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Full text of "Finnisch-ugrische Forschungen"

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BAm> II 1902 HBFT I 



STANFORD UNIVER8 

FINNISCH-UGRISCHE ubr^^b 

SEP "l 2 1969 

FORSCHUNGEN 



ZEITSCHBIFT 

pCr 

FIMHISCH-UGRISCIE SPBiCH- UID TOIKSKUIDE 

NBBST 

ANZEIGER 

DNTER MITWIRKUNG VON FACHGENOSSEN 

HSRAUSGBGBBBN 
VON 



•• •• 



E. N. SETALA und KAARLE KROHN 

ORO. PROFESSOR DBR FINM. 8PRACBB UND A. O. PROFESSOR DBR FINN. UND VEROL. 

LXTTBRATUR IN HBLSINOFOR8 VOLXSKUNDE IN HBLSINGFOR8 



• > - < • 



HELSINGFORS LEIPZIG 

RBD. DER ZBITSCHRIFT OTTO HARRASSOWITZ 



INHALX. 



Band XL ~ Heft L j 

Siite 

Kbohm Kaasle. Dem andenken Ellas LOnnrot's i 

Kallas Oskail Obersicht fiber das sammehi estnischer ninen 8 
WlKLUND K« B. Zur geschicbte des uiiappischen a und u in 

tinbetonter silbe. D 41 

MiKKOLA J0O8. J. Rnnisch-slaviscbe beziebnngeo. 1-5. 7^ 

MiKKOLA J008. J. Nochmals iTbi^iga, kdnyr tmd ko&ov 77 

SetAlA E, N. Beitrftge zur finniscb-ugrischen wortkunde. i. 78 



AnselgrePt heft I. 

Besprecbungen. 

Bloiistedt YbjO u. Sucksdobff Victor. Kareliscbe gebflude 

tmd omamente. Rez. v. Tb. Scbvindt i 

Herman Otto. Die Fflngigkeit der Fiscbzflune und Fiscb- 

reusen. Rez. v. U. T. Sirelius 17 

WlKLUND K. B. Lebrbucb der lappiscben spracbe. Rez. v. 

F. Aima 19 



AufHerungen Qber die transskription der finniscb-ugriscben 

spracben 28 

3. SlEBBR J. Zur » Transskription der finniscb-ugriscben 

spracben* von E. N. Setftlfl 28 

4 9. Ausserungen von ViLH. Thomsen, Nikolaj Kata- 

NOV, Q., K. F. Karjalainen, S. Simonyi und E. Teza 29 

10. Balassa J. Eine pbonetiscbe transskription ftlr die 
finnisch-ugriscben spracben 35 

1 1 . SziNNYBi J. Phonetiscbe scbrift fQr die finniscb-ugri- 
scben spracben 42 

Schmidt Gustav. Die, der oder das Kalevala? 48 



I 



ForU. auf der 8. teite des amaelilagt. 



FINNISCH-UORISCHE 



FORSCHUNGEN 



ZEITSCHRIFT 

FOR 

FINNISCHUGRISCHE SPRICH- UHD YOLKSKUNDE 

UBTBR MITWIRKTINe VON FACHGEfiOSSEN 

HERAUSGEGEBEN 
VON 



•. • _ • • 



E. N. SETALA und KAARLE KROHN 



ZWEITER BAND 



1902 



w 



HELSINGFORS LEIPZIG 

RBD. DER ZEITSCHRIFT OTTO H ARRASSO WITZ 



HELSINGFORS 

DKUCKEREI DKR FINNISCHEN LITTERATUR-GESELLSCHAFT 



1902 — 1903. 



ANZEIGER 



D£R 



FINNISCti-UGRISCtiEN FO^SCtiUNGEN 



HERAUSGEGEBEN 



VON 



E. N. SETALA und KAARLE KROHN 



ZWEITER BAND 



1902 



^ 



HELSINGFORS LEIPZIG 

KED. DER ZEITSCHRIFT OTTO H ARRASSOWITZ 



HELSINGFORS 

DRUCKEKEI DEK FINNISCHEN LlTTEKATrR-GESELLSCHAFT 

1902 — 1903. 



Inhalt des Anzeigers. 



Besprechungen. 

AiLio Julius. Lopen asunnot eri kehitysasteissaan. ^ Die ^®'^ 

wohnungen des kirchspiels Loppi auf den verschie- 
denen stufen ihrer entwicklung. Selbstbericht 91 — 106 

Blomstedt YrjO und Sucksdorff Victor. Karjalaisia 
rakennuksia ja koristemuotoja. = Karelische ge- 
Mude und omamente . Theodor Schvindt i — 17 

EiSEN M. J. Marchen- und sagenpublikationen. 

Kaarle Krohn 71 — 77, 106 — 108 

GORODCEV V. A. iiawtTKa AOHCTOpHMCCKMXb CTOlJlUCaitb 

no6epeacwi B-kjiaro Mopn. = Bemerkung tiber prft- 

historische wohnpl^tze am Weissen meer. 

Julius Ailio 69 — 71 
Herman Otto. Die Fangigkeit der Fischzaune und 

Fischreusen U. T. Sirelius 17 — 19 

Spicyn a. r.iflAeHoucKoe Kocriime. = Der opferplatz von 

Gljadenov Axel O. Heikel 57 — 69 

WiKLUND K. B. Larobok i lapska spr^ket. =. Lehrbuch 

der lappischen sprache F. Aima 19 — 27 



AiLiO Julius. Beitrage zur geschichte des finnischen 

hauses (mit 19 textabbildungen) 91-106 

— » — Prahistorische wohnplatze am Weissen meer . 69-71 

Heikel Axel O. Der Fund von Gljadenov (mit 2 tafeln) 57 — 69 
Krohn Kaarle. Die marchen- und sagenpublikationen 

von M. J. Eisen 71 — 77 

Nachtrag 106 — 108 

Schmidt Gustav. Die, der oder das Kalevala? . . . 48-51 
WiKLUND K. B. Ein paar worte zur formulierung der 

regain in grammatikalischen lehrbtichern . . . 109— 116 



Ausserungen Qber die transskription der finnisch-ugri- ^»** 

schen sprachen: 

3. SiEBER J. Zur > Transskription der finnisch- 

ugrischen sprachen* von E. N. Set^§ . 28—29 

4—9. Ausserungen von ViLH. Thomsen, Nikolaj 
Katanov, Q., K. F. Karjalainen, S. Simo- 
NYi, E. Teza 29 — 34 

10. Balassa J. Eine phonetische transskription 

fttr die finnisch-ugrischen sprachen . 35 — 42 

1 1 . SziNNYEi J. Phonetische schrift fQr die fin- 
nisch-ugrischen sprachen 42 — 47 

Vorlesungen und flbungen auf dem gebiete der finnisch- 
ugrischen sprach- und volkskunde an den univer- 
sitaten Europas 1902/3 116 — 121 



Mitteilungen. 

Thatigkeit wissenschaftlicher gesellschaften und institute. 

Litterarisches 5i — 54i 78 — 80 

Zur ostjakischen und woguh'schen dialektkunde. Sta- 

tistisches 77 — 78 

Forschungsreisen 54 - 56» 80 — 85 

f Jdnos Jank6 v. U. T. Sirelius 85 — 89 

Kleine notizen. Personalien 56, 90 



Paasonen H. Berichtigung [zu FUF II 81] ... . 121 

Wichmann Yrj5. Nachtrag zu dem aufsatz »Samoje- 

disches lehngut im syrjanischen» 122 



Inhalt des II. bandes. 



Kallas Oskar. tibersicht tiber das sammeln estnischer 
runen 

Karsten T. E. Germanisches im iinnischen (i. Fi. pa)jo 
etc. 2. Fi. kilti etc. 3. Fi. kilta etc. 4. Fi. kilu 
etc. 5. Fi. kiiras etc. 6. Fi. lama etc. 7. Fi. liika 
*auswuchs' etc.) 

Khohn Kaakle. Dem andenken Elias LOnnrot's 

— > — Wo und wann entstanden die finnischen zau- 

berlieder? V. Das verhaltnis der zauberlieder 

2u den epischen liedem 

MiKKOLA Joos. J. Finnisch-slavische beziehungen 

1. Alte spuren der karelier .... 

2. Ein iinnisches lehnwort im polnischen 

3. Ein slavisches lehnwort im finnischen 

4. Buotsiy Bush 

5. Die wepsen und wologda .... 

— » — Nochmals kl>]:^iga, kdnyv und ko£ov 
Paasonen H. Etymologische streifzUge i — 5 . 

— » — Ober die ttirkischen lehnwOrter im ostjaki- 

schen 

Qvigstad J. Einige nordische lehnwOrter im lappischen 

SaxI^n Ralf. Einige skandinavische ortsnamen im fin- 
nischen 

SetAlX E. N. Beitrage zur finnisch-ugrischen wort- 
kunde (i. Lp. duog7|at 'flicken* etc. 2. Est. taba 
'schloss, hangeschloss'. 3. Ung. fogoly Vebhuhn' 
etc. 4. Fi. toht^'a 'colymbus arcticus^ 78 — 80, 

~ 3 — Zur etymologie von Sampo 

— » — Zur finnisch-ugrischen lautlehre 

1 . Ober finnisch-ugrische 6-laute 

2. Ober die finnisch-ugrischen s-laute. A. Anlaut 
WiCHMANN YrjO. Samojedisches lehngut im syrjanischen 
WiKLUND K. Zur geschichte des urlappischen n und u 

in unbetonter silbe II 



Seite 
8—41 



192 — 198 
1—7 



206 
72 
72 

73- 
74 

75- 

77 
184 



219 
76 

73 

73 

•74 

75 
■76 

78 
191 



81 — 137 
137— MO 

198 — 206 



277 
141- 

219 

220 

248 

165- 



280 
164 
276 

248 

276 

-183 



41—71 



Abk&rzuxigrGii* 



VmKH^'^' Aiilqviht (morcL. ostj.. 

V«(ri AiiKoi^cr Mer FUF». 

\n SiciAi.A, YhtfiABuoTnalainen 

rv«»rH. ('AMTii^-N gew. ostj.). 

\i\Uu, Ktlinop^phia. 

KHH TiioMsKN, BerOringer mellem 

do (liiNkn o^ de baltiske ( litaaisk- 

loUiHkn) HproK. 
\\ WwuxHch (Hnomi) 

KI<<J Kinnbche Litteraturgesell- 

noliivft. 
b'M KiriKkt Museum. 
^M ' I*' FinnUch-ugrische Forschun- 

Uol. Kntn. Ge«. ^ Gelehrte Estnische 

(Jnnollmhaft. 
HHI Thomsen, Den gotiske spropf- 

kl(i«Hf?ii indflydelse p& den finske. 
\h\,. Ihlkntjev's handschr. w5rtor- 

biich doH jelabugaschen dialekts 

dor wr)tj. sprache. 
jiik. jakutisch. 
".IHKOu. Journal de la Societe Fin- 

nr)-()u^rienne Suomalais-ugrilai- 

nen Henran aikakauskirja. 
KahJ. Karjalainen's handschrift- 

liche aufzeichnungen tiber das 

r)Htjaki8che. 
KSz. Keleti Szemle. 
KT Julius Krohn, Kalevalan Toi- 

Hinnot. 

LiNI). & OHRL., LiND. = LiNDAHL U. 

OimLiNG,Lexiconlapponicuml780. 

MSFOu. Memoires de la Socie- 
U* Finno-ougrienne - Suomalais- 
up^ilaisen Seuran toimituksia. 

MTSz. SziNNYEi, Magyar Taj sz6t4r. 

MuNK. MunkXcsi (wotj., wog.). 



MUSz. = BcDENZ, Magyar-ugor Oaz- 

szehastonlito Sz6t4r. 
N. F. — FinmarkHlialekt des lappl- 

schen (= das norwegisch-lappi- 

sohe -- IpX). 
NyK - XyelTtudomanyi KOzleme- 

nyet 
Nyr - Magyar Nyelvur. 
NySz. ^ SzARVAS u. Simonyi, Magyar 

NyelvtttrtV-neti Sz6t4r. 
ostjD — Demjanka-dialekt • des ost- 

jakischen. 
ostjKas. - Kasym-dialekt dos ost- 

jakischen (=berezov. dial.). 
ostjKond. = der Kondinskische dia- 

lekt des ostjakischen. 
ostjTrj. = Tremjugan-dialekt des 

ostjakischen (— Surgut-dial.). 
Paas. = Paasonen (mord ). 
Pap. — Papai (sttdostj. in „Deli oszt- 

jak szojegyzek"). 
Patk. ^ Patkanov (ostj. in ^Irtisi- 

osztj&k sz<Vjegyzek**). 
Ramst. ~ Ramstedt G. J. (tscherB in 

„Bergtscheremissische sprachstu- 

dien**). 
SM = Suomen Museo. 
syrjOP = ostperrajakischer dialekt 

des syrjftnischen. 
syrjPec. — petschorische dialekt des 

syrjanischen. 
syrjWP = westpermjakischer dialekt 

des syrjftnischen. 
SziL. =^ SziLASi (wog. in ^VogiU szo- 

jegyzek" zu Munkacsi's texten). 
Valv. = Valvoja. 
WiCHM. ^ WiCHMANN^s handschriftli- 

che aufzeichnungen tiber das syr- 

janische od. wotjakische. 
Vir. — Virittaja. 
VKA -= NiEMi, Vanhan Kalevalan 

eepilliset ainokset. 



Tiber die benennungen der finnisch-ugrischen v5lker bezw. sprachen 
und die abktirziingen dersolben siohe sonst FUF I Anz. 179 — 181 (vgl. 
II 111). Die abkttrzungen dor benennungen der samojedischen dia- 
lekte nach Oastrkn, Worterverzeichnisso aiis den samojedischen sprachen, 
die der tUrkischen nach Radloff, WOrterbuch der Ttlrk-Dialekt-e. 

Die tibrigen abkllrzungen sind die gewOhnlichen und diirften ohne 
erklilrung verstandlich sein. 



DEM ANDENKEN 



Elias Lonnrot's. 



Heute vor hundert jahren wurde in einer der kleinsten 
und armsten hiitten Finlands der mann geboren, dessen name 
unter alien finnischen der bekannteste und fast der einzige 
weltbekannte ist. 

Was ist aber der weltruhm eines namens? Was ist hier 
verdienst und was zufall? Einen zufalligeren namen als Elias 
LOnnrot hat schwerlich jemand erhalten. Sein familienname 
LOnnrot 'Ahomwurzer ist nicht alter als der grossvater, 
welcher denselben nach dem ortsnamen Vahderoja 'Ahom- 
bach' in schwedischer ubersetzung, wie es damals unter den 
westfinnischen bauern ublich war, angenommen hatte. Seinen 
vomamen Elias verdankt er der vergesslichen taufpatin, welche 
mit dem kinde im schneegestober beim pastor angekommen 
der mitgegebenen namen sich nicht mehr erinnern konnte! 

Dies ist jedoch das einzige zufallige an Elias Lonnrot's welt- 
beriihmheit. Dass es gerade ihm vergonnt war die alten runen 
bei den russisch-karelischen volkssangem einzusammeln und 
sie zu vereinigen, war mehr als das zusammentreffen gunstiger 



Kaarle Krohn. 



verhaltnisse. Zwar hatte schon sein lehrer an der universitat 
Reinhold von Becker im j. 1820 den versuch gemacht einige 
volksgesange vom alten Vainamoinen, vvelche er auf einer reise 
unweit der grenze des archangelschen gouvemements erhalten 
hatte, mit einander zu verbinden; seine reise hatte aber haupt- 
sachlich einen sprachvvissenschaftlichen zweck gehabt, weshalb 
es ihm nicht eingefallen war diese gesange jenseits der grenze 
zu sammein. In demseiben jahre hatten herumreisende rus- 
sisch-kareiische hausierer proben ihrer volksdichtung dem aite- 
ren Z. Topelius gebracht, da dieser aber gelahmt war, konnte 
er die quelle jener dichtung nicht selbst aufsuchen. Es blieb 
also Lonnrot vorbehalten die idee von Becker mit dem hinweis 
von Topelius zu vereinigen. Hatte dasselbe nicht auch ein an- 
derer thun konnen? Warum nicht — es ist damit wieder nur 
vvie mit dem Kolumbusei! Acht jahre bevor Lonnrot das ziel 
seines strebens erreicht hatte, 1825, war ein anderer finnischer 
forscher A. J. Sjogren in dieselbe gegend von Vuokkiniemi 
gekommen und hatte teilweise dieselben gesange aufgeschrie- 
ben. Er war vom staate mit reisemitteln fur vier jahre verse- 
hen, und nichts hatte ihn gehindert die ihm erofifnete quelle 
auszuschopfen. Ein ofifenes auge hatte dieser gelehrte, spater 
ein beriihmter akademiker, gewiss fiir alles, was er auf seiner 
reise antraf; sowohl sprachwissenschaftliche als ethnographi- 
sche, archaologische, historische und statistische, sogar zoologi- 
sche, botanische und klimatdlogische forschungen umfasste sein 
programm. Er verstand es aber nicht sich zu konzentrieren, 
wo es der kostbarste fund gefordert hatte, sondern begnligte 
sich mit einigen fliichtigen aufzeichnungen, welche er in seinen 
manuskripten verstauben liess. 

Wie ganz anders Elias L5nnrot! Kein glucklicher zufall 
fiihrte ihn nach Russisch-Karelien, im gegenteil hatten alle aus- 
seren umstande ihm hinderlich sein milssen. Er hatte aber 
von an fang an all sein interesse auf dies eine konzentriert. 



Dem andenken Elias LOnnrot's. 3 

Wir sehen im sommer 1828 einen jungen kandidaten der phi- 
losophic, welcher sich als student mit hausunterricht kiiinmer- 
lich hat durchschlagen miissen und die medizinische fakultat 
gewahlt hat, um sich sein taglich brot zu verdienen zu kon- 
nen, mit einem kleinen ersparnis von 100 papierrubeln zu fuss 
durch ganz Finland wandern in der hofifnung das gelobte land 
der gesange zu erreichen. Er kommt bis Finnisch-Nordkare- 
lien, muss aber wegen ablauf der ferienzeit dicht vor der grenze 
Russisch-Kareliens zuriickkehren. Auch sonst hat er kein be- 
sonderes gluck gehabt, an den reichen liederschatzen in Fin- 
nisch-Siidkarelien und denen in Finnisch-Ostkarelien streift er 
gerade vorbei ; in einer hinsicht ist es jedoch ein gliick, dass er 
diese fundorte nicht betreten hat, da sie ihn vielleicht von sei- 
nem urspriinglichen ziel abgewendet hatten. Jedenfalls erhalt 
er in Finnisch-Karelien eine hiibsche sammlung von volkslie- 
dem und fangt an diese in anspruchslosen kleinen heftchen zu 
verotfentlichen — auf eigene kosten mitten in den ernstesten 
medizinischen studien und vermehrten schulden. Sogar eine 
^moralische unterstiitzung" hat ihm oft gefehlt, vvie aus der 
vorrede zum fiinften hefte des „Kantele", welches wegen man- 
gels an mitteln unveroffentlicht blieb, gentigend erhellt. ^Viele 
urteilen vielleicht, dass ich mich ungebiihrlich betrage, wenn 
ich so wenig auf mein eigenes wohl bedacht bin, indem ich 
meine zeit und mein weniges geld auf das sammeln der runen 
und den druck derselben verschwende; manche haben es mir 
geradezu vorgeworfen. Dem kann wohl so sein; — zuweilen 
habe ich sogar selbst daran gedacht mich von einer arbeit 
loszumachen, welche bloss miihe und unkosten verursacht. — 
— - Doch ist es schwer sich von seiner natur zu trennen, und 
auch nach der trennung kehren wir oft dahin zurtick, wohin 
die natur uns drangt." 

In derselben vorrede giebt er seinen beschluss kund, noch 
einmal den versuch zu machen in die heimat der russisch- 



Kaarle Krohn. 



karelischen hausierer zu kommen. Diesen beschluss verwirklicht 
er im sonimer 1831, bevor er seine medizinischen arbeiten abge- 
schlossen hat, wahlt einen nordlicheren vveg durch Finland und 
gelangt schon hart an die grenze, als ihn der befehl erreicht 
sich nach Helsingfors zuriickzuwenden, um gegen den ausbruch 
der cholera zu kampfen. Er gehorcht, pflegt treu die kranken, 
wird von der schrecklichen krankheit selbst angesteckt, iiber- 
windet sie jedoch und macht sein medizinisches doktorexamen. 

Den folgenden sommer, 1832, ist er wieder auf der reise 
nach Russisch-Karelien, uberschreitet auch wirklich die grenze 
an der stelle, wo er auf der ersten reise umgekehrt ist, 
kann aber, wegen mangels an zeit, bloss den sudlicheren teil 
des gesanggebietes und auch diesen nur fliichtig untersuchen. 

Unterdessen hat Lonnrot als arzt den entlegenen und 
pekuniar unvorteilhaften distrikt von Kajana gewahlt, um in 
der nachsten nachbarschaft der russisch-karelischen volkssanger 
zu sein. Seinen plan diese zu besuchen darf er jedoch nicht 
direkt ausfuhren. Es ist bei seiner ankunft in Kajana eine 
furchterliche hungersseuche ausgebrochen, die er einen winter 
lang bekampfen und sogar selbst am rande des totenreiches 
durchmachen muss. Erst im herbst 1833 ist er im stande 
eine exkursion von drei wochen in das allemordlichste gesang- 
gebiet zu untemehmen, und hier werden endlich seine sechs- 
jahrigen anstrengungen belohnt. 

Die folgende periode von 15 jahren, 1835 — 1849, von den 
beiden gedruckten Kalevalaredaktionen begrenzt, ist die grosste 
sowohl an forschungsreisen, welche von jetzt an mit allgemei- 
nen mitteln unterstutzt und mit allgemeinem interesse verfolgt 
werden, als an publikationen, welche mehr als eine epoche in 
der aufkeimenden finnischen litteratur und im erwachen des 
nationalgeistes ausmachen. In der personlichen entwicklung 
Lonnrots jedoch ist alles bloss eine fortsetzung unter immer 
gunstigeren verhaltnissen. Jedenfalls ist fortwahrend seine aus- 



Dem andenken Elias Lttnnrot's. 



dauer und seine konzentrierte arbeit bewunderungswiirdig. Dass 
ihm seine karriere ais arzt keinen kummer macht, ist weniger 
zu verwundern, da sich das interesse fiir die finnische sprache 
und litteratur seiner ganz bemachtigt hat. Charakterischer aber 
ist, dass er im j. 1845 auf eine einladung von Jacob Grimm 
nach Deutschland zu reisen, urn die finnische wissenschaft be- 
kannt zu machen, verzichtet in dem gefiihle, dass es seine 
pflicht sei seine zeit arbeiten zu vvidmen, welche dem vater- 
lande mehr direkten nutzen bringen konnten. Eine bald dar- 
auf folgende arbeit war auch keine geringere als die neue 
Kalevalaredaktion . 

Im j. 1849, wo diese erschien, steht Lonnrot auf der hohe 
seiner wirksamkeit. Als personlichkeit vielleicht noch ein wenig 
hoher steht er einige jahre spater als redakteur einer landwirt- 
schaftlichen zeitung. Im jahre nach dem erscheinen der neuen 
Kalevalaredaktion, des besten, was die finnische litteratur hervor- 
gebracht hat und je hervorbringen wird, ist eine verordnung 
erlassen, welche alle litteratur in finnischer sprache, ausser der 
religiosen und okonomischen, verbietet! Da hatte wohl der 
zusammensteller des Kalevalaepos vor alien andem das recht 
gehabt zu zweifeln, ob es sich noch lohne etwas in finnischer 
sprache zu schreiben. Er begniigt sich aber mit der landwirt- 
schaftlichen branche, und klagt nicht einmal. Dass seine zei- 
tung nicht besser redigiert worden ist, will er gewiss nicht 
„ausseren umstanden" zur last legen. „Ihr haben", setzt er 
mit ruhrendem humor fort, ^keine hindernisse im wege ge- 
standen, und das wird auch nicht der fall sein, solange sie 
in der erlaubten absicht der bauerlichen bevolkerung zu nutz 
und frommen redigiert wird. Und was wurde sie dazu zwin- 
gen sich mit anderen themen zu befassen, wo doch dieses 
thema reichlich fiir hundert jahre hinaus stoff bietet, welches 
alter sie kaum, ja gewiss nicht erreichen wird!" 



Kaarle Krohn. 



Die spateren perioden von Lonnrot's wirksamkeit als pro- 
fessor an der universitat, von 1853, und als professor emeritus, 
von 1862 bis zu seinem tode 1884, sind im vergleich mit dem 
glanze der friiheren wie in den schatten gestellt. Doch vvur- 
den sie die lebensaufgabe nicht nur eines, sondem wohl meh- 
rerer gewohnlicherer menschen darstellen konnen. Ihrerseits 
bestatigen sie die wahrheit des satzes, dass die grossen ent- 
deckungen meistens denen zufallen, welche auch sonst in der- 
selben branche sich tuchtig und somit verdient erwiesen haben. 
Was Lonnrot speziell betrifft, so mlissten seine verdienste als 
sammler der finnischen volkspoesie, als forscher in den fin- 
nisch-ugrischen sprachen, als zusammensteller des vollstandig- 
sten finnischen lexikons, als festleger einer einheitlichen finni- 
schen schriftsprache und erfinder neuer worter fur dieselbe, als 
verfasser von lehrbuchem in finnischer sprache, als redakteur 
von finnischen zeitschriften und zuletzt als emeuerer des finni- 
schen kirchenliedes zusammengerechnet ihm den ersten platz 
in der finnischen litteratur unbedingt zuvveisen, auch vvenn er 
das Kalevalaepos nicht zustande gebracht hatte. 

Es ist also nichts weniger als zufall, dass gerade ihm die 
zusammenstellung eines volksepos gltickte. Sogar die mangel 
seiner begabung waren zu diesem erfolge behilflich. Lonnrot 
war kein schopferischer dichter; aber ware er ein grosser kunst- 
dichter gewesen, so ware seine arbeit gewiss nicht so volks- 
ttimlich geworden. Lonnrot war auch kein eigentlicher gelehr- 
ter, wenn schon sein intuitives sprachgefuhl oft in wunder- 
barer weise das richtige getroffen hat; ware er hingegen ein 
wissenschaftlich angelegter und geschulter forscher gewesen, so 
ware er bei der zusammenstellung der varianten durch pein- 
liche und kleinliche bedenklichkeiten daran gehindert worden 
an jeder stelle das schonste und treffendste auszuwahlen. Sogar 
das fehlen einer durch generationen vererbten familienbildung 
kam ihm bei dieser arbeit zu statten; als empork()mmling aus 



Dem andenken Elias Lt^nnrot's. 



dem volke stand er den volkssangern in seinem gefuhlston so 
nahe, dass er in wirklichkeit als der letzte barde bezeichnet 
werden darf. Er war unzweifelhaft ein genie, und zvvar eines 
von der echtesten art, zu welcher eine gevvisse unbevvusstheit 
und naivitat unbedingt gehort. 

Lonnrot's grosse beruht im grunde auf seiner reinen, her- 
zeasguten und anspruchslosen personlichkeit, wie sie im men- 
schenleben selten angetrofifen wird. Weil er sich nicht auf 
seine eigenen verdienste verstand, kannte er auch keine eigent- 
lichen schwierigkeiten. AUes, war er geleistet, kam ihm so 
naturlich vor, als hatte er nicht anders thun konnen. 

Eine erscheinung im leben eines volkes wie Lonnrot kann 
nicht als zufall angesehen werden. Es zeigt sich hier, wie 
Julius Krohn ausgesprochen hat, die gottliche vorsehung, wel- 
che auch fur die kleinen und geringgeschatzten volker vaterlich 
sorgt; es oflFenbart sich darin die bestimmung des finnischen 
volkes nicht zum untergange, sondern zum leben und zur arbeit 
fiir die ganze menschheit. In dieser festen uberzeugung und 
mit Elias Lonnrot als vorbild konnen auch die finnischen ior- 
scher getrosten mutes weiter arbeiten. 

Helsingfors den 9. april 1902. 

Kaarle Krohn. 




"Dbersioht liber das sammeln estnisoher runen. 



I 



Wenig hat das estenvolk, dessen pfade ofter durch dunkle 
thaler flihrten, als uber lichte hohen, mitwirken konnen bei den 
grossen gemeinsamen kulturbestrebungen dernationen; in einer 
beziehung aber ist es ihm moglich geworden auch seinerseits 
ein scherflein beizutragen. 

Hunderte von mitarbeitern haben geholfen die reichen 
produkte der estnischen volksphantasie der vergessenheit zu 
entreissen; in zahlreichen varianten sind an alien ecken iind 
enden des estenlandes neben anderem folkloristischem materiale 
besonders auch lieder aufgezeichnet worden. 

Die sorgfaltigen und vollstandigen sammlungen ermogli- 
chen es die estnischen runen, die alten volkslieder, wissen- 
schaftlich vielleicht genauer zu erforschen, als es bei anderen, 
alteren kulturvolkern, die ihre sangeszeit schon weit hinter sich 
haben, der fall sein kann. Mittelbar gewinnt dadurch die folk- 
lore tiberhaupt: es konnen an dem unverfalschten und reichli- 
chen material gesetze festgestellt, richtungen erkannt werden, 
wie volkslieder entstehen, wandern, sich mit einander vermi- 
schen, sich zu langeren liederkomplexen aneinanderschliessen. 



Darstellungen und quellen. 

Eine ubersicht iiber das sammeln estnischer folklore zu 
geben, daran dachte zuerst der jetzige professor der Helsing- 
forser universitat Kaarle Krohn. Aus anlass des in Paris (i. j. 
1889) tagenden folkloristischen kongresses stellte er seine 



Obersicht tiber das sammeln estnischer run en. 9 

,Histoire du traditionisme en Esthonie", eine im drucke 10 
seiten umfassende broschiire zusammen ^ Sie soUte in erster 
linie den Pariser kongress ftir die reichhaltigen estnischen ma- 
terialien interessieren, die besonders durch das bemiihen des 
pastors dr. J. Hurt in St. Petersburg zusammengebracht wor- 
den waren ^. 

In verkurzter form wiederholt K. Krohn seine ausfiihrun- 
gen 1892 in der einleitung zu seiner untersuchung „Die geo- 
graphische Verbreitung estnischer Lieder" ^. 

Fast zugleich mit K. Krohn's „Histoire" ersche'int des 
fleissigen estnischen litterarhistorikers Villem Reiman grund- 
legende untersuchung „Kullakaevajad" *. Sie enthalt das beste 
und umfassendste, was (iber das sammeln estnischer folklore 
gesagt worden ist. 

K. Krohn und V. Reiman sind die einzigen, die uns zusam- 
menfassende darstellungen geben; was weiter unten folgt, sind 
monographien oder beilaufige hinweise. 

So finden wir einschlagiges material in den „Sitzungs- 
berichten der Gelehrten Estnischen Gesellschaft**, in der zeit- 
schrift ^Inland", in den protokollen des „Eesti Kirjameeste 
Salts", in den vorreden zu den verschiedenen liederausgaben 
u. s. w. 

Fiir die neuere zeit, wo das sammeln besonders durch 
J. Hurt einen ungeahnten aufschwung nahm, und spater- 
hin auch pastor M. J. Eisen in Kronstadt sich der genannten 
arbeit widmete, mogen als quellen dienen die berichte (uber die 
eingelaufenen materialien), welche Hurt und Eisen von zeit zu 
zeit in estnischen blattern verofifentlichen. 

Zusammenfassend sprach J. Hurt uber seine sammlungen 
auf dem archaologischen kongress in Riga (1896); der „Bericht** 



* VoUstandig erschienen im JSFOu. X, Helsingfors 1892, 
p. Id — no. 

2 Einen auszug aus der ebengenannten broschtlre bildet W. 
F. KiRBy*s On the progress of folklore collections in Esthonia. 
(Transactions of the international folk-lore congress, London 1891); 
vgl. auch VlHTORl Forsberg's abersicht in Valvoja 1891. 

' Fennia V nr. 13; separatabdruck, Kuopio 1892. 

* Eesti tllioplaste Seltsi Album I, Dorpat 1889, p. 4 — 64. 



lO ' OSKAR K ALL AS. 



erschien in verschiedenen estnischen zeitungen ^ und auch als 
separatabdruck aus der „St. Petersburger Zeitung"^. 

M. J. EiSEN hat langere schilderungen seiner arbeit und 
anleitung zum sammeln in verschiedenen estnischen broschuren 
und kalendern ^ gegeben. 

Speziell (iber die entstehungsgeschichte des „Kalevipoeg** 
und die litteratur zum „Kalevipoeg" unterrichten uns G. Blum- 
berg *, L. V. ScHRCEDER ^ und W Reiman «. Beilaufige hinweise 
auf einige sammler und sammlungen finden sich in den litteratur- 
geschichten von A. Ahlq^ist ', K. A. Hermann » und T. Sander *. 
Letzterer widmet allerdings seine ganze abhandlung der folk- 
lore, doch spricht er mehr (iber den charakter derselben, als 
(iber die geschichte des sammelns. 

Ausserdem giebt es noch biographien einzelner, bes. 
alterer sammler, doch vvurde es zu vveit fiihren diese hier regi- 
strieren zu vvollen. 

Ein verzeichnis gedruckter und handschriftlicher lieder- 
sammlungen hat schreiber dieser zeilen zusammengestellt *®. 

In der folgenden darstellung stutze ich mich in eini- 
gem auf die angegebenen abhandlungen (bes. auf Reiman's 
„Kullakaevajad"), ohne dieselben jedesmal im speziellen zu 
citieren; in der hauptsache aber gehe ich auf das einschla- 
gige quellenmaterial, bes. die handschriftlichen liedersamm- 



* Z. b. im i^Postimees^ 1896, nr. 265. 

2 Bericht Pastor Dr. J. Hurt's ttber seine Sammlung estni- 
scher Volksttberlieferungen. St. Petersburg 1896. 20 s. in 8:0. 

3 Cf. die letzten jahrgSnge des »Isamaa Kalendern. Dorpat, 
bei Schnakenburg. 

* Quellen und Realien des Kalewipoeg. (Verb, der Gel. Estn. 
Ges. V, heft 4.) Dorpat 1896. 

^ Zur Entstehungsgeschichte des Kalewipoeg. (Verh. der Gel. 
Estn. Ges. XVI, heft I.) Dorpat 1891. 

® Kalewipoeg, aus dem Estnischen Ubertraj^en von F. LOWE. 
Reval 1900. 

^ Viron nykyisemmasta kirjallisuudesta (Suomi 1855). Hel- 
singfors 1856. 

** Eesti kirjanduse ajalugu. Dorpat 1898. 

* Eesti kirjanduse ajalugu I. Dorpat 1899. 

^^ Die Wiederholungslieder der estnischen Volkspoesie 55 — 73. 
Helsingforser dissertation 1901. 



Cbersicht tiber das sammeln estnischer runen. 1 1 



lungen und die protokolle der wissenschaftlichen gesellschaften 
zuruck. 

K. Krohn und V. Reiman sprechen (iber das sammeln 
estnischer volksuberlieferungen in ihrem ganzen umfange, — 
marchen, lieder, ratsel, sprichworter u. s. vv. — meine aufgabe 
ist begrenzter, da ich im folgenden nur einiges iiber die auf- 
zeichnung der altestnischen volkslieder mitteilen will. 



Die ersten gedruckten lieder. 

• 
An ein systematisches sammeln estnischer runen hat man 

erst im 19. jahrhundert gedacht. Besser erging es anderen 

volksuberlieferungen, so den aberglaubischen vorstellungen und 

gebrauchen; diese stachen mehr in die augen, waren auch dem 

die sprache mangelhaft beherrschenden leichter zuganglich, da- 

her fanden sie mehr beachtung. Doch das volksgedachtnis hat 

uns mit seltener treue durch jahrhunderte bevvahrt, was die 

vorfahren geschaffen. Und wo endlich neue einfltisse sich 

geltend machten, und den ungeschriebenen buchern des volkes 

vergessenheit drohte, da erschienen auch die rechten manner, 

die das verschwindende fur die nachwelt, fiir die wissenschaft- 

liche forschung retteten. 

In welche zeit wir die entstehung der altesten estnischen 
volkslieder zuriickversetzen durfen, ist noch eine ungeloste frage, 
fur die gedruckten lieder haben wir einen festen markstein in 
des estlandischen pastors Ch. Kelch ^Lieflandischer Historia" 
vom jahre 1695. Hier finden wir die erste estnische rune, der 
man die ehre des druckes erwies; und das unschuldige liebeslied, 
welches uns hier vorliegt, wurde noch zu ganz anderer bedeu- 
tung erhoben; bald sollte es lettisch sein und die abkunft der 
letten weit aus dem orient beweisen, bald hielt man es fiir ein 
gebet, das der este an seine waldgottheiten richte. 

Einige jahre spater treffen wir ein anderes kurzes liebes- 
lied — die liebe wird hier weniger platonisch aufgefasst, als 
bei Kelch — in J. A. Brand's „Reysen" ^ („in der Bauren- 

* Reysen durch die Marck Brandenburg, Preussen, Churland, 
Liefland, Pleszkovien, Gross-Naugardien, Twecrien und Moscovien 



12 OSKAB KaLLAS. 



lust horete ich sie das liedlein singen*), dann vergeht fast ein 
menschenalter, ehe ein neuer reprasentant der volkspoesie ein- 
gang in die litteratur findet. 

Der strebsame B. G. Forseltcs, dessen verdienste um die 
hebung der estnischen schriftsprache nicht gering sind *, legte 
den grund zu einer estnischen grammatik; seine arbeit wurde 
fortgesetzt durch den pastor Anton Thor Helle und endgiltig 
redigiert i. j. 1732 von Eberhard Gutsleff. Die grammatik 
zeugt von eifriger miihe nicht nur auf philoiogischem, sondem 
auch auf folkloristischem gebiete: mit bieneneifer ist hier 
zusaramengetragen worden, was sich dem voiksleben ablau- 
schen liess, u. a. 525 sprichworter und 135 ratsel; doch das 
estnische lied findet leider noch wenig beachtung: ein bruch- 
stiick ist alles, was uns mitgeteilt wird. 



Kurze charakteristik des liedoB. 

Bisher wurde das volkslied von fernerstehenden entweder 
verachtet oder nicht beachtet; jetzt erstehen ihm gefahrliche 
feinde, die es ausrotten wollen und teilweise wohl auch ver- 
nichtet haben. 

Bis in das zweite viertel des 18. jahrhunderts hinein 
ertont das volkslied ungehindert und begleitet den esten, ich 
mochte sagen, auf schritt und tritt. In den stunden der trlib- 
sal — und diese waren nicht selten im leben des halbverhun- 
gerten und ausgesogenen sklavenhaufens — spendet es ihm 
trost und erleichterung: dem geplagten und libervorteilten 
knecht verspricht es vollen ersatz — leider erst im jenseits; doch 
auch im diesseits weiss es ihm phantasievolle bilder vorzuma- 
len, wie hen* und knecht die roUen tauschen, wie der dienende 
sich selbst gerechtigkeit verschafft u. s. w. Der gebietende 



etc. etc. (Wesel 1702), p. 164. (Eine holland. ausgabe des buches 
erschien in Utrecht 1703.) 

1 Auch sein vater Johann F. ist bekzinnt durch das werk 
>Der Ehsten aberglaubische Gebriluche^, welches unter dem namen 
des abenteuemden predigers J. W. Bcfxler 1685 erschien; neue 
ausg. 1854 von Kreutzwald. 



Cbersicht tiber das sammeln estnischer runen. 13 

Stand fUnd alles, was drum und dran hangt, wird in ohnmach- 
tiger vvut mit der lauge bitteren spottes iibergossen. 

Das verlassene und misshandelte waisenkind klagt sein 
leid auf der mutter grab und hort trostesworte herauf klingen ; 
der trauemden witwe, der einsam gewordenen mutter vveiss 
das lied linderung ihrer sehnsucht zuzusprechen. Den geschie- 
denen werden herzergreifende klagelieder nachgeweint. 

Aber das lied dient ebenso auch zum ausdrucke der 
freude, der lust am dasein : hell auf jauchzt es auf dem spiel- 
platz der jugend, dem dorfanger; in kiihnen bildern ergiesst 
es sich auf der schaukel; dankbar vveiss es den giitigen herrn 
zu erheben, der auf dem emtefest reichlich fiir speise sorgte 
und auch den trank nicht vergass. 

Die heirat, als wichtige veranderung im menschlichen 
leben, ist umwoben vom liede: jeder schritt erscheint hier 
von der zeremonie vorgeschrieben und wird mit entsprechen- 
den gesangen begleitet; die braut sowohl, wie der brautigam 
bringen ihre Sanger (ofter sangerinnen) mit, welche es der 
gegenpartei klarzumachen haben, einen wie grossen schatz sie 
zu erwerben im begriffe sind, und wie gering der entgelt ist, 
den sie dafur bieten konnen. Oft ereifern sich die Sanger da- 
bei derart, dass die hand das fehlende wort ersetzt. 

Die langen winterabende, die lauen sommernachte, in der 
hiitung verbracht, werden verklirzt mit dem gesange von epi- 
schen liedern, deren themata meist dem alltaglichen leben ent- 
nommen sind. 

Doch das lied hat noch andere aufgaben: es ist ein 
machtiger schutz; es hilft gegen zauber und ungltick, stimmt 
die gottheiten gnadig und lasst sie vieh und fasel in ihre 
obhut nehmen. 

Feinde des liedes. 

Dieses war die roUe des liedes bis in die ersten jahr- 
zehnte des 18. jahrhunderts hinein. Es durchdrang des vol- 
kes ganzes leben von der wiege bis zum grabe; der Sanger 
war geschatzt, das lied hochgehalten. 

Da andert sich allmahlich die lage. Es erheben sich 
stimmen, welche dem volke andere anschauungen beibringen 



14 OSKAR KaLLAS. 



woUen und teils auch beigebracht haben. Die alten funen 
werden allesamt als beweis von vollerei und heidentum be- 
trachtet und verfolgt. 

Hermhut dringt ins land ein, dringt durch sein stiiies, 
freundliches vorgehen in die herzen des volkes, verwachst mit 
dem leben der gemeinden, gewinnt das vertrauen des bauem 
in vveit h5herem masse, als es dem „kirchenherrn", dem inner- 
lich und ausserlich von seiner gemeinde meist tief geschiede- 
nen prediger gelungen war. 

Doch wo Herrnhuts lieder ertonen, da schweigen alle 
anderen gesange; wo Herrnhut seufzt, da darf niemand jauch- 
zen. Alle „weltlichen" freuden sind ein greuel in den augen 
der „auserwahlten des Herrn" und miissen ausgerottet werden. 

Herrnhuts wirksamkeit ist ein grosser schlag, der gegen 
das estnische lied gefuhrt wurde; mancher gesangreiche mund 
verstummt, der dorfanger wird (ide; auf festlichkeiten bricht 
das alte lied die fesseln hochstens, wenn der Sanger schon so 
sehr „von der gerste saft" genossen, dass er alle rticksichten 
vergisst. Anderthalb jahrhunderte nach dem eindringen Herrn- 
huts, zu einer zeit, wo seine macht offiziell schon lange ge- 
brochen war, hatte schreiber dieser zeilen noch gelegenheit 
ernste mahnworte iiber sein sundiges beginnen zu horen, als 
er in Westestland — hier hatte der herrnhutismus gebluht — 
nach volksliedern forschte. Nur nach vielem iiberreden und 
„klingenden" lockungen gelang es ihm hin und wieder einen 
„auserwahlten" zu verfuhren und irgendwo im walde oder in 
einer oden scheune versteckt eines der „teufelslieder" zu papier 
zu bringen. 

Herrnhut hat das volkslied zum schweigen gebracht, doch 
nur teilweise, ist aber nicht im stande gewesen es auszurotten. 
Was dem volksliede spaterhin die axt an die wurzel setzte, 
war das eindringen der bildung, der lesekunst, die neuere -- 
gereimte — lieder, erzahlungen und spiele dem volke zu'gang- 
lich machte und die alten auf den aussterbeetat setzte. 

Gegenwartig sind die alten runengesange allerdings noch 
in den meisten gegenden bekannt, doch — abgesehen etwa 
von den setukesen, den griechisch-orthodoxen pleskauer esten 
— gehort es zu den ausnahmefallen, wenn sie der jungeren 
generation weiter vererbt werden. 



tbersicht Uber das sammeln estnischer runen. 15 



Ob wir in der herrschaft des hermhutismus und pietismus 
auch den grund zu suchen haben, weshalb es fast ein halbes 
jahrhundert dauerte, ehe nach Gutsleff ein vveiteres lied in 
die litteratur eingang fand, oder in der allgemeinen teiinahm- 
losigkeit, welche den produkten der voiksphantasie gegenQber 
herrschte, lassen wir dahingesteilt sein. Fordernd wirkten die 
genannten richtungen jedenfalis nicht; fast die einzigen gebii- 
deten, die mit dem voike in beriihrung kamen und zugleich 
litterarische neigungen verrieten, waren die pastoren; diese 
aber verdammten entweder selbst alles vom volke geschaffene 
Oder woilten daran nicht rtihren, urn in ihren gemeinden kei- 
nen unwillen zu erregen. 

Jedenfalis wirkte der neuaufkommende rationaiismus hier 
befreiend und bereitete den boden ftir den samen, welcher von 
femher gestreut wurde. 

J. G. Herder's einfluss. 

J. G. Herder ist es, der „mit empfanglicher seele, vielfach 
ein seher, auf die stimmen der volker lauschen lernte". Selbst 
angeregt durch Ossians gesange, hat er den edlen samen der 
begeisterung fur die einfachen und doch oft so sinnigen und 
tiefen tone des volksliedes auch weiter gepflanzt. Seine „Stim- 
men der Volker in Liedern", seine folkloristischen abhandlun- 
gen in der zeitschrift ^Adrastea" haben vielfach befruchtend 
gevvirkt, so u. a. auf Finland und dadurch mittelbar auch auf 
das estnische gebiet ^ 

Unmittelbar hat Herder den anstoss zum sammeln estni- 
scher lieder gegeben, indem er den vielschreibenden pastor A. W. 
HuPEL (f 1819) veranlasste ihm fiir seine „Stimmen der Volker" 
einige beitrage zu senden. Hupel kommt der aufforderung nach, 
lasst vier lieder „von einem freunde" * aufzeichnen, fiigt selbst 
noch einige hinzu und versieht das ganze mit anmerkungen ^. 

^ Cf. A. R. Niemi, Kalevalan kokoonpano, Helsingfors 1898, 
p. 26 ff. 

2 Verh. der Gel. Estn. Ges. XVI p. 261. 

^ Das genauere, so auch den wiederabdruck der lieder nach 
den originalhandschriften, ver^l. man in den ^Verh. der Gel. Estn. 
Ges.> XVI, heft 4. 



l6 OSKAR KaLLAS. 



Die betreffende bitte hat Hupel erfuUt, mehr wohl um 
Herder einen gefallen zu erweisen, als well er irgendvvie den 
wert des estnischen liedes erkannt hatte. Er giebt allerdings 
auch in seinen „Topographischen Nachrichten" ^ und seiner 
„Ehstnischen Sprachiehre" * proben desselben, doch aus allem, 
was er iiber die estnischen runen sagt, geht zur evidenz her- 
vor, dass er diesen „ausgeburten alter weiber" nur eine sehr 
geringe bedeutung zumisst. Teilweise mag diese, verachtung 
ihre erklarung vielleicht auch in der sicherheit finden, mit vvei- 
cher Hupel (iber sachen, die ihm unbekannt sind, sein unfehl- 
bares urteil fallt und als „sprachfehler", „unsinnig" u. a. beti- 
telt, was sich seinen kenntnissen entzieht. 

Mogen nun Hupel's ansichten gewesen sein, welche sie 
woUen, das verdienst konnen wir ihm jedenfalls nicht abspre- 
chen, dass durch ihn, resp. Herder das estnische lied weiteren 
kreisen bekannt wurde. 



Chr. H. J. SohlegeL 

In hoherem masse, als Hupel, hat zum bekanntwerden 
der estn. runen beigetragen einer seiner jungeren zeitgenossen 
Chr. H. J. ScHLEGEL. Es ist das ein mann, dem nicht nur 
der estnische folklorist seine vollste sympathie entgegenbringt, 
sondern ebensosehr der estnische kulturhistoriker und patriot. 

Ich erlaube mir iiber ihn etwas ausfiihrlicher mitteilung 
zu machen, da sein name in neuerer zeit unverdienter massen 
fast in vergessenheit geraten war. Als die „Gelehrte Estnische 
Gesellschaft" a. 1896^ einen wiederabdruck der im „Teutschen 
Mercur" von 1787 als beispiele zu einer grosseren abhandlung 
iiber estnische folklore erschienenen 13 lieder besorgte, blieb 
die chiffre „S", mit der die abhandlung unterzeichnet ist, uner- 
klart. Wie es nun aus den in den „Dorpater Jahrbuchem" * 
erschienenen litterarischen anzeigen der „Reisen in mehrere 



1 Band II, Riga 1777, p. 159. 

2 II aufl., Mitau 18 18, p. 144 im anhange. 

3 Verhandlungen XVI, heft 4, p. 268 ff. 

* Band I, a. 1833, p. 329 und band V, a. 1836, p. 217. 



Cbersicht Clber das sammeln estnischer runen. 17 



mssische Gouvernements" * hervorgeht, ist der verfasser sovvohl 
der erwahnten abhandlung, als der „Reisen** eine und dieselbe 
personlichkeit, namlich Schlegel. 

Derselbe kam in den achtziger jahren des 18. jahrhun- 
derts aus seiner vaterstadt Jena als hauslehrer nach Estland, 
war darauf einige jahre prediger in Mohilew und starb 1842 in 
St. Petersburg, wo er ein angesehenes civilamt bekleidete. 

Wahrend seines aufenthalts in Estland lernt er die esten 
kennen und lieben und bewahrt diese liebe bis in sein hohes 
alter. Noch von St. Petersburg aus nimmt er bin und wieder 
seinen sommeraufenthalt in Estland und nutzt die zeit aus, um 
das volk zu beobachten. Die zehn bande seiner „Reisen" bie- 
ten reichhaltiges kulturhistorisches material, das insofern an 
bedeutung noch gewinnt, als Schlegel gelegenheit gehabt hat 
die estnischen verhaltnisse wahrend eines halben jahrhunderts, 
vor und nach der aufhebung der leibeigenschaft, zu studieren, 
und interessante vergleiche zieht. 

Ein in jener zeit nicht gerade gewohnliches agens, die 
liebe zu dem durch die sklaverei entwurdigten volke, ist es, 
welches ihn seine beobachtungen machen lasst. Er ist von 
einer liberalitat der anschauung und einem wohlwoUen den 
„undeutschen" gegenuber, wie wir sie unter seinen zeitgenos- 
sen vielleicht^noch bei RosenplAnter und bei einigen wenigen 
aus der zahl der mitarbeiter des letzteren antreffen. Trotz 
allem werden Schlegel's schilderungen von der kritik als „treu 
und unbefangen" gelobt. 

Wie er an dem esten auch gute seiten findet, ahnlich ist 
sein urteil tiber das estnische lied nicht mehr so hochfahrend, 
wie das urteil Hupel's und manches anderen unter den spate- 
ran sammlern. Seine abhandlung im „Teutschen Mercur" 
schliesst er mit folgender wiirdigung: „Wer nicht feinheit der 
empfindung ihnen (scil. den liedern) angemerkt hat, wer nicht 
die salzigte lauge von sarkasme in ihnen wahrnimmt; wer 
nicht aus diesen paar proben ihrer (scil. der esten) national- 
poesie den schluss zieht, dass wir von dieser nation bei grosse- 
rer kultur und erlangter freiheit schone stucke ins reich der 
poesie, mit originellem stempel versehen, zu gewarten 



I Meiningen 18 19 — 1833. 



l8 OSKAR Kallas. 



hatten, fiir den habe ich diese lieder in der ubersetzung und 
einige in der ursprache nicht hergeschrieben". 

Dieses urteil klingt anders, als Hupel's „ausgeburten alter 
weiber". 

In seinen „Reisen" teilt Schlegel ausser marchen, ratseln 
u. s. w. an 150 lieder, meist in deutscher ubersetzung, einige 
auch estnisch mit. Die lieder decken sich oft mit denen, 
welche uns in den (ibrigen sammlungen jener zeit (KnOpffer, 
RosenplAnter u. a.) begegnen. Die beitrage fiir band I und V 
sind ^ von den predigern zu St. Simonis in Estland, H. J. 
Paucker (f 1819) und H. W. Paucker (f 1833) aufgenommen 
worden ; bei den letzten banden hat teilweise A. F. J. KnI^pffer 
geholfen. (Die genauere feststellung der quellen muss einer 
spezialuntersuchung verbleiben.) 

Soviel ist sicher, dass Schlegel sich oft, wenn nicht im- 
mer, hat helfen lassen; der artikel im „Teutschen Mercur** ist 
wahrend des ersten jahres seines aufenthalts in Estland ver- 
fasst, und da konnte er unmoglich die sprache in wort und 
schrift beherrschen. 

Schlegel begniigte sich nicht nur damit, was ihm seine 
nachste umgebung bot, er hat sich auch an weitere kreise mit 
der bitte um beitrage gewandt. So schreibt er i. j. 1807 nach 
der insel Dago '^ um dortige lieder, erhalt aber zur antwort, 
man singe dort keine mehr, nur kirchenlieder. (Ahnliche ant- 
worten wurden spaterhin Kreutzwald zu teil.) Fast 90 jahre 
nach Schlegel's anfrage wurden in Dago tausende von lieder- 
zeilen aufgezeichnet, die nichts kirchliches an sich hatten, — 
das als illustration zu obiger antwort. 



J. H. Rosenplanter und seine mitarbeiter. 

Schlegel hat uns ins neue jahrhundert hineingefuhrt und 
zugleich in eine neue periode des sammelns, die durch den 
namen J. H. RosenplXnter's und seine zeitschrift „Beitrage zur 
genaueren Kenntniss der esthnischen Sprache" ^ bezeichnet wird. 

» Cf. Neus: Estn. Volksl. Reval 1850 ff., 448. 

2 Reisen, V 108 ff. 

3 Pemau 1813 — 1832. 



Cbersicht tiber das sammeln estnischer runen. ig 

Die anfangsjahrzehnte des vorigen jahrhunderts bringen 
einen merkwiirdigen umschvvung der anschauungen in Deutsch- 
land mit sich. Es wehen friihlingswinde. Die stande haben 
gemeinschaftlich vorgehen miissen, haben sich kennen und 
achten gelemt. 

Schwache klange dieser neuen harmonien hallen auch 
unter den deutschen und den deutschsprechenden der Ostsee- 
provinzen nach. Man macht die merkwtirdige entdeckung, dass 
auch der „undeutsche", der estnische und lettische bauer, 
mensch ist; man ahnt, dass auch im sklaven ein bildungs- 
fahiger geist steckt. Die ersten strahlen der aufgehenden frei- 
heit dringen ins kalte dunkel. Die unbegrenzte macht des adels 
wird beschrankt; gesetz tritt, dem prinzip nach vvenigstens, an 
steile der willklir. Der bauer darf sprechen. 

Und es finden sich manner, die mit dem bauern sprachen 
und liber ihn, die es „des schweisses der edlen" nicht fiir 
unvvert hieiten im zertretenen lande nach lebensfahigen keimen 
zu suchen und diese in liebevolle pflege zu nehmen. Pernau, 
Osel — die estnische westkiiste - - sind es, die dem ubrigen lande 
vorausgehen und die einzelnen bachlein in ein gemeinsames 
bett zu lenken suchen. 

Zwei jahrzehnte vor der grtindung der Dorpater „Gelehr- 
ten Estnischen Gesellschaft" hat sich in Arensburg ein verein 
gebildet, welcher ahnliche bestrebungen verfolgt. 1813 schon 
griindet J. H. RosenplAnter, seit 1809 pastor an der Elisabeth- 
kirche in Pernau, seine beriihmt gewordenen „Beitrage". Uner- 
mudlich arbeitet er selbst, sammelt, iibersetzt, schafft, — seine 
hinterlassenen schriften fiillen noch jetzt die schranke der „GeL 
Estn. Ges.'*; unermiidlich versucht er auch andere anzuregen, 
teilzunehmen an der arbeit zur hebung des so arg vernach- 
lassigten volkes. Ja er geht in seinen liberalen bestrebungen 
so weit, dass er hoffnungen auszusprechen vvagt, fiir die sei- 
nen deutschen landsleuten leider noch bis dato das notige ver- 
standnis abgeht. Und doch diirfte man es kaum als phantaste- 
rei bezeichnen, wenn R. wtinscht, man solle die sprache des 
landes doch auch in den gymnasien des landes lehren, und 
wenn er zu diesem zwecke sogar ein lesebuch verfasst. 

Mitarbeiter hat R. gefunden, doch wenig untersttitzung in 
der gegen litterarische bestrebungen sich sehr kiihl verhalten- 



20 OSKAR KALLAS. 



den gesellschaft: er musste seine „Beitrage" i. j. 1832 eingehen 
lassen. Die arbeit, die hier niedergelegt ist, hat ihre bedeutung 
auch fur spatere zeiten behalten. 

Weil R. der estnischen sprache eine zukunft wiinschte 
und erhoffte, that er alles, was in seiner macht stand, zur he- 
bung derselben. Es wurden u. a. eifrig materialien gesammelt, 
urn die sprache kennen zu iernen und sie zu entwickeln. Mehr 
wohl ihres sprachlichen, ais ihres inhaltlichen wertes wegen 
wurden auch volkslieder aufgezeichnet und abgedruckt. Dem 
inhalte mass man nur geringe bedeutung bei, wie dies aus so 
manchen stellen der zahlreichen, die verschiedenen zweige der 
folklore behandelnden untersuchungen hervorgeht. Man sprach 
den liedem jegliche kunstform und schonheit ab und nannte sie 
„unzusammenhangende ausserungen, deren urheber die melo- 
dien dazu nebst dem takt wohl nach den tonen und bewegun- 
gen ihres brauchbarsten gefieders und viehes komponierten" ^ 

R. hat selbst lieder aufgezeichnet, hat es daneben ver- 
standen andere krafte heranzuziehen. Gross ist das hauflein 
nicht, welches sich beteiligt, doch immerhin ist in den litterari- 
schen kreisen das interesse erregt worden. Dieses zeitigte 
nachmals schone fruchte, — ich denke an die NEUS*schen editio- 
nen, an den „Kalevipoeg", an die verschiedenen folkloristischen 
abhandlungen, welche in der ersten halfte des vorigen jahrhun- 
derts geschrieben wurden. Und als, etwa ein menschenalter 
zuriick, eine erkaltung der deutschen und germanisierten kreise 
zu den heraufstrebenden estnischen eintrat, und damit zugleich 
ihre litterarische arbeit zum besten des volkes zu erschlaffen 
begann, da wurde sie fortgesetzt in der estnisch-nationalen 
gesellschaft, und besonders war es das interesse an der folklore, 
das hier aufflammte. 

Es ist wohl besonders dem personlichen bewerben Rosen- 
plAnter's zuzuschreiben, — weniger vielleicht der erweckenden 
stimme seiner „Beitrage" — dass er, was speziell das sammeln 
estnischer lieder betrifft, mitarbeiter fand. Diese rekrutieren 
sich aus RosenplAnter's schiilern, — er bildete junge esten zu 
volkslehrem heran; aus gebildeteren in der nachsten umgebung 
Pernaus, — ich nenne den pastor zu Torgel B. A. Offe und 



* Beitrage 11, 73. 



Cbersicht • tlber das sammeln estnischer runen. 21 

seine tochter, fraulein C. Offe, den pastor zu Audern, Boch- 
MANN, und vor allem den besitzer von Fennem, W. von Ditt- 
MAR. Noch zahlen wir unter RosenplXnter^s mitarbeitem einige 
weiter vvohnende amtsbriider, die pastoren J. W. Ewerth zu 
Koddafer, O. W. Masing zu Ecks, A. F. J. KnOpffer u. a. 
Urn haupteslange uberragt aiie friiheren und viele spateren 
sammler 

A. F. J. Kniipfibr, 

pastor zu St. Katharinen in Wierland (geb. 1777, gest. 1843). 
Unermiidiich war er im aufzeichnen und abschreiben von mar- 
chen und sagen, spielen und liedern, iiberhaupt von allem, was 
ihm fur grammatik und lexikon wichtig zu sein schien. An 
liedern zahlt seine sarnmlung weit (iber 600 nummern. Die 
ergiebigste quelle ist ihm sein eignes kirchspiel gewesen, wie 
sich aus den ortsangaben, die einzelnen liedern beigefiigt 
sind, und aus den sprachlichen eigentiimlichkeiten derselben 
erschliessen lasst. Daneben kopiert er eifrig, was andere zu- 
sammengetragen, und benutzt unter anderem sammlungen, die 
uns nur durch ihn erhalten sind, so die vom pastor zu Peude, 
P. Agt, und die vom konsistorialassessor Ch. J. GlanstrOm 
(t 1824). 

Einer der jiingsten mitarbeiter RosenplAnter's ist der im 
21. lebensjahre (a. 1822) dahingeschiedene 



Kr. J. Peterson, 

der erste „jungeste", wenn man diese spater entstandene be- 
zeichnung so weit zurticktragen darf. Er (ibersetzt Ganander's 
„Finnische M^'thologie" ^ ins deutsche und fugt verschiedene 
erlauterungen, so auch erklarende lieder, die auf das estnische 
bezug haben, seinerseits hinzu. Es sind das die ersten schritt^e 
auf dem wege der richtigen erforschung finnisch-estnischer 
folklore, der gegenseitigen vergleichung. 

Peterson ist es auch, durch den zum ersten mal der 



^ In RosenplAnter's »Beitragen» band XIV; separatabdruck 
Reval 1 82 1. 



24 QSKAR KaLLAS. 



SchCdlOffel (1798—1859) teilt im „ Inland" » sagen uber Ka- 
levipoeg mit und sammelt lieder, dr. Schultz bekennt^, LOnn- 
ROT*s fund habe ihn, der von jugend auf sagen und lieder 
gesammelt, zuerst zu weiteren forschungen unter dem volke 
angeregt. 

In FAhlmann reift mehr und mehr der gedanke alles, was 
das volk uber seinen helden zu sagen weiss, zu einem ganzen 
zu verbinden. Er macht selbst aufzeichnungen, feuert andere 
an. Die sitzungen der unter seiner mitwirkung gegriindeten 
und von ihm geleiteten „Gel. Estn. Ges." werden ofter durch 
seine mitteilungen, aus der Kalevidensage belebt. Doch die 
verwirklichung des grossen planes muss er aus zeitmangel im- 
mer wieder hinausschieben, bis der tod alle absichten jah 
unterbricht. 

Fr. B. Kreutzwald und seine mitarbeiter. 

Was Fahlmann begonnen, setzt sein jungerer freund und 
kollege Kreutzwald (1803—1882) fort. Pie „Gel. Estn. Ges.% 
welche ihm den diesbezliglichen antrag machte, hatte keinen 
geeigneteren mann linden konnen. K. ist ein guter kenner des 
volkslebens, hat jahrelang personlich folkloristische materialien 
gesammelt und ist in den plan eingeweiht, den sich FAhlmann 
vorgezeichnet hatte. 

Es werden ihm FAhlmann's papiere und die sammlungen 
der „Gel. Estn. Ges." zugestellt, um weitere beitrage wendet 
er sich ans publikum. Letzteres begegnet dem unternehmen 
teilnahmlos, wenn nicht feindselig. Seine bitten verhallen wohl 
nicht ganz ungehort, doch gross ist die anzahl derjenigen 
nicht, die ihm hilfe leisten: durch A. Neus erhalt er, was in 
Estland zusammengebracht worden war (bes. KnCpffer^s pa- 
piere), pastor KoLBE in VVerro macht mitteilungen aus seinem 
geburtskirchspiel Bartholomai, dr. Wold. Schultz in Dorpat 
schickt beitrage aus Koddafer, der eifrige landmesser J. Lagus 
sammelt auf seinen amtsfahrten in verschiedenen gegenden, 
bes. aber in Tarvast; durch des revisors Rosenpflanzer ver- 



1 1836, nr. 32. 

*^ Manuskr. der >Gel. Estn. Ges. v, act. 162. 



Cbersicht tiber das sammeln estnischer runen. 25 



mittelung werden lieder der pleskauschen esten aufgezeichnet; 
dr. G. Schultz-Bertram nimmt regen anteil als sammler und iiber- 
setzer; pastor Taubenheim in St. Petersburg steuert mit einigen 
bruchstUcken bei. Bei manchen beitragen findet sich in Kreutz- 
wald's papieren der name nicht erwahnt. Ob die lieder, wel- 
che dr. H. Jannau eingeschickt hat, von K. noch fiir den „Ka- 
levipoeg" verwertet werden konnten, ist unsicher. Das meiste 
material hat K. personlich zusammengebracht. 

Die anz€dil der lieder und varianten, welche bei der zu- 
sammensetzung des „Kalevipoeg" vorlagen, schatzt K. Krohn » 
auf etvva 2,000. 

Mit feuereifer hat sich K. ans werk gemacht, schon den 
9. dezember 1853 kann er anzeigen, „er schliesse mit seiner 
sammlung von fragmenten des urestnischen Kalevipoegepos". 

Noch mit verschiedenen schwierigkeiten hat das werk zu 
kampfen; es wird umgearbeitet und vervollstandigt, mit einer 
ubersetzung versehen u. s. w. Auch findet der entdeckungs- 
geist der allzuriihrigen zensur in ihm anstoss erregende stellen ; 

— endlich den 9. dezember 1856 wird der „Gel. Estn. Ges.** der 
erste druckbogen vorgelegt, und 1861 ist das werk — etwa 
19,000 zeilen in 20 liedern — zum abschluss gebracht. 

Es ist (iber den wert oder unwert des „Kalevipoeg** zu 
seiner zeit viel gestritten worden. Man hat das epos in den 
himmel erhoben, und — man hat ihm alien wert abgesprochen. 
Manches urteil basiert ja gewiss auf grosserer oder geringerer 
sachkenntnis, doch leiden sie alle an dem mangel, dass sie zu 
allgemein sind. Ein endgliltiges urteil kann erst abgegeben 
werden, wenn der „Kalevipoeg" in ahnlicher weise, wie es dr. 
A. R. NiEMi mit dem Kalevalaepos thut 2, von zeile zu zeile auf 
sein quellenmaterial hin durchforscht worden ist. Diese durch- 
forschung hat man fiir unmoglich gehalten, vveil K. alles von 
ihm benutzte material verbrannt habe. Der verlust ist unange- 
nehm, doch — wie ich an anderer stelle ^ naher angegeben 

— nicht so gross, wie man annimmt. Auch gegenwartig lasst 



* Histoire du tradit. en Esthonie 3. 

^ Kalevalan kokoonpano I. Helsingfors 1898. 

* Die Wiederholungslieder der estnischen Volkspoesie. Hel- 
singfors 1901, p. 70. 



26 OSKAR K ALL AS. 



sich noch ermitteln, vvelche lieder K. bei der zusammenstellung 
des ^Kalevipoeg" zu gebote standen. Ein gut teil dieser lieder 
ist erhalten, die verlorenen werden durch zahlreiche varianten 
erganzt. Wir konnen behaupten, dass jedes wirkliche volks- 
lied, welches im „Kalevipoeg" verwertung gefunden hat, sich 
noch jetzt mit pendants belegen lasst. 

Bei einer untersuchung wird sich wohi als sicher heraus- 
stellen, was in grossen ziigen schon friiher bekannt ist: dass 
wir in Kalevipoeg vielmehr einen helden der prosa haben, als 
einen der poesie, — der grosste teil des epos ist ja, wie 
Kreutzwald selbst nicht verschweigt, versifizierte sage; dass 
die verwerteten sagen sich nicht alle auf den titelhelden bezie- 
hen; dass ferner die eingeflochtenen lieder nur in seltenen fal- 
len einen benamten helden kennen, in noch seiteneren einen 
helden, namens Kalevipoeg; und endlich, dass sie auch an 
denjenigen stellen veranderungen -- wenigstens sprachlicher 
art — erlitten haben, wo Kreutzwald „genuines volkslied un- 
verandert und unverfalscht geliefert** haben will K 

Kreutzwald's bedeutung als estnischer schriftsteller, seine 
zahlreichen artikel iiber die sagen, sitten und gebrauche der 
esten, seine marchensammlung u. a. mtissen wir hier iiber- 
gehen. Erwahnt seien nur noch seine in gemeinschaft mit A. 
H. Neus herausgegebenen „Mythischen und magischen Lieder der 
Ehsten". Das buch wurde 1854 auf kosten der „Kaiserlichen 
Akademie der Wissenschaften", die fiir estnische forschungen 
interesse gewonnen hatte, gedruckt. Die redaktion der ge- 
nannten sammlung, die anmerkungen, wie auch die ubersetzung 
ist besorgt worden von A. H. Neus, einem manne, welchem 
die estnische folklore viel schuldet. 

A. n. Neus und seine mitarbeiter. 

Vom jahre 1821 ab ist Neus inspektor der kreisschule in 
Hapsal; hier sammelt er selbst lieder, regt andere, seine kollc- 
gen, seine schtiler an. 

^ Welches material K. zur benutzung vorlag, und in welcher 
art er dasselbe verwendet hat, dartiber wird eine Helsingforser dis- 
sertation, an welcher mag. phil. U. Karttunen arbeitet, aufklSrunji 
zu <rel>en versuchen. 



Cbersicht tiber das sammeln estnischer runen. 27 

Dass er sich an seine schiiler wandte, will jiingeren ge- 
schlechtem schier unglaublich scheinen, da diese es haben erle- 
ben miissen, wie bes. in den schulen jede erwahnung dessen, 
was das estnische volk anging, geradezu angstlich vermieden, 
wenn nicht verspottet wurde. 

Unter Neus* sammlungen finden wir beitrage von seinen 
schiilem E. Lungardt, E. Claassen, G. Paulsen, K. Johansen 
u. a., besonders auch von J. W. Friedberg, der noch spater 
als student das sammelwerk fortsetzte ^ 

Andere beitrage erhalt Neus von seinen naheren und wei- 
teren koUegen in stadt und land; so lesen wir in seinen papie- 
ren den namen J. Petersohn's, „lehrer der estenschule in Hap- 
sar, J. Jahnson's, „schulmeister in Karrusen" u. a. 

Bald verwertet Neus das gesammelte material: in den 
,Dorpater Jahrbiichem", im „Inland" erscheinen von ihm zahl- 
reiche liederproben — vieles stammt hier auch aus KnChpffer's 
papieren — und abhandlungen. Besonders seit 1841, wo Neus 
wegen eines augenleidens sein amt aufgiebt und nach Reval 
tibersiedelt, — er starb hier 1876 — - hat er musse sich seiner 
lieblingsbeschaftigung hinzugeben. 

Er schreibt ab, sammelt, sichtet und legt die friichte sei- 
ner arbeit in den von der „Estlandischen Litterarischen Gesell- 
schaft" herausgegebenen „Ehstnischen Volksliedern" '-^ nieder. 
Das werk, die erste wissenschaftliche ausgabe estnischer lieder, 
machte seiner zeit epoche und kann auch gegenwartig — trotz 
der ihm anhaftenden mangel — vom forscher keinesweges 
iibergangen werden. Seine „Ehstn. Volkslieder" und die einige 
jahre spater gemeinschaftlich mit Kreutzwald redigierten „Myth. 
und mag. Lieder" bleiben neu, moge auch sonst vieles veral- 
tet sein, was Neus geschrieben hat. 

Cber die sammlungen, welche Neus zur benutzung vor- 
lagen, — KnCpffer und Kreutzwald bilden den grundstock — 
giebt er in seinen „Ehstn. Volksl." selbst genaue auskunft. Ich 

^ Es scheint unter den hapsalschen schQlern die gute tradi- 
tion fortgelebt zu haben : K. F. Russwurm, der bekannte verfasser 
von »Eibofolke», welcher zu seinen studien auch estnische lieder 
sammelt und sammeln lasst, wendet sich, ebenso wie Neus, an 
sHapsaler sch tiler ». 

- XX -(-477 seiten, Reval 1850 — 1852. 



28 OSKAR KaLLAS. 



will das dort mitgeteilte hier nicht wiederholen und bemerke 
nur, dass Neus kaum etwas entgangen ist, was von estnischep 
liedern gedruckt oder im manuskript vorhanden war. 



Kopien in den alteren sammlungen. 

Ich nehme hier gelegenheit eine nebenbemerkung iiber 
eine eigentiimlichkeit einzuflechten, die wir bei den sammlem 
in der ersten halfte des vorigen jahrhunderts, so auch bei Neus 
beobachten: sie sind eifrig im kopieren. Unter Neus' samm- 
lungen treffen wir sehr verschiedene abschriften, KnCpffer 
kopiert selbst und wird kopiert; Schlegel benutzt friihere 
sammlungen und wird wiederum von jiingeren ausgeschrieben; 
die dorpatenser und revalenser tauschen aus, was sie besitzen. 
Manche lieder machen eine ganze wanderung durch. So fin- 
den wir ein und dasselbe lied 1. in der manuskriptsammlung 
der „Gel. Estn. Ges." E. H. 62, VIII, nr. 14 (von KnCpffer auf- 
genommen); 2. ibidem 66, nr. 18; 3. in Kreutzwald's sammlun- 
gen unter A, nr. 91 ; 4. bei Hurt II, 33, 92, nr. 62 aus den papie- 
ren des schulmeisters J. Jahnson; 5. in deutscher libersetzung 
bei Schlegel: „Reisen" X, anhang, 148, nr. 5; 6. in Rosex- 
plAnter's „Beitragen" XVIII 104; 7. in Neus: „Ehstn. X'olksl.^ 
367, nr. 100 D. Zu guter letzt schickt es 8. A. Suurkask i. j. 
1896 an Hurt (I 7, 410, nr. 8) und will es aus dem munde sei- 
ner mutter niedergeschrieben haben; 9. ist es noch bei Hurt 
II, 55, 807, nr. 12 vorhanden. Nehmen wir dazu, dass die 
KNCPFFER*schen lieder sich in original und abschrift in der 
manuskriptsammlung der „Estl. Litter. Ges." (Estl. Bibl. F. 
232 a und F. 232 b— d) befinden, so sind das nicht weniger 
als 1 1 abschriften, von denen 9 auf die erste halfte des jahr- 
hunderts entfallen. Solcher beispiele liessen sich noch meh- 
rere anfuhren K 



Doch kehren wir zuriick zu unserem thema! Neus hatte 
uns aus Livland nach Estland gefiihrt; was hier nach KnCpffer 

^ Cher die obenangegebenen manuskripta cf. meine s\Vie- 
derholungslieder* 66 fF. 



Cbersicht Uber das sammeln estnischer ninen. 29 

geleistet worden ist, konzentriert sich um Neus' namen; mit 
dem erscheinen der „Ehstn. Volkslieder" hort in Estland die 
sammelthatigkeit auf, bis sie dann nach jahrzehnten in ganz 
anderen kreisen vvieder gevveckt wird. Die 

yJBstl&ndische Iiitterarische Q^sellschaff S 

welche die „Ehstn. Volksl." in druck gegeben hatte, glaubte 
damit — und mit einer kleinen, i. j. 1863 zu ehren der „Gei. 
Estn. Ges." erschienenen broschure ^ — den speziell estnischen 
forschungen wohl gentigt zu haben. Es wird allerdings 1868 
eine sektion „fur estnische sprache und litteratur" gebildet, 
doch die thatigkeit derselben hat sich leider auf die zusam- 
menstellung sehr viel versprechender statuten und die ver- 
offentlichung des ersten heftes einer geplanten serie — „altes 
und neues zur unterhaltung des estenvolkes" — beschrankt. 



Thatigkeit der „GeL Estn. Q^s/* iind der deutsohen kreise 

nach erscheinen des 9,Ealeyipoeg^. 

Kehren wir nach Livland, nach Dorpat zuriick : auch hier 
ist das bild nicht mehr das frtihere. Die herausgabe des „Ka- 
levipoeg", eine grossthat, welche der „Gel. Estn. Ges." in der 
geschichte der estnischen folklore ftir immer einen ehrenplatz 
sichert, hatte die vorhandenen krafte konzentriert, scheint sie 
aber zugleich auf lange zeit hinaus erschopft zu haben. Kreutz- 
wald's schwiegersohn lehrer G. Blumberg beklagt sich 1869 
in der vorrede zu seinen „Quellen und Realien des Kalewi- 
poeg" ', dass „in den verflossenen zwolf jahren in der erfor- 
schung noch unbekannt gebliebener bruchstticke der sage kein 
schritt vorwarts gemacht worden" sei und hofft durch seine 
beitrage das interesse von neuem anzuregen. 

In der sitzung vom 4. februar 1870 spricht J. Hurt die 
bitte aus, lieder zu sammeln, „schon aus sprachlichem inter- 



^ Ehstnische Volkslieder; der Gel. Estn. Ges. bei der Kai- 
serl. Univers. Dorpat zur Feier ihres 25 jahr. Bestehens darge- 
bracht. 24 p. in 4:0. 

2 Verb, der Gel. Estn. Ges. V, heft 4. 



30 OsKAR Kallas. 



esse", 1892 fordert L. von Schrceder dringend ^zur wieder- 
aufnahme von samnrHungen in bezug auf die estnische m\1:ho- 
logie" auf. Ihre bitten verhallen, soweit sie die kreise der 
„Gel. Estn. Ges." im auge haben, unerhort, neues material 
lauft ausserst sparlich ein. 

In den sitzungen vverden besprechungen estnlscher folk- 
lore immer seltener; es sind fast nur J. Hurt und spater M. 
Veske, welche neben ihrer hauptarbeit im neugegriindeten 
^Eesti Kirjameeste Selts" ^ auch in der „Gel. Estn. Ges.** dies- 
bezUgliche mitteilungen machen. Im anfange des letzten jahr- 
zehnts interessiert sich stud, theol. G. Beermann fur die Kalevi- 
poegforschung. 

Einschlagige abhandlungen und vervvertungen des mate- 
rials erscheinen immer sparlicher: „Das Inland" geht i. j. 1863 
ein; hier und anderweitig hatten u. a. dr. Schultz-Bertraji 
und Jegor von Sivers — beide haben auch lieder gesammelt 
- den versuch gemacht estnische iiberlieferungen fiir die deut- 
sche litteratur zu verwerten. Aus den „Verhandlungen" und 
„Sitzungsberichten" der „Gel. Estn. Ges." lassen sich neben J. 
HuRT^s und M. Veske^s arbeiten noch hervorheben die ^Osi- 
liana" '^ J. B. Holzmayer's, des fleissigen forschers, der sich 
besonders um die belebung folkloristischer und archaologischer 
forschungen in Osel verdient gemacht hat, und die unter- 
suchungen L. von Schrceder's iiber die „Entstehungsgeschichte 
des Kalewipoeg" ^ und „Die Hochzeitsgebrauche der Esten** *. 
Leider musste Schrceder, der liberale forderer estnischer wis- 
senschaft — ich denke u. a. an die griindung des ethnographi- 
schen museums und an die durch seine bemiihungen von der 
livlandischen ritterschaft bewilligte unterstiitzung zur heraus- 
gabe estnischer volkslieder — durch die zeitverhaltnisse gezwun- 
gen seine vaterstadt verlassen ; der verlust wird desto schvverer 
empfunden, als der same, den er ausgestreut, verdorren zu 
woUen scheint. 

In letzter zeit hat der langjahrige prases der „Gel. Estn. 



1 Verein estnischer litteraten. 

'^ i>Verhandlungen», band VII, Dorpat 1873. 

3 »Verhandlungen», band XVI, heft i, Dorpat 1891. 

♦ »Verhandlungen», band XIII. Dorpat 1888. 



Cbersicht tiber das sammeln estnischer runen. 31 

Ges.", professor Leo Meyer, den dank der freunde estnischer 
liederforschung durch die von ihm (und stud. Lui Olesk) 
besorgte ausgabe alterer lieder — aus Herder's „Stimmen der 
Volker", aus dem „Teutschen Mercur" u. a. — verdient. 

Ich nenne in diesem zusammenhange noch den akademi- 
ker dr. F. J. Wiedemann (1805 — 1887). Seine bedeutung fur 
die estnische wissenschaft liegt vveniger auf dem gebiete der 
folklore, als dem der sprache, der grammatik. Doch „wo ein 
i^TOsses haus gebaut wird, da fallen viele spane". Wiedemann 
bringt umfangreiche sprachliche materialien zusammen, da liess 
Mch manches auch ftir unsere wissenschaft verwerten. Diese 
,spane" hat er gesammelt, und sie fiillen fast ein halbes tau- 
^end seiten; sein buch „Aus dem inneren und ausseren Leben 
der Ehsten" ^ bringt neben vielem anderen auch lieder. 



Die sammelthatigkeit geht in estnische kreiBe fiber. 
Beweggriinde. Charakteristik. 

Mit dem erscheinen des ^Kalevipoeg" hatte eine periode 
in der geschichte estnischer folkloristischer bestrebungen den 
anfang zu ihrem ende genommen. Was vvir nachher envahnt 
haben, sind eigentlich nur auslaufer dieser absterbenden periode. 

Wir beobachten hier dieselbe erscheinung, wie in der 
i^eschichte der estnischen litteratur: der grund wird gelegt durch 
die deutschen, resp. die germanisierten mitglieder anderer natio- 
nalitaten, besonders die evang.-lutherischen pastoren; fortgefuhrt 
wird die arbeit bis etwa in die siebziger jahre innerhalb der 
deutschsprechenden gesellschaft, doch ruht sie schon zum grossen 
teil auf estnischen schultern. Je mehr nun das bildungs- 
niveau der esten sich hebt, und je mehr krafte sich aus diesen 
kreisen zur beteiligung melden, desto mehr zieht sich der deut- 
sche zuriick. 

Und blicken wir uns gegenwartig um, so sehen wir leider 
auf dem gebiete der litteratur nur seiten unmittelbar thatige repra- 
sentanten deutscher zunge, auf dem der folklore kaum einen. Ich 
sage „leider", denn der arbeit giebt es viel. Und bilden etwa natio- 



' St. Petersburg 1876. 



32 OSKAR KaLLAS. 



nale gegensatze den grund fiir diese betriibende erscheinung, so 
moge man bedenken, dass diese gegensatze, teilweise wenig- 
stens, durch die erwahnte nichtbeteiligung der deutschen neue 
nahrung finden. Wissenschaftliche bestrebungen soUten inter- 
national sein; und so lange die deutsche und germanisierte ge- 
bildete und besitzende gesellschaft kein deutschsprechendes volk 
hinter sich hat, ware sie verpflichtet einen teil ihrer arbeitskraft 
diesem volke zu widmen, vvelchem sie zum grossen teile ent- 
stammt, durch welches resp. unter welchem sie lebt. 

Die neueste periode des sammelns estnischer runen steht 
sovvohl auf nationaler, als wissenschaftlicher grundlage. Man 
arbeitet mit eifer und hingebung, teils, weil man den wert 
erkennt, welchen diese arbeit fur die wissenschaft hat, teils, 
weil man dadurch seinem volke — dem prestige desselben, 
der historischen erforschung, der bereicherung der litteratur — 
einen dienst zu erweisen hofft. 

Bezeichnend ist, dass in estnischen zeitungen, in lese- 
und unterhaltungsbuchern liederproben erscheinen: es war 
gleichsam entdeckt worden, dass der este selbst auch ein gei- 
stiges eigentum besitzt, und dieses will man ihm vorfuhren. 

In der neuen periode sind also die arbeitskreise andere, 
und die beweggriinde teilweise neu. Ausserdem fallt uns noch 
ein unterschied in die augen: in der friiheren periode wurde 
im verhaltnis zu dem wenigen material, welches zusammen- 
gebracht worden war, viel uber dasselbe geschrieben; jetzt 
fliessen die quellen ungleich ergiebiger, doch je umfangreicher 
die sammlungen werden, desto weniger verwertet man sie. 
Diese erscheinung mag ihren grund teilweise darin haben, dass 
die gebildetere' deutschsprachige gesellschaft sich zuruckgezogen 
hatte, wahrend die estnische noch nicht die notige anzahl arbeits- 
krafte stellen konnte; der tieferliegende grund aber ist ein anderer. 

Die folklore hatte sich allmahlich zur wissenschaft aus- 
gebildet — die estnisch-finnische liederkunde durch den ver- 
storbenen Helsingforser professor Julius Krohn — und ver- 
langte von ihren jungern jetzt bedeutend mehr, als friiher, wo 
sie ein versuchsfeld fur einen jeden gebildeten abgeben konnte. 
Man erkannte ferner, dass eine wissenschaftliche forschung nur 
auf grund sorgfaltig gesammelter materialien moglich ist, und 
— wartete. 



Cbersicht tiber das sammeln estnischer ninen. 33 

Die ersten wissenschaftlichen abhandlungen auch liber 
die estnische folklore erscheinen bezeichnender weise in Fin- 
land, well hier neben den notigen mannern auch die notigen 
mittel wuchsen. In den Ostseeprovinzen ware es wohl in 
erster linie die aufgabe der landesuniversitat das geistige eigen- 
tum des volkes, in dessen mitte sie errichtet ist, zu erforschen ; 
doch die kreise, welche hier bestimmten, haben sich mit 
grosser energie gegen eine derartige anmassende zumutung zu 
wehren gewusst. („Unsere universitat soil nicht zum tummel- 
platz der politik werden.") In jungster zeit sei von seiten der 
universitat die grundung einer estnischen professur (ausserord.) 
in anregung gebracht worden; ob und wann die sache sich 
verwirklichen wird, dariiber lasst sich fiirs erste wenig erfahren. 

Von nutzen fiir unsere wissenschaft konnte es auch wer- 
den, wenn die „Kaiserliche Akademie der Wissenschaften" die 
nach dem tode Wiedemann's vakant gebliebene stelle eines aka- 
demikers fiir finnische sprachen wieder besetzen woUte. 

Die thatigkeit der neuen periode lasst sich an dieser stelle 
nur in sehr allgemeinen ziigen charakterisieren, von den arbei- 
tem konnen nur einige der leitenden genannt vverden, denn 
ihre anzahl ist, wenn auch nicht legion, so doch um tausend 
herum. 

Jakob Hurt. 

Der begriinder und die seele des ganzen ist dr. J. Hurt^ 
Letzterer wachst in einer umgebung auf, in welcher die volks- 
iiberlieferungen, so auch der runengesang, noch leben. Schon 
auf dem gymnasium interessiert er sich fiir die heimatliche volks- 
poesie; das interesse erhalt neue nahrung durch Neus' „Ehstn. 
Volksl." und besonders durch das erscheinen des „Kalevipoeg**. 
Die erfolge der finnen bestarken den stud, theol. Hurt im ent- 
schlusse auch seinerseits mitzuwirken, die volksuberlieferungen 

* Geb. 1839 zu P5lve im kreise Werro als sohn eines volks- 
schuUehrers; seit 1865 cand. theol. der Dorpater universitat; lehrer 
der alten sprachen in Arensburg und Dorpat; 1872 — 1881 pastor 
in Odenpah; 1881 — 1901 pastor an der estnischen g^emeinde in St. 
Petersburg; jetzt pastor emer. ; erwarb sich 1884 an der Helsing- 
forser universitat den grad eines dr. philos. 



34 OsKAH Kallas. 



der vergessenheit zu entreissen. Er macht seit 1860 selbst auf- 
zeichnungen, veranlasst dazu seine nachsten vervvandten und 
freunde. 

Einen grosseren aufschwung nahm das sammeln durch 
die griindung des estnischen litteratenvereins 



MEesti Kiijameeste Selts**, 

dessen prases Hurt durch zehn jahre hindurch (1871 — 1881) 
war. Schon auf der zweiten sitzung versucht er das interesse 
fiir die estnische folklore zu erwecken, variiert dasselbe thema 
auf fast alien versammlungen der nachsten zehn jahre, eriasst 
auflforderungen, giebt anleitungen, erklart den plan des aufzu- 
fiihrenden baues, der „Monumenta Estoniae Antiquae", in privat- 
briefen, zeitungen, kalendem und broschuren ^ 

Der erfolg bleibt nicht aus. Zahlreiche mitglieder und 
freunde des vereins horen auf den ruf, beitrage fliessen ein, 
stipendiaten — ich nenne die studenten Joosep Hurt und Jaan 
Bergmann — werden, soweit es die knappen mittel des vereins 
erlauben, ausgeschickt. 

Im januar 1875 ist die anzahl der gesammelten lieder auf 
1500 gestiegen. In demselben jahre eroflfnet Hurt mit der 
ersten lieferung seines „Vana Kannel" (Alte Harfe)^ ein werk, 
welches „eine vollstandige sammlung alter estnischer volkslieder 
werden soil". Die spater erschienene „vorrede" giebt (iber die 
wissenschaftlichen grundsatze der edition auskunft. 

Von besonderer wichtigkeit fur die forschung ist die 
durchfiihrung zweier prinzipien: die fundorte der einzelnen lie- 
der werden angegeben; die lieder werden genau so abgedruckt, 
wie sie gesungen oder recitiert worden. 

Die arbeit des vereins ist im schonsten gange; einzelne 
mitglieder haben sich durch besonderen eifer ausgezeichnet; 
durch die bemiihungen zweier volkslehrer, J. Peet und J. M. 



* Cf. »Eesti Postimees» 1871 nr. 27; »Tarto Kalen der », Dor- 
pat 1872; »Aufnif und Bitte an alle Freunde des estnischen Vol- 
kes>, Dorpat 1878. 

2 Dorpat 1875 — 1886; an 500 lieder. 



Cbersicht ttber das sammeln estnischer runen. 35 



SoMMEK sind fast 1,000 lieder zusammengekommen; stud. R. 
Kallas hat an 600 vermittelt, H. Krickhann und stud. J. Berg- 
MANN haben jeder um 300 niedergeschrieben K Schon hat man 
den plan gefasst alle kirchspiele des estnischen sprachgebietes 
zu durchforschen, da „fiel ein reif in der fruhlingsnacht", 
zwistigkeiten brechen aus, welche die thatigkeit lahm legen. 
Viele mitglieder scheiden aus, — ein iibereilter und folgenschvve- 
rer schritt! 

Hurt, der nach St. Petersburg berufen worden ist, legt am 
28. august 1881 das prasidium nieder. Die unter seiner leitung 
und anleitung aufgezeichneten lieder — es sind ihrer bei 3,000 ^ 
— werden vom verein ihm zur verofifentlichung iibergeben. 

Wir unterbrechen die schilderung der thatigkeit Hurt's, 
um einen blick auf den ferneren verlauf der folkloristischen 
arbeit innerhalb des „E. K. S." und einige der dort verbliebe- 
nen arbeiter zu werfen. 

Wenn der nachfolger Hurt's im prasidium des „E. K. S.", 
redakteur C. R. Jakobson, mit zuversicht die hofifnung aus- 
sprach, jetzt erst werde der verein aufbliihen, so war das ent- 
vveder eine hohle phrase oder kurzsichtigkeit. Mit den geschie- 
denen mitgliedem schwindet aus dem verein auch die richtige 
arbeitsfreudigkeit; die thatigkeit hort allerdings nicht auf einmal 
auf, doch sie stirbt allmahlich ab, bis denn der mit so schonen 
hoffnungen gegriindete verein 1893 endgiltig zu grabe getra- 
gen wird. 

Parallel mit den iibrigen bestrebungen erschlaffen die folk- 
loristischen. Wiederholentlich wird zum liedersammeln aufge- 
fordert ^, dr. M. Veske und spater J. Jogever geben anleitungen 
und arbeiten selbst mit vielem fleisse, es fliessen auch grossere 
und kleinere beitrage ein, — doch „verflogen ist der spiritus", 
die richtige begeisterung fehlt, und alles, was der verein in den 
letzten zw51f jahren seiner thatigkeit und unthatigkeit hatte 
erhalten konnen, liess sich in drei banden — in der Hurt'- 
schen sammlung mit „Jogever" bezeichnet — unterbringen. 



1 K. Krohn, Histoire du trad, en Esth. 5. 

2 Eesti Kirjameeste Seltsi aastaraamat IX 95. 

3 Eesti Kirj. S. aastaraamat 1881, sitzung 28; 1883, sit- 
zung 32; 1886, sitzung 52, 54, 55, 56, 58. 



36 OsKAR Kallas. 



Mit anerkennung hebe ich in diesem zusammenhange den 
namen eines mannes hervor, eines der wenigen, die in „E. K. 
S." auch nach dem grossen zerwiirfnis (1881) noch ernsthaft 
arbeiteten, ich meine 



el Veske ^ 

Er ist der erste, der es gewagt hat die estnische sprach- 
wissenschaft zu seinem lebensberufe zu erwahlen; auf rosen 
hat diese wissenschaft ihn nicht gebettet, wohl ihn aber mit 
mangel und kalte bekannt gemacht; doch Veske bleibt ihr treu. 

Der folklore hat er sich friih zugewandt. Schon 1866 
macht er aufzeichnungen. Frisch aus der quelle will er schdp- 
fen, mit seinem scharfen philologischen ohre alle finessen auf- 
nehmen. Zahlreiche sommerreisen macht er durch die ver- 
schiedenen gegenden des estenlandes, wandert bald im Fellin- 
schen, bald im Pernauschen, forscht unter den setukesen, 
lauscht auf die sprachlichen eigentiimlichkeiten der wierlandi- 
schen strandbauem. Reiche beute bringt er von seinen ausflu- 
gen heim, denn das estnische lied ist noch nicht ausgestorben: 
eine einzige sangerin, die beriihmt gewordene Epp Vasar, teilt 
ihm 700 lieder mit. 

Das erhaltene material weiss Veske zu verwerten. In der 
^Gel. Estn. Ges.", wo die folkloristischen interessen im erlo- 
schen sind, versucht er sie verschiedentlich durch instruktive 
berichte und untersuchungen von neuem zu beleben ; zahlreiche 
vortrage im „E. K. S.", im aufgehenden sowohl, als im abster- 
benden, geben aufklarung uber das wesen des estnischen lie- 
des, verwenden dasselbe als mythologischen, resp. philologischen 
beleg und erteilen anleitung zum sammeln. 

Einen teil der erhaltenen lieder veroffentlicht Veske in sei- 
nen „Eesti rahvalaulud** ^^ das ubrige material gait als verlo- 



^ Geb. 1843; Leipziger dr. philos. 1873; 1874 — 85 lektor 
dtr estnischen sprache an der universitSt Dorpat; setzt dann seine 
studien zwei jahre lang in Ungarn fort, wird »lehrer> der finnischen 
sprachen an der universitat Kasan, f 1890. 

'^ 1, II, Dorpat 1879, f' 



tFbersicht tiber das sammeln estnischer runen. 37 



ren, ist aber, wenn auch nicht in seinem ganzen umfange, 
gerettet^ 

Verschiedene wertvolle folkloristische beitrage erschienen 
in dem von Veske i. j. 1884 gegrundeten „Oma Maa", einem 
blatte, welches neben belletristischen zwecken auch wissen- 
schaftliche verfolgte. Als Veske die redaktion niederlegen 
musste, konnte das blatt sich leider nicht mehr auf dem frii- 
heren niveau halten und ging schliesslich ein. 

Die berufung nach Kasan entfiihrte den thatigen mann 
weit hinweg von seiner heimat, ohne die liebe zu derselben, 
die sich bei ihm auch in thaten umwandelte, in ihm erkalten 
zu lassen. Der allzufiiih eingetretene tod setzt allem ein ende. 



J. Hurt's thfttigkeit von St. Petersburg aus. 

Wir kehren zu Hurt zuruck. Die amtsthatigkeit im neuen 
wirkungskreise, in St. Petersburg, ist eine erdruckende, — eine 
gemeinde von bald 15,000 menschen will seelsorgerisch bedient 
sein und wird bedient, nichtsdestoweniger weiss Hurt fur seine 
folkloristischen interessen die notige zeit zu finden: der druck 
des „Vana Kannel" wird fortgesetzt, einzelne dorpater studen- 
ten estnischer nationalitat — fast alle sind mitglieder des „Eesti 
L'lioplaste Selts", *des vereins studierender esten', machen auf 
Hurt's veranlassung „liederreisen" und bringen reiche beute 
heim; Hurt selbst, unterstutzt von der „Kaiserlichen Akademie 
der Wissenschaften" benutzt seinen amtlichen urlaub, um unter 
den in folkloristischer beziehung hochst interessanten setukesen 
zu arbeiten. 

Es kommt das jahr 1888, ein denkwiirdiges in der ge- 
schichte der estnischen folklore. Zu anfang desselben ver- 
offentlicht Hurt in estnischen zeitungen einen aufruf und for- 
dert zum sammeln alter volksiiberlieferungen auf, erlautert den 
wert derselben, giebt instruktionen. Die aufnahme ist besser, 
als sich ahnen Hess: zusendungen laufen nicht nur aus den 



* Das genauere ersehe man aus meinen »Wiederholungslie- 
dern>, 71. 



40 OSKAR KaLLAS. 



Einige sammler haben ihre materialien sowohl an Hurt^ 
als an Eisen geschickt, doch sind diese durchaus zu den aus- 
nahmen zu zahlen. 

Eisen hat eine ganze serie von sagen, witzen, ratseln, 
ratselliedern u. s. w. verofifentlicht ; die betr. biicher sind weni- 
ger fur den wissenschaftsmann bestimmt, als fur den mann aus 
dem volke, doch geht ihnen der wissenschaftliche wert deshalb 
nicht ab: der text ist inhaltlich unverandert geblieben (oder nur 
wenig verandert), die fiir die forschung so wichtigen angaben 
des fundortes sind bes. den letzten editionen gewissenhaft bei- 
gefugt worden. 

Wenn den biichern mangel anhaften, — etwa die sprach- 
lichen veranderungen, die sich in einer popularen ausgabe aber 
kaum umgehen liessen; weiter der umstand, dass die editionen 
nicht eine zusammenhangende serie bilden und deshalb schwer 
zu ermitteln, leicht zu verlieren sind u. a. geringere — so wer- 
den diese, abgesehen vom werte des gedruckten als popularer 
lekture, reichlich dadurch aufgehoben, dass Eisen es uberhaupt 
gewagt hat ohne irgendwelche unterstiitzung das materiell 
gewiss wenig lohnende unternehmen zu riskieren und estnische 
volksiiberiieferungen in den druck zu fordem und somit der 
forschung zu iibergeben. 

F5rderuiig des sammelns durch Finland. 

Wahrend unserer darstellung hatten wir gelegenheit zu 
sehen, dass die estnischen folkloristischen bestrebungen von 
Finland aus neue anregung bekamen; die dortigen erfolge 
ermunterten hier zum nachstreben. Die finnen haben es aber 
beim blossen idealen einwirken nicht bewenden lassen, sondem 
auch thatigen anteil genommen : wiederholentlich die estnischen 
sammler materiell untersttitzt, tausende von kopien estnischer 
lieder angefertigt, die eventuellen druckkosten eines teiles der- 
selben ubernommen. Einzelne finnische forscher haben person- 
lich unter den esten lieder gesammelt, so O. A. F. LOnnbohm 
(MusTONEN), der 1877 die estnischen inseln bereiste, — die 
resultate seiner arbeit erschienen 1893 in „Vihukene Eesti rahva- 
laulusid" — und A. R. Niemi, der 1898 auf Osel uber 500 lie- 
der aufzeichnete. 



Zur geschichte des urlapp. a und u in unbetonter silbe. 41 



Sohlosswort. 

Ich komme zum schlusse. Es liessen sich vielleicht noch 
manche, nicht uninteressante bemerkungen einflechten liber die 
erfahrungen, die die sammler bei ihrer arbeit gemacht u. s. w., 
doch dazu ist hier nicht der ort. Neues bote — dem kultur- 
historiker noch mehr, als dem folkloristen — z. b. eine schil- 
demng dessen, wie die liedersammler von den sangern und 
sangerinnen insbesondere und vom volke im allgemeinen auf- 
genommen wurden, welche schwierigkeiten sie zu uberwinden 
hatten, mit welchen anschauungen zu kampfen. Einiges kann 
der deutsche forscher nachlesen bei 

M. Veske: Ergebnisse einer Reise durch das Estenland. 
(Verh. der Gel. Estn. Ges. VIII), 

O. Kallas: 80 Marchen der Ljutziner Esten. (Verh. der 
Gel. Estn. Ges. von 1900), 

V. Reiman & F. LOwe: Kalewipoeg. Reval 1900. Hier ist 
p. VI, VII noch weitere einschlagige litteratur angegeben. 

St. Petersburg. 

OsKAR Kallas. 



Zur gesohiohte des tirlappisohen a und u 

in unbetonter silbe. 



II. 

In der vorigen abteilung haben wir gesehen, dass in den 
drei- und viersilbigen wortern, wo wir (iberhaupt die verhalt- 
nisse untersuchen konnten, (iberall die regel gait, dass vor 
einem aus palatalem vokal entwickelten a das a der zweiten 
silbe unverandert blieb, wahrend es vor einem fruheren a (und 
e, a) in e (ibergegangen war; dieses aus a entstandene d fin- 
det man auch, wenn kein vokal folgt; vor u sind die verhalt- 
nisse unklar. 



42 K. B. WlKLUND. 



Das u der zweiten silbe ist, wie wir jetzt sehen werden, 
einem ahnlichen wechsel unterworfen. In fast denselben fallen, 
wo man ein e < a findet, bleibt u unverandert, vor einem aus 
palatalem vokal entstandenen a geht es in w (iber. In den v^on 
mir untersuchten schwedischlappischen dialekten tritt u (oder 
der aus demselben hervorgegangene vokal) immer lang auf, 
woraus ich schliesse, dass es auch in urlappischer zeit lang 
gewesen ist. Die iibrigen dialekte sind zwar in dieser hinsicht 
noch nicht geniigend bekannt, und die lange quantitat des 
urlappischen vokals ist also vorlaufig etwas problematisch; 
aus praktischen griinden spreche ich jedoch schon jetzt 
von einem langen urlappischen it, vgl. meine darstellung 
FUF I 82. 

Bei den dreisilbigen wortern finden wir nur wenige grup- 
pen mit beibehaltenem u, in welchen wir die ursprungliche 
form des suffixes mit einiger sicherheit ermitteln konnen: 

34) Vgl. oben mom. 7! Momentane oder diminutive verba 
auf Lule -wstit, N. F. -o8tet = fi. -uhta-, z. b. : tdsr&stitj N. F. 
doarostet von tosrr&t, doarrot 'streiten' = fi. *toruhtaa, toma; 
koDfSwstit, N. F. go6o8tet von JcooffScot, N. F. go66ot 'befehlen, 
einladen' = fi. ^kutsuhtaa, kutsua. Wie aus diesen beispielen 
hervorgeht, tritt a im Lulelappischen (wie in vielen anderen 
dialekten) als « {= u) auf. Wo das suffix Lule -stii nicht mo- 
mentane bedeutung hat, sondem denominate verba bildet, steht 
vor demselben nicht u, sondem w, z. b.: tarustit 'schwedisch 
sprechen' von tdrrdb 'die schwedische sprache'; Urnustit 'als 
magd dienen' von tar^nw 'magd'. Hier diirfte also der vokal 
der dritten silbe urspr. nicht a, sondem ein palataler vokal 
gewesen sein; finnische analogien kann ich nicht aufw^eisen 
(lainehtia, puijehtia etc. haben ihr h wohl aus dem nomen). 
Dieselbe phonetische form wie die momentanen verba auf 
'Cbstit haben weiter einige denominate verba auf Lule -wstit, 
N. F. -ostet, deren s aus dem primaren nomen stammt und 
deren verbbildendes suffix mit fi. -ta- in wortern wie suumstaa, 
evast&a etc. identisch ist (vgl. unten mom. 37); solche verba 
sind z. b. kddlwstit, N. F. goallostet 'lasttragende renntiere in 
eine reihe hinter einander binden' von Lule hosllws, gen. hoUusa 
'ein riemen am tragsattel der renntiere'; sutcbstit 'schaukeln' 
von siitoys, gen. sidusa 'das schaukeln'. 



Zur geschichte des urlapp. d und u in unbetonter silbe. 43 

35) Verba auf Lule -(atit, N. F. -odet = fi. -oa- < -oda- 
<vgl. oben mom. 8) sind selten. Ein klares beispiel ist karmtit, 
N. F. garrodet *fluchen' = fi. kirota. 

36) Vgl. oben mom. 9! Kausative translativverba auf 
Lule -wtit, N. F. -odet = fi. -onta-, z. b.: oTkwtit, N. F. olgodet 

hinausfuhren* = fi. ulontaa; pikwtit 'ofTenbaren' von adv. 
pioTcw, adj. pikBs *offenbar'. 

37) Vgl. oben mom. 10! Kausative verba ayif h\x\t -Sodtit, 
N. F. -otet = fi. -utta-, -otta-, z. b.: pis&otit, N. F. bisotet 
einen zum bleiben notigen, beibehalten' = fi. pysyttaa; MtBotit, 
N. F. gadotet Verschwinden lassen' = fi. kadottaa. Analog ist 
das denominale vascootit, N. F. vaSotet *hassen' =: fi. vihottaa. 
Fur die meisten verba auf wotitj -otet und -wtitj -odet kann 
man aber keine finnischen analoga finden. Eine bemerkens- 
vverte gruppe sind jedoch: 

38) Die kausativen verba auf Lule -(aiitj N. F. -odet, die 
aus translativen verben auf -wt, -ot gebildet sind, z. b. : ncCl^kwtif, 
N. F. neelggodet kausat. von naVkmi, neelggot 'hungern'; 
isoejkwtit, N. F. coakkodet von tsoBokwt, coakkot 'seicht wer- 
den, abdunsten'; iabb&tit von tdbboot 'feucht werden'. Der 
beibehaltene starke stamm zeigt, dass das suffix einen kurzen 
konsonanten enthalten hat. Der vokal desselben ist a gewesen, 
was aus dem a, a im fi. nostaa, polttaa, plUistaa u. dgl. und 
parantaa, ylentaa etc. « -mta-, vgl. mom. 9 oben) hervorgeht. 
In deverbalen kausativableitungen scheint dieses suffix sonst 
nicht im finnischen vorzukommen, es diirfte aber mit dem 
denominalen -da- in den „kontrakten" verben tervata, kuivata 
etc. identisch sein (vgl, SetAlA, Suomen kielioppi 121 f., Hel- 
singfors 1898), in welchem falle vvir schon oben im mom. 8 
mit ihm zu thun gehabt haben, vgl. auch mom. 34, 35. Von dem 
oben mom. 10 und 37 behandelten kausativsuffixe Lule -otit = 
fi. -tta- ist es, wie schon Qvigstad Beitrage 153 bemerkt hat, 
scharf zu trennen. Dieses geht bekanntlich auf ein -kta- zu- 
riick, das auch in vielen anderen fiugr. sprachen zum vorschein 
kommt (vgl. z. b. SetAlA AH 208, Budenz NyK XVIII 239 ff.). 

Unter den viersilbigen stammen mit beibehaltenem fi fin- 
den wir folgende hierhergehorende gruppen: 

39) Viersilbige ableitungen auf Lule -ufht'S, gen. -Gylad'dta, 
N. F. -ola6, gen. -olaja (vgl. mom. 12 und 49) sind ziemlich 



44 K. B. WlKLUND. 



selten. Deutliche beispiele sind Minwlafi *bauer aus dem 
kOstenlande Norrlands' ^= fi. kainulainen; iarrcdlafi^ N. F. daro- 
\sA *schwede* = fi. tarolaineii (LOnnrot Lisavihko). Das finni- 
sche hat also in der dritten silbe a. 

40) In zwei wortern auf Lule -(ataokaj N. F. ^-odshk (also 
nicht -tidahJc) findet man im finnischen in der dritten silbe ein 
a: lawwta(dka) *sonnabend* = fi. lauyantai; mann&ta(oka), N. F. 
^mannodahk *montag' := fi. maanantaL Auch wenn man an- 
nehmen sollte, dass diese worter direkt aus dem nordischen 
gekommen sind, haben ihre originale a in der dritten silbe 
(altnorw. -dagr etc.). Vgl. auch Lule perjeta(jka) Treitag* = 
fi. peijantai (mom. 17) sowie unten mom. 46. 

41) Die zahlreichen ableitungen auf Lule -wkis, gen. 
'&kas(l, N. F. -ogas, gen. -ogasa haben in ihrer dritten silbe 
wahrscheinlich ein altes a, da ihr suffix wohl mit dem finni- 
schen -kas, gen. -kkaan in rahakas, asukas etc. zu identifizie- 
ren ist (Qvigstad Beitrage 147, 151), obwohl man im finni- 
schen meistens keine vollig entsprechenden worter aufweisen 
kann. Beisp.: drhnwkiSj N. F. arbmogas 'gnadig'; varr&kk, 
N. F. ^varrogas (Qvigstad) Vorsichtig' = fi. varokas; vaVk&kis, 
N. F. YSBlggogas 'schuldig'. Die starken stammkonsonanten in 
den lappischen wortern neben -kk- in dem finnischen suffixe 
sind etwas befremdend. 

42) Vor dem karitiven adjektivsuffixe Lule -otjp'tnt, N. F. 
-tSBbme = fi. -ttoma- (vgl. mom. 23) steht gleichfalls u: urvia^ 
tipmff, N. F. arvotaebme 'wertlos* := fi. arvoton; mdot&otipme 
*unmoglich' von yruiottw 'das konnen'. Auch vor einem e-laute 
ist also u beibehalten worden. 

43) Bei den karitiven verben auf Lule -otuvvai und 'OhioU 
tet, N. F. -tuwat und -tuttet findet man ebenfalls ft in der 
dritten silbe: ai^Cd,itutwatj N. F. arvotuwat 'wertlos werden'; 
f(Imu)Ohiottet, N. F. famotuttet *entkraften'. Aber bei nicht 
karitiven verben z. b.: jfrusfnuvvat Vernunftig werden' von 
j(iro)S 'verniinftig'; varrusinuvvat oi^tv -stuwat ntb^nvarrastuv' 
vat 'gesund werden' von varns, gen. varrasa 'gesund'. Die- 
ses w, u ist in derselben weise zu beurteilen wie das oben im 
mom. 24 besprochene e, a. 

44) Auch in den passiven verben findet man dieses 
u: Lule kotroyotuwutj pass, von kderrujf 'nahen'. Vgl. oben 



Zur geschichte des urlapp. d und u in unbetonter silbe. 45 

mom. 25! In N. F. findet man hier andere formationen : 
gormjuwut. 

45) Hierher gehoren auch die adverbia auf Lule -fiiin, 
-iati etc., N. F. -olest, -oli etc.: ol^kwlin, N. F. olggolest 'draus- 
sen'; ol^k&U, N. F. olggoli 'hinaus', etc. Das suffix ist mit 
dem fi. -la identisch, vgl. oben mom. 32! 

In den gruppen 34 — 45 steht also vor einem alten a = 
6. a in der dritten silbe regelmassig ein u in der zweiten 
silbe; auch vor einem e-laute steht dieses u, vor u steht u 
Oder 6. 

Unter den stammen mit unveranderlich kurzem u in der 
zweiten silbe konnen wir folgende gruppen von drei- und vier- 
silbigen stammen unterscheiden, bei denen die urspriingliche 
form des suffixes mehr oder weniger genau festgestellt werden 
kann * : 

46) In alien viersilbigen nomina auf Lule -aoka, gen. -aku, 
N. F. -ak, -aga, die in der zweiten silbe einen it-voksA haben, 
ist dieses ii kurz (ausser in den beiden im mom. 40 behandel- 
ten wortern, wo das a der dritten silbe auf ein ursprlingliches 
a zuriickgeht). Wie schon oben im mom. 17 hervorgehoben 
wurde, muss -aoJca, wenigstens in deverbalen ableitungen, 
einem finnischen -ege entsprechen, und wir finden also, dass 
das it ebenso wie a vor einem einstigen palatalen vokal steht. 
Als beispiele flir die (denominalen und deverbalen) worter auf 
-ajka konnen genannt werden: 

'Ulaoka: koddula(oJca) *schmerz* von koddet, N. F. goddet 
'toten; schmerzen'; mannulafoka), N. F. mannolak *reise' von 
manned, mannat 'gehen, reisen'; 

'ultaoka: litdsktUta(oka) 'drei garnstreifen am unteren saum 
des kleides' von luoska, N. F. ludska idem oder hwskojt, luos- 
kot 'einen luoskultaoka festnahen'; 

'vstaoka: kdrusta(oka) 'zwirn' von koerrCbf, N. F. goarrot 
nahen'; pudtustaioka) 'propfen' von puofcot, buoddot 'zu- 
stopfen'; 



* Da das kurze unbetonte u in vielen dialekten wej^f^^efallen 
oder in verschiedener weise verandert worden ist, kfJnnen wir hier 
der kOrze wegen beispiele nur aus Lule und N. F. mitteilen, wo 
u beibehalten wurde. 



46 K. B. WlKLUND. 



'Utaoka (deverb.): tudlmuta(oka), N. F. duolmotak (nicht 
-dak) 'stelle, wo das gras niedergetreten ist' von tiiolmufif, 
duolmodet 'niedertreten' ; 

'uotaoka (deverb.): ku6tuota(oka), N. F. guodotak 'weide' 
von huootwtj guottot 'weiden'; oniota(oka), N. F. orotak *auf- 
enthaltsort' von orr(atj orrot 'sein, wohnen*; 

eigenschaftsworter auf -utaoka: kiiokkuta(oka), N. F. gok- 
kodak 'lange' von kuokks, gukke 'lang'; lodduta(dka) *sanft- 
mut' von loddcj logje 'mild*; vor diesem suffixe kann also 
sowohl starker als schwacher stamm stehen; 

andere denom. worter auf -vtaoka: nuor tuta(oka) 'nord- 
wind* von nuor^ota, N. F. nuortta 'nord'; drtuta(oka), N. F. 
alddodak Vennkuhhaut' von aVfco, alddo 'rennkuh*; kiinuta(okaK 
N. F. gsBinodak (nicht gei--) 'weg* von kai^tiB, gsaidno idem. 

47) Von einigen verben auf Lule 'W(o)tit oder -u(o)tit 
werden viersilbige verbalsubstantiva auf -(ojUs, gen. '(o)fasa 
(N. F. -tus) gebildet, welche alle vor dem suffixe kurzes u 
haben (vgl. mom. 14), z. b.: varuotis, N. F. yarotns 'vermu- 
tung* von vUrGbdtity varotet 'vermuten'; nanutis 'etwas, womit 
man einen gegenstand fesfer, starker macht* von na(n)nwtif, 
N. F. nannodet 'fester, starker machen'; Idulutis *gesang' von 
Iflulutit, N. F. lavlodet 'singen' (verbum continuativum von 
lavUot). Langes u ist selten: vak&otis 'ermahnung* von vakwo- 
tit, N. F. vagotet ermahnen'. Das kurze u beruht auf den- 
selben phonetischen ursachen wie das oben im mom. 14 be- 
handelte a. 

48) Die diminutiva von zweisilbigen ti-stammen haben vor 
ihrem suffix Lule -fSj gen. -ftia, N. F. -6, gen. -6a, etc. immer 
kurzes w, das durch dieselben umstande bedingt wird wie das 
oben im npom. 27 behandelte a (dass auch N. F. hier u hat, 
geht aus Qvigstad Beitr. 151 hervor). Als beispiele konnen 
genanntjverden : polufS, N. F. bolud (Friis) dimin. vonposUw, 
boallo icnopf ; sielufS, N. F. siloS (Qvigstad) dimin. von 
siell&y siello 'seele'. 

49) Die viersilbigen adjektivstamme auf Lule -ulaf,4, N. F. 
-olai entsprechen vollig den oben im mom. 12 behandelten 
ableitungen auf -dlafSy -alad (vgl. auch mom. 39) ; das suffix ist 
also mit fi. -Uinen identisch; z. b.: armulat^, N. F. armola^ 
'gnadig' = fi. armoUinen; Hulai§ Veich an vieh*, N. F. elolas 



Zur geschichte des urlapp. u und u in unbetonter silbe. 47 



(Qmgstad) Vermogend, reich' = fi. eloUinen; kEtpulafS, N. F. 
gelbolad (Qv.) 'tauglich' = fi. kelvollinen. 

50) Auch vor dem adjektivbildenden suffixe -fS kann kein 
u, sondem nur u stehen, was mit dem d in -a^ (mom. 28 
oben) iibereinstimmt; -fS entspricht dem finnischen -inen; z. b.: 
ofkufs, N. F. olguJk 'aussere* = fi. ulkoinen; buttifS 'vvunder- 
lich* = fi. outoinen. 

51) Vor der endung -nii der translativen verba kann 
kein w, sondem nur u stehen, was mit den oben im mom. 
13 erwahnten verhaltnissen {-anity nicht -^nif) ubereinstimmt; 
das entsprechende finnische suffix ist -ne-; z. b.: h^dunit 
(aber N. F. hs^onet, dessen 8b statt e wohl aber unrichtig 
ist) *arm werden' (= fi. *hayyneii) von hSd'o), hsdgio 'arm'; 
oV^JcMnit 'hinausgehen', N. V, olggonet 'sich entfemen' = fi. 
alkonen* 

52) Hierher gehoren auch die passiven verba auf Lule 
'Usit, N. F. -oset, vgl. mom. 30, z. b.: hdddusit, N. F. hagjo- 
set 'sich zerstreuen' von haddit, hagjit 'zerstreuen' ; puottisit 
'zugestopft werden' von puot&t, N. F. buoddot 'zustopfen'. 
Bisweilen scheint ein doppeltes passivsuffix (-w- + -^^-) vorzu- 
liegen, z. b.: niollusity N. F. nulluset 'los werden' von nuollaty 
nuoUat 'losen'. 

53) Die frequentativen verba auf Lule -tit, N. F. -det, 
deren suffix dem finnischen -nt- in -ntele-, -skentele- entspricht 
(BuDENz NyK XVIII 183), haben vor der endung ti, nicht m, 
was also auf einen ehemaligen palatalen vokal in der dritten 
silbe deutet, z. b.: tolvutit, N. F. dolvodet frequ. (oder conti- 
nuativum) von tbVvoot^ doalwot 'fiihren, begleiten'; N. F. igo- 
ladet contin. von igoallot 'lecken'. 

54) In den viersilbigen frequentativverben auf -aUat = fi. 
-ele- kann in der zweiten silbe kein langes u stehen, sondern 
nur w ; der grund hierfur liegt in dem einstigen palatalen vokal 
der dritten silbe (vgl. mom. 16), z. b. : hausktcotaUaty N. F. 
havskotallat 'sich vergnllgen' = fi. haaskutella; kothiotallat, 
N. F. goalkotallat (gewiss mit unrichtigem oa statt 0) 'klopfen* 
= fi. kolkutella; kulustallat 'nachforschen' = fi. kuulustella. 
Ebenso bei den verba imitandi auf -stallat: ujuistallaty N. F. 
ujostallat 'schuchtern sein' = fi. ujostella. 

Die gruppen 46 — 54 haben also dargethan, dass man in 



48 K. B. WncLUND. 



der zweiten silbe vor einem einstigen palatalen vokale nur m, 
nicht u findet. 

Wir haben jetzt zu solchen dreisilbigen stammen uber- 
zugehen, welche in der zweiten silbe veranderliches «, u haben, 
d. h. im nomin. sing, und der kiirzeren form des essivs ein u 
zeigen und in den Qbrigen kasus ein u aufweisen. Die meisten 
von diesen wortem endigen im nomin. sing, auf 

55) Lule -ws, gen. -m^, N. F. -os, gen. -us oder (wohl 
weniger richtig) -os, z. b.: kudrws^ gen. huorrusa^ N. F. guo- 
ros, gen. guorros oder gorros *leer'; nanBSj gen. nannusa, 
N. F. nanos, gen. nannos Test, stark*. Vollig entsprechende 
finnische worter konnen fur solche adjektiva auf -us kaum 
belegt werden. Im hinblick auf die verhaltnisse bei den wor- 
tem auf -es^ gen. -asa (mom. 33) muss man indessen an- 
nehmen, dass der nomin. sing, urspriinglich konsonantischen 
auslaut, also -us, gehabt hat, und dass die kasussuffixe an eine 
einstige stammform auf -use gefiigt w^orden sind, deren u vor 
dem palatalen vokal der dritten silbe verkiirzt wurde. 

Ausser diesen adjektiven auf -us (von denen einige deno- 
minale ableitungen sind, z. b.: hdws, gen. kuUusa 'bekannt', 
X. F. gulos, gen. gullosa *horbar' von kuUw, gullo 'das ho- 
ren' ^) giebt es auch eine menge von verbalsubstantiven mil 
derselben endung, deren m, it iibrigens nicht zum stamme, son- 
dern zum suffixe gehort; im finnischen endigen die entspre- 
chenden worter auf -os, gen. -oksen, z. b.: oestias, gen. b^ti4sa 
das kaufen', von bstetj N. F. oastet 'kaufen' = fi. ostos, gen. 
ostoksen von ostaa; lok&s, gen. lodhusa, N. F. logos oder 
logos, gen. lokkosa oder lokkasa *das lesen; lektiire' von 
lojkot, N. F. lokkat 'lesen'. Von dem im finnischen (und 
mordvinischen: ponafks haarflechte' von pona- *flechten', Bu- 
DENz NyK XX 257 ff.) vor dem s erscheinenden k sieht man 
im lappischen keine spur, weder hier nach unbetonter silbe, 
wo der iiberall ausser im nomin. starke stamm auf ein kurzes 
s im suffixe hindeutet, noch in viersilbigen stammen wie N. F. 
vastadnssa-, gen. sg. -dusa, illat. sg. -dnssi 'antwort' = fi. vas- 



* Dieses wort kann also kaum, wie Qvigstad Beitr. 152 will, 
mit fi. kuuluisa identisch sein, da das finnische a wohl auch in 
den casus obliqui ein lappisches »7 verlangen soUte. 



Zur geschichte des urlapp. d und il in unbetonter silbe. 49 

tans, gen. yastaoksen, wo das mit kurzem s wechselnde as auf 
altes kurzes a deutet. Dasselbe gilt auch von denjenigen aus 
zweisilbigen stammen gebildeten substantiven auf -w5, welche 
ein material bezeichnen, z. b.: haokws, gen. IchoJcJcusa 'mate- 
rial, woraus brot verfertigt wird: mehF von MoJckw, N. F. 
gakko *brot, kuchen' = fi. plur. kakokset; N. F. aires, gen. 
airros 'holz, woraus ein ruder verfertigt wird' von N. F. airro 
ruder* = fi. aires. Ebenso jutcds, gen. judtusUj N. F. judus, 
gen. jnttusa (Qvigstad) Vierfiissiges tier' = fi. etus, gen. 
otuksen. 

Auch in vielen anderen gruppen von dreisilbigen wortern 
findet man im nomin. sing, ein u und in den casus obliqui ein 
% z. b. in den wortern auf Lule -cd;, gen. -uha; -col, gen. -tila: 
'(an, gen. -una und -wr, gen. -ura. Da man aber meistens 
keine vollig entsprechenden finnischen worter finden kann, 
miissen wir diese gruppen hier unberiicksichtigt lassen. 

56) Eine mittelstellung zwischen den dreisilbigen und 
den gewohnlichen zweisilbigen stammen nehmen diejenigen 
worter ein, die zu der sog. zweiten deklinationsklasse gefiihrt 
werden, d. h. fast iiberall eine zweisilbige „stamm"-form auf- 
weisen, aber im nomin. (und essiv) sing, schwachen stamm, 
in den ubrigen kasus starken stamm haben. Hier interessieren 
uns zunachst die worter auf Lule -Ofj, gen. -u, N. F. -e, gen. 
-u (oft -e geschneben), Ter ^-aj, gen. ^-1, z. b.: ancdj, gen. 
iddnu, N. F. sene, gen. edne, Ter yeanaj, gen. yiennl 'mut- 
terbruder' = fi. one; molwj, gen. snollu, N. F. suele, gen. 
sulln, Ter '^sUlaj, gen. ^sllll, Kildin ^suel\ gen. "^sullu, illat. 
^suHja od. -je, Notozero "^^uar, gen. Uuellu, illat. (?) '^bnialljr 
'inser =^ fi. sale. [Ter a geht auf ein u zuriick, wie in "^Icdlla 
'stirnhaut des renntiers' = Lule Jcdllw, etc.; auf ein jetzt ge- 
schwundenes a < ?/ in der zweiten silbe deutet auch Kildin ?/©, 
vgl. meine Urla. Lautlehre, s. 222; Ter / in der zweiten silbe 
ist aus u entstanden, wie in ^vleevan, gen. ^vhvlne 'barsch' 
= Lule vuosJcom, gen. vito^Mna, etc.; das il des nominativs 
und das u der ubrigen kasus durften also gemeinlappisch und 
urlappisch sein.] Die entsprechenden finnischen worter zeigen 
jetzt einen auslaut -0, friiher haben sie aber -oi gehabt, das in 
einigen dialekten und bei Agricola etc. noch bewahrt ist: 
Olonetz kukei, sudl. Osterbotten enee < *enei, Agricola 



50 K. B. WlKLUND. 



enoi, cnokoi, u. s. vv. (Genetz, Virittaja II 148; Ojansuu, Suomi 
ni 19 202; BuDENz, NyK XX 409). Ob dieses -oi Oder -i 
wirklich in alien fallen diminutive bedeutung hat, wie ofters 
angenommen wurde, ist wohl sehr unsicher; jedenfalls findet 
man keine spur davon im lappischen. 

Die hieher gehorigen lappischen worter erweisen sich bei 
naherer untersuchung als wi-stamme. In offener zweiter silbe 
ruft ein diphthong ui in urlappischer zeit konsonantenschwa- 
chung hervor, d. h. das i oder besser / wird als ein konso- 
nant aufgefasst und macht die silbe geschlossen, z. b.: Lule 
f^Suovun, N. F. fcuovoi er folgte\ Lule fSuovmme, N. F. iuovoi- 
mek 'vvir folgten* von fhiovvwt, 6uovvot 'folgen'; gen. plur. 
Lule potlwi, N. F. boaloi, akk. plur. Lule potlwiif N. F. boaloid 
< *'uid7, komit. sing. Lule podwin/a), N. F. boaloin < *'iiind 
von posUo), boallo 'knopP. Wenn aber die zweite silbe durch 
hinzufiigung irgend eines elementes geschlossen wird, so wird 
der diphthong auf zwei silben zerspalten, und es tritt keine 
konsonantenschwachung ein, da die zweite silbe jetzt offen ist; 
U'i ist dann in kurzes ft iibergegangen. Aus 1 p. dual. pras. 
*fSudvvuin (wo die personalendung in ist) wird also Lule 
fhiowun, N. F. 6uwu; 1 und 2 p. sg. pret. ^fhdowrnm, 
*fhi6vvuik > Lule fSudwuw, fSuommOf N. F. iuvvum, ftavynk. 
Im nomin. sing., wo der nackte stamm ^uf -ui stehen soli, 
kann also kein starker stamm vorkommen, sondem es heisst 
Lule dno)j, sudUaj etc., N. F. mit sekundarem wegfall des j 
8Bno, suolo. Der gen. sing. *su6llfn-n wird aber ^suoUu-in 
> *su6llun > Lule suoUu, N. F. snlla; Lule iddnu ^ N. F. 
edno, u. s. w. In derselben weise werden dann auch der 
akkus. sing, (suffix, -m), der iness. sing, (-sne), der elat. sing. 
(ste) und der nomin. plur. (-k) behandelt. Im komit. sing. 



* Das sonderbare dn statt tn, das ja die gewOhnliche starke 
stufe von n ist, hangt mit dem im Lulelappischen imd in einigen 
anderen dialekten vorkommenden lautgesetze zusammen, dass in 
solchen wOrtem, wo alle oder wenigstens fast alle formen starken 
stamm haben mtissen, die stammkonsonanten so lang wie mOglich 
werden soUen, d. h. statt ok, op, ot, otSy ofS, kfj, pm, tn bzw. ein 
jkk, jpPf jft, JitSj ofti, g^, Irniy dn eintreten soil. Diese letzte- 
ren stammkonsonanten okk . . . dn gehOren gewissermassen zu einer 
hOheren gruppe als die ersteren, da ja okk und dn im vergleich 



Zur geschichte des urlapp. a und i7 in unbetonter silbe. 5i 

^moUui'irUi scheint das zweite i als ein konsonant aufgefasst 
worden zu sein, wonach die form *8u6lluiina mit geschlossener 
zweiter silbe in *sudlluiria (ibergegangen ist, wie der gen. 
*$udUuin > *su6Uun, In derselben weise ist das kurze ?i und 
der Starke stamm im gen. plur. (suffix -i), akk. plur. (-i-de), 
mess. plur. (-i-ne), elat. plur. (-i-ste) und illat. plur. (-i-dd) ent- 
standen. Der essiv sing. soUte eigentlich Lule *sudlwin < -ui-ne 
heissen; die thatsachlich vorkommenden formen suol&n und 
moUun sind ofTenbar analogisch nach den formen der eigent- 
lichen dreisilbigen stamme: pSnan '^patnakin von pana 'hund', 
u. s. w. gebildet. Auch der illativ sing. Lule snoUui statt 
*sudlwi <C 'fii-ni diirfte analogisch sein. 

Bei den tii-stammen kommen also ganz andere verhalt- 
nisse zum vorschein als bei den bisher behandelten drei- und 
viersilbigen stammen. Dieselben erscheinungen sowie eine reihe 
von anderen hiatusfallen von ahnlicher art werden wir auch 
bei den sozusagen eigentlichen zweisilbigen stammen finden, 
wo wir gelegenheit haben werden sie mehr systematisch zu 
behandeln. 

III. 

Die obige untersuchung dtirfte mit geniigender sicherheit 
gezeigt haben, dass in drei- und viersilbigen stammen altes u 
und u der zweiten silbe von der qualitat des vokals der folgen- 
den silbe beeinflusst wird. Vor einem palatalen vokale, der 
jetzt als & auftritt, steht a und a, d. h. a bleibt unverandert 
und u wird verklirzt, vor altem a aber steht e und w, d. h. t/ 
bleibt unverandert und a geht in e iiber. Das verhalten des u und 
u vor den (in der dritten silbe seltenen) anderen vokalen ist we- 
niger klar, kann also noch unberiicksichtigt bleiben. Jeden- 



zu oJc und tn des schwachen stammes die starke stufe reprasentie- 
ren. Diese 'dehnung' des oh , . , tn geschieht ausser bei den ui- 
sUUnmen auch im part. prSs. von zweisilbigen stammen: lookke 
von loSTcot *lesen'; bei den verbalen oje-j ije- und ryVstammen: 
skioppat *krank werden' von skiopat 'krank sein'; tad^nit 'roit 
zinn auszieren' von tatnTt 'zinn'; ad^nut pass, von at net 'haben, 
brauchen'. Auch vidtti^ kuotti '5, 6 maP von vh^ta, huo'fa '5, 6'. 
U. s. w. 



52 K. B. WlKLUND. 



falls diirfte die obige regel so sicher sein, dass man sie auch 
umkehren und aus der beschafifenheit des vokals der z\veiten 
silbe auf die einstige qualitat des folgenden, vielleicht schon 
verschwundenen vokals schliessen kann, auch in w5rtem, deren 
suffix man nicht aus dem finnischen erschliessen kann. Im 
folgenden werden wir also an der hand dieser regel die betref- 
fenden vokale in der zweiten silbe bei mehrsilbigen formen von 
zweisilbigen stammen untersuchen. Wir werden dabei auch 
allerlei aufschliisse (iber die natur einer reihe von sufflxen 
erhalten, sowie gelegenheit haben liber die alten hiatuserschei- 
nungen zu sprechen. 

In urspriinglich zweisilbigen formen von dreisilbigen stam- 
men, wo also kein vokal folgt, steht e und i?, d. h. a geht 
hier in e uber und v bleibt unverandert. Auch diese regel 
werden wir bei den zweisilbigen w5rtem wiederfinden. In eini- 
gen einzelheiten muss sie jedoch etwas modifiziert werden. 

57) Im nomin. sing, endigen eine grosse menge von 
zweisilbigen stammen auf -e, welches offenbar aus einem alte- 
ren a entstanden ist: Lule kuolle, N. F. gu511e 'fisch'=:fi. kala; 
Lule kesse, N. F. gsesse 'sommer' = fi. kesa; Lule Idi^re, N. F. 
lairre 'lehm' < urnord. nomin., akk. sing. *laira, altnord. leir 
id. ; Lule lai^pe, N. F. laibbe *brot* < urnord. akk. sing. *hlait)s, 
altnord. hleifr id., u. s. w. Im absoluten auslaut ist also d in 
€ tibergegangen. Neben diesen wortern auf -e giebt es aber 
auch eine grosse anzahl von zweisilbigen wortern, die in alien 
lappischen dialekten auf -a oder einem daraus hervorgegange- 
nen laute endigen. In diesen wortern ist also u unverandert 
geblieben. Die griinde fiir dieses verbleiben des ti sind etwas 
unklar. In" einigen fallen ist vvohl n geblieben, weil das be- 
treffende wort erst in verhaltnismassig spater zeit, nach dem 
tode' des lautgesetzes a >» e in die sprache hineingekommen 
ist, z. b. : Lule Sttna vveiblicher name' < schwed. (Eri)8tina; 
N. F. ^ai'sa, illat. ^aUsai (Qvigstad) 'stange der gabeldeichsel 
< fi. aisa; hierher gehoren vielleicht auch die alteren, uber das 
ganze lappische gebiet verbreiteten lehn\N'orter auf -hUj wie 
Jamtland v^nxxd, Arjeplog, Lule pahd, N. F. baha, illat. bahai 
'b(')se' = )^. paha (man konnte doch geneigt sein anzuneh- 
men, dass das // dem folgenden vokale eine gutturale farbung 
gegeben hat, die das a vor dem libergang in e bewahrte). 



Zur geschichte des urlapp. d und u in unbetonter silbe. 53 



Diese zweisilbigen ri-stamme kann man jedoch nicht alle in 
dieser weise erklaren, besonders da ein sehr grosser tell von 
ihnen im finnischen nicht aufgewiesen warden kann, also wohl 
nicht in spater zeit entlehnt ist. Die alteren nordischen lehn- 
worter auf -a geben uns dann vielleicht eine andeutung zur 
losung des ratsels. Die meisten solchen worter gehen namlich 
auf nordische aw-stamme zuriick, man muss also annehmen, 
dass sie zunachst aus den casus obliqui des singulars stammen, 
in welchen man wie bekannt ein altnordisches -a hat, das fru- 
her (well aus -an entstanden) nasaliert gevvesen ist, z. b. : Lule 
vmlcsd, N. F. vuoksa, illat. -ai 'ochs' -< urnord. cas. obi. 
*okBa(n), altnord. cas. obi. oxa idem; Lule slau^tSd, N. F. 
8lay6&a, illat. -ai 'bremse' < urnord. cas. obi. *klagia(n), altnord. 
cas. obi. kleggia idem. Es ist also nicht unwahrscheinlich, 
dass das lappische -a hier ein nasaliertes a widerspiegelt, 
man wird also geneigt anzunehmen, dass diese beobachtung 
auch fiir die rein lappischen worter von belang sein kann, und 
dass man also in urlappischer zeit auch mit einem nasalierten, 
unbetonten a zu thun hat, oder, wenn diese hypothese vielleicht 
zu dreist erscheinen soUte, dass dieses unveranderliche a eine 
dumpfere, tiefere schallfarbe als das in c iibergegangene u ge- 
habt hat. Nasaliertes a macht ja immer einen dumpferen ein- 
dnick als das gewohnliche a, es soUte also naturgemass durch 
dieses postulierte, tiefere a oder a wiedergegeben werden. 

VoUig bindende beweise fiir die existenz dieses tieferen 
a Oder a diirfte man indessen noch nicht liefern konnen. Die 
geschichte der unbetonten vokale im mordvinischen etc. im 
vergleich zu dem finnischen und lappischen ist noch ganz un- 
aufgeklart, man muss also vorlaufig auf jede eingehende unter- 
suchung des vorliegenden problems verzichten. Eine solche 
untersuchung wird ubrigens auch fiirderhin sehr schwierig 
werden, da, wie schon gesagt wurde, nur ein ziemlich klei- 
ner teil von den betreffenden wortern auch im finnischen ver- 
treten ist. 

Bei den zweisilbigen 27-stammen bleibt -u im nomin. sing., 
also im absoluten auslaut, in urlappischer zeit unverandert und 
unverkiirzt; in einigen dialekten ist es spater in -a (ibergegan- 
gen oder weggefallen; z. b.: Offerdal aird, Arjeplog, Lule 
aiVw, N. F. (Qv.) i'aiVo, Notozero ^ajr, Kildin ^drj^ Ter "^drja 



54 K. B. WlKLUNP, 

ruder' < urnord. "airo, altnord. ar idem; Offerdal dAoTi, Lule 
filta, N. F. alddo, Ter ^alia 'renntierkuh'. 

In einigen dialekten findet man in gewissen wortem 
statt des zu erwartenden -i, -w ein -i, -6, was gegen die soeben 
aufgestellten regein zu streiten scheint. Bei naherer unter- 
suchung findet man indessen, dass diese \'erktirzung des aus- 
lauienden vokals nur in zahlwSrtem, pronomina und adverbien 
vorkommt, dass sie also aus der haufigen verwendung der be- 
treffenden worter in unbetonter stellung zu erklaren ist; sie 
muss aber schon in ziemlich alter zeit aufgetreten sein, da sie 
oft liber sehr w^eite gebiete verbreitet ist, z. b, : JSmtland eSTctt. 
suokU, Mala Icuo^tt, Arjeplog ^Ifwkte (aber gen. Icukte), Lule 
kuokte (aber gen. huiiuate), Ter ^hlkt oder +iJit/ mil gen. +JrI((. 
dessen , auf ein ehemaliges v in der zweiten silbe deutet, 
'zvvei'^^fi. kakai; Arjeplog, Lule mvste 'von mir' statt *musU, 
wie man erwarten soilte, da das suffix die zweite silbe bildet. 
vgi. elat. Lule t&stCilka) von triota(k) 'dieser'; die prolativischen 
adverbia wie Arjeplog, Lule koggil (N. F. goggo mit unbekann- 
ter quantitat des -o), aber JSmtland Gukka mit -u < -u 'langs 
welcher seite, wo'; Lule mar^jfi 'vielleicht', dessen * wohi auf 
alte offene zweite silbe hinweist. Die grosse verbreitung des -f 
in kuokte scheint sogar anzudeuten, dass diese verkUrzung, 
wenigstens in einigen fallen, urlappisch sein kann. 

58a) Im genit. sing, findet man wiederum die vokale r 
und a, z. b.: Lule kuole, N. F. gnSle 'des flsches'^fi. kalm; 
Lule ketse, N. F. gsese 'des sommers' =; fi. koBSn; Lule iinu, 
N. F. sBno 'des flusses' ^ fi. enon; Lule netkta, \. F. ni^o 
'des traumes' ^ fi, nftSn (aus vSk6) '. In den o-stiminen 
bleibt das « unverandert: Lule patka, N. F. balka 'des lohns' 
=: fi. paJkao; etc. Das auslautende -n ist u. a. in den siid- 
lappischen dialekten noch beibehalten: siidi. schriftsprache qve- 
len, besen etc. Mehr als ein ti kann wohl diese endung nicht 



Zur geschichte des urlapp. a und u in unbetonter silbe. 55 

sener zweiter silbe von zweisilbigen wortformen oder, vvie wir 
es nennen konnen, in relativem auslaut. 

58b) Dasselbe findet man auch im akkus. sing.: Lule 
kuoleUj N. F. guole; keestu, gsese; anww, seno; nesJc&w, niego; 
pdtkau, balka. Das suffix ist hier einst, wie bekannt, ein m 
gewesen, das u. a. in Jamtland noch bewahrt ist: GwoZtm, 
jeifnam ('fluss') etc. 

58 c) Der nomin. plur. hat ebenfalls v oder w, bezw. a: 
Lule kuoleo, N. F. gudlek; ketseo, gsesek; dnwo, senok; nesk&d, 
niegok; patkao, balkak. Die qualitat des urspriinglichen aus- 
lautenden konsonanten ist etwas unsicher. Fiir k spricht das 
in N. F. und (bei einsilbigen stammen) im russischlappischen 
vorkommende h fiir t das t im finnischen, mordvinischen etc. ; 
aus einem t hatte sich ein urlappisciies oder nur einzeldialekti- 
sches k in dieser stellung leicht entwickeln konnen, und das j 
im Lulelappischen, slidlappischen etc. konnte ebenso gut auf 
ein t als auf ein k zuruckgehen (als analogien hierfur konnen 
z. b. das in N. F. haufige infinitivsuffix -ok und die jamtlandi- 
sche infinitivendung -0 < -d dienen). Wie wir weiter unten 
sehen werden, versciiwindet auslautendes -k sonst spurlos in 
zwei- und mehrsilbigen formen in N. F., es erscheint also 
fraglich, ob dieses gebliebene -k nicht erst spat entwickelt wor- 
den ist, nachdem das ursprungliche -k (aber nicht -t) schon 
verschwunden war. Moglich ist es jedoch, dass -k in N. F. 
aus den einsilbigen formen, wo es lautgesetzlich geblieben war, 
iiber alle paradigmata verbreitet uorden ist. Vgl. MunkAcsi 
Budenz-album 272 flf.; Budenz NyK XXII 388. 

In folgenden kasus wird der vokal der zweiten silbe von 
einem dem suffixe zugehorenden vokal qualitativ beeinflusst: 

59 a) Essiv sing.: Lule kuollen, N. F. gudUen = fi. 
kalana; k^ssen, gsessen = fi. kesana; atnwn, sednon = fi. enona; 
neiokwn, niekkon = fi. nftkona. Bei den a-stammen aber wie 
gewohnlich mit a: pal^^'kan, balkkan = fi. palkkana. Dass das 
suffix einmal einen auslautenden vokal gehabt hat, zeigt der 
Starke stamm; im siidlappischen -ru ist er sogar noch beibe- 
halten. Sowohl das finnische als die qualitat des vorhergehenden 
vokals zeigt, dass dieser endvokal urspriinglich a gewesen ist. 

59 b) Hieher gehoren auch die spuren des alten partitivs. 
Wie schon u. a. von Donner, Gegens. Verwandtschaft d. 



56 K. B. WlKLUND. 



fi.-ugr. Spr. 95 hervorgehoben worden ist, kommt dieser kasus 
in einigen adverbien auch im lappischen vor, z. b.: Lule (Mety 
Jamtl. jilleds Von westen' = fi. *wJa-rfa; Lule ol^hwt, Vilhel- 
tnina OAkode Von aussen' = fi. ulkoa < *-oda. Das finnische 
-a spiegelt sich also auch hier im lappischen e, u der zweiten 
silbe wider. Auch in den eigentiimlichen pradikativen adjek- 
tiven Oder adverbien auf Lule -wt, N. F. -od oder -ot kann 
man vielleicht alte partitive sehen, z. b.: Lule vallwt N. F. 
vwllot *in liegender stellung neben attr. adj. vallB, v»llo; 
Lule riottswt, N. F. riccot 'nackt*, attr. adj. riotsw, liooo; Lule 
rudptcoij N. F. ruoktod 'zurtick', attr. adj. Lule nwpUd, N. F. 
raovto(inatke) VtickX-reise etc.). Das t in N. F. macht einige 
schwierigkeiten ; das richtige und erwiinschte ware d (wie in 
ruoktod), das auch durch Lule -f, nicht -ot, bedingt wird. 
Wenn diese ableitungen partitive sind, durften sie syntaktisch 
mit solchen finnischen partitiven wie (se oli) hauskaa, (kauneus 
on) katoavaista zu vergleichen sein. Qvigstad Beitr. 137 ist 
geneigt auch das eigentliche adverbsuffix 4, vor welchem kon- 
sonantenschwachung eintritt, mit dem finnischen partitivsuffix zu 
identifizieren, also z. b. Lule neiirtf, N. F. ncevret (adv. von 
neu*re, ncevrre *schlecht') = fi. part. n5yT&&; Lule jalwt, N. F. 
jalot (von jallwj jallo 'kuhn') = fi. jaloa. Der schwache stamm 
zeigt jedoch, dass man im suffixe mehr als ein altes -da ge- 
habt hat, und dieses mehr ist gewiss dasselbe i, das in Lule 
]cokt€y makts, N. F. govt, mofb *wie' u. s. w. noch sichtbar ist, 
und das man auch in der sudla. schriftsprache in tarvosikt 
'getrost', tJIUgesikt 'klar' etc. wiederfindet. Urlappisch hat man 
hier vielleicht mit einem -xU zu rechnen, vgl. meine Urla. 
Lautl., s. 98. Auch wenn dieses suffix also nicht mit dem 
partitivsuffixe zu identifizieren ist, muss es doch dasselbe alte a 
enthalten haben, was teils durch das s in Lule IcolcUj makU 
(wo es jedoch zweideutig ist), teils durch das e, u in neurit, 
jdlwt bewiesen wird. 

59 c) Inessiv sing.: kuolen, gudlest; kesseUf gsroest; 
<2nwn, senost; neskwn, niegost; pat lean, balkast. Der auslau- 
tende vokal in den inessiven von einsilbigen stammen wie 
Lule tanns von tat *dieser' etc. und im sudlappischen -sne, -hit 
etc. (Offerdal cdmvyifnB 'in dem schuh') zeigt, dass das suffix 
einst einen vokal enthalten hat. Dieser vokal ist nach dem 



Zur geschichte des urlapp. a und // in unbetonter silbe. 57 

zeugnis des e und u in der zweiten silbe und des finnischen 
suffixes -ssa einst a gewesen. Lule -w, -nn- muss auf -5n- 
zuriickgehen, das man vielleicht auch in N. F. -st « ^.v mit 
stimmlosem n) wiederfindet. 

59 d) Elativ sing.: Jcuoles, gudlest; kies^s, gsesest; (in&Sj 
8Bii08t; nefk&Sy niegost; pdtkas, balkast; bei einsilbigen stam- 
men: Lule taste etc. Das e, u der zweiten silbe und das fin- 
nische ^ta deuten auf ein ehemaliges auslautendes a im suf- 
fixe. Im siidlappischen ist der vokal auch in mehrsilbigen 
stammen beibehalten : Otferdal guoHHs, jed^neits. In Lule geht 
auslautendes -st (iberall in -s (iber. 

59 e) Abessiv sing.: Lule huoUota, kesseota, SfiM^ta, 
nesk&ota, phthaota; in N. F. schreibt man gu51e, giese, seno etc. 
tags mit taga als besonderes wort oder postposition. Das nicht 
weggefallene -a in Lule muss durch irgend ein element geschiitzt 
gewesen sein, das ohne zwelfel ein gutturaler spirant gewesen 
ist, welcher in der postposition taka (mit k < g), N. F. t%a 
noch geblieben ist. Lule a ist weiter aus einem alten a her- 
vorgegangen, was durch die abessive der einsilbigen stamme 
Lule tnuotd 'ohne mich' etc. und der dreisilbigen Lule pStna- 
kaota 'ohne hund' etc. sowie durch das e, u in der zweiten 
silbe der oben angefiihrten beispiele bewiesen wird. Die soe- 
ben genannte postposition, die man mit vollem recht schon 
friih zu dem kasussuffix des abessivs in sehr nahe verbindung 
gesetzt hat, hat zwar in der ersten silbe Lule «, N. F. dunkles 
&y das ja fur gewohnlich auf einen friiheren palatalen vokal 
und nie auf altes a zuriickgeht. Dieser widerspruch ist aber 
nur scheinbar. Die postposition taka, t%a kann namlich in 
ihrer jetzigen gestalt kein ursprtinglich selbstandiges wort sein, 
sondern muss im gegenteil ein losgelostes kasussuffix sein, 
was zur geniige durch den abnormen ^anlaut in X. F. bewie- 
sen wird. Kein echtes N. F.-wort beginnt ja mit k, p. f, son- 
dern mit g, by d und (iberdies hat taga auch eine dialektische 
nebenform haga (Qvigstad Beitr. 134), dessen h (wie in vielen 
anderen fallen) aus t oder genauer ht entstanden ist. Das a 
der ersten silbe von takrij taga ist also nicht denselben gesetzen 
unterworfen wie das a in der ersten oder zweiten silbe von 
gewohnlichen wortern, sondern ist dem kurzen a in der dritten 
silbe z. b. von Lule gen. sing. jiipmHa^ ack. sing, jnpmelati. 



58 K. B. WlKLUND. 



nom. plur. jupnielcu = fi. jnmalan, -Ian, -lat gleichzustellen, 
wo also das kurze a einem finnischen und urspriinglicheren a 
entspricht. — Der anfangskonsonant des abessivsuffixes ist ur- 
sprtinglich offenbar langes t gewesen \ well der schwache stamm 
eine geschlossene zvveite silbe voraussetzt. Das g O Lule k) 
in N. F. taga deutet wieder auf eine ursprunglich geschlossene 
zweite silbe des suffixes, also t4g4x; ob dieses x ein n oder 
ein k oder sonst etwas anderes gewesen ist, bleibt vorlaufig 
unbestimmbar — jedenfalls diirfen wir annehmen, dass auch 
das abessivsuffix einst ein solches x enthalten hat, da ja, vvie 
wir soeben gesehen haben, die postposition tag4 eigentlich ein 
losgelostes kasussuffix gewesen ist, also eine alte stufe des 
jetzigen abessivsuffixes reprasentiert. Das zweite kurze a des 
suffixes geht auf einen alten palatalen vokal zuruck; wenn es 
ursprunglich ware, wiirde man etu'a Lule *mudte < urla. *mudt' 
tdgax erwarten. Die lautverhaltnisse des lappischen abessivs 
und der postposition tfiga deuten also auf eine urlappische 
suffixform, die wir vorlaufig *-ottagen schreiben konnen; 
J tritt urlappisch vor jeder tenuis auf (vgl. meine Urla. Lautl. 
304 ff.); die qualitat des auslautenden konsonanten ist sehr 
unsicher. 

Das gemeinfinnische abessivsuffix ist -ttdk, wie SetAlA 
Ah 214 fi*. gezeigt hat*-^. Moglicherweise ist es jedoch auch 
hier etwas langer gewesen. Im olonetzischen soil es namlich 
nach Genetz, Suomi II 17 150, sehr oft 'unnotigerweise* mit 
dem possessivsuffixe der 3 pers. sing, -h « -hen) verbunden 
werden, was auch im karelischen vorzukommen scheint. Die 
ungewohnliche lange des entsprechenden lappischen suffixes 
erweckt dann leicht den gedanken, dass man es vielleicht auch 
im olonetzischen mit spuren eines dem -ttaJc folgenden elemen- 
tes zu thun hat, das dem poss.-suffixe der 3 pers. sing, ahnelte 
und dann das 'unnoUge' auftreten des poss.-suffixes verursacht 



^ Lule miidta statt *tnr40tta hat wohl sein kurzes / analo- 
gisch nach den zweisilbigen st^mmen; sonst wttrde das lange / 
nach betonter silbe ungektirzt erscheinen. 

- tt statt t beruht darauf, dass das finnische in der stellung 
zwischen den vokalen der zweiten und dritten silbe frtiher keine 
konsonantenschwachung kannte, vgl. meine Urla. Lautl. 118. 



Zur geschichte des urlapp. a und tl in unbetonter silbe. 59 

hat. Das oben erwahnte lappische -x ware dann mit dem ein- 
stigen -n des finnischen zu vergleichen, und die suffixformen 
der beiden sprachen waren vielleicht vollig identisch. 

Die sonderbaren abessivformen Lule tapta, Jamtland 
DamDfio vom demonstr. pron. tat, etc. mlissen wir hier ausser 
acht lassen. Sie gehen zunachst auf ein *-indaJc zuriick. 

59 f) Die formen des prolativs mogen auch hier ei-wahnt 
werden, obgleich sie iiberhaupt nur in wenigen dialekten vor- 
zukommen scheinen, d. h. die prolative von zwei- und mehr- 
silbigen stammen, wahrend die aus einsilbigen stammen gebil- 
deten prolativischen adverbien welt verbreitet sind. AIs bei- 
spiele von prolativen aus zweisilbigen stammen konnen genannt 
werden: Lule JcMdcJc, Arjeplog ^kaddek (HalAsz, Pite lappmarki 
szotar p. xvi) 'langs dem ufer'; Lule varrek, Arjepl. Harr^k 
langs dem berge'; Lule atncok 'langs dem flusse'. Die beibe- 
haltung des -k und des starken stammes deutet auf einen jetzt 
verschwundenen vokal, der hinter dem k gestanden hat und 
ohne zweifel ein u gewesen ist, vgl. das -n (oft >■ -u nach der 
oben s. 54 gegebenen regel) in Arjepl. ^taggii, ^tdggu, Lule 
taggu 'hiervorbei', N. F. daggo 'hier', u. s. w. Das gg geht auf 
ein ^g zuriick, man muss hier wohl also mit dem n des geni- 
tivs operieren, obwohl man in kdddek u. dgl. keine spuren 
davon gewahren kann (vgl. meine Laut- und formenlehre der 
Lulela. dialekte § 319; die ebenda mitgeteilten formen apck, 
vank, nuortak mit schwachem stamm diirften auf ungenauer 
beobachtung beruhen). In der dritten silbe tritt das w des suf- 
fixes kurz auf, vvie dies bei alien sonst langen suffixvokalen 
der fall ist (Lule komp. vudrrasMcd, aber gen. puorepu; elat. 
sing, mit poss.-suff. der 1 p. sg. vat nasis tain, aber aokustam, 
u. s. w.). Vor dem u des prolativsuffixes treten also in der 
zweiten silbe e und a auf. In den momenten 14, 24, 43 und 
47 oben haben wir aber gesehen, das das it der dritten silbe 
im allgemeinen ein a^ u vor sich verlangt. Wir diirften also 
berechtigt sein zu schliessen, dass das it des prolativs nicht 
von derselben art sein kann vvie das u der in den soeben ge- 
nannten momenten behandelten verbalsubstantive und transla- 
tivverben. Im ersteren falle haben wir es offenbar mit einem 
alten langen u zu thun, im letzteren falle mit einem alten kur- 
zen u (^= finn. ?/), und wir konnen dann auch schliessen, dass 



6o K. B. WlKLUND. 



der vvechsel u ^^ u im prolativsuffixe auf einer kiirzung u > ft 
in der dritten silbe beruht. 

59 g) Die somit behandelten kasus haben in der zweiten 
silbe alle e, u gezeigt. Wir kommen jetzt zu einein kasus, bei 
dem die verhaltnisse anders liegen, und wo man statt g, u ein 
a, u findet Dieser kasus ist der illativ sing. In verschiede- 
nen dialekten hat der illat. sing, ein ziemlich verschiedenes 
aussehen. Die siidlappischen haben bei den ^-stammen einen 
illativ auf -tin, bei den iibrigen zweisilbigen stammen einen 
illativ auf -sa, -ss, vor welcher endung der auslautende vokal 
des stammes wegfallt oder auch ein e oder a oder vielleicht dann 
und wann ein anderer unvollkommener vokal steht. In Sten- 
sele kommt neben diesen suffixen auch -je vor (HalAsz NyK 
XXXI 140 ff.), vor welchem, vvie es scheint, ohne rCicksicht 
auf den einstigen stammauslaut des wortes ein i oder u steht. 
Der Maladialekt hat bei den e-stammen im illativ ein -a;*, bei 
den «-stammen ein 4|f, vor welcher endung u-umlaut auftritt; 
-lie reprasentiert hier also ein alteres -uU. Arjeplog hat bezw. 
-rti, -ui (Halasz Pite lappmarki szotar, p. xvii), das Lulelappische 
-ai, -wi. Die norwegischlappischen dialekte haben -ai, -oi (oder 
-ui), dessen o dieselbe umlautende wirkung hat wie u (Friis 
Gramm. § 46, anm. 2); das a ist wohl ftir gewohnlich kurz, 
dass es aber auch seine urspriingliche lange bewahrt haben 
kann, zeigt u. a. ein beispiel u^bbasaok 'deiner schwester', illa- 
tiv mit poss. suff., also mit ^-suffix, das ich aus Porsanger 
habe. Einen langen vokal zeigt auch das bei HalAsz Sveki- 
lapp nyelv III 172, z. 13 vorkommende ^safftffii (neben ^saffdai 
in der vorhergehenden zeile), ebenso ^vu'^Uai ebenda p. 176, z. 9; 
beide formen stammen aus Karesuando, die transskription ist 
aber sehr schwankend und mangelhaft. In einigen dialekten 
im amt Tromso endigt der illativ bei dreisilbigen stammen auf 
-n (QviGSTAD Beitr. 142). Dasselbe -n kommt auch in Enare 
zum vorschein, wo die e- und fi-stamme im illativ sing. bezw. 
-an und -on oder -un haben. Im russischlappischen endlich 
endigt der illativ sing, bei den e-stammen auf a und bei den 
/7-stammen auf Ter -I, Kildin -u, das auf ein ehemaliges kur- 
zes u deutet (vgl. z. b. mom. 56 oben). Als beispiele des illa- 
tivs sing, konnen genannt warden: Offerdal Bar^ndn = Lule 
par-^nui 'dem sohne'; Ga.uese = Lule Mllui 'der stirn' (man 



Zur geschichte des urlapp. u und u in unbetonter silbe. 6i 

sollte hier eigentlich ein GOAAess mit w-umgelautetem a ervvar- 
ten, vgl. meine Urla. Lautl. 160; d ist also analogisch); Sten- 
sele "^waranj ^wdrije = Lule vurrdi *dem berge'; ^stcUitsej 
^stcUese, -uje, 4je = Lule stullui *dem Stallo*; ^IcglUse *der 
stlm* (mit umlaut; HalAsz NyK XXXI 134); Maid t^alpmaJB 
= Lule tiaVmui *dem auge'; edfofioiis = Lule itnui 'dem 
flusse'; Arjeplog ^riiHai = Lule ^iddiai 'der brust'; ^muhtui 
= Lule mudotui 'dem gesichf; N. F. sadnai = Lule shfndi 
'dem worte' ; dakkoi, -ui = Lule taokui 'dem werke* (Sorfjor- 
den, Balsfjorden, Karesuando ^gatvptigeny Kar. auch -ge *der 
stadt*); Enare 6aooan = Lule fiaotsdi 'dem wasser'; diettun 
= Lule Uotui 'dem wissen*; Ter '^cdcca 'dem wasser'; Hiejtl 
= Lule luoiHui 'dem fussboden'; Kildin ^corru = Lule fSorrui 
'dem bergriicken'. 

Es ist schon friiher hervorgehoben worden, dass die lap- 
pische illativendung -i etc. auf ein alteres -n zuriickgehen kann 
(SetAlA, Festskrift til Vilh. Thomsen 240- f.; meine Urla. Lautl. 
283). Die hier behandelten lautgesetze geben uns indessen ein 
mittel in die hand, wodurch wir das ehemalige aussehen des 
suffixes naher bestimmen konnen. Erstens muss das suffix eine 
besondere silbe gebildet haben, was durch den (iberall bewahr- 
ten starken stamm bewiesen wird ^ ; der schwache stamm in 
den obigen beispielen aus Stensele erklart sich aus der aus- 
gleichung in den siidlappischen dialekten, wodurch jeder wech- 
sel zwischen einem starken und einem schwachen stamme 
innerhalb desselben paradigmas verschwunden ist (Urla. Lautl. 
80 f.). Diese suffixsilbe kann offenbar nicht aus einem blossen 
vokal bestanden haben, aus welchem das haufige -n nicht er- 
klart werden kann, sondern sie muss einen kurzen konsonan- 
ten + vokal enthalten haben. Der auslautende vokal des suf- 
fixes muss weiter palatal gewesen sein, da vor ihm nicht e, ti, 
sondern d, it steht. Man wird also auf dieselbe suffixform 



1 Der Starke stamm im Lulelappischen etc. vor diphthong auf 
-/ zeigt schon an und ftir sich, dass (7i, ui der zweiten silbe keine 
gewOhnlichen diphthonge sein kOnnen, sondern durch irgend eine 
kontraktion entstanden sein mUssen. Ein auslautender diphthong 
auf i bewirkt nSmlich sonst immer konsonaaitenschwUchung, vgl. 
mom. 6o unten. 



62 K. B. WlKLUND. 



geleitet, die der illativ sing, der pens. pron. miini, tuni^ stint ^ 
u. s. w. aufweist, d. h. -wi. Aus einer solchen form kann sich 
auch einerseits ein -i, andererseits ein -n mit leichtigkeit ent- 
wickeln. Im russischlappischen ist bei den hier behandelten 
stammen das illativsuffix vollig verschvvunden. Ob dieser 
schwund durch ein zwischenstadium -n (oder vielleicht -n) oder 
durch ein -i vermittelt wurde, ist schwierig zu sagen; fur -w 
spricht das -n in dem benachbarten Enaredialekt, fiir 4 das -i 
bei den a-stammen in Ter ^joikki = N. F. jokki 'dem fluss'; 
^uksi = N. F. uksi 'der thur*, u, s. w.; gegen den wegfall 
eines durch auslautenden vokal geschtitzten n spricht das be- 
wahrte -n « -no) im essiv sing. Kildin "^murren = N. F. muor- 
ran 'wie der baum', u. s. w. und gegen den wegfall eines aus- 
lautenden -i als zweiten komponenten eines diphthongs das bei- 
behaltene 4 z. b. in Kildin ^sdmaj = N. F. samoi 'er sagte'. 
Die russischlappischen illative sind also etwas unklar. Die 
eigentiimlichen Kalfjordformen '^sannajen von ^sanne *wort* 
und ^dahkkujen von ^dahhko '^hat' (amt Tromso; Qvigstad 
JSFOu III 142) sind schwierig zu erklaren. Direkt aus -sen 
kann dieses -jen nicht entwickelt sein, da der dialekt sonst 
einen solchen tibergang s^j kaum kennt; vielmehr kommt 
dort ein -j > -s vor, wie Qvigstad erwahnt. Wahrscheinlich 
ist das -jen durch irgend eine analogie entstanden, die bei den 
in der litteratur noch sparlich vertretenen nachrichten iiber den 
Kalfjorddialekt nicht naher zu bestimmen ist. 

Die erklarung des lappischen illativsuffixes aus einem 
alten -hi wirft neues licht auf das suffix des finnischen 'dativs 
auf -n (minun pitMj teki minun pahaa, etc.). Wie SetAlA 
Ah 381 ff. gezeigt hat, ist in den livischen dativformen das 



^ Das kurze u in muni etc. gegentiber u in gen. akk. m« 
etc. wird durch das hier behandelte lautgesetz verstandlich. Auch 
die haufige ktlrzung des alten // in vielen wOrtem (Lule kuUat =^ 
f. kaule- *h5ren', u. s. w.) ist vielleicht durch dieselbe erscheinung 
bedingt oder wenigstens untersttltzt worden. Das bewahrte u im 
sUdlapp. oilfAio u. s. w. kOnnte dann mOglicherweise aus solchen 
formen (ibernommen sein, wo ein hinterer vokal folgte. Diese for- 
men sind jedoch wenig zahlreich; auch dUrfte man wohl nicht 
diese ktirzung u ^ n von der ahnlichen kttrzung 7^1 trennen 
kOnnen. Vgl. Urla. Lautl. 292 f. 



Zur geschichte des urlapp. r/ und u in unbetonter silbe. 63 



'H unregelmassig' beibehalten, was auf einen jetzt geschwun- 
denen endvokal deuten mochte. Das lappische -ui bestatigt 
voUig diese hypothese und zeigt, dass dieser vokal palatal ge- 
vvesen ist (ein hinterer vokal ware ja iibrigens im finnischen 
unverandert geblieben wie im essivsuffix -na). Mit den estni- 
schen terminativen auf -ni < -nnix (x = ein konsonant von 
unbekanpter qualitat) kann das -ni nicht unmittelbar zusam- 
mengehoren, ebensowenig wie mit -ime(k) in den lativischen 
partikeln (SetAlA a. a. o.). Inwieweit es mit dem -n in den 
finnischen illativ- und allativ-endungen -sen und -ten sowie mit 
dem mordwinischen illativsuffixe -v oder -j -< -17 und dem 
tscheremissischen -n in verbindung gebracht werden kann (vgl. 
SetAlA in Festskrift til Vilh. Thomsen 239 ff.), dartiber kon- 
nen nur kunftige forschungen ein sicheres urteil abgeben; vor 
der hand ist wohl die berechtigung dieser (iibrigens sehr an- 
sprechenden) vergleichung etwas unsicher. 

Vor possessivsuffixen hat das lappische iUativsuffix be- 
kanntlich eine andere form als die soeben behandelte. Man 
findet namlich hier uberall statt des -i oder -n ein 5-element, 
z. b. : Oflferdal aofiusdt 'deinem vater* (diese suffigierten formen 
sind hier ziemlich selten); Mala (wfSamD idem, st&jpsand *mei- 
ner stube' von stdopu *stube* (das o statt o zeigt, dass vor s 
ein kurzes u gestanden hat); Arjeplog "^par^dnasan *meinem 
sohn', ^vd'ibmusan 'meinem herzen'; Lule pdr^ndsam, vai^mn- 
satn idem; N. F. bardnasam, yaibmasam idem (Porsanger 
(Uffiussin 'meinem vater', vissusaak 'deiner stube'); Kildin +ioa/- 
sant 'deiner stube' mit oa vor einem jetzt weggefallenen a<id 
(Urla. Lautl. 232). Das vor dem suffixe stehende a, u deutet 
auf einen palatalen vokal in der nachsten silbe, die man auch 
in dem entsprechenden finnischen -sen (taloon < *talosen) 
wiederfindet. Vor den possessivsuffixen ist das n des suf- 
fixes lautgesetzlich geschwunden (wie jeder auslautende kon- 
sonant in dieser stellung, dass es aber auch im lappischen 
thatsachlich existiert hat, zeigt einerseits das in den slidlich- 
sten dialekten vorkommende iUativsuffix -san neben -$9 etc. 
(HalAsz NyK XXXI 140; mit analogischem (i vor dem suf- 
fixe), z. b.: Harjedalen Gardennsan *dem hause', anderer- 
seits der schwache stamm im illativ sing, der demonstr. und 
interr. pron., z. b.: Lule tasd, tasty Porsanger dassL^ wo das 



64 K. B. WlKLUND. 



kurze s und Lule a auf fruher geschlossene zweite silbe 
deutet (siidlappisch nme^ ixisse idem, hat durch die be- 
kannte ausgleichung der 'konsonantenschwachung* langes s 
erhalten). 

59 h) In einer reihe von hierhergehorenden adverbien hat 
man beispiele des alten translativs, z. b.: Lule or jus nach 
siiden', N. F. oaijas *nach westen'; Lule oVkus, N. F. tdigr^* 
'hinaus' = fi. uIob (Qvigstad Beitr. 131 f.). Der schwache 
stamm zeigt, dass die zweite silbe geschlossen gewesen ist. 
(i, u verlangt wieder einen folgenden palatalen vokal, wor- 
aus vviederum folgt, dass das s nicht kurz gewesen sein 
kann. Das suffix muss also -ssi oder -sse gelautet haben. 
Dieses ss nach unbetonter silbe kann verschiedenen ursprung 
haben, hier diirfte es aber auf ein ks zuriickgehen, das man 
in dem uberall verbreiteten adverb luksa etc. 'nach osten' noch 
bewahrt findet (N. F. lulas ist wohl eine spate analogiebildung). 
Die daneben stehenden adverbien Lule lurnt 'im osten*, luTte 
'von osten her' zeigen, dass luksd aus einem ^lulksa entstan- 
den sein muss (in N. F. etc. ^vfdus 'nach unten' neben ^vuolde 
unter; von unten' hat sich die ungewohnte konsonantenverbin- 
dung 'IkS' auf eine andere weise aufgelost). Das lappische 
suffix stimmt also mit dem finnischen translativsuffixe -A:^ < 
-kse (vvie noch heute vor suffixen) voUig iiberein. Die adver- 
bien ulos, alas etc. gehoren auch hierher. Der wegfall des -i 
ist hier gemeinfinnisch und von ganz derselben art (d. h. in 
der stellung nach stark nebenbetonter silbe) vvie im nomin. 
sing, der ordinalzahlen kolmas, nelj&s etc. < *'ansi; auch in 
diesen formen scheint namlich ein auslautendes i nirgends 
vorzukommen. Dass das i in dreisilbigen formen vvie van- 
haksi, piliyaksi bewahrt wurde, beruht auf einfluss seitens der 
zweisilbigen formen taksi, miksi u. s. w. (und der viersilbigen 
ahkeraksi etc.?) sovvie der suffigierten formen talokseni etc.; 
bei den adverbien war dieser einfluss weniger flihlbar. Vgl. 
SetAla Ah 167 ff., 364 ff. 

60) Im plural der zweisilbigen e- und w-stamme, ausser 
im nomin., begegnen wir ganz anderen verhaltnissen als in 
den bisher behandelten kasus. Der endvokal des stammes 
kommt hier in unmittelbaren kontakt mit dem pluralsuffix -i-, 
und der dadurch hervorgerufene hiatus gibt anlass zu allerlei 



Ziir geschichte des urlapp. a und w in unbetonter silbe. 65 

veranderungen der beiden vokale. Dieselbe erscheinung findet 
man auch im komitativ sing., dessen suffix bekanntlich ein 
4na ist = finn. -ine-. Weiter unten werden wir sie ausserdem 
in vielen verbalformen finden; oben im mom. 56 haben wir 
ubrigens schon gelegenheit gehabt sie bei den nominalen m«- 
stammen zu beobachten. 

In ofifener silbe ist das i des plurals in | oder j iiber- 
gegangen, wodurch konsonantenschwachung hervorgerufen 
wiirde. Das aus m + i entstandene ui oder uj wurde in urlap- 
pischer zeit nicht weiter verandert; einzeldialektisch ist dann 
das u bisweilen verkQrzt worden (ohne jedoch die fur das ur- 
lappische u charakteristischen umlautserscheinungen zu bevvir- 
ken) Oder (im siid- und russischlappischen) in a oder a tiber- 
gegangen. di oder aj aber hat sich zu t entwickelt, das in 
den meisten dialekten seine lange beibehalten hat; bisweilen 
wird es wie ij ausgesprochen. 

a) Im genitiv plur. kann man keine spuren eines kasus- 
suffixes finden. A priori ist man ja wohl geneigt anzunehmen, 
dass der genitiv auch im plural ein n-suffix hatte, aber weder 
die einsilbigen worter noch die sudlappischen dialekte zeigen 
ein solches n ^. Als beispiele des genitivs im plur. konnen 
angefCihrt werden: OfTerdal sat^nki 'der knaben* (mit wahr- 
scheinlich analogischem « nach der gleichung mdnd: gen. pi. 
mandi = sdr^nes: x), euAAdi 'der stirnen' {d <C u); Stensele 
'^samij Oder "^sdmei 'der lappen', ^stdlui 'der Stallos' (w < m) ; 



1 Falls der genitiv plur. also wirklich in alter zeit den nack- 
ten 'pluralstamm' aufgewiesen hat, wird das syntaktische verhaltnis 
zwischen diesem nomen possessoris und dem nachfolgenden nomen 
possessi interessant, aber r&tselhaft. Man wird unwillkQrlich daran 
erinnert, dass der genitiv sing, eigentlich ein mit dem suffix 
-n abgeleitetes possessives adjektiv ist (SetAlA AH 382), und 
folgert daraus, dass auch der genitiv plur. ein solches adjektiv 
sein kOnnte. In diesem falle ki5nnte man versucht sein die be- 
kannten ungarischen adjektive auf -i: kiraL3d, isteni u. s. w. mit 
diesem genitiv zu vergleichen; die geschichte dieser -i-adjektive ist 
aber noch imklar (Simonyi TUzetes magyar nyelvtan I 577 ff.). 
Wie die bildung der tibrigen pluralen i-kasus im lappischen und 
finnischen sowie der mit possessivsuffix versehenen pluralen nomina 
im ungarischen (hazaim, hazaid etc.) zu erklaren ist, falls der 
'pluralstamm' ein possessives adjektiv ist, ist mir unklar. 



66 K. B. WlKLUND. 



Mala fSdl^mJ 'der augen' (umlaut a > a), CBnui 'der fliisse'; 
Arjeplog ^cU^ml 'der augen' (von "^cal'bme), ^mutui 'der gesich- 
ter* (t* < w); Lule iSalrm, mudtwi; N. F. 6almi, muodoi; Por- 
sanger godl *der zelte*, viesui ,der stuben* ; Enare juolgg, julgii 
'der fiisse', ohuj 'der wochen' (von okko); Kildin ^ailgij^ ^Stigij 
'der sohne' (^ailk 'sohn*). Bei den einsilbigen stammen heisst 
der gen. plur. z. b. Offerdal mi, Maid ^a|, also ohne kasus- 
sufflx auch in solchen dialekten, wo auslautendes -n nicht 
vvegfallt. 

60 b) Der akkusativ plur. zeigt in altester zeit ein suf- 
fix 'ida, dessen auslautender vokal wie gewohnlich nur in den 
sudlappischen dialekten und in Mala sowie in einigen einsilbi- 
gen stammen zum vorschein kommt; in anderen fallen kann 
man ihn nur daraus spiiren, dass vor dem suffixe konsonan- 
tenschwachung eingetreten ist, was nicht geschehen ware, wenn 
das suffix auf konsonanten geendigt hatte (vgl. gen. sing. Lule 
suollu < *su6Uun < *sudlluin oben mom. 56). Dass der vokal 
einst a gewesen ist, zeigen die formen der einsilbigen stamme, 
die ein -a und nicht -e gehabt hatten, wenn der vokal in alte- 
ster zeit e gewesen ware. Im sudlappischen endigt der akk, 
plur. auf -edfj -eU^ Stensele ^-itej (nach HalAsz NyK XXXI 
139 in Harjedalen und Undersaker auch auf -ere mit r wie 
sonst oft in diesen dialekten <rf); im allgemeinen wird jedoch 
der akkus. plur. hier durch den nomin. plur. ersetzt; beisp.: 
Offerdal Baronets (oder nom. pi. Bdr^neso) 'die knaben', GOJuetf 
(oder GhAAud mit a < m) 'die stimen' ; Stensele "^samite 'die lap- 
pen', ^strduite 'die Stallos'. Von einem i gewahrt man hier in 
Offerdal (und iiberhaupt in Jamtland-Harjedalen) also keine 
spur, was etwas befremdend ist, da man in den meisten iibri- 
gen pluralen kasus ein i findet. Moglicherweise hat man hier 
einen rest von einem alten i-losen akkus. plur., der mit dem 
finnischen akkus. plur. kalat etc. identisch ware; in diesem 
suffixe sollte man aber keinen auslautenden vokal erwarten. 
In Mala endigt der akkus. plur. bei den c-stammen auf -W« 
oder Ad, bei den 27-stammen auf -aide oder -ut/>, z. b. : fSdPimds 
'die augen', etnkiv 'die fliisse'. Arjeplog hat bezw. "^-U (-ijt, -if) 
und ^'i(it, z. b.: ahcit 'die vater', ^pelltiit 'die schellen'. Lule 
'd, -G)it: dofsit, peellmt. Porsanger -7, -iii, z. b.: godl 'die 
zelte', viesui 'die hauser'; der akkus. ist also hier mit dem 



Zur geschichte des urlapp. a und u in iinbetonter silbe. 67 



genitiv plur. zusammengefallen wie sonst oft in N. F. (godi, 
▼iesoi neben godid, viesoid, vgl. Friis Gramm. § 45, anm. 2). 
Diese erscheinung ist ofifenbar analogisch aus dem sing, iiber- 
fuhrt worden, wo genit. und akkus. gleich sind; daher auch 
bisweilen genit. plur. auf -id (Friis a. a. o.). Enare -iid, -uid, 
z. b.: jnolgiid 'die fiisse', ohuid 'die wochen*. Kildin ^-ijty 
z. b.: ^ceimijt 'die augen*; bei den eT-stammen.^ Als beispiel 
von akkus. plur. bei einsilbigen stammen kann angefiihrt wer- 
den: Offerdal Ddits^ attrib. Dalies; Mali taitU; Lule tait (aber 
ituiits neben mait); Porsanger dai; Kildin "^tajt 

Wie schon z. b. von Donner Gegens. Verwandtsch. der 
F.-Ugr. Spr. 94 fif. hervorgehoben worden ist, stimmt das suf- 
fix des lappischen akkus. plur. mit dem suffixe des finnischen 
partitivs -ta (^ -da) formell voUig iiberein. Ob die beiden suf- 
fixe (und das mordvinische -do, -de) auch inhaltlich und histo- 
risch identisch sind, muss wohl noch dahingestellt bleiben. 

60 c) Vom inessiv plur. hat man im lappischen zwei 
verschiedene typen, von denen der eine die suffixform des 
singulars zeigt, der andere aber eine erheblich abweichende 
form. Im siidlappischen endigt der iness. plur. bei den e- und 
/7-stammen im allgemeinen auf -iru, -ins oder (in Stensele bei 
den letzteren auf) ^-uine, z. b. : Offerdal Bdr^nms 'bei den kna- 
ben', edAAlne 'auf den stimen' (wo -a auf einen friiheren, un- 
mittelbar folgenden hinteren vokal deutet); Stensele '^c^lemine 
'in den augen', "^staluine bei den Stallos' ; bei einsilbigen stam- 
men z. b. Offerdal DdirUy mlnefj aber Stensele nach HalAsz 
^idisne. In Maid -Inf^A bezw. 'Uin(d), z. b.: £Sdl^min(d) 'in 
den augen', eknuin(d) 'in den flussen'; bei einsilb. stammen: 
taisnde etc., aber attributiv taifne etc. (auch pradikativ Jcesifnes 
'bei welchen'). Arjeplog: "^niccJn, -in, -isne 'in den eutern', 
^mfduin 'in den gesichtern', einsilb. ^tain, tain, taisne, tdisne, 
fdisney attrib. Haidne, ididne. Lule fSalnun, rnuot&in, tains, 
attrib. tain, N. F. 6almin, muodoiiiy dain. Porsanger gbdin 
'in den zelten', viesiin 'in den hausern' mit geschwundenem i, 
gedina 'bei welchen'. Enare juolgin 'in den fiissen', ohuin 'in 
den wochen'. Kildin '^ktdijn 'in den handen' ; (bei den /7-stam- 
men?); einsilb. "^tdjn, tajn, mejn, kojn. Der eine suffixtypus 
ist also identisch mit dem -sne etc. des singulars. Dieser typus 
ist aber sehr selten und ist sogar in keinem dialekte allein- 



68 K. B. WlKLUND. 



herrschend, sodass man annehmen muss, er sei analogisch 
aus dem singular heriibergekommen. Statt dessen findet man 
tiberall ein suffix -n oder -ne, -nes etc., aus vvelchem -ne in 
einigen dialekten nach hauptbetontem vokal lautgesetzlich ein 
'ine o. dgl. wurde. Dieses -n, -ne muss aus einem alteren -na 
entstanden sein. Erstens muss der konsonant des suffixes kiirz 
gewesen sein, weil man vor ihm sonst ein ?, w < ai, ui in 
geschlossener silbe erwarten wiirde (vgl. Lule pootiv 'ich kam', 
Tcorruw 'ich nahte' < -aim, -uim) ; Lule und Arjeplog -n ist also 
nicht mit ihrem -n im iness. sing, gleichzustellen. Zweitens 
geht der noch in vielen dialekten vorkommende lange suffix- 
vokal auf ein alteres a zuriick. Das suffix ist also formell mit 
dem suffix des essivs identisch, und wir sind gewiss berechtigt 
die beiden suffixe auch genetisch mit einander zu identifizieren, 
da ja der essiv urspriinglich auch (oder vielleicht nur) lokale 
bedeutung gehabt hat. Es entsteht also eine auffallende liicke 
in der reihe der pluralen kasus, indem einer von den sonst 
gewohnlichsten und wichtigsten kasus vollig verschwindet. Wie 
diese anomalie zu erklaren ist, sehe ich vor der hand nicht ein. 
Es k5nnte vielleicht ein iiberrest aus einer alteren zeit sein, wo 
der plural noch nicht tiberall entwickelt oder in alien fallen 
gebrauchlich war und der singular die funktion des plurals 
vertrat, vgl. die verhaltnisse im mordvinischen, wo der plural 
der imbestimmten deklination in grosserem oder kleinerem um- 
fange fehlt (Ahlqvist, Mordv. Gramm. § 65; Wiedemann, Gramm. 
§ 54, vgl. auch § 56). Man begegnet derselben oder beinahe 
derselben erscheinung auch in anderen kasus (vgl. bei dem 
illativ plur.), wo das suffix des singulars im plural durch ein 
anderes ersetzt wurde, das seinerseits im singular selten oder 
obsolet ist. 

60 d) Der elativ plur. hat tiberall, wo er iiberhaupt noch 
bewahrt ist, dasselbe suffix wie der elativ sing. + pluralem t. 
Bei den e- und w-stammen heisst er also im stidlappischen z. b. : 
Offerdal Bdr^nlSts Von den knaben', GaA.%iitB Von den stirnen' 
(wo A durch einen folgenden, jetzt geschuiindenen, hinteren 
vokal bedingt wird), einsilb. Ddiite, -es: Stensele ^wariste Von 
den bergen', "^stdluiste, stdlisfe Von den Stallos', einsilb. ^taisie. 
Mala t§dVm\st(d) Von den augen*, etnuist(d) Von den fliissen', 
taisUs, taiste, Arjeplog ^niccist, idndist Von den eutem', 



Zur geschichte des urlapp. d und u in unbetonter silbe. 69 

^mutuist Von den gesichtern', taist(e) etc. Lule fialmis, mud- 
iwis, taistsy attrib. tais. In N. F., in Enare und im russisch- 
lappischen ist der elativ plur. voUig verschwunden, indem der 
inessiv auch die funktion des eiativs iibernommen hat. Wie 
man erklaren soil, dass im plur. eben der inessiv der herr- 
schende vvurde, weiss ich nicht. Man sollte eher erwarten, 
dass die analogie des singulars, wo jetzt der elativ vorherr- 
schend ist, eben das umgekehrte bewirkt hatte. Das lange 7 
vor dem elativsuffixe in den meisten dialekten sowie der 
schwache stamm in Maid— Lule sind etwas befremdend. Das 
richtige' ware kurzes i und starker stamm wie in dem soeben 
erwahnten falle Lule pdotiv < — a4m mit geschlossener zwei- 
ter silbe. Ebenso wurde man ein Lule *mu6tus etc. erwarten 
= korruw < -u-im. Das -15, -Gtis durfte also durch analogie 
aus dem singular entstanden sein. Das kurze i, u in Stensele 
und Arjeplog ist offenbar aus f, u verkiirzt worden. 

60 e) Der illativ plur. hat iiberall dasselbe suffix, das 
jedoch einigen analogischen veranderungen unterworfen worden 
ist. Im sudlappischen heisst es z. b. Offerdal Bdr^nUs 'den 
knaben', GluAlte 'den stimen', daneben aber auch sdr^nete, 
Ga.iAeU gleich dem akkus. plur.; bei den einsilbigen stammen 
ist dies letztere das einzig gewohnliche. Stensele: = akkus. 
plur. Mali: = akkus. plur. ausser bei den einsilb. stammen: 
Iceijip, 7n(4t9j nicht -ee wie im akkus. Arjeplog: ^niccita, 
iiiccita 'den eutem', ^miituita 'den gesichtern', Haifa, Lule: 
pdrnita, mudiwita, taita; daneben in einigen gegenden ein 
suffix 'fti, -mti. N. F. barnidi, muodoidi, daidi; in den wirk- 
lich gesprochenen dialekten endigt der illativ plur. auf ^-ide, 
'ids^ 'ida, -iden, 4den (Qvigstad Beitr. 143) und sogar auf 
^'jen, 'je: Karesuando ^owseje 'den zweigen', ^vaimojen 'den 
herzen' = N. F. ovsidi, vaamoidL Porsanger: godidi, viesuidt, 
daidi. Enare: juolgiid, -iitah, -iita 'den fussen', ohuid 'den 
wochen'. Kildin: ^jujlcijt 'den fiissen', ^sdnmjt 'den kraften' 
(=z N. F. flunoidi; unbetontes d regelmassig > a), ^tejt. Die 
urspriinglicheren suffixformen durften hier die auf vokal aus- 
lautenden sein. Das -n kommt nur in solchen N. F.-dialekten 
vor, wo auch der illat. sing, ein -n hat, d. h. in Sorfjorden, Bals- 
fjorden und teilweise Karesuando, und zwar nur in dreisilbigen 
wortformen: ^bardniden, ^vaimoiden etc., ganz wie im singu- 



70 K. B. WlKLUND. 



lar, wo -n auch nur in dreisilbigen wortformen, d. h. hier bei 
dreisilbigen stammen, vorkommt: ^gatvpugen etc.; die z\vei- 
und viersilbigen wortformen aber haben kein -n, weder im 
plur. noch im sing. Da die eigentlichen n-bewahrenden dia- 
lekte, Offerdal, Mala etc., hier keine spur irgend eines auslau- 
tenden -n zeigen, muss man annehmen, dass das -n in Sor- 
fjorden etc. aus dem singular gekommen ist. Der endvokal 
des suffixes ist wahrscheinlich -5 gewesen. In Mala und im 
sudlappischen ist dieses a wie sonst oft zu -a, -« geworden, in 
Enare und im russischlappischen ist es weggefallen. Das -i, -7 
einiger dialekte diirfte aus dem singular stammen; dasselbe 
i kommt wohl auch in den eigentiimlichen Karesuandoformen 
^vaimojen etc. zum vorschein. Die zusammenwerfung des illa- 
tivs mit dem akk. plur., die in einigea gegenden geschehen ist, 
wird durch die grosse ahnlichkeit der beiden suffixe leicht er- 
klarlich; die illative der einsilbigen stamme haben dadurch im 
sudlappischen langes e erhalten, das sonst diesem suffixe fremd 
ist. Der konsonant des suffixes endlich ist von anfang an 
offenbar d gewesen. Diejenige form des suffixes, aus der die 
jetzigen formen desselben zunachst hervorgegangen sind, ist 
also 'idd gewesen. In einigen sudlappischen adverbien kommt 
dieses suffix auch in einer singularform vor, z. b.: Haijedalen 
Hdideds oder Haiders *nach Hede\ aoutere 'nach hause' u. s. w. 
Dieses -de oder das daraus hervorgegangene -rs kann iiber- 
haupt zu jedem worte, das eine lokalitat bedeutet, gefiigt wer- 
den. Aus anderen fiugr. sprachen kann diese lativendung, wie 
es scheint, kaum belegt werden (vgl..^ Budenz NyK XXIII 251 
vogul. -f). 

Oben im abschnitt II haben wir gesehen, dass urspriing- 
liches u in der zweiten silbe vor folgendem palatalem vokale 
(der spater oft in a (ibergegangen ist)0gekurzt wurde. Lule 
muotdbita zeigt, dass diese regel nur fiir das einfache ?7 gilt, 
nicht fiir den diphthong rd. Dasselbe zeigt auch der komitativ 
hlotmna etc., vgl. unten. 

60 f) Dieselben lautverhaltnisse wie bei den jetzt behan- 
deken pluralen kasus, d. h. auslautenden stammvokal + i + ein- 
fachen konsonanten + vokal, findet man endlich auch im ko- 
mitativ sing. Dieser kasus lautet im sudlappischen z. b. 
Offerdal Bdr^nene *mit dem knaben', Gd.tAenB *mit der stim' (rait 



Zur geschichte des urlapp. a und u in unbetonter silbe. 71 

A vor jetzt geschwundenem hinterem vokal), Dains, -es. Sten- 
sele ^samins 'mit dem lappen', ^stdluins 'mit dem Stallo', ^tdine. 
Mala: fSdVmlns 'mit dem auge', esniiina 'mit dem flusse', fa/w'^, 
attrib. talna, Arjeplog: ^ahcin 'mit dem vater*, ^pelluin 'mit 
der glocke*, Uain(a), tdina, tdina. Lule: pdrnin(a) 'mit dem 
sohne', lcddtwin(a) *mit der katze*, ^aina. N. F.: bamin, gat- 
toin, dam(a). Enare: julgin, juolgin 'mit dem fusse\ ohuin, 
ohoin *mit der woche*. Kildin ^kldijn 'mit der hand', (bei den 
w-stammen?), Hdjn, Die urspriingliche form des suffixes ist 
-ina gewesen, aus der sich die jetzigen formen desselben regel- 
massig entwickelt haben; das lange -e in den zweisilbigen for- 
men in Offerdal und Stensele ist analogisch aus den anderen 
kasus hineingekommen. Das urlappische 4nd entspricht voUig 
dem finnischen -ine (bezw. dem 4n des instruktivs, das viei- 
leicht nach demselben prinzip wie uIob oben mom. 59 h aus 
'ine liber -ini entwickelt worden ist). 

Die entwicklung der lautverbindungen di und ui in offe- 
ner zweiter silbe ist also in alien im mom. 60 behandelten fal- 
len dieselbe gewesen, d. h. di > ?, ui > ui mit „konsonanten- 
schwachung". Auch im elativ plur. findet man dieselbe ent- 
wicklung des dij ui, obwohl die zweite silbe bier geschlossen 
ist; dieser widerspruch erklart sich aber leicht durch annahme 
einer analogischen einwirkung seitens des elativ sing, und der 
(ibrigen pluralen kasus. Die entwicklung ai > ? (besser di > n, 
dessen i die zweite silbe geschlossen machte) ist wohl (iber 
eine zwischenstufe ei geschehen, von der man aber jetzt keine 
spuren mehr findet. (Forts.) 

Upsala. 

K. B. WlKLUND. 



72 JOOS. J. MiKKOLA. 



Finnisoli-slavisolie bezieliimgeiL 



Aus den vorarbeiten zum II. Teil der Beruhrungen zwischen den 
westfinnischen und slavischen sprachen. 



1. Alte spnren der karelier. 

Im weissrussischen bedeutet nach NosoviC, CjioBapb 6tjio- 
pyccKaro Hap4qi;i, kareiy (bei N. KOpijiRfi geschrieben) 1) *rau- 
ber im walde* 2) 'grausam' und ausserdem 'schmutzig' und als 
schimpfwort 'ekelhaft*. Hier an die karelier zu denken liegt 
nahe, besonders ist die bedeutung 'ein im walde sich auf- 
haltender rauber' recht auffallend. Noch wahrscheinlicher wird 
die in diesem worte steckende reminiscenz an die karelier da- 
durch, dass kareiy auch in einem ortsnamen Kareli6y (geschrie- 
ben polnisch Koreliczy, russisch KopeJiHMB) auf vveissrussischem 
gebiete vorkommt. Der name ist um so interessanter, weil er 
so weit im sudwesten wie im gouvernement Minsk unfem 
der durch Adam Mickiewicz namhaft gewordenen stadt Nowo- 
grodek auftritt. Um nahere auskunft (iber den ort zu erhal- 
ten, wandte ich mich im sommer an Herrn Edward Klich, 
einen jungen polnischen sprachforscher aus Krakau, der eben 
den dortigen weissrussischen dialekt an ort und stelle studierte; 
Herr Klich hatte denn auch die grosse giite mir mitzuteilen, 
wie sich die dortige bevolkerung den ursprung des namens 
erklart. Nach dieser erklarung wohnte vor langen, langen zeiten 
dort ein mann namens Kareiy, dessen ganzer stamm ver- 
schwunden ist. Dieser erklarung braucht man freilich keine 
grosse bedeutung beizumessen, denn es liegt nahe auf der hand 
aus dem namen kareUSy eine solche griindungssage herzuleiten; 
aber viel wichtiger ist, dass kareiy gerade in einem ortsnamen 
soweit im sudwesten vorkommt; dies macht die annahme noch 
wahrscheinlicher, dass kareiy Valdrauber' eben urspriinglich 
ein karelier, russ. KopeJit ist. Uber andere ortsnamen im weiss- 
russischen gebiete in anderem zusammenhang; hier will ich nur 
ein finnisches lehnwort im weissrussischen erwahnen. Es ist 



Finnisch-slavische beziehungen. 73 

dies korft 'ungesauerter trocken gebackener kuchen', ein wort 
das sogar ins kleinrussische gedrungen ist. Es ist linn, kyrsa 
ungesauertes brot\ 



2. Ein finnisohes lehnwort im polnischen. 

Poln. kobieta \veib' ist etymologisch unklar. Ausser dem 
polnischen kennen das wort nur das weiss- und kleinrussi- 
sche. In der alteren sprache hatte es eine etwas verachtliche 
bedeutung. „Die manner nennen uns weisskopfe (biaiogiovvy) 
und spinnerinnen (prz%dki) und zur grosseren schmach kobiety", 
heisst es bei Marcin Bielski. Miklosich hat im Et. Wb. kobieta 
ohne etymologische erklarung gelassen, aber im Lex. palaeoslov. 
finden wir noch die vermutung P. A. Lavrovskij's erwahnt, dass 
kobieta aus kobb 'augurium* gebildet sei und urspriinglich 
'zauberin*, dann 'liederliches weib' und schliesslich nur Veib* 
bedeute. Man spricht freilich von „alten", sogar von „klei- 
nen" und „armen hexen", wegen seines suffixes steht jedoch 
kobieta ganz vereinzelt da, sodass man, wie es auch Miklosich 
im Et. Wb. gethan hat, die ableitung von kobb am liebsten aus 
dem spiele lasst. Wegen seiner unslavischen gestalt muss das 
wort entlehnt sein, und die quelle der entlehnung scheint das 
finnische zu sein. In der finnischen volkspoesie ist kave 'weib, 
mutter', auch iiberhaupt *edles wesen' und die diminutivform 
kapo, kaponen *weib, madchen'. Auch das estnische hat kabe> 
gen. kabeda und dim. kabene 'weib, frau\ Formell sind poln. 
kobieta und fi. kaye(t), est. kabe einander so ahnlich, dass 
sie nicht getrennt werden konnen. Die urspriinglich pejorative 
bedeutung des polnischen wortes, wahrend das finnische wort 
eine ehrbare frau oder maid bedeutet, ist eben durch entleh- 
niing zu erklaren; so geht es ja oft mit lehnwortem. 

3. Ein slavisohes lehnwort im finnischen. 

Finn, talka 'schiffskiel; bretterbeschlag auf dem boden eines 
bootes; die unterlage des hebebaumes; axtrucken*. Dieselbe 
gemeinsame bedeutung 'unterlage, sjutze' hat auch slav. ^dolga^ 
das im czechischen als diaha, dlaha 'schiene der wundarzte, 



74 JOOS. J. MiKKOLA. 



kompresse; unterlage des fussbodens', im slowakischen mit 
diminutivendung erweitert als dla£ka 'erdboden', dla£ka Vierecki- 
ges stiick z. b. holz, steine', im kroatischen als dlaga 'bein- 
schiene' und im polnischen (dial.) mit diminutivendung ervveitert 
als diozka 'fussboden* erscheint. Am meisten verbreitet ist das 
wort im czechisch-slowakischen, wo mehrere abieitungen von 
demselben vorkommen. Merkwiirdigerweise fehlt das wort im 
russischen. Vgl. auch das oben s. 115 fif. behandelte finn. 
ativo, dem auch kein russisches wort zur seite gestellt werden 
kann. Bei einer anderen gelegenheit hofife ich nachweisen zu 
konnen, dass die alten slavischen lehnworter im finnischen 
nicht ausschliesslich aus dem russischen heriibergenommen sind. 



4. Ruotsi, RuBB. 

Der verstorbene E. Kunik beschaftigte sich viel mit dem 
verhaltnis von Ruotsi zu Rusb. Wiederholte male hatte ich ge- 
legenheit den vortrefflichen forscher der waragerfrage uber dieses 
verhaltnis sprechen zu horen. Trotz meiner einwande beharrte 
er darauf rusb aus einer dialektischen form Ruossi im finnischen 
herzuleiten. Eine form wie Ruossi ist jedoch kaum alt genug 
um dem worte Rusk zu grunde liegen zu konnen, obgleich 
dialektische varianten, wie gerade ss, ht u. s. w., neben der laut- 
verbindung ts im finnischen schon vor einigen jahrhunderten 
auftreten, s. SetAlX AH 172 ff. Ausserdem haben gerade die 
finnischen dialekte, welche ortlich dem russischen am nachsten 
liegen (estnisch, ^wotisch, karelisch, wepsisch), gerade ts (und 
tfi), SetAlX a. a. o. Aus dem finn. ruotsi war eben russ. rusb 
und nicht etwa *ruci> zu erwarten. Es giebt ja im slavischen keine 
nicht abgeleiteten volkernamen auf -cb, wie iiberhaupt keine femi- 
nina auf -cb; der ausgang -cb kommt nur bei maskulinen to- 
stammen, wie nSmbob u. a. vor. Ein *rucb ware ein monstrum 
gewesen, wogegen sich die lautlich naheliegende form rusb na- 
tiirlich an andere volkernamen auf -sb, wie vesb, 6eremisb, 
kxrsb Oder korsb, anschloss. Nun konnte ein gegner der nor- 
mannen theorie einwenden, finn. Ruotsi bedeute nur Schweden 
und der zusammenhang zwischen ruotsi und rusb bleibe eine 
vage hypothese. Es giebt aber einen direkten beweis dafiir, dass 



Finnisch-slavische beziehungen. 75 

ruBb aus motsi entstanden ist und das ist die syrjanisch-wotja- 
kische benennung fiir die 'russen\. namlich syij. rota und wotj. 
dkatA (anlautendes r im wotjakischen in di, di iibergegangen). 
Zu den wotjaken ist der name von den benachbarten syrjanen 
und zu diesen wieder von den permischen (oder 'bjarmischen') 
kareiiem, den alten nachbaren der syrjanen, gekommen. Fiir 
diese nachbarschaft sprechen deutlich wahrnehmbare sprachliche 
beriihrungen; eine untersuchung uber die finnischen (karelischen) 
und sogar skandinavischen lehnworter im syrjanischen ist von 
dr. WicHMANN zu erwarten. Dass die finnischen stamme an der 
herbeirufung der waragen teilgenommen, nennt die russische 
chronik ausdriicklich, und so ist es zu erklaren, dass die slaven 
den namen der ankommlinge von den ortlich den skandina- 
viem naher liegenden finnischen stammen iibernommen haben. 
Ob das flnnische wort ruotsi seinerseits mit germ. hrolH im 
zusammenhang steht, vermag ich nicht zu entscheiden. 



5. Die wepsen und Vologda. 

Bekanntlich sind die jetzigen wepsen (vepsalaiset) ein 
(iberrest des einst machtigen finnischen stammes, der unter 
dem namen vesb aus der russischen chronik bekannt ist. Auch 
die arabischen quellen erwahnen ein volk visu und FrAhn, 
Ibn-Foszlan 205 — 253, hat nachgevviesen, dass damit die am 
BSlo-ozero wohnenden wepsen (vesb) gemeint sind. In Vasina 
des Jordanis haben schon SchlOzer und Zeuss dasselbe volk 
erkannt. Adam von Bremen hat vom raubervolk der Wizzi 
erzahlen horen und Wisinnus, Viflinn bei Saxo und in Fom- 
aldar Sogur sind reminiscenzen an dasselbe volk, MIJllenhoff, 
Deutsche altertumskunde V 310, Olrik, Festskrift til Thomsen 
118 ff. Die slavische form vesb lasst sich leicht aus finn. 
vepsa (oder vielleicht vepsi, vgl. Ruotsi, aber Ruotsalaiiien) 
erklaren, well die lautverbindung ps dem slavischen unbekannt 
ist. Auffallend ist, dass schon Jordanis die form ohne p 
(vasina) hat, denn er hat das wort kaum aus slavischem 
munde. 

Dasselbe volk scheint auch unter einem andern namen 
bekannt gewesen zu sein. Adam von Bremen schreibt (Mo- 



76 JOOS. J. MiKKOLA. 



num. Germ. SS. VII 375): „Ibi [in Ruzzia] sunt etiam qui 
dicuntur Alani vel Alb an i [var. Albini], qui lingua eorum 
vvizzi dicuntur". Wie kam nun Adam dazu die wizzi mit den 
ihm aus Solinus bekannten fabelhaften Albani zu identiftzieren.^ 
Die moglichkeit, dass der wahrscheinlich aus Obersachsen stam- 
mende Adam bei wizzi an ahd. wig 'weiss* denken konnte and 
deshalb wizzi mit Albani tibersetzte, ist nicht ausgeschlossen, 
aber es kann auch moglich sein, dass seine gewahrsmanner 
dasselbe volk auch die „Weiss-see'er" nannten. Der hauptsitz 
der vesb war am „Weissen See", B61o-ozero im jetzigen Gouv. 
Olonetz und in russischen quellen wird von BSlo-ozerbci gespro- 
chen. B61o-ozero ist selbst eine tibersetzung aus dem wepsi* 
schen VclKktaf (nach gutiger mitteilung von prof. SetAlA). Der 
erste teil steckt im russ. namen Vologda (weps. 'vveiss* vauged 
< aus *vaikeda, nach SetXlA). Neben russ. B6lo-ozerbci exi- 
stierte wahrscheinlich eine kurzform. Zu dieser annahme fiihrt 
uns namlich der in Orvarodds saga vorkommende konigsname 
Eljalki und sein land Bjalkaland, welches Oddr dem konig 
Herrauflr in Hiinaland tributpflichtig machen soil. Boer, Arkiv 
f. nord. fil. VIII 109—112 hat die heerfahrt nach Bjalkaland 
einer kritischen untersuchung unterzogen und erkennt darin 
sehr alte reminiscenzen an historische ereignisse. Den namen 
Eljalki erklart er aus russ. b6lka 'eichhornchen, pelztier', „E|jalka- 
land ist das pelzland**. Ich will die moglichkeit einer solchen 
erklarung nicht leugnen, glaube aber dass Bjalki und Bjalka- 
land sich viel ungezwungener aus irgend einer kurzform des 
russ. B6lo-ozerLoi herleiten lasst. 

Helsingfors. JOOS. J. MiKKOLA. 



Nochmals kioxjiga^ kdnyr und konov. 77 



Noolmials k-bnjiga, konyv und konov. 

In dieser zeitschrift I 112 ff. habe ich nachzuweisen ver- 
sucht, dass mordw. koi&ov 'papier' und ung. kSnyv 'buch' we- 
der mittelbar noch unmittelbar aus dem slavischen entlehnt 
sind, sondem mit slav. kipjiga auf eine gemeinsame quelle 
hindeuten K Ich dachte dabei zunachst an die kulturherde des 
alten Asiens. Mein freund dr. G. Schmidt lenkte einige zeit 
nach dem erscheinen meiner bemerkung meine aufmerksamkeit 
auf das assyrische wort kunukku. Dies bedeutet 'siegel*. Es 
giebt im assyr. auch kanak 'siegel driicken', welches aber ein 
denominativum zu kunukku zu sein scheint. Nach Eberhard 
ScHRADER, Die Keilschriften und das alte Testament p. 559, ist 
„d\e ableitung des wortes dunkel". Lenormant, Etudes acca- 



1 Diese meine bemerkung hat in Ethnographia XII 466 ff. 
:= Keleti Szemle II 308 — 312 einige gegenbemerkungen von B. 
MuNKACSl hervorgerufen. M. halt seine behauptung, dass ung. 
kdnyv aus dem slavischen durch die vermittlung irgend einer tUr- 
kischen sprache entlehnt worden sei, aufrecht. Es kann auch nicht 
geleugnet werden, dass, wie M. mit mehreren beispielen bewiesen 
hat, in tiirkischen lehnwOrtem im ungarischen dem tUrkischen g (y) 
ein V (u, ii) entspricht, aber ein dem ung. kdnjrv entsprechendes 
wort existiert in keiner tUrkischen sprache, wenn wir von ganz jun- 
gen entlehnungen wie tschuwass. kenakH absehen. Auch ist der 
umstand, dass die begrififlich verwandten ung. wOrter betil 'buchstabe' 
und ir 'schreiben* tttrkisch-mongolischen ursprunges sind, nicht ent- 
scheidend fQr die zunachst tUrkische entlehnungsquelle des altung. 
kdnyu, jetzt kSnjrv; man beachte nur z. b. im deutschen neben 
den germanischen >buch» und »buchstabe>> das aus dem lateini- 
schen stammende »schreiben» oder im slavischen neben dem wahr- 
scheinlich einheimischen pbsati, pisatd 'schreiben' das aus dem 
germanischen entlehnte buky 'buchstabe' und das jedenfalls unsla- 
vische kbpjiga. Ein kulturwort wie 'buch* halte auch ich nicht 
fQr einen flberrest finnisch-ugrischer sprachgemeinschaft; ung. k6nyv, 
mordw. koi&oy sind m. e. parallele entlehnungen von einem wort, 
das etwa 'schrift' bedeutet hat. Befremdet hat mich die behauptung 
M:s: »in uralten kemmag}*arischen und -mordwinischen wOrtem 
kann dem auslaut fj wohl das v entsprechen, aber nicht in lehn- 
wOrtem>; das h^ngt ja doch vom alter eines lehnwortes ab! 



78 E. N. SetAlX. 



diennes s. 267 fiihrt auch ein „kiiigu pour kinka 'sceau cachet'** 
an. Es ist wohl keine zu kuhne annahme, wenn man den 
ursprung jeder schrift aus den namenszeichen — und solche 
kennen viele im primitivsten kulturzustand lebende volker — 
herleitet. Der erste schritt vorwarts war das namenszeichen 
als stempel anzuwenden. Ist doch z. b. lat sigillum nur ein- 
fach 'zeichen'. Dieselbe bedeutung ist die ursprungliche auch 
beim slav. pe6atb 'siegel, petschaft', s. Sreznevskij, Maxep. jijih 
cjiOH. ApeBHepyecK. ^3. sub voce pe6atB. Deshalb ist die land- 
laufige etymologic, wonach pe6atb von pek- 'hitzen, braten, 
backen' stamme, abzuweisen. Slav. pe6atb scheint namlich 
mit dem tiirkisch-mong. bi^ u. s. w. 'buchstabe, schrift' 
irgendwie zusammenzuhangen ; in welchem verhaltnis das ietz- 
tere zu samojed. padau 'bunt machen, schreiben' mit seinen 
ableitungen steht, muss dahingestellt werden. 

Helsingfors. JOOS. J. MiKKOLA. 



Beitrage zur flnnisoli-ugrisolien wortkunde. 



Unter diesem tit el habe ich die absicht in dieser zeitschrift kleine 
etj-mologische artikel, die nebenergebnisse meiner untersuchungen teils 
auf dem lautgeschichtlichen, teils auf dem sprachlich-kulturgeschichtli- 
chen gebiete enthalten, dem leser darzubieten. Diese artikel werden 
ohne inneren zusammenhang, je nachdera der raum es gestattet, ver- 
offentlicht um leer gebliebene seiten am ende der hefte auszufullen. 



1. Lp. duogtiat 'flicken' = mord. tavadoms *bedecken\ 

Friiher habe ich (AH 122) das mord. tavadoms 'bedecken* 
mit fi. tapaan inf. tavata 'consequi* u. s. w. zusammengestellt. 
Paasonen hinwieder (Kielellisia lisia 35, Suomi III 13) verbin- 
det das mord. wort mit dem est. taba 'schloss'. Diese zusam- 
menstellungen, die jedoch an und ftir sich nichts ganz binden- 



Beitrage zur finnisch-ugrischen wortkunde. 79 



des enthalten, sondern lautlich nur m5glich und hinsichtlich 
der bedeutung nur nicht unmoglich sind, mochte ich durch 
eine neue ersetzen, die mehr einleuchtend ist: 

IpN daogt^at, daoT|am (nach meinen eigenen aufzeich- 
nungen aiis dem Utsjoki-dial. tuodijat 1. p. pr. tuooijam) 're- 
sarcire', 'flicken', IpL tudgfja- id., Lind. & Ohrl. tuognet id., 
Ipl (nach AiuA) tuoufifjqd 1. p. pr. iuoufjqm id., IpK Wvnh; 
Kild. Uuviie-, tunne-j Notoz. Hunne- id., — subst. IpN duotias 
g. daog^ias 'centunculus', 'flicken, fetzen', IpL tudkijos (tuag/iase'} 
id., Lind. & Ohrl. tuognes id., IpPite Hunas g. twgnasa, siidip. 
^tuoftesa, fuoiigesa u. s. w. id., Ipl (AimA) tuoi(ijqs g. tt^otjfjfiaz 
id., IpK Hiviis g. tlvnlzl, Notoz. Huvhas, tunas id. \ mordE 
tavadoms, mordM tavaddms 'bedecken, zudecken, uberdecken, 
verschleiem, beschatten', syfnese t. Vergolden' tavafks 'deckel; 
dach' I tscher. tumui (tomyft, tumyi, Castr. tumas) 'pannus, 
cento, lacinia', tumu&tem, tomadtem (Castr. tumadtem) 'pan- 
nis resarcire', 'flicken, einen fleck ansetzen' ' syrj. ddmny 
(ddmyny), ddmalny 'flicken, ausbessern'; subst. ddmas 'lap- 
pen, flick', syrjOP dymas id.; ddmalny 'geflickt, ausgebessert 
werden; sich mit flicken beschaftigen'. — Aus dem finnischen 
kenne ich kein wort, das mit sicherheit mit den obigen zusam- 
mengestellt werden konnte. Ich habe jedoch an fi. tavaskal- 
tamen, tavaskainen 'uneben, verschieden' (bes. hinsichtlich der 
grosse) gedacht (etwa 'flickisch', 'fleckig', vgl. fi. paikkulai- 
nen 'flickisch, fleckig, ungleichmassig hinsichtlich der farbe, 
uneben' ^-^ paikka 'flicken', paikku 'fleck'), wobei also ein 
stammwort tavas- ^= Ip. duotias, tscher. tumuft, syrj. ddmas 
vorauszusetzen ware; weniger wahrscheinlich scheint es mir, 
dass das betr. finn. wort mit einem ganz anderen finn. stamme 
tapa 'gewohnheit' (vgl. tav^asta 'oft, zuweilen') zusammenhange. 
Jedenfalls ist die zusammengehorigkeit der Ip., tscher. und syrj. 
worter unzweifelhaft, und meiner ansicht nach kann es kaum 
bezweifelt werden, dass auch das mord. wort hierher gehort. 

Das lautliche verhaltnis^ der betr. worter ist nattirlich so 
aufzufassen, dass hier zwischen den vokalen der zwei ersten 



^ Vgl. meinen artikel »Ober einen 'gutturalen' nasal im ur- 
finnischen », Festskrift til Vilh. Thomsen 230 f. 



8o E. N. SetAiA. 



silben urspriinglich sich ein „guttiiraler" nasal 17 befunden hat 
(im Ip. erhalten, > mord., fi. v, tscher., s\TJ. oft w); als urform 
(mit finn. vokalismus) ware also *fei^s-, *faii8S anziisetzen (im 
Ip. weisen einige formen auf iftj, einige auf 1^17 ^ hin). 

Wir haben hier also ein neues beispiel des fiugr. inlau- 
tenden ij in einem worte, welches auch von einem gevvissen 
kulturhistorischen interesse ist. 

Die behandlung des est. taba muss wegen mangels an 
raum fiir das nachste heft aufgespart werden. 

Helsingfors. E. N. SetAlA. 



^ Die mOglichkeit ist nicht ganz ausgeschlossen, dass die 
Ip. formen ein urspr. ijm voraussetzen, vgl. z. b. IpN savdpje, 
Ipl (AimA) sdi^ii^i, IpK +5a,ime, sa^vhe 'saum, naht' = ano. saomr, 
(tiber?) fi. sauma. Auch in diesem falle kOnnte wohl das mord. 
wort den ttbrigen entsprechen, vgl. mord. lou, lev 'schnee' = fi. 
Imni, mord. tov 'nucleus' = tscher. tom 'kern', fi. ttuna id. 




ANZEIGER 

DER 

FINNISGH-UGRISGHEN FORSGHUNGEN 

BAND II JANUAR-MAI 1902 HEFT 1 



Besprechungen. 

Yrj6 Blomstedt u. Victor Sucksdorff. Karjalaisia rakennuksia 
ja koristemuotoja. = Karelische geMude und ornamente. Hel- 
singfors 1900 — 1901, selbstverlag (mit unterstUtzung der Finni- 
schen Altertumsgesellschaft). 206 p., 89 taf. u. i karte. 4:0. 
Preis 25 Fm. ^ 

Von dieseiii uinfangreichen werk verliess 1900 der zweite teil 
die presse. Er behandelt die von den verfassem im sommer 1894 
in Russisch-Karelien gesammelten bilder von gebauden und ein- 
zelnen architekturteilen sowie iiberhaupt von gegenstanden, an 
denen ornamente zu finden sind. Zu anfang 1901 ist der erste 
teil des buches erschienen: erlauternde volkskundliche studie aus 
Zentral-Russisch-Karelien von YrjO Blomstedt. Wie der titel die- 
ses teils schon erraten lasst, beschrankt sich die untersuchung nicht 
einzig und allein auf die gebaude und zierformen, obgleich der 
name des werkes nur dies andeutet, sondem sie greift stellenweise 
auch — zum nachteil ftir ibre einheit — auf andere gebiete der 
russisch-karelischen verhaltnisse tiber. 

Das werk gehOrt, was die abbildungen betrifft, zu den sch6n- 
sten wissenschaftliphen erscheinungen, die je in unserem lande 
herausgegeben worden sind, und sicherlich ist die arbeit daran mit 
warmem interesse und mit dem poetischen geschmack eines kUnst- 
lers ausgeftihrt worden, weshalb der leser an mancher stelle eine 
wahre freude geniesst. Ktinstlerisch ist z. b. die darstellung im 
5. kapitel (4. kap. der deutschen ausgabe) sowie tiberhaupt dort, 
wo mit eigenen augen geschautes geschildert wird. Viel schwacher 
ist die darstellung da, wo der verfasser wissenschaftliche schliisse 



^ Eine deutsche ausgabe des textes befindet sich unter der 
presse. Die citate werden hier nach der deutschen ausgabe abge- 
druckt, soweit dieselbe gesetzt ist. 



Blomstedt u. Sucksdorff. KareL ^b3ude u. 



zieht. Hier bewegt er sich sichtlicb noch auf ungewohntem boden. 
Die wissenschaftliche genauigkeit in der anordnung, klassifiziemng 
und abwSgung der materialieo, die scMussfblgeningeti wie auch die 
wissenschaftliche pr&zision in seinen aussprtlchen — alles das ist 
so unfertig, dass man sich zu der annahme gezwungen sieht, der 
verfasser habe die aprioritat dieser forderungen in einetn wissen- 
schaftlichen werke nicbt richtig eingesehen. Obwohl man ihm mut 
nicht absprechen kann, da er sich als aniSnger an eine solche 
umtangreiche wissenschaftliche darstellung gewagt hat, hat er den- 
noch nicht mut genug besessen um sich van der autorit^t seines 
vorgilngers loszumachen, und zwar gerade da nicht tmmer, wo dieser 
auf falsche pfade geraten ist. Psychologisch belehrend ist es zu 
sehen, wie der verfasser in einer wichttgen frage oftmals anstreng- 
ungen macht sich von seiner autoritat zu befreien, bevor er sich 
ihrer gewalt voUstandig hingiebt. 

Bevor ich im einzelnen zeige, worauf ich obiges kurze all- 
gemeine urteil grtlnde, halte ich es — um dem leser den richtigen 
hintergrund und die beleuchtung fUr meine folgende darstellung zu 
geben — far notwendig, zun9chst kurz und einfach meine eigene 
auffassung von der entwicklung der karetischen wohngeb9ude wah- 
rend dieses jahrtausends in grossen zUgen mitzuteilen. 

Wenn sich der kolonist im urwald niederschlug, baute er 

sich zuerst eine hutte mit vier wSnden, die noch heute oft 

zugleich den dienst von badestube und speicher, sehr selten aber 

einer riege versieht. Als zweites gebaude entstand ein speicher 

oder ein stall nahe bei der wohnung, jedoch nicht an ihr fest. 

Wurde ein speicher errichtet, so wurde seine thdr aus leichtbegreif- 

lichen grQnden nahe und oft gegenUber der hUttenthQr angebracbt, 

wenn fUr diesen platz nicht schon eine andere hQtte vorgesehen 

war. Bevor der speicher oder die zweite hiltte aufgebaut ward, 

schutzie man (wenigstens in aiteren zeiten) die hUttentbUr haufig 

durch stangen, die man nach dem muster der kote vor die thOr 

oben an die Sussersten dachlatten lehnte, wider wind, regen und 

;estOber. War nun ein speicher oder eine zweite hotte auf- 

, so sperrte man den raum zwischen den beiden gebSuden 

men (gattern — fi. ver^^) oder stangen ab, die ebenfells wie 

kote an die langen (alsbald mit einander verbundenen) trauf- 

gelehnt wurden, spSter mit einer bis an das dach reichenden 

oder balkenwand, welche jedoch nicht mit moos verdichiet 



Blotnstedt u. Sucksdorff. Karel. gebaude u. omatnente. 3 

wurde. So entstand als blosser zwischenraum die karelische und 
savolaxer (wahrscheinlich Oberhaupt finnische) vorstube. 

In alten zeiten baute man ausschliesslich vierwSUidige ge- 
bftude, alle getrennt von einander iind mit besonderen dftchem, 
einerlei ob es ihrer in einem geh5fte zehn, zwanzig oder mehr gab. 
Die zersprengtheit in den bauverhSUtnissen ist etwas echt kareli- 
sches, und gehen wir weit in die vergangenheit zuxUck, etwas all- 
gemeinmenschliches, nicht ein zwischen- sondem eine urstadium. 

Aus der htttte, dem ihrer thtir gegentiber errichteten speicher 
(spftter einer zweiten htttte) und dem gehege * zwischen ihnen hat 
sich in Finnisch-Karelien, ich mOchte sagen in Finland, das heutige 
wohngebftude des bauem entwickelt, wo im lauf der zeit an die 
vorstube zuerst eine, dann mehrere kammem gebaut wurden, die 
man entweder zum aufbewahren der essmittel oder als wohnge- 
mdcher benutzte. Auch diese entwicklung k()nnen wir schritt fttr 
schritt verfolgen, wenn wir die alten gehOfte unsres landes nJUier 
in augenschein nehmen. Noch treffen wir tausende von gehOften 
an, in denen jener anfangs und oft heute •noch zur aufbewahrung 
von milch und anderer leibesnotdurft verwandte raum am ende 
der vorstube zwischen den stuben vollstdndig fttr sich aufgezim- 
mert ist und sich h£lufig sogar auf der seite gegentiber der vor- 
stubenthtir bis ausserhalb des wohnhausdaches erstreckt. Es ist 
dies also ursprttnglich ein nur zum teil zwischen die stuben 
eingeschobener speicher, der spJlter allm^lich mit dem wohnge- 
bdude verwachsen und lokal schon frflher mit einer feuerstatte und 
verdichteten w^nden versehen ist, wodurch er ja dann bewohnbar 
wurde. — Dass die vorstube ihrem wesen nach h^ufig noch heute 
nur ein gegen wind imd wetter geschtitzter verbindungsraum, ein 
band zwischen den einzelnen zimmem ist, das beweist auch seine 
dehnbarkeit in den alten westfinnischen gehOften. Diese eigen- 
schaft erlaubt es ntaUch, dass man an die vorstube eine ganze 
reihe von zimmem anschliessen kann, ohne dass jene darum auf- 
hOrt das band zwischen den an den enden des gebaudes gelegenen 
stuben zu sein. Die aussenwand und die thUre der vorstube sind 
nach hergebrachter weise immer noch dtirftiger als die tibrigen 
wande und thtiren des gebaudes, ja sie kOnnen sogar ganz fehlen. 



^ In Savolax wird ein teil der vorstube noch heutigen tages 
verlg&sola ('gatterweg') genannt. 



Blomstedt u. Sucksdorff. Karel. gebfiude u. omamente. 



Fttnf- und sechswandige wohnhauser, in denen in it der stube 
entweder eine vorstube allein oder eine vorstube mit einem an- 
schliessenden vorratsraum vereinigt ist, haben auf finnischem boden 
verhaltnismftssig spat eingang gefunden, vermutlich erst zu der zeit, 
da landereien und walder schon ausschliessliches eigentum der 
bauern (>talollinen>) waren und die besondere volksklasse der ein- 
lieger entstand, die nicht einmal als kOtner an land und wald anteil 
batten. Die entstehung dieses sechswandigen wohnhauses des feld- 
arbeiters und handwerkers ist, soweit uns die unzahlichen zwischen- 
formen ein bild da von geben kOnnen, in unserem lande die fol- 
gende gewesen. Wie ich oben bereits erwahnt habe, schOtzte 
man die thtir der alleinstehenden hOtte vor wind und regen durch 
vertikalgestellte stangen, die man nach dem muster der kote an die 
aussersten dachlatten anlehnte. Hierdurch entstaud vor der hfltte 
ein vorstubenartiger schauer, in dessen hinterem teil man dann in 
der nahe des stubenofens allerlei, verhaltnismassig geringwertige 
habe des gehOfts aufbewahrte. Als man nachmals anstelle dieser 
kotenartigen vorstube aus balken oder (spater) aus brettem einen 
dichteren schauer aufzimmerte, konnte man diesen durch eine art 
wand mit leichter mtihe in zwei teile teilen und die vorratsraum- 
seite mit einer thflr versehen. Eine solche art vorstube findet sich 
noch in tausenden (vielleicht in den meisten) von einlieger- und 
feldarbeiterwohnungcn, und zwar entweder niedriger als die stube 
oder aus anderem material hergestellt * , also bloss als ein annex, 
als besonderes gebaude. 

Es ist natOrlich, dass der landmann, der sich ein wohnhaus 
baut, die thOr der vorstube am liebsten der warme und dem licht 
zukehrt, also nach sOden, stidwest oder sQdost *. Da man bei der 
arbeit vor dem ofen das licht auch dann braucht, wenn auf dem 
herd kein feuer brennt, wird auch die ofenOflfhung am liebsten dem 
sQden zugewandt. Auf diese weise kommt der ofen zumeist an 
die der vorstubenthtir gegenQberliegende wand zu stehen, wo sich 
meistenteils nur ein fenster betindet, da sie gen mittemacht gekehrt 

* Hiermit soil nicht behauptet sein, dass es in frtlheren zeiten 
in Finland keine gezimmerten sechswandigen gebaude gegeben 
habe, sondem nur soviel, dass solche wohnungen nicht allgemein 
im gebrauch und aus den bedllrfnissen des volkes entsprungen sind. 

•' Die hintere thttr der vorstube habe ich in Nurmes >nOrd- 
liche thUr> nennen hOren. 



Blomstedt u. Sucksdorff. Karel. gebaude u. ornamente. 



ist. Der ofen wird auch deswegen am liebsten auf die nOrdliche 
seite verlegt, weil er die pOrte sonst verdunkeln wQrde. 

In Russisch-Karelien ist die erste entwicklung des viereckigen 
gezimmerten wohngebaudes augenscheinlich dieselbe gewesen wie 
auf der finnischen seite. In der karelischen kolonie im gouv. Tver, 
das seine finnische bevOlkerung im 17. jahrhundert aus Finnisch- 
Karelien erhielt, ist das bausystem mit dem in Russisch-Karelien 
befolgten nahezu identisch, nur besteht der unterschied, dass jene 
schauerartige (aus fachwand bestehende) pferdestall-remise (tanhut- 
8ar%ja) noch loser mit der wohnung zusammenhSingt. Sowohl in 
Tver wie in Russisch-Nord-Karelien liegen viehhof und wohngebftude 
mit speichem in der regel unter besonderen dachern, sind also ver- 
schiedene gebaude. 

Die art, wie die verfasser die abbildungen der wohngebaude 
im atlas angeordnet haben, beweist, dass sie in der hauptsache eine 
richtige aufFassung von der entwicklung des karelischen wohnge- 
baudes gehabt haben, doch scheint diese auffassung (wenigstens 
bei herm Blomstedt) dunkel, nur instinktiv gewesen zu sein, da 
er in seinen erOrterungen (wenigstens zu einem teil) von ihr abge- 
gangen ist. 

Herr Blomstedt beginnt seine spezialuntersuchung der kare- 
lischen gebaude (kap. 4; 3 der deutschen ausg.) ganz richtig mit 
einer darstellung von einigen ursprtlnglichen, als zwischenglieder 
zwischen den gebauden auf der finnischen und auf der russischen 
seite ziemlich geeigneten gebauden von der finnischen seite der 
grenze. Diese darstellung gestaltet er sehr lichtvoll und sagt von 
dem wohngebaude des Rimmihofes: »es bietet ein beispiel des ein- 
fachsten russisch-karelischen bautypus* (p. 37, resp. 43). »Wir 
haben hier also den primitiven grundt3rpus der karelischen gehOft- 
form (p. 38, resp. 43). P. 39 oben (resp. 43 unten) fUgt er von 
ihm noch hinzu: »Es ist die eigentliche elementarform» K Jetzt 
sollte man glauben, der verfasser hielte dieses wohngebaude, in 
dem pOrte und speicherraum auf je einer seite des flures (sinifio) 
liegen, wirklich fUr den karelischen grundtypus. Dies ist aber lei- 
der durchaus nicht der fall. 

Sofort nachdem der Rimmihof als die elementarform bezeich- 



^ P. 45 unten (resp. 50 oben) sehen wir, dass » elementar- 
form* dasselbe bedeutet wie »grundform3>. 



Blomstedt u. Sucksdorff. Karel. gebSude u. omamente. 



net ist, wird die verlassene rauchpOrte von Ontrosenvaara behan- 
delt, in der die p()rte, die vorstube und an derem ende (direkt 
neben der pOrte) ein speicherraum in eins aufgezimmert sind. 
Hiervon wird gesagt (p. 40, resp. 44): >da ich im folgenden oft 




a 


h 

H 


c 



TypU8 A. 



a ^ p6rte (pertti). 
b = vorstube (sinccoV 
c = speicher (aitta). 



Typus B. 



r 



C :: 



■H- 



-M- 



Typus C 

a — porte (pertti). 

b — vorstube (sincco). 

c =--- speicher (aitta). 

d -- gastzimnier (gorAicca). 

e -- - remise (saraja). 



auf diese einfachste und augen- 
scheinlich ursprtlnglichste rus- 
sisch-karelische gebaudeform * 
hinzuweisen haben werde, nenne ich 
sie kurz typus A». Da sich kein 
derartiges geb^ude und nicbt einmal 
ein direkt daraus entwickeltes im gan- 
zen atlas findet, scheint seine aufstel- 
lung als urtypus der karelischen ge- 
bftude spdter von aussen her im an- 
schluss an die irreleitende autoritdt ^ 
entstanden zu sein. Dass es sich damit 
in der that so verhSLlt, und dass sich 
der verfasser noch bei der niederschrift 
seiner darstellung nur schwer von sei- 
ner ursprtinglichen richtigen auffassung 
hat lossagen kOnnen, indem er schtich- 
tern darauf zurttckkommt, das beweisen 



(ausser dem bereits angefQhrten) dit 
folgenden punkte in dem werke. P. 44 oben (resp. 48 unten; 
heisst es bei der besprechung der rauchpOrte in Muujarvi: >Von dec 



^ AUe in dieser rezension gesperrt gedruckten stellen sind in 
dem rezensierten werke kursiv gedruckt. 

'^ A. O. Heikel, Die Gebaude der Ceremissen, Mordwinen, 
Esten und Finn en. 



Blomstedt u. Sucksdorff. Karel. gebaude u. omaniente. 7 

vorigen unterscheidet sich dieser typus, den ich typus B nenne, 
darin, dass der vorratsraum an der seite, und nicht am ende des 
flares gelegen ist. Er wtirde sich also in dieser hinsicht vielleicht 
eher zum urtypus der russisch-karelischen hauptgebllude eignen als 
der t3rpus A>. — P. 45 — 46 (resp. 50) iindet sich folgende ver- 
wirrte, fQr die wissenschaftliche darstellung des verfassers bezeich- 
nende ^ussening: >Die zuerst beschriebenen einfachsten typen A, 
B und C halte ich, wie gesagt, ftlr die elementar- oder grundfor- 
men. Von ihnen verrJlt der typus A in der anordnung der zimmer 
iinnisch-karelischen charakter. In dem ihm entsprechenden russisch- 
karelischen typus wflrden die vorratsr£lume an die seite der vor- 
stube zu liegen kommen. Obrigens ist er als solche ursprtingliche 
form in jedem mehr entwickelten russisch-karelischen geblludekom- 
plexe zu erkennen. Die form dieses wohngebaudes, in 
dem die drei verschiedenen r^ume pOrte, flur und vor- 
ratsraum anzutreffen sind, ist also die kernform gewe- 
sen, an und um welche sich die anderen notwendigen 
nebengebftude auf die eine oder andere weise angeschlos- 
sen haben». Dieses letztere citat macht, auf den t)rpus A bezo- 
gen, den eindruck instinktiven widerstrebens und dann voUkomme- 
nen hingebens an die macht der autorit&t. Am ende des buches 
(s. 199 und 200) ist kein widerstand mebr zu versptiren: >Die 
nach dem typus A gebaute pOrte (s. 39 [— 43]), diese noch all- 
gem ein anzutreffende einfache art wohngebaude ist, mit ihrem flur 
und vorratsraum, durchaus ursprUnglich, und ist, wie ich bereits 
bemerkt habe, als solche auch von den neueren gebauden zu un- 
terscheiden, sodass sich also die bauart der ganzen gegend auf 
diese elementarform grtindet». 

Nun wird mir wohl entgegengehalten, der verfasser habe ja 
bei seiner erkl&rung des typus A nachgewiesen, dass zu diesem 
t)rpus auch andere wohnungen als die rauchpOrte von Ontrosen- 
vaara gehOren. Allerdings, aber bei alledem hat er sich — in 
seinem eigenen typus geirrt, in welchem, wie das bild des typus 
zeigt und der verfasser selbst sagt (siehe oben), der vorratsraum 
am ende der vorstube, nicht aber auf deren seite liegt. Vom 
Homahof (T. 3: 3) sagt verfasser selber, dass dort keine spuren 
von einem vorratsraum zu gewahren seien, und nach der abbildung 
zu urteilen (unbedachter, einw^ndiger flur) hat der vorratsraum 
neben d^n flur, nicht an dessen ende angebaut werden sollen; 



8 Blomstedt u. Sucksdorff. Karel. gebaude u. omamente. 



also des verfassers typus B. Beim Rimmihof verweist verfasser 
auch auf den typus B. Es folgt alsdann eine verweisung aul 
Wallin's Vorgeschichte (Esihistoria), abb. 22, p. 135 (nicht abb. 
25y P- 132, wie in dem buch zu lesen ist). Da ich selbst diese 
photographische aufhahme gemacht habe und mich des gehofts 
erinnere, kann ich sagen, dass auch dort an das ende der vor- 
stube kein vorratsraum gezimmert ist. Zuletzt erwahnt der ver- 
fasser im zusammenhang mit dem typus A einen Helylahof, aber 
auch hier ist, nicht einmal mit dem wohngebaude vereinigt, ein 
vorratsraum zu seben. — Auch in entwickelteren gebSuden sind — 
entgegen der behauptung des verfassers — keine spuren des typus 
A zu verspflren. Allerdings befindet sich an manchen der zum t^'pus 
C gehorigen gebaude (T. 10: i und 2 sowie textbild 14, resp. 15) 
hinter dem flur ein vorratsraum, aber von ihnen ist zu bemerken, 
dass der vorratsraum hier nicht an der pOrte sondem an der frem- 
denstube (gor£i66a) liegt, und dass man aus den bildem T. 8: i 
und T. 13: I schliessen kann, dass sich der neben der fremden- 
stube liegende vorratsraum aus einem zweiten flur gebildet habe; 
also auch hier haben wir nicht spuren des typus A sondem des 
typus B. 

Den ethnographen, der die fragen in dieser weise aulfasst, 
mutet bei der ersten lekttire des werkes die ausserung (s. 200) 
des verfassers tiber den typus A, dass >sich also die bauart der 
ganzen gegend auf diese elementarform grttndet>, geradezu er- 
schreckend an. In diesen grossen irrtum hat der verfasser nur 
dadurch verfallen kOnnen, dass er zuerst den abwegen seines vor- 
gangers folgte und dann die typen A und B durcheinanderwarf, 
sodass er an den meisten stellen spuren des t3rpus A zu sehen 
vermeint, wo nur der typus B seine entwicklung durchlaufen hat. 
Zur illustration sei hier nur noch auf den letzten absatz auf p. 47 
(resp. 52, dritter absatz) hingewiesen, wo gesagt wird, der linke 
teil von Jekkonens gehOft sei von der form des typus A. 

Des verfassers typus B, in dem eine pOrte imd ein speicher- 
raum und zwischen diesen ein flur auftreten, »ist also die kern- 
form gewesen, an und um welche sich die anderen" not- 
wendigen nebengebaude auf die eine oder andere weise 
angeschlossen haben », citiere ich noch einmal mit den ge- 
sperrten worten des verfassers (p. 46, resp. 50). Zu ihm gehOren 
nahezu alle in dem werke abgebildeten und erwahnten ursprQngli- 



Blomstedt u. Sucksdorff. Karel. gebSude u. ornatnente. 



chen (einfachen) wohngebaude auf der finnischen sowohl ^wie auf 
der nissischen seite. Vom typus B ausgehend lasst sich auch die 
entwicklung der spSteren russisch-karelischen wohngebaude aus 
ursprOnglichen formen am natUrlichsten und einfachsten erklflren. 

Ich habe bei den typen A und B des verfassers aus dem 
grunde so lange verweilt, weil ich es ftir eine zuktlnftige unter- 
suchung fQr wichtig halte, dass in ihr verhaltnis zu den karelischen 
wohngebauden klarheit komme. 

Der verfasser halt (p. 45, resp. 50) seine typen A, B und C, 
die er auch ftir die einfachsten erklart, ftir die elementar- oder 
grundformen. Gleichwohl sind die wohnungen, die er zum typus 
C zahlt (p. 47, resp. 51) die kompliziertesten und entwickeltsten 
von alien, die in dem werke anzutreffen sind, und so ist ihnen 
auch im atlas die letzte stelle in der reihe angewiesen. — Als 
kennzeichen des typus C gilt dem verfasser: >Viehhof und 
stall, beide von einander getrennt und aus balken auf- 
geftihrt, sind an der seite des flures gelegen*, weit von 
dem flur entfemt stehen sie aber in alien anderen gebftuden ausser 
in dem, welches zufalligerweise gerade in rede stand. 

Hinsichtlich der typen ist schliesslich noch zu bemerken, 
dass die trennung oder verbindung mit dem viehhofe in Russisch- 
Karelien keinen einfluss auf die eigentliche form der wohnung (mit 
speicherraum und flur) austibt, denn der viehhof befindet sich in 
der regel heute noch unter einem dach ftir sich; der stall ist ja 
auch nach des verfassers eigenen treffenden worten (p. 48, resp. 52) 
ein unorganischer auswuchs am gebaudekomplex ; der pferdestall- 
remise (tanhnt-Bariya) andrerseits ist, wie im vorhergehenden ge- 
zeigt wurde, zumeist ein fachwandbau zwischen wohngebaude und 
kuhstall oder -stallen. 

Von den dorfbildungen wird (p. 14, resp. 26) diejenige ftir 
die ursprtinglichste erklart, »in der ein einziges grosses ge- 
baude, mit zahlreichen p()rten und nebenhausern, einem 
ganzen umfangreichen familienverbande als wohnstatte 
dient>. Wird nicht mit diesem satz die entwicklung der kareli- 
schen gebaude auf den kopf gestellt? Vom vierwandigen wohnhaus 
ist die entwicklimg vielmehr ausgegangen, und das wird der ver- 
fasser doch wohl auch selber zugeben, dass ein hofgebaude mit 
vielen pOrten nicht die wiu"zel sondem nur die frucht einer langen 
entwicklung darstellen kann. 



Bloiustedt u. Sucksdorff. Karet. );ebSude ii 



Ii^ demselben absatz (p. 14, resp. 261 heisst es: >die grOndung 
(ler ursprllnglichen wohnstatte der fami lien gemeinsc haft > >geht denn 
auch meistens nach dem gleichen eingewurzelten prinzip vor sicfa, 
das be senders in fillheren zeiten einen ganzen familienverband 
innerhalb der wSnde der 'grossen fain i lien stu be' beisammen hielt>. 
Wenn sich eine familiengemeinschaft eine eigene wohnstatte grOn- 
det, erfolgt der abschied aus der alten, und das kann wohl kaum 
nach dem prinzip geschehen, das den g&nzen fami Hen verband inner- 
halb einer stube beisammenhielt, und zwar urn so weniger, ak die 
wohnung fem von dem heimatshof im Odwalde entstand. 

Wo der verfasscr zum ersten male von der verlassenen raucb- 
pOrte in Ontrosenvaara spricht (p. 39, resp. 44), gebraucht er eine 
phrase, auf die man besonders in der ethnographjschen litteratur 
h3ufig stOsst und die Hchtig ist, wenn sie im rechten sinne ge- 
braucht ist, nicht aber in einem fall wie dem citierten. Sie lautet: 
«und wirklich erhait sich das ursprQnglichste und altertQmlichste 
eben in den ^msten verhaltnissen am zahestem. Dies tri£^ zu, 
wenn von einer, getrennt von der Obrigen welt lebenden, grossen 
dorfschaft oder von auf insein oder in einem walde versprengt 
wohnenden menschen die rede ist, keineswegs aber, wo es sich 
um den einzelnen, in dnem dorfe wohnenden, nicht bodensSssigen 
bauem 1 tmOkkilainens) handelt, der sich sein hllttchen baut, wie 
es sich gerade trifii, ohne sich im geringsten um die alten brfluche 
der gegend zu kUmmern ', wenn er sie nicht zum mindesten um 
sich faenim in ehren gehalten sieht. 

P. 46, z. 4 u. f. (resp. 50, z. 3 v. u.): >Die eigentlichste 
ursache, warum die pOrte in den drei ersten typen A, B und C 
von dem viehhofe getrennt ist, ist ohne zweifel in der unbemittelt- 
heit seiner bewohner zu sucheni. Umsonst wird auch hier ver- 
sichert, die unbemitteltheit sei die ursache fUr die bildung der 
gebaudegruppierung gewesen. Was die zu den tj'pen A und B 
gehOrigen wohnungen anlangt, die, soviel man aus dem werke erse- 



ielleicht ist diese alte rauchpOrte in Ontrosenvaara, die 
OSS zur aufstellung des tj'pus A gegeben hat, ihrer zeit 
n manne erbaut worden, der von feme hierher tlbergesie- 
Diese vermutung ergiebt sich uns daraus, dass der alte 
ler pOrte keinen angehOrigen hatte, der den hof nach sei- 
' in besitz g^nommen hatte. 



Blomstedt u. Sucksdorff. Karel gebfiude u. omamente. i j 



hen kann, alte gebdude sind, so gehOrt die bezeichnete bauweise 
zu ihrem charakter, und die h6ie des typus C wird der verfasser 
wohl im allgemeinen als die begfltertsten der gegend anerkennen. 
Auch sonst ist es verkehrt von den geb^uden des typus C (in dem 
beabsichtigten sinn) zu sagen, die wohnp()rte erscbeine in ihnen 
vom viehhofe getrennt, da der viehhof in alien ausser einem an das 
wohngebHude angeschlossen ist (siehe die zusammenstellung auf p. 
47, resp. 51 und die abbildungen T. 10: i und 2, T. 13: i und 2 
und auch T. 5: 2). Jenes einzige gebSude des typus C (textbild 
14, resp. 15), in dem die pferdestall-remise (tanhnt-Bonga) nicht mit 
dem wohngebaude in verbindung steht, ist halbfertig, indem die 
remise noch nicht hat angebaut werden kOnnen, welche die verbin- 
dung wohl herstellen wflrde. 

Auf p. 61 (resp. 65) findet sich wiederum ein satz, den 
ich frQher schon in der ethnographischen litteratur gesehen habe 
und der ziemlich richtig sein kann, wenn man von gegenwSrtigen 
verhSdtnissen in mehreren gegenden spricht, der aber den leser hin- 
sichtlich frOherer verhaitnisse irre leitet. Er lautet: »In der rauch- 
pOrte ist die decke natUrlich niedriger» (als in der p5rte mit 
schomsteinofen). Wo die rauchpOrten im verschwinden begriffen 
sind, und alle auch nur ein wenig vermOgenderen leute sich ent- 
weder wohnungen mit schomsteinofen bereits gebaut oder ihre alten 
rauchpOrten in solche verwandelt haben, finden sie sich nur bei 
den ftrmsten leuten, und in diesen wohnungen sind die decken aus 
nattlrlichen grttnden stets sehr niedrig, mOgen sie sonst von jeder 
beliebigen beschaffenheit sein. Anders verhielt es sich in der rauch- 
pOrte des verm()genden mannes, solange ihm eine solche als woh- 
nung diente und in unserem lande stellenweise (obschon selten) 
noch dient. Ich habe viele rauchstuben gesehen, in welchen die 
decke in grOsserem abstand von dem boden lag, als es heute in 
den wohnungen reicher leute in Helsingfors der fall ist, und sicher 
ist, dass die bauem Finnisch-Kareliens, als sie sich an stelle von 
rauchstuben wohnungen mit schomsteinofen bauten, die decken eher 
niedriger anbrachten als umgekehrt. Ich habe erzfthlen hOren, dass 
in Karelien um 1855 bauemsoldaten zur winterszeit oft in rauch- 
pOrten ausgebildet wurden, wobei die pieken an den gewehrlaufen 
nicht einmal bis an die sparren reichten, die doch viel niedriger 
liegen als die decke. 



1 2 Blomstedt u. Sucksdorft Karel. gebSnde ii. 

P. 84 unten (resp. 88 mitte) wird als grund dafUr, dass man 
an karelischen speichem (und wohl auch scheunen) einige wand- 
lialken Qber die anderen hervorstehen ISsst, die faulheil des erbauers 
angegeben. KOnnte sich der verfasser erinnem gesehen zu haben, 
dass man an diesen balkenenden stangen zum waschetrQcknen. sen- 
sen, sichein, r^zel und vieles andere aufhitngt, wUrde er wohl bei 
dem erbauer keine taulheit vorausseUen, wennschon er sich nicht 
gefragt hatte, warum man nur einige balkenenden unabgehauen ge- 
lassen hat und nicht noch mehrere oder alle. 

P. 93 oben wird gesagt, in Russisch- Karel ien wUrden, ebenso 
wie im Kalevala, die speicher fOr heillge stellen angesehen, und in 
ihnen warden deshalb die wertvollsten sachen dcs hofes, durch be- 
sprechungen geschlltzt und hinter schloss und riegel, aufbewahrt. 
Es ist wohl hier die folge fUr den gnind und der grand fOr die 
folge gehalten. 

P. 63 unten (resp. 67 unteni heisst es vom ofen, kinkoa, er 
habe einen umfang ivon ungel'rihr 2 qm bodenflache > . und p. 63 
unten (69 unten). dass die alteren bewohner des gehflfts zur win- 
terszeit aut dem oten schlafen. Da der ofen nach abb. z 1 (resp. 
23) von der Offnung zur ofenwand ISlnger ist als von der thUrwand 
zur hinterwand, und die liegenden den kopt oder die fOsse nicht 
wohl Ober der ofenOffnung und der I'euerstatte halten kfinnen, \>e- 
trSgt die ISnge des bettes also schon bei gewOhnlichen Ofen nur 
ca. 1,3 m, sodass die fOsse eines auf dem oten liegenden mannes 
in ausgestreckter lage um mehr als eine halbe elle fiber den man- 
tel des ofens hinausragen wOrden, obgleich der kopf an der wand 
t'estlflge. Ic den alien rauchpArten der tinnisch-karelischen bauem 
mass die grundtlfiche des ofens zumeist ca. 4 qm, in anderen mehr, 
in anderen weniger. Dergleichen habe ich noch im leuten novem- 

t' p. 63 unten (resp. 67 unten) wird gesagt, der 
n b.ilken der diele>. Da die dielenbalken regel- 
htung von der thQm'and zur giebelwand ver- 
eben dem ofen auf der seite der giebelwand auf 
OtI'nung von nahezu der seitenlange des ofens in 
racht tindi't, k{^nnen die dielenbalken (wenigstens 
)fen tntgon, der also andere stdtien haben muss, 
ircnd gvwi'sen lu eriahren. welche arten Ofen in 
Sn'unihuauem habt-n. und welcher art diese roauem 



Blonistedt u. Sucksdorff. Karel. gebaude u. omatnente. 13 



sind. Es ist beschwerlich sich unter der diele wie auch auf dem 
boden umzuschauen. Gleichwohl h^tte der verfasser beide stellen 
etwas haufiger aufeuchen und die daselbst befindlichen architektur- 
teile genauer betrachten soUen; dann w^ren aucb die folgenden 
versehen nicht begangen worden. 

P. 66, 10 u. f. (resp. 70, 12 u. f.) heisst es: »Dieser raucb- 
fang endigt aussen ttber dem dach in einer schomsteinartigen 
rOhre, die aus einem ausgehOhlten stQck baum verfertigt ist». 
Dieses hohle baumsttick ist nicht nur das ende des raucbfangs tiber 
dem dach, sondem es ist der schomstein selbst, der sich gewOhn- 
lich ca. drittehalb bis drei * klafter weit tiber die decke hinaus 
erstreckt. — In dem vorhergehenden satze werden 8avureik& (rauch- 
locb), lakkeistorvi (rauchrdhre) und repp&nft (rauchlochklappe) so 
aufgeftthrt, als wftren sie verschiedene nam en fttr einen und den- 
selben begrifF, doch sind alle drei bezeichnungen fQr ebensoviele 
verschiedene begriffe. — In demselben satz wird behauptet, das 
rauchloch werde die nacht tiber verschlossen. Es wird dann im- 
mer mit der rauchlochklappe verschlossen, wenn man die wftrme 
in der pOrte zu steigem oder wenigstens festzuhalten wUnscht. 

Gelegentlich der warmeerhaltung dtirfte die bemerkung am 
platze sein, dass in dem ganzen werk wohl mit keinem worte die 
gnindmauem aus erde (multiainen) erwfthnt sind, obschon sie in 
den alten rauchp()rten, wohl auch Russisch-Kareliens, wichtige teile 
des wohngebaudes gewesen sind. 

Wenn p. 96 oben benennungen aufgezdhlt werden, welche 
sich als reminiszenzen aus der zeit der einheit von pOrte und 
badestube (saima) darbieten, waren wohl auch die klarsten von 
ihnen, n^mlich lavanalusta (raum unter der badestubenpritsche) und 
peramaa (ungedielter teil zwischen ofen und hinterwand), welche in 
einzelnen teilen des landes als bezeichungen ftir den teil der pOrte 
zwischen dem ofen und der hinterwand dienen, zu erwahnen gewesen. 

Aus den zeilen 9 — 13 auf p. 99 iSsst sich der schluss 
Ziehen, der verfasser habe bei der betrachtung der Offnungen in 
der nissisch-karelischen badestube an den wSnden nicht zu erken- 
nen vermocht, ob sich in ihnen ein rauchloch befand wie an vielen 
stellen in Finland. 

• Mitunter ist es sogar nahezu vier klafter lang und viel 
schwerer als ein gewOhnlicher wandbalkcn. 



14 Bloitistedt u. Sucksdorff. KareL gebaiide u 

Auf derselben seite oben wird gesagt, die pritsche steip^e 
itreppenfOrmig an>, und aus der abbildung daselbst ersehen wir, 
dass der oberste tcil der pritsche hOcbstens ebenso breit ist wie 
ilie stufen, oder, wenn wir die badestube zwei klafter breit anset- 
zen, weniger ais zwei viertelellen. Von einer andeisgearteten bade- 
stuben pritsche wird nichts erwflfant. Trotzdem heisst es p. 102 
unten: >auf der pritsche der badestube wird kom gemalzt*. Lllsst 
sich das auf einer solchen pritsche praktisch abmachen? 

Empfindlich beeintr3chtigt die klarheit und zuverlSssigkeit der 
darstellung die thatsache, dass es der verfasser nicht immer fOr 
der mdhe wert gehalten hat nachzuprflfen, ob seine sStze mit den 
abbildungen und seinen frOheren erOrterungen harmonieren. Es 
seien zu dem erwahnten noch einige in dieser weise entstandene 
widersprDche henrorgehoben. 

P. 44 (resp. 49) wird vom tj'pus Di gesagt: »wie man sieht, 
fehit in diesem t>'pus die remise >. P. 47 (resp. 51) aber werden 
8 zum typus D I gehorige gehsfte aufgez3hlt, aber in alien diesen 
hndet sich eine remise, wie auch in dem auf derselben seite envShn- 
ten boi Jekkoners, rechte seite, die nach dem t>'pus D 1 entstanden 
sein soil. 

P. 48, 10 V. u. (resp. 53,' 4 u. i.}i >Wie nir aus den grund- 
rissen der viehstaile ersehen, besitzer sie alle einen herd filr die zu- 
bereiturg des getr^nks fttr das vieh». Auf derselben seite oben 
(resp. s. 53 mitte) sind 19 gnindrisse von viehstflllen aufgezahU. 
jedoch nur in fUnf von ibnen ist eine solche feuerstfttte zu sehen. 
P. 49, 7 u. f. (resp. 53, 8 v. u.ji »Cber die gemeinsame 
wohnung fflr mcnschen und tiere breitet sich ein zusammenhSn- 
^endes dach>. Einige zeilen weiter: >GewOhnlicfa haben die vieh- 
staile und anderen nebengebaude ihre eigencn dScher*. 

P. 67, 1 {resp. 71, &): >der viehhof liegt hinter der ofen- 
wandi in Khmo Sirkijiis' gehaft. Die abbildung (T. 4: I) zeigt 
i;rhiUtnis. 

n seite unten (resp. 72. 6 u. f) wird gesagt, die 
Biii&, )hat gewOhnlich drei fenster, ein grOsseres, 
lie und zwei kleinere zu beiden seiten des erste- 
den 20 piirteniriebellnldem des atlas nur 4 mit 
steiToihe zu sfhen sind. bStte dieser wenigstens 
iruch einige worte der erklarung verdient. 
unpriiziser a usd rucks weise sei erwthnt; 



Blomstedt u.- Sucksdorff. Karel. geb£lude u. omamente. 1 5 

P- 35j ^ (resp. 40, 4): »In den kirchspielen Sotkamo und 
Kuhmonieini, welche ungeffthr zwanzig meilen von der finnisch- 
nissischen grenze entfemt liegen» u. s. w. Das kirchspiel Kuhmo- 
niemi liegt auf der grenze. 

P. 44, 8 (resp. 48, 3) u. f. : »Als vom viehhofe getrennt 
tritt . . . eine pOrtenform auf». Eine pOrtenform ist natUrlich stets 
vom viehhofe getrennt, wie z. b. die menschenform, die pOrte aber 
kann mit dem viehhof und dem stall vereinigt sein. 

Die unklare angabe s. 45 unten ist oben bereits berOhrt 
worden. 

P. 67, 10 (resp. 71, 3 v. u.) sagt der verfasser, die diele sei 
»aus kr^igen, dicken bohlen (lankkulohkoista)» hergestellt, was 
nach dem gewOhnlichen allgemeinbegriif des wortes lohko so ver- 
standen wird, als meinte der verfasser von planken abgehackte 
krSiftige scheite. Dies ist jedoch seine meinung vermutlich nicht, 
da die dielenbalken in den alten pOrten wohl in der regel halb- 
runde stdmme sind. 

P. 85 wird vom speicher bemerkt, dass »sich der teil der 
seitenwande, der unter dem dache liegt, nach oben mit einer 
wOlbung verbreitert», wfthrend es heissen mtisste, dass sich die dicht 
unter dem dache gelegenen teile der seitenw^nde nach aussen 
wOlben, da sich die giebelwftnde an diesen stellen nach oben ver- 
breitem. 

Schliesslich seien noch einige beispiele fOr missverstandene 
Kalevalaverse angeftihrt. 

P. 14, 7 — 9 werden die Kalevalazeilen : 

»Nie im leben fragte die mutter 
Noch im dorfe (kylJlsta) um guten rat, 
Gut geschaft im fremden hofe». 

so aufgefasst, als bedeutete das wort kyl& hier einen einzelnen 
(dem dorfe entsprechenden) hof, wahrend es hier allgemein einen 
fremden hof (kyl&ssa — von hause fort) bezeichnet, sodass also in 
der letzten zeile der ton nicht auf das substantiv sondem auf das 
adjektiv zu legen ist. Die zeilen weisen auf ein anderes (nicht das 
eigene) gehOft des dorfes hin und bezeugen also etwas ganz an- 
deres, als in sie hineingelegt ist. 

Die Kalevalazeilen p. 62 oben (resp. 66 oben) werden u. a. 
so verstanden, als bewiesen sie die niedrigkeit des daches des 



1 6 Blonistedt u. Sucksdorff, Karel. gebSude u, ornamente. 

hochzeitshauses in Pohjola, doch ist dergleichen in diesen zehn 
zeilen nicht zu linden, selbst wenn man die Ubertreibenden worte 
fttr die grOsse des schwiegersohns wOrtlich nehmen woUte. 



Wie ich eingangs bereits erwahnte, gehOrt das werk hinsicht- 
lich seiner abbildungen zu den schOnsten wissenschaftlichen ver- 
<>fFentlichungen, die in unserem lande je erschienen sind. In den 
illustrationen haben wir eine schatzkammer fUr die ethnographen 
im allgemeinen, wie im besondem fllr erforscher der karelischen zier- 
formen. Ausser gebauden aller arten und zugehOrigen verzierun- 
gen umfasst der atlas eine Uberaus reichhaltige sammlung bilder 
von beschnitzten spinnrocken, zahlreichen waschblftueln und grab- 
pfeilem nebst vielen anderen gegenstanden. Zum atlas gehOren 
femer, obwohl mit dem text zusammen verOffentlicht, sechs farbige 
blatter stickmuster, 3 blatter handschuh- und stnimpfverzierungen 
und eine karte aber das erforschte gebiet. 

Viel haben die verfasser in dem armen Russisch-Karelien ge- 
funden, und emsig ist ihre arbeit gewiss in den fUnf wochen gewe- 
sen, wahrend der sie im sommer 1894 das land durchzogen haben, 
das beweist die menge sowohl der bilder als auch der aufzeich- 
nungen. 

Herrn Blomstedt's darstellung vom ursprung der zierformen 
zum schluss des werkes ist wohl in der hauptsache richtig. Ich 
halte es gleichwohl fQr meine pflicht den dritten satz auf p. 204 
zu berichtigen, besonders da meine eigenen werke als quelle an- 
geftthrt sind. Es wird da gesagt: »dass man in den altesten kare- 
liergrabem auf der iinnischen seite an damals gebrauchten ledemen 
schurzen ganz dieselben geometrischen zierstickereiformen aus me- 
talldraht gefunden hat, wie wir sie an den heute gebrauchten tin- 
nisch- und russisch-karelischen leinenen schOrzen und hemden sowie 
an vielen anderen, mit baumwoUengam gestickten gegenstanden, 
mit perlen verziert und mit modemer technik behandelt, antrefFen>. 
Die erwahnten kareliergraber sind nicht die altesten, die wir ken- 
nen, obgleich sie gewiss alt sind, auch sind die in ihnen gefunde- 
nen verzierten schtirzen nicht aus leder sondem aus wolle, wie 
zum teil auch die spateren verzierten karelischen schtirzen. Die 
verzierungen ihrerseits sind an diesen spateren schtirzen nicht im- 



Herman. Die fangigkeit der fischz^une. ly 

mer mit baumwollengam ausgefQhrt, sondem, besonders frtlher, wo 
das baumwollengam in Karelian kaum zu stickereien verwendet wor- 
den sein dtlrfte, auch mit flachs- und leinenschnQren oder mit 
woUgam. 

Obgleich der textliche teil des werkes, wie im vorhergehen- 
den dargethan worden ist, fQhlbare mtogel aufweist, ist das buch 
doch, besonders in anbetracht des bilderatlas, als ein wertvoUer 
beitrag zu unserer bescheidenen ethnographischen litteratur zu be- 
trachten. 

Helsingfors. Theodor Schvindt. 



Otto Herman. Die F^gigkeit der Fischz^une und Fischreusen. 
Mit 23 Abbildungen. (Sonderabdruck aus Band XXXI [der drit* 
ten Folge Band I] der »Mittheilungen der Anthropologischen 
Gesellschaft in Wien»). Wien 1901. Im selbstverlage der An- 
thropologischen Gesellschaft. 

In seiner rezension ^ von dr. J. Jank6*s werk ttber die »Her- 
kunft der magyarischen Fischerei* (Dritte asiatische Forschungs- 
reise des Grafen Eugen Zichy. Bd. I. Erste und zweite Halfte) 
hatte professor HUGO Schuchardt darauf aufmerksam gemacht, 
dass es der verfasser stellenweise unterlassen habe, die seiner ver- 
gleichenden untersuchung unterworfenen fangger&te vom biologi- 
schen gesichtspunkt aus zu erkl^en — oder wie rezensent selber 
sagt: dass er »das funktionelle allzusehr hinter dem rein morpho- 
logischen habe zurttcktreten* lassen. Im besonderen bedauerte er, 
dass der verfasser die fangigkeit der fischzSlune nicht n£lher erOr- 
tert habe und dadurch dem irrtum verfallen sei seine vergleichung 
von einem rein morphologischen gesichtspunkte aus vorzunehmen, 
wie wenn es sich um omamente, nicht aber um fischzdime gehan- 
delt hUtte, die auf biologischen thatsachen beruhen. 

Um diesem mangel in dr. Jank6's werk abzuhelfen und — 
vor allem — den forschem und interessenten, die mit der fischerei 
praktisch nicht vertraut sind, eine anleitung zu geben, hatte sich 
Otto Herman die zwei fragen zur beantwortung gestellt: 



* Mittheilungen der Anthr. Gesellschaft in Wien. XXX. Bd., 4. 
und 5. Heft Wien 1900. 



1 8 Herman. Die ffingigkeit der fischzflnne. 



1. Worin die &igigkeit, also das wesentlichste eines gege* 
benen fischereigerates, besteht? 

2, Welches der weg des fisches ist, um in den flngisch 
gestellten theil des gerfttes zu gelangen und dort gefangen zu 
werden? 

Jedoch antwortet Herman auf diese fragen nicht in ihrem 

ganzen umfiang, sondem er beschrflnkt sich bloss auf die f^gig- 

keit der fischzflune und fischreusen. Nachdem er zunftchst mit 

einigen tre£Fenden bemerkungen gezeigt, dass die fischzdune und 

reusen zu den urformen der fischerei gehOren, und erklftrt hat, was 

er unter dem worte urform versteht ^, giebt er folgende definition 

des iischzaunes: 

»Der fischzaun ist eine ^e^ nicht transportable vorrichtung zum 
fange der fische, welche aus rohr- oder ruthenwSnden gebildet, meist 
durch pflOcke gefestigt wird und das fischwasser oder dessen theile 
zweckm^ssig absperrt. Die absperrung bewirkt die zaunartige leit- 
wand, deren aufgabe eine doppelte ist: sie theilt das gewdsser in 
theile oder abschnitte und zwingt dadurch den ziehenden fisch, 
einen durchgang zu suchen oder umzukehren; zweitens hat sie den 
fisch in einer gewissen richtung zu leiten. Hierauf ist die f^gig- 
keit des Iischzaunes gegrflndet. Zu letzterem behufe werden meist 
in gleichen distanzen durchginge frei gelassen, welche jedoch nicht 
in das wasser jenseits der leitwand, sondem in den eigentlichen 
fangapparat fiQhren, worin der fisch mit rQcksicht auf die eigenheit 
seiner bewegung gelangen bleibL Dieser fangapparat besteht im 
einfachsten falle aus der fischkammer, in deren inneres eine fzln- 
gisch gestellte kehle fiihrt.> 

Hierauf erkltrt der verfasser, worauf die fingigkeit des fisch- 
zaunes beruht und macht an zeichnungren deutlich, wie die fische 
herbeip'schwommen kommen und sich in die verschiedenen fisch- 
Zvlune verinren uils beispiele dienen ungarische fischzSune, sowie 
ein russischer, ein japanischer und ein chinesischer). Ausserdem 
giebt er eine Oln^raus interessante £:enetische serie einiger ungari- 
scher tischz.lune. 

Betrt'rts der fischreusen scblies«t sich der verfasser der defini- 
tion an. die pn>!. $chx*CHardt in der oben erwfihnten rezension 

* Pie fi<oherci mil raunardsren abspermngen gehort mitfain an- 
rchniKir ru den u'testen methodrn; man konntc sagcn, sic entstamme 
• '.^ir ho'--'jH"nv>iU', von we'.ohcr iins aber aus sehr naturlichen griinden 
kc'.r:c rrvici^KniAler Miob^n, ^ie wir so'.che aas der stein- and metall- 



Wiklund. Lehrbuch der lapp. sprache. 19 



von ihnen gegeben hatte: »die reuse ist ein transportabler, trich- 
terfOrmig vertiefter, mit kreisrunder 6fihung versehener fischzaun». 

Zum schluss giebt der verfasser zwei amerikanische fisch- 
zaunformen (eine von den virginischen indianern gebrauchte und 
einen stldamerikanischen corral), die von den behandelten euro- 
p^ch-asiatischen in hohem grade abweichen, nnd erklSbt, worauf 
ihre fUngigkeit beruht. 

Wenn wir nun angeben sollen, wie weit es Otto Herbian 
gelongen ist, auf die oben gestellten fragen zu antworten, so finden 
wir kaum ein passenderes urteil als das, dass die prinzipien, die dem 
verfasser aus dem.wesen der fischz^une und -reusen zu entsprin- 
gen scheinen, von einem jeden erfahrenen fischer befolgt werden 
— und zwar nicht nur instinktiv, sondern ihrer bedeutung bewusst. 
Wir mtlssen dem verfasser dankbar dafUr sein, dass er diese prin- 
zipien klar und prilzis abgefasst und damit dem vergleichenden 
studium der fischz&une und iischreusen einen soliden boden gege- 
ben hat. Jedoch ist zu beach ten, dass die definition, die der ver- 
fasser von den europ^sch-asiatischen iischzSunen formuliert, nur die 
von ihm so genannte »rundliche> und »nierenf6rmige» form betrifft. 
For niedrigere fischzaunformen, deren vorkommen der verfasser nicht 
in abrede stellen dUrfte, obgleich er an einer stelle sagt (s. 43): 
5 der primitivste Hschzaun ist der sogenannte raitzische>, gilt sie 
n^Lmlich nicht in ihrer ganzen ausdehnung. Auf diese letzteren for- 
men hofifen wir in der zukunft zurUckkommen zu kOnnen. 

Helsingfors. 

U. T. SiRELIUS. 



K. B. Wiklund. Urobok i lapska spraket. = Lehrbuch der lappi- 
schen sprache. Uppsala 1901. IV + 280 s. 8:0. 

Die schwedisch-lappische schriftsprache ist neuerdings einer 
grossen umgestaltung unterworfen worden, indem ihr die Lulelappi- 
schen dialekte ausschliesslich zu grunde gelegt wiurden und an die 
stelle der schwankenden und sehr regellosen orthographic eine ratio- 
nale und folgerichtige getreten ist. Schon fraher hat sich ein zweig 
derselben schriftsprache, die sog. »nordlappische schriftsprache >, 
auf das Lulelappische gegrtindet; sie hat aber eine menge von ele- 



Wiklund. Lebrbucb der lapp. sprache. 



menten aus den stldlicfaeren dialektec aufgenoniinen — ein umstand, 
welcher darauf beruht, dass man nicht mit den traditionen der 
noch aiteren, isOdlappischen schriftsprache>, welche sich auf die 
dialekte im westerbottnischen Ifln grtlndet, hat brechen kOn- 
nen. Durch die einmengung sQdlappischer elemente in die nord- 
lappische schriftsprache ist das verstOndnis derselben den nfirdlicbe- 
ren lappen erschweit worden. Es entstand daher der gedanke 
eine reine Lulelappische schriftsprache lu grtlnden. Die grammatik 
und orthographie wnrde nach cinem von dem dozenten K. B. 
WlKLUND geinachten schema geregelt, und die neue schriftsprache 
ist schon in einigen kleineren schriften in gebrauch gekommen 
und wird u. a. auch in einet unter arbeit betindlichen Oberactzung 
des neuen testaments gebraucht. 

Der gnind, wanim die altere schriftsprache, sowohl die nord- 
als die sDdlappische, mit so grossen schwankungen betrefb der 
spracfaform und orthographie behaftet ist, liegt ohne zweifel darin. 
dass man keine grammatik gehabt hat, auf deren regeln man sich 
hatte statzen kOnnen (die grammatiken Pehr FjellstrOm's und 
JOHAN Ohrling's aus dem iS. jahrhundert haben wohl kaum 
erheblich als richtschnur gedient). Die vorliegende arbeit herm 
Wiklund's, in welcher die grammatik der neuen Lulelappiscben 
schriftsprache behandelt wird, ist wohl eine bOrgschaft dafQr, dass 
diese neue schriftsprache nicht in solche fehler und regellosig- 
keiten verfallen wird wie ihre Uteren schwestem. 

Sehr willkommen ist dieses buch alien denen, welche das 
ichwedisch-lappische lernen wollen und besunders denjenigen, welche 
(eine gelegenbeit haben die volkssprache zu studieren. Man ist nicht 
nebr auf die mtlhsame und wenig erfolgreiche arbeit hingewiesen, 
lie kenntnis dieser sprache aus den volksbUchem zu holen, deren 
iprachform, wie schon bemerkt "—-■'- -*• --'— — — ~-ii._fc — a 
mvollkommen ist. Eine emptind 
lie lappische sprache ist also n; 
ichen lehrbuchs ausgefullt worden. 

Ausser einer grammatik, wek 
vortbildungs- (= stammbil dungs-) 
velche eine sprachform darstellt, die 
ileht, d. h. genauer transskribiert " 
che schriftsprache, — enthait das 
prachproben : kleinere lesestUcke 



Wiklund. Lehrbuch der lapp. sprache. 



ejni^ mSrchen in derselben nebst einem paralleltext in Lulelappi- 
scher schriftsprache, auszQge aus der religiOsen litteratur in Lule- 
und nordlappiscber schriftsprache und in eiaem anhang auszUge aus 
der stldlappischen religiOsen litteratur. Den sprachproben ist ein 
LuleUppisch-schwedisches und ein schwedisch-Lulelappisches wOr- 
lerverzeichnis beigefOgt. Cberdies findet man in dem buche an- 
gaben Qber die orthographischen ditferenzen zwisclien der Lule- 
Uppischen schriftspraclie und der in der grammatili gebrauchten 
sprachfonn, desgleichen notizen Ober die sprachform und ortho- 
graphie der nord- und (im anhange) der stldlappischen schrift- 

Der grammatische teil ist mit sorgfalt und einsicht bearbeitet, 
die darsteltungsweise sehr klar, deutlich und gemeJnverstandlich. 
Besonders muss ich es a Is ein verdienst bezel chnen, dass der 
verf. selbst hervorhebt, welche parti en von grOsserem gewicht 
sind, und welchen man im anfang weniger auAnerksamkeit zu wid- 
raen braucht. Meines erachtens ist dies sehr nOtig, um den an- 
linger nicht durch eine unzahl von regein zu verwirren.deren rela- 
tives gewicht er nicht einsehen kann, und es erleichtert auch be- 
deutend die anwenduog des buches beim setbststudium. Nur 
hitte man hierbei vermeiden soUen, der einfachheit wegen eine 
sacbe zuerst unrichtig darzustellen, damit der fehler spater in einem 
fdr den vorgescbritteneren leser beabsichtigten zusatz nicht korri- 
giert zu werden brauchte. Dies ist in § 25 geschehen, wo gelehrt 
wird, dass ein S oder & vor einem [e oder] i in der folgenden silbe 
in ie Qbergeht, welche regel In § 31 in der weise korriglert wird, 
dass der vokal a vor einem kurzen i [oder u) in der nSchsten silbe 
in ein (langes oder kurzes) offenes e Qbergeht '. 

Die einteilung und das system der grammatik sind die lan<l- 
ISufigen. Da ein neues, endgiltiges system der grammatik noch 



23 Wilclund. Lehrbuch der lapp. spracbe. 

nicht geschaflen Jst, kann man ja nicht fordern, dass ein solches 
experiment auf einem grammatiscfaen gebiete gemacht wird, welches 
vorher keiner bearteitung unterworfen ist, und dazu in emem lehr- 
buche, welches zunSchst einem rein praktischen zwecke dienen 
will. Hinsichtlich der art und weise, wie der verf. die regein 
formuliert, wodurch die lautwechselfJQle der heutigen sprache kon- 
statiert werden, hStte man jedoch von dem lehrbuche eine dem 
jetzigen stand der sprachwissenschaft mehr entsprechende aus- 
drucksform erwartet. Der verf. hat x. b. in den regein fttr den 
sog. stufenwechsel (°konsonantenablaut>, vom verf. mit dem alther- 
gebrachten namen >konsonantenschwachung> genannt) die alte for- 
mulierung beibehalten, welche auch in tinnischen grammatiken bis 
zur neuesten zeit gebraucht worden ist. Es heisst z. b. (§ 20): 

bb wird zu pp geschw&cht (>bb formildras till ppr) 
hkk > hk > 



Ich kann nicht einsehen, warum d 
so zu sagen quasi-historische formi 
dem nicht sprachwissenschaftlich , 
stellung giebt, dass ein schwSchi 
wflrtigen sprache (und beim sprt 
kann ja doch durch dieselbe keii 
der eriernung dieser wechselftlle 
ware es nach meiner ansicht dei 
standlicher, wenn man hier rein 
und von dem auf tret en des stan 
stufen, in einer istarkene (lerst 
f 'zweilent) sprSche. Statt dieser 
zu hk geschwacht", u. s. w. sollK 
finnischen grammatik in neuerer 
tieren : einem hkk der .starken 
chen ein hk u. s. w. ; oder wenn 
ander aufgezahlt werden, kOnnen 
stufen ne bene! nan der in verschiede 
kolumnen mit den resp. nibriken 
stufeu versehen werden. — Der vi 
einer unrichtigen auffassung der i 
beugen. eine historische erkl^rung 



Wiklund. Lehrbuch der lapp. sprache, 23 

wird, »dass die konsonantenschwSlchung ursprOnglich darin bestan- 
den habe, dass der stammkonsonant . . . verktlrzt oder auf andere 
weise geschwdcht . . . wurde, da die zweite silbe durch hinzufdgung 
irgend eines elements konsonantisch statt wie vorher vokalisch 
auslautend wurde », und er kann dafQr halten, dass das hohe alter 
der fraglichen erscheinung gerade aus dieser erklflrung hervor- 
leuchte. Abgesehen davon, dass die worte des verf:s in dieser 
erkl&ning kaum anders erkl£Ut werden k6nnen, als dass die zweite 
silbe ursprtinglich immer o£Pen gewesen sei, was nach meiner ansicht 
wenigstens sehr problematisch ist, erhalt der leser dadurch immer 
noch die au£Passung, dass die »konsonantenschw&chung» ein seit 
alten zeiten sich immer emeuemder prozess sei, da ja noch heut- 
zutage etwas »geschw£lcht wird». 

In abereinstimmung mit der althergebrachten regelformulierung 
sind auch die vokalwechself^e dargestellt. So heisst es z. b. 
(§ 24): »in vielen wOrtem geht ein ie in der ersten silbe vor 
einem a der n^chsten silbe in 'A tlber». — Ebenso kommt in 
den regeln der flexions- imd stammbildungslehre die konstruktive 
anfEassung oft zum vorschein, wonach die formen durch hinzufUgung 
der sufiixe an den stamm gebildet werden. Es bedarf kaum her- 
vorgehoben zu werden, dass der verf. nattirlich selbst in der theo- 
rie diese auffassung nicht billigt. 

Dass eine deskriptive darstellung der lautwechselftdle und der 
formenbildung, welche wenigstens dem leser keine falsche vorstellung 
dieser vorgange beibringt, in einer ganz populSLren form gegeben 
werden kann, beweist der umstand, dass prof. SetAlA eine solche 
darstellungsweise nicht nur in seiner finnischen grammatik fUr die 
gelehrten schulen, sondem auch in seinen yolksschullehrbtichem 
durchgefQhrt hat. Um so mehr ware dies mOglich und zugleich 
erforderlich gewesen in einer grammatik, welche, wie die vorlie- 
gende, auch als unterlage ftir den akademischen unterricht abgese- 
hen ist. 

Gegen die anderen teile des vorliegenden buches habe ich 
keine bemerkungen zu machen. Die sprachproben sind typisch 
gewahlt und die wOrterverzeichnisse ihrem zwecke entsprechend ; 
die notizen tlber die verschiedenen schriftsprachen sind, so weit 
ich es beurteilen kann, gentigend. — 

Ich erlaube mir in diesem zusammenhang einige reflexionen 
ttber die von herrn Wiklund fixierte orthographic der neuen schwe- 



24 Wiklund. Lehrbuch der lapp. sprache. 

disch-lappischen schrifu^ache zu machen. Dtese orthographie un- 
terscheidet sich von der genaueren, in der g^mmatik und in den 
ersten sprachproben gebrauchten u. a. darin, dass die quantitSt der 
vokale nicht bezeichnet wird. Dies ist fttr den schretbenden eine 
grosse erleichterung, da es im lappischen drei quantitfltsstufen 
giebt, deren auseinanderhaltung fOr ein phonetisch ungeschultes 
ohr sehr schwer ware. Die sache hat jedoch den nachteil, dass 
viele wOrter, die sich lautlich durch die verschiedene quantitftt der 
vokale voneinander unterscheiden, in der schrift dieselbe form 
erhalten, z. b. manna 'kind', lies munndy mAnnsL 'er geht% lies 
manna *; der verf. fahrt dieses beispiel an, fQgt aber hinzu, dass 
»man aus dem zusammenhang immer ersehen kOnne, ob das wort 
das eine oder das andere bedeutet>. Dies ist mOglicherweise bei 
dem nicht-lappischen leser der fall, welcher sich mit lesen so viel 
beschaftigt hat, dass er einen ganzen satz auf einmal Qberblicken 
kann, ein em lappenkinde aber, das erst lesen lemt, kann es viel 
kopfzerbrechen machen, wenn es ein wort in vielfacher weise aus- 
sprechen kann und bei jeder aussprache eine neue bedeutung 
erhalt; das kind muss — denke ich mir — den satz oft mehrmals 
durchbuchstabieren um den richtigen sinn des vieldeutigen wortes 
zu erraten. Wenigstens fttr den ersten unterricht ware also die 
bezeichnung der (langen) quantitat in solchen Mien vonnOten, wo 
sie zur unterscheidung von wOrtem mit verschiedener aussprache 
dienen kann, und ich mOchte die frage aufwerfen, ob nicht eine 
solche gelegentliche quantitatsbezeichnung auch fttr erwachsene 
leser eine erleichterung ware. Der unterzeichnete hat eine solche 



^ Um zu zeigen, dass die zahl solcher wOrter nicht allzu 
gering ist, teile ich hier die beispiele mit, welche ich auf drei sei- 
ten in dem wOrterverzeichnisse der vorliegenden arbeit gefiinden 
habe : kaddsa 'klaue' r^ kaddsa 'er isst mit dem lOifeP | kahtjaa Mch 
falle nieder* ^^^ kahtjau 'ich eile mich' | k&iehka 'alP C bezeichnet 
halbe lange) ^^ gen. k-Sihlrft | k&iehtsa 'ziege' ^^ gen. kaihtsa kalle 
'genug' z^-' kalle 'viel, wieviel' | kalau 'tiefer schnee' * — • kalau 'ich 
wate' I kallo 'kQhles wetter im sommer' ^^^ k411o 'grosser stein' 
k4mpa 'kam' ^^ gen. kam*pa | k&mesa 'lappische blutwurst' ^^^ gen. 
kamsa | k4rehpa 'dannes gerstenbrot' -^^ gen. kar^pa | karehtsa 'rie- 
men' /-^ gen. kar tsa { kassa 'wilde gans' ^^ kassa 'dick' kau^tja 'sil- 
berbecher' ^-^ gen. kautja. NB ! Der svarabhaktivokal, der mit* bezeich- 
nete tonlose Ubergang zwischen zwei konsonanten und der tonlose vo- 
kal (h) werden in der orthographie der schriftsprache nicht bezeichnet. 



Wiklund. Lehrbnch der lapp. sprache. 25 

bd der revidierung finnisch-lappischer bdcher auf anraten prof. 
SETilU's eingefOhrt. 

Die lappen — und auch die >lappologen> — - kfinneo herm 
Wiklund sehr dankbar sein fllr die zahlreichen verbesserungen, 
die er in die schwedisch-lappische schriftsprache eingeftlhrt hat. 
Man braucht nur einen blick auf das ss. 113 — 115 mitgeteilte ver- 
leichnis der differenzen zwischen der >nordlappischen> und der 
neuen schriftsprache eu werfen, um 211 sehen, welcher wirrwarr 
vortier auf diesem gebiete geherrscht hat. Ich mOchte jedoch die 
frage auregen, ob man nichl noch einige reformen durchfflhren 
kOimte um die orthogrmphie der schwedisch-lappischen schriftsprache 
in eine nShere Qbereinstimmung mit derjenigen der norwegisch-lap- 
pischcn zu bringen. Demjenigen, welcher seine lappischen studien 
mit der letzteren schriftsprache begonnen hat, erscheint die ver- 
schiedenartige bezeichnungsweise, welche im schwedisch-lappischen 
gebraucht wird, sehr befremdend. Dasselbe dtlrfte vom norwegisch- 
lappischen fOr denjenigen gelten, der mit dem schwedisch-lappischen 
begiont. Es erhebt sich die frage, ob man nicht die orthographie 
dieser schriftsprachen in genauere Ubereinstimmung miteinander 
briugen kSnnte. Ein umstand kommt noch dazu. Herr WiklUND 
hebt die zentrale stellung des Luielappischen auf einem sehr weiten 
gebiete hervor und erwahnt, dass es dem Lulelappen nicht allzu 
schwer ist seine stammverwandten z. b. in dem kirchspiele Jukkas- 
jarri aus Tomiolappmark, welches zu dem norwegisch- lappischen 
sprachgebiete gehOrt, zu verstehen (s. 3). Ich schliesse hieraus, da:^s 
auch die Jukkasjftrvi- lappen mit nicht allzu grosser schwierigkeit 
Lulelappisch und auch Lulelappische bOcher verstehen kOnnen. Wenn 
dem so ist, ist es einleuchtend, dass die verschiedenartige ortho- 
graphie der schwedisch- und norwegisch -lappischen litteratur fOr 

Iceit sein 

verschie- 

;gruppen 
. 6, 3. 3. 
dtj be- 

undregel 



26 Wiklund. Lehrbuch der lapp. sprache. 



der phonetischen transskription lautet: ein zeichen fttr einen laut, 
und eine phonetische transskription ware ja auch in der schrift- 
sprache so viel wie mOglich zu erstreben. Der umstand, dass die 
schwedischen lappen auch schwedisch lesen mtlssen, weshalb es 
far sie ein vorteil ware, wenn der i-laut in beiden sprachen ein 
und dasselbe zeichen hatte, kann nicht als ein entscheidender ge- 
sichtspunkt dienen. Erstens ist der lappische .s-laut nicht mit dem 
schwedischen identisch, zweitens ist es nicht richtig, die orthogra- 
phie einer sprache an diejenige einer anderen ganz fremden spra- 
che zu fesseln, besonders da die orthographie der letzteren keines- 
wegs mustergiltig ist, und zum dritten hatte die annahme dieses 
gesichtspunkts zur folge, dass man auch fttr die norwegischen lap- 
pen die bezeichnung ^ empfehlen soUte, da ^ auch im norwegischen 
den ,sf-laut bezeichnet; ich glaube jedoch, dass die norwegischen 
lappen um keinen preis mehr das zeichen k gegen ai vertauschen 
mOchten. Ob es auch zweckmassig ware die norwegisch-lappischen 
zeichen c, 6, 3, J in die schwedisch-lappische schriftsprache einzu- 
ftihren, oder ob man lieber in beiden sprachen die bezeichnungen 
ts, t6, ds (dds), d6 (dt6) annehmen soUte, will ich nicht entschei- 
den. Sehr wOnschenswert ware es jedenfalls, wenn man sich auch 
hier tiber eine gleichartige bezeichnungsweise einigen kOnnte. — 
Das zeichen t| fttr den »gutturalen» nasal — statt Dg und n — ware 
nach meiner ansicht fttr die schwedisch-lappische schriftsprache zu 
empfehlen. — Ein zeichen, welches das schwedisch-lappische alpha- 
bet dagegen entbehren kOnnte, scheint mir a zu sein. 4 wird nach 
Wiklund (§ 2) ausgesprochen »wie im schwedischen f^nge, fllgel 
(dennoch nicht ganz so olTen wie in flmge und nicht ganz so ge- 
schlossen wie in tkgel), z. b. talla *feuer'». Es scheint denselben 
laut zu bezeichnen, fttr welchen man im norwegisch-lappischen o 
gebraucht. Dieses zeichen wird in der schwedisch-lappischen schrift- 
sprache nur in der zweiten silbe gebraucht und ist auszusprechen 
sowohl swie der geschlossene o-laut im schwedischen bo, tro, z. b. 
pallo 'furcht'», als auch ^wie deutsches u in und, gebunden oder 
franzOsisches ou in coucher, doable », z. b. viesso 'er lebt*; der 
letztgenannte laut wird in der ersten silbe dagegen mit u bezeich- 
net, z. b. kullat 'hOren' (in der grammatik auch in der zweiten 
silbe, z. b. viessu 'er lebt'). Es ist nicht zu billigen, dass der- 
selbe laut (u) in der zweiten silbe auf eine andere weise bezeich- 
net wird als in der ersten: das zeichen u sollte unbedingt in 



Wiklund. Lehrbuch der lapp. sprache. 27 

der zweiten silbe gebraucht werden in f&llen wie viessu 'er 
lebt'. Ich glaube, dass auch der geschlossene o-laut mit demsel- 
ben zeichen wiedergegeben werden kann, well der unterschied zwi- 
schen diesem laute iind dem eigentlichen u-laut sehr klein sein muss, 
wie man aus dem umstand schliessen kann, dass herr Wiklund 
selbst in seiner »Laut- und formenlehre der Lulelappischen dialekte)» 
die beiden laute mit u bezeichnet hat. Wir h&tten also das zeichen 
o fibrig fttr den laut, welcher jetzt in der schwedisch-lappischen 
schriftsprache mit k bezeichnet ist, welches zeichen man also ent- 
behren kOnnte ^ Doch — das zeichen a hat noch eine andere 
fiinktion: in der ersten silbe wird es auch als diphthong §ak ausge- 
sprochen, dessen letzteres element ein undeutliches a ist und wel- 
cher mit (einem halblangen und langen) a in bestimmten f^len 
wechselt (§ 29) *. Ich finde keinen grund, warum man diesen laut 
nicht mit oa bezeichnen kCnnte. 

Ich habe mir gestattet einige bemerkungen tiber die ortho- 
graphie der neuen schwedisch-lappischen schriftsprache zu machen, 
um deren umgestaltung sich herr Wiklund so hoch verdient ge- 
macht hat. Es ware mir eine freude, wenn diese bemerkungen 
anlass zu einer diskussion g^ben, aus welcher sicherlich auch fOr 
die orthographie der anderen lappischen schriftsprachen nutzen zu 
Ziehen ware. 

Helsingfors. F. AimA. 



* Es kann angefUhrt werden, dass im schwedischen nebst a 
ebenso oft o ftir den o-laut gebraucht wird und dass man mit vol- 
lem recht die bemerkung gemacht hat, dass man beim reformieren 
der schwed. orthographie das gebiet des a nicht vermehren, son- 
dem — im gegenteil — eher dieses zeichen ganz und gar aus 
dem schwed. alphabete ausmustem solle (vgl. Es. Tkgn^r, Natur 
och onatur i fraga om svensk rattstavning 80). 

2 Dieser laut wird von herm W. anderswo mit os bezeichnet, 
siehe z. b. »Entwurf einer urlappischen lautlehre» 234. 



28 Transskription der finn.-ugr. sprachen. 



» -I 



Ausserungen fiber die transskription der finnisch- 

ugrisehen sprachen. 



3. 

Zur ^Transskription der finnisoh-ugrisohen sprachen^ 

von E. N. Set&lS. 

Mit dem erscheinen der »Fmnisch-ugrischen Forschungen», 
deren ankUndigung bereits den ungeteilten beifall der fachkreise 
hervorgerufen, war wie selbstverstandlich auch die notwendigkeit 
gegeben, zum zwecke eines einheitlichen vorganges ftlr die finnisch- 
ugrischen sprachen ein system der transskription zu schaifen und 
dieses zugleich derart zu erweitem, dass den bedUrfnissen entspre- 
chend auch fremdsprachliche lautbezeichnungen darin ihren platz 
finden soUten. 

Der forderung dieser notwendigkeit ist herr professor SetAlA 
gleich im ersten hefte der genannten zeitschrift (s. 14 — 52) ent- 
gegengekommen . 

Wenn ich nach mehrmaliger eingehender lekttlre der >vor- 
schiage* den erhaltenen eindruck wiedergebe: dass nur eine voll- 
standige beherrschung der einschlagigen litteratur und die sorgftl- 
tigste prtifung lautphysiologischer erscheinungen dera herrn verfas- 
ser eine stofflich nahezu erschOpfende arbeit trotz der skizzenform 
ermCglicht hat, so ist dies lediglich eine selbstverstandliche folge 
der rtickhaltslosen anerkennung. Ich habe dem nur noch anzufQ- 
gen, dass ich die strenge logik, die mustergiltige knappheit und 
klarheit wie in alien anderen mir bekannten wissenschaftlichen wer- 
ken des verfassers auch hier wieder mit besonderer freude be- 
grtlsse. 

Indem ich mir gleichwohl eine bemerkung gestatte, will ich 
nur eine bescheidene subjektive meinung aussprechen. 

1) S. 40, 5) kOnnte vielleicht die »bequemlichkeit» (o ■= 0, 
o =. 6: 6 =z 0^ e ^= e) dem auf s. 34, 4) ausgesprochenen grund- 
satze in jedem falle geopfert werden. 

2) In die tabelle s. 41 mOchten l' [ einbezogen werden. 

Anm. Beziiglich dieser letzteren wie auch n kOnnte seiner- 
zeit darauf hingewiesen werden, dass das zeichen ' nicht immer 



Ausseningen v. J. Sibber, Vilh. Thomsen. 29 

dasselbe bedeutet, indem z. b. bei der aussprache des Tnicht bloss 
in verschiedenen sondem auch in ein und derselben sprache bald 
/;. bald t5 gehOrt wird, femer h z. b. im czechischen = n/, im 
franzOsischen = (^)nj lautet, in welch letzterem falle das n, um 
mich so auszudrflcken, im i-stoflfe schwimmt. In der wissenschaft- 
lichen praxis kann sich diese unterscheidung fttr die probleme des 
lautwandels und der tibergange bisweilen ntttzlich erweisen. 

3) Der verfasser bemerkt mit recht, dass sich noch viel fei- 
nere imterschiede machen liessen, dass aber ftir manchen die vor- 
geschlagenen schon allzu fein sein dUrften. Indes wtlrde dem 
sprachforscher, da zur erzielung der grOsstmOglichen sicherheit der 
wissenschaftlichen schlOsse auch eine mOglich grosse feinheit ge- 
wQnscht werden muss, eine erweiterung der feinheiten vielleicht 
wiUkommen sein. Die zahl der vorgeschlagenen zeichen ist ja — 
wie es nicht anders sein kann — recht bedeutend, und so k^me es 
auf ein dutzend mehr als zugabe nicht an. Ich bitte, diese worte 
nicht ungtktig aufzunehmen; ich bin bescheidener dilettant und habe 
die vorschlage nicht zu umfangreich gefiinden, umso mehr vergntt- 
gen und im gegebenen falle auch vorteil wird es dem eigentli- 
chen fachgelehrten schaffen, sich noch mit einem plus von feinheiten 
beschafdgen zu kOnnen. 

Was die grDbere transskription betriflFt, so ware die erwftgung 
der frage wttnschenswert, ob es denn nicht doch angezeigt ware, 
anstatt der halbfetten (stehenden) eine um etwas magrere schrift 
anzuwenden. Die erstere stOrt allzu sehr das auge. 

Zum schluss wttrde ich mir gestatten, den wunsch auszuspre- 
chen, es mOge der hochgeehrte verfasser nach einsichtnahme in 
die eingelaufenen besprechungen der vorschlage durch einen sonder- 
abdruck die ergebnisse seiner arbeit als systematische richtschnur 
auch alien denen zuganglich machen, welchen die zeitschrift far 
finnisch-ugrische sprach- und volkskunde nicht zur verfQgung steht. 

Leitmeritz (B6hmen). 

J. SlEBER. 

4. 

Zur transskriptionsfrage habe ich im augenblick nichts be- 
sonderes zu bemerken. An und fttr sich halte ich aus asthetischen 
hinsichten nicht viel von der vermischung von zeichen aus ver- 
schiedenen schriftarten : griechischen, kapitalen u. a, aber ich raume 



30 Transskription der tinn.-ugr. sprachen. 

ein, dass sie aus praktischen grOnden eher geboten ist als die ein- 
fOhrung besonderer, kttnstlicher zeichen. 

p. L Sellerod 25. 8. 1901. 



ViLH. THOMSEN. 



6. 



Ich denke, dass es besser sein wttrde, wenn in Ihrer trans- 
skription buchstaben nur eines alphabets vork&men, d. h. alle nur 
lateinische (wenn es mOglich ist). Prof. N. Andebson will Ihnen 
ausfQhrlich mitteilen, was wir dber ihre transskription denken. Sie 
ist gut und genau. 

Kasan 9. 9. 190T. 

NiKOLAJ KaTANOV. 

e. 

(NvK XXXI 358.) 

Es ware zu wttnschen, dass system und einheit an die stelle 
des bisherigen wirrwarrs treten mOchte. Auf die vorschlSge woUen 
wir hier im einzelnen nicht eingehen, da wir spelter gelegenheit 
haben werden eine aus der feder eines fachmanns stammende de- 
taillierte besprechung zu verOffentlichen ; nur soviel woUen wir 
erwahnen, dass die vorgeschlagene transskription nicht flbertrieben 
minutiOs ist, sondem vielmehr — soweit wie mOglich — hinl^ng- 
lich einfach, zweckmSssig, systematisch, konsequent und — was 
sehr wichtig ist — in den grundlegenden prinzipien entwicklungs- 
fahig. Nur darin fehlt sie gegen die konsequenz, dass sie entge- 
gen dem grundsatz: »fQr jeden laut in einer gegebenen sprach- 
gemeinschaft ' ein bestimmter, und nur dieser eine buchstabe» 
(p. 34), in einigen fallen (»der bequemlichkeit halber>) eine zwei- 
fache bezeichnung gestattet, z. b. ^ = 0, «^ = 0, d = 0, ^ = e (p. 40). 

V V A A 

SepL 1901, 

Q 

7. 

Was die transskription der FUF angeht, so dttrfte gegen ihre 
motivierung jedenfalls nichts erhebliches geltend zu machen sein. 
Hinsichtlich der zeichen muss ich bemerken, dass sie nicht vOUig 
hinreichen um alle lautschattierungen in einem ostjakischen dialekt- 



Ausserung. v. V. Thomsbn, N. Katanov, Q., K. F. Karjalainen. 3 1 

wOrterbuch oder einer ^Uinlichen darstellung wiederzugeben. Ich 
erwahne nur einige punkte. So ist der von Ahlqvist mit i wie- 
dergegebene laut etwas anders als das t in der gegend von Surgut 
(Gastrin t, d). Von dem %-laut giebt es am Kas3m[i zwei nuan- 
cen: reiner »enge]aut» und ein laut, bei dessen einsatz ein ver- 
schluss zu vemehmen ist (jedoch nicht 1c ^ wennschon auch dieser in 
bestimmten ^llen auftritt). Am Kasym gpebt es femer einen laut 
o\ d. h. aspirierte stimmlose media. Wie aber ware ein stimm- 
loses / zu bezeichnen? Ich selbst habe .dafCte das zeichen ^ gesetzt. 
Es iinden sich ausserdem zahlreiche andere f^Ue, deren bezeich- 
nung natdrlich schon deswegen in der transskription der zeitschrift 
nicht hat vorgesehen werden kdnnen, weil tiber die laute des ost- 
jakischen bisher so wenig klarheit geschafien worden ist. — Ftir die 
vokale sind gleichfalls viele erganzende zeichen nOtig. So habe 
ich z. b. bei der behandlung der verschiedenen dialekte im ganzen 
ca, 40 verschiedene vokalzeichen gebraucht, obwohl eingestanden sei, 
dass bei manchen durch verschiedene zeichen vertretenen lauten oft 
nur ein geringer unterschied besteht. Am Vasjugan, Vach und 
oberen Ob giebt es beispielsweise einen >oflfenen o-laut», der mit 
oflFenerer lippen- und zungenartikulation ausgesprochen wird als 
ft. 0. Am Kas3rm lindet sich ebenso ein »offener o-laut», dieser 
aber wird ziemlich mit finnischer lippenartikulation, jedoch tieferer 
zungenstellung hervorgebracht. In dem transskriptionsartikel werden 
fflr den ofFenen o-laut die zeichen ^ oder vorgeschlagen. 
Ware es aber nicht geboten, diese bezeichnungsweisen fQr 
verschiedene laute zu gebrauchen? habe ich fttr den »ge- 
schlosseneren* o-laut verwandt, wogegen 6 (nach analogie von d 
und zum unterschied vom 6 des finnischen und anderer sprachen) 
ein palataleres reprasentiert {6 die geschlossenere variante des- 
selben lautes). . . ! . . tiber vokalzeichen kOnnte palatalere, d. h. 
hOhere und mehr vordere zungenstellung bezeichnen, • • ;• • hOhere, 
5 geschlossenere » zungen- oder geschlossenere lippenstellung. n ist 
ja in dem transskriptionssystem nicht zum endgiltigen gebrauch 
empfohlen* Im ostjakischen existiert jedoch ein laut zwischen o 
und M, reduziert, den ich mit diesem zeichen wiedergegeben habe, 
weil seine form mir daftir geeignet zu sein scheint. Der entspre- 
chende palatale laut sieht u aus. »Mittelvokale» finden sich in der 
vokaltabelle nicht; das ostjakische bietet uns jedoch solche. Ich 
habe einen von ihnen (das gegensttick zu u) mit o bezeichnet, und 



32 Transskription der finn.-ugr. sprachen. 

so fasse ich einea a-laut auf, ja sogar einen u-laut des Kas3nm- 
dialekts (vorlftufig durch ce^ tu dargestellt). "i" habe ich in f , i, 
ausserdem in a, a u. s. w. zur bezeichnung eines in erster silbe 
auftretenden reduzierten, mehr oder weniger labialisierten a- (d-) 
lautes (die labialisierung ist sehr schwach, stellenweise entspricht 
dem a ein nach 9 hinneigender laut; dem a entspricht dann d). 
Wie ware der labialisierte /-laut darzustellen, der am Pym dem j 
der tlbrigen Surgut-dialekte entspricht? Fttr labialisiertes r bietet 
der Ras3rm-dialekt in erster silbe nach t{ ein beispiel (mit f be- 
zeichnet). Welches zeichen ware fQr dialektisch vorkommendes. 
mit u einsetzendes, wortanlautendes if zu gebrauchen? Bis auf 
weiteres habe ich *tjf geschrieben. FOr den stimmlosen bilabialen 
spiranten schlagt das system (f vor (bei mir bislang: w), Wie 
ware z. b. das wort uorhi zu transskribieren, in dem der letzte teil 

A V 

des u stimmlos ist (in einem anderen dialekt lautet das wort t^ordw)} 

A V 

Ich habe, wie man sieht, den laut mit t/ wiedergegeben (im allge- 
meinen deute ich die stimmlosigkeit durch • • •^- • an), doch geht das 
nicht mehr recht an, wenn • • •^- • eine andere bedeutimg erhftlt. 
W^are auch hier t/ zu schreiben? — Von zeichen far die quantitat 
linden sich in dem vorgeschlagenen transskriptionssystem \ ~,\\ 
Im ostjakischen sind vier stufen vertreten, aber ihre bezeichnung 
verursacht einige schwierigkeit Die meisten ostjakischen vokale 
werden » schwach geschnitten>, in einigen fMlen jedoch > stark ge- 
$chnitten» artikuliert. Gebraucht man im letzteren fialle das zeichen 
for vokalische >kQrze> (imd schreibt z. b.: a), wie schreibt man 
alsdann in einer stellung, wo der vokal auch >kurz», aber > schwach 
geschnitten» gesprochen wird? Sagt man z. b., dass im worte 
payam (aus Tremjugan) das a der zweiten silbe >halblang> sei 
(also mit d zu bezeichnen ware), so macht man sich vielleicht eine 
falsche vorstellung, auch kann man nicht sagen, der laut sei hier 
ebenso kurz wie ^, a. Ich habe in solchen fMlen .<;). geschrieben, 
aber diese bezeichnungsweise ist wahrscheinlich fdr den druck nicht 
zu empfehlen. Betrachtet man die sache nur vom standpunkt des 
ostjakischen, so kOnnte man die >ktlrzeste> stufe z. b. mit ^, die 
»kur2e> mit a wiedergeben, aber in anbetracht der finnisch-ugri- 
schen sprachen, die > stark geschnittene» vokale haben, mtlsste ein 
augenfalliges unterscheidungszeichen erfunden werden. Ftlr das 
mordwinische hat Paasonen, soviel ich mich erinnre, diesen untcr- 
schied unbezeichnet gelassen, obgleich er auf ihn aufmerksam 



Ausserungen v. K. F. Karjalainen, S. Simonyi, R Tbza. 33 

macht, und dieser umstand kann — wenigstens im anfang — einen 
falschen begriff von der eigentlichen bescha£fenheit des vokalismus 
geben. 

Beresov 29. 12. 1902. K. F. Karjalainen. 

8. 

Was die transskription betriflft, so habe ich keine bemerkun- 
gen dazu geschickt, einmal weil ich nichts wesentliches dazu zu 
bemerken habe, und femer weil ich wusste, dass sich Balassa 
eingehend darttber auszusprechen gedenkt, und ich in vielen hin- 
sichten mit ihm einverstanden bin. Balassa's bemerkungen sind 
bereits als sonderabdruck aus NyK erschienen und werden wohl 
alsbald verschickt werden. 

Ich mOchte am meisten die ausscheidung der zeichen c c g S 
bedauem, weil diese so tiberaus haufige laute in den finnisch- 
ugrischen sprachen darstellen und bei ihrer ktirze sehr viel raum- 
ersparnis bewirken. Ich meine, es ware nicht nOtig die konsequenz 
so weit zu treiben. Die unterscheidung von lautgruppen wie in 
a(a und acca (locsog: loocsan etc.) zeigt auch, dass die sprache 
den 3 reduzierten > laut fs (o: d) selber als einfachen laut auffasst 
(daher kommt es z. b. auch im wortanlaut vor, wo es ja keine st, 
zd etc. giebt). Nach der neuen schreibung ware t^ als diphthong 
wohl U zu bezeichnen, damit man atSa nicht at-sa d. h. acca lese. 

Mit MunkAcsi kann ich mich nicht einverstanden erklaren; 
ihn hat die — ttbrigens aller ehren werte — pietat fttr Budenz in 
einzelnen punkten vollstandig befangen gemacht. 

Budapest 29. 12. 1901. 

S. Simonyi. 

9. 

(Rivista Bibliografica Italiana VII 1, 10 Gennaio 1902.) 

Per dare unit^ agli scritti (e veramente agli scritti), il 
prof. Setala studia e propone segni che debbano rappresentare i 
^uoni nelle varie parlate delle quali si danno gli esempi. Che 
delle lingue ricche di letteratura nulla si tocchi, ^ giusto: non si 
vuole turbare Tordine delle tradizioni; ma il nuovo ha bisogno di 



I 



34 Transskription der finn.-agr. sprachen. 

specchk) fedele. C*6 dawero? Nessuno piu del Set^ft conosce le 
spine che insanguinano chi vuole aprire la strada. Beati coloro 
che hanno, suUe cinque righe, quelle poche note che diventano 
tante, e suonano e cantano, tutti ad un tempo, tutti ad un modo! 
Fu scritto, fino dalle prime, e via^via derivando, imitando, stor- 
cendo, rifabbricando, non gii perch^ s' impari a parlare, ma a leg- 
gere da chi parla. Non fu un ritratto; ma un accenno leggero 
leggero, e Timmagine vera stava, e sta, tutta quanta nella mente 
di chi guarda quei segni. 

Noi, dell* occidente, badiamo sempre a quello che divento la 
scrittiu'a del latini, che non avevano spiriti di veggenti, e carita ai 
prossimo, da pensare anche alle ugole, ai palati, alle labbra del 
resto di mondo. Si va trasformando quello scheletro, appiccandovi 
un lembo di muscolo, un filo di nervi, una vena; ma dargli vita 
non si pu6. 

Quando descnvi il suono e il modo di produrlo, anche il 
segno comune diventa segno proprio: sai che cosa e la elle 
nella bocca dei veneti e non c*^ bisogno che volo non sia 
scritto come usa per il toscano. I molti diacritici, in un teste 
un po' lungo, confondono occhio e mente; e vi sono libri cinesi, 
alia latina per gli europei, che fanno desiderare, anche ai non 
esperti, il multiforme giuoco dei pennelli nel regno di Mezzo. 
Verrebbe quasi la voglia, la pazza voglia, che i segni fossero in- 
ventati di sana pianta, e in numero stragrande: moltiplicare insomma 
quello che il Brtlcke tent6, da fisiologo '. I saggi, nelle gara dei 
virtuosi della penna, si farebbero facilmente sulla pietra: poi ver- 
rebbe a coronare Popera il punzone, e cosi alle stamperie come ai 
lettori un carattere tutto nuovo n^ sciuperebbe troppo le borse ne 
consumerebbe i cervelli. Ma il regno dei sogni sta da una parte, 
e la vita viva dair altra. II Setala fa bene a tentare, a istigare, 
a sentire che la vince chi dura. 



Padova. 

E. Teza. 



* Ripenso a una preziosa memoria : Ueber eine neue Methode der 
phonet Transscription. Wien, 1863. 



Ausserungen v. E. Teza u. J. Balassa. 35 



10. 

phonetische transskription for die finnisoh-ugrisohen 

spraohen. 

(Auszuge u. referat aus NyK XXXII 82 — 94.) 

Nach dem erscheinen des ersten heftes der Finnisch-ugrischen 
Forschungen scheint uns die gelegenheit gtlnstig auch unsrerseits 
dem wunsch ausdruck zu geben, dass sich eine einheitliche trans- 
skriptionsweise fflr die finnisch-ugrischen sprachen einbttrgem und 
an die stelle des bisherigen wirrwarrs eine feste einheitlichkeit 
zustande kommen mOchte. Wer sich bisher mit der niederschrift 
irgendeiner finnisch-ugrischen sprache zu befassen gehabt, accep- 
tierte die schreibweise seiner vorganger und anderte dieselbe da, 
wo es geboten war, ab. Da stets manche modifikationen notwen- 
dig wurden, bedachte jede einzelne neue verOffentlichung ihre leser 
mindestens mit einigen neuen bezeichnungsweisen oder mit einigen 
neugeformten buchstaben, und so sind wir heute soweit gekommen, 
dass derjenige, der die finnisch-ugrischen sprachen nicht nur mit 
dem auge kennen zu lemen wttnscht, mit den buntesten und 
schwankendsten schreibweisen zu kftmpfen hat. Die schwierigkeit 
dieser sich planlos erweitemden transskription wird noch durch die 
unbestimmtheit der lautwerte vermehrt, denn wenn wir hOren, dass 
ein laut zwischen a und a, U und u oder s und S liege, wissen 

wir ja von dem betreffenden laut noch gar nichts. — Dem 

wirrwarr leistet auch der umstand vorschub, dass sich ftir die be- 
zeichnimg der laute bei den finnischen und schwedischen forschem 
ein ganz anderes system eingebUrgert hat als das, welches die 
ungam befolgen. Hier schliesst man in der hauptsache an Budenz 
an, der seinerseits in vielen punkten auf Rask und Lepsius fiisst, 
dort stQtzt man sich teilweise auf Lundell und Storm. Daneben 
erschienen hSufig einige finnisch-ugrische texte mit russischer trans- 
skription. 

£s ist darum nattlrlich, dass die finnischen sprachgelehrten, 
bei dem plan eine, sich auch an die ausl^ndischen fachgenossen 
wendende zeitschrift zu grtinden, zu allererst den gedanken fassten, 
ein einheitliches transskriptionssystem ftir sSmtliche finnisch-ugri- 
sche sprachen zu sch^en. Es ist dies dasselbe, Uber welches 
schon im herbst 1892 einige gelehrte in Finland berieten und von 
dem uns nun SetAlA im I. heft der FUF eine darstellung giebt. 



TranssknptioD der Gnn.-ugr. sptacbei: 



Zu billigen ist, dass SetXlS, im gegensaU lu Bell, Swxet, 
EtOcKE und DuNAY, seinem transskriptionssystem das buchstaben- 
aterial des lateinischen alphabets zugrunde legt, worin er beson- 
;rs Techheb folgt. Desgleichen ist die wahl zwischen der feine- 
n und der grOberen transskription willkommen zu heissen, nur 
echen die fetten buchstaben etwas arg aus dcm text hervor und 
ad zur wiedergabe der beispiele und citale sehr wenig geschickt. 
Ir diesen sweck wSren vielleicbt lettem von viel bescheidenerem 
issehen zu wOhlen. 

Rezensent teilt alsdann die allgemeinen grunds^tze far die 
inere transskription mil und empiiehlt zu punkt I. in um- 
ngreicheren textproben nach vorheriger fiiterung der einzelnen 
utwerte eine vereinfachung der schrift durch unterdrQckung der 
akritischen zeichen. Diese schreibweise nennt cr grdbere trans- 
jiption, wahrend er unter citatschrift SetAlA's fettere versteht. 
i folgt eine gedrSngte zusammenstellung des zeichenmaterials des 
sterns (nebst den tafein auf s. 41 und 42 der zeitschrift), wel- 
les rezensent nun folgendermassen bespricht; 

Techmers konsonantentafel (Int. Ztschr. FV 1 17) grOndet sich anf 
e genaueste analyse der artikulationsarten und ist fClr die aufsiel- 
ng einer allgemeinen phonetischen transskription die tauglichstt.', 
id wenn SetSlX, den gegebenen prinzipien folgend, dieses system 
igrunde legte, hfltte er eine in jeder beziehung zur bezeichnung 
T finnisch-ugrischen sprachen geeignete transskriptionsweise grOn- 
;n kflnnen. Jedoch weicht setn system in mehreren punkten von 
;mjenigen TeCHMer's ab und gleicht eher der im ersten band 
T Int. Ztschr. mitgeteilten • aufstellung, deren unvollkomraenheit 
SCHUER selbst erkannt hatte. Zur erweiterung und vervoUstflndt- 
ing des systems hat gerade die arbeit beitragen helfen, in welcher 
li das lautsystem des ungarischen im IV. band der Int. Ztschr. 
Orterte. Die tabelle des ersten bandes geoDgte nicht urn die 
Idung der ungarischen laute zu veranschaulichen, desto weniger 
ler ist sie zur unterscheidung der laute sAmtlicher iinnisch-ugri- 
her sprachen zu benutzen. 

Der eine fehler, der dem system anhaftet, besteht darin, dass 
bei der klassiiikation der dentalen und palatalen laute nur die 
tikulationsstelte berdcksichiigt und die verschiedenheit in der fonn 
T zunge veniachls-'sigt. \s-ahrend wir doch von den zshnen bis in 
e mitte des gaumens Qherall mit ihr auf zwei arten die konso- 
inten bilden kOnnen: mit dem zungenrQcken oder mit der lun- 
inspitze. Da SktM.S in seinem system die rtlcksichtnahme aui 
escn unlerschifii lioseitigt hat, so geraten die verschiedenen S-, 2- 



Ausserung v. J. Balassa. 37 

und S'j i-laute in eine reihe nebeneinander. Auf der anderen seite 
fand sich far den ersten teil der diphthonge 08, ds, n^mlich fQr 
palatales t, d kein platz. 

Der zweite fehler des systems ist der, dass es die am ganzen 
gebiete des gaumens gebildeten konsonanten nur in zwei haupt- 
gruppen einteilt: die eine erstreckt sich von reihe 4. bis reihe 8. 
(den tale) und diese werden durch die buchstaben ^, d, 5, Z u. s. 
f. bezeichnet; die zweite gruppe reicht von reihe 9. bis reihe 12. 
(palatal e) und zu ihrer bezeichnung dienen die buchstaben k^ g, 
X, y. Der gaumen ist zwar von dem oberen zahnfleisch bis zum 
weichen gaumen eine einheitliche zusammenh^Uigende ilftche, jedoch 
wenn wir die akustische wirkung der auf dieser flache gebildeten 
laute betrachten, so zerfallen sie in drei gruppen: erstens ung. 
ty d, 82, z, zweitens ty, gy, j und drittens die laute k, g^ x* 7y 
das heisst in die dentale, die palatale und die sogenannte guttu- 
rale lautreihe. Diese drei gruppen mUssen in einer auf wissen- 
schaftlicher grundlage ruhenden phonetischen transskription aus- 
einandergehalten werden und fQr ihre bezeichnung sind drei beson- 
dere buchstabenreihen zu verwenden. Dies hat Techmer auch 
gethan, indem er fQr die mittlere gruppe die kapitMchen T, D, N, S, z 
benutzte; und diese drei hauptgruppen finden wir auch in der 
phonetischen schreibweise Passy's wie in der bezeichnungsart 
Sweet's. Die ausserachtlassung dieses wichtigen unterschieds hat 
zur folge, dass es schwer wird, die reihe der ungarischen palatal- 
laute in der tabelle zu finden. Da j in der 9. reihe steht, mQssen 
wir dort auch die zeichen fQr ty, gy, ny suchen; diese laute sind 
also durch k y tj wiederzugeben, und woUten wir konsequent blei- 
ben, ware der laut des j auch / zu schreiben. Dies ist eine sehr 
unbequeme und verwirrende bezeichnung; sodass diese palatalen 
konsonanten, wenn sie keinen besonderen buchstaben erhalten und 
ein nebenzeichen fQr sie nOtig wird, lieber in die dentalreihe ein- 
zuschieben wftren. Aus dieser bezeichnungsweise folgt auch noch 
die besonderheit, dass die laute der 8. und 9. reihe, die mouillier- 
ten dentipalatale (f. d) und prapalatale (k g) mit zweierlei buch- 
staben bezeichnet werden, wahrend sie doch hinsichtlich ihrer 
akustischen wirkung einander viel naher stehen als den nachbar- 
lauten, mOgen wir nun zu der t d- oder zur k gr-reihe fort- 
schreiten. 



3 8 Transskription der finn.-ugr. sprachen. 

Mit der analysierung der mouillierten konsonanten kommen 
wir noch zu einem augenftQligen fehler in der tafel SetXlA*s. Wir 
erwahnten schon, dass ein ttber oder neben den buchstaben gesetzter 
strich ' die mouillierung oder palatalisation bezeichnet. Das wort 
mouillierung ist in der phonetischen litteratur in zwei bedeu tun- 
gen gebrauchlich. Es bedeutet bisweilen palatale artikulation und 
bezieht sich alsdann z. b. auf die reihe der ungarischen laute gy 
ty ny; diese mdssen wir als einfache konsonantische laute mit 
einem besonderen buchstaben oder hOchstens mit einem hilfszeicben 
bezeichnen. Indessen gebrauchen wir den ausdnick »mouillienmg> 
in seinem eigentlichen und rechten sinne dann, wenn sie die ver- 
einigung zweier artikulationsarten bedeutet, d. h. anzeigt, dass wir 
entweder gleichzeitig mit der artikulation irgendeines konsonanten 
oder unmittelbar hinter dem konsonanten, einen j-artigen Gber- 
gangslaut bilden. Diese laute dtlrfen also in tibereinstimmung mit 
punkt 3. der grunds^tze nicht durch ein zeichen dargestellt wer- 
den. Die reihe p V f /' ih ist vollstdndig zu streichen und in 
der umschrift folgendermassen zu bezeichnen : fi bl ft VL mi. Mit 
diesem lauttlbergangszeichen kOnnen dann die mouiUierten formen 
aller beliebigen konsonanten wiedergegeben werden. Sonderbar ist 
es ja auch, dass nur die mouillierten lippenlaute in der tafel platz 
gefimden haben. f d oder Ic g ^bezeichnen ja ung. ty g^, wie 
sind dann aber die mouillierten t d oder k g zw bezeichnen? Auch 
erfahren wir von der tafel nicht, ob die lettem s z § z auf ein- 
fache palatale artikulation hinweisen oder ob sie mouillierte konso- 
nanten (si^ zi) bedeuten. 

Damit meine erOrterungen nicht nur ein negatives resultat 
liefem, stelle ich nach diesen kritischen bemerkungen die tafel 
der konsonanten zusammen, wie ich sie mir auf grund der bishe- 
rigen auseinandersetzung, im einklang mit den grunds^tzen und der 
empfohlenen buchstabenschrift verbessert denke. Damit sie ein- 
facher werde, lasse ich die zeichen fttr die stimmlosen medien 
weg; die grOsseren buchstaben zeigen an, dass der betreffende laut 
auch im ungarischen vorkommt (siehe folg. seite). 

Die anordnung der vokaltafel sttitzt sich vollstlUidig auf diejenige 
Techmer's. Die grundsatze, die als fundament fttr die bezeich- 
nungsweise dienen, haben wir bereits kennen gelemt, auch habe 
ich femer schon auf die inkonsequenz hingewiesen, dass die relativ 



Ausserung v. J. Balassa. 



39 



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1 




1 

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1 


1 

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1 

9 




1 


8 



40 Transskription der finn.-ugr. sprachen. 



hOhere (geschlossenere) artikulation auch doppelt bezeichnet wird: 
durch einen liber den buchstaben gesetzten punkt oder durch un- 
tergesetztes " y , also z. b. e = e. Diese zweifache bezeichnung 
ist nicht notwendig und fQhrt nur verwiming herbei. Lassen wir 
den ttber den buchstaben gesetzten punkt weg; die konsequente 
verwendung der Qbrigen zeichen orientiert leicht denjenig^n, der 
die transskription benutzt. Femer mOchte ich die bemerkung ma- 
chen, dass die unter der 3. reihe stehenden beschnittenen lettem 
jedenfalls durch andere zeichen zu ersetzen sind. 

Techmer ordnet die vokale in der richtung der diagonalen 
eines quadrates; in der mitte des quadrats liegen die am meisten 
offenen a-laute, und von da gehen die vier reihen der vokale nach 
den ecken auseinander; abw^rts schreiten die mit lippenschliessung, 
aufwirts die ohne lippenschliessung gebildeten vokale; vom mittel- 
punkt gehen nach rechts die hohen, nach links die tiefen laute. 
Beztiglich der vokale ist diese anordnung klar genug, obwohl ich 
befOrchte, dass den nicht hinreichend in phonetischen dingen 
bewanderten leser einerseits die vielen leeren viereckchen und an- 
derseits die in ein solches quadratchen zusammengedrSlngten 2 — 3 
buchstaben verwirren kOnnen. Ich meinerseits gebe den vorzug 
der klarheit der PxssY^schen tafel der vokale, welche die artikula- 
tionsarten getreuer andeutet, oder aber der noch leichter verstand- 
lichen und in unserer, die lautlehre betreflFenden litteratur gebriluch- 
lichen tabellarischen zusammenstellung (vgl. Phonetika elemei 42, 
TMNy 10). 

Die anwendbarkeit der Techmer*schen tafel stOsst auch des- 
halb auf schwierigkeiten, weil sie vier stufen der oflFenheit unter- 
scheidet und dafUr vier zeichen zu benutzen sind (d s e i). In 
den einzelnen sprachen existieren in der regel nur drei stufen der 
oflfenheit (vgl. ung. a o u; e § i), und bei der vierfachen einteilung 
bereitet die genaue anordnung der drei laute schwierigkeiten. So 
wUsste ich z. b. nicht sicher zu entscheiden, ob ich die offenen 
vokale (ay e) der ungarischen sprache in die dritte oder in die 
vierte reihe stellen soil. SetAlA benutzt die zeichen der 4. reihe 
hierfQr; jedoch stellt sich alsdann das ttbel ein, dass zwischen a und 
e, d und eine doppelt so grosse entJemung entsteht, wie zwischen 
e und iy und u, w^rend in unserem lautsystem die drei reihen 
der vokale hinsichtlich ihrer offenheit gleichen abstand von einander 
aufweisen. Wenn wir der bezeichnung drei stufen der offenheit 



Ausserung v. J. Balassa. 



41 



zugninde legen und die hilfszeichen ^ gebrauchen, so kOnnen 
vnr neun arten der vokale bezeichnen, und das ist vollkommen bin- 
reicbend. Fttr die laute der einzebien spracben muss die bezeich- 
nung jedenfalls vereinfacht werden, indes ist der platz jedes ein- 
zelnen lautes in der tafel genau zu fizieren. 

Im system der vokale wird die orientierung auch durcb den 
umstand erscbwert, dass fUr ein und denselben laut bisweilen zwei 
zeicben verwendet werden; so z. h, e :^ e, d = o\ tu ^= il: w = u. 

Aucb a<, kann verwirrung bervomifen, da der leser leicbt einen 

•I 

diphtbong darin siebt; icb wtlrde statt dessen wenn mOglicb a 
benutzen. 

Zur leicbteren orientierung stelle icb SetAlA^s vokalzeicben 
in die bei uns gebrftulicbe tafel ein; die lokale anordnung der let- 
tern deutet zugleicb ihr verh^tnis zu einander an, die relative ent- 
femung ibrer artikulationsart. Die grOsseren bucbstaben bezeicbnen 





1 

Tiefe laute ^ 


Gemischte 
laute 

1 


Hobe laute 

1 


Hobe 


bfi 

c 

CO 

G 

G 
S 
N 

1 


1 

• 


• 

f 


• 

i \ ' 


Mittlere 


e 


e 


Tiefe 


1 

€ 

1 \rf 


a 

> 


1 


Tiefste 


1 1 

a 

1 


1 .. 

a 

1 


C 

1 


Jerundete vokale 


Hobe 


stellung 


• 1 

u 

o) U 


1 

u m ... 
> u 

1 


Mittlere 


: \ 

1 .. ^ 




Tiefe 


c 
ba 

G 
G 


1 1 

j \ d 

> > 


Tiefste 


N 


1^ 

a |! do 



^2 Transskription der finii.-ugr. spracben. 

die auch im ungarischen vorkommenden laute. (Statt der beschnit- 
tenen o 6 gebrauche ich o 6). Ich bemerke noch, dass es — wie 
ich bereits erwtthnte — richtiger ware, wenn die mit tiefer zung^n- 
stellung bezeichneten reihen aus der tafel wegblieben. 

Es werden nach diesen ausftthrungen die abschnitte 9 — 14 
(s. 43 — 46) des SETALA*schen aufsatzes kurz referiert. Zum schltiss 
sagt der rez. : 

Aus diesen bemerkungen Qber die vorgeschlagene phoneti- 
sche transskription kOnnen wir ersehen, dass das system mit gros- 
ser sorgfalt ausgebaut ist und dass seine urheber jedes detail der 
lautschrift beachtet haben. Dass die schreibweise nicht voUkommen 
ist und der verbesserung bedarf, darOber wird sich nur derjenige 
wundem, der die beim entwurf von phonetischen schreibweisen 
begegnenden grossen schwierigkeiten nicht kennt, wo es gilt die 
wissenschafdichen und praktischen anfordeningen zu vereinigen. 

Die redaktion sieht die empfohlene transskriptionsweise selber 
nicht fQr endgiltig an und erklart sich bereit auf grund der ansich- 
ten der fachgenossen erforderliche ^nderungen vorzunehmen. Und 
wenn ich nicht nur an eine besprechung, sondem auch an eine 
strenge kritik der phonetischen schreibweise gegangen bin, so habe 
ich damit unser aller gemeinsamen sache einen guten dienst zu 
leisten vermeint. 

Budapest JOSEF BaLASSA. 



11. 
Fhonetisohe sohrift far die fiimisch-ugrisohen sprachen. 

(NyK XXXII 95—98.) 

In mehreren punkten stimme ich mit Balassa nicht Gberein. 
So dOrften beispielweise Af, g, ij nicht die zeichen fttr ung. ty, gy, 
ny sein, sondem fttr palatalisierte k, g, 17, welche (wenigstens £, ^) 
z. b. im mordwinischen vorkommen. Die ung. ty, gy, ny werden 
in der konsonantentafel der FUF mit f^ rf", n bezeichnet. — In der 
verwendung des zeichens ftir die mouillierung kann ich keineriei 
inkonsequenz sehen, denn yj, b\ v, f, tfi sind keine diphthongi- 
schen laute, sondem wie ich einer freundlichen brieflichen mittei- 
lung Paasonen's entnehme, ebenso einfache konsonanten wie die 



Ausserung v. J. Szinnyei. 43 



Qbrigen accentuierten zeichen (4, t^ (f, .4, i u. s. w.). Vgl. SiE- 
VERS, GnindzOge der Phonetik*, § 451 f. — In der vokal- 
tafel wtirde ich die auslassung der laute mit tiefer zungenstellung 
durchaus nicht fQr gerechtfertigt halten, da diese unterscheidung 
notwendig ist. 1st nflmlich a das zeichen fQr fi. &, so mtissen wir 
far die bezeicbnung des mit ung. ofFenem e identischen lautes 
einen anderen buchstaben benutzen (z. b. h), Ein solcher, zwi- 
schen fi. e und d liegender laut existiert im wotjakischen (vgl. 
WiCHMANN, Zur Geschichte des vokalismus der ersten silbe im 
wotjakischen p. VI), und wenn ich mich nicht irre, ist der wogu- 
lische laut, den Munkacsi zum unterschied von dem mit a wech- 
selnden a mit e wiedergiebt, derselbe. — Die ung. A;, gr, 17 sind 
meiner meinung nicht medio- und postpalatal, sondem pr§- 
und mediopalatal, daher sie nicht A;, gr, 17 und h^ gr^, 17 , sondem 
k^ 9>i V> ^^^ ^j 9t V ^^ transskribieren sind. — Ausser diesem 
kOnnen gegen Balassa's konsonantentafel noch einige einw^de 
gemacht werden; namentlich war es nicht am platze die palatali- 
sierten laute auszulassen, da diese, wie gesagt, einfache laute 
sind; die unterscheidung von dorsaler und koronaler artikulation ist 
zweckmSlssig, unter den dentalen aber fehlen einige laute. 

In der tafel der FUF vermisse ich t, Sonst ist die lautbezeich- 
nung hier im ganzen zweckm^ssig, systematisch, konsequent und — 
was einen grossen vorteil bedeutet — nach den festgestellten grund- 
sSitzen femerhin entwicklungsf^hig. Die kleine inkonsequenz, deren ich 
schon einmal erwahnung gethan habe (NyK XXXI 358), dass n&m- 
lich in einigen fallen der bequemlichkeit halber eine doppelte 
schreibweise gestattet ist, z. b. ^ = 0, ^ = 6, 6 =:: 0, e = f, ist 
leicht zu verstehen und zu entschuldigen ; die urheber der trans- 
skription haben die unten offenen und oben punktierten buchstaben 
offenbar deshalb gewtthlt, damit sich in einigen fallen die hilfe- 
zeichen unter den lettern nicht zu sehr haufen, z. b. (= ^). Ich 
meinesteils nehme die buchstaben 6, e, ^y ^ geme an, weil sie 
zweckmassiger sind als die mit zeichen unter der linie versehenen. 
Ich mOchte indes fQr w nicht (i setzen (wie es bereits geschehen 
ist). Der umstand, dass (i im neugriechischen nicht bilabiale, son- 
dem dentilabiale spirans ist, wflre an und fQr sich kein hindemis, 
da wir ja auch andere buchstaben abweichend von ihren bekannten 
lautwerten verwenden, und es keine verwirrung verursacht (z. b. 
ist fj zufolge seiner ahnlichkeit mit n fQr die bezeichnung der pala- 



j^^ Transskripdon der finn.-ugr. sprachen. 



talnasale sehr geeignet ^ und uns ungam verwirrt es nicht im min- 
desten, dass in anderen sprachen mit s der laut des 88 bezeichnet 
zu werden pflegt) ; den buchstaben w mOchte ich aber deswegen 
gem beibebalten, weil wir ihn aus dem englischen als zeichen fQr 
die bilabiale spirans kennen und an die bezeichnung gewOhnt sind, 
und weil er als S3rmbolisches zeichen geeigneter ist als (i. Fflr die 
letztere bezeichnung wttrde der umstand sprechen, dass sich, wenn 
wir dasselbe verwenden, zur wiedergabe des entsprechenden stimm- 
losen lautes von selbst (p darbietet; jedoch kann dieses auch neben 
W ebensowohl stehen, wie j statt / neben x steht. 

Durchaus recht hat Balassa darin, dass d„ verwiming verur- 
sachen k()nnte, weil der leser in dem zeichen leicht einen diph- 
thongischen laut sieht; ich halte es auch nicht fOr passend, und 
empfehle an seiner statt den buchstaben a, worin das zeichen der 
labialisierung verschmolzen ist, und dem entsprechend a statt a. 
Die im ostjakischen vorkommenden »lateralen explosive > (= Bu- 
DENZ / und /), die verschiedenartig definiert worden sind (vgl. 
Gastrin, Ostj. Spr. 6; Vologodszkij : Suomi, II. jakso, VII 3.; 
Ahlqvist: JSFOu. I 86; PApai K. und Munkacsi: NyK XX\1 id, 
II) sind nach einer gUtigen brieflichen mitteilung Paasonen*s in 
der gegend von Surgut spirantische /-laute, das erstere stimmbaft, 
das letztere stimmlos; da wir aber nun zur bezeichnung mehrerer 
spiranten griechische buchstaben benutzen, mOchte ich ftir den 
stimmhaften spirantischen {-laut die bezeichnung /, ftlr den stimm- 
losen das kapitalchen A empfehlen. (Auch Budenz gebrauchte Ji 
in seinen i>Sz6egyez6sek»). 

Wie man hieraus sieht, bin ich nicht einer meinung mit Szi- 
LASI, welcher (FUF I 222) die griechischen buchstaben wie auch 
die russischen entfemt wissen will mit ausnahme von 1^, welches 
er wegen seiner geringen abweichung vom lateinischen n nicht zu 
den griechischen buchstaben rechnen will, und Xi ^^^^ ahnliches 
auch im lateinischen alphabet vorkommt (doch kOnnte er, wenn er 
konsequent sein wollte, statt dessen a^ und statt des anderen das 
noch mehr dem lateinischen n ahnelnde t) empfehlen). Die kapitftlchen 
halt er, wie auch Balassa, ebenfalls fflr entbehrlich; und ich muss 



1 NatQrlich hat man unwesentliche typographische abweichun- 
gen zu gestatten; so thut es, glaube ich, nichts, wenn z. b. statt 
jy das diesem ahnliche y verwandt wird. 



Ausserung v. J. Szinnyei. 45 

gestehen, dass auch ich mich anfangs nicht recht mit ihnen habe 
befreunden kOnneii) doch halte ich sie nach reiflicher tfberlegung 
gleichwohl fQr passend, auf jeden fall fQr geeigneter als jene 
lettem, die Szilasi fQr die bezeichnung der stimmlosen medien 
empiiehlt (ft, rf, g u. s. w.), da man bei den letzteren oft zwei 

SJ Kt %* 

nebenzeichen gebrauchen muss (z. b. £" , gr , gr^), was den satz 

w %.< w 

wirklich bunter macht und die schreibung und lesung m.ehr 
erschwert als die kapitSllchen. 

Ich halte es ftir -keinen guten gedanken, dass Szilasi als 
hilfszeichen fOr die guttural vokale statt des oben offenen halbkrei- 
ses die nach links gerichtete pfeilspitze gebrauchen will, weil dar- 
aus mannigfache beschwer und missverstllndnisse entstehen kOn- 
nen; man ist so gezwungen ein und dasselbe zeichen in zwei 
bedeutungen zu verwenden, wie: FUF j = Sz. \ und FUF j = 
Sz. I (was auch deswegen nicht angSingig ist, weil man mit i frti- 
her gutturales i [?, fl bezeichnete) ; femer FUF e = Sz. e und 
FUF f = Sz. f (diese buchstaben s9hen mit iSnge- und accent- 
zeichen recht verziert aus: i: ' r | e':). 

Einem richtigen grundsatz der FUF widerstreitet auch der um- 
stand, dass Szilasi das untergelegte kreischen, das die sonantische 
funktion des konsonanten bezeichnet, und gegen dessen verwendung 
Szilasi nichts einzuwenden hat, auch als zeichen der labialisierung 
benutzt (g, g). — Die fQr v^, d, y vorgeschlagenen durchquerten 
buchstaben kann ich nicht geeignet nennen, da sie schwerer zu 
schreiben sind als jene seit langer zeit in gebrauch befindlichen, 
in der linnisch-ugrischen linguistischen litteratur immer zur bezeich- 
nung derselben laute benutzten und keinem einwand unterworfenen 
lettem. Ich bemerke dies nicht darum, als ob ich kein freund von 
neueningen wftre, sondem weil es schade ware, an dem gebrftuch- 
lichen, was sich passend in das system einfdgt, zu rtihren. Sagt 
doch Szilasi selber: »allenfalls ... ist die Qberlieferung, soweit es 
angeht, in ehren zu halten. Denn erstens sind wir dazu gezwungen, 
da wir doch kein neues alphabet machen kOnnen oder wollen ; 
andererseits ist es pflicht, das wQrdige zu konservieren, mit ande- 
ren worten, wir wollen ohne zwingenden grund nichts an dem 
althergebrachten rtitteln und andem». Ein sehr richtiger grund- 
satz, der aber auch zu befolgen ware. — Szilasi schlagt noch 
einige anderungen vor: diese halte ich zwar gleichfalls nicht fflr 
zweckmassig, will mich aber hier nicht weiter dartlber verbreiten. 



46 TransBkription der flnn.-ugr. spractaen. 

Er sagt allerdings, seine lautbezeichnung set von der der FL'F nur 
°etwas abweichendi, aber von den 147 lautzeichen seiner beiden 
tafein sind 63 von den zeicben der tafein der FUF verscbieden. 
Mit solcben modifikationsvorschlflgen kommen wir unserem ziel, der 
einheitlichen lautbezeichnung nicht nSher, sondem entfemen uns 
eher da von. 

Indessen stimme ich mit SziLASi voUstflndig darin Qberein, 
was er Qber MunkAcsi's staire stellungnahme zu den vorschlSgen 
der FUF (Ethn. XII 373 u. KSz H 223 .f.) in der einleitung des 
artikels sagt. Sehr sonderbar finde icb folgende erkUrung Mu^- 
KACSi's: >Wie wir irgend einen sprachlichea laut zu bezeicbnen 
haben, das ist eigentlich keine wissenschaftliche frage>, worauf 
SzQ^Si richtig bemerkt: »Unzweifelhaft ist doch die phonetik die 
wissenschaftliche grundlage aller spracbwissenschaft, der lautlehre, 
der etymoloRie etc., und ihre ausdrucksweise ist ja alleinig die 
pbonetiscbe schrift: wie sollte also dieselbe keine wissenschafdich<; 
frage sein?> Nach MuNkacsi ist es >zur darlegung wjssenschaltli- 
cher wahrheiten ganz irrelevant, ob wir den bucbstaben p nacb 
r leseart Oder nach russischer weise als r lesen, und der wert 
r wissenschaftlichen betrachtungen wird nicbt davon bestimmt, 
ob wir den palatalen nasal mit n schreiben, wie es Budenz thai, 
Oder mit if, wie ihn SzinnYei emendierte, oder mit ^, wie es jetzt 
SetAlA wUnscbti. Ganz gewiss, aber hier bandelt es sich nichi 
um solche geringfQgigkeiten, wie in der frage des o und os in der 
ungarischen orthographie, wie man nach den von Munkacsi vor- 
gebrachten beispielen denken kOnnte. Ziehen wir nur in erwagune, 
dass es die sprachgelehrten mit einer Qberaus grossen zahl von 
tauten zu thun haben, von denen sie einen grossen teil nur nach 
der aufzeichnung und transskription anderer kennen kOnnen; und 
wenn nun der eine einen und denselben laut so, ein anderer so. 
ein dritter wieder anders bezeichnet, und andere (oder sie selbst) 
diesejben buchstaben auch zur bezeicbnung anderer laute benutzen, 
und ein jeder aufzeichner seine lettem ins blaue nacb anderen 
>ien oder obne alle prinzipien verfertigt oder aus anderen 
irten zusammensucht, dann entsteht ein chaos, welches 'die 
ing wissenschafdicher wahrheiten* durchaus nicbt begOnstigt. 
chaos existiert schon geraume zeit und ist mit der entwick- 
er phonetik in einem fort grOsser geworden und wird femer- 
mer grosser werden, wenn wir dem Qbel nicbt steuem. Wir 



Ausserung v. J. Szinnyei. 47 



mOssen damach trachten, diesem chaos um jeden preis zu entge- 
hen, und da gibt es keine andere mOglichkeit, als ein wohl durch- 
dachtes, auf ein grtindliches phonetisches wissen und richtige prin- 
zipien sich sttttzendes, konsequent entwicklungsfldiiges einheitliches 
transskriptionssystem aufzustellen und anzunehmen. Ein solches 
system sehe ich im grossen und ganzen in dem der FUF, an dem 
nur hie und da etwas zu flndem ist, bevor es acceptiert wird. Ich 
kehre Munkacsi's ausspruch ^ um und sage, die transskription ist nicht 
>eine sache unserer selbstsch^tzung>, sondem »eine wissenschaftliche 
frage und eine durch die zweckm^ssigkeit gebotene forderung». 
Die pietUt gegen unseren dahingegangenen meister, auf die sich 
MunkAcsi beruft, verletzen wir durch die annahme eines neuen trans- 
skriptionssystems auch nicht im geringsten. Budenz hat uns selbst 
in wort und schrift wiederholt ein beispiel dafttr gegeben, dass wir, 
wenn wir das wahrhaft richtige erkannt oder durch andere ken- 
nen gelemt haben, das beiseite setzen mUssen, was wir vorher fttr 
richtig gehalten haben, selbst wenn es unser eignes teures schaf- 
fensprodukt war. Wir sind daher nur seinem beispiel und seiner 
lehre treu, wenn wir, von der unvoUkommenheit unserer bisherigen 
transskription Qberzeugt, die vollkommenere annehmen. 

Dass dies nicht ohne einige entsagung geschieht, ist nicht zu 
leugnen. Aber nicht nur wir entsagen der verwendung einiger bei 
uns gebrliuchlicher buchstaben, sondem auch die urheber des neuen 
systems geben ja manche ihrer zeichen auf. Andererseits wird die 
annahme des neuen systems bei uns durch den umstand erleichtert, , 
dass von den alten buchstaben viele beibehalten bleiben und nicht 
ein einziger fflr einen anderen laut verwandt wird, als er bisher 
bei uns angewendet worden, wenn er richtig angewendet wurde. 

Widersetzen wir uns daher nicht hartn^ckig den vorschlagen 
imd modifizieren wir sie nicht in grOsserem maasse, als es nOtig ist. 

Budapest 

J. Szinnyei. 



1 Nach MuNKACSi's worten in Ethn. Die tibersetzung in KSz. 
ist etwas modifiziert. Red. 



48 GusTAV Schmidt. 



Die, der Oder das Ealevala? 



Nachdem wir in diesen blattem mit strenger konsequenz — 
abweichend vom bisherigen gebrauch in der litteratur — dem fin- 
nischen nationalepos das s^chliche geschlecht gegeben haben, eine 
Underung, die anfragen von verschiedenen seiten zur folge gehabt 
hat, erscheint es wohl geboten di^en genuswechsel in aller ktlrze 
zu motivieren. 

Eine flQchtige musterung der auf deutsch verfassten Kalevala- 
litteratur, wie sie in der letzten textausgabe (1895) vorzufinden ist, 
zeigt ein ausschliessliches flberwiegen der femininen artikelgebung 
des epostitels. Daneben finden wir ein mal der Kalevala, nie 
jedoch das Kalevala. Soviel ich sehen kann, tritt der name des 
epos in deutschem gewande zum ersten male 1846 auf und zwar 
in den Verhandlungen d. gel. estnischen Gesellschaft I (s. 89 f. 
N. MOhlberg, » Probe einer ehstnischen und deutschen Obersetzung 
der Kalevala ») und gleichzeitig bei Jakob Grimm (sUeber das fin- 
nische Epos*). Der erstere verfasser sagt die Kalevala, Grimm 
aber scheidet zwischen: die Kalevala (epos, wie die Odysee, Ilias) 
und Kalevala, artikelloses neutrum (heimat der helden), gebraucht 
jedoch auch die bezeichnung fUr das gedicht fast durchgftngig ohne 
artikel oder setzt eine umschreibung dazu. In der folgezeit tritt 
dann in der litteratur die voile bezeichnung die Kalevala auf, aber 
auch da mit einiger unsicherheit. Ohne zweifel war es die rQcksicht 
auf das sprachgeftthl, das man durch den weiblichen artikel zu ver- 
letzen fttrchtete, was die h^ufigen zusSltze zu dem worte Kalevala ver- 
anlasste. Das sprachgefQhl ist es auch, auf das heute — bisher von 
nichtdeutscher seite — gegen die einfQhrung des neutralen g^chlechts 
hingedeutet wurde. Doch fragt es sich, einmal, ob das sprachliche 
empfinden bei einer solchen artikelgebung Aberhaupt ein entschei- 
dendes wort mitzusprechen hat, und femer .ob die bezeichnung 
das Kalevala nach dem empfinden des deutschen nicht doch die 
richtige form ist. Was das erstere anlangt, so brauchen wir nur 
auf indischen boden hintiberzuschauen um zu sehen, was diesem 
sprachgeftihl alles zugemutet werden kann. Da haben wir in der 
litteratur eine Qakuntali. Nun ja, das geht noch an, denn auch der 
nicht mit dem Sanskrit vertraute weiss, dass in diesem viel gelesenen 



Die, der oder das Kalevala. 49 

drama eine frailengestalt die heldin abgiebt. Auch der Veda und 
Bgyeda toachen keine beschwer^ sie sind allmfthlich so fest geworden 
wie der name Buddha. Dann aberkommen die weniger bekanhteh 
titel an die reihe, auf der einen seite das B&m&yana, das Mah&* 
bharata (auch fern.!), das Fanoatantra, das (Mtagovinda, auf der 
anderen der HitopadeQa (auch neutrJ), der Meghadh^ta, die 
Mrcchakatik& u. s. w. u. s. w., deren auslautende -a bezw. -4 ja 
in der aussprach^ des deutschen zusammenfallen (]> -^). Auf ira- 
nischem gebiet erwflhne ich nur das Avesta (ital. PAvesta, il 
Khorda-Avesta = il piccolo Avesta, Pizzi, Chrest. Fird. s. 392), 
doch ist mir in der alteren htteratur auch ein weibliches Avesta 
begegnet. Was aus dieser kurzen nomenklatur hervorgeht, ist 
jedenfalls, dass hier nicht das sprachgeftthl der bestimmer des ge- 
schlechtsworts gewesen ist sondem die bessere einsicht der gelehr-^ 
ten. Das geschlecht des fremden wortes, wie es sich aus der 
sprache des originals ergab, ist unbektlmmert um die sprachliche 
empiindung des volkes, fQr das der gelehrte schrieb, durch den 
entsprechenden deutschen artikel angedeutet worden. Eigentliches 
befremden kOnnten ja ttbrigens auch nur die mannlichen formen 
auf -a (-a) erregen, da das deutsche an sftchlichen substantiven 
mit dieser endung, wozu auch solche volkstUmhche, mimdartliche 
namensformen wie das Anna u. H. zu zfthlen wSb'en, nicht eben 
arm ist. 

Ill ^prachen femer, die keine grammatischen geschlechter besit- 
zen oder solche nicht mehr kennen, verfahrt man in der regel wie 
beim zitieren eines fremdsprachigen wortes, d. h. so, dass man die 
bedeutung des fremden wortes in der eigenen sprache, dem deut- 
schen, den ausschlag geben l^st; oder auch — wie Grimm im zwei- 
ten der obenerwfthnten fMle — indem man, mehr oder minder deut- 
lich, einen geeigneten begriflf, eine apposition u. dgl. \mterversteht. 
Der klang des fremden wortes kommt dabei nicht sowohl in firage. So 
verh^t es sich mit den pers. Sli4hn&meh, Pendn&meh (neutr.), pehl. 
Bondehesh (masc), den chinesischen bQchern mit -king und -wdn 
(neutr.), dem estn. Kalevipoeg (masc.) und vielen anderen. Auf 
finnischem gebiet erscheint demgemSlss denn auch der name der 
poetischen sammlung Kanteletar im deutschen — SUmlich wie der 
estn. Kalevipoeg — umgedeutet, indem ihm der weibliche artikel 
vorgesetzt ist. Es war nicht das sprachgefQhl, ja nicht einmal der 
begrifF gedicht oder gedichtsammlung, was dem gelehrten, der den 



50 GusTAV Schmidt. 



namen zuerst im deutschen niederschrieb, das geschlechtswort gelie> 
hen hat, sondern direkt die vorstellung der musengestalt in der an- 
deutung durch das suffix -tar. Wie sich aber das sprachgefQbl 
des unbefangenen deutschen mit einem solchen fremdlSndischen 
titel abfindet, mOge die aussprache und genuswahl iUustrieren, die 
ich mit eigenen ohren von deutschen vemommen habe: der Kan- 
teletar (wohl nach analogie von Kommentar), eine zurechtstutzung, 
die wohl auch kaum der nichtwissenschaftler gutheissen dOrfite. In 
wieweit das sprachliche empfinden gerade der femininen artikelgebung 
far unser epos vorschub geleistet hat, weiss ich nicht zu sagen. Es 
wftre jedoch interessant zu erfahren, wie weit verbreitet eine beto- 
nung Kalev^ ist, die z. b. in dem jtbigsterschienenen aufisatz von 
Anton Weis-Ulmenried »tJber den heutigen Stand der Kalevalafor- 
schung* im Grenzboten LX N:o 43 klar zu tage lieg^. Auf der ersten 
seite gleich lesen wir da nftmlich 'Kalevale', eine form, die sich nur 
auf eine betonung Kalev^ zurackfOhren Iflsst Letztere wOrde 
n&mlich leichter das weibliche geschlecht mit sich bringen, wflhrend 
ich aus eigener erfahrung mitteilen kann, dass sich bei mir nach 
der ersten bekanntschaft mit den elementen der finnischen phone- 
tik, noch ehe ich vom sinn des wortes und dem inhalt des gedich- 
tes weitere kenntnis besass, bei der scharfen betonung der ersten 
silbe zugleich von selber die artikelform aufgedrflng^ hat, die wir 
hier gebrauchen. 

Lfisst man diese thatsache aber nicht gelten — ich habe noch 
keine gelegenheit gehabt unter meinen landsleuten eine umfrage 
Uber ihre ansicht vorzunehmen — , so scheint mir in unserer frage 
gegenQber jedem hinweis auf das sprachliche empfinden ^ aus den 
einfachen grdnden der deutlichkeit der hinweis auf den obigen weg 
vonnOten, den die deutschen gelehrten stets bei dergleichen bezeich- 
nungen aus genuslosen sprachen gewAhlt haben, den nUmlich, dem 
sinn des wortes die bestimmung des passenden geschlechtswortes 
zu tlberlassen. Wir haben es nicht nOtig zwischen Kalevala als epos 
und Kalevala als land zu unterscheiden, sowenig wir fdr Kalevipoeg 
eine maskuline bezeichnung far die person und eine neutrale for 
das lied oder epos einfUhren wUrden. Im gegenteil, eine feminine 
Kalevala ist nur dazu geeignet auf schritt und tritt die vorstellung 



1 Vgl. noch »der Kalevala» bei dem deutschen flbersetzer 

COMPARETTI^S. 



Die, der oder das Kalevala. 5 1 

einer weiblichen gestalt (vgl. (^akuntala) wachzurufen. Darf man 
aus der zOgemden unsicheren verwendung des weiblichen geschlechts- 
wortes vor dem titel in der deutschen Kalevalalitteratur (auch hier 
wieder Grimm, Schiefner, der verfasser des bez. artikels bei 
Brockhaus u. a.) schlOsse ziehen, so sind es auch nur solche, die 
die willkdrlichkeit der femininen artikelwahl best^tigen. Diese un- 
sicherheit aber beseitigt die einftthrung des sHchlichen geschlechts- 
wort, das sich aus der deutung des namens ergiebt. Die endung 
-la bedeutet aber uichts anders als »heim» (Mattils, Sepp81& u. H.) 
wie in den verdeutschungen der an. namen auf -heimr, oder »land»| 
wie es Grimm als neutr. fasst ^. 

Helsingfors. GUSTAV SCHMIDT. 



Mitteilungen. 



Th&tigkeit wissensoliaf tlioher gesellsohaften und 

Institate. Litterarlsohes. 

— Freisanil^aben der UngaiiBohen Akademie der Wiasen- 
sohaften. Die Ung. Akademie der Wissenschaften hat die folgen- 
den neuen preisaufgaben ausgeschrieben : 

Greschichte der ungarischen metrisch-epischen dichtung wfth- 
rend der zweiten hSUfte des 19. jahrhunderts. Preis aus dem 
L6vay-fond 1,000 kronen. Terrain der einsendung: September 1903. 

Behandlung einer konstruktionengruppe aus der vergleichen- 
den syntax unter besonderer berOcksichtigimg des verhflltnisses 
zwischen dem ungarischen, wogulischen und ostjakischen. FOr eine 
eingehende behandlung empfiehlt sich z. b. die verwendung der 
verbalkonstruktionen oder die bildung der zusammengesetzten s^tze 
oder die verwendung der kasus oder die wortfolge. — Preis aus 
der Marczibtoy-stiftung 40 dukaten. Terrain der einsendung: 30. 
September 1904. 

Von schon frUher gestellten preisaufgaben werden aufs neue 
ausgeschrieben : 



1 Vgl. auch le Kalevala bei L60UZON LE Duc u. a. imd 
il Kalevala bei D. Comparetti. 



52 Mitteilungen. 



Leben und werke Alexander Kis£aludy's. Preis von den zin- 
sen des Ldvay-fonds: i,ooo kronen. Tennin der einsendung: 30. 
September 1902. 

Geschichte der ungarischen orthographie von den &ltesten 
schriftlicben denkmAlem bis auf unsere tage. Preis aus der Marczi- 
b^y-stiftung 40 dukaten. Termin der einsendung: 30. September 
1902. 

Geschichte der* ungarischen lyrischen dichtung von den ersten 
spuren bis zum jahre 1867. Preis aus dem von M. Lukiics fQr 
Kristina Luk&cs gestifteten fond 2,000 kronen. Termin der ein- 
sendung: 30. September 1902. 

— Die Ungarische Akademie der Wissenschaften fordert die- 
jenigen, die um die Semsey-preise (20,000 kr. nebst accessit von 
den zinsen) (u. a. mit arbeiten tibef eine wissenschaftliche ungari- 
sche grammatik, geschichte der ungarischen litteratur, archftologie 
Ungams und geschichte Ungams) konkurrieren wollen, auf, einen 
detaillierten plan und eine textprobe der konkurrenzarbeit von min- 
destens 3 druckbogen umfang (anonym und von fremder hand ge- 
schrieben) einzusenden. Falls schriften eintrefFen, die auf ein gutes 
resultat hoffen lassen, set2;t die Akademie als termin einer emeuten 
konkurrenz den 30. September 1907 an. Ftlr die themen, welche 
keine behandlung finden oder deren eingesandte plane und proben 
kein befriedigendes resultat werden erhoflfen lassen, wird die Aka- 
demie keinen neuen wettbewerb ausschreiben. 

— Der »Samuel-preis» ist von der Ung. Akademie der Wis- 
senschaften Anton Horger for seine arbeit A halmdgyi nyelv- 
j&rAs-sziget (= Die sprachinsel von Halmdgy, NyK XXXI 365 
— 422) zugesprochen worden. 

— Der >Ipol3ri-preis», fflr eine arbeit, die einen nachweis der 
quellen der codices in ungarischer sprache bis zur mitte des 16. 
jh:s enthalt, ist von der Ung. Akademie der Wissenschaften dr. D. 
Vargha zugesprochen. worden unter der bedingimg, dass der vf. 
sein werk im einklang mit den in der detaillierten kritik hervor- 
gehobenen wtinschen umarbeite. 

— Der preis von Kristina Luk^cs ftir einen plan einer arbeit 
ttber die ttlrkischen lehnwOrter der imgarischen sprache (nebst 
einem ausgearbeiteten kapitel) ist von der Ung. Akademie der Wis- 
senschaften den herren B. Munkacsi u. I. KuNOS zuerteilt worden. 



Tbadgkeit wissenschaftl, ges. a. instit Litterarisches. 53 

— Von den in der i. abteilung der Ung. Akademie der 
Wissensohaften gehaltenen vortrtgen seien erwUhnt: Marian Prik-> 
KEL von Rethe: »Ober den Pray-codex> Vi^^> ^* Katona: »Ober 
die beispiele von Pelb^rt Temesv^ri* (antrittsvorlesung, ^/j 02). 

— In der sitzimg des Neuphilolog^ohen Vereins (Neofilo- 
logiceskoe obscestvo) zu St. Petersburg wurden am ^^/^ n. st. (^^/^ 
a. St.) folgende vortrftge gehalten: K. F. Tiander: ^Kurze biogra- 
phic E. LOnnrot's und die bedeutung seiner ganzen th^tigkeit, aus 
anlass der hundertsten wiederkehr seines geburtstages» ; dr. O. 
Kallas: »L5nnrot als sammler der volkspoesie*; K. F. Zakov; 
»Cber die folklore der wotjaken*. 

— Von den wahrend des winters I90iy'02 in den versarom- 
lungen der Finnischen Altertumsgesellsohalt gehaltenen vortra- 
gen seien erwahnt: mag. phil. U. T, SiRELlUS: >Ober das land 
und volk der ostjaken und wogulen» (Y12 oO und »Ober die me- 
thoden der ostjaken kleider und kleiderstoflfe zu bereiten» (•/j 02); 
mag. phil. O. Alcenius: »Ober das Kalevala, mit den klassischen 
mythen verglichen (besonders mit dem griech. argonautenmythus) 
(V&02); dr. Hj. Appelgren: »Ober das unterirdische Abo» ('/ii 01). 

— Bthnographisoher Atlas tiber die wohngebiete der fin- 
nisch-ugrischen vOlker. — In der sitzung der Finnisch-ugrischen 
Gesellschaft vom 25. febr. unterbreitete prof. SetAlA den vorschlag, 
die gesellschaft mOchte vorbereitende arbeiten fQr die herstellung 
eines atlas in angriff nehmen, der die heutigen wohnsitze der fin- 
nisch-ugrischen vOlker behandelte und mit einem erlautemden text 
versehen wflrde. Da es nicht mOglich sei die wohnsitze und 
nationalitatengrenzen der verschiedenen vOlker auf einer karte 
genau zu fixieren, und da es zu wOnschen ware so genaue nach- 
richten Qber die geographischen gebiete der hauptdialekte etc. zu 
erbalten wie nur mOglich, sei die form eines atlas am geeignetsten. 
Die arbeit an dem werk hat sich prof. Setala am besten auf meh- 
rere gelehrte verteilt gedacht; so ware zu hoflfen, dass seminar- 
direktor J. Qvigstad und dozent K. B. Wiklund den lappischen 
teil tibemahmen, die forscher Ungams den ungarischen und ver- 
schiedene forscher, u. a. diejenigen, die sich gerade auf reisen 
befinden, den ostrussischen und sibirischen teil u. s. w. Als ergan- 
zung kOnnten dann mOglicherweise historische karten folgen. Die 
gesellschaft hiess den vorschlag in seinem ganzen umfang gut und 



56 Kleine nodzen. Personalien. 

E. N. SetAlA zwecks forschungen in deutschen bibliotheken sowie 
herm dr. H. Ojansuu fttr eine reise nach Ungam. 

— Zum sammeln von materialien fQr das wOrterbuch der 
finnischen volkssprache hat die Finnische Litteraturgesellschaft be- 
schlossen in diesem sommer abermals lo stipendiaten nach ver- 
schiedenen teilen des landes zu schicken. 



Rleine notizen. Personalien. 

— S. M. der Kaiser-Grossftirst hat der Finnisch-ugrischen 
Gesellschaft aus iinlEndischen staatsmitteln 6,cxx> Fmk zur deckiug 
der druck- und verlagskosten der Finnisch-ugrischen Forschungen 
des jahres 1901 und vom jahre 1902 ab auf weitere 5 jahre je 
6,000 Fmk gnadigst bewilligt. 

— Der zeitschrift Virittaja ist aus finlandischen staatsmitteln 
zusammen fQr die jahre 1901 und 1902 eine unterstatzung von 
1,400 Fmk bewilligt worden. 

— Der dozent der finnisch-ugrischen sprachwissenschaft an 
der universitat zu Helsingfors H. Paasonen ist vom Kaiserl. Senat 
zum oberinspektor fQr den sprachunterricht in der generalverwaltung 
der finlandischen schulen vorgeschlagen worden. 

— Zum prasidenten der Finnischen Litteraturgesellschaft 
wurde am 17. marz prof. E. Aspelin gewahlt. 

— Zu mitgliedem der i. abteilung der Ungarischen Akademie 
der wissenschaften wurden in der plenarsitzung anfang mai gewfthlt: 
zum ordentlichen mitglied prof. WiLH. Pecz, zu korrespondierenden 
mitgliedem dr. M. SziLASi und privatdozent dr. Johann Melich 
(Budapest) sowie prof. K. Sz^chy (Klausenburg), zu auswartigen 
mitgliedem der a. o. lektor A. Almberg (Helsingfors) und prof. H. 
Paul (Mttnchen). 

— Fttr den im kommenden herbst zu Hamburg stattiinden- 
den orientalistenkongress wahlte die Finnisch-ugrische Gesellschaft 
als reprasentanten der gesellschaft ihren prasidenten prof. O. DoN- 
Nojf und ihren vizeprasidenten prof. E. N. SetAlA. 



-♦♦^ 



Die redaktiou des heftes abgeschlossen am 27. mai 1902. 



Mitteilungen. 

Set to 
Thatigkcit wissenschaftlicher gesellsch often und institute. Lit- 

terarisches 51 

Forschungsreisen (u. a. Esten in der umgegend von Krasnyj 

V. O. Kallas) 54 

Kleine notizen. Personalien 56 



An die redaktion eingegangene rezensionsexemplare und zeitschriiten. 

fi&n A. Kanteletar a finn. n^pkolt^s gyOngyei, ford. — — . 

— SchlHter W. Finnisoh-ogrisohe Bostandteile im Bothwelfich? — 
Set&l& E. N. Suomen kieli opetoa- ja tntkinmsaineena Suomen yliopis- 
toma ennen vuotta 1851. — Szinnyei J. (sen.) As els^ magyar biblio- 
graphna. — Szinnyei J. (jon.) Finn. olvasdkOnyv mondattani peldatar- 
ral. — Wiklnnd E. B. Finska spiAkets nuvarande utbredning i Vftrm- 

land och Gme finnskog. — — I Kalevalafr&gan. . Lapska seder 

och f^reskrifter rOrande mat ooh matlagning. — Winter A. C. Toten 
und Aussetaen Nengeborener bei den Esthen in yorgeschichtlicher Zeit. 

— Archseologiai ErtesitO red. v. J. HampeL N. f. XXTT, h. 1 — 2 (Ung. 
Ak. der Wiss.). — Arkiv fbr Nordisk Filologi, red. v. A. Kock. N. f. 
)4 h.h, a- 4. — Erd^ly Mi^emn, red. v. L. Sz&dec«ky. XIX, h. 1—6. 
(Siebenbtbrger Mosenmverein.) — IrodalomtOrtdneti kOzlem^nyek, red. y. 
A. Szil&dy, XII, h. 1. (Ung. Ak. der Wiss.). — Keleti Szemle. Bevue 
orientale, red. y. I. Kiiinos a. B. Munk&osi. m, h. 1. — Lud, organ 
Towarzystwa Ludoznawczego we Lwowie, red. y. A. Kalina. VIE, h. 1—4. 

— Snomalais-ngrilaisen senran aikakauskirja XX. — Snomalais-ugrilaisen 
seuran toimitoksia XV, 2 (Francke A. H. Der Wintermythns der Ke- 
fiarsage), XYII (Bamstedt G. J. Bergtscberemissische sprachstadien). 



ankCndiqunq. 



Die Finnisch-ugrischen Forschungen erscheinen vorlflufig 
in zwangloser folge; der Anzeiger folg^ besonders paginiert mit 
den heften. 

Drei hefte, mit Anzeiger zusammen 20 — 24 bogen, bilden 
einen band. 

Preis des bandes einschliesslich Anzeiger 10 Fmk =10 Frcs 
= 8 Rm. = 9 Kr. O.-U. W. = 4 RbL 



Die fttr die Plnnisch-ugrischen Forschungen bestimmten mann- 
skripte mid zruchriften sind sn riohten an die Bedaktion der FinniBch- 
ugrisohen Forschungen, Helsingfors, Merilinna, oder auch peraOnlioh an 
prof. E. N. Setftlft, Helsingfors, Merilinna, oder an prof. Kaarle Krohn, 
Helsingfors, Buoholahdenkatu 8. 

Rezenaionaezemplare ftkr den Anzeiger kOnnen entweder an die 
Bedaktion oder an herm Otto Harrassowitz, Leipzig (mit der 
bezeiohnung: fOr die Finnisoh-ugrisohen Forschungen) gesandt werden. 



Band II, heft 2 befindet sioh sohon unter der presse und wird u. 
a. folgende artikel bringen: 

Setftlft E. N. Zur etymologic yon Sampo (schon gesetzt, aber 
wegen mangels an raum fOr das folg. heft reserviert). 

Qvigstad J. Einige nordische lehnwOrter im lappischen. 
Paasonen H. Ttirkische lehnwOrter im ostjakischen. 
Besprechungen, mitteilungen u. a. 



Helsingfors 1902, 
Druckerei der Finnischen Litteratur-Gesellschaft. 



/// 



BAND II 1902 HBFT H 



FINNISCH-UGRISCHE 



FORSCHUNQEN 



ZEITSCIRIFT 
FIHIISCHnGRISCHE SPRICI- UID TOLKSKUHDE 

NBBST 

ANZEIQER 

UNTER HITWIRKUNG VON FACHGENOSSEN 

HBRAUSGBGBBBN 
VON 

E. N. SETAlA und KAARLE KROHN 

OKD. PKOFBSSOIt DBR FINN. 8PRACHB UND A. O. PROFESSOR DBR FINN. UN'D VBROL. 

LITTBRATUR IN HBL8INOFOR8 VOLK8KUNDB IN HBLSINGFOR8 



• > - < • 



HELSINGFORS LEIPZIG 

EBD. DBR ZBITSCHRIPT OTTO HARRASSOWITZ 



Band IL ' Heft IL 

FAABOnum R Ober die tftridschen lefanwOrter im ostjakisdicn 8i 

QviOSTAO J, Etnige nordische lehnwOrter tm lappischen . 137 

SetAlA E. N, Zar et3nnolog;ie von Sampo 141 



Anzeigrer, heft 2. 

Besprechongen. 

Dcr fund von Gljadenov. (A. Spicyn. Der opfnrplatz von 

Gljadenov.j Rez. v. Axel O. Heikel S7 

Prflhistorische wohnpUitze am Weissen meer. (V. A. Gorod- 
CEV. Bemerkung flber priLhistorische wohnplfttze am 
Weissen meer.) Rez. v. Julius Ailio 69 

Die mftrchen- und sagenpublikationen von M. J. Eisen. Angez. 

V. Kaarle Krohn 71 



Mitteilungen. 

Zur ostjakischen und wogulischen dialektkunde. Statistisches 77 
Thfttigkeit wissenschaftlicher gesellschaften und institute. Lit- 

terarisches 78 

Forschungsreisen 80 

t J&noB Jank6 v. U. T. Sirelius 85 

Pertonalien 90 



» * -m I 




ttber die tflrkisclien lehnwOrter im ostjakischen. 



Im seinem worterverzeichnis aus den Irtysch- und Surgut- 
dialekten hat Gastrin auch den tiirkischen einfluss auf die 
ostjakische sprache beachtet; bei manchen wortem weist er auf 
ein entsprechendes tiirkisches wort hin und trifft auch dabei 
gewohnlich das richtige ^ Einige solche wortvergleichungen fin- 
den sich auch bei Ahlqvist in seinem nordostjakischen w5rter- 
verzeichnis, und spater hat derselbe verfasser im JSFOu. VIII 
die von ihm in den „obisch-ugrischen sprachen" (wogulisch 
und ostjakisch) entdeckten kulturworter tatarischen ursprungs 
zusammengestellt, wobei er jedoch keine riicksicht auf die durch 
Gastrin bekannten siidlicheren dialekte genommen hat, sondem 
nur auf das von ihm selbst erforschte nordostjakische. In sei- 
ner darstellung der ttirkischen lehnworter im wogulischen, die 
in NyK XXVIII erschienen ist, hat Gombocz sich bemiiht auch 
das entsprechende os^akische wort mit anzufiihren, wo dasselbe 
in den gedruckten worterverzeichnissen zu finden ist. Recht 
viele hinweisungen auf das tiirkische von MunkAcsi's hand ent- 
hMt endlich das von ihm in NyK XXX— XXXI veroflfentUchte 
„Irtisi-osztjak szojegyzek" von Tatkanov. 



^ Es ist mOglich, dass in der zweiten auflage, welcher ich in 
diesem aufsatz folge, einige in der ersten nicht vorhandene ttirkische 
wortvergleichungen von der hand des herausgebers A. Schiefner's 
stammen. 



82 H. Paasonen. 



Indessen vermissen wir noch eine ziisammenhangende 
darstellung des tUrkischen einflusses auf den wortbestand der 
ostjakischen sprache, sowie eine eingehende untersuchung der 
lautlichen verhaltnisse in diesen entlehnungen, von welcher wir, 
wie immer in ahnlichen fallen, einige aufklarung iiber die ge- 
schichte der betreflTenden sprachen erwarten diirfen. 

Eine endgtUtige klarlegung der ostjakisch-tiirkischen be- 
riihrungen wird selbstverstandlich erst dann moglich sein, wenn 
wir ein vollstandiges ostjakisches worterbuch besitzen, das all 
die vielen, von einander weit verschiedenen dialekte umfasst. 
HoflTentlich brauchen wir auch nicht .mehr allzu lange auf ein 
solches zu warten; neuerdings hat ja ein jCingerer finnischer lin- 
guist fast das ganze ostjakische gebiet in vier jahren durch- 
forscht und ein ungarischer koUege von ihm beinahe ein 
ganzes jahr dem studium des nordostjakischen gevvidmet. Einst- 
weilen, hoflfe ich, wird auch die hier vorliegende untersuchung 
als eine vorarbeit der finnisch-ugrischen sprachforschung nicht 
unwillkommen sein. 

In derselben habe ich die oben genannten gedrackten 
hiilfsmittel fiir das ostjakische, wie auch K. PApai's kleine siid- 
ostjakische wortersammlung, herausgegeben von MunkAcsi in 
NyK XXVI = Ugor fOzetek 12, und Fischer's aus gegen 300 
nummem bestehendes ostj. worterverzeichnis aus dem 18. jahr- 
hundert, gedruckt in A. L. SchlOzer's Allgemeiner nordischer 
geschichte, Halle 1771, sorgfaltig beriicksichtigt. Ausserdem 
standen mir bei dieser arbeit zu gebote meine eigenen, in den 
jahren 1900 und 1901 zusammengebrachten handschrifUichen 
wortersammlungen aus der Konda-mundart^dessudostjakischen 
(= oK) und dem Jugan-dialekt (slidlich von Surgut) (= oJ). 

Bei den citaten aus den gedruckten quellen bin ich treu 
der originaltransskription gefolgt, in meinen eigenen aufzeich- 
nungen aber habe ich mich so weit als moglich dem von 
der redaktion der Finnisch-ugrischen Forschungen empfohlenen 
transskriptionssystem anzupassen bestrebt. Ich kann mich des- 



1 Kleinere mundartliche differenzen dUrften auch im Konda- 
ostjakischen vorhanden sein. Ich habe nur die sprache der in den 
Kamenskije jurty, unweit von der mQndung des Kondaflusses, wohn- 
haften ostjaken studiert. 



Ober die tiirkischen lehnwOrter im ostjakischen. 83 

wegen hier mit einigen kurzen andeutungen iiber die ostjakischen 
laute und deren bezeichnung begniigen. 

Die Yokale. 

Die vorderen od. palatalen vokale a, Q, ^, i, ^, §, ^, wer- 
den mit ziemlich stark zuriickgezogener zunge gebildet, nach 
hy Yj 1 Uegt die artikulationsstelle noch etwas weiter hinten als 
sonst (was hier nicht besonders bezeichnet wird). Daraus er- 
klart es sich, dass Gastrin (wie auch Patkanov) in seiner 
transskription die a-, 0- und u-laute von a, 0, u iiberhaupt nicht 
unterscheidet. 

Reine palatale vokale giebt es im Jugan-dialekte zwei: i 
(e ist dieser mundart fremd) und u (ein offener ti-laut). 

oberhalb des vokalzeichens bedeutet den schwach ge- 
schnittenen accent, bezw. die halblange: a, ^, |, j, u. s. w. 
Falls die silbe offen und hauptbetont ist, sind solche vokale 
lang und werden dann von mir im Jugan-dialekte, in welchem 
der accent gewohnlich, in den hier citierten wortem immer, 
aut der ersten silbe ruht, mit a, ^ u. s. w. bezeichnet. Im 
Konda-dialekte (wie auch im Irtysch-dialekte) haben die worter 
als solche keine feste betonung, sondem bekommen dieselbe 
erst im satzgefiige, in welchem sie je nach dem verschiedenen 
bestande desselben wechseln kann; das langezeichen "~ kann 
somit bei den hier isoliert angeftihrten wortem fiir den Konda- 
dialekt nicht in betracht kommen. 

Die vokale mit stark geschnittenem accent (nicht beson- 
ders bezeichnet) sind immer absolut kurz. Sie sind mehr ge- 
schlossen als die entsprechenden vokale mit schwach geschnitte- 
nem accent. Solche sind a, ^ (die labialisierung, wenn es eine 
solche wirklich giebt, ist bei diesen vokalen jedenfalls sehr 
schwach), u, q und f Der letztgenannte vokallaut ist sehr ge- 
schlossen, noch mehr als der Kasan-tatarische o-laut (e), wel- 
chem er von den mir bekannten lauten am meisten ah- 
nelt, sodass man ihn beinahe eben so gut als einen sehr 
offenen «-laut (u) bezeichnen konnte, weshalb Gastrin fiir den- 
selben gewohnlich das zeichen u gebraucht. 

5 bezeichnet den hinteren, 9 den vorderen glide-vokal. 
Ihre aussprache wird gewohnlich von den benachbarten lauten 



84 H. Paasonen. 



beeinflusst, besonders nehmen sie die farbung des ^voUen" vo- 
kales der vorangehenden silbe an (z. b. in shx^t 'brett' 9 mit 
a-farbung, in bx^i 'schlitten' 9 mit o-farbung), weshalb Gastrin, 
der keine besonderen zeichen fur diese gleitvokale hat, beinahe 
seinen ganzen vokalvorrat fiir ihre bezeichnung in anspnich 
genommen hat; bei Patkanov wird allerdings e (fiir beide ohne 
unterschied) gebraucht, jedoch bei weitem nicht konsequent 
Im absoluten auslaut, also auch im auslaut isoliert ausgespro- 
chener worter, haben iibrigens die genannten gleitvokale, un- 
abhangig von der beschaflfenheit des vokals der vorangehenden 
silbe, eine oflFenere und pragnantere artikulation als sonst, 
sodass 9 einem geschlossenen, schlafT artikulierten a-laut, 9 
einem entsprechenden a-laut ahnelt, was jedoch hier in der 
transskription unbezeichnet gelassen ist. — Von 9 kommt 
auch eine labialisierte modifikation vor; 9„ welche sehr dem ^ 
ahnelt. 

Mit 9 (©) bezeichne ich einen sehr geschlossenen o-laut 
mit sehr schlaflfer lippenartikulation, der im Jugan-dialekte vor- 
kommt. Derselbe ahnelt dem Kasan-tatarischen o-laut (e), nur 
mit dem unterschied, dass er schwach geschnittenen accent 
hat (bezw. halblang, in oflfener betonter 1. silbe lang ist). 

h, b, ^ sind im Konda-dialekt (wie auch im Irtysch- 
dialekt) hintere oder gutturale vokale, die ein wenig palatali- 
siert sind: ^ liegt also zwischen a und ff u. s. w. Sie kom- 
men nur in der zweiten silbe vor (in den folgenden nur in 
verbindung mit dem postpalatalen x-l^^t), falls die erste silbe 
auf einen hinteren vokal auslautetund der anlautskonsonant 
der zweiten silbe kein i und kein mouiUierter konsonant ist 
(nach den eigentQmlichen gesetzen der vokalharmonie (palatal- 
attraktion) in diesem dialekt), z. b. qt^^ 'wallach', aber cM^t9m 
(mit ^, nicht ^, weil die erste silbe geschlossen ist). 

Die konsonanten. 

Die palatalen konsonanten verteilen sich im ostjakischen, 
wie im finnischen und in anderen verwandten sprachen auf zwei 
gruppen: eine hintere und eine vordere. Die hinteren, die ich 
hier mit ^ (stimmloser verschlusslaut, nur im Jugan-dialekt), x 
(stimmlose spirans, nur im Konda- und Irtysch-dialekt), y 



Cber die ttlrkischen lehnwOrter im ostjakischen. 85 

(stimmhafte spirans, nur im Jugan-dialekt), y (nasal) be- 
zeichne, sind wie die entsprechenden tiirkischen laute post- 
palatal; die entsprechenden laute der vorderen gruppe, hier 
einfach mit Jc, y (stimmhafte spirans), 17 bezeichnet, haben 
ihre artikulationsstelle welter hinten, als die prapalatalen im fin- 
nischen und in anderen mir bekannten verwandten sprachen, 
sodass ostj. k, 17 z. b. in k^ti^ 'zwei*, (^fpn *kinn' ungefahr in 
der mitte zwischen finnischem prapalatalem k und n in kfisi, henki 
und finnischem mediopalatalem k und n in kaksi, hanka liegen. 

Die artikulationsstelle des prapalatalen U liegt etwas weiter 
hinten als beim ungar. ty, os^jak. K nimmt also eine mittel- 
stellung ein zwischen ungar. ty und mordw. U, Im Irtysch- 
dialekt wird dieser laut etwas weiter vorne artikuliert (ungefahr 
= ung. ty), sodass er eher den eindruck eines t-lautes auf das 
ohr macht, weshalb Castren und Patkanov denselben meist als 
einen mouillierten t-laut bezeichnen. 

Von I giebt es wenigstens drei verschiedene nuancen, die 
hier nicht besonders bezeichnet werden. In verbindung mit 
den vorderen vokalen: ^, ^*, e, d u. s. w. lautet das ostj. I weich, 
im Konda-dialekt sogar fast wie ein mouilliertes f, z. b. loi^- 
Jc9m (oK), i|j7.A:.am (oJ) 'bedecken'; in verbindung mit hinteren 
vokalen: a, a, u. s. w. ungefahr wie das finn. 1 in lumi, z. b. 
layx^^Kdm (oK) 'spalten'; in verbindung mit den palatalisierten 
hinteren vokalen q, 0, u etwas weicher, z. b. i^py^l (oK) 'pfer- 
dedecke'. 

Diejenigen konsonantlaute, welche ich im Jugan-dialekte 
nach Castren mit if, d bezeichne, sind spirantische 1-laute, erste- 
rer stimmlos, letzterer stimmhaft. 

w ist hier das zeichen fur die im Jugan-dialekte vorkom- 
mende reducierte (gerauschlose) stimmhafte bilabiale spirans mit 
einer gutturalen aflfektion. Im Konda-dialekt ist bei diesem laut 
ein leises gerausch wahmehmbar, zeichen w, 

Ahnlich bezeichne ich mit 4 den halbreducierten j-laut 
(mit sehr schwachem reibungsgeraiisch) des Konda-dialekts zum 
unterschied von dem reinen halbvokal /, der im Jugan-dialekte 
begegnet. 

' oberhalb des konsonanten (im Jugan-dialekt) bezeichnet 
die halblange, von der es eigentlich zwei verschiedene stufen 
giebt, z. b. oJ foVan *knopf, mdhg. *geh!' 



}^ H. Paasonrn. 

Dte TOtrettrng der tttrklsohen lattte im ostjaldsohen. 

Dl« vokftla (dw eraten allbe). 

TOric 4. 

TUrk. II bl tin Konda-dialekt meistens durcfa einer 
a-laut vertivlpn, toils Jurch d, teils durch a. Letzleics er- 
scheint ivttvlHUsjiijj in d«n mtfiralbigen w5rtem: oA^I — 
tat. «/"*•' itW,!''-'"* — !•». iifcdK- \-er(tl. w-eiter sub ii-Erbts ajs'T^^ 
t(M^*wt. J\t.\l.«L ](<)«>*»w.JI'. »jtx>inif. Indessen ist «' 3sdi- 
fach wwh H\ ev\»ksj|bij;en wSSrWm anzutreffen, son ies iaer 
(re\v('(>n!vft\**vi\ -i. »»htK d»ss ni*n einwi bsonicTCii gr=!ii =r 
diww xi.NwAnkw!*); "* *^ ^■«rt^«unJi: Jes turt « frste: ixxL. 

v«fi>i( (v'-^^t- r;tWr r-'"?--'. t^'t^- ^*^* netec <«;<. arn, 

US'>N«.oN- »..■. ■ U-\t y : S.-'-AT' jKirCh--:C?g«g *3.-gn JSgrTtTTCT 

s-> ■ *,\v\, \iviov:!i i--" — *v iB£c.r^' ■ss«s!«- sr^aasc ^ Zvt 
■ A- •■ -l, t o't.-i • ^^''^ jrac:* ii2> .;in3 .i:n£Cirr.L. ^i^ sr c 



Ober die tdrkischen lehnwOrter im ostjakischen. 87 



wiirden, anzunehmen, obwohl solche nirgends belegt sind (zu 
vergleichen iiber den wechsel zwischen gutturalen und palata- 
len vokalen in den tiirksprachen Radloff, Phon. p. 85; sogar 
in ein und derselben sprache giebt es ahnliche mundartliche 
wechselformen, siehe meinen aufsatz „Zur tatarischen dialekten- 
kunde", Revue orientale 1901, p. 47). 

In der regel ist also der tiirkische a-laut im ostjakischen 
durch a, resp. den entsprechenden palatalen vokal desselben 
ofihungsgrades a vertreten. Indessen begegnet in mehreren 
fallen auch ein o-laut. In dem von mir untersuchten Konda- 
dialekt haben wir nur einen einzigen derartigen fall zu ver- 
zeichnen, aber bei Gastrin und Patkanov giebt es, neben der 
regelmassigen vertretung durch einen a-laut, mehrere solche, 
und wie mangelhaft auch die transskription der genannten ver- 
fasser sein mag, so kann man ihnen doch unmoglich eine 
mehrmalige verwechslung von a und o zutrauen. Die betref- 
fenden falle sind folgende: 

oK x^7 Castr. xon. Path, xon neben xan, Ahlq. x5n 
neben xiiC oJ ^dn, 'kaiser, fUrst* — tiirk. ^n. 

Castr. oroi, vgl. Patk. ar6i» aroi, 'roggen* — tiirk. ara^. 

Castr. odap 'held', vgl. oK dtap — tiirk. aUp. 

Castr. odo&a neben adaia 'wallach' (nach Castr. 'hengst'), 
vgl. oK qthi^ — tiirk. alaSa. 

Castr. ottadem, Patk. ottadem 'betrQgen', vgl. oK qttatam 
— tiirk. atdO', dUor, 

Castr. poi 'reich', vgl. oK pa%^ Patk. pai — tiirk. haj. 

Castr. t'5txa neben oitxa 'sense', vgl. oK Hatx^, Patk. 
t'Stxa — tiirk. coIy^. 

Ein fall von ^ (vor i, vgl. oben p. 86) statt tiirk. a liegt 
vor in h^j^lc (in den Zingalynskije jurty am Irtysch nach mei- 
ner aufzeichnung) 'grosses boot', vgl. oK h^idk, Patk. kaik — 
tiirk. ki^k. 

Wie ist nun diese vertretung des tiirkischen a durch einen 
o-laut zu erklaren? 

Wie bekannt, erscheint tiirk. a der stammsilbe iiberhaupt 
unverandert in alien tiirksprachen, nur das jakutische und tschu- 
waschische ausgenommen, welche letzteren gevviss nicht fiir das 
ostjakische in betracht kommen konnen, jedenfalls nicht bei 
den hierher gehorigen wortem. Die nebenformen mit einem 



88 H. Paasonen. 



a-laut, welche bei alien wortern im siidostjakischen belegt sind, 
zeugen ihrerseits dafiir, dass der vokal in deijenigen tiirksprache, 
aus welcher die worter entlehnt wurden, das gewohnliche ttir- 
kische a war, und es ist kein grund vorhanden an irgend eine 
andere tiirkische sprache als das Irtysch-tatarische zu denken. 
Ebenso wenig kann man einen mundartlichen lautwandel a > o 
im ostjakischen annehmen, denn sowohl an der Konda als am 
Irtysch erscheint a gleichmassig in der grossen mehrzahl von 
fallen. 

Meines erachtens ist nur die folgende erklarungsweise 
moglich. 

Wie schon aus der sprachlehre Castr^n's (2 aufl., p. 9) 
bekannt ist, wechselt in den Surgut-dialekten „das tiefe a mit 
u**. Belege aus dem Jugan-dialekt sind z. b.: ^n Tiirst', ^un^m 
'mein fUrst* | hn 'pfeiler*, Qnam 'mein pfeiler* | wdi 'wind', mi- 
Idm 'mein wind* | tar^Y^ *kranich\ titry^m *mein kranich' | paJ^ 
'fausthandschuh',^wiam *mein fausthandschuh' | mast 'es taugt', 
mick 'es taugte'. In solchen fallen findet sich im Konda-dialekt 
(wie auch im Irtysch-dialekt) gewohnlich o, so lauten die ange- 
fiihrten worter in oK: x^w> ^w, wbt, tbra, pbs, most (pras.) — 
mbs (prater.), in einigen fallen aber begegnet h, z. b. oJ na»r 
'zapfen der ceder', mit 1 pers. poss.-suflF. nutvrdm, = oK n^x^r 
oJ say^i 'spleisse von tannenholz', mit 1 p. poss.-suflF. suwd^m, 
= oK s^xdt 'brett' | oJ pah 'zeichen', mit 1 p. poss.-suff. puiam^ 
= oK pas. Dieses deutet oflFenbar darauf bin, dass im stid- 
ostjakischen friiher d mit d wechselte, wie jetzt in den Surgut- 
dialekten ii mit (oflFenem) w.^ Durch formale ausgleichung ist 
dieser wechsel im siidostjakischen aufgehoben worden: meistens 
ist die form mit a, seltener die mit b verallgemeinert worden. 
Der umstand, dass es unter den tatarischen lehnwortem solche 
giebt, in welchen tat. a durch ein b vertreten ist, zeugt da- 
fiir, dass der genannte wechsel noch in den ersten zeiten der 



* Auf einige spuren von ^hnlichem vokalwechsel im Irtysch- 
dialekt wie jetzt in den Surp^t-dialekten hat schon Gastrin in 
seiner grammatik (p. 9 anm.) hingewiesen. Im Konda-dialekt 
kommt noch bei einem verbum in den verschiedenen konjugations- 
formen sogar dreifacher vokalwechsel vor: ttitdm 'ich bringe*, prft- 
ter. Uwdm od. tawdm, imperat. tmva od. tawa. 



Ober die tOrkischen lehnwOrter im ostjakischen. 89 



ostjakisch-tatarischen beriihrungen im siidostjakischen vorhan- 
den war. 

Ahnlich wie a mit d wechselt im Jugan-dialekte auch das 
(kurze) a (mit scharf geschnittenem accent) mit (kurzem) 9, z. b. 
oJ qiigm 'ich schlafe', imperat. ad'a — prat, qdtdm \ ^atidm 
'ich h6re*, imperat. ^cufh — prat. JfOiVdm, Im Konda-dia- 
lekt findet sich in solchen fallen gewohnlich a: at§m 'ich 
schlief , xQt^ 'ich horte* (bisweilen u). Wenn wir nun bei 
Casth^n *(und Patkanov) in einigen tatar. lehnwortern o statt 
tat. a begegnen, wahrend der Konda-dialekt 9 bietet, so ist 
dieses — vorausgesetzt dass in den betr. wortern die quanti- 
tatsbezeichnung bei den genannten verfassern richtig ist, was 
allerdings nicht immer der fall sein diirfte — vielleicht auf ahn- 
tiche weise wie oben die vertretung von tat. a durch 6 zu er- 
klaren, namlich so, dass derselbe wechsel, a '^ ?, welcher im 
Jugan-dialekte besteht, auch im siidostjakischen friiher vorhan- 
den war und zwar no€h zu der zeit, wo die ersten beriihrun- 
gen mit den tataren stattfanden. 

Auch im nordostjakischen begegnet in den betr. wortern 
o statt tat. a: xomsa, xoT)8a, xoroxsi, omal, poBar» topa, und 
zwar, wie es scheint, eben so oft als a, a: aizar» jam, irnmirftj 
kilym, kak. Von einem worte fiihrt Ahlqvist zweierlei for- 
men an: x5n neben xan Tiirst', wie ahnliche auch von genuinen 
wortern im oN oft vorkommen, z. b. x5t, xat 'haus' [oK x^tf 
oJ i^ctiy {Ifuidm 'mein haus*)], xatl, xotl 'sonne*, sax, sex Teir. 
Obwohl bei einigen von den angefiihrten tatarischen wortern, 
die im oN o haben, besonders bei denjenigen, welche nicht in 
den iibrigen ostjak. dialekten belegt sind, aber im nordwoguli- 
schen in einer ahnlichen form auftreten, gewiss entlehnung aus 
der letztgenannten sprache in das oN anzunehmen ist, so kann 
dieses doch nicht ftir alle gelten, sondem es diirften andere falle 
von o, 5 statt tat. a ahnlich wie in dem siidlichen dialekt zu 
erklaren sein. 

Anmerkung, Die falle von vokalwechsel sind in den Sur- 
gut-dialekten noch zahlreicher als Gastrin's darstellung (Sprach- 
lehre 9) zu erkennen giebt. Im Jugan-dialekt habe ich aus- 
ser den oben behandelten a ^^ u und q ^^ q folgende ver- 
zeichnet: 



90 H. Paasonbn. 



I 



b^u: bij 'mtindung* — uyhn (mit 1 pers. poss.-suff.) 
mo^thm 'ich wische*, — prftt. mu^tdmf imperat. muiitA. 

ar^U'^g (dreifacher wechsel): a^tbm 'ich erbreche mich* 
— prat, uwtdm, — imperat. ©V'd- 

(^'^X: (Ird'i *lied* — ity^wi 'mein lied' | ^r9Yd9m 'ich 
singe*, — prat. Irfdm, imperat. Iryq. 

i ^ I: ne 'frau' — Wifprn 'meine frau', ni^-^mp *h(indin', 
nlfjkdn (dual.) '(zwei) frauen* | UfiJcidm 'ich bedecke* — pra- 
ter, llfijcdmy imperat. li^Jo^^. 

a^^d: nrhdrddm *ich schopfe', prat. qmr9fn — imperat. 



smra. 



^'^a; n^i Teuer' — nai^m 'mein feuer'. 

^^d: Tc^dyddm *ich falle', prat, k^ryam — imperat. 
Icaryrf, 

u r-^ dj iiid^am *ich komme* — prat, ji^^tb^m, imper. ptOQ. 

Dass dieser wechsel urspriinglich nicht auf die von 
Castr6n a. a. o. aufgezahlten formen, in welchen derselbe jetzt 
gewohnlich auftritt, beschrankt war, zeigen noch falle wie ne 
'frau' — dual, njiyfon | k^i 'zwei' — auch kU, z. b. kU sqipiam 
iyvdnydn 'sie (dual.) gingen nach zwei (verschiedenen) richtungen', 
k\tYd 'entzwei' | kdm/an (oK hfmian) 'draussen' — k\m (oK id.) 
'hinaus*. 

Eine auf die kenntnis samtlicher ostjakischer dialekte sich 
stiitzende untersuchung wird wohl mit voller evidenz zeigen, 
dass der vokalwechsel in den Surgut-dialekten aus der ostja- 
kischen ursprache stammt, und hoffentlich wird es auch gelin- 
gen die urostjakischen verhaltnisse in dieser beziehung anna- 
hemd festzustellen. Dann kommt die reihe an die frage, ob 
hier nicht eine erbschaft aus der finnisch-ugrischen ursprache 
vorliegt, — vieles scheint zu gunsten einer bejahenden antwort 
zu sprechen. 



Es sind noch zwei einzelne falle von unregelmassiger ver- 
tretung des tatar. a (vor |) zu verzeichnen: oK x^<^ 'scheere' 
(bei Gastrin xai^a, wie* xaint 'korb aus birkenrinde' = oK 
Xemt) — tat. (tob.) ^ai<^ \ oK kdix^tdm 'spiilen' — tob. caixa-. 



A < 



Ober die tOrkischen lehnwOrter im ostjakischen. 91 



TOrk. ft. 

Unter den tiirk. Iehnw5rtem im ostjakischen giebt es drei, 
welche in alien tiirksprachen a (resp. den entsprechenden guttu- 
ralen vokal a) zeigen. Von denselben sind zwei in den tiirk- 
sprachen selbst lehngut, das dritte ist eine interjektion. Im oK 
wird in alien drei fallen ^ gesprochen: t^mp$Jc, t^rd, /(/. Ein- 
mal sonderbarer weise d statt tat. a: oK tarrflto (siehe das wor- 
terverzeichnis). 

TOrk. ft'^c^i. 

Gewohnlich entspricht dem a der ostlichen, siidlichen und 
mittelasiatischen tiirkdialekte in den wesUichen i (a), e: in den 
Wolga-dialekten i (ausnahmsweise a), im baschkirischen i, im 
kirgisischen q, im Irtysch-dialekte i, a (siehe Radloff, Phon. 
§112 und Cap. XVIII). Radloff betrachtet a als den urspriing- 
lichen laut, i als eine abtonung davon, die sich durch die zwi- 
schenstufe e erst nach dem XIV. jahrhundert voUzogen habe 
(0 JisuBt RyuaHOBii 25). 

In denjenigen wortem, welche in^ den verschiedenen tiirk- 
sprachen einen derartigen vokalwechsel zeigen, ist auch die 
vertretung im ostjakischen verschieden. 

Am gewohnlichsten findet sich im oK ^: iik^n (oNjikan), 
l|i^J9m, i^sn^jjchn (oJ Tc\m^ oN kam» kem), k^s^n, UlcdSj c^ 
i^ky Kep^r, Mt^n, vgl. auch ^s^p, kemp^r und (Castr.) kebaiL 

Seltener ist \: Is^r, ilkam, i\fk^n; so auch oJ lUk. 

§ findet sich in kqiurnk, vgl. auch oK, oJ 8()p (mit 9) — 
kojb. sep. 

Wenn das siidostjakische also in den meisten fallen einen 
e-laut bietet, welcher in den jetzigen tiirksprachen nur im kir- 
gisischen (und nach Radloff in den Abakan-dialekten) auftritt, 
so mochte man dieses so deuten, dass in der sprache der Ir- 
tysch-tataren um jene zeit, als die betr. worter ins ostjakische 
entlehnt wurden, noch die zwischenstufe e statt des jetzigen i 
vorhanden war. Eigentiimlicherweise flnden wir en o bei 
Gastrin in korsan (= oK kersHn) und bei Patkanov in jogan 
(oK iekan, Castr. jegan). 



92 H. Paasonen. 



TOrk. a (i^9). 

Dem i der ostlichen u. a. tiirksprachen entspricht in den 
Wolga-dialekten a, im Irtysch-dialekte d neben i, siehe Rad- 
LOFF, Phon. § 112 und p. 286 f. Hierher geh6rige tiirkische 
worter scheint es im ostjakischen keine zu geben, aber oflFen- 
bar vertritt im oK d ein d des Irtysch-tatar. dialekts in to^a, 
9iQn9m, 89p9rJc9 (in welchen dem Irtysch-tatar. 9 in anderen 
tiirksprachen andere laute als i entsprechen, in den beiden letz- 
teren der gutturale glide-vokal S), 



TOrk. §. 

Dem tiirkischen hinteren glide-vokale 9 entspricht im ost- 
jakischen (oK) regelmassig q: iqtam, mqtt^Xj sqit^y^^i ^?Z^' 
vgl. auch Patk. xigamataz, oK qi4ip. Die ursache davon, dass 
im ostjakischen nicht der mit dem tiirkischen fast identische 
hintere glide-vokal § in anspruch genommen wurde, sondem a, 
ist darin zu suchen, dass 9 im ostjakischen (oK, wie auch oJ) 
der erst en silbe fremd ist. 



TOrk. O'^u; 6^iX. 

Das und o der ostlichen u. a. sprachen erscheint in den 
Wolga-dialekten als u und a, aber in den Irtysch-dialekten 
kommen sowohl o und o, als u und U vor (Radloff, Phon. >i 
112). Wie demgemass auch zu erwarten ist, zeigt sich im 
ostjakischen keine gleichmassige vertretung. 

Dem tiirkischen o^^u entspricht: 

1) in oK ibxatom, oK pb§, desgleichen ein o-laut in 
PAp. tomra | Castr. xomaSy Patk. xomys neben xnmys. 

2) u in oK pus^; Patk. zumys, vgl. auch oK tupqt 
Dem. tiirk. d^^ii entspricht: 

1) ^* in ksk9r, Up9. 

2) it in Iciindm, tiMk. 

3) 9 in oJ k9y9n, 

4) 9^\v in td ^1101(1^9^1 J vgl. auch $9^wlcman. 




Ober die tttrkischen lehnwOrter im ostjakischen. 93 



Tflrk. u ^ (Wolga-diaL) e; \ M ~ (Wolga-diaL) e». 

Obwohl nach Radloff Phon. § 112 in den Irtysch-dialek- 
ten ausnahmslos w, G vorkommen sollen, erscheint doch im 
ostjakischen q in x^^'i'X^^* XQV^^Xi Castr. towarem (oK ta- 

4 ^ K c 

Ml^rdrn)] ^ in Tc^iqntd. Sonstige vertretungen sind: tiirk. u = 
1) u: siiisx; 2) q: tqt^, tqiqqrdm (Castr. towarem; auch in 
den WolgaAlialekten mit u)ypqir§x^^i vgl. auch Patk. par^anx; 
tiirk. tt:=a; s9S9m, pd^^t. 

Es liesse sich denken, dass ein friiher im sUdostjakischen 
vorhanden gewesener vokalwechsel, wie bei dem a-laut (vgl. 
oben), auch bei anderen vokalen zu der buntheit in der vertre- 
tung der tiirkischen vokallaute beigetragen hat. 



Die konaonanten. 

Die verschlusslaute. 

Der postpalatale tiirk. verschlusslaut (=^) wird im siid- 
und nordostjakischen, welchen dialekten derselbe fremd ist, 
durch die entsprechende spirans ersetzt z. b. oK xqmlidj Castr. 
xomde, oN xomsi *peitsche' — tiirk. IfamJ^ \ oK xal^x Volk* 
— tiirk. JfaU^. [Ausnahmsweise im wortauslaut bei Gastrin 
und Patkanov k in xondak *hopfen' (oK XV^^X) — tiirk. 
ktunlak etc.; Castr. xaimak 'feile' (oK. x^l^xX ^r^^- }fajmaJf,\ 

In den Surgut-dialekten tritt tiirk. postpafatales If unveran- 
dert auf: oJ IfhrnUd peitsche' | oJ Ifim 'fiirst' — tiirk. Ifan | (?) 
}^ulfmd,r — tiirk. cu^nnavy ausser in intervokalischer stellung, 
wo w erscheint: paw9r {-whif) 'messing' — tiirk. hal^. Dieses 
U7 ist als zunachst aus y entstanden zu betrachten {w und >" 
wechseln oft in jenem dialekt), welch letzterer laut wohl des- 
wegen fiir tiirk. ^ substituiert wurde, weil intervokalisches If im 
oJ nach betonter silbe immer halblang ist. 

Die iibrigen tiirkischen verschlusslaute: prapalatale Ic und 
9i ^j dy jp, b sind im ostjakischen ebenfalls durch verschlusslaute 
vertreten, betreffs der stimmhaftigkeit oder stimmlosigkeit gelten 
die in den betr. ostjakischen mundarten obwaltenden gesetze, 
denen sich die tiirkischen lehnworter natiirlich angepasst ha- 



H. Paasonhx. 

)er Konda-dialekt kennt nur die stinunloeen fortes, im 
dialdct finden ach zwischen stinimhaften lauten nur g, 
kch Ca5tb£n's bezeichnung, wdche nach seiner Ostj. 
. § 13 ,wie im deutschen" au^e^mxhen werden sxA- 
■gl. jedoch daselbst § 14 b. Xach meinen flOchtigen beob- 
;en schienen ^e (in den Sngalynskije jurty am Ir^'sch) 
imhaHe oder vielleicht ganz stimmlose medien zu sein. 
t oJ erscheint j statt tQrh. g in l»Y»n 'knopf — tiirk. 



ie tuiidsche postpalatale spirans y ist im oK durch x 
n, weil der entsprechende stimmhahe laut dieser mund- 
id ist, z. b. oK ibx^i»m 'verlieren; sterben' — ttirk. ^'uytrf- 
>kal-), oK ^(isr ' 'hengst' — tark. ajr^, oK *9x*'' 'kuh' — 
gyr. Im Iitysch-dialekt 6ndet sich bei CASTHts (und 
?v) g, ijber dessen lautwert Castb£n in seiner Ostj. sprachl. 
ifschluss giebt (u-otil halbstimmhaftes ober stimmloses j), 
gsdem 'verlieren', aagar 'kuh'. 

er tUrkische s-laut erscheint ohne ausnahme als *, 
afiir zeugt, dass der bekannte lautwandel * s ^ I, 
(in den Surgut-dialekten); I, respl. 1 (im nordostja- 
); /, resp. d (= d) (im sudostjaktschen) alter ist als 
kische einfluss, welcher in den hter zu behandeln- 



Auffallend auch iro oN mit x: aixyr, obgleich dieser dialekt 
laut zu besitzen scheint. 

Eine nahere untersucbung dQrfte feststellen kOnnen, dass es 
titmouillierte s-laut war, der so im ostjakischen mngestaltet 
wShrend das mouill. i im ostjakischen als s auftritt. Al- 

hatte ehedem das urspr. s in manchen einzelnen fallen 
liUiening angenommen, bisweilen war auch umgekehrt urspr- 
geworden, infolge dessen die betr. lautverhaltnisse jetzt ein 

verworrenes bild zeigen (vgl. SetXlA JSFOu. XVI, 2, p. 2, 

JSFOu. XVI, 3, p. 3). Aber dasselbe gilt mehr Oder we- 
ir alle die sprachen, in welchen urspr. s und i noch ver- 
I vertreten sind, und diejenigen von ihnen, welche noch s 

unverandert bewahren, d. h. das mordwinische und syrja- 
)tjakische, zeigen in einzelnen wttrtem recbt zablreiche mund- 
schwankungen (assimilationserscheinungen u. s. w.)- 



tJbex die tOrldschen lehnwOrter im ostjakischen. 95 



den wortem vorliegt, vgl. sa^qr^^ ^I- u. s. w. unter 
8-: Om inlaut:) gx^r^m, as^/iu^j asd, ^tpi^m, w#lr, iqs^Xr 
igs^t9my iisnQj h^)f{f bs^ [posar], pus^ sqs^i^ S9$9my soaar, 
hA^n; (im auslaut:) xomaa, til»Sj mbs, 

Turk, i erscheint unverandert im sudostjakischen : ter» 
aUx^y i^m; (im inlaut:) ar^('pgr9x)y aiyft, qt^^ftj iqp9iU9tn. 
i^i9m, malfi, pqifn^X, poi4t9my t^qky Qm auslaut:) poi. 
— Ein i der originalspFacbe ist nur in einem worte m5glicher- 
weise anzunehmen; weil dieser laut dem betr. ostjakischen 
dialekt fremd ist, wurde er selbstverstandlich durch i ers^zt: 
oK d$^n9m 'vertrauen', vgl. tob. dzdn-. 

In dem einzigen hierher gehdrigen worte, das sich im 
oJ findet, erscheint (im auslaut) statt turk. i ein,^; oJ ards 
(oK hrdij Irei) — turk. ar9§. Auch sonst begegnet in dem 
genannten dialekt s statt sudostjak. if z. b. oJ ^ 'waare' — 
oK t^S, oJ svrmqi 'halfter' — oK Sermqt, oJ s^rf^i 'hassel- 
huhn' — oK i^^i, obwohl der s-laut demselben nicht fremd 
ist, z. b. oJ tui *schnurrbart* — oK tui. 

Die tiirkische ^zusammengesetzte spirans** 6 {z=i i mit 
homorganem t-vorschlag) ist in den mundarten der jetzigen 
tOrldschen nachbaren der os^aken einer wandlung unterworfen. 
In den Irtysch-dialekten ist 6 durch c vertreten, nur in der 
Ktirdak-mundart, die abseits vom ostjakischen gebiete gespro- 
chen wird, bleibt 6 meist erhalten (Radloff, Phon. p. 286 f.). 
Im Baraba-dialekt erscheint desgleichen e im an- und auslaut, 
im inlaut zwischen vokalen und nach sonoren konsonanten der 
entsprechende stimmhafte laut 5 (p. 282), ebenso im Kiiarik- 
od. Tscholym-dialekt im gouv. Tomsk. 

Der genannte laut ist im oK gewohnlich durch k vertre- 
ten, im ganzen in ca. 13 fallen: liatx^ 'sense' u. s. w., siehe 
das worterverzeichnis unter *-; (im inlaut:) |>rto, xW^^^j P^i' 
r§x^^7 P^M'y 0"™ auslaut:) sqrhviq^. Im Irtysch-dialekte schreibt 
Gastrin meistens i (= f), bisweilen auch k', zwischen stimm- 
haften lauten gewohnlich d (= d\ wohl halbstimmhafte od. 
stimmlose media), jedoch jirfa neben xomde; ahnlich Patkanov. 

Nur in drei fallen begegnet im oK e: cet^k, xi^<^y X?- 
nac9, — das erste wort hat dagegen bei Patkanov (oK)*<: 
{edak» desgleichen bei PApai: l!6<ek. Auch bei CastrAn er- 
scheint in alien drei wortem ein c-laut (zwischen stimmhaften 



. 




96 H. Paasonen. 

lauten g, wohl halbstimmhafte od. stimmlose lenis): 
xaiga, xonaga, ausserdem im inlaut 3 in xargagan (oK XV^X^^\ 
c in jiroa neben jirfa (oK i9rUd), im anlaut o in cStxA neben 
£otzs (oK Afa^jt^) und oebara (adv.) (oK Kip^r (adj.), bei 
Patkanov aus der Demjanka-mundart debars (adv.)). 

Im Jugan-dialekte findet sich in dem einzigen hierher 
gehorigen falle f: ^ctmfcl (nach Castr^n oSurg. kamdi) 
'peitsche* — tCirk. ^ami§ (oK x?^^)- Inn nordostjakischen 
begegnet bei Ahlqvist b in xomaa, xomsi (HuNFAL^'Y xomzi) 
'peitsche* (oK x«mAf9) und xoraxsi (aus dem wogulischen), J 
1 in jeb&A^ jobaA^ 'filz* (vergl. das worterverzeichnis). 

Wie ist nun jene zweifache vertretung des ttirk. 6: einer- 
seits ft, £ (= f), resp. d! (= ^'), anderseits c, resp. 3, im siid- 
i ostjaldschen zu erklaren? 

Nach dem zeugnis der verwandten sprachen vertritt ostj. 
If, f (resp. d) vorzugsweise einen urspriinglichen mouiUierten 
5-laut (ich hoflfe diese frage bald bei einer anderen gelegenheit 
behandeln zu konnen), und auch in den russischen lehnwortem 
wird russ. h {=: S) durch jene laute wiedergeben, z. b. Patk. 
xadak', 'semmel* — russ. Ka^ani, oK hhmilt, Patk. kerme< 
'zieger — russ. RBpnH^'B. Es ist somit einleuchtend, dass die 
aus dem tiirkischen entlehnten worter der ersten gruppe (mit 
K etc.) aus einer tiirkischen sprachform stammen, die den tiir- 
kischen 5-laut unverandert bewahrt hat*. Die annahme, dass 
dieselben aus einer anderen tiirksprache als der sprache der 
Irtysch-tataren stammen, wiirde gewiss nicht — wenigstens fur 
die grosse mehrzahl — berechtigt sein. Vielmehr scheint jene 
lautvertretung im ostjakischen dafiir zu sprechen, dass in den ersten 
zeiten der ostjakisch-tatarischen beriihrungen im Irtysch-tata- 
rischen noch ein ^-artiger laut existierte, wodurch wir einen 
bestimmten chronologischen anhaltspunkt fiir die beurteilung des 
tatar. lautwandels (* > c bekommen. 



1 Man braucht jedoch nicht — ebensowenig wie bei den 
oben angefGhrten russischen wOrtem — anzunehmen, dass zu 
jener zeit, wo die betr. wOrter aufgenommen wurden, im ostjaki- 
schen ein mouillierter ^-laut noch existierte, welcher sich spSter zu 
R u. s. w. entwickelte. Es ist wohl mOglich, dass AJ, f einfach fOr 
tttrk. S substituiert wurden, weil sie von alien vorhandenen ostja- 
kischen lauten diesem am n&chsten und zwar nahe genug standen. 



Cber die tdrkischen lehnwOrter im ostjakischen. 97 



Ahnlich wie bei den Irtysch-tataren und barabinzen ver- 
tritt jetzt in der sprache der sogenannten mischar-tataren im 
europaischen Russland c das tiirkische 6. In meinem aufsatz 
„Die turkischen lehnworter im mordwinischen" (= JSFOu. 
XV, 2) p. 9 habe ich gezeigt, dass, wie aus den . tatar. lehn- 
wortem im mordwinischen hervorgeht, in den ersten zeiten der 
mordwinisch-tatarischen beriihrungen, im mischar-tatarischen 
der ursprungliche i-laut durch einen mouill. <5-laut vertreten 
war, weicher also die Ubergangsstufe von 6 zu dem jetzigen c 
bikiete. Es liesse sich wohl denken, dass auch in der sprache 
der Irtysch-tataren um jene zeit nicht mehr ein reines <*, sondem 
ein d-ahnlicher laut vorhanden war; auch fiir die wiedergabe 
eines solchen batten die ostjaken keinen geeigneteren laut ge- 
habt als ihr *, f, resp. d\ 

I 

Der tiirkische 1-laut, sowohl das dicke I in wortern mit 
gutturalen vokalen als das helle I in w5rtem mit palatalen vo- 
kalen, ist in den allermeisten fallen und zwar in allerlei stel- 
lungen im sildostjakischen durch den dentalen verschlusslaut 
vertreten, im oK immer durch /, im Irtysch-dialekt zwischen 
stimmhaften lauten nach Casth6n*s (und Patkanov's) bezeichnung 
d, von dessen lautwert schon oben p. 94 die rede war (wohl 
= d), Im oK sind im ganzen 16 solche falle zu verzeichnen: 
ai9t *sattelriemen* — ttirk. lyH, %%th^ 'segel*, tob. jilgfin, wel- 
ter a/4«l?> ^^1 att^t9m, iox^tdm, zigamatax, x^X> X?^^ix> 
mqttdx^ sqit^Y^my sutax, iiVj^n, ^flrfj^, td^vitq^^m* tiipht. — 
TUrk. I erscheint unverandert nur in *oK if^pi^ltam *bedecken', 
i^pu2 'pferdedecke*, vgl. das worterverzeichnis. 

Im oJ giebt es nur zwei tiirkische lehnw5rter, die in der 
originalsprache ein I haben; in dem einen erscheint I: oJ tUlc 
(bei CASTHfeN dagegen mit d: idek) *sieb' — tob. kas. Udk; 
in dem anderen d, welches (nebst i), wie im oN t auch in 
einheimischen wortern dem aus einem ursprtinglichen Maut 
entstandenen dentalen verschlusslaut des sCidostjakischen ent- 
spricht: oJ q<fa 'pflichtgespann' — kas. ^law, — Das letztere 
kommt auch im oN vor in der form ola. 

In beinahe samtlichen turkischen lehnwortern finden wir 
also im stidostjakischen turk. I durch den dentalen verschluss- 



H. Paasonbn. 

t vertreten. Sie haben fol^ch an dem bekannten lautwan- 
teilgenommen, durch welchen in dem genaiuiten ostjaki- 
en dialekt ein ursprilnglicher 2-lAut zu t {o) geworden ist 
b. oK tat&m 'schmelzen' — fl. BDlaa, IpN ftolgidet, mord. 
I-, tscher. Solam, vog. toli, *tgli, ung. olvad- | oK t^t 
len" — fi. ayli, IpN bsUa, mord. sft, ief, tscher. HUo, syrj. 
, vot). sal, *sU, vog. tiU, ung. 01); jener lautwandel ist 
lit jtingeren datums als der tatarische einfluss. 

Einen noch naheren chronologischen anhaltspunkt licfert 
Z. Fischer's aus ca. 300 nummem bestehende ostjakische 
rtersammlung aus der mitte des XVIU. jahrhunderts, welche 
A. L. ScklOzbb's Allgemeiner nordischer Geschichte (Halle 
'1) zu linden ist. 

Sonderbarer weise ist Hunfalvy in seinem werke „Az 
:aki osztjak nyelv" (= NyK XI), pp. 8, 10, 44 der mei- 
ig gewesen, dass jene w&rtersammlung von Fischer aus 

sprache der an dem fluss Konda wohnhaften ostjaken 
nmt, dazu durch die von SchlOzer gebrauchte benennung 
mdische Ostaken", „Kondiscbes Worterregister" verieitet, 
I hat p. 44 u. 219 wegen der verschiedenen vertretung eines 
prQnglichen I-lautes in Fischer's „W6rter-Register" den Konda- 
ekt in jenem sinn von dem durch CastrSk bekannten Ir- 
;h-dialekt trennen und zum nordlichen dialekt rechnen oder 
ligstens als ein vermittelndes glied zwischen dem siidlichen 
I nordlichen dialekt aufstellen woUen. 

Dass SchlOzer damit gar nicht denjenigen dialekt meint, 
I wir jetzt den Konda-dialekt nennen, geht jedoch aus meh- 
in stellen deutlich genug hervor. So heisst es p. 306: 
sndische Ostaken, am Nieder-Irtysch und Nieder- 
, bey Surgut, Tobolsk und Beresov. Sie nennen sich 
St Chondi-chui, d. i. Leute von Konda ', an welchem Flusse 
ehedem mogen gewohnet haben: wo es ntcht der obige 



' Diese erklSning des volksnamens, der sich auch HUN- 
VY, Az ^jsz. osztj. nyelv p. 8 anschliesst, ist nicht ohne wei' 
s zu billigen. Der ostjake an der Konda nennt sich selbst 
t9 (ol xqnD3) oder xanta-xui {yui 'mann'), der fluss Konda 
r beisst -(unta. Die namen sind somit nicht identisch und der 
chklang kann wohl zuf&Uig sein. 



Ober die tOrldschen lehnwOrter im ostjaldschen. 99 

Name Komi ist, den sich die Syranen und Permier geben. 
Denn ihre Sprache kommt der Permischen und Wogulischen 
am nachsten.** Ahnlich heisst es p. 246 f.: «Die Kondischen 
Ostaken am Nieder-Irtysch und Nieder-Ob, bei Surgut^ 
Tobolsk und Berezov.* P. 304 lesen wir: ^Dire [der wo- 
gulen] Sprache kommt der Kondischen oder Irtysch Os- 
tacken ihrer am nachsten.^ Im ,, Wogulischen und Kondischen 
Worterregister" pp. 308 — 315 sind endlich die ostjakischen 
worter angefuhrt, wie sie „bei den Kondischen Ostacken 
am Irtysch" (in dem kleinen auszug in Fischer's Sibirischer 
geschichte p. 162 ^Ostiaken am Irtisch**) lauten. 

Es leuchtet somit ein, dass SchlOzer den namen „Kon- 
dische Ostacken" von den ostjaken tiberhaupt als einen 
gesamtnamen gebraucht im gegensatz zu den Jenisej-ostjaken 
und ostjak-samojeden, und wenn also von den ^ Kondischen 
Ostacken am Irtysch" die rede ist, wie in dem „Worter-Re- 
gister", so meint der verfasser naturlich die Irtysch-ostjaken. 

Bei einer durchmusterung des FiscHER'schen Worter-Regi- 
sters linden wir in der that, dass sein inhalt fast ausnahmslos 
aus dem sudostjakischen stammt und zwar aus der sprache der 
Irtysch-ostjaken, nicht aus der der Konda-ostjaken, mit welch letz- 
teren Fischer offenbar nicht in bertihrung gekommen ist. Es 
giebt in demselben mehrere worter, von denen einige turkischen 
ursprungs, die weder in den Surgut-dialekten noch im nordostja- 
kischen, sondem nur im stidostjakischen anzutreffen sind, wie 
nr. 49 ullm 'stannum', oK ilt^, ut^, Patk. ndyn, ndon | nr, 
100 dhlogem Temoralia', oK toxlm \ nr. 108 (tat. = r) ter&taa fe- 
nestra', oK for^fo, Patk. teradfa | nr. 119 (r) chigoB Torfex*, 
oK x|fC9, Castr. xai3a | nr. 135 (t) alasoha 'cantherius*, oK 
atgsql Castr. ada&a | nr. 138 (t) ukoss 'bos, taurus', oK ukds, 
Castr. ages | nr. 139 (t) ssagar Vacca*, oK sax^, Castr. sagar 
TU". 154 (t) m&cheok 'felis', oK rmS^Jc, Castr. md&ek. 
Uberhaupt stimmen die worter bei Fischer im vokalismus 
genau zu der form, welche dieselben im stidostjakischen ha- 
ben, und zwar bisweilen nur zu dieser, wie nr. 22 oolh *an- 
nus*, oK ot^ Castr. ot, vgl. oJ Ai (nach Castr^n oSurg. 51, 
51); fehlt im oN | nr. 72 ubot 'capillus*, oK upH, vgl. oJ 
bpdt; fehlt im oN | nr. 92 oschna Vestis pellicea*, oK Mm, 
Castr. oii&a, vgl. oJ itini; fehlt im oN | nr. 218 [m&]omeBlam 



H. Paasonsn. 



iiidostj. bmSst^, vgl. oJ am9si9m, oN ) 

fOr den Irtysch-dialekt im gegensatz zum Konda- 
welcti letzterer nur die stimmlosen tenues und die 
i postpalatale spirans kennt, zeugen formen mit b, g 

oben angefiihrten nbot, dhlogem, ssagar, weiter nr. 
Obit 'arcus', Casth. jSgot, vgl. oK ibx^t | nr. 126 («■) 
mis' I nr. 20 sabat, nr. 272 8abat"== 7 (merkwUrdi- 

mit ■), Casts, tttbet, vgl. oK tqp9t | nr. 197 noggho 
USTR. ASgo, dSga, vgl. oK tiqx^- 
jener wortersammlung von Fischer finden wir nun 
riinglichen l-laut, der jetzt im sQdostjakischen als den- 
schlusslaut erscheint, auf vier verschiedene arten ver- 
im gewohnlichsten ist Ih Qlh): nr. 49 BUm 'stannum', 

itl^, Patk. ndyn, ndon — tscher. fitUno, vog. ^Qln | 
pt3h 'auris', vgl. oK pat, Castr. pet — mord. pUe, 
I nr. 80 nilliein 'lingua', vgl. oK A^tsm, Castr. ASdma 
iialbme, ung. nyelv | nr. 86 mc^tilh 'pectus', v^. oK 
^ASTR. meget — mord. ihaKHa, IpN mielgga | nr. 90 
itestina', vgl. oK sut, Castr. sat — fi. snoU, mord. 
r. 133 Ihau 'equus', vgl. oK t^tv, Castr. tau — vog. 
ig. 16 I nr. 169 Ihont 'anser', vgl. oK tant, Castr. 
R. lintn, ung. lad | nr. 255 IMlen 'vivus', oK rtfoij, 
3det| — vgl. fl. ISyly, ung. lilek | oillha 'vier', vgl. 

Castr. Aeds — fi. neJjK, mord. 'AU4. In einem worte 
1 geschrieben: nr. 125 nodhl 'sagitta', vgl. oK iiht, 
ot — li. aaoU, ung. nyil (wie auch in nr. 124jogodhl 
vgl. oK ibxpt, Castr. JQgot, welches wort ursprting- 
9 auslautete, vgl. fi. joiui, mord. joules). Einmal kommt 

nr. 77 nSth 'nasus', vgl. oK -Aqt, Castr. Aat, iot — 

(vgl, nr. 39 Thangath 'fluvius' (;= Irtysch), nr, 220 

aceo', in welchen wortem th andere laute wiedergiebt, 

im siidostjakischen ebenfalls durch den dentalen ver- 
ut vertreten sind). In mehreren fallen findet sich I; nr. 3 
lubes', vgl. oK psta^ Castr. petei), — fi. pilvi, mord. 
C I nr. 135 alaaoha 'cantherius', vgl. oK <^^, Casth. 
tat, ala&a \ olmloin 'drei', vgl. oK %UiSm, Casts. 
— fi. kolme, mord. kolmo | nr. 255 Ihllen 'vivus', v^. 
, Castr. tlderi — fi. Idyl;, ung. lelek [ nr. 218 omeslam 
/gl. oK bm^stiim. 



Ober die ttlrkischen lehnwOrter im ostjakischen. loi 



Es kann keinem zweifel unterliegen, dass Fischer mit Ih 
und dhl den spirantischen Haut bezeichnet, welcher in den 
betr. wortem in den Surgut-dialekten bewahrt ist und den wir 
hier nach Gastrin mit i, d bezeichnen, zu vergleichen Castr6n's 
definition Ostj. sprachlehre § 18: „Die Consonanten 1 und d 
bezeichnen zwei aspirirte Laute, von denen der eine wie tl 
Oder thl, der andere wie dl oder dhl ausgesprochen wird." 
Die bezeichnung th dttrfte wohl auf einen ^^-artigen laut hin- 
weisen, welcher die natiirliche iibergangsstufe zu dem jetzigen 
dentalen verschlusslaut im siidostjakischen bildete; demgem^ss 
flng zu Fischer's zeit der spirantische Z-laut schon an sich in 
eine postdentale spirans zu verwandeln. Ob in den zuletzt ange- 
fuhrten beispielen 1 einen gew5hnlichen (nicht spirantischen) 
^laut wiedergeben soli oder nur eine orthographische inkonsequenz 
statt Ih (=^ /, d) ist, diirfte schwer mit bestimmtheit zu ent- 
scheiden sein. So viel ist jedenfalls sicher, dass zu Fischer's 
zeit, also um die mitte des XVIII. jahrunderts, im Irtysch- 
dialekt statt der jetzigen t, d (= d) in den meisten fallen noch 
dieselben spirantischen 1-laute wie jetzt in den Surgut-dialekten 
(iy d) gesprochen wurden. Der lautwandel i, d ^ ^^, d ^ t, 
Dy welcher im jahre 1845, als Castren die ostjaken besuchte, 
schon beendet war, hat also kaum ein jahrhundert in anspruch 
genommen ^. 



Als endresultat der obigen untersuchung ergiebt sich, dass 
die grosse mehrzahl der tiirkischen lehnworter im ostjakischen 
lautlich mit den entsprechenden wortem in dem jetzigen 
Irtysch-tatarischen dialekt iibereinstimmt, wenn wir namlich den 
lautlichen anforderungen der ostjakischen sprache und den laut- 
geschichtlichen wandlungen in derselben rechnung tragen. Bei 
anderen, wo dieses nicht der fall ist, haben wir wenigstens 
einen begrlindeten anlass zu der annahme, dass im ostjakischen 



^ Es sei noch bemerkt, dass der oben behandelte lautwandel 
sich auch in 6inem russischen lehnworte zeigt, welches in der 
originalsprache ein mouilliertes t bietet: oK t^n^ Castr. toA, oN 
Ion 'flachs* <^ russ. jieHl id. 



I02 H. Paasonen. 



eine altere lautgestalt des betr. wortes in demselben Irtysch- 
tatarischen dialekt sich wiederspiegelt. 

Indessen ist von ungarischen forschem die ansicht aus- 
gesprochen worden, dass es im ostjakischen lehnworter tur- 
kischen ursprungs gebe, die schon wahrend der ostjakisch- 
wogulischen sprachgemeinschaft aufgenommen wurden, oder 
auch zu der zeit, wo die ugrischen volker, d. h. die os^aken, 
wogulen und magj^aren, noch nahe bei einander wohnten und 
ihre sprachen sich noch nicht definitiv losgetrennt hatten. Der 
erstgenannten auffassung hat neulich Gombocz ausdruck gege 
ben in seinem aufsatze iiber die fremden elemente in der wo- 
gulischen sprache (A vogul nyelv idegen elemei, NyK XXVTD 
148), die letztere hat MunkAcsi geaussert (Ethn. VI 136 ff.)- 
Eine nahere untersuchung dieser frage diirfte auch hier am 
platze sein. 

Zur begriindung seiner ansicht fiihrt MunkAcsi a. a. o. 
vier worter an, die in alien drei ugrischen sprachen vorkommen. 

Das erste ist ung. hattyu *schwan', vogN ^x^^'I^ vogK 
^Idiwgiefij vogT ^xut^fj id., ostN xotai], ostSurg. kotten [= oJ 
^oteg], ostlrt. x5teTi [= oK %o1^fi\ id. Das jenen alien zu 
gninde liegende tiirk. kotan *storch, pelikan\ mong. zutan, 
mandschu kntan, kotan ^ *pelikan' kann nach MunkAcsi in 
die ugrischen sprachen nicht wahrend ihres sonderlebens aufge* 
nommen worden sein, sondern es gehort der gemeinugrischen 
zeit an, „weil das wortauslautende tiirkisch-mongolische n im 
ungarischen niemals zu li wird". Dabei ist nur zu bemerken, dass 
iiberhaupt kein n (richtiger -an) im ungarischen zu li geworden 
ist, ebenso wenig wie -n zu -17 im ostjakischen und wogulischen. 
Dass das ugrische wort mit dem mandschu-mongolisch-tiirkischen 
zusammenhangt, kann nicht zweifelhaft sein, aber ebenso sicher 
ist, dass das wort in derjenigen sprache, aus welcher es die ugrier 
entlehnten, nicht auf n, sondern auf fj auslautete. Ob aber jene 
sprache eine tiirkische oder mongolische oder etwa eine mand- 
schu-sprache gewesen, das muss unentschieden bleiben, eine 



^ vergl. I. Zacharov, UojiHufi MaiibHSKypcKO-pyccKifi cjoBapL, 
St. Petersburg 1875: kutan '6aKJiaH'B, pia6ojioBi>, oeJHKaH'B, OTBiia 
iioxoacaa na Jie6e;(H cb ocTpuM'B rjiobom'b h GojibmHM'b me- 
poRHM'B soGoMTi, nHTaioiuaflCA puGaMH H nojieBUMH MuniaMH.' 



Ober die ttlrkischen lehnwOrter im ostjakischen. 103 



form auf -17 ist in keiner von jenen sprachen belegt. Am 
wenigsten mochte man dabei an das turkische denken, liber 
dessen verschiedene diaiekte wir verhaltnismassig gut unterrich- 
tet sind. MunkAcsi hat selbst in demselben zusammenhang 
(Ethn. VI 138) auf gemeinugrische entiehnungen aus (Jem mon- 
golischen hingewiesen, und die mdglichkeit ist keineswegs aus- 
^eschlossen, dass wenigstens die ostjaken und wogulen in 
einer sogar unmittelbaren beriihrung mit einem mandschu- 
volke gestanden haben. Wie MunkAcsi (Ethnographia V 12, 
vgl. V 25), richtig bemerkt hat, ist derjenige name, mit welchem 
die ostjaken und wogulen jetzt die tataren nennen (oK xa^r/, 
oJ ^giwi, oN zatai^ vog. (nach Ahlqvist) zada£) mit dem 
volkemamen Kitan (bei Kazwini khatjan) zu verbinden, und 
jenem volke wird allgemein tungusische herkunft zugeschrieben 
(vgl. J. E. FiscHER, Sibirische geschichte 14 — 24, CastrAn, 
Ethnogr. vorles. 28, 29, 70, G. Kuun, Erdelyi Miizeum XI 
514), — allerdings waren die magyaren zu der zeit, wo das 
in der geschichte bekannte Kitanische reich, welches sich bis an 
den Irtysch erstreckte, bestand (nach Gastrin von 907 bis 1 1 25), 
schon von ihren sibirischen stammverwandten getrennt. 

Zweitens wird von MunkAcsi ung. hod *bieber', vogN +xwn- 
tefy vogT ^khgntet, id., ostN xondyl 'maulwurf mit tiirk. Irandoz, 
kundos, (kas.) kendez 'biber; tischotter* zusammengestellt. Den 
endteil des wogulisch-ostjakischen wortes erklart M. als demi- 
nutivsuffix, das stammwort +xunt- u. s. w. nebst ung. hod 
stehe unzweifeihaft in zusammenhang mit tiirk. kondoz, tschuw. 
xondor, 'biber*; „ falls ung. hod eine neuere entlehnung aus 
dem turkischen ware, so wurde es sich in einer ganz anderen 
gestalt zeigen (z. b. hondor)". Munkacsi scheint somit der 
ansicht zu sein, dass ein tiirkisches konduz in alien drei ug- 
rischen sprachen, resp. in der gemeinugrischen sprache ein- 
fach zu *lp(md^ oder *1font wurde, ein solcher lautschwund 
dCirfte aber schwer zu begninden sein (vgl. MunkAcsi Nyr. 
XIII 261, SziNNYEi Nyr. XXIV 54 f.). Dass die worter irgend- 
wie zusammenhangen, ist wohl moglich, die frage nach dem 
wie bleibt aber oflfen. 

Als dritter beleg dient bei Munkacsi ung. enyv *leim', 
vogN ^eUm, vogL Htem, yiUm, vogK ^etem, vogT ^item 
id., ostN a^im, ostlrt. $em [= oK ifiBm\ ostSurg. iijem [= oJ 



I04 H. Paasonen. 



dipm] id., welches wort eine entlehnung von tat. ^jU&m, alt, 
jeUm, tschuw. Alim, jak. silim *leim* sein soil. „Wenn das 
ungarische wort eine netiere entlehnung aus dem tlirkischen 
ware, so hatte das wortauslautende m sich nicht in t verwan- 
delt (vgl. z. b. folgende tiirkisch-mongolische worter: koroiii, 
gyom, ibrdm, ildom, welche auch in der originalsprache auf 
m auslauten), und der wortanlautende konsonant ware nicht 
geschwunden, ohne dass wenigstens der folgende u^al (als i 
Oder geschlossenes d) noch von der frdheren existenz desselb^i 
zeugen wiirde". 

Gegen die annahme einer entlehnung aus dem tiirkischen 
spricht — von allem anderen abgesehen — entschieden das 
mouillierte f, das im wogulischen noch bewahrt ist* und wel- 
ches auch ostj. i, i (sowie auch ung. ny) offenbar voraussetzt. 
Die annahme, dass turk. I im ugrischen zu t wurde, ist ganz 
willktirlich und unbegriindet 2. Die ugrischen worter sind mit 
dem worte fiir 'leim, gluten* in den iibrigen finnisch-ugrischen 
sprachen zu verbinden: syrj. /i^n, votj. fern, tscher. lumoj fi. 
tym&y IpN dabme, IpS (Lind.) hibme. Die frage nach ihrer 
zusammenhorigkeit hat schon SetAlA NyK XXVI 435 auf- 
geworfen unter der voraussetzung, dass das ostjakisch-wogu- 
lische wort vielleicht zusammengesetzt ist (vog. ^t-l&m u. s. w.) 
und mit der bemerkung, dass die zusammenh5rigkeit oder 
nicht-zusammenhorigkeit des ungarischen wortes zweifelhaft ist, 
well es wohl sehr gewagt ware ny pro j als die wirkung eines 
urspriinglichen, spater zu v gewordenen (unmittelbar) nach- 
folgenden nasals, resp. als die vorausnahme von dessen arti- 
kulation aufzufassen. Wenn man nicht an eine zusammen- 
setzung denken will, die allerdings wenig wahrscheinlichkeit 
fur sich hat, so liesse sich vielleicht der ugrische wortanlautende 
vokal auch als urspriinglich betrachten, in den tibrigen sprachen 
ware dann ein ahnlicher vokalschwund anzunehmen, wie z. b. 



* Die nebenform ^jiUnt mit unmouilliertem { und anlauten> 
dem j im vogL scheint dagegen wirklich aus dem ttirkischen zu 
stammen. 

'^ Die zusammenstellung von vogN ^qM *farbe* mit tat. cda 
'bunt' bei Gombocz N3-K XXVm 168 ist entschieden unrichtig, 
der verfasser selbst hat sich dabei ausnahmsweise eines von ihm 
tiberhaupt allzu sparsam gebrauchten fragezeichens bedient. 



tJber die tttrkischen lehnwOrter im ostjakischen. 105 



in ung. mer- *schopfen*, vgl. ostK ^mart9mj Qw/r9k1c9m, osU 
^r9m (imperat. dmr^\ vog. amert^, votj. +omJr<- u. s. w., 
vgi. BuDENz MUSz. 615; andererseits scheint mir die m5glich- 
keit nicht ganz ausgeschlossen, dass zur erleichtening eines 
jedenfalls sehr seitenen wortanlautenden mouill. C in den ug- 
rischen sprachen eine vokalepenthese stattfand, ahnlich wie 
das offenbar sekundare j in mordM lajthU 'faulbeerbaum* 
(vgl. mordE torn) aus einem ahnlichen streben entstanden 
ist Wenn wir bei ung. enyv annehmen, das ny nicht aus j^ 
sondem einem friiheren T-artigen laut durch assimilation an 
das folgende m entstanden ist, diirfte eine solche annahme in 
anbetracht des vorkommens ahnlicher assimilationserscheinun- 
gen in alien sprachen nichts befremdendes haben. 

Endlich wird von MunkAcsi auf ung. gyalom *zuggam' 
und die lautlich genau entsprechenden wogulischen und ostja- 
kischen worter hingewiesen: vogK ^jgUm, vogT ^jaUm, ostlrt. 
jadam [= oK iat^m] id., welche in dem vokalismus zu tat., 
kir. j^Um, ^§Um id. nicht stimmen soUen^ sondern sich naher 
an die tob.-tat. nebenform ^jdl&m (neben j^Jdm) anschliessen, 
welcher umstand sich am besten durch die annahme erklare, 
dass die entlehnung in die ugrischen sprachen zu gemein- 
ugrischer zeit stattgefunden habe. 

Oben p. 92 ist schon an einer reihe von beispielen 
gezeigt worden, dass im siklostjakischen a regelmdssig ein 
tlirkisches ^ vertritt und dass somit oK iqt^m (ostlrt. jadam 
bei Gastrin kaum richtig) in geradem gegensatz zu MunkAcsi's 
annahme voUkommen zu tat. j^lam stimmt. Dasselbe ist der 
fall mit vogK ^jgl^n, vogT ^jqUm (so, nicht ^jaUm wie in 
Ethnogr. VI 137, schreibt MunkAcsi das Tavda-wort in seinen 
texten, siehe Szilasi's worterverz.) : in vogK und vogT ist +jt 
der regelmassige vertreter des tiirkischen ^-lautes, vgl. vogT 
^mgUgx *waffe' — tat. mMtsIf, vogT ^s^gr, vogK tsagr 'kuh' 
— tat. s^9r. Im ungarischen scheint es keine anderen 
lehnworter aus dem tiirkischen zu geben, in denen a in der 
originalsprache anzunehmen ware. Jedermann, der ung. a und 
tiirk. § aus eigenem anhoren kennt, dtirfte jedoch damit ein- 
verstanden sein, dass von alien ungarischen vokalen eben a 



i AhnUch SetAlA NyK XXVI 379. 



io6 H. Paasonen. 



dem akustischen eindruck nach dem tUrkischen ^ am nachsten 
kommt und somit ganz natiirlich zu der wiedergabe desselben 
gebraucht wurde. Es ist somit kein grund zu der annahme 
vorhanden, dass dieses turkische wort in einer sehr alten zeit 
als die magyaren noch mit den wogulen und ostjaken zusam- 
raenwohnten, von den ugriern entlehnt wurde; dagegen scheint 
auch der umstand zu sprechen, dass das wort bei den os^a- 
ken und wogulen nur in den stidlichen mundarten zu finden ist 

Wie oben p. 102 erwahnt wurde, nimmt auch Gombocz 
NyK XXVIII 148 einen sehr alten tiirkischen einfluss an, der 
wahrscheinlich schon wahrend der wogulisch-ostjakischen sprach- 
einheit stattfand. Der verfasser erledigt leider diese wichtige 
frage mit der kurzen bemerkung, dass jener einfluss sich vor- 
zugsweise in den auf fischerei und jagd beziiglichen kultur- 
wortem kundgiebt. Unter seinen wogulisch-turkischen wort- 
vergleichungen scheint es ausser den hier oben behandelten 
wortern noch ein paar andere zu geben, auf welche jene ausse- 
rung sich beziehen mag. 

Nr. 84 wird vog. HeHn, ^Un, Hin [bei Ahlqvist auch 
ligyn, legyn] 'eichhomchen; geld' mit kas. fcyan, ujg. tqjifi, 
kojb. kar. tin, alt. tii], tan 'eichhomchen; kopeke' zusammenge- 
stellt (mit dem wogulischen worte ist unzweifelhaft identisch 
ostK iffi^kd^ ostl ifffjkly ostN iaT|gi 'eichhom; kopeke*, welches 
GoMBocz nicht heranzieht). Dass das wogulisch-ostjakische 
wort irgendwie mit dem tiirkischen zusammenhangt, ist wohl 
m5glich (vgl. Ahlqvist JSFOu. VIII, 9, Anderson, Wandl. 
26 f.). Von einer neueren entlehnung aus dem tiirkischen, 
die Anderson a. a. o. als moglich voraussetzt, kann selbstver- 
standlich keine rede sein, aber ebensowenig hat man nach 
meiner ansicht einen grund anzunehmen, dass in einer alteren 
zeit tiirk. t im wogulisch-ostjakischen zu einem Maute wurde. 
Das verhaltnis bleibt dunkel, vergl. das worterverzeichnis s. v. 

Nr. 116 wird als original fiir vogN ^pgsV, vogML "^pgM 
{bei AhlqvIst pa&i, pasiq) 'rennkalb', ostN (nach Hunfalvy) 
pefti [bei Ahlqvist peS,^(Obd.) pesi] ^ folgendes tiirk. wort 



^ Ein hiervon verschiedenes wort ist das von GrOMBOCZ a. a, 
o. mit peii identifizierte ostN (Hunf.) paftox *kalb* [= Ahlqv. 



Ober die tOrkischen lehnwOrter im ostjakischen. 107 

angefUhrt: kas. b^aw *kalb*, alt. pnza id., dschag. bosagu id., 
osm. boBagii, bung! *kalb, iamm, junges von rotwild*. Das 
wort kommt auch im siidostjakischen vor: oK p^cd 'einjahriges 
renntierkalb', und ist auf dem finnisch-ugrischen sprachgebiet sehr 
verbreiiet, wie schon SetAlA JSFOu XVII, 4, p. 10 gezeigt hat: 
syrj. pet 'ein junges ungehomtes renntier', votj. pu$e}y puzej 
'renntier\ tscherO (Hiidy puco, tscherW p9c9j picd, tscherB 
pui's^ (Ramstedt), pnie (Bud.) Venntier*, IpN boaooo *zahmes 
renntier'. Ein blick auf diese w5rter iiberzeugt, dass in der 
finnisch-ugrischen gnindform kein s-laut war und dass somit 
das A' in vogN ^p^\\ wodurch dieses zu dem tiirkischen worte 
scheinbar gut stimmt, sekundar ist^ 

Es scheint mir iiberhaupt schwer auf dem jetzigen stand- 
punkt unseres wissens einen so alten tiirkischen einfluss auf 
die ugrischen sprachen, wie die genannten verfasser annehmen 
woUen, mit bestimmtheit konstatieren zu k5nnen. Einige iiber- 
einsdmmungen im wortschatze, die sich aus der sprache der 
Irtysch-tataren wohl nicht erklaren lassen, sind allerdings da, 
aber bei den betreffenden wortern mlissen wir uns meistens 
mit einem fragezeichen begniigen. 



Die gesamtzahl der von mir auf grund des vorhandenen 
materials erkannten tiirkischen lehnworter im ostjakischen be- 
lauft sich auf etwa 140. Auf die verschiedenen hauptdialekte 



po^yz, po^ex *eier; junges tier; kind*], vergl. vogN. ^posxen 'dein 
theures (kind)*, ^posxulcwei 'die lieben kleinen' (s. Szilasi's w6r- 
terverz.). 

1 Dagegen sind mit dem finnisch-ugrischen worte zu verbin- 
den kas. pi)6dj, tschuw. p9di 'elenntier, .lOCb', die nur bei Asmarin, 

MaTepiaju a^ih HSCJitAOBaHifl ^yBauicKaro ii3URa p. 72 zu finden 

sind (wahrscheinlich smd sie in den genannten sprachen wenig 
verbreitet). Dieselben sind oflfenbar aus dem wotjakischen entlehnt. 
— Auch russ. DU^RBR'b 'renntierkalb' ()»MOJIOAOft cbeepHUft OJeHb, 
Geaporifi Te./ieHOKT>» Dalj) ist offenbar aus einer finnisch-ugrischen 
sprache entlehnt. Irgendwie hSLngen auch zusammen jak. pysyk 
Venntierkalb' (offenbar fremdwort; das stimmlose p findet sich bei 
BOhtlingk anlautend nur noch in jak. put 'pud, 40 pfund' <^ 
russ. nyAl) und baschk. my&y 'renntier, OJICHL'. 



io8 H. Paasonen. 



verteilt sich diese zahl sehr ungleichmassig. Im sudostjaki- 
scken ist der tiirkische einfluss ohne vergleich am grossten 
gewesen, wie es ja in der natur der verhaltnisse liegt. Im 
Jugan-dialekte (und den „Surgut-dialekten" nach CAsxiufeN) habe 
ich von den im siidostjakischen vorhandenen wortem turkisch&i 
ursprungs nur hochstens zwolf gefunden, ausserdem noch vier 
worter, von welchen eins auch im nordostjakischen belegt ist. 
Nicht viel grosser ist die zahl der tiirkischen lehnworter in der 
sprache der nordlichen ostjaken, soweit man nach Ahlqvist's 
und HuNFALVY's worterverzeichnissen urteilen kann. Mit dem 
siidostjakischen hat dieser dialekt etwa 16 worter gemeln, aus- 
serdem eins mit dem Jugan-dialekt allein. Allerdings finden sich 
im ostN noch etwa zehn worter, die den iibrigen ostjakischen 
dialekten fremd sind, dieselben sind aber meistens und zwar 
in einer genau entsprechenden form auch im wogulischen be- 
legt und wohl durch die vermittelung der angrenzenden wogu- 
len aufgenommen worden. 

Auf die verschiedenen wortkategorieen verteilen sich diese 
lehnworter folgendermassen. Adjektiva sind es 8 od. 9, verba 
15, die partikeln sind nur durch eine interjektion vertreten, alle 
iibrigen worter sind substantiva. 

Eine betrachtliche zahl kann zu den sog. kulturwortem 
gezahlt werden. Dieselben stellen sich nach sachlichen kate- 
gorien geordnet foigen()«tnassen dart 

Fischerei: iat§m 'zugnetz'. 

Jagd (und krieg): mgttax 'flinte*, tf)r9 (pers.) *schiesspulver*. 

Haustiere: atg.^^ *wallach', ()ix^r *hengst', xon^ (mong.), 
'farse', tnaSek katze, sax^r* *kuh', taj^ 'junges pferd', tdit:9x 
*huhn*, uJcds *ochs\ 

Produkte der landwirtschaft: aryS (russ.) Voggen', imtrui 
*graupe*, xqmiqx *hopfen*, par^anx *erbse', ^atx^n ^riibe'. 

Metalle: pQiodr 'messing'. 

Hausliche einrichtung, hausgerat und anderes, haus- 
industrie: llek 'sieb', iehqn 'teppich aus gras od. schilf, 
X^VX^i^ (auch mong.) *'tabakspfeife', xtf^ (auch mong.) 
'scheere', xomx^/w *metallenes geschirr', hersqn 'trog, 
Jc^0nt9 'wassertrage', Jc^kdr 'korb*, Mp9 'butterfass', puh 
(pers.) *einlegemesser', sqs^i 'weberschiflfchen', serujk 'heu- 



Cber die ttlrkischen lehnwOrter im ostjakischen. 109 



gabel', 89par1k9 'besen', S^m (pers.) *kerze*, ^atjfi 'sense*, 
Raij XWrchen)glocke', l^^p^r (pers.) Tassreif , e^i^k 'kufe*, 
Ket^n 'zaun', (?) ^r 'weberspule*, (?) ter *runder schleif- 
stein*, for^to (pers.) Tenster*, tup^t 'korb', tuS^h 'polster*. 

Verkehrsmittel u. dergl: (pferdegeschirr u. s. w.) diai 
'bauchgurt, sattelriemen', dr^S- Temerstange*, arba wagen*. 
(?) InAr 'satter, fikom 'anspannen*, xqmkd 'peitsche', xqr^vn^ 
'das zusammeribindende (ulmen)h6lz zwischen den schlit- 
tenstandem', pdiqt 'kummetkissen', sUt^x gebiss am zaum*, 
tqwgram *ausspannen*, t98Jc9n *halfterriemen* ; (flussfahrt) 
ilth^n 'seger, k^idk grosses, gew5hnlich gedecktes boot', 
%^m9 'ein gr5sseres boot'. 

Handel: posar (oN < vog.) 'markf, ia.mt^Y^m *bezahlen'. 

Speise, getranke, genussmittel: X9(wi^X *sahne, saure milch', 
xqwdrm^k 'eine speise von hafergraupen, fett und dilnn- 
bier*, pus^ *dunnbier', t^mp^k (pers.) 'tabak'. 

Kleidung: z^wxa (pers.) 'bluse von irgend einem teueren 
stofT, teyaw 'knopf, h98h (pers.) 'tasche*, pnimek (oN< 
vog.) 'holzschuh', sqr^w^k (pers.) stirnbinde von glas- 
perlen', Sd,wkrn4n 'langer wollener rock', (?) sux^ 'zwim', 
(?) toxifn *hosen\ 

VerwandYschaftsverhaltnisse: (?) i^fo *alterer bruder', iqsnA 
*schwager (mann der schwester)'* forKe 'der jiingere* bru- 
der der frau', xigamatax: x. -jig, -pox, -anka, -eva, 'pflege- 
vater, -sohn, -mutter, tochter*, kalym 'brautpreis', p^k^ 
'frauenschwestermann; der lUtere bruder der frau'. 

Staatliche und gesellschaftliche einrichtungen: qt^w 
'pflichtgespann*, 0m 'poststation', iqsdx 'steuer*, xasna 
(oN ? < vog.) 'schatzkammer', x5n Tiirst, kaiser', zu^ 
(oN < vog.) *herr*, tana *zeuge\* 

Kunst (musik): xomas, tomra (saiteninstrumente). 

Mythologie und religion: A%? 'riese', (?) kair) 'sQnde*, 
pqir^X^ *ein gott', s^amat (oN) 'gnade; sQnde* (arab.). 



Bei den nachfolgenden ostjakisch-tQrkischen wortverglei- 
chungen ist auch das wogulische beachtet worden, soweit die 
betr. vvorter auch in dieser sprache belegt sind. Erst nachdem 



no H. Paasonen. 



ich das vergleichende worterverzeichnis (auf einer vieljahrigen 
forschungsreise) niedergeschrieben hatte, bekam ich gelegenheit 
den aufsatz von GtoiiBocz ilber die tiirkischen lehnworter im 
wogulischen (NyK XXVIII) kennen zu lem«i. Mit >Goiib.» 
nach dem wogulischen worte habe ich nachher augedeutet, 
dass dasselbe schon von GtoMBocz mit dem tiirkischen worte 
zusammengestellt worden ist; wenn aber jener verfasser auch 
das ostjakische wort herbeigezogen hat, folgt jene hinweisung 
nach dem tiirkischen worte. Ahnlich habe ich mit Casth., 
HuNF., Ahlq., Munk. nach dem tiirkischen worte bezeichnet, 
dass das vorangehende ostjakische wort zuerst von Castr6k, 
HuNFALVY, Ahlqvist, MunkAcsi in den respektiven ostjakischen 
worterverzeichnissen mit jenem verbunden worden ist. 

Die tiirkischen worter sind, wo nichts anders angegeben 
wird, nach Radloff's (bis jetzt unvoUendetem) worterbuch citiert 
(die abkiirzungen bei den hinweisungen auf die verschiedenen 
tilrkdialekte gleichfalls nach Radloff), die Kasan-tatarischen 
auch nach den spezialworterbiichem von BAlint und Ostrou- 
Mov, bezw. nach meinen eigenen aufzeichnungen. Bei den 
wortem aus dem tobol-dialekt (abgek. „tob."), welcher in den 
meisten fallen die quelle fiir das ostjakische ausmacht, bedeutet 
Gig., dass das betr. wort aus Giganov's worterbuch (GiOBapb 
pocciScKO-TaTapcRifi, St. Petersb. 1804) stammt, welches ich 
sorgfaltig beriicksichtigt habe in den fallen, wo Radloffs wor- 
terbuch auf den tobolische dialekt keine riicksicht nimmt. Auf 
meiner plotzlichen riickreise aus dem ostjakenlande bekam ich 
zufallig auf dem flussdampfer die gelegenheit die meisten von 
den hier behandelten wortern mit einem tataren aus der nahe 
von Tobolsk fliichtig durchzumustem, jene von mir selbst ver- 
zeichneten tobol-tatarischen worter sind in klammem mitgeteilt. 

In bezug auf die schreibung der tiirkischen worter ist zu 
erwahnen, dass ich bei denjenigen tiirkischen wortern, welche 
ich aus eigenem anhoren kenne, die „feinere transskription" 
gebrauche. In der citatschrift habe ich es in iibereinstimmung 
mit den meisten quellen unterlassen die beiden A;-laute zu unter- 
scheiden, obwohl Radloff fiir dieselben verschiedene zeichen 
hat; desgleichen in beiden transskriptionen die beiden Haute. 

Von den abkiirzungen sind ausser den oben erwahnten 
noch folgende besonders zu merken: 



tJber die tfirkischen lehnwOrter im ostjakiscben. ' 1 1 1 

baschk. = EamRHpcBO-pyccRiii cjiosapb. Orenburg 1900. 
KuN. = §ejx Suleiman Efendi's Cagataj-osmanisches worterbuch 

bearbeitet von D:r IgnAz Kunos. 
ol. = der Irtysch-dialekt des ostjakiscben (nach CastrAn, wo 

nicht anders angegeben). 
oJ. = der Jugan-dialekt des ostjakiscben (vgl. oben p. 82). 
oK. = der Konda-dialekt des ostjakiscben (vgl. oben p. 82). 
oS. = die ^Surgutdialekte" (nach Gastrin). 
PAp. = K. PAPAINS ostjak. w5rtersammlung, zusammengestellt 

von MunkAcsi (Deli osztjak szojegyzek, NyK XX = Ugor 

ftizetek 12 sz.). 
Patk. = Patkanov's sudostjak. wSrterverzeichnis, redigiert von 

MunkAcsi (Irtisi-osztjak szojegyzek, NyK XXX). 
VAmb. = VAmb6ry, Cagataische sprachstudien. 
vAq. = Wogulisches worterverzeichniss von August Ahlqvist 

= Mem. de la Soc. Finno-ougr. II. 
Vbkb. = Verbicskij, CjiOBapt ajTaficKaro h ajaAarcKaro napiiiii 

TiopRCBaro flSEisa. Kasan, 1884. 

Uber einige yon den bier vorkommenden turkischen wor- 
tern hat der ausgezeichnete kenner der tiirksprachen, prof. N. 
Katanov mir giitigst aufklarungen gegeben. 



Wdrterverzeiohnis. 

1. oK. ij^t, Patk. ait 'bauchgurt der pferde, sattel- 
riemen'. 

tob. [o/^f], kir. krm. igyl, kir. ail, kom. aul, ail u. s. w. 
id. — MuNK. 

2. oK. axsafdm 'hinken'. 

tOrk. (alle dial.) alfsalf 'hinkend, lahm'. alfsa- 'hinken,. 
lahmen'. 

3. ol. arba Vota, currus' (SchlOzer, Worterregister, nr. 
126) I vF. ^i}rg,p 'lastwagen'. — Gomb. 107. 

kas., kir. etc. arba ,wagen\ 

4. oK. ar^S-por^Xj oJ. ards-iuw-pqf^^ 'kerbe am dicken 
ende der femerstange *2ur befestigung des knotens (aasepTKa), 



112 • H. Paasonen. 



8apy6Ba Ha rohu']^ ofjoCje ajih npHBflsaHifl sasepTSH' {por§x 
'das dickere ende, stammende'), oL arei 'fimmelfaustel' | vAq. 
5r8-jiv 'femerstange', ors-poaruq-koali weidenband, womit die 
femerstange an dem schlitten befestigt ist'. — Gomb. Pdtl. 5. 

tob. kas. krm. ar§$ 'femerstange', kir. arys id. (kir. a <; i). 
— Castr. 

5. Patk. aryi, aroi, ol. oroS 'roggen' | vAq. 5ris, ors id. 
tob. bar. kas. alt* etc. ary& id.; aus dem russ. — Mukk. 

6. oK. ds^p 'das leiden, qual'. 

tob. bar. kas. kir. etc. azap id.; aus dem arab. 

7. oK. ds^tf ol. aaad, Patk. aaad, oJ. dsiit 'ledig, frei (von 
arbeit)'. 

tob. tar. kir. kkir. etc. asat 'frei'; aus dem pers. — Castr. 

8. oK. as§ 'hauer, eckzahn, ejihri'. 

kas. alt. tel. kir. kkir. asu 'eckzahn, augenzahn, hauer, 
backenzahn*, krm., kar. azaw id., ad. azy id., tob. (Gig.) aau-tiB 
'KopeHHue 3y6H\ 

9. oK. qt^a. ol. oda&a, odoia 'wallach' (Castr. ^hengst*") I 
vAq. olyi 'wallach'. — Gomb. 100. 

tob. [ala$a] id.; (bei Radl.) alaSa (kas. krm. osm.) 'wal- 
lach (kas. krm.); ein pferd od. ein anderes lasttier, das an den 
sattel od. packsattel gewohnt ist (osm.)'. — Munk. 

10. oK. qtgm, oJ. odd, oN. ola 'pflichtgespann, vorspann, 
russ. noABOAa, pferde od. ruderer um reisende zu befordem' ; 
vAq. volova id., vL. uli, vK. "^volow, vP. vulu id. (Ethn. V, 
166). — Gomb. 202. 

tob. [olatf] id., kas. kir. ylau 'die gespanne, die von der 
gemeinde od. der krone gegeben werden'; in anderen ttirkdia- 
lekten ulak, ula}", ulau, ula, una, yla^, ylo. 

11. oK. dt§p, ol. odap (lies: bn^) 'held, riese' ( vT. 
'^^Up, glp, vK. '^oUp (Irtisi-osztj. sz6j.) 'held'. — Gomb. 101. 

tob. aUpf wie allgemein in den turksprachen (kas. kir. alt. 
etc.) id. (kas. 'riese'). Nach Radloff und Kunos auch dschag. 
alp 'held, tapfer, mutig, sieger', bei VAmb6ry Cag. Sprachst 



Ober die ttlrkischen lehiiwOrter im ostjakischen. 1 1 3 

begegnet die hochst sonderbare form tdup ('gross, machtig, 
erhaben; held, athlet'). — Castr. 

12. oK. att^t9m, oL, Patk. ottadem 'betrUgen' | vT. 
^gUgte- 'locken (csalogat)*. — Gomb. 102. 

tob. [aito-], Gig. alda- *betrugen, oOMaHUBaTb', allgem. in 
den turksprachen alda-, nach Radl. nur bar. alta-. — Munk. 

13. oK. 4iX^ 'hengst', oN. aixar id. 

kas. kir. alt. tel. etc. aiyyr 'hengst*. Auch tob. (Gig. 
i^^tir). — Ahlq. 

14. oK. qit^tdm 'treiben, antreiben, jagen, rHaxi.', oL, 
Patk. aidadem id. 



tob. kas. kir. tel.* alt. etc. aida- 'treiben, forttreiben, ver- 
treiben'. 

15. oK. qhqr '(russischer) hund mit hangenden ohren' 
(die hunde der* ostjaken haben aufrecht stehende ohren), oN. 
akar 'russischer hund mit langen ohren', ori 'hiindin' ' vN. 
Uk&r, vP. +ogi^, vL. "^gMr 'kleiner haushund, MaJieHLKaa ro- 
cnoACKax co6aRa, vN. +gfn 'windspiel'; bei Reguly: agar, akar 
'kleiner haushund, zimmerhund'. 

Auch im ungarischen: ung. agar 'molossus, vertagus, canis 
venaticus; windhund' (NySz.); 'leporarius' (Schlagli Szojegyz. 
nr. 1471); szekely agar „sovany" (t. i. mint az agar; MTSz.). 
Letzteres erklarte VAmb6ry, Magy. ered. 289 ftir ein ttirkisches 
lehnwort, indem er auf ein kirgisisches igftr hinwies. Mit der 
bemerkung, dass das kirg. wort bei Budagov nicht belegt sei, 
stellte dagegen MunkAcsi Ethnogr. V 73 das ungarische, wie 
auch das wogulisch-ostjakische wort mit osset. igar, yegar^ 
'jagdhund (windhund?)', avar. eger (genit. agril) 'jagdhund' zu- 
sammen. Gombocz seinerseits betrachtet (NyK XXVIII 151) 
das wog.-ostj. wort als lehnwort aus dem tiirkischen, indem er 
auf folgende durch Radloff belegte tiirkworter hinweist: bar. 
igftr jagdhund', tel. Ikry^x 'jagdhund, hiihnerhund' [auch bei 
Vctbitzkij: eger (wohl dgdr zu lesen) 'hund, co5aKa']. Zuletzt 



* Von HCbschmann, Etym. u. lautl. d. osset. sprache 125 als 
lehnwort bezeichnet. 



114 H. Paasonbn. 



hat MunkAcsi das wort in Arja es kaukazusi elemek a iinn- 
magyar nyelvekben I (Budapest 1901), nr. 2 behandelt, wo er 
seine friihere ansicht gegen Gk)MBocz aufrechthalt mit der be- 
merkung, dass weder das ungar. noch das wog.-ostj. wort mit 
den tiirkischen unmitteibar verbunden werden kann, „teils weiJ 
die lautform wesentlich abweicht, teils weil die beriihrung 
der altaischen teleut-tatarischen sprache mit dem wogulisch- 
ostjakischen bisher nicht erwiesen ist". Dagegen ist einzuwen- 
den, dass ja das wort auch im Baraba-'diaiekte (nicht all- 
zuweit von dem gebiete der ostjaken) belegt ist: igSr, alierdings 
mit i, aber es lasst sich gut eine (altere?) nebenform mit & an- 
nehmen in anbetracht dessen, dass das wort im teleutischen 
B,i\lkr lautet und der Baraba-dialekt in seinem vokalismus im 
allgemeinen ganz zu dem teleutischen stimmt (sieh Radloff, 
Phon. 8). Mit einer solchen tiirkischen form *igSr deckt 
sich aber wenigstens oK. qk^r (wie offenbar auch oN. akar) 
in lautlicher beziehung voUkommen. 

Besonders in bezug auf ung. agar verdient es beachtung, 
dass sich das vielumstrittene wort auch im tschuwaschischen 
findet: (Anatri-dialekt im kreis Buguruslan, gouv. Samara, nach 
meinen aufzeichnungen) aear 'hund von kraftigem korperbau, 
die schnauze stumpf, nicht spitzig wie die des nissischen wind- 
hundes (5op3aa cofiaKa) ; nicht besonders schnell im laufen, aber 
so stark, dass er den wolf bewaltigen kann; die rasse jetzt 
ausgestorben* (das wort kommt auch in meinen folkloristischen 
aufzeichnungen vor). 

16. Patk. &rda, erda 'lieb, geschatzt*, a.-ne'q, mosta-nei] 
*lieblingsfrau\ 

VgL alt. arda 'liebes kind', ardak 'Htra'. — Munk. 

17. oK. a07n9j ol. adam, Patk. adam *mensch* j vT. 
atdniy ^ditdm, vK. ^ogtim, ^odtem, vML. ^o^tim, vN. '^atim 
'mensch; volk'; vAq. atym 'volk; welt'. — Gomb. 12. 

tiirk. (auch tob.) adam, ad&m 'mensch*; kas. adam id. 
(arab.). — Castr. 

18. oK. es^pidm, Patk. esaptem Versuchen, proben', oK. 
^^p: es^'p9tn(d) dnU^m 'ist nicht zu merken* | vT. is&p^ 
'statt', ^sdp-tel 'ausserordentlich', vAq. esep 'gedanke, meinung; 



Cber die tQrkischen lehnwOrter im ostjakischen. 115 

wert', eseplam Verstehen, aufmerken; schatzen, fUr etwas hal- 
ten, vergleichen*. — Gomb. 24. 

kas., kir. isdp 'das zShlen, die berechnung; gedanke, sinn\ 
kas. isdpla- 'zahlen, berechnen; nachdenken*, auch tob. [isdpj 
isdpld-], (Gig. ziB&p *qHCJio*), tel. kys. ftsftp *meinung; rechnung, 
zahr, osm. hisab 'action de calculer, calcul, compte' (Zenk. 
387 a); aus dem arab. — Munk. 

19. oK. e$^n9m Vertrauen, sich verlassen' | vK. asenti, 
oHnti 'hoffen', vP. dienti id., vAq. (vK.) adintam Matth. 21: 
22^ Marc. 10: 24, afentam 'zuversichtlich sein, sich verlassen, 
sich vertrauen, hoffen'. 

kas. §iaw- 'giauben, zutrauen haben', dschag. kom. OT. 
id., ujg. iftto- 'zutrauen haben, vertrauen' („vielleicht ist auch 
yfam- zu lesen" Radl.). Nach meinen aufzeichnungen im tob. 
9zdn', wie nach mitteilung von prof. Katanov auch im Baraba- 
dialekte. 

20. oJ. Uh, oS. idek 'sieb' ; vK. ^eUx, vML. -^Slek, vAq. 
ealyx id., dar-'Ilex, -ilex 'sieb aus pferdehaar'. — Gomb. 13. 

tob. bar. kas. ildh 'sieb', schor. leb. kom. etc. MSk id., 
alt elek (Verb.), kir. elek (Orenb. wbuch) id. 

21. oK. in^r, ol. inar, Patk. inar, oJ. tn^r 'sattel' j vN.- 
indr 'sattel'. 

bar. yar, kas. ijdr, djdr, tar. SgSr, schor. kiiar. azftr, sag. 
kojb. ktsch. ezSr, sag. izftr, tel. alt. leb. ar, kir. er, ifir, krm. 
ad. kom. 9j^> azerb. j&hSr, ujg. eder (Budag. I, 216), jak. 
yqyr, tschuw. lAer (NyK III, 402) 'sattel', tel. iiilrga 'sattel- 
decke'. 

GoMBocz nr. 51 bemerkt zu dem wogulischen worte, dass 
dasselbe, „wie der nasal zeigt", wahrscheinlich aus dem tschu- 
waschischen entlehnt sei; in MunkAcsi's texten steht jedoch 
sowohl I 45, auf welche stelle G. hinweist, als auch II 316 
inar zu lesen. Es ist moglich, dass das wog.-ostjak. wort zu- 
nfichst aus dem syrjanischen stammt: syrj. onyr, onir, votj. 
e^r (Kas.). eAdr (Sar.) 'sattel', 

22. oK. Is^r, oL, Pair, isar 'dumm' | vAq. osser 'faul, 
trage'. 



ii6 H. Paasonen. 



tur. isSr 'dumm\ Tara, kur. i^b: id., kir. esSr *dumm, 
leichtsinnig, albem*, tob. [iidr] id. — Munk. 

23. oK. idm ,das dorf Demjanskoje am Irtysch*, Patk. 
jam-yo& *name einer alten ostjak. erdfestung, 2 werst ndrdlich 
von den Winter-Puschta jurten, am rechten ufer des EbytU 
flusses*, oJ. jdm-ivai *das dorf Samarovo', oN. jam 'poststation; 
das kirchdorf Samarovo*. 

ujg. jam 'poststation' (osm. dschag. *die postpferde*). — 
Auch im russischen in derselben bedeutung, sieh Dalj, Wbuch. 

24. oK. ias^x '^i^ abgaben an die krone* vAq. jSsox 
'steuer in pelzwerk; steuer od. abgabe liberh.' 

tob. jasa^ (auch. Gig.), kas. dschag. jasa^ *tribut, abga- 
ben', vgl. mong. 3asak 'gesetz, verordnung' (Budag. n, 329). 

25. oK. ias^i9m 'einen zu etwas veranlassen, notigen* 
vAq. joselam 'notigen, zwingen'. 

tob. (Gig.) jasa^ ('cosHjiaTB, expoHTb'), tar. kas. kkir. etc. 
jasa-j alt. tel. etc. jaza- 'machen, schaffen, verfertigen', kas. 
jasaU 'befehlen zu machen, auszufiihren', ait. jazat- id. 

26. oK. iat9m, ol. jadam, Patk. jadam, jedam 'grosses 

A 

zugnetz, HeBOjit' | vK. vT. ygUm 'fischergarn (gyalom), vT. 
"^eUm 'netz', vAq. Sllim 'grosses zugnetz od. schleppnetz'. 

tob. [jdlam] (Gig. tJUMt) 'zugnetz, HCBOAt', nach Radl. 
tob. bar. tiim. jylym 'ein grosses netz, 6oJiBmo& hbboa'b', baschk. 
jylym id. — Castr. Vergl. oben p. 105. 

27. oK. i^, Patk. ja 'nun, nun wohl, ei!', oN. (Hunf.) 
ja „megsz61it6 szocska" | vN. ja 'nun', ja-ti 'no lam'. 

alt. kas. kom. etc. ja 'nun, nun wohl! doch!, alt. tel. ja 
'nun, ja, so'. 

28. oK. iaia, ol. J5ja, Patk. j^ja, jai, oJ. ieft, oN. jai 

A A 

'alterer bruder; vatersbruder'. 

Vgl. alt. jaja (abak.) '(altere) schwester; vatersschwe- 
ster; stiefmutter' (Verb.). — Ahnlicher bedeutungswechsel liegt 
vor z. b. im tat. kir. tel. etc. aj'a, krm. aka, alt. akky 'alterer 
bruder', tschuw. akka 'altere schwester'; kas. sdfpl 'jiingere 
schwester', tschuw. Sdlla 'jiingerer bruder'; mordE. jcUaks 'jun- 



tTber die tQrkischen lehnwOrter im ostjakischen. 117 

gerer bruder; (mundartl.) jungere schwester'. In ahnlichen 
verwandtschaftsnamen kann jedoch die ahnlichkeit auch zu- 
fallig sein. 

29. oK. i^pul 'pferdedecke', 0pult9m 'bedecken'. Vgl. 
vAq. npyx 'pferdedecke'. 

tob. jap', pras. jabaimn, kas. alt. tar. etc. jap- 'decken, 
bedecken', dschag. japil- 'bedeckt sein\ tar. jepil- id., kas. alt. 
etc. jab^U 'zugemacht od. zugedeckt sein', tob. (Gig.) jabul- 
saoHpaTbca', alt. tel. jabylty Verdeck, iiberdachung', alt. (Verb.) 
jabylyy, id., dschag. japok (VAmb.) 'pferdedecke, decke', kas. 
alt. tel. kkir. jabyk 'geschlossen, verdeckt (kas.); verdeckt (tel.); 
der filz zum zudecken des rauchloches', tob. (Gig.) jabuv 'dek- 
kel (RpuniRa)', kas. kom. jabmy 'bedeckt, mit einem deckel 
versehen'. 

30. oK. if^p9$it9m 'sich anklammern, sich anhangen' ' 
vAq. japystam ^sich nahem, hinzutreten'. 

tob. [jab^$-], kas. bar. jab§§- 'ankleben (intr.), sich anhan- 
gen, anfassen', krm. osm. japylh id. 

31. oK. iQrmQy Patk. jarma 'graupe, gerstengriitze, Kpyna', 
vAq. jonna, jorm, jorym 'griitze, graupen', vT. ^kuca-j^rmq 

'grober gries'. — Gomb. 65. 

tob. kas. dschag. janna 'grlitze, gerstengriitze', kir. Jarma 
id. (Orenb. Wb.). Ein verschiedenes wort ist tat. arpa, mong. 
arbai 'gerste', welche MunkAcsi auch vergleicht. 

32. oN. jebaiji, jobaAJi 'filz'. 

tob. jabjnicy (Radl.) 'decke\ (Gig. jiOyHue 'enaHHa, njiau^t'), 
bar. iab3m3y, leb. kmd. jabjniSy id., dschag. jabTm6y 'winter- 
kleid der frauen in Chiva'. Auch im russischen: enaHqa. — 
Ahlqv. 

33. oK. i^kan, ol. jegan, Patk. jogan, oJ. iqki, oS. jeki, 
oN. jikan 'schUfmatte, teppich aus gras od. schilF ' vN. jakan 
binsenmatte', j.-pum 'binse'. 

dschag. j&gftn, (VAmb.) jik&n 'art binsen, die zur herstel- 
lung von matten gebraucht wird; die aus diesen binsen herge- 
stellten matten', kas. jik&n (BAl.) 'binse', alt. jeken (Verb.) 
'matte (poroaa)'. — Munk. 



ii8 H. Paasonen. 

34. fi^Sam, Patk. Jef)eieiu 'zanken, streiten'. 

tob, {j^fpS-], kas. jiipS- 'streiten'. alt. tel. i&Tie^ "wettei- 
fern, streiten'. — Munk. 

35. oK. i^sn^t ol. jean 
der schwester)'.' 

tob, [jasMfl], Gig, icHs, 
ster, sari. CoJibiuiB', kas. jierU 
jftrnfi id. 

36. oK. isfYs, ol. iirt 
■ frau' , vT, jurS 'schwager', v^ 

als die frau'. 

tob. (Gig.) jnron, id., t 
und die schwester der frau'; 
ji^u 'bruder der frau', jurho, 
— Comb. Pdtl. I. 

37. oK. I'jfom, ol,, Pati 
'sattein', vp. ''jekHi 'anschirr 
spannen'. — Gomb. 49. 

tob. \J9lc-\ Gig. 'braiie 
sanparaTb', bar. jik- kas. jilc; 

38. oK. i)fk^n, ol. ,ji 
tere') 'segel'. 

tob. jilgKn (Raol.) 'segel 
p;cii), osm., dsch^. jSUcBn id 

39. oK. jox^'ajn, ol., I 
(v. leuten)'. 

tob. (Gig.) jnkal- 'verloi 
lieren, xepaTb', aber jngalgan ' 
'verloren gehen, untergeheti'. 
dschag., OT. jokal- 'zu gru 
dschag. OT. jokat- Verlieren', 

40. oK. (Path.) xqsmal 
'pflegetochter', x.-jig 'pflegevat' 

kas. kyjamatlyk : k. ata 
k. ana 'brautmutter, noca»eHHi 



Ober die tfirkischen lehnwOrter im ostjal 

kyjamatlyk 'nocaseHHax unTh' (k^amatdy id.), 
tschuwaschen, siehe Zolotn. p. 140; bei den 6 
missen (kr. Birsk, gouv. Ufa) kijgm^aSa M 
mqt-a^a 'brautmutter*. Vgl. kas. k^amat, ki 
ad. k^am&t 'die auferstehung der todten am t£ 
gerichts' (Radl.); aus dem arab. — Tat. I ist 
zu t geworden, wonach das doppelte Maut verl 

41. ostK. xqim^x 'sahne; art milchspeise' 
xaimak, was 'feile^ bedeuten soil. Diese sonde 
offenbar dadurch zu erklaren, dass C. die bede 
tes urspriinglich in der schwedischen sprache n 
hat: 'fir = 'eine art milchspeise, stark geronne 
giebt es aber im schwedischen auch ein anc 
deutsch 'feile', und beim tibersetzen ins deutsc 
irrtlimlich in letzterem sinne verstanden. 



tiirk. kaimak (nach Radloff alt. bar. 
tar. dsch. OT. kas. osm. ad. krm.) 'dicke 
sahne; die sahne (von gekochter mich)'. Aucl 
— Castr. 

42. ostK. x^^X^ (folkl.) parallelwort zu 
mein dolmetscher vermutete, dass das wort et 
bedeuten soil; Patk. xamxa 'seidenzeug', oN. 
vN. kamka 'seide' (Hunf., NyK XI 36). 

alt. tel. kir. kkir. kamka 'ein dem atlas a 
sober seidenstofT, krm. kimxa 'damast, seide 
kmnka 'stoff, kattun' (Kunos); aus dem pers. - 

43. oK. xqmlfd^ ol. xomde, Patk. xan 
Jfhml^'lj oS. kamcK,(PAp. Aar-kam&f' riemenpeits( 
xomsi, (Hunf.) homzi 'peitsche' | vN. '♦'x?^^ 
'^kh^msimti 'schlagen'. 

kas. ^mSo (nach Radl. alt. tel. kas. 
'knute, peitsche', tob. (Gig.) KaMii 'njieTt'. — 

44. oK. x^1X^$j ^'- 3LaTi8a, Patk. xaiisa 
kansa, oN. xor^sa, (Hunf.) xoAza, xongza tab; 
qansa 'tabakspfeife'. 

tob. [^ansa]. Gig. kanza id. (TpyfiKa), ( 
tel. tar. sag. kojb. soj. ktsch. bar. kar^za id. 



I20 H. Paasonen. 



mong. /an^a 'tabakspfeife' (vgl. Ramstedt JSFOu. XXI, 2, p. 
30). Auch im samojedischen weit verbreitet (in 4en ostjak.- 
samoj. mundarttn): kan^a, kansa, kaT|Ba etc. ^pfeife'. 

45. oK. xqr^m^ 'das zusammenbindende (ulmen)holz zwi- 
schen den schlittenstandern', x?^^^-i^*X 'ulme, bhs'b'. 

tob., kas. Ifarama 'ulme' (nach B^adl. kas. tob. tel., in der 
letztgen. sprache auch 'die holzbander, mit denen die schlitten- 
laufe befestigt sind'). 

46. oK. xartdx^n 'habicht'; Patk. (oK.) xardagan id., ol. 
xar^agan id. | vN. ^x^rtxev, "^X^^^X^^j vK. ^khorfkhdn 'geier', 
vAq. xortxan 'habicht'. — Dagegen ist vT. ^kharMn 'habicht', 
welches Gombocz 38 fiir ein tiirkisches lehnwort erklart, aus 
dem russ. (EopmyHi 'geier') entiehnt. 

(Nach Verb.) alt. kartaga (alad.), kartyga (abak.) 'habicht, 
geier', (nach Radl.) schor. kartaj^a id., sag. kkir. karty/a 'ha- 
bicht'. In den meisten turksprachen kar6y^a, karfiyj^ai 'habicht' ; 
tob. [^arsdYa]y Gig. karoyga id. (acTpeCt). — Castr. 

Bemerkenswert ist, dass die ostj. und wog. formen dieses 
wortes ahnlich wie meistens die mordwinischen (mM. Tcafddgafij 
mE. kaHagan) auf -n endigen, in den jetzigen turksprachen 
sind solche nicht belegt. 

47. oN. xasna 'schatz, schatzkammer, krone, regierung', 
(HuNF.) xosna 'penztar, zart hely', xosna xot 'tomlocz' | vAq. 
xosna 'schatz', vK. xoanft 'schatzkammer' (Hunf. NyK XI 50). 

kas. Ifozna 'schatzkammer', osm. xazna < arab. xaaine 
(Zenk. 407 b) id. Auch im russischen: Kasea 'schatzkammer; 
krone, regierung'; offenbar ist das ostj. wort von diesem we- 
nigstens beeinflusst, zu merken die bedeutung bei Ahlqvist. — 

GOMB. 41. 

48. oK. x^^H 'volk, leute', Patk. xadox id. | vK. ^hho- 
Uxj vT. "^khgUx, ^Aq. xolox, qolyx id. — Gomb. 31. 

tob. ^aU^ 'volk', ahnlich in vielen turksprachen, siehe 
Kadloff; aus dem arab. 

49. oK. x<Vi'^^^¥ '^1"^ speise von hafergraupen, die 
in butter, fett od. 51 gerostet und mit diinnbier gemischt 
werden'. 



Ober die tarkischen lehnwOrter im ostjakiscben. 12 1 

tob. [^rmaS] ^OBCAHafl Rpyna Cb mojokom'b", dschag. 
kavurmaj 'gedonter weizen, ger5stetes', knrmsj 'gerosteter 
mais' (KuNOs), ost-tiirk. (nach Schaw) katinna6 'gerosteter wei- 
zen od. gerostete gerste\ alt. kanna6 'spyna HSi noAsapeHHaro 
fliDfena' (Verb.). Ableitungsform von dem verbum kaur- (bar., 
ad. ost-t, nach Radl.) 'rosten, braten', alt. kaar- (Verb.) 'aa- 
pHTb (Ha Macji'b)\ 

50. oK. x^^j ol- ^taiga 'scheere'. 

tob. [ioic^] (auch nach Radl.), (Gig. Kafiue) id.; (nach 
Radl.) alt. tel. kas. kai6y, leb. kaioy id., bar. ktiar. kai3y (auch 
im mong.). — Castr. 

51. ol. xomas» Path, xomys, xumys Violine, saiten- 
instrument'. 

tob. (Gig.) kiimyz id. (CKpBiiHU.a), kas. kubyz id., alt tel. 
etc. komys 'musikinstrument'. — Munk. 

52. oK. xomxCm 'metallenes 'geschirr', Ic^'UJ^'qx^'l^'dtd' 

Xomx4'^ 'waschkanne'. 

< < 

tob. [^mfpan], Gig. kumgan 'waschkanne, pyKOMoSHHEt', 
kas. ^9mYa,n id., tar. kom^n id., kir. kumgan (Budog. II, 93), 
dschag. komj'an 'krug' (Kunos); aus dem arab. * 

53. oK. x^'^^Xj oI. xondak, Patk. xondak 'hopfen' I vT. 
^Jchumlqx, vAq. qumlyx, qomlyx id. — Gomb. 45. 

kas. qolma^q, (BAl.) kulmak, kumlak, kolmak 'hopfen', 
alt. kumdak, kymsmak id., schor. kymnak 'die hopfenkopfe', 
tob. kynnak 'hopfen'. — Munk. — Im vergleich mit dem wo- 
gul. worte ist wahrscheinlich fiir das ostj. wort eine tiirkische 
grundform mit -mZ- anzunehmen. 

54. oK. xow, ol. xon, Patk. xon, xan, oJ. kdn, oS. kan, 

< 

oN. xan, xon 'kaiser, ftirst' | vN. +x<?^? vAq. xan, xon id. 

tob. schor. sag. kojb. ktsch. kiiar. kir. kkir. kas. kom. kan, 
tel. leb. alt. kan, ujg. ka/an 'furst, chan' (Radl.); vergl. mong. 
Jfa^cin, Ifan id. — Castr. 

55. oK. X9^<^j ol. xona3a Tarse, junge kuh; rentier- od. 
elentierfarse, HeTe.ab'. 



122 H. Paasonen. 



dschag. konajyn 'zweijahriges fallen od. kalb, kuhkalb' 
(KuNOs), kir. kunagyii : k. bojtal 'zweijahrige stute (so6ajia Ch 
3 BecHH)', k, syjyr 'zweijahrige kuh', k, 5gfiz 'zweijahriger 
ochs', (BuDAG. II, 95) konanis 'der ochs im dritten jahre', vgl. 
dschag. konan (/onan), kirg. kunan 'zwei- bis dreijahriges ful- 
len, mong. Y'^nan 'dreijahrig' (mask.), x'^'^^^ i^- (fem.X 
Schmidt 202. 

56. oN. xoraxsi, xoraksi Yauber', (Hunf.) xorazs id. 
vN. "^x^r^x^i vK. (Hunf.) xorox& id. — Das ostj. wort wahr- 
scheinlich aus dem wogulischen entlehnt. 

tob. (Gig.) Bapani^'b id. (pa36ofiHHBi>), kas. tel. ujg. karakiy 
Tauber, dieb' (Radl.), dschag. karakfiy id. (Kunos). — Gomb. 35. 

57. oK. x^^^C^^f Patk. xoran 'stall, viehstall'. 

< 

Vgl. dschag. ktlr&n 'cercle forme par une armee, qui 
enceint quelque chose' (Barbier-de-Meynard); mong. xdra 'um- 
gebung, umzaunung; kreis; feldlager' (Schmidt); tob. kura 'ein- 
hegung ftir das vieh, viehhof , misch.-tat. (gouv. N.-Novg.) ipora 
id., dschag. kumk 'garten' (Kunos), kora 'stall, zaun, obdach' 
(VAmb.), osm. koru 'park, geschiitzter wald' (Radl.); (nach 
Zenker]^ 'jagdgehege'. ^ 

58. oN. kalym (Obd.) 'brautpreis'. 

tob. kas. ^al^, sag. kojb. kas. kalym, alt. tel. kir. etc. 
kalyri 'das kaufgeld fiir die braut'. 

59. oK. kffidk, ol. (Zingal. jurty) kpjdkj Patk. kaik 'gros- 
ses, gevvohnlich gedecktes boot'. 

kas. alt. tub. kir. krm. osm. kjgyk 'boot; ruder'. — Munk. 

oJ. k^i^Jc ist jedenfalls aus dem russischen entlehnt: niss. 

KaiOKl. 

60. oK. k^h 'grind auf dem kopf, aeJiyAH Ha rojOBt', 
oL, Patk. kak 'kratze, raude, grind', oN. kak 'raude, kratze'. 

kas. kauk 'schinnen auf dem kopfe, kleine hautstucke, 
die sich von der haut ablosen' (Radl.), baschk. kauak id. (nepxoTb 
Ha rojroBt)', alt. kok 'schinnen (auf dem kopf), grind, schorf 
(Radl. und Verb.). — Munk. 



tFber die ttirkischen lehnwOrter im ostjakischen. 123 

61. oK. h^rk^m, Patk. karkam, oJ. k^rk^m, oN. karkam, 
(HuNF.) kaigam 'flink, hurtig, 6ofiBift', \ vN. ^karkam 'geschickt', 
(HuNF., Az ejsz. osztj. nyelv p. 34) karkam 'eleven'. 

Vgl. kas. kiirkdm 'ansehnlich, sch6n', tob. (Gig.) kfir- 
k£m (EEopKaiTL) id. (BHAHutt, KpacHBuS, BaSHCTufi), dschag. k5r- 
kSm 'schon, reizend', bar. kir. k5rk5m id. 

Vgl. kom. ujg. dschag. k6rk 'schonheit', kar. L. kSrk id. 
tel. kirk&- 'sich putzen'. 

62. oK. kawrqJc, ol. kavrak, Patk. kavrak 'sprode, locker' 
(Castr. 'schwach, locker, schlafT). 

schor. k&brik 'sprode, zerbrechlich' ; sag. kojb. Mbrak 
'zerbrechlich'. Vgl. alt. tel. k&bir6Sk 'knorpel', osm. kam5rt- 
lik, (Zenk.) kftmirtlik, dschag. k&mirdSk, kas. kimdridk, tob. 
him9rcdk id. 

63. ol. keban, Patk. keban 'heuschober* vT. Ui'p-kdpan 
'getreideschober' . 

tob. tur. kas. kib&n 'schober', bar. kom. kSban id. kir. 
kebin id. — Munk., Gomb. 69. 

64. Patk. kedan 'stall, scheune'. 

Vgl. tar. kir. dschag. kotan (Radl.) 'hiirde, viehstall; (kir.) 
eine umzaunung in der nahe des aules, wo man zur nachtzeit 
die schafe halt', dschag. kutan (Kunos) 'mondhof; weideplatz', 
jakut. xoton 'warmer winterstall; stall', uranch. Ifodan 'einge- 
hegter platz, saropoateHoe Mbcxo' (nach mitteilung von prof. 
Katanov), mong. xotan 'die stadt' (Schmidt). 

65. oK. khrij oL, Patk. kem, oJ. Km, oN. kam, kem 
'ein gewisses mass, eine gewisse quantitat, menge, zeit, art 
u. s. w. (= fi. verta)' | vN. +fcem 'art u. weise, quantitat'. — 
Gomb. 71. 

alt. tel. leb. tar. kSm 'mass, zeit'; jak. kSm id.; osm. 
kem 'combien; la quantite' (Bianchi II, 633; „aus dem arabi- 
schen"); mong. kem 'mass, ziel, termin' (Schmidt 149); burj. 
kem 'mass, zeit' (Castr.), tung. kSm : k.-d!ur, k&mjur 'mass' 
(Castr.). — Munk. 

66. oK. k^rsqn 'trog, Kopaxo', PAp. kersen, ol. korsan 
id. , vAq. kiersyn 'trog', vK. ^kersifi id. (Ug. Fuzet. 12, p. 15). 



124 H. Paasonen. 



dschag. kersen 'eine grosse holzschiissel, geschirr' (Kii- 
Nos), bar. kas. kiri&n 'molde, trog' (Radl.). 

67. oJ. kd-fdn 'knopf, nyroBHua', oN. (Hunf.) kyn 'ing- 
gomb\ kinet 'kapcsolo szalagok a ruha 5sszekapcsolasra' vN. 
+iWln, ^keyn, vP. +ilii, vAq. kiin, kin, kyen 'knopf, Hunf. 
(NyK XI 39) kin, ken, kengn 'gomb gyanant szolgalo zsin^'. 

kas. kiig&i 'thiirangel, RproRi, Ha KOTopuS casanrb Asep- 
HUfl nerjH^ kirg. k5g5n 'ein strick, an dem die jungen lammer 
angebunden werden'. 

68. oK. Tcdiq (folkl.) 'sunde'. 

Vgl. karag. k*i 'siinde' (Gastrin, vgl. Radloff, Phon. 
s. 130); alt. leb. tel. ki 'schlechtigkeit, schandlichkeit, schande. 

69. oK. Icdsq, ol. kesa, kese, (Patk. auch) kese 'tasche* 
vK. +45^ id., vAq. kas, kas id. — Gomb. 70. 

tob. \1cdsa\ Gig. kisa, bar. kiza, kas. Tcdsd id., kir. ki8&, 
krm. k&sa 'beutel, tasche'; aus dem pers. — Munk. 

70. oK. Tc^Qutd 'schulterjoch, wassertrage, KOpOMHCJo', 
ol. kiganda 'wage'; (Patk. aus der Irtysch- und Demjanka- 
mundart) 'schulterjoch, wage', oN. kujan-jux 'tragejoch'. 

tob. [kiljanta], kas. kdjontS (Bal.), kSjSnta (Ostr.), (im 
siidl. teil. d. kr. Spassk, gouv. Kasan) kijd,ndd, mlsch. tat 
Mwdntd 'schulterjoch zum wassertragen'. Nach Radl. tob. t»- 
jdntd- 'auf den schultem tragen'. 

71. oK. k^Tcdr, ol. kugur, oJ. ktiicdr, oS. kukkur 'ein 
runder korb, Kpyrjiaa KyateHKa', oN. (Hunf.) kukari 'kosar?'. 

tel. kir. k5kk5r 'lederflasche, schlauch', tar. k5kur id., sag. 
kojb. soj. kiig&r id., alt. k5k5r (Verb., Anhang) 'kufe aus bir- 
kenrinde (KajiKa HSt Oepecxu)'. 

72. oK. k&m9 'ein grosseres boot' („aepeM'bTHaa jiOAKa"). 

tob. [ii/^wi*] (auch Gig.) 'boot, JioAKa', kas. kimdj (im sudi. 
teil d. kr. Spassk, gouv. Kasan) kimd, (i, gewohnl. = kas. ©» 
siehe Revue Orientale 1902 p. 47), alt. tel. etc. k&ma id. 

73. oK. k^9, ol. kuba, kupa 'butterfass (zum buttem)'. 

dschag. k5pa 'butterfass zum gebrauche fur buttermilch' 
(KuNos), osm. k5pti 'butterfass', baschk. kdbe 'eucoKaa KaAyniBt, 
CA'bjaHHafl HSi TOJcxaro Aynja'. 



Ober die tOrkischen lehnwOrter im ostjakischen. 125 

74. oK. Jcp^'^r, oJ. Tc^^'Tcdr 'gestreiftes eichhdmchen, 
6ypyBAyK'b', ol. kndar, kuiar, oS. kn&er „fliegendes eichhom**, 
oN. Ini&ff, kus-kur 'Sciurus striatus', kufta-voi id. | vN. "^kwoiir 
'gestreiftes eichhom', vAq. koiar 'Sciurus striatus'. 

Vgl. (.^?) alt. iokur (ober-kond.) 'CypyHAj^x (Tamias stria- 
tus)'; (kond.) 'necTpufi, qyfiapHfl' (Verb.). In dem betr. altai- 
dialekt entspricht i dem tiirk. 6 (vgl. z. b. 6ak 'zeit' — kas. 
Ai^ id.), ostj. ^', vog. i aber hat sich aus einem SAaut ent- 
wickelt (vgl. oben p. 95 f.). Es liesse sich vielleicht unter der 
annahme einer metathesis ein zusammenhang zwischen dem 
ostj.-vog. und dem tiirk. worte vermuten. 

75. oN. ko^ 'hausherr, hauswirt' | vN. '^kuidj id. 

kas xo^ 'wirt', osm. xoia 'meister, herr'; aus dem pers. 
— GoMB. 82. Fiir das ostj.-wog. wort liegt wohl die tatar. 
anredeform auf -j zu grunde. 

vAq. kos&in 'hauswirt' dagegen = russ. xoaflHHt. 

76. oK. k^nanty Patk. konem 'einwilligen' | vK. kiinam 
'wiinschen, zugeben (?)' (Matth. 18: 30), vT. ^kunaUem : a k. ti 
^umnil 'ich habe keine ruhe vor dieser krankheit'. 

tob. [kiffi-]. Gig. kdh- 'einwilligen, cor.aacHTbca', kas. kun- 
'mit etwas pinverstanden sein, sich etwas zuneigen', kir. etc. 
kdn- id. 

oJ. iatfhi, oS. ienki, oN. iaT^gi 'eichhorn', siehe t^yka. 

77. oK. mqr^i 'ziel zum schiessen', m. i{wdU^ 'nach dem 
ziele schiessen'. 

tob. (Gig.) mardj (lUipAfi) id. (utJib), kas. mere id., alt. 
m5rdj id. (u'i^Jib, wb BOTopyK) CTptJiAnrB), m. at- 'nach dem 
ziele schiessen' (Verb.). 

Ein verschiedenes wort ist oK., oDemj. mar, mara (Patk.) 
'gewisses mass der lange und zeit (strecke weges, welche ein 
renntier ohne rast durchlaufen kann)', oN. mora 'die strecke 
weges, welche ein renntier ohne rast durchlaufen kann', wel- 
ches MunkAcsi mit dem angefiihrten tiirk. worte verbindet. 
Dasselbe lautet im oK. m^r und hat urspriinglich die bedeutung 
'atem' ; z. b. m^rem an iqx^t 'ich bin ausser atem (eig. mein 
atem kommt nicht)', vgl. vK. ^rngpr 'atem'. 



126 H. Paasonen. 



78. Patk. margan 'jager'; m.-kSt 'meisterhand'. 

tob. (Gig.) mirgftn (veprHH^) 'schutze (CTp'kieu'b)', dschag. 
mergen 'schtitze' (Kunos), alt. mergen 'schtitze; starker mensch; 
gewandt, CTptjiOR'b; CHJiaTb; jfOBsiS' (Verb.); vgl. mong. mer- 
gen 'treffend' (vgl. Ramstedt JSFOu XXI, 2, p. 37). — Munk. 

79. PAp. mator, (Vas-Jugan) matar 'held, 6oraTHpi>\ 

kas. batar id., alt. (ab.) matyr 'unerschrocken, kuhn, 
CMtjiiiff, HeycTpamHHuff'. 

80. oK. mqttax, ol. mattax, Patk. mattax 'flinte, gewehr' 
vT. ^molUxt ^mgUgx 'waffe'. 

tob. [7ndlt§^], Gig. hojitsiri, My.iTUR'b id. (py»be, <j[»y3efl), 
kas. m§lt9^, alt. myltyk, multyk, multnk id. (Verb.). — Bei 
Castr. und Munk. zeigt das tiirk. wort die unrichtige form 
maltak. 

81. oK. maSdk, ol. mdiek, (Zingal. jurty) meSek, Patk. 
my&ek, my&ek 'katze' | vK. '^mdSiXf vT. ^miSdXf '^micdx, vAq. 
mSisix, mUyx id. — Gk>icB. 86. 

tob. (Gig.) miftfik 'katze (BomKa)', dschag. mi&ik *katze' 
(VAmb.), miLiek, myiyk, bildk id. (Kunos), kir. myayk id. (kir. 
B < 6). — Munk. 

82. oK. moxs9rf, oJ. rng^r), oN. muxsat), muKset) 'Co- 
regonus moksun' vN. ^moxsSr)y ^moxsun id., vP. "^rmiksen id. 

Vgl. jak. muksun varietas Salmonis eperlani, osm. muk- 
Bun id. — Munk. Ethn. IV 182. 

83. ostK. mux^t 'heuschober, Koima' , vT. vK. '^mgx^i^ 
vP. ^mgJchwilj vAq.'moqol id. (vgl. MunkAcsi, NyK XXXII 
286, 287). 

tob. mogol (Gig., Budag. I: 284, II: 264) id. (Konea), kas. 
bogol 'CTOPB ctHa' (OsTR.), jak. bugnl 'heuschober', alt. pogol, 
pul id. (Verb.), mong. buxrQ 'ein haufen heu, heuschober* 
(Schmidt), burj. bukul, buxol, boxol 'heuschober, heuhaufen' 
(Castr.). 

84. oN. omal (Hunf.) 'eszkoz, csuda'; omalyt) (Ahlqv.) 
'erstaunlich, sonderbar' vK. amel 'm(>d, kep; dolog; tehetseg. 



Gber die ttlrkischen lehnwOrter im ostjakischen. 127 



bolcseseg, csuda' (riuNF.); (vAq.) 'wunder, gleichnis, weisheit, 
schlauheit; weise'; vgl. welter Gk>MBocz 5. 

kir. kkir. amal 'mittel; list\ osm. ad. amfil Wbeit, hand- 
lung\ kas. bar. tar. krm. ad. fimSl 'angelegenheit; mittel; list, 
schlauheit; geschicklichkeit' ; aus dem arab. — Hunf. 

ol. oroi 'roggen', siehe aryS. 

85. oK. pii, ol. poi, Patk. pai 'reich' | vK. vML. "^poj 
'reich', vK. ^nghti-pojii 'sich bereichem', vT. ^nwg-pqjtaptapU 
'bereichem'. — Gomb. 121. 

tob. [ftafl, kas. kir. etc. haj Veich'. 

86. oK. pair^x^'d 'einer von den „himmlischen gottem", 
dem obergott Sffghdntkohsi an rang', Patk. (oK.) pairaxia, 
pairax&a 'name des sohnes des Turym, den die christlichen 
ostjaken fiir Jesus Christus ansehen' | vK. ^pqjrixi, ^pojrSi 
(SziL.), ^polrdxia (Irtisi-osztj. szoj.), vAq. poiryxi 'herr'. 

tob. (Gig.) Ciiopryue 'gebieter, npHRaaaTCJib', 6iK)p- 'gebie- 
ten, upHKasuBaTb', kas. bojorgwi^ 'gebieter', hojore^ 'befehl, 
gebot', bQJGr- 'befehlen', kir. btijto- id., alt. pigur- id. 

87. Patk. par^anx 'erbse' | vAq. pur^ex, pur^aq, por^ex 
id. — Gomb. 136. 

tob. (Gig.) bnrcak id., ropoxt, kas. h9r6ajf id., kir. bur- 
&aq id. — Munk! 

88. oK. pa§m4x 'spannstrick fiir pferde, nyxu', Patk. 
ba&mak 'schuh', oN. po&mek 'faczip6' (Hunf.). | vN. ^pgtimdJc, 
vK. ^posmSxy vAq. poimax, poimaq 'schuh'. — GtoMB. 130. 

kas. baSnui^ 'schuh', osm. ba&mak 'sandale, pantofTel'. — 
Wegen der abweichenden bedeutung unsicher, ob oK. pq§rn4x 
mit den iibrigen w6rtern identisch ist. 

89. oJ. pawdr ipawdr-wh^"^ 'messing', 
tob. kas. etc. bal^ id. 

90. oK. pqik9 'einlegemesser, taschenmesser; rasiermes- 
ser', Patk. paid, pagi 'kleines messer, rasiermesser' vAq. poak» 
poakVy poakna 'rasiermesser'. 

tob. Ijwiia], Gig. naK-fc 'rasiermesser, (JpHxea', kas. pSk3 
'einlegemesser' (BAl. 'messer', Ostr. 'kleines messer'), kir. btei 



128 H. Paasonen. 



id., baschk. bfike, p&ke Tedermesser', dschag. paky Vasiermes- 
ser' (VAjib.), paku 'scheermesser' (Kunos). — Vgl. pers. p5ki 
'novacula' (Vullers). 

91. oK. p^^'4y ^L P^fif'** pada 'schwager (frauenschwe- 
stermann; der altere bruder der frau)' ' vK. +p5< 'schwager', 
(Ahlqv.) 'der mann von der schwester der frau'. — Gomb. 128. 

tob. [paid] 'bruder der frau, cboaki', kas. ba^a 'mann der 
frauenschwester (BAl.); CBOAirb (Ostr.)', ostt baja 'schwager 
<Zenk. 158, i), kojb. paga 'schwager' (Castiu6n-Katanov). — 
MunkAcsi verweist wegen der scheinbaren genauen lautlichen 
iibereinstimmung auf minus.-tat. pada 'schwager'. 

92. oK. pei^t 'kummetkissen, kummetunterlage, xoiijTHHa*. 
tob. [mUjdt] id., kas. bsjdjt id. 

93. oN. (HuNF.) pogator 'herr, gewaltthatig (lir, er5sza- 
kos)' I vN. (HuNF.) pogator; p. lu 'taltos 16'. 

alt. pagatyr '(5oraTupb, repoft' (Verb.). Mongol. 

94. oN. posar 'markt', (Hunf.) posar id. | vAq. poser id. 
tiirk. bazar id.; aus dem pers. 

95. oK. pbS 'leer', pb§^9m 'leeren', Patk. poh 'leer, frei' 
vT. ^(HrJpoSate 'ausleeren'. — Ck>MB. 129. 

tob. (auch Gig.) btcS 'leer, nycTofl', (Gig. auch) boft id., 
uoposHiff, npocTyff, kas. bu9 'leer, unbesetzt, frei', buSaU 'lee- 
ren, befreien', alt. po6 id. — Munk. 

96. oK. pus^ 'halbbier, 6para', ol. pnsa, Patk. puasa 
'ostjak. bier' vN. ^piisa^ vUL. ^pusa, vK. ^pose, (Irtisi-osztj. 
szqj.) possa 'eine art dickes bier'. — Gomb. 137. 

tob. (auch Gig.) buza 'halbbier, 6para', kas. bma id., kir. 
boEa id., alt. posa, poao id.; auch osm., dschag. — Castr. 

97. oK. sqit^Y^ni 'bewirten'. 

tob. (Gig.) syjla^ id. (yromaxB), kas. kir. alt. ssjla- id. 

98. oK. sax 'niichtem (nicht betrunken)'; sdx-P^t^p 'der 
ein scharfes geh6r hat', Patk. pet(et)-8ax 'weithoriV; v^. ol. 
sin, sawen 'niichtem' , vML. ^sal 'niichtem', '^sdhtCj vP. ^sdin 
(adv.) id., vAq. saina 'niichtem'. 



'Cher die tOrkischen lehnwOrter im ostjakischen. 129 

kas. sa/p Vorsichtig; vorsicht, behutsamkeit, ocToposHufi, 
^TKifi, TpesBeHBufi (0 muoih)', kir. sak Vorsichtig, behutsam^ 
(BuDAG. auch) 'scharfes gehor, feiner geruch, vorsicht', alt. sak 

'xpeSBUfi, BHHMaTejIbHUfl; qyTBOCXb, OCTOpOSHOCTE; TpeSBOCTb; 

BHHiiaHie^ say 'xpesBuB', kojb.-kar. sak 'niichtem', tob. (Gig.) 
sav 'Tpe3Bufi\ sakly 'ocxopoacHOCXb'. 

99. oK. sqx^j ol,, Patk. sagar 'kuh' [ vNL. ^sdlr, Uah, 
vP. ^sffir, vK. v^. +5g5jpr, vK. ^sgur, vAq. sayr, sauyr, iouyr 
id. — Gome. 155. 

tob. [$9pr], Gig. auch sygyr id., kas. alt. Sdpr id., kir. 
mjjr id., osm. sygyr 'ochs'. — Merkwiirdiger weise halt Bu- 
DENz MUSz. nr. 362 das ostj. wort fiir genuin, obgleich schon 
Castr^n auf das tat. wort nebst ostj.-sam. sygar id. hinweist. 
Ganz zu trennen ist ostN. liagyr 'weideplatz', welches Budenz 
a. a. o. mit dem sQdostjak. worte identifizieren mochte. 



100. oK. sqr^Wf}If\ Patk. (oK.) saravai, PAp. (oK.) sara- 
va£ 'kopf- Oder stirnbinde aus glasperlen bei den ostjakischen 
madchen und frauen'. 

tob. (Gig.) capayi;'b, capayi;* 'stirnbinde (Hajio6BHK'B, no- 
Bfl3Ka roJiOBHafl)\ — Vgl. pers. saraga6 'genus ornamenti capi- 
tis mulierum' (Vullers). — Minus.-tat. surbfts 'haarflechte der 
madchen' [vgl. alt. fiurmei, 6tinne6, siirme^, 6tirme6 id. Verb.], 
mit welchem MunkAcsi das ostj. wort vergleicht, gehort nicht 
hieher. 

101. oK. scis^i 'weberschiffchen' | vAq. sysa, id. — 
Gome. 151. 

Vgl. kas. sosa.j susa id., mit welchem perm, susaj votj. 
suso id. tscher. Svia id. zusammenhangen. Das tatarische wort 
steht auf turkischem boden isoliert da; irgendwie durfte jedoch 
tschuw. (anatri-dialekt) dza 'weberschiffchen' verwandt sein, 
obwohl das lautliche verhaltnis unerklart bleibt. 

102. oK. s^p, ol., Patk. sap, oJ. s^p, PAp. (am oberen 
Ob) sap 'bach, nej^enfluss, HCXOEt'. 

kojb. sep 'nebenfluss'. — Castr. 

103. oK. s^^ky ol. senak 'heugabel'. 

4 



I30 H. Paasonbn. 



tob. [cana^]y (Gig.) sindk (chhari) id. (bhju), kas. sdncUc 
id. — MuNK. 

104. oK. Sdp9rk9, ol. seberga, Patk. seberga, (oK.) se- 
perga 'besen' | vAq. siper 'besen; egge', sipertam 'eggen', 
vK. ^sSpertiy vP. ^sipirti 'eggen'. — Gomb. 150. 

tob. [s9bdrJc9]y Gig. sibirtka id. (neiJia), kas. S9h9rlc9 id., 
kir. sybyrtlcy id,, alt. (abak.) syhyrlca 'BtHHKi' (Verb.). — 
Castr. 

105. oK. s9S9m 'seihen, durchseihen, filtrieren' | vAq. sysam 
'abseihen'. 

tob. (auch Gig.) sdz-, kas. sez-j kir. sfla- id. 

106. oK. sejwTcmqn^ oJ. S9jwkmqn 'ein langer wollener 
rock, grobes tuch; cepuflacHHa', oN. sukman 'dickes graues 
tuch^ I vAq. suxmen, suzmen-touT 'dickes graues tuch\ 

tob. (Gig.) sfikm&n (CH)R1IAH^) 'langer rock aus grobem 
tuch, cepH4ira*; daneben oikm&n 'cyKHO, Ba(|^TaH^\ kas. Sikmdn 
'kaftan aus tuch\ alt. fiekmen, fiekpen 'tuch, cyKHo', (ab.) sik- 
pen id., dschag. fiekmen 'ein weites winterkleid' (VAmb.), regen- 
mantel' (Kunos). — Ahlq. 

107. oN. s^jamat, silovat 'gefalligkeit, gnade', (Hunf.) 
Bilovat 'siinde (b^n)', silovat jim verta 'magat kimenteni'. 

kir. salauat (Orenb. wbuch) 'amnestic; vergleichung (aa- 
HUCTifl; ocraBJieHie esaHBiHuxx HeyAOBOJibCTBifi h paacqeTOBi), 
osm. selamet 'heil, wohlfart'; vgl. kas. salawai-lciipdrd 'regen- 
bogen, eig. segensbriicke' ; aus dem arab. 

108. oK. sux^f ol. sugom, Patk. sugom, sogym, oJ. 
sUwm, oN. auyym, su/om 'zwirn'. 

Vgl. alt. (ober-kond.) ftogum 'TOHKaa njiacTHHKa H3'b npjra 
HJiH ApeeecHaro KopHs AJm coiBfiaHiii GypaKoex, kjsobkob^ h. np. 
(eine diinne spleisse von einer gerte oder von baumrinde, mil 
welcher man gefasse und korbe aus baumrinde zusammen- 
naht)' (Verb.); in anderen tiirksprachen nicht belegt. 

Die auffallende iibereinstimmung in form und bedeutung 
kann wohl nicht zufallig sein. In dem betr. altaj-dialekt (,Koe- 
AOMCKoe Haptqie") ist h oft aus einem turk. S entstanden, z. b. 
&ak 'zeit' — kas. Sak, hsk 'haar' — kas. idS, Aeden 'zaun' — 



Ober die tttrkischen lehnwOrter im ostjakischen. 131 

kas. atUn, ostj. s aber vertritt bisweilen (nebst ^') einen urspr. 
^-laut, vgl. z. b. oK. sltv9s, oJ. sttves 'fischadler', oN. syus 'ad- 
ler' — syrj. tttktSi 'm5we', IpN. fiik6a Talco haliaetus'. Bu- 
DENz' zusammenstellung des ostj. wortes mit ung. hoj 'haupt- 
haar', siirj. si id., fi. hius id. (MUSz. nr. 156) ist wenig wahr- 
scheinlich. 

109. PAp. snsar 'Mustela sibirica, rojiohorti'. 

kas. susar, sesaj 'marder\ kir. susar id., alt. suzar 'Mus- 
tela martes' (Verb.). 

1 10. oK. sut^x ' s,-wa% 'gebiss am zaum', ol. saudak 
'zligel'. 

kir. suluk (Orenb. wbuch) 'gebiss am zaum' (yAH.aa), alt. 
(abak.) sugluk (Verb.) id. 

111. oK. iar, ol. ior 'runder schleifstein, to^hjio'. 

tob. (Gig.) car id. (to^hjio), alt. 6ar (auch fiargy), (kond.) 
iar id. (ToqH.ibHua KaMCHb), kir. Sar id. (tohhjio, PyccKO-KHpr. 
CJIOB.; kir. i < 6, vgl. Radloff, Phon. p. 286). 

Anderson, Wandl. 130, nr. 113 verbindet ol. ixar mit fi. 
siera, hiera 'schleifstein', weps. iera id. In anbetracht der ge- 
nauen lautlichen iibereinstimmung mit dem tiirkischen worte 
kann man doch nicht umhin entlehnung anzunehmen {i = tiirk. 
6, vgl. oben p. 95 f., o = tiirk. a, vgl. p. 89). Auffallend ist S 
in oK. Sar, welches jedoch nicht von ol. ior getrennt werden 
kann. Votj. j5er, (Kas.) +^^ 'schleifstein' ist dagegen mit dem 
finnischen worte identisch. 

112. Patk. &ar 'eid, schwur'. 

alt. ftart 'bedingung, abrede, ycaoeie; ein entscheidendes 
wort, ptmHTeJibHoe cjiobo', Sert 'schwur, eid, 6oa6a, KJiaTBa, 
iipHcara', fcert 'eid, npHCura' (Verb.). — MunkAcsi (Irtisi-osztj. 
s2m5j.) verweist auf altruss. mepTb 'schwur', welches auch turk. 
ursprungs ist. 

113. oK. Satx^n, ol. iatxan, Patk. ftatxan 'riibe' | vT. 
^iqOchqn id. — Gomb. 164. 

tob. (auch Gig.) Salyan id., kas. Sali^an id. — Castr. 

114. oK. S^m, ol. 6am 'kerze, licht' , vAq. liam id., vK. 
6am (HuNF. Matth. 5: 15) id. — Gomb. 145. 



132 H. Paasonen. 



tob. (auch Gig.) Mm, kas. Mm id.; aus dem pers. — 
Castr. 

1 15. oK. tdi 'junges pferd', Patk. tai 'fiillen bis zu einem 
jahre, einjahriges fiillen'. 

tob. kas. kir alt. taj{, taj 'ftillen im zweiten jahre'. 

1 16. PAp. tana, t. ku 'zeuge, CBHA*Tejib' (am mittl. Ob) 
vAq. tonnx, tonuq 'zeuge', toniixlam 'zeugnis ablegen'. — 
GOMB. 189. 

tob. (Gig.) tanuk 'zeuge (CBHAtTej»>)', kas. tan^k id. 
dschag. tanuk id. (VAmb.). 

117. oK. tqp§j Patk. tapa 'holzspan, dunnes stuck holz, 
das beim hacken von der oberflache des holzes abspringt', oN. 
topa 'span'. 

tob. (Gig.) tap 'span (luena)', alt. tap, taby id., bascbk. 
tabyk id. — Munk. 

1 18. oK. tqw 'flagge, fahne' (bei der hochzeit im gebrauch). 

tob. (Gig.) tu id. (3uaM«), kir. tuu id. (Orenb. wb.), baschk. 
tuw (Tuy) id., alt. tu id. (Verb.), osm. tuy id. 

1 19. oK. tqwgr9m, ol. towarem 'ausspannen (ein pferd)' 
vP. ^(jel')turH id. '— Gomb. 196. 

tob. (Gig.) tuvar- id. (oTopararb), kas. tuyar', tuwar- id., 
kir. tuar- id. 

120. oK. tawdXj ol. tawax, Patk. taux, tavax 'huhn, 
xi^'to,''ivdx 'hahn', n^^-tawdx 'henne' | vT. "^tgux 'huhn', vAq. 
toqyx, toxox 'huhn; hahn'. — Gomb. 194. 

tob. [taw^]y Gig. TasoK-B 'henne (KypHDia)', kas. taml; 
tawlf id., alt. tat^ak id. (Verb.). — Castr. 

121. oK. tqmpi}Tcj ol. tambak, Patk. tamb&k 'tabak, 
PAp. tambak (oK.), t^mek, tenex (Vas-Jugan) id. | vK. ^tampix 
'schnupftabak (burnot), IV. 291, vAq. tampex id. — Gomb. 180. 

tob. (Gig.) tUmSki id., kas. tdmaka id., baschk. tftmfike 
id., alt. tamky, temkii id. (Verb.), pers.-osm. tembagn 'persi- 
scher rauchtabak' (Zenk.). — Munk. 

122. oK. t^fjk$, ol. taria, Patk. tanka, tarja 'eichhom; 
kopeke', oJ. i^fjkl, oS. ienki 'eichhorn', oN. iat^gi id. | vN. 



Ober die tOrkischen lehnwOrter im ostjakischen. 133 

f 



ife'ln, vP. tfefn, vML. m\n, tftn, vT. +i^w, vAq. lin, liin, lein, 
ligyn, legyn 'eichhomchen; kopeke\ 

VgL (?) kas. idj^n 'eichh5mchen; kopeke', ujg. tcji-q 'eich- 
hom', kojb. kar. tin id., alt. tiT|, tm id. — Vgl. oben p. 106 
und s. V. toximt 

123. oK. tQr9y ol. tara 'schiesspulver' | vAq. tar, toar id. 

GOMB. 181. 

tob. [tdro], Gig. tari id., kas. dar^ id., kir. (myltyk) d&ri(8i) 
id. (Orenb. wb.), alt. tor, tary id. (Verb.); aus dem pers. — 
Castr. 

124. oK. telc98, ol. t^ea 'eben, glatt, flach' i vT. ^tikis 
'gerade (adv.)'. — Gomb. 185. 

tob. [tig9s] id., kas. tigdz id. (poBHufi, rjiaAKifi), kir. tegis id. 

125. oK. t9r^^*9, Patk. (oK., Demjanka) terada, terag'a, 
Pap. terede (oK.) 'fenster' | vT. ndras 'fenster'. — Gomb. 183. 

tob. [idriUid], Gig. T4ipfl3Ji TuniHRi, TflptfCfl TuaiBK'b id. 
(OBUo), kas. tdrdzd id., kir. tereze; vgl. pers. t&rlU^ — Munk. 

Bemerkenswert ist ostj. ^' (d, g'), welches offenbar ein tiirk. 
S od. s vertritt (vgl. oben p. 95 f.); ein ahnlicher laut fifidet 
sich nur im tschuwaschischen : (anatri) (iird^d (stimmloses |), 
(ZoLOTN.) &&r&&& 'fenster', zu welchem das ostjakische wort 
jedoch in bezug auf den anlaut nicht stimmt. 

126. oK. taskan 'halfterriemen, noBOAt', Patk. t^sldn 
'zaum, ziigel'. 

tob. (Gig.) tiskin, tezgen 'halfterriemen (boboa'b y JS^h)', 
kas. idzgdn id., kir. tizgin id. (Orenb. wb.), alt. teskiii, tizgin, 
tiskin id. (Verb.), dschag. tizgin 'leitseil' (VAmb.), osm. dizgin 
'zaum, ztigel'. 

127. oK. te.wt^Y^^j oL tudagem, Patk. (oK.) tudegamtem 
-'bezahlen' | vT. tuldtiy vP. itldti, vK. HHi^xtij vUL. telti, vAq. 

teletam, teltam id. 

tob. (Gig.) tfil&- id. (njiaxHTL), kas. tiild-j kir. tdle- id. 
(Orenb. wb.), alt. tdle-, tdlo-, (kond.) tule- id. (Verb.). — Mun- 
kAcsi (Irtisi-osztj. szoj. p. 172) halt das wort irrtumlich fur eine 
ableitungsform von ol. tudem, oS. iudem, oN. I5tiem, lutiem 
'kaufen'. 



134 H. Paasonen. 



128. PAp. tomra 'ein musikinstrument von bein', oX. 
(HuNF.) tomra id. | vN. tumrU id., tumranli 'tambura spielen'. 

kas. dumbra 'dreiseitige zither, 6a.iajiafiKa\ ait. tomra id. 
(Verb.). 

129. oK. tqxim 'hosen', ol. dhlogem id., femoralia (Schl6- 
ZER, vgl. oben p. 99). 

Vgl. (?) alt. tagym, takym 'das bein vom knie hinab, 
noAKOJ!t>HHaJi lacTb Horn; crHfe' (Verb.), kir. takym 'die innere 
seite der schenkel, JiHacKH co BHyTpeHHefi CTopoHU siJine KOj'&Ha'. 
— Ein ahnlicher bedeutungswandel zeigt sich in russ. ra^H 
'lende, htifte, teile des fusses von den knieen bis zxx den ober- 
schenkein; beinkleider, hosen'. 

oK. t ist indessen nicht ursprunglich, wie aus der von 
Fischer aufgezeichneten form dhlogem hervorgeht, und dadurch 
wird die zusammenstellung mit dem turkischen worte unsicher. 
Beachtung verdient jedenfalls die lautliche paraliele: oK. ^i^ib, 
ol. tat^a, oJ. iqijkd, oN. lat^gi 'eichhom', vog. tfe'ln u. s. w. 
id. — kas. tdjdfiy ujg. tojii), alt. tiT|, in welcher gleichfalls un- 
klaren zusammenstellung dem tiirk. anlaut. t im siidostj. t <^i 
zu entsprechen scheint, vgl. oben p. 106. 

130. oK. tupqt, ol. tubat 'elne art korb od. kiste' | vAq. 
tupel 'korb aus birkenrinde'. 

tob. (Gig.) tubal 'runder korb (KopoCi. Kpyrjufi)', kas. 
tubal 'korb aus baumrinde'. — Munk. 

131. oK. tuS^ky ol. tu&ak, Patk. to&ak 'polster, matratze'. 

tob. [t{i§dk]y Gig. TyniflKX id., kas. tUidk id., alt. t5i5k id. 
(Verb.). — Castr. 

132. oN. tek 'hammer' | vN. liak id. — Gomb. 142. 
Vgl. (?) osm. cak 'schlager, klopfer' (Zenk. 349 b). 

133. oK. cetf^ky ol. oedak, Patk. (oK.) tedak, PAp. ieiek 
'kufe, bottich, KaAKa' | vK. ^Selix 'fass', vT. ^cUdx 'fasschen', 
vAq. li&lyx 'kleiner zuber'. 

tob. [6ildk]y Gig. oililk id. (RaARa) neben Ailak 'eimer 
(BCApo)', kas. 6ilak id., dschag. 6elek 'gefass, eimer'. — Gomb. 160. 



Ober die ttlrkischen lehnwOrter im ostjakischen. 135 

134. oK. yoJtfp^ ol. ^tza, (^tza, Patk. {atza ^sense^ \ 
vT. +^aZx«> vN. HglwS, vAq. tolua, liolva, (iolve id. — (Jomb. 165. 

tob. [caltd], Gig. oalky, ialgy id. (Koca), kas. Saly^, alt. 
^wlyy id. — Castr. 

GoMBocz scheidet vN. ^iglwi von vT. +caix«, indem er 
ersteres mit tschuw. iava 'sense' verbinden mochte. Mit un- 
recht. Die formen sind nur mundartlich verschieden, beiden 
liegt das tatarische wort zu grunde. 

135. oK. ^'^17 'kirchenglocke' | vT. ^cai^ 'glocke'. — 
GoMB. 168. Die iibrigen von CJombocz angefiihrten wogulischen 
und ostjakischen worter gehoren kaum hierher. 

tob. cat^ (auch Gig.) 'glocke, KOJOKoat', kas. Sai^ id. 

136. oK. fc'empQr 'reifen, fassreifen' | vAq. hamper 'reifen 
(an fassem)'. 

tob. (Gig.) oSmber (ufliifiepi) id. (o6pyqb), osm. fiember 
id. — Vgl. pers. 6&mbSr 'circuitus s. linea circumcurrens, cir- 
culus rei rotundae ut tympani, cribi' (Vullers). 

137. oK. ^'epqr 'gut', (adv.) ^'^qr^ id., ol. oebara (adv.) 
id., Patk. (Demjanka) Oebara (adv.) id. | vK. 6dper 'gut'; 
i. yemtsen 'ganz gut ist es dir gegangen', vN. "^seper xum 
'kunstler'. 

kas. itbdr 'hiibsch, wohlgestaltet (RpaCHBuS, crpofiHufi, 
CJiaBHufi, OsTR.)', dschag. 66ber 'flink, geschickt (v. frauen)' 
alt ieber 'reinlich, sauber; behutsam' (Verb.), kir. 6eber 'mei- 
ster, iiacTepii' (Orenb. wb.), tob. (Gig.) db&r (uaOept) 'HCKycHO, 
qocTO, BcnpaBHo'. — Gomb. Pdtl. 6. 

138. oK. ^et^n 'zaun' | vP. §etenj vT. Htdn id., vAq. 
seten, iet id. — Gomb. 159. 

tob. [eitdn\ (Gig. uHraBi) id. (njieTeiib), kas. 6itdn id. 
(njereHb, saropoAi*), baschk. sit&n, (NyK. 17: 375) fceten id. 

139. oK. 1fdix^i9m 'spiilen'. 

A < 

tob. (Gig.) oigga- id. (noJOCKaTB), kas. iajka- id., baschk. 
sigka- id., alt. 6igka- id. (Verb.). 

140. oK. ^*9pralc, oJ. Ic'dprek 'fetzen, .aocKyTOKi' | vT. 
cuprak 'fetzen', vAq. 6&prex 'lappen, wischlappen'. — Gomb. 177. 



136 H. Faasonbn. 

tob. [cubrSk] id. (auch Gig. nTpeDR^a"), kas. H^rdk id., 
alt. Mbirek, Aeberek id. (Vehb.). 

141. oK. ^-"ir 'spule' [ vAq. werft id. 

Vgi. kas. Stirs 'spule; rohrpfeife', tschuw. (anath) fore, 
SSra (Uiebn. p. 38 auch iore) 'spule'; auch im vvotjakischen : 
tJM (Sar. Glaz.), ^Sire (Kaz.) id. — Ostj. ^' weist auf ein ( 
od. i in der originalsprache hin. 

142. oK. ^'oxgl, Patk. tegol, SiSgol, oJ. ^'otbal, PAp- 
£akhal (oK.), Suxol (oS.), toval (am oberen Ob), oN, dotixal, 
^oyal, (HuNF.) Buval, Jhival 'kaminartiger herd' ■ vN. ^igu-el 
'feuerherd', vAq. ioral, foayl, ^nvel id. 

Vgl. tob. (Gig.) ouval (ayBflJn) 'herd (saiiHHi)', baschk. 
suwal (cuyaj) 'baschkirischer ofen, neiKa 7 fiamRRpi', alt. ul 
(ober-kond.) 'herd, feuerplatz in der jurte, 04ar&, n'&cto b* 
upT'b, rjit pacRJaAUBaeTCA oroai.', sol (abak.) 'cfiBTas R3% t^hhu 
cTtHa, y KOTopoft paaaoAHTCJi oroDb bi npTaxii', &0I (kond.) id. 
Indessen ist das wort offenbar nicht turkischen ursprungs, 
und tob. ouval (aus alterem fuivaT), wie auch baschk. suuvl 
(baschk. s < i), welche so genau zu den ostj.-wogul. formen 
stimmen, diirften wohl aus den ugrischen sprachen entlehnt 
sein. Der ursprung dieses kulturwortes ist im samojedischen 
zu suchen, in welcher sprache folgende formen belegt sind: im 
Baichadialekt (sowohl im Jenissei- als ostjak-samojedischen), 
desgleichen in der Karassinschen mundart des ostjak-samojedi- 
schen ioTiol 'ofen'; weiter in folgenden ostjak-samojedischen 
mundarten: in der Narymschen und in der mundart am mitt- 
leren Ob iogor id., in der Tasowschen mundart &5kor id., in 
der Jelogui-mundart bogor id.; eine nahere untersuchung der 
samojed. lautverhaltnisse wird zeigen, ob auch Tawgy-samoj. 
tori 'ofen' und vielleicht auch Jurak-samoj. fQinja, £nmi id. 
art ist. Schon Ahlqvist hat JSFOu. VIll 8 da^ 
3rt mit samoj. ^OT]gol zusammengestellt. — Wie 
mmt das wort auch im russischen vor in der form 

' 'runder schleifstein', siehe Mr. 

oJ, fc'u^mdr : i'^^Jc,-^'. 'eiszapfen, cocyjibsa'. 



Einige nordische lehixwOrter im lappischen. 137 

(?) kas. iulfmar 'p^^gel, keule^ dschag. fiokmar 'keule, 
kntitter (Kunos). 

144. oK. ^TcdSj ol., Patk. Gges 'ochs, stier'. 

tob. mg9s\ (Gig. yrio3b) id. (CwKt), kas. Ugdz 'ochs', kir. 
kom. 5gQz 'ochs, stier', dschag. 5kfiz 'ochs'. — Castr. 



N'achtrag. oK. 4¥x^^ 'schliissel', Patk. (oK.) ai£xas 
'schloss' I vT. "^^xis, ^qikhus (IV. 349), vK. oz&es (Hunf. 
NyK. 9: 28) 'schlQssel'. — Gomb. 97. 

kas. at1f^6 'schliissel', bar. kom. a&yi id.; — tiirk. a6- 
'oflFnen'. 



Sowohl in Giganov's w5rterbuch als auch unter den von 
mir aufgezeichneten Tobol-tatarischen wortern finden sich meh- 
rere falle von 6, 6 statt des lautgesetzlich zu erwartenden c. 
In bezug hierauf ist zu beachten, dass sich unter den Tobol- 
tataren zuziigler aus Mittel-Asien (vgl. Radloff, Phon. p. 
XLFV) niedergelassen haben, wie wohl auch Kasan-tataren. Be- 
sonders bei Giganov, der sein worterbuch unter mitwirkung 
von gelehrten mulla's ausgearbeitet hat, diirfte dieses manchmal 
auch als nachahmung der schriftsprache zu erklaren sein. Die- 
ses als erganzung zu der obigen darstellung pp. 95 — 97. 

Helsingfors. H. PaaSONEN. 



Einige nordisolie lehnwdrter im lappisohen. 



LpN aUCj g. ale (Friis, Karasjok) 'ein pfahl, an dem ein ins 
wasser ausgesetztes netz befestigt wird* IpS aleh, pi., 
(siidlapp.) alio 'pfahle an den seiten einer lappenhtitte 
zum aufhangen der kleider und anderer gegenstande', 
(Arjepluog) ate 'pflock zum befestigen von zelten' < 
anorw. hsBll, m. 'pfahl', vgl. festarhsBll 'pfahl, an dem ein 
seil befestigt wird'. 



138 J. QVIGSTAD. 



LpS are, IpL arrd 'die haarseite einer haut' < anorw. har, n. 

*haar*, vgl. isl. harhamr, haramr, norw. harham, hiram 

'die haarseite einer haut*. 
LpN davrra, g. davra (Ibbestad) 'zunder der zur zauberei ver- 

wandt wird' \ IpS taiir(a) 'zunder' < anorw. taofr, n. pi. 

'zaubermitter. 
LpN dirret^k, g. -t%4 (Waranger) *dietrich* < norw. diiik. 
LpS tuomes, tuome, adj. langsam, saumselig*; taomi, adv. =; 

vgl. anorw. tomlatr 'langsam, saumselig*; torn, n. 'gute 

zeit zu etw.'; i t6ini od. tomliga, adv. *langsam\ 
LpN d8Drpp4t, d£erp&m 'aushammem, bes. eisen' < anorw. 

drepa *schlagen'; drepa jam, term, techn., 'eisen ham- 

mern'. — Die umstellung der konsonanten ist freilich sel- 

ten, siehe jedoch meine „Nord. lehnworter", p. 14. K. B. 

WiKLUND (Url. lautl., p. 180) setzt dsarppat = fi. tirppiJL 
LpN fadda, g. faooa, (Leem) fkdde ' IpS fiulda, IpL ftMlda- 

mudrra 'diirres holz u. dgl., womit man feuer anzundet' 

< norw. kvende, n. =. 

LpN ftidvlle, g. fli5vle (Waranger) 'strippe* < anorw. 61, f. 
lederner riemen' oder = fi. vaulaP Ein spateres lehn- 
wort ist IpN vavUo, g. vavlo 'bremse an einem schlitten, 
holzklotz um den fuss eines pferdes, weidenband' -< fi. 
vaulu. 

LpS kana = fadda, < schw. dial. (Norrland) kanu, f. 'span'. 

LpN goalpp& (Lyngen, Kalfjord), (Lenvik) valpes, g. valppa od. 
lasa-flelpis, g. -flelppa 'riegel in einem holzemen schlosse* 

< norw. kvalp, m. =; flelpis in lasa-fielpis ist wohl 
eine figurliche anwendung des lehnwortes flelpis 'hCind- 
chen'. 

LpS htdnos 'betriibt'; huinot 'betrlibt sein'; (Arjepluog) hoinns 
(attr.), 'betrubt'; hoidnut 'betriibt werden'; (Jemtland) 
huinie 'betrCibnis' ; huinies 'betriibt'; vgl. aschw. hwin, m., 
'jammer* (s. A. Kock in Z. f. d. alterth., N. F. 28, p. 199). 

LpN lAr\7\git (Nesseby) 'zu boden werfen' < norw. alengja 
'werfen'. 

LpN laTji^ke, g. laT|T)ke (akk. pi. laT^i^keid) (Nesseby) 'kette' 

< norw. lenkja, f. 'kette'. 

LpN l»s8me» g. Uesme 'gicht, arthritis, necrosis' < norw. flesme, 
flesma, f. 'necrosis'. 



Einige nordische lehnwOrter im lappischen. 139 

LpN maxra, g. mara (all. marrai) (Nesseby) 'meerwasser* < 

anorw. marr, m. 'meer*. 
LpN TfiflBinnA, g. m(&iii4 (Lerredsfjord in Westftnnmarken), = 

goalppi, < norw. mein, n. =. 
LpN ragge g. radej (GuUesfjord) straggi Vekel (in stiicke zer- 

schnittene und getrocknete heilbutte)', < anorw. strengr, 

m. *streif'; vgl. schw. string. 
LpN rivun od. rfbun « *rievun od. *riebun) flechte'; vgl. isl. 

reformr =. 
LpN ratt4, g. mdA 'geldstiick*, gew. plur. 'geld' | IpS rata 

'reichtum, bes. geschenk, das die verwandten des brauti- 

gams den eltem und verwandten der braut geben' ; (Gelli- 

vare) mota 'geld' ; (Jokkmok) ruta^ pi. 'gabe, welche man 

erhalt, wenn man seine tochter verheiratet' < dan, (1403 

und spater) grot, eine miinze (Kalkars w5rterb.). Das wort 

grot wurde auch in Norwegen gebraucht (s. Norske Regn- 

skaber og Jordeboger, 1514 — 1521, I, p. 598). 
LpN Sa^a, g. SSga « ^Sannga, g. ^Sanga) eine grosse insel 

siidlich von der stadt Tromso < anorw. Senja, f. 
LpN skudn^t^bme, (Leem) skudnetebme 'unanstandig, unfein' ; 

vgl. anorw. ukynni 'ungebiihrliche that'; schw. okyzine, 

okyxmig. 
LpS snuop 'rotz'; vgl. dan. (1576) nflBse-snop = (Kalkars wor- 

terb.). Vgl. meine Nord. lehnworter, p. 309. 
LpN 5a88k&, g. 6a8ka (Lyngen) 'junger kohlfisch im zweiten 

jahre' <C norw. kjusk, m. =. 
LpN ukso, g. uvBO, (Lyngen auch) hukso 'der fette teil des 

kopfes eines heilbutts' < norw. huse, m. 'hirnschadel eines 

fisches'. 
LpN vudrradns Verlegenheit' | IpS vuorrades 'beschwerlich, 

lastig' ; ? < anorw. forad, n. 'lebensgefahrliche lage', in 

zusammensetz. foraiSs — . Ich habe fruher in den Beitr. 

zur vergl., p. 117 das wort mit est. wdru zusammen- 

gestellt. 

In den Finn.-ugr. forschungen I 186 hat E. A. Tunkelo 
Ip. Inotte < umord. *blota behandelt. Zur erlauterung dieser 
zusammenstellung mag folgende notiz dienen: 

In einem manuskript, das Isaac Olsen, wahrscheinlich c. 
1717 — 1720, Uber den gotzendienst und die zauberei der lappen 



I40 J. QVIGSTAD. 



in Finnmarjcen verfasst hat, und das in meinem besitze ist, 
schreibt er: „Die opferfeste der lappen werden durch gesange 
verherrlicht, die sie luete nennen. — Die kleinen holzchen, die 
sie mit dem blut beschmieren, nennen sie Iddtmora. — Wenn 
das tier geopfert ist, macht der noide einige holzchen \vie 
kleine stabchen, zu kreuzen und iiguren ausgeschnitten (welche 
15dmorra genannt werden), und beschmiert sie mit dem blute 
des opfertieres und legt sie zugleich [mit dem opfertier] bei 
dem gotzen nieder, und sie soUen als wachskerzen dienen". 
Lddtmora, 15dmorra oder, wie I. Olsen auch schreibt, Idadt^ 
mora muss eine unvoilkommene schreibweise fur *lnott-maom 
(voilstandig luotti- od. la5tte-mnorr4) sein. Wenn Leem in 
seinem grossen worterbuch diese h5izchen liet-mnorak nennt 
(„bacilli quos sanguine animalis sacrificati oblitos Lappones 
temporibus ignorantiae adversus locum sacrificii erigebant"), 
vermute ich, dass er das wort nur aus einem manuskripte 
gekannt und fehlerhaft gelesen oder umgeschrieben habe. So 
hat Leem das wort alda (o: alddi, g. ald4, opferstatte) in einem 
alten manuskripte von 1715 missverstanden und in „Beskrivelse 
over Finmarkens Lapper", p. 431 fl. mit alddo (renntierkuh) 
wiedergegeben ^ Ludtte erklart Leem mit „cantio, singulariter 
cantio superstitiosa, qua Lappones temporibus ignorantiae crede- 
bant se posse lupos profligare, ne pecori nocerent**. Er fUgt 
hinzu: „Ast vera rerum lapponicarum experientia recentiores 
solide docet, Lappones, optime christianos, hoc adhuc non 
solum credere, sed etiam, sine omni superstitione, ne dicam 
daemonum commercio, felicissimo cum successu re vera excer- 
cere". Jetzt ist lu5tte ein lied von etw., z. b.: gsan dat te 
lu5tteP (wer ist der gegenstand des liedes?). Die zusammen- 
stellung Ip. Iu5tte, g. In5^e < urnord. *bl5ta scheint mir 
zweifelhaft, weil man ludtte, g. In5te erwarten sollte. Das 
verbum luottat, luotam kommt nicht bei Leem, sondem erst 
bei Stockfleth (Norsk-lappisk Ordbog 691 b) vor, und die 
prasensform luotam muss fehlerhaft sein. Dem IpK +I5W? 
wiirde IpN lu5tte, g. In5te entsprechen. 

Troms0 V* 1902. J, QviGSTAD. 



* Nach J. Fellman (Lappsk Mytologi 35) wurden die zauber- 
trommeln in KemitrSlsk luotta muor oder luotta mnorre genannt 



Zur etymologic von Sampo. 141 



Zur etymologle von Sampo. 



In einem vortrage, den ich im februar 1896 in Helsingfors 
hielt, beriihrte ich die mythenbildung auf sprachlicher grundlage 
und in diesem zusammenhang auch den ursprung des vielum- 
strittenen und auf sehr verschiedene weise erklarten Sampoliedes 
in der finnischen volkspoesie. Die hauptidee, die ich damals 
aussprach, veroffentlichte ich in einem aufsatz in dem probeheft 
der zeitschrift „Virittaja" (1897, p. 3, erschienen im dezember 
1896); auf die etymologischen erwagungen (iber das wort 
Sampo, die ich im vortrage andeutete, woUte ich nicht naher 
eingehen, teils wegen des mangels an raum in der kleinen 
zeitschrift, teils und hauptsachlich aber deshalb, weil ich keine 
sicheren anhaltspunkte fiir die feststellung der etymologie des 
merkwurdigen vvortes finden konnte. Die miindlich ausgespro- 
chene andeutung wurde jedoch in einem artikel von Waronen 
(SM 1896, im jan. 1897 erschienen) citiert, und der inhalt die- 
ses citates ist spater mehrmals vviederholt worden, sodass es 
sogar eine kleine mythenbildung veranlasst zu haben scheint. 
Ich halte es deshalb fiir meine pflicht meine etymologischen 
envagungen zu veroffentlichen, obgleich ich sie auch spater in 
alien punkten zu keinem sicheren abschluss habe bringen 
konnen. 



Es ist zunSlchst meine pflicht meinen des flnnischen nicht 
mSlchtigen lesem kurz den gedankengang des in rede stehenden 
artikels in Virittaja wiederzugeben. 

Die sinnfaiHgsten zUge — bemerkte ich in meinem artikel — 
in dem bilde, das uns die russisch-karelischen Samporunen 
(und die auf ihnen fussende erz^hlung im gednickten Ralevala) 
bieten, sind die, dass Sampo mit buntem deckel geschmtlckt 
(kiijokancd), dass er eine mUhle ware und dass er durch 
Schmieden hergestellt sei. Zieht man aber die varianten von 
finnischer seite in rechnung, so kann man sich der Uberzeugung 
nicht entheben, dass alle diese ztlge ziemlich spat dazugethan sind, 



142 E. N. SetAlA. 



was ja auch schon bewiesen oder angedeutet worden ist ^. So ist 
kiijokazisi, dass nach Friis' ansicht am Sampo das wichtigste ^ 
ist, ursprttnglich nicht das parallelwort zu Sampo, sondern zu 
den thoren Pohjolas gewesen. In den varianten aus Ilomants 
heisst es: 

• 

Portit Pohjolan nakjrvi, Sieh dort Pohjolas thore blinken, 

paistavi pahat verajat, seine gatter fiirchtbar strahlen, 

kaxmet kiijo kiimottavat. bunte deckel schimmem feme. 



In anderen fassungen steht: ^kannet kiijoii kiimottaupi* 
(bunte deckel schimmem feme), »kannet kulta kuumottavi* (goldne 
deckel leise schimmem), »ukset kulta kuumottavi» (goldne thore 
leise schimmem) u. a.; erst spater (in den russisch-karelischen \^- 
rianten) ist kirjokansi das epithet des Sampo geworden. So findet 
sich auch in den varianten von finnischer seite, die aller ihrer 
merkmale nach ursprtlnglicher sind, nicht eine andeutung dafOr, 
dass der Sampo eine mUhle gewesen oder geschmiedet worden 
ware, sondern diese sind spater hinzugekommene zOge, die nur in 
den runen von russischer seite auftreten und teils aus anderen ru- 
nen, teils aus sagen in den Sampomythus flbergegangen sind. 

Als kem des Sampomythus nach den finnisch-kareli- 
schen runen bleibt somit nur die erzahlung vom raube des 
Sampo, deren wichtigste zflge, die in den meisten varianten wie- 
derkehren, folgende sind. VainamOinen und Ilmarinen sowie ge- 
wOhnlich noch ein dritter (Joukamoinen, Vesi-Liitto Laiton poika, 
Iku-Tiera Lieran poika) machen sich nach Pohjola auf, versenken 
das volk von Pohjola in schlaf und rauben schliesslich den Sampo 
(nach den sagen varianten aus Ilomants dringen sie nur in den 
vorratspeicher (riistariihi) und entwenden vorrate (riistas) daraus); 
darauf fordert Joukamoinen (Ilmarinen) den Vainam5inen auf zu 
singen, dieser aber macht gel tend, es sei noch zu frah zum sin- 
gen, da die thore von Pohjola noch sichtbar seien, die bunten 
deckel noch hertiberschimmerten ; das volk von Pohjola wacht 
auf und macht sich auf den raubern nachzusetzen, die Poh- 
jolaherrin verwandelt sich in einen adler und erreicht die riuber; 



1 S. Krohn, Kirjall. hist. 410 f.; Kalevala II. Erklamngen 168. 

2 Lappisk Mythologi 51. 



Zur etymologic von Sampo. 143 

es entsteht ein kampf mit dem adler, wobei diesem die krallen in 
•kleine stQckchen» (muraiksi) zerschlagen werden (sodass nur 
eine kleine kralle unverselMt bleibt). 

Der hauptgegenstand dieser fassung ist also der raubzug 
nach Pohjola und der kampf mit dem adler von Pohjola, 
Sozusagen der lebendigste zug darin ist die schUderung des adlers 
von Pohjola, der dann und wann ,48lciiluitn'^ ('schlag^ogel') oder 
nVaakalintn^ (*greif) genannt wird, der »streift mit einem flUgel 
das Tvasser, mit dem anderen das gewOlk», oder 

>joll' on silm^t siiven alia, augen birgt sie unter'm flUgel, 

nakimet kyn^n neniss^, augen gldhen auf der schwingen 

spitzen, 
sata miestSl siiven alia, unter die fltlgel nimmt sie hundert, 

tuhat purston tutkaimella». tausend krieger auf ihren schweif. 

Erinnerungen an diesen wundervogel hat man in runenbruch- 
sttlcken oder im zusammenhang mit zaubersprdchen auch ziemlich 
weit im westen, in Savolax, Tavastland und Osterbotten gefunden. 
Der Sampo selber dagegen erscheint recht selten, und kaum, wenn 
Qberhaupt, stossen wir auf ztige, die uns das wesen des Sampo 
erkllbten K In den letztbertihrten westlichen runen vom adler von 
Pohjola erscheint der name Sampo tiberhaupt nicht, und in den 
varianten aus Ilomants ist, wie gesagt, nur vom raub der vorrate 
die rede. Dass jedoch die erlangung des Sampo der eigentliche 
zweck der fahrt gewesen ist, erhellt daraus, dass in den runen aus 
Ilomants bei der aufforderung zum gesang an VainSlmOinen als 
grund fdr die unterhahung die erlangung »des guten Sampt 
(Sampo) >, erwahnt wird (»laula, vanha VainamOinen, h)rvan Sam- 
men saatuasi!»). 

Die in rede stehende fassung an sich erklart also absolut 
nicht, was der Sampo eigentlich ist. Wir mtlssen aber noch ganz 
besonders eine prosaische fassung ins auge fassen, die Gottlund 
i. j. 1 81 7 bei nach Schweden tlbergesiedelten savolaxem (im dorfe 



^ Einige sanger haben den Sampo als schiff aufgefasst, in das 
der raub gelegt wird (>latjaeli laivan tSlyen, saattoi suuren Sammon 
tayen»); vgl. Krohn, Rirjall. hist. 419. Ohne zweifel liegt hier 
eine vermischung vor, die daraus entstanden ist, dass der geraubte 
Sampo in ein schifF gelegt wurde. 



144 E- N. SetAiA. 



Safsen in der landschaft Dalarae in Schweden) aufgezeichnet hat. 
Diese fassung (die wir im folgenden die savolaxische form 
des Sampomythus nennen) lautet also: »Der alte VSin&mOinen und 
der junge Jompainen machen sich nach Pohjanmaa auf am den 
Sammas zu holen. Sprach da der junge Jompainen zum aiten 
V^&mOinen: »beginne nun dein lied». — »Viel zu frflhe ists 
zum singen, sieh, noch schimmem Pohjolas Ofen» (alias: >Noch 
erkenn* ich Pohjolas thore, seh' der stube Ofen noch schimmem*). 
Da flog Sammas in die wolken empor. Der junge Jompainen 
schlug dem Sammas (sammalta) zwei zehen ab, der eine flog 
ins meer, der andere gelangte aufs trockene land: von dem, der ins 
meer flog, stammt das salz im meere; von dem, der aufs land 
gelangte, stammt das gras auf dem lande. H&tte man einige mehr 
erbeutet, so w&re das kom ohne aussaat gekommen». 

Diese kleine erzahlung, die sich bei den, seit einigen jahr- 
hunderten von den tlbrigen flnnen getrennt im schwedischen bin- 
nenland ans^sigen savolaxem erhalten hat, erschien mir als die 
lu^prUnglichste gestaltung des Sampomythus, wennschon ich nicht 
die mOglichkeit leugnen wollte, dass der erzahler diesen und jenen 
zug hat vergessen oder nur mangelhaft vortragen kOnnen. Ich kam 
daher zu dem schlusse, dass die Mteste, uns bekannte aufliassung 
von dem Sampo die ist, dass er ein fliegendes wesen, ein tier 
war, welches zehen hatte imd dem die zehen zerschlagen 
wurden. 

Die erzlQilung von dem wundervogel von Pohjola verriU eine 
eigentUmliche einstimmung mit der Samposage der savolaxer. 
Ebenso wie der aar von Pohjola, fliegt auch der Sammas in die 
wolken empor, hier wie dort werden ihm die krallen durchgeschla- 
gen, und in direktem zusammenhang mit dem zerbrechen der 
adlerkrallen folgt stets der fall der stackchen des Sampo ins meer, 
so oft davon gesungen wird ^. Unter diesen umst&nden lag meiner 
ansicht nach der schluss sehr nahe, dass gerade dieser fOr die 



^ £s sei tlbrigens bemerkt, dass ein russisch-karelischer sfln- 
ger (Arhippa aus Latvajarvi) in seinem Sampolied singt, V^nftmOi- 
nen habe, nachdem er mit dem steuemider nach des aares klauen 
(»kokan koprille») geschlagen, mit dem schwerte auch den Sampo 
zermalmt (^ampuo murotti'*). Ein andermal wird berichtet, der 
adler selbst sei ins meer gesaust imd zugleich auch der Sampo 
darin verschwunden. 



TOD ^tunpo. 145 



sch&tze Pohjolas kimpfende wundoroigci, in vck^MSi sidi die 
schatzhOtende hemn yon Pofajola Tcrsimdeite, das w, vxs nr- 
sprttnglich Sampo genjumt wmde, otnrolil dieser naaie spiter mf 
die schAtze flberging, die der >Sampo> bevachte. Somit war also 
der Sampo anfamgs ein fliegendes, reichtnm erzeugendes 
oder sch&tze bewachendes wesen <tier> Der raub des 
Sampo betraf wohl zugleich die schitre wie aocb dercn erxeager 
oder hater. 

Zugleich als ich daraof hinwies, dass die mvtiMSi tod schitze- 
hatenden wesen bet verschiedencn T^Ikem, in Asien sowohl wie 
in Europa, vexbreitet sescn ^, schloss ich mit der bemerknng, 
dass es, um die entwiddimg des begrifb Sampo eridaren zn kro- 
nen, fiberans wichtig sei, die entstefatmg des woctes Tlain|ia, seine 
etymologie klarzolegen, die in nndnrchdringliches donkel gehoUt 
gewesen isL Dieses dnnkrf — soviel es mOgiich ist — zu lichten, 
ist die absicht der folgenden zeilen. 



Der name des merkwordigen dinges, um das es ich hier 
handelt, erscheint in den finnischen epischen gesangen in fol- 
genden formen: 1) wummm g. ? ^sampaan od. ? ^sammaan; 
2) ? ^sampa g. wunmaii (in d&r sog. wermlandischen variante 
[eig. aus Dalame] kommt eine ablativform sanmiA-lta vor, wenn 
sie nicht falsche aufzeichnung statt 'aammaalta ist) ; 3) ? ""sampi 
g. sammen (in den varianten aus Domantsi: hv^^an sammen 
saatuasi, auch in der var. aus Lonkka in V'uokkiniemi: sai on 
sammen kiijotuksi) u. sammi g. aammin (0 : kumni g. faimmlfi, 
aus Vuonninen); 4) sampo g. sammon (kunpo g. iammon, 
part. sg. iampno, sampmro, aber auch iampQja, das auf einen 
urspr. oi-stamm hinweistj, auch samp(p)ci, samppo g. sampon 
part, samppoa (&amppo g. iampon part iamppavo^. Ausser- 
dem giebt es noch stark verderbte formen: simpy g. silmmyn 



1 Unter anderem wies ich auf die erzahlung des Aristeas von 
den im norden hausenden greifen hin, welche gold bewachen, das 
die Arimasper ihnen zu rauben versuchten, Herodot III 116, vgl. 
rv 13 u. 27. 



146 E. N. SetAlA. 



part, sftmpyd (Sjogren aus Vuokkiniemi) und noch mehr tammi 
g. tammen part, tammia (Fellnian aus Venehjarvi) od. saima 
(Kal, tois. nr. 230 aus Ilomantsi). 

Wenn man die etymologie dieses wortes zu erklaren ver- 
sucht, liegt natiiriich der gedanke am nachsten nachzusehen, 
ob sich vielleicht in der heutigen sprache wortformen erhalten 
haben, welche mit jenen verwandt sein konnten. Die heutigen 
finnischen worter, die der ausseren form nach am nachsten 
kommen, sind folgende: 1) fi. sammas g. sampaan, od. sampas 
g. samppaan, wot. sammas g. sampd, est. sammas g. samba; 
2) fi. sampa g. samman; 3) sampi g. sammen od. sammin, 
sammi g. sammin, samme g. sampeen od. sammeen, est. samb 
od. samm g. samma od. sammi; 4) sampo in zusammensetzun- 
gen sampohauki, sampokala; 5) sammo; 6) sammakkOy sam- 
makka. Die zum teil sehr verschiedenen bedeutungen gruppie- 
ren sich folgendermassen: ^ 

1) 'Frosch': fi. sammakko, sammakka Vana temporaria\ 
auch die formen samppi g. sampin (Viitasaari) u. sammi g. sam- 
min (Siidosterbotten) werden aus einigen dialekten angegeben. 
Ein fi. ^sampo 'frosch' existiert nicht, iasst sich aber aus IpX 
oaobo g. oubba, Lindahl & Ohrling tsnobbo, Lul. tsii^bfrn-. 



^ Dieser aufsatz war urspr. schon fQr das 3. heft des I. ban- 
des dieser zeitschrift gesetzt, wurde aber wegen mangels an raum 
fttr dieses heft zurUckbehalten. Den inhalt desselben teilte ich in 
einem vortrag in der Kotikielen Seura (febr. 1 902) mit, wo ich von den 
studenten aus verschiedenen gegenden lexikaHsche beitrSge zu den 
hier zu behandehiden wOrtem erhielt. Nach dieser sitzung verOflFent- 
hchte ich in der zeitschrift VirittSja einen aufruf notizen tXber di^ 
betreflfenden wOrter aus den finnischen volksdialekten zu sammefai, 
und diesem aufruf, der auch in tageszeitungen abgedruckt wurde. 
ist von vielen seiten folge geleistet worden. Diese notizen, wekhe 
schon zum grossen teil im VirittUja 1902, p. 28 — 31 u. 44 — 47 
referiert worden sind, habe ich im folgenden nachtraglich benJct- 
sichtigt, jedoch habe ich hier weder alle speziahsierungen der be- 
deutungen noch die fundorte derselben detailliert angegneben, sod- 
dem vervveise den leser auf die im Virittaja verOflfentlichten ge- 
naueren notizen. — NachtrSgUch habe ich auch die sammlangec 
Reinholm^s im hiesigen historischen staatsmuseum gebraocht, wel- 
che ich hier ein fQr alle mal citiere. — Der aufsatz wurde vom n 
auch auf dem XIII. orientalistenkongress im Hamburg {^/^ 02> vor- 
getragen. 



Zur et3rmologie von Sampo. 1 47 

K '^clembaj g. +dmpl, Kild. ^cuemp g. cumpu, Notoz. ^cuab 
g. ^eu9ppu Trosch* erschliessen. Pi. sampa g. samman Trosch* 
wird von A. Warelius (Suomi 1854, p. 10) aus der sprache 
der alteren leute in Tyrvaa angegeben. Pi. sammas in dieser 
bedeutung hat man vielleicht in sampaankaori od. sampaankynsi 
'eine schneckenart' (schwed. *torsksnacka' bei LOnnrot) i und in 
sampaanlakki ' *lichen aphthosus* od. *peltidea aphthosa', schwed. 
'torskmossa' (Ganander auch 'lichen caninus'); vgl. unter 2). 

2) Eine krankheit: fi. sammas, gew. pi. sampaat, auch 
sampa (Schroderus 1637: sambaat *alcola*, d. *urfaule*, schw. 
*trosk*; Juslenius auch samba [g. samman]; Chr. Ganander's 
handschr. lexikon: samba, sampa g. sampahan, pi. sambahat, 
sammas g. samban, od. samma) 'aphthae, morbus oris infantilis' ^. 
Nach Ganander kommt auch fi. sampi in derselben bedeutung 
vor, wenn man nicht eher einen schreibfehler in seiner handschrift 
annehmen soli („trask" st. „t&rsk**). Sampaat heissen auch die 
schlundkopfdriisen, „mandeln" im kranken zustand (nach notizen 
aus der gegend der stadt Mikkeli), nach einigen notizen (aus 
Tavastland und Savolax) auch die 'mandeln' im allgemeinen. 
Auch eine pferdekrankheit soil sampaat heissen (Viitasaari). 
Hierher geh5rt auch est. sammas-poor, emane sammas-i>oof 
'ausschlag, rose' (mit derselben bedeutung wie fi. savipaoli). 

In diesem zusammenhang mag sammasvesi erwahnt wer- 
den: 'aus einer besonderen stelle geholtes wasser, womit sam- 
paat geheilt werden' (Saaksmaki), 'aus einer klippenhohle ge- 
holtes wasser, womit der mund des kranken kindes ausge- 
waschen wird' (Luopioinen). Ob nun sammas hier von anfang 
an mit sampaat aphthae' verbunden worden ist, mag unentschie- 
den bleiben; nach Gk)TTLUND werden mit der bezeichnung 
sammaslfihde (lahde 'quelle') „solche heilquellen genannt, in 



^ Nach einer notiz aus Eura bezeichnet sammas auch eine 
schneckenschale oder mOglicherweise die ganze schnecke, womit 
man die krankheit sampaat heilt, siehe 2). 

2 So genannt wegen der fleckigen (froschhautahnlichen) haut 
des gewachses? 

^ Nach einer freundlichen mitteilung von dr. med. J. J. 
Karvonen bedeutet das fi. sampaat sowohl *mundsoor*, was auf 
dem schwamm >oidium albicans » beniht, als die eigentlichen 
aphthse. 



148 E. N. SetAlA. 



welche unter gewissen ceremonien geopfert wird, wenn was- 
ser daraus geholt wird", (Gottlund's handschr. aufz. v. d. reise 
1859, p, 67, vgl. Reinholm*s handschr. sammlungen 68: 257)- 

3) 'Das fleischige, der hohle teil im pferdehufe': 
fi. sammakkoliha, -lihas, sammakonliha. 

4) Schwamm, pilz: fi, maansampa *lycoperdon', pnun- 
sampa *weissliche schwammchen von der grosse eines steckna- 
delknopfes an birken, erlen, weiden\ 

5) Jungen, die kleinen: fi. sampiainen, pi. sampiaiBet 
'die jungen* (Rautalampi, Joroinen), *kleine, frohliche madchen 
(Juuka, Nurmes), sammiaiset *die jungen' (Teisko); auchkleine 
fische werden sampiaiset genannt (Savolax). 

6) Riihrig, unruhig: sammo 'springinsfeld' (Keuni), 'ein 
unruhiger mensch' (Kangasala). 

7) Pfeiler, pfosten, stutze: fi. sammas od. sampaa 
lapis terminalis*, wot. sammas 'pfeiler*, fHmsammas 'steinemer 
turm', est. sammas 'saule, pfosten, pfeiler, instrument urn bret- 
ter zum behobeln einzuspannen*, fi. mkin od. vokm sampaat 
'columella lignea pone et ante cylindrum coli', est. voki sambad 
'die stiitzen am spinnrade, welche die spindel halten'; fi. sam- 
mas 'eiserner haken, an dem die schlittendeichsei befestigt ist 
der ring an der deichsei, der in diesen haken gehangt wird'. 
Hierzu gehort auch — wenigstens nach der gewohnlichen auf- 
fassung: fi. maan sampa: eihan tuo elane maan sammaksi 'er 
kann wohl doch nicht so lange als erdpfeiler leben, er kann ja doch 
nicht das alter Methusalems erreichen', est. ilma-sammas, maa- 
sammas 'ein mensch, welcher mehrere generationen ut)eriebt 
hat': ega ta voi ilma^sambaks jaada 'er kann doch nicht ewig 
leben'. — Fi. sammakko, sammakka kommt haufig sowohl 
allein als auch in einigen verbindungen in der bedeutung 
'stutze', 'unterlage' u. a. vor. Solche falle sind folgende: 

a) Erdmauer: fi. sammakkopenkki 'erdmauer innerhalb 
des steinemen sockels und langs desselben'; 

b) Stiitzbalken am gebaude: fi. sammakkohirsi 'die 
untersten balken in einem gebaude', 'die unterste balkenschicht 
des hauses', 'die vier untersten balken des speichers, auf die 
die pfeiler gesetzt werden, auf denen dann erst das eigentiiche 
speichergebaude ruht', 'der balken, auf dem fenster und thflren 
stehen', 'der balken, der die decke stiitzt'; 



Zur etymologie von Sampo. 149 



c) Stiitzbalken etc. an der miihle: fi. sammakkohirsi, 
sammakkopalkki, sammakkotukki, sammakkoparm 'der baum 
an der miihle, der das untere ende der radachse stiitzt*, sam- 
makko, sammakko- od. sammakkaraata 'das untere lager der 
radachse* ; 

d) Am spinnrad: fi. sammakkopenkki *das holz unter 
dem schnurrrad, an dem die stiitzen des letzteren angebracht 
sind* ; 

e) Klammereisen: fi. sammakkoraata 'bandeisen, durch 
das man einen fast zerborstenen oder sonst schadhaften baum 
zusammenhalt und welches so beschaffen ist, dass es den baum 
nur auf drei seiten, nicht ringsumher umschliesst; so z. b. an 
schlittenkufen, -schienen u. m.'; 

f) am pflug: fi. sammakko, sammakkoraata 'eine beson- 
dere stiitze am pfluge' (genauere erklarungen siehe Virittfija 
1902, p. 45); 

g) am schlitten: fi. sammakko, sammakkoraata 'eiserner 
haken, an dem die schlittendeichsel befestigt wird*. 

In diesem zusammenhang seien noch folgende falle er- 
wahnt: 

h) fi. sammas Tuge' (an einem zaun od. einer schachtel), 
wobei die enden auf beiden s'eiten auf einander gelegt sind 
(Merikarvia); 

i) fi. sammakko 'eisenbahnweiche' ( Vehkalahti) ; 

j) fi. sammakko *eine art transportables briickchen liber 
einem graben zum hinilberfahren'. 

8) Fischnamen: 

a) 'Stor\ *acipenser sturio': fi. sampi g. sammen od. 
samrnJn (Schroderus sambi, Juslenius sambi -in, ebenso Chr. 
Ganander's handschr. lexikon), sammi g. sammin, samme g. 
sampeen od. sammeen (Renvall sammet g. sammeen) 'stor\ 
'ein grauer fisch, der stacheln auf dem rucken hat'^ est. samb 



* Der st6r ist in Finland ein sehr seltener lisch (nur im La- 
doga), und die kenntnis desselben grtindet sich in den meisten 
landesteilen nur auf hOrensagen. Die meisten einsender von mate- 
rial, die diese bedeutung kennen, bemerken nur, dass sampi 'den 
grossen sampi-fisch bezeichnet, von dessen grOsse und kraft vieles 
erzahlt wird*. 



ISO E. N. SetAiA. 



od. samm g. sainma *stor ; — fi. kapasampi *getrocknetQ^ 
stor'. 1 

b) 'Dorsch', 'gadus callarias, gadus morrhua' : fi. aunfi 
etc., (siehe a). Diese bedeutung hat flammelrala bei Ganandeb, 
sampi u. s. w. bei Renvall (neben der bedeutung 'stor*). 

c) *Hecht*, *esox lucius*: fi. sampi, sampihariki *ein un- 
endlich grosser hecht, so lang wie ein bauemhaus' (Haapa- 
ranta). 

d) * Mutter fisch': fi. sampi 'grosses fischweibchen, mut- 
terfisch', sampokala 'mutterfisch, fischweibchen', sampohaoki 
'mutterhecht, hechtweibchen'. Diese bedeutungen kommen nur 
in LOnnrot^s worterbuch vor, und es hat nicht konstatiert wer- 
den konnen, aus welcher gegend sie stammen. Durch die aus 
anlass meines aufrufs eingegangenen notizen sind diese bedeu- 
tungen und formen nicht bestatigt worden. 

9) 'Wassergalle' u. a.: wot. sammas 'wassergalie*, est 
p&eva-sammas, vihma-sammas ^sonnengalle^ sammas taenl 
'saule am himmel (soil sich angeblich bei feuersbrtinsten zeigen, 
wenn ein lebendes wesen verbrannt ist)'. 

10) 'Wasserhose': in der verbindung est. vee-sammas 
'wasserhose', vgi. jedoch 7). 

11) 'Grosser, starker mann*: fi. sampi (nach LOnn- 
rot). ? Vgl. oben 7) fi. maan sampa, est. ilma-, maa-sammas, 
? od. fi. sampi u. s. w. 'stor' (8 a). 

12) Fluchwort: voi sammakko! 'ei der kuckuck'. 
Derselbe d. h. ein lautlich ahnlicher wortstamm kommt 

auch in vielen ortsnamen vor. Von diesen seien hier eru^'ahnt: 

1) sampa: Sampamaki u. Sampaselkft (Kisko), Sampakoski 

(Lavia), Sammankallio (Kymi), Sammanjoki u. Sammanaaa 

(Tyrvaa, in der nahe befindet sich Sammakk«j&rvi, s. Suomi 



* Vielleicht eher *getrockneter dorsch*, vgl. unter 8 b). Bei- 
iSluiig sei erwSUint, dass ii. kapa 'getrocknet' (besonders in ki^Mb- 
kala 'getrockneter fisch', kapaturska 'getrockneter dorsch*) ein 
germ, lehnwort ist: vgl. das selten belegte skave- in schwed. 
skave-thorsker (skafifwetorsk) 'getrockneter dorsch', skave-fiiinder 
(skaffwe flwnder) 'getrocknete butte* (SOderwall, Ordbok Ofver 
svenska medeltidsspraket sub voce skave, aus Inventarium paa 
staekeholm 1506, gedr. in Handl. rOr. Skandinaviens Historia XK 
166). 



Zur etymologie Von Sampo. 151 



1854, p. 9); dazu wohl: Sammatsaari (insel in der nahe von 
Sortavala), Sammatlampi (Parikkala). 

2) sammas: Sammas (name einer kotnerei in Hauho), 
SammasYUori, Samma^jirvi u. Sammaalahti (Palkane), Sammas- 
saari (Vesilahti, Lonnrotin matkat II 40), Sampaanselkft u. Sam- 
paanniemi (Raakkyla), Sampaanlahde (quelle auf dem berge 
Linnais Saaksmaki) S Sampaanala (auch: Samponen, Rauma), 
Samppasalmi <[ ^sampaan salmi (in den scheren v. Abo), 
Samppaliniia (<C ^Sampaanlinna, Abo), Sampainsalmi (Virrat). 
Dazu wohl Sammas (Tavisalmi 1557) od. Sammasten kyla^ 
u. ? Sampahos (? Sambahus, Saaksmaki 1557). 

3) smnpo: Sampo (nach Reinholm name eines bauem- 
gutes in Vihti), Sampojoki (Vanaja, nach Reinholm), Sammon- 
aaaii (Wiburg, Haaparanta), Sammolnoto « ^Sammonlnoto in 
der nahe von Uusikaupunki) ^, Samponen (Rauma, siehe oben). 

4) sampu: Sampu (dorf im kirchsp. Huittinen, seit 1540), 
Sammntjoki, Sammntselk& (Valkjarvi), Sammatvaara,. Sammot- 
jarvi (Inari, LOnnrot, handschr. aufz. R. 205). 

5) sampi, sammi: SampjjSjrvi (Virrat), Sampila (Pudasjarvi), 
? Sammenjoki (Sakkijarvi, schon 1569), Sammi (Ikaalinen, seit 
1540), Sammimn^a (Kankaanpaa, seit ca. 1700). 



^ Nach Reinholm's sammlungen (68: 256) wird von fernen 
orten her aus dieser quelle wasser ftlr die heilung yon krankheiten, 
>meistens wahrscheinlich des sampaat^, geholt. »Wenn man dar- 
aus wasser nimmt, muss man in die quelle immer geld oder ande- 
res opfem.» Vgl. oben p. 147 unter 2). 

2 Nach einer notiz in LOnnbohm^s handschr. ortsnamensamm- 
lungen kamen daselbst noch vor einigen jahrzehnten hClzeme 
gOtzen vor. 

^ Eine lokalsage erzSlhlt folgendes. Einige junge leute aus 
dem kirchspiel Pyh^maa waren in der nacht des fastnachtsdienstags 
auf ein dach gestiegen um die in dieser nacht durch die luft flie- 
genden hexen zu sehen. Um mittemacht kam eine grosse hexe 
von der gestalt eines adlers unter zischen und sausen heran und 
forderte die burschen auf ihre rtickkehr abzuwarten. Die burschen 
aber entwichen und setzten an ihre stelle auf das dach einen mOr- 
ser. Am nSLchsten morgen war der mOrser verschwunden und 
wTirde erst im folgenden sommer 10 km weit entfemt am ufer von 
Sanmioluoto aufgefunden. In den seiten des mCJrsers waren spuren 
von krallen zu erkennen. (Von F. H. Lundelin mitgeteilt.) Hat 
diese sage etwas mit den Sampovarianten zu thun? 



152 E. N. SetAlX. 



6) Sammatti (name eines kirchspiels in Nyland, kommt 
auch sonst als name von gegenden und kStnereien vor). 

Was fCir eine bedeutung sainmas u. s. w. in diesen bil- 
dungen gehabt hat, ist natiirlich in den meisten fallen unmog- 
lich zu ermitteln. Es sei erwahnt, dass ein einsender von noti- 
zen meint, dass die ableitungen von sampa u. s. w. in orts- 
namen „immer etwas feuchtes, sumpfiges" bedeuten; so ist 
z. b. Sammatti zwischen Virrat und Peraseinajoki „eine grosse 
niedrige, feuchte gegend" (auch in Parkano Sammatti-^ieva 
'sumpf Sammatti'). 

Inwiefem und in welchem grade man es hier mit etymo- 
logisch zusammenhangenden w5rtem zu thun habe, ist eine 
iiberaus schwierige frage, besonders weil alle anhaltspunkte in 
den verwandten sprachen — ausser bei fi. sammakko ^ Ip. 
oaobo — wenigstens vorlaufig fehlen. 

Sicher zu vereinigen sind nach meiner ansicht die bedeu- 
tungen 1. u. 2. (Trosch* und die krankheitsnamen). Schone 
semasiologische parallelen fiir diesen bedeutungsCibergang bieten 
viele indoeuropaische sprachen. Ich erwahne nur folgende 
falle: schwed. troak (torsk) bedeutet sowohl 'rana temporaria' 
als ganz dieselbe krankheit wie das fi. sampaat ('symptom 
einiger krankheiten, die aus kleinen geschwuren [^rugor"] auf 
der zunge und am schlund bestehen') ^ ; ebenso bedeutet froak 
in den norweg. dialekten sowohl Trosch* als die erwahnte kin- 
derkrankheit, wahrend schwed. freak (in Vasterbotten) auch 
'beule am gaumen od. im halse der pferde' bezeichnet; — dan. 
fr0byld 'eine geschwulst unter der zunge' (Moth's handschr. 
lexikon nach Kalkar); — hd. frosoh auch 'froschgeschwuist, 
frosch unter der zunge, eine geschwulst im munde der men- 
schen, pferde und rinder' (Grimm, Deutsches Worterbuch); 
schweiz. frdsoh 'eine krankheit des viehs' (Staub u. Tobleh, 
Schweizer. Idiotikon I 1333); — engl. frog 'a name given to 



1 Siehe RiETZ, Sv. dialektlexikon. Ober torak = ? 'frosch' 
merke sonst schwed. torsk-gr&s, torsk-moasa = fi. sampaaxilakki 
(siehe oben) 'lichen aphthosus',tor8k-blomma = fi. sammakon-lehti, 
aammakon-rentukka 'caltha palustris'. Merke hierzu noch: torak* 
bett 'schwere schmerzvolle krankheit, welche von einem wunn 
erzeugt werden soil'; Idv-torsk, igd-torsk 'ein langer fadendQnner 
wurm im schlammigen wasser'. 



Zur etymologic von Sampo. 153 

certain diseases of throat or mouth*, 'a swelling under the 
tongue that is common to chijdren', 'the thrush, or aphthous 
stomatitis, of infants', frog-i-t'-month 'a popular name for the 
complaint known as the thrush* (Murray, A new english dictio- 
nary; J. Wright, The english dialect dictionary); — russ. 
3Ba6a 'krote' u. 'braune, halsbraune', »a6a y JoraaAeS 'driise, 
driisenkrankheit' ; — franz. grenouiUe Trosch' u. 'froschleinge- 
schwulst (unter der zunge)', grenouiUet id.; span, rana Trosch' 
u. 'zungengeschwur des rindviehs*; — lat. rana 'frosch' u. 'eine 
krankheit unter der zunge' (Columella), 'morbi genus in bubus', 
nach Du Cange: 'tumor inflammatus sub lingua, potissimum in 
pueris' (Miracula B. Simonis de Lipnica); ranula 'eine krankheit 
an der zunge des rindviehes' (Flavius Vegetius Renatus), Du 
Cange: ^ranula tumor est phlegmonodes sub lingua consistens, 
potissimum in pueris, quem graeci (idrQaxov vocant" ; — griech. 
^arqaxog 'frosch' u. 'zungenkrankheit' ; — zigeun. finl. zampa 
'frosch\ zampako- 'frosch-': zampakL dukh 'mundkrankheit bei 
menschen' (Thesleff, Worterbuch des Dial, finnl. Zigeuner). 
Ebenso ung. beka 'frosch' u. 'ranula linguae', 'eine krankheit 
unter der zunge der pferde und rinder' (siehe NySz., MTSz., 
CzuczoR u. FoGARASi). Wahrscheinlich hat die ahnlichkeit der 
kranken haut mit der weichen, schleimigen und fleckigen 
froschhaut als ausgangspunkt der gemeinsamen bezeichnung 
gedient; auch die ahnlichkeit der geschwollenen drusen mit 
dem froschfleische ist zu bemerken. Man darf vvohl auch an 
die verwendung eines solchen tiemamens wie *krebs' als krank- 
heitsname erinnem. ^ 



1 Mein freund mag. phil. O. F. Hultman hat eine andere 
etymologie fOr den schwed. namen der kinderkrankheit troak, 
torsk vorgeschlagen. Er meint, dass schwed. trosk (wo von troske- 
tr& 'rhamnus frangula' ; torsk ist eine verhMtsnism^sig junge neu- 
bildung), engl. thrash, welche urgerm. *I>rosko^ ^pruslrio- voraus- 
setzen, ableitungen mit k- (od. sk-) suf^x sind und mit ags. I>rote f. 
*kehle*, ahd. dro33a9 mhd. dro33e f. 'schlund, kehle' zusammen- 
hangen (fiber tk [tsk] > sk, siehe Noreen, Urg. lautl., p. 116 f.). 
Dagegen sei trosk 'frosch* eine kompromissform von frosk ^^ 
tosk 'frosch'. Dass auch neunorw. (schwed.) frosk sowohl 'frosch' 
als krankheit bezeichnet, erkl^rt er daraus, dass dialekte, welche 
das wort frosk 'frosch', aber keinen namen fdr die krankheit hat- 
ten, die letztgenannte bedeutung aus solchen dialekten entlehnt 



154 E- N. SetXlA. 

Die dritte bedeutung (BammBkonliha 'das fleischige im 
pferdehufe') hangt natUrlich mit der bedeutung 'frosch' zusam- 
men; vgl. schwed. frO .frosch' — 'das fleischige im pferde- 
hufe', norw. frosk id., engl. frog 'an elastic, homy substance 
gro«'ing in the middle of the sole of a horse's hoof (Murray. 
vgl. froBh = 'the thrash, or tender part of a horse's hoor, 
Northumberl. gloss, nach Murray), griech. jlfarpa^o; 'der hohle 
teil am pferdehufe'. 

Die unter 4) angefUhrten bedeutungen 'schwamm, pilz' 
konnen hier beiseite gelassen werden; sie konnen wohl aus 
den obigen hergeleitet werden. ' Dasselbe gilt sowohl v-on der 
bedeutung 5) ('jungen' = nfroschlein", vgl. schwed. tossa 'krote', 
nach RiETz auch kosewort fiir 'kleines madchen', z. b. flekke- 
toua = fi. tytdnaampiaiflet, ebenso schweiz. ftdaob 'kleines 
madchen', Staub u. Tobler 1 1333) als 6) ("unruhig' u. a.). 

Es folgen dann die bedeutungen 7—11 ('flsch", — 'pfraler', 
bezw. 'stiitze', — 'wassergaUe" — 'wasserhose' — 'grosser, star- 
ker mann"), welche grossere schwierigkeiten bereiten. Die erste 
frage, die sich erhebt, ist natiirlich die, ob man es hier mit dem- 
selben worte, bezw. wortstamm zu thun hat, oder ob diese be- 
deutungen Oder einige von ihnen zu einem wortstamm gehdren, 
welcher ganz anderen ursprungs ist. Der gedanke scheint ja 
der natiirlichste zu sein, dass sanuoss 'pfeiler' u. s. w. ein ganz 
verschiedenes wort ist, vielches mit sommas 'frosch' u. s. w. 
nur die aussere form zufalligerweise gemeinsam hat, Wenn 
dem so ware, hatte man v\*ohl eine verbindung zwischen den 
bedeutungen 'stor' u. s. \v. einerseits und 'pfeiler' andererseits 
anzunehmen, indem man von einer urbedeutung wie et\va 

hatten, in denen trosk beides bedeutete. — Ober das verhSltnis 
von tosk -— ■ trosk '— frosk (in der bedeutung 'frosch') kann ich 
--■-'- -atClrlich nicht aussprechen, ich kann mil jedoch gar nicht 
dass die verbindung der bedeutungen 'frosch' und kinder- 
it nur auf xuf^lliger lautahnlichkeit beruhe. Hier macben 
seuropaischen und finn. parallelen die sache unzweifelhaft. 
engl, thrush ('aphthic', 'krankheit od. das fleischige im 
ife', vgl. frash id.) ist ohne zweifel mit scfawed. trosk ver- 
und muss wohl folglich urspr. 'frosch' bedeuten, Merke 
igl. thrush-lJcheD 'peltidea aphthosa'. Siehe oben p. 147. 
Eine entlehnung aus dem germ, (aus einem vorauszusetzenden 
'amba-) ist wohl wegen formeller schwierigkeiten abzulehneo. 



Zur etymologic von Sampo. 155 



'stamm', 'pfahl'^ u. s. w. auszugehen hatte (viell. auch *mut- 
terfisch' << *stammfisch' ?, wenn diese bedeutung belegt wer- 
den kann). 

Ohne die moglichkeit zu leugnen, dass man es hier mit 
einem ganz anderen worte zu thun haben konnte^, will ich 
hervorheben, dass das wort sammakko 'stUtze* u. s. w. kaum 
von sammakko 'frosch* getrennt werden kann, und dass die 
bedeutung pfeiler' u. s. w., die sammas ^ besitzt, leicht von der 
bedeutung 'stiitze' hergeleitet werden kann. Fiir die bedeu- 
tungsentwickelung 'frosch* > *stUtze* u. a. fehlt es nicht an 
semasiologischen parallelen; man vergleiche nur z. b, hd. frosch 
'hebedaumen*, 'bei wagnern und zimmerleuten die stiitze der 
achsen, schwungbaume, balken u. s. w.', 'die schiebbare schraube 
am geigenbogen zum anspannen der pferdehaare*, *an fassern 
der uber den boden hinausragende teil der fassdauben', 'berg- 
mannisch: eisenring od. -hake, sonst auch tatze, daumling'; 
schweiz. frdsche 'gergel od. kimme an den dauben des fasses, 
zubers udgl., d. h. derjenige teil desselben, der liber den boden 
hervorragt*; die einsagung der dauben, in welche die bretter 



' Vgl. hd. 8t5r, ahd. sturio ^^^ ano. staurr 'pfahP, griech. 
4iTVQtt^ 'lanzenschaft*, siehe Lid^n, Uppsalastudier 91 note, Noreen, 
Urgerm. Lautlehre 80 u. a. 

* Nachdem dieser aufsatz schon niedergeschrieben war, hat 
K. B. WiKLUND in seiner flugschrift »1 Kalevalafragan» (p. 24 — 
25) die meinung geaussert, dass H. sammas ^pfeiler' u. s. w. ein 
baltisches lehnwort sei: <[ lit. iambas Mie kante eines balkens', 
Jiambris, zambis Mer gemeine litauische pflug' (mit hinweis auf 
Thomsen, FBB 246, wo jedoch nur fi. hammas 'zahn* und nicht 
sanunas mit dem lit. worte zusammengestellt wird). Dagegen muss 
bemerkt werden, dass nur fi. hammas mit h = bait, sz, i eine 
lautgesetzliche entsprechung des lit. iambas, lett. fohbs ist. Da- 
gegen ist es mehr als zweifelhaft, ob fi. s einem bait, i entspre- 
cben kann; es fehlen jedenfalls dafUr alle beispiele, und auch alle 
beispiele von litt. sz '^^ ii. s sind unsicher. Auch die bedeutun- 
gen stimmen ziemlich wenig mit derjenigen des bait, wortes tiberein. 

3 Merke sonst, dass sowohl sammas als sammakko den 
'eisemen haken' am schlitten bezeichnet, siehe 7) g). 

* Vielleicht auch norw. tijosk, trosk, tijesk, tresk 'ring- 
vaeg; den ring som danner sideme i et kar, isaer forsaavidt den 
bestaar af en enkelt sammenboiet skive, saasom i en aeske, et sold, et 
blikspand etc.', vgl. zu der form schwed. trosk. Siehe p. 149, 7) h). 



156 E. N. SetAlA. 



des bodens eingefiigt werden; der iiber das bodenstiick 
vorstehende teil des gebaudes' (Staub u. Tobler, Schweizer. 
Idiotikon I 1333); — engl. flx>g 'pfanne in der angel*, 'a grooved 
piece of iron placed at the junction of the rails where one 
track crosses another* (Murray, Engl, dictionary), \\n the Uni- 
ted States) a triangular support or crossing plate for the wheels 
of railway carriages, where one line branches off from another 
or crosses it at an oblique angle* (Ogilvie-Annandale, The 
imperial dictionary), *an attachment to the waist-belt in which 
a sword or bayonet or hatchet may be carried* (Murray); — 
franz. grenouiUe *piece d*une machine sur laquelle frotte le 
pivot*. Solche bezeichnungen kommen freilich meistenteils in 
technischen ausdriicken vor, es ist jedoch anzunehmen, dass 
der sprachgebrauch hier alte und volkstiimliche wege betreten 
hat. Die angenommene federkraft bei einem frosch hat wohl 
als ausgangspunkt fur die bedeutungsentwickelung gedient. Es 
scheint zu gewagt zu sein an einen mythischen ausgangspunkt 
zu denken. 

Auch eine verbindung des fischnamens sampi mit dem 
worte fiir frosch ist nicht als ganz unmoglich abzulehnen. Es 
ist zu bemerken, wie aus den unter 8) mitgeteilten notizen her- 
vorgeht, dass sampi eher im allgemeinen einen grossen fisch, 
einen wun der fisch, als eine bestimmte fischart bedeutet Und 
man hat allerdings einen fall, wo ein „wunderfisch" oder wenig- 
stens ein merkwiirdiger fisch in mehreren sprachen als „ frosch" 
bezeichnet wird. Ich meine die namen fiir *seeteufer, *lophius 
piscatorius*, welcher russ. ^;irBa (vgl. deminut. Jiaryina, jflrjrniKa 
'frosch*), engl. fix>g, franz. grenouille, grenouiUe de mar od. 
grenomlle pdcheuBe, ital. rana pesoatrioe, lat. rana Tnaripa, 
rana piscatrix od. auch nur rana (Plinius), griech. fidrgaxog 
genannt wird. Ein ahnliches verhaltnis wie zwischen Jiflrea 
und jaryniKa konnte wohl zwischen est. 8amb(a-), fi. sampi 
(sammi) u. s. w. und fi. sammakko, sammakka existieren \ es 

^ Nur ein irrlicht ist wohl die lautlUinlichkeit zwischen schwed. 
torsk (aschwed. thorsker, ano. I>or8kr, d. dorsoh) 'gadus' und torak, 
trOBk 'frosch' u. kinderkrankheit! Vgl. jedoch d. quappe ^^^ si. &aba! 

^ Es ist zu bemerken, dass fi. sammi auch 'frosch' bedeu- 
tet; vgl. auch sampiainen 'junge', siehe oben unter 5); nber 
sampi als name der kinderkrankheit (?) siehe oben unter 2). 



Zur et3nnologie von Sampo. 157 



sei denn, dass man zu einer solchen bezeichnung durch fremde 
vorbilder oder durch erzahlungen fremder v51ker gelangt sei. 
(Vgl. jedoch die gleich unten zu besprechende bedeutung; 
merke: hd. seedraohe!). 

Die bedeutung 9) 'wassergalle' im est. u. wot., bezw. est. 
'saule am himmel, die sich bei feuersbriinsten zeigen soil, wenn 
ein lebendes wesen verbrannt ist* (WrcoEMANN) scheint schwe- 
rer erklarbar zu sein. Dabei von der bedeutung *saule' auszu- 
gehen, wie es Wiedemann thut, ist nicht sehr ansprechend. 
Vielmehr kommt man auf den gedanken, dass hier eine my- 
th ische auffassung zu grunde liegt. Es ist zu beachten, dass 
in vielen sprachen das wort fiir drache eine lichterschei- 
nung bezeichnet. So z. b. im schwed. drake u. a. 'luftfeuer 
an sumpfigen stellen*, draka-^jns = *lichtschein, welcher ein 
ungluck Oder den tod eines menschen voraussagt' (vgl. oben 
die est. bedeutung), — nor^\^ dralge *ein haufe schwebender 
Sterne', — dan. „den flyvende drage kaldes et slags ildigt luft- 
syn; den rode drage = 'der rote drache' = Teuer' (Molbech); 

— hd. „wenn in den mittlem luftschichten angesammelte diin- 
ste sich entztinden und einen langen feurigen schweif nach 
sich Ziehen, so wird dieses meteor ein feuriger, ein fliegender 
draohe, franz. un dragon volant genannt" (Grimm); „ein feuer- 
drach umfliegt das dach und bringt uns butter und eier (HOlty); 

— engl. drake, fire-drake = 'a fiery meteor'. Auch das est. 
lendav bezeichnet sowohl 'drache' als 'feuerkugel, meteor' (tule- 
lendav) 1. Auf grund dieser parallelen wage ich die ansicht aus- 
zusprechen, dass man bei dem est. -wot. worte von einer be- 
deutung 'drache' — womit wir uns weiter unten beschaftigen 
werden — auszugehen hat. Von dieser bedeutung ausgehend 
konnte ebenso die est. verbindung vee-sammas 'vvasserhose' 



^ J. W. L. V. Luce erz&hlt: »Von dem Lendawa auch 
Weddaja genannt (fliegender Drache, den ich in funfzig Jahren 
nur einmal habe erscheinen gesehen; doch mag er frtiher hin sich 
Ofters gezeigt haben,) von dieser Naturerscheinung hat der Oeseler 
die Id6e: dass es der leibhaftige Teufel ist, der seinen Freunden 
und VerbOndeten Reichthflmer aller Art ins Haus bringt » (Wahr- 
heit und Muthmassung, Beytrag zur SUtesten Geschichte der Insel 
Oesel. Pemau 1827, p. 106). Nach Russwurm halten die esten 
auch stemschnuppen fOr kleine drachen (Eibofolke 11 241). 



158 E. N. SetAlA. 



(10) erklart werden — vgl. die parallelen: fi. lohik&Srme 'dra- 
che^ '^ est. Idhemada Vasserhose^ = franz. dragon d'eau 
'ancien nom de la trombe' (LtttrA); hier hat jedoch auch die 
bedeutung 'saule^ als ausgangspunkt dienen kdnnen. 

Es fragt sich, ob ein solches wort fiir 'drache' vieileicht 
etwas mit dem wort fiir 'frosch* zu thun haben kann, d. h. ob 
sich die bedeutungen aus ein er quelle herleiten lassen. Eine solche 
bedeutungsentwickelung ist in der that nicht beispielslos; man 
bemerke namlich estn. punk g. pungi, paogii, pauga *krote* u. 
'drache', 'geisterhaftes wesen, welches angeblich schatze zu- 
tragt', ^ welches das lett puhk'is 'drache' wiedergiebt 

Wenn diese auffassung stich halt, ist ja dieser fall fur 
unseren zweck von ganz besonderer wichtigkeit. Es sei zu- 
gleich bemerkt, dass es, wenn diese bedeutung vorauszusetzen ist, 
ja nicht unmoglich ist, dass die bedeutung ^grosser fisch', 'wun- 
derfisch* mit derselben zusammenhangt. 

Zu fi. sampi 'grosser, starker mann', vgl. die bemerkung 
oben unter 11). 

Sammakko als fluchwort konnte nattirlich von der be- 
deutung *drache* hergeleitet werden; es kann aber ebenso gut 
direkt aus der urspr. bedeutung herstammen. 



Auf grund dieser ausfuhrungen kommen wir zu dem 
schluss, dass die hier behandelten auseinander gehenden be- 
deutungen — wenigstens zum grossten teil — aus einer grund- 
bedeutung hergeleitet werden konnen. Uber den ursprung und 
die verwandtschaftsverhaltnisse des wortes sampa, sammas mit 
seinen ableitungen kann man leider sehr wenig sagen, weil 
man, svie schon oben hervorgehoben, nur im lappischen eine 
sichere entsprechung des betrefifendes wortes hat. Das Ip. wort 
mit seinem anlautenden c weist, wie ich an einem anderen 
orte hoffe nachweisen zu konnen, auf eine anlautende „aflfri- 

1 Naheres Qber die vorstellung von punk siehe bei HUKT, 
Beitriige zur Kenntnis estnischer Sagen und Ueberliefeningen, Schrif- 
ten d. Gel. Estn. Ges. 2, p. i6; HoLZMAYER, Osiliana, Verhandl. 
d. Gel. Estn. Gesellsch. VH i6. 



Zur et5rmologie von Saxnpo. 159 

cata" hin (6 = tS od. tS: ^Sampa, ^fiambas). Und dadurch, wie 
uberhaupt durch die aussere form des wortes wird man leb- 
haft an ein wort der zigeunersprache erinnert: diamba, diampa, 
samba, zampa *frosch' (vgl. auch ngr. C^fjt^a, r^dfifta^ alban. 
d*ambe, ^^td(ista). Dieses wort wird wohl gewohnlich als ein 
slavisches lehnwort angesehen (vgl. Miklosich a. a. o.), obgleich 
„die einschaltung des m befremdend ist", und der anlaut nicht 
fiir slavischen ursprung zu sprechen scheint. Wenn das 
zigeunerwort auch indischen ursprungs ware, woruber ich na- 
turlich kein entscheidendes urteil aussprechen kann 2, ware ja 
auch im diesem falle eine uralte arische entlehnung auf der 
linnisch-ugrischen seite unsicher. Ich habe jedoch diese ahn- 
lichkeit nicht unbemerkt lassen wollen. 



Ob und wie eine von den besprochenen bezeichnungen, 
bezw. bedeutungen in zusammenhang mit dem namen des 
wunderdinges in den finnischen epischen liedem steht, sollte 
nattirlich durch vereinigte arbeit der folkloristischen und etymo- 
logischen forschung entschieden werden. Die schwierigkeiten 



^ Die verschiedenen form en des wortes bei den europaischen 
zigeunem werden bei Miklosich, tJber die Mundarten und die 
Wandeningen der Zigeuner Europas, I 47, nr. 638 u. VIII 98 an- 
gefdhrt. Vgl. A. F. Pott, Die Zigeuner in Europa und Asien II 
233). Das wort kommt auch bei den iinl. zigeunem vor: zampa 
'frosch*, adj. zampako- (bemerke das suff. !) 'frosch* vor (Thesleff, 
WOrterbuch des dial, der finnl. Zigeuner). 

2 Mit aUer reservation erlaube ich rair an aind. jamba (jam- 
baU) 'sumpf, schlamm' zu erinnem. Cher aind. jamba, -ala + 
Slav. &aba 'frosch*, d. quappe u. s. w. (neben ae. cwabbe 'sumpf 
u. s. w.) siehe Lid6n, Stud. z. altind. u. vergl. spr.-gesch. 85, 
note 4. Zu bemerken ist, was oben (p. 152) ilber den fi. ortsnamen 
Sammatti gesagt wurde. Vielleicht k5nnte auch ii., olon., wot. 
sammal (g. sammaleii u. s. w.), kar. Mammal, weps. samaA, 
saTuat, est. sammal s. sambla, liv. samal 'muscus\ 'moos' zu 
demselben stamm gehOren (zu dem wortausgang vgl. aind. jam- 
bala!), in welchem falle die von Thomsen (FBB 214) mit einigem 
zweifel vorgeschlagene zusammenstellung ii. sammal <^ ? lit. sama- 
nos aufzugeben w^e. 



i6o E. N. SetAiJL 



auf dem folkloristischen gebiet sind aber ebenso gross wie auf 
dem etymologischen : es existieren, vne schon oben angefuhrt, 
drei haupttbrmen der Samposage: die savolaxische, die finnisch- 
karelische und die nissisch-karelische, die zwischenglieder aber 
fehlen. Ausserdem ist hervorzuheben, dass nur eine mangel- 
hafte variante der savolaxischen form existiert, und dass man 
von dieser sage keine varianten aus Ingermanland und Estland 
besitzt Auf diese folkloristischen fragen will ich jedoch nicht 
eingehen; ich begnuge mich mit einigen andeutungen uber die 
fragen, welche mit der etymologie des wortes in zusammen- 
hang stehen. 

In der neuen interessanten hypothese uber das Sampolied, 
welche Raable Krohn in dem Anzeiger des ersten bandes die- 
ser zeitschrift (p. 199 f.) veroflFentlicht, wird von der voraus- 
setzung ausgegangen, dass die finnisch-kareUsche variantengnippe 
die ursprunglichste form des liedes darstelle, und ganz einfach in 
dem fischnamen sampi, sampo (in der bedeutung 'mutterfisch*, 
als bezeichnung fiir die braut) der ursprung des Sampowortes 
gesehen. Wenn nun auch sampi, sampo = *mutterfisch* aus 
Finnisch-Karelien nicht belegt werden konnte ^ ware es freiUch 
nicht unmoglich, dass ein fischname als epithet der braut ge- 
braucht worden ware. Jedenfalls ist zuerst zu beweisen, dass 
sampi, sampo ursprunglich dem liede der brautwerbung ange- 
hort, und dass die finnisch-karelische form des Sampoiiedes 
wirklich die ursprunglichste ist Voriaufig wenigstens existiert 
ein solcher beweis nicht; meines erachtens ist es nicht eiimiai 
sicher, dass die finnisch-karelische form die direkte urform 
der russisch-karelischen ist, sondem ich sehe es als eine mog- 
lichkeit an, dass eine andere verbindung zwischen der savo- 
laxischen und der russisch-karelischen form existiert hat als die 
isudliche) finnisch-karelische. 

Wenn es sich erwiese, dass die savolaxische form, obwohl 
stark verkiirzt, die wesentlichsten zuge der urspninglichen 
Samposage wiedergabe, ware dem wort sampo, sammfiw u. s. w. 



^ Ich habe bei einigen scholem des brceums zu Sortavala, 
welche aus Suistamo gebOrtig sind, anfragen lassen, ob sie ^^^mpi, 
8am.po in der bedeutung 'mutterfisch' kennen. Sie haben die frage 
vemeinend beantwortet und nur die bedeutung 'stOr* gekannt. 



Zur etymologic von Sampo. i6i 

nach den obigen ausfuhrungen hier am natiirlichsten die bedeu- 
tung: 'fliegender drache' zuzuschreiben^ Die vorsteliung von 
einem drachen kann bei den finnen ziemlich alt sein, was 
durch das fi. igattara bestatigt zu werden scheint, wenn dieses 
wort, wie prof. Mikkola meint, mit dem litt. aitwaras 'der alp, 
der fliegende drache, der nach dem volksglauben schatze bringt* 
zusammenzustellen ist^ und in diesem falle folglich aus der 
zeit der finnisch-baltischen beruhrungen herstammt. 



^ Eine behauptung, dass Sampo der phantasie der finnen als 
»ein fliegender frosch», »als ein frosch und nichts anders» (WlK« 
LUND, I Kalevalafragan 28) vorgeschwebt habe, kann natUrlich nicht 
durch den etymologischen zusammenhang der wOrter bewiesen wer- 
den. Ebenso gut kOnnte man behaupten, die iinnen h^tten ge- 
glaubt, dass die 'stUtze' in der mOhle u. s. w. ein veritabler frosch 
sei. — Ober den interessanten artikel von A. O. Heikel »Mik^ 
oli Perman Sampo ?» (SM 1901, p. 17), wo viele alte reptilienfigu- 
ren aus dem permischen gebiete vorgeftihrt und mit der finnischen 
Samposage in zusammenhang gebracht werden, will ich mich vor- 
laufig gar nicht ^ussem, bevor der urspnmg und die geschichte 
dieser figuren naher untersucht ist. 

^ Ajattaro heisst nach Juslenius »pellex venefica: aliis saty- 
rus». Nach Lencqvist ist Ajattara, Ajattaro (De superstitione 
vetenim fennorum 1782, p. 50 z=z Porthan, Opera selecta IV 75) 
i>malus genius silvestris, — foeminini generis [der entsprechende 
mannliche waldgeist heisst Liekkid], terribilis, celer et homines in 
errorem inducens*. »His geniis [LiekkiO u. Ajattara]», fahrt er fort, 
»comminiscendis occasionem forte dedit notum illud meteoron, quod 
ignem fatuum erraticum aut ambulonem Physici dicunt». Da- 
mit stimmen auch Ganander (Mythologia fennica 1789, wo das wort 
mit »Priapus» Obersetzt wird) und Renvall im wesentlichen tiber- 
ein. — Die finnische BibelObersetzung aus d. j. 1758 hat in Lev. 
17: 7 allat. pi. fgattaroille = hebr. se'irim (sg. sa'ir), Luther's 
'feldteufeP (in den alteren Obersetzungen perkeleille 1642 u. men- 
ningiUsiUe 1685; dasselbe hebr. wort wird nach gUtiger mitteilung 
von prof. Tallqvist anderenorts mit liekkidt wiedergegeben : Jes. 13: 
21 u. 34: 14). Aus der volkspoesie sind folgende zeilen zu notieren: 

olekkos sinfl konnan kuola kal- bist du, [schlangej, der kr5te (des schuf- 

liolla, tes) schleim auf dem felsen, 

olekkos aattaran aidan vittois? bist du [der schleim] des aattara's an 

den zaunbauden? 

(Schlangenbeschw{)rung aus Ikaalinen, Paldani's runensamml. 28.) 

Mit diesem wort h^gt sicher i\. hattara zusammen: nach 
Ganander »en troll-kana i gamla sagor», >item Hattarat, bangstyrige 

6 



1 62 E. N. SetAlA. 



Die bedeutung *krote, frosch* braucht also fur Saminiw in 
der savolaxischen form nicht vorausgesetzt zu werden, obgleich 
diese tiere vielenorts als heilig gelten ^ 



Wie auch die Sampofrage in der zukunft gel5st werden 
mag, jedenfalls steht es fest, dass die erhaltenen drei haupt- 
formen aus einer gemeinsamen quelle stammen. Ich meine 
damit naturlich nicht, dass man in den verschiedenen varianten 
nicht elemente aus ganz verschiedenen liedern und sagen habe, 



jattar och himmelsbestonnare»; Renvall 'g^gas mythol. tumultuans, 
variaque mala, lites etc. hominibus machinans, res hominum per- 
verse confundens*, pahat hattarat Mmpii finnorum Titanes'; hierzu 
wahrscheinlich der in der volkspoesie so gewOhnliche ausdnick 
hattaroien haUits^a u. s. w., wo man das wort gewOhnlich 
als 'wolke* aufgefasst hat. In der finn. postille von L. L. Le- 
STADIUS, worauf mich prof. J. GUMMERUS aufmerksam gemacht 
hat, kommt das wort hattarat Ofters in der verbindung hattft- 
rat ja mett&n perkeleet (*h. u. waldteufel') vor, welches auch 
far die identit^t von hattara und igattara zeugt. In der jetzi- 
^en sprache kommt hattara als fluchwort und auch als schim- 
pfendes epithet eines m^dchens vor. — Ein entsprechendes wort 
^ebt es auch im est. : estS &gS>t3r, welches nach Hurt (Beitr. zur 
Kenntnis estn. Sagqn u. Ueberlieferungen, Schriften d. Gel. Estn. 
Ges. 2, p. 9) »noch heut zu tage im Kirchspiel POlve bisweilen 
als kraftiges schimpf- und fluchwort vorkommt*, bedeutet nach der 
alten Oberlieferung *mutter des teufels' oder auch 'tochter des Juu- 
das'. Dasselbe wort hat man in den pflanzennamen estN ajjatari 
hein, estS ag&tSri hain 'scabiosa arvensis L.'. — Zur bedeutungs- 
entwickelung vgl. schwed. drake i) 'drache* u. 2) >lyktgubbe», 
'luftfeuer an sumpfigen stellen', drakabo 'der verg^abene schatz' 
(RiETZ, Sv. dial.-lex.) (vgl. oben Lencqvist's erklSrung von i^jat* 
tara). 

1 Diese tiere werden in Schweden und Deutschland fflr ver- 
zauberte prinzessinnen gehalten (siehe z. b. Russwurm, Eibofolke 
II 190 und daselbst angef. citate; Rietz, Sv. dial.-lexikon sub voce 
tossa). Sic durften nicht (nach RiETz' a. a. o.) »t6ssa> oder 
;>groda» genannt werden, sondern »fr5ken> (wobei wahrscheinlich 
die laut^hnlichkeit: schw. flr6a *frosch' eine roUe spielt). FrOsche 
und krOten sollen nach Sylvander (Kalmar slotts och stads histo- 
ria II, I 1 S4) geheilij^t und unantastbar sein, well sie priesterinnen 



Zur etymologie von Sampo. 163 



sondern dass die alien formen gemeinsamen oder aus einander 
herzuleitenden zQge eine ursprungliche form voraussetzen, die 
auch den namen Sammas od. Sampo o. a. enthalten hat, und 
vvoraus die jetzigen formen herstammen. Fiir eine entgegen- 
gesetzte annahme ^ sehe ich in dem bekannten material gar 



oder hexen der Fro sind. — Beil&uiig werde nach Sylvander 
noch folgendes bemerkt. Auch die raubvOgel waren der Fru 
geheiligt; man stellte sich vor, dass sie und ihre priesterinnen 
durch die luft nach einer heiligen insel in der see fliegen 
konnten (a. a. o. 182). Die Fru nimmt die gestalt des gold- 
vogels und des Phoenix an, welcher weit nach dem goldschloss 
ostwarts von der sonne fliegt (a. a. o. 183). Die Fru stellt man 
sich auch auf einem riesenstein sitzend und in der dSUnmerung fUr 
die Sonne die lichtstrahlen spinnend und auf die wipfel des waldes 
das rote gold der morgenrOte webend vor; wahrend dieser verrichtung 
wird sie Pru Sole genannt (184). Beim lesen dieser notizen drSngen 
sich viele parallelen auf: man denkt bei der Pru an die Pohjolan 
em&Dt&, man denkt daran, welche roUe die lautahnlichkeit zwischen 
Fru (Pr6) und fr5(a) *frosch' mOglicherweise dabei gespielt hat; 
man kommt sogar darauf, dass Sammas (bezw. Pohjolan emftnta, 
Pohjolan kotka) mOglicherweise mit dieser Fru-fr6 zu thun haben 
kOnnte! Aber all dieses bedarf ja nftherer untersuchung. Vielleicht 
sind alle solche parallelen nur irrlichter! — Vgl. sonst den oben 
angefahrten aufsatz von A. O. Heikel (SM 1901, p. 17); ttber die 
^rana senea*, welche nach Olaus Magnus (Hist. Ill, C. 17) bei 
den lappen als wahrsagungswerkzeug diente, siehe SM 1902, p. 32; 
Qber opferkr5ten in Deutschland siehe den vortrag W. Hein's 
in den Mitteil. der Anthr. Ges. in Wien XXI, Sitzungsber. 1901, 
p. 20. 

* Eine sehr bedenkliche hypothese in dieser richtung (K. B. 
WlKKUND, I Kalevalafragan 27), dass Sampo als name eines schif- 
fes statt eines ursprtinglicheren saima 'leichter* stehe, hat ihr ur- 
heber selbst in Virittaja 1902, p. 38 durch eine von doz. O. v. 
Friesen (mflndlich) vorgeschlagene neue hypothese ersetzt, dass 
Sampo als name eines schiffes nur eine direkte tibersetzung des 
namens dbrake 'vikingerschiff* sei. Aber auch durch diese erkla- 
rung ware man ja genOtigt die »schiff»-gruppe als eine ganz neue 
form der Samposage, die nicht mit der savolaxischen und anderen 
formen zusammenhinge, aufzufassen, und eine solche auffassung 
lasst sich durch die varianten gar nicht rechtfertigen. Eine viel 
nattirlichere erklarung ist die, dass Sampo, nachdem man seiner 
bedeutung nicht mehr bewusst war, durch missverstandnis als 
sjTionym des in parallelstrophen auftretenden laiva 'schiflf' auf- 
gefasst w^irde. — Bei der anftthrung dieser neuen hypothese hat 



i64 E. N. SetAlA. 

keine stutze. Auf alle Talle hangt die schliessliche entscheidung 
der Sampofrage davon ab, ob unJ wie man die liicken in 
unserem wissen aber das gegenseitige verhaltnis der drei bisher 
bekannten hauptfonnen des Sampoliedes ausftillen kann. 

HelMnKfors. 

E. N, SktAlX. 

wohl WiKLiND seine schon JrQher erwahnte behauptung (I Kale- 
valafragan 28) aufgegeben. dass sich Sampo >der phantasie det 
linnen als ein frosch und nichts anderes hat darstellen mflssent. 
Denn sonst hStten sie ja auch die stolzen \-JkingerschifFe als frCsche 
Bufgefasst ! 



-d?^^r^-- 



ANZEIGER 

DER 

FINNISGH-UGRISGHEN FORSGHUNGEN 

BAND II JUNI-NOVEMBER 1902 HEFT 2 



Besprechungen. 

Der fund von Qljadenov. 

A. Spicyn. rasAeuoBCKoe KocTHiue. =: Der opferplatz von Gljadenov. 
«3anHCKH Hmd. pyccK. Apxeai. 0(5m. XII, i u. 2. T^ym oiA'fe.ieHia 
ciEBiiHCKOft H pyccKoft apxeo^OHH. St. Petersburg 1901. P. 228 — 
69. Mit 17 tafeln. — Auch separat erschienen. 

In den jahren 1896 und 1897 machte man reiche funde in 
einem burgwall bei dem dorfe Gljadenov ca. 20 werst sQdlich von 
Perm in der n^e der mUndung der unteren Muljanka in die Kama. 
Der burgwall lag auf einer spitz vorspringenden nattirlichen und 
nach dem spitzen ende zu sich senkenden anhOhe. Der spitze teil 
war durch zwei walle von dem dahinter liegenden plateau geschie- 
den. Die alterttimer wurden besonders zwischen diesen wailen ge- 
funden. Die geneigte Mche hatte sich zum teil nebst den darin 
liegenden altertflmern tiefer nach unten verschoben, teilweise Ober 
andere erdschichten. Ein anderer teil der oberen erdschicht war 
nach dem ufer der Kama zu hinabgeglitten, die frtiher dicht unten 
an der anhOhe hingeilossen war. — Bevor die untersuchung des 
burgwalles begonnen hatte, nahm man an, man habe es hier mit 
einem ostjakischen opferplatz zu thun, wo der heilige Trifon 
im 16. jahrhundert eine heilige tanne hatte niederhauen lassen. 
Das resultat der untersuchung hat indessen ergeben, dass der opfer- 
platz, den man hier aufgedeckt, bedeutend alter war, als man vor- 
ausgesetzt hatte. Ob derselbe speziell ostjakisch gewesen, dOrfte 
sich hingegen nicht bestimmt sagen lassen. 

Die untersuchung der fundstatte ist hauptsachlich vom prasi- 
denten der archivkommission zu Perm, N. N. Novokrescennych, 
ausgeftthrt worden. tiber die funde hat herr A. Spicyn, mitglied 
der archaologischen kommission zu St. Petersburg, einen bericht 
mit einem atlas von 17 tafeln verOflfentlicht, der von der Archao- 



58 Spicyn. Der opferplatz von Gljadenov. 

logischen Gesellscbaft daselbst herausgegeben worden ist. Die 
anzahl der gegenst£Uide, auf die er bezug nimmt, belSnft sich 
auf 19,000. Hierzu koramen eine menge tierknochen, die im 
zoologischen museum der Akademie der Wissenschaften zu St. Pe- 
tersburg bestimmt wurden. Herm Spicyn's bericht wurde hergestellt 
unter mitwirkung von und bei herm forstmeister Th. A. Teplou- 
CHOV, der in der nahe von Perm wohnt, wo der beschriebene tail 
der funde damals untergebracht war. Wo jedoch diese sammluog 
sp^terhin aufbewahrt werden sollte, wird nicht erwabnt. Vermut- 
lich sind auch die altertUmer von Gljadenov nach verschiedenen 
richtungen bin zerstreut worden *. Ein teil der altertflmer ist 
jedenfalls in das museum zu Jekaterinburg gekommen; diesen teil 
hat herr Spicyn in seinem bericht jedoch nicht behandelt. 

Die von herm S. beschriebenen alterttlmer sind von folgen- 
der art und beschaffenheit. Von den schneidewerkzeugen be- 
stebt der grOsste teil aus pfeilspitzen. Von ibnen waren ungefJhr 
400 aus knochen. Die bMfte davon hat viereckigen durchschnitt. 
Pfeilspitzen aus kupfer und von sog. skytbischen formen waren nur 
15 darunter (taf. I 6 und 7). Hingegen belief sich die anzahl der 
pfeilspitzen von eisen auf etwas tiber 300. Die pfeilspitzen soUen 
in den tiefsten erdscbichten gelegen haben. Messer in gewOhnlicher 
grOsse sind nur in wenigen exemplaren gefunden. Sie haben teils 
gerade, teils nach hinten gebogene schneide. Vermutltch sind sie 
aus eisen, obwohl das material in der beschreibung nicht angege- 
ben ist. Von dolchen ist nur das ende eines stiels aus eisen 
geborgen worden, welcher in zwei gegen einander gebogene spini- 
len ausiauft, — ein typus, bekannt aus Ananjino, der sich aus der 
bronzealterform mit zwei gegen einander gebogenen tierkOpfen 
entwickelt hat (taf. I 3). 2^hlreicher ist in der sammlung ver- 
treten ein meisselartiges werkzeug oder eine stampfe mit stumpfer 
schneide am einen ende. Seine verwendung ist unbekannt. Es 
tindet sich von ibnen eine anzahl von 350 St., s^mtlicb aus eisen. 
Ahnliche gegenstande sind in Sibirien, z. b. bei Tomsk, gefunden 
worden. Nur ein paar schneidewerkzeuge waren von stein: ein 
messer von feuerstein und eine keilfOrmige kleine axt 
von der form, die an der Kama gewOhnlich ist. Vereinrelte 



1 Siehe »OTqeT'h> der ArchSol. Kommission zu St. Petersburg 
1897. 



Spicyn. Der opferplatz von Gljadenov. 59 

gegenstHnde von stein begegnen oft in funden aus einer sp^te- 
ren zeit. 

Eine ganz besondere aufmerksamkeit verdienen die zahlreichen 
miniaturgegenst&nde. Darunter bemerken wir: ein paar hacken 
(aus welchem metall, ist nicht angegeben); hammer und ham- 
itoerbeile 11 st. (taf. 11 i u. 3), die meisten aus eisen, ein einzi- 
ges exemplar aus kupfer; pfeilspitzen 17 st. (metall nicht ange- 
geben); celtartige eishauen (?) mit schaftdOlle, aus eisen, 5 ex.; mes- 
ser mit teils gerader, teils seitw^rts gekrUmmter schneide, mit an- 
gel for das heft, 170 st. (metall nicht angegeben); femer 6 un- 
sichere gegenstande (spiegel ? etc.). Im ganzen 215 stOcke. Mi- 
niaturgegenstlUide sind bisher nur im Minusinskischen kreis von 
Sibirien gefunden worden. Sie bilden dort grabgut und wer- 
den von den russischen arch^ologen den ersten jahrhunderten unse- 
rer zeitrechnung zugeteilt. 

Von gegenstHnden von mythologischer beschaffenheit 
sind folgende gefunden worden: eine spiegelartige scheibe mit 
dem bilde einer menschlichen iigur, die auf einem reptil steht (taf. 
II 8); zwei freistehende figuren mit einerlei darstellungen ; drei 
vereinzelte mytholog^sche reptil ien oder seetiere mit schwimm- 
flossen oder fQssen. Ein paar tierfiguren sind mit einem horn auf 
der stim dargestellt und erinnem daher an das e inborn. Spicyn 
sieht jedoch in dem einen tier eine kuh (mit einem horn auf der 
stim?), in dem andem ein unbestimmtes fantasietier (Teplouchov 
h^t das letztere far ein elen?). (In kaukasischen funden ist der 
ochs oft mit einem horn dargestellt.) — Merkwtirdig ist eine 
gOtzenfigur auf einem halbmond (taf. II 12). Eine ^nliche 
figur ist frUher auf der TschuwaschenhOhe bei Tobolsk gefunden 
worden. Eine ahnliche darstellung ist auch auf einem bei Kiachta 
gefundenen gQrtel zu sehen sowie auf einer silberschdssel nord- 
indischer arbeit, die in der gegend von Perm gefunden wurde. 
Weiter haben wir 4 vogel figuren mit auf der brust eingeritztem 
menschenangesicht (taf. II 10) und ein paar greiffiguren. Die 
eine der letzteren ist zusammengerollt, sodass der schnabel in 
den schwanz beisst (taf. I 5). Ein ahnlicher gegenstand ist aus 
dem grabfeld von Ananjino bekannt. Femer haben wir tiber 
30 runde kupferscheiben mit goldglanzender, gewissermasscn 
lackierter oberflache, welche eine symbolische bedeutung haben 
sollen, indem sie mOglicherweise die sonne abbilden (taf. II 2). 



to Spic>n. Der opferplat?. von Gljadenov. 



Auf mehreren knopfartigen scheiben sind menschen und tiere, wie 
vOgel und schlangen eingeritzt, die wenigstens zum teil m5rthologi- 
scher art sein dUrften. 

Unter den fiinden sind figuren, die menschen und Here dar- 
stellen, zahlreich. Die menschlichen figuren belaufen sich auf 
nahezu i oo und stellen teils manner, teils frauen dar (taf. II 1 1 J. 
GewOhnlich sind sie nackt. Ein paar menschenfiguren halten eine 
schlange in der hand. In einem dutzend fallen bilden die mlUinli- 
chen und weiblichen gestalten ein paar. Eine figur zeigt eine frau 
mit einem kind. Auch begegnen wir einigen reiterfiguren mit 
flitzbogen oder k5cher (taf. 11 6), sowie freistehende schQtzen mit 
flitzbogen (taf. II 4). Die tierfiguren stellen dar: baren 15 ex, 
(taf. II 9), hunde 460 ex. (taf. 11 5), vielfrasse oder zobel oder 
ein andere marderart nur wenige ex.; hasen in einem ex.; eich- 
h^rnchen 3 ex.; schweine und wildschweine wenige ex,: 
ham m el i ex. von eisen — seine wolle ist aus golddraht herge- 
stellt, der zum teil noch erhalten ist — ; pferde 8 st. freiste- 
hende, ausser den zuvor erwahnten reiterfiguren; ktthe i unsiche- 
res ex. (bereits erwahnt); dazu mehrere tiere von unbestimmtem 
charakter, worunter vielleicht biber. 

Unter den vogel figuren lassen sich erkennen: falken oder 
andere raubvOgel ca. 100 ex. (taf. n 7); tauben 12 ex.; enteo 
6 ex.; ganse 3 ex.; u. s. w. unbestimmte \6ge\ icx) ex. — Aus 
diesen tierbildem darf man wohl den schluss ziehen, dass das volk, 
dem sie angehOrt, jagd als erwerb getrieben haben. 

Unter den tlbrigen tierbildem treflfen wir an: 50 figuren von 
schlangen, 4 fig. von eidechsen, ca. 80 fig. von bienen sowie 
mehrere fig. von unbestimmter art. 

Schmuck und andere gegenstande, die zur tracht gehOren, 
haben sich in menge gefunden. Von ihnen bilden die grOsste zahl 
dio prrlen. Solche sind namlich bis zu I2,9CX) st. gehoben wor- 
dcn. Wir k(>nnen verschiedene arten unterscheiden. Die meisteo 
o(I(T ttber 10,000 ex., 80 7o ^^^ ganzen anzahl, sind mit goW 
nbcrzogcne glasperlen, nur eine geringe menge ist versilbert Die 
kiii)frri)rrl(»n belaufen sich auf 2,500 sttick oder 19 ^o- ^^ At*"- 
K«n Hind |i:rftssenteils von dunkler oder hellblauer farbe mit augen 
odrr t0j)fcln von weisser, gelber u. a. farben. Unter diesen br- 
rncrktn wir auch cine perle mit dem bild eines gesichts auf bddw 
nriu-n (tnf. I 9). Diese perle ist klassischen urspnmgs. Die per- 



Spicyn. Der opferplatz von Gljadenov. 6 1 

len wurden dicht unter dem erdboden gefunden, woraus man wohl 
schliessen darf, dass sie wahrend einer langen folge von jahren an 
ort und stelle als opfer dargebracht worden sind, vielleicht auch 
noch zu einer zeit niedergelegt wurden, wo der platz aufgehOrt 
hatte zu seinem ursprttnglichem zweck verwandt zu werden. 

Die abrigen zieraten sind gering an zahl. Ohrgehange 
sind 40 bis 50 stUck gefunden worden (taf. I 11), wovon wenig- 
stens einige aus gold und eisen bestehen. Unter dem hSnge- 
schmuck befinden sich auch b^renz^hne sowie formen, die an ahn- 
liche formen teils von Pjani-Bor (taf. I 10), teils aus kurganen bei 
Tomsk erinnem. Grosser an zahl sind kleine knopffOrmige be- 
schlage, die entweder auf kopf bandern befestigt oder sonst auf die 
kleidung aufgenaht wurden (taf. I 14 und 17). Man hat nahezu 
400 St. von ihnen gefunden. Andere beschlage sind gleichfalls 
von verschiedener art und diese erinnem zum teil an die formen 
von Ananjino (taf. I 4 und 8) und Pjani-Bor (taf. I 13, 15 und 
16). Nur ein teil von einem armband, das aus rundem kupfer- 
draht bestanden hatte, sowie einige kupfeme und eiserne siegel- 
ringe sind gefunden worden. Mehrere gegenstSnde sind hinsichtlich 
ihres z weeks unbekannt. 

Ganze thongefasse sind 150 st. gefunden worden, ausser- 
dem eine unzahlige menge scherben. Die meisten gefasse haben 
einen durchmesser von 7 bis 15 centimeter lange sowie runden 
boden. An manchen gefassen jedoch ist der boden fast platt. 
Nur die grOsseren gefasse sind urn den hals mit punkt- und strich- 
linien verziert (taf. I 12). Einige gefasse haben tassenform und 
sind mit deckel versehen. Wenigstens eine tasse ist zum schmel- 
zen verwandt worden, denn auf ihrem boden bemerken wir reste 
von geschmolzenem kupfer. 

Bezaglich der technik der altertUmer aus kupfer und bronze 
giebt herr Spicyn einige interessante aufschlUsse. Die meisten men- 
schen- und tieriiguren sind mit einer schmalen stampfe aus kupfer- 
blech eingeschnitten oder richtiger eingehauen. Augen, zahne und 
omamente sind dann eingeritzt worden. Besondere kOrperteile 
sind oft besonders ausgeschnitten und spater mit der hauptfigur 
zusammengeschmiedet worden. Einige figuren sind aus kupfer- 
draht. Nur in wenigen fallen sind die figuren durch pokem von 
der rOckseite des blechs her hergestellt. Auch gemeisselte figuren 
sind anzutreflfen. Gegossene figuren genannter art aus kupfer zahlt 



62 Spicyn. Der opferplatz von Gljadenov. 

herr S. in der ganzen sammlung nur 12 st. (meistenteils vogelfigu- 
ren mit menschengesichtem auf der brust). Von diesen soUen nach 
S. alle importiert sein ausser zwei fig^ren von hunden, die die 
einzigen an ort und stelle gegossenen gegenstiUide sein sollen: 
trotzdem unter den funden eine giesstasse und 35 sog. giesskOpfe 
zu linden sind. Diese letzteren rftsonniert herr S. mit der ansicht 
weg, dass sie mdglicherweise b&ume darstellen kOnnten! Einige 
gegenst&Kle sind aus brQchiger, grauer bronze gegossen, welches 
metall sonst in Sibirien bis nach Krasnojarsk am Jenissej ange- 
troffen worden ist. Gegossen sind auch die pfeilspitzen, knOpfe. 
die ninden scheiben etc., aber alle diese wftren importiert. Schliess- 
lich sind eine anzahl 'statuetten' hinsichtlich ihrer technik unbe- 
kannt; sie sind nicht gegossen, mdglicherweise aber gemeisselt. 

Unverarbeitete tierknochen sind in einer masse von einigen 
kubikklaftem gefimden worden. Dieselben rflhren vor allem von 
baren, elen- und renntieren her und sind sflmtlich zertrOmmert. 
Auch knochen von pferden und ktkhen sind angetroffen worden, 
erstere in grOsserer zahl. Diese knochen lagen in schwarzer erde 
und lehm eingebettet, und mit diesen schichten waren die gegcn- 
st§nde von einem hOhergelegenen teil der fundstfttte hinabgerutscht. 
Auf knochen stiess man auch in der asche. Daselbst wurden aus- 
serdem schadel (keine anderen knochen?) von vielfrass, luchs, dachs, 
schwein und schaf aufgelesen. An einer stelle fand man viel kno- 
chen von »kleinen haustieren» (welchen?). Die »arbeiter» hatten 
die beobachtung gemacht, dass das reichliche vorkommen von 
vogelknochen mit reichlichen funden an anderen gegenstdnden zo- 
sammenfiel. Fischgrftten hat man wenig angetroffen. Nach diesen 
knochen zu urteilen hat sich die bevOlkerung hauptsftchlich durch 
jagd emahrt. 

Da keine knochen von menschen, wohl aber in grossen mas- 
sen solche von tieren gefunden worden sind, ist der fiindplatz 
sicher ein opferplatz gewesen. Spicyn meint, dass auch die thon- 
gefasse fOr eine solche benutzung der stelle sprechen. Hiergegen 
kann jedoch bemerkt werden, dass solche gefiisse auch in grabera 
vorkommen, wie z. b. in dem grabfeld bei Ananjino. Aber hieraut 
deuten — wollen wir hinzuftigen — auch die aufgefimdenen tierfigu- 
ren. In welchem sinne diese opfer dargebracht sind, ist schwer zu sagen. 
Wir kOnnen nur geltend machen, dass noch heutzutage in heidni- 
>rhen opferhainen an der mittleren Volga ahnliche gegenstfinde au> 



Spicyn. Der opferplatz von Gljadenov. 63 



zinn hergestellt werden, in welchem fall sie als opfergelttbde be- 
trachtet i^erden, die man in der zukunft bei gelegenheit in natura 
erfQllen muss. Auch werden tierfiguren aus holz geschnitten. Der- 
gleichen habe ich bei den sojoten im stlden von den sajanischen 
bergen beobachtet, wo diese figuren auf dem opferplatz an stelle 
von tieren aufgesteckt wurden, deren darbringung man sich in die- 
ser weise erspart. Die ttbrigen gegenstftnde sind wohl gleichfalls 
opfergaben, die, vom feuer fast ausnahmslos nicht beschftdigt, 
auf dem platze niedergelegt worden sind. Die menschen- und 
tierfiguren sind flbrigens mit Osen versehen, woraus hervorgeht, 
dass sie ursprflnglich dazu bestimmt waren Uber der kleidung 
getragen zu werden. Noch gegenw^rtig bemerken wir den brauch 
der sibirischen schamanen auf ihrer amtstracht allerhand figuren 
anzubringen. 

Aus welcher zeit stammt der opferplatz von Gljadenov? 
Wegen dieser zeitbestimmung weist herr S. zuvOrderst auf gegen- 
sttode bin, die einerlei form zeigen mit den unter den stOcken des 
opferplatzes gefundenen, aber schon seit frtlher aus den grftbem 
bei Ananjino und Pjani-Bor, beide an der Kama, bekannt sind. 
Die funde auf dem opferplatz von Gljadenov schliessen sich also 
an die beiden grabfelder an. Da aber herr S. meint, das grabfeld von 
Ananjino rtlhre aus den ersten jahrhunderten unserer zeitrechnung 
her, das von Pjani-Bor hingegen gehOre dem 6. — 7. jahrhundert n. 
Chr. an, so hSllt er es ftlr wahrscheinlich, dass der opferplatz von 
Gljadenov ungef^r in das 3. — 6. jahrhundert n. Chr. zu verle- 
gen sei. 

Bei dieser zeitbestimmimg ist jedoch zu bemerken, dass herr 
S. einige kupfermtlnzen ausser betracht gelassen hat, die zugleich 
mit den anderen funden aus unserem opferplatz gehoben wiu-den. 
Von ihnen haben nur zwei bestimmt werden kOnnen : es gehOrt die 
eine Kadfis I. aus der Dynastie Turuska (von 30 v. Chr. bis 10 n. 
Chr.) und die andere Sanabar aus Sakastan (i. jahrhundert unserer 
zeitrechnung — jahreszahl nicht angegeben) an. Herr S. meint, dass 
diese mUnzen den fund von Gljadenov nicht datieren ; »es gentlgt», 
sagt er, ^anzufiihren, dass in dem bekannten schatz von Sestakov 
(im gouv. Perm) vom jahre 1851 frUhzeitige indo-skythische mUn- 
zen zusammen mit byzantinischen und sassanidischen aus dem 7. 
jahrhundert gefunden wurden». — In dem werke »PycCKiH ApeB- 
HOCTH» (Russische alterttimer) von Tolstoj und Kondakov, III 72, 



64 Spicyn. Drr opfcrplatz vod Gljadenov. 

habe ich eine nShere datienuig der mOnzen des ^oannten scbat- 
zes gefunden. Die S]teste mOnze stammt aus der mitte des 5. 
jahrhunderts und die jQngste gehl bis in die jahre 613 — 14 zu- 
rack. Somit umfassen die mflnzen hier einen zeitraum von ca. 1 70 
jahren. Nehmen wir nun an, dass die mQnzen, die auf dem opter- 
platz von Gljadenov gefunden wurden, dieselbe zeit oder nabezu 200 
jahre gebraucht haben urn an ort und stelle zu kommen, so geUia- 
gen wit nahe biy zum oder ins 3. jahrhundert, in weiche zeit auch 
hen S. den beginn der benutzung des opferplatzes von Gljadenov 
verlegt. Das resultat ist also dassetbe wie das, zu dem er auf ande- 
rem weg gelangt ist. Wie kann aber herr S. uater diesen umstln- 
den behaupten, jene mdnzen kCnnten bei det zeitbestunmung nichi 
ins gewjchi fallen? Aber noch mehr, da wir hier wenigstens rwei 
mtlnzen von verschiedener art haben, die gletchwoh] aus ein und 
demselben jahrhundert stammen, muss man ihnen bei der zeit- 
bestimmung eine beweiskraft zuerkennen. Wir kOnnen daher b<v 
baupten, dass der opferplatz wenigstens teilweise dem ersten oder 
zweiten jahrhundert unsrer zeitrechnung angehOrt. In diesem fsH 
mtlssen wir das grabfeld von Ananjino in die zeit vor Christi 
geburt verlegen. 

An herm Spicyn's bericht ist von wert die gewissenhafte be- 
schreibung der gegenstSnde, hingegen liksst sich an der s}'Steniati- 
schen behandlung manches aussetzen. So sind die abbildungeo 
auf den tafeln nicht systematisch geordnet. Nur die perlen und 
die thonge&sse machen eine ausnahme, denn sie sind wenigstens 
in besondere gruppen konzentriert. Auch gewahrt man keine spur 
einer auffassung von einer typologischen entwicklung der formen, 
ohne weiche ein archSologisches system auch nicht erreicht wer- 
den kann. 

Ober das volk, dem die fundsttlcke aus dem opferplatz bei 

Gljadenov zugeschrieben werden kCnnten, sagt herr S. nichts. Es 

mOchte wohl auch schwer sein in diesem punkte eine bestimmte 

ansicht vorzutragen. Zun9chst dOrfen wir jedoch wohl irgendein 

permisch-ugrisches oder tUrkisches volk ftlr die urheber der 

Jie wir hier vor uns haben. Diese kultur reicht mil 

bis nach Asien und verr3t einen zusammenhang mil 

grabfunden von Ananjino und Pjani-Bor sowie mit 

n aus der Kamagegend, von der mittleren X'olga, 

und anderen stellen. Ausserdem deuten viele ge- 



Spicyn. Der opfeipUtz von Gljadenov. ty^ 






genstande auf fonnen, die in der pennischen eisenzeit ganz allge- 
mein sind. Diesen verfoindenden charakter kOnnen wir nicht hoch 
genug schHtzen. Die fimde vom opferplatz zn Gljadenov lie- 
feni ein ungeheuer reiches und dankbares material filr U'pologi- 
sche altertumsstudien, welche geeignet wSren die geschichte der 
volksstHmme in hohem grade zu beleuchten, die zu anfang unserer 
zeitrechnung auf beiden seiten des Urals lebten. Der opferplatz 
von Gljadenov ist der alteste datierbare platz aus dieser prShistori- 
I schen zeit. 

Erklamng der abbildungen. 

Die auswahl der hier nach herm Spicyn's tafeln reprodu- 
zierten abbildungen ist* teilweise unter besonderer berticksichtigung 
des anschlusses der formen der gegenstSnde an entsprechende for- 
men unter den zahlreichen funden aus den grabfeldern von Anan- 
jino und Pjani-Bor getroffen worden, welche letzteren fundt* in der 
pennischen archiologie zwei verschiedenen formgruppen bilden. 
Xach herm SpicjTi's verzeichnis schliessen sich fig. I i, 3 — 9 an 
Ananjino-formen und fig. I 10 — 11, 13 — 18 sowie II 2 an ent- 
sprechende formen von Pjani-Bor an. Die Obrigen gegenstandt* 
sind den genannten formgruppen zum teil fremd. 

Tafel I. 

Fig. L Knopf von der form eines vierfQssigen tieres mit 
>greifkopf und runden, stark abstehenden ohren>, welches sich in 
den schwanz beisst. (Vgl. fig. I 5.) In 1 ex. gefunden. 

Kg. 2. GUrtelschnalle »von der form einer phitte mit 
einem vogelkopf mit ohren am einen ende und einer Ose am andc- 
ren>. In diesem fall ware das spitzige ende mit dem oberen teil 
der vorigen figur (vgl. auch fig. II 7) zu vergleichen und kOnnte 
for einen stilisierten tierkopf angesehen werden. (V'gl. J. K. Asi»E- 
LIN, Antiquit^s, fig. 422.) Herm Spicyn's charakteristik ist jedoch 
sicher unrichtig, da sich diese form aus solchen entwickclt hat, wo 
sich der tierkopf am breiteren ende befand (siehe Antiquitos, fig. 
470—73). In I ex. gefunden. 

Fig. 3. Ende eines dolchgriffes in natQrlicher grOsse (p. 
30 sagt herr S., dieser gegenstand geh5re mOglicherweise zum grifie 



66 Spicyn. Der opferplatz von Gljadenov. 

eines messers, p. 41 nennt er es griff eines eisemen dolches). In 
I ex. gefunden. Die spiralen des knaufs sind wahrscheinlich um* 
bildungen von einander zugekehrten tierkOpfen an dolchen aus der 
Qbergangszeit von der bronze- zur eisenzeit Herr S. hat den um- 
stand flbersehen, dass das heft unter den spiralen an dem dolch 
von Gljadenov schmdler ist als an den dolchen von Ananjino und 
anderen dolchen aus der bezeichneten und frOherer zeit. Obgleich 
das heft verrostet zu sein scheint, kann man annehroen, dass es 
einen typus vertritt, der eine spStere entwicklung zeigt als die 
dolche von Ananjino. (Vgl. CiidHpcfdii ;ipeBnocTif B. PftA-^OBa. T. I. bud. 
II, 196.1. XIV, fig. 13.) 

Fig. 4. Beschlag (fOr pferdegeschirr?) mit spiralen. Aus 
(bronze- oder kupfer-?) draht hergestellt und auf der unterseite mit 
3 Osen versehen. Im historischen museum zu Helsingfors werden 
einige ^nliche gegenstdnde aus dem grabfeld von Ananjino aufbe- 
wahrt, doch sind diese simtlich gegossen und jeder mit einer 6se 
versehen. So zeigen sich bei diesem gegenstand auch verschieden- 
heiten zwischen den formen von Ananjino und den en von Gljade- 
nov. In I ex. gefunden. 

Fig. 5. Gewundenes wildes tier von unbestimmter art. 

Fig. 6 und 7. Pfeilspitzen von sog. skythischen formen. 
Aus kupfer. In je i ex. gefunden. 

Fig. 8. Riemenbeschlag mit zwei streifen zackenoma- 
menten und 2 Osen auf der rQckseite. In 7 ex. gefunden. 

Fig. 9. Perle von dunkelblauer farbe, abgeplattet und auf 
beiden seiten mit einer maske versehen. Die augen sind durch 
blaue einlagen hergestellt, die nase ist aus gelber farbe gemacbt 
In I ex. gefunden. 

Fig. 10. Hdngeschmuck »teil eines halsbandes». Die form 
erinnert an gewisse hftngezierden und kettenhalter, die spater auf 
tinnisch-ugrischem gebiet so allgemein wurden. In 3 ex. gefunden. 

Fig. 11. Ohrgehange von draht (metall?). 

Pig. 12. Irdener topf. An den tOpfen von Ananjino sind 
die punkte um den hals rund. 

Fig. 13. RinnenfOrmiger beschlag mit querbftndem. 
Zwei Osen an der unterseite. In i ex. gefunden. 

Fig. 14. KnopffOrmiger beschlag mit zwei Osen. Ein 
wenig bauchig. In Ober 170 ex. gefunden. 



Spicyn. Der opferplatz von Gljadeuov. 67 



16. Beschlag mit rosettenornament (in herm S.*s 
beschreibung nicht angefQhrt). 

Kg. 16. Zwei bauchige beschlSge, dhnlich den rand- 
omaznenten an grossen gOrtelschnallen von Pjani-Bor. Durch eine 
angel von eisen mit einander verbunden. 

;. 17. KuppelfOrmiger beschlag. In 8 ex. gefunden. 
;. 18. Sog. >gotische> schnalle» von eisen. Der schnal- 
lendom ist abgefallen. i ex. 

Tafel II. 

Kg. 1. Eisener miniatur hammer, in der form den stein- 
hSUnmem ^nelnd. i ex. 

Fig. 2. Spiegel, etwas gewOlbt, aus kupfer. Oberfl^che 
poliert. In 8 ganzen ex. und 5 fragmenten gefunden. (Noch 
beutzutage tragen die schamanen in der Mongolei kupfeme spiegel 
auf der brust.) 

Kg. 3. Miniaturbeil. Geschmiedet aus eisenblech, das 
um das stielloch gebogen und dessen ende auf der rechten seite 
zusammengeschmiedet ist. In 1 1 ex. gefunden. Der typus ist 
einerseits von Ananjino, anderseits durch funde spaterer zeit aus 
den gouvemements Tambov und Vladimir bekannt. 

Kg. 4. Schtitze mit flitzbogen unterm linken arm. Der 
rahmen Iftsst erkennen, dass die tigur vermutlich ein teil von einer 
grOsseren komposition ist. Die mQtze des schOtzen hat dieselbe 
spitze form wie u. a. die auf eine steinplatte gezeichnete menschen- 
figur, die man in dem grabfeld von Ananjino gefunden hat (siehe 
J. R. AsPELiN, Antiquit6s, fig. 402). 

Kg. 5. Hund mit fletschenden z^hnen. Die hundeformen 
variieren betr^chtlich. 

Kg. 6. Reiterfigur mit pfeilkOcher auf der linken seite. 
Ohne sattel. Verschiedene reiterfiguren in 10 ex. 

Kg. 7. Raubvogel mit ausgebreitetem schwanz, die flOgel 
zur halfte und im bogen erhoben. (Sitfhe den text.) 

Kg. 8. Runde scheibe mit dem bilde eines menschen, 
der auf einem reptil (schuppeneidechse) steht. Das haupt mit 
fedem oder langen flechten geschmUckt. Von beiden hSnden gehen 
ein hals und kopf von einem unbestimmbaren tier mit geOffne- 
tem rachen aus. Samtliche figuren sind aus »blech» geschnitten 



68 Spicy n. Der opferplatz von Gljadenov. 



und auf die scheibe festgeschmiedet sowie mit linienornamenten 
verziert. 

Prof. D. ANufiN hat eine gleiche scheibe mit dhnlichen figu- 
ren verOffentlicht. Verschiedenheiten zeigen sich in den detaik. 
So fehlen die linienomamente ; nur das reptil hat etwas derartiges. 
Finger und zehen sind nicht zu sehen, nur an einem paar fClsse 
andeutungen solcher. Auch ohren lasst das tier bei A. vermissen. 
Die tierkOpfe, die nach Spicyn die menschliche figur mOglicher- 
weise nur begleiten, verschmolzen in A.*s darstellung mit den 
armen der figur. Ausserdem zeigt A.*s scheibe Ober dem rQcken 
des reptils eine linie, die nach A.'s zeichnung den erdboden be- 
deuten soUte, unter dem sich dieses tier somit eigentlich befSnde. 
Nach A. ist die scheibe aus silber. S. giebt im text (p. 9) das 
metall nicht an, aus seiner Obersicht tiber die technik (p. 37 und 
38) darf man jedoch schliessen, dass das »blech» aus kupfer gewe- 
sen. — Aus allem erhellt, dass wir es hier mit zwei originalen zu 
thun haben, obwohl herr S. nur von einem spricht. GehOrt herni 
A.'s original zu der Jekaterinburger sammlung, die herr S. voll* 
standig ausser betracht gelassen hat? Prof. A. publiziert auch noch 
eine mythologische figur ganz anderer art von demselben opferplatz 
oder burgwall von Gljadenov, die gleichfalls bei herrn S. fehlt. 
Ebenso finden wir bei herrn A. eine menge v6gel- und raubtier- 
bilder, die er von herrn S. abweichend bestimmt K 

Pig. 9. B^ren figur, umgeben mit einem schnurartigen 
rahmen, einem an den permischen altertUmem gewOhnlichen zier- 
motiv. Nach S. wQrde dieses motiv haare vorstellen? 

Pig. 10. Vogel figur mit 3 kOpfen und einem menschen- 
gesicht auf der Brust. Die figur bedeutet wegen der machtigen 
ohren nach S. einen uhu. Prof. Anufin, der auch diese figur frO- 
her mitgeteilt hat, sieht in dem mittleren kopf auch ein menschli- 
ches gesicht. 

• Herr S.'s publikation erwfthnt mit keinem worte herr .Vs 
arbeit, und doch ist diese 2 jahre 3lter. .(Siehe Marepiii.iu uo apxeoJoiiH 
KocTOHiiuxb ry6epHifl -= Materialien zur archaologie der ostlichen gou- 
vernements. Moskau 1899. ^^- II^» P- 9^» 97» *13 — *5 ""^ '*^) 

Spate re berichtigung. Wahrend der obenstehende text sich 
schon unter der presse befand, erhielt ich von herrn Spicyn auf meine 
tmfrage hin den aufschluss, dass die beiden betreffenden schei ben bilder 
sich auf ein und dasselbe original beziehen ! 



Gorodcev. PralnstonscU^^^____W§.tze am Weissen meer. 69 



■ig. 11. Weiberfigur tnit zahlreichen flechten. (Noch 
heute sind die tatarinnen im osten des europllischen Russlands 
und Sibirien durch ihre vielen flechten gekennzeichnet.) 

Fig. 12. Figur des mondgottes. (Siehe den text.) Die 
im text erwahnte silbeme schttssel ist abgebildet bei Tolstoj und 
Kondakov (PjcckIh apcbhocth, heft. Ill, p. 81 — nicht 86 wie herr 
S. infolge eines druckfehlers angiebt — und Antiquit^s de la Russie 
m^ridionale. Paris 1891, p. 419). 

Helsingfors. AxEL O. Heikel. 



Prahistorische wohnplatze am Weissen meer. 

V. A. Gorodcev. Baifi^TKa ;ioncTopHiecKHX'b croaHKaxb noCepexba 
BtJiaro Mops. = Bemerkung tiber prSlhistorische wohnpl&tze am 
Weissen meer. Tpym Hmd. Mock. Pjcck. Apx. 06m., bd. 19, heft 

2, p. 71—77. 

Im gouvernement und kreis Archangel hat herr K. P. Revo 
bei dem flecken Nenoksa, den dOrfem Krasnaja Gora und Lopsenka 
sowie an den fltissen Ljulenka und Galdarejka in den jahren 1892 
— 96 an mehreren steinzeitlichen wohnplatzen nachgrabungen an- 
stellen lassen. Diese wohnplatze liegen auf den dOnen am ufer 
des meeres und in ihnen hat herr R. feuerstatten, scherben von 
thongefassen, feuersteinsplitter und defekte feuersteinwaffen etc. ge- 
funden. Die gegenstande sind in das museum der Archivkommis- 
sion zu Jaroslavsk * gekommen und gehttren nach herm R.'s eige- 
ner ansicht der neolithischen steinzeit an. 

Herr Cxorodcev wendet sich besonders der omamentik an den 
thongefassen zu und unterscheidet auf grund seiner untersuchungen 
zwei keramische kategorien. Zu der ersteren alteren, rechnet er 
einen teil der thongefasse von den fundstatten an der Ljulenka und 
Galdarejka, deren oberflache hauptsachlich mit eingedrttckten grUb- 



^ Ein teil der gegenstande befindet sich im Hist. Museum zu 
Moskau, inv. nr. 35 103 — 35 104. 



yo Gorodcev. Pr^istorische wobnpUtze am Weissen meer. 

• 

chen und schrflggestellten quergeteilten eindrQcken verziert ist 
Auf thonge^se mit ahnlichen omamenten, die in Nordfinland in 
der nSlhe des Ule^ees im kirchspiel S^ftisniemi gefiinden worden 
sind, sich stQtzend hSllt herr G. die ganze gnippe fOr gleichzeitig 
mit den produkten aus dem anfang der bronzezeit Finlands. 

Zu einer zweiten kategorie, rechnet herr G. die thongeftsse 
von Krasnaja Gora und den anderen teil der thongef^se von den 
beiden obengenannten fundst&tten. Kennzeichend ist ftir sie beson- 
ders die sog. schnurkeramik, woneben auch feine strich- sowie 
kraftige punkt- und grubenmotive anzutreffen sind. Diese gnippe 
stellt herr G., besonders auf grund der funde, die in dem feuer- 
stein- und bronzewaifen enthaltenden friedhof von Kotlovka an der 
Vjatka gemacht worden sind, hinsichtlich ihres alters mit den 
g^egenstanden aus der letzten periode der bronzezeit der gegenden 
an der Oka und Vjatka auf eine stufe. 

Das altersverhaltnis der beiden keramischen kategorien des 
herrn G. erscheint allerdings richtig, indes kOnnen wir die annahme 
durchaus nicht billigen, dass sie der bronzekultur der genanntcn 
gegenden angehttrten. Der vorgeschichtliche wohnplatz von Sariis- 
niemi (besser: Nimisjarvi) in Finland hat sich durch die jflngsten 
untersuchungen als eine umfangreiche und Uberaus ergiebige, aber 
rein steinzeitliche ansiedelung offenbart, ein umstand, dem die 
auffindung einiger weniger bronzezeitlicher gegenstftnde nichts von 
seiner gewichtigkeit raubt. Zu betonen ist zudem, dass die bronze- 
zeitlichen funde von Nimisjarvi nicht auf den anfang sondem aut 
das ende der bronzezeit deuten. 

Die fiinde vom graberfeld zu Kotlovka tragen ihrerseits, wic 
herr G. bemerkt, obgleich unter ihnen lanzen- und pfeilspitzen aus 
feuerstein auftreten, mit absoluter deutlichkeit den charakter der 
ausgehenden bronzezeit. Die thongefassscherben von Kotlova schei- 
nen in ihren schnuromamenten und zum teil in ihren profilen 
allerdings auf den ersten blick an die scherben von Krasnaja Gora, 
von der Ljulenka und Galdarejka zu erinnem, doch halten wir 
diese Ubereinstimmung fUr keine wesentliche, auch dUnkt uns ein 
vergleich nicht berechtigt, sofem er sich nicht auch auf die formcn 
und die technik der thongefasse, auf die zusammensetzung des ma- 
teriales (lehmes) u. s. w. erstreckt. Beispielsweise woUen wir Woss 
erwahnen, dass das schnuromament in Finland auch an fundstQcke*n 
aus dem ende der eisenzeit auftritt. 



Eisen's tnMrchen- u. sagenpublikationen. ji 



Beachten wir auch, dass aus den genannten fiindst&tten am 
Weissen meer einzig und allein steinzeitliche und dazu solche ge- 
^enst^de wie z. b. ein unvollendetes steinbeil mit schaftloch zutage 
gefOrdert sind, so sehen wir nicht ein, welcher driftige grund uns 
hindem kOnnte alle diese funde, demnach auch die beiden oben 
genannten keramischen gnippen, far alter als die bronzefunde 
aus Nordrussland und Finland, d. h. fttr rein steinzeitliche 
zu haiten. 

Helsingfors. JULIUS AlLIO. 



Die marchen- und sagenpublikationen von M. J. Eisen. 



I) Kuninga jutud = KOnigsmarchen (14 erz.). Reval, K. Laurmann 
1893- 93 P- 20 kop. 

2 — 6) Rahva-raamat, Uus kogu vanu jutte = Volksbuch, neue samm- 
lung alter mSrchen I — V (12 -|- 46 + 54 + ^4 + 5^ erz.). 
Dorpat u. Riga, Schnakenburg 1893 — 95- 112 + M4 + *35 
4" 128 -f- 134 P- ^ 20 kop. 

7) Vanapagana jutud = Teufelsmflrchen (36 erz.). Reval, K. Busch 
1893. 96 p. 20 kop. 

8) Hans ja vanapagan = Hans imd der teufel (loi erz.). Dorpat, 
K. A. Hermann 1896. 143 p. 20 kop. 

9) Hansu-raamat, rahva jutud Kavalast Hansust = Das buch vom 
Hans, volksmarchen vom schlauen Hans (10 erz.). Reval, K. 
Busch 1894. 63 p. 15 kop. 

10—14) Rahva nali = Volkswitz I — V (175 + ^50+ ^75 + ^5^ 
-- 165 erz.). Reval, T. Turgan u. G. Pihlak 1895 — 1901. 103 
— 88 -f- ^04 -j- 80 -j- 92 p. ^ 20 kop. 

15 — 16) Kodused jutud = Heimatliche sagen I — II (75 -}- 75 erz.). 
Reval, G. Pihlak 1896 — 97. 104 -j- 94 P- ^ 20 kop. 

17) Narvast — Tallinna, 30 omamaa vanajuttu = Von Narva bis 
Reval, 30 heimatliche sagen. Narva, R. POder 1901. 41 p. 
12 kop. 

18) Kirikute raamat, rahvajutud meie maa kirikutest ja nende ehi- 
tamisest ^ Buch der kirchen, volkssagen von den kirchen im 
lande und ihrer erbauung (25 erz.). Dorpat, K. A. Hermann 
1 901. 40 p. 10 kop. 



72 Eisen's marchen- u. sagenpublikationen. 



19) Endised joumehed, lood Kalevipojast, Suurest Tfillust, Leigrist ja 
teistest =. Vormalige riesen, erzSihlungen von Kalevipoeg, Gross* 
Toll, Leiger u. a. (23 erz.). Narva, R. Pdder 1901. 38 p. 12 kop. 

20) Koerakoonlased ehk Peninuki rahvas = Hundeschnduzler, kal- 
mticken (32 neue erz. nebst erlaut.). Dorpat, Schnakenburg 
1899. 112 p. 20 (?) kop. 

21) Raha-augu jutud ^ Sagen von schatzgrllbern (22 erz.). Dor- 
pat, K. A. Hermann 1894. 3^ p. 5 kop. 

22) Krati-raamat = Das buch vom hausgeist (40 erz. nebst abergl. 
gebrauchen u. erl^ut.). Narva, R. POder 1895. 136 p. 30 kop. 

23) Seitse Moosese raamatut = Die sieben bOcher Mose (60 erz 
nebst erlaut.). Reval, K. Busch 1896. 215 p. 40 kop. 

24) Luupainaja = Der alp (25 erz. nebst erlaut.). Narva, R. Pdder 
1896. 94 p. 20 kop. 

25) Kortsi-raamat = Das buch vom kruge (20 erz.). Dorpat, K. A. 
Hermann 1896. 42 p. 10 kop. 

26) Koduk^ijad = Gespenster (40 erz. nebst erlSut.). Narva, R. 
Poder 1897. 128 p. 25 kop. 

27) Naki raamat = Das buch vom wassergeist (65 erz. nebst erUut.). 
Reval, T. Turgan 1897. 118 p. 20 kop. 

28) Jaani raamat = Das buch vom Johannis (25 erz. nebst erlftut). 
Reval, G. Pihlak 1899. 112 p. 25 kop. 

Im vorigen hefte der FUF wurde von Oskar Kallas eine 
tibersicht der sammlung estnischer runen* geliefert und zugleich ein 
hinweis auf das tibrige folkloristische material gegeben, welches 
schon in anbetracht seiner masse an und fttr sich enonn ist, hin- 
sichtlich des beschrankten gebietes an vollstandigkeit kaum seines 
gleichen hat und hinsichtlich der geringen pekuniaren und geisti* 
gen mittel geradezu erstaunlich ist. 

Es erhebt sich die frage, wie all dies material fttr die wis- 
senschaft verwertet werden kann. Was die lieder betriflft, so hat 
die Finnische Litteratur-Gesellschaft den anfang gemacht, indem 
der interessanteste teil der liedersammlungen, die gesange der im 
Pskovschen gouvernement wohnenden sog. Setukesed, von J. Hurt 
redigiert dem druck Obergeben ist. Diese lieder werden zwei 
Starke bande umfassen. 

Eine gesamtausgabe der estnischen sprichwOrter, ebenfallJ 
von J. Hurt redigirt, wird hoffentlich die Finnisch-ugrische Gesell- 
schaft herausgeben kOnnen. 



Eisen's mfirchen- u. sagenpublikationen. ^3 



Wie wird es aber mOglich sein fQr die prosaischen ttberliefe- 
ningen die dnickkosten zu beschaffen? Die Gelehrte Ehstnische 
Gesellschaft verdient alle anerkennung fUr die herausgabe der 
»Achtzig M^chen der Ljutziner Esten. Gresammelt von Oskar 
Kalias». (Verbandl. XX 2. 81 — 405.) Die gesammte anzahl der 
estnischen mftrchen und sagen betrSlgt aber Uber 20,000 nummem. 
Wird es je mOglich sein diese zu verOffentlichen? Dieselbe frage 
gilt fiberhaupt fQr die grossen sammlungen von handschriftlichen 
aufzeichnungen, welche sich in fast jedem iande Europas angehSiuft 
haben. Von der lOsung dieser frage hSngt aber die mttglichkeit 
ab, die intemationale mftrchenforschung zu einer streng wissen- 
schafdichen disciplin zu entwickeln. 

Es dttrfte daher den folkloristen interessieren, wie diese 
frage in den bescheidensten verhMtnissen gel6st worden ist. Ohne 
irgendwelche pekuniftre aufmunterung ist das estnische material, 
weit tiber 200,000 nummem, durch beinahe ein tausend sammler, 
grOsstenteils bauem, zusammengebracht worden; man kann sa- 
gen, dass das estnische volk fast unmittelbar selbst seine geistigen 
fiberlieferungen der nachwelt gerettet hat. Dies ist die erfindung 
und die grossthat J. Hurt's, dessen beispiel M. J. Eisen gefolg^t 
ist. Aber ElSEN ist es ausserdem gelungen einen bedeutenden 
teil dieser flberlieferungen zum druck zu befOrdem ohne irgend 
welche materielle untersttitzung — vermittelst des volkes selbst. 
For seine kleinen volksbttchlein vom format 16:0 zu einem preise 
von durchschnittlich 20 kopeken (=53 centimes, 43 pfennige) hat 
er soviel kSufer linden kOnnen, dass die verschiedenen verleger 
ihrer dnickkosten versichert sein und sich zur herausgabe neuen 
materials bereit erklftren konnten. An und ftir sich ist jedes btlch- 
lein so unansehnlich gewesen, dass es kaum im eigenen Iande be- 
merkt worden ist. Wenn wir aber jetzt die Eisenschen publikatio- 
nen in unserer folkloristischen bibliothek aufstellen woUen, so neh- 
men sie einen breiten und ansehnlichen platz ein. Und wenn wir 
uns noch die anzahl der von ihm abgedruckten volksmarchen. 
-schw&nke und -sagen nebst aberglaubischen erzahlungen vergegen- 
wartigen, im ganzen 1,761 (389 -|- 815 + 260 + 297)> so mOssen 
wir gestehen, dass M. J. ElSEN als herausgeber der prosaischen 
volksttberlieferungen unter den folkloristen Europas einer der hOchst 
verdienten ist. Es giebt gezfthlte publikationen eines mannes, die 
sich mit den seinigen an quantitat und reichhaltigkeit mcssen kOnnen. 



74 Eisen's marchen- u. sagenpublikadonen. 



Aber wie steht es mit der qualitflt und zuverUissigkeit der 
von Eisen publizierten Qberlieferungen? Haben sie nicht etwa bci 
der einpassung in die form von populflren bdchlein an wissen- 
schaftlichem wert eingebOsst? An inhalt, welcher den folkloristen 
baupts^chlich intressiert, nicht im geringsten. Seine publikadonen 
sind inhaltlich getreu, aus den handschriftlichen aufzeichnungen, 
mit steter angabe des sammlers und des fundortes, geschOpft 
Bloss in einem bachlein nr. 9 hat er versucht 10 mSLrchen aus 
verschiedenen varianten zusammenzufassen, in der art Grimm's, mit 
hinweis auf die quellen und auch hier ohne eigene zus&tze. Nur 
sprachlich hat er die erzllhlungen in der orthographie der schrift- 
sprache gegeben und auch stilistisch ein wenig abgefeilt. Es sind 
also keine dialektproben. 

Aber erstens k^nnen keine dialektproben erwartet werden, wo 
die originalaufzeichnungen weder stenographisch noch phonetiscb, 
sondem von einfachen leuten mit gewOhnlicher orthographie oder 
ganz unorthographisch niedergeschriebenen sind. 

Zweitens fragt es sich, ob es dberhaupt mOglich ist eine 
grCssere anzahl prosaischer OberHeferungen phoQedsch und S3mtak- 
tisch genau wiederzugeben. Dies setzt voraus, dass dieselben erst 
stenographisch aufgezeichnet und dann wort f(lr wort vom munde 
des erzahlers wiederholt phonetisch abgelauscht worden sind. Dies 
ist die sache des sprachforschers, im intresse des folkloristischen 
sammlers liegt es aber soviel material wie mOglich innerhalb einer 
beschrankten zeit zu erhalten. 

Drittens bietet dem marchenforscher, welcher mOhe genug 
hat fast alle sprachen Europas soweit zu beherrschen, dass er mit 
hOlfe von lexica den inhalt eines einfachen mSLrchens sich verstlnd- 
lich machen kann, die dialektische form einer publikation nor 
neue und unnQtze schwierigkeiten. Von rein folkloristischem stand- 
punkte ist es sogar wdnschenwert, dass die publikationen der 
prosaischen ttberlieferungen in der orthographie der schriftsprache 
geliefert werden; wo aber mOglich, soil die syntaktische und stili- 
stische form des volksmSrchens streng festgehalten werden. Auch 
letzteres hat eigentlich ein sprachliches interesse und ist wegen 
mangels stenographischer aufzeichnungen in den mftrchenpublikatio- 
nen sehr selten zu linden. Dass umgekehrt stilistisch zugestutzte 
crzahlungen in spater hineingebrachter dialektform gedruckt werden, 
ist reine spielerei. 



Eisen's marchen- u. sagenpiiblikationen. 75 



Die volksbuchform, welche EiSEN gewfthlt hat, bietet ausser- 
dem, dass sie die publikation Qberhaupt ermOglicht hat, noch einen 
vorteil. Sie spomt zu neuen sammlungen an und leitet dieselben auf 
neue noch ungenQgend durchforschte gebiete. Die erlauterungen 
Eisen's sind instniktiv und zugleich amttsant geschrieben. Beson- 
ders sind seine erklftrungen zu dem siebenten buche Mose interes- 
sant, indem sie auch das finnische, ^schwedische, deutsche, lettische 
und litauische gebiet dieses aberglaubens bertthren. 

Diese art zu publizieren hat aber eine schattenseite : die klei- 
nen bttchlein sind bald zerstreut und vergriffen. Eine voUstandige 
sammlung zu erhalten wird den folkloristen in der zukunft sehr 
schwer sein. FOr alle bibliotheken, die eine folkloristische abtei- 
lung haben, gilt es also bald mOglichst dieselben sich zu verschaf- 
fen. Die kosten sind eine kleinigkeit, die 28 bttchlein im ganzen 
5^ '2 Rubel (:= 14V2 Frcs, 12 Rmk); etwas mtthe hat man aber schon 
jetzt einige von ihnen antiquarisch zu erhalten. Die buchhandlung 
des Postimees (ein tageblatt) in Dorpat wird in dieser hinsicht hof- 
fentlich geme behttlflich sein. 

Der inhalt der einzelnen bttchlein ist aus den titeln leicht 
ersichtlich. 

Nr. I enthalt proben der mftrchen von kOnigssOhnen und 
kOnigst5chtem. In der vorrede sagt der herausgeber, er besitze 
eine bedeutende sammlung dieser mftrchen, aber der grOsste teil 
erweise sich allzu deutlich als entlehntes g^t. Ganz rich tig weist 
er jedoch darauf hin, dass ttberhaupt die marchen intemationales 
gut sind. 

Nr. 2 — 6 enthalten teilweise dieselbe art marchen (bes. i), 
teilweise tiennarchen (bes. 2, 5) und sagen von der entstehung 
verschiedener geschOpfe (bes. 4), ausserdem legenden und schw^nke 
(bes. 2) nebst derartigen erzahlungen, welche wie in nr. 21 — 28 
zu aberglaubischen vorstellungen in beziehung stehen (bes. 3, 5). 

Nr. 7 — 8 enthalten teufelsmarchen. Als II band zu nr. 7 
ist in Reval 1895 durch G. Pihlak eine anzahl teufelsmarchen von 
einem andem herausgegeben worden. 

Nr. 9 gehOrt nicht zu den teufelsmarchen, sondem zu den 
abenteuem des sog. meisterdiebes. 

Nr. 10 — 14 haben einen ungemein reichen schatz von volks- 
witz und humoresken aufzuweisen. Dass auch diese intemationa- 
len wert haben kOnnen, beleuchtet folgendes beispiel. In RN II 



76 Kisen*s mlUt:hen* u. sagenpublikationen. 



138 (pag. 74) wird von einer bauefstochter erzdhlt, welche ein 
jahr in der stadt gedient. Ihr vater kommt zum markt is it kar- 
toffeln. Die tochter fragt, ohne ihn zu erkennen: Kunle yane- 
mes 0)9 Ictis nid (I) maijad kasvavad, pus (!) vol mas (!) 'HOrt 
alter mann, wo wachsen diese beeren, auf dem baume oder auf 
der erde'? Der vater nimmt sie mit sich nach hause, damit sic 
die sprache wieder erleme und die kartoflfeln erkenne. Dieser er- 
zSlhlung aus Taps in Jerwen entspricht vollkommen ein finnischer 
volkswitz in der komOdie E^ihlaos 'die verlobung' von Aleksis 
Kivi. Von einer verfeinerten dienstmagd wird erzSihlt (p. 250): 
Onko tam& alhaisen ihmisen kieltft: „mi88& nakriit kasvia, 
puossa vai maassaP** Nanriity naetkds. Niinp& kysyi hin 
maamiehilta torilla. '1st das die redensart eines niedrigen men- 
schen: »wo wachsen die rtlben, auf dem baume oder auf der erde? 
Nauriit soil man sagen, nicht nakriit, siehst du. So frug sie die 
landleute auf dem markte' ^. 

Nr. 15 — 20 enthalten 6rtliche volkssagen, welche bei den 
esten viel reichlicher nicht nur vorhanden, sondem auch gesammeh 
worden sind als bei den finnen. Zu diesen wftren noch ein paar 
aitere publikationen von M. J. Eisen zu rechnen, welche jedoch 
nicht ausschliesslich aus neuen manuskripten geschOpft und auch 
nicht mit genauen ortsangaben versehen sind : Bsivanemate varan- 
das 1882 und Bndise polve pirandus 1883 (Schnakenburgi Eesti 
Rahva-Biblioteek nr. 15 u. 21 k 20 kop.). 

Zuletzt m6ge erwUhnt werden, dass M. J. ElSEN die grOsste 
estnische r^tselsammlung verOfTentlicht hat: Eesti rahva moista- 



1 Dass die stelle bei Aleksis Kivi volkstUmlich ist, beweist 
die fortsetzung: 

Bntas t&mJk kysymys: ^kultapappa, rnikH on tuo korea 
linto, joka hyppelee tuoUa kartanoUaP H&n ei tuntennt, 
n&etkds, harakkaa tultuansa maalle. 'Noch eine frage: »h'eber 
vater, was ist das ftir ein hObscher vogel, welcher dort auf dem 
hofe herumhQpft?» Sie erkannte, siehst du, nicht die elster, als 
sie aufs land kam'. Diese fortsetzung hat sein pendant in einem 
volkswitz aus der stadt Kajana, dessen sich K. F. Karjalainen aus 
seiner kindheit erinnert. Ein madchen aus Kajana hatte in der 
fabrik Forssa (Tavastland) gedient, und als sie zurOckkam, erkannte 
sie die elster nicht: Mik lintoi n6ik(!) lintoi joit ei Forssassa 
ollunna ensink&ft (was ftir v5gel diese vOgel die es in Forssa gar 
nicht gegeben hat). 



Zur ostjakischen u. wogulischen dialektkunde. Statistisches. 77 

tnsed (Dorpat, K. A. Hermann 1890. 181 s. 30 kop. EnthSdt 
10 rStsellieder und 1,770 rStsel). 

Dieser sammlung fehlen jedoch die ortsang^ben der varianten 
eines und desselben rSltsels sowie die vollstandige aufz&hlung die- 
ser variationen. Es wSre eine verdienstvolle aufgabe f(lr einen est- 
nischen forscher die nahezu 50,000 varianten estnischer ratseln 
bei J. Hurt und M. J. Eisen wissenschaftlich zu ordnen und zu 
verwerten. 

Helsingfors. Kaarle KroHN. 



Mitteilungen. 

Zur ostjakisohen und wogulisohen dialektkunde. 

Statistisolies. 

— Nach den mitteilungen des mag. phil. K. F. Karjalainen, 
die er in seinem vortrage in der versammlung der Finnisch-ugri- 
schen Gesellschaft am 15. november vorlegte, belief sich die ge- 
samtzahl der ostjaken i. j. 1890 auf ca. 18,000 seelen, wovon 
ca. 2,400 im kreise Tobolsk, ca. 5,800 im kreise Surgut, ca. 9,100 
im kreise Berezov und ca. 7,000 im kreise Narym wohnen. Wah- 
rend der letzten 50 jahre hat sich das volk um ca. 1,000 seelen 
<ca. 6 ^/q) vermehrt. — Indem herr Karjalainen die allgemeine 
schwerverstandlichkeit einer mundart in einem gebiet ftir den 
bewohner eines anderen gebiets zum einteilungsgrund nimmt, un- 
terscheidet er innerhalb der grenzen des sprachgebiets sieben dia- 
lekte. Die,se sind: 

1) der Irtysch-dialekt (an den flOssen Irtysch, Demjanka, Sa- 
lym und am Ob zwischen Samarovo und dem Salym); 

2) der kondinskische dialekt (am Ob zwischen Samarovo und 
Berezov) ; 

3) der berezovische dialekt (am Kazym, an der Vogulka und 
am Ob von Berezov bis in die nahe des dorfes Muz); 

4) der obdorskische dialekt (am Ob und den nebenfltissen 
nOrdlich von Muz); 

5) der surgutische dialekt (von der mtindung des Salym nach 
sQden bis ca. 250 werst (5stlich von Surgut sowie an den neben- 
fltissen Pym, Jugan, Agan und Tremjugan, dazu am Balyk); 



78 



Mitteilungen. 



6) der vachische dialekt (am Vach sowie am Ob zwiscbcn 
dem Vach und dem dorfe Ober-Lumpokolj) ; 

7) der oberobische dialekt (am Ob von Ober-Lumpokolj bis 
zur grenze des gouvemements Tomsk sowie am Vasjugan). 

In runden zahlen wtlrden wir nach dem vortragenden fOr 
diese verschiedenen dialektgebiete die folgenden volksmengen er- 
halten : 

Irtysch-gebiet ca.2,700 seelen. 



Kondinskisches gebiet 
Berezovisches » 

Obdorskisches » 
Surg^tisches » 

Vachisches > 

Oberobisches » 



» 



2,300 
3,300 
3,500 
2,300 
2,600 
1,300 



Zusammen ca. 18,000 seelen. 



— Den Pelym- dialekt des wogulischen schildert mag. phfl 
A. Kannisto in einem brief folgendermassen : Er ist ttberaus inte- 
ressant. In phonetischer hinsicht sind die zahlreichen fftlle vod 
synkope bemerkenswert, durch die das konsonantenraaterial der 
sprache ein starkes ttbergewicht erhalt; als sonanten der silben triflt 
man auf scbritt und tritt sog. konsonanten, und zwar nicht nur 
stimmhafte sondern auch stimmlose, h^ufig sogar in ein paar silben 
hintereinander. Eine andere eigenttimlichkeit ist der schwund des 
stimmtons im auslaut und oft im inlaut; stimmlose nasale, liquiden 
und vokale sind reichlich vorhanden. Lebhaftes interesse erweckt 
der dialekt in sprachgeschichtlicher hinsicht z. b. durch die vielen 
vokalwechsel, die hier und da mit satzphonetischen erscheinungen 
in zusammenhang stehen. 



Thfttigkeit wissensohaftlioher gesellsohaften und 

Institute. Litterarisohes. 

— Von den in der i. abteilung der Ung. Akademie der 
Wissenschaften gehaltenen vortrftgen seien erw^hnt: A. Szilady: 
>Wortforschung», ^/^ 02; L. Katona: »Die quellen des Ehrenfdd* 
u. des Domonkos-codex» ^/6 02. 



Thatigkeit wisseiischaftl. ges. u. instit. Jvitterarisches. 79 



— Von den wUhrend des herbstes 1902 in den versammlun- 
gen der finlflndischen wissenschaftl. gesellschaften gehaltenen vor- 
triLge seien erwflhnt: in der Finnisoh-ugrisohen G^ellsohaft: Max 
Buch: >Beitrdge zur kenntnis des TOnniskultus bei den esten»; 
K. F. Karjalainen: »Ober die forschungsreise zu den ostjaken»; 
derselbe: »Ober das land und volk der ostjaken»; H. Paasonen: 
vorzeigung etlicher ethnographischer gegenstSbide und melodien der 
mordwinen; YrjO Wichmann: »Cber die forschungsreise zu dert 
syrjanen imd tiber ihre ergebnisse» ; — in der Finnisoheii Alter- 
ttunflgesellschaft: Axel O. Heikel: »Cber den fund von Glja- 
denov>. 

— Der XIII. intemationale Orientalistenkoiigress tagte am 
4. — 10. sept, in »der freien und Hansestadt» Hamburg. Von der 
sehr grossen anzahl vortrage, die daselbst gebalten wurden, waren 
nur wenige, welche die finnisch-ugrischen vOlker und sprachen ent- 
weder direkt oder indirekt bertihrten, namlich die vortrSlge von 
prof. E. N. SetAlA: >Zur etymologie von Sampot (in diesem heft 
der FLJF abgedruckt) und »tlber den Hamburger sprachforscher 
Martin FogeU (der erste, welcher mit wissenschaftlichen grttnden die 
verwandtschaft der Unnischen und ungarischen sprache bestatigt haf), 
sowie auch der vortrag von G. BAlint von Szent-Katolna : »Cber 
die hunnenfrage») worin auch des vf:s hypothesen tiber den ursprung 
und die verwandtschaftlichen beziehungen der ungam zur bespre- 
chung kamen. 

In der feierlichen er(5ffnungssitzung des kongresses hatte prof. 
SetAlA die ehre dem kongress den ersten band der Finnisch-ugri- 
schen Forschungen in schOn ausgestattetem einbande zu tiber- 
reichen. 

— Im anschluss an den beschluss des XII. orientalistenkon- 
gresses (zu Rom) wurden auf dem Xin. orientalisten kongress zu 
Hamburg zur abstimmung gebracht die statuten der » Association 
intemationale pour Texploration de TAsie Centrale et de TExtreme 
Orient*, deren ziel die archaologische, ethnographische und lin- 
guistische sowie geschichtliche erforschung Zentralasiens und des 
dussersten orients sein wird. Nach den statuten, welche ange- 
nommen wurden, wird die arbeit von einem zentralkomite mit dem 
sitz in St. Petersburg und von lokalkomit^s in den verschiedenen 
landem geleitet werden. — Ftir die konstituierung des in Finland 



So Mitteilungen 



zu grOndenden lokalkomit^s w^hlte der kongress herm prof. O. Dos- 
NEB) und auf sein betreiben hin hat sich nun in Helsingfors etn 
lokalkomit^ gebildet, bestehend aus den herren prof. O. Donner 
(prSsident), prof. J. R. Aspelin (vizepr^ident), dr. H. Paasonen 
(erster sekretar), mag. phil. H. Lund (zweiter sekret^), dr. A. O. 
Heikel, prof. J. J. Mikkola, mag. phil. G. J. Ramstedt, prof, E. N. 
Setala, prof. K. Tallqvist und dr. YrjO Wichmann. 

-- Nach der rezension »Zur Kalevalafrage* von Kaarle 
Krohn in FUF I 3 (zu welcher eine anfrage von J. W-xen und 
die aufforderung zur diskussion von K. B. WlKLUND in Uusi Suo- 
nietar ^/^ und ^^/^ 1901 den n^chsten anlass gegeben) sind fol- 
gende polemische aufs^tze in schwedischer sprache erschienen: 

K. B. WlKLUND, I Kalevalafragan, Ett genmale = Zur Kale- 
valafrage, eine antwort. Uppsala, 1902. 32 p. Preis: 35 Ore. 
(Kann direkt vom verf. gratis erhalten werden : adr. Uppsala, 
Odensg. 15.) 

Kaarle Krohn, Ar Kalevala ett folkepos? = 1st Kalevala ein 
volkepos? Finsk Tidskrift maj 1902, T. LU 231 — 249. (Kann 
auch als sonderabdruck vom verf. gratis erhalten werden.) 

Schliesslich kleinere erwiderungen von K. B. Wiklund in 
Finsk Tidskrift juni 1902 T. LII 470 — 473 und Kaarle Krohn 
juli 1902, T. LIII 77 — 79. 



Forsohungsr eises . 

— Im spHtsommer und im herbst sind von ihren reisen unter 
rinnisch-ugrischen vOlkem zurQckgekehrt die herren dozent dr. H. 
Paasonen, dozent dr. YrjO Wichmann und mag. phil. K. F. Kasja- 

LAINEX. 

Dr. H. Paasonen, der sich zu ende des vorigen jahres in 
Kasan niedergelassen hatte um seine sammlungen zu redigieren, 
kehrte am 23. august von seiner vierjahrigen forschungsreise nacb 
Helsingfors zurttck. Wahrend seines aufenthalts in Kasan traf er 
anstalten flir kttnftige folkloresammlungen auf mordwinischem gebiete, 
wofUr von der Finnisch-ugrischen Gesellschaft mittel bewilligt wor- 
<len. Der volksschullehrer Ivan SkoTnikov, der frtiher der Gesell- 



Forschungsreisen. 8 1 



schaft bereits eine reichhaltige sammlung erzamordwinischer folk- 
lore aus dem kreise Cjrorodisce im gouvemement Pensa zugeschickt 
hatte, setzte seine arbeit im verflossenen sommer unter den erz&nen 
des kreises Petrovsk im gouvemement Saratov fort und zeichnete 
dort ca. 40 lieder und klageweisen u. a. auf. Ebenso ist in einem 
anderen, bisher unberQhrten mordwinischen gebiete folklore ge- 
sammelt worden: im kreise Tennikov, gouvem. Tambov, wo der 
volksscbullehrer Sergej Cigin im spSltsommer einen monat lang 
•js^arbeitet hat. 

Von seiner vierjahrigen reisezeit hat dr. Paasonen auf die 
eigentliche einsammlung von materialien insgesamt 26 monate ver- 
wandt : auf mordwinischfem sprachgebiet ca. 9 monate, auf tschere- 
missischem 3, auf ostjakischem 10, dazu auf tatarischem i, auf 
tschuwaschischem 3 monate. Die tibrige zeit ging auf reisen, vor- 
bereitende litteraturstudien zu gunsten entsprechender forschungen 
sowie auf das ordnen und redigieren des materials. 

Wahrend besagter zeit hat herr Paasonen sprachstudien und 
folkloresammlung obgelegen : 

auf mordwinischem gebiet in den gouvemements Samara 
(kreis Buguruslan, BuguTma und Samara), Saratov (kr. Chvalynsk 
und Kuzneck), Pensa (kr. Cembar und Insar), Simbirsk (kr. Alatyr), 
Niznyj -Novgorod (kr. Arzamas), Kasan (kr. Spassk und Tetjusi), 
Tambov (kr. Spassk und Temnikov); auf tscheremissischem 
gebiet im gouv. Ufa (kr. Birsk); auf ostjakischem gebiet im 
gouv. Tobolsk (Konda- und Jugan-dialekt) ; auf tschuwaschischem 
gebiet im gouv. Samara (kr. Buguruslan) sowie (ktirzere zeit) im 
gouv. Kasan (kr. Spassk); auf tatarischem gebiet im gouv. Sa- 
mara (kr. Bugufma, mischarisch) sowie (ktirzere zeit) im gouv. 
Kasan (kr. Spassk). 

Mit den von der Finnisch-ugrischen Gesellschaft zu diesem 
zweck bewilligten mitteln hat herr P. folkloresammlungen anstellen 
lassen von geborenen mordwinen (6 personen) in den gouveme- 
ments Samara (kr. Buguruslan und Bugufma, ein paar monate), 
Saratov (kr. Chval)msk und Petrovsk, ein paar monate), Pensa (kr. 
Gorodisfe, ein paar monate), Tambov (kr. Temnikov, nicht ganz 
zwei monate); von einem tschuwaschen im gouv. Samara (kr. 
Buguruslan, ca. i ^1^ monat). 

Dr. WiCHMANN, der sich zu anfang dieses jahres in Ust- 
sysoTsk aufhielt, verweilte daselbst bis zum 2. april mit der 



82 Mitteilungen. 



untersuchung des dortigen Vyiegda- und des Udora-dialekts be- 
schafdgt, welch letzteren er mit hilfe eines in der genannten 
stadt anwesenden udorischen syrjAnen studieren konnte. In der 
zwischenzeit machte er im februar eine reise nach dem dorfe Vozem 
im kreise Jarensk, wo er zwei s3rrj2Lnische heiligenbildumschrif- 
ten kopierte. Von Ustsysolsk siedelte er in das dialektgebiet der 
Sysola, nach dem dorfe Vizinga Qber, von wo er ende mai nach 
dem dorfe NosuF reiste, um den Luza-dialekt zu untersuchen. Ende 
juni begab sich dr. W. direkt zu den syrjanen im gouvemement 
Perm und Hess sich im dorfe Jusva, kreis Solikamsk, nieder. Nach 
einem aufenthalt von 14 tagen in Kasan langte er alsdann am 
23. august wieder in Helsingfors an. Ausser aufzeichnungen und 
kopien, die die altere syrjSlnische schriftsprache betreffen, hat dr. 
W. fUnf grOssere und drei kleinere vokabulare, erstere ttber den 
Udora-, Mittelvyfegda- (UstsysoTsk-), Sysola-, Luza- und permischen, 
letztere Ober den Pecora-, Letka- und Untervyjegda-dialekt, sowie 
aufzeichnungen Uber die formenlehre von sechs dialekten (LIdora, 
MittelvyCegda, Pejora, Sysola, Luza und Perm) als frflchte seiner 
reise mitgebracht. Neben den eigentlichen sprachlichen forschungs- 
arbeiten hat er, soweit es die zeit gestattete, sein augenmerk auch 
auf die sammlung von volkspoesie gerichtet gehabt und in ver- 
schiedenen dialektgebieten, besonders aber an der VyJegda, im 
ganzen 60 mllrchen, 36 metrische kindermdrchen, 43 lieder, 15 
klageweisen, 191 sprichw(5rter und 278 ratsel aufgezeichnet. — 
Eingehendere mitteilung Ober seine reise und ihre ertrftge macht 
W. in seinem reisebericht, der im Journal de la Soc. finno-ougr. 
(XXI, 3) erscheint. 

Auf betreiben dr. Wichmann's ist auch unter den syrja- 
nen ein schritt zur einsammlung von volkspoesie gethan worden. 
Die Finnisch-ugrische Gesellschaft hat ndmlich fQr diesen zweck 
dem syrjanen, volksschuUehrer A. Cember eine kleine unterstQtzung 
far eine sammelreise nach den Uttssen Vyfegda und LdkJSim, gouv. 
Vologda, kreis Ustsysolsk bewilligt, und auf dieser reise, die zu 
anfang des sommers untemommen worden ist, hat herr C. eine 
sammlung von 12 mSrchen, 2 metrischen kinderm^rchen, 4 liedem, 
15 klageweisen, 30 r^tseln, einigen sprichwOrtem zusammenge- 
bracht und ausserdem eine menge dialektwOrter sowie ortsnamen 
aufgezeichnet. 



Forschungsreisen. 8 ^ 



Mag. phil. K. F. Karjalainen ist am 20. September von 
seiner vieij&hrigen forschungsreise unter den ostjaken zurttckge- 
kehrt. Nachdem er ende des vorigen und anfang dieses jahres 
den Kaz3rm-dialekt untersucht, reiste er im februar ds. von Berezov 
nach Obdorsk und hielt sich daselbst ca. einen monat auf. Den 
frtkhling und den frtlhsommer wohnte er wiederum in Berezov und 
machte sich mit der mundart der in der n^e des klosters Kon- 
dinsk lebenden ostjaken bekannt. Auf der heimreise machte er 
noch for einige zeit am Irtysch station um seine aufzeichnungen aus 
dieser gegend noch einmal zu kontrollieren. 

Herm Karjalainen's reiseertrag umfasst 8 grOssere und 8 klei- 
nere wOrtersammlungen aus den verschiedenen teilen des sprach- 
g^biets, sprachproben, aufzeichnungen Qber die religiOsen anschau- 
ungen der ostjaken, mit dem sjaphophon aufgenommene melodien, 
eine menge photographien, kopien von ostjakisch verfassten manu- 
skripten aus mehreren gegenden und umfangsreiches material zur 
bevOlkerungsstatistik, das er in den kirchenarchiven an ort und 
stelle gesammelt hat. Ausserdem hat sich herr Karjalainen ein- 
^ehender mit einzelnen wirtschaftlichen fragen beschaftigt, wortiber 
er mitteilungen teils in seinen reisebriefen, teils in einem aufsatz 
Uber die fischerei der ostjaken im gouvemementsblatt von Tobolsk 
verOffentlicht hat. 

— Mag. phil. Artturi Kannisto setzt seine forschungen 
luiter den wogulen fort. Zu anfang dieses jahres hielt er sich, 
wie frflher erwfthnt, 2 ^/j monate in Verch-Pelymsk auf, worauf er 
mitte m&rz nach den weiter im norden gelegenen wogulendOrt'er 
zog und sich zun^chst in Versina, dem nOrdlichsten dorfe des 
stromgebiets der Pelymka, 150 werst von Verch-Pelymsk, nieder- 
liess. Von hier begab er sich jedoch aus besonderen grtlnden 
schon nach einigen tagen nach dem 50 werst sOdlicher liegenden 
dorf Massava, wo er seine arbeiten bis zum 21. mai fortsetzte. 
Es schloss sich hieran die rUckkehr zu seinem ausgangspunkt Pe- 
lym, auf der er sich, u. a. mit der sammlung von volkspoesie be- 
sch^igt, je reichlich eine woche in den dOrfern Vofpa und Verch- 
Pelymsk aufhielt. Mitte juni fuhr herr K. von Pelym ein wenig 
nach westen nach einem nebenfiusse der Tavda, der Vagilskaja, 
und wohnte hier die sommermonate Ober haupts^chlich in den d5r- 
fern Sotnikov und Osje, deren einigermassen von einander abwei- 
chende dialekte tiberhaupt noch nicht untersucht worden sind. 



84 Mitteilungen. 



Gegen ende august siedelte er nach dem gebiete der Lx>zva-wogu- 
len Ober. Zu seinem wohnort wfthlte er zunftchst das dorf TauSoa 
(im wolost Tachtana an der unteren Lozva), dasselbe dorf, aus dem 
Ahlqvist*s Lozva-wogulischer sprachmeister gebOrtig war, und dar- 
nach, gegen ende September, reiste er von hier nach dem 50 werst 
entfemten dorfe KQzina. Zur zeit dttrfte herr K. sich scbon in 
dem gouvemement Perm befinden, wo nur ein paar dOrfer zu 
dem Unterlozva-dialektgebiet gehftren. Alsdann gedenkt er nach 
der mittleren und oberen Lozva zu Ziehen. 

Die ergebnisse der bisherigen arbeit herm K.*s sind 6 wogu- 
lische vokabulare, wovon 4 umfassendere, und zwar zwei tlber den 
Pelymka-, eins Ober den Vagilsk- und eins tlber den Unterlozva- 
dialekt; ausserdem einige kUrzere wOrterverzeichnisse u. m. Herr 
K. hat auch volkspoesie gesammelt, u. a. sog. bftrenlieder sowie 
mftrchen, ratsel u. a., femer nachrichten Uber die religiOsen an- 
schauungen des volkes (so hat er verschiedene gottesdiensth'che 
und totenerinnerungsfest-zeremonien photographiert). In alien ge- 
meinden hat herr K. genaue verzeichnisse der wogulisch sprecben- 
den familien zusammengebracht und auch in zweisprachichen und 
zweirassigen dOrfern die verteilung der seelen auf die einzehien 
gruppen festgestellt. In Verch-Pelymsk hat herr K. zwei zu anfang 
des vorigen jahrhunderts, nachweislich vor 18 15, geschriebene wo- 
gulische manuskripte aufgefunden, nUmlich einen »kleinen katechis- 
mus> und eine »biblische geschichte», die — wogulischer und nissi- 
scher text — zusammen ungefahr 60 engbeschriebene folioseiten 
umfassen. 

— Dr, Th. Schvindt hat im verflossenen sommer (• . — * j> 
tnne reise zwecks erforschung lappischer ethnographic und aufkaufs 
ethnographischer gegenstande fQr die sog. AntelPschen sammlungea 
gemacht. Er begab sich ttber Kemi und Rovaniemi nach Sodan- 
kyla und begann seine untersuchungen in dem lappendorfe Pumu- 
mutka, setzte sie in den kirchspielen Enare und Utsjoki in Fin- 
nisch-Lappland fort und machte von hier auch abstecher nach dem 
gtbiet jenseits des Tanaflusses auf norwegischer seite. Auf der- 
St Iben reise !>esuchte dr. Schvindt die rauseen von TromsO und 
Christiania und studierte die daselbst aufbewahrten lappischen etiino- 
irraphischen und archaologischen gegenstande. Die emte, die er von 
seiner fahrt heimgebracht hat, besteht in einer Qberaus reprfcentativeii 
-.ammhing von geg^enstanden aus alien kreisen des lappischen lebens. 



t J4nos Jank6. 85 



— Dr. Axel O. Heikel machte von ende april bis ende juni 
eine ethnographische forschungsreise (siehe FUF II, Anz. 55>, auf 
der er die tsetukesen* (die griechisch-orthodoxen esten) im gouv. 
Pleskau, die esteu um Fellin in Li viand und die liven in Kurland 
besuchte; auf derselben reise hielt er sich auch bei den kurlSUidi- 
schen letten und schweden auf der insel Run6 auf. Als ertrag 
brachte er ca. 900 ethnograph. gegenstHnde mit. 

— Prof. E. N. SetAlA hat im verflossenen berbst in der 
K6nigl. 5ifentlichen bibliothek zu Hannover studien getrieben. Be- 
sonders beschaftigte er sich mit den dort aufbewahrten manuskrip- 
ten des merkwtlrdigen hamburger polyhistors Martin Fogel sowie 
den von ihm bei seinen untersuchungen benutzten quellen. Von 
Fogel's handschrift »De linguae fennicae indole observationes» liess 
prof. S. eine photographische kopie herstellen. Schon frflher hat 
herr S. die in der Biblioteca Nazionale Centrale zu Florenz auf- 
bewahrte originalhandschrift derselben arbeit (vom jahre 1669; 
photographieren lassen; das hannoverische exemplar rtihrt aller- 
dings nicht von FogePs hand her, doch ist es deshalb bemerkens- 
wert, weil es mehre zusStze und verbesserungen von des verfassers 
eigener hand enthalt. 



t 



Jdnos Jank6. 

Ein schwerer schlag hat soeben die junge finnisch-ugrische 
ethnographische wissenschaft getroffen: ihr eifrigster und energisch- 
ster pionier Johann Janko (Janko JAnos) ist im alter von erst 35 
jabren am 28. juli vom tode dahingeraflFt worden. 

Jank6 wurde am 13. m^z 1868 zu Budapest geboren. Sein 
vater, ebenfalls J^os mit vomamen, war ein genremaler, der durch 
seine bilder aus dem ungarischen volksleben bekannt geworden ist. 
Von ihm erbte der knabe das scharfe auge und das vorztigliche 
zeichentalent. Student geworden widmete er sich geographischen 
und anthropologischen studien — den ersteren bei seinem bekann- 
ten landsmann prof. L. L6czy. Aber die rein theoretischen studiea 



90 Personalien. 



Personalien. 

— Zum professor der ungarischen sprachwissenschaft und 
vergleichenden ugrischen linguistik an der universitat Kolozsvar 
(Klausenburg) ist M. Szilasi emannt. 

— Zum oberinspektor ftir den sprachunterricht in der gent- 
ralverwaltung der finlandischen schulen ist dr. H. Paasonen, dozent 
der finnisch-ugrischen sprachwissenschaft an der universitat zu Hel- 
singfors, emannt. 

— In den ruhestand getreten ist der assistent (senior assistant i 
an der bibliothek des » British Museum* Edward Dundas Butler. 
Herr Butler (geb. ^Vio ^^42) hat in England die iinnische und unga- 
rische litteratur bekannt gemacht (er hat u. a. Godenhjelm*s ge- 
schichte der finnischen litteratur sowie einzelne proben der ungari- 
schen litteratur ins englische ttbersetzt, in der Encyclopaedia Bri- 
tannica, teilweise sehr ausftihrlich, (iber ungarische verhaltnisse 
geschrieben, oftmals in englischen zeitschriften flberblicke flber dif 
neuesten erscheinungen der finnischen und ungarischen litteratur 
gegeben) und auch dafQr gesorgt, dass in die bibliothek des Bri- 
tish Museum eine gute auswahl ungarischer, finnischer und estni- 
scher litteratur aufgenommen worden ist. 

— Zu ord. mitgliedem der Finnischen Gesellschaft der Wis- 
senschaften sind prof. E. N. SetAlA und prof. K. Tallqvist aus 
Helsingfors gewahlt worden. 



Die redaktion des heftes abgesch lessen den 4. dezember 1902. 



An die redaktlon eingegangene rezensionsexemplare und zeitschriften. 

B4n A. A magyarok eredete. — Gyomlay G. Bolcs Leo takti- 
kija mit magyar tOrt^neti kiitforr&s. — Eisen M. J.- Eirikute raamat. 

Narvasi-Tallinna. — Karjalainen K. F. Ki* Bonpocy o Hya- 

AazT> putfonpoMumaeHHOCTH ToikNibcicaro cieepa h M-lpaxiiirb y ayqinemio ea. 
— Katona L. Temesv&ri Pelbdrt p^ld&i. — Mikkola J. J. O&bECEe- 
ma ffbKomopLiX'b cJiaBflHCKHX'L cjiobi*. — Munk4csi B. Begdk ^ Sneke^ 
a vil^ teremt^B^rdL — Nielsen K. Die quantitfttBverh&ltnisse im Pol- 
maklappischen. — PavoliniP. E. H poema estonio del Ealevipoeg. — 
Prof. Bathkes Beise i Finmarken og det nordlige Busland i Aarene 1801 
og 1802. — Qvigstad J. Lappiske Fnglenavne. — Bametedt G. J. 

Das schriftmongolisclie nnd die Urgamundart. tJher die konjuga- 

tion des Khalkha-mongolisclien. — Sirelius U. T. Luettelo kansatie- 

teellisistft kokoelmista. Lisftyihko n, I^koboactbo jifla cocraBaemfl 

aTRorpad)HHecKaro orqera o pu^Hoft Jiosjii y ^hhckhx'b napoAOE'L. — ArchsBo- 
logiai ErtesitO, red. v. J. Ham pel. N. f. XXII, h. 3—4 (Ung. Ak. der 
Wiss.). -— Arkiv fbr Nordisk Filologi, red. v. A. Kock. N. f. 15 b. h. 
J — 2, — Erd61yi Muzeum, red. v. L. Szddeczky. XIX, h. &— 9. (Sie- 
benbttrger Moseom-vereiiL) — Finnl&ndifk^he Bnndschau, red. v. E. Brau- 
sewetter. 1902, h. m. — IrodalomtOrt^neti KOzlem^nyek, red. v. A. 
Szil4dy. XH, h. 2, 8. (Ung. ak. der Wiss.). — Keleti Szemle, Bevue 
orientale, red. v. L Ki^nos n. B. Munk&csi. m, h. 2 — 8. — Nyare 
bidrag till k&nnedom om de svenska landsm&len och svenskt folklif, red. 
V. J. A. Lundell, h. 75 — 77. — Fycoidft AHrponojiorHHecidit ^ypnajTb, 
T^ V. A- A. I V a n o V s k i j , jahrg. 1 — 8, h. 1 — 10. 



ankOndiquno. 



Die Finnisch-iigrischeii Forschungeii erschdnen voriSnfig 
in zwangloser folge; der Anzeiger folgt besonders paginiert mit 
den heften. 

Drei hefte, mit Anzeiger zosammen 20 — 24 bog^, bilden 
einen band. 

Preis des bandes einschliesslich Anzeiger 10 Fmk = 10 Frcs 
= 8 Rm. = 9 Kr. O.-U. W. = 4 RbL 



Die f&r die I^nnisch-ngrischen Ponchungen bestimmten nuoin- 
skripte nnd Kuschriften gind in richten an die Bedaktion der Finniflcli- 
ogrischen Forschungen, Helsingfors, Merilinna, oder auoh persOnlich mn 
prof. E. N. Setlil&, Helsingfors, Merilinna, oder mn prof. Kaarle Krohn. 
Helsingfors, Buoholahdenkata 8. 

Rezensionsexemplare for den Anxeiger konnen entweder an die 
Bedaktion oder an herm Otto H arras so wits, Leipsig (mit der 
beseichnnng: fOr die Finnisoh-ngrisolien Forsdmngen) gesandt warden. 



Band II, heft HI and band HI, heft 1 sind nnter vorbereitong nnd 
werdrai n. a. folgende artikel bringen: 

Wichmann TrjO. Samojedisches lehngat im syrj&nischen. 

Karsten T. E. G^ermanisohos im finnischen. 

Etymologische beitr&ge yon H. Paasonen, Balf Sax^n, u. a. 

Fortsetznngen zu den anfs&tzen von Kaarle Krohn a. K. R 
Wiklund. 

Bibliographie der finnisch-ngrischen spraoh- and volkakonde 
fhr das jahr 1901. 

Besprechongen, mitteilongen a. a. 



Helsingfoni 1902, 
Druckerei der Finnischen Litterator-G^eellschaft. 



BANI> II 1902 HEFT III 



FINNISCH-UORrSCHE 



FORSCHUNGEN 



ZEITSCISIFT 

PtJR 

FIMHISCHUGRISCHE SPRiCH- UHD TOLKSKUHDE 

NBBST 

ANZEIOER 

UNTER MITWIRKUNG VON FACHGENOSSEN 

HBRAUSGBGBBBN 
VON 



•• • 



E. N. SETALA und KAARLE KROHN 

ORD. PROPBSSOR DBR PI|«N. 8PRACHB UND A. O. PROPBSSOR DBR FINN. UND VBROL. 

LXTTBRATUR IN HBLSINOPORS VOLK8KUNDB IN HBLSINOPORS 



• > •• € • 



HELSINGFORS LEIPZIG 

BED. DEE ZEITSCHEIFT OTTO HAEEASSOWITZ 



Band IL ~ Heft IIL 

Sdte 

WlCHMANN YbjO. Samojedisches lehngut in syrjanischen 165 

Paasonen H. Etymologische streifztige i — 5 184 

Rarsten T. E. Gennanisches im finnischen i — 7. . . . 192 
Sax^n Ralf. Einige skandinavische ortsnamen im finnischen 198 
KsoHN Kaarle. Wo und wann entstanden die finnischen 
zauberlieder. V. Das verh&ltnis der zauberlieder zn 

den epischen lieder 206 

SetXlA E. N. Zur finnisch-ugrischen lautlehre. i. Cber 
finnisch-ugrische 6-laute. 2. Ober die finnisch-ugri- 

schen s-laute 219 

SetAlA E. N. Beitrage zur finnisch-ugrischen wortkunde. 

2-4 277 



Anzeigrer, heft 8. 

AiLio Julius. Zur geschichte des finnischen hauses (Ailio J. 

Die wohnungen des kirchspiels Loppi auf den verschie- 

denen stufen ihrer entwicklung. Selbstbericht) ... 91 
Krohn Kaarle. Nachtrag zu »den mfirchen- und sagen- 

publikationen von M. J. Eisen» 106 

WiKLUND K. B. Ein paar worte zur formulierung der regeln 

in den grammatischen lehrbflchem 109 

Vorlesungen und (Ibungen auf dem gebiete der finnisch-ugri- 
schen sprach- und volkskimde an den universitfiten 
Europas 1902/3 116 

Paasonen H. Berichtigung 121 

WlCHMANN YrjO. Nachtrag zu dem aufsatz » Samojedisches 

lehngut im s)ajanischen» 122 



Titelblatt u. inhalt des n. bandes. 

> > » » » » von Anzeiger. 



Wort- und sachregister beabsichtigt die red. f&r mehrere 
bttnde (etwa 3 oder 5) gemeinschaftlich veranstalten zu lassen. 









Samojedisches lehngut im syrjdnischen. 



In den jahren 1893 — 94 veroffentlichte der ungarische 
sprachforscher I. HalAsz in der zeitschrift Nyelvtudomanyi 
Kozlemenyek (XXIII und XXIV) einen beachtenswerten aufsatz 
(Az ugor-szamojed nyelvrokonsag kerdese = Die frage von der 
ugrisch-samojedischen sprachverwandtschaft), weicher den ersten 
tiefergehenden versuch darstellt die verwandtschaft der vvortvor- 
rate der finnisch-ugrischen und der samojedischen sprachen nach- 
zuweisen. Die meisten von den von Halasz zusammengestellten 
wortern stehen einander in form und bedeutung so nahe, und ihre 
zahl ist in anbetracht der sparlichkeit samojedischen materials 
so gross (245), dass man die tibereinstimmungen nicht fur zu- 
fallig halten kann ^ Wie weit diese tibereinstimmungen sich auf 



^ Aus Gastrin's samojedischen \v5rterverzeichnissen (Nordi- 
sche reisen und forschungen VIII: WOrterverzeichnisse aus den 
samojedischen sprachen) liessen sich noch mehrere andere wOrter 
anfiihren, die man mit demselben recht mit finnisch-ugrischen wOr- 
tem zusammenstellen kOnnte, wie z. b. fi. into 'geisteskraft, geistes- 
antrieb, entzttckung', s>TJ. §d 'hitze, feuchte warme, kraft, eile\ 
wotj. ^dj 'kraft, stSrke', vgl. sam. Jur. jind 'seele, luft, dampf, 
dunst', Jen. edde 'freude*, eddebido, O. eandalbaT|, K. aT|aII'am 
'sich freuen' (Gastrin stellt fi. into mit sam. Jur. jind zusammen, 
siehe Suomi 1845 p. 180) | fi. jarvi, Ip. jaure, mord. j&fhka, 
tscher. jaTf jei* 'binnensee', syrj. jir 'tiefe stelle im wasser, tiefe, 
strudeP, vgl. sam. Jur. juofe, juofea, T. juraga, Jen. jore 'tief j 
ti. mora *stackchen, brocken', mureta *sich zerbrOckeln\ murtaa 



1 66 YrjO Wichmann. 



L 



eine mogliche urvervvandtschaft oder entweder auf altes gegen- 
seitiges oder von dritter seite erhaltenes lehngut griinden, ist 
eine frage, die noch ihrer erklarung harrt. Als notwendige 
vorarbeit hierfur ist es zu betrachten, dass die entlehnungen nach- 
gewiesen vverden, die die einzelnen samojedischen und finnisch- 
ugrischen sprachen in verhaltnismassig spaten zeiten von ein- 
ander aufgenommen haben. Von den letzteren sind in dieser 
hinsicht vor allem die obugrischen sprachen (das os^akische 
und das wogulische) wie auch das syrjanische heranzuziehen 
— was ja schon wegen der geographischen lage dieser sprach- 
gebiete naturlich ist *. Von den samojedischen lehnwortem der 
ersteren sprachen hat Ahlqmst in seinem artikel ^Cber die 
kulturworter der obisch-ugrischen sprachen" (JSFOu. \'II1) eine 
reihe ervvahnt (p. 5 — 8); sind auch von ihnen einige als un- 
sicher auszuscheiden, so ist es auf der andern seite sehr wahr- 
scheinlich, dass man in den obugrischen sprachen noch meh- 
rere andere samojedische entlehnungen nachweisen konnte und 
zwar besonders, vvenn einmal unsere kenntnis des wortvorrals 
der samojedischen sprachen vollstandiger geworden ist, als es 
jetzt der fall ist. Die durftigkeit unserer samojedischen wor- 

'zerbrechen*, ostj. murt-, merit- *brechen, zerstQckeln*, mag}', mar- 
'beissen', vgl. sam. T. maru'ama, Jen. more'ebo, O. momam 
'zerbrechen (tr)'; T. maru'am, K. more' 'in stQcke gehen, zer- 
brechen (intr.)' (Gastrin stellt das samojedische wort mit dcm 
finnischen zusammen, 1. c. p. i8o) j tscher. Set *wachsam\ sjij. 
m'f, said 'nUchtern, wachsam', sa(fminij saimjni *erwachen\ wotj. 
sad', sad'z, saz 'ntichtern, wach', vgl. sam. Jur. sidedam, O. sede- 
d'ati, sideldati, K. 6uddSl&m 'aufwachen'; Jur. sideu, sidiea, O. 
sedam, K. ^uddurHm 'aufwecken' | fi. silava *speck', mord. ^ir^t 
'fleisch*, tscher. §el, syrj. sil 'fett, speck', wotj. sif, S^t 'fleisch', 
ostj. sel 'fett', vgl. sam. T. sela 'geschmolzenes fett von fischen\ 
K. sil 'fett'; T. selaga (adj.), O. sUe (adj.) 'fett'. — Wegen fin- 
nisch-ugrischer zusammenstellungen vgl. auch ANDERSON Wandlun- 
pren, BuDENZ MUSz. und Donner Vergl. Wbuch. — Die abkOrzun- 
^en bei den hinweisungen auf die versch. samojedischen dialekte 
sind dieselben wie bei Gastrin. 

* Es sieht aus, als h^tten die westlichsten juraksamojeden 
auch von den nordOstlichsten ostseefinnen — den kareliem einige 
lehnwOrter erhalten. Darauf deuten wOrter wie sam. Jur. p%ju, 
pa\ju 'weide' und rieska 'ein backwerk, piroge' (»holmi sfltem^ny, 
j>iroK'' Budenz NyK XXII 374), deren originale wahrscheinlich 



Samojedisches lehngut im syrjanischen. 167 

terverzeichnisse ist gleichfalls teilweise schuld daran, dass auch 
eine aufzahlung der samojedischen entlehnungen des syrjani- 
schen vorlaufig mehr oder minder unvoUstandig bleiben muss. 
Ausser den weiter unten vorgebrachten entlehnungen, k5nnte 
man aus dem syrjanischen noch mehrere andere worter erwah- 
nen, welche, mit riicksicht auf ihre form, bedeutung und geo- 
^aphische verbreitung, den verdacht erwecken aus dem samo- 
jedischen entlehnt zu sein; aus dem obenerwahnten grunde ist 
es jedoch vor der hand unmoglich in diesen fallen eine entleh- 
nung zu konstatieren. 

In dem obencitierten artikel hat Ahlqvist (p. 6) en passant 
auch zvvei syrjanische worter: gort 'haus' und Jcesjalni, hisjalnt 
'dienen, gehorchen, knecht od. magd sein', ervvahnt, die er 
augenscheinlich fiir entlehnungen aus dem samojedischen halt, 
ebenso wie ostj. kort, kurt 'bewohnte stelle, dorf, wohnung' 
und vvog. qu6, quS, qu6 'diener'; als originale werden hinge- 
stellt sam. harad 'haus' und kaj, ko6 'leibeigner' ^ Der samo- 
jedische ursprung dieser worter erscheint jedoch sehr zweifel- 
haft. Was das erstere wort betrifft, finden wir es auch im 
wotjakischen in der form gurt *haus\ sodass man sich also 
denken miisste, es sei entweder in urpermischer zeit oder zuerst 
ins syrjanische und dann durch seine vermittlung ins wotjaki- 
sche aufgenommen. In beiden fallen sollten wir aber in den 
permischen formen im wortanlaut stimmlosen verschlusslaut 
erwarten. In syrj. kesjalni sollten wir anderseits statt des 6* 



kar. pigu 'weide' und rie^ka *panis azymus' sind. FUr das er- 
stere samojedische wort vermutet HalAsz (NyK XXIII 445) urver- 
wandtschaft mit dem genannten finnischen worte, wenngleich er 
anderseits auch entlehnung aus dem finnischen fUr mOglich halt. 
Das kar. rieiJLa ist auch in den russischen dialekt von Archangel 
entlehnt: peCKa, peiliKa 'ein von den kareliem (im kreise Kem) 
als speise statt brot gebrauchter ungesSuerter fladen aus mehl mit 
beimischung von zerstampfter fichtenrinde gebacken* (Podvysockij). 
Somit ware es auch mOglich, dass das wort durch vermittlung der 
russen in das samojedische gekommen ist. Cber wortanlautendes 
r im samojedischen vgl. unten p. 171, mom. 10. — Samjur. luca 
russe' siehe unten. 

* Ostj. kort, kurt ist augenscheinlich aus dem syrjanischen 
(gort) entlehnt, vgl. ostj. kor, kur 'ofen' <; syrj. gov id. (Ahl- 
qvist 1. c. p. 13). 



1 68 Yrj5 Wichmann. 



ein dz (4i) oder tk erwarten; ausserdem stammen die von 
Ahlqvist als originale erwahnten formen kag, ko6 (auch kot, 
kot£e) aus dem ostjaksampjedischen, nicht aus dem jurak- 
samojedischen, welches im allgemeinen dem syrjanischen sein 
samojedisches lehngut geliefert hat i. 

Gastrin teilt die samojeden in drei grosse stamme ein: 
in die jurak-, die tavgy- und die ostjaksamojeden. Die wohn- 
gebiete der ersten erstrecken sich vom Weissen meer im westen 
bis zum Jenissei im osten; ostlich von ihnen bis zur Chatanga- 
bucht wohnen die tavgysamojeden und vveiter im siiden, am 
mittleren und oberen Ob, zwischen den nebenflussen Tym 
und Culym, die ostjaksamojeden. Ausserdem unterscheidet Ca- 
sTiufeN zwei kleinere samojedenstamme, die jenisseisamojeden 
und die kamassinzen, von denen die ersteren zwischen den 
jurak- und den tavgysamojeden am unteren Jenissei, die letz- 
teren an den nebenflussen dieses stromes, Kana und Mana 
wohnen (siehe Gastrin, Nordische reisen und forschungen MI : 
Grammatik der samojedischen sprachen, p. VI— VIII). Sudlich 
von den westlichen europaischen juraksamojeden wohnen als 
ihre nachbarn die nordlichen vorposten der syrjanen: die Udora-, 
Izma- und PeCora-syrjanen. Es ist daher ganz naturlich, dass 
wir samojedisches lehngut besonders in den dialekten dieser 
syrjanen antreffen und dass dasselbe gerade aus dem jurak- 
samojedischen geschopft worden ist, was auch die unten 
angefuhrten lehnworter deutlich bestatigen. Auf manche von 
den lehnwortern stossen wir auch vveiter im siiden, in dem 
Vycegda- und Sysola-dialekt, und auf einige sogar in den 
allersudlichsten mundarten, dem Luza- und permischen dialekt. 
Obgleich diese, auch in die stidlichsten dialekte gedrungenen 
lehnworter, in anbetracht der lautlichen verhaltnisse keinesfalls 
besonders alt sein konnen, sind sie augenscheinlich doch um 



^ Die juraksamojedische form des wortes ist nicht belegt. 
Wir hatten auch hier gegentiber dem ostjaksamojedischen J, 6, t 
ein d zu erwarten (vgl. z. b. sam. O. e§, yeie, yete 'wort', Jur. 
vada; O. koj, koie 'schneegestober', Jur. hada; O. ma^ap, ma- 
dau, matam ^schneiden', Jur. madau; O. pa6, pa6e, pate 'galle\ 
Jur. padea), sodass das syrjanische wort auch nicht aus einer jurak- 
samojedischen form entlehnt sein kOnnte. 



Samojedisches lehngut im syrjanischen. 169 

einiges alter als die der nordlicheren dialekte. In urpermischer 
zeit aufgenommenes samojedisches lehngut habe ich nicht be- 
nrierkt, sowenig wir desgleichen in dem nachsten verwandten 
des syrjanischen, dem wotjakischen antreffen. Demnach 
scheinen von den permischen volkern nur die syrja- 
nen, und auch von ihnen vor allem nur die nordii- 
chen, in direkter beriihrung mit den samojeden ge- 
standen zu haben. 

Nattirlicherweise bezeichnet ein grosser teil der vvorter, 
die die syrjanen von den samojeden entlehnt haben, solche 
gegenstande, die in das gebiet der renntierzucht oder zu 
den vorzugsweise aus renntierfell hergestellten, durch das 
nordliche klima bedingten bekleidungsgegenstanden geho- 
ren. Dergleichen sind : *renntier', 'renntierochse', 'zugriemen fur 
renntiere', Viemen am renntiergeschirr', 'wurfschlinge zum ein- 
fangen der renntiere', 'treibstock (zum antreiben des renntiers)', 
'schuh (eine art halbstiefel)*, *haibstiefel aus renntierfell', *stiefel 
aus renntierfell', 'strumpf aus renntierfell', *pelz* und 'oberpelz 
aus renntierfell', 'sarafan (von grobem tuch)\ Bezeichnungen 
aus anderen begriffsgebieten sind verhaltnismassig selten ent- 
lehnt. Von tiernamen finden wir (ausser den ervvahnten be- 
nennungen fiir renntier): 'elen*, *move', 'asche (cyprinus thy- 
mallus)*, *hechtjunge' ; an korperteilen: \vade', \veibl. scham- 
glied', 'rticken oder ruckgrat (bei vogeln und fischen)'; gegen- 
stande, die zu den verkehrsmitteln gehoren: *schneeschuh', 
(?) 'der mast*; ausserdem noch die bezeichnungen: Ueute, volk', 
'bodensatz von geschmolzenem fett od. talg', 'gar (nichts)'. 
Von diesen lehnwortern erscheinen in den stidlichsten dialekten 
von der Luza und von Perm (in beiden oder in einem von 
beiden) diejenigen, welche 'renntier (her)\ 'stiefel aus renntier- 
fell (pirrij pimi)\ 'schuh (Tceti)\ 'pelz aus renntierfell (mali(f§a)\ 
'schneeschuh (tampa)\ 'asche (kom/ und 'leute, volk (voitirT 
bedeuten; das wort kybSrda 'elen' tritt nur im dialekt von 
Perm auf. 

¥\js die vveiter unten angefiihrten samojedisch-syrjani- 
schen laut- und wortvergleichungen diirfte es angebracht sein 
hier auf einige punkte der juraksamojedischen lautverhaltnisse 
kurz aufmerksam zu machen. 



I70 YrjO Wichmann. 



1. a '-«-' o. In den einzelnen juraksamojedischen dialek- 
ten wechselt a mit o im inlaut, z. b. mat* ~ mot' 'sechs ; pa- 
res ^' pores *schwein*; nahal ^^ nohol *schmutz\ Castren, 
Sam. Gr. §§ 4, 100, i. 

2. o '^ u, 6 '^ u. o resp. o und u resp. u wechsein 
dialektisch im inlaut, z. b. toho* — tuho' 'leinvvand'; hohoraei 
^^ hohoraei 'schwan'; hSti ^^ huti *stiefer. Gastrin, Sam. 
Gr. § 100, 12, 13. 

3. a vvird im auslaut oft elidiert, z. b. hale* '^ hilea 
'fisch'; tas* '-^-^ tasa 'alle*; ebenso u (o), z. b. jiebc' -^ jiebcn 
'vviege*; hobsu, hoboo ^^ hobc* Vatsel*. Gastrin, Sam. Gr. 
§§ 84, 2 u. 97, 6. 

4. e '^ a. Im in- und auslaut wechselt e mit a, z. b. 
higel '^ higal 'thrane* ; haier -^ h^ar 'sonne* ; habte ^^ habta 
'renntierochse' ; sa&e' ^^ sa£a' 'schwanz'. Gastrin, Sam. Gr. 

S 100,7,3. 

5. k '-^ g. k und g wechsein im in- und auslaut, z. b. 
^nukXlga- 'herausziehen' (Budenz *) -^^ negelta- *ziehen' (Reg. *); 
Aelak ~ Aelg 'wade'. Vgl. Gastrin, Sam. Gr. § 148 d) 2. 

6. h. Uber das juraksamojedische h sagt Gastrin, Sam. 
Gr. § 16, dass es „bisweilen im anlaut der worter mit einem 
scharfern, dem k nahekommenden laute ausgesprochen wird", 
besonders „vor harten vokalen". 

(7. h kommt nach Gastrin nur in den beiden sudlichen 
samojedensprachen, im ostjaksamojedischen und kamassinschen 
vor, und zwar im ersteren nur in einigen dialekten (im narym- 
schen und im Baicha-, tasovschen, karassinschen und Jelogui- 
dialekt). Einem h dieser dialekte entspricht in den ubrigen ein 
s, z. b. samO.: N. &iu, B. Tas. Kar. Jel. &ime, samK. 6iiT|6 
'asche', samO. (in den ubr. dial.) siu, siva; samO.: N. B. Tas. 
Kar. 6and, Jel. Send neu', samO. (in den libr. dial,) sand, 
sanda, senda, senje. Vgl. Gastrin, Sam. Gr. §§ 24, 176 u. 
Sam. Wbuch; vgl. jedoch Reguly's aufz. 1. c, p. 344-5.] 

8. 1 ^' r. Im juraksamojedischen wechselt 1 mit X dia- 
lektisch, z. b. hbt', hebt ~ I'ebt, I'ibt' 'strumpf; limbea - 



1 = BuDENZ, Jurak-szamoj^d sz6jeg>'z6k. NyK XXII 321 — 76. 

2 = Reguly's samojedische aufzeichnungen nach Budenz 1. c 



Samojedisches lehngut im syrjanischen. 171 

rimbea adler'; lear ^^ Tar (Reg.) 'barsch*; halea ^^ haTe' 'fisch'; 
pealea ^^ pearea *halfte*. Gastrin, Sam. Gr. § 148 0)3. 

9. U '^ L Dialektisch wechseln (allerdings selten) kur- 
zes und geminiertes 1 im juraksamojedischen, z. b. mallieu '^ 
maTen 'zurecht kommen*; mallieu ^^ maleu, maTau 'zerbrechen' ; 
solloma '^ suloma 'flick\ Vgl. Gastrin, Sam. Gr. § 135, 1 a. 

10. r kommt in den samojedischen sprachen im anlaut 
iiberhaupt nicht vor. In Gastr6n*s samojedischem vvorterbuche 
linden wir nur einige mit r anlautende worter, von vvelchen 
Jur. rakhy 'freiwerber', O. rakka 'stuck, bissen' wahrscheinlich, 
und Jen. rasa, O. ruS 'russe' sicher lehnworter sind. Ausser- 
dem kommt r im anlaut einiger enklitisch gebrauchten partikeln 
vor, wo es (in gewissen stellungen) mit 1 wechselt. Vgl. Ga- 
strin, Sam. Gr. §§ 22, 132, 156, 166, 176, 204, 502, 523 und 
.Sam. W^buch. 

11. V. Im juraksamojedischen ist ursprungliches anlau- 
tendes v iiberhaupt nur vor a, o, u bewahrt, vor e, i aber in j 
iibergegangen, ausser im kondinschen dialekt, wo v auch in 
diesem falle beibehalten wird, z. b. samJur. Knd. veab 'loos, 
gliick*, samJur. jab, jaba; samJur. Knd. vese 'eisen', samJur. 
jesea, jese'; samJur. Knd. vii schwiegersohn', samJur. jii; 
samJur. Knd. vit vvasser', samJur. ji'; vgl. auch samJur. 
jorouka « *jerouka) 'strick' < russ. BepeoKa (Budenz). Siehe 
Halasz NyK XXIV p. 443 und Gastrin, Sam. Wbuch. 

12. nd '^ i. Im juraksamojedischen wechselt nd mit i 
dialektisch im inlaut, z. b. jander ^^ i&ier einwohner ; bonder 
^' hnier \vie\ Gastrin, Sam. Gr. § 148 b) 7. 

Betreffs der art, auf vvelche die laute der originalsprache 
in den betreffenden lehnwortern vertreten sind, ersieht man aus 
den unten angefiihrten vergleichungen bald, dass bei den laut- 
lichen entsprechungen iiberhaupt keine grosse verschiedenheit 
vorhanden ist. Da die samojedischen sprachen und ihre dia- 
lekte eigentlich noch ziemlich wenig bekannt sind — und noch 
vveniger ihre lautgeschichtliche entwickelung — , miissen wir 
uns in einigen fallen, wo die lautvertretung nicht die gewohn- 
liche „regelmassige" ist und wo wir eben eine erklarung von- 
noten hatten, entweder mit andeutungen oder einfacher konsta- 
tierung des fraglichen lautlichen verhaltnisses begnugen. 



172 YrjO Wichmann. 



1. Sam. k = syrj. k: syrj. parka *pelz aus renntierfeU, 
vgl. samJur. parka i syrj. sevik 'oberpelz aus renntierfell', v^. 
samJur. savik j syrj. tebak 'halbstiefel aus renntierfell', vgl. 
samJur. t5bak. 

2. Sam. k = syrj. g in syrj. niUeg: iir-fiuleg hecht- 
junge', vgl. samJur. nofoko. Siehe worterverzeichnis. 

3. Sam. t = syrj. t, z. b. syrj. keti 'schuh', vgl. samJur. 
hSti ; syrj. lipti 'strumpf aus renntierfell', vgl. samJur. libt' 
syrj. nartala Tangstrick', vgl. samJur. Aart*. 

[4. Sam. t = syrj. d in syrj. kybdrda 'elen', vgl. sam- 
Jur. ^hahgrtg. Siehe vvorterverz.l 

5. Sam. i = syrj. t^ fS: syrj. ftw, fSener *gar (nichtsT, 
vgl. samJur. <anu syrj. mali((&a 'pelz aus renntierfelF, vgl. 
samJur. malitea \ syrj. oter (voitir < *vofir) 'leute, volk', vgl. 
samJur. ja^er. 

6. Sam. p = syrj. p: syrj. parka 'pelz aus renntierfell , 
vgl. samJur. parka syrj. pimi 'winterstiefel', vgl. samJur, pime 
1 syrj. pu{na Viemen am renntiergeschirr', vgl. samJur. pm. 

7. Sam. g (-^ k) = syrj. k in syrj. neUc Vade\ vgl. 
samJur. Aelg, i&elak. Uber samJur. k '^ g siehe oben p. 170, 
mom. 5. 

8. Sam. d (nach homorganem nasal) = syrj. t in syrj. 
kuntei 'sarafan', vgl. samJur. hSndy. Es ist nicht unmoglich, 
dass im samJur. ein wechsel nt ^-^ nd vorkommt, vgl. Castr^x 
Sam. Gr. §§ 148 b) 8 {ni ^ nd) u. 136 e) 3. 

9. Sam. b (intervokalisches) = syrj. 6, z. b. kybSrda 
'elen', vgl. samJur. "^hgbgrtg syrj. febak 'halbstiefel aus renn- 
tierfeir, vgl. samJur. tobak. 

10. Sam. b (nach homorganem nasal) = .syrj. p in syrj. 
tam2)a 'schneeschuh', vgl. samJur. lamba. 

11. Sam. h = syrj. kj z. b. syrj. kora renntierochse', 
vgl. samJur. hora syrj. ker 'renntier', vgl. samJur. hor syrj. 
mak 'rticken, riickgrat (bei vogeln, fischen)', vgl. samJur. maha. 
— Uber samJur. h vgl. oben p. 170, mom. 6. SamJur. h wird 
im syrjanischen mit dem diesem laute am nachsten stehenden I 
wiedergegeben. 

12. Sam. 8 = syrj. s: syrj. sa 'zugriemen', vgl. samJur. 
sa' syrj. sevik 'oberpelz aus renntierfellen', vgl. samJur. savik 



Samojedisches lehngut im syrjanischen. 173 



[13. Sam. *h = syrj. S: syrj. Sogla 'der mast', vgl. samO. 
Naheres im worterverz.] 

14. Sam. m = syrj. m, z. b. syrj. tampa 'schneeschuh', 
vgl. samJur. lamba | syrj. manan Veibl. glied', vgl. samJur. 
mani syrj. pimi \vinterstiefer, vgl. samJur. pime. 

15. Sam. n = syrj. n: syrj. kuntei 'sarafan', vgl. samJur. 
liondy. 

16. Sam. 6, n (vor i) = syrj. n, z. b. syrj. 7nanan ( = 
nioii-an) Veibl. glied', vgl. samJur. mani ■ syrj. tfelk Vade', 
vgl. samJur. nelg ' syrj. fen *gar (nichts)*, vgl. samJur. iSAu. 

17. Sam. 1, r = syrj. I, T, z. b. syrj. lipti 'strumpf , vgl. 
samJur. libt* ] syrj. nelk *wade', vgl. samJur. Aelg I syrj. 
tampa *schneeschuh\ vgl. samJur. lamba | syrj. mati^fia 'pelz 
aus renntierfeir, vgl. samJur. malit!ea | syrj. nuleg: Hr-nuleg 
'hechtjunge', vgl. samJur. £oroko. — Vgl. oben p. 170, mom. 8. 

18. Sam. r = syrj. r, z. b. syrj. Tcarei *treibstock*, vgl. 
samJur. hario- syrj. leer Venntier', vgl. samJur. hor syrj. 
parka 'pelz aus renntierfeir, vgl. samJur. parka. 

19. Sam. V = syrj. v: syrj. voitir « *^vofir) *leute, 
volk', vgl. samJur. jafer < *va<er (vgl. oben p. 171, mom. 11 
u. worterverz.) syrj. sevik 'oberpeiz', vgl. samJur. savik. 

20. Sam. a = syrj. a, z. b. syrj. karei 'treibstock', vgl. 
samJur. harie- \ syij. tampa 'schneeschuh*, vgl. samJur. lamba 
syrj. kora Yenntierochse', vgl. samJur. hora. — Uber syrj. kom 
'asche' (vgl. samK. kami: kami-kola) und syrj. ofer^ voitir 
« *vofir) *leute, volk' (vgl. samJur. ja£er < *va<er) siehe 
worterverz. und oben p. 170, mom. 1. 

21. Sam. a (vor v) = syrj. e in syrj. sevik 'oberpelz', 
vgl. samJur. savik. 

[22. Sam. ^fj = syrj. y, 6 in syrj. kyborda 'elen', vgl. 
samJur. ^hjbgrtft.] 

23. Sam. 6 = syrj. 0: syrj. kora 'renntierochse*, vgl. 
samJur. hora syrj. tohek (tehak) 'halbstiefel aus renntierfeir, 
vgl. samJur. tobak. 

24. Sam. (o) = syrj. n: syrj. kunte{ 'sarafan', vgl. 
samJur. hondy ; syrj. uuleg: hr-nuleg 'hechtjunge', vgl. samJur. 
Aoroko (£oroko). Uber samJur. o '^ u, 6 '^ u siehe oben 
p. 170, mom. 2. 



174 YrjO Wi 

25. Sam. 6 = syrj. e: s 
hor syrj. heti 'schuh', vgl. sar 

26. Sam. o = syrji. e i 
junge', vgl. samJur. £oroko. S 

27. Sam. u = syrj. u: s; 
geschirr*, vgl. samJur. pui sy 
schmolzenem fett od. talg', vg 
verz. unter tsund^u. 

• • • • 

28. Sam. a (zwischen pali 
e in syrj. fen 'gar (nichts)', vgl. 

29. Sam. e = syrj. e: s 
nelg syrj. oter *leute, volk', v^ 

30. Sam. e = syrj. a in 
haleu. Vgl. oben p. 170, mom 

31. Sam. e '^ ie (im aui- 
pimi 'wlnterstiefer, vgl. samJur 

32. Sam. i = syrj. i, z. 1: 
Jur. libt' ! syrj. mati^Ua 'pelz 
mali£ea syrj. Tceti 'schuh*, vgl. 

33. Sam. y = syrj. ei 
samJur. hondy. 

34. Sam. ui = syrj. W( ii 
tiergeschirr', vgl. samJur. pui. 

35. Sam. ie = syrj. e{ 
samJur. harie-. Siehe worterve 



Worterve 

syrj. I. V. S. Pe5. kata, U. Icati 

<C sam. Jur. haleu, O. 
Das syrj. wort setzt eine 
('-^ *hal'ra, vgl. oben p. 1 
wechsel von e und a (im 
iiber elision von auslaut( 
schen, slehe oben p. 17 



* Die samojedischen wOrter 
nach Castri^n zitiert. 




Samojedisches lehngut im syrjanischen. 175 



(jiirak)samojedischen sind eben falls ostj. xaleu 'sterna 
caspia; larus* und vvog. x<*Z^u (Munk.-Szil. i), "^xalleuw 
(MuNK.) 'mowe' entlehnt; die siidostjakischen formen "^hd- 
Ilk (PApai-Munk. 2), kallek (Castr. ^) 'meerschwalbe 'stam- 
men dagegen aus dem ostjaksamojedischen. 

syrj. I. U. Pec. Icarei *treibstock, • lange stange zum antreiben 
des renntiers'. 

<i sam. T. kari'e, Jen. kori'o 'treibstock (beim fahren)'; 
Jur. hariedm (stamm: harie-) 'mit der treibstange treiben'. 
Als original des syrjanischen vvortes ist im juraksamojedi- 
schen ein nomen *harei vorauszusetzen (vgl. talie- 'steh- 
len', taTei 'dieb'). — Das wort ist auch ins russische ent- 
lehnt: russ. dial. (gouv. Archangel, an der Mezeri) xapefi, 
xopefi (PoDVYS. ♦). — Vgl. A. P. Engelhardt, PyccKin 
ctBepT, (St. Prburg 1897) p. 227. 

syrj. I. leer, U. V. S. Pec. L. %*, P. ker (Rogov ^\ Mr (Ge- 
NETz ®) 'renntier*. 

< sam. Jlir. hor: h.-jiry 'renntier-brunstmonat (der zvveite 
d. h. September)', (jiry 'monat'), D. kor 'stier; hengst' 
(korai-ati 'uncastriertes renntier*). Es ist kaum zu bezvvei- 
feln, dass das syrjanische wort aus dem samojedischen ent- 
lehnt ist, obwohl in alterer zeit als syrj. kora (siehe unten): 
dieses kommt ja auch nur in den beiden nordlichsten dia- 
lekten, jenes auf dem ganzen syrjanischen sprachgebiet 
vor. Zu beachten ist auch die vokallange im izemischen. 
Hinsichtlich des vokalismus vgl. unten syrj. keti < sam. 
hoti. — Sind vielleicht ostj. xor *mannchen, renntierochs, 
hengst' (Ahlqv. ^), "^khar 'hengst' (Papai-Munk.), wog. 
xar Yennstier', ^khor 'mannchen; stier, rennstier, hirsch- 
bock; hengst' (Munk.-Szil.) samojed. lehnworter (vgl. 



1 — M. SziLASi, Vogul sz6jegyzek. NyK XXV. 

'-i = B. MUNKACSI, D61i osztjak sz6jeg>^z6k. NyK XXVI. 

* =: M. A. CastrijIN, Versuch einer ostjakischen sprachlehre. '^ 

* ■=. A. IloABUcouKift, Cioitaph o(J.racTnaro Hpxaiire.ibCKaro iiapt^ifl. 
"* = H. PoiOB'b, IlepMflUKo-pyccKin ciouaph. 

^ =z A. Genetz, Ost-permische sprachstudien. JSFOu. XV, 1. 
' = A. Ahlqvist, Cber die sprache der nord-ostjaken. 



176 YrjO Wichmann. 



HalAsz NyK XXIII 31)? Vgl. jedoch SetXlA NyK XXVII 
76. — Mit fi. hlkrkA 'ochse* kann das fragliche wort nicht 
zusammengestellt werden, vgl. Donner, Vergl. Wbuch nr. 
342, Thomsen FBB p. 250, HalAsz 1. c. 

syrj. U. V. S. L. Iceii 'schuh, eine art halbstiefeln'. 

< sam. Jur. hoti, huti,* huti' 'stiefer. Syrj. e = sam. o 
ebenso vvie oben im syrj. Jeer < sam. hor. — Aus dem 
samojedischen stammt auch (direkt?) russ. dial. (Onega, 
§enkursk, Pinega) koth 'schuh, halbstiefer (Podvys., DalM. 
SyrjP. koti ist wahrscheinlich durch vermittlung des nis- 
sischen entlehnt. 

syrj. kyberda (Messerschmidt, handschr.) 'elen', P. kybSrda 
(WiED. 2) 'elen (?)'. 

< sam. Jur. "^hfjlffrt^i (Budenz), habarta (Reg.) 'elentier'. 
Im syrjanischen erwartete man im anlaut der dritten silbe 
t statt d; es ist aber zu beachten, dass die lautbezeich- 
nung des wortes nicht zuverlassig ist (in den von mir 
untersuchten dialekten kommt das wort nicht vor). 

syrj. I. kbm (elat. komjii), U. V. S. L. kom (elat. komis) 'asche 
(cyprinus thymallus)*. 

< sam.; vgl. K. kami: k.-kola 'asche (salmo thymallus) 
eig. schuppenfisch' ; vgl. sam. K. kam schuppe' (iiber 
sam. a ^^ o siehe oben p. 170, mom. 1). Als original 
des syrjanischen wortes ist samJur. *hom \orauszu- 
setzen. 

syrj. I. U. kom >enntierochse'. 

< sam. Jur. hora 'renntierochse', horie 'renntiermann- 
chen'; hora, horie (Reg.) 'renntier (mannl.)'; T. kuru, 
Jen. kura, O. korai-ati Venntier, uncastriertes' (0. kor 
'stier, hengst'; ati Venntier'), K. kura 'ochse'. — Aus 
dem samojedischen ist auch russ. dial. (Archang.) xopa 
'uncastriertes renntier, renntierochse' (Podvvs., Dal) ent- 
lehnt. 



1 = Bj. ,lA.ib, To.iKOHuii c.ioBapb naiBaro Be.iHKopycKaro ^lauKU. 

2 — F. J. Wiei)?:manx, Syrjiiiiisch-deutsches wdrterbuch. 



Samojedisches lehngut im syrjanischen. 177 

Ein samojedisches, aber etwas alteres lehnvvort ist 
wahrscheinlich auch syrj. k^ 'renntier', vgl. oben. 

syrj. U. Tcuntei 'sarafan (von grobem tuch)'. 

m 

< sam. Jur. hondy 'obere bekleidung der weiber', O. 
kong, kun£, kunde, k&idd, kundel-porg 'grober kittel 
(von tuchy. Syrj. u = sam. Jur. 6 ebenso wie im syrj. 
i'iuleg < sam. £oroku (siehe unten). Uber den wechsel 
von o und n, o und u im juraksamojedischen siehe oben 
p. 170, mom. 2. Vgl. auch p. 172, mom. 8. — Aus dem 
ostjaksamojedischen ist wahrscheinlich auch ostj. kutio^, 
kntiai, kus *oberpelz, der iiber der maliza getragen wird' 
(Castr^n), kuvys, kus 'oberer pelz aus renntierfellen mit 
den haaren nach aussen' (Ahlqv.), und wog. kuvo^ id. 
(Ahlqv. 1), Icni 'eine art pelz' (Munk.-Szil.); ebenso russ. 
dial. (Pinega, Mezen) Kyuix *langes hemdartiges oberkleid 
von hausgevvobenem tuch' (Podvys.). Nach Podvysockij 
wird auch eine an die samojedische maliza angenahte 
kapuze (von renntierfellen) Kyjut genannt. 

isyrj. U. lipti, I. UpM, Pe?. tipi(t'&a '„strumpf" aus renntierfell 
(die haare nach innen)'. 

< sam. Jur. Ubt', ribt', liebt, Tebt 'strumpf, lipta (Br- 
DENz), liepta (Reg.) 'striimpfe'. — Russ. dial. (Mezen) 
.iHnTM, .i6nTU, ^iy\\'Vh 'samojedische schuhe od. strumpfe 
aus renntierfell mit den haaren nach innen' (Podvys., 
Dal) stammt ebenfalls aus dem samojedischen. 

syrj. I. V. S. PeJ. L. P. tampa 'schneeschuh (ohne sohle)'; 
lumpa-tui (WiED.) 'sternbild des grossen baren' (eig. „schnee- 
schuhweg**). 

<C sam. Jur. lamba 'schneeschuh'; vgl. O. lamb,lamba 'vor- 
derteil des stiefels; fussblatt'. Uber den wechsel von 1 und r 
im juraksamojedischen siehe oben p. 170, mom. 8. Wie 
aus der verbreitung des syrjanischen wortes schon ersicht- 
lich, gehort es zu einer etwas alteren schicht samojedischer 
lehnworter; darauf deutet auch der umstand hin, dass der 



1 — 



= A. Ahlqvist, Wogulisches worterverzeichnis. MSFOu. II. 



178 YrjO Wichmann. 



samojedischen konsonantenverbindung -mb- im s3TJani- 
schen nicht -wtfe- ^ sondem -mjp- entspricht, welches wahr- 
scheinlich einen alteren lautbestand im juraksamojedischen 
vviederspiegelt. — Russ. dial. (Kem, Kola, Mezeri) .laiiOu 
'schneeschuh' (Podv\'s.) ist aus dem samojedischen ent- 
lehnt. 

syrj. U. 7nak 'riicken od. ruckgrat bei vogeln und fischen'. 

•< sam. Jar. Jen. maha, T. moku, O. mog, mok, mokka, 
mokkol, mogo, mogol, mokal, mokar, mogor, moger, K. 
begel, bdgel VQcken*; Jur. maharlei 'fischgrate (rucken- 
knochen)'. Das syrjanische wort muss aus einer jurak- 
samojedischen form mit elidiertem schlussvokal (*mah') 
entlehnt sein (uber elision von a im auslaut siehe oben 
p. 170, mom. 3). 

syrj. U. V. S. Pec. mati^Ua 'pelz aus renntierfellen (mit den haa- 
ren nach innen; wird wie ein hemd angezogen)', L. mati(fia 
'hemdartiger arbeitsrock von grobem (weissen od. blauen) tuch'. 

<1 sam. Jur. mali£e, malil:ea, malioea, "^maha (Budenz), 
maTde (Rec;.) 'pelz\ — Aus dem samojedischen sind auch 
ostj. molyp^a, morsaTi, wog. moL^T) *innerer pelz mit den 
haaren nach innen' (Ahlqv.), ^motsdfi 'eine art pelz' 
(MuNK.-SziL.), m5l6a, mol^a (Gluskov ^) 'pelz aus renntier- 
fellen (mit den haaren nach innen)', wie auch russ. dial. 
(Archang., Sibir.) MJUHun, waJKa (Podws., Dal). \gl. 
Ahlqvist, I'ber die kulturworter der obisch-ugrischen spra- 
chen: JSFOu. VIII 6-7. 

syrj. I. U. V. S. manan 'weibl. glied'. 

<< sam. Jur. mam, many, Jen. muni 'weibl. glied'. Das 
syrjanische wort ist ein diminutivum mit der endung -an 
(vgl. z. b. syrj. UV. derern 'hemd', dim. derpnan 'hemd- 
chen', L. nd 'madchen', dim. nilan 'magdelein*). 



* Diese konsonantenverbindung kommt ja im jetzigen syrjani- 
schen ziemlich hSufig vor, z. b. dzimhir 'kies\ gumhir 'krflm- 
mung\ tombi't 'rolle' u. a. 

^ = II. H. I .iMiiKouh, MeiuuHcide Hory.iu. ^iriioi-p. 0(5o3p. XLV 



Samojedisches lehngut im syrj^nischen. 179 



syrj. I. U. Pef, nartala Tangstrick, vvurfschlinge zum einfangen 
der renntiere'. 

< sam.; vgl. samJur. 6art' 'band um die schlittenkufe'. 
— Russ. dial. (Pefora) iiripTajio (Podvys.; derselben be- 
deutung wie das syrjanische wort) scheint durch vermitt- 

« 

lung des syijanischen aufgenommen zu sein. -— Vgl. A. 
P. Engelhardt, PyccKift cLuepx p. 227. 

syrj. I. nelk \vade\ 

<; sam. Jur. 6elg, nelak \vade'. Dass das syrjanische 
wort ein ziemlich junges lehnwort ist, wird aus dem bei- 
behaltenen I ersichtlich (im izemischen dialekt ist namlich 
urspr. I im auslaut eines wortes oder vor einem konso- 
nanten „vokalisiert" worden, ausser in jungeren lehnwor- 
tem, z. b. syrji. ze\ 'straff, fest' < *zel; dagegen syrji. 
vol 'welle' < russ. ea.i^). 

syrj. I. ntdeg in Hr-mdeg 'hechtjunge, junger hecht' {Hr 'hecht'). 

< sam. Jur. noloku, noroko, £oroko, T|5roko, otoko 
(BuDENz), Jen. uraigu, uraiggu 'klein\ Syrj. u = sam. 
Jur. 6 wie im syrj. huntei < sam. hondy; vgl. oben p. 
170, mom. 8 und (sam. 6 ^^ u) p. 170, mom. 2. Uber 
die elision von sam. u im auslaut siehe oben p. 170, mom. 3. 
Dass wir im syrjanischen im auslaut g haben, kann viel- 
leicht auf dialektischem wechsel von g mit k im samojedi- 
schen (vgl. oben p. 170, mom. 5) beruhen, oder auch dar- 
auf, dass das syrjanische wort sich nach dem muster der 
syrjanischen nomina auf -eg (-eg) gebildet hat. — Aus 
dem samojedischen sind moglicherweise auch wog. "^wjlex 
'dunn' (MuNK.-SziL.) und ostj. ^ulak, £elax in nulak-pun, 
nelax-pan 'flaum, flaumfedern' (pun 'feder') entlehnt. 

syrj. I. U. V. S. Pe5. parla 'pelz aus renntierfell (die haare 
nach aussen)'. 

<< sam. Jur. parka 'kleidungsstuck aus dem fell der jun- 
gen renntiere, wird zwischen malica und savik getragen* 
(Reg.), Jen. flEigge, O. porg, porga, porge, porgo 'klei- 
dung', taril-porg, tarel-porg 'behaarter pelzrock' (tar, tare 
'wolle'), K. parga 'pelz'. — Dem samojedischen sind auch 



Samojedisches lehngut im syrj^ischen. i8i 



syrj. U. Pec. sevik 'oberpelz aus renntierfellen (mit den haaren 
nach aussen)'. 

-< sam. Jut. savik, sauk, saviko (Budenz), saukka (Reg.), 
Jen. BOku'ote, O. sok 'oberpelz'. — Denselben ursprung 
hat russ. dial. (Mezen) cobAk'b *langes samojedisches ober- 
kleid aus renntierfeil' (Podvys.). 

[syrj. Pec. Sogla (Wied.), kolgay V. §qgla (Wied.) 'der mast'. 

?< sam.; vgl. sam. O. (ketscher dialekt) sogla id. Das 
syijanische wort setzt eine samojedische form *&ogla vor- 
aus. Uber s und h im samojedischen siehe oben p. 170, 
mom. 7. Das wort ist moglicherweise durch vermittlung 
der obugrischen volker aus dem ostjaksamojedischen ins 
syrjanische gewandert. Es kommt, als lehnwort, auch im 
russischen vor: fflar.«a, merjid, ma(e)rj!a, u. a. *der mast' 
(Dal).] 

syrj. I. t^ek, Wied. tehdk^ tob§k 'halbstiefel aus renntierfell (die 
fersen aus der stimhaut, die sohle aus den beinlingen)'. 

< sam. Jur. tobak 'strumpf, stiefel', ^tobjg (Budenz) 'stie- 
fef ; vgl. O. tob, toba, tobe, tobe, tope, toppe, toppa, tup 
'fuss'. — Aus dem samojedischen ist auch russ. dial. 
(Mezen) t66okh, (T66opu, T66ypu, Td6ypy), T6naKH 'ober- 
stiefel aus renntierfell' (Podvys., Dal); syrjPef. toboJci 
ist wahrscheinlich durch vermittlung des russischen auf- 
genommen. — Ist ostj. (Obdorsk) toba, tupa 'huf (Ahlqv.) 
etwa aus dem ostjaksamojedischen entlehnt? Vgl. jedoch 
Budenz MUSz. nr. 198 u. Alaktan p. 197-8. 

syrj. U. t^un4iu 'bodensatz von geschmolzenem fett od. talg'. 

< sam. Jur. seando, [ianda, sean^o 'talg', &an&u (Reg.) 
'geschmolzenes fett (von renntieren)', T. t'u% £u* 'talg von 
renntieren', Jen. tu, ta, O. £os, liuos, iiioh^ ixA^ boh 'talg'. 
Das syrjanische wort, welches sichtbar verschiedene assi- 
milatorische veranderungen erlitten hat, scheint der von 
Reguly aufgezeichneten samojedischen form am nachsten 
zu stehen (sam. htdika >• syrj. *ian§u > *hmd^u > 



1X2 YsjO WlCHHAKN. 1 

syrj. U. fell {an der Mezen), fiiA^r (an der Vaska): fin od. 
fSiHer og addii 'ich sehe gar nichts", 

< sam. Jur. t&An (Reg.), tai'io (Budenz), €iAo, iaiiixi 'we- 
nig"; negativ: £sfio-tinrt 'nichts'. — Uber die elision von 
sam. u im auslaut siehe oben p. 170, mom. 3. 

syrj. I. V. S. voUir, U, v§i7jr, P. oter, oftr 'leute, volk'. 

< sam. Jur. jafer, juuXer 'einwohner', -rfiJa jaiufier, i\iii 
ja£ier 'ein auswartiger' ; jefer ('volk, leute") : ani-je'er 

ein fremder, ein auswartiger' (Budenz), jender: Aiika j. 
'volk' (Reg.). Uber samJur. n«f — i siehe oben p. 171, 
mom. 12. Das syrjanische wort, welches ganz vereinzelt 
dasteht, geht auf ein urspriingliches 'vofjr od. * voter 
(? < 'valer) zuriick [vgl. z. b. syrj. S. L. P. kvaf 'sechs', 
1. U. V. PeE. Icvait (wotj. Ici^ai id.)]. Im juraksamojedi- 
schen Ist urspr. anlautendes v vor e, i in j iibergegangen 
(siehe oben p. 171, mom. 11), womit also die angefiihrter 
samojedischen formen Jeter, jaier auf urspr. 'veter, •▼ea- 
ter, *Taier ("-^ "Tofer?, vgl. oben p. 170, mom. 1) zuriick- 
gefiihrt werden kdnnen (Uber wechsel von ea elnerseits 
mit e, anderseits mit a siehe Castr£n Sam. Gr. § 94; 
vgl. auch oben p. 171, mom. 11), von welchen die letzte 
dem syrjanischen worte zu grunde liegt. — Das etnheimi- 
sche syrjanische wort fiir 'volk, leute' ist j^. 



Naturlich haben auch die samojeden dem syrjanischen 
vieles entlehnt, besonders da die syrjanen auf einem \-iel hOhe- 
ren kulturstandpunkt stehen als die ersteren. Urn so merk- 
wiirdiger erscheint es uns, wenn wir im samojedischen worter- 
buche Castr^n's verhaltnismassig wenig syrjanische lehnworter 
ausfindig machen kOnnen. Dies kann, meines erachtens, nur 
so erklart werden, dass Castr£n vorzugsweise nur solche 
worter aufgenommen hat, welche er fiir einheimisch hiell. 
Ohne auf diesen gegenstand naher einzugehen, nenne ich hier 
nur einige im samojedischen vorkommende syrjanische lehn- 
wQrter, die ich beim durchlesen des Castrenschen worterbuches 
aufgezeichnet habe. Solche sind; sam. Jur. jand5iia,ji 



Samojedisches lehngut im syrjibiischen. 183 

(stamm: janda-; -hana, -na = lokativendung) 'besonders', vgl. 

syrj. jan geteiltheit, absonderung', jana 'geteilt, getrennt', jana- 

sen abgesondert, besonders' (wotj. jana 'getrennt, auseinan- 

der') ? sam. Jur. heaiio, hea&o, hSAu 'still', vgl. syrj. hxA kan^ 

k<Mn kan^ 'im stillen, verstohlener weise' (wotj. kansl = faw-ji 

'still, ruhig') ! } sam. Jur. luoa {0: lutsa), lusa, luaa, Reg. luoa 

'russe', vgl. syrj. rofi (wotj. diiaCi) 'russe' (uber anlautendes 

sam. 1 < r vgl. oben p. 171, mom. 10); aus dem juraksamo- 

jedischen ist das wort ins tavgy- und jenisseisamojedische, und 

von da weiter bis ins tungusische gewandert: sam. T. roasa, 

sam. Jen. Tno^a, tung. luoa (jtingere, wahrscheinlich durch ver- 

mittlung der obugrischen sprachen aufgenommene lehnworter 

sind sam. O. mi, mU-gap 'russe', vgl. ostj. mi-zo, wog. mi, 

m^, roi 'russe*; in einigen ostjaksamojedischen dialekten heisst 

'der russe' kassat, kasak und im kamassinschen kasak). Ganz 

unmoglich ware es ja auch nicht, dass die westlichen jurak- 

samojeden das wort den kareliem entlehnt haben (vgl. oben p. 

166-7, note 1), vgl. fl. motai, rnotsa-laineiL | samJur. maibidm, 

BuDENz majbi' 'sich freuen', vgl. syrj. -wotj. ma.(b$r 'glucklich' 

(vgl. Gastrin, Sam. Gr. § 98) I sam. Jur. noi, n51 'tuch', vgl. syrj. 

noi (vgl. Ahlqvist, Uber die kulturworter der obisch-ugrischen 

sprachen: JSFOu. VIII 13) | sam. Jur. AaA, Reg. &a& 'brot', 

vgl. syrj. MA (wotj. nan) 'brot' [sam. O. nai, Aaj^ i&L brot' ist 

vermutlich durch vermittlung der obugrischen sprachen (vgl. 

ostj. fuub, PApai ^neAj wog. fuub, niA, n&T), neA, Munk.-Szil. 

nany Hogn, Mn 'brot') aufgenommen (vgl. auch Ahlqvist 

a. o., p. 9)] i samJur. pares, pores 'schwein', vgl. syrj. port 

(wotj. pari J parii); iranischen ursprungs (vgL SetAlA JSFOu. 

XVn,4, p. 31 note 2) wie auch das eben erwahnte syrj.-wotj. 

nan \ sam. Jur. Ser, sir (Budenz), sier (Gastrin) *art, weise*, 

husir (= hU'Sir) 'auf welche art, wie' (Budenz), hunsier 

(= hnn-sier) 'wie' (Gastrin), vgl. syrj. ier 'gewohnheit, sitte, 

mode, weise' (zur etymologie dieses wortes vgl. Budenz MUSz. 

293); HalAsz NyK XXHI 275 stellt die betrefifenden w5rter in 

das verhaltnis der urverwandtschaft zu einander. 

Helsingfors november 1902. 

YrjO Wichmann. 



1 84 H. Paasonen. 



Etymologrisclie streifzlige. 



1. 

Ung. Bsirom *schneekruste\ syrj.-perm. tiardm id. (Hacn) 
werden von Budenz, MUSz. nr. 302 mit einander und welter 
mit schwedisch-lapp. fiarwa *crusta nivis', fi. hSrmi *pruina' 
verglichen. Dieselben worter finden wir zusammengestellt bei 
Anderson, Wandl. 135 b, welcher jedoch dabei bemerkt, dass 
es bei ihnen schwer sei zu bestimmen, was genuin und was 
entiehnt ist, wie auch bei Genetz, JSFOu. XVI,3, p. 2 mit aus- 
schluss des finnischen wortes, welches Thomsen, BFB 221 ent- 
schieden fur ein lehnwort aus dem litauischen erklart hatte. 

Es scheint schwer das gleichbedeutende ungarische und 
permische wort von einander zu trennen, denn vom lautlichen 
gesichtspunkt lasst sich, so weit man jetzt beurteilen kann, 
gegen die zusammenstellung kaum etwas einwenden. Desto 
weniger aber ist beim ung. ssiroin an slavischen ursprung zu 
denken, worauf Anderson a. a. o. anspielt. 

Indessen halte ich den finnisch-ugrischen ursprung dieser 
worter nicht fur sicher. Wenn wir im altaischen ein wort 
iar§m 'schneekruste, HacTB' (Verbickij) finden, so kann die 
vollige ubereinstimmung mit dem permischen worte sowohl in 
lautlicher als begrifflicher beziehung kaum als blosser zufall 
betrachtet werden. Das wort fehlt allerdings dem tatarischen 
Oder ist wenigstens in dieser sprache nicht belegt, aber diescm 
umstand kann man kein grosses gewicht beilegen: man durfte 
im syrjanisch-permischen mehr als ein wort tiirkischen ur- 
sprungs aufweisen konnen, das dem tatarischen, wie auch dem 
tschuwaschischen, fremd ist. 

Wie ist nun ung. Bsirom zu erklaren.^ Wenn wir b^ 
denken, dass im tschuwaschischen ein mouill. s-laut allgemein 
dem tiirk. c (z. b. Sub9 *kehricht' — tat. cUpj JcaS 'abend' - 
tat. kid) und / (neben o, u) dem tiirk. a in der ersten silbe ent- 
spricht (z. b. i/j?§rf- anhaften* — tat. j(M$-\ so ergiebt sich 



Etymologische streifztige. 185 

ware als eine sekundare nebenform zu betrachten, vgl. z. b. 
taplony neben templom *kirche'. 



2. 

L'^ng. gydndni Jucundus', gy6n6r-k6d- *delectari' und 
mordM Icendr-dd' *sich freuen* stellt Budenz, MUSz. nr. 183 
zusammen, indem er in dem mordwin. verbum d(d) fiir ein 
denominatives ableitungssuffix erklart. Dieses wiirde der ein- 
zige fall sein, wo vvortanlautendes ung. gy aus einem ursprung- 
lichen palatalen verschlusslaut entstanden ware, weshalb auch 
der verfasser von Tiizetes magyar nyelvtan p. 127 einen soi- 
chen lautwandel „nur zweifelnd annimmt". 

In der that ist die betr. nummer in Budenz' worterbuch 
ganz zu streichen. 

Das von Budenz angefiihrte mordwinische wort ist nam- 
lich ein lehnwort aus dem tiirkischen. Neben mordM KeMMd- 
(gouv. Pensa), mordE IceriardO' findet sich mordM Kendndd- 
igouv. Tambov und kreis Cembar, gouv. Pensa), dessen origi- 
nal in folgendem tatarischen worte vorliegt: kas. kindn- 'sich 
ergotzen, sich vergniigen, sich wohl befinden' (Balint), *HacJia- 
;iHTbca' (OsTRouMov), — mein mischar-tatarischer dolmetscher 
aus dem kreis Buguljma, gouv. Samara gab das wort durch russ. 
paAOBaxbCfl (sich freuen) wieder; vergl. baschk. kindn- 'Haaia- 
AHTboi, noJibSOBaTbCfl' (vvegen mord. e = tat. i vergl. meinen 
aufsatz „Die tiirkischen lehnworter im mordwinischen" = JSFOu. 
XV,2, p. 18). 

Ob die mord. form auf -rdd-y -rdo- etwa einem (nicht be- 
legten) tiirk. *Tcendr' entstammen soUte oder eine mordwinische 
bildung ist, mag hier unentschieden bleiben. Ich begnuge mich 
damit das analoge vorkommen zweierlei formen auf -ndH' und 
'H'f^' konstatieren zu konnen bei einem anderen mordwini- 
schen verbum tiirkischen ursprungs, dessen stamm in der ori- 
ginalsprache auf -n auslautet. Kas. utdn- (vergl. kirg. kom. 
dschag. oiiln-j uig. odun-) 'bitten, flehen' liegt im erzanischen 
allgemein in der form ofdnde-, ofand'e-, ot'ende- ('flehen') vor 
(mordM otdidd- 'verfluchen'), aber in dem erza-dialekt im kreise 
Chvalynsk, gouv. Saratov wird statt dessen oterde- gesagt. 



1 86 H. Paasonen. 



3. 

Wotj. purt 'messer*, syrj. purt *messer, degen' habe ich 
in NyK XXXII 265 mit tschuw. (anatri-dial.) purnd, (Zolotn.) 
porda 'axt' zusammengestellt ^ mit der bemerkung das letzteres 
gewiss kein echttiirkisches wort sei, denn an tat. baUa u. s. w., 
worauf ZoLOTNiCKij in seinem tschuw. worterbuch hinweist, ist 
nicht zu denken. 

Das wort scheint arischen ursprungs zu sein, vgl. osset 
&rat*, fSr&t', far&t' *axt, beir, skr. paragu id. Uber das lautli- 
che verhaltnis dieser worter bemerkt HCbschmann, Etymol. u. 
lautl. der osset. sprache 142: „Fur skr. paragu ware osset. 
faris zu erwarten, weshalb fSrat' auflfaliig bleibt. Idg. k^ wird 
wohl im altpers. zu ^A, nicht aber im osset. zu f **. 

Die verengung des vokals ist wohl auf tschuwaschischem 
boden vorsichgegangen : auch in genuinen wortern entspricht 
dem tiirk. a im tschuw. o, (anatri-dial.) ^, z. b. tCirk. ala *bunt' 
— tschuw. ola, y.la id. (vgl. Radloff, Phonetik 90, — die in 
jenem werke obwaltende aufifassung von dem tschuw. vokalis- 
mus, sowie von der stellung des tschuwaschischen im tiirki- 
schen sprachstamme iiberhaupt scheint mir, nebenbei bemerkt, 
v(')llig verkehrt). 

4. 

Fi. vehna \veizen', kar. yehn& id. ist zuerst von Donner, 
Bidrag till kannedom om Finlands natur och folk XXIV 126 
mit mord. H§ 'spelt' [mordM auch ^a, gen. ^iSdn\, tscher. 
^te id. [tscherO ^tste (kreis Birsk, gouv. Ufa nach meiner 
aufzeichnung), fiiite (kreis Krasnoufimsk, gouv. Perm nach 
Genetz), tscherW (iiste^ tscherB fii^td (nach Ramstedt)] verbun- 
den, und die richtigkeit dieser zusammenstellung ist allgemein 
anerkannt, siehe Anderson, Verhandl. d. gel. estn. ges. IX 16L\ 



^ Ung. bard 'beil', das eigentlich nur durch ein missverstand- 
nis unter meine ungarisch-tUrkischen etymologien in der Revue orien- 
tale III 242 geraten ist, muss wohl als ein lehnwort aus dem 
deutschen (mhd. bart) betrachtet werden, vgl. Szinnyei, Nyr. XXII 
338 f., Melich, Nyr. XXIV 61. 



Etymologische streifzttge. 187 

SetAlA, Ah 282, MiKKOLA, BWFS 18, Paasonen, Kielellisia 
lisia 40. 

Dasselbe wort liegt nach meiner ansicht vor im wotj. 
^va^ (Sar.), Ha^ (MaL), i;ai (Jel., Kaz.), ^tvaz (Glaz.) 'spelt, 
Triticum spelta*. 

SetAlA, welcher AH 282, vvie es in anbetracht des mord. 
."5 und fi. h nahe zur hand liegt, in diesem worte einen ur- 
spriinglichen 5-laut ansetzt, bemerkt von jenem standpunkt aus mit 
recht, dass das auftreten des s im tscheremissischen unerklar- 
lich sei, weil ja im tscheremissischen sonst auch statt eines 
urspriinglichen ^-lautes § begegnet. Durch das wotjakische 
wort findet nun das tscheremissische s der meisten mundarten, 
bei Genetz rf, seine erklarung. 

Im tscheremissischen ist namlich der sAaut (in der durch 
Genetz bekannten osttscheremissischen mundart gewohniich 
mouilliert) oft im in- und auslaut der vertreter eines wotj. fS- 
lautes (im Sarapuler-dialekt), der mundartlich mit einem mouill. 
fA' Oder ^-laut wechselt und dem im syrjanischen ein fi- (mund- 
artl. rt-)laut oder auch ein i-laut, im westpermischen (nach 
RoGOv) ein rf- od. ft-laut, im ostpermischen (nach Genetz) ein 
^/l-laut entspricht. Aus der grossen menge von beispielen will 
ich hier nur folgende anfuhren: wotj. tP^te.$, (Kaz.) palei 
'vogelbeere*, ^palei-pu, (Jel., Kaz.) palei-pu Vogelbeerbaum, 
Sorbus aucuparia', syrj. pelyi, pelyi-pu *Sorbus aucuparia*, 
permW pevi^, peli^ Vogelbeere* — tscherO pdzld, (Genetz) 
piztej pizle, tscherW pizle 'Sorbus aucuparia*, tscherB ^pazahnd 
id. („eberkirsche") I wotj. ^p\^\rU (Sar.), ^pWrt- 'auswinden, 
auspressen', syrj. pydiyrt- 'auspressen, ausdriicken', permW 
pi^ral- id., permO ^'pi^ert-, i^pidlcert') 'pressen' — tscherO 
p9Z9rem, (Genetz) piiarem, tscherW pizdrem^ pizret)i, tscherB 
'^pAztrdi (infin.) *pressen, drucken, auspressen' \ wotj. Hci (Sar., 
Mai.), ^ici (Glaz.) 'wenig', i.-men 'die frau des jiingeren bru- 
ders; die jiingere schwester des mannes', syrj. iti (wohl ifi 
zu lesen): i-mo£ 'junges weib', permW io:io-moA id., id- 
p^an 'mannesbruder', permO H6i : idi-pi 'mannesbruder' — 
tscherO ize, (Genetz) Ue, tscherW izi, tscherB izi 'klein'. 

Im tscher. (iiste entspricht, wie allgemein anerkannt ist, 
die endsilbe -te dem -ns im fi. vehnS, das n ist im tscher. nach 
einer spirans zu t geworden, wie schon Budenz, Verzw. 36 ge- 



i88 H. Paasonen. 



zeigt hat: das inessivsuffix im tscher. Sto, -He < snbf, snb': 
tscher. HSie Viemen', vgl. mord. kSnttj kna, fi. hihna, lit. n«iVa«na 

Im wotjakischen erscheint das wort in einsilbiger form 
ahnlich wie im mordwinischen. Ich mochte indessen nicht 
SetAlA beistimmen, wenn er AH 282 (in anbetracht des mord. 
H§) im fi. -nH (= tscher. 4e) ein suflfixelement vermutet. Ein 
ganz analoger lautschwund zeigt sich namlich — um andere 
weniger zutreffende beispiele zu verschweigen — im folgenden 
wotjakischen worte (wo die erste silbe auf einen urspriinglichen 
mouillierten .-^-laut auslautet): wotj. Hi 'specht, buntspecht, 
Picus major', syrj. sii (wohl iii zu lesen) 'specht', perm. Hi 
id. — tscherO HSte, tscherW iUte, (Porkka) H^tdj (Budenz) 
"^ciUCj tscherB HHd 'specht, buntspecht*, fi. hihn&y h&fihni 
'buntspecht*, estn. fthn (h&hn), gen. &bn& (dorpt. dial.) *bunt- 
specht\ IpN &aitne, 6aiime, 6ailme Ticus tridactylus\ IpL 
"^i^ai^one *specht\ IpK ^caMe, ft^Sn 'specht\ ^ 

Auf grund des hier angefiihrlen konnen wir wotj. +t;a.^, 
"•"ra^, vai, ^wai 'spelt' getrost mit dem gleichbedeutenden tscher. 
piste ((iiite) identificieren, dessen zusammengehorigkeit mit 
mord. vU spelt', fi. vehna 'weizen' wieder zweifellos und all- 
gemein anerkannt ist. Das mord. S (statt eines zu erwartenden 
i-lautes), welches seinerseits zu dem § im tscherB (iiito, vcit 
auch zu dem fi. h stimmt, wurde wohl einer langeren laut- 
geschichtlichen erlauterung bediirfen, in welche ich mich hier 
jedoch nicht einlassen kann; es sei nur auf eine lautliche pa- 
rallele hingewiesen, wo ebenfalls dem wotj. 5, i im mord. ein 
i entspricht: wotj. +A:i^n?-, (Kaz.) "^kiine- 'niesen' — mordE 
Ue-^na-, Kesne-, mordM Bna- 'niesen'. 



' Das linnische und lappische wort zusammengestellt von 
Genetz, Vahaisia kirjelmia, julk. Suom. Kirj. Seura XIII, 2, p. 3. 
— Anderson, Wandl. 227 a, verbindet syrj.-wotj. iii mit tscher. 
6iing^5 'specht', aber dieses (tscherO U'UiY^SOj tscher W ^cSfj-^o, 
^cUfjH'd, ^cuk§d) ist das participium vom verbum tscherO tfiifffein, 
tscherW ^du/jgenif tscherB fhfjgdS (infin.) *mit dem schnabel pik- 
ken' und heisst also eig. 'der pickende*. Auch die Qbrigen von 
Anderson daselbst vorgeschlagenen etymologien sind fehlerhaft: 
syrj.-wotj. iii ist nicht mit fi. s^ksi 'Falco milvus', IpN 6iefda, 
6ik6a 'fischadler' u. s. w. identisch, denn letzterem worte ent- 
spricht im syrjanischen t^iktdi (wohl = fSikfH) 'mOwe, Lams*. 



Etymologische streifzttge. 189 

In letzterer zeit hat man in dem wortschatz der finnisch- 
ugrischen sprachen eifrig nach fremden elementen gesucht und 
massenweise solche gefunden, — bezw. erfunden, aber, so viel 
mir bekannt ist, hat sich nach den misslungenen versuchen 
von Ahlqvist (KWF 36) und Weske (C*K0 175) niemand 
berufen gefiihlt dieses interessante kulturwort, womit die ge- 
treideart Triticum (T. spelta, T. sativum) bei vier verschiede- 
nen volkem (ibereinstimmend benannt wird und welches sei- 
nerseits fur eine friihzeitige bekanntschaft mit dem ackerbau 
in verhaltnismassig siidlichen wohnsitzen zu zeugen scheint, 
aus fremden sprachen herzuleiten. 

Das wort scheint in der that ein uraltes besitztum der 
finnischen volker zu sein — und zwar ein noch alteres, als 
die damit bezeichnete getreideart. 

Ich glaube namlich, dass das wotj.-tscher.-mord.-fi. wort 
fur 'spelt; weizen' mit einem lappischen worte fiir renntier- 
moos' zu identificieren ist: IpL viste- 'Cladonia rangiferina (eine 
flechtenart)* (Wiklund), bei Lindahl & Ohrling: vista 'Lichen 
rangiferinus, renntiermoos'. 

In lautlicher beziehung bedarf nur das lappische t statt 
des fi. n einer erklarung. Ein vollkommen analoger fall von 
dem (ibergang eines urspriinglichen n in Mm lappischen zeigt 
sich im IpN siste, ftiste, saste 'pellis rangiferina subacta*, im 
IpL und IpK mit bewahrtem n: IpL sa:me' 'samischleder\ IpK 
HSnCj Hsn 'leder aus renntierhaut*, welches, wie es scheint, 
frtiher nicht beachtete wort unzweifelhaft mit fi. hihna 'rie- 
men', estn. ihn 'riemen, lederner giirtel', lit. szikazna (sikszna) 
'leder; riemen* identisch ist (zu beachten die nahere iibereip- 
stimmung des lappischen wortes in der bedeutung mit dem 
litauischen original); weiter im IpN gastet *niesen' — IpL 
Icasne-j IpK katSne-y ^koSne- id., vgl. wotj. +fa*Jn?-, ^Jcisinl} id., 
mord. ke^na-, kHa- id. (wo iibrigens Ip. s ein wotj. ^, i, mord. 
^ ganz wie in dem hier behandelten worte vertritt). 

Was die bedeutung anbelangt, so bietet folgendes ostjaki- 
sche wort eine treffende parallele: ostJ(ugan) iant ' re nn tier- 
moos; getreide*, nach Gastrin in dem „Surgut-dialekt" Iant 
'moos', ostK(onda) tanty ostN Iant *getreide', ostK at-tnnU 
ostJ MiT'iqnt 'roggen', ostK tv^fc-tant 'hafer*, ostJ pdmey-iant 
'hafer; gerste', siid-ostj. nach Patkanov zor-tant (lies xov4nnf) 



I90 H. Paasonen. 



*renntier moos' (xbr 'renntierochs*), vata-tant (lies wqt^-tanf) 
id. (wjita Yenntier'). * 

Es ist bekannt, dass in Finland in notjahren, wie das 
heurige, brot aus renntiermoos (j&Ul&-leip&) bereitet wird; 
dasselbe soil von alien ahnlichen surrogaten die beste und ge- 
sundeste nahrung bieten und wurde seinerzeit von dem arzte 
Elias Lonnrot in einer besonderen flugschrift dem volke emp- 
fohlen. Vielleicht ist diese kunst „brot" aus moos zu backen 
eine erbschaft aus uralten zeiten, wo das getreide den finnen 
noch unbekannt war. 

6. 

QviGSTAD, Nord. lehnworter im lappischen 288, hat die 
frage aufgeworfen, ob nicht syrj. &ogla (an der PeJora), &5gla 
(an der oberen VyCegda) *mast' ein lehnwort nordischen ur- 
sprungs sei, ahnlich wie IpN ^siv'le^ g. stvUj ^sw'lo^ g. sivh^ 
IpS sfdo, '^siv'lo 'mast', welches schon Thomsen, GIF 69 mil 
an. sigla id. zusammengestellt hat. 

In anbetracht dessen, dass die syrjanische sprache, wie ein 
vergleich mit dem mordwinischen und finnischen zeigt, iiber- 
haupt die s- und i-laute streng geschieden gehalten hat, ist es 
kaum anzunehmen, dass in dem syrj. worte eine direkte ent- 
lehnung aus dem altnordischen vorliegt; auch der verschieden- 
artige vokal scheint gegen eine solche annahme zu sprechen. 
Die ahnlichkeit in form und bedeutung ist indessen so gross, 
dass man nicht umhin kann einen zusammenhang zwischen 
den beiden wortern anzunehmen. 



1 Das ostjakische wort wird von Anderson, Wandl. nr. i8 
mit fi. sammal 'moos' (von Thomsen, BFB 214 fQr ein litauisches 
lehnwort erklftrt: lit. samanos 'moos') identificiert: lant (aus frtl- 
herem ""land) sei durch assimilation des nasals aus *taind ent- 
standen, ^welches nach ostjakischen lautgesetzen der regelrechte 
vertreter von *saml oder ^i&aml ware*. Diese erklflrung ist nicht 
zu billigen. Der {-laut ist nur im sttdostjakischen zu t gewordeo 
und zwar in einer sehr spSten zeit, wie ich FUF IT, pp. 97 — loi 
gezeigt habe; ein auf alle ostjakische dialekte sich erstreckender 
lautUbergang von solcher art kann wohl in keinem worte aufge- 
wiesen werden. 



Etymologische streifzttge. 191 



Mit dem syrjanischen worte ist offenbar identisch russ. 
mena, ii;a(e)rjid, inarjd (in der alten sprache und im nordl. 
dial.), mejra (gouv. Vologda) 'mast, Maixa'. Das wort bedeu- 
tet nach Dalj auch 'baum, baumstamm; flaggenstange, weg- 
stange (Aepeeo, 6peBH0, jfbcHHa, utJibHoe rojiOMfl; mecrb XJin 
<t)jara, jIjih noAieiia 3Ha«rKa, MaARa); eingekerbter baumstamm, 
als leiter gebraucht (jitcTHHua Wb oaho 6peBD0, ci Bupy6KaHH 
HJiH HaOoflMH); vgl. auch m6TA& (HHS-BTJir.) 'mecTB, ^epAB, RoeK) 
npoBOAflrB HeBOA'B noAO JibAOifB; (dsr.) mecTB, Ha ROTp. noA- 
BtmBBaiorB nepeneJia b'e RjitTRt, hjh cTaBarb CRBopeqHHay*. 
Wahrscheinlich sind im russischen urspriinglich verschiedene 
worter verschmolzen. Ich uberlasse es den slavisten endgultig 
zu entscheiden, ob nicht das russische wort in der bedeutung 
'mast' aus dem altnordischen stammt. Syrj. &ogla» fidgla liesse 
sich wohl auch als eine entlehnung aus dem russischen auf- 
fassen. 

Es sei noch bemerkt, dass das wort auch in der sprache 
der Irtysch-tataren vorkommt: nach Giganov inyRja 'mast, 
Maqia', weiter im ostjak-samojedischen: sogla 'mast', (nur in der 
Ket'schen mundart, welcher das S fremd ist); in beiden spra- 
chen verdankt es wohl sein dasein den handeltreibenden syr- 
janen. 

Ganz willkiirlich identificiert Weske, KyjiBX. oTHoni. 114 
syrj. 6ogla» 65gla 'mast' mit syrj. AoY (Wied. 60!) 'spiess, speer, 
lanze, pflock', welches er weiter nach Budenz, MUSz. nr. 274 
mit fi. salko 'pertica longior', u. s. w. verbindet, und erklart 
das russische wort fur eine alte alte entlehnung aus einer von 
Budenz erschlossenen fi.-ugr. grundform *saglo. 

Helsingfors. 

H. Paasonen. 



192 T. E. Kahsten. 



Oermanlsclies im flnnisclieii. 



1. Fi. paUo : got. (*felu) *fe^jo. 

Fi. paUo, wot. paHo, est. palju *viel, menge' ware nach 
Thomsen, Einfluss der germ. spr. auf die finnisch-lappischen 
60, 103, 160 „wahrscheinlich" ein germanisches lehnwort und 
zwar = got. fllu, awn. fl^l, ohne jedoch die bedenken erre- 
gende formabweichung geniigend zu erklaren. Seine annahme 
einer metathesis pajjo < *pjalo < *flalu = awn. fl^l spricht 
er nur als eine „lose vermutung" aus. Die germ, grund- 
form unseres wortes kann nach meiner meinung nicht in got. 
fllu gesucht werden. Es scheint Thomsen unbekannt gevvesen 
zu sein, dass das germanische mit aller wahrscheinlichkeit eine 
mit fllu ablautende nebenform *flilu gehabt hat, belegt in ags. 
fealo Vier (sowohl in der prosa als in der poesie vorkom- 
mend). Kluge, Nominate Stammbildungslehre der altgerm. dial. 
55 182 (1 u. 2 aufl.) halt ags. fealo fur identisch mit gr. stolv 
(man vergleiche eine dritte germ, ablautsform in fries, ftd < *ftilu 
= ai. puru-). Auch Brugmann, Grundriss der vgl. gramm. P 
p. 272 fiihrt ags. fealo auf vorgerm. *polu- zurCick, fiir welche 
wurzelform er noch armen. yolov Viel' heranzieht. Er lasst 
aber dahin gestellt sein, ob auch gr. stoXv zu diesem stamme 
gehort, da es durch angleichung an den vokalismus von ttoXlol 
Viele' fiir *naXv = ai. puru eingetreten sein konnte. Das frag- 
liche ags. adj. ist jedoch auch anders gedeutet worden. Nach 
Sievers, Ags. Gramm.^ (v. j. 1898) § 107,2 anm. 2 ware es 
eine umbildung von fela (feola) = got. fllu, indem es seinen 
vokal an den von feawa \venige' angelehnt hatte. Die von 
Kluge noch in der 2. aufl. der a. arb. (v. j. 1899) vertretene 
auffassung dieser wortform scheint indessen — wenn ich von 
dem nicht sicher zu beurteilenden, aber moglicherweise hierher- 
gehorigen mndd. vale Viel' (bei Albert Rauensteyn neben vole, 
s. Schiller-LObben: Mndd. Wtb. V 298) = vele (got. fllu) und 
vole absehe — durch das fi. paljo eine neue stiitze zu gewin- 
nen. Fur das letztgenannte wort mochte ich ein got adv. 
*£a]jo voraussetzen, gebiidet von dem zu *fBlvi' gehorenden ja- 



Germanisches im finnischen. 193 

stamme wie z. b. das got. adv. anvj5 'gratis, diaqsdv* von 
einem adj. *arwu- = Ip. arvas, awn. qrr (st. arwar) 'liberalis', 
vvoriiber s. Karsten, De nordiska sprikens primara nominal- 
biJdning II 236 fif.; vgl. noch got. hardus 'hart': *hardj6-, 
awn. herdar (pi.) = fi. hartio 'humerus'. Gotische adverbial- 
bildungen auf jo sind gar nicht selten; vgl. z. b. piubjo 'heim- 
lich' (: Ixinbi 'diebstahl'), andaugjo 'offenbar' ( = andaugiba), 
allandjo Vollig' (: andeis). Der in fi. paljo sonach belegte jo- 
stamm *fl4jo- (vorgerm. *poljar) ist im germanischen verloren 
gegangen; aber die vorgermanische existenz dieser ja-bildung 
beweisen falle wie gr. stoXXol 'viele' aus ^stoX^O', alter ^nolffp- 
auf grund des femininstammes ^noXfia-: ai. purvi f. 'multa' 
(Brugmann, Grundriss d. vgl. gr. P 272). Beide formen (die 
griech. u. aind.) waren nach Brugmann aus *phii(l' hervor- 
gegangen. Da aber die theorie von den urieur. langen sonan- 
tischen liquiden und nasalen sehr zweifelhaft ist, gehort viel- 
leicht auch gr. stoXXol der in germ. *felu-, fi, pa^jo und arm. 
yolov belegten o-stufe unserer wurzel zu. 



2. Fi. kilti, killi : germ. *gil<^ja-, ^gildi-z. 

Neben fi. kiltti (gen. kiltin) 'gultig, gut', das eine junge 
entlehnung von schw. giltig 'gultig' (oder wenigstens davon 
beeinflusst) zu sein scheint, giebt es ein finnisches kilti (gen. 
kUlin) 'munter, gultig, tauglich, gut, rasch, stolz' sowie ein 
synonymes (wohl durch ausgleichung entstandenes) kiUi (gen. 
killin), die ich mit awn. gildr, aschw. gilder 'vollgukig, behag- 
lich' verbinde. Das germ. adj. war ein jarstamm (*gili|jar), 
dessen nom. sg. *gildiz vielleicht noch in fi. kiltda (bei LOnn- 
rot, Wtb. jedoch mit ? versehen) erhalten ist; vgl. fi. katmis : 
got. skaonfi, St. skaonjar, fi. huojis 'leicht, gelinde, mild' aus 
germ. *li5giz = awn. *h0gr 'leicht' : st. *hogja- in fi. huokia = 
huojis. Die letztgenannte zusammenstellung (fi. huojis, huo- 
kia : awn. hegr) verdanke ich einer miindlichen mitteilung des 
herm mag. phil. E. A. Tunkelo. Ich bemerke hierzu noch, 
dass awn. hegr, in anbetracht der umlautlosen synonymen ne- 
benform hog-, die als vorderglied einer grossen zahl von com- 
positis erscheint, mit aller wahrscheinlichkeit ein alter u-stamm 



194 1*- £• Karsten. 



gewesen. Dieser u-stamm (*h5gu-) erscheint im finnischen als 
huojas « ^hSgaz), mit analogischer iibertragung in die kate- 
gorie der a-stamme (vgl. fi. harraa, gen. -rtaan : got. hardoa). — 
Die finnische adjektivform kilti entspricht meines erachtens 
einem urgerm. akk. sg, *gildi- mit schwundstufe des suffixes. 
Die germ. *participia necessitatis* auf -jo- (^giltlQa- zu gelten) 
waren abstufende bildungen mit einem nominativausgang (ieur.) 
-is, akkusativausgang -im (Streitberg, Urg. Gramm. § 146 
anm. u. die daselbst cit. litt.); vgl. auch z. b. fi. kallas gen. 
4taan = kalta gen. -Uan 'schrSg, schief (nach Thomsen) = awn. 
hallr C^hallMi-z). 

3. Fi. kilta, kilta-inen etc. : germ, ^gilda-. 

In meiner arbeit „De nordiska sprSkens primara nominal- 
bildning", II 145 behandle ich ein nschw. dial. adj. gill(er) 
'sehr froh, gesellschaftlich, artig, unkeusch, brtinstig' (wovon 
giUa Big 'sich ergotzen', s. Rietz, Dial.-lexicon 189), das ich 
auf urgerm. ^gilda- (bezw. "gilpar) zuriickfuhre. Wie ich spa- 
ter gefunden habe, bewahrt sich diese stammform als richtig 
durch einige finnische worter, deren grundlage nach meiner 
meinung germanisch ist : vgl. fi. kilta gen. killan ^laufischheit, 
brunst der hunde; laufzeit der tiere', kilta-inen 'briinstig, lau- 
fisch', kiltarkoira 'laufiger hund' sowie killa 'brunst, eifer' (mit 
11 im nom. wegen formausgleichung). Hierher gehort wohl 
auch fi. kilta 'zusammenkunft, gesellschaft* (vgl. nschw. gill in 
der bed. 'gesellschaftlich' sowie nnorw. gilda, f. 'freude, ver- 
gnugen'), falls es nicht mit schw. gille awn. gildi, n. 'verein, 
bruderschaft', eig. 'bezahlung' (s. Tamm, Et sv. ordb. 214) zu 
verbinden ware. Ein ganz anderes wort ist fi. kills 'junge 
ziege' wohl aus an. *kidla (= nnorw. kidla, id.), dem grund- 
worte zu awn. kidlingr, nschw. kidling 'junge ziege', v^. 
nschw. d. kill, f. 'weibliche ziege' (Rietz 317). 



4. Fi. kilu, keljailla etc. : germ. *gelu-, ^giljar. 

In meiner oben cit. arb. p. 226 habe ich auf grund eini- 
ger skandinavischer adjektivbildungen einen germ, n-stamm 



Germanisches im finnischen. 195 

^gelu- : *gi]ja- vorausgesetzt. Die daselbst erSrterten adjektiva 
sind 1) ada. gaBl *geil (von katzen)', ndM. dial. gaBl id., nschw. 
dial. (RiETz 189) ffii, ggSl 'taumelig, froh, munter, lebhaft, un- 
keusch, briinstig', vgl. die composita aschw. giol-(gi8Bl-)skaper» 
giol-sflemi *unzucht*, gaBl'<gi8Bl-)maI>er *buhler*, formen die auf 
einen n-stamm gelu- hinweisen (der spater, wie viele andere 
u-adjektiva, der analogie der a-stamme anheim fiel : aschw. 
gisBl-); sowie 2) nschw. dial, gil unkeusch, briinstig', vgl. awn. 
gfl-ma&r = aschw. gaBl-maper, aus dem ja-stamme *giljar. Zu 
dieser sippe mochte ich nunmehr folgendes aus dem finnischen 
heranziehen, das ich als germanisches lehngut betrachte: fi. 
kiln (= kila) 1) 'brunst', 2) 'hode', kilu-te 'laufisch sein* (aus 
germ. *gelu-, got. *gilu-), keljarilla 'larmen' aus *gilja- (vgl. 
zur bedeutung nschw. gU 'taumelig, lebhaft'). Fi. kelja- ware 
also vor der periode des sog. gemeingerm. i-umlauts entlehnt 
worden; vgl. fi. tejjo 'ruderbank' aus awn. PUJa, f. id., sowie 
die erhaltung des urgerm. e in fi. rengas : awn. hringr (Thom- 
sEN, Einfluss p. 165, 175), Vielleicht geh5rt hierher auch fi. 
oUa kela-Ua *blauen montag feiern', vgl. oben fi. kila 'brunst\ 

5. Fi. kiiras, kihla-, kiris-taorstai etc. : got. skeirs, 

awn. skirsl etc. 

Got. skeirs *klar, deutlich' flektiert wie ein abstufender 
ja-stamm (nom. sg. urg. *sldriz); vgl. awn. skirr Vein, lauter, 
hell, glanzend, deutlich, schuldlos', aschw. sldr Vein, unange- 
steckt', ags. soir, afries. sldre, asachs. skiri, slur 'rein, klar, 
lauter, hell', eig. 'glanzend' : aus der wurzel ski- in schw. skina 
u. s. w. Dass dieses adj. auch als finnisches lehnwort belegt 
ist, hat meines wissens bisher niemand beobachtet. Es hangt 
2:weifellos mit fi. kiiras = kiira 'rein und blank' zusammen; 
vgl. die ableitungen kiirastan 'blanken', kiirastua 'rein, blank 
vverden'. Die form kiiras (fur *kiiris = got. skeirs, vgl. fi. 
katmis, huojis) ist nach den weit zahlreicheren fi. as-stammen 
umgebildet worden (vgl. fi. harras, gen. -rtaan : got. hardus, 
fi. huojas = huojis, s. oben). Die nebenform kiira, das auch 
als subst. (= glut, flamme) erscheint, verhalt sich zu kiiras wie 
fi. kalta gen. -Uan zu kallas gen. -Itaan (vgl. oben kilti : kiltis?). 



19^ T. E. Kabsten. 

In nahem zusammenhange mit fi. kura* (got. Bkeirs etc.) ste- 
hen die composita fi. kiiras-tuli (= Idrls-tuli), kdiras-valkea 
(= ktdsvBlkes) 'fegfeuer', Uira-tnorstai (= kiris-, kirsi-, kihla-t) 
■griindonnerstag'. Fi. kiiraa-tnli 'purgatorium' ware nach A. V. 
FoRSMAN, Valv. 1891, p. 8 (vgl. auch E. N. SetAlA, Valv. 1897, 
p. 384) eine volksetymologische umdeutung des schw. skSra- 
eld, id., nach fl. kuras 'rein, blank' und kiira 'glut, flamme', 
wahrend kiria-taU sein erstes glied einer anlehnung an fi. 
Uris-tfifi 'jemanden wimmern machen' verdankte. Die umbU- 
dung kann jedoch nicht aus schw, skfira-eld hervorgegangen 
sein, sondem aus einer lautlich verwandten nebenform = awn. 
akirslar-eldr (: awn. skiiT, aschw. aklr = aschw. sUtralo-flldOT, 
skSra-elder : aschw. akSv, awn. skfExr aus 'skuris = skin-). 
Fur fi. kiria-, kirsi-, kihla-taorstai 'griindonnerstag' weiss Fors- 
man keinen bescheid, und SetSla erw^ihnt sie iiberhaupt nichL 
Die letztgenannte form, kihla-t^ liegt nach meiner meinung sei- 
nem grundworte am nachsten. Dies ist nicht schw. skKr-ton- 
dsg (wie noch Forsman zu glauben scheint), sondem eine (in 
seinem ersten gliede damit ablautende) nebenform aschw. 'skir^ 
Bla-t)Qr8dagheT; vgl. aschw. sklrsla-dagher 'tag der reinigung, 
versohnung', Bkirala-liegtidh id. Das inlautende h in fi. kihl*- 
entspricht germ, a, wie in li. kibla 'verlobnis' aus awn. gial, 
ahd. giaal, ags. giael (st. giala-) 'geisel' und in andem bei 
Thomsen, Einfluss p. 76, verzeichneten fallen. Fiir kiri»>taon- 
tai konnte man an unmittelbaren zusammenhang mit awn. 
Bkiri-]i6rBdagr (zu akiri-, das noch in aJdri-dagr, id., skiri-Afiir, 
flkirl-naflii belegt ist, vergleiche man got. akereina, f.) denken, 
ilchem falle kiris- sein endungs-s aus kiiras- iibemommen 
: die kiirzung des stammvokales wSre dann durch volks- 
alogische anlehnung an fi. kiri8tft& hervorgerufen (vgi. 
h sonst z. b. fi. rikas reich' : got. reika, st. ribja*, 'mach- 
Die vierte nebenform kirBi-(tuorstai) ist wohl ebenfalls 
ikirsU- hervorgegangen. 



6. Fi. lama, Umio etc. : awn. lame etc. 

Auf germanischer grundlage ruhen wohl wesentiich fi. 
'ausgemagert, abgelebt, verfallen', als subst. 'verfallener 



Germanisches im finnischen. 197 



zustand, lahmheit des viehes im fruhjahf, die ableitungen und 
composita lamakas ~ lamakka 'ein wenig abschiissig*, lama- 
aita 'verfallener pfahlzaun', L-kaattari 'elender mensch'; vgl. 
auch lami 'schlechtes pferd'. Wegen des vb. lamaan, -ata 'nie- 
derschlagen' beachte man jedoch auch asla\'. lomiti, russ. lomati 
brechen, zerbrechen'. Das fi. adj. lama erinnert an awn. lame, 
asachs. lamo, ags. lama lahm, untauglich\ ein gemeingerm. n- 
stamm. Daneben geht ein germ. adj. mit starker biegung : aisl. 
lamr 'verstiimmelt', aschw. lamber 'ermiidet, ermattet, lahm*, 
ada. lam 'lahm, unbrauchbar*, asachs. althochd. lam 'glieder- 
schwach, lahm\ afries. lom, lam id. Moglicherweise konnte 
dieses als a-stamm flektierende adj. von anfang an zur undekli- 
nation (mit ja-biegung in einigen formen) gehort haben; dann 
ware fi. lamio (: *lamia = fi. antio : autia 'ode' aus got. aul]|ja-) 
'matt, schwach, schief ein refiex des alten ja-stammes. Die 
skandin. bildungen lamr, lamber konnten gut ja-stamme gevve- 
sen sein: wegen der kurzen stammsilbe kein i-umlaut, ebenso 
wenig wie z. b. in awn. framr aschw. framber 'hervorragend' 
= ags. freme; man vergleiche die ablautsform ahd. luomi 
(nonga-) 'matt, schlaff'. 



7. Fi. liika 'auswuchs* etc. : germ, lika- 'fleisch'. 

Fi. liika 'uberflussig, iibertrieben; iiberschuss' (vgl. liika- 
maku beigeschmack*, L-yaimo = estn. lig-naene, lapp. ligge- 
akka 'kebsweib' u. s. w.) ist nach Thomsen, Beroringer mel- 
lem de finske og de baltiske Sprog, p. 195 f., ein baltisch- 
slavisches lehnwort (vgl. lit. ISkas, likas, lett. ISks 'ubrig geblie- 
ben, unpaar, uberflussig', slav. lichn id.). Daneben kommt 
aber im finnischen ein anderes liika vor, das aus dem germa- 
nischen entlehnt zu sein scheint. Fi. liika-yarvas 'leichdorn' ist 
offenbar eine volksetymologische umdeutung des schw. lik-tom 
da. lig-tom, isl. lik-pom (s. SetAlA, Valv. 1897, p. 381), wo- 
bei -varvas 'zehe' eine einfache iibersetzung des dialektisch 
umgebildeten zweiten kompositionsgiiedes in nschw. lik-ta (aus 
-torn) ist. Ein germanisches lehnwort ist nach meiner mei- 
nung auch fi. liika in der bed. 'auswuchs, beule, knollen'; vgl. 
z. b. liika otsaasa 'auswuchs an der stirn', koivun liika 'aus- 



198 Ralf Saxj^n. 



wuchs an einer birke'. Auch dieses liika riihrt wahrschein- 
lich von zusammensetzungen her. In germ. *likap-I>omu8 'dom 
im fleische' (vgl. mndd. lik-dom 'dorn im fleische, huhner- 
oder elsterauge an der zehe, gerstenkorn am auge') und in 
ahnlichen compositis (vgl. noch mndd. lik-lawe 'kennzeichen 
im fleische, narbe', lik-teken 'merkmal, narbe einer wunde") 
konnte das erste membrum, bei der ubertragung ins finnische, 
als selbstandiges wort in der bedeutung des compositums ab- 
strahiert werden, ebenso gut wie z. b, fi. murkina 'friihstuck' 
aus germ, ^murgina-matdz = awn. morgin-matr 'frCihstiick* oder 
fi. marha-minta 'capistrum* aus ^marhaminta-banda od. ahnl. 
(vgl. liber das letztere wort Mikkola, SM II 76, FM II 74). 
Hierher stelle ich schliesslich noch fi. liika-liha, estn. lig-lilia 
'wildes (= totes) fleisch an wunden' mit dem fi. synonym 
kuoUutrliha (d. h. totes fleisch). Das zugrundeliegende germ, 
subst. Uka- ist belegt u. a. in got. leik, stn., 'fleisch, ieib, leich- 
nam*, as. lik, stn., 'leib, fleisch am leibe, leiche', ags. lik, stn., 
afries. lik, awn. lik, stn. *ieib, korper, leiche'; vgl. das ver- 
wandte aind. lingam n. 'kennzeichen, merkmal, das charakteri- 
stische'. Bei fi. liika-liha 'wildes fleisch' erinnert die bedeutung 
an die gemeingermanisch bezeugte begriffsnuance 'der tote kor- 
per, leiche'; vgl. das entsprechende schw. d5d-kdtt = totes 
fleisch. 

Helsingfors. T. E. Karsten. 



Einige skandinavisolie ortsnamen im flnnlsolien. 



Unter den ortsnamen, die sich aus der allerersten betwu- 
ung unseres landes herschreiben, nehmen unsere see-, fluss- 
und bergnamen einen sehr wichtigen platz ein. Ihres hohen 
alters wegen sind sie denn auch zumeist iiberaus schwer zu 
erklaren und daher zum allergrossten teil noch in undurch- 
dringliches dunkel gehullt. Eine erleichterung bedeutet as auf 

j~- J :*.• r.*i— j:« r i ^ j _?_ a_?i j? ^^^m^^n 



Einige skandinavische ortsnamen im finnischen. ig^ 

schwedischen form auftritt. Diese sind darum auch gevvohn- 
lich am durchsichtigsten. Ich will im folgenden einige solche 
namen mitteilen. 

Ein interessanter name dieser art ist der name des flusses 
Narpesa, welcher das kirchspiel Nirpes durchfliesst und in sei- 
nem oberen lauf NSrvjjoki oder N&rvcuoki heisst. In der nahe 
seiner quellen finden wir auch das dorf Nlbrv^oki und das 
gehoft Wirva. Die schwedische form N&rpes geht augenschein- 
lich von einem fi. *Nirpeeiyoki (nach dem paradigma Nar- 
ye[8] -rpeen) aus. Das fi. Nfirvi andererseits ist wahrscheinlich 
mit aschwed. Narwi, isL Narfl, Nqrfl, adj. nqrr („eng. schmal") 
nebst einer ganzen reihe ablautsstufen zu einer indoeuropai- 
schen wurzel ner : nor ; nr (mit der bedeutung „zusammenzie- 
hen, -pressen, -schniiren"), woruber Noseen, Sv. etym. p. 22 ff., 
zu stellen. Vgl. auch Sax6n, FM 1899, p. 60 f. 

Etwas siidlich vom Nftrpesi fliesst ein anderer fluss mit 
den doppelnamen: schwed. !I!jdok-&, fi. Teuvapjoki. Nahe der 
miindung liegt an ihm das dorf Tj5ck by, und seine quellen 
liegen im kirchspiel Teuva (od. Ostermark). Das dorf Tj5ck 
by heisst auf finnisch Tiokka und wird als ortschaft bereits i. j. 
1300 erwahnt (Tobbe de Tiuka: Rancken, Sastamala 15, 16). 
Ich habe mich daher fruher (Finska Idnord 48, 49) fiir finni- 
schen ursprung des namens ausgesprochen. Da indes der fluss 
auf finnisch Teuvam'oki heisst, und da seine quellen im kirch- 
spiel Teuva zu suchen sind, ware es verlockend, diese namen 
mit einander in verbindung zu bringen, besonders da uns hier- 
bei so gute parallelen zur hand gehen (vgl. Narvijoki und 
unten Karvia). Teuva wurde alsdann die schwache stufe 
eines finnischen nominativs *Teuka (gen. Teuvan; vgl. Teuvan- 
joki) darstellen und auf eine altere form des wahrscheinlich 
schwedischen flussnamens als das von den finnen in spateren 
zeiten als dorfname von neuem aufgenommene Tiukka zuriick- 
gehen. Wir hatten damit ein neues beispiel der lautentvvick- 
lung eu > iu (vgl. schw. Ejulo : fi. Kdylid; siehe Sax6n, Fin- 
ska ISnord 49 f., FM 1898, p. 93). Eine wahrscheinliche ety- 
mologie des wortes kenne ich nicht, weshalb ich mich hier auf 
keine deutungen einlasse. Zu vergleichen sind jedoch wohl 
die ortsnamen Tjuk, Tjuke in Schweden (Rosenberg, Geogr.- 
stat. handlex.). 



200 Ralf Sax^n. 



Auf der anderen seite ist darauf aufmerksam zu machen, 
dass Teuva und Teuvo auch in ortsnamen tief in Finland an- 
getroffen vverden: Teuvala in Hirvensalmi, Teuvo in Tuulos, 
Tammela, Teuvoiyoki in Hollola (siehe Forsman SM 1902, p. 
11). AIs absolut sicher mochte ich die zusammenstellung daher 
nicht ansehen ^ besonders weil in dem osterbottnischen fest- 
land keine ortsnamen nachgewiesen sind, welche auf ein so 
hohes alter hindeuteten. Zu beachten ist jedoch, dass gewisse 
umstande darauf hinweisen, dass das nahegelegene Narpes 
moglichervveise der alteste schwedische kulturherd in Oster 
botten ist (siehe Sax6n, Den sv. befolkningens dlder 22). Aus 
den scharen haben wir ja ausserdem wie bekannt ein beispiei 
des alten lautubergangs ai >> ei > e in fi. Baippalaoto : schwed. 
Beplot. Dass der name wirklich so alt ist, halte ich nunmehr 
flir sicher, da wir in der nahe, wie ich gefunden habe, einen 
namen mit demselben lautwechsel antreffen : fi. Kaiskenkari : 
schwed. Keiskar^. Es muss jedoch bemerkt werden, dass 
diese Orte weit draussen im Quarken (in der meerenge des 
Bottnischen busens) liegen und somit den schweden in Schwe- 
den schon in den heidnischen zeiten bekannt gewesen sein 
miissen, weshalb die iautentwicklung ai > ei westlich vom 
Bottnischen meere vor sich gegangen sein kann. 

Nordischer ursprung durfte mit ziemlich grosser sicherheit 
fur den flussnamen Karviaojoki vorauszusetzen sein. Dieser 
fluss kommt aus dem see Karvianj&rvi in der filialgemeinde 
Karvia und mundet im kirchspiel Merikarvia (= Sastmoia) 
in den Bottnischen meerbusen. Die vorgelagerten scharen heis- 
sen auf schwedisch Skarf5rama, auf finnisch Karvian ourat od. 
Ouran saaristo (liber Ourat siehe Sax^n, Finska l^ord 47). 
Im ersten glied des genannten namens Skarf-orama glaube ich 



* Es ist abrigens nichts ungewOhnliches, dass ein und der- 
selbe fluss in den verschiedenen gegenden, die er durchfliesst, ver- 
schieden benannt wird. Vgl. Kyrojoki : Kauhigoki : nmigokL 

2 Herr doz. T. E. Karsten teilt mir noch ein beispiei, und 
zwar auch dieses aus den scharen in der n^he des kirchspiels 
Kvevlax, mit : fi. Tailuoto : schwed. Teilout. Nach der karte giebt 
es hier allerdings zwei inselchen : Tailuot und Teilout, aber wahr- 
scheinlich haben wir es hier dennoch mit ein und demselben namen 
zu thun. 



Einige skandinavische ortsnamen im finnischen. 201 



den ursprung des fi. Karvia suchen zu diirfen. Dasselbe wurde 
ungefahr ein nordisches *Skaryja- voraussetzen. Vgl. hiermit 
am ersten schvved. dial, skarv n. ^steinhaufe, eine kleine erho- 
hung aus steinen und losen felsstticken" (Rietz) sowie norw. 
skfirv n., skerf f. „nackter felsengrund", welches in norwegi- 
schen ortsnamen (z. b. in dem gehoftsnamen Skjerve, dem 
flussnamen Skjerva, den felsennamen Hallingskarvet, Storskar- 
ven) vorkommt. Siehe Rygh, Norske gaardnavne III 59, 139. 
Auch in Schweden kommen namen auf Skarv- vor (siehe 
Rosenberg, Geogr.-stat. handlex.). Dass das a in Skarf-5rama 
nicht umgelautet ist, beruht vielleicht darauf, dass hier in der 
kompositionsfuge ein a gestanden hat, was auch bei wortern 
nnit anderem stammvokal nicht ungewohnlich ist (siehe Kock, 
Paul u. Braune's Beitrage XV 266). 

Fiir finnischen ursprung des namens Karvia spricht jedoch 
moglicherweise der umstand, dass wir in Karelien (Jorois?) ein 
Karvio (und im kirchspiel Sagu ein Karviainen, bei dem leicht 
an entlehnung aus dem schwedischen gedacht werden kann) 
finden. Eine ausschlaggebende bedeutung durfte diesem ein- 
wand jedoch nicht beigemessen werden konnen, wo wir die 
parallele Skarfdrama : Earyianourat haben. 

Dass schweden den Karviai^oki hinauf recht weit in das 
land hinein ihren weg gefunden haben, geht auch aus folgen- 
dem hervor, Der fluss bildet in der filialgemeinde Honkajoki 
einen wasserfall, der heutzutage Lankoski (auch Laankoski 
ausgesprochen) heisst, welcher name augenscheinlich auf ein 
schwed. ^I^ngfors zuriickgeht. Derselbe name erscheint auch 
im kirchspiel Siikais. Im zusammenhang hiermit sei darauf 
hingewiesen, dass es im Kumoelf einen fall namens Havingin- 
koski (im dorfe Havinki in Harjavalta) giebt, welcher name 
wohl gleichfalls nordisch ist: *Haf-engi > Haviiige. Vgl. Haf- 
ingen in Schweden (Falkman, Ortsnamnen i Skane p. 219), 
Haevingen in Norwegen (Rygh, Norske gaardnavne 1 243). 
Das erste kompositionsglied leitet Rygh von dem adj. haefr 
'nutzlich, brauchbar' („von wert flir jmd.**) ab; das zweite 
ist eng f. Oder engi n. pi. „wiese". Der name kommt denn 
auch wirklich als vviesenname im dorfe Anttila, kirchsp. 
Rauma in der form Havinke vor. Der lautiibergang e > i ist 
in solchen namen nicht ungewohnlich. Vgl. Haevingen, i^el- 



202 RALF SAXtN. 

lingen u. a. in ^'o^^^-egen (siehe Ryoh I. c. I 15) sowje den 
gotlandischen gehoftnamen Hmmiiige, der auf den runen- 
steinen hunMnkia (d. h. hondengia : Pipping, ManadsbUd 

1900, p. 55) geschrieben ist. Aus demselben kirchspiel wird in 
Suomi 1860, p. 176 eine wiese Starringl (d. h, Btarr'^Dgen) 
erwahnt. 

Etwas weiter unten blldet der Kumoelf den fall Lammiuft- 
tenkoaki, ein fall, der seit den altesten zeiten uegen seines 
lachsfangs bekannt zu sein scheint, wonebst die mehr unter- 
halb gelegene bucht seit der erschwening der schifTahrt nach 
Kumo infolge der versandung des flusses langezeit ein guler 
hafen gewesen sein muss. Diese stelle wird daher in alteren 
urkunden oft erwahnt (1347 Lanmaa [!j, 1)78 Lammas, 1411' 
Lammaaby, I.ammeBviik : Abo domkyrkas svartbok; 1453, 1484 
Lamandzwigh, 1463 lagmaoB wjjk : siehe Suomi I860, p. 250). 
Nach den zuletzt angefUhrten urkundlichen formen ware der 
urspriingliche name der bucht Lagmans fora; vgl. den aschwed. 
personennamen Iiaghman (und Ziaman; siehe Noreen, Aschw. 
gr. fj 311 anm. 2) und das glelchlautende appellativum. 

Im thai des Kumoelf sind ubrigens eine sehr grosse an- 
zahl alte schwedische ortsnamen nachzuweisen. Ich will hier. 
wo es sich um flussnamen handelt, nur auf einige wenige auf- 
merksam machen. 

Das ausgedehnte wiesenland, das sich von der miindung 

des Kumoelf in den Bottnischen meerbusen bis hinauf nach 

Harjavalta erstreckt, tragt den namen Lattomeri. Dass dieser 

alte meeresboden bis tief in historische zeiten von den wogen 

des Bottnischen meeres bespiilt gewesen, ist von geographen 

\\ie historikern nachgewiesen worden. Siehe Wahlros, Fennia 

III; Rluth, Bjijrneborgs stads historia 36. Der name Lattomeri 

geht darum zweifelsohne auf die zeit zuriick, wo das grosse 

gemeinfeld wenigstens zu einem teil noch unter wasser lai;. 

Sein letztes gjied kann das fi, meri sein, ist aber wohl eher das 

indischen ortsnamen bekannte mar (isl. marr) ^meer'. 

lylandischen dialekt die bedeutung „tumpe\, weiher, im 

len ein kleineres stehendes gewasser" hat (Freudes- 

ylands ortsnamn 13, Alands ortsnamn ;i6). Ruuth a. 

;t: „Dieses alte fahrwasser scheint seit dem anfangdes 

hunderts einem schnell fortschreitenden verlandungs- 



Einige skandinavische ortsnamen im finnischen. 203 

prozess untenvorfen gewesen zu sein, bildete aber noch ein 

ungeheures sumpfland* mit einer unmenge von grundlosen 

tumpeln^ und unzuganglichen moosen^ Das gebiet wird 

— — 1573 das moor* (karret) genannt. Ich acceptiere diese 

etymologie, Weil wir in derselben gegend (im kirchspiel Ulfsby) 

einen anderen ahnlichen namen: Suosmeri haben, der auf 

schwedisch Svartsmark lautet und in alteren urkunden Svas- 

xnark, Suartsmar, Suartinxmare geschrieben wird : also derselbe 

name vvie Svartsmara auf Aland (alter in Svartingxmamm, 

Svartingzinara), worin das erste glied der alte personenname 

Svartnngr, Svertmgr ist. — Das erste glied in Lattomeri sehe 

ich fiir das adj. flattr 'flach, eben, glatt' an, welches oft als 

erstes kompositionsglied in Schweden sowohl als in Norwegen 

anzutreffen ist. Unter den scharen vor Bjorneborg giebt es 

auch eine namens Lattokari, wohl auf ein schwed. *Flatask&r 

zuruckgehend. Flaatti ist der name eines felds in Hvittis- 

bofjard. . 

Urspriinglich scheint das Lattomeri durch das Viasvesi 

ausgeflossen zu sein (Ruuth a. a. o. 36 anm. 2), ein name, 

der in sprach- wie kulturhistorischer hinsicht von interesse zu 

sein scheint. Da ja das opfern in heiligem wasser (vesi = was- 

ser) eine alte skandinavische sitte war, ist es verlockend das 

erste glied fur identisch mit isl. ve, aschw. vi „heilige stelle** 

anzusehen. Ich werde in meiner auffassung dadurch bekraf- 

tigt, dass es im kirchspiel Harjavalta einen durch seine grab- 

hugel (^hiitten kiukaat**) aus heidnischer zeit (Killinen, Finska 

fornminnesfor. tidskr. II 72) interessanten sandrticken giebt, der 

den merkwiirdigen namen Viasvuori tragt. Vias- ware dann 

als ein alter umordischer genitiv aufzufassen; ursprungliche 

abvvandlung nom. *viha, gen. *viha8 u. s. w., spater nom. 

^vea, gen. *vea8 oder analogisch nach dem nom. pi. *viu auch 

*via : vias, schliesslich nom. ve : vi, gen. ves : vis u. s. w. 

Schwierigkeiten bereitet es nur, wie man das kurze i in Vias- 

statt des zu erwartenden Vias- auffassen soil. Ich glaube jedoch 

nicht, dass dieser umstand die zusammenstellung notwendig 

unmoglich machen muss, denn in germanischen lehnwortern 

des finnischen kann manchmal eine sekundare (finnische?) ver- 



* Spaziierung von mir. 



204 Ralf Sax^n. 



kurzung nachgevviesen werden; vgl. z. b. isl. nkr : fi. 
(siehe Thomsen GSI 47). Ich sehe die etymologic fur in hohem 
grade wahrscheinlich an, da es wohl kein blosser zufali ist, 
dass die stelle ein alter grabplatz ist, und da wohl auch das 
kein zufali ist, dass der ort in Haijavalta liegt; zu diesem letz- 
teren uralten skandinavischen ortsnamen vgl. FM liS99, p. 8 
« urn. Haria-waldaR). In dieser gegend konnen ubrigens 
auch noch andre alte skandinavische ortsnamen nachgewiesen 
werden. 

Die eben behandelten namen sind auch darum interes- 
sant, weil bisher kein einziger skandinavischer ortsname nach- 
gewiesen ist, der auf heidnische gotterverehrung hindeutete 
Oder eine ^heilige stelle" bezeichnete (siehe Sax^n, Den sv. be- 
folkningens dlder 5). 

Weniger sicher scheinen mir die namen Viia(i)]ien (gehoft 
im Laihela, dorf in Vemo, Tofsala), Viiala (dorf in Xadendal, 
Akkas [?]) hierherzugehOren, obwohl dieselben wegen ijires Ian- 
gen i formell leichter in diesem sinne zu erklaren waren. Be- 
sonders sprechen namen wie Viianki (Hyrynsalmi), Viianto 
(Pielavesi) entschieden gegen diese annahme. 

Erinnerungen an einen anderen opferplatz aus heidnischer 
zeit haben wir moglicherweise in dem namen des zwischen 
den kirchspielen Stora und Honkajoki gelegenen hohen riickens 
Lauhayuori, nicht weit von einem knie des obenerwahnten 
Karvianjoki. Wie bekannt kommen in Schweden wie auch in 
Norwegen namen auf -16 zahlreich vor (siehe LXffler, Arkiv 
f. nord. fil. I 269, X 208; Rygh, Laffler und Bugge Archiv Vn 
244 ff.). Dieses wort, das wahrscheinlich von lo f. „sumpfige 
wiese" zu trennen ist, ist vermutlich mit ahd. I6h m., nhd. 
Loh m. und n., lat. luous, lit. laukas zu vergleichen und wahr- 
scheinlich ein maskulinum oder neutrum mit der bedeutung 
'hain' (opferhain?) gewesen. Wir diirfen daher ein urn, 
^lauha- ansetzen. Wie bekannt, nahm man fruher an (Noreen, 
Aisl. gr.2 § 56), die kontraktion auh- > oh- > o- sei gemein- 
nordisch. Inzwischen aber hat Pipping (Gotlandska studier 
130 ff.) die unhaltbarkeit dieser hypothese nachgewiesen, wes- 
halb die kontraktion vielleicht j linger ist, als man bisher ange- 
nommen hat. Ich finde darum weiter keine bedenklichkeit bei 
der etymologie, als dass der ort in einer abgelegenen einode 



Einige skandinavische ortsnamen im finnischen. 205 



zu finden ist, wo die ihn umgebenden gegenden selbst heute 
noch sehr schvvach bevolkert sind. 

Desselben ursprungs ist wohl auch Lauhianmaki, der 

name eines alten begrabnisplatzes im kirchspiel Eura, \vo zahl- 

reiche funde aus dem 8. und 9, jahrhundert (vielleicht auch 

aus spaterer zeit) gemacht worden sind. Die form Lauhia- 

kann ich nur so erklaren, dass sie eine sekundare finnische 

bildung nach analogie der zahlreichen finnischen ortsnamen 

auf -ia ist, von denen ofters parallelen mit anderem stamm- 

auslaut vorkommen (vgl. Laihia : Laihela, Laitdla : Laitiala u. s. w. 

vgl. Virittaja 1900, p. 119). — Die von der obenerwahnten fe- 

mininform lo vorkommende bedeutung Teuchte wiese' konnte 

man vielleicht in fi. lauha adj. Teucht', sbst. Vied' und Lauha- 

IxLhta in Laihia (beachte luhta = 'ried') voraussetzen durfen. 

Dieses wort lauha ist wahrscheinlich von fi. lauhea, lauhkea 

(= 'mild') zu trennen. — Tianhala im kirchspiel Ackas wird 

1390 Lavehiala geschrieben, gehort also nicht hierher. 1544 

wird auch ein gut Lauhigarvi in Sakkijarvi genannt. 

Eine parallele hierzu ware in folgenden namen denkbar: 
Hauho (kirchspiel, dorf in Ruovesi), Hauhig&rvi (dorf 1540 in 
Tyrvis), Hanhamafti (dorf 1555 in Tavisalmi), Hauhala (dorf 
1558 in KaUiala; 1458 in HoUola; 1468 in Asikkala), Hauhola 
(dorf in Juva, Lohja, Pusula). Diese geben namlich laut fiir 
laut die angesetzte urform des isl. hor « *hauha-, *hauho-) 
wieder, von welchem die gewohnliche nebenform har oft in 
ortsnamen Schwedens und Norwegens enthalten ist (z. b. 
H&tuna, nilQill, Haeijd u. a.). Uber har, hor siehe LXffler, 
Arkiv f. nord. fil. I 266 f. Bemerkenswert sind die altesten 
formen des kirchspielnamens Hauho : Hawa 1329, Haw 1331, 

o 

1333, 1335, 1483 (Abo domkyrkas svartbok), welche eine in- 
korrekt wiedergegebene reminiszenz an eine altere stufe der 
nebenform har « hawaB) enthalten konnten. 

Da fur diese namen keine finnische etymologie bekannt 
ist, mogen die obigen ausfuhrungen als eine vorlaufige hypo- 
these gelten. Wegen der ausgedehnten verbreitung der namen 
kann die vorgetragene etymologie nur so als moglich gedacht 
werden, dass das wort in urnordischer zeit als appellativum 
entlehnt worden ist. Und hierzu kommt nach die schwierig- 
keit die formen Hauhi, Hauhu zu erklaren, die auch in ver- 



2o6 Kaarle Krohn. 



schiedenen teilen des inneren Finlands vorkommen und augen- 
scheinlich zu demselben stamm gehoren wie die oben aufge- 
zahlten. 

Helsingfors. Ralf Sax^N. 



Wo und wann entstanden die flnnisohen zauberlieder? 



V. Das verhaltnis der zauberlieder zu den 

epischen liedern. 

In den vorigen untersuchungen ist festgestellt vvorden, 
dass die finnischen zauberlieder nicht in der finnisch-ugrischen, 
ja nicht einmal in der urfinnischen zeit entstanden sein kon- 
nen. Sogar den esten sind die rein metrischen beschworungen 
nur durch entlehnung mit den finnen gemeinsam. Die magi- 
sche poesie ist ein sondereigentum bloss zweier urfinnischer 
stamme: der tavasten und karelier. 

Welchen von den beiden muss aber das vorrecht zuer- 
kannt werden? Wie bei den epischen liedern, ist auch dies 
hier eine der kardinalfragen ; und die beantwortung in dem 
einem falle kann nicht unabhangig von dem anderen gegeben 
werden. 

Bekannt ist die ansicht von Ahlqvist, welcher die urhei- 
mat der gesammten finnischen runenpoesie bei den vormaligen 
Bjarmen am Weissen meere, bes. am Dvinaflusse sucht Aus 
urfinnischem unmetrischem zauberspruche soil dort durch skan- 
dinavischen einfluss die zauberrune entstanden sein und aus 
dieser vviederum sich die epische rune entwickelt haben. Diese 
hypothese ist von Comparetti zu einem grossartigen system 
verarbeitet worden. 

Abgesehen von der noch fraglichen nationalitat der Bjar- 
men, kann die existenz einer runenpoesie bei denselben heut- 
zutage kaum mehr ohne weiteres angenommen werden. Nicht 
die geringste spur weist darauf hin, dass die vormaligen kare- 
lier am Weissen meere magische oder epische runen gesungen 



Wo und wann entstanden die finnischen zauberlieder? 207 

hatten. Alle wahrscheinlichkeitsgrunde sprechen aber dagegen. 
Es kennen auch heutzutage bei weitem nicht alle karelier die 
alten gesange: ausser denen in Finland und Ingermanland, 
bloss diejenigen in den gouvernements Archangel und Olonetz, 
velche hart an der grenze Finlands wohnen. Die dem Weis- 
sen meere am nachsten lebenden karelier sind des runengesan- 
ges unkundig. 

Wir konnen die grenzen sogar noch enger Ziehen. Mit 
den zauberrunen der orthodoxen Ingrier finden wir lutheri- 
sche gebete vereint (z. b. Porkka's samml. L n. 6, 46), was auf 
spatere verbreitung dieser runen durch die lutherischen ansied- 
ler aus Finland urn 1600 weist. Auch sind die magischen lie- 
der in Ingermanland im verhaltnis zu den epischen und lyri- 
schen so sparlich, dass es noch keinem eingefallen ist ihre 
heimat dorthin zu verlegen. 

Noch sparlicher ist der zaubergesang an der grenze von 
finnisch Ost-Karelien im mittleren Olonetz und im Twerschen 
gouvernement, welches von diesen gegenden im XVII. jahr- 
hundert seine karelische bevolkerung erhalten hat. Die zauber- 
rune wider verrenkung, welche im Twerschen aufgezeichnet 
worden ist, ofifenbart deutlich ihre einwanderung aus dem ehe- 
maligen romisch-katolischen Finland vermittelst der griechisch- 
katholischen bevolkerung nordlich vom Ladoga (Krohn Valv. 
1891 616-7). 

Es ist bloss ein kleines gebiet an der nordwestlichen 
grenze des Olonetzschen und an der siidwestlichen des Kem- 
schen ujesd im Archangelschen, dessen reichtum an sowohl 
magischen als epischen gesangen anlass gegeben hat die ur- 
heimat beider in Russisch-Karelien zu suchen. Doch hat bereits 
BoRENius im j. 1873 (Suomen Kuvalehti 1873, p. 273) ein schwer- 
wiegendes argument gegen diese annahme hervorgehoben : die 
romisch-katholische form der heiligennamen in den russisch- 
karelischen runen, wie auch das epithet santti od. santta = 
sanctus, sancta. Waren sie spatere eindringlinge in diesen 
runen, so sollten sie natiirlich die griechisch-orthodoxe form 
haben. Jetzt mlissen wir entweder mit Ahlqvist einen ro- 
misch-katholischen einfluss seitens der skandinavier am Weis- 
sen meere annehmen — eine mehr als gewagte historische 
annahme — oder auch zugeben, dass die zauberlieder aus dem 



2o8 Kaarle Krohn. 



ehemaligen romisch-katholischen Finland iiber die grenze ge- 
wandert sind. 

Eine vorsichtige forschung ist somit gezwungen, die hei- 
mat der finnischen zauberlieder innerhalb der grenzen Finlands 
zu suchen. 

Damit ist aber die Ahlqvist'sche hypothese vom verhaltnis 
der magischen poesie zum epischen noch nicht entschieden. 
CoMPARETTi halt sich hauptsachlich an diese letztere, indem er 
die losung der ersteren, geographischen frage fiir minder wich- 
tig ansieht. 

Nach CoMPARETTi ist die entwicklungskette der finnischen 
runen die folgende: magische gesange — magische gesange 
mit epischen bestandteilen — epische gesange. Vainamdmen 
und Ilmarinen, die haupthelden der epischen gesange, erklart 
er, seien aus den zauberrunen ubertragene ideale der finni- 
schen schamanen. 

COMPARETTI weist noch besonders auf ein episches lied, 
in welchem er die bestatigung seiner theorie zu finden ver- 
meint. „Uberaus wichtig fur den, welcher natur, wesen und 
bedeutung des finnischen epos definieren will, ist der Lieder- 
vvettstreit; denn er fasst die in den zauberliedem vibrirenden 
geflihle in sich zusammen und erscheint gleichsam als die sym- 
phonie der ganzen heroischen handlung des epos. Er ist der 
klarste, unmittelbarste epische ausdruck der die seele der Tietajat 
beim schaffen des zauberliedes bewegenden ideale, das deutlich- 
ste beispiel des engen zusammenhanges zwischen magischen und 

epischen runen, den wir nachgewiesen haben. Die ganze 

dichtung stimmt zu diesem vorspiele, denn wo conflicte und 
rivalitat mit den lappen und den Pohjolaleuten vorkommen, 
griinden sie sich auf nichts anderes, als auf den wettstreit in 
der magischen handlung, die sodann mit der heroischen ver- 
mengt wird" (Der Kalevala 224). 

Wir sind also darauf hingewiesen die dritte rune des 
Kalevala, 

die rune vom Liederwettatreit, 

naher zu untersuchen. 

Erstens ist zu merken, dass Vainamoinens gegner im Lie- 
derwettstreit Jookahainen oder Joukamoinen nie im volks- 



Wo und wann entstanden die finnischen zauberlieder? 209 



munde als lapplander bezeichnet wird. Anstatt des lappen 
im liede vom niederschiessen des Vainamoinen tritt, obwohl 
selten, Joukamoinen auf; noch seltener ist die substitution die- 
ses lappen an die stelle des Joukamoinen im Liederwettstreit. 
Es sind ganz zufallige, durch die verbindung der beiden lieder 
entstandene vervvechslungen (vgl. KT n. 26 u. 352). Neben 
einander in den parallelzeilen, wie im Kalevala (3: 21-2 u. 6: 
23-4), treten der junge Joukamoinen und der magre lappe 
bloss in einer neueren aufzeichnung auf (Harkonen n. 202 aus 
Korpiselka); in diesem fehlt aber Vainamoinen, und der lappe 
spielt seine rolle. Von einer nationalen rivalitat zwischen den 
finnen und lappen kann im Liederwettstreit also nicht die 
rede sein. 

Ist aber iiberhaupt die rivalitat zweier schamanen der 
grundgedanke des liedes? Um darauf zu antworten, miissen 
wir die verschiedenen varianten desselben mit einander ver- 
gleichen. Die in Ingermanland, Finland und im Olonetzschen 
bis 1888 aufgezeichneten sind samtlich geordnet in Julius 
Rrohn's „Kalevalan toisinnot" II 1 zu finden (wird mit KT 
bezeichnet). Von den archangelschen varianten sind die alte- 
sten und wichtigsten exemplare in Niemi's „Vanhan Kalevalan 
eepilliset ainekset" abgedruckt (Suomi III 16 280-9, wird mit 
VKA bezeichnet). Ein jeder kenner der finnischen sprache hat 
sonnit gelegenheit folgenden erklarungsversuch selbst zu kon- 
trollieren. 

Die einfachste form unseres liedes finden wir in Ingerman- 
land. Vollstandig ist sie aber nur in Mittelingermanland in 
der nahe von Oranienbaum erhalten (KT n. 409-10, vgl. auch 
411 und ktirzer bis 420). Weiter im westen, in der gegend 
von Soikkola sind bloss verworrene bruchstiicke gefunden (KT 
n. 421-30), und in der nahe von Narva ist das lied iiberhaupt 
nicht vorhanden. Diese verbreitung des liedes sowie ihr ganz- 
liches fehlen im Estenland ist charakteristisch fiir eine ganze 
liedergruppe, welche aus West-Finland iiber die sog. Karelische 
landzunge nach Ingermanland in der richtung: Petersburg — 
Narva gewandert ist. 

Der inhalt des Liederwettstreits in Ingermanland ist fol- 
gender: 



1 



2IO Kaarle Krohn. 



Der alte Vainamoinen und der junge Joukamoinen stossai 
auf dem eine nacht altem else mit den schlitten zusammen; 
blut tropft vom krummholz, fett vom kummet, das rot von der 
deichsel. Vainamoinen fordert Joukamoinen zum vvettgesang 
auf: „wer mehr weiss, der bleibe auf dem wege stehen**. 
Joukamoinen willigt ein und fragt: „erinnerst du dich der zeit, 
wo der meeresgrund gepfliigt, geschwendet and besaet wurde, 
wo die steine darin zusammenhauft und die welien aufs land 
getrieben wurden?" Vainamoinen antwortet, dass dies alles 
sein werk gewesen sei. Dann fangt er an zu singen, verzau- 
bert nicht nur Joukamoinen selbst in eine fliichtige wolke und 
seinen mantel an den rand derselben, sondern auch sein pferd 
in einen seehund, seinen sattel in eine ente, seine peitsche in 
schilf. Joukamoinen bittet Vainamoinen seine worte zuriick- 
zunehmen und verspricht ihm seine einzige schwester. Aus 
dem zauber gelost fahrt er weinend nach hause und trifift auf 
dem hofe seine mutter: Jetzt babe ich gethan, was ich nicht 
hatte thun soUen, die einzige schwester dem alten Vainamoinen 
versprochen". Die mutter aber antwortet: „das habe ich ja 
mein leben lang gewiinscht: Vainamoinen zum schwiegersohn, 
den grossen mann in meine familie, die fischburg auf die dorf- 
strasse". 

Es ist die letzte zeile: Kalallnnaa ka'ulen — obwohl sie 
nur in der einen von den beiden voUstandigen aufzeichnungen 
auftritt und daher zufallig sein kann — welche mir, verbunden 
mit der etymologie des wortes Vain&mdinen, zu einer neuen 
erklarung des liedes anlass gegeben hat. 

Ahlqvist's herleitung des namens Vlin&mdinen aus Vie- 
namoinen 'der mann von der Dvina' (Kalevalan Karjaiaisuus 
106-7) bereitet nicht nur geographische, sondern auch phoneti- 
sche schwierigkeiten, welche letzteren nicht durch die angeb- 
lichen zwischenformen bei Ganander 108: Vein&mdinen, Vd- 
nemdinen (rein orthographisch : e statt & in den alteren hand- 
schriften) gehoben werden. 

Will man an einen bestimmten fluss V&m& denken, so 
liegt die in ihrer finnischen form identische Duna in Livland 
auch zur hand. 

Aber wie schon YrjO-Koskinen gezeigt hat (Acta Soc 
Scient. Fenn. VIII. II 396), kommt das wort vainlL in den ost- 



Wo und wann entstanden die finnischen zauberlieder? 211 



seefinnischen sprachen in appellativer bedeutung vor: 'breiter, 
tiefer und still fliessender fluss* (finn. LOnnrot's lexicon), 'sund, 
nneerenge* (est v&in(a), vein(a) Wiedemann's lex.), 'sund, breite 
flussmiindung' (liv. vena Sjogren's lex., nach SetAlX's aufzeich- 
nungen: vena, part, velrw id., Riga v, Dlina = 'fluss v. Riga'). 
VMn&mdinen ware also von diesem ein derivativum, ganz wie 
sein beiname in einigen finnischen runen Suvaiitolainen aus 
Suvanto Vuhig fliessende stelle im flusse'. Dass diese erklarung 
die richtige ist, bestatigt noch die bezeichnung der windstille 
im wasser: V&inamdisen tie L kiilku 'der weg oder gang des 
V/, in Renvall's lexicon, aus Savolax mit der lateinischen be- 
deutung 'maiacia' angegeben. 

Derselbe ausdruck weist auch darauf bin, dass vvir es 
nicht mit einem menschlichen wesen, welches am wasser wohnt, 
sondem mit einem gottlichen zu thun haben. 

Ist aber VSin&mdinen ursprunglich eine gottheit des was- 
sers, so erhellt daraus, warum Joukamoinens mutter sich freut 
einen schwiegersohn zu bekommen, welcher fischreichtum aufs 
land mit sich bringt. Auch abgesehen von der erwahnten zeile 
erklart sich das lied als gegenstiick zum fischen nach der was- 
serjungfrau (Kalevala r. 5), welches die vorstellung eines fisch- 
weibes als gattin voraussetzt. Es ist zu beachten, dass \'aina- 
moinen dem Joukamoinen auf dem eise entgegenfahrt, dass er 
sich als bebauer des meeresgrundes vorstellt, dass er Jouka- 
moinens fuhrwerk im meere festhalt und sich von ihm einen 
menschen versprechen lasst, ehe er ihn entzaubert. Letzterer 
zug ist traditionell charakteristisch fiir die wassergeister, ob- 
gleich gewohnlich vom festhalten eines schiffes die rede ist. In 
einem estnischen liede, welches sich bei den Setukesen erhalten 
hat, Ealmimeiti 'Totenbrauf, wird von den unterirdischen 
geistem ebenfalls ein schlitten festgehalten, bis der ehemann die 
junge braut an seiner seite verspricht (Hurt's Setulieder im 
druck n. 5). 

Dass der Liederwettstreit ein altertiimliches lied ist, besta- 
tigt ausdriicklich die einleitung einer ungedruckten aufzeich- 
nung aus Mittelingermanland (Putkonen n. 24): Lak mi& laulan 
vanhan virren, Vanhan virren vastumaisen, Mita muut ei t^- 
jekkEa, Eik lapset alySkk^ *Lass mich singen ein altes lied, 
ein altes lied, ein neues lied, welches nicht die andern wissen. 



212 Kaarle Krohn. 

und die kinder nicht verstehen', Eine andere sangerin aus 
neuerer zeit, welche sich des liedes nur stellenweise erinnerte, 
erklarte, es sei ein langes lied gewesen ; die sangerin, von wel- 
cher sie es gehort hatte: „sang auch immer alte lieder" (Alava 
1891 n. 1183). 

Die sparlichen und kurzen aufzeichnungen aus Nord- 
ingermanland, wo der runengesang uberhaupt dQrftiger ist als 
in Mittel- und Wesl-Ingermanland, kSnnen wit ubergehen, da 
sie sich meistens eng an die vorige form anschliessen (KT n. 
403-8). 

Dagegen treffen wir in Finnisch-Karelien eine neue va- 
riantenform, welche von der ingermanlandischen unabhangig 
ist. Wie andere lieder westfinni.schen ursprungs hat sich auch 
dieses strahtenweise von Westfinland aus verbreitet: abgezweigt 
nach Ingermanland, abgezweigt nach Finnisch-Karelien nordlich 
vom Ladoga, abgezweigt auch wahrscheinlich uber Osterboiten 
ins archangelsche runengebiet. 

In der finnisch-karelischen Torm behauptet sich das an- 
fahren noch oft auf dem offenen meere (KT n. 366-72; n. 
374 ausdriickiich auf dem else) oder auf Joukola's fluss 
{n. 381-2; vgl. 377); doch ist dieser zug gewohnlich wegge- 
fallen, und einfach von einem wege die rede (z. b. 356-7, 
385, 388). Der aufforderer zum wettgesang ist zuweilen Vaina- 
moinen (n. 381-2, 385), gewohnlich aber der unbedachtsame 
Joukamoinen (gelegentlich schon siidiicher z. b. n. 412). Vor 
dem kampf um den vorrang im wissen (z. b. n. 354, 356-7, 359; 
siidiicher 384) oder noch cifter statt dessen schlagt Joukamoinen 
vor die lange der schwerter zu messen; dieser zusatz feWt 
aber in wichtigen finnisch-karelischen varianten (z. b. 381-2, 
385-8) und ist sichtbar aus dem Lemminkainencyclus entlehnt 

Das wissen des Joukamoinen beschrankt sich auch in 
Finnisch-Karelien gewohnlich auf die umgestaltung des meeres- 
kn^on=. -1^ aushacken von vertiefungen und graben von fisch- 
logar das ausdriickliche pflCigen des meeres hat sich 
erhalten (n. 354, 357); ebenso das zusammenhaiifen 
nen (n. 354) oder von riffen (n. 359) im meere. 
tzteren hat sich im selben exemplare das aufhaufen 
iln auf dem lande angeschlossen. Schon in einer 
nanlandischen variante und in einem bruchstucke aus 



Wo und wann entstanden die finnischen zauberlieder? 213 



Savolax (n. 384 u. 398) treffen wir als gegensatzzum pfliigen 
des meeres das umwalzen des festlandes an; gleicherweise ste- 
hen in einer aufzeichnung von der grenze von Savolax und 
Karelien (n. 399) den tiefen ausgegrabenen seen gegeniiber die 
aufgetlirmten hiigel. Augenscheinlich ist die idee vom umfor- 
men des festlandes ein spaterer, durch antithese entstandener 
zusatz zu dem urspriinglichen gedanken von der bearbeitung 
des meeresbodens, welche VainamSinen als sein werk aner- 
kennt. 

Als wassergott erscheint Vainamoinen in Finnisch-Kare- 
iien noch darin, dass er durch seinen gesang Joukamoinen 
geradezu ins wasser hinein drtickt, wo dieser sich mit den na- 
geln am kalten stein, mit den zahnen am stubben miihsam fest- 
halt. Gewiss ursprtinglich ist der vergebliche versuch Jouka- 
moinens, bevor er seine einzige schwester verspricht, Vaina- 
moinen mit anderen losemitteln zufrieden zu stellen. Er bie- 
tet ihm an sich von seinen zwei ^ booten und zwei pferden, 
von welchen je eines durch seine schnelligkeit und das andere 
durch seine tragkraft sich auszeichnet, eines auszuwahlen. Aber 
wie Vainamoinen Joukamoinens wissen als blosses 'kinder- 
wissen* bezeichnet hat, weist er diese 'kindergeschenke' ab mit 
der erklarung, dass er ein besseres boot und pferd oder auch 
deren ubergenug besitze. Selbstverstandlich ist das boot ein zu 
dem wassergott passendes attribut. Die ruhigen streifen im 
wasser nach einem sturme werden in LOnnrot's lexicon auch 
mit VILinimdisen veneen jaljet *die spuren von Vainam6inen& 
boot* bezeichnet, obwohl ohne angabe des orts und der quelle *. 
Dass auch das pferd zu dem wassergott in beziehung steht, 
beweist noch der heutige volkglaube (s. unten). 

In der dritten russisch-karelischen form des liedes, an 
welche sich eine alte aufzeichnung bei Lencqvist und Ganan- 
der wahrscheinlich aus Osterbotten (KT n. 389; VKA n. 239) 



^ Aus der zweizahl kann sowohl dreizahl (gew6hnliche mythi- 
sche zahl) als auch einzahl (analogic nach der einzigen schwester) 
hergeleitet werden. 

'^ Diese bezeichnung kann auch aus spftterem einiluss des lie- 
des von der Bootfahrt, zu welcher Vainam<)inen nicht ursprtinglich 
gehOrt, erkl&rt werden. 



214 Kaarle Kbohn. 



anschliesst, ist die situation auf dem ofTenen meere am an- 
fange des liedes nur seiten erhalten (Bemer n. 22, Borenius I 
n. 82, II n. 170; Cajan n. 42; Karjalainen n. 5). Der weg, auf 
welchem sie einander anfahren, ist meistens selbstverstandlich 
ein landweg. Dieser wird zuweilen veranschauiicht durch die 
verschiebung der zeile: Vesi tippui vempele8t& (VKA n. 241) 
>> Veea kasvoi vempele8t& (n. 245) ^ Vesa kaaroi vempele- 
hen (n. 246) 'das wasser tropfte aus dem krummholz > ein 
spr5ssling vvuchs aus dem krummholz > ein sprossling wuchs 
in das krummholz hinein\ Die ahnliche umwandlung der pa- 
rallelverse in den let2:ten formen: Haapa aisoista L aisoibin 
yleni, Pigupehko rahkeista L rahkeiain *eine espe wuchs aus 
der deichsel oder in die d., ein vveidengebiisch aus dem kum- 
met' zeigen uns den einfluss der auf Vipunens grabe wachsen- 
den baume. Die lautahnlichkeit der worte vesi 'wasser' und 
vepa 'spross' hat nattirlich den ankniipfungspunkt abgegeben. 

Dass die situation im Archangelschen in den wald ver- 
legt ist, beweist auch die stelle der verzauberung. Joukahainen 
wird gewohnlich in einen morast, in eine wiese, in eine heide 
hineingesungen. Daneben wird aber sein hund, ahnlich wie er 
selbst in F'innisch-Karelien, „mit den nageln in den kalten stein, 
mit den zahnen in den stubben" verwiinscht, ausserdem sein 
bogen zum regenbogen liber die gewasser und seine pfeile 
zu hoch fliegenden habichten (z. b. n. 245-6). In einigen von 
den erwahnten fallen, in welchen das aneinander fahren auf 
dem meere vorsichgeht, wird in den stein und das schilf im 
meere entweder Joukahainen selbst (Karjalainen n. 5) oder sein 
pferd und seine peitsche verzaubert (Borenius I n. 82; vgl. Ca- 
jan n. 42). Letztere variante mit der ingermanlandischen ver- 
glichen zeigt sich in dieser hinsicht als urspriinglich, mit aus- 
nahme des verzauberns des Joukahainen selbst in den morast, 
welcher zug, wie schon Julius Krohn geaussert hat, eine ent- 
lehnung aus den bannformeln ist ^ 

Die grosste entwicklung zeigt uns das wissen Joukamoi- 
nens, welches sich in Ingermanland ausschliesslich auf die gestal- 

^ Aus diesen stammt wohl auch der fischlose teich, wel- 
cher statt des morastes im stidlichen teil des russisch-karelischen 
gebietes vorkommt (z. b. KT n. 343). 



Wo und wann entstanden die finnischen zauberlieder? 215 

tung des meeresbodens, zuweilen in Finnisch-Karelien nebenbei 
auf die des festlandes bezieht. In Russisch-Karelien erinnert 
sich Joukahainen sowohl der fischgruben als der aufgehauften 
berge, aber ausserdem dessen, wie die pfeiler der luft aufge- 
stellt und der himmel mit stemen versehen worden ist. Dass 
dieser zusatz ein spaterer ist erhellt schon daraus, dass Vaina- 
moinens antwort an dieser stelle ausfuhrlicher ist: „ich war als 
sechster, siebenter mann beim aufstelien der luftpfeiler, beim 
tragen des regenbogens, beim versehen des himmels mit den 
stemen, beim aufrichten des siebengestimes" (n. 245, vgl. 248 
als dritter mann). Derselbe passus kommt dazu unabhangig 
vom Liederwettstreit vor als ausspruch des sangers Oder zau- 
berers von sich selbst (z. b. Lonnrot A II 5 n. 13, Borenius I 
n. 60 und Karjalainen n. 1 aus Russisch-Karelien; KT n. 334 
und Krohn n. 1120 aus Osterbotten; KT n. 335 aus FinnisCh- 
Karelien). 

Das wissen Joukahainens ist im Archangelschen noch 
mehr bereichert worden und zwar, wie Julius Krohn nachge- 
wiesen, aus didaktischen liedern. Dass diese zusatze interpola- 
tionen sind, erhellt aus ihrer seltenheit und verschiedenheit. In 
einer variante (n. 241) finden wir die geographische notiz, dass 
die baume auf dem Pisaberg und Homankallio (beide in Savo- 
lax) hoch sind; in einer anderen (n. 245) die zoologischen an- 
gaben, dass die meise ein vogel und der kaulbarsch ein fisch 
sei, dazu die botanische hypothese, dass die weide der alteste 
baum ; in einer dritten (z. b. Lonnrot A II 9 n. 38) die lebens- 
erfahrungen, dass das teer rauh ist, die brennwunde weh thut, der 
schwarze met bitter schmeckt. Den anlass zu diesen zusatzen 
hat wohl Vainamoinens ausruf: „kinderwissen" gegeben, so 
vvenig ernst ist der wettstreit in bezug auf Joukahainens wis- 
sen aufgefasst worden. 

Die russisch-karelischen varianten bestatigen, dass dem 
versprechen der einzigen schwester die wahl zwischen zwei 
booten und zwei pferden Vainamoinen angeboten worden ist ^ 
Ein feiner poetischer und moglicherweise ursprtinglicher zug, auf 

* Das in Russisch-Karelien Ofter vorkommende angebot von 
gold und silber ist einem historischen liede von Ivan Grosnyi ent- 
lehnt (Julius Krohn, Kantelettaren tutkimuksia I 193). 



2i6 Kaarle Krohn. 



welchen Karjalainen aufmerksam gemacht hat (Virittaja 1897 
17-8), hat sich in einigen archangelschen varianten erhalten. 
Es ist die zarte anspielung in der antwort Vainamoinens: ein 
boot hatte ich schon, aber niemand zum rudem, selbst wiirde 
das steuer halten; ein pferd hatte ich bereits, aber niemand 
zum sitzen im schlitten, selbst wiirde ich auf der kutsche die 
ztigel halten ^ 

Was ist demnach der grundgedanke des Liederwettstreits? 
Grtindet er sich auf „einen wettstreit in der magischen hand- 
lung?** Wir trefifen zwar in Russisch- und auch in Finnisch- 
Karelien einige exemplare (KT n. 343-7) an, in welchen der 
wettstreit wirklich in einer magischen handlung liegt. In die- 
ser hinsicht am voUstandigsten ist eine neuere aufzeichnung 
aus dem Olonetzschen (Karttunen n. 151). Joukahoinen singt 
zuerst ein rotes eichhorn auf die deichsel, Vainamoinen dage- 
gen einen marder mit goldener brust, der das eichhorn frisst. 
Dann singt Joukahoinen einen hasen auf den ofen (!) und 
Vainamoinen einen roten fuchs. Schliesslich zaubert Jouka- 
hoinen einen teich hervor, in welchen aber Vainamoinen ihn 
selbst hineinbannt. Sichtlich ist dieser zauberstreit aus den 
Lemminkainenliedern entlehnt und hat sich ursprunglich aus 
einem allgemein europaischen marchenmotiv entwickelt, wel- 
ches mit dem finnischen schamanismus nichts zu thun hat. 

Eigentlich ist der Liederwettstreit auch kein wettstreit des 
wissens, obwohl er in seiner spatesten form im nordlichsten 
gesanggebiete den anschein davon erhalten hat. Der urspriing- 
liche gegensatz beschrankt sich auf die erinnerung Joukamoi- 
nens, wie der meeresboden gestaltet worden ist, und auf die 
versicherung Vainamoinens, dass dies sein eigenes werk sei. 
Aber nicht hierin liegt der schwerpunkt des gedichtes, son- 



1 Diese antwort kannte schon LOnnrot (A n 9 n. 38), hat 
sie aber in der neuen Kalevalaredaktion nicht benutzt. Er hat 
sogar die Slhnliche antwort (nach VKA n. 248) im alten Kalevala 
(30: 160-94) gestrichen. Auf Joukahainens angebot von bogen 
(zuf&llig statt booten) und pferden erklftrt VftinftmOinen, er habe 
wohl einen bogen, aber niemand, wer ihn trtlge imd die pfeile 
holte; auch habe er ein pferd, aber niemand, wer es holte, den 
zaum anlegte und zur furche brftchte. 



Wo und wann entstanden die finnischen zauberlieder? 217 

II III — I — - -^ 

dem im festhalten auf dem meere, bis ein menschliches wesen 
versprochen worden ist. 

Darin aber stimmen alle varianten, sowohl die ingerman- 
landischen als die finnisch- und russisch-karelischen, iiberein, 
dass der alte Vainamoinen durch seinen zauberischen gesang 
den jungen mann in seine gewalt bringt. Diese eigenschaft 
des Vainamoinen bestatigen noch die schlussworte der mutter in 
Finnisch- und Russisch-Karelien, in welcher er nicht nur als 
ein machtiger mann, sondern speciell als ein sanger bezeich- 
net wird ^ 

Wie stimmt aber diese eigenschaft des Vainamoinen zu 
seinem augenscheinlichen auftreten als wassergott in diesem 
liede? Es gentigt die parallele vorstellung des N&kki bei den 
heutigen finnen und esten hervorzuheben. Waronen (Taikoja 
II I) hat gezeigt, dass dieses skandinavische lehnwort sogar im 
c*)stlichsten Finland bekannt ist: ^^Nikld frisst sowohl pferde als 
menschen im see" (Krohn n. 8166 a aus Ilomants). In den 
estnischen traditionen, welche Eisen in seinem „Naki raamat" 
herausgegeben, erscheint n&kk entweder als ein junges, scho- 
nes fraulein oder als ein alter mann mit grauem bart. Ge- 
legentlich offenbart sich dieser wassergott in tiergestalt, beson- 
ders als pferd (s. 70, 72). Sein trachten ist darauf gerichtet 
menschen ins wasser zu locken. Selten steht er tieren nach; 
ofter sendet er seine eigenen kuhe aufs land (s. 78). In der 
gegend von Hapsal wird von seinem verfiihrerischen gesange 
und spiele erzahlt; zum vergleich weist Eisen auf den schwedi- 
schen Strdmkarl hin (s. 82). Dieser 'Strom-kerl* entspricht der 
sprachlichen form nach dem Vaina-moinen. 

Ist aber Vainamoinen ein sangesmachtiger wassergott, so 
lasst sich auch Agricola*s westfinnische gottheit Ainemdinen 
erklaren, welche 'lieder schmiedete', wirdhet tacoi -. Dass dies 



^ Der gedanke, dass man in seine familie einen spieler oder 
singer wOnscht, kommt jedoch sOdlicher in lyrischen liedem vor 
z. b. Pajula n. 336 aus Nord-In germ an land : Tuota toivoin tuon 
ikftni, Sukohani soittajaista, Lioihlni lauligaista. 

2 In der Kantelerune dagegen ist Vainamoinen als spieler 
spater eingedrungen nachweislich aus dem Lieden\'ettstreit; siehe 
Kaarle Krohn, Kalevalan runojen historia I (im druck). 



2i8 Kaasle Krohn. 



wort wirklich den westfinnen bekannt gewesen ist, bestatigt 
das vorkommen des personennamens Peder Wninolayneii bei 
Abo (Masku) in einem aktenstiicke vom ^'* 3 1439. 

Wenn also jedenfalls die aufifassung von Vainamoinen als 
einem schamanen an der Dvina bestritten werden muss, so 1^ 
das mit nmarinen noch sicherer fall. Compasetti's ableitung 
dieses namens aus BmigSrvi ist nur vermutungsweise aufge* 
stellt worden. Ebenso wie der fluss Dvina steht auch der 
Umensee ausserhalb des geographischen gebietes der finnischen 
runen. Ausserdem ist sovvohl die bedeutung als die etymolo- 
gie von Ilmari durch den wotjakischen Inmar, durch die tigur 
des sturmbringenden Ilniaris auf einer lappischen zaubertrom- 
mel (Frhs Lapp. myth. 37), durch Agricolas notiz: ^Ilmarinen 
machte windstille und luftzug und beforderte die reisenden** 
sowie durch eine alte rune bei Topelius (II 26) ^Ilmarinen, 
blase mir mitwind", volistandig gesichert^ 

Dass sovvohl Ilmarinen ein luftgott als Vainamoinen ein 
wassergott gewesen ist, bezeugt noch ein aligemein bekanntes 
zauberlied, welches im nachsten abschnitt an die reihe kommt. 

Zugleich soil die frage beleuchtet werden, wie diejenigen 
epischen bestandteile der magischen runen, welche die finni- 
sche zauberpoesie charakterisieren, entstanden sind. Compa- 
RETTi's hypothese von den magischen liedern mit epischen be- 
standteilen als vermittlern zwischen den rein magischen und 
rein epischen, ist geographisch unerklarbar. Denn jene ver- 
bindungen der magischen und epischen lieder treten bloss in 
Ost-Finland nebst Russisch-Karelien auf, die einfachen magischen 
treffen wir aber meistens auch in West-Finland und die ein- 
fachen epischen konnen wir gewohnlich durch Ingermanland 
bis nach Estland verfolgen. Es geniigt vorlaufig auf die ver- 
bindung des epischen liedes von der grossen eiche mit dem 
zauberspruche gegen stich hinzuweisen (FUF Anz. I 30-1). 

Waren diese ostfinnischen verbindungen urspriinglich, so 
ware nicht nur ihre regelmassige trennung merkwurdig, son- 
dern noch mehr ihre regelmassige verteilung; gleichsam als 

^ Ilmarinens auftreten in den epischen liedern als schmied, 
welche vorstellung von diesen in die zauberlieder tibertragen ist, 
wird spater erlautert. 



Zur finn.-ugr. lautlehre. 219 

hatten die magischen zeilen mit den epischen verabredet: ihr 
wandert nach dem Estenland, wir wahlen den weg nach West- 
Finland! 

Viel naturlicher ist die annahme, dass die getrennten for- 
men in West-Finland und Estenland, welche auch in Ost-Fin- 
land oft vorkommen, die urspriinglichen und ihre verbindungen 
erst spater durch vermischung entstanden seien. Daraus aber 
folgt, dass die magischen lieder mit den epischen in keinem 
genetischen zusammenhange stehen. Sie sind parallele erschei- 
nungen, welche nicht zeitlich, sondern teilweise ortlich getrennt 
sind, indem der grossere teil der epischen lieder ausserhalb 
Finlands in Estenland entsprossen, dagegen samtliche zauber- 
runen innerhalb Finlands entstanden sind. 

Helsingfors. Kaarle Krohn. 



Zur flnnisoh-ugrisohen lautlehre. 

Vorlftufige mitteilungen aus einer grosseren arbeit 



Weil ich die fortsetzung meiner arbeit »Yhteissuomalainen SSnne- 
historia» (= Gemeinfinnische lautlehre i8qo-i) noch immer nicht habe 
veroffentlichen konnen, lege ich hier von fachgenossen dazu aufgefor- 
dert einige vorlSufige mitteilungen aus dieser arbeit dem leser vor. 
Schon wegen des mangels an raum erscheinen diese mitteilungen in 
stark abgekiirzter form (ca. '/t ^^ umfangs des voilstandigen manu- 
skripts); ich gebe hier nur die wichtigsten zusammenstellungen ohne 
etymologische motivierung und ohne historische notizen uber die ur- 
heber der einzelnen zusammenstellungen; ebenso beschranke ich mich 
dabei auf die lautgeschichtlichen hauptergebnisse ohne eingehendere 
begriindung. Die zusammenstellungen, die besonders einer griindliche- 
ren motivierung bedurfen, sind mit * bezeichnet Meistenteils hebe ich 
solche beispiele hervor, die auch im finnischen belegt sind; einige be- 
lege, die im finnischen nicht konstatiert worden sind, werden jedoch 
unter die ubrigen eingereiht In der regel werden aus dem lappischen 
uur norwegisch-lappische und aus den ostseefinnischen sprachen nur 
finnische formen angefiihrt 

Schliesslich will ich bemerken, dass ich die belege fur c zum 
grossen teil schon im winter 1893-4 zusammengestellt habe (das manu- 
skript des kap. uber c wurde 1895-6 abgefasst); das kap. iiber 6 



220 E. N. SetAlA. 



wurde in seiner ursprflnglichen form im jahre 1895 niedergeschrieben 
(nach diesem kap. die mitteilung »t)ber ein mouilliertes & im finnisch- 
ugrischen», JSFOu. XVI,2, 1899), wShrend des winters 1899-1900 aber 
habe ich die ganze arbeit von neuem gemacht und zugleich die beleg© 
fiir nicht-mouiUiertes s, die ich friiher noch nicht gesammelt hatte, 
vorgenonimen. Erst im m&rz d. j. habe ich die arbeit wieder aul- 
nehmen konnen; dabei habe ich den vorteil gehabt die syrjanischen 
sammlungen herrn dr. Yrjo Wichmann's zu gebrauchen, was von sehr 
grosser bedeutung gewesen ist, weil die syrj&nisch-w otjakischen belege 
oft geradezu entscheidend sind. [Nachdem dieser aufsatz schon gesetzt 
war, erhielt ich einige sehr interessante notizen aus den ostjakischen 
sammhmgen herrn mag. phil. K. Karjalainen's, habe aber diese leider 
nur teilweise verwerten kdnnen.] 

Nachdem ich, wie gesagt, die arbeit habe wieder aufnehmeu k6n- 
nen, hoffe ich in der nichsten zukunft imstande zu sein eine vollstandi- 
gere beweisftihrung verSffentlichen zu kdnnen. 



April 1903. 



1. &ber flnniBoh-tigrisohe 6-laute. 

Einige forscher haben darauf aufmerksam gemacht, dass 
im lappischen bisweilen dem finnischen t ein c oder auch 6 
entspricht (Thomsen, GSI 86, Qvigstad, Beitr. 21, Nord. Lehnw. 
59). Wenn eine ansicht iiber diesen umstand geaussert wor- 
den ist, hat man meines wissens das t stets als den ursprunglichen 
iaut aufgefasst K Davon ganz unabhangig hat man in ein paar 
fallen die lautentsprechung fi. tk /^ mord., tscher. fck ^^ (ck) 
konstatiert (Budenz, MUSz. 48, 521, vgl. 40 u. andersvvo); 
auch hier hat man einen tibergang von t in eine affricata 
Oder sibilans vorausgesetzt (siehe Budenz, a. a. o.). 

Wenn wir jedoch die falle genauer untersuchen, wo einem 
fi. t im lappischen ein c (6) entspricht, sehen wir auch in ande- 
ren fi nnisch-ugrischen sprachen ganz andere vertretungen als 
in den fallen, in welchen dem fi. t im lappischen tt ^ d od. 
dd -^ d gegenubersteht. Das wort, worauf ich zuerst meine 
aufmerksamkeit lenkte, war fi. petlga 'kiefer' = Ip. bsDcce, 
mord. pi6a, pitde, wotj. poiim, syrj. poi5m, poiam, poftym; 



1 Siehe z. b. Thomsen a. a. o., Qvigstad, Nord. Lehnw. 59, 
WlKLUND, Url. laud. 17; vgl. Genetz, Suom.-ugr. d, p. 5. 



Zur finn.-ugr. lautlehre. 221 

hier zeigte sich also im mord. ein 6, im wotj. und syrj. ein i 
statt eines sonst zu erwartenden mord. d, wotj. -syrj. od. L 
Diese entsprechungen veranlassten mich zu untersuchen, ob 
auch in anderen fallen eine ahnliche vertretung zu konstatieren 
ware, und dabel fand ich eine ziemlich grosse anzahl ahnlicher 
beispiele. Diese beispiele fUhrten mich zu der iiberzeugung, 
dass diese lautvertretung auf urfinnischugrische lautverhaltnisse 
zuriickgehen miisse; es stellte sich sogar heraus, dass man hier 
nicht nur mit einem, sondem mit zwei besonderen, obwohl 
freilich mit einander verwandten urlauten (bezw. lautverbindun- 
gen) zu thun hatte. Die unbekannten urlaute bezeichne ich 
vorlaufig mit 6^ und 6^ und gehe zuerst zur aufzahlung der 
wichtigeren von mir gefundenen belege iiber. 



A. Inlaut. 
1. Belege flir 6^ 

a. Finn, t in intervokalischer stellung = 6'. 

? fi. katua *poenitere' [ Ip. guoooot 'objicere alicui aliquid, ob- 
jurgare, crimini dare; repetere* | wotj. ^JcoSaly ^Tco^alr, koSal- 
'denken, meinen, glauben'. 

fi. knitu, knito *cutis 1. fibra lini 1. cannabis*, est. Mud 'faser* 1 
wotj. ^Mfj ^kUj ki§ 'diinne haut, schale', syrj. ky6 'haut, 
schale' ^^ wotj. Wied. kuft Taser, flocke; flachs am rocken, 
kunker, Munk. ^ku.^, huz 'flachs am spinnrocken', S kuz 

m 

'das grobere werg' 1 ? ung. hej, hig 'cortex, crusta'. 

fi. nuturoida 'etwas in der stille machen', nutus 'ein trager, 
langsamer mensch' Ip. njoacoe 'tardus, piger*; njuocas g. 
i^uoooas 'mollis, laxus, dissolutus', njuoccat 'mollem, laxum, 
dissolutum, languidum fieri' syrj. 6oi, 664 od. nuS 'lang- 
sam, saumselig', Wichm. riez 'still'. 



'fi. otava 'rete salmonibus capiendis' | Ip. oaces g. oacoas 'rete 
trans flumen positum ad exitum piscibus intercludendum', 
oacoe g. oacoe 'sepes invalida' | syrj. vodi, Wichm. vod^ 
'eine reihe pfosten quer durch den fluss (zum anhangen der 



222 £. N. SetAlA. 



netze)' | vog. ^us&m etc. 'rtuse', Ahlq. xLhhn 'zaun' ostjN 
u&ym, vo&ym eine art fischreuse, welche die russen Bas&Hi 
nennen', I Patk. Hocem^ ^vo^em id. Karj. D tfd^(f£am, Kas. 
i40:$hn « } ung. vcdess, vcdsse etc. 'das rohrwehr beim fischen'. 
Dazu: mord. oi, vo4 *stadt', wog. us, vus, voS id., ostjl vii, 
S vo6, vo6, N voi, vaa, Kahj. D tfop, M0i4^^ N yi^$ id. u. a, 
(grundbedeutung: 'zaun'). 

*fi. pet|j& 'kiefer* I Ip. bssoce g. bssoe id. | mordM piia, mordE 
pit6e *kiefer' | tscher. ptinid, O Gen. ^piinj^o •Riefer* (mit 
vorausnahnie eines urspr. folg. nasals) , wotj. putim, paiym 
'fichte, tanne, kiefer\ syrj. poftdm, poiom, poiym 'kiefer' 
ung. fenyii, fenyfi 'tanne, fichte' (mit vorausnahme eines 
urspr. folgenden nasals, naher a. a. o.). 

.^fi. sataa 'regnen' (d. ii. 'fallen'), est. sadama 'fallen' etc., liv. 
sadti'b 'fallen', fi. sadin g. satimen 'falle', satama 'hafen', 
sato 'saatwuchs, jahreswuchs' | ? IpS Suoocet *aggredi, inci- 
pere' mordM 6a6aii *geboren werden', mordE tiatftoms id. 
tscher. 6o6am, 6o6am *nasci', O Gen. t^o^am, B Ramst. 
Sat'Sa^s \ syrj. tsuftny, Wichm. fSuzni, t$utni *geboren wer- 
den*, wotj. t^izt'Vizi *geschlecht, stamm' | ostjN hoU 'ge- 
burtsort, heimat', Patk. fcdca id., Karj. Kond. ^?,/.^«, D 
UuydSt, Kas. ^uSi. 

*fi. seta 'patruus* Ip. 68Booe 'patruus patre junior* mordE 
it&at&i (6t6-atai) 'altervater', "^cfcf 'der mann der schwester. 
der alter ist als ich* | tscher. ftufci, 6fi6tL 'avunculus', B Ramst. 
filth 'onkel, bruder des vaters' wotj. ^hiz, +cui 'venvandte 
(miitterlicherseits)', syrj. t66i, t6oi, Wichm. fhz u. t$oz *oheini. 
mutterbruder' \ ]] wog. ^sds)^ sds, SdS 'onkel' osti fafa 'vater- 
chen', N ^asa]. 

*fi. vita 'schrage, schiefe lage' ? tscher. fioifhTc, ^(iofiak 'schief. 
krumm* svrj. vei 'kreuz, quere', wotj. voi (in diesem wort 



^..U^ l^uUehre. 



Zur toti-'*^>v^*^*^tlehre. 223 



b. Finn, tt (neben t) in i^itervokalischer stellung = 6^. 

fi. nyde g. nyteen od. nyte g. nytteen 'stutze' | mordE neie 
'stiitze', M neiedam 'stutzen* | ? syrj. mydi etc., Wichm. 
mi4f 'stiitze, widerhalt', vgl. mi^Ualni 'stolpern' u. s. w. 

*fi. utto, uutta, uutu 'mutterlam, mutterschaf, est. utt g. uta, 
ute, utu 'mutterschaf | mordM ufta, E utAa 'schaf wotj.- 
syrj. 3r* id. | wog. oft id. | ostjN 06, os, I 06, S aft, Karj. D 
6$, 6ts', Kas. ^{' ? ung. juh id. 

*fi. sattaa 'beschadigen, ladieren', sattua 'stossen, trefifen' 1 Ip. 
6uocoet pr. ftuooam od. ftao66at pr. &ao6am *illidi, feriri, in- 
currere in aliquid', IpK *cus'x^ *beschadigen, beleidigen' | 
tscher. O Gen. ^budam 'schlagen', Troick. 6a6altai^ *beruh- 
ren, anriihren', B Ramst. fhuf.4a§ 'treffen'. 



c. Finn, r in intervokalischer stellung := 6'. 

fi. poro *tarandus domitus* | Ip. boaoo g. booou *renntier' | 
tscher. pifte, pa6a, pufte, pti6d, O Gen. tpw^o, B Ramst. 
"^pufia 'cervus tarandus* | wotj. puiei, ^pu^ej Yenntier*, syrj. 
pe* 'junges ungehorntes renntier* | wog. pa6i, pasig *renntier- 
kalb' ostjN peS, pesi id., Karj. Kas. 2)ei/, K pet^s. Fi. 
poro statt *podo < *podoi. 



d. Finn, h in intervokalischer stellung = 6^. 

fi. keha *circulus circa quid' etc. \ wotj. "^kU 'schlinge, schleife', 
syrj. WiED. kjrts, kytts, Wichm. kiU- 'ring, reifen, reif, kreis', 
auch 'schlinge'. 



224 E. N. SetAlA. 



zaunstange*, adj. pot&ka,^ Wichm. pot^ni 'umzaunen*, vvotj. 
pat&, S ^pudj M, K ^pWj piiS *stange* wog. poses 'zaun, 
einzaunung* I ostjN pnias 'viehweide', Karj. Kas. pi fas. 



ti. uuhi '^ uttu etc. siehe oben p. 223. 



e. Finn, t in postkonsonantischer stellung := 6*. 

fi. Miit& Cauda* | wog. sis, §U 'riicken' | ostj, &an^, iani, I 
6en6 Viicken', Karj. D U'^ntf-, Kas. {a^ {^^ ^?^#-)- 

fi. into 'eifer, leidenschaft', est. ind g. inna 'brunst' Ip. asotet 
'gestire, triumphare', a33ar 'inepte festinans* | syrjP yinuUny 
'tollen, mutwillig, ausgelassen sein', vgl. y^myny 'lustem 
sein, scherzen'. 

fi. kaantaa 'vertere, convertere', ka&ntya Verti' | wotj. ^ko^-, 
Tcoi' 'sich zuruckwenden*, syrj. keiny, Wichm. ke^ni 'ab- 
gehen, abweichen'. 

fi. kunto 'vis corporis, capacitas, habilitas ad quid, nee non vis 
animi, ingenium, scientia', wotj. '^kuzlm 'kraft, starke, macht', 
syrj. kuiny Verstehen' | wog. Ahlq. qa^gam, qysam *\vis- 
sen, verstehen, erraten', Munk. ^x^^^h ^^nsi 'kennen, erken- 
nen* | ostjN xo^tem Verstehen, konnen', I Patk. t^o^em id., 
Karj. Kond. x^'^? Kas. x'^U'i "^ X^''5'« 

fi. kynsi (kynte-) 'unguis' | IpK ^kanCf "^hmc, N ga33a 'unguis, 
ungula' I mordM kenga, kenji 'huf, kiaue', E kanS 'nagel, 
kralle, klaue, huf ' tscher. kftft, ki§ 'unguis, ungula', O Gen. 
tfcw^ 'fuss, nagel', B Ramst. ktf.4 'klaue, kralle' | wotj. gyli, 
gy*y> syrj. gyi 'nagel, kralle, klaue, huf wog. kuaniu ^kwons 
etc. 'nagel, die hohle hand' ostjN kong, kun^, ku^ 'die 
hohle hand, klaue, nagel', I kun6 'nagel', Karj. D kunU, 
Kas. kf^.p (— kuuf'). Dazu fi. kyntaa 'arare', vgl. tscherO 

fkilni/ini 'crrahen' eAc. n. fi kvnnvH '<;rh\velle* InT AiilX 



Zur finn.-ugr. lautlehre. 225 



*fi. ponsi (ponte-) 'capitulum 1. globulus in manubrio securis 1. 
flagelli' etc. | IpK pone Teder', IpN bo33a id. tscher. po6 
*cauda\ O Gen. ^pofy B pai, paj, Ramst. pafS 'ende, schwanz' 
i wotj. byS *schwanz, schweif, syrj. bdi *schwanz, schweif, 
schleppe, hinterteir | wog. ponsyp *schwanz' (?), Munk. ^pgns 
'pfeileisen', ponS-pun *schwanzfeder* | ostjN posi 'schweif, 
schwapz', Karj. Kas. pQ^i. 

ii. porsi g. purren (purte) 'navigium\ purtilo Winter; alveus, 
vasculum oblongum' | tscher. pu6, O Gen. puS 'boot, kahn' 
wotj. "^plz, ^p^z, ptlz 'schiff', syrj. pyS 'boot, schiflf, fahr- 
zeug'. 

Zugleich mogen einige worter mit urspr. inlautendem 
Tiasal erwahnung finden, die nicht im finnischen belegt sind 
und bei welchen man teilweise unsicher sein kann, ob man 
A^on einem n6^ oder nS auszugehen hat: 

tscher. O ^hufem 'bitten, betteln*, ^h^l^almn 'suchen*, ki&alam, 
ki691am id. ^-' ? "^TconsorlaS 'versuchen* | wog. kyn&, kens 
•erwerb, fischfang, jagd u. dgl.', kynftam, kensam 'jagen, jagd 
treiben; suchen; fordern', Munk. Tcinsi 'suchen*, kinSi id., 
^Tcinsi 'jagen' j ostjN kanjtem, kan&Yem, ka^tem 'suchen', 
I kenjem, S kingem 'suchen, haschen', Karj. D kanti-, N 
kqri^', ha^'. Damit ist sicherlich eine wotj. form mit -i-ele- 
ment zusammenzustellen: +fcwfA;-, hv^k- 'suchen, durchsuchen, 
stobern, spahen'. 

? ostjN keng, keS, 'innere stiefel von renntierfell, die anstatt 
striimpfen getragen werden', I keni id., Karj. Kond. kmt$', 
Kas. ke^ {^ ketjS-) ; wog. keris, ke^ id. | ung. kengyel 'steig- 
bugel'. 

iivotj. goSjani etc. 'schreiben', goz 'strich, linie, figur', syrj. 
gizni^ g^^^i 'striche Ziehen, schreiben' wog. qan&am 'bunt 
machen, schreiben', Munk. x«w^* 'bezeichnen', ^khanH 'schrei- 
ben', "^khgnsi, ^khgnU 'schreiben, zeichnen' | ostjN xangtem, 
xai^ylitem, xa^tem 'bunt machen, schreiben', I xangem id., 
Karj. D X9nU", X?'.'f. 

IpS puo30tet 'nudare' | mordM panjan 'offnen', E panioms 
id. tscherO Gen. ^po^am id., B Ramst. pafSa^ id.; ^pockmn 



226 E. N. SetAlA. 



id. ' wog. Ahlq. pnnAam, pUnsam, Munk. punsu ponsij 
^pgnHj puiuH id. I ostjN pnnjlem, punttem, partem id., I 
^punoenij ^piin^em id. Die herbeiziehung von est. pannal 
g. pandla 'schnalle, spange ohne dom', fi. panta 'spange^ 
(lehnworter?) ist wohl zu gewagt. 

tscher. O ^won^em 'uber ein wasser gehen od. waten', "^wofUemy 
^uondem *Qber etwas hiniiber gehen*, B ^waniem, Ramst. 
^an^itai *Qber einen fluss gehen od. fahren* | wotj. vidi-^ viz- 
'ubersetzen, (iberfahren, durchwaten', syrj. Wichm. viafpij 
id. I wog. Ahlq. tm&am 'ubertreten, (iberfahren', Munk. unsi, 
unSi 'waten' | ostjN on^tem, nn^Yem, on&tem, vimitein> 
ufttem 'iiberschreiten (einen fluss)', Karj. D jt'/f^-, Kas. t(iun^'. 

f. Finn, t (tk) im silbenauslaut = 6'. 

*fi. itkeft 'flere' tscher. Ramst. i^'zla^ 'schluchzen, laut weinen^ 
zischen', Troick. juftlem 'laut weinen', ju&ulem 'schluch- 
zen' \ ? syrjP Wied. itidcyny 'stottem'; vgl. jedoch auch 
syrjl 3rt6kddiiy9 Wichm. it^kedni *neigung zum vomieren 
haben* | ? ung. e8(ik) 'obtestari, orare*. 

fi. katkata '(subito) rumpere', est. ka^ki, ka^sik, kat^ki 'ent- 
zwei' ; tscher. ht^k- 'zerreissen', O Gen. ku^kedam id. ung. 
hasad 'diffindi, hiare'. Dazu wahrscheinlich Ip. guosko (aber 
auch guodko, guotko) *isthmus' syrj. k5d&, Wichm. terfi 
'krummung eines flusses, bucht, biegung, halbinseP, 

fi. katku 'nidor max. prunarum, oetor', kar. kajiku id., ? est 
katk, S katsk 'seuche, pest' { Ip. guosmot 'aduri' mordM 
ka6am 'rauch', E kat&ams 'rauchen' | syrj. kot&ys- od. k5t- 
^ys-duk 'stechender geruch, brandgeruch* (nach Wichmann 
uberail tf\, z. b. I kO(tsis, V kO(t^is-duk) ? wog. koseml- 
'ohne flamme brennen', vgl. Munk. ^kvdsetnlenti 'sich entziin- 
den' ? ostjN xa^ym, zo&ym 'warm, heiss', I zogem heiss'^ 
Karj. D x<^'</r^''^ Kas. x'^P^^- 

fi. pytkul 'segmenta oblonga secare', pytky od. pytk& (pdtky» 
pdtkft) 'segmen oblongum' ipK piehdcl- 'scheren', N bseske- 
dot 'tondere' mordM pe6kan 'schneiden', E pet&kems 



Zur fiiin.-ugr. lautlehre. 227 



'schneiden, iiberfahren, iiberschiffen*, tscher. ptifikam *secare*^ 
O Gen. fpefkenhy ^piifkam 'schneiden*, B Ramst. pqiilcaS id. 

fi. sotkea 'pedibus calcare, depsere' | Ip. soaskat (daneben aber 
auch soatkat, sotkat, soadgat) 'depsere' | syrj. Wied. sutkiy^ 
WicHM. suf$ni 'anstossen (intr.), sich stossen' etc., Wied. 
sat&kyny 'stechen, einstossen' etc., Wichm. sut^kjini 'an- 
stossen (trans.), schlagen, eintunken*. 

syrj. putfikyny, Wichm. putfkjni 'drehen, flechten, zusammen- 
drehen, zwimen*, '^ padiny, Wichm. pu4$ni 'aufslreifen^ 
umbiegen, umwenden* | tscher. ^pUckiniaS *zwirn drillen'. 
Vielleicht gehort hierher ein teil der finnischen w5rter, in denen 
der stamm putke-, putka u. s. w. vorkommt (putkea 'eilig 
in seinen bewegungen*, putkistaa, putkentaa u. s. w.). 

IpK '^koicke-j koaiCke- 'beissen, nagen, kauen; durch beissen 
kastrieren*, N gasket 'mordere, rodere' | tscher. ^korkam 
'essen' (O mit f), B Ramst. kafSkaS. 

IpL ku9Sk€h 'einen leichten schlag geben', vgl. kiidsijate- 'einem 
einen schlag geben' ' syrj. Wichm. kot^kini 'schlagen*, S 
^^ kot$nitnj, Daneben giebt es im syrj. auch ein anderes wort 
kutikini 'schlagen, klopfen'. Das IpL wort konnte jedoch 
auch = li. koskea 'attingere' (Ip. guoskat id.) sein. 



2. Belege ftir ft^. 

a. Finn, t in intervokalischer stellung := 6^. 

? fi. mati 'rogen' . wotjS +m?J, Glaz. hnU 'rogen, kaviar'. 

fi. nata *tempestas hiemalis humida, ningor madidus' Ip. pjie- 
caa g. i^ieoca 'humore imbutus et marcidus, infirmus'; 
^ i^aooo g. i^aoo 'aer regelans', 'tauwetter' ] syrj. Wichm. 
Ud. riodi Teucht', Wied. £od^myny, Wichm. Ud. nodzmpiis 
Teucht werden', syrjP Rog. Wichm. noidini 'sich auflosen, 
schmelzen'. Die von Wiedemann mit fragezeichen ange- 
fuhrten Aoimyny, i&uimyny 'feucht werden' sind von Wich- 
MANN nicht belegt worden. 



228 E. N. SetAlA. 



*fi. odottaa *exspectare, cunctari, sperare* | Ip. oacoot pr, oacom 
'quietum, securum fieri', oaooai 'quietus' | mord. u&an 'war- 
ten, ervvarten' tscher. yu6em 'exspectare', O Gen. ^(iuim, 
B Ramst. (iafiaS wotjS '^voi, wotjM vo£, wotjG, J, K voi 
'halten etwas irgendwo, erhalten, bewahren, schQtzen, beob- 
achten (eine zeremonie)' etc., *voimaU, vozmal 'warten, er- 
warten', *voiTc', vozisk- 'sich zuruckhalten, sich hiiten*, Wikd. 
voi 'friede, sicherheit'; syrj. vittiiny 'auf bewahren, en\'arten*, 
WiCHM. I viffiini 'erwarten', vidiny, Wichm. vict£ni 'sehen; 
beobachten; huten' etc.; dazu auch syrj. vidi 'das fasten', 
wotj. vii, vidi id. | wog. vis 'fasten' 1 ostj. ui, vi6 'fasten', 
Karj. Kas. limi (entlehnungen aus dem syrj. ?) | ung. vigyi 
'vigilare, lucubrare, speculari'. 

fi. pateft 'taugen, tauglich sein, angehen, gelten' | mordM Ahlq. 
py6kan 'taugen', Reg. pe6kan *zu etw. tauglich warden, 
genesen*, E pit&kams *genesen, heilen, gesund warden' 
i syrj. WiED. Ud. potsny '-^ po^y 'moglich sein, konnen', 
Wichm. Ud. pocTinss, sonst poin^ id. | wog. Ahlq. pnB, 
pu6 *ganz, erwachsen, gesund*, Munk. pus, jpiii, ^pgs, pU 
'gesund' | ostjN pu^lem 'konnen', I pudem, pufem 'heben, 
im stande sein, konnen'. 

fi. potea 'dolere, aegrotare' | Ip. buoocat pr. buooam 'aegro- 
tare' | mordM pi6idan 'sich plagen' mordE pi&Uems 'sich 
abmuhen, matt sein, schwach sein, leiden' ?syrj. pofaliiy> 
Wichm. I pofdzon^, Ud. pO(dzavnis, in den ubr. dialekten: 
poiavni od. poialni 'steif, gefiihllos werden, krank warden 
etc. \ ? wog. poseli 'sterben' \ } ostj. posatatem 'sterben*, 
Karj. Kas. p^zais- \ ung. ffij 'schmerzen, weh thun'. 

fi. puutua 'steif, starr werden, das gefiihl verlieren' | ? s>TJ. 
pO{dzoni, poidlni etc. id. Vgl. den vorigen artikel. 

fi. putu 'rudus, quisquiliae, purgamenta' pudistaa 'quassare I. 



Zur finn.-ugr. lautlehre. 229 

dan, mordE Reg. po6adan 'schiitten, zerstreuen', mordE 
Paas. ^pocadoms, mordM ^pocdrams id. mordM ^pocmia, 
mordE ^pocana 'miirbe, locker', mordM po6f, mordE potlit 
'mehl' I tscher. po6kem 'concutere, excutere', B Ramst. pafS- 
ka$ 'schiitteln, rutteln' | syrj. pyi, pyii, pii 'mehl, pulver, 
feilspahne u. dgl.', Wichm. pt£, P piz 'mehl' | vog. ^pasem 
'mehl'. 

Zugleich mogen hier einige belege, die im finnischen feh- 
len, welche aber interessante lautliche eigentiimlichkeiten dar- 
bieten, angefuhrt werden: 

Ip. ucoe 'parvus, exiguus' | tscherO tie, B Ramst. tzi 'klein' ' wotj. 
tiri, +iVi 'wenig', ^ici-menj Hdi-tnen 'junge frau, schwage- 
rin', syrj. Wichm. iftiet 'klein', P U(ti^t id., itS-mon 'junge 
frau' I ? vvog. vii *klein\ 

tscherB Ramst. "^Jca'tse 'wie', O ku;ie, Mze id. | wotj. "^k^l, 
"^kl^l, mzlj -^kUS 'wie\ syrj. Wichm. I, Ud. kuofz, sonst 
k/((f2, lci(dzi id. | ung. hogy(an) id. Ebenso in anderen ahn- 
lichen bildungen. 

Ip. ^oooat 'currere', L ^kudcca- Uaufen, klettern* | mordM kufian 
od. kutian (Paas. kuf^an) 'klettern, steigen', E kuian 'hin- 
aufsteigen, klettern' | tscher. ku6em *ascendere*, O Gen. 
kuzon 'aufsteigen, klettern*, B Ramst. kuza$ id. 

mordE vizkB 'schande', Paas. (Mord. lautl. 30) viiks, visks id. 
tscherO ^wozdlam *sich schamen*, B Ramst. ^^a'zHas *sich 
fiirchten, schiichtern sein' \ wotj. ^vooH, ^vozH 'schande, 
scham*. 

b. Finn, t in intervokalischer stellung = Ip. 6. 

fi. jaadytelia (jaSritella, jatkytella) 'nachahmen (einem zum 
verdruss)' \ Ip. jiev66at 'repetere'. 

*fi. kitna, kitista, kitkua 'stridere' | Ip. gifefcat 'strepere, stridere'. 

fi. nuotio 'strues trabium ardens' \ IpS Lind. nuoteijo (o: nuo66o) id. 

fi. ratista, radata 'crepitare, stridere', kar. ra6ka- id. i Ip. ruo6- 
6at 'strepere, crepare' ^^ md^ket 'crepare'. 

5 



230 E. N. SetAlA. 



fl. rStista, rad&t& concrepare, crepitare', olon. raj&h(itt& 'strepere 
facere' | IpS Lind. r&tjet (o: ill66et) Tragorem edere, tonare'. 

*fl. ryty 'strepitus, tumultus e. c. rixantium' ? Ip. ra66at 'mit et\v. 
(jmd.) streiten od. arbeiten'. 

fi. vaadin g. yaatimen 'drei- od. vierjahrige renntierkuh' IpL 
"^vacau od. Huca 'dreijahrige od. altere renntierkuh', K 
^va^ g. ^vdcclme *junge renntierkuh*. Syrjl valenka < russ. 
BaxeHKa, BancaHRa Venntierkuh', welches jedoch viell. urspr. 
ein lehnwort aus irgendeiner fiugr. sprache (syrj. ?) ist. 

c. Finn, t in postkonsonantischer stellung = 6*. 

fi. ensi g. ennen (ente-) *primus, prior', *enta : ennalla 'im vor- 
aus' etc. I tscher. onSol, ongol, on&ul 'anticus, pars antica, 
O Gen. ^on^ol, B Ramst. an^zal id. i wotj. ^(d, %', «*' 
'vorderteir, syrj. vodi Vorderes, vorderraum* ■ ? ostjN unj^- 
xatl Vorabend eines feiertages' , ? ung. eggy (egy) 'eins'. 

d. Finn, t in postkonsonantischer stellung = Ip. 6 (§). 

fi. kehto Viege', kehtoa *beschutzen\ kiehtoa (kietoa) 'herum- 
gehen, wirbeln, verstricken, fangen' j ? Ip. gak5at od. gafbt 
pr. gav&am 'circumvoluto tegumento velare'. 

fi. nehto 'status rei parum obliquus' od. *declivis' | ? Ip. Ajakiat 
Vecurvari, retrorsum acclinari'. 

fi. kansi (kante-) 'operculum' | IpS kopcose- *decke, deckel', IpN 
gov6a8 g. gokfiasa od. gof&asa 'tegmen, operculum' (mit mh 
Daneben formen mit urspr. mt <^ md: tscher. komdoJ 'oper- 
culum', mord. kundo, kunda 'deckel', IpK ^kUmte 'aussere 
flache', koamtalas 'deckel'. 

fi. kontio 'ursus' | IpK Wmc, IpN gaov66a id. (mit mi). 



Zur finn.-ugr. lautlehre. 231 



e. Finn, t (tk) im silbenauslaut = 62. 

fi. katkera 'acer, amarus', kar. ks6kera id. | Ip. guoooa 'pu- 
tridus' K Wee 'sauer (z. b. fisch)' j tscher. ko&o, B kajia *ama- 
rus', B Ramst. ka'fia 'bitter' /^ tscherO Gen. koSko *sauer', 
ko^lcem 'sauer werden', B kaSkem id. \ wotj. ^ku^al^ kuial 
'bitter', ^hu^\rds 'sauere (milch)', Wichm. kui-turfm 'sauer- 
ampfer', syrj. vSl-kudi-turyn 'kleiner sauerampfer' (wahrsch. 
volksetymologisch mit kadi 'urin' verbunden). Daneben fi. 
kitkeri 'bitter', vgl. ung. keserii 'amarus, acerbus*, wog. 
^kwoiirtaxt' 'einen herben, bitteren geschmack haben' etc. 

fi. rytk&ta, rytkyttaa 'rutteln' | tscherO ^rudkalem 'schutteln* -^ 
rtiiemj riizem etc. id. Vgl. auch oben p. 230 ryty. 

fi. vatkata *werfen, schmeissen' | mordM vadkedan *schlagen*, 
E vat&kams 'packen' etc. tscher. Troick. wa6kalt- 'mit der 
hand schlagen* | syrj. Wichm. vafSkin^ 'schlagen, prtigeln'. 

\pK "^pUeka-, ^pu^cke- 'furzen', N buoskot id. | wotj. ^p'ickiik' 
'schwer scheissen', Isl. J p$f'ikiSksnt) Wichm. U, M pf^kii- 
ktni, pi^kUkini id. 

e. Finn, a in intervokalischer, bezw. in postkonsonantischer 

stellung = 6^. 

fi. iso 'gross' ! mordM Paas. o6u 'gross'. Dazu wohl auch fi, 
i8& 'vater', tscherO iirt, B Ramst. ^zd 'der altere bruder, 
onkel, vatersbruder, alterer bruder' (? Ip. a66e 'vater', oder = 
wot. did 'vater'?). 

*fi. pusertaa 'drucken, auswinden* \ tscher. pizirem, "^pizoretn, 
pizrein, ^pUzrenij O Gen. ^pizorein, ^poz^rem etc., B Ramst. 
'^PQZ{ird§ 'drucken, zwingen', ^p(iz(irtd§ 'driicken, pressen, kel- 
tem* ' wotj. ^p^oht, ^pU)rt 'auswinden, auspressen', syrj. 
pydzyrtny 'auspressen, ausdriicken', Wichm. I piidiirtni, 
V, S, L pi(diirtni, P pi((fzirtnj id., OP ^pi^&rt- id. ^ syrj. 
pytikyny, Wichm. piUkhii, P pif.Wni 'driicken, pressen', 
OP ^pidkerU 'auspressen' wog. ^(il-jpdSerti 'auswinden* '-^ 
pi§kerti id. | ostjN pa^erttem 'driicken', I pefrem, pek'rem 
'auswinden (wasser aus den kleidern)', Karj. Kas. p(i^9rt'', 
D pdddrU^ Kond. pdfdrU ung. flBkcsami 'obtorquere, premere*. 



232 E. N. SetAlX. 



fi. B&aksi' *milvus*, kala-s. 'pandion haliaetus' | Ip. 6ief6a Yalo* 
haliaetus' syrj. t&iktdi - ? fSikisi (vgl. syrj. nokf^im, vgl 
folg. wort) *mowe' ('larus') | vvog. sivfis 'mowe' i ostjX ejus 
'adler', I sives 'fischadler', ? ung. sas 'adier'. Das S}TJ. wort 
ist leider von Wichmann nicht belegt. 

Ip. i^aoy6a g. DJuok6ama 1. i^uofiama Uingua' tscher. nosmo 
*branchia (piscis)* | syrj. £dkt&im 'kiemen (der fische)', Wichm. 
Aokfiirnj n§ktHm \ wog. ^naxsiin, ^mx&^n id. j ostjN ioxsym, 
I liaxsem, ^anxsem id. 

Von den fallen, in welchen eine verbindung mit vorher- 
gehendem nasal vorgekommen, mogen hier zwei worter, von 
denen das eine im finnischen nicht belegt ist, erwahnt werden: 

wotj. Wichm. S vad*ier, in den ubr. dial, ffoier, va£er 'hauer, 
hauzahn', syrj. Wied. vodzir (o: vocTiir, bei Wichmann nicht 
belegt) id. wog. '^an,ier, diUer id. | ostj. Karj. Kas gi'dd/ 
'hauzahn eines baren' | ung. agyar 'hauzahn', agyarkodik 
*die zahne fletschen' ^-' aosarkodik 'in der wut mit den zah- 
nen knirschen' etc. (MTSz.). Dazu wohl auch tscher. aier, 
O ^aior, B dzr 'zange*. 

fi. lamsa 'wurfschlinge, lasso* | IpK ^larrt'-a 'ziigel, zaum (au:? 
einem seile)*, N lav66e *habena' | syrj. lets, Wichm. W^ 
'schlinge, dohne' | wog. Ahlq. Tea 'schlinge', Munk. fo 
'jagerschlinge* ' ostjN \jk 'schlinge (um vogel zu fangen)'. 

Uberhaupt ist es aber in fallen, in denen urspr. eine ver- 
bindung mit nasal im inlaut vorgekommen ist, vorlaufig ofi 
schwer oder unmoglich zu entscheiden, ob man von einem n6 
od. ii& auszugehen hat, weil das klusile element auch spater 
eingeschoben worden sein kann (vgl. das kap. uber die fiugr. 
8-laute, B). 

f. Finn, s im silbenauslaut = 6*. 



Zur finn.-ugr. lautlehre. 233 

'strepere, tumultuari, cum fragore concutere' '^ ryty, rytistS, 
foben p. 230 u. 231). 



3. Falle, in denen die scheidung zwischen 6^ und 6^ 
vorlaufig nicht mit sicherheit ausfiihrbar ist. ^ 

a. Finn, t in intervokalischer stellung = Ip. c. 

? fi. itaa germinare' ; Ip. aooet 'intumescere', K ^ttiCce *steigen\ 

ti. jyty 'crepitus* \ Ip. juoca g. juca 'strepitus, mugitus*. 

ti. lotfgaa inf. lodata 'strepere, crepere' Ip. loaooat 'crepitare'. 

fi. mata 'putridus, putris' | IpS msecoa 'puter'; IpN mieskas 
'puter*, IpS Lind. m&tska od. maska 'putridus*, L mes'ka- 
'schwach, faui, verdorben*. 

ti. viti 'nix recens tenuis' | Ip. vacca id. 

b. Finn, tt (teilw. neben t) in intervokalischer stellung = 6. 

*? fi. hate g. hetteen 'fons' | Ip. 6aoce 'aqua'. 

fi. mettinen 'waldtaube' | mordE met&a 'taube'. 

fi. puuttua 'deesse, deficere', est. puud 'mangel', kar. puudu- 
'ende neiimen' | tscher. pa6em 'decrescere, deficere, minui', 
O Gen. '^pu6em id. 1 ung. fogyni 'decrescere, consumi', Vgl. 
puutua p. 228. 

c. Finn, t in postkonsonantischer stellung = 6. 

t\. lansi g. lannen, lanne g. lanteen etc. 'niederung', est. laa£ 
g. laane *dichter laubwald auf feuchtem boden' | wotj. ^la^dg, 
Umikj WicHM. G lazeg, Isl. J la(fseg 'seicht, untief v. fluss- 



^ Die scheidung zwischen 6^ und 6^ ist nicht mit sicherheit 
ausfiihrbar, entweder: i) weil die belege in zu wenigen sprachen 
vorkommen und zwar in solchen, welche nicht auschlaggebend 
sind; oder: 2) weil die lautverhilltnisse der belege in den verschie- 
denen sprachen einander sehr widerstreiten. 



234 E. N. SetAlA. 



wasser, furt, wate, untiefe, seichter grund', "^la^mh 'seicht 
werden', syrj. lafoiyd, Wichm. laimtd 'untief, seicht', lai- 
myny *seicht werden'. 

d. Finn t (tk) im silbenauslaut = 6. 

fi. j&tkSl 'arbeiter', dial. (Juva:) grosser, trager kerl' (snnrimie- 
hen j.), (Orimattila:) 'kiumpiger kerl*, ^ jatkale 'ein dickes, 
trages, klumpiges wesen' (rengin j., sonnin j.) \ mordM e6ka 
'dick\ E atSke 'dick, grob\ 



fi. kitkea 'excerpere, avellere' | Ip. gasket *carpere, decerpere' 
mordM koikan 'sammein, unkraut ausjaten', E kotAkoms 
'picken, ausreissen, jaten'. 

fi. kotka *aquila' | IpK '^klockenif N goaskem id. | mordE kuU- 
kan, kut&kan id. M Reg. kutskan id., Ahlqv. kataka 'rei- 
her' [ tscher. kutkui, kuikai, B Ramst. ^IcufSkaz *aquila 
wotj. +i/c id. (J nach Islentjev i/^), syrj. kutA, kutii id. 
(nach WicHMANN in den von ihm untersuchten dialekten mit 
t{'j dagegen Rog. kuc). 

fi. natkin, natka etc. 'lathyrus pratensis' I Ip. igsacek 'herba loca 
pauium edita in paludibus tegens*. 

fi. . netka Mncurvatus, inflexus* \ IpK Hieckas, '^nhckaz 'der 
markreiche tarsusknochen am hinterbeine' | mordM nuika 
'ohr, knoten\ Vgi. fi. notko. 

*fi. notko 'flexura, locus demissus inter montes*, est. notk 'sen- 
kung, niederung', estS notsk id. i Ip. "^nUcke od. niede etc. 
'thai*, N njoaske Tauces' | syrj. Wrco. 606 'schlucht, thai' ^ 
WiED. Aodi 'stadtgraben', wotj. Wichm. noz 'niederung, kleine 
vertiefung'. Dazu fi. notka 'biegung' etc., Ip. adv. njoaskot 
'oblique', vbum njoaskot 'dependere velut vestes utrobique 
ex funiculo'. Vgl. mordM nu6ka 'ohr, knoten', vgl. unten 



^1 TTT.^.v** mlHI 



^i 



Zur finn.-ugr. lautlehre. 235 



fi. nytkia Ueviter vellicare, ferire* | Ip. njaskot 'stringere, abra- 
dere', S pjasket *deglubere' | syrj. /lefSkini (Saw., Rog.), 
WicHM. iiberall net^hini Veissen, rupfen' | ostjl Patk. ^noceni 
'Ziehen, zupfen' ^^ Castr. S no£em, liaoim id., Karj. ligf- \ 
ung. nyes Trondare, truncare'. Viell. vertritt ung. nyfi, nyo 
'ausraufen, ausrupfen' eine klirzere stammform ohne k. 

*fi. patka 'stumpf, endchen' | Ip. bie&a g. bie&&am *cauda (cervi, 
caprae, quibus curta est cauda)* | Ip. bsBoek 'cauda piscis'. 
Vgl. auch oben p. 225 unter ponsi. 

*fi. potka 'genu bourn' | IpK "^plctass 'wade', N boaske 'pars 
cruris inferior', S paske 'ferse'. Formen ohne k: wotj. ^p)^cis, 
WicHM. pi(dies 'knie', syrj. pidi^os (Wichmann*s belege in 
alien dialekten mit efi). 

*fi. pntki 'rohre', est. put'k, estS pfitsk id., putkahtaa 'erumpere 
ut spica ex vagina' { Ip. bosks (auch botka) 'angelica ar- 
changelica', L poBko id. | mordM Reg. poika 'heracleum 
sibiricum' E potika, pot&ka 'rohre, spule', '^pockodems 'her- 
vorspriessen' | tscher. pu6, po6 'fistula', O Gen. "^puS 'Sten- 
gel, rohrpfeife*, B Ramst. pafS 'Stengel, rohr* | wotj. '^'pud'i, 
"^puci 'knospe, auge, unentwickeltes palmkatzchen', Wichm. 
U pufSf, M pufSiy J IsL. pufi^, Dazu Ip. bocce 'cavum 
ossiculum, ex quo bibitur', L ^podcco 'rohr', N boccidet 
'germinare, gemmare', L '^poociie- 'griinen'; viell. auch ung. 
fig 'stirps, genus'. 

fi. totku 'purgamentum piscium' I Ip. duosks (^ duodka, dutka) 
'cibus semicoctus in intestinis'. 

IpK "^kacko-y kocke- 'ertrinken' | tscher. "^kodk- 'sterben'. 



e. Finn, h im silbenauslaut =: 6. 

*fi. puhkean 'perforatum fieri, progerminare, puUulare' Ip. boska- 
det 'pungere* | tscherO Gen. '^piiskfdam *stechen\ B Ramst. 
^paSkakiS 'beissen, stechen* wotj. Wfdk-j ^bi^k-y ^b^^k- 'ste- 
chen*, syrj. bytalkyny, Wichm. I bifskjnf) aber sonst bilfkini 
id. Vgl. jeddch auch putkahtaa unter putki. 



236 E. N. SetAlA. 



fi. pihlflja, estS pihl g. pihla etc. 'sorbus aucuparia' ' mordM 
pizeU pizSly E piael 'vogelbeerbaum' | tscherO Gen. phfe^ 
pizle 'eberesche', ^ptzilme, pozolmo, B Ramst. ^p§s§lm§ die 
eberkirsche' wog. paidr, ^pS^&r, piSdr 'vogelbeerbaum', Ahlq, 
pa&er-9 pUser-, pasar-jiv 'eberesche, vogelbeerbaum' ostjX 
pa^ar *beere der eberesche', paiku*-jtix 'eberesche*, I pedar» 
peg'ar, Karj. Kas. pqidr, D p9d'dr \ ung. fagyal, volksspr. 
fagyo-fe, fogyor-fo 'ligustrum vulgare, hartriegel*. Was hier 
fur ein urspr. 6 (und nicht fiir einen s-laut) spricht, sind haupt- 
sachlich die tscher. formen, denn hier ware ja sonst ein S- 
laut zu erwarten (vgl. unten). Dafur waren auch die wotj.- 
syrj. formen geltend zu machen: wotj. Wichm. pales, palez, 
paueZj M pale(f£ 'vogelbeere, spierlingsbeere, eberesche*, syij. 
V, PeC, S, L pelis, Rog. ^ peliifz, pevidi 'vogelbeere*, wenn 
sie mit den obengenannten wortem zusammengestellt werden 
dtirften; die wotj.-syrj. worter waren in diesem fall als meta- 
thetische formen « 61) zu betrachten. Die letztgenannten 
worter sind jedoch sehr stark der entlehnung aus den turk. 
sprachen (zunachst tschuv. pile&, vgl. Kaz. tat. milfid etc.) 
verdachtig. 

*fi. kehra, ketrH spondylus coli', est. kedrama spinnen', dial. 
kehr, kehrama, kar. kezri, weps. Kezr \ mordM kiStir, k&tsr 
'spindel', E It&ere id., Paas. (Mord. lautl. 54) MHf, E +lcffe id. 
tscherO, W '^Siidor, B ^ddar etc. spindel*, O ^^fid^rem, Siidrem 
etc. spinnen' | wotj. ^cers, "^dirs 'spindel', syrj. Wied. tsdrs, 
Wichm. f^ers id. Bei dem finn. wort kehra, ketxa ist man 
(auch ich) gewohnlich von einem str ausgegangen; es fallt 
jedoch schwer bei dieser auffassung die mord. und wotj.-syij. 
worter mit dem finn. lautlich zusammenzubringen, vgl. unten. 

*^, vehna weizen* | mord. vi6, Paas. vi^, M auch 6i^d spelt' 
tscher. ^tviste, Gen. (iiSte, B Ramst. fiiste id. ' ? wotj. 
+tY/o, "^vas, vai, hvaz *spelt, dinkel' j ? ostjN vai 'eng, 
schmal, dunn, fein^ I vali id., N vai-lant 'hafer', I Patk. 
vai-tant id. Fiir einen 6-laut sprechen: 1) die tscher. formen 
mit Sj s (statt 6', wie jedoch im tscherB); 2) die wotj. form, 
wenn sie hierhergehort, was aber schon hinsichtlich der be- 
deutung sehr nahe liegt. 



Zur finn.-ugr. lautlehre. 237 



Ahnliche lautliche eigentiimlichkeiten wie das obige wort 
zeigt ein wort, welches im finn. nicht existiert: 

wotj. ^Jci^n% ^Iciinl niesen' | mordE ke&Aams id. I Ip. gastet, 
L iasne-, K ^hc0nej k9$ne- id. 

f. Finn, s im silbenauslaut = 6. 

*fi. nuoska *subhumidus' | IpK +//?ci, +/mcl 'feucht, rob', Ipl 
rguoskas Yob', IpN i^aoska 'humidus, rudus' i mordM iia6ka 
feucht*, E nat^ko id. | tscher. noiko, O Gen. ^nodko, B 
Ramst. ^nafSka *bumidus, madidus*. Vgl. auch fi. nahkea. 

Vgl. auch fi. jyskaa, jyskatS, jyaki^ 'fragorem ciere quas- 
sando 1. contundendo' '^ jyty, jydata (oben p. 233). 



B. Anlaut. 

1. Belege fiir i'. 

a. Finn, h = 6^. 

fi. hakata : hakata kiinni 'angreifen*, est. hakkama anhaften, 
ergreifen, anbeissen, anfangen', liv. akk9 anfassen, ergrei- 
fen' I syrj. Wichm. t^apkini 'anfassen, ergreifen*. Fi. hakata 
Vi tundere, caedere* ist vielleicht durch vermischung mit 
einem anderen wort (welches mit 6^ anlautete) entstanden: Ip. 
cuovkkot Yrangere*, cuovkkanet *dissolvi, frangi, dirumpi' | 
mordM '^fakmns 'stampfen', E skams, ^cukanis id. | wotj. 
^capB' 'schlagen, zuschlagen, hinschlagen*, syrj. Wichm. 
t&apklni *werfen, schlagen* | ung. osapni schlagen, hauen*. 

fi. hanki 'mit eiskruste tiberzogene schneemasse' | Ip. cuoi|o g. 
cngnu od. cuo-qo 'crusta nivis'. 

fi. hant^ siehe oben p. 224; wegen des sudostj. t^ (in UdntS) 
ist hier auch ein anlautendes 6^ anzunehmen. 

? fi. haka, h&ky 'nidor ingratus, nidor fumi 1. prunarum' ? Ip. 
ciekke 'aer crassur, pluvia tenuis, quam sol transfulget* | 
wotj. MuNK. ^b}fj^ ^cerj, ^set^j '^^Itjj ^clri 'rauch*, Wichm. uber- 



238 E. N. SetAlA. 



all Wil (G auch ^/n) id., syrj. tAyn, Wichm. ^$m id. wog. 
Ahlq. seif)k, ^azuv 'nebeP, Munk. ^sei^x^ 'nebeP, ^st^hc 
'dunst' ! ? ostjN 6aT|k *hitze', I fienk 'hitze' (beachte auch N 
sy, 6yv 'nebel, staub'). Zum lautl. verhaltnis des fi. k zu 
T| zu vergleichen : fi. hakea 'suchen' '^ tscher. Troick. iaT)ai 
'durchsuchen' (analogisch). 

b. Finn, s = wahrsch. urspr. 6^. 

? fi. sonkia Viihlen' etc., est. songima, estS tsungma, tsongm* 
id. I IpK ^corjkU einstecken', N ooggat 'stipare, intrudere' 
} tscherO Sfifjgem '(mit dem schnabel) picken, beissen (von 
der schlange)*, B Ramst. fhfjgcL^ *picken, stechen*. 

fi. sonsar, weps. son^zar, liv. siszar « *sefi$dr) *floh' wog. 
Ahlq. sons, Munk. stinSj "^sons, hiS, "^Sos id. , ostjl feuni, 
hxmb id., N hxmh id. (hier auch inl. 6 vorauszusetzen). 

? fi. sorsa, suorsa 'ente', est. sortsas, soorsk, soosk id. ; wotj. 
^Soi, doZy Wichm. t$e3 id., syrj. Wied. tk6i id., Wichm. Ud. 
^ei, S fSe^ id. | wog. Ahlq. sys *anas boschas' ostjl 608, 
S 6a6 *marzente (anas boschas)'. 

fi. suitsea 'dampfen' | Ip. coicestet 'fumare' | ? wotj. ^fuf- '\v> 
schen, abwischen', vgl. syrj. tiyftkyny 'fegen', I t$/ikmij\^ 
S, Pe?., L, P t&i^hjnij wotj. ^uz- id. 

fi. syttya 'accendi' etc. | Ipl cakkid 'anzunden*, N cakkat pr. 
cagam *leviter flagrare' | tscher. 6uktem, 6uktem *accendere" 
(O mit ^), B Ramst. mihta.^ id. 

c. Im finn. nicht belegt. 
Es mag nur ein beispiel angefiihrt werden: 

Ip. coakcot pr. coavcom 'consistere pedibus posse, gradum 
posse fir mare* | wotj. tfli-, tc<?:- 'mit dem fusse stossen. 



.A.'.A^ 1 ) ^: Tir.^^ ▲.M^vmv. 



Zur finn.-^5L ^^^tlehre. 



239 



schlagen', Munk. ^safixwij ^^^^X^clsi, ^^mghasi etc. 'stossen' | 
ostjl ^cofixom (0: ^-) *mit den fusse stossen, die wiege mit 
dem fusse schaukeln*, augm. ^corjxsem, N &OT)&lem, &oT)&e- 
matem 'mit dem fusse stossen, ausschlagen', &aT)ga^lem 
'hinten ausschlagen*. 

2. Belege fur 6*^. 

a. Finn, s = 6*^. 

? ii. salama 'fulgur', ? salo : p&ivan salo Uux oriens ad horizon- 
tem' ? tscher. 6olguiam 'splendere, fulgere*, Porkk. Holyoz- 
'glanzen' | wotj. ^cit 'glanzend, schimmernd*, ^citakjal-j ^ci- 
likjal- 'glanzen, leuchten; blitzen*, ^citikjan 'blitz*, Wied. 
^defekjany etc. 'blitzen, glanzen' etc. | wog. Ahlq. sail 'blit- 
zen', seli, syli id., Reg.-Bud. L sal *blitzen' | ostj. PAp. 
^satenirtot 'blitz* j ? ung. csillag 'micare, coruscare'. Ein 
verschiedenes wort ist wohl wog. ^sultem 'funke', ostjN 
iuYtym 'funke', iulilem 'glanzen, schimmern', I iuttetnj Sfdtem 
'glimmende kohle' (vgl. tscher. 60I 'gllihendes feuer, kohle', 
tiirk. ?). 

fi. slUlksi 'miivus*, Ip. 6ief6a, syrj. t6ikt6i, wog. siviis, ostj. sives, 
syus, ?ung. sas, siehe oben p. 232. 

fi. silkka *iauter, rein' | ? wotj. ^dllkak 'im ganzen, rein', ^cUkU, 
^dilkU 'rein, hlibsch, nett' | wog. 6ali 'dlinn, fliissig*, Munk. 
Sali 'fein' | ostj. sela, eel 'diinn, fliissig, rein, weiss', I iele 
'diinn', Karj. Kas. sel, D teh, Trj. feldx 'lauter, rein\ 

fi. sirkka 'grille, heuschrecke' ! syrj. lAirk, Wichm. fsirk id. I 
mordE tBirkun (0: fS-?) id. 

fi. somii 'stier, bull', est. sonA id., auch: 'hengstfiillen, widder' 
wotj. "^cunl 'fiillen', syrj. Wied. tsaA, tia6, Wichm. in alien 
dial, fid^ id. 



240 E. N. SetAlA. 



fi. suukko 'osculum* IpK ^culcle- 'kiissen', N cuvkket id. 
wotj. G, U t4upy J, M f.iup *kuss', syrj. fsup 'schmatz', f.^up- 
kednj 'schmatzen, kiissen* | ung. csok *osculum*. 

*fi. syyia 'warze\ liv. sii^^l id. ip. iivUe, iivhle *pustula, varus' 
mordE sildeje, Reg. sildej, M Reg. oilgft, Ahlq. &ilga *vvarze' 
tscher. degele etc. Verruca' ' ung. stlly, sfil Teigwarze, 
skorbut'. 

estS tsafkma 'stechen', tsurkama 'ein mal stechen* | Ip. 6oTgge 
'apex' I syrj. t^urk 'hiigel, anhohe', Wichm. fmrk, 

b. Im linn, nicht belegt. 

Ip. iierrot 'flere, deflere' | wotj. ^I^erakt-y ^cerdkU etc. 'auf- 
schreien' i tscherO ^soroJctam 'weinen', B ^araktam id. mordM 
seran *schreien', E seerems 'brtillen, schreien' (wohl mit s-) 
? ung. sir *\veinen'. 

Ip. 6uk6a g. 6uv6a 'auerhahn* Ctetrao urogallus') syrj. Wied. 
t6ukt6i, tiuktAi id., Wichm. t^ukfH id. | tscherO Gen. sujio, 
$11 20, W Troick. subuzo, Bud. suzo, B Ramst. swza id. 
(beachte das anl. a, nicht h) mordM Reg. suvesi, Ahlq. 
suvzi, E Reg. savozca id. (beachte das anl. s, vgl. unten) * 
^ wotj. dukt'a, duJcja Wichm. U dugifa, sonst dukja (durch 
dissimilation entstandene formen, vgl. unten). 

syrj. Wied. tsSs, tSds, Wichm. f,^es{k-) 'schlinge, dohne, falle' 
ostjl Sisa, stse *falle fur hasen und andere tiere*, N ses *falle 
(um tiere zu fan gen)'. 



3. Die scheidung zwischen urspr. 6^ od. 6* unsicher. 

a. Finn, s r= 6. 
fi. sammakko Trosch' IpK ^clomhaj, N cuobo g. cnbbu id. 
f\. sataa, IpS 6uoccet, mordM ia6an, E t^atioms, tscher. 6o6ain, 



1 Die tscher. formen mit j, b (r= p^?), mord. v gehen zu- 
nilchst auf cine schwache stufe mit y ('^' k) zurQck. 



Zur finn.-ugr. lautlehre. 241 



"^so^am, syrjl ^-wiwj, Ud. t^uinis, V, S, L, P fhizniy wotj. 
t^i^i'j ostj. D Ua^fs, Kas. ^u^i, siehe oben p. 222. 

fi. selA patruus', Ip. iaecce, mord. ^cic^, tscher. fitifci, wotj. 
'*"cat^, +^wi, syrj. V, S, L fSozy Ud., UV f^oi etc. siehe oben 
p. 222. 

? fi sin^ota 'exsilire, evolare' ; Ip. caggat *distendere\ 

? liv. sipa^ 'tropfen', estS tBipakene ein klein wenig, bischen' 
IpK ^cahpa- ,traufeln* | tscher. 6ewem *stillare* ung. csepp 
'gutta, stilla'. Vgl. auch, fi. tippa. 

b. Finn, nicht belegt. 

Ip. oaicoe *qui mobilis fervidique ingenii est | syrj. Wied. t6oi, 
WicHM. iiberall f&oz lebhaft, flink, munter'. 

wotj. ^uzjem, "^duijem *malz*, syrj. Wichm. Ud. ^fwf, V, S, L, 
P t&uz id. I tscher. Soft 'gerste' | mordM fiui, E tSui, hui id. 

Falle, die in den permischen sprachen ein anlautendes dp 
(wie syrj. diydft, Wichm. rfi/rfi *sperling* = fi. tiiti 'haussper- 
ling*, Ip. cicoe 'passer, avicula', ostj. ^ciS-voje 'spatz') od. rAi (wie 
wotj. "^slrl 'angel, tlirangeP, syrj. dzir, Wichm. cfiiir 'hange, 
tiirhange, tiirangeP > ostjN seri, siri, I Her, Hera, ^Jcer, '^kera 
'turangeP = fi. sarana 'tiirangeP, syrj. cfzo^ffzuv, fSo((f£ul, tscherO 
sofi^aU S W ^§etjSah, wog. ^sossel, ostjl sast, S sasal *eidechse* 
= fi. sisilisko id., vgl. unten) zeigen, lasse ich diesmal beiseite. 



Die belege konnten stark vermehrt werden, besonders, 
wenn man auch eine grossere anzahl von wortem, die im fin- 
nischen nicht belegt sind, mitnehmen woUte. Die angeflihrten 
sind jedoch fiir unseren diesmaligen hauptzweck gentigend. 



^ Beachte das tscher. s! 



242 E. N. SetAlA. 



Uber die resultate dieser zusammenstellungen fasse ich 
mich diesmal ganz kurz, indem ich nur einige wichtigere punkte 
hervorhebe und mir die nahere beweisftihrung an einem ande- 
ren orte vorbehalte. 

1. In den meisten angefiihrten finnischen belegen haben 
wir ein t gegeniiber den affrikaten und sibilanten der ubrigen 
sprachen gefunden. Die gewohnlichsten und wichtigsten ver- 
tretungen sind die folgenden: 

1) in intervokalischer stellung: 

fi. Ip. mord. tscher.^ wotj.-syrj.^ wog. ostj.' ung. 

"" 2.66^6 2.6 ° 2.i,£fi(«) ^'^ 2. i,i, I /;<f ^'^ 

2) in postkonsonantischer stellung: 

fi. Ip. mord. tscher. 1 wotj.-syij. wog. ostj.^ ung. 

^' ^2.SS~S ^ ^'* 2.^i,i ^•^2.iSi ^^"^ 
2. v66/-wv6,Km6 

3) im silbenauslaut: 

fi. Ip. mord. tscher.i wotj.-syrj.* ung. 

^, 1. flk,Kck 1. 6k ., 1. t^k , ^ 

^ 2.ik* 2.6k *^ 2.m ^(^^^^ 



1 Genauere phonetische angaben Qber den lautwert der tsche- 
remissischen 6-laute hat man aus dem ost- und bergtscheremissi- 
schen. Cber das osttscheremissische sagt Genetz (JSFOu. 
VII, vorwort): >c und 3 sind alveolar e oder beinahe cacuminale 
afFricatae, die mit aufw^rts gebogener zungenspitze erzeugt werden, 
jenes == ^ -|- ^» dieses d -(- i ohne spur von mollirung; 6 und f 
sind dagegen moUirte den tale, etwa t + ^und^-j-i>. Im berg- 
tscheremissischen dagegen hat man nach Ramstedt tlberall ein 
tL Man hat also im tscherO zwei verschiedene hauptarten der ver- 
tretung: 



Zur finn.-ugr. lautlehre. 243 



Auch ein nur fliichtiger blick auf die sonstigen entspre- 

chungen des fi. t ^^ d zeigt, dass die lautvertretung in diesen 

fallen von der oben dargestellten grundverschieden ist (vgl. fi. 

kota, Ip. goatte, mord. kad, kudo, tscher. kudo, kuda, wotj.- 

syij. -ka, -ko, ostj. xot etc. ung. haz; — fi. pato, Ip. buoddo, 

ostj . pel, ung. ftil; — fi. kaksi ---^ kahte-, Ip. gudkte, mord. kafta, 

Itavto, wotj.-syrj. kyk(t-), wog. kit etc., ostj. kat etc., ung. ket, 

IsLGVtii; — fi. kantaa, Ip. gUdddet, md. kandan, tscher. koudem, 

wog. sunt ('biirde'), .?ostj. zoutlem; fi. tuntea, Ip. dovddat, K 

^tomte-y wotj. todyny, syrj. tddny, ung. tudni). Auch fur das 

fi. tk finden wir in anderen fallen von der oben dargestellten 

ganz abweichende entsprechungen. Beispiele: 

1) fi. tk = IpK tk, N tk, L rk, mord. tk, wotj.-syrj. tk, k, ung. t: 

fi. jatkaa 'coagmentare' | Ip. joatket 'adjectione prolongare*, L 
jor*lca- *angestucktes, angenahtes stiick* | mordM jotka *zwi- 
schenraum', E jutko id. ; ? wotj. yotJch 'reichen, sich aus- 
strecken*, ? syrj. jStkyny 'stossen, schieben'. 

li. katkyt 'wiege', Ip. gietka g. gietkam id., L Icer^Jcarne- id. 
wotj. kdky 'schaukeP, nuny-k. 'wiege'. 



z, z iitfz ik 

Beispiele: ^pede = fi. piha (p. 223), ^piin^o = fi. pet^a 

(p. 222), "^pedkem = fi. pytkia (p. 226), Jcu%edam = fi. katkata 
(p. 226); — '^mdkalem (frequ.) 'schtttteln' ^^ ruzeni id. = fi. ryt- 
kytta& Cp. 231), ^piiorem = fi. pusertaa (p. 231), '^oii^^l = fi. 
ente- (p. 230), koSko = fi. katkera (p. 231). 

2 Nach Wichmann's angaben giebt es im syrjanischen i) die 
kakuminalen verbindungen t^- und (?i; 2) die mouillierten ver- 
bindungen /.s und dz, aber kein fS; im wotjakischen hinwieder: i) 
t^ und 4^; 2) fS (in den dialekten von Glazov und Ufa jedoch f§) 
und fl^'i. 

^ Die zweiteilung im ostjakischen grtindet sich auf das inte- 
ressante material, welches ich von mag. phil. K. F. Karjalainen 
erhalten habe. Wegen seiner abwesenheit von Helsingfors habe 
ich leider nur ein en teil von fallen bei ihm belegen kOnnen. 

* In radibket, p. 229. 



244 E- N. SetAlA. 



*liv. iukki (wurde einem fi. ^katJdainen entsprechen) 'insekt, 
kafer*, IpK kotk 'ameise', N gotka, L kor^ko id. mordE 
kotkodov id. " tscher. katka, katko, B Ramst. ^katka^ ? ^k^dh* 
id. syrj. kot 'kleine schwarze ameise', kod^nl-kot 'ameise', 
wotj. kut 'fliege'. 

fi. potkea 'netze stellen' j IpK putke- 'werfen (netze)'; kann 
dem fi. entlehnt sein. 

fi. ratketa 'dissui* IpK ^raJJce- *trennen*, N ratket id., L rar";>ka- 
od. rar^dke- *eine renntierherde auf die resp. besitzer ver- 
teilen'. 

fi. lakata pr. lakkaan 'aufhoren' mord. lotkan id. 

fi. petkel 'stampfeisen' mord. petkel, petkel *morserkeule, 
stosseP. 

est. totkes g. totke 'schleie (cyprinus tinea)' (dasselbe wort 
wohl auch in dem finl. ortsnamen Totkyarvi) mordM 
tntka id. 

fi. vatkuttaa od. vatkata *walken, reiben* \ mord. vatkan 'reis- 
sen, abziehen' etc. 

fi. kytkea *numella ligare' | wotj. kytkyny 'anschirren' wog. 
^k^U *binden* | ung. kotni Uigare'. Im tscher. kommt in 
diesem falle abweichend 6k, ok vor: ke6kem 'curru jungere', 
O Gen. ^kidkem *anschirren', B Ramst. katskdS id. 

2) fi. tk, Ip. dg, dk, mord. Ig (rg), wotj.-syrj. 1 (O etc. 

fi. sotka Tuligula clangula' | Ip. 6oadge, L ^cor^ke id. | mordM 
Ahlq. 6ulga *taucher (colymbus arcticus)', Paas. M itUga, E 
iulgo id. (Mord. lautl. 29) ' wotj. Wichm. G &uli : pestro -i 
*grauer taucher', Sed L 'schwarzer taucher*, syrj. Wichm. 
Ud. iuv : SuV'fyeh 'taucher', S Std-fS^S, hdt-tse^, L hMa 
'eine ente\ Wied. ^ulka (^uvka), iiil(8av)-£s5£ 'schell- 
ente (glaucion clangula)'. Wahrscheinlich ist damit zusam- 
menzustellen : wog. '^soC 'anas erica' | tscher. Troick. hoy* 
Ola Soj 'taucherente' ('mergus albellus') | ostjN soi 'taucher 
(vogel)', I soi, S sai 'quakerente' ('anas clangula'), PAp. 
^saj id. Nach dem wotj.-syrj. 1 ware nicht ein wog. r, ostj. 



Zur finn.-ugr. lautlehre. 245 

j zu erwarten; die beispiele der vertretung des Ip. dg in 
anderen fiugr. sprachen sind jedoch vorlaufig so gering an 
zahl, dass es schwer falit etwas bestimmtes dariiber zu sagen 
(vgl. Ip. biedganet 'dispergi' ^^ ? wotj. pU- *zerspalten, zer- 
hauen, zertrennen', syrj. perny *splittem*). 

fi. tntkain 'cuspis' etc. I Ip. du^om 'gemma betulae', L turJcume' 
'knospe (an baumen)*. 

Es ist also kiar, dass wir es in den frtiher angefiihrten bele- 
gen mit einer ganz anderen vertretung des finn. t als in den 
zuletzt erwahnten fallen zu thun haben und dass wir folglich 
hier auch einen ganz anderen urlaut vorauszusetzen haben. 
Dass dieser urlaut nicht ein blosser verschlusslaut gewesen 
sein kann, geht daraus hervor, dass sein vertreter in den 
meisten fiugr. sprachen (mit ausnahme des fi. ^ und ung. 2) als 
affricata („assibilata") oder sibilant erscheint; am besten erklart 
sich die verschiedenheit in der vertretung, wenn man eine 
affricata auch als urlaut annimmt. 

2. Auf grund der oben angefuhrten belege ist es auch 
klar, dass man nicht von einer, sondern von zwei verschiede- 
nen affricaten auszugehen hat. Am besten hat sich diese zwei- 
teilung im syrjanischen und wotjakischen {0 ^^ tS, d:B, z ^^ rfi, i), 
sowie im ostjakischen und osttscheremissischen (siehe oben p. 
242) erhalten, aber man hat auch in d^ meisten librigen spra- 
chen davon spuren (Ip. c '^ 6, mord. 6 ^^ fi, bisw. ft '^ i, 
tscherB bisw. 6 '^ z 3, auch fi. h -^ s, vgl. unten), obgleich die 
verhaltnisse teils durch spatere entwicklungen, teils durch un- 
genaue bezeichnung stark verwischt worden sind. Besonders 



1 Es ist zu bemerken, dass eine afEricata bisweilen auch im 
kar. und estS vorkommt: kar. ka6kera (oben p. 231), ka6ku 
(p. 226), ra5kar (p. 229); sttdest. katsk (p. 226), ka^ski (p. 226), 
ndtBk (p. 234), pti^sk (p. 235); eine solche vertretung kommt nur 
in den wOrtem mit fi. tk <^ fck vor und ist nach meiner auffassung 
eine direkte fortsetzung der urspr. affricata. 

^ Auch im ung. kommt ja in einigen fallen 6 (cs) im inlaut 
vor (fiM^sar p. 231, aosar- p. 232) und der verbindung 6k ent- 
spricht ein i (s). 

^ Beachte z. b. izi p. 229, huzaS ibid. 



246 E. N. SetAlA. 



ist dies im lappischen und tscheremissischen der fall. Indero 
ich hier darauf verzichte auf das lappische naher einzugehen, 
will ich nur bemerken, dass ein Ip. o (ok, bezw. «k) offenbar 
nicht nur einem urspr. 61, sondem auch 6* entsprechen kann; 
ein Ip. i (welches sonst auch oft ein i vertritt, siehe unten) 
giebt wahrscheinlich nur ein urspr. b^ wieder, aber sein 
auftreten scheint teilweise auf sekundaren umstanden zu beru- 
hen, die ich an einem anderen orte eingehender behandeln 
werde. Es ist moglich, dass das Ip. = 6* auf einem alteren 
iibergang 6* > b^ beruht; jedenfalls scheint ein solcher iibcr- 
gang in einigen fallen im tscherO vorauszusetzen zu sein 
(auch in fi. vehnft, kehrft, pihliga, vgl. unten). 

Das ursprachliche 6' war ohne zweifel eine nicht-mouil- 
lierte affricata (tS oder wohl eher t$, wie im tscherO, wotj., 
syrj., ostj.); das 6^ hinwieder muss eine mouillierte affricata 
gewesen sein: ein fS oder wahrscheinlich noch eher ein f^i 
worauf syrj. fS, wotj. (dial.) fi, mord. fi, tscher. s, z (wohl 
auch fi. 8, estS ts) hinweist. 

3. Auch betreffend die art und weise, in welcher der 
stufenwechsel in diesem falle erscheint, begniige ich mich 
diesmal mit einigen bemerkungen, ohne mich hier aut ein weit- 
gehendes raisonnement einzulassen. . 

Wir haben in den meisten finn. beispielen ein t, sowohl 
61 als 6 2 entsprechend,' gesehen ; nur in sehr wenigen fallen 
haben wir ein h (uuhi, piha, puhkean, pihliga, yehn&, ebenso 
kehra, woneben jedoch ketr&) oder s (nuoska, kosku, raskna, 
jysklUl, rysk&a, auch kar. kezr& < kesrH neben fi. kehrS; vgl. 
auch die oben hervorgehobenen kar. worter mit 6k und estS 
worter mit tsk) beobachtet. Das fi. h ist in diesem falle, wie 
auch sonst oft, aus einem Waut entstanden, und dieser Waut 



Zur finn.-ugr. lautlehre. 247 



t die schwache stufe. ^ Beweise flir die letzgenannte ansicht 
sehe ich teilweise in den anlautsverhaltnissen (siehe unten), 
teilweise in dem umstand, dass iiberhaupt im finnischen bei 
assimilationen der lautverbindungen in der starken stufe der 
letzte der beiden laute (z. b. tn > nn, kn > nn, kt > tt, pt 
> tt) sich geltend gemacht hat, wogegen der erste laut sich 
besser in der schwachen stufe bewahrt hat. 

Was die iibrigen fiugr. sprachen anbelangt, sieht man 
auch in ihnen erscheinungen, die sich am leichtesten erklaren 
lassen, wenn man sie als spur en eines urspr. stufenwech- 
sels auffassen darf (tscher. 6 ^-' z in z. b. '^hucem '^ Iciliem u. a., 
mord. 6 ^^ i, &: mordM "^Tcu^an, ka6an ^^ E Jcuiarij nefte, syrj.- 
vvotj. t^ ^ 4$, 2 J — tS ^ di, i, ung. cs ^ gy). 

4. Ein anlautendes 6 ist in einigen fiugr. sprachen, 
besonders in den permischen, eine sehr haufige erscheinung. 
Obgleich es schwerer ist ganz sichere durchgangige belege fur 
das an- als fur das inlautende h zu finden, berechtigen doch 
meines erachtens die angefiihrten belege den schluss, dass auch 
eine anlautende affricata schon ursprachlich war. Uber die 
zvveiteilung der 6-laute gilt mutatis mutandis das obengesagte. 
Im finn. findet man im anlaut s (zunachst = &'-*) und h (nach 
dem obengesagten =6^); ein t = 6 kommt in diesem falle 
nicht vor 2, was also die obenausgesprochene ansicht, dass fi. h 
und 8 = 6 im inlaut die starke stufe vertreten, zu bestatigen 
geeignet ist. ^ 



^ Vgl. meine abhandlung >Cber quantitatswechsel im finnisch- 
ugrischen>, JSFOu. XIV,3. 

* Die mOglichkeit, dass auch t im anlaut einen i-laut vertre- 
ten kOmite, werde ich an einen anderen orte berUhren (vgl. tippa 
'^' 8ipa\ tonkia ^^ sonkia, fi. tiira 'sterna', vgl. Ip. 68mreg u. a., 
? tiiti). Zugleich werde ich mich darttber aussern, wie das kar. 6> 
estS ts im wortanlaut (z. b. in kar. 6ibaatta-, estS tsipotama^ 
estS tsongma, tsungma = fi. sonkia) aufzufassen ist. 

^ Ober die vertretung der anlautenden 6-laute bin ich noch 
nicht in alien punkten (besonders was das fc^ betrifft) zur klarheit 
gelangt. Die untersuchung wird erheblich erschwert: I) dadurch 
dass im Ip. ein 6 sowohl ein urspr. & als 6^ vertritt; ein solcher 
klusiler vorschlag bei urspr. ^ kommt auch bisweilen im mord. 
(z. b. ^t^ulga, iulga ^^ sulga siehe p. 244, 259) und sogar im 



248 E. N. SetAlX. 



5. Es sind noch verschiedene fragen iibrig, die zu behan- 
deln waren, wie z. b. die erklarung des fi. tt in mettinen, 
puuttoa, sattna, untta u. a. ; das Ip. co '^ oc neben den fallen 
von CO '^ o; die frage, wie ein ti •< & im finnischen behandeit 
worden ist (ob ti > si oder nicht) u. s. w. In diesem kurzen 
auszug will ich diese fragen jedoch gar nicht berCihren, weil 
sie fur die hauptfrage von keiner kapitalen bedeutung sind, 

6. Als hauptergebnis dieser bier kurz angedeuteten unter- 
suchungen hebe ich also hervor, dass man in der finnisch- 
ugrischen ursprache 6-laute und zwar zvvei verschie- 
dene vorauszusetzen hat, einen nicht-mouillierten (Uf) 
und einen mouillierten (fi), die schon in der ursprache, wahr- 
scheinlich mit stimmhaften oder teilweise stimmhaften affrika- 
ten wechselten. 

2. t^ber die flnnisch-tigrisohen s-laute. 

Dass die finnisch-ugrischen s-laute, sowohl im anlaut als 
im inlaut, sich in zwei hauptgruppen: eine nicht-mouillierte 



ung. (ung. osoino ^^ mord. ^ulma p. 265) vor; ebenso sieht man 
im mord. und tscher. in fallen mit urspr. 6 sowohl formen mit als 
ohne klusilen vorschlag; 2) dadurch, dass oflFenbar eiazelsprachli- 
che entwicklungen (bezw. vermischungen) von 6^ ^ 6* u^ js ^Ji 
vorgekommen sind (im syrj. hat man ja oft in einigen dialekten 
anl. f.4, in anderen hingegen ^, siehe Wichmann, Studienreisc 
JSFOu. XXI,3; ebenso aufzufassen ist das Ip. o, wo es einem 6* 
entspricht, oder umgekehrt das fi, s, wo es ein urspr. fci vertritti: 
3) dadurch, dass hier auch assimilationen und dissimilationen, bezw. 
metathesen eine roUe gespielt haben; ohne von f^en zu sprechcn, 
wo ein solcher vorgang ganz klar ist (wotj. duJcfa 'auerhahn' '^ 
syrj. fSukfSi p. 240; vgl. Ip. daedalages 'eidechse* '^' syrj. (fzodivl 
id., wotj. ^Jcen^ali id. ^^ tscher. '^sofjSale id.), ist es auch sehr 
annehmbar, dass eine form wie mord. suvzi 'auerhahn' seinen or- 



Zur finn.-ugr. lautlehre. 249 

und eine mouillierte teilten, habe ich schon in meinem aufsatz 
,Uber ein mouilliertes 6 im finnisch-ugrischen" gezeigt (JSFOu. 
XVI,2; daselbst auch eine historik der forschungen in der frage). 
Weil ich damals absichtlich die tscheremissischen, sowie auch 
die ugrischen formen aus dem spiel liess, gebe ich hier des 
besseren iiberblicks halber auch die friiher mitgeteilten belege 
von neuem. * 

A« Anlaut. 

1. Belege fiir einen nicht-mouillierten s-laut. 
a. Mord. s, wotj.-syrj. s, Ip. s — wog., ostj., ung. s. 

fi. saada 'accipere; posse; incipere; pervenire' | IpK sdkkU 'an- 
schafFen, fangen; gebaren, zeugen' | mordM sigan 'kommen', 
E sams 'kommen, ankommen* | tscher. &uam, ioam 'perve- 
nire* ] syrj. suny 'erreichen, erlangen', sud^y 'reichen', 
wotj. ^su^j suz- Veichen' | ? wog. ^suwi es wird' | ? ostjN 
sytYem 'erwerben, verdienen* od. ?? sogoptatem 'bezahlen'. 



fi. sarkeE *dolorem ciere; frangere' \ Ip. sarrat 'discindere' 
mordM sSr&dan *krank sein', E Sfredems, sfHJims id. | wotj. 
+5<9r- 'zerbrechen', serdkU : ^iulmi seraktd *mein herz ist trau- 
rig' 1 1 wog. ^sirSxti *hauen, erschrecken'. Unsicher wegen 
des anl. i sind wog. Sdryi 'thut weh' 1 ostjN iarymtlem 
'wehe thun, schmerzen', Karj. Kas. Sgrhnt-. 

fi. suola 'salz* j IpK "^shUe id. | mord. sal id. j syrj. sol, Wichm. 
solf 80V id., wotj. "^sMal, '^sHal, slal id. | wog. "^solwel id. | 
ostjN sol, sola, I sat id., Pap. ^sglna id. Tscher. kinial etc. 
.feaI<*6aL 

mordE somoms 'beben, zittern, schaudern', kaus. somovtoms | 
wotj. ^slrrnl', ^s\rjaJr 'zittern, beben\ ^sir-s)r zitternd', syrj. 
WiED. syrmyny 'zittern, beben', Wichm. sirTc sirh munni 
'zusammenzucken', sirzini 'zittern' | ostjl serem, serejem 



^ Die belege werden in folgender reihenfolge angeftihrt: i) 
mord. -|- wotj.-syrj. s, bezw. i; 2) mord. s, i, 3) wotj.-syrj. s, 6, 
4) Ip. s, 6. 



250 E. N. SetAlA. 



*zittem*, N sersrmXem, serymttem *schuchtem werden, sich 
verwundem'. 

fi. savu Vauch' | Ip. suowa id. | mordM suftan 'berauchem' 
wog. sou 'staub'. 

*fi. s&rki 'cyprinus rutilus, rotauge* Ip. ssorgge id. . mordM 
stktgHj E s&fge Votauge' | tscher. Troick. &ereT|e *C3T)rinus 
rutilus' (copora) | wog. sorex, sorsrx 'coregonus vimba', 
Munk. '^s^rix *lachs' | ostjl Castr. slrax, S sarak 'plotze', 
Patk. soroxj ^sorex 'coregonus vimba*, N Hunf. sotox 
'rotauge (scardinius od. cyprinus erythrophthalmus)', Ahlq. 
soryx 'coregonus vimba, welche die russen mit dem namen 
cijpoK [Brehm: coregonus syrok] nennen*. Die herbeiziehung 
der wog. und ostj. worter wird dadurch zweifelhaft, dasses 
auch andere w5rter giebt, welche hinsichtlich der form und 
bedeutung nahe zu stehen scheinen, welche aber einen ab- 
weichenden aniaut zeigen: ostjN !Sr 'acerina cemua, kaul- 
barsch*, PAp. ^ierix id., jerox id., ^jarix-P^X *®in junger kaul- 
barsch*, S taretig id. | wog. tar, tari, toari, tari, tarka id.. 
Munk. tarkd, tSru {tdrJc-) id. 

*fi. sini 'die blaue farbe' | mordM ien, E s^A 'blau' tscher. 
^toMk 'blau' | ? wog. siniii « russ. ?) *blau*. 

fi. flitoa 'ligare, vincire' | mordM, E sodan *binden' \ ung. 8»- 
lag Vimen, vinculum'. 

*fi. sormi 'digitus* | Ip. suorbma g. suorma id. | mord. snr id. 
? wog. soija, fluije 'fingerring' | ung. szarmaz *emittere', snr- 
mazik *entstehen, entspringen', szamy *ala*. 

*fi. sumn 'nebula*, sumea *nebulosus, tristis* | Ip. sobmo 'aer 
nebulosus' | mordE su 'nebel'. Unsicher, ob hierher geho- 
ren: mordM sumbra *tr(ibe* j ung. asomord 'tristis*. 

IpN suoksa 'vermis' 1 mord. suks 'wurm' | tscher. iukS 'ver- 
mis' I ? wog. sax 'darm'. Unc:. szii 'thrips, teredo' konnte 



Zur iinn.-ugr. lautlehre. 251 



? estS sdmm g. sdmini : s. on jo linal sILl&h, Una on hend& jo 
sommi tommanu -= 'der flachs ist genug ger5stet' | tscher. 
Seme etc., B Ramst. Hm^ 'schwarz' j syrjP Rog. iym, 6im, 
WicHM. iiberall sim 'rest, staub v. schleifen, schlamm auf 
dem wasser; schwarz', OP sim- 'rosten', ? wotj. ^slndm 'rest, 
verrostet' | wog. Ahlq. simel, semel Yost', Munk. '^semil, 
Semel 'schwarz' | ostjN sami 'rest' | ung. szenny *macula, 
sordes*. 

fi. sueta pr. sukean 'hervorbringen, bilden, formen*, snku 'ge- 
nus* ' Ip. sokka g. soga (fi. lehnwort?) | ? tscher. inam 'per- 
venire* | ? syrj. snny 'erreichen* | wog. +^mw;^ 'es wird\ 

*fi. stioja *schutz, schirm' | Ip. suogje 'tutela, refugium' ] tscher. 
'^Sojlan 'hinter (wo)', "^SojoTcla 'hinter (wohin)*, B Ramst. 
.^a^l 'der hintere, .hinter', Troick. ^§ojStem 'einem das licht 
benehmen', O Gen. SoStem 'beschatten' | syrj. sig Vaum 
hinter etwas', sigdd 'schirm, decke' etc., sigdn, sigyn 'hin- 
ten, hinter', saAtyny 'beschatten', wotj. Wreo. sai 'schatten, 
kiihlung', Munk. ^saj 'kiihle, frische' ^ | wog. ^saj 'abseits 
gelegener ort*, ^sajrUj sajin 'nach hinten' etc. | ostjN sigla-ta 
'schiitzen', I saina, siga 'hinter', Patk. sai 'vorhang, bett- 
vorhang'. 

*fi. snrvata 'werfen, stossen', survoa 'tundere, pilo pinsere' , 
tscher. itiram 'mit der morserkeule stampfen', &urem, id., 'tru- 
dere, protrudere; pungere', B Ramst. §araS stossen' | syrjOP 
sur- 'stossen' | ung. szur 'pungere'. 

wotj. sul 'baumrinde' | wog. sola, sul 'baumrinde, lindenbast'. 



^ Eine bedeutungsentwicklung wie 'der raum hinter etwas' ^ 
'schatten' ]> 'kahlung' ist ja an und ftir sich ganz natUrlich; vgl. 
einen wie es scheint umgekehrten bedeutungswandel (ktlhlung ]> 
schatten '^ raum hinter od. neben etw.) im mord.: ek&indems 
'kflhlen, abktlhlen', eki^elems 'baden' (= tscher. jiik&em 'kalt wer- 
den', fi. j&hty& 'refervescere, refrigerari*) ^^ ek&ne 'dabei, neben*, 
ek6 'an, zu*. Es ist jedoch mOglich, dass ein iran. wort (npers. 
saye 'schatten, schutz', phi. sayak, bel. saig n. sai, wach. saya, 
Horn, Neupers. etym. nr. 695) hier einen einfluss auf die bedeu- 
tung der perm. wOrter ausgettbt hat. Vgl. sonst MunkAcsi, Arja 
^ kauk^usi elemek 226. 



252 E. N. SetAlA. 



fi. sapsi, sapsa, sapso 'inguen', est. liv. saps 'steuemider' 
IpK ^svspc 'steuerruder' | ostjN sevis 'hinterteil (eines fahr-» 
zeuges), hintersteven', I sSves (beachte jedoch PAp. sugos 
*steuerstelle in einen boote', mit einem sekundaren oderfeh- 
lerhaft bezeichneten gT), Karj. D, Kas. setids. Das s}TJl 
s^eti 'steuerruder' ist wohl aus dem russ. coneii'b, welches 
jedoch seinerseits eine entlehnung aus irgendeiner fiugr. form 
sein diirfte. 

*fi. solea 'rectus, oblongus*, solM : soUdsuora 'schlank und ge- 
rade\ solkenansa *ganz und gar' (solka, soUdnen, soUdspnu 
u. s. w.) j Ip. soalgge 'assulae tenues, quibus traha utrinque 
inducitur' u. s. w. | tscherB Ramst. §ol 'querbalken des schlit- 
tens' ' ung. szal 'diinner und langer korper' etc. 

*fi. sortaa *deprimere' | IpN soarddet *corrumpere' « fi. ?) 
ung. Bzoros 'angustus' etc. 

*fi. surra pr. suren 'dolore mentis affici; dolere ex torpore*, est 
surema *sterben', fi. surma 'letum*, suxjeta pr. surkean 
'flaccescere* | Ip. sorbme 'interitus' (entlehnung aus dem fi. ?); 
suorgganet *expavescere* ; tscher. surafig- 'sich verdunkeln, 
verwelken' | wog. '^sor&m 'tod' | ostjN sorym, I saram id. 

Ip. soarwe 'pinus 1. abies arida' 1 wog. ^suriij 'trockene speise*, 
sura 'dick (wie brei u. dgl.)', sur- 'trocken werden*, ^surem 
'hart' I ostjN sorym 'trocken, untief, I sorem 'trocken wer- 
den' etc. i ung. szarad 'trocken werden'. 

Ip. ss^^e 'tenuis, gracilis', K siet^ke 'diinn, fein' | ung. saegeny 
'pauper'. 



# 



fi. sierain 'nasenloch' j Ip. sier^Tia : i^aime-s. *pars mobilis 
narium', L seki^a id. | ? wog. sdni id. ostjN Hunf. sung: 
6ol-s., Ahlq. ^ol-suTi id. 



b. Mord. s, wotj.-syrj. s, Ip. s — wog. t, ostj. 1, t, j ung. 0. 



Zur finn.-ugr. lautlehre. 255 

fi. sirota pr. sirkoan 'exsilire', sirottaa 'ausstreuen* | IpK +5?r- 
rane- *sich weiten (von der schlinge)' | mordM Reg. seradan, 
aradan 'ausstreuen* E Wied. srams, strams 'zerstreuen, ver- 
schiitten*, Paas. mord. sravtan, straftan, soraftaUj sdraftan 
'ausstreuen' | tscher. §drem *auftrennen*, &5r5ktem 'ausbrei- 
ten, zerstreuen', B Sdrdi 'ausbreiten' | wotj. seralr 'auftren- 
nen, auflosen, losbinden' | wog. tdrdti 'entlassen', turamli 
'sich ausbreiten' | ostjN terymiem 'streuen', I teremdeniy 
tZremtem 'ausbreiten' | ung. ered 'progredi, oriri'. 

*fi. sopia 'raum od. platz haben; sich anfugen; passen' | Ip. 
8uogT|at einkriechen, hineingehen', K soafjfja- 'eintreten' | 
mordM suvan 'kommen, eintreten, eingehen', E sovams 'ein- 
treffen, eingehen' | tscher. +i«jyai- 'passen' \ ? wog. '^tui, ^tg 
'hineingehen' | ostjl taTiam, S iaT)am 'eingehen', N lariiem^ 
lOTiiem, loiixlem 'eingehen, einherschreiten' | ung. avik 'pe- 
netrare', avatni 'penetrare facere, inaugurare'. 

fi. sola 'giacie carens' | Ip. s^as 'glacie solutus' | mordM sola 
'ungefroren, fliessend', M, E solan 'schmeizen' | tscher. 
iolam 'coqui, liquefieri', O $ulem 'schmelzen (intr.)' etc. | 
syrj. syl 'tau, tauwetter', Wichm. sil, s^v, si \ wog. tolam 
'tauen, schmelzen' I ostjN lot 'geschmolzen, ungefroren', S 
iofpa, I toppa 'blei' | ung. olvadni 'liquefieri'. 

fi. saoni Vena, nervus' | Ip. suodna id. | mord. san 'ader, 
sehne' | tscher. 66n, 6an 'nervus' | wotj. "^SGn 'sehne, flechse', 
syrj. Bdn 'ader, nerv, sehne', Wichm. sen \ wog. ten, tan 
'ader' | ostjl ton, S Ian, N Ion 'sehne' I ung. in 'nervus*. 

fi. syli 'amplexus ulnarum; orgyia' | Ip. salla id. [ mordM sel, 
E Sft 'klafter' \ tscher. sfild, &el etc. 'orgyia' | wotj. sul 
'klafter', syrj. syl, Wichm. stl, siv, si 'klafter, faden' wog. 
tal, tal 'klafter; umarmung' | ostjl tet, S iiii, N lai 'faden, 
klafter' | ung. 51 'sinus'. 

fi. sydda 'essen' | mordM sevan 'essen', E s^van id. | syrj. 
tojny 'essen', Wichm. Soini id., wotj. ii- id. j wog. tern 
'essen' | ostjl tevem, S livem, N leiem, PAp. ^jigh- 'essen' | 
ung. enni (partiz. ev8 u. s. w.) 'essen'. Das syrj.-wotj. S 
beruht unzweifelhaft auf spaterer entwicklung. 



254 E- N. SetAlA. 



Ip. sQoskat *mandere' i mord. stiBkan 'beissen, kauen' wotj. 

^sUTctj "^sisk- 'kauen, wiederkauen', syrj. Wichm. s^Jcini 'kauen' 

I wog. ^tquii etc. 'nagen, zemagen' | ostjl t5xtem, S logo- 

dem 'kauen* (auch 'schleifen*, welche bedeutung einem urspr. 

verschiedenen wort angehort), N IQgoliem etc. *kauen', Karj. 

D topt-y Kas. xgyai- (dagegen : Lu'^dU 'schleifen'). 
< « « 

f). sala 'absconditum quid' | Ip. snole 'clam, occulte*, snoladet 
'stehlen' | mord. salan 'stehlen' \ tscher. Sola 'fur' | wog. iuU 
Verbergen', tolymtan 'stehlen* i ostjl totmem, S l:atmem 'steh- 
len*, N leialem Verstecken', PAp. ^j&Umstm *ich stahl' 
? ung. H 'falsus* (das ung. wort dtirfte jedoch eher ein turk. 
lehnwort sein: tQrk. in versch. dial, al 'schlauheit, list, be- 
trug, strategie*). 

fi. sukai *schneeschlittschuh' | mord. soks id. | wog. tout id. 
ostjl t5x, N iox, toz id. 

fi. sftly 'onus*, 8lUytt&& 'onerare* | IpS Lind. salket 'conscen- 
dere in litus, navem aut cymbam conscendere' | syij. sdlny 
'sich setzen, sich einsetzen', Wichm. s^n/, sevnij sqni 'sich 
setzen', selinij s^tnij s^tni 'setzen, aufladen', Weed, sdltny 
'auflegen, aufladen' | wog. Ahlq. talam 'sich setzen (in ein 
boot)', MuNK. toll 'steigen' | ostjl fedem 'sich setzen, ein- 
steigen (in ein boot)', N fettem 'einsteigen' j ? ung. fil 'sit- 
zen, sich setzen'. 



*fi, sontaa 'remigare' 1 IpN stivddet *cymba transportare* | Ip. 
sukkat pr. sugam Yemigare* { tscher. &nem *rudem* , syrj. 
83nmy 'rudem', OP '^sen- 'rudem' ' wog. touam 'rudem' 
ostjN iovyllem Vudem', S lup, I tup, PAp. juf 'ruder'. Fi. 
sou- in soutaa : Ip. sukkat = fi. juo : Ip. jukkat, fi. my5-, 
myy : IpK +m?H-?- etc. 

? fi. suoro 'membrum xirile bovis 1. suis', liv. suof" 'ader' tscher. 
^ev *ader\ ^lir *nerv' ' wotj. ser : rir- od. ^ver-ser 'ader', 
Wichm. rir-^cr 'blutader* \ wog. tar, tear etc. 'wurzeF, ma- 
tar 'erdwurm' ostjN ler \vurzel\ my-ier 'wurm', PAp. ^jer 
'ader\ Karj. D fer, Kas. ler ung. er Vena, fluentum'. 

Ip. soaeje MliigeK armeP ■ tscher. hokk (ableitung) 'manica' 
wotj. '^i^uj *arm' -^ sajtis 'armel\ sjTJ. soi 'oberarm' ^' soe 



Zur finn.-ugr. lautlehre. 255 

'armeP | wog. Ahlq. tayt, tyet, tyt, tet (ableitung) 'armer, 
MuNK. ^tajty Hot, tot id. I ostjN iyt id., I tit id. 

syij. BUB, P Rog. flui, OP suSf Wichm. siis 'pinus cembra' | wog. 
Ahlq. tet, tyt id. | ostjl teagat, Patk. auch tegat, PAp. '^jilx^l, 
^ughM id. 

fi. B&ft 'tempestas, variatio tempestatis' | IpK Sarifj, "^sof^i] 'wet- 
ter' I ung. eg 'aer; coelum'. 

*fi. sinki 'stopper | Ip. sagge 'paxillus, acus reticularia', K 
^scii^ke 'pflock, zwecke' | tscher. ^eijge : pu-setige 'baum', B 
Ramst. idiigd 'stamm', pus&figd 'baum' | ostj. iurik 'pflock, 
nagel, keil'. 

fi. suoda *haud invidere, bene optare' | Ip. soagrio 'petitio ma- 
trimonii' I wog. tat|zain 'woUen, mogen*, Munk. ianti 'wol- 
len' I ostjl taT)ain 'wiinschen, woilen', N iarigafein id. 

fi. snokko g. BQokon, suoko g. saovon 'varietas betulae albae' 
I Ip. Boakke g. Boage 'betula odorata' | ostj. PAp. ^jqghil 
'birke'. 

fi. snyanto 'das stille wasser zwischen wasserfallen, widerstro- 
mung' I Ip. Bavo g. Bawon 'locus fluvii, in quo aqua est 
profunda simulque leniter fluens*, K sawan id. | wog. Haw 
'stromung' | ostjN iau 'riickstromung (in einem strome)'. 

fi. Buvi 'aestas, tempus aestivum, tempestas hiemalis tepida* ' 
wog. tii etc. *sommer' | I tuT|, S Ion, N iuT| 'sommer\ 

syrj. zuk 'anas clypeata' I wog. Ahlq. tox id. 



c. Mord. B, wotj.-syrj. 8, Ip. s — in den ugr. sprachen der 

anlaut schwankend. 

fi. sappi *galle' | Ip. Bappe 'fel; sucus' | mordM idpdj E Wied. 
tepe, Paas. s^pe, hepd 'galle' \ wotj. se^, Wied. adp, syrj. 
adp, Byp id., Wichm. 5gp id. | ostjN Byp id. \ wogT ie']^ 
'galle*, N tdf, L Hoqp 'galle des baren' (MunkAcsi, Arja es 
kaukazusi elemek 435) 1 ung. epe id. 

Ip. Biegja 'pus' | mordM, E sy 'eiter', E Paas. sij, s\ \ tscher. 
Sa, in, StU id. | ostjN iy, ii, S iiii, I tei id. | ung. ev id. 



256 E. N. SetAlA. 



Daneben aber: wog. Ahlq. sSi 'eiter', Munk. saij ^sa^, $di 
*eiter' \ ostjN Hunf. syjta Taulen, eitem'. Dazu: syrj. 
WiCHM. sis Verfault*, OP sii (Wied. 6yS muss wohl fehler- 
haft sein), wotj. Wichm. Su^, in welch letzterem worte das 
anlautende i sich wohl spater entwickelt hat. 

mordM sima, Paas. iirfidj E Wied. syfne, Paas. SifMf sirne 
'gold' I tscher. Sorted, B Ramst. §6'r*nd id. | wotj. zarni id., 
syrj. zami, zamy id., Wichm. zartii id. | wog. Ahlq. somi, surin, 
Munk. ^sqrnij somi, sorni id. ostjN sami, somi, I sor^a, 
S 8ar£a, PAp. saren id., Karj. Kas. 5^n}f, D sorth \ ung. 
arany id. < av. zaranya-. Im wog. daneben auch Munk. 
Ugrin, HarM, ^tgrin^ tariAy Harne 'kupfer' (Munkacsi, Arja es 
kaukazusi elemek 142). 

*tscher. ftoiialtem 'kleiden, anziehen' | ostjN somotiem 'kleiden, 
anziehen' ^^ lom, tomyt 'kleidung, kleider*, iomyttem 'an- 
kleiden, sich kleiden', I tumdem, S tomdem 'ankleiden'. 

ostjN sostem 'trocken werden', sosym 'trocken' | wog. Ahlq. 
to&am, tosam 'trocknen, trocken werden', to^ym 'trocken; 
dick, seicht' etc. | ung. aszik (inf. aszni) 'dorren, trocknen, 
asszii od. aszii 'trocken'. 

ostjN sores, surt 'spanne', I 5wr^, PAp. sort id. , wog. Hares, 
^tijris etc. id. | ung. arasz 'palmus, spithama'. 

*ostjN lor 'eine von einem flusse durch iiberschwemmung ge- 
bildete seichte bucht', S lar, I tor 'niedrige gegend, wiese, 
morast', PAp. sar (Jugan), lar, Hdr (mittel-Ob), ^ar (Vasjugan), 
tor (Kond.) = > russ. copi j wog. Munk. tur 'see', Ahlq. 
tor, tur id. j ung. ar 'flut', ar-viz 'inundatio aquarum'. 



d. Mord. s, wotj. -syrj. s, Ip. s — die betr. wOrter in den ugr. 

sprachen nicht belegt. 



Zur finn.-ugr. lautlehre. 257 

grossen verbreitung wegen viell. nicht lit., sondem arischen 
ursprungs. 

mordM sed 'brticke', Paas. ied, E Wied. sede, Paas. s^d id. | 
1 syij. *8od, Boid 'treppe, leiter, briicke; grad, stufe'. Ari- 
schen ursprungs, vgl. aind. setn- 'pons*. 

mordM, E sod 'russ, kienruss' | wotj. bu, syrj. sa id. | ? tscher. 
&fi6 id. 

fi. selus, seljys 'der obere strick am netz*, est. sell, selis g. 
selise 'strick zum einfassen (eines segels oder netzes)', weps. 
SeJigeine part. icAgoSfS « *8elkoinen) 'strick, seii* 1 mord. 
Paas. (Mord. lautl. 78) E Sfl^e, Sft *fiber, gesponnener faden', 
M idlya. 

? fi. seuhtoa 'umschiitteln, umriihren, mischen' \ mordE Reg. 
snft&an 'sichten durchsieben', M sifindan, Reg. sifendan id., 
E Reg. stiffem, M seftiiii, sifbema, Reg. siftem *sieb' { tscher. 
fioktam, B Ramst. SaktaS 'sieben', iiokte, Ramst. SwJcte 'sieb\ 

fi. sirkea 'rectus, procerus' | mordE slrgan, sorgan, M ssrrhkan 
'sich erheben*. Vgl. jedoch auch mordM serS \vuchs, statur, 
hohe', E sere id., Paas. M ie^, E s^r 'hohe'. 

kar. iavalta- (auch refl.) 'untertauchen' | tscherO sui^galtam 'auf 
das gesicht fallen, tauchen', B Ramst. ^saijga'lta^ 'stolpern, 
fallen', "^saijgaS 'stossen, umf alien' | syrj. sunny 'tauchen, 
eintauchen', vgl. sungysny, Wichm. sungshij 'mit dem kopf 
vorwarts fallen, eintauchen' | wotj. zum- 'tauchen (im was- 
ser)' zumal frequ. 

fi. saasta 'sordes', liv. sastaJ id. \ Ip. suostas 'negligens' | ? syrj. 
sds, Wichm. sqs 'schmutz, unreinigkeit'. 

fi. saura 'acervus foeni oblongus', weps. sahr id. I syrj. sabri 
'kleiner heuschober'. 

fi. sakea 'spissus' | Ip. suokkad 'densus, crassus', I tscher. hxko 
'viel' I syrj. suk 'dickes, bodensatz'. 

fi. sSsy 'beinmark', est. sazi, sazti 'mark' | syrj. sSz 'mark, 
hirn', Wichm. sez 'saft im knorpel'. — Im Ip. giebt es auch 
sndssa (auch suoksa) 'mollis medulla cornuum', S Lind. sas, 



258 E. N. SetAlA. 



8^0; dieses wort ist wohl zunachst mit soh- in fi. soblo od. 
sohln 'medulla in cornu* zu verbinden (vgl. fi. sol^a *tabes 
nivis', IpL SK^ssa- 'sehr lockeres und poroses eis\ IpN shob* 
sat, L suassci- *glacie tenui obduci*, tscherB Suz 'die porositat*). 

fi. s&ynQjft, s&yn&Tft, s&ynSs 'cyprinus idus' | IpK sivn g. -neY 
'ktihling' syrj. syn 'eine cyprinusart, rotauge, rotfeder (cy- 
prinus rutilus)', Wichm. sin 'rotauge'. 

fi. sees g. sekeen 'serenus' | syrj. se^ Wichm. sei *wolkenlos, 
klar*, wotj. Munk. 56i, Se^j Wichm. uberall $ei 'heiter'. 

*estS sitik g. ku, -ke, sitikas g. -ka 'schwarze johannisbeere' 
tscher. iopter etc. 'ribes' | wotj. sutdr 'johannisbeere, kraus- 
beere', syrj. setdr, Wichm. I siter, sonst seteTf OP ^seter 
'johannisbeere'. liber fi. siestar id., mord. ink&tem etc. id. 
ung. saeder 'brombeere' | wog. hsU^ ^sosl etc. 'johannis- 
beere' I ostjN tomiiryx id. naher a. a. o. 

fi. sitta 'stercus' syrj. Ayt, 4it, Wichm. uberall sit, OP sit, wotj. 
Munk. Wichm. si( 'kot, dreck'. 

fi. sotkea, Ip. soaskat, syrj. suffkjni, oben p. 227. 

fi. synty& 'nasci, oriri' Ip. kiddat 'fieri, gigni, crescere' s>TJ. 
sodny 'sich vermehren, zunehmen'. 

^fi. sysatE 'pellere, propellere', kar. s^dea- id. { Ip. saidat 'a 
tergo propellere'. Dazu est. suskama 'stechen, stecken', 
tscher. Auikkem *hineinstopfen', syrj. Wichm. saf§k$ns, sat^- 
Jcpis 'schlagen, hineinstossen'. 

fi. sompa 'annulus circa baculum ex vimine 1. corio' | Ip. soabbe 
'baculus' syrj. syb, zib, Wichm. zib, S z^b 'stange, boot- 

stange'. 

2. Belege fiir einen mouillierten s-laut 

a. Mord. &, syrj.-wotj. ^ Ip. 6 — wog., ostj., ung. 8. 

Hinten-okalische wSrter. 

fi. sarvi 'comu' Ip. fcoarwe 'cornu' mord. Aura 'horn' wotj. 
syrj. 6ur wog. sor-, 66r-, ^s^jr- in soryp 'mannchen vom 



Zur finn.-ugr. lautlehre. 259 

• 

elentier', ^sgrp, Horp etc, *elentier' | ung. ssara, ssarv 'comu, 
tuba'. 

fi. ssta *hundert* Ip. 6ti5tte id. | mord. iada, iado | tscher. 
&Ad5 wotj. 60, 6ft, syrj. 60 | wog. iat etc. I ostj. sat etc. 
ung. 



*fi. savi 'lehm' , mordM Sov^/tj E iovon id. , tscher. Son, Sun 
id. wotj. "^iuj, ^aij id., syrj. Wichm, ioi, .''syrj. ^n 'blauer 
lehm' I wog. suT, Munk. iut^ sot, sot 'lehm' | ostjS PAp. 
^Sf^voj 'schlamm' | ung. b&tc^ 'zahe, klebrig (lehm)' etc. 

fi. sotka 'fuligula clangula' { Ip. 6oadge id. | mordM kulga^ dulga^ 
E Sulgo 'taucher' 1 wotj. SuU, syrj. Sul, &uv, Sulka || wog. 
$ot 'anas erica' j| tscher. Soj 'taucher' | ostjN sol, I soi, S 
sai id. Siehe oben p. 244. 

fi. saoli *darm' | Ip. 6oalle 'intestinum* | mordM fiula 'darm\ 
E ivlo id. I tscher. Solo 'intestina* | wotj. Sul id., syrj. Sul, Suv,. 
Wichm. Sul, hiv, iu id. | ostjN s5i, sui id., I sut, S sot id. 

*fi. saivar *lens pediculi' ; Ip. fiivros id. | mordM Safhka, E 
iarko id. I tscher. SorgonSe, Sorgen6e, O §arfeiiie id. | wotj. 
§erdlj serdtj syrj. Serov etc., Wichm. ieral, Serol, ierov, .^ero 
id. ' ? wog. sani, Soani etc. id. | ? ostjN sena, I sena, S sen- 
nex id. ] ? ung. serke, sdrke id. Teilweise liegt hier ohne 
zweifel entlehnung aus den turk. sprachen (osm. sirke *nisse\ 
Kas. tat. serk^ 'nisse, kahm*, tschuw. Ssrrga 'nisse' etc.), teil- 
weise einfluss seitens derselben vor. 

mordM, E Sorma 'buntwerk, stickerei, schrift* | wotj. Wied. 
g5ri-Sur Turche*, syrj. fiortny Talzen, riefeln', Wichm. giznj 
iortni *eine bittschrift u. dgi. schreiben' \ wog. &urti *wetzen^ 
furchen, schneiden* | ostjN Sur 'strich\ 

fi. salava 'salix fragilis' od. 'caprea' I mordM s&li 'ulme', E 
selei 'ulme, riister' (o: &) tscher. Sol, ^Soh, Solo 'ulme' | 
ung. szil, szil-fa id. 

fi. salvaa 'schneiden, zimmern, kastrieren' | mordM, E Salgan 'ste- 
chen', E Salg 'stachel der insekten' i tscher. Snlam 'secare', 
Snloktem 'castrare' 1 ostjl Castr. Patk. sogot *hobeI* | ung. 
Bzalu *spundhober. 



a6o E. N. SetAlA. 



fi. 8ota 'bellum' mord. indan Verfluchen' tscher. $udalam 
etc. 'fluchen' | wog. suti 'zaubem'. 

*fi. stinrtis 'farina cibo fluido immiscenda', auch: 'nahrungs- 
stoff, speise' | mordM tera 'getreide, saat\ E Axxro 'kom, ge- 
treide' tscher. inrno Trumentum*, burai, Ramst. i9rd§ 'graupe, 
grlitze' I PostjN sor 'zukost'. Dazu auch snorima 'graupe, 
griitze'. 

*fi. sale g. saleen 'kienholzspleisse' i Ip. Suollat *caedere, con- 
cidere* ! ? tscher. Anlam *secare' | ? wotj. iul 'schlittensohle, 
kufe* i wog. ^siiUm 'span, lange holzspleisse' | ostjS Pap. 
"^sgle 'abgeschnittenes sttick' | ung. szilank 'span, spleisse'. 
Tscher. inlam ist viell. eher mit fi. ealyan zu verbinden 
(siehe oben p. 259). 

*fi. aalko 'pertica longior' | Ip. duolgo 'stange, womit man netze 
unter dem eise hinschiebt' | wotj. hU 'schlittensohle, kufe' 
wog. "^s^ili, ^sc^lla latte, stabchen' etc. i ostjN sogoi 'brett', 
I sagat 'brett'. 

* ? fi. Bopsaa od. aopsata 'kleben bleiben' tscher. &up&am 'tra- 
here' wotj. iups- 'saugen' \ ? ung. ssivni, asijiii 'sugere, attra- 
here'. Uber das lautl. verhaltnis des ung. wortes zu dem 
wotj. u. tscher. vgl. fi. maksa /^ ung. nug. 

fi. saomu 'squama piscium' | Ip. 6uobma id. ' tscher. &5m, kOm 
etc. 'squama' | wotj. +.>^6>m, "^Stim 'schale, schuppe' , wog. iem, 
Sym, Bern 'schuppe', "^SGm 'baumrinde' | ostjN 85in 'schuppe, 
kruste', I som, S sam 'schuppe'. 

fi. susi 'lupus' I wotj. ^Sos, +^©i 'gefrassig, gierig', S ^hs-kab 
'wildes tier', Wichm. G Se§ 'raubtier', J Isl. Se§ 'raubtier, dieb' 
wog. Bu6, stliS, BoiS, Munk. ^SiS, ^iiitk 'wolf. Das fi. in- 
lautende t '^ d (autena ^--^ auden) ware folglich, wenn diese 
zusammensteilung richtig ist, durch analogiebildung ent- 
standen. 

syrj. 6or, liordm 'stange an der decke zum aufhangen nasser 
kieider', wotj. "^iurl^ Siin 'stange' [ wog. ^V, sir 'stange, 
turpfosten' ostjl ftur 'stange, stock, pfahl', Karj. Kas. hur, 
D ^^r, Trj. siir « syrj. ?). Ein arisches wort: aind. cula 



Zur finn.-ugr. lautlehre. 261 

'hasta', av. sura, altp. avgac' /naxccloag Hesych. Syrj. zor 
*stange, baum, pfahP, wotj. fzlr 'stange, hebebaum' ist von 
diesem wort zu trennen. 

wotj. Swn .'durch iiberschwemmung entstandener teich, sumpf 
I wog. Ahlq. sojim 'bach', Munk. ^Sfjjim 'bach', sojim \vald 
am bachesrand*, sojim 'sumpfiger morast' ' ostjN sojim, 
sojim-iiur 'bach', I sojem, S sigem 'kleiner bergfluss'. 

wotj. iumal- 'hunger bekommen*, syrj. i^omalny, Wichm. hnnalni 
etc., P Hmavni id. ' ostjl Patk. somem vedevi 'ich bin hung- 
rig' I ung. szomju 'sitis, sitiens' | ? tscher. &uman 'liebhaber 
irgendeiner sache'. 

syrj, liamod 'birkenrinde', P Rog. sim6t id., OP '^iinwt id., 
Wichm. iumed, turned, P Hme't id. ' ostjN sumyt-jux, sut|- 
-qyt-jux 'birke', I Castr. sumet, Patk. sumet, &umet, S sug- 
met, suTimet id., PAp. ^soghumetj summef-juXj suxmet 'birke'. 

fi. sauva 'bacuium, contus', sauvoin 'contus quo navigia 1, retia 
promoventur' | Ip. ftuoibme od. 6uoibma 'longa pertica I. 
contus ad scapham propellendam' wog. su 'stab' ostjN 
syv, su 'stock, stab', I sen, Patk. seu, su, suv, S sava, sova 
'stab' etc. 

fi. sema 'haufen', soma 'menge', est. soma : saaze-soma 'muk- 
kenschwarm' | Ip. 6obma 'acervus, cumulus' j ? wog. soma 
'hugel, berg; steil'. 

fi. Boida 'clangere' | ip. 6aogjat 'sonare' tscher. Iioktem 'fidi- 
bus canere' | syrj. 6ylny, silny 'singen', Wichm. Stlnif Stvni, 
i]ni id., OP ieU id. ' wog. sui, soi, sy 'stimme, ruhm' 
ostjN sy 'gerausch, laut, stimme, ruhm', I sej 'stimme, iaut'. 

fi. saota 'grex equarum in venerem ruentium' Ip. 6udddet 
'feminam circumcurrende quaeritare (de rhenore mare)' | ung. 
Bzaladni 'entfliehen, laufen'. 

JpN 6uoiwad 'albidus' , ? ostj. Pap. ^soj 'blau'. 

Vordervokalische wdrter. 

^fi. saSri 'crus' I mordM Sdjdr, E sejify iejerks 'schmalbein' j 
wog. '^sar 'schienbein', kat-s. 'arm' | ostjN sur 'stiefelschaft', 

7 



262 E. N. SetAlA. 



» 

I BUT *stiel, schaft* ung. ssar 'cms, tibia'. Das syrj. t^r, tror, 
tA6r-ly 'schienbein* etc., Wichm. I f/er, fier-li id., I ban-fier-lj 
'wangenbein' ist vielleicht ein ganz anderes wort, weich^ 
mit fi. kehra(8)laa 'talus', olon. kezrain *schienbein' zu ver- 
binden ist, vgl. oben p. 236. 

fi. Bepi g. sevin, sepa g. sevan 'anterior pars trahae', sepalos 
'halskragen' etc. ip. bmhet 'colium' | mordiM siva 'kragen', 
E sive id., siverdems 'saumen, besaumen' etc. ; tscher. sfi 
'colium' I vvotj. Wichm. iit 'hals', iit-dor 'nacken', Munk. 
sirdSy K ^i^rds 'kragen', syrj. Wied. sily 'hals, nacken, wider- 
rist (der pferde)', Wichm. I sil/y Ud. Hli, V, L S/li, P sivi 'hals', 
OP s4eK 'hals' ] wog. mp, Hp 'hals', sip-lu id. ostjN sabyi 
'hals, kragen', I sabet, S sapet 'hals, nacken'. Pap. ^sevel 'hals', 

fi. silma 'oculus' ] Ip. 6albme id. mordM selmtl auge', E 
selme, selme id. j tscher. hixAsL, liin^a etc. 'oculus' (6m- wahrsch. 
< Sim-, vgl. kum 'drei' = fi. kolme, vgl. Budenz, MUSz. 
290) ] wotj. Hn, Hii, sim 'auge', syrj. Wied. sin, Wichm. Hn 
« Hmn-) id. wog. sam, 6am, Sem etc. 'auge' | ostjN sem 
'auge' etc., I sem. Pap. "^sem id. ! ung. szem, szom auge*. 

fi. sydan 'cor' | Ip. 6ada 'durch' | mord. sedi, E sadei,* sadi 
'herz' I tscher. 6um, Slim id. ; wotj. 6iilem id., syrj. ib\bm 
id., Wichm. ^elem id. \ wog. Sim, sim, sem id. \ ostjN sam, 
I semm, sem id. | ung. sziy, szu id. 

fi. sylki ^speichel' | Ip. 6olgga id. mordM selga, E sefge id. 
? tscher. Stivalam etc. 'spuere' wotj. kalal- 'speien, spucken', 
syrj. ^dlalny, Wichm. ^elalnf, ieluvni etc. id. i wog. saffi, 
sdtyi etc. 'spucken', seHem-ut 'speichel' j ostj. Pap. ^sujinsem 
'speicheF, Karj. Trj. SuveY- 'spucken'. 

mordM Paas. (Ttirk. lehnw. im mord. p. 47) HMdms, E sin- 
dems etc. 'brechen, knicken, zerbrechen' ; ung. szed 'sam- 
meln, pfliicken'. 

fi. saie g. saikeen 'dimensio fill' etc. wotj. H^ Hi 'haar, haar- 
faden', syrj. si, 6y, Wichm. si 'gesponnener faden, faser, haar, 
kopfhaar' | wog. say, sa, sai, Munk. "^sal, '^sdVy sa 'haar- 
flechte, locke', '^sew 'haarlocke', adj. ^sa'lp, '^salij, say^, ^oyif 



Zur finn.-ugr. lautlehre. 263 



etc. ostjN Beu, sev 'haarflechte', I seu 'flechte*, S boux id., 
N sevlem od. sevylem *drehen, winden, flechten' ung. 8z6ni 
'texere, detexere', subst. szdves. Statt an fi. saie konnte man 
auch an fi. syy (syi, syve) 'baumrand, jahresring, fiber, faser, 
ader' denken. 

? fi. sErma od. sarmi 'fragmen 1. segmen longum e. c. ligni, 
corticis', konttisErmat 'segmina corticis, ex quibus sacculus 
contexitur, vveps. Mrm pi. Sdrm<id 'gurtelriemen' tscher. 
65nnti6, 6ennd£, lionnd6 'frenum, capistrum', O Gen. H6rmf>6 
'zaum', B Ramst. fse'nnc^ts 'die haiftem (von guter sorte)' | 
wotj. icnndf, sinndt *zaum, halfter, ziigeP, syrj. sermod, 
WicHM. senned, sermed, P hnne'tj WP ^ermot, OP ^Sennet 
*zaunn, halfter* wog. ^ernuit Ueitseil, halfter' ostjN sermat 
S sinned, I dermat 'zugel', Karj. Kas. Seitngify D SirmaUy 
Trj. sinndf' \ ? ung. sziron, szirony (auch cirma, cirom) 
'membrana colorata, pellis levigata colore tincta; vincula 
salina, vimina saligna* etc. Das ung. wort wird von Mun- 
KACsi (NyK XXI 127, vgl. Ethnographia IV 179) fur tur- 
kisch angesehen; er vergleicht damit u. a. tschuvv. ^sSran 
'ungegerbte haut, feir, tat. soran 'fell zum weissgerben' 
O wotj. sriron id.), koib. karag. sazen, sasen 'papier' etc., 
welche zusammenstellung jedoch nicht iiberzeugend ist. 
Sicher gehoren zusammen die Ischer., syrj., wog. u. ostj. 
worter, ohne zweifel teilweise durch entlehnung. Uber das 
fi. wort naher a. a. o. 

fi. sieni 'fungus' | Ip. 6adna 'fungus betulae' | tscher. §en, Hn, 
Sm 'zunder', B Ramst. Hn 'pilz, schwamm, zunder' | wotj. 
setjhif ^seijki, K "^sefjkS, S ^serjMj G hiiM, Wichm. U .seiyfei, 
J, M ierikij G senki 'zunder, schwamm' \ wog. Iieni, seni 
etc. 'baumschwamm' | ostjN san 'pilz, schwamm', 1 sana, S 
sanez 'birkenschwamm'. 

wotj. ^Solt}', ^hlU' 'fessel, spansel (ftir pferde)*, syrj. Wied. selt, 
sevt, 661t 'fussfessel der pferde', Wichm. P §evt id. [OP solt- 
'vorspannen' gehort vielleicht nicht hierher, sondern zu sdlt- 
'aufladen' p. 254] I ostjS segei 'kette', PAp. ^s^ghel id., I 
s^er id., N Ahlq. sevyr id. | wog. segyr 'kette, fesseln', 
MuNK. "^sever, ser, sdr id. 



264 E. N. SetAlA. 



*tscherO Gen. ^Sin^eiiij W Pork, ^hn^em, B Ramst. Hn'^za&j 

si'n^zdk *wissen, kennen* wotj. 4ti-, sii- *gelubde thun, gelo- 
ben, etw. der gottheit darbieten od. widmen', syrj. Wichm. 
siifzni *das ziel treffen' | wog. Ahlq. &iin&am, snnsam 
'schauen, sehen, zielen, glauben, anbeten', Munk. suiisi^ 
^sgnsij kinH, ^hinSi 'sehen*. 

li. 8&le g. saleen segmen ligni pinei* , Ip. Pallet pr. 6alam* fin- 
dere' | tscher. &elam 'secare, findere' , wog. sili *aufschnei- 
den', silti *spalten\ Silti 'schneiden* ! ung. szel *scindere\ 

fi. sepp^ Taber', Agricola sepesti = sep&sti 'geschickt' Ip. bsBppe 
g. 68Bpe *quidvis faciendi peritus, artifex rei* ?? wog. ^^dper- 
xum (MuNKAcsi, Vogul nepkoltesi gyiijtemeny III 409) 'kunst- 
ler', Hunf. sepan 'geschicklichkeit', sepenyrig *gescheidt, wis- 
send* (NyK XI 117). Vgl. jedoch wog. idper 'gut*, siehe 
GoMBOcz, NyK XXVIII 433, Paasonen, FUF II 135 « tat). 

* ? fi. siintya : uuni siintyy *das feuer im ofen v^erkohlt' Ip. 
&idna 'carbo' | ung. szen 'carbo, pruna*. 



b. Wotj. -syrj. 1^, Ip. fc — wog. t, ostj. 1, t, £, j, ung o. 

fi. seisoa 'stare', estS saizma id. | Ip. 6uo^ot, K '^dlouca- etc. 
id. I tscher. O ^sinsem, W Hnzem, ^HnSem etc. 'stillstehen; 
sitzen', ^Sin,'^am etc. *sich setzen', Ramst. ^hn^zd^^ sin''' 
zdS *sich setzen, bleiben* | syrj. sidknj u. a. 'stecken bleiben, 
anstecken', Wichm. I sid'ini^ 'sich niederlassen' | wog. to6- 
jam, tuiijam 'stehen, stehen bleiben; aufstehen', Munk, tunH, 
tunHy ton$i etc. 'stehen' ostjN tonstem 'stehen, einstecken, 
stellen', I ^ondem, ^odem 'stehen', S ludem id., Patk. fan- 
ctemj fonfem 'steilen, setzen', Karj. Kas. z'^wi-, D fonf- ung. 
allani 'stare' [-U < dl, vgl. U < rf/ in haUani 'horen', vgl. 
hadlava in Halotti beszed ^^ wog. ^xQnteli etc. 'horen'; 
ung. gy (0: rf) hinwieder < n + 6 (od. i + *^ ^) wi^ 2. b. in 
hiigy 'urina', vgl. wog. qunsvit id., IpK ^konc id.]. 



^ In den aufzeichnungen Wichmann's anl. s mit fragezeichen. 
Vgl. sonst Hdini oben unter tscher. ^Hn^em. 



Zur finn.-ugr. lautlehre. 265 

IpN 6uvdde g. 6ayde 'digitus' | wog. tulfa, tore 'finger, zehe* | 
ostjN lui 'finger, zehe', I tui, S loi 'finger', Pap. ^gj 'finger' 
! ung. ^Jj 'digitus'. 



c. Mord. ^, wotj.-syrj. 6, Ip. 6 — in den ugr. sprachen der 

anlaut schwankend. 

fi. saarva, saarvas, sarva 'lutra vulgaris', weps. zagarVj sagarm 
id. 1 Ip. kssvres g. ftsBvrra id. j ? tscher. liurmaTide, &annai^gd6 
'luchs' i wotj. Sor 'marder', syrj. ser id. (wohl S-) \ ostjN 
^urym 'mustela vulgaris', I iurum 'das gestreifte eichhorn- 
chen\ 

ti. solki 'fibula' ' mordE Sidgam, ^ulgamo {^&ulgamo) 'hals- 
schmuck der w^eiber' | tscher. Iiolkama 'fibula in antica parte 
indusii' etc. | ostjN bvI 'knopf, I litil id., PAp. tul, ful id. 

ti. solmi od. solmu 'nodus' \ Ip. 6uolbma id. ! mordM i^ulma, 
E 6ulmo 'knoten; biindel'. Das ung. zeigt ein cs in csomo 
'knoten'. 

wotj. +iwr?5, ^StiriSf iurs 'tausend', syrj. surs \ ostjN Reg. Aorys, 
I faras, S torae, Patk. fards, f^ras, ifores, Pap. fureSj furos, 
foras, foros, Kabj. Kas. Sur3s, D far9s. Das wort scheint indoeur. 
ursprungs zu sein, obgleich sein verhaltnis zu den indoeur. 
formen bisher nicht aufgeklart worden ist; es wurde wohl 
einer arischen fortsetzung des ieur. *gheBlo : ^zhasra od. dgl., 
vgl. aind. sa-hasra-, entsprechen. Das ostj. wort konnte dem 
syrj. entlehnt sein; jedenfalls weisen die syrj. u. ostj. formen 
auf einen mouillierten sibilanten hin. Zu trennen: wog. 
^sgter etc., ung. ezer 'tausend*. 

(i. Buu, 'OS, bucca, ostium* IpN 6odda 'guttur*, K "^cont g. 
"^conilYe etc. 'speiserohre, schlund*; daneben S bvLVYBy fSuuue 
id. ! tscher. Su 'foramen acus' , wotj. iu, Sit (.m wahrsch. 
druckfehler) : Sua "^hvaSmd *ich durste' (eig. 'mein mund 
trocknet') , wog. sunt, sunt, sut (stamm: sunt-), ^sgt (stamm: 
^sgnt') 'offnung, miindung; schwelle', vgl. auch sup 'mund' | 
ostjS lut, I tut, Kond. tut, PAp. jul 'mund* \ ung. szaj (urspr. 
sza, j aus der form sza-ja *sein mund') 'mund', szad 'off- 



266 E. N. SetXlA. 



nung\ Das -nt- (im Ip., wog., ung. -d-) ist ein uraltes den- 
vationselement K 

fi. syys, syksy 'autumnus* IpX 6ak6a g. 6ay6a id. , mordM, E 
Sold id. I tscher. Seie, &iie id. vvotj. Munk. S "^sizM, K 
+.s'iii?/, WicHM. U, G Hifl, dagegen: MU sizhn, J, M ^i// 
'herbst* wog. taxus, Uakwes, ^tdhves etc. ostjN bus, I sus, 
S Bogus id. I ung. (>bz id. 

fi. seitsem&n 'sieben* \ IpN 6ie66a, L kiedau, K '^cihcetn = ^Jclf- 
chn mordM, E sisem tscher. &em, iim, O ^SoSorn (veraltet) 
wotj. '^Hzlm, Hzim etc., syrj. sizim, Wichm. SizpUy OP 
si:iim id. | wog. soat, sat, sat etc. 'sieben; woche* '■ ostjX labyt, 
labet, S tabet, I tabet id. ' ung. het 'sieben; vvoche*. Ob die 
ugr. worter wirklich mit den iibrigen zusammengehoren, ist 
noch nicht aufgeklart. 



d. Mord. ^, wotj. -syrj. &, Ip. 6 — die betr. wOrter in den ugr. 

sprachen nicht belegt. 

Hinterv'okalische worter. 

*fi. sientea, siiuteft 'nonnihil sordidus', est. 8odn(a-) *unreinig- 
keit* mordM Suna 'triibe; dunkel' | wotj. +i«>d 'schwarz, 
dunkeischeinend, schmutzig, syrj. 65d, 6od, Wichm. .W 
'schwarz, schmutzig\ Fi. sonta 'mist, dtinger' gehort wahr- 
scheinlich nicht hierher; damit ist wohl tscher. &ondo 'urin* 
zu verbinden. 

*fi. siikanen 'arista hordei' ? mord. suva 'granne, kaff, spreu, 
achel' I ? tscher. h\x 'palea' | ?syrj. 6u *korn, getreide, roggen'. 

*fi. suka 'seta suilla; pecten' etc., suas g. sukaan 'roggenblute' 
ip. dokko etc. 'pecten' \ ? mord. Suva 'granne, kaff, spreu' 
tscher. hue 'kamm', ? vgl. h\x 'palea' u. hn 'borste' | } syrj. su 
'korn, getreide, roggen'. 



^ Die von Wiklund Url. lautl. 313 ausgesprochene auffassung, 
dass fi. 8UU durch den schwund von nt entstanden wire, kann ich 
nicht gutheissen. 



Zur finn.-ugr. lautlehre. 267 

wotj. Sv^ *wachs', adj. .4t^io, ^u4tOj syrj, Wichm. iU{k'\ P si.^ 
'licht, wachs' | tscher. iiSte etc. 'wachs* | ? mord. kita, hts, 
'wachs'. 

fi. soima, saima *boot, schute* (zu vergleichen: soimi, seimi 
'krippe') | mordM, E liimia 'trog'. 

fi. sormans 'fasciculus lini\ sorto *gevvebe von vverg*, suortua 
'fasciculus lini, cincinnus pendulus capilli* etc. | ? IpK ^corga^ 
*festgezwirnt' | mord. surd, Sure *faden gespinnst, zvvirn*, 
auch suie, sire, E Wied. 6oravt 'zopfe der vveiber an der 
seite des kopfes'. 

fi. sulkea 'zuschliessen' mord. i^olgan id. 

fi. saoma 'contio, oratio sacra* | syrj. ^omi, Wichm. Sorni 'rede, 
gesprach*, OP hrni id. , tscher. ^amem 'meminisse, recor- 
dari*. Lp. sardnet etc. lehnwort aus dem fi. 

fi. sara-pan 'fraxinus excelsior* od. 'corylus avellana', saami id., 
est. sara-pna 'haselstrauch' ?.?mord. Paas. (Mord. lautl. 23, 
Turk, lehnw. im mord. 48) M .Wa/c, E .Hrf^H, iirfe, Wied. 
sirte 'ulme, riister' | tscher. Troick. fterb'a 'esche', [? vgl. 
heiisL 'weidenbaum', derive, Marine, B Mr^rk 'weide' etc., 
— Sarafjge, W Porkk. .^ererjge etc. \veidenbaum'] \ wotj. 
sir-pu 'ulme', syrj. Wied. sir, sir-pu, Wichm. Hr-pu 'ulmus 
effusa'. 

*fi. soro, sorko 'segmentum rectum et longum e. c. corii', auch 
'gerade richtung', sorkea u. sorea 'rectus, haud curvus', 
dazu wohl auch suora 'rectus' | lp. Sorro 'umbo, jugum 
montis' etc. I ? tscher. Iiiirgd, ^erge 'silva vasta' | wotj. iur : 
^iur-ll, ^iir-U 'rlickgrat', syrj. Wied. ^ui : ly-fiur 'riickgrat', 
Wichm. mu-kur 'eine waldige strecke landes (bes. zwischen 
zwei fliissen)'. 

Vordervokalische wdrter. 

fi. sikea 'zahe, fest* | mordM sida 'dicht', E Reg. sejede wotj. 
Hh 'dichter wald', syrj. Wichm. I, Ud., S, L Hk 'gebusch'. 

mordM sya, s^a, E sya 'silber* (0: s) \ tscher. ^i id. \ wotj. 
Sijalr 'glanzen, schimmern'. 



268 E. N. SetAiX 



fi. 8&&8ki 'culex pipiens' IpN 6aoikka 'culex*, K "^cUJcj Hii^ 
ciu^k mordM s&skft, E sa^e (o: Sai-). 



fi. sysi 'carbo fabrorum* I Ip. 6adda 'carbo* I mordM Reg. 
*kohle*, E Reg. sad, Wied. sederma id. (o: .^— ) tscher. $u^ 
.^u etc. *carbo\ 



•fi. syija 'margo, ora* Ip. 6orro *umbo, jugum montis'; 

*quod summun est in aliqua re*, IpS Lind. tjavelk tjarge 
'dorsi summum*, 'riickgrat' • ? mordE Wied. sire 'kante, rand, 
grenze, ufer', Reg. 6ir, Paas. qre 'kant, rand*, M Ahlq. sin 
'rand, kante seite*, Paas. Sird, Reg. ^f diresa *nebenbei*, E 
feiris *neben (wo)' etc. [ tscher. &6r, 6Sr *acies anguii*, ^ron 
*auf der seite, umgeworfen* aus dem wotj. u. syij. konnte 
man an mehrere \vortgrup]:>en denken: 1) die oben p. 267 
erwahnten: wotj. sur: ^iur-U 'rtickgrat*, iurds od. Aurdi 
*weg\ syrj. 6iir : ly-^ur 'ruckgrat*, gdra-iur *bergkette% tvdr 
6ur 'grosser weg' etc.; — 2) wotj. ^or, ^Sur 'hinterteil', 
"^sorlj '^h'jre 'hinter (mit akk.)* etc., syrj. 66r, 6er : ddrd 'hin- 
ter, nach' etc. Das Ip. u. wotj.-syrj. 1) konnen sowohl mit 
fi. syija als mit fi. sorko etc. (p. 267) zusammengesteDt 
werden. Das mord. wort zeigt betreffs des anlautenden 
konsonanten abweichungen, die noch einer naheren aufkla- 
rung bedurfen (viell. liegen hier verschiedene worter vor, 
vgl. auch tscher. ser, sir 'strand* < tschuw. 6yr). 

fi. hShna, haShna 'buntspecht', est. aim (hahn) id. Ip. fautne 
'picus tridactylus', K "^caMe, cttisn 'specht' (mit $n <C Sn) 
tscher. HSte, ^Hsto, B Ramst. H^(9 'specht* \ wotj. .^ii id., 
syrj. WicHM. siz id. 

3. Schwankender anlaut. 

Schon unter den verschiedenen artikeln sind einzebe 
schvvankuntren zwischen s und & hervorcehoben worden: in 



Zur finn.-ugr. lautlehre. 269 

syrj. ear 'meer', saridi, Wichm. sarufi *warme gegend, wohin 
die zugvogel Ziehen*, P sarid&i 'am meere, sudlich', wotj. 
zarei, ^zarl,^, ^zari^ 'meer' ' wog. saryA, liaris *meer' ' ostjN 
iares, ^aras, iores, I sorei, soroi, S ^as 'meer', Kasj. Kas. 
^"»r^5, Trj. (S) f&r^8, Vach (ar^Sy D s^rdt, Kond. sardf, I 
^or^s: Iran, ursprungs: av. zrayah- (nom. zriganh, zarajanh) 
'meer', aind. jrayas- 'lauP. Vgl. unten. 

*fi. se 'is, ille' | mordM aft 'der, jener', E se 'dieser' (mit ^-?) | 
tscher. se, sede 'dieser* (beachte das 5, nicht .^!) \ ostjN si 
'dieser, der', I ti 'dieser' , wog. ti, He, t'ij ^fi 'dieser' | 
ostjS lit 'dieser' | ung. ez 'dieser'. Im syrj. sy, syja 'der, 
jener, dieser', wotj. so *jener, er' ist wahrscheinlich ein de- 
monstratives fiirwort mit dem personlichen zusammengefal- 
len (vgl. unter han p. 232). Die herbeiziehung des ung. ez 
wird dadurch etwas zweifelhaft, dass es in anderen spra- 
chen auch formen mit aniautenden vokal giebt, mit denen 
es zusammenhangen konnte (syrj. esy, mord. esa 'da* u. s. w.). 
Hier ist iiberhaupt noch vieles unklar; vielleicht liegen von 
einander zu trennende worter vor. 



1. Wenn wir auf die angefuhrten belege zuriickblicken, 
finden wir hauptsachlich folgende vertretungen des aniautenden 
sibilanten: 

fi. Ip. mord. tscher. wotj.-syrj. wog. ostj. ung. 

1. 8 8 8Z (0: S) 



1) 8 8 8 h 8 (Z) 



2. t IjtJ 



9) 8 6 6 k 6 1. 8,6 8 8z(d:.) 

Es ist kaum nOtig hervorzuheben dass die erstere vertre- 
tungsgruppe den nicht-mouiilierten, die letztere den mouil- 
lierten sibilanten darstellt und dass diese scheidung, die im 
mordwinischen, vvotjakischen, syrjanischen und lappischen noch 
heute deutlich zum vorschein kommt, nicht durch spatere be- 



270 E. N. SetAlX. 



einflussung der benachbarten laute zustande gekommen sein 
kann ^ sondern dass sie schon ursprachlich sein muss. 

Von ganz besonderem interesse sind hierbei die arischen 
lehnvvorter. VVie ich schon friiher (JSFOu. XVI,2 p. 2) be- 
merkt habe, vertritt das flugr. & in ein paar ganz sicheren ari- 
schen lehnwortern das arische q (s): in sata 'hundert* und sarvi 
'horn*; zu diesen fuge ich jetzt ein drittes hinzu: syrj. 6or etc. 
(p. 260) = aind. Qula-, zend. sura. Dazu kommt noch das 
mouillierte i in syrj. surs *tausend' u. s. w. (p. 265), wo das 
& ebenso zweifelsohne einen arischen palatalen laut wiederspie- 
gelt (*aha8ra od. dgl., siehe ib.). ^ In dem syrj. sar, sarirfz 
'meer' u. s. w. (p. 269) = av. zrayah-, aind. jrayas- hat man 
freiiich im syrj. und wotj. einen nicht mouillierten s-laut (dem 
av. z, aind. j <C « entsprechend), was wohl dadurch seine erkla- 
rung findet, dass das betr. wort eine spatere entlehnung ist^. 
Ebenso ist der sibilant immer nicht-mouilliert in mord. sirne^ 



^ Im mord. (wie auch in einer ostseefinnischen sprache, im 
wepsischen) ist eine spatere mouillierung durch russischen einfluss 
vor alien vorderen vokalen durchgeftthrt worden. Sehr interessant 
ist es, dass jedoch das 8 vor vorderen vokalen der mouillierung 
hat widerstand leisten kOnnen, sowohl, teilweise (in den meisten 
ersamordwinischen dialekten), in der ersten silbe, als besonders 
(in alien dialekten) in den (ibrigen silben, z. b. s^l =■ fi. syli, 5frf 
— aind. setu- u. s. w. ; — pie^ (M piza) = fi. pesa, pezpns, 
pezitns (M pezdms) — fi. pesen, siehe Paasonen, Mord. lautl. 78 f., 
92 (wo jedoch angenommen wird, dass hier mordE f, / aus 
h inter en vokalen entwickelt seien, was nicht gutzuheissen ist). 
Auch im wepsischen sind die dentale (auch s) in der zweiten 
und den folgenden silben oft nicht-mouilliert geblieben, wobei ein 
ttbergang e > ^, i ]> / stattgefunden hat (z. b. sormused =■ fi. 
sormukset u. s. w.). 

2 Dasselbe finden wir im in laut in dem worte vasara 'ham- 
mer*, Ip. v8B6er, mordM uiar^ E uze^e, Hiir 'axt', wo ein fiugr. 
mouillierter s-laut anzusetzen ist (vgl. JSFOu. XVI, 2, p. 6) = av. 
vazra *keule', aind. vigra 'donnerkeil', mit av. z, aind. j <C z. — 
Cber fi. porsas 'ferkel', welches einen inlautenden palatalen sibi- 
lanten auf ieur. seite vorauszusetzen scheint, vgl. meine abhand- 
lung *I. N. Smirnow's untersuchungen*, JSFOu, XVII, 4, p. 31-2. 

^ Ich will jedoch bemerken, dass die ostjakischen formen 
auf einen mouillierten laut hinzuweisen scheinen (besonders die for- 
men mit anlautendem k und £, siehe oben p. 269). 



Zur finn.-ugr. lautlehre. 271 

s\TJ. ^arni etc. 'gold' (oben p. 256) = av. zaranya-, aind. 
hiranya-, was naturlich auch auf spaterer entlehnung beruht. 

Es ist ohne weiteres klar, dass das erscheinen der mouil- 
lierten sibilanten in arischen lehnwortern von sehr grosser be- 
deutung fur die chronologic der entlehnungen ist; auch fur die 
lautgeschichte der arischen sprachen dtirfte dieser umstand 
nicht ohne gevvicht sein. 

2. Das mordvvinische und die permischen sprachen 
haben die scheidung zwischen den nicht-mouillierten und mouil- 
lierten sibilanten bis zum heutigen tag aufrecht erhalten, indem 
sie im aniaut hauptsachlich zvvei sibilanten, s und & zeigen. 
Abgesehen von der spateren regelmassigen mouillierung (vor 
vorderen vokalen) im mordwinischen, vvovon schon oben die 
rede war, kommen freilich sowohl im mordwinischen als in 
den permischen sprachen einige schwankungen zwischen s und 
S vor; auch diese, — wo sie nicht nur auf ungenauer oder 
fehlerhafter bezeichnung beruhen — sind durch spatere ent- 
wicklung entstanden und konnen hier iibergangen werden. 
— Das anlautende z in den permischen sprachen bedarf noch 
einer naheren untersuchung. Vorlaufig macht sein auftreten 
einen ziemlich willkurlichen eindruck, was auf nur satz- 
phonetische u. dgl. voraussetzungen hinzuweisen scheint; zu 
beachten ist jedoch wotj.-syrj. zarni 'gold', wo z mit dem an- 
iaut des iranischen originals iibereinstimmt. 

Auch das lappische hat den unterschied zwischen den- 
selben lauten (bezw. lautgruppen) bewahrt, indem 6 einen 6- 
laut und a (bisweilen vor einem urspr. palatalen laut h, z. b. 
saddat, siehe oben p. 258) einen nicht-mouillierten s-laut ver- 
tritt. Es ist jedoch zu beachten, dass Ip. 6 auch ein urspr. 6'^ 
vertreten kann, ebenso wie das Ip. s oft einen h-laut reprasen- 
tiert, weshalb das lappische allein in diesen fragen nicht aus- 
schlaggebend sein kann. 

Im finnischen sind die beiden s-laute schon in urfinni- 
scher zeit zusammengefallen. Die tscheremissischen sibi- 
lanten bediirfen noch einer grundlichen erorterung, wobei man 
auch aus den turkischen lehnwortern nutzen Ziehen kann. Ich 
bemerke hier nur, dass im tscheremissischen der vorgang offen- 
bar derselbe gewesen ist wie im finnischen, d. h. dass die bei- 



274 E. N. SetAlA. 



nicht-mouilliertes stimmhaftes z vertritt, wogegen das 
unter denselben bedingungen erscheinende ostj. s der ver- 
treter eines nicht-mouillierten stimmlosen sibilanten 
fs) ist. Wenn aber das ostj. 1, stidostj. t (sogar mouilliertes €!) ^ 
dem mouillierten sibilanten des syrj., vvotj. u. mord. (ip. b) ent- 
spricht, sind die ostjakischen laute vielleicht aus einem mouil- 
lierten & herzuleiten; das ostj. s hinwieder, wenn es dem 
syrj.-wotj., mord. d, Ip. 6 zur seite steht, ist ein vertreter des 
ursprlinglichen stimmlosen mouillierten 6.2 

Ob das wog. t (^- s, bezw. i des syrj., wotj., mord.) 
denselben gang der entw'icklung (z>l>l>^>t) durch- 
gemacht hat oder vielleicht auf einem kiirzeren weg entstanden 
ist (z. b. z > ^ > t), mag diesmal dahingestellt bleiben. Ebenso 
kann es nur durch vergleichendes studium aller ostjakischen 
dialekte klar gelegt werden, ob ein gemeinostjakisches 1 < 1 < z 
anzusetzen ist, oder ob sich vielleicht das dialektweise vorkom- 
mende anlautende j (= ostjN l, sudostj. t < z) auf direkterem 
wege aus dem z entwickelt hat. 

Ungefahr ahnlich verhalt es sich mit dem schvvund im 
wortanlaut im ungarischen (epe, 61, arany, allani u. dgl.); die 
zvvischenstufen zwischen z und (welch letzteres auch im 
inlaut neben j ein ursprunglicheres z vertritt) konnen nicht fest- 
gestellt werden, well dieser vorgang ganz und gar in die vor- 
historische zeit fallt. 

Von interesse ist es nachzuspuren, ob und wie die alten 



^ Ein stidostj. anl. i neben einem nordostj. & ist eine ziem- 
lich hSufige erscheinung. In den meisten fallen vertritt es unzwei- 
felhaift ein alteres b'^ (vgl. oben p. 239, 248), wie es auch in eini- 
gen fallen in ttirkischen lehnwOrtem vorkommt, deren originale ein 
S zeigen (siehe Paasonen, FUF II 95 u. 135-6); ich hoflfe jedoch, 
dass es nachgewiesen werden kann, dass man in ahnlichen f2Lllen 
auch von anderen voraussetzungen auszugehen hat. Weil uns diese 
frage zu weit ftihren wtirde und auch ein grOsseres ostjakisches 
material, als jetzt zur veri^tigung steht, beansprucht, will ich sie 
diesmal beiseite lassen. 

2 Cberhaupt hat das ostjakische — wie auch das wogulische 
und ungarische — die mouillierung eingebUsst; wo sie vorkommt, 
ist in den meisten fallen eine entlehnung aus dem S3nj&nischen 
vorauszusetzen. Etwas anders scheint es sich dagegen mit dem 
urspr. z zu verhalten, woriiber nSher a. a. o. 



Zur finn.-ugr. lautlehre. 275 

indoeuropaischen lehnworter (resp. die vvorter, die mit den ieur. 
in beziehung stehen) mit dieser aufifassung zu vereinigen sind. 
Unter den wortern mit nicht-mouilliertem anlaut ist an erster 
stelle das wort suola *salz' zu bemerken, dessen entsprechungen 
im ostjakischen und wogulischen ein anlautendes s zeigen 
(siehe oben p. 249); wie auch das verhaltnis zwischen dem 
fiugr. und ieur. wort zu erklaren ist ^ sprechen die ieur. for- 
men jedenfalls fur ein anlautendes s. Ein iranisches 2 wieder- 
um vvird in ung. arany 'gold* (< av. zaranya-) ganz nach 
dem obigen durch vertreten, ebenso durch t in wog. ^tarin 
etc. *kupfer'; in wog. somi etc. und ostj. sami dagegen kommt 
ein anlautendes s vor. Wenn die oben dargestellte aufifassung 
stich halt, ist das wort ins ungarische, bezvv. ins wogulische 
in der form ^taren gekommen, be vor die lautentwickelung 
B > 0, bezw. a > t durchgefuhrt worden ist, ins wogulische 
und ostjakische in der form mit a aber wahrscheinlich durch 
vermittlung des syrjanischen und erst nachdem die entwick- 
lung z > 1, z > t schon angefangen hatte. — Was hinwieder 
die 6-gruppe betrifift, entspricht dem arischen q (s) in den 
ugr. sprachen ein s-laut (siehe oben unter fi. sata, sarvi, syrj. 
sor p. 258-60); die entsprechung eines arischen stimmhaften 
mouillierten sibilanten haben wir in ostj. Kas. Karj. ^or^s, 
D tards etc.; das t der letzteren form konnte eine direkte fort- 
setzung eines alten i (> t) sein, die 6-form dagegen ware 
durch eine andere entwicklung {i > k) entstanden. In dem 
ostj. wort iaras 'meer* etc. ist der anlaut etwas unklar; vgl. 
oben p. 270. 

Wie man also sieht, stimmen die alten indoeuropaischen 
worter im grossen und ganzen ziemlich gut zu der hier dar- 
gestellten theorie. 

Es erubrigt noch die frage, wie alt diese teilung in s 
und z, bezw. k und i sein kann. Es ist unzweifelhaft, dass z 
(oder 6) in vielen fallen durch eine spatere, einzelsprachliche 
entwicklung (besonders durch den einfluss der satzphonetik) 
entstanden ist; dadurch werden die schwankungen im anlaut. 



^ Brugmann, Grundriss P 162 (§ 182) spricht die vermutung 
aus, dass das wort ftir *salz* vielleicht aus einer nicht ieur. sprache 
entlehnt sei. 



Beitr^e zur finnisch-ugrischen wortktinde. 277 



Beitrage zur flnnisoli-tigrisolien wortkunde. 



2. Est. taba 'schloss, hangeschloss'. 

Est. taba, welches Paasonen, wie im vorigen artikel (FUF 
n 78) bemerkt, mit mord. tavadoms verbunden hat, stelle ich 
mit folgenden wortem zusammen: 

est. taba g. tava (taba) 'schloss (bes. hangeschloss)', liv. 
taba^ 'vorhangeschloss', est. tabase od. tappa panema 'ver- 
schliessen', estS tabama 'einschliessen, einsperren' \ wotj. tutj- 
garif tot^gon *schloss, hangeschloss', syrj. toman 'schloss', koTkja 
t. 'hangeschloss' (kolk 'ei', vgl. fi. mnnalnkko 'hangeschloss' : 
mtma 'ei*, lukko 'schloss') | wog. toman, toman *schloss* 
ostjN, I toman 'schloss, riegeP, nach PApai tainan ^schKissel'. 

Diese zusammenstellung, die ich schon in JSFOu. XVII,4, 
p. 16 angedeutet, ist naturlich nur unter der voraussetzung 
moglich, dass man von einer form mit „gutturalnasal" ausgeht, 
also < ^taiia- (mit fi. vokalismus). Diesem soUte im est. ein 
nominativ *tava und nicht taba entsprechen, es ist aber leicht 
begreiflich, dass man von tava- ausgehend nach dem muster 
des gewohnlichen wechselverhaltnisses est. b '^ v eine starke 
stufe taba schuf (ganz ahnlich wie p '^ v statt v in fi. kapoan 
inf. kavota 'klettem' < ^kaiio-, vgl. wog. xoT^qam *aufsteigen\ 
ostjN xot|xtem 'klettem, steigen', ostjS xoT^am *klettern', ung. 
hag 'treten, steigen'). — Die wog. und ostj. worter sind ohne 

TWTCkk^eA Aam cirri onfloVinf 



278 E. N. SetAlA. 



taT|ata *klotz*, Ramst. tatigata 'der stumpf, das stammende 
des baumes; der klotz' denken, wenn dieses nicht ein fremd- 
wort ist. 



3. Ung. fogoly 'rebhuhn' = fi. pyy *haselhuhn; rebhuhn'. 

Das ung. fogoly 'perdix* wird gewohnlich aus dem deul- 
schen vogel hergeleitet (so Simonyi, Nyr. VII 244, IX 556; 
LuMTZER u. Melich, Deutschc ortsnamen und lehnworter des 
ung. sprachschatzes 103). Gegen diese etymologie muss jedoch 
hervorgehoben werden, dass das d. vogel, soweit man weiss, 
im deutschen nie 'rebhuhn, perdix' bedeutet. * Und dass der 
ungar eine benennung mit so allgemeiner bedeutung wie das 
betr. deutsche wort einer bestimmten, dem volke sicherlich 
schon vor der landnahme bekannten vogelart zugeeignet hatte, 
lasst sich kaum denken. Ich finde mich daher veranlasst fur 
das ung. wort eine finnisch-ugrische etymologie anzufuhren, 
die hinsichtlich ihrer form und bedeutung einleuchtend sein 
diirfte : 

fi. pyy 'haselhuhn (tetrao bonasia)', peltopyy, ryssan-pyy 
'rebhuhn (perdix cinerea), wachtel (perdix dactylisonans)', tur- 
kin-pyy 'staar (sturnus vulgaris)', kar.-olon. piiu 'haselhuhn\ 
weps. pU id., est. puii 'feldhuhn, rebhuhn (starna cinerea)', 
pdld-pM (auch einige andere zusammensetzungen, die ich hier 
ubergehe) id., kaazik-, korbe-, kuuze-, laane-, mets-ptiti 'ha- 
selhuhn', raba-pM, soo-ptiti 'morasthuhn (lagopus albus)', estS 
pfivi, dim. puvekene = N pOO, liv. puM 'feldhuhn', nurm-p. 
'rebhuhn, feldhuhn', miitsa* p. 'haselhuhn' \ IpN baggoi 'tetrao 
bonasia', L pak1cS)i g. p(tggu, pdJclm g. poggoa, ^ Lind. paggo, 



^ Bei Luhtzer u. Melich findet man folgende erklSning: 
>Das volk scheidet selten die species von dem genus. — — Und 
so Hesse sich auch denken, dass irgendwo und irgendwann in Un- 
gam das rebhuhn bloss vogel genannt wurde, welche bezeichnung 
selbst dann im ung. aufnahme gefunden hat». Diese erklanmg 
w£lre natdrlich an sich nicht unmOglich, wenn nur die annahme, 
auf welcher sie beniht, sich bestatigen liesse. 

2 WiKLUND, Url. lautl. 312, wo das h. u. Ip. wort zusam- 
mengestellt werden. 



Beitrftge zur finnisch-ugrischen wortkunde. 279 



boreal, pliggo id. | mordE povo (NyK V 218), M Ahlq. poan&, 
Reg. povni, poi& 'haselhuhn' | ostj. PAp. ^pe^gh, pofjk (Vas- 
jugan), pufjk (Vach) id. („|)ii6qHK'».") | ung. fogoly 'perdix', 
Yeb- od. feldhuhn' (altester beleg aus dem 15. jh.), volksspr.: 
fogor-madar, fogn-madar. 

Die finnischen und mordwinischen formen setzen ein 
fiugr. inlautendes tj voraus; die ostjakischen und ungarischen 
formen konnen sowohl aus einem urspr. tj als einem iy + klu- 
sil hergeleitet werden (vgl. ung. jeg, eger, fog neben f8, v8, 
iv od. y), das ip. hinwieder weist auf fj + klusil bin. Indem 
ich auf das lautliche verhaltnis (in welchem ich spuren des alten 
stufenwechsels sehe) in einem anderen zusammenhang zuruck- 
zukommen hoffe, bemerke ich bier nur, dass das ung. fogoly 
vvohl als vveiterbildung betrachtet werden muss und dass 
man vielleicht in der dialektform fogu- eine urspriinglichere 
stammform bewahrt hat (beachte sonst das Ip. / in baggoi, 
das estS i in pOvi — hat dieses mit dem ung. ly etwas zu 
thun?). 

Ein ganz verschiedenes wort ist naturlich ung. fiyd *uro- 
gallus', 'birkhuhn' = wog. Ahlq. porta *tetrao tetrix', Munk. 
pLtUiy poUj ^paWj 'auerhahn', welche beiden worter schon Mun- 
kAcsi (NyK XXV 269) zusammengestellt hat. — Eine andere 
benennung fiir *auerhahn', welche eine ziemlich gros.se verbrei- 
tung hat, wurde oben (p. 240) unter Ip. 6uk6a angefuhrt. 



4. Fi. toht^a *colymbus arcticus' etc. 

Wo es sich hier einmal um alte finnisch-ugrische vogel- 
namen handelt, erlaube ich mir auf folgenden alten wasser- 
vogelnamen aufmerksam zu machen: 

fi. toht^a od. tohtava Renv. 'anas glacialis od. hiemalis*, 
'winterente*, LOnnr. 'colymbus arcticus' od. 'fuligula glacialis' 
IpN dovta g. doktag 'colymbus arcticus', appe-dovta 'fuligula 
glacialis', K tovt g. foxtcy^ Notoz. ioytiy 'taucherv^ogel' j tscher. 
tokta : tokta-ludo, tukto-ludo (Troick.) *colymbus' (rnrapn) ; 
wog. Ahlq. taxyt, tigit, tyxt 'die grosseren arten von colymbus 



i8o E. N. SetAiX 



und podiceps', Munk. HUx^t, taxt, Hoxt 'tauchente' ostjN tox- 
tyri 'colymbus cornutus', I Patk. toxtet^f ^toxti^i 'grosser taucher*. 
PAp. ^tax^tefiQy taxtan (Vach) ^ 

Ein anderer alter wasservogelname ist oben (p. 244) unter 
fi. sotka angefuhrt worden; beachte auch fi. sorsa p. 238. 

Helsingfors. 

E. N. SetAlA. 

* GOMBOCZ, NyK XXXn 208 vergleicht mit dem wog.-ost. 
worte jen.-ostj. taki, takti *knakente (anas crecca'). Das von ihm 
ebenfalls (mit ?) herbeigezogene jen.-ostj. tox, tog 'quakerente (anas 
clangula)' erinnert an wog. tox 'anas cl)rpeata', siehe oben p. 255. 




9m 



ANZEIGER 

DER 

FINNISCH-UGRISGHEN FORSGHUNGEN 

BAND n DBZBMBBR 1902 HBPT 5 

Beitrage zur gesohlolite des flnnlsolien Muses. 



AiLio, Julius. Lopen asunnot eri kehitysasteissaan. Suomalaisen 
Kirjallisuuden Seuran toimituksia, 8i osa. Kansatieteellisi^ kerto- 
muksia, V, Helsinki. = Die wohnungen des kirchspiels Loppi auf 
den verschiedenen stufen ihrer entwicklung. VerOffentlichungen 
der Finnischen Litteraturgesellschaft nr. 8i. Ethnographische 
berichte, V. Helsingfors, 1902. 120 p. 79 abbildungen. 

Zu der frtiher vom verfasser erschienenen untersuchung 
» Kansatieteellinen kuvaus ulkohuonerakennuksista Lopella* (» Ethno- 
graphische schilderung der nebengebaude im kirchspiel Loppi », 
Suomalaisen Kirjallisuuden Seuran toimituksia, 81 osa. Kansatie- 
teellisia kertomuksia IV, Helsingfors 1896, 136 p. 93 abbildungen) 
•will die in obigem titel genannte arbeit die fortsetzung bilden und 
mit ihr eine monographie der volksttimlichen gebaude im kirch- 
spiel Loppi darstellen. Besagtes kirchspiel liegt im sUdlichen Ta- 
vastland, auf der linie Helsingfors — Tavastehus ungefahr in der 
mitte; verhaltnismSssig abgelegen, ist es in wirtschaftlicher bezie- 
hung langsam, jedoch gleichmassig, vorwartsgegangen. Es haben 
sich daher dort in den bauverhaltnissen recht viele altertUmliche 
zUge erhalten, und namentlich in einer abgelegenen, zum gute 
Salmio gehOrenden gegend, wo die kohlenbrennerei noch bis in 
die jUngsten zeiten betrieben worden ist, finden wir noch heute 
als zufkllige wohnungen ganz primitive gebaudeformen. Der ver- 
fasser hofft somit durch seine monographie einige beitrage zur 
geschichte des finnischen hauses, die immer noch ihres ersten 
schreibers harrt, zu liefem. 

Das material ist in ein system gebracht, welches sich dem 
entwicklungsprinzip anschliesst, sich jedoch natUrlicherweise nicht 
allein auf die verhaltnisse des kleinen Loppi grlindet, sondem auf 
so weite kulturgebiete wie nur mOglich. Die vergleichung selbst 
bezieht sich auf alle genetischen eigenttimlichkeiten der t>^pen, d. h. 



92 Ailio. Beitr^ge zur geschichte des finnischen hauses. 

auf alles der entstehung und konstniktion nach gleichartige, nicht 
nur auf die in die augen fallenden Slusserlichkeiten, wie z. b. die 
lage und form der feuerstatte, worauf dr. Axel O. Hetxrt. das 
hauptgewicht gelegt hat ^, oder auf die Slussere form und den grand- 
riss des gebaudes, nach denen der verstorbene russische forscher 
prof. N. N. Haruzin die gebaudeformen aller finnisch-ugrischen 
vOlker in ein system zu bringen versucht hat ^. 

Unter zuhttlfenahme der genetisch-vergleichenden un- 
tersuchungsmethode ist es nach der ansicht des verfassers 
auch auf dem gebiete der volkstUmlichen bauwerke mOglich zu 
einem nattlrlichen system und zugleich auch wenigstens zu 
approximativen bestimmungen des absoluten alters von gebaude- 
formen zu gelangen. Die andem wege fQhren dagegen zu mehr 
oder weniger artifiziellen systemen, reissen zusammengehOrige for- 
men auseinander und vereinigen ihrer entstehung nach durchaus 
verschiedenartige ohne die entwicklung der gebaudeformen voll- 
kommen historisch darstellen zu kOnnen. Die sachen liegen hier 
— um anschaulich zu sein — ebenso wie in der botanik, wo Lin- 
n6's kUnstliches, nur auf die sexualorgane basiertes system z. b. 
gewisse nahverwandte arten viola verschiedenen klassen zugeteUt 
hat, wahrend sie de Candolle-Hookers nattlrliches system, das alle 
eigenschaften der pflanzen berticksichtigt, zu einer und derselben 
familie rechnet. 

Verfasser hat aus diesem grund sein augenmerk auch 
auf die primitiven gebaudeformen gerichtet und den versuch ge- 
macht die entstehung, konstniktion und entwicklung eines jeden 
typus nach so vielen seiten wie mOglich zu verfolgen. Jedes ge- 
baude ist z. b., soweit es anging, nicht nur nach seinem jetzigen 
stand betrachtet, sondern auch von dem gesichtspunkte, wie und 
in welch er ordnung es geworden ist, welche veranderungen es in 
alien seinen teiien im lauf der zeit erfahren hat, wann und in wel- 
cher ausdehnung ein bestimmtes phanomen auftritt, wie das gebaude 
an derselben stelle frflher gestaltet gewesen ist u. s. w. Zahbreiche 



V 

* Die Gebaude der Ceremissen, Mordvinen, Esten und Pinnen 
(^Suomalais-ugrilaisen Seuran Aikakauskiija IV), p. XXVIII. 

' Onepirb HCTopiw paaHHTin Hcu.iiima y ())iihhobi> (= Abriss einer ge- 
schichte der entwicklung des hauses bei den finnen) (•3THOrpa<{>HHecRoe 
O(503ptHie, XXIV), vorworL 



Ailio. Beitrage zur geschichte des finnischen hanses. 93 

abbildungen, gnindrisse u. m. sollen dazu beitragen die darstellung 
anschaulich zu machen. 

In der einteitung des buches wird unter hinweis auf dr. 
Heinrich Schurtz' werk >Urgeschichte der Kultun auf die den 
bau von wohnungen leitcnden zwecke und auf mehrere andere fak- 
toren, die die entwicklung der menschlichen wohnstatten vorwarts- 
gefahrt baben, sowie auf die bautenkundliche untersuchungsinethade 
Bufmerksam gemacht. 

_ '-.■ y'"'. 



Alsdann folgt in mehreren kapitetn eine darstellung der ver- 
schiedenen typen der wohnstatten in chronologischer ordnung. 
Verfasser unterscheidet folgende grundfonnen: den iwindschimu 
(9lakka>), verschiedene zeltformen (tkodat*), in den boden einge- 
grabene wohnungen, die rauchpOrten und die tstuben*. 

Der windschirm ist eine als schutz gegen regen und wind 
benutzte seitendeckung fUr den ktlhler, fischer u. a., wie wir sie 
bei mehreren naturvOlkem antreifen (s. fig. I). Er ist von den 
kOnstlichen behausungen die erste und deutet auf eine nomadisie- 
rende oder unstete lebensweise. 

Von den zeltformen erscheint das konische stangenzelt 
nicht mehr in Loppi, obwohl es in manchen waldgegenden Finlands 
heute noch im gebrauch ist, mitunter als zufailige wohnung, gewOhn- 



Ailio. Beitr^e lur geschichte dfs finnischen bauses. 



lich aber als kochstatte (fig. 2). An seiner stelle tritt in Loppi z 
bei kohlenmeilem eine entwickeltere zeltform, das sog. firstz 



stangeDzelt, als kochstatte benuut hier und da jedoch 
3 deu fianiscben einSden bei der scbweiidearbeit als 
wohnung verwandt '. 



F'K- 3' FirsUelt, zufillige wobnung von kfthlem. 

■ Diese abbildung giebt die hutte Vanikko am see MuurejSrvi 
im kirclispiel Pibtipudas, nordl. TawasCland, wieder (das gebSude in der 
mitte ist das wobnbaus, das recbts die badeiitube). — Die iibrigen ab- 
bildungen des reierats slatnmen alle aus Loppi. 



Ailio. BeitrSge zur gescbicfate des ftnntschen hauses. 95 



auf, das mit einem firstbalkeo uod zweiflachigem dach versehen ist 
(fig. 3), und in dem auch der ofen in einer sehr primitiven gestalt 
erscheint (fig. 4). Das first- 
zelt beweist bereita wenig- 
steas halbsesshaite lebens- 
weise, was man vom koni- 
schen stangenzeltwohlnoch 
□icht sagen kann. 

Die in die erde ein- 
gegrabenen wohnun- 
gen, die eine sessbafte le- 
bensweise an einem ort vor- 
auszusetzen scheinen und 
bauptsachlich in der kalten 
und geroSssigten zone an- 

zutreffen sind, haben die „. _. ...., . -■ . ,. 

' Pig. 4. Feuerstatte eines firstzeltes. 
eigentUmlichkeit, dass sie 

zum tell in die erde versenkt sind. Solche wohnungen von ver- 



schiedenen arten begeguen uns in Loppi bei kohlenmeilem sowie 
im besitz der jlnnsten katner {>m9k]tupalainen>} und sind hier mit 



96 



Ailio. Beitr9ge znr geschichte des fituischen haases. 



etnem balkenkranz versehen (figg. 5 u. 6), was als ein spSterer 

entwickelungszusatz zu betracbten ist. Ihre Terwendnng als eigent- 

liche wohnstanen dOrfte in die 

zeit vom ende der steinzeit 

bis um Christi geburt zu ver- 

legen sein, sodass also der 

gebrauch der zelte als wob- 

nung noch weiter zurtlck und 

der des windschirms in die 

graue vorzeit zu datieren ist. 

Erst in den nacbcbristli- 

chen jahrbunderten scheineo 

die blockbauteu Qber dem erd- 

boden bei den finnen in ge- 

braucb gekommen zu seio, 

und die frtlhste form dieser 

ist die rauchpOrte (figg. 7 

— 9). Die am ersten in die 

augen springende eigentamlichkett ist ihr rauchofen, ibre Qbrigen, 

nresentlicben eigenschaften sind die die wand inner- und ausser- 



Fig. 5. Teilweise unterirdische woh- 

nung, die :85o— 70 die stfindige woh- 

nung eines katners war, und die mil 

zweiflScbigem dach verseben ist 



halb umschl lessen den erdbanke (eine erinnerung an die unterirdi- 
schen wohnungen), die steile, mit einem first versehene decke, die 



Aitio. B«itrfige zur geschichte des finuischen hauses. 



97 



imterhalb dieser liegenden urspiUnglich sum dorrea des getreides 
sowie beim baden becutzteii balken, die kletnen schubfenster, die 
diele (aofftDglich aus erde, spater aus balken), vor der thQre eine 
art flur (oft nur eine seitendeckung gegen regen und unwetter, 
sog. >piste») u. s. w. — Id Loppi scheint die pOrte, in manchen 
punkten natQrlich weiter entwjckelt, bis 
zum ende des 1 8. jahrhuDderts in gebrauch 
gewesen zu seio. 

Die stub en sjnd heutzutage in 
Loppi die gewOhnlichsten wohnr9ume. 
Sie weisen nicht mehr die oben erwahn- 
ten erdbanke auf, die decke hat sich 
hemieder gesenkt und in eine ganz ebene 
fl3che verwandelt, die darunter gelegenen 

balken sind verschwunden und an ibre stelle nur einige wenige 
dQane sparren getreten, die fenster sind gross und verglast und die 
feuerst&tten oft sehr weit entwickelte >kachelOfen> oder backOfen 
niit offenem herd. Die stube ist gewOhnlich nur ein teil von 




Fig. 9. Ofen der rauchporte abb. 7. 

einem grOsseren gebaudekomplex (figg. 10 — 13). — bi einem be- 
sondern kapitel hat mag. phil. Joos. J. Sajanieui's schildening des 
in der stube sich zur winterszeit konzentrierenden bauern- 
lebens platz gefunden. 

Indem verfasser nun die entwlcldung der wohnung an erster 
stelle im auge behSlt, zeigt er daneben, wie sich aus der wohnung 
duich differenzierung verschiedene gebilude zu wirtschaftszwek* 



98 Ailio. BeitrSge zur geschichte des fianiachen hanses. 

ken entwickelt haben. — Allererst dQrfte sich, bereits in der zeit- 
periode, die vorratskammer in ihrer primitivsten form abgebrennt 
haben, die somit neben dem wohngebaude cine eigene lange ent- 



Pig. lo. Typischer loppischer bauemhof ai 
19. jahrhuaderts. 



1 der eisten halfte dea 



wicklung durchgemacht hat. Vermutlich schon frOh ist'auch die 
kochtba.tigkeit wenigstens teilweise ausserhalb des wofangebaudes 
verlegt worden. Wir dOrfen annehmen, dass das stangenzelt nach 




Fig. II. Der bauemhof abb. 10 im durchschniti und im gnindriss, wo 
A die »alte stube>, B die >neue stube», C die •kammer. uud D das vor- 
haus ist — Die dicken gestrichelten linien bezeichnen die trSger der 
decke, die dunnen die spairen. die fortlaufenden linien die dielenhalken. 
— VoQ deu zahlen bedeutet A : i den familientiscb, A : 1 die lange bank, 
A: 3 die wandbatik, A:4 den webstufal, woneben rechts der speise- 
schrank zu steheti hatte, A; 5 die betten, A:6 das geachirrbrett, B: 1 
einen tisch, B : 3 das sofa, S : 3 die kommode, B : 4 die betten, B : 5 den 
schrank und B : 6 die lade. 



der entstehung des tirstzelts als sommerwohnunK und ktlche be- 
nut2t wurde, wie es bisweilen noch heute der fall ist. 

Was die unterkunftsr9ume der haustiere betrifft, so deuten 
verschiedene umstande darauf hin, das.s die iinnen dergleichen an- 



Ailio. Beitrage zur gescbtchte des finnischen hauses. gq 



fangs nicht gehabt haben, sondem dass sie die tiere w^rend der 
kalten jahreszeit im wohngebflude unterbrachten. Die in den boden 
eingegmbene wohnung bietet gewisse erinnening^n daran, dass die 
tiere in ifar gehalten wurden, und fUr die rauclipfirte haben wir 
Doch aus den zeiten ihres ausgangs in Loppi sowohl als andern 
orts belege, die in dieselbe richtung weisen. Wann der gebraucb 
besonderer hornvieh- und pferdestalle zur sitte geworden, ist 
schwer auszumachen. Sicher dUnkt es uns, dass es vor der ver- 
wendung besonderer badestuben- und riegengeb9ude geschehen ist. 



Pig. u. Feuerstatte der stube (backofen init offenem herd). 

— Das verhaitnis der vieh- und pferdestalle zum wohngebflude hat 
sich nach stattgehabter differenzlerung verschieden gebildet in Est- 
land, Russisch-Kareiien und Finland, und hat zugleich den gehflften 
dieser gegenden einen betrachtlich von einander abweichenden cha- 
rakter verliehen. 

Schon die zeltwohnung dUrfte auch als badestube, d. h. zu 
damptbadern benutzt worden sein, und dasselbe dtlrfte von der in den 
boden eingegrabenen wohnung sowie gam sicher von der rauch- 
pOrte anzunehmen sein. Die ausscheidung der badestube als selb- 
stSndiges gebitude ist wohl grossen teils bereits ums jahr looo 
vollzogen, denn nach der nestorianischen chronik scheint es sich 



(oo Ailio. B«itrSge tar gesctuchte des Bniiischen baiiMS. 

um die zeil ihres verfassen (gegen lioo) in Nordwest-RussUDd 
also verfaalten zu haben. 

Bcreits lange zeit vor Christi gebmt haben die finnen die 
Itultur dcr getreidepfianzen gekannt. Das dreschen des koms bat 
wohl in feuchten gegenden, wie in den Ostseelflndern, water dach 
vorgenommen werden mflssen. Gewisse giUnde legen ana die 



Fig. 13. Feuerstatte der stube (»kachelofen»). 
annahme nahe, dass die in die erde eingegrabene wohnung seiner- 
zeit auch als riege gedient hat, und mit der rauchpOrte ist es 
Richer nicht andere gewesen. Das besondere riegengebSude ist 
in Finland spatestens im 16. jahrhundert, sehr wahrscheinlich aber 
schon viel fraher allgemein gewesen. (Im Kalevala werden die 
badestubc und die riege immer verschieden benannt.) 

Aui^ser dem geschilderten difiereDzieningsprozess ist in der 
entwtcklung der gebaude auch eine umgekehrte erscheinung, die 
integrierung zu beobachten. An die badestube ist z. b. eine 
kflche von vierecksform geschlossen, riegen sind paarweise verei- 
nigt worden u. s. w. 



Ailio. Beitrflge zur geschichte des finnischen hauses. 



lOl 



Ebenso wie sich aus der wohnung verschiedene wirtschafts- 
gebaude ausgeschieden haben, so hat sich auch die wohnung selbst 




Fig. 14. Grundriss: die verschiedenen r&ume eiues durch mehrere, 
einander gegeniiber gelegte stuben augewachsenen bauemhofs: a die 
backstube, b die alte stiibe, c anfanglich ein durcheangsvorhaus, in 
dessen hintergrund spater ein speiseverschlag d eingenchtet worden ist, 
e der saal, f die kammer des hausvaters, g das vorhaus, h und i 
fremdenkammer, j die gesindestube, k vorhaus und 1 niilchkammer. 



IS" 



l£ 



hand in hand mit den wach- 

senden bedflrfhissen, anforde- 

rungen und der arbeitsteilung 

in verschiedene gemScher, 

stuben, kammem, s^e, kU- 

chen u. s. w. diflferenziert. 

Nach der art der verbindung 

dieser verschiedenen gemacher 

unterscheidet verfasser der 

Iflnge, der hOhe und der breite 

nach gewachsene wohnungs- 

gebSlude. Bei den ersteren, 

zugleich den gewOhnlichsten, 

sind zwei gnmdgerttste zu be- 

merken, eins, welches zwei 

einander gegentiber liegende 

stuben und einen dazwischen 

befindlichen flur urafasst (vgl. fig. 1 1 und 1 4), und ein anderes, zu dem 

eine stube und daneben ein flur nebst kammer gehOren (fig. 1 5 : a, b, c). 




Fig. 15. Grundriss: die verschiedenen 
raume eines durch zubau der kam- 
mem mit der stube augewachsenen 
bauemhofs: a die stube aus ca. 1S08, 
b das vorhaus, c die vorhauskammer 
und d hinterkammer. 



I02 Ailio, B«itrage zur ((eschichte des finnischen liauses. 

Das erstere erscheint dem verfasser, nach den verhaitnissen des 
kirchspiels 2u urteilen, alter als das letetere, obgleich er auf eine 
untersuchung der altersverhilltnisse und verbreitung derselben nicbt 
naher eingegangen ist. 

Die zunahme der hohe der gebflude hat erst sett ungef^r 
hundert jahren begonnen, und zweistOckige gebfiude sind auch jetzt 
noch selten (abb. 1 7). GebSude, die in die breite gewachsen sind, 
sind wiederum durchaus erscheinungen der jQngsten zeit. 

In einem besondern kapitel hat verfasser die fremdeniim- 
mer behandelt. In primitiven verhaitnissen ist von solchen natOr- 






Pig. 16. Zveistockiges speichergebaude (>toftgebaude>, >lnhtirakeii- 

nus>) aiis dem anFang des 19. jahrhunderts, wo der linke raum uDteo 

das fremdengeniach, der rechte unteu die speisekannner uod die beiden 

rjiunie ohen kleiderkammem aind. 



licherweise nicht die rede, sondem da muss der gast wohnung 
sowohl wie essen mit den wirtsleuten teileo. In etwas entwickel- 
teren verhaitnissen wurde der kleiderspeicher als schlafraum fOr 
gaste benutzt, denn darauf deuten mehrere heutige erscheinuagcD 
in Loppi, so z. b. die verlegung des fremdenzi miners in das >loft- 
gebaude> (abb, 16) wie auch z. b. die ziemlich ahnlichen verhait- 
nisse in Norwegen. Alter wahrscheinlichkeit nach bat sjch dean 
auch die kammerform, die spater mit der stube vereinigt auftritt, 
gerade aus dem kleiderspeicher entwickelt. Der der gSste halber 
angelegte, heutzutage ebenfails hautig an die stube angeschlosseoe 
saal ist seinerseits niir eine modemisierte stubenform. — Ofters 



Ailio. BeilrAge 7Mt Keschichte dea finnischen hauses. 103 

hat man in spSteren zeilen in den bauemhOfen besondere fremden- 
geb2ude mit salen und kammem (abb. 17) gebaut. 

Die bautechnische seite hat verfasser frQher in seiner 
iSchildening der nebengebSude* behandelt, weshalb er hier nur 
ergBnzungen und dazu hinweise auf die bedeutung der konstrukti- 
vischen faktoren bei der altersbestimmung der gebSude hat bieten 
wollen. — Ganz neue beitr^ge sind einige arbeitsgesitnge mit 
melodien, die in Loppi beim anschleifen der balken zum bau 
und beim wSlzen der steine gesungen werden, und zu deren auf- 



zeichnung der verfasser durch prof. dr. Karl BOcher's lArbeit 
und Rbytmus) angeregt worden ist. 

Im schlussbapitel des buches gelangen die gehOfte und 
dOrfer zur besprechung. Die gehftftform der verschiedenen kul- 
turperioden, d. h. die anordnung der wohn- und nebengebSude 
untereinander, spiegeln gewOhnlich noeh in der gegenwart die vur- 
schiedenbegtlterten heutigen siedelungen wider; die kOtereien (»mO- 
kit» od. •makituvat"), die kleineren frohngOter (»torpat») und die 
bauemhofe (•talot»). In den kOtereien sind die gebaude gering an 
zahl und zerstreut, ohne besonderes system angelegt, in den klei- 
neren frohngUter ist meist in der gruppierung der gebSude um 
eine viereckige hofanlange eine in alte zeiten zurOckweisende, ge- 
fcstigte und durchaus praktische konzentration der wirtschaftlichen 



I04 Ailia Beitrftge zur geschichte des finnischen hauses. 




Fig. 1 8. Grundriss eines geschlossen gebauten gehdfts, aus der erstfo 
halfte des 19. jahrhunderts: nr. i — 4 bezeichnen das wohngebSude, 5 
das »loftgebaude», 6 — 8 das gebaude ftir die fremden, 9 schup{>eti, 10 
schauer, 11 — 19 andere wirtschaftsgebSude (fiir die pferde, kuhe u. a.), 
20 badestube nebst ktiche, 21 hopfengarten, 22 gemftsegarten, 23 hof- 
anlage, 24 zaun, 25 viehhiirde, 26 viehweg zum fluss und 27 thor (die 
riegen stehen getrennt, ebeuso vier kom- u. a. speicher). 



I 



Ailio. Beitrage zur geschichte des finnischen hauses. 105 

thSdgkeit zu beobachten. Am weitesten ist diese konsentration 
gediehen in den bauerhOfen, die noch vor etniger leit geschlossene, 
um einen parallelogram mfOrmigen hof angelegte gebfludegruppen 
gebildet zu haben schejnen (fig. 18). 

Seit uralten zeiten haben auch die finnen in dorfgemeinden 
gewohnt und die feldgemeinschaft des dorfes ist auch bei ihnen die 



Fig. 19- Kartenskii:7,e. welche die wohnhaus- und die riegenplStze des 

dorfes Vojakkala mit den umliegenden aokern i. j. 1741 andeutet. Die 

schraffur mit fort) a 11 fen den linien be/.eichnet die wohnhausplatze, die 

mit gestrichelten linien die riegenplatze. 

zwischenstufe gewesen, von der man zum privaten bodenbesitz 
Ubergegangen ist. Der charakter des dorfsystems in Finland und 
ID den wohngebieten der finnen ist noch nicbt nennenswert unter- 
sucht, sodass es noch nicht an der zeit ist vergleiche und schlOsse 



io6 Eisen. Marcheu- u. sagenpublikationen. 

daraus zu ziehen. Verfasser berOhrt nicht die bodenteilung, son- 
dem begntigt sich damit nur auf einige volksttberlieferungen von 
der frtiheren feldgemeinschaft hinzuweisen, und erOrtert die dorflage 
in Loppi mit hUlfe mehrerer karten aus dem i8. jahrhundert. Die 
hofstlltten sind nach diesen von parallelogrammform, regebnftssig^ 
seite an seite aufgeftihrt gewesen (bisweilen erscheinen die riegen- 
pl&tze nach demselben plan, von den wohnhauspldtzen getrennt 
fig. 19) und haben also auch unmittelbar auf das gehOftsystem 
eingewirkt. Die in Loppi urn 1800 vorgenommene gemeinheits- 
teilung, d. h. die aufteilung der allmenden der dOrfer unter die 
berechtigten und die spater eingetretene ergftnzung und reg^lierung 
dieser teilung haben die dorfgruppen zumeist auseinandergesprengt, 
sodass auf dem alten platz gewOhnlich nur einige gehOfte stehen 
geblieben sind. 

Ebenso hat die obenerwahnte geschlossene gehOftform ange- 
fangen sich aufzulOsen. Der hofraum, der darin durch einen zaun 
in zwei teile, die hofanlage und die viehhtirde geschieden gewesen 
ist, failt in mehrere, getrennte gebiete auseinander, um die sich 
die verschiedenen zwecken dienenden gebaude gruppieren. 

Helsingfors. SelbstbERICHT. 



Naolitrag: 

zu „den mlUrchen- und sagenpublikationen von M. J. 

(FUF n Anz. 71-77). 



Der in FUF 11 Anz. 75 erwahnte 11 band der teufelsmarchen : 
Teised Vanapagana jutud (104 p. 20 kop.) ist in Reval, bei G. 
Pihlak 1896 und zwar von M. J. Eisen selbst herausgegeben 
worden. 

Die anzahl der selbstandig erschienenen marchensammlungen 
ergiebt voile 30, wenn wir hinzufUgen : Vanad jutud = alte marchen 
(42 erz.) Weissenstein, Seidelberg 1895. 48 p. 15 kop. Enthalt 
42 varianten zu frtlher gedruckten marchen, nebst einer erklaning. 
dass auch die varianten des sammelns wert sind. 



Eisen. M^chen- u. sagenpublikationen. 1 07 

Von den tibrigen folkloristischen publikationen Eisen's sind 
noch 2U erwihnen (vor 1900, sp9ter s. bibliographic): 

1) K6u ja Pikker, rahva suust saadud ainete jSrele salrainud A. 
Maine =: namen zweier donnergOtter, nach volksttimlichem mate- 
rial gedichtet vom pseudonym A. Maine. Dorpat, Schnaken- 
burg. 1885. 8:0. 32 p. 

2) Rungla. Oma maa. 1886. p. 33-7. Vgl. nr. 6. 

3) Kurat =: der teufel. Isamaa Kalender 1887, p. 29-34. 

Estnische benennungen des b5sen. Ableitung des wortes kurat 
axis dem schwedischen skratt. 

4) Lembitu. Isamaa Kalender 1887, p. 35-45. 

E^rOrterung dieses namens und dieser persOnlichkeit bei Heinrich 
dem Letten. 

5) Kullervo. Isamaa Kalender 1887, p. 47-65. 

Einige vergleiche zwischen Kullervo und Kalevipoeg nebst inhalts- 
angabe einer redaktion der Kullervolieder von J. Khohn 1882. 

6) Elu p&rast surma, Hiied ja Perma, Siuru, Lalli, Lijoni ingel = 
leben nach dem tode, Hiis, Bjarma, Siuru, Lalli, der engel legio. 
Dorpat, K. A. Hermann. 1888. 16:0. 64 p. 25 kop. 

Sechs mythologische aufisfttze. Hiis bezeichnet einen hoiligen baum, 
resp. geist desselben. Bjarma, Perma = estn. Kungla Siuru ist ein vo- 
gelname < finn. kiuru ^lerohe\ Lalli ein ortsname = Tallinn ^Reval'. 

7) Jumal ja jumalad = der gott und die gOtter. Dorpat, K. A. 
Hermann. 1889. 8:0. 36 p. 

Mythologische untersuchungen tiber don himmelsgott, altvater, 
donner. Jumal ja taevas. Uku, Vana-isa, Vana-taat, Vana-att, Taeva- 
taat Aike, Kou, Pikker. 

8) Taara. Eesti Clioplaste Seltsi album I (1889) p. 208-22. 

Mythologische untersuchung. Beweise dass der estnische gott Taara 
vom skandinavischen Thor herstammt. 

9) Tahtjas too — eine wichtige arbeit. Isamaa Kalender 1895, p. 

145-9. 

Aufforderung und anleitung zum sanimeln von estnischem folklore. 

10) Isamaa heategijad = die wohlthater des vaterlandes. Isamaa 
Kalender 1895, p. 150-3. 

Bericht tiber die an Eisen eingesandten sammlungen. 

11) Suur Tamm =: die grosse eiche. Isamaa Kalender 1895, p. 
171-80. Vgl. Rahva Leht 1894, P- 12-3. 

Erlauterung eines estnisch-finnischen volksliedes. 

12) Haldijad = geister. Eesti Olioplaste Seltsi album III (1895) p. 
77-90. 



Io8 Eisen. MArchen- u. sagenpublikationen. 

13) Kalevi kuld = das gold von Kalev. Isamaa Ralender 1896, 
p. 131-63. 

Aberglauben von verborgenen sohfttzen. 

14) Rahvaluule korjamise kohta ^ aus anlass des sammebis von 
volkspoesie. Isamaa Kalender 1896, p. 163-8. 

Anleitung zura sammeln von abergl&ubischen vorstellungen and 
gebr&uchen. 

15) Isamaa heategijad = die wohlth^ter des vaterlandes. Isamaa 
Kalender 1896, p. 169-75. 

Berioht fiber die an Eisen eingesandten sammlungen. 

16) Arutamised tondi kohta = erlfluterungen tiber den kobold. 
Isamaa Kalender 1899, p. 144-70. 

Tont < sohwed. tomte. Abergl&ubische vorstellungen nebst 25 er- 
zfthlungen. 

17) NUpunMteid rahvaluule korjamise kohta = fingerzeige aus an- 
lass des sammelns von volkspoesie. Isamaa Kalender 1899, p. 
174.8. 

18) Soome »Kalevipoeg» := der >Kalevipoeg» Finlands. Isamaa 
Kalender 1899, p. 189-96. 

Bericht liber die entstehung des Kalevala, die llbersetzongen des- 
selben nnd erw&hnung der neaesten Kalevalaforschongen, welche die 
estnischen rnnen mit den finnischen verbinden. ^I^i® esten stellen gleich- 
sam den vater des Kalevala vor, die finnen die matter.** 

19) Kohendatav auusammas = ein ehrenmonument aufeustellen. 
Isamaa Kalender 1899, P* 21 1-3. 

U. a. eine aufforderung varianten za den sagen im Kalevipoeg za 
sammeln. 

20) Laulutarga lahkumine = abschied des weisen slUigers. Liha- 
votte album 1899, p. 12-4. 

Abschied des VftinflmOinen im Kalevala and des Vanemuine bei 
Fahlbiann. 

21) Maailma loomine = die weltschOpfimg. NelipUhi album 1899. 
p. 18-21. 

Erl&uterung des estnisch-finnischen volksliedes. 

22) Meie rahva viimne ebajumal = der letzte gOtze unseres volkes. 
J5ulu album 1899, p. 13-8. 

Erlftuterungen Uber den estnischen Tonnis-kultus. 

Mitg. V. Kaarle Krohn. 



Zar formulierung der gratiim. regeln. 109 



Ein paar worte zur formulierung der regeln in 
grammatisohen lehrbtlohem. 



In FUF n I hat herr mag. phil. F. AimA mein vor einigen 
monaten erschienenes vLlb-obok i lapska spr^et» in sehr gUnstiger 
weise besp^ ochen, wofQr ich ihm hiermit mein en herzlichen . dank 
ausspreche. Die von ihm gemachten bemerkungen beziehen sich 
auf gewisse prinzipielle details, die teils allgemeineres interesse 
haben, teils auch fQr die praktische lappische grammatik wichtig 
sind, und es w&re mir daher sehr angenehm, wenn die red. der 
FUF mir einige zeilen darflber gewahren wollte, besonders da eine 
solche diskussion fQr kdnfdge lehrbttcher der >kleineren» iiugr. 
sprachen eine gewisse bedeutung haben ddrfte. 

Wenn man sich an die abfassung eines lehrbuches irgend 

einer sprache macht, muss man natttrlicherweise zuerst dardber im 

klaren sein, fQr welches publikura das buch berechnet ist — fQr 

solche leute, die die sprache von kindheit an kennen, oder fQr 

fremde. Im ersteren falle soil das lehrbuch ein material, das der 

lemende schon kennt, in richtiger weise systematisieren, im letzte- 

ren falle soil es vor allem ein neues material beibringen und da- 

neben auch das material in einem mOglichst richtigen system dar- 

stellen. Ein lehrbuch fQr fremde hat also eine gewissermassen 

doppelte aufgabe und soUte eigentlich eine ganze bibliothek von 

grammatik, wOrterbuch und texten umfassen um seiner aufgabe 

einigermassen gerecht zu werden. VOllig genQgend kann es jedoch 

nie werden, sondern man muss sich immer mit einer relativen 

voUst&ndigkeit begnQgen und auch diese muss sich sehr wechselnd 

gestalten je nach dem publikum, fQr welches das buch geschrieben 

wird. Wenn das publikum hoch gebildet ist, kann das lehrbuch 

sehr vollstftndig werden, wenn es aber niedrig steht, kann nur das 

unumgSUiglichste mitgeteilt werden. Dieses unumganglichste ist 

offenbar das nackte sprachmaterial oder besser gesagt ein ganz 

kleiner teil desselben und dieser kleine teil muss in einer mOglichst 

einfachen, generalisierenden, unvoUst^ndigen und »groben» weise 

dargestellt werden. Der »hOhere» teil des lehrbuches, d. h. die 

richtige, rationelle systematisierung des stoffes, muss dann grossen- 



I lO K- R WlKLCND. 



teils wegfallen und wenn man aof die unterste stufe dieser lehr- 
bOcher kommt, z. b. zu den englischen emigrantenparleuren, muss 
dieser tell ganz wegfallen. 

For welches publikum ist also mein lehrbuch der lappischen 
sprache berechnet? Ein flOchtiger blick in dasselbe zeigt, dass es 
keine anderen vorkenntnisse voraussetzt — oder wenigstens vor- 
anssetzen will — als die kenntnis der in den schwedischen schul- 
grammatiken vorkommenden, gewOhnlichsten fachausdrOcke. Das 
publikum desselben ist vor allem unter den ahimnen gewisser 
volksschuUehrerseminarien im nOrdlichen Schweden zu suchen, 
sowie tmter den privatleuten, die wegen geschSften oder ihrer amt- 
lichen stellung mit den lappen in berfihrung kommen und daher 
auf eigne hand lappisch lemen woUen. Daneben kommt es auch 
bei einigen universit&tshOrem zur verwendung, die sich zu - amtli- 
cher th^tigkeit im hohen norden vorbereiten, da es aber schier 
unmOglich ist in einem seminarlehrbuche wissenschaftliche dinge 
zu besprechen, kOnnen die hOheren bedflrfhisse der studenten offen- 
bar nur durch die mflndliche darstellung eines akademischen vor- 
lesers befriedigt werden. 

Die meisten von diesen lappisch-lemenden leuten mOssen ihre 
studien so weit fortsetzen, dass sie auch mit der schriftspracbe 
einigermassen vertraut werden. Daraus folgt, dass man bei der 
abfassimg der phonetischen umschrift immer die schriftspracbe vor 
augen haben muss und dass die umschrift von der schriftspracbe 
so wenig wie mOglich abweichen darf, sodass man durch einige 
wenige, einfache und klare regeln den flbergang vermitteln kann. 
Nur das allemotwendigste darf also berOcksichtigt werden und das 
ist hier bei den konsonanten und der vokalquantitdt zu finden. 
Der unterschied zwischen den diphthongischen und monophthongi- 
schen stammvokalen ist aber verhdltnism^ssig so gering, dass er 
auch in der phonetischen umschrift beiseite gesetzt werden kann. 

Es ist also selbstverstandlich, dass es auch in der zur ver- 
wendung gekommenen phonetischen umschrift von »unrichtigkeiten» 
wimmeln muss. Dies ist sogar das einzig mOgliche und richtige, 
denn sonst ware die sprachform zu schwierig geworden, was sich 
tibrigens zur gentige herausstellte, als ich vor jahren zum ersten 
mal mit hilfe einer etwas mehr detaillierten umschrift lappischen , 
unterricht erteilte. Wenn jedoch irgend einer von meinen lescni 
detailliertere kenntnisse wtinschte, habe ich in einem beson- 



Zur formulierung der gramm. regeln. hi 



deren nachtrage einige etwas genauere regeln fQr die aussprache 
der vokale mitgeteilt Dies kann mir doch kaum zur last gelegt 
warden, da diese regeln erstens ausdrOcklich als fQr die praktische 
sprachkenntnis unwesentlich bezeichnet werden, zweitens im ganzen 
buche nirgends, weder in der grammatik noch in den texten noch 
in den glossaren zur verwendung kommen und drittens auch in 
der schriftsprache vollstftndig unbekannt sind. Sie kOnnen also, so 
viel ich verstehe, nicht verwirren und mein vorgehen kann nicht 
unp&dagogiscb genannt werden. Die allermeisten, die mein buch 
lesen, werden diese — trotz der generalisierung — verwickelten 
und zum teil schwerverstandlichen regeln gewiss voUstftndig igno- 
rieren. 

Ich hoffe Qbrigens, dass dies die einzige stelle ist, wo ich in 
meinem lehrbuche der sog. wissenschaft ein kleines zugestftndnis 
g^emacht babe. Eben so sicher, wie es ist, dass die sprachwissen- 
schaft beim unterricht in der muttersprache immer berticksichtigt 
^verden sollte, eben so sicher und sogar selbstverstandlich ist es 
mir, dass diese selbe sprach wissenschaft oder sprachgeschichte bei 
der aneignung eines freraden sprachmateriales einen sehr kleinen 
oder vielleicht gar keinen platz beanspruchen kann. Hier geraten 
w^issenschaft und praxis nur zu oft in konflikt, weil es sich hftufig 
herausstellt, dass man mit hilfe von konstruktiven praktischen re- 
geln, welche fQr die theoretische sprachwissenschaft ein grSuel und 
SLrgemis sind, das fremde material viel leichter und schneller be- 
waltigen kann als mit hilfe der allerletzten emingenschaften der 
niodemen wissenschaft. Als ein beredtes beispiel hierfUr kann ich 
aus meiner eigenen praxis die bildung des genitiv plural im finni- 
schen nennen — die alten, haarstraubenden, aber doch so prakti- 
schen regeln hierfQr sind alien finnen noch wohlbekannt. 

Wenn es aber so ist, dass die wissenschaftlich formulierten 
regeln die aneignung des fremden sprachstoffes verziJgem und er- 
schweren kOnnen, muss die wissenschaft aus den lehrbUchern der 
fremden sprachen verbannt werden, besonders wenn die bQcher fQr 
leute berechnet sind, die sich nur eine praktische sprachkenntnis 
erwerben wollen. Die erlemung einer fremden sprache ist an und 
fQr sich so schwierig, zeitraubend und langweilig, dass man sie 
nicht noch schwieriger machen darf durch beimischung solcher ele- 
raente, die der grossen menge der lemenden nur als unnOtige haar- 
klaubereien ersch einen mQssen. Auch wenn der lemende einer 



112 K. B. WlKLUND. 



eingehenderen, wissenscbaftlicheren sprachkenntnis nachstrebt, dOHte 
er nach meiner meinung in den meisten fftUen schneller und 
sicherer zum ziel gelangen, wenn er die wissenschaftliche S3rsteina- 
tisierung an das ende seiner studien verlegt, auch auf die gefahr 
bin eine solche wissenschaftliche todsOnde zu begehen, als zuerst 
eine unrichtige darstellung einer sache zu lemen und dann erst die 
richtige. Bin umweg fQhrt ja oft viel schneller zum ziel als der 
gerade weg. Oder um ein konkretes beispiel zu g^ben: jeder 
sprachforscher weiss, dass es eine tote, unfhichtbare und bald ver- 
gessene sprachkenntnis ist, die man aus rein wissenschaftlichen, 
geschichtlichen werken bekommt; um aus seinen sprachkenntnissen 
einen ausgiebigen wissenschaftlichen nutzen zu ziehen muss man 
die sprache erst ziemlich genau »praktisch> studieren, ohne steti- 
ges achtgeben auf die wissenschaftlichen finessen tmd wahrheiten, 
nur um einen reinen gedftchtnisgrund fOr kdnftige, eingehendere 
studien zu erwerben. 

Ein beispiel wird zeigen, wo man in einem lehrbuche des 
Lulelappischen hinkdme, wenn man die regeln nach streng wissen- 
schaftlichen, deskriptiven prinzipien verfassen wollte. Im Lulelappi- 
schen (nach meiner groben transskription) wechseln die stammvokale 
ie und & in folgender weise: kiesset » ziehen », i p. sg. pres. 
kSsau, I p. sg. prftt. kiessiv, 3 p. sg. pr&t. kiesi, 2 p. sg. imper. 
n kiessuh, i p. dual, imper. II kiesson;' passat >los werden>, 
pSsaOy piessiv, p&sai, pSssoh, pSsson. In der schriftsprache 
kiesset, k&sav, kiessiv, kiessoh, kiesson etc. Die deskriptive 
regel soUte also etwa folgendermassen lauten: >In vielen w^Ortem 
wechselt ein in der ersten silbe stehendes ie mit einem fi und 
zwar in solcher weise, dass ein ie verwendet wird, wenn in der 
n^chsten silbe ein e, i oder i steht, imd ein &, wenn in der nflch- 
sten silbe ein a oder a steht. Vor einem u oder 5 steht in der 
ersten silbe ein ie, wenn der infinitiv oder nomin. sing, des wortes 
ein ie hat, und ein &, wenn der infinitiv oder nomin. sing, ein 2 
hat. Besonders zu bemerken ist, dass dieser wechsel in alien sol- 
chen verbalen a-stammen vorkommt, die im infinitiv in der ersten 
silbe ein & haben>. Ich glaube nicht, dass man diese regel viel 
ktirzer und klarer machen kann, wenn man sie streng deskriptiv 
abfassen will. — In meinem lehrbuche wird dieselbe erscheinung 
mittels der folgenden zwei konstruktiven regeln beschrieben: Ȥ 24. 
In vielen wOrtem geht ein in der ersten silbe stehendes ie vor 



Zur formulierung der gramm. regeln. 1 1 3 

einem in der nllchsten silbe stehenden a in ft tiber. § 25. Um- 
g^ekehrt geht ein a oder S vor einem in der n^chsten silbe stehen- 
den e oder i in ie tiber». Ich brauche nicht hervorzuheben, wel- 
che von diesen darstellungen die einfachste und verst&ndlichste ist 
und vrelche von ihnen man also fQr praktische zwecke vorzie- 
hen soil. 

Ich habe in diesen regeln sogar nicht nOtig gehabt besonders 
hervorzuheben, dass ich in denselben von der form des nomin. 
sing, oder des infinitivs ausgehe, weil das ohne weiteres selbst- 
verst&ndlich ist. Diese formen sind ja in jeder sprache die unbe- 
wussten »lexikalischen» formen der wOrter. Daher habe ich auch 
nicht nCtig gehabt tiber das verhalten des stammvokals vor u und 
zu sprechen, noch dartiber, dass a lie verbalen a-st&mmen mit & 
den wechsel kennen und nicht nur »viele wOrter», wie es z. b. 
bei den nominalen und verbalen e-st&mmen mit ie der fall ist. 

Es w^e, so viel ich verstehe, sehr unp^dagogisch, wenn man 
bei dem elementaren sprachunterricht von der krUftigen, unbewussten 
stUtze, die der nomin. sing, und der infinitiv leisten, keinen ge- 
brauch machen wollte. Es ist ofFenbar fQr den schttler viel leich- 
ter mit nur einem unbekannten faktor zu operieren und daraus 
mittels einiger wenigen, einfachen regeln die (ibrigen formen zu 
deduzieren als unter umst^den eine ganze reihe von unbekannten 
faktoren, »themaformen», zu lemen, die unter einander wechseln 
und nicht unter eine hauptform einrangiert werden. Besonders in 
der stammbildungslehre ist das von nicht geringem gewicht, aber 
auch sonst gewinnen die regeln durch konstruktive darstellung oft 
sehr viel an prftcision und klarheit. 

In dieser weise habe ich dann auch den stufenwechsel be- 
handelt. Hier befindet man sich in einer padagogisch besonders 
gUnstigen lage, weil die allermeisten wOrter eben im nomin. sing, 
oder im infin. die starke form haben, von welcher man also natur- 
gem^s ausgehen kann und soil. Dabei kann man auch den alten, 
leichtverstandlichen und express! ven namen »konsonantfOrmildring» 
beibehalten und braucht keinen neuen namen zu konstruieren. Es 
scheint flbrigens fast unmOglich zu sein einen einfachen und dabei 
expressiven, schwedischen ausdruck fQr > stufenwechsel* zu erhalten 
— jedenfalls ist es mir nicht gelungen. 

Mein recensent sagt, dass meine darstellungs weise in dem 
lehrbuche »sehr klar, deutlich und gemeinverstSlndlich » ist. Ich bin 



114 K. R WlKLUND. 



meinerseits davon tlberzeugt, dass ich dieses lob eben der kon- 
stniktiven methode zu verdanken habe, und ich habe hier diese 
tiberzeugung zu begrttnden versucht. In einem solchen werke abcr 
wie das meinige ist die klarheit und deutlichkeit das wichtigste 
von allem, und alles, was die klarheit beeintrftchtigen kOnnte, muss 
ohne erbarmen ausgemerzt werden, wie wahr und wissenschaftlich 
es auch sein mag. Ich bin sogar der meinung, dass ich den ahen 
namen »konsonantfOrmildring» und damit die konstruktive dai^el- 
lung des stufenwechsels auch nur deswegen beibehalten musste, 
weil ich den ausdruck »stufenwechsel» nicht in einfacher und ge- 
meinverstandlicher weise tibersetzen oder ersetzen konnte. 

Aber, sagt mein recensent, meine leser werden durch meine 
darstellung irre geftlhrt und erhalten die auffassung, dass z. b. »die 
konsonantenschw^chung ein seit alten zeiten sich immer emeuera- 
der prozess sei» u. s. w. Als antwort darauf will ich noch einmal 
betonen, dass mein buch kein lehrbuch der muttersprache, sondem 
ein lehrbuch einer fremden sprache ist und dass diese beiden sa- 
chen nicht unter einen hut gebracht werden dttrfen. Wenn es dn 
lappisches gymnasium gabe, wo man mein buch als lehrbuch der 
lappischen muttersprache einftihren woUte, wflrde ich keinen augen- 
blick zOgern dasselbe fttr solche zwecke als untauglich zu erklaren, 
denn in diesem falle wtirde es gewiss die schttler irreleiten. Jetzt 
aber, wo meine grammatische darstellung ausschliesslich ein mitte! 
zur aneignung eines neuen sprachmateriales und nicht das ziel des 
unterrichts ist, braucht man nicht zu fttrchten, dass jemand durch 
mein buch irregeleitet wird, denn keiner von den lesem desselben 
dUrfte auch nur einen einzigen gedanken der wissenschaft und 
sprachgeschichte opfem und man wird gewiss auch keinen finden, 
der durch ein logisches, philosophisches eindringen in meine regeln 
sich eine eigene, in wissenschaftlichem boden wurzelnde auflfassung 



Zar fonnulierung dcr granim. regeln. 1 1 ^ 



faDe dOrfte es aber fOr den betreffenden vorleser ein leichtes sein 
eventuellen missverstftndnissen vorzubeugen. Wenn aber auch ein 
solches unglack geschehen soUte, dass irgend eine lehrerin an einer 
ambulierenden kleinkinderschule in Jokkmokk oder Arjeplog die 
auffassung erhielte, dass die konsonantenschwftchung ein seit alten 
zeiten sich immer emeuemder prozess sei, so ist diese gefahr doch 
so klein und unwesentlich, dass man deswegen nicht die prakti- 
sche anwendbarkeit des buches verringern oder darangeben darf. 

Wenn ich aber ein lehrbuch der lappischen muttersprache zu 
schreiben h^tte, wUrde dasselbe gewiss ganz anders ausfallen. Ich 
muss jedoch gestehen, dass ich vorlftufig nicht weiss, ob in die- 
sem falle eine rein deskriptive oder gemischt deskriptiv-historische 
oder vielleicht sogar rein historische darstellung die richtigste ware. 
Wir mUssen n&mlich beachten, dass man in dieser hinsicht nicht 
alle sprachen (Iber einen kamm scheren darf. Einerseits giebt es 
sprachen, die in einer schulgrammatik gewiss nur deskriptiv dar- 
gestellt werden kOnnen. Als beispiele kOnnen die indoeuropSlischen 
sprachen genannt werden; beweise hierftir sind wohl nicht von- 
nOten. Andererseits giebt es aber auch sprachen, die in einem 
solchen buche unmOglich deskriptiv behandelt werden kOnnen. Wie 
sollte z. b. eine rein deskriptive estnische grammatik ftir die hOhe- 
ren klassen aussehen?! Die armen schtiler wttrden in den tausen- 
den und wieder tausendcn wechselfallen buchstSLblich ertrinken und 
der bedauemswerte lehrer wOrde sich mit grauen und verzweiflung 
firagen, welchen nutz'^n dicMt ewij^^m, ermddenden und interesse- 
tOtenden wechs*tlf^lj#; j^^rwahnm nollen, dusft wechselfalle, die nichts 
erklaren und nichts fv-wris^^, v^nd'-m nur Hne unzahl von dem 
schQler schon Unt^M h' k;ifint';n k\f''niiu^U»:'iU:n konstati'mm ohnc sie 
in begreiflich': ha'jptj(r'i;;{/':n *:lTtzuortlrt*:n, Hi'-r, w«rnn j':, kOnnU: 
der piiaj^'y^j d'-rri ui^vH'-r.vJi^/tJj'.b'TTi \'*'ri'A%*^*'r di*: alt«-n, aber 
e"wrig jur-i^'rTi vi>-'jr*.*- Faun*^ 7,uTui^n: *f*THu Xtnr*^ ir*znu<\^ ist allc 
theori'r*, 

Z-y i6','Jr,*rr von 'I'Ti V/' */'Ti ^r'Aahf,*' n 'lyi Krf*I4''^ '*^** 
nnr:j^' •.*: V •: .^'^y.\' .r,". fij* r.^/r'-r,, ka',r, vY, V',t',^ A -^ n;' ht *rr,*\''t,*ri' 
d*-!] . f '-y -, ;.7 i:A r. -^t ^' < --in ' * . . - r. <^' /.^^'^ '1:-% **%*-, f ^ • ♦ r*'\ u 



1 1 6 PiniL-ugr. voricsongen nnd fibnngen. 

n&her kommen kOnnte. Wo aber das lappische hingehOrt, wird 
wohl immer ein riitsel bldben, da erne grammatik der lappischen 
mnttersprache noch nicht gescbrieben ist and wohl auch nie ge- 
schrieben werden wird. 

K. B. WlKLUND. 



Vorlesiingen and fibimgen 

auf dem gebiete der finnisch-ugrischen sprach- und volkskunde 

an den universitfiten Eoropas 
1902/3. 

Budapest, UuganL 

TOrOk, Aur^l, 6. o. prof, der antbropologie und ethnogra- 
phie. H.-S. 1902: allgemeine anthropologie, 2 St.; flber den men- 
schen der steinzeit, 1 st. ; allgemeine ethnographie, i st. ; kranio- 
logische untersuchungen, 6 St.; F.-S. 1903: allgemeine anthropolo- 
gie (fortsetzung), 2 st. ; allgemeine ethnographie, i st. ; Qber kranio- 
logische und osteologische forschungen, 10 st. 

BeOthy, Zsolt, 6. o. prof, der ung. litteratur. H.-S. 1902: 
Qberblick Qber die geschichte der ungarischen litteratur im 19. 
jahrhundert, 2 st. F.-S. 1903: dasselbe, 2 st.; geschichtlicher 
tlberblick Qber die ungarische volkssage, I st. 

SlMONYi, ZsiGMOND, 6. o. prof. d. ung. sprache u. litteratur. 
H.-S. 1902: ungarische lautlehre und lautgeschichte, 3 St.; ein- 
ftihrung in die ungarische sprachwissenschaft, 2 St.; philologische 
gesellschaft (schriftliche arbeiten und tibungen fQr fortgeschrittene)» 
2 St. F.-S. 1903: bedeutungslehre (bedeutungswandel, gebrauch 
der redeteile, synonyma), 3 st. ; richtiges ungarisch, 2 St.; philolo- 
gische gesellschaft (fUr fortgeschrittene), 2 st. 

SziNNYEi, J6SZEF, 6. o. prof. d. altaischen sprachen. H.-S. 
1902: einfflhrung in die finnisch-ugrische sprachvergleichung, dar- 
nach: finnisch, 2 St.; ungarische sprachvergleichung HI, die fle- 
xion, I St. ; darstcllung der linnisch-ugrischen sprachen, I. est- 
nisch, II. wogulisch, 2 St.; ungarische grammatik (vortrag fQr die 
schaler der lehrerbildungsanstalt, die ungarisch nicht als hauptfach 
studieren), 2 st. F.-S. 1903: finnisch (syntax und texterkl&rung), 
2 St. ; wogulisch (erklarung und analyse von texten), I st. ; ungari- 
sche sprachvergleichung: vergleichende laut- und formenlehre, 4 st 



Finn.-ugr. vorlesungen und tibungen. 1 1 7 

Marczali, Henrik, 6. o. prof. d. mittelalterl. geschichte. F.-S. 
1903: quellenkundliche tibungen (fflr roitglieder des historischen 
seminars)) i st. 

Fej^rpataky, LA.SZL6, 0. o. prof. d. diplomatic u. heraldik. 
H.-S. 1902: urkundenlehre, 3 St.; lektttre von originalurkunden 
(nur fOr fortgeschrittene), I St.; archivarische tibungen (fQr an- 
^^S^y ' St. F.-S. 1903: urkundenlehre, 4 st.; lekttire von ori- 
ginalurkunden (wie vorher), i st.; archivarische tibungen, i st. 

B^KEFi, Remig, 0. o. prof. d. ung. kultiu-geschichte. H.-S. 
1902: ungarische kulturgeschichte (geschichte der rechtspflege in 
Ungarn), 4 st. ; die quellen der ungarischen kulturgeschichte in der 
zweiten hSQfte des 18. jahrhunderts (fflr studenten der philosophi- 
schen fakultUt mit geschichte als hauptfach), i St.; kulturhistorische 
tibungen, 2 st. F.-S. 1 903 : ungarische kulturgeschichte (geschichte, 
organisation und leben der stadte), 4 st. ; kulturhistorische tibun- 
gen, 2 St. 

BodnAr, Zsigmond, privatdocent der ung. litteratur. H.-S. 
1902: geschichte der ungarischen litteratur vom beginn bis zum 
ende des 16. jahrhunderts, 2 st. F.-S. 1903: geschichte der unga- 
rischen litteratur vom 16. jahrhundert ab, 2 St.; die ungarische 
romanlitteratur im 19. jahrhundert, 2 st. 

ZoLNAi, Gyula, privatdozent d. ung. sprache. H.-S. 1902: 
ungarische wortbildung, 2 st. ; die ungarischen sprachdenkmaler des 
14. und 15. jahrhimderts, i st. F.-S. 1903: ungarische wortbeu- 
gung, 2 St.; die ungarische volkssprache und ihre volksdialekte, i st. 

HorvAth, Cyrill, privatdozent der ung. litteratur. H.-S. 
1902: die lieddichtung des 16. jahrhunderts, 2 st. 

Thirring, GusztAv, privatdozent der demographic. H.-S. 
1902: demographic (statistik) und politische geographic Ungams I, 
allgemeiner teil, 3 st. F.-S. 1903: dasselbe II, detaillicrte bc- 
schreibung, 2 st. 

• 

Katona, Lajos, privatdozent der verglcichcndcn litteratur- 
geschichte. H.-S. 1902: verglcichcndc analyse der ungarischen 
volksm^chen, i st. F.-S. 1903: die quellen unsercr mittclaltcrli- 
cben litteratur I: legcndcn und apokryphischc bticher, 2 St.; scrai- 
nartibungen mit verglcichendcr analyse der volksmftrchcn, i st. 

KomAromy, AndrAs, privatdozent der ung. geschichte. H.-S. 
1902: geschichte Ungams I. Vom tode Matthias' bis zur schlacht 
bei Moh^cs (forts.), 2 st. 

Melich, JAnos, privatdozent der ung. etymologic. H.-S. 
1902 u. F.-S. 1903: lautlchre der slavischen fremdwOrter der un- 
garischen sprache, i St.; der ursprung der vOlkcmamen im unga- 
rischen, I St. 



1 1 8 Fiiiii.-ugr. vorlesungen und Qbungen. 

SchOnherr, Gyula, privatdozent der ung. geschichte. H.-S. 
1902: geschichte Ungams im 14. jahrhundert, i st. F.-S. 1903: 
geschichte Ungarns zur zeit Sigmunds, I st. 

D^Sl, Lajos, privatdozent der ung. litteratur. H.-S. 1902 
u. F.-S. 1903: geschichte der unganschen litteratur von 1606- 
1772, 2 St. 

Christiama, Norwegen. 

Nielsen, Konrad, dozent des lappischen und finnischen. 
H.-S. beurlaubt. F.-S. 1903: lappisch fttr anf^nger, 3 St.; lappi- 
sche dialekte (an der hand von Qvigstads sprachproben), i st; 
finnisch fUr anfftnger, i St.; spSter: iinnische litteratxirgeschichte, i st. 



Dorpat (Jtujev), Bossland. 

Hermann, Karl August, lektor der estnischen sprache. 
H.-S. 1902: lautlehre der est. sprache; syntax der einfachen 
s^tze im est.; practicum bei lektUre ausgewahlter stOcke der est 
litteratur. F.-S. 1903: etymologie der est. sprache; practicum mit 
etymologischen und syntaktischen erklftrungen bei lektQre ausge- 
wahlter stticke der est. litteratur. — Ober die grammatik der finn. 
und irgendwelcher anderen fiugr. sprache sowie fiber die geschichte 
der est. litteratur ist dem lektor neuerdings untersagt zu lesen. 



Helsingfors, Fmland. 

SetAlA, Emil Nestor, o. prof, der finnischen sprache u. lit- 
teratur. Vorgeschichte der finnisch-ugrischen vOlker, sprachlich 
beleuchtet, 2 st. ; stufenwechsel in den finnisch-ugrischen sprachen, 
I St. ; allgemeine und finnische phonetik, i st. ; anleitung zur ab- 
fassung schriftlicher arbeiten. 

Krohn, Kaarle, a. o. prof, der finnischen und vergleichen- 
den volksdichtungsforschung. Ursprung und entwicklung der Kale- 
valarunen, 4 st. 

Grotenfelt, Kustavi, dozent der finnischen, russischen und 
nordischen geschichte: aiteste geschichte der finnisch-ugrischen vOh 
ker und Ost-Europas, 2 st. 

WiCHMANN, YrjO Jooseppi, dozent u. stellvertretender pro- 
fessor der finnisch-ugrischen sprachwissenschaft. H.-S. 1902: wep- 
sisch, 2 St.; wotjakisch, 2 st. ; F.-S. 1903: wotisch, 2 st. ; unga- 
risch (seminartlbungen), 2 st. 



finn.-ugr. vorlesuiigen und ilbungen. 1 19 

NiEBfi, AuKUSTi Robert', dozent der finnischen litteratur und 
volksdichtung. H.-S. 1902: (fQr zukUnftige lehrer) texte des neuen 
Kalevala, 2 st. F.-S. 1903: geschichte des sammelns finnischer 
Tolkspoesie, 2 St.; seminartibungen Qber die zusammensetzung des 
alten Kalevala, 2 st. 

Krohn, Ilmari Henrik Reinhold, dozent der musiktheorie 
und -geschichte. F.-S. 1903: tiber den ursprung und die entwick- 
long des volksliedes, 2 st. 

Cajander, Paavo Emil, lektor der finnischen sprache. Mtind- 
liche ttbungen im finnischen; schriftliche Ubungen. 

Almberg, Anton Fredrik, a. o. lektor der ungarischen spra- 
che. Ungarisch fQr das kandidatenexamen, 2 st. 

Ignatius, Kaarlo YrjO Benedictus, a. o. lektor der finni- 
schen sprache in der jurist, fakult&t. MUndliche Qbungen im finni- 
schen und schriftliche arbeiten Uber juristische themen auf finnisch. 



T^^kA^n^ Bossland. 

Anderson, Nikolai, lehrer der finnischen dialekte. H.-S. 
1902 u. F.-S^ 1903: vergleichende grammatik der finnisch-ugrischen 
sprachen, 4 st. ; tiber den einfiuss der indogermanischen sprachen 
auf die ugrofinnischen, 2 st. 



Klaosenburg (Eolozsvar), Ungam. 

Terner, Adolf, 0. o. prof, der allgem. u. vergl. geographic. 
H.-S. 1902: geographic der Osterreich-ungarischen monarchic, 5 st. 

Sz6CHY, KAroly, 0. o. prof. d. ung. litteraturgeschichte u. d. 
^thetik. H.-S. 1902: leben des grafen M. Zrinyi, 4 st. ; die klei- 
neren epischen erzahlungen des 19. jahrhunderts (mit litteratur- 
geschichtlichen und asthetischen erklarungen, ftir ordentliche und 
ausserordentliche mitglieder der lehrerbildungsanstalt), 2 st. F.-S. 
1903: leben des grafen M. Zrinyi (zweiter teil), 4 st. ; die epischen 
gedichte PetOfi's, 2 st. 

SzAdeczky, Lajos, 6. o. prof. d. ung. geschichte. H.-S. 
1902: geschichte Ungarns im 17. jahrhundert, 4 St.; quellenstudien 
aus dem 17. jahrhundert, 2 st. F.-S. 1903: geschichte Ungarns 
im 18. jahrhundert, 4 st. ; archivarische tibungen, 2 st. 

P6STA, B^LA, 6. o. prof, der archaologie. H.-S. 1902: fin- 
nisch-ugrische altertUmer, i st. 



122 Nachtrag. 

Naohtrag zu dem auftatz MS&niojedisohes lehngut im 

Byi^&nisohen**. 

Nachdem der obengenannte aufsatz bereits gednickt war, 
ging mir NyK XXXII heft, 2 zu, worin herr Z. GOMBOCZ (p. 182- 
215) eine interessante untersuchung : »Adal^kok az obi-ugor nyelvek 
sz6k^zlet^hez» (= »Beitr&ge zum wortschatz der ob-ugrischen spra- 
chen») verOfFentlicht hat. Herr G. behandelt in seinem aufsatz 
hauptsftchlich samojedisches lehngut in den ob-ugrischen sprachen, 
bertihrt aber auch einige wOrter der permischen sprachen (in 
erster linie solche des syrjIUiischen). Da ich nicht hier auf die 
letzteren ausfQhrlicher eingehen kann, will ich diesmal nur erwSLh- 
nen, dass ich besonders aus lautlichen grtinden (vgl. FUF 11 172-4) 
roeinerseits die wOrter nicht als entlehnungen aus dem samojedi- 
schen anzuerkennen vermag, die herr G. ausdrdcklich als aus dem 
samojedischen stammend bezeichnet hat (siehe die nummem 66, 
74, 153, sowie auch 62). Es bietet sich mir vielleicht in zukunft 
eine gelegenheit diese wie auch einige andere, permische wOrter 
betrefFende wortparallelen zu besprechen. 

YrjO Wichmann. 



*-»■ 



Die redaktion des bandes abgeschlossen anfang mai 1903. 



An die redaktlon eingegangene rezensionsexemplare und zeitschxiften. 

Dun ay F. Atir6 hangrajz (phonetica transcriptoria). — H5r- 
schelmann 0. Studien EQm Laatwandel des ^5** in Estnischen. — 
Hart J. Eestd s5nadest -line 15paga. — Kar&csonyi J. A magyar 
nemzets^gek a XIY. sz&zad kOzep^ig. IL — SzilyK. A magyar nyelv- 
djitds 8z6t&ra. — Arch»ologiai iSrtesitd, red. y. J. Ham pel. N. f. 
XXn, h. 6, XXm, h. 1—2 (Ung. Ak. der Wiss.). — Arkiv fbr Nordisk 
Filologi, red, y. A. Kock. N. f. XV, b. 3, 4. — Erd61yi Mi!izeum, red. 
y. li. Sz&deozky. XIX, h. 10, XX, h. 1 — i, (Siebenbtlrger Museum- 
yerein.) — IrodalomtOrt^neti XOzlem^nyek, red. y. A. Szil&dy. XTT, 
h. 4, XTTT, b. 1. (Ung. ak. der Wiss.). — Finskt Museum 1902 (Finn. 
Altertumsyerein). — Xeleti Szemle, Beyue Orientale, red. y. I. Xtinos 
u. B. Munk&csi. m, b. 4, IV, b. 1. — Lud, organ Towarzystwa 
Ludoznawczego we Lwowie, red. y. A. Xalina. IX, b. 1. — Magyar 
Konyyszemle IX (1901), red. y. Gy. SobOnberr, X (1902), XI (1908), 
b. 1, red, y. F. Xoll&nyi (Ung. Nationalmuseum). — Pyccidft Airrpo- 
DOJiornnecidfl 5KypHa*Tb, red. y. A. A. lyanoyskij. L. XI, Xm. — 
Saomen Muinaismuistoybdistyksen Aikakauskiija. XXTT (Finn. Alter- 
tiunsyerein), — Suomen Museo 1902 (Finn. Altertumsyerein). — TOrt^- 
nelmi t^, red. y. A. Xom&romy. N. f. HI, b. 4, IV, b. 1, 2. — Vfist- 
nik sloyansk^ filologie a starozitnosti, red. y. L. Niederle, F. Pastr- 
nek, J. Pollyka,J. Zubat;3^. n. — 3aiiHCKU KpacHoapcKai-o IIoAi>OTA'^a 
BocTOHuo-Cu^upcKaro OtAtJia Hun. PyccK. Feorp. 0(JiuecTBa, red. v. A. V. 
Adrianoy. I, b. 1. 



ankOndiqunq. 



Die Finnisch-ugrischen Forschungen erscheinen vorllUifig 
in zwangloser folge; der Anzeiger folgt besonders paginiert mit 
den heften. 

Drei hefte, mit Anzeiger zu^ammen 30 — 24 bogen, bilden 
einen band. 

Preis des bandes einschliesslich Anzeiger 10 Fmk =10 Frcs 
z= 8 Rm. = 9 Kr. O.-U. W. = 4 Rbl. 



Die ftbr die Pinnisch-ugrischen Forschungen bestimmten mana- 
skripte und znschriften sind zvl richten an die Bedaktion der Finnisch- 
ngrischen Forschungen, Helsingfors, Merilinna, oder anch persOnlich an 
prof. E. N. Set&l&, Helsingfors, Merilinna, oder an prof. KaarleKrohn 
Helsingfors, Rnoholahdenkatu 8. 

Rezensionsexemplare flir den Anzeiger kOnnen entweder an die 
Redaktion oder an herm Otto H arras so witK, Leipzig (mit der 
bezeichnung: fUr die Finnisoh-ngrisolien Forschmigen) gesandt warden. 



Die ansgabe des yorliegenden hefbes hat sioh yersp&tet, besonders 
weil die bibliographie ftlr das jahr 1901, welohe im manoskript fertig 
Yorliegt und teilweise auch schon gesetzt ist, ursprUnglioh in demselben 
platz finden soUte. Um jedoch dieses heft frUher erscheinen lassen sni 
kOnnen hat sich die redaktion entschlossen die bibliographie bis zum 
n&chsten heft der FUF aufzuschieben. 



Helaingrfors 1008, 
Druckerei der Finnischen Litteratur-G^ellschaft. 



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