,  but  the  evidence  adduced  is  hardly  convincing. 
Moreover  a  seribe  who,  finding  in  bis  direet  source  „north 
north  west",  would  „correct"  it  to  „north  nor  west"  of  a 
supposedly  better  copy,  would  not  have  been  content  to  use 
the  supposedly  better  copy  „gelegentlich",  but  would  have 
adhered  to  it  with  scrupulous  fidelity. 


BeowLilf  der  Gautenköiiiff. 


Von 


Max  Deutschbein. 


19' 


Jeder,  der  sich  eingehender  mit  der  Chronologie  der  im 
Beowulfepos  auftretenden  Personen  beschäftigt  hat,i)  bemerkt 
bald,  dafs  die  Zeitangaben,  die  sich  auf  das  Alter  und  Lebens- 
schieksale  der  fraglichen  Personen  beziehen,  oft  nicht  zu  ein- 
ander stimmen,  ja  sich  direkt  widersprechen.  Zum  Teil 
erklären  sieh  die  Schwierigkeiten  aus  dem  Umstände,  dafs  ein 
Teil  der  Angaben  des  Epos  wirklich  auf  guter  historischer 
Tradition  beruht,  während  andere  nur  die  eigene  Erfindung 
des  angelsächsischen  Dichters  sind  —  dafs  die  fiktiv-poetischen 
Angaben  nicht  mit  den  historischen-wirklichen  Zeitbestimmungen 
übereinstimmen  können,  ist  klar.  Vor  allem  werden  davon 
jene  Partien  betroffen,  die  von  Beowulf  handeln,  besonders 
aber  soweit  es  sich  um  Beowulf  den  Gauteukönig  handelt.  — 

Dafs  Beowulf  je  den  Thron  der  Gauten  bestiegen  hat, 
halte  ich  für  unmöglich  —  es  ist  dies  nur  eine  Fiktion  des 
angelsächsischen  Dichters,  der  das  ihm  vorliegende  Rohmaterial 
zu  einer  Art  Biographie  von  Beowulf  umgestaltete.  Alles,  was 
er  von  Beowulf  als  König,  von  seiner  Verwandtschaft  mit  den 
W^Smundingen,  mit  Hygeläc  erzählt,  ist  poetische  Erfindung. 
Das  hat  schon  MüUenhoff  {Beowulf  S.  14f.)  richtig  gefühlt, 
der  mit  Recht  die  passive  Rolle  Beowulfs  in  dem  Kampfe 
gegen  Onela  betont  und  weiterhin  vermutet,  dafs  ursprünglich 
wohl  Hygelac  im  Mittelpunkt  des  epischen  Interesses  gestanden 
habe.  Die  Ereignisse  gehen  so  vor  sich,  als  wenn  Beowulf 
überhaupt  nicht  existierte,  einer  Meinung,  der  sich  auch  neuer- 
dings Klaeber  {Anglia  36,  190)  anschliefst:  „Kurz,  die  ver- 
breitete Ansicht  von  einem  ursprünglichen  historischen  Beowulf, 


0   So    neuerdings   Heusler,    Archiv   124,  9if.    und    Panzer,    Beowulf 
393  Anna. 


293 

Neffen  des  Gautenkönigs,  unterliegt  schwerwiegenden  Be- 
denken." 

Dazu  kommt  noch  ein  spraebliches  Argument,  auf  das 
schon  Olrik  {DntimarJis  Heltedigtning  1,24)  aufmerksam  gemacht 
hat.  Vor  Reowulf  sitzt  auf  dem  Throne  der  Gauten  ein  Ge- 
schlecht, deren  Namen  mit  II  heginnen  (HreAel  —  Hygeläc 
—  Ileardred);  nach  Beowulf  regiert  Wiglaf,  Sohn  des  Weohstän 
aus  dem  Geschlecht  der  Wiejmnndiuge;  ganz  isoliert  steht 
Beowulf,  Sohn  des  Ecgl'eow. 

Der  einzig  mögliche  Schlufs  ist  daher,  dafs  Reowulf  ein 
Fremdling  auf  dem  Gautenthrone  ist,  dafs  vielmehr  auf  das 
Geschlecht  der  Hygelacs  die  Wiesmundinge  direkt  gefolgt  sind. 

Diese  Folgerung  bringt  auch  Klarheit  in  die  etwas  ver- 
wirrten VerhUltuisse,  die  im  Beowulfepos  zwischen  Gauten  und 
Schweden  zu  herrschen  scheinen.  Die  spätere  skandinavische 
Überlieferung  hat  hier  manches  Ursprüngliche  bewahrt. 

Aus  Vers  2381  ff.  in  Verbindung  mit  2611ff.  des  Epos  er- 
fahren wir,  dafs  Kanmund  und  Kadgils  sich  gegen  ihren  Oheim 
Onela,  den  Schwedenkönig,  empört  haben  und  diese  sich  zu 
Heardred,  dem  Gautenkönig,  geflüchtet  haben.  Onela  unter- 
nimmt nun  einen  Kriegszug  gegen  Heardred  und  tötet  diesen; 
bei  dieser  Gelegenheit  wird  Kanmund  durch  Weohstän  getötet. 
Später  (!)  unternimmt  Eadgils  mit  Beowulfs  Unterstützung  einen 
Rachezug  nach  Schweden  und  besiegt  und  tötet  seinen  Oheim 
Onela. 

Wenn  nun  die  Gestalt  Beowulfs  unhistorisch  ist,  so  kann 
auch  Eadgils  kaum  mit  gautischer  Unterstützung  in  sein 
Vaterland  zurückgekehrt  sein.  Vielmehr  wird  der  Zusammen- 
hang folgender  gewesen  sein :  Nach  der  Niederlage  und  Tötung 
Heardreds  wird  der  Gautenthron  wohl  von  den  schwedischen 
Siegern  besetzt  worden  sein  —  was  lag  für  Onela  näher,  den 
Wie^munding  Weohstän  einzusetzen,  der  ihm  so  wertvolle  Dienste 
geleistet  hat  (seil,  seinen  Neffen  Eanmund  getötet  hat)  und 
zwar  wird  wohl  Weohstän  schwedische  Truppen  zur  Sicherung 
seiner  neuen  Macht  mit  nach  Gautland  gebracht  haben.  Jetzt 
wird  auch  verständlich,  warum  sein  Sohn  Wiglaf  ein  leod 
Scylfinga   (V.  2603)   genannt   wird, ')   und   der  oben  gefolgerte 


')  Die  auffällige  Bezeichnung  ist  schon  früher  von  MüUenhoff  (Anz. 


294 

Scblufssatz,  dafs  auf  die  Hygeläc-Dynastie  die  schwedischen 
Wssmundinge  direkt  gefolgt  sind,  neu  bestärkt. 

Nur  eine  Schwierigkeit  bleibt  bestehen:  wenn  Weohstän 
und  nicht  Beowulf  der  Nachfolger  Heardreds  auf  dem  Gauten- 
thron  gewesen  ist,  mit  wessen  Hilfe  hat  dann  Eadgils  die  Rück- 
kehr in  sein  Vaterland  bewirkt?  Ich  glaube,  dafs  hier  die 
spätere  nordische  Überlieferung  einen  guten  alten  Kern  ent- 
hält: Nach  dieser  sendet  Eölf  (=  Hrööulf,  Neffe  des  Hröösär) 
dem  König  Aöils  12  Berserker,  die  diesem  im  Kampf  gegen 
den  König  Ali  {■=  Onela)  zur  Seite  stehen.  Aus  der  späteren 
nordischen  Überlieferung  dürfen  wir  also  schliefsen,  dals  Eadgils 
mit  dänischer,  und  nicht  mit  gautischer  Hilfe  zurückgekehrt  sei. 

Über  die  Beziehungen  Rolfs  zu  A(^ils  haben  wir  m  der 
altnordischen  Literatur  zwei  Versionen  —  eine  dänische  (bei 
Saxo)  und  eine  isländische  (bei  Snorri  und  Arngrim).  i)  Die  is- 
ländische Darstellung  ist  folgende:  Da  der  König  A(Mls  Hilfe 
gegen  den  Uplandskönig  Ali  braucht,  wendet  er  sich  an  seinen 
Stiefsohn  Hrölf,  den  König  von  Dänemark;  dieser  schickt  ihm 
seine  12  Berserker.  Aöils  wird  seines  Gegner  Herr,  verweigert 
aber  den  Berserkern  den  versprochenen  Lohn.  Rolf  entschliefst 
sich  daher,  nach  Upsala  zu  ziehen,  um  den  Lohn  einzu- 
fordern. — 

Anders  wird  bei  Saxo  der  Upsala-Zug  Rolfs  begründet: 
Yrsa,  die  Gemahlin  des  Schwedenkönigs  Aöils  und  die  Mutter 
R61fs,  ist  ihres  geizigen  Gemahls  überdrüssig  und  wünscht,  ihn 
seiner  Schätze  zu  berauben.  Sie  veranlafst  daher  ihren  Ge- 
mahl, den  Stiefsohn  zu  sich  zu  berufen;  dieser  sollte  —  nach 
der  Absicht  Yrsas  —  den  Sehatz  seines  Stiefvaters  in  seine 
Hände  bringen  und  ihn  mit  sich  fortführen.  Rolf  zieht  darauf- 
hin nach  Upsala.  — 

f.d  Altertum  3,177  und  Bugge,  Beitr.  12,50)  zu  deuten  versucht  worden. 
Nach  diesen  wäre  der  Sachverhalt  folgender:  Nach  der  Rückkehr  Eadgils 
und  nach  dem  Tode  Onelas  konnte  Weohstän  nicht  länger  in  Schweden 
bleiben,  sondern  wandte  sich  nach  Gautland,  wo  er  von  Beowulf  aufge- 
nommen wurde.  Beowulf  hätte  aber  dann  sehr  unklug  und  inkonsequent 
gehandelt:  erst  unterstützt  er  den  Eadgils,  um  ihm  die  Rückkehr  nach 
Schweden  ^u  ermöglichen,  dann  aber  nimmt  er  den  Weohstän,  den  Tod- 
feind des  Eadgils,  bei  sich  auf! 

')  Für  das  Folgende  vgl.  Olrik,  üanmarks  UeUedigtning;  Hausier, 
Zeitschr.  f.  d.  Alt.  48,  SUff. 


295 

Olrik  ist  nun  geneigt,  die  Begründung  bei  Saxo  —  ab- 
gesehen von  der  sog.  Yrsa-Intrigue  —  für  die  ursprüngliche  zu 
halten:  AiMls  lädt  den  Stiefsohn  zu  sich,  um  ihn  zu  verraten. 
Gegen  diese  Annahme  erhebt  Heusler  (a.a.O.  S.  81flf.)  mit 
Recht  Bedenken,  indem  er  die  isländische  Tradition  für  die 
primäre  hält.  E^  hat  also  vor  dem  Upsala-Zug  Rolfs  ein 
freundschaftliches  Verhältnis  zwischen  dem  A(Mls  und  Rolf 
bestanden:  daher  die  Entsendung  der  12  Berserker,  als  Aöils 
gegen  Ali  kämpft. 

Nach  meiner  Ansieht  spiegelt  die  isländische  Überlieferung 
den  älteren  historischen  Tatbestand  wieder:  Eadgils  besiegt 
mit  dänischer  Hilfe  (und  zwar  mit  Ilrööulfs  Hilfe)  den  Ali 
(Onela).  Offenbar  ist  dann  Eadgils  seinen  Verpflichtungen 
gegenüber  Hrööulf  nicht  nachgekommen  —  daher  der  Upsala- 
Zug,  —  Es  ist  so  alles  recht  begründet  und  auch  mit  der 
Liberlieferung,  wie  sie  das  Beowulfepos  repräsentiert,  in  Über- 
einstimmung. — 

Damit  wird  für  uns  auch  eine  Erklärung  überflüssig, 
die  nach  Olrik  die  letzte  Ursache  und  Grundlage  des  Upsala- 
Zuges  erklären  soll  (I.  c.  S.  38).  Rolfs  feindseliges  Verhalten 
gegen  Aöils  beruhe  auf  folgenden  Motiven:  Onela  (=  Ali) 
hatte  die  Schwester  Ilälgas  (Helgi)  zur  Frau,  des  Vaters  von 
Hrööulf;  Ali  war  demnach  der  Onkel  Rolfs.  Onela  und  sein 
Neffe  Eadgils  geraten  später  in  Streit  und  Olrik  nimmt  nun 
an,  dafs  sich  Hrööulf  auf  die  Seite  seines  Oheims  gestellt  habe 
und  entweder  ihm  geholfen  oder  seinen  Tod  durch  einen  Zug 
gegen  Aöils  gerächt  habe.  — 

Diese  Annahme,  dafs  Rolf  sich  auf  Seite  des  Ali  gestellt 
habe,  ist  nicht  nur  überflüssig,  sondern  sogar  unmöglich  für 
uns  —  sie  hat  kaum  eine  positive  Grundlage. 

Sehen  wir  uns  einmal  die  Verhältnisse  in  Dänemark  und 
Schweden  etwas  genauer  an,  um  vielleicht  etwas  über  die  Be- 
Ziehungen  Alis  zu  Rolf  zu  erfahren. 

Im  Beowulfepos  herrscht  der  greise  Hröösär  über  Däne- 
mark —  zwischen  ihm  und  seinem  Neffen  Hrööulf  herrscht 
noch  Frieden,  wenn  auch  auf  die  spätere  Fehde  innerhalb  der 
Scjoldungendyiiastie  augespielt  wird.  Diese  Fehde  ist  offenbar 
zum  Ausbruch  gekommen,   als  das  Heer  der  Hadubarden  eine 


296 

vernichtende   Niederlage   bei   Heorot   erfahren   hatte;   vgl.  die 
bekannten  Verse  des  WldsTö  V.  45flf. 

HröJ^wulf  ond  Hröögär        heoldou  lengest 

sibbe  ictsomne         snhtorfa^dran, 

sij^l^an  hv  forwneeon        "Wicinga  cyun 

and  Ingeides        ord  forblgdan 

forheowan  a't  Heorote        Heaöo-Beardna  ^rym. 

Ich  fasse  heoldon  als  Plusquamfekt  und  übersetze:  Hröjnüf 
und  Hrööjär  hatten  Frieden  am  längsten  gehalten,  Oheim  und 
Neffe  —  als  (nachdem)  sie  ... 

Hröösär  und  Hroöulf  sind  offenbar  nach  der  Niederlage 
der  Hadubarden  in  Streit  geraten  —  wahrscheinlich  über  die 
Beute.  Hrööulf  wird  wohl  seinen  Oheim  gewaltsam  vom 
Dänenthron  beseitigt  und  ebenso  seine  Mitwerber  und  Vetter 
Hreörie.  Hröömund  und  Heoroward  verdrängt  haben. ')  Es  ist 
natürlich  nicht  ganz  sicher,  wie  sich  zu  dem  gewalttätigen  Ver- 
fahren die  Schwester  des  Hröösär,  die  an  Onela  verheiratet 
war,  gestellt  —  wahrscheinlich  ist,  dals  diese  gerade  nicht  mit 
günstigen  Augen  das  Vorgehen  Hro]^ulfs  beobachtet  hat.  Als 
nun  später  Ouelas  Neffen  Eadmund  und  Eadgils  sich  gegen  ihn 
empörten  und  nach  ihrer  Niederlage  ihr  Heil  in  der  Fremde 
suchen  mufsteu,  gingen  sie  zunächst  zu  den  Gauten  —  und 
als  nach  der  Niederlage  Heardreds  auch  hier  keine  sichere 
Stätte  war,  wird  sich  Eadgils  nach  Dänemark  zu  Hrööulf  ge- 
wandt haben,  mit  dessen  Hilfe  dann  Eadgils  zurückkehrt.  — 
So  ist  alles  klar  und  verständlich  und  ohne  jeden  Zwang.  — 

Aus  dem  von  uns  angenommenen  Zusammenhang  wird 
auch  die  Stellung  Heorowards  (=  Hjörvarör),  in  der  nordischen 
Überlieferung  verständlieh.  Nach  dieser  wird  Rolf  in  Leyre 
von  Hjörvarör  verräterriseh  überfallen  und  getötet.  Nach  der 
Bjarkimäl  (9.  Jahrh.)  besteht  das  Heer  des  Hjörvarör  aus 
gautischen  bezw.  schwedischen  Truppen.  Wie  kommt  nun  er 
zu  diesem  Heere? 


^)  Bei  der  von  mir  vorgeschlageneu  Interpretation  der  WidsTÖstelle 
fällt  dann  auch  die  von  manchen  Forschern  berührte  Schwierigkeit  weg, 
dafs  der  greise  HrSÖgär  des  Beowulfepos  noch  nach  der  Hadubardenschlacht 
sehr  lange  am  Leben  ist.  Allerdings  ist  zu  beachten,  dafs  das  hohe  Alter 
des  Hröögär  im  Epos  möglicherweise  unhistorisch  und  erst  das  Produkt 
eines  Dichters  ist  (vgl.  Ilcusler,  Archiv  124,  lOf.). 


297 

Die  Situation  mag  für  Heoroward  nach  der  gewaltsamen 
Usurpation  seines  Vetters  Hröt^ulf  äufserst  schwierig  gewesen 
sein  —  in  Schweden,  falls  er  sich  dorthin  (zu  seinem  Oheim 
Onela)  geflüchtet  hatte,  konnte  er  nicht  auf  die  Dauer  bleiben, 
da  dort  später  Eadgils,  der  von  Rolf  unterstützt  worden  war, 
herrschte.  —  So  blieb  ihm  nur  Gautland  übrig,  wo  Wiglaf 
herrscht,  der  leod  Scylfinga,  der  mit  Eadgils  verfeindet  war. 
Es  ist  nun  wohl  anzunehmen,  dafs  Heoroward  mit  Wiglafs 
Unterstützung  nach  Dänemark  zurückkehrt,  wie  denn  im  Beowulf 
V.  1835,  1855  auf  freundliche  Beziehungen  zwischen  Dänen  und 
Gauten  hingewiesen  wird.  Dafs  sich  in  lijörvarörs  Heer  Gauten 
und  Schweden  befinden,  erscheint  natürlich. 


Reiimintersiichiinof  über  die 

Qualität  der  betonten  langen  E -Vokale 

bei  Robert  of  Brunne. 


Von 


Oskar  Boerner. 


Inhalt. 


Seite 

Einleitung 299 

Aus  den  Jieinien .lüO 

-er{e),  ■er{e)s,  -örcst  ....  300 

srd,  -erd 311 

-erl,  -erles 312 

-ern,  -enies 312 

-cd{e),  -ed(e)s 312 

-U(e),  -Bl(e)s,  -Step,  -Uen   .     .319 

-e,  ?s 323 

-es(e),  eses;  -est{e),  -Sstes,  -esed  331 

-em{e),  -sm{e)s,  -emed    .     .    .  334 

-en(e),  &«(e).9 335 

-el(e),  -el(e)s,  ded 337 

-Eche,  -eches,  -echyp  ....  340 


Seite 


-Bue(n),   -Suyn,    -caep,  -Siied, 

-euyl,  -Suel 

-ehe.  -ekyn,  -ckyr, 

-epe 

-e/"(0 


•  & 


cked 


.340 
343 
343 
344 


-ece,  -eees,  -ecys 34.5 

-ep,  -epen,  -eper 345 

-end{es),  -end{es),  -endyp    .     .  345 

-eld{es),  -eld(efi) 346 

-eng,  -eng 348 

Zur  Frage  über  die  ^/?- Grenze  348 
Tabellen   über   gewisse    Reim- 
Mörter 349 


Einleitung'. 

Die  folgende  Reimiintersuchung  bietet  einen  Beitrng  zu 
einer  Reihe  von  Einzelaibeiten ,  wie  sie  namentlich  die 
Morsbaeh'sche  Schule  auf  dem  Gebiete  der  mittelenglischen 
Grammatik  geliefert  hat.  Der  Forschung  im  einzelnen  eröffnet 
sich  hier  immer  noch  ein  weites  Feld.  Material  bieten  Reim- 
listen, wie  sie  für  einzelne  Denkmäler  vorliegen;  jedoch  sind 
nur  geringe  Ansätze  von  Untersuchungen  vorhanden,  die  das 
einzelne  Wort  und  den  einzelnen  Laut  erschöpfend  behandeln. 
Zwar  hat  man  einzelne  Wörter  durch  eine  mehr  oder  minder 
grofse  Zahl  von  Denkmälern  verfolgt;  man  hat  auch  umfassende 
Reimuntersuchungen  angestellt,  wie  Reitemeyer,  der  den  ge- 
samten französischen  Lehnwortschatz  in  Denkmälern  aus  dem 
gesamten  Sprachgebiet  auf  die  langen  e- Vokale  hin  untersucht 
hat  (L.Reitemeyer,  Die  Qualität  der  betonten  langen  E-Yokale 
in  den  franzüsischen  Lehnicörtern  des  Mitteleiußischen,  Göttinger 
Diss.,  Halle  1911;  hier  ist  auch  die  einschlägige  Literatur  ver- 
zeichnet). Dabei  ergibt  sich  jedoch,  dafs  wir  uns  manchen 
Schlui's  hinsichtlich  des  einzelnen  Lautwertes  versagen  müssen, 
wenn  wir  nicht  das  einzelne  Denkmal  nach  dieser  Richtung 
hin  erschöpfend  behandeln.  Z.  B.  Heise  sich  für  den  e-Laut 
in  den  französischen  Lehnwörtern  mehr  feststellen,  wenn  auch 
der  einheimische  Wortschatz  herangezogen  würde. 

So  mufs  sich  die  Forschung  vorläufig  noch  auf  recht 
schmale  Wege  begeben,  ehe  sie  imstande  ist,  die  Laut- 
erscheinungeu  für  einen  gröfseren  Bezirk  mehr  oder  weniger 
scharf  abzugrenzen. 

Über  den  Wert  der  Reime  für  die  Lautgeschichte  hat  sich 
W.  Hörn  in  seinen  Untersuchungen  zur  neuenglischen  Laut- 
geschichte ausgesprochen  (Q.  u.  F.  98,  Strafsburg  1905).  Von 
besonderm  Wert  sind   die  Werke  Roberts  of  Brunne,   weil 


300 

sie  zeitlieh  und  örtlicli  bestimmt  sind  und  wegen  ihres  Um- 
fanges  manchen  Sehlufs  gestatten,  wo  er  bei  kleineren  Denk- 
mälern nicht  möglich  wäre. 

Die  vorliegende  Reimuutersuchung  beschränkt  sich  auf  die 
langen  c- Vokale,  auch  in  den  französischen  Lehnwörtern,  da 
Keitemeyer  R.  of  ßrunne  nicht  berücksichtigt  hat;  mehrfach 
begegnen  hier  Wörter,  die  bei  Reitemeyer  fehlen.  Die  neu- 
englische  Mundart  ist  nur  gelegentlich  herangezogen  worden, 
da  die  Wortlisten  bei  Ellis  für  unsere  Zwecke  nur  in  wenigen 
Fällen  auf  die  mittelenglischen  Verhältnisse  ein  Licht  werfen 
konnten. 

Die  Beispiele  aus  der  Handlyng  Synne  beruhen  auf 
eigener  Sammlung,  die  aus  der  Chronik  auf  den  Reimlisten 
von  Furnivall  in  seiner  Ausgabe.  Von  Reimen  mit  Eigennamen 
habe  ich  abgesehen,  da  sie  für  den  Lautwert  keinen  sicheren 
Sehlufs  zulassen. 

(H.  S.  =  Handlyng  Synne,    Chr.  =  Chronik.) 


Aus  den  Reimen. 


Sichere  Fälle  von  geschlossenen  c-Reimen  liegen  vor,  wo 
das  [e]  zurückgeht  auf 

1.  urengl.  e. 

2.  ae,  e  <  ö  +  i,  i« 

3.  aangl.  e  mit  Umlaut  =  ws.  ca  (durch  Kontraktion). 

4.  aangl.  w,  eo  ohne  Umlaut  <  wg.  iu. 

5.  aangl.  e  =  ws.  w,  i,  y  <.  ea  -\-  i,  j. 

6.  geschl.  [e]  in  an.  Lehnwörtern. 

7.  ae.  eo  durch  Kontraktion. 

8.  ae.  e,  gedehnt  im  Wortauslaut  <  *e  <  *i. 

Das  e  vor  r. 

-er{e),  -er{e)Sf  -er est,  (eryst), 

L    Geschl.  [e]  innerhalb  der  Fälle  1 — 8. 

lier{e)  adv.  :  ser  adv.  (<  an.)  Chr.  15280. 

:  dere  {dear)  H.  S.  325,  3611,  3694,  3855,  3907, 
5037,  5313, 5741, 9111,  9313, 9489, 10864, 10889, 


301 

11813.  —  Chr.  1234,  2284,  537G,  884G,  10088, 
11606,  12280. 
here  adv.  :  ferc  (fire)  H.  S.  1737. 
(lere  (deer)  :  here  adv.  Chr.  1508,  16420,  16454. 
(lere  {(lear)  :  here  {to  hear)  H.  S.  4735,  5379,  0245,  10388, 
10471,  12501.  —  Chr.  2314,  5258. 
her  (to  hear)  :  stcre  {to  steer)  Chr.  1450. 

Au  in.:  vcr  (iiear)  hat  geschl.  [e]  •<  aangl.  we>'  mit  Umlaut  (vgl.  Verf., 
Die  Sprache  Hob.  Mannijngs  of  Brunne  S.  13(i,  11  Anm.  2).  Über  nvr  mit 
[(";]  vgl.  W.  Huru,  Hisl.  ne.  Grammatik  §  S7,  Anm.  2. 

?iö>-(e)  :  hsre  adv.  H.  S.  5893. 
:  ser  «  an.)  Chr.  :H!40. 
:  (lere  {deer)  Chr.  0442. 
:  fsr  'gesund'  Chr.  16  438. 

2.  Gesehl.  [e]  innerhalb  der  Fälle  1 — 8  im  Reim  auf  e  in 
franz.  Lehnwörtern, 

her  adv.  :  ernster  Chr.  9870. 

:  mater{e)  H.  S.  11196.  —  Chr.  344. 

:  j^owere  Chr.  4230,  8084,  9220. 

:  chere  'Gesicht'  H.  S.  8531.  —  Chr.  7198. 

:  manere  H.  S.  244,  1997,  2466,  3597,  4992,  5759, 

6224,  7087,  10358,  11053.  —  Chr.  2212,  7322, 

15636,  15864. 
:  ryuere  Chr.  8158. 
:  messegere  Chr.  1520. 
:  scolere  H.  S.  8069. 
:  (liibonure,  nach  der  andern  Handschr.  debonurere 

H.  S.  5797. 
:  ^oZ?ere  'Zöllner '  H.S.  5885,  vgl.  W. of  Wadding-ton 

5054:  Peres  le  Theoloner;  Prompt.  Parv.  tollare 

=  'telo7iarius'  (Endung  -ere!}. 
:  frere  H.  S.  6188,  10396. 
:  to  aiiere  H.  S.  1857. 
(ler{e)  dear  :  manere  H.S.  1787,  1905,  4752,  4949,  6594,  6975. 
:  c/ieTe 'Gesieht' H.S.  5154.  —  Chr.  9454,  12078. 
:  njuer  Chr.  11048. 
:  clere  (clear)  Chr.  14880. 
here  {to  hear)  \  prayere   H.  S.  753,    9310,    10502,    11135.    — 

Chr.  5236,  9326,  15034. 


302 


^ou  heres 

se{e)r{e)s{<SLU.) 


ner  {near) 


here  {to  hcar)  :  frcre  H.  S.  10411,  11852. 

:  mauere  H.  S.  4553,  7252,  9068,  9G30.  —  Chr.  56, 
1090,  2824,  8750,  11544,  12582,  16582. 
ehre  (clear)  H.  S.  5922. 
tollere  H.  S.  5569. 
chayer  Chr.  11212. 
pere  {peer)  Chr.  1694. 
fr  er  es  H.  S.  10459. 
auteres  Chr.  7362. 
centeners  Chr.  13528, 
maners  Chr.  7432. 
squiers  Chr.  5086. 
messcgers  Chr.  1294. 
ryuers  Chr.  14576. 
maners  Chr.  11362. 
sonders  (soldier)  Chr.  9344,  14232. 
hotyler  Chr.  13602. 
Corner  Chr.  10316. 
plener  Chr.  11172. 

poiver  H.S.  8205,  11240,  12048.  —  Chr.  10098. 
chere  'Gesieht'  H.  S.  4039. 
auter  H.S.  10599. 

Anm.  1:  der  (clear)  hat  geschl.  [ej  entsprechend  den  Reimen  in 
andern  Denkmälern,  so  bei  Wallace  (cf.  W.  Heuser,  AngliaXYlll,  114ff.), 
desgleichen  bei  Reitemeyer,  der  nur  einen  auffallenden  Reim  auf  maistere 
belegt  (S.  42). 

Anm.  2:  Ein  seltenes  Reimwort  ist  auster  mit  [e]  statt  [f]  (mit  An- 
lehnung an  die  häufige  Endung  -erie)  <<  -nr-).  Auch  auster  :  liter  (litter) 
Chr.  y604  (oder  [f]!). 

Anm.  3:  Unrein  ist  wohl  ner  :  fer  {— far)  Chr.  3374;  oder  ist  in- 
folge satztieftoniger  Verwendung  ner  anzunehmen?  Die  ne.  Mundart  hat 
[id]  <  me.  [e]. 

3.  Geschl.  \e\  innerhalb  der  Fälle  1-8  im  Reim  auf  e  <  ae.^^ 
(wg.  a). 

lere  {hier)  :  here  (hear)  H.S.  8063,  11025.  —  Chr.  9606. 
:  fere  'gesund'  Chr.  9650. 
rere  sb.  'Lärm'  (<  ixQ.hreran,  vgl.  Verf.,  R.  of  Brunne  S.  131,e,  1) 
:  here  {hear)  Chr.  10207. 
fere  'Gefahr'  :  de)'e  {dear)  H.S.  5295. 
Ijer  :  her  Chr.  5348. 


303 

Nach    Palatalen   gilt  auf  dem   gcsanitpu  Sj)rael)g'ebiet  mit 
Ausiialiinc  des  westl.  und  niittl.  Südens  der  gesehl.  [eJ-Laut. 

der(e)  :  here  {hear)  H.  S.  4534. 

:  hür{e)  (hcre)  H.S.  1965,  62G2.  —  Chr.  1750,  3722, 
3732,  5710,  578G,  6324,  14860,  15108,  15400, 
15532,  16026. 
:  ser{e)    «  an.)    H.  S.  2030.   —    Chr.  438,   714, 

15114. 
:  ner  Chr.  1938,  3276. 
Seres  :  sers  (<  an.)  Chr.  10962. 

4.   Verhältnisuiälsig-   zahlreich    sind   die  Reime   mit  franz. 
Lehnwörtern,  die  [e],  aber  auch  [(;]  haben: 

/ele 'Gefährte'  :  maneye  Chr.  5526,  7878. 

were  {ivere)  :  mauere  Chr.  2736. 
fere  {<  fwran)  :  conqucre  Chr.  6784  (mit  [u]  oder  [f]  vgl.  Verf., 
B.of  Brunne  S.  123/4). 
pere  :  conqucre  Chr.  4181,  10448,  10702. 
here  {<i  gebcere  'Gebahren'}  :  autere  H.  S.  9062. 
pere  :  preyere  H.S.  10599. 

Das  Suffix  -ere  (offene  [f]-Reime). 

ledere  :  ivere  [war)  Chr.  1470. 
oherere  :  aumenere  H.  S.  5573. 
okerers  :  maners  H.  S.  2415. 


ser{e) 


Gesehl.  [e]-Reime. 

power{e)  H.  S.  810.  —  Chr.  2238,  3300. 

autere  H.S.  11092. 

leysere  H.  S.  835. 

maner{e)  H.S.  902,  2334.  —  Chr.  2812. 

iustiser  Chr.  2222. 

bacheler  Chr.  10740. 

der  Chr.  3062,  3922. 

daunger  Chr.  2426. 

Diester  Chr.  11576. 

plener  Chr.  5272,  15118. 

iver!  {war)  Chr.  828,  2126,  9962,  16394. 


304 

6er{e)s  :  maneres  H.  S.  69,  7761. 
:  pers  'gleich'  H.S.  6075. 

Anm.  1:  Auffallend  sind  die  Reime  mit  icer  {icar).  ^er  :  wer  wohl 
unrein  ([?]:[?]).  Reitemeyer  belegt  tver  nur  im  Reim  auf  [e].  Vgl. 
auch  Heuser  a.  a.  0. 

Anm.  2:  Zu  mester  vgl.  die  entsprechenden  Belege  bei  Reite- 
meyer  (S.  12). 

Anm.  '6:  Conquere  begegnet  auch  sonst  im  Reim  auf  geschl.  [g] 
(anal,  nach  den  stammbetonten  Formen).  (Vgl.  Reitemeyer  S.  87/88 
und  Verf.,  R.  of  Brunne  S.  123,4.) 

Das  Wort  tvej-  (schott.  iver{e),  weir  <  ?  vgl.  Verf.,  R.  of 
Brunne  S.  136)  findet  sich  nur  im  Reim  auf  geschl.  [e\  Vgl. 
auch  Reitemeyer  S.  10  und  Heuser,  Amjlia  XIX,  319fF.): 

were  :  sere  H.S.  8095,  10768. 
:  chere  'Gesicht'  H.S.  5673. 
:  manere  H.  S.  461. 
:  ehre  (clear)  H.  S.  9522. 

Unrein  ist  der  Reim  geres  :  feres,  Handschr.D  fers  [=fresh) 
H.S.  2573,  [e]  :  [^].  Über  den  s-Laut  vgl.  Verf,  R.  of  Brunne 
S.  64  Anm.  1  und  S.  285  §  176.  Dieser  Reim  ist  den  dort  an- 
geführten hinzuzufügen.  Vgl.  auch  Owl  and  Night.  303  ivorse 
:  mershe  (ae.  mersc  >  ne.  marsh).  Sonst  habe  ich  noch  die 
Schreibung  s  statt  sli  gefunden  H.  S.  7392,  Handsehr.  0  rauys, 
desgl.  7402,  7421. 

Auf  Kürzung  in  fakultativ  unbetonter  Silbe  deutet  der 
Reim  haner  :  fer  (=  far)  Chr.  8446. 

5.    e  <  ae.  ^2  jm  Selbstreim. 

fere  (to  fear)  :  here  {hier)  Chr.  9626. 
])er{e)  :  ay-ivhere  Chr.  8578. 
:  ser  Chr.  5286. 

:  wer{e)  {were)  H.S.  999,  1405,  1934,  5009,  11444. 
—   Chr.  1124,   2746,   3656,  4986,   5330,   5876, 
8370,  11412,  13322,  14134,  15286. 
wei'B  {were)  :  lühere  Chr.  2976,  5702. 
her  Quiir)  :  euery  ivhere  H.  S.  3199. 

ivere  :  were  (rührender  Reim)  H.S.  3941. 
euei-y  where  :  ivhere  H.  S.  5781. 
:  l)ere  H.S.  12203. 
ffythelers  :  sangesters  Chr.  4032, 


305 


6.    Reime  von  franz.  Lehnwörtern. 

Cluster  :  liter  (Htter)  Chr.  9604  (vgl.  S.  302  Anm.  2). 
cheker  :  tahler  Chr.  11396. 
cle^-  :  rocher  Chr.  10200. 
poiver{e)  :  auter{e)  H.S.  10384,  10492,  10631,  10801.  — 
Chr.  1376. 

Jca7jser  Chr.  5120,  13604  (vgl.  Reitemeyer  S.  20). 
per  {peer)  Chr.  554. 
messeger  Chr.  2512. 
iver  {war)  Chr.  4558. 
scoJer  H.  S.  7999. 
saniere  H.  S.  4767,  11617. 
syeiisere  H.  S.  6445. 
pere  'gleich'  H.S.  7299,  9348. 
clere  H.  S.  9820,  9827,  11604,  11943. 
custumer  H.  S.  8805. 
poer  :  mester  Chr.  586. 

secoler  Chr.  15274. 
maner{e)  :  hanere  Chr.  9918. 

ivere  (ivar)  Chr.  2736. 
ryuere  Chr.  3136. 
messeger  Chr.  4808,  15914. 
my  pere  'meinesgleichen'  H.S.  1923. 
frere  H.S.  10447. 
to  apere  H.  S.  8197. 
sanier  H.  S.  6581. 
squier  :  plener  Chr.  12446. 
squyere  :  ^^ere  'gleich'  H.S.  4371. 

clere  :  auiere  H.  S.  2285,  9957,  10024,  10315. 
saniere  H.  S.  9966. 
manere  H.S.  12419. 
vsurere  :  sere  (<  sire  =  ne.  sir,  vgl.  Verf.,  B.  of  Brunne 
S.  186  Anm.  3)  H.  S.  2604. 

dyner  :  tahler  H.  S.  4305. 
:  auter  H.  S.  7319. 
tresorer  :  spenser  H.  S.  6069. 

aunienere  :  spensere  H.  S.  6837. 
:  mystere  H.  S.  6859. 

Studien  z.  engl.  Phil.    L.  2Ü 


306 


Corners 
fers  (fierce) 


aumenere  :  powere  H.  S.  6917. 

auter  :  pecher  {airz.  picher  =  pitcher)  H.  S.  10748. 
archers  :  arblasters  Chr.  12020. 
:  arhalasters  Chr.  13392. 
:  maners  Chr.  10720. 
:  squiers  Chr.  11422. 
:  clers  adj.  Chr.  9900. 
bachelers  :  clers  adj  7312. 
halyngers   <   auglo-frz.  halengier,   hallcnjer    (vg-1.    Oxf.  Dict. 
unter  Balinger;  darnacli  wäre  diese  Stelle  der  erste  Beleg) 
:  mariners  Chr.  5928. 
maners  Chr.  10314. 
ynessegers  Chr.  6626. 
:  pers  {peers)    Chr.  11142,   12010    (lleitemeyer 
gibt  nur  Belege  für  die  Form  fer). 
hostagers  :  peres  {peers)  Chr.  3450. 
:  pers  Chr.  4984. 
:  truagers  Chr.  5440. 
pcr(e)s  Chr.  1358,  3896. 
messegers  Chr.  6166,  11450,  11888. 
archers  Chr.  14468. 
fers  adj.  Chr.  12054. 
pers  Chr.  13106. 
squiers  Chr.  3012,  4716,  12786. 
squyers  Chr.  5562. 
pers  Chr.  5200. 
per{e)s  {peers)  :  truagers  Chr.  4276. 
sonders  {soldiers)  :  maners  Chr.  7154. 
vserers  :  ßy  peres  H.  S.  2453. 
maners  :  preyers  H.  S.  7703. 
:  i?eres  H.S.  12410. 
:  vserers  H.  S.  8733. 
freres  :  cunseijlers  H.S.  6177. 
sopers  :  squyers  H.  S.  7267. 
:  (^?/wers  H.  S.  7291. 

7.   e  <  ae.  fe  2 : 

a)  ea  <  wg.  au. 
]jere  :  e(e>-e  'Ohr'  H.  S.  4759,  6929  [?]. 


inaner  {e)i 


maryners 


messegers 


ptarceners 


307 

b)  ea  durch  Kontraktion. 
ellesivheres  :  tcres  'Zähre'  H.  S.  115G4  [^']. 

8.  ^  <  ae.  ea  <  wg.  au  im  Reim  auf  Ca  durch  Kontraktion. 
eres  'Ohren'  :  teres  'Zähren'  H.  S.  11561  [f]. 

Anm.  1:  per  adv.  findet  sieh  meist  im  Selbstreim  (ISx),  4  x  im 
Reim  auf  franz.  Lehnwörter  mit  ff],  1  -<  im  Reim  anf  [p]  <;  ae.  Pa 
-C  wg.  an;  demgegenüber  nur  2  •' :  geschl.  [?]  in  /«er  adv.  und  ,^cr.  Somit 
stellen  diese  beiden  Fülle  Ausnahmen  dar,  während  der  offene  e-Laut 
in  Übereinstimmung  mit  andern  Denkmälern  gilt  (vgl.  Reitemeyer  ö.  4). 

Für  uhrre  findet  sich  kein  Reim  auf  geschl.  [<'];  es  steht  6  x  im 
Selbstreim  und  1  x  auf  [t'J  ■<  ea. 

Anm.  2:  ivere  prt.  begegnet  IßX;  ßzre,  1  X:  franz.  [p],  2X:  where; 
mithin  auf  [f]  deutend.    Siehe  imter  e  iu  offener  Tonsilbe. 

Anm.  3:  Das  Suffix  -cre  reimt  1  ><  auf  geschl.  [c]  (S.  301,  2),  1  x  anf  [e] 
in  iver  (ivar)  und  2  x  auf  franz.  «•  in  fakultativ  unbetonter  Silbe. 

Anm.  4:  Franz.  Lehnwörter  mit  fakultativ  unbetonter  Silbe,  die  teils 
mit  geschl.  [c]  teils  mit  off.  [ej  reimen,  finden  sich  im  Reim  auf 

1.  geschl.  [e]  85  x, 

2.  im  Selbstreim  52  x , 

3.  geschl.  [p]  <  afrz.  c,  ie  =  auglo-frz.  c  <;  vlt.  «  oder  vlt.  e  28  x^ 

4.  -h-e  (Suffix)  [P]  2  X. 

Dies  Ergebnis  mit  den  weitaus  überwiegenden  Fällen  von  geschl.  [e] 
(113  X)  stimmt  zu  den  Reimverhältnissen  in  mittelländischen  Denkmälern 
überhaupt,  während  im  Norden  und  in  Schottland  die  Reime  auf  oft'.  [^1 
öfter  begegnen. 

9.  e  <  ae.  ce  2  im  Reim  auf  e  <  ae.  ^  1. 

fere  'gleich'  :  lere  vb.  Chr.  12864. 
mere ' berühmt' :  lere  sb.  (^br.  7046. 

her  {Jiai7')  :  er  adv.  Chr.  4058,  14904. 
per  :  er  Chr.  15258  [e]. 
yn  fere  'zusammen'  :  lere  vb,  RS.  5055. 

Zu  lere  sb.  vgl.  Verf.,  R.  of  Brunne  S.  121,  Anm.  Nach 
Björkman  kommt  an.  Einflufs  für  den  e-Laut  gegenüber  ae.  lär 
nicht  iu  Frage.  Mit  Rücksicht  auf  die  zahlreichen  Reime 
von  lere  mit  geschl.  [e]  gilt  auch  hier  der  geschlossene  Laut. 
Auch  bei  Chaucer  kommt  er  vor  (vgl.  H.  Cromie,  Index  to 
the  Ellesmere  Ms.  of  Chaucer' s  Canterhury  Tales,  London  1875). 

Bei  pjer  :  er  hingegen  ist  nach  dem  vorhergehenden  der 
off.  [f] -Laut  anzunehmen;  überhaupt  kehrt  er  namentlich  mit 
Pere  und   ivere  prt.   innerhalb    einer   Reimgruppe    mit   off.  \f,\ 

20* 


308 

liüufig  wieder  (vgl.  Eeitemeyer  S.  4/5).  Vielleicht  steht  her 
mit  offenem  [f]-Lant  aufserhalb  der  Wörter  mit  geschl.  [e] 
<  ae.  ^2.  Auch  die  ne.  Mundart  hat  iu  Übereiustimmuiig  mit 
der  Schriftsprache  hair  [fa]  <  me.  [?]  im  Gegensatz  zu  there 
mit  [id  +  r]. 

10,  e  <  &e.  ä  K 

a)  Gesicherte    geschlossene    [c]- Reime    innerhalb    der 
Gruppen  1 — 8. 

lere  vb.  :  here  {to  hear)  H.  S.  126,  794,  2914,  4765,  5481, 
6719,  7810,  8668,  9596,  11417,  11897.  —  Chr. 
Handschr.  P  162,  260,  8098,  15136. 

:  dere  (dear)  H.  S.  8165,  9652.  —  Chr.  6148. 

:  here  adv.  H.  S.  3170,  5034,  10705.  —  Chr.  2 
Handschr.  P,  7040. 

b)  Im  Reim  auf  franz.  Lehnwörter: 
lere  vb.  :  frere  H.  S.  4304  [e]. 

:  manere  [c]  H.S.  2377,  3945.  -  Chr.  4300,  8228. 

:  preyere  H.  S.  4245  [e]. 
lere  sb.  :  manere  [e]  H.  S.  3520. 
Urs  prs.  :  maners  [e]  H.  S.  8618. 
lere  vb.  :  mystere  H.  S.  1201  [e]  (vgl.  S.  304  Aum.  2). 

So  weit  haben  sich  auch  für  den  e-Laut  vor  r  sichere 
Verhältnisse  ergeben,  wie  sie  Heuser  {Anglia  XVIII,  121ff.) 
schon  für  Wallace  festgestellt  hat.  Auch  für  die  übrigen 
Denkmäler  werden  sich  mehr  imd  mehr  sichere  Verhältnisse 
ermitteln  lassen. 

e  in  offener  Tonsilbe. 

1.    Selbstreime. 

to  stvere  :  bere  vb.  H.  S.  787,  2705,  2793,  2899.  -  Chr.  3880. 
sweryst  :  pou  heryst  H.  S.  637. 

heryn  :  siveryn  (prs.)  H.  S.  2681. 
here  vb.  :  dere  vb.  H.  S.  2367,  10616.  —  Chr.  8882. 
lerej)  :  derej)  (prs.)  H.  S.  7637,  8291,  12447. 

:  ivere})  (prs.)  H.S.  11973. 
heres  :  deres  (prs.)  Chr.  7968. 
here  vb.  :  dere  sb.  H.S.  4101.  —  Chr.  8906,  12128. 

:  were  'wehren' Chr.  1896,  5958,  9312,9568, 10458. 


309 

dere  vb.  :  forhcre  vb,  H.  S.  5375. 
deryp  :  stveryp  H.  S.  2759. 
dere  prs.  konj.  :  here  'Bär'  II.  S.  4053. 
bere  'Bär'  :  wei-e  vb.  H.S.  4077. 
dere  sb.  :  wcrc  \h.  Chr.  6492,  6904,  7662. 
spere  :  were  'wehren'  Chr.  1770. 
Auch  here  vb.  :  were  'tragen'  H.S.  11957. 

In  Verf.,  R.  of  Brunne  S.  83  §  36  a  1  irrtümlich  ;  zu  S.  84,  2 
zu  stellen :      jQy  heuy  Jjyrdon,  pat  y  of  hem  bere, 
y  am  confoimded,  my  seif  to  were 

'wegen  der  schweren  Last,  die  ich  an  ihr  —  meiner  Sünde  — 
trage,  bin  ich  aufser  stände,  mich  selbst  zu  tragen.' 

Vgl.  W.  of  Wadington  8768:  e  porter  mei  mesmes  ne  poei. 

2.  e-  im  Heim  auf  [c]  (abgesehen  zunächst  von  den  c- 
Lauteu  in  den  zweiten  Gliedern  von  Korapositis): 

here  'Heer'  :  ivere  prt.  Chr.  6088  [e]  :  [?]. 

bere  vb.  :  tvere  {war)  H.  S.  4985.  —  Chr.  4322, 13422  [c] :  [^. 
to  swere  :  jxtc  'Stein'  H.S.  770  [e]  :  [e]. 

Anm.  1 :  Zu  were  prt.  vgl.  S.  307  Anm.  2.  Were  findet  sich  auch  in  andern 
Denkujülern  des  Nordens  und  Mittellandes  verhältnisniäfsig  häufig  im  Keim 
auf  e-  in  oftencr  Tonsilbe  (vgl.  Reitemeyer  S.  4  5).  Ich  erkläre  diese  Fälle 
aus  der  häufigen  satztieftonigeu  Verwendung  des  Wortes  und  stelle  sie 
somit  auf  eine  Stufe  mit  den  verhältnismäfsig  zahlreichen  Reimen  von  e- 
iu  offener  Tonsilbe  auf  c  in  minder  betonter  Silbe.  So  steht  auch  heute 
iu  der  Schriftsprache  neben  [^vt'^]  <<  me.  [ivcre]  ein  satzunbetontes  [w?] 
<  [iccr].  (Vgl.  Ilorn  a.a.O.  S.  76  §  S8.)  Bei  satzticftoniger  Verwendung 
ist  aber  die  Qualität  des  e  unbestimmt,  schwankend  zwischen  [c]  und  [c], 
wie  es  bereits  Morsbach  in  seiner  3Ie.  Grammatik  (S.  14G)  ange- 
nommen hat. 

Anm.  2:  Auch  were  (war):  e  ist  andern  Denkmälern  keineswegs 
unbekannt.  Bei  dem  Nebeneinander  von  werre  mit  [f]  und  ivere  mit  [f] 
zeigt  hier  der  e-Laut  einen  gewissen  uufesten  Charakter  (vgl.  Verf.,  li.  of 
Brunne  S.  is4  §64,  lb9,4  Anm.).  Vgl.  auch  lüeje 'Krieg führen'  :  dnsivere 
unter  4  S.  310  und  S.  31U  Anm.  1). 

Anm.  3:  Das  Wort  per  mit  geschl.  [e]  (■<  afrz.  p(i)erre)  fehlt  bei 
Reitemeyer. 

3.  e-  im  Reim  auf  -cre  in  zweiten  Gliedern  von  Kom- 
positis,  die  z.  T.  schon  starke  Schwächung  erlitten  haben  und 
daher  von  guten  Dichtern  vermieden  werden  (vgl.  Morsbach, 
Me.  Or.  §  67). 


310 


der(e)s  prs. 

ivere  (wear) 

hers  prs.  (hcar) 

bey{i/)s  prs. 

dere  vb. 

bei'e  vb. 

ivere  'wehren' 
here  vb. 

forhere 
dere  sb. 


shappers  H.  S.  9655. 

hakhyteres  H.  S.  3527. 

Z/e^^^er^'  Chr.  15832. 

hakhytcre  H.  S.  4213. 

baJcbytcrs  H.  S.  1516. 

hakhjters  H.  S.  3628. 

Zerferc  'Führer'  H.S.  1804. 

oÄ-ererc  H.  S.  2420. 

hakhjtere  H.  S.  3549,  3604,  4170. 

answere  H.  S.  1317.  —  Chr.  4308. 

ansivere    H.  S.  511,    7621,    8353, 

Chr.  11650. 

answere  H.  S.  1077. 

answere  H.  S.  1769. 


10177. 


4.  e  im  Reim  auf  e  in  franz.  Lehnwörtern. 

a)  In  betonter  Silbe: 

answere  :  were  vb.  'Krieg  führen'  Chr.  4786. 

b)  In  fakultativ  unbetonter  Silbe: 

to  swere  :  mauere  H.  S.  2773. 

])ou  herys  :  preyerys  H.  S.  1007. 

to  here  :  preyere  H.  S.  1012. 

heres  :  preyers  H.  S.  2752. 

were  vb.  :  mauere  H.  S.  3670. 

:  preyere  H.  S.  5718. 

!i;er(e)s  prs.  :  p)reyers  H.S.  11429. 

5.  Minder  betontes  e  im  Selbstreim. 

answere  :  hysmere  sb.  H.  S.  7400. 

A  n  m.  1 :   Einen  mehrfach  vorkommenden  Fall  bildet  der  Reim  der 
Endnng  -er  des  Komparativs: 

holdere  :  ivere  (loar)  Chr.  5464. 

Anm.  2:    Zn  cheyre  {chair{e),  chaier(e)  <  afrz.  chaire  und  chaiere) 
vgl.  Reitemeyer  S.  2o. 

fo  Z;e>-e  :  cheyre  (Handsehr.  0  chayere)  H.  S.  7758  [e]  :  [?] 
oder  auch  [e]. 

Die  ne.  Mundart  hat  chair  mit  [faj.   daneben  aber  in  der 
Bedeutung  chaise  [sed]  <  me.  [ai],  wie  [e^]  in  /*air,  pair. 


311 

Alles  in  allem  ergibt  sich,  tlafs  c  in  offener  Tonsilbe  für 
sich  steht,  getrennt  von  [f]  sowohl  wie  [e].  Der  Reim  swerc 
:  x>ere  mit  [c]  :  [f]  stellt  eine  ganz  vereinzelte  Ausnahme  dar. 

Ganz  besonders  ist  ein  Reim  hervorzuheben,  der  auf  Dehnung 
von  i  in  offener  Tonsilbe  >  [ü]  hinweist.  Ich  habe  ihn  in 
meiner  Arbeit  über  R.  of  Brunne  übersehen  (vgl.  S,  92). 

Steve  (ae.  stirian)  :  hsre  sb.  (ae.  öi-  =  ne.  hier)  H.  S.  8037. 
Vgl.  auch  die  Schreibung  sferyj)  \)rä.  II.  S.  5186. 

In  der  ne.  Mundart  erscheint  me.  [e]  ebenso  wie  [^]  und 
[e]  als  [w]  in  to  wear  und  to  swear  im  Gegensatz  zur  Schrift- 
sprache, hingegen  in  t'bereinstimmung  mit  spear,  shear  vb.  Der 
Laut  [ta]  weist  auf  ein  älteres  [e]  hin,  das  sich  mundartlich 
in  spätmittelengl.  oder  frühneuengl.  Zeit  aus  [?]  und  [e]  vor 
r  entwickelt  haben  mag.  Schriftsi)rachliches  [id]  mag  dia- 
lektischer Einschlag  sein.  Eine  andere  Vermutung  spricht 
Hörn  a.  a.  0.  §  87  aus. 

erd  und  -erd. 

1.  Etymol.  langes  e  im  Selbstreim. 

fercle  (glossiert  mit  ^ede  <  a.e.  feran)  :  herde  'hörte'  H.  S.  3816, 

4883. 
forde  prt.  (aangl.  e  =  ws.  ce"^):  herde  prt.  Chr.  92  P,  6002,  6382, 

7188,  8050,  9702,  11156,  12834,  16170,  16628. 

Geschl.  [e]  ist  auch  möglich  in: 
ferd  prt.  :  conquer{e)d  Chr.  6782. 

2.  Etymol.  langes  e\    e  vor  dehn.  Kons. 

for  fcrde  'Furcht'  :  cherche  ^erde  H.  S.  12186. 
a-ferd{e)   (ae.  s^fcerde,  geferde  p.  p.  von  fceran)  :  cherchegerde 
H.  S.  8647,  8989,  9053,  9249. 
:  yerd  'Gerte'  H.  S.  4859. 
:  herd  (=  heard)  Chr.  12458. 
ferd  prt.  :  swerd  sb.  Chr.  15366. 

In  allen  diesen  Fällen  ist  Kürzung  des  e  möglich;  vgl. 
Orrms  ferrde  (Verf.,  R.  of  Brunne  S.  105,  IVa,  auch  Morsbach, 
Me.Gr.  S.  70ff.).  Zu  herd  vgl.  auch  Hörn,  a.a.O.  S.  74  Anm., 
wonach  in  unserm  Fall  ein  reiner  Reim  von  [e]  vorliegen 
kann,  ebenso  wie  in  herd  :  conquerd  p.p.  Chr.  12476. 


312 

Auf  kurzes  ferde  (<  ö  +  0  weist  der  Reim  weyl  y  ferde 
:  sperde  (spiitae.  sperren  vgl.  Verf.,  R.  of  Brunne  S.  106  Anm.) 
H.S.  6134.    ferd  prt.  'ging-'  :  sperd  p.p.  Chr.  9342. 

Gesichert  ist  die  Kürze  in  herd{e)  prt.  p.  p.  in  den  ver- 
hältnismälsig  zahlreichen  Reimen  auf  werkl  'Welt'  (s.  Verf., 
R.  of  Brunne  S.  106) :  H.  S.  2764,  3558,  4194,  7098,  7940,  8267, 
10507,  10633,  11685.  —  Chr.  222,  3298,  4168,  5368,  7328, 
11336,  11480,  14874. 

hyherd  :  iverld  Chr.  10544. 

Ebenso  herd{e)  prt.  p.p.  :  sperd{e)  prt.  p.  p.  Chr.  1400,  8500, 
11624,  13166,  14288. 

Desgl.  herd  'Hirt'  :  werlde  H.  S.  7098,  10508. 

Mehrfach  steht  herd  prt.  p.  p.  im  Reim  auf  minder  betontes 
-erd  in  answer{e)d  Chr.  5238,  6942,  7996,  9480,  11926,  13442, 
15238. 

-erlf  -erles. 

erle  :  cherle  H.S.  10653. 
erles  :  cherles  H.  S.  8695. 

-ern,  -ernes 

(vgl.  Verf.,  R.  of  Brunne  S.  100/101). 

serne  adv.  :  werne  vb.  Chr.  7064,  8036,  8494,  8836. 
:  ster7ie  (star)  Chr.  1682,  9032. 
gernes  :  tvernes  prs.  Chr.  640. 

Mit  Kürzung  des  c  >  [e]: 
gerne  (vgl.  Orrms  gerrne)  :  ferne  {a.e.  feorran)  Chr.  5040,  10194, 
10360. 
gerti  prs.  :  fem  Chr.  9130. 
Werne  vb.  :  esterne  H.  S.  10 168. 

-ed{e)f  -ed{e)s. 

1.    Geschl.  [e]  innerhalb  der  Fälle  1—8. 

fede  :  7iede  sb.  adv.  H.S.  5385.—  Chr.  1072,  5994, 7218. 
mede  :  spede  vb.  H.  S.  8325. 
:  nede  Chr.  2044,  7492. 
:  zede  H.S.  5399.  —  Chr.  11374. 
ned{e)  sb.adv.  :  sped{e)  Chr.  591,  9186,  14240. 


313 


nM{c)  sb.  vb.  :  ^cdc  II.  S.  8677,  9587,  10324,  12205,  12213.  — 
Chr.  2434,  2520,  4388,  8478,  14938,  15870, 
fede  vb.  :  spede  sb.  vb.  Chr.  9896,  10230,  12710. 
:  mede  Chr.  2044,  7492. 
spedc  :  ^^äZc  Chr.  3370,  5212,9896, 10230, 11792, 1:;016, 
13332,  16136,  16356. 
:  sede  H.S.  8211,  9097,  10412,  10438,  12597.  — 

Chr.  7910,  7988,  15182. 
:  kcde  sb.  Chr.  5038. 
stcdcsh.{stced):  nede  Chr.  10874,  13174,  13940. 
:  spede  Chr.  1120,  5466. 
:  sede  Chr.  10100,  12680. 
7iedes  sb.  pl.  adv.  :  stedes  (=  steeds)  Chr.  12561. 
:  forhvdcs  prs.  II.  S.  9934. 
fede  :  Me  'Leute'  Chr.  7346. 
hledc  (tohleed)  :  ,s<^de  H.S.  10541. 
Me  'Leute'  :  ^ede  H.S.  9214. 

ledys  'Leute'  H.S.  10563. 
iiede  H.S.  12362. 
nede  H.  S.  2745. 


lede  {to  lead) 


thedys  ^Yölker' 
forhede  vb. 
hede  prs. 

2.    e  <  ae.  «1    im    Reim    auf   geschl.    \e]    innerhalb    der 
Fülle  1—8. 

forhede  prs.  H.  S.  1950. 

to  hede  'bieten'  H.  S.  6603. 

sede  H.  S.  9140.   —   Chr.  1438,  10728,  11290. 

spede  Chr.  1538,  6956.  8848, 11734, 11876, 14062. 

siede  (steed)  Chr.  11184,  12186,  15520. 

mede  H.  S.  4313. 

hede  sb.  H.S.  12181. 

nede  H.  S.  4887. 

7iede  H.  S.  4835. 

forhede  prs.  H.  S.  683. 

7iede  H.  S.  643. 

nede  H.  S.  201. 

7iede  H.S.  11341. 
hred{e)  {hreadth)  :  sede  Chr.  3100,  6702,  7512,  9172,  14006. 
sprede  :  sede  Chr.  9046,  12146,  12784. 
Anm.  1:   Geschl.  [e]  ist  auch  gesichert  in  ledc  vb.  :  crzäa  (ae.  o'grfa) 
H.S.  4244. 


vnhyndhcde 

manhede 

falshede 

munkhede 

maji-hede 


3U 

Anni.  2:  (  ber  credc  (=  crowd)  :  siede  Chr.  11  244  s.  Oxf.  Dict.  unter 
crowd.    Es  gehört  wohl  zu  ae.  crüdan,  cread,  *crudon,  *croden. 

Die  Erböhiiug;  des  [f]  >  [e]  gilt  also  namentlich  für  Icde. 
Hoofe  belegt  sie  für  Osbern  Bokenam  {Engl  Stud.  VIIT,227ff.)- 
Die  sichere  Scheidung  zwischen  [f]  und  [("•],  die  Heuser 
{Anglia  XVIII,  114ff.)  bei  -cd  annimmt,  schliefst  auch  lede  mit 
ein.  Der  geschlossene  Laut  ist  für  R.  of  Brunne  gesichert,  da 
auch  keine  sicheren  Fälle  von  off.  [e]  nachzuweisen  sind.  Die 
Erhöhung  vor  Dentalen  gilt  auch  sonst  weithin  (s.  Dibelius, 
John  Capgrave  und  die  engl.  Schriftsprache.  Anglia  XXlII,327if.). 
Auch  für  -licd  ist  bei  R.  of  Brunne  kein  Fall  von  [fij  nachzu- 
weisen. Heuser  (J.??<7Z?a  XIX,  319ff.)  führt  es  unter  den  Aus- 
nahmen an,  deren  e  schwankt. 

3.  c'  <  ae.  ä'  i  im  Selbstreim. 

manliede  :  godhede  H.  S.  655. 
wyH-cdhedc  :  lede  H.  S.  773. 
gladehede  :  ivrajihede  H.  S.  12459. 
bred  (hreadth)  :  Me  Chr.  14980. 

4.  e  <  ae.  (^2  =  aangl.  e  im  Reim  auf  geschl.  [e]  inner- 
halb der  Fälle  1—8. 

dred{c)  vb.  sb.  :  hlede  Chr.  4378. 

:  nedc  H.  S.  156,  2249,  4113,  7324,  9689,  11361. 

—  Chr.  5122,  6618,  6682,   7898,  8434,  9340, 

9882,  11878,  12334,  12778,  14998. 
:  sedc  H.  S.  1390,  2492,  3265,  3594,  6972,  8039, 

8767,  9740.  —  Chr.  1586,  2628, 3184,  5938, 8422, 

9488,  9594,  9630,  13630,  14462,  15674,  16452, 
:  bede  vb.  Chr.  6590,  11774. 
:  forbcTde  inf.  prs.  H.S.  1247,  2974,  5150,  10175. 

Chr.  1540, 

furhede  prs.  Chr.  9400. 

lede  'Leute'  Chr.  7238,  14300,  14882. 

spede  H.  S.  5017,   7819.    —    Chr.  4506,  9186, 

9374,  15828.. 
:  jnede  H.  S.  101,  2732,  4137. 
:  hede  'Obacht'  H.  S.  2949. 
:  go  to  wede  H.S.  3585    {^\om.mad\  Sit.ivedan 

zu  toöd). 


31J 


drcdej) 
dede  'Tat' 

almes  dcdc 
dcde 


dede  'taten' 
mysdede 

dedes  sb.  pl. 


dedijs  sb.  pl. 
if^fZe' Gewand' 

rede  vb.  'sagen 


rede  'raten' (!) 
felawrede 


fo7-bedc]>  prs.  II.  S.  7630. 

bMc  H.  S.  5299. 

fcde  vb.  H.  S.  9907. 

fede  U.S.  6622,  10787. 

ncde  li.S.  12,  1479,  3465,  3639,  4525,  5672,  5886, 

5955, 6087,  6410,  6733,6939. 7166.  -  Chr.  13440. 

medc  H.  S.  344,  2443,  2822,  3146,  4562,  5141, 

6468,  6894,  7179,  8178,  9396.  —  Chr.  9690. 

spedc  H.S.  1767,  7640, 11396.  —  Chr.  4280,  7410. 

forhede  H.S.  2024,  7410,  9065,  10181,  11613, 

11641,  12401. 

gede   H.  S.  184,  194,  2856,  5776,  7876,  7906, 

8523,  10821,  11065.  —  Chr.  2786,  7030,  7592, 

9716,  12576,  12870. 

sedc   II.  S.  926. 

sede  H.S.  3824,  3865,  12370. 

7iede  H.S.  4391,  11689.  —  Chr.  5158. 

hede  vb.  Chr.  14064. 

forhedes   prs.  H.  S.  8930. 

ne(?e5  sb.pl.  H.S.10929,11519.  -  Chr.  3148, 9750. 

])0u  sedes   Chr.  3232. 

nedys   adv.  H.  S,  5665. 

Sede   H.  S.  2343. 

spede   H.  S.  6853. 

,  'lesen'  :  ncde  H.S.  6303,  6361.  —  Chr.  14786. 

mede   Chr.  130. 

spede  Chr.  200,  12136. 

forhede   H.  S.  8804. 

gede  H.  S.  4451. 

nede   Chr.  11638. 

nede   H.S.  11389. 


5.  e  <  ae.  re^  im  Selbstreim. 

dede  sb.  :  drede  H.S.  1087,  3663,  3782,  4917,  5357,  5769, 
6287,  7403,  7569,  7713,  8955,  8976,  10837, 
10872, 11 138, 11848, 11964.  —  Chr.  2872, 12480. 

:  rede  'lesen,  sagen'  H.S.  533,  3469,  4097,  4439, 
5997.  —  Chr.  1872,  10970,  11874. 

:  rede   'raten'  H.S.  5653. 


316 

dede  sb.  :  felaurüde  H.  S.  16-49. 
:  felawrede  H.  S.  7369. 
dcde  'tat'  prt.  :  drede  H.S.  6819. 

almes  dede  :  rede  'lesen'  H.S.  6915. 

mysdede  :  drede  H.S.  3493,  4961,  8011,  9556,  11701. 
:  rede  'lesen'  H.S.  1015. 
dedys,   dcdis,  dcdes   sb.  pl.    :    redys,  redis,  redes    prs.  'sagen, 
'lesen'  H.S.  117,  1559,  5171,  6703,  10797.  — 
Chr.  66,  194,  10592. 
:  dredes  sb.pl.  Chr.  11036. 
rede  'sagen,  lesen'  :  drede  H.S.  9577. 
rede  'raten'  :  drede  Chr.  4828,  7788. 

6.  e  <  ae.  cc-  im  Reim  auf  e  <  ae.  «?'. 

dede  sb.  :  Me  vb.  H.  S.  3140,  5645,  5936. 
:  sloghjjhede  H.  S.  5074. 
dedes,  dedys  :  ledes,  ledys  prs.  H.  S.  4582,  4951,  5159,  6439. 

—  Chr.  8400,  9424,  13404. 
drede  vb.  sb.  :  Me  vb.  H.  S.  6107,  10666.  —   Chr.  934,  1138, 
2942,  6916,  7848,  13116,  14288,  16624. 
:  slog]ieJ)chede  H.  S.  4520. 
:  hauncenliede  H.  S.  5161. 
:  maydenhede  H.  S.  7391. 
:  cJiyldhede  H.  S.  7657. 
:  holdhede  Chr.  13466. 
:  sprede  Chr.  14548. 
rede  prs.  'sagen,  lesen'  :  godhede  H.S.  12295. 

Nach  dem  Vorhergehenden  haben  wir  in  allen  Fällen  unter 
5  und  6  den  geschl.  [e]-Laut  anzunehmen.  Über  rede  s.  Näheres 
S.  318. 

7.  e  <  ae.  «2  jm  Reim  auf  e  <  ae.  ea  <  wg.  au. 

rede  'raten'  :  hrede  sb.  (hread)  H.S.  837. 
:  ded{e)  (dead)  Chr.  864,  1262. 
rede  prs.  'raten'   :  forbede  p.  p.   'verboten'  H.  S.  4571    (anal. 

Form  zum  prt). 
red{e)sh.'n'dV:  ded{e)  sb.  und  adj.  {dead)  H.S.  950.  1216,  1321, 
2243,  3741,  3805,  4016,  4405,  6709,  7966,  9586, 
10742.   —    Chr.  4860,  5696,  5788,  7068,  7780, 
8322,  9028,  9402,  9682,  10630,  12298. 


317 

mZ(e)sb.'Kat':  hrede  (bread)  H.S.  7301,  098G. 
:  forhcdc  prt.  H.S.  12354. 

8.  (7<  ae.  Sa  <  wg.  cm  im  Keiin   auf  geselil.  [t']  iiiiierluill) 
der  Gruppen  1 — 8. 

iMe  'Tod'  :  nede  Chr.  8704  (einziger  Fall!). 

9.  e  <  ae.  ea  <  wg.  au  im  Selbstreim. 

dcd{e)  :  forhed{e)  prt.  H.  S.  2053,  2611,  12378. 

hrede  \hread)  H.S.  7283,  10356. 

lede  'Blei'  H.S.  11728.  —  Chr.  9070. 

quede  {ae.*cwead,  vgl.  Verf.,  R.  of  Brunne  S.  124 

Anm.  1)  H.  S.  6279,  8025.  —  Chr.  8596. 
:  dede  adj.  H.  S.  9199. 
:  hed  prt.  Chr.  7090,  9522,  9662,  10778,  14352, 

16204. 
:  furhed  Chr.  9158. 
:  mished  (ae.  misbead  von  misbeodan)   Chr.  2088, 

16058. 
:  redie)  adj.  {red)  H.  S.  3503.  —  Chr.  1848,  9086. 
:  on  heued  (head)  Chr.  1526. 
qued{e)  sb.  :  furbcd  prt.  Chr.  5620. 

:  brede  (bread)  H.  S.  5603. 

Auni.:  Vielleicht  nicht  unreiu  ist  der  Reim  ded  sb.  :  icedde 
H.S.  1704;  =  dcd?l,  vgl.  Verf.,  E.  of  Brunne  S.  28,2b.  Gerade  vor  d 
—  neben  t  —  und  gerade  in  dem  Worte  dead  —  neben  head  —  scheint 
die  Kürzung  nicht  nur  am  frühesten  eingetreten  zu  sein,  sie  findet  sich 
hier  aucli  am  häufigsten  und  ist  im  15.  Jahrh.  schon  ziemlich  verbreitet 
gewesen  (vgl.  G.  Hackmann,  Kürzung  langer  Tonvokale  vor  einfachem 
auslautenden  Konsonanten  in  einsilbigen  Wörtern  im  Alt-,  Mittel-,  und 
Neuenglischeu  in  Morsbach,  Stud.  z.  engl.  Phil.  Heft  X,  S.  142  3).  Für 
das  14.  Jahrh.  hat  Hackmann  eiu  gekürztes  dead  noch  nicht  belegt.  Doch 
ist  Orrms  dcepf)  wohl  zu  beachten.  Was  die  Gründe  für  die  Kürzung  des 
Vokals  betrifft,  so  hat  sie  Hackmann  mit  liecht  namentlich  in  der  Satz- 
phouetik  gesucht  (a.  a.  0.  §  7ü).  Wir  lassen  uns  m.  E.  überhaupt  bei  der 
Betrachtung  des  einzelnen  Wortes  viel  zu  sehr  dazu  verleiten,  es  als  für 
sich  allein  stehend  anzusehen,  während  wir  es  doch  vielmehr  als  ein  Glied 
im  lebendigen  Zusammenhang  der  Sprache  betrachten  sollten.  So  er- 
scheinen die  Wörter  in  häufig  wiederkehrenden  engen  syntaktischen  Gruppen 
(vgl.  auch  Verf,  R.  of  Brunne  S.  286, 7)  oder  in  vielfach  noch  engeren 
Zusammensetzungen.  Dies  aber  trifft  gerade  für  die  Wörter  dtath,  dead 
und   head  zu,   die  schon  im  ae.  geläufige  Komposita  bilden.    Namentlich 


318 

möchte  ich  auf  ac.  dead-,  dcadlic  hinweisen,  ebenso  anf  das  Adj.  heved- 
lich  unter  zahlreichen  Beispielen,  die  das  Würterbuch  bietet.  So  sehe  ich 
in  unserui  Reim  das  erste  Beispiel  für  das  gekürzte  did.  Die 
ne.  Mundart  hat  neben  der  Kürze  in  dead  [f]  die  Länge  [is]  bewahrt. 
Kürze  gilt  auch  in  head,  lead  sb.,  bread  und  red. 

Für  e  <  ae.  ^^  kommen  fast  ausscliliefslicli  in  Betracht  die 
AVörter  drede  sb.  und  vb.,  dede  sb.  'Tat'  und  vereinzelt  auch 
=  prt. 'tat(en)'  und  rede  1.  lesen,  sagen,  2,  raten,  3.  Rat.  Als 
vereinzelte  Fälle  kommen  hinzu:  ivede  'Gewand'  (3x)  und 
felaivrede  (ix).  Auf  Grund  von  144  Reimen  mit  geschl.  [e]  ist 
in  jenen  drei  Wörtern  der  geschl,  [e]-Laut  anzunehmen.  Für 
rei^e  jedoch  gilt  dieser  Laut,  wie  es  scheint,  nur  in  der  Bedeutung 
'lesen',  'sagen',  wofür  ich  acht  Reime  angeführt  habe,  während 
ich  ihn  für  die  Bedeutung  'raten'  nur  in  dem  einen  Reim 
Chr.  11638  belegt  habe.  Allerdings  deuten  die  unter  5.  ange- 
führten Reime  von  7'ede  'raten'  :  dede  (<  ae.  re^;  2x)  und 
drede  (ae.  ce"^;  2x)  auf  geschl.  [e\  hin.  Wenn  diesen  vier  Fällen 
nur  vier  gegenüberstehen,  die  auf  off.  [?J  deuten,  so  scheint 
es  fraglich,  ob  wir  für  rede  in  der  Bedeutung  'raten'  den  oflF. 
[f]-Laut  anzunehmen  haben.  Eine  Scheidung  zwischen  [e]  und 
[?]  haben  schon  Heuser  {Anglia  XIX,  346)  und  Curtis  {Anglia 
N.  F.  IV,  V)  erkannt.  Jenen  Reimen  gegenüber  stehen  Reime 
von  e  <  ae.  m"^  mit  e  <  ae.  ea\  für  rede  ausschlief slich  in  der  Be- 
deutung 'raten'  —  allerdings  nur  4x  —  und  'Rat'  (sb.  <  ae. 
rced)  26 X.  Wenn  wir  dann  berücksichtigen,  dafs  die  Wörter 
dede  sb.  adj.  {dead)  und  hrede  {bread)  mit  Ausnahme  eines 
einzigen  Falles  von  dede  {:  nede  Chr.  8764)  nie  im  Reim  auf 
geschl.  [e]  begegnen,  auch  nie  im  Reim  auf  dede  (ae.  ce^)  und 
drede,  auch  nie  auf  lede  (ae.  ce  >  =  to  lead) ;  dafs  ferner  dede 
'Tat',  drede  und  rede  'lesen',  'sagen'  im  übrigen  nur  im  Selbst- 
reim (50  x)  und  endlich  e  <  ea  nur  im  Selbstreim  in  dem 
Wort  dede  (dead)  (einzige  Ausnahme  unter  8)  —  dazu  zwei  Fälle 
von  quede  sb.  —  vorkommen,  so  ergibt  sich  daraus  die  Sonder- 
stellung von  rede  'Rat'  und  vielleicht  auch  'raten',  d.h.  der 
oft'.  [(?]-Laut,  der  mithin  auch  für  dede  (dead)  und  (juede  an- 
zunehmen ist. 

Besonders  sind  noch  die  Formen  scde  und  lede  (=  laid) 
mit  geschl.  [e]  zu  erwähnen  (vgl.  Verf ,  R.  of  Brunne  S.  143/144): 

seyde  prt.  :  nede  H.  S.  7709. 


319 

scijde  p.  1).  :  nc{y)de  H.  S.  2020,  8586,  10130. 
Jeijdc  p.  p.  :  nede  H.  S.  7855. 
Ferner  scyde  :  deyde  prt.  II.  S.  9705  (vgl.  Morsbaeli.  ^[e.  Qr. 
§  130  A  6). 

c-  in  offener  Tonsilbe. 

1.  Im  Selbstreini. 

hkle  'Gebet'  (ae.  *icrf(z*)  naeb  dem  Oxf.  Did.  oder  <.  3i^.  sebed, 
Verf.,  E.  of  Brunne  S.  84, 2)  :  staie  sb.  Ohr.  152G0. 
s/eiZcs 'Stätten':  Udes  sb.  H.  S.  9001. 

2.  Im  Reim  auf  gescbl.  [e]. 

stede  :  crede  sb.  {^=^  crowd)  Chr.  11244  (vgl.  Verf.,  7?. 
of  Braune  S.  124  Anm.  2). 
:  drede  Chr.  10570. 
:  felaivredc  H.  S.  1879. 

Anm.  1:  Es  ist  fraglich,  ob  wir  in  den  unter  1.  angeführten  Belegen 
für  stede  Länge  anzunehmen  haben.  Das  Wort  ist  in  präpositionaler  Ver- 
wendung iin  Satze  oft  minder  betont  (vgl.  Morsbach,  Me.  Gr.,  §04 
Anm.  3),  und  eine  frühe  Kürzung  des  e  wäre  daher  leicht  erklärlich,  auch 
abgesehen  von  der  Möglichkeit  einer  Dehnung  des  Konsonanten  nach  dem 
Verstummen  des  -e  (vgl.  Verf.,  R.  of  Brunne  S.  4'J/50).  Dann  hätten  wir 
bed  {<^^ebtd)  :  sted.    Über  spätere  t-Foimen  vgl.  Hörn  a.a.O.  S.  69,  Anm. 

Anm.  2:  felaicrede  haben  wir  schon  mit  langem  [g]-Laut  belegt; 
doch  wäre  sehr  wohl  Kürzung  des  [öj  in  nebentoniger  Silbe  möglich.  Vgl. 
bei  Stratmanu-Bradley  veolauredden  in  der  Aticren  Riivle. 

Anm.  3:  Sehr  fraglich  wäre  die  Annahme  einer  Kürzung  in  drede, 
die  vor  15i)0  bisher  nicht  nachgewiesen  ist,  vgl.  Hackmann,  a.  a.  0.  S.  156,  c. 
Hinsichtlich  der  Annahme  einer  Analogiewirkuug  nach  den  Formen  des 
prt.  und  p.  p.  schliefse  ich  mich  den  Ausführungen  Hackmanns  an  (S.  195, 
§  75).  drede  findet  sich  im  frühne.  nur  im  Reim  mit  [f]  und  [r]  (vgl. 
Hörn,  a.  a.  0.  S.  6^).  Somit  stellt  ein  Fall  von  e  im  Keim  auf  \e\  bei 
R.  of  Brunne  eine  ganz  vereinzelte  Ausnahme  dar. 

-et{e)f  -et{e)s,  -etep,  -eteti. 
1.    Gescbl.  [e]  innerhalb  der  Fälle  1 — 8. 

fet{e)  :  swete  adj.  H.  S.  3311. 

:  metc  prs.  {to  meet)  IL  S.  4491. 

:  let{e)  prt.  H.  S.  5273, 11569, 11 718.  —  Chr.  992G. 
1240G,  14580,  14686. 
sicete  :  yrctc  (greet)  H.  S.  4179. 


320 

sivete  :  Ute  prt.  H.  S.  7991. 
flet  sb.  {fieet)  :  liet  prt.  Chr.  14536. 
schete  'scliiefsen'  :  metc  (to  meet)  Chr.  8418,  13546. 

2.  Geschl.  [e]  im  Reim  auf  franz.  e. 

sivete  'süfs'  :  jproiihete  H.  S.  5186,  11508  (afrz.  prop}iete\  ge- 
lehrt). Auch  Reitemeyer  bringt  für  ;prophete 
nur  Reime  mit  geschl.  [e]. 

3.  e  <  ae.  ^  ^  im  Reim  auf  geschl.  [e]  innerhalb  der  Fälle  1-  8. 
hyhete  vb.  :  swete  adj.  Chr.  15054. 

hete  'verheifsen'  :  grete  prs.  (greet)  Chr.  12742. 

4.  e  <  ae.  (c^  im  Reim  auf  geschl.  [e]  innerhalb  der  Fälle  1-8. 

J)Ou  ete  prt.  :  J)ou  Ute  prt.  H.  S.  9417. 

stret{e)  :  mete  {meet)  H.  S.  179,  2850,  3449,  8457,  8529. 
—  Chr.  3382,  6308. 
sivete  adj.  H.  S.  2101. 
sliete  'schielsen'  H.  S.  1371. 
Ute  inf.  :  hete  'bessern'  Chr.  9078, 
mete  {meet)  Chr.  7850. 
gretes  prs.  {greet)  Chr.  7576. 
Ut  prt.  Chr.  3786,  13714. 
Ute  prt.  H.  S.  3180. 
Ut  prt.  Chr.  15576. 


Utes 

et  prt. 

sete  'als' 

ivet  adj.  {ivet) 


Anm.  1:    grite  'weinen'  -<  2.Q.  ^reotan  oder  ^rcutan,  aangl.  ^»eian; 
vgl.  Verf.,  B.  of  Brunne  S.  122b: 

strete  :  grst  Chr.  9124. 
lete  inf.  prs.  :  grete  inf.  prs.   H.  S.  715,  S423,   11572.    —    Chr.  15584, 

15854. 
Anm.  2:  Über  biset  prt.  :  flet  (fleet)  Chr.  5914,  sowie  set  p.p.  :  sehet 
prt.  (ae.  sceaf)  Chr.  12394,  14076,  gret  p.p.  'geweint'  :  set  prt.  Chr.  15243, 
vgl.  Verf.,  E.  of  Brmne  S.  122  b. 

Anm.  3:    [e]  :  [f]  liegt  vor  in  f.et  :  met  prt.   (ae.  }«P<an)   Chr.  2943 
(vgl.  Verf.,  R.  of  Brunne  S.31,b). 

5.    e  <  ae.  ce'^  im  Reim  auf  e  <C  ae.  «i. 

«{?efe 'benetzen' :  M^e  sb.  Qieat)  H.  S.  6669. 

Ute  inf.  :  sivete  'schwitzen'  H.  S.  4258. 
:  hete  {heat)  H.  S.  7449. 
:  ivete  {icheat)  H.  S.  10024. 


321 

6.  ^  <  ae.  (^2  im  Reim  auf  e  <  ae.  ea  <  wg.  au. 

Ute  inf.  prs.  :  (jrete  'grofs'  H.  S.  7,  C93,  743,  2365,  2985,  3960, 
11490,  12422.  —  Chr.  5844,  13292. 
:  bete  {to  heat)  H.  S.  6801,  6813,  6827. 
:  l^rcte  prs.  Chr.  12658. 
wetey\i.{toicet):  grcte  adj.  Chr.  10340. 
tvetes  prs.  :  letes  prs.  Chr.  10344. 

Anm. :  grH  prt.  p.  p.  'weinen'  ■<  ae.  ^rMt  oder  s'^-H  vgl.  Verf.,  J{.  of 
Brunne  S.  226,11: 

gret  prt.  p.  p.  :  forlet  prt.  Chr.  3614. 
:  Ute  inf.  U.  S.  5720. 
:  ete  prt.  H.  S.  12  374. 
:  Ute  prt.  H.  S.  10  485. 
:  fet  ifeet)  Chr.  10  248. 

7.  e  <  ae.  w-  im  Selbstreira. 

jwe^e 'träumen' :  ?c^e  inf.  H.  S.  387, 

strcte  :  s^^e  (ne.  seat  <  ae.  sä^^e  <  an.)  H.  S.  2599. 

8.  e  <.  ae.  ie'^  im  Reim  auf  franz.  e. 

strete  :  prophete  H.  S.  9403. 
lete  inf.  :  proxihete  H.  S.  12088,  geschl.  \e]  s.  unter  2. 

9.  e  <  ae.  ea  <  wg.  au  im  Selbstreim. 
^0  _^r^^e  (ae.  preatian)  :  ^re^e  adj.  H.  S.  6397. 

gret  adj.  :  sehet  prt.  (ae.  st^nO  Chr.  3796,  10054,  12370, 
12790,  13808,  16446. 

10.  e  <  ae.  ea  im  Reim  auf  geschl.  [e\. 

gret  'grofs'  :  sMe  'schiefsen'  H.  S.  3582,  8514. 

:  sket  'schnell'   (<  an.  vgl.  Verf,   R.  of  Brunne 
S.  251)  Chr.  9556. 

Die  Reime  sind  zu  wenig  zahlreich,  als  dafs  sieh  zwingende 
Schlüsse  daraus  ziehen  liefsen.  Einigermafsen  sieher  hingegen 
erseheint  der  geschlossene  Laut  in  strete  (8x  :  geschl.  [e], 
einschl.  ^9ro^;/ie^e).  Bei  lete  mag  der  geschl.  [e]-Laut  des  prt. 
verstärkend  eingewirkt  haben,  so  dafs  die  drei  Reime  von  great 
auf  geschl.  [e]  durch  die  verhältnismäfsig  zahlreichen  Reime 
mit  let  (inf.  9x)  gestützt  würden.  Für  gret  scheint  der  er- 
höhte [e]-Laut  tatsächlich  weithin  gegolten  zu  haben  (vgl. 
Verf,  R.  of  Brunne  S.  129, 11  und  139,  2).     Darauf  weisen  auch 

Studien  z.  engl.  Phil.    L.  21 


322 

die   acht   Reime    bei    Thomas    Castelford    hin    (s.  Reitemejer 
a.  a.  0.  S.  91). 

Was  (J<  ae.  ce^  betrifft,  so  sind  lieat  und  stveat  von  Heuser 
als  schwankend  hingestellt  worden. 

Die  ne.  Mundart  zeigt  in  gewissen  Wörtern  Kürzung  des 
Vokals,  und  zwar  stimmt  der  Süden  von  Lincolnshire  im 
Gegensatz  zum  Norden  mehrfach  mit  der  Schriftsprache  überein; 
z.  B.  ivet  im  Süden  mit  [^],  im  Norden  mit  [^],  death  im  Süden 
mit  [?],  im  Norden  mit  [id]^  great  im  Süden  mit  \ed\  neben  [i], 
im  Norden  mit  [td\.  Wenn  nach  der  Annahme  von  Hörn 
(a.a.O.  S.  70  §81)  der  e-Laut  aus  südwestlichen  Mundarten 
in  die  Schriftsprache  eingedrungen  ist,  so  mag  der  e-Laut  in 
Lincolnshire  ihr  entlehnt  worden  sein. 

e-  in  offener  Tonsilbe. 
\.    Im  Selbstreim. 
J)ou  ete  prs.  konj.  :  gete  prs.  konj.  Chr.  12708. 

ete  inf.  :  mete  (meat)  H.  S.  5002,  10353.  —  Chr.  10528, 
11294,  16094. 
:  to- freie  inf.  H.  S.  3625. 
furgete,  forgete  inf.  imper.  :  mete  (meat)  H.  S.  6631,  6751,  6963. 
—  Chr.  14119. 
gete  inf.  prs.  :  mete  {meat)  H.  S.  4695,   6815.    —    Chr.  5110, 

9946,  10442,  16084. 
^ete  'essen'  :  mete  {meat)  H.  S.  5383,  6017. 
:  gete  p.  p.  H.  S.  8335. 
ete  p.  p.  :  gete  p.  p.  H.  S.  6213. 
forsetep  :  ete])  prs.  H.  S.  10831. 

Anm.:  In  den  Partizipien  der  1.  Ablautsreihe  wechselt  in  der  Schreibung 
vielfach  e  mit  %  (y).  Vgl.  darüber  Morsbach,  Me.  Gr.  §  115  und  Anm.  2, 
z.  B.  lorytyn  :  wetyn  Handschr.  0,  icrete  :  wete  H.  S.  133,  tcryte  :  uete 
prs.  H.  S.  2091,  9961,   ivrete  :  smde  p.  p.  H.  S.  2179. 

2.    Im  Reim  auf  [e]. 

ete  inf.  prs.  :  mete  vb,  {meet)  Chr.  15732. 
:  lete  prt.  H.  S.  8676. 
:  wete  adj.  {wet)  Chr.  9952. 
:  fete  {feet)  H.  S.  8762. 
:  whete  {wheat)  H.  S.  10092. 


323 


eten  p.  p. 
to  gete 

forgt'teiii)  p.  p. 


seien  prt.  Chr.  10540. 

flete  (fleet)  Chr.  7744,  8956,  15818. 

Ute  inf.  H.S.  10165. 

Jcte{n)  p.  p.  H.  S.  8609.  —  Chr.  2362. 

forlete  p.  p.  H.  S.  9756. 


Diese  Reime  sind  Ausnahmen.  Überdies  wäre  in  den 
Partizipialformen  eten,  forgeten  auch  [e]  nach  Analogie  des 
prt.  möglich. 

Besondere  Fälle. 

Kürze  liegt  in  folgenden  Reimen  vor: 

get  p.p.  :  suget    'unterworfen'    Chr.  15322;     vergl.    die 
Schreibung   suggette  bei   Reitemeyer  a.a.O. 
S.  79.     Über  get  s.  Morsbach,  Me.  Gr.  S.  84. 
:  set  p.  p.  Chr.  648. 
get  prt.  :  set  Chr.  13342,  13534. 
leet  'urteilte'  =  let  :  vnder-feet  Chr.  284  'unterstützte'  (wofür 
die  andere  Handschrift  richtig  vndersette  hat). 
entermetimiiew:  recet  sb.  Chr.  7498  (afrz.  reset)  neben  receit;  vgl. 
eniremet  prs.  subj.  :  set  Chr.  12666   prs.  konj. 
von   settan.     Reitemeyer  a.  a.  0.   S.  79   belegt 
recet  im  Reim  auf  e. 


-e(s). 
1.    Geschl.  [e]  innerhalb  der  Fälle  1 — 8. 

>-e  (num.)  :  &e  H.S.  207,  4227,  7407,  7997.  —  Chr. 604,  9508, 
12640. 

])e  (pron.)  H.  S.  3595.  —  Chr.  548. 
me  H.  S.  8015. 
to  fle  H.S.  11322. 
^e  H.  S.  6328. 

be{e)  inf.  imper.  p.  p.  :  pe  pron.  H.  S.  241,  450,  561,  729,  1629, 
2387,  2785,  3086,  3108,  3300,  3753,  4269, 
4685,  5277,  5373,  5405,  5515,  7707,  9385, 
9709,  11635,  11692,  11821,  11251,  11364, 
11404,  11821,  11941,  12042.  —  Chr.  1102, 
1398,  4306,  4956,  7644,  11770,  15326,  15602, 
16516. 

21* 


324 


he{e)   inf.  imper.  \\  p.  :  scc  p.  p.  H.  S.  281,  1249,  1384. 

:  fre  KS.  807,  1539,  5691,  5853,  6421,  7053,  7461, 

11177,  11352,  12287.  —  Chr.  790. 
:  me  H.  S.  871,  976,  1779,  2323,  7841,  12533.  — 

Chr.  588,  1680,  5156,  7058, 11652, 15306, 15740. 
:  fle  inf.  prs.  H.S.  2045,  2633,  9705,  10674, 12001, 

12494.  —  Chr.  1788,  3518,  12302,  13334, 13436, 

14256,  14590. 
:  he  H.  S.  3739,  3949,  5103,  6583,  7655. 
:  fe{e)   'Besitz'  H.  S.  6331,  6807.  —  Chr.  7456. 

10750,  12008,  12550,  13110,  14068,  14730. 
:  se   inf.  prs.  H.  S.  1569,  1661,  1823,  2063,  2931, 

3969,  3993,  5077,  8756,  9135,  10019,  11656, 

12396,  12505,  12590.  —  Chr.  2444,  3866,  4208, 

4866,  8152,  8748,  9074,  10076,  10304,  11476, 

15262,  15588,  15778. 

tre  'Baum'  H.S.  12359. 

Me  sb.  (ae.  hleo{h))   Chr.  14914. 

tve   H.  S.  957.  —  Chr.  14532. 

^e  Chr.  13496. 

s{c)he  H.  S.  1709.  -  Chr.  5106. 

])e  (thigh)   Chr.  15756. 

pe   (<  Jjeoii?   Furnivall   S.  620   =   to   suffer) 

Chr.  3242. 
ss{e)  inf.  p.  p.  prs.  imper.  :  J)e  pron.  H.S.  717,  1791,  2871,  6501, 

8917,  11550. 
:  ])e  (thigh)  H.  S.  2327. 
:  me  H.S.  2481,  3149,  4429,  4442,  6349,  11514, 

11740, 11953, 12221.  —  Chr.  2476,  8058, 15232. 
:  he  H.  S.  3965,  6433,  6809.  —  Chr.  8180,  9292, 

12400. 

fe{e)  'Besitz'  H.S.  —  Chr.  672. 

se  H.  S.  5485. 

hre  (aangl.  *bre,  s.  Verf.,  II  of  Brunne  S.  137/8) 

Chr.  10334. 

^e  Chr.  4674,  8516,  11640,  12292, 13752, 14590. 

fre  Chr.  15076. 

Tcne  Chr.  7864. 
])0u  hcs  :  ])0u  ßcs  Chr.  11528. 


325 


sees  prs. 
2)6  pron. 


me 


he 


fre 


fie 


hiees 


Inces  ab.  'Knie'  H.  S.  951. 

>•  pron.  H.S.  312. 

fre  H.S.  678,  6269,  6447,  10684.  -  Chr.  4282, 

16490. 

ge  H.S.  10463.  —  Chr.  2846. 

me  H.S.  1269,  2311,  2316,  3258,  5867,  10660, 

11721,  12215. 

fle  inf.  prs.  H.  S.  1854,  5099,  9'J29.  —  Chr.  3228, 

16288. 

ive   Chr.  16580. 

he  H.  S.  2863.  —  Chr.  620,  7246. 

fe   Chr.  5230. 

/)-e  H.  S.  5199.  —  Chr.  11730. 

tre  'Baum'  H.  S.  3843,  4757. 

fe  H.S.  4461,  7908.  —  Chr.  4882,  9668,  13878. 

me  Chr.  7500. 

se  Chr.  1572,  2744,  7388. 

fe{e)  Chr.  4934,  7072,  7210,  12560. 

she  H.  S.  10422. 

fie  H.  S.  7921.  —  Chr.  2002,  5478,  6614. 

fe  Chr.  9592. 

ivc  Chr.  7380. 

tre  'Baum'  H.  S.  8237. 

sehe  Chr.  3188. 

fe  Chr.  3480. 

fte  Chr.  14926. 

Pre  Chr.  15412. 

we  Chr.  16.524. 

l,e  ipeon)  H.  S.  4235. 

pees  (fhigh)  H.  S.  1473. 


2.  Gesehl.  [e]  innerhalb  der  Fälle  1 — 8  im  Reim  auf  franz.  [e]. 

k"  inf  prs.  p.p.  :  vanyte  U.S.  3Sl,  3345,  3432,  3690. 

:  mey{g))ie  H.  S.  3419,  3421,  7089.  —  Chr.  2388, 

9274,  11300,  11986. 
:  hewte  H.  S.  3044. 
:  autoryte  H.  S.  3547,  12161. 
:  charyteR.S.  1958,  2629,  3681,  5609,  6922,  7167, 
10913. 


326 


he  inf.prs.p.p. 


]>e 


dygmjte,  dignite  H.  S.  3934.  —  Chr.  15812. 

propertc  H.  S.  3974,  12255. 

cuntre,  contre  H.  S.  1392,  1436, 1756, 1877,  6383, 

7725,  10554,  10958,  11120.  —  Chr.  14514, 

14906,  15500,  15548. 

maugre  H.  S.  7777.  —  Chr.  12898. 

cyte,   cUe   H.  S.  1465,  2596,  8257,  8748.  — 

Chr.  1906,  5530,  5774,  7698,  8020, 10188, 14168. 

pleiite  H.  S.  849.  —  Chr.  11052. 

prymjte,  pryuete   H.  S.  2037,  2568,  3650,  3660, 

7260,  7441,  8375,  11500.  —  Chr.  3858,  8776. 

deere   H.  S.  8718. 

poiiste  H.  S.  4197.  —  Chr.  1244. 

pryue  H.  S.  4417.  —  Chr.  3394. 

gre  'zu  Willen'  H.  S.  6571. 

soherte  H.  S.  7269. 

sacre  H.  S.  8846. 

cou7ite  p.  p.  H.  S.  8912. 

seruee  H.S.  11775. 

gre  'Stufe'  H.  S.  1563. 

se{e)  'Sitz'  H.S.  2587.  —  Chr.  5754,  6872, 14946. 

specyalte  H.  S.  9723. 

degre  H.S.  10055,  11594.  —  Chr.  11200. 

entre  H.S.  12144.  —  Chr.  9412. 

jnßc  H.  S.  12314.  —  Chr.  8560. 

solemp{ne)U  H.  S.  9631.  —  Chr.  6304. 

crystyanytc,  cristianite  H.  S.  11 235.  —  Chr.  9138. 

assenible  Chr.  7042. 

eyse  Chr.  3170. 

feaute  Chr.  14402,  15470. 

Trynite  Chr.  14992. 

liuere  Chr.  10558. 

vylte  Chr.  5516. 

pyte  H.  S.  257,  2273,  5439,  5477. 

2)ryuyte   H.S.  397,  429,  12020. 

charyte,  charite  H.  S.  1941, 3023, 7879.-  Chr.  3248. 

meyne  H.  S.  3417,  3517. 

gre  'Stufe'  H.S.  3707. 

hoimte  H.  S.  7801. 


327 


se{e)  in  f.  prs. 


J)ö  :  certeynte  H.  S.  8217. 

soherte  H.S.  5921. 

chastyte  H.  S.  1677. 

mageste  H.  S.  11536. 

pauste  H.S.  11837. 

cite  Chr.  7484,  15094. 

mo7ic  {moncy)  Chr.  8996. 

saJcarc   ('Konsekration',    ein    Teil    der    Messe) 

II.  S.  7298. 

ejitre  Chr.  1094. 

vylte  Chr.  11504. 

pyte,  pite  H.  S.  329.  —  Chr.  3852. 

pryue  H.  S.  467. 

sacre  H.  S.  8828. 

pryuytv,  pryuete  H.S.  2485,  3621,  9682,  11598. 

Chr.  7552. 
se{e)s  prs.  :  j^^'yuyfes  H.  S.  7579. 
:  vcmytes  H.  S.  9853. 
:  propertes  H.S.  10139. 
:  cites  Chr.  4088. 
se  :  (leere  H.  S.  4637. 
:  pouste  H.  S.  6293. 
:  cuntre,  contre  H.  S.  9445.    —    Chr.  2524,  5850, 

10342. 

vblc  sb.  H.  S.  10083. 

charyte  H.  S.  10380. 

heute  H.  S.  12609. 

cite  Chr.  4728,  14898. 

semble  sb.  Chr.  15424. 

Tr^/m'^e  Chr.  15142. 

gre  'Grad'  Chr.  490,  10856. 

pimte  Chr.  11964. 

at/5e  Chr.  1900.  . 

77ietjne  Chr.  10518,  11158. 
me  :  virgmite  H.  S.  2876. 

jmjuyte  H.  S.  3592,  5749,  8121. 

chastyte  H.  S.  7547. 

charyte,  charite  H.S.  2258,  5735,  10223,  10364, 

10408.  —  Chr.  12252. 


328 


mc 


he 


ive  pron. 

sehe 
fle 


pre 


Chr.  2074. 
-  Chr.  324. 


leaute  Chr.  12892. 

cuntre  Chr.  694. 

pite  Chr.  5210. 

eerteynete  Chr.  8160. 

comonalte  Chr.  P  124. 

charyte  fl.  S.  6864. 

pryuyte  H.  S.  10643.  - 

pyte,  pite  H.  S.  11009. 

cu7itre  H.S.  10523. 

avyse  adj.  Chr.  4064. 

bounte  Chr.  6160,  6200. 

äte  Chr.  812,  2270,  9616,  13778,  14750. 

degre  H.  S.  7553.  —  Chr.  10  626. 

digjiite  Chr.  6216,  15112. 

ese  adj.  Chr.  7954,  9754. 

hache  Chr.  15760. 

solempnete  Chr.  11206. 

vanyte  H.  S.  4281. 

cuntre  H.  S.  895. 

pite  Chr.  8696. 

contre  Chr.  7316,  15  066. 

pite  Chr.  8670. 

solempnete  Chr.  5593. 

I^nwe  Chr.  3410. 

mene  sb.  Chr.  6040. 

pouste  Chr.  1174. 

cww^re  H.  S.  439,  10575.   —   Chr.  2598,  10656. 

dignite  Chr.  6508. 

sacre  H.  S.  7949. 

autorite  Chr.  14596. 

pr^/w^^^  H.  S.  10  038. 

plante  Chr.  4352. 

cite  Chr.  1950. 

j;rme  Chr.  11552. 

contre  Chr.  14674. 

entre  Chr.  1118. 

Germyne  {Germany)   Chr.  2014. 

specialte  Chr.  534. 

aWse  adj.  Chr.  12  604. 


! 


329 


/>rß^  :  certeyjitc  Chr.  1152. 
thee  'Schenkel'  :  grs  H.S.  4633. 
Jens  :  pyte  H.  S.  4878. 
Jenes  :  iornes  Chr.  7964. 
tre  :  vylte  H.  S.  5205. 
trees  :  entres  Chr.  5088. 
/•c(c)  :  pouste  H.S.  6029,  11710. 
cite  Chr.  1934,  2160. 
coM^re  Chr.  14764. 
feante  Chr.  6462,  10666,  10  946. 
fre  :  charyte  H.  S.  6850,  6875. 
pyte,  pite  Ch.  2938,  9248. 
(legre  H.  S.  8873. 
feaide  Chr.  10  494. 
pryue  H.  S.  8902. 
Cristiente  Chr.  5730. 
I^owsie  H.S.  9811. 
Euere  Chr.  3118. 
contre  Chr.  4550. 
re^raZfe  Chr.  9770. 
plente  Chr.  958. 
meyne  Chr.  4018. 
^Zc  sb.  :  saiitre  H.  S.  4769. 
Anm. :    hc  :  /aLs^e  H.S.  9461  =  falsch/.     lu   minder  betonter  Silbe 
ist  Kürzung  des  //  eiDgetroteu.    Die  Schreibung  e,  die  in  solchem  Fall  oft 
mit  y  wechselt,  mag  die  flüchtige  Aussprache  des  t  andeuten,  ohne  dafs 
damit  ein  wirklicher  e-Laut  bezeichnet  wird. 

3.   6^  <  ae.  fei. 

a)  Im  Reim  auf  geschl.  [c]  innerhalb  der  Fälle  1 — 8. 
se  (sea)  :  be  H.  S.  1741,  3797.  —  Chr.  1800,  5910. 

:  me  H.S.  12  511.  —  Chr.  4240,  8796,  11526. 
:  fle  Chr.  6278,  6292,  8254,  9586,  10132;  10236, 

14  456. 

fe  sb.  Chr.  2536,  4202,  14  524. 

Jjre  Chr.  660,  690,  1944,  2000,  7674,  11086. 

he  Chr.  744,  3096,  9114. 

b)  Im  Reim  auf  geschl.  [e]  in  franz.  Lehnwörtern. 
se  (seä)  :  cimtre,  contre  H.  S.  5443,  9239.   —   Chr.  1488, 

1730,  3772,  6418,  8940,  9558. 


330 


se  (sea)  :  mtre  Chr.  6008,  U  092. 
:  meyne  Chr.  8428,  9796. 
:  pitc  Chr.  5672. 
:  cyte  H.  S.  877,  10729. 

Auni.:  Zur  Erhöhung  des  [f]  >-  [e]  vgl.  Luick,  Lautyeschichle  §  350. 
4.    In  franz.  Lehnwörtern. 


cuntrc 


pryuytc 
cyte,  cite 


dignite 
degre{e) 
autoryte 

charyte 


soUmnyte  H.  S.  915. 

charyte  H.  S.  3897. 

pyte  H.  S.  8071. 

ayse  adj.  Chr.  6438. 

cite  Chr.  1334,  3086,  8958. 

meyne  Chr.  9156. 

plmte  Chr.  1302. 

quarre  Chr.  10310. 

seine  (V)  Chr.  11448  (ef.  Fm-nivaU  II,  619). 

autoryte  H.  S.  1239. 

honeryte  H.  S.  1927. 

cimfre,  cowfre  H.  S.  10779.  —  Chr.  1714,  3322, 

12  500,  14342,  16  424. 

louyite  H.  S.  8159.  —  Chr.  5508. 

iurne  'Tag'  H.  S.  1951. 

assemhie  H.  S.  9391. 

solempnete  Chr.  6032. 

entre  Chr.  6062. 

meyne  Chr.  10014. 

dignite  Chr.  2778. 

plente  Chr.  3552. 

^tfe  Chr.  5342. 

See  Sitz  Chr.  11060. 

Jolyte  H.  S.  2399. 

See  'Sitz'  Chr.  10384. 

me?/we  H.  S.  7687. 

se  sb.  {see)  Chr.  15  288. 

2;ri/we  H.  S.  8315. 

crystyanyte  H.  S.  11704. 

lounte  H.  S.  8723. 

maugre  H.  S.  6907. 

ewfre  H.  S.  4703. 


331 

charyte  :  nycets  H.  S.  4719. 
pryue  :  communaltc  H.  S.  5961. 
:  plente  Chr.  5966. 
obU  sb.  (Hantlschr.  i'hUc)  :  sacvc  sb.  H.  S.  10005. 
s^'Sitz'  :  poustc  H.S.  11473. 
aducrsete  :  prosperite  Chr.  11612. 
couivee  adj.  'geschwänzt'  :  cnterlace  adj.  Clir.  P  86. 
^wrc^e  sb.  :  meynöe  Chr.  14124. 
feaute  :  maugre  Chr.  14148. 
flamcc  (=  flamen)  :  se  sb.  'Sitz'  Chr.  5762. 
?mere  :  mei/nc  Chr.  2396. 
i?i^^  :  regalte  Chr.  3892,  3944. 
e?2fre  :  suivaiäe  (=  sauvete)  Chr.  1060. 
wZe  {valley)  :  esß  adj.  Chr.  5580. 
Ijountes  :  fees  Chr.  13  876. 
causes  (causeiray)  :  vales  (valley)  Chr.  3088. 
dies  :  fees  Chr.  4588,  11408,  15  538. 
:  contres  Chr.  13988. 
mitres  :  /e(e)s  Chr.  1930,  6864,  8708, 11586,15316,15464. 

-es{e)f  -eses;  est{e)f  -estes;  -esed, 

1.  Geschl.  [e]  innerhalb  der  Fälle  1 — 8. 

lese  iuf.  prs.  :  chese  inf.  prs.  H.S.  11153,   11584,   12  475.  — 
Chr.  4242,  8412,  13590. 
hrcst{e)  [breast)  :  prest{e)  H.  S.  945,  2533,  3655,  10080,  10855, 
11346,  11470,  11751,  12492. 
pou  seest  :  prest  H.S.  7664,  10964,  11283. 
hrest  :  sest  Chr.  12262. 

2.  Geschl.  [e]    innerhalb    der    Fälle   1 — 8    im    Reim    auf 
franz.  [e]. 

flees  (<  aangl.  fleos  =  ws.  flys  >  ne.  ffeece)  :  cites  Chr.  450. 

3.  e  <  ae.  ce  K 

a)  Im  Reim  auf  geschl.  [e]  innerhalb  der  Fälle  1  —  8. 

lest{e)  (sup.)  :  Jwu  scst  H.  S.  8307. 

:  prest{e)  sb.  H.S.  3013,  3203,  7605,  7934,  11547, 
11605. 


332 

b)  Im  Reim  auf  franz.  e. 

mest{e)  adj.  :  fest{c)  sb.  Chr.  4712,  7370. 
heste  (ae.  hws  'Gebeifs')  :  geste  sb.  Chr.  16698. 
hestes  sb.  :  gestes  sb.  Chr.  14592. 
leste  (Jeast)  :  /e6-^e(/casf)  H.S.6986,11126,11237.— Chr.4912 
P,  11342. 
:  tempest{e)  H.  S.  S51,  7788.  —  Chr.  2984. 
all)cr  meste  :  beste  (beast)  H.  S.  6765. 

c)  Im  Selbstreim. 

Iest{e)  sup.  :  7nest{e)  Chr.  2332,  2580,  7632. 

Demnach  findet  sich  lest  (least)  7x  im  Reim  auf  geschl. 
[e].  Auch  Hoofe  {Engl.  Stud.  VIlI,227ff.)  führt  aus  Osbern 
Bokenham    Belege    für    den    geschlossenen    Laut    an    (:  brest 

<  breost).    Nach   Di  bei  ins   (a.a.O.)   reimt   John  Capgrave  e 

<  ae.  ^1  fast  stets  mit  geschl.  [e].  Der  geschl.  [e]-Laut  dürfte 
danach  gesichert  sein,  während  Reitemeyer  (S.  69)  nur  mit 
dem  off.  [e]-Laut  rechnet. 

4.  e  <  ae.  ce'^. 

a)  Im  Reim  auf  geschl.  [e]  innerhalb  der  Fälle  1 — 8. 

Jiext,  Handschr.  ncst{e)  (<  aangl.  nestä)  :  brest  sb.  Chr.  7872. 
:  prcst{e)  {sie.  jjrcost)  H.  S.  1679,  4403,  9202,  9637, 
10344. 
Vgl.  Orrms  nesst! 

b)  Im  Reim  auf  franz.  e. 

res  sb.  (ae.  rms  vgl.  Verf.,  R.  of  Brunne  S.  123, 3) :  destres  Chr.  3472. 
:  peie)s  (peace)  Chr.  1238,  4815,  5181,  16345. 
Diese  Reime  deuten  auf  offenes  [?];  Reitemeyer  belegt  für 
destres,  pes  ausschlielslich  [?]. 

Anm. :  ChEst{e)  'Streit'  (ae.  ceast  =  aangl.  *cest  ■<  wg.  ä)  :  fcst{e)  sb. 
Chr.  4792.  —  Jedoch  scheinen  gewisse  Reime  auch  auf  gekürztes  fest  zu 
deuten:         f^ste  :  herneste  H.  S.  815. 
:  nobleste  Chr.  b918. 
Vgl.  ähnliche  Reime  bei  Reitemeyer  S.  71/72. 

5.  e  <  ae.  ea <  wg.  au  (=  ae.  ws.  [e]  neben  ea  nach  Palatalen). 
a)  Im  Reim  auf  geschl.  [e]  innerhalb  der  Fälle  1 — 8. 

Jjou  dies  prt.  :  les  sg.  prs.  konj.  {lose)  Chr.  16494. 


1 1 


333 

b)  Im  Selbstreim  [f]. 

chcs{e)  prt.  :  les  (ae.  Icas  -falsch')  adj.  H.S.  1655,  6381. 

:  les{e)  prt.  H.S.  11015.  — Chr. 3988, 12624,14600, 

Anin. :  les  {a-e.  leas)  :  slBs  prs.  (von  sIpp)  H.S.  1525  (zu  Verf.,  Robert 
of  Brunne  S.  152  Auui.  1  hiuziizufiigeu  I). 

c)  Im  Reim  auf  franz.  c  \ß]. 

chcs{e)  prt.  :  pc{e)s  {peace)  IL  S.  1039,  2603.   —   Chr.  1952, 
2570,  2576,  2796,  3102,  3908,  4002,  4500,  5540, 
5782, 5894,  7304,  8700,  9204,  9772, 10294, 10492, 
10690,  10918,  14420,  14522,  15496,  15656. 
:  pres  sb.  {prcss)  Chr.  7052,  11242,  15874. 
le{e)s  prt.  :  prcic)s  sb.  Chr.  370,  720,  738,  1558,  4884,  8514, 
10762,  12818,  13184,  13222. 
:  pes  {peace)  Chr.  6404,  8692,  10936. 
tvithoute  les  {leas)  :  ^;es  sb.  H.  S.  2198. 
helples  :  pes  sb.  Chr.  10250. 
herteles  :  ^;es  sb.  Chr.  11564. 
ivemles  :  ^;re5  Chr.  7906. 
est  (east)  :  best  (beast)  Chr.  12 106. 

:  conquest  Chr.  11018,  12626,  14066. 
:  gest  sb.  Chr.  38  P,  6636. 
:  tempest  Chr.  1416. 

Anm.  1:   geste  {guest  <  an.)  :  feste  sb.  H.S.  9366. 

Anm.  2:   Statt  dos  pl.  prs.  :  tverynes  lies  des  (s.  Verf.,  R.  of  Brunne 
S.  240,  §  122)  H.S.  914.3. 

Anm.  3:   Bei  den  Wörtern  auf  st  ist  das  Scliwanken  der  Quantität 
zu  berücksichtigen  (s.  Morsbacli,  Me.  Gr.  §  61). 

6.    es  in  franz.  Lehnwörtern  im  Selbstreim, 

ches  {choice)  :  pes  sb,  Chr.  11596. 
deces,  deses  'Tod'  :  pes  sb.  Chr.  3724,  5352,  5338,  7664,  14396. 
ese  sb.  (aise)  :  plese  vb.  Chr.  7444. 

:  sese  {seize)  Chr.  6388,  7142. 
pesed  {=^  appeased)  p.p.  :  sesed  p.p.  {seized)  Chr.  11550. 
presed  prt.  {pressed)  :  sesed  prt.  Chr.  13612,  13812  (vgl.  Mors- 
bach, Über  die  anglo- franz.  Konsonanten- 
Dehnung,  Beitr.  z.  vom.  u.  engl.  Phil,  Festgabe 
für  W. Foerster,  Halle  1902;  auch  Reitern ey er 
S.  89). 


334 

7ni'es  {nicss  of  meat)  :  dccs  (clais)  Chr.  7832. 

2H'S  sb.  :  pres  (praise)  Chr.  7832. 
2n'es  {press,  croivd)  :  ses  inf.  (cease)  Chr.  13026,  13070. 
:  pees  Chr.  1496. 
:  at  trauers  Chr.  13394. 
mysese  :  at  ese  H.  S.  1097,  6057. 
conqucst  :  prest  adj.  Chr.  13406. 
:  fest  sb.  Chr.  5198. 
fest{e)  :  gest{e)  H.  S.  11563.  —  Chr.  1774,  7578,  10372, 
11298. 
:  honeste  Chr.  302,  9276. 
prest{e)  adj.  :  rest  sb.  Chr.  822,  1114,  9930,  10884,  14126. 
hestes  sb.  :  gestes  sb.  Chr.  464,  11428. 
gestes  :  festes  sb.  Chr.  10504. 

Anm. :   Auf  Kürze  deuten: 

X)rest{e)  adj.  :  best  sup.  Chr.  13804. 

:  west  Chr.  11942,  13540. 
:  vnfest  adj.  Chr.  652. 
conquest  :  icest  Chr.  14  150. 

Der  Reim  ches  prt.  :  Ics  prs.  (5  a)  ist  wohl  unrein,  [f]  :  [e] ,  wenn 
man  nicht  ches  mit  geschl.  [e]  annehmen  will  mit  Rücksicht  auf  ae.  ws.  t-es 
mit  geschl.  [e]  (vgl.  Bülbring,  Ae.  Elementarbuch  §315,  d).  Für  Chaucer 
{Legend  of  Good  Wome7i  bei  Marshall  and  Porter,  Rime-index  to  the 
Manuscr.  Texts  of  Chaucer' s  Minor  Poems,  London  1887  (Chaucer -Soc.) 
finde  ich  einmal  natheles  :  fies  (fleece);  allerdings  steht  hier  les  in  minder- 
betonter Silbe. 

-ein{e),  -eiH{e)Sf  -enied, 

1.  Geschl.  [c]  innerhalb  der  Fälle  1 — 8  und  <  wg.  ä 
+  nas.  +  i,  j. 

deme  vb.  :  queme  vb.  H.  S.  145.  —  Chr.  16506. 
seme  vb.  :  queme  vb.  H.  S.  12412.  —  Chr.  7390. 
hesemed  prt.  p.  p.  :  demed  prt.  p.  p.  Chr.  154  P. 
:  quemed  prt.  Chr.  7602. 
setnes  :  quemes  vb.  Chr.  578. 
queme  vb.  :  seme  vb.  (<  ea  <  au  +  i,  j)  H.  S.  1305,  4822, 
6513,  9901,  11313,  12630.  —  Chr.  15514. 
:  seme  sb.  Chr.  7126. 
queme])  :  serny})  prs.  H.  S.  1903. 
hyseme  :  seme  Chr.  6150. 


335 

demes  :  fernes  Cbr.  11474. 
demcd  p.  p.  :  ficmed   p.  p.  Chr.  4902    (ae.  sefheman  zu  fleam). 
to  reme  (ne.  hremaji,  hryman  zu  hream)  :  seme  vb.  H.  S.  7857. 

2.  Gesebl.  [e]  innerhall)  der  Fälle  1 — 8  im  Keim  auf  franz.  c, 

queme  vb.  :  antPme  sb.  Cbr.  15092. 
Urne  inf.  :  creme  sb.  H.  S.  9545. 

3.  Offenes  [(']  <  ae.  ea  <  wg.  au. 

a)  Im  Selbstreim. 

dreme  sb.  :  seme  'Saum'  H.  S.  7597. 
eem  'Oheim'  (ae.  eam)  :  teem  sb.  (ae.  team)  Cbr.  4124,  4794. 
stremes  sb,  :  semes  sb.  (ae.  seam)  Chr.  13970. 

b)  Im  Reim  auf  [f  ]  <  ae.  ce  K 
heme  (<  heam)  :  gleme  sb.  H.  S.  2235. 

Aum. :   Statt  clnie  :  hapWne  H.  S.  l'J9  ist  mit  der  andern  IlaudscLr. 
clayme  zu  lesen. 

4.  In  franz.  Lehnwörtern. 

hapteme  :  crme  H.  S.  9493,  9691.  —  Cbr.  15268. 
:  cleme  inf.  H.  S.  9560. 

-en{e)f  'en{e)s. 
1.    Geschl.  \ß\  innerhalb  der  Gruppen  1 — 8. 

quen{e)  :  hm{e)  p.  p.  Chr.  772,  2116,  2092,  10414,  12048. 
:  hyüven{e)  Chr.  1274,  6184,  14210. 
:  Seen  p.  p.  Chr.  2528. 
grme  :  scheue  adv.  Chr.  11252. 
Jce7ie  adj.  :  tene  sb.  Chr.  5826,  8598. 
he?i{e)  p.p.  :  bytiven{e),  heüven{e)  H.  S.  7784.  —   Chr.  4148, 
11562. 
:  se{e)n{e)  p.p.  H.  S.  4449,  5168,  5529,  6281,  6369, 
7059,  9881.   —   Chr.  3198,  4862,  5152,  10582, 
11024,  12224,  12540,  15106,  15250. 
leyn  p.  p.  :  seyn  p.  p.  H.  S.  317,  1667. 
yhen  p.  p.  :  seen  p.  p.  Chr.  7450. 
hytwene,  hehrene  :  tene  sb.  H.  S.  4083.  —  Cbr.  2060,  2644,  14368. 
se(if)n  p.p.  :  a^e{:y)n    (oder    [ai]    vgl.  Verf.,   E.  of  Brunne 
S.  203,  2}  H.  S.  523   (Handscbr.  D  Iscn  :  asm). 


336 


se7i{e)  :  tene  sb.  H.  S.  3909. 
:  bettvene  H.  S.  8203. 


Chr.  14618. 


2.  Gesehl.  [e]  <  amerc.  a,  e  <  wg.  «  +  uas.  +  /.  j  im  Reim 
auf  gesehl.  [e]  imierhalb  der  Fälle  1 — 8. 

we7ie  iuf.  prs.  :  sme  H.  S.  3177,  3614. 

:  grme  adj.  H.  S.  1394.| 

:  hytwene  Chr.  14262,  i5560. 

:  Wie  H.  S.  9522.  —  Chr.  1250. 
ouerivcne  imper.  :  hetwcne  H.  S.  5164. 

3.  Gesehl.  [e]    innerhalb    der   Fälle    1 — 8    im    Reim    auf 
franz.  [e\ 

hene  adj.  :  mayntene  vb.  Chr.  16246. 
grmes  'grünt'  :  paryshenes  H.  S.  8659. 
Anm.:    a-gene  :  fysycyene  H.  S.  1184. 

4.  Erhöhtes  [e]  <  ae.  rc'. 

a)  Im  Reim  auf  gesehl.  [e]  innerhalb  der  Fälle  1 — 8. 

alle  he  dene  'zusammen'  :  sen{e)  H.S.  2576;  Handsehr.  0  glossiert 
rewe  'Reihe'. 

sme  H.S.  1439,  7561,  8157,  8229,  10189,  11537, 
12467.  —  Chr.  10178,  12562. 
hßwene  Chr.  1718,  2330,  3834,  10320. 
tene  sb.  Chr.  8364,  13946,  15126. 
tene  sb.  (ae.  teone)  H.  S.  2461. 
tene  sb.  H.  S.  4793,  12039.  —  Chr.  1838,  4258, 
8216,  11780,  12126,  15410. 
tene  vb.  (<  teonian)  H.  S.  7471. 
iiftene  Chr.  15406. 
hitwene  Chr.  3494. 
to  seme  H.S.  12415. 
sene  Chr.  8452,  9050. 
menes  prs.  :  tenes  sb.  Chr.  12 138. 

b)  Im   Reim   auf  gesehl.  [e]  <  amerc.  w,   e  <  wg.  ä 
+  nas.  +  i,  j. 

hemene  'bedeuten'  :  zvene  vb.  H.  S.  6633. 
clene  :  wene  vb.  H.  S.  4345. 
mme  vb.  :  wene  vb.  Chr.  6888. 


I 


clene  adj. 


lene  (to  lend) 
mene  vb. 


337 

c)  Im  Selbstreim. 

mme  vb.  :  clc7ie  adj.  H.  S.  1541,  2177,  7C85,  8273,  8859, 
10500,  10824. 

d)  Im  Reim  auf  franz.  e;  gescbl.  [e]. 

hemme  vb.  :  emcnjstene  H.  S.  5120. 
menes  prs.  :  2)arysslienes  H.  S.  10881. 

Die  Erböbuug  von  [?]  >  \e]  ist  für  cUne  17  x  und  {be)mP7ie 
19 X  gesicbert  (iPne  Ix).  Sie  ist  vor  n  aueb  sonst  bäiitig 
nacbg-ewiesen  worden,  wie  von  Hoofe, Heuser, aucb  Dibelius  a.a.O. 

-el{e)f  -el{e)Sf  -eled, 

1.  Gescbl.  [e]  innerbalb  der  Gruppen  1 — 8. 

ive{y)l  adv.  :  ste{ij)l  (steel)  H.  S.  2337.   —   Cbr.  1108,   5817, 
6864,  9652,  10026,  10030,  10852,  14060. 
:  ivhel  (=  ivlieel)  Cbr.  5104. 
feled  (=  feit)  :  Ineled  (=  hielt)  Cbr.  3206. 

2.  Erböbtes  [e]  <  ae.  ^i  im  Reim  auf  gescbl.  [<j]  innerbalb 
der  Fälle  1—8. 

detjl{e)  sb.  :  luheyl  (=  ivheel)  H.  S.  3274. 

:  we{y)l{e)  'wobl'  H.  S.  116,  238,  371,  404,  455, 
554,  906,  1438,  1579,  2237,  2550,  2784,  3235, 
3917,  4373,  4481,  4586,  5586,  5766,  6106,  6148, 
6579,  6823,  6996,  7038,  7174,  7334,  7879,  8030, 
8068,  8089,  8527,  8701,  8842,  9441,  9458,  9815, 
9940,  9993,  10220,  10340,  10483,  10691,  10785, 
10841,  10904,  11179,  11541,  11639,  11749, 
11833,  11855,  11880,  12079,  12236,  12552, 
12619.  —  Chr.  176  P,  928,  1278,  1430,  1458, 
2874,  3434,  3634,  4684,  4826,  5394,  5438,  6352, 
6390,  6452,  6972,  7038,  7118,  7224,  7650,-8324, 
9102,  100056,  10790,  11682,  11782,  11928, 
12882,  15230,  15758. 

3.  e  <  ae.  ce'^  im  Reim  auf  gescbl.  [e]  innerbalb  der  Fälle  1-8. 

te{:y)l  (ae.  töel,  vgl.  Verf.,  R,  of  Brunne  S.  127, 2)  :  weyl  H.  S.  2042, 
8621. 
sele  'Zeit'  :  iue{y)le  H.  S.  5877,  6968.  —  Cbr.  7006. 
wj^?e'Mablzeit':  ^vele  H.  S.  7232. 

Studien  z.  engl.  Tbil.    L.  22 


338 


4.    Geschl.  [e]  iunerlialb  der  Fälle  1-8  im  Reim  auf  franz.  e. 
we{y)l 


pe(y)l  H.S.  2165.  —  Chr.  15912. 

kateyl  H.  S.  3370,  10677. 

hostele  H.S.  12469. 

osteyl  H.  S.  1937. 

spyrytuele  H.  S.  12  170. 

castel  H.  S.  3809.  —  Chr.  794,  1658,  5294. 

pomel  Chr.  10038. 

cruel  Chr.  5176. 

eschel  sb.  Chr.  13340,  13366,  13522. 

5.  e  <  ae.w^  im  Selbstreim. 

Kele  'Gesundheit'  :  dele  vb.  H.S.  5225. 
:  ivasshele  H.S.  11034. 

6.  e  <  ae.  ^  1  im  Reim  auf  franz.  e. 

de{y)l{e)  sb.  :  cate{y)l  H.S.  1226,  5746,  11209. 

:  pele  'Stange'  H.S.  2119.  —  Chr.  4638. 
de{tj)l  vb.  :  sele  vb.  {seal)  Chr.  4850. 

:  mele  vb.  (=  meddle)  Chr.  10  096. 
deJed  p.  p.  :  enseled  p.  p.  (=  sealed)  Chr.  11890. 
hele  sb.  :  sele  vb.  {seal)  H.  S.  7010. 

7.  Franz.  e  {e)  im  Selbstreim. 

castel  :  quarel  Chr.  8314  [§],  [e]  od.  [e]. 

chapel  :  z'mt'eZ  Chr.  16408. 

l-arneles  (<  afr.  carnel)  :  quarels  Chr.  1036. 

:  manganeles  (afrz.  mangonel)  Chr.  6790. 

Anm.  1 :  Auf  Kürzung  deutet  Jt-ey?  :  gospel  H.  S.  2S16;  ferner  das  e 
in  franz.  Lehnwörtern  in  fakultativ  unbetonter  Silbe : 

castel  :  fei  prt.  (feil)  Chr.  7518.  |, 

c/ifli^ei  :  fei  prt.  (/e«)  Chr.  12162. 
Der  gekürzte  Laut  kommt  auch  mehrfach  in  der  Schreibung  zum  Ausdruck, 
z.  B.  castell,  chajjell. 

Anm.  2:   sei  (=  seal)  :  lesl  (loyal)  Chr.  5924  geschl.  [ß]. 

Anm.  .3:  turpel  sb.  (afrz.  trepeil  'Erregung')  :  conseil  sb.  Chr.  1666, 
oder  [e] ;  vgl.  Schreibungen  wie  conseil,  auch  im  Reim  auf  kurzes  e  belegt 
(Reitemeyer  S.  58). 

Anm.  4 :  Quantitativ  unrein  sind : 

ecke  del  :  gospel  H.  S.  3792,  oder  del  (?)  mit  Rücksicht  auf  die 
häufige  minder  betonte  Stellung  in  Zusammensetzungen 
mit  euery,  ecke  usw.,  vgl.  auch  die  Schreibung  dell  vb. 


' 


339 

bei  Reitemeyer  S.  58.    Seit  dem  15.  Jahrb.  ist  die  Kürze 
belegt;   vgl.  Ilackmann  a.  a.  0.  S.  Iö.t,  §  40 b.    In  den 
ne.  Mundarten  ist  die  Kürze  in  del  ziemlich  verbreitet, 
vgl.  Ilackmann  S.  104  und  158,  §  47,  1. 
hde  :  skylle  (lies  skelle)  H.S.  4264. 

Die  ErhöliuDg  des  [f]  >  [e]  ist  demnach  nur  für  de{y)l 
gesichert,  und  zwar  für  das  Subst.  de{y)l.  Eine  Scheidung 
zwischen  Subst.  und  Verb  ist  nicht  zu  erkennen,  da  das  Verb 
deal  nur  4  x  im  Reim  begegnet.  Der  geschlossene  Laut  gilt 
auch  in  den  Reimen  mit  franz. ^;e(e)L    (Vgl.  Reitemeyer  S. 88/89.) 

Für  Wörter  wie  catel  ist  auch  sonst  der  geschl.  [e]-Laut 
belegt,  ebenso  für  sele  (seal),  obwohl  Wörter  mit  afr.  ee  <  vlt. 
vorton.  sekundärem  e  +  e  im  me.  gewöhnlich  off.  [^]  haben. 

Auch  für  hele  ist  der  geschl.  [e]-Laut  sonst  gesichert, 
z.  B.  bei  Osberu  Bokenham  (Hoofe  a.  a.  0.,  S.  227  ff.)  und 
Heuser,  Änglia  XVIII,  114 ff. 

Über  das  Reimwort  ive{y)l  vgl.  Reitemeyer  S.  56  Anm. 

-el(e),  -el{e)s  in  offener  Tonsilbe. 

1.  Im  Selbstreim. 

stele  {steal)  :  icele  'Reichtum'  (<  amerc.  tceolä)   H.  S.  2055. 
:  feie  adj.  viel  Chr.  6796. 
feie  'viel'  :  speie  (ae.  spelaii)  Chr.  12428,  14270,  14470. 
Stele  (steal)  :  forhele  inf.  H.  S.  2047. 
:  hele  vb.  H.  S.  2149. 
feie  :  forhele  vb.  H.  S.  8313. 

Anm.  1:  stele  (steal)  :  feie  (ae.  f{i)ellan).  Vielleicht  nicht  unrein 
[e]  :  [f].  Sehr  fraglich  ist  es,  ob  wir  in  feie  kurzen  Konsonanten  nach 
Analogie  der  P'ormen  der  2.  und  3.  sg.  prs.  anzunehmen  haben  (vgl.  Verf., 
M.  of  Brunne  S.  86,  Anm.  4).  Wahrscheinlicher  wäre  wohl,  in  steh  Dehnung 
des  Konsonanten  anzunehmen,  nachdem  das  Endungs-e  verstummt  war 
(s.  Verf.,  R.  of  Brunne  S.  49;  50). 

Anm.  2:  feie  'viel'  :  tcele  'wählen'  Chr.  7340,  zu  an.  reZJa  (s.  Verf., 
R.  of  Brunne  S.  88,  §  36,  Anm.  1  und  S.  250). 

2.  Im  Reim  auf  franz.  e. 

J)Ou  steles  prs.  :  parcelles  sb.  H.S.  11824. 

e  :  [?]. 

Abgesehen  von  den  beiden  Lehnwörtern  kommt  e  somit 
nur  im  Selbstreim  vor. 

22* 


340 

-ecUe,  -echeSf  -ecJiyJ), 

1.  e  <  ae.  (B\ 

a)  Im  Selbstreim. 

speche  :  nreche  (ae.  ivrcec)  H.  S.  8287.   —  Chr.  10774. 
:  leclie  'Arzt'  Chr.  8988. 

b)  Im  Reim  auf  e  <  ae.  ^ '. 
speche  :  reche  vb.  Chr.  10510. 

:  teche  Chr.  8760. 
speches  pl.  :  reches  prs.  Chr.  5004. 

e)  Im  Reim  auf  franz.  e. 
speche  :  preche  vb.  H.  S.  4298. 
wreche  sb.  :  preche  sb.  vb.  H.  S.  4551. 
Anm.:    wreche  sb.  :  knoivleche  H.  S.  10302. 

2.  e  <  ae.  cS^  im  Reim  auf  franz.  e. 

teche  :  i^rec/ie  Chr.  5596,  5746,  15068,  15194. 
techej)  :  preche])  (prs.)  H.  S.  9529. 

3.  Franz.  e  im  Selbstreim. 

preche  :  preche  (andere  Hdschr.  teche)  H.  S.  11705. 

Es  läfst  sich  aus  diesen  wenigen  Reimen  nicht  erkennen, 
ob  wir  [q]  oder  [e]  anzunehmen  haben.  Der  erhöhte  [e]-Laut 
ist  für  teche  sonst  vielfach  belegt  worden  (vgl.  Hoofe,  Osbern 
Bokenam).  Die  Reime  auf  preche  deuten  allerdings  auf  off.  [f], 
da  preche  meist  auf  off.  [i^]  reimt  (vgl.  Reitemeyer  S.  84,85). 
Anderseits  reimt  preche  auf  teche  in  Denkmälern,  in  denen  ce^ 
fast  ausschlielslich  auf  geschl.  [ej  reimt  (vgl.  Dibelius  a.  a.  0.). 

-eue{n),  -euyn,  -euepf  -eued,  -eiii/l,  -eiiel. 

1.   Geschl.  [e]  innerhalb  der  Fälle  1  —  8. 

a)  Im  Selbstreim. 

leuys  prs.  'glauben'  :  peuys  'Diebe'  H.  S.  2079. 

b)  Im  Reim  auf  e  <  ae.  ce-. 
leue  'glauben'  :  eue  (ne.  eve)  H.  S.  7288. 

c)  Im  Reim  auf  [e]  in  franz.  Lehnwörtern. 
byleue  vb.  :  greue  vb.  Chr.  9484,  13720. 

yleued  'geglaubt'  :  ychmed  (chevir)  Chr.  15062. 


341 

mishcleucd  :  gruucd  prs.  Chr.  15  222. 

belcucd  'glaubte'  :  a-greucd  p.p.  'bekümmert'  H.  S.  9076. 

nujsheleue  vb.  :  greue  vb.  H.  S.  9852. 

leue  'lieb'  :  fo  greue  H.  S.  1613. 

:  greue  'schwer'  H.  S.  7566. 

:  cheue  'sieh  unterwerfen'  Chr.  15962. 

J)cues  'Diebe'  :  greues  prs.  H.  S.  6091. 

Anm. :  Gesclil.  [f]  gilt  anch  analogisch  für  das  Subst.  Icue  (ae.  Ca), 
das  anch  in  anderen  Denkmälern  häufig  auf  geschl.  [c]  reimt  (vgl.  Verf., 
E-  of  Brunne  S.  139,  2): 

Isue  'Erlaubnis'  :  greue  vb.  H.  S.   2398.    —   Chr.  2892,  3234,  5916,  7324, 

73Sr),  7684,  7S36,  16  228,  16  254,  16  338. 
belsue  'Glaube'  :  greue  vb.  H.  S.  8149. 
mysbekue  'Unglaube'  :  greue  vb.  H.  S.  10  027. 
:  meschP,ue  sb.  Chr.  16  280. 
Imc  'Erlaubnis'  :  reue  {iie.  ^erefa  =  ce^)  H.  S.  8792. 

Anm.  2:  Eine  Assonanz  liegt  vor  in  greuys  (=  groves)  :  semys  prs. 
H.S.  4051. 

2.  Off.  [^]  <  ae.  ea  <  wg.  au. 

a)  Im  Selbstreim. 

reued  p.  p.  :  heued   sb.  Chr.  7250. 

b)  Im  Reim  auf  [(]]  <  ae.  (pK 

licued[e)   sb.  :  leued  prt.  p.  p.  H.S.  3275,  9668.—  Chr. 952,  3886, 

5392,  6092,  6914,  8404,  10244,  11604,  12482. 

reue  'rauben'  :  heleue    'bleiben'  H.  S.  3315.  —  Chr.  4788, 

11522,  15  616. 

:  leue  vb.  Chr.  5170,  5674,  9670,  11488,  16352. 

heued  sb.  :  hileued  (=  left)  Chr.  5492. 

3.  [?]  <  ae.  «1  im  Reim  auf  franz.  [f]. 
leued  prs.  :  sesed  {seized)  Chr.  5318  (Asson.). 

Anm.:  Unrein  ist  wohl  der  Reim  ZeitefZ  p.  p.  :  saued  p.p.  H.S.  10306, 
denn  dialektisches  ä  in  leued  läge  zu  fern. 

4.  Franz.  e  im  Selbstreim. 

cheue  (afr.  chevir)  :  greue  vb.  Chr.  15  466. 

-eue{ne)  in  offener  Tonsilbe. 

1.   Im  Seibetreim. 

In  allen  Fällen  ist  auch  kurzes  [?]  möglich. 
seuenie)  :  heuen{e)  H.  S.  7349,  7355,  7465. 


342 


seucn{e)  :  cuen{c)  Chr.  6512,  0096. 
:  neuene  vb.  H.  S.  10154. 
:  enleuene  vb.  Chr.  7616. 
heucne  :  steuene  H.  S.  10061. 

hcuene  :  neueyie  H.S.  3415,  4693,  7951,  10497,  11807, 
12107,  12276.  —  Chr.  138  P,  2292,  14920. 
:  cuene  'eben'  H.S.  105,  2489,  2565, 12139, 12471. 
cuen{e)  :  neuen{e)  Chr.  13  356. 

2.   Im  Reim  auf  [?]  <  ae.  ce^. 
heue  {to  heave)  :  leue  inf.  H.S.  9698  (Ausnahme!). 

i-  in  offener  Tonsilbe. 

Es  handelt  sich  hauptsächlich  um  die  beiden  Wörter 
to  live   und   to  give.     In   der  Schreibung  wechselt  i  (</)  mit  e. 

geue  inf.  {&.e.  s{i)efan)  :  lyue  inf.  H.S.  4119. 

to  leue  H.  S.  4357. 
])0u  . .  .  sßuys  :  lywjs  sg. prs.  H.S,  1707,  Hs.  D:  jeuyth  :  leuyp. 

gyue  H.  S.  1839,  Hdschr.  D  lyiiyn  :  seuyn, 

syue  p.  p.  H.  S.  2703. 

seue  p.p.  H.S.  3441. 

forseuyn  H.  S.  4477. 

lyue  inf.  H.S.  5411. 

slireuyn  H.  S.  15,  35. 

shryue  Verbalsubst.  H.  S.  587. 

sepen  (Assou.)  H.  S.  1637. 

sepyii  (Handschr.  ^ijuen)  H.  S.  8790. 

cleued  prs.  (ae.  cUoficm,  eo)  H.  S.  2577. 

Demgegenüber  stehen  zwei  Reime,  in  denen  give  auf 
geschl.  [e]  reimt: 

seue  inf.  :  leue  'erlauben'  (aangl.  Ze/a?z)  H.  S.  4029. 
geue  vb.  :  leue  'glauben'  Chr.  5426. 

Es  fragt  sich,  ob  wir  g{g)eue,  also  e  :  [e],  einen  Reim, 
den  wir  nur  in  Ausnahmen  bereits  belegt  haben,  oder  mit 
Dehnung  von  -i  >  [e]  g(g)eue  anzunehmen  haben.  Die  Form 
geue  [e]  wird  durch  Angaben  von  Orthoepisten  gestützt  (vgl. 
Hörn,  a.  a.  0.  §31,  78). 

Gesichert  ist  der  geschl.  [e]-Laut  von  evil  durch  zahl- 
reiche Reime: 


•  seuys 

to  leue 

dreue  p.  p. 

shreue  p.  p. 

dreuyn 

seue  (prs.) 

seuyn 

forgeue  p.  p. 

syueii  p.  p. 

geuyn  p.  p. 

lyued 


343 

euijl  :  deuyl   «  co)   H.  S.    1019,    1272,    2145,    2674, 
3529,   3921,   3985,   7653,   8105,  8329,    10911, 
11475,  11684,  12  248,  12  577. 
iuel  (1.  c)  :  deuel  Chr.  1 1  566. 

Auf  me.  evil   [e]   beruht   das  \l\  der  Orthoepisten  des  16. 
und  17.  Jahrhunderts. 

-ekCf  -eki/Hf  -^I^U^'f  -eJced. 

1.  Geschl.  [e]  innerhalb  der  Fälle  1 — 8. 

sehe  :  meJce  adj.   H.  S.  259,    5823,    8641,    11467.  — 
Chr.  1476,  2488,  3948,  4532,  7834. 
hesechyj)  (1.  -ckyj))  :  he  meJcyJ)  (zu  meek)  H.  S.  783. 
sekyn  :  mehyn  (prs.)  H.  S.  6573. 
hjst'ke  :  meke  Chr.  6750,  15634. 

2.  Erhöhtes  [e]  <  [s]  <  ae.  ea  +  pal.  im  Reim  auf  geschl.  [e] 
(gegenüber  sUdl.  [f]). 

Ickc  sb.  (ne.  leek  <  ae.  leac)  :  seke  Chr.  12  654,  13182. 

3.  In  oflFener  Tonsilbe. 

a)  Im  Selbstreim. 

S2)eke  :  streke  (^=  to  streich)  H.  S.  943. 

:  breke  H.  S.  2635,  8359,  9898,  10609.   —   Chr. 
3662,  6938,  15  620. 

:  to  stehe  H.  S.  7742,  11224. 

:  tüveke  vb.  Chr.  7454,  9838,  14520,  15  716. 
breke  :  sieke  vb.  Chr.  1454. 

b)  Im  Reim  auf  geschl.  [e\  (Ausnahmen!). 
speke  :  cheke  (ae.  äceocian)  H.  S.  3190. 

steke  p.  p.  :  breke  pl.  prt.  Chr.  13048. 
streked  p.  p.  :  cheked  p.  p.  (=  choked)  Chr.  12  704. 

4.  e — i  in  offener  Tonsilbe. 

In  der  Schreibung  Avechselt  wieder  e  mit  i  (y). 
mekyl  :  fykyl  H.  S.  2683. 
bekyr  :  sekyr  H.  S.  7913,  9825. 

•  epe. 

1,   Geschl.  [e']  innerhalb  der  Fälle  1 — 8. 

a)  Im  Selbstreim. 
depe  adj.  :  kepe  vb.  Chr.  1182. 


344 

b)  Tni  Roini  auf  [r]  <  ae.  rc^. 
slepc  vb.  :  kepe  vb.  H.  S.  1258. 
slcpe  sb.  :  /ct-^j)e  sb.  H.S.  432,4259,7751,0312.  — Chr.  12 102. 

:  dep  Chr.  2068,  8150. 

:  Jcejje  vb.  H.  S.  9848.  —  Chr.  12083. 

:  wepe  vb.  H.  S.  1567,  5722. 
s{c)hcpic)  :  hepe  vb.  H.S.  4049,  4073,  5521,  10895. 

:  ]cep{e)  sb.  H.S.  10884.  —  Chr.  4736,  15  380. 

2.  [c]  <  ae.  «2  im  Reim  auf  [?]  <  ae.  ea  <  wg.  aw. 
sltpie)  vb.  :  Z^p(e)   vb.   H.  S.   12  543.   —   Chr.  7486,   9018, 

9202,  11530,  15  566. 
slcjje  sb.  :  prepe  {ae. preapian)  H.S.  4351. 
schep  :  lep  vb.  Chr.  13  898. 

3.  e  <  ae.  «2  jm  Selbstreim. 
sZ?2^  vb.  :  schep  Chr.  11492. 

4.  [?]  <  ae.  ea  <  wg.  au  im  Selbstreim. 
^J^'^i^e  :  hepe  sb.  H.  S.  6065. 

Anm.  1:  Das  Wort  slej)  kommt  als  Subst.  II  x,  als  Verb  8x  vor, 
als  Subst.  6  X ,  als  Verb  1  x  im  Reim  auf  geschl.  [e].  Auf  den  anglisch 
geschlossenen  [e]-Laut  mag,  beim  Verb  zunächst,  und  dann  auch  beim 
Subst.,  der  geschl.  [e]-Laut  des  prt.  eingewirkt  haben. 

Anm.  2:  Der  geschl.  [c]-Laut  ist  auch  in  den  Reimen  auf  shspe  an- 
zunehmen, da  shcjj  mit  offenem  [?]  südliche  Form  wäre,  wogegen  auch 
der  Reim  auf  das  Verb  kspe  sprechen  würde. 

In  dem  Subst.  kspe  aber  nehme  ich  analogisch  geschl.  [e]  an  nach 
dem  umgelauteten  Verb  aangl.  cq^nn  ==  ws.  cyi)an  (vgl.  Verf.,  R.  of  Brunne 
S.  126  c,  ü). 

Anm.  3:  Die  Reime  mit  Upe  halte  ich  nicht  mehr  für  unrein;  auch 
hier  gilt  geschl.  [e]  mit  Rücksicht  auf  die  umgelautete  ae.  Form  hliepen 
zu  *hhepan  (s.  Sievers,  Ags.  Gr.  §377  Anm.).  Somit  bliebe  nur  der 
eine  unreine  Reim  mit  prepe  (unter  2). 

-e/(e). 
1.   Geschl.  [e]  innerhalb  der  Fälle  1 — 8. 

a)  Im  Selbstreim. 

lefe  adj.  :  ])cfe  sb.  H.S.  1340,  2068,  2110,  2417,  5204. 

b)  Im  Reim  auf  franz.  [e\ 

M^  ■■  grefe    sb.    (grief)   H.  S.   2134,    5397,    10  262, 
11117,  11185,  11366,  12  333. 


845 

lef{e)  :  gref{c)  H.S.  3711,  9505,  12145. 
:  meschef  Chr.  9856. 
Anm.:    clPf  \nt  (ae.  dca/")  :  rhr/"  prt.  (ac.  drcnf)  Chr.  15S',i,  10  908, 
12  432;  llandscbr.  P  dräfe  :  klclfe  s.  Verf.,  R.  of  Brunne  S.  125,5,  Aum.  2, 

2.   Geschl.  [e]  in  franz.  Lehnwörtern. 

href  'Brief  :  chef  (chief)  Chr.  940,  4246. 
meschef  :  gref  Chr.  14014. 

•ece,  -eceSf  -ecys. 

Es  kommen  nur  franz.  Lehnwörter  in  Frage.     Geschl.  [e]: 

nece  {niece)  :  pece  (piece)  Chr.  12  264, 

spece  :  grece  'Stufe'  H.S.  2413,  7277,  8319. 
grccys  :  pecys  H.  S.  3577. 
spyces  (1.  speces  mit  Hdsehr.  0)  :  grecys  H.  S.  6519. 

•e/;,  -ejjen,  -€j)er. 

1.  OflF.  [?]  <  ae.  ^1  im  Reim  auf  [(^]  <  ae.  ^a  <  wg.  aw. 
/i^T'  {hcath)  :  s^^  prt.  (ae.  s^0(fa7i)  Chr.  16428. 

2.  e  in  offener  Tonsilbe  im  Selbstreim. 

hej)cn  (<  an.  heifcni)  :  he-{by-)nej)en   H.  S.  8579.   —   Chr.  6760, 

13  012,  16316. 
w1icj)cy  konj.  :  «;e/jer  sb.  (<  aangl.  Mvecter  >  ne.  wctlier)  Chr. 
11490. 
Anm. :    bep  'sind'  :  recZ^^  prs.  H.S.  lOl'O  geschl.  [e]. 

•  encl(e)Sf  •eudes,  •eHclj/p» 

1.  Etym.  langes  e  im  Selbstreim. 

/>liclc  :  frcnde  H.S.  8233,  10851. 
/"mi^es  :  fmdcs  H.S.  10927. 

2.  Etym.  langes   e  im   Reim   auf  e  vor  dehnenden  Kon- 
sonanten. 

fr  ende  :  ewcüe  sb.  Chr.  5154. 

:  ivende  vb.  Chr.  15  714. 
freinde  :  sende  vb.  Chr.  7465. 
frendys,  frmdes  :  mdys,  mdes  prs.  H.S.  2251.  —  Chr.  2482. 
:  hides  sb.  H.S.  10235. 
ffrendes  :  sendes  vb.  Chr.  15922. 


346 

ffrendes  :  hmdes  sb.  (ae.  cynd\  s.  Verf.,  Robert  of  Brimne 
S.  103,c,  l)  Chr.  7160. 
wende  'wähnte'  (ae.  loenan)  :  ende  Chr.  9472. 
:  hende  adj.  H.  S.  10739. 
fendcs  :  endes  prs.  H.  S.  842. 

3.  Gekürztes  c  <  e  im  Reim  auf  franz.  e. 
frende  :  amende  H.  S.  2452. 

Anm.:   frende  :  neuende  H.  S.  7680. 

4.  e  im  Selbstreim  oder  gekürztes  e. 

ende  sb.  :  hende  adj.  Chr.  326,  1408,  3940,  10536. 
:  vnhende  adj.  Chr.  16022. 
:  se?ide  H.S.'l780,  11303.  —  Chr.  3158,  5138. 
:  letide  (<  lendcm)  Chr.  7 10, 3700, 4272, 7 100,  7660. 
:  we7ide  vb.  H.S.  9081,  9185,  9568,  10368,  10475. 
11248,  11905,  12613.  —  Chr.  1660,  1728,  2884, 
3052,  3204.  3844,  4192,  4686,  4968,  5594,  5630, 
6228, 6714,  6800, 8352,  8668,  9778, 10474, 10674, 
13274,  13396,  14988,  15386. 
:  s{c)hende  vb.  H.S.  12303.  —  Chr.  16322. 
endes  sb.  :  tuendes  prs.  Chr.  14982. 
ende  vb.  :  sehende  vb.  Chr.  14220. 

:  loende  vb.  H.S.  9193,  10457,  10758. 
cndy])  :  hlynde])  (1.  Uendyl))  H.S.  12149. 
luende  vb.  :  /ie^zcZe  adj. adv.  Chr.  1226, 7740,9320,9498, 12726. 
:  hende  prt.  {cennan)  Chr.  664. 
:  lende  vb.  Chr.  626,  1884,  4462,  4568,  7354,  8946, 

10438,  11046,  15630. 
:  sende  Chr.  12532,  14940,  15026. 
:  shende  vb.  H.S.  10146,  12054. 
lende  vb.  :  vnhende  adj.  Chr.  15070. 
sende  vb.  :  hende  adv.  Chr.  6052,  11080. 
lende  vb.  :  vnhende  adj.  Chr.  15070. 
Gekürztes  e  ist  demnach  nur  für  frmd  nachzuweisen. 

•eld{es)f  •eldes. 

1.   Etym.  langes  \e]  im  Selbstreim. 
held  :  held  prt.  Chr.  2400. 


347 

2.  Etyni.  laugee  \(']   im  Keim  auf  c   vor  dehnenden  Kon- 
sonanten. 

beheld{e),  byheld{e)  pvt.  :  felde  H.S.  3269,  4093,  8511.  —  Chr.  506, 
1564,  1894,  8872,  11380,  12758. 
:  scheid   sb.  Chr.  10046,  10842. 
:  teld   p.p.  Chr.  11258  {tellan). 
vphelde   prt.  :  scheide   sb.  Chr.  4374  P. 

held{e)   prt.  :  fcld{e)   Chr.  4158,  4658,  5904,  5990,  6414,  8522, 
12886,  13098,  13190,  13446,  13830,  13942, 
14338,  14672,  16574. 
:  scheid  sb.  Chr.  918,  4416,  4426,  5886,  7624,  9268, 
9736, 10736, 10866, 10960, 11128, 11216, 11710, 
12372,  12414,  13526,  13726,  14234,  15154, 
15354,  15502,  16214. 
:  telde   sb.  'Zelt'  Chr.  12598. 
:  teld   prt.  p.p.  Chr.  9442,  10798,  12816,  14054, 
15176. 
heldcd   prt.  (ae.  äheldan,   s.  Bülbring  §  175  Anm.)  :  telded   p.  p. 
(=  tented)   Chr.  12588. 

3.  eld{es)  im  Selbstreim  oder  e. 

clde  sb.  :  ivelde  vb.  H.S.  1093,  1163,  6437.  —  Chr.  476, 
760,  1936,  2218,  2280,  2724,  3144,  3246,3604, 
3726,  3770,  4132,  4436,  5044,  5522,  6026,  6272, 
6322,  7342,  9744,  13816,  14806,  15518,  16100. 
:  to  beide  (ae.  healdicm,   ne.  dial.  io  hield]  s.  N. 
E.D.)  H.S.  9721. 
^elde  inf.  :  icelde  'wollte'  H.  S.  4837. 
weldes  prs.  :  feldes  sb.  pl.  H.  S.  9891. 
scheid  sb.  :  teld  prt.  Chr.  6366,  11910. 

felde  sb.  :  Ulde  inf.  Chr.  6036. 
eld{e)  adj.  :  to  hyhelde  Chr.  1802. 
:  teld{e)  prt.  Chr.  854. 
feld  :  scheid  Chr.  8462. 

:  teld  prt.  Chr.  3692,  11910. 
:  ^eld  inf.  Chr.  3274. 
telde  sb.  'Zelt'  :  weide  vb.  650. 
ivelde  vb.  :  ^elde  Chr.  4232. 
^elde  vb.  :  wilde,  ivylde  prt.  Chr.  4914  P,  13444. 


348 


ScMc  vi).  :  wolde  prt.  Chr.  G2t38,   1.  ivelde  nach  H.  S.  4837. 
Danach  ist  Verf.,  R.  of  Brunne  S.  242  §  126 
zu  berichtigen. 
scheldes  sb.  :  tcldes  sb.  Chr.  12808. 
:  weldes  prs.  Chr.  12070. 

Eine  Kürzung  des  c  ist  somit  nicht  nachzuweisen. 


-enfff  -eng, 

1.  Etym.  langes  [e]  im  Reim  auf  e  vor  dehnenden  Kon- 
sonanten. 

hc7ig  prt,  :  streng  sb.  Chr.  10010,  15196. 

2.  e  im  Selbstreim. 

heng  inf.  :  streng  sb.  Chr.  8650. 

Möglich  ist  heng  mit  Rücksicht  auf  Orrms  henngedd. 


Zur  Frage  über  die  ^e/e- Grenze. 


Zu  der  viel  erörterten  Frage  über  die  re/e- Grenze  sei  zu- 
sammenfassend noch  ein  Wort  gesagt. 

Bei  den  Reimwörtern  auf  -ere  sind  sieben  Fälle  mit  ge- 
sichertem geschl.  [e\  nachzuweisen.  Dazu  kommt  mit  vorher- 
gehendem Palatal  das  Wort  sere  24  x  im  Reim  auf  geschl.  [e\ 
Das  ist  eine  grolse  Zahl  im  Verhältnis  zu  nur  27  Selbstreimen. 
Ferner  sind  für  den  geschlossenen  Laut  die  S.  307  f.  unter  9 
aufgeführten  Reime  auf  lere  beweisend.  Bei  -erd{e)  handelt 
es  sieh  um  das  Wort  {a)ferde,  das  17  x  im  Reim  auf  geschl.  [e] 
begegnet. 

Für  dede,  drede  und  rede  ist  der  geschlossene  Laut  mit 
Sicherheit  festzustellen.  Höchstwahrscheinlich  gilt  er  auch  für 
strete  (street).  Bei  lete  kann  das  geschl.  [e]  auf  aangl.  [e] 
oder  auf  Analogie  nach  den  Formen  des  prt.  beruhen. 

Gesichert  ist  ferner  geschl.  [c]  in  nest  (<  aangl.  nesta), 
wohingegen  die  Reime  von  7-es  sb.  (ae.  rces)  auf  destrqs  (1  x) 
und  i??s  {ix)  auf  oflf.  [?]  deuten. 


349 

Von  den  Reimen  auf  -Pche  sprechen  die  beiden  vereinzelten 
Reime  mit  preche  nicht  gegen  den  geschlossenen  Laut. 

Bei  -epe  bleibt  am  Ende  nur  der  einzige  Reim  auf  Jirepe 
mit  off.  [?]  übrig. 

Das  Ergebnis  aus  den  umfangreichen  Werken  Roberts  of 
Brunne  ist  somit  für  den  off.  [^]-Laut  entschieden  negativ. 
Daraus  dürfte  sich  doch  der  positive  Schlufs  ziehen  lassen, 
dals  auf  dem  anglischen  Boden  von  Lincolnshire  der 
aangl.  geschl.  [5] -Laut  gegolten  hat.  Was  wir  in  den 
Denkmälern  unserer  Gegend  an  offenen  [?]- Lauten  finden,  wird 
über  die  Dialektgrenzen  hinausgreifende  literarische  Ausnahmen 
darstellen. 


Tabellen  über  gewisse  Reimwörter. 


Ich  schlielse  noch  eine  Tabelle  über  das  häufige  oder 
seltene  Vorkommen  gewisser  Reimwörter  an.  Ich  führe  darin 
Reimwörter  auf,  die  wegen  ihrer  Häufigkeit  auffallen,  sodann 
solche,  die  hinsichtlich  ihrer  Bedeutung  für  den  religiös  -  sitt- 
lichen und  sozialen  Inhalt  der  Handlyng  Synne  einerseits  und 
den  mehr  kriegerisch-ritterlichen  Inhalt  der  Chronik  anderseits 
bedeutsam  sind.  Die  Zahlangaben  sind  hie  und  da  insofern 
nicht  völlig  genau,  als  die  Reime  mit  Eigennamen  nicht  berück- 
sichtigt worden  sind. 


ncie{s) H.  S.  43  x 

spede     

S^de 

lede  {to  lead)      ..... 
drede  sb.  und  vb.  .     .     . 
rede  'lesen',  'sagen'  .    . 

rede  'raten' 

rede  sb.  'Rat'    .    .     .     .     , 
dede  (dead)  adj.  und  sb. 

dede  'Tat' 

dede  prt , 

de(y)l  sb.  und  vb.      ... 

ive(y)l 

ewrfe  sb.  und  vb.  ... 

here  adv 

nEre  {near)    


n 
n 
n 
» 
n 
n 
» 
n 
n 
» 
n 
n 

n 
n 


Ux 
36  X 
17  X 
55  X 
17X 

4x 
15X 
23  X 
87  X 

2x 
62  X 
71  X 

35  X 
6X 


Chr.  44  X 
„  37  X 
„  42  X 
25  X 
51  X 
10  X 
5x 
13X 
28  X 
19X 


45  X 
42  X 

26  X 
10  X 


87  X 
48  X 
78  X 
42  X 
106  X 

27  X 
9x 

28  X 
51  X 

106  X 
2x 

107  X 
113  X 

59  X 
61  X 
16  X 


350 


ßSre H.  S.     8  X 

wEre  prt ,  (5  x 

dear „  1 5  x 

hear „  45  x 

manere „  41  x 

ausler   .....'...  „  — 

ßre „  lOx 

bs(n) „    144X 

sö(") „  55X 

pS „  39X 

me «  16X 

he ,  7x 

se  (sea) „  7  x 

(%),  (vp)helde „ 


Chr.  18  X 
„     15  X 


»  3x 

„  45  X 

„  34  X 

,.  IX 

„  14  X 

„  IITX 

„  38  X 

„  21 X 

„  24  X 

„  25  X 


26  X 
21X 

18X 
90  X 
75  X 

IX 

24  X 

2(51  X 

93  X 

56  X 
37  X 

31  X 

32  X 

57  X. 


1.    Wörter  religiös -sittliclier  und  sozialer  Bedeutung. 

auter  sauter  diibonure         prayere  scoler  frere 

H.S.  Chr.      H.S.  Chr.      H.S.  Chr.      H.S.  Chr.      H.S.  Chr.      H.S.  Chr. 
14         1  4—  1—  15        4  3—  8        — 


15 


aumenere 

H.S.   Chr. 
1        — 


1  19                    3 

deuyl  prest          ahnesdede        tnysdede 

H.S.  Chr.  H.S.  Chr.      H.S.  Chr.      H.S.  Chr. 

15         1  21       —          3        —          10      — 


8 


1  16  21  3  10 

Summe  für  die  Handlyug  Synne  95,   für  die  Chronik  6. 


2.    Wörter  kriegerischer  und  ritterlicher  Bedeutung. 


arblaster 

H.S.  Chr. 

—        3 


pes  {p>eace)     rene 'rauben'    öierZe 'bluten' 

H.S.  Chr.         H.S.  Chr.        H.S.  Chr. 
1  9 


3 


41 


44 

mariner 

H.S.  Chr. 
—        3 


10 

deer  sb. 

H.S.  Chr. 
—        4 


1 


1 


hostager 

H.S.   Chr. 
—        3 


archer 

H.S.  Chr. 
—        5 


S2)ere 

H.S.  Chr. 
—        1 


3 


1 


351 


here  'Heer' 

to  shoot 

scheid 

feld 

messe  ger 

H.S.  Chr. 

II.  S.  Chr. 

II.  S.  Chr. 

H.S.  Chr. 

H.S.  Chr. 

—        1 

:{          8 

—      30 

4         27 

1            !) 

1 

11 

30 

31 

10 

squier 

were  (ivar) 

conquere 

ledere  {leader) 

basier 

II.  S.   Chr. 

H.S.   Chr. 

II.  S.  Chr. 

H.S.  Chr. 

H.S,  Chr. 

2        11 

1         11 

—        6 

1          1 

—        1 

13 


12 


Summe  für  die  Handlj'ng  Synne  17,    für  die  Chronik  193. 


, 


Die  eiißiisclien  Ortsnamen 


auf 

-tvich,  -wich. 

Von 

Heinrich  Cornelius. 


Inhalt. 

Seite 

Einleitung 353 

Die  Namenliste 357 

Zusammenfassaug 399 

Index 409 


Einleitung. 


Eine  Untersucliung  englischer  Ortsnamen,  wenn  sie  etwas 
tiefer  eindringen  soll,  gehört  heute  nicht  zu  den  angenehmsten 
Aufgaben  auf  dem  Gebiete  der  Anglistik.  Eine  Vorstellung 
davon  kann  man  sich  schon  machen,  wenn  man  die  einleitenden 
Worte  liest  zu  R.  E.  Zachrisson,  Ä  Contrihution  to  the  Study 
of  Änglo-Korman  Infliience  on  Emjlish  Place-Nanies,  Lund  1909. 
Es  bedarf  wahrlich  eines  grofsen  Aufwands  an  Zeit  und  Ge- 
duld, an  Arbeit  und  Mühe,  um  nur  ein  einigermalsen  brauch- 
bares Material  zu  beschaifen.  Denn  gründliche  Vorarbeiten 
fehlen  fast  ganz,  und  wo  sie  vorhanden  sind,  behandeln  sie 
nur  ganz  kleine  Gebiete.  So  mufs  jeder,  der  eine  Ortsnamen- 
untersuchung anstellen  will,  Haufen  von  Urkundensammlungen 
durcharbeiten,  ohne  oft  einen  wirklichen  wissenschaftlichen 
Nutzen  von  dieser  Arbeit  für  seine  Untersuchung  zu  haben. 

Als  meine  Aufgabe  betrachtete  ich  es,  die  Verbreitung  der 
•ivick-  und  -z<;2c/i- Formen  festzustellen  und  diese  beiden  gegen- 
einander abzugrenzen.  Dafs  ich  mich  dabei  nicht  auf  die  Fälle 
beschränken  durfte,  in  denen  wich  und  wich  als  Endung  er- 
seheinen, wurde  mir  bald  klar.  So  wurde  also  auch  ivick-  und 
ivich-  in  die  Untersuchung  einbezogen.  Zunächst  war  es  dem- 
nach nötig,  eine  möglichst  vollständige  Liste  der  zur 
Behandlung  stehenden  Ortsnamen  anzulegen;  zu  diesen 
mufste  ich  dann  Belege  aus  früheren  Jahrhunderten  sammeln. 
Diese  alten  Formen  sollten  mich  vornehmlich  davon  überzeugen, 
dafs  tatsächlich  die  Endung  oder  der  Stamm  des  Wortes  schon 
aus  ae.  Zeit  stammt,  nicht  erst  später  die  heutige  Form,  sei 
es  durch  Eiuflufs  der  Katasterbeamten,  sei  es  durch  volks- 
etymologische Umdeutung  oder  aus  anderer  Ursache,  ange- 
nommen hat.  Es  genügte  aber  für  diesen  Zweck,  nur  Urkunden 
aus   ae.  und   me.  Zeit   zu   prüfen.     Nach    Möglichkeit  mufste 

Studian  z.  engl.  Phil.    L.  23 


354 

dann  versuclit  werden,  eine  Deutung  der  Ortsnamen  zu  geben. 
Sehlierslich  war  es  für  die  Lösung  der  Aufgabe  von  Wichtigkeit, 
festzustellen,  wie  die  Ortsnamen  beute  gesprochen  werden. 
Die  Schreibung  kann  hier  in  vielen  Fällen  täuschen. 

Wenn  dies  der  Gang  war,  dea  meine  Untersuchung  eigent- 
lich hätte  gehen  müssen,  so  ist  sie  doch  in  ihren  Ergebnissen 
hinter  den  Forderungen  zurückgeblieben.  Eine  ziemlich  voll- 
ständige Sammlung  der  Ortsnamen  auf  -ivicli,  und  -tvicJi  glaubte 
ich  aus  Cassell's  GazeUeer  of  Great  Britain  and  Irelcmd, 
London  1898—1900,  wohl  dem  gröfsten  Werke  dieser  Art,  er- 
halten zu  können.  Als  ich  dann  im  Sommer  1912  in  England 
weilte,  prüfte  ich  das  gewonnene  Material  auf  seine  Voll- 
ständigkeit nach,  indem  ich  Karten  mit  kleinem  Mafsstabe  auf 
die  mich  interessierenden  Ortsnamen  hin  durchsah.  Diese 
Prüfung  überzeugte  mich  davon,  dals  das  durch  Cassell  ver- 
mittelte Material  durchaus  unvollständig  und  lückenhaft  ist, 
da  viele  kleine  Orte  überhaupt  nicht  erwähnt  werden.  Es  ist 
ja  auch  die  Frage,  ob  eine  solche  völlig  einwandfreie  Samm- 
lung von  Ortsnamen  überhaupt  im  Rahmen  eines  derartigen 
Gazetteers,  der  doch  praktische  Zwecke  verfolgt,  möglich  ist. 
Aus  diesem  Grunde  habe  ich  versucht,  mein  Material  durch 
Prüfung  einer  grofsen  Anzahl  Karten  zu  vervollständigen.  Es 
war  natürlich,  dals  ich  die  vortrefflichen  englischen  Ordnance 
Survey  Maps  nicht  gebrauchen  konnte,  da  sie  zu  kostspielig 
und  auch  schwer  erreichbar  waren.  Ich  benutzte  deshalb 
Bartholomews  Keiv  Eediiced  Survey,  Hcäf-Inch  to  MiUMaps. 
Aber  auch,  nachdem  ich  diese  Karten  einer  mehrmaligen,  sorg- 
fältigen Durchsicht  unterzogen,  glaube  ich  nicht,  behaupten  zu 
können,  dafs  mein  Material  nunmehr  absolut  vollständig  ist. 
Denn  die  Karten  zeigten  mehrfach  gerade  dort  Lücken,  wo 
Cassells  Gazetteer  mir  einen  Ortsnamen  vermittelte ;  auch  liefsen 
andere  Karten,  die  zum  Vergleich  herangezogen  wurden,  er- 
kennen, dals  auf  Bartholomews  Karten  nicht  alle  Ortsnamen 
verzeichnet  sind.  Obwohl  die  in  Frage  stehenden  Ortsnamen 
um  etwa  200  anschwollen,  ist  wirkliche  Vollständigkeit  nur 
nahezu  erreicht  worden. 

Die  zweite  Forderung  nach  Belegen  aus  früherer 
Zeit  war  auch  nicht  vollständig  zu  erfüllen.  Ganz  abgesehen 
davon,   dafs   ich  bei   der  Kürze  meiner  Arbeitszeit  im  British 


355 

Museum  gar  nicht  das  gesamte  Urkundcnmaterial  durchar1)eiten 
konnte,  das  mir  dort  zur  Verfügung  stand,  war  es  m.  E.  bei 
vielen  Ortsnamen  schlechthin  unmöglich,  Belege  aus  früheren 
Jahrhunderten  zu  finden.  Wenn  man  bedenkt,  dafs  gerade  die 
Ortsnamen  auf  -tvich  vielfach  kleine  und  kleinste  Orte  be- 
zeichnen, so  darf  man  sich  nicht  wundern,  dafs  Belege  nicht 
aufzufinden  waren.  Eine  weitere  Schwierigkeit  ergab  sieh  aus 
der  Identifizierung  der  alten  Belege,  die  manchmal  unmöglich 
war,  so  sehr  ich  mich  auch  bemühte,  darin  allen  Anforderungen 
gerecht  zu  werden.  Man  beachte  aber,  dafs  z.  B.  der  Ortsname 
Hanlwicli  in  irgend  einer  Form,  sei  es  als  Ilardeiviclce,  Herd- 
wich,  Uurdivick  oder  dergleichen,  im  Ganzen  nicht  weniger  als 
40  mal  im  Ne.  belegt  ist,  dabei  oft  mehrmals  in  derselben 
Grafschaft  (Oxfordshire,  Gloucestershire,  Devonshire),  und  man 
wird  sich  eine  Vorstellung  davon  machen  können,  dafs  es  oft 
einfach  unmöglich  war  und  sein  mufste,  zu  sagen,  welcher  Ort 
nun  mit  der  alten  Form  gemeint  war.  Noch  mehr  wird  man 
diese  Schwierigkeit  erkennen,  wenn  man  die  54  Orte  nimmt, 
die  nur  Wiclx,  Wiche,  Weeh,  Weehe  heifsen.  Von  diesen  hat 
Devonshire  allein  schon  18  Belege.  Häufig  kommen  auch  Orts- 
namen vor,  um  eine  Person  genauer  zu  bezeichnen.  Diese 
Fälle  waren  naturgemäfs  sehr  vorsichtig  zu  verwerten,  da  eine 
Person  den  Namen  durch  ganz  England  tragen  konnte.  Wenn 
also  in  einer  Urkunde  z.  B.  W.,  fugitiuus  de  Berwic  {Fipe  Bolls 
1171/2.  132)  belegt  werden  konnte,  so  war  der  Umstand,  dafs 
die  Urkunde  aus  Sussex  stammte,  doch  allein  kein  Beweis 
dafür,  das  nun  Berwiek  in  Sussex  gemeint  war. 

So  sehr  also  der  Wunsch  bei  mir  bestand,  möglichst  für 
jeden  heutigen  Ortsnamen  eine  alte  Form  zu  finden,  so  war 
dies  durch  die  ganze  Art  der  Arbeit  und  durch  das  Fehlen 
jeglicher  Vorarbeit  für  eine  derartige  Sammlung  sehr  .oft  un- 
möglich. 

Die  weitere  Forderung,  die  ich  gern  erfüllt  hätte,  ist 
die  der  etymologischen  Deutung.  Aber  auch  hier  liegen 
nur  sehr  spärliche,  brauchbare  Vorarbeiten  vor;  ich  nenne  nur 
die  von  Skeat,  Duignau,  Wyld-Hirst  und  Moorman.  So 
Gutes  diese  Arbeiten  leisten,  mir  konnten  sie  nur  wenig  Nutzen 
bringen,  da  sie  sich  alle  auf  einen  kleinen  Kreis,  eine  Graf- 
schaft  beschränken,  während   ich  doch  immer  auf  das  Ganze 

23* 


356 

sehen  mufste.  So  war  ich  gezwungen,  mich  darauf  zu  be- 
schränken, zu  untersuchen,  welche  Bedeutung  ivick,  ivich  in 
den  verschiedenen  Ortsnamen  haben  können,  um  so  die  aus- 
zuscheiden, die  für  unsere  Frage  der  Entwicklung  von  ae.  wie 
nicht  mitsprechen  dürfen. 

Gleich  ungünstig  liegen  die  Verhältnisse,  wenn  wir  an  die 
Frage  der  heutigen  Aussprache  der  Ortsnamen  heran- 
treten. Bücher,  die  uns  die  Aussprache  aller  ne.  Namen 
vermitteln,  gibt  es  nicht.  Kleine  Sammlungen  wie  Hope, 
A  Glossary  of  Dialedal  Place -nomenclature,  London  1883, 
wurden  gern  benutzt;  wenn  wir  hier  auch  nur  39  Namen  auf 
-wich,  -wich  finden,  so  erhalten  wir  doch  manchen  Fingerzeig. 
Bei  der  grolsen  Mehrzahl  meiner  Ortsnamen  war  es  mir  aber 
einfach  unmöglich,  die  Aussprache  festzustellen,  da  ich  keinerlei 
Hilfsmittel  zur  Hand  hatte. 

Über  die  benutzte  Literatur  vgl.  man  Zaehrisson, 
a.a.O.,  S.  VII — XV.    Einige  wenige  Werke  sind  nachzutragen: 

Wyld,  H.  C.  in  Collaboration  with  T.  Oakes  Hirst,  The 
Place -Names  of  Lancashire,  London  1911. 

Moor  man,  F.  W.,  Tlie  Place -Names  of  the  West  JRiding  of 
Yorhshire.     1900. 

Habben,  F.  H.,  London  Street  Names.    L,  1896. 

Middendorff,  H.,  Ae.  Flurnamenhuch.    Halle  1902. 

Da  vi  es,  G.  St.,  Surrey  Local  Names. 

Victorian  History  of  the  Counties  of  England.  (Dies 
Werk  enthält  in  den  meisten  Bänden  eine  Bomesday  Map 
der  betr.  Grafschaft,  woraus  die  Lage  des  im  D.  B. 
belegten  Ortes  zu  erkennen  war.  Diese  überaus  sorgfältig 
angelegten  Karten  erwiesen  sich  von  grofsem  Nutzen.) 

Ich  lasse  nunmehr  die  Sammlung  der  Ortsnamen  folgen. 
In  der  Bezeichnung  der  Lage  bin  ich  zunächst  Cassells  Gazetteer 
gefolgt  und  es  weisen  auch  die  Zahlen  hinter  den  Namen 
(z.  B.  Hardwiclv  20)  auf  Cassell  hin;  falls  der  Ort  mir  durch 
die  Karte  vermittelt  wurde,  ist  dies  besonders  vermerkt  und 
die  Lage  von  mir  näher  bezeichnet.  Einige  wenige  Orte  habe 
ich  nicht  auflinden  können.  Da  aber  die  Quellen  für  die 
Namen   im   allgemeinen   einwandfrei   sind,   habe  ich  geglaubt, 


357 

auf  diese  nicht  verzicliten  zu  dürfen.  In  jedem  Falle  ist 
natiiilieli  der  Gewälirsniann  bezeichnet  worden.  Die  Aussprache- 
bezeichnung- nach  Hope  ist  stets  hinzugefügt.  Diejenigen  Orte, 
die  durch  die  spätere  Untersuchung  auszuscheiden  waren,  sind 
durch  den  Druck  kenntlich  gemacht.  Folgende  Abkürzungen 
sind  für  die  alten  Formen  benutzt  worden: 

Anc.  Chart.  =  Facsimiles  of  Anciens  CJiarters  in  the  British 
Museum  ed.  Bond.     L.  1873—1878. 

Cart.  Sax.  =  W.  de  Gray  Birch,    Cartularium    Saxonicum. 
London  1885-1893. 

C.  C.  R.  =  Calendar  of  Charter  llolls,  I— III.     L.  1903—1906. 

D.  B.  =  Domesäay  BooJc  scu  Liber  Censualis   etc.,   Bd.  I,   II, 

ed.    A.  Farley,    London    1783,    Bd.  III,    IV   ed.    IL  Ellis, 
London  1816. 

F.  A.  =  Inquisitions  and  Assessments  relating  to  Feudal  Aids 
etc.     7  Bde.    London  1899  ff. 

Kemble,    Cod.    =    J.  M.  Kemble,    Codex    diplomaticus    aevi 
Saxonici.    6  Bde.    L.  1839 — 1848.     [Oft  ungenau.] 

Pa.  R.  =  Caletidar  of  the  Patent  Rolls.    Rolls  Series,  London 
1891  ff. 

Pi.  R.  =  The  great  Eolls  of  the  Pipe.    Rolls  Series,   London. 

Sax.  Chron.   =   Tivo    of  the   Saxon   Chronicles  parallel   ed. 
Earle -Plummer.     Oxford  1892. 


Die  Namenliste. 


Schottland. 

1.  OttersiüicJc,  Shetl.  isl.,  Island  of  Yell,  Ostküste  am  Otters 
Wich,  einem  Meerbusen  (nach  Karte!). 

2.  WestsandiüicJc,  Shetl,  Westküste  von  Yell,  31  n.  Lerwick, 

3.  MouiüicJc,  Ort  am  Tresta  Wick,  Shetl.,  Insel  Fetlar  (nach 
Karte!).     Auf  derselben   Insel:   Gruting  Wick,  Meerbusen. 

4.  Haroldstüick,    am    Haroldswick    Bay,    Shetl,    14   n.   von 
Fetlar  island.    Die  Bucht  auf  Karte  =  Haralds  Bay! 

5.  Eswich,  auf  Maiuland,  Shetl.,  8 ','2  Q-  von  Lerwick. 


358 

6.  Gulbericick,  3  s.  von  Lerwick,  Mainkmd,  Shetl. 

7.  HiUswicl-,  Hafenort!,  Mainland,  Shetl.,  17  n.  w.  von  Voe. 

8.  Hosivick,  Ort  an  der  Küste,  Mainland,  Shetl.,  l^/o  w.  von 
Sandwick. 

9.  Lerwic'k,    Hafenort,    Mainland,   Shetl.,    104-    n.  n.  o.   von 
Kirkwall. 

10.  LeieiiwicJc,   Dorf  an  der  Küste,  Mainland,  Shetl,  4  s.  w. 
von  Sandwick. 

11.  Sandwich   o,    Kirchspiel,    Süden    von    Mainland,    Shetl., 
12  s.  s.  w.  von  Lerwick. 

12.  ReawicTi,  Gut,  an  Scalloway  ßay,  W.  Shetl,  6  n.  w.  von 
Scalloway. 

13.  Nor  Wich,    Bucht,    auf  Uist,   N.  Shetl,   48  n.  u.  o.  von 
Lerwick. 

14.  Sandwich  2,   Kirchspiel,    an    sandiger    Bucht,   Mainland, 
Orkn.,  14  w.  n.  w.  von  Kirkwall. 

15.  EUwich  oder  Eiswich,  Dorf  und  Bucht,  auf  Shapinshay, 
Orkn.,  5  s.  o.  von  Rendall 

16.  Burivich,  auf  South  Ronaldshay,  Orkn.,  10  n.  von  Dunnet 
Head  in  Caithness. 

17.  Barswich,  Vorgebirge,  auf  South  Ronaldshay,  Orkn. 

18.  Mariüich  Head,  Vorgebirge,  u.  w.  auf  Mainland,  Orkn. 

19.  Otter siüich,    Bucht    an    Nordküste    von   Sanday   Island, 
Orkn.,  26  n.  n.  o.  von  Kirkwall. 

20.  Auld  Wich  Castle,  Turm  in  Ruinen,  als  Seezeichen  „the 
old  man  of  Wick"  genannt,  l^/^  s.  o.  von  Wick  (7). 

21.  Wich  7,  Hafenort,  0.  Caiths,  20  s.  o.  von  Thurso. 

22.  Treswich,    Dorf,   an   Treswick   Bay,  N.  0.  Caiths.,   12  n, 
von  Wick. 

23.  Diuarwich  Head,  Vorgebirge,  am  Pentland  Firth,  N.  Caiths, 
9  n.  0.  von  Thurso. 

24.  Treswich,  Bach  (zu  22)  und  Wich  Water  (zu  20). 

25.  Sandiüich  4,  Dorf,   1  s.  o.  von   Stornoway,  Insel  Lewis, 
Ross  and  Crom. 

26.  Marwich,  Marvig  oder  Malabhig,  Dorf,  Insel  Lewis,  Ross 
and  Crom.,  S'/o  s.  von  Stornoway. 

27.  Hedderwich,  Dorf,  3  n.  w.  von  Montrose,  N.-O.-Forfar. 

28.  Inverwich,  Wald,  Invs.,  7  n.  von  Fort  Augustus. 

29.  Innerwich  2,  Dorf,  N.-W.-Perths,  13  w.  von  Kenmore. 


359 

30.  Inner iviclc-in-Glcnhjyi^  Dorf,  N.-W.-Perths,  10  w.  von 
Fortingall. 

31.  Inner  wich  1,  Dorf,  au  der  Nordsee,  O.-IIaddiiigs,  4  s.  o. 
von  Dunbar. 

32.  North  Berivick,  Ilafenort,  N.-Haddings. 

33.  BorthwicJc  1,  Dorf,  S.  E.  Ediubs,  12'/.,  s.  o.  von  Edinburgh. 

34.  FishwicJc,  jetzt  in  Hutton,  S.-O.-Berws,  5'/2  w.  s.  w.  von 
Berwick. 

35.  DaliüicJc,  DatuicJc,  Gut,  Mitte  Peebless,  7  s.  w.  von  Peebles. 

36.  Hawick  2^  Stadt,  W.-Roxbs,  11  s.  s.  o.  von  Selkirk. 

37.  JBorthwickbrae,  Borthtvickshields,  Güter  am  Borthwick, 
Flufs  in  Selks  und  Roxb.,  mündet  in  den  Teviot,  2  m  ober- 
halb Hawick. 

38.  Pr est IV ick  2,  kl.  Stadt,  W.-Ayrs,  3  n.  von  Ayr. 

39.  Fenwick  4,  Dorf,  N.-Ayrs,  3^'2  n.  o.  von  Kilmarnock. 

40.  Alnwick  (oder  Annick)  Lodge,  Dorf,  N.  Ayrs,  3  u.  o.  von 
Irvinetown. 

41.  Crmvick,  Strom,  N.-Dumfrs. 

42.  Wigtoivn,  Hafenort,  O.-Wigs. 

43.  Castleiüigg,  Gut,  2'/.2  "•  w.  von  Wbithorn,  S.-O.-Wigs. 

44.  Rerwiek,  S.-Kirkcuds.  (nach  Karte),  5  s.w.  von  Kirkcud- 
bright. —  1305  Ovrereraik  (sie!)  und  Nethrereraik,  C.C.R. 
III,  61. 

45.  Southivick  7,  Ort,  S.-O.-Kirkcudbs.,  12 1/2  s.  w.  von 
Dumfries. 

46.  Seniüick,  ehemals  Kirchspiel,  S.  Kirkcudbs. 

Eiiglaud. 

Isle  of  Man. 
Perwick  Bay,  Garwick  Bay,  Flesluvick,  Bucht  und  „glen", 
ferner 

47.  Greeniüick  oder  Grenaugh,  Dorf  und  felsige  Bucht, 
6  s.  von  Douglas. 

Northumberland. 

48.  Äbberwick,  Stadt  am  Alne,  3^2  11.  von  Edlinghani.  — 
1346  Älherwyk  F.  A.  IV,  66,  67.    1428  Äwbenvyke  ib.  IV,  86. 

49.  Almcick,  Stadt,  N.-North.  Alnwick  Castle  stand  schon 
zur  Zeit   der  Eroberung,   da   sein  Eigentümer  auf  Senlae 


360 

Hill  fiel.  Aluwick  Abbey,  IUI  gegründet.  —  1217  Älne- 
wich  Pa.  R.  122,  Alnewie  ib.  127.  1218,  1226  Alncivic 
ib.  134,  159,  34.  1226  Hawmvic  ib.  34.  1244  Annewic 
ib.  447.  1297  Äbmviß  C.  C.  R.  II,  470.  1307  Ahieivik 
C.  C.  R.  III,  87. 

50.  BcrwicJc-iipoJi-Tiveed,  Hafeuort,  57  ^  2  s.  0.  von  Edinburgh. 

—  1217—1240  Beroivic  Pa.  R.  122  öfter.  1277,  1279,  1281 
Bcreiviß  Pa.  R.  235,  331,  448.     1277  Bcrwich  Pa.  R.  246. 

51.  BerwicJ:  Hill,  Stadt,   S.-Northumb.,  61/2  s.  von  Morpeth. 

—  1311  Berewyc  C.  C.  R.  III,  184.  1346  Parva  Bereivih 
F.  A.  IV,  57.  1346  Bcrivyk  ib.  58.  1428  Bercivic  super 
Montem.  ib.  80. 

52.  Neiü  BeivicJi,  Stadt,  3  w.  von  Eglingbam.  Old  Bewicl; 
Dorf,  3  n.  w.  von  Eglingbam.  1253  manor  of  Beivijh 
C.C.R.  1,416.  1271  Beitnßh,  Beivic  ib.  II,  170,  172.  1428 
Beivtß  F.  A.  IV,  79. 

53.  Brotherwick,  Stadt,  6  s.  0.  von  Alnwick. 

54.  CheswicJc,  kl.  Dorf,  41/2  s.  0.  von  Berwiek. 

55.  Bemvich,  Stadt,  IV2  0.  von  Alnwick.  1307  Denewic 
C.  C.  R.  III,  87. 

56.  Eachwich,  Stadt,  91/2  n.  w.  von  Neweastle.  1307  Ecfiewyh 
C.  C.  R.  III,  83.  1346  Echewie  F.  A.  IV,  54,  Echewyh  ib.  55. 
1428  Echeivyc  ib.  85. 

57.  ElstvicJi  1,  Stadt,  nahe  Neweastle- lipon -Tyne.  —  1271 
AUistvik,  Alesivycha  C.  C.  R.  II,  172,  170.  1428  ElstwyJc 
F.  A.  IV,  79. 

58.  ElivicJö,  Stadt  an  der  Küste,  2  n.  e.  von  Beiford.  —  1346 
Ehvyl;  F.  A.  IV,  64  f.     1428  EhvyJc  ib.  87. 

59.  Fenwich  2,  Ort,  9  n.  0.  von  Hexam.  1346  Fennetvyk 
F.  A.  IV,  54. 

60.  Fenwicli  3,  Dorf,  5  n.  w.  von  Beiford.  1346  Fynnewyh 
F.  A.  IV,  64. 

61.  GothericTi,  nach  Pa.  R.  —  1281  GateristvyJc  Pa.  R.  448. 

62.  Goswick,  Küstenort,  6  s.  0.  von  Berwick-iipon-Tweed. 

63.  Haiüich  1,  Ort,  7  0.  von  Bellingbam.  1346  Hauwyk 
F.  A.  IV,  54. 

64.  HowicJc  1,  Dorf  nahe  der  Küste,  6  n.  0.  von  Alnwick. 
1230  Haivic  Pa.  R.  443.  1346  HoiviJc  F.  A.  IV,  68.  Hoivyk 
ib.  76.     1428  Howyk  ib.  78. 


361 

65.  LoivicJc  2,  Dorf,  9  u.  w.  von  Heiford.  —  1277  Lowick  Pa. 
R.  235,  Lomß  ib.  246.  1291  Loinß  C.  C.  R.  IT,  382.  1346, 
1428  Loivyh  F.  A.  IV,  64,  87. 

66.  Moriviclc  1,  Ort,  2  s.w.  von  Waikworth.  —  1167—1168 
Morewic  Fi.  R.  171.  1186—1188  Morcwich  ib.  86.  1346 
Moreinjh  F.  A.  IV,  57. 

67.  Oshoru-yh,  nach  F.  A.  IV,  69  (1346). 

68.  Prenclwick,  Ort,  1  n.  von  Alnhani.  1346  Prcndeiiijk 
F.  A.  IV,  72.     1428  Prendicyk  ib.  89. 

69.  Prestivick  1,  Ort,  6'/.,  n.  w.  von  Neweastle.  1270  Prest- 
ivik  C.  C.  R.  II,  147.    1346,  1428  Presticyk  F.  A.  IV,  58,  80. 

70.  Saltivick,  [Sorltiek],  Ort,  3  w.  von  Stanniugton.  1346 
Salticyk  F.  A.  IV,  59,  Saltchjk  ib.  60. 

71.  Tretvick,  Ort,  3  s.  o.  von  Bolam.    1346  Treivyk  F.  A.  IV,  59. 

72.  Wahvick,  Ort,  3  n.  von  Warden.     1262  WaUcivick  C.  C.  R. 

II,  41. 

Durhara. 

73.  Butterwick  4,  Ort,  2  n.  o.  von  Sedgefield.  Boldon  Book: 
Butencyk. 

74.  Elivick  2^  Dorf,  8  n.  von  Stockton.  Elwiek  Hall,  9  n.  o. 
von  Stockton.  —  1237  f.  (V)  Elseiuick  Pa.  R.  213,  Elneivyk 
ib.  207. 

75.  Hardivick  17.  Ort,  l^'o  n-  von  Monk  Hesledon.  —  Boldon 
Book:  Herdewic,  Hcrdeivyk.  1270  Hcrdeicyk  C.  C.  R. 
II,  Ulf. 

76.  Huiitvick,  Kirchspiel,  2  w.  n.  w.  von  Aiickland  St.  Andrew. 
Boldon  Book:  Huneivyc. 

11.  Muggleswick,  Ort,  9  n.  n.  o.  von  Stanhope.  —  Boldon 
Book:  Muglyngaic.  1270  Mudingivyke,  Muclingivik  C. C. R. 
II,  141.     1300  Miiclingivyk  ib.  484. 

78.  Southwick  4,  Ort,  1  n.  w.  von  Sunderland. 

79.  Westwick  3,  Ort,  2  s.  o.  von  Barnard  Castle. 

80.  Whickham,  Stadt,  31/2  w.  8.  w.  von  Gatcshead.  1312 
Quicham  C.  C.  R.  III,  193. 

Cumberland. 

81.  Kelsick  oder  Kelttvick,  [Kelsick],  Ort,  2  d.w.  von  Wigton. 

82.  Kesiüick  1,  [Kezzick],  Ort,  13  0.  s.  0.  von  Cockermouth. 
1276  Kesewik  in  Derwentfelles  C.  C.  R.  II,  200. 


362 


83.  Ben  wich,  Dorf,  11  u.  o.  von  Penritli. 

84.  W'üricicJc  J2,  Dorf,  -l  o.  vou  Carlisle.  1088  die  Kirche 
St.  Leonard  als  „  Warthe/vicJc  cliapel "  der  Abtei  St.  Mary 
zu  York  übergeben.     1308  WartheivyJc  C.  C.  R.  III,  116. 

85.  Warwiclc  Bridge,  Dorf,  5  o.  von  Carlisle. 

86.  Wickham  2  oder  Whicham,  Kirehsp.,  4  s.w.  von  Bootle. 
—  D.  B.  Witingham.  1290  Wyünglmm  C.  C.  K.  II,  365. 
1308  Witingham  ib.  III,  117. 

87.  Wigto7i  1,  11  w.  s.  w.  von  Carlisle.  —  1202  Wigcto7i 
C.  C.  R.  IL  40. 

Westmoreland. 

88.  Biowich  Bay,  Teil  von  Ulleswater,  1  u.  von  Patterdale. 

89.  Butter ivich  5,  Ort,  71/0  s.  von  Penrith. 

90.  Frostüich,  ein  „peak",  12  n.  w.  vou  Kendal. 

91.  Kearstwich,  Ort,  1  n.  w.  von  Kirkby  Lonsdale. 

92.  Sandivich  1,  Ort  am  Ulleswater,  3  n.  0.  von  Patterdale. 

93.  Sedgivich,  Dorf,  4  s.  von  Kendal. 

Yorkshire. 

A.    North  Ridiug. 

94.  Inglehy  Barwich,  Ort,  3  n.  n.  0.  von  Yarn. 

95.  Butter ifich  3,  Ort  4^2  s.  w.  von  New  Malton. 

96.  Earsivich,  Dorf,  4'/2  n.  vou  York, 

97.  Holwich,  Dorf,  11  n.  w.  von  Barnard  Castle.  1251  Hole- 
tvic  C.  C.  R.  I,  367. 

98.  Haihurn  Wyhe,  „narrow  glen"  an  der  Küste,  6V2  n.  w. 
von  Searborough, 

99.  Kepu'ich,  Dorf,  8  n.  0.  von  Thirsk.  —  D.  B.  Chipmc. 
1165—1166  Chepewich  Pi.  R.  44. 

100.  Osbaldwich,  Dorf,  2  0.  von  York.  —  D,  B.  Osholdeswic. 

101.  Runstvich,   Fischerdorf  an  Runswiek   Bay.     1290  Rise- 
u-yh  C.  C.  R.  II,  356.     1308  Risewic  C.  C.  R.  III,  114. 

102.  Stanwick  1,  Dorf,  8  w.  von  Darlington.     D.  B.  Stenwege, 
Steiiuueghe,  Stemme ghes. 

103.  Wyheham,  Dorf,  7  s.  w.  von  Searborough.    D,  B.  Wicha\ 


363 


B.   West  Kidiug 


(weitere  Belege  bei  Moormau,  F.  W.,  The  Place-Namcs  of  ihe 
West  Riding  of  YorJcshire,  1910). 

101.  Äppletreeu'icJi,  [Applewick],  kl.  Dorf,  8'  ^  ö.  o.  von 
Skipton.  D.  B.  Äpictreimie.  1272  —  1281  Appcitreivyk 
Pa.  R.  405.  1278  ÄppeltreiciJc  C.  C.  K.  II,  208.  1310 
Appeltreuiß  ib.  III,  166.  („Der  Wohnort  beim  Apfelbaum" 
nach  Moorman.) 

105.  AiisticicJc,  Dorf,  4  n.  w.  von  Settle.  D.  B.  Ousieuuic. 
1304  Oustivyh  C.  C.  R.  III,  38  (nach  Moorman  =  eastern 
village,  nach  altnord.  austr.). 

106.  Adwich - up on-D earne ,  [Addick],  Dorf,  8  s.  w.  von 
Doncaster;  Kirche  aus  11.  Jh.  —  1280  Addeivylce,  Adeivyh 
C.  C.  R.  II,  234. 

107.  Ad/vickle-Street,  Ort,  4  n.  w.  von  Doncaster.  —  D.  B. 
Adeuuic.  1269  Adeicic  C.  C.  R.  II,  120.  1291  AtheicyJc 
ib.  388  (nach  Moormau  =  Adaiuclc,  Addas  Wohnort). 

108.  Barnoldswick,  [Barnowic,  Barlic],  Ort,  7V2  s.  w.  von 
Skipton. 

109.  BarwicJc-in-Elmet,  7  n.  o.  von  Leeds.  D.  B.  Bercuuic. 
1228  Bereivic  Pa.  R.  216.  1249  BerewicJc  C.  C.  R.  I,  346. 
1251  Bereivih  C.  C.  R.  I,  367,  BercivycJc  ib.  357  (=  barley 
wich,  Moorman). 

110.  CreswicJc,  Ort,  2  s.  w.  von  Ecclesfield. 

111.  CowicJc  1,  Ort  an  Don,  6  w.  von  Goole. 

112.  DiuiJceswick,  Ort,  6^0  w.  von  Wetherby. 

113.  UldivicJc,  Dorf,  1  n.  o.  von  Bingley.  D.  B.  Edclesuuie, 
(Helgi's  oder  Helgas  Wohnung,  Moorman). 

114.  Fenivylc  1,  Ort,  6  s.  w.  von  Snaith.  1165 — 1166  FenicicJc 
Pi.  R.  45.  1249  Femcyc  C.  C.  R.  I,  342.  1252  Fenifyl 
ib.  357. 

115.  Giggleswick,  Dorf,  8  s.  o.  von  Ingleton.  1253  Gikeswik 
C.  C.  R.  I,  432,  (skand.  gigl,  cf.  Björkman  p.  153.  Dies 
Adj.  als  Spitzname  gebraucht,  der  Ort  also  =  Gikkels 
Wohnung.  Moorman). 

116.  Cojjt  Heivick,  Ort,  2  s.  o.  von  Ripon. 

117.  Bridge  Hewick,  Ort,  2  o.  von  Ripon.  (Moorman:  für 
116  und  117:  heah  wie,  hoher  Ort). 


364 

118.  HuntwicTc,  Ort,  5  o.  s.  o.  von  Wakelield.  1280  Hunte- 
ivyles  C.  C.  R.  II,  234. 

119.  IIccJcmo7i(hviJce,  Kirchspiel,  2  n.  w.  von  Dewsbury. 
(Moorman:  Hecnninds  'SYohmmg.  Hecmund  ae.  nielit  belegt.) 

120.  Hardivich,  East,  Kirehsp.,  21/2  s.  s.  0.  vou  Pontefraet. 
HardwicJc,  West,  Ort,  4  s.  w.  von  Pontefraet. 

121.  HardwicTc  20,  Ort,  1  n.  0.  von  Aston -with-Augliton.  — 
D.  B.  Hardiiic,  Ärdmcic.  1251  Herden-yJc  C.  C.  R.  I,  357. 
1252  Hcrdivyh  ib.  404.  1280  Hcrdeivilce  ib.  II,  234,  (nach 
]\[oorman  ==  Hardulfesiuic  oder  Heardivulfesivic  auf  Grund 
D.  B.-Form  [?]). 

122.  East  KeswicJc,  Dorf,  4  s.  w.  von  Wetherby.  D.  B. 
Chesvic,  (Moorman:  the  eheese  favm). 

123.  Kildivicl',  Dorf,  5  n.  w.  von  Keighley.  D.  B.  Chüdeuuic. 
1257  Kyhvyl  C.  C.  R.  I,  462,  (Moorman:  anord.  Kelda 
„Quelle"  +  ivlc'i). 

124.  Morivich  2,  Dorf,  5  n.  0.  von  Leeds. 

125.  Nuntvidc-tvith-Hoivgrave,  Dorf,  2  n.  von  Ripon.  — 
D.  B.  Nonneivic.  1165 — 1166  ISiunneivk.  1283  Nunetvih 
C.  C.  R.  II,  265,  (Moorman :  Wohnung  der  Nonnen). 

126.  Snaith  and  CoicicJc,  kl.  Stadt,  am  Aire,  vgl.  Beleg  111. 

127.  Todicich,  Dorf,  8  n.  w.  von  Worksop.  D.  B.  Tatevvic. 
1232  Taleivic  (sie!)  C.  C.  R.  I,  146.  1300  Toteict/h  ib. 
II,  489.  1316  Tateivich  C.  C.  R.  III,  302.  (Moorman: 
Wohnung  des  TataT) 

128.  W igt 011  2,  Dorf,  6  n.  von  Leeds. 

129.  Wihe  2,  Dorf,  8  s.  0.  von  Otley.  —  D.  B.  Wie.  1285 
WyTc?  C.  C.  R.  II,  284. 

130.  Wihe  1,  Dorf,  4  0.  n.  0.  von  Halifax.  —  D.  B.  Wiche, 
(Moorman:  village). 

131.  Wighill,  Dorf,  21/.2  vou  Tadeaster. 

132.  WestivicJc  2,  Dorf,  3  w.  von  Boroughbridge.  —  D.  B. 
Westuic.  1162 — 1163  Wcstwic  Pi.  R.  51,  (Moorman:  the 
tvestern  village). 

133.  Yorh,  Hauptst.  von  Yorks.,  vgl.  Bradley,  Engl.  Pl.-Names 
S.  19  f.  —  189  Senerus  ge  endode  on  Eoferwic,  Sax.  Chr. 
S.  10,  römisch  Eboracum.  675  uEfenvic  Sax.  Chr.  680 
Eorfenvic  Cart.  Sax.  I,  80.  948  Eoforivic,  Heoforivic  Sax. 
Chr.,    Zeit    Edw.  I.    Eofenvicscire,    Kemble,    Cod.  1343. 


36 


o 


10G5  Eaforivic  Sax.  Cbr.  1070,  1125  Eferivic.  1138 
Euenvic,  Euorwic.  1166—1167  Euerwichscr  Pi.  K.  XI,  77. 
1169  —  1170  Eueru-ich  Pi.  R.  35,  Euerivicscr'  Pi.  R.  35. 
1308—1326  Evenvic  C.  C.  R.  III,  oft. 

C.   East  Riding. 

134.  ÄtwicJc,  [Attie],  Kirchs}).,  3  n.  von  Hornsea. 

135.  Buttern-ich  2,  Dorf,  10  n,  von  Driffield.  —  D.  B.  Biäruic. 
1308  Butratvic.     1310  Buttermß  C.  C.  R.  III,  114,  167. 

136.  Burstivich,  [Böstweek],  Kirchsp.,  9  o.  von  IIull.  —  1280 
Bursiiiih  Pa.  R.  380.  1292  Bursimcl  C.  C.  R.  II,  424, 
1308.  1309  Brusüvych  ib.  III,  131. 

137.  BestvicJc  1,  Dorf,  6'/.,  n.  w.  von  Beverley.  —  D.  B.  Baseivic. 
1261  Beseu'ih  C.  C.  R.' II,  37. 

138.  Beirick,  Dorf,  7  s.  o.  von  Hornsea.  —  1196  Bewic  Pi.  R. 
152.     1299  Bewiß  C.  C.  R.  II,  476. 

139.  Hidton  Cranswich,  [Cransick].  Dorf,  3  s.  von  Driffield. 
—  D.  B.  CransuuiCj  Cranzvic.  1165 — 1166  Gafr'  de 
CranJceivic  oder  Cranclieivic  Pi.  R.  44.  1228  Crans2vic  Pa.  R. 
208.  1292  Craunceicik,  Craunswich  CG. E.U,i27.  1310 
Craunceivyh  C.  C.  R.  III,  166  (hierzu  käme  Cransiviclc,  3  8. 
von  Driffield). 

140.  Cattuick,  [Cattick],  Dorf,  13  n.  n.  o.  von  Hüll.  —  D.  B. 
Catingeimic,  Catinvvic.  1230  Catteivyk  C.  C.  R.  I,  110 
(Anm.).     1292  Catwik  C.  C.  R.  II,  426. 

141.  Elstermvick  {Elstronivick),  Dorf,  4  n.  o.  von  Hedon. 

142.  Etherdtvick,  Dorf,  7V>  n.  o.  von  Hedon, 

143.  Kilmvick,  or  Kilnuick-on-tlie-Wolds,  Dorf,  7  s,  s.  w, 
von  Driffield,  —  1300  Külingu-yk  C.  C,  R.  II,  489.  1304, 
1307  Killingivyk  C.  C.  R.  III,  41,  83. 

144.  Kilmvick  Percy,  Dorf,  l'/2  ^-  o-  von  Pocklington.  — 
D,  B.  Chelingetvic.  1194 — 1195  Killingeivick  Pi,  R,  21. 
1232  KiUingivic  Pa.  R.  516,  1253  Killirign-yk  C,  C,  R. 
I,  418.     1300  Killingeu-ik  C,  C,  R,  II,  481, 

145.  Nesivick,  Dorf,  5  s,  w,  von  Driffield. 

146.  Oicsttcick,  Dorf,  li/o  n,  w.  von  Roos.  —  D,  B,  Ousteimic. 
1272  Oustivyk  C.  C,  R,  II,  182,  1285  Oustwike  ib.  308. 
1292  Oustewik  ib.  427,  1297  Ousfemjk  ib,  III,  469.  1318 
Oustewyk  ib.  III,  392, 


366 

147.  Smithu-ich  Shoal,  Sandbank  in  Rridlington  Bay. 

148.  Sunderlandivich,  Dorf,  1  s.  von  Driftield.  —  D.  B,  Sundre- 
lanuuic,  Sundreslanuic.  1308  SundarlandaKic  C.  C.  R. 
III,  115. 

149.  Wclwich,   Dorf,  2  s.  o.  von  Patrington.  —  D.  B.  Wehiuic. 

150.  Wither7iu'iel-,  Dorf,  12  n.  w.  von  lluU.  —  D.  B.V  Wid- 
fornevvic,  Widforneuuinc.  1292  Withormvike  C.  C,  R. 
II,  426. 

151.  Barlawieh,  nicht  bei  Cassell.  —  D.  B.  Bernulfesivic. 

152.  East  Witton.    1227  EsUvidon  Pa.  R. 

153.  Yarnwich  near  Kirhlmgton,  nicht  bei  Cassell  —  1296 
Yarneivylc  C.  C.  R.  II,  465  (als  „depopulated"  bezeichnet). 
1317  Yarnewyl  ib.  III,  363. 

Lancasliire 
(Belege  zum  Teil  und  Erklärungen  nach  Wyld-Hirst,  a.  a.  0.). 

154.  Ardivicli,  nahe  Manchester.  —  1282  Atherisivylce.  1502 
Ardeivyh,  (Bedeutung:  yEöeles-ivic,  Wechsel  zwischen 
l  und  r,  vgl.  Zachrisson  142). 

155.  Beswich  2,  nahe  Manchester.  —  1327  Bexivylc.  1360 
Bexivih.  1530  Bexwike  (erklärt  als:  the  place  of  Bece 
or  Becca). 

156.  Blotvich,  Higher  und  Lower,  Dürfer,  2  o.  von  Southport, 
w.  Lancs. 

157.  BortvicJc,  Dorf,  2  o.  von  Carnforth,  N.-Laucs.  —  D.  B. 
Bereu'ic.  1272  Bereivylce.  1316  Berivicke.  1522  Barwyh. 
1597  Boriviche.  17.  Jahrh.  Barwiche,  Borwicic,  {bere-ivic 
=  harley  tviclc). 

158.  BorzvicJc  Groicnd,  Dorf,  1  n.  von  Hawkshead,  N.- Lancs. 

159.  ChadtvicJc  1,  Dorf,  Vj^  vr.  von  Rochdale,  S.-O.-Lancs. 
—  1329  Chadeicyle.  1369  Chadetvyh  (=  the  abode  of 
Chadd). 

160.  ChadtvicJc  Oreen,  Ort,  3V4  s.  von  Billinge,  S.-W.-Lancs. 

161.  Elsivich  2,  Ort,  41/2  d-  von  Kirkham,  Mitte  Lancs.  — 
D.  B.  Edelesuuic.  1303  EUestviß  F.  A.  III,  83.  1346 
Etheleswyh  ib.  87.  1431  EUeswyl  ib.  95.  1159—1164 
Hedthelsiwic  (nach  Wyld)  vereitere  Belege  bei  Wyld-Hirst 
p.  118. 


367 

162.  Fishwiclc  1,  Vorstadt  von  Preston,  N.-O.-Lancs.  —  D.  B. 
Fiscuie.  1202  Fisiric.  1203  Fishric.  1225  Fischivic. 
1252  Fiswic.  1303  Fissheivß  F.  A.  III,  84.  1311  Fysshe- 
inßc.  1320  —  1346  ffysslmvylce.  1346  Fisslmvih  F.  A. 
III,  91.  1506  Fisshetrili,  FisshiriJc  (=  the  abode  of 
Fish,  wo  Fish  Personeunaine;  kann  aber  auch  das  Tier 
bedeuten). 

163.  Olodtvich  1  und  2,  Kirchspiele,  nahe  Prestwich,  S.-O.- 
Lanes.  —  1246  —  1247  Glothicke.  1307,  1347  Glotheyk. 
1540  Glodyth,  Glodethe. 

164.  Hon-icJc  2,  Dorf,  3  s.  w.  von  Preston,  W.-Lancs.  — 
1096—1122  Hokcwike.  1149  Homica.  1202,  1210  Hocwic. 
1256  Hocu-yl:  1322  Hogivihe.  1323  Hougiryh.  1292, 
1329,  1373,  1431  Hoghwyh.  1506  Houghiiih,  Hogwik, 
daneben  aber:  1335  Howick,  (=  the  wick  of  Hoc). 

165.  Hortvich,  Stadt,  5  w.  n.  w.  von  Bolton,  S.-Lancs.  — 
1254  Horeu-iche.  1332  Horeicich.  1332  Horwiche.  1346 
Horeivych  F.  A.  III,  89,  (ae.  horu  +  ivic  =  dirty  place). 

166.  KiUerwich  in  Monsell,  u.  w.  von  ülverston.  —  D.  B. 
Chiluestreuic. 

167.  LowicJc  .->,  Ort,  5  n.  von  Ülverston,  N.-Lancs.  —  1202 
Lofwic.    1256  Lotvyh  (ae.  Lufa,  Lufii,  Frauenname  +  tvlc). 

168.  Presttvich,  4  n.  w.  von  Manchester.  1193 — 1194  Prest- 
tvich.  1200  —  1202  Presticic.  1292  Presimjch.  1311 
Presticych  (=  the  priest's  abode). 

169.  SaUvich,  Ort,  6  w.  von  Preston,  N.-Lancs.  —  D.  B. 
Saleuuic.  1200—1201  Salewic.  1256  SaUeivyke.  1320 
— 1346  SahvicJce.  1662  Salwicke.  1678  SohvicJc,  daneben: 
1562  Saivick.  1630  Satvicke.  1072  Soivick  {=  salig-ivic 
=  u'illoirwick). 

170.  Urszvick,  Dorf,  3  s.  von  Ülverston,  N.-W.-Lancs.  —  1189 
Hursetvic.  1202  Urstvic.  1198 — 1208  vrsivic,  Ursewich. 
1277  Ursivyk.  1285  Urstvyke.  13.  Jh.  Ursetvyk,  Urseivik. 
1346  Vrsu'icke.    1460  Ursetvyk,  daneben  1283  Hurst ivicke. 

171.  Wintvick  1,  Dorf,  3  n.  w.  von  Warrington,  S.-W.-Lancs. 
—  D.  B.  Wy7iequic.  1169—1170  Wmequich.  1170—1172 
Wi7ie(ßiic  (diese  Belege  Wyld's  in  Personennamen!  Pi.  R. 
69—71,  53,    70-71,   30,    71—72,  64,  65).     1184—1185 


368 

Winewich.  1192  Wynetvicl,  WyneiiMh.  1200  —  1201 
Wiiiequiq.  1208  Wenequec.  1227  Wynquic  (=  the  dwell- 
ing  of  Wineca). 

172.  Pi<?Z  Tr?/Ä;e  Bay,  Bucht  am  Westufer  von  Windermere, 
N.-W.-Lanes.,  1^/2  s.  s.  w.  von  Ambleside. 

Cheshire. 

173.  D.  B.  Cepmundeiviche  =  Chap-mones-wyk  =  trades  pro- 
tection town  in  einer  Urkunde  Edw.  III,  vgl.  Transl.  of 
D.  B.  relating  to  Cheshire  and  Lancs.,  by  Beaumont, 
ehester  1882,  p.  57,  ne.  nicht  belegt. 

174.  Keckivich  oder  Keketvick,  Dorf,  4^-2  s.  w.  von 
Warrington,  N.-Cbesh. 

175.  Leftu'ich,  Vorst.  von  Northwich.  —  D.  B.  Wice. 

176.  Middlewich,  Stadt,  41/2  n.  w.  von  Sandbach,  Mitte  Chesh. 
—  D.  B.  Müdestvic,  MUdestvich.  1275,  1277  Middleirich 
Pa.  K.  111,  246.     (Das  D.  B.  bezeugt  hier  Salzquellen.) 

177.  Kant  wich,  anciently  Wich  Malhank,  Stadt,  41-2  8.  w.  von 
Crewe.  D.  B.  Wich  (in  quo  erat  puteus  ad  sal  faciendum). 
1246  IT7c  C.  C.  R.  I.  310.  1253  Wycus  ib.  428.  1277  de 
Wychio  Mauhayn  Pa.  R.  233.  1283  Wych  Mauhaunk  C.  C. 
R.  IL  265.     1285  Which  Mauhan  ib.  293. 

178.  Northwich,  Stadt,  11  s.o.  von  Warrington.  D.B.iSl'orwich 
(Salzquelle  durch  D.  B.  bestätigt).  1276  Wich  C.  C.  R. 
II,  199.     1277  Northivich  Pa.  R.  246. 

179.  Castle  Northwich,  Vorstadt  von  179. 

180.  Shotivick,  Dorf,  7  n.  w.  von  ehester,  W.- Chesh.  —  D.B. 
Sotoiviche.  1278  Shoiwick  Pa.  R.  oft.  1312  Shotetvyk 
C.C.R.  III,  202  f 

181.  Smethtüick  2  =  Brereton-cum-Smethwick,  Dorf,  3  n.  0. 
von  Sandbach,  Mitte  Chesh. 

182.  Wichaugh  oder  Wychough,  Dorf,  1  s.  von  Malpas, 
S.-W.- Cheshire. 

Shropshire. 

183.  Great  Berivick,  Ort,  2  n.  w.  von  Shrewsbury,  N.-Shrops. 
D.B.  Beretvic.  1245  Peretü/c  C.C.R.  1, 132.  126h  Bereicik 
ib.  II.  57.     1284/85,  1316  Bereivyk  F.  A.  IV,  216,  230. 

184.  Berwick  2,  auf  Karte  B.-Maveston,  3'/4  s.o.  von  Shrews- 
bury,  N.-Shrops.    —   D.  B.   Bereivic.    1284/85    Berewyke 


360 

F.  A.  IV,  219.  1346  BenviJc  ib.  236.  1428  BerewyJc  ib.  247. 
1431  Berewiße  Mavesin  ib.  269. 

185.  Duddleivick,  nach  F.A.  1184/85  Dodelewyl:,  F.A.  IV, 218. 

186.  Eastwich  3,   Dorf,  21/2  n.  w.  von  Elleemere,   N.-Shrops. 

187.  HardivicJc  13,  Dorf,  2  w.  von  Ellesmere.     1284  Herdewy'k 

C.  C.  R.  II,  278. 

188.  Hardwich  14,  auf  Karte  HardtvicTce  Orange,  5  n.  n.  0.  von 
Shrewsbury.  —  1320  Hanlwiclc,  C.  C.  R.  111,426. 

189.  HardivicJc  15,  3  n.  0.  von  Bishops  Castle,  S.-Shrops. 

190.  Keiiivicl',  Kenivick  Wood,  KemvicJc  Park,  Kenivicl:  Lodye, 
Dörfer,  3 — 4  s.  von  Ellesmere. 

191.  Ledivich,  Dorf,  5  n.  0.  von  Ludlow,  S.-Shrops.  (auf  Karte 
Upper  LedivycJie  [sie!]  und  Lower  Ledwyche  [sie!]  1  0.  von 
Ludlow).  D.  B.  Ledewic.  1284/85  Ledeivkh  F.  A.  IV,  223. 
1290  Ledeivych  C.  C.  R.  II,  382. 

192.  Mucklewick,  5  n.  0.  von  Chureh  Stoke,  W.-Shrops.  — 
1316  MMelweye  F.  A.  IV,  232. 

193.  Wigtvig  in  Mueh  Wenlock  (nach  F.  A.)  D.  B.  Wigeivic. 
1316  Wygelivyl-  F.  A.  IV,  232. 

194.  Wistansiüick,  Dorf,  2  n.o.  von  Stoke-upon-Tern,  N.-Shrops. 

—  1285,'86  Wystaneswyk  F.  A.  IV,  220. 

195.  Das  D.  B.  erwähnt  noch  Wiche,  N.-W.-Shrops.  uud£'/mM?i(?e- 
wic,  S.-E.-Shrops. 

Staffordshire. 

(Erklärungen  und  einige  Belege  nach  Duignan, 

Staffordshire  Place  Narties). 

196.  Basu'ich  oder  Berksuich,  Dorf,   2  s.  0.  von  Stafford.  — 

D.  B.  Berchesicic.  1259  Berkeivic  C.  C.  R.  II,  18  (A.  S. 
Personenname  Beorcol  +  tvic,  „village"). 

197.  Bloxwich  [Bloxidge],  Dorf,  3  n.w.  von  Walsall,  O.-Staffs. 

—  D.  B.  Blochesivic  (die  Endung  nach  Duignan  =  ae.  wie). 

198.  West  Bromivich  [Brumidge],  Stadt,  6  n.w.  von  Birmingham. 

—  D.  B.  Bromu-ic.  1228  Bromivich  Pa.  R.  224.  1232 
Bromwico  ib.  524;  nach  Duignan:  12.  und  13.  Jahrh. 
Bromivic,  Bramivic,  West  Bromwich,  Bromicych  (ae.  bröm- 
ivic  =  „village  in  the  broom"). 

199.  Calwich,  Dorf,  71/2  n.  0.  von  Uttoxeter,  N.-Staffs.  1314 
Caloivic  C.  C.  R.  III,  278. 

Studien  i,  engl,  Pbil,    L.  24 


370 

200.  Colwieh,  Dorf,  6  s.  o.  von  StaflPord,  W.-Staffs.;  nach 
Duignan:  11G6  Caleiricli,  13.  Jahrh.  Colewicli,  Cohvych,  oft. 
Endung  =  ae.  tcic,  Dorf. 

201.  Fishcru-icl-,  Dorf,  4  o.  von  Liebfield,  S.-Staffs.  1166/67. 
Flscendc  Pi.  K.  XI,  54.  1284, 85  Fissernilc  F.  A.  V,  8 
(=  „the  fislierman's  village"). 

202.  Gratwich,  Dorf,  4  s.  w.  von  Uttoxeter.  D.  B.  Oratewiche. 
1317  Gretewych  C.  C.  R.  III,  367.  12.  Jahrh.  Grotewich. 
13.  Jahrh.  Gretewyc  (ae.  grcat  +  wTc,  =  „great  village"). 

203.  Hammertvich,  Dorf,  3  s.w.  von  Liehfield.  D.  B.  Duae 
Hamenvich.  1166/67  Ham'wicK  Pi.  R.  XI,  53.  12.  Jahrh. 
Hamerwich,  Hameriviche.  13.  Jahrh.  Homerivich  (probably 
„Homa's  village"). 

204.  HardeivicTx,  Dorf,  2  n.  w.  von  Sandon,  W.-Staffs.  — 
1317  Herdeimß  C.  C.  R.  111,367. 

205.  Milwich,  Dorf,  5  s.o.  von  Stone,  Mitte  StafFs.  —  D.  B. 
Meleiviclie.  1166/67  MuleivicK  Pi.  R.  XI,  53.  1304  und 
1313  Meleuyche  C.  C.  R.  III,  45,  219.  1284/85  Meluyz  F.  A. 
V, 4.  1316  Mulemch  ib.  V.  12  (probably  „the  Mill  village"; 
it  may  be  wich,  a  salt  spring,  as  it  is  3'/2  ui.  only  from 
Salt,  where  salt  Springs  exist). 

206.  Shirleywich,  Dorf,  1  s.  o.  von  Weston-ou-Trent,  Mitte 
Staflfs.  (auf  Karte  Wichdon  Lodge). 

207.  Smethivich  1  [Smerrick],  Stadt,  3  w.  von  Birmingham. — 
D.  B.  Smedeiüich.  1232  in  Smethewico  Pa.  R.  524.  1284/5 
Smeyeuih  F.  A.  V,  7  (lies  y  =  th,  wie  vielfach  im  Me.). 
Ae.  und  me.  smethe  „smooth",  flat.  +  tele,  village  „the  village 
on  the  piain." 

208.  Wich7i07',  Dorf,  6V2  n- o-  von  Liehfield.  —  D.  B.  Wicenore. 
1284/5  Wychnor  F.  A.  V,  7.  1290  Wichenore  C.  C.  R.  II,  342. 
1316  Wychenouere  F.  A.  V,  15.  1428  Wychenore,  Whiche- 
nore  ib.  21,23.     11.  Jahrh.  (nach  Duignan)  Htviccenofre. 

209.  Wighttvicli,  Dorf,  3  w.  von  Wolverhampton.  —  D.  B. 
WisteU'ic.  13.  Jahrh.  WystetvyJc,  Wytetvylc  {zweiter  Bestand- 
teil =  „village"). 

210.  Wigginton,  Dorf,  2  n.  von  Tamworth,  O.-Staffs.  (vgl. 
dazu  Duignan  unter  Wiclcen,  wonach  Wicken,  Quicleti, 
Wiggin  ein  Dialekt word  Nordenglands  ist  =■  Bergesche). 


371 

Derbysbire. 

211.  Greenivich  2,  Dorf,  nahe  Ripley,  S.-Derbs. 

212.  HardwicJ:  .s  [Hardiek],  Dorf,  6Vj  s.  o.  vou  Chesterfield, 
O.-Derbs.  —  1271  Herdmyh  C.C.R.  II,  1G5. 

213.  Parn-ich  [Parritcb],  Dorf,  W.-Derbs.  —  D.  B.  Pevreivic. 
1431  Peruiche  F.  A.  I,  295. 

214.  Swamvich  1,  Dorf,  IV2  s.  von  Alfreton,  O.-Derbs. 

Anm.:  Ne.  Pinxtoyi  im  D.  B.  =  Esvotreivic,  in  Wnlfric  Spot's  will 
=  Snodswic.  Ne.  uiclit  identifiziert:  pasture  called  „Wethertvik"  i7i 
WirksKorth,  Derbs.  1272  81  Pa.R.  :i31  und  Fenewick,  1251  C.C.R.  373. 

Nottingbamshire. 

215.  Cohvicl-  [Colliek],  Dorf,  2  s.o.  von  Nottingbam.  —  D.  B. 
Coleivic.  1302,03  Colwyh  F.  A.  IV,  9G.  131G  Cohvyk  and 
Over  CohryJc  ib.  105.  1346  Coleicyk  ib.  113.  1428  Cohii/k 
ib.  128,  141. 

216.  KirJihy  Hardwich  in  Worksop  (nacb  C.C.R.).  Karte: 
4  8.  w.  von  Mansfield.  —  1232  Herdeivic  C.  C.  R.  1, 165. 
1286  HerthenyJc  ib.  II.  330.  1316  Herthwicli,  Herthetvich, 
Herdeivic,  Hertivic,  Herhivic  C.  C.  R.  III,  295,  303. 

217.  Papplewic'k,  Dorf,  7  s.  von  Mansfield.  WQQjQl  PapetvicK 
Pi.R.  135.  1168,69  Pajje^iWr  ib. 95.  1247  Paj;e??a7^  C.C.R. 
I,.315.  1316  Papelivich  C.C.R.  III.  316.  Papuhvyk  F.  A. 
IV,  110.     1428  Papihnß  ib.  141. 

218.  SlosivieJc,  Dorf,  3.  s.  w.  von  Worksop.  1316  Slastcyc, 
Slasivic  C.C.R.  III,  295  f. 

219.  Wigsley,  Dorf,  1»/..  von  Thorney,  O.-Notts. 

Lineolnshire. 

220.  Anwiclc,  Dorf,  4'/2  d- 0.  von  Sleaford.  —  D.  B.  Amuinc. 
1228  Ameivlc  Pa.  R.'220.  1303  Ämnyk  F.  A.  III,  154.  1316 
Ameivyk  ib.  190.  1326  Ameivyk  C.  C.  R.  III,  493.  1346 
Anuvil-  F.  A.  III,  205. 

221.  Butter ivich  1,  Dorf,  4  0.  von  Boston. —  D.  B.  Butreuuic, 
1271  Butterwyh  C.  C.  R.  II,  174.  1284/5  Buterwih  F.  A. 
111,370.  1303.  1346  Boterivyh  F.  A.  III,  163.  241.  1316 
Boteriüik  ib.  184. 

222.  East  und  West  Biitterwiclc,  Dörfer,  5  n.  0.  von  Epworth, 
N.- Lines.  —   D.  B.  Butruic.     1316   West  ButferivyJc  F.  A. 

24* 


372 

III,  185.    1401/2  Botenvyl  ib.  248.    1431  West  Butterwylc 
ib.  364. 

223.  Canwicli,  Dorf,  l'/2  s.o.  von  Lincoln.  —  D.  B.  Caneuuic, 
Canvic.  1252  Ccmeivich  C.  C.  R.  I,  383.  13.  Jh.  Kanewil:, 
Camriß  C.C.R.,  F.A.  oft.    1401/02  Cauneivyh  F.  A.  111,251. 

224.  Asivich  Grange  (Karte)   S.- Lines.,   7  s.o.  von  Spalding. 

225.  Caseu-ic7:,  Dorf,  3'/4  n.  o.  von  Stamford,  S.- Lines.  —  D.  B. 
Casvic.  1275  CasetvyJc  Pa.  R.  81.  1292  Caseivik  C.  C.  R. 
II,  413.  1303  Tatewyh  {rectius  Casen-ylS)  F.  A.  III,  166. 
Caseniß  \h.\10.  1346  Casse?t?/Z;  ib.  213.  l^^lß  Cassewyh 
ib.  253. 

226.  Oartvicli,  Dorf,  5'/2  s- o-  von  Sleaford. 

227.  HardwicJc  Grange  (Karte)  5  w.  s.  w.  von  Boston. 

228.  HardwicJc  6  [Harriek],  Dorf,  7  w.  n.  w.  von  Lincoln.  — 
D.  B.  Harduuic.  1284/85  Hardivyk  F.  A.  III,  366.  1294 
Hertheivyk  C.  C.  R.  II,  455.     1316  Hertheivyl  F.  A.  III.  187. 

229.  Seopn-ick  [Scawby],  Dorf,  9  n.  von  Sleaford.  —  D.  B. 
Scapeuic,  Scapiiic.  1170/71  Scapwic  Pi.  R.  108.  1225 
Scajmvic  Pa.  R.  72.  1284/5  SMpetvüe  F.  A.  III,  368.  1303 
Scau2m-yJcib.l4:b,170L  1316  Scauj^eivyJi  ih.l90.  1346  Scaup- 
wik  ib. 201,  Skaupetvik  ib.  213.     1401/2  Sconpivyk  ib.250f. 

230.  Wickenby  6V2  s.  von  Market  Rasen.  1252  Wykingby 
C.  C.  R.  I,  383.     1261   Wykyngeby  ib.  IL  36. 

231.  Wigford,  Lines,  (nach  C. C.  R.)  1279, 1281  Wykeford  C.  C. R. 

II,  222,  249.      1291    Wickeford   ib.  391.      1317    Wickford, 
Wyckford,  Wycheford  ib.  III,  364  f. 

232.  Wigtoft,  Dorf,  3  s.  0.  von  Swineshead.  1228  Wyketoff, 
Wiketoft   Pa.  R.  206.      1316    Wyketoft,    Wiketoft  C.  C.  R. 

III,  319  ff. 

233.  The  Wykes  (Manor  House),  8  s.w.  von  Boston  (Karte). 
1241   Wikes  C.  C.  R.  1, 259. 

234.  East  Wykeham,  Farm,  7  w.  von  Louth  (Karte:  Wykeham 
Hall).  —  D.  B.  Wichä.  1252  Wykham  C.  C.  R.  I,  392. 
1303  Wykeham  F.A.  III,  158.  1316  Est  Wykham  ib.  178, 
Wikham  ib.  182.  1346  Wicham  ib.  233.  1428  Wycham 
ib.  296.    Est  Wykeham  ib.  318. 

235.  West  Wykeham,  Lines,  (nach  F.  A.)  1316  West  Wykham 
F.  A.  III,  178.     1428  West  Wykeham  ib.  318. 

236.  Wykeham,  Dorf,  31/2  n.  0.  von  Spalding. 


373 

Norfolk. 

237.  uLshwic/cen,  5  o.  von  King's  Lynn.  —  D.  B.  IVice.  1271 
La  WiJce  C.  C.  R.  11, 168.  1302  Asse  Wyki7i  F.  A.  III,  409. 
1316  Wi/Jcen  ib,  450.  1346  WykcJi  ib.  523.  1428  WyJcyii 
ib.  583. 

238.  Barivich  2  [Barriek],  Dorf,  9  n.  w.  von  Fakenham.  — 
D.  B.  Bereicica.  1195  Bcrcicic  Pi.  R.  38.  1281  Bencyk 
Pa.  R.  450.  1802  Bercmß  F.  A.  III,  410.  1316  7  Bereiriek 
F.  A.  III,  452,  369.  1346  Benäc,  BerwyJc  ib.  516,  523.  1428 
Berwyh,  Bereicyh  ib.  584  f 

239.  Rcpps-icith-BasttficJc  [Barstwick],  kleines  Dorf,  n.  w. 
von  Yarmouth.  1044  47  Bastuic  Kemble,  Cod.  785.  D.  B. 
Bastuic.  1226  Bastenic  Pa.  R.  80.  1302  Bastivych  F.  A. 
III,  437.  1316  Bastivylic)  ib.  470f.  1346  Bastivyl  ib.  519. 
1401/2  Bastemjlc  ib.  621. 

240.  Bohciclc  Hall  (Karte),  6  s.  w.  von  North  Walsbam. 

241.  Cranwieh,  Dorf  am  Wissey,  9  n.  n.  v\^.  von  Thetford.  — 
D.  B.  Craneivisse.  1302  Carnuyz  {Graneiüyz)  F.  A.  III,  426. 
1316  Cranetves  ib.  459.     1346  Craneicyz  ib.  493. 

242.  Crostwick  [Crossiek],  Dorf,  41/2  «•  o-  von  Nor  wich.  — 
D.  B.  Crostivit  1230  Crostvic  Pa.  R.  329.  1302  CrosUceyth 
C.  C.  R.  III,  33.     1316  Crosweyth  F.  A.  III,  474. 

243.  GoclicicJi,  4  n.  von  Litcham.  —  D.  B.  Gocluic.  1267  Code- 
mi-  (sie!)  C.  CR.  II,  80.  1271  G^of?es^ac7.'  ib.  168.  1308 
OodwyJc  ib.  III,  110.  1316  GodeivyJce  F.  A.  111,454.  1428 
Godivilc  ib.  610. 

244.  Guestv^iek  [Gestio],  Dorf,  5  n.  w.  von  Reepham.  —  D.  B. 
Gegestueit  (w.  s.  w.  davon  liegt  Guist,  D.  B.  Gegesete).  1253 
Geysticeyt  C. CR.  1,427.  1269  GeysUceyt  ib.  II,  123.  1302 
Gestiveyt  F.  A.  III,  413.  1303  Geistweit  C  C  R.  III,  35. 
1316  Gesttveyt  F.  A.  III,  466.     1346  Geysticeyth  ib.  536. 

245.  Hardtvick  1  [Haddick],  Dorf,  5  n.  von  Harleston.  —  D.  B. 
Herdeivic.  1166,67  ÄerfZe^ac/i' Pi.  R.  XI,  25.  1316  ifm^- 
ivylc  F.  A.  III,  477.  1346  Herdewyl  ib.  527.  1428  Hmle- 
wiJce  ib.  586. 

246.  Hardtvick  10,  Dorf,  1  s.  0.  von  King's  Lynn.  1304  Herd- 
u-yck  C  C  R.  III,  43.  1310  Herdicyck  F.  A.  III,  450.  1346 
Herdewyk  ib.  521,  Herdeivich  ib.  521.  1401/2  Hardeivyk 
ib.  613.     1428  Hardivyk  ib.  584. 


374 

247.  KcHH-ic/:  Hall,  nneli  Karte,  3  w.  von  King's  Lynn. 

248.  Kcsiricl-,  nach  Karte,  5  o.u.o.  von  North-Walsham.   1319 
KesciviJce  F.  A.  Ill,  46G. 

249.  KcsivicJc  2  [Kessick],  Dorf,  3  s.s.w.  von  Norwieb.  —  D,  B. 
Kescwic.  1226  Kesewic  Pa.  R.  78.  1302  Keswylc  F. A.  111,443. 
1316,  1346,  1401/2,  1428  Kesavyh  F.  A.  476,  532,  589,  626. 
1318  Kesewilc  C.  C.  R.  III,  403. 

250.  Nor IV ich  [Norridgel,  Stadt,  20  w.  von  Yarmoutb.  Soll  im 
6.  Jabrbnndert  gegründet  sein,  jedenfalls  sebr  alt  und  scbon 
])edeuteud  zur  Zeit  der  Angelsaebsen.  1004  Nordivic. 
1122  Korhtmc.  1130  Noruuic  Sax.  Cbron.  Zeit  Knuts: 
nordivic  Kemble,  Cod.  759,  Nordwich  ib.  947,  Northuuicha 
ib.  1328.  D.  B.  Nonvic.  12.  und  13.  Jabrbnndert  Norwic\ 
in  Personennamen  Norwiz,  Noreinjz  Pa.  R.  oft. 

251.  Oxiciclc,   Dorf,  31/2  S-  von  Falkenbam.  —   D.  B.   Ossuic, 

1316  Oxewylx  F.  A.  III,  454. 

252.  Postivick  [Possick],  Dorf,  4  0.  s.  0.  von  Norwieb.  —  D.B. 
Possuic.  1268  PassewyJc  C.  C.  R.  II,  92.  1302,  1316,  1346, 
1428  Posseivyk  F.  A.  III,  418,  472,  545,  598.  1401/02  Post- 
imß  F.  A.  III,  622. 

253.  Wattonu'icJc  (naeb  Karte),  S.-Norf.,  1  s.  von  Watton. 

254.  Westtvick  1  [Westic],  Dorf,  2^U  »•  von  N.-Walsbam.  — 
D.  B.  Wesiivic.     1316,  1346   Westwyh  F.  A.  III,  467,  484. 

1317  Weshvich  C.  C.  R.  III,  370.     1401,2    Westivyh  F.  A. 
III,  619  f.     1428   Wesüvylce  \h.mi. 

255.  Wichen  (naeb  Karte),  5  w.  von  Fakeubam,  N.-Norf. 

256.  Wich  End  in  Syderstone,  naeb  F.  A.  1302  Sidesterne 
Wyh  F.  A.  111,404,  äbnlicbe  Form  1346,  1401/2,  1428. 

257.  Wichhampton,  8  w.  s.  w.  von  Yarmoutb.  —  D.B.  Wich- 
hamtun.  1302,  1316  Wychampton  F.  A.  III,  437,  472.  1346 
Wihamxiton  ib.  519.     1428  Wijhhampton  ib.  579. 

258.  Wichmere,  Dorf,  9  w.  n.  w.  von  N.-Walsbam.  —  D.  B. 
Wicmara.  1302,  1303  Wyhemere  F.  A.  111,389,  C.  C.  R. 
III,  38.  1316  Wihemere  F.  A.  III,  462.  1346,  1428  Wyhe- 
mere F.  A.  III,  485,  554.     1401  02   Wyhmere  ib.  616f. 

259.  Wig genhall,  5  s.  von  King's  Lynn.  1270  Wigenhal  C.C.R. 
II,  155. 

260.  Witebingbam,  Great  und  Witcbingbam,  Little,  10  n.w. 
von  Norwieb.   —   D.  B.    Wittcinyeham.     1196   ivichig'ha' 


375 

Pi.  R.  207.     11.  Jahrli.   Wichingham ,    Wychynqham   F.  A., 
C.  C.  K. 
201.   Woodbasf  irick  [Wood-bas-tie],  Dorf,  8  n.  o.  von  Norwicli. 

—  D.  B.  Bastuic.     1253   Wodbast(cyk  C.  CK.  1,431. 

Suffolk. 

262.  Beiviclc  Farm  (nach  Karte),  N.-Suflf.,  2  w.s.  w.  von  Beceles. 

263.  Brunsivicli  Farm,  5  n.  n.  w.  von  Wiekbam  Market  (nach 
Karte). 

264.  Dun  wich,   Dorf  an  der  Küste,  4'/.2  s.  w.  von  Soutlnvold. 

—  Komisch  SUomagus.  Um  730,  Beda:  Dommoc.  890 
Dommocccaster,  Alfr.  the  Great,  Sax.  Chr. :  Domuc  (nach 
Ingram  a.  a.  0.).     1200  Gervasius  Domoc.    D.  B.  Daneivic. 

12.  Jahrh.  Dunewic,  einmal  Duncivich  Pi.  K.  13.  Jahrh. 
Dune  wie,  Donewyc,  Dunwych,  Donewich  Pa.  R.,  C.  C.  R. 

265.  IIa rd  wich  3,  Dorf,  1  s.  s.  w.  von  Biiry  St.  Edmunds. 

266.  Ipswich  [Ips-ich,  Ipswieh],  Stadt,  Hafen!  17  n.  o.  von 
Colehester.  —  951  Gypeswich  Gart.  Sax.  III,  210.  991 
Gipeswic,   Oypeswic   Sax.  Chr.     D.  B.  "^epeswiz,     12.  und 

13.  Jahrh.  Gipesivic,  Gipeswich,  Gypetvic,  Gipeivych  oft. 

267.  ira^&ers^cicÄ-,  Dorf,  1  s.  von  Southwold.  1281  Walherdcs- 
wik  Pa.  K.  470.  1319  Walberdeswike  C.  C.  R.  III,  413.  1326 
WalberdesivyJcc  ib.  483. 

268.  Wick  by  Ipswieh  (nachPa.R.).  1230  Wyke  Pa.  R.  403. 
1241  Wikes  under  Gippeswic  C.  C.  R.  I,  259.  1262  Wykes 
under  Ipswieh  ib.  II,  42,  44. 

269.  Wicks^s  Green  (nach  Karte),  4  n.  von  Needham  Market. 

270.  Wieken  Hall,  auf  Karte  Wyken  Hall  und  Wyken  Lodge, 
zwischen  Bardwell  und  Ixworth.  —  D.  B.  Wieam.  1168  9 
Wicha  Pi.  R.  XII,  24.  1263  WiJces  C.  C.  R.  II,  47.  1346 
Wikes  RA.  IV,  71. 

271.  Wickhambrook,  Dorf,  10  n.  o.  von  Haverhill.  —  D.  B. 
Wicham.  1172/3  Wieham  (?)  Pi.  R.  118.  1314,  1321  Wyk- 
hambrok  C.  C.  R.  III,  235,  437.  1316  Wickhambroke  F.  A. 
IV,  45.     1346.  1401/2   Wykhambrok  ib.  75,  99. 

272.  Wickham  Market,  Stadt,  5  n.  von  Woodbridge.  —  D.  B. 
Wikham.  1253  Wykham  C.  CR.  1,418.  1304  Wieham 
CCR.  III,  41.     1316,  1346  Wikham  F.  A.  V,  42,  91. 


376 

273.  Wicl-ham  SJccith,  Dorf,  5  s.w.  von  Eye.  —  1253  Wuchern 
C.  C.  R.  I,  424.     1316  WycJMm  F.  A.  V,  34. 

274.  Bishops  Wicl-s,  nach  Pa.  K.  —  1277   WiJces  Pa.  R.  245. 
1191  conuentu  de  Wilccs  Pi.  R.  8. 

Essex. 

275.  Ärdlcigh  Wich  (Karte),  1  w.  von  Ardleigb,  5  n.  o.  von 
Colchester. 

276.  Barwich  Hall,  Karte:  Berwich  Berners  Hall,  8  s.  w.  von 
Dunmow.  —  1303,  1346  Berewyh  F.  A.  II,  152, 174. 

277.  Bertvich  Place  (Karte),  3'/2  s- w.  von  Witbam. 

278.  Berwich  3  (Karte  Berwich  House),  4  s.  s.  o.  von  Romford. 

279.  Berwich  (Karte),   7  n.  von  Romford. 

280.  Berwich  in  To2^pesfield  (nach  F.  A.).  —  1428  Berewyh 
F.  A.  II,  230. 

281.  Braisivich  House  (Karte),  2  n.  von  Colchester. 

282.  Bridgeivich  (Karte),  O.-Essex,  4  w.  von  Soutbmiuster. 

283.  Burnham  Wich  (Karte),  O.-Essex,  1  o.  von  Burnham. 

284.  Clacton  Wich,  O.-Essex,  lV-2  s-  von  Great  Clacton. 

285.  Crustwich,  O.-Essex,  in  Little  Clacton. —  1316  Crustwich 
C.  C.  R.  III,  307. 

286.  Buwmow  Wich  (Kaite),  O.-Essex,  1  n.  o.  von  Burnbam. 

287.  Eastwich  (Karte),  O.-Essex,  4  s.  o.  von  Soutbminster. 

288.  Eastwich  (Karte),  O.-Essex,  1  s.  o.  von  Foulness.  Inder 
Nähe  Eastwich  Head. 

289.  Froivich  (Karte),  O.-Essex,  3  n.  o.  von  Brigbtliugsea.  — 
1316  Frothewich  C.  C.  R.  III,  307. 

290.  Furtherivich,  S.- O.-Essex,   5  vf.  von  Soutbend. 

291.  Harivich  [Harridge],  Hafenstadt,  18  u.n.o.  von  Colchester. 
—  1229  Herdwic  Pa.  R.  241.  1253  Heretvyh  C.  C.  R.  I,  433. 
1275  de  Erewico  Pa.  R.  95.    1319  Harwich  C.  C.  R.  III,  414. 

292.  Hatfield  Wich  (Karte),  1  n.  von  Hatfield  Peverel,  2V2  S-w. 
von  Witham. 

293.  lay  Wich  (Karte),  3  s.  0.  von  St.  Osyth. 

294.  Knightstvich  (Karte),  5'/2  w.  von  Soutbend. 

295.  Land  wich  (Karte),  O.-Essex,  2  n.  0.  von  Soutbmiuster. 

296.  Land  Wich  (Karte),  O.-Essex,  6  0.  von  Soutbend. 

297.  Lee  Wich  (Karte),  N.-O.- Essex,  2  s.  w.  von  St.  Osyth. 

298.  Loiver  Wich  (Karte),  N.-O.-Essex,  2  s.w.  von  Harwich. 


377 

209.  Mahl 071    Wich  (Karte),  1  s.  w.  von  Maltlon. 

300.  Middicwick  (Karte),   O.-Essex,    4  w.  von  Sdiitliminstor. 

301.  Monl-wick  (Karte),  2  s.  von  Colchester. 

302.  Äfo7iJiSwick  (Karte),  S.-O.-Essex,  7  vv.  von  Southend. 

303.  Nase  Wick  (Karte),  O.-Essex,  31/2  s.  0.  von  Burnham. 

304.  New  Wich  (Karte),  O.-Essex,  41/2  s.  0.  von  Burnham. 

305.  Northivick  (Karte),  S.-O.-Essex,  8  w.  von  Soutbend. 

306.  North   Wick    (Karte),    O.-Essex,    1  0.  von  Southininster. 

307.  Pattiswick,  Dorf,  4  0.  von  Braintree.  —  124(3  Patcsivyck 
C.  C.  R.  T,  292.     1265  Pateswyk  ib.  IL  55. 

308.  Ramsey    Wick  (Karte),  O.-Essex,  4  n.  von  Soutbminster. 

309.  Steeple   Wick  (Karte),  O.-Essex,  3  n.  von  Soutbminster. 

310.  St.  Osyth  Wick  (Karte),  41/2  n.  0.  von  Brig-btlingsea. 

311.  Tolleshury  Wick  Marslies  (Karte),  1  0.  von  Tolleshury. 

312.  Ulting  Wick  (Karte),  1/2  s.  von  Ulting-,  3  n.w.  von  Maldon. 

313.  Gt  Wakering  Wick  (Karte),  1  0.  von  G^Wakering,  6  0. 
von  Soutbend. 

314.  Warivicks  (Karte),  7  s.  s.  w.  von  Great  Dunniow. 

315.  Weatherwick  (Karte),   2  s.  0.  von  Bradwell  super  Marc. 

316.  Well   Wick,  N.-O.-Essex,  1  u.  0.  von  St.  Osyth. 

317.  Westivick,  S.-O.-Essex,  8  w.  von  Soutbend. 

318.  Westivick  (Karte),  1  w.  von  Bradwell  super  Mare. 

319.  Westivick  (Karte),  4  n.  n.  0.  von  Soutbminster. 

320.  West  Wick  (Karte),  2  s.  0.  von  Soutbminster. 

321.  West  Wick  (Karte),  6^/2  s.  von  Maldon. 

322.  Wicken  Bonhunt,  Dorf,  5  s.  \v.  von  SaftVon  Waiden. 
—  D.  B.  Wicam. 

323.  Wickford,  Dorf,  51/2  0.  von  Billericay.  —  991  Wieford 
(Aneient  Charters).  D.B.  Wiefort.  1227/8  Wycford  Q.Q.U. 
1,12,82.  1303  Wycford¥.k.l\,\?,^.  1428  TFz/Ä/onZ  ib.217. 

324.  Wickham  Bishops,  Dorf,  3  n.  von  Maldon,  In  der  Nähe 
Wickham  Place  und  Wickham  Hall.  Zeit  ^tbelstans: 
Picham  Gart.  Sax.  II,  451.  D.  B.  Wicham.  1221,  1303 
Wycham  Pa.  R.  280,  F.  A.  II,  131.  1321  Wykham  C.  C.  R. 
III,  435.  1346  Wijham  F.  A.  II,  157.  1418  Wykeham  ib.  189. 
Wykham  ib.  204. 

325.  Wickham  St.  Paul,  Dorf,  5  n.  von  Halstead.  —  D.B. 
Wicam  (y).  1316  Wykain  C.  C.  R.  III,  305.  1428  Wykham 
Sancti  Pauli  F.  A.  II,  201. 


"18 


ö<i 


326.  WicJiS  (Karte  Wix),  4  w.  s.  w.  von  Harwich.  —  D.  B. 
Wica.  1196  Wila  Pi.  R.  181.  1281, 1301, 1303, 1346, 1428 
Wykes  C.  C.  R.  II,  253,  III,  22 ;  F.  A.  II,  129, 154, 190. 

327.  Great  Wighorough  und  Little  Wighorough,  8  s.  von 
Colchester.  —  1303  Wyghenve  F.  A.  II,  132.  1346  Wygge- 
berice  ib.  158.  1428  Wtßeherice  ib.  183,  189,  Wyghorive 
ib.  228. 

328.  Gt  Wighorough  Wich  (Karte),  1  s.  von  St.  Osyth. 

329.  Wiggens  Green  (Karte),  3  s.  von  Haverhill. 

330.  Writtle  Wich  (Karte),  1  n.  von  Writtle, 

Cambridgesbire 
(vgl.  Skeat,  The  Place-Xamcs  of  Cambridgeshirc,  p.  24,  28). 

331.  Benn-ich,  Dorf,  6  s.w.  von  March  {^=  village  of Bcnna). 

332.  ChisivicJv  End  (Karte),  3  n.  n.  o.  von  Reyston. 

333.  Hardivicli  4,  Dorf,  4  o.  von  Caxton.  —  Zeit  Edw.  des 
Bek.  Hardwic  Kemble,  Cod.  907.  1167/68  Hcrdwic,  Herd- 
u-ich  Pi.  R.  108.  1171/2  Herdwich  Pi.  R.  117.  1251  Herdc- 
ivyl  C.  C.  R.  I,  367.  1316  Herdmße  F.  A.  I,  157  (ae. 
Heorde-wlc). 

334.  WesUvicJc  4,  Dorf,  1/2  »•  0.  von  Oakington.  —  1284/86 
M^sticiJce  F.  A.  1, 137.  1302/03, 1316, 1346  WesticyJce  ib.  148, 
153, 167.     Westwike  ib.  187. 

335.  Wickeji  1,  Dorf,  8  n.  w.  von  Newmarket.  —  1284/86, 
1302/03, 1316, 1346  WyJces  F.  A.  1, 136, 142, 156, 159  (Wykes 
ist  me.  Plural  von  uijk,  ae.  wtc  „village";  Wicken  ist  der 
alte  Dativ  tclcuni.  Palatalisierung  konnte  hier  nicht  ein- 
treten.   Skeat). 

336.  Wickham,  West,  2,  Dorf,  10  s.  von  Newmarket.  —  970, 
974  on  Pichamme  Cart.  Sax.  III,  563,  628.  1284/86,  1302/03 

Wycham  F.  A.  1,139, 145.    1316,  1346  Wykham  ib.  155, 163. 
1428  Wikham  ib.  182. 

337.  Witcham,  Dorf,  6  w.  von  Ely.  —  1302'03  Wychham  F.  A. 
1, 151.  1346  Wicham  ib.  173  (nach  Skeat  liegt  ae.  Wican, 
gen.  zu  Wica,  das  in  verschiedenen  Zusammensetzungen 
vorkommt,   zu  Grunde.     Dasselbe  wohl  in  338  der  Fall). 

338.  Witchford,  Dorf,  21/2  s.  w.  von  Ely.  —  1277  Wychinford  (?) 
Pa.  R.  215.     1314  Wicheford  C.  C.  R.  III,  244. 


370 

339.  Brihthdmcicic,  ne.  nicht  belegt.  —  1166,G7  Ti.  K.  XI,  167. 

340.  Tidhritivic.  —  1314,  C.  C.  K.  III,  245. 

H  u  n  t  i  n  g  d  0  n  8  h  i  r  e. 

341.  Uardivick  li),  Dorf,  1/4  n.  von  Biickden. 

342.  Eyncshury  HardwicJc  (nach  F.  A.  und  Karte),  2  w,  von 
Abbotsley. 

343.  Monlis  llardwicl-,  21/2  n.  0.  von  St.  Neots. 

344.  Hardwicke  (Karte),  3  n.  0.  von  Great  Gransden. 

345.  Ilardu'icJiS  (Karte),  4  w.  von  Kimbolton. 

346.  Spaldicick,  Dorf,  7  w.  von  lluntingdon.  —  Zeit  Edw.  I 
Spaldicic  Kemble,  Cod.  907.  D.  B.  Spalduic,  Spalvice. 
1162/3  Spalde/cic  PI,  11.  64.  1166 — 69  Spaldeivic,  Spalde- 
wich  Pi.  R.  1227  Spaldeicich  C.  C.  R.  I,  42.  1229  Spalde- 
iric  ib.  105.  1285  Spaldeivyk,  Spaldeivik  F.  A.  II,  467  f. 
1316  Spaldivycke  ib.  471. 

347.  Winwick  3,  Dorf,  7  s.o.  von  Oundle. —  1227  Wynewinche 
C.  C.  R.  1,21.  1285  Wincwik  F.  A.  11,467.  1303,  1316 
Wyneivyk{c)  ib.  470,  472.     1428  Wyn{c)wyk  ib.  474,  481. 

Northamptonshire. 

348.  Ast IV ick  2,  Dorf,  3  s.  w.  von  Brackley.  —  1316  Adwyk 
F.  A.  III,  19.    1346  Aüwike  ib.  446.    1428  Asteivyk  ib.  41. 

349.  Blathcrivick,  auf  Karte:  Blathcrwycke,  6  n.  w.  von 
Onndle.  —  D.  B.  Blarewiclie,  Blatherwyk.  1166/67  Blarc- 
wic  Pi.  R.  XI,  117.  1227  Blatherwic  C.  C.  R.  I,  11,  65. 
1285  Blatherwyke  F.  A.  111,15.  1303,  1316  Blatherwyk 
C.  C.  R.  III,  37,  F.  A.  III,  25.  1324  Blaretvyk  C.  C.  R. 
III,  464.     1346  Blathewicke  F.  A.  III,  447. 

350.  Buhviek,  7  n.  w.  von  Oundle.  —  D.  B.  Bolewyk.  1662/3 
Bule^üic  Pi.  R.  37.  1166/7  Buleivich  Pi.  R.  XI,  117..  1167/8 
Buleivic  Pi.  R.  25.  1226  Bulewic  Pa.  R.  63,  84.  1285  Bolc- 
wike  F.  A.  111,18.  1293  Bolewyk  C.  C.  R.  II,  432.  1301 
Buleivik  C.  C.  R.  III,  21.     1316  Bolewyk  F.  A.  III,  25. 

351.  Hardivick  2,  Dorf,  3  n.  w.  von  Wellingborough.  —  um 
1066  Heordewic,  Kemble,  Cod.  953.  D.  B.  Herdewiche, 
Hardeniche,  Herdivyk.  1166/67  Herdewich  {CJi.  Herde- 
wic)  Pi.  R.  123.  1285  Herdeivike  F.  A.  III,  17.  1316  Herd- 
ivyk ib.  27.     1428  Hardewik  ib.  52. 


380 

352.  Low  ich  1,  Dorf,  2  n.  w.  von  Thrapston.  —  D.  B.  Liihwic, 
Ludowic,  Lofwyc.  11G6;67  Luffcwkh  Pi.  R.  119.  1284 
LouwyTce,  LowyJc,  LomviJce  F.  A.  111,13.  1316  Luff'eivyk 
ib.  29. 

353.  SouthwicJc  3,  Dorf,  3  n.  w.  von  Oundle.  —  D.  B.  Sothe- 
wyTc.  1275  Sotlicwß  C.  C.  R.  11,  189.  1316  Suthinße 
F.  A.  III,  23.    1346  SuthwiJc  ib.  447.    1428  Suthnnß  ib.  46. 

354.  Stanwick  2,  Dorf,  1'  o  n.  o.  von  Higliam  Ferrere.  — 
D.  B.  Stanwige,  Stancivigge.  1137  Stancicig  Sax.  Cbr. 
1227  Stamvigg,  Stammjgg  C.  C.  R.  1, 19,  60.  1248,  1284 
Stanewigg{e)  ib.  332.  F.  A.  III,  14.  1302/03,  1346  Stan- 
ivyggie)  F.  A.  I,  9,  25.  1316  Stanewic  F.  A.  III,  29.  1428 
Stamvigge,  Stanewyggc  ib.  48,  51. 

355.  Weekleg,  Dorf,  2  n.  o.  von  Kettering.  —  D.  B.  Wiclei. 
1218  Widegh  Pa.  R.  168. 

356.  Wichen  2,  Dorf,  31/2  w.  von  Stony  Stratford.  —  D.  B. 
WicM.  1166/7  Wiclia  Pi.  R.  122.  1169/70  WicMm  ib.  19. 
1267  Wiha  C.  C.  R.  II,  69.  1284  Wile  (part  of  WicUn) 
F.  A.  III,  5.  Wihe  Hamuncl  (part  of  Wichen)  ib.  1307 
Wyhehamond  C.  C.  R.  III,  108.  1316  Wehedyve  F.  A.  III,  22. 
Wyhehamond  ib.  1346  Wyhehamond  ib.  446.  1428  Wihe- 
dyve,  Wyhehamunde,  ib.  43. 

357.  Wi7Uüich  2,  kl.  Dorf,  9  n.  0.  von  Daventry.  —  1043 
Winewican  Kemble,  Cod.  916.  um  1050  Wynwyhe  ib.  939. 
D.  B.  Winewiche,  Wineuuiche,  Winewic,  Winewinche,  Wyfie- 
wyh.  1235  Witiewich  C.  C.  R.  I,  206f.  1267  Wilcivihe 
ib.  II,  70.  1284  Winwih  F.  A.  IV,  441.  1316  Weimvyh 
ib.  24.  1346  Wimvih  ib.  445.  1428  Wyncivyh,  Weneivyg 
ib.  48,  51. 

358.  Hardivich  12.    N.  0.  Rutlandshire,  5  n.  w.  von  Stamford. 

Leicestershire. 

359.  Whitivich  [Whittich],  13  n.  w.  von  Leicester.  —  D.  B. 
Witeivic.  1292  Whitewyh  C.  C.  R.  II,  429.  1318  Witeivich 
ib.  III,  380.     1428  Wyteivyh  F.  A.  III,  114. 

360.  a)  Wigston  Magna,  4  s.  von  Leicester. 

b)  Wigsto7i  Parva,  3  n.  w.  von  Ullethorpe. 

e)  Wigston,  South,  4  s.  von  Leicester.  —  D.  B.  Wichinge- 


381 

stoiie  (a,  c),  Wicesta7i  (b),  122,1  Wijgycstanam  C.  C.  R. 
1,15.  131G  ]Vmchiiigcsto)i,  Wychingeston  ib.  III,  31Gf., 
318. 

361.  Wycomhe,  nacb  F.  A.  —  131G  Wicham. 

362.  Wylin,  21/2  "•  w.  von  Ilinckley.  —  1316  Wißijn  F.  A. 
V,  184. 

Warwickshire. 

363.  Birmingbani  (?)  =  BromwicbbamV  —  D.  B.  Bcrmingehä. 
1166/71  Brcmingcha,  Brimingcham  Pi.  K.  1232  —  47 
Birmingcham,  Burmingcham,  Bermincham  Pa.  II.  1265,  83 
Bermingham  C.  C.  R.  II,  58,  264,  1316  Birmyngham  F.  A. 
V,  180.     1428  Byrmyngliam  ib.  V,  191. 

364.  Brotmvich,  Little,  iiabe  Birniinghaiu.  1286  Broynwych 
C.  C.  R.  II,  329.     1428  Bromivtjche  F.  A.  V,  190. 

365.  Castle  Bromwich,  4  n.  0.  von  Birmingbam. 

366.  ChadivicJc  End,  Dorf,  7  n.  w.  von  Warwiek. 

367.  Chesivich  near  Jamworth,  nacb  C.  C.  R.  1301  Cheseivyh 
C.  C.  R.  III,  1. 

368.  Kytes  Hardivich,  5  s.  w.  von  Rugby. 

369.  Priors  Hardwick,  Dorf,  6  p.  s.  0.  von  Soutbam.  —  1043 
Herdeivic,  Herdetvyh  Kemble,  Cod.  916.  Zt.  Edvv.  I, 
Herdivihe  ib.  939.  D.  B.  Herdeiviche.  1257  Herdeivyhe 
C.  C.  R.  1, 472. 

370.  KnightivicTc,  Dorf,  7V2  w.  von  Worcester.  1428  Knyght- 
ivyh  F.  A.  V,  313. 

371.  Wartvich  1  [Warrik],  Stadt  und  Scblofs,  Wyrengeuiße 
Beda  um  730;  914  oder  915  Wcerincwic,  W(Bringivic. 
Sax.  Cbr.  1001  Wcerinc  wicu  Anc.  Chart.  1062  Wterinc 
ivic  scir  Anc.  Chart.  D.  B.  Warwic,  Warwyh.  1166/67 
Warivich,  Wareivichscr\  Waretvicscr  Pi.  R.  XI,  159.  1168/69 
Wareivic'  Pi.  R.  1180/81  Waretvie'  Pi.  R.  X,  80.  1272/81 
Warivich,  in  Personennamen  Wareivih  Pa.  R.  1257 — 1300 
Wareivyc,  Warretvil;  Warivik  C.  C.  R.  22  und  oft. 

372.  Whichford,  Dorf,  6  s.  0.  von  Sbipston-on-Stour.  —  D.  B. 
Wieford.  1253  Wycheford  C.  C.  R.  1,431.  1281  Wicche- 
ford  Pa.  R.  444.     1316  Wiclieford  F.  A.  V,  174. 

373.  Wyhen,  3  n.  0.  von  Coventry.  Hoies  de  Wicliä  (Wicham) 
Pi.  R.  27  (?).     1257  Wyhe  C.  C.  R.  1, 461. 


382 

Worcestershire. 

374.  Baswiclc  (Karte),  Dorf,  1  s.  von  Evesham. 

375.  Biiddiji gleich';!,  nach  Kemble,  Cod.,  am  Severn.  816  to 
budding  }ncan  Cart.  Sax.  I,  496. 

376.  ChadtvicJc  3,  Dorf,  1  s.  w.  von  Hartlebury.  —  D.  B. 
Celdvic.  1196  Chadelewic  Pi.  R.  170.  1232  Chadehvic 
C.  C.  R.  1, 172  (nach  Duignan  =  Ceadiveallan  -\-  ivic-  =  ne. 
Ceadtvealla' s  village). 

^77.  ChadwicTc  3,  auf  Karte  Chadwick  Orange  und  Chadivicli 
Manor,  3  n.  von  Bromsgrove  (Erklärung  vgl.  376). 

378.  Droit IV ich,  Stadt,  7  n.  o.  von  Woreester.  —  716/17  Salt- 
wich Cart.  Sax.  I.  873/99  Saltivic  Kemble  1075.  888 
Saltivic  Kemble  1068.  961/70  at  [ncan  Cart.  Sax.  III,  386. 
1017  seaUvic  Kemble  1313.  1049  Wie  Sax.  Chr.  D.  B. 
Wich.  1162/63  Wich'  Pi.  R.  4.  1196  Wihe  Pi.  R.  170. 
1236  Wych  C.  C.  R.  I,  218.  1257—1300  Wie,  Wich,  Wichium, 
Wikc,  Wych  ib.  II  oft.  1273  Droitivich  Pa.  R.  27.  1319 
Wychium  C.  C.  R.  III,  416.  1428  Wiche,  Wychc,  Wytton, 
Witto7i  F.  A.  315  (Erklärung  siehe  Duignan,  Wores.  PL  N. 
p.  53  f.). 

379.  Ducksivich  (Karte),  2  w.  von  Upton-upou-Severn. 

380.  Hardwick  16,  Karte:  Bredon's  Hardivick,  2  n.  o.  von 
Tewkesbury.  —  1212  Herdeivyk  cf.  Vict.  Hist.  Worcs  p.  322. 
note  b.     1319  Ilerdeivijk  C.  C.  R.  III,  415. 

381.  Hardivick  Green  in  Eldersfield  (Karte),  5  w.  von  Tewkes- 
bury (vgl.  Duignan). 

382.  Henwick  1,  Vorstadt  von  Woreester  (nach  Duignan 
=  ae.  mt  Hean  +  wie,  high  village). 

383.  Hida  ding  pic  (?),  belegt  904  Cart.  Sax.  II,  266  nahe 
Woreester. 

384.  Hollickstone,  709  Halwichestan  und  Aliviehestan  Cart. 
Sax.  1, 148. 

385.  Kensivick,  4'/2  n.  w.  von  Woreester.  —  D.  B.  Checinwiche. 
1346  Kekyngtvyk  F.  A.  V,  307.  1428,  1431  Kekymvych 
ib.  319,  332  (nach  Duignan  =  Cyginyes  +  wie,  Cyging's 
village,  verglichen  mit  174). 

386.  Knightivick  (nach  Cart.  Sax.  und  Karte),  7^2  w.  von 
Woreester.  —   964   Cnihtapice  Cart.  Sax.  III,  379.     1023 


383 

Ciiihtewiccüi    Kemble,   Cod.  738    (Diiignan:    the  servant's 
village). 

387.  Lencluvich,  2i/.)  n.  von  Eveshani.  —  709  Lenchivic  Cart. 
Sax.  1, 183.  D.  B.  Lencheivic  (=  Lench  village,  da  in  der 
Nähe  Lench). 

388.  Ludwidge  (?),  nach  Kemble,  Cod.  —  716/7  LooUcic  Cart. 
Sax.  I,  202.     Kemble,  Cod. 

389.  Middel  pic,  belegt  972,  nach  Cart.  Sax.  =  MiddleivicTc  in 
Wores.,  vgl,  dazu  Beleg  395. 

390.  Northu'ick  4,  2V-2  n.  w.  von  Moreton-in-tbe  Marsb.  — 
1346  NonvyJc  F.  A,  V,  310  (wie  391  =  North  village, 
Duiguan). 

391.  Northiüich  5,  Dorf,  1  s.w.  von  Claiues-Nortb.  —  964  (?) 
Noräivica  Cart.  Sax.  377.  D.  B,  Noriviche.  1108/18  Northe- 
wiJce.  Survey  of  tbe  Ilundred  of  Oswaldslow,  ed.  Hearne, 
1255  Norinjh  C.  C.  R.  I,  443.  1346,  1428  Norivylc-juxta- 
Wigorniam  F.  A.  V,  306,  312.     1428  Northivyh  ib.  318. 

392.  Foiviclc  (Karte),  3  s.  von  Worcester.  —  972  Poincguuic 
Anc.  Chart.  1249  Poytvick  C.  C.  R.  I,  341,  1300  Fmvyk 
C.  C.  R.  II,  489.  1346,  1428,  1431  Poijivyh  F.  A.  V,  305,  314, 
327  (bei  Duignan  nicht  erklärt.   Die  Endung  gleich  village). 

393.  Bushivich  (Karte),  2  s,  w,  von  Worcester. 

394.  LotverWich,  Upper  Wich,  2  s.  bezw.  s.w.  von  Worcester 
(nach  Karte),  vgl.  Beleg  395, 

395.  Loiver  Wyche,  Upper  Wyche,  1  s.  von  Great  Malvern, 
letzteres  schon  in  Ilerefordshire.  Zwischen  beiden  liegt 
Spa.  Ob  wir  es  in  Upper  Wyche  mit  dem  im  Cart.  Sax, 
und  bei  Kemble  962  belegten  Uppic  (Cart,  Sax,  III,  318) 
zu  tun  haben,  ist  schwer  zu  entscheiden;  ob  ferner  Upper 
Wyche  und  Loiver  Wyche  identisch  sind  mit  dem  bei 
Habingdon,  Survey  II,  296  (cf.  Vict.  Hist.  Wores.  I,  287a, 
Anm.)  belegten  Upivich  und  Neather  Wich,  ist  auch  nicht 
mit  Sicherheit  zu  sagen.  Im  letzteren  Falle  würde  das 
heutige  Sjya  vielleicht  das  ebenfalls  bei  Habingdon  genannte 
Middlewich  (vgl.  Beleg  389)  sein. 

396.  Wichen  ford,  6  n.  w.  von  Worcester.  —  817  picforda 
Cart.  Sax.  I,  502.  1346  Wychenford  F.  A,  V,  308.  1428 
Wichynford,  Wycheneford  ib.  319,  313  (nach  Duiguan  =  The 
ford  of  Witchelmsf). 


384 

397.  Wich  1,  Dorf,  '  o  o.  von  Persbore.  —  D.  B.  Wiche,  ferner 
Wicha  als  hereicich  von  St.  Mary  of  Persore  (uacli  Duignan 
=  ae.  unc,  village). 

398.  Wich  Episcojji  (Karte),  11/.2  s,  w.  von  Woreester.  1255 
Wiße  C.  C.  R.  I,  443.    ?  972  Ähhandunas  ivica  Anc.  Chart. 

399.  Wickhamford,  3  s.  o.  von  Evesbam.  —  972  Uuiguenna 
Ane.  Chart.  D.  B.  Wiqucne.  1251  irfMmwz  C.  C.  Pt.  1, 364. 
1428  Wyleu-one  F.  A.  V,  317  (hier  liegt  wohl  ae.  oder 
an.  ivic,  vtc  nicht  zu  Grunde,  vgl.  Beleg  428). 

400.  Willingwiclc,  ne.  nicht  belegt,  in  Bromsgrove.  —  D.  B. 
WilUngewic.  1196  WeUngeivic  Pi.  R.  170.  1346  Wyling- 
ivyl- F.  A.Y,  303.  1428  WyUiiesu-yJc  ih.  324:.  1431  Wyllyns- 
u-ych  ib.  330  (nach  Duignan  =  the  village  of  the  Willings 
or  sons  of  Willa). 

401.  Wychbold,  Dorf,  2  n.  o.  von  Droit  wich.  —  692  Uuicbold 
Cart.  Sax.  1, 112.  831  Wicbold  Anc.  Chart,  und  Cart.  Sax. 
1,  557.  D.  B.  Wicelhold  (26  salt  pans  erwähnt).  1266 
Wyceband  C.  C.  R.  II,  62.  1346,  1428  Wychehaiid  F.  A. 
V,  302,  323.  1431  Wychehailde  ib.  330  (nach  Duignan 
=  the  palace  at  or  near  Wich  [Droiüvich]). 

402.  Wychbury  Hill  (Karte),  3  s.o.  von  Stourbridge,  darauf 
ein  „Camp"  (prähistorisches  Lager!). 

Herefordshire. 

403.  HardwicJce  3,  Dorf,  21/2  n.  0.  von  Hay, 

404.  SheUvich,  Dorf,  1  n.  0.  von  Holmer,  2  n.  von  Hereford. 
—  D.B.  Scehviche.  1241  SheUivich  C.  CR.  1,261.  1316 
Shehvyl  F.  A.  II,  385. 

405.  UllingsivicTc,  Dorf,  9  n.  u.  0.  von  Hereford.  —  D.  B. 
Ullingivic.  ca.  1127  olingeiviche'  Pi.  R.  X,  20.  1303  üllyng- 
uyg  F.  A.  II,  378.  1316,  1346,  1428  UUyngwyJc  ib.  390, 
394,  408.     1428  OUyngivylce  ib.  401. 

406.  Whitivich  (Karte),  6V2  n-  O-  von  Hereford.  —  D.B.  Wite- 
tviche.  1303  Witeivyl  F.  A.  II,  379  1346,  1428,  1431 
Whitewyk  ib.  395,  411,  421. 

Aum.:  Wigmore  gehört  wohl  nicht  hierher.    D.B.  Wige»iore,  13.  Jh. 
Wiggemora,  Wyggtmore. 


385 

Monmoiithshire. 

407.  Hardivich  9,  1  s.  von  Cbepstow. 

408.  Harihvick  18,  1  o.  von  Abergavenny. 

409.  HotvicJc  3,  2\l.2  n.  w.  von  Chepstow. 

410.  Eedivicl-,  7  w.  von  Newport.  —  1290  Redcivic  C.  C.  R. 
II,  301.     40.  J.  Edw.  III.  Rodeivyl  F.  A.  II,  291. 

Gloucestershire. 

411.  AshwicJce  Parh  (Karte),  1  s.  von  Marshfield. 

412.  Berivick  Lodge  (Karte),  6V2  n.  n.  w.  von  Bristol. 

413.  Oatwich  (Karte),  2  s.  von  Grange  Court  Station. 

414.  HardtvicJce  2,  Dorf,  4  s.  s.  w.  von  Glouccster. 

415.  Ilardiviclce  4,  Dorf,  3  s.  von  Tewkesbury.  —  D.  B. 
Herdcuuic.     1316  HardivtJie  F.  A.  II,  266. 

416.  HinchicieJc   und    Old  HinchivicTx,   1   n.  von  Condieote. 

417.  MalsivicJi,  Dorf,  1  0.  von  Newent. 

418.  Northivich  1,  5  s.  w.  von  Tiiornbnry. 

419.  Painswicl',  6  s.o.  von  Gloucester. —  1284  5  Paijndesivike 
F.  A.  II,  236.  1303  Paynesmße  ib.  251,  258.  1316  Paynes- 
wicle  ib.  276.  1321  Paynesivyk  C.  C.  R.  III,  435.  1346, 
1402  Paynesicyli{e)  F.  A.  II,  286,  300. 

420.  Bandwiclc,  8  s.  von  Gloucester. 

421.  PedwicJc,  10  n.  w.  von  Bristol.  —  1316  Eadeivik  F.  A. 
11,276. 

422.  Southivick  6,  I1/2  s.  von  Tewkesbury.  —  D.  B.  Sud- 
wicha'  (??). 

423.  Stotvicl  in  Henbury  (nach  F.  A.).  —  1303  Wyke  F.  A. 
II,  253.     1316  Stokeivyke  ib.  276.     1346  Wik  ib.  289. 

424.  Wick  2,  Dorf,  7  0.  von  Bristol.  —  1137/8  Wicha  Fi.  R. 
X,36.  1168/9  ^Yiclla,  iriAft  Pi.  R.  118.  1253  Wyk  C.  C.  R. 
I,  428. 

425.  Wick  5,  Dorf  (auf  Karte  Loiver  und  Upper  Wick),  2  s.  0. 
von  Berkeley. 

426.  Wick  Rissijigton,  Dorf,  3  s.  von  Stow-on-the-Wold. 
—  1269  Risingdon  Wyk  C.  C.  R.  II,  123.  1303  Wyke 
Rysyndon  F.  A.  11,252.  1316  Wyke  ib.  274.  1346  Wik 
et  Risindon  ib.  287. 

427.  Cerney  Wick,  2  ^.  0.  von  South  Cerney. 

Studien  z.  engl.  Phil.     L.  25 


386 

428.  Childs  Wickh am,  4  s.  o.  von  Evesbam.  —  706  Childes- 
imimuon  Cart.  Sax.  I,  173.  D.  B.  Wiclia'.  1316  Wylcle- 
wane  F.  A.  IT,  267.  1346  WyJcenwie  ib.  292  (vgl.  Beleg  399. 
Es  liegt  bier  kaum  ae.  wie  oder  an.  vic  zu  Grunde). 

429.  Wickwai-,  4  u.  von  Chippiug  Sodbury.  —  1285  Warre 
ir^/Äe  C.  C.  R.  II,  282.  1284/5  H>/.-  F.  A.  II,  243.  1303 
Wißewarre  ib.  249.  1316  Wikkcware  ih.2Q9.  1346  Wyle 
Warre  ib.  283. 

430.  Wickridge  Street  (Karte),  51/2  u-  von  Gloueester. 

431.  Wiclsgreen  (Karte),  5  w.  s.  w.  von  Gloueester. 

Oxfordshire. 

432.  Hardwicl:  5,  5  n.  von  Bicester.  —  1284/5  Herdeunke 
F.  A.  IV,  158.  1313  Herdeicyk  C.  C.  R.  III,  210.  1316  Herd- 
n-yke  F.  A.  IV,  169.     1428  Herdeivike  ib.  190. 

433.  Hardivick  7,  2  s.  0.  von  Witney.  —  1316  Herdwike  F.  A. 
IV,  162. 

434.  Hardivick  11,  1  u.  von  Banbury.  —  1267  Herdeivik 
C.  C.  R.  II,  69.     1316  Herdewyke  F.  A.  IV,  166. 

435.  Hardivick  House,  4  n.  w.  von  Reading.  1401/2  Herd- 
ivik  F.  A.  IV,  174. 

436.  Wick  in  Headington  (nach  F.  A.).  —  1316  ^Yike 
F.  A.  IV,  168. 

437.  Wickliam  5,  2  s.  von  Banbury.  —  969  wt  pic  ham  Cart. 
Sax.  111,519.  1044  mc/iawKemble,  Cod.  775.  D.B.  ]I7c/ia'. 
1158  Wicha  Pi.  R.  34.     Wikan  C.  C.  R.  III,  330. 

438.  Wretchivick,  1  s.  0.  von  Bicester.  —  1252  Wherctvyk 
C.  C.  R.  I,  409.  1284  5  Wrecheivike  F.  A.  IV,  158.  1316 
m-etcJiwike  ib.  169.  1346,  1428  Wrechetvyk{e)  F.  A. 
IV,  180,  190. 

439.  Wychwood  Forest  und  Kirchspiel  (dazu  Ascot,  Milton 
und  Shipton  under  Wychwood).  —  841  Huiccepudu  Cart. 
Sax.  II,  6.  13.  Jahrb.  Wicheivud,  Wycchewode,  Wycheicode 
Pa.  R.,  Wicheivod,  Wicheivood,  Wycliivode,  Whicheivode, 
Whucchewode  C.  C.  R. 

Buckinghamshire. 

440.  Ankerivyke  (nach  C.  C.  R.).  —  1242  Ankernik  C.  C.  R. 
I,  269.     1257  Ajikerivyk  ib.  472. 


387 

441.  Eton  Wide,  1  n.  w.  von  Eton. 

442.  Hardwiche  1,  4  n.  von  Aylesbiiry.  —  D.  B.  Harduich. 
1284/8G  Ilcrdcn-ilc  F.  A.  I,  78.  1302/3  Hcrdeinß  ib.  101. 
1316  Herdcnyhe  ib.  111.     134G  Hardcinß  ib.  126. 

443.  Kimhlc  Wicl-,  Dorf,  1  n.  w.  von  Kimble.  —  1313  W}ilca 

C.  CK.  111,210. 

444.  Long IV ick,  Dorf,  2  n.  w.  von  Princes  Risborough. 

445.  Oivlsicich,  Dorf,  2  n.  w.  von  Princes  Risborough.  —  1284/6 
Olvesivih  F.  A.  I,  85. 

446.  Teteluvich,  Dorf,  31/4  n.  von  Brill.  —  D.E.  Tochinge- 
iviche.  1302/3  Toucheiviß  F.  A.  I,  95.  1346  Tocheiviß 
ib.  121. 

447.  Tingeiviclc  [Tingiek],  2.  w.  von  Ruekingbara.  —  D.  B. 
Tediniviche.  1162  3  Tingivich'  Y\.  Yi.  \Q.  1166,67  Tew^e- 
wicha  Pi.  R.  109.  1276  Tijngcwijl;  Tingenih  Pa.  R.  166,  236. 
1284/6   Tyngcivyke  F.  A.  1,87 f.     1316  Tyngeivyle   ib.  108. 

418.  In  den  „Ancient  Charters*'  sind  in  Bueks.  belegt:  Cyne- 
mimding  uic,  Udding  nie,  Willering  nie,  Jahr  869.  Diese 
sind  ne.  nicht  zu  identifizieren. 

Bedfordshire. 

449.  Ast IV ick  1,  Dorf,  4V-2  0.  von  Shefford.  —  D.  B.  Estwiche. 
1284  6  Est/vil-e  F.  A.  I,  3.  1316  ÄstwicJc  ib.  19.  1346 
Estivyk  ib.  23  (nach  Skeat  =  east  village,  vgl.  Beleg  458). 

450.  Flittivieh  [FiittickJ,   Dorf,   2>/.,  s.w.  von  Ampthill.  ~ 

D.  B.  Ficteiviche.  1253  FUtivyk  C.  C.  R.  I,  415.  1281  Flitte- 
ivyTi  Pa.  R.  476.  1284,6  Flythcmh  F.  A.  I,  2.  1305  Flete- 
u-tß  C.  C.  R.  111,53.  1316  Flittcuike  F.  A.  1,20.  1321 
Flettvyk  C.  C.  R.  III,  437.  1323  Flitivyle  ib.  453.  1346 
Fhßteivyl  F.  A.  I,  31.  1428  Fhjtmße  ib.  36  (nach  Skeat 
==  village  hy  tJie  Flitt). 

451.  Shefford  Hardwiclc,  Dorf,   8'/2  s.o.  von  Bedford. 

452.  Hardtvicle  Bell  End,  3  s.  w.  von  Bedford.  —  1302/3 
Herdivik  F.  A.  1,9.  1346  Herd{e)ivylc  ib.  26,  30.  1428  Herde- 
ivyke  ib.  38  (nach  Skeat  =  herd  village). 

453.  Hinivick,  Dorf,  3  n.  n.  w.  von  Harrold.  —  D.B.  Haneuich, 
Heneivich,  Ilaneivic,  Hmeivic.  1165/73  Heneivic,  Hcneivich 
Pi.  R.     1302,  1317  Jlyneivyk  C.  C.  R.  III,  192,  366.    1302/3 

25* 


388 

Hijncmle,  Hlneiiihe  F.  A.  1, 11, 12.     1346  Hijneivyh  ib.  29 
(nach  Skeat  =  ae.  Hanan  tvtc  =  Hanaus  village). 

454.  TilnicJc  Farm  (uaeh  C.  C.  K.).  —  1304  Dyhnß  C.  C.  R. 
111,46.     1317  Dileivlc  ib.  359. 

455.  Wide  End  (uaeb  F.  A.  und  Karte),  31/2  w.  von  Bedford. 
1302,3  Aylcwike  F.A.  1, 11. 

Hertfordsbire. 

456.  Alfledawicha,  D.  B.,  2  n.  von  Alswick  Hall.,  ne.  nicbt 
belegt,  wabrscbeiülieb  Beauchamps  nabe  Wyddial.  1303 
Alßadetvyl-  F.  A.  I,  431.     1428  Aißfladeiryk  ib.  446. 

457.  Alstvick  Hall  (Karte),  10  n.  n.  0.  von  Hertford.  —  D.B. 
Ahiariclie.  1303  AlstvyJc  F.  A.  I,  431.  1428  AJstcyh  ib.  446 
(uacb  Skeat  ==  JElfsige's  village). 

458.  Astwiclc  Manor,  2  w.  n.  w.  von  Hatfield  (nacb  Skeat 
=  Eashvick  =  East  village). 

459.  Great  Barivich  (Karte),  S^o  n.  n.  0.  von  Wase. —  1292 
Benvik  C.  C.  R.  II,  413  (nacb  Skeat  =  harley  village). 

460.  Bild IV ich  Hall  (Karte),  71/2  n.  von  St.  Albaus. 

461.  Childtvick,  3  n.  von  St.  Albans.  —  1249  Childivic  C.C.R. 
I,  342.  1301  ChiUhvyc  ib.  III,  18.  1303  Childeivih  Magna 
F.  A.  II,  427.  1402  ChyldwyJc  Magna  ib.  444.  1428  Childe- 
uilce  Magna  ib.  452  (nacb  Skeat  =  ae.  cilda  tvic,  children's 
village). 

462.  Childivichhury,  3  n.  w.  von  St.  Albans.  —  1303  C/?<7tZe- 
icik  Say  F.  A.  II,  426.  1402  ChyldeivyUsay  ib.  444.  1428 
ChildeivyJcesay  ib.  451. 

463.  Danestvich  (Karte),  2'/2  s.w.  von  St.  Albans. 

464.  Easttvicli  1,  Dorf,  5  s.  0.  von  Ware.  —  D.B.  Esteiviche. 
1253  Esüvyh  C.  C.  R.  I,  429.  1303,  1428  EsUvyh  F.  A. 
11,435,451  (nacb  Skeat  =  east  village). 

465.  Haultivick  (Karte),  6  u.  von  Hertford. 

466.  Ha tvkswick  (Karte) ,  2  n.  vou  St.  Albans. 

467.  Ludtvick  (Karte),  2  n.  0.  vou  Hatfield.  —  1302  Lodcivyk 
C.  C.  R.  III,  26. 

468.  Marshalwiek  (Karte),  1  n.  0.  von  St.  Albans. 

469.  Ramerich  (Karte  und  F.  A.),  2V-2  n-  von  Hitcbiu.  —  1303 
Banmordwyh  F.  A.  II,  428.  1340  Eanmortheivyh  ib.  437. 
1428  Eannvorthtryh  ib.  449. 


389 

470.  Upwick  Oreen  (Karte),  8  n.w.  von  Bisliop  Stortford  (nach 
Skeat  ^=  Upper  village). 

All.  Wcstivick  (Karte),  3'/.,  w.  von  St.  Albans.  —  1301  Wcst- 
icic  C.  C.  R.  III,  17.  1303  Viiestwick  F.  A.  II,  426.  1402, 
1428  Westwi/k  ib.  444,451.     1428  ^Vcstwi!ce  ib.  452. 

472.  WicJcham  (Karte),  11  o.  n.  o.  von  Hertford,  —  D.  B. 
Wichcham  (naeh  Skeat  =  A.  S.  wie  -|-  häm). 

473.  WoUe7iivicJc,  ne.  verloren  gegangen,  vgl.  Viet.  Ili.st.  Herta. 
1, 297.  —  D.  B.  Wlweneivichc.  Zeit  Heinr.  II  Wulßncivich, 
Wluenewic.    1303  Wollenwkh. 

474.  High  Wych,  ^j-i  s.  w^.  von  Sawbridgeworth. 

M  i  d  d  1  e  s  e  X. 

475.  Aldtcych  Crescent,  Name  einer  neuen  Strafse  in  London, 
Name  jedoch  alt.  —  1267  the  garden  in  Aldetvich  Fa.  R. 
Später  0hl   Witch  Street. 

476.  Candel/riJcstrete  1274  Pa.  R.  1428  Candelinßstrctc 
F.  A.  III  (in  London!). 

477.  Chistviclc  [Chiz-ickJ,  6  w.  von  Hyde  Park  Corner.  —  1316 
Chesenijk  F.  A.  III,  374.     1428  ChestryJc  ib.  379. 

478.  Gamvick  Corner  (Karte  Gannick  C),  2  n.  o.  von  Barnet. 

479.  Hackney  Wick,  Vorstadt  von  London,  erbaut  a\i( Hackney 
Marsh. 

480.  Hampton  Wick,  1  o.  n.  o.  von  Hampton  Court. 

481.  Lundenwic  =  London.  —  604  Sax.  Chron. 

482.  Outtvich  (nach  F.  A.  111,385).  —  1428  ecclesia  Sancti 
Martine  Ottewich,  wahrscheinlich  heute  St.  Martin's  in  the 
Fields,  nahe  Trafalgar  Square. 

Kent. 

483.  Bertvick  (Karte),  2V2  w.  von  Hythe.  —  697  Bereueg 
Ane.  Chart.  1032  Berwican  Kemble,  Cod.  Zeit  Edw.  I 
Berivica  Kemble,  Cod.  D.  B.  Berewic.  1168-73  Ber{e)wica 
Pi.  R. 

484.  Bursttvick  Island  (Karte),  im  River  Medvvay. 

485.  Farivig,  Dorf,  1/2  n.  von  Bromley. 

486.  Fordivich,  Dorf,  2  0.  n.  0.  von  Canterbury.  —  675 
Fordeuuicum  Cart.  Sax.  I,  60.    747  Forcluuic  ib.  I,  249.    761 


390 

Forduuic  ib.  I.  268.    Zoit  Edw.  I  Fordm'c  Kemble,  Cod.  854. 
1).  B.  Foreivic.     1225  Fonvich  Pa.  R.     1230  Foreuic  ib. 

487.  Greenivich  [Griuidg-e],  Stadt,  4V2  s.o.  von  St.  Paul's, 
London.  —  1013  Grenawic,  Grenwic  Sax.  Chr.  1044  Grecn- 
wic  Kemble.  Cod.  771.  D.  B.  Greniciz.  1229  Greneivic 
Pa.  R.  279.  1335  Greimiiz  ib.  131.  1279  Est  Greneuich 
Pa.R.317.  1316  Estgreneivich,  West  Grenewich  F.  A.  111,18. 

488.  Orgarsicick,  Farm,  2  n.  w.  von  Dymchurch.  —  1316 
Orgaresivyle  C.  C.  R.  III,  314. 

489.  Sandwich,  Stadt,  7  8.  w.  von  Ramsgate.  —  851  Nieder- 
lage der  Dänen  bei  Sondivic,  Sandicic  Sax.  Chr.  966 
Scmduuich  Cart.  Sax.  III,  488.  1023  Sanduuic  Kemble, 
Cod.  737.  1038  Sandivic  Anc.  Chart.  Zeit  Knuts  und 
Edw.  I  Sandivic  Kemble,  Cod.  896,  1328.  D.  B.  Sandivic, 
Sanivic,  Sandivice.  1164  95  Sandwiz,  Sandivich,  Sanivic, 
SanivicK  Pi.  R.  1217  Sondiviz  Pa.  R.  88,  Sondwich  ib.  89. 
1218—1225  Sandivic  Pa.  R.    1247,  1274  Sandivicli  C.  C.  R. 

I,  319,  Pa.  R.    1290, 1313  Sandivich  C.  C.  R.  II,  368,  III,  219. 

490.  Sheldivich,  Dorf,  3  s.  von  Faversham.  —  784  Scilduuic 
Cart.  Sax.  I,  337.     1315  Sheldivych  C.  C.  R.  III,  283. 

491.  WicJcham,  Fast,  Dorf,  5  n.  w.  von  Dartford;  Wichham, 
West,  Dorf,  4  s.  o.  von  Croydon.  —  862,  987  Wichoima 
mearc  Anc.  Chart.  998  Wichcemes  gemwra  Kemble,  Cod.  700. 
D.  B.  Wicheham.     1284  Estivycham,  Westivycham  C.  C.  R. 

II,  276.     1318  Westivicham  ib.  III,  376.     1316,  1346  WyJc- 
ham  F.  A.  III,  18,  50. 

492.  Wickhamhreaux,  Dorf,  S'/a  o.  von  Canterbury.  —  973 
Wie  hamnies  gemceru  Anc.  Chart.  D.  B.  Wicheham.  1196 
UilchamYi.R.  1278-81  ir^/c/iam,  mWiam  Pa.R,  1316 
Wiliham  F.  A.  III,  10. 

493.  Woolivich  [Woolidge,  Woolitch],  7  o.  s.  o.  von  St.  Paul's. 
—  1044  Wideivic  Kemble,  Cod.  771.  D.  B.  Huhiz.  1279 
Wolivich  Fa.  K  3U.  1284/5  ]FoZ«v/^  F.  A.  III,  8.  1316 
Woleivich  ib.  18.     1346  Woleivych  ib.  47. 

An  in.  1:  In  den  Anc.  Chart,  sind  noch  belegt,  ne.  aber  nicht:  740 
marascwn  qui  dicitur  Biscopesumc.  79S  Hremping  wiic.  844  52  Uuer- 
hurgeuuic  =  St.  Werbiirgh.     l)^54  swine  pasture  called  Wiöig  tvic. 

Anm.  2:  In  Witchling  liegt  ein  anderer  Stamm  vor.  D.  B.  Win- 
chelesmere. 


391 

S  u  r  r  e  y. 

494.  Anherwyhe,  Gut,  3  s.  o,  von  Windsor. 

495.  Dulwich,  5  s.  von  St.  Paurs.  —  1316  Dylcirysh  F.  A. 
V,  107. 

496.  Eastwich  (Karte),   1/2  n.  von  Great  Bookhaui. 

497.  Qatwick  (Karte),  1  s.  s.  w.  von  Horley. 

498.  Gatwich  (Karte),  5V2  9.  w.  von  Guildford.  —  947  gatapic 
Gart.  Sax.  II,  603.     963  gate  pic  ib.  111,  363. 

499.  HollicJc?  Zeit  .Elfr.  Haleuuih  Gart.  Sax.  II,  204.  Zeit 
Edw.  I  IMewih  Keuible,  Cod.  344.  1227  llaleivike  C.C.R. 
I,  37.     1252  IMeuijke  ib.  409. 

500.  Prestiviclc  (Karte),  Dorf,  2  w.  von  Gbiddingfold.  —  1251 
Prcstewic  G.  G.  R.  I,  365. 

501.  Ef/ham  Wich,  2  s.w.  von  Egham. 

502.  Wilder  wich  (Karte),  l'/^  n.  von  East  Grinstead. 

503.  Wyhc,  Dorf,  6  n.  0.  von  Faruham.  —  D,  B.  Wucha.  1428 
Wyhc  F.A.  V,123. 

S  u  s  s  e  X. 

504.  Aldwich,   3  w.  von  Bognor.  —  1296  AJdcwyh  G.  G.  R.  IL 

505.  Berwich  1,  Dorf,  7  s.  0.  von  Lewes.  —  D.  B.  Bereivice, 
Beruice.  1292  Berewyh  G.  G.  R.  II,  421.  1316  Bcrewyhe 
F.  A.  V,  138.     1401/2  Berwyke  ib.  146. 

506.  Bonivichs  Place  (Karte),  2  w.  s.  w.  von  Ifield. 

507.  Drungeivich  (Karte),  3  n.  von  Wisborough  Green.  — 
1307  Dringeivyh  G.  G.  R.  III,  101. 

508.  Goddenwich  F>>i  (Karte),  2  n.  von  Lindfield. 

509.  Hazelivich?  —  947  Hctslwic  Gart.  Sax.  II,  603.  963 
Heaseluuic  ib.  III,  363.     1317  Hesehvyh  G.  G.  R.  III,  359. 

510.  Hohjivych  (Karte),  6  w.  von  Tunbridge  Wells.  —  1320 
Holetvyche  G.  G.  R.  III,  434. 

511.  Ho  wich  (Karte),  6  w.  von  Horsham. 

512.  Ludiüich  (Karte),  4  w.  von  Horsham. 

513.  Lynwych  House  (Karte),    1  w.  von  Rudgwick. 

514.  Neivich,  Dorf,  8  n.  von  Lewes.  —  1121  niivicha  Pi.  R. 
X,  12.     1316  NywiJce  F.  A.  V,  136.     1428  Newylce  ib.  165. 

515.  *Orlestvick  vgl.  Vict.  Hist.  437.  —  D.  B.  Lcmesivice.  1121 
orthlauesivica  Pi.  R.  X,  12. 

516.  Pioundwich  (Karte),  41/2  s.  von  Ghiddingfold. 


392 

517.  Rad gn- ich  [Rudgiek],  Dorf,  7  n.  n.  w.  von  Horsliain.  — 
1260  Buggeniß  C.  C.  r!  II,  29.    1276  Rageidl:  Pa.  R.  152. 

518.  Rumhold s  WyJce,  nahe  Chichester.  —  D.  B.  Wiche. 
1316  RomhaldesicycJc  F.  A.  V,  141.  1317  Rumhaldcsicyk 
C.  C.  R.  III,  334.  1428  Rumhai diswyke,  Rumholdes iryJie  F.  A. 
V,  157, 164. 

519.  Sedgewich  Castle  (Karte),  3  s.  von  Horsham. 

520.  Shopwyhe  (Karte),  l'/2  o.  von  Chichester.  —  1428 
Shapu-yhe  F.  A.  V,  157. 

521.  Southivick  1,  Dorf,  41/2  w-  von  ßrighton.  —  1428  Suth- 
wyhe,  Southwyh  F.  A.  V,  152, 160. 

522.  Terwich,  5  w.  von  Midhurst.  —  1271,  1326  TortewyJc 
C.  C.  R.  II,  169,  III,  493. 

523.  Wliyhe  (Karte),  1  s.o.  von  Chichester. 

524.  Wich  3,  Dorf,  1  s.  von  Lyminster.  —  1267  La  Wik 
C.  C.  R.  II,  82. 

525.  Wichliam  (Karte),  5^/2  n.  von  Shoreham.  —  D.  ß.  Wicham. 

526.  WicJvhursi  (Karte),  4  0.  s.  0.  von  Tnnbridge  Wells. 

527.  Wich  Street  (Karte),  1  s.o.  von  Glynde  Station. 

528.  Kingston  Wyhe,  Dorf,  4  w.  von  Worthing. 

529.  Wyhehurst  (Karte),  3  w.  von  Cuckfield. 

530.  Wytch  Gross,  5  s.  von  East  Brinstead  (Karte). 

Anm.:  956  sind  belegt  fl^/t^M;ic,  Cart.  Sax.  III,  143,  Strodioic  Anc. 
Chart. 

Berkshire. 

531.  Ardington  Wich  (Karte),  2V2  0.  n.  0.  von  Wantage. 

532.  Banterwich  Barn  (Karte),  7  n.  von  Newbury. 

533.  Bray  Wich,  nahe  Maidenhead,  Kirchspiel  von  Bray. 

534.  Charney  Wich,  nahe  Charney  Basset  (Karte),  6'/2  w.  s.  w. 
von  Abingdon. 

535.  Fyfield  Wich,  2  s.  von  Fyfield  (Karte). 

536.  Heil  wich  2,  Ort,  I1/2  n- w.  von  Thatcham. 

537.  Littlewich  Green,  3  w.  von  Maidenhead. 

538.  Petwich  (y),  nach  C.  C.  R.  und  F.  A.  —  1286  Pcttewyhe 
C.  C.  R.  II,  336.     1316  Putwyhe  F.  A.  I,  49. 

539.  Sutton  Wich,  2  w.  von  Button  Courtney.  1316  Sutton 
et  Wihe  F.  A.  I,  53. 

540.  Wich  Green  (Karte),  1  0.  u.  0.  von  Abingdon. 


393 

541.  JVicJcham  4  und  Wicl-ham  IFcath,  Orte,  4  bis  5  n.  w. 
von  Newbury.  —  767  Wicliam  (?)  Ancieiit  Chart.  821 
Wicham  Cart.  Sax.  I,  506.     1166/73  Wicha'  Pi.  R. 

542.  Wickfield,  nach  F.  A.  —  1316  WykefcUe  1,50. 

Hampshire. 

543.  Uagivieh  (Karte),  1  w.  von  Godsbill,  I.  o.  Wigbt.  1313 
Bagwich  C.  C.  R.  III,  229,  234. 

544.  Brunage,  2  s.  w.  von  Titehficld.  —  962  Brimuuic  [)cr 
Cart.  Sax.  111,325.  D.  B,  Brimetvic.  1316  Brunneivyche 
F.  A.  II.  307.  1346  Bronewych  ib.  335.  1428  Bronewijchc 
ib.  357. 

545.  EasttvicJc  2,  Ort,  9  d.  von  Andover. 

546.  OiitivicTc,  Ort,  3  n.  von  Fordingbridge.     D.  B.  Otoichc. 

547.  RotherivicJc,  Dorf,  7  n.  n.  o.  von  Bas^ingstoke. 

548.  Soutliiüich  2,  Dorf,  41/2  n.  o.  von  I'arebam.  —  13.  Jh. 
Suwic,  Suicylc,  Suthwic,  Sutliivyl-  Pa.  R.  C.  C.  R.  1316 
SufJmnß  F.  A.  11,319. 

549.  Sivanwich  2,  6  w.  n.  w.  von  Fareham.  —  1231  Sivaiie- 
wic  C.  C.  R.  1, 140.     1294  Sivanewyh  C.  C.  R.  II,  454. 

550.  Weeh  1,  4  n.  0.  von  Andover.  —  1316,  1346,  1428  Wyhc 
F.  A.  II,  308,  330,  346. 

551.  WeeTc  5  (Karte  Wych  und  Binstead  Wyck),  2  n.  0.  von  Alton. 
1316  Wyhe  F.  A.  II,  314. 

552.  Weehe,  nahe  Winchester.  —  1316  Wylce  F.  A.  11,321. 

553.  Weel  in  Arreton,  I.  0.  Wigbt,  nach  F.  A.  1316  Wyk  F.A. 
II,  321. 

554.  Wickham  1,  Dorf,  12  n.  w.  von  Portsmouth.  Y).^.Wiche- 
ham.  1269  Wykham  C.  C.  R.  II,  124.  1316,  1346  Wykham 
F.  A.  II,  308,  336.     1428  Wykeliam  ib.  356. 

555.  Wigland,  5  w.  von  Southampton. 

556.  Wick  (Karte),  1  8.  von  Christehurch. 

557.  Wick  (Karte),  5  n.  von  Havant. 

Wiltshire. 

558.  Berwick-Bassett,  6V2  n-  ^^-  ^"on  Marlborougb.  —  1228 
Berewik  Pa.  R.  181.  1231  Bereivic  C.  C.  R.  1, 140.  1300 
Bereivyk  ib.  II,  489.  1325  Berwyk  Basset  ib.  III,  477. 
1316  Berivilcc  F.  A.  V,  209.     1402  Bereivyk  ib.  220. 


394 

550.  Bcnricl-  Sf.tTamcs,  Dorf,  5Vi  w.  s.  w.  von  Amesbury. — 
1243,  1316  Ikrcn-ih-  Pa.  K.  372,  F.  A.  V,  203.  1324,  1428 
Bcr{i}injk  F.  A.  V,  215,  243,  296. 

560.  Bcncick  St.  John,  Dorf,  5''2  f»-  von  Shaftesbnry.  —  1316, 
1428  Bcrewyl-e  F.  A.  V,  201,  251. 

561.  BcrtcicJc  St.  Leonard,  13  w.  von  Salisbury.  —  1428 
Jknn/Jc  Sancti  Leonardi  F.  A.  V,  256,  293. 

562.  Chaddenwiclce,  Dorf,  IV2  "•  0.  von  Mere.  —  D.  B.  Chcdel- 
wich.     1428  Chademvyckc  F.  A.  V,  267. 

563.  PicJcicicJc,  Dorf,  1/2  w.  von  Corsbam. 

564.  SouthivicJc  5,  2  s.w.  von  Trowbridge.  —  1194/5  Sud' icich, 
Sutwich  Pi.  Pt.     1322  Sothewyhe  C.  C.  Pv.  III,  446. 

565.  Wadswich,  Dorf,  3  s.w.  von  Corsbam, 

566.  Wide  (Karte),  2'/'2  s.  von  Salisbury. 

567.  Farleigh  Wich,  Kircbspiel  von  Monkton  Farleigb,  3  n.  w. 
von  Bradford-on-Avon. 

568.  Brcmhill  Wich  (Karte),  1  n.  w.  von  Brembill, 

569.  Badhur y  Wich  (Karte),  1  n.  von  Badbury,  3  s.  o.  von 
Swindon. 

570.  Hannington  Wich,  1  n.  von  Haunington. 

571.  llaydon  Wich,  IV2  Q- w.  von  Rodborne  Cheney.  —  1428 
Haydoncswyhe  F.  A.  V.  260. 

572.  Heddington  Wich  (Karte),  1  w.  von  Heddington. 

573.  He s wich  Farm  (Karte),  4  u.  von  Marlborougb. 

574.  Kemhle  Wich  (Karte),  1  s.  von  Kemble,  5  s.  w.  von 
Cirencester. 

575.  West  Kington  Wich  (Karte),  V2  s.  von  W.  Kington. 

576.  Liddington  Wich,  2  s.  0.  von  Liddiugton. 

577.  Tochenham  Wich,  l'/2  n.  von  Toekenbam. 

578.  Oreat  and  Little  Wishford,  5V2  Q-  ^-  von  Salisbury. 
—  1316  Magna  et  Parva  Whicheford  F.  A.  V,  212.  1324 
Wychford  ib.  215.     1428   Wyccheford  ib.  243. 

Anm. :  lu  Norridge,   1   s  w.  von  Upton  Scudainore,  liegt  anderer 
Stamm  vor:  1332  JSWthrigge  C.  C.  R.  III,  450 

D  0  r  8  e  t  s  h  i  r  e. 

579.  Benvich  4,  Dorf,  4V2  s.  0.  von  Bridport. 

580.  Butterivihe  in  Folke,  nacb  F.  A.  —  1431  Boterivyhe 
F.  A.  II,  107. 


395 

581.  Shapiviclc  1,  5  s.  o.  von  Blandford.  —  D.  R.  Scapcwic. 
1267  Shapici/c  C.  C.  R.  IL  84.  1285  Sapir>/Ic  F.  A.  II,  14,  15. 
14.  u.  15.  Jh.  S{c)hap[c)iryk{c)  F.  A. 

582.  Swanagc,  Stadt,  877  Swanaioic  Sax.  Chr.  —  1303,  1346 
Swancwich  F.  A.  II,  37,  56.  1428,  1431  8wancwicn{c) 
ib.  72,  87,  109. 

583.  M^ijhe  Farm,  3  o.  von  Yeovil.  —  1316  liy^e  F.  A.  11,41. 

584.  Witchampton,  Dorf,  8  o.  von  Rlandford.  —  1).  B.  Wichc- 
mcüme.  1278  Wichchnmpton  Pa.  li.  278.  1303,  1318, 
1346,  1428,  1431  Wychampton  F.  A.  II,  26,  C.C.  R.  III,  391, 
F.  A.  II,  45,  61,  117. 

585.  Wf/Jce  Rcgis,  Dorf,  l'/i  s-  'W-  von  Weymouth.  —  955 
H7c  Kenible,  Cod.  435.  988  IfV/tC  ib.  1284.  13.  Jh.  11  VA-, 
Wyk  C.C.R.     1428,  1431    Wi/kc  F.  A.  II,  85,  115. 

Somerset. 

586.  Ahlwick  Court  (Karte),  8  s.  s.  w.  von  Bristol.  —  D.  B. 
Ahhic.  1260  AUlcwyk  C.  C.  R.  II,  26.  1313  Oklcwike 
ib.  111,  224.  1303,  1346,  1428,  West  Holdeivyk  F.  A. 
IV,  305,  348,  381. 

587.  ^45^  Week,  nahe  Bishops  Lydeard. 

588.  Ashwick,  3  n.  von  Shepton  Mallet.  —  1061  uEscwica 
Kemble,  Cod.  811.  1060/66  .Escwican  ib.  821.  D.  B.  Escc- 
wiche,  Esewica.     1316  Ashwyk  F.  A.  IV,  328. 

589.  Barwick  1,  l^/o  s.  von  Yeovil.  1231  13er ewik  C.  C.  R. 
1, 132.  1272/81  Bcreu-yk  Pa.  R.  64.  1284/5  Bcreivik  F.  A. 
IV,  273.  1303,  1316,  1346,  1428  Berewyk  ib.  315,  320, 
338,  376. 

590.  Bathwick,  heute  in  Bath.  —  1303  Wykc  F.A.  IV,  311. 
1316  Bateivyke  ib.  329.     1346,  1428  Wyk{e)  ib.  357,  378. 

591.  Chelvey,  71/2  w.  s.  w.  von  Bristol.  —  D.  B.  Calviche. 

592.  Comhivich,  Dorf,  4  n.  n.  w.  von  Bridgwater.  —  D.  B. 
Comich,  Comiz.  1284/5  Comivych  F.  A.  IV,  281.  1303,  1346 
Comuich  ib.  308,  352.  1428  Comuiche  ib.  394.  1431  Co7nbe- 
wyche  ib.  435. 

593.  Coxley  Wick  (Karte),  ^/i  n.  von  Coxley,  2  s.  w.  von  Wells. 

594.  Eckweek  House  (Karte),  5  s.  s.w.  von  Bath. 

595.  Honeyivick   (Karte),   2  w.  von  Cole  Station.   —    1284/5 


396 

lluncinl-c    F.  A.  IV.  294.      1303,    1316,    1346    HoneivyJc 
ib.  306,  322,  349.     1428  Honywiße  ib.  385. 

596.  Milhorne  WicT<:,  l'/j  d.w.  von  Milborne  Port. 

597.  North wicJc  2,  l'/-i  w.  von  Mark. 

598.  Northwich  3,  2  n.  von  Chew  Magna. 

599.  Shapwich  2,  Dorf,  61/2  0.  von  Bridgwater.  —  725  Scqjicic, 
Cart.  Sax.  L  208.  729  Schapuil-  ib.  213.  971  SchcqjcwyJce 
ib.  III,  575.  D.  B.  Sapcesuica.  1172  73  Sehepfcich  Pi.  R. 
196.  1284/5  Schapciryl'G  F.  A.  IV,  290.  1316  Shapeivyk 
ib.  317.     1428  Schcqmyk,  ib.  404. 

600.  ShocJceru'ick,  I1/2  n.  von  Bathford. 

601.  SoiithwicJc  (Karte),  2'/.2  o-  von  Hig-hbridge. 

602.  South  Wich  (Karte),  4  n.  von  Highbridge. 

603.  Standeriüich,  4  0.  n.  0.  von  Frome.  —  D.  B.  Estalrewica, 
Stalreiciche.  1284/5  Stanreivil  F.A.  IV,  277.  1303  Stan- 
rewyl  ib.  310,  312.  1316  StaneiryJc  ib.  319.  1346  Stan- 
reivyh  ib.  355,  Staiverivyh  ib.  358.  1428  Staverwyh  ib.  368. 
Stander IV ylce  ib.  386. 

604.  Stanton  Wich  (Karte),  l^/o  s.  von  Pensford. 

605.  Sutton  Wich  (Karte),  1  s.  w.  von  Bishop  Sutton,  4  s.  w. 
von  Pensford. 

606.  Swainswich,  3  n.  0.  von  Bath.  —  1303  Swamvyk  F.  A. 
IV,  311.  1316,  1346,  1428  Sivaynesivyh{e)  ib.  329,  357,  378. 
1428  Siveynestvyh  ib.  410,  411. 

607.  Tadwich,  3  n.  von  Bath.  —  D.B.  Tatewiche.  1227  Tadeicic 
Pa.  R.  157. 

608.  Way  Wich  (Karte),  5'/2  n.  w^.  von  Axbridge. 

609.  Weeh  2,  nahe  Glastonbury.  1303  Wihe  F.  A.  IV,  307. 
1346,  1428  Wyk{e)  ib.  351,  367. 

610.  Weeh  3,  6^/2  n.  w.  von  Bridgwater.  1284/5,  1303,  1346, 
1428  Wyh{e)  F.  A.  IV,  282,  308,  352,  393. 

611.  Weeh  4,  7  s.w.  von  Axbridge. 

612.  Weehfield  (Karte),  41/2  n.  von  Dulverton. 

613.  Westwich  5,  h^ji  n.  w.  von  Axbridge. 

614.  ""Woodwich,  ne.  gesehwunden,  nahe  Freshford.  —  D.  B. 
Wdewica.  1303  TrocZew;?/^  F.  A.  IV,  311.  1316  Godewyh 
ib.  329.     1346,  1428  Wodetvyh{e)  ib.  358,  378. 

615.  Wich  4,  6  s.  von  Weston-super-Mare. 


k\ 


397 

616.  WicJc  (Karte),  S^/j  w.  von  Somerton, 

617.  WicJc  St.  Lawrence,  G  n.  vou  Weston- super -Mare.  — 
1428  Wyk  F.  A.  IV,  401. 

618.  Wighorough  (Karte),  4  n.  von  Crewkerue. 

619.  WyJce  Champfloirer,  l'/'j  vv.  von  Briiton.  —  1284/5  Wyice 
F.  A.  IV,  294.  1303  Wyk  ib.  301.  1316  Wilke  ib.  322. 
1346,  1428  Wyke  ib.  346,  384. 

Devonshire. 

620.  Avon  Wick  (Karte),  2  so.  von  South  Brent,  am  Avon. 

621.  Barivick  (Karte),  2  w.  von  Winkleigh. 

622.  Chawleigh  Week  (Karte),  2  w.  von  Cbawleigh,  V2  s-  von 
Chulmleigh. 

623.  Chol  wich  Toivn  (Karte),  2  n.  v/.  von  Coruwood. 

624.  Cookhuryweek  (Karte),  1  s.  w.  von  Cookbury. 

625.  Co  wick,  in  Exeter.  —  D.  B.  Coic.  1284/5  Cowyk,  Cou- 
wyke  F.  A.  1,311,  314.     1316  Cowykc  ib.  377. 

626.  Doriveeke  (Karte),  4  w.  von  Cullompton. 

627.  Exioick,  nahe  Exeter.  —  D.  B.  Essoic. 

628.  Germansiveek,  10  w.  von  Okehampton.  —  D.  B,  Wicha. 
Dazu  vgl.  Westiveek,  2  w.  von  Germansiveek,  Westweekmoor, 
3  w.  und  Soiähiveek  1  8.  von  Oermansweek. 

629.  Hardu'ick  (Karte),  1  s.  von  Plympton. 

630.  TIerdiüick  (Karte),  1  n.  0.  von  Holsworthy. 

631.  Highweek,  Dorf,  1  n.  w.  von  Newton  Abbot. 

632.  Hurdivick  (Karte),  1  n.  von  Tavistoek.  1303  Hurdeiryk 
F.  A.  I,  372,  384. 

633.  Langtree  Week  (Karte),  1  0.  von  Langtree,  2^/2  ?.  s.  w. 
von  Torrington. 

634.  North  Week  (Karte),  2'/.,  s.  von  North  Tawton. 

635.  Pancrasweek,  Dorf,  6  0.  von  Bude.  —  1284/6  Wyke- 
Xtranhard  F.  A.  I,  328.  1303  Prancardiswyk  ib.  357.  1346, 
1428  Wyk{e)  Sancti  Pancratii  ib.  407,  457. 

636.  Spitchtvick,  Dorf,  S'/a  o- w.  von  Newton  Abbot.  —  1167/68 
Spikesivic  Pi.  R.  XII,  136.  1168/9  Spichivic  ib.  53.  1284/6 
Spichicik  F.  A.  I,  318.  1303,  1346  Spychewyk  ib.  348,  391. 
1316  Spicheimjk  ib.  378. 

637.  Stickwick  (Karte),  2  u.  0.  von  Bovey  Tracey. 


398 

638.  Teig7iwecJc,  ne.  nicht  belegt,  vielleicht  =  631.  —  1230 
Teyneivicum  Pa.  R.  400. 

639.  Weelx  (Karte),  1  o.  von  Cullonipton.  —  1284/6  Wyh  Lange- 
ford F.  A.  I,  320.  1303  Wik  Langeford  ib.  355.  1316 
Wylce  Langeford  ib.  384. 

640.  Weeh  (Karte),  5  s.  w.  von  Okehampton. 

641.  Weeh  (Karte),  2  u,  w.  von  Totnes. 

642.  Weel  (Karte),  1  w.  von  North  Tawton. 

643.  Weeh  (Karte),  4  s.  o.  von  North  Tawton. 

644.  Weeh  (Karte),  1  s.  von  Morehard  Bishop. 

645.  Week  (Karte),  4'/2  s.  von  Torringtou. 

646.  Weeh  (Karte),  3  s.  von  Umberleigh  Station. 

647.  Week  (Karte),  3  o.  n.  o.  von  Chnlmleigh. 

648.  Week  (Karte),  6'/2  w.  von  Tivertou. 

649.  Weeh  (Karte),  3  o.  n.  o.  von  Milton  Abbot.  —  1284/86, 
1303,  1346,  1428  Wyke  F.  A.  I,  322,  372,  404,  451. 

650.  Weeh  (Karte),  5  w.  s.  w.  von  Winkleigh.  —  1303  Wyh 
Tammill  F.  A.  I,  356. 

651.  Weehahorough  (Karte),  5  s.  von  Newton  Abbot. 

652.  Weehe  Barton  (Karte),  2  w.n.w.  von  Christow  Station. 

653.  Weeks-in-the  Moor  (Karte),  5  w.  von  Okehampton, 

654.  Wich,  East  und  West,  17-2  s.  o.  von  South  Tawton. 

655.  Witchcomhe  (Karte),  4  s.  von  South  Brent. 

656.  Wyhe  (Karte),  2'/2  o.  von  Crediton. 

657.  Wyhe  Green  (Karte),  2  s.  von  Axmiuster.  —  1284/6, 1303, 
1346  Wyk  F.  A.  I,  319,  366,  429. 

C  0  r  n  w  a  1 1. 

658.  Week  St.  Mary,  7  s.  von  Stratton.  —  D.  B.  Wich.  1303 
Wyk  F.  A.  I,  202.     1306  Wik  ib.  208.     1428  Wyke  ib.  238. 

659.  Gtreek,  ancieutly  Wyke,  3  s.  o.  von  Heiston. 

660.  Rossivick  (nach  F.  A.).  —  1303  Rossewyc  F.  A.  I,  196. 
1306  Roseivik  ib.  204.  1346  Bosseivyk  ib.  217.  1428 
Rosnwik  ib.  222. 


\ 


399 

Zusammen  fassunji'. 

Wir  haben  uus  uiiii  zunächst  zu  fragen,  welche  Be- 
deutung die  ne.  Endung  -wich,  wich,  das  ne.  Wich, 
Wich,  Weck  haben  kann.  Die  Mehrzahl  der  Forscher  ist 
Ubereinstinnueud  der  Meinung,  dafs  zwei  Stämme,  ae.  iclc 
„Ort,  Dorf"  <  lat.  viciis  oder  das  auord.  vilc  „Bucht,  Bach" 
vorliegen  können,  vgl.  J.  Wright,  English  Dialect.  Dict.  unter 
ivicJc^  und 2.  Doch  dürfte  damit  die  Bedeutungsniöglichkeit 
noch  längst  nicht  erschöpft  sein.  Diese  beiden  Worte  muI'Hten 
sich  entwickeln  zu  ne.  [uit/  bezw.  uick],  daneben  findet  sich 
[uaits].  Diese  Form  und  Aussprache  habe  ich  zwar  selbst 
nicht  belegen  können;  nur  Wyld-llirst  a.a.O.  p.  397  stellen 
als  besondere  Schwierigkeit,  die  bisher  nicht  berührt  sei,  das 
Vorkommen  von  ne.  wicic  neben  ivich  [wit/]  und  [tvait/],  z.  B. 
in  NanUvich  [luentwaitf]  hin.  AVährend  bei  -wick  und  -wich 
m.  E.  die  Schwierigkeiten  nicht  grofs  sind,  macht  das  Vor- 
kommen von  [ivaitf^  in  Nantwich  und  Droitivich,  wofür 
Wyld-Iiirst  es  bezeugen,  die  Frage  tatsächlich  verwickelter. 
Da  aber  die  «/-Form  nur  für  eine  Gruppe  besonderer  Orte 
belegt  ist,  auf  die  ich  unten  noch  zurückkommen  mufs,  kann 
ich  sie  hier  vorläufig  fortlassen.  Hier  kann  ich  zunächst  sagen, 
dafs  in  allen  Fällen,  wo  ae.  ivlc  oder  anord.  vlc  zugrunde  liegen, 
im  Ne.  nur  -wick  [uik\,  -ivich  [uit/]  und  week  [ivlk]  belegt 
sind.  Über  die  Kürzung  des  ae.  l  vgl.  unten  und  G.  Hack- 
mann, Kürzung  langer  Tonvokale  vor  einfachen,  auslautenden 
Konsonanten.  Morsbach,  Studien  X  (1908)  passim.  Dafs  die 
Kürzung  in  wich  durch  die  satztieftonige  Stellung  in  den 
Ortsnamen  beschleunigt  wurde,  dürfen  wir  wohl  annehmen. 
Diese  tieftonige  Stellung  hatte  ja  noch  zur  Folge,  dafs  in  der 
weiteren  Entwicklung  das  anlautende  lo  dort  meist  schwand, 
wo  wick  Endung  war  (vgl.  J.  Marik,  ?(;-Schwund  im  Mittel- 
und  Frühneuengl.,  Wiener  Beiträge  XXXHI,  S.  25),  d.  h.  au 
Bedeutung  verlor.  Die  meisten  englischen  Ortsnamen  zeigen 
Schwund  des  w.  Nun  haben  aber  einige  ne.  Namen  langen 
Vokal,  nämlich  [?].  Burstivick  (136)  ist  Beleg  für  den  Norden, 
zahlreiche  ee-Scbreibungen  scheinen  es  für  den  Süden,  besonders 
für  Hampshire,  Somerset  und  Devonshire,  zu  bezeugen.    Dieses 


400 

lange  7  kann  jedoch  nicht  unmittelbar  auf  ae.  l  znrüekgefühvt 
werden,  welches  ja  [ai\  hätte  werden  müssen,  sondern  es 
mufs  sich  dialektisch  die  Vokalqualität  in  me.  Zeit  verändert 
haben. 

Wann  ist  nun  die  Kürzung  eingetreten?  Darüber 
läfst  mein  Material  einen  bestimmten  Sehhii's  nicht  zu.  Wenn 
wir  die  alten  Schreibungen  betrachten,  müssen  wir  zunächst 
fragen,  welche  Kriterien  wir  in  ihnen  für  Länge  und  Kürze 
haben.  Länge  und  Kürze  kann  -wie  bezeichnen,  Länge  ist 
vielleicht  als  wahrscheinlich  bei  -tvi/Jc,  -icylce,  aber  nicht  als 
unbedingt  notwendig  anzunehmen.  Sicher  ist  nur,  dafs 
Schreibungen  wie  -wich,  -ivicke,  -ivylke  Kürzung  bezeichnen. 
Diese  Formen  sind  nun  im  ganzen  selten,  müssen  es  auch  wohl 
sein,  da  auch  die  andern  Schreibungen  die  Kürze  wiedergeben 
können.  Interessant  ist  es  aber  zu  sehen,  wann  diese  gekürzten 
Formen  zuerst  auftreten.  Der  älteste  Beleg  dafür  ist  Femvich 
(114)  1105;  sonst  aus  dem  12.  Jh.  nur  Wynewicl:  (171)  1192. 
Häufiger  schon  sind  die  Belege  aus  dem  13.  Jh.,  ziemlich 
oft  findet  sich  -wick  in  und  seit  dem  14.  Jh.  Wenn  die 
Schreibungen  wenig  Schlüsse  zulassen,  so  scheint  es  mir  doch, 
als  wenn  die  Kürzung  seit  dem  13.  Jh.  eingetreten  ist. 

Da  ae.  wie  und  anord.  -vik  sich  zum  Ne.  völlig  gleich 
entwickeln  mufsten,  bedarf  es  zum  Ziehen  der  Z^—c"  Grenze 
einer  Scheidung  dieser  beiden  Wörter  nicht.  Genau  wird  sich 
auch  nicht  mehr  sagen  lassen,  welches  Wort  im  Einzelfalle  zu 
zugrunde  liegt.  Die  meisten  Forscher  nehmen  für  Küstenplätze 
wie  Berwich-upon-Tweed ,  Norivich,  Greemvich,  Woolwich, 
Santhvich,  Fordwich  und  andere  die  Herleitung  aus  dem  Alt- 
nordischen als  die  bessere  an;  immerhin  ist  es  auffällig,  dafs 
die  Endung  -ivic  sich  schon  im  Jahre  675  belegen  läfst  (vgl. 
Fordiüicli  486),  als  von  an.  Eiufluls  noch  nicht  die  Rede  war. 
Sonderbar  ist  es  auch,  dafs  in  vielen  Fällen  nur  die  Ortschaft 
heute  den  Namen  mit  der  Endung  -iviclx,  wich  trägt,  nicht  die 
Bucht  so  bezeichnet  wird.  Dort  wo  sicher  anord.  vtk  zugrunde 
liegt,  auf  den  Shetland-Inseln,  den  Orkneys  und  der  Isle  of 
Man  (vgl.  die  Belege)  führt  die  Bucht  noch  heute  den  Namen. 
Weshalb  ist  das  dann  im  Süden  nicht  auch  der  Fall?  Auch 
der  Umstand,  dafs  für  Dumvich  in  Sutfolk,  worin  höchst 
wahrscheinlich  die  altnordische  Form  vorliegt,  noch  im  8.  und 


401 

9.  Jh.  Belege  ohne  -ivich  vorhanden  sind,  scheint  mir  darauf 
hinzuweisen,  dafs  bei  an.  Einfhifs  das  -wie  wesentlich  später 
hinzutrat  als  G75,  wo  wir  sie  in  Fordwich  schon  fanden.  Ich 
neige  deshalb  der  Aussicht  zu,  die  ae.  Form  als  die  auch  in 
diesen  Orten  zugrunde  liegende  anzunehmen.  Eine  sichere 
Entscheidung  Heise  sich  aber  nur  fällen,  wenn  gültige  Belege 
aus  älterer  Zeit,  als  ich  sie  bringen  konnte,  aufzufinden 
wären. 

Herleitung  aus  dem  Altnordischen  nehmen  mehrere 
Forscher,  unter  ihnen  Skeat,  für  die  Formen  auf  -tvich  an,  wo 
letzteres  sich  in  den  Namen  von  Orten  findet,  in  denen  sich 
Solquellen  befinden.  Für  diese  Worte  belegt  Wyld-Hirst  die 
oben  erwähnte  Aussprache  [wait/].  Wenn  auch  nach  J.  Wright, 
Engl.  Dial.  Grammar  ne.  clitch  =  ae.  die  gerade  in  diesen 
Dialekten  als  [dait/]  belegt  ist,  so  scheinen  doch  diese  Orts- 
namen eine  Gruppe  für  sich  zu  bilden  und  es  fragt  sich,  ob 
die  Herleitung  aus  dem  Altnordischen  richtig  ist.  Schon 
Duignan,  WorcestersMre  Place-Names  p.  177,  weist  darauf  hin, 
dafs  die  Belege  für  Wich  so  alt  sind,  dafs  man  altnordischen 
Einflufs  nicht  annehmen  dürfe  (Belege  unter  Droitwich  378). 
Wenn  Skeat  demgegenüber  (vgl.  Duignan,  Worcester  Place- 
Names  p.  177  Anm.)  meint,  dafs  an.  Einflufs  doch  möglich  wäre, 
weil  die  Dänen  doch  schon  zu  Alfreds  Zeit  fast  ganz  England 
unterworfen  gehabt  hätten,  so  entkräftet  das  ra.  E.  nicht  die 
Tatsache,  dafs  Saltivich  schon  716  belegt  ist  und  die  Ver- 
mutung, dafs  diese  Zusammensetzung  jedenfalls  älter  als  700 
ist.  Aber  gerade  die  Entwicklung  des  Namens  Droitwich,  wie 
sie  das  Material  zeigt,  ist  überaus  interessant,  um  so  mehr,  als 
eine  derartige  Entwicklung  in  England  selten  ist.  Der  Name 
der  Stadt  war  zunächst  Saltivich,  verlor  dann  wahrscheinlich 
wegen  Bedeutungswandlung  des  zweiten  Wortteils  den.  ersten 
Bestandteil,  so  dafs  wir  schon  im  10.  Jh.  pic  finden.  Im  Laufe 
des  11.  Jhs.  verschwindet  der  erste  Bestandteil  völlig,  und 
Wich  allein  gilt  durchaus.  Dann  trat  im  13.  Jh.  wieder  das 
neue,  aus  dem  Französischen  stammende  droit  davor,  das 
wahrscheinlich  dadurch  notwendig  geworden  war,  dafs  man 
ein  unterscheidendes  Merkmal  zwischen  den  vielen  Städten 
dieses  Namens  brauchte  und  dafs  man  die  Bedeutung  von 
Wich  allein  nicht  mehr  fühlte.    Doch  findet  man  neben  dieser 

Studien  zur  engl.  Phil.    L,  26 


402 

neuen  Bezeichnung  noeli  bis  ins  15.  Jh.  hinein  die  ältere  Form. 
Aus  dieser  Entwicklung  des  Namens  folgt  aber  wohl  der 
Schlufs,  dafs  Saltivich  zunächst  lediglich  ,.Salz-Ort"  bedeutete, 
eine  Erklärung,  für  die  ja  auch  andere  Salhvick  sprechen. 
Bald  aber  wurde  die  Bezeichnung  wie  auf  die  Solquelle  über- 
tragen, die  Bedeutung  änderte  sich  also.  Denn  das  ist  aufser 
Zweifel,  dafs  ivich  diese  Bedeutung  hat,  wie  das  Dialektwort 
wich-waller,  „Salzkocher"  (vgl.  Lucas,  Wth.  und  Engl.  Dial. 
Dict.  unter  Wych)  bezeugt.  Immerhin  ist  diese  Erklärung  von 
-7vich  als  isolierter  Form  von  ae.  wie  nicht  als  unbedingt  gültig 
anzunehmen,  da  die  Endung  -wiek  in  Flufsnamen  bezeugt,  dafs 
auch  andere  Deutung  möglich  ist. 

Die  Salzstädte  Englands  sind  ziemlich  zahlreich;  schon  im 
D.  B.  ist  eine  grofse  Zahl  zu  belegen  (vgl.  Ellis,  An  Intro- 
dudioti  to  D.  B.  I,  126  ff.).  Von  meinen  Beispielen  kommen 
Middlewich  176,  Nantwicli  177,  Northwich  178,  ShirUtjwich  206, 
DroiUüich  378  und  Loiver  und  Upper  Wtjclie  395  in  Frage.  Diese 
Orte  wären,  da  die  Herleitung  weder  von  ae.  wie  noch  an.  vtli 
sicher  ist,  bei  Behandlung  der  Hauptfrage  auszuschalten. 

Aber  aufser  diesen  drei  Bedeutungen  kann  noch  eine 
weitere  zugrunde  liegen.  In  mehreren  Ortsnamen  wird  wohl 
witcli  („Ulme"  <  ae.  ivic  oder  wice  (vgl.  Middendorf,  Ae.  Flur- 
namenbuch) die  Endung  bilden.  Wych-Elms  gab  es  früher 
in  England  vielfach,  heute  ist  eine  besonders  bekannt  (vgl. 
Baedecker,  Grofshrit.  p.  78).  Das  English  Dial.  Dict.  belegt 
dies  Wort  allerdings  nur  für  Somerset  und  Devonshire.  Orts- 
namen wie  High  Wych  (474)  (vgl.  dazu  High  OaJ:  und  ähnliehe) 
und  Holyivych  (510),  auch  Wych  Cross  (511)  dürften  hierher 
gehören,  desgleichen  Formen  wie  Witcham  (338),  während 
Witchford  339  und  Whichford  372  wohl  auf  das  Altnordische 
zurückgehen.  Im  Norden  ist  im  Ne.  das  Dialektwort  Wicke?!, 
Wicken  Tree  „Eberesche"  zu  belegen,  vgl.  English  Dial.  Dict, 
unter  Wiggen,  Quicken,  auch  Witchen.  Dies  wird  vielleicht 
derselbe  Stamm  sein.  Da  hier  im  Ae.  auch  auslautendes  -c 
vorliegt,  ist  natürlich  kein  Grund  vorhanden,  diese  Ortsnamen 
aus  unserer  Untersuchung  auszuschalten. 

Wich  „Docht"  und  ivitch  „Hexe"  dürften  in  unseren 
Ortsnamen  kaum  vorliegen.  Anhaltspunkte  dafür  sind  Jeden- 
falls nicht  vorhanden.    In  wieweit  die  Bedeutung  „Vorgebirge" 


403 

und  „peak",  die  tvicJ:  in  Schottland  und  Nordengland  zu  haben 
scheint  (vgl.  die  Belege  17.  23.  90)  mit  unseren  Wörtern  zu 
tun  hat,  ist  kaum  zu  sagen. 

Doch  noch  weitere  Erklärungsraüglichkeiten  sind  gegeben. 
Sicher  liegt  in  einigen  Ortsnamen,  zum  wenigsten  in  einem, 
der  Name  des  alten  Stammes  der  Hwiccas  vor,  die  in  den 
angelsüchsiseheu  Annalen  erwähnt  werden.  Dafür  sprechen 
mehrere  Schreibungen,  nämlich  Huiccepudu  für  Wychivood  (439), 
Hiviccenofre  für  Wichnor  (209).  Diese  Ortsnamen  müssen  wir 
jedenfalls  bei  der  Untersuchung  ausscheiden. 

Die  Annahme,  dafs  wtc  dem  Bedeutungswandel  stark  unter- 
lag, wie  wir  für  ivich  =  „Solquelle"  angenommen  haben,  wird 
weiter  befestigt  durch  das  zahlreiche  Vorkommen  insbesondere 
in  Essex  und  dem  Süden  Englands  in  Zusammensetzungen,  in 
denen  ivick  „Marsch,  Marschland,  Weide"  bezeichnet.  Dies  ist 
sicher  in  Hackneij  Wich  der  Fall,  höchstwahrscheinlich  bei  den 
eng  aneinanderliegenden  Wich  in  Essex'  Küstenmarsch.  Doch 
kann  hier  auch  die  Bedeutung  „Meierei,  Käserei,  dairy"  vor- 
liegen (vgl.  English  Dicd.  Dict.  unter  Wide  i).  Jedenfalls  ist  hier 
ein  Bedeutungswandel  eingetreten.  Die  in  Frage  kommenden 
Ortsnamen  aus  unserer  Untersuchung  auszuscheiden,  liegt  aber 
kein  Grund  vor. 

Nachdem  wir  so  zunächst  gesehen  haben,  welche  von  den 
im  Material  mit  aufgezählten  Orten  für  unsere  Frage  aus 
Gründen  der  Bedeutung  der  Endung  nicht  in  Betracht  kommen, 
müssen  wir  jetzt  sehen,  bei  welchen  Orten  andere  Gründe  für 
ein  Ausscheiden  vorliegen.  Hier  haben  wir  vor  allem  die 
alten  Formen  zu  befragen,  aber  auch  Nebenformen,  die  heute 
noch  im  Gebrauch  sind,  müssen  Zweifel  in  uns  erwecken.  Dies 
ist  z.  B.  der  Fall  in  ManvicJc  (26),  wozu  die  Formen  Marvig 
und  Maldbhig  belegt  sind.  Zweifelhaft  müssen  wir  auch  werden 
bei  der  Schreibung  -wig,  da  das  -g  auf  stimmhafte  Aussprache 
hinzuweisen  scheint.  Doch  wird  -wich  im  Ne.  vielfach  \ividz\ 
gesprochen,  sodafs  wir  die  Orte  auf  -g  nicht  streichen  dürfen. 
Dafs  weder  ae.  tvic  noch  an.  vllc  vorliegt,  beweist  der  alte 
Beleg  für  JRenvicJc  (44).  Wichham  oder  Whicham  (86)  hat  mit 
unserem  Worte  nichts  zu  tun,  wie  die  alten  Belege  Witingham 
deutlich  zu  zeigen  scheinen.  Auch  in  Stanwich  (102)  scheint 
die   Endung   früher   anders   gelautet   zu   haben,   da  das   D.  B. 

26* 


404 

Stenwege  und  äbnliclie  Formen  hat.  Für  Glodwich  (163)  ist 
keine  alte  Form  mit  -ivick  belegt,  sodafs  es  auch  hier  zweifel- 
haft sein  muls,  ob  wir  es  zur  Untersuchung  heranziehen  dürfen. 
Wichaugh  (182)  ist  ein  sehr  schwer  zu  deutender  Name,  Aus- 
scheidung scheint  mir  auch  hier  angebracht.  In  Muchlewick 
(192)  liegt  wahrscheinlich  eine  ähnliche  Umbildung  vor,  wie 
in  dem  oben  erwähnten  Stamuick.  Auch  hier  lautet  die  Form 
des  14.  Jahrhunderts  auf  -wege.  In  Wiekenhy  (230)  liegt  ein 
altes  Wikmghy  zu  Grunde  und  kommt  es  deshalb  für  uns  nicht 
in  Betracht.  Schwierig  ist  die  Entscheidung  bei  Cranivich  (241), 
wo  die  Belege  aus  früheren  Jahren  niemals  -wich,  sondern 
-wisse,  -wyz,  -wes  zeigen.  Obwohl  diese  Schreibung  vielleicht 
nur  darauf  hindeutet,  dals  hier  [ts]  gesprochen  wurde,  scheint 
es  mir  ratsam  zu  sein,  die  Form  ganz  fortzulassen.  Crostivick 
(242)  und  und  Guesttvich  (244)  scheinen  auch  ursprünglich  eine 
ganz  andere  Endung  gehabt  zu  haben.  Zwar  ist  für  das  erstere 
die  Endung  -ivic  im  13.  Jahrhundert  bezeugt,  die  heutige  Aus- 
sprache ist  m.  E.  auch  beweisend  dafür,  dafs  es  wirklich  eine 
Zeit  gegeben  haben  muls,  wo  man  [hJc]  sprach,  die  Erklärung 
der  Namen  ferner  würde  bei  Annahme  eines  alten  -tvic  keine 
Schwierigkeit  bereiten.  Immerhin  scheint  mir  das  Gewicht 
der  alten  Belege  auf  -tveit,  -2vit  so  bedeutend,  dafs  ich  lieber 
auf  die  beiden  Orte  verzichten  möchte.  Ausscheiden  mufs 
auch  Witchiiigham  (260),  wie  auch  Wigston  (360)  auf  Grund 
der  alten  Form.  Stanwick  2  (355)  muls  ebenso  ausgelassen 
werden  wie  das  oben  erwähnte  Stanwick  und  wie  MuMeiviclc. 
Auch  hier  sprechen  zahlreiche  Belege  für  andere  Endung. 
Auch  Wigmore  in  Herefordshire  mulste  aus  gleichem  Grunde 
gestrichen  werden.  Wiclcliamford  (399)  und  Child's  WicMiam 
(428)  müssen  fallen ;  Wychbold  (401)  Wijckhurij  Hill  (402)  sind 
auch  nicht  sicher  auf  -wich  zu  deuten.  Schlielslich  ist  Comb- 
ivich  (592)  noch  zweifelhaft ;  die  heutige  Schreibung  ist  zuerst 
im  15.  Jahrhundert  belegt. 

Strittig  ist  die  Bedeutung  von  Aldtvych,  einem  Namen, 
der  1905  einer  neuen  Strafse  in  London  gegeben  wurde,  und 
zwar,  um  den  alten  Namen  Wijch  Street  wieder  aufleben  zu 
lassen.  Wenn  also  auch  der  Name  erst  kürzlich  gegeben  wurde, 
ist  die  Form  selbst  doch  sehr  alt  und  mufs  von  uns  berück- 
sichtigt werden.    Fraglich  ist  nur,  was  die  Endung  bedeutet. 


405 

F.  H.  Habben,  London  Street  A^ames,  deutet  icijch  hier  auf 
ein  altes  Kloster,  ohne  allerdings  diese  Deutung  etymologisch 
zu  begründen,  andere  sehen  die  an.  Form  als  zu  Grunde  liegend 
an,  wieder  andere  glauben,  dafs  hier  loitch  =  „Ulme"  zu  setzen 
ist.  Mir  selbst  erscheint  es  aber,  als  wenn  hier  ae.  iv'ic  in  der 
isolierten  Form  zu  Grunde  liegt,  die  wir  oben  schon  besprochen, 
nämlich  „Weide,  Wiese,  Marsch".  Darauf  scheint  zunächst 
der  alte  Beleg  The  garclen  in  Aldeivych  zu  deuten,  ferner  auch 
die  Bemerkungen  über  die  Geschichte  des  Orts  in  Notes  and 
Qiieries  1905,  S.  411.  Danach  war  an  dieser  Stelle  früher  ein 
ca.  zwei  Acker  grolser  Platz  vorhanden,  Oldiviclc,  Oldwich  oder 
Old  Witch  Close  benannt.  Dieser  Platz  war  noch  im  Jahre 
1629  unbebaut,  da  in  diesem  Jahre  Beschwerde  geführt  wurde 
über  gewisse  Leute,  die  versucht  hatten,  auf  dem  kleinen  Platz 
zu  bauen. 

Interessant  sind  nun  die  wenigen  Worte,  die  früher  die 
Form  -wich  gehabt,  sie  aber  in  der  Entwicklung  der  Jahr- 
hunderte verloren.  Yorh  ist  der  hervorragendste  dieser  Plätze 
(man  vgl.  Bradley  a.a.O.  S.  19f.).  Allerdings  scheint  mir  die 
Kontraktion  von  Evervic  >  York  wesentlich  später  eingetreten 
zu  sein,  als  Bradley  annimmt.  Ich  konnte  doch  noch  im 
14.  Jahrhundert  die  Form  Everwic  belegen,  also  muls  bis  dahin 
diese  Form  bekannt  gewesen  sein.  Die  Form  lorviJc  als 
Zwisehenform  anzunehmen,  ist  auch  gewagt;  Beispiele  und 
Belege  habe  ich  dafür  nicht  gefunden,  wüIste  auch  nicht,  dafs 
dieser  Name  irgendwo  belegt  wäre.  Sicher  liegt  hier  aber 
altes  -2ütc  zugrunde.  Birmingham  ist  von  verschiedenen 
Gelehrten  als  Brummidgeham  gedeutet  worden,  unter  Bezug- 
nahme auf  die  in  der  Nähe  liegenden  Bromwich.  Zachrisson 
a.  a.  0.  S.  2  hat  aber  durch  den  Hinweis  darauf,  dafs  in  alter 
Zeit  nur  Ber-,  Bir-  begegnen,  diesen  Irrtum  wieder  richtig 
gestellt. 

Die  alte  Endung  ist  nicht  mehr  zu  erkennen,  aber  durch 
Belege  aus  früherer  Zeit  erwiesen  in  Holliclcstone  (384) 
<  Hahvichestan,  Ramerich  (469)  <  BamnordwyJc,  in  Brunage 
(544)  <  Brunuuic,  in  Wishford  (587)  <  Whicheford,  Swanage 
(582)  <  Swanawic,  wahrscheinlich  auch  in  Chelveg  (591)  aus 
Calviche.  Von  diesen  sind  Brunage,  Swanage  und  Wishford 
besonders    interessant,    da    sie    die    wenigen    Belege    für    die 


406 

palatalisierte  Form  vermebreu  in  einer  Gegend,  in  der  sonst 
U'ich-Formen  nicht  belegt  sind. 

Nachdem  wir  so  die  einzelnen  Ortsnamen,  soweit  etwas 
darüber  zu  sagen  ist,  für  die  Zwecke  unserer  Untersuchung 
geprüft  haben,  möchte  ich  dazu  übergehen,  die  Überlieferung 
unserer  Ortsnamen  bezüglich  der  Palatalisierung  des 
auslautenden  Konsonanten  zu  schildern.  Auffallen  mufs 
auf  den  ersten  Blick,  dafs  das  Bild  kein  reines  ist,  dafs  wir 
überall  die  Formen  auf  -ivick,  -loeclc  vorherrschend  finden, 
während  -wich  die  Ausnahme  darstellt.  Es  bleiben  nach  Ab- 
zug der  oben  ausgeschiedenen  nur  noch  44  wich-Yoxmen  gegen- 
über der  grofsen  Zahl  derer  auf  -ivick.  Das  darf  aber  nicht 
Wunder  nehmen.  Wir  müssen  vielmehr  bedenken,  dafs  wie 
nur  dann  der  Palatalisierung  unterlag,  wenn  das  c  im  Auslaut 
stand,  also  nicht  in  den  flektierten  Formen  (vgl.  E.  Björkman, 
Scand.  Loanw.  S,  145).  So  mulsten  sich  notwendigerweise 
Doppelformen  ergeben,  und  die  nicht  palatalisierte  Form  hat 
im  allgemeinen  den  Sieg  davongetragen.  Leider  können  wir 
an  Hand  des  Materials  diesen  Vorgang  nicht  verfolgen,  da  die 
Schreibungen  fast  stets  versagen.  Nur  ganz  wenige  Belege 
zeigen  durch  die  Schreibung  -luyz,  -wes,  -wys  oder  tvicche  an, 
dafs  hier  ein  Laut  vorlag,  der  den  Schreibern  Schwierigkeiten 
bereitete.  Denn  die  oft  belegten  Formen  mit  ch  sind  keines- 
wegs beweisend  für  Palatalisierung.  Das  geht  aus  vielen 
Schreibungen  hervor,  wie  z.  B.  Cheiit  und  Norfolch  in  den  Pipe 
liolls.  Auch  c  ist  nicht  beweisend  für  den  [fsJ-Laut,  obwohl 
es  natürlich  diesen  Laut  bezeichnen  könnte.  Das  zeigt  die 
Schreibung  Wieford,  im  D.  B.  für  heutiges  Whichford  (372) 
deutlich  an.  Andererseits  setzen  die  Schreiber  zuweilen  h,  wo 
sicher  [ts]  vorlag,  wie  in  Wike  statt  Wiche  =  Droitwich.  Auf 
die  Schreibungen  dürfen  wir  also  nicht  viel  geben. 

Stellen  wir  nun  die  Verbreitung  der  -wich  und  -ivich- 
Formen  fest.  In  ganz  Schottland  und  dem  ganzen  Norden 
aufser  Lancashire  gibt  es  kein  einziges  -ivich,  sondern  nur  tvick- 
Formen  sind  zu  belegen,  Whicham  in  Cumberland  war  zu 
streichen.  In  Lancashire  begegnen  neben  vielen  -wich  auch 
zwei  -lüich,  Horwich  (165)  und  Presttvich  (168).  In  Cheshire 
sind  neben  wenigen  wich  mehrere  wich  zu  belegen;  bis  auf 
Leftwich  (175)   haben  diese  aber  die  Bedeutung  „Solquelle". 


407 

In  Shropsbiro  überwiogeu  die  wiclc  durchaus,  nur  Ledwich  (191) 
zeigt  Palatalisierung.  Zahlreich  sind  die  -j^/c/i- Formen  dann 
in  Statfordshire,  doch  sind  daneben  einige  wich  zu  belegen. 
Derbyshire  zeigt  liberwiegend  wich,  doch  haben  Grecnwich 
(211)  und  Parivich  (213)  auch  hier  die  palatalisierte  Form. 
Lincolnshire,  Nottinghamshire,  Leicestershire  und  Rutlandshire 
sind  ganz  frei  von  Palatalisieruug.  Norfolk,  Suffolk  und  Essex 
zeigen  ein  starkes  Überwiegen  von  7vicl',  nur  vier  sichere  Belege 
für  -wich  sind  vorhanden.  Cambridgeshire  hat  im  Osten  zwei 
Witch-,  neben  mehreren  wicJc;  Bedfordshire  und  Northampton- 
shire  haben  nur  wicl:  Warwiekshire  dagegen  hat  schon  wieder 
zwei  ivich-Formeu,  neben  überwiegendem  wicJc.  Worcestershire 
hat  dann  neben  vielen  tvicJc  und  aulser  einigen  zweifelhaften 
Ortsnamen  noch  DucJcswich  (379),  Liidwidge  (388)  und  Wichen- 
ford  (396).  Herefordshire,  Moumonthshire,  Gloucestershire, 
Oxfordshire  und  Buckinghamshire  sind  ganz  frei  von  jeder 
palatalisierten  Form.  Dann  treten  wir  wieder  in  das  tvich- 
Gebiet  Ostenglands  ein:  In  Hertfordshire  ein  wych,  in  Middlesex 
zwei,  in  Kent  sogar  überwiegend  -wich.  Die  übrigen  Graf- 
schaften des  Südens  haben  bis  auf  die  nördlichste,  Berkshire, 
und  die  westlichste,  Cornwall,  vereinzelte  ivich-Formen.  Dabei 
ist  die  eine  Form  Somersets  sogar  noch  auszuscheiden  (vgl. 
oben). 

Wir  sehen  also  zwei  deutlich  von  einander  getrennte  Ge- 
biete, die  tvich-Formen  enthalten.  Die  eine  befindet  sich  im 
Nordwesten  des  Mittellandes  mit  dem  Hauptsitz  in  Staffordshire 
und  umfafst  den  Süden  von  Lancashire,  dann  Cheshire,  West- 
Derby,  Shropshire,  StaflFordshire,  Worcestershire  und  West- 
Warwickshire;  die  andere  im  Osten  und  Südosten  mit  dem 
Zentrum  in  Kent,  von  wo  einzelne  Ausläufer  sich  nach  Norden 
und  Westen  erstrecken.  Hier  finden  sich  wic/i-Formen  in  Nor- 
folk, Suffolk,  Cambridgeshire,  Hertfordshire,  Essex,  Middlesex, 
Kent,  Surrey,  Suesex,  Hampshire,  Wiltshire,  Dorsetshire  und 
Devonshire.  Der  Südwesten  und  die  Mitte  des  Mittellandes 
sind  ganz  frei  von  der  palatalisierten  Form.  Bei  der  eigen- 
artigen Überlieferung  können  wir  aber  wohl  kaum  hieraus  den 
Schlufs  ziehen,  dafs  nun  überall,  wo  heute  -ivich-Formen  fehlen, 
auch  früher  die  Palatalisieruug  nicht  eingetreten  sei.  Das 
scheint  m.  E.  nur  für  Schottland  und  Nord-England  festzustehen. 


408 

Wir  dürfeu  deshalb  wohl  auch  die  Scheidung  zwischen  nord- 
westlicher und  südöstlicher  Gruppe  nicht  so  streng  nehmen. 
Wenn  wir  überhaupt  eine  Grenze  ziehen  wollen,  kann  es  sich 
nur  um  eine  Grenzlinie  gegen  Norden  handeln  und  auch  diese 
wiederum  kann  nicht  unbedingte  Zuverlässigkeit  für  sich  in 
Anspruch  nehmen.  Denn  das  Mittelland  beweist  uns  doch,  dafs 
wir  heute  nicht  unbedingt  da  wich-Formeu  zu  suchen  haben, 
w^o  Palatalisierung  wirklich  eingetreten  ist.  Um  eine  eigent- 
liche Grenzlinie  kann  es  sich  aber  schon  deshalb  nicht  handeln, 
da  die  Verbindung  zwischen  Ost-  und  West -England  ganz 
fehlen  würde.  Im  Westen  findet  sich  die  nördlichste  Form 
{Horwich  165)  in  Süd-Lancashire,  und  die  Verbreitung  des 
palatalisierten  ivich  endigt  hier  genau  dort,  wo  auch  die  chester- 
Form  aufhört  (vgl.  H.  Cornelius,  Die  ae.  Diphthongierung 
durch  Palatale  im  Spiegel  der  me.  Dialekte  in  Morshacli- Studien 
XXX  S.  78).  Dasselbe  ist  der  Fall  im  Osten.  Norwich  liegt 
allerdings  noch  nördlich  von  der  von  mir  gezogenen  Grenze, 
doch  müssen  wir  bei  jeder  derartigen  Linie  etwas  Spielraum 
lassen. 

Zusammenfassend  muls  ich  sagen,  dals  die  Frage  der 
dialektischen  Abgrenzung  der  ivich-  und  wich-Yoxm  wohl  gelöst 
ist.  Wir  haben  zwei  völlig  von  einander  getrennte  Gebiete 
mit  -wich  gefunden.  Damit  ist  aber  leider  nicht  das  Gebiet 
umgrenzt  worden,  in  welchem  Palatalisierung  des  auslautenden 
c  (vgl.  K.  D.  Bülbring,  Ae.El.  §496)  überhaupt  eintrat.  Viel- 
mehr wird  in  ae.  Zeit  neben  der  palatalisierten  Form  die  nicht 
palatalisierte  Form  der  flektierten  Formen  bestanden  haben; 
dieser  Umstand  allein  mulste  natürlich  eine  Entscheidung  un- 
möglich machen. 

Anmerkung:  Während  der  Drucklegung  erschien  das  Buch  von 
H.  Alexander,  The  Place-Names  of  Oxfordshire,  Oxford  1912.  Aus  dem 
Inhahc  wäre  nachzutragen  der  weitere  Beleg  Berrick  Prior,  Bcrrick  Salome 
(s.  52).  Alte  Formen  beweisen,  dafs  hier  dieselbe  Endung  wie  iu  Berwick 
zugrunde  liegt. 


409 


I  n  (l  e  X. 


Abberwlck,  Nhmiih.,  JS 
Adwick-le-Strcet,  W.  K.  Yks.,  107 
Adwick-upou-Dearne,   W.  R.  Yks., 

106 
Aldwick,  Süss.,  504 
Aldwick  Court,  Hom.,  5S6 
Aldwych  Crescent,  Middx.,  475 
Alfledawiclia,  Ilerts.,  4ö(l 
Alnwick,  Nhnmb.,  49 
Alnwick  Lodge,  Sc.  Ayrs.,  40 
Alswick  Hall,  Herta.,  457 
Aukerwyke,  Biicks.,  440. 
Ankorwyke,  Surr.,  494 
Anuick  Lodgc  s.  Alnwick  Lodge 
Anwick,  Lines.,  220 
Appletreewick,  W.  R.  Yks.,  104 
Ardwick,  Lancs.,  154 
Ashwick,  Som.,  5SS 
Ashwicken,  Norf.,  2.Ü7 
Ashwicke  Tark,  Gloucs.,  411 
Astwick  1,  Beds.,  449 
Astwick  2,  Nhauts.,  348 
A.stwiek  Manor,  Herts.,  458 
Aswick  Grange,  Lines.,  224 
Atwick,  E.  R.  Yks.,  134 
Auld  Wick  Castle,  Sc.  Caitbs  ,  20 
Anstwick,  W.  R.  Y'ks.,  105 

Bagwich,  Hants.,  543 
Banterwick  Baru,  Berks.,  532 
Barlawick,  Yks.,  151 
Barnoldswick,  W.  R.  Yks.,  108 
Barswick,  Sc.  Ork.,  17 
Barwick  1,  Som.,  5S9 
Barwick  2,  Norf.,  238 
Barwick,  Dev.,  (121 
Barwick,  Great,  Herts.,  459 
Barwick  Hall,  Ess.,  276 
Barwick- in-Elmet,  W.  R.  Yks.,  109 
Barwick,  Ingleby,  N.  R.  Yks.,  94 
Bastwick,  Repps-with-,  Norf.,  239 
Baswich,  Staffs.,  196 
Baswick,  Worcs.,  374 


Bathwick,  Soui.,  590 
Beuwick,  Cambr.,  831 
Borkswich,  Staffs.,  196 
Bcrrick  Prior,  —  Saloiuc,  s.  408  A. 
Berwick  1,  Süss.,  505 
Berwick  2,  Shrops.,  184 
Berwick  4,  Dors.,  579 
Berwick,  Kent,  4S3 
Berwick,  Ess.,  279 
Berwick-Bassett,  Wilts.,  558 
Berwick,  Great,  Shrops.,  183 
Berwick  Hill,  Nhumb.,  51 
Bcrwick-in-Toppesfield,  Ess.,  280 
Berwick  Lodge,  Gloucs.,  412 
Berwick,  New  und  Old,  Nhumb.,  52 
Berwick,  North,  Sc.  Haddings.,  32 
Berwick  Place,  Ess.,  277 
Berwick-St.  James,  Wilts.,  559 
Berwick-St.  John,  Wilts.,  560 
Berwick-St.  Leonard,  Wilts.,  561 
Berwick- upon -Tweed,   Nhumb.,   50 
Beswick  1,  E.R.  Yks.,  137 
Beswick  2,  Lancs.,  1.^5 
Bewick,  E.R.  Yks.,  138 
Bewick  Farm,  Suff.,  262 
Birmingham,  Warws.,  363 
Biscopesunic,  Kent,  493  A.  1 
Bishops  Wicks,  Suff.,  274 
Blatherwick,  Nhauts ,  349 
Bloxwich,  Staffs.,  197 
Blowick,  Higher  und  Lower,  Lancs., 

150 
Blowick  Bay,  Wmld.,  88 
Bolwick  Hall,  Norf.,  240 
ßonwicks  Place,  Süss.,  506 
Borwick,  Lancs.,  157 
Borwick  Ground,  Lancs.,  158 
Borthwick  1,  Sc.  Edins,  33 
Borthwick,  Flufs,  Sc,  37 
Borthwickbrae,  Sc,  Roxbs.,  37 
Borthwickshields,  Sc,  Roxbs.,  37 
ßraiswick  House,  Ess.,  281 
Bridgewick,  Ess.,  282 


410 


Brihthelmewic,  Cambrs.,  339 
Broniwlcli,  Castle,  Warws.,"  3r)5 
Bromwich,  Little,  Warws.,  364 
Bromwich,  West,  Stafifs.,  11)8 
Brotberwick,  Nhumb.,  53 
Bninage,  Eants.,  544 
Bruuswick  Farm,  Suff.,  2(13 
Buddingwick,  Worcs.,  375 
Bndwick  Hall,  Herts.,  460 
Bulwick,  Nhants.,  350 
Burstwick,  E.  R.  Yks.,  136 
Burstwiek  Island,  Keut,  4S4 
Biirwick,  Sc.  Ork.,  16 
Butterwick  1,  Lines.,  221 
Butterwick  2,  E.  R.  Yks.,  1 35 
Butterwick  3,  N.  R.  Yks.,  Ü5 
Butterwick  4,  Dur.,  73 
Butterwick  5,  Wmld.,  89 
Butterwick,  East  und  West,  Lines., 

222 
Butterwike,  Dors.,  580 

Calwicb,  Staffs.;  199 
Candelwikstrete,  Middx.,  476 
Canwick,  Lines.,  223 
Casewick,  Lines.,  225 
Castlewigg,  Sc.  Wigs.,  43 
Catwick,  E.  R.Yks.,  140 
Cepmundewiche,  Chesh.,  173 
Chaddeuwicke,  Wilts.,  5G2 
Chadwick  1,  Laues.,  159 
Chadwick  2,  Wores.,  376 
Chadwick  3,  Worcs ,  877 
Chadwick  End,  Warws ,  366 
Chadwick  Green,  Laues.,  160 
Chelvey,  Som.,  591 
Cheswick,  Nhumb.,  54 
Cheswick  near  Tamwortb,  Warws., 

367 
Childwick,  Herts.,  461 
Childwickbury,  Herts.,  462 
Chiswick,  Middx.,  477 
Chiswick  End,  Cambrs.,  332 
Cholwicb  Town,  Devon,  623 
Colwicb,  Staffs.,  200 
Cülwick,  Notts.,  215 
Combwicb,  Som.,  502 


Cookburyweek,  Devon,  624 
Cowick,  Devon,  625 
Cowick  1,  W.  R.Yks.,  111 
Cowick,  Snaitb  and,  W.  R.  Yks.,  126 
Cranswick,  E.  R.Yks.,  139 
Crauswick,  Hutton,  E.  R.  Yks.,  139 
Cranswich,  Norf.,  241 
Crawick,  Flufs,  Sc.  Damfs.,  41 
Creswick,  W. R.Yks.,  110 
Crostwick,  Norf.,  242 
Crustwick,  Ess.,  285 
Cynemunding  wie,  Bucks.,  448 

Dalwick,  Sc.  Peebs.,  35 
Daneswick,  Herts.,  463 
Dawick  s.  Dalwick. 
Denwick,  Nhumb.,  55 
Dorweeke,  Devon,  626 
Droitwicb,  Worcs.,  378 
Drungewick,  Süss.,  507 
Duekswich,  Worcs.,  379 
Duddlewick,  Shrops.,  185 
Dulwich,  Surr.,  495 
Dankeswick,  W.  R.Yks.,  112 
Dunwich,  Suff.,  264 
Dwarwick  Head,  Sc.  Caitbs.,  23 

Eacbwick,  Nhumb.,  56 
Earswick,  N.  R.Yks.,  96 
Eastwick  1,  Herts.,  464 
Eastwick  2,  Hants.,  545 
Eastwick  3,  Shrops.,  186 
Eastwick,  Ess.,  287 
Eastwick,  Ess.,  288 
Eastwick,  Surr.,  496 
Eckweekhouse,  Som.,  594 
Eldwick,  W.  R.Yks,  113 
Ellwick,  Sc.  Ork.,  15 
Elsternwick,  Elstronwick,  E.  R.Yks., 

141 
Elswick  1,  Nhumb.,  57 
Elswick  2,  Lancs.,  KU 
Elswick,  Sc.  Ork.,  15 
Elwick  1,  Nhumb.,  58 
Elwick  2,  Dur.,  74 
Elwick  Hall,  Dur.,  74 
Esüotrewic,  Derbs.,  214  A. 


I 


411 


Eswiuk,  Sc.  Shetl.,  5 
Etherdwiek,  E.  R.  Yks., 
Etou  Wick,  Backs.,   111 
Exwick,  Devou,  (i27 


42 


Farwig,  Kent,  485 
Feuwick  I,  W.  R.Yks.,  114 
Feuwick  2,  Nhiimb.,  59 
Fenwick  3,  Nhuiub.,  HO 
P'enwick  4,  Sc.  Ayrs.,  .H'J 
Fishwick  1,  Laues.,  lt')2 
Fishwick,  Sc.  Berws.,  34 
Fisberwick,  Staffs.,  201 
Fleshwick,  I.  o.  IM.,  47 
Flitbwick,  Beds.,  45U 
Fordwicb,  Kent,  486 
Froswick,  Wmld.,  UO 
Frowick,  Ess ,  2>\) 
Furtlicrwick,  Ess ,  29il 

('anwick  Corner,  Middx.,  478 
(larwick,  Lines.,  226 
Garwick  Bay,  I.  o.  M.,  47 
(Tatwick,  Sarr.,  497 
Gatwick,  Surr.,  498 
Gatwick,  Gloucs.,  41  .'5 
Gernianswcek,  Devon,  (.28 
Giggleswick,  W.  R.Yks.,  115 
Giodwick  1  nud  2,  Laues.,  163 
(ioddeuwick  Farm,  Süss.,  508 
Godwick,  Norf.,  243 
Güswick,  Nhumb.,  62 
Gotherick,  Nhumb.,  61 
Gratwich,  Staffs.,  2ü2 
Greenwich,  Kent,  487 
Greeuwick,  Derbs.,  211 
Greenwick,  L  o.  M.,  47 
Grenaiigh,  s.  Greenwick,  L  o.  M. 
Gräting  Wick,  Bucht,  Sc.  Shetl,  3 
Guestwick,  Norf.,  244 
Gulberwick,  Sc.  Shetl.,  6 
Gweek,  Cornw.,  659 

Ilamiuerwich,  Staffs.,  203 
Hardewick,  Staffs.,  204 
Hardwick  1,  Norf.,  245 
Hardwick  2,  Nhants.,  351 


11  iruwick  3,  Suff,  265 
Hardwick  4,  Cambs.,  333 
Hardwick  5,  Oxfs.,  432 
Hardwick  6,  Lines.,  228 
Hardwick  7,  Oxfs.,  43:5 
Hardwick  8,  Derbs.,  212 
Hardwick  9,  ]\Ioum.,  407 
Hardwick  10,  Norf.,  246 
Hardwick  11,  Oxf.,  431 
Hardwick  12,  Rutls.,  358 
Hardwick  13,  Shrops.,  187 
Hardwick  14,  Shrops.,  188 
Hardwick  15,  Shrops.,  189 
Hardwick  16,  Worcs.,  380 
Hardwick  17,  Dur.,  75 
Hardwick  18,  Monm.,  408 
Hardwick  19,  Hunts.,  341 
Hardwick  20,  W.  R.Yks.,  121 
Hardwick,  Devon,  629 
Hardwick,  East  u.  West,  W.  R.Yks., 

120 
Hardwick,  Eynesbury,  Hunts.,  342 
Hardwick  Grange,  Lines.,  227 
Hardwick  Green,  Worcs.,  381 
Hardwick  House,  Oxfs.,  435 
Hardwick,  Kirkby,  Notts.,  216 
Hardwick,  Kytes,  Warws.,  368 
Hardwick,  Monks,  Hunts.,  343 
Hardwick,  Priors,  Warws.,  369 
Hardwick,  Shefford,  Beds.,  451 
Hardwicke  1,  Bucks.,  442 
Hardwicke  2,  Glouc,  414 
Hardwicke  3,  Herefs.,  403 
Hardwicke  4,  Gloucs.,  415 
Hardwicke,  Hunts.,  344 
Hardwicke  Bell  End,  Beds.,  452 
Hardwicks,  Hunts.,  345 
Haroldswick,  Sc.  Shetl.,  4 
Harwich,  Ess,  291 
Haultwick,  Herts.,  465 
Hawick  1,  Nhuuab.,  63 
Hawick  2,  Sc.  Roxbs.,  36 
Hawkswick,  Herts.,  466 
Hazelwick,  Süss.,  509 
Heckraondwike,  W.  R.  Yks.,  119 
Hedderwick,  Sc.  Forfs.,  27 
Henwick  1,  Worcs.,  382 


412 


Henwick  2,  Berks.,  536 
Herdwick,  Devou,  G30 
Heswick  Farm,  Wilts.,  573 
Hewiek,  Bridge,  W.  R.  Yks.,  117 
lIcMick,  Copt.,  W.  R.Yks.,  116 
Ilida  ding  pie,  Worcs.,  383 
Ilillswick,  Sc.  Slietl.,  7 
Hiuchwick    nnd    Old   Ilinchwick, 

Glüucs.,  416 
Hiuwick,  Beds.,  453 
Hlidwic,  Süss.,  5;i0  A. 
HoUick,  Surr.,  499 
HoUickstoue,  Worcs.,  3S4 
Hülwick,  N.  R.Yks.,  97 
Holywych,  Süss.,  510 
Iloneywick,  Som.,  595 
Horwieb,  Lancs.,  165 
Hoswick,  Sc.  Shetl.,  8 
Howick  1,  Nhnmb.  64 
Howick  2,  Lancs.,  164 
Howick,  Snss.,  511 
Howick,  Monm.,  409 
Hremping  wiic,  Kent,  493,  A.  1 
Huntwick,  W. R.Yks.,  118 
Hunwick,  Dnr.,  76 
Hnrdwick,  Devou,  632 

Innerwick  1,  Sc.  Haddings.,  31 
Innerwick  2,  Sc.  Perths.,  29 
lunervvick-in-Glenlyu,  Sc.  Perths  ,  30 
luverwick.  Sc.  luvs.,  2^ 
Ipswich,  Suff.,  266 

Kearstwick,  Wmld.,  91 
Keckwick,  Kekewick,  Chesli.,  174 
Kelsick,  Cumb.,  81 
Keltwick,  s.  Kelsick 
Kenswick,  Worc,  385 
Kenwick,  Shrops.,  190 
Keuwick  Hall,  Norf.,  247 
Kepwick,  N.  R.  Yks.,  99 
Keswick  1,  Cumb.,  82 
Keswick  2,  Norf,  249 
Keswick,  Norf.,  248 
Keswick,  East,  W.  R,  Yks  ,  122 
Kildwick,  W.  R.Yks,,  123 
Killerwick-iü-Monsell,  Lancs.,  166 


Kilnwick,  E.  R.  Yks.,  143 
Kiluwick  Percy,  E.  R.  Yks.,  144 
Kuightwick,  Warws.,  370 
Kniglitwick,  Worcs.,  3S6 
Kniglitswick,  Ess.,  294 

Landwick,  Ess.,  295 
Land  Wick.,  Ess.,  206 
Ledwicb,  Shrops.,  191 
Leftwich,  Chesh.,  175 
Lenchwick,  Worcs.,  387 
Lerwick,  Sc.  Shetl.,  9 
Levenwick,  Sc.  Shetl.,  10 
Littlewick  Green,  Berks.,  537 
Longwick,  Bucks.,  444 
Lowick  1,  Nhants.,  352 
Lowick  2,  Nhumb.,  65 
Lowick  3,  Lancs.,  167 
Lndwick,  Herts.,  467 
Ludwick,  Süss.,  512 
Ludwidge,  Worcs.,  388 
Lundenwic,  Middx.,  4SI 
Lyn  wick  House,  Süss.,  513 

Malabhig  s.  Marwick 
Malswick,  Gloncs.,  417 
Marshalwick,  Herts.,  468 
Marvig  s.  Marwick 
Marwick,  Sc.  Lewis,  26 
Marwick  Head,  Sc.  Ork.,  IS 
Middel  pik,  Worcs.,  3S9 
Middlewich,  Chesh.,  170 
Middlewich,  Worcs.,  395 
Middlewick,  Ess.,  300 
Milwich,  StafTs.,  205 
Monkwick,  Ess.,  301 
Monkswick,  Ess.,  302 
Morwick  1,  Nhumb.,  66 
Morwick  2,  W.  R.  Yks.,  124 
Mouwick,  Sc.  Shetl.,  3 
Jlucklewick,  Shrops.,  192 
j    Muggleswick,  Dur.,  77 

Nantwich,  Chesh.,  177 
Neswick,  E.  R.  Yks  ,  145 
Newick,  Süss.,  514 
Norridge,  Wilts.,  578  A. 


413 


Northwich,  Chesh.,  178 
Northwicb,  Castle,  Chesh.,  179 
Northwick  1,  Gloucs.,  41b 
Northwick  2,  Som.,  597 
Northwick  4,  Wurcs.,  390 
Northwick  5,  Worcs.,  3i)I 
Northwick,  Ess.,  ;!u5 
Norwich,  Norf.,  250 
Nor  Wick,  Sc.  Shetl.,  13 
Nimwick-with-Howgrave,  W.  R.Yks., 
125 

Orgarswick,  Kent,  4SS 
Orleswick,  Süss.,  515 
Üsbaldwick,  N.  R.Yks.,  100. 
Osborwyk,  Nhiimb.,  67 
Otterswick,  Sc.  Ork.,  19 
Otterswick,  Sc.  Shetl.,  1 
Oiitwich,  Middx.,  4S2 
Oiitwick,  Hauts.,  5-iü 
Owlswick,  Bucks.,  445 
Üwstwick,  E.  R.  Ykä.,  116 
Oxwick,  Norf.,  251 

Paiuswick,  Gloucs.,  419 
Paucrasweek,  Devon,  635 
Papplewick,  Notts.,  217 
Parwich,  Derbs.,  213 
Pattiswick,  Ess.,  307 
Penewick,  Derbs.,  214  A. 
Perwick  Bay,  I.  o.  M.,  47 
Petwick,  Berks.,  538 
Pickwick,  Wilts.,  563 
Postwick,  Norf.,  252 
Powick,  Worcs.,  392 
Preudwick,  Nhumb.,  68 
Prestwich,  Laues.,  ICS 
Prestwick  1,  Nhumb.,  69 
Prestwick  2,  Sc.  Ayrs.,  38 
Prestwick,  Surr.,  500 
Pull  Wyke  Bay,  Lancs.,  172 

Ramerick,  Ilerts.,  469 
Randwick,  Gloucs.,  420 
Reawick,  Sc.  Shetl.,  12 
Redwick,  Monm,,  410 
Redwick,  Gloucs.,  420 


Renwick,  Curab.,  83 
Rerwick,  Sc.  Kirkcuds.,  44 
Rosswick,  Cornw.,  660 
Rotherwick,  Hauts.,  547 
Round  wick,  Süss.,  516 
Rudgwick,  Süss.,  517 
Ptunswick,  N.  R.Yks.,  101 
Rushwiek,  Worcs.,  393 

Saltwick,  Nhumb.,  70 
Salwick,  Laues.,  169 
Sandwich,  Kent,  489 
Sandwick  1,  Wmld.,  92 
Sandwick  2,  Sc.  Ork.,  14 
Sandwick  3,  Sc.  Shetl.,  11 
Saudwick  4,  Sc.  Ross  Croms.,  25 
Scopwick,  Liucs.,  229 
Sedgewick  Castle,  Süss.,  519 
Sedgwick,  Wmld.,  93 
Senwick,  Sc.  Kirkcuds.,  46 
Shapwick  1,  Dors.,  581 
Shapwick  2,  Som.,  599 
Sheldwich,  Kent,  490 
Shelwick,  Herefs.,  404 
Shirleywich,  Staffs.,  206 
Shockerwick,  Som.,  600 
Shopwyke,  Süss.,  520. 
Shotwick,  Chesh.,  ISO 
Sloswick,  Notts.,  218 
Smethwick  1,  Staffs.,  207 
Smethwick  2,  Chesh.,  ISl 
Smithwick  Shoal,  E.  R.  Y'ks.,  147 
Suaith  aud  Cowick,  W.  R.  Yks.,  126 
Snodswic,  Derbs.,  214  A. 
Southwick  1,  Süss.,  521 
Southwick  2,  Hants.,  548 
Southwick  3,  Nhauts.,  353     ^ 
Southwick  4,  Dur.,  78 
Southwick  5,  Wilts.,  564 
Southwick  6,  Gloucs.,  422 
Southwick  7,  Sc.  Kirkcuds.,  45 
Southwick,  Som.,  601 
Spaldwick,  Hunts.,  346 
Spitchwick,  Devon,  636 
Stauderwick,  Som.,  6ii3 
Stanwick  1,  N.  R.  Yks.,  102 
Stauwick  2,  Nhauts.,  354 


414 


Stickwick,  Devon,  637 
Stowick,  Gloncs.,  423 
Strodwic,  Süss.,  ö'M)  A. 
Snnderlandwick,  E.  R.  Yks.,  1 48 
Swainswick,  Som.,  6UG 
Swauage,  Tors.,  5S'2 
Swanwick  1,  Derbs.,  214 
Swanwick  2,  Hants.,  54!) 


Tadwick,  Soin.,  607 
Teignweek,  Devon,  638 
Terwick,  Snss.,  522 
TetcLwick,  Bncks.,  446 
Tidbritwic,  Cambrs ,  340 
Tilwick  Farm,  Beds.,  454. 
Tingewick,  Bucks.,  447. 
Todwick,  W.ß.  Yks,  127 
Treswick,  Sc.  Caiths.,  22 
Treswiek,  burn.  Sc.  Caiths.,  24. 
Trewick,  Nhumb.,  71. 

rdding  wie,  Bucks.,  44S 
Ullingswick,  Herefs.,  405 
Upwick  Green,  Herts.,  470 
Urswick,  Lancs.,  170 
Unerburgenuic,  Kent,  493  A.  1 

IVadswick,  Wilts.,  565 

Walberswick,  Suff.,  267 

AValwick,  Nhumb.,  72 

Warwick  1,  Warws ,  371 

Warwick  2,  Cumb.,  b4 

Warwick  Bridge,  Curab.,  85 

Warwicks,  Ess.,  314 

Wattouwick,  Norf.,  253 

Weatherwick,  Ess.,  315 

Week  1,  Hants.,  550 

Week  2,  Som ,  609 

Week  3,  Som.,  610 

Week  4,  Som.,  611 

Week  5,  Hants.,  551 

Week,  Devon,  o.  Cullompton,  639 

Week,  Devon,  s.w.  Okehampton,  640  ' 

Week,  Devon,  n.  w.  Totnes,  641 

Week,  Devon,  w.  North  Tawton,  612 

Week,  Devon,  s.  o.  North  Tawton,  643 

Week,  Devon,  s.  Morehard  Bishop,  644 


Week,  Devon,  s.  Torriugton,  645 
Week,  Devon,  s.  Umberleigh  Station, 

646 
Weck,  Devon,  o.n.o.  Clmlmleigh,  647 
Week,  Devon,  w.  Tivertou,  648 
Weck,  Devon,  o.  n.  o.  Milton  Abbot, 

649 
Weck,  Devon,  w.s.w.  Wiukleigh,  650 
Weekaborough,  Devon,  651 
Week,  Ash,  Som.,  587 
Week,  Chawleigh,  Devon,  622 
Weeke,  Hants.,  552 
Wecke  Barton,  Devon,  652 
Weekfield,  Som.,  612. 
Week,  Langtree,  Devon,  633 
Weekley,  Nhants.,  355 
Week  in  Arreton,  Hants ,  533 
Week,  North,  Devon,  634 
Week  St.  Mary,  Cornw.,  658 
Weeks-in-the-Moor,  Devon,  653 
Weiwick,  E.  R.yks.,  149 
Westsandwick,  Sc.  Shetl.,  2 
Westwick  1,  Norf.,  254 
Westwick  2,  W.  R.  Yks.,  132 
Westwick  3,  Dur.,  79 
Westwick  4,  Cambs.,  334 
Westwick,  Ess.,  317 
Westwick,  Ess.,  318 
Westwick,  Ess.,  319 
Westwick,  Herts.,  471 
Westwick,  Som.,  613 
Wetherwik,  Derbs.,  214  A. 
Whichford,  Warws.,  372 
Whickham,  Dur.,  SO 
Whitwick,  Herefs.,  406. 
Whitwick,  Leics.,  359 
Whyke,  Süss.,  523 
Wichaugh,  Chesh.,  182 
Wiche,  Shrops.,  195 
Wichenford,  Worcs.,  396 
Wichnor,  Staffs.,  208 
Wick  1,  Worcs.,  397 
Wick  2,  Gloucs.,  424 
Wick  3,  Süss.,  524 
Wick  4,  Som.,  615 
Wick  5,  Gloucs.,  425 
Wick  7,  Sc  Caiths.,  21 


i\ 


415 


Wick,  Hants.,  556 

Wick,  Hants.,  557 

Wick,  Soni.,  6 Kl 

Wick,  Wilts,  566 

Wick,  Ardingtou,  Berks.,  531 

Wick,  Ardleigb,  Ess.,  275 

Wick,  Avon,  Devon,  620 

Wick,  Badbnry,  Wilts.,  569 

Wick,  Bray,  Berks.,  533 

Wick,  Bremhill,  Wilts.,  568 

Wick,  Burnham,  Ess.,  2S2 

Wick  by  Ipswich,  Suff.,  268 

Wick,  Cerney,  Gloucs.,  427 

Wick,  Charuey,  Berks.,  534 

Wick,  ClactüD,  Ess.,  284 

Wick,  Coxley,  Sern.,  593 

Wick,  Dunmow,  Ess.,  286 

Wick,  East  und  West,  Devon,  654 

Wick,  Egham,  Surr.,  501 

Wick  End,  Norf.,  256 

Wick  End,  Beds.,  455 

Wick  Episcopi,  Worcs  ,  398 

Wick,  Eton,  Bucks.,  441 

Wick,  Farleigh,  Wilts.,  567 

Wick,  Fyfield,  Berks.,  535 

Wick,  Great  Wakering,  Ess.,  313 

Wick  Green,  Berks.,  540 

Wick,  Ilackney,  Middx.,  479 

Wick,  Hampton,  Middx.,  480 

Wick,  Hannington,  Wilts.,  570 

Wick,  Hatfield,  Ess.,  292 

Wick,  Haydon,  Wilts.,  571 

Wick,  Heddiugton,  Wilts.,  572 

Wick,  Jay,  Ess.,  293 

Wick  in  Headiogton,  Oxfs.,  436 

Wick,  Kemble,  Wilts.,  574 

Wick,  Kimble,  Bucks.,  443 

Wick,  Land,  Ess.,  296 

Wick,  Lee,  Ess.,  297 

Wick,  Liddington,  Wilts.,  576 

Wick,  Lower  und  Upper,  Worcs.,  394 

Wick,  Lower,  Ess.,  298 

Wick,  Maldon,  Ess.,  299 

Wick,  Milborne,  Som.,  596 

Wick,  Nase,  Ess,  303 

Wick,  New,  Ess.,  304 

Wick,  Nor,  Bucht,  Sc.Shetl.,  13 


Wick,  North,  Ess.,  306 
Wick,  Ramsay,  Ess.,  308 
Wick  Eissington,  Gloucs.,  426 
Wick  St.  Lawrence,  öoiu.,  617 
Wick,  St.  Osyth,  Esa.,  310 
Wick,  South,  Som.,  602 
Wick,  Stanton,  Som.,  604 
Wick,  Steeple,  Ess.,  3(i9 
Wick  Street,  Süss.,  527 
Wick,  Sutton,  Som.,  605 
Wick,  Sutton,  Berks,  539 
Wick,  Tockenham,  Wilts.,  577 
Wick,  ToUesbury-Marshes,  Ess.,  31 1 
Wick,  Ulting,  Ess.,  312 
Wick  Water,  Sc.  Caitbs.,  24 
Wick,  Way,  Som.,  60S 
Wick,  Well,  Ess.,  316 
Wick,  West,  Ess.,  320 
Wick,  West,  Ess.,  321 
Wick,  West  Kington,  Wilts.,  575 
Wick,  Writtle,  Ess.,  330 
Wicken  1,  Cambrs.,  335 
Wicken  2,  Nhants.,  356 
Wicken,  Norf.,  255 
Wickenby,  Lines.,  230 
Wicken  Bonhunt,  Ess.,  322 
Wicken  Hall,  Suff.,  270 
Wickfield,  Berks.,  542 
Wickford,  Ess.,  323 
Wickham  !,  Hants,  554 
Wickham  2,  Cumb.,  86 
Wickham  4,  Berks.,  541 
Wickham  5,  Oxfs.,  437 
Wickham,  Herts.,  472 
Wickham,  Süss.,  525 
Wickham  Bishops,  Ess.,  324 
Wickham,  Childs,  Gloucs.,  42S 
Wickham,  East  und  West,  Kent,  4'.)1 
Wickham  Heath,  Berks..  541 
Wickham  Market,  Sutl'.,  272 
Wickham  St.  Paul,  Ess.,  325 
Wickham  Skeith,  Suff.,  273 
Wickham,  West,  Cambrs.,  336 
Wickham,  West,  Kent,  491 
Wickhambreanx,  Kent,  492 
Wickhambrook,  Suff.,  271 
Wickbamford,  Worcs.,  399 


416 


Wickhampton,  Norl.,  257 
Wickburst,  Süss.,  526 
Wickmere,  Norf.,  25» 
AVickridge  Street,  Gloucs.,  430 
Wickwar,  Gloucs.,  429 
Wicks,  Ess.,  :-t2H 
Wieks  Greeu,  Suff,  2t;9 
Wicksgreeu,  Gloucs.,  431 
Wiöig  wie,  Kent,  493  A.  1 
Wigborongh,  Soin.,  61S 
Wigborough,  Great  und  Little,  Ess., 

327 
Wigborough  Wick,  Great,  Ess.,  32S 
Wigford,  Lines.,  231 
Wiggenhall,  Norf.,  259 
Wiggeus  Green,  Ess.,  329 
Wiggiuton,  Staffs.,  210 
Wighill,  W.R.Yks.,  131 
Wightwick,  Staffs.,  209 
Wigland,  Uants.,  555 
Wigmore,  Herefs.,  406  A. 
Wigsley,  Notts.,  219 
Wigston,  Magna,  Parva  und  South, 

Leics.,  360 
Wigtoft,  Lines.,  232 
Wigton  1,  Cumb.,  87 
Wigton  2,  W.K.Yks.,  128 
Wigtown,  Sc.  Wigs.,  42 
Wigwig,  Shrops.,  193 
Wike  1,  W.R.Yks.,  130 
Wike  2,  W.R.Yks..  129 
WilderNvick,  Surr.,  502 
Willerixigwic,  Bncks ,  448 
Willingwick,  Worcs.,  400 
Winwick  1,  Lancs.,  171 
Winwick  2,  Nhants.,  357 
Winwick,  Hunts.,  347 
Wishford,  Great  uud  Little,  Witts.,  578 
Wistauswick,  Shrops.,  194 
Witchampton,  Dors.,  584 
Witchcombe,  Devon,  655 


Witchford,  Cambrs.,  338 
Witchingham,  Great  und  Little,  Norf., 

260 
Witchliug,  Kent,  493  A.  2 
Withernwick,  E.  R.  Yks.,  150 
Wittou,  East,  Yks.,  152 
Wollenwick,  Herts.,  473 
Woodbastwick,  Norf.,  261 
Woodwiek,  Som.,  614 
Woolwich,  Kent,  493 
Wretebwick,  Oxfs.,  438 
Wych,  High,  Herts.,  474 
Wychbold,  Wores.,  401 
Wyehbury  Hill,  Worcs.,  402 
Wyche,  Lower  und  Upper,  Worcs., 

395 
Wychough,  Chesh.,  182 
Wychwood  Forest,  Oxf.,  439 
Wycombe,  Leics.,  361 
Wyke,  Surr.,  503 
Wyke,  Devon,  656 
Wyke  Champflower,  Som.,  619 
Wyke  Farm,  Dors.,  583 
Wyke  Green,  Devon,  657 
Wyke,  Haiburn,  N.  R.  Yks.,  98 
Wyke,  Kingston,  Süss.,  528 
Wyke  Regis,  Dors.  585 
Wyke,  Rumbolds,  Süss.,  518 
Wykeham,  N.  R.  Yks.,  103 
Wykeham,  Lines.,  236 
Wykeham,  East,  Lines.,  234 
Wykeham,  West,  Lines.,  235 
Wykehurst,  Siiss.,  529 
Wyken,  Warws.,  373 
The  Wykes,  Lines.,  233 
Wykin,  Leics.,  362 
Wyteh  Gross,  Süss.,  530 

Yarnwick,  Yks.,  153 
York,  Yks.,  133 


] 


Studien 


zum 


PsalteiMiiin  lAOinanuiii  in  Engiand  und 
zu  seinen  Glossier ungen 

(in    geschichtlicher   Entwicklung) 


von 


Karl  Wildhagen. 


Inhalt. 

Seite 

Einleitung 418 

Die  nordhumbrisch-mercische  Zeit 427 

Alfred  —  ^thelstan 441 

Die  Benediktiner-Reform 446 

Beginn  der  Noruiaunisieruug  und  Verflachung 401 


Studien  z.  engl.  Phil.    L. 


Einleitung. 


Die  angelsächsische  Kirche  hat  sieh  in  Organisation, 
Lehre,  Ritus,  Kursus  und  Gesang  nach  dem  Muster  Roms 
eingerichtet,  doch  nicht,  wie  wir  im  einzelnen  unten  sehen 
werden,  ohne  dabei  eine  gewisse,  durch  völkischen  Charakter 
und  politische  Faktoren  bedingte  Selbständigkeit  zu  entwickeln, 
und  hat  den  engen  Zusammenhang  mit  Rom  eigentlich  nie 
aufgegeben.  Schon  gegen  Ende  des  7.  Jahrhunderts,  nach 
den  grofsen  Synoden  zu  AVhitby  (664),  Hertford  (673)  und 
Hatfield  (680)  und  der  ordnenden  und  zugleich  aufbauenden 
Tätigkeit  Theodors  und  Hadrians  war  in  allen  grofsen  Fragen 
eine  Regelung  erzielt  und  ein  einheitlicher  Geist  in  der  Kirche 
lebendig  mit  der  Spitze  in  Canterbury.  Der  Weg  dahin 
war  freilich  nicht  ohne  eine  Reihe  schwerer  Krisen  und 
Konflikte  zurückgelegt.  Die  Anfänge  im  Süden  waren  durch 
Augustins  aufopfernde  Arbeit  für  Rom  ja  sehr  verheifsungsvoll 
gewesen,  ihre  gedeihliche  Entwicklung  aber  war  durch  einen 
neuen  Aufschwung  der  schottisch-irischen  Kirche  unter 
Oswald  von  North umbrien  stark  in  Frage  gestellt.  Erst  664 
wurde  der  Streit  zwischen  den  beiden  Kirchen  endgültig  zu 
Gunsten  Roms  entschieden,  und  der  Grund  zu  einer  englischen 
Nationalkirche  gelegt. 

Naturgemäfs  war  auch  der  in  der  römischen  Liturgie 
gebräuchliche  Psaltertext  in  dieser  Zeit  in  England  bekannt 
geworden.  Nicht  nur  August  in  soll  Exemplare  aus  seinem 
Kloster  mit  nach  Canterbury  gebracht  —  darunter  eins,  das 
später  fälschlich  mit  dem  Vespasian-Ms.  identifiziert  worden 
ist  —  sondern  auch  Benedikt  Bisco pi)  wird  von  seinen 
vier  Romreisen  seinen  Klöstern  Wearmouth  und  Jä,rrow  Hand- 


0  W.  Hunt,  A  History  of  the  English  Church,  I  p.  187  flf. 


419 

Schriften  des  lömiselien  Psalters  zugeführt  haben.  Nichts 
davon  ist  uns  erhalten.  Auffälligerweise  zeigen  nun  alle  auch 
schon  die  ältesten  der  in  England  entstandenen  Handschriften 
ein  so  charakteristisches  Gepräge,  dafs  man  vermuten  könnte, 
sie  seien  von  einer  römischen  Vorlage  kopiert.  Dem  wider- 
spricht aher  entschieden  das  handschriftliche  Material  des 
Psalterium  Romanum,  wie  es  auf  dem  Kontinent  vorliegt  und 
von  Jacobus  Faber  Stapulensis,^)  Lucas  Holstenius,^) 
Martianajj^*)  Jos.  Mar.  Thomasius,^)  Martinetti»)  und 
Vallarsi^)  veröffentlicht  und  behandelt  ist.  Denn  auch  nicht 
eine  der  von  diesen  benutzten  Handschriften,  noch  auch  eine 
der  Handschriften  des  altlateinischen  Textes,  also  das  Psalterium 
Carnutense, ')  Coislinianum,^)  Corbeiense,'-')  Mediola- 
nense,io)  Mozarabicum, 'i)  Sangermanense,  i^)  und  Vero- 
nense,  '3)  noch  auch  einer  der  Kommentare  bezw.  die  Psalmzitate 
der  Kirchenväter  Hilarius,  Ambrosius,  Augustinus,  Hiero- 
nymus,  Prosper  und  Cassiodor,  die  sämtlich  von  Sabatier 
in  seinem  Bibelwerk  i^)  ausgezogen  sind,  teilt  die  den  englischen 
Texten  anhaftenden  Eigentümlichkeiten.    Somit  ist  der  Annahme 


^)  Quincnplex  Psalterium,  Parisiis  1513. 

*)  Anonym  brsg.  als  Psalterium  Romanum  cum  vettistissimis  exem- 
plaribus  mss.  .  .  .  collatum  .  .  .,  Komae  1663. 

^)  In  Ilieronymi  Opera  I,  Parisiis  1693. 

*)  Josepbi  Mariae  Thomasii  Opera  Tomus  II.  rec.  Antonius  Frauciscus 
Vezzosi,  Romae  1747,  wo  auf  p.  VI  die  von  Holstenins  benutzten,  auf 
p.  VII  die  von  Thomasius  coUationierten  Hss.  abgedruckt  sind. 

^)  Antouii  Martinetti,  Dissertatio  de  Psalterio  Romano,  Rom  1745. 

®)  Hieronymi  Opera,  Verona  1740. 

')  Ms.  22  der  Bibl.  municipale  zu  Chartres  aus  dem  10.  Jahrhundert; 
vgl.  Cat.  gener.  des  Mss.  des  Bibl.  publ.  de  France,  Departements  t.  XI  p.  10, 

^)  Ms.  Coisl.  186  Bibl.  nat.  Paris  aus  dem  7.  Jahrhundert.  Enthält  nur 
Ps.  18, 14  — 36,  3.  30,9-72,10;  vgl.  Rahlfs  Septuaginta- Studien  2,6. 

^)  Ms.  F.  I  5  Kais.  off.  Bibl.  Petersburg  aus  dem  8.  Jahrhundert;  vgl. 
Staerk,  Les  Mss.  Latins  ...  ä  la  bibl.  imper.  de  St.  Petersbourg,  p.  24, 
pl.  XXXVIII. 

»0)  Rahlfs,  a.  a.  0.  p.  29. 

")  Rahlfs,  a.a.O.  p.  29.  Das  Ms.  Addit.  30851  Brit.  Mas.  aus  dem 
11.  Jahrhundert  in:  Henry  Bradshaw  Society  Vol.  XXX  (1905). 

^2)  Ms.  Lat.  11947  Bibl.  nat.  Paris  aus  dem  6,  Jahrhundert,  abgedruckt 
von  Sabatier. 

13)  Hrsg.  von  Blanchiuus;  vgl.  Rahlfs,  p.  6.  29. 

")  Bibliorum  Sacrornm  Latinae  Vers.  ant.  Bd.  II. 

27* 


420 

nicht  auszuweicheD,  dafs  Letztere  auf  eine  gemeinsame  Vor- 
lage zurückgehen,  die  in  England  die  ihr  eigene  Gestaltung 
erfahren  hat. 

Der  Gedanke,  für  England  eine  besondere  Liturgie  zu 
schaffen,  mufste  sich  schon  früh  der  jungen  Kirche  aufdrängen 
und  wir  wissen,  dals  er  schon  Augustin  beschäftigt  hat. 
Im  Zweifel,  welcher  der  bestehenden  Liturgien  er  den  Vorzug 
geben  sollte,  wandte  er  sich  an  Papst  Gregor  um  Auskunft,  i) 
Der  Papst  war  weit  entfernt,  der  neugewonnenen  Provinz 
seines  Reiches  irgend  etwas  aufzuzwingen,  vielmehr  eifrig 
darauf  bedacht,  wie  er  die  von  Selbst-  und  Freiheitsgefühl 
durchdrungenen  germanischen  Geistlichen  zu  gefügigen  und 
arbeitsfreudigen  Beamten  erziehen  konnte.  Daher  riet  er 
Augustin,  unter  Benutzung  der  vorhandenen  Liturgien  eine 
neue  zusammenzustellen,-)  die  der  angelsächsischen  Kirche 
am  besten  eignete.  So  mag  denn  dieser  den  Plan  gleich  in 
Angriff  genommen  und  als  Grundlage  des  Ganzen  zuerst  einen 
Psalter text  nach  den  päpstlichen  Vorschlägen  hergestellt 
haben,  der  vielleicht  als  Archetyp  des  englischen  Psalterium 
Romanum  und  als  Ausgangspunkt  für  alle  unsere  Handschriften 
zu  gelten  hat.  Denn  sonderbar  ist  es  doch,  dafs  der  Text, 
der  sich  aus  einer  Untersuchung  des  gesamten  Handschriften- 
materials als  gemeinsame  Vorlage  ergibt,  durchaus  den  Charakter 
zeigt,  den  der  Papst  3)  in  die  englische  Liturgie  gelegt  wissen 
wollte.  Folgte  er  auch  im  wesentlichen  der  römischen  Fassung, 
so  blieb  er  doch  in  beträchtlichem  Grade  der  altlateinischen 
(vorhieronymianischen)   Version^)   treu   —   vielleicht   hier   und 


1)  Dieser  antwortet:  .  . .  Sed  mihi  placet,  sive  in  Romana,  sive  in 
Galliarum,  seu  in  qualibet  ecclesia,  aliquid  invenisti  quod  plus  omnipotenti 
Deo  possit  placere,  soUicite  eligas,  et  in  Anglornm  ecclesia,  quae  adhuc 
ad  fidem  nova  est,  institutione  praecipua,  quae  de  multis  ecclesiis  colligere 
potuisti,  infundas.  Non  euim  pro  locis  res,  sed  pro  bonis  rebus  loca 
amanda  sunt.  —  Haddau  and  Stubbs,  Councils  and  Eccles.  Docnm.  III,  19. 
Beda,  Historia  Eccl.  ed.  Plummer,  I,  27.  Hunt,  History  of  the  Englisch 
Church  I  p.  27  f. 

2)  Siehe  Anm.  1. 

')  Übrigens  war  Gregor  dem  Gallicanum  ebenso  wohlgesinnt  wie  dem 
Romanum  und  hat  beide  für  seine  Arbeiten  benutzt.  Martinetti,  Dissertatio 
De  Psalterio  Romano,  Rom  1745,  p.  89  ff. 

*)  Hier  gebe  ich  einige  Beispiele  aus  den  Pss.  1—77  und  zwar  nur 


421 

da  in  Anlehnung  an  Hieron5'nina'  Bearbeitung  des  Psalterium 
Gallieanum  ')  — ,  die  von  Gallien  aus  eingeführt  bis  zum  6.  Jahr- 
hundert in  England  verbreitet  gewesen  war,  2)  und  brachte 
drittens  eine  grofse  Anzahl  eigener  Lesarten,^)  die  vielleicht 
von  dem  englischen  Bearbeiter  selbst  —  oft  nur  durch  Ver- 
schmelzung *)  zweier  vorhandener  Lesungen  —  konstruiert  und 
geeignet  waren,  dem  Ganzen  einen  gewissen  selbständigen 
Anstrich  zu  geben.  Auch  Cassiodor  mufs  schon  für  diese 
erste  Fassung  herangezogen  sein,  wenigstens  folgen  ihm  alle 
Handschriften  an  einigen  recht  bemerkenswerten  Stellen, &)  wo 
er  zum  Unterschiede  von  der  römischen  und  allen  oder  fast 
allen  anderen  Versionen  eigene  Wege  geht. 

Mit  dem  wachsenden  Ansehen  der  römischen  Kichtung  in 
England  mufste  auch  das  Psalterium  Romanum  und  seine 
Canterbury  -  Gestalt  an  Bedeutung  gewinnen.  Entscheidend 
für  die  Zukunft  beider  war  natürlich  die  Stellung,  welche  die 
leitenden  Männer  dieser  Zeit  zu  ihnen  einnehmen  würden. 
Diese  aber  waren,  wie  selten  wieder,  eifrige  Verfechter  Roms 
und  alles,  w^as  von  da  ausging.  So  hören  wir,  dafs  Wilfriö, 
der  in  seiner  Jugend  die  in  der  irischen -schottischen  Kirche 
eingeführte  gallikanische  Version  erlernt  hatte,  an  Earconberts 


die  Psalmstellen  (der  Bnchstabe  rechts  oben  hinter  dem  Beleg  bezieht 
sich  auf  die  entsprechende  Anmerkung  in  meiner  Ausgabe  des  Cambridger 
Psalters,  wo  Näheres):  1,5=.  2, 13'i.  5,13b.  9, 7^.  21,16".  27, 5e.  28,9a. 
31,51».  31,9s.  33,23=1.  34,  s<i.  34,24».  36,34«.  39, 5i'.  41,6i>.  42,5». 
43,23a.  44,9b.  44,15b.  45,4b.  48,20».  53,9".  56,10':.  57,30.  65,15». 
67,7''.  67, 8»<'.  67, 22«^.  67,31'^.  67, 36".  68,36«.  68,37b.  71,6a.  76,8«; 
im  übrigen  verweise  ich  auf  meine  Ausführungen  im  Eadwine- Psalter 
p.  211  ff.,  im  Archiv  f.  n.  Spr.  116,  159  ff.  und  DLZ.  1909  Sp.  3106  f. 

')  Z.  B.  3,8a.  7,13''.  10,8b.  14,5b.  20,9b.  20,13a.  21,18c.  34,13». 
36,23=.  49,3''.  51, 11''.  55,9c.  58, 16i.  61,10c  etc. 

2)  Williams,  Christianity  in  Early  Britain,   Oxford  1912,  p.  81  f.  449. 

^)  Hier  sind  einige  der  wichtigsten  (vgl.  vorige  Seite  Anm.  4):  7,  15». 
8,8».  9,31e.  11,4a.  13,6b.  17,36».  17,45».  18,4^.  18, 9e.  43, 4=.  43,  14c. 
4«J,  7f.  48,8».  57,6b.  65,  14^.  66,8''.  69,4a.  75,12».  76,13».  77,  17e.  78,  4^. 
81,4b.  86,4a.  103,32».  104,40c.  106,10c.  108,18».  117,8°.  119,ll>.  121,4c. 
142,10b. 

*)  Z.B.  57,6b.  75,12». 

•^)  17,13».  42,5».  48, 12 f.  57,6b.  57,  ic.  72,14b.  76,20''.  89,9b. 
103,2».  103,11b.  107  3».  114,1».  \IS,\11^.  140,5». 


422 

Hofe  (652)  sich  rasch  zn  der  römischen  bekehrte,  i)  Und  auch 
Benedikt  Biseop  mufs,  während  er  Abt  von  St.  Augustinus- 
Kloster  war,  mit  ihr  vertraut  geworden  sein.  Durch  sie  beide 
wird  der  Canterbury-Text  in  den  uordhumbrischen  Klöstern 
Fufs  gefafst  haben.  Zur  allgemeinen  Anerkennung  und  Ein- 
führung aber  kam  er  erst  infolge  der  kirchlichen  Organisationen 
Theodors  und  Hadrians.  Ihrem  Strebeu  nach  einheitlicher 
Ausgestaltung  der  Diözesen  entsprach  es,  wenn  sie  auch  einen 
festen  Text  für  die  Officia  diuina  in  Anwendung  brachten. 
Welcher  aber  wäre  hierzu  geeigneter  gewesen  als  jene  Canter- 
burj'-Fassung,  die  von  Rom  autorisiert  und  ins  Leben  gesetzt 
war,  und  die  aulserdem  in  ihrem  altertümlichen  Gewände 
dem  Erzbischof  als  gebornem  Cilicier,  wie  auch  Hadrian, 
dem  Afrikaner,  besondere  Sympathieen  abgewinnen  mufste?^) 
Zweifellos  war  jetzt  ihre  Zukunft  gesichert.  Denn  nachdem 
sie  einmal  in  der  Liturgie  Wurzel  geschlagen  hatte,  gab  es 
kein  Aufhalten  mehr.  Eine  jede  Diözese  wird  binnen  kurzem 
—  schon  um  700  —  eine  Kopie  von  ihr  erhalten  und  solche 
auch  für  ihre  Klöster  und  Kirchen  angeregt  haben.  Als  Aus- 
läufer dieses  weitverzweigten  Netzes  werden  die  neun  er- 
haltenen Handschriften  3)  aufzufassen   sein,   die   in   recht  ver- 


*)  Psalmos  . . .  quos  primo  secundnm  Hieronymi  emendationem  legerat, 
more  Komanornm  inxta  quintam  editionein  memoraliter  transmetuit,  sagt 
sein  Biograph  Eddius  Stephanus  (The  Great  Historians  of  the  Church  of 
York,  ed.  Raine,  Vol  I  p.  5). 

")  Theodor  war  sicher  geneigt,  wie  man  bei  seiner  Ernennung 
befürchtete  (Beda,  Histor.  Eccl.  IV,  cap.  1),  den  Bräuchen  seiner  Heimat 
Konzessionen  zu  machen.  Besonders  in  monastischen  Fragen  galten  ihm 
Antonius  und  vor  allem  Basilius  mehr  als  Benedikt.  Die  Regel  des  Basilius 
würde  er  auch  den  englischen  Klöstern  als  Muster  zugrunde  gelegt  haben, 
wenn  nicht  der  heil.  CuÖbert,  WilfriÖ  und  Benedikt  Biseop  u,  a.  den 
Benediktinern  vorgearbeitet  hätten.  In  dem 'Poeniteutiale",  das  zweifellos 
unter  seiner  Führung  entstanden  ist  und  aus  leicht  verständlichen  Gründen 
nicht  für  sein  Werk  gehalten  wurde,  auch  nicht  von  Beda,  wird  stets  die 
Consuetudo  der  Griechen  neben,  oft  gar  vor,  der  der  Römer  erwähnt 
(vgl.  Councils  and  Eccl.  Doc.  III,  173  ff.);  Liber  II  cap.  XII,  6  heifst  es 
gar:  Basilius  hoc  iudicauit.    Von  Benedikt  erwähnt  es  kein  Wort. 

ä)  Psalterium  Salabergae  Berlin  Kgl.  Bibl.  Hamilton  553.  —  Psalterinm 
zu  Blickling  Hall  im  Besitze  des  Marquis  von  Lothian.  —  Ms.  Vespasian  A  I 
Brit.  Mus.  (A).  —  Ms.  Junius  27  Bodl.  Libr.  Oxford  (B).  —  Ms.  Regius  2 
BV  Brit.  Mas.  (D).  —  Ms.  Addit.  37  517  Brit.  Mus.  (L).  —  Ms.  Ff.  1.  23 


423 

sehiedene  Gegenden  weisen  und  zum  Teil  starke  Umarbeitungen 
und  Korrekturen  erfahren  haben. 

Die  ältesten  dieser  Handschriften  tragen,  vielleicht  in 
Anlehnung  an  den  Archetyp,  deutlich  die  Beziehung  zum 
römischen  Officium  zur  Schau,  indem  sie  einmal  die  in 
diesem  markanten,  d.h.  die  Gebetsstunden,  beginnenden  Psalmen 
durch  besonderen  Schmuck  hervorheben,  und  andererseits  die 
in  dem  Officium  hervortretenden  liturgischen  Stücke  dem 
Psalter  nachtragen. ')  Die  so  ausgezeichneten  Psalmen  sind 
Psalm  1  (Beatus  iiir  qui  nou  abiit;  der  erste  der  12  Psalmen, 
Vigiliae  für  Sonntag),  2G  (Dominus  inluminatio  mea;  Vigiliae 
für  Montag),  38  (Dixi  custodiam  uias  meas;  Vigiliae  für 
Dienstag),  52  (Dixit  insipiens  in  corde  suo  non  est  deus; 
Vigiliae  für  Mittwoch),  68  (Saluum  me  fac  deus;  Vigiliae  für 
Donnerstag),  80  (Exultate  dco;  Vigiliae  für  Freitag),  97  (Cantate 
domino  canticum  nouum;  Vigiliae  für  Sonnabend),  109  (Dixit 
dominus  domiuo  raeo;  der  erste  von  fünf  Psalmen  zur  Vesper 
am  Sonntag).  2)  Dieselbe  Behandlung  erfahren  —  dies  scheint 
ein  besonderes  Kennzeichen  der  insularen  Gruppe  —  Psalm  17 
(Diligam  te  domine  uirtus  mea)  und  Psalm  118  (Beati  imma- 
culati  in  uia),  3)  letzterer  vielleicht  auch  infolge  seiner  bevorzugten 
Stellung  in  der  irischen  Liturgie,  ')  die  ja  in  den  nordhum- 
brischen    Klöstern    eingeführt   war.     Zweifellos    ist  in   diesen 


Univ.  Libr.  Cambridge  (C).  —  Ms.  fonds  lat.  8824  Bibl.  nat.  Paris  (P).  — 
Psalterium  Eadwini  Trin.  Coli.  Cambridge  (E).  Die  Buchstaben  in  Klammern 
beziehen  sich  aaf  die  Siglen,  die  bis  jetzt  für  die  ae.  Glossen  dieser  Hss. 
üblich  gewesen  sind. 

0  In  irischen  Mss.  (z.  B.  Ms.  C  0  St.  John  College  Library  Cambr.) 
sind  sie  oft  an  drei  Stellen  eingetragen:  zwischen  Ps.  50  und  51,  desgl. 
zwischen  100  und  101,  nach  Ps.  150. 

")  Dieser  Psalm  spielte  noch  eine  besondere  Rolle  im  römischen 
Offizium  und  wird  daher  vor  allen  anderen  besonders  ausgezeichnet.  La 
distribntion  des  psaumes  aux  divers  nocturnes  de  la  semaine,  etait  regl6e 
d'aprcs  ce  principe  que  le  psautier  etait  divise  en  deux  parties :  la  premiere 
s'arretait  au  Dixit  Dominus  (Ps.  CIX)  exclusivement  et  etait  attribuee  ä 
Toffice  nocturne;  la  seconde  ä  partir  du  Dixit  Dominus  etait  attribuee  k 
l'office  diurne  (Batiffol,  Ilistoire  du  Breviaire  romain^,  p.  US  f.). 

^)  Er  wurde  im  römischen  Stundengebet  täglich  in  den  Horae  (Prima, 
Tertia,  Sexta,  Nona)  gesungen,  im  monastischen  war  er  nur  auf  Sonntag 
und  Montag  beschränkt. 

*)  Plummer,  Bedas  Eist.  Eccl.  II,  p.  137. 


424 

ancli  in  der  älteren  Zeit  der  irische  Brauch,  den  Psalter  in 
drei  Teile,  die  sogenannten  drei  Fünfziger,  mit  den  Ein- 
schnitten hinter  Psalm  50,  100  einzuteilen,  übernommen  und 
in  den  Handschriften  zum  Ausdruck  gebracht  worden,  anfangs 
aussehlielslich,  dann,  nach  664,  neben  der  römisch-liturgischen 
Einteilung,  wie  uns  der  Salaberga-  und  der  Blickling-Psalter 
lehren.  Da  dieses  Prinzip  auch  sonst  von  der  angelsächsischen 
Kirche  beibehalten  und  verwandt  wurde, ')  so  könnte  es  sich 
auch  allmählich  der  südlichen  Buchkunst  bemächtigt  und 
neben  dem  römisch-liturgischen  Fuls  gefalst  haben.  Leider 
fehlt  es  an  Handschriften  besonders  des  9.  Jahrhunderts, 
um  dies  mit  Sicherheit  zu  entscheiden.  Wo  wir  daher  in 
englischen  Psaltern  10.,  11.  Jahrhunderts,  die  dem  Süden  an- 
gehören, die  Psalmen  51,  101  ausgezeichnet  finden,  tun  wir 
gut,  die  Möglichkeit  eines  Einflusses  fremder  und  zwar  entweder 
irischer  oder,  was  wahrscheinlicher,  kontinentaler  Vorlagen  in 
Erwägung  zu  ziehen.  Denn  auf  dem  Kontinent  hatte  der 
irische  Brauch  allgemeine  Anerkennung  und  Verbreitung  ge- 
funden. 2) 


0  Als  Bnfse  z.B.  wurden  oft  der  ganze  Psalter,  zwei  Drittel  oder 
ein  Drittel  znm  Hersagen  auferlegt.  So  wird  fiftig  zu  einem  reinen  Straf- 
inafs,  vgl.  celc  gegilda  . . .  gesinge  an  fiftig,  Liebermann,  Gesetze  der  Angel- 
sachsen VI  As  8,6  (I,  p.  18Ü),  ähnlich:  eghwüc  godes  öiow  gesin^e  twa 
fiftig,  Kemble,  Codex  diplom.  No.  226  (vol.  1,  p.  293,  Z.  5  v.u.).  In  den 
Kanzleien  und  Klosterschulen  scheint  man  nach  diesem  Prinzip  auch  die 
Arbeit  des  Abschreibens  und  Glossierens  der  Psalterien  unter  den  Schreibern 
verteilt  zu  haben,  vgl.  unten  beim  Regius- Psalter  S.  451  Anm. 

')  Die  ganze  Frage  über  diese  Einteilungsprinzipien  ist  zum  ersten 
Male  von  Goldschmidt  (Der  Albani -Psalter  in  Hildesheim  1895,  p.  1  ff.) 
angeschnitten  und  in  ihrer  Bedeutung  gewürdigt  worden.  Im  folgenden 
seien  zu  seinen  Resultaten,  besonders  der  älteren  Zeit  (bis  ca.  1000),  einige 
Ergänzungen  gestattet.  Die  Dreiteilung  (Auszeichnung  der  Pss.  1.  51. 
101)  ist  m.  E.  in  einer  Zeit  entstanden,  in  der  eine  feste  Ordnung  betreffs 
Verwendung  des  Psalters  in  der  Liturgie  noch  nicht  ausgebildet  war.  Sie 
ist  also  wohl  nach  rein  formalen,  praktischen  Gesichtspunkten  ein- 
gerichtet, gewinnt  aber  gerade  deshalb  rasch  au  Verbreitung  und  hält  sich 
trotz  starker  Konkurrenz  das  ganze  Mittelalter  hindurch.  Daher  treffen 
wir  sie  in  ältester  Zeit  besonders  in  Irland,  soweit  die  uns  erhaltenen 
Psalterien  des  9.— 11.  Jahrhunderts  (St.  John's  College  Cambridge  Ms.  C.  9; 
Brit.  Mus.  Vitellius  XI ;  Trinity  College  Dublin :  Psalter  des  Ricemarchus) 
zu  Schlüssen  auf  frühere  Zeit  berechtigen,  und  in  späterer  Zeit  in  kontinen- 
talen Klöstern,  die  von  irischen  Mönchen  gegründet  und  durch  ihre  Lage 


425 

Die  dem  Psalter  folgenden  Hymnen  spiegeln  wohl  den 
jeweiligen  Stand  des  Kursus  wieder.  Demnach  ergeben  sich 
drei  Etappen  der  Entwicklung,  die  ältesten  Manuskripte 
kennen  nur  die  zur  Matutin  des  Sonntags  und  des  Wochen- 
tags gesungenen  Stücke  aus  dem  alten  Testament:    Hymnus 


dem  Einflüsse  der  grofseu  Kulturzentren  (Metz,  Aachen,  Tours,  Corbie, 
Reims)  entrückt  waren,  also  iu  der  Schweiz,  überdcutschland.  Nicht 
selten  findet  eine  Erweiternng  zu  15  Abschnitten  statt  (Pss.  I.  11.  21.  31. 
41  etc.,  z.  B.  im  Lothar-Psalter,  Add.  3776B  Brit.  Mns.).  Aach  das  Franken- 
reich  wird  sich  in  früher  Zeit  diesem  Prinzip  angeschlossen  haben,  teils 
iu  Verfolgung  einer  alten  Tradition,  die  von  südgallischen  Klöstern  aus- 
gegangen war,  teils  in  direkter  Anlehnung  an  Irland. 

Die  übrigen  Einteilungen,  abgesehen  von  der  hebräischen  und  byzan- 
tinischen, die  hier  nicht  in  Frage  kommen,  sind  aus  liturgischen  Rück- 
sichten entstanden  und  entweder  dem  römischen  Officium,  wie  es  sich 
im  6.  7.  S.  Jahrhundert  gebildet  hatte,  oder  dem  Benediktineroffizium 
angepafst.  Ersteres  war  schon  im  7.  Jahrhundert  in  England  (Canterbury- 
Wearmouth)  bekannt  und  bindend  geworden  und  verdrängte  im  Laufe  des 
S.Jahrhunderts  auch  die  gallikanische  Liturgie  im  Frankenreich  (Chrode- 
gang,  Remedius-Alkuin,  Amalar).  In  letzterem  treffen  wir  daher  zur  Zeit 
Pippins  und  Karls  d.  Gr.  in  den  Psalterien  beide  Einteilungsprinzipien 
im  Kampf  miteinander,  bald  das  formale  (St.  Gallen,  Stiftsbibl.  Cod.  23 
Folkart's  Psalter;  Brit.  Mus.  Galba  A  XVIII:  .Ethelstan-Psalter;  Brit.  Mus. 
Add. 37768:  Lothar-Psalter,  vgl.  oben);  oft  aber  doch  mit  Hervorhebung  des 
Ps.  109  (Wien,  k.k.IIofbibl.  cod.  1861:  Dagulfpsalter;  Corp.  Chr.  Coli.  Cam- 
bridge Ms.  111),  bald  das  liturgische  (Paris,  Bibl.  nat.  lat.  13  159),  bald  beide 
nebeneinander  (Paris,  Bibl.  nat.  lat.  1152:  Psalter  Karls  d.  K.;  Corp.  Chr. 
Coli.  Cambridge  Ms.  272:  Achadeus-Psalter);  im  letzteren  Falle  sind  die 
Pss.  1.  51.  101  stets  besonders  markiert.  In  England  herrscht  im  Norden 
in  Anlehnung  an  Irland  zuerst  ansschliel'slich  das  formale  Prinzip,  das  aber 
im  7.  8.  Jahrhundert  nach  dem  im  Süden  allein  gebräuchlichen  (Vespasian- 
Psalter)  römisch -liturgischen  modifiziert  wird,  so  dafs  hier  bald  beide 
nebeneinander  auftreten  (Salaberga-Psalter,  Blickliug-Psalter).  Das  formale 
Prinzip  sehen  wir  dann  im  10.  11.  Jahrhundert  auch  im  Süden  vertreten, 
weniger  infolge  einer  Übertragung  aus  dem  allerdings  einflufsreicheu  Norden 
als  infolge  einer  erneuten  Einwirkung  kontinentaler  (fränkischer),  bezw. 
irischer  Vorbilder.  Die  Folge  ist,  dafs  wir  jetzt  im  Fraukenreich  bald  diese 
allein,  doch  meist  mit  Ps.  109  (Regius-Ps.,  Cambriger-Ps.,  Arundel-Ps.), 
bald  beide  vereint  vorfinden  (Junius-Ps.,  Salisbury-Ps.,  Tiberius-Ps.,  Arundel- 
Ps.  155),  in  letzterem  Falle  aber  auch  mit  besonderer  Betonung  der  Pss.  1. 
51.  101.  109.  —  Das  Benediktineroffizium  spiegelt  sich  in  englischen 
Psalterien  am  deutlichsten  im  Bosworth-Ps.,  z.  T.  auch  im  Harleian  Ps.  2904 
wieder,  die  aber  beide  auch  die  eigentlichen  Pausen  vor  Pss.  51.  101  und 
109  ansetzen. 


426 

trium  puerorum  (Benedicite  omnia  opera)  aus  Daniel  3.57  flir 
Sonntag;  Cantieum  Esaiae  Propliete  (Confitebor  tibi  domine) 
aus  Isaias  12  für  Montag;  Cantieum  Ezechiae  (Ego  dixi  in 
dimidio  dierum  meorum  uadam)  aus  Isaias  38, 10  für  Dienstag ; 
Cantieum  Annae  (Exultauit  cor  meum)  aus  1.  Samuel  (bezw. 
1.  Reg.)  2,1  für  Mittwoch;  Cantieum  Moysi  Prophete  (Cantemus 
domino  gloriose)  aus  Exodus  15,1  für  Donnerstag;  Cantieum 
Habaeuc  (Domine  audiui  auditum  tuum)  aus  Habacue  für 
Freitag;  Cantieum  Äloysi  ad  filios  Israhel  (Attende  caelum  et 
loquar)  aus  Deuteronomium  32, 1  für  Sonnabend.  Daneben 
existierten  natürlich  das  Credo  in  der  nicäno-konstantinopoli- 
tanisehen  Form,  wie  es  der  Salaberga  Codex  bietet  und 
das  Pater  Noster.  Unter  Einwirkung  des  Benediktiner- 
off iciums  erweitert  sich  der  Kreis  bald  durch  die  Hymnen 
Cantieum  Zachariae  (Benedictus  dominus)  aus  Lukas  1, 68 
(täglich  zur  Matutin),  Cantieum  Sanctae  Mariae  (Magnificat 
anima  mea  dominum)  aus  Lukas  1,46  (täglich  zur  Vesper)  und 
vielleicht  noch  etwas  später,  durch  den  Hymnus  Siraeonis 
(Nunc  dimittis  seruum  tuum  domine)  aus  Lukas  2,29  (täglich 
zur  Komplet).  Die  letzte  Bereicherung  erfährt  der  Kursus  erst 
im  10.  Jahrhundert  durch  die  benediktinische  Renaissance, 
Das  Quicumque  uult,  Gloria  in  eccelsis,  Te  deum  werden 
der  Liturgie  einverleibt,  das  alte  Credo  durch  das  Symbolum 
apostolicum  ersetzt. 

Fast  alle  der  in  Frage  kommenden  Manuskripte  sind  mit 
altenglischen  Glossen  versehen,  die  im  allgemeinen,  je 
früher  desto  ausschliefslicher,  durchaus  praktischen  Bedürf- 
nissen entsprangen  und  dienten.  Daher  erklärt  sich  die  aus- 
giebige Benutzung  von  Vorlagen,  wo  solche  vorhanden  waren. 
Den  Anspruch  auf  Selbständigkeit  können  eigentlich  nur  drei 
machen:  die  Eadwine  Urglosse,  Verpasian  und  Regius,  denen 
sich  für  die  spätere  Zeit  die  Lambeth-Glosse  anschliefst.  Alle 
übrigen  sind  Kopieen  oder  Umarbeitungen.  Nicht  nur  die 
Klosterschulen,  auch  die  Hof-  und  Adelskreise  mögen  oft  Ver- 
anlassung zu  solchen  Arbeiten  gegeben  haben.  Mit  besonderer 
Vorliebe  aber  seheinen  Frauen  zu  diesen  Hilfen  in  der 
Muttersprache  gegriffen  zu  haben,  um  den  Schwierigkeiten 
des  Lateinischen  Herr  zu  werden.  Wenigstens  lassen  sich  bei 
einigen  Psalter- Handschriften  deutliche  Beziehungen  zu  Frauen 


427 

bezw.  Fmiicnklöstcrn  herstellen.  Unter  letzteren  wird  das 
Nunnaminstcr  in  Winchester,  das  Dank  seiner  Verbindung-en 
zum  königlichen  Hause  sehr  gut  fundiert  war  und  zeitweise 
grofseu  Einilufs  auf  das  öffentliche  Leben,  auf  Kult  und  Moden 
ausübte,  zu  Zeiten  eines  Alfred  und  .Ethehvold  auch  eine 
starke  literarische  Produktion  entwickelt  haben.  Von  einigen 
unserer  Glossen  spinnen  sich  deutliche  Fäden  zu  ihm  hinüber. 


Die  nordluinibrisch-mercisclie  Zeit. 


Die  drei  ältesten  Manuskripte  (Salaberga,  Bückling  und 
Vespasian)  ragen  wohl  in  ihren  Anfängen  sämtlich  noch 
in  das  7.  bezw.  8.  Jahrhundert  hinein.  Die  beiden  ersteren 
stammen,  wenn  nicht  aus  nordhuuibrischen  Klöstern,  so  doch 
bestimmt  von  irisch-nordhumbrischen  Schreibern,  während  das 
letzte  sicher  nach  Canterbury  weist.  Der  Salaberga-Psalter 
soll,  wie  der  Name  sagt,  von  der  heiligen  Salaberga  i)  für  das 
von  ihr  gegründete  St.  Johannis-Kloster  zu  Laon,  das  für 
Mönche  und  Mönchinnen  eingerichtet  war,  geschrieben  sein. 
Als  einziges  Zeugnis  dafür  gilt  meines  Wissens  nur  eine  Ein- 
tragung auf  fol.  26  V  (hinter  Psalm  50)  der  Handschrift,  die 
eine  im  Auftrage  der  Äbtissin  Adelheid  2)  (ca.  1120)  an- 
gefertigte Liste  von  Gegenständen  aus  der  Schatzkammer  des 
betreffenden  Klosters  darstellt.  Nun  hatte  ja  die  irische  Kultur 
in  Gallien  frühe  Aufnahme  und  Verbreitung  gefunden.  Der 
heilige  Columban  hatte  mit  einem  Stab  von  auserlesenen 
Jüngern  eine  Reihe  gelehrter  Schulen  dort  gegründet,  in  denen 
natürlich  die  Schrift  und  Kunst  seiner  Heimat  gepflegt  wurden. 
Der  Brennpunkt  dieses  hochgespannten  Lebens  war  das  in  der 


')  Vgl.  die  Vita  Sadalbergae  abbatissae  Landuneusis,  hrsg.  von 
B.  Krusch  in  Mon.  Germ.  Hist.,  Script.  Rer.  Merovingicarum  V  (I'JIO)  p.  40  ff. 
Im  folgenden  ist  der  Name  Salaberga,  weil  er  gebräuchlich  geworden  ist, 
beibehalten. 

*)  Unter  ihr  geriet  das  Kloster  in  argen  Verfall,  so  dais  es  durch 
Synodalbeschlufs  im  Jahre  112S  aufgelöst  wurde.  Vgl.  Taiee,  L'abbaye 
de  Saint- Jean  de  Laon  in  'Bulletin  de  la  Societc  academique  de  Laon', 
tome  XXI  (1876)  p.  20Uf. 


428 

Diözese  Besaugon,  am  Fufse  der  Vogesen  gelegene  Luxeuil,i) 
das  sich  weit  über  die  Grenzen  Galliens  hinaus  eines  hohen  Rufes 
erfreute.  Salaberga  war  in  dieser  Gegend  vielleicht  in  einem 
Dorfe  Mosa,  in  der  Diözese  Langres,  geboren,  wenigstens  soll 
sie,  die  blind  war.  hier  durch  Eustasius,^)  den  Abt  von  Luxeuil, 
(615 — 629)  das  Augenlicht  wieder  erhalten  und  auf  Anregung 
Walberts,  des  Nachfolger  des  Eustasius  (629 — 670),  sich  dem 
Kloster  gewidmet  haben.  Sie  wird  also  durchaus  in  Columban- 
scheu  Geiste  erzogen  sein  und  sowohl  ihr  erstes  Kloster 
in  derselben  Diözese  3)  wie  auch  das  Kloster  zu  Laon  nach 
dem  Muster  von  Luxeuil  eingerichtet  haben.  Irisch-angel- 
sächsische Mönche  mögen  in  den  Häusern  oft  Aufnahme 
gefunden  und  die  Mönchinnen  in  ihrer  Kunst  unterrichtet 
haben.  Somit  würde  die  Entstehung  einer  Handschrift  die  in 
Schrift,^)  Schmuck^)  und  Schreibung ß)  irisch-angelsächsischen 
Charakter  zeigt,   in   dieser   Gegend   nichts  Auffälliges  bieten. 


1)  lu  der  Chronik  von  Luxeuil  heilst  es:  Huius  tempore  beatus  Walde- 
bertus  Luxovium  regebat  in  quo  erant  600  monachi  (Pertz,  Mon.  Germ. 
Script.  III  p.  220  Sp.  2). 

2)  Vgl.  M.  Büdinger  in :  Sitzungsberichten  der  Akad.  d.  Wiss.  Wien, 
Bd.  23  (1857)  p.  376  ff. 

3)  distans  a  Luxovio  mouasterio  paulo  minus  milibus  quadraginta, 
sagt  der  Biograph  der  Salaberga  (cap.  12). 

*)  Die  Schrift  zeigt  einen  nach  links  geneigten  Charakter,  Die  Schäfte 
von  1,  b,  h  etc.  sind  nur  gering  erhöht,  1.  b  stark  ausgebogen,  die  äufsersten 
Spitzen  der  Buchstaben  durch  dreieckige  Ansätze  verziert  —  alles  im 
Gegensatz  zu  dem  zwischen  6S0 — 691  in  Irland  geschriebenen  Antiphonar 
von  Bangor,  in  dem  die  letzten  beiden  Erscheinungen  nur  schwach  aus- 
gebildet sind,  aber  in  Übereinstimmung  mit  den  nordhumbr.  Hss.  Dagegen 
erscheinen  wie  in  jenem  gewisse  Buchstaben  nach  unten  oft  weit  ver- 
längert (fol.  42>'.  49^^  etc.),  und  eine  verhältnismäfsig  häufige  Verwendung 
der  Unziale  C  neben  J.  An  Abkürzungen  bemerke  ich  h  =  autem  (36,  20), 
p  z=  per,  pp  =  propter,  an  Kontraktionen  näm  =  nostram  etc.,  scs  =  sanctus 
etc.,  sps  =  Spiritus. 

■')  Im  Gegensatz  zum  Antiphonar  von  Bangor,  aber  in  Übereinstimmung 
mit  den  nordhumbr.  Denkmälern  ist  jede  Initiale  mit  Punkten  umtupft, 
die  Innenfläche  meist  gelb,  blau  oder  grau  ausgefüllt.  Gold  ist  nicht 
verwandt.  Auch  die  Ornamentik  bewegt  sich  durchaus  in  den  Bahnen 
der  Lindisfarner  und  Durhamer  Hss.,  wenn  auch  nicht  in  der  Vollendung. 

*)  Es  begegnen  häufige  i  für  e,  e  für  i,  s  für  ss,  ss  für  s  und  ähnliches, 
vgl.  Warren,  The  Antiphonary  of  Bangor  (Henry  Bradshaw  Society 
vol.  IV.  X),  Part  I  §  24f. 


A 


429 

Und  wenn  man  auch  nicht  Jinzunehmen  brauchte,  dai's  sie  von 
Salaberga  selbst  geschrieben  sei,  so  könnte  sie  immerhin  in 
ihrem  Kloster  und  auf  ihre  Veranlassung-  entstanden  sein. 

Gegen  diese  Annahme  erheben  sieh  jedoch  von  anderer 
Seite  schwere  Bedenken.  Der  Text  des  Psalters  ist  der 
römische,  während  doch  im  7.  Jahrhundert  in  Luxeuil  und 
seinen  Töchterklösteru  irischem  Brauche  gemäfs  sicher  das 
Gallicanum  eingeführt  war.  Er  teilt  ferner  in  allen  Einzelheiten 
die  Eigentümlichkeiten  der  Gruppe  von  Handschriften,  die 
wir  oben  als  insular')  gekennzeichnet  haben,  und  bekennt 
sich  durch  Auszeichnung  der  Psalmen  17,  26,  52,  68,  80,  97, 
118  zu  derselben  Liturgie  wie  jene,  wenngleich  er  auch  alter 
Tradition  gemäfs,  der  Ausschmückung  der  Psalmen  1,  51,  101, 
109  seine  besondere  Aufmerksamkeit  schenkt.  Er  muls  also 
wohl  entweder  aus  England  importiert  oder  in  einem  der  von 
Luxeuil  aus  gegründeten  Klöster  nach  einem  englischen  Original 
kopiert  sein.  Letzteres  wäre  nur  möglich  gewesen  zu  einer 
Zeit,  als  das  römische  Officium  und  mit  ihm  der  ihm  eigene 
Psaltertext  im  Frankenreich  Eingang  gefunden  hatten,  also 
nach  dem  entscheidenden  Vorgehen  Chrodegangs  in  Metz 
(754)  und  den  sich  daran  schlief  senden  Reformen  Pippins. 
Ob  man  aber  die  Handschrift  so  spät  datieren  darf,  scheint 
mir  sehr  fraglich,  schon  aus  paläographischen  Gründen.  Ver- 
gleicht man  mit  ihr  z.  B.  den  halbunzialen  Teil  (fol.  11  Ir) 
im  Cuöberht-Evangeliar,-)  das  von  einem  Angelsachsen  im 
Westfränkischen  geschrieben  sein  mag,  so  ergeben  sich  auf 
den  ersten  Blick  zwar  grolse  Ähnlichkeiten,  bei  näherer 
Prüfung  aber  erkennt  man  bald,  dafs  der  Psalter  einen  älteren 
Zustand   repräsentiert 3)   und  daher,  wenn  jenes  in  der  ersten 


')  Merkwürdigerweise  bietet  auch  das  Credo  mit  keiner  der  neun  Hss., 
die  es  überliefern  (vgl.  Barn,  Facsimiles  of  tbe  Creeds,  p.  IT),  so  viele 
und  auffällige  Berührungspunkte  wie  mit  der  Hs.  G.  g.  5.  35,  Univ.  Libr. 
Cambridge,  die  aus  St.  Augustine's  Cauterbury  stammt  und  der  Form  im 
Missale  Romauum  angelehnt  ist.     Vgl.  S.  430  Anm.  1 . 

■■')  Wien,  k.  k.  Hof  bibl.  Cod.  lat.  1224;  vgl.  Chronst,  Monum.  Pahieog. 
Ser.  I,  Lief.  VII,  Tafel  2b;  Bretholz,  Latein.  Paläographie,  p.  02. 

^)  Ins  Gewicht  fallen  die  häufigen  uucialen  C  neben  3?  die  äufserst 
sparsame  Verwendung  von  Minuskel  n  (r,  d),  Abkürzungen  wie  näm  für 
uostram,  die  mit  dem  8.  Jahrhundert  aufhören  (Lindsay,  Contractions  iu 
Early  Latin  Miuusc.  Mss.  p.  37),  qm  für  quouiam  (Lindsay,  a.  a.  0.  p.  45), 


430 

Hälfte  des  8.  Jahrhunderts  entstanden  ist,  vermutlich  noch  dem 
7.  Jahrhundert  zuzurechnen  ist.  Der  Ursprung  der  Salaberga- 
•Hs.  wird  somit  nicht  im  Frankenreich,  sondern  in  England  und 
zwar  in  einem  der  nordhumbrischen  Klöster  zu  suchen  sein. 
Mit  dieser  Zeit,  eher  als  mit  dem  8.  Jahrhundert,  verträgt  sich 
auch  das  dem  Psalter  vorausgeschickte  nicaeno-konstantino- 
politanische  Symbolum,i)  das  im  Frankenreich  des  8.  Jahr- 
hundert schon  durch  das  apostolische,  und  auch  in  England 
gegen  Ende  des  7.  Jahrhunderts  durch  das  alte  römische,  wie 
es  im  Codex  Laudianus  und  Bernensis^)  vorliegt,  ersetzt  sein 
wird,  sowie  die  nur  sieben  Nummern  zählende  Sammlung  von 
Hymnen, 3)  die  auf  einen  wenig  entwickelten  Kursus  der 
Liturgie  schliefsen  läfst.  Die  Handschrift  mufs  vor  oder  um 
1120  der  Bibliothek  des  Johannis-Klosters  einverleibt  sein,^) 
entweder  durch  Vermittlung  angelsächsischer  Mönche,  bezw. 
Geistlicher,  oder  höfischer  Kreise,  wahrscheinlich  aber  ersterer. 
Beziehungen  zwischen  fränkischen  und  angelsächsischen  speziell 
nordhumbrischen  Klöstern  waren  schon  im  7.  Jahrhundert 
augebahnt.     Die   grolsen   Verfechter   der  römischen  Sache  in 


•)  Da  dieses,  soviel  ich  weifs,  noch  nicht  gedruckt  ist,  wird  es  hier 
manchem  willkommen  sein.  Die  gesperrten  Stelleu  stimmen  mit  dem  Ms. 
G.  g.  5.  35  der  Univ.  Libr.  Cambridge  (vgl.  S.  429,  Anm.  1)  überein.  Incipit 
symbulum  Credo  in  unnm  deum.  patrem  omnipotentem  factorem  caeli 
et  terrae  uisibilium  omnium  et  inuisibilium  et  in  [u]num  dominum  lesum 
chrisiitm  filinm  dei  uugeuitum  natum  ex  patre  ante  omnia  saecula  lumen 
de  lumine  deitm  uerum  de  deo  uero  natum  non  factum  consubstautialem 
patri  pe/-  quem  omnia  facta  sunt  qui  propfe»-  nos  homines  et  propier 
nos^ram  salutem  discendit  de  caelo  et  incarnatus  est  de  spinfu  sawc^o 
ex  maria  uirgine  et  humanatus  est  crucifixus  autem  pro  nobis  sub  pontio 
pylato  passus  et  sepultus  et  resurrexit  tertia  die  secundum  scripturas 
ascendit  in  caelos  sedit  ad  dexteram  patris  et  iterum  uenturus  est  cnui 
gloria  iudicare  uiuos  ac  mortuos  cuius  regni  non  erit  finis  et  in  spin^um 
sanctum  äomiünm  uiuificatorem  ex  patre  procedentem  cum  patre  et  filio 
coadorandum  et  conglorificandum  qui  locutus  est  perprophetas  in  unaw 
Srtr.cfam  catholicam  et  apostolicam  ecclesiam  confiteor  unum  baptisma 
in  remisione  peccaturum  spero  resurrectionem  mortuorum  et  nitam  futuri 
saeculi  amen.    Vgl.  Lietzmann,  Symbole  der  alten  Kirche,  1906,  p.  32. 

^)  Burn,  Facsimiles  of  the  Creeds,  p.  4. 
2)  Vgl.  die  Aufstellung  oben  S.  425f. 

*)  Um  diese  Zeit  etwa  wurde  Adelheid  Äbtissin,  welche  die  Inventar- 
liste fol.  26  '  aufnehmen  liefs. 


431 

England  Wilfriö,  Benedikt  Biseop  und  Ceolfriöi)  haben 
Reisen  nach  Rom  unternommen  und  sieh  dabei  oft  längere 
Zeit  in  Gallien  aufgehalten.  Laon,  Langres  und  Luxeuil 
lagen  ungefähr  auf  dem  Wege,  den  die  englischen  Romfahrer 
einschlagen  mochten.  So  grofs  auch  die  Spannung  zwischen 
römischer  und  irischer  Kirche,  zwischen  Mönchen  der  ver- 
schiedenen Orden  geworden  sein  mag,  es  könnten  diese  Männer 
doch  versucht  haben,  die  durch  ihren  religiösen  Eifer  weithin 
bekannte  und  angesehene  Salaberga  inmitten  ihrer  segensreichen 
Einrichtungen  2)  kennen  zu  lernen  und  Propaganda  für  Rom  zu 
machen.  —  Lebendiger  und  inniger  aber  wurden  die  Beziehungen 
zwischen  beiden  Ländern  unter  Karl  d.  Gr.  als  sich  die  fränkische 
Kirche  im  wesentlichen  zu  der  römischen  Liturgie  bekannt  und 
Alk u in  seine  literarische  und  organisatorische  Tätigkeit  in 
Karls  Diensten  begonnen  hatte.  Und  im  frühen  10.  Jahrhundert 
wissen  wir  sogar  von  direkten  Beziehungen  zwischen  England 
und  Laon,  bezw.  der  Abtei  der  Salaberga.  913  verheiratete 
sich  Eadjifu,  die  Tochter  Eduards  des  I.,  mit  Karl  dem 
Einfältigen  von  Frankreich,  der  in  Laon  residierte,  und  erhielt 
von  ihm  als  Mitgift  die  Abtei  der  Salaberga,  in  die  sie  sich 
936,  nach  ihrer  Rückkehr  aus  England,  zurückzog.  3)  In 
demselben  Jahre  (936)  verweilte  der  einflufsreiche  Bischof 
Odo  von  Ramsbury  mit  anderen  angelsächsischen  Bischöfen 
und  Edlen  längere  Zeit  in  Laon,  um  mit  dem  Herzog  Hugo 
dem  Grolsen,  der  übrigens  auch  eine  Schwester  iEthelstans, 
namens  Eadhild,  geheiratet  hatte,  über  die  Nachfolge  Ludwigs, 
des  Sohnes  Karls  des  Einfältigen  und  der  Eadjifu  zu  verhandeln, 
welcher  mit  seiner  Mutter  seit  923  am  Hofe  seines  Onkels 
Zuflucht  gefunden  hatte.  ^) 

Die  beiden  übrigen  Psalterien,  Bückling  sow^ohl  wie 
Vespasian,  sind   mit  altenglischen  Glossen  versehen.    Zeitlich 

^)  CeolfriÖ  starb  (716)  auf  einer  Romreise  in  Langres,  in  deren  Um- 
gebung Sadalberga  ihr  erstes  Kloster  errichtet  hatte.  Er  hatte  einen  kost- 
baren Codex  (den  Amiatinus)  bei  sich,  den  er  dem  Papst  zum  Geschenk 
machen  wollte. 

2)  Nicht  weniger  als  sieben  Kirchen  sollen  durch  sie  in  Laon  erbaut 
worden  sein  (Krusch,  p.  41). 

3)  Bulletin  de  la  Societe  acad.  de  Laon  XXI,  195. 
*)  Hunt,  History  of  the  English  Churchs  I,  308. 


432 

mit  ihren  Glossieriingen  ziisamraenznstelleii  ist  der  Archetyp 
der  Eadwine-Glosse,  denn  sie  alle  sind  zu  einer  Zeit  ent- 
standen, als  Mereien  das  Inselreieh,  sei  es  politisch,  sei  es 
literarisch,  beherrschte,  und  seine  Sprache  vielleicht  zur 
Schriftsprache  erhoben  war.  i)  Letzterem  Denkmal  habe  ich 
vor  Jahren  eine  eingehende  Monographie  gewidmet,  in  der 
ich  genügend  Argumente  für  sein  hohes  Alter  vorgebracht 
habe.  Der  lateinische  Text,  dem  wie  im  Salaberga- Psalter 
nur  die  sieben  Ferial-  und  Sonntagshymnen  angefügt  waren,  2) 
wie  auch  seine  Glosse  haben  im  Laufe  der  Zeit  mehrere 
Umarbeitungen  erfahren,  so  daXs  es  ungemein  schwer  ist,  aus 
der  letzten  um  1120  vorgenommenen  Redaktion  ihre  ursprüngliche 
Gestalt  herauszuschälen. 

Bei  dem  Bückling-  und  Vespasian  -  Psalter  befinden  wir 
uns  auf  etwas  festerem  Boden.  Was  den  lateinischen  Teil 
betrifft,  so  repräsentieren  sie,  wie  schon  oben  angedeutet 
wurde,  in  charakteristischer  Weise  die  beiden  Schreibschulen 
der  älteren  Zeit:  die  nördliche  mit  dem  Zentrum  in  Lindisfarne, 
die  südliche  in  Canterbury.  Der  Blickling-Psalter^)  kann 
sieh,  in  Schrift  und  Ornamentik  mit  den  besten  Erzeugnissen 
der  nordhumbrischen  Schreibkunst  messen^)  und  wird 
sicherlich  für  eine  Königskapelle  oder  eine  Bischofskirche 
bestimmt  gewesen  sein,  in  der  er,  wie  aus  liturgischen  Zeichen 
und  Neumen  (Psalm  118)  hervorgeht,  als  Handexemplar  beim 
Gottesdienst  fungiert  hat.  Leider  sind  von  den  geschmückten 
Psalmeingängen  nur  die  der  Psalmen  38,  68,  80,  118  erhalten, 
die   übrigen  sind  verloren:   die  betreffenden   Blätter  mit  den 


1)  Vgl.  unten  S.  436  f. 

*)  Denn  nur  diese  tragen  Glossen  des  ersten  Bearbeiters.  Alle  übrigen 
sind  später  nachgetragen;  vgl.  mein  Vorwort  zu  'Der  Psalter  des  Eadwine' 
p.  XIII  f. 

^)  Sir  George  Warner  ermöglichte  mir  in  entgegenkommender  Weise 
einen  Einblick  in  das  fast  nnzngängliche  Ms.  und  schenkte  mir  einige 
Kopien  seiner  photographischen  Aufnahmen  für  die  New  Palaeographical 
Society,  vgl.  jetzt  deren  letzte  Lieferang  plate  231.  232  (1912). 

*)  Wo  der  Schreiber  gearbeitet  hat,  ist  kaum  zu  entscheiden.  Er 
mag  eine  Kopie  der  Canterbury -Fassung  oder  diese  selbst  für  sein  Kloster 
zur  Abschrift  erhalten  haben,  er  mag  auch  (so  Warner)  von  seinem  Konvent 
zur  Abschrift  nach  Canterbury  beurlaubt  sein. 


433 

Anfängen  von  Psalm  51,  52,  97,  109  sind  herauBgesehnitten, 
die  Blätter  mit  Psalm  1 — 9,9  und  9,30 — 31,3,  von  denen  1, 
17,  26  zweifellos  markiert  waren,  scheinen  auf  ähnliche  Weise 
entfernt  zu  sein. ')  Dasselbe  Schicksal  hat  auch  sämtliche 
dem  Psalter  folgenden  liturgischen  Stücke  ereilt,^)  die  uns 
eine  wortvolle  Handhabe  geboten  hätten,  die  Handschriften 
chronologisch  richtig  einzureihen. 

Aus  den  in  Anm.  1  und  2  erwähnten  Notizen  Lincoln  scher 
Schreiber  dürfen  wir  wohl  schliefsen,  dafs  die  Handschrift  zu 
Lincoln  gehört  hat,  bevor  sie  in  den  Besitz  des  Marquess 
von  Lothian  nach  Blickling  Hall  in  Norfolk  überging.  Dafs  sie 
nicht  in  Lincoln  geschrieben  sein  kann,  ist  klar,  da  diese  Diözese 
erst  1067  gegründet  worden  ist.  Auch  kann  ein  frühes  Kloster 
in  oder  um  Lincoln,  etwa  Lindsey,  kaum  in  Betracht  kommen. 
Wie  aber  mag  die  Handschrift  nach  Lincoln  gekommen  sein? 
Hier  helfen  uns  vielleicht  einige  alte  Glossierungen  in  alt- 
englischer  und  lateinischer  Sprache,  die  von  verschiedenen,  aber 
doch  ziemlich  gleichzeitigen  Benutzern  des  Psalters  herrühren. 
Sie  sind  im  ausgehenden  8.  oder  beginnenden  9.  Jahrhundert  ^j 
in  roter  Tinte  und  schöner  mercischer  National-  d.h.  Kursivschrift 
geschrieben.  Ein  abschlielsendes  Urteil  über  die  Sprache  der 
angelsächsischen  Wörter 4)  —  21  an  der  Zahl  —  zu  fällen, 
ist  bei   dem  geringen  Material   sehr  gewagt,   zumal   auch  sie 

^)  Dem  Psalter  vorgeheftet  ist  ein  Kalender  in  einer  Hand  des 
15.  Jahrhunderts,  in  den  Namen  von  städtischen  Beamten  Lincolns  ans 
den  Jahren  15U5 — 1035  eingetragen  sind. 

'^)  Dem  Psalter  augefügt  sind  zwei  Blätter:  das  erste  mit  Evangelien 
in  einer  Hand  15.  Jahrhunderts,  das  zweite  wieder  mit  Namen  von  städtischen 
Beamten  von  Lincoln  (1540  — lö35),  ähnlich  wie  im  Ms.  der  Blickliug 
Homilies  (New  Palaeogr.  Soc.  pl.  210). 

3)  Beachte:  aacoben  117,  13.  —  dolgsuaphe  37,0;  quemde  34,14.  — 
dol^suaphe  37,6.  —  adoen  (neben  dreimaligem  e,  s.  Anm.  1,  S.  434)130,  2. 
Aber:  suprador  125,4.  —  pedr  106,29;  precscype  119,5.  —  Viermaliges 
on  neben  einmaligem  in. 

")  Die  Ausgaben  von  Brock  (E.  E.  T.  S.  58.  63.  73  p.  252)  und  Sweet 
(OE.  T.  p.  122)  bedürfen  folgender  Berichtigungen  bzw.  Ergänzungen:  pem 
ascadendum  119,4  glossiert  ' desolatoriis '  (nicht  ' inseparunt ! ') ;  —  zu 
asten  37,  9  wird  die  Endung  de  der  ersten  darüberstehenden  Glosse  p-anode 
zu  ergänzen  sein;  —  für  onhrenässe  120,3  lies  on  hrernisse,  das  'in 
commotiouem'  (nicht  'obdormiet')  erklärt;  —  iincZe  ('teteuderunt')  :'.C,  14 
steht  Wühl  unter  Einflul's  von  'tetendit'  7,13. 

Studien  z.  engl.  Pbil.    L.  28 


434 

nicht  von  einer  Hand  zu  sein  scheinen,  doch  darf  man  wohl 
behaupten,  dafs  sie  dasselbe  Bild  zeigen,  das  die  meisten 
Denkmäler  dieser  Periode  kennzeichnet:  ein  Gemisch  von 
anglischen,  und  zwar  mercischeu,  und  südlichen  besonders 
kentischen  Formen,  i)  Der  Plural  forsceta  für  forscetan  (Cata- 
racta 41,8)  mag  nordhumbrisch  sein,  doch  ist  eher  nachlässige 
Schreibung  anzunehmen,  zumal  da  hoscm  36, 14,  sm^o-n  127,  3 
von  derselben  Hand  zu  sein  scheinen.  In  sliet  128,  4  dagegen 
wird  wohl  westsächsischer  Einflufs  vorliegen  (vgl.  forsliet  Corpus 
Gl.  1135),  der  auch  sonst  durchzukommen  scheint.  Eine  solche 
dialektische  Mischung  war  nuu  zwar  auch  in  Canterbury 
möglich,  wo  Mönche  aus  den  verschiedensten  Gegenden  zusammen- 
trafen, von  hier  aber  knüpfen  sich  schwer  die  Fäden  hinüber 
nach  Lincoln.  Empfehlenswerter  erscheint  mir  auf  Grund  des 
westsächsischen  Einschlags  ein  Ort  an  der  mereischen  und 
westsächsischen  Grenze.  Vortrefflich  pafst  meines  Erachtens 
Dorchester  in  Oxfordshire  direkt  auf  der  Grenze  von  Mercien 
und  Westsachsen,  das,  nachdem  es  im  7.  Jahrhundert  einige 
Zeit  westsächsischer  Bisehofssitz  gewesen  war,  im  8.  Jahrhundert 
Jahrzehnte  lang  zwischen  mercischer  und  westsächsischer 
Herrschaft  hin  und  her  geworfen,  Ende  des  9.  Jahrhunderts 
mercischer  Bischofssitz  wurde,  welcher  dann  1085  endgiltig 
nach  Lincoln  verlegt  wurde.  Auf  alle  Fälle  wird  das  Manuskript, 
wenn  es  im  Norden  gewesen  ist,  schon  früh  in  den  engeren 
Machtbereich  des  südlichen  Primats  gekommen  sein.  Dafs  es 
gegen  Schluls  des  10.  oder  Anfang  des  11.  Jahrhunderts  im 
Süden  und  zwar  in  der  bischöflichen  (über  Canterbury?) 
oder  königlichen  Kanzlei  zu  Winchester  gewesen  sein 
mufs,  beweisen  die  zahlreichen  in  ihm  befindlichen  jüngeren 
ae.  Glossierungen  aus  dieser  Zeit,  die  durchaus  mit  der  damals 
in  Winchester  befindlichen  Regius-Glosse  übereinstimmen  und 
z.  T.  sicher  aus  ihr  kopiert  sind. 2)  Letzteres  erhellt  deutlich 
aus  übernommenen  Schreibungen  und  ähnlichem,  wie  horh^iend 


1)  Beachte:  ^ehtplicnissum  9,10;  rvrecscyjje  119,5.  —  s.ltne  wohl 
für  saltne  106,  34.  —  sel^um  (versehen  für  ]>el^um),  mit  i -Umlaut  132,  2.  — 
sliet  (ohne  h)  12S,  4.  —  milcum  130,2.  —  adoen  130,2  neben  asten  37,9, 
hrernisse  120,3,  quemde  34,14,  und  kurzes  e:  eletrioiv  127,3.  —  pem 
119,4.  —  pa  ÄJw^ja«  eletri°w  127,3, 

'')  Vgl.  S.  451  ff. 


435 

108,11,  cived  82,11  gegenüber  cwcade  112,7,  sCiveUsgiaii  64,10, 
wiöcist  {-cijst  Regina)  .  .  .  wiöceoseö  32,10.  Die  Glossen  finden 
sich  regellos  über  den  ganzen  Psalter  verstreut,  über  schwierigen 
wie  leichten  Lemmata.  Besonders  reichlich  sind  die  Psalmen 
34,  54,  67,  68,  77,  90,  101,  102,  103,  104,  144  bedacht.  Nicht 
immer  scbliefsen  ^ie  sich  eng  an  die  Vorlage  *)  an.  Die  wenigen 
in  Psalm  125,  131,  141  zeigen  anfserdem  Übereinstimmungen 
mit  der  Junius-Glossc,  die  aber  auch  zufälliger  Natur  sein 
können.  Welche  Ursachen  das  Manuskript  nach  AVinchester 
gebracht  haben,  ist  schwer  zu  sagen.  Da  es  wohl  als  Reliquie 
der  altwestsäehsischen  Kirche  betrachtet  und  verehrt  wurde, 
kann  es  mit  dem  Erstarken  Winchesters  bald  an  dieses  ab- 
getreten sein.  Vielleicht  auch  hat  es  sich  unter  den  Bücher- 
schätzen befunden,  die  ^-Ethelred  seiner  Gemahlin  Emma  zum 
Geschenk  machte.-)  Der  normannische  Bischof  Ulf,  der  mit 
anderen  (Robert  of  Jumifeges)  den  König  völlig  in  seiner  Gewalt 
hatte,  wird  bald  ein  Auge  auf  den  kostbaren  Codex  geworfen 
und  ihn  bei  seiner  Ernennung  auf  den  Stuhl  zu  Dorchester 
(1049)3)  mit  sich  genommen  haben.  1085,  bei  der  Auflösung 
der  Diözese  Dorchester,  ist  er  dann  an  Lincoln  tibergeben, 
wird  hier  als  wertlos  an  die  Stadt  veräufsert  und  schliefslich 
um  die  Mitte  des  17.  Jahrhunderts  in  den  Privatbesitz  der 
Grafen  von  Lothian  übergegangen  sein."*)  Dieselbe  Geschichte 
wird  auch  das  im  Besitz  derselben  Familie  befindliche  Manu- 
skript der  Blickling-Homilies^)  hinter  sich  haben. 

Die  lateinische  Schrift  des  Vespasian  Psalters  ist  in 
schönen  kontinentalen  Unzialen  gehalten,  wie  sie  im  7.  und 
frühen  8.  Jahrhundert  im  Süden  Englands,  besonders  im 
St.  Augustinus- Kloster  zu  Canterbury,  gepflegt  wurden.    Nur 


^)  tyrin^  IIS,  139  stammt  ans  fiS,  10  in  Regius;  desgl.  on  un^efarenum 
106,40  aus  62,3;  ntrynas  1  IS,  136  ans  106,35  iisw. 

*)  eouor  und  aivnrtwalude  79, 14  als  Beeinflussungen  normannischer 
Schreibungen  in  Anspruch  zu  nehmen,  wird  kaum  angängig  sein,  obgleich 
diese  nach  meiner  Überzeugung  schon  im  frühen  1 1  .Jahrhundert  in  stärkerem 
Mafse  vorhanden  gewesen  sind,  als  man  annimmt. 

3)  Hunt,  History  of  the  English  Church  ^  I,  403  f. 

*)  Vgl.  die  einschlägigen  Artikel  in  der  Encyclopaedia  Britannica 
nnd  im  Dictionary  of  National  Biography. 

'")  New  Palaeographical  Society,  plate  210.  Vgl.  die  Ausgabe  von 
Morris,  Early  English  Text  Society  58.  63.  73. 

28* 


436 

iu  der  Initial-Ornamentik  ist  bereits  deutlich  eine  Einwirkung 
der  irisch -uordhumbrisclien  Kunst  sichtbar,  die  ähnlich  wie 
die  Schrift  bald  im  Siegeszuge  von  dem  Süden  Besitz  nimmt 
und  die  fremden  Elemente  verdrängt.  Die  altenglische  Glosse 
ist  in  der  zweiten  Hälfte  des  9.  Jahrhunderts,  also  etwa  150 
Jahre  später,  in  der  spitzen  mercischen  Insulare  geschrieben. 
Ihr  sprachlicher  Gruudcharakter  ist  ebenfalls  mereisch.  Damit 
braucht  natürlich  nicht  gesagt  zu  sein,  wie  schon  von  anderen 
betont  ist,  dals  sie  in  Mercien  abgefalst  ist,  im  Gegenteil,  für 
diese  Zeit  war  die  Entstehung  eines  solchen  Denkmals  in 
Mercien  kaum  möglich.  Denn  was  an  Gelehrsamkeit  hier 
noch  vorhanden  war,  das  scheint  Alfred  mit  genialem  Blick 
für  sich  und  sein  Land  nutzbar  gemacht  zu  haben.  Schon 
872,  gleich  nach  seinem  Regierungsantritt  berief  er,  so  berichtet 
Florenz  von  Worcester,  vier  gelehrte  Mercier  an  seinen  Hof: 
Werferth,  Bisehof  von  Worcester,  Plegmund  aus  der  Nähe  von 
ehester,  iEthelstan  und  Werwulf,  da  es  seinem  Lande  an 
tüchtigen  Gelehrten  gebrach.  Viele  andere  werden  ihnen 
gefolgt  sein.  In  dieser  Strömung  und  von  einem  solchen  Mercier, 
der  sich  aber  in  Sprache  und  Schrift  den  Gepflogenheiten 
Canterburys  angepafst  hatte,  wird  die  Glosse  geschrieben  sein  i) 
und  zwar  sicher  wohl  in  Canterbury,  wo  der  lateinische 
Text  lag.  Derartige  Vermischungen  zwischen  dem  Mercischen 
und  Kentischen  scheinen  nicht  auf  einzelne  Individuen,  noch 
auf  diese  Zeit  beschränkt  geblieben  zu  sein,  sondern  schon 
seit  dem  8.  Jahrhundert  in  gröfserem  Umfange  stattgefunden 
zu  haben.  Die  mercische  Sprache  wird  in  Kent  nach  der 
Eroberung  durch  iEthelbald  rasch  und  besonders  tief  Wurzel 


1)  Der  Glossator  scheint  schon  nach  einer  Vorlage  gearbeitet  zu 
haben.  Dafür  sprechen  die  überaus  zahlreichen  Schreibfehler,  die  einem 
selbständigen  Bearbeiter  kaum  passiert  wären,  ferner  Fälle  wie  ^odes  hus 
godes  (domum  dei)  41,  5.  Auch  die  verhältnismäfsig  häufigen  ö,  ä  für  ce, 
ib  (vgl.  Zeuner  §§  14.  16, 1)  werden  so  zu  deuten  sein,  falls  in  ihnen  nicht 
lautliche  Verhältnisse  der  Vorlage  durchschimmern.  Diese  würde  wohl 
in  die  mercische  Glanzperiode,  also  ins  &.  Jahrhundert,  zu  verlegen  sein, 
in  die  Zeit  König  ^Ethelbalds,  scheint  doch  die  Tatsache,  dafa  dem  Psalter 
einst  eine  Urkunde  dieses  Königs  aus  dem  Jahre  736  vorgebunden  war, 
auf  eine  frühe  Tradition  zu  deuten,  die  das  Denkmal  ruit  diesem  in  seiner 
Jugend  geistlichen  Studien  gern  ergebenen  Herrscher  in  Verbindung 
brachte. 


437 

gefafst  li.aben  —  drei  Mereier  safseu  nacheinander  von  731 — 759 
auf  dem  erzbiseliöfiieheu  Stuhle  zu  Cauterbury  —  von  Anfang 
an  aber  von  dem  Dialekt  Canterburys  als  des  Mittelpunkts 
der  kirchlichen  Verwaltung-  und  der  Hochburg  der  Gelehr- 
samkeit starke  Beeinflussungen  erfahren  haben,  besonders  im 
Laufe  des  9.  Jahrhunderts,  als  Mereien  als  politischer  Faktor 
nahezu  ausgeschieden  und  Cauterbury  als  Haupterbe  und  Hüter 
dieser  Kultur  übriggeblieben  war,  so  dafs  man  vielleicht 
berechtigt  ist,  von  einer  mereisch-kentischen  Kirchensprache 
zu  reden.  Eine  ähnliche  Veränderung  durch  das  Kentische, 
wenn  auch  in  schwächerem  Malse,  wird  aus  denselben  Gründen 
auch  mit  der  westsächsischen  xoiry)  im  10.,  11.  Jahrhundert 
vor  sich  gegangen  sein.  Als  das  Resultat  eines  solchen  Aus- 
gleichungsprozesses also  wird  die  Sprache  der  meisten  Denkmäler 
des  8.  und  9.  Jahrhunderts,  auch  die  der  Vespasian -Glosse, 
aufzufassen  sein.  So  erklären  sich  mir  die  häufigen  e  für  (^, 
e  für  ce  (besonders  aus  gerra.  ai-[-i),  lo  für  eo  besonders  in 
Wörtern,  die  keine  lautgesetzlichen  Formen  mit  Umlaut  Jo 
neben  sich  hatten,  also  in  hlod,  liofa,  nlolcecan,  so  hiofen  und 
liortum  über  (Jiiortum), ')  alles  Erscheinungen,  die  dem  späteren 
Kentischen  eigen  sind,  so  vielleicht  auch,  gegen  Bülbring 
(Elem.  376)  und  Pogatscher  (Literaturblatt  für  germanische 
und  romanische  Philologie  1901,  161),  das  e  für  y  in  ymbhwerß 
(49,  12),  das,  soweit  ich  erkennen  kann,  nur  in  solchen  Texten 
begegnet,  die  auch  sonst  e  für  y  schreiben,  also  z.  B.  in  den 
Metren  des  Boethius  (vgl.  die  Ausgabe  Sedgefields,  p.  325),  im 
Bosworth-  und  Lambeth-Psalter. 

Im  9.  Jahrhundert  war  im  politischen  und  kirchlichen 
England  ein  grofser  Umschwung  eingetreten,  der  auch  natur- 
gemäfs  in  Cauterbury  einen  neuen  Kurs  zur  Folge  hatte. 
Mereien  hatte  bei  dem  seit  802  wieder  erstarkten  und  un- 
abhängigen Stuhl  in  Cauterbury,  wie  überall  im  Reiche,  jeden 
Eiufluls  verloren,  mercische  Schreiber  waren  in  der  erzbischöf- 


*)  Dafs  in  den  Yo  für  eo  z.  T.  wülkürliche  Übertragungen  vorliegen, 
geht  daraus  liervor,  dafs  die  lautgesetzlichen  zo  im  Texte  durchaus  nicht 
rein  bewahrt  sind.  Der  kurze  Laut  wird  z.  B.  regelmäfsig  durch  eo  wieder- 
gegeben und  auch  beim  langen  finden  sich  neolnis  neben  niolnes,  neosian 
neben  iiiosian,  neowe  neben  häufigerem  niowe,  nur  Öeostrian,  getreo- 
tvati  usw. 


438 

liehen  Kanzlei  seltener  geworden,  dafür  aber  hatte  sich  dort 
schon  im  zweiten  Viertel  des  9.  Jahrhunderts  eine  neue  Macht 
Ausehen  und  Anerkennung  verschaift:  "Westsachsen.  Um 
830  war  Kent  von  Ecgbert  erobert,  der  Erzbischofssitz  833 
durch  Ceolnoth,  wie  man  sagt,  einen  Westsachsen  besetzt 
worden,  dem  870  Ethelred  folgte,  der  als  Bischof  von  Wiltshire 
bezeichnet  wird.  Damit  war  ein  stärkerer  Zuzug  westsächsischer 
Mönche  und  Geistlicher  nach  der  kirchlichen  Metropole  und 
zugleich  eine  ßeeinflufsung  der  hier  üblichen  Schreibweise 
und  Sprache  seitens  des  Westsächsischen  gegeben.  Die  für 
diesen  Dialekt  charakteristischen  kurzen  und  langen  ie  für  e 
in  den  übrigen  Dialekten  werden  in  Canterbury  Eingang 
gefunden  und  von  gewissen  Schreibern  als  moderne  Schreibung 
Verwendung  gefunden  haben.  Ob  nicht  auch  die  zahlreichen 
le  für  zu  erwartendes  w  (eo)  in  der  Vespasian  Glosse  auf 
diese  Weise  zu  deuten  sind  ?  Sie  finden  sich  in  onsiene ') 
(ausschlielslich  65  mal),  fiend  (4),  fiede,  fiedon  (6),  gchiewade 
(1),  pie  (1),  gediede  (1)  und  übertragen  in  died  (3),  dieowe  (1), 
bei  Kürze  in  hiefene,  also  begreiflicherweise  fast  nur  bei 
Länge,  wo  ja  der  Laut  in  der  eigenen  Sprache  schon  vorlag 
(hie,  sie  usw.),  und  in  Wörtern,  die  lautgesetzlich  lo  verlaugten, 
bezw.  wohl  mit  io  gesprochen  wurden. 

Von  derselben  Hand  glossiert  sind  aulser  dem  Psalter, 
inkl.  Psalm  151,  auch  die  sich  daran  schlielseuden  Hymnen. 
Es  sind  dies  aufser  den  oben  besprochenen  sieben,  die  beiden 
aus  dem  neuen  Testament  'Benedictus  dominus'  (täglich  zur 
Matutin),  und  'Magnificat  anima  mea'  (täglich  zur  Vesper),  ferner 
(auf  zwei  überschüssigen  Blättern)  die  beiden  ambrosianischen 
Hymnen  'Splendor  paternae  gloriae'  (Hymnus  ad  Matutinos) 
und  'Deus  creator  omnium  polique  rector'  (Hymnus  ad 
Vespertinum)  und  der  von  den  Bischöfen  Caesarius  und 
Aurelianus  zitierte  Nocturnhymnus  'Ptex  aeterno  domine' 
(Hymnus  Diebus  Dominicis).^)  Zweierlei  lernen  wir  aus  dieser 
Sammlung.  Einmal  weist  sie  auf  eine  Zeit,  in  der  das 
Completorium   noch   nicht  festgesetzt,  bezw.  noch  mit  keinem 


*)  Hier  könnte  aach  der  Nebenton  mitgewirkt  haben. 
2)  Blume,  Der  Cursns  S.  Benedicti  und  die  liturgischen  Hymnen  des 
6. —  9.  Jahrhunderts.    Leipzig  1908.    p.  37. 


439 

festen  Hymnus  bedaclit  war,  sonst  wäre  wolil  sieher  das  zu 
jener  Gebetsstunde  später  i)  vorgeschriebene  Cantieum  Simeonis: 
Nunc  dimitte  seruuni  tuum  nicht  übergangen  worden,  in  der 
ferner  der  Hymnus  Kex  aeterne  noch  unverkürzt  lebte  und 
nicht  auf  Ostern  beschränkt  war,  wie  es  nach  900  geschah.  2) 
Zum  zweiten  aber  weisen  die  letzten  drei  Hymnen  auf  Grund 
der  Untersuchungen,  die  Blume-)  augestellt  hat,  entschieden 
auf  nicht-irische  Provenienz.  Hiernach  begegnet  der  Nocturn- 
Hymnus  z.  B.  überhaupt  nicht  in  irischen  Hymnareu ')  älterer 
Zeit  und  wird  wohl  mit  den  beiden  ambrosianischen  aus  der 
römischen  Vorlage  übernommen  sein.  Sicherlich  sind  alle  drei 
mit  anderen  alt-benediktinisehen  Hymnen  im  7.  Jahrhundert 
nach  römischem  Muster  in  die  englische  Liturgie  aufgenommen 
worden,  aus  der  sie  dann  im  9.,  10.  Jahrhundert  wie  auf  dem 
Kontinent  von  der  irischen  Gruppe  verdrängt  wurden,  wie  wir 
unten  beim  Bosworth  Psalter  sehen  werden.  Der  Vespasian 
Psalter  nimmt  also  auch  in  hymnologiecher  Beziehung  eine 
sehr  bedeutende  Stellung  ein:  er  bietet  die  älteste  Quelle  alt- 
benediktinischer  Hymnen  überhaupt  und  die  einzige,  wenn 
auch  nur  fragmentarisch,  auf  englischem  Boden. 

Was  aufser  dem  Psalter  und  den  oben  besprochenen 
Hymnen  dem  Manuskript  angehört,  stammt  alles  von  anderen 
Händen  •'')  und  aus  anderen  Zeiten.  Die  erste  Folio  mit  dem 
Christusbilde  ist  aus  einem  Psalter  des  13.  Jahrhunderts 
wahrscheinlich  von  Sir  Robert  Cotton  eingeheftet  worden 
(vgl.  Reproductions  from  Hluminated  Manuscripts  in  the  Brit. 
Mus.,  Series  HI,  plate  XV).    Die  darauf  folgenden  10  Blätter 


1)  Seit  Chrodegang,  vgl.  Baeumer,  Geschichte  des  Breviers  1895,  p.  253. 

2)  Vgl.  Bhime,  a.a.O.  pp.  75.  113. 

=*)  Die  Hymnen  des  Thesaurus  Hymnologicus  H.  A.  Daniels  (=  Analecta 
Hymnica  medii  aevi  51)  1908,  p.  XX  ff. 

*)  Von  englischen  Sammlungen  begegnet  er  überhaupt  nur  noch  im 
Durham-Ms.  (B.  III,  82)  aus  dem  11.  Jahrhundert,  vgl.  nuten  p.  458. 

*)  Auch  der  151.  Psalm  (Pusillus  eram),  ein  pseudoepigraphisches 
Stück  (aus  1.  Samuel  16, 1  —  3.  17),  das  von  Hieronj'mus  aus  der  Septua- 
ginta  mit  übernommen  war,  gehört  dem  ursprünglichen  Ms.  nicht  an,  sondern 
ist  auf  einem  besonderen  Blatte  zugefügt  worden,  doch  bevor  die  ae. 
Glossieruug  begann,  da  diese  ihn  einschliefst.  Er  fehlt  meist  den  römischen 
Versionen  und  dringt  erst  mit  dem  Psalterium  Gallicanum  ein. 


440 

bringen  die  Prolegomena  zum  Psalter,  im  ganzen  16Nummern,0 
die  in  bäurischer  Kapitalschrift  von  einer  Hand  des  7.  oder 
8.  Jahrhunderts  gesehrieben  sind.  Fünf^)  von  ihnen  sind 
neuerdings  von  Beer  3)  auch  im  Psalter  Karls  des  Grolsen'*) 
entdeckt,  der  kurz  nach  783  von  einem  Schreiber  Dagulf 
vielleicht  im  Auftrage  Alkuins  angefertigt  ist.'')  Was  den 
Hymnen  am  Schlufs  der  Handschrift  folgt,  ist  im  11.  Jahr- 
hundert auf  neuen  Blättern  angefügt  worden  und  zwar  von 
einer  Hand.  Da  sind  zuerst  die  im  10.  Jahrhundert  vom 
Kontinent  aus  eingeführten  Stücke:  das  Te  deum  und  das 
Quicunque  uult,  dann  einige  Gebete:  Oratio  Eugenii  Toletani 
episcopi,^)  Confessio  ad  dominum  siue  oratio  (Deus  inestimabilis 
misericordiae  usw.),'')  0  sanctum  et  uenerabile  nostri  redemptoris 
Signum,  0  Ihesu  Christe  crucifixe,  Salue  crux  saneta  et  uenerauda, 
Salue  saneta  crux  omnium  arborum  gloriosissima,  Te  saneta 
dei  crux  humiliter  adoro.  Das  Te  deum  und  Quicumque 
uult  sind  mit  einer  ae  Glosse  versehen,  aber  von  einer 
anderen  Hand,  die  ganz  im  Duktus  der  Winchester  Schule 
gehalten  ist  und  auffällig  mit  der  der  Tiber  ins- Glosse  tiber- 
einstimmt. Da  auch  in  der  Psalterglosse  einige  Zusätze  gemacht 
sind  (vgl.  Psalm  6,  26,  31,  37,  101,  118.  15—28,  142),  die  zum 
grölsten  Teil  aus  der  in  Winchester  befindlichen  Regiusglosse 
genommen  sind,  so  dürfte  das  jManuskript  im  Anfang  des 
11.  Jahrhunderts  für  einige  Zeit  in  Winchester^)  gewesen 
sein.  Und  zwar  kann  meines  Erachtens  nur  Krieg  oder  eine 
ähnliche  Gefahr  hierzu  Veranlassung  gegeben  haben,  da,  wie 
wir   erfahren,    das   Manuskript  als  Heiligtum   auf  dem   Altar 


^)  Vgl.  die  ausführliche  Beschreibung  der  Hs.  im  Catalogue  of  Ancient 
Mss.  in  the  British  Museum,  II  (18S4),  p.  8. 

2)  Epistola  Damasi  ad  Hieronymum,  Versus  Damasi,  Epistola  Hieronymi 
ad  Damasum,  Versus  Hieronymi,  Origo  psalmorum. 

^)  Monumenta   Palaeographica  Vindobouensia,    Lieferung  1    (Leipzig 
1910),  p.  45,  die  mir  A.  Goldschmidt  freundlichst  zur  Verfügung  stellte. 

*)  Wien,   K.  K.  Bibl.   cod.  1861;   Chroust,   Munum.  Palaeog.  Ser.  II, 
11.  Lief.,  Tafel  4. 
^    «)  Beer,  a.  a.  0.  p.  61  f. 

«)  Migne,  Patr.  Lat.  87  col.  359. 

')  Unter  dem  Titel  'Oratio  sancti  Augnstini'  im  Ms.  Arandel  155. 

*)  Auch  die  zahlreichen  Korrekturen  im  lat.  Text  nach  dem  Psalterium 
Gallicannm  werden  aus  dieser  Zeit  stammen. 


441 

des  St.  Augustinus-Klosters  sorgsam  })chUtet  und  infolgedessen 
kaum  ausgeliehen  wurde.  Als  daher  1011  die  Dünen  Canterbury 
])elagerten  und  monatelang  plünderten,  werden  St.  Augustiner- 
Mönche  ihre  Schätze,  darunter  auch  unseren  Psalter,  nach  dem 
sichereren  Winchester  gebracht  und  solange  verborgen  gehalten 
haben,  bis  die  Gefahr  vorüber  war. 


Alfred  —  iEthelstan. 


Die  neue  Zeit,  deren  Vorboten  sich  schon  im  Yespasian- 
Psalter  ankündigten,  kam  rasch  heran.  Mercien  wurde  von 
Westsachsen  bald  aus  dem  Sattel  gehoben.  Schon  Ecgbert 
gelaug  es  in  der  ersten  Hälfte  des  9.  Jahrhunderts,  ganz  England 
unter  seinem  Szepter  zu  vereinigen,  allerdings  nur  für  kurze 
Zeit.  Erst  als  Alfred  durch  sein  erfolgreiches  Einschreiten 
gegen  die  Dänen  und  durch  soziale  und  kirchliche  Reformen 
einer  gedeihlichen  Friedensarbeit  die  Wege  geebnet,  und  sein 
Genius  der  westsächsischen  Sprache  Kraft  und  Ausdauer  ver- 
liehen hatte,  erst  jetzt  setzt  der  eigentlich  politische  und 
literarische  Vorstofs  Westsachens  ein.  Die  Anfänge  waren 
freilich,  wie  zu  erwarten  war,  recht  mühsam.  Denn  selbst  ein 
Alfred  hatte  die  Wunden  nicht  zu  heilen  vermocht,  welche  die 
Einfälle  der  Dänen  geschlagen  hatten,  und  hatte  andererseits 
auch  nicht  solche  Erfolge  über  sie  errungen,  dafs  sie  das  Ver- 
langen nach  ferneren  Raubzügen  in  das  Südreich  verloren  hätten. 
Die  Kraft  des  Volkes  war  lahmgelegt  für  Jahrzehnte.  Den 
Geistlichen  und  Mönchen,  den  Trägern  der  Bildung  und  berufenen 
Erziehern  des  Volkes  fehlte  es,  soweit  sie  nach  den  mörderischen 
Kriegen  noch  vorhanden  waren,  an  lebendigem  Interesse  und 
Verständnis  für  diese  ihre  wichtigste  Aufgabe,  wie  auch  an 
sittlicher  Kraft  und  religiösem  Feuer,  um  die  Massen  in  einheit- 
lichem Geiste  zusammenzuhalten.  Aber  Anfänge,  wenn  auch 
nur  schwache,  waren  doch  da,  und  das  Lebenswerk  des  genialen 
Königs  trug  unter  der  sorgsamen  Pflege  seiner  Mitarbeiter  und 
nächsten  Nachfolger  schöne  Früchte.  Eine  emsige  Tätigkeit 
beginnt  allmählich  unter  dem  Schutze  des  Staates  und  der 
Kirche,  vor  allem  in  der  politischen  und  kirchlichen  Metropole, 


442 

in  Wiucliester')  und  Caiiterbury  (uuter  Plegmuiid).  doch 
nicht  minder  in  dem  mit  Winchester  nahe  verbundenen  Sher- 
borne  (unter  Asser)  und  in  den  von  Alfred  gegründeten  Klöstern 
zu  Athelucy  (unter  John  dem  Altsachsen)  und  Shaftesbury. 

Sie  gilt  der  Übertragung  und  Umarbeitung  der  alten  eng- 
lischen üenkmäler  ins  WestsUchsische.  Die  bischöflischcn 
Schreiberschulen  und  Klöster,  speziell  der  genannten  Diözesen, 
treten  in  innigen  Konnex  miteinander,  sowohl  durch  Austausch 
von  Manuskripten  wie  auch  durch  gegenseitigen  Besuch  ihrer  Mit- 
glieder. Cauterbury  mit  seinen  kostbaren  IIss.  im  St.  Augustinus- 
Kloster  war  natürlich  bei  weitem  der  gebende  Teil.  Auch  der 
Psalter,  der  wie  kein  anderes  Buch  in  das  Leben  aller  Gebildeten 
eingriff,  wird  um  diese  Zeit  in  Westsaehsen  manche  Glossierung 
erfahren  haben,  teils  als  Ergebnis  literarischer  Arbeiten  in  den 
Klosterschulen,  teils  auch  im  Anschlnls  an  die  amtliche  Tätigkeit 
der  Geistlichen  und  Mönche,  meist  aber,  wie  ich  schon  oben 
hervorhob,  auf  Bestellung  hochstehender  Persönlichkeiten,  vor 
allem  adliger  Damen,  die  dem  Psalter  stets  ein  reges  Interesse  2) 
entgegenbrachten  und  des  Lateins  unkundig,  einer  Hilfe  in  ihrer 
^lutterspraehe  bedurften. 

Zwar  sind  unter  Eduard  dem  Alteren,  um  dem  Verlaut 
der  Entwicklung  etwas  näher  zu  treten,  kaum  nennenswerte 
Erfolge  zu  verzeichnen,  noch  auch  zu  erwarten,  zumal  da  seine 
llegierungszeit  noch  oder  wieder  mit  ständigen  Beunruhigungen 
seitens  der  Dänen  zu  rechnen  hatte.  Aber  mit  ^-Ethelstan, 
der  sich  nach  siegreichen  Kämpfen  mit  den  inneren  und  äulseren 
Feinden  seines  Reiches  mit  Stolz  curagulus  totius  bryttannie 
nennen  konnte,  scheint  doch  ein  allgemeiner  Aufschwung  des 
geistigen  Lebens  stattgefunden  zu  haben.  Wenn  uns  auch  die 
wichtigsten  Zeugen  angelsächsischer  Annalistik  wie  die  angel- 
sächsische Chronik,  ^thelward  u.  a.  gerade  für  seine  Zeit  mit 
Angaben  im  Stich  lassen,  so  belehren  uns  doch  andere  zuverlässige 
Quellen,    welch    weitgehende    literarische,    künstlerische    und 

')  Besonders  in  den  nenerrichteten  Klöstern,  dem  Newminster  unter 
Grimbald  und  dem  Nunnaminster. 

-j  Es  scheint  mir  eine  lohnende  Aufgabe,  einmal  die  Stellung  der 
Frau  zum  Psalter  im  Mittelalter  zu  untersuchen.  Besonders  reich  fliefsen 
die  handschriftlichen  Quellen  im  12.  bis  14.  Jahrhundert,  doch  fehlt  es  auch 
nicht  an  solchen  aus  früherer  Zeit. 


443 

religiöse  Interessea  dieser  König-  geliabt  hat.  Wir  besitzen 
eine  Keibe  Gesetze')  von  ihm,  die  der  späteren  Zeit  'als 
Ideal  für  Kirchlicbkeit'  galten.-)  Ans  der  lls.  Cott.  Domitian 
AI  (fol.  56b)  und  sonstigen  handscbriftliehen  Notizen 3)  er- 
fahren wir,  dafs  er  eine  ausgewühlte  Bibliothek  sein  eigen 
nannte.  Wir  wissen  ferner,  dafs  er  durch  Verheiratung  seiner 
fünf  Schwestern  enge  Beziehungen  mit  Herrschern  und  durch 
diese  oder  seine  Schwestern  mit  geistigen  Kulturzentren  (Lobbes!) 
des  Kontinents  gehabt  hat.-*)  Aus  der  Gründung  des  kornischen 
Bischoftums'')  und  der  Klöster  Middletou  (Dorset)  und  Michelney 
(Somerset),*')  aus  dem  freundschaftlichen  Verhältnisse,  das  er 
mit  Malmesbury  und  Bath  unterhielt,  ersehen  wir  eine  Anteil- 
nahme an  dem  Gedeihen  von  Kirche  und  Mönchtum,  das  immerhin 
ein  Verständnis  für  ihre  Bedeutung  voraussetzt,  und  die  Unter- 
suchung der  Kalcndarien  bzw.  Martyrologien  der  späteren  Zeit 
lassen  es  als  sicher  erscheinen,  dafs  in  seiner  Umgebung 
besonders  unter  den  Damen  ein  tiefes  religiöses  Leben  im 
Flufs  war,  das  mit  seinem  Brennpunkt  in  dem  von  Eduards 
Tochter  Eadburga  geleiteten  Nunnaminster  in  einem  aus- 
gedehnten Heiligenkultus  Ausdruck  fand.')  Zahlreiche  kost- 
bare Kodizes,  auch  Psalterien,  sollen  vom  Kontinent^)  in  seine 
Bibliothek  übergegangen  sein,  so  dafs  er  ihm  nahestehende 
Klöster  damit  beschenken  konnte.'')  Darunter  befand  sich  wohl 
sicher  auch  der  Psalter  Cott.  Galba  A  XVIII  (Brit.  Mus.),i") 


•)  Liebermann,  Gesetze  der  Angelsachsen  I,  p.  140  ff. 

2)  Liebermann,  a.  a.  0.  II,  2,  p.  275  Sp.  2. 

3)  Gottlieb,  über  mittelalterliche  Bibliotheken  p.  27i)f. 

*)  Onaau,  England  before  the  Norman  Conquest  p.  522.  Hunt,  A 
History  of  the  Euglish  Church  I,  306  f. 

^)  Hunt,  a.a.O.  p.  3U0. 

«)  Hunt,  a.  a.  0.  p.  304. 

')  Bishop-Gasquet,  The  Bosworth  Psalter  p.  Sti. 

«)  Gottlieb,  a.a.O.  p.  279 ff. 

")  Cott.  Claud.  B  V  au  die  St.  Peter  Abtei  zu  Bath,  Cott.  Tiberius  A II 
au  Christ  Church  Canterbury,  Regius  I  A  XVIII  an  St.  Augustine's  Canter- 
bury. 

10)  Catalogne  of  Ancient  Manuscripts  in  the  British  Museum,  p.  12; 
Westwood,  Facsimiles  of  the  Miniatures  and  Ornaments  of  Anglo-Saxon 
and  Irish  Mss.,  l&6b,  p.  y6ff,  plate32;  J.  A.  Herbert,  Illnminated  Mss., 
London  1910,  p.  122f. 


444 

der  iu  Englniul  von  einer  Hand  des  10.  Jnlirliunderts  —  auf 
Veranlassung  des  Königs?  —  Zusätze  verschiedener  Art  erhalten 
hat.  Zu  letzteren  gehört  auch  der  mit  einem  metrischen  Mar- 
tyrologium  versehene  Kalender,  ^)  in  dem  unter  dem  26.  Oktober 
der  Tod  Alfreds,  unter  dem  5.  Dezember  der  seiner  Gemahlin 
Ealhswiö  eingetragen  sind.  Da  auch  der  Kalender  des  Junius- 
Psalters  Auszüge  aus  diesem  Martyrologium,  besonders  aber 
die  beiden  erwähnten  Eintragungen  aufweist,  so  kann  es  keinem 
Zweifel  unterliegen,  dafs  auch  dieses  Manuskript,  dessen  übrige 
Teile  von  derselben  Hand  in  insularer  Minuskel  geschrieben 
sind,  bis  auf  die  Glosse  in  der  Winchester  Atmosphäre  ent- 
standen und  vielleicht  für  eine  Angehörige  des  königlichen 
Hauses  oder  für  das  von  Alfred  gegründete  Nunnarainster 
hergestellt  ist,  in  dem  Ealhswiö  nach  des  Königs  Tode  Auf- 
nahme fand  und  starb  (905). 

Dem  entspricht  denn  auch  die  künstlerische  Ausstattung 
des  Psalters. ^2)  Alle  Psalmen  beginnen  mit  schönen  Initialen, 
die  sich  aus  fabelhaften,  meist  drachenähnlichen  Tiergebilden 
zusammensetzen  und  deren  Innenfläche  nicht  selten  durch 
Figuren  von  Menschen  oder  Tieren  ausgefüllt  ist.  Dafs  hier 
grölstenteils  bodenständige  Kunst  vorliegen  kann,  erhellt  aus 
der  Art,  wie  diese  Tierkörper  der  Verzierung  dienstbar  gemacht 
sind,  sowie  aus  der  in  einigen  Initialen  auftretenden  Flecht- 
und  Bandversehlingungsornamentik,  deren  'phantastische  aber 
ausdrucksvolle  Liniensprache'  im  allgemeinen  als  irisch,  neuer- 
dings als  typisch  germanisch  aufgefalst  wird. 3)  Sie  mag  im 
7.  Jahrhundert  aus  dem  Norden  nach  dem  Süden  gedrungen 
und  hier  im  Laufe  des  8.  Jahrhunderts  den  kontinental-römischen 
Einfluls  allmählich  ausgeschaltet  haben,  ähnlich  wie  dies  in  der 
Schrift  der  Fall  war,  um  dann  nach  einer  Zeit  der  Sammlung 
und  Vorbereitung  im  frühen  10.  Jahrhundert  zu  neuem  und  selb- 
ständigem Leben  zu  erwachen.  Wir  begegnen  ihr  iu  dieser  Zeit 
in  zahlreichen  Hss.  aus  den  grofsen  Kulturzentren  Winchester  und 


0  Ilampson,  Medü  Aevi  Kalendarium  I,  397  ff. 

')  Westwood,  a.a.O.,  Tafel  34;    Westwood,   Palaeographia  Sacra 
Pictoria  N.  41. 

*)  W.  Worringer,  Formprobleme  der  Gotik  1911,  p.  28fif. 


445 

Cauterbury^  z.B.  im  Pontifikale  Dunstans'^)  und  im  Boswortli- 
Psaltei*3),  und  zwar  zuerst  in  obigen  Denlcniälern  in  Winchester, 
wo  sie  allerdings  schon  in  den  sechziger  Jahren  durch  kon- 
tinentale Vorbilder  verdrängt  wird,  doch  auch  an  anderen  Orten, 
z.  B.  in  der  heiligen  Kreuzabtei  zuWaltham  (Aldhelni  Als.)  0  und 
in  dem  mit  Winchester  nahe  verbundenen  Sherijorne  (Salisbury 
Psalter).-')  Inwieweit  in  einigen,  auch  in  Junius,  Beeinflussung 
durch  kontinentale  Hss.  anzunehmen  ist,  die  ja  in  der  Bibliothek 
des  Königs,  aber  auch  wohl  nur  da,  zur  Verfügung  standen, 
wage  ich  nicht  zu  beurteilen.  Meines  Erachtens  liegt  aber  eine 
solche  vor,  wenn  wir  hier,  wie  auch  im  Salisbury- Psalter,  die 
Psalmen  51,'')  101,  119,  mit  den  Psalmen  1,  17,  26,  38,  52,  G8, 
80,  97,  109  und  118,')  die,  wie  wir  sahen,  im  Officium  der 
englischen  Kirche  eine  markante  Stellung  einnahmen,  auf  eine 
Stufe  gestellt  und  durch  besonderen  Schmuck  und  Verwendung 
der  Kapitale  in  der  ersten  Zeile  ausgezeichnet  finden.  Wie  ich 
oben  S.  424  andeutete,  ist  die  Auszeichnung  von  Pss.  51,  101  in 
dieser  Zeit  vor  allen  auf  dem  Kontinent  gebräuchlich  und  wird 
daher  von  dort,  vermutlich  vom  Frankenreich  aus,  auf  Eng- 
land neuen  Eindruck  gemacht  haben.  Ahnlich  verhält  es  sich 
mit  Ps.ll9,  dem  ersten  der  15  Gradualpsalmen  (Pss.  119-133). 
Da  wir  diese  in  Hss.  früherer  Jahrhunderte  in  keiner  Weise 
hervorgehoben  noch,  in  Übereinstimmung  mit  dem  römischen 
Officium,^)  irgend  welche  Spuren  finden,  die  auf  liturgische  Ver- 
wendung sehliefsen  lielsen,  so  liegt  es  nahe,  auch  hierfür  den 

^)  Neuestens  zusammeDgestellt  von  0.  Schoinburger,  Die  Anfänge  der 
MalscLule  von  Winchester  im  X.Jahrhundert,  Leipzig  1912,  p.  df. 

^)  New  Palaeographicai  Society  pl.  111,  112. 

*)  Gasquet-Bishop,  a.a.O.,  pl.  1;   New  Palaeogr.  Society,  pl.  163. 164. 

*)  Palaeographicai  Society,  II.  Series,  pl.  191;  Westwood,  a.a.O., 
pl.  31 ;  James,  The  Mss.  in  the  Library  at  Lambeth  Palace,  Cambridge 
1900,  p.  9. 

')  Palaeographicai  Society,  I.  Series,  pl.  188.  189;  Westwood,  a.a.O. 
p.  IUI,  pl.  35. 

^)  Die  Initiale  ist  herausgeschnitten. 

')  Die  Blätter,  Pss.  1  und  68  enthaltend,  sind  herausgeschnitten. 

**)  Zwar  vorwendet  der  heilige  Benedikt  die  sog.  kleinen  Gradual- 
psalmen (119 — 127)  für  die  Terz,  Sext  und  Non  der  Wochentage  Dienstag 
bis  Samstag  (Baeumer,  Gesch.  des  Breviers,  p.  175),  doch  scheint  diese 
Vorschrift  in  England  vor  dem  10.  Jahrhundert  keine  Beachtung  gefunden 
za  haben. 


446 

Ursprung  auf  dem  Kontinent  zu  snchen.  Und  er  liegt  in  der 
Tat  in  der  monastisehen  Bewegung  des  9.  und  10.  Jahrhunderts, 
denn  die  Cluniacenser  sollen  jene  Psalmen  zuerst  in  die  Liturgie 
des  Abendlandes  aufgenommen  haben.  Verbindungen  mit  clunia- 
censischen  Klöstern,  ja  vielleicht  mit  Cluny  selbst  waren  aber 
in  Winchester  ohne  weiteres  hergestellt  durch  ^thelstans 
Schwestern,  von  denen  eine  (Ead^ifu)  an  Karl  den  Einfältigen 
von  Frankreich,  eine  andere  (EadÄifu)  an  Ludwig  IL  von  der 
Provence,  eine  dritte  (Eadhild)  an  Hugo  den  Grofsen,  den 
Grafen  von  Paris,  verheiratet  war. ') 

Der  lateinische  Teil  des  Psalters  wird  also  mit  ziemlicher 
Sicherheit  in  Winchester  geschrieben  und  dann  (auf  Bestellung?) 
nach  Canterbury  geschafi't  sein,  um  von  demselben  Schreiber 
nach  Vespasiau  glossiert  zu  werden.  Dafs  die  Glosse,  die 
sich  im  allgemeinen,  auch  im  Wortschatz,  eng  der  Vorlage 
anschliefst, 2)  an  der  Hand  der  Vespasian-Handschrift  nieder- 
geschrieben ist,  geht  aus  einer  Reihe  übernommener  Schreibfehler 
deutlich  hervor. s)  Die  Sprache  verrät  einen  starken  Einschlag 
uicht-westsächsischer,  d.  h.  kentischer-mercischer  Elemente,^) 
der  nicht  nur  auf  Kosten  der  Verlage  zu  setzen  ist.  Sie  könnte 
ein  Niederschlag  sein  des  grofsen  Kampfes,  der  sich  in  der 
ersten  Hälfte  des  10.  Jahrhunderts  in  der  erzbischöflichen 
Kanzlei  zu  Canterbury  zwischen  der  alten  mercisch-kentischen 
y.oivTj,  wenn  wir  so  sagen  dürfen,  und  dem  an  Ausdehnung  und 
Ausehen  gewinnenden  Westsächsischen  abspielte. 


Die  Benediktiner -Eeform. 


Die  Hervorhebung  der  Pss.  51.  101  in  Junius  könnte  mm 
an  sich  eine  rein  äufsere  Nachahmung  sein,  brauchte  also  keines- 
wegs einem  neuen  liturgischen  Brauche  Ausdruck  zu  verleihen. 


*)  Oman,  a.  a.  0.,  p.  522. 

^)  Leider  ist  sie  nur  bis  Ps.  144,  6  erhalten,  docli  werden  auch  der 
Schlafs  und  die  Hymnen,  die  wir  z.T.  aus  dem  Bosworth-Psalter  erschliefsen 
können,  sich  nicht  von  Vespasian  entfernt  haben. 

^)  Vgl.  die  Einleitung  zu  Brenners  Ausgabe. 

*)  Vgl.  Brenners  Einleitung  zu  seiner  Ausgabe  und  DLZ.  Jahrgg.  1909, 
Sp.  3105  flf. 


447 

Doch  möchte  ich  glauben,  dafs  sie  dieses  in  der  Tat  tut,  dafs 
mit  andern  Worten  schon  unter  ^Ethelstan  eine  tiefere  Ein- 
wirkung der  klösterlichen  und  kirchlichen  Reformen  des 
Kontinents  auf  die  englischen  Zustände  auch  auf  liturgischem 
Gebiete  ausgeübt  und  eine  teilweise  Rehabilitierung  und  Keu- 
belcbung  des  englischen  Mönchtunis,  das  im  Laufe  des  0.  und 
frühen  10.  Jahrhunderts  in  gänzliche  Zerrüttung  geraten  war, 
her])eigeführt  ist,  wenn  auch  vorläufig  nur  in  der  Macht-  und 
Wirkungssphäre  einzelner  grofsangelegter  Männer.  Der  dänische 
Bischof  Odo  von  Ramsbury  (927),  der  zu  verschiedenen  Malen 
mit  auswärtigen  Klöstern  in  persönliche  Berührung  getreten 
und  besonders  von  seinem  Aufenthalte  beim  Herzog  Hugo 
in  Laon  (930)  0  mit  nachhaltigen  Eindrücken  in  die  Heimat 
zurückgekehrt  war,  wird  sofort  Schritte  zu  einer  Umgestaltung 
der  Klöster  seiner  Diözese,  die  sich  über  Wiltshire  und  Berk- 
shire ausdehnte,-)  getan  haben.  Von  grundlegender  Bedeutung 
für  das  kirchliche  Leben  Englands  wurden  dann  Odos  Be- 
strebungen, als  er  942  Erzbischof  von  Canterbury  geworden  war 
und  von  Fleury  den  Benediktinerhabit  erworben  hatte.  Ob  er 
bei  dieser  Gelegenheit  wieder  in  Fleury  gewesen  ist,  wissen 
wir  nicht,  wohl  aber  wissen  wir,  dafs  er  seinen  Neffen  Oswald, 
der  unter  seiner  Leitung  in  Canterbury  erzogen  war,  veranlafste, 
als  Mönch  dort  einzutreten  und  einige  Jahre  der  Regel  gemäfs 
zu  leben,  denselben  Oswald,  der  später  als  Bischof  von  Woreester 
und  Erzbischof  von  York  der  Hauptmitarbeiter  und  Berater 
Dunstans  und  ^Ethelwolds  werden  sollte. 

Das  Schicksal  fügte  es,  dafs  auch  Winchester  in  diesem 
Augenblick  der  rechte  Mann  erstand,  der,  durchdrungen  von 
dem  Verlangen  nach  einer  Gesundung  des  religiösen  Lebens, 
die  Gabe  besals,  die  mannigfachen  Anregungen  und  Lehren, 
welche  ihm  durch  Vermittlung  -/Ethelstans  von  auswärtigen 
Klöstern  zuteil  wurden,  für  seine  Diözese  nutzbar  zu  machen. 
Elphege,  genannt  Calvus,  soll  noch  vor  Odo  die  ersten  Reform- 
versuche in  Winchester  angestrebt  haben. 3)  Seine  idealen  Ziele, 
seine  hohe  Vorstellung  von  der  sozialen  Bedeutung  des  i\[önch- 


1)  Vgl.  oben  S.  431. 

")  Hin,  English  Dioceses,  p.  221  f. 

■■*)  Oman,  a.  a.  0.  p.  540. 


448 

tums  übertrugen  sich  auf  zwei  junge  Mönche,  die  von  ihm  fürs 
Kloster  vorbereitet  und  zum  Priester  geweiht  waren,  Dunst  an 
und  iEthelwold.  Sie  waren  berufen,  die  Ideen  des  Meisters 
zu  verwirklichen  und  im  Bunde  mit  Oswald  durch  eine  nach 
religiösen  und  sittlichen  Grundsätzen  vorgenommene  Um- 
gestaltung der  Klöster,  durch  kirchliche  und  soziale  Reformen 
das  geistige  Leben  Englands  einer  gänzlichen  Neugestaltung 
entgegenzuführen.  Fulste  ersterer,  was  die  Klöster  betraf,  vor 
allem  auf  persönlichen  Eindrücken  und  Erlebnissen,  die  er 
während  seiner  Verbannung  (956)  im  St.  Peters-Kloster  (Blan- 
dinium)  zu  Gent  gesammelt  hatte,  so  letzterer  auf  Berichten 
seines  Schülers  Osgar  über  Fleury.  Odo  und  Oswald,  Elphege 
und  Dunstan-^thelwold,  das  sind  die  Kamen,  an  welche  die 
Geschichte  der  Kirche  und  des  Mönehtums,  ja  die  ganze  Kultur 
Englands  im  10.  Jahrhundert  für  immer  geknüpft  ist.  Freilich, 
das  dürfen  wir  nicht  vergessen,  es  wäre  ihnen  trotz  aller  Hin- 
gebung und  Begeisterung  nicht  gelungen,  durchzudringen,  wenn 
sie  nicht  die  volle  Unterstützung  des  Staates  gefunden  hätten, 
^thelstan  und  vor  allem  Edgar  verdienen  in  der  Tat  mit 
oder  neben  ihnen  genannt  zu  werden.  Hatte  jener  verstanden, 
durch  eine  grolszügig  angelegte  Politik  Verbindungen  mit 
kontinentalen  Macht-  und  Bilduugszentren  anzubahnen  und  zu 
pflegen,  so  gelang  es  diesem,  seine  persönlichen  Interessen  den 
höheren,  der  Wohlfahrt  des  Landes  dienenden  zu  unterwerfen 
und  im  Einverständnis  mit  jenen  Grolsen  zu  arbeiten. 

Als  erste  Frucht  der  neuen  Schulung,  die  jetzt  in  die 
Kanzleien  und  Klöster  Englands  einzog,  tritt  uns  die  Regius- 
Glosse  entgegen:  eine  in  gewissem  Sinne  selbständige  Arbeit, 
die  sich  in  jeder  Beziehung  weit  über  ihre  Vorgängerinnen 
erhebt.  Der  Verfasser  ist  bereits  zu  einer  bemerkenswerten 
Kenntnis  des  Lateinischen  vorgedrungen  und  tiberträgt  gewissen- 
haft, aber  nicht  sklavisch,  ja,  er  steht  dem  Material  mit  einer 
gewissen  Überlegenheit  und,  trotz  aller  Scheu  vor  der  Über- 
lieferung, kritischem  Auge  gegenüber,  indem  er  den  oft  ver- 
derbten Text  sorgfältig  prüft  und  an  der  Hand  zuverlässiger 
Quellen  erklärt  und  auch  verbessert.  Er  verfügt  daneben  in 
seiner  IMuttersprache  über  ein  reiches  Wortniaterial,  das  auf 
eine  ausgedehnte  Ubersetzerarbeit  hinweist  und  zugleich  Zeugnis 


449 

ablegt  von  der  enormon  Entwicklung  des  englischen  Wort- 
schatzes im  10.  Jahrhundert.  Für  'honor"  bietet  er  beispiels- 
weise nicht  weniger  als  fünf  Glossen:  anveorjmv^  (8,6.  28,2. 
48,13.  95,7),  anreorlmisse  (44,10),  iveorjtscipe  (48,21),  ivcorjtwi^ 
(61,5)  und  Hi/rÖmi/nt  (98,4),  wo  A  und  B  nur  ar  haben,  für 
'tabescere"  sechs:  tveorjnan  (ßS,  12),  snindan  (111,10),  cssian 
(118,139),  weorman  (118,158),  sirarcian  (138,21),  wo  A  und 
B  nur  asuindan  kennen,  usw.  Eine  ganze  Anzahl  sonst  nirgends 
belegter,  wohl  neugeprägter  und  spezifisch  westsächsischer 
Wörter  treten  uns  entgegen,  die  z.  T.,  aber  nur  z.  T.,  von 
Boeder  i)  und  Napier  2)  zusammengestellt  sind.  Meist  sind  es 
Neuschöpfungen  durch  Komposition  wie  3)  freareccere  'princeps' 
(118, 161),  fromrinc  'princeps'  (Hy  4, 15),  geneyme  'adinuentio' 
(Hy  1,  4),  ^icel^ebJand  'pruina'  (Hy  7,  70),  manswcBS  'mansuetus' 
(24,9),  unseffid  'insensatus'  (Hy6,  31);  heinsislmn  'signare' 
(Hy  6,  34),  freapajician  'exultare'  (52,  7),  ^csynthecan  'pro- 
sperare'  (117,25),  jnidpeahticm  ^couseutire'  (Hy6,  27),  ofehtan 
'persequi'  (43,17),  riht^cliatan  'iurare'  (14,4)  oder  durch  Ab- 
leitung wie  hlissis  'letans'  (112,  9),  sceadwi^  'umbrosus'  (Hy 
5,3);  ausicm  'anxiare'  (60,3.  142,4),  ^ecocsicm  'eonfrigere' 
(101,  4),  geliffcestnian  'uiuificare  (142,  11).  —  Der  Glossator 
hat  zweifellos  ältere  Vorlagen  benutzt,  ja  ich  glaube,  dafs  er 
eine  bestimmte  zugrunde  gelegt  und  verarbeitet  hat.  Und 
zwar  wird  diese  Vorlage  einen  ähnliehen  Charakter  gehabt 
haben  wie  die  ältesten  Glossen  und  der  Vespasian-Text,  was 
nach  den  Ausführungen  p.  436  f.  ja  nicht  auffällt.  Besonders 
deutlich  zeigt  sich  ihre  Eigenart  in  den  Ps.  1 — 50.  Hier  finden 
wir,  genau  wie  in  Vespasian,  häufige  e  für  m,  ^)  besonders  e  für 
ce^)  gegenüber  fast  regelmälsigem  ce  im  folgenden  Teil. 


')  In  seiner  Ausgabe  des  Psalters:  Studien  zur  engl.  Philologie,  Bd.  18, 
Anhang. 

■ä)  Contributions  to  Old  English  Lexicography  (Reprinted  from  the 
Philological  Society's  Transactions,  1906),  Hertford  ltiO(>,  pp.  72 ff. 

ä)  Die  folgenden  Beispiele  finden  sich  nicht  in  Roeders  und  Napiers 
Sammlungen. 

")  efter  5,11,  {he)  ofer^et  9,32,  ic  segde  15,2,  (mud)  sprec  16,10, 
me^ene  23, 10  usw. 

5)  a)  eclran  7, 10,  hy  tobrecon  10,4,  breioas  10,5,  spreca  11,7,  nedrana 
13,3,   icedlan  13,6   usw.     b)  /)w  tobreddest  4,2,   ^elede  he  7,6,  gereciun 
9,10,  22,  aclensod  11,7,  he  ^eledde  17,20,  tobredednesse  17,20  usw. 
Studien  zur  engl.  Phil.    L.  29 


450 

Wenn  nun  auch  an  sich  nicht  ausgeschlossen  wäre,  dafs 
der  Bearbeiter  Vespasian  gekannt  und  benutzt  hat,  so  müssen 
diese  Abweichungen  doch  anderwärts  ihren  Ursprung  haben, 
da  sie  sich  auch  da  finden,  wo  A  (B)  verschiedene  Lesungen 
bezw.  Schreibungen  aufweisen;  z.  B.  entspricht  dem  hij  tobrecon 
10,4  in  A(B):  hie  ton-urpun,  dem  clensa  18,13  in  A:  scdas7ia, 
in  B:  i-ec/fCTzsa,  dem  ])u  tohreddest  17,37  in  A:  öii  s^bracddes, 
in  B:  J)u  gehrceddes  usw.  Es  wird  ihm  also  wohl  ein  A  ver- 
wandter Text  vorgelegen  haben,  dessen  Eigenarten  er  anfangs 
in  weiterem  Umfange  übernommen,  im  Verlauf  der  Arbeit  aber 
abgestreift  hat,  falls  nicht  mercisch- kentische  Schreibertradition, 
unter  deren  Eindrücken  er  in  seiner  Jugend  gestanden  haben 
mag,  ihm  diese  e  diktiert  haben  sollten.  Letzteres  wäre  in 
der  Tat  eine  ganz  plausible  Deutung.  Leider  aber  zeigen 
sich  noch  andere  Spuren  in  dem  Texte,  die  auf  die  Benutzung 
anglischer  Quellen,  und  zwar  wiederum  anderer  (vgl.  Anm.  1.2) 
als  A  (B)  schlielsen  lassen.  So  begegnet  man  besonders  im 
ersten  Teil  (Pss.  1 — 50)  doch  auch  später  häufigen  o  für  a  vor 
Nas.,  a  für  ea  vor  l  +  Kons.,')  wo  der  ältere  Junius-Text 
z.  B.  schon  meist  ea  schreibt,  vor  allem  aber  häufigen  icheom,'^) 
mec^)  für  me  usw.  Dasselbe  Bild  zeigt  der  Wortschatz.  Im 
allgemeinen  herrscht  westsächsisches  Material  vor,  unter  dem 
aber  ab  und  zu  alte,  nur  in  anglisch en  Texten  belegte  Wörter  ^) 
auftauchen.  Und  zwar  ist  die  Verteilung  dieser  heterogenen 
Elemente  oft  nicht  ohne  Interesse  für  uns.  Die  Pss.  1 — 50 
bieten  z.  B.  für  'ecce'  nur  on  {in)  gesihjje,  von  Ps.  51  an  führt 
sich  plötzlich  efnenu  ein,  das  ersteres  ganz  verdrängt  und  mit 
efne  abwechselnd  bis  zum  Schluls  beibehalten  wird.  Der  betr. 
erste  Teil  kennt  nur  fla  für  'sagitta',  Teil  II  (Pss.  51—100) 
setzt  sofort  mit  strwl  ein  (56,5.  63,8.  77,9),  ohne  jedoch  fia 
ganz  zu  vernachlässigen  (76, 18.  90, 6),  Teil  III  (Pss.  101  bis 
Schluls)  hat  zwei  fia  neben  einem  strcel.  Dieser  plötzliche 
Wechsel  im  Wortgebrauch  an  einer  und  derselben  Stelle  ist 
auffällig.    Sollte  etwa  die  Glosse  die  Kopie  einer  Arbeit  sein, 


^)  Beachte  salde  15,7  {sdaö  AB),  aniualdu  70,  16  (maehte  AB)  usw. 

2)  Beachte  ic  beom  {Mo  A,  beo  B)  swenced  68, 18. 

3)  mec  72,  24  (mic  A,  fehlt  B). 
*)  Vgl.  ESt.  :i9, 195f. 


451 

die  von  verschiedenen,')  aber  unter  einer  Leitung  tätigen 
Mönchen  an  der  Hand  einer  anglisclien  Vorlage  vorgenommen 
worden  ist?  Wie  dem  auch  sei,  die  Gh)S8e  zeigt  bei  über- 
wiegend westsächsischeu  einen  festen  Stock  von  anglischeu 
Elementen,  die  mir  älter  scheinen  als  jene  und  nur  aus  ang- 
lischeu  Quellen  übernommen  sein  können. 

Wo  letztere  gelegen  haben,  läfst  sich  nur  vermuten. 
Scheinbar  nicht  in  Canterbury.  Vielleicht  hat  sie  iEthelwold, 
mit  dessen  Kreise  wir  die  Arbeit  wohl  in  Verbindung  bringen 
dürfen,  von  Abingdon,  das  hart  an  der  mercischen  Grenze  lag, 
nach  Winchester  mitgebracht.  Vielleicht  auch  hat  er  die 
Glossierung  schon  dort  oder  in  einem  anderen  der  von  ihm 
organisierten  Klöster,  die  ihn  bei  der  Durchführung  der  Re- 
formen unterstützten,  ausarbeiten  und  das  ganze  Manuskript 
in  Winchester  kopieren  lassen.  Das  in  einem  Gusse  von 
einer  Hand  in  insularer  Minuskel  geschriebene  Werk  macht 
in  der  Tat  den  Eindruck  einer  Kopie,  was  auch  durch  manche 
Versehen  in  der  Glosse  bestätigt  wird,  auf  die  ich  ESt.  39, 195 
Anm.  3  aufmerksam  gemacht  habe.  Dals  die  Glosse  im 
11.  Jahrhundert  in  Winchester  gewesen  ist,  ist  kaum  in  Ab- 
rede zu  stellen,  wenn  man  bedenkt,  dafs  verschiedene  Glossen 
des  11.  Jahrhunderts,  deren  Kalender  und  Maltechuik  mit 
Sicherheit  nach  Winchester  weisen,  direkt  aus  ihr  geschöpft 
haben.  Auch  spricht  dafür  der  Umstand,  dafs  dem  Psalter 
ein  Officium  der  heiligen  Jungfrau  vorgeheftet  ist  (auf  sieben 
Blättern),  das  nach  E.  S.  Dewick  (Henry  Bradshaw  Society 
vol.  XXI,  pp,  X  ff.),  von  einer  ca.  100  Jahre  späteren  Hand  ge- 
schrieben, sicher  dem  Nunnaminster  in  Winchester  angehört 
hat,  demselben  Kloster  also,  in  dem  wir  auch  Junius  ver- 
muteten. Sicherlich  hat  auch  Regius  wenn  nicht  hier,  so  in 
Newminster,  unter  der  Aufsicht  iEthelgars  (964 — 980),  dem 
wohl  auch  die  literarischen  Arbeiten  des  Kunnaminsters  unter- 
stellt waren,  die  Gestalt  erhalten,  die  uns  vorliegt.  Dals  das  ganze 
Werk  in  der  Tat  aus  der  neubenediktinischen  Bewegung  heraus- 
gewachsen (also  rund  nach  950)  entstanden  ist,  dafür  gibt  uns 
die  Hs.  untrügliche  Kriterien  an  die  Hand.    Als  erstes  nenne  ich 


1)  Vielleicht  von  dreien,  von  denen  jeder  fünfzig  Psalmen  bewältigte, 
vgl.  oben  S.  424,  Anm.  1. 

29* 


452 

die  ausschlief sliclie,  wohl  nach  kontinentalen  Mustern  ein- 
gerichtete Auszeichnung  der  Pss.  1.  51.  101,  denen  von  den 
übrigen  nur  Ps.  109  gleichgestellt  ist.  Eine  Reihe  wichtiger 
Kriterien  liefert  sodann  der  lateinische  Text.     Eine  Lesart  wie 

7     ic  heo    umvemme       heforan  ^if     ic  healde  i  ivarnie 

Et   ero         inmaeulatus    coram      eo     :  si     obseruauero 

fram    unrijhtivisnesse    minre 
nie     ab        iniquitate  mea       in  17,  24,   die  nur  in  der 

Regula  S.  Benedictii)  begegnet,  konnte,  ja  durfte  nur  von 
einem  Benediktiner  neuen  Schlages  in  den  Text  eingeführt 
werden.  Sie  findet  sich  aufserdem  in  dem  gleichzeitigen 
Bosworth-Psalter, -)  ferner  im  Cambridger  3)  und  Eadwine^)- 
Psalter,  deren  lateinischer  Text  wohl  um  diese  Zeit  fixiert 
ist,  ■'^)  hat  aber  nicht  in  das  Psalterium  Gallieanum  Aufnahme 
gefunden.  Auf  ähnliche  Weise  erklären  sich  auch  die  vielen 
sonstigen  Übereinstimmungen,  welche  die  lateinischen  Texte 
obengenannter  6)  Psalterien  im  Gegensatz  zu  den  früheren  und 
späteren  des  11.  Jahrhunderts  aufweisen.')  Von  besonderer 
Beweiskraft  sind  m.  E.  die  ab  und  zu  in  den  Text,  besonders 
den  des  täglich  gesungenen  118.  Psalms,*)  eingeschobenen  domine 
(24,20.  101,14.  118,4,49,103,142,165),  da  sie  fraglos  auf 
eine  Form  der  Liturgie  hinweisen.  Ein  Kriterium  von  nicht 
zu  unterschätzendem  Werte  bieten  endlich  die  dem  Psalter 
folgenden  Hymnen.  Nach  den  sechs  Ferialhymnen  (vgl.  oben 
S.  425f.),  dem  Sonntagshymnus  'Benedicite  omnia  opera',  den 
Hymnen  'Benedictus  dominus',  'Maguificat'  und  'Nunc  dimitte' 
erscheinen   hier   zum   ersten  Male  das   sonntags   zur  Prim  ge- 


•)  Ed.  Woelfflin,  c.  7,  42,  p.  18. 

'')  Von  späterer  Hand  korrigiert  zu:  et  obseruabo. 

2)  Die  Glosse  liest:  [si  ohne  Glo.]  ic  healde. 

*)  Die  Glosse  liest :  7  ic  me  geheadde. 

^)  Eadwine  wird  ihn  unverändert  korrigiert  Laben. 

^)  Nicht  selten  folgt  auch  der  Pariser  Psalter  diesen  Lesarten. 

')  Nur  einige  seien  hier  angeführt:  eripiet  (-piat  iibr.)  21,9;  ut  enarrem 
(et  übr.)  25,7;  in  erunina  mea  (mea  fehlt  iibr.)  31,4;  deuerte  (diu-  übr.) 
33,15;  iuste  iudicate  (iusta,  recta  übr.)  57,2;  sie  memor  fui  (si  übr.)  02,7; 
gladii  et  partes  . . .  erunt  (et  fehlt  iibr.)  62, 11;  inhabitare  in  eo  (in  eo  fehlt 
übr.)  67,19;  ne  me  demergat  (nou  übr.)  68,  16. 

*)  Auch  der  Arundel-Psalter  schliefst  sich  VV.  49.  142.  165  an. 


453 

suiigcnc  'QuicuiiH(ue  uiilt',  dessen  liturgisclie  Vcrweuduug 
auf  dem  Kontinent  nachweislich  erst  im  9.  Jahrhundert ')  und 
in  Enghind  keinesfalls  vor  der  Reform  erfolgt  ist,  und  zum 
Schlafs  der  zur  Matutin  gesungene  Festtagshymnus  'Gloria 
in  excelsis',  der  ebenso  wie  das  gleich  zu  erwähnende 
'Te  deum'2)  erst  jetzt  definitive  Aufnahme  in  die  englische 
Liturgie  gefunden  haben  wird.  Da  der  gleichaltrige  Bosworth- 
Psalter  in  diesem  Punkte  wieder  durchaus  mit  Regius  zu- 
sammengeht, nur  dafs  er  als  Festtagshymnus  das  'Te  deum' 
hat,  das  mit  dem  Gloria  abzuwechseln  pflegte,  beide  also  sich 
deutlich  abheben  einerseits  gegen  Vespasian  (Junius),  anderer- 
seits gegen  die  späteren  Texte,  so  nehme  ich  an,  dafs  sich  in 
ihren  Hymnen  der  Kursus  der  Liturgie  widerspiegelt,  wie  er 
sich  unter  den  ersten  Eindrücken   der  Reform   gebildet  hatte. 

Bei  dem  regen  Verkehr,  den  Winchester  mit  allen  Klöstern, 
besonders  mit  Canterbury,  unterhielt,  hat  die  mit  grofser 
Gelehrsamkeit  und  allen  Mitteln  der  Glossierungstechnik  an- 
gefertigte Arbeit  weit  über  die  Hauptstadt  hinaus  Beachtung 
gefunden  und  zeitgenössische  wie  spätere  Versuche  dieser 
Art  stark  beeinflulst.  Sie  gibt  den  Grundstock  ab  zu  den 
Glossen  in  Tiberius,  Stowe  und  Salisbury  und  liefert  mit 
Junius  zusammen  das  Material  zu  Vitellius  und  Arundel. ^) 
Wir  treffen  Einzelglossen  aus  ihr  in  Bückling  ^)  und  Vespasian  ■■) 
und  einzelne  Psalmen  endlich  in  dem  Bosworth- Psalter. 

Der  Bosworth-Psalter^)  bildet  eine  würdige  Ergänzung 
zu  Regius.  Diente  dieser  mit  seinem  grofsen,  in  zwei  Sprachen 
(lateinisch  und  altenglisch)  durchgeführten  Erklärungsapparat, 


*)  Vgl.  Buchberger,  Kirchl.  Handlexikon,  München  1907,12  und  Herzog, 
Realencyklopädie.  Es  existierte  bereits  seit  dem  7.  Jahrhundert,  vgl.  Burn, 
Facsimiles  of  the  Creeds,  1909,  p.  18if. 

-)  Dieses  begegnet  zuerst  im  Krönungsofficium  für  ^Ethelred  978 
(Cotton  Ms.  Claud.  A III).  Julian,  A  Dictionary  of  Hymnology,  1892, 
p.  1 1 30,  Sp.  2. 

^)  Sämtlich  Hss.  11.  Jahrhunderts,  die  dem  Psalterium  Gallicauum 
folgen,  vgl.  Liudelöf,  Studien  zu  ae.  Psalterglossen  ^1904)  p.  1. 

*)  Vgl.  üben  S.  434. 

*)  Vgl.  oben  S.  440. 

«)  Vgl.  The  Bosworth  Psalter,  an  Account  of  a  Ms.  . . .  by  Abbot 
Gasquet  and  Edmund  Bishop,  London  1908. 


454 

seiner  jeden  Selimucks  und  sonstigen  Beiwerks  entbehrenden 
Sachlichkeit  dem  wissenschaftlichen  Unterricht,  den  praktischen 
Übungen  in  der  reformierten  Kathedral-  oder  Klostersehule,  so 
fungierte  dieser  als  Handexemplar  im  Gottesdienste,  für 
die  Officia  divina  nach  der  Regula  S.  Benedict i.  Hier  finden 
wir  daher,  wie  in  Regius,  die  charakteristische  Lesung  in 
Psalm  17,  24, ')  hier  die  Drei-  bezw.  Vierteilung  (ganzseitiger 
Sehmuck  bei  den  Psalmen  1,  51,  101,  109),  hier  die  Hymnen 
'Quicumque  uult'  und  'Te  deum'.  Hierzu  gesellen  sich  in  diesem 
Denkmal  aber  noch  mehrere  gewichtigere  Zeugnisse.  Ich  verweise 
nur  auf  die  Auszeichnung  der  Psalmen  1.  20.  26.  45.  59.  68.  73. 
85.  97.  118.  119.  134.  138.  141.  144,10.  148, 2)  die  sämtlich  im 
monastischen  Officium  einen  besonderen  Platz  einnehmen, 
auf  die  Rubriken  'Diuisio  institutionis  Benedict!'  und  'Diuisio 
Beati  Benedieti'  in  der  Mitte  des  Psalm  143  und  der  Sabbat- 
hymue  'Attende  eaelum',  die  zur  Matutin  gesungen  wurde,  aut 
die  Teilungen  der  Psalmen  68.  77.  138  und  144  nach  der 
Vorschrift  der  Regel  (cap.  XVIII),  ferner  auf  die  Sammlung 
der  Cantica  de  prophetis  für  die  dritte  Nocturn,  die 
ebenfalls  Benedikt  (cap.  XI)  augeordnet  hatte. 

Die  altenglischen  Glossierungen,  die  sich  über  die 
Psalmen  40  (V.5),  50.  53.  63.  66.  68.  69.  70.  85.  101.  118—133. 
139  (V.  2,  9).  140.  142  und  die  Sonntagshymnen:  'Benedicite 
omnia  opera',  'Quicumque  uult',  'Te  deum  laudamus',  'Magnificat', 
'Benedictus  dominus',  'Nunc  dimitte'  erstrecken,  erscheinen  in- 
haltlich als  eine  Kompilation  aus  Junius^)  und  Regius,*) 
worauf  schon  Lindelöf'')  hingewiesen  hat,  doch  zeigen  sich 
im  Junius-Teile  deutliche  Rücksichtnahmen  auf  Regius^)  und 


^)  Von  späterer  Hand  korrigiert  zu:   et  obseruabo. 

')  Sie  begegnet  sonst  nur  in  Psalterien,  die  aus  der  Beueventaner 
Schale  hervorgegangen  sind. 

3)  Der  weitaus  grüfsere  Teil:  Pss.  40.  50.  53.  63.  66.  68.  101.  IIb— 133. 
142;  über  die  Eymnen  s.  unten  S.  460. 

")  Pss.:   69.  70.  85.  139.  140. 

^)  Die  altenglischen  Glossen  im  Bosworth-Psalter  (Memoires  de  la 
Soc.  neophil.  ä  Helsingfors  V)  p.  223  ff. 

«)  Z.B.  101,12:  scua  7  sccadu,  101,24:  sce^^e  7  ^ec2/ö,  118,13:  ic 
cyöde  7  bodode.  Charakteristisch  für  die  Arbeitsweise  des  Glossators  ist 
die  Gl.  londbe^en^nes  (incolatus)  119,  5,  eine  Kontamination  aus  londleod 


455 

in  beiden  zii^^leich  eine  Reihe  anderer,  vielleicht  selbständiger 
Glossierungen  '■)  neben  nicht  seltenen  Modernisierungen.  Ob 
der  Bearbeiter  aber  nach  diesen  beiden  Manuskripten  ge- 
arbeitet hat,  scheint  mir  zweifelhaft,  vor  allem  für  Junius. 
Zweifelhaft  deshalb,  weil  die  Fassung  in  Bosworth  einige 
bedeutsame  Abweichungen  aufweist  von  den  Entsprechungen 
in  Junius.  Erstere  verwendet  nämlich  häufige  Te  (aus  ea  +  t, 
westgerm.  c  nach  j)2)  an  Stellen,  wo  die  vermeintliche  Vor- 
lage nur  e  hat.  Dafs  diese  1c  ihre  Ursache  in  der  Vorlage 
haben  werden,  also  nicht  vom  Schreiber  stammen,  beweist 
der  Umstand,  dals  sie  in  dem  Regius-Teile,  sowie  in  den 
jüngeren  'Te  deum '- Glossen  gänzlich  fehlen.  Überhaupt 
kennt  die  ganze  Regius-Glosse  nicht  ein  Beispiel  mehr  für 
den  kurzen  und  nur  wenige  für  diesen  langen  Laut.  Um 
blolse  Schreibungen  kann  es  sich  ebensowenig  handeln,  da  die 
ie  für  e  anderer  Herkunft  nicht  auftreten.  Nun  fand  zwar  der 
Schreiber  solche  'Ie  an  anderen  Stellen  in  seiner  Vorlage  vor, 
so  dals  er  sie  analog  in  obigen  Fällen  eingeführt  haben  könnte. 
Doch  würden  sie  ihm  dann  sicher  auch  in  dem  übrigen  Teil 
gelegentlich  in  die  Feder  gelaufen  sein.  Denn  ich  kann  mir 
nicht  denken,  dafs  er  diesen  Unterschied  zwischen  seinen  beiden 
Vorlagen  deutlich  als  ein  Resultat  sprachlicher  Entwicklung 
erkannt  und  die  ie  daher  in  den  jüngeren  Teilen  mit  Bewulstsein 
gemieden  hätte.  Eine  solche  feine  Beobachtung  und  Einsieht 
in  sprachliche  Verhältnisse  dürfen  wir  dieser  Zeit  keinesfalls 
zutrauen.  Eher  umgekehrt:  dem  Schreiber  mögen  diese  ie 
noch  durchaus  geläufig  gewesen  sein,  ja  er  mag  sie  in  Erinnerung 
an  frühere  Jahre,  in  denen  er  oft  ähnliche  Übertragungsarbeiten 
gemacht,  ein  e  durch  ie  ersetzt  hatte,  mit  Vorliebe  verwandt 
haben  im  Gegensatz  zu  den  modernen  y/  des  jugendlichen  und 
fortschrittlichen  Regius-Verfassers,  die  er  nur  aus  Rücksicht  auf 
diesen  in  den  aus  seinem  "Werke  unternommenen  Partieen  bei- 
behielt.   Wer  auch  hieran  nicht  glauben  kann,  dem  bleibt  nichts 


(Jnnius)  und  cardhe^en^nes  (Reglus).    Ähnlich  verfährt  der  Glossator  des 
Cambridger  Psalters. 

')  Z.B.  (Eiüepe  101,8,  landbe^evga  118,19,  unhalian  118,139. 

2)  Beachte:  acitr  50,11,  53,7,  118,37,  on  ieWe  118,  147;  pa  die^lan 
50,8,  iiend{um)  53,9,  68,19,  ^e(/i)ier  68, 14,  18,  altes  118,  134,  I5i,  piester- 
nesse  119,5,  liliet  124,3  etc. 


456 

weiter  übrig  als  anzunehmen,  dafs  niebt  Jimiiis  selbst  oder  nur 
Jnnius  dem  Boswortli-Glossator  als  Muster  gedient  bat,  sondern 
eine  Scbwester-  oder  Ergänzungsarbeit  von  ihr,  die  aber  ein 
reineres  Westsächsisch  repräsentierte. 

Dals  solche  Arbeiten  damals  existiert  haben,  ist  wohl  nicht 
zu  bestreiten.  Canterbury  wie  auch  Winchester  werden  deren 
besessen  haben,  ersteres  im  Anschluls  au  Vespasiau,  letzteres 
an  Junius.  Da  nun  auch  Regius  für  Bosworth  benutzt  ist, 
so  würde  wohl  Winchester  als  Entstehungsort  der  Glossen 
besonders  in  Frage  kommen,  aber  auch  nur  dieser,  nicht  der 
übrigen  Teile  der  Handschrift.  Vielmehr  haben  wir  allen  Grund, 
für  diese  Canterbury  in  Anspruch  zu  nehmen.  Ausschlag- 
gebend hierbei  ist  wobl  weniger  der  Kalender,  der  mit 
Bishop  sicher  nach  Canterbury  weist,  aber,  wohl  zu  merken, 
von  späterer  Hand  in  karolingischen  Minuskeln  zugefügt  ist, 
sondern  die  auffallende  Ähnlichkeit,  die  der  Psalter  mit  einem 
Denkmal  aufweist,  welches  sicher  zu  Dun s tan  in  Beziehung 
zu  setzen  ist.  Ich  meine  das  Pontifikale  zu  Paris  (Bibl.  uat. 
Ms.  lat.  943).  1)  Diese  Handschrift  enthält  zwei  wichtige 
Dokumente:  1.  auf  fol.  7  die  Kopie  eines  Briefes  von  Papst 
Johann  XH  au  Duustan,  in  dem  er  dessen  Primat  bestätigt 
und  ihm  das  Pallium  verleiht ;  2.  auf  fol.  2  die  Kopie  eines 
Briefes,  den  ein  Erzbischof  (^ElfricV)  an  Bisehof  Wulfsise 
von  Sherborne  (992  — 1001)  gerichtet  hat.  Auf  Grund  des 
zweiten  Briefes,  der  in  ähnlicher  Schrift  gehalten  ist  wie  der 
übrige  Teil,  neigt  man  dazu,  das  Manuskript  letzterem  Bischof 
zuzuschreiben.  Ich  kann  mir  aber  nicht  denken,  wie  der 
Bischof  von  Sherborne  oder  irgendein  anderer  nähere  Kenntnis 
oder  gar  eine  Abschrift  von  einem  so  wertvollen  Schriftstücke, 
wie  es  ein  Papstbrief  und  dazu  noch  dieser  ist,  gewonnen 
haben  soll.  Zweifellos  würde  er  es  aulserdem  in  diesem  Falle 
an  die  Spitze  des  Kodex  gestellt  haben.  Meines  Erachtens 
kann  die  Abschrift  erstens  nur  in  der  erzbischöfiichen  Kanzlei 
zu  Canterbury  erfolgt  und  zweitens  nur  von  bezw.  für  Dunstan 
selbst  besorgt  sein,  denn  nur  er  konnte  ein  Interesse  daran  haben, 
diesen  Brief  zu  veröffentlichen  und  dadurch  seinem  Werk  eine 


1)  New  Palaeographical  Society,  plate  111,112;  Steffens,  Latein.  Paläo- 
g^aphie^  1909,  Tafel  71a;  Westwood,  a.  a.  0.  p.  128. 


457 

besondere  Weihe  zu  verleihen.  Die  enge  Zusanimeugehörigkeit 
des  Briefes  aber  mit  dem  Pontilikale  ergibt  sieh  sowohl  durch 
seine  direkte  Anordnung  vor  diesem,  wie  auch  daraus,  dafs 
beide  von  derselben  Hand  geschrieben  sind.  Angesichts  dieser 
Tatsachen  kann  man  sich  der  Annahme  kaum  entziehen,  dafs 
dieses  Pontilikale  mit  dem  Papstbrief  in  Canterbury  im  Auftrage 
Dunstans  hergestellt  und  nach  seinem  Tode  in  die  Hände 
Wulfsises^)  gekommen  ist,  der  ihm  einige  Stücke  vor-  und 
nachgesetzt  hat. 

Der  Schreiber  des  lateinischen  Bosworth- Psalters  ist  nun 
sicherlich  derselben  Schule  zuzuweisen,  wie  auch  Schom- 
burgers-)  Untersuchungen  über  den  künstlerischen  Schmuck 
der  Handschriften  ergeben.  Seine  in  insularer  Minuskel  ge- 
haltenen Buchstaben  zeigen  denselben  Duktus,  seine  Initialen 
dieselben  Motive  und  stilistischen  Eigentümlichkeiten  wie 
die  A-Initiale  (fol.  10)  im  Pontilikale,  wenn  diese  jene  auch 
an  technischer  Vollendung  w^eit  hinter  sich  zurückläfst.  Und 
auch  zu  Dunstan  lälst  sich,  glaube  ich,  eine  Brücke 
schlagen. 3)  Das  Manuskript  enthält  u.  a.  ein  Hymnar  von  90 
Nummern  (fol.  105 — 128)  welches  das  älteste  in  seiner  Art  ist 
auf  englischem  Boden  und  als  Grundlage  für  alle  späteren') 
betrachtet  werden  mufs.  Es  ist  nicht  etwa,  wie  wir  erwarten 
sollten,  eine  Fortsetzung  oder  Erweiterung  der  Sammlung,  die 
wir  oben  bei  Vespasian  besprachen,  also  der  alten  benedik- 
tinischen  Hymnen,  sondern  schliefst  sich  im  Gegensatz  zu  jenen 
der  irischen  Gruppe  an,  die  im  Laufe  des  9.  Jahrhunderts  von 
Rom  aus  auf  dem  Kontinent  eingeführt  war  und  die  benedik- 


')  Dafs  dieser  in  näheren  Bezielinngen  zu  Dunstan  gestanden  hat, 
betont  Bishop,  Boswurth-Psalter,  S.  62,  Anm. 

2)  Die  Anfänge  der  Malschnle  von  Winchester,  p.  3f. 

3)  Vgl.  Bishop,  a.  a.  0.  p.  126. 

*)  Von  den  übrigen  acht  englischen  Hymuenhandschriften  (vgl.  Blnme, 
Anal.  Hymn.  51  p.  XVII)  interessieren  uns  hier  besonders  die  mit  ae. 
Glossen  versehenen:  Cott.  Julius  A  VI  (10.;  11.  Jahrhundert),  Cott.  Vespasian 
DXII  (11.  Jahrhundert),  beide  im  Brit.  Mus.  und  Ms.  B  III 32  in  der 
Kathedralbibliothek  zu  Durham  (11.  Jahrhundert),  von  denen  letztere  ver- 
öffentlicht ist  als:  The  Latin  Hymns  of  the  Auglo-Saxon  Church,  Durham 
1S51.  Sie  ist  ebenfalls  von  einem  Kenter  und  wohl  in  Canterbury  ge- 
schrieben ,  wie  sich  aus  häufigen  e  für  y  (m  +  0  und  dem  glossierten 
Dunstan -Hymnus  (p.  98)  ergibt. 


458 

tinische  bald  gänzlich  verdrängte.')  Nur  in  Canterbury  konnte 
naturgemäfs  die  offizielle  Einführung  dieser  neuen  Hymnen  in 
die  englische  Liturgie-)  unternommen  werden.  Und  hier 
wiederum  nur  zur  Zeit  des  grofsen  Gährungs-  und  Umformungs- 
prozesses und  zugleich  von  einem  Manne,  dem  gerade  die  Pflege 
des  Kirchengesanges  am  Herzen  lag.  Von  keinem  der  führenden 
Männer  dieser  Zeit  ist  dies  aber  mit  grölserer  Wahrscheinlich- 
keit anzunehmen,  als  von  Dunstan,  der  eine  ausgesprochene 
Vorliebe  und  Begabung  für  Musik  gehabt,  ja  sogar  selbst 
komponiert  haben  soll. 3)  SovN'ohl  einige  Hymnen^)  dieser  Samm- 
lung wie  auch  einige  Antiphonen  und  Kesponsorien  im  Pontifikale 
sind  mit  Neumen  versehen,  die  von  einer  sauberen  Hand  ein- 
getragen sind.  Das  Hymnen register  ist  „mit  grolser  Sorgfalt 
systematisch  geordnet"  und  sicher  direkt  von  einer  kontinentalen 
Vorlage^)  kopiert.  Daher  kann  es  uns  nicht  wundern,  wenn 
wir  Hymnen  auf  englische  Heilige  darin  vergeblich  suchen. 
Letztere  scheinen,  soweit  sie  in  den  späteren  Hymnaren 
vorliegen,^)    überhaupt    erst   später')    verfalst    und    —    zum 


')  Ich  möchte  veriunten,  besonders  wegen  ihrer  schönen  Melodien. 
Vgl.  Blume,  a.  a.  0.  p.  XIII. 

^)  Ich  folge  Blume  nicht,  wenn  er  meint,  dafs  in  England  von  jeher 
irische  Hj'mneu  verwandt  wären.  Da  auf  der  Synode  zu  Cloveshoe  (747) 
„für  den  Gesang  das  Buch  für  verbindlich  erklärt  wurde,  das  in  Rom 
hergestellt  war"  (P.Wagner,  Einführung  in  die  gregor.  Melodien ^  p.  loi), 
so  werden  wohl  auch  die  Hymnen  die  alten  benediktinischen  gewesen  sein. 

3)  Hunt,  a.  a.  0.  p.  364. 

*)  Es  sind:  'Lucis  creator  optime',  'Iste  confessor'  und  '[Rex]  Cliriste 
splendor  glorie'.  Alle  drei  begegnen  nicht  in  der  altbenedikt.  Sammlung. 
Ihre  Vertonung  beweist  wohl,  dafs  sie  in  der  Liturgie  benutzt  wurden. 

^)  Besonderes  Interesse  erregt  der  Andreas -Hymnus  'Nobis  ecce  dies' 
des  Rabanus  Maurus. 

«)  Das  Durham-Ms.  B  III 32  enthält  deren  drei:  Ymnus  De  Sancto 
Cuthberhto  (Magnus  miles  mirabilis),  Ymnus  De  Saneto  Dunstano 
Episcopo  (Aue  Dunstane  presulum),  Ymnus  De  Sancto  Angustino 
(Caelestis  aule  nobiles),  dazu  kommt  aus  Cott.  Vesp.  D.  XII:  Ymnus  De 
Sancto  Eadmundo  Rege  Et  Martyre  (Eadmundus  martyr  inclytus). 

')  Sicher  der  Dunstan -Hymnus,  vielleicht  auch  der  auf  Augustin, 
der  nach  Blume  (Anal.  Hym.  51,  165)  auf  Winchester  beschränkt  war  und 
von  Wulfstan,  dem  Kantor  ^thelwolds  (Liber  Vitae:  Register  ...  of 
New  Minster  1892,  p.  25),  verfafst  ist. 


459 

mindesten    in    Canteihury^    —    liturg-isi'li    nicht   verwandt    zu 
sein.  2) 

Beide  Manuskripte,  denen  man  nach  obigen  Ausführungen 
das  Heimatsrecht  in  Canterbury  nicht  absprechen  wird,  müssen 
nach  Dunstans  Tode  entweder  durch  Vermächtnis  in  anderen 
Besitz  übergegangen  oder  unrechtmäfsig  von  anderer  Seite  in 
Beschlag  genommen  sein,  was  ja  in  dem  von  Säkulargeistlichen 
überfüllten  Kathedralkloster  leicht  möglich  war,  besonders 
während  der  Zeit,  in  der  der  Stuhl  noch  unbesetzt  war.  Das 
Pontilikale  kam  nach  Sherborne  in  die  Hände  des  Bischofs 
Wulfsije,  wie  wir  oben  sahen,  der  Psalter  wohl  durch  Ver- 
mittlung einer  Dunstan  verwandten  oder  nahestehenden  Dame 
in  das  Xunnaminster  zu  Winchester.  So  wunderlich  diese 
Vermutung  im  ersten  Augenblick  klingt,  so  gewinnt  sie  doch 
bei  näherer  Prüfung.  Der  gemütvolle,  sentimental  angelegte 
Dunstan  mufs  von  früh  auf  einen  besonderen  Reiz  auf  Frauen 
ausgeübt  haben.  Die  Überlieferung  nennt  Namen  verschiedener, 
meist  hochstehender  Frauen,  deren  besonderer  Gunst  er  sich 
erfreute.  Auch  in  Canterbury  w4rd  sieh  eine  hohe  Gemeinde 
in  Verehrung  um  ihn  geschart  haben,  aus  der  einige  wohl 
nach  seinem  Tode  in  das  dem  königlichen  Hause  nahestehende 
Nunnaminster  ül)ersiedelten.  Eine  von  ihnen  hat  vielleicht  den 
Psalter  mit  sich  genommen  und  zur  leichteren  Benutzung  mit 
ae.  Glossen  versehen  au  der  Hand  der  Hss.,  die  ihr  in 
Winchester  zur  Verfügung  standen,  also  vor  allem  Junius  und 
Ivegius.  Diese  Überzeugung  drängt  sich  einem  auf  schon  nach 
paläographischer  Untersuchung  der  Glossen,  die  jetzt  jedem 
durch  den  Abdruck  in  der  New  Palaeographical- Society  3) 
ermöglicht  ist.  Sie  sind  nämlich  von  einer  feinen  und  zugleich 
unsicheren,  zittrigen  (!)  Hand')  geschrieben,  was  vermuten 
lälst,  dafs  die  Dame  sehr  betagt  war.  Doch  auch  die  elementare, 
unselbständige   und   unstete  Art   der  Glossierung,   die   zu   den 


')  Abgesehen  vom  Dunstan -Hymnus. 

-)  Dies  schliefse  ich  daraus,  dafs  sie  aufser  dem  Dunstan -Hymnus 
nicht  mit  ae.  Glossen  versehen  sind. 

3)  Plate  114,  Ps.  118, 113— 1  OS  wiedergebend. 

*)  Sie  gleicht  im  Dtiktus  auffällig  der  Janius-Glosseuhand.  Vielleicht 
ist  diese  voa  derselben  Dame  einige  Jahrzehnte  früher  geschrieben  worden. 
So  erklärten  sich  auch  die  S.  39  besprochenen  lautlichen  Eigentümlichkeiten. 


460 

übrigen  Inhalten  des  Kodex  iu  starkem  Gegensatz  steht  und 
einem  Mönche  der  neuen  Schulung  keine  Ehre  machen  würde, 
iiudet  so  eine  plausible  Erklärung.  Die  Schreiberin  muls,  wenn 
nicht  in  Kent  geboren,  längere  Zeit  dort  gelebt  haben,  das 
beweisen  Sehreibungen  wie  ^engra  118,  141,  cmhhwer/te  127,3, 
zenehtsmn  129,7.  Die  Auswahl  der  glossierten  Psalmen  scheint 
durch  liturgische  Eüeksichteu  bestimmt  zu  sein,')  wie  ich 
vornehmlich  aus  den  glossierten  Psalmen  119 — 133,  den  so- 
genannten Gradualpsalmen,  vermuten  möchte. 

Die  Quellen  für  die  dem  Psalter  folgenden  Hymnen- 
glossen —  die  Ferialhymnen  sind  bezeichnenderweise  nicht 
glossiert  —  sind  zum  Teil  schwer  nachweisbar,  da  unser  Haupt- 
gewährsmann das  Juniusmanuskript,  mit  dem  Psalm  144  ab- 
schlielst.  Ivegius  zeigt  zwar  inhaltlich,  was  den  lateinischen 
Teil  betrifft,  mit  Bosworth  vollkommene  Übereinstimmung 2)  im 
Gegensatz  zu  allen  anderen  Psalter-Hss.,  jedoch  im  ae.  Teile 
keine  Berührungspunkte  mit  ihm.  Die  Glossen  zum  Benedicite, 
Benedietus  und  Magnifieat  werden  zweifellos  Juuius,  bzw.  der 
Vorlage  des  Schreibers  angehört  haben,  da  sie  sieh  in  Wort- 
schatz und  Glossierungsart  ganz  Vespasian  anpassen.  Das 
'Quicumque  uult'  und  'Nunc  dimitte'  stammen  jedoch  sicher 
nicht  aus  dieser  Quelle,  wie  sie  ja  auch  iu  Vespasian  fehlen, 
mögen  aber,  aus  ze- Schreibungen 3)  zu  folgern,  auf  Vorstufen 
fufseu,  die  nicht  weit  von  Junius  ab  liegen  können.  Auf  einer 
solchen  beruht  vielleicht  die  Fassung  des  'Quicumque  uult'  im 
Salisbury-Psalter,  die,  wenn  auch  etwas  modernisiert,  mit  dem 
in  Bosworth  wesentlich  übereinstimmt.  Das  'Te  deum'  endlich 
gibt  sich  deutlich  als  jüngere,  mit  Regius^)  gleichaltrige  Arbeit 
zu  erkennen. 


')  Vielleicht  auch  durch  den  Eindruck  grofser  Ereignisse  (Dänen- 
einfälle 991—95!),  denn  mit  wenigen  Ausnahmen  (118.  123.  126.  127.  12S. 
132.  133)  sind  es  Bittpsalmen,  die  glossiert  sind;  vgl.  die  Verfügungen 
yEthelreds  in  Liebermann,  Gesetze  der  Angelsachsen  I,  p.  262. 

-)  Nur  dafs  es,  wie  schon  erwähnt,  für  das  'Te  deum'  das  'Gloria 
in  excelsis'  hat,  ebenfalls  einen  Festtagshymnus,  der  wie  jenes  zur  Matutin 
gesungen  zu  werden  pflegte. 

^)  agieldende  2,  60;  prienesse  2,5,  34,  3S ;  niedde  2,  27;  %oe  geliefan  2,  43. 

•)  Doch  stammt  sie  nicht  etwa  ans  Regius,  wie  sich  mit  Sicherheit 
aus  dem  Wortschatz  ergibt. 


461 


Beginn  der  ISTormannisierung  uiul  Verllachung. 

Ein  neuer  Geist  war  in  die  englischen  Klöster  und  damit 
in  die  gebildeten  Schiebten  des  Volkes  eingezogen.  Erhielt  er 
auch  seine  Anregung  und  Nahrung,  seine  Vorbilder  von  aus- 
wärts, so  sind  doch  seine  eigentlichen  Ursachen  und  treibenden 
Kräfte  in  England  selbst  zu  suchen.  Sie  liegen  in  einer  orga- 
nischen Entwicklung,  in  einer  Steigerung  der  Bewufstheit,  des 
Lebens,  die  sieh  im  10.  Jahrhundert  im  englischen  Volke  voll- 
zogen hat  und  sich  aus  politischen  und  wirtschaftlichen  Gründen 
hier  nicht  früher  vollziehen  konnte.  Zur  vollen  Entfaltung 
freilich  kam  er  erst  im  letzten  Viertel  des  10.  Jahrhunderts, 
als  die  Klöster  und  Kirchen  dem  neuen  Standard  angepafst 
und  alle  Kräfte  zur  Betätigung  freigelegt  waren.  Wie  mächtig 
dieser  neue  Impuls  gewesen  sein  mufs,  das  zeigt  sich  am  augen- 
fälligsten an  dem  rapiden  Aufstieg  der  künstlerischen  Produktion, 
dem  sich  bald  ein  solcher  auf  literarischem  Gebiete  anschlofs. 
Doch  wird  er  auch,  wie  schon  oben  betont  wurde,  eine  Ver- 
tiefung des  religiösen  und  sittlichen  Lebens,  eine  Hebung  der 
wirtschaftlichen  und  sozialen  Verhältnisse  im  Gefolge  gehabt 
haben. 

Deutlich  tritt  der  grolse  Umschwung  im  Rahmen  des 
hier  behandelten  Gegenstandes  zutage.  Es  verlohnt  sich,  hier 
alles  einmal  übersichtlich  zusammenzustellen.  In  der  Schrift 
wird  die  Insulare,  was  das  Lateinische  betrifft,  gänzlich 
durch  die  karolingisehe  Minuskel  verdrängt  und  zwar  durch 
den  unmittelbaren  Einfluls  ^Ethelwolds  und  seiner  Kauzlei  in 
New-Minster  (Hyde  Abbey),  wo  sie  von  Abingdoni)  aus  ein- 
geführt und  ernstlich  gepflegt  wurde.  Wir  begegnen  ihr  unter 
den  Psalterien  zuerst  in  dem  berühmten,  aus  jener  Schule 
hervorgegangenen  Harleian  Manuskript  2904, 2)  dann  in  den 
lateinischen  Texten  des  Lambeth-  und  Pariser  Psalters,  die 
beide  dem  beginnenden  11.  Jahrhundert  angehören.  Die  Buch- 
malerei   empfängt   einen    reichen   Schatz    neuer  Motive    und 


>)  Sie  tritt  zuerst  in  einer  Abiugdoner  Urkunde  auf  aus  dem  Jahre 
961,  vgl.  Homburger  a.  a.  0.  p.  39. 

*)  Vgl.  nuten  S.  464  und  Anm.  3. 


462 

Ornamente,  den  sich  besonders  die  Malschulen  Winchesters  zu 
eigen  machen  und  zu  höchster  Vollendung  entwickeln.  Die 
Psalmen  1.  51.  101  (und  109)  werden  nach  Art  der  kontinentalen 
Psalterien,  wenn  nicht  ausschliefslich,  so  doch  vornehmlieh 
markiert,  sei  es  durch  ganzseitige  Initialen  und  Verwendung 
von  Kapitalen,  sei  es  durch  vor  ihnen  angebrachte  Miniaturen. 
Zeitlich  und  künstlerisch  den  ersten  Platz  unter  den  hier  in 
Frage  kommenden  Hss.  nimmt  zweiellos  das  erwähnte  Harleian- 
Älanuskript  ein.  Der  Kirchenmusik  flielsen  in  den  irischen 
Hymnen,  welche  im  9.  Jahrhundert  von  Rom  sanktioniert  waren, 
eine  Fülle  von  unbekannten  Melodien  und  Texten  zu,  welche 
die  bis  dahin  gebräuchlichen  fast  ganz  aufser  Kurs  setzen. 
Das  Officium  divinum  erfährt  eine  Korrektur  und  Erweiterung 
nach  dem  beuediktinischen.  Die  Gradualpsalmen  (119 — 133),  das 
'Te  deum',  das  'Gloria  in  excelsis'  und  das  'Quincumque  uult', 
das  gerade  in  der  englischen  Kirche  eine  grofse  Rolle  spielen 
sollte,  werden  als  feste  Bestandteile  der  Liturgie  angeschlossen. 
Das  Symbolum  apostolicum  (Credo  in  deum  patrem),  das  sich  in 
der  uns  vorliegenden  Fassung  im  6.  7.  Jahrhundert  im  Franken- 
reich gebildet  und  durch  Karl  den  Grofsen  Anerkennung  ge- 
funden hatte,')  ersetzt  das  alte  römische, 2)  bis  dahin  in  England 
übliche,  das  wiederum,  wie  mir  scheint,  das  nicaeno-constantino- 
politanum  (Credo  in  unum  deum)  ablöste,  welches  im  Salaberga- 
Kodex  vorliegt  und  zu  dem  sich  wohl  auch  noch  die  Synode 
zu  Hatfield^)  bekannte. 

In  dieser  Zeit  setzt  nun  auch  der  Vorstofs  des  im  Franken- 
reich eingeführten  Psaltertextes  gegen  die  römische  Version 
ein.    Das  Psalterium  Gallicanum  ist  sicher  schon  vor  der 


^)  Die  Religion  in  Geschichte  und  Gegenwart  I,  599. 

")  Erhalten  im  Codex  Laudianns  (Bodl.  Oxford)  und  Codex  Berneusis, 
vgl.  Burn,  Facsimiles  of  the  Creeds  (Henry  Bradshaw  Society,  vol.  XXXVI, 
1909)  p.  4  und  plate  IV  A  sowie  Traubes  Anmerkung  ebd.  p.  27  zum 
Codex  Beruensis. 

^)  Diese  anerkannte  ausdrücklich  die  Beschlüsse  der  Synoden  zu 
Nicaea,  Konstantinopel,  Ephesus,  Chalcedon,  Constantinopel  und  Rom.  So 
finden  sich  denn  in  den  Berichten  Anklänge  ans  nicänische,  ans  nicänisch- 
konstantinopolitanische  und  ans  athauasianische  Bekenntnis.  —  Haddan 
nnd  Stubbs,  Councils  and  Eccl.  Doc.  III  p.  141  f.;  Swainson,  The  Nicene 
and  Apostles'  Creeds,  London  1S75,  p.  192fiF. 


463 

eigentlichen  Reform  in  verseliiedenen  Exemplaren,  die  aber  aus- 
sehlielslieh  kontinentalen,  bzw.  irischen  Ursprungs  waren,  in 
England  vertreten  gewesen.  Bestimmt  wissen  wir  dies  von  dem 
sogenannten  ^Ethelstan-Psalter,  von  dem  S.  443f.  die  Rede 
war.  Fraglich  scheint  es  mir  von  den  übrigen  in  englischen 
Bibliotheken  erhaltenen  IIss.  älterer  Zeit:  dem  Southampton- 
Psalter,!)  dem  Psalter  Cott.  Vit.  F.  XI;-)  dem  Ry  1  an ds -Psalter, 3) 
dem  Achadeus-Psalter^)  und  dem  Psalter  Corp.  Christ.  Coli, 
Cambr.  Ms.  411.^)  Wie  James  überzeugend  darlegt,  ist  der 
Vorletzte  in  den  achtziger  Jahren  des  9.  Jahrhunderts  aus 
Reims^)  hervorgegangen,  in  dessen  näherer  Umgebung  auch 
der  Utrecht-Psalter,")  bis  zum  Jahre  1674  ein  Schmuckstück 
der  Cottonian-Bibliothek   zu  London,'')   entstanden   ist.     Beide 


0  St.  John's  Coli.  Cambridge  CD;  im  9.  Jahrhundert  iu  Irland  ent- 
standen, in  irischen  Ealbunzialen,  ausgezeichnet  sind  Pss.  1.  51.  101  durch 
Initialen  nnd  Miniaturen.  Vgl.  Westwood,  Facsiniiles  p.  84,  plate  30; 
Westwood,  Palaeogr.  Sacra  Pict.  plate  IS;  Herbert,  Illuui.  Mss.  p.  82. 

-)  Im  Brit.  Mus.,  London,  aus  dem  ü.  oder  10.  Jahrhundert  ganz 
im  Stile  des  Southampton-Ps.  Catalogtie  of  Ancient  Mss.  in  the  Brit. 
Mus.  II,  p.  13;  Westwood,  Facsimiles  p.  85,  plate  51,  5,  G;  Herbert,  a.  a.  Ü. 
p.  81  f. 

3)  The  John  Rylauds  Library,  Manchester,  Ms.  Lat.  133.  Er  ist  in 
karoling.  Minuskel  im  9.  Jahrhundert  in  der  St.  Maximin -Abtei  bei  Trier 
geschrieben  und  anzusehen  als  ein  Produkt  der  berühmten  Ada-Schule, 
wie  aus  einer  Eaudnote  im  Kalender  erbellt. 

*)  Corpus  Christi  College,  Cambridge,  Ms.  272,  zwischen  883  und  S84 
im  Auftrage  eines  Grafen  Acbadeus  in  karoling.  Minuskel  geschrieben, 
mit  Te  deum,  Gloria  in  excelsis,  Quicumque,  Symbolum  und  wertvoller 
Litanei,  gehörte  später  zu  Christ  Church  Canterbury.  Ausgezeichnet  sind, 
bezw.  waren  Pss.  1.  2G.  38.  51.  52.  ü8.  80.  97.  101.  109,  von  denen  nar 
Pss.  52.  97  erhalten  sind.  Vgl.  M.R.James,  A  Descriptive  Catalogue  of 
the  Mss.  in  the  Libr.  of  Corp.  Chr.  Coli.  Cambr.  Part  IV  (Vol.  II),  Cambridge 
1911,  p.  27ff. 

^)  Im  10.  Jahrhundert,  vielleicht  in  Tours,  iu  karoling.  Miunskel  ge- 
schrieben, mit  Auszeichnung  der  Pss.  1  (im  1  L  Jahrhundert  in  England). 
51.  101.  109,  mit  Quicumque  und  Credo.  Eine  zweite  Litanei  ist  im  11.  Jahr- 
hundert in  England  (Canterbury?)  der  ursprünglichen  zugefügt.  James, 
a.  a.  0.  Part  V,  p.  296. 

^)  Sicher  ans  einem  Beuediktinerkloster,  wie  die  Oratio  S.  Benedict! 
fol  168^  als  erstes  unter  den  Gebeten  beweist. 

')  J.  J.  Tikkanen,  Die  Psalterillustration  im  Mittelalter  I,  3.  Heft:  Der 
Utrecht -Psalter,  Helsingfors  1900;  Herbert,  a.a.O.  p.  106  ff. 

'')  Herbert,  a.a.O.  p.  107. 


464 

Manuskripte  mögen  zusammen  ihren  Weg  nach  England  gefunden 
haben.  Der  Gelegenheiten  boten  sieh  viele,  besonders  in  der 
hier  behandelten  Zeit,  doch  auch  früher  unter  Erzbischof  Fulk 
von  Reims,  der  die  Kulturarbeit  Alfreds  mit  lebhafter  Teil- 
nahme verfolgte  und  diesem  zu  verschiedenen  Malen  Mönche 
aus  seiner  Diözese  zur  Unterstützung  übersandte,  i)  dann  aber 
namentlich  durch  die  mannigfachen  verwandtschaftlichen  Bande, 
die  das  englische  Königshaus  durch  Verheiratung  seiner 
Prinzessinnen  mit  französischen  Fürsten  anknüpfte;  ich  erinnere 
an  Alfred,  Eadward  und  vor  allem  ^Ethelstau.  Sicher  erst  in 
späterer  Zeit  nach  England  gekommen  ist  der  berühmte  Lothar- 
Psalter.  2) 

Es  lag  in  der  Natur  der  Sache,  dafs  man  in  dieser  älteren 
Zeit  von  dem  neuen  Texte  als  solchen  nur  wenig  oder  gar 
keine  Notiz  nahm,  da  er  eben  im  englischen  Gottesdienst  nicht 
verwandt  wurde  und  von  dem  dort  eingebürgerten  nicht 
unwesentlich  abwich.  Dies  wurde  jedoch  anders,  als  der 
monastische  Gedanke  in  dem  politisch  und  kulturell  erstarkten 
Frankenreieh  neue  Nahrung  und  Schwungkraft  erhielt  und 
selbst  Rom  und  allen  mit  ihm  verbundenen  Staaten,  also 
besonders  England,  seinen  Stempel  aufdrückte.  Erst  jetzt 
beginnt  der  gallikauische  Text,  nach  dem  das  Stundengebet 
der  französischen  Klöster  eingerichtet  war,  in  England  kopiert 
und  wohl  auch  studiert  zu  werden.  Nur  wenige  dieser 
Abschriften  sind  auf  uns  gekommen,  unter  ihnen  aber  besitzen 
wir  zwei  von  grolsem  kunsthistorischen  Werte,  die  diesen 
Verlust  wohl  verschmerzen  lassen,  das  schon  oft  erwähnte 
Harleian  Manuskript  2904  3)   und   den  Salisburj'-Psalter, 


^)  U.  a.  den  gelehrten  Grimbald  von  St.  Bertin  zu  St.  Omer,  der  erster 
Abt  des  New  Minster  wurde. 

*)  Additional  37  76S,  Brit.  Mus.  London,  gesclienkt  von  Sir  Thomas 
Brooke  of  Huddersfield,  der  ihn  von  Mssrs.  EUis  and  White  in  London 
gekauft  hatte.  Ist  in  karoling.  Minuskel  zwischen  84U  und  855  geschrieben 
und  gehörte  im  frühen  10.  Jahrhundert  der  Benediktiner -Abtei  St.  Hubert 
in  den  Ardenuen.  Er  enthält  das  Te  deum,  Quicumque  und  Symbolum 
und  zeichnet  aus  die  Pss.  1.  11.  21.  31.  41  usw.  Vgl.  Catalogue  of  Additious 
to  the  Mss.  in  the  Brit.  Mus.  1906—1910  p.  127  £f.;  Palaeogr.  Society,  Ser.I, 
pl.  69.  70.  93.  94. 

ä)  Über  die  kostbare  Hs.  ist  oft  und  eingehend  gehandelt  worden, 
vor  allem  von  Warner,  lUuminated  Mss.  üi  the  Brit.  Mus.  1899—1903  und 


465 

den  einzigen  Text  dieser  Art  meines  Wissens,  der  in  englischer 
Minuskel  geschrieben  ist.  Nicht  einer  aller  bisher  genannten 
Texte  ist  mit  gleichzeitigen  ae.  Glossen  versehen,  denn  die 
Glosse  im  Salisbury- Manuskript  ist  etwa  hundert  Jahre  später 
eingetragen  worden.  Daraus  dürfen  wir  wohl  folgern,  da  die 
Glossen  im  wesentlichen  praktischen  Zwecken  dienten,  dafs 
das  Gallieanum  im  10.  Jahrhundert  noch  nicht  in  die  englische 
Liturgie  eingedrungen  war,  hier  vielmehr  das  Romanum,  das 
uns  in  drei  Handschriften  (Regius,  Bosworth  und  Blickling) 
glossiert  vorliegt,  nach  wie  vor  seine  Stellung  behauptete. 
Immerhin  aber  müssen  sich  schon  früh  einige  Lesarten  des 
ersteren  in  das  englische  Officium  eingeschlichen  haben.  Dies 
ist  ja  auch  leicht  erklärlich.  Denn  einmal  werden  wir  mit 
einer  ganzen  Reihe  auswärtiger,  besonders  französischer  Mönche ') 
in  englischen  Klöstern  zu  rechnen  haben  und  andererseits 
standen  die  führenden  Kreise  in  Canterbury,  Winchester  und 
Worcester  zu  sehr  im  Banne  des  Neuen,  das  von  der  anderen 
Seite  des  Kanals  auf  sie  eindrang,  als  dals  sie  sich  gegen 
derartige  Beeinflussungen  hätten  ganz  verschliefsen  können. 
Stärker  wurde  natürlich  dieser  fremde  Einschlag,  als  infolge 
der  im  frühen  IL  Jahrhundert  beginnenden  verwandtschaftlichen 
Beziehungen  des  englischen  Hofes  mit  dem  normannischen 
Fürstenhause  und  vornehmlich  infolge  der  französisches  Wesen  be- 
günstigenden Neigungen  Eduards  des  Bekenuers,  der  während 
seines  26jährigen  Aufenthalts  in  Ronen  vollkommen  normanni- 
siert  war,  den  kontinentalen,  besonders  normannischen  Geist- 
lichen, die  sich  in  Mengen  einfanden,  Zutritt  zu  den  geistlichen 
Ämtern,  ja  als  Königsklerikern  gar  ein  Vorrecht  bei  der  Besetzung 
der  Stellen  eingeräumt  wurde.  Schon  lange  vor  der  eigentlichen 
Eroberung   finden   wir  daher   einflufsreiche   und   gut    dotierte 

Eeproductions  from  Illuru.  Mss.,  11,4,5;  Herbert,  Illum.  Mss.  p.  116.  127. 
Unter  den  Hymnen  finden  sich  das  Te  dernn,  Gloria  in  excelsis,  Symbolum 
und  Quicumque.  Besonderen  Schmuck  zeigen  die  Pss.  1.  26.  45.  61  (ver- 
loren). 52.  68.  80.  90.  97.  101.  109.  114.  115.  118.  119.  137.  143.  148. 
J.  P.  Gilson,  der  Nachfolger  von  Sir  George  Warner,  hat  mir  über  diese 
wie  andere  Hss.  des  ßrit.  Mus.  bereitwilligst  Auskunft  erteilt. 

^)  Erinnert  sei  nur  an  die  umfassende  Tätigkeit,  die  Abbo,  der 
spätere  Abt  von  Fleury  (988 — 1004)  in  Ramsey  und  anderen  mercischen 
Klöstern  entfaltete,  vgl.  Delisle,  Ancieus  Sacramentaires  p.  210;  Hunt, 
History  of  the  English  Church  I,  377. 

Studien  z.  engl.  Phil.    L.  30 


466 

Stellen  in  den  Händen  fremder  Geistliclier,^)  teils  Lothringer, 
teils  Normannen,  die  sicherlich  viele  Schreiber  aus  ihrem  Lande 
nach  sich  gezogen  haben.  Sie  alle  waren  an  den  gallikanischen 
Text  gewöhnt  und  werden  ihn  ihrem  Gottesdienst  zugrunde 
gelegt  haben. 

Schon  dem  Schreiber  und  Glossator  des  Cambridger 
Psalters  wird  die  neue  Version  geläufiger  gewesen  sein,  als 
dies  aus  seinem  Texte  erscheinen  mag.  Denn  hier  und  da 
sucht  er  Lesarten  aus  ihr  in  seinen  Text  hineinzubringen  und, 
was  mir  wichtiger  erscheint,  auch  seine  Glossierung  danach 
einzurichten.2)  Teilweise  finden  sie  sich  zwar  auch  bei  einem 
der  Kirchenväter.  Da  aber  sämtliche  übrigen  englischen  Texte 
(Vespasian,  Blickling,  Eadwine,  Junius,  Regius,  Bosworth)  an 
diesen  Stellen  geschlossen  der  Vorlage  treubleiben,  und  anderer- 
seits nur  der  Pariser  Psalter,  der  der  neuen  Fassung  im 
lateinischen  Teil  die  weitesten  Konzessionen  ^)  macht,  mit  dem 
Cambridger  Texte  zusammengeht,  so  kann  hier  einzig  und 
allein  Beeinflussung  durch  das  Psalterium  Gallicauum  vorliegen. 
Letztere  beiden  Hss.  zeigen  auch  sonst  wesentliche  Berührungs- 
punkte, so  dafs  sie  wohl   zu   einem  Kloster  oder  gar  einer 


')  1021  wird  ein  gewisser  Withman  (Teutonicus)  Abt  von  Eamsey, 
1033  der  Lothringer  Duduc  Bischof  von  Wells,  104-1  Robert  von  Jumieges 
Bischof  von  London  und  1051  Erzbischof  von  Canterbury,  1045  Herman, 
ein  Lothringer,  Bischof  von  Ramsbury  und  105S  von  Sherborne,  1046 
Leofric,  ein  Angelsachse,  aber  in  Lothringen  erzogen,  Bischof  von  Crediton 
und  1050  von  Exeter,  1049  Ulf,  ein  Normanne,  Bischof  von  Dorchester, 
1051  Wilhelm,  ein  Normanne,  Bischof  von  London,  1061  Walter  aus 
Lothringen  Bischof  von  Hereford.  —  Vgl.  Hunt,  a.a.O.  pp.  396.  403  flf.; 
Hill,  English  Dioceses  pp.  233flf.;  Wright,  Biographia  ßrit.  Lit.  (1842), 
pp.  511ff. 

2)  Man  vergleiche  z.B.  Pss.  13,7.  17,7.  17,48.  23,1.  24,7.  25,9. 
32,22.  44,6.  57,11.  70,22.  89,13.  89,17.  91,12.  101,6.  102,3.  111,7. 
131,11  in  meiner  Ausgabe. 

ä)  Ich  beschränke  mich  auf  einige  Beispiele:  9,23:  quaeret  (inquiret 
Ro);  11,7:  argentum  igne  examinatum  probatum  (fehlt  Ro)  terrae;  12,5: 
in  misericordia  tua  speraui  (in  tua  mis  —  sperabo  Ro);  IG,  12 :  eripe  animam 
meam  ab  impio  frameam  tuam  ab  inimicis  manus  tuae  (. . .  frameam  inimi- 
corum  de  manu  tua  Ro);  16,13:  a  paucis  de  terra  diuidc  eos  in  uita 
eorum  (a  paucis  a  terra  dispertlre  eos  et  supplanta  eos  in  uita  ipsorum  Ro); 
24,18:  non  erubescam  (domine  non  confundar  Ro);  57,4:  et  uenifici  in- 
cantantis  sapienter  (et  nenificia  quae  iucantantur  a  sapiente  Ro);  95,9: 
dicite  in  gentibus  quia  (fehlt  Ro)  dominus  regnauit. 


467 

Vorlage  ein  Verhältnis  gehabt  haben.  Als  interessanter  und  für 
die  Datierung  wichtiger  Punkt  erseheint  mir  eine  Stelle  in  den 
Litaneien  beider,  welche  Martialis,  den  Patron  von  Linioges, 
unter  die  Apostel  einreiht.  Die  Frage  über  den  Ursprung  der 
Apostelschaft  dieses  Heiligen  ist,  soviel  ich  weifs,  noch  nicht 
geklärt.  Ob  er  aber  wirklich  vor  1000  in  England  als  Apostel 
verehrt  worden  ist,  wie  die  Mönche  des  St.  Martialis -Klosters 
und  ihr  Abt  Odolrich  zur  Stütze  ihres  Antrages  auf  dem 
Konzil  zu  Limoges  (1031)0  behaupteten,  ist  bis  jetzt  nicht 
bewiesen  und  wenig  glaubhaft,  da  sich  in  den  englischen 
Litaneien  und  vielleicht  auch  Kaiendarien  dieser  Zeit  unbedingt 
Spuren  davon  zeigen  würden.  2)  Auffällig  ist  dagegen,  dafs 
im  frühen  11.  Jahrhundert  nicht  nur  eine,  nein,  verschiedene 
Hss.  auftauchen,  in  denen  dem  Heiligen  diese  Ehrung  zuteil 
wird.  Neben  unseren  beiden  Psaltern  verweise  ich  besonders 
auf  die  Litanei  im  Missale  des  Robert  von  Jumiöges,^)  das 
nach  Wilson^)  zwischen  1008  und  1023  in  AVinehester  ge- 
schrieben und  später  in  den  Besitz  Roberts  gekommen  sein 
soll,  und  auf  die  im  Officium  der  heiligen  Jungfrau  der  Hs. 
Cotton  Tiberius  A  III,  dessen  Entstehung  Dewick'')  in  die 
Jahre  1032 — 1050  verlegt.  *')     Dies  zwingt  zu  der  Annahme,  dals 


^)  Duchesne,  Saint  Martial  de  Limoges  in  'Annales  du  Midi'  1892 
p.  324. 

-)  Diese  finden  sich  aber  weder  im  Harleian  Ms.  2904  (hier  rangiert  er 
unter  den  Confessores),  noch  im  Bosworth- Psalter,  noch  im  Benedictionale 
^thelwolds,  noch  im  Pontificale  Dunstaus,  noch  im  Pontificale  Lanalatense 
(Ronen,  Bibl.  Municipale  Ms.  A  27),  noch  im  Benedictionale  des  Erzbischofs 
Robert  (ebd.  Ms.  Y  7). 

»)  Roueu,  Bibliotheque  Municipale  Ms.  Y  6.  Vgl.  Hombnrger,  a.  a.  0. 
p.  60. 

*)  The  Missal  of  Robert  of  Jumicges,  London  1S96  (Henry  Bradshaw 
Society  vol.  XI),  p.  XXIV  ff. 

^)  Facsimiles  of  Horae  De  Beata  Maria  Uirgine,  London  1902  (Henry 
Bradshaw  Society  vol.  XXI),  p.  XIV. 

^)  Charakteristisch  für  die  Litaneien  dieser  und  einiger  anderer  Hss.  — 
des  Benedictionale  des  Erzbischofs  Robert  von  Rouen  (Ronen,  Bibl.  Muuic. 
Ms.  Y7),  des  Pontificale  Lanalatense  (ebd.  Ms.  A  27)  und  des  Ms.  Titus 
D  XXVI  (Liber  Vitae:  Register  . . .  of  New  Minster  and  Hyde  Abbey  1892, 
p.  262)  —  ist  ferner  die  Aufeinanderfolge  der  Apostel  Johannes  Jacobus, 
die  sonst  stets  als  Jacobus  Johannes  aufgeführt  werden. 

30* 


468 

der  Brauch  erst  nach  den  Synoden, i)  die  über  die  Streitfrage 
abgehalten  wurden,  in  England  bekannt  geworden  ist  und  so- 
mit alle  vier  Hss.  frühestens  nach  dem  ersten  Konzil  zu  Limoges 
im  Jahre  1021,  wahrscheinlich  aber  nach  1024,  als  der  Streit 
auf  der  von  Herzog  Wilhelm  V.  von  Aquitanien  veranstalteten 
Synode  zu  Paris  zugunsten  der  Antragsteller  entschieden 
wurde,  geschrieben  worden  sind.  Dafs  der  Erfolg  nicht  zum 
mindesten  dem  tatkräftigen  Eintreten  des  Landesherrn  zu  ver- 
danken war,  scheint  mir  dabei  von  Wichtigkeit  betont  zu 
werden.  Denn  dieses  mag  auch  zu  einer  raschen  Verbreitung 
und  Annahme  der  Mode  im  übrigen  Frankreich  und,  was  für 
uns  wesentlicher  ist,  in  England,  besonders  am  Hofe  Knuts, 
mit  dem  Wilhelm  V.  wohl  Verbindungen  hatte,  2)  beigetragen 
haben.  Besonders  in  Winchester  in  der  Umgebung  Emmas 
wird  sich  der  Kult  rasch  eingebürgert  und  englische  Schreiber 
zur  Anerkennung  gezwungen  haben,  zumal  wenn  sie  auf 
Bestellung  von  Damen  aus  diesen  Kreisen  arbeiteten.  Und 
dies  taten  offenbar  die  Schreiber  der  beiden  hier  in  Frage 
kommenden  Psalterien.  Das  schmale,  tascheubuchartige  Format 
(18x52,5  cm)  des  Pariser  Fsalters,^)  wie  wir  es  oft  auf  Minia- 
turen dargestellt  finden,  4)  deutet  auf  privaten  Gebrauch  hin. 
Das  Gebet  fol.  195 v;  Te  deprecor  domine  michi  famule  (uel 
famulo)  tue  (uel  tuo)  et  famulis  et  famulabus  tuis  per  inter- 
cessionem  etc.  lälst  ferner  keinen  Zweifel  darüber,  dafs  diese 
Hs.  für  eine  Dame  bestimmt  und  vielleicht  gar  von  einer  solchen 
geschrieben  war.  Zu  einem  ähnlichen  Schlüsse  berechtigt  wohl 
der  Vortritt  der  Sancta  Scolastica  unter  den  Virgines  der 
Litanei  im  Cambridger  Psalter.  Ich  denke  mir,  dafs  er  für  die 
Angehörige  eines  Benediktinerklosters,  vielleicht  auch  für  ein 
solches  selbst,  angefertigt  ist. 

')  1021  zu  Limoges,  1023  zu  Poitiers,  1024  zu  Paris,  1029  zu  Limoges, 
1031  (l.Nov,)  zu  Bonrges,  1031  (18.  Nov.)  zu  Limoges.  Hefele,  Konzilien- 
gescliichte  IV  (1879),  pp.  679.  689. 

-)  Im  Jahre  1023  soll  ihm  Knut  eiuen  Codex  übersandt  haben,  in 
dem  Martial  als  Apostel  figurierte.    Hefele  IV,  679;  Duchesne,  a.  a.  0.  p.  324. 

^)  Links  läuft  der  lateinische  Text,  in  karolingischer  Minuskel,  rechts 
parallel  die  altenglische  Übertragung  in  der  Insulare. 

*)  Man  vergleiche  nur  in  /Ethelwolds  Benedictionale  bei  Gage  (Archaeo- 
logia  24)  Tafel  4.  5.  G.  7.  8.  9.  23.  24.  Siehe  auch  Homburger,  a.  a.  0. 
p.  22  Anm.  2. 


469 

Beide  Schreiber  haben  für  den  lateinischen  wie  auch  eng- 
lischen Teil  nach  Vorlagen  gearbeitet,  zu  denen  ich  eingehend 
erst  in  meiner  Untersuchung  über  die  Cambridger  Hs.  Stellung 
nehmen  werde.  Der  des  Pariser  Psalters  benutzte,  soviel  sei 
schon  hier  erwähnt,  deren  zwei  in  seiner  Muttersprache:  eine 
jüngere,  anglisch  gefärbte  und  nicht  lange  vor  ihm  ver- 
fafste,  1)  der  er  den  poetischen  Teil  Pss.  51  —  150  entnahm,  und 
eine  rein  westsächsische,  aber  scheinbar  mehrfach  überarbeitete,^) 
der  er  die  Prosaübersetzung  des  übrigen  Teils  und  die  Ein- 
leitungen ^)  entlieh.  Aus  letzterer  wird  er  auch  den  lateinischen 
Text,  der  dem  Romanum  folgte,  im  Laufe  der  Zeit  aber  z.  T. 
nach  dem  Gallicanum  umkorrigiert  war,  *)  sowie  auch  die  Ein- 
teilung^) und  die  Aufstellung  der  liturgischen  Stücke  6)  über- 
nommen haben. 


*)  Znr  Literatur  vgl.  Braudl,  Geschichte  der  ae.  Literatur 2,  p.  1094; 
The  West-Saxon  Psalms,  ed.  by  Bright  and  Ramsay,  p.  149  ff.  —  Beweisend 
für  die  späte  Abfassung  dieses  Teiles  sind,  abgesehen  von  zahlreichen 
alliterierenden  Bindungen  von  sc  mit  s  u.a.,  Verse  wie  Ei  heora  dagena 
ticl  dccdun  idle  77,32;  pu  Ms  dagena  tid  deorce  gescyrtest  88,38;  ßcet  pii 
tue  meaht  07i  midie  minra  dagena  101,21;  Hu-cet  synt  pinum  csne  ealra 
dagena  118,  S4,  die  metrisch  nur  mit  spätbelegtem  (!)  dagena  möglich  sind. 

^)  Für  ältere  wests.  Vorlage  sprechen  häufige  7e  (beachte  besonders 
Ps.  IT,  36)  und  he  afierd  45,8,  häufige  alte  io,  häufige  0  für  späteres  a  vor 
Nas.,  endlich  die  2.  Person  Sing.:  du  adilgas  9,5,  [ßu]  underpydes  17,45, 
[pu]  demdcs  30,  S, /jk  ■;estrangodcs  37,2,  forgits  pn  41,11. 

^)  Diese  finden  sich  aulserdem  in  dem  stark  beschädigten  Ms.  Vitellius 
E  XVin.  —  Vgl.  die  ausführliche  Literatur  in  Brights  Ausgabe,  p.  151  ff. 

*)  Nicht  selten  wurde  eine  Verschmelzung  beider  Lesarten  angestrebt, 
z.B.  9,24,  11,3,  26,5,  30,4,  46,2. 

'■')  Diese  folgt  noch  durchaus  dem  alten  Brauch  aus  der  Zeit  vor  der 
Reform,  markiert  also  Pss.  1,  26,  6S,  80,  97,  109.  Ps.  51  scheint  nur 
hervorgehoben  als  Ausgangspunkt  eines  neuen  Schreibers.  Sämtliche  Blätter 
mit  benannten  Psalmen  sind  herausgeschnitten,  dazu  auch  ein  solches  vor 
Ps.  21  und  nach  Ps.  150. 

')  Dies  sind  (nach  Omonts  frdl.  Mitteilung) :  Cauticum  Ezechie  (Ego 
dixi),  Cant.  Anne  (Exultauit  cor  menm),  Cant.  Moysi  (Cantemus  domino), 
Cant.  Abbacuc  (Domine  andiui).  Cant.  Moysi  ad  filios  Israhel  (Attende 
coelum),  Ymnus  trium  puerorum,  Ymnus  ad  matutiuas  (Te  Deum),  Cant. 
Zachariae  (Benedictus  dominus),  Cant.  saucte  Mariae  (Magnificat),  Fides 
catholica  Athanasii  episcopi.  Da  fehlen  auffälligerweise  das  Canticum 
'Confitebor  tibi'  für  die  Matutin  am  Montag  und  der  Komplethymnus 
'Nunc  dimitte',  ersteres  vielleicht  nur  aus  Verschen,  letzterer  in  Anlehnung 
an  die  Vorlage,  die  vielleicht  mit  Vespasiau  übereinstimmte.  Sonst  stellt 
sich  diese  Sammlung  durchaus  zu  Bosworth  (Regius). 


470 

Beide  Schreiber  sind  sicher  nicht  aus  einem  der  grofsen 
Kulturzentren,  Canterbury  oder  Winchester,  hervorgegangen. 
Das  Vorkommen  von  Winchesterheiligen  (Swiöun,  Birinus,  ludoc) 
in  den  Litaneien  ist  also  lediglich  als  Beweis  zu  nehmen  für 
den  im  11.  Jahrhundert  beginnenden,  rasch  wachsenden  Einflufs 
der  Winchesterkulte  und  Moden,  welche  die  Schreiber  vielleicht 
an  Ort  und  Stelle  selbst  kennengelernt  hatten.  Besonders 
grofs  ist  der  Abstand  von  beispielsweise  Winchesterprodukten 
dieser  Zeit  und  dem  Cambridger  Psalter.  Seine  Initialen  und 
Miniaturen  tragen  deutlich  den  Stempel  grofser  Unreife  und 
technischer  Unfertigkeit.  Die  Schrift  ist  steif  und  plump. 
Überhaupt  scheint  der  Schreiber  nur  die  einheimische  erlernt 
zu  haben,  sonst  hätte  er  für  den  lateinischen  Teil  zweifellos 
die  „moderne"  karolingische  Minuskel  verwandt.  Die  lateinische 
wie  die  englische  Vorlage  werden  mit  grofser  Willkür  und 
Respektlosigkeit  behandelt.  Alles  in  allem,  diese  Arbeit  kann 
nur  von  einem  Manne  gemacht  sein,  der  in  einem  —  wenigstens 
um  diese  Zeit  —  unbedeutenden  und  rückständigen  Kloster 
vorgebildet  war.  Da  Kenelm  ')  unter  den  englischen  Märtyrern 
und  Petrus  unter  den  Aposteln  allein  in  Kapitalen  erscheinen, 
so  zögere  ich  nicht,  Win ch comb,  wo  ersterer  verehrt  wurde 
und  letzterem  eine  Kirche  geweiht  war,  2)  als  Standort  des 
Schreibers  bezw.  der  Dame,  für  die  er  arbeitete,  vorzuschlagen, 
zumal  da  auch  die  Sprache  der  Glosse  hier  und  da  zu  einer 
solchen  Annahme  einlädt.  Was  Winchcomb  einst  zur  Zeit 
eines  Germanus  und  Abbo  vermocht  hatte,  darüber  belehrt 
uns  das  aus  ihm  hervorgegangene  Sakramentar  der  Stadt- 
bibliothek zu  Orleans,  3)  dessen  Schriftcharakter  an  die  Monu- 
mentalität der  Canterburyschreibkunst  gemahnt.  Die  Dänen- 
kriege Ende  des  10.  und  Anfang  des  11.  Jahrhunderts  aber 
hatten  der  ganzen  Gegend  und  besonders  den  Klöstern  arg 
mitgespielt  und  alle  edleren  Kräfte  und  Triebe  lahmgelegt  bzw. 
erstickt.  Erst  Knut  machte  in  den  zwanziger  Jahren  des  11.  Jahr- 
hunderts die  ersten  Belebungsversuche  und  mit  grolsem  Erfolg. 


')  Stadler,  Heiligenlexikou  III  (1S58)  p.  599,  Chevalier,  Bio-Biblio- 
graphie II,  Sp.  2712. 

*)  Delisle,  Anciens  Sacramentaires  p.  214. 

')  Bibliotheque  municipale  127;  Ilomburger  pp.  0,  40,  Anm.  3;  Delisle, 
a.a.O.  p.  211  ff. 


471 

Ihnen  werden  wir  auch  unser  Denkmal  zu  verdanken  haben. 
Die  Glossieruug  braucht  nicht,  wird  aber  wohl  durch  Ver- 
mittlung der  Bestellerin  in  Wincheorab  vor  sieh  gegangen  sein. 
Auf  alle  Fälle  ist  sie  direkt  nach  der  Vespasian- Handschrift 
geschehen,   die  sich  vermutlich   damals  in  Winchester  befand. 

Günstigere  Verhältnisse  hatten  dem  Schreiber  Wulfwine 
des  Pariser  Psalters  eine  bessere  Bildung  beschieden.  Er  meistert 
die  fremde  Schrift  so  gut  wie  seine  heimische.  ^)  Und  auch 
seine  künstlerischen  Leistungen,  von  denen  leider  nur  wenige 
Proben  erhalten  sind,  werden  den  Durchschnitt  überragt  haben, 
sonst  hätten  sie  sicher  nicht  solch  „einnehmende"  Liebhaber 
gefunden.  Dagegen  zeigt  er  in  der  Abschrift  der  Vorlagen 
eine  ähnliche  Willkür  und  Nachlässigkeit  wie  sein  Zeitgenosse 
in  Wincheomb.  Auf  Grund  der  eigenartigen  Schreibfehler  ist 
Bright2)  geneigt,  ihn  mit  dem  Schreiber  Wulf wi 3)  der  Hand- 
schrift Cotton  Otho  C  I  der  westsächsischen  Evangelien 
zu  identifizieren,  der,  aus  einer  Urkunde  zu  schliefsen,  in 
Malmesbury  gewirkt  zu  haben  scheint.  Malmesbury  erfüllt 
nun  in  der  Tat  wie  kein  anderer  Ort  alle  die  Bedingungen, 
die  wir  an  die  Entstehung  unserer  Handschrift  und  ihrer  Vor- 
lagen zu  stellen  haben.  Von  Wichtigkeit  ist  erstens,  dafs 
Aid  heim,  der  erste  Abt  jenes  Klosters,  in  der  Litanei  unter 
den  Confessores  auftritt.  Das  von  Iren  (675)  gegründete  Kloster 
war  altes  westsächsisches  Stammgut,  in  dem  angelsächsische 
Gelehrsamkeit  ihre  ersten  Früchte  trieb  und  Jahrhunderte  hin- 
durch sorgsame  Pflege  gefunden  hatte.  Es  zählte  erste  litera- 
rische Gröfsen  zu  den  Seinen  und  erfreute  sich  der  besonderen 
Gunst  der  westsächsischen  Könige,  vor  allem  Alfreds  und 
iEthelstans,  der  hier  begraben  wurde.  Hier  scheint  mir  durch- 
aus der  richtige  Boden  und  die  passende  Atmosphäre  für  ein 
Werk,  wie  wir  es  in  der  aus  verschiedenen  lateinischen  Quellen 
schöpfenden  Prosaübersetzung  mit  den  gleichfalls  lateinische 
Vorlagen  *)  benutzenden  Einleitungen  vor  uns  haben.    Malmes- 


^)  Über  Handschriftproben  vgl.  Brights  Ausgabe  p.  154  f.,  dazu  West- 
wood, Facsimiles  plate  122. 

2)  The  Gospel  of  Saint  John  (Beiles  Lettres  Series)  190-1,  p.  XIX. 

3)  Für  Wulfwi? 

*)  Diese  Argumenta  wurden  fälschlich  Beda  zugeschrieben  und  finden 
sich  daher  abgedruckt  in  den  verschiedenen  Beda -Ausgaben  von  1563, 


472 

bury  ist  aber  auch  das  bedeutendste  Kloster  au  der  Grenze 
der  Diözese  "Woreester,  von  dem  aus  sieb  leicht  Beziehungen 
zu  Woreester  und  dem  noch  nähergelegenen  Wincheomb 
einstellen  mufsten,  und  zugleich  auf  der  Scheide  westsächsischen 
und  mercischen  Sprachgebiets,  wo  eventuell  auch  der  mit 
anglisehen  Dialektspuren  behaftete  poetische  Teil  geschrieben 
sein  könnte,  den  der  Verfasser  des  Benediktinerofficiumsi) 
in  sein  Werk  verarbeitet  hat. 


1612  etc.,  bei  Migne  aber  unter  den  Opera  dubia  et  spuria.  Sie  können 
schon  deshalb  nicht  von  ihiu  herrühren,  da  der  ihnen  beigegebene  Psalmen- 
kommentar durchaus  das  Psalteriam  Gallicanum  zugrunde  legt,  während 
doch  Beda  weniger  diesem  als  dem  Psalterium  Vetus  und  Romanum  zu- 
getan war.    Vgl.  auch  Plummer,  Bedas  Hist.  Eccl  II,  S92ff. 

^)  Feiler,  Das  Benediktiner-Offizium,  Heidelberg  1901,  p.  51flf, 


Virg-inien  zur  Koloiiialzeit, 


Eine  kulturgescliichtliche  Studie 


von 


Johannes  Hoops. 


Inhalt. 

Seite 

1.  Eiuleitung:  Die  ersten  Versuche  britischer  Kolouisatioa  in  Amerika  474 

2.  Die  Gründung  des  Kolonie  Virginien 478 

3.  Wandlungen  im  Verfassungssystem 484 

4.  Der  Tabak  als  Grundlage  des  Wirtschaftslebens 487 

5.  Plantagenwirtschaft  und  Negersklaven 490 

6.  Die  Kavaliere 492 

7.  Pflanzertum  und  Wirtschaftsleben 494 

8.  Geistige  Kultur 499 


1.  Einleitung. 

Die  ersten  Tersiiclie  britischer  Kolonisation  in  Amerika. 


Die  ersten  kolonisatorischen  Unternehmungen  der  Eng- 
länder fallen  in  eine  Periode  grofsen  nationalen  Aufschwungs. 
Unter  Elisabeths  glorreicher  Regierung  in  den  siebziger  und 
achtziger  Jahren  des  16.  Jahrhunderts  war  es,  als  das  Heldeu- 
geschlecht  der  Seekönige  Brake,  Gilbert  und  Raleigh,  dem 
Vorbild  der  Spanier,  Portugiesen  und  Franzosen  folgend,  die 
britische  Flagge  auf  dem  Boden  Amerikas  aufpflanzte.  Aber 
die  denkwürdige  Weltumsegelung  Sir  Francis  Brakes  (1577 
bis  1580)  war  weniger  ein  kolonisatorisches  Unternehmen  als 
ein  Freibeuterzug  gegen  die  spanischen  Niederlassungen  an 
der  pazifischen  Küste  und  eine  Forschungsreise.  Bie  erste  Ex- 
pedition des  Sir  Humphrey  Gilbert  (1578 — 79)  hatte  zum  Teil 
wohl  die  Aufsuchung  einer  nordwestlichen  Burch fahrt  im  Auge, 
für  die  sich  Gilbert  besonders  interessierte,  verfolgte  aber  im 
übrigen  auch  mehr  abenteuernde  und  kriegerische  als  kulturelle 
Ziele.  Eine  zweite  Ausfahrt  Gilberts  1583,  die  zur  Gründung 
einer  dauernden  Niederlassung  unternommen  war,  führte  nur 
zur  nominellen  Besitznahme  von  Neufundland,  verlief  im  übrigen 
ergebnislos  und  brachte  der  Mehrzahl  der  Schiffe  den  Unter- 
gang und  ihrem  Führer  den  Tod  durch  Schiffbruch.  Nur  das 
letzte  Wort  des  sterbenden  Befehlshabers:  „The  way  to  heaven 
is  as  near  by  sea  as  by  land"  hat  das  Andenken  an  dieses 
verunglückte  Unternehmen  lebendig  erhalten  und  legt  Zeugnis 
ab  von  dem  Heldengeist,  der  diese  englischen  Seefahrer 
erfüllte. 

Eine  Expedition  von  zwei  Schiffen,  die  Walter  Raleigh 
1584  unter  Führung  von  Amidas  und  Barlow  aussandte,  führte 
zur  Entdeckung  des  Landstrichs,  der  später  die  erste  wirkliche 


475 

britische  Kolonie  werden  sollte.  Einem  Wink  Elisabeths  folgend, 
nannte  man  ihn  Virginia  zu  Ehren  der  jungfräulichen  Königin. 
Die  Berichte  der  Teilnehmer  dieser  Fahrt  über  die  Natur  und 
die  Produkte  des  Landes  und  über  den  Charakter  der  Ein- 
gebornen  waren  enthusiastisch,  und  so  schickte  denn  Kaleigh 
im  folgenden  Jahr  (1585)  eine  neue  Expedition  unter  Führung 
seines  Vetters  Sir  Richard  Grenvillc  auf  sieben  Schiffen 
hinaus,  die  mit  über  hundert  Personen  den  Anfang  einer  wirk- 
lichen Niederlassung  macheu  sollte.  Sie  wählten  die  Insel 
Roanoke  an  der  Küste  des  heutigen  Nord -Carolina  als  Ort 
der  zu  gründenden  Ansiedlung  aus;  aber  infolge  unrichtiger 
Behandlung  der  Eingebornen  und  aus  andern  Gründen  ging 
es  ihnen  nach  Abfahrt  der  Schiffe  bald  schlecht,  und  nach 
Jahresfrist  waren  sie  dem  Verhungern  nahe,  als  unerwartet 
Drake  mit  einer  mächtigen  Kriegsflotte  vor  der  Insel  er- 
schien und  die  verzweifelten  Kolonisten  mit  nach  England 
heimnahm. 

Trotz  dieser  schlimmen  Erfahrungen  und  trotzdem  in- 
zwischen der  Krieg  mit  Spanien  ausgebrochen  war,  rüstete 
Raleigh  1587  ein  drittes  Unternehmen  aus,  an  dem  sich  etwa 
150  Kolonisten,  worunter  17  Frauen,  beteiligten.  Sie  siedelten 
sich  auf  derselben  Stätte  wie  ihre  Vorgänger  an,  aber  sie 
waren  ebensowenig  erfolgreich  wie  jene,  und  ihr  Ende  war 
ungleich  tragischer.  Der  Gouverneur  dieser  neuen  Kolonie, 
John  White,  kehrte  noch  im  Herbst  1587  nach  England  zurück, 
um  für  Unterstützung  zu  sorgen.  Aber  zwei  Hilfsexpeditionen, 
die  Raleigh  in  dem  ereignisvollen  Jahr  1588  aussandte,  mufsten 
der  kriegerischen  Verhältnisse  wegen  umkehren.  Erst  1591 
kam  White  als  Passagier  auf  einem  Westindienfahrer  wieder 
nach  Amerika.  Auf  der  Heimreise  wurde  auf  der  Insel  Roanoke 
gelandet:  man  fand  die  Ansiedlung  verlassen,  mit  Gras  über- 
wachsen, verschiedene  Habseligkeiten  lagen  auf  deni  Boden 
verstreut;  eine  Inschrift  wies  auf  eine  benachbarte  Insel  als 
letzten  Zufluchtsort  der  Ansiedler;  aber  ein  Sturm  verhinderte 
den  Kapitän,  dort  zu  landen,  und  White,  dessen  Tochter  an 
einen  der  Kolonisten  verheiratet  war,  mufste  unverrichteter 
Dinge  heimkehren.  Nie  hat  die  Welt  mit  Sicherheit  erfahren, 
was  aus  den  verschollenen  Gründern  dieser  Kolonie  Roanoke 
geworden  ist. 


476 

Wenn  alle  diese  Kolonisationsversuehe  trotz  der  eifrigsten 
Bemühungen  und  der  gröfsten  pekuniären  Opfer  von  Seiten 
Gilberts  und  besonders  Ealeighs  ein  so  trostloses  Ende  nahmen, 
so  war  dies  zum  Teil  in  der  Ungunst  der  politischen  Welt- 
lage begründet.  Die  Königin  hatte  Gilbert  und  Raleigh  zwar 
durch  Verleihung  von  Freibriefen  einen  gewissen  offiziellen 
Küekhalt  für  ihre  privaten  Kolonisationsabenteuer  gegeben, 
aber  sie  konnte  ihnen  doch  nicht  das  ganze  Schwergewicht 
der  staatlichen  Unterstützung  angedeihen  lassen.  Die  grofse 
Abrechnung  mit  Spanien  lag  damals  in  der  Luft,  und  mitten 
in  den  Unternehmungen  Raleighs  brach  der  Sturm  los,  der  die 
gewaltigste  der  Flotten  vom  Ozean  hinwegfegen  sollte.  Fast 
zwei  Jahrzehnte  lang  hat  sich  dieser  Kampf  zwischen  Eng- 
land und  Spanien  hingezogen:  die  Vernichtung  der  Armada 
durch  Drake  im  Jahr  1588  und  der  glänzende  Seesieg  von 
Cadix  unter  der  Führung  von  Kaleigh,  Essex  und  Howard 
1596  entschieden  ihn,  wie  man  weils,  zu  Englands  Gunsten 
und  gaben  diesem  freie  Hand  zur  See. 

Die  Niederwerfung  der  spanischen  Weltherrschaft  ist  das 
grofse  Lebenswerk  der  Elisabeth  gewesen.  Als  es  durch  den 
Frieden  von  1604  seinen  förmlichen  Abschlufs  erhielt,  weilte 
sie  nicht  mehr  unter  den  Lebenden.  So  ist  es  gekommen,  dals 
die  Kolonisation  Amerikas,  die  erste  und  wichtigste  Frucht 
der  Überwindung  Spaniens,  erst  unter  ihrem  Nachfolger  durch- 
geführt wurde,  und  es  mutet  uns  fast  wie  eine  Ironie  des 
Schicksals  an,  wenn  wir  hören,  wie  die  erste  Regierungs- 
handlung dieses  bigotten,  engherzigen  Pedanten  darin  bestand, 
dals  er  eben  den  Mann,  der  mit  unverzagter  Ausdauer  sein 
Alles  an  die  Idee  des  amerikanischen  Kolonialreichs  gesetzt 
hatte,  Walter  Raleigh,  den  heldenmütigen  Liebling  der  Nation, 
in  den  Tower  schickte,  während  andere  den  Lohn  seiner 
Bemühungen  und  Erfahrungen  ernteten. 

Das  wichtigste  zivilisatorische  Ergebnis  jener  milsglückten 
ersten  Kolonisationsversuche  war  die  Einführung  der  Kartoffel 
und  des  Tabaks  nach  Europa.  Der  Tabak  vor  allem  wurde 
bald  ein  Genulsmittel  von  rasch  zunehmender  Beliebtheit  und 
dadurch  zugleich  ein  Handelsartikel  von  unschätzbarer  Be- 
deutung für  die  amerikanischen  Kolonien,  da  er  nicht  so  leicht 
wie  die  Kartoffel  in  Europa  selbst  gebaut  werden  konnte.    Sir 


477 

Walter  Raleigli  hat  durch  sein  persönliches  Beispiel  viel  zur 
Verbreitung  des  Tabaksgenusses  beigetragen,  und  keine  Ver- 
ordnung weltlicher  oder  geistlicher  Obrigkeiten  hat  dieses 
„Teufelskraut"  seitdem  aus  der  Zahl  der  menschlichen  Genufs- 
pflanzen  zu  verdrängen  vermocht. 

Die  Gründung  der  englischen  und  der  holländischen  ost- 
indischen Kompanien  IGOO  und  1G02  wirkte  belebend  auf  die 
Kolonisierung  Amerikas  zurück.  Ein  Unternehmen  nach  dem 
andern  wurde  in  den  ersten  Jahren  dos  neuen  Jahrhunderts 
von  England  aus  ins  Werk  gesetzt.  1602  sandte  Raleigh 
abermals  eine  Expedition  nach  Virginien;  sie  sollte  u.a.  erneute 
Nachforschung  nach  den  Überlebenden  von  Whites  Koanoke- 
Kolonie  von  1587  anstellen,  kehrte  aber  im  folgenden  Jahr 
ergebnislos  zurück.  1602  fuhr  Gosnold  im  Auftrag  des  aus 
Shakespeares  Leben  bekannten  Earl  of  Southampton  über 
den  Ozean,  wobei  er  zum  ersten  Mal  auf  gradem  Weg  nach 
Virginien  segelte,  statt  den  üblichen  Umweg  über  die  west- 
indischen Inseln  zu  machen.  Es  folgten  die  Fahrten  von  Pring 
und  dem  jüngeren  Gilbert  (beide  1603)  und  die  vonWeymouth 
(1605).  Aber  alle  diese  Unternehmungen  führten  ebensowenig 
wie  die  früheren  zu  dauernden  Niederlassungen. 

Ihr  Mifslingen  zeigt,  dafs  es  nicht  die  politischen  Ver- 
hältnisse allein  waren,  die  diese  älteren  Kolonisationsversuche 
scheitern  liefsen;  ihre  Hauptfehler  lagen  in  anderer  Richtung. 
Sie  waren  noch  zu  sehr  von  dem  alten  Konquistadorengeist 
getragen,  von  der  Sucht  nach  Abenteuern,  mühelosen  Er- 
oberungen und  dem  raschen  Erwerb  blendender  Reichtümer; 
es  maugelte  an  der  nötigen  Erfahrung  im  Kolonisieren,  an  dem 
geeigneten  Menschenmaterial,  an  Klugheit  und  Mälsigung  im 
Verkehr  mit  den  Eingebornen;  vor  allem  aber  waren  die 
meisten  dieser  Unternehmungen  nicht  sicher  genug  fundiert 
und  nicht  planmäfsig  genug  vorbereitet  und  durchgeführt. 


478 

2.  Die  Gründung  der  Kolonie  Virginien.O 


Schon  Raleigh  hatte  nach  seinen  ersten  Enttäuschungen 
erkannt,  dafs  die  Ausrüstung  dieser  Kolonialexpeditionen  auf 
die   Dauer  an   die   finanzielle   und   geistige  Leistungsfähigkeit 


*)  Wir  sind  in  der  glücklichen  Lage,  über  die  Anfänge  der  britischen 
Niederlassungen  in  Amerika  eine  ausführliche,  sehr  lebendig  und  anschau- 
lich geschriebene  Darstellung  aus  der  Feder  des  Captain  John  Smith 
zu  besitzen,  des  Mannes,  der  in  der  ältesten  Siedlungsgeschichte  eine 
besonders  wichtige  Rolle  spielte.  Seine  Generali  Historie  of  Virginia, 
New  England  and  the  Summer  Isles  erschien  1024  und  wurde  1626,  1627 
und  1632  neu  aufgelegt.  Ein  guter  Neudruck  in  zwei  Bänden  kam  1907 
im  Verlag  von  James  MacLehose  and  Sons  zu  Glasgow  heraus.  Die  beste 
Gesamtausgabe  von  Smiths  Werken  ist  die  von  Edward  Arber  in  The 
English  Scholar' s  Library,  Birmingham  1884;  neu  herausgegeben  mit  bio- 
graphischer und  kritischer  Einleitung  von  A.  G.  Bradley,  Edinburgh,  John 
Grant,  1910;  2  Bde. 

Die  umfassendste  Sammlung  der  Gesetze  und  sonstiger  für  die  Ver- 
fassungsgeschichte Virginieus  wichtigen  Dokumente  von  1606  — 1808  enthält 
das  grofse  13 bändige  Werk  von  William  W.  Hening,  The  Statutes  at 
Large;  heing  a  Colledion  of  all  the  Laws  of  Virginia,  mit  einer  3  bändigen 
Fortsetzung  von  S.  Shepherd. 

Die  wichtigste  Aktensammlung  für  die  Anfänge  der  virgiuischen  Ge- 
schichte ist:  The  Records  of  The  Virginia  Company  of  London:  The 
Court  Book,  from  the  Manuscript  in  the  Library  of  Congress  ed.  with  an 
Introductiou  and  Bibliography  by  Susan  MyraKingsbury;  Washington 
1906.  Das  2  bändige  Werk  enthält  aufser  einer  bibliographischen  Übersicht 
über  sämtliche  bekannten  Dokumente  zur  virgiuischen  Geschichte  von 
1600—1626  eine  Ausgabe  der  Akten  der  Gesellschaft  von  1619—24.  Die 
Originale  derselben  sind  verschollen.  Die  Ausgabe  beruht  auf  einer  zeit- 
genössischen Abschrift,  die  sich  im  16.  Jahrhundert  zuerst  im  Besitz  des 
Earl  of  Southampton,  dann  in  der  Bibliothek  von  William  Byrd  befand 
(s.  unten  S.  503),  und  die  später  durch  Jefferson  erworben  und  der 
Kongrefsbibliothek  überwiesen  wurde. 

Diese  Abschrift  lieferte  William  Stith  den  Hauptstoft'  zu  seiner 
treflflichen  History  of  Virginia,  deren  erster  und  einziger  Band  1747  zu 
Williamsburg  erschien,  worin  der  gelehrte  Verfasser  eine  sehr  sorgfältige 
und  noch  heute  wertvolle  Darstellung  der  ältesten  Geschichte  Virginiens 
bis  1624  gibt  (s.  unten  S.  505f.). 

Für  die  spätere  Zeit  ist  auch  Robert  Beverleys  History  and 
Present  State  of  Virginia  (London  1705)  beachtenswert,  namentlich  in 
kulturgeschichtlicher  Hinsicht  (s.  unten  S.  505). 

Die  besten  neueren  Monographian  über  die  Geschichte  Virginiens  und 
seiner  Nachbarstaaten  sind  das  Buch  des  Engländers  J.  A.  Doyle,   The 


479 

des  einzelnen  zu  hohe  Anforderungen  stellte.  Eine  Besserung 
trat  denn  auch  erst  ein,  seitdem  Gesellschaften  oder  Ge- 
nossenschaften die  Kolonisation  systematisch  in  die  Hand  nahmen. 
Nach  dem  Muster  der  Ostindisehcu  Handelskompanie  von  1600 
gründete  sich  jetzt  eine  Aktiengesellschaft  für  die  Kolonisierung 
Amerikas,  die  am  10.  April  IGOC  von  Jakob  I.  einen  Freibrief 
erhielt.  Sie  zerfiel  in  zwei  Gruppen:  die  südliche  oder  Lon- 
doner und  die  nördliche  oder  Plymouther  Kompanie,  zwischen 
denen  die  ganze  amerikanische  Ostküste  von  Carolina  bis 
hinauf  nach  Maine  verteilt  wurde. 

Und  nun  ging  es  energisch  an  die  Ausrüstung  einer  neuen 
Expedition  nach  Virginien.  An  Zustrom  von  Teilnehmern 
fehlte  es  nicht.  Wenn  die  letzten  Unternehmungen  auch  er- 
gebnislos verlaufen  waren,  so  hatten  sie  doch  das  öffentliche 
Interesse  an  Virginien  mächtig  erregt,  und  die  übertriebenen 
Erzählungen  der  Heimkehrenden  von  der  Üppigkeit  der  Vege- 
tation und  dem  Reichtum  des  Landes  an  Edelmetallen  lielsen 
es  den  staunenden  Bürgern  Altenglands  geradezu  als  irdisches 
Paradies  erscheinen.  „Virginia,  earth's  only  paradise!"  nennt 
Drayton  es  in  einer  Ode.  Das  Goldfieber  hatte  weite  Kreise 
des  Volks  ergrilfen.  In  einer  gelungenen  Szene  von  Chap- 
mans  und  Marstons  Lustspiel  EasUvard  Hoe!^)  (1605)  kommt 
diese  Stimmung  drastisch  zum  Ausdruck.  Captaiu  Seagull  be- 
lehrt die  Herren  Spendall  und  Scapethrift,  die  unter  seiner 
Führung  au  der  Expedition  des  Industrieritters  Sir  Petronel 
Flash  nach  Virginien  teilnehmen  wollen,  über  die  Natur  und 
die  Schätze  dieses  Wunderlandes  (Akt  III,  Sz.  3). 

Seagull.  Comc  boys,  Virginia  longs  tili  we  share  the  rest  of  her 
maidenhead. 

Spendall.    Wliy,  is  she  inhabited  already  with  any  Englisli? 

Seagull.    A  whole  country  of  Engllsh  is  there,  man,  bred  of  those 


English  m  America:  Virginia,  Maryland,  and  the  Carolinas  (London  1882), 
und  besonders  das  zweibändige  Werk  des  Amerikaners  John  Fiske,  Old 
Virginia  and  her  Neighbours  (Boston  u.  New  York:  Houghton,  Miftlin  &  Co.; 
London:  Macmillan;  1897). 

')  Herausgegeben  von  A.  H.  Bullen  in  seiner  Ausgabe  von  Marstons 
Werken,  London  ISST,  Bd.  3.  —  Sonderausgabe  von  Felix  E.  Schelling 
in  der  Beiles  Lettres  Series,  Boston  1903;  in  der  Originalorthographie  und 
mit  Varianten. 


480 

that  were  left  there  in  '79  ;i)  they  have  married  with  the  Indians,  and 
rnake  'bem  bring  forth  as  beautiful  faces  as  any  we  have  in  England ;  and 
tberefore  the  Indians  are  so  in  love  with  'hem,  that  all  the  treasure  they 
have  the)'  lay  at  their  feet. 

Scapethrift.  But  is  there  such  treasure  there,  captaiu,  as  1  have 
heard? 

Seagull.  I  teil  thee,  gold  is  more  plentiful  there  than  copper  is  with 
US;  and  for  as  much  red  copper  as  I  can  bring  I'll  have  thrice  the  weight 
in  gold.  Why,  man,  all  thcir  dripping-pans  and  thelr  chamber-pots  are 
pure  gold;  and  all  the  chalns  with  which  they  chain  np  their  streets  are 
massj'  gold;  all  the  prisoners  the}'  take  are  fettered  in  gold;  and  for 
rubies  and  diamonds,  they  go  forth  on  holidays  and  gather  'hem  by  the 
seashore,  to  hang  on  their  children's  coats,  and  stick  in  their  caps,  as 
commonly  as  our  children  wear  saffron-gilt  brooches  and  groats  with  holes 
in  'hem. 

Scapethrift.    And  is  it  a  pleasant  country  withal? 

Seagull.  As  ever  the  snn  shined  on:  temperate,  and  füll  of  all  sorts 
of  excellent  viauds;  wild  boar  is  as  common  there  as  our  tarnest  bacon 
is  here;  venison  as  mutton.  And  then  you  shall  live  freely  there,  without 
sergeants,  or  courtiers,  er  lawyers,  or  intelligencers  ....  Then  for  yonr 
means  to  advaucement,  there  it  is  simple  and  not  preposterously  mixed. 
You  may  be  an  alderman  there,  and  never  be  scavenger;  you  may  be  a 
nobleman,  and  never  be  a  slave.  You  may  come  to  preferment  enongh, 
and  never  be  a  pander;  to  riches  and  fortune  enongh,  and  have  never 
the  more  villaiuy  nor  the  less  wit.  Besides,  there  we  shall  have  no  more 
law  than  conscience,  and  not  too  much  of  either;  serve  God  enough,  eat 
and  drlnk  enough;  and  enough  is  as  good  as  a  feast. 

Diese  köstliche  Satire  zeigt  wirkungsvoll,  was  für  phan- 
tastische Vorstellungen  von  dem  Eldorado  jenseits  des  Ozeans 
damals  in  England  verbreitet  waren  und  von  den  Amerika- 
fahrern absichtlich  in  Umlauf  gesetzt  wurden.  Aber  die  Namen 
Spendall  'Verschwender'  und  Scapethrift  'Tunichtgut'  und  die 
utopistische  Schilderung,  die  der  alte  Seebär  den  beiden  von  dem 
Schlaraifenleben  drüben  entwirft,  lassen  erkennen,  aus  was  für 
Elementen  sich  das  Kolonistenmaterial  in  erster  Linie  zusammen- 
setzte. 

Am  19.  Dezember  1606  fuhren  die  drei  Schiffe,  die  von 
der  Londoner  Gesellschaft  ausgerüstet  waren,  mit  einer  Schar 
wagemutiger  Abenteurer  an  Bord  die  Themse  hinunter,  von 
den  Wünschen  der  hauptstädtischen  Bevölkerung  und  einer  mehr 

*)  Mufs  heifsen  '87:  die  Anspielung  bezieht  sich  zweifellos  auf  die 
verschollenen  Ansiedler  von  Roanoke,  die  1587  dort  landeten  (s.  oben 
S.  475). 


481 

schwungvollen  als  formvollendeten  Ode  Michael  Draytons 

geleitet.  You  brave  heroic  minds, 

Worthy  yonr  country's  name, 
That  honour  still  pursue, 
Go  and  subdue, 
Whilst  loiteriug  hinds 

Lark  bere  at  home  with  sbame. 

BritüDS,  you  stay  too  long, 
Quickly  aboard  bestow  you, 
And  with  a  merry  gale 
Swell  your  stretched  sail, 
With  vows  as  streng 

As  the  winds  that  blow  you. 

And  cheerfuUy  at  sea 
Success  you  still  entice, 

To  get  the  pearl  and  gold, 
And  ours  to  hold 
Virginia, 

Earth's  only  paradise!    etc. 

Auf  dem  üblichen  Umweg-  über  die  Kanarischen  Inseln 
und  Westindien  erreichten  die  Auswanderer  nach  mehr  als 
vierteljähriger  Fahrt  das  Festland  Nordamerikas.  Ein  Sturm 
warf  sie  am  26.  April  in  die  Chesapeake-Bai,  und  hier  gründeten 
sie  auf  einer  niedrigen,  militärisch  günstigen  Halbinsel  am 
13.  Mai  1607  den  Ort  Jamestown,  den  Eckstein  der  Kolonie 
Virginien. 

Die  Ankömmlinge  waren  voll  Entzücken  über  den  üppigen 
Pflanzenwuchs  und  das  milde  Klima  ihrer  neuen  Heimat,  die 
sie  gerade  in  der  günstigsten  Jahreszeit  kennen  lernten.  Sie 
mulsten  nur  zu  bald  erfahren,  dafs  ihre  Wohnstätte  ein  wahres 
Fiebernest  war,  in  dem  bald  der  grölste  Teil  der  Ansiedler 
zugrunde  ging. 

Das  Menschenmaterial,  das  den  Grundstock  dieser  ersten 
dauernden  Niederlassung  der  Engländer  auf  amerikanischem 
Boden  ausmachte,  war  buntscheckig,  zusammenhangslos  und 
in  der  Hauptsache  unbrauchbar.  Von  100  Kolonisten  waren 
über  die  Hälfte  Gentlemen,  meist  junge  Herrchen  der  jeunesse 
doree,  die  zu  Hause  nicht  gut  getan  hatten,  einige  davon 
aus  angesehenen  Familien.  Die  kleinere  Hälfte  setzte  sich  aus 
vier  Zimmerleuten,   einem  Grobschmied,   zwei  Maurern,  einem 

Studien  z.  engl.  Phil.    L.  31 


482 

Schneider,  einem  Chirurg,  einem  Barbier,  einem  Matrosen,  einem 
Tambour,  vier  Knaben  und  einer  Anzahl  von  Arbeitern  zu- 
sammen;') gerade  die  wichtigsten  Berufszweige,  Handwerker 
und  Bauern,  fehlten  ganz  oder  waren  nur  sehr  schwach  ver- 
treten. Von  all  diesen  Männern  lag  die  Mehrzahl  unter  der 
Erde  Virginiens,  ehe  noch  das  Jahr  zu  Ende  ging. 

Die  Lücken,  die  der  Tod  rifs,  wurden  durch  Nachschübe 
ersetzt.  Im  Januar  1608  kam  ein  zweiter  Transport  mit  etwa 
120  Mann,  wovon  ein  gutes  Viertel  Gentlemen  waren;  im  Sep- 
tember 1608  folgten  wieder  etwa  70,  davon  über  ein  Drittel 
Gentlemen.-)  In  den  Jahren  1609 — 10  kamen  dann  weitere 
500,  darunter  auch  Frauen  und  Kinder.  Aber  die  Zusammen- 
stellung aller  dieser  Nachschübe  war  nicht  besser  als  die  der 
ersten  Expedition.  Vergebens  beschwerte  sich  Captain  John 
Smith,  der  fähigste  unter  den  Führern  der  jungen  Kolonie, 
über  die  „vielen  unbotmäfsigen  Galans,  die  von  ihren  Freunden 
hierher  geschickt  wurden,  um  schlimmerem  Los  zu  entgehn";^) 
vergebens  bat  er  1608  den  Verwaltungsrat  in  London,  man 
möge  ihm  „lieber  dreifsig  gut  ausgerüstete  Zimmerleute,  Land- 
wirte, Gärtner,  Fischer,  Schmiede,  Maurer  und  Holzhauer 
schicken  als  tausend  von  denen,  die  sie  da  hätten". *)  Seine 
Stimme  verhallte  wie  die  des  Rufenden  in  der  Wüste. 

Deutlich  geht  aus  alledem  die  heterogene  Zusammen- 
setzung der  Ansiedler  hervor.    Es  standen  sich  zwei  scharf  ge- 


*)  Siehe  die  Liste  bei  John  Smith,  Generali  Historie  III  Kap.  1  (Aus- 
gabe von  Arber-Bradley  3S9f.,  von  MacLehose  I  S.  90 f.),  wo  die  einzelnen 
nach  Stand  und  Namen  aufgeführt  werden. 

*)  Siehe  die  Listen  bei  Smith,  Gen.  Eist.  III  Kap.  4  (bei  Arber- 
Bradley  S.  411f.  445 f.,  MacLehose  I  S.  113f.  151). 

3)  „Many  unruly  Gallants,  packed  thither  by  their  friends  to  escape 
ill  destinies";  Generali  Eistorylll'K.z.T^.  VI  (Arber-Bradley  480,  MacLehose 
I  189). 

*)  „When  you  send  againe  I  intreat  you  rather  send  but  thirty 
carpenters,  husbandmen,  gardiners,  fishermen,  blacksmiths,  masons,  and 
diggers  up  of  trees'  roots,  well  provided,  then  a  thousand  of  such  as  we 
have:  for  except  wee  be  able  both  to  lodge  them,  and  feed  them,  the  most 
will  consume  with  want  of  necessaries  betöre  thej'  can  be  made  good  for 
auything."  Aus  Smiths  Rüde  Ansiver,  die  er  1608  an  den  Londoner  Ver- 
waltungsrat schickte  {Gen.  Bist.  III  Kap.  7:  bei  Arber-Bradley  444,  Mac 
Lehose  I  150). 


483 

trennte  Schichten  gegenüber:  auf  der  einen  Seite  Adlige  und 
Gentlemen,  auf  der  andern  niederes  Volk.  Das  Wichtigste,  ein 
solider  Mittelstand,  fehlte;  es  mangelte  an  Handwerkern  und 
Bauern,  es  gebrach  vor  allem  an  einer  zusammenhaltenden 
Idee:  Abenteuerlust  und  Gewinnsucht  war  es,  was  die  meisten 
herüber  getrieben  hatte.  Der  Prozentsatz  der  Gentlemen  blieb 
andauernd  ein  starker:  er  ist  für  die  weitere  Entwicklung  des 
virginischen  Wirtschafts-  und  Verfassungslebens  bedeutsam;  der 
Kest  waren  vorwiegend  Arbeiter  oder  Bummler  und  Desperados 
aus  den  untern  Schichten  des  Volks.  Die  einen  waren  keine 
Arbeit  gewohnt,  die  andern  liebten  sie  nicht;  selbst  der  ver- 
hältnismäfsig  leichte  Maisbau,  die  Hauptquelle  für  den  Lebens- 
unterhalt in  Virginien,  war  ihnen  zu  beschwerlich;  sie  hatten 
die  Heimat  verlassen,  um  in  der  neuen  Welt  mühelos  reich  zu 
werden,  nicht  um  ein  zweites  Europa  zu  finden. 

Ein  kommunistisches  Betriebssystem,  das  die  Grund- 
lage der  jungen  Kolonie  bildete,  war  nicht  gerade  dazu  ange- 
tan, die  schlimmen  Folgen  einer  verfehlten  Zusammensetzung 
der  Ansiedler  zu  parieren.  Nach  der  Charter  von  1606  mufsten 
alle  Kolonisten  für  die  Kompanie  arbeiten,  dafür  wurden  sie 
von  ihr  aus  gemeinsamen  Mitteln  erhalten  und  hatten  einen 
gewissen  Anteil  am  Gewinn.  Infolgedessen  tat  natürlich  keiner 
etwas.  Eine  im  Jahr  1609  vorgenommene  Änderung  der  Charter, 
wonach  jeder  Auswanderer  für  seine  Arbeit  sieben  Jahr  lang 
von  der  Gesellschaft  unterhalten  werden,  einen  Anteilschein  an 
dem  Unternehmen  und  am  Schlufs  der  sieben  Jahre  eine  Land- 
parzelle erhalten  sollte,  lockte  Hunderte  neuer  Auswanderer 
an,  teils  aus  den  Reihen  der  abenteuerlustigen  oder  nichts- 
nutzigen Vertreter  der  besseren  Stände,  teils  aus  den  Kreisen 
des  unbemittelten  Volks  und  des  verworfenen  Pöbels,  aber  eine 
Besserung  der  Verhältnisse  wurde  dadurch  nicht  geschaflFen. 
Im  Gegenteil,  die  Mafsregel  war  zunächst  nur  zu  sehr  geeignet, 
die  Elemente  der  Faulheit,  Zügellosigkeit,  Unzufriedenheit  und 
Anarchie  in  der  jungen  Niederlassung  zu  vermehren. 

Dazu  kam,  dals  in  London  die  Kolonien  direkt  als  Plätze 
zum  Abschieben  von  Faulenzern  und  Taugenichtsen  empfohlen 
wurden,  wie  es  ja  zu  andern  Zeiten  auch  bei  andern  Völkern 
geschehen  ist,  und  dals  es  seit  1619  stehender  Brauch  britischer 

31* 


484 

Gerichtsbarkeit   ward,  Sträflinge   nach  Virginien  zu  schicken, 
wo  sie  als  Diener  verkauft  wurden. 

Unfähigkeit  verschiedener  der  ersten  Präsidenten,  kon- 
stitutionelle Schwäche  und  rascher  Amtswechsel  derselben, 
beständige  Gefahr  der  Hungersnot,  Indianerüberfälle,  grofse 
Sterblichkeit  infolge  der  fieberschwangern  Lage  der  ersten 
Niederlassung  vervollständigen  das  trübe  Bild  der  Ursprünge 
englischen  Kolonialwesens  in  Amerika. 


3.   Wandlungen  im  Verfassungssystem. 

"Wenn  trotzdem  diese  Kolonie  nicht  einging,  wie  die  früheren, 
so  ist  es  in  erster  Linie  das  Verdienst  eines  Mannes,  der  als 
Präsident  (1608 — 09)  mit  eiserner  Faust  ein  autokratisches 
Szepter  führte,  der  durch  die  Macht  seiner  furchtlosen,  graden 
Persönlichkeit,  seine  vorausschauende  Klugheit  und  rücksichts- 
lose Tatkraft  die  Widerspenstigen  bändigte,  die  Kolonie  vor 
Hungersnot  bewahrte,  die  Indianer  in  Schach  hielt  und  zugleich 
durch  die  Feder  in  England  für  die  Sache  Virginiens  wirkte: 
Captain  John  Smith,  i)  Sein  scharfer  Verstand,  seine  Tapfer- 
keit und  rücksichtslose  Energie  in  Verbindung  mit  einer  reichen 
Lebens-  und  Kriegserfahrung,  die  er  sich  auf  zahlreichen  Feld- 
zügen in  allen  Ländern  Europas  erworben  hatte,  machten  ihn 
trotz  seiner  verhältnismälsig  jungen  Jahre  rasch  zu  der  mar- 
kantesten, überragendsten  Persönlichkeit  in  jener  Schar  koloni- 
satorischer Abenteurer.  Freilich  aus  dem  minderwertigen 
Menschenmaterial  fleilsige  Arbeiter  zu  machen,  Ackerbau  und 
Industrie  zu  begründen  und  so  die  Folgen  der  kommunistischen 
Verfassung  zu  paralysieren,  das  hat  auch  Smith  nicht  vermocht. 
Es  fehlte  ihm  dazu  die  nötige  autoritative  Gewalt  und  der 
Eückhalt  an  der  Verfassung  und  an  dem  Londoner  Ver- 
waltungsrat. 


1)  Über  sein  abenteuerliches  und  ereignisreiches  Leben  (1580 — 1631), 
seine  Persönlichkeit  und  seine  Bedeutung  für  die  Anfänge  Virginiens 
handelt  eine  treffhche  Monographie  von  A.  G.  Bradley  in  der  Serie 
'English  Men  of  Action'  {Cujitain  John  Smith;  London,  Macmillan,  1905). 


485 

Erst  allniiiblieli  im  Lauf  der  Jahre  ergab  sich  durch  die 
schlimmen  Erfahrungen  der  richtige  Weg,  auf  dem  die  Schäden 
des  Systems  allein  zu  beseitigen  waren.  Die  Überführung 
anarchischer  Zustände  in  geordnete  staatliche  Verhältnisse 
wird  am  sichersten  und  schnellsten  durch  ein  vernünftig 
despotisches  Regime  erreicht.  Hatte  Smith  mit  seinem 
praktischen  Instinkt  das  sofort  erkannt  und  deshalb  auf  eigne 
Verantwortung  und  auf  seine  persönliche  Autorität  hin  ein  in 
der  Verfassung  nicht  begründetes  autokratisches  Regiment 
geführt,  so  ward  bald  nach  seinem  Abgang  der  wählbare 
Präsident  offiziell  durch  einen  Gouverneur  mit  unum- 
schränkten Befugnissen  ersetzt,  der  von  der  Gesellschaft 
ernannt  und  vom  König  bestätigt  wurde.  Die  drakonische 
Gesetzgebung  Dales  (seit  1611)  sorgte  für  die  Herstellung  und 
Aufrechterhaltung  der  Disziplin.  Die  Autorität  des  Königs, 
der  Staatskirche  und  der  Londoner  Kompanie  ward  nunmehr 
aufs  strengste  eingeschärft.  Gottes-  und  Religionslästerung, 
ja  Fehlen  beim  Gottesdienst,  Majestätsbeleidigung,  Schmähung 
der  Kompanie,  unerlaubter  Handel  mit  Indianern,  böswillige 
Zerstörung  der  Ernte  oder  Tötung  von  Vieh  wurden  mit  dem 
Tode  bestraft,  Faulheit  im  Tagewerk  aufs  strengste  geahndet. 

Zugleich  aber  tat  man  einen  Sehritt,  der  für  die  Gesundung 
der  Verhältnisse  von  ungleich  tiefergreifender  Bedeutung  war 
als  der  rigorose  Straf kodex:  man  schaffte  das  kommunistische 
System  ab  und  schränkte  damit  die  Verlockung  zu  Mülsig- 
gang  und  Übertretungen  und  die  Notwendigkeit  zu  strafen  ein. 
Jeder  gewöhnliche  Einwanderer  erhielt  sofort  drei  Acker 
urbares  Land  und  zu  dessen  Bearbeitung  während  der  Saat- 
und  Erntezeit  einen  Monat  frei.  Dadurch  war  ein  natürlicher 
Anreiz  zu  individueller  Arbeit  und  persönlichem  Erwerb  ge- 
geben. Die  Wirkung  war  wunderbar.  Verbrechen,  Unordnung, 
Unzufriedenheit,  Hungersnot  schwanden,  überall  kehrten  Fleils, 
Tätigkeit,  Wohlstand  ein.  Die  Arbeit  von  drei  bis  vier  Mann, 
so  berichtet  uns  ein  Augenzeuge  (Master  Hamor),0  brachte 
fortan   ebensoviel   zustande  wie  die  Arbeit  von  dreilsig  unter 

1)  Zitiert  bei  Bradley  iu  seinem  Leben  Smiths  S.  192  und  194.  Auch 
Smith  selbst  in  seiner  Gen.  Hist.  IV  (ed.  Arber-Bradley  508,  MacLehose 
I  214)  gibt  Hamors  günstiges  Urteil  über  Dales  drakonische  Herrschaft 
wieder. 


486 

dem  komrauiiistisclien  System,  das  selbst  die  Fleilsigen  ent- 
mutigt hatte.  Es  war  ein  vollständiger  Sieg  des  in- 
dividualistischen Prinzips  über  das  sozialistische. 

Nachdem  so  mit  Gewaltmitteln  in  wenigen  Jahren  ge- 
ordnete Verhältnisse  geschaffen  waren,  war  die  Bahn  zu  freiheit- 
licher Entwicklung  der  Kolonie  geebnet.  Mit  dem  Sieg  der 
Liberalen  in  der  Londoner  Kompanie  und  der  Wahl  des  Sir 
Edwin  Sandys  zum  Schatzmeister  im  Jahr  1619  waren  die 
Tage  des  Despotismus  gezählt.  Sandys  gab  1619  der  jungen 
Kolonie  eine  parlamentarische  Verfassung,  die  für  die 
Verfassungen  der  andern  Kolonien  vorbildlich  wurde.  Der 
Gouverneur  blieb  bestehen,  aber  er  hatte  neben  sich  eine  be- 
ratende Körperschaft  (council)  und  eine  gesetzgebende  Ver- 
sammlung, das  House  ofBurgesses,  das  bis  zur  Unabhängigkeits- 
erklärung von  1776  bestanden  hat.  Am  30.  Juli  1619  hielt 
dies  Abgeordnetenhaus  seine  erste  Zusammenkunft.  Damit 
beginnt  die  Periode  der  Selbstregierung,  die  von  segensreichstem 
Einfiuls  auf  das  Gedeihen  der  Kolonie  war. 

Eine  Schiffsladung  Frauen,  die  im  gleichen  Jahr  von 
England  herüber  kam,  trug  wesentlich  zur  Hebung  des  häus- 
lichen Lebens  und  zur  Festigung  der  Gesittung  bei.  Es  wurden 
feste  Häuser  gebaut  und  Möbel  dafür  aus  England  importiert. 

Die  Bevölkerung  nahm  nun  rasch  zu:  1619  zählte  man 
1000,  1622  schon  4000  weilse  Einwohner  und  22  Neger.  Das 
indianische  Massakre  von  1622  erzeugte  nur  einen  vorüber- 
gehenden Stillstand  der  Entwicklung.  Selbst  die  Aufhebung 
der  Kompanie  (1624),  die  seit  dem  Sieg  der  Liberalen  von 
König  Jakob  mit  scheelen  Augen  angesehen  wurde,  und  die 
Übernahme  der  Kolonie  durch  die  Krone  hatte  unerwarteter 
Weise  gute  Wirkungen.  Die  Befürchtungen  einer  Erneuerung 
der  despotischen  Regierung,  die  sich  an  dies  Ereignis  knüpften, 
wurden  durch  Jakobs  Tod  1625  zerstreut.  Karl  L,  von  der 
allerdings  trügerischen  Hoffnung  auf  das  einträgliche  Tabaks- 
raonopol  geleitet,  erkannte  das  koloniale  Parlament  an.  Und 
als  Kronkolonie  war  Virginien  schlielslich  doch  mehr  sich 
selbst  überlassen  und  unabhängiger  gestellt  als  unter  der 
Herrschaft  der  Kompanie;  denn  die  Krone  konnte  sich  natur- 
gemäls  nicht  so  viel  um  die  Kolonie  kümmern  wie  eine  Ge- 
sellschaft, die  beständig  geneigt  war,  in  ihre  Verwaltung  hinein- 


487 

zureden  und  in  ihre  Entwicklung  einzugreifen,  und  die  als 
Aktiengesellsebaft  doch  auch  ihren  Gewinn  aus  dem  Kolonial- 
unternehmen haben  wollte,  was  sich  mit  dem  Interesse  der 
Kolonie  nicht  notwendig  deckte. 

So  breiteten  sich  denn  die  Ansiedlungen  in  den  nächsten 
Jahren  immer  weiter  ans,  und  mehr  und  mehr  wich  die 
Indianergrenze  zurück.  Im  Jahr  1629  wird  die  Einwohner- 
zahl auf  etwa  5000  angegeben  und  der  Bestand  an  Grofsvieh 
gleichfalls  auf  5000  Stück  geschätzt.  Ziegen,  Schweine,  Ge- 
flügel, Fische,  Wild  und  Korn  aber  waren  in  solcher  Menge 
vorhanden,  dafs  man  3 — 400  Menschen  mehr  hätte  ernähren 
können. ') 


4.   Der  Tabak  als  Grundlage  des 
WirtschaHtslebens. 


Das  Wirtschaftsleben  der  neuen  Kolonie  aber  nahm  sehr 
eigentümliche  Formen  an,  die  von  denen  des  wirtschaftlichen 
Lebens  in  den  Neu-England-Staaten  von  Grund  aus  verschieden 
waren. 

Über  dem  Eingangstor  der  virginischen  Kolonie  stand  zu- 
nächst auch  noch  in  blendenden  Lettern  das  Wort  „Gold" 
eingegraben.  Die  atiri  sacra  fames,  die  HoflFnuug,  drüben  Gold 
und  Edelsteine  zu  finden,  hatte  die  Mehrzahl  der  ersten  Aus- 
wanderer über  den  Ozean  getrieben.  Es  war  jedenfalls  kein 
Zufall,  dals  sich  unter  den  Teilnehmern  an  der  ersten  Er- 
gänzungsexpedition ein  Juwelier,  zwei  Goldschmiede  und  zwei 
Kaffineure  befanden.  2)  Bezeichnend  für  den  Geist,  der  das 
ganze  Unternehmen  ursprünglich  durchwehte,  ist  die  Weisung, 
die  der  Londoner  Verwaltungsrat  1608  dem  Führer  des  zweiten 
Nachschubs,  Captain  Newport,  mit  auf  den  Weg  gab:  er  solle 
nicht  zurückkehren,  ohne  einen  Klumpen  Gold  oder  die  nord- 
westliche Durchfahrt    (nach   dem   Goldland   Indien)    gefunden 


1)  J.  Smith,  Jrue  Travels,  Kap.  21  (ed.  Arber -Bradley  S.  887,  Mac 
Lehose  Bd.  U  S.  177f.). 

■')  Siehe  die  Liste  bei  Smith,  Generali  Historie,  III  Kap.  4  (ed.  Arber- 
Bradley  412,  MacLehose  Bd.  I  S.  114). 


488 

zu  haben  i)  —  also  immer  noch  dieselbeu  Ziele  wie  zu  Raleighs 
Zeit.  Erst  laugsam  wurde  man  durch  die  Erfahrung  erntiehtert 
und  erkannte,  dals  die  Neue  Welt  doch  nicht  das  Eldorado 
sei,  das  die  erregte  Phantasie  goldgieriger  Abenteurer  sich 
dort  ausgeträumt  hatte.  Man  lernte  einsehen,  dals  man,  um 
reich  zu  werden,  in  Amerika  ebenso  gut  arbeiten  mlisse  wie 
im  alten  Europa. 

Aber  man  fand  wenigstens  einen  vollwertigen  Ersatz  für 
das  Gold.  Seit  1612  wurden  Versuche  mit  dem  Anbau  von 
Tabak  gemacht,  der  von  den  Indianern  seit  langem  in  kleinen 
Gärten  gezogen  worden  war.  John  Rolfe,  der  weilse  Gatte 
der  sagenumwobenen  indianischen  Schönheit  Pocahontas,  war 
der  erste,  der  mit  einer  systematischen  Tabakkultur  erfolgreich 
den  Anfang  machte. 

Trotz  der  Bannbulle  Urbans  VIII.  und  der  Verdammung 
durch  Jakob  I.  war  der  Tabakgenufs  in  Europa  seit  1600 
immer  mehr  Mode  geworden,  und  wenige  Jahrzehnte  nach 
seiner  ersten  Einführung  war  das  neue  amerikanische  Genufs- 
mittel  bereits  ein  bedeutender  Handelsartikel. 

Für  Virginien  war  der  Tabak  als  Anbaupflanze  und  Erwerbs- 
mittel ganz  hervorragend  geeignet.  Der  Boden  war  so  günstig 
wie  nur  möglich,  der  Anbau  war  leicht,  erforderte  keine  grolsen 
Kapitalien  und  gab  einen  schnellen  und  sichern  Gewann. 
Kein  Wunder,  dals  man  nach  den  ersten  Versuchen  sehr  rasch 
die  hohe  Kaufkraft  der  Pflanze  erkannte.  Und  nun  warf  sich 
alles  mit  Ungestüm  auf  den  Tabakbau:  1617  fand  Argall  ihn 
unter  den  Kolonisten  schon  überall  verbreitet  und  sogar  den 
Marktplatz,  die  Stralsen  und  alle  verfügbaren  Plätze  in  James- 
town  mit  Tabak  bepflanzt.  2)  Der  Tabak  wurde  fortan  das 
Hauptprodukt  des  Landes  und  die  Quelle  des  Wohlstands 
seiner  Bevölkerung.    Seine   Bedeutung  als   Gewinnmittel  liels 


')  „not  to  retnrne  without  a  lumpe  of  gold,  a  certaintie  of  the  South 
sea,  or  one  of  the  lost  Company  sent  out  by  Sir  Walter  Raleigh" ;  Smith, 
Gen.  Hist,  III,  Kap.  7  (ed.  Arber -Bradley  434,  MacLehose  Bd.  I  S.  138). 
Siehe  auch  Captain  Smiths  Erwiderung  auf  diese  unsinnige  Weisung  in 
seiner  Rüde  Answer  an  den  Verwaltungsrat :  Gen.  Hist.,  III,  Kap.  7  (ed. 
Arber-Bradley  443,  MacLehose  I  S.  148). 

2)  Smith,  Gen.  Hist,  4.  Buch  (ed.  Arber-Bradley  535,  MacLehose  Bd.  I 
S.  240). 


489 

selbst  dann  nicht  nach,  als  die  Preise  allmählich  zu  sinken 
begannen. 

Die  Nachrichten  von  dem  grofsartigen  Erfolg  der  vir- 
ginischen  Tabakkultiir  aber  wurden  in  England  ein  neues, 
wichtiges  Lockmittel  zur  Auswanderung.  Und  das  Menschen- 
material, das  dadurch  für  die  Kolonie  gewonnen  wurde,  war 
ein  besseres  als  das  frühere.  Die  Träume  von  Gold  und  Edel- 
steinen und  die  kommunistischen  Pläne  der  ersten  Chartern 
hatten  Glücksritter  und  Tagediebe  angelockt;  der  Tabakbau 
zog  vorwiegend  Landwirte,  Geschäftstreibende  und  Handelsleute 
an,  solidere  Elemente,  die  wirklich  arbeiten  wollten. 

Der  Tabak  beherrschte  von  jetzt  an  das  gesamte  wirt- 
schaftliche Leben  Virginiens  nach  der  guten  wie  nach  der 
schlechten  Seite.  Landbau,  Industrie,  Handel,  gesellschaftliches 
Leben,  ja  die  intellektuelle  Kultur  —  alles  stand  mehr  oder 
weniger  unter  dem  Zeichen  des  Tabaks.  Der  Tabak  war 
Zahlmittel  und  Wertmesser:  die  Preise  der  "Waren  wurden  nach 
Pfunden  Tabak  berechnet,  Steuern  wurden  in  Tabak  ausge- 
schrieben, Löhne,  Gehälter,  Strafen,  ja  Frauen  und  Sklaven  in 
Tabak  bezahlt,  i)  Es  war  für  unsre  Begriffe  ein  etwas  un- 
gewöhnliches Zahlungsmittel;  aber  in  einem  Lande,  das  keine 
Edelmetalle  lieferte,  hatte  der  Tabak  in  der  Tat  manche 
Eigenschaften,  die  ihn  als  Ersatz  dafür  besonders  geeignet 
machten:  er  war  dauerhaft,  er  war  allgemein  begehrt  und 
dabei  doch  von  jedermann  leicht  zu  beschaffen. 

In  Europa  ward  die  Nachfrage  nach  virginischem  Tabak 
bald  sehr  lebhaft;  er  machte  dem  teuern  westindischen  empfind- 
liche Konkurrenz.  Die  Ausfuhr  nach  London  war  schon  von 
1614  an  beträchtlich,  und  auch  in  diesem  Handelsverkehr  mit 
dem  Mutterland  war  der  Tabak  nicht  nur  Exportartikel,  sondern 
zugleich  Zahl-  oder  Tauschmittel.  Dabei  war  die  Kolonie 
offenbar  der  gewinnende  Teil,  denn  sie  tauschte  dauerhafte 
oder  unentbehrliche  Kulturartikel  gegen  ein  rasch  verbrauchtes 
und  stets  wieder  begehrtes  Genufsmittel  ein.  Ein  Mitglied 
der  Kompanie  selbst,  namens   Middleton,  wies   1614  in   einer 

')  Hening,  Statutes  at  large  I  12,3  ff.  Siebe  Doyle,  The  English  in 
America  255 — 58.  Durch  ein  Gesetz  von  1633  wurde  bestimmt,  dafs  die 
Berechnung  bei  Verträgen,  Käufen,  Schulden,  Strafen,  in  Geld  nicht  in 
Tabak  zu  geschehen  habe  (Hening  I  216). 


490 

Parlamentsdebatte  nachdrüeklicbst  auf  das  Bedenkliche  dieser 
Zahlungsweise  hin.  „Die  Londoner  Kaufleute",  sagte  er,  „senden 
Waren  aller  Art  hinüber  und  erhalten  dafür  Tabak  statt  Geld, 
zum  ganz  entschiedenen  Nachteil  des  Staates.  Viele  Geistliche 
riechen  jetzt  nach  Tabak,  und  arme  Leute  verschwenden  vier 
Pence  ihres  Tagelohns  des  Abends  in  Rauch."  i) 

Die  ganze  Bevölkerung  Virginiens  war  somit  auf  die  Tabak- 
kultur angewiesen,  ihr  Wohlstand  auf  dem  einen  Artikel  auf- 
gebaut. Und  das  wurde  in  noch  höherem  Mafs  der  Fall,  seit 
Karl  L  den  Import  spanischen  Tabaks  in  England  verbot,  wo- 
durch Virginien  das  Monopol  bekam.  Der  Reichtum  der 
Kolonie  wuchs  nun  schnell,  und  immer  neue  Scharen  von 
Kolonisten  wurden  ins  Land  gezogen. 


5.  Plantagenwirtscliaft  und  Negersklaven. 


Liegt  der  Charakter  Virginiens  als  Ackerbaukolonie  mit 
ausgesprochener  Vorherrschaft  eines  einzigen  Produkts  in  der 
natürlichen  Beschaffenheit  des  Landes  und  in  der  hohen  Kauf- 
kraft des  Tabaks  begründet,  so  wurde  die  Organisation  des 
landwirtschaftlichen  Betriebs  und  die  Struktur  der  Gesellschaft 
anderseits  durch  Charakter  und  Zusammensetzung  der  Ein- 
wanderer und  die  Verwaltungspraxis  der  Kompanie  bestimmt. 
Die  soziale  Schichtung  in  Aristokratie  und  Proletarier,  die  uns 
in  den  Anfängen  der  virginisehen  Kolonie  entgegentrat,  ist  für 
die  weitere  Entwicklung  der  Dinge  mafsgebend  geblieben. 

Nachdem  die  reichtumbringende  Macht  des  Tabakbaus 
erkannt  war,  war  das  Streben  nach  Grofsgrundbesitz 
eine  natürliche  und  unausbleibliche  Erscheinung.  Dieses  Streben 
wurde  durch  die  Gesellschaft  begünstigt.  Zwar  hatte  jeder 
Einwanderer  oder  Einführer  von  Einwanderern  für  jede  ein- 
geführte Person  Anspruch  auf  50  Acres  gegen  jährlichen  Zins 
von  1  Schilling  auf  je  50  Acres.  Aber  vermögende  Leute 
konnten  sich  auch  grölsere  Parzellen  erwerben.  Die  Ange- 
stellten der  Kompanie  vom  Gouverneur  abwärts  wurden  durch 


1)  Neill,  Virginia  Comjmny,  S.  67  (bei  Fiske,  Old  Virginia,  I  180). 


i 


491 

Verleihung-  von  Grundbesitz  verschiedener  Grölse  für  ihre 
Dienste  entschädigt.  Auch  Mitglieder  der  Gesellschaft  erhielten 
für  ihre  Einzahlungen  grölsere  Strecken  Landes  angewiesen, 
die   sie   auf  ihre  Kosten  besiedeln  und  bewirtschaften  sollten. 

Das  waren  die  Anfänge  des  Grolsgrundbesitzes ,  der 
Piautagenwirtschaft,  die  für  das  virginische  Wirtschafts- 
leben bis  in  die  Gegenwart  hinein  ausschlaggebend  geblieben 
ist.     1619  bestanden  bereits  elf  solcher  Plantagen. 

Eine  direkte  Folge  dieser  Bewirtschaftung  ausgedehnter 
Areale  durch  einzelne  Grofsgrundbesitzer  war  die  Nachfrage 
nach  billiger  Arbeit.  Jeder  freie  Kolonist  suchte  möglichst 
selber  ein  Gut  zu  erwerben  und  zu  bewirtschaften;  für  den 
Grolsbetrieb  auf  den  Plantagen  war  man  deshalb  gezwungen, 
sich  nach  billigeren  Arbeitskräften  umzusehn.  Woher  sie 
nehmen?  Es  ist  das  gleiche  Problem,  das  auch  in  den 
Kolonialstaaten   der  Gegenwart   eine   solche  Hauptrolle   spielt. 

Der  natürlichste  Weg  ist  offenbar  die  Verwertung  der 
Eingebornen,  und  die  billigste  Methode  ist  die  Sklaverei.  Da 
nun  die  stolze,  aber  unzivilisierbare  Herrenrasse  der  Indianer 
sich  bald  als  zu  Dienstzwecken  völlig  ungeeignet  erwies,  so 
war  es  von  grolser  Wichtigkeit  für  die  weitere  Entwicklung 
Virginiens,  dals  1619  eine  Anzahl  Negersklaven,  wie  sie  in 
Westindien  schon  seit  längerer  Zeit  in  Verwendung  waren, 
durch  ein  holländisches  Schiff  eingeführt  wurde.  Es  waren 
ihrer  zunächst  etwa  20,  und  ihre  Zahl  nahm  nur  langsam  zu: 
1649  zählte  Virginien  nach  der  Angabe  einer  damals  erschienenen 
Broschüre  ungefähr  15  000  weilse  Ansiedler  und  300  Neger; 
1670  schätzte  Gouverneur  Berkeley  die  Bevölkerung  auf  32000 
freie  Weilse,  6000  weilse  Dienstleute  und  2000  Negersklaven,  i) 

Während  der  beiden  ersten  Drittel  des  17.  Jahrhunderts 
wurde  die  Hauptarbeit  also  noch  von  Weifsen  getan.  Es 
kamen  hierfür  verschiedene  Klassen  von  Menschen  in  Frage. 
Ein  beträchtlicher  und  nicht  der  schlechteste  Teil  dieser  weifsen 
Lohnarbeiter  waren  die  sogenannten  redemptioners,  arme,  aber 
meist  ehrenhafte  Leute,  die  sich  zur  Abtragung  der  Reise- 
kosten vorübergehend  als  Sklaven  verkauften.  Auch  kleine 
Grundbesitzer  verdingten  sich  bisweilen  als  Lohnarbeiter.    Dazu 


0  Siehe  Fiske,  Old  Virginia,  II  2.  6. 


492 

kamen  Kriegsgefangene  und  als  minder  erwUusclite  Elemente 
Proletarier  aller  Art  und  Sträflinge. 

Aber  seit  1670  nimmt  die  Zahl  der  Negersklaven  schnell 
zu.  Im  Jahr  1700  betrug  die  Bevölkerung  Virginiens  un- 
gefähr 60  000  Weif se  und  6000  Neger;  1715  waren  es  etwa 
72000 Weifse  und  23000 Neger;  und  1750  standen  250 000  Weifsen 
wahrscheinlich  schon  250  000  Schwarze  gegenüber! i)  Bedroh- 
lich entrollt  sich  vor  unsern  Augen  hier  bereits  das  Problem 
der  Negerfrage,  das  im  19.  Jahrhundert  Nord  und  Süd  der 
Vereinigten  Staaten  in  den  Bruderkrieg  stürzen  sollte,  und 
das,  nach  Entscheidung  der  Sklavenfrage,  als  Rassenproblem 
bis  in  unsere  Tage  hineinragt,  der  Lösung  durch  kommende 
Geschlechter  harrend. 


6.  Die  Kavaliere. 


Während  des  Bürgerkriegs  zwischen  König  und  Parlament 
nahm  die  Zahl  der  Plantagen  rasch  zu.  Virginien  war  von 
jeher  gut  königlich  und  hoehkirchlich  gesinnt.  Im  Kampf 
zwischen  den  Stuarts  und  dem  Parlament  stand  die  Kolonie 
mit  Entschiedenheit  auf  königlicher  Seite. 

Zwar  waren  seit  1611  auch  viele  Puritaner  eingewandert, 
aber  die  Masse  des  Volks  war  gegen  sie.  1631  wurde,  wohl 
unter  Erzbischof  Lands  Einflufs,  von  der  Kolonialvertretung 
ein  Uniformitäts- Gesetz  angenommen,  welches  die  Lehren  und 
die  Verfassung  der  Staatskirche  in  der  Kolonie  für  allgemein- 
gültig erklärte.  Das  Gesetz  wurde  zunächst  nicht  sehr  streng 
durchgeführt,  aber  nachdem  1642  mit  Berkeley  ein  schroffer 
Feind  der  Puritaner  Gouverneur  geworden,  begann  1643  eine 
systematische  Verfolgung  und  Ausweisung  der  puritanischen 
Geistlichen,  die  den  Puritanern  das  Leben  in  Virginien  immer 
unleidlicher  machte.  Und  als  1649  das  virginische  Parlament 
die  Hinrichtung  Karls  I.  für  eine  hochverräterische  Freveltat 
erklärte  und  sogar  jeden,  der  sie  verteidigte,  mit  Todesstrafe 
bedrohte,  da  wanderten  in  dem  einen  Jahr  1649  mehr  als 
tausend  Puritaner  in  das  katholische  Maryland  aus,  wo  Lord 
Baltimore  im  gleichen  Jahr  ein  Toleranzgesetz  erlassen  hatte. 

»)  Nach  Fiske,  a.a.O.,  II  169. 191. 


493 

Aber  der  Abgang,  den  die  Bevölkerung  Virginiens  durch 
diesen  Auszug  der  Puritaner  erlitt,  wurde  noch  im  selben  Jahr 
durch  die  Einwanderung  von  Kavalieren  reichlich  ersetzt. 
Nach  der  Enthauptung  Karls  I.  (am  30.  Januar  1649)  lud 
Berkeley  die  bedrängten  Royaliston  ein,  nach  Virginien  zu 
kommen,  und  im  Lauf  eines  Jahrs  trafen  gegen  tausend  der- 
selben ein.  Das  starke  Anwachsen  der  weifsen  Bevölkerung 
Virginiens  von  15  000  im  Jahr  1649  auf  38  000  im  Jahr  1670 
(s.  oben  S.  491)  ist  wohl  in  erster  Linie  auf  Rechnung  dieser 
Royalisten-Einwauderung  zu  setzen.  Gleichwie  die  puritanischen 
Familien  Neu -Englands  waren  diese  „Kavalifere"  meist  An- 
gehörige der  besseren  Mittelklasse:  Vertreter  der  Gentry,  freie 
Bauern,  Gewerbtreibeude,  vielfach  auch  Adlige,  fast  alles  ge- 
bildete, wohlhabende  Leute.  Und  ähnlich  wie  die  deutschen 
Auswanderer  von  1848  bildeten  diese  politischen  Flüchtlinge 
ein  auserlesenes  Kultureleraent  von  hervorragender  Tüchtig- 
keit. Ihnen  vor  allem  verdankt  Virginien  seine  Gröfse  imd 
seine  historische  Bedeutung.  Eine  grofse  Anzahl  virginischer 
Familien  mit  Namen  von  bestem  Klang,  wie  Randolph,  Madison, 
Monroe,  Washington,  sind  damals  eingewandert. 

Von  jetzt  an  nimmt  die  Zahl  und  Gröfse  der  Plantagen 
und  damit  auch  die  Sklavenzahl  sehr  rasch  zu  —  ein  Zeugnis 
für  den  Zustrom  wohlhabender  Leute.  In  dem  Zeitraum  von 
1032  bis  1648  wurden  nur  zwei  Plantagen  von  je  5350  Acres 
vergeben;  sonst  bewegt  sich  der  Umfang  der  bewilligten 
Landgüter  in  diesen  Jahren  im  Maximum  zwischen  1000  und 
3000  Acres,  und  die  durchschnittliche  Gröfse  der  Güter  beträgt 
gar  nur  330 — 600  Acres.  In  den  Jahren  1649 — 55  zählen  wir 
bereits  4  Plantagen  von  über  5000  Acres,  und  die  Maximal- 
grölse  der  bewilligten  Güter  steigt  auf  10000  Acres;  von 
1656 — 66  haben  wir  20  Plantagen  von  über  5000,  die  Maximal- 
gröfse  eines  Guts  ist  10  000  Acres;  1667 — 79  sind  es  37  von 
über  5000,  Maximum  20  000;  1680—89  endlich  19  von  über 
5000,  bei  einer  Maximalgröfse  von  20  000  Acres.  Die  durch- 
schnittliche Zahl  der  Acres  in  einer  einzelnen  Bewilligung 
schwankt  in  den  Jahren  1649 — 89  zwischen  522  und  890. 9 

^)  Diese  Übersicht  stützt  sich  anf  die  statistische  Zusammenstellung 
von  Philip  Bruce,  Economic  Hist.  of  Virginia,  I  48" — 571 ;  wiedergegeben 
bei  Fiske,  Old  Yirg.,  II 24. 


494 

Aus  dieser  Zeit  also  stammt  die  Masse  des  virginischen 
Grofsgruüdbesitzes,  auf  dem  sieh  fortan  das  ganze  wirtschaft- 
liche und  soziale  Leben  der  Kolonie  aufbaute,  Unteilbarkeit 
der  Guter  und  Erstgeburtsrecht  haben  dafür  gesorgt,  dafs  sich 
diese  Besitzverhältnisse  bis  in   die  Gegenwart   erhalten  haben. 


".  Pflanzertmn  und  Wirtschaftsleben. 


Gröfsere  und  kleinere  Herrschaftssitze  lagen,  den  englischen 
Manors  gleich,  über  das  Land  zerstreut.  Mount  Vernon,  das  am 
Potomae  gelegene  stattliche  Landgut  des  Generals  Washington, 
gibt  uns  noch  heute  eine  ungefähre  Vorstelluug  von  dem  Aus- 
sehen eines  solchen  virginischen  Herrensitzes  in  der  späteren 
Zeit.  Ungeheure  Tabaksfelder,  hie  und  da  von  ausgedehnteren 
Waldungen  durchzogen,  machten  den  Hauptbestand  der  meisten 
dieser  Güter  aus.  Von  zahlreichen  Wirtschaftsgebäuden  und 
einem  Obst-  und  Gemüsegarten  umgeben,  lag  das  Herrenhaus 
da,  im  17.  Jahrhundert  zunächst  noch  einfach  gehalten,  ohne 
architektonische  Schönheit,  nur  den  praktischen  Bedürfnissen 
sich  anpassend,  erst  vom  18.  Jahrhundert  an  auch  künst- 
lerischen Ansprüchen  Rechnung  tragend.  Die  Herrensitze  be- 
fanden sich  mit  Vorliebe  an  Flüssen  und  Meeresarmen,  die 
überall  tief  ins  Land  dringen  und  lange  die  Rolle  der  Heer- 
strafsen  vertraten.  War  doch  noch  bis  in  die  Mitte  des 
18.  Jahrhunderts  fast  keine  Strafse  gebaut,  was  die  Isolierung 
der  ohnehin  sehr  zerstreut  wohnenden  Ansiedler  noch  ver- 
grölserte. 

Auf  diesen  Plantagen  der  wohlhabenden  virginischen 
Pflanzer  nun  entfaltete  sich  im  18,  Jahrhundert  ein  ungemein 
reiches,  volles,  ja  üppiges  Leben  mit  verfeinerten  Sitten  und 
Kulturbedürfnissen,  allerdings  vorwiegend  materieller  Natur. 
Speisen  und  Getränke  waren  im  Überfluls  da,  und  unter  den 
Getränken  spielten  Importweine  eine  wichtige  Rolle:  für  die 
Prinzipien  moderner  Temperenz  hatten  diese  alten  virginischen 
Pflanzer  wenig  Verständnis.  Gastfreiheit  bis  zur  Verschwendung 
war  die  naturgemälse  Folge  der  räumlichen  Isolierung.  Das 
Bild,   das   uns  Chaucer   (im  Prolog  der  Canterhicry  Tales)  im 


495 

14.  Jahrhundert  hnniorvoll  übertreibend  von  einem  englischen 
Gutsherrn  seiner  Zeit  entwirft,  es  dürfte  in  den  Hauptzügen 
vielleicht  auch  für  den  virginischcn  Pflanzer  des  18.  Jahr- 
hunderts Geltung  haben.  Die  Vorliebe  für  den  Sport  hatten 
die  Kolonisten  aus  der  Heimat  mitgebracht.  Pferderennen  (schon 
1674  erwähnt),  Jagd,  Fischfang,  Hahuenkämpfe,  Spiele,  länd- 
liche Feste  und  Musik  dienten  zur  Erholung  und  Unterhaltung. 
In  Williamsburg,  das  1699  als  Sitz  der  Regierung  gegründet 
und  als  solcher  bald  auch  der  städtische  Mittelpunkt  des  ge- 
selligen Lebens  der  Kolonie  wurde,  bestand  seit  1716  sogar 
ein  Theater,  in  dem  nicht  nur  neuere  Trauerspiele  und  Lustspiele 
wie  Addisons  Cato,  Susan  Centlivres  Busy-Body,  Farquhars 
Hecruiting  Officer  und  Beaux'  Stratagem  (alle  1636)  aufgeführt, 
sondern  auch  Shakespeare  -  Dramen  wie  FiicJiard  III.,  The 
Merchant  of  Venice  und  Othello  (zur  Eröffnung  der  Saison  von 
1751  und  1752)  gegeben  wurden,  i)  Kurz,  es  war  das  merry 
old  England  mit  all  seiner  urwüchsigen  Lebensfreude,  das,  in 
England  durch  die  puritanische  Revolution  unterdrückt,  in  der 
neuen  Welt  auf  dem  Boden  der  jungfräulichen  Kolonie  eine 
kräftige  Fortsetzung  erlebte. 

Die  grofsen  Tabakplantagen,  mit  deren  Bestellung  oft 
Hunderte  von  Arbeitern  beschäftigt  waren,  sind  auch  für  die 
Geschichte  und  das  Verfassungsleben  Virginiens  im  Gegensatz  zu 
jenen  Neu-Englands  von  ausschlaggebender  Bedeutung  gewesen. 
Aus  dem  Kreise  der  Pflanzer  erwuchs  eine  Aristokratie,  die 
zum  Herrschen  wie  geschaffen  war.  In  ihren  Händen  lag  die 
Regierung  der  Kolonie,  die  frühzeitig  einen  oligarchischen 
Charakter  annahm. 

Aber  auch  die  Schattenseiten  dieses  Pflanzertums  traten 
bald  genug  zutage.  Zwar  die  Furcht,  dafs  die  Mode  des 
Rauchens  rasch  vorübergehn  und  damit  die  Tabakindustrie 
vernichtet  werden  könnte,  sollte  sich  als  grundlos  erweisen. 
Aber  die  ausschielsliche  Pflege  eines  einzigen  Artikels  und 
die  eigentümliche  Wirtschaftsform,  die  sich  aus  seinem  Anbau 
ergab,  barg  doch  der  Schäden  und  Gefahren  genug  in  sich. 

Verhältnismäfsig    am    wenigsten    machten    sie    sich    noch 


1)  Siehe  E.  S.  Cook,  Literary  Influences  in  Colo7iial  Nexvspapers,  New 
York  1912,  S.  ISl  — 1S3. 


496 

in  der  Landwirtschaft  geltend.  Viehzucht,  Getreide-  und 
Gemüsebau  wurden,  als  zur  Beschaffung  des  nötigen  Lebens- 
unterhalts unerläfslich,  nach  den  schlimmen  Erfahrungen  der 
ersten  Hungerjahre  in  ausreichendem  Mafse  betrieben.  Von 
Getreidearten  wurden  Mais,  Weizen  und  Gerste  kultiviert;  Mais 
wurde  zeitweise  sogar  nach  Neu -England  ausgeführt.  Im  all- 
gemeinen aber  wurde  doch  nur  das  zum  eignen  Hausbedarf 
Unentbehrliche  produziert,  und  von  Zeit  zu  Zeit  waren  trotz 
allem  Verordnungen  zur  Einschränkung  des  Tabakbaus  und  zur 
zwangsweisen  Aussaat  von  Brotkorn  erforderlich,  weil  immer 
wieder  die  Gewinnsucht  die  Schranken  der  Vernunft  zu  über- 
schreiten drohte. 

Schlimmer  war  die  Wirkung  auf  Handwerk  und  In- 
dustrie. Der  grobe  Hausbedarf  wurde  auf  den  Gütern  selbst 
hergestellt,  wo  sich  unter  den  weifsen  Dienern  und  Kegern 
Handwerker  aller  Art  befanden.  Die  Kinder  der  Diener  und 
Sklaven  schon  wurden  als  Lehrlinge  erzogen.  Aulser  Eisen 
wurden  die  meisten  Rohmaterialien,  wie  Holz,  Häute,  Leinen, 
Wolle,  Obst,  auf  den  Gütern  selbst  erzeugt  und  verarbeitet. 
Gerätschaften  und  Gebäude  wurden  von  den  eignen  Leuten 
verfertigt  und  ausgebessert,  Kleider,  Strümpfe  und  Schuhe  für 
die  Neger  und  die  Kinder  der  Pflanzerfamilien  im  Hausbetrieb 
hergestellt. 

Hie  und  da  gab  es  auch  wohl  selbständige  freie  Hand- 
werker, aber  ihre  Zahl  war  gering,  und  sie  betrieben  ihre 
Kunst  meist  nur  im  Nebengeschäft;  der  Tabakbau  war  rentabler, 
das  Handwerk  als  Erwerbsquelle  ihm  gegenüber  minderwertig, 
und  es  blieb  infolgedessen  auf  primitiver  Stufe  stehen.  Ein 
unabhängiger  Handwerkerstand  konnte  sich  unter  solchen  Ver- 
hältnissen nicht  entwickeln  —  noch  viel  weniger  eine  Grols- 
industrie. 

Nur  Ziegeleien  wurden  in  Tidewater-Virginien,  d.  h.  dem 
Küstenland,  dessen  Kleiboden  für  diese  Zwecke  günstig  war, 
frühzeitig  gegründet.  Hingegen  schlugen  wiederholte  Versuche, 
andere  Industriezweige,  wie  die  Seiden-,  Baumwollen-  und 
Eisenindustrie  einzubürgern,  vollständig  fehl.  Der  Tabak  er- 
drückte alles,  er  liefs  keine  Konkurrenten  aufkommen,  da  er 
mit  leichter  Produktion  und  geringen  Betriebskosten  grofse 
Einträglichkeit  vereinigte.    Die  feineren  Kulturgegenstände  und 


497 

Modeartikel:  bessere  Kleider,  Hüte,  Leder,  Seide,  Pelzsachen, 
Möbel,  wurden  alle  aus  England  bezogen.  Die  Londoner  Mode 
war  tonangebend.  Umsonst  klagte  Beverley  1705  darüber,  dafs 
die  Kobartikel  der  aus  England  eingeführten  Waren  oftmals 
amerikanischen  Ursprungs  seien.  Diese  Bezugsweise  hatte  ja 
wohl  manche  Unannehmlichkeiten,  man  mul'ste  höhere  Preise 
zahlen,  aber  man  erhielt  dafür  auch  bessere  Ware,  als  sie  in 
der  Kolonie  selbst  zu  erlangen  war. 

Besonders  verhängnisvoll  für  die  Entwicklung  aller  ge- 
werblichen Tätigkeit  war  die  Naturalwirtschaft.  In  den 
primitiven  Verhältnissen  der  ersten  Zeit,  bei  dem  Mangel  an 
Arbeitsteilung,  an  Überproduktion  und  Verkehr  war  die  Rück- 
kehr zum  Tauschhandel  erklärlich;  das  dauernde  Festhalten 
daran  aber  war  von  den  bedenklichsten  Folgen  für  die  kulturelle 
Entwicklung  des  Landes.  Ein  Grundstock  von  barer  Münze 
war  wohl  stets  vorhanden,  aber  es  war  wenig,  und  das  Wenige 
zeigte  zudem  die  Neigung,  durch  den  Handelsverkehr  ins  Aus- 
land abzuHiei'sen ,  wie  es  bei  Doppelwährung  dem  besseren 
Zahlungsmittel  stets  ergehen  wird.  Die  Handwerker,  Gewerb- 
treibenden  und  Händler  wurden  in  Tabak  gelohnt,  der  aber 
oftmals  erst  nach  der  Ernte  zahlbar  war;  deshalb  waren  die 
Leute,  um  überhaupt  leben  zu  können,  darauf  angewiesen, 
selbst  Lebensmittel  oder  aber  Geld,  d.  h.  Tabak,  zu  produzieren, 
und  das  war  wieder  ihrem  Gewerbe  hinderlich,  zumal  man 
schon  grolser  Mengen  Tabak  bedurfte,  um  damit  seinen  Unter- 
halt bestreiten  zu  können,  da  der  Tabak  in  der  Kolonie  selbst 
spottbillig  war.  Gesetzliche  Versuche,  die  Handwerker  und 
Händler  vom  Tabakbau  abzuziehen,  schlugen  fehl  und  mulsten 
fehlschlagen  aus  dem  einfachen  Grunde,  weil  die  Leute  darauf 
angewiesen  waren.  So  bewegte  man  sich  in  einem  circulus 
vitiosus,  aus  dem  schwer  herauszukommen  war. 

Man  sollte  nun  denken,  dafs  die  enorme  Tabakproduktion, 
wenn  sie  auch  Gewerbe  und  Industrie  erstickte,  wenigstens 
einen  reichen  Handelsstand  erzeugt  hätte,  da  sie  doch 
gröfstenteils  auf  Export  angewiesen  war.  Gerade  das  Gegen- 
teil war  der  Fall:  ein  einheimischer  Handel  entwickelte  sich 
ebensowenig  wie  Gewerbe  und  Industrie.  Auch  hier  war  die 
Naturalwirtschaft  hinderlich:  der  Tabak  war  ein  unzuläng- 
liches Umlaufsmittel.    Aber  noch  verhängnisvoller  fast  war  ein 

Studien  z.  engl.  Pbil.     L.  32 


498 

anderer  Umstand,  der  an  und  für  sieh  gerade  dem  Handel 
günstig  zu  sein  scheint:  die  Zahl  und  Sehiflfbarkeit  der  Flüsse. 

Die  Plantagen  lagen,  wie  wir  sahen,  an  oder  nicht  weit 
von  den  Flüssen  und  den  Armen  der  Chesapeakebai,  die  bis 
tief  in  das  Land  hinein  schiffbar  sind.  Dies  hatte  den  grofsen 
Vorteil,  dafs  die  Produkte  der  Landwirtschaft  direkt  in  die 
SchiflFe  verladen  werden  konnten,  es  hatte  aber  gleichzeitig  die 
auf  die  Dauer  verderbliche  AVirkung,  dals  von  Anfang  an  fremde 
Kaufleute  —  meist  Engländer,  seltner  Neu -Engländer  —  mit 
ihren  Schiffen  bis  in  das  Innere  des  Landes  kamen,  den  Tabak 
von  den  Gütern  selbst  abholten  und  dafür  alle  notwendigen  Ver- 
brauchsartikel ins  Land  hineinbrachten.  Durch  diesen  direkten 
Tauschverkehr  wurde  aller  Zwischenhandel  ausgeschaltet  und 
die  Entwicklung  eines  einheimischen  Handelsstandes  von  vorn- 
herein unmöglich  gemacht,  zugleich  aber  auch  die  Entfaltung 
einer  einheimischen  Industrie  unterbunden. 

Eine  wichtige  Einrichtung  in  diesem  direkten  Handels- 
verkehr der  virgiuischen  Pflanzer  mit  ausländischen  Import- 
händlern waren  die  Kaufhäuser,  die  über  das  ganze  Land 
zerstreut  lagen  und  mit  allen  notwendigen  Gebrauchsartikeln 
versehen  waren.  In  ihnen  dürfen  wir  ja  auf  der  einen  Seite 
wohl  Ansätze  zur  Ausbildung  eines  einheimischen  Kaufmanns- 
standes  erblicken,  auf  der  andern  aber  waren  gerade  sie  ein 
Haupthemmnis  für  das  Emporkommen  von  Grofskaufleuten  und 
für  die  Konzentration  des  Handels  in  bedeutenderen  Zentralen, 
die  für  die  Entfaltung  einer  grolszügigen  Handelspolitik  von 
höchster  Bedeutung  ist.  Der  inländische  Handel  Virginiens 
blieb  dauernd  in  Händen  von  Kleinkaufleuten  und  Hausierern. 

Die  unausbleibliche  und  wichtigste  Folge  jener  Allein- 
herrschaft der  Landwirtschaft,  des  direkten  Tauschhandels 
und  des  embryonalen  Zustands  von  Handwerk,  Industrie  und 
Handel  war  das  gänzliche  Fehlen  von  Städten.  Noch  zu 
Anfang  des  18.  Jahrhunderts  gab  es  kaum  ein  Dorf  in  Virginien. 
Jamestown  war  in  dem  Aufstand  Bacons  1676  und  dann  noch- 
mals in  den  neunziger  Jahren  durch  Feuer  zerstört  und  nicht 
wieder  aufgebaut  worden.  Williamsburg  zählte  noch  um  die 
Mitte  des  18,  Jahrhunderts  nur  etwa  200  Holzhäuser.  Richmond, 
das  1737  gegründet  wurde  und  1780  Williamsburg  als  Sitz 
der  Regierung  ersetzte,  hatte  1790  erst  3761  Einwohner.     Am 


499 

schnellsten  bat  sich  noch  Norfolk  entwickelt,  wo  sich  der 
Handel  mit  Nord -Karolina  und  Westindien  allniühlieh  kon- 
zentrierte: es  hatte  1776  eine  Einwohnerzahl  von  gegen  6000 
erreicht. 

Wie  sehr  Virginien  in  der  Entwicklung  seiner  Städte  hinter 
den  Nordstaaten  zurück  blieb,  und  wie  sehr  die  Plantagen- 
wirtschaft alle  Kraft  der  Bevölkerung  absorbierte,  zeigt  am 
augenfälligsten  ein  Vergleich  der  obigen  Ziftern  mit  den  Ein- 
wohnerzahlen von  New  York  und  Philadelphia,  von  denen  das 
erstere  bei  Beginn  des  Unabhängigkeitskriegs  bereits  25000, 
das  letztere  gar  35000  Einwohner  zählte,  obwohl  die  Be- 
völkerung der  beiden  Staaten  New  York  und  Pennsylvanieu 
zusammen  damals  kaum  so  grofs  wie  diejenige  Virginiens  war.  i) 

Die  Regierung  begünstigte  die  Gründung  und  den  Aushau 
von  Städten  in  jeder  Weise  —  es  half  nichts,  ihre  Mafsregeln 
wurden  nicht  ausgeführt.  Die  Verordnungen  von  1680  und 
1691,  wonach  eine  Stadt  in  jeder  Grafschaft  gegründet  werden 
sollte,  blieben  auf  dem  Papier.  Die  Grafschaftszentren  enthielten 
meist  nur  ein  Gerichtsgebäude,  ein  Gefängnis,  eine  Wirtschaft 
und  ein  Kaufhaus.  Die  Landwirtschaft  war  und  blieb  das 
Hauptgewerbe,  und  die  Pflanzer  zogen  es  auch  fernerhin  vor, 
ihren  direkten  Tauschverkehr  mit  den  ausländischen  Schiffen 
und  Kaufleuten  fortzusetzen.  Noch  heute  hat  Virginien  im 
Vergleich  mit  den  Nordstaaten  sehr  wenig  Städte  aufzuweisen. 

Dieses  Fehlen  von  Städten  seinerseits  war  natürlich  wieder 
von  der  hemmendsten  Rückwirkung  auf  die  Ausbildung  von 
Handel  und  Gewerbe,  es  war  zugleich  ein  Haupthindernis  für 
eine  fruchtbare  Entfaltung  geistiger  Kultur,  insbesondere 
der  Literatur,  der  Presse  und  des  Schulwesens. 


8.   Geistige  Kultur. 


Für  den  ersten  Unterricht  der  Jugend  auf  den  Plantagen 
sorgten  die  „old  field  schools",  die  hie  und  da  errichtet  und 
von  schreib-  und  lesekundigen  Männern  der  Nachbarschaft  ge- 
leitet wurden.    Auch  arme,   strebsame  Auswanderer,  ja  selbst 

•)  Fiske,  Old  Virginia,  II  2 10  f. 

32* 


500 

gebildetere  Sträflioge  versahen  bisweilen  die  Stelle  von  Lehrern. 
Der  Unterricht  war  meist  recht  elementarer  Art;  man  war  zu- 
frieden, wenn  die  Kinder  ihre  drei  R:  Keading,  Writing, 
'ßithmetic,  lernten,  die  ja  noch  bis  in  die  Mitte  des  19.  Jahr- 
hunderts die  Hauptunterrichtsgegenstände  der  englischen  Volks- 
schulen bildeten.  Immerhin  hat  auch  George  Washington  in 
einer  solchen  virginischen  Landschule  seinen  ersten  Unterricht 
genossen. 

Doch  machte  sich  frühzeitig  auch  das  Bedürfnis  nach 
höherer  Bildung  geltend.  Unter  dem  liberalen  llegiment  des 
Sir  Edwin  Sandys  beschlols  die  Virginische  Kompanie  schon 
1621,  dals  Gelder  ausgeworfen  werden  sollten  zur  Errichtung 
einer  „public  free  school",  damit  die  Pflanzer  ihre  Kinder  nicht 
mehr,  wie  es  bis  dahin  nötig  war,  mit  grofsen  Kosten  zur 
Erziehung  nach  England  zu  schicken  brauchten.  Ja,  man  hegte 
sogar  viel  hochfliegendere  Pläne:  diese  höhere  Schule,  die  man 
in  Charles  City  zu  errichten  gedachte,  sollte  nur  die  Vorstufe 
zu  einer  Universität  werden,  als  deren  Sitz  die  Stadt  Henricus 
in  Aussicht  genommen  war.  Grolse  Summen  waren  schon  ge- 
sammelt und  der  erste  Präsident  der  neuen  Universität  bereits 
ernannt:  —  da  machte  der  blutige  Indianerüberfall  von  1622 
und  die  Aufhebung  der  Gesellschaft  im  Jahr  1624  all  diesen 
kühnen  Bildungsträumen  ein  jähes  Ende. 

In  der  Folgezeit  war  vor  allem  das  Fehlen  städtischen 
Lebens  und  die  grolsen  Entfernungen  der  Plantagen  von- 
einander verhängnisvoll  für  die  Entwicklung  eines  geregelten 
Staats-  oder  Gemeindeschulwesens.  Auch  stand  die  Kolonial- 
regierung der  Ausbreitung  der  Volksbildung  feindlich  gegen- 
über. Auf  eine  Anfrage  des  Londoner  Kolonialamts,  in  welcher 
Weise  in  Virginien  für  den  öffentlichen  Unterricht  gesorgt  sei, 
gab  der  orthodox-konservative  Gouverneur  Sir  William  Berkeley 
1671  die  vielsagende  Antwort:  „I  thank  God,  there  are  no 
free  schools  nor  printing,  and  I  hope  we  shall  not  have  these 
hundred  years;  for  learning  has  brought  disobedience  and 
heresy  and  sects  into  the  world,  and  printing  has  divulged 
them,  and  libels  against  the  best  government.  God  keep  us 
from   bothP)     Berkeleys   Angabe,   dafs   keine    „free   schools" 


')  Henlng,  Statutes  at  large,  II  517. 


l 


, 


501 

vorhanden  seien,  widerspricht  der  Tatsache,  dafs  schon  1630, 
1655,  1667,  1669  sohdic  Anstalten  geg-rUndet  wurden. ')  Wenn 
seine  Aussage  nicht  tendenziöse  Übertreibung  ist,  so  müssen 
wir  annehmen,  dafs  jene  Schulen  1671  entweder  wieder  ein- 
gegangen waren  oder  nur  geringe  Bedeutung  hatten,  oder  dais 
Berkeley,  wie  Fiske  meint,  an  den  Gegensatz  zu  Neu  England 
dachte,  wo  von  Anfang  an  die  Gemeinden  die  Gründung  von 
Schulen  energisch  in  die  Hand  nahmen,  während  jene  er- 
wähnten virginischen  Anstalten  durchweg  Privatanstalten  waren. 

Im  Jahr  1636  hatten  die  Neu  England-Staaten  durch  die 
Gründung  von  Harvard  College  zu  Cambridge,  Mass.,  ihre  erste 
Hochschule  erhalten.  Der  virginische  Universitätsplan,  der  1622 
gescheitert  war,  wurde  erst  zu  Anfang  der  neunziger  Jahre 
von  einem  schottischen  Geistlichen,  Dr.  James  Blair,  wieder 
in  Angriff  genommen  und  durchgeführt.  1692  wurde  die 
Stiftungsurkunde  der  neuen  virginischen  Hochschule,  die  nach 
dem  englischen  Königspaar  benannt  werden  sollte,  unterzeichnet, 
und  1693  wurde  das  William  and  Mary  College  auf  der 
Stätte  des  späteren  Williamsburg  gegründet,  und  Blair  wurde 
sein  erster  Präsident.  Es  war  die  zweite  Universitätsgründung 
auf  dem  Boden  der  späteren  Union,  aber  das  ehrwürdige  vir- 
ginische College  hat  seinen  älteren  neuenglischen  Nebenbuhler 
an  Bedeutung  als  Mittelpunkt  geistigen  Lebens  nie  erreicht 
und  ist  später  von  jüngeren  Hochschulen  wie  Yale  (gegründet 
1700),  Princeton  (1746),  der  University  of  Pennsylvania  (1749) 
u,  a.  überflügelt  worden.  Das  Niveau  des  gesamten  geistigen 
Lebens  und  die  Energie  des  intellektuellen  Vorwärtsdrängens 
stand  in  der  royalistischen  Pflanzerkolonie  Virginien  von  Anfang 
an  hinter  dem  der  puritanischen  Neueugland-Staaten  mit  ihren 
grofsen  städtischen  Kulturzentren  zurück.  Und  manche  Pflanzer 
zogen  es  auch  nach  der  Gründung  von  William  and  Mary ,  noch 
vor,  ihre  Kinder  zur  Erlangung  feinerer  Sitte  und  tieferer 
Bildung  auf  englische  Schulen  zu  schicken  oder  doch  ihre  in 
Virginien  begonnene  Schulbildung  durch  den  Besuch  einer 
englischen  Universität  vollenden  zu  lassen.  Dabei  wurde  das 
royalistische  Oxford  von  den  königlich  gesinnten  Virginiern 
vor  dem  liberalen  Cambridge  bevorzugt. 

»)  Vgl.  Fiske,  Old  Virginia,  II  246. 


502 

Der  Gegensatz  zwischou  Land  und  Stadt  war  es  auch, 
der  Virgiuien  in  der  Gründung  von  Druekerpressen  und  Zeitungen 
gegenüber  den  andern  Kolonien  ins  Hintertreffen  brachte.  Drei 
Jahre  nach  der  Stiftung  von  Harvard  College  wurde  zu  Cam- 
bridge, im  engen  Zusammenhang  mit  der  Universität,  1639  die 
erste  Druck  erpresse  in  Amerika  errichtet.  1674  folgte  Boston, 
1685  Philadelphia,  1693  New  York,  1700  Maryland,  1730 
Charleston  mit  der  Gründung  von  Druckereien,  i)  Und  nach- 
dem 1704:  als  erste  amerikanische  Zeitung  der  Boston  Xetvs 
Leiter  gegründet  worden  war,  nahm  auch  das  Zeitungswesen 
überall  einen  raschen  Aufschwung.  1719  wurde  in  Pennsylvanien, 
1725  in  New  York  die  erste  Zeitung  begründet;  seit  1727 
hatte  auch  Maryland  und  seit  1732  sogar  South  Carolina  bereits 
seine  Lokalzeitung.  In  Virginien  wurde  der  Gebrauch  der 
Druckerpresse  durch  eine  Verordnung  Karls  IL  1684  streng 
verboten,  und  erst  1736  erhielt  endlich  auch  diese  Kolonie  ihre 
Zeitungsdruckerei,  in  der  die  Virginia  Gasette  gedruckt  wurde, 
welche  namentlich  in  der  ersten  Zeit  nicht  ohne  literarische  Ver- 
dienste war  und  als  publizistischer  Sammelpunkt  des  geistigen 
Lebens  der  Kolonie  ihre  Bedeutung  hatte.  2) 

Wenn  uns  schon  die  Gazette  zeigt,  dafs  es  in  Virginien 
nicht  an  Leuten  mit  feiner  geistiger  Bildung  fehlte,  so  legen 
die  uns  erhaltenen  Verzeichnisse  einiger  Privatbibliotheken 
sprechendes  Zeugnis  von  dem  Umfang  und  Mals  literarischen 
Interesses  ab,  das  einzelne  dieser  Pflanzer  auszeichnete.  Die 
Bibliothek  des  1701  verstorbenen  Ralph  Wormeley,  der  in 
Oxford  erzogen  wurde  und  später  Präsident  des  Kolonialrats, 
Staatssekretär  und  Mitglied  des  Verwaltungsrats  von  William  und 
Mary  College  war,  zählte  400  Bände.  Darunter  befanden  sich 
zahlreiche  historische,  geographische,  medizinische,  juristische, 
theologische   Werke,    AVörterbücher    und    Grammatiken,    sowie 


')  Siehe  S.  L.  Whitcomb,  Chronological  Outlines  of  American  Litera- 
ture,  unter  deu  genannten  Jahren. 

*)  Siehe  die  ausführliche  Erörterung  des  Inhalts  und  Charakters  dieser 
Wochenschrift  bei  Elizabeth  Christine  Cook  in  ihrem  kürzlich  erschienenen 
Buch  Literary  Influetices  in  Colonial  Newsjiapers  1704 — 1T50  (New  York, 
Columbia  University  Press,  1912),  das  mir  während  der  Korrektur  zugeht. 
Vgl.  auch  die  bibliographische  Zusammenstellung  der  amerikanischen 
Zeitungen  aus  der  ersten  Hälfte  des  18.  Jahrhunderts  am  Schlufs  ihres  Buchs. 


I 

I 


i 


503 

Klassikorjuisgabon;  von  Werken  der  neueren  Literatur:  Don 
Quixote,  Butlers  Jfndibras,  Ilowells  Faniiliar Letters,  die  Gedichte 
von  Qnarlos,  Herbert,  Waller,  die  Dramen  von  Davenant  und 
gegen  50  andere  Komödien  und  Tragödien.  Die  Bibliothek  von 
Richard  Lee  (f  1715)  enthielt  300  Bände,  darunter  bedeutend 
mehr  griechische  und  lateinische  Autoreu,  als  die  Sammlung  von 
Wormeley  aufzuweisen  hatte.  Weit  gröfser  als  beide  und  wohl 
eine  der  gröfsteu  Büchersammlungen  der  Kolonialzeit  überhaupt 
war  die  Bibliothek  von  William  Byrd.  Von  ihren  3625  Bänden 
entfallen  ungefähr  700  auf  Geschichte,  650  auf  die  Klassiker, 
550  sind  französische  Werke,  350  juristische,  300  theologische, 
200  medizinische,  225  naturwissenschaftliche,  650  Unterhaltungs- 
lektUre.i)  Kobert  Beverleys  Büchersammlung,  über  die  in  dem 
Inventar  seines  Guts  von  1734  berichtet  wird,  umfafste  nicht 
nur  eine  bedeutende  klassische  und  religiöse  Bibliothek,  sondern 
auch  Werke  von  Locke,  Temple,  Bacon,  Shaftesbury,  Clarendon, 
ferner  den  Spcctator,  Tatlcr,  die  Dichtungen  von  Ambrose 
Phillips,  ^UltomFaradise  Lost,  Garths  Disj^ensari/,  Popes  Homer- 
übersetzung und  seine  übrigen  Dichtungen,  Butlers  Hudihras, 
Pomfrcts  Gedichte,  Mores  TJiopia,  Aesops  Fabeln,  einen  Band 
Tragödien  und  Gays  Beggar's  Opera.  Auch  in  den  Testamenten 
und  Gutsinventaren  von  verhältnismäfsig  weniger  bemittelten 
Leuten  ist  vielfach  von  kleineren  oder  grölseren  Bücher- 
sammlungen die  Rede/'') 

Bemerkenswert  ist  bei  der  Zusammensetzung  der  Biblio- 
theken wie  auch  in  der  literarischen  Produktion  Virginiens 
das  verhältnismäfsig  starke  Hervortreten  des  Interesses  an 
weltlicher  Literatur.  Überhaupt  hatte  das  gesamte  geistige 
Leben  dieser  Kolonie  im  Gegensatz  zu  dem  der  Neuenglaud- 
Staaten  ein  mehr  verfeinert  weltmännisches  als  moralisch- 
religiöses Gepräge. 

Byrd  und  Beverley  gehörten  zu  den  wenigen  Virginiern  der 
Kolonialzeit,  die  sich  literarisch  betätigten.  Im  allgemeinen  ist 
Virginiens  Anteil  an  der  Literatur  der  Kolonialepoche  ein 
geringer. 

Zwar    die   Anfänge    schienen    recht   viel   zu   versprechen. 


*)  Siehe  die  Znsammenstellnngen  bei  Fiske,   Old  Virginia,  II  243  ff. 
2)  Siehe  Cook  a.a.O.  ISO. 


504 

Captain  John  Smith  (1580—1631),  dessen  Verdienste  um  die 
Begründung  der  Kolonie  und  die  Schaffung  geordneter  Ver- 
hältnisse in  dem  neuen  Gemeinwesen  wir  schon  gewürdigt 
haben,  machte  mit  verschiedenen  geographisch -historischen 
Werken  einen  bedeutsamen  Beginn  literarischer  Tätigkeit  auf 
amerikanischem  Boden,  Wie  Sir  Philip  Sidney  und  Sir  Walter 
Kaleigh,  deren  Beispiel  er  nacheiferte,  verstand  er  Feder  und 
Schwert  gleich  geschickt  und  gleich  kraftvoll  zu  führen.  Durch 
und  durch  ein  Mann  der  Tat,  ein  fahrender  Bitter  ohne  Furcht 
und  Tadel,  war  er  zugleich  der  erste  literarische  Vertreter  der 
neuen  Kolonie.  Seine  True  Belaiion  of  Virginia,  noch  im  Lauf 
des  ersten  Jahrs  im  Lärm  des  Lagers  geschrieben  und  1608 
in  London  gedruckt,  entwirft  ein  lebensfrisches  Bild  von  den 
Anfängen  der  Kolonie,  von  den  Entdeckungsfahrten,  Indianer- 
überfällen, von  den  Hoffnungen  und  Leiden  der  Ansiedler.  Es 
folgten  zwei  weitere  Bücher  über  Virginien :  A  Map  of  Vir- 
ginia, ivith  a  Description  of  the  Country,  tlie  Commoditics, 
People,  Government,  and  Religion  (Oxford  1612)  und  die 
wichtige  General  History  of  Virginia,  Neiv  England,  and  the 
Summer  Isles  (London  1624);  dazu  verschiedene  weitere 
Schriften  über  Neu  England.  Alle  sind  ausgezeichnet  durch 
packende  Realistik  und  Grolszügigkeit  der  Darstellung,  die 
gelegentlich  vor  phantasievollen  Übertreibungen  nicht  zurück- 
schreckt. Die  Sprache  ist  ungehobelt  und  rauh,  aber  markig, 
energisch,  ausdrucksvoll,  der  Satzbau  nachlässig  und  formlos, 
aber  voll  Mannigfaltigkeit  und  Leben.  Ästhetische  Rück- 
sichten lagen  dem  Verfasser  fern,  die  Form  war  ihm  gleich- 
gültig, auf  die  sachliche  Wirkung  kam  ihm  alles  an.  Und 
doch  gewährt  die  Lektüre  dieser  Schriften  durch  die  Originalität 
der  Ausdrucksweise,  die  warme  Lebensfrische  der  Erzählung 
und  Schilderung  und  nicht  zum  wenigsten  auch  durch  die 
trotzige,  charaktervolle  Persönlichkeit  des  Verfassers  einen 
ganz  eigenartigen  Genufs. 

Aber  Smith  hat  nur  wenige  Jahre  in  Virginien  zugebracht; 
die  meisten  seiner  Werke  sind  nach  seiner  Rückkehr  in  Eng- 
land entstanden  und  gedruckt;  sie  gehören  also  nur  teilweise 
der  eigentlichen  amerikanischen  Literatur  an.  Und  das  Gleiche 
gilt  von  dem  einzigen  bekannteren  Werk  der  schönen 
Literatur,  das  in  Virginien  entstanden  ist.    George  Sandys, 


505 

der  jüngste  Bruder  des  sclion  erwähnten  Gouverneurs  Sir  Edwin 
Sandys,  der  von  1621  an  einige  Jahre  als  Schatzmeister  der 
Kolonie  in  Virginien  lobte,  verfafste  hier  von  1621 — 24  den 
gröfsteu  Teil  seiner  Übersetzung  von  Ovids  Meta- 
morphosen (die  letzten  zehn  Bücher),  die  1626  in  London 
erschien. 

Von  diesen  beiden  Männern  abgesehen,  die  doch  mehr  im 
Mutterland  als  in  der  neuen  Welt  wurzelten,  hat  Virginien  im 
17.  Jahrhundert  keinen  einzigen  Schriftsteller  von  etwas  be- 
kannterem Namen  gehabt.  Erst  im  18.  Jahrhundert  begegnen 
wir  ein  paar  historischen  Werken,  die  einigen  Anspruch 
auf  Beachtung  haben. 

Robert  Beverleys  History  and  Present  State  of  Virginia, 
1705  zu  London  erschienen,  gibt  die  Geschichte  Virginiens  bis 
1700  und  enthält  eine  Fülle  interessanter  Schilderungen  und 
Beobachtungen  über  die  Natur  des  Landes  und  die  Lebens- 
weise seiner  Bewohner.  Eine  französische  Ausgabe  des  Buchs 
erschien  1707  in  Paris  und  Amsterdam ;  eine  erweiterte  eng- 
lische kam  1722  in  London  heraus.^) 

William  Byrd,  der  eine  hervorragende  Rolle  im  öffent- 
lichen Leben  der  Kolonie  spielte,  hat  auf  seinem  Gut  Westover 
nicht  nur  die  oben  (S.  503)  erwähnte  bedeutende  Bücher- 
sammlung angelegt,  sondern  war  auch  selber  literarisch  tätig. 
Die  Beobachtungen,  die  er  auf  seinen  Reisen  als  Mitglied  der 
Kommission  zur  Festlegung  der  Grenze  zwischen  Virginien  und 
North  Carolina  1727  machte,  hat  er  in  seiner  History  of  the 
Dividing  Line  und  in  andern  Schriften  niedergelegt,  die  durch 
originelle  Bilder  und  Vergleiche,  einen  schalkhaften  Humor  und 
scharfsinnige,  wertvolle  Beobachtungen  über  Land  und  Leute 
gekennzeichnet  sind.  Sie  wurden  erst  1841  aus  seinem  hand- 
schriftlichen Nachlals  herausgegeben.  2) 

Bedeutender  vom  historiographischen  Standpunkt  als  die 
genannten  Werke  ist  die  History  of  Virginia  des  Rev.  William 
Stith,  der  von  1752  bis  an  seinen  Tod  1755  Präsident  des 
William  and  Mary  College  war.  Sein  Buch,  dessen  erster 
Band   1747   in  Williamsburg   herauskam,  1)   ist  ein  Torso  ge- 

')  Ein  Neudruck  existiert,  soviel  ich  weifs,  nicht. 
^)  Bessere  Ausgabe  von  T.  H.  Wynne  1S66  unter  dem  Titel  Byrd 
Manuscripts.    Vgl.  Fiske,  Old  Virginia,  II  257  f.,  Anm.  ]. 


506 

blieben.  Es  sollte  6—8  Bände  umfassen;  der  erschienene  Band 
gibt  nur  die  Anfänge  der  virgiuisclien  Geschichte  bis  zur  Auf- 
hebung der  Gesellschaft  im  Jahr  1624.  Stiths  Darstellung 
gründet  sich  auf  ein  genaues  Studium  der  Akten  der  Gesell- 
schaft, die  ihm  in  einer  wertvollen,  heute  in  der  Library  of 
Cougress  zu  Washington  befindliehen  Abschrift  zur  Verfügung 
standen  (s.  oben  S.  478,  Anm.  1).  Sie  zeichnet  sich  durch 
Gründlichkeit,  Zuverlässigkeit  und  einen  klaren,  einfachen 
Stil  aus. 

Aber  so  anerkennenswert  die  Leistungen  dieser  Älänner 
sind:  im  ganzen  ist  Virginiens  Anteil  an  der  literarischen 
Produktion  der  amerikanischen  Kolonien  vor  dem  Unab- 
hängigkeitskrieg ein  unbedeutender.  Der  Unterschied  in  der 
Intensität  und  dem  Niveau  des  geistigen  Lebens  in  Virginien 
und  den  Neu  England-Staaten  ist  ein  starker  und  augenfälliger. 
Er  erklärt  sich  einerseits  aus  dem  verschiedenen  Charakter 
der  Besiedler,  anderseits  aus  dem  Unterschied  der  Siedlungs- 
weise. 

Neu  England  ist  vorzugsweise  von  puritanischen 
Sekten  besiedelt  worden,  die  in  der  Neuen  Welt  die  religiöse 
und  bürgerliche  Freiheit  suchten,  welche  ihnen  in  der  alten 
Heimat  versagt  wurde.  Max  Weber  hat  in  einer  geistvollen 
Abhandlung  die  Bedeutung  dieser  Puritaner  für  die  Geschichte 
des  modernen  Kapitalismus  dargetan.  ^)  Die  Puritaner  ver- 
banden aber  mit  ihrer  streng  religiösen  Lebensanschauung 
nicht  nur  einen  sparsamen,  nüchternen  und  unternehmungs- 
freudigen Geschäftssinn,  sondern  sie  hatten  auch  einen 
klaren  Blick  für  den  Wert  der  Bildung  und  Erziehung 
im  sozialen  Leben.  Unter  den  puritanischen  Geistlichen,  die 
an  der  Gründung  der  Neu  England -Staaten  hervorragenden 
Anteil  hatten,  begegnen  wir  einer  Reihe  gelehrter,  fein  ge- 
bildeter und  weitblickender  Männer,  wie  John  Cotton,  die 
Mathers,  Roger  Williams,  William  Penn  u.  a.,  und  Namen  wie 
Bradford  und  Winthrop  zeigen,  dafs  sich  auch  unter  den 
Laien  literarisch  tätige  Männer  befanden.  Wie  in  Schottland, 
80   sind   die   Puritaner   auch   in   Neu  England  von  Anfang   an 


»)  Archiv  f.  Sozialwissenschaft  20,  Iflf.  and  21,1  ff.  (l')05).    Vgl.  noch 
25,24:}  (1907)  und  30,176  (1910). 


507 

wirksam  und  zioll)e\vnfst  für  die  Hebung  der  Volksbildung 
tätig  gewesen.  Überall,  wo  sie  sieh  niederlielsen,  sorgten  sie 
für  die  Errichtung  von  Schulen,  und  schon  sechzehn  Jahre 
nach  der  Einwanderung  der  Pilgerviiter  wurde  durch  die 
Gründung  von  Harvard  College  (1636)  ein  Mittelpunkt  für  die 
höhere  Bildung  geschaffen,  der  sich  als  aufserordentlich  segens- 
reich erwies  und  einen  weitreichenden  Einflufs  auf  das  geistige 
Leben  Neu  Englands  ausübte. 

Die  systematische  Organisation  des  Schulwesens  aber  wurde 
den  Puritanern  durch  die  Art,  wie  sie  sich  in  der  Neuen  Welt 
ansiedelten,  erleichtert.  Ihre  Auswanderung  erfolgte  in  straff 
organisierten  Sekten  und  Gemeinden,  und  ihre  Nieder- 
lassung in  Amerika  vollzog  sich  demgemäls  von  Anfang  an 
vorzugsweise  in  Form  von  Städten  und  geschlossenen 
Dorfsehaften.  Die  Regierung  von  Massachusetts  begünstigte 
diese  Siedlungsweise,  indem  sie  Land  nicht  an  einzelne  Ein- 
wanderer, sondern  an  kirchliche  Genossenschaften  bewilligte. 
Die  religiöse  Idee,  um  derentwillen  sie  die  Heimat  verlassen 
hatten,  bildete  das  Band,  das  die  Gemeindegenossen  in  der 
Fremde  fest  aneinander  schmiedete,  und  eine  strenge  Disziplin 
sorgte  für  Regelung  des  bürgerlichen  Lebens.  Der  demo- 
kratische Geist  aber,  der  das  Gemeinwesen  durchwehte,  liel's 
zunächst  keine  starken  gesellschaftlichen  Unterschiede  auf- 
kommen. Anstelle  der  grolsen  virginischen  Plantagen  haben 
wir  in  Neu  England  zahlreiche  kleinere  Farmen  mit  selb- 
ständigen Bauerngutsbesitzeru.  Das  engere  Zusammenleben 
der  Kolonisten  Neu  Englands  aber  erleichterte  naturgemäfs 
die  Errichtung  und  den  Betrieb  von  Schulen  und  begünstigte 
so  die  Hebung  der  Volksbildung,  während  die  zahlreich  ent- 
stehenden kleineren  oder  gröfseren  Städte  nicht  nur  Stützpunkte 
des  geistigen,  sondern  ebenso  sehr  auch  des  wirtschaftlichen 
Lebens  und  Pflanzstätten  von  Handel  und  Gewerbe  und  bürger- 
licher Freiheit  wurden. 

Ein  Rückblick  auf  die  geschilderten  virginischen  Ver- 
hältnisse (S.  481  ff.  490)  wird  uns  den  Unterschied  der  beiden 
Kolonisationssysteme  vor  Augen  führen.  In  Virginien  erfolgte 
die  Besiedlung  nicht  durch  solche  straff  organisierten,  von  einer 
gemeinsamen  Idee  getragenen  und  verbundenen  Gemeinschaften, 
sondern  durch  einzelne  Personen  und  Familien,  die  miteinander 


508 

keine  gemeinsamen  Interessen  hatten  und  jeder  seinen  eignen 
Weg  zum  Glücke  suchten.  Und  diese  bunt  zusammengewürfelten 
virginischen  Einwandrer  waren,  namentlich  in  der  ersten  Zeit, 
nur  zum  kleinen  Teil  ein  brauchbares  Menschenmaterial.  Unter 
den  Ansiedlern  überwogen,  wie  wir  gesehen  haben,  auf  der 
einen  Seite  Angehörige  der  oberu  Stände,  auf  der  andern  ge- 
wöhnliches Volk;  ein  solider  Mittelstand  fehlte;  und  ein  grofser 
Teil  der  Einwandrer  bestand  obendrein  aus  Glücksrittern,  Tage- 
dieben und  Verbrechern.  Das  blieb  so  bis  weit  ins  18.  Jahr- 
hundert hinein,  und  in  zahlreichen  Werken  der  zeitgenössischen 
Literatur  wird  darauf  angespielt.  Es  sei  nur  auf  Aphra  Behns 
Tragikomödie  The  Widoiv  Banier,  or,  The  History  of  Bacou 
in  Virginia  (1690  gedruckt),  Defoes  Erzählungen  3IoU  Flanders 
(1722)  und  Colond  Jacqiic  (1723)  und  John  Gays  Oper  Polli/ 
(1729)  hingewiesen,  obschon  in  letzterer  der  Schauplatz  der 
Handlung  nur  ganz  unbestimmt  als  „Westindien"  bezeichnet 
wird. 

Wir  sahen  (S.  490f.),  wie  sich  infolge  dieser  Zusammen- 
setzung der  Gesellschaft  und  infolge  der  Verwaltungspraxis 
der  Kompanie  frühzeitig  der  Grolsgruudbesitz,  die  Plantagen- 
wirtschaft entwickelte,  die  durch  die  wirtschaftliche  Bedeutung 
des  Tabakbaus  noch  weiter  begünstigt  Avurde.  Einmal  einge- 
führt, wurde  an  diesem  Agrarsvstem  auch  dann  festgehalten, 
als  mit  der  Ankunft  der  Kavaliere  Augehörige  der  besseren 
Mittelklassen  im  Lande  erschienen.  Der  Grolsgrundbesitz  aber 
war  in  Virginien,  wie  wir  dargelegt  haben,  das  Haupthindernis 
für  die  Gründung  von  Städten  und  damit  nicht  nur  für  die 
Entwicklung  von  Handel  und  Gewerbe,  sondern  auch  von 
geistigem  Leben. 


Die  schädlichen  Folgen  der  Plantagenwirtschaft  wurden 
übrigens  wirklich  fühlbar  erst  dann  empfunden,  als  Virginien 
(seit  der  Mitte  des  18.  Jahrhunderts  etwa)  in  nähere  Beziehungen 
und  schärferen  Wettbewerb  mit  andern  amerikanischen  Kolonien 
trat,  und  als  endlich  neu  entstehende  Konkurrenten,  wie  der 
Brasil-  und  asiatische  Tabak,  der  Kaufkraft  des  virginischen 
ernstlich  Abbruch  taten.  Einstweilen  war  es  bei  aller  Ein- 
seitigkeit seiner  wirtschaftlichen  Unterlage  das  Ideal  einer 
Pflanzer-Kolonie,  deren  Mängel  durch  ihre  Vorzüge  mehr  als 


509 

ausgeglichen  wurden.  Es  war  ein  schönes  fruchtbares  Land, 
ein  irdisches  Paradies  mit  wohlhabenden,  gesitteten,  zufriedenen 
Einwohnern  und  geordneten,  patriarchalischen  Verhältnissen. 

Und  obschon  in  andrer  Weise  als  Neu  England,  so  hat 
doch  auch  Virginien  seine  historische  Rolle  bei  der  Begründung 
der  amerikanischen  Union  gespielt.  Aus  dem  Kreise  der  grofsen 
virginisehen  Pflanzer,  die  auf  ihren  ausgedehnten  Gütern  das 
Herrschen  gelernt  hatten,  sind  später  die  ersten  grofsen  Staats- 
männer der  Union  und  ihre  ersten  Präsidenten  hervorgegangen. 
Aus  des  Virginiers  Thomas  Jeffersons  Feder  ist  die  berühmte 
Unabhängigkeitserklärung  von  1773  geflosseü,  ein  literarisches 
Meisterstück;  der  Virginier  James  Madison  hat  die  originellsten 
und  tiefgründigsten  in  jener  glänzenden  Reihe  politischer  Essays 
geschrieben,  die  1788  in  der  Zeitschrift  The  Fcderalist  so 
wirkungsvoll  die  Grundlagen  der  Unionsverfassung  verteidigten ; 
auch  John  Marshall,  Monroe  und  flenry  Clay  waren  Söhne 
Virginieus;  und  der  Gründer  der  Union,  George  Washington 
selbst,  war  ein  virgiuischer  Pflanzer. 


Untersuchiinß-en 


zur 


mitleleiiö'liselien  Metril^ 


von 


K.  D.  Bülbring. 


Einleitung:  Stand  der  bisherigen  Forschung. 

1.  In  der  niittelenglisehen  Metrik  liegt  noch  vieles  im 
argen.  Am  meisten  ist  zu  beklagen,  dafs  sieh  unversöhnlielie 
Ansichten  über  die  metrischen  Formen  zahlreicher  Gedichte 
schroff  gegenüberstehen.  Namentlich  in  der  Beurteilung  des 
Stabreimverses  gehen  die  Meinungen  gänzlich  auseinander. 
Ebenso  in  der  Auffassung  gewisser  Metren,  die  meist  vom 
Stabverse  abgeleitet  werden  und  jedenfalls  eng  damit  ver- 
wandt sind.  Hierzu  gehört  die  Schweifreimstrophe,  in  der 
Sir  Ferceval,  Sir  Degrevant  und  ähnliche  Romanzen  verfalst 
sind.  Die  Meinungsverschiedenheiten  über  diese  Strophe  zu 
beseitigen,  ist  der  nächste  Zweck  der  vorliegenden  Unter- 
suchung. Gelingt  es,  so  sind  damit  auch  andere,  weitergehende 
Fragen  entschieden. 

2.  Als  Beispiel  einer  solchen  Schweifreimstrophe  möge 
der  Anfang  des  Avoivijnge  of  King  Arther,  Sir  Gatvan,  Sir 
Kaye,  and  Sir  Baicdewyn  of  Breton  (=  Av.)  dienen,  da  dies 
Gedicht  der  folgenden  Untersuchung  hauptsächlich  zugrunde 
gelegt  werden  soll.  Es  ist  bisher  nur  einmal  gedruckt  worden 
von  John  Robson  in  seinem  Buche  Three  Early  Englisli 
Metrical  Romances,  London  1842.  Ich  habe  seinen  Text  vor 
Jahren  mit  der  einzigen  Handschrift  verglichen  und  gebe  daher 
hier  und  bei  allen  späteren  Zitaten  die  handschriftliche  Lesart. 
Die  erste  Strophe  lautet: 

Ile  ]?at  »»ade  vs  on  pe  »mlde, 
And  /'air  /burmet  f>e  /olde, 
Atte  bis  it'ill,  as  lie  wolä, 

The  See  and  the  sande, 
Giffe  hörn  joy  ]?at  will  here 
Of  claiü  inen  and  of  Jere, 
Of  lialdurs  f>at  before  vs  were, 

pat  Zifd  in  tbis  /onde. 


512 

One  was  ^rther  the  kiiige, 
Wi]'-owtim  any  lotting; 
Wif>  him  was  mony  lordinge, 

Haxdi  of  /londe. 
TT'ice  and  ivslt  ofte  pay  ?rere, 
Bold  vndur  dauere, 
And  u'ijte  ioeppuns  wold  tüere, 

And  sfifly  wold  sfond. 

Die  Strophe  besteht  also  aus  16  Zeilen  uod  ist  dergestalt 
aus  miteinander  abwechselnden  längeren  und  kürzeren  Versen 
zusammengesetzt,  dafs  auf  je  drei  längere  Verse  viermal  je 
ein  kürzerer  folgt;  mit  dieser  Reimstellung:  aaah  \  ccch  \ 
ddäb  I  eeeb. 

In  der  Anglia  XII,440ff.  und  in  Pauls  Grundrifs-^  II,  170 
hat  K.  Luiek  noch  mehr  Gedichte  dieser  Art  aufgezählt.  Das 
älteste  ist  ein  von  E.  Kölbing  in  den  Englischen  Studien 
IX,  440 ff.  herausgegebenes  Gedieht  „Die  Feinde  des  Mensehen"; 
und  am  bekanntesten  sind  wohl  die  beiden  schon  genannten 
Romanzen  von  Sir  Perceval  und  Sir  Degrevant  (hgg.  von 
J.  0.  Halliwell,  The  Thornton  Bomances,  1844,  S.  Iff.  und 
S.  177  ff.)  0 

3.  Eine  Gruppe  von  blofs  drei  längereu  und  einem  kürzeren 
Vers  {aaab),  also  der  vierte  Teil  der  Schweifreimstrophe,  er- 
scheint aufserdem  als  Abgesang  einer  dreizehnzeiligen  Strophe, 
welche  für  zahlreiche  Gedichte  verwandt  ist,  die  Luick  in 
Pauls  Grundrifs^  II,  169  aufzählt.  Hier  seien  nur  The  Bistill 
of  Susan, '^)   The  Äivntyrs  of  Arthur  at  the  TerneWathelyne^) 


1)  Eine  neue  Ausgabe  des  Sir  Perceval  von  J.  Campion  und  F.  Holt- 
hausen  wird  bald  erscheinen.  Den  Text  und  die  Anmerkungen  bis 
Vers  20SI),  die  bereits  gedruckt  sind,  habe  ich  schon  im  voraus  zur  Be- 
nutzung erhalten.  Danach  wird  unten  zitiert  werden.  Jedoch  sind  viel- 
leicht einige  Zitate,  die  ich  vor  Jahren  ans  Halliwells  Ausgabe  gesammelt 
habe,  unverändert  stehen  geblieben.    Doch  ist  dies  ohne  Bedeutung. 

^)  Die  erste  Strophe  dieses  Gedichts,  die  als  Beispiel  dienen  kann, 
ist  unten  in  §  9  und  10  (mit  verschiedener  Skandierung)  abgedruckt.  Als 
Beispiel  kann  auch  die  erste  Strophe  der  Awntyrs  of  Arthur  genommen 
werden,  die  zu  Anfang  von  §  6  (wieder  mit  anderer  Skandierung)  ge- 
druckt ist. 

')  Von  diesem  Gedichte  bereitet  einer  meiner  Schüler,  Wilhelm  Wolff 
in  Trier,  eine  kritische  Ausgabe  vor. 


513 

nud  The  Knightly  Tale  of  Oolagros  and  Oauwie  naniluift  ge- 
macht, die  alle  zuletzt  von  F.  J.  Aniours  für  die  Scottish  Text 
Society  (1891—97)  herausgegebeu  sind. 

Von  andern  Verwendungen  desselben  Metrums  kann  hier 
abgesehen  werden.     Wie  ist  es  aber  aufzufassen?!) 

Zunächst  ist  festzustellen,  welche  Ansichten  bisher  vor- 
gebracht sind,  und  wie  es  mit  dem  Beweis  für  ihre  Kiehtig- 
keit  steht.  Dabei  müssen  auch  die  Theorien  über  den  me. 
Stabvers  berücksichtigt  werden,  weil  die  meisten  Forscher  bei 


')  Über  die  Entstehung  der  vorliegenden  Abhandlung  möchte  ich 
folgendes  bemerken.  Ich  bin  mit  dem  Av.  (§  2)  zuerst  näher  bekannt 
geworden,  als  ich  im  Winter  ISS'J/JO  im  Britischen  Museum  die  von  Robson 
gedruckten  Threc  Early  Enylish  Mdrical  liomances  mit  der  Ireland- 
Handschrift  verglich.  Ich  eutschlofs  mich  damals,  das  Gedicht  kritisch 
herauszugeben,  machte  bald  ein  Glossar  dazu  und  stellte  eine  metrische 
und  grammatische  Untersuchung  an.  Diese  sollten  zunächst  in  textkritischen 
und  metrischen  Seminarübnugen  verwertet  werden,  die  ich  in  Heidelberg 
für  das  Sommersemestcr  181);-)  ankündigte;  doch  gelangte  der  Plan  erst  in 
Groningen  im  Jahre  1895  zur  Ausführung.  Auch  in  Bonn  habe  ich  dreimal 
Seminarübuugen  über  das  Gedicht  abgehalten.  Diese  häufige  Beschäftigung 
mit  dem  Gedicht  ist  der  zufällige  Grund,  warum  ich  gerade  das  Äv.  für 
die  vorliegende  metrische  Untersuchung  gewählt  habe.  Man  wird  ihr  den 
Ursprung  vielleicht  noch  etwas  anmerken.  Doch  kann  ihr  die  nicht  ganz 
ausgemerzte  lehrhafte  Art  wohl  kaum  schaden,  noch  das  ausführliche  oder 
wiederholte  Eingehen  auf  manche  Einzelheiten,  die  für  den  erfahrenen 
Forscher  fast  selbstverständlich  sind  und  kürzer  hätten  behandelt  werden 
können.  Für  den  gegenwärtigen  Zweck  wäre  auch  vielleicht  ein  geeigneteres 
Gedicht  zu  finden  gewesen,  weil  das  Av.  nur  in  einer  Handschrift  über- 
liefert ist,  manche  sinnlose  Stellen  hat,  dialektisch  verderbt  ist  und  daher 
von  vornherein  auch  metrische  Verderbnisse  erwartet  werden  müssen. 
Aber  einen  tadellosen  Text  gibt  es  auch  sonst  nicht,  und  einige  Ent- 
stellungen mehr  oder  weniger  verschlagen  in  Wirklichkeit  nicht  viel. 
Jedenfalls  mufste  ich  bei  der  Vorbereitung  der  Ausgabe  wie  für  die 
Seminarübungen  über  die  metrische  Form  ins  Keine  kommen.  Schon 
im  Jahre  1890  lagen  hierüber  vier  verschiedene  unbewiesene  Ansichten 
vor  (sieh  §  4 1!.).  Diese  oder  wenigstens  drei  davon  fanden  unter  den 
Teilnehmern  an  den  Übungen  gewöhnlich  hartnäckige  Verteidiger,  bis  eine 
methodische  Untersuchung  des  Gedichtes  ein  Metrum  als  das  wirklich 
zugrunde  liegende  erwies.  Zu  meiner  Ansicht  des  Metrums  bin  ich  auf 
die  unten  ausgeführte  Weise  gelangt.  Und  umgekehrt  als  Luick  (§  7) 
und  Trautmann  (§  10),  die  vom  Stabvers  ausgehend  zu  ihrer  Auffassung 
der  Kurzzeilen  der  Susarme,  des  Av.  usw.  kamen,  bin  ich  von  meiner 
metrischen  Untersuchung  des  Av.  aus  zu  einer  ähnlich  begründeten  Ansicht 
über  die  me.  alliterierende  Langzeile  gekommen. 

Studien  nur  engl.  Phil.     L,  33 


514 

ihrer  Erklärung   der   iu  Frage   stehenden  Kiirzzeilen  von   der 
alliterierenden  Langzeile  ausgegangen  sind. 

4.  Im  ersten  Bande  der  Anglia,  auf  Seite  93,  gibt 
K.  Horstmann  den  ersten  drei  von  den  vier  Schlufsversen 
der  Susanne  drei  Hebungen,  dem  letzten  Vers  zwei  Hebungen. 
Derselben  Ansieht  war  M.  Trautmann  im  Jahre  1879,  als  er 
seine  Ausgabe  von  Golagrus  and  Gaivain  im  zweiten  Band 
der  Anglia  veröffentlichte  (siehe  S.  408).  Die  ersten  acht 
Verse  des  Ai\  (==  Avoivynge)  würden  nach  dieser  Theorie 
folgendermafsen  zu  skandieren  sein: 

H6  J>at  »iäde  vs  on  f'e  wn'ilde, 
And  /äir  /^uurmet  ]?e  /ulde, 
Atte  bis  u;ill,  as  he  «tuld, 

The  See  and  the  sände, 
Giflfe  hom  joy  pat  will  here 
Of  dii^ti  uien  and  of  dere, 
Of  häldurs  pat  befure  vs  were, 

pat  Zifd  in  this  Zünde. 

Eine  Begründung  ihrer  Ansicht  wurde  von  keinem  der 
beiden  Gelehrten  gegeben.  Die  alliterierenden  und  reimenden 
Langzeilen  des  Aufgesanges  der  Susanne  und  von  Gol.  and 
Gawain  lasen  sie  mit  vier  Hebungen  (mit  je  zweien  in  der 
Halbzeile). 

5.  H.  Lübke  in  seiner  Berliner  Dissertation  The  Aunters 
of  Arthur  at  the  Tern-Wathelan,  Teil  I,  1883,  S.  15,  teilte 
ebenfalls  dem  letzten  Kurzvers  zwei  Hebungen  zu;  aber  er 
meinte,  dafs  die  Zahl  der  Hebungen  in  den  unmittelbar  vor- 
hergehenden drei  miteinander  reimenden  Versen  zwischen  zwei 
und  drei  schwanke.  Er  lälst  dies  abhängen  von  der  Zahl  der 
in  den  Versen  vorkommenden  sprachlich  stark  betonten 
Silben;  gewöhnlich  seien  nur  zwei  vorhanden,  oft  aber  auch 
mehr  als  zwei,  in  welchem  Falle  man  den  Vers  mit  drei 
Hebungen  lesen  müsse  oder  könne.  Nach  Lübke  wäre  also 
zu  lesen: 

He  )?at  mäde  vs  on  pe  »nülde, 
And  /air  /ourmet  pe  /olde, 
Atte  bis  iüill,  as  he  u-'old, 

The  See  and  the  6:iude,  usw. 


515 

Aiieli  Lühke  hat  jedoch  keine  Begriindiuig  seiner  An- 
sieht versucht.  Seine  Annahme  eines  Wechsels  von  zwei  oder 
drei  Hebungen  m  den  drei  längeren  Versen  befriedigt  schon 
darum  nicht,  weil  diese  Verse  sich  alsdann  auf  verschiedene 
Weise  von  dem  folgenden  (vierten)  Schlufsverse  unterschieden: 
denn  die  dreihebigen  längeren  Verse  würden  sich  durch  die 
Zahl  der  Hebungen,  aber  die  zweihebigen  längeren  Verse 
nur  durch  die  Zahl  der  Senkungen  —  wenn  überhaupt  —  von 
dem  stets  zweihebigen  Schlufsverse  unterscheiden.  Aufserdem 
verstöfst  seine  Erklärung  gegen  den  metrischen  Grundsatz, 
dafs  Verse,  die  an  gleichen  Stelleu  eines  Gedichts  vorkommen, 
stets  dasselbe  Mafs  haben  müssen,  was  bei  einem  regellosen 
Wechsel  zwischen  zwei  und  drei  Hebungen  in  den  drei  Au- 
fangsversen  nicht  der  Fall  ist. 

6.  J.  Schipper,  Englische  Metrik  (1881)  I,  §  104 f.,  liest 
alle  vier  Verse  des  Abgesanges  in  der  Susanne  und  ähnlichen 
Gedichten  mit  je  zwei  Hebungen.  Er  ist  der  erste,  der  sie 
für  Halbverse  der  Stabreimzeile  erklärt  hat,  die  nach  seiner 
Ansicht  vierhebig  ist.  „Nur  macht  sich",  fügt  er  hinzu,  „in- 
folge gröfserer  oder  geringerer  Ausdehnung  der  Senkungen 
...  ein  gewisser  Unterschied  [zwischen  den  Tripletzeilen  und 
der  letzten  Zeile]  bemerkbar."  In  seinem  „Grundrifs  der 
englischen  Metrik"  (1895),  S.  92,  gibt  er  als  Beispiel  die  erste 
Strophe  von  Golagrus  and  Gaivane: 

In  the  tjm^  of  Arthur,  |  as  ir6w  men  me  fäld, 

The  King  ^i'iruit  on  ane  iyde  |  ^öwart  Tüskäne, ') 

Hyin  to  seik  our  the  66y,  |  that  säiklese  wes  säld, 

The  syre  that  sendis")  all  seill,  |  süthly  to  säne; 

With  tänrentcs,  tärounis,  |  and  iernis  füll  iäld, 

Biggast')  of  taue  and  61ude  |  6red  in  Sritüne. 

Thei  uälit  out  werryouris  |  with  tfäpinnis  to  t<jäld, 

The  ^^äyest')  ^rumys  on  ^ründ  |  with  ^6ir  that  layght  (/äue 

Dükis  and  rfigne  lördis,  *)  rfouchty  and  rfeir, 

S'embillit  to  his  Äi'immövne,') 

i?enkis  of  grete  renövue, ') 

Cümly')  Mngis  with  crövne 
Of  göld  that  wes  cleir. 


)  Die  Nebenakzeute  sollen  jedoch  nach  Schipper  metrisch  nicht  ala 

33* 


Hebungen  zählen 


516 

Schippers  Ansieht,  dass  sich  die  Tripletverse  von  den 
„kürzereu"  Schlufsversen  durch  die  gröfsere  Zahl  der  Senkuugs- 
silbeu  unterscheiden,  ist  jedoch  irrtümlich.  Es  ist  leicht  zu 
zeigen,  dafs  das  nicht  überall  der  Fall  ist.  Gelegentlich  kommt 
dieselbe  Zeile  sowohl  als  Tripletvers  wie  als  Schlulsvers  vor. 
In  der  Susanna  stimmen  z.  B. 

Zeile  361 :  pis  ierlys  MM    und 
Zeile  286:   />ts  ierlys  to  irayne 

in  der  Silbenzahl  und  überhaupt  in  ihrem  Bau  so  genau  tiberein, 
dafs  man  sie  als  gleich  betrachten  kann.  Vers  361  ist  aber 
ein  Tripletvers  und  Vers  286  ein  Schlufsvers.  In  andern  Ge- 
dichten kommen  sogar  Verse  mit  genau  gleichem  Wortlaut  als 
Triplet-  und  Schlufszeilen  vor.  Im  Sir  Perceval  dient  z.  B. 
wolde  he  none  forsaJce  3,  16  als  Scblufsvers  der  Strophe  und 
4,  1  als  erster  Tripletvers  der  nächsten,  —  also  unmittelbar 
darnach.  Ebenso  9,  16  und  10,  1  tvhen  he  we7it  on  his  vfay; 
und  wieder  29, 16  und  30, 1  ])ofe  he  were  of  no  pryde.  Auch 
85, 16  tili  he  come  to  pe  prese  und  86, 1  tvhen  he  come  to  pe 
prese  sind  so  gut  wie  gleich.  Wenigstens  auf  dem  Papier  sind 
alle  diese  Verse  gleich;  aber  mufs  das  auch  für  den  Vortrag 
angenommen  werden?  Man  könnte  versucht  sein,  gerade  in 
der  Silbengleichheit  einen  Beweis  dafür  zu  finden,  dafs  die 
Verse  auch  gleich  skandiert  werden  mülsten.  Und  folglich 
in  der  Hauptsache  auch  alle  übrigen  Triplet-  und  Schlufsverse ; 
nämlich  mit  der  gleichen  Zahl  von  Hebungen  und  einer  einiger- 
mafsen  beliebigen  Zahl  von  Senkungssilben,  —  so  zwar,  dals 
die  Tripletzeilen  im  Vergleich  mit  den  Schlufsversen  gewöhnlich 
eine  gröfsere  und  selten  dieselbe  Zahl  von  Senkungsilben  hätten. 
Aber  auch  dies  ist  nicht  richtig.  Es  kommen  Tripletverse  mit 
nur  vier  oder  fünf  Silben  und  anderseits  Scblulszeilen  von  sechs 
oder  sieben  Silben  vor.  Zwei  Beispiele  mögen  einstweilen  ge- 
nügen. Das  kürzeste  Mals  der  Tripletzeile  ist  vier  Silben; 
diese  hat  z.  B.  der  Vers  Kay  come  home  sone  Av.  44,  6 ;  und 
das  längste  Mafs  der  Schlufszeile  ist  sieben  Silben;  diese  hat 
z.  B.  der  Vers  and  hrittunt  all  to  honus  Av.  12,  8.  Der  Schlufs- 
vers kann  also  die  Tripletzeilen  sogar  sehr  beträchtlich  an 
Silbenzahl  übertreffen.  Trotzdem  ist  im  allgemeinen  unver- 
kennbar,  dafs   die  Tripletzeilen   sich  wirklieh   durch   gröfsere 


517 

Länge  von  den  Sehlufszeilen  unterscheiden;  Lesen  von  be- 
liebigen \ier  aufeinander  folgendem  Versen  zeigt  das  fast  stets 
sofort,  und  je  mehr  Versgrnppen  man  prüft,  um  so  gewisser  ist 
der  allgemeine  Eindruck.  In  der  Tat  sind  in  dieser  Auffassung 
alle  Forscher  einig,  die  sich  um  die  Metrik  der  unter  Betrach- 
tung stehenden  Gedichte  bemüht  haben,  mögen  ihre  Erklärungen 
der  Verschiedenheit  sonst  noch  so  sehr  voneinander  abweichen. 
Ein  Unterschied  der  Triplet-  und  Schlufsverse  ist  sicher  vor- 
handen; aber  bei  Beachtung  der  oben  gegebenen  Beispiele  ist 
klar,  dafs  er  nicht  in  der  Zahl  der  Senkungssilben  liegen  kann. 
Wenn  man  nicht  den  schon  oben  in  §  5  ausgesprochenen  Grund- 
satz verleugnen  will,  dafs  in  einem  Gedicht  mit  gleichen  Strophen 
alle  Verse  an  den  wiederkehrenden  entsprechenden  Stellen  aller 
Strophen  dasselbe  Metrum  haben  müssen,  so  müssen  die  Triplet- 
verse  sich  stets  auf  eine  und  dieselbe  Weise  von  den  Schlufs- 
versen  unterscheiden.  Durch  die  Silbenzahl  tun  sie  es  nicht; 
denn  die  Tripletzeile  kann,  wie  gezeigt,  mehr,  ebenso  viel  und 
weniger  Silben  als  die  Schlufszeile  haben.  Der  Unterschied 
kann  überhaupt  nicht  in  den  Senkungen  gefunden  werden. 
Denn  wie  will  man  bei  Annahme  von  zwei  Hebungen  in 
Schlufszeile  wie  Tripletzeile  durch  verschiedenen  Vortrag  der 
Senkungen  eine  genügende  rhythmische  Verschiedenheit  z.  B. 
in  Verse  bringen,  die  bei  gleichem  Wortlaut  sowohl  als  Sehlufs- 
zeilen  wie  als  Tripletzeileu  dienen?  Also  z.  B.  die  schon  an- 
geführten Verse 

when  he  it-ent  on  his  M;äy:  Perc  9, 16  u.  10, 1 
pofe  he  w6re  of  no  pryde:  Perc.  29, 16  n.  30, 1. 

Etwa  blofs  durch  verlangsamten  Vortrag,  sobald  diese  Zeilen 
Tripletverse  sind?  Das  würde  aber  das  Verhältnis  gerade 
umkehren,  das  sonst  beim  Lesen  der  Verse  mit  durchgehends 
zwei  Hebungen  sich  einstellt.  Noch  deutlicher  zeigt  sich  die 
Unmöglichkeit,  auf  diese  Weise  das  Mafs  der  Tripletzeile  über 
das  der  Schlufszeile  zu  dehnen,  wenn  man  z.  B.  neben  den 
fünfsilbigen  Tripletvers 

then  cärpus  Sir  Kay:  Av.  37,  2 

den  siebensilbigen  Schlufsvers 

and  firittunt  all  to  fcönus:  Av.  12,8 

stellt.     Ein  Vergleich   der   beiden  Verse   zeigt  zugleich,   dafs 


518 

auch    etwa   mit  Annahme   von  sprachlichen  Nebenakzenten   in 

der  Tripletzeile  nicht  auszukommen  ist;  denn  ein  Nebenakzent 

(auf  all)   in   der   zuletzt   angeführten   Sehlufszeile   macht   sich 

viel  eher  merkbar  als  in  der  damit  verglichenen  Tripletzeile. 

Oder  man  vergleiche  die  Tripletverse 

he  hade  diede  and  rZoüte:  Av.  12,1 
he  is  Hiäsly  »»äde:  Av.  '^,  13 

mit  dem  Schlufsvers 

ich  ertheli  thinke  has  ende:  Av.  62, 16 

Auch  diese  Sehlufszeile  ist  den  angeführten  Tripletzeilen  an 
Silbeuzahl  und  Nebenakzenten  überlegen.  Ahnliche  Vergleichs- 
paare lassen  sich  in  grofser  Zahl  zusammenstellen.  Oder  wenn 
man  Bedenken  hat,  Verse  aus  verschiedeneu  Strophen  zu  ver- 
gleichen, so  nehme  man  z.  B.  folgende  Versgruppe,  mit  Schippers 
Skansion : 

Av.  28,5:  Thenne  speke  Gäuan  to  Kay: 
"A  mons  häppe  is  notte  äy, 
Is  none  so  sekur  of  a  säy, 
Butte  he  may  hiirmes  /tente." 

Die  Silbenzahl  ist  6,  6,  8  und  6.    Oder 

iär.  29, 1:  "^e,  härdely!"  quod  Kay, 

"Bat  }'ou  hast  lost  pi  fayre  mäy, 
And  p>i  iiffe  I  dar  Zäy,"  — 
pus  Kalkes  he  him  tiWe. 

Die  vier  Verse  haben  5,  7,  6  und  6  Silben.  Mit  dieser  Skansion 
ist  kein  fester  Unterschied  herauszubringen. 

Aus  dieser  ganzen  Überlegung  geht  aber  meines  Erachtens 
zwingend  hervor,  dafs,  weil  eben  ein  konstanter  metrischer 
Unterschied  zwischen  den  beiden  unzweifelhaft  verschiedenen 
Arten  von  Versen  nicht  in  den  Senkungen  gefunden  werden 
kann,  er  in  den  Hebungen  liegen  muls.  Ihre  Zahl  kann  in 
den  beiden  Versarten  nicht  gleich  sein;  und  Schippers  Auf- 
fassung muls  daher  abgelehnt  werden.  Gegenüber  der  Ansicht 
Horstmanns  und  Trautmanns  (§  4)  ist  sie  ein  Rückschritt. 
Denn  bei  ihrer  Skandierung  sind  die  wörtlich  überein- 
stimmenden Schluls-  und  Anfangsverse  der  Strophen  im 
Perc.  metrisch  verschieden;  also 

Schlufsvers:   wolde  he  nöne  forsäke  3,16    und 
Tripletvers :    wolde  he  n6ne  forsäke  4, 1 


519 

oder  Schlufsvers:    when  he  »dnt  on  his  Jfäy  ;•,  16    und 

Triplotvcrs:    wheii  he  iccnt  on  his  wiiy  Kl,  1   usw. 

Uud  ebenso  sind  silbenarnie  Tripletverse  wie  Kay  come 
hü'mc  söiie  Av.  44,  6  durch  die  drei  Hebungen  von  silben- 
reieben  Scblufsversen  mit  nur  zwei  Hebungen  wie  and  hriitunt 
all  to  hönus  Av.  12, 8  leicht  zu  scheiden.  Freilich  ist  damit 
nicht  bewiesen,  dafs  dies  Metrum  wirklich  zugrunde  liegt. 
Denn  auch  mit  vier  Hebungen  in  der  Tripletzeile  und  dreien 
in  der  Schlufszeile  wird  die  Forderung  eines  ständigen  Unter- 
schiedes zwischen  den  zwei  Versarten  erfüllt;  also 

Tripletverse :   Wölde  he  nön  forsäke :  Perc  4, 1 

When  he  u'cut  ön  his  tfäy:  Perc.  Kl,  1 
Kay  c6me  h6me  söne:  Av.  44,6 
pis  /"^rlys  bi/'el:  Sus.  3G1 

SchUifsvorse :    Wölde  he  non  forsäke:  Perc.  3,  Ifi 

When  he  K-6nt  6u  his  iciiy:  Perc.  9,  10 
And  fcrittnut  all  to  ^onus:  ^Ir.  12,8 
pls  /"erlys  to  /räyue:  Siis.  286.') 


')  Kollege  C.  v.  Kraus  macht  mich  auf  folgende  zwei  Stellen  aus 
den  Gedichten  llartmauus  von  Aue  aufmerksam,  wo  ebenfalls  derselbe 
Wortlaut  auf  zweierlei  Weise  rhythmisiert  vorkommt.  Im  'Armen  Heinrich' 
heilst  es,  V.  \M)ff.: 

Tl'rtn  ez  leit  lob  der  guote 

mit  gedultigem  muotc 

do  ez  ime  ze  lidentie  geschach 

durch  der  sele  gemach 

den  siechtuom  und  die  smächeit 

die  er  von  der  iverlte  leit: 

des  lobet  er  got  und  frönte  sich. 

Dagegen  im  'Iweiu',  V.  2557flF.: 

Sime  herzen  liebe  geschach, 

dö  er  jenen  holden  sach 

der  allez  guot  verkerte, 

do  in  got  so  gerte 

daz  erm  solte  gelten 

sin  ungevüegez  schelten 

und  sinen  tägelichen  Spot. 

des  16bet  er  göt. 
Iweins  Dank  an  Gott,  (fügt  v.  Kraus  erläuternd  hinzu)  dafür  dafs  er 
ihm  den  verhafsten  Keii  zur  Abrechnung  in  die  Arme  liefert,  kommt  aus 
dem  Innersten:  daher  die  emphatische  Betonung  seines  Dankes.  —  Beide 
Verse,  der  im  'Armen  Heinrich'  wie  der  im  'Iwein',  müssen  je  vier 
Hebungen  haben. 


520 

7.  Die  erste  einigermafsen  eiugoliende  Untersucliung  des 
Abgesangs  der  dreizehnzeiligen  Strophe  des  Awntyrs  of  Arthur 
und  ähnlicher  Gedichte,  sowie  der  Schweifreimstrophe  des 
Sir  Begrevant  u.  ä.  hat  K.  Liiiek  veröffentlicht  im  XII.  Bande 
der  Anglia  (1889),  S.  438  ff.  Er  hat  auch  zuerst  gesehen,  dafs 
der  Abgesang  und  die  Schweifreimstrophe  metrisch  überein- 
gtimmen.     Schipper  folgend,  nimmt  er  Zweihebigkeit  für  alle 


Und  noch  eine  weitere  Bemerkung  meines  Kollegen  möchte  ich  hierher 
setzen.  ^^ Durch  got  =  um  Gottes  willen",  sagt  er,  "wird  normalerweise 
im  Verse  so  gestellt,  dafs  durch  die  Senkung  (oder  den  Auftakt)  und  göt 
die  Hebung  bildet.  Zum  Beispiel :  Si  sprach :  durch  göt  wer  ist  der  mein  ? 
Iwein  2084;  Ouwe,  durch  göt,  tcaz  wil  du  sägen  2120;  Durch  göt  ir  sült 
die  rede  län  2521;  und  so  noch  öfter.  —  Im  'Armen  Heinrich'  dagegen, 
wo  das  Mädchen  den  Arzt  flehentlich  bittet,  ihr  das  Herz  anszuschneiden, 
damit  ihr  lieber  Herr  von  dem  Aussatz  befreit  und  sie  selbst  des  himm- 
lischen Lohnes  teilhaftig  werde,  sagt  sie  (V.  1152  flf.): 

Getrütvent  ir  mim  herren 
sin  gesunt  wider  geben 
und  mir  daz  ewige  leben, 
diirch  göt,  daz  tüont  enzit: 
länt  sehen  welch  meister  ir  sit. 

In  solcher  und  ähnlicher  Weise  zeigt  sich  bei  einem  Meister  wie 
Hartmann  die  Art  der  Versfüllung  überall  abbäugig  von  der  Situation, 
den  Gedanken  oder  Empfindungen,  die  der  Vers  schildert." 

Hiernach  ist  es  leicht,  die  beiden  angeführten  Verse  aus  der  Susanne 
zu  verstehen.    An  der  ersten  Stelle  (V.  286 f.): 

Änd  alle  ßey  stöted  and  Stade, 
pis  Urlys  to  irdyne 

ist  pis  unbetont  und  bildet  den  Auftakt,  da.  pis  ferlys  die  gewöhnliche 
Bedeutung  hat.  Dagegen  ganz  am  Schlüsse  des  Gedichtes  (V.  361  f.)  gibt 
die  ungewöhnliche  Betonung /)ts  ferlys  den  Worten  des  Dichters  besonderen 
Nachdruck:  pis  ferlys  biUl 

in  pe  days  of  Danyel; 

pe  pistel  yritnesses  yrel 
of  pat  profete. 
Man  vergleiche  H.  Kösters  Bemerkung  auf  S.  26   seiner  Ausgabe  des 
Gedichts. 

Auch  dafs  im  Perc.  die  Schlufsverse  einer  Strophe  als  Anfangsverse 
der  nächsten  Strophe  zwar  ohne  wörtliche  Veränderung,  aber  mit  anderer 
und  vermehrter  Betonung  wiederholt  werden  können,  ist  begreiflich. 
Offenbar  erhalten  diese  Wiederholungen  im  Strophenanfange  emphatische 
Betonung. 


521 

Verse  an.  Er  weist  jedoch  darauf  hin,  dafs  bei  Scliij^pers 
Meinung  über  die  Herkunft  des  Metrums  (aus  den  Halbversen 
der  Stabreimzeile)  zunilebst  noch  niebt  ersichtlich  ist,  „warum 
der  letzte  der  vier  Verse  immer  ganz  merklich  kUrzer  ist  als 
die  drei  vorhergehenden"'.  Zur  Erklärung  „dieses  merk- 
würdigen Verhältnisses"  erinnert  er  an  „die  nicht  unbeträcht- 
lichen Unterschiede"  zwischen  den  ersten  und  zweiten  Halb- 
versen der  Stabreimzeile,  die  er  Anglia  XI,  420  ff.  festgestellt 
habe,  und  kommt  zu  dem  Ergebnis,  „dafs  die  drei  ersten 
längeren  der  in  Frage  stehenden  gereimten  Kurzzcilen  nichts 
anderes  sind  als  erste  Halbzeileu,  die  vierte,  kürzere,  ein 
zweiter  Halbvers."  Als  Beispiele  gibt  er  die  Abgesänge 
der  ersten  Strophen  der  Pistill  of  Sw et c  Susanne,  der  Aivntyrs 
of  Arthur  und  von  Golagros  and  Oawane: 

Sus.    wip  Inne  f»e  sercle  of  sees 
Of  ii'rberi  and  ^älees 
Of  alle  Mäner  of  trees 
Söpely  to  säy. 

ÄÄ.   Bothe  tbe  Arynge,  and  the  qwene, 
And  all  pe  (^öghety  by-rfene 
Syr  Gäwane,  ^ayeste  on  ^rene, 
Dame  Gäyenoure  he  Icdis. 

GG.   S'embillit  to  bis  summövne, 
iJenkis  of  grete  ren6vne, 
C'amly  Mngis  witb  crovne 
Of  göld,  f>at  wes  cleir. 

Er  handelt  dann  über  einige  Einzelheiten  des  Baues  solcher 
Kurzzeilen  und  über  ihre  Verbreitung,  und  sucht  seine  Auf- 
fassung durch  verschiedene  Überlegungen  zu  stützen.  Aus 
seinen  Ausführungen  geht  ziemlich  deutlich  hervor,  dafs  er 
die  erste  Strophe  des  Av.  folgendermafsen  skandieren  würde: 

He  f>at  »iäde  vs  on  pe  »lülde, 
2  And  /air  /bürmet  J>e  /"(ülde, 

Atte  bis  ttill,  as  he  «-öld, 
4        The  see  and  the  sände, 

Giffe  hom  jöy  pat  will  here 
6  Of  rfn^ti  men  and  of  f?ere, 

Of  häldurs  }7at  beföre  vs  werc, ') 
8        pat  iifd  in  this  Wnde. 

*)  Vgl.  seine  Skandierung  von  Versen  wie  To  sie  such  an  inyioc'ent 
(mit  Nebenton  auf  der  Reimsilbe),  Seite  450. 


522 

One  was  /irther  tlie  kinge, 
lil  Wi]'-oiituii  üny  Icttinjj;;') 

Wiji  hiiu  was  uiöny  lordinge, ') 

12  H-Xrdi  of  /ioude. 
irice  aiid  ?(;ir  ofte  )'ay  jrcre, 

14        B6\d  vndur  6aii6re, ') 

And  leiste  ?c6ppuus  wold  u*ere, 
l(i        And  süüy  wold  sfond.  4 

Oder  viclloiclit 

2  And  fiUT  /burmet  ]^e  /olde 
6  Of  (/u^ti  nieu  and  of  dere 

13  iricc  and  ?rar  ofte  pay  icbre^) 
oder         irice  and  nar  öfte  pay  iccre.^) 

Luick  lehnt  es  ausdrücklich  ab  (S.  440),  „die  längeren 
Verse  vier-,  die  kürzeren  dreitaktig  zu  lesen" ;  oder  die  längeren 
dreitaktig  und  die  kürzeren  zweitaktig.  Auf  beide  Weisen 
komme  man  „zu  keinem  befriedigenden  Khythmus".  Die 
durchgehende  Zweihebigkeit  in  allen  Versen,  für  die  er  sich 
entscheidet,  befriedigt  aber  viel  weniger.  Oft  bleibt  dabei 
zweifelhaft,  auf  welche  Silben  die  beiden  Versakzente  zu  legen 
sind.  Oft  geht  die  volle  Wirkuuii:  der  Alliteration  verloren. 
So,  wenn  offenbar  drei  Vollwörter  alliterieren  sollen,  wie  in 
Vers  2,  13  und  15;  und  ebenso,  wenn  von  zwei  Stäben  der 
eine  in  die  Senkung  gesetzt  wird,  wie  in  Luieks  Skansion 
von  Vers  14. 

Schipper  und  Luick  sind  zu  ihrer  Auffassung  gelangt, 
weil  sie,  der  eine  ursprünglich  auf  Vetters,  der  andere  auf 
Sievers'  Theorie  des  altengli sehen  Stabverses  fufsend,  auch 
dem  mittelenglischen  Stabvers  zwei  Hebungen  in  jeder  Halb- 
zeile geben.  Diese  Auffassung  bat  Luick  öfters  auseinander- 
gesetzt und  mit  Gründen  verteidigt.  Sie  hat  auch  viele  An- 
hänger gefunden,  scheint  in  der  Tat  geraume  Zeit  ganz  oder 
fast  allgemein  angenommen  worden  zu  sein  und  ist  wohl  auch 
jetzt  noch  die  verbreitetste  Auffassung  des  Stabverses.  Da  sie 
für   ihn    eine    bewiesene  Tatsache   ist,   so   ist  sie   auch   seine 


')  Vgl.  die  Skansion   Hembillit  to  his  siimmöv7ie  auf  S.  438   und  die 
Erliiiiterungcn  auf  S.  450. 

*)  Vgl.  seine  Skansion  tvith  eny  fdls  Jüggem'ent,  S.  450. 
^)  Vgl.  pe  vfince  and  pe  wederlyng,  S.  450, 


523 

Hauptstützo  für  pcino  Krklärnn^  der  liior  in  Frage  stehenden 
gereimten  Kurzzeilen.  Für  den  jedoch ,  der  seine  Voraus- 
setzungen nieht  teilt,  ist  natürlich  erst  recht  diese  seine  Folge- 
rung nicht  zwingend.  Andere  Gelehrte  hahen  bekanntlich 
Luicks  Theorie  des  me.  Stabverses  verworfen  und  andere 
Theorien  aufgestellt  oder  neu  belebt.  Ihre  Schriften  sind  von 
ihm  selber  in  Pauls  Grundrifs,  2.  Aufl.  (1905),  II,  177  f.,  auf- 
gezählt. Hinzugekommen  ist  seitdem  namentlich  noch  W.  Heuser, 
der  seine  abweichende  Ansicht  in  der  Anglia  (1907)  XXX, 528ff. 
dargelegt  und  begründet  hat. ')  Es  ist  für  meinen  jetzigen 
Zweck  nicht  nötig,  hier  unmittelbar  in  den  Streit  einzutreten; 
doch  werde  ich  an  anderer  Stelle  meine  Auffassung  in  dieser 
Sache  mit  ausführlicher  Begründung  auseinandersetzen.  Schon 
aus  der  sich  mehrenden  Zahl  von  Luicks  Gegnern  geht  hervor, 
dafs  er  seine  Theorie  des  Stabverses  nicht  hinreichend  be- 
wiesen hat.  Unsicher  wie  diese  Theorie  sind  daher  auch 
seine  Folgerungen  über  die  hier  in  Frage  stehenden  gereimten 
Kurzverse;  zumal  das,  was  er  sonst  zu  ihrer  Erklärung  vor- 
gebracht hat,  viel  eher  zu  einem  andern  Schlüsse  nötigt 
(siehe  unten  §  107). 

Die  oben  (in  §  6)  aus  Sir  Pcrceval  angeführten  gleich- 
lautenden Schlufs-  und  Anfangsverse  von  Strophen  hat  auch 
Luick  bemerkt.  Auf  S.  441  sagt  er:  „Bemerkenswert  ist  die, 
wenn  auch  nicht  vollkommen  durchgeführte  Strophenverkettung: 
jede  erste  Zeile  wiederholt  die  Worte  der  letzten  Zeile  der 
vorangehenden  Strophe.  Da  der  Anfangsvers  der  Strophe  einer 
ersten  Halhzeile  [des  Stabverses],  der  Schlufsvers  einer  zweiten 
entspricht,  also  2)  verschiedenen  Baues  sind,  so  kann  die  Wieder- 
holung, auch  wenn  sie  syntaktisch  möglich  ist,  keine  wörtliche 
sein;    es    ist    nun   lehrreich   zu   beobachten,    wie   der   Dichter 


*)  Sieh  ferner  M.  Kaluza,  Englische  Metrik  in  historischer  Entwick- 
lung, Berlin  iy09,  S.  187 ff.,  und  die  dort  angeführte  Schrift  von  Bunzen. 
Und  vgl.  weiter  unten  §  11. 

*)  Dieses  „also"  erregt  Befremden,  da  Luick  in  seinem  früheren  in 
Anglia  XI,  419f.  veröfifeutlichten  Aufsatze  hervorgehoben  hatte,  der  erste 
Halbvers  habe  neben  verschiedenen  auch  „dieselben  Formen"  wie 
der  zweite.  Die  beiden  Halbverse  haben  in  der  Tat  häufig  dieselbe 
sprachliche  Füllung.  Siehe  unten  §  95,  namentlich  die  Fnfsnote  am 
Schlufs. 


524 

diesem  rhytlimisohen  Unterschiede  gerecht  zu  werden  sucht. 
Er  fügt  reine  Flickwörter  ein;  so 

Now  of  justyngez  thay  teile  8,1 
There  lie  lijgges  !m  thc  fehle  5,  1 
WUhowtte7ie  any  mercy  58, 1 
With  thaire  wapyns  ^7^  thaire  hande  72, 1 

oder  ein  zugesetztes  He  says,  He  sayde  .  .  .  Wenn  daher  ge- 
legentlich der  SchluCsvers  der  Strophe  zu  lang  ist  für  das 
Ausmafs  eines  zweiten  Halbverses,  aber  wörtlich  übereinstimmt 
mit  dem  Anfangsverse  der  nächsten  Strophe,  so  haben  wir 
gewifs  Fehler  des  Schreibers  vor  uns,  der  bereits  die  folgende 
Zeile  im  Auge  hatte." 

Hierbei  sind  jedoch  bei  genauerem  Zusehen  zweierlei  Verse 
zu  unterscheiden.  Nämlich  erstens  Schlufsverse,  die  nach  Luick's 
System  wirklich  zu  lang  sind;  und  zweitens  Schlufsverse,  die 
auch  nach  seiner  Theorie  ganz  iu  Ordnung  sind. 

a)  Überlange  und  als  Anfang  der  folgenden  Strophe  ganz 
wörtlich  wiederholte  Schlufsverse  kommen  dreimal  vor: 

When  he  went  on  bis  näy  9, 16  (—  10,  1) 
pofe  he  were  of  no  pryde  2»,  10  (=  30, 1) 
tili  be  come  to  pe  prese  85, 16  (When  he  ...  S6, 1) 

Nach  Luick's  System  gemessen,  sind  die  Schlufsverse  zu 
lang,  weil  sie  zweisilbige  Eingangssenkung  haben;  denn  zwei- 
silbige Eingangssenkung  verträgt  sich  im  zweiten  Halbvers 
der  Stabzeile  und  daher  auch  hier  nicht  mit  zweisilbiger  Mittel- 
senkung, während  im  ersten  Halbvers  (und  im  Tripletvers) 
zweimalige  zweisilbige  Senkung  „aufserordentlich  häufig"  und 
richtig  ist.  Da  diese  Regel  verletzt  ist,  schliefst  er,  dafs  die 
Überlieferung  falsch  sein  mufs.  Es  würde  aber  sehr  schwer 
sein,  wenn  nicht  unmöglich,  einleuchtende  Änderungen  für 
alle  drei  Verse  zu  finden.  In  allen  Fällen  ist  der  Sinn  und 
der  sprachliche  Ausdruck  durchaus  angemessen.  Und  wenn 
man  diese  Verse  ändern  wollte,  so  müfste  man  ganz  aus 
demselben  Grunde  auch  noch  viele  andere  Verse  des  Gedichts 
ändern,  die  genau  dieselbe  Form  haben;  z.  B, 

to  pe  mette  p&j  pam  dighte  59,16 
ther  als  man  sali  be  täne  79,  S 
I  sali  /iölde  pat  I  Aighte  87, 16; 


525 

ferner  130,12;  134.16;  139,4  u.a.  Man  mufs  die  Verse  also 
als  richtige  Scblufsverse  gelten  lassen;  und  da  dieselbe  Form 
zugleich  in  den  Tripletversen  überaus  häufig  ist  (siehe  z.  B. 
Vers  10,18,22,35  usw.),  so  besteht  hier  eine  grofse  Schwierig- 
keit für  die  Zweihebungstheorie,  die  sie  nicht  zu  lösen  vermag. 
Anderseits  ist  alles  in  bester  Ordnung,  wenn  man  die  Zwei- 
hebungstheorie fallen  läfst  und  verschiedene  Hebungszahlen 
für  die  verschiedenen  Zeilen  annimmt  (§  C). 

b)  Einmal  wird  ein  regelrechter  Sehlufsvers  als  Strophen- 
anfang wiederholt: 

Wolde  he  non  forsäke  3, 16  (=  4, 1). 

Dieser  Sehlufsvers  ist  auch  nach  Luicks  System  voll- 
kommen tadellos.  Hier  hat  der  Schreiber  also  keinen  zu 
langen  Vers  aus  „der  folgenden  Zeile"  abgeschrieben.  Der 
Vers  hat  den  „Typus  B"'  xx-X->  wofür  Luiek  in  der  Anglia 
XI,  402  und  412,  zahlreiche  Beispiele  aus  dem  Troy-Book  bei- 
gebracht hat,  die  als  zweite  Halbzeilen  stehen ;  z.  B. 

and  the  cloudes  dyn  4ü9 
and  the  ledys  all  488  usw. 

Auch  im  Perc.  ist  diese  Form  in  den  Schlulsversen  sehr  ge- 
bräuchlich. In  den  ersten  zwanzig  Strophen  begegnen  aufser 
dem  schon  angeführten  Verse: 

And  \>Q  (/>6ves  ^fraye  11,  12 
To  hir  lyves  lüde  12,12 
Bot  a  gäytes  skynu  IT,  12 


When  he  sch61de  say  öughte  18, 4 
In  this  /ioltis  /tiire  19,12 
And  1  Cüuie  hym  tili  20, 12 


Da  das  Gedicht  143  Strophen  hat,  so  werden  ungefähr  sieben 

mal   sieben   Scblufsverse   dieser   Art   darin   vorkommen.     Und 

auch  als  ersten  Halbvers  der  Stabzeile  findet  Luick  diese  Form 

in  Ordnung  (siehe  Anglia  XI,  420);  und  daher  mufs  er  natürlich 

auch  als  Tripletvers  im  Perc.  richtig  sein,  wo  aufserdem  z.  B. 

vorkommen  „.,     ^  .    >  ,.  '^    «  , 

Who  f>at  Mghte  can  rede  2, 1 

(Sali  he  no  thyng  s6e  11, 10. 

Aber  mit  solchen  Versen  wird  der  Dichter  dem  erforderlichen 
rhythmischen  Unterschiede  zwischen  den  beiden  Versarten  nicht 
gerecht;  —  allerdings  wieder  nur  bei  Luicks  Skandierung 
nicht.  Liest  man  sie  aber  mit  verschiedener  Zahl  von  Hebungen, 
80  sind  alle  Verse  in  Ordnung. 


526 

Auch  ein  anderer  Sclilufsvers  ist  hier  noch  zu  erwähnen: 

and  fro  pam  he  rade  Perc.  39,  16, 

der  in  der  Form 

Now  fro  pam  he  rade  40, 1 

als  Aufangsvers  der  nächsten  Strophe  wiederholt  wird. 

Mit  Luieks  Betonung  müssen  sie  ühereinstimmeud 

and    1 

Nüw  J         f'^™    *^  ^'^^^ 

skandiert  werden,  so  dafs  wieder  kein  rhythmischer  Unterschied 
besteht.  Nach  seinem  System  sind  sie  mit  dieser  Betonung 
sowohl  richtige  Schlufsverse  als  richtige  Tripletverse,  da  diese 
Formen  als  erste  und  zweite  Halbverse  der  Stabzeile  vorkommen 
(Anglia  XI,  409  und  410  ff.);  und  auch  hier  kann  man  also 
nicht  sagen,  dafs  der  Schreiber  „bereits  die  folgende  Zeile  im 
Auge  hatte"  und  daraus  einen  „zu  langen"  Schlufsvers  abschrieb. 
Vielmehr  sind  beide  Verse,  der  Schlufs-  wie  der  Anfangsvers, 
vollkommen  in  Ordnung;  man  mufs  sie  nur  anders  skandieren 
und  wieder  dem  Tripletvers  eine  Hebung  mehr  geben. 

Dies  hat  drei  Vorteile.  Erstens  bleibt  die  Überlieferung  in 
allen  Fällen  unangetastet.  Zweitens  ist  tiberall  die  erforderliche 
Verschiedenheit  der  zwei  Versarten  vorhanden.  Und  drittens 
gelangen  wir  erst  so  dazu,  die  vier  vollkommenen  Vers- 
wiederholungen richtig  zu  würdigen.  Denn  der  Dichter  strebte 
offenbar  nach  Strophenverkettung  durch  möglichst  wörtliche 
Wiederholung.  Diese  Aufgabe  war  schwer;  und  daher  begnügte 
er  sich  meist  mit  halbem  Erfolg,  indem  er  Flickwörter  einfügte 
(siehe  oben!);  oder  er  vernachlässigte  sie  ganz,  indem  er 
nichts  wiederholte.  Das  Vollkommenste  aber  war  genaue 
wörtliche  Wiederholung  der  ganzen  Zeile,  ohne  Zusatz  oder 
Veränderung  eines  einzigen  Wortes.  Das  ist  ihm  viermal  ge- 
lungen. — 

Nach  Luieks  eigner  Ansicht  ist  eine  solche  Wiederholung 
bei  gleicher  Anzahl  von  Hebungen  und  Senkungen  nicht  möglich; 
in  der  Tat  läfst  sein  metrisches  System  sie  nicht  zu.  Aber 
da  sie  dennoch  fünfmal  in  sonst  tadellosen  Versen  vorkommt, 
mufs  man  annehmen,  dafs  der  Dichter  in  einem  andern  Metrum 
schrieb,  als  Luick  zu  erkennen  glaubt. 


527 

8.  Ungefähr  gloielizeitig  mit  Luieks  Aufsatz  in  Anglia 
XII  erschien  eine  Abhandlung  von  J.  EUinger,  Über  die 
sprachliehen  und  metrischen  Eigeutiinilichkeiten  in  21ie  Romance 
of  Sir  Perceval  of  Gallcs,  im  Jahresbericht  der  Staats- Ober- 
Realschule  vou  Troppau  1889.  Ellinger,  der  Luick's  Aufsatz 
offenbar  noch  nicht  benutzen  konnte,  nimmt  ohne  jede 
Begründung  an,  dafs  die  Tripletverse  des  Perc.  vier  Hel)uugen 
haben  und  der  kürzere  vierte  Vers  drei,  und  handelt  dann 
auf  fünf  Seiten  kurz  über  Fehler  der  Senkung,  doppelte 
Senkung,  Auftakt  und  schwebende  Betonung  (S.  27  tf.).  Seine 
Skandieruug  sehr  vieler  Verse  fordert  zum  Widerspruch  heraus. 
Es  ist  daher  nicht  zu  verwundern,  dafs  Luick  in  einer  Anzeige 
der  Abhandlung  in  der  Zeitschrift  für  die  österreichischen 
Gymnasien,  Bd. 42,  S.853f.,  EUinger's  Auffassung  glatt  ablehnt. 

9.  Zu   einer   von   Luick    etwas   abweichenden   Meinung 

kam  H.  Köster   in  seiner  kritischen  Ausgabe  von  „Huchown's 

Pistel  of  Swete  Susan''''  (1895).    Für  die  alliterierenden  Lang- 

zeilen  des  Aufgesangs  hält  er  an  der  Zweihebungstheorie  fest, 

und    auch    für    den    Schlufsvers   der    Strophe   nimmt   er   zwei 

Hebungen  an ;  aber  seine  Untersuchung  der  Tripletzeilen  führt 

ihn  zu  der  Annahme  von  drei  Hebungen  für  diese  drei  Verse. 

Hiermit  gelangt  er  also  zu  der  Ansicht,  die  zuerst  Horstmann 

und  Traut  mann  verkündet  haben  (§  4).    Er  skandiert  die  erste 

Strophe  folgendermafsen : 

per  was  iu  Ä'ibiloine  a  iern,  in  pat  Wrw  riebe: 
pat  was  a  Jeu^  Jentil,  and  Joachim  he  hibt. 
Ile  was  so  Zele  iu  his  /äwe:  per  Zived  iion  him  Ziehe. 
Of  alle  tiehes  ]?at  renke  aräyed  he  was  tiht. 
His  tnnes  and  his  Jrchardes  was  wij?  a  rfep  dieli, 
i?alles  and  /terbergages  Äeij  apon  /liht. 
To  seche  purii  f>at  cite:  l^er  näs  non  sieh 
Of  crbes  and  of  erberi  so  a'veuauutly  diht 
Pat  däy, 

Wipinne  pe  sercle  of  sees, 
Of  erberi  and  nlees 
Of  alle  maner  of  tr6es  — 
Söpely  to  säy! 

Auch  Köster  nimmt  an,  dals  die  Tripletverse  des  Ab- 
gesauges  aus  den  ersten  Halbversen  der  Stabzeile  abgeleitet 
sind.     Er  glaubt  aber,  dafs  sie  unter  Eiufluis  des  Keimes  drei 


528 

Hebungen  statt  zwei  erhielten,  weil  dieser  zuweilen  auf  eine 
sprachlich  nebentonige  Silbe  fiel  (wie  in  der  drittletzten  Zeile). 
Und  einen  Beweis  für  die  Dreihebigkeit  findet  er  hauptsächlich 
in  dem  häutigen  Vorkommen  von  drei  Stäben  in  den  Triplet- 
versen,  z.  B.  in  dem  Vers  BUpest  hriddes  o  pe  best  77.  Dafs 
seine  Beweisführung  nicht  zwingend  ist,  geht  daraus  hervor, 
dafs  seine  Schlufsfolgerung  von  Luiek  (in  Paul's  Gruudrifs^ 
I,  173),  Brotanek  (im  Beiblatt  zur  Anglia  VI,  231)  und  Heuser 
(in  der  Anglia  XXX,  529)  abgelehnt  worden  ist,  wenn  auch 
nicht  ohne  einige  Anerkennung  für  die  Sorgfalt  der  Untersuchung. 

10.  Ein  Jahr  später  erschien  M.  Trautmanns  Aufsatz 
„Zur  Kenntnis  und  Geschichte  der  mittelenglischen  Stabzeile" 
in  der  Anglia,  Bd.  XVIII  (1896),  83  ff.  Von  der  Überzeugung 
ausgehend,  „dafs  der  ae.  Stabvers  (die  halbe  Stabzeile)  nicht 
ein  zweitreffiger  Vers  sei,  sondern  ein  viertaktiger",  hatte  er 
beobachtet,  „dafs  die  zweiten  Hälften  (die  b -Verse)  im  Mittel- 
englischen einen  Takt  weniger  hätten  als  die  a-Verse" ;  und 
so  erklärte  er  zum  ersten  Male  den  me.  Stabvers,  den  „geraden 
Nachkommen"  des  ae.,  für  einen  „Siebentakter",  mit  vier 
Takten  vor,  und  drei  Takten  nach  dem  Einschnitte.  Und 
daraus  ergab  sich  für  den  Abgesang  in  der  Pistill  of  Susan, 
in  Golagrus  and  Gaivane  usw.  die  Skansion  mit  vier  Treffen 
in  den  Tripletzeilen  und  dreien  in  der  Schlufszeile,  also  grund- 
sätzlich dasselbe  Metrum,  wie  EUinger  es  für  die  Schweifreim- 
strophe des  Sir  Perceval  angenommen  hatte.  Als  Beispiel  sei 
die  erste  Strophe  der  Susanyie  mit  Trautmann's  Skandierung 
hierher  gesetzt: 

Ther  was  in  Sabiloiue  a  iern,    ||    in  tbat  ftörw  riebe, 
That  was  a  Jeugh  jentil,    ||    and  Joacbim  be  bibt ; 
he  was  so  Zele  in  bis  /äwe,    ||    tbere  ?ived  uön  bim  ^cbe; 
4  of  all  riches  tbat  renke    ||    aräyed  be  was  »iht: 
bis  innes  änd  bis  o'rcbärdes    ||    weren  witbinne  a  (Z6p  rfich, 
/iälles  änd  /ierbergäges    ||    /ley  üppon  /i6igbt; 
to  secbe  tböm  tbat  cite    ||    th6r  nas  non  sieb 
8  of  erbes  änd  of  erberi,    1|    so  ovenaiintlicbe  idibt 

tbat  däy, 
10  witbinne  tbe  sercle  of  sees, 

of  erberi  änd  alees, 
12  of  alle  mäner  of  trees 
«Sotbely  to  säy. 


529 

Leider  bat  Trautinann  es  sich  nicht  angelegen  sein 
lassen,  einen  Beweis  für  seine  neue  Ansiclit  zu  liefern;  er  hat 
sieh  darauf  beschränkt,  durch  Skandieren  einiger  kurzer  Proben 
aus  einer  Reihe  von  Gedichten  zu  zeigen,  dafs  man  die 
alliterierende  Langzeile  siebentreffig  lesen  kann,  aber  nicht 
dafs  man  sie  so  lesen  muls. 

Manche  seiner  Skandierungen  sind,  auch  vom  Standpunkte 
seiner  TLeorie,  anfechtbar;  z.  B.  in  der  Destriiction  of  Troy, 
Zeile  2,  einlies  imd  öii,  wo  in  endlcs  and  6nc  zu  bessern  ist; 
oder  in  der  eben  zitierten  Strophe  der  Susanne  ist  besser  zu 
lesen  Z.  6  hdlUs  and  hcrhergdges ,  Z.  11  of  ^rheri  and  (xlces; 
und  in  Z.  10  ist  das  End-e  von  ^erde  stumm,  und  es  ist  etwa 
%crhel  zu  lesen. 

Später  haben  einige  Schüler  Trautmanns -F.Mennicken, 
J.  Fischer,  H.  Steffens  und  A.  Schneider  —  ganze  allite- 
rierende Gedichte  mit  Hilfe  seiner  neuen  Theorie  untersucht ') 
und  haben  geglaubt,  die  Richtigkeit  werde  dadurch  bewiesen, 
„dafs  sieh  fast  alle  (Halb-)  Verse  als  Vier-  bezw.  Dreitakter 
lesen  lassen".  Aber  auch  Luick  hatte  ja  schon  2000  und 
mehr  Verse  des  Troy-BooJc  genau  untersucht,  um  zu  zeigen, 
dafs  seine  Zweihebungstheorie  sich  darauf  anwenden  lasse. 
Es  ist  daher  begreiflich,  dafs  weder  Trautmann's  kurze 
Darlegungen  noch  die  ausführlichen  Abhandlungen  seiner 
Schüler  ihn  zu  überzeugen  vermochten;  er  hat  vielmehr  die 
neue  Theorie  aufs  entschiedenste  abgelehnt  und  seine  eigene 
dagegen  verfochten;  siehe  Anglia  Beiblatt  XII,  33  S.  (1901) 
und  Pauls  Grundrifs,  2.  Auflage,  IL  Bd.,  s.  141  ff.  (1905). 

Auch  viele  andere  Gelehrte  sind  bei  der  von  Schipper 
und  Luick  vertretenen  Zweihebungstheorie  geblieben;  sechse 
nennt  Luick  auf  S.  178  im  Grundrifs  mit  Namen:  M.  Förster, 
E.  SokoU,  F.  Holthausen,  M.  Deutschbein,  G.  Gerould 
und  O.Ritter. 2) 

Schon  hieraus  ist  ersichtlich,  dafs  Trautmanns  Theorie 
des  Stabverses  von  ihm  und  seinen  Schülern  nicht  hinreichend 


')  Auf  diese  Bonner  Dissertationen  habe  ich  keinerlei  Einflufs  gehabt; 
ebensowenig  habe  ich  für  den  vorliegenden  Aufsatz  etwas  daraus  ent- 
nommen. 

'^)  Andrerseits  hat  wieder  L.  Morsbach  Luicks  Auffassung  abgelehnt ; 
siehe  Festschrift  für  W.  Foerster,  S.  302  f. 

Studien  z.  engl.  Phil.     L.  3^ 


530 

bewiesen   ist.   und   daher  auch   nicht   seine  Skansion  des  Ab- 
gesanges  der  Suscume  usw. 

11.  Auch  alle,  die  sonst  Trautmanns  Auffassung  an- 
genommen oder  eine  ähnliche  vorgebracht  haben  (mit  Annahme 
dipodischen  Baues  statt  gleichtaktiger  Skandierung),  haben  es 
an  schlagenden  Beweisen  mangeln  lassen.  B.  Kuhnkes 
Versuch,  die  Zweihebungstheorie  zu  widerlegen,  in  seiner 
Königsberger  Dissertation  „Die  alliterierende  Langzeile  in  der 
mittelenglischen  Romanze  Sir  Gaivayn  and  the  Green  Knight'', 
Berlin  1900.  ist  zusammen  mit  zwei  gleichzeitig  erschienenen 
Dissertationen  von  Schülern  Trautmanns  von  Luick  im  Beiblatt 
zur  Anglia  XII,  33  ff.,  abgewiesen  worden.  Ein  anderer  Versuch 
von  A.  Bunzen  in  seiner  Dissertation  „Ein  Beitrag  zur  Kritik 
der  Wakefielder  Mysterien",  Kiel  1903,  S.  22  ff.,  ist  nichts 
weiter  als  eine  Umformung  von  Trautmanns  monopodischer 
Messung  in  dipodische;  an  eine  Widerlegung  der  Zweihebungs- 
theorie mit  Gründen  denkt  der  Verfasser  nicht.  Luick  hat 
auch  Bunzens  Theorie  abgelehnt;  s.  Anglia  Beiblatt  XVII,  161  ff. 
M.  Kaluza,  in  seiner  „Englischen  Metrik  in  historischer  Entwick- 
lung*', Berlin  1909,  S.  190  f.,  nimmt  eine  vermittelnde  Stellung 
zwischen  Trautmann  und  Bunzen  ein.  Auch  W.  Heuser, 
der  bei  Gelegenheit  einer  Ausgabe  einer  Katharinenhymne  des 
Ricardus  Spaldyng  im  XXX.  Bande  der  Anglia  (1907),  S.  523  ff., 
auf  die  tiefgehenden  Meinungsverschiedenheiten  über  den  Bau 
des  me.  Stabverses  zu  sprechen  kommt,  wiederholt  gegen  die 
Zweihebungstheorie  eingestandenermafsen  nur  „die  inneren 
Widersprüche  und  Schwierigkeiten",  die  Luick  selber  alle 
schon  im  Grundrils  erwähnt,  aber  für  nicht  ausschlaggebend 
erklärt  habe.  Damit  kommt  unsere  Erkenntnis  keinen  Schritt 
weiter.  Was  er  ferner  über  den  Ursprung  des  me.  Stabverses  sagt, 
den  er  für  eine  Neubildung  hält  und  in  Zusammenhang  bringt 
„mit  dem  rein  taktierenden  Septenar",  z.  B.  des  Poema  MoraJe, 
ist  ganz  problematischer  Natur.  Aufserdem  bietet  er  noch  ein 
paar  Bemerkungen  zu  den  Kurzzeilen,  welche  sich  in  der 
Katharinenhymne,  ähnlich  wie  in  der  Susanne,  als  Abgesang 
den  Langzeilen  des  Aufgesanges  anschliefsen.  Doch  ist  sein 
Argument  gegen  die  Zweihebungstheorie  kein  anderes  als  das 
schon    von    Kuhnke    vorgebrachte,    der    Halbverse    mit    drei 


531 

Reimstäben  wie  ])e  ^xiaive  mitcred  ful  snart  Gawtiin  2003 
und  iibnliehes  bereits  obne  Erfolg  gegen  Schipper  und  Luick 
ins  Feld  geführt  hatte. ') 

Ein  Zeichen  dafür,  dafs  alle  Bemühungen  der  Anhänger  der 
Siebentakttheorie  die  Zweihebungstheorie  keineswegs  beseitigt 
haben,  ist  die  Dissertation  von  J.Thomas,  „Die  alliterierende 
Langzeile  des  Gawain-Dichters",  Jena  1908.  Nach  Trautmanns 
Theorie  war  der  Stabvers  des  Gawains-Dichters  bereits  zweimal 
genau  untersucht  worden:  von  Kuhnke  (§  11)  im  Jahre  1900  und 
von  Fischer  (§  10)  im  Jahre  1901.  Trotzdem  hat  es  Thomas 
für  nötig  gehalten,  dieselben  Dichtungen  nochmals  genau  auf 
Grund  der  Zweihebungstheorie  durchzuarbeiten.  Er  verwirft 
die  siebentaktige  Messung  —  freilich  ohne  sie  zu  widerlegen 
—  und  kommt  zu  dem  Ergebnis,  dafs  „in  der  Hauptsache  die 
Zweihebungstheorie  sich  auf  den  Gawain- Dichter  ohne  jede 
Schwierigkeit  anwenden  läfst",  —  was  aber  ihre  Richtigkeit 
leider  ebensowenig  beweist  wie  die  Darlegungen  von  Kuhnke 
und  Fischer  das  Gegenteil. 

(Nachtrag  bei  der  Korrektur  des  Druckes:)  Ebenso  hält 
in  der  allerjüngsten  Publikation  Holthausen  an  der  Zwei- 
hebungstheorie fest.    In  der  schon  (in  §  2  Fufsnote)  erwähnten. 


1)  Heuser  weist  auch  auf  eine  merkwürdige,  "im  Mittelenglischen 
völlig  vereinzelte"  Art  der  Reimbildung  hin,  die  sich  in  der  Katharinen- 
legende  in  den  lliugereu  Kurzzeilen  des  Abgesauges  findet.  Der  sechs- 
zeiligc  Abgesang  der  ersten  Strophe  lautet  z.  B.  folgendermafsen : 

To  spare  ße  he  tynt  pere, 
Qiven  he  his  myht  mynt  pere 

to  momyl  on  his  inaiüme7it, 
And  for  pou  styßy  stynte  pere, 
As  fyre  doth  of  üynt  pere, 

pi  xesons  hyni  rent. 

Die  Eigentümlichkeit  besteht  in  der  "konsequenten  Anfügung  eines 
einsilbigen  schwachtonigen  Wortes,  das  meist  ein  überflüssiges  Flickwort 
ist,  an  den  Schluls  der  [paarweise  gereimten]  Verse  des  Abgesanges".  Als 
Beweismittel  gegen  die  Zweihebungstheorie  benutzt  Heuser  diese  Reime 
nicht,  obwohl  er  natürlich  den  Wörtcheu  am  Versende  einen  metrischen 
Akzent  gibt.  An  sich  können  ja  derartige  zusammengesetzte  Reime  sehr 
wohl  einhebig  sein,  wie  in  E.  A.  Poe's  Raven: 

'Wretch',  I  cned,  'thy  God  hath  lent  thee  — 

by  those  angds  he  hath  sent  thee 

Respite  —  respite  and  nepenthe,  etc. 

34* 


532 

vou  ihm  uud  Camyiou  vorbereiteten  neuen  Ausgabe  des  Sir 
Percevah  deren  Erseheinen  jetzt  unmittelbar  bevorsteht,  nimmt 
er,  im  Ansehlufs  an  Luiek  und  Schipper,  für  das  Gedicht 
zwei  Hebungen  in  jedem  Vers  an.  Er  beruft  sich  (in  §  4 
der  Einleitung)  auch  auf  Kaluza,  Liheaus  Desconus  (1890), 
S.  LXIXf.  Aber  Kaluza,  der  hier  Luicks  Theorie  für  den 
Perc.  und  ähnliehe  Gedichte  "rückhaltlos"  angenommen  hatte, 
hat  sie  später  natürlich  mit  der  Zweihebungstheorie  der  Stab- 
zeile fallen  lassen;  siehe  seine  "'Englische  Metrik"  (1909), 
S.  222  f. 

12.  Es  wäre  nutzlos,  noch  andre  Anhänger  der  einen  oder 
anderen  Theorie  über  die  Stabzeile  oder  die  in  Frage  stehenden 
Kurzzeilen  hier  namhaft  zu  machen;  niemand  sonst  hat  meines 
Wissens  Beweisgründe  für  oder  wider  eine  der  Theorien  vor- 
gebracht oder  eine  andere  Skansion  vorgeschlagen.  Es  genügt, 
nochmals  festzustellen,  dafs  überhaupt  noch  keine  Gründe  ver- 
öffentlicht sind,  die  vermocht  hätten,  einen  Gegner  von  seiner 
Meinung  abzubringen;  wenigstens  ist  bisher  nichts  von  einem 
solchen  Erfolge  bekannt  geworden.  AVohl  ist  eine  Ansicht  oft 
mit  zu  viel  Siegeszuversicht  verfochten.  Am  weitesten  darin 
ist  wohl  Schipper  gegangen,  der  in  seinem  „Grundrifs  der 
englischen  Metrik"  (1895)  alle,  die  sich  durch  seine  Gründe  von 
der  Zweihebigkeit  der  ae.  und  me.  alliterierenden  Halbzeile  und 
ähnlicher  Verse  nicht  überzeugen  lassen  wollen,  mit  den  Worten 
yl']lfric8  Gif  hicä  ])ises  ne  ge\yfd,  he  is  üngeXeafidtc  zu  den 
hoffnungslos  verlorenen  Ketzern  rechnet,  die  man  ihrem  traurigen 
Schicksal  überlassen  müsse.  Aber  gerade  seit  dem  Jahre  1895 
haben  viele  Ungläubige  ihre  abweichenden  Meinungen  bekannt. 

13.  Gruppiert  man,  so  sind  im  ganzen  vier  verschiedene 
Ansichten  über  die  Kurzverse  der  Sus..  des  Av.  usw.  vorgebracht: 

1.  Horstmann  und  Köster  geben  den  Tripletzeilen  3 
und  den  Schlufszeilen  2  Hebungen  (§  4  und  9). 

2.  Lübke  gab  ihnen  3  oder  2,  und  bzw.  2  Hebungen  (§  5). 

3.  Schipper  und  Luiek  geben  ihnen  durchweg  2  Hebungen 
(§  6  und  7). 

4.  Ellinger,  Trautmann,  Kaluza  und  Heuser  geben 
ihnen  bzw.  4  oder  3  Hebungen  (§  8,  10  und  11). 


533 

Hiervon  selioidet  Tiiihke  wolil  ohne  weiteres  ans;  und  bei 
der  folgenden  Untersucliung  hantlelt  es  sieh  also  nnr  darum, 
ob  die  längeren  Kurz/eilcn  durchweg-  4,  3  oder  2  Ilcbnngen 
haben  und  die  kürzeren  Sehlnfszeilen  3  oder  2.  Damit  sind 
zugleich  alle  Möglichkeiten  erschöpft. 

14.  Überblickt  man  die  bisherigen  Versuche  zur  Be- 
stimmung des  Metrums,  so  kann  man  dreierlei  Wege  unter- 
scheiden. 

1.  Ilorstmann  und  Ellinger  haben  sich  anscheinend 
blofs  durch  ilir  rhythniisichps  Gefühl  bestimmen  lassen.  Sie 
sind  jedoch  zu  entgegengesetzten  P'rgebnissen  gelangt.  Ebenso 
verschieden  ist  z.  B.  der  Geschmack  Luicks  und  Trautmanns, 
die  ihre  eigne  Skansion  schön  und  die  des  andren  unbefriedigend 
finden.  Auf  diese  Weise  ist  oflFenbar  kein  Ausgleich  der 
Meinungen  zu  erreichen. 

2.  Schipper,  Luick  und  Trautmann  sind  von  der 
alliterierenden  Langzeile  aus  zu  ihrer  Auffassung  der  Kurzzeilen 
gelangt.  Solange  aber  das  Metrum  des  Stabverses  nicht  zweifel- 
los feststeht,  ist  für  einen  auf  diese  Weise  gezogenen  Schluls 
nicht  auf  allgemeine  Anerkennung  zu  rjechnen.  Im  folgenden 
ist  daher  von  diesem  Wege  abgesehen. 

3.  Nur  sehr  selten  sind  die  Kurzzeilen  etwas  näher  unter- 
sucht, um  aus  ihnen  selber  Beweisgründe  für  das  Metrum  zu 
entnehmen.  Eigentlich  ist  nur  von  Köster  und  von  Heuser 
ein  Versuch  dieser  Art  gemacht  (siehe  §  9  u.  11).  Was  Luick 
in  der  Anglia  XII,  440  ff.  vorbringt,  ist  allzu  summarisch,  um 
tiberzeugen  zu  können.  Er  ist  von  vornherein  in  der  Meinung 
befangen,  dals  die  Kurzzeilen,  wie  die  alliterierenden  Halbzeilen, 
zweihebig  sind.  Gelegentlich  (S.  442 f.)  findet  er  allerdings,  dafs 
z.  B.  „die  ganze  erste  Strophe  (12  Zeilen)  von  Lybeaus  Disconus : 

Jhesu  Cryst,  our  Savyour, 

And  bis  modyr,  that  swete  flour, 

Helpe  hem  at  her  nede, 
That  harkeneth  of  a  conquerour, 
Wya  of  Uz-ytte  and  it-yght  icerronr, 

And  (foughty  man  in  dede,  etc. 

als  Schweifreimstrophe  aus  vier-  und  dreitaktigen  Versen  gelesen 
werden  kann";  ja,  er  fügt  hinzu,   dafs  „sie  sogar  —  für  sein 


534 

Ohr  wenigstens  —  in  dieser  Skansion  viel  wohllautender"  ist. 
Aber  er  lälst  sich  dadurch  dennoch  nicht  von  seiner  grund- 
sätzlichen Ansieht  abbringen.  Ebensowenig  durch  ähnliche  Tat- 
sachen, die  er  aus  andern  Gedichten  anführt  und  die  noch 
deutlicher  sprechen.     (Siehe  §  107.) 

15.  Bei  dieser  Lage  der  Dinge  ist  die  Notwendigkeit 
einer  genaueren  Untersuchung  der  Kurzzeilen  nicht  zu  verkennen. 
Sie  dürfte  jedermann  willkommen  sein,  wenn  sie  zu  einem 
ül)erzeugenden  Beweis  führt.  Nichts  ist  so  nötig,  als  endlich 
eine  feste  Grundlage  zu  gewinnen,  über  die  kein  Zweifel  mehr 
möglich  bleibt. 

Wie  schon  angedeutet,  soll  das  Äv.  der  Untersuchung  zu- 
grunde gelegt  werden.  Wegen  des  unsicheren  Standes  der 
Forschung  über  die  me.  Stabzeile  empfiehlt  es  sich,  dabei 
zunächst  von  einer  Berücksichtigung  der  allerdings  ofienbaren 
Beziehungen  der  Kurzzeilen  zu  den  Laugzeilen  abzusehen  und 
ohne  vorgefaXste  Meinung  die  Verhältnisse  des  einen  Gedichtes 
zu  prüfen.  Die  verschiedenen  Gestalten  der  einzelnen  Verse 
sind  festzustellen,  zu  vergleichen  und  systematisch  zu  ordnen; 
und  es  ist  zu  versuchen,  aus  dieser  Zusammenstellung  und  Ver- 
gleichung  Schlüsse  auf  das  zugrunde  liegende  Metrum  zu  ziehen. 
Die  einzelnen  Verse  für  sich  betrachtet  lassen  verschiedene 
metrische  Auffassungen  zu,  wie  das  aus  der  bisherigen  Forschung 
bereits  genugsam  ersichtlich  ist.  Welche  von  diesen  ver- 
schiedenen möglichen  Skansionen  die  des  Dichters  war,  kann 
aus  dem  einzelnen  Fall  nicht  erkannt  werden.  Wohl  aber  ist 
vielleicht  herauszufinden,  welche  metrischen  Interpretationen 
der  vielen  Einzelfälle  sich  zu  einem  vernünftigen,  einfachen  und 
daher  zum  Dichten  brauchbaren  System  vereinigen  lassen.  Es  ist 
bekannt,  dafs  ein  und  dieselbe  kurze  Wortgruppe  verschieden 
rhythmisiert  werden  kann  (Beispiele  siehe  oben  §  6  und  7);0 
es  ist  aber  nicht  wahrscheinlich,  dafs  das  Wortmaterial  eines 
Gedichtes  von  beträchtlichem  Umfange  eine  solche  verschiedene 


')  Vgl.  anch  A.  Heuslers  Beispiel  Und  dieses  Herz  fühlt  wieder 
jugendlich,  welches  1.  als  Prosa  gelesen  werden  kann,  2.  als  eine  Jainben- 
reihe,  und  3.  als  „Füllung  freier  Viertakter".  Siehe  den  kurzen  Bericht 
seines  Vortrags  auf  dem  Baseler  Philologentage  in  der  Zs.  f.  deutsche 
Philologie  XXIV,  93. 


535 

Rhytliniisieruiij;-  zuläfst,  dals  man  os  von  Anfang  bis  zu  Ende 
gleich  richtig  nach  zwei  oder  drei  verschiedenen  metrischen 
Systemen  lesen  könnte,  —  es  sei  denn,  dafs  der  Dichter  von 
vornherein  so  ein  Kunststück  beabsichtigt  hätte.  Dies  wäre 
aber  etwas  so  Aulsergcwöhnliches,  dafs  diese  Möglichkeit  fUr 
unsere  Untersucliung  nicht  in  Betracht  gezogen  zu  werden 
braucht.  Namentlich  weil  unser  Gedicht  aus  Versen  von 
zweierlei  ^Mafs  besteht,  nämlich  aus  den  Triplet-  und  den 
Schweifreimversen,  denen  aber  doch  offenbar  etwas  Gemein- 
sames, etwas  Einheitliches,  in  einem  System  Vereinbarliches 
zugrunde  liegt,  ist  zu  erwarten,  dafs  durch  sorgfältige  und 
deutliche  Unterscheidung  des  Gemeinsamen  und  des  Ver- 
schiedenen in  den  beiden  Versarten  das  wahre  Metrum  aufs 
bestimmteste  herauszuarbeiten  ist.  Es  wäre  ja  überhaupt  fast 
unglaublich,  dafs  ein  Gedicht  —  noch  dazu  ein  gereimtes 
Gedicht  —  von  weit  über  tausend  Zeilen,  wie  das  Äv.,  bei 
genauer  Untersuchung  sein  Metrum  nicht  zweifellos  verraten 
sollte. 

16.  Vorab  sei  auf  Grund  meiner  Vergleichung  von  Robsons 
Ausgabe  mit  der  Hs.  eine  Liste  der  handschriftlichen  Lesarten 
gegeben,  die  er  ungenau  wiedergegeben  hat.  Nur  wenige 
Fälle  sind  von  Bedeutung. 

1, 13  Wice.  —  h,l  no  mo.  —  7, 4  raftc.  —  7,  5  rengnyng] 
Die  Hs.  hat  rcnguyng,  mit  zwei  Punkten  unter  dem  ersten  g\ 
lies  also  rennyng.  —  8, 12  Hen  tili.  —  8, 13  Sir  mit  einem 
kurzen  senkrechten  Endstrieh  oben  an  dem  r.  —  9,  7  Quo  se. 

—  13,1  Span  os;  das  a  steht  über  ausgestrichenem  e.  —  15,3 
Lies  vidore.    In  der  Hs.  sind  d  und  tt  nicht  zu  unterscheiden. 

—  17, 10  hur.  —  18,  8  He.  —  19, 2  Quile.  —  24, 14  ^f^e.  — 
27,  5  kithun.  —  27, 10  from.  —  36, 11  po.  —  36, 15  preucabull. 

—  42, 10  joppiä.  —  43, 3  Baiceivin.  —  52, 9  vnto.  —  53, 5 
Damesoll.  —  62, 10  hör.  —  63,  4  per  fore.  —  64,  6  hrode.  — 
65, 16  heghhest  mit  einem  Strich  durch  jedes  der  beiden  inneren 
h.  —  67,  5  Zwischen  come  und  a  ist  in  über  der  Zeile  zu- 
gefügt. —  69, 15  mury.  —  70, 2  hepiii.  —  70, 6  Sethin,  — 
70,  7  Sythin.  —  72, 11  holdin. 

Aufserdem  bat  Robson  oft  th  für  handschriftliches  p 
gedruckt,    und   z.  B.   wille  für    will   mit   einem   durch   das   II 


536 

gezogenen  Strich,  und  ähnliches,  was  hier  nicht  der  besonderen 
Erwähnung  wert  ist. 

17.  Das  Gedieht  ist  bekanntlich  ums  Jahr  1400  in  nörd- 
licher Mundart  verfalst,  in  der  einzigen  erhaltenen  Hs.  aber 
dialektisch  stark  entstellt.  Fast  in  jeder  Strophe  ist  aus  dem 
Reime  zu  erkennen,  dafs  das  End-e  in  der  Sprache  des 
Dichters  verstummt  war;  vgl.  z.  B.  die  Reime  sande  'Sand' 
Akk.  Sg.  :  lonäe  'Lande'  Dat.  :  honde  'Hand'  Dat.  :  siond  Inf. 
1,4 ff.;  —  lay  'lag'  :  (Z««/'Tage'  Dat. :  iimj 'Wege'  Dat.  2, 13 ff.; 
—  bar  'Eber'  (ae.  bar)  :  arc  'eher'  (ae.  (Pr)  :  care  'Sorge'  Akk.  (ae. 
care)  3, 1  ff.  Sonst  sind  wegen  der  Silbenmessung  nur  noch 
folgende  Reime  von  einiger  Bedeutung:  lise  (einsilbig)  'liegt' 
3.  Sg.  :  aprise  Subst.  :  vnwise  59,  13ff. ;  —  ivise  :  price  :  lyce 
(einsilbig)  'liegt'  3.  Sg.  72,  5  ff. ;  —  prise  :  ladise  (zweisilbig) 
'Frauen'  :  wise  34,  5.  Alle  so  durch  Reime  nachweisbaren 
Formen  entsprechen  dem,  was  man  von  einem  nördlichen  Ge- 
dicht am  Ende  des  14.  Jahrhunderts  erwartet. 

In  der  nun  folgenden  metrischen  Untersuchung  sollen  zuerst 
die  kürzeren  Schluls-  oder  Schweifreimverse  geprüft  werden, 
welche  also  in  jeder  Strophe  viermal  einzeln  auf  die  längeren 
Tripletverse  folgen  (vgl.  §  2).  Es  soll  gezeigt  werden,  welche 
Versformen  vorkommen,  und  ob  das  Metrum  zwei-  oder  drei- 
hebig  ist. 

A.   Die  Schlufs-  oder  Schweifreimverse. 

18.    Die   Silbenzahl   der   Schweifreim-    oder   Schlulsverse 

schwankt   in  Av.   zwischen   sieben  und  vier.     Diese  äufsersten 

Grenzen  zeigen  sieh  z.B.  in  folgenden  zwei  Versen: 

and  /jertely  him  re^roues  19,  S 
a  well  ^rrlm  ^rise  2,  16 

Im  Gedicht  von  Sir  Perceval  (§  2)  kommen  auch  Verse 
mit  nur  drei  Silben  vor ;  z.  B. 

twelve  stone  wcghte  Ferc.  2024. 

Aus  gewissen  Formen  der  Tripletverse  kann  man  schliefsen, 
dals  solche  dreisilbigen  Schlulsverse  im  Av.  nur  zufällig  nicht 
begegnen;  denn,  wie  sich  später  ergeben  wird,  nur  unter  der 
Annahme,    dals    der   Dichter    auch    dreisilbige    Schlulsverse 


537 

zulässig  fand,  läfst  sich  verstehen,  dafs  er  vierzeilige  Triplet- 
verse  schrieb  wie 

Kay  I  come  home  sone  44,  6 

oder  fiinfsilbige  wie 

he  s^roke  |  Kay  stlüy  21,  10 
oder    .sVayn  hörn  |  downe  s/ely  3,  5 
oder    myae  a|vo\v  wiake  I  8,  0 

oder  sechssilbig-e  wie 

and  I  a|vo\v,  sayd  Kaye  9,5 

Hierüber  sehe  man  §  88  f.  Diese  Tripletverse  enden  alle  aut 
drei  schwere  Silben,  die  ich  soeben  durch  einen  senkrechten 
Strich  abgeteilt  habe.  Vor  dem  Strich  stehen  eine,  zwei  oder 
drei  Silben,  wovon  immer  eine  sprachlich  betont  ist.  Es  ist 
dieser  vor  dem  Strich  stehende  Teil,  der  den  Tripletvers  von 
der  für  den  Schlufsvers  üblichen  Form  unterscheidet,  wie 
später  ausführlich  nachgewiesen  werden  wird. 

11).  Die  längste  Form  der  Schlufsverse  (in  Zeilen  wie 
aiid  \sertcly  Mm  rc^roiics  19,  8)  zeigt  einen  regelmäfsigen 
AVechsel  von  einzelnen  sprachlich  unbetonten  und  betonten 
Silben.  Und  die  kürzeste  mögliche  Form  (in  Versen  wie  twclve 
stone  wcghte  Perc.  2024)  besteht  aus  drei  schweren  Silben; 
keine  von  diesen  darf  tonlos  sein,  etwa  von  so  geringer  Stärke 
als  die  zweite  Silbe  von  stohJces  (vgl.  §  66  ff.).    Denn  Verse  wie 

twelve  knigtes 
doiuesman, 
schildiis  brade,  oder 
a  fayre  stede 

kommen  nicht  vor,  offenbar  weil  zwei  schwere  Silben  zu- 
sammen mit  einer  tonlosen  nicht  genügen. 

Setzen   wir   für   sprachlich  betonte,   d.  h.  mit  natürlichem 

Hauptton  oder  Nebenton  versehene  Silben  das  Zeichen  —  und 

für  sprachlich  tonlose  Silben  das  Zeichen  x,  so  haben  wir  also 

diese  zwei  extremen  Füllungen  von  Schlulsversen : 

x-x-x-x 
und 

Man  sieht,  die  tonlosen  Silben  können  stehen  oder  fehlen, 
und  zwar  wird  sich  aus  der  folgenden  Untersuchung  ergeben, 
dals   entweder   eine   oder   zwei  oder  drei   beliebige  oder  alle 


538 

vier  tonlosen  Silben  fehlen  können.    Alle  hierdurch  geschaffenen 

Möglichkeiten  kommen  vor;  also 

(x)  -  X  -  X  -  (x) 
(x)--x-(x) 

(x)-x (X) 

und     (x) (x) 

Schon   diese  Betrachtung   der   wechselnden  Gestalten  des 

Schlnfsverses   weist   eher  auf  eine   dreiteilige  Gliederung   hin 

als  auf  eine  zweiteilige,  d.  h.  auf  Trautmanns  Skansion  eher 

als  auf  die  von  Schipper  und  Luick. 

20.  Aus  dieser  Betrachtung  ergibt  sich  auch  leicht  eine 
natürliche  systematische  Einteilung  und  Gruppierung  der  ver- 
schiedenen Formen  des  Schlufsverses  für  die  folgende  nähere 
Untersuchung.  Es  wird  zu  untersuchen  sein  das  Auftreten 
und  Fehlen  tonloser  Silben 

I.   am  Verseingang, 
II.   am  Versende, 
III.    im  Innern, 

Und  in  diesem  dritten  Teil  der  Untersuchung  ergibt  sich 
folgende  weitere  Einteilung: 

1.  Keine  der  beiden  inneren  tonlosen  Silben  fehlt. 

2.  Eine  fehlt;  nämlich 

a)  die  erste, 

b)  die  zweite. 

3.  Beide  fehlen. 

I.   Der  Yerseiugaiig. 

21.  In  bezug  auf  den  Verseingang  gibt  es  zwei  Gruppen 

von  Versen,  je  naclidem  im  ersten  Teil  des  Verses  eine  sprachlich 

volltonige  Silbe  oder  nur  schwächere  Silben  stehen.    Zur  ersten 

Gruppe  gehören  Verse  wie 

sfokkes  and  stones  12, 12 
imd    pat  iifd  in  this  Zoade  1,8; 

zur  zweiten  Verse  wie 

hym  to  rfethe  digte  9,  8 
und    ne  him  to  rfethe  rfijte  4, 8 

22.  a)  In  der  ersten  Gruppe  ist  die  sprachlich  volltonige 
Silbe,   die   von   allen  Metrikern  auch  als  metrische  Hebung 


I 


539 

anerkannt  wird,  entwodor  die  erste  8ill)e  dea  Verees.  oder  es 
geht  eine  einzige,  ebenfalls  allgemein  als  solelie  anerkannte, 
spraclilicb  und  metrisch  unbetonte  Silbe  vorher;  sonst  sind  die 
Verse  gleich   gebaut,    wie  z.  B.  folgende  Parallelverse  zeigen 

wyude  to  ]'e  bore  5,  8 
pat)  lud  in  this  londe  1,8 

Aardi  of  /jonde  1, 12 
os)  hardy  and  wijte  '11,  8 

6^kkes  and  stones  12,  12 
and)  (7ape3  aud  ^ones  12,4 

honut  on  a  stede  11,12 
]iat)  brediis  iu  pc  rise  2,  12 

^laddcly  .^rawuntutte  pay  b,  10 
füll)  litill  rechiejs  lue  51,  12 

Mehr  Beispiele  für  alle  Versarten  können  bequem  in  der 
weiter  unten  (§  30  ff.)  gegebenen  vollständigen  Statistik  ge- 
funden werden. 

"Weil  die  unbetonte  Silbe  zu  Anfang  nach  Belieben  stehen 
oder  fehlen  kann  und  nirgends  eine  Kegel  darüber  zu  erkennen 
ist  oder  eine  besondere  Wirkung  durch  ihr  Auftreten  oder 
Wegbleiben  eintritt,  so  haben  wir  es  hier  offenbar  mit  einem 
„echten*',  d.  h.  aulserhalb  der  eigentlichen  rhythmischen  Takte 
stehenden  „Auftakte"  oder  „Vorsehlage"  zu  tun,  worüber  man 
E.  Sievers,  Metrische  Studien  (1901),  S.  54 ff.,  nachlesen  möge. 

23.  Da,  wie  bereits  oben  (§  18 ff.)  gezeigt,  neben  Versen, 

die  auf  drei  tonfähige  Silben  enden,  wie 

a  well  grim  griae  2, 16 
I  jrold  Jüete  more  64,  4 

auch  dreisilbige  Verse  möglich  sind  und  im  Fcrc.  auch  vor- 
kommen, z.  B.  fy„e  stryde  mette  Perc  1708 

twelve  stouc  weghte  Perc.  202), 

80  ist  auch  die  unbetonte  Silbe  zu  Anfang  der  beiden  erst  au- 
geführten Verse  nicht  als  eigentliche  „Eingangssenkung",  sondern 
als  „Auftakt"  aufzufassen;  also 

a)  well  grim  grise  u.  ä. 

24.  Zweisilbiger  Auftakt  ist  verhältnismälsig  sehr  selten 
überliefert;  drei-  und  mehrsilbiger  kommt  gar  nicht  vor: 


540 

pat  j^e)  rote  is  vun;;;te  4,  12 

to  pe)  ilennc  connc  he  r/raw  6,  12 
so  sore)  gerutte  liim  to  drcdc  11,  16 
sir,  a)  »»eruael  thiuke  me  37,  4 
euj^n)  dowue  to  payre  fete  39,  IG 
schall  haue)  u'ontyng  of  tvjfe  60,  8 

Es  ist  sehr  wolil  möglich,  dafs  der  Dichter  leichten  zwei- 
silbigen Auftakt  zulässig  fand;')  aber  es  ist  unwahrscheinlich, 
dafs  alle  diese  sechs  Verse  so  vom  Dichter  verfafst  sind. 
Vielmehr  ist  bemerkenswert,  dafs  alle  sechs  die  regelrechte 
Form  von  Versen  der  längeren  Art  haben,  wie  er  sie  für  die 
Triplets  verwendet  (siehe  §86  ff.). 

Der  Vers  11, 16  so  sore  gerutte  him  to  drede  ist  bei  jeder 
metrischen  Interpretation  unbefriedigend,  sowohl  mit  zwei  als 
mit  drei  Hebungen.  Mit  nur  zwei  Hebungen  würde  entweder 
X  — xxxx—  o^ß*"  XX -XXX-  "^^^  lesen  sein;  aber  für  keine 
der  beiden  Skansionen  wäre  ein  zweites  Beispiel  im  Gedieht 
zu  finden.  Bei  Annahme  von  drei  Hebungen  ist  der  zweisilbige 
schwere  Auftakt  aufsergewöhnlieh.  Doch  ist  der  Vers  mit 
Sicherheit  zu  bessern,  da  auch  andere  Verse  mit  dem  Präte- 
ritum gerutte  metrisch  falsch  sind  uud  alle  durch  Einsetzen 
der  einsilbigen  Form  gert  richtig  gestellt  werden  können. 
Vier  solche  Verse  sind  in  §  35  angeführt  und  fünf  andere  in 
§  100.  Überdies  ist  einsilbiges  gart  in  dem  Tripletvers  gart 
threte  ])o  othir  for  to  slo  60,2  wirklich  überliefert  und  einmal 
die  Fehlschreibung  gret  63,  5.  Da  also  ein  und  dieselbe 
Änderung  so  häufig  Regelmäfsigkeit  herbeiführt  und  für  die 
einzusetzende  einsilbige  Form  gert  oder  gart  auch  in  der  hand- 
schriftlichen Überlieferung  Stützen  zu  finden  sind,  so  ist  der 
in  Frage  stehende  Vers  11,  16  so  sore  gerutte  him  to  drede 
wohl  sicher  mit  einsilbigem  Auftakt  folgendermafsen  zu  lesen : 
so)  sore  gert  him  to  drede, 

wodurch    er    die    metrische    Form    zahlreicher    anderer    Verse 
erhält  (vgl.  §  31  ff.). 

Müssen  so  viele  Verse  auf  diese  Weise  gebessert  werden, 
so   erhält  man  einiges  Recht,   auch  an  anderen  Stellen  wegen 

1)  Im  Perc.  begegnet  er  sehr  oft;  zahlreiche  Beispiele  sind  bereits 
in  ij  7  gegeben.  Aber  in  diesem  Gediclit  läfst  sich  auch  sonst  abweichende 
Versfüliung  nachweisen. 


I 


541 

des  Metrums  zu  ändern.  In  dem  angeführten  Vers  C,  12  (mit 
zweisilbigem  Auftakt  in  der  Überlieferung:  to  ])C  de;me  co7ine 
he  draiv)  kann  he  getilgt  werden ;  dadurch  kommt  der  Vers 
auf  das  richtige  Mals  (vgl.  §33/9).  Der  Schreiber  hat  an- 
scheinend das  he  aus  der  vorhergehenden  Zeile  wiederholt. 
Im  Miltelenglischen  kann  aber  ein  persönliches  Fürwort  als 
Subjekt  das  zweite  Mal  fehlen  (siehe  EUinger,  Syntaktische 
Untersuchungen  zu  Sir  Pcrccval,  1893,  S.  18^.  Die  Stelle 
lautete  also  ursprünglich  wohl: 

Qnen  ["at  he  /terd,  he  hade  care, 
To  pQ  denae  conne  draw. 

In  Vers  37, 4  Sir,  a  meruael  thinhe  me  ist  Sir  entbehrlieh. 
In  39, 10  eiiyn  doivne  to  J^ayre  fete  kann  e[uy)n  einsilbig  ge- 
lesen werden;  vgl.  einsilbiges  nere  52,15  =  never  im  Reim 
auf  herc  und  fere.  Statt  ivontyng  kann  der  Dichter  ivont  ge- 
schrieben haben  in  60,  8  schall  haue  wont{yng)  of  wyfe  (ohne 
Auftakt).  Und  schliefslich  ist  nicht  unmöglich,  wenn  auch 
nicht  wahrscheinlich,  dafs  statt  ]jat  pe)  rote  is  viirigte  4,  12 
ursprünglich  gestanden  hat  ])e)  rote  is  vnxi^tc.  Dann  bliebe 
kein  Schlufsvers  mit  zweisilbigem  Auftakt  übrig. 

25.  b)  In  der  zweiten  Gruppe  (vgl.  §  21)  liegen  die  Ver- 
hältnisse einfacher.  Die  hierher  gehörigen  Verse  sind  durch 
zwei  starke  Hebungen  am  Ende  des  Verses  ausgezeichnet,  die 
entweder  unmittelbar  aufeinander  folgen  oder  durch  eine  einzige 
unbetonte  Silbe  getrennt  sind;  nach  der  Zweihebungstheorie 
sind  e«  die  einzigen  Hebungen  des  Verses.  Voraus  gehen  immer 
entweder  zwei  oder  drei  schwächere  Silben,  nie  weniger. 
Folgende  und  zahlreiche  andere  gleiche  oder  ähnliche  Parallel- 
verse zeigen,  dafs  die  erste  von  diesen  drei  schwächeren  Silben 
als  „echter  Auftakt"  aufzufassen  ist;  er  kann  beliebig  stehen 
oder  fehlen,  sein  Erscheinen  ist  an  keinerlei  metrische  Kegeln 
gebunden,  und  kein  besonderer  künstlerischer  Effekt  wird  durch 
sein  Setzen  erzielt: 

hym  to  dethe  diste  9,  8 
ne)  hlm  to  ciethe  di^te  4,  8 

to  )?ine  Äerte  /lold  72,  8 
iü)  tili  uiir  fced  6eed  61, 16 

pat  iü  /"ritli  /'oandes  3,  IG 
and)  of  bis  life  drediis  40, 12 


1 


542 

üf  )?i  ladi  (53,  IC 
with)  outen  letting  30,10 

in  payre  /loltus  höre  43, 12 
and)  for  our  lyuya  pray  69,  8 

Mehrsilbiger  Auftakt  kommt  in  dieser  Gruppe  nicht  vor; 
eine  Silbe  mehr  im  Anfang  würde  den  Schlufsvers  vielmehr  in 
einen  Tripletvers  verwandeln  (§  86  ff.). 

Dals  in  Versen  wie  7ie  Mm  to  Acthe  Aigtc  4,  8  oder  and  of 

his  life  clredus  40, 12  u.  ä.  nur  die  erste  Silbe  als  Auftakt  an- 

7Aisehen   ist,   gebt  daraus  hervor,   dafs,   wie  schon  angedeutet, 

nur  sie,  nicht  aber  zugleich  auch  die  zweite  fehlen  darf.     Aus 

demselben  Grunde  ist  es  ausgeschlossen,  in  Versen  wie  pat  in 

früh  foundes   3,  16   Auftakt   anzunehmen,   da   die   erste   Silbe 

unentbehrlich  ist.     Die  Formen 

X-- 
X--X 

x-x- 
x-x-x 

kommen  als  Schlufsverse  nicht  vor  (vgl.  §  19). 

II.   Der  Versausgang. 

26.  Die  meisten  Verse  enden  stumpf;  klingender  Vers- 
ausgang ist  verhältnismäfsig  selten.  Dies  erklärt  sich  aus  dem 
damaligen  Sprachzustand. 

27.  Gerade  nun  wie  alle  Versformen  mit  oder  ohne  Auftakt 

auftreten  können  (§21  flf.),  so  kann  jede  Versform  auch  beliebig 

stumpf  oder   klingend   enden.     Man   vergleiche  z.  B.  folgende 

Parallelverse:  ,        ,     ,  ^i     j-  .    n  o 

hym  to  aetbe  aijte  9,  8 

that  in  /rith  /oundes  3, 1 G 

ne  of  no  öirde  bry^te  9,  12 
and  in  pe  holte  /loues  1  ü,  4 

quere  ?üan  pou  ]?at  ii^i^te  2(i,  4 
I  bede  pe  my  glouus  19,  12 

and  sfifly  wold  s^ond  1,  IG 
so  (/risly  lie  (/ronus  12,  IG 

his  fcuguU  con  be  Maw  6,  4 
and  ^ertly  bim  re^^roues  1 9,  8 

pat  üfd  in  tbis  londe  1,8 
and  hart  of  my  /io wundes  3,4 


543 

28.  Aus  diesen  Beispielen,  die  sieh  leieht  vermehren  lasj^en, 
folgt,  dafs  der  klingende  Ausgang  eintaktig  ist.  Die  zweite 
Silbe  ist  immer  von  der  leichtesten  Art.  Dagegen  sind  Wörter 
mit  schweren  Endsilben  wie  lady,  letting,  sorehj,  tithand  am 
Versende  immer  zweitaktig.  Dies  geht  daraus  hervor,  dafs 
neben  Versen  wie 

wip  Ms  lady  56,  8  (§  57  b) 
Verse  wie  wip  his  hoivndes 

nie  vorkommen,  wohl  aber 

and  on  ke'ne  Kciij  8,  \  (§  56); 

oder  auch  daraus,  dafs  neben  Versen  wie 

withouteu  letting  30,  16;  31,  12 
he  had  no  horsing  31,8 
opon  f>e  bed-syde  55,  4  u.  ä. 

nie  Verse  begegnen  wie 

withouten  howudes 
he  had  no  howudes 
opon  pe  beddes, 

wohl  aber  7ie  him  to  äethe  diste  4,  8  u.  ä.  (§  54). 

29.  Der  Reim  erstreckt  sich  immer  nur  auf  einen  Takt. 
Er  ist  also  entweder  einsilbig  (z.  B.  hrinye  :  Jdiiy;  oder  thingc  : 
letting)  oder  zweisilbig  {hoiüundes  :  woivundes).  Nie  begegnet 
etwa  riding  :  ahiding  oder  ähnliches. 

III.   Das  Tersinuere. 

30.  Nachdem  so  festgestellt  ist,  dafs  eine  unbetonte  Silbe 
am  Anfang  wie  am  Ende  eines  Verses  nach  Belieben  stehen 
oder  fehlen  kann,  darf  in  der  weiteren  Untersuchung  von  einer 
ständigen  Unterscheidung  von  Versen  mit  oder  ohne  Auftakt 
und  von  Versen  mit  stumpfem  oder  klingendem  Ausgang  ab- 
gesehen werden.  Was  so  noch  genauer  zu  prüfen  bleibt,  — 
also  Verse  ohne  Auftakt  und  ohne  überschüssige  Schlufssilbe 
und  Verse,  von  denen  Auftakt  und  unbetonte  Schlufssilbe  ab- 
getrennt ist,  —  kann  der  Kürze  wegen  Versrumpf  oder  Vers- 
körper  genannt  werden.  Er  besteht  bei  den  Schlufsversen 
entweder  aus  fünf  oder  vier  oder  drei  Silben:') 

')  Dies  ist  auch  gemeint,  wenn  zuweilen  der  Kürze  wegen  von  „lÜnf- 
silbigen  Versen"  usw.  gesprochen  wird. 


544 

1.  Füüfsilbig  ist  der  Rumpf  z.  B.  in  den  Versen 

^fladdely  prawuutntte  pay  8,  IG 
]7us)  Kalkes  he  him  iille  29,  4 
and)  fcrittuut  all  to  fcon(us  12,8 

Verse  dieser  Art  haben  stets  drei  spraclilicli  betoute  Silben 
und  zwischen  diesen  je  eine  unbetonte. 

2.  Verse  mit  viersilbig-em  Rumpf  haben  stets  eine 
spraehlich  unbetonte  Silbe,  entweder  an  zweiter  oder  dritter 
Stelle.     An  zweiter  Stelle  steht  sie  z.  B.  in  folgenden  Versen: 

ichone  sere  way  10,4 
aud)  durst  notte  /nrthe  /tire  64,16 

]?at  in  /rith  /bund(es  3, 16 
aud)  in  pe  holte  /iou(es  19,4 
to)  here  bis  tithand  47, 16 

An  dritter  Stelle  erscheint  die  schwächste  Silbe  in  folgen- 
den Beispielen: 

qnatt  schall  I  geue  24,  8 
and)  /'erd  /'urthe  in  /"ere  50, 16 
for)  swelle  of'er  swiek(is  15,12 

3.  In  Versen  mit  nur  dreisilbigem  Rumpf  hat  jede  Silbe 
einen  sprachlichen  Haupt-  oder  Nebenton  (vgl.  §  19): 

a)  well  ^rim  ^rise  2, 16 
]7at)  ^riselich  geste  7,16 

Diese  Silbenzahlen  stehen  für  den  Verskörper  fest.  Die 
einzigen  Ausnahmen  sind  in  §  35  besprochen. 

Wie  schon  aus  den  angeführten  Beispielen  ersichtlich,  ist 
jedoch  die  natürliche  Akzentstärke  der  zur  Versfüllung  dienen- 
den Silben  einigermafsen  schwankend,  so  dafs  sich  das  zugrunde 
liegende  Metrum  nicht  ohne  weiteres  deutlich  verrät.  Im 
folgenden  ist  daher  die  Versfulluug  genauer   zu   untersuchen. 

1.    Fünfsilbiger  Verskörper. 

31.  Der  fünfsilbige  Vers  oder  Versrumpf  (d.  h.  ohne  Auf- 
takt und  überschüssige  Endsilbe)  hat,  wie  gesagt,  in  allen 
Fällen  einen  regelmälsigen  natürlichen  Wechsel  von  einzelneu 
starken  und  schwachen  Silben:  (x)-x-x-(x);  z.B.: 

Zette  vs  haue  oure  iife  60, 4 
and)  Z^rittunt  all  to  6on(us  1 2,  8 


545 

Die  drei  starken  Silben  können  volle  oder  geringere  Stärke 

haben,    sind   aber    stets    den   nächst    benachbarten    Silben    an 

Nachdruck  überlegen.     Meist  sind  zwei  von  den  starken  Silben 

stärker  als  die  dritte;  viel  seltener  tritt  nur  eine  von  den  beiden 

andern  hervor.     Ganz  gleiche  Betonung  aller  drei  kommt  kaum 

vor.  So  schwankt  die  Versfülhing  zwischen  den  beiden  Extremen 

von  Versen   mit   drei   sogenannten  Vollwörtern  (Substantiven, 

Adjektiven,    davon    abgeleiteten   Adverbien,    gewissen   andern 

Adverbien  und  Verben),  und  solchen  mit  nur  einem  Vollwort; 

vgl,  folgende  zwei  Beispiele  der  beiden  äufsersten  Grade: 

gif  him  sory  care  71,8 
foT  hur  fov  to  /'igte  27,  4. 

Nur  in  diesem  und  zwei  andern  Versen  (siehe  §  33«,  c) 
kommt  dreifache  Alliteration  vor;  in  dem  Umfange  ist  sie 
also  vielleicht  nur  zufällig.  Oft  sind  die  zwei  stärksten  Silben 
mit  Alliteration  ausgestattet,  zuweilen  auch  eine  starke  und 
eine  mittelstarke.     Die  Alliteration  kann  jedoch  auch  fehlen. 

Zu  der  folgenden  Einteilung  in  Gruppen  ist  (wie  auch  bei 
den  späteren  Abschnitten)  zu  bemerken,  dafs  eine  strenge 
Scheidung  nach  der  Tonstärke  nicht  immer  möglich  ist,  da  die 
Satzbetonung  von  widerstrebenden  Faktoren  abhängig  ist,  so 
dals  oft  nicht  gesagt  werden  kann,  welcher  vorwiegt;  am 
brauchbarsten  ist  daher  wohl  die  Einteilung  nach  der  Anzahl 
der  Vollwörter  im  Verse, 

a)  Verse  mit  drei  Vollwörtern. 
32.  In  diesen  Versen  mit  stärkster  Füllung  können  die 
drei  Vollwörter  alle  mit  gleichem  oder  doch  fast  gleichem 
Nachdruck  gesprochen  werden.  Es  kann  aber  auch  eine  beträcht- 
liche Unterordnung  stattfinden,  entweder  eines  Wortes  oder 
selbst  zweier. 

«)  Verse  mit  Alliteration  an  erster  und  dritter  Stelle: 

ich)  ertheli  thinke  has  ende  62, 16 
lütte  vs  haue  oure  life  60,  4 

Im  erstgenannten  Vers  ist  thirike  in  natürlicher  Rede  dem 
vorhergehenden  Adjektiv  an  Betonung  untergeordnet.  Im  zweiten 
hat  haue  die  Bedeutung  'behalten',  ist  also  als  Vollwort  zu 
betrachten.    Dieser  Vers  läfst  mehrerlei  Abstufung  zu. 

Studien  z.  engl.  Phil.     L.  35 


546 

ß)  Verse  ohne  Alliteration: 

gif  hirn  sory  care  71,  8 
he)  stode  butte  lituU  awe  6, 16 
and)  toke  bim  vppe  on  werre  21,16 

Über  den  Vers  pe  tone  behouus  ])e  nede  40, 16  siebe  §  35. 

b)  Verse  mit  zwei  Vollwörtern, 
33.  Die  beiden  Vollwörter  können  an  erster  und  dritter, 
an  erster  und  zweiter,  und  an  zweiter  und  dritter  Stelle  steben. 
«)  Verse  mit  stärkster  Betonung  an  erster  und  dritter 
Stelle  und  Unterordnung  der  zweiten.  Der  Grad  der  Unter- 
ordnung, bier  wie  in  den  folgenden  Gruppen,  kann  ver- 
schieden sein, 

a)  Verse  mit  Alliteration  an  den  beiden  stärksten  Stellen, 
An  der  mittleren  Stelle  steht  meist  ein  schwächer  betontes 
Wort  (von  verschiedener  Stärke),  Pronominaladjektiv,  Adverbium, 
Pronomen,  Präposition,  Konjunktion,  Hilfszeitwort ')  oder  dgl,: 

him)  ruet  all  his  rees  22,  16  1  34,4;    35,  16;    39,  8;    42,  12; 

and)  Wttunt  all  to  ftonus  12,8  00,16;  62,8;  72,16; 


hold  f>at  ]7ou  be-/iejte  34,  8 
the)  soth  [schall]  thou  me  sayn  33,8; 

ähnlich  38,  8 
and)  ^ertely  him  re^^roaes  19,  8 
J'us)  falkes  he  him  ^ille  29,  4 

rennyng  on  a  raw  G,  8 ;  ähn- 
lich 51,  4 
was)  /allun  in  \>e  filde   13,8;   ähn- 
lich   22,  4;     28,  12;     29,  12; 


and)  lernet  as  pe  Zeuyn  65,4;  ähn- 
lich 53,8 
to)  M/'ete  wythoutyn  wene  48, 12 

his)  6ugull  con  he  ftlaw  6,4;  ähnlich 
14,  12;  44,16;  65,16;  70,16, 

and)  sguithely  ger(u)t  him  sauere 
36,  12  2) 

jett)  dyntus  ger(a)t  him  (to)  dedur 
25,  8  3) 


Hierher  ist  auch  vielleicht  ])i)  "^atis  are  euyr  ^are  64,8  zu 
stellen;  wenn  nämlich  ere  für  euyr  einzusetzen  ist  (siehe  §  35). 
Ebenso  der  Vers  and)  s^illutte  on  hom  gode  spe^e  11>8,  wenn 
spillute  einsilbig  zu  lesen  ist  (siehe  §  35),  Vielleicht  auch  der 
Vers  schall  haue  vfontyng  of  vfyfe  60, 8 ;  nämlich  wenn  ivontyng 
in  wont  verändert  wird,  worüber  §  24  zu  vergleichen  ist. 


')  Die  Anfzählnng  und  Unterscheidung  dieser  sogenannten  Formwürter 
mit  Beispielen  kann  bei  den  folgenden  Gruppen  unterbleiben. 

*)  Für  das  handschriftliche  ^erw^  ist  einsilbiges  ^e»i  einzusetzen;  siehe 
§  24  u.  35. 

^)  Statt  yerut  ist  gert  zu  lesen  und  to  ist  zu  streichen ;  siehe  §  24  u.  35. 


i 


547 

Die  mittlere,  schwächer  betonte  Silbe  kann  auch  die  letzte 

Silbe  eines  dreisilbigen  Wortes  sein: 

pis)  Satanas  me  sekes  15,4 
Jone)  »S'ateuas  to  say  b,  S 

b)  Verse  mit  derselben  Betonung,  aber  ohne  Alliteration: 


fat)  bredus  in  pe  rise  2,12;  ähn- 
lich 13,4;  17,  8;  35,  S;  16,4 
houut  on  a  stede  11,12;  ähyi- 
lich  24,4;  31,4;  53,  12 

so)  runuun  pay  to  ged(ur  25,4; 


ne)  lengur  myjte  he  wake   17,  IG; 
ähnlich  37,  Ki;  51,  16 

Lord,  56  schall  wel  wete  66, 16 

se  I  neujT  are  49, 12 
de)lyuer(y)t  hase  pon  Kay  26,8') 


ähnlich  19, 16  je)  ger(ijt)te  me  notte  to  flee  41,4-) 

c)  Verse    mit  Alliteration   an   allen   drei  Stellen,  auch  der 

mittleren  schwächeren;  vielleicht  nur  zufällig  (vgl.  §  31): 

wecul  way  ho  »«ende  62, 4 
such)  /iarmes  /taue  I  /lente  44, 16 

b)  Verse  mit  Alliteration  an  erster  und  zweiter  Stelle, 
obgleich  diese  den  beiden  andern  untergeordnet  ist;  vielleicht 
z.  T.  nicht  beabsichtigt: 

in)  tfedde  I  ?6'old  hur  lay  26, 16 
to)  fake  bit  ^o  none  ille  29,  8 
he)  jfepputte  ttnndnr-sore ')  18,8 

ß)  Mit  stärkster  Betonung  an  zweiter  und  dritter  Stelle 
und  schwächerer  an  erster: 

q)  mit  Alliteration  an  den  beiden  stärksten  Stellen: 

how  he  dedde  his  (/ede  11,4  butte)  he  may  /tarmes  /jente  28,8 

in  payre  Äoltns  /tore  43,12  naiithir   of  fting   ner  Ärnyste 

9,16*) 

Auch  der  Vers  to  pe  dicnne  conne  he  Araic  6,12  ist  hierher 
zu  stellen,  wenn  he  gestrichen  wird;  siehe  darüber  §  24. 

b)  Mit  derselben  Betonung,  jedoch  ohne  Alliteration:^ 

and)  inne  pe  courte  is  ligte  34,12.        and)  for  cur  lyuys  pray  69,8. 
]>dX)  is  a  bettur  rede  61,8  his)  was  a  sekur  thinge  30, 12 

os)  he  had  keghet  scathe  16,12      |     hen-)till  to-morne  atte  day  8,12 


1)   Das   handschriftliche   delyueryt    ist    in    zweisilbiges   delyiiert    zu 
bessern;  siehe  §  35. 

^)  Statt  genitte  ist  einsilbiges  gert  zu  lesen;  siehe  §  24  u.  35. 

^)   Vgl.    die    deutsche   Betonung   von  wunderschön,    das   allerdings 
zweierlei  Betonung  haben  kann. 

*)  Über  nauthir  siehe  §  35. 

35* 


548 

/)  Verse    mit    stärkster  Betonung    an    erster   und   zweiter 
Stelle  und  schwächerer  an  dritter: 

q)  Mit  Alliteration  an  den  beiden  stärksten  Stellen: 
gfladdely  ^rawuntatte  pay  8, 16 

b)  ohne  Alliteration: 

fall)  litill  rech[e]s  me  51, 12 

e)  Verse  mit  nur  einem  oder  ohne  Vollwort. 
34.     Hier  seien  die  noch  übrigen  Fälle  zusammengestellt. 
Dabei  ist  zu  bemerken,  dals  auch  nicht  eigentliche  „Vollwörter" 
volle  Betonung  haben  können. 

a)  Mit  Alliteration  an  allen  drei  Stellen;  das  letzte  Wort 
hat  die  stärkste  Betonung: 

foT  hur  for  to  fi^te  27,4 

ß)  Ohne    Alliteration.     In    den    meisten    Fällen    hat    das 
letzte  Wort  den  gröfsten  Nachdruck. 

für  him  bade  he  drede  54, 16  do)  pou  me  neuyrmore  45, 16 


with-)üutun  any  stryue  60, 1 2 

and  pou  will  no^te  layne  58,  4 
p'at  he  may  only^te  38,12 
pen  per  othir  toe  59,  8 

]?at)  he  myjte  e(uy)r  it  feie  13,12») 
howsume(uy)r  hit  cheuis  24, 1 6 ») 


wiste  he  neuyr  quednr  25,12 
will  56  any  more  43,  4 
and)  all  hur  compauy  63,  8 

wif>  J?e  schall  he  be  51,8 
teile  me  quyche  is  hit  66, 12 


35.  Zum  Schlüsse  ist  im  Zusammenhang  zu  handeln  über 
die  bereits  in  die  obigen  Listen  mit  eingereihten  Verse,  welche 
mit  zwei  aufeinander  folgenden  tonlosen  Silben  im  Versinnern 
statt  einer  einzelnen  überliefert  sind.  Ihre  Zahl  ist  nicht  grols ; 
und  in  einem  Teil  der  Fälle  ist  ganz  sicher  zu  bessern. 
Namentlich  ist  dies  zulässig  oder  vielmehr  notwendig,  wenn 
durch  eine  und  dieselbe  Änderung  mehrere  Verse  regelmälsig 
werden. 

In  zwei  oder  drei  Versen  ist  für  euyr  die  einsilbige  Form 
er  oder  ere  einzusetzen.  Dafs  der  Dichter  diese  Form  kannte, 
lälst  sich  auch  aus  dem  Reim  nere  (=  neuer)  :  here  :  fere 
52,15  schlielsen.  Aulserdem  ist  zu  vergleichen,  was  in  §  24 
über  die  Form  euyn  im  Auftakt  gesagt  ist.    Die  Verse  lauten : 


*)  Hier  ist  euyr  einsilbig  zu  lesen;  siehe  §  35. 


549 

f>at)  he  myjte  e(iiy)r  hit  feie  IT,  12 
ho\vsuiiie(tiy)r  hit  cheuis  24,  16 
p\)  ^atis  ar  e(uy)r  ^are  64,  8 

Die  letzte  Zeile  kJmnte  ursprünglich  auch  ])i  jaf  is  ewjr 
Zare  gelautet  liaben,  und  die  Änderung  könnte  durch  Verlesen 
von  ^at  is  als  gatis  veranlafst  sein. 

Ahnlich  ist  eine  Kurzform  ohne  v  wahrscheinlich  in  Vers 
40, 16  einzusetzen: 

pc  toue  behonus  J'e  ncdc. 

So  wie  er  da  steht,  hat  der  Vers  das  Mafs  eines  Triplet- 
verses  (vgl.  §  89).  Aber  schon  im  Altenglischen  kommt  in  den 
Lindisfarner  Evangelien  hooßic  für  bchoflic  vor  (siehe  Cooks 
Glossar  S.  19).  Mittelenglische  einsilbige  Formen  für  die 
3.  Sing.  Präs.  Ind.  des  Verbs  sind  im  'New  English  Dictionary' 
unter  bus  gesammelt.     Man  lese  also 

p>e)  tone  bos  fe  nede, 
wodurch  der  Vers  zu  den  viersilbigen  kommt  (siehe  §  48).  0 

In  vier  andern  Versen,  die  in  der  Überlieferung  ebenfalls 
das  Mafs  von  Tripletversen  haben,  ist  einsilbig  gert  oder 
gart  einzusetzen  (vgl.  §  24) : 

je)  ger(u)t(te)  me  notte  to  flee  41, 4 
and)  s^idthely  ger(u)t  him  sauere  36,  12 

so)  sore  ger(u)t(te)  him  to  drede  11,16 
jett)  fZyntus  ger(u)t  him  (to)  dedur  25,  8 

Im  letzten  Vers  ist  auch  to  zu  streichen,  welches  nach  gert 
stehen  oder  fehlen  kann.  Dals  dies  Prät,  im  Gegensatz 
zu  andern  einsilbig  ist,  erklärt  sich  durch  seine  Bedeutung 
und  enge  Verbindung  mit  dem  folgenden  Infinitiv,  wodurch 
es  in  der  Betonung  herabsank  und  Verkürzung  erfuhr. 

In  Vers  26,  8  delyuerijt  hase  pou  Kay  ist  delyueryt  drei- 
silbig zu  lesen.  Zwischen  v  und  r  stand  im  Altfranzösischen 
und  daher  auch  anfangs  im  ME.  kein  Vokal:  altfranzösisch 
deliurcr  ergab  zunächst  das  me.  Prät.  delyuryt.  Und  auch 
wenn  diese  Form  verloren  ging  und  durch  eine  Neubildung 
vom   Infinitiv   delyuer   (mit   sekundärem   e)   ersetzt   wurde,   so 


')  Diese  Verbesserung  wird  gestützt  durch  den  Tripletvers  go  behoues 
gild  vppe  pis  stid  69,  7,  welcher  ebenfalls  eine  ungewöhnliche  Form  hat 
die  durch  Einsetzen  von  bos  für  behoues  beseitigt  wird  (siehe  §  83). 


550 

hatte  die  lautliche  Entwicklung  des  viersilbigen  ddtjaeryt  zur 
Zeit  der  Abfassung  des  Gedichts  durch  Synkope  des  e  in  der 
vorletzten  Silbe  doch  bereits  wieder  zu  deJyu{e)ri/t  geführt. 
Daneben  bestand  noch  die  Möglichkeit,  durch  Neubildung  vom 
Präsens  delyuer  ein  Prät.  delyiiert  zu  bilden,  durch  Zufügung 
eines  blofsen  t,  da  der  Stamm  auf  eine  unbetonte  Silbe  aus- 
ging.    Beide  Formen   machen   den  Vers   metrisch   regelmäfsig. 

Bei  dem  Vers  nauthir  of  kmg  ner  'knyste  9,16  ist  daran 
zu  erinnern,  dafs  bei  Shakespeare  either  und  whether  im  Verse 
einsilbig  gemessen  werden  (siehe  H.  Reimer,  Der  Vers  in 
Shakespeare's  nicht -dramatischen  Werken,  Bonn  1908,  S.  25); 
ebenso  bei  Chaucer  whether  und  rather  (siehe  ß.  ten  Brink, 
Chaucer's  Sprache  und  Verskunst,  §  263),  und  in  den  Werken 
des  Gawain-Dichters  oper,  ivheper  und  sy])en  (nach  J.  Thoraas, 
Die  alliterierende  Langzeile  des  Gawain-Dichters,  Jena  1908, 
S.  30).  Wenn  nicht  für  nauthir  eine  Form  ohne  th  anzunehmen 
ist,  so  kann  Verschleifung  des  folgenden  Vokals  vorliegen. 
Vgl.  auch  unten  §  83. 

Hiernach  ist  nur  noch  ein  einziger  Vers  mit  einer  über- 
zähligen Silbe  übrig,  die  ihn  für  einen  Schlufsvers  zu  lang 
macht  und  ihm  das  Mals  eines  Tripletverses  gibt  (vgl.  §  80  ff.) : 
and  sj;illute  on  hom  gode  s^jede  11,8. 

Doch  auch  hier  kann  der  Dichter  sehr  wohl  eine  einsilbige 
Form  statt  spülutte  gebraucht  haben.  Das  ae.  und  früh-me. 
Prät.  lautete  spilde.  Daraus  wurde  spild\  und  hierfür  konnte, 
wie  in  der  ne.  Schriftsprache,  spilt  eintreten. 

36.  Es  bleibt  also  kein  sicherer  Vers  mit  zwei  aufein- 
ander folgenden  tonlosen  Silben  übrig.  Vielmehr  ist  keine  mehr 
als  fünfsilbige  Füllung  des  Verskörpers  für  die  ursprüngliche 
Form  des  Gedichtes  anzuerkennen,  und  betonte  und  unbetonte 
Silben  wechseln  also  einzeln  nacheinander  ab  (§  31). 

37.  Prüft  man  nun  die  in  §  31 — 35  zusammengestellten 
und  nach  dem  wechselnden  sprachlichen  Material  geordneten 
fünfsilbigen  Verse  näher,  um  das  zugrunde  liegende  Metrum 
zu  erkennen,  so  muls  vielleicht  zugegeben  werden,  dafs  die 
Verse  einzeln  für  sich  betrachtet  alle  sowohl  mit  zwei  als  mit 
drei  Hebungen  gelesen  werden  können.  Doch  sind  die  beiden 
metrischen  Auffassungen  nicht  gleich  gut. 


551 

38.  Eins  ist  sofort  sicher;  uämlieh,  dnfs  bei  Annahme  von 
drei  Hebungen  nieht  die  geriny-stc  Schwierigkeit  besteht.  Die 
Skansion  ergibt  sich  in  allen  Phallen  von  selber,  da  sie  mit  der 
natürlichen  Hetonnng  vollkommen  übereinstimmt.  Dafs  die 
HebuDgeii  nicht  alle  gleich  stark  sind,  ist  in  der  nie.  Dichtung 
ja  überhaupt  das  Gewöhnliche.  Diese  Messung  der  fünfsilbigeu 
Schlufsverse  ist  also,  weil  natürlich,  auch  durchaus  befriedigend, 
und  alle  Verse  zeigen  den  gleichen  Wechsel  von  Hebung  und 
Senkung  (vgl.  §  31);  nämlich  die  Form 

x)-x-x-(x- 
Ob  auf  sei'  dieser  einfachen  Abwechslung  von  Hebung  und 
Senkung  noch  eine  andere,  höhere  Gliederung  des  Verses  durch 
Abstufung   der   Hebungen   stattfindet,   ist  eine   weitere  Frage, 
die  hier  aufser  Betracht  bleiben  kann. 

39.  Bei  der  andern  Auffassung  —  mit  nur  zwei  Hebungen 
—  mufs  eine  der  drei  sprachlich  betonten  Silben  zur  metrischen 
Senkung  herabgedrückt  werden.  Welche  das  ist,  ergibt  sich 
gewöhnlich  von  selber,  da  in  den  meisten  Versen  eine  von  den 
sprachlich  betonten  Silben  bedeutend  schwächer  als  die  beiden 
andern  ist;   z.  B.  in  den  Versen 

höiiut  on  a  stede  11,  12  |         pat  is  a  bettur  rede  61,8 

J?at  bredns  in  pe  rise  2, 12      |         ^läddely  ^räwuntutte  pay  8, 16. 

In  andern  Fällen  muls  ein  Voll  wort  in  die  Senkung  treten; 

z.  B.  in  «r  u-      /       •     ^1  o 

gif  him  sory  care  71,8. 

Dieser  Umstand  ist  häufig  gegen  Schipper  und  Luick 
ins  Feld  geführt  worden;  aber  Luick  hat  mit  zahlreichen 
ne.  Beispielen  gezeigt,  daXs  eine  solche  Rhythmisierung  nicht 
unmöglich  ist  (Anglia,  Beiblatt  XII,  40ff.).  Dafs  sie  jedoch 
für  die  in  Frage  stehenden  me.  Gedichte  angenommen  werden 
mufs,  folgt  daraus  freilich  nicht.  Es  erheben  sich  aber  auch 
noch  andere  Bedenken. 

40.  1.  Bei  Annahme  von  nur  zwei  Hebungen  wird  die 
Stellung  der  Senkungen  zu  den  Hebungen  beinahe  regellos,  — 
jedenfalls  so  unbestimmt,  dafs  sich  keine  einfache  oder  ver- 
nünftige Regel  für  den  Wechsel  von  Hebungen  und  Senkungen 
geben  läfst.    Die  zwölf  möglichen  Versformen  von  fünf  Silben 


552 

(und  mit  oder  ohne  Auftakt  und  unbetonten  Ausgang)  sind  bei 
Annahme  von  nur  zwei  Hebungen: 

X)  -  X  X  X  -  (x 
X)  X  X  -  X  -  (x 
x)  -  X  -  X  X  (X 
Fast  alle  sind  wirklich  belegt. 

Das  Übereinstimmende  besteht  allein  in  den  zwei  Hebungen; 
die  Senkungen  aber  können  ein-,  zwei-  und  dreisilbig  sein. 
Doch  nicht  nach  Belieben.  Stehen  drei  Senkungssilben  in  der 
Mitte,  so  ist  am  Anfang  und  Ende  des  Verses  nur  eine  einzelne 
unbetonte  Silbe  möglich,  aber  nicht  erforderlich.  Steht  eine 
einzelne  Senkungssilbe  zwischen  den  Hebungen,  so  kann  der 
Vers  mit  einer,  zwei  oder  drei  Seukungssilben  anheben  oder 
auch  ohne  eine  solche.  Je  nachdem  gestaltet  sich  dann  der 
Versschlufs  nach  der  zweiten  Hebung;  dieser  folgen  entweder 
keine  oder  eine  oder  zwei  oder  drei  Senkungssilben.  Nämlich 
keine  oder  eine  folgt,  wenn  bereits  drei  oder  vier  Senkungs- 
silben vorausgehen;  aber  zwei  oder  drei  beschlielsen  den  Vers, 
wenn  vorher  nur  eine  oder  zwei  Senkungssilben  angebracht  sind. 

Vernünftige  Gründe  für  diese  Regeln  sind  nicht  erfindlich ; 
die  tatsächlich  vorliegenden  Verse  fügen  sich  aber  diesen 
Regeln.  Niemand  wird  zu  behaupten  wagen,  dafs  der  Dichter 
die  Verse  nach  so  verwickelten  Regeln  verfafst  habe;  auch 
nicht,  dafs  er  die  komplizierten  Erfordernisse  des  Verses  in 
solcher  Gestalt  unbewufst  im  Gefühl  gehabt  habe,  so  dafs  die 
Verse  ihm  von  selber  in  diesem  Sinne  korrekt  von  den  Lippen 
oder  von  der  Feder  flössen,  ohne  dafs  er  sich  Rechenschaft 
von  ihrer  Richtigkeit  geben  konnte. 

Im  weiteren  Verlaufe  dieser  Untersuchung  wird  noch  klarer 
werden,  dafs  überhaupt  bei  Annahme  von  nur  zwei  Hebungen 
keine  brauchbaren  Regeln  zu  finden  sind,  nach  denen  das  Äv., 
80  wie  es  vorliegt,  hätte  verfafst  werden  können. 

41.  2.  Eine  Besonderheit  der  Zweihebungstheorie  ist  es, 
dafs  in  vielen  Versen  neben  den  Hebungen  auch  nebentonigen 
Silben  eine  gewisse  Rolle  zugewiesen  wird  (in  den  Triplet- 
versen  wie  den  Schlufsversen) ;  siehe  Luick,  Anglia  XII,  450 f. 
und  in  Pauls  Grundrils^  II,  172;  und  von  ihm  z.T.  abweichend 
Schipper,    Grundrifs   der   englischen  Metrik   (1895),    S.  89 ff. 


« 


553 

In  einem  früheren  Aufsätze  (Anglia  XI,  411)  bezeichnet  Luiek 
einen  solchen  Nebenton  genauer  als  „rhythmischen  Nebenton, 
d.  h,  eine  mehr  betonte  Senkungssilbe",  die  nicht  als  „Neben- 
hebung" aufzufassen  sei.  Namentlich  wird  diesem  Nebenton 
Bedeutung  gegeben  am  Versschlusse,  wo  er  „genügt,  um  die 
Schlufssilben  für  den  Reim  zu  qualifizieren"  (Luick,  Pauls  Gr., 
S.  172).     Hierher  gehören  Verse  wie 

and  all  hur  Company  63,  8 
//h'iddely  //räwnntiitte  piiy  8,  16 
füll  litill  rcch[cjs  luc  51,  12. 

So  würde  sie  wenigstens  Schipper  skandieren;  Luick 
scheint  jedoch  diesen  Versausgang  nur  für  die  Tripletzeilen  an- 
zunehmen, z.  ß.  in  dem  Verse  to  sie  such  an  innocent  Sus.  321. 

Schipper  und  Luick  vergleichen  damit  ähnliche  ne.  und 
nhd.  Verse;  z.  B.  in  der  englischen  Nationalhymne 

G6d  save  onr  gräcious  King 
Göd  save  onr  noble  King, 

G6d  save  the  King; 
Send  liira  victöriöus, 
Iläppy  and  glörious, 
Long  to  reign  över  iis; 

Göd  save  the  King. 

Hier  fällt  in  den  längeren  Zeilen  der  Reim  durchweg  aut 
eine  nebentonige  Senkungssilbe.  In  andern  Gedichten,  z.  B. 
Thomas  Moore's  Bcautij  and  Song,  kommen  auch  Bindungen 
von  nebentonigen  Senkungen  mit  haupttonigeu  Hebungen  vor 
(Schipper,  S.  94) ;  z.  B.  in  den  Zeilen 

Väin  were  its  melody, 
Rose,  without  thee. 

Aber  die  Tatsache,  dafs  solche  Verse  und  Reimbindungen 
in  ne.  Liedern  vorkommen,  deren  Text  offenbar  im  engen  An- 
schlufs  au  die  Musik  geschrieben  ist,  beweist  natürlich  gar 
nichts  für  das  Metrum  der  me.  Gedichte  —  weder  die  Not- 
wendigkeit, noch  die  blofse  Möglichkeit  einer  ähnlichen  Vers- 
messung im  Av.,  der  Susanne  usw. 

Die  neuenglischen  Lieder  bestehen  aus  gleichen  Takten. 
Aber  das  ist  ja  gerade,  was  Luick  und  Schipper  für  die  in 
Frage  stehenden  me.  Gedichte,  ebenso  wie  für  den  me.  Stab- 
reimvers, leugnen.    In  diesen  me.  Gedichten  „stehen  [bei  ihrer 


554 

Aiiffassurifc]  die  Hebungen  in  zu  ungleichen  Abstunden,  um  in 
ein  gleichtaktiges  Schema  zu  passen;  bald  folgen  sie  unmittelbar 
aufeinander,  bald  sind  sie  durch  vielsilbige  Senkungen  getrennt, 
die  noch  dazu  manchmal  schwerere  Silben,  ja  Vollwörter  ent- 
halten" (Luick  im  'Grundrils'  S.  160).  Dies  angenommene 
freie  Metrum  hat  also  mit  dem  festen  Metrum  der  ne.  Lieder 
nichts  gemein,  welches  zusammen  mit  der  Melodie  sogar  die 
natürliche  Betonung  in  vielen  Versen  in  eine  ganz  wider- 
natürliche verkehrt,  z.  B.  in  den  schon  angeführten  ersten 
beiden  Zeilen  der  englischen  Nationalhymne,  oder  noch  ärger 
in  der  ersten,  dritten,  vierten  und  sechsten  Zeile  der  nächsten 

Strophe : 

Öh  Lord,  our  Göd,  arise; 
Scätter  his  eneruies, 

And  make  tbem  fäll; 
Cönfound  their  pölitics, 
Früstrate  their  kuävish  tricks 
Öü  Thec  our  hopes  we  lix, 

Göd  save  us  all. ') 

Dafs  aber  je  aufser  in  solchen  Liedern  nebentonige 
Senkungssilben  im  Reime  unter  sich  oder  (wie  bei  Moore)  mit 
Hebungssilben  gebunden  vorkommen,  bleibt  noch  nachzuweisen.^) 
Wenn  es  auch  aufserhalb  der  Liederdichtung  zulässig  wäre, 
so   würde   man   es   z.  B.   in   vierhebigen  Gedichten   wie   King 


')  Der  deutsche  Text  von  Heil  dir  im  Siegerkranz,  der  nach  der- 
selben Melodie  gedichtet  ist,  ist  ebenso  mifslich.  Man  vergleiche  auch, 
was  J.  Minor  in  seiner  'Neuhochdeutschen  Metrik'  (1902),  S.  114,  über 
ähnliche  daktylische  Verse  Arndts  sagt: 

Wer  soll  dein  Euter  sein?  J 

Sprich,  Vater  Rhein! 

Mögen  dich  Wäll  und  Schanz, 

Mag  dich  vor  Stürmen 

Ein  diamäntner  Kranz 

Hüten  utul  schirmest;  nsw. 

'Es  charakterisiert  diese  Dichtungen',  bemerkt  Minor,  'dafs  es  weniger 
darauf  ankommt,  was  man  sagt,  als  dafs  mau  es  in  schwungvollen 
Rhytlimen  sagt.' 

*)  Die  von  Luick,  Anglia  XII,  451,  aus  Puttenham's  Art  of  English 
Poesy  angeführte  Stelle  vermag  ich  nicht  mit  Vertrauen  hinzunehmen 
Puttenham's  Bemerkungen  über  den  Daktylus  im  Englischen  enthalten 
auch  sonst  viel  Unsinn  (siehe  S.  130,  139  und  140  von  Arber's  Ausgabe). 


* 

Ü 


555 

Jahn  and  tho  Abbot  of  Cmtorhnrii   zu    Imden  erwarten,   deren 

Metrum   allgemein   als  Abkömmling  des  altgermauisehen  Vers- 

mafses    angesehen    wird    (vgl.  Schipper,   'Grundrifs',    S.  107 ; 

und   Luiek,  'Grundrifs',   S.  180).     Aber   die  Verse   enden  alle 

stumpf  oder  klingend,  aber  nie  daktylisch: 

An  äncient  story  |  I'le  teil  you  anüu 

Of  a  u6table  priaco  |  that  was  cüUed  King  John ;  asw- 

Die  ausschliefslich  zum  Singen  bestimmten  Texte  von 
God  saue  our  gracious  King  oder  Heil  Dir  im  Sicgerhranz 
sind  zum  Deklamieren  gar  nicht  geeignet,  ohne  dafs  dabei  ihr 
Rhythmus  umgestaltet  wird  und  viele  Verse  in  Prosa  um- 
gewandelt werden.  Ebenso  steht  es,  wenn  auch  nicht  ganz  so 
schlimm,  mit  Moores  Lied  Beauty  and  Song.  Die  Pistill  of 
Susan,  die  Awntijrs  of  Arthur  at  the  Tcrne  Wathelyne  u.  ä. 
wurden  aber  nicht  gesungen,  sondern  erzählt;  ebenso  die 
Eomancc  of  Sir  Percyvelle,  das  Avowynge  u.  a. ;  wie  auch 
Cbaucer  die  Geschichte  von  Sir  Thopas,  in  Schweifreimstrophen, 
den  Pilgern  erzählt,  und  nicht  vorsingt.  Verse,  deren  Wort- 
niaterial  in  natürlicher  Betonung  am  Schlufs  'daktylisch'  ist 
(z.B.  and  all  hur  coynpany  63,8),  begegnen  hier  nur  vereinzelt, 
neben  gewöhnlichen  stumpfen  und  selteneren  klingenden  Versen. 
Unnatürliche  Betonungen  wie  Oh  Lord,  our  Oöd  arlse  nach 
dem   ue.  Muster   auch   in  die  me.  Gedichte  einzuführen,   etwa 

in  Versen  wie 

Lette  vs  haue  our  Me  6(i,  4 

Gif  bim  söry  cäre  71,8, 

]>Ät  he  mäy  onlyjte  38,12 

pät  »lade  vs  ön  f>e  »iülde  72, 16 

wird  ja   niemandem  einfallen.     Die  Folge  ist,   dafs  die  Verse 

im  Ar.  usw.,  wenn  wir  nur  zwei  Hebungen  annehmen,  in  ihren 

mannigfaltigen  Formen  stark  auseinander  gehen ;  die  Hebungen 

springen  hin  und  her;  mau  vergleiche  z.  B.  nur  die  Verse 

Lette  vs  hane  our  Zife  60,  4 
pat  he  mäy  onlyjte  38, 12 
Gläddely  ^räwuntutte  f>äy  8,  16. 

Durch  den  Hinweis  auf  das,  wie  gesagt,  nicht  vergleich- 
bare God  save  our  gracious  King  mit  seiner  starren  Regel- 
mälsigkeit  wird  die  Verschiedenheit  in  den  me.  Gedichten  um 
nichts  annehmbarer. 


556 

42.  3.  Sieht  man  näher  zu,  so  findet  man,  dafs  nicht 
blofs  Verse  wie  der  zuletzt  angeführte,  sondern  überhaupt 
alle  Verse  mit  ftinfsilbigem  Rumpfe  (§31)  aufser  den  zwei 
von  Schipper  und  Luick  angesetzten  Hebungen  noch  eine 
uebentonige  Silbe  haben  (wenn  nicht  gar  eine  dritte  haupt- 
tonige,  §  32).  Wo  diese  am  Versende  steht,  erkennen  die  beiden 
Gelehrten  sie  an,  wenn  auch  nur  als  nebentonige  Senkung; 
und  auch  im  Anfang  und  in  der  Mitte  des  Verses  zeichnet 
Schipper,  wenigstens  in  den  Tripletzeilen  und  den  ent- 
sprechenden ersten  Halbversen  der  Stabzeile,  sie  zuweilen 
vor  den  unbetonten  Senkungen  aus,  namentlich  wenn  der 
„Nebenton"  auf  ein  mit  alliterierendes  Vollwort  fällt.  Er 
skandiert  z.  B.  einen  ersten  Halbvers  folgendermafsen : 

The  syre  that  sendis  all  seill 

oder  eine  Tripletzeile  so: 

ciimly  Mngis  with  crövne 

(siehe  seinen  'Grundrifs',  S.  92ff.). 

Überträgt   man   diese  Art   auf  die   Schlufsverse   des   Av., 

so  würde  folgendermafsen  zu  skandieren  sein: 

leite  vs  haue  oure  /ife  60,  4 

and  töke  him  vppe  on  werre  21, 16 

se  I  nenyr  äre  49, 1 2. 

Diese  Skansion  ist  in  der  Tat  ganz  folgerichtig.  Wenn  man 
gldddely  grdwimfutte  ]}äy  8, 16  und  and  dll  hur  Company  63,  8 
liest,  so  erheischt  die  Konsequenz,  auch  vor  den  andern  Nebeu- 
tönen  die  Ohren  nicht  zu  verschliefsen  —  selbst  nicht,  wenn 
sie  schwächerer  Art  sind,  z.  B.  in  den  Versen 


aud  ftrittunt  all  to  ftoniis  12,8 
jcnnyng  ön  a  »äw  6,  8 
pis  /Sätanäs  me  sekes  15,4 
»iecnl  «läy  ho  wende  02,  4 


höw  he  rfedde  his  dcde  11,4 
butte  he  may  /iärmes  /icnte  28,8; 
usio. 


Die  sprachlichen  Nebentöne  sind  da  und  bleiben  in  allen 
Versen  bei  jeder  Skansion,  ob  man  sie  nun  metrisch  als 
Hebungen  oder  als  Senkungen  gelten  läfst. 

Aber  ein  Unterschied  ist  dabei.  Rechnet  man  die  neben- 
tonigen Silben  als  .Senkungen,  so  kommt  in  Wahrheit  nicht 
ein  Versmafs  heraus,  sondern  wir  erhalten  in  Wirklichkeit 
drei,  weil  eben 


i 


m 


557 

(X)-XXX-(X)  metrisch  als  (x)-xxx-(x) 
(x)  -  X  -  X  X  (x)  (x)  -  X  -  X  X  (x) 

(x)  X  X  -  X  -  (x)  (x)  X  X  -  X  -  (x) 

aufgefafst  werden  soll  (mit  nur  zwei  Hebungen).  Diese  Formen 
weichen  so  sehr  voneinander  ab,  dafs  sie  sieh  nicht  auf  eine 
einzige  Grundform  zurückführen  lassen.  Der  rhythmische 
Eindruck  z.  B.  von 

butte  he  may  /cirmes  /ißnte  28,  8 
rennyng  on  a  ?-ii\v  (!,  8  und 
t/läddely  ^räwuntutte  f>äy  8,16 

ist  SO  verschieden,  dafs  man  nicht  dreimal  dasselbe  Metrum, 
sondern  nur  wechselnden  Tonfall  wie  in  der  Prosa  heraus- 
hören kann. 

Andernfalls  ist  alles  einfach,  regelmäfsig,  klar  und  ein- 
leuchtend, wenn  man  den  Versen  drei  Hebungen  gibt;  sie 
haben  dann  übereinstimmend  das  Metrum  x)  — x-X-(x?  ^^^ 
schon  in  §  38  hervorgehoben  ist. 

In  der  Tat,  wenn  nur  Verse  mit  dieser  Füllung  vorhanden 
wären,  würde  wohl  niemand  sie  je  anders  als  mit  drei 
Hebungen  gelesen  haben.  Auch  Schipper  und  Luick  nicht. 
In  einförmiger  gebauten  jüngeren  Dichtungen,  wo  solche 
Versfüllung  die  Kegel  ist,  nehmen  auch  sie  drei  Hebungen  an 
(siehe  Schipper  im  Grundrifs  der  englischen  Metrik  S.  99 
und  Luick,  Anglia  XII,  443  ff.).  Freilich  soll  dies  erst  eine 
spätere  Entwicklung  des  „zweihebigen"  Metrums  zu  einem 
„dreitaktigen"  darstellen,  bzw.  zu  einem  „viertaktigen"  in 
den  Tripletzeilen.  Das  ist  aber  eine  Annahme,  die  sich  als  ein 
ganz  überflüssiger  Notbehelf  herausstellen  wird  (siehe  §  107). 

43.  4.  Aus  der  Beobachtung  der  Silbenzahl  lassen  sich 
noch  weitere  Gründe  gegen  die  Annahme  von  nur  zwei 
Hebungen  und  für  die  Annahme  von  drei  Hebungen  in  den 
Schlufszeilen  ableiten.  So  ist  bei  Annahme  von  drei  Hebungen 
sofort  verständlich,  warum  einsilbiger  Auftakt  zulässig  ist, 
aber  kein  zweisilbiger.  Denn  zweisilbiger  Auftakt  würde  eine 
vierte  Hebung  ergeben.    Richtig  ist  z.  B. 

bis)  ii'igull  cön  he  feläw  6,  4. 

Aber  Jms  his  huguU  cön  he  hläiv  wäre  kein  Schlufs-,  sondern 


558 

ein  Tripletvers  (§  89).     Oder  um   zwei  wirklich  vorkommende 
Verse  zu  nehmen,  der  letzte  Vers  des  Gedichts  lautet: 

That)  >»äde  us  ön  p&  »n'ilde  72,16; 
aber  es  beginnt  mit  dem  Tripletvers 

H6  f>at  mäde  vs  ön  pe  miilde  1,1. 

Bei  der  Zweihebungstheorie  ist  in  der  Tat  gar  nicht  ein- 
zusehen, warum  Verse  wie 

He  f>at  mMe  vs  on  p>e  rwiilde 
nicht  als  Schlufsverse  gebraucht  werden. 

Die  Anhänger  dieser  Theorie  betrachten  das  Metrum 
als  'wesentlich  anapästisch'  (Luick,  Anglia,  Beiblatt  XII,  34). 
Nun,  der  zuletzt  zitierte  Vers  beginnt  ja  mit  einem  Anapäst; 
er  ist  aber  dennoch  als  Schlulsvers  falsch.     Und  der  Vers 

That  wäde  us  on  J?e  wiülde  72, 16 
enthält   keinen  Anapäst   und   ist  dennoch  gerade  ein  richtiger 
Sehlufsvers.  *) 

Ebensowenig  ist  ferner  bei  der  Zweihebungstheorie  zu 
begreifen,  warum  zwar  zu  der  Versform  xx  — X—  i°^  Anfang 
noch  eine  dritte  Senkungssilbe  hinzutreten  kann,  so  dals  die 
Form  XXX  — X—  entsteht, 2)  —  warum  aber  bei  derselben  Form 
xx-x-  iö  ^^^  Mitte  zu  der  einzelnen  Senkungssilbe  keine 
zweite  kommen  darf,  obgleich  dadurch  ein  vollkommener 
anapästischer  Vers  (x  x  -  X  X  -)  entstände.  Auch  erklärt  die 
Zweihebungstheorie  nicht,  warum  diese  „anapästische"  Form 
andrerseits  richtige  Tripletverse  gibt;  z.B. 

als  he  rode  in  pe  nyjte  18,5 
on  bis  squrd  tili  bis  hande  16,7 
was  als  rüde  as  a  rafte  25, 3 

Alles  dies  ist  bei  der  Zweihebungstheorie  rätselhaft.  Der 
einfache,  vernünftige  Grund  ist  aber  der,  dafs  die  Versformen 

xx-x- 
xxx-x- 
nicht  zwei,  sondern  drei  hebungsfähige  und  wirklich  gehobene 
Silben  enthalten,  und  die  Form 

xx-xx- 


II 


')  Vgl.  unten  §  63. 

2)  Vgl.  z.  B.  How  he  dedde  Ms  dede  11,4   mit  Butte  he  may  harmes 
hente  28,  8. 


559 


nicht  zwei,  sondern  vier,  so  dafs  skandiert  werden  miifs 
in  den  Schlufsversen      ly-x-    (statt      xx-x-) 

X-X-X-  (st^tt  XXX-X-) 
und  in  den  Tripletversen  lx--X-  (statt  xx-XX-)> 
also  z.  B.  als  he  rüde  in  pe  mj^te  18,  5. 


2.   Viersilbiger  Verskörper. 

44.  Die  Verse  der  soeben  an  erster  Stelle  behandelten 
Art  mit  gleiehniUfsigem  Wechsel  von  natürlich  betonten  und 
unbetonten  Silben  sind  zahlreich ;  sie  werden  aber  an  Häufigkeit 
weit  übertroffeu  durch  Verse  mit  nur  vier  Silben  (abgesehen 
vom  etwaigen  Auftakt  und  überschüssiger  unbetonter  Schlul's- 
silbe).  Diesen  viersilbigen  Versen  fehlt  eine  von  den  beiden 
inneren  unbetonten  Silben  der  fünfsilbigen  Art.  Je  nachdem 
die  erste  oder  die  zweite  unbetonte  Silbe  fehlt,  erhalten  wir 
also  zwei  Gruppen ;  vgl.  z.  B. 

a) X—      bis)  fcrode  schildus  ftothe  16,  16  und 

b)    —  X he)  wan  pis  fciurde  fcryste  32,  IG. 

45.  In  der  ersten  Gruppe  sind  die  erste  und  die  letzte 
Silbe  des  Versrumpfes  den  mittleren  zwei  Silben  an  Gewicht 
meist  stark  überlegen;  in  der  zweiten  Gruppe  übertreffen  die 
beiden  letzten  Silben  des  Versrumpfes  gewöhnlich  die  zwei 
vorhergehenden  bedeutend ;  vgl.  z.  B. 

a)  g&y  in  bor  yere  21,8  mit 

b)  bym  to  cZetbe  (üjte  9,  8. 

46.  Es  ist  bemerkenswert,  dafs  eine  von  den  vier  Silben 
unbetont  sein  mufs;  denn  vier  schwere  Silben  bilden  einen 
Triptletvers;  z.  B.  Kay  come  liome  sone  44,6,  oder  mit  Auftakt 
he)  stroJce  Kay  9>tifiy  21, 10  (vgl.  §  89).  Dies  begreift  sich 
sofort  bei  Annahme  von  drei  Hebungen  in  den  Schweifreim- 
versen und  von  vier  Hebungen  in  den  Tripletzeilen.  Die 
Zweihebungstheorie  dagegen  bietet  keine  vernünftige  Erklärung 
hierfür;  sie  vermag  z.  B.  nicht  verständlich  zu  machen,  warum 
he  sctte  füll  sorely  57,12  eine  Schlufszeile  ist,  dagegen  he 
ströke  Kay  stifly  21, 10  ein  Tripletvers. 


560 

a) X-  ' 

47.  In  der  ersten  Gruppe  schwankt  die  Versftillung 
zwischen  folgenden  Extremen,  die  durch  zwei  Beispiele  ver- 
anschaulicht werden  mögen:  ; 

his)  fcrode  schildus  fcothe  16,  IG  %md  ' 

was)  holdun  in  prise  2,  4. 

Die  beiden  Beispiele  zeigen  zugleich,  dafs  Alliteration 
vorkommen  und  fehlen  kann.  Dreifache  Alliteration  begegnet 
nur  einmal:       and)  feid  /"urthe  in  ßre  50, 16. 

48.  a)  Verse  mit  Maximalfüllung,  d.  h.  mit  drei  Voll- 
wörtern, die  aber  unter  sich  abgestuft  sein  können:  « 

bis)  fcrode  schildus  6othe  10,16  butte)  saue  wele  my  knyjte  38,4 

and)  /"erd  /urthe  in  /ere  50, 16         ;  I)  life  neuyr  more  23,  8. 

as)  ttayt  men  and  ?<;ise  2,  8  | 

Auf  ungefähr  derselben  Stufe  stehen  folgende  Verse;  doch 

ist  der  Betonungsunterschied  eher  etwas  gröfser: 

lette)  see  quo  dose  beste  7,12 

how  {lies  quo)  öest  myjte  be  37, 12 
i-)  wisse  he  were  toijte  4, 16  *) 
je  »narre  nette  me  41,  8. 

In  diesen  vier  Versen  muls  das  Pronomen  betont  werden. 
Die  Verse  37,12  und  41,8  wären  sonst  falsch,  da  X-X-  bei 
keiner  Theorie  genügt  (Siehe  §  73).  Der  zuletzt  angeführte 
Vers  gewinnt  durch  die  starke  Betonung  von  ge  an  Sinn:  Die 
sechs  Ritter  haben  ihre  Verkleidung  abgeworfen,  und  Sir 
Bawdewyn  antwortet:  „Da  ihr  gute  Hirten  seid,  haltet  t/ir 
mich  nicht  auf"'. 


ß)  Einmal  steht  ein  zweisilbiges  Formwort  mit  nebentoniger 
erster  Silbe  in  der  Mitte  zwischen  zwei  Vollwörtern: 
for)  smeWe  o)?er  smekis  15, 12 

7)  Viel  häufiger  sind  Verse  mit  zwei  einsilbigen  schwach- 
tonigeu  Wörtern  in  der  Mitte.  Von  diesen  ordnet  sich  in  der 
natürlichen  Rede  das  zweite  dem  ersten  entweder  unbedingt 
unter,  oder  diese  Unterordnung  steht  frei. 


■)  Das  Pronomen  he  steht  hier  stark  betont.    Vollständiger  lautet 
die  Stelle:  Quo  durst  a-biäe  him  a  buffe,  I-wisse  he  were  vfi^te. 


f 


561 

wynde  to  pQ  bore  5,  8  1      wele)  inore  tlianne  we  thre  37,  8 

ga.y  in  hör  (/ere  21,8  |       aud)  /uirte  of  my  /jowundes  3,4 
speke  gif  he  luay  '26,  4  ne)  ti'urclie  bim  no  «uwundes 

qwi  schuld  1  layuc  33,  12  3,  12 

hie  pe  gud  spede  54,4  durste)  tide  in  his  fcaudus  3,8 

the)  see  and  the  sande  1,4  f>at)  ÜM  in  this  londG  1,8 

mi)  trautlie  I  J^e  plighte  '21,  Itl  and)  /"urthe  conue  J'ay  /are  5,  1('>. 

Diese  häufigste  Gestalt  der  Sehlufsverse  begegnet  aufser- 
dem  uoc'li  in  7,4;  10,16;  14,8;  14,16;  17,4;  19,12;  20,4; 
20,12;  20,16;  24,8;  24,12;  27,12;  28,4;  28,16;  32,4;  32,8; 
32,12;  33,16;  35,4;  35,12;  36,8;  36, 16;  38, 16;  39, 12;  42, 16; 
44,4;  44,12;  46,8;  46,12;  47,4;  47,8;  48,16;  49,4;  49,16; 
50,4;  50,12;  52,12;  52,16;  53,16;  57,4;  58,8;  58, 12;  59, 12; 
59,16;  61,4;  61,12;  65,8;  67,8;  68,8;  68,16;  09,12;  70,8; 
71,4;  71,16. 

Hierher  ist  auch  zu  stellen 

hls)  /led  onus  to  Aide  55,  8, 
da  für  onus  die  einsilbige  Form  (vgl.  ne.  o«ce)  einzusetzen  ist;  •) 
in  schwacher  Satzstellung  verlor  das  Wort  frühzeitig  den  Vokal 
der  zweiten  Silbe.  Wie  der  Vers  überliefert  ist,  ist  er  falsch, 
da  die  Form  x)  —  XX-,  also  mit  einer  unbetonten  Endungs- 
silbe in  der  Mitte  eines  fünfsilbigen  Verses,  als  Schlufsvers 
nicht  vorkommt  (vgl.  §  31  ff.).  Diese  Form  wird  vielmehr  nur 
als  Tripletvers  gebraucht,  offenbar  weil  sie  vier  hebungsfähige 
Silben  hat  und  so:  x)---x-  skandiert  werden  mufs;  vgl. 
z.  B.  den  Vers  14, 15  Jje  höre  hrittwit  his  schild  und  siehe 
§  89,  3  und  98. 

Ahnlich  ist  in  dem  Vers 

]7e  tone  behonus  J?e  nede  40, 16 
einsilbiges    hos    für    hehouus    einzusetzen    (vgl.   §  35),    da    der 
Vers,   wie    er    überliefert    ist,    unter    den   Schlufszeilen    keine 
Parallele  hat. 

Drei  Verse  haben  in  der  Überlieferung  zweisilbigen  Auftakt 

(siehe  jedoch  §  24) ; 

to  f>e)  denne  conne  he  rZraw  6, 1 2 
euyn)  downe  to  payre  fete  39, 16 
f>at  f>e)  rote  is  vnriste  4, 12. 


0  Vgl.  den  auch  für  a^aynus  anzunehmenden  Ausfall  des  u  nach 
dem  Nebenton  §  lüO. 

Studien  z,  engl.  Phil.    L.  36 


562 

6)  Es  steht  ein  Kompositum  an  erster  Stelle,   mit  Neben- 
treff auf  der  zweiten  Silbe: 

my)  gode-fadur  hijte  20,  8 
is)  rferwurtbe  ou  desa  22,  8 

Dabei    ist    das    letzte    Wort    des    Verses,    ein    Pronomen, 

durch  den  Reim  gehoben: 

welcum  is  hit  66,  S 
ne)  selcouthe  thinge  rne  56,  16 
uiuch)  uiangreue  haue  Y  57,  8. 

e)  Oder  ein  zweisilbiges  Wort  mit  schwerer  Ableitungssilbe: 

squytheW  con  squete  46, 16 
f>as)  rudely  he  rekes  15,8 
lüorlyke  in  wede  54,  8 

Ähnlich  1,16;  12,16;  21,4;  66,4;  69,4;  71,12;  72,4. 
Oder  ein  anderes  zweisilbiges  Wort  mit  schwerer  zweiter 
Silbe: 


a)  meruail  hit  wäre  45,  4 
Aardi  of  /ionde  1, 12 


os)  hardi  and  wijte  27,  8 
his)  maistry  he  »lekes  15, 16 


Ähnlich  18,12;  30,4;  31,16;  34,16;  39,4;  48,8;  58,16. 
Hierher  ist  auch  zu  setzen  V.  37,  4 :  Sir,  a  meruael  thiiike  me, 
wenn  Sir  zu  streichen  ist  (§  24). 

rf)  Endlich  sind  häufig  Verse  mit  Wörtern  wie  stoJckes  an 
erster  Stelle,  also  mit  einer  Schlulssilbe  schwächster  Art: 


vs)  wontutte  pe  fode  67, 4 
sfokkes  and  s^ones  12, 12 
and)  «jrapes  and  ^rones  12,4 
fro)  ?rothes  bim  w-eylde  IH,  16 


he)  rennes  füll  rathe  16,  8 
hit)  lypputt  füll  enyn  65, 12 
wi]?-)owtyn  delees  22,12 
and)  buckes  of  pride  55,  16 


Gerade  SO  oder  ähnlieh  noch  2,4;  5,12;  14,4;  16,4;  30,8; 
36,4;  56,12;  59,4;  64,12;  67,12;  70,4. 

49.  Für  sich  allein  genommen,  lassen  sich  alle  diese  Verse 
ungefähr  gleich  gut  mit  zwei  oder  drei  Hebungen  lesen.  Luick 
hat  namentlich  an  neuenglischen  Beispielen  gezeigt,  dals  man 
die  starken  Wörter  in  der  Mitte  der  unter  a)  angeführten 
Stellen  auf  das  Niveau  von  Senkungen  herabdrücken  kann. 
Andererseits  kann  man  in  den  übrigen  Fällen  ohne  Schwierig- 
keit einen  metrischen  Nebeniktus  auf  der  zweiten  Silbe  hören 
lassen,  wodurch  der  Vers  dreihebig  wird;  z.  ß.: 


g'ky  in  hör  ^-ere  21,  8 
my)  ^6de-f;idur  Liste  2o,  8 


Aärdi  of  Aonde  1,  12 

s/6kkes  and  s/önes  12,  12  «siü. 


563 

50.  Wenn  man  aber  die  viersilbigen  Verse  im  Zusammen- 
hang mit  andern  betrachtet,  so  »^rgibt  sieh,  dafs  die  letztere 
Skaudieriing  angenommen  werden  mufs. 

Von   den    beiden    mittleren  Silben   darf  keine   fehlen;    es 

hei  f st  z.  B. 

wip  scbild  and  wip  spere  36,16         j   in  six  or  in  seuyn  65,8 

to  lasse  ne  to  uiare  49,4;  68,8  '    hit  lyputt  füll  enyn  6:,,  12  usw., 

]>e  lasse  and  pe  mare  71,4;  71,  16     ! 

obgleich  das  vorletzte  Wort  in  diesen  und  vielen  andern  Versen 
ohne  Sehaden  für  den  Sinn  ausgelassen  werden  konnte.  Bei 
der  Zweihebungstheorie  ist  nicht  recht  zu  verstehen,  warum 
nicht  neben  (x)lxx-(x)  ^^^^'^  (x)-X-(x)  zulässig  ist.  Der 
wahre  Grund  ist  aber,  dafs  dann  die  dritte  hebungsfähige 
Silbe  fehlen  würde.  Ist  sie  vorhanden,  so  ist  dem  Versmafs 
Genüge  getan,  auch  wenn  zwischen  den  beiden  äufseren  Silben 
nur  eine  einzige  Silbe  steht.     Denn  Vers  7,16  lautet: 

f>at)  ^riselicbe  ^este  7, 16. 
OriscUche  hat  auf  der  zweiten  Silbe  einen  natürlichen  Neben- 
treff und  kann  daher  zwei  Hebungen  tragen;  in  dem  Verse 
wi])  Schild  and  wip  spere  36,  16  u.  ä.  hat  a7id  durch  seine 
Stellung  vor  einem  andern  schwachen  Worte  einen  NebentreflF, 
der  aber  verloren  geht,  wenn  das  zweite  ivip  fehlt;  wenn  nun 
pat  griseliche  gestc  und  wip  schild  and  wip  spere  und  andre 
gleich  gebaute  Verse  richtig  sind,  wip  schild  and  spere  u.  ä. 
aber  nicht,  so  ist  daraus  nur  zu  folgern,  dals  die  in  der  ersten 
Art  von  Versen  vorkommenden  hebungsfähigen  Silben  wirklich 
gehoben  sind,  d.  h.  dafs  die  Verse  drei  Hebungen  haben. 

51.  Vergleicht  man  bei  dieser  Auffassung  die  bisher  be- 
trachteten viersilbigen  Verse  (§  47  ff.)  mit  den  fünfsilbigen 
(§  31  ff.),  also  die  Formen 

X)  -  X  -  X  -  (x 
und  xj--x-(x» 
so   gewahrt   man,   dafs   die   metrische  Verwendung  des  Wort- 
materials überall  mit  der  natürlichen  Betonung  (§  31  und  §  44) 
übereinstimmt. 

Dabei  ist  bemerkenswert,  dafs  in  den  vierzeiligen  Versen 
durch  das  Fehlen  der  Senkung  nach  der  ersten  Hebung  diese 
zu  einer  sogenannten  „Überlänge"  oder  „beschwerten  Hebung" 


564 

wird,  was  eine  bekannte  Erscheinung  germanischer  Versbetonung 
ist.  1)  Demgemäfs  ist  gewöhnlich  die  erste  Silbe  des  Vers- 
rumpfes stärker  betont  als  die  zweite  (§  45);  in  selteneren 
Fällen  (§  48)  haben  die  ersten  beiden  Hebungen  gleiche  natür- 
liche Stärke  oder  stehen  im  umgekehrten  Betonungsverhältnis. 

Diese  Verse,  z.  B. 

his)  örode  schildus  bothe  10,  16 
butte)  saue  wele  my  kDyjte  38,  4, 

lesen  sieh  mit  drei  Hebungen  sinugemäfser  und  metrisch  besser 

als   mit   zweien.     Drei  Hebungen   sind  namentlich  erforderlieh 

für  den  Vers  ,     ,  ,,       r  .,  ^ 

je  marre  notte  »ne  41,  S. 

Bei   der  Zweihebungstheorie   ist   er   falsch, 2)    wenn   mau   ihm 

die  Betonung  ,  .. 

'='  56  »iarre  notte  me 

gibt,  die  durch  die  Alliteration  und  den  Sinn  verlangt  würde. 
Die  Skandierung  ^e  marre  notte  me,  welche  nach  dieser  Theorie 
metrisch  zulässig  wäre, '2)  läfst  weder  den  Sinn  zum  Ausdruck 
kommen,  noch  die  Alliteration,  die  doch  offenbar  beabsichtigt 
ist,  zur  Geltung  gelangen.  Nur  mit  drei  Hebungen  wird  dem 
Sinn  und  dem  Stabschmuck  Genüge  getan. 

52.  Am  Anfang  des  Verses  steht  stets  ein  vollbetontes 
Wort;  entweder  ist  es  ein  sogenanntes  Vollwort,  —  dies  ist 
das  Gewöhnliehe,  —  oder  es  hat  in  allen  andern  Fällen  gleich 
starke  Betoiiung: 


qui  schuld  I  layne  33,  12 
wel)  more  thenne  we  thre  37,  8 
and)  /"urtlie  conne  pay  /are  5,  IG 
enjTi)  downe  to  )'ayre  fete  39,  IG 
wif>-)outyn  delees  22, 12 


quo  (-Hs.  how)  best  myste  be 

37,12 
56  marre  notte  me  41,  8 
pe)  tone  bos    {Hs.  behouus)   p'e 
nede  40, 16 


Nie  dagegen  trägt  ein  schwächeres  Wort  die  erste  Hebung, 

während  das  in  fünfsilbigen  Versen  wohl  vorkommt  (§34): 

/br  hur  /"or  to  /"ijte  27,  4 
wip  ]?e  schall  he  be  51,8. 

In   eine  Regel   gefafst,   würde  das  bei  der  Zweihebungs- 
theorie   heilsen:    Wenn    drei    Silben    zwischen    den    beiden 


')  Siehe  darüber  Franz  Saran,   PBb.  XXIII,  50   und   Carl  Kraus, 
Metrische  Untersuchungen  über  Reinbots  Georg,  Berlin  1902,  S.  17  ff. 
~)  Siehe  Luick,  Anglia  XI,  404  ff. 


565 

Hebuiig'cn  stehen  (J.xxx-)»  ^^^  kann  die  erste  Hebung  auf  ein 
sehwaehtoniges  Wort  fallen;  bei  zweisilbiger  Senkung  (-!.xx-) 
jedoch  nur  auf  ein  volltoniges  Wort.  Ein  Grund  für  den  Unter- 
schied ist  bei  dieser  Theorie  aber  nicht  ersichtlich. 

Gibt  man  den  Schlufsversen  dagegen  drei  Hebungen,  so 
wird  klar,  warum  z.B.  foV  hw  iör  to  ftste  27,4  richtig  ist, 
aber  för  hur  to  figte  falsch  wäre.  Denn  Träger  einer  be- 
schwerten Hebung  kann  naturgeraäfs  nur  ein  volltoniges  Wort 
sein ;  i)  die  Präposition  for  hat  aber  zu  geringen  Bedeutungs- 
inhalt, um  eine  so  auszeichnende  Betonung  zu  vertragen.  Ein 
Vers  för  hur  to  fi^te  wäre  nur  zulässig,  wenn  for  einen  un- 
gewöhnlichen Nachdruck  etwa  durch  einen  Gegensatz  zu  asenes 
hur  hätte.  Aber  es  handelt  sich  an  der  Stelle  nicht  um  „für" 
oder  „gegen",  sondern  um  „fechten"  oder  „nicht  fechten". 

Ahnlich  verhält  es  sich  mit  dem  andern  angeführten  Verse. 

Vollständiger  lautet  diese  Stelle: 

I  comuiawande  pe  to  be  all  nyjte  oute; 
Bawdewyn,  ]7at  is  s^urun  and  stowte, 
Wip>  pe  schall  he  be. 

In  der  letzten  Zeile  ist  he  grammatisch  entbehrlich,  ja 
sehr  überflüssig;  aber  metrisch  ist  es  erforderlich,  denn  die 
Skandicruug  WiJ)  Jxi  schall  be  wäre  nicht  sinngemäfs,  weil  ivip 
dabei  für  seine  Bedeutung*  zu  viel  Tongewicht  bekäme.  Daher 
hat  der  Dichter  he  hinzugesetzt;  und  nun  hat  loij)  in  dem 
Verse  tvfp  pe  schall  he  be  nur  seine  gewöhnliehe  Betonung 
und  Bedeutung. 

Aus  demselben  Grunde  begegnen  keine  Versfüllungen  wie 

was  in  pe  wode, 
if  he  wil  cum,  oder 
sal  him  not  drede. 

53.    Auch  in   den  in  §48?y  angeführten  Versen  mufs  die 

mittlere  Hebung  auf  die  zweite  Silbe  des  Versrumpfes  gelegt 

werden ;  z.  B.  ....■,,        ,    , ,       , .,  , „ 

'  sfokkes  and  s^ones  12, 12 

vs)  wontütte  pe  füde  67,  4 

he)  rennes  füll  räthe  16,8. 


')  Siehe  hierüber  Kraus,  Metrische  Untersnchungea  über  Keinbots 
Georg,  S.  17  ff.  und  145  f.  Seinen  feinsinnigen  Beobachtungen  verdanke  ich 
die  Anregung  zn  diesem  Argument. 


566 

Die  Ilohuug  fällt  also  bei  zweisilhigen  Wörtern  in  dieser 
StelluDg  auch  auf  die  Endsilbe  schwächster  Art,  gerade  so 
gut  wie  auf  stärkere  Endsilben  (z.  B.  in  den  Versen  hrt?Yr^  of 
\ionde  1,12  und  is  dcYwürthe  on  dese  22,8),  und  nicht  aut 
etwa  folgende  Wörter  wie  /je,  and,  of,  him,  füll  usw.  Das 
geht  aus  folgenden  Erwägungen  hervor  :i) 

a)  In  Versen  wie  vs  ivontutte  pe  fode  67, 4  muls  die 
Endung  -läte  die  Hebung  tragen,  weil  diese  sonst  auf  den 
bestimmten  Artikel  fallen  würde,  was  offenbar  nicht  zulässig  ist. 
Es  w'ürde  dem  Artikel  eine  zu  starke  demonstrative  Bedeutung 
geben.  Auch  erscheint  der  Artikel  sonst  nie  mit  Hebung  im 
Gedichte. 

b)  Nur  zweisilbige  Vollwörter  oder  gleichstark  betonte 
Wörter  erscheinen  am  Versanfang,  nicht  aber  Präpositionen 
wie  under  oder  ouer;  —  offenbar  weil  diese  einen  zu  geringen 
Bedeutungsinhalt  haben,  um  zwei  Hebungen  zu  tragen.  Dagegen 

begegnet  wij>-)öwt.yn  delees  22, 12, 

wahrscheinlich  weil  ivipoiütyn  als  Negation  die  Bedeutung  der 
Wortgruppe  von  Grund  auf  bestimmt. 

Die  Zweihebungstheorie  erklärt  nicbt,  warum  Verse  wie 
linder  a  tree  vom  Dichter  gemieden  werden.  2)  Bei  Annahme 
von  drei  Hebungen  ist  der  Grund  ersichtlich. 

c)  Die  Betonung  stöJcJces  and  stönes\  he  rennes  füll  rdthe; 
and  hüdces  öf  pride  usw.  ist  unmöglich,  weil  dadurch  die 
Wörter  aiid,  füll,  of  u.  ä.  in  die  beschwerte  Hebung  kommen 
würden,  was  offenbar  nicht  geht.  Die  Skandierung  ^x-  — 
verlangt  vielmehr  ein  vollbetontes  Wort  an  dritter  Stelle; 
siehe  §  54  ff. 

b)   -X 

54.  Der  zweiten  Art  der  viersilbigen  Verse  (abgesehen  von 
Auftakt  und  überschüssiger  unbetonter  Endsilbe)  fehlt  die  zweite 

*)  Vgl.  Kraus  in  seinem  schon  genannten  Buche,  S.  155 f.,  und  die 
dort  angeführte  Literatur. 

^)  Im  Perc.  begegnet  einmal  öfter  pe  stede  712.  Aber  hier  hat  after 
nicht  seine  einfache  Bedeutung  von  'hinter';  sondern  die  Stelle  heifst: 
Percevall  machte  sich  auf  seiner  Mähre  hinter  dem  entflohenen  Rosse  des 
Roten  Ritters  her,  um  es  einzufangen.    Daher  die  gesteigerte  Betonung. 


567 

der   schwäclistfii    inneron  Silben,   die  sich   in  den  fUnffilhigen 
Versen  (§31  ff.)   linden.     Also   statt   _x-X-   ^^t   das  Schema 

hier  _x 

Die  VersfüUnng  schwankt  zwischen  den  Extremen,  die 
durch  folgende  zwei  Beispiele  veranschaulicht  werden: 

he)  wan  \ns  6iurde  fery^te  32,  IG    und 
of  pi  lady  63,  16. 

Die   unbetonte   schwächste  Stelle   des  Verses  wird  immer 

durch    die   zweite  Silbe  (des  Versrumpfes)  eingenommen.     Die 

vorangehende  erste  Silbe  ist  ihr  an  Nachdruck  stets  überlegen, 

aber  ordnet  sich  ihrerseits  meist  dem  Versende  unter;  z.B.  in 

on  a  faire  stede  40,  4 
and)  durst  not  /"urthe  /"are  61,  16. 

Die  beiden  letzten  Silben  des  Verses  (abgesehen  von  der 
etwaigen  überschüssigen  unbetonten  Silbe  am  Schlufs)  sind 
gewöhnlich  zwei  Vollwörter  entweder  mit  gleich  starker  Be- 
tonung oder  mit  geringem  Stärkeuntersehied  zugunsten  des 
ersten  oder  zweiten: 

a)  pat  in  /rith  /bnndes  3,  16 
and)  se  hom  sie  care  68, 12 

b)  ue)  him  to  dethe  fZijte  4,  8 
for-)sothe  in  bed  lay  52,8 

c)  and)  bede  bim  cum  see  56,  4 
durst)  on  pe  /"ynde  /ast  7, 8. 

Die  starke  Betonung  des  ersteren  ist  durch  das  Fehlen 
einer  folgenden  Senkungssilbe  begründet,  die  des  letzteren 
durch  den  Reim. 

55.    Verse  mit  Maximalfüllung,  d.  h.  mit  drei  Vollwörtern, 

sind : 

bade  hom  sie  care  49,8             1  he)  hies')  gode  spede  40,8 

he)  wan  \>\s  fciurde  öry^te  32,  16      i  he)  hiees')  gode  waye  52,4 

and)  bede  him  stWle  stonde  47,12;  and)  durste  notte/'urthe /are  04,16 

48,4  durste)  on*)  pe /ynde /ast  (lies /est) 


and)  se  hom  sie  care  6S,  12 
f>ou)  knoes')  best  here  50,8 


7,8 
and)  bede  him  cum  see  56, 4. 


*)  Knoes   und  Ines   können  auch   einsilbig  sein    (vgl.  §  17);    dann 
gehören  die  Verse  in  §  66. 

^)  Durate  on  mit  schwebender  Betonung. 


568 


Auf  derselben  Stufe  der  Betonung  stehen 


aud)  lay  her  down  by  63,  12 
für-)sothe  iu  bed  lay  52,8 
per-fore  come  I  03,  4. 


iclione  sere  way  10,4 
to)  wake  hit  all  nyjte  9, 4 
and)  j^rius  of  ich  iAa.y  26,  12') 
and)  joy  att  iche  ende  62, 12 

Hierher  ist  auch  V.  33,  4  God  and  Sir  Gawaii  zu  stellen, 
in  welchem  and  zu  streichen  ist.  Das  verlangt  der  Sinn  und 
die  Alliteration  und  wahrscheinlich  auch  die  Betonung  des 
Namens  Gaioan  (siehe  §  106). 

56.  Meist  enthält  der  Vers  zwei  einsilbige  Vollwörter  am 
Schlufs  bei  schwächerem  Eingang  (§  54) : 


and  on  Ä:ene  ^ay  8,  4 

hym  to  rfethe  rii^te  9,  8 

to  )nne  /terte  /told  72,8;  ähnlich 
54, 12 

for  J?i  sune  sake  17, 12 

J?at  in  /rith  /bundes  3,  16 

with  a  scharpe  spere  21, 12;  ahn- 
lich 29,16;  40,4;  41,16;  54,12; 
67,16;  72,  12 


ne)  him  to  rfethe  f^i^te  4,  8 
ne)  of  no  fcirde  try^te  9, 12 
quere)  I  schuld  /"urthe  /are  43,16; 
45,8 
in-)  tili  our  6ed  ieed  61,16 
and)  in  ]>q  /lolte  /loues  19,4 
and)  of  his  lyfe  dredua  40, 12 
sum)  pat  his  gate  lay  10,  12;  ä/t?i- 
lich  53,4;  58,4. 


Ungefähr  dieselbe  Betonung  haben: 

butte)  gif  J^ou  ded  be  41, 12  |  we  are  all  schent  44,8 

loke)  J?at  f>ou  duelle  pere  45, 12     I  je  schall  here  niore  18,4 

I  J?at  schall  greue  pc  41,16. 

57.  Statt  der  beiden  vollbetonten  einsilbigen  Wörter  kann 
am  Schlüsse  auch  ein  zweisilbiges  Vollwort  mit  NebentrefF 
auf  der  zweiten  Silbe  stehen. 

a)  Aufserdem  steht  ein  Vollwort  oder  anderes  starktoniges 

Wort  im  Versanfang: 

and)  sette  füll  sorely  57, 12 
to)  here  his  tithand  47, 16 
wij7-)oaten  letting  30,16;  31,12. 

b)  Bei  seh  wachem  Verseingang: 

v}\]>    his    lady    56,8;    ähnlich         op)on  pe  bed-syde  55,4 
57, 16;  63, 16  als)  hit  wcre  jole-day  69,  16. 

he)  had  no  horsing  31,8 


1)  Im  Perc.   kommt  auch  dreifache  Alliteration  vor:  and)  Kay  the 
kene  kny^te  87, 12. 


569 

58.    Bei  der  Skandiening  der  §§54 — 57  anf,^eflihrtoii  Verse 

naeh    der    Zweihebniig'stheorie    ergeben    sich    SchwierigkeiteD, 

welche  die  beiden  Haupt  Vertreter  der  Theorie  auf  verschiedene 

Weise  zu  lösen  versucht  haben,  i)     Nur  in  Fällen  wie 

wip  his  lädy  56,  8 
and  on  Hne  A'äy  8,  4, 
ne  him  to  f/6the  rfijte  4,  8, 

wo  der  Vers  nur  öin  oder  zwei  Vollwörter  aufweist,  und  zwar 
am  Versende,  sind  die  beiden  Gelehrten  einer  Meinung.  Da- 
gegen in  den  übrigen  Fällen  ist  nach  Luiek  so  zu  skandieren: 

and  sette  fall  sorely  57,  12 
bade  hom  sie  cäre  49,  8  itsto. 

Er  gibt  die  „sehr  einfache  Regel" :  „Die  erste  Hebung  trifft 
die  Stammsilbe  des  ersten  Vollwortes,  die  zweite  die  Reim- 
silbe; in  welchem  Abstände  beide  voneinander  stehen,  kommt 
nicht  in  Betracht."  Das  ergibt  aber  manchmal  widersinnige 
Betonungen ;  z.  B. 

he  wäu  pis  Wurde  öryste  32, 16 
and  bede  him  stille  stunde  47, 12. 

Solche  Fälle  haben  anscheinend  Schipper  veranlaXst,  eine 

andere  Skandierung  anzunehmen  und  z.  B.  zu  lesen: 

and  sette  füll  sörely  57, 12 

he  wän  pis  Murde  örjste  32, 16. 

Das  ist  sinugemäfser,  ergibt  aber  Reimsilben,  die  als  Senkungen 
angesehen  werden  sollen,  obwohl  sie  stark  betont  sind  (vgl.  §41  f.). 
Andrerseits  bietet  die  Skansion  mit  drei  Hebungen  keinerlei 
Schwierigkeit;  und  sie  hat  noch  den  andern  Vorteil,  dass  sie 
in  allen  Versen  die  gleiche  ist.  Die  zweite  Silbe  des  Vers- 
rumpfes bildet  die  Senkung,  und  die  drei  übrigen  Silben  tragen 
die  Hebungen:  Also  i-x--;  z.  B. 

bade  hom  sie  cäre  49,  S  |     and)  sette  füll  sorely  57, 12 

änd  on  kene  Kky  8,  4  1  Wip  his  lädy  56,  8. 

ne)  him  to  d6the  dijte  4,8  | 

Und  drittens  kann  der  Vortrag  hierbei  überall  sinngemäfs  ge- 
schehen, da  die  drei  Hebungen  natürlich  nicht  gleich  stark  zu 
sein  brauchen. 


»)  Siehe  Luick,  Anglia  XII,  449  und  in  Pauls  Grundrifs^  §  60  fr.;  und 
Schipper,  Grandrifa  der  engl.  Metrik,  S.  b9flf. 


570 

59.  Nach    Luioks    Regel    würden    folgende    Verse    ver- 
schiedene Skansiou  haben: 

a)  he  had  no  hörsing  31,8 
opon  ]>e  bedsyde  55,  4 

b)  to  liere  his  tithänd  47, 16 
and  sette  füll  sorely  57, 12. 

Alle  diese  Verse  haben  am  Schlufs  ein  zweisilbiges  Vollwort 
mit  natürlichem  Haupt-  und  Nebentreff  (§  57);  und  in  allen 
Fällen  gehen  dem  Voll  wort  drei  Silben  voraus,  wovon  die 
mittlere  betont  ist.  Bei  Annahme  von  drei  Hebungen  behalten 
alle  Verse  ihre  natürliche  Betonung,  die  in  allen  Fällen  die 
gleiche  ist;  Luicks  Skandierung  aber  tut  ihr  in  der  zweiten 
Gruppe  Gewalt  an ;  und  zugleich  hören  bei  seiner  Skandierung 
die  Verse  auf,  ein  und  dasselbe  Metrum  zu  haben;  siehe  §61. 

60.  Schippers  Annahme   (§  58),   dafs  zu  skandieren  sei 

and  sette  fall  sörely  57,  12 
to  here  bis  tithänd  47,  16, 

SO  zwar,  dafs  die  letzte  Silbe  wegen  des  Reimes  sprachlich 
„tieftonig"  (=  nebentonig)  sei,  aber  metrisch  „in  der  Senkung 
stehe",  bedeutet  in  Wahrheit,  dafs  das  Versschema  x-x-X 
pei.  Dann  müfsten  aber  auch  Verse  wie  to  here  his  wördes, 
etwa  im  Reim  mit  sivördes,  vorkommen.  Sie  fehlen  aber  ganz. 
Nach  der  Dreihebungstheorie  erklärt  sich  das  einfach  daraus, 
dafs  solche  Verse  nur  zwei  hebungsfähige  Silben  haben  und 
daher  unmöglich  sind.  Die  Zweihebungstheorie  dagegen  bietet 
keine  Erklärung  für  das  Fehlen  solcher  Verse. 

61.  Die  von  den  Zweihebungstheoretikern  angenommene 
Skansion  in  Versen  wie 

X  X  —  —  tiyü^  to  dethe  di^te  9,  8  xind 

XXX  —  —       116  liiüi  to  rfethe  dijte  4,  8 
läfst  sich  nicht  vereinigen  mit  der  in  Versen  wie 

—  X  X  —  bade  hom  sie  cäre  49,  8 

—  X  X  X  —       ^ette  vs  haue  oure  Üfe  60, 4  (§  32), 

wie  Luick  sie  skandieren  würde.  Dieselbe  Silbenzahl  ist 
zwar  vorhanden,  auch  dieselbe  Zahl  von  Hebungen  und 
Senkungen;  aber  die  Stellung  der  Hebungen  und  Senkungen 
ist  so  verschieden,   dafs  von  den  Versen  nicht  gesagt  werden 


571 

kann,  ilafs  sie  alle  dasselbe  Metrum  liaben.  Dies  mufs  aber 
als  grimdsiitzliehe  Notwendigkeit  betrachtet  werden,  zumal 
für  ein  Gedieht,  das  in  Strophen  von  gereimten  und  ungleich 
langen  Versen  verfafst  ist.  Sie  wird  nur  durch  die  Annahme 
von  drei  Hebungen  in  den  Sohlnfsversen  erfüllt,  wodurch  alle 
vier  eben  angeführten  Verse  das  Mals  x)-x-(x)-  erhalten. 

63.     Bei    der    Zweihebungstheorie   sieht   man    nicht   ein, 
warum  neben 

X  X  X  —  —       De  bim  to  dötha  rfijte  4,  8 
X  X  —  —  ^y^  ^^  f^ctlio  rfijte  9,  8 

nicht  auch 

X  —  —  to  fZethe  rfijte 
vorkommen  kann.  Luick  nimmt  an,  dafs  die  beiden  vor- 
kommenden Formen  aus  dem  ae.  Typus  C  durch  „Abfall  der 
Endsenkung"'  entstanden  seien ; ')  warum  aber  die  ae.  Grund- 
form X--X  "^^t  einer  Eingangsseukung  verloren  gegangen  sei, 
bleibt  unerklärt.  Die  einfachste  und  einzige  rationelle  Er- 
klärung aber  ist,  dafs  Verse  wie  to  Aethe  Ai^te  unmöglich  sind, 
weil  die  dritte  hebnngsfähige  Silbe  fehlt.  Dies  wird  bestätigt 
durch  andere  dreisilbige  Verse,  wo  sie  vorhanden  ist  (§§  19 
und  66  ff.). 

()3.    Ebensowenig  ist   bei   der  Zweihebungstheorie  zu  be- 
greifen, warum  zwar  Schlulsverse  wie 

XX  —  —  hym  to  dethe  fiijte  9,8  und 

XX-X-       Jn  päyre  /ioltus  /töre  43,  12  (§  33/?) 
vorkommen,  aber 

xx-xx- 
ausgeschlossen  ist,  obwohl  diese  Form  ja  vollkommen  ana- 
pästisch wäre  und  angenommen  wird,  dafs  Anapäste  gerade 
das  Wesen  des  zweihebigen  Verses  ausmachen.  2)  Der  wahre 
Grund  ist,  dafs  ein  Vers  von  der  Form  xx-XX—  vierhebig 
wäre ;  er  wird  daher  als  Tripletvers  gebraucht,  z.  B. 

püs  ho  fälkes  him  t\\\  19,  1 

tö  J?e  /brest  f>a  /äre  2,  9 

öne  was  Jrther  p>e  kinge  1,9  (§  89). 

1)  Anglia  XI,  403  u.  414. 

-)  Vgl.  z.  B.  Anglia  XII,  444  und  oben  §  13. 


572 

(>4:.  Ebenso  erklärt  die  Zweiliebuugstbeorie  nicht,  warum 
neben  Versen  wie 

bilde  hom  sie  cäre  49,  8 

he  wäu  ]ns  iiiirde  fery^te  32,  IG 

mit  Luieks  Skansion,  nämlich  (x)lxx-7  nicht  auch  Verse 
mit  etwa  folgender  Füllung  zulässig  sind: 

X  — XXX—     be  wönt  to  f>is  fciurde  öry^te, 

zumal  doch,  wenn  das  mittlere  Voll  wort  um  eine  Stelle  vor- 
rlickt,  Verse  mit  derselben  Skansion  und  derselben  Füllung 
(drei  Vollwörtern  und  drei  schwachen  Silben)  vorkommen,  z.  B. 

ich  e'rtheli  thinke  has  ende  62, 16. 
Offenbar  ist  auch  hier  die  Erklärung  in  der  Zahl  der  hebungs- 
fähigen Silben  zu  suchen:  Sind  vier  hebungsfäbige  Silben  wie 
in  he  wcnt  tö  ])is  hiurde  hry^te  vorhanden,  so  ergibt  dies 
keinen  Schlufsvers,  sondern  solche  Füllung  könnte  nur  für 
einen  Tripletvers  verwandt  werden,  wie   es  in  der  Tat  häufig 

geschieht;  z.  B. 

he  speke  wif»  a  vöis  law  26,  7 

pe  feöre  wip  his  ftröde  schild  11,6  (§89,2). 

Dagegen  ich  irtheli  thinhe  has  6iide  62, 16  mit  seinen  drei  be- 
tonten Silben  ist  ein  Schlufsvers  (§32«). 

Mit  andern  Worten:  Die  in  einer  Zeile  sprachlich  vor- 
handenen haupt-  und  nebentonigen  Silben  werden  nicht,  wie 
Luick  will,  alle  mit  Ausnahme  von  zweien  zu  Senkungen 
herabgedrückt,  sondern  sie  dienen  als  ebenso  viele  Hebungen, 
80  dafs  in  den  Schlufsversen  drei  und  in  den  Tripletversen 
vier  herauskommen. 

Übrigens  ist  auch  bei  Schippers  Skansion  nicht  be- 
greiflich, warum  neben 

he  wäu  fis  Murde  örygte  32, 16 
nicht  auch  Verse  wie 

he  went  to  J^is  tiarde  irygte 
als  Schlufsverse  zulässig  sind. 

65.     Wenn  Luieks  Skandier ung  von  Versen  wie 

bade  hom  sie  cäre  49,  8 

richtig  wäre,  so  mülsten  auch  Versfüllungen  wie 

säl  him  notte  see 
poü  will  notte  läyne 


573 

vorkommen.  Zwei  Voll  Wörter  in  der  Zeile  sind  nicht  iiötip:, 
weder  wenn  das  einzige  (am  Schlufs)  zwei  Hebungen  trägt 
(wie  in  irip  his  Jddy  50,8).  noch  wenn  es  nur  eine  hat  und 
der  ganze  übrige  Teil  des  Verses  sehwäeher  betont  ist;  vgl. 
die  Verse  in  §  34,  z.  B. 

ßx  hur  /br  to  /'iste  27,4. 
Dafs  dieser  Vers  richtig  ist,  ml  kirn  nottc  sce  u.  ä.  aber 
nicht,  liegt  nicht  etwa  daran,  dafs  drei  Senkungssilben  er- 
forderlich seien;  denn  Verse  wie  gäy  in  hör  gcre  21,8  und 
stokkes  and  stunes  12,12  u.a.  (§48;;)  begegnen  ja  sehr  häufig. 
Die  Zweihebuugstheorie  vermag  in  der  Tat  keine  annehmbare 
Erklärung  dafür  zu  geben.  Nimmt  man  aber  drei  Hebungen 
für  die  Schlufsverse  an,  so  ist  der  Grund  klar:  Wortgruppeu 
wie  ml  Mm  notte  see  und  2)0u  will  no^te  layne  sind  metrisch 
ungenügend,  weil  sie  keine  drei  Hebungen  tragen  können.  Die 
Skaudierung  ml  htm  notte  see  und  Jjoil  will  nogte  läyne  ist 
unzulässig,  weil  sal  und  pou  wegen  ihres  zu  geringen  Gewichts 
nicht  mit  beschwerter  Hebung  auftreten  können  i)  (vgl.  §  51  f.). 
Und  ebenso  ist  ml  him  notte  see  und  poü  ivill  notte  Idyne 
ausgeschlossen,  weil  notte  zu  seh  wach  ist.  Tatsächlich  haben 
alle  viersilbigen  Verse,  die  mit  zwei  schwachen  Silben  be- 
ginnen, am  Schlüsse  zwei  voll  betonte  Wörter  (§  5G)  oder  ein 
Wort  wie  lady  mit  zwei  Hebungen  (§  57  b),  z.  ß. 

dad  OD  Äene  Kkj  8,  4 
wip  liis  hidy  56,  8. 

Dies  ist  nur  bei  Annahme  von  drei  Hebungen  begreiflich. 

3.   Dreisilbige  Verskörper. 
GG.     Verse   dieser   Art   sind   verhältnismäfsig   selten.     Im 
Av.  haben  sie  stets  (einsilbigen)  Auftakt  (vgl.  §  18 f.): 


a)  well  gr\m  giyse  2, 10 

pat)  (/riselich  geste  7, 16^^) 

I)  it'old  tvete  more  64,  4 


he)  hies  gode  spede  40,  8 

he)  hiecs  gode  waj'e  52, 4 

puu)  knoes  best  here  50,  8. 3) 


')  Abgesehen  natürlich  von  dem  seltenen  FaUe,  dafs  sie  in  Gegensatz 
etwa  zu  will  oder  I  stehen. 

^)  Vgl.  Thnt  coynelych  knyght  Degrevant  2,4;  43,16. 

')  Zu  den  letzten  beiden  Versen  beachte  die  Reime  lise  'liegt'  3.  Sg. 
:  aprise  Subst.  :  vnwise  59, 13  ff.  und  lyce  'liegt'  3.  Sg.  :  loise  :  price  72,  5ff. 
und   vgl.  §  1";    doch    können    hies   (hiees)   und   hioes   auch   zweisilbig 


574 

Im  Perc.  begegneu  jedoch  auch  Verse  ohne  Auftakt: 
i/orse  /laiue  brynge  352 
fyue  stryde  luette  1708 
twelve  stone  weghte  2024 

neben  the)  ryng  owte  glade  2116 

the)  horse  s^ode  sfille  1272 
and)  /»ome  wente  /jee  2276 
with)  Arthours  inen  836 
off)  Arthurs  in  2t)0. 

67.  Bei  der  stärksten  Füllung  stehen  also  drei  einsilbige 
volltönende  Wörter  im  Verse;  aber  auch  halbstarke  Wörter 
(wie  ivold  'wollte'  und  hee  'er')  oder  nebentonige  Silben  (wie 
in  griselich  und  Arthours)  gentigen  anstatt  einer  voUtönigen. 
Sprachlich  unbetonte  Silben  sind  jedoch  zu  schwach;  denn 
Verse  der  Form  x —  (etwa  a  grini  gryse)  oder  -X—  (etwa 
marres  me)  oder  x  — X-  (etwa  pe  kinges  men)  fehlen  in  beiden 

Gedichten.    Die  geringste  zulässige  Füllung  ist  also oder 

mit  Auftakt  x oder  mit  klingendem  Ausgang  (x) X.^) 

Der  Nebenton  kann  an  jeder  beliebigen  Stelle  statt  des 
Volltones  eintreten: 

X)  —  —  —  I  tüöld  w^iQ  möre    Av.  64,  4 

X)  — —  —  pat  griselich  ^este    Av.  7,16 

X)— —  —  pou  knöes  best  Lere    Av.  50,8.-) 

68.  Versucht  man  die  Verse  mit  zwei  Hebungen  zu  lesen, 
so  ergeben  sich  grofse  Schwierigkeiten. 

Luick  hat  einige  entsprechende  Verse  aus  den  Atmityrs 
of  Arthure  in  Anglia  XII,  452  f.  besprochen.  Da  er  vier  Silben 
für  das  Mindestmafs  der  Verse  hält,  so  betrachtet  er  dreisilbige 
mit  Mifstrauen,  und  schiebt  sie,  wenn  nur  in  einer  Handschrift 
überliefert,  einfach  bei  Seite.  Sie  sind  aber  so  nicht  ganz  weg- 
zuschaffen, und  er  läfst  z.  B.  gelten 

Stande  vp  ryght  51,7  und 
he)  carf  downe  clene  47,  5, 

gelesen  werden,  so  dafs  die  Verse  in  §  .'>5  gehören.    Die  Endung  -es  nach 
betontem  Vokal  hat  z.  B.  Silbenwert  in  den  Tripletversen  That  hotk  his 
hrees  con  hlake  15,  15  und  Jxd  hoth  liis  hre'es  con  hltde  27, 11  (siehe  §  105). 
*)  Verse  mit  klingendem  Ausgang  finden  sich  in  Sir  Degrevant: 
hrodelyche  hledus  69,  12 
to)  do  suche  dedus  69,  16. 
«)  Vgl.  den  Tripletvers  he  atröke  \  Kay  stiflp  21,  lo  (§  sy,  i). 


575 

weil  sie  in  zwei  Handschriften  übereinstimmend  überliefert 
sind.  Er  nennt  sie  „verkürzte  Verse",  gibt  diese  Deutung 
aber  in  Pauls  Grundrifs  2,  S.  164,  wieder  auf,  da  er  meint,  dafs 
„möglicherweise  in  diesen  Versen  doch  die  ae.  Grundformen 
nachwirken".  Wie  er  sich  das  denkt,  ist  ans  seinem  früheren 
Aufsatze  über  die  Stabzeile  des  Troy-Booli  zu  erkennen.  Hier 
setzt  er  (Anglia  XII,  403)  auseinander,  wie  aus  Sievers'  A-Typus 
(x)-x(x)-X  ™  Me.  „durch  Abfall  der  Endsenkung"  (x)-xx- 
entstanden  sei  und  ebenso  aus  Sie vers' C- Typus  (x)x--x  ^i^ 
die  me.  Form  xx  — -•  Offenbar  meint  er,  dafs  neben  diesen 
gewöhnlichen  me.  Formen  .ixx-  ^^^  XX  —  -  auch  die 
altenglischen  mit  nur  ^iner  Senkungssilbe  sich  spärlich  erhalten 
haben;  also  -x-  und  x---  Damit  läfst  sich  aber  schwerlich 
die  Tatsache  vereinbaren,  dafs  im  Av.  und  in  Perc.  an  der 
nach  seiner  Theorie  metrisch  unbetonten  Stelle  keine  tonloge, 
sondern  nur  eine  sprachlich  haupt-  oder  nebentonige  Silbe  ge- 
funden wird  (§  65),  während  im  Ae.  gerade  ^x  — X  {Grendles 
dceda)  und  x-  — X  (o^^  so?  wöeron)  die  gewöhnlichen  Formen 
sind,  dagegen  l_^x  {wisfoest  Kordum)  und  __LZ-x  (oft  Scyld 
Scefing)  nur  selten  begegnen.  Jedenfalls  ist  nicht  ersichtlich, 
warum  a  grim  gryse  ein  falscher  Vers  ist,  aber  a  well  grtm 
gry.se  2,16  richtig;  oder  warum  ivith  Arthours  men  Perc.  836 
vorkommt,  aber  etwa  pe  hinges  mm  oder  eine  ähnliche  Füllung 
nicht  genügt.  In  ^inem  Worte:  Woher  stammt  die  me,  Regel, 
die  doch  offenbar  besteht  (§  66 ff.),  dafs  aufser  den  beiden 
Hebungssilben  der  Luickschen  Theorie  noch  eine  dritte  haupt- 
oder  nebentonige  Silbe  vorhanden  sein  mufs? 

69.  Bei  Annahme  von  nur  zwei  Hebungen  wird  überdies 
wieder  gleichmäfsige  Skandierung  unmöglich.  Denn  bald  tritt  die 
nebentonige  „Seukungssilbe"  vor  die  beiden  Hebungen,  bald  da- 
zwischen, bald  dahinter  (siehe  §  67  am  Schlufs  und  vgl.  §  41  f.). 
Dementsprechend  würde  Schipper  sie  z.T.  mit  Nebenton 
skandieren.    Luick  freilich  würde  lesen  (vgl.  Anglia  XII,  449): 

a  well  grim  grysQ  2,  Kl  11  ttold  ttete  mure  64,4 

f>at  ^riselich  ^6ste  7,  Hi  |     /i6rse  Aame  brjuge   Perc.  352  usw. 

Aber  dadurch  käme  ebensowenig  überall  das  gleiche  Metrum 
heraus,  und  überdies  geht  in  einem  Teil  der  Verse  die  Wirkung 
der  Alliteration  verloren. 


576 

70.  Gibt  man  den  Versen  dagegen  drei  Hebungen,  so  be- 
steht nicht  die  geringste  Schwierigkeit.  Es  ist  vielmehr  sofort 
klar,  warum  in  Versen  von  nur  drei  Silben  keine  tonlose  Silbe 
statt  einer  der  tonfähigen  eintreten  kann  (§  66  f.).  Ebenso, 
warum  x-x-  und  x  —  x  "od  -x-x  und  x-x-x  (z- B- 
and  schildus  brade  oder  of  twelve  hiy^tes  oder  scuen  hiystes 
oder  a  litull  tabulT)  nicht  vorkommen.  Der  Grund  ist  überall, 
dafs  solche  Verse  nur  zwei  hebungsfähige  Silben  haben  würden. 

Alle  die  genannten  ungenügenden  Formen  werden  aber 
ausreichend,  wenn  zu  der  unbetonten  Silbe  noch  eine  andere, 
gleichviel  welcher  Art,  —  eine  starke  oder  schwache  —  hin- 
zutritt, oder  auch,  wenn  statt  der  einzelnen  tonlosen  Silbe  eine 
stärkere  eintritt : 

Falsch  ist     x  — ;   aber  richtig     x  x  —  i)   oder 

-X-  -xx-2)  

x-x-  |XX-X-3)  |X 

Ix -XX-*)  l X-5) 

X X  XX X6)  X 

-x-x  -xx-x')  X 

x-x-x  (X x-x-x  8)  X 

Ix -xx-x  9)  X 

Die  übereinstimmende  Folge  aller  dieser  Veränderungen 
ist,  dafs  dadurch  der  Vers  eine  hebungsfähige  Silbe  mehr 
erhält;  und  das  kann  nicht  anders  gedeutet  werden,  als  dafs 
diese  hebungs fähige  Silbe  dem  Verse  auch  eine  wirkliche 
Hebung  mehr  zuführt,  und  nicht  blofs  eine  „mehr  betonte 
Senkungssilbe"  (wie  Luick  in  Anglia  XI,  411,  Fufsnote  2,  sieh 
ausdrückt).    Daher  ist  diese  Silbe  häufig  ein  volltöniges  Wort : 


1)  Z.  B.  and  on  kene  Kay  8,  4  (§  56)  nnd  ich  one  sere  tvay  10, 4  (§  55). 

2)  Z.B.  gay  in  hör  gere  21,  8  (§  48 y). 

ä)  Z.  B,  injxiyre  holtus  höre  43,  12  (§  33^5)  und  gif  him  sory  care  71,8. 
*)  Z.  B.  the  see  and  the  sande  1,4  (§  4S  y)  und  his  hrod  schildus  hothe 
IG,  16  (§48ß). 

^)  Z.  B.  ge  marre  notte  me  41,8  (§48  a). 
6)  Z.  B.  ßat  in  irith  iaundes  3, 16  (§  56). 
')  Z.B.  stokkes  and  stoyies  12,  12  (§48??). 
^)  Z.  B.  leiste  he  neuyr  quedur  25, 12  (§  34/9). 

3)  Z.  B.  and  hurte  of  my  hoivndes  3, 4  (§  48  y)  und  for  smelle  oper 
smekis  15,  12  (§48^). 


577 

1.  bade  htm  sie  care  49,8  (siehe  §  55);  —  2.  and  ierd  furthe 
in  fere  50,16  (siehe  §  48);  —  3,  leite  vs  haue  oure  Mfe  60,4 
(siehe  §  31  ff.);  usw. 

71.  Dafs  in  Versen  wie  J)at  griselich  geste  7,  lö  (§  66) 
auf  griselich  zwei  Hebungen  fallen  und  pat  Auftakt  bildet, 
lilfst  sieh  aus  einem  Vergleich  mit  Versen  wie  hrödelyche 
hlediis  Degrev.  69,12  und  That  hörUch  and  holde  Degr.  29,4 
und  That  irehj  to  iölde  Degr.  29, 12  folgern;  auch  würde  7ja^ 
mit  beschwerter  Hebung  bei  der  Skansion  ])dt  griselich  geste 
eine  sinnwidrige  Betonung  haben  (vgl.  auch  §  105). 

72.  Bei  der  bisherigen  Betrachtung  der  einzelnen  Vers- 
gruppen mit  fünf-,  vier-  und  dreisilbigem  Rumpf  haben  sich 
bereits  viele  Beweisgründe  gegen  die  Zweihebungstheorie  und 
für  die  Annahme  von  drei  Hebungen  ergeben.  Ihre  Zahl  läfst 
sich  noch  vermehren,  namentlich  wenn  man  die  drei  Versgruppen 
zusammen  betrachtet. 

73.  In  §  21  ff.  hat  sich  ergeben,  dafs  sowohl  beim  fünf- 
silbigen  als  vier-  und  dreisilbigen  Verskörper  in  gewissen 
Fällen  eine  einzige  Silbe  im  Versanfang  weggelassen  werden 
kann.  Dasselbe  kann  am  Schlüsse  geschehen  (siehe  §  26  ff. 
und  §  67  Fufsnote  mit  den  Beispielen  aus  Sir  Degrevant). 
Mehr  als  diese  einzelne  Silbe  darf  aber  nicht  fehlen.  Das  ist 
bei  Annahme  von  drei  Hebungen  ganz  verständlich.  Es  heilst 
nichts  anderes,  als  dafs  vor  der  ersten  Hebung  eine  unbetonte 
Silbe  stehen  oder  fehlen  darf  (nämlich  der  Auftakt),  und 
ebenso  nach  der  letzten  Hebung  (der  unbetonte  Teil  des 
klingenden  Ausganges),  ohne  dals  der  wesentliche  Teil  des 
Verses  dadurch  verändert  wird: 

x)-x-x-(x;  vgl.  §31ff. 

x)lAx^(x;  vgl.  §47 ff. 

x)-x--(x;  vgl.  §54ff. 

x)-ii.-l(x;  vgl.  §66ff. 

Würde  am  Anfang  oder  Ende  aber  mehr  als  eine  Silbe  weg- 
gelassen, so  wäre  es  eben  eine  Hebuugssilbe,  was  natürlich 
unmöglich  ist. 

Bei  der  Zweihebungstheorie,  wo  im  Allgemeinen  Verse 
mit    1,    2    oder    3    Senkuugs.silben    am    Anfang    angenommen 

Studien  zur  engl.  Phil.     L.  37 


! 


578 

werden,  ist  —  wie  z.  T.  sebon  frliher  hervorgehoben  ist  — 
nicht  ersichtlich,  warum  in  gewissen  Fällen  zwar  eine,  aber 
nicht  zwei  oder  drei  fehlen  dlirfen.     Als  richtig  gelten 

x)  X  X  -  — 
X)  X  X  -  X  -  ? 

warum  aber  nicht  auch  x--  iind  x-x-?  Zumal  —LL  und 
__Lx—  zulässig  sind,  und  ae.  Urformen  mit  einsilbiger  Senkung 
zu  Anfang  ja  vorhanden  waren  {on  sce  ivwroii  und  purh  änes 
crceft). 

Und  warum  kann  am  Schlüsse  z.  B.  von  Versen  wie 

giläddely  ^fräwnntutte  p>äy  8, 16 
and  all  hur  Company  63,  8, 

welche  Schipper  metrisch  als  x-x  — xx  auffalst,  die  letzte 
Silbe  nicht  fehlen? 

Die  vorletzte  kann  hier  fehlen,  wie  der  Vers  to  here  his 
tithand    47,  16   u.  a.   zeigen.     To   here   his  songes  aber  wäre 

falsch.     Mit    andern    Worten:    Nach   dem   Anfang   x)-x- 

genügt  eine  tonlose  Silbe  nicht,  um  den  Vers  zu  vervollständigen; 
es  mufs  mindestens  noch  eine  nebentonige  Silbe  folgen:  to 
here  his  tithand.  Es  kann  aber  auch  eine  haupttonige  sein: 
he  wan  J)is  hiurde  hrygte  32, 16  u.  ä.  (Ob  davor  aulserdem  noch 
eine  tonlose  steht  oder  nicht,  ist  gleichgültig).  Begreifen  läfst 
sich  das  nur,  wenn  man  annimmt,  dafs  die  erforderliche  neben- 
oder  haupttonige  Silbe  am  Versschluls  auch  den  Wert  einer 
Hebung  hat. 

74.     Oder    wenn    man    Luick    folgend    die    mittleren 
Senkungen  von  Versen  mit  der  Füllung 

x)  —  X  X  X  —  (x  ,   z.  B.  in  V.7\,S     gif  him  sory  cäre 
x)  — XX  — (x,    z.  B.  in  V.  16,16    his  ftrode  schildus  iothe 

oder  in  V.  32,  16   he  wän  pis  feinrde  ftry^te') 

betrachtet  und  sie  mit  denen  von  Versen  geringerer  Füllung 
vergleicht,  so  findet  man,  dals  die  drei,  bzw.  zwei  mittleren 
„Senkungssilben"  bis  auf  eine  reduziert  werden  können,  falls 
diese  einen  sprachlichen  Haupt-  oder  Nebenton  hat.  So  wären 
neben  he  stode  hut  litull  awe  6, 16  auch  Verse  wie  he  stode 


1)  Siehe  seine  in  §  58  (aus  Anglia  XII,  449)  zitierte  „einfache  Regel" 
für  die  Skansion  der  Schlnfsverse. 


579 


Utull  aice  und  he  stode  miich  awe  möglich;  oder  statt  /  lif 
neuyr  more  23,  8  könnte  I  lif  nere  more  stehen ;  und  neben 
hade  hom  sie  carc  49, 8  •niue  bade  sie  care  ebenfalls  richtig. 
Aber  eine  einzelne  tonlose  vSilbe  zwischen  den  beiden  Hebungen 
{-X—  oder  x  -  x  -)  würde  nicht  genügen.  Auch  hieraus  mufs 
man  auf  drei  Hebungen  als  das  erforderliche  Mafs  schlielsen. 
Oder  man  kann  auch  so  tiberlegen:  Folgende  drei  Vers- 
fUlliingen  (mit  Luicks  Skansion)  sind  gleichwertig: 

- —  X  —        worlyke  in  iiede  54,  8  (§  48  s) 

—  X  —  —        bade  him  sie  care  49,  8  (§  55) 

—  XX—        sfokkes  and  s^ones  1 2, 1 2  (§  4S  ?]). 

Aus  dem  häufigen  Vorkommen  von  Versen  der  letzten  Art 
(mit  zwei  Silben  schwächster  Form  in  der  Mitte)  darf  man 
aber  nicht  folgern,  dals  der  sprachliche  Haupt-  oder  Nebenton 
in  den  beiden  ersten  Versarten  zur  Senkung  herabgedrückt 
wird.  Denn  wohl  kann  in  den  ersten  beiden  Verearten  die 
schwächste  Silbe  getilgt  werden  (weil  dann  noch  drei  hebungs- 
fähige Silben  übrig  bleiben,  vgl.  ^  66);  aber  in  Versen  der 
dritten  Art  kann  keine  der  tonlosen  Silben  ausgelassen  werden, 
weil  die  Versfüllung  sonst  zu  gering  würde.  Das  ist  nur  zu 
begreifen,  wenn  man  folgert,  dals  von  den  beiden  mittleren 
Silben  der  schwächsten  Versfüllung  (-xx-)  eine  rhythmisch 
auf  die  Stufe  der  nebentonigen  Silbe  von  Versen  wie  wörli/Jce 
in  wede  gehoben  ist,  so  dafs  überall  drei  Hebungen  heraus- 
kommen. 

75.  Zusammenfassend  kann  man  also  sagen,  dals,  wo 
immer  bei  der  Zweihebungstheorie  zwei  oder  drei  Senkungs- 
silben nebeneinander  erscheinen,  nie  blols  eine  einzelne  Silbe 
dafür  eintreten  kann;  es  sei  denn  eine  haupt-  oder  nebentonige 
Silbe.  Mit  andern  Worten,  neben  den  Versfüllungen 
(x)  X  X  -  (x)  -  (x)   und   (x)  -  (x)  x  x  -  (x) 

kommen  — (x)-(x)   und   (x) (x)   vor, 

aber  nicht  x  —  (x)  -  (x)  oder  (x)  -  x  -  (x). 

Das  Übereinstimmende  zwischen  der  Gruppe  (x)  x  x  und  der 
damit  wechselnden  haupt-  oder  nebentonigen  Silbe  (-)  besteht 
in  der  Betonung,  in  dem  Vorhandensein  eines  Akzentes;  und 
dieser  unterscheidet  sie  auch  sprachlich  und  metrisch  von  der 
einzelneu  tonlosen  Silbe  (x),   die   nicht  für  sie  eintreten  kann. 

37* 


580 

Man  rnufs  daraus  scliliefsen,  dafs  die  Seblufsverse  drei  Hehiiogen 
haben. 

76.  Schon  bei  Behandlung  der  ftinfsilbigen  Schlulsverse 
(§  400".)  ist  hervorgehoben  worden,  dafs  bei  der  Zweihebungs- 
theorie nicht  alle  Verse  sieh  auf  ein  einziges  Metrum  zurück- 
führen lassen.     Das  zeigt  sich  auch,  wenn  man  Verse  wie 

X  X  -  -  w'f  l^is  lädy  56,  8  (§  57) 

on  a  fair  stede  40,  4  (§  56) 

mit  IxX-  9^y  in  hör  ^ere  21,8  (§  48y) 

vergleicht.     Gleiches  Mafs   erhalten   sie   erst,   wenn   man   drei 
Hebungen  und  drei  gleiche  Versfüfse  annimmt;  denn  xxl-l- 
ist  metrisch  dasselbe  wie  Ijxxl-- 
Ebenso  können 

XXX  —  —     ^6  ^^^  ^^  hörsing  31,8  (§57) 

ne  him  to  rfethe  dijte  4,  8  (§  56) 

und  ^  X  X  X  -  »"ennyng  on  a  rkw  6,  8  (§  32) 
nicht  gleich  gesetzt  werden;  wohl  aber  bei  Annahme  von  drei 
Hebungen.  Denn  x)xxl-l-  ^^^  metrisch  gleich  Ixlxxl-- 
Diese  Art  Messung  ist  aus  zahlreichen  andern  Gedichten  alter 
und  neuer  Zeit  sehr  bekannt;  aber  die  für  die  Zweihebungs- 
theorie angenommene  ist  rein  theoretisch. 

Das  dreihebige  Metrum  macht  zudem  starke  Versfülluug 
ganz  natürlich,  z.  B.  in 

bade  him  sie  cäre  49,  8  (§  55) 

and  se  hom  sie  cäre  68,  12  (§  55) 
Ms  6r6de  schildus  böthe  16,  16  (§  47) 

gif  him  söry  cäre  71,8  (§31) 
and  /erd  /'iirthe  in  /ere  50, 16  (§  48) 

(/läddely  ^rräwuututte  f>äy  8, 16  (§  33). 

Anderseits  machen  Verse  dieser  Art,  welche  einen  sehr 
ausgeprägten  natürlichen  Khythmus  haben,  bei  der  Zwei- 
hebungstheorie so  grolse  Schwierigkeiten,  dafs  die  beiden 
Hauptvertreter  der  Theorie  über  ihre  metrische  Form  sich 
nicht  einig  sind.  Luick  legt  die  Ikten,  ohne  Rücksicht  auf 
die  Alliteration,  überall  auf  das  erste  Vollwort  und  die  Reim- 
silbe; und  Schipper   schwankt,   z.T.  wegen  der  Alliteration, 

z.B.  zwischen'  ,.  ,j  ,       .       ^  .^    v.-    o  w 

^laddely  ^rawuntutte  f»ay  8,  10 

und  bis  iröde  scbildns  böthe  16,  16. 


581 

77.  Auch  Verse  wie  die  fdlgeudon  (mit  Schippers 
Sk.insioii)  /j^rye  /,.-,H,e  bryngc     Pcrc.  352  (§  m) 

und  buttc  he  niay  /lärmes  /leute    Av.  2S,  s  (§  33,9) 

haben  nichts  miteiniuider  gemein  aufscr  den  zwei  Hebungen, 
und  sind  wegen  der  verschiedenen  Art,  Zahl  und  Stellung  der 
Senkungssilben  einander  so  uuälmlieh,  dafs  man  sie  metrisch 
nicht  gleich  setzen  kann. 

Nicht  besser  ist  es  mit  Luicks  Skansion  von  Versen  wie 
/iörse  /jame  brjnge    Ferc.  352  (§  66) 
und  he  /iad  no  /jorsing    Av.  31,8  (§57). 

Nicht  nur  ist  hierbei  die  Alliteration  vernachlässigt;  auch 
mit  der  gleichen  Hebungszahl  sind  die  beiden  Verse  zu  ver- 
schieden, als  dals  man  sie  als  metrisch  gleich  betrachten 
könnte. 

78.  So  haben  sich  überall  bei  Anwendung  der  Zwei- 
hebungstheorie unüberwindliche  Schwierigkeiten  ergeben;  und 
anderseits  hat  sich  gezeigt,  dafs  sie  alle  bei  Annahme  von 
drei  Hebungen  sofort  und  gänzlich  verschwinden. 

Die  Zweihebungstheorie  bietet  überhaupt  keine  rationellen 
Regeln  für  das  Auftreten,  die  Art  und  die  Zahl  der  Senkungen. 
Sie  lehrt  nicht,  warum  mindestens  eine  „Senkungssilbe"  (in 
Versen  wie  fyue  stryde  mette  Perc.  1708;  §  66)  vorhanden 
sein  mufs;  noch  warum  diese  einzige  „Senkungssilbe"  immer 
schwerer  Art  ist;  noch  warum  die  Zahl  der  „Senkungssilben" 
bis  auf  fünf  steigen  darf  (z.  B.  mid  hrittunt  all  to  hoiius  Av. 
12,8;  §31).  aber  nicht  höher;  noch  warum  zwei  oder  drei 
„Senkungssilbeu"  zusammen  stehen  dürfen  (wie  im  letzten 
Beispiel),  jedoch  nie  vier;  noch  warum  im  Av.  kein  einziger 
sicher  ursprünglicher  Vers  mit  zwei  „zweisilbigen  Senkungen" 
vorkommt;  noch  warum  das  Gedicht  neben  einer  dreisilbigen 
„Senkung"  im  selben  Vers  nie  eine  zweisilbige  hat. 

Dies  sind  alles  unerklärte  und  unerklärbare  Tatsachen, 
wenn  der  Vers  nur  zwei  Hebungen  hat.  Oder  mit  andern 
Worten,  es  sind  Regeln,  die  der  Dichter  erfüllt  hat,  nach 
denen  er  aber  so  weder  bewufst,  noch  unbewulst  gearbeitet 
haben  kann,  weil  sie  eben  unvernünftig  sind. 

Anderseits  hat  sich  ergeben,  dafs  jeder  Schlufsvers  drei 
hebungsfähige  Silben  hat  und  nie  weniger.     Hinzuzufügen  ist, 


582 

(lafs  in  den  wenigen  Fillleu,  wo  vier  hebungsfällige  Silben 
vorhanden  sind,  eine  in  natürlicher  Rede  unbetont  bleiben 
(und  also  im  Vers  in  die  Senkung  treten)  kann;  z.  B.  die 
zweite  Silbe  von  gladdely  in  dem  Verse 

^läddely  .(jTcäwantntte  f>äy  8, 16, 

weil  sie  zwischen  zwei  volltönigen  Silben  steht.    (Siehe  ferner 

§  79).     Es   gibt  keine   Tatsachen,   aus   denen   zu   folgern   ist, 

dafs  immer  eine  von  den  stets  vorhandenen  drei  hebungsfähigen 

Silben  zur  Senkung  herabgedrückt  werden  muls;  im  Gegenteil, 

viele  Tatsachen  bew^eisen,  dals  die  drei  als  wirkliche  Hebungen 

im  Verse    angesehen   werden   müssen.     Es    ist    ferner    gezeigt 

worden,  dafs  und  in  welcher  Weise  Senkungssilben  neben  den 

Hebungssilben  stehen  oder  fehlen  können.    Vier  Formen  haben 

sich  ergeben:  /      /      , 

^  -x-x- 

--X- 

r         t    I 

-X-- 

/     /     / 

Jede  dieser  Formen  kann  mit  oder  ohne  Auftakt  beginnen 
und  kann  mit  oder  ohne  Senkungssilbe  schlielsen.  Ein  Unter- 
schied zwischen  ihnen  besteht  nur  im  Vorhandensein  oder 
Fehlen  von  Senkungssilben.  Wo  die  Senkungssilbe  fehlt,  sind 
Hebung  und  Senkung  in  einer  Hebungssilbe  vereinigt,  die 
dadurch  „überlang"  oder  „beschwert"  wird. ')  Das  Grund- 
schema des  Verses  ist  also  x-x-x-x,  oder  mit  Gliederung 
in  Ftilse  x)  -  x  I  -  X I  -  X  5  ^^^  andern  Formen  leiten  sich  daraus 
durch  Schwinden  einer  oder  mehrerer  oder  aller  Senkungs- 
silben ab.  2) 

79.  Welche  Silben  Hebungen  und  welche  Senkungen 
bilden,  wird  durch  die  Betonungsverhältnisse  der  natürlichen 
Rede  geregelt;  das  hat  sich  bei  der  Untersuchung  allenthalben 
ergeben.  Die  meisten  Regeln  sind  bekannt,'')  Hervorzuheben 
oder   hinzuzufügen  ist  hier  nur  folgendes:  Zweisilbige  Wörter 


0  Sie  wird  vou  Saran  durch  das  Zeichen  ^  wiedergegebeu. 
*)  Etwa  wie  aus  dem  Grundschema  x)  —  x  I  —  X  die  Formen  x)  ^  I  — 
und  L  I  L  der  Verse  Der)  Mensch  \  denkt, 

Gott  I  lenkt- 
»)  Siehe  z.  B.  M.  Kaluza,  Englische  Metrik,  S.  193  ff. 


583 

wie  stoMes,  dipitus,  irontuttc  usw.  sind  einbebig;  aber  wenn 
unmittelbar  darauf  eine  Senkungssilbe  folgt,  bilden  sie  stets 
zwei  Hebungen:  stökla's  and  8tü7ics  12,12.  Zweisilbige  Wörter 
mit  scbweren  Ableitungssilben  (wie  ghidly)  folgen  derselben 
Regel;  sie  können  aber  aueb  unmittelbar  vor  einer  Hebung  zwei- 
bebig  gebrauebt  werden,  wenn  sie  mit  besonderm  Nachdruck 
auftreten,  vgl.  den  Vers  pat  grisclich  gcstc  7,  16  (§  66)  mit 
ghiddcJi/  ^rdivuntutte  Jidy  8, 16.  Nebentonige  Ableitungssilben 
sind  also  in  dieser  Stellung  steigerungsfäbig;  die  seh  wachen 
Flexionssilben  von  stoMes,  ivontutte  usw.  aber  nicht.  Dies 
ist  ein  Unterschied,  an  dem  die  Zweihebungstheorie  achtlos 
vorbeigeht. 

Wie  die  nebentonige  Ableitungssilbe  von  gladdely  im  zu- 
letzt angeführten  Verse,  so  können  auch  nebentonige  einsilbige 
Wörter  zwischen  zwei  Hebungen  in  die  Senkung  treten:  he 
Ycmics  füll  rathe  16,8  (siehe  §  53  c);  sogar  einsilbige  Voll- 
wörter, namentlich  wenn  sie  an  Bedeutung  eingebUlst  haben: 
110  schöuthe  thingc  mc  56,  16;  so  söre  gerutte  (lies  gcrt)  htm 
to  drc'de  11,16.  Dasselbe  kann  im  Auftakt  geschehen:  here 
fluiden  is  hcc  56, 12.  Zu  skandieren  here  fünden  is  hee  geht 
nicht,  weil  dadurch  here  als  beschwerte  Hebung  für  seine  Be- 
deutung zu  viel  Gewicht  bekommen  würde;  auch  gibt  es  kein 
zweites  Beispiel  mit  zwei  Senkungen  im  zweiten  Fufs.  Ahnlich 
ist  lolce)  J)dt  1)  J)ou  duelle  ])ere  45, 12  und  do)  pöu  ^)  me  neuijr- 
mo're  45, 16  zu  skandieren. 


B.    Die  Tripletverse. 

SO.  Den  Tripletversen  haben  Horstmann  (§  4)  und 
Köster  (§9)  drei  Hebungen  gegeben;  Schipper  (§6)  und 
Luick  (§7)  lesen  sie  mit  zweien;  und  Ellinger  (§  8), 
Trautmann  (§  10),  Kaluza  und  Heuser  (§  11)  mit  vieren. 
Es  fragt  sich,   welche  Theorie  sich  als  richtig  erweisen  lälst. 


')  Dies  ist  wohl  die  natürliche  Betonung,  so  dafs  es  nicht  nijtig  ist, 
„schwebende"  Betonung  zu  Hilfe  zu  nehmen.  Vgl.  E.  Sievers"  Auffassung 
des  mhd.  Verses  an  die  got  ainen  fiiz  leit,  wozu  er  bemerkt:  „So,  nicht 
an  die  göt,  ist  doch  wohl  die  natürliche  Betonung"  (Rhythmisch-Melodische 
Studien,  Heidelberg  1912,  S.  29). 


584 

Bei  der  Untersncliung  ergil)t  sieh  bald,  dafs  die  Triplet- 
zeilen nicht  durchweg  sich  so  einfachen  Regeln  fügen,  als 
sieh  für  die  kürzereu  Sehlufszeilen  ergeben  hat. 

Da  jedoch  die  Formen  der  Schlulsverse  bei  der  Unter- 
suchung beständig  zum  Vergleichen  heranzuziehen  sind,  so 
empfiehlt  es  sich,  zunächst  immer  die  am  leichtesten  vergleich- 
baren, d.  h,  nach  übereinstimmenden  Regeln  gebauten  Triplet- 
verse  zu  prüfen  und  verderbte  Verse  und  besondern  Regeln 
folgende  vorerst  beiseite  zu  lassen,  da  sie  für  die  Beweis- 
führung entbehrlieh  und  hinderlich  sind. 

81.  Die  Silbenzahl  der  auf  diese  Weise  gesichteten  Triplet- 
verse  im  Äv.,  welche  bei  weitem  die  Mehrzahl  bilden,  schwankt 
zwischen  vier  und  neun.     Vier  Silben  hat  der  Vers 

Xay  come  home  sone  44,  6 ; 
neun  Silben  stehen  in  dem  Vers 

J>is  is  no  /antum  ne  no  /"abuU  2,  1. 

Der  viersilbige  Vers  besteht  aus  vier  schweren  Silben; 
keine  von  ihnen  dürfte  tonlos  sein.  Setzt  man  an  irgend  einer 
Stelle  statt  einer  schweren  eine  tonlose  Silbe  ein,  so  entsteht 
ein  Seh  weifreim  vers ;  z.B.  he  come  home  sone,  oder  Kay  is  come 
home,  oder  Kay  comes  sone,  oder  Kay  home  comes.  Schon 
hieraus  kann  mau  schlielsen,  daXs  der  Tripletvers  eine  Hebung 
mehr  hat  als  der  Schlufsvers,  also  im  ganzen  vier. 

Der  neunsilbige  Vers  hat  einen  regelmälsigen  Wechsel 
von  einzelnen  unbetonten  und  betonten  Silben.  Vier  Silben 
sind  betont,  was  zu  dem  eben  gezogenen  Sehluls  stimmt.  Jede 
der  fünf  unbetonten  Silben  kann  fehlen,  und  zwar  nach  Be- 
lieben blols  eine  oder  zwei,  drei,  vier  oder  alle  fünf;  in  allen 
Fällen  bleibt  ein  richtiger  Tripletvers  über.  Die  vier  betouten 
Silben  aber  sind  unentbehrlich  als  Träger  der  erforderlichen 
vier  Hebungen  (vgl.  §  18  ff.). 

Weder  Schippers  und  Luicks  Theorie,  noch  Kösters 
Ansicht  trägt  diesen  Tatsachen  Rechnung. 

I.   Auftakt  und  kliugeuder  Ausgang. 

82.  Was  in  §  21  ff.  über  den  Auftakt  und  klingenden 
Ausgang  in  den  Schlufsversen  gesagt  ist,  hat  in  der  Haupt- 
sache auch  Gültigkeit  für  die  Tripletverse  und  braucht  kaum 


585 

nochmals  ebenso  ausführlich  dargelegt  zu  werden:   Einsilbiger 

Auftakt  und  klingender  Ausgang  können  beliebig  auftreten. 

Man  vergleiche  z.  B.  folgende  Parallelverse  mit  und  ohne 

Auftakt: 

/aste /blatte  to  him  thore  6,10  j  colurt  him  fiil  A-yndcIy  17,2 

pe)  king  tiiruus  to  pe  bore  ic,  •")         to)  6nttuuhiinaii(ldowne6>-inge  8,9 


>«yne  avow  make  I   S,  0 
aud)  I  avow  sayd  Kaye  9,  5 


/'eye  folke  will  ho  /ere  4,  ü 
f»i)  rijte  iiame  }>oii  me  say  20,  3 


shyn  hörn  downe  sZely  3,5  fiid  as  a  da-^ty  knyj;te  14.5 

he)  sZoje  hoiu  dowue  s/ely  ('.,  i:^        pe)  kiuge  with  a  nobull  brande  1(1,5 

hunting  füll  warly  2,  T  j  sayd  ^rodely  a-^ayn  27,  2 

with)  fo^img  fall  /"urcely  3,  6  and)  sayd  (/odely  a-^iayn  24,  6. 

83.    Während   es   aber   bei  den  Schlulsversen  zweifelhaft 

war,   ob   der  Dichter  je   zweisilbigen  Auftakt  angewandt  hat, 

läfst   sich  dies  für  die  Tripletverse  nicht  leugnen. ')     So  wird 

man  in  folgenden  Versen  an  der  handschriftlichen  Überlieferung 

festhalten  müssen: 

lbr-)ii)  jelins  schall  I  neuer  be  62,  13 
I  coni)iuawuDde  ]>e  to  be  all  uy^te  oute  51,6 
I  com)mawunde  pe,  or  poa  cnm  agayne  45,10 
He  be-)gaii  to  cZotur  and  rfote  16, 11 
Ile  be-)gan  to  romy  and  rowte  12,3.''') 

Weniger  sicher  sind  andere  Fälle,  wo  das  erste  Wort  des 

Verses  vom  Abschreiber  zugesetzt  sein  könnte: 

And  atte)  euyn  ]?e  kiug  cou  him  dyjte  52,  1 
Nene  pe)  king  sayd,  Fle  he  ne  eau  4ö,  1 
For  f>e)  sege  a-boute  vs  lay  stille  67, 1 
For  pe)  mete  of  pe  »uessyngere  71,9. 

Namentlich  häufig  sind  Fälle,   wo  das  Adverb  pejme  mit 

dem  bestimmten  Artikel  im  Auftakte  steht: 

penne  pe)  hunter  sayd  lo  him  pare  7,9 
penne  pe)  /tunter  turnes  /lome  agayne  8, 1 ; 

ähnlich   13,1;    14,1;    41,9;    45,5;   46,1;    51,1;    55,1;   57,1; 
70,5;   72,1. 


1)  Vgl.  §  100  erste  Fufsuote. 

2)  Es  empfiehlt  sich  nicht,  in  den  letzten  beiden  Versen  die  erste 
Hebung  auf  He  zu  legen  und  die  Verse  zu  §  101  c  zu  stellen,  da  das  Pro- 
nomen nur  eine  Wiederholung  aus  den  unmittelbar  vorhergehenden  Versen 
ist  und  nicht  wohl  betont  werden  kann. 


586 

Auch  hier  könnte  lienne  vom  Abschreiber  hinzugesetzt 
sein;  es  ist  aber  uuwahrscheiulich.  da  ans  zahlreichen  andern 
Stellen  ersichtlich  ist,  dafs  der  Dichter  häufig  solche  Sätze  mit 
^enne  begann.     In  folgenden  Versen  kann  es  nicht  gestrichen 

werden :  ^g^  \^)„]^q  p-Ai  (kmescll  rfere  33,  2 

fien  vnsqnarut  Gauan  9,  1 ;  24,  5 ;  27,  1 

)">enne  ]'ay  rode  to-gedur  ryste  21,5 

J^onue  }'ay  /bebet  /"iirth  a  boke  3*;,  9 ;  "* 

ferner  nicht  iu  28,5;  30,9;  37,2;  47,9;  54,1;  54,7;  60,3; 
63,9;  66,1;  70,1;  auch  nicht  in  32,5;  33,5;  43,3;  44,1; 
49,9;   56,9;   71,11. 

Sicher  zweisilbigen  Auftakt  haben  auch  mehrere  Verse,  die 
mit  He  sayd,  Ho  sayd,  And  sayd  oder  Sayd  eingeleitet  werden :  i) 

Sayd:  pis)  socoiir  poii  hase  send  me  17,11 
He  sayd)  J'en  to-gedur  schull  we  goe  24, 15 
He  sayd)  I,  Jiay,  pat  p>on  Änawes  23,  5 

And  sayd)  And  je  were  als  mony  wo  41,3 
IIo  sayd)  Haue  je  notte  jour  aune  quene  here  52, 13. 

Dagegen  ist  in  dem  Verse 

50  behones  jild  vppe  ]?is  slid  G9,  7 

für  hchoucs  wahrscheinlich  einsilbiges  hos  einzusetzen,   wie  in 
V.  40, 16  (siehe  §  35). 
Zu  den  Versen 

Quetlier)  ho  may  serue  vs  all  to  pay  til,7 
Quethur)  ho  wulle  sfynte  lue  of  iny  sirife  33, 15 
Sethuu)  f'ou  art  in  my  wille  stade  35, 11 

ist  zu  vergleichen,  was  oben  in  §  35  und  unten  in  §  100  über 
die  Wörter  quethur  und  sethun  bemerkt  ist. 

Bemerkenswert  sind  aulserdem  noch  die  Verse 

justur-)  euyn '•^)  in  pe  enning  37,6 

5istur-)euyn  I  pe  king  hi^te  42,3; 

vielleicht  war  gustur-,  gistur-  hier  einsilbig. 


')  Man  vergleiche  hiermit  die  von  Kraus  aus  Reiubots  Georg  zu- 
sauinicngestellten  Verse  mit  er  sprach  im  Auftakt  (S.  97 f.  seiner  'Metrischen 
Untersachungen');  z.  B. 

er  sprach  \  daz  tet  ein  ritter  unervorht\ 
und  seine  treffenden  Bemerkungen   dazu:   „Hier  [wo   das  er  sprach  den 
Vers   überfüllt]   bringt  die  Herabdrückung  der  Stimme,   die  erst  bei  der 
folgenden  direkten  Rede  ihre  normale  Stärke  wieder  auuimmt,  die  Herab- 
drückung des  Geltungswertes  der  Einleitungsworte  mit  sich." 

'^)  Vgl.  die  Betonung  von  yestreeyi  im  heutigen  Schottischen. 


587 

84.  Sogar  droisilhiger  Auftakt  kommt  vor:i) 

Biittc  üf  )'o)  otliir  thinges  )'at-)  poii  uie  told  (51,3 
He  sayd,  Sir)  Kay  fi  lyfe  I  the  liebte  22,  LS.'') 

lu  dem  Verse  43,  11  viersilbigen  Auftakt  anzunelimcn 
scheint  zu  gewagt:  He  asshcd,  if)  lie  hadc  \\crd  anij  tithing 
(vgl.  S.  101  e).  Vielleicht  ist  für  asshed  eine  einsilbige  Form 
einzusetzen.  ') 

85.  Klingendi^r  Ausgang  ist  verhältnismäl'sig  selten  (vgl. 
§  26).  Als  Parallelen  zur  Vergleichuug  mit  stumpf  ausgehenden 
Versen  mögen  dienen: 

}nis  }'ay  ^iirnut  ^o  j^e  furne  23,  1 
tlieuuü  he  6etus  oa  pe  öussbes  4,  10 
)nis  he  Kalkes  hiui  tili  19,  1 
quen  he  gnettus  his  tnsshes  4,  9 

with  /esting  füll  /"urcely  3,  6 

of  ^rest  men  and  j;riueabull  2,  3. 

Bemerkenswert  ist,  dafs  Wörter  wie  himtcre  schwere  Ab- 
leitungssilbe haben  (vgl.  §  29);   vgl. 

penne  }>e)  kynge  cald  his  huntere  51,  1, 
wobei  die  Reimwörter  sind  here  und  chere.  Merkwürdig  ist, 
dafs  auch  die  zweite  Silbe  von  Jcechine  'Küche'  schwer  ist  und 
46, 15  und  49, 1  mit  fine  und  wine  reimt  •>)  und  56,  2  mit  fi/ne 
und  Bawdeivine.  Gerade  wie  fürcely,  hilntcre  u.  ä.  bildet  es 
daher  zwei  Hebungen:*') 

And  eocns  in  pe  A'echine  46, 15 
Now  ]?er  come  fro  pc  Ä;cchine  49,  1 
And  bade  it  to  kechine  56,  2. 

II.   Der  Yersruinpf. 

86.  Die  Tripletverse  unterscheiden  sich  von  den  Schlufs- 
versen   durch  Zutreten   einer   haupt-   oder  nebentonigen  Silbe, 


1)  Vgl.  §  100  erste  Fufsnote. 
»)  Vgl.  §  101  b. 


^)  Wenn  hier  nicht  zu  skandieren  ist  He  säyd  Sir  Kay  pi  lyfe  I 
the  hegte;  vgl.  §  101c. 

*)  Vielleicht  ist  es  aber  besser  zu  skandieren  IIc  asshed  if  he  hade 
herd  any  tithing  (vgl.  §  102).     Fraglich  ist  auch,  ob  hade  zu  streichen  ist. 

^)  Dies  erinnert  an  me.  Onmin  und  dryhtin. 

")  Ebenso  im  Perc.  455. 


588 

die.  wie  man  schliofsen  miils,  eine  neue  Hebung  bildet.     Man 

vergleicbe  z.  B.  den  letzten  Vers  des  Gedichtes  mit  dem  ersten, 

die  schon  früher  einmal  miteinander  verglichen  sind: 

that  Hiade  vs  on  pe  JMulde  72, 16 
He  I  )'at  »tade  vs  on  pe  »uilde  1, 1. 

Oder   aus   Sir  Pcrc,   wo   die  Übereinstimmung  der  Verse  zur 

Strophenverkettung  dient  (vgl.  §  8),  z.  B. 

lor  sothe  als  I  say  131,16 
now  I  for  sothe  als  I  say  132, 1. 

Die   so   hinzutretende  Tonsilbe  kann  von  einer  oder  zwei 

unbetonten  Silben   begleitet   sein;   und   die  Silben   können   an 

beliebiger  Stelle  des  Verses  zugesetzt  werden: 

with-owtteu  any  lett    Perc.  83, 16 
he  sayd  |  witb-outten  auy  lett    Perc.  S4, 1 

Aorse  /lame  brynge    Perc.  22, 16 
scho  saw  li ym  |  /lorse  /iarnc  brynge    Perc.  23, 1 
with-owtten  mercy    Perc.  57, 16 
with-owtteu  auy  mercy    Perc-  58, 1 

with  bestez  to  playe    Perc.  11,16 

with  wilde  bestez  for^)  to  playe    Pac.  12, 1. 

Dagegen    eine   tonlose   Silbe   allein   macht  keinen    Unter- 
schied; denn  z.  B. 

hym  to  cZethe  rfijte    Av.  9,8  und 
ne)  him  to  fZethe  fii^te    Av.  4,  8 

sind  beide  Schlulsverse  (vgl.  §  21  ff.).  Tritt  sie  aber  hinter 
eine  bereits  vorhandene  schwache  Silbe,  so  wird  diese  ton- 
fähig, und  es  entsteht  ein  Tripletvers;  vgl. 

with)  craftez  pat  he  cau    Perc-  38, 16  mit 
With  his  I  craftez  gan  he  calle    Perc.  39, 1, 

oder  zugleich  mit  einer  andern  kleinen  Änderung  im  Wortlaute: 

and)  l3'gges  in  the  felde    Perc.  4, 16 
There  he  |  lygges  in  the  felde    Perc.  5, 1 

with)  wapyns  in  bände    Perc.  71,  16 
with  paire  |  wapyns  in  J^aire  bände    Perc.  72, 1. 

Alles  dies  weist  deutlich  darauf  hin,  dals  die  Tripletzeilen 
eine  Hebung  mehr  haben. 


')  For  übernimmt  nur  die  Hebung,  die  im  Schlufsvers  auf  die  zweite 
Silbe  von  bestez  füllt,  während  auf  wilde  eine  neue  Hebung  fällt. 


589 

87.  Wie  schon  iu  §  7  hervorgehoben  ist,  hat  Luiek 
bereits  in  Anglia  XII,  441  auf  solche  fast  gleichlautenden 
Schlufs-  und  Tripletverse  im  Perc.  und  die  dadurch  erzielte 
Strophenverkettung  hingewiesen  und  in  dem  rhythmischen  Unter- 
schiede solcher  Parallelverse  eine  Stütze  für  seine  Theorie  zu 
finden  gesucht.    Er  meint,  der  Dichter  i^v^e  „reine  Flickwörter" 

ein  z.  B.  in 

No%v  of  justingez  thay  teile  S,  1 

oder  erweitere  durch  schmückende  Beiwörter,  z.  B.  in 

Witli  wilde  bestez  for  to  playe  12, 1. 

So  erhalte  der  Vers  nur  eine  gröfsere  Zahl  von  Senkungssilbeu. 
Das  ist  aber  keineswegs  der  Fall.  An  vielen  Stellen  sind  die 
Zusätze  gar  keine  „reinen  Flickwörter"  oder  „schmückenden 
Beiwörter" ;  z.  B.  nicht  in 

Eis  hode  was  juste  to  bis  cliynne  1 S,  1 
Scho  saio  hym  horse  haiiie  brynge  2;i,  1 
The  gates  made  he  füll  guede  4(1,  1 
per  brent  of  birke  and  of  ake  4!),  1 . 

Vielmehr  erhalten  die  Verse,  hier  wie  in  allen  Fällen,  eine 
hebungsfähige  Silbe  mehr;  das  ist  das  Unterscheidende, 
und  man  mufs  eben  daraus  schliefsen,  dafs  es  geschah,  um 
der  Zeile  eine  wirkliche  Hebung  mehr  zu  geben. 

Schon    vom    Standpunkte    seiner    Theorie    ist    nicht    zu 
begreifen,  warum  der  Dichter,  um  aus  dem  Schlufsvers 
and  p>ou  were  wele  dijte  34, 16 

einen  Strophenanfangsvers  zu  machen,  vor  die  drei  „Senkungs- 
silben" noch  zwei  andere  setzte: 

he  Saide:  And  pon  were  wele  dighte  35, 1. 

Ebensowenig  versteht  man,  warum  er  aus 

are  I  doüne  lyghte  51,16 
einen  Tripletvers  mit  vier  „Senkungssilben"  am  Eingang  macht: 

Nowther  wolde  he  doüne  lyghte  52,  1. 

Denn  nach  Luiek  entsprechen  die  Tripletzeilen  den  ersten 
Halbversen  der  Stahzeile;  aber  iu  Anglia  XI,  420  hat  er  selber 
hervorgehoben,  dafs  C, -Verse,  wie  er  solche  Verse  mit  zwei 
Hebungen  am  Ende  (...xx--)  uennt,  als  erste  Halbverse  „gar 
nicht  vorkommen". 


590 

Der  Dichter  des  Pcrc.  verändert  auch  den  Schlufsvers 
(mit  Luicks  Skausion) 

that  scho  may  häfe  no  pese  Gl,  IG 
in  den  Tripletvers 

He  sayse  f>at  scho  may  häfe  no  pese  G2,  1. 

Auch    solche    „B -Verse"    findet    man    nicht    unter    den   ersten 

Halbversen  der  Stabzeile. 

Und  alle  diese  und  ähnliche  angebliche  C)-  und  B -Verse 

sind  ja  doch  auch  wahre  Ungeheuer  und  passen  ebensowenig 

in  die  Schweifreimstrophe  des  Sir  Perc.  wie  in  die  alliterierende 

Dichtung.     Liest   man   sie   aber  mit  vier  Hebungen,   so  haben 

sie  nichts  Ungewöhnliches: 

He  Saide:  And  poü  were  wele  dighte  35,1 

Nöwther  wolde  he  doune  lyghte  5?,  1 

He  säyse  p>at  scho  may  häfe  no  pese  62,  1. 

88.  Am  besten  und  übersichtlichsten  lassen  sich  die 
Tripletverse  mit  den  Schlulsversen  vergleichen,  wenn  man 
den  überschielsenden  Teil  am  Versanfang  abtrennt,  als 
wären  die  Tripletverse  durchweg  durch  Vorsetzen  von  ein, 
zwei  oder  drei  Silben  aus  den  verschiedenen  Formen  der 
Schlufsverse  entstanden;  im  Zusammenhang  mit  der  oben 
gegebenen  Darstellung  der  Schlufsverse,  aus  welcher  ihre 
Dreihebigkeit  erhellt  hat,  zeigt  diese  Gruppierung  zugleich 
am  klarsten,  dafs  die  Tripletverse  vierhebig  sein  müssen. 
Folgende  Fälle  sind  in  jeder  Gruppe  zu  unterscheiden: 

1.  Aus  auftaktlosen  Schlufsversen  entsteht  ein  Tripletvers, 
indem  eine  starke  oder  halbstarke  Silbe  davor  tritt,  und  zwar 

^  '  /aste  I  /blutte  to  him  thore  6, 10; 

b)  mit  einer  unbetonten  Vorsilbe  (Auftakt): 

he)  s^roke  |  Kay  siifly  21, 10; 

c)  mit  einer  unbetonten  Folgesilbe  (Senkung): 

sZayn  hom  |  downe  sZely  3,5; 

d)  mit  Auftakt  und  unbetonter  Nachsilbe  (Senkung): 

he)  sto^e  hom  |  downe  sZely  6, 13. 

2.  Aus  Schlufsversen  mit  Auftakt  entsteht  ein  Tripletvers 
durch  Vorsetzen  einer  oder  zweier  Silben: 


591 

a)  eine  Silbe  gleichviel  welcher  Stärke: 

»iyne  |  avow  »iake  I    8,6; 

b)  zwei  Silbeu,  wovon  die  erste  Auftakt  wird: 

and)  I  I  avow  sayd  Kaye  9,  5. 

89.  Diese  sechs  Entstehungsarten  lassen  sich  bei  jeder 
der  früher  behandeltt-n  vier  Ilanptgruppen  von  Sehlufsversen 
unterscheiden j  wie  nun  durch  geordnete  Beispiele  zu  zeigen 
ist.  Es  sei  mit  den  kürzesten  Versen  begonnen,  weil  sie  am 
leichtesten  zu  übersehen  sind.  Wenige  Beispiele  für  jede 
Entsprechung  von  Triplet-  und  Sehlufsversen  genügen.  Für 
alle  Hauptgruppen  und  die  meisten  Untergruppen  sind  die 
Belege  überaus  zahlreich;  sie  vollständig  hier  anzuführen,  ist 
für  die  Beurteilung  des  Metrums  nicht  nötig. 

1.   Vergleich  mit  dreisilbigen  Sehlufsversen. 

1  a)  _  I JTay  |  come  home  sone  44,0') 

b)  X  —  I of )  -K^ay  I  carpe  we  nowe  1 S,  2 

he)  siroke  |  Kay  stiüy  21,10 
Ihe)  iorde  |  lenge  wold  noste  4S,  1:5-) 

c)  —  X  I shyu  hom  j  downe  slely  H,  5 

tu  ward  I  Carlele  ryjte  40,  7 

d)  X  —  X  I he)  slo-^e  bom  |  dowue  sZely  G,  i:j 

Le)  jL»rekut  |  oute  j:>restely  19,5 
gif)  Gawan  |  gode  endiuge  34,  2. 

2  a)  —  I  X myne  |  avow  make  I   8,  6 

and  I  my  nowne  body  35,  7 
wif>  I  pe  </iriuand  thorne  23,  2 
atte  I  J?e  same  castell  64, 10 

b)      X—  I  X he  mette  |  pe  bore  comande  10,6 

and  I  I  avow  sayd  Kaye  9,  5;  ähnlich  21,3. 

2.  Vergleich  mit  viersilbigen  Sehlufsversen  der  Form  _x 

la)  _  I  _x brayd  \  onte  a  fcrande  bry^te  14,6 

liunt|ing  füll  warly  2,  7 
le|dand  a  ftirde  ftryjte  18,7 


>)  Vgl.   Where\fore  üedde  ^ee   Perc.  902. 

^)  Vgl.  to)  feche  \  doun  armoure   Perc.  651 
he)  saive  |  ten  me^i  ryde   Perc.  870. 


592 


b)  X  —  !  —  X of  j;>est  I  men  and  ^;jiueabull  2,  3 

wlth  /esiting  füll  /"urcely  3,6 
and  aure-|hiet  him  radly  19,6 
to  me  I  wade  pay  grete  »»one  69,  3 
to  /lold  I  pat  f>ay  Ae^te  /tade  10,  3 
]>e  hed  \  of  pat  /tardy  17,3 

c)  _  X  I  -  X castell  I  gete  je  none  here  69, 14 

come  f>ay  |  home  from  /luntyng  55,14 
pou  schall  I  /iaue  no  /iarmyuge  53,  3 

d)  X  — xl— X tase  takyn  |  me  to  presownn  2-1,2 

be  chesun  |  of  ]?at  iiurde  irijte  19,11;  21,7 

if  he  were  |  in  a  dale  rfepe  17, 13 

and  /lertis  |  conne  p>ay  Äome  bring  55,15 

2  a)         _|x-x pere  ]  to-gedur  fajte  we  23, 13 

sowunde  |  with-ontun  hurting  65,14 

b)      X— ix  —  x and  all  |  a-jayn(u)s  ^)  payre  awne  wille  2ü,  15 

with  him  |  was  mony  lordinge  1,11 
butte  of  I  pi  thryd  a-vowyng  66, 1 1 
he  graunt  |  vs  all  bis  blessynge  72, 14 

3.   Vergleich  mit  viersilbigen  Schiufsversen  der  Form x- 

1  a)  -  I X  -      Aye  I  folke  will  he  /ere  4,  6 

all  I  wToth  ivex  pat  sqwyne  15,5 
bold  I  hardy  aud  wijte  44, 1 1 

b)  X  —  I X  —      and  sayd  |  ^odely  a^fayn  9,  2;  24,  6 

pi  rijte  I  name  pou  me  say  20,  3 

pe  kynge  ]  mj-^te  him  nojte  see  15,9 

p>e  öore  |  ftrittunt  Ms  schild  14, 15  {vgl.  §  98) 

c)  —X  I X—      ichone  |  make  jour  avowe  S,  15 

giffe  hom  |  joy  pat  will  here  1,5 
J>at  were  |  hardy  and  wijte  70, 11 

d)  X  —  X  I X  —      of  dujti  I  men  and  of  dere  1,  6 

]?ay  /leld  him  |  fast  in  bis  hold  7,  1 
now  may  je  i  sone  to  him  fare  7,  11 
now  Jhesu  i  Lord  heuyu-kynge  72, 13. 

2  a)  —  I  X X  —      ^1q  I  and  6rayd  vppe  his  ftryne  1 5,  6 

to  I  f  e  forest  pa.  /are  2,  9 

mete  |  and  drinke  vs  to  fiUe  67,  3 

quen  |  he  quettus  his  tnsshes  4,  9  (vgl.  §  9S) 

]?us  I  he  Kalkes  him  iille  1 9, 1 

^^)      X—  I  X X—      opon  I  pe  kinge  for  to  sette  12, 10 

pe  k'mg  I  at  Carlele  he  lay  2, 13 
J>er  mone  |  no  dintus  him  (Zere  3,  1 J  (vgl.  §  98). 


1)  A-gaynus  ist  zweisilbig;  siehe  §  100. 


593 

4.   Vergleich  mit  fünfsilbigen  Schlufsversen. 

la)  _|_x  —  X—        /aste  |  /olutte  to  him  thore  6, 10 

Ä:ynde|nesse  of  curtesy  2,  G 
(lid  I  as  a  dn^ty  knyjte  14,  5 

(vgl.  auch   ra|ches  with  opon  mouthe  0,7;  sie/te  §  9S) 

b)  X— I— X  —  X—        he  prays  |  to  Sayn  Margarete  14,  3 

f>e  kinge  |  turnus  to  pe  bore  10,5; 

pe  king  |  sayd,  and  I  hade  pojte  57, 13 

(vgl.  auch   and  car|putte  of  venerle  11,10;  sie/je  §98) 

c)  _xl— X  —  X—        he  has  I  wrojte  me  mycull  care  3,  3 

Gawan  |  asshes  is  hit  soe  24, 13 
wittur|ly  pay  sojte  pe  southe  6,  6 

(1)      X  —  x|— X  —  X—        when  f>ou  art  |  armut  in  pi  gere  24,  9 

be  chesan  |  of  pe  birdus  sake  21,2 
to  fcrittun  |  him  pe  king  was  bowne  IG,  14 
and  Gawan  |  rydus  to  him  ryjte  2G,  2. 

2  a)  _|x  —  X  —  X—        sqwith  I  with-outun  any  more  14, 10 

penne  |  pay  rode  to-gedur  ry^te  21,5 
or  I  he  myjte  his  bridnll  hente  13, 11 
thus  I  his  maystry  mekes  he  16, 1 

b)      X  —  I  X  —  X  —  X  —        be  rode  |  pe  forest  vppe  and  downe  10,  10 

and  ride  |  to  him  a  course  on  werte  24,  11. 

90.  Aus  diesen  Listen  erhellt  der  Unterschied  in  der 
Füllung  zwischen  den  Triplet-  und  Schlufsversen  aufs  deut- 
liebste. Überall  besteht  er  in  der  verschiedenen  Zahl  der 
natürlichen  Tonsilben;  jeder  Tripletvers  hat  vier  haupt-  oder 
nebentonige  Silben  und  jeder  Schlufsvers  drei.  Macht  man 
nun  diese  Tonsilben  zu  Trägern  von  Hebungen,  so  ist  auch 
der  metrische  Unterschied  zwischen  den  zwei  Versarten 
sofort  ganz  klar.  Es  ist  ein  Unterschied  derselben  Art,  wie 
wir  ihn  auch  sonst  im  Me.  überall  finden,  wo  innerhalb  «ines 
Gedichtes  Verse  von  verschiedenem  Mafs  vereinigt  sind.  Und 
er  beruht  auf  demselben  Prinzip  wie  überhaupt  in  der  gesamten 
me.  Dichtung,  nämlich  dafs  die  Versbetonung  mit  der  natür- 
lichen Betonung  übereinstimmt;  nur  ganz  geringe,  leicht  er- 
trägliche Abweichungen  sind  gestattet.  Der  Wechsel  zwischen 
vier  und  drei  Hebungen  in  den  Versen,  aus  denen  die  Schweif- 
reimstrophe besteht,  ist  zugleich  von  der  einfachsten  und 
fafslichsten  Art,  so  dafs  der  Dichter  ein  brauchbares  Metrum 

Studien  z.  engl.  Phil.    1^.  38 


594 

hatte,  in  welches  sich  seine  Worte  ohne  besondere  Mühe,  wie 
von  selber,  natürlich  fügten,  indem  Versrhythmus  und  natür- 
liche Betonung  zusammenfielen.  Und  auch  die  Alliteration 
kommt  überall  vollkommen  zu  ihrem  Rechte. 

91.  Bei  der  Zweihebungstheorie  aber  ist  das  alles  keines- 
wegs der  Fall.  Für  die  Schlufsverse  ist  dies  oben  schon  nach- 
gewiesen; aber  die  Tripletverse  mit  nur  zwei  Hebungen  zu 
lesen,  hat  noch  viel  gröfsere  Schwierigkeiten.  Schon  wenn 
man  sie  für  sich  allein  betrachtet.  Die  Hebungen  erscheinen 
ganz  beliebig  irgendwo  im  Verse;  und  dementsprechend  ver- 
teilen und  gruppieren  sich  die  Senkungssilben  fast  regellos, 
während  zugleich  ihre  Zahl  in  unbegreiflicher  Weise  schwankt. 
Nämlich  bald  stehen  die  Hebungen  unmittelbar  nebeneinander, 
am  Anfang,  in  der  Mitte  oder  am  Ende  des  Verses :  i) 

müche  besenes  hade  we  61, 1 
the  Zörde  Zenge  wold  nojte  48, 13 
nowe  g6de  frindns  ar  fay  37, 1 
bede  bringe  6red  plente  ü8, 5 
and  ]n  w6nch  löst  with-alle  27,15 
if  he  were  in  a  rfäle  depe  17,  13 
for  bitte  was  atte  hur  äwen  wille  57,  5 
for  pou  conne  hom  best  kenne  50,  7 
sethim  pou  art  in  my  wille  städe  35, 1 1 

Bald  sind  die  Hebungen  durch  ein,  zwei  oder  mehr  Senkungen 

getrennt: 

1 :  Kay  come  hörne  sone  44,  6 

Ho  sayd  haue  se  notte  jour  äune  qnene  here  52, 13 
Ryjte  as  p>ay  had  bene  vncowthe  men  S9, 14 

2:   Of  Kay  carpe  we  nöwe  18,2 

Blu  and  fcräyd^)  vppe  his  iryne  15,6 

3:  f>e  kynge  myste  him  nojte  s6e  15,9 
And  Gauan  ryd.es  to  him  ryjte  26,  2 
and  all  a5ayn(u)s^)  payre  awne  wille  20,15 

4:  of  dügti  men  and  of  dere  1,6 

]?U8  dw611us  he  atte  pe  Röwuntabulle  36, 14 


^)  Ich  habe  die  folgenden  Verse  nach  den  Regeln  und  Beispielen 
Schippers  bezw.  Luicks,  so  gut  wie  ich  konnte,  skandiert.  Da  ihre 
Darlegungen  jedoch  lückenhaft  sind  und  nicht  immer  übereiustimmeu,  so 
konnte  ich  nicht  für  alle  Verse  zweifellose  Anleitung  finden. 

*)  Vgl.  Luick,  Anglia  XI,  397f 

')  Das  u  ist  stumm ;  s.  §  1 00. 


595 

5:   iyjtc  opon  bitte  atte  pe  Zäst  65,5 
r/iryuaudly  with-ontun  f/irete  62,  1 1 
he  »üskes  vppe')  mony  a  röte  12,  14 
to  irittun  him  pe  king  was  66wne  IG,  14 
will)  j<')-äthc  he  be-gyimus  to  rcröta  12,  13 
s^cheon  segh  I  neuyr  äre  3,  2 

6 :  Gäwau  withoutun  any  möre  1 0,  (; 

Dafs  dabei  oft  eine  der  alliterierendeu  Silben  iu  die  Senkung 
tritt,  gilt  nicht  als  Hindernis. 

Das  einzige  Übereiustimniende  bei  dieser  Art  der  Skansion 
ist,  dafs  jeder  Vers  zwei  Hebungen  bekommt;  wäre  sie  richtig, 
so  wäre  es  ein  geradezu  erbärmliches  Metrum.  Um  das  ein- 
zusehen, genügt  es,  die  beiden  eben  zusammengestellten  Gruppen 
von  Versen  mit  denen  in  §  89  zu  vergleichen  und  sie  alle  in 
der  dort  angedeuteten  Weise  vierbebig  zu  skandieren.  2)  Dabei 
kann  man  nicht  zweifeln,  ob  alle  diese  Verse  mit  zwei  oder 
ob  sie  mit  vier  Hebungen  rhythmisch  vollkommener  und  über- 
haupt schöner  und  befriedigender  sind.  Mit  vier  Hebungen 
ist  ein  sinngemäfser  Vortrag  möglich ;  beim  Lesen  mit  zwei 
Hebungen  aber  leidet  der  Vortrag  vieler  Verse  sehr,  namentlich 
wenn  durch  Häufung  von  vier  oder  fünf  Silben  in  einer 
„Senkung"  Überhastung  hineinkommt. 

92.  Eigentümlich  ist  bei  der  Zweihebungstheorie  die  Be- 
urteilung der  in  jedem  Verse  vorkommenden  nebentonigen 
Silben.  Luick  und  Schipper  fassen  sie  übereinstimmend  als 
„mehrbetonte  Senkungssilben"  auf,  also  nicht  als  „Neben- 
hebungen" (Anglia  XI,  411).  Luick  zieht  sie  jedoch  nur  bei 
Versausgängen  mit  dreisilbigen  Wörtern  der  Form  xxx  ^^ 
Betracht,  z.  B.  in  Versen  wie 

to  sl6  such  an  innocent  Sus.  323. 

Bei  zweisilbigen  Wörtern  wie  riding,  la'di,  cruel  u.  ä.  nimmt  er 
dagegen  „Tonverschiebung"  zu  riding,  ladt  usw.  an;  freilich 
keine  „wirkliche",   sondern  eine,   die  man  „durch  schwebende 


')  Vgl.  Luick,  Anglia  XI,  397 f. 

-)  Der  Vers  52,  1 3  Ho  sdyd  haue  ge  nötte  gour  dune  quene  here  erhält 
dabei  einmal  zweisilbige  Senkung  (s.  §  101a)  oder  zweisilbigen  Auftakt: 
Eo  sayd)  hdue  ^c  iiutte  gour  dune  quene  here  (s.  §  83). 

38* 


596 

Betonimg:    zu    verschleiern    gesucht"    habe.  ^)     Wo   diese   vor- 

kommeUj  skandiert  er  also 

S6mbillit  to  bis  summovne 
i?6nkis  of  grete  renuvne, 

obwohl  dabei  in  beiden  Versen  die  Alliteration  nicht  zu  ihrem 
Rechte  kommt.  —  Die  übrigen  „Nebentöne"  (im  Versaufang 
oder  -Innern)  läfst  er  in  seiner  Behandlung  der  Kurzverse 
aulser  Acht.  2) 

Schipper  ist  viel  konsequenter.    Er  erkennt  den  Nebenton 

in  beiden  genannten  Arten  von  Versausgängen  an;  also  auch  in 

Sembillit  to  bis  si'immövne^) 
-Renkis  of  grete  renövne. 

Und  er  ist  auch  darin  konsequenter,  dals  er  Nebentöne  auch 
im  Versaufang  bezeichnet;  z.  B.  in  Versen  wie 

Ciimly  ftingis  witb  cruvne. 

Freilich   nur,   wenn  die  Silbe  mit  alliteriert.     Nicht  aber  z.  B. 

in  Versen  wie 

Lame  pi  frendis  shäme.*) 

Noch  auch,  wenn  der  „Nebenton"  zwischen  den  „beiden 
Hebungen"  steht;  also  nicht  in 

fer  we  finde  a  /als  /rende,^) 


1)  Anglia  XII,  450. 

^)  In  seiner  Untersuchung  des  Stabverses  (Anglia  XI)  spielen  dagegen 
auch  andere  Nebentüne  eine  Rolle. 

3)  Grundrifs,  S.  92. 

*)  S.  97. 

^)  In  dieser  Skandierung  scheint  sich  Furcht  vor  der  Annahme  von 
"Ci -Versen"  zu  verraten,  die  die  Form  (xx)xx  — —  haben.  Wie  bereits 
in  §87  bemerkt,  fehlen  sie  nach  Luick  (Anglia  XI,  420)  im  Troy-Book 
in  den  ersten  Halbzeilen  und  passen  daher  auch  nicht  in  die  Theorie  von 
zweihebigen  Kurzversen  in  der  Schweifreimstrophe.  Wohl  darum  skandiert 
Schipper  (S.  9S)  in  demselben  Gedicht  auch 

and  walk  mdni  wil  wdys, 

hebt  dadurch  die  Wirkung  der  Alliteration  von  wil  (=  wild)  auf,  indem 
er  dies  am  stärksten  betonte  Wort  des  Satzes  in  die  Senkung  setzt  und 
das  unbedeutendere  mayii  in  die  Hebung!  —  Das  Fehlen  von  Ci -Versen 
in  den  ersten  Halbversen  des  Troy-Book  zeigt  übrigens,  dafs  die  Zwei- 
hebungstheorie falsch  ist;  daraus  dafs  Ci  (x  x  —  — )  fehlt,  aber  C  (x  x  —  —  x) 
vorkommt,  mufs  gefolgert  werden,  dafs  die  letzte  Silbe  von  C  eine  Hebung 
bildet.    Sonst  ist  das  nicht  zu  begreifen. 


597 

obwohl   fals   alliteriert    iiiul    in   der  Tat  das  am  stärksten  be- 
tonte Wort  im  Satze  ist. 

Scbon  durch  die  bäufig  ganz  sinnwidrige  Skansion  (wie 
in  dem  zuletzt  und  dem  in  der  Fnfsnote  angeführten  Verse) 
richtet  sich  diese  Theorie  selber.  Aufserdem  sind  dagegen 
Gründe  wie  die  schon  oben  in  §  41  f.  gegebenen  geltend  zu 
machen;  jedoch  das  auch  für  die  Tripletverse  hier  näher  aus- 
zuführen, seheint  unnötig. 

Etwas  Wesentliches  bedeuten  die  „Nebentöne"  weder  bei 
Luiek  noch  bei  Schipper;  alle  Verse  sollen  trotz  ihres  Auf- 
tretens zweihebig  bleiben.  Nur  des  Reimes  wegen,  der  das 
Herabdrücken  zum  Niveau  der  Senkung  schwierig  oder  eigentlich 
unmöglich  macht,  müssen  sich  die  beiden  Gelehrten  mit  ihnen 
wohl  oder  übel  abzufinden  bemühen.  Luick  schlägt  dabei 
zweierlei  Wege  ein,  indem  er  z.  B.  ladi  und  innochit  ver- 
schieden behandelt.  Diesen  Widerspruch  vermeidet  Schipper. 
Er  findet  es  mit  Recht  nötig,  sich  sowohl  bei  Reimwörtern 
als  sonst  im  Verse  auch  um  die  Alliteration  zu  kümmern,  da 
blofse  Senkungssilben  zu  schwach,  sind  als  Träger  des  Stab- 
reims aufzutreten.  Aber  für  Anfang  und  Mitte  des  Verses  ge- 
langt er  nur  zu  einer  halben  Mafsregel.  Nur  Völlwörtern  mit 
Alliteration,  die  der  „ersten"  Hebung  vorausgehen,  gibt  er 
einen  „rhythmischen  Nebenton" ;  alliterieren  sie  nicht,  oder 
stehen  sie  „zwischen  den  zwei  Hebungen",  so  unterlälst  er  es. 
Im  ersteren  Falle  hält  er  es  anscheinend  wegen  der  mangelnden 
Alliteration  für  nicht  nötig;  im  zweiten  Falle  ist  der  Grund 
versteckter.  Auch  bleibt  er  seinen  Grundsätzen  nicht  immer 
treu.  Er  skandiert  (S.  97f.)  z.  B.  in  einem  Gedieht,  das  dasselbe 
Versmals  wie  Av.  hat: 

If  f»6u  be  made  wittenesse,') 

aber  Forsop  flipers  {statt  flipers) 

and  alle  /'als  /"läters  {statt  /läters); 
ferner  For  pen  sälle  no  gode  mäu 

pat  any  göde  lare  cän, 

for  to  säy  pat  sop  is, 

')  Bei  dieser  Skandiernng  —  es  ist  die  erste  Zeile  des  Gedichts  — 
wird  übrigens  auch  wieder  der  Sinn  gestört,  da  yjoit  zu  stark  betont  wird: 
pou  kann  dem  Verbum  made  nur  übergeordnet  werden,  wenn  es  im  Gegen- 
satz etwa  zu  I,  he  usw.  steht.    Anderseits  wäre  es  ebenso  sinnwidrig  zu 


1 


598 

obwohl  im  ersten  Verse  gode  ein  Vollwort  ist  und  salle  nicht. 
Auch  wäre  es,  da  der  Versausgang  loittencsse  angenommen 
wird,  folgerichtig  gewesen,  in  dem  letzten  Couplet  gödc  man 
und  Iure  ccm  zu  lesen;  doch  zieht  Schipper  diese  Konsequenz 
nur,  wenn  das  vorletzte  Wort  alliteriert,  z.  B.  in  dem  kurz 
vorher  stehenden  Verse 

for  to  säy  f>at  söp  Is 

Der  Unterschied  scheint  sehr  willkürlich;  und  es  mtifste  erst 
bewiesen  werden,  dals  er  vom  Dichter  beabsichtigt  war. 

93.  Aller  dieser  Schwierigkeiten,  die  mit  der  Zweihebungs- 
theorie  verknüpft  sind,  wird  man  mit  einem  Schlage  Herr, 
wenn  man  die  „rhythmischen  Nebentöne"  für  das  nimmt,  was 
sie  wirklich  sind,  nämlich  Hebungen.  Dann  erhalten  Wörter 
wie  cniell,  riding  und  Iddy  am  Versschluls  zwei  Hebungen, ') 
gerade  wie  innocent.  Auch  braucht  dann  im  Versanfang  kein 
Unterschied  zwischen  Volhvörtern  mit  und  ohne  Alliteration 
gemacht  zu  werden,  noch  zwischen  Vollwörtern  im  Anfang 
und  im  Innern  des  Verses,  wie  Schipper  das  tut  (§  92). 

Auf  diese  Weise  hat  Köster  (in  seiner  Ausgabe  der  Susanne, 
S.  22 ff.),  unter  Vermeidung  von  Luicks  und  Schippers 
„Nebentönen",  überall  drei  Hebungen  angenommen: 

ölipest  Z/riddes  o  pe  6est 
to  ^öd  stode  hir  ^ret  äwe 
hire  servauns  had  selli 
we  töke  pe  wif»  ävoutri  usw. 

Diese  Art  zu  skandieren  ist  jedenfalls  besser  als  die  mit  zwei 
Hebungen. 

Hierbei  enthält  jedoch  jeder  Vers  noch  immer  einen 
„Nebenton",  den  Köster  zwar  zur  Senkung  herabdrttckt,  der 
aber  in  vielen  Versen  ein  ebenso  gutes  Recht  hat,  als  Hebung 
anerkannt  zu  werden  als  der  andere  „Nebenton" ;  z.  B.  in  den 
Versen  des  Av. 


skandieren:  If  pon  be  mäde  icittenesse.    Dem  Sinn  entsprechend  kann  der 
Vers  nur  vier  Hebungen  haben. 

^)  Dies  erklärt  zugleich,  warum  zwar  fabnll :  tabull  und  horsing  : 
letting,  aber  nie  etwa  riding  :  abiding  miteinander  reimen ;  der  Reim  umfafst 
nie  zwei  Hebungssilben  (vgl.  §  29). 


599 

Ins  stMe  was  s^^nct  stärke  d6de  13,  13 

gif  Gäwau  (/öde  cndinge  lii,  2 

he  i/o^e  hom  downe  s/ely  6,  13 

he  ^jckut  önte  i>»)-6stely  19,5 

briiyd  önte  a  6r<ände  bry^te  14,6 

hc  rode  pe  f('»rest  vppe  and  döwne  10,  10 

j'eune  J^e  /a'inter  ti'irmis  Aüuie  agayne  8,  1 

A'üy  cöme  hötne  söne  44,  6 

knyite,  squycr,  soinan  ne')  knme  47,5 

he  ?je5hit  ?ieu)T-)  uo  xäked  sj'de  03,  15 

Büw  lesu,  Lörd,  Leuyn-kynge  72,13 

bede  bringe  brdd  plent6^)  08,5 

Läfst  man  in  diesen  und  ähnlichen  Versen  Reim,  Alliteration 
und  Sinn  gleichmäfsig  zur  Geltung  kommen,  so  gelangt  man 
zu  vier  Hebungen.  Auch  wäre  es  bei  den  meisten  von  diesen 
Versen  sehr  schwer  zu  entscheiden,  welche  von  den  vier  Ton- 
silben in  die  Senkung  soll. 

Bei  Annahme  von  vier  Hebungen  verschwindet  auch  der 
Gegensatz  von  Luicks  und  auch  Schippers  Behandlung 
zweisilbiger  AVürter  wie  rkling,  lady  usw.,  je  nachdem  sie  am 
Versende  stehen  oder  nicht;  denn  nun  können  sie  überall  zwei- 
hebig  sein,  z.  B.  in  den  Versen 

;;elgreme  and  pälmere  48,  7 
ledänd  a  6irde  feryjte  23, 11 
with  festing  füll  /i'ircely  3,  6  xiSiv. 
sittände  and  lyggände*)  Perc.  1143 

94.  Die  bisher  erörterten  Schwierigkeiten  der  Zwei- 
hebungstheorie ergaben  sieh  aus  der  Betrachtung  der  Triplet- 
verse  allein;  vergleicht  man  weiter  die  Triplet-  mit  den 
Schlufsversen,  so  mehren  sich  die  Schwierigkeiten  noch  be- 
deutend. Bei  Annahme  von  vier  bezw.  drei  Hebungen  ist  der 
Unterschied  der  beiden  Versarteu  ganz  bestimmt  und  ganz 
einfach;  er  besteht  in  der  vierten  Hebung.  Aber  mit  der 
Zweihebungstheorie  bleibt  man  bei  näherer  Prüfung  ratlos. 
Die  beiden  Vertreter  der  Theorie  haben  nirgends  den  Unter- 
schied scharf  und  klar  angegeben ;  und  was  sie  als  Unterschied 
angegeben  haben,  stimmt  nur  zum  Teil  und  ist  zum  Teil  falsch. 


1)  Vgl.  §  101  c. 
')  Vgl.  §  100. 


')  Vgl.  §106. 

*)  Luick  skandiert  sittände  and  lyggdnde. 


600 

95.    Sie  sagen,   die  Tripletzcilen   seien  nichts  anderes  als 

erste    Ilalbzeilen    des    me.    Stabverses,    und    die    Schlufsvcrse 

nichts  anderes  als  die  zweiten  Halbverse.     Aber,  wie  schon  in 

§  87    zu  Versen   aus  dem  Perc.  bemerkt  ist,   kommen  Triplet- 

verse  des  sogenannten  Cj- Typus  vor,  welcher  unter  den  ersten 

Halbzeileu  fehlt.     Beispiele  aus  dem  Avoivynge  sind: 

at  ]7e  same  cästöll  64, 10 
pon  schall  haue  no  härmynge  53,  3 
sethun  J^on  art  in  my  wille  städe  35, 1 1 
be  chesun  of  pat  iiurde  iri^te  10,  11;  21,7 
if  he  were  in  a  däle  rfepe  17, 13. 

Und  umgekehrt  ist  bemerkenswert,  erstens  dafs  sich 
unter  den  ersten  Halbversen  viele  finden,  denen  keine  Triplet- 
verse,  sondern  nur  Sehlufsverse  entsprechen;  und  zweitens 
dafs  es  viele  zweite  Halbverse  gibt,  die  nicht  als  Schlufs- 
vcrse, aber  wohl  als  Tripletverse  gebraucht  werden  könnten. 
Nämlich 

1.  erste  Halbverse  wie^) 

A   (x  X  x)  —  (x)  X  X  —  X    &r6uy t  into  fcökis  Troy-Book  1 4 

Hörnet  was  /iölden  38 
now  göd.  of  pi  ^rräce  3 
of  s<ithe  men  in  s^önre  7 
with  sight  for  to  serche  24 

BC         (x)  X  X  —  X  —  X    and  forsek  his  fäder  721 

vppon  Gädes  ^röandes  311 
ne  of  his  /eynit  /are  44 

unter  den  Tripletversen  keine  Entsprechungen.     Ihnen  ent- 
sprechen vielmehr  Schlufsverse  wie 

A  and  /iurte  of  my  /iowundes  Av.  3,  4 

durste  6ide  in  his  iandus  3,  S 

ne  tüurche  him  no  u'o wundes  3, 12 

and  ftrittunt  all  to  ionus  1 2,  S 

so  gn^lj  ^6  öfJ'ouus  12,  16  usw. 
BC  wiste  he  neuyr  quednr  25, 12 

forpi  come  I  hedur  25, 16. 

Wenn  aber  die  letzte  Silbe  der  ersten  Halbverse  des 
Typus  A  und  BC  einen  natürlichen  Nebenton  hat,  wie  in 
folgenden  Versen,   die  Luick  den  eben  angeführten  voll- 


')  Mit  Luicks  Skandierung;  s.  Anglia  XI. 


601 

ständig  gleichsetzt,  so  finden  wir  umgekehrt  zahlreiche 
entsprechende  Tripletverse  (und  keine  entsprechenden  Schlufs- 
verse).     Mau  vergleiche  die  alliterierenden  llalbverse 

A  (x  X  X)  -  (x)  X  X  -  X    left  it  in  lidyu  Troy-Book  32 

with  /Viblis  and  /alsbed  36 
in  ^ctturs  of  pere  iiingage  59 
}iat  b6th.e  were  in  6ätell  5(i 

BC         (x)  X  X  —  X  —  X    the  wliiche  66kes  fcärely  68 

)?an  )my  clädde  liom  clcnly  771 
pat  was  cläuly  c6mpil(e)t  53 

mit  folgenden  Tripletversen 

A  fcold  vndnr  ftanere  Av.  1, 14 

and  fcayet  liim  füll  ioldely  7,  6 
hase  takyn  me  to  presowun  24,  2 
and  maydyns  füll  beuteowse  52,  6 
j^ilgreme  and  paAmere  48,  7 

BC  come  f>ay  home  from  /juntyng  55, 14 

was  per  none  so  hardi  3,7 
he  wold  pay  my  rawunsone  22, 1 1 
to  make  bis  /lowundus  /tardi  11, 11 
now  ar  pay  fawre  all  redie  5, 1 5 

Im  Äroicynge  werden  die  augeführten  zwei  Gruppen  von 
Versen  streng  auseinander  gehalten;  die  Regel  ist,  dafs  Verse 
mit  Wörtern  wie  hotvwides  (— x)  am  Ende  nicht  als  Triplet- 
verse  dienen  können,  und  die  mit  Wörtern  wie  hanere  ( — ) 
schlielsenden  Verse  zu  lang  für  Sehlufsverse  sind.  Im  Troy- 
Boolc  aber  haben  beide  Arten  von  Versen  die  gleiche  metrische 
Gestalt;  denn  alle  sind  erste  Halbverse. 

Weder  Luick  noch  Schipper  handelt  über  diesen  Unter- 
schied. Er  ist  mit  der  Zweihebungstheorie  nicht  zu  erklären. 
Nur  6ine  Erklärung  ist  möglich.  Luicks  sogenannte  A-  und 
BC-Verse  im  Avoivynge  müssen,  je  nachdem  sie  auf  ein  Wort 
der  Gestalt  -x  oder  —  ausgehen,  verschiedene  Betonung 
haben,  da  sie  ja  (bei  sonst  ganz  gleicher  Gestalt)  entweder 
Sehlufsverse  oder  Tripletverse  sind;  der  Unterschied  kann  nur 
in  der  Betonung  des  letzten  Wortes  liegen.  Und  was  kann 
man  da  anders  schliefseu,  als  was  in  der  Tat  auch  zahlreiche 
andere  Verse  des  Gedichts  lehren ;  nämlich  erstens,  dafs  Wörter 
wie   hoiuundes   am  Versschlufs   einhebig   sind,    und   zweitens, 


1 


602 

dafs   Wörter   wie   hanerc    iiiid    holdeJy    zwei   Hebungen    haben 

gerade  wie  in  den  Seblufsverseu 

of  pat  pröfete  Sus.  364 

all  luy  Icaing  GG.  1076  u.  ä, 

für  welche  das  auch  Luick  und  Schipper  anerkennen. 

2.  Ebenso  gibt  es  unter  den  zweiten  Halbversen  zwei 
Gruppen,  die  in  der  alliterierenden  Dichtung  zwar  ganz  gleich 
zu  skandieren  sind,  von  denen  aber  die  eine  Schlufsversen 
entspricht,  die  andere  jedoch  blols  Tripletverse  liefern  würde. 
Ich  entnehme  die  Beispiele  alle  Luick s  Abhandlung  über  die 
Metrik  des  Troy-Boolc. 

a)  Als  Schlulsverse  könnten  dienen: 

A-     (x)  -  (x)  X  X  -  X    by  sZöuiering  of  cäge  6 

sfröugest  in  armes  7 
^räunt  me  pi  helpe  3 

BC!    (x)  X  X  —  X  -  X    and  iiieu  to  sörow  bringes  743 

vnto  /ielle  yätes  299 

b)  Dagegen  nur  als  Tripletverse  könnten  gebraucht  werden: 

-^     (x)  —  (x)  X  X  —  X    for  j^erill  f>at  may  folowe  837 

sothly  was  Elyn  lül9 
jtTÖght  in  a  mesure  164S 

^C    (x)xx  — X  — X   but  ye  were  clene  victörius')  1101 

and  bis  joly  flf^lowes^)  963 
and  per  /'ine  relikes')  1412 
hit  is  fZere  welcum  5S3 

Auch  hier  liegt  der  Unterschied  offenbar  in  der  letzten 
Silbe  des  Verses;  und  die  Erklärung  kann  nur  dieselbe  sein 
wie  in  dem  unter  2.  bespi-ochenen  Fall,  die  somit  eine  voll- 
kommene Bestätigung  findet.^) 


>)  Das  Wort  ist  hier  dreisilbig. 

'^)  Das  e  in  der  letzten  Silbe  ist  stumm. 

^)  Alle  ans  dem  Troy-Buok  angeführten  ersten  und  zweiten  Halbverse 
können  sowohl  als  erste  wie  als  zweite  Ualbversc  gebraucht 
werden.  Dies  liegt  daran,  dafs  das  letzte  Wort  zweisilbig  ist.  Ist  es 
einsilbig,  so  geht  das  nicht;  z.  B.  zweite  Halbverse  wie  for  lervyv//  of  vs  32 
oder  \cmond  as  göld  459  sind  zu  kurz  für  erste  Halbverse.  Wenn  man 
diese  Verse  z.  B.  mit  ersten  Halbversen  wie  ßat  höthe  ivere  in  hätell  56 
and  Römer  was  holden  38  vergleicht,  so  mnfs  man,  um  den  Unterschied 
erklären  zu  können,  schliefsen,  dafs  die  letzte  Silbe  in  diesen  beiden  Versen 
einen  metrischen  Iktus  hat.    Also  ist  die  Zweihebungstheorie  falsch. 


603 

9G.  Sieht  man  von  dem  Vergleich  mit  den  Ilalbversen 
der  Stabzeile  ab  und  sucht  sonst  bei  der  Zweihebungstheorie 
nach  dem  kennzeichnenden  Unterschiede  zwischen  Triplet-  und 
Schlafsversen,  so  erhält  man  nur  die  allgemeine  Auskunft,  dafs 
der  Schlufsvers  „immer  ganz  merklich  kürzer  ist  als  die  drei 
vorhergehenden"  Verse,  i)  Da  angenommen  wird,  dafs  die 
Hebungszahl  in  beiden  Versarten  dieselbe  sei,  so  kann  das 
nur  bedeuten,  dafs  die  Senkungssilben  weniger  zahlreich  seien. 
Auch  dies  ist  nur  z.  T.  richtig.  Denn  es  kommen  viele  Schlufs- 
verse  vor,  die 

1.  gerade  so  lang  sind  als  Tripletverse  und  im  Perc.  zu- 
weilen sogar  denselben  Wortlaut  haben;  und  solche,  die 

2.  sogar  länger  sind  als  Tripletzeilen. 

Da  die  Schlufszeileu  bis  zu  sieben  Silben  enthalten  können 
und  in  Wirklichkeit  meistens  fünf  oder  mehr  haben  (siehe  die 
zahlreichen  Relege  in  §31tf.),  und  da  andrerseits  die  Triplet- 
zeilen nur  vier  zu  haben  brauchen  (§  89),  so  sind  in  der  Tat 
die  meisten  Schlufszeileu  „länger"  2)  als  der  kürzeste  Tripletvers 
(Ka//  eo»ie  liome  sone  44,6);  und  ebenso  sind  die  zahlreichen 
sechs-  und  siebensilbigen  Schlufsverse  „länger"  2)  als  die  nicht 
seltenen  Tripletverse  mit  fünf  Silben;  usw.  Und  mit  gleicher 
Silbenzahl  lassen  sich  also  vier-,  fünf-,  sechs-  uud  siebensilbige 
Schlufs-  und  Tripletverse  nebeneinander  stellen.  Die  Zwei- 
hebungstheorie versagt  diesem  Tatbestand  gegenüber  vollständig. 
Schipper  und  Luick  nehmen  keine  Notiz  davon;  oder  wo 
Luick  (in  Auglia  XII,  441  f.)  über  die  gleichlautenden  Schlufs- 
und  Tripletverse  in  Sir  Perc.  handelt,  sieht  er  sieh  zu  dem 
Auskunftsmittel  genötigt,  in  allen  solchen  Fällen  Textverderbnis 
anzunehmen.  Schon  oben  in  §  7  ist  gezeigt,  dass  dieser  ver- 
zweifelte Ausweg  verkehrt  und  unnötig  ist;  und  in  §  6  ist 
bereits  klargelegt,  dafs  der  Unterschied  zwischen  den  Triplet- 
und  Sehlufsversen  nicht  in  der  Silbenzahl,  d.  h.  also  nicht  in 
den  Senkungen,  gefunden  werden  kann.  Worin  er  liegen  mufs, 
ergibt  sich  sofort,  wenn  man  Verse  beider  Arten  mit  gleicher 
Silbenzahl,  aber  verschiedenem  Wortlaut  nebeneinander  hält. 
Sobald  man  in  einem  Tripletvers  eine  hebungsfähige  (d.h.  haupt- 


')  Luick,  Anglia  XII,  438. 
*)  Das  heifst  „silbenreicher". 


604 

oder  nebentonige)  Silbe  in  eine  tonlose  verändert,  bleibt  er  kein 
Tripletvers  mehr,  sondern  es  wird  ein  Sehlnfsvers  daraus.  Man 
vergleiche  z.  B. 

den  Tripletvers  /lay  come  home  sone  Av.  44, 6 

mit  den  Schlufsversen   x and  homc  went  hee  Perc.  143,4 

X—  ÄOnge  Percj'velle  Perc.1,1'2  . 

X  fcrodelyche  iledus  Degr.  ü9, 12;  r- 

den  Tripletvers  x he  s/roke  Kay  sttfly  Av.  21,10  ' 

mit  den  Schlufsversen  1)  x-x —  he  wan  pis  Murde  fcryste  32,16 

X X—  his  fcrode  schildus  fcothe  16,16; 

den  Tripletvers  -  x myne  avow  make  I  8, 6 

mit  den  Schlufsversen  -x-x  -  Mte  vs  haae  oure  iife  60, 4 

—  X X  }'at  in  /rith  /bundes  3,  IG; 

den  Tripletvers  x-  all  ?tToth  ivcx  pat  sqwyne  15,5 

mit  den  Schlufsversen   x x-  and  /"erd  füith.  in  fere  50,16') 

—  X  — X—  gif  him  sory  care  71,8; 
den  Tripletvers                --x--  fcrayd  out  a  ftrande  bryite  14,6 
mit  dem  Schlufsvers      x-x and  bede  him  s«lle  s^onde   47,12. 

Ebenso  können  auch  sechs-  und  siebensilbige  Triplet-  und 
Schlufsverse  nebeneinander  gestellt  werden.  Wenige  Yergleichs- 
paare  werden  als  Beispiele  genügen: 

Tripletvers :        x-x he  sloze  hem  down  siely  6,  13 

Schlufsvers :  x  -  x  -  -  x  and  of  his  life  dredus  40, 12 

Tripletvers:     x-x-x he  graant  vs  all  his  blessynge  72,14 

Schlufsvers :  X  -  x  -  X  -  X  and  fcrittunt  all  to  6onas  12,  8 

Obwohl  in  jeder  dieser  Gruppen  die  Triplet-  und  Schlufs- 
verse dieselbe  Silbenzahl  haben,  so  kann  doch  immer  nur 
der  zuerst  aufgeführte  als  Tripletvers  gebraucht,  und  die 
übrigen  können   nur  als  Schlufsverse  verwandt  werden.    Mit 


^)  Bemerkenswert  ist,  dafs  keine  Umwandlnng  in  einen  Schlafs vers 
eintritt,  wenn  eine  neben  einer  tonlosen  Silbe  stehende  hebungsfähige 
Silbe  in  eine  tonlose  verändert  wird.  Man  vergleiche  z.  B.  die  beiden 
Triplet verse  /jg  stroke  Kay  stifly  21, 10 

wiß  ße  priuand  pornc  23,  2. 
Der  Grund  ist,  dafs  von  zwei  so  nebeneinander  stehenden  schwachen  Silben 
{wiß  ße)  die  erste  stärker  als  die  andere  und  daher  hebungsfähig  ist. 

"^j  Oder  die  Tripletzeile  ßcn  aarpus  Sir  Kay  37,  2  mit  der  Schlafs- 
zeile fro  wothes  him  weylde  13, 16  (§  iSr]),  in  welchen ßen  nebentonig  und 
fro  tonlos  ist. 


605 

Hilfe    der   Zweihebuugstbeorie    ist   das   nicht   begreiflich;    sie 

erklärt  nicht,  warum  z.  B.  Schlufsverse  wie 

bis  brode  scbildus  fcothe  IG,  IG 
leite  vs  haue  oure  liie  60,4 
}^at  in  /rith  /"ouudes  3,  IG 
and  /erd  /"urth  in  /ere  5ü,  16 
and  üf  his  life  drediis  40,  12 
and  irittunt  all  to  boauä   12,8 

nicht  als  Tripletverse  dienen  können.  Da  dies  aber  tatsächlich 
ausgeschlossen  ist,  kann  die  Theorie  nur  als  ungenügend  be- 
zeichnet werden.     Sie  mufs  falsch  sein. 

Anderseits  ist,  wenn  man  die  in  jedem  Verse  vorkommenden 
vier  bezw.  drei  hebungsfähigen  haupt-  und  nebentonigen  Silben 
als  Hebungen  gelten  läfst,  alles  vollkommen  verständlich.  Dann 
ist  ganz  natürlich,  dals  die  Silbenzahl  der  Tripletverse  bis 
auf  vier  (und  nicht  weniger)  herabgehen  kann,  und  dals  die 
Schlufsverse  die  kürzesten  Tripletverse  um  drei  übertreffen 
können;  ebenso  dafs  ihre  Silbenzahl  übereinstimmen  kann, 
und  dafs  sie  sogar  den  gleichen  Wortlaut  haben  können  (wie 
im  Ferc). 

97.  Kösters  Theorie  (§  9)  ist  abzulehnen,  weil,  wie  oben 
(§  30  ff.)  nachgewiesen  ist,  die  Schlufszeilen  nicht  zwei,  sondern 
drei  Hebungen  haben,  und  weil,  wie  soeben  gezeigt  ist,  die 
Tripletzeilen  eine  mehr,  also  vier,  haben  müssen.  Aufserdem 
auch,  weil  nicht  einzusehen  ist,  warum  von  den  immer  vor- 
handenen vier  bezw.  drei  hebungsfähigen  Silben  in  jedem 
Triplet-  oder  Schlufsverse  jedes  Mal  eine  nicht  gehoben  sein 
sollte  (vgl.  auch  §  93). 

98.  Noch  mehr  Argumente  behufs  Feststellung  der 
Hebungszahl  können  aufgestellt  werden.  Es  ist  aber  vielleicht 
fast  des  Guten  schon  zuviel  getan.  Daher  sei  blofs  noch  eins 
erwähnt. 

Durch  Ausmerzen  gewisser  Silben  entstehen  aus  Triplet- 
versen  Schlufsverse;  z.  B.  wenn  im  folgenden  Vers  die  ein- 
geklammerte Endung  weggelassen  würde,  könnte  er  nicht  mehr 
als  Tripletvers  gebraucht  werden: 

Rach(es)  vfi\>  opon  mouthe  6,  7. 
Dagegen  der  Vers 

Aud  laump(us)  breuoyag  fall  fcn^te  55,  6 


606 

bleibt  auch  ohne  dieselbe  Pluralendiing  ein  richtiger  Triplet- 
vers.  Weder  die  Zweihebuugsthtorie,  uoeh  Küsters  Theorie 
vermag  den  Unterschied  vernünftig  zu  erklären.  Nur  bei 
Annahme  von  vier  Hebungen  in  der  Zeile  ist  der  Grund  der 
Verschiedenheit  sofort  vollständig  klar:  Baches  hat  vor  dem 
tonlosen  tvip  zwei  Hebungen;  dagegen  Idumpus  vor  der  un- 
mittelbar folgenden  neuen  Hebung  nur  eine.  Die  Unterdrückung 
der  zweiten  Silbe  von  raches  würde  daher  dieselbe  Wirkung 
haben  wie  die  Auslassung  irgend  einer  betonten  Silbe  in 
einem  Tripletverse,  z.  ß.  eines  der  eingeklammerten  einsilbigen 
Wörter  in  folgenden  der  ersten  Strophe  entnommenen  Versen: 

(He)  pat  wjade  vs  oa  p>e  wulde  1, 1 
And  (/air)  /buriuet  ]?e  /blde  1,  2 
Giffe  hom  (joy)  pat  will  here  1,5 
irice  and  war  (ofte)  pay  wtTQ  \,V.i 
(2>old)  under  dauere  1,14; 

oder    wie    die    Unterdrückung    eines    zweisilbigen    Wortes, 

^*        ^^  Withouten  (auy)  letting  1,10 

The  hanter  (cammys)  ou  a  day  2,  14 
Faste  (/blutte)  to  him  thore  6, 10 

Alle  diese  Streichungen,  ebenso  wie  die  bei  rach(es), ')  würden 
die  Verse  durch  Tilgung  einer  Hebung  auf  das  Mals  der 
Schlufsverse  herabsetzen.  Für  diese  Tatsachen  bietet  keine 
Theorie  aufser  der  hier  verteidigten  eine  einheitliche  Erklärung. 
Und  nur  diese  Theorie  vermag  auch  vollkommen  zu  erklären, 
warum  zwar  aus  Versen  wie  den  zuletzt  angeführten  bei  Aus- 
lassung von  zweisilbigen  Tonwörtern  richtige  Schlufsverse 
würden,  aber  aus  gewissen  anderen  Tripletverseu  nicht;  denn 
was  z.  B,  von  folgenden  Versen  übrig  bliebe,  wäre  selbst  für 
Schlufsverse  zu  kurz: 

And  /air  (/burmet)  p>e  /blde  1 , 2 
He  is  a  (öalefull)  Z>are  3, 1 
And  sayd  (^rodely)  a-^'ayn  9,  2 

Der  Grund  ist,  daXs  in  diesen  und  ähnlichen  Versen  mit  dem 
eingeklammerten  Wort  zwei  Hebungen  verloren  gehen  würden. 

99.     Soweit   über   die  Hebungen.     Es   ist  jetzt  noch  über 
die  Senkungen  in  den  Tripletverseu  zu  handeln.    Meist  sind 

')  Oder  in  dem  Verse  butte  rayk(et)  into  the  halle  46, 9. 


f 


607 

sie  einsilbig;  oder  „beschwerte"  Hebungssilben  enthalten  die 
Senkung  mit.  Das  Metrum  ist  also  x-x-x-x-x.  Wie 
in  den  Sehlufsversen  können  einzelne  oder  mehrere  oder  alle 
Seukungssilben  fehlen.  Beispiele  für  alle  Fälle  sind  in  §  89 
angeführt. 

100.  Aulserdeni  kommen  auch  Verse  mit  zweisilbigen 
Senkungen  vor.  Während  es  unter  den  Sehlufsversen  keine 
sicheren  Beispiele  gibt  (§  35  f.),  sind  Tripletverse  mit  zwei- 
silbigen Senkungen  auch  für  den  Dichter  anzuerkennen,  — 
ebenso  wie  Tripletverse  mit  zweisilbigem  Auftakt  (§  83).  i) 

Freilich  ist  der  überlieferte  Text  häufig  zu  verbessern. 

So  mufs  in  folgenden  Versen  die  Endung  un  der  mittel- 
ländischen Formen  iverun,  hithun,-)  comun,  rummn  und  irijnmm 
beseitigt  werden,  wodurch  die  Senkung  einsilbig  wird: 

With  (Zyutus  pät  wernn  (lies  were)  dü^te  IG,  2 

Thöse  Ärnystus  Ä:ithun  {lies  kithe)  p'a[yre]  gere  27,  5 

And  these  /cDy^tus  /cithuia  {lies  kithe)  hör  criifte  25,  1 

Eis  thi'irt  no  mon  cömun  (lies  come)  hur  tille  57,  6 

Ri'innun  {lies  Ran)  to  g^dür  on  w^rre  27, 7 

Je  tüynnun  {lies  wynne)  him  no^te  owte  of  his^)  wky  38,  13. 

In    andern    Fällen    ist    einsilbiges    gert,    gart    für   gerut, 

geruite  einzusetzen,  wie   schon   in  §  24  und  §  35  für  ähnliche 

Schlufsverse  ausgeführt  worden  ist;  nämlich  in  den  Versen 

I  ger(u)t  hom  ?fässhe,  to  mete  tfönte  68, 1 

and  g6r(u)t  me  sauere  s^uyftely  35,  5 

we  ger(ut)te  him  drinke  ätte  pe  jäte  G8, 14. 

Zugleich    ist    die    Präposition    to    vor    dem    Infinitiv    in 

folgenden  Versen  zu  streichen: 

and  cäure  his  südull  ger(u)t  him  (to)  held  21,14 

and  g6r(u)t  hom  (to)  giffe  vs  pe  büke  70,  1 5 

pi  lädy  gret  {lies  g6rt)  me  (to)  Square  squyftele  63,5.*) 


1)  Der  Dichter  vermeidet  in  den  Schliifsz eilen  zweisilbige  Senkung 
und  zweisilbigen  Auftakt,  anscheinend,  weil  sie  sonst  an  das  Mafs  der 
Tripletzeilen  kommen.  Der  Dichter  des  Perc.  scheut  dies  nicht,  wie  schon 
aus  seinem  Bemühen  bei  der  Strophenverkettung  (§  7)  hervorgeht.  —  Man 
kann  aber  überhaupt  sagen,  dal's  Dichter  sich  in  längeren  Versen  eher 
freier  bewegen  als  in  kürzeren,  und  namentlich  im  Anfang  längerer  Verse 
(vgl.  §  84). 

^)  Die  Handschrift  hat  dafür  einmal  fehlerhaft  kithum. 

^)  Vgl.§  101c. 

*)  Wegen  der  Skansion  siehe  jedoch  auch  §  106, 


608 

Ahulicli  ist  wahrscheinlich  in  folgenden  Versen  statt  callut 

einsilbiges  cald  einzusetzen,  das  in  andern  Versen  vom  Schreiber 

beibehalten  ist: 

f>e  hing  cällut  on  tny^tis  thre  5,  5 

J?e  Ä:ing  callnt  on  Sir  Gauan  8,2  (siehe  §  106) 

Ääy  cällnt  on  Gäuan  jorne  23,  3. 

Vgl.  penue  \>q  kiug  cäld  bis  myostrelle  45,  5 
penne  p>e  /cynge  cäld  bis  buntere  51, 1 
and  cäld  a  rfämes61  rfere  55,  2. 

Häufig   hat   die  Handschrift  dreisilbiges  vnsquarut.     Setzt 

man  dafür  eine  zweisilbige  Form  (etwa  ansivert)  ein,  so  erhalten 

die  Verse  alle  einsilbige  Senkung: 

f>en  vnsquarut  Gäwän  9,1;  24,5;  27,  1 

penne  vnsquarut  Kay  agäyn  22,  5 

p>e  tüper  vnsquarut  bim  witb  skill  19,  13;  33,9 

pe  töper  vnsquarut  bim  agäyn  20,  5 

pe  föper  vnsquarut  bim  per-fille  43,  5. 

Ebenso  ist  in  ameruaylet  das  unbetonte  e  nach  der  neben- 
tonigen Silbe  geschwunden: 

Thanne  was  pe  kinge  am6ruayl(e)t  päre  44,1. 

Auch  für  sithun  {sethin)  'since'  und  hethin  'hence'  hat 
der  Dichter  anscheinend  einsilbige  Formen  gebraucht,  da  durch 
ihre  Einführung  so  häufig  zweisilbige  Senkung  (oder  Auftakt) 
einsilbig  wird  (vgl.  §  83) : 

and  sethun  forse'tte  bim  ]?e  strete  38,  6 
setbin  to  c6wuusell  wente  p>ay  all  70,  6 
sytbin  no  bettur  mäy  be-fäll  70,  7 
And  setbun  to  ied  iownus  he  10,13 
and  sitbin  payre  folis  will  fulfill  62,  6 
setbun  be  büskette  him  järe  14,9;  30,13 
I  rede  50,  hie  50  /jetbin  awäy  70,  2. 

Die   nördlichen  Formen  tas  und  tane  für  taJces  und  talcyn 

sind  wahrscheinlich  in  folgenden  Versen  einzusetzen: 

tö  pe  cbämbur  be  täkes  pe  wäy  56,5  (vgl.  §  101) 
pe  sex  to  hom  bas  täkyn  vppe  Kay  43,  2. 

Zahlreiche  Verse   haben   in   der  Überlieferung  zweisilbige 

Senkung,  weil  neuyr  für  einsilbiges  7iere  eingesetzt  ist  (vgl.  §  35): 

were  be  neuyr  so  bärdy  8,7;  16,  3 
he  «^sbit  «euyr  no  «äked  syde  63, 15 
for  clMe  neuyr  (to)  be  rfrery  66,7 


609 

pou  pussiis  neuyr  a-wäy  here  41,  11 
aud  5ette  ho  dyd  me  neuyr  no  tene  57, 10 
he  sh'ird  nenyr  owt  6f  pat  s/6de  13, 14 
he  se  neuyr  no  syjte  are  11,15*) 

Der  Plural  avowes  kann   ebensogut   zweisilbig  wie  drei- 
silbig sein :     , .        ,  '^  ^-v.  n  ^^  ,  ^ 
°                 ]?ia  avowes  arne  profetabuU  71,14 

In   der  Präposition   agaynus  ist   das  u  wahrscheinlich  zu 

synkopieren  (vgl,  das  über  onus  in  §  48  /  gesagte) : 

ajäynus  pe  /ynde  för  to  /äre  14,  11 

and  all  ajäynus  payre  awne  wille  20,  15^^) 

101.     Zweisilbige   Senkung  kommt   sowohl   im   ersten  als 

im  zweiten  und  dritten  Fufse  vor. 

a)  Im  ersten  Fuls: 

fölut  hom  /jist  in  \>q  /'ilde  11,7 
aftnr  pe  stüard  peu  I  sent  68,  2 
lede  hur  to  Gäynonr  f'e  quene  29, 1 1 
düwun  to  f>e  kinge  c6n  he  16wte  51,5 
neuyr*)  to  be  jelus  öf  my  wife  9, 11 

Da  in  diesen  Versen  dem  ersten  Fuls  kein  Auftakt  voraus- 
geht, so  kann  durch  schwebende  Betonung  der  beiden  ersten 
Silben  des  Verses  die  zweisilbige  Senkung  mehr  oder  weniger 
verschleiert  werden.  Doch  ist  ganz  unsicher,  ob  dies  der 
Vortragsart  des  Dichters  entspricht,  da  auch  nach  Auftakt 
zweisilbige  Senkung  öfters  vorkommt,  wobei  Verschleierung 
unmöglich  ist: 

with  rtTäthe  he  begynm^s  to  wröte  12,13 
butte  lenyt  hiin  döune  bi  a  tree  15, 10 
thns  dwellus  he  ätte  fe  rowuntäbull  30, 14 
he  jöpput  him  äure  ön  his  phäy  42, 10 
sayd,  Sir,  as  I  cöme  thro  jöndur  wöde  43, 14 
and  löket  a-boute  him  a'ure  alle  46,11 
he  fyndus  pe  kiug  ätt  his  pläy  56,  6 
pe  töne  of  owre  fölöys  had  döute  64, 15 
pay  nedut  notte  äftur  hit  to  cräue  47,  7 
ajäyn(u)s*)  him  refeöundet  f»e  fcäre  11,  14 
p>e  messyngere  cöme  agäyu  pän  69, 10 

*)  Vgl.  auch  neuyr  to  be  jelus  of  my  ivife  9, 11  und  §  101a. 
^)  Vgl.  auch  agdynus  him  rehöundet  pe  baVe  11,  14,  mit  zweisilbiger 
Senkung  im  ersten  Fufs;  siehe  §  101a. 
*)  Neuyr  ist  einsilbig;  siehe  §  100. 
*)  A^aynus  ist  einsilbig,  siehe  §  100. 

Studien  z.  engl.  Phil.     L.  39 


610 

Da  in  diesen  und  den  unter  b)  und  c)  aufzuführenden 
Versen  zweisilbige  Senkung  gesichert  ist,  so  empfiehlt  sieh 
dieselbe  Auffassung  auch  bei  der  zuerst  gegebenen  Gruppe; 
jedenfalls  wäre  es  unberechtigt,  bei  jenen  Versen  von  „ver- 
setzter Betonung"  zu  sprechen. 

b)  Im  zweiten  Fuls: 

huw  pay  preuyd  hör  wedde-fee  10,15 

für  all  \>e  weppuDS  {^at  he  my^te  weld  14,  14 

für  he  is  sekur  in  alle  kyune  thinge  34,  3 

for  h6  has  mestar  of  such  a  thinge  35, 14 

Thenne  pe  king  tisshet  a  chekkere  55, 1 

to  p>e  chänmbur  he  täkes  pe  wäy  56,  5  (§  10(J) 

hit  befeile  in  jour  fi'idur  tyme  58,  5 

and  p6  f>at  giffus  hom  tö  pe  ille  62,  5 

for-]n  of  jelnsnes  b6  pou  bold  64,  1 

and  püs  recordus  pe  röwnndetiibull  71, 15 

tu  gö  in  bed  wip  pe  fciiirde  ftry^te  63, 10 

penne  Bäwdewyn  smylit  and  ön  him  logh  49,  13 

and  säyd,  Medäme,  I  am  hedur  sente  34,  15 

butt  cärpe  we  now  of  per  othir  thre  10,14 

he  sette  him  dowue  on  hur  b6ddus  fete  53,  7 

butte  of  f>o')  öthir  thinges  f>at  pön  me  told  61,3 

and  pöu  hase  höldin  all  piit  pou  hijte  72,  1 1 

Auch  die  folgenden  Verse  sind  hierher  zu  stellen: 

tö  pe  forest  pay  take  pe  wäy  31, 1 

in  pe  forest  he  mette  a  knyjte  18,  6;  23,  10 

änd  pis  hidy  sum  I  pe  teile  20,  9 

Da  Wörter  wie  lady,  forest  in  den  Schlufsversen  vor  einer 
tonlosen  Silbe  stets  zweihebig  sind  (§  79),  so  könnte  man  ver- 
sucht sein,  die  Verse  mit  zweisilbigem  Auftakt  zu  lesen  (§  83) : 
to  ])e)  forest  ])ay  tdJce  ])e  ivdy  usw.  In  den  Tripletversen  gilt 
aber  die  Regel  nicht;  siehe  §  106.  Sie  würde  auch  nicht  zu- 
lassen, folgenden  Vers  befriedigend  zu  skandieren,  der  mit 
dreisilbigem  Auftakt  (§  84),  aber  nicht  mit  fünfsilbigem  er- 
träglich ist: 

he  sayd,  Sir)  in  pe  forest  as  I  con  wake  32,  6 

c)  Im  dritten  Fuls: 

pe  räches  cömun  rennyng  him  \>y  7,  5 

he  ri'iskes  ^ppe  mony  a  rote  12,14 

pat  owte  of  tyme  böstus  and  i>l:'iwus  23, 6 


»)  Siehe  §  84. 


611 

in  bis  sädull  sette  him  on  hi^te  26,  3 

pät  0  pjlyn  on  iife  and  on  Zonde  3S,  2 

penne  p>ay  A-est  payre  copus  hom  frö  41, 1 

knf-^te,  squyer,  ^öman  ue  knime  47,  5 ') 

hit  c6me  in  a  nöbuU  a-räy  68,  10 

he  asshed  if  he  hade  Äerd  any  tithing  43, 11  (vgl.  §  84) 

härdely  with6uten  deläy  43, 1 

to  do  all  pät*)  a  woman  schild  fäll  61, 10 

36  wynnun  {lies  wyane)  hitn  nöjte  owt  of  bis  tcäy  38, 13 

he  stnvd  neuyr  öwte  of  pat  stMe  13,14 

102.  Einigemal  ist  zweisilbige  Senkung  in  einem  Verse 
zweimal  überliefert: 

jisse,  qaod  ]>&  king,  on  f>at  cömände^)  38, 1 

he  sayd)  Sir,  in  pe  forest  as  I  con  wäke  32,  6  (§  83) 

if  äny  man  go  meteles  awäy  45,  14 

ofif  <äll  j^läyus  he  berus  pe  prise  34,  5 

purnäyed  a  grete  öste  and  a  fyne  58,  7 ; 

doch  ist  zu  den  beiden  letzten  Versen  zu  bemerken,  dafs  der 
Vokal  der  Endung  in  playus,  herus  und  puruayed  in  der  Sprache 
des  Dichters  synkopiert  werden  kann.  Zum  ersten  Vers  vgl.  §  106. 

103.  Alle  Verse  mit  zweisilbiger  Senkung  lesen  sich  bei 
Annahme  von  vier  Hebungen  ohne  Schwierigkeit;  dagegen  bei 
Skandierung  mit  zwei  oder  drei  Hebungen  sind  sie  oft  sehr 
ungefügig. 

104.  In  ein  paar  Versen  scheint  dreisilbige  Senkung  vor- 
zukommen:     penne  all  pe  /iärmes  pat  he  /lente  päre  28,14 

for  mony  wyntur  to-gedur  we  haue  b6ne  57,  9 

Vgl.  die  Verse  mit  dreisilbigem  Auftakt  (§  84).  Der  letzte 
Vers  hat  daneben  auch  zweisilbige  Senkung.  Er  enthält  elf 
Silben  und  wird  nur  noch  durch  den  in  §  84  und  101  b  an- 
geführten zwölfsilbigen  Vers  übertroffen:  Butte  of  po  othir 
thinges  pat  pöu  wie  töld  64,  3.  ^) 

Auch  der  Vers  54,  9  he  sdyd  lye  downe  preuely  hur  hy 
scheint  hierher   zu  gehören,   wenn   er  richtig   überliefert   ist; 


^)  Vgl.  Knyght,  Diike,  erle  and  baröun   Perc,  135. 

2)  Dies  ist  wohl  die  natürliche  Betonung  (vgl.  §  79  letzte  Fufsnute 
und  §  Ui5). 

^)  Comande  steht  für  couenavt,  conant 

*)  Die  Tripletverse  des  Äv.  schwanken  also  zwischen  vier  und  zwölf 
Silben;  vgl.  §81. 

39* 


612 

doch  ist  downe  vielleicht  zu  streichen,  i)    Möglieherweise  auch 
der  Vers  63,  5  ^i  Iddy  gert  nie  2)  squere  squy fiele  (siehe  §  106). 

105.  Schlief slich  sind  noch  Verse  zu  besprechen,  die  zu 
kurz  sind  oder  zu  kurz  scheinen. 

Falsch  überliefert  ist  17,  7  hothe  ])e  songe  and  lees  (im 
Reim  mit  best  'beast'  und  forest).  Vermutlich  ist  zu  lesen 
hüth  pe  \6yne  and  [^e]  Vest  (8:  he  hongus  on  a  noke  'Die 
Lende  und  die  Leiste  [des  getöteten  Ebers]  hängt  er  an  eine 
Eiche').  Weder  gonge  noch  lees  gibt  Sinn.  Durch  die  Kor- 
rektur wird  die  Alliteration  hergestellt;  und  leest,  obwohl 
sonst  nirgends  in  dieser  Form  im  Englischen  belegt,  läfst  sieh 
aus  verwandten  ne.  und  kontinentalen  Formen  erschliefsen. 
Im  NEDict.  wird  das  neuenglische  Dialektwort  list  'the  flank 
(of  pork);  a  long  piece  cut  from  the  gammon'  angeführt. 
Damit  läfst  sich  in  Beziehung  setzen  nhd.  Leiste  'inguen', 
welches  Kluge  im  'Etym.  Wörterbuch'  (1910)  auf  ein  gotisches 
Haistö  zurückführt.  Er  verweist  auch  auf  ein  engl,  dialek- 
tisches last  'Schambug,  Leiste',  das  aus  Halliwells  „Dictionary" 
stammt.  In  Koolmans  „Wörterbuch  der  ostfriesischen  Sprache" 
ist  angeführt  leste^  lest  'Leiste,  Weiche,  Biegung  in  der  Scham- 
gegend'. Es  kann  daher  auf  ein  me.  leest  (aus  urgerm.  *Zais^iä) 
geschlossen  werden,  das  im  Ae.  Hmst  lauten  würde, 

Vers  11,9  ist  wahrscheinlich  durch  Einfügen  des  Pronomens 
zu  vervollständigen :  ])en  pe  ]s.inge  \he\  con  erye.  Ebenso  V.  19,  7 
a7id  6n  pe  kiiygte  \he]  conne  arye.  Solche  Verdoppelung  des 
Subjekts  ist  bei  Mätzner  II 2,  40  häufig  belegt. 

Vers  53,  9  ist  Sdyd,  Madame  (statt  Meddme),  my  Icmjste 
zu  lesen. 

Der  Plural  hrees  ist  zweisilbig  zu  lesen  in  V.  15, 15  pat 
höth  his  hre'es  con  hldhe  und  27,  11  pat  hoth  his  hre'es  con 
hlede,  die  sonst  nur  als  Schlufsverse  (mit  drei  Hebungen)  dienen 
könnten.    Andere  Tripletverse  mit  zwei  Hebungen  auf  Stamm- 


')  Ausgeschlossen  scheint  die  Skansion  he  sdyd  lye  döivne  preuely 
hur  by  mit  schwebender  Betonung  des  dreisilbigen  preuely,  zumal  selbst 
zweisilbige  Wörter  wie  migty ,  lüente,  Gawan  im  Versinnern  nie  mit 
schwebender  Betonung  vorkommen;  siehe  §  1Ü6.  Dagegen  kann  man 
vielleicht  auch  dreisilbigen  Auftakt  (§  S4)  annehmen  und  so  skandieren: 
Re  sayd  lye)  döivtie  preuely  hur  by. 

2)  Die  Handschrift  hat  yret  me  to. 


613 

und    Flexionssilbe    sind    z.  B,    Q,  7    rdches   uip   öpon   möuthe; 

46,  9  butte  rdyJcct  into  ])e  halle  und  J)er-to  grdivuntüs  ])e  hiy^te 

30,  1. 

Ebenso  ist  wohl  keine  Korrektur  nötig  in  den  Versen 

öthir  /"lee  ör^)  /"igte  40,15 
no  quyte  wine  nyf  red  69,  6 
I  herd  ne  s6  bntte  gode  43,  15. 

Im  Sir  Degr.  kommt  die  Tripletzeile  ivcnch  ne  Umone  4, 14 
und  die  Sehlufszeile  hröche  ne  bjje  35,  12  vor,  und  Kraus, 
„Metrische  Untersuchungen",  belegt  auf  S.  20  aus  Reinbots 
Georg:  tveder  dort  noch  hie  und  fünf  andere  Verse  mit  noch 
in  der  Hebung  zwischen  zwei  anderen  Hebungen.  Dieselbe 
Betonung  ist  daher  wohl  für  o?',  ne  und  nyf  möglich.  Die  drei 
Verse  werden  dadurch  sehr  eindrucksvoll,  was  namentlich  bei 
dem  ersten  sehr  am  Platze  ist. 

Nur  drei  Hebungen  scheint  auf  den  ersten  Blick  auch  der 
Vers  19,  15  ])at  fonvard  to  fidfille  zu  enthalten.  Man  ver- 
gleiche aber  z.  B. 

B16de-r6de  was  bis  stede    Perc.  1101 
By  sexty  one  a  däy    Degr.  111. 

Daher  ist  auch  im  Avowynge  zu  skandieren 
]7at  /"örwiird  to  ful/'ille. 

Dies  wird  auch  durch  die  folgenden  Erwägungen  bestätigt. 
Auch  die  Verse 

he  is  a  ftalefuU  öare  3, 1 
hit  is  a  kyndelych  thißge  1 ! ,  2 
hit  is  a  kyndely  thing  66,  9 
he  has  a  kythelych  Zuflfe  4, 13, 

die  alle  ganz  gleich  gebaut  sind,  scheinen  für  Tripletverse  zu 
kurz  zu  sein  und  nur  drei  Hebungen  zu  haben  (lie  is  a  hdle- 
full  hdre  usw.).  Aber  schon  die  Zahl  dieser  Verse  erregt  Be- 
denken gegen  die  Annahme  von  Textverderbnis.  Dazu  kommen 
noch  ähnlich  gebaute: 

he  is  wiasly  »«ade  3, 13 

pou  schall  harmeles  be  53, 14 

J>at  ho  schuld  harmeles  be  63,  7 


')  Hier  otMr  für  or  einzusetzen  wäre  bedenklich.  Die  beiden  anderen, 
ähnlich  gebauten  Verse  stützen  die  überlieferte  Form  von  V.  40, 15.  In 
Vers  15, 12  kommt  zwar  oper  vor,  aber  es  geht  nicht  othir  voraus. 


614 

we  schall  f>at  Satnace  see  5,  3 
ho  is  a  6iurde  fall  ftry^te  72,  9 
f>er  is  no  buM  so  trade  3, 15. 

Man  wird  also  annehmen  müssen,   dals  die  Verse  richtig 
sind.     Wie  sind  aber  die  vier  Hebungen  zu  verteilen? 

Bei  den  zuerst  aufgeführten  Versen  wird  man  an  Kinder- 
reime erinnert  wie 

Hier  |  wohnt  ein  |  reicher  |  Mann, 
Der  I  lins  was  |  schenken  kann. 

Soll  man  daher  auch  skandieren 

He  is  a  Z>älefull  bkre  usw.? 

Ich  denke  nicht.  Das  Kinderlied  steht  unter  dem  Einflufs  der 
Melodie,  und  dabei  wird  der  natürlichen  Sprache  Gewalt  an- 
getan (vgl.  §  7).  Solange  aber  nicht  nachgewiesen  ist,  dafs 
das  Av.  für  den  Gesang  bestimmt  war,  können  wir  dieselbe 
Erklärung  für  die  ähnliche  auffällige  Versfüllung  in  diesem 
Gedicht  nicht  annehmen.  Sie  würde  den  persönlichen  Für- 
wörtern he,  hit,  ])ou,  ho  und  tve  und  dem  Pronominaladverb 
])er  zu  viel  Gewicht  geben,  da  sie  „beschwerte"  Hebungen 
bilden  würden;  und  ebenso  würden  in  den  Versen  he  is  mdsly 
meide  und  J)öu  schall  hdrmeles  he  und  2><^t  ho  schuld  hdrmeles 
he,  aufserdem  die  Hilfsverben  is,  schall  und  schuld  viel  zu  stark 
betont  sein.  Man  muls  vielmehr  anders  skandieren.  Man  ver- 
gleiche z,  B.  die  Tripletverse 

t6  no  leueänd  bärne  66, 14 
wip>  pe  priuänd  J^örne  23,  2 
töward  Cärlele  ryjte  40,  7 
fiilly  feftene  jere    Perc.  1581 
The  Kyng  had  ferly  päa  497 
amängez  üncöuthe  men  1047 
he  was  ane  ünhende  knäue  2094. 

Alle  diese  Verse  haben  vor  dem  einsilbigen  Reimwort  ein 
zweihebiges  (mit  sprachlichem  Nebentreff  auf  der  zweiten  Silbe), 
gerade  wie  die  meisten  der  oben  angeführten  fraglichen  Verse. 
Zum  Teil  können  sie  absolut  nicht  anders  skandiert  werden 
(z.  B.  ivip  Im  ])nudnd  ])örne).  Dazu  kommt,  dafs  nie  Verse 
vorkommen  wie  he  is  a  nohull  hiy^te;  mit  andern  Worten, 
würde  das  zweitletzte  Wort  durch  ein  anderes  ohne  sprach- 
lichen Nebenton   ersetzt,  so  wäre  der  Vers  zu  kurz.    Daraus 


615 

folgt,  (iafs  die  nebentonige  Silbe  eine  Hebung  trägt.     Es  mufs 

also  skandiert  werden: 

he  is  a  fcälefüU  bkve  3, 1 
he  is  Hi.äsly  »nide  3, 13  nsiv. 

Dazu  stimmt  die  Skansion  der  Schlulsverse  pat  gnscUch  geste 
Av.  7, 16;  pat  cömchjch  Imyght  Degr.  2, 4;  43,16  (§66).  In 
Übereinstimmung  mit  diesen  Versen  ist  der  syntaktisch  ganz 
gleich  gebaute  Tripletvers  Av.  ii^'l  pat  mi-cümly  cörse;  gegen 
die  Skansion  pdt  vn-cumJy  cörse  würden  die  in  §  71  erhobenen 
Bedenken  sprechen.  Bemerkenswert  ist  noch,  dals  dieser  Vers, 
wie  auch  die  zum  Vergleich  herangezogenen  Schlufsverse  und 
eben  behandelten  Tripletverse  he  is  a  hdlefidl  hdre  usw.,  wegen 
ihres  Inhalts  alle  sehr  nachdrücklichen  Vortrag  verlangen,  was 
durch  das  Zusammentreffen  der  drei  bezw.  vier  beschwerten 
Hebungen  aufs  beste  bewirkt  wird. 

Was  die  beiden  letzten  der  in  Frage  stehenden  Verse  be- 
trifft, so  zeigt  z.  B.  der  Tripletvers 

in  p»e  felde  so  bräde    Perc.  104,5, 

welcher  nicht  anders  skandiert  werden  kann,  dals  auch 
per  IS  no  6üll  so  fcräde    Av.  3,  15 

zu  lesen  ist;  und  Verse  wie 

he  säwe  a  füll  /"äire  st6de  Perc.  326 

lehren,  dals  im  Av. 

ho  IS  a  biarde  füll  bvfite  72,  9 

gelesen  werden  mufs.  i) 

Andrerseits  wird  in  V.  14,5  zu  skandieren  sein  did  ds  a 
düsty  knyste\  das  verlangt  die  Bedeutung  von  did  (=  'handelte') 
und  die  Alliteration.  Ebenso  56,  2  and  Jidde  ü  to  Jcechine,  wo 
hade  die  Bedeutung  'schaffte,  trug'  hat. 

Emphatische  Betonung  haben  die  beiden  Tripletverse  in 
folgenden  kraftvollen  Antworten  Gawaus: 

„i  M;ille  w'imdur-fäyne, 

Qucätt  schall  I  geue?"  24,  7  f. 
„I  äiii  wimdnr-fäyne, 

F6t  hur  föT  to  fi^te"  27, 3  f. 


^)  Vgl.  auch  die  Schlufsverse  o  well  gvirn  giise  Av.  2, 16  und  and 
s-^gth  füll  sdre   Degr.  78, 16  (§  66). 


616 

Dadurch  erklärt  sich,  dals  die  beiden  ersten  Worte  beschwerte 
Hebungen  bilden. 

Dasselbe   ist  wohl   auch   für  folgende  Verse  anzunehmen: 

He  häd  drede  and  rföute  12,  1 

He  ströke  him  sädde  and  söre  25,9.') 

Der  erste  dieser  Verse  bildet  einen  Strophenanfang ;  der  zweite 

steht   am  Beginn   eines  Strophenviertels.  2)     Ahnlich   heilst  es 

gewichtig  in  V,  44,  5  f. 

By  the  mässe  wässe  döne, 
Khy  cöme  hönae  sone. 

Dafs  der  Strophen-  und  Strophenviertelanfang  Einfluls  auf 
die  Betonung  haben  kann,  lälst  sich  auch  aus  folgenden  Bei- 
spielen folgern,  in  welchen  ein  Wort  geringen  Bedeutungs- 
inhaltes eine  beschwerte  Hebung  bildet: 

pen  vnsquarnt  Gäuän  9,1;  27,  1;  24,5 
pen  gerut  I  my  kuyjte  63,  9 
penne  vnsqaarnt  Kay  a-güyn  22,  5 
böthe  knyjte  and  squiere  48,  5 
sä  sömun  c6nne  pa  hie  25,5 
Ipeie  döwne  knelus  h6  15, 1. 

In  den  letzten  beiden  Beispielen  trägt  auch  die  ungewöhnliche 

Wortstellung  zur  stärkeren  Betonung  des  ersten  Wortes  bei.  3) 

Gesteigerte   Betonung   läfst    sieh   auch    sonst   bei   Beginn 

eines  neuen  Abschnittes   in   der  Erzählung  oder  überhaupt  im 

Anfang  eines  neuen  Satzes  beobachten,  der  eine  Wendung  oder 

etwas  Überraschendes  bringt: 

J>en  cärpüs  Sir  iTay  37,  2 

]?6n  löghe  pat  (iämesell  dere  33,2.*) 


1)  Vgl.  die  mhd.  Beispiele  bei  Kraus  §  38. 

0  Vgl.  Kraus  §  39. 

ä)  Vgl.  Kraus  §39. 

*)  Diese  Versantange  stehen  im  Gegensatz  zu  den  in  §  83  angeführten, 
wo  penne  (zusammen  mit  dem  Artikel,  z.  B.  in  dem  Verse  penne  pe  hilnter 
türnes  hötne  agäyne  8,  1)  unbetont  im  Auftakt  steht;  ebenso  zu  Fällen, 
wo  penne  allein  den  Auftakt  bildet  (z.  B.  in  V.  32,  5  pen)ie  Kay  tö  pe  king 
spdke).  Die  verschiedene  Verwendbarkeit  yon  penne  und  ähnlichen  Wörtern 
mit  wechselnder  Betonung  widerspricht  der  oben  versuchten  Erklärung 
nicht;  die  Fälle  mit  unbetontem  penne  bestätigen  sie  vielmehr.  In  diesen 
wird  die  Erzählung  einfach  fortgeführt,  während  penne  mit  beschwerter 
Hebung  das  Neue,  Wichtige,  Erstaunliche  usw.  wirkungsvoll  einführt.   Von 


617 

Unter  demselben  Gesichtspunkt  ist  vielleicht  der  auffällige 

zweite  Vers  im  Anfange  der  18.  Strophe  zu  betrachten : 

The  king  hase  fillut  his  a-vöwe;  — 
Of  Kky  cärpe  we  nowe. 

Emphatische  Betonung  liegt  sicher  bei  dem  steigernden  all 

vor  in  den  Versen 

all  lüröth  wex  pat  sqwyne  15,  5 
all  squitbe  to  pe  knyste  4'J,  10. 

Zuweilen   bringt   der    Dichter   die   Hilfsverben    ivolcl   und 

may  in  besehwerte  Hebung  (zwischen  zwei  anderen  Hebungen) : 

]>&  Wrd  Iküg  wüld  nöjte  48, 13 
qnen  I  ^ode  mäy  ^rete  9, 14 
h6  f>at  5'öde  mäy  ^ete  71,5. 

Der  erste  und  letzte  dieser  Verse  steht  zugleich  am  An- 
fang eines  Strophenviertels;  und  in  allen  dreien  wird  die  Be- 
schwerung von  tvoJd  und  may  durch  die  ungewöhnliche  Wort- 
stellung begünstigt  oder  geradezu  erst  ermöglicht. 

Dagegen  der  Vers  15,  9  />e  hjnge  my^te  liim  nogte  see 
dürfte  bei  natürlichem  Vortrag  nur  drei  Hebungen  haben;  nur 
dem  Versrhythmus  zu  liebe  hat  der  Dichter  ihm  vier  gegeben, 
vorausgesetzt,  dafs  er  getreu  überliefert  ist:  2>e  lynge  mygte 
hm  Hoste  see. 

Unklar  ist  der  Grund  für  die  Beschwerung  der  ersten 
Hebung  auch  in  dem  Vers  11,  3  dtte  his  hegynnyng\  wahr- 
scheinlich haben  wir  auch  hier  entweder  sinnwidrige  Rhythmi- 
sierung oder  falsche   Überlieferung  anzunehmen.     Ebenso   für 

folgende  Verse: 

als  fast  äs  he  mäy  46,  2 

als  squithur  päy  are  gäre  44,  3 

äs  pe  bore  häd  m6nte  13,9 

änd  cIqvlq  däd  in  st61e  38, 10 

änd  ^äfe  bim  ^iftus  ^rete  68, 15 

hitte  mendutte  all  oure  chere  71,10. 

100.  Im  allgemeinen  gelten  für  die  metrische  Verwendung 
des  sprachlichen  Materials  in  den  Tripletzeilen  natürlich  die- 
selben  Regeln   wie  in   den   Schlulszeilen   (vgl.  §  79).     Jedoch 


ähnlicher,  aber  geringerer  Wirkung  ist  einfach  betontes  penne  (vor  einer 
Senkungssilbe)  in  Versen  vfie  pmne pay  rode  to-gedur  ry^te  21,5;  36,9  usw. 


618 

bestehen  auch  Unterschiede.  Zweisilbige  Wörter  wie  stoJcJces, 
icontutte  usw.  können  auch  vor  einer  tonlosen  Silbe  einhebig 
gebraucht  werden  (siehe  die  Verse  mit  zwei  Senkuugssilben 
in  §  101).  Dasselbe  gilt  für  zweisilbige  Wörter  mit  schwerer 
Ableitungs-  oder  sonst  schwerer  zweiter  Silbe  (wie  rennyng^ 
lady  usw.)     Dies  wird  bewiesen  durch  Verse  wie 

\iQ  räclies  cöuma  rennyng  bim  by  7,  .5  (§  102  c) 
knyiie,  sqiiyer,  souian  ne  Ä:>jäue  47,  5. 

Beispiele  für  Herabdrückung  von  Vollwörteru  zu  Senkungs- 
silbeu  sind  lio  saijd  haue  sc  nöttc  sour  dune  quene  heVe  52, 13; 
1)6  länge  sonde  dfter  Bdwdewine  56,  3 ;  and  ivc  come  frö  Im 
fe^ting  65,13;  and  gife  vs  all  god  cnding  72,15;  oder  im 
Auftakt  lohe  fürst  qivdtt  hur  seluun  will  sdy  61,  6;  come 
preJvand  fast  dure  pe  iilde  40,3;  darin  bekundet  sich  die 
natürliche  Betonung  solcher  Wortgruppen  (vgl.  §  79  letzte  Fuls- 
uote).  Erst  recht  können  daher  Wörter  von  natürlicher  halber 
Stärke  in  die  Senkung  treten,  z.  B.  all  in  V.  61, 10  to  dö  all 
pdt  a  wöman  schild  fdll,  obwohl  auch  to  dö  all  pat  a  ivoman 
Schild  fdll  möglich  wäre  (§  102),  wenn  besonderer  Nachdruck 
auf  all  gelegt  werden  soll. 

Schwebende  Betonung  oder  Tonversetzung  kommt  im  An- 
fang und  Innern  des  Verses  nicht  vor;  es  heilst  immer  Gdican 
(27,10;  29,5;  32,3;  32,13),  rdwunsun  (29,15),  riall  (49,2), 
dügti  (1,6)  usw.,  oder  Odwdn  (28,5;  29,13;  31,2),  Odynöur 
(29,11),  CaWe7e  (34, 11;  40,7),  seVmce  (49,  2) ,  hünt mg  (2,7), 
hdrdy  (44,11),  hjndencsse  (2,6)  usw.  i)  Daher  muls  V.  35, 1 
mit  dreisilbigem  Auftakt  skandiert  werden  (§  84):  He  sayd, 
Meddme,  Gdivdn  gour  knygte  35, 1. 

Ob  der  Dichter  am  Versende  solche  Wörter  je  mit 
schwebender  Betonung  (und  einer  Hebung  auf  der  Reimsilbe) 
verwandt  hat,  ist  einigermalsen  zweifelhaft.  Auffällig  ist  zu- 
nächst, dals  französische  Lehnwörter  wie  plente,  2)dlmcre, 
rdwunsun,  renöwun,  2}'>'(^söivun  usw^  stets  zweihebig  sind. 
Denn  auch  V.  68, 5  ist  hede  hvinge  hred  pUnte  zu  skandieren,  i) 
da  hede  blols  aus  dem  vorhergehenden  Tripletverse  wiederholt 
ist  und  daher  wegen  seiner  geringen  Bedeutung  für  eine  be- 
schwerte Hebung  nicht  geeignet  wäre.    Blofs  hxinge  und  hxed 


^)  Vgl.  And  gestus  grete  plente  46,  6. 


619 

alliterieren.  Der  einzige  andere  fragliche  Vers  38,1  ist  am 
besten  zweimal  mit  zweisilbiger  Senkung  zu  lesen  (vgl,  §  102) : 
sisse  quod  pe  kmg,  on  J)at  cömdnde.  Dadurch  kommt  die 
Alliteration  zu  Gehör ;   und  es  bleibt  keine  Ausnahme  übrig,  i) 

Ferner  ist  zu  beachten,  dals  auch  Eigennamen  wie  Gaivan 
am  Ende  des  Verses  stets  zweihebig  sind.  Nur  din  zweifel- 
hafter Vers  (8,2)  begegnet,  wo  die  Skansion  l)e  king  adllut 
on  Sir  Oaudn  nahe  liegt.  Aber  auch  J)e  hing  cald"^)  6n  Sir 
Odudn  ist  möglich.  Bei  dieser  Skandierung  geht  allerdings 
die  Alliteration  verloren.  Nicht  ausgeschlossen  ist  aber  auch 
he  king  cdld  on  Sir  Odudn  (vgl.  §  101  b).  Am  wahrschein- 
lichsten ist  mir  jedoch,  dafs  Sir  zu  streichen  und  dafs  so  zu 
lesen  ist:  pe  king  edld  on  Gdudn.  Dann  ist  die  fragliche 
Betonung  von  Gaudn  und  ähnlichen  Eigennamen  aus  dem 
Gedicht  beseitigt.  3) 

Schliefslich  bleiben  noch  drei  Verse  mit  mygUj  und  squyftely 
am  Ende  übrig,  die  anscheinend  mit  schwebender  Betonung^) 
gelesen  werden  müssen: 

J?i  lädy  gert^)  me  (to"))  sauere  sgayftele  63,5 
i¥euealfe  was  ]?e  H/6re  »»y^ty  21,9 
gif  Jfenealfe  was  pe  möre  my^tie  2"),  7 

Bedenklich  ist,  dafs  bei  dieser  Skandierung  in  allen  drei 
Versen  die  Alliteration  des  letzten  Wortes  beeinträchtigt  wird. 
Ferner,  dafs  diesen  drei  Versen  überaus  zahlreiche  mit  der 
Betonung  squyftely  (35,  5),  hödy,  Iddy,  ivdrly,  slely,  hdrdi,  rcdie, 
dü^te  usw.  am  Schlufs  gegenüberstehen.  Daher  ist  es  viel- 
leicht das  beste,  im  ersten  Vers  dreisilbige  Senkung  anzunehmen 
(vgl.  §  104)  und  zu  lesen:  pi  Iddy  gert  me  sqiiere  sqny fiele, 
und  in  den  beiden  andern  Versen  pe  zu  streichen. 

Dadurch  käme  man  für  alle  behandelten  Wörter  zu  über- 
einstimmenden Regeln  fürs  Versinnere  und  Versende,  . 


1)  Im  Perc.   begegnet  dagegen  Knijght,  düke,   erle  and  baröun   135 
und  in  Sir  Eglamour  z.  B.  A  geant  häse  a  fdyre  forest  233. 

2)  Siehe  §  100. 

3)  Der  Schlufsvers  33,  4  God  and  Sir  Gawan  ist  bereits  in  §  55  ver- 
bessert. 

*)  Vgl.  dazu  Morsbach,  Mittelengliscbe  Grammatik  §  25. 

^)  Gret  in  der  Hs. 

®)  To  ist  zu  streichen,  siehe  §  100, 


620 

107.  Aus  Rücksicht  auf  den  beschränkten  Raum  und  die 
drängende  Zeit  muls  ich  es  mir  leider  versagen,  auf  einige 
andere  Dinge  einzugehen,  die  mit  der  in  diesem  Aufsatze  be- 
handelten Hauptfrage  zwar  im  Zusammenhang  stehen,  aber 
für  ihre  Lösung  entbehrlich  sind.  Es  lälst  sich  nicht  in  zwei 
"Worten  sagen,  inwieweit  sieh  mit  dem  niederen  Rhythmus  von 
vier  Hebungen  in  den  Tripletzeilen  und  dreien  in  den  Schlufs- 
zeilen  noch  ein  übergeordneter,  höherer  Rhythmus  (in  Dipodien) 
verbindet.  Gern  würde  ich  auch  den  Anregungen,  die  ich  den 
mehrfach  erwähnten  lehrreichen  metrischen  Untersuchungen 
von  C.  Kraus  verdanke,  noch  weiter  folgen  und  den  Einflufs 
der  Rhethorik  auf  den  Versbau  des  Avotvynge  vollständiger 
darstellen.  Ferner  bleibt  noch  der  Ursprung  des  Metrums  be- 
stimmter nachzuweisen  und  das  Verhältnis  der  Schweifreim- 
strophe zu  dem  Abgesang  der  dreizehnzeiligen  Strophe  der 
Aivntyrs  of  Ärther  und  ähnlicher  in  §  3  genannter  Gedichte 
festzustellen.  Der  Strophenbau  folgt  offenbar  fremden  Mustern ;  i) 
aber  die  Versbildung  ist  einheimischer  Art.  Auch  auf  die 
spätere  Geschichte  des  Metrums  kann  ich  nicht  mehr  aus- 
führlich eingehen,  die  jedenfalls  anders  aussieht,  als  Luick 
und  Schipper  sie  geschildert  haben.  Im  fünfzehnten  und 
sechzehnten  Jahrhundert  begegnen  wir  Schweifreimstrophen, 
die  auch  nach  ihrer  Ansicht  aus  „unzweifelhaft  vier-  und  drei- 
taktigen  Versen"  mit  geregeltem  Wechsel  von  Hebungs-  und 
Senkungssilben  bestehen,  und  ebensolchen  Abgesängen  (in  Ver- 
bindung mit  gereimten  Stabzeilen).  Sie  lassen  diese  vier-  und 
dreihebigen  Verse  aus  den  von  ihnen  angenommenen  früheren 
zweihebigen  entstehen;  wobei  es  zweifelhaft  bleibt,  wie.  Da 
das  Metrum  aber,  wie  oben  gezeigt  ist,  von  Anfang  an  vier- 
und  dreihebig  war,  so  brauchte  gar  kein  Wandel  dieser  Art 
einzutreten;  das  Metrum  blieb  vielmehr  dasselbe,  und  man 
veränderte  nur  die  Versfüllung,  indem  man  allmählich  regel- 
mälsiger  die  Senkungen  zwischen  den  Hebungen  durch  Silben 
ausfüllte.  2)     Das    ist   ein    Vorgang,    für   den   genug   englische 

')  Eine  nützliche,  übersichtliche  Darstellung  der  "History  and  Relations 
of  the  Tail-Rhyme  Strophe  in  Latin,  Freuch,  aud  English"  von  Caroline 
StroEg  ist  in  den  "Publications  of  the  Modern  Lauguage  Association  of 
America"  XXII,  371  flf.  erschienen. 

*)  Regelmäfsiger  ist  z.B.  der  Wechsel  zwischen  Hebungs- und  Senkungs- 


621 

und  deutsche  Parallelen  aus  früherer,  gleicher  und  späterer 
Zeit  bekannt  sind,  und  der  leicht  und  vollkommen  zu  begreifen 
ist,  zumal  auch  die  Ursachen  klar  am  Tage  liegen. 

108.  Mit  einem  kurzen  Rückblick  und  einer  Zusammen- 
fassung der  Gründe,  die  für  oder  wider  die  verschiedenen 
metrischen  Erklärungen  sprechen,  möge  die  Abhandlung 
schliefsen. 

Schipper  und  Luick  sind,  ohne  vorab  eine  vorurteils- 
freie Untersuchung  der  me.  Gedichte  anzustellen,  von  einer 
strittigen  Theorie  des  altenglischen  Alliterationsverses  aus- 
gegangen und  haben  sie  mit  einigen  dabei  notwendigen  Ände- 
rungen auf  den  me.  Stabvers  übertragen  und  von  da  auf  die 
Schweifreimstrophe  des  Avoivynge  usw.  Kost  er  ist  ihnen 
darin  gefolgt;  er  hat  sich  freilich  bei  der  Anwendung  der  Theorie 
auf  das  von  ihm  herausgegebene  Gedicht  veranlafst  gesehen, 
in  den  Tripletzeilen  eine  Weiterentwicklung  zu  einem  drei- 
hebigen  Metrum  anzunehmen.  Auch  Trautmanns  Verfahren 
ist  dasselbe  gewesen ;  nur  ist  er  von  einem  andern  ae.  Metrum 
ausgegangen,  das  auch  er  den  me.  Verhältnissen  entsprechend 
umgestalten  mulste.  Bei  allen  diesen  Versuchen  ist  die 
historische  Ableitung  und  Deutung  der  Feststellung  des  Tat- 
bestandes und  seiner  genauen  Prüfung  vorausgeeilt;  und  sie 
besafsen  daher  keine  allgemein  überzeugende  Kraft.  Höchstens 
konnte  dem  einen  oder  andern  Systeme  eine  gröfsere  oder 
geringere  Wahrscheinlichkeit  zuerkannt  werden;  und  selbst 
der,  bis  zu  einem  gewissen  Grade  für  jedes  der  drei  Systeme 
(von  Luick  und  Thomas,  von  Trautmann  und  seineu 
Schülern,  und  von  Kost  er)  gelieferte  Nachweis  der  Durch- 
führbarkeit liefs  die  Unsicherheit  weiter  bestehen. 

Aus  der  vorliegenden  Untersuchung,  die  blofs  auf  einer 
vorurteilslosen  und  genauen,  vergleichenden  Analyse  eines 
leicht  und  sicher  deutbaren  Tatsachenmaterials  beruht,  wie  es 


Silben  im  Sir  Eglamour.  Beiläufig  gesagt,  begegnen  in  der  ersten  Strophe 
zwei  Verse,  die  auch  in  der  ersten  Strophe  des  Äv.  stehen,  und  bezeichnender- 
weise sind  sie  silbenreich: 

Änd  giff  pam  joye  pat  will  here 
Of  eldyrs  pat  byfore  us  were. 

Das  Gedicht  hat  überhaupt  offenbar  vier-  und  dreitaktige  Verse, 


622 

in  der  wechselnden  Gestalt  der  VersfUllung  eines  einzigen 
Gedichts  gegeben  ist,  haben  sieh  so  viele  Gründe  für  eine 
Theorie  und  so  viele  gegen  die  andern  ergeben,  dafs  Zweifel 
über  das  zugrunde  liegende  Metrum  wohl  nicht  länger  bestehen 
können. 

Schipper  und  Luick  haben  sich  einfach  geirrt,  als  sie 
feststellen  zu  können  glaubten,  dafs  sich  die  Tripletverse  durch 
gröfsere  Zahl  der  Senkungssilben  von  den  Schlufsversen  unter- 
schieden ;  oft  ist  das  Gegenteil  der  Fall  (§§  6  u.  96). 

Luick  hat  sich  auch  geirrt,  als  er  die  Tripletverse  für 
„nichts  anderes  als  erste  Halbzeilen"  und  die  Schlulsverse  für 
zweite  Halbzeilen  erklärte  (§  95).  Seinen  Ausführungen  im 
12.  Bande  der  Anglia  liegt  der  Gedanke  zugrunde,  dals  die 
erste  und  zweite  Halbzeile  und  „also"  auch  die  Triplet-  und 
Schlulsverse  „verschiedenen  Baues"  seien;  das  ist  aber  bei 
seiner  Theorie  nicht  durchaus  der  Fall,  wie  er  selber  im 
11.  Bande  derselben  Zeitschrift  für  die  Alliterationsdichtung 
dargetan  hatte.  Er  und  Schipper  haben  diesen  Umstand 
aufser  acht  gelassen;  um  so  leichter  mulsten  sie  zu  falschen 
Schlüssen  und  Versregeln  gelangen. 

Nach  ihrer  Theorie  sollen  die  Kurzverse,  wie  der  Stab- 
vers, „nicht  taktierende  Sprechverse"  sein,  mit  sehr  freier 
Verteilung  von  Hebungen  und  Senkungen.  Aber  aus  der 
oben  gebotenen  genaueren  Untersuchung  hat  sich  ergeben,  dafs 
die  Kurzverse  in  Wirklichkeit  doch  aus  gleichen  Takten  be- 
stehen. Die  zugrunde  liegenden  „Verstypen"  sollen  dieselben 
oder  ähnliche  sein  wie  die  von  Sievers  fürs  Ae.  aufgestellten 
(unter  Ausschlufs  der  Typen  D  und  E  und  zum  Teil  eines  Ci 
genannten  Typus  xx--);  es  ist  aber  nicht  ersichtlich,  wie 
die  Dichter  nach  solchen  Typen  hätten  Verse  schreiben  können, 
da  darin  kein  brauchbares  Arbeitsschema  zu  erkennen  ist; 
noch  weniger  begreift  mau,  wie  die  angenommenen,  aus  un- 
gleichen Einheiten  zusammengesetzten  Typen,  trotz  ihrer  un- 
übersichtlichen Vielgestaltigkeit,  und  obwohl  sie  kein  einfaches, 
unmittelbar  fafsliches,  in  sich  geschlossenes,  leicht  erinnerliches 
System  bilden,  von  Generation  auf  Generation  vererbt  werden 
konnten.  Um  diese  Schwierigkeiten  richtig  einzuschätzen, 
vergleiche  man  damit  das  nach  allgemeiner  Auffassung  vier- 
taktigQ  Metrum   des   nationalen  Reimverses,   wo  sie  nicht  be- 


623 

stellen.  Sie  schwinden  aucli  bei  der  Sehweifreimstrophe  sofort 
bei  Annahme  desselben  Metrums,  bezw.  eines  dreitaktigen  in 
den  Schlufsversen.  Nach  diesem  Metrum  ist  leicht  zu  arbeiten, 
und  es  erbt  sieh  endlos  fort.  Nur  hierbei  hat  jede  der  beiden 
Versarten,  aus  denen  die  Schweifreimstrophe  besteht,  in  allen 
Versen  gleiches  Mafs  und  gleichen  Khythmus,  was,  wie  oben 
mehrfach  gezeigt  ist,  bei  der  Zweihebungstheorie  keineswegs 
der  Fall  ist. 

Die  Zweihebungstheorie  hat  noch  andre  Mängel.  Es  hat 
sich  gezeigt,  dafs  sie  keinen  durchgreifenden  Unterschied 
zwischen  den  Triplet-  und  den  Schlufszeilen  anzugeben  ver- 
mag; dafs  sie  zu  Änderungen  der  Überlieferung  (wie  im 
PercevaU  §  7)  nötigt,  die  bei  genauerem  Zusehen  mifsbilligt 
werden  müssen;  dafs  sie  häufig  die  otFenbar  beabsichtigte 
Wirkung  der  Alliteration  vereitelt;  dafs  des  Reimes  wegen 
prinzipwidrige  Auskunftsmittel  gesucht  werden  müssen  (§  58 ff.); 
dafs  die  Versbetonung  sehr  oft  der  natürlichen,  sinngemässen 
Betonung  in  unerträglicher  Weise  zuwider  geht,  so  dafs  ein 
leeres  Geplapper  entsteht;  dafs  bei  sehr  vielen  Versen  zweifel- 
haft bleibt,  wie  sie  zu  skandieren  sind;  und  dafs  bei  anderen 
arge  Ungeheuer  von  rhythmischen  (oder  vielmehr  unrhyth- 
mischen) Gebilden  herauskommen.  Alle  diese  Mifsstäude  ver- 
schwinden beim  Skandieren  mit  vier  bezw.  drei  Hebungen: 
Es  ergibt  sich  damit  ein  einfacher,  durchgehender  Unterschied 
zwischen  den  beiden  Versarten;  die  Überlieferung  bleibt  ge- 
wahrt; die  Alliteration  kommt  zu  ihrem  Recht;  die  Reim- 
wörter machen  keine  Schwierigkeiten;  das  Skandieren  ist 
leicht  und  ergibt  gefällige  Verse;  und  da  die  Versbetonung, 
auch  in  feineren  Unterschieden,  mit  der  natürlichen  Betonung 
übereinstimmt,  so  erlaubt  sie  durchweg  sinnentsprecheudeu 
Vortrag,  ja  oft  Hervorbringen  besonderer  deklamatorischer 
Wirkungen,  die  beim  Lesen  mit  nur  zwei  Hebungen  nicht  zu 
erzielen  sind. 

Überdies  hat  die  genaue  Analyse  des  in  den  Versen  des 
Av.  enthaltenen  sprachlichen  Materials  eine  grofse  Menge  von 
Tatsachen  zutage  gefördert,  die  sich  in  strenge  Regeln  fügten. 
Sie  bestanden  in  Feststellungen  inbezug  auf  die  Silbenzahl, 
die  Zahl  der  natürlichen  Tonsilben  und  die  Anordnung  natür- 
lich betonter  und  tonloser  Silben  —  alles  sowohl  in  den  Schlufs- 


624 

wie  den  Tripletversen ;  —  ferner  in  der  Feststellung  des  Ver- 
hältnisses dieser  beiden  Versarten  inbezug  auf  jene  drei  Dinge. 
Die  so  unter  Regeln  geordneten  sprachlichen  Tatsachen  wiesen 
in  allen  Fällen  auf  6ine  bestimmte  metrische  Auslegung,  und 
zwar  so,  dafs  sich  die  Annahme  von  drei  bzw.  vier  Hebungen 
als  die  einzige  mögliche  Erklärung  von  selber  ergab.  Denn 
weder  mit  Luicks  oder  Schippers,  noch  mit  Kösters  Theorie 
liefsen  sich  die  befolgten  Regeln  rationell  begründen;  ja  bei 
Skandierung  nach  diesen  Theorien,  die  nur  gröbere  sprachliche 
Unterschiede  berücksichtigen,  kommen  viele  von  den  doch 
zweifellos  bestehenden  feineren  Regeln  gar  nicht  zum  Vorschein. 
Andererseits  erwiesen  sich  gerade  diese  Regeln  als  von  be- 
sonderem Nutzen  für  die  Wiederherstellung  der  Sprache  des 
Dichters,  was  für  die  geplante  kritische  Ausgabe  des  Gedichts 
erhebliehe  Bedeutung  haben  wird. 

Kurz,  die  hier  methodisch  erschlossene  Theorie  ist  den 
andern  in  jeder  Hinsicht  überlegen;  für  sie  spricht  alles,  gegen 
sie  nichts. 


Neue  Beiträge 


zur  Erziehung"  der  angelsächsischen 
adehgen  Jugend. 


Von 


Fritz  Roeder. 


Dieser  Beitrag  konnte  wegen  Überlastung  des  Verfassers  mit 

Berufsgeschäften  nicht  rechtzeitig  fertig  gestellt  werden  und 

erscheint  deshalb  in  Kürze  separat. 


Studien  z.  engl.  Phil.    li.  40 


Chaueer's  religiöse  Grundstimmung* 
und  die  Echtheit  der  Parson's  Tale. 


Eine  textkritische  Untersuchung 


von 

Heinrich  Spies. 


Inhalt. 

Seite 

Benutzte  Literatur 627 

Abkürzungen 627 

A.  Einleitung 628 

I.   Zur  Einführung .  628 

II.  Chaueer's   religiöse   Grundstimraung   und   die  Parson's  Tale 
im   Spiegel   der   Literaturgeschichte    und   wissenschaftlichen 

Forschung 629 

III.  Methodische  Behaudlung  der  Frage 647 

B.  Hauptteil:    Die  Erzählung  des  Pfarrers 653 

I.   Zur  Einführung 653 

IL   Die  Bufspredigt  ein  einheitliches  Werk? 655 

III.   Die  Einheit  und  Echtheit  der  ganzen  Parson's  Tale  ....  ti61 

a)  Vorbemerkungen 661 

b)  Chaucer  der  Verfasser  der  Bufspredigt  und  des  Sünden- 
traktats    662 

u)  Negative   Beweise    (Kritik  der  gegen   die   P.  T.   er- 
hobenen Einwände) 662 

ß)  Positive  Beweise 676 

a^)  Methodische  Grundsätze 676 

b')  Quelleukriterien 679 

ci)  Andere  Kriterien 710 

y)  Ergebnis 717 

c)  Bufspredigt   und   Sündentraktat  von  Chaucer  zur  P.  T. 
vereinigt? 717 

C.  Schlufsergebnis 720 


i 


Benutzte  Literatur 


Eine  Aufzählung  der  für  diese  Untersuchung  benutzten  Literatur 
würde  einen  Band  für  sieh  füllen  und  mufs  daher  unterbleiben. 

Bis  zum  Jahre  1907  einschliefslich  steht  jetzt  fast  alles  in  Miss 
E.  P.  Hammond's  Chaucer  A  bibliographical  Manual.  New  York  IPOS; 
doch  ist  z.B.  mein  auf  S.G'29  erwähnter  für  die  P. T.  in  Betracht  kommender 
Artikel  über  die  „Retractatio"  vergessen.  Aus  Miss  Caroline  F.  B.  Spu r- 
geon's  Werk  (Ch.  devant  la  critique  en  Angleterre  et  en  France  depuis 
son  temps  jusqu'ä  nos  jours.  Paris  1911)  habe  ich  nach  den  voran- 
gegangenen Arbeiten  dieser  Art  keinen  nennenswerten  Nutzen  für  meine 
Zwecke  ziehen  können. 

Die  anderen  neueren  Arbeiten  sind  aus  dem  Germ.  Jahresbericht 
und,  soweit  dieser  noch  nicht  erschienen  ist,  aus  den  laufenden  Zeitschriften 
leicht  zu  entnehmen.  Von  besonderem  Wert  sind  ferner  die  gelegentlichen 
Gesamtübersichten  über  den  jeweiligen  Stand  der  Chaucer-Forschuug  oder 
über  Neuerscheinungen  von  der  Hand  John  Koch 's  (so  in  den  Ergeb- 
nissen und  Fortschritten  der  germanistischen  Wissenschaft  S.  411  — 419;  Ver- 
handlungen des  9.  Neuphilologentags  zu  Hannover  1901  S.  117 — 12S;  GRM. 
1,490—507;  Anglia,  Belbl.  XXII,  265— 282;  ESt.  XXXVII,  223— 240;  ib. 
46,  98  —  114  etc. 

Häufiger  zitierte  Werke  und  Artikel  sind  in  der  Abhandlung  selbst 
genau  zitiert. 


Abkürzungen. 


C  =  Ms.  Bodl.  923  The  Clensyng  of  Mannes  Sowie. 

F  =  Frere  Lorens,  Somme  des  Vices  et  des  Vertues. 

P  =  Guilelmus  Peraldus,  Summa  seu  Tractatus  de  Viciis. 

P.  T.  =  Chaucer's  Parsou's  Tale. 

R  =  Raymimd  von  Pennaforte,  Summa  casuum  poenitentiae. 

Die  sonst  gebrauchten  Abkürzungen  sind  bekannt. 


40  ^ 


A.  Einleitung. 


I.   Zur  Einführuug. 

Über  die  Stellung,  die  Chaueer  religiösen  Fragen  und  ins- 
besondere der  katholisclien  Kirche  gegenüber  eingenommen 
hat,  ist  zwar  im  Lauf  der  Zeit  vielerlei  vermutet  und  be- 
hauptet worden,  aber  nirgends  hat  dieses  Problem  bis  heute 
eine  allseitig  befriedigende  Lösung  erfahren. 

Das  liegt  teils  an  dem  Material,  auf  das  wir  uns  stützen 
könnten,  teils  an  der  von  Dilettanten  und  Philologen  hierbei 
bisher  befolgten  Methode. 

Die  aus  dem  Leben  des  (weltliehen!)  Dichters  Chaueer 
durch  Urkunden  bekannten  Tatsachen  bieten  in  dieser  Be- 
ziehung ja  kaum  einen  Anhaltspunkt,  und  auch  die  Rück- 
schlüsse, die  man  aus  ihnen  zu  ziehen  versucht  sein  könnte, 
sind  recht  unsicherer  Natur.  Wie  Ereignisse  und  Beziehungen 
im  Leben  des  Dichters  sind  seine  Werke  nach  verschiedenen 
Richtungen  hin  ausgelegt  und  vielfach  mifsdeutet  worden.  So 
beruhen  die  meisten  der  früheren  falschen  oder  schiefen  Urteile, 
besonders  der  Puritaner,  die  den  Dichter  ihren  parteireligiösen 
Zwecken  nutzbar  zu  machen  suchten, ')  überhaupt  auf  der  irr- 
tümlichen Annahme  der  Echtheit  mehrerer  später  von  der 
Kritik  als  unecht  ausgeschiedenen  Dichtungen,  wie  des  Testa- 
ment of  Love,  der  Plotvman^s  Tale  u.  a.  m.,  oder  auf  einseitiger 
Beurteilung  und  Verkennung  von  Chaucer's  gelegentlichen  Be- 
merkungen über  gewisse  unerfreuliche  Erscheinungen  im  Leben 
der  niederen  Geistlichkeit.-)    Aber  auch  in  neuerer  Zeit  hat, 


0  Vgl.  dazu  T.  R.  Lounsbury,  Studies  in  Chaueer.  New  York  1892. 
Vol.  II 4Ö5  flf. 

^)  Nicht  der  hohen  Geistlichkeit,  wie  Chaueer  überhaupt  die  sozial 
höchsten  Klassen  (Adel  und  Hof)  schonte;  vgl.  W.  Ewald,  Der  Humor 
in  Ch.'s  CT.  (Morsbachs  Studien  45).    Halle  1911.    S.  71f.  und  74. 


629 

wie  das  Beispiel  von  Simon  (1876;  s.u.)  zeigt,  vor  dem  Er- 
scheinen des  Six-Text  Print  der  Parson's  Tale  (1877)  ein 
nicht  verläfslicher  Text  einige  Forscher  auf  falsche  Fährte 
gelockt  und  in  einer  aus  anderen  Gründen  einigerraafsen 
wahrscheinlichen,  aber  doch  irrtümlichen  Meinung  bestärkt. 

Ebensowenig  wäe  das  bisher  herangezogene  Material  immer 
ganz  verläfslich  war,  war  die  angewandte  Methode  ganz 
einwandfrei.  Gerade  die  Individualisierungskunst  Chaucers 
schafft  hier  insofern  grofse  Schwierigkeiten,  als  viele  Stellen 
an  und  für  sich  eine  mehrfache  Deutung  zulassen.  Diesen 
Stellen  können  wir,  wie  unten  in  der  Einleitung  unter  III  und 
im  Hauptteil  B  unter  III  b  (9  auseinandergesetzt  ist,  m.  E,  nur 
auf  andere  Weise  beikommen,  indem  wir  in  jedem  Einzelfall 
auf  die  Quellen  zurückgehen  und  die  Vergleiche  kombinieren. 

Wer  sich  mit  Chaucers  religiösen  Anschauungen  befassen 
will,  hat  zunächst  als  Grundfrage  zu  beantworten:  War  unser 
Dichter  sein  er  religiösen  Grund  Stimmung  nach  Katholik 
oder  AVicliffit?  Und  diese  Frage  ist,  wie  schon  die  bis- 
herige Forschung  mit  Kecht  hervorgehoben  hat,  von  der  Be- 
urteilung der  Parson's  Tale  hinsichtlich  ihrer  Echtheit 
abhängig.  Dies  ist  der  Gegenstand  der  folgenden  Unter- 
suchung, 1) 

II.    C'haucer's  religiöse  Orundstimmuug  und 

die  Parson's  Tale  im  Spiegel  der  Literaturgeschichte 

und  wissenschaftlichen  Forschung. 

Um  einen  Ausgangspunkt  für  die  weitere  Erörterung  zu 
gewinnen,  ist  es  zunächst  nötig,  die  bisherige  Forschung  in 
ihrem  Gange  und  ihren  Ergebnissen  kurz  zu  skizzieren.  Bei 
der  Bedeutung,  die  ein  genauer  Überblick  für  einen  Dichter 
wie  Chaucer  haben  mufs,  halte  ich  es  für  angebracht,  dabei 
bis  auf  die  älteste  Zeit  surückzugehen  und  möglichst  alle  er- 
reichbaren   Aufserungen    und    Urteile,    soweit    sie    mir    bei 


^)  Andeutungen  darüber  habe  ich  an  folgenden  Stellen  gemacht: 
Herrig's  Archiv  108,430  —  435  (Kritik  von  Miss  K.  Oelzner-Petersen, 
The  sources  of  the  P.  T.  Boston  1901);  Herrig's  Archiv  110,130—132 
(Bericht  über  einen  Vortrag);  Adolf  Tobler-Festschrift.  Braunschweig 
1905.    S.  383  —  394  (Über  „Chaucer's  Retractatio"). 


C30 

kritischer  Botraclitung  von  Interesse  und  Wert  erschienen, 
im  folgenden  mitzuteilen. 

Von  Chaueers  Freunden  und  Schülern  ist  keine  dies- 
bezügliche Bemerkung  überliefert.  —  Ebenso  schweigt  sich 
sein  erster  Biograph  Lei  and  (gest.  1552)  in  seinem  sonst 
recht  ansehnlichen  Artikel  über  diese  Seite  des  Dichters  völlig 
aus.  Zwar  nennt  er  ihn  einen  „gravis  j^hilologus'"'  und  „sandus 
ihcologus"/)  eine  Bezeichnung,  die  in  gleicher  oder  ähnlicher 
Form  von  zahlreichen  späteren  Biographen^)  übernommen 
worden  ist,  aber  das  ist  auch  alles;  denn  die  Ansicht,  dals 
Chaucer  Piers  Ploughman's  Vision  gesehrieben  habe,  die  „multos 
sacerdotum  mores  vehementer  increpavit''^  gibt  er  ganz  objektiv 
ohne  Kommentar  wieder.  —  Bei  dem  Nachfolger  Lelands,  bei 
Joh.  Bale^)  finden  wir  schon  eine  subjektive  Auffassung; 
das  einzige  Interesse,  das  er  an  Chaucer  nahm,  entsprang  aus 
dessen  vermeintlicher  Feindschaft  gegen  die  katholische  Kirche: 

„Aliasque  phira  fecit,  in  quibus  monachornm  ocia,  missantium  tarn 
raagnam  multitudinem ,  horas  non  intellectas,  reliquias,  peregrinationes,  ac 
ceremonias  parum  probavit"  (a.  a.  0.  S.  526). 

Deutlich  spricht  sich  zuerst  Speght  in  der  seiner  Aus- 
gabe (1598)  vorangeschiekten  Lebensbeschreibung  Chaueers  aus, 
wenn  er  von  dessen  Studium  spricht,  zusammen  mit  „John 
WicJcelife,  ivhose  opinions  in  religion  he  much  a/feded".  — 
Hierauf  fulst  Will.  Winstanley,  Englands  worthies  (Lo.  1660), 
der  sein  Urteil  auf  die  vermeintliche  Echtheit  des  Testament 
of  Love  und  der  Plowman's  Tale  stützt,  wenn  er  S. 92  sagt: 

„Eis  (d.h.  Chaucer's)  Education,  as  Leland  writes,  was  in  both  the 
Universities  of  Oxford  and  Cambridge  ...  in  Oxford,  with  John  Wicliffe, 
whose  opinious  in  religion  he  uanch  aifected:  For  who  shall  read  bis 
Works,  will  finde  him  not  covertly,  but  with  füll  month  to  cry  out  against 
the  vices  and  enorm ities  of  the  Priests  in  those  times.  Ilear  him  in  the 
Ploughmans  tale." 


')  Commentarü  de  Scriptoribus  Britannicis.     Oxford  1709.    S.  419. 

^)  So  von  Joh.  Bale,  Scriptoram  illustrium  maioris  Brytannie  .  .  . 
Catalogus.  Basileae  1557;  von  Joh.  Pits  (um  1G16),  Relationum  Histori- 
carum  de  Rebns  Anglicis.  Parisiis  J(il9.  (Wortlant  beider  bei  Ilammond 
S.  8  —  IT);  von  Thomas  Pope  Blount,  Censura  celebriornm  authornm  etc. 
Genevae  169G.  S.  443f.;  Speght  1598  imd  von  ihm  abschreibend:  William 
Winstanley  16ST,  Giles  Jacob  1720  U.A. 


631 

oder   wenn   er  S.  98  Cbaueers   mit  Recht  angezweifeltes  Ren- 

contre  mit  dem  Frauziskanermöncli  erzählt  und  dazu  bemerkt 

„Geofery  Chaucer,  no  friend  to  the  covetous  and  leacherons  Clergy-men 
of  those  times." 

Dieser  Standpunkt,  bald  mehr  bald  weniger  schroff  betont, 

war   der   der  Puritaner   seit   dem    16.  Jahrhundert   (vgl.   dazu 

auch    T.  R.  Lounsbury   a.a.O.   II  461  ff.).     So    heilst   es   in 

Thomas  Füllers   Church  History  of  Britain  (Ausgabe  London 

1842.    Vol.  I,  S.  469): 

„I  find  this  Chancer  fined  in  the  Temple  two  Shillings  for  striking  a 
Franciscan  friar  in  Fleet-street;  and  it  seems  bis  hands  ever  after  itched  to 
be  revenged,  and  have  his  penoyworths  oiit  of  them;  so  tickling  religious 
Orders  with  his  tales,  and  yet  so  pinching  them  with  his  truths,  that  friars, 
in  readiug  his  books,  know  not  how  to  dispose  their  faces  betwixt  crying 
and  laughing." 

Ihren    charakteristischen   Ausdruck    fand    die   Auffassung 

der  Puritaner  in  John  Foxe's  Actes  and  Monumentes,  wo  es 

nach  der  Ausgabe  von  1576  S.  812  heilst: 

„Thys  I  meruail  to  see  the  idle  lyfe  of  the  priestes  and  clergymen 
of  that  tyme,  seyng  these  lay  persones  shwed  themselnes  in  these  kynd 
of  liberall  studies  so  industrions  &  fruitfiilly  occupied;  but  much  more  I 
maruell  to  cousider  this,  how  that  the  Bishops  conderaning  and  abolishing 
all  maner  of  english  bookes  and  treatiscs  which  might  bring  the  people 
to  auy  light  of  knowledge,  did  yet  anthorise  the  woorkes  of  Chaucer 
to  reniajme  still  and  to  be  occupied :  ^)  Who  (no  doubt  saw  in  religion 


')  Bekanntlich  wurden  Chaucers  (und  Gowcrs)  Werke  bei  der  Aus- 
führung der  Parlamcntsakte  vom  Jahre  1546  unter  Heinrich  VIII.,  die  zur 
Förderung  der  wahren  Religion  die  Vernichtung  kirchenfeindlicher  Werke 
anordnete  (..For  the  Advancement  of  true  Religion"),  ausdrücklich  aus- 
genommen, da  sie  nichts  als  „fahles"  seien.  Vgl.  dazu  auch  die  Bemerkung 
Thyune's  über  eine  Chaucers  Werke  betretfeude  Parlamentsäul'seruug 
(Animaduersions  ed.  Chaucer  Society  Series  II 13,  S.  10).  Der  Ausdruck 
„Canterbury  Tale"  wurde,  wie  man  weifs,  für  eine  Zeit  die  Bezeichnung 
für  eine  unwahrscheinliche  Geschichte.  Typisch  dafür  ist  eine  Aufserung 
des  Erzbischofs  Cr  an  m  er,  die  mir,  ich  weifs  nicht  woher,  zugeflossen  ist. 
Cranmer  spricht  einmal  (Miscell.  writings  and  letters  ed.  Parker  Soc.  21, 
S.  198)  vom  evangelium  und  sagt: 

„If  ive  takc  it  for  a  Canterbury  Tale  tchy  do  ive  not  refuse  it?  why 
do  ive  not  laugh  it  out  of  place,  and  rvhistle  at  it?  why  do  ive  with  ivords 
approve  it,  xoith  conscience  receive  and  alloiv  it,  give  credit  unto  it,  repute 
and  take  it  as  a  thing  most  true,  wholesome  and  godly,  and  i«  cur  living 
clearly  reject  it?" 


632 

as  much  almost  as  eueu  we  do  now,  &  vtteretb  in  his  works  no  lesse, 
and  seemeth  to  be  a  right  Wlcleulan,  or  eis  was  uever  any,  and 
tbat  all  hys  workes  almost,  if  tliey  be  throughly  aduised,  will  testifie, 
albeit  it  be  doue  iu  mirlh,  and  couertly)  and  especially  the  latter  ende 
of  bis  third  booke  of  the  Testament  of  loue:  for  there  pucely  he  toncheth 
the  highest  matter,  tbat  is,  tbe  communiou:  Wberin,  except  a  man  be 
altogetber  blynd,  be  may  espy  bym  at  tbe  fall.  Altbougb  in  tbe  same 
booke  (as  in  all  otber  be  vsetb  to  do)  vnder  sbadowes  couertly,  as  vnder 
a  visonr,  be  suborneth  truth,  in  such  sort,  as  botb  priuily  she  may  proOte 
tbe  godly  mynded,  and  yet  not  be  espied  of  tbe  erafty  adncrsary  and 
tberfore  tbe  bisbops  belike,  takyng  b!sworkos[!]  bnt  for  iestes  and  toyes, 
iu  condemning  otber  bookes  yet  permitted  his  bookes  to  be  red.  [Absatz!] 
So  it  pleased  God  to  blynd  tben  tbe  eies  of  tbem,  for  the  more  com- 
moditie  of  his  people,  to  tbe  entent  tbat  tborough  the  reading  of  bis 
treatises,  some  fruit  migbt  redound  tberof  to  bis  Cburch,  as  no  doubt,  it 
did  to  many:  As  also  I  am  partly  cnformed  of  certaine  wbicb  knewe  tbe 
parties,  wbich  to  tbem  reported,  tbat  by  reading  of  Cbaucers  works,  they 
were  brougbt  to  tbe  true  knowledge  of  religion  ...  [es  folgt  näheres 
über  die  Plowman's  Tale]." 

Diesen  von  flammender  Begeisterung  getragenen  Worten 
des  Eiferers  Foxe  liönnen  die  gleichgesinnten  Sätze  Henry 
Whartons  in  seinem  Lebensabrils  Chaiicers  zur  Seite  gestellt 
werden,  die  nach  der  (einzigen)  Handschrift  Lambeth  956  in 
Cave's  Scriptores  eeclesiastici  (aber  ungenau)  abgedruckt  sind. 
Nach  H.  J.  Todd  (Hlustrations  of  Chaucer  and  Gower.  Lo. 
1810,  S.  XXXVII)  sagt  er  von  Chaucer  u.  a.: 

„in  rebns  denique  tbeologicis  apprime  versatus,  de  qiiibus  acute  atqne 
crndite  saepius  disputat.  Sabtiliorem  etenim  Scholarum  disciplinam  probe 
noverat;  castioris  autem  Tbeologiae  studio  nullos  fere  non  sui  temporis 
Theologos  antecelluit [!] ,  Wiclefi  dogmata  ut  plurimum  secntus, 
et  infncatam  ac  genuinam  pietatem  sectatug.  Hinc  graviores  Ecclesiae 
Romanae  superstitiones  et  errores  acerbe  saepius  vellicat;  corruptam  in- 
eptissimis  commentis  disciplinam  ecclesiasticam  luget;  Cleri  luxnriam  et 
ignaviam  castigat;  in  Ordines  autem  Mendicantes  projectissimo  ubique 
odio  invebitur,  quorum  hypocrisin  ambitionem,  aliaque  vitia  turpissima, 
aliquoties  data  opera,  nuUibi  vero  non  oblata  quavis  occasione,  acerrime 
insertatur." 

Weniger  stürmisch  und  wesentlich  vorsichtiger,  wenn  auch 
ebenfalls  bis  zu  einem  gewissen  Grade  von  falscher  Voraus- 
setzung ausgehend,  äulsert  sich  Dryden  im  Vorwort  zu  seinen 
Fahles,  Lo.  1700  (nicht  paginiert): 

„As  for  the  religion  of  our  Poet,  be  seems  to  have  some  little  Byas 
towards   the   Opinions   of  Wickliff,   after  John   of  Ghant  his   Patron; 


633 

somewhat  of  which  appears  in  the  tale  of  Piers  Plovvman:  Yet  I  cannot 
blame  Iiim  for  inveighing  so  sharply  agaiust  the  Vices  of  the  Clergy  in 
his  Age:  Their  Pride,  their  Ambitiou,  their  Pomp,  their  Avarice,  their 
Worldly  Interest,  deserv'd  the  Lashes  whish  he  gave  them,  both  in  that, 
aud  iu  most  of  his  Cauterbury  Tales:  Neither  has  his  Coutemporary 
Boccace  spar'd  thein.  Yet  both  those  Poets  liv'd  iu  much  esteem,  with 
good  aud  holy  Men  iu  Orders:  For  the  Scaudal  which  is  given  by  parti- 
cular  Priests,  reflects  not  on  the  Sacred  Function.  Chancer's  Mouk,  his 
Chanon,  and  his  Fryar,  took  not  from  the  Character  of  his  Good  Parson. 
A  Satyrical  Poet  is  the  Check  of  the  Laymeu  on  bad  Priests.  We  are 
ouly  to  take  care,  that  we  involve  not  the  Innocent  with  the  Guiity  in 
the  same  Condemnation."  Dieser  Gedanke  wird  dann  weiter  ausgeführt 
und  durch  Vergleiche  erläutert. 

Wie  Diydens  Urteil  basiert  auch  das  Miltons  auf  der 
Plowman's  Tale  (vgl.  Prose  Works,  ed.  Cb.  Symmons,  Lo.  1806, 
1,33  f.). 

Jobn  Dart  (oder  Will.  Tbomas;  vgl.  Hammond  S.  37),  der 
Verfasser  des  Lebens  Chaucers  in  Urrys  Ausgabe,  Lo.  1721, 
mied  eiuen  Teil  der  falschen  Voraussetzungen  seiner  Vorgänger, 
wie  z,  B.  Drydens,  indem  er  die  Plowman's  Tale  und  Jack  Up- 
land  aus  Chaucers  Werken  ausschied,  während  er  sich  andrer- 
seits dessen  Urteil  zu  eigen  machte: 

„. . .  that  he  (Chaucer)  was  a  Fanourer  of  the  Lollards  (as  were 
likewise  most  of  his  friends,  and  particularly  Occleve)  is  evident  from 
several  places  in  his  Writings  where  he  bittcrly  inveighs  against  the 
Priests  andFryers:  Not  that  he  disliked  all  ofthat  order;  for  he  mentions 
Fryer  John  Some  and  Fryer  Nicholas  Leune,  or  Lynne,i)  with  respect 
calling  them  Eeverent  Clerkes,  and  expresscs  his  regard  for  the  secular 
Clergy  who  lived  up  to  their  Profession  iu  his  Description  of  the  Parson. 
Nor  was  he  disesteemed  by  the  Clergy  of  those  times;  Lidgate,  who 
was  a  Mouk  of  St.  Edmoudsbnry  and  several  others  entertaining  a  great 
reverence  for  him,  and  speaking  of  him  with  the  ntmost  respect:  Nor 
was  he  less  esteemed  by  Gower,  tho'  a  violent  Bigot  to  the  Church  of 
Eome,  aud  a  perpetual  exclaimer  against  Wicliffe  and  his  FoUowers" ; 
und  au  anderer  Stelle: 

„There  can  be  no  doubt  of  Chaucer's  intimacy  with  Wicliffe;  being 
probably  of  the  same  College  with  him ,  a  Follower  of  his  Opinious,  aud 
both  Retainers  to  the  Duke  of  Lancaster." 

Von  Wichtigkeit  sind  hier  besonders  die  Hinweise  auf 
Gower  und  Lydgate. 

Colley  Cibber   (The  Lives  of  the  Poets,  Lo.  1753),   der 
1)  Vgl.  Astrolabe  Prol.  62. 


634 

sich   sonst  in   seinen  Aus  füll  rimgeu   bauptsäcblieb  auf  Leland, 
Speght  und  Tbynne  stützt,  sagt  I,  12: 

„Gowcr,  Occleve,  Lidgate,  Wickliffe  teere  great  admirets,  an  parti- 
ciliar  fricnds  of  Chaucer", 

ein  Urteil,   das   sieb   ansebeinend   auf  dessen  Verbindung  mit 

dem  Duke  of  Laneaster,  dem  Patron  Wiclifs,  gründet.  —  Dem 

■würden    wir    dann    die    Bemerkung    in    Jobn    Berkenbout's 

Biograpbia  Literaria,  Lo.  1777,  an  die  Seite  stellen  können,  wo 

es  1,310  beifst: 

„Tlis  satires  agaiust  tbc  priests  were  probably  written  to  oblige  bis 
patrou  tbe  duke  of  Laneaster,  who  favoured  the  cause  of  WicHff." 

Diesen  selben  Gedanken  finden  wir  kurz  darauf  in  der 
Biograpbia  Britannica  (Lo.  1784,  S.  455)  wieder.  Dann 
beifst  es  bier  aber  weiter,  was  z.  T.  an  Dryden  und  Dart  an- 
klingt: 

„Yet  it  does  not  at  all  appear  that  he  was  an  enemy  to  religiou  or 
even  to  that  of  the  Cburch  of  Rome;  bat  rather  the  contrary;  for  he 
speaks  very  submissively  of  her  doetriiies,  aud  bestows  high  characters 
upou  such  of  the  Clergy,  as  acted  suitably  to  their  calliiig,  so  that  it 
was  the  ill  meu  who  brought  religiou  iato  coutempt  aud  prostitudcd  their 
own  fiiuction  in  the  vilest  manner,  that  feit  the  severity  of  Chaucer's 
niiise,  and  not  Priests  iu  geueral,  or  eveu  tbe  Christian  Faith:  for  the 
former  he  highly  revered,  and  tbc  latter  he  firmly  believed,  as  bis  writings 
l)laiuly  shew."  — 

lu  einer  Anmerkuug  dazu  wird  gesagt:  „The  true  design  of  onr 
autbor  was  not  to  expose  or  abuse  the  Clergy  from  a  dislike  to  their 
Order,  but  quite  tbe  contrary,  to  amcud  and  reform  theui;  aud  he  was 
with  tbis  view,  that  he  wrote  mauy  pieces  .  .  ." 

Diese  Ansiebt  ist  natürlicb  eine  irrige,  Cbaucer  Reform- 
absiebten unterscbieben,  bielse  seine  gesamte  dicbteriscbe  und 
künstleriscbe  Tätigkeit  verkennen.  Der  kritische  Geist,  der 
sieb  im  übrigen  in  den  Bemerkungen  der  Biogr.  Brit.  offenbart, 
war  der  Befruchtung  zu  danken,  die  der  Cbaucer-Forscbung 
durch  Thomas  Tyrwhitt  (Tbe  Canterbury  Tales,  Oxford 
1775 — 78)  zuteil  geworden  war.  Seit  Tyrwhitt  ist  bekanntlich 
die  Plowman's  Tale  endgültig  aus  der  Liste  von  Chaucers 
Werken  gestrichen.  Tyrwhitt  bezeichnet  Chaucer  als 
einen  gläubigen  Katholiken,  indem  er  zuerst  die  Er- 
zählung des  Pfarrers  als  Beweis  dafür  in  den  Vorder- 
grund der  Betrachtung  rückt.    Er  sagt: 


635 

„Thoiigli  he  and  Boccace  have  laughcd  at  some  of  the  abiises  of 
religion  and  the  diaordcrs  of  Ecclesiastical  persons,  it  is  qnite  iucrcdible 
that  either  of  them  or  eveu  Wicliff  himself  woiild  have  railed  at  the  whole 
goverument  of  the  Chnrch,  m  the  style  of  this  Ph)wiuau's  Tale.  If  they 
had  been  disposed  to  such  au  attenipt,  their  times  wonld  not  have  born 
it;  but  it  is  probable,  that  Chaucer,  though  he  has  beeu  pressed  into  the 
Service  of  Protestantisuie  hy  some  zealous  writers,  was  as  good  a  Catholick 
as  men  of  his  uuderstandiug  and  rank,  in  life  have  gencrally  beeu.  The 
necessity  of  auricular  Confession,  one  of  the  great  scandals 
of  Popery,  cannot  be  more  strongly  incnlcated  than  it  is  iu 
the  followiug  Tale  of  the  Person"  (iu  der  Ausgabe  Oxford  1798, 
S   112  Anm.). 

Mit  Tywhitts  Urteil  deckt  sich  im  wesentlichen  das  von 
Will.  Godwin  (Life  of  Geoffrey  Chaucer,  2nd  ed.,  Lo.  1804). 
Godwin  weist  (S.  343)  auf  die  falsche  Auffassung  der  Puri- 
taner und  ihre  Ursachen  hin  und  fährt  dann -fort: 

„Chaucer,  thongh  an  euemy  to  the  artificcs  and  insincerity  of  the 
friars  and  pcrhaps  personaliy  the  frieud  of  Wiclifife,  does  not  seem  ever 
to  have  enlistcd  himself  iu  the  party  of  the  Lollards.  In  the  Testament 
of  Love,  he  expresses  his  belief  in  the  real  presence;  and  iu  the  disconrse 
of  the  Person,  with  which  the  C.  T.  are  concluded,  he  declaims  with  great 
emphasis  for  the  Utility  of  auricular  confession." 

Auf  Godwin  folgt  eine  Pause  von  mehr  als  drei  Jahr- 
zehuten. Erst  1836  finde  ich  ein  im  Lapidarstil  abgefafstes 
(in  anderen  Punkten  sicher  ungerechtes)  Urteil  über  Chaucer 
das  lediglich  wegen  der  Persönlichkeit  des  Verfassers  Er- 
wähnung verdient.  Chateaubriand,  der  Schriftsteller  und 
Staatsmann,  fällt  in  seinem  „Essai  sur  la  litterature  anglaise", 
Paris  1836,  S.  110  folgendes  herbe  Urteil: 

„Courtisan,  Lancastrien,  Wiclefiste,  infidele  ä  ses  convictions,  traitre 
ä  son  parti,  tantöt  banni,  tautöt  voyageur,  tantöt  en  faveur,  tautöt  en  dis- 
grace,  Chaucer  avait  rencontre  Petrarque  ä  Padne:" 

Ein  Jahr  später  bemerkt  J.  H.  Hippisley,  der  sich  wie 
seine  Nachfolger  im  Urteil  zum  grofsen  Teil  an  Tyrwhitt  an- 
lehnt, in  seinen  „Chapters  on  Early  Euglish  literature",  Lo. 
1837,  S.  106: 

„Geuerally  speaking,  a  freedom  from  credulity  and  snperstition ,  is 
one  of  the  most  striking  characteristics  of  Chaucer." 

S.  177  „It  may  be  thought,  perhaps,  that  the  satire  contained  in 
Chaucer's  work,  upon  the  Catholic  clergy,  affords  direct  proof  of  his 
adherence  to  the  reforming  priuciples  of  Wickliffe  but  we  have  already 


636 

seen  how  the  charlatanerie  of  reliques  was  ridiculed  in  another  age,  by 
the  pioiis  Catholic,  John  Hey  wo  od." 

Aluilieh  George  Gilfillan  (G.  Chaucer,  Canterbury  Tales 
with  memoir  and  critical  dissertation.   3  vok.    Edinburgh  1840): 

„Chaucer,  says  old  Foxe  the  Martyrologist,  was  a  right  Wicklivian, 
or  eise  there  nener  was  auy.  This  is  undoubtedly  overstated,  bat  there 
can  be  as  little  doubt  that  he  had  strong  syiupathies  with  Wickliffe  and 
bis  canse."  — 

Als  Gründe  führt  er  an:  1.  intimacy  Avith  the  reformer.  2.  contempt 
for  the  clergy  and  the  corruption  of  the  chnrch.  3.  intimacy  with  John 
of  Gannt's  faction.  4.  rebouud  against  Rome.  5.  Einflufs  Petrarka's  und 
Boccaccio'S. 

Leonhard  Schmitz  (Life  of  Chancer  in  the  poems  of 
G.  Chancer,  modernized,  Lo.  1841)  vertritt  S.  CXXf.  die  An- 
sicht, dafs  Chaiicer  nur  die  Milsbräuche  und  Auswüchse  der 
Kirche,  nicht  aber  das  System  der  Kirche  selbst  angriff  und 
das  Gute  anerkannte,  wo  er  es  fand. 

Das  Jahr  1844  (vgl.  Hammond  S.  40)  bedeutet  wieder 
einen  Wendepunkt  in  der  Geschichte  der  Chancer- Forschung 
—  es  ist  das  Jahr  des  Erscheinens  von  Sir  Harris  Nicolas' 
Chaucer- Biographie.  Durch  ihn  wurde  der  Glaube  an  die 
Echtheit  des  Testament  of  Love  erschüttert,  indem  er 
ihr  jeden  autobiographischen  Wert  für  Chaucer  absprach.  Der 
endgültige  Beweis  der  Unechtheit  erfolgte  durch  W,  Hertzberg 
(Übersetzung  der  Canterbury-Geschichten,  Hildburghauseu  1866). 

Auf  Sir  Harris  Nicolas  folgen  nun  mit  dem  Aufschwung 
des  literarhistorischen  Interesses  und  der  historisch-kritischen 
Forschung  zahlreiche  Literarhistoriker,  die  aber  zum  grofsen 
Teil  nur  die  Ergebnisse  früherer  Forschungen  ohne  eigene 
originelle  Zutaten  wiedergeben.  Ich  habe  mir  die  Mühe  ge- 
nommen, sie  alle,  soweit  sie  mir  in  Berlin,  Göttingen  und 
London  erreichbar  waren,  durchzusehen,  doch  können  hier 
natürlich  nur  die  Erwähnung  finden,  die  einen  neuen  gedanken 
aufweisen. 

Bevor  ich  zu  den  eigentlichen  Forschern  übergehe,  teile 
ich  zunächst  noch  eine  gefühlvolle  Aulserung  E.  B.  Brownings 
mit,  die  sie  in  einem  ihrer  Briefe  an  John  Kenyon  (25.  März 
1845)  bei  Gelegenheit  einer  Reflexion  über  das  Thema  „Religion 
und  Dichtung"  macht  („Letters",  Lo.  1877,  I,  128): 


637 

„The  Christian  religion  is  true  or  it  is  not,  and  if  it  is  true  it  oifers 
the  highest  and  purest  objects  of  coutemplation.  And  the  poetical  faculty, 
which  expresses  the  highest  moods  of  the  mind,  passes  natnrally  to  the 
highest  objects.  Who  cau  separate  these  things?  Did  Dante?  Did  Tasso? 
Did  Petrarch?  Did  Cakleron?  Did  Chaucer?  Did  the  poets  of  our 
best  British  days  ?  Did  any  one  of  these  shrink  from  speaking  out  Divine 
names  when  the  occasion  came?  Chaucer  with  all  his  jubilee  of  spirit 
and  resounding  laughter  had  the  name  of  Jesus  Christ  and  God 
as  frequeutly  to  familiarity  on  his  Ups  as  a  child  had  its 
father's  name." 

Doch  nun  zurück  zur  wissenschaftlichen  Forschung!    J,  S. 

Brewer    sagt   im   Preface    zu   den    „Monunienta  Franciscana" 

(Lo.  1858,  S.  XV  Anm.) : 

„Even  in  their  degeneracy,  Chaucer  a  Wickliffite,  and  therfore  not 
favonrable  to  the  friars,  notices  their  eucouragement  ofmarriage."  (Bezieht 
sich  auf  CT.  Prol.  A.  212 f.). 

Nicht  ohne  Interesse  wegen  des  Cliaueer  sugeschriebenen 

Einflusses   sind   die  Bemerkungen  von  Henry  Reed  (Lectures 

on  the  British  poets,  Lo.  1857,  S.  62) : 

„The  writings  of  Chaucer  have  an  interest  in  connection  with 
ecclesiastical  history;  for,  abounding  as  they  do  in  kcen  and  earuest 
Satire  of  clerical  and  nionastic  abnses,  they  have  truly  been  reckoned 
araoug  the  means  by  which  populär  sentinient  was  animated  and  prepared 
for  the  great  change  of  the  Reformation." 

Auch  Stephan  Gätschenberger  (Gesch.  d.  engl  Litt.  I, 
Prag  1859)  nennt  Chaucer  einen  „Busenfreund  Wickliffe's", 
natürlich  eine  ganz  haltlose  Behauptung.  — 

In  demselben  Jahr  (Paris  1859)  erschien  das  bemerkens- 
werte Buch  von  E.  G.  Sandras,  Etüde  sur  G.  Chaucer.  S. 
glaubt  nicht,  dafs  Wiclif  das  Urbild  für  den  Pfarrer  der 
Canterbury  Tales  abgegeben  hat,  und  sagt  über  Chaucers 
religiöse  Grundstimmung  (S.  168): 

„Chaucer  n'etait  Lollard  que  dans  une  certaine  mesure;  il  ne  s'est 
nullement  associe  anx  erreurs  religieuses,  anx  menees  politiques  de  Wiclef. 
II  a  fait,  comme  nos  trouveres,  la  satire  du  vice;  il  a  Signale  les  infractions 
faites  ä  la  loi  morale  gravee  dans  le  coeur  de  l'homme,  et  admirablement 
exprimee  par  l'Evangile;  c'est  lä  qu'il  s'est  arr§te.  Les  ecrivains  anglais 
se  livrent  sur  Chaucer  ä  des  iuductions  temeraires.  S'ils  venlent  trouver 
la  professiou  de  foi  du  poete  dans  cet  eloge  du  eure  de  campagne,  j'y 
sonsens;  mais  qu'ils  n'oublient  pas  que  le  sermon  est  tout-ä-fait 
orthodoxe." 


638 

Ähnliche  Aust'haimngen  vertrat  später  Robert  Bell  in 
seinem  den  „Poetical  works  of  Geoffrey  Chaucer"  (Lo.  1878) 
vorgefügten  Memoir.  Er  erklärt  Chaucers  Darstellung  der 
geistlichen  Personen  für  eine  Folge  seiner  Verbindung  mit  John 
of  Gaunt,  Vol.  I,  45)  und  fährt  dann  fort : 

„Yet  notwithstanding  the  gnsto  with  which  he  turns  the  religious 
Orders  into  ridicule,  there  ist  no  indication  of  his  having  embraced  tlie 
tenets  of  Wickliffe.  It  lias  been  thougbt  that  in  bis  character  of  a  conntry 
parsuu  be  intended  to  record  bis  adiniratiou  of  that  active  reformer  but 
tbere  is  not  a  Single  poiut  of  resemblance  between  tbem.  Wickliflfe  .  .  . 
was  everytbing  that  the  parson  was  not,  and  the  reverse  of  everytbing 
that  he  was  .  . .  if  Chaucer  meant  to  apply  the  sketch  to  Wicklifife,  it 
must  have  been  as  a  masked  sarcasm  and  not  as  a  panegyric." 

Vol.  IV,  10  in  der  Einleitung  zur  Parson' s  Tale 
hebt  er  die  Betonung  der  confession  hervor  und  erklärt,  dafs 
Chaucer  zwar  zu  der  politischen  Partei  gehörte  (vgl.  auch 
Vol.  I,  99  Anm.),  die  Wiclif  stützte,  dafs  er  sich  aber  keines- 
wegs dessen  theologische  Grundsätze  zu  eigen  machte. 

Begründeter  und  eingehender  sprach  sich  der  treffliche 
Übersetzer  der  „Canterbury- Geschichten",  Wilhelm  Hertz- 
berg, 1866  aus.  Nachdem  er,  wie  schon  erwähnt,  die  Un- 
echtheit  des  Testament  of  Love  erwiesen  und  die  Gründe  für 
Chaucers  Amtsentsetzung  auseinandergesetzt  hat,  fährt  er  über 
die  Vorwände  dazu  fort: 

„Auf  keinen  Fall  sind  sie  in  Chaucer's  religiöser  Parteistellung  zu 
suchen.  Man  bat  den  Dichter  zu  einem  entschiedenen  Anhänger  Wiclif  s 
machen  wollen,  ist  aber  den  Beweis  dafür  schuldig  geblieben.  Er  erkannte 
allerdings  die  groben  Mifsbräuche  der  Hierarchie  und  eiferte  warm  und 
freimütig  dagegen.  Er  verabscheute  den  Ablafskram,  er  verabscheute  die 
schleichenden  Umtriebe  und  die  unverschämte  Herrschsucht  der  Bettel- 
mönche. Er  neigte  sich  daher  ...  zu  den  Lehren  Wiclif!  's,  insofern  diese 
das  Kirch enregiment  betrafen."  H.  verweist  dann  auf  John  of  Gaunt, 
bespricht  spitze  Bemerkungen  Chaucer's  über  die  Lollarden  (Shipm.  Prol. 
B1173  und  Pars.  Prol.  143),  Chaucer's  souveräne  Behandlung  der  Ver- 
weltlichung des  Klerus  und  seine  den  Heiligen  in  gewissen  aus  Legenden 
umgearbeiteten  Geschichten  der  C.  T.  bezeugte  Verehrung.  Was  Chaucer's 
Auffassung  der  strengen  katholischen  Dogmen  anlangt,  so  glaubt  H.,  dafs 
jener  darüber  im  einzelnen  zu  keiner  Entscheidung  gekommen  sei,  da  der 
Pfarrer  alle  Streitpunkte  vermeide  und  schliefslich  auch  die  Prädestinations- 
lehre  als  unentschieden  beiseite  schiebe.  „Sonach  erscheint  Chaucer  zwar 
als  ein  denkender  und  freisinniger  Kopf,  aber  doch  zugleich  als  ein 
guter  und  gläubiger  Katholik,  die  Extreme  meidend  und  von  jedem 
Fanatismus  frei." 


639 

Matthew  Browne  vergleicht,  lediglich  vom  Gefühl  ge- 
leitet, in  seinem  Buch  Chaucer's  England  (Lo.  1869,  S.  147  f.) 
den  geist,  der  aus  den  C.  T.,  insbesondere  dem  „slippery  pro- 
logue"  spreche,  mit  dem  von  Wiclifs  Schriften  und  kommt  zu 
dem  (selbstverständlichen)  Ergebnis,  dai's  beide  schlecht  zu- 
einander passen.  Wir  werden  ihm  auch  recht  geben,  wenn  er 
im  Anschlufs  daran  die  Frage 

„Ts  it  conceivable,  that  the  author  of  the  C.  T.  could,  ander  auy 
circumstances,  have  become  a  martyr?    Could  Shakspear? 

im  verneinenden  Sinne  beantwortet. 

Charles  Corden  Clarke,  The  riches  of  Chaucer,  Lo. 
1870,  ist  zwar  in  manchen  Punkten  noch  recht  rückständig, 
fällt  aber  (S.  47)  folgendes  bemerkenswerte  Urteil: 

„Indeed  we  do  not  find  it  confirmed  that  he  sided  with  Wickliffe 
npon  points  of  faith  or  doctrine,  but  in  exposing  the  abuses  of  his  mother 
church.  He  was  a  reformer,  not  a  seceder;  he  would  have  restored 
the  Catholic  worship  to  its  primitive  pnrity,  bat  he  would  not 
have  removed  one  stone  of  the  fabric." 

Gotthard  Lechler  in  seinem  monumentalen  Lebensbild 
des  englischen  Reformators  (Johann  von  Wiclif  und  die  Vor- 
geschichte der  Reformation,  Lpz.  1873)  findet  (Bd.  I,  408ff.)  in 
Chaucer's  Pfarrer  zahlreiche  Züge  wieder,  die  auf  Wiclif  passen. 
Und  gerade  in  dem  Umstand,  dafs  dem  Pfarrer  die  grolsartigen 
Züge  des  Reformers  vollständig  fehlen  (worauf  Robert  Vaughan 
[Life  and  opinions  of  John  de  Wicliffe,  1831,  II,  139  f.]  zuerst 
aufmerksam  gemacht  hatte),  glaubt  Lechler,  was  ich  für 
ausgeschlossen  halte,  einen  Grund  zu  finden,  dals  der  Dichter 
gerade  Wiclif  als  Pfarrer  habe  schildern  wollen. 

„Denn  es  ist  nicht  blofs  zweifelhaft,  sondern  geradezu  unwahr- 
scheinlich, dafs  Ch.  für  die  grofsen  Reformgedanken  und  Bestrebungen 
Wiclif 's  ein  entgegenkommendes  Verständnis,  eine  wirkliche  Anerkennung 
gehabt  haben  sollte.  Chaucer  nahm  in  betreff  der  kirchlichen  Dinge  eine 
Stellung  ein,  die  am  ehesten  mit  der  Denkart  mancher  Humanisten  im 
Anfang  des  16.  Jahrhunderts  sich  vergleichen  läfst:  ein  offenes  Ange  und 
ein  spöttisches  Lächeln  für  alle  Fehler  und  Schwächen  im  kirchlichen 
Wesen,  aber  kein  Herz  für  den  Ernst  und  die  Heiligkeit  der  Sache." 

Etwas  im  Gegensatz  dazu  bemerkt  Reinhold  Pauli, 
der  Geschichtsschreiber  und  Essayist,  ein  gründlicher  Kenner 
des  14.  Jahrhunderts,  in  seinen  „Bildern  aus  Altengland'' ^  (Gotha 
1876,  S.  219)  über  Chaucers  Pfarrer: 


640 

„Es  ist  dies  die  Klasse,  ans  welcher  damals  Wiclif's  berühmte  Eeise- 
prediger  hervorgegangen.  War  Chaucer  auch  selbst  kein  Lollarde,  so 
stand  sein  grofses  englisches  Herz  doch  ofleu  genug,  um  den  Anklang 
dieser  echt  evangelischen  Bewegung  zu  empfinden.  Sein  Bildnis  des 
Pfarrers  trägt  entschieden  Züge,  die  von  einer  der  populärsten  Er- 
scheinungen des  Tages  hergenommen  sind." 

Mittlerweile  (1868)  war  durch  Dr.  Furnivall's  unermüdliche 
BemühuDgen  die  „Chaucer  Society"  ins  Leben  gerufen 
worden,  und  Furnivall  hatte  in  den  „Trial-forewords"  (1871) 
S.  113  seinen  Glauben  an  die  Echtheit  der  Parsons  Tale  und 
der  Retractatio  ausgesprochen. 

Im  Jahre  1876  brachte  die  Chaucer-Society  als  Nr.  9  der 
„Essays  on  Chaucer"  eine  zugleich  als  Programm  der  höheren 
Bürgerschule  zu  Schmalkalden  erschienene  Abhandlung  von 
H.  Simon,  „Chaucer  a  Wicliffite".  Der  Verfasser  suchte 
darin  den  Beweis  zu  führen,  dafs  Chaucer  ein  Anhänger  Wiclifs 
gewesen  sei,  den  Pfarrer  der  Canterbury  Tales  dem  Wiclifschen 
Ideal  nachgezeichnet  und  seiner  Erzählung  einen  dement- 
sprechenden  Wiclifitischen  Inhalt  gegeben  habe,  dem  aber 
später  von  einem  Mönch  durch  umfangreiche  Interpolationen 
eine  entschieden  orthdodoxe  Färbung  verliehen  sei.  Diese 
vermeintlichen  Interpolationen  schied  S.  aus  und  stellte  da- 
durch den  nach  seiner  Ansicht  ursprünglichen  Text  der  Parson's 
Tale  wieder  her. 

Die  zweifellos  scharfsinnigen  Auseinandersetzungen  Simons 
riefen  aus  den  verschiedensten  Gründen  Widerspruch  hervor. 
Man  verkannte  zwar  nicht  die  Bedeutung  seiner  Argumente, 
die  sich  bei  dem  damaligen  Stande  der  Forschung  nicht  sämt- 
lich entkräften  lielsen,  konnte  oder  mochte  ihm  aber  nicht  bis 
zu  seinen  letzten  Konsequenzen  folgen.  Vor  allem  ist  da 
John  Koch's  kritische  Besprechung  (Anglia  II,  540—4)  zu 
nennen,  die  Simons  Auffassung  zwar  entschieden  entgegentrat, 
aber  betonte,  dafs  das  letzte  Wort  in  dieser  und  den  damit 
zusammenhängenden  Fragen  noch  nicht  gesprochen  sei,  da  noch 
mancherlei  Voraussetzungen,  wie  ein  zuverlässiger  Text,  Auf- 
hellung der  Quellen  u.  a.,  fehlten. 

Ohne  sich  wie  Koch  auf  Einzelkritik  einzulassen,  aber  an- 
scheinend unter  dem  Einfluls  von  dessen  Besprechung  ging 
A.W.  Ward  („Chaucer"  i  Lo.  1880,  English  Men  of  Letters  16, 


641 

S.  133 ff.)  auf  die  Frage  ein.  Er  zollt  dem  „German  daring" 
Simons  bewundernde  Anerkennung,  glaubt  aber  an  die 
Echtheit  der  Parson's  Tale,  ohne  dafür  (wohl  mit  Rück- 
sicht auf  den  Charakter  seines  Buchs)  einen  genauen  Beweis 
anzutreten  und  findet  sich  schliefslich  auf  folgende  Weise  mit 
der  Frage  ab: 

„In  sum,  the  P.  T.  cannot,  any  more  than  the  character  of  the  Parson 
in  the  Prologue,  be  interpreted  as  proving  Chaucer  to  have  been  a 
Wycliffite.  Bat  the  one  as  well  as  the  other  proves  him  to  have  per- 
ceived  much  of  what  was  noblest  in  the  Wycliffite  movement,  and  mi;ch 
of  what  was  ignoblest  in  the  reception  with  which  it  met  at  the  hands 
of  worldlings  —  before,  with  the  aid  of  the  State,  the  Church  finally 
sacceeded  in  crushing  it  .  . .  ont  of  existence." 

W.  W.  Skeat   bemerkt   in   der  Chaucer -Ausgabe  III,  504, 

obwohl  er  Simons  Interpolationentheorie  vollkommen  ablehnt: 

„The  object  of  the  Essay  is  to  prove  that  Chaucer  was  a  Wycliffite  . . . 
the  truth  of  whlch  I  am  not  particularly  careful  either  to  deny  or  assert." 

Die  grofse  Anregung,  die  Simons  Arbeit  und  Kochs  Be- 
sprechung unserem  Gegenstande  gebracht  hatten,  äulserte  sich 
nun  zunächst  darin,  daXs  man  sichere  Voraussetzungen  für 
eine  weitere  Behandlung  zu  schaffen  suchte.  Dazu  war  es  vor 
allen  Dingen  nötig,  die  Quelle  oder  Quellen  der  P.  T. 
ausfindig  zu  machen.*) 

Einen  Schritt  auf  diesem  Wege  bezeichnet  die  Abhandlung 
von  W.  Eilers,  Die  Erzählung  des  Pfarrers  in  Chaucer's  Canter- 
bury- Geschichten  und  die  Somme  de  vices  et  de  vertues  des 
Frbre  Lorens.  Erlanger  Diss.  1882,  auch  in  den  Publikationen 
der  Chaucer-Society  1884.  Tyrwhitt  hatte  schon  im  „Intro- 
ductory  Discourse"  zu  seiner  Chaucer-Ausgabe  über  die  Er- 
zählung des  Pfarrers  gesagt: 

„It  is  entitled  in  some  Mss.  Tractatns  de  Poenitentia  pro  fabnla,  ut 
dicitur,  Rectoris,  and  I  much  suspect  that  it  is  a  translation  of  some 
such  treatise." 


')  In  A.  W.  Ward's  Chaucer  lese  ich  S.  140:  „No  enquiry  conld 
satisfactorily  establish  how  much  of  this  [sc.  gewissen  Abschnitten  über 
Lehren  der  katholischen  Kirche]  was  taken  over  or  introduced  into  the 
Parson's  Tale  by  Chaucer  himself."  Diese  Äufserung,  die  jede  Möglichkeit 
einer  Scheidung  von  Originalem  und  Entlehnten  a  limine  abweist,  ist  mir 
unverständlich;  denn  das  hängt  doch  von  der  Auffindung  der  Quellen  ab. 

Studien  z.  engl,  Phil.     L.  41 


642 

Alinlicli   Sandras    in    der   schon   weiter   oben   erwälinten 

„Etüde  sur  Chaucer" : 

„Le  sermon  du  eure  de  campague  est  une  version  de  quelqae 
doctrinal  de  conscience." 

Hertzberg   fügte    (Canterbury-Gesehichten   S.  670)   hinzu 

„natürlich   müssen  wir  ein  lateinisches  Original  voraussetzen". 

Bei   Gelegenheit   der  1866  veröffentlichten  Ausgabe   von   Dan 

Michel's  Ayenbite  of  Inwyt  wurde  Richard  Morris,  der  damals 

gleichzeitig    an    seiner    Chaucer- Ausgabe    arbeitete,    mit   dem 

französischen  Original   des  Ayenbite  bekannt,   der  Somnie  des 

Frfere  Lorens.     Die  Ähnlichkeit  dieser  mit  dem  in  der  P.  T. 

vorhandenen  Sündentraktat  (sowie  einem  Teil  der  Bnfspredigt) 

war  in  die  Augen  springend   und  so  ersetzte  Morris  in  dem 

Neuabdruck  von  Tyrwhitt's  Intr.  Disc,  den  er  seiner  Chaucer- 

Ausgabe  vorausschickte,  die  "Worte  Tyrwhitt's: 

„And  I  much  suspect  bis  treatise"  durch  „and  is  a  translation  or 
rather  adaptation  of  some  chapters  of  a  work,  entitled  'Li  libres  roianx 
de  vices  et  de  vertus,  by  Frere  Lorens'." 

Diese  Bemerkung  wurde  dann  bald  in  Warton's  History 
of  English  poetry  II,  373  übernommen,  indem  zugleich  auf  er- 
hebliche Abweichungen  zwischen  Cbaucer's  und  Frhve  Lorens' 
Fassung  hingewiesen  wurde.  Einzelne  Übereinstimmungen 
zwischen  der  P.  T.  und  dem  Ayenbite  wurden  von  Mätzner 
an  Stellen  des  Kommentars  zu  dem  von  ihm  in  den  „Sprach- 
proben" 11,  58  ff.  abgedruckten  Abschnitte  aus  dem  Ayenbite 
aufgezeigt. 

An  diesen  Faden  knüpfte  nun  Eilers  an,  indem  er  die 
P.  T.,  soweit  sie  überhaupt  Ähnlichkeiten  zeigte,  bis  ins  einzelne 
hinein  mit  der  Somme  des  Frfere  Lorens  verglich.  Er  suchte 
damit  zu  beweisen,  dafs  der  gröfsere  Teil  der  P.  T.,  der  von 
den  sieben  Todsünden  handelt  (Sündentraktat),  eine  Bearbeitung 
des  genannten  altfranzösiscben  Traktats  sei  und  kam  des 
weiteren  zu  dem  Ergebnis,  dafs  dieser  Teil  der  P.  T. 
wegen  der  „gröbsten  Verstöfse  gegen  Logik,  Grammatik 
und  Stil,  Inkonsequenzen  und  Absurditäten  Chaucer 
nie  durch  die  Feder  geflossen",  vielmehr  interpoliert 
sei.  Eilers  ging  in  dieser  Hinsicht  noch  einen  Sehritt 
weiter  als  Simon,  der  die  Echtheit  des  Sündentraktats 
nicht  ganz  von  der  Hand  gewiesen  hatte.    Dagegen  hielt 


643 

Eilers  den  Versuch  Simons,  die  echte  Parson's  Tale  aus  dem 
überlieferten  Text  herauszuschälen,  für  verfehlt,  weil  unaus- 
führbar. 

Die  Untersuchung  von  Eilers  stand,  obwohl  sie  in  das 
Dunkel  der  Quelleufrage  nicht  ohne  Erfolg  hineinleuchtete,  im 
ganzen  doch  auf  recht  schwachen  Boden.  Ob  die  fran- 
zösische Somme  wirklich  die  direkte  Quelle  sei,  wenn  sie  auch 
von  allen  bis  dahin  bekannten  Werken  dieser  Art  der  P.  T. 
am  nächsten  kam,  mufste  aber  in  anbetracht  vieler  und  er- 
heblicher Abweichungen  sehr  bezweifelt  werden.  Schon  die 
blofse  Betrachtung  der  äufseren  Anlage  beider  Fassungen 
mufste  Bedenken  erwecken.  Bei  Chaucer  folgte  auf  jede  der 
sieben  Sünden  unmittelbar  das  entsprechende  Remedium,  so 
auf  die  Superbia  die  Humilitas,  auf  die  Invidia  die  Miseri- 
eordia  usw.  In  der  Somme  des  Frfere  Lorens  werden  aber 
erst  alle  Sünden  abgehandelt  und  dann  erst  folgen  die  Remedia. 
Auf  dieses  zwar  äulserliche  aber  für  die  Entlehnungsfrage  i) 
sehr  wesentliche  Moment  ist  man  früher  gar  nicht  aufmerksam 
geworden.  Da  ferner  die  Darstellung  der  Remedia  in  beiden 
Fassungen  eine  grundverschiedene  ist,  war  die  Annahme  mehr 
als  gerechtfertigt,  dafs  Chaucer  nicht  dieser  sondern  einer 
ähnlichen  Fassung  gefolgt  sei,  deren  äufsere  Anordnung  mit 
der  seinigen  übereinstimmte.  Da  der  Stoff  durch  die  Lehre 
der  katholischen  Kirche  beschränkt  war,  die  Summae  selbst 
wohl  grölstenteils  miteinander  irgendwie  verwandt,  ergaben  sich 
gewisse  Ähnlichkeiten  von  selbst.  Das  beweisen  auch  die  später 
von  Mark  H.  Liddell  in  der  Academy  Mai  30,  1896,  S.  447, 
und  Juni  20,  S.  509  beigebrachten  Übereinstimmungen  zwischen 
der  P.  T.  und  Mo.  Bodl.  90,  das  zeigen  weiter  gewisse  Über- 
einstimmungen der  P.  T.  mit  anderen  Werken,  die  Miss  Kate 
Oelzner-Petersen  in  ihrem  Buch  „The  sources  of  the  P.  T." 
Boston  1901  (RadcliflFe  College  Monographs  12)  S.  80  zu  einer 
dankenswerten  Liste  vereinigt  hat.  Trotz  alledem  gewährte 
die  von  Eilers  gefundene  Quelle  schon  damals  einen  Einblick 
in  den  Stoff,  wie  ihn  Chaucer  etwa  vorgefunden  haben  mufste. 

Den  Folgerungen  von  Eilers  betreffs  der  Interpolierung  der 


*)  Hierfür  vergleiche  man  aucli  Marie  Gotliein,  Die  Todsündeii. 
Archiv  für  Religionswissenschaft  X,  416  — 484  (19i'7). 

41* 


644 

P.T.  schlofs  sich  John  Koch  in  einer  inhaltreichen  Besprechung 
der  Eilers'schen  Arbeit  nnd  nach  nochmaliger  Prüfung  mancher 
Einwände  Simon's  nicht  an  (Anglia  V,  Anz.  130 ff.),  kam  viel- 
mehr zu  dem  Ergebnis 

„dafs  die  gegen  den  Verf.  der  P.  T.  erhobenen  Anklagen  teils  wider- 
legt, teils  gemildert  sind,  so  dafs  nun  wohl  niemand  Bedenken  tragen  wird, 
sie  als  echt  anzuerkennen.  Sie  gehört  in  der  überlieferten  Gestalt  aller- 
dings zu  Ch.'s  schwächeren  Leistungen;  doch  hätte  er  gelebt,  um  noch 
die  letzte  Hand  daran  zn  legen,  so  hätten  wir  gewifs  ein  Werk  erhalten, 
das  den  übrigen  würdig  an  die  Seite  treten  dürfte." 

Beistimmung  fanden  Simon  und  Eilers  bei  Henry  Morley 
(English  writers  Vol.  V  Lo.  1890  S.  346),  der  auch  meint 
„that  the  P.T.  is  longer  than  Chancer  made  it." 

Im  übrigen  äulsert  er  sich  sehr  vorsichtig  S.  304 

„G.  Chaucer's  sketches  of  the  Monk,  the  Frlar,  The  Town  Parson 
^ . .  suggest  .  .  .  füll  sympathy  with  John  Wyclif 's  desire  towards  life  as  it 
ought  to  be." ') 

Ähnlich  wie  Morley,  aber  entschiedener  urteilte  ten  Brink 
(Lit- Gesch.,  1  Strafsburg  1893,  11,189).  Er  sprach  seine  Über- 
zeugung dahin  aus,  dafs  die  P.  T.  nicht  in  ihrer  ursprünglichen 
Gestalt  überliefert  sei: 

„Deutlich  lassen  sich  in  der  Erzählung  des  Pfarrers  verschiedene 
Hände  unterscheiden,  deren  Arbeit  schlecht  zueinander  pafst." 

Indem  sich  ten  Brink  die  Gründe  von  Eilers  zum  Teil  zu 
eigen  macht,  hebt  auch  er  scbliefslich  die  Schwierigkeit,  Echtes 
vom  Unechten  zu  scheiden,  hervor.  In  der  Auffassung  des 
Pfarrers  neigt  ten  Brink  der  leider  nicht  des  näheren  be- 
gründeten Anschauung  zu,  dafs  er  einige  Züge  von  Wiclif 
habe.     Chaucer  selbst  war  nach  ihm  (S.  58) 

„ein  gläubiger  Sohn  seiner  Kirche,  wenn  er  sich  auch  über  manche 
manche  Dinge  seine  eigenen  Gedanken  machte." 

Demgegenüber  stellten  sich  A.  v.  Düring  (Geoffrey  Chaucer's 
Werke  übersetzt.  Bd.  III.  Strafsburg  1886)  und  E.  Koeppel 
auf  die  Seite  Kochs,  v.  Düring  sagt  (S.  467)  unter  Verweis 
auf  Koch  und  Ward,  aber  ohne  eigene  Detailuutersuchung: 


•)  Hierfür  vgl.  man  aber  jetzt  die  Ausführungen  von  W.  Ewald, 
Der  Humor  in  Ch.'s  CT.  (Morsbacha  Studien  45,  Halle  1911)  S.72flf.,  die 
leider  durch  R.  K.  Root  (E.  St.  45,443—445)  eine  einseitige  Beurteüung 
erfahren  haben. 


645 

„Begründete  Zweifel  an  der  Autorschaft  Ch.'s  lassen  sich  nicht 
erheben." 

und  über  Ch.'s  religiöse  Grundstimmung  (S.  468) : 

„Der  Inhalt  der  Predigt  entspricht  darchans  den  Anschauungen  des 
Dichters  und  die  Fabel  vom  Wiclifiteu  Chaucer  kann  lediglich  zu  den 
Exlravaganzen  der  Forscherklasse  gezählt  werden,  welche  Vischer  als 
„Sinuhuber*  kennzeichaet  [!]  A.  v.  D.  bespricht  sodann  die  Fehler,  Lücken 
und  Inkorrektheiten,  die  er  der  Vorlage  zur  Last  legt. 

Mit  neuen  Hilfsmitteln  erschien  E.  Koeppel  auf  dem  Plan. 
Sein  Aufsatz  „Chaucer's  Prosa  werke;  die  Echtheit  der  P.  T., 
Herrigs  Archiv  LXXXVII,  29—46,  lenkte  wieder  in  das  Fahr- 
wasser streng  kritischer  Einzelbetrachtungsweise  ein. 

K.  wies  zunächst  zahlreiche  Parallelen  zwischen  der  P.  T.  und  den 
poetischen  Werken  Ch.'s  nach  und  zwar  nicht  nur  solche,  die  sich  auf 
den  Text  von  Frere  Lorens'  Somuie  zurückführen  lassen.  Dadurch  sei 
der  Süudentraktat  der  P.  T.  als  von  Ch.  stammend  erwiesen.  Dieser  habe 
ihn  in  den  80  er  Jahren  sehr  wahrscheinlich  nach  der  französischen  Vorlage 
verfafst,  aber  vorderhand  nicht  veröffentlicht.  Als  ihm  dann  eine  Bufs- 
predigt  als  der  geeignetste  Schlufsstein  der  C.  T.  erschienen  sei,  habe  er 
selbst  „mit  der  Sparsamkeit,  welche  ihm  in  der  Verwaltung  seiner  geistigen 
Habe  eigen  ist",  die  Übersetzung  des  Traktats  eigenhändig  eingefügt.  Das 
beweise  die  der  Bulspredigt  und  den  Einschaltungen  gemeinsame  Ver- 
wendung des  Adverbs  forthcrover  (vgl.  dazu  meine  Bemerkungen  S.  7  IS  f.). 

A.  W.  Pollard,   Chaucer.    Lo.  1893  (letzte  Auflage  1912), 

gibt  (S.  124 — 126)  die  Möglichkeit  von  Interpolationen,  eventuell 

mit  Beistimmung  Chaucer's   —   er   meint,    die   Mönche   hätten 

ihn  dazu  beschwatzt  —  zu,  doch  folge  aus  der  Annahme  von 

Interpolationen    noch    nicht   ohne   weiteres,   dafs   das  Original 

nun  auch  wirklich  Wiclif's  Ansichten  vertreten  habe. 

Dagegen  zeige  sich  „unzweifelhaft"  Wiclif's  Einflufs  in  den  CT., 
womit  aber  noch  lange  nicht  gesagt  sei,  dafs  der  Dichter  dem  Reformator 
nun  auch  bis  zu  den  letzten  Konsequenzen  gefolgt  sei  und  bewufst  dessen 
Lehrsätze  vertreten  habe.  Dies  würde  dem  Geist  Chaucer'scher  Poesie 
ganz  widersprechen.  Ähnlich  spricht  sich  Pollard  mit  Beziehung  auf 
Simon  und  Eilers  in  der  Einleitung  zur  Globe  edition  S.  XXXI  aus: 

,a  recent  German  theory  that  it  (the  P.  T.)  was  tampered  with,  after 
Chaucer's  death,  or  with  his  consent,  by  some  orthodox  priest,  being  quite 
unnecessary"  (vgl.  auch  ib.  S.  265  Anm.). 

Eine  sehr  umfangreiche  Behandlung  ist  „Chaucer's  relation 
to  religion"  in  T.  K.  Lounsbury's  Studies  in  Chaucer,  Lo.  1892, 
zu  teil  geworden  (Vol.  II,  458  ff.). 


646 

L.  behandelt  zunäehst  das  Verliältnis  von  Chnncer's  Ansichten  zu 
denen  Wiclif  s.  Er  streift  die  z.  T.  anf  irrtümlichen  Voraussetzungen  auf- 
gebauton früheren  Ansichten,  uiu  dann  zu  einer  selbständigen  Prüfung  der 
Frage  auf  Grund  von  Ch.'s  persönlichen  Beziehungen  und  des  allgemeinen 
Eindrucks  seiner  Werke  überzugehen,  die  ihn  zu  folgendem  Ergebnis  führt: 

„He  sympathized  with  the  military  party  in  the  State  as  opposed  to 
the  ecclesiastical.  In  the  divisions  prevailing  in  the  church  he  s.  with  the 
secular  clerg}^  as  opposed  to  the  regulär  .  .  .  his  hostility  was  greatcr 
towards  tho  friars  than  towards  the  mouks  .  .  .  Upon  all  these  points  he 
doubtless  approached  Wycliffe  and  all  those  who  shared  in  WyclifFe's 
sentiments.  This  agreement  in  opinion,  however,  is  very  far  from  makiug 
him  a  follower  of  the  Reformer." 

Zweitens  betrachtet  L.  Ch.'s  religiöse  Dichtungen,  aus  denen  wir 
aber  keine  wirkliche  Kenntnis  über  seine  religiösen  Ansichten  schöpfen 
könnten. 

Daher  geht  er  drittens  znr  Beantwortung  der  Frage  über,  welches 
die  Tendenzen  religiösen  Glaubens  waren,  deren  Einflufs  Ch.  ausgesetzt 
sein  konnte.  Er  zeigt,  wie  das  Vorherrschen  skeptischer  Zeitströmungen 
im  14.  Jahrhundert  sich  bei  Ch.  wiederfinde,  der  oft  die  Person  Gottes  in 
nicht  gerade  sehr  ehrerbietiger  Weise  behandle  [!?].  Im  übrigen  aber 
seien  (und  da  berührt  sich  L.'s  Ansicht  mit  der  ten  Briuk's)  mehrere 
Perioden  der  religiösen  Anschauungen  bei  Ch.  zu  unterscheiden,  eine 
frühere,  wo  er  ganz  auf  dem  Boden  der  orthodoxen  katholischen  Kirche 
stehe,  und  eine  spätere,  wo  er  freisinnigere,  der  Kirche  und  ihren  Dogmen 
geradezu  feindliche  Anschauungen  bekunde.  Im  allgemeinen  jedoch  sei 
es  nicht  wahrscheinlich,  dafs  er  diese  geistig  völlig  verarbeitet  und  genau 
formuliert  habe.  Auch  böten  seine  Werke  teils  nicht  genügendes,  teils 
zweideutiges  Material,  um  überhaupt  jemals  zu  einer  genauen  und  sicheren 
Entscheidung  zu  kommen. 

Eine  weitere  Förderung  der  an  die  P.  T.  sieh  knüpfenden 
Probleme  bedeutet  ein  Aufsatz,  der  in  der  Furnivall-Festschrift 
(An  English  Miseellany",  Oxford  1901)  erschienen  ist.  Es  ist 
das  der  Beitrag  Mark  H.  Liddell's  ,,A  new  souree  of  the 
P.  T.",  der  an  den  Faden  von  Eilers  anknüpfte  und  zu  dessen 
Quellenuntersuchung  eine  sehr  schätzbare  Ergänzung  lieferte,  i) 
mit  deren  Hilfe  wir  allein  schon  die  P.  T.  in  ganz  anderem 
Lichte  sehen  konnten  als  bisher.  Während  Eilers  in  Frbre 
Lorens  eine  Quelle  (verwandte  Fassung)  des  in  der  P.  T.  ent- 


^)  Man  vgl.  meine  Besprechung  in  der  Neuen  Philologischen 
Rundschau  1U02,  S.  115 — 118.  Dort  habe  ich  auch  das  Ergebnis  meiner 
Nachprüfung  des  Liddell'schen  Textes  in  der  Bodleyana  mitgeteilt,  der 
sehr  mangelhaft  kopiert  und  daher  nicht  verläfslich  ist  (Ms.  Bodl,  923  The 
Clensyny  of  Mannes  Soivle). 


647 

haltenen  Siiudentraktats  gefuuden  hatte,  bot  Liddell  eine  solche 
für  den  anderen  Teil  der  P.  T.,  für  die  Bufspredigt.  Diese 
Fassung  zeigte  mit  den  entsprechenden  Teilen  der  P.  T.  schon 
viel  gröfsere  Ähnlichkeit  als  die  Somme  des  Fröre  Lorens  mit 
der  Abhandlung  über  die  sieben  Todsünden. 

Kurz  nach  dem  Liddell'schen  Artikel  ist  dann  die  bereits 
oben  (S.  629)  erwähnte  Quellenuntersuchung  von  Mifs  Kate 
Oelzner- Petersen  „The  sources  of  the  Parson's  Tale"  er- 
schienen, die  ein  Ergebnis  mühseligsten  Handschriftenstudiuras 
darstellt.  Mifs  Petersen  i)  hat  nicht,  wie  nach  dem  Titel  viel- 
leicht zu  erwarten  wäre,  die  direkten  Quellen  der  P.  T.  ent- 
deckt, sondern  vorerst  nur  diejenigen,  auf  welche  Chaucer's 
Fassung  im  letzten  Grunde  zurückgeht.  Es  ist  das  für  die 
Bufspredigt  Raymund  von  Pennaforte's  Summa  casuum 
pocnitentiae  (geschrieben  spätestens  1243,  wofür  die  Verfasserin 
auf  von  Schulte,  Die  Gesch.  d.  Quellen  und  Literatur  des 
canonischen  Rechts  II,  412  verweist)  und  zwar  lib.  III,  titulus 
XXXIV  De  poenitentiis  et  remissionibus  (S.  415 — 458  in  der 
Ausgabe  vom  Jahre  1744  zu  Verona  erschienen);  für  d*n 
Sündentraktat  Guilielmus  Peraldus,  Summa  seu  Tradatus 
de  Viciis  (geschrieben  vor  1261).  Mifs  Petersen'«  Abhandlung 
enthält  eine  genaue  Vergleichuug  dieser  Werke  mit  der  P,  T. 
und  zwar  durch  eine  fortlaufende  Gegenüberstellung  im  An- 
schlufs  an  den  Text  der  P.  T.  und  stellt  eine  bahnbrechende 
Leistung  und  eine  wesentliche  Förderung  der  Chaucer-Forschung 
dar.  Auf  einzelne  von  der  Verfasserin  ausgesprochenen  Be- 
hauptungen werde  ich  an  den  betr.  Stellen  in  meiner  Unter- 
suchung eingehen.  Diese  hat  jedenfalls  durch  die  Auffindung 
der  letzten  Quellen  der  P.  T.  eine  entschiedene  Festigung  ihrer 
Voraussetzungen  erfahren. 

III.   Methodische  Behandlung  der  Frage. 

Betrachten  wir  zunächst  noch  einmal  rückschauend,  wie 
sich  die  Ansichten  über  Chaucer's  Stellung  zu  religiösen  Dingen 
und  über  die  Erzählung  des  Pfarrers  im  Lauf  der  Jahrhunderte 


1)  Vgl.  die  Besprechungen  von  E.  Koeppel,  ESt.  30,464—467  und 
von  mir  Herrigs  Archiv  108,430—435. 


648 

in  der  Forschung-  verändert  und  entwickelt  haben,  so  gewahren 
wir  gewisse  treibende  Motive,  die  das  jedesmalige  Urteil  in 
charakteristischer  Weise  beeinflufsten.  Zunächst  hält  man  sich 
fast  ausschliefslich  an  die  in  Chaucer's  Werken  sich  offen- 
barende theologische  Kenntnis  und  an  die  Kritik  und  Satire 
des  Mönchswesens,  wie  sie  vor  allem  in  der  Chaueer  früher 
fälschlich  zugeschriebenen  Plowman's  Tale  zum  Ausdruck  kommt 
(Hauptargumeut  der  Puritaner).  Nachdem  sich  deren  Unechtheit 
erwiesen  (Tyrwhitt  1775)  und  gegenüber  der  früheren,  lediglich 
auf  dem  Gefühl  beruhenden  Beurteilung  eine  verstandesmäfsige, 
kritische  Betrachtungsweise  Platz  gegriffen  hat,  klammert  man 
sich  mehr  an  die  vorher  weniger  offen  verwerteten  Beziehungen 
Chaucer's  zum  Duke  of  Gaunt,  bis  dann  (schon  von  Tyrwhitt, 
besonders  aber  seit  Sandras  1859)  der  Schwerpunkt  der  Frage 
auf  die  Ausdeutung  der  Persönlichkeit  des  Pfarrers  und  die 
kritische  Betrachtung  seiner  Erzählung  in  den  C.  T.  verlegt 
wird.  In  den  letzten  hierüber  erschienenen  Arbeiten  ist  dann 
die  Quellenfrage  in  den  Vordergrund  getreten. 

Und  da  knüpfe  ich  mit  der  folgenden  Erörterung  an. 

An  einer  umfassenden  Darstellung,  die,  auf  den  früheren 
Einzelarbeiten  und  Einzelurteilen  aufbauend,  sich  das  gesamte 
Material  von  Chaucer's  Leben  und  Werken  nach  einem  ein- 
heitlichen Plan  zu  nutze  macht,  gebricht  es  bisher.  Allerdings 
hat  das  seine  guten  Gründe,  fehlten  doch  (worauf  John  Koch 
schon  mit  Recht  hinwies)  bei  den  zeitlich  immerhin  ziemlich 
zurückliegenden  Untersuchungen  mancherlei  Voraussetzungen, 
um  an  eine  solche  Aufgabe  mit  der  Aussicht  auf  guten  Erfolg 
herantreten  zu  können.  Inzwischen  ist  vielerlei  geschehen, 
teils  durch  die  unermüdliche  Tätigkeit  Dr.  Furnivall's  mittels 
der  Chaucer-Society,  besonders  was  Textveröffentlichungen  an- 
langt, teils  durch  die  sich  hierauf  aufbauende  Handschriften- 
und  Textkritik,  schlielslich  durch  unzählige  Abhandlungen  und 
Einzelartikel  bezüglich  der  sachlichen  Erklärung  und  der  Er- 
forschung der  Quellen. 

In  Bezug  auf  das  zur  Erörterung  gestellte  Thema  berühren 
die  bisherigen  Arbeiten  teils  nur  einige  Punkte,  teils  kranken 
sie  bei  umfassenderer  Erörterung  doch  an  einer  gewissen  Ein- 
seitigkeit. Man  merkt,  dals  sie  nicht  aus  dem  Vollen  schöpfen, 
es    fehlt    an    der    Grundlage,    an    dem   genügenden   Material. 


649 

Unser  Gegenstand  verlangt  eine  sehr  subtile  Behandlung,  viel 
vorsichtiges  Tasten  und  eine  genaue  Heranziehung  aller  Möglich- 
keiten in  Einzelfällen,  Man  darf  daher  weder  das  Haupt- 
gewicht auf  Chaucer's  persönliche  Beziehungen  legen,  noch 
bei  seinen  Werken  lediglich  dem  Gesamteindruck  nach  urteilen, 
noch  einzelne  Stellen  für  sich  nach  einer  besimmteu  Richtung 
hin  ohne  Berücksichtigung  des  Ganzen  und  ähnlicher  Stellen 
auslegen  wollen.  Nur  eine  vergleichende  Betrachtung  im 
weitesten  Umfange  und  eine  gegenseitige  vorsichtige  Abwägung 
aller  Momente  gegeneinander  können  zum  Ziele  fuhren. 

Dazu  bedarf  es  aber  einer  zusammenhängenden  syste- 
matischen Prüfung  aller  Stellen  in  Chaucer's  Werken,  die 
religiöse  Fragen  berühren  oder  mit  ihnen  in  Zusammenhang 
gebracht  werden  können.  Um  diese  Stellen  nun  zunächst  für 
sich  allein  einigermafsen  richtig  zu  bewerten,  ist  nicht  nur 
der  Zusammenhang  zu  beachten,  in  dem  sie  zur  Umgebung 
stehen,  man  hat  sich  auch  zugleich  zu  fragen,  ob  der 
Dichter  sie  original  geschaffen  oder  einer  Quelle  ent- 
lehnt und  dann  vielleicht  in  charakteristischer  Weise  durch 
Zusätze  und  Fortlassungen  verändert  hat  (Quellenkriterien). 
Durch  solches  Vorgehen  erst  erhält  jede  Stelle  ein  gewisses 
Mafs  von  Bedeutung  und  wird  erst  so  zum  Vergleich  mit 
anderen  reif  und  für  das  Resultat,  d.  h.  für  die  Ansicht  des 
Dichters,  malsgebend.  Selbstverständlich  mufs  dieses  Material 
von  erschöpfender  Vollständigkeit  sein.  Einzelne  Ansätze,  wie 
sie  z.  B.  Lounsbury  a.  a.  0.  IT,  487  zeigt,  können,  wenn  sie 
auch  den  richtigen  Weg  andeuten,  natürlich  nicht  zu  sicheren 
Resultaten  im  ganzen  führen. 

In  dieser  Erkenntnis  habe  ich  nun  sämtliche  Werke  Chaucer's 
Zeile  für  Zeile  mit  den  ihnen  zugrunde  liegenden  Quellen,  so- 
weit solche  vorhanden  oder  bekannt  sind,  verglichen  und  das 
so  gewonnene  Material  nach  gewissen  Gesichtspunkten  ge- 
ordnet. Da  somit  die  Behandlung  des  Themas  zum  Teil  von 
der  bisherigen  Erforschung  der  Quellen  von  Chaucer's  Schriften 
abhängig  gemacht  wird,  könnte  der  Umstand,  dals  noch  nicht 
alle  Quellen  gefunden  sind,  zu  der  Meinung  verführen,  die 
Grundlage  sei  für  eine  vielleicht  endgültige  Lösung  des  Themas 
noch  nicht  breit  genug.  Auf  grund  einer  genauen  durch- 
gehenden  Prüfung  halte   ich  jedoch   eine   solche  Befürchtung 


650 

für  uüweseutlieh,  weuu  uns  auch  die  tatsäcblicbeu  Verbältnisse 
bisweilen  zur  Vorsiebt  mabueu.  In  soleben  Fällen  habe  icb 
das  stets  bemerkt.  Um  mögliebst  sieber  zu  geben,  werden  wir 
also  stets  beacbten  müssen,  ob  für  eine  Stelle  die  unmittel- 
bare Quelle  vorbanden  ist  (in  welcbem  Fall  es  sieb  um  eine 
Übersetzung  oder  Bearbeitung  Cbaucer's  bandeln  kann),  oder 
nur  eine  mittelbare  oder  ob  endlicb  gar  keine  Quelle  bekannt 
ist.  In  diesem  letzteren  Fall  wird  man  stets  mit  der  Möglieb- 
keit  reebnen  müssen,  dafs  die  Quelle  nocb  einmal  gefunden 
wird,  wenn  die  betreffende  in  Frage  kommende  Stelle  niebt 
so  cbarakteristiscbes  Gepräge  zeigt,  dafs  wir  sie  nacb  anderen 
Fällen  ohne  weiteres  dem  Diebter  zusebreiben  können,  wie  das 
z.  B.  mancbmal  der  Fall  ist  bei  reflektierenden  Einfügungen 
gegenüber  der  Quelle,  die  dann  ja  bekanntlicb  vielfacb  scbon 
in  den  Handscbriften  durcb  den  Randvermerk  „auctor"  als 
Zusätze  Cbaucer's  gekennzeiebnet  sind. 

Aber  aucb  sonst  ist  vielerlei  zu  beacbten,  das  metbodiseb 
von  der  grölsten  Bedeutung  werden  kann.  Es  ist  mir  uatürlicb 
niebt  möglieb,  auf  alles  au  dieser  Stelle  einzugeben,  obwobl 
es  von  allgemeinem  Interesse  sein  dürfte;  icb  mülste  dann  eine 
eigene  Abhandlung  über  Cbaucer's  Verhältnis  zu  seinen  Quellen 
der  Erörterung  meines  eigentlichen  Themas  voranstellen.  Daher 
begnüge  icb  mich  hier  mit  einigen  Andeutungen,  Weiteres  wird 
man  in  meiner  Untersuchung  bei  der  praktischen  Anwendung 
zerstreut  finden, 

Zusätze  und  Fortlassungen  religiöser  Art  im  weitesten 
Sinne  des  Worts  sind  nicht  immer  für  die  Meinung  des  Dichters 
absolut  sicher  entscheidend.  Zunächst  wird  man  sich  fragen, 
wie  Chaueer  den  StoflF,  in  dessen  Rahmen  die  betr.  Stelle  fällt, 
überhaupt  behandelt,  ob  er  gegenüber  der  Vorlage  vv^eit  aus- 
führt oder  mehr  oder  weniger  zusammendrängt.  Bei  einer 
Übersetzung,  wo  naturgemäfs  der  Anscbluls  an  das  Original 
am  engsten  ist,  wird  ein  für  die  von  mir  behandelte  Frage 
charakteristischer  Zusatz  natürlich  doppelt  schwer  ins  Gewicht 
fallen.  Wir  ersehen  daraus,  dafs  der  Diebter  auf  gewisse 
Sachen  Wert  legte  und  —  wie  z.  B.  im  Boethius  —  seinen 
Lesern  besonders  eindringlich  vor  Augen  führen  wollte.  Und 
derartige  Zusätze  sind  bei  Chaueer  durchaus  keine  Seltenheiten, 
wie    uns    die    Erzählung   von    Melibaeus    oder   die    Boethius- 


651 

Übersetzung-  zeigen  (vgl.  Cliaucer's  eigene  Bemerkung  C.  T. 
B.  2149  ff.).  Im  übrigen  wird  sieh  bei  einer  Übersetzung  unsere 
Ausbeute  auf  diejenigen  Stellen  zu  bescbränken  haben,  in  die 
vom  Dichter  mit  deutlieh  erkennbarer  Absicht  ein  anderer 
Sinn  hineingebracht  ^Yorden  ist,  —  Das  beste  Bild  von  Chaucer's 
ureigenster  Tätigkeit  bieten  uns,  abgesehen  natürlich  von 
seinen  Origiualschöpfungen  diejenigen  Dichtungen,  die  sich  als 
Bearbeitungen  einer  uns  bekannten  direkten  Vorlage  darstellen. 
Bei  Dichtungen,  wo  wir  zwar  nicht  die  direkte  Quelle  kennen, 
wohl  aber  ein  oder  mehrere  mit  Chaucer's  Version  weitläufiger 
verwandte  Fassungen  betreten  wir  zwar  ein  weniger  festes 
Gebiet,  können  aber  doch  auch  hier  in  manchen  Fällen  durch 
Vergleichung  und  Rückschlüsse  zu  einer  gesicherten  Auffassung 
kommen.  Bisweilen  gelingt  das  auch  bei  Stellen  in  Dichtungen, 
bei  denen  uns  selbst  der  geringste  Anhaltspunkt  fehlt. 

Weiter  hat  mau  sich  zu  fragen,  ob  anzunehmen  ist,  dafs 
der  Dichter  nach  dem  Gedächtnis  arbeitet  oder  etwa  die 
Quelle  vor  sich  liegen  hatte.  In  ersterem  Fall  kann  die  Fort- 
lassung gewisser  Einzelheiten  (nicht  etwa  wichtiger  oder  un- 
entbehrlicher Tatsachen !)  auf  blolsem  Vergessen  beruhen.  In 
letzterem  Fall  wäre  es  das  Ideal  der  Forschung,  zu  wissen, 
welches  Exemplar  der  betr.  Vorlage  (wenn  es  überhaupt  noch 
vorhanden  sein  sollte)  vom  Dichter  benutzt  wurde;  Randglossen, 
die  in  einer  Handschrift  des  betr.  Werkes  vorhanden  sind, 
während  sie  in  einer  anderen  fehlen,  sind  häufig  Veranlassung 
für  Zusätze  oder  Veränderungen.  Ferner  können  (in  allerdings 
teils  seltenen,  teils  minder  wichtigen  Fällen)  Rücksicht  auf 
das  Metrum  und  den  Reim  sowie  Tradition  der  Dichtersprache 
ausschlaggebend  sein.  Weit  wichtiger  sind  Veränderungen  aus 
poetischen  Rücksichten,  insbesondere  solche  vorgenommen  mit 
Rücksicht  auf  die  Charaktere  der  betr.  Dichtung.  Dabei- kann 
es  in  den  C.  T.  vorkommen,  dafs  der  Dichter  eine  doppelte  Rück- 
sicht walten  lassen  muls,  einerseits  auf  den  Charakter  und  die 
Lebensauffassung  der  erzählenden  Person,  andrerseits  auf  die  in 
der  betr.  Erzählung  vorgeführten  Personen.  Wie  tief  sich  der 
Dichter  in  jedem  Falle  in  den  Geist  seiner  Charaktere  hinein- 
versetzt und  aus  ihm  heraus  unter  Entäulserung  seiner  eigenen 
persönlichen  Anschauung  empfunden  hat,  wird  uns  allerdings 
vielfach  ein  Rätsel  bleiben  müssen.    Sehr  oft  wird  die  Rück- 


652 

sichtnahme  auf  den  Erzähler  auf  dio  Wahl  des  Stoffs  beschränkt 
sein,  zumal  wenn  wir  uns  vergegenwärtigen,  dals  gewisse  Er- 
zählungen —  man  denke  nur  an  die  „Man  of  Lawes  Tale"  — 
in  ihren  wesentlichen  Bestandteilen  bereits  fertig  waren,  ehe 
der  Dichter  überhaupt  den  Gedanken  an  die  Abfassung  einer 
Rahmenerzählung  gefafst  hatte.  Auch  Mifsverstäudnisse 
und  Fehler  können  in  Betracht  kommen,  wissen  wir  doch,  dals 
Cbaucer  bisweilen  dergleichen  passierte  (vgl.  z.B.Troilus  IV,  154, 
Hous  of  Farne  1390,  C.  T.  G.  173).  Bei  der  vergleichenden 
Abwägung  mehrerer  Stellen  gegen  einander  mufs  natürlich  die 
Chronologie  der  Werke,  denen  sie  entnommen  sind,  Berück- 
sichtigung finden,  sowie  die  Art  des  Erzählungsstoffs,  ob  christ- 
lich oder  heidnisch-antik  usw. 

Wenn  es  sich  nun  herausstellt,  dals  gewisse  mit  dem 
religiösen  Leben  in  Zusammenhang  stehende  Zusätze  in  vielen 
und  charakteristischen  Fällen  vorhanden  sind,  so  ist  damit 
bewiesen,  dafs  Chaucer  sie  aus  seiner  persönlichen  Über- 
zeugung heraus  hinzugefügt  hat  und  nicht  etwa  mit  Rücksicht 
auf  die  Charaktere  in  seinen  Dichtungen  oder  einen  Erzähler 
in  den  Canterbury  Tales.  Solche  Zusätze,  die  also  für  die 
Anschauungen  des  Dichters  mafsgebend  sind,  werden  in  dem 
betr.  Kapitel  den  Mittelpunkt  bilden,  um  den  die  übrigen 
weniger  bezeichnenden  Stellen  bei  der  Ermittlung  einer  ob- 
jektiven Auffassung  für  die  betr.  Frage  zu  gruppieren  sind. 

Man  ersieht  schon  aus  diesen  wenigen  Andeutungen,  dafs 
mancherlei  beachtet  sein  will,  um  die  so  vielfach  doppelsinnige 
Ausdrucksweise  Chaucer's  richtig  zu  beurteilen,  oder  vorsichtiger 
gesagt,  annähernd  richtig  zu  beurteilen  und  den  einzelnen 
Stellen  ein  gewisses  Mals  absoluter  Bedeutung  zu  geben.  Über 
alle  Möglichkeiten  in  jedem  einzelnen  Falle  mit  Sicherheit  zu 
entscheiden,  ist  natürlich  ein  Ding  der  Unmöglichkeit,  und  wir 
werden  uns  daher  oft  mit  weniger  begnügen  und  zu  einem 
Ausgleich  kommen  müssen,  wenn  wir  uns  nicht  auf  den 
schlüpfrigen  Boden  gewagter  Spekulationen  verirren  wollen. 

In  der  Einführung  (unter  I)  und  in  der  Übersicht  über 
die  bisherige  Forschung  (unter  II)  ist  der  Gedanke  zum 
Ausdruck  gebracht,  dafs  Chaucer's  religiöse  Grundstim- 
mung von  der  Echtheit  oder Unechtheit  der  Erzählung 
des  Pfarrers  abhängt. 


653 

Dieses  Problem  mufs  daher  den  Aiisgangspunkt  einer 
Untersuchung  von  Chaueer's  Stellung  zu  religiösen  Dingen 
überhaupt  bilden  und  soll  im  folgenden  zunächst  be- 
handelt werden. 


B.  Hauptteil:    Die  Erzäliliing  des  Pfarrers. 


I.   Zur  Einführung. 

Von  den  in  der  Übersicht  über  die  bisherige  Forschung 
genannten  Untersuchungen  und  Kritiken,  die  sich  mit  der 
Parson's  Tale  befassen,  ist  die  von  H.  Simon  für  unsere  Frage 
die  wichtigste.  Simon  hat  als  Erster  die  Ansicht,  dals  Chaucer 
Wielifit  gewesen  sei  und  auch  seinen  Pfarrer  als  Wiclifiten 
gezeichnet  habe,  systematisch  und  kritisch  zu  begründen  ver- 
sucht (damit  gab  er  zugleich  den  Anstols  zu  den  wertvollen 
Quellenuntersuchungen).  Zu  einer  wiclifitischen  Auffassung 
stimmte  aber  nicht  der  orthodoxe  Charakter  der  Erzählung 
(Predigt)  des  Pfarrers.  Daher  wurde  Simon,  wie  oben  an- 
gedeutet, auf  Grund  der  mangelhaften  Struktur  der  P.  T.,  sowie 
vieler  in  ihr  vorkommenden  Inkonsequenzen  und  logischen 
Fehler  zu  der  Annahme  geführt,  es  seien  in  der  ursprünglichen 
von  Chaucer  stammenden  und  Wiclifs  religiöse  Überzeugung 
wiederspiegelnden  P.  T.  Interpolationen  katholisch-ortho- 
doxer Färbung  vorgenommen.  Diese  Interpolationen  habe 
ein  Mönch,  wahrscheinlich  vom  Kloster  St.  Mary's  in  West- 
minster,  wo  Chaucer  in  der  letzten  Zeit  seines  Lebens  bis  zu 
seinem  Tode  wohnte,  im  ersten  Dezennium  des  15.  Jahrhunderts 
zu  dem  ausgesprochenen  Zweck  vollführt,  die  Nachwelt  fälschlich 
in  den  Glauben  zu  versetzen,  der  grolse  Dichter  sei  als  gläu- 
biger Katholik,  ja  als  eifriger  Verteidiger  der  Ohrenbeichte 
und  der  von  den  Priestern  auferlegten  Bufse  aus  dem  Leben 
geschieden.  Simon  suchte  nun  in  seiner  höchst  eingehenden 
Untersuchung,  die  zweifellos  mit  grofsem  Scharfsinn  geführt 
ist,  Originales  vom  Interpolierten  zu  trennen  und  so  den  ur- 
sprünglichen Text  der  P.  T.  zu  rekonstruieren.  Nach 
ihm  besteht  der  überlieferte  Text  der  P.  T.  aus  Chaueer's 
(wiclifitischer)   Bufspredigt    +    der   interpolierten   (katholisch- 


^ 


654 

orthodoxeu)  Bufgprodigt  +  dem  später  zur  Vervollstän- 
digung des  Ganzen  vom  Interpolator  eingefügten,  viel- 
leicht von  Chaucer  stammenden  Sündeutraktat.  Nach- 
dem nun  durch  Mark  H.  Liddell  für  den  wichstigeren  ersten 
Teil  dej  P,  T.,  für  die  Bufspredigt,  eine  der  eigentlichen  Vor- 
lage nahestehende  Quelle,  von  Mifs  Petersen  aufserdem  die 
letzten  Quellen  und  mehrere  Parallelen  entdeckt  worden  sind, 
eigentlich  erst  jetzt  sind  wir  in  der  Lage,  vermittelst  eines 
genauen  Vergleichs  dieser  Quellen  mit  der  überlieferten  Fassung 
der  P,  T.  Simon's  Hypothese  endgültig  zu  widerlegen  und  die 
Echtheit  der  gesamten  Erzählung  des  Pfarrers  über  alle  Zweifel 
erhaben  zu  stellen.  Hat  doch  Koeppel  (wie  vorher  ähnlich 
schon  John  Koch)  in  seinem  wohl  ausnahmslos  anerkannten 
Aufsatz,  auf  viel  schwächerem  Boden  arbeitend,  dasselbe  be- 
reits mit  verhältnismäfsig  gutem  Erfolge  versucht.  Es  ver- 
schlägt auch  nichts,  wie  meine  Erörterung  zeigen  wird,  dafs 
die  direkten  Quellen  der  P.  T.  noch  nicht  gefunden  sind 
(vielleicht  werden  sie  nie  gefunden). 

Da  die  von  Liddell  (s.  o.)  veröffentlichten  Auszüge  aus 
Ms.  Bodl.  923  meinen  Zwecken  nicht  genügen  konnten,  habe 
ich  diese  Handschrift  seinerzeit  in  Oxford  selbst  einer  genauen 
Durchsicht  unterzogen  und  zu  einem  grolsen  Teil  kopiert. 

Bekanntlich  besteht  die  Parson's  Tale  aus  zwei  Teilen, 
einer  Bufspredigt  und  einem  in  diese  eingeschobenen  Traktat 
über  die  sieben  Todsünden. 

Wer  es  sich  zur  Aufgabe  setzt,  die  Einheit  und  Echtheit 
der  ganzen  P.  T.  zu  beweisen,  mufs,  wenn  er  streng  methodisch 
verfahren  will,  folgeudermalsen  vorgehen: 

1.  mufs  gezeigt  werden,  dafs  die  Bufspredigt  der  P.  T., 
die  ja  nach  Simons  Hypothese  zweierlei,  und  zwar  verschieden- 
artige Bestandteile  von  verschiedenen  Verfassern  enthalten  soll, 
in  ihrer  überlieferten  Form  ein  einheitliches  Ganze  bildet. 
Dann  mufs 

2.  gezeigt  werden,  dafs  Bufspredigt  und  Sündentraktat 
von  einem  Verfasser  stammen.     Dann 

3.  dafs  dieser  eine  Verfasser  Chaucer  ist.    Und  endlich 

4.  dafs  Bufspredigt  und  Sündentraktat  von  Chaucer  zur 
P.  T.   vereinigt   sind.     (Dieser   Punkt   würde   fortfallen,   wenn 


I 


L 


655 

sich,  was  aber  m.  E.  im  höchsten  Grade  unwahrscheinlich  ist, 

zeigen    liefse,    dafs    Chaneer   schon    ein   aus    Bulspredigt   und 

Sündentraktat  zusammeng-esetztes  Werk  vorgefunden  hätte. 

Unabliiingig  davon  mnfs  die  Retractatio,  die  für  Chaucer's  Lebens- 
auffassung von  nicht  geringer  Bedeutung  ist,  auf  ihre  Echtheit  geprüft 
werden;  sie  gehört  ja  nicht  eigentlich  zur  P.  T.  hinzu. 


II.   Die  Bufspredigt  eiu  einheitliches  Werk? 

Aus  einem  Grunde,  der  durch  den  Verlauf  meiner  Er- 
örterung seine  Erklärung  und  Rechtfertigung  finden  wird,  be- 
handle ich  zuerst  diejenigen  einzelnen  Abschnitte  der  Bufs- 
predigt, die  nach  Simon's  Hypothese  echte  und  unechte  Be- 
standteile enthalten,  lasse  also  die  zunächst  beiseite,  die  von 
ihm  in  ihrem  ganzen  Umfang  als  interpoliert  angesehen 
werden.  Die  demnach  hier  in  Frage  kommenden  Abschnitte 
sind: 

a)   Die  §§  1,  2,  7,  12,  14;   dazu  §  13. 

§1  (J  75-83). 

Simon  beanstandete  in  diesem  Abschnitt  zunächst  (S.  248) 
die  Formen  ivil  und  wol  (J  75)  wegen  des  syntaktischen  Ge- 
brauchs; dieser  Gebrauch  ist  aber  durchaus  nicht  ungewöhnlich 
(vgl.  Skeat's  Note)  und  an  dieser  Stelle  durch  die  lateinische 
Fassung  der  Vulgata  (IL  Peter  3,9)  gerechtfertigt:  . . .  Dominus 
. . .  nolens  aliquos  perire,  sed  omnes  ad  poenitentiam  re- 
verti. 

Seite  283  f.,  wo  Simon  die  von  ihm  rekonstruierte  so- 
genannte ursprüngliche  Form  der  P.  T.  gibt,  erklärt  er  auch 
1.  die  lateinische  Fassung  des  Zitats  aus  Jeremia  in  der  Über- 
schrift, sowie  2.  den  Schlafs  des  Abschnitts  J  82  — 83  ...  and 
in  hotv  manye  maneres  bis  Penitence  für  interpoliert.  Er  st  er  es 
ist  unverständlich  und  dazu  ganz  bedeutungslos  für  die  Echt- 
heitsfrage; denn  die  lateinische  Form  des  Zitats  aus  Jeremia 
steht  aufserhalb  des  Textes,  und  in  englischer  Fassung  kehrt 
es  in  diesem  Abschnitt  (J  76 — 78)  noch  einmal  wieder,  wo 
Simon  es  für  ursprüngiicb  hält.  Das  Zweite  wird  durch 
die  Quellen  erklärt:  dem  „m  hoiv  mmiye  maneres  been  the 
accions  or  werhinges  of  Penitence''''  entspricht  in  R  „cZe  trihus 
actionihus  poenitentiae''^    und   in   C    „In  ivhat  maner  a  man 


656 

schal  he  verrey  repentaunt  for  syn7ie" ;  dem  „how  ynanye  spyces 
ther  heen  of  Fenitence'^,  ebenso  in  R  „de  tribus  speciebus 
cjusdem^^  und  in  C  „The  fift  [sc.  chajntle]  is  of  ihre  spices  of 
pe  sacrement  of  pe)iau7ice" ;  dem  „whiche  thinges  aparte^ien 
and  hihoven  to  Pe?iiteiice" :  „quae  sint  necessaria  in  vera  peni- 
tentia^^  und  „tchat  is  nedeful  to  he  had  in  fulfyllinge  verrey 
and  treiue  penawice'' ;  dem  „tvhiche  thinges  destourhen  Peni- 
tence":  „de  impedimentis  poenitentiae" ,  dagegen  nichts  in  C 
(ein  Beweis  dafür,  dafs  dieses  nicht  die  direkte  Vorlage  der 
P.  T.  sein  kann  und  auch  entfernter  verwandt  ist).  Ähnliches 
in  F  (s.  Eilers  S.  61f.). 

J  80  —  83,  von  Simon  teils  als  echt,  teils  als  interpoliert 
angesehen,  finden  sieh  bereits  in  den  Quellen  und  sind  also 
durch  diese  für  den  Verfasser  der  Bulspredigt  als  zusammen- 
gehörig bewiesen. 

§  2  (J  g4-W). 

Simon  glaubte  (S.  249  ff.)  aus  inhaltlichen  und  stilistischen 
Gründen,  dafs  der  katholische  Interpolator  vor  allem  die  in 
den  drei  Definitionen  der  Penitence  (J  84  -  86)  fehlenden  Be- 
griffe „shrift  of  mouthe",  „satisfaceion"  sowie  Besserung  des 
Lebenswandels  nachträglich  in  J  87 — 88  hineingebracht  und, 
um  dies  unauffällig  zu  machen,  vor  repentaunce  (J  86)  und 
fenitent  (J  87)  das  Wörtchen  „verray"  eingefügt  habe.  Ein 
Blick  auf  C  zeigt  aber  (Liddell  S.  262),  dafs  Beichte  und 
Bulse  schon  dort  als  „confessioim  of  mouth"  und  „satisfaccioim 
in  dede"  nach  der  zweiten  Definition  ausdrücklich  genannt 
sind.  Ebenso  kehrt  der  Gedanke  der  Besserung  des  Lebens- 
wandels in  R  und  in  C  wieder.  An  der  Einheitlichkeit  dieser 
Stelle  wird  man  also  nicht  mehr  zweifeln  können.  Die  Haupt- 
sache ist  aber,  dafs  die  Ohrenbeichte,  der  Kardinal- 
punkt, um  den  sich  hier  alles  dreht,  nicht  allein  inter- 
poliert sein  kann. 

R  hat  überdies  das  Zitat  aus  Isidor,  das  Liddell  samt 
der  ersten  Definition  der  Penitence  nebeneinander  aus  Ms. 
Bodl.  451  fol.  106  b  nachgewiesen  haben  will,  i) 


')  Bei  meiner  Nachprüfung  in  Oxford  stellte  sich  heraus,  dafs 
der  Nachweis  nicht  stimmt.  Trotz  vielen  Suchens  habe  ich  ihn  nicht 
rektifizieren  können. 


I 

> 


i 


657 

Zweifellos  ergeben  die  durch  die  Quellen  ans  Licht  ge- 
kommenen Tatsachen  die  Hinfälligkeit  der  Betrachtungen 
Simons  über  den  Inhalt  und  die  Entstehung  der  Definitionen 
in  J  84-86. 

Wie  leicht  eine  vorgefafste  Meinung  zum  Irrtum  führen 
kann,  wenn  ihr  tatsächliche  Unterlagen  fehlen,  zeigt  weiter 
die  zweite  Definition,  wo  Simon  (S.  249  Anm.)  in  dem  „doctour'^ 
Wiclif  vermutet  und  eine  angebliche  Parallele  aus  dessen 
Werken  beibringt.  „Dodour"  bedeutet  aber  auch  „Kirchen- 
vater", und  R  nennt  auch  direkt  Augustin,  während  Skeat 
(Anm.)  auf  Ambrosian  verweist,  der  eine  formell  entferntere, 
inhaltlich  aber  gleiche  Fassung  aufweist  (vgl.  auch  weiter 
unten,  wo  C  diesen  Ausdruck  hat). 

Ahnlich  finden  auch  die  minder  wichtigen  von  S. 
angezweifelten  Stellen  ihre  Erklärung:  Die  drei  De- 
finitionen stehen  bereits  inC;  „witli  certeyne  circumstaimces^ 
(J  86)  erklärt  sich  einfach  nach  §  85 — 86,  wo  solche  „circiim- 
staunces"  im  einzelnen  aufgeführt  werden.  (Es  ist  demnach 
nicht  mit  von  Düring  als  „umständlicher  ausgedrückt"  zu 
übersetzen.)  —  Ebensowenig  kann  „verrmj"  auffällig  sein,  es 
ist  dies  sicher  nichts  weiter  als  eine  Reminiszenz  aus  der 
Quelle.  Den  Quellen  ist  der  Zusatz  „wahr"  durchaus  geläufig. 
Man  vgl.  z.  B.  in  R  vera  poenitentia  gegenüber  J  88  bei 
Petersen;  J317  to  verray  Confession  bei  R  ad  veram  c.  und 
die  J  318  folgende  Erklärung,  die  gegenüber  R  eine  Zusammen- 
ziehung bedeutet.  —  Im  Inhaltsverzeichnis  von  C  (Liddell 
S.  259)  Kap.  4  und  5  „verrey  repentaunt",  „verray  petiaunce", 
„verrey  and  treive  penaunce"\  vgl.  auch  J  98— 100,  wo  der 
Ausdruck  „verrey"  seine  Erklärung  findet,  ferner  J  129, 
J  235  etc.  Die  Bedeutung  einer  wahren  Bulse  wird  bei  jeder 
Gelegenheit  hervorgehoben. 

Dagegen  bleibt  uns  der  Verfasser  der  P.  T.  die  Beantwor- 
tung der  Frage  „ivhemies  it  is  cleped  penitence"  (Liddell 
S.  262,  Petersen  S.  4  Anm.  3)  schuldig.  Ob  ein  Kompositions- 
fehler vorliegt,  ob  dieser  der  direkten  Vorlage  zur  Last  zu 
legen  ist,  oder  ob  der  Ausdruck  durch  die  Unachtsamkeit 
eines  Schreibers  hineingebracht  worden  ist  (Koch,  Angl,  11,542) 
oder  schlielslich  von  Cbaucer  absichtlich  fortgelassen  ist  (Koch, 
Anglia  V,  Anz.  134  f.),  lälst  sieh  nicht  beweisen. 

Studien  z.  engl.  Phil.    L.  42 


658 


§  7  (J  128—132). 
In  diesem  Absebnitt  bielt  Simon  J.  128  mit  Ausnabme  der 
Frage  „what  is  coiitricioun"  und  der  Zabl  „foure'',  wofür  er 
(wie  sieb  jetzt  zeigt,  da  R  „quattuor"  bat)  fälscblicb  „ihre" 
einsetzte,  für  ursprünglicb,  alles  andere  für  interpoliert.  Durch 
die  Quellen  lälst  sieb  aber  erweisen,  dals  dieser 
ganze  Abscbnitt  mit  geringfügigen  Änderungen  aber 
um  so  wiebtigereu  wörtlieben  Anklängen  aus  ibuen  als  ein 
einbeitliebes  Ganze  berübergenommen  ist.  Cbapitle  VI 
und  VII  in  C  bandeln  von  der  contricioun  (und  nebenbei  aber 
ganz  kurz  aueb  von  der  attricioim,  die  R  und  die  P.  T.  nicbt 
kennen);  nun  vergleicbe  man  die  P.  T.  mit  C  und  R: 

P.T. 


R:  Prima  dicta  est  Contritio,  circa 
quam  quattuor  suut  conside- 
randa  scilicet 

C:    whiclie  is  contriciouu 
R:    quid  ipsa  sit 

C:  wbiche  ben  pe  causes  pat 
bryDgen  or  Sterin  a  man  to 
contricioun 

R:  quae  siut  causae  inductivae 
ipsius; 

C:    what  longj'tli  to  contricioun; 
R:    qnalis  debeat  esse  et 

C:    how    effectuelly   contricioun 

wurcheth  in  ]?e  soule 
R:    quis  ejus  effectus 


In  this  Penitence  er  Contricion 
man  shal  understonde  foure  tbinges 
that  is  to  seyn: 

what  is  Contricion 


and  whiche  been  the  causes  that 
moeven  a  man  to  Contricion 


and  how  he  sholde 
be  contrit: 

and  what  Contricion  availleth  to 
the  soule. 


Hieraus  gebt  zur  Evidenz  bervor,  dafs  sich  die  Frage 
„ivliat  is  Contricion"  nicht  von  den  übrigen  trennen  lälst. 
Genau  so  steht  es  mit  der  Antwort  darauf,  sie  stimmt 
fast  wörtlich  mit  der  Quelle  tiberein.     Man  vgl. 

P.T. 


C :  For  after  diffinicioun  of  doctours 
contricioun  is  a  sorowe  taken 
for  syunes  wip  purpos  to  be 
confessed  &  to  do  satisfaccioun 
etc. 

R:  Contritio  est  dolor  pro  peccatis 
assumtus,  cum  proposito  con- 
fitendi  et  satisfacieudi. 


(den  Ausdruck  „doctour"  hatte 
der  Verf.  der  P.  T.  schon  I  85  ver- 
wandt) 

,that  Contriciouu  is  the  verray 
sorwe  that  a  man  recciveth  in  his 
herte  for  his  siunes,  with  sad  purpos 
to  shryve  him,  and  to  do  peuaunce, 
and  nevermore  to  do  synue  etc." 


41 


i 


mi. 


659 

Angesichts  dieser  Tatsachen  kann  man  hier  nicht  wohl 
von  Interpolationen  sprechen. 

Anm.:  Die  Worte  „Tlianne  is  it  thus"  (I  129)  küunen  aucü  nicht, 
wie  S.  will,  den  Sinn  haben  ,,Now  after  l've  made  the  necessary  alterations, 
it  is  thus."  Vielmehr  bilden  sie  einen  ganz  natürlichen,  wenn  anch  kurzen 
Übergang  von  der  im  vorhergehenden  Satze  ausgesprochenen  Vierteiluug 
zu  der  folgenden  Ausführung  im  einzelneu.  Vgl.  den  ähnlichen,  aber 
etwas  ausführlicheren  Fall  I  770;  s.  auch  Boeth.  B.  III,  Pr.  X  174,  wo 
„thanne.  is  it  ^/üts"  das  lat.  „quare"  wiedergibt.  Ich  vermute,  dals  dieser 
Ausdruck  Chaucerisch  ist,  da  für  1 129  und  I  770  die  Quellen  nichts  bieten. 

Ferner  bemängelte  Simon  S.  255 — 257)  die  angebliche 
Identifizierung  von  Penitence  und  Contricion,  wie  sie  zum  Aus- 
druck komme  in  den  diesen  Absatz  einleitenden  Worten:  „Bi 
this  Penitence  or  Contricion  mayi  shal  understonde  foure 
thinges  . . ."  und  in  der  Definition  von  contricion  (J  129),  die 
der  oben  an  dritter  Stelle  für  j^eiiitence  gegebenen  (J  86  ff.) 
gleichkommt  (nur  mit  Auslassung  des  zweiten  Teils  des  Hin- 
weises auf  einen  besseren  Lebenswandel). 

Diese  Definition  steht  aber  schon  wörtlich  in  C  (ef.  Liddell 
a.  a.  0.  S.  265  =  C  fol.  31  b).  Die  begriffliche  Identifizierung 
fällt  also  nicht  dem  Verfasser  der  P.  T.,  sondern  seiner  Quelle 
zur  Last,  Wenn  der  Verfasser  der  P.  T.  nun  diesen  Abschnitt 
mit  Rücksicht  auf  die  in  ihm  enthaltene  Definition  mit  den 
Worten  einleitet  „In  this  Penitence  or  Contricion",  so  bedarf 
das  keiner  Erklärung  mehr,  wie  sie  von  Koch  in  der  Be- 
sprechung von  Eilers  gegeben  und  von  Skeat  wiederholt  ist, 
nämlich  „In  this  Penitence"  als  „in  diesem  Teil  der  Reue" 
zu  fassen. 

Da  der  Verfasser  von  C  natürlich  nicht  in  den  Verdacht, 
Wiclifit  zu  sein,  kommen  kann,  entfallen  auch  die  von  Simon 
(S.  257,  Abs.  2)  an  den  in  Frage  stehenden  Ausdruck  geknüpften 
Betrachtungen. 

Der  Rest  dieses  Abschnitts,  gegen  den  Simon  nichts  ein- 
zuwenden hatte,  entspricht  vollkommen  z.  T.  wörtlich  den  betr. 
Stellen  in  C  (Liddell  S.  265  f.)  und  R  (Petersen  S.  10). 

§  12  (J  268). 

Die  vier  Wörter  „and  to  he  deed"  wurden  von  Simon  ge- 
strichen, da  der  durch  sie  ausgedrückte  Gedanke  erst  J  271 
behandelt  werde.     Bei  genauerer  Betrachtung  des  Textes  zeigt 

42* 


660 

sieh  aber,  dafs  eine  einwandfreie  logische  Anordnung  vorliegt. 
J  268  gibt  erst  gewissermafsen  die  Gesamtdisposition.  Dann 
folgt  J  269  ein  allgemeiner  Verweis  auf  Christus;  hierauf 
jeder  Punkt  gesondert  für  sich:  J  270  shame  =  sonve,  J  271 
the  deeth  =  to  he  deed. 

§  14  (J  305). 
Simon  strich  hier  folgerichtigerweise  den  Zusatz  „and 
that  man  have  stedefast  xmrpos  to  shryven  him,  and  for  to 
amenden  him  of  his  lyf .  Dies  steht  aber  schon  in  R:  . . .  con- 
tritio  . . .  quod  sit  universalis,  et  continua,  hdbens  propositum 
confitendi,  et  satisfaciendi  .  . .  Aulserdem  stimmt  die  Stelle 
genau  zu  J  87  „a7id  stidefastly  purposen  in  Ms  herte  to  have 
shrift  of  mouthe  .  .  .  and  continue  in  goode  iverhes",  ein  Passus, 
für  den  ich  die  Einheitlichkeit  und  daher  Ursprüugliehkeit 
oben  S.  656  gezeigt  habe. 

Anin.:  §  13,  1291.  Hier  ändert  S.  penaunce  in  loenitence  auf  Grund 
seiner  Erörterung  auf  S.  253  f.,  wo  er  dem  Verf.  der  P.  T.  wegen  des  unter- 
scliiedslosen  Gebrauchs  vorwirft,  beide  verwechselt  zu  haben.  Dafs  beide 
tatsächlich  zu  jener  Zeit  im  Englischen  (und  Französischen)  unterschiedslos 
gebraucht  wurden,  hat  schon  Eilers  a.  a.  0.  8.  f>1  mit  Recht  betont. 
(Vgl.  Koch,  Angl.  5, 135).  Überdies  wird  es  durch  C  insofern  bestätigt, 
als  dort  stets  penaunce  verwandt  wird. 

Ergebnis. 

Es  ergibt  sich  somit,  dafs  die  §§  1,  2,  7,  12,  14  (dazu  13), 
die  nach  Simon' s  Hypothese  aus  zwei  verschiedenartigen  Be- 
standteilen, aus  ursprünglichen  (die  Simon  für  Chaucer  in  An- 
spruch nahm)  und  interpolierten  (mit  Hilfe  einer  orthodoxen 
Bufspredigt)  bestehen  sollten,  ein  einheitliches  Ganze  bilden 
müssen,  da  schon  die  Quellen  sie  als  zusammengehörig  er- 
weisen; die  Annahme  von  Interpolationen  im  Simon'schen 
Sinne  ist  also  nicht  gerechtfertigt.  Allerdings  finden  sich  Ver- 
änderungen und  Zusätze,  doch  sind  diese  erstens  verhältnis- 
mäfsig  unwichtig,  weil  sie  keine  Prinzipienfragen  berühren, 
und  zweitens  decken  sie  sich  nicht  mit  den  von  Simon  aus- 
geschiedenen Bestandteilen. 

b)  Die  übrigen  §§. 

Da  nun  erwiesen  ist,  dafs  ein  Teil  der  Bufspredigt,  wie 
sie  uns  in  der  P.  T.  überliefert  ist,  in  seineu  wesentlichen  ße- 


1 


I 


l 


i. 


661 

standteilen  von  einem  Verfasser  herrühren  mufs,  und  da  ferner 
die  Zusammengehörigkeit  dieses  Teils  mit  den  übrigen  durch 
die  Quellen  verbürgt  ist,  so  folgt  daraus  die  Einheit  der 
ganzen  Bufspredigt,  d.h.  die  Möglichkeit  der  Annahme 
von  Interpolationen  überhaupt.  (Betr.  des  Sündentraktats 
sieh  v^eiter  unten.) 

III.   Die  Einheit  und  Echtheit  der  ganzen  Parson's  Tale. 

a)  Vorbemerkungen. 
Nachdem  ich  im  vorigen  Abschnitt  gezeigt  habe,  dafs  die 
Bufspredigt  der  P.  T.  ein  einheitliches  Ganze  bildet,  also  nur 
eine  Person  zum  Verfasser  haben  kann,  wende  ich  mich  nun 
zu  den  Fragen,  ob  für  Bufspredigt  und  Sündentraktat  ein 
und  dieselbe  Person  als  Verfasser  anzunehmen  ist,  ob  also  die 
ganze  P.  T.  in  ihrer  überlieferten  Form  von  einem  Verfasser 
stammt,  und,  wenn  das  der  Fall,  ob  dieser  eine  Verfasser 
Chaueer  sein  kann.  Wollte  ich  ganz  streng  vorgehen,  müfste 
ich  beide  Fragen  getrennt  behandeln.  Das  würde  jedoch 
mancherlei  Unzuträglichkeiten  im  Gefolge  haben  und  so  viele 
Wiederholungen  und  Verweise  nötig  machen,  dafs  dadurch  die 
ganze  Darstellung  erheblich  an  Übersicht  verlöre.  Ich  fasse 
daher  beide  Fragen  zusammen,  indem  ich  unter  Beweis 
stelle,  dafs  die  ganze  P.  T.  in  der  überlieferten  Form 
das  Werk  Chaucer's  ist.  Dies  begreift  wiederum  zweierlei 
in  sieh : 

1.  dafs  Chaueer  der  Verfasser  jedes  einzelnen  Teils  der 
P.  T.  ist; 

2.  dafs  er  selbst  diese  beiden  Teile  zu  einem  Ganzen  ver 
einigt  hat. 

Anm. ;  Die  Ansichten  darüber  habe  ich  in  der  Einleitung  berührt. 
Der  besseren  Übersicht  halber  stelle  ich  die  Urteile  hier  noch  einmal  ganz 
kurz  einander  gegenüber: 

Simon,  der  zuerst  neben  der  Bnlspredigt  auch  einen  Teil  des  Sünden- 
traktats einer  genaueren  Kritik  unterzog,  leugnete  nicht,  dafs  er  von  Ch. 
in  einer  früheren  Zeit  seines  Lebens  geschrieben  sein  könnte,  er  bestritt 
nur,  dafs  Ch.  ihn  als  einen  Teil  des  P.  T.  beabsichtigt  habe.  —  Eilers 
glaubte  wegen  der  Fehler  nicht  an  seine  Echtheit,  sondern  an  eine  Inter- 
polation, über  deren  Art  er  sich  aber  nicht  ausspricht.  —  ten  Brink 
unterschied  auch  zwei  Hände  in  der  P.  T.    Demgegenüber  glaubt  Koch 


662 

wie  Furnivall  an  die  Einlicit  und  Eclitheit  dt-r  ganzen  P.  T.  und  suchte 
die  darin  hervortretenden  Mängel  teils  zu  entschuldigen,  teils  zu  erklären. 
—  Seinen  Ausführungen  schlol's  sich  v.  Düring  au,  sowie  Koeppel,  der 
in  seinem  methodisch  und  sachlich  fördernden  Aufsatz  vollständig  neues 
Material  beibrachte. 


b)  Chaucer  der  Verfasser  der  Bufspredigt  und  des  Sündentraktats? 

Da  uns  keinerlei  äulsere  Kriterien  für  Chaucer's  Verfasser- 
schaft zu  Gebote  stehen  (die  Fortlassung  der  P.  T.  in  Lydgate's 
Aufzählung  von  Chaucer's  Werken  bewiese  eher  für  das  Gegen- 
teil, wenn  man  etwas  darauf  geben  wollte),  können  wir  nur 
mit  inneren  operieren. 

Der  Beweis  kann  in  doppelter  Weise  geführt 
werden,  negativ  und  positiv.  Negativ  insofern,  als  wir 
die  Argumente  der  Gegner  von  Chaucer's  Verfasserschaft  zu 
entkräften  suchen,  positiv  insofern,  als  wir  charakteristische 
Übereinstimmungen  und  Beziehungen  zwischen  der  P.  T.  und 
Chaucer's  Werken  nachweisen.  Diese  Wege  sind  bis  zu  einem 
gewissen  Grade  bereits  von  meinen  Vorgängern  beschritten 
worden.  Die  Beweise  gegen  Chaucer's  Verfasserschaft  be- 
stehen lediglich  aus  den  in  der  P.  T.  vorkommenden  „Ver- 
stölsen  gegen  Logik,  Grammatik  und  Stil,  Inkonsequenzen  und 
Absurditäten",  die  sich  mit  den  Werken  eines  Chaucer  (an- 
geblich) nicht  vertrügen.  Es  ist  also  zunächst  notwendig,  die 
Einwände  von  Simon  u.  a.  durch  einen  Vergleich  der  Quellen 
auf  ihre  Stichhaltigkeit  zu  prüfen.  Die  von  anderen  Gelehrten 
(Koch  und  Koeppel)  beigebrachten  Argumente  werden  dabei 
natürlich  die  ihnen  gebührende  Berücksichtigung  finden. 

Die  zunächst  folgenden  Ausführungen  schlielsen  sich  in 
ihrer  Art  an  das  weiter  oben  über  die  Einheit  der  Bufspredigt 
Gesagte  an. 

a)  Negative  Beweise. 
(Kritik  der  gegen  die  P.  T.  erhobenen  Einwände.) 

1.    Contricion, 

§  3  (J  95—101). 

Der    von    Simon    hervorgehobene    Widerspruch    zwischen 

„The   firste   accion   of  Penitencc"    auf  der    einen   Seite    und 

„Another  defaute"   und  „thridde  defaute-'  auf  der  andern  hat 


«I 


663 

Koch    und  Skeiit  (Anm.)   zu   der  Annahme   einer  Lücke  ver- 

anlafst.     Fassen  wir   die   entsprechende  Stelle  in  R  ins  Auge, 

so   steht  dort   nichts   von    .,defautes'' ;   der   lateinische   Passus 

heilst  vielmehr: 

„Altera  vcro  poeuitcutia  est,  sivc  actio  poeuitentiae,  quam  quis  post 
baptismuui  facit  de  mortalibus  pcceatis.  Tertia  est,  qiiae  fit  de  peccatis 
venialibus  quotidianns." 

Es  liegt  also  ein  Mifsverstilnduis  des  Verfassers  der  Bufs- 
predig't  in  der  P.  T.  oder  in  seiner  Quelle  vor.  Ein  solches 
Milsverständnis  beim  Übersetzen  wäre  für  Chaucer,  wenn  wir 
es  aufsein  Konto  setzen  wollen,  nichts  Überraschendes;  Fehler 
dieser  Art  sind  ihm  mehrfach  passiert, 

§  4  (J  102  -lOG). 

The  spices  of  Penüence  heen  three.  Betreffs  der  angeb- 
lichen Verwechslung  von  pcnitencc  und  penaunce  sieh  zu  §  13 
S.  660.  C  zeigt  überdies  an  dieser  Stelle,  dafs  die  Wieder- 
holung von  penaunce  in  doppeltem  Sinne  (J.  106),  von  Simon 
als  „complete  nonsense"  bezeichnet,  in  ihr  gleich  zu  Beginn 
dieses  Abschnitts  vorkommt  (Liddell  S. 263  „In  the  sacrement 
of  penaunce  hen  ihre  spices  of  penaunce").  Im  übrigen  herrscht 
gerade  hier  eine  sehr  grofse,  z.  T.  wörtliche  Übereinstimmung 
mit  den  Quellen,  so  dafs  der  Vorwurf  der  „awkward  definitions" 
auf  diese  fällt,  und  nicht  auf  der  Verfasser  der  P.  T. 

§  5  (J  107-112). 

„What  is  hihovehj  and  necessarie  to  verray  parfit  Peni- 
tence." 

In  der  dritten  Definition  von  Penüence  (J  86  ff.)  waren 
vier  Forderungen  aufgestellt:  contricion,  confession,  satisfaccion 
und  Besserung  des  Lebenswandels.  Diese  letzte  fehlt  nun  in 
diesem  Abschnitt,  und  Simon  sah  darin  die  Hand  des  Inter- 
polators,  dem  es  vor  allen  Dingen  auf  „shrift  and  satisfaccion" 
ankam,  und  der  allein  deshalb  die  Besserung  als  einen  Teil 
der  ,, satisfaccion"  betrachten  und  übergehen  konnte. 

Dafs  diese  vierte  Forderung  hier  fehlt,  wird  in  sehr  ein- 
facher und  befriedigender  Weise  durch  den  Anschluls  an  die 
Quelle  erklärt: 

In  R  heifst  es:  SequiUcr  videre  quae  sint  necessaria  in  poenitentia 
Vera  et  xierfecta;  et  quidem  tria,  videlicet: 


664 

C  stellt  zuuiiclist  fünf  Forderungen  auf:  es  gehen  nämlich  der  con- 
tricion,  confession,  satisfacc)07i  noch  zwei  vorher:  Ms.  Bodl.  023  heifst  es 
fol.  2Sa:  To  pis  sncrement  of  penance  &  to  haue  verrey  penauncc  fyne 
pinges  ben  nedeful.  The  first  is  pat  hit  behouith  htm  pat  schal  take 
<t  do  penaunce  pat  he  be  criste7ie  and  he  bc  in  füll  bileeue  in  all pe  articles 
of  the  feith.  tvith  icill  to  forsake  all  actael  synne  and  alle  icille  of  synne. 
The  secunde  is  pat  he  tohich  schal  gene  a  man  penaunce  haue  poiver 
and  auctorite  to  assoile  for  all  prestes  haue  liehe  power  as  ge  schal  se 
after:  The  prid  is  etc. 

Aber  in  dem  zusammenfassenden  Schlufssatz  wird  nur  noch  von  drei 
Arten  gesprochen, 

Simon  hätte  übrigens  auf  Grund,  dieser  Stelle  zu  einer 
weiteren  Folgerung  kommen  müssen.  Wenn  er  annahm,  dafs 
nur  der  luterpolator  die  Besserung  als  einen  Teil  der  „satis- 
faccion"  ansah,  nicht  aber  der  Verfasser,  mufste  er  weiterhin 
folgern,  daXs  der  luterpolator  auch  später  den  die  Besseruug 
enthaltenden,  aber  im  tiberlieferten  Text  der  P.  T.  nicht  vor- 
handenen Abschnitt  ausgemerzt  habe,  wenn  er  nicht  annahm, 
dafs  der  Dichter  selbst  schliefslich  die  nähere  Ausführung 
dieses  Kapitels  absichtlich  oder  unabsichtlich  unterliels,  eine 
Vermutung,  die  man  in  Simon's  Aufsatz  vergeblich  sucht. 

Über  den  von  Simon  an  dieser  Stelle  erhobenen  Vorwurf 
der  Unproportioniertheit  der  P.  T.  vgl.  Kochs  treffende  Be- 
merkung Anglia  V,  135, 

§  G  (§  113-127). 
„.  , .  Penitence,  tliat  may  he  lyhied  im-to  a  tree." 
Gegen  diesen  Abschnitt  erhebt  Simon  nur  geringe  Ein- 
wendungen, Warum  der  folgerichtig  durchgeführte  Vergleich 
der  Sünde  mit  der  Milch  einer  Amme  „illogical"  sein  soll,  ist 
mir  unverständlich.  Das  „tertium  „comparationis"  liegt  doch 
in  der  Mischung,  — 

Den  Vergleich  der  „penite^ice"  mit  einem  Baum,  der  Früchte 
trägt,  hält  Simon  für  künstlich.  Das  ist  aber  eine  ganz  sub- 
jektive Auffassung.  Der  Vergleich  würde  sogar  in  unsere 
moderne  Zeit  vorzüglich  passen.  Überdies  steht  er  schon  in 
C  (s.  Liddell  S.  265  oben),0    aber   nicht  in  R  und   ist  vom 

')  Dafs  dieser  Vergleich  ganz  geläufig  war,  zeigt  auch  die  Bemerkung 
von  Mils  Petersen  (S,  9  Aum.  1),  die  ihn  mit  Bezug  auf  den  Penitens  aus 
Bonaventura  nachweist.  —  Für  Chaucer  vgl.  man  F.  Klaeber,  Das  Bild 
bei  Chaucer.    B.  Ib93.    S.  44  f. 


.t   \ 


\   I 


665 

Verfasser  der  P.  T.,  der  aiif^ensebeinlieli  Gefallen  daran  fand, 
mit  vielen  Einzelheiten  weiter  ausgeführt,  wie  denn  überhaupt 
dieser  Abschnitt  durch  eine  Betrachtung  über  die  Verderblicb- 
keit  der  Sünde  mit  ihren  Folgen,  den  Köllenstrafen,  und  über 
die  Freuden  des  ewigen  Lebens  eine  erhebliche  und  charakte- 
ristische Erweiterung  gegenüber  den  bekannten  Fassungen  zeigt 
(vgl.  dazu  S.  684  ff.). 

§  8—11  (J  133-307). 
„TJie  causes  tliat  oghtc  moevc  a  man  to  Contricion  hecn  sixJ''' 
Simon  behauptete  im  Einklang  mit  seiner  Beweisführung, 
dafs  der  Interpolator  J  134  das  Wort  „Co7ifcssion"  statt  Con- 
tricion eingesetzt  habe.  Simon  war  zweifellos  insofern  im  Recht, 
als  „Confession'^  hier  nicht  möglich  ist.  Ein  Vergleich  mit  R 
(C  hat  dies  nicht)  fördert  nun  ein  sehr  interessantes  Mils- 
verstäudnis  von  Seiten  des  Verfassers  der  Bafspredigt  in  der 
P.  T.  oder  seiner  unmittelbaren  Quelle  zutage.  R  hat:  „Job: 
Res  dignas  confusione  agunt.  Daher  suchte  auch  Skeat  auf 
dem  Wort  ,.Co7ifcssion^^  fufsend,  vergeblich  nach  einer  Parallele. 
Der  Ausdruck  findet  sich  Prov.  XII,  4: 

Malier  diligens,  corona  est  viro  siio;  et  putredo  iu  ossibus  ejus,  quae 
confusione  res  dignas  gerit. 

Weiter  vermutete  Simon  in  J  138  eine  Interpolation,  doch 
gibt  die  in  den  Hss.  sehr  gleichmäfsig  überlieferte  Fassung  einen 
ganz  vernünftigen  Sinn   (die  bekannten  Quellen  haben  nichts). 

Im  übrigen  hielt  Simon  diesen  Teil  der  Bufspredigt  für  echt. 
Der  Verf.  schaltet  hier  anscheinend  freier  mit  seiner  Quelle. 
Zwar  hat  er  auch  „six  causes''^  aber  seine  1.  entspricht  der 
1.  und  2.  von  R  und  C,  seine  2.  der  3.,  seine  3.  der  4.,  seine  4. 
der  5.  und  seine  6.  der  6.  von  R  und  C.  Um  die  Zahl  6 
wieder  voll  zu  machen,  ist  als  5.  cause  eingeführt:  „ihe  remem- 
hrance  of  the  passion  that  oure  lord  Jesu  Crist  i)  etc. 

§  15  (J  308-315). 

„ivher-of  avayleth  contricion.^ 

An  diesem  Abschnitt  bemängelte  Simon  zunächst  die  Worte 
„som    tyme".     Dem    entspricht    aber    schon    in   R    „m  2^<^^'i^^^ 

1)  Betreffs  der  in  den  bekannten  Quellen  nicht  vorhandenen  Aus- 
führungen über  die  Qualen  der  Hülle  und  die  Freuden  im  Himmel  siehe 
S.  684  ff.  und  691  ff. 


I 


666 

{Patct  autcm  cffcctus  ejus  in  parte  . .  .  adive  . . .).  Die  dadurch 
herbeigeführte  Einschränkung:  findet  ihre  Erläuterung  durch 
J  309;  der  Gedanke  ist  der,  dafs  „contncion,  shrift  und  satis- 
faccioini"  jedes  für  sich  allein  wertlos  sind,  zur  Befreiung  von 
den  Sünden  gehören  alle  drei.  —  „The  passage  (Psalm  32,  5) 
is  not  applicable  here,  for  it  speaks  of  confession  of  sin"  sagt 
Simon,  aber  die  Stelle  spricht,  genau  genommen,  vom  festen 
Vorsatz  zu  bekennen,  der  gleich  Zerknirschung  ist,  und  diese 
wahre  Zerknirschung  nützt  bisweilen  zur  Vergebung, 

Die  Häufung  der  Ausdrücke  des  Sagens  in  J  308/9,  an 
der  mau  nach  Simon  sehen  konnte,  „wie  sauer  dem  Interpolator 
seine  Arbeit  geworden  ist",  wurde  von  Koch  (Anglia  V,  135) 
für  einen  Kopistenfehler  erklärt,  ohne  dafs  er  eine  Vermutung 
über  seine  Entstehung  gab.  Ich  erkläre  die  Stelle  auf  folgende 
Weise : 

Das  erste  „/  seye^^  (Subjekt  ist  der  Pfarrer)  gehört  zu 
J  308  und  mufs  natürlich  bei  der  Betrachtung  ausscheiden.  — 
Das  zweite  „I seyc^^  (J  309,  Subjekt  der  Pfarrer')),  quod  David^^ 
erklärt  sich  durch  Parallelen  wie  J  958 : 

. .  .  as  I  bigan  in  the  firste  chapitrc,  I  seyo,  seiut  Augnstin  seith: 

NB.  Diese  beiden  Stellen  haben  in  den  bekannten  Quellen 
keine  Parallelen! 

Betreffs  „David  seith  .  .  .  quod  David"'  scheinen  mir  zwei 
Parallelen  aus  Melibaeus  (womit  ich  meiner  Erörterung  durch 
einen  Hinweis  auf  die  Verfasserschaft  etwas  vorgreife)  die 
Häufung  vollkommen  zu  erklären. 

CT.  B.  2811  „Therfore  seith  Tullius:  „the  goodes,"  he  seith,  „of 
thyn  hons  ne  sholde  becn  opened  by  pitee  and  debouairete."  —  In  der 
Quelle  heifst  es  blofs:  ,,Pour  ce  dit  Tulles." 

Ebenso  B.  2^29  „And  therfore  he  seith  in  another  place:  „do  greet 
diligence,"  seith  Salomon,  „in  keping  ot'thy  freend  and  of  thy  gode  name." 
—  Qnelle:  „et  ponr  ce,  il  dit  autre  part." 

Nun  bleibt  noch  ,.that  is  to  se?/??"  übrig.  Es  erscheint 
mir  wahrscheinlich,  dafs  dieses  die  hier  ursprünglich  stehende 
lat.  Fassung   der  Vulgata  2)    erklären    sollte,    wie    es   z.  B.  in 


')  Die  Anführungszeichen  bei  I  seye  in  der  Skeat'schen  Ausgabe  sind 
also  zu  tilgen. 

•^)  Das  Zitat  steht  Ps.  3.3,  5  (Skeat  hat  infolge  Druckfehler  32,  5). 


m 


667 

C   durchgebends   der   Fall   ist;    vgl.   z.  B.   fol,  35b    (Liddell 

S.  268): 

,for  this  mater  we  haue  in  the  apocalips  thus:  Eccc  sto  ad  ostinm 
et  pulso  &  cetera;"  that  is  to  sey  „to  I  stoude  at  the  dore  aud  ryuge." 

Wir  müssen  uns  den  Vorgang  dann  so  denken,  dafs  der 
Verf.  der  P.  T.  diese  lat,  Fassung  später  wieder  strieb, ')  den 
Zusatz  „that  is  to  scy/w"  aber  zu  streicben  vergafs,  oder  dafs 
die  Streiebung  vom  Kopisten  iibersebeu  wurde.  Diese  beiden 
letzten  Möglicbkeiten  wurden  vielleiebt  dadurcb  begünstigt, 
dafs,  wie  im  Ellesmere  Ms.,  mit  „that  is  to  seyn^^  ein  neues 
Blatt  (216)  begann. 

Ein  weiterer  Einwand  Simon's,  dafs  J  311  —  312  die 
vierfaebe  Frucht  der  „contricion^^  zweimal,  wenn  auch  in  etwas 
versebiedener  Weise,  ausgeführt  sei,  erledigt  sich  durch  die 
fast  wörtliche  Übereinstimmung  mit  R  und  C  (Liddell  S.  268 
und  Petersen  S.  16).  Dafs  der  Verfasser  der  P.  T.  die  Stelle 
so  genau  herüberuabm,  erklärt  sich  nach  S.  666. 

J  313  hatte  die  von  Simon  benutzte  Ausgabe  von  Morris 
die  Lesart  „he  provith^\  Simon  konjizierte  bereits  das  später 
als  richtig  erwiesene  „he  proved^^. 

Über  den  doch  gewifs  bemerkenswerten  Gedanken  „and 
alle  thise  thinges  heen  preved  by  holy  tv7it'%  der  übrigens  in 
E,  und  C  fehlt, 2)  sagt  Simon  nichts.  Die  Berufung  auf  die 
Bibel  war  doch  eine  Eigentümlichkeit  Wiclifs  und  seiner  An- 
hänger! Aber  an  dieser  Stelle  war  sie  für  Simon's  Argumen- 
tationen höchst  unbequem,  mufste  er  doch  diesen  Abschnitt 
für  unecht  erklären. 

2.   Confesaion. 

§16—17  (J  316—321). 
Diese  beiden  kleinen  Abschnitte  leiten  zu  dem  grofsen  in 
die  Bufspredigt  eingeschobenen  Traktat  über  die  sieben  Tod- 


1)  In  der  Bufspredigt  findet  sich  kein  lat.  Zitat  im  Gegensatz  zum 
Süudentraktat. 

2)  Vgl.  Mifs  Petersen,  S.  16,  Anm.  2,  wo  sie  auf  die  mögliche  Ent- 
stehung dieser  Stelle  hindeutet  (weil  in  der  Quelle  viele  Zitate  gestanden 
haben).  Dann  käme  der  Bemerkung  nur  eine  stilistische  Bedeutung  zu, 
nicht  eine  der  religiösen  Überzeugung. 


668 

Sünden  ü])or.  —  Simon  wies  hier  auf  den  willkürliehen  Wechsel 
der  Pronomina  ye,  thotv  und  hc  hin;  ye  und  thoiv  gehören 
zusammen.  Es  heifst  J  317  „Noiv  shul  ye  understonde,  ivhat 
is  Confession'"  etc.  und  J  318  „First  shaltow  understonde  that 
Confession  is^^  etc. 

Hierin  liegt  aber  nichts  Auffallendes;  denn  ganz  abgesehen 
davon,  dals  ye  und  thotv,  wenn  wir  eine  einzelne  Person  hier 
als  angeredet  annehmen  wollen,  zu  Chaucer's  Zeit  nebeneinander 
verwandt  werden  könnten  (vgl.  dazu  z.  B.  L.  Kellner,  Outlines 
§278,  W.Franz,  Sh.  Gr.  §289)  ist,  wenn  wir  ye  pluralisch 
fassen,  bei  einer  Bulspredigt  diese  Verschiedenheit  der  Ein- 
führung eines  neuen  Gedankens  m.  E.  schon  an  und  für  sich 
erklärlich.  Der  Verf.  stellt  sich  bald  wie  der  Priester  in  der 
Beichte  eine  einzelne  Person  vor,  an  die  er  seine  Ermahnungen 
richtet,  bald  in  Anlehnung  an  die  Ausdrucksweise  der  Bibel 
eine  ganze  Zuhörerschar  (vgl.  als  schöne  Parallelen  dazu  J  95 
und  107).  Man  beachte  ferner,  dufs  neben  thotv  und  ye  auch 
noch  „man"  und  „men"  (z.  B.  J371  und  381)  gebraucht  werden. 
Demnach  wäre  auch  hc  J  319,  him  J  320  nicht  auffällig.  Über- 
dies zeigt  beispielshalber  der  Abschnitt  J  608  —  611,  aufweiche 
Weise  ein  „he"  in  die  Darstellung  hineinkommen  konnte. 
Nun  liegt  hier  aber  zweifellos  eine  gewisse  Mischung  der  Kon- 
struktionen vor,  wie  der  Übergang  ins  Passivum  mit  unpersön- 
licher und  der  (psychologisch  erklärliche)  Sprung  ins  Aktivum 
zurück  mit  persönlicher  Konstruktion  zeigen.  Die  bekannten 
Quellen  geben  hierfür  keine  Anhaltspunkte.  Diese  Unebenheit 
scheint  mir  dadurch  entstanden,  dafs  derjenige,  welcher  zuerst 
aus  einer  lateinischen  Vorlage  tibersetzte  —  eventuell  der  Verf. 
der  P.  T.  selbst  — ,  eine  bei  der  Mangelhaftigkeit  des  damaligen 
Prosastils  im  Französischen  oder  Englischen,  was  es  nun  war, 
schwer  wiederzugebende  oder  ungeschickt  lautende  Konstruktion 
vorfand,  wie  etwa  eine  der  folgenden: 

„omnia  dicenda  sunt  nee  quidquam  excusaudiim  est  vel  occultaudum 
vel  celandiiin  vel  gloriaudum  de" 

„omnia  debent  dici  .  .  .  uec  qiiisquam  debet  gloriari  de  .  .  .  ähnlieh 
mit  oportet,  necesse  est  oder  opus  est. 

, omnia  dicenda  sunt  nee  quidquam  excusaudum  vel  .  .  .  nee  quis- 
quam  debet  gloriari." 

oder  . .  .  nee  licet  gloriari  mit  unterdrücktem  euiquam  n.  a,  m. 


669 

An  diese  Stelle  der  Bufspvedigt  würde  die  Beantwortung 
der  Frage  gehören  „ivhethe}'  confession  oglite  necles  he  doon 
or  710071^^,^)  was  der  Verfasser  vergifst.  Wenn  man  den  Charakter 
dieses  Kapitels  als  Überleitungskapitel  in  Betracht  zieht,  scheint 
eine  absichtliche  Auslassung,  wie  sie  Koch  (Anglia  V,  135)  an- 
nimmt, nicht  ungerechtfertigt.  Dann  würde  der  Verfasser  die 
Streichung  der  Frage  vergessen  oder  der  Schreiber  die  Streichung 
tibersehen  haben.  Jedenfalls  erscheint  das  viel  plausibler  als 
die  gekünstelten  und  höchst  unwahrscheinlichen  Vermutungen 
Simon's  (S.  209). 

3.    Sündentraktat  und  Überleitung. 

Der  weitaus  gröfste  Teil  der  Arbeit  ist  hierfür  schon  von 
Koch  geleistet  worden,  dessen  Ausführungen  ich  in  den  meisten 
Punkten  beipflichten  kann. 

§  18-22  (J  321-386). 
Übergang  von  der  Bulspredigt  zum  Sündeutraktat. 

Zu  J  331  im  Vergleich  mit  J  351  bemerkt  Simon  S.  261, 
das  eine  Mal  sei  der  Teufel  als  erste,  das  andere  Mal  als 
zweite  Ursache  der  Sünde  bezeichnet.  Aber  es  liegt  kein 
Widerspruch  vor.  Im  ersten  Fall  ist  der  Sinn  der,  dafs  durch 
den  Teufel  die  Sünde  überhaupt  erst  in  die  Welt  kam,  wie 
an  dem  ersten  Sündenfall  im  Paradies  gezeigt  wird.  Im  zweiten 
dagegen  handelt  es  sich  darum,  dals  der  Teufel  in  der  Gegen- 
wart (relativ  gesprochen)  die  vom  Menschen  gehegten  sündigen 
Begierden  anstachelt.  Also  offenbar  zwei  ganz  verschiedene 
Fälle. 

Auch  in  §  22  sah  Simon  die  Hand  des  Interpolators.    Auf 

Grund   meiner  Ausführungen  unter  ß)  weiter  unten   ist  dieser 

Gedanke    auch    hier    abzuweisen.      Die    Behauptung   Simon's 

(S.  262),  dafs 

„A  person  fall  of  bnrning  love  to  Jesus  Christ  will  practise  prayer 
and  good  works  as  a  matter  of  course;  consequently  it  is  not  necessary 
to  mention  them:" 

ist  an  und  für  sich  ganz  richtig.  Aber  das  ist  doch  kein 
Grund  dafür,  dafs  es  doch  Leute  gibt,  denen  auch  dies  immer 
und  immer  wieder  eingeschärft  werden  mufs. 


*)  Sprachlich  ist  dies  (entgegen  Simon)  ganz  in  Ordnung. 


670 

§  23—29  (J  3S7-483)  De  Siiperbia. 
Zu  Simon  S.  263  und  Eilers  S.  5  betreffs  „prydc^'  als 
,,roofc  of  fhise  sevene  smncs^^  (J  388)  sieh  Koch 's  Erklärung 
(Auglia  V,  135),  die  jetzt  durch  die  Quelle  P  bestätigt  wird 
(vgl.  Petersen  S.  36).  —  Betreffs  „chajntres"'  (J  389  und  J  532) 
und  des  entsprechenden  ,Jitel  tretice^''  ebenda;  betreffs  ,,but  so 
heigh  a  dodrine  I  Icte  to  divines"  (J  957)  ebenda  und  schon 
FurnivalPs  Anmerkung  zu  Simon  S.  264.  Betreffs  „chajntres'''' 
könnte  man  auch  noch  eventuell  eine  Erinnerung  an  „chajntles^^ 
oder  Ähnliches  in  der  Vorlage  vermuten,  wenn  nicht  anzunehmen 
wäre,  dafs  §  23  in  dieselbe  Zeit  fiele  wie  die  Abfassung  des 
ganzen  Sündentraktats. 

§  30-31  (J  41^-532)  De  Invidia. 

J  486  „tuo  spiccs^^.  Eilers  wünscht  drei.  —  Vgl.  Koch's 
Erklärung  (Anglia  V,  135),  die  durch  die  Quelle  P  glänzend 
bestätigt  wird  (vgl.  Petersen  S.  46). 

§  32-52  (J  553—676)  De  Ira. 
J  557 ff.  Eilers,  S.  13  Anm.  2,  sah  in  der  durch  hothe  — 
and  ausgedrückten  Zweiteilung  einen  Widerspruch  mit  der 
angeblich  folgenden  Dreiteilung.  Koch  (Anglia  V,  135)  glaubte, 
dafs  mit  bothe  —  and  keine  strenge  Klassifizierung  beabsichtigt 
sei.  Dies  glaube  ich  aber  doch  und  zwar  aus  dem  Grunde, 
weil  Christus  und  der  Teufel  die  in  P  (siehe  Petersen  S.  51), 
teilweise  auch  in  Frere  Lorens'  „/SWme",  also  selbständige 
Faktoren  neben  dem  Menschen  und  seinem  Nächsten  fungieren, 
in  der  P.  T.  als  treibende  Kräfte  des  Guten  oder  Bösen  in  der 
Seele  des  Menschen  dargestellt  und  darum  in  der  Disposition 
des  Abschnittes  untergeordnet  sind. 

J  565.  An  ein  Schreibversehen  (sixe  für  ihre),  das  Koch 
(Anglia  V,  136)  annimmt,  vermag  ich  nicht  zu  glauben.  Da 
P  hier  versagt,  steht  die  Erklärung  noch  aus. 

J  611.    „/Som  lesmge  comth,  for  he  wole  sustene  his  word." 

Eilers  (S.  18,  Anm.)  sah  in  dem  „he"  einen  grammatischen 

Fehler.     Koch  (a.a.O.)  meint,  es  seien  zwischen  „comth"  und 

„for"  einige  Worte  ausgefallen.    Die  Stelle  ist  aber  grammatisch 

doch    ganz    in   Ordnung;    „he"    bedeutet   „man"    (siehe    oben 


671 

und  vgl.  „fei's"  im  Sinne  von  „07ie's^^  hier  und  J610);  „comth^^ 
gibt  das  lat,  „/f^"  wieder  und  bedeutet  „geschieht".') 

J612ff.  Zu  Simon  S.  266  und  Eilers  S.15flf.  sieh  Koch, 
a.a.O.  S.  136.    Der  Abschnitt  steht  im  wesentlichen  schon  in  P. 

§  53-01  (J  677—738)  De  Accidia. 
keine  Einwände. 

§  62-69  (J  739—817)  De  Auaricia. 

J  739  s.  Eilers  S.  26.  „Covelüse"  als  „rote  of  alle  harmes" 
(im  Widerspruch  mit  J  388)  stand  schon  bei  Fr^re  Lorens  und 
findet  sich  ebenso  in  P.  Den  Verfasser  der  P.  T.  trifft  also 
keine  Schuld.  —  J  767  ff.  Eilers  S.  27;  s.  Koch  a.a.O.,  dessen 
Erklärung  dadurch  eine  Stütze  erhält,  dafs  auch  P  keine  Parallele 
zu  den  weiteren  Ausführungen  der  P.  T.  bietet.  —  J  781  ff. 
Eilers  S.  28,  vgl.  Koch  ib. 

§  70-73  (J  818-835)  De  dJula. 
keine  Einwände. 

§  74—84  (J  836-957)  De  Luxuria. 

J916  Eilers  S.  44;  vgl.  Koch  a.a.O.,  ebenso  zu  J939ff. 

und  Eilers  S.  47. 

§  85—86  (J  958—981). 

Nachdem  der  Verfasser  der  P.  T.  in  §  83  die  Abhandlung 
über  die  sieben  Todsünden  beendet  und  in  §  84  seine  Absicht 
kundgegeben  hat,  die  zehn  Gebote  nicht  zu  behandeln,  kehrt 
er  zur  Beichte  mit  den  Worten  zurück: 

„Now  for-as-muche   as  the  second  partie  of  Penitence  staut  in  Con- 
fessiou  of  mouth,  as  I  bigan  in  the  firste  chapitre,  I  seye  .  .  . 

Simon  beanstandete  (S.  267)  hier  das  auffällige  „in  the 
firste  chapitre^'  und  erging  sich  in  Vermutungen,  die  auf  An- 
nahme der  Tätigkeit  des  Interpolators  hinausliefen.  Die  Er- 
klärung erscheint  sehr  einfach  durch  die  Annahme,  dafs  die 
Quelle  zur  Bulspredigt  in  Kapitel  eingeteilt  war,  etwa  so  wie 
C  drei  Teile  zu  je  sieben  Kapiteln  enthält.  Es  entsprechen 
auch  J  318  ff.  dem  ersten  Kapitel  der  „coiifession"  in  C.  Übrigens 
hätte  schon  J  318,  wo  es  heilst:  „First  slialtow  understondc . . ." 


1)  V.  Darin g  übersetzt  S.  285  richtig:  „Einige  Lügen  kommen  daher, 
weil  man  das  einmal  Gesagte  aufrecht  erhalten  will." 


672 

Simon  oder  Eilers,  der  sich  Simon  S.  51  anschliefst,  darauf 
bringen  küuueu,  dafs  „m  the  firste  chapitre"  auf  dieses  „first" 
zurückweist.  —  Betreffs  Simon's  Einwand  zu  J  9G0  „evei'y 
synne"  s.  Koch,  Anglia  V,  136 f. 

§  87  (J  982—997). 
Simon  erhebt  gegen  diesen  Abschnitt  einen  auch  von  Koch, 
ÄDglia  II,  543,   anerkannten  Einwand,    der   sieh   auf  das  Ver- 
hältnis des  Pfarrers  zur  Parsou's  Tale  bezieht.    Er  meint,  dafs 
die  Stelle: 

J  991 :  „.  .  .  thanne  sbolde  nat  the  sinnere  sitte  as  heighe  as  his  cou- 
fessour,  bat  knele  biforn  him  or  at  his  feet  .  .  ." 

sich   nicht   vertrüge   mit   den  Versen  des  Gen.  Prol.,   wo  vom 

Pfarrer  gesagt  wird: 

A  516    He  was  to  sinful  man  nat  despitons. 
und  A  525    He  wayted  after  no  pompe  and  reverence. 

Die  erste  Stelle  ist  m.  E.  nicht  so  auszulegen,  als  ob  der 

Pfarrer   auf  demütiges   Benehmen    seiner   Beichtkinder   nichts 

gäbe,   weil   er  ihnen  versöhnend  entgegenkam.     Das  beweisen 

die  Verse  A  521—523: 

But  it  were  any  persone  obstinat, 
What-so  he  were,  of  heigh  or  Iowa  estat, 
Him  wülde  he  suibben  sharply  for  the  nones. 

Die  zweite  Stelle  A  525  kann  überhaupt  nicht  zum  Ver- 
gleich herangezogen  werden,  da  sie  sich  nicht  mehr  auf  den 
Verkehr  des  Pfarrers  mit  seiner  Gemeinde  während  der  Beichte 
bezieht. 

§  88  (J  998-1011). 
Betreffs  des  Wechsels  der  Person  siehe  mein  Bemerkuugen 
zu  §  17.  — 

Für  J  1007  hat  Koch  die  richtige  Erklärung  geliefert; 
der  Satz  steht  wörtlich  so  in  R  (s.  Petersen  S.  21).  —  Weiter 
macht  Simon  darauf  aufmerksam,  dafs  wir  es  eigentlich  mit 
„5  thinges"  dieser  „2.  condicion"  zu  tun  haben,  während  J  1003 
nur  vier  angekündigt  werden.  Die  ersten  vier  finden  sich  in 
den  bekannten  Quellen  an  dieser  Stelle  nicht,  und  es  wäre 
unter  den  obwaltenden  Umständen  müfsig,  Vermutungen  zu 
äufsern.     Vgl.  auch  Koch  zu  Eilers  359,  29 ff. 


673 

Ob  vor  J  1003  eine  Lücke  anzunehmen  ist,  die  den  Uber- 
gangssatz  enthalten  hätte,  wie  Koch  will,  möchte  ich  sehr 
bezweifeln,  zumal  auch  dessen  Vermutung  auf  der  Annahme 
basierte,  dals  Fr^re  Lorens  die  Quelle  für  diesen  Abschnitt  sei. 
Ob  der  Verfasser  der  Bulspredigt  oder  seine  Vorlage  die  strenge 
Disposition  aufgegeben  hat,  lälst  sich  vorderhand  für  diese 
Stelle  ebensowenig  mit  Sicherheit  ermitteln  wie  für 

§  89—90  (J  1012—1027). 
WO   neue  Vorschriften   ohne  Ordnung   aneinander  gereiht  sind. 
Ich  bin  aber  geneigt,  das  erstere  anzunehmen  und  die  Schuld 
auf     die     vom     Verfasser     der     Bulspredigt     vorgenommenen 
Kürzungen  und  seine  augenscheinliche  Eile  zu  schieben. 

Simon  meinte  ferner,  dafs  die  Ermahnung,  an  der  Barm- 
herzigkeit Christi  nicht  zu  verzweifeln  und  dem  Priester  nicht 
zu  zürnen,  aus  dem  Zusammenhang  herausfielen.  Das  mag 
sein.  Aber  das  erste  stand  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  schon 
in  der  Quelle,  den  C  hat  es,  und  das  zweite  könnte  mit  dem 
Charakter  des  Pfarrers  in  Verbindung  gebracht  werden.  Zu 
§  87  habe  ich  schon  die  Verse  aus  dem  Gen.  Prol.  A  521 — 523 
angeführt,  sie  passen  ganz  vorzüglich  zu  J  1013: 

„.  .  .  ce  he  shal  nat .  .  .  wrattlie  him  agayn  tbe  preest  for  bis  ainonest- 
inge  to  leve  sinne." 

Ein  letzter  Einwand  Simon's  wird  durch  die  Quellen  er- 
ledigt.    J  1025  heilst  es: 

„Aud  generally  sbryve  thee  ofte  .  . .  And  thogh  thou  shryve  tbee 
after  tbau  ones  of  sinne,  of  wbicb  tbon  hast  be  shriven,  it  is  the  more 
merite." 

Hierzu    meint  S.:    „There   is   no   härm   in   confessing   the 

same  sin  twice."    Dieser  ironisch  zugespitzte  Ausruf  S.'s  verliert 

für  die  P.  T.  seine  Bedeutung  einfach  dadurch,  dafs  wir  diese 

Forderung  schon  in  den  Quellen  finden.    Besonders  ausführlich 

wird  das  in  C  auseinandergesetzt.    Es  heilst  dort  ausdrücklich 

nach  den  einleitenden  "Worten  (Liddell  S.272;  nach  „co7ifessed" 

füge   noch   ein:   „and  J)at  to  diuers  confessours  &  som  to  her 

oivne  confessour") : 

„Natbeles  such  ofte  rehersynge  pough  hit  be  gode  and  plesing  to  god 
Set  hit  is  no  nede  so  to  do  bnt  in  certein  cases." 

Solcher  Fälle  werden  nun  fünf  mit  eingehender  Begründung 

Studien  zur  engl.  Phil.    L.  43 


674 

aufgezählt  (fol.  56  a  bis  57  b).  Indem  nun  der  Verf.  der  P.  T. 
(oder  der  seiner  Vorlage?),  der  sich  um  so  kürzer  fafste,  je 
weiter  er  dem  Ende  zukam,  alles  dies  fortliels  und  nur  die 
nackte  Forderung  der  wiederholten  Beichte  erhob,  erhielt  die- 
selbe einen  ganz  schiefen  Sinn,  der  in  dieser  allgemein  aus- 
gesprochenen Form  sogar  den  Geboten  der  Kirche  zuwider  lief. 
Zweifellos  hätte  auch  hier  eine  Revision  des  Ganzen  diese 
Unebenheit  ausgeglichen.  —  Übrigens  sollte  mit  J 1026  ein  neuer 
Absatz  beginnen, 

Satisfaccioun. 

§  91—92  (J  1028—1037). 

„Contricion  of  herte"  und  ;,2)itee  of  defaute  of  hise  neighe- 
hores"  als  Arten  der  Almosen  weist  schon  (wie  Koch  richtig 
vermutete)  R  auf,  wodurch  Simon's  Einwände  (S.  273)  fallen. 

Das  Zitat  aus  Matthaeus  J  1036  ist  deplaziert,  wie  Simon 
bemerkte  (ähnliche  Fälle  kommen  auch  sonst  vor). 

§  93-98  (J  1038-1054). 

„Discipline  or  techinge"  hat  keine  Parallele  in  den  Quellen. 
Auch  läfst  sich  nach  dem  Text  nicht  sagen,  dals  (vgl.  Eilers 
S.  10 f.)  ein  Mifsverständnis  vorliegt.  Man  kann  darin  aber 
(entgegen  Simon)  sehr  wohl  eine  Art  „hodily  peyne"  sehen.  Das 
Zitat  aus  Coloss.  III 12  (nicht  in  C  und  R  vorhanden)  ist  eine 
oflfenkundige  Bestätigung  des  in  J  1053  gegebenen  Gedankens. 

§  99— 102  (J  1055—1075). 

Die  hier  erhobenen  Einwände  Simon's  sind  bereits  oben 
an  verschiedenen  Stellen  gewürdigt.  Für  1057  vgl.  Koch  und 
Eilers  S.  63, 1.  —  Ferner  für  J  1060  auch  Koch  in  der  Rez. 
von  Simon,  überdies  steht  es  schon  in  R  (Petersen  S.  31).  — 
J  1070 ff.  Die  hier  angeblich  vorhandene  Verwirrung,  die 
Eil  er  s  S.  63  hervorgehoben  hatte,  suchte  Koch  durch  Schreiber- 
versehen zu  erklären,  indem  er  „the  seconde"  J  1073  zu  1074 
zog  oder  ganz  strich.  Nun  mufs  aber  eine  aufmerksame  Prüfung 
des  Abschnitts  zu  dem  Ergebnis  führen,  dals  sich  J  1072  auf 
„greethf  (J  1071),  J  1073  auf  „so  ofte  bis  saved"  (J  1071) 
als  Unterabteilungen  der  „firste  wanhope"  J  1070,  J  1074  aber 
auf  „that  other^'  (J  1070)  zurückbezieheu,  also  eine  ganz  logische 
Disposition  vorherrscht.    Die  Entstehung  der  angeblichen  Un- 


675 

Ordnung,   die  schon  in  der  Vorlage  zur  P.  T.  gestanden  haben 
kann,  bietet  uns  jetzt  R,  wo  es  heilst: 

„Priinam  iüduciint  tria,  scilicet,  peccati  quantitas,  frequeutia,  et 
diurnitas.  Contra  primum  oppoiiitnr  Passio  Christi,  qviae  fortior  est  ad 
dissolvendum,  quam  peccatnm  aliquod  ad  ligandum  .  .  .  Contra  secundum, 
Ilierunymus,  de  poea.  dist.  3:  Septies  in  die  cadit  justus,  et  resurgit  .  .  . 
si  coDvertatnr  ad  poeüiteutiam  .  .  .  Contra  tertium,  Psalin.:  Misericordia 
Domiüi  ab  aeterno  usqae  in  aeteruum  super  tiiuentes  enm  .  .  .  Item  circa 
secuudam  desperationem,  scilicet,  perseverandi  post  veniam  obtentam, 
appouuutur  tria  remedia  . . ." 

§  103  (J  1076—1080). 
Dieser  Abschnitt,   der   keine  Parallele  in  C  und  R  findet, 
wurde  von  Simon  für  echt  und  als  der  wahre  Sehlufs  der  P,  T. 
angesehen. 

5.    Ergebnis  und  Schlufswort  zu  1 — 4. 

Eines  genauen  Eingehens  auf  sozusagen  alle  von  Simon 
und  Eilers  gegen  die  P.  T.  erhobenen  Vorwürfe  konnte  ich 
nicht  entraten,  da  es  nur  so  möglich  war,  ihre  Stichhaltigkeit 
zu  prüfen.  Es  stellte  sich  nun  dabei  heraus,  dafs  sehr  viele 
dieser  (angeblichen)  Fehler  und  Inkonsequenzen  auf  die  Quellen 
zurückgehen,  also  dem  Verfasser  der  P.  T.  nicht  zur  Last  zu 
legen  sind,  andere,  wie  schon  Koch  richtig  vermutete,  ihre 
Entstehung  dem  engen  Ansehluls ')  an  die  Vorlage  verdanken, 
und  wieder  andere  lediglich  auf  Grund  eines  fehlerhaften 
Textes  fälschlieh  vermutet  wurden.  Manche,  die  nur  durch 
eine  tüftelnde  Auslegung  von  Simon  hatten  konstruiert  werden 
können,  erledigten  sich  sogar  ohne  Zuhilfenahme  der  Quellen. 
Einzelnes  mag  man  schliefslich  auf  Kosten  des  oder  der  Schreiber 
setzen,  was  ein  bequemes,  aber  nicht  immer  sicheres  Aushilfs- 
mittel ist.  Die  grolse  Zahl  angeblicher  Fehler  schrumpft  somit 
auf  ein  Minimum  zusammen;  denn  es  darf  mit  gutem  Recht 
versichert  werden,  dafs  auch  diejenigen  Einwände  grölstenteils, 
wenn  nicht  alle,  fallen  würden,  die  Simon  nach  seiner  eigenen 
Aussage  (S.  265)  unausgesprochen  gelassen  hat.  Was  schlielslich 
an  Unebenheiten  übrig  bleibt,  kann  mit  dem  Namen  Chaucer's 


^)  Es  ist  ja  auch  nicht  zu  erwarten,  dafs  der  Verfasser  der  P.  T.,  der 
sicher  kein  Geistlicher  war,  bei  Behandlung  eines  theologischen  Themas 
allzn  selbständig  vorgegangen  sein  sollte. 

43* 


676 

sehr  wohl  in  Eiulilaug  gebracht  werden,  zumal  wenn  wir  be- 
rücksichtigen, was  Koch  und  Koeppel  (Arch.  LXXXVII,  50 
Anm.)  bereits  mit  Recht  betonten,  dals  Fehler  auch  in  anderen 
Werken  Chaueer's  vorkommen,  dafs  eine  endgültige  Revision 
der  C.  T.  und  damit  auch  der  P.  T.  durch  den  Tod  des  Dichters 
verhindert  wurde,  und  dafs  die  P.  T.  das  einzige  Werk  Chaueer's 
ist,  das  ausschlielslich  theologisch -dogmatische  Themen  be- 
handelt, wo  ein  Laie  leicht  straucheln  konnte,  sobald  er  seiner 
Vorlage  selbständig  gegenübertrat. 

Es  läfst  sich  also  aus  der  Konstruktion  der  P.  T, 
kein  Beweis  gegen  ihre  Echtheit  gewinnen.  Vielleicht 
würde  Simon  jetzt  selbst  zugeben,  dafs  seine  auf  Grund  der 
Annahme  des  Pfarrers  als  Wiclifiten  zum  Teil  erzwungene 
Hypothese  nach  dem  gegenwärtigen  Stand  der  Forschung 
fallen  muls. 

ß)  Positive  Beweise  für  die  Echtheit  der  P.  T. 

a^)  Methodische  Grundsätze. 

Die  positiven  Beweise  können  der  verschiedensten  Art 
sein;  sie  können  bestehen  in  dem  Nachweis  von  Gedanken, 
von  wörtlich  übereinstimmenden  Sätzen  oder  Teilen  von  Sätzen, 
die  in  charakteristischer  Form  der  P.  T.  und  den  Werken 
Chaueer's  gemeinsam  sind.  Diesen  Weg  haben  Koch  und 
Koeppel  a.  a.  0.  eingeschlagnn.  Letzterer  formulierte  einen 
von  Koch  ausgesprochenen  methodischen  Satz  näher,  indem  er 
sagte,  dafs  von  den  angeführten  Stellen  (mehr  als  30)  nur  die- 
jenigen wirklich  beweisend  sein  könnten,  die  sich  „überzeugend" 
auf  den  Text  der  Sonime  [also  der  angenommenen  Quelle]  zu- 
zückführen  lassen. 

Als  über  alle  Zweifel  erhaben  vermag  ich  diesen  Satz 
nicht  anzuerkennen.  Denn  wenn  sich  auch  viele  der  wichtigsten 
Stellen  in  der  Somme  wiederfinden,  blieben  immer  noch  die 
zwei  Möglichkeiten,  dafs  Chaucer  entweder  die  (französische) 
Quelle  und  die  englische  Bearbeitung  gekannt  und  benutzt 
hätte,  oder  dafs  Chaucer  nur  die  Quelle  kannte,  und  dafs  die 
Übereinstimmungen  zwischen  einzelnen  Stellen  in  Chaueefs 
Werken    und   der   P.  T.    nur   dadurch   zustande   kamen,    dafs 


677 

Chaucer   und   der  Verfasser  der  P.  T.  sieh  ihrer  Vorlage  sehr 
eng  anschlössen. 

Wir  bedürfen  also  eines  noch  sichereren  Kriteriums,  gegen 
das  sich  diese  oder  ähnliche  Einwände  nicht  erheben  lassen. 
Dieses  Kriterium  gewinnen  wir,  wenn  wir  das  von  mir  in  der 
Einleitung  (S.  649  ff.)  betoute  Zurückgehen  auf  die  Quellen  ver- 
allgemeinern. Wir  zeigen,  dafs  die  P.  T.  und  Chaucer's  Werke 
ein  gleiches  oder  ähnliches  Verhalten  der  jeweiligen  Quelle 
gegenüber  aufweisen,  d.  h.  dals  sich  bei  gewissen  Punkten, 
die  für  Chaucer  von  besonderem  Interesse  sind,  dieselbe  Art 
der  Zusätze  oder  Veränderungen  findet  oder  umgekehrt  auch 
wohl  Auslassungen.  Selbst  wenn  der  angebliche  Interpolator 
ein  ganz  raffinierter  Schwindler  gewesen  wäre,  würde  er  doch 
nicht  imstande  gewesen  sein,  die  Feinheiten  von  Chaucer's 
Methode  in  der  Verwertung  seiner  Quellen  herauszufinden,  i) 
Gewisse  Züge  und  stilistische  Eigentümlichkeiten  hätte  er 
immerhin  nachahmen  können,  und  wir  werden  daher  auf 
letztere  als  Gründe  für  die  Echtheit  auch  weniger  Gewicht 
legen,  aber  Chaucer's  Gedankenrichtungen  bei  der  Konzeption 
und  Komposition  konnte  er  nicht  nachspüren ;  denn  eine  philo- 
logische Methode,  die  das  allein  mit  liebevoller  Geduld  ver- 
mocht hätte,  gab  es  noch  nicht.  Da  es  sich  in  der  P.  T.  um 
religiöse  Themen  handelt,  werden  natürlich  diejenigen  Beweise 
die  sichersten  und  für  meine  weiteren  Absichten  am  zweck- 
mälsigsten  sein,  die  sich  auf  die  Übereinstimmung  der  reli- 
giösen Gesinnung,  oder  vorsichtiger  ausgedrückt,  auf  das 
gleichmälsige  Vorhandensein  gewisser  religiöser  Anschauungen 
oder  Eigentümlichkeiten  beziehen.  Wenn  es  gelingt  nach- 
zuweisen, dals  sich  im  Gegensatz  zur  jedesmaligen  Quelle 
an  Stellen,  wo  von  religiösen  Dingen  (im  weitesten  Sinne  des 
Wortes)  die  Rede  ist,  gewisse  Zusätze  oder  Veränderungen 
finden,  und  diese  Erscheinung  in  der  P.  T.  und  in  den  Werken 
Chaucer's  zahlreich  wiederkehrt,  wir  also  eine  gleichmälsige 
Quelleubehandluug  auf  Grund  bestimmter  religiöser  Einzel- 
anschauungen nachweisen  können,  so  ist  damit  eine  Überein- 
stimmung festgestellt,  die  die  Einheit  und  Echtheit  der  P.  T. 


')  Das  galt  besonders  als  Argument  für  meine  Beweisführung  der 
Echtheit  der  Retractio  in  der  Alfred  Tobler-Festschrift  (s.  S.  629  Anm.  1). 


678 

m.  E.  eudi^Ultig  über  alle  Zweifel  erhebt.  Da  diese  Beweise 
auch  für  Chaueer's  Anschauungen  von  religiösen  Dingen  über- 
haupt und  zum  Teil  für  die  Echtheitsfrage  der  Retractio  im 
besonderen  von  gröfster  Bedeutung  sind,  erscheint  eine  genaue 
Darstellung  gerechtfertigt. 

Neben  diese  religiösen  Quellenkriterien  treten  andere  Quellen- 
kriterien, die  sich  auf  Dinge  beziehen,  die  für  Chaucer  von  be- 
sonderem Interesse  waren,  und  auf  die  er  daher  vielfach  mit 
Vorliebe  zurückkommt.  Von  diesen  führe  ich  hier  nur  solche 
an,  die  mir  nach  dem  gegenwärtigen  Stande  der  Forschung 
genügend  beweiskräftig  erscheinen. 

Als  Kriterien  schwächerer  Beweiskraft  endlieh  sind 
sprachlich -stilistische  anzusehen,  die  ich  aber  (anschlielsend 
an  Koeppel)  nicht  ganz  aulser  acht  lassen  möchte,  weil  sie 
geeignet  sind,  den  Gesamtbeweis  zu  ergänzen  und  für  die 
Chaucer- Forschung  überhaupt  Interesse  beanspruchen  dürfen. 
Gröfsere  Bedeutung  für  die  Beurteilung  von  Einzelstellen  werden 
diese  zwar  erst  dann  gewinnen,  wenn  die  Flügel'sche  Kon- 
kordanz uns  einen  genauen  Überblick  ermöglicht. 

Bevor  ich  in  den  eigentlichen  Beweis  eintrete,  bedarf  es 
noch  einiger  Worte  über  die  Quellenkriterien  hinsichtlich  ihrer 
Beweiskraft.  Um  einem  eventuellen  Einwand  zu  begegnen, 
bemerke  ich  im  Voraus,  dafs  sie  in  ihrer  Art  für  Chaucer 
charakteristisch  sind,  aber  nicht  für  einen  anderen  Dichter 
oder  Schriftsteller  der  Zeit,  trotzdem  sie  sich  meist  auf  Themen 
beziehen,  die  jedes  Menschenherz  im  Innersten  bewegen  müssen. 
Der  beste  Beweis  dafür,  dals  die  Behandlung  dieser  Themen 
im  Vergleich  zu  den  Quellen  Chaucer  und  keinem  andern 
eigentümlich  ist,  liegt  in  einem  Vergleich  mehrerer  Fassungen 
desselben  Stoffs  auf  Grund  derselben  Quelle.  Zum  Beispiel: 
vergleichen  wir  Chaucers  Fassung  der  Erzählung  von  Konstanze 
mit  der  Gower's,  die  ja  beide  auf  Trivet  beruhen,  so  werden 
wir  bei  Gower  kein  einziges  der  für  Chaucer  charakteristischen 
Merkmale  entdecken  können  (vgl.  dazu  den  Aufsatz  von  Lücke, 
Anglia  XIV,  77—122  und  147—185).  Dasselbe  gilt  für  andere 
Erzählungen.  Damit  ist  die  Sicherheit  der  Quellenkriterien 
festgelegt. 


679 

b  1)    Quellenkriterien. 
1.   Teufel  und  Hölle. 

An  zahlreichen  Stellen  in  Chaucer's  Werken  gewahren 
wir  die  merkwürdige  Erscheinung,  dafs  der  Dichter  teils  die 
Person  des  Teufels  ganz  neu  in  seine  Darstellung  einfügt,  wo 
die  Quelle  keinen  Anhaltspunkt  bietet,  teils  eine  kurze  An- 
deutung in  dieser  zu  einer  grölseren  Auslassung  über  die  für 
den  Mensehen  verderbliche  Tätigkeit  des  Teufels  erweitert. 
Besonders  charakteristisch  sind  hierfür  zunächst  zwei  Fälle 
im  ABC  und  einer  in  der  Erzählung  von  Melibaeus,  weil  dies 
Übersetzungen  einer  uns  bekannten  Vorlage  sind.    So  heilst  es 

ABC  47     Thyn  eueiuy  and  myn  —  lady  tak  hede, 
Un-to  my  deth  iu  poynt  is  me  to  chace, 
während  die  Quelle  hat:    Si  te  fais  aussi  requeste 

Qae  ta  pitie  un  me  veste, 
Car  je  n'ay  nulle  autre  rente. 

ABC  79    Now,  queeu  of  comfort  . .  . 

Lat  not  my  foo  no  more  my  wounde  entame, 
Myn  hele  in-to  thyn  hand  al  I  resigne. 

Quelle:  Ne  sueffre  que  de  gainne 

Isse  justice  devine 
Par  quoy  je  soye  extermine. 

Melib.  B  27S5 :  And  thcrfore  seith  seint  Jerome:  „doth  somme  gode 
dedes,  that  the  devel  which  is  our  enemy  ne  finde  yow  nat  nnoccupied." 
For  the  devel  ne  taketh  nat  lightly  etc. 

Im  franz.  Original  steht  nur  „l'ennemi". 

Dagegen  ist  ABC  83  durch  die  Quelle  veranlalst : 

But  for  your  bothes  peynes,  I  you  preye, 
Lat  not  our  alder  foo  make  his  bobaunce 
That  he  hath  in  his  listes  of  mischaunce 
Convict  that  ye  bothe  have  bought  so  dere. 
franz.:     Mez  se  tu  veus  tu  as  l'entrait 
Par  quoy  tantost  sera  retrait 
Le  mehain  qui  m'est  contraire. 

Ähnlich  der  Vorlage,  aber  meiner  Empfindung  nach  ver- 
tieft, ist  CT.  B582: 

Sathan,  that  ever  us  waiteth  to  bigyle, 

Sangh  of  Ciistance  al  hir  perfeccioun, 

And  caste  anon  how  he  mighte  quyte  hir  whyle, 

And  made  a  yong  knight,  that  dwelte  iu  that  tonn, 

Love  hir  so  hote  . .  . 


680 

Die  Quelle  (Trivet)  sagt:  „. .  .  par  inaueise  aprise  &  temptacioun 
del  diable. 

NB.  C.  T.  B  59S    Tliis  kniglit,  thurgh  Sathanas  temptaciouns 
AI  softely  is  to  the  bed  y-go  . . . 

entspricht  bei  Trivet  'que  tut  estoit  pris  en  la  mayn  al  diable'." 

Ebenfalls  etwas  erweitert  gegenüber  der  Vorlage  ist  C.  T. 

C-  o44 :  j^Q(j  atte  laste  the  feend,  our  enemy, 

Putte  in  his  thonght  that  he  shold  poyson  beye, 
With  which  he  mighte  sleen  his  felawes  tweye; 
For-why  the  feend  tond  him  in  swich  lyvinge, 
That  he  had  leve  him  to  sorwe  bringe, 

Ital.  Quelle:  „II  Demonio  eh' e  ingegnoso  .  .  .  mise  in  cnore  a 
costui  . . ." 

Auch  in  der  Geschichte  der  Virginia  stammt  die  Einführung 

des  Teufels  von  Chaucer: 

C.  T.  C  130    Anon  the  feend  iu-to  his  herte  ran, 

And  taughte  him  sodeynly,  that  he  by  slighte 
The  mayden  to  his  purpos  winne  mighte. 

Vgl.  hierzu  ferner  CT.  B  1748: 

Our  firste  fo,  the  serpent  Sathanas, 
That  hath  in  Jewes  herte  his  waspes  nest, 
Up  swal,  and  seide,  o  Hebraik  peple,  alias! 
Is  this  to  yow  a  thing  that  is  honest, 
That  swich  a  boy  shal  walken  as  him  lest 
In  your  despyt,  and  singe  of  swich  sentence, 
Which  is  agayn  your  lawes  reverence? 

eine  Stelle,  die  wir  wegen  der  Ähnlichkeit  des  Gedankens  und 
des  Fehlens  des  Satans  in  der  Fassung  Alphonsus  von  Lincoln 
hierher  stellen  dürfen. 

In  Anbetracht  der  in  F  522  liegenden  Insinuation  gehört 
hierher  CT.  F520: 

Swich  was  this  ypocrite,  bothe  cold  and  hoot. 

And  in  this  wyse  he  served  his  entente, 

That  (save  the  feend)  non  wiste  what  he  mente. 

Die  Quelle  ist  zwar  nicht  bekannt,  doch  können  wir  in 
den  eingeklammerten  Worten  einen  Zusatz  Ch.'s  mit  Sicherheit 
vermuten. 

Nach  der  ganzen  Art  der  Ausführung  stimmt  zu  den  ge- 
gebenen Beispielen  CT.  G  6 : 

Wel  oghten  we  to  doon  al  our  entente, 

Lest  that  the  feend  thurgh  ydelnesse  us  hente. 


681 

For  he,  tliat  with  his  thousaud  cordes  slye 
Contiuuelly  us  waiteth  tu  biclappe, 
Whan  be  may  man  in  ydeluesse  espye, 
He  can  so  lightly  cacclie  him  in  his  trappe, 
Til  that  a  man  be  hent  right  by  the  läppe, 
He  nis  nat  war  the  feend  hath  him  in  honde; 
Wel  oughte  us  werche,  and  ydelnes  withstonde. 

Bei  Jebaii  de  Vignay,  der  sieh  auf  Hieronymus  bezieht, 
heilst  es  nur:  Tut  immer  etwas  Gutes  ,,que  le  dyahle  ne  te 
troiive  oyseiix''.  Der  Gedanke  selbst  war  ein  weit  verbreiteter 
(vgl.  Skeats  Parallelen  in  seiner  Note  hierzu),  die  Ausführung 
aber  ist  ganz  chauceriseh. 

Ein  weiteres  Beispiel  bietet  sich  in  einem  12  zeiligen  Zusatz 

Ch.'s  in  der  Man  of  Lawes  Tale  CT.  B365: 

0  Satan,  envious  sin  thilke  day 
That  thon  were  cbased  from  onr  heritage 
Wel  knowestow  to  wommen  the  olde  way! 
Thoa  madest  Eva  bringe  ns  in  servage. 
Thou  wolt  fordoon  this  cristen  mariage. 
Thyn  iustrnment  so,  weylawey  the  whyle! 
Makestow  of  wommen,  whan  thou  wolt  begyle. 

Weitere  auf  den  Teufel  bezügliche  Zusätze  ebenda  780 
(und  1064):     ^q^j  therfor  to  the  feend  I  thee  resigae, 

Let  him  endyten  of  thy  fraitorye! 
Doch  sind  diese  allgemeinerer  Natur. 

Ein  ganz  hervorragendes  Beispiel  bietet  weiter 
die  Freres  Tale,  Hier  sind  ja  die  Grundzüge  der  Geschichte 
fast  gar  nicht  verändert.  Dafür  sind  aber  eine  Menge  Eiuzel- 
züge  von  Chaucer  hinzugetau,  die  Zeugnis  dafür  ablegen,  mit 
welchem  Eifer  und  Nachdruck  der  Dichter  die  Gelegenheit 
benutzte,  auf  die  bedeutsame  Kolle  hinzuweisen,  die  der  Teufel 
nach  der  Anschauung  der  Zeit  im  Leben  des  Menschen  spielt. 
Ich  kann  hier  nicht  alle  Stellen  vorführen  und  verweise  des- 
halb nur  auf  eine,  die  in  ihrer  Art  an  oben  gegebene  Zitate 
anklingt: 

C.  T.  D  1494    And  somtyme  be  we  suffred  for  to  seke 
Up-on  a  man,  and  doou  his  soule  unreste. 
And  nat  his  body,  and  al  is  for  the  beste. 
Whan  he  withstandeth  our  temptacioun, 
It  is  a  cause  of  his  savaciounj 


682 


Al-be-it  that  it  was  uat  cur  entente, 

Ile  sliolde  be  sauf,  but  that  we  wolde  him  hente. 


Der  .,savaciou7i"  werden  wir  uoch  an  anderer  Stelle  als 
einem  Lieblingsthema  Cli.'s  begegnen. 

Der  Teufel,  dargestellt  im  Kampf  gegen  Christus  und  die 

Heiligen,')  an  einer  originalen  Stelle  CT.  G33: 

Thou  comfort  of  us  wrecches,  do  me  endyte 

Thy  maidens  [Cezilie]  deeth,  that  wan  thurgh  hir  meryte 

The  etcrnal  lyf,  aud  of  the  feend  victorie, 

oder  C.  T.  B  633 : 

Bat  he,  that  starf  for  onr  redempciouu 
Aud  bond  Sathau  (and  yit  lyth  ther  he  lay). 

Weniger  Bedeutung  ist  folgenden  zwei  Stellen  beizumessen, 

obwohl  die  den  gleichen  Stoff  behandelnde  italienische  Novelle 

in  keinem  Fall  eine  Parallele  bietet: 

C.  T.  C  467    They  daimce  and  pleye  at  dees  bothe  day  and  night 
And  ete  also  and  drinken  over  hir  might, 
Thurgh  which  they  doon  the  devel  sacrifyse 
With-in  that  develes  temple  in  cursed  wyse, 
By  superfluitee  abhominable; 

C.  T.  C  479    tombesteres,  fruytesteres,  singeres 

Whiche  been  the  verray  develes  officeres 
To  kindle  aud  blowe  the  fyr  of  lecherye. 

Dasselbe  gilt  für  C.  T.  H  305 : 

And  made  him  blak,  and  refte  him  at  his  song 
And  eek  his  speche,  and  out  at  dore  him  slong 
Un-to  the  devel,  which  I  him  bitake; 

und  CT.  E  1218: 

I  have  a  wyf,  the  worste  that  may  be; 
For  thogh  the  feend  to  hir  y-conpled  were, 
She  wolde  him  overmacche,  I  dar  wel  swere. 
Vgl.  ferner  CT.  D  1S33,  1982  etc. 

In  Str.  1 — 4  des  See.  Nonne's  Prol.  fand  Ch.  den  Teufel 
schon  in  seiner  Quelle. 

Auch  Vergleiche  mit  dem  Teufel  liebt  Chaucer;  da  diese 
nichts  spezifisch  Charakteristisches  sind,  so  würde  ich  auf  sie 
weniger  Gewicht  legen,  wenn  sie  nicht  (an  den  betreffenden 
Stellen  originell  und)  durch  die  anderen  Beispiele  gestützt 
würden : 


0  Gegen  die  Jungfrau  Maria  s.  o.  S.  679. 


683 

Hons  of  Farne  1636    What  did  this  Eolas,  bat  he 

Tok  out  bis  blakke  truuipe  of  bras, 
That  foulor  tliau  the  devil  was. 

Dies  spricht  für  die  Originalität  von  CT.  B4476: 

Nüw  certes,  I  were  worse  thau  a  feeud 
If  I  to  yow  wolde  barm  or  vileinye. 

CT.  11  319    My  soue,  keep  wel  tby  tonge  and  keep  tby  frceud. 
A  wikked  tonge  is  worse  tban  a  fecud. 
My  soue,  from  a  feend  men  may  bem  blesse; 

stammt  aus  Albertano  von  Breschia,  wie  Koeppel,  Archiv  86,  44 

gezeigt  hat. 

Ferner  C.  T.  B  3653  (auch  wobl  original) : 

Al-thougb  tbat  Nero  arere  as  vicions 
As  auy  feend  tbat  lytb  ful  lowe  adoun, 

CT.  B  4.579  (von  Ch.  binzugesetzt) : 

Tbey  yelleden  as  feendes  doou  in  belle; 

C  T.  D  2i3    And  if  I  bave  a  gossib  or  a  freend, 

Witb-onten  gilt,  tbou  cbydest  as  a  feend. 

Hier  stammt  der  Vordersatz  aus  Hieronymus  contra 
Joviniauura  (im  letzten  Grunde  aus  Theophrastus,  Aureolus  liber 
de  Nuptiis),  der  Nachsatz  ist  Chaucer's  (vgl.  dazu  auch  CT. 
F  950  ,,as  a  furie  doth". 

Ferner  CT.  J630:  „ther  is  no-thing  so  lyh  the  develes 
child  as  he  that  ofte  chydeth"  (=  Quelle). 

Vgl.  auch  Lenvoy  a  Bukton  9,  wo  „mariage"  als  „the 
cheijne  of  Sathanas"  bezeichnet  wird. 

Auch  CT.  B  750  könnte  hierher  gestellt  werden: 

Tbe  lettre  spak  tbe  queen  delivered  was 
Of  so  borrible  a  feendly  creature 
Tbat  in  tbe  castel  noon  so  hardy  was 
Tbat  auy  wbyle  dorste  tber  endure. 

Trivet  bat:  „l'enfaunt  de  lui  nee,  qae  ne  receuible  pas  a  fouraie  de 
bomme  mes  a  vue  maladite  fourme,  bidouse  &  dolorouse." 

Und    ebenda    783  f.    in    einer    Einschaltung   Ch.'s,    wo    er 

Donegild  als  „feendly  spirit"  verflucht. 

Vgl.  ferner  Duchesse  594: 

Tbat  naan  batb  a  feendly  berte 

und  CT.  G  1069     In  tbis  cbanoun  ...  Swicb  feendly  tbougbtes  in 

bis  bert  impresse  — 
How  Cristes  peple  he  may  to  meschief  bringe ; 


684 

wo  die  Quelle  zwar  nicht  bekannt  ist,  wir  aber  durch  einen 
Vergleich  mit  den  anderen  Stellen  auf  einen  Zusatz  Cb.'s 
schlielsen  dürfen. 

Auf  die  übrigen  Stellen,  an  denen  uns  in  Ch.'s  Werken 
der  Teufel  begegnet,  ist  nicht  viel  zu  geben,  obwohl  man 
einige  von  ihnen  für  Ch.  in  Anspruch  nehmen  kann.i)  Zitate 
in  Übersetzungen  wie  Melib.  B  2454,  1612  fallen  natürlich  von 
vornherein  fort.  Auch  Verwünschungen  und  Ausrufe, 2)  die  dem 
täglichen  Leben  entnommen  und  lediglich  zur  lebenswahren 
Schilderung  eingeflochten  sind,  haben  für  meine  Beweisführung 
keine  Bedeutung. 

Ähnlich  wie  über  den  Teufel  zeigen  Chaueer's 
Werke  entsprechende  charakteristische  Zusätze  oder 
Veränderungen  über  die  Hölle. 

Allgemein  kann  ich  da  zunächst  auf  die  Freres  Tale  ver- 
weisen, sodann  auf  den  Anfang  der  Legend  of  Good  Women, 
wo  über  die  Existenz  von  Himmel  und  Hölle  Betrachtungen 
angestellt  werden.   Weiter  haben  wir  zwei  wichtige  Änderungen 

im  ABC  95:  ,    , 

Now  lady,  from  the  fyr  thou  us  defende 

Which  that  in  helle  eterually  slial  dure, 

wo  die  Quelle  hat:    A  ce  veoir,  vierge,  veüs 

Süie  par  toy  et  receüs, 
Oste  chaussement  d"ordure. 

und  54    So  have  I  doon  in  erthe,  alias  ther-whyle! 
That  certes,  but-if  thou  my  socour  be, 
To  stink  cterne  he  wol  my  gost  exyle. 
franz.:     Tu  devant  li  [Gott]  pour  moy  te  per 
En  li  moustrant  que,  s'a  li  per 
Ne  sui,  si  est  il  mon  frere. 
Sieh  auch  den  erläuternden  Zusatz  Boeth.  b.  IV  pr.  IV  101. 

Zwei  weitere  Einführungen  der  Hölle  finde  ich  an  zwei 
originalen  Stelleu  im 

Troilas:  IV  1554    And  I  with  body  and  soule  sinke  in  helle! 
ib.  1697    The  cruel  peynes  of  this  sorwful  man, 

That  passen  every  torment  doun  in  helle. 

»)  CT.  A  3903,  B  3189  ff.,  D  262,  1687,  E  1436,  F  603,  G  861,  916  ff. 

2)  Legend  2694,  Troilus  1623,  II 1737,  CT.  G  1238;  A3134;  Legend 
2177,  CT.  A3713,  4257,  G  7S2;  Legend  2227,  2493,  Fame  408,  Troilus 
1806,  II 896,  IVO.iO,  CT.  A  3751,  B  1408,  2114,  D  476,  G  705,  1159, 
1273,  H  38. 


685 

Vgl.  auch  CT.  B784: 

Tliongh  thou  beer  walke,  thy  spirit  is  in  helle. 

Desgleichen  bei  sonst  engem  Anschlurs  an  die  Quelle  in 
dem  zum  grofsteu  Teil  auf  Innocenz  III.  De  Contemptu  Muiidi 
beruhenden   Prolog   zur  Man  of  Lawes  Tale   folgender   Zusatz 

.V.  liU.  Parfay,  seistow,  soiutyme  be  rekne  shal, 

Wban  tliat  bis  tayl  sbal  brennen  in  tbe  glede, 
For  be  nogbt  belpetb  needfuUe  in  hir  nede. 

Ebenda  337    Wbat  sbulde  us  tyden  of  tbis  newe  lawe 
But  thraldom  to  onr  bodies  and  penance? 
And  afterward  in  belle  to  be  drawe 
For  we  reneyed  Maboun  our  creance? 

Diese    Stelle    würden    wir    auch    ohne   Zuhilfenahme    der 

Quelle   als   chaucerisch   ansprechen   köunen   (wegen  Vers  339). 

Chaucerisch  scheint  mir  auch  die  Verwünschuug 

C.  T.  F  891    But  wolde  god  that  alle  tbise  rokkes  blake 
Were  senken  in-to  belle  for  bis  sake. 

Allerdings  ist  hier  die  unmittelbare  Vorlage  nicht  bekannt. 
In  der  von  Chaueer  nicht  benutzteu,  aber  seiner  nächststehenden 
Fassung  Boceaecio's  findet  sich  dieser  Gedanke  nicht. 

Auf  andere  Stellen   (Legend  A502,  1104,  Troilus  II 896, 

C.  T.  B  3193  etc.,  F  448,  G  918  u.  ä.),  sowie  auf  Vergleiche  mit 

der  Hölle  ist  nicht  so  viel  zu  geben  (Anelida  166,  Fame  1654, 

1800,  Duehesse  170,  Troilus  IV  712,  V  1376,  Compl.  of  Mars  120, 

CT.  D  371,  E  1964),  wenn  sie  auch  augenscheinlich  meistens 

von  Chaueer  herrühren. 

Anm. :  Nnr  der  Vollständigkeit  halber,  nicht  zum  Beweise  erwähne 
ich  noch,  dafs  das  Fegefener  bei  Cb.  nur  eine  geringe  Rolle  spielt. 
Abgesehen  von  den  Vergleichen  der  Frauen  mit  dem  „purgatorie"  (C.  T. 
D4S8,  E  1C69),  habe  ich  nur  eine  Stelle  im  Parlament  of  Foules  78  ge- 
funden, die  in  dieser  Hinsicht  vollkommen  der  Quelle  (Somnium  Scipiouis) 
entspricht. 

Sehen  wir  nun,  wie  die  Verhältnisse  in  der  P.  T. 
liegen: 

Teufel:  Die  Zahl  der  Fälle  ist  eine  aufserordentlich 
grofse,  doch  kann  das  an  und  für  sich  nicht  tiberraschen,  da 
die  P.  T.  ausschlielslich  religiöse  Fragen  erörtert.  Doch  mufs 
es  bemerkenswert  erscheinen,  dals  in  den  aus  den  Quellen 
herübergenoramenen  Abschnitten  sämtliche  Stellen,  die  auf  den 
Teufel   Bezug   nehmen,    bis    auf  verschwindende   Ausnahmen, 


686 

vom  Verf.  der  P.  T.  wiedergegeben  sind.  Dies  bedeutet  für 
den  Süudeutraktat  sogar  noch  etwas  mehr  als  für  die  Buls- 
predigt,  weil  dort  die  Darstellung  kompeudiöscr  ist.  Fast 
ausnahmslos  ist  überdies  die  Wiedergabe  peinlich  genau,  ein 
Zeichen  dafür,  dafs  der  Verfasser  grofsen  Wert  darauf  legte. 
Als  besonders  bezeichnend  vergleiche  man  J  311  ff.  mit  der. 
bei  Petersen  S.  16  gegebenen  Fassung.  Ferner  J  132,  J  439, 
J  492,  J  544,  J  558  im  Vergleich  zu  ABC  47,  J  613,  J  617,  J  621, 
J630  im  Vergleich  zu  CT.  D  243,  J  637,  J651f.  im  Vergleich 
zu  CT.  C479,  J643,  J  791,  J  821,  J  830,  J  852,  J895,  J  1074. 
Von  grölserer  Wichtigkeit  sind  nun  aber  schon  solche 
Fälle,  wo  der  Verfasser  der  P.  T.  durch  seine  Vorlage  auf 
den  Teufel  hingewiesen  ward  und  dieser  gegenüber  eine  Er- 
weiterung vornahm. 

J  616:  Flatereres  been  the  develes  enchauntours;  .  . .  They  been  lyk 
to  Judas  tbat  bitraysed  god;  and  thise  flatereres  bitraysen  a  mau  to 
seilen  him  to  bis  enemy,  that  is,  to  the  devel. 

Quelle:  Item  sunt  incantatores  diaboli  ...  Adulator  etiam  proditor 
est.    Sub  spe  enim  osculi  ad  modum  Jude  bomineni  tradit  hostibus  suis. 

Der  Ausdruck  „that  is,   to  the  devel"   erinnert  zudem   an 

die    erklärenden    Zusätze    in   Chaucer's  Boethius- Übersetzung. 

Diese  Erklärungstechnik  begegnet  ferner: 

J  509:  „whicbe  wordes  men  clepen  the  develes  Pater-noster,  though 
so  be  that  the  devel  ne  badde  nevere  Pater-noster,  but  tbat 
lewed  folk  yeven  it  swich  a  name." 

Das    gesperrt   Gedruckte    hat    keine   Parallele   in   der   Quelle, 
und  für  das  andere  heilst  es  dort:  „quasi  Pater  iioster  dei  sui. 

Weiter  vergleiche  man  J714: 

„An  ydel  man  is  lyk  a  place  tbat  batb  uo  walles;  the  develes 
niay  entre  on  every  syde  and  sheten  at  him  at  discovert,  by  temptacion 
on  every  syde." 

Quelle:  Est  etiam  ociosus  velut  castrum  absque  mnro  .  .  .  Homo 
ociosus  non  tamen  uni  bosti  expositus  est,  sed  etiam  pluribus. 

Keinen  grofsen  Wert  lege  ich  auf  J  863,  weil  es  nicht 
ganz  ohne  Parallele  dasteht  (vgl.  J  852). 

Weiter  Einführung  des  Teufels  J486: 

„Now  bath  malice  two  speces,  tbat  is  to  seyu,  bardnesse  of  berte 
in  wikkednesse,  or  elles  tbe  flesh  of  man  is  so  blind,  tbat  be  considereth 
nat  tbat  be  is  in  sinne,  or  rekketb  uat  tbat  he  is  in  sinne,  whicb  is  tbe 
bardnesse  of  the  devel." 


687 

a 

Wichtige  Änderungen  liegen  vor: 

J  626 :  And  if  he  repreve  bim  nncharitably  of  sinne  .  .  .  tbanne 
aparteuetb  tbat  to  tbe  reioysinge  of  tbe  devel,  tbat  evere  batb  Joye  tbat 
men  doon  sinne. 

Quelle:  „diabolicum  est  gaudere  de  boc  quod  aliquis  ilhid  com- 
miserit." 

J  878 :  Certes,  tbis  is  tbe  fouleste  tbefte  tbat  may  be  . . .  and  steleth 
bir  sonle  fro  Crist,  and  yevetb  it  to  tbe  devel. 

Quelle:  Exuperat  autem  istud  peccatuni  orane  furtum,  quia  quod 
aufertur  cum  sit  creatura  rationalis  melius  est  quacumque  terreua  substantia. 

Die  Hervorhebung  des  Kancipfes  zwischen  Christus  und 
dem  Teufel  ist  ja  ein  Lieblingsgedanke  Chaucer's.  Man  ver- 
gleiche dazu  auch  J  906 : 

„But  in  swicb  folk  batb  tbe  devel  power,  as  seyde  tbe  aungel  Rapbael 
to  Tbobie;  for  in  bir  assemblinge  tbey  putten  Jesu  Christ  out  of  bir  berte, 
and  yeven  bem-self  to  alle  ordure." 

Die  Quelle  bietet  für  J  896  — 906  keine  Parallele. 

Ein  grolses  Mafs  von  Bedeutung  kommt  nun  weiter  solchen 
Stellen  zu,  wo  sich  ein  auffälliger  Zusatz  bei  sonst  engem 
Auschluls  an  die  Vorlage  findet: 

J  897 :  .  .  .  tbe  sones  of  Belial,  tbat  is  tbe  devel  .  .  . 

J788:  for  it  is  tbe  gretteste  sinne  tbat  may  be,  after  tbe  sinne  of 
Lucifer  and  Antecbrist. 

J59S:  for  it  is  so  beigb  and  so  worsbipful,  tbat  tbe  cursede 
feend  in  belle  sbolde  tremblen  to  beren  it  y-nempned. 

J599:  Tbanne  semetb  it,  tbat  men  tbat  sweren  so  borribly  by  bis 
blessed  name,  tbat  tbey  despyse  bim  more  boldely  tban  dide  tbe  cursede 
Jewes,  or  elles  tbe  devel,  tbat  trembletb  wban  be  bereth  bis  name. 

J967:  Tbe  fourtbe  circumstaunce  is,  by  wbicbe  mediatours  or  by 
•whicbe  messagers,  as  for  entycement,  or  for  conseutement  to  bere  com- 
panye  witb  felawesbipe;  for  many  a  wreccbe,  for  to  bere  compauye,  wil 
go  tbe  devel  of  belle. 

Quelle:  Per  Quos,  scilicet,  mediatores,  et  internuncios ;  quia,  etc., 
was  J  986  entspricht. 

Demgegenüber  sind  Stellen,  an  denen  sich  die  Fassung 
der  P.  T.  weiter  von  denen  der  bekannten  Quellen  entfernt, 
natürlich  minder  beweisend,  wenn  nicht  sonstige  charakte- 
ristische Merkmale  hinzukommen.     Dies  ist  der  Fall  für: 

J  137:  „but  for  your  sinne  ye  been  woxen  tbral  and  foul,  and 
membres  of  tbe  feend,  bäte  of  aungels  .  .  .  perpetuel  matere  of  the 
fyr  of  belle. 


688 

J  245 :  and  eek  they  availleu  for  to  usen  a  man  to  doon  gode  werkes, 
that  Ihe  feend  liave  tbc  lasse  power  of  bis  soule. 

J276:  Certes,  sinful  maunes  soule  is  bitraysed  of  tlie  devel  by 
coveitise  of  teuiporel  prosperitee,  aud  scoiued  by  deceite  whan  he  chesetli 
fleshly  dclyces; 

Alle    drei   Stellen    finden    sieh   in   Abschnitten,    die   auch 

sonstige  Eigentümlichkeiten  Chaucer's  aufweisen  und  uotabene 

auch  von  Simon   für  chaucerisch  gehalten  wurden.     Letzteres 

gilt  ebenso  für  J  183  ff.: 

J512:  Thanue  comth  accnsinge,  as  when  man  seketh  occasion  to 
auoyen  bis  ueigbebor,  wbicb  tbat  Is  lyk  to  the  craft  of  tbe  devel, 
tbat  waitetb  botbe  nigbt  and   day   to   accusen   us  alle. 

Das  zugrunde  liegende  Thema  wird  auch  J  622  ff.  behandelt, 
aber  an  keiner  Stelle  bieten  die  Quellen  auch  nur  einen  Anhalt. 
Vgl.  dazu  auch  C.  T.  B  582  und  G  9. 

Erwähnungen  des  Teufels  bei  grofsen  Abweichungen  sonst, 
wo  auch  andere  Kriterien  versagen :  J  528,  J  729,  J  733,  J  848, 
J  850  (eine  stehende  Redensart  „it  is  ful  plesaunt  to  the  devel"), 
J  851.  Schliefslich  verweise  ich  noch  auf  J  331,  wozu  man 
W.K.  Smart,  Some  Euglish  and  Latin  sources  and  paiallels 
for  the  morality  of  wisdom.  Chicagoer  Diss.  (Menasha,  Wis.) 
1912,  S.  56  vergleiche. 

Ferner  J  350  ff.,  deren  Bedeutung  sich  bei  dem  fast  völligen 

Versagen  der  Quellen  nicht  mit  Sicherheit  feststellen  lälst. 

Anm. :  Bezeichnend  ist  ai;cb  für  Cbaucer,  dals  er,  wo  es  angängig  ist, 
eine  in  der  Quelle  vorkommende  Mehrzahl  der  Teufel  in  die  Einheit  ver- 
wandelt.   Darauf  kann  ich  jedoch  hier  nicht  weiter  eingehen. 

Wenden  wir  uns  nun  den  auf  die  Hölle  und  die  Höllen- 
strafen bezüglichen  Stellen  zu;  ich  werde  hier  nach  den- 
selben Grundsätzen  zu  scheiden  und  zu  verfahren  haben,  wie 
im  vorigen  Abschnitt. 

Genau,  fast  wörtlich,  entsprechend  den  Quellen  sind  J  132, 
J  311  ff,  J  544,  J  554. 

Veranlafst  durch  die  Vorlage  ist: 

J  Syo :  Soothly,  the  vengeaunce  of  avoutrie  is  awarded  to  the  peynes 
of  helle,  but-if  so  be  that  it  be  destourbed  by  peuitence. 
Quelle:   Secundum  enim  in  penis  teuet  locum. 

Eine  bezeichnende  Umprägung  zeigt  J839: 
Aud  after  that,  he   brente  fyve  citees  wlth  thonderloyt,   and  sank 
them  in-to  helle. 


I 


689 

In  der  Fassung  von  Frere  Lorens  heifst  es  „e  enfondi  V  citez  en 
ahyme". 

Eine  weitere  AusführuDg  zeigt: 

J  1  IS  ff. :  The  grace  of  tliis  seed  spriugeth  of  god,  thiirgh  remembrance 
of  tlie  day  of  dorne  and  on  the  peynes  of  helle. 

In  C  (Liddell  S.  265)  steht :  ...  be  grace  which  soroAV  comith  uf 
bethenkynge  of  a  mannes  synnes  and  of  the  drede  of  the  day  of  dorne 
with  stedefast  purpos  etc. 

Zusätze  bei  sehr  enger  Übereinstimmung  mit  Quelle  P: 

J500:  Agayns  god  it  [sc.  grncching]  is,  whan  a  man  grnccheth 
agayn  the  peynes  of  helle,  or  agayns  poverte  or  los  of  catel. 

Das  Unterstrichene   nicht  in   den   Quellen,  s.  Petersen  S.  47 

und  auch  Eilers  S,  11. 

J  1069:  And  as  seith  seint  Gregorie,  that  it  aperteneth  to  the  grete 
rightwisnesse  of  god,  that  nevere  shal  the  peyne  stinte  of  hem  that  uevere 
wolde  withdrawen  hem  fro  sinne,  hir  thankes,  bat  ay  continue  in  sinne; 
for  thilke  perpetnel  wil  to  do  sinne  shul  they  han  perpetael  peyne. 

Quelle:  Contra  tertium,  Gregorius:  Ad  magnam justitiam judicantis 
pertinet,  ut  nunquam  careant  supplicio,  qui  in  hac  vita  numquam  voluernnt 
carere  peccato  .  . . 

Vgl.  auch  Skeat's  Anmerkung, 

Zusätze  bei  freierer  Stellung  der  Umgebung  gegenüber 
den  Quellen: 

J  277 :  ein  häufig  vorkommender  Gedanke. 

J  442:  for  which  thus  seith  David  the  prophete,  „wikked  deeth  uiote 
come  up-on  thilke  lordshipes,  and  god  yeve  that  they  mote  descenden 
in-to  helle  al  douu;  etc. 

J  686 :  The  fourthe  thinge  is ,  that  Accidie  is  lyk  to  hem  that  beeu 
in  the  peyne  of  helle,  bycause  of  hir  slonthe  and  of  hir  hevinesse. 

Dagegen  leitet  J  809 : 

„and  therby  relessed  us  fro  the  peynes  of  helle  and  amenused  the 
peynes  of  purgatorie  by  penitence,  and  yeveth  grace  wel  to  do,  and  atte 
laste  the  blisse  of  hevene." 

schon  zu  den  Abschnitten  über,  die  allgemein  für  echt  gehalten 
und  von  Simon  sogar  ausdrücklich  für  Chaucer's  Werk  erklärt 
wurden. 

Originale,  vom  Verfasser  der  P.  T.  stammende 
Stellen  sind: 

J  136 — 141  Hervorhebung  des  Höllenfeuers  und  der  Hölle 
als  Folge  der  Sünde. 

Studien  z.  engl,  PhU.     L,  44 


690 

Höclist  bezeichnend  ist  J  158  — 230: 

The  thridde  cause  that  oghte  moeve  a  man  to  Contricion,  is  drede 
of  the  day  of  dorne,  and  of  the  horrible  peynes  of  helle" 

In  C  heilst  es :  The  ferthe  [=  d.  3.  der  P.  T.]  is  the  drede  of  the 
day  of  dorne  and  of  the  peyn  of  helle.  —  In  R:  et  poenarum  inferni. 

Während    für    diese   Quellen   die    „cause"    damit   erledigt 

ist,   knüpft   der  Verf.  der  P.  T.  daran  eine  längere  Erörterung 

der    Hüllenstrafen,    die    mit    ihren    zahlreichen    Zitaten  i)    aus 

gewissen  Lieblingsbüchern,  der  Bibel   und   aus  Kirchenvätern, 

80   auf  Chaucer   als  Verfasser   hindeuten,   dafs   selbst   Simon 

die  Echtheit  ausdrücklich  anerkannte. 

NB.  Ob  der  Verf.  der  P.  T.  diesen  Abschnitt  irgendwo  in  einer 
geschlossenen  Form  vorfand  oder  aus  dem  Schatze  seines  Wissens  mit 
Zuhilfename  eines  Zitatenbüchleins  selbst  zusammenstellte,  ist  schwer  zu 
sagen,  für  den  hier  behandelten  Punkt  aber  nicht  wesentlich. 

Original  in  einem  von  den  bekannten  Quellen  viel  ab- 
weichenden Abschnitt  ist  auch  J  243  f.: 

.  .  .  yet  availlen  they  [sc.  goode  werkes]  to  abregge  of  the  peyne 
of  helle. 

Ähnlich  J  1077:  .  .  .  the  endelees  blisse  of  hevene  .  .  .  ther-as  is  the 
sikernesse  fro  the  peynes  of  helle  (obgleich  mir  das  hier  vorkommende 
Wort  „contrarioustee''  verdächtig  ist). 

A  n  m.  1 :  Die  Qualen  des  Fegefeuers  werden  in  der  Quelle  C  an 
einer  Stelle  erwähnt,  wo  der  Verf.  der  P.  T.  sie  allgemein  auf  die  Strafe 
als  Vergeltung  der  Sünden  bezieht;  dem  Zitat  (J  1U26)  ist  keine  grofse 
Bedeutung  beizumessen.  (Sieh  auch  Petersen  S.  21).  —  J  71G  und  809 
entsprechen  der  Quelle. 

Anm.  2:  Vereinzelte  Fälle  der  Auslassung  des  Teufels  können  nicht 
gegen  meine  Beweisführung  sprechen.  J  313  mag  sich  durch  stilistische 
Rücksichten  erklären,  die  vier  Parallelglieder  der  Vorlage  [childre  of  god 
and  of  grace  —  child  of  the  deiiel  &  of  wrath)  sind  zu  zweien  vereinfacht 
{sone  of  ire  to  be  sone  of  grace). 

Ferner  mag  darauf  hingewiesen  werden,  dafs  in  C  (nicht  in  P,  das 
an  dieser  Stelle  von  der  P.  T.  überhaupt  sehr  verschieden  ist)  fol.  37a 
gesagt  wird: 

„Contricion  also  most  be  euen  right  for  pe  oflfense  done  to  god  namely 
&  nat  oonly  ne  principaly  for  drede  of  euerlastynge  peyn."  Der  Gedanke 
„for  pe  offense  done  to  god^  klingt  in  J  307  an,  von  dem  andern  ist  keine 
Spur  zu  finden.  Wenn  wir  auf  die  Stelle  überhaupt  Wert  legen  wollen, 
kann  sie  nur  für  Chaucer  sprechen,  dem  ein  solcher  Hinweis  auf  die 
Höllenstrafen  natürlich  unbequem  sein  mufste. 

*)  Vgl.  die  Anmerkungen  bei  Miss  Petersen  auf  S.  12  und  13. 


691 

2.   Himmel  iiud  ewiges  Leben. 

Wenn  wir,  wie  im  vorigen  Kapitel  gezeigt  ist,  eine  durch- 
gängig stärkere  Betonung  oder  Neueinfiibrung  der  dem  Menschen 
durch  die  Versuchung  des  Teufels  drohenden  Gefahr  und  der 
Folgen  der  Sünden  beobachten  können,  liegt  die  Wahrschein- 
lichkeit nahe,  dafs  auch  die  Belohnung  eines  tugendhaften 
oder  reuigen  Lebens,  also  der  Hinweis  auf  die  himmlischen 
Freuden,  eine  ähnliche  Ausgestaltung  erfahren  hat.  Und  tat- 
sächlich ist  dem  so.  Jedem  aufmerksamen  Leser  Chaueer's 
wird  es  auffallen,  wie  der  Dichter  zum  Teil  nach  französischen 
Vorbildern,  zum  Teil  in  Anlehnung  an  Boethius  (vgl.  z.  B. 
Troilus  111,813-836)  den  Wandel  des  Glücks,  der  „Fortune", 
beklagt,  den  er  ja  selbst  so  oft  in  herber  Form  am  eigenen 
Leibe  v^erspüren  mulste,  wie  er  dann  weiter  die  eitle  Nichtig- 
keit und  Flüchtigkeit  irdischer  Freude  ')  betont  und  demgegen- 
über auf  die  dauernde  Glückseligkeit  im  himmlischen  Leben 
hinweist. 

Auch    hier   werden   wir  als   sicheres   Beweismaterial   nur 

diejenigen  Stellen  heranziehen  können,  die  in  den  jedesmaligen 

Vorlagen   keine   Entsprechung   finden.     Der   bedeutendste  Fall 

ist  zweifelsohne  C,  T.  Melib.  B  3073,  weil  es  sich  da  um  einen 

deutlichen    Zusatz    in    einer    sonst    wortgetreuen    Übersetzung 

handelt.    Die  Stelle  ist  für  Chaucer's  Auffassung  überhaupt  sehr 

wertvoll,  da  sie  sieh  ja  auch  in  seiner  eigenen  Erzählung  findet: 

„to  this  effect  aöd  to  this  ende,  that  god  of  bis  endelees  mercy  wole 
at  the  tyme  of  our  dyinge  foryeven  ns  onr  gutes  that  we  hau  trespassed 
to  hlm  in  this  wrecched  world.  For  doutelees,  if  we  be  sory  and  repentant 
of  the  Sinnes  and  gutes  whiche  we  han  trespassed  in  the  sighte  of  our 
lord  god,  he  is  so  free  and  so  merciable,  that  he  wole  foryeven  us  our 
gutes,  and  bringen  ns  to  his  blisse  that  never  hath  ende.    Amen." 

In  der  franz.  Quelle  steht  nur:  „.  . .  a  celle  fin  que  Dien  au  point 
de  la  mort  nous  vueille  pardonner  les  nostres." 

Vgl.  dazu  C.  T.  G  68. 

Be  myn  advocat  in  that  heighe  place 
Ther-as  withouten  ende  is  songe  „Osanne". 

1)  Zum  Beispiel  CT.  B  421  ff.,  1132 flf.  in  Anlehnung  an  Innozenz'  De 
contemptu  mundi,  aber  auch  sonst,  vgl.  C.  T.  A  1265,  E  2055  (Ch.'s  eigen), 
B  4395  f.  (nicht  im  Eenart)  und  genau  derselbe  Gedanke  Troilus  IV  835 
(Ch.'s  eigen),  ähnlich  Troilus  III  827,  163G.  Ferner  G319ff.  (=  Quelle) 
und  der  Znsatz  Boeth.  b.  2  m.  6, 109;  ferner  b.  5  pr.  (5,  36. 

44* 


692 

Dazu  nehme  man  C.  T.  E  1650. 

Melib.  B  2996   ist   lediglich   eine   genaue  Wiedergabe  der 

betr.  Stelle  in  dem  Original. 

Dagegen  ist  ein  Zusatz  zu  verzeichnen  ßoeth.  b,  4  m.  7, 44 

Güth  now  thauue,  ye  stronge  men,  ther-as  the  heye  wey  of  the  grete 
ensaumple  ledeth  yow.  0  nyce  men,  why  niake  ye  your  bakkes?  As  who 
seyth:  0  ye  slowe  and  delicat  men,  why  flee  ye  adversitees, 
and  ne  figbten  nat  ayeins  hem  by  vertu,  to  wiuneu  the  mede 
of  the  hevene?  For  the  erthe  overcomen  yeveth  the  sherres;  this  is 
to  seyn,  that,  whan  that  erthely  Inst  is  overcomen  a  man  is 
maked  worthy  to  the  hevene. 

Das  gesperrt  Gedruckte  ist  Zusatz  Chaucer's. 

Aber  auch  folgende  zwei  Zitate  aus  Troilus  sind  Zusätze 
Chaucer's ;  im  ersten  Fall  spricht  der  Dichter  sogar  persönlich : 

V  ISl-i    And  doun  froin  thennes  faste  he  gan  avyse 

This  litel  spot  of  erthe,  that  with  the  see 
Enbraced  is,  and  fuUy  gan  despyse 
This  wrecched  world,  and  held  al  vanitee 
To  respect  of  the  pleyn  felicitee 
That  is  in  hevene  above. 

V  1821     And  in  him-self  he  lough  right  at  the  wo 

Of  hem  that  wepten  for  his  deeth  so  faste; 
And  dampned  al  onr  werk  that  folweth  so 
The  blinde  last,  the  which  that  may  not  laste, 
And  sholden  al  cur  herte  on  hevene  caste. 

Für  bedeutungsvoll  halte  ich  ferner  den  Zusatz  Chaucer's 
C.  T.  B  1075 

And  swich  a  blisse  is  ther  bitwix  hem  two 

That,  save  the  Joye  that  lasteth  evermo, 

Ther  is  non  lyk,  that  any  creature 

Hath  seyn  or  shal,  whyl  that  the  world  may  dure. 

weil  in  der  Man  of  Lawes  Tale  sonst  das  eigentlich  christliche 
Element  gegenüber  der  Quelle  (Trivet)  stark  in  den  Hintergrund 
gedrängt  ist. 

Die  Jungfrau  Maria  als  hilfreicher  Beistand  des  Mensehen 
und  Mittler  zwischen  ihm  und  Gott  zur  Erlangung  des  Himmel- 
reichs wird  von  Chaucer  mehrfach  eingeführt;  vgl.  ABC  23 
That-quene;  CT.  B  640,  G  68  (s.o.),  G  75  etc.,  insbesondere 
ib.  32  ff.). 

Auch  einer  wichtigen  Änderung  des  Sinnes  mufs  Er- 
wähnung getan   werden;    Pari,  of  Foules  78ff.   wird   von    der 


693 

LäuteruDg-  der  Seelen  uach  dem  Tode  auf  Grund  des  SomDium 

Seipionis  gesprochen: 

And  than,  for-yeven  alle  hir  wikked  dede 

Tliau  slml  they  come  nnto  that  bllsful  place, 

To  which  to  comen  god  thee  sende  his  grace! 

Quelle:  nee  in  hune  locum  [sc.  terramü]  nisi  multis  exagitati  saeculis 
revertuntnr. 

Auch  die  Betrachtung  über  völlige  Glückseligkeit  auf 
Erden  und  im  Himmel  (CT.  March.  163fr.)  könnte  man  hier 
anführen. 

Ganz  ähnlich  in  der  P.  T. 

Inhaltlich  z.  T.  wörtlich  gleichlautend  mit  der  Vorlage 
sind  J  636,  716;  J  700  ist  die  auf  Chaucer  deutende  Fassung 

der  P.  T.  zu  beachten 

„wher-as  Crist  seith  that  aa  wel  shal  ther  be  Joye  in  hevene  upon 
a  sinful  man  that  dotb  penitence," 

Quelle:  Dico  vobis  quod  gaudium  est  angelis  .  .  . 

Ähnlich  J  738  wo  der  „consideracioim  of  the  joyes  of 
hevene^'  die  „consideratio  eterni  premii"  gegenüber  steht. 

Einen  Zusatz  bei  sonst  engem  Ansehluls  an  die  Vorlage 
stellt  P.  T.  J  884  dar. 

„And  therfore  wol  Christ  putte  hem  out  of  the  regne  of  hevene, 
that  is  heritage  to  gode  folk." 

Weiter  einige  Stellen,  deren  Echtheit  nie  bezweifelt  worden 
ist;  für  J  80 

„of  whiche  weyes,  ther  is  a  ful  noble  wey  and  a  ful  convenable, 
which  may  nat  faile  to  man  ne  to  womman,  that  thurgh  sinne  hath  mis- 
goon  fro  the  righte  wey  of  Jerusalem  celestial." 

wird  das  bekanntlich  durch  J  50f.  bewiesen  (Koeppel,  a.a.O. 
S.  45).  Die  eigentliche  Quellenstelle  hat  ,,vi(im  rectam,  ne- 
cessariam,  et  mfallibilem"  während  es  vorher  (Petersen^  S.  3) 
heilst: 

„restat,  ut  ad  portnm  quietis,  ac  serenitatis  aeternae  soliciti  festinemus." 

Der  Beginn  der  P.  T.  J  75 

„Oure  swete  lord  god  of  hevene,  that  .  . .  wole  that  we  comen  alle 
to  the  knowleche  of  him,  and  to  blisful  lyf  that  is  perdurable," 

Vgl.  dazu  die  betr.  Stelle  aus  2.  Peter  III,  9 

.  .  .  Dominus  .  .  .  nolens  aliquos  perire,  sed  omnes  ad  poenitentiam 
reverti. 


694 

J  79 :  Mauye  bcen  the  weyes  espirituels  that  ledea  folk  to  ouro  Lord 
Jesu  Crist,  aud  to  the  regne  of  glorie. 

J  184:  „Covered  with  tlie  derkuesse  of  deeth":  that  is  to  seyn,  that 
he  that  is  in  helle  shal  have  defaute  of  the  sighte  of  god;  for  certes,  the 
sighte  of  god  is  the  lyf  perdurable. 

J234:  The  othere  gode  werkes,  that  he  wroghte  whyl  he  lay  in 
deedly  sinne,  they  been  outrely  dede  as  to  the  lyf  perdurable  in 
hevene. 

J  1076:  .  .  .  what  is  the  fruit  of  penaunce;  and,  after  the  word  of  Jesu 
Crist,  it  is  the  eudelees  blisse  of  hevene,  ther  Joye  hath  uo 
coutrarioustee  of  wo  ne  grevannce,  ther  alle  harmes  been  passed  of  this 
preseut  lyf;  (hierfür  s.  o.)- 

Diese  stets  für  echt  gehaltenen  Stellen  beweisen  für  die 
Echtheit  des  folgenden  Zusatzes,  der  seine  Entstehung  nur 
einer  schwachen  Anregung  von  selten  der  Quelle  verdankt: 

J  240 f.:  For  certes,  in  the  werkinge  of  the  deedly  sinne,  ther  is  no 
trust  to  no  good  werk  that  we  han  doon  biforn;  that  is  to  seyn,  as  for 
to  have  therby  the  lyf  perdurable  in  hevene.  Bnt  nathelees,  the 
gode  Werkes  quiken  agayn,  and  comen  agayn,  and  helpeu  and  auaillen  to 
have  the  lyf  perdurable  in  hevene,  whan  we  han  contricion. 

In  C  heifst  es:  „The  fifte  sorowe  is  for  the  losse  of  heuen  &  for 
owre  grete  oflFence  to  our  maker  and  creator",  in  R  „De  quinto,  scilicet, 
de  amissione  caelestis  gloriae." 

Ferner  beweisen  sie  für  folgende  Stellen: 

J  1 20 :  The  hete  of  this  seed  is  the  love  of  god,  and  the  desiring  o  f 
the  Joye  perdurable. 

J124  (im  Zusammenhang  damit):  but  fro  that  tyme  that  he  loveth 
sadly  our  lord  Jesu  Crist,  and  desireth  the  lif  perdurable,  ther  nis 
to  him  no-thing  more  abhominable. 

J669:  Heer  may  man  lerne  to  be  pacieut;  for  certes,  noght  only 
Cristen  men  been  pacient  for  love  of  Jesu  Crist,  and  for  gnerdouu  of 
the  blisful  lyf  that  is  perdurable. 

denen  aus  den  Quellen  nichts  Entsprechendes  an  die  Seite 
gestellt  werden  kann.  In  diesen  wie  in  folgenden  Fällen  ist 
der  ganze  Abschnitt  neu  gegenüber  den  Quellen.  Doch  stimmt 
die  Gegenüberstellung  von  irdischen  und  himmlischen  Gütern 
zu  Chaucer's  Gedankenrichtung  und  auch  die  von  Skeat  (Anm.) 
und  Miss  Petersen  (S.  9  Anm.  2)  bemerkte  Übertragung  der 
Worte  Johannes'  des  Täufers  an  Christus  könnte  im  Hinblick 
auf  Abschnitt  4  (s.u.)  für  Echtheit  und  Original- Chaueerisch 
gedeutet  werden. 


695 

„but  soolhly,  liere  behoveth  the  consideracioau  uf  the  grace  of  Jesu 
Crist,  and  ofbis  temporelgoüdes,  and  eek  of  the  godesperdurablea 
that  Crist  yaf  to  us." 

J832:  Abstinence,  he  seith,  is  litel  worth,  but-if.  men  doon  it  for 
godes  sake,  and  in  hope  to  have  the  blisse  of  hevene. 

Ein  vom  Verfasser  der  P.  T.  nur  etwas  weiter  ausgeführter 
Absatz  enthält  darin  folgenden  Zusatz: 

J  791:  They  seilen  the  soviles  . .  .  And  therfore  shul  they  nevere  han 
part  of  the  pastnre  of  lambes,  that  is,  the  blisse  of  hevene. 

Es  ist  vielleicht  nicht  unangebracht,  auch  an  den  ziemlich 
gleichen  Wortlaut  zu  erinnern. 

3.   Reue,  Bufse  und  Vergebung. 

Der  Himmel  steht  auch  dem  sündigen  Menschen  offen, 
sofern  er  seine  Vergehen  aufrichtig  bereut,  wenn  auch  — 
gemäls  der  Anschauung  der  Kirche  —  erst  im  letzten  Augen- 
blick. Reue  und  Bulse  samt  der  Vergebung  schlielsen  sich 
also  eng  an  die  in  den  beiden  vorigen  Kapiteln  erörterten 
Themen  an  und  sind  folgerichtigerweise  vom  Dichter  in  ähn- 
licher oder  gleicher  Weise  behandelt. 

Das  durch  den  Zusatz  überaus  wichtige  Zitat  aus  Melibaeus 
habe  ich  schon  oben  unter  2.  angeführt.  Hier  wie  an  anderen 
Stellen  wird  das  Motiv  der  Reue  oder  Bufse  samt  der 
Vergebung  von  Chaucer  hineingebracht.  Vielfach  kehrt  dabei 
derselbe  Gedanke  in  ähnlicher  Form  wieder: 

Troilus  1318    Repeutingehim  that  he  hadde  ever  y-iaped 

Of  loves  folk,  lest  fully  the  descente 

Of  scorn  fille  on  himself 
Bei  Boccaccio  fehlt  der  Gedanke  der  Reue: 
Troilus  I  391    For  with  good  hope  he  gan  fully  assente 

Criseyde  for  to  love,  and  nought  repente, 
Boccaccio:    Bene  sperando,  e  tutto  si  dispose 

Di  voler  sola  Griseida  amare 
Troilus  II 523    He  seyde,  „lord !  have  routhe  up-on  my  peyne, 

AI  have  I  been  rebel  in  mvn  entente; 

Now,  mea  culpa,  lord!    I  me  repente. 
Ohne  Parallele  bei  Boccaccio. 

Hierher  gehört  auch  die  bezeichnende  Änderung 
C.  T.  B  376 

She  (die  Sultanin)  .  .  .  seyde  him  that  she  wolde  reneye  hir  lay, 
And  cristendom  of  preestes  handes  fonge, 
Repenting  hir  she  hethen  was  so  longe, 


696 

Trivet  sagt:   „inra  que  par  grant  teinps  auoit   ele  este  en  mesme 
la  volunte  priuement;" 

Motiv  der  Bulse. 

ABC  50  (von  Christus  gesagt) : 

And  with  bis  precious  blood  he  wroot  the  bille 
Up-on  the  crois,  as  general  acquitaiince 
To  every  penitent  in  fiil  creauuce; 
Quelle:    Quant  pour  moy  se  viut  enterrer, 
Se  il  ne  se  veut  desterrer 
Encor  puis  s'amour  acquerre. 

ABC  147    To  you  my  soule  penitent  I  bringe. 
Quelle:    A  toy  vieng,  de  toy  me  herite. 
ABC  183    So  bring  us  to  that  palais  that  is  bilt 

To  penitents  that  ben  to  mercy  able. 
Quelle:    Moy  laver  veillez  entendre 

Moy  garder  et  moy  deffendre, 

Que  justice  ne  m'assomme. 

Original  und  im  Zusammenhang  mit  den  übrigen  Belegen      ' 
bemerkenswert  ist:  Legend  of  Good  Women  (B)  153: 

And  tho  that  hadde  duon  nnkindenesse  j 

As  dooth  the  tydif,  for  new-fengelnesse  — 
Besoghte  mercy  of  hir  trespassinge, 
And  humblely  songen  hir  repentinge, 
And  sworen  on  the  blosnes  to  be  trewe.  ; 

■•  • 

Eine  wesentliche  Änderung  des  Sinnes  hat  Chaueer  gleich 

zu  Beginn  des  ABC  vorgenommen: 

Almighty  and  al  merciable  quene, 

To  whom  that  all  this  world  fleeth  for  socour, 

To  have  relees  of  sinne,  sorwe  and  tene, 

In  der  Quelle  lautet  es  so:  r 

A  toy  du  monde  le  refui, 
Vierge  glorieuse,  m'en  fui 
Puisqu'en  toy  ont  tous  repaire. 

Auch   ein  Zeugnis   für  Chaucer's  persönlichen   Glauben 
an    die   Vergebung    der   Sünden    haben    wir    im   Allg.   Prolog 

Vers  Ot)U:         q£  cursing  oghte  ech  gilty  men  him  drede  — 

For  curs  wol  slee,  right  as  assoilling  saveth  — 
And  also  war  him  of  a  significavit. 

Die    wichtigste   Stelle    von    allen    ist,    wie    ich    nochmals 
wiederhole,  C.  T.  Melib.  B  3073.  ' 


'   I  '. 


697 

Bei  Durclisicht  der  P.  T.  stofsen  wir  auf  die  gleiche 
Erscheinung. 

Vor  allen  Dingen  mufs  zunächst  darauf  hingewiesen  werden, 
dafs  Chaucer  sein  grofses  Werk  der  Cauterbury  Tales  mit  einer 
Bulspredigt  beschlielst.  Damit  hat  der  Dichter  seiner  eigenen 
religiösen  Grundstimmung  Rechnung  getragen. 

Sodann  die  Einzelfälle: 

Gleichlautend  mit  den  Quellen  ist  J  945.  —  Eine  (aller- 
dings nicht  erhebliche)  Änderung  zeigt  J688if.,  wo  „accidie" 
als  Feindin  der  drei  Stufen  der  Bufsfertigkeit  geschildert  wird, 
während  wir  in  den  Quellen  nur  eine  kurze  Andeutung  finden. 

Daneben  lassen  sich  vielfache  Zusätze  bei  sonst  engem 

Anschluls  an  die  Quelle  nachweisen;   so  J  93,   wo  auf  die 

gleiche  Ausdrucksweise  wie  in  C.  T.  C  286  schon  von  anderen 

aufmerksam  gemacht  ist.     Aber  auch  J  91 : 

But  nathelees,  men  shal  hope  that  every  tyitie  tliat  man  falletb,  be 
it  never  so  ofte,  that  he  may  arise  thurgh  Penitence,  if  he  have  grace: 
but  eorteiüly  it  is  greet  doate. 

Ebenso  J  94:  And  he  that  sinneth,  and  verraily  repenteth  hlm 
in  bis  biste  ende,  holy  chircbe  yet  hopeth  bis  savaeioun,  by  the  grete 
mercy  of  oure  lord  Jesu  Crist,  for  bis  repeutaunce;  bat  tak  the 
siker  wey. 

wofür  die  Quellen  keine  Parallele  aufzuweisen  haben.  Die 
ganze  Stelle  ist  überhaupt  echt  Chaucerisch ;  J  93  stimmt  fast 
wörtlich  mit  C.  T.  C  286  überein.  (Vgl.  zu  ersterem  die  schon 
in  R  gleichlautenden  Stellen  J  1026  und  J  1073.)  Dieses  sind 
Gedanken,  auf  die  Chaucer  besonderen  Wert  legte  (vgl.  dazu 
das  Zitat  aus  Melib.  3073). 

NB.  Nebenbei  bemerke  ich  zu  Simon  S.  250,  dafs  Chaucer  auf  den 
Ausdruck  „but  tak  the  siker  wey-'-  durch  seine  Quellen  gekommen  ist;  vgl. 
dazu  Liddell  S.  264,  Anm.  2. 

Gleiche  Gedanken  tauchen  ferner  auf  in  deutlichen  Zu- 
sätzen gegenüber  den  Quellenfassungen: 

J  306:  For  soothly,  wbyl  contricion  lasteth,  man  may  evere  have 
hope  of  foryifnesse; 

J704:  Certes,  ther  is  noon  so  borrible  sinne  of  man,  tbat  it  ne  may, 
in  bis  lyf,  be  destroyed  by  penitence  .  . . 

J  872 :  She  may  have  mercy,  thls  woot  I  wel,  ifshe  do  penitence. 


/ 

f 


698 

J  71(5:  .  .  .  tliey  shiil  uat  beeu  wliipped  with  men,  that  is  to  seyn,  in 
purgatorie.  Certes,  thauue  senielb  it,  thcy  shul  be  turmeuted  with  the 
devel  in  helle,  but-if  they  doou  peuitence. 

Quelle:  .  .  .  non  flagellabnntiir  cnm  hominibus  in  purgatorio,  sed 
cnm  denionibus  in  inferno  (Betr.  Plural  demonibus  und  Singular  devel  siehe 
oben  S.  6hS  Anui.). 

Eine  genaue  Parallele  dazu  ist: 

J  890 :  Soothly,  the  vengeaunce  of  avoutrie  is  awarded  to  the  peynes 
üf  helle,  but-if  so  be  that  it  be  destoürbed  by  penitence. 
Quelle:  Secundum  euim  in  penis  teuet  locum. 

Aus  einem  von  Simon  für  echt  gehaltenen  Abschnitt  der 
P.  T.,  der  aber  in  den  Quellen  keine  Entsprechung  findet,  sei 
noch  J  179  angeführt: 

And  for-as-muche  as  a  mau  may  acquiten  him-self  biforn  god  by 
penitence  in  this  world  ..  .  therfore  sholde  he  preye  to  god  to  yeve 
him  respyt  a  whyle,  to  biwepe  and  biwailleu  his  trespas. 

Einige  minder  wichtige  tibergehe  ich. 

Aulser  diesen  direkten  Zusätzen  lassen  sich  einige  erheb- 
liche Veränderungen  des  Sinnes  beobachten,  die  gedanklieh 
mit  den  vorher  gegebenen  Zitaten  in  enger  Berührung  stehen: 

J5S2:  ...  thilke  sinne  is  so  greet,  that  unnethe  may  it  been 
relesed,  but  that  the  mercy  of  god  passeth  alle  hise  werkes; 
it  is  so  greet  and  he  so  benigne. 

Die  der  Fassung  der  P.  T.  am  nächsten  stehende  Fassung 
des  Frhre  Lorens  spricht  dagegen  die  Unmöglichkeit  der  Ver-     j 
gebung  dieser  Sünde  aus:  ■ 

eist  pecchies  est  si  grans  que  Dieus  le  punist  aucnne  foiz  aperte- 
ment,  come  nous  avons  dit  devant,  quant  nous  parlames  de  mauvais  gens. 
De  cest  pecchie  dist  Dieus  en  l'evaugile,  qu'il  n'i  ert  ja  pardones, 
n'en  cest  siecle,  n'en  lautre. 

Ähnlich  J  945 : 

Thise  been  tho  that  han  been  wy  ves  and  han  forgoon  hir  housbondes, 
and  eek  wommen  that  hau  doon  lecherie  and  been  releeved  byPeui- 
tence. 

WO   das   Motiv    der   Vergebung   hineingebracht   ist   gegenüber 
z.  B.  Frfere  Lorens: 

...  et  toutes  voies  sont  confes  e  repentanz  de  leur  pecchies. 

Eine  Milderung  der  starren  Negation  in  der  Quelle  R 
zeigt  auch  J  1002: 

And  for-as-muche  as  he  ne  hath  nat  in  his  lyf  herkned  Jesu  Crist, 


I 


699 

whanne  he  hath  spoken,  he  shal  crye  to  Jesu  Crist,  at  bis  laste  day,  and 
scarsly  wol  he  herkue  him. 

Quelle:  et  non  audietur. 

Anm.:  Hinweise  auf  den  Tag  des  jüngsten  Gerichts  gibt  der  Verf. 
der  P.  T.  stets  wieder:  J  648  (wörtliche  Übereinstimmung),  J  1063  (Über- 
einstimmung dem  Sinne  nach).  J  1033  hat  keine  Entsprechung  in  den 
Quellen,  die  für  J  378  versagen;  J  1092  ist  Chaucer's. 

4.   Die  Person  Jesu  Christi. 

Die  Gestalt  des  Heilands  als  desjenigen,  der  den  Kreuzestod 
erlitt,  um  für  die  Menschlieit  Vergehung  der  Sünden  zu  er- 
wirken, wird  von  Chaucer  stets  mit  demütiger  Verehrung  und 
aufrichtiger  Dankbarkeit  gedacht.  Er  gedenkt  seines  Lebens 
und  Wirkens,  das  er  als  Vorbild  hinstellt,  preist,  teils  selbst, 
teils  durch  den  Mund  seiner  poetischen  Gestalten  seine  Milde, 
seine  aufopfernde  Liebe,  beklagt  seine  Leiden,  bittet  um  seine 
Gnade  oder  ruft  in  Not  und  Bedrängnis  seine  stets  bereite 
Hilfe  an.  Dies  entspricht  Chaucer's  innerster  Überzeugung, 
uud  es  wäre  überflüssig,  wollte  ich  dies  durch  viele  Belege 
an  dieser  Stelle  beweisen,  i)  Ich  sehe  daher  von  einer  Auf- 
zählung (selbst  in  der  kurzen  Form  von  blolsen  Verweisen), 
im  allgemeinen  ab  und  führe  zur  Bekräftigung  des  Gesagten 
nur  einige  besonders  ins  Auge  springende  Fälle  an: 

ABC  59  s.  mit  Qnellenfassung  oben  S.  696  —  damit  vgl.  man 

J  132:  which  with  bis  precious  blood  hath  delivered  us  (R  hat 
proprio  sangaine)  und 

J  789:  . . .  the  soule  that  he  boghte  with  bis  precious  blood  . .  . 
CT.  E556    But,  sith  I  thee  have  marked  with  the  croys, 
Of  thilke  fader  blessed  mote  thou  be, 
Quelle:  Sed  .  .  .  puellulam  . .  .  benedixit. 

Sehr  wichtig  sind  die  Belege  aus  der  Man  of  Lawes 

Tale,  weil  in  ihr  sonst  das  christliche  Element  gegenüber  der 

Vorlage  stark  zurückgedrängt  ist: 

CT.  B  1793    They  seyde,  „nay";  but  Jesu  of  his  grace, 

Yaf  in  his  thought,  inwith  a  litel  space,  That  .  . . 

CT.  B  1506    And  hastily  they  for  the  provost  sente; 
He  cam  anon  with-outen  tarying, 
And  herieth  Crist  that  is  of  heven  king, 
And  eek  his  moder  .  .  . 

0  Diese  Tatsache  scheint  schon  E.  B.  Browning  besonders  tief 
berührt  zu  haben  (siehe  oben  S.  637). 


700 

In  beiden  Fällen  fehlt  der  Gedanke  in  der  Alphonsus  von 
Lincoln -Version. 

Die  Neueinführung  der  Person  Christi  ist  ebenso 
für  alle  Teile  der  P.  T.,  mögen  sie  von  einzelnen  Forschern 
für  echt  oder  unecht  gehalten  sein,  ein  bezeichnendes  Merkmal. 
Wir  finden  sie  1.  in  Abschnitten  eingeführt,  die  ihrem  ganzen 
Umfang  nach  neu  sind  gegenüber  der  Quelle,  2.  an  Stellen, 
wo  sie  sich  bei  mehr  oder  weniger  engem  Anschluls  an  die 
Umgebung  als  Zusätze  erweisen.  In  beiden  Fällen  wird  ihre 
Beweiskraft  bisweilen  dadurch  verstärkt,  dals  derselbe 
Satz  einen  Hinweis  auf  die  oben  unter  1 — 3  abgehan- 
delten Dinge  enthält  (von  einer  vollständigen  Aufzählung 
aller  Fälle  muls  ich  natürlich  absehen  und  führe  daher  nur 
einen  Teil  an). 

Für  den  ersten  Fall:  J  79,  J  255— 282  (selbständige 
Einführung  eines  ganz  neuen  Gedankens),  J  358 ff.  und  382, 
J  689,   J  878,   J  996,   J  1023  und  vielleicht  auch  J  447. 

Für  den  zweiten  Fall:  J  94,  J  124,  J  434,  J  502,  J  504, 
J  669.  Wegen  sonstiger  genauer  Übereinstimmung  ist  besonders 
bedeutsam  am  Schlufs  des  ersten  grolsen  Abschnitts  J  314 — 
315  (wie  schon  bei  anderer  Gelegenheit  oben  hervorgehoben. 
—  Betonung  des  Kreuzestodes  und  seiner  Bedeutung  für  die 
Eintracht  der  Menschen  J  642,  neu  gegenüber  der  Quellen- 
fassung. 


I 


Im  Zusammenhang  mit  dieser  Erscheinung  läfst  sich  eine 

andere   beobachten.     Schon   in   der   Erzählung   von   Melibaeus  1 

und  Prudenee   setzt  Chaucer  an  zwei  Stellen   anstatt  der  < 

Person  Gottes  die  Christi  ein:  l 

C.  T.  ß  2490 :  ye  shul  understonde  that  he  tbat  hath  werre  shal  ever- 
more  mekely  aad  devoutly  preyen  biforn  alle  thinges,  that  Jesus  Crist 
I  of  bis  grete  mercy  |  (Zusatz)  wol  han  him  in  his  proteccioun,  and  been 
his  sovereyn  helping  at  his  nede.  For  certes,  in  this  world  ther  is  no 
wight  that  may  be  conseilled  ne  kept  suffisantly  withouten  the  keping 
of  our  lord  Jesu  Crist  ... 

Quelle:  .  .  .  doit  tous  les  jours  .  .  .  humblement  et  devotement 
demander  la  garde  et  l'aide  de  Dien. 

Ebenda  B2602:  And  hast  forgeten  Jesu  Crist  thy  creatour;         1 
thou  ne  hast  nat  doon  to  him  swich  honour  and  reverence  as  thee  onghte 
(wozu  man  das  leider  in  der  Quelle  nicht  belegte  J  358  vergleichen  möge). 

Quelle:  Dieu  ton  createur. 


i 


701 

Dies  darf  nicht  als  eine  blofse  Aufserlichkeit  aufgefafst 
werden,  trotzdem  Gott  und  Christus  nach  der  streng  christ- 
lichen Auffassung  ein  und  dieselbe  Person  sind.  Vielmehr  lehrt 
uns  diese  Erscheinung  (neben  anderen),  dafs  der  Dichter  für 
den  Teil  der  Dreieinigkeit,  der  die  Leiden  für  die  Erlösung 
der  Menschheit  auf  sich  genommen  hatte,  eine  besondere  Hin- 
neigung empfand,  und  daher  auf  ihn  gern  manches  zurück- 
führte, das  seine  Vorlage  der  Person  Gottes  zuwies. 

Weitere    höchst    auffällige    Beispiele    liefert    die   Maji  of 

Lawes  Tale.     Da   der  Vergleich   mit    der  Quelle   gerade   hier 

einen  genauen  Überblick  ermöglicht,  stelle  ich  alle  Belege  mit 

den  entsprechenden  Abschnitten  der  Vorlage  hierher: 

CT.  B  106    Thou  blamest  Crist,  and  seyst  ful  bitterly, 

He  misdeparteth  richesse  temporal;  " 

Thy  neighebonr  thou  wytest  sinfnlly, 

And  seyst  thou  hast  to  lyte,  and  he  hath  al. 

Quelle:  (Innozenz,  De  contemptu  mundi):  Deum  causatur  iniquum, 
qnod  non  reete  diuidat;  proximum  criminatur  mallgnum,  quod  non  plene 
snbneniat. 

C.  T,  B  509    And  in  the  send  hir  ship  sticked  so  faste, 
That  thennes  wolde  it  noght  of  al  a  tyde, 
The  wüle  of  Crist  was  that  she  shulde  abyde. 
Bei  Trivet  heifst  es,  gott  sandte  einen  günstigen  wind. 

C.  T.  B  563    This  lady  wex  affrayed  of  the  soun, 

Lest  that  hir  housbond,  shortly  for  to  sayn, 
Wolde  hir  for  Jesu  Cr  ist  es  love  han  slayn, 
Til  Custance  made  hir  bold,  and  bad  hir  werche 
The  wil  of  Crist,  as  doghter  of  his  chirche. 

Quelle:  Mes  constaunce  entendaunt  la  vertue  dien  [estre]  en  la 
parole  leueugle,  conforta  hermigilde  &  lui  dist,  „Ne  mucez  pas,  dame,  la 
vertue  ge  dieu  te  ad  done. 

CT.  B  719    Now  faire  Custance,  that  is  so  humble  and  meke, 
So  longe  is  goon  with  childe,  til  that  stille 
She  halt  hir  chambre,  abyding  Cristes  wille. 

Zu  vergleichen  aus  der  Quelle:  Puis  quant  dieux  &  nature  voleient 
constaunce  fu  deliuerez  de  vn  enfaunt  Madie. 

C.  T.  B  824    But  natheles  she  taketh  in  good  entente 

The  wille  of  Crist,  and,  kneling  on  the  stronde, 
She  seyde,  „lord"!  ay  wel-com  be  thy  sonde! 

Quelle:  Mes  puis  qne  a  dieu  plest,  &  a  mon  seignur  le  Roys, 
inon  exil,  a  bon  gree  le  doys  prendre  en  esperauuce  que  dnre  comeuce- 
ment  ameuera  dieu  a  bon  fin  .  .  . 


702 

CT.  B  827  schliefst  sich  an  das  letzte  Zitat  an: 
Ile  that  ine  kepte  fro  tlie  false  blarne 
Whyl  I  was  on  the  londe  amonges  j'ow, 
He  cau  me  kepe  from  härme  and  eek  fro  shame 
In  salte  see  . .  . 
In  him  triste  I,  and  in  his  moder  dere; 

Gemeint  ist  Christus;  die  Quelle  meint  Gott  ...  a  bon  fyn,  et  qil 
me  purra  en  la  mere  saiuier,  gi  en  mere  et  en  terre  est  de  tonte  puissaunce. 

C.  T.  B  900     But  now  wol  I  un-to  Custance  go, 

That  fleteth  in  the  see,  in  peyne  and  wo, 
Fyve  yeer  and  more,  as  lyked  Cristes  sonde 
Er  that  hir  ship  approched  un-to  londe. 

Quelle:  E  com  sou  trebon  &  courteis  giour,  dieux  gouerna  &  gya 
sa  neef  plus  pres  &  plus  .  . . 

Ähnlich  auch  C.  T.  B  950.    Ferner  vgl. : 
CT.  D  469    But,  lord  Crist!  whan  that  it  remembreth  me  .  .  . 
It  tikleth  me  aboute  myn  herte  rote. 

An  der  entsprechenden  Stelle  im  lloman  de  la  Rose  heifst  es  „Par 
Diex!" 

Für  CT.  C474  vgl.  scblielslieh  J.L.Lowes,  Illustrations 
of  Chaucer  drawn  cliiefly  from  Descbamps.  Romauic  Review 
11,113—128  (1911). 

Die  gleiche  frappante  Erscheinung  finden  wir  nun 
in  der  P.  T.: 

J  1 1 0 :  And  this  is  fruitful  Peniteuce  agayns  three  things  in  whiche 
we  wratthe  our  lord  Jesu  Crist; 

Quelle:  Quia  enim  in  tribus  modisDeum  oflfendimus. 

J413:  .  .  .  if  ther  ne  hadde  be  no  sinne  in  clothing,  Crist  wolde 
nat  have  noted  and  spoken  of  the  clothing  of  thilke  riche  man  in  the 
gospel. 

Quelle:  Si  culpa  preciosarum  vestium  culpa  non  esset,  sermo  Dei 
non  ita  vigilauter  exprimeret  quod  dives  purpura  et  bysso  indntus  apud 
inferos  torqueretur. 

J  4C2 :  For  sothe,  oo  maner  gentrye  is  for  to  preise  that  apparailleth 
mannes  corage  with  vertues  and  moralitees,  and  maketh  him  Cristes 
child. 

Quelle:  Animi  vero  nobilitas  . .  .  quando  aliquis  gratiam  Dei  habet 
qua  Dei  filius  est  . .  . 

J  55S:  For  certes,  outrageous  wratthe  doth  al  that  evere  the  devel 
him  comaundeth;  for  he  ne  spareth  neither  Crist,  ne  his  swete  mooder. 

Quelle:  Homo  enim  iratus  non  timet  facere  quodcumque  diabolus 
precepit  sibi  .  .  .  Ipsi  Deo  et  Matri  ejus  non  parcit  .  .  . 


703 

J  625 :  Now  if  he  repreve  him  by  härm  of  peyne,  thanne  turueth 
the  repreve  to  Jesu  Crist; 

Quelle:  ...  cum  malum  pene  a  Deo  sit,  ipse  dicendo  opprobrium 
homini,  exprobat  creatori  jus. 

J  642 :  Now  comth  the  sinue  of  hem  that  sowen  and  makcH  discord 
amonges  fclk,  which  is  a  siune  that  Crist  hateth  outrely;  and  no 
wondcr  is.  For  he  deyde  for  to  make  concord  (oben  S.  700 
kurz  erwähnt). 

Quelle:  Sequitur  de  peccato  eorum  qui  semiuant  discordias,  a  quo 
peccato  primo  deberet  homiues  cohibere  hoc,  quod  illud  peccatum  adeo 
est  exosum  Deo  ... 

Dies  Beispiel  ist  besonders  durch  die  vom  Verfasser  der 
P.  L.  hinzugefügte  Begründung  interessant. 

J  697 :  Certes,  aboven  alle  sinnes  thanne  is  this  sinne  most  displesant 
to  Crist  ..  . 

Quelle:  Et  notandum  quod  peccatum  desperationis  valde  dis- 
plicet  Deo. 

J  745 :  Soothly,  this  Avarice  is  a  siune  that  is  ful  dampnable  .  .  . 
for  it  dooth  wrong  to  Jesu  Crist. 

Quelle:  Tertio  ostenditur  iuiquitas  avari  per  hoc  quod  ipse  est 
iniquus  in  Denm. 

J790:  For  they  putten  in  theves,  that  stelen  the  soules  of  Jesu 
Crist  and  destroyen  bis  patrimoine. 

Quelle:  .  .  .  quod  latrones  et  sacrilegos  facit  obtinere  locum  et 
vicem  Dei. 

J  990  geht  der  Verfasser  der  P.  T.  plötzlich  zu  Christus  über,  während 
vorher  immer  von  Gott  die  Rede  war.  R  hat  für  J  9S9  —  992  keinerlei 
Parallele. 

J  996  ist  auch  bemerkenswert  in  der  Fassung  gegenüber  R  aber 
vielleicht  durch  die  biblische  Erzählung  hervorgerufen. 

J  1015,  auch  ohne  Parallele  in  R,  ist  ebenfalls  beachtenswert,  wenn 
wir  das  oben  unter  3.  Gesagte  zur  Erläuterung  heranziehen. 

J  1023:  .  .  .  and  eek  thou  shalt  nat  shryve  thee  for  veyue  glorie,  ne 
for  ypocrisye,  ne  for  no  cause,  but  only  for  the  doute  of  Jesu  Crist 
and  the  hele  of  thy  soule. 

In  C  heifst  es:  nat  for  veyn  glorie  ne  for  drede  of  peyn  oonly;  but 
specially  for  pe  offense  to  god  wi]?ont  eny  feynynge. 

Dies  Beispiel  lehrt  zugleich,  dafs  die  Person  Gottes 
allen  Werken  dieser  Art  gemeinsam  gewesen  sein  mufs;  darin 
liegt  zugleich  ein  Beweis  für  die  Richtigkeit  dieses  Quellen- 
kriteriums. 

J  1067:  . .  .  surquidrie  that  he  hath  in  Cristes  mercy. 
Quelle:  de  nimia  Dei  misericordia. 


704 

Vielleicht  erklärt  sieh  auf  diese  Weise  auch  die  Ein- 
setzung des  „fifthe  thing"  gegenüber  der  Quelle  in  J255: 

The  fifthe  thing  that  oghte  moeve  a  man  to  contricion  is  remembrance 
üf  the  passion  that  onre  lord  Jesu  Crist  snflfred  for  our  sinnes. 

Vgl.  C  (Liddell  S.  26Sf.)  The  fifthe  sorowe  is  for  the  losse  of  heuen 
&  for  owre  grete  offense  to  onr  maker  and  creator. 

Auui.  1:  Solche  Stellen,  an  denen  sich  in  der  lateinischen  Vorlage 
dominua  findet,  was  Gott  oder  Christas  bezeichnen  kann,  sind  natürlich 
als  doppeldeutig  (vgl.  dominus  —  god  3  1050)  aufser  Betracht  gelassen 
(J  2S9,  1001,  1007,  1039,  1048,  1073).  —  Beachtenswert  ist  aber,  dafs 
J  997  Jesu  Crist  steht,  während  R  dominus  hat,  womit  auch  Christus  ge- 
meint ist. 

Anm.  2:  Der  umgekehrte  Fall  (Gott  für  Christus)  J  985  bei  Petersen 
S.  19  erklärt  sich  augenscheinlich  durch  die  Änderung  des  Sinnes.  —  J  643 
gehört  nicht  hierher,  wie  eine  genaue  Betrachtung  der  Stelle  ergibt. 

Die  Bedeutung  der  in  diesem  Abschnitt  erörterten  Stellen 
in  Chaucer's  Werken  für  die  Echtheit  der  Erzählung  des 
Pfarrers  wie  für  die  religiöse  Grundstimmung  des  Dichters 
selbst  wird  erst  dann  in  das  richtige  Licht  gerückt,  wenn 
wir  das  Verhalten  anderer  hervorragender  Dichter  damit  ver- 
gleichen. So  Shakespeare,  in  dessen  Werken  Worte  wie 
Bible,  Holy  Gliost,  Trinity  überhaupt  nicht  zu  belegen  sind, 
Jesu  und  Christ  nur  in  einigen  seiner  Jugenddramen  vor- 
kommen, Saviour  nur  einmal  im  Hamlet  und  Creator  nur  zwei- 
mal im  dritten  Teil  Heinrich  VI.  und  im  Troilus  erscheint 
(vgl.  0.  Jespersen,  Growth  and  structure  of  the  English 
language^  "°'^  ^  §  217).  Der  Unterschied  der  Zeitalter,  in  denen 
Chaucer  und  Skakespeare  lebten,  kann  die  Bedeutung  der  von 
mir  angezogenen  Stellen  als  Quellenkriterien  nicht  mindern. 

5.   Die  Juden. 

Dals  Chaucer  für  die  Juden,  deren  Rechte  ja  in  England 
sehr  eingeschränkt  waren,  irgendwelche  Sympathien  gehabt 
habe,  iälst  sich,  wenn  wir  die  Prioresse's  Tale  daraufhin 
betraehten,  nicht  behaupten.  Chaucer  folgt  in  dieser  Hinsicht 
einer  Strömung  der  Zeit.  Anderseits  aber  sind  es  auch  der 
Anhaltspunkte  zu  wenig,  um  einen  festumschriebenen  Stand- 
punkt, falls  Chaucer  einen  solchen  überhaupt  eingenommen 
hat,   daraus  zu  erschliefsen.     Vor  allen  Dingen  fehlt  uns  trotz 


■y 


705 

der   vortrefflichen   UntersuchuDgen   von   Carleton  F.  Brown  i) 
die  direkte  Quelle,  so  dafs  eine  gewisse  Vorsielit  geboten  ist. 

Es  läfst  sicli  aber  doch  die  Tatsache  herausschälen,  dafs 

Chaucer   die  Juden  mehr  vom  religiösen  als  vom  sozialen  und 

Rasseustaudpunkt   aus   betrachtete   und  beurteilte.    Allerdings 

heilst  es  zu  Beginn  der  Prioresse's  Tale  CT.  B1678: 

Ther  was  .  .  .  a  .Tewerye, 
Sustened  by  a  lord  of  that  contree 
For  foule  usure  aud  lucre  of  vilanye 
Hatefnl  to  Crist  and  to  his  companye; 

Hier  hat  keine  der  bisher  bekannt  gewordenen  Versionen 
eine  Parallele,  auch  mutet  die  Stelle  in  der  Art  ihrer  Ein- 
führung ganz  chaucerisch  an,  und  es  wäre  ja  nicht  aus- 
geschlossen, dals  Chaucer  hier  eine  kaufmännische  Erfahrung 
verwertete  oder  eine  volkstümliche  Ansicht  wiedergab.  Aber 
nichts  wäre  verfehlter,  als  aus  diesem  einen  Beispiel  weit- 
gehende Schlüsse  zu  ziehen.  Schon  der  Zusatz  „Hatefal  to 
Crist ''  leitet  uns  auf  die  richtige  Fährte:  auf  die  religiöse 
Seite  der  Frage  kommt  es  an.  Die  ganze  Prioresse's  Tale 
durchweht  ein  Hauch  sittlich -religiöser  Entrüstung  über  die 
fanatisch -grausame  Tat  des  Juden,  nicht  die  polemische  Ent- 
rüstung eines  religiösen  Eiferers,  der  sich  einen  Hinweis  auf 
Judenverfolgungen  und  Judenvertreibungen,  wie  er  sich  ähnlich 
in  der  Alphonsus  von  Lincoln -Version  findet,  nicht  hätte  ent- 
gehen lassen,  sondern  die  eines  gut -gläubigen  katholischen 
Christen.  Das  religiöse  Moment  überwiegt  das  allgemein 
Menschliche  in  der  Erzählung.  Überall  scharfe  Gegenüber- 
stellung von  Christentum  und  Judentum,  viel  schärfer  als  in 
den  übrigen  bekannten  Fassungen,  wie  die  unter  4.  gezeigte 
Neueinführung  der  Person  Christi  an  mehreren  Stellen  beweist. 
Religiösen  Ursprungs  ist  auch  die  Heranziehung  des  Teufels 
als  Motiv  des  Bösen: 

CT.  B  1748    Our  firste  fo,  the  serpent  Sathanas 

That  hath  in  Jewes  herte  his  waspes  nest, 
Up  swal  and  seyde  . .  . 

eine    Bemerkung,    die   keinen    Anhaltspunkt   in    den    anderen 


1)  Letzte  mit  Verweisen  auf  die  früheren :  A  Study  of  the  Miracle  of 
Our  Lady  told  by  Chaucer's  Prioress.  Ch.  Soc.  Second  Seriös  45,  for  the 
issue  of  1906. 

Studien  z.  engl.  Phil.     L.  45 


706 

FassuDgeu  findet.    Letzteres  gilt,  wenn  auch  in  bedingter  Weise, 

für    das    dreimal    wiederholte    Beiwort   cursed    (C.  T.  B  1759, 

1788,  1874;  vgl.  auch  CT.  G  1259). 

Die  Überzeugung,  dals  Chaueer's  Aversion  gegen  die  Juden 

mehr    religiöser    Natur    ist,    die    im    letzten    Grunde    auf   die 

Kreuzigung    Christi    durch    die    Juden    zurückgeführt    werden 

mufs,  verstärkt  sich,  wenn  wir  die  übrigen  Stellen  in  Chaueer's 

Werken   betrachten:   Nie   ein  abfälliges  Wort  über  die  Juden 

des   Alten   Testaments,    im    Gegenteil    David    und    Salomo 

werden    mit    ihrer    Lebenserfahrung    und    Lebensweisheit    mit 

Vorliebe  herangezogen.    Nun  mag  ja  C.  T.  E  2277 : 

I  woot  wel  tbat  this  Jew,  this  Salomon, 
Fond  of  US  wouimen  foles  many  oon. 

im  Munde  der  disputierenden  Proserpina  verächtlich  klingen, 
doch  beweist  das  nur  für  Chaueer's  Individualisierungstalent, 
aber  nicht  für  seine  persönliche  Auffassung.  Und  selbst  wenn 
wir   weiter   den   ebenda   Vers  2297    gegen   Salomo   erhobenen 

Vorwurr:  gg  ^^s  a  lechoar  and  an  ydolastre 

And  in  bis  elde  he  verray  god  forsook 

im   letzten  Grunde  auf  Chaueer's  persönliche  Meinung  zurück- 
führen wollten,   würde  ja  darin  nicht  das  Judentum,   sondern       Jf 
der  Abfall  von  Gott  getroffen  sein.     Auch  der  Ausdruck  „holy 
Jetv^'  an  den  allerdings  noch  nicht  mit  völliger  Sicherheit  auf- 
geklärten Stellen  im  Prolog  des  Pardoner  beweist  das. 

C.  T.  C  350    Than  have  I  in  latoun  a  sholder-boon 

Which  that  was  of  an  lioly  Jewes  shepe. 
C.  T.  C  361    As  thüke  holy  Jewe  our  eldres  taughte. 

Bell  hatte  sehr  recht,  wenn  er  in  seiner  Anmerkung  zu 
C  351  bemerkte:  „it  must  be  understood  of  some  Jew  before 
the  Incarnation." 

Wenn  schliefslich  Chaucer  in  Melibaeus  C.  T.  B  2291  die 
Juden  als  „the  peple  of  god"  bezeichnet,  während  die  Quelle 
nur  „S071  j^cujjle"  mit  Bezug  auf  Hester  hat,  und  wenn  der- 
selbe Ausdruck  in  der  Man  of  Lawes  Tale  B  942  an  einer  von 
Chaucer  stammenden  Stelle  wiederkehrt,  so  ist  das  wohl  nur 
als  eine  Reminiszenz  aus  der  Bibel  aufzufassen.  Diese  Stellen, 
wie  auch  Man  of  Lawes  Tale  B  489,  wo  der  Übergang  des 
„peple  Ebraik"   über  das  Rote  Meer   (als   Zusatz   zur  Quelle) 


707 

erwähnt  wird,  sind  ganz  objektiv.     (Oliue  Bedeutung  sind  die 
Stellen  Farne  1433,  C.  T.  B  2052,  C.  T.  J  889). 

Ich  habe  bei  dieser  „Judeufrage"  etwas  weiter  ausgeholt, 
weil  sie  für  Chaueers  religiöse  Grundstimmung  von  Bedeutung 
ist  und  ferner,  weil  nur  so  mehrere  Stellen  der  P.  T.  richtig 
gedeutet  werden  können.     Es  sind  das: 

J  591:  For  certes,  it  senieth  that  ye  thinke  that  the  cursede  Jewes 
ne  dismembred  uat  y-nough  the  preciouse  persone  of  Crlst,  but  je  dis- 
membre  bim  more. 

J599:  Tlianne  semeth  it,  that  men  that  sweren  so  horrlbly  by  bis 
blessed  name,  that  they  despyse  him  more  boldely  than  dide  the  cursede 
Jewes,  er  elles  the  devel  that  ireiubleth  whan  he  hereth  bis  name. 

Der  erste  Fall,  den  schon  Koeppel,i)  Archiv  87,40  in 
Parallele  zu  CT.  C  475  und  709  stellte,  steht  ähnlich  bei 
Frfere  Lorens  (s.  Eilers  S.  16  Diss.-Ausgabe)  und  stellt  einen 
allgemein  üblichen  Ausdruck  dar. 2)  Die  zweite  Stelle  ist 
samt  der  Umgebung  ohne  jegliche  Parallele  in  den  Quellen. 

Bezeichnend  ist  mir  der  Ausdruck  „cursed"  an  beiden 
Stellen.  Im  ersten  Fall  ist  es  bedeutsamer,  weil  die  Quelle, 
wie  gesagt,  sonst  grofse  Übereinstimmung  zeigt.  Hiermit  ver- 
gleiche man  folgende  Stellen  der  Prioresse's  Tale,  für  die  die 
vielen  anderen  Versionen  nichts  Gleichartiges  bieten: 

CT.  B  1759    And  as  the  child  gan  for-by  for  to  pace, 

This  cursed  Jew  him  heute  aud  heeld  him  faste 

C.  T.  B  1788    ...  and  atte  laste  thus  she  wroghte, 

Among  the  cursed  Jewes  she  him  soghte. 

CT.  B  1874     0  yonge  Hugh  of  Lincoln,  slayn  also 
With  cursed  Jewes,  as  it  is  notable, 

Für  J  599  ist  überdies  der  scharf  pointierte  Gegensatz 
zwischen  den  Juden  und  Christus  zu  beachten,  der  sich  weiter 
in  der  erst  hierdurch  ins  rechte  Licht  gerückten  Stelle  aus- 
spricht : 

J663:  The  firste  grevance  is  of  wikkede  wordes;  thilke  suffrede 
Jesu  Crist  with-outen  grucching,  ful  pacieutly,  whan  the  Jewes  despysed 
and  repreved  him  ful  ofte. 


1)  Nachdem  dies  geschrieben  war,  kommt  J.  Koch,  ESt.  44,114 
hierauf  zurück,  indem  er  als  gemeinsamen  Ursprung  der  Ausführungen 
über  Fluchen  und  Spielsucht  die  Quelle  zur  P.  T.  vermutet. 

*)  Vgl.  dazu  J.L.Lowes,  Illustratious  of  Chaucer.  Drawn  chiefly 
from  Deschamps.    Eomanic  Review  II  113  ff.  (1911). 

45* 


708 

Diese  Stelle  ist  ohne  Parallele,  aber  an  und  für  sieli 
weniger  beweisend,  weil  der  ganze  Abseliuitt  —  Remedium 
Irae  —  überhaupt  von  den  bekannten  Quellen  stark  abweicht. 

Mau  könnte  weiter  auch  J  899  heranziehen,  gleichfalls 
ohne  Parallele  in  der  Quelle,  aber  mit  Gegenüberstellung  von 
Judengesetz  und  Christi  Auffassung;  überdies  wird  in  J  890 
der  für  Chaucer  charakteristische  Bufsgedanke  (s.  oben  unter  3) 
eingefügt. 

Dazu  die  schon  von  Koeppel  (s.  o.)  wegen  ihrer  wört- 
lichen Anklänge  herangezogenen  Stellen  CT.  C  475  und  709 
(letztere  ohne  Beziehung  auf  die  Juden). 

Danach  kann  betreffs  des  Zusammenhangs  zwischen  der 
P.  T.  und  der  Prioresse's  Tale,  sowie  betreffs  Chaucer's  An- 
schauungen und  Äulserungen  über  die  Juden  m.  E.  kein  Zweifel 
mehr  bestehen. 

Schlulsbemerkung. 

Weitere  religiöse  Quellenkriterien,  für  die  das  Material  aus  ver- 
schiedenen Gründen  zurzeit  noch  nicht  ausreicht,  werden  sich  voraus- 
sichtlich ergeben  aus  Chaucer's  Stellung  zur  höheren  Geistlichkeit,  aus 
seiner  Ansicht  von  der  Flagellatiou,  aus  seinen  Anspielungen  auf  Adauj, 
Eva  und  den  Sündenfall,  auf  Judas  und  aus  anderem  mehr. 

6.  Mcht- religiöse  Quelleukriterieu. 

Aulser  den  unter  Nr.  1 — 5  behandelten  Quellenkriterien, 
die  sich  auf  rein  religiöse  Dinge  beziehen,  ergeben  sich  natürlich 
aus  einer  aufmerksamen  Betrachtung  von  Chaucer's  Werken 
und  Vorlagen  noch  solche  anderer  Art.  Da  ich  in  Anbetracht 
des  Charakters  der  Parson's  Tale  und  des  Zwecks  meiner 
Gesamtuntersuchung  (von  der  diese  vorliegende  nur  ein  Teil 
ist)  das  Hauptgewicht  auf  die  religiösen  Kriterien  legen  mufste, 
ist  diese  zweite  Gruppe  nur  anhangsweise  gestreift.  Besondere 
Untersuchungen  werden  dafür  nötig  sein;  ihre  Zahl  wird  sich 
parallel  den  Fortschritten  der  Quellenforschung  und  der  durch 
diese  ermöglichten  Vergleichungen  mit  den  Werken  Chaucer's 
vermehren.  Auch  für  die  im  folgenden  schon  angedeuteten 
Kriterien  ist  das  Material  bei  der  vielfachen  Unsicherheit 
unserer  Kenntnis  der  direkten  Vorlagen  noch  nicht  von  solcher 
Fülle  und  Beweiskraft,  wie  man  es  wünschen  könnte.  Trotz- 
dem will  ich  mir  nicht  versagen,  wenigstens  in  Kürze  darauf 
hinzuweisen. 


I 

4 


709 

ResouD. 

Der  Dame  „Raisoun"  hat  Chaucer  in  Leben  und  Dichtung 
stets  ein  williges  Ohr  geliehen.  Jean  Clopinel,  der  Skeptiker, 
war  ihm  darin  ein  guter  Lehrmeister  gewesen,  und  das  Studium 
des  Boethius  und  des  Augustin  hatte  ihn  mancherlei  direkt 
und  indirekt  über  die  ratio  gelehrt. 

Um  die  „Resoun"  als  Quellenkriterium  voll  auszumünzen, 
fehlen  uns  zurzeit  noch  einige  Voraussetzungen.  Miss  Kate 
Oelzner-Peterseni)  hat  in  verdienstvoller  Weise  aufChaucer's 
Anlehnung  an  Trivet's  Kommentar  zum  Boethius  durch  zahl- 
reiche Einzelbeispiele  hingewiesen.  Es  fehlt  uns  aber  noch  die 
vollständige  Parallelausgabe,  mit  Hilfe  derer  ich  die  folgenden 
Beispiele  aus  Boethius  richtig  bewerten  könnte: 

Boethius  b.  III  pr.  X  32;  b.  I  pr.  III  48;  b.  III  met.  XI  25; 
b.  IV  met.  III  28. 

Daher  beschränke  ich  mich  hier  einstweilen  darauf,  die 
ührigen  charakteristischen  Stellen  in  den  Werken  Chaucer's 
und  in  der  P.  T.  nur  durch  Versangabe  zu  kennzeichnen  und 
behalte  mir  die  weitere  Erörterung  für  den  zweiten  Teil  vor, 
der  auch  Chaucer's  Ansicht  von  den  Erkenntnisquellen  christ- 
licher Wahrheit  behandeln  wird. 

C.  T.  A  37  und  im  Vergleich  mit  C.  T.  E  24,  F  591,  D  2277 
und  C.  T.  A  847  (ebenso  C.  T.  F  295). 

Ferner  CT.  B15;  C457;  B  3408;  B  219;  (dazu  vielleicht 
auch  D  1796). 

Im  Vergleich  hierzu  sehr  viele  Stellen  in  der  P.  T. : 

J261fif.,  von  Simon  für  echt  gehalten.  Die  Quelle  ver- 
sagt, aber  die  Stelle  zeigt  zum  mindesten  Spuren  Chaucer'scher 
Überarbeitung.  Heranzuziehen  wären  vielleicht  Troilus  IV  572  flF., 
1583  ff.,  1678. 

J294flF.  Erweiterung  gegenüber  R,  aber  es  ist  Frage,  ob 
nicht  eine  andere  Stelle  von  Einfluls  war. 

J  436  Quelle  (s.  Petersen)  hat  keine  Parallele. 

J  537,  J  560,  J  707,  J  733,  J  746  (gestützt  in  J  745  durch 
das  Quellenkriterium  „Gott  >  Christus"  (s.  oben  S.  700 ff.),  J  752 
(wahrscheinliche   Erweiterung),   J  764  (ohne   Entsprechung  in 

1)  Chaucer  and  Trivet.  Publications  of  tlie  Modern  Language 
Association  of  America  18,  173—193  (1903). 


I 


710  3 

den    Vorlag-en,    aber    priiclitig    zu    Chaucer.s's    Anseljauimgen 
stimmend),  J  811,  J  822,  J  990. 

Gentilesse. 

Auch  hier  fehlen  noch  allerlei  Voraussetzungen,  so  bezüg- 
lich des  Boethius,  wie  oben  erwähnt.  Chaucer's  Abhängigkeit 
vom  Kosenroman  liegt  uns  klarer  vor  Augen.  Man  vergleiche 
„Gentilesse",  C.  T.  D  1109  ff.  mit  J  461  ff.  (was  in  allem  Wesent- 
lichen aus  der  Quelle  übernommen  ist,  wenn  auch  J  462  die 
oben  unter  4  besprochene  Änderung  von  Gott  in  Christus 
bemerkenswert  ist)  und  J  154  (ein  kürzerer  Hinweis  auf  die 
Gentilesse  Christi -Gottes  in  einem  unzweifelhaft  echten  Ab- 
schnitt). « 

Schliefslieh   wird   der   Druck   des  Trivetkomraentars   zum  " 
Boethius  auch  auf  folgende  interessante  Stellen  Licht  werfen: 

Boethius  II  p.  2,  53.  fl 

Lernedest  nat  thon  iu  Greke,  whau  thou  were  yonge,  that  in  tlie 
entree  or  in  the  celere,  of  Jupiter,  ther  beu  concbed  two  tounes; 

Der  lat.  Text  hat: 

Noune  adulescentnlus  duas  urnas  ...  in  Jouis  limine  iacere 
didicisti  ? 

Dazu  J  411: 

. .  .  signe  of  the  wyn  that  is  in  the  celer.  fl 

P  hat:  .  .  .  si  ibi  non  est  vinum  renale. 

NB.  Einiges  über  Qnellenkriterien  siehe  auch  unter  c'). 

ci)    Andere  Kriterien. 

Bei  allen  bisher  augeführten  Kriterien  konnte  ich  Chaucer's 
Methode  der  Quellenbehandluug  als  Beweis  für  die  Echtheit 
der  P.  T.  ins  Feld  führen.  Bei  einer  Eeihe  anderer,  auf  die 
schon  Koch  und  Koeppel  mehr  oder  weniger  ausführlich 
hingewiesen  haben,  ist  das  überhaupt  nicht  oder  nur  einseitig 
möglich.  Trotzdem  darf  ich  es  zur  Schliefsung  der  Beweis- 
kette nicht  unterlassen,  sie  —  meist  durch  blolsen  Verweis 
auf  die  Artikel  der  genannten  Gelehrten  —  in  aller  Kürze 
wenigstens  zu  streifen. 

1.   Spott  über  die  Frauen.    Mann  und  Frau  (Ehe). 

Themen,  die  Chaucer  bekanntlich  mit  grofser  Vorliebe, 
z.T.  allerdings  im  Anschluls  an  den  Rosenroman,  behandelte. 
Man  denke  vor  allem  an  die  Frau  von  Bath. 


?■ 


711 

Betreffs  des  Ersteren')  erinnert  uns  Koch  (Auglia 
V,  134)  an  J  631 — 634,  wofür  die  Quelle  (P)  aber  schon  deut- 
liche Anhaltspunkte  gibt,  und  §  79 f.  Koeppel  zeigt  die 
Gleichheit  von  J  155,  eine  Stelle,  die  keine  Entsprechung  in 
den  Quellen  hat,  und  C.  T.  D  784. 

Betreffs  des  zweiten  lälst  sich  beobachten,   wie  schon 

Eil  er  8  au  mehreren  Stellen  hervorhob,   dafs  Chaucer  die  von 

der    Ehe    handelndeu    Abschnitte    mit    breiter    Behaglichkeit 

wiedergibt   oder   weiter   ausführt   oder   gar,   im  Gegensatz   zu 

seiner  Vorlage   neu   einführt.     So  J  917  ff.   über   den  sittlichen 

und  kirchlichen  Begriff  der  Ehe  (vgl.  Eilers  S.45,  47,  Petersen 

S.  76f.),   J  921  ff.  über   die   sittlichen   und  natürlichen  Gründe 

der  Monogamie  (Eilers  S.  47,  Petersen  S.  76f.)  und  J  925  ff. 

über  die  ehelichen  Pflichten  des  Mannes,  Duldung  und  Achtung 

des   Weibes   und   umgekehrt    (Eilers   und   Petersen   ebenda, 

Koeppel  a.  a.  0.,  der  J  929,  C.  T.  E  1384  an  die  Seite  stellt). 

Weitere   wichtige  Parallelen   führte  Koeppel  a.  a.  0.   an   und 

zwar  C.  T.  E  1443  ff.  und  D  129  ff  zu  J  739  f.  und  C.  T.  E 1838  ff. 

zu   J  859.   —    Dazu    vgl.    schlielslich    J  927    mit   Lenvoy   a 

Bukton  22. 

2.  Kritik  aktueller  Frageu. 

Geifselung  der  Modetorheiten  J  416  ff.  (vielleicht  dazu 
J  197).  Vgl.  Koch,  Anglia  V,  134.  —  Klage  über  die  „harde 
lordshipes"  J  752  ff.  im  Vergleich  zum  Envoy  von  Stedfastnesse. 
Vgl.  Koch  ib.  —  Bemerkungen  über  den  Reichtum.  Sieh 
Koeppel  a  a.  0.  S.  42  f.  (dazu  vgl.  J  276  und  auch  J  193  mit 
den  entsprechenden  Quellenfassungen).  Hier  liefse  sich  auch 
wohl  am  besten  die  schon  von  Eilers  erwähnte  Tatsache  an- 
führen, dafs  der  Verfasser  der  P.  T.  beim  Kapitel  „lesinges, 
thefte,  fals  ivitinesse,  and  false  othes"  J  795  ff.  mehr  den  kauf- 
männischen Betrug  (über  den  schon  J  777  ähnlich  der  Vorlage 
gehandelt  war)  berücksichtigt.  Sollten  wir  darin  vielleicht 
einen  Einfluls  von  Chaucer's  Beruf  auf  seine  dichterische 
Tätigkeit  erblicken?  —  Dann  würden  wir  auch  vielleicht  die 
vom  Verfasser  der  P.  T.  hineingebrachten  Stellen  über  Kuppelei 
etc.  J  885  f.  und  976  als  eine  Wirkung  seiner  in  London  ge- 
machten Erfahrungen  ansehen  können. 

1)  Vgl.  auch  G.L.Kittredge,  Ch.'s  Discussioa  of  marriage.  MPh.  IX 
(April  1912)  und  dazu  John  Koch,  ESt.  44,  112  f. 


712 

3.   Aberglauben,  Zauberei  «lud  ähnliches. 

Koch  (Angliii  V,  134)  verweist  schon  mit  Recht  auf  J603flf. 

(ohne  Parallele   iu  den  Quellen),   wobei   uns   die  Frankeleyn's 

und  Canon  Yeoman's  Tale  einfallen;  vgl.  insbesondere: 

J  6U5:  and  swich  inanere  wrecchednesse  mit  CT.  F  1271:  .  .  .  and 
his  wrecchednesse  of  swich  a  supersticious  cursednesse. 

Aber  es  sind  der  Stellen  noch  mehr: 

J  341:  bat  fnlly  ne  shal  it  [die  Verführung]  nevere  qnenche,  that  he 
ne  shal  som  tyme  be  meoved  in  him-self,  but-if  he  were  al  refreyded  by 
siknesse,  or  by  malefice  of  sorcerie,  or  colde  driukes. 

Dazu  J  97f>:  And  the  same  shal  Ihe  man  teile  pleynly  .  .  .  whether 
he  hath  .  .  .  per-aventure,  broken  ther-fore  his  penance  enioyned;  by  whos 
help  and  whos  conseil;  by  sorcerie  or  craft;  al  moste  be  told. 

Im  ersten  Fall  ist  der  ganze  Abschnitt  (die  Überleitung 
von  der  Bufspredigt  zum  Sündentraktat)  original,  im  zweiten 
charakterisiert  sich  der  zweite  teil  des  mitgeteilten  Zitats  als 
ein  deutlicher  Zusatz  bei  sonst  engem  Ansehluls  an  die  Quelle. 
Der  Zusammenhang  zwischen  beiden  Stellen  erhellt  auch  daraus, 
dafs  die  Abfassung  beider  Abschnitte  zeitlich  zweifellos  zu- 
sammenfiel.    Im  übrigen  vgl.  man  hierzu: 

C.  T.  B  754    The  moder  was  an  elf,  by  aventnre 

Y-come,  by  charmes  or  by  sorcerye 

Die  Quelle  (Trivet)  hat  nur :  ele  fu  malueise  espirit  en  fourme  de  femme. 

Zu  J  602  und  605:  der  Ausdruck  ,,hj  sort"  klingt  uns 
besonders  vertraut.  Troilus  III,  1047  und  IV,  115  begegnet  er 
in  Abschnitten,  die  von  Chaucer  hinzugefügt  sind.  Über  „hy 
dremes"  braucht  kein  Wort  verloren  zu  werden. 

Weiter  läfst  sich  aus  der  P.  T.  anführen : 
J  574:   Eek  if  a  man,  by  caas  or  aventnre  shete  an  arwe  etc. 
(ohne  Parallele  in  den  Quellen). 

Vgl.  an  einer  originalen  Stelle  im  Troilus: 
IV  388  „thorugh  cas  or  aventure" 

und  ebenso  an  einer  originalen  Stelle  in  der  Knightes  Tale: 

CT.  A  1074    „by  aventure  or  cas." 

J  585:  or  elles  it  is  his  destinee,  as  he  seith, 

Dazu  Hous  of  Fame  187:  And  seyde,  he  moste  unto  Itaile, 

As  was  his  destinee,  sauns  faule. 

Ferner  C.  T.  A  1108  (nicht  bei  Boccaccio);  ebenso  ib.  2323; 
vgl.  auch  C.  T.  A  1644. 


713 

Ahnlich  dlirfeu  wir  vielleicht  auch  die  Einführung  des 
Gedankens 

J  913:   Somtyme   of  iufenuetec ;   for  tlie  feblesse  of  the  vertu  retentif 
as  phisik  inaketh  lueucionn  (vgl.  Eilers  S.  39  und  Petersen  S.  76) 

für  Chaucerisch  halten.     Vgl.  dazu  die  Erwähnung  der  jthysik 

an  einer  originalen  Stelle  im  Troilus  II,  1038  und  ebenso  C.  T. 

B  1189. 

4.   The  four  Inimours. 

Hingewiesen  sei  auf  die  Zusätze: 

J  537 :  For  certes  the  herte  of  man,  by  eschaufinge  and  moevinge  of 
bis  blood,  wexeth  so  trouble,  that  he  is  ont  of  alle  Jugement  of  resoun. 

J826:  The  fourthe  is  whan  tbiirgh  the  grete  habundaunce  of  bis 
mete,  the  humours  in  bis  body  been  destempred. 

J913:  Somtyme,  of  langnissinge  of  body;  for  the  humours  been 
to  ranke  and  habuudannt  in  the  body  of  man. 

Fröre  Lorens  hat  „li  soef  lit"  (sonst  enger  Anschlufs). 

Ich  erinnere  an  Gen.  Prol.  A  419 : 

Ile  (the  doctour)  kuew  the  cause  of  everich  maladye, 
Were  it  of  hoot  or  cold,  or  moiste,  or  drye, 
And  where  eagendred,  and  of  what  humour; 

(Gedanken,    die   Chaucer    wohl    aus   seiner  Kenntnis   des 

Boethius  geschöpft  hatte,   vgl.  Boethius  b.  III,  met.  XI,  13fif.); 

vgl.  auch  C.  T.  A  1375  (ohne  Parallele  bei  Boccaccio). 

Ferner  J  585 :  or  elles  he  dide  it  for  his  yonthe,  or  elles  his  com- 
plexiouu  is  so  corageous  mit  Hous  of  Farne  21,  CT.  A  333  sowie  dem 
wahrscheinlichen  Zusatz  Chaucer's  in  Boeth.  B.  IV  pr.  VI  135  flf. 

5.   Stilistische  Kriterien. 

Gegenüber  dem  in  den  vorangegangenen  Kapiteln  heran- 
gezogenen Beweismaterial  spielen  stilistische  Kriterien  nur  eine 
nebensächliche  Rolle;  dazu  kommt,  dafs  sie  bei  dem  gegen- 
wärtigen Stande  der  Forschung  auf  diesem  Gebiet  zum  Teil 
noch  schwer  greifbar  und  überall  da  unsicher  sind,  wo  wir 
nicht  die  unmittelbare  Quelle  Chaucer's,  man  könnte  sagen, 
wo  wir  nicht  die  von  ihm  benutzte  Handschrift  seiner  unmittel- 
baren Quelle  zur  Verfügung  haben  und  zum  Vergleich  heran- 
ziehen können.  Denn  wie  oft  sind  nicht  kommentierende  Rand- 
bemerkungen in  Chaucer's  Darstellungen  übergegangen!  Und 
daran  anschlielsend  hat  Chaucer  selbst  die  Kommentiermethode 
übernommen. 


7U 

a)  Zwei  Synonyma  für  ein  Wort  der  Qnelle. 
T.  N.  Lounsbury   sagte  in   seinen   „Studies  in  Chaucer" 

11,154: 

„Every  'one  wlio  examiues  carefutly  the  poet's  versiou  of  Boetbius 
will  be  Struck  by  the  frequeiicy  with  which  a  Single  noiin  or  verb  of  the 
Latin  is  reudered  into  English  by  two  which  have  littlc  or  no  dififereuce 
in  thcir  meaning." 

Mifs  K.  Oelzner- Petersen  hat  nun  in  ihrem  Aufsatz 
„Chaucer  and  Trivet"  (PubMLA.  XVlIl,178ff.  u.  Anm.)  die  über- 
raschende Tatsache  durch  Beispiele  erhärtet,  dafs  Chaucer  diese 
Kommentiermethode  einfach  aus  Trivet's  Boethiuskommentar 
übernommen  hat.  In  welchem  Umfang  Chaucer  diese  Methode 
seinerseits  selbständig  ausbildete,  kann  erst  nach  Veröffentlichung 
der  Parallelausgabe  entschieden  werden. 

Bei  der  Frage  der  Echtheit  der  Parson's  Tale  interessiert 
zunächst  die  Tatsache,  dafs  hier  genau  dieselbe  Methode  An- 
wendung findet,  ob  in  Anlehnung  an  die  unmittelbare  Quelle 
oder  in  selbständiger  HinzufUgung,  läfst  sich  vorderhand  nicht 
sagen  und  wäre  vielleicht  auch  gleichgültig;  denn  die  Zahl 
der  Beispiele  ist  Legion  und  über  die  ganze  Parson's  Tale  ver- 
streut; Substantive,  Adjektive  und  Verben  sind  vertreten,  wenn 
auch  in  ungleichem  Malse  und  in  verschiedener  Weise.  Ich  führe 
für  jede  Wortart  an  dieser  Stelle  nur  je  ein  Beispiel  an: 

JS9:  he  is  ajaper  and  a  gabber  and  no  verray  pcnitent 

Quelle  (Petersen  S.  5):  Irrisor  est,  uon  poenitens. 

J  107:  .  .  .  what  is  bihovely  and  necessarie  .  .  . 

Quelle:  quae  sint  necessaria. 

J  83:  ...  and  whiche  thinges  apertenen  and  bihoven  to  Pcuitence. 

Qnelle:  quae  sint  necessaria  in  vera  peuitentia. 

Manche  Beispiele  lassen  sich  schon  in  den  bekannten 
Quellen  nachweisen,  andere  erweisen  sich  als  Übergaogs- 
beispiele  zur  Erklärung  dieser  stilistischen  Erscheinung,  wieder 
andere  werden  sich  voraussichtlich  wie  im  Boethius  als  original 
Chaucerisch  herausstellen.  Jedenfalls  liegen  stilistische  Pa- 
rallelen vor,  die  wir  zur  Ergänzung  des  Beweises  für  die 
Echtheit  der  P.  T.  heranziehen  dürfen. 

b)    Zusätze  mit  „that  is  to  seyn". 
Mutatis   rautandis   können  wir  das  unter  a)  Gesagte  auch 
auf  diese   stilistische   Eigentümlichkeit   anwenden.     Wie  jene 


I 


i 


715 

ist  auch  diese  Frage  aus  den  angegebenen  Gründen  noch  nicht 
spruchreif.  Teils  liegt  lat.  scilicet  oder  id  est  vor,  teils  sind 
die  Stellen  ohne  Parallelen  in  den  Quellen. 

c)  God  wot,  god  forbede. 
Auch  diese  Ausdrucksformeln  können  nur  dann  zum  Be- 
weise verwertet  werden,  wenn  und  wo  die  direkten  Quellen 
vorliegen.  Ich  gehe  also  darüber  hinweg,  füge  aber  hinzu, 
dafs  Lounsbury  die  erste  Wendung  als  einen  Beweis  für  die 
Echtheit  des  ßosenromans  gedeutet  hat. 

d)   Quelleuzitate  —  Berufung  auf  Autoritäten. 

Hierfür  gilt  das  gleiche.  Aufserdem  sind  auch  hier  noch 
viele  einzelne  Vorarbeiten  erforderlich. 

e)   Lebendigkeit  des  Stils. 

Alle  Werke,  die  mit  der  P.  T,  quellenmälsige  Berührungs- 
punkte zeigen,  von  Fr^re  Lorens  and  Raymund  angefangen 
bis  zum  „Clensyng  of  Mannes  Sowie"  sind  ohne  Ausnahme  in 
einem  gleichmälsig  lehrhaft- trocknen  Stil  geschrieben,  ohne 
jede  Spur  eines  Versuchs,  die  Darstellung  anschaulich  zu  ge- 
stalten. Auch  den  der  Bulspredigt  verwandten  Fassungen 
kann  man  keine  lebendige  Frische  nachrühmen.  Dagegen  ist 
in  der  P.  T.  das  entschiedene  Bestreben  zu  erkennen,  das 
Interesse  des  Hörers  (Lesers)  durch  eine  gewisse  lebhafte  und 
anschauliche  Ausdrucksweise  zu  wecken  und  zu  fesseln.  Man 
vergleiche  z.  B.  §  9  der  P.  T.  mit  dem  entsprechenden  Passus 
in  der  Quelle  C  (Liddell  S.  267),  man  achte  auf  „for  soothly'^ 
J  125,  J  488  etc.,  das  von  der  Sprache  der  Bibel  hergenommen, 
nur  vereinzelt  in  den  Quellen  vorkommt,  aber  zu  dem  vom 
Pfarrer  anzuschlagenden  pastoralen  Ton  vorzüglich  pafst  (ebenso 
die  Wendungen  „Noiv  shal[t]  ye  [thoiv]  understonde"),  ferner 
das  eingeschobene  „And  ivhy?^'  J  167  und  265  und  die  Ein- 
führung sonstiger  Sätze  in  Frageform  wie  J  203,  236. 

Aber  wie  an  echt  gehaltenen  Stellen,  so  auch  an  angeblich 
interpolierten.  Man  lese  z.B.  J  497,  559,  578,  670 ff.,  811  (vgl. 
auch  [unter  Vorbehalt]  Boeth.  b.  I  met.  1, 15  Alias!  Alias!  gegen- 
über „Eheu"  im  Original)  u.  a.  und  wird  bei  einem  Vergleich 
mit   den   vorher  angegebenen   eine   gewisse  Einheitlichkeit  in 


716 

der  Darstelluiiffsform  herauskennen  müssen.  Die  Tatsache 
springt  zu  selir  in  die  Aug-en  ah  dafs  es  nötig  wäre,  über  diese 
kurzen  Andeutungen  hinauszugehen. 

Eine  ebenfalls  stilistische  aber  auch  den  Inhalt  stark  be- 
rührende Eigentümlichkeit  der  P.  T.  sind  Vergleiche,  die  nur 
zum  geringen  Teil  in  den  Vorlagen  eine  Entsprechung  finden. 
Furnivall  machte  schon  1871,  also  lange  Zeit  vor  Entdeckung 
der  Quellen,  in  den  „Notes"  zu  seinen  „Trial  Forewords"  die 
Bemerkung,  dals  ihm  J  424,  wo  von  dem  dürftig  gekleideten 
Volk  gesprochen  wird,  der  Ausdruck 

„aud  eek  the  buttokes  of  hein  faren  as  it  were  the  hindre  part  of  a 
she-ape  iu  the  fülle  of  tlie  mone." 

Chaucerisch  schiene.  Seine  Hoffnung,  nach  Entdeckung  der 
Quelle  diesen  Vergleich  in  ihr  nicht  zu  finden,  ist  (bisher) 
erfüllt  worden  (dagegen  hat  sich  der  Ausdruck  über  die 
„harde  lordshipes^' ,  auf  den  aber  F.  auch  ausgesprochenermalsen 
weniger  Gewicht  legte,  als  aus  der  Vorlage  übernommen  heraus- 
gestellt). 

Aber  es  sind  nocb  manche  andere  Vergleiche  da,  die  wir 
in  den  Vorlagen  vergeblich  suchen.  Ich  erwähne  nur  J  185 
zu  Anfang  des  langen  (stets  für  echt  gehaltenen)  Exkurses 
über  die  Höllenstrafen: 

The  derknesse  of  deeth  been  the  sinnes  that  the  wrecched  mau  bath 
doon;  whiche  that  destourben  hiiu  to  see  the  face  of  god-,  right  as  doth 
a  derk  cloude  bitwixe  us  and  the  sonne. 

Ein   weiterer  Vergleich    aus    der   Natur   J  620    bei    sonst 

engem  Anschluls  an  die  Quelle: 

And  ofte  tyme  swich  cursinge  wrongfully  retorneth  agayn  to  bim 
that  curseth,  as  a  bird  retorneth  agayn  to  bis  owene  nest. 

Quelle:  Aliud  malum  est  quod  maledictio  quam  aliquis  facit,  super 
Caput  malediceutis  revertitur. 

J  1068  und  Koeppels  Parallelen  etc.  Jedenfalls  zeigt  uns 
diese  kleine  Auslese  die  Belebung  der  Darstellung  durch  Ver- 
gleiche in  Bulspredigt  und  Süudentraktat. ') 

Anm.:  Sonstige  stilistische  Anklänge  sind  von  Koch  und  Koeppel 
a.  a.  0.  beobachtet,  worauf  ich  verweise.  Betreffs  des  von  Koch  heran- 
gezogenen Zitats 


\ 


*)  Im  übrigen  vgl.  man  auch  Fr.  Klaeber,  Das  Bild  bei  Chaucer. 
Berlin  1893. 


717 

„Jay  tont  perdu  mon  temps  et  mon  labour"  (J  248) 

und  Fortune  7,  sowie  des  Ausdrucks  J  2G3  ,,turned  up  so  doun"  im  Ver- 
gleich zu  Stedfastnesse  4  sei  darauf  hingewiesen,  dafs  die  diese  Stellen 
enthaltenden  Abschnitte  auch  von  Simon  nicht  beanstandet  worden  sind. 
—  Betr.  fortherover  s.  S.  718  ff. 

6.   Syutax  und  IVortschatz. 

Auf  diesen  Gebieten  bedarf  es  noch  vieler  Vorarbeiten,  ehe 
wir  aus  ihnen  mit  Sicherheit  Kriterien  entnehmen  können;  für 
den  Wortschatz  insbesondere  ist  die  zu  erwartende  Flügel'sche 
Konkordanz  ein  unentbehrliches  Hilfsmittel. 

y)   Ergebnis. 

Die  Antwort  auf  die  beiden  zu  Anfang  des  Abschnitts  III a 
(„Vorbemerkungen")  auf  S.  661  aufgeworfenen  Fragen  kann 
nun  nicht  mehr  zweifelhaft  sein.  Die  zahlreich  nachgewiesenen 
Übereinstimmungen  zwischen  der  Bufspredigt  und  dem  Sünden- 
traktat, besonders  die  von  mir  herangezogenen  Quellenkriterien, 
lassen  keinen  anderen  Schluls  zu  als  den:  Bufspredigt  und 
Sündentraktat  müssen  dieselbe  Person  zum  Verfasser  haben. 
Weiter  zeigen  meine  Ausführungen  im  Verein  mit  denen  ^on 
Koch  und  Koeppel,  dals  auf  grund  derselben  Beziehungen 
zwischen  der  Bufspredigt  und  dem  Sündentraktat  einerseits  und 
den  Werken  Chaucer's  andrerseits  an  dessen  Autorschaft  nicht 
mehr  gezweifelt  werden  kann. 

c)   Bufspredigt  und  Sündentraktat  von  Chaucer  zur  Parson's  Tale 

vereinigt? 

Es  bleibt  nun  noch  zu  untersuchen  übrig,  ob  auch  die 
Verschmelzung  von  Bufspredigt  und  Süudentraktat  zm\P.  T. 
durch  Chaucer  vorgenommen  ist.  Wie  schon  erwähnt,  war  es 
Simon,  der  das  zuerst  entschieden  verneinte,  wenn  er  auch 
die  Verfasserschaft  Chaucer's  betreffs  des  Sündentraktats  nicht 
gerade  in  Abrede  stellen  wollte.  Diese  Frage  hat  Koeppel 
kritisch  beleuchtet.  Nachdem  er  die  aus  Eilers's  Unter- 
suchung sich  ergebende  Tatsache  erwähnt  hat,  dals  der  englische 
Traktat 

„von  unzähligen  kleineren  Verschiedenheiten  abgesehen,  der  Somme 
gegenüber  einige  gröfsere  Einschaltungen  aufweist", 


718 

stellt  er  den  Satz  auf: 

„Wenn  sich  nun  feststellen  lUfst,  dafs  diese  Einschaltungen  aus  der- 
selben Feder  geflossen  sind,  welche  die  Bufsiiredigt  schrieb,  wird  die 
Annahme,  dafs,  von  einigen  Korruptelen  der  Überlieferung  abgesehen,  die 
uns  vorliegende  Gestalt  der  P.  T.  das  Resultat  einer  von  Chancer  selbst 
vorgenommenen  Redaktion  ist,  festen  Boden  gewinnen." 

Den  Beweis  dafür  sielit  Koeppel  dann  in  der  der  Bufs- 
predigt  und  den  Einsehaltung-eu  gemeinsamen  Verwendung  des 
Adverbs  „fortherover",  das  eine  stilistische  Eigentümlichkeit 
des  alten  Chaucer  ist. 

Ich  kann  mich  der  Beweismethode  Koeppel's  in  dieser 
Form  nicht  wohl  anschliefsen.  Zwar  wird  durch  die  neuer- 
lichen Quelleufunde  an  der  Tatsache  nichts  geändert,  dafs 
die  in  Frage  stehenden  Einschaltungen  in  ihren  wesentlichen 
Bestandteilen  noch  ohne  Parallele  in  den  Quellen  sind.  Die 
Sachlage  bleibt  also  dieselbe.  Aber  Koeppel's  Art  der  Frage- 
stellung würde  zur  Voraussetzung  haben,  dafs  alle  Ein- 
schaltungen zu  derselben  Zeit  vorgenommen  sind,  als  nämlich 
der  Dichter  die  Verschmelzung  von  Bufspredigt  und  Sünden- 
traktat zur  P.  T.  bewerkstelligte.  Nun  wäre  es  aber  doch 
sehr  merkwürdig  —  und  das  müfste  überdies  erst  bewiesen 
werden  — ,  wenn  der  Dichter,  der  doch  nach  Koeppel's  eigener 
Annahme  den  Sündentraktat  schon  „in  den  80er  Jahren"  über- 
setzt hatte  und  erst  viel  später  den  Gedanken  zur  Ausführung 
brachte,  eine  Bufspredigt  zum  Schlaf sstein  der  CT.  zu  be- 
nutzen, erst  bei  der  Einfügung  in  die  P.  T.  eigene  Gedanken 
in  gröfserem  Umfange  hinzugetan  hätte.  Vielmehr  ist  doch 
der  Vorgang  so  zu  denken,  dafs  der  Dichter  diese  Ein- 
schaltungen, wohlgemerkt  innerhalb  des  Textes  des  Sünden- 
traktats, also  zwischen  J  387  und  J  955,  gleich  bei  der  Über- 
setzuug  oder  besser  gesagt  bei  der  Bearbeitung  seiner  Vorlage 
vornahm. 

Anders  steht  es  nun  aber  mit  der  Einschaltung  oder 
richtiger  den  Abschnitten,  die  von  der  Bufspredigt  zum  Sünden- 
traktat  hiuü herleiten  (J  321 — 386).  Wenn  sich  zeigen  läfst, 
dafs  dieser  Absatz,  sowie  der  vom  Süudentraktat  zum  zweiten 
Teil  der  Bufspredigt  hinüberleiteude  Abschnitt  (J  958  t!'.)  offen- 
kundig zum  Zwecke  der  Überleitung  gemacht  ist  und  von 
Chaucer  stammt,  so  ist  damit  bewiesen,  dafs  der  Dichter  den 


I 


719 

Sündeutraktat  als  einen  Teil  der  P.  T.  gewollt  hat.  Wie  man 
sieht,  mufs  die  ganze  Fragestellung  verschoben,  der  Umfang 
der  Frage  eingeschränkt  werden.  Aus  einem  Vergleich  mit 
den  hier  in  Frage  kommenden  Quellen  geht  nun  hervor,  dals 
der  Verfasser  der  P.  T.  in  diesen  Abschnitten  charakteristische 
Umstellungen  seiner  Vorlage  gegenüber  gemacht  hat,  um  einen 
möglichst  geschickten  Übergang  von  einem  Teil  zum  andern 
herzustellen.!) 

Sind  nun  diese  Übergangskapitel  mit  dem  Namen  Cbaucer 
in  Verbindung  zu  bringen?  Bei  Gelegenheit  der  Erörterung 
der  zahlreichen  Kriterien  für  die  Einheit  und  Echtheit  der 
P.  T.  habe  ich  an  vielen  Stellen  auch  aus  diesen  Abschnitten 
Beispiele  der  verschiedensten  Art  anführen  können,  die  in  ihrer 
Gesamtheit  an  der  Echtheit  auch  der  Übergangskapitel  keinen 
Zweifel  mehr  lassen  können.  (Eine  nochmalige  Aufzählung 
der  charakteristischen  Stellen  wäre  eine  zwecklose  Wieder- 
holung, daher  genüge  der  Hinweis).  Darnach  wird  man  sich 
nicht  mehr  der  Überzeugung  verschliefsen  können,  dafs  der 
Traktat  über  die  sieben  Todsünden  von  Chaucer's  eigener  Hand 
zu  einem  Bestandteil  der  P.  T.  gemacht  worden  ist.  Ich  komme 
also  zu  demselben  Ergebnis  wie  Koeppel,  nur  auf  anderem 
Wege  und  mit  Hilfe  vieler  Kriterien,  während  Koeppel  nur 
das  stilistische  Kriterium  des  Adverbs  „fortherover''  zu  Gebote 
stand. 

Anm.  1:  Da  dieses  Adverb  „fortherover"  für  Koeppel's  Beweis- 
führung eine  ausschlaggebende  Rolle  gespielt  hat,  verlohnt  es  sich,  anhangs- 
weise noch  eißiges  darüber  zu  sagen.  K.  fand  es  (siehe  Arch.  87, 49)  in 
Chaucer's  Werken  aufser  in  der  P.  T.  nur  fünfmal  Troilus  IV  99 1 ,  V  903, 
Compleynt  unto  Pite  85,  Astrolabe  zweimal;  dazu  käme  noch  CT.  C  648. 
In  der  P.  T.  findet  es  sich,  soviel  ich  sehe,  im  ganzen  17mal  und  zwar 
in  der  Bufspredigt  J  1915,  199,  207,  270,  271,  304,  305,  313  (an  Stellen,  die 
von  Simon  für  echt  gehalten  wurden),  J  321  im  Übergangskapitel;  im 
Sündentraktat  J421,  437  (forther),  701  (desgl.),  758,  765,  839,  893,  924. 
(Auffällig  ist  es,  dafs  sich  danach  kein  Beispiel  mehr  findet.)  Koeppel 
hatte  zweifellos  recht,  dafs  er  den  Gebrauch  dieses  Adverbs  für  eine 
Eigentümlichkeit  des  (alten)  Chaucer  erklärte.  Das  beweist  sein  häufiges 
Vorkommen  iu  den  Abschnitten  der  Bufspredigt,  deren  Echtheit  nie 
bezweifelt  worden  ist,  das  beweisen  insbesondere  die  Stellen,  wo  sonst 
der  Anschlufs  an  die  Quelle  eiu  genauer  ist,  und  schliefslich  sein  Vor- 

^)  Man  vergleiche  die  befr.  Stellen  bei  K.  Oelzner-Petersen  und 
Mark  H.  Liddell  a.  a.  0. 


720 

handeuseiu  in  Teilen  des  Siiudentraktats,  die  in  den  Vorlagen  keine  Ent- 
sprechnng  finden.  Die  Bedentung  dieses  Adverbs  für  die  P.  T.  ist  bei- 
spiclshalber  ähnlich  der  des  von  mir  angelührten  „that  is  to  sey7i".  Es 
beweist  die  Einheit  und  Echtheit  der  P.  T.  (also  auch  der  Übergänge). 
Darauf  allein  jedoch  den  Beweis  zu  bauen,  dafs  Chaucer  die  P.  T.  in 
der  überlieferten  Form  hergestellt  hat,  schien  mir  nicht  ausreichend. 

Anm.  2:  Der  unter  c)  geführte  Beweis  würde  sich  erübrigen,  wenn 
wir  Mifs  Petersen's  Ansicht  über  die  Parson's  Tale  beipflichten  könnten. 

Mil's  Petersen  spricht  (a.  a.  0.  S.  SO)  die  Ansicht  aus,  dal's  „Chaucer's 
original  was  a  single  treatise,  consisting  of  a  wofked-over  copy  of  De 
Poenitentia  into  which  had  been  fitted  a  similarly  worked-over  copy  of 
the  Summa  de  Vitiis". 

Dafs  Ch.  einen  aus  Sündentraktat  und  Biifspredigt  zusammengesetzten 
Traktat  schon  vorgefunden  hat,  ist  aber  unwahrscheinlich,  denn  dann  würde 
er  —  soviel  dürfen  wir  unserem  Chaucer  doch  zutrauen  —  mit  Rücksicht 
auf  seinen  Pfarrer,  der  die  Predigt  hält  — 

1.  die  lateinischen  Sätze  oder  Teile  von  Sätzen  und  Zitate, 
die  sich  im  SUndentiaktat  finden,  nicht  mit  übernommen  haben. 
Dals  sie  im  Sündentraktat  vorhanden  sind  und  wohlg-emerkt(!) 
nur  da  vorhanden  sind  (nicht  auch  in  der  Bufspredigt),  zeigt 

2.  im  Verein  mit  den  Bemerkungen  J956f.,  dals  der 
Abschnitt  über  die  Sünde  von  Chaucer  ursprünglich  als  eine 
Abhandlung  für  sich  bearbeitet  war;  sonst  würde  er  eben  das 
lateinische  Beiwerk  übersetzt  und  die  Bemerkungen  J956f. 
fortgelassen  haben. 


C.  Sclilussergebnis. 


Wenn  wir  zum  Schlufs  den  Weg  der  hier  geführten  Unter- 
suchung noch  einmal  überschauen,  so  gewinnen  wir  daraus  mit 
zweifelloser,  abschliefseuder  Gewifsheit  als  Gesamtergebnis, 
dals  die  Parson's  Tale  in  allen  ihren  Teilen,  so  wie  sie  uns 
überliefert  ist,  als  ein  Werk  Chaucer's  angesehen  werden 
mufs. 

Die  von  Simon,  Eilers  und  ten  Brink  gegen  die  Echt- 
heit erhobenen  Einwände  haben  teils  eine  Widerlegung  erfahren, 
teils  mit  Hilfe  früherer  Forschungen  eine  Erklärung  gefunden, 
die  jeder  billig  Denkende  als  befriedigend  wird  bezeichnen 
müssen.     Ich    gebe   mich   der  begründeten  Hoffnung  hin,   dafs 


721 

der  früher  von  Furnivall,  Koch,  v.  Düring  iind  Koeppel 
vertretenen  und  mit  guten,  aber  nicht  immer  ausreichenden 
Kampfesmitteln  verteidigten  Ansicht  nunmehr  zur  dauernden 
Anerkennung  verholfen  ist. 

Müssen  wir  somit  die  Erzählung  des  Pfarrer's  in  den 
Canterbury  Tales  als  ein  Werk  Chaucer's  ansprechen,  so  folgt 
daraus  weiter,  wie  schon  eingangs  betont,  dafs  sich  der  Dichter 
die  darin  enthaltenen  religiösen  Anschauungen  zu  eigen  gemacht 
und  (wenigstens  zur  Zeit  der  Abfassung  und  Kompilation  der 
Parson's  Tale)  ein  streng -gläubiger  Katholik  war.  Da  die 
Entstehung  der  P.  T,  in  das  letzte  Drittel  seiner  Lebenszeit  ^) 
fällt,  müssen  wir  in  ihr  die  Überzeugung  des  geistig  aus- 
gereiften Mannes  niedergelegt  sehen. 

Diese  Überzeugung  bietet  uns  nun  des  weiteren  die  Grund- 
lage für  eine  Darlegung  der  Lehre  und  der  Einrichtungen  der 
katholischen  Kirche  im  Lichte  Chaucer'scher  Auffassung. 


')  Auf  die  Frage  der  Chronologie  konnte  ich  hier  natürlich  ebenso- 
wenig eingehen  wie  auf  die  Frage,  ob  Chaucer  als  unmittelbare  Vor- 
lagen lateinische  oder  französische  Texte  benutzt  hat.  —  Auch  die  Frage 
der  „Retractatio"  möchte  ich  erst  an  anderer  Stelle  wieder  erörtern. 


Studien  zur  engl.  Phil.     L,  46 


Nachtrag* 

zu  dem  Artikel  „üas  alteuglisclie  lleimlied" 

(S.  194f.). 

1.  Zu  V.  45  {feor  =  Jjeoj')  vgl.  noch  weorcfeos  =  -peos 
'Arbeiter'  Gen.  V.  2720.  Ob  hier  ein  Schreib-  oder  Hörfehler 
vorliegt,  dürfte  schwer  zu  entscheiden  sein.  Bekannt  ist  ja, 
dafs  englische  Kinder  oft  das  th  durch  f  ersetzen,  und  auch 
dialektisch  kommt  dieser  Wechsel  vor,  vgl.  Wright,  Engl.  Dial. 
Gram.  §  313.     Ich  erinnere  noch  an  russ.  Feodor  für  Theodor. 

2.  Zu  V.  67  des  Reimliedes  vgl.  noch  den  von  Zupitza  in 

der  Anglia  I,  285  aus  der  Hs.  Gott.  Faust.  A,  X  veröffentlichten 

Vers  * 

hat  äcölaö,        hivit  äsöJad, 

mit  der  lat.  Übersetzung:  ardor  frigescit,  nitor  sqiialescit.^) 
Er  weist  auch  S.  286  darauf  hin,  dafs  im  Reimlied  sumurhät 
und  searohwU  als  Composita  aufzufassen  seien.  Das  Adj.  sol 
finde  ich  in  der  metrischen  Psalmenübersetzung  GXX,  6 : 

ne  ])e  sunne  an  dcege        sölne  gebcerne, 

d.  h.  '  die  Sonne  brenne  dich  nicht  dunkel  am  Tage ! ' 


*)  Sollte  nicht  ein  derartiges  lat.  Gedicht  dem  Reimlied  zugrunde 
liegen  ? 

F.  Holthauseu. 


Verlag-  von  Max  Niemeyer  in  Halle  a.  S. 


Studien  zur  englischen  Philologie. 

14.  Remus,  Hans,  Die  kirchlichen  und  speziell -wissenschaftlichen 
romanischen  Lehnworte  Chaucers.     19<i6.    XII,  184  S.  Ji  4,iO 

15.  Schiicking,Levin  Ludwig,  Die  Grnndzüge  der  Satzverknüpfung 
im  Beowulf.    L  Teil.     1904.    XXVIII,  149  S.  Ji  4  — 

16.  Erbe,  Theodor,  Die  Locrine-Sage  imd  die  Quellen  des  Pseudo- 
Shakespeareschen  Locrine.     1904.     72  S.  M  2,— 

17.  Bode,  Erich,  Die  Learsage  vor  Shakespeare  mit  Ausschluss  des 
älteren  Dramas  und  der  Ballade.     1904.     149  S.  J(^  4,— 

18.  Roeder,  Fr.,  Der  altenglische  Regius- Psalter.  Eine  Interlinear- 
version in  Hs.  Royal  2.  B.  5.  des  Brit.  Mus.  Zum  ersten  Male  voll- 
ständig herausgegeben.     1904.    IX,  'M>h  S.  ^M  10, — 

19.  Ausbüttel,  E.,  Das  persönliche  Geschlecht  unpersönlicher  Sub- 
stantiva,  einschliesslich  der  Tiernamen,  im  Mittel -Englischen  seit 
dem  Aussterben  des  grammatischen  Geschlechts.  1904.  XII, 
135  S.  Jii,- 

20.  Schomburg,  Hugo,  The  Taming  of  the  Shrew.  Eine  Studie  zu 
Shaksperes  Kunst.     1904.     122  S.  J$  3,60 

21.  Schücking,  Levin  Ludwig,  Beowulfs  Rückkehr.  Eine  kritische 
Studie.     1905.     80  S.  .Ä  2,— 

22.  Luhmann,  Adolf,  Die  Ueberlieferung  von  La^amons  Brut.  Nebst 
einer  Darstellung  der  betonten  Vokale  und  Diphthonge.  1906. 
IX,  212  S.  Ji.6,— 

23.  Lekebuseh,  Julius,  Die  Londoner  Urkundensprache  von  1430 
bis  1500.  Ein  Beitrag  zur  Entstehung  der  neuenglischen  Schrift- 
sprache.    1906.     VIII,  148  S.  -ja,— 

24.  Burghardt,  Ernst,  Ueber  den  Einfluss  des  Englischen  auf  das 
Anglonormannische.     1906.    XII,  112  S.  Jii,2U 

25.  Reichmann,  Hugo,  Die  Eigennamen  im  Orrmulum.    1906.     1 1 7  S. 

Ji  3,— 

26.  Eilers,  Friedrich,  Die  Dehnung  vor  dehnenden  Konsonanten- 
verbindungen im  Mittelenglischen.  Mit  Berücksichtigung  der  neu- 
englischen Mundarten.     19u7.     212  S.  J&Q, — 

27.  Siburg,  Bruno,  Schicksal  und  Willensfreiheit  bei  Shakespeare, 
dargelegt  am  „Macbeth".     1906.    XV,  128  S.  Ji^,QO 

28.  Priess,  Max,  Die  Bedeutungen  des  abstrakten  substantivierten 
Adjektivs  und  des  entsprechenden  abstrakten  Substantivs  bei  Shake- 
speare.    1906.    X,  57  S.  J^  1,60 

29.  Meyer,  Wilhelm,  Flexionslehre  der  ältesten  schottischen  Urkunden. 
1385—1440.     1907.     XIII,  102  S.  ./S  3,60 

30.  Cornelius,  Heinrich,  Die  altenglische  Diphthongierung  durch 
Palatale  im  Spiegel  der  mittelenglischen  Dialekte.    1907.    X,  202  S. 

Jiß,— 


Verlag  von  Max  Nieiiieyer  in  Halle  a.  S. 


Studien  zur  englischen  Philologie. 

31.  Grau,  Gustav,  Quellen  und  Verwandtschaften  der  älteren  ger- 
uianiscbeu  Darstellungen  des  jüngsten  Gerichtes.  1908.  XIII, 
•2S8S.  ^10,— 

3.'.    Krauel,  Hans,  Der  Haken-  und  Langzeilenstil  im  Beowulf. 

(In  Vorbereitung) 

3:^  Richter,  Carl,  Chronologische  Studien  zur  angelsächsischen  Literatur 
auf  Grund  sprachlich-metrischer  Kriterien.     191t).    X,  KM  S.    J6  [i,— 

34.  Wolderich,  Wilhelm,  Ueber  diu  Sprache  und  Heimat  einiger 
friihme.  religiöser  Gedichte  des  Jesus  und  (^otton  Ms.  (herausgegeben 
im  4'.i.  Baude  der  EETS.  von  Morris).  (Li  Vorbereitung) 

35.  de  Vries,  Harm  R.  0.,  Die  Ueberlieferung  von  Marlowe's  Doctor 
Faustus.     1909.    XII,  88  S.  ^  3,~ 

3().  Ho  ff  mann,  Paul,  Das  grammatische  Genus  in  La^amons  Brut. 
19U9.     71  S.  J6  1  — 

37.  Björkman,  Erik,  Nordische  Personennamen  in  England  in  alt- 
uud  frühmittel-englischer  Zeit.  Ein  Beitrag  zur  englischen  Namen- 
kunde.    1910.    XI,  217  S.  Jil  — 

38.  Meinck,  Carl,  Ueber  das  örtliche  und  zeitliche  Kolorit  in  S'iake- 
speares  Römerdramen  und  Ben  Jonsons  „Catiline".  1910.  XI, 
75  S.  Jt  2,40 

39.  Brei  er,  W.,  Eule  und  Nachtigall.  Eine  Untersuchung  der  Ueber- 
lieferung und  der  Sprache,  der  örtlichen  und  der  zeitlichen  Ent- 
stehung des  me.  Gedichts.     1910.    XII,  162  S.  Ji  5,— 

■10.  Zenke,  Wilhelm,  Synthesisund  Aualysis  des  Verbums  im  Orrmulum, 
1910.    IX,  108  S.  ^3,40 

41.  Moore,  J.  L.,  Tudor-Stuart  views  on  the  growth  Status  and  destiny 
of  the  English  language.     1910.    XII,  179  S.  J(>  ii,— 

42.  Frieshammer,  Johann,  Die  sprachliche  Form  der  Chaucerschen 
Prosa.  Ihr  Verhälteis  zur  Reimtechnik  des  Dichters  sowie  zur  Sprache 
der  älteren  Londoner  Urkunden.    1910.    XXVI,  144  S.  Ji  5,— 

43.  Robde,  Richard,  Das  englische  Faustbnch  und  Marlowes  Tragödie. 

1910.  VIII,  ß2  S.  Jil  — 

44.  Müller,  Alexander,  Mittelenglische  geistliche  und  weltliche  Lyrik 
des  XIII.  Jahrhunderts  (mit  Ausschluss  der  politischen  Lieder)  nacli 
Motiven  und  Formen.     1911.    XI,  160  S.  J&  h  — 

45.  Ewald,    Wilhelm,    Der   Humor  in   Chancers   Canterbury  Tales. 

1911.  Vni,  135  S.  y^4,— 

46.  Köhler,  Brinus,  Die  Schilderung  des  Milieus  in  Shakespeares 
Hamlet,  Macbeth  und  King  Lear.     1912.    XI,  65  S.  .>^  2,40 

47.  Björkman,   Erik,   Zur  englischen  Namenkunde.    1912.    X,  95  S. 

Ji  3,60 


Druck  von  Ehrhanlt  Karras,  HaUc  a.  8. 


T. 


I 


fiiNDiNG  SZZ7.  ::t  n  1985 


PE  Festschrift  für  Lorenz 

26  Morsbach 

M6 


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