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University of Toronto
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FINNLAND
IM ANFANG
DES XX. JAHRHUNDERTS
■3"''^
FINNLAND
IM ANFANG
DES XX. JAHRHUNDERTS
HERAUSGEGEBEN
IM AUFTRAGE DES MINISTERIUMS
DER AUSWÄRTIGEN ANGELEGEN»
HEITEN
MIT 102 ABBILDUKGEN UND EINER KARTE.
HELSINGFORS .919
DRUCKEREI DER FINNISCHEN LITER ATURCESE LLSCHAFT
J25o39
" er
An den Leser.
Das vorliegende Werk ist im wesentlichen zusammengesetzt
aus Artikeln, die in dem eben zum Abschluss kommenden ersten
finnischen Konversationslexikon »Tietosanakirja» enthalten sind
und sich auf Finnland beziehen. Da jene Aufsätze also ursprüng=
lieh nicht zu einer einheitlichen systematischen Beschreibung be=
stimmt waren, hat die vorliegende Arbeit eher den Charakter
eines Nach seh lage= als eines Lesebuchs.
Auf ausdrücklichen Wunsch von deutscher Seite ist in dem
vorliegenden Werke ein Teil der zweisprachig vorhandenen Orts=
namen in der schwedischen Form angeführt (die finnische Foim
ist alsdann gewöhnlich in Klammern angegeben). Dieses Verfah=
ren ist hauptsächlich bei den Namen der Landschaften, Läne und
Städte befolgt, während die Namen der Kirchspiele und Dörfer
in der Form der jeweiligen Sprache der Majorität erscheinen.
Aus dem am Schluss beigefügten Namenregister ist genauer zu
ersehen, welcher Name vom Gesichtspunkt der Sprache der Be=
völkerung mehr Berechtigung hat.
Es gibt bis jetzt noch keine andere in einer der grossen europäi=
sehen Kultursprachen verfasste zusammenhängende Darstellung
über das Finnland der neuesten Zeit und dessen kürzlich von
Unterdrückung und fremder Gewalt befreites und zu politischer
Unabhängigkeit und Selbständigkeit emporgestiegenes Volk. Des=
halb können wir hoffen, dass dieses nun fertig vorliegende Werk
trotz seiner Unvollkommenheiten doch allen jenen Ausländern
von Nutzen sein werde, die Auskunft zu erhalten wünschen über
das weit im Norden liegende Land der tausend Seen mit seinem
kleinen, aber z<ihcn Volk, vxclchcs durch die grossen weltgeschicht=
liehen Geschehnisse in den Gesichtskreis der gesamteuropäischen
Politik gerückt worden ist und somit ein grösseres Interesse als
früher auf sich gelenkt hat. Möge auch dieses Werk einen Be=
weis dafür liefern, dass das Volk Finnlands seine nach jahrhun=
dertcldngen Bcmühimgcn und Kämpfen gewonnene Freiheit ver=
dient hat.
DIE REDAKTION.
Beiträge zum vorliegenden Werke lieferten:
Brandrr, U., Oberdirektor des Landwirtschaftsamtes.
Bruun, Otto, Mag. phil., Vorsteher des Statistischen Bureaus der Stadt
Helsingfors.
Erich, R., Dr. jur., Prof. des Staatsrechts.
EsKOLA, PentTI, Dr. phil., Dozent der Petrologie.
EuROPAEUS, A., Mag. phil.
FoRSMAN, )., Dr. phil., Gymnasiallehrer.
Grotenfelt, K., Dr. phil., Prof. der nordischen Geschichte.
Groundstroem, O., Mag. phil., Vorsteher der statistischen Abteilung des
Landwirtschaftsamtes.
GuMMERUS, Iaakko, Dr. theo!., Prof. der Kirchengeschichte.
Haataja, KyÖSTI, Cand. jur. utr., Oberdirektor des Landesvermessungsamtes.
HallSTFN, O., Mag. phil., Oberinspektor am Sozialamt.
Hannikainen, L., Mag. phil.
Harmaja, L., Dr. phil., Vorsteher des Statistischen Bureaus des Sozialamtes.
Hendell, L., Mag. phil., Direktor.
Hilden, Kaari.o, Mag. phil.
Hintikka, S. V'.. Dr. ingen., Lektor der Technischen Hochschule.
HjELT, Aug., t, Dr. phil., Direktor des Statistischen Zentralbureaus.
Hytönen, V., Dr. phil.
JOHANSSON, Ose. V., Dr. phil., Dozent der Meteorologie.
JÄRVI, T. H., Dr. phil., Oberdirektor des Fischereiamtes.
ÄRVINEN, KvöSTi, Mag. phil., Direktor der Zentralhandelskammer.
Kaila, E. E., Mag. phil.
Kajava, YrjÖ, Dr. med., Dozent der Anatomie.
Kala, J. H., Mag. phil., Vorsteher des Stat. Bureaus der Eisenbahnver=
waltung.
Kallio, K. S., Architekt.
Karhunen, O., Cand. jur. utr., Schriftführer der Gesellschaft »Pellervo».
KlLPI, O. K., Dr. phil., Dozent der Statistik.
VON KONOW, E., Mag. phil., Direklor des Landwirtschaftsinstituts von
Mustiaia.
KOSKIMIES, Akseli, Dr. med., Medizinalrat.
KovERO, M., Dr. phil., Direktor des Statistischen Zentralbureaus.
Krohn, Ilmari, Dr. phil., Prof. der Musik und Musikgeschichte.
Laitakari, A., Mag. phil.
Lakari, O. |., Dr. phil.
Levander, K. M., Dr. phil., Prof. der Zoologie.
LlNDEQVIST, K. O., Dr, phil., Gymnasiallehrer,
Lindström, Fr. I., Dr. phil., Gymnasiallehrer.
LiNKOLA, K., Dr. phil., Dozent der Botanik.
LÖNNROTH, Onni, Bureauchef der statistischen Abteilung der Forstver«
waltung.
Mantere, O., Dr. phil.. Schulrat.
MlNNI, J. W., Mag. phil.
MuonIOVAARA, M., Ingenieur.
Mäkinen, Lauri, Mag. phil., Oberinspektor der Hausindustrie.
NuMELlN, R., Dr. phil.
NystrÖm, U., Architekt, Lektor an der Technischen Hochschule.
Oker=Blom, H(., Agronom, Bureauchef am Landwirtschaftsamte.
Pol6n, Knut, Mag. phil., Bankdirektor.
PuLKKlNEN, A., Cand. jur. utr., Vortragender Rat am |ustizministerium.
Richter, E., Mag. phil.
Saxen, Ralf, Dr. phil.. Schulrat.
Sirelius, U. T., Dr. phil., Dozent der Ethnographie.
Snellman, K., Ingenieur, Direktor der Oberverwaltung für VX'ege und
Wasserbauten.
Tarkiainen, V., Dr. phil., Dozent der finnischen Literaturgeschichte.
TuDEER, A. E., Dr. phil.
TUNKELO, J. H., Pastor, Schulrat.
Wichmann, Y., Dr. phil., Prof. der finnisch-ugrischen Sprachen.
Välikangas, !., Mag. phil.
OSTERBLADH, K., Mag. phil.
Die Redaktion wurde besorgt von Mag. phil. Lauri Hendel l,
Mitglied des Redaktionsausschusses des Konversationslexikon "'Tieto^
sanakirja», unter Mitwirkung von Dr. phil. Pekka Katara und Dr.
phil. Gustav Schmidt, Lektor der Universität. Das Register ist von
Dr. phil. Emil Ohmann abgefasst.
Redaktion abgeschlossen im Frühjahr 1919.
Inhaltsverzeichnis.
Seite
• Der Name Finnlands i
I. Natur 5
Lage und Grenzen y
Landschaften 6
Geologischer Bau und Bodengestaltung 17
Geologischer Bau 17
Bodengestaltung 28
Gewässer 31
Meere -j i
Bottnischer Meerbusen 31
Ostsee 33
Finnischer Meerbusen 34
Binnengewässer 37
Ladogasee 37
Flüsse und Seensysteme 40
Klima 44
Pflanzen= und Tierwelt 55
Vegetation und Flora 55
Tierwelt 58
II. Volk 80
Finnen 80
Finnische Sprache 88
Volkscharakter und die volkstümliche Kultur 91
Schwedischsprechende Bevölkerung 98
Bevölkerung und Siedelung 102
III. Wirtschaftsleben 118
Landwirtschaft 119
Moorkultur 139
Molkereiwesen 143
Landwirtschaftliche Vereine 146
Waldwirtschaft 15t
Fischerei 165
Industrie '7'
Geschichte der finnischen Industrie i75
Holzindustrie 184
Papierindustrie '97
Zclluloscindustrie 194
Textilindustrie ■ 195
Leinenindustrie 195
Baum>xollindustrie 196
\X ollenindustrie i97
Bergbau 1 98
Eisenindustrie 204
Maschinenbau 206
Lederindustrie 208
Steinbearbeitunj 210
Elektrotechnische Industrie .. 211
Zuckerfabrikation 21?
Tabakindustrie 214
Chemische Industrie 216
Buchdruckgewerbc 221
Handwerk 224
Hausindustrie •. ■. • ■ 224
Verkehr 229
Landstrassen und Personenpost 270
Kanäle 234
Eisenbahnen 278
Postwesen 254
Touristenwesen * 259
Finnland als Touristenland 261
Handel 266
Aussenhandel •.■•• 266
Handelsflotte 278
Landhandel 285
Die Handelskammern Finnlands ■ - 286
Die Zölle 289
Die Städte Finnlands 292
Die 8 grössten Städte Finnlands
Hcisingfors — Helsinki 728
Abo — Turku 740
^X'iborg — Viipuri 742
Tammerfors — Tampere ■ 745
Wasa — Vaasa «... 748
Uleäborg — Oulu 750
Björneborg Porl 752
Kotka 754
Masse und Gewichte . 755
Münzf uss . . ; . 755
Münre 756
Seite
Kredits und Versicherungswesen ■•r-j
Kreditwesen
557
Sparkassen ^yo
Postsparkassen -^j.
Landwirtschaftlicher Kredit 374
Versicherungswesen -j^^
Nationalvermögen 583
Finanzen 583
IV. Soziale Fragen jp^
Finnisch=nationale Bewegung 394
Grundbesitzfrage 405
Landpacht 405
Genossenschaftsbewegung 414
lVlässigkeits= und Enthaltsamkeitsbewegung 418
Arbeiterbewegung 420
Die politischen Parteien 423
V. Geistige Kultur 425
Unterrichtswesen 425
Die Universität 45 1
Wissenschaftliche Gesellschaften 456
Museen 459
Technischer Unterricht 460
Handelslehranstalten 461
Landwirtschaftlicher Unterricht 462
Forstlicher Unterricht 463
Führsorge=ErEiehung 463
Taubstummen^, Blinden= und Idiotenanstalten 465
Architektur 465
Bildende Künste 476
Literatur 486
Tonkunst 514
Bühnenkunst 521
Konfessionen 525
VI. Staatswesen 546
Staatsform und Verfassung 546
Nachtrag 560
Die Volksvertretung 571
Verwaltung 585
Das Wappen 589
Die Flagge 590
Die Läne 590
Öffentliches Gesundheitswesen 594
Rechtspflege 603
Heerwesen 607
Seite
VII. Geschichte 009
Urgcschichti- . . O19
Älteste Geschichte bis zum Jahre i jij 619
Zeit der schwedischen Herrschaft » 623
Pinnland während seiner Vereinigung mit Russland von 1809
bis 1917 646
Finnland als selbstSndi^rer Staat seit 1917 658
Register 661
Vcrzelclinis der zweisprachigen Ortsnamen 668
Verzeichnis der Abbildungen.
Seite
Das \X/appen Finnlands 2
Die Wappen der historischen Landschaften 3
Uferpartie am Ladogasee 8
Tavastländische Landschaft im Kirchspiel Korpilahti 8
Pfarrhof zu Inari nebst Kirche 9
Bauernhof in Kittilä (Geröllfeld) 9
Tal des Kemiflusses 9
Tavastländische Seeiandschaft (Kuhmoinen) 40
Landschaft aus der Gegend von Sortavala 41
Volkstrachten aus Tavastland 97
Finnischer Teppich mit eingewebten Figuren 97
Mittagessen in einer Savolaxer Bauernstube. Gemälde von Venny
Soldan=Brofelt 104
Bauernweiber bei der Kirche von Ruokolahti. Gemälde von Albert
Edelfelt ,04
Lappen aus Enontekiö 105
Fahrt im Renntierschlitten Ge-nätde von ]. Kyyhkynen 105
Abfahrt zum Pflügen 1,5
Netz häuschen 1 1 5
Einheimische Rassenkühe 145
Molkerei zu Huittinen 145
Ackerlandschaft aus Südwestfinnland 145
Kämpfende Auerhähne. Gemälde von Ferd. von Wright 161
Laubsammeln 161
Punkaharju 264
Saimakana! 264
Das Haus Pohjola in Helsingfors 265
Der Äboer Dom . 321
Gesamtansicht von Abo (Turku) 321
Aussicht vom Observatorienberg in Helsingfors 328
Schwedische Volksschule an der Bahnstrasse in Helsingfors 328
Bootfahrt in den Schnellen des Oulujoki 529
Uleäborg (Oulu) 329
Das Haus der Lebensversicherungsgesellschaft Suomi in Helsingfors . • 337
Gesamtansicht von Helsingfors 337
Seile
Olafsburg 745
Tammcrfors ( I ampcre) 745
Börsenhof in Hclsingfors ■ 34^
Bahnhof zu W'iborg 746
HcrrcngMt Kauttua 4o8
Sarvilax (Sarvilahti). Pamilicnsitr des Geschlechtes von Born 408
Modernes Bauerngut von W'cstfinnland 409
Altertümliches Bauernhaus von Ost=Karelien 409
Skiwettlaufen zvx-ischen Helsingforser Volksschulen 449
Die Kirche zu Sauvo 465
Bootfahrt zur K irche 46?
Albert Edelfelt. Gemälde von M. Enckell 481
lohannes Takanen 481
Walter Runeberg 481
Schärenbewohner. Gemälde von Albert üdelfelt 488
Aino. Gemälde von Akseli Gallen-Kallela 488
Akseli GalUn=Kallcla. Selbstbildnis 489
Der Brudermörder. Gemälde von Akseli Gallen=Kailela 489
Lemminkäinens Mutter am Tüonela«Fluss. Gemälde von Akseli
Gallen=Kallcla 489
)ean Sibelius 496
Fr. Pacius 49^
Robert Kajanus 496
Wegebauer in Kardien. Gemälde von Pekka Halonen 497
Beim Schwenden. Gemälde von Eero lärnefelt 497
A. 1. Arwidsson 504
M. Calonius i. 504
|. |. Nervander 504
M. A. Castren 505
Aug. Ahlqvist (Oksanen) 505
|. ). Weckseil 512
Ida Aalberg. Gemälde von Albert Edelfelt 512
Aleksis Kivi 512
loh. Ludv. Runeberg. . 517
Borgä (Porvoo) 5i7
Lars Stcnbäck 520
Zach. Topclius 520
Minna Canth 520
luhani Aho 520
iulius Krohn •-■■ 520
Finnisches Nationaltheater 52 1
Kaarlo Bergbom 52'
Cmilia Bergbom 521
Pietistcnversammlung. Gemälde von joscph=Aldncn 529
Paavo Ruotsalainen 529
F. M. Franzen 672
|. W. Snellman -. 672
Fredrik Cygnaeu» bfi
, Seite
Elias Lönnrot 653
Nikolaikirche in 1 Iclsiiigfors 648
Universitätsbibliothek in Helsingfors 648
G. Z. Yriö=Koskinen 649
Leo Mechelin 649
P. E. Svinhufvud 6y6
C. G. E. Mannerheim 656
K. I. Stählberg. Präsident der Republik 657
Der Name Finnlands.
FINNLAND, der deutsche Name für S u o m i, ist germani=
sehen Ursprungs. Die germanischen Völker haben von altersher
die Lappländer und Finnländcr Finn genannt, ein Wort, das
man zuerst bei Tacitus und Ptolemäos (Phinnoi) findet. Der
Name kommt bereits in den 1229 erlassenen päpstlichen Bullen
vor, obwohl damit im Mittelalter gewöhnlich nur das sog. Ei=
gentlichc Finnland {Südwestfinnland) gemeint war. Der fin=
nische Name des Landes, Suomi, der heute sowohl das Land
selbst als auch die finnische Sprache bezeichnet, hat offenbar
ursprünglich weder das eine noch das andere bedeutet, son=
dern vielmehr eine einem baltisch=finnischen Stamm angchörige
Person, wahrscheinlich auch diesen Volksstamm in seiner Ge=
samtheit. Mit der Zeit dehnte sich die Bedeutung des Wor=
tes Suomi auch auf das Wohngebiet und die Mundart des gc=
nannten Volksstammes aus. Noch im 16. Jahrhundert verstand
man unter jenem Namen ausdrücklich die Gegend, die wir jetzt
das Eigentliche Finnland nennen und unter der Sprache Suomi
die dort gesprochene Mundart.
Das Wappen Finnlands.
Nyland— Uusis
maa
Das Eigentliche
Finnland
Aland Ahvcnan-
JjH*. maa
m
Satakunta
Savolax — Savo
Kardien Osterbottcn — Lappland
Pohjanmaa
Wappen der historischen Landschaften.
]. Natur.
Lage und Grenzen.
Finnland liegt in Nordeuropa, im östlichen Teil des geogra=
phischen Gebiets Fennoskandia, zwischen dem Bottnischen Mcer=
busen, der Ostsee, dem Finnischen Meerbusen und dem Ladoga=
sec. Sein Flächeninhalt beträgt 377,426 k m^, wovon
44,286 km^ oder ii,7 7oaufd'ß Binnengewässer entfallen (berech=
net 1901 — 07; nach Streljbitskijs Berechnungen vom Jahre 1882
574,802 km^, davon Binnengewässer 41,820 km^. Diese Ziffern
umfassen auch Finnlands Anteil am Ladogasee 8,014 km^). Finn=
land hat -5,500,650 Einwohner (1915), 9,9 auf das Quadratkilo=
meter.
Natürliche Grenzen besitzt Finnland nur teilweise im Westen
und im Süden, wo es in einer Ausdehnung von etwa 1000 km
vom Meere bespült wird. Die übrige, etwa 2,500 km lange Grenze
verläuft teils durch Wälder (vor allem die Ostgrenze gegen Russisch»
Kardien), teils an Flüssen entlang, die nicht einmal die verschie=
denen Nationalitäten auseinanderhalten (die Grenze gegen Schweden
bildet der Tornionjoki (Torneälv) mit seinem Ncbenfluss Muonion=
joki und dem sich in diesen ergiessenden Könkämäeno, die Grenze
gegen Norwegen zieht sich eine lange Strecke an den Flüssen Ina=
rinjoki (Enareälv) und Tenojoki (Tanäelv) hin, während Finnland im
Süden unter anderem durch den Rajajoki (Systerbäck) von Russland
getrennt wird. Die Festlandsgrenzen haben sich dann auch im Laufe
der Zeit bald zum Vorteil, bald zum Nachteil Finnlands verschoben.
Am kleinsten war das Reich in der Neuzeit nach dem Frieden von
Äbo (Turku) 1743, wo der Fl:icl)eninhalt nur ungefähr 235,400 km*
betrug. Seitdem ist das finnländischc Gebiet immer mehr gewach=
scn, ausgenommen ein 14 km* grosses Areal an der Mündung des
Rajajoki, welches 1864 Russland einverleibt wurde. So wurden
1773 bei der Grenzregelung zwischen den Bistümern Abo und
Hernösand die Kirchspiele Scdankylä, Kittilä, Utsjoki und Inari,
im ganzen 46,979 km*, mit Finnland vereinigt; dazu kamen im
Frieden von Fredrikshamn (Hamina) 1809 (Grenzvertrag 1810)
Ylitornio (Ovcrtorneä), Turtola, Kolari, Alatornio (Nedertorneä),
Karunki, die Stadt Torneä (Tornio), Muonioniska und Enontekiö,
insgesamt 18,180 km*. Im jähre 1811 erhielt Finnland das in frühc=
ren Kriegen von Russland eroberte sog. «Alte Finnland», 31,423
km*, wieder und endlich 1896 — 97 bei der Grenzrcgelung zwischen
Finnland und Norwegen ein 1,198 km* grosses Gebiet nordöstlich
vom Inarisee. Doch liess die zuletzt erwähnte Grenzverschiebung
Finnlar.d nicht an das ISiördliche Eismeer heran, sondern trennt
es durch einen stellenweise bloss 12 km breiten, zu Norwegen ge=
hörenden Landstreifen davon. Der nördlichste Punkt von
Finnland, Rajala am Tcnojoki, liegt auf 70° 60' nördl. Br., der s ü d=
liebste, die Südspilze der Landzunge Hangöudd (Hankoniemi)
auf 59° 48' 39" nördl. Br., der östlichste, am See Unnusjärvi,
auf 32° 47' östl. L. und der westlichste, die Klippen Signil=
skär westlich von Aland, auf 19° 30' östl. L. v. Gr. Die nordsüd=
liehe Länge Finnlands beträgt also etwa 1,160 km, die grösstc
Breite des Festlandes von Ost nach West beinahe 600 km, die
kleinste (abgesehen von der Tviordspitzc Lapplands) 200 km, in
der Gegend von Ulcäborg (Oulu).
Landschaften.
Finnland zerfällt von altcrshcr, zum Teil nach den Wohngc=
bieten der einzelnen Volksstämme, in 9 Landschaften, die
aber heute keine gut gegeneinander abgegrenzten geographischen
Einheiten bilden und nur historische Bedeutung haben. Die
Landschaften sind: Nyland (Uusimaa), das Eigentliche
Pinnland (finn. Varsinais=Suomi, schwed. Egentliga Finland),
Aland (finn. Ahvenanmaa), Satakunta, Tavastland,
(finn. Hämc), Savolax (finn. Savo), Kardien (finn. Karjala,
schwcd. Karclcn), Osterbotten (finn. Pohjanmaa) und L a p p=
I a II d (finn. Lappi).
NYLAND (finn. Uiisiniaa), welches Wort sich in der Vcr=
waltungssprachc im Namen des Läns Nyland (Uusimaa) erhalten hat,
umfasst den grösstea Teil des südlichen Küstengebiets. Der Name
ist vermutlich auf schwedische Ansiedler zurückzuführen, die sich
im Zwischengebiet zwischen den Wohnsitzen der eigentlichen
Finnen, Tavasten und Karelier niederlicssen und die von ihnen
besiedelte Küstenzone, anfangs namentlich deren östlichen Teil,
und auch das angrenzende Binnenland »neu Land» (finn. uusi
m a a, schwed. nyland) nannten. Der ^Jame Nyland oder
Nylandia kommt schon in Urkunden des 14. Jahrhunderts
häufig vor und bezeichnet ein bekanntes, in seinen Hauptlinien
gleichsam schon bestimmtes Gebiet mit besonderem Gepräge und
eigenen Verwaltungsbeamtcn. In seiner finnischen Form U u s i=
maa (Wsimaa) erscheint er zum ersten Mal in der Vorrede zu
Mikael Agricolas Neuem Testament. Neben dem Gesamtnamen
der Landschaft kommen bisweilen auch die Bezeichnungen Wcst=
liches und Ostliches Nyland (Länsi=Uusimaa und Itä=Uusimaa) vor.
Das älteste Siegel der Landschaft stammt vom Jahre 1726
und stellt den Heiligen Olaf vor. Das Wappen, welches 1599
zum ersten Mal zur Anwendung kam, zeigt auf blauem Grunde
zwischen zwei silbernen Strömen einen goldenen Kahn und darüber
eine Grafenkrone, zum Andenken an das Wappen der Grafschaft
Raseborg.
Das anfangs enger aufgefasste Gebiet der Landschaft hat sich
mit der Zeit, kirchlichen und administrativen Gesichtspunkten
folgend, weiter nordwärts ausgedehnt. Die Westgrenze verläuft
von altersher von der Ostseeküste westlich des Kirchspiels Tenala
nach dem Kirchsp. Pusula. Hier macht sie eine scharfe Wen=
düng nach Osten, biegt bei Mäntsälä jäh nach Norden ab und
zieht dann in ostnordöstlicher Richtung nach dem Kirchspiel
Sippola. Die Ostgrenze scheint durch die Verbreitung des schwc=
dischen Bevölkerungselements in der Küstengegend bedingt zu
sein. Wahrscheinlich reichte dieses bis Virolahti; demgemäss
verläuft die Grenze von der Küste zwischen Vehkalahti und
Virolahti nordwärts, um sich in Sippola mit der Nordgrenze
zu vcrfinigcn. Im Süden grenzt Nyland an den Finnischen
Meerbusen, von dessen weiter ausserhalb liegenden Inseln Suura
saari (Hogland), Tytärsaari, Lavansaari u. a. zu der Landschaft ge=
zählt werden. Der südlichste Punkt der Landschaft und zugleich
ganz Finnlands ist die oben erwähnte Landzunge Hangö=
udd (Hankoniemi) auf 59" 48' 30' nördl. Br., der nördlichste
die Nordspitzc des Kirchspiels Sippola auf 60 59' nördl. Br.
Das gesamte Areal beträgt 11,362,1 km".
DAS EIGENTLICHE FINNLAND (finn. Varsinais=
S u o m I, schwed. E g e n 1 1 i g a F i n I a n d), ist die südwestlichste
und zugleich kleinste Landschaft. Ihr ursprünglicher Name war
S u o m i, bis dieser auf das ganze Land überging. Doch blieb
Suonii (Fennia, Fenningiaj als Spezialbezcichnung der Landschaft
während des ganzen Mittelalters im Gebrauch. Noch zu Beginn
der Neuzeit nennt Agricola in seinem Landschaftsverzeichnis das
Eigentliche Finnland Suomi ('>Pohja= und Etelä=Suomi» war der
Gesamtnamc der finnischen Gerichtsbezirke, die vom Aurafluss
begrenzt wurden). Später wird die Landschaft vielfach T u r u n=
maa genannt, dies sogar noch im jähre 1832. Die zusammen»
gesetzte Form »varsinais=suomalainen'> erscheint erst 1847 zum
ersten Mal, und seit jener Zeit hat sich der jetzige finnische
Name der Landschaft fest eingebürgert.
Das Eigentliche Finnland führt den Titel eines Herzogtums.
Auf seinem Siegel war im Mittelalter (1326) die Jungfrau Maria
mit dem Christuskindc auf dem Schoss abgebildet. Das jetzige
Wappen (seit 1556) stellt einen Turnicrhelm auf rotem Grunde
und darüber zwei gekreuzte Lanzen, die eine blaugelbe Fahne
tragen, dar. Dieses war ursprünglich nur das Wappen des
südlichen Teils der Landschaft. Der nördliche Teil und Sata=
kunta hatten seit 1556 ein gemeinsames Wappen, welches im 19.
lahrhundcrt das Spezialwappen von Satakunta wjrde.
Das Eigentliche Finnland umfasst den südlichen Teil des Läns
Äbo u. Björneborg (Turku u. Fori), welchem die gesamte Land=
Schaft angehört. Ihre Grenzen haben sich im Laufe der Zeit
ein wenig verändert. Früher zählte man dazu auch die Gegend
von Raumo (Rauma), die jetzt zu Satakunta gehört. Die gesamte
Landschaft hat einen Flächeninhalt von rund 8,100 km".
Das Eigentliche Finnland wurde schon während der Steinzeit
besiedelt, und einige Teile desselben sind wahrscheinlich seit
Uferpartie am Ladogasee.
Tavastländische Landschaft im Kirchspiel Korpilahti.
Pfarrhof zu Inari nebst Kirche
Bauernhof in Kittilä (Geröllfeld).
Tal des Kemiflusses
jener Zeit ohne Unterbrechung bewohnt gewesen. — Die Altcr=
tumsforschung vermutet, dass die steinzcith'chen Bewohner der
Landschaft Indocuropäer gewesen sind. Dasselbe Volk hat
noch während der Bronzezeit die Landschaft bewohnt (etwa
1700 — 500 V. Chr.), und zwar befand sich, nach Altertums=
funden zu schliesscn, das wichtigste Bevölkerungszentrum in
der Gegend der jetzigen Kirchspiele Kimito, Pernio und Uskcla.
Ein anderes Zentrum lag in dem Winkel von Laitila Uusi=
kirkko, während die Mitte der Landschaft unbewohnt gewesen
zu sein scheint. Um die Mitte der Eisenzeit (ca. 500 n.
Chr.) wurde die Mündung des Auraflusses besiedelt, und
damals war auch die weiter süd= und nordwärts gelegene
Küstenstrecke bevölkert. Noch in der älteren Eisenzeit und
zum Teil sogar später scheinen die Gegenden von Uskela —
Pernio und Laitila — Uusikirkko immer noch Sicdelungszentren
gewesen zu sein. Die Einwanderung der Finnen von jenseits
des Finnischen Meerbusens dürfte in der Eisenzeit stattgefunden
haben, und eine der ersten der von ihnen besiedelten Gegenden
war gerade das Eigentliche Finnland. Am Ende der Eisenzeit,
etwa um das Jahr 800, haben sich schwedische Kaufleute und
Wikinger in den Schären und an der Küste niedergelassen. —
Das Innere der Landschaft wurde erst während des Mittelalters
und der Neuzeit besiedelt, indem sich die Bevölkerung längs
den Flussläufen nach dem Binnenlande hin verbreitete. Eine
Ausnahme bildet vielleicht das Auratal; man vermutet nämlich
aus sprachlichen Gründen, dass im Binnenlande wohnhafte,
nach der Küste hin vorgedrungene Tavasten sich dort nieder=
gelassen haben.
Da vom ersten Kreuzzuge (etwa 1150) an bis zur ersten
Hälfte des 19. Jahrhunderts die Stadt Äbo (Turku) der Haupt=
ort von Finnland gewesen ist, so deckt sich die Geschichte des
Eigentlichen Finnland wahrend mehrerer Jahrhunderte mit der-
jenigen des ganzen Landes. Äbo war der Sitz des Bischofs
und des Landrichters, später auch des Hofgerichts; dort befand
sich auch ein Gymnasium und die einzige Universität des Lan=
des. Da also diese Stadt der Mittelpunkt alles geistigen und
administrativen Lebens in Finnland war, ist auch die Geschichte
der Landschaft, in welcher sie liegt, mehr als diejenige der
übrigen Landschaften zugleich die Kulturgeschichte des ganzen
Landes.
ÄLANID (finn. Ahvenanmaa; die schwcd. Form kommt
von den Wörtern aa, d. i. Wasser, und land, also «VX'asscrIand»,
der finnische Name leitet seinen Ursprung von dem altnordischen
ahva, dem vererwähnten aa her) umfasst die gleichnamige In=
selgruppe zwischen dem Bottnischcn Meerbusen und der Ostsee.
Der ganze Flächeninhalt der Landschaft beträgt 1,352 km^. —
Die Hauptinsel (auch Fasta Aland, d. i. das Festland Aland, gc=
nannt) ist über 50 km lang (von Geta bis zur südlichsten Spitze
Lcmiands) und vier Meilen breit (von Bomarsund bis Frebbenby),
doch wird sie durch die von Norden und Süden tief einschnei=
denden Buchten in mehrere Teile geteilt, die nur von schmalen
Landengen zusammengehalten werden. Nach Südost streckt sich
die inseldhnliche Landzunge Lemland vor, die, obschon durch
den künstlichen Kanal Lemström von der Hauptinsel getrennt,
doch zu ihr gerechnet werden muss, ebenso wie die nahe Insel
Lumparland und das westlich von der Hauptinsel liegende, durch
den schmalen Marsund von ihr geschiedene Eckerö. — Der
Archipel umfasst mehr als hundert bewohnte Inseln und Taus
sende von kleinen Eilanden und Klippen. Man berechnet die
Länge des Archipels von Nord nach Süd zu 70 km und seine
Breite von West nach Ost zu 110 km. Die lange, von Nord
nach Süd reichende Mecresfläche Skiftet (Kihti) trennt die ln=
selgruppe von den Schären des Eigentlichen Finnland. Zählt
man Eckerö und Lumparland zum Festland Aland, so sind die
Haupigruppen des Archipels: die V'IrdöinscIn gleich östlich von
Aland, die Inselgruppen Kumlinge, Sottunga und Föglö, durch
Delct (Teili) und die Föglöfläche von den Värdöinseln und
Aland getrennt, die Inselgruppe Brändö, durch das Lapp=
vesi vom Kumlinge=Archipcl geschieden, und weit im Südosten
die Kökargruppe. Von den kleineren Inseln sind die Felsen»
klippen Signilskär westlich von Eckerö am wichtigsten. Die am
weitesten draussen im Meere liegenden Klippen sind durchweg
unbewohnte, nackte Felsencilande, einige fast ganz vegetationslos,
andere mit Wacholdergestrüpp und spärlichen Gras= und Kraut=
pflanzen bewachsen.
Geographisch ist die äländische Inselgruppe ein Teil von
Finnland, indem es eine direkte Fortsetzung des Archipels von
Südwestfinnland darstellt. Geschichtlich und politisch hat Aland
von jeher und während der ganzen Zeit, wo Finnland einen Teil
des schwedischen Reiches ausmachte, zu Finnland gehört. In
sprachlicher Hinsicht schlicsst sich die Bevölkerung dem schwc=
dischsprcchenden Volkstcil Finnlands an. Während des Welt=
Krieges legten die Russen entgegen den bestehenden Vereinbarung
gen im Archipel von Aland grossartige Befestigungen an, was
bei der Bevölkerung eine unruhige und besorgte Stimmung
wachrufen musste. In den 1918 zwischen Finnland, Deutsch=
land und Schweden getroffenen Abmachungen wurde bestimmt,
dass die Befestigungen geschleift werden sollten.
Das jetzige Wappen der Landschaft zeigt ein goldenes Elenticr
auf blauem Grunde.
Seit 1918 bildet die Landschaft ein administratives Ganzes,
das Län Aland. Die ortsanwesendc Bevölkerung betrug i. J. 1910
21,356 Personen, davon 20,458 mit schwedischer Muttersprache.
Aus der älteren Geschichte der Landschaft sei angeführt,
dass von den dortigen Kirchen, die zu den ältesten in Finnland
gehören, die Kirche von Saltvik i'jaz zum ersten Mal in den
Urkunden erwähnt wird und die Kirche von Finström im Jahre
1328, obwohl beide wahrscheinlich älter sind. Im späteren
Mittelalter wurde auf dem entlegenen Kökar ein Franziskancr=
kloster gegründet. >slach der Einführung des Christentums fällt
die Geschichte der Landschaft während des ganzen Mittelalters
und eines Teils der Neuzeit im wesentlichen mit der Geschichte
der Burg Kastelholm zusammen. Diese Burg, wahrscheinlich in
der zweiten Hallte des 14. Jahrhunderts erbaut, wurde der
Hauptsitz der königlich schwedischen Regierung in Aland,
bis sie, als die dortige Statthalterschaft 16-55 aufgehoben wurde,
allmählich ganz und gar verfiel.
SATAKUNTA. Woher der Name kommt, ist noch nicht
endgültig entschieden. Möglicherweise birgt sich darunter der
verfinnischte Begriff »kundari» (also »sata=kunta», d. h. Teil einer
Landschaft, eine Bezeichnung, die unter anderem bei dem alten
Sveavolk wie auch bei einigen anderen germanischen Völkern,
2. B. den Angelsachsen und Alemannen, im Gebrauch war).
Man findet den Namen zum ersten Mal i. J. 1351, und zwar
bezeichnet er schon damals ein wenigstens in allem Wesentlichen
abgegrenztes Verwaltungsgebiet mit eigenem Siegel. Sehr viel
älter kann die Landschaft schwerlich sein. Sie hat ein Siegel
besessen, welches vermutlich den Heiligen Olaf darstellte.
Das Wappen, welches seit 1557 existiert, hat Satakunta mit »Nord=
finnland» gemein. Es zeigt uns einen plumpen Bären mit einer
Herzo?skrone.
Die Grenzen von Satakunta haben im Laufe der Zeit gc=
vcechscit. Noch in der Neuzeit wurde wenigstens bei der Stcu =
ererhcbung das österbottnische Kirchspiel Närpes (Närpiö) dazu
gezählt. In der späteren Neuzeit hat das ehemalige Kirchspiel Ikaa=
linen (Ikalis), d. h. die jetzigen Kirchspiele Hongonjoki, Karvia,
Parkano und Ikaalinen, die Grenze gegen Osterbotten ausgemacht.
Die Grenze Verläuft weiter in nordöstlicher Richtung, bis etwas
nördlich vom See Ätsäri, dann nach Keuru und von dort süd=
südwestwärts nach Längelmäki und Kuhmalahti, wo sie scharf
südwestwärts nach Loimaa umbiegt. V''on dem zuletzt crwähn=
ten Ort verläuft die Grenze in westsüdwestlicher Richtung zum
Botinischen Meerbusen, von dessen Ostküste ein grosser Teil,
über 100 km, Satakunta angehört. Die Länge der Landschaft
von ihrem nördlichsten bis zu ihrem südlichsten Punkt beträgt
etwa 240, ihre Breite von der Ostgrenze bis zur Küste 200 —
100 km. Vom Flächeninhalt, 21,647 km", entfallen 12,942 km*
auf das Län Wasa und 2,662 km" auf das Län Tavastehus.
TAV ASTLAND (iat. Tavastia, finn. Häme). Als Orts=
name aller Wahrscheinlichkeit nach sehr alt. Der Name
Tavastland kommt etwa im Jahre 1030 zum ersten Mal
vor (in der Form Tafstaland). Ursprünglich umfasste die
Landschaft ausser dem jetzigen Tavastland auch das ganze
Satakunta, den östlichen Teil von Süd=Osterbotten und den
nördlichen von Nyland. Die älteste Ostgrenze, die nach dem
Heereszuge Birger Jarls (1249) zugleich die östliche Reichs=
grenze war, lief von der Gegend des Kymiflusses (Kymmcneälv)
nordwärts nach Osterbotten ungefähr bis zu den Quellen des
Pyhäjoki und dann längs diesem Fluss zum Bottnischen Mear=
busen. Die Tavasten führten lange blutige Grenzkriege mit
ihren östlichen Nachbarn, den Savolaxern, welche in ihr Gc=
biet einfielen. Sogar die Regierung musste eingreifen und die
Grenze wurde wiederholt geregelt — das erste Mal im jähre
1415, zuletzt 17-53 und 1736. Als Ergebnis der letzten Grenz=
Scheidung hat sich die Übersichtskarte vom |ahre 1749 bis auf
unsere Tage bewahrt. - Das jetzige Tavastland liegt zwischen 60°
30' und 63° 35 nördl. Br. Am breitesten ist die Landschaft
im Süden, wo die Entfernung zwischen ihrer Ost= und Westgrenze
rund 210 km ausmacht. Die grösstc Länge von Süd nach Nord
ist etwa 530 km, der gesamte Flächeninhalt 30,172 km .
Das Wappen, welches um das jähr 1550 zum ersten Mal
erwähnt wird, zeigt auf rotem Grunde einen in natürlichen
Farben dargestellten fleckigen Luchs mit erhobenem linken Vor=
dcrfuss; im unteren Teil vier silberne Rosen, am oberen Rande
drei silberne Sterne. Oberhalb des Ganzen eine Herzogskronc,
zum Zeichen, dass die Landschaft einst die Würde eines Her=
zogtums gehabt hat. — Der Name der Landschaft ist zugleich
der Name eines Läns, doch ist zu bemerken, dass sich beide
Gebiete nicht decken.
SAVOLAX (finn. Savo). Der Name erscheint, soviel man
weiss, zum ersten Mal (in den Formen »Savolax'>, Savilax») im
Friedensvertage von Netcborg (Pähkinäsaari) 1323 als einer der
drei karelischen Gerichtsbezirke, die damals an Schweden kamen.
Gleichen Namens war im Mittelalter auch das älteste savola=
xischc Kirchspiel (schon 1329 erwähnt), die jetzige Gegend von
St. Michel (Mikkcli), welche das älteste Bevölkerungszentrum
der Landschaft gewesen zu sein scheint. Der Name stammt
offenbar von einer nahen Bucht des Saimasees nebst umgeben=
dem Dorf, die beide noch Savilahti oder Savonlahti heissen,
und ist von dort allmählich auf die ganze Landschaft übergegan=
gen. — Die Grenze zwischen Savolax und Tavastland im Westen
entsprach ursprünglich der alten Nationalitätsgrenze der Karelier
und Tavasten, doch wurde sie später, um den blutigen Grenz=
fehden ein Ende zu machen, auf Veranstaltung der Regierung durch
besondere Grenzscheidungen (1415, 1445, 1452, 1614, 1625, 1733
und 1736) in ihre jetzige Form gebracht. Sie verläuft ungefähr von
der Station Kaipiainen im Süden längs den Rautalampi=Secn nord=
wärts zur Wasserscheide Suomenselkä. Die Ostgrenze gegen Kare=
lien war anfangs nach dem Schlüsselburger Frieden, welcher den öst=
liehen und nördlichen Teil des jetzigen Savolax Russland zuwies,
zugleich die Reichsgrenze. Später, nach dem Frieden von Täwsin
(Täyssinä) 1595 fiel die Reichsgrenze im wesentlichen mit der Grenze
zwischen Savolax und Kardien zusammen. Diese läuft vom Imatra
in nordöstlicher Richtung durch das Puruvesi und dann durch das
Orivesi zur Wasserscheide Suomenselkä, die die Nordgrenze der
Landschaft Savolax bildet. Die jetzige Südgrenze ist unbestimm=
tcrcri Ursprungs und folgt in ihrer Hauptrichtung der grossen
Randmoriinc Salpausscikä. Wappen: ein Bogen in Gold und
Silber auf schvwarzem Grunde.
Die grösste Länge der Landschaft (zwischen 60° 50' und 64°
nördl. Br.) von Süd nach Nord beträgt etwa 360 km, die grösste
Breite etwa 175 km. Das Volk unterscheidet in der Lands
Schaft die Teile Süd=Savolax (zum Län Wiborg gehörig), Gross»
oder lVlittel=Savolax (die Gerichtsbezirke St. Michel und jiiva), Ost=
Savolax (die Gegend der Stadt Nyslott (Savonlinna) und Nord=Savo=
lax (zum Län Kuopio gehörig). Der ganze Flücheninhalt an festem
Lande beträgt etwa 29,500 km , wozu noch fast ein Viertel
Wasserareal kommt. Administrativ ist die Landschaft gegen=
wärtig zwischen den Läncn Wiborg (ca. 4,000 km ), St. Michel (ca.
1-3,200 km*) und Kuopio (ca. 12,300 km") geteilt.
KARELIEN (finn. K a r j a I a, der Name kommt vielleicht
vom Worte karja, d. i. Vieh; schwcd. Karelen), die östlichste
Landschaft Finnlands, liegt zwischen 60° 10' und 63° 50' nördl.
Br. Die Landschaft ist von Nordost nach Südwest etwa 430 km
lang, die Breite schwankt zwischen 90 und 180 km. Im Volks=
munde ist jedoch Karjala ein viel weiterer Begriff: es gehört dazu
ein Teil von Osterbotten bis zur Nordgrenze von Kuusamo
und ausserdem ganz Hinter= oder Russisch=Karclien. Im Süd=
Osten fällt die Landschaitsgrenze mit der Reichsgrenze zusam=
men; in früheren Zeiten dürfte die Landschaft bis zur Newa
gereicht haben. Die östliche, im Frieden zu Stolbowa (1617)
festgestellte Grenze wurde i. J. 1621 gesetzt. Die Westgrenze
der Landschaft läuft vom Finnischen Meerbusen an der kvzsU
liehen Grenze der Kirchspiele Virolahti und Miehikkälä entlang
und von dort in nordöstlicher Richtung gegen den Imalra hin,
von wo sie längs der Westgrenze von Rautjärvi und Parikkala
durch das Puruvcsi und Orivesi nach Norden zieht. Der nörd=
liehe Teil der westlichen und die nördliche Grenze haben nach
dem Frieden von Täwsin 1595 ihre jetzige Gestalt erhalten.
In der Landschaft werden gewöhnlich folgende Teile unterschieden:
der Karelische Isthmus, Ladoga=Karclien und Nord=Karelien.
Daneben werden auch die Benennungen Süd=, Ost=(Grenz=) und
Nord=Karelien benutzt, und während des letzten Jahrzehnts hat
sich ausserdem für die Gegenden westlich von Wiborg der
Name Südwcst= Kardien eingebürgert. Ehemals vjfurde derjc=
nige Teil Ostfinnlands, der nach dem Grossen und Kleinen
Unfrieden an Riissland kam (i. J. 1721 und 1743), das Alte Finn=
land genannt. Über das Wappen vgl. die Abbildung.
OSTERBOTTEN (finn. Pohianmaa). Den Namen hat
die Landschaft nach ihrer Lage um den innersten Teil des Bottni=
sehen Meerbusens (schwed. hotten, finn. pobja, d. i. Grund). In den
Urkunden des Mittelalters wird sie Norrbotten genannt, doch
bezieht sich dieser Name auf ein bedeutend grösseres Gebiet, näm=
lieh sowohl auf das zu Schweden gehörige Västerbotten als auf
das finnische Osterbotten, welches späterhin den speziellen Na=
men Osterbotten (Pohjanmaa) erhielt und behalten hat, und dazu
auf die grossen Einöden am Südhange des Suomenselkä, die jetzt
zum nördlichen Tavastland und Savolax gehören, im Beginn der
Neuzeit erscheint zuerst der Name »Osterbotten'>, bei Mikael Agricola
»Itä=(d. i, Ost) Pohjanmaa», doch scheint damals im Finnischen
der Name Kainuu (»Kainos»), der bisweilen in den Urkundc.i
jener Zeit vorkommt und womit namentlich das nördliche Oster=
botten gemeint sein dürfte, gebräuchlicher gewesen zu sein.
Damals noch betrachtete man die Landschaft im allgemeinen
nicht als einen Teil von Finnland, sondern stellte sie in Gegen=
satz dazu. Die Grenze zwischen den Bistümern Uppsala und Abo
(Turku) wurde ganz natürlich die Westgrenze der Landschaft,
die am Kaakamajoki, im Gebiet zwischen den Flüssen Tornion=
und Kemijoki beginnend sich nach Norden zog; im Norden
grenzte die Landschaft an das eigentliche Lappland, im Süden
fing man an die Wasserscheide Suomenselkä als Grenze zu be=
trachten, und im Osten beruhte die Grenze auf der jeweiligen
Abmarkung zwischen Finnland und Russland.
Das jetzige Osterbotten umfasst beinahe 6 Breitengrade (62° — 68"
nördl. Br.), d. h. etwa 650 km von Süd nach Nord; die Breite
schwankt vcn 100 km (unweit der Stadt Gamlakarleby [Kokkola])
bis 300 km (bei Ylitornio). Das Volk pflegt einen Unterschied zu
machen zwischen Süd=, MitteU und Nord=Osterbotten und Kainuu
(Kalix) oder dem Län Kajai a (Kajaani), doch ist diese Einteilung
stellenweise recht schwankend. Kainuu umfasst ungefähr den jctzi=
gen Gerichtsbezirk Kajaiia (Kajaani), Süd=Osterbottcn reicht vom
Süden bis in die Gegend des Lapuanjoki und Lappajärvi, MittcU
Osterbotten von dort bis nördlich des Pyhäjoki, und der Rest ist
Nord'Ostcrbotfcn. Oft spricht man auch von Hinter=Ostcrbotten
(dem nördlichsten Teil von >Jord=Osterbottcn) und Ost=Ostcr=
hotten (die Kirchspiele Kuusamo und Taivalkoski im östlichen
Teil von Nord^Osterbotten) oder auch nur von Siid= und Mord=
Ostcrbotten.
Einem adminis rativ abgeschlossenen Ganzen entspricht das
jetzige Osterbotten nicht. Es umfasst den grössten Teil der Länc
Ulcäborg (Oulu) und Wasa (Vaasa), doch sind vom erstercn der
Gerichtsbezirk Lappland und das gewöhnlich zu Lappland gezählte
Kirchspiel Kuolajärvi abzurechnen; statt dessen gehört zu Ostcr=
botten der 1809 von Schvjccden abgetretene Teil Västerbottens,
abgesehen vom Kirchspiel Muonionniska, welches zu Lappland
gezählt wird. Zum Län Wasa gehören wiederum Süd=Osterbottcn
und der südliche Teil von MitteUOsterbottcn. Im ganzen hat
Ostcrbotten einen Flächeninhalt von 11 ■5,307 km" (34% von
ganz Finnland).
Das Landschaftswappen ist aus der Zeit Johanns IlL
und zeigt auf blauem Grunde sechs silberne Hermeline unter
einer Grafenkrone; früher soll es einen schwarzen Kreuzfuchs
dargestellt haben.
LAPPLAND (finn. L a p p i, lappl. Same ädnam, schwed.
L a p p I a n d, lat. L a p p 0 n i a, auf der Karte von Oiaus Magnus
Scricfinia, d. h. Land der Schneeschuh=Lappcn). Die Land=
Schaft hat nicht nur geschichtlich, sondern auch geographisch,
naturgeschichtlich, ethnographisch und administrativ ihren beson=
deren Charakter. Während der Schwedenzeit gehörten Kemi=
Lappland (Kuusamo, Kuolajärvi, Sodankylä, Kittilä, Inari) und
Torneä=Lappland (Enontekiö) zu Västerbotten, das Kirchspiel
Utsjoki bis zum Jahre 1747 zu Kautokeino in Norwegen und seither
nebst Inari zu Kcmi=Lappland. Muonioniska gehörte ehemals zu
"wästcrbotten, wird aber nunmehr zu Lappland gezählt. Dagegen
gehören Kolari und Kuolajärvi jetzt nur noch geographisch, aber
nicht verwaitungsrcchtlich zu Lappland. Die Grenzen von Finnisch»
Lappland sind lange unbestimmt gevxesen. Die letzte Grenzsclzung
fand 1896-97 statt. - Das geographische Lappland hat ein Areal
von beinahe 70,000 km*, also mehr als Griechenland; der Flächen=
inhalt des gleichnamigen Gerichtsbezirks beträgt etwa 41,000 km ,
ist also fast ein Sechstel von ganz Finnland. — über das Wappen
s. die Abbildung.
Geologischer Bau und Boden-
gestaltung.
Der Charakter der finnländischen Natur wird abgesehen
von den klimatischen Verhältnissen in vielleicht noch höherem
und handgreiflicherem Mass als in den meisten anderen Län=
dern durch Finnlands geologischen Bau und dessen spätere
Entwicklungsphasen bestimmt. Darauf beruht die eigentüm=
liehe, im ganzen betrachtet gleichmässige, aber in den Einzcl=
heiten äusserst wechselnde Oberflächengestaltung, der kolos=
sale Reichtum an Seen, der eigenartige Charakter der Wasser=
Strassen, die Unfruchtbarkeit des Bodens, die günstigen Bcdin=
gungen für die Nadelwaldvegetation, aber die schlechten Vor=
aussetzungcn des Ackerbaus usw. — lauter Umstände, die
ihrerseits Hand in Hand mit den klimatischen Verhältnissen
die Verbreitung der Bevölkerung und die Möglichkeiten der
wirtschaftlichen Tätigkeit bestimmt und ihre Entwicklung in
verhältnismässig enge Bahnen gelenkt haben. Manche dieser
Eigentümlichkeiten hat Finnland mit dem übrigen Fennoskandia
gemein — unter diesem Namen versteht man das geologisch
und geographisch einheitliche, von seiner Umgebung scharf
unterschiedene Gebiet, welches sich aus Norwegen, Schweden,
Finnland, Hinter=Karclien und der Halbinsel Kola zusammen=
setzt — doch unterscheidet es sich davon in mehreren wesent=
liehen Punkten. — Der folgende Abschnitt bietet einen kurzen
Überblick über jene geologischen Faktoren.
Geologischer Bau.
Seinem geologischen Bau nach ist Finnland ein Teil
von Fennoskandia und besitzt nur im Süden, nach Russland
hin, natürliche Grenzen. Charakteristisch für Finnland ist der
Umstand, dass der feste und harte Gesteins= oder Felsen»
grund und die denselben zum grössten Teil bedeckenden losen
Bodenarten sich scharf voneinander unterscheiden lassen.
Dieser Gegensatz, der in den meisten anderen Ländern nicht
bemerkbar ist, beruht darauf, dass einige der ältesten, ehemals
tiefer gelegenen Teile der Erdrinde im finnischen Gesteins=
gründe entblösst liegen, während sich die losen Bodenarten
während der jüngsten geologischen Periode gebildet haben.
Das Grundgebirge Finnlands besteht zum allergrössten Teil
aus Eruptivgesteinen und kristallinischen Schiefern. im Hin»
blick auf die Struktur dieses kristallinischen Felscn=
grün des können wir das Land in einige Gebiete einteilen,
die alle ihren besonderen Charakter haben.
I. Die südliche Küstenzone, zwischen Aland und
dem Nordufer des Ladogasees, vom Finnischen Meerbusen bis
Tavastehus (Hämeenlinna) und in die Gegend von Lahti, ist
ein Teil der nach Mittelschweden hinein fortsetzenden sog.
svekofennischen Zone. Die vorhtrrschenden Gesteinsarten
sind Granit und verschiedene Schiefergemenge, die sog. Migmatite,
bei denen meistens rötlicher, oftmals pegmatilartiger kalifeldspat»
reicher Granit verschiedene Gneisarten durchsetzt. Hin und
wieder findet man von Granitinjektionen freie Schieferformatio=
nen; ein solches Gebiet zieht sich durch die Kirchspiele Kimito,
Pernio und Kisko. Den grössten Bestandteil bilden hier fein«
körnige Gneise, die sog. Leptitc, doch kommen ausser ihnen
namentlich Amphibolitc und auch Kalkstein vor. Der letztgenannte
ist übrigens in dieser Zone recht verbreitet; oft findet man
ihn in den Migmatiten eingesprengt, aber selbst vor Granit=
injektionen bewahrt. Allgemeiner als die reinen Schieferforma=
tionen sind in der Küstenzone die reinen Eruptivgesteinsmassen.
Es lassen sich drei Typen davon unterscheiden :
i) Genau abgegrenzt, meistens in rundlichen Gebieten auftre«
tende Granitc, Granodiorite, Quarzdiorite, Diorite, Gabbros und
Peridodite; sie sind oft gneisartig schieferig, sogar von dem später
zu erwähnenden Granittypus durchdrungen und treten in naher
Verbindung mit den Schiefern (z. B. im erwähnten Gebiet von
Kisko— Kimito) auf, die etwas älter sind als sie. Hierher ge=
hört unter anderem der Gabbro von Hyvinkää (Hyvinge). Charak=
teristisch ist die variierende Zusammensetzung der einzelnen
Teile der Massen.
2) Ein über das ganze Gebiet verbreiteter kalifeldspatreichcr
Granit, der gerade das durchsetzende Element der Migmatite
bÜdet, aber hier und da auch in ziemlich grossen, gleichartigen
Massen auftritt. Das Gestein ist bald gleichkörnig, z. B. der
Granit von Nystad (Uusitaupunki), Hangö (Hanko) und Antrea,
bald porphyrartig, z. B. der Granit von Pernio und Sjundea.
Die Gleichförmigkeit der Zusammensetzung in den einzelnen
Gebieten ist eine charakteristische Eigenschaft der hergehörigen
Granite, die man zusammen als Küstentypus bezeichnet.
j) Die Rapakivigestcine, die jünger sind als das Grundge«
birgc und die unabhängig von allen anderen Geisteinsarten die
IVlischgesteinszone scharf unterbrechen. Geologisch wird auch
der Quarzporphyr der Insel Suursaari (Hogland) zu ihnen gezählt.
Nördlich vom Wiborger Rapakivigebiet und von diesem getrennt
befindet sich das Rapakivigebiet von Mäntyharju — ^Jaala, in dessen
Umgebung Diabase, Gabbro und Labradorstein vorkommen. Auch
das aländische Rapakivigebiet enthält Diabase. Diese Gesteine
gehören am nächsten der Eruptionsreihe des Rapakivi an und
sind früher erstarrt als die Hauptgesteinsart. Jünger als der
Rapakivi ist wiederum der nördlich vom Gebiet Nystad (Uusi=
kaupunki) in einem ausgedehnten Gebiet vorkommende 01ivin=
diabas von Satakunta wie auch der südlich vom Ladoga=Gebiet
auftretende Diabas von Valamo und Mantsinsaari. Diese Ge=
steine sind in der Form von Lagergängen in den weiter unten
erwähnten jotnischen Sandstein eingedrungen.
IL Die Zone des südlichen M i tt e If i n n 1 a n d
— zwischen dem Breitengrade von Tavastehus (Hämeenlinna)
und etwa der Mitte der Seen Näsijärvi und Päijänne, zwi=
sehen dem Saimasee und dem Bottnischen Meerbusen —
unterscheidet sich dadurch von der Küstenzone, dass die
Schiefers: und Eruptivgebiete deutlicher voneinander getrennt
sind. Einige Schiefergebiete sind von Granit durchsetzt, an=
dere haben sich sehr gut erhalten. Am beachtenswertesten
sind das Uralitporphyrgebiet von Kalvola — Tammela und die
Schieferformationen von Tammerfors (Tampere), von Karkku,
Lavia und Kankaanpää. Den Hauptteil bilden hier die aus
vulkanischem Gestein entstandenen Schiefer, doch gibt es
auch viele solche, deren Struktur und Zusammensetzung von
sedimentärem Ursprung zeugt, z. B. Phyllite und Konglomc=
rate. Manche dieser Gesteine zeigen wunderbar schön erhaltene
Primärstrukturen und weisen unzweideutig darauf hin, dass die
meteorologischen Verhältnisse während der Bildungszeit dieser
zum Archäicum gehörenden Bildungen den heutzutage auf der
ErdobcrfUche herrschenden schon sehr ähnlich waren. Diese
Schiefer tragenden gemeinsamen Namen: bottnische For=
mation. Kalksteine kommen im ganzen Gebiet nicht vor;
Quarzite sind wohl gelegentlich vorhanden — der bekannteste
Fundort ist der Berg Tiirismaa bei Lahti — , werden aber nicht
geologisch zu den bottnischen Formationen gezählt. - Den gröss=
tcn Teil der in Rede stehenden Zone bilden die in getrennten
Gebieten auftretenden, in ihrer Zusammensetzung zwischen Granit
und Peridotit schwankenden Eruptivgesteine. Unter ihnen über=
wiegen die Granitc; auch Granodiorite und Q.iarzdiorite kommen
massenhaft vor. Wie in der Küstenzonc sind diese Gesteine
auch hier oft gneisartig. Typische Gebiete finden sich z. B. in
Humppila, Urjala und in den Umgebungin von Tavastehus.
Granite vom «Küstentypus» sind hier ziemlich selten. Statt»
dessen gibt es südlich vom Gebiet Tammerfors mehrere weite
Strecken grobkörnigen porphyrischen Granits, z. B. in Lavia
und Orihvcsi. Auch dieser ist an vielen Stellen gneisarlig
geworden. Was das Alt r der Gesteine anbetrifft, ist in diesem
Gebiet wie in der Küstenzonc der Schiefer am ältesten, auf ihn
folgen die Granodiorite u. a., und am jüngsten sind die echten
Granite.
III. Das Granitgebiet Mittelfinnlands, nördlich der
vorigen Zone, besteht hauptsächlich aus Graniten von wechselnder
Zusammensetzung und Struktur, die vielfach in Granodiorite
usw. übergehen. Auch einige kleinere Gebiete von Schiefer»
formationen sind im Innern des Granitareals zu sehen.
IV. Osterbotten, etwa von Kristinestad (Kristiinankau=>
punki) bis zur Stadt Ulcäborg (Oulu) und dem Oulujärvi ist
in bezug auf die Zusammensetzung des Gesteins im grossen
und ganzen dcmsüdlichen Mittelfinnland gleich. In Ylivieska,
KäKiä, Veteli und anderen Kirchspielen gibt es Schiefcrformatio=
ncn, welche an den Schiefer der Gegend von Tammerfors erin«
nern, obwohl sie fast ausschliesslich vulkanischen Ursprungs
sind. Der Berg Simsiönvuori im Kirchspiel Lapua besteht
aus Quarzit.
V. Der Hauptteil von Savolax zwischen der Gegend von
St. Michel (Mikkcli) und Nyslott (Savonlinna) einer» und dem
Oulujärvi anderseits ist grösstenteils ein Miematitgebict, doch
kommt hier auch Granitgneis in grosser Ausdehnung vor. Das
grösste, ziemlich einheitliche Schiefergebiet liegt in den Kirchspielen
Juva, Haukivuori und Pieksämäki; es ist aus verschiedenen Gnei=
scn, unter welchen sich auch Kalkstein befindet, zusammengesetzt.
VI. Die Gesteine der Schiefergebiete von Ost= und
Nordfinnland bilden eine einheitliche Gruppe, die sich we-
sentlich von den bisher angeführten Schieferformationen des Ur=
gebirges unterscheidet und jünger ist als sie. (Wie sich das Alter
der im südlichen Teil der Schieferzone vorkommenden sog. lado=
gischcn Formation zu demjenigen der westlicher auftretenden
Schieferformationen verhält, ist unsicher.) Die Gruppe zerfällt
geologisch (dem Alter nach aufgezählt und nur mit Erwähnung
der wichtigsten) in eine ladogische, kalevischc und j a=
tulische Formation. Von diesen gehört die ladogische
Formation zum eigentlichen Urgebirge. Die kalevischc wie
auch die jatulische Formation liegen sehr deutlich diskordant
über dem Urgebirge mit ihren Graniten und Schiefern. Die
jatulischen Schiefer sedimentären Ursprungs zeigen eine geringere
Stufe der metamorphischen Umwandlung als die kalewischen
und werden darum als jünger angesehen. Die Abgrenzung
aller dieser Formationen gegeneinander ist aber in Wirklich=
keit sehr verwickelt. — Am Nordufer des Ladogasees begin=
nend erstreckt sich die Schieferzonc in einer einheitlichen Folge
bis nach Nilsiä und Rautavaara, im Osten an das grosse Gra=
nitgneisgcbiet, im Westen an die savolaxischen Migmatitc grcn=
zend. Längs dem Ostrande des Gebiets verläuft fast ununter=
brechen eine Zone sandsteinartigen Quarzits, im Westen von
Glimmerschiefer und PhyÜit nebst äusserst wechselnden Schiefer=
arten, wie Quarzit, dolomitischem Kalkstein, 01ivin= und Ser=
pentinstein, Topfstein, Uralitdiabas und Amphibolit (oder Me=
tabasit) gefolgt. Sehr allgemein ist der Konglotneratschiefer,
bei dem die Gerolle oft aus Granit bestehen und wo häufig
aus Verwittcrungsprodukten des Granits entstandene Bodcn=
bildungen, die sog. Augenschiefer, die Grenze zwischen dem
Schiefer und dem Granit ausfüllen. Derartige Umstände be=
weisen, dass der Granit während der Entwicklungszeit jener
späterhin in Schiefer verwandelten Sedimente auf der Erdober=
fläche blossgelegen hat. Diese Granite, die älter sind als der
ostfinnischc Schiefer, durchdringen ihrerseits weiter westlich
andere Schieferarten des Grundgebirges. Die in Rautavaara
unterbrochene Schieferzone erscheint aufs neue in Sotkamo und
setzt östlich vom Oulujärvi nach Pudasjärvi fort. Die Gesteine
sind die gleichen wie in Kardien; vorherrschend ist der Quar=
zit. Das Schiefergebilde ist von jüngerem, sog. postkalevischem
Granit umgeben, der stellenweise, z. B. in Pudasjärvi, mit dem
Schiefer zusammen echte Migmatite bildet, während die dahin=
gehörenden Konglomerate Gerolle aus älterem Granit enthalten.
Ebenso verhält es sich mit dem von der Hauptzone abzwci»
genden Schiefergebiet Utajärvi — Kiiminki. Die Hauptzonc wcn=
det sich von Pudasjärvi nordwestvxcrts nach Kuusamo, wo sie
sich bedeutend erweitert. Die Quarzite bilden immer noch
den Hauptteil. Von hier setzt die Schieferzonc in nordwcst»
lieber Richtung durch das ganze finnische Lappland fort. Am
stärksten ist der Quarzit am Sijdwestrandc der Zone vertreten;
bedeutend grössere Areale bilden die lappländischen Amphibolite.
Westlich der Hauptschicfcrkctte und von ihr gesondert liegt das
Schiefergebiet von Kemi — Rovaniemi. Das Gestein ist hier von
sehr ähnlicher Beschaffenheit wie in den südlicheren Teilen der
Zone. Vorherrschend sind die Quarzite; Kalkstein kommt reich=
lieh vor. in dem zwischen diesem Gebiet und der Schieferkette
von Kuusamo und Lappland liegenden weiten Areal besteht das
Gestein aus jüngerem Granit, in welchem hier und da migma=
titischer Schiefer eingesprengt ist. Der Granit in den Schic»
fergebieten von Kemi und Kiiminki ist wiederum älter als der
Schiefer.
VII. Ostfinnischer Granitgneis bildet den Gebirgs=
grund der Schieferzone im östlichen Grenzkarelien. Der in seiner
Form wechselnde Granitgneis umschlicsst zahlreiche Granitmassen
wie auch Schiefergebilde, vor allem in Suojärvi. Auch weiter nörd=
lieh, bis nach Lappland, liegen östlich von der Schieferzone Granit=
gneisgebiete. Diese Gesteinsart ist älter als der ost= och nord=
finnische Schiefer. Im Granitgneisgebiet von Kuusamo ist der
Berg livaara aus einem Ijolit genannten, sehr seltenen Eruptiv=
gcstein gebildet, während in Pyhäkiiru, Kirchsp. Kuolajärvi,
Kankrinitsyenit vorkommt. Diese Gesteine sind viel jünger
als der Gebirgsgrund der Umgebung und mit den Nephelin=
Syeniten der Halbinsel Kola verwandt.
VI 11. Der lappländische Granulit oder Lcptynit
bildet ein ausgedehntes Gebiet in Inari.
Das Grundgebirge Firmlands ist, soweit bis jetzt bekannt,
arm an Erzen und anderen nutzbaren Mineralien. Die
bekannten Erzvorkommen sind zwar verhältnismässig zahlreich,
besonders in der südlichen Küstenzone aber klein, und die Erze
sind meistens arm. Am häufigsten findet man magnetisches
Eisenerz. Kupferkies wurde früher am reichlichsten im Berg=
werk Orijärvi gewonnen, welches im Kirchspiel Kisko des
Läns Äbo und Björneborg liegt. In dem nahen Schürf lilijärvi
ist auch Gold gefunden worden. Ein anderes altes Kupfcr=
bergwerk, Pitkäranta im Kirchspiel Impilahti am nordöst=
liehen Ufer des Ladogasees, hat ausser Kupfer, Blei und
Eisen auch Zinn geliefert. Blei= und Zinkerz kommt in kleinen
Mengen vielerorts vor. Was die Erzvorkommen Südfinnlands an=
belangt, ist zurzeit nur die kleine BIcigrube Aijala, Kirchspiel
Kisko, im Betrieb. In der Schieferzone Ost= und Nordfinn=
lands sind namentlich die Fundorte von Kupferkies, meistens
in Metabasite durchziehenden Quarzitadern, zahlreich, z. B. in
Kontiolahti, Eno und Kuusamo. \/on anderer Beschaffenheit
ist die Kupfererzlagerstättc von Outokumpu (im Kirchspiel
Kuusjärvi, 50 km westlich von der Stadt Joensuu), der bisher
grösste Erzfund in Finnland. Das lappländische Granulitge=
biet enthält goldführende Quarzadern, die aber durchschnittlich
nur ein paar Gramm Gold pro Tonne enthalten, so dass sich
der Abbau nicht lohnt. Ergiebiger, obwohl an sich ganz gc=
ringfügig, ist das Waschen goldhaltigen Flusskieses. Dieses
wird hauptsächlich an dem in den Inarlsee mündenden Ivalo=
joki und dessen Nebenflüssen betrieben.
Von anderen Bergbauprodukten ist der Kalkstein am
wichtigsten; zum Brennen tauglich findet man ihn am reich=
liebsten in der südlichen Küstenzone. Die wichtigsten Kalkbrüche
befinden sich in Korpo, Pargas, Sauvo, Vestanf järd, Kimito, Finnby,
Loh ja, Pusula, Kiikala, Vihti, Villmanstrand (Lappeenranta) und Ant=
rea. In Savolax gibt es einige Fundorte von brauchbarem Kalkstein,
z. B. in Kerimäki, Vchmcrsalmi, Virtasalmi und im Kirchspiel
Mikkeli. Das Kirchspiel Alajärvi in Ostcrbotten hat ziemlich
bedeutende Kalksteinlager aufzuweisen. In den ost= und riordfina
nischen Schiefergebieten kommt Kalkstein sehr häufig vor, doch hat
er wegen seines Dolomitgehalts nur wenig Verwendung gefunden.
Grosse Kalkbrüchc gibt es in Ruskeala, wo der Kalkstein frü=
her auch als Baumaterial gebrochen wurde. Von harten, als
Baumaterial verwendeten Gesteinen ist der Granit am wichtig=
stcn. Gewisse dunkle Arten werden in Hyvinkää (Gabbro) und
Ruskeala (Diorit u. a.) abgebaut. In Nunnanlahti, Kirchsp.
luuka, finden sich Topfsteinbrüche. Aus den Pcgmatitgangcn
von Süd= und Miltclfinnland ist ein wenig Q u a r z und F e 1 d=
spat gewonnen worden. An einigen Stellen in der Landschaft
Tavastland werden aus Phyllitgestcinen Wetzsteine hergestellt.
Präquartärc Sedimentformationen, die jünger
sind als kristallinische Gesteine, haben sich in Finnland nur
in sehr geringer Menge erhalten. Am meisten verbreitet ist
der spätproterozoischc jotnischc Sandstein, der als anstehendes
Gestein südlich vom unteren Laufe des Kokcmäenjoki vor=
kommt und in losen Blöcken im ganzen südwestlichen Finnland
und am Südufer des Ladogasees häufig ist, am Boden des ge=
nannten Sees wahrscheinlich fest auftretend. Manchenorts auf
der Karelischen Landen gefindet man kambrischcn Ton als Fort=
Setzung der jenseits der russischen Grenze vorkommenden kambri=
sehen Schichten. In Saltvik auf der Insel Aland, in den Schären
von Tvärminnc und in Vestanfjärd ist in Febenspalten und
=höhlungcn kambrischer Sandstein gefunden worden. Kambrisch
ist wahrscheinlich auch der Lauhavuori=Sandstein in Isojoki
und der in der Gegend des Vahankasees in Karstula allgemein
in losen Blöcken auftretende Sandstein. Alle erwähnten Be=
funde sind Reste von ehemals weit verbreiteten Ablagerungen.
Ihre geologische Bedeutung wird klar, wenn man weiss, dass
der ältere Gebirgsgrund ausschliesslich aus kristallinischem Schie=
fer und eruptivem Gestein besteht. Die Bildung des Schiefers
setzt eine Gcbirgsfaltung voraus; es müss*;n also ehemals in
diesen Gegenden hohe Gebirgszüge vorhanden gewesen sein.
Die Gestalt der jetzt an der Erdoberfleche befindlichen Tiefen=
gcsteinc zeugt ihrerseits davon, dass sie vielleicht Tausende von
Metern tief erstarrt sind. .Ungeheure Gesteinsmassen sind also
durch Abtragung zerstört worden. Das V''orkommen der Sand=
steinschichten beweist, dass dies zum grössten Teil schon vor dem
Beginn des paläozoischen Zeitalters stattgefunden hat und dass
die Oberfläche des Gebirgsgrundes schon damals eine beinahe
ebene (eine Peneplain) war. Südlich vom Finnischen Meerbusen
sind ausgedehnte paläozoische Ablagerungen zu findtn, die
sanft nach Süden und Südosten abfallen. Die Schichtenreihe
ist im Innern Russlands eine vollständige ; aber je mehr man
sich der Grenze von Fcnnoskandia nähert, umso mehr Systeme
fehlen zwischen den jüngsten und ältesten, und an der est=
nischen Küstenbösclumg liegen einige der ältesten paläozoi=
sehen Kambriuiiischichten bloss. Durch Tiefbohrungen hat man
ermittelt, dass unter ihnen dasselbe Urgebirge wie in Finnland
liegt. Da man nun noch in Finnland in Felsspalten Überreste von
kambrischem Sandstein erhalten sieht, ist es offenbar, dass jene
Ablagerungen auch hier einst eine grosse Ausbreitung gehabt
haben. Ihr Verschwinden beruht auf der neuen Hebung des
fennoskandischen Gebiets nach der Silurperiode. In der Tcr=
tiärperiodc, vor der Eiszeit, war die Erdoberfläche zu einer
Peneplain eingeebnet; die alte Oberfläche des vorkambrischen
Urgebirgcs lag bloss, in Südfinnland aber nur in derselben
Höhe, welche die Erdoberfläche bereits im Beginn der paläo=
zoischen Periode gehabt hatte. In Nordfinnland ist die spä=
tere Erosion vielleicht grösser gewesen. Während der Tcrtiär=
periode, die auf der ganzen Erdkugel eine Zeit grosser Stö=
rungen der Erdrinde war, entstanden auch im Grundgebirge
Finnlands zahlreiche Verwerfungen und Spalten. Doch wurden
diese Unebenheiten durch die Erosion wieder ausgeglichen, so=
dass die jetzige Gestalt der Oberfläche des Landes keine Spu=
rcn mehr davon zeigt. Als sich jedoch dann während der
Eiszeit das Inlandeis bis 400 m stark, vom skandinavischen
Gebirge sich nach allen Seiten hin ausbreitend, über das Land
fortbewegte und dasselbe bedeckte, höhlte es die beschädigten
Bruchstellen des Gebirgsgrundes tiefer aus und Hess die heileren
Felsen über sie hervorragen. Die meisten unserer Seen füllen
solcherart entstandene Felsenvertieferungen an. Auf diese Weise
hat Finnland seine jetzige im einzelnen unebene, aber im
grossen und ganzen ebene Bodenform erhalten. In den meisten
Gegenden lässt sich noch in der gemeinsamen Oberfläche der
Hügel und Anhöhen jene alte Peneplain erkennen, die infolge
der Landhebung ein wenig geneigt, auf den niedrigen KIip=
pen des äusseren Archipels unter der Meeresoberfläche her=
vortauchend, sich gegen das Binnenland hm allmählich
erhebt.
Auf dieser Felsenoberfläche haben sich dann die Ablage=
rungen der Eiszeit und späterer Perioden, die Bodenarten,
angehäuft. 'Moränen= und Geröllschutt bedeckten unvollständig
und ungleichmässig den Felsen, was die Unebenheit des Bodens
vermehrte, während Tonablagerungen die Täler erfüllten und
die Erdoberfläche ebneten.
Die gewöhnlichste und überall verbreitete Bodenart ist der
vom Inlandeise angehäufte Moränenschutt, der regelmässig auf
dem Felsen liegend die unterste Schicht der losen Formationen
ausmacht. Eine sehr häufige Erscheinung ist ferner der wäh=
rend des Abschmeliens des Inlandeises entstandene, in Äsen
(wallartigen Hügelketten) auftretende Geröllkies und Sand. Die
orographisch wichtigsten Äsformationen sind der Äussere und
Innere Salpausselkä, welche die grosse mittlere Seenplatte Finn=
lands im Süden begrenzen.
In allen Teilen des Landes, welche nach dem Ende der
Eiszeit vom Meer bedeckt waren, hat sich auf dem Schutt Ton
abgelagert, aus dessen Verbreitung, Beschaffenheit und Fossilien
tiefeindringendc Schlüsse auf die postglaziale Geschichte des
Landes gezogen worden sind.
Nach dem Ende der Eiszeit war der Boden im Vergleich
zu seiner jetzigen ebenen Oberfläche verhältnismässig tief ein=
gesunken, weshalb der grösste Teil von Finnland nach seiner
Befreiung vom Eise von dem eismeerähnlichen Yoldiameer,
welches sowohl mit der Nordsee als auch mit dem Nördlichen
Eismeer direkt in Verbindung stand, bedeckt wurde. Auf dem
Boden dieses Meeres setzte sich Eismeerton ab. Gleichzeitig
mit dem Abschmelzen des Eises begann auch das Emporsteigen
des Erdbodens, welches von den Randteilen anfangend dem
zurückweichenden Eisrande folgte Zu der Zeit, als das Ab=
schmelzen des Inlandeises beendet war, hatten sich bereits alle
Meerengen infolge der Landhebung geschlossen, und das Ost«
seebecken hatte sich in einen Süsswassersee, den sog. Ancylus=
sce, umgewandelt, der durch den niedrigsten Teil von MitteU
Schweden, die Täler des Mälar=, Vettcr= und Venersees seinen
Abfluss nahm. Fcnnoskandia lag, abgesehen von seinen äus=
serstcn Randteilen, immer noch tiefer als heute, und die
jetzigen Küstengebiete Finnlands waren überall ausser der süd=
östlichsten Ecke des Landes vom Wasser bedeckt, im Süd=
Westen, in der Gegend von Lohja, wenigstens 75 m oberhalb
des jetzigen Meeresspiegels. In diesen Gebieten lagerte sich
aus dem von den Flüssen herbeigeführten Schlamm der sog.
Acker= oder graue Ton (A n cy 1 u s=T 0 n) ab. Ein Kenn=
zeichen desselben ist, dass er Süsswasserfossilien enthält. Auf das
erste rasche Aufsteigen des Erdbodens folgte eine entgegengesetzte
Festlandsbewegung, ein Sinken des Erdbodens in den Rand»
z6
teilen des Gebiets. Auf diese Weise geriet dort bereits cnt=
blösster Boden, in welchem die Festlandsvegetation Wurzel ge=
schlagen hatte uud Torfmoore entstanden waren, aufs neue unter
Wasser. An den jeweilig in der Kiistcnliiiie befindlichen
Punkten häufte der Weilenschlag Sand= und Schuttwälle auf
den Torfschichten an. Beispiele von solchen Vorgängen werden
auf der Insel Gottland und anderswo im südlichen Schweden
angetroffen. In der Ladogagcgcnd spielten dieselben Vorgänge
in einer ganz besonderen Art ein: dieser grosse Binnensee hatte
zuerst, nachdem die Verbindung mit dem Finnischen Meerbusen
abgesperrt worden war, seinen Abfluss direkt von der MiJndung
<lcs jetzigen Vuoksen nach der Wiborger Bucht (Viipurinlahti).
Wegen der fortdauernden Landhebung erhöhten sich die Pässe
dieses Abflusses, bis derselbe gänzlich abgeschnürt wurde. In=
zwischen hatte sich von Südosten her eine Landsenkung ein=
gestellt, welche bewirkte, dass das Wasser im südlichen und
wahrscheinlich sogar auch im nördlichen Teil des Ladogasees
sich für einige Zeit über das vorherige Niveau hob (die La=
dogatransgression). Alte Uferterrassen und andere Spuren die=
ser Transgression findet man an den meisten Teilen der La=
dogaküste: im Norden liegen sie 25 m, im Süden etwa 18
m über dem jetzigen Meeresspiegel. Schliesslich entstand
der Newafluss und erodierte sich verhältnismässig schnell in
den losen Erdboden ein, und der Wasserstand des Ladogasees
senkte sich aufs neue Die infolge der Landhebung versperrten
Meerengen bei Dänemark öffneten sich während der postgla=
zialen Senkung von neuem; durch sie strömte salziges Meer=
Wasser in das Ostseebecken, und der Ancylussee verwandelte
sich wieder in ein von Salzwasserticren bewohntes Meer. Nach
der Litorinaschnecke wird die Ostsee jener Epoche das Lito=
rinamcer genannt. Dieses bedeckte anfangs noch recht aus=
gedehnte Gebiete der jetzigen Küstengegenden Finnlands. In
diesem Meer setzte sich nun der sog. obere graue oder
Acker= (Litorina=) Ton ab, der anfangs recht grosse
Areale der jetzigen finnischen Küstengegenden bedeckte, und
in welchem überall Salzwasser=Kieselalgen zu finden sind. Nach
der Periode des Sinkens setzte die Landhebung auch in den
Randteilen des Gebiets wieder ein und hat seither ununter=
brochen, obschon zeitweise verschieden kräftig, fortgedauert.
Die unter dem Wasser gebliebenen Festlandsformationen haben
sich wieder über die Meeresoberfläche erhoben, ausgenommen
im Südi-n der Ostsee und am Siidostufer des Ladogasees, wo
sie immer noch vom Wasser überflutet sind. In dem Masse,
wie das Land aus dem Meercsschoss aufgestiegen ist, haben die
geologischen Faktoren des Festlandes ihr Werk daselbst begon«
ncn und Gestalt und Formationen des Erdbodens allmählich
verändert. Als die wichtigsten derselben haben wir die Ero=
sionsarbeit der Wellen, des fliessenden Wassers und des Windes,
den Einfluss der Vegetation und in letzter Zeit auch die
menschliche Tätigkeit zu erwähnen.
Bodengestaltung.
Die vorstehende geologische Übersicht lässt uns die wcscnt=
liebsten Ursachen der eigenartigen Bodengestaltung Finnlands
(im einzelnen grosse Unebenheit bei verhältnismässig geringen
Höhenunterschieden im ganzen) erkennen. Wegen der inbezug
auf den Umfang des Landes zwar relativ geringen Niveaudifferenzen
und wegen des zu verschiedener Zeit stattgefundenen Emporstei =
gens des Landes aus dem Meer ist die Gestalt des Bodens trotz
vielfacher Übereinstimmung doch nicht überall die gleiche. Unter
Beachtung dieser Umstände lassen sich hinsichtlich der Boden=
formation drei Hauptgebiete unterscheiden: das Küstenland,
das Zentralplateau und das Stammland.
Zum Küstcnlande zähft man das zuletzt aus dem Meer gestie=
gcne, weit und breit von Tonschichten bedeckte, verhältnismässig
ebene und niedrige, mit wenigen Ausnahmen nur in seinen inneren, an
das Zentralplateau grenzenden Teilen sich mehr als loo m über den
Meeresspiegel erhebende Flachland, welches den Bottnischen Meer=
busen, die Ostsee, den Finnischen Meerbusen und den Ladogasee
?o — 140 km breit umsäumt. Das Küstenland lässt sich (nach
Sederholm) in folgende Teile teilen: das nord= und mittelösterbott=
nischc Küstenland (zwischen den flachen Flusstälern ziemlich niedrige,
rechtwinklig gegen die Küste ziehende, unfruchtbare Höhenzüge),
das südöstcrbottnische Küstenland (die ausgedehntesten, ununter=
brochenen Ebenen Finnlands, in deren östlichen Teilen sich ein=
zelne Anhöhen wie der 130 m hohe Berg Simsiönvuori in Lapua
und der 120 m hohe Pyhävuori in Karijoki erheben), das Küsten=
land von Satakunta und dem Eigentlichen Finnland (zahlreiche
28
kleine bergartige Hügel), das Gebiet Lohja (Lojo) zwischen denHö=
hcnzügcn Lohjansclkä und Salpaussclkd (kann wegen seiner Uncben=
heit und seines Sccnreiclitums als ein bis zum Meer reichender
Zweig des Zentralplateaus betrachtet werden), das Küstenland von
Nyland (namentlich in seinem östlichen Teil viel unebener als das
österbottnische Küstenland), das Küstenland des Rapakivigebiets
von Wiborg (zahlreiche Hügel und Felsen), der Karelische Isthmus
(ziemlich eben) und das Nordufer (sehr uneben, mehrere höhere
Berge, z. B. der Pötsövaara, 190 m, nördlich von der Bucht Kirja=
valahti) und das Nordostufer des Ladogasees (niedriger und
ebener).
Das Zentralplatcau liegt zwischen dem Küstenlandc,
der Gegend des Oulujärvi und der russischen Grenze; vom
Küstenlande trennt es im Süden der Salpaussclkä, im Nordwesten
und zum Teil im Westen hauptsächlich der als Wasserscheide bc=
merkenswerte Suomcnsclkä (auch im 18. Jahrhundert Maanselkä
genannt), der sich, in der Gegend des Oulujärvi vom Stammlande
abzweigend, nach Südwesten zieht. Gerade die Natur des Zentral=
plateaus ist grösstenteils für Finnland charakteristisch. Das etwa
100 — 150 m über dem Meeresspiegel liegende, von Nord nach
Süd sanft abfallende Gebiet ist ausserordentlich uneben und scen=
reich. Das Zentralplateau, welches viel seenreicher ist als das Küsten=
land und das Stammiand, wird deshalb denn auch als Seenplatte
bezeichnet. Das Zentralplateau wird von einer grossen Menge
50 — 100 m hoher Berge überragt, die zum Teil wegen ihres härteren
Materials (Quarzit usw.) besser als die umgebenden Gebiete der
Erosion widerstanden haben; mehrere dieser Berge sind berühmte
Aussichtspunkte (K 0 1 i 536 m, Puijo 274 m, Pisanmäki
270 m, Laajavuori 228 m, T i i r i s m a a 223 m, der höchste
Punkt des südlichsten Finnland). Im östlichen und mittleren Teil
des Gebiets hat die eigentümliche Natur des Zentralplateaus sich
bis zu ihrem Höhepunkt entwickelt. Ausserordentlich wichtige
Faktoren in der Landschaftsform sind in noch höherem Grade als
anderswo die von Nordwest nach Südost hinziehenden Geschiebe»
hügel und Äse, welche der Landschaft ein deutlich streifiges Aus=
sehen verleihen. Weiter ist zu bemerken, dass die Landschaften
des Zentralplateaus in ihren Einzelheiten durch die Art des Gebirgs=
grundes ansehnlich beeinflusst werden, indem der Granit im alU
gemeinen der Landschaft der rundlichen Hügel, der Gneis dagegen
der der scharfkantigen Rücken angehört. Im seenärmeren west=
liehen Teil des Zentralplalcaus lassen sich einige Unterabteilungen
unterscheiden: vom Nordende des Päijännc dehnt sich nordwcst=
wärts das sog. grosse Waldgebiet von Nord=Tavastland aus, vom
nördlichen Teil des Näsijärvi das Waldgebiet von Parkano und vom
Vanajavesi, nach Südwest das Waldgcbiet von Tammela.
Zum Stamm lande gehört das ganze nördliche Finnland etwa
von den Seen Oulujärvi und Piclisjärvi an, mit Ausnahme des nord=
österbottnischen Küstenlandes. Im Norden (ausser der Gegend am
Inarisee) liegt das Stammland 300 — 500 m, sonst 200 — 300 m ü. d.
M. Die Hauptteile desselben sind: der lappländische Bezirk Enontc=
kiö, der nordwestlichste und höchste Teil von Finnland, gehört
hauptsächlich zum skandinavischen Kjölengcbirgc. An seiner
Nordspitze, dicht an der norwegischen Grenze, liegt Halde,
1,353 m. ü. d. M., der höchste Punkt Finnlands. Weiter südwärts,
zwischen dem oberen Lauf des Muonion= und des Ounasjoki, wird
die öde Gegend Ounastuntur i — P aliastunturi (Tai=
vaskero 820 m, Outtakka 762 m ü. d. M.) zu Enontekiö=Lappland
gezählt. Die höchsten Berge von lnari=Lappland sind A i 1 i g a s
629 m, P e 1 d o a i v i 570 m, Hammastunturi 460 m und die Gc=
birgskettc Saariselkä mit S o k u s t i 744 m und Talkkunaoaivi
633 m u.d.M. lnari=Lappland reicht im Süden bis zur Wasser»
scheide zwischen dem Nördlichen Eismeer und dem Bottnischen
Meerbusen, und südlich von dieser Linie befindet sich der Hauptteil
des finnischen Lappland, ein weites, sich meistens 150 — 250 m ü. d.
M. erhebendes Hochland. Pyhätunturi, 562 m, und Salla=
t u n t u r i, 645 m ü. d.M., sind dort die wichtigsten Berge. Bekannt
wegen der Mitternachtssonne sind Aavasaksa (222 m) und
Ounasvaara (216 m), beide weit im Süden. Noch südlicher,
ganz bis ans Küstenland, streckt sich der Höhenzug Kivalo vor
(Tuiskukivalo 250 m u.d.M.). Südlich vom Sallatunturi beginnt
die unebenste und seenreichste Gegend des Stammlandes, nämlich
das Gebiet Kuusamo mit den höchsten Spitzen N u o r u n c n, 585
m, und I i V a a r a, 459 m ü. d. M. Auch der südlichste Teil des
Stammlandcs, das Gebiet um den Oulujärvi, ist äusserst uneben;
die höchsten Berge sind dort Paljakka (376 m), Oravivaara (362 m),
Naulavaara (355m) und V.uokatti, der bekannteste von allen
(351 m).
Gewässer.
Die Grenzen Finnlands sind: im Südwesten die eigentliche
Ostsee, im Westen der Bottnischc Meerbusen, im Süden der Finn=
nische Meerbusen und ganz im Südosten der in mancher Beziehung
an das Meer erinnernde Ladogasee.
in den Küsten spiegelt sich im aligemeinen die Natur des
Festlandes wieder. Im stärksten Grade zerrissen und an Buchten,
Halbinseln und Inseln reich ist, wie zu erwarten, die Küste Süd=
finnlands. Zu ihrer Gliederung haben, wie unsere geologische
öbersicht darlegt, in hohem Grade die Verwerfungsspaltcn beige=
tragen. Viel weniger gegliedert und ebener ist die östcrbottnische
Küste, die jedoch durch eine verhältnismässig grosse Inselwelt
vor dem allerebensten Teil der Landschaft Osterbotten, in der
Nähe der Quarkenstrasse, überrascht. Die zu Südfinnland gc=
hörenden Inseln haben einen Flächeninhalt von 4,321 km", die
österbottnischen Inseln umfassen 769 km^.
Meere.
Bottnischer Meerbusen,
Der Bottnischc Meerbusen (finn. Poh janiaht i,
schwed. Bottniska viken)ist 650 km lang und umfasst ein
Areal von etwa 104,000 km"; seine nördlichste Spitze, die Törebucht,
liegt unter 65° 54' 30" n. Br. Der Bottnischc Meerbusen wird
durch die Quarkenstrasse (finn. Merenkurkku) in zwei Teile geteilt,
einen südlichen und einen nördlichen, deren ersterer oft auch das
»Raumanmeri» (Raumaer Meer) genannt wird; in der Literatur heisst
der südliche Teil bisweilen »Selkämeri» (Offene See), der nördliche
»Perämeri» (Innere See). Der erstgenannte ist etwa 350 km lang
und höchstens etwa 230 km breit, der letztgenannte etwa 300 km
lang und höchstens 180 km breit. Die engste Stelle der Quarken=
Strasse ist nur etwa 70 km breit. Das Gestade des Bottnischen Meer=
busens ist im allgemeinen niedrig, und zwar auf der finnländischen
Seite niedriger als auf der schwedischen. Die Küsten sind meistens
nur von ganz kleinen Buchten und Halbinseln zerschnitten; nur die
Flussmündungen bilden etwas tiefere Buchten.
Ticfcnvcrhältnissc. Der seichteste Teil des Bott=
nischen Meerbusens ist die Quarkenstrasse, deren Tiefe zwischen
20 und 40 m schwankt; die sog. Schwcllcntiefe der seichtesten
Stelle in der östlichen Quarkenstrasse (d. h. im östlichen Teil des
Schärengürtels von Holmö) beträgt 25 m, in der westlichen 35 m.
Von der Quarkenstrasse nach Norden und nach Süden hin ver=
tieft sich allmählich das Meer. Im r.ördlichen Teil des Bottnischcn
Meerbusens befindet sich das tiefste Gebiet etwa zwischen 64" und
65" nördl. Br. näher der schwedischen Küste mit seinem tiefsten
Punkt von 145 m unter 65" 10'; im Nordosten dehnt sich von der
Küste her ein grosses Gebiet aus, dessen Tiefe nur 20 — 40 m aus=
macht. Den südlich von der Quarkenstrasse befindlichen Teil des
Bottnischcn Meerbusens erfüllt ein ziemlich tiefes Gebiet (mehr als
80 m tief); in dasselbe hinein ragt jedoch von der schwedischen
Küste in der Gegend von Geflc eine Untiefe, wo das Wasser unter
anderem an einer Ostra Finngrund genannten Stelle (etwa 85 km
ostnordöstlich von Geflc) nur etwa 3 m und westlich davon am Vestra
Finngrund nur 1 m tief ist; von dort geht weit nech Norden noch
ein anderes grosses seichtes Gebiet, welches weniger als 60 m und
stellenweise nur 20 m tief ist; die grösste Einsenkung, 150 — 250 m,
befindet sich in der Nähe der Küste von Ängermanland, wo auch
der tiefste Punkt (294 m) des Bottnischcn Meerbusens gefunden
worden ist (die finnische hydrographische Untersuchung hat nur
eine Tiefe von 254 m festgestellt). Von diesem tiefsten Gebiet zieht
sich nun das eigentliche tiefe Becken des Bottnischcn Meerbusens
(100 — 150 m) nach Südosten und Süden an etwas näher der finni=
sehen als der schwedischen Küste, in einem Bogen die früher er«
wähnte Untiefe von Osten umspannend.
Der Salzgehalt des Wassers ist gering und nimmt von etwa
0,5 % im südlichsten Teil bis etwa 0,3 — 0,2 % im Nordteil ab.
Im Winter friert der Bottnische Meerbusen bisweilen ganz zu
(Barclay de Tolly zog mit einem russischen Heer 1809 über ihn).
Die Landhebung. Infolge der fortdauernden Landhe=
bung ist der Küstenstrich des Bottnischcn Meerbusens immer
noch in der Ausbildung begriffen. Als Durchschnittsziffer der
Erhebung wird im allgemeinen i m im Jahrhundert betrachtet,
doch schwankt sie zu verschiedenen Zeiten und an verschiedenen
Orten; am höchsten zeigt sie sich (117,5 cm) auf der Westseite
der Quarkenstrasse. Die während der Jahre 1889 — 1912 stattge=
fundcne Hebung an der Küste des Bottnischen Meerbusens ist
für einzelne Orte folgenderniassen berechnet worden (pro Iahrhun=
dort): Llleäborg (Oulu), 69 cm, Gamlakarleby (Kokkola) 69 cm,
beim Leuchtturm Ratan (Westküste der Quarkcnstrassc) 76 cm,
Wasa 85 cm, Draghällan (bei Sundsvall) 88 cm, Reposaari 52 cm
und beim Leuchtturm Björn 41 cm. Hieraus geht hervor, dass die
Landhebung auch heute noch in der Gegend der Qaarkcnstrasse
und überhaupt in der Mitte des Bottnischen Meerbusens am grössten
ist und von dort nord= und südwärts immer geringer wird.
Die Bedeutung des Bottnischen Meerbusens für den Ver=
kehr ist viel geringer als diejenige der Ostsee und des Finnischen
Meerbusens, was auf der relativen Spärlichkeit der Küstenbewohner
und der Knappheit der Erzeugnisse beruht. Der Schiffsverkehr grün=
det sich hinsichtlich Finnlands hauptsächlich auf die Holzausfuhr.
Ostsee.
Der zu Finnland gehörende Teil der Ostsee umfasst eines
der reichsten Inselmeere der Welt. Dort befinden sich die aus=
gedehnten Schären von Aland (vgl. oben) und dem Eigentlichen
Finnland, deren erstere im Zusammenhang mit der betreffenden
gleichnamigen Landschaft erörtert worden sind. — Der Schären=
hof des Eigentlichen Finnlands umfasst den an das festländische
Eigentliche Finnland anschliessenden ausgedehnten und ausscr=
ordentlich inselreichen Archipelag in der Ostsee zwischen dem
Eingang des Bottnischen und des Finnischen Meerbusens. Er
wird durch den S k i f t e= Kanal von den Äländischen Schären
geschieden und stellt eine ziemlich prägnante geograjahische
Grenze zwischen diesen beiden Schärenhöfen dar; vom nördlichen
Ende des Skifte würde sich die geographische Grenze eigentlich
über den Meeresteil Lappvesi nach dem Bottnischen Busen
fortsetzen, doch pflegt man schon die östlich verbleibende InseU
gruppe von Brändö zu den Äländischen Schären zu rechnen. Die
wichtigsten Teile des Schärenhofes des Eigentlichen Finnland
sind: die Inselgruppen von Kimito, Hiittis, Pargas, Nrgu,
Korpo, Houtskär, Rymättylä, Iniö, Velkua, und Kustavi. Der
Schärenhof wird auch oft in seinem ganzen Umfang als Seh £=
rcnhof von Abo bezeichnet obwohl unter dem Schärenhof
von Abo im engeren Sinn nur die Schärenzone von Rymättylä —
Pargös — Kakskerta verstanden wird.
Finnischer Meerbusen.
Der Finnische Meerbusen (finn. Suomcnlahti, schwed.
Finska vikcn) dehnt sich vom Mordende der Ostsee nach
Osten zwischen Finnland und Estland nebst Ingcrmannland aus.
Als seine Westgrenze gilt an der Nordküstc von altersher das Vor=
gcbirge Hangöudd (Hankoniemi), an der Südkuste die Insel Odcns=
holm. Länge etvx'a 430 km, grösstc Breite (von Frcdriks=
hamn bis zur Narwabucht) etwa 120 km. Breite am Eingang des
Busens 75 km und von Porkkala bis zur Halbinsel Kosch (vor Re=
val) 52 km. Areal etwa 29,500 km. Die östlichste Spitze des Finn=
nischen Meerbusens biegt sich ein zur 10 — 28 km breiten Kron=
Städter Bucht; die grösste Bucht der Nordküstc ist die Wiborgcr
Bucht (Viipurinlahti). Die Nordküste ist von sehr zerrissener
Gestalt, voll von kleinen Halbinseln und engen Buchten und von
zahllosen Schäreninseln umsäumt. Die Südküste ist durch breite,
offene Buchten, breitere Halbinseln und wenig Inseln charak=
terisiert.
Tiefen verhältnisse. Der tiefste Teil des Finnischen
Meerbusens befindet sich an dessen Eingang, wo sich eine Ver=
tiefung von 80 — 100 m von der Ostsee in den Golf hinein erstreckt,
die stellenweise nördlich von Odensholm eine Tiefe von etwas
über 100 m erreicht. Die tiefsten Stellen befinden sich im allgc=
meinen nahe der Südküste, während an der Nordküstc in ent=
sprechender Entferung vom Fcstlande nirgends eine grössere Tiefe
als 60 m angetroffen worden ist. In der Mitte des Golfs schwankt
die Tiefe zwischen 40 — 80 m. Der tiefste Punkt, 121 m, liegt
ausserhalb der lnsel=Prangli. Die grössten seichten Gebiete sind:
der grösste Teil der Kronstädtcr Bucht; von der Lugabucht bis Seis=
kari; von der Halbinsel Kurkola (Kurgalo) nordwärts bis Peninsaari
und nordwcstwärts halbwegs bis Tytärsaari; die Umgebung von
Lavansaari (lauter Untiefen von o — 20 m).
Im Finnischen Meerbusen verläuft die Grenze zwischen dem
fennoskandischen präkambrischen Gestein und den baltischen sc=
dimentärcn silurischen Ablagerungen. Das ganze finnische Gestade
mit seinen Schären wie auch die gewaltige Felsmasse der Insel Suur=
saari (Hogland) (dasselbe Gebirge tritt auch noch auf Tytärsaari hcr=
vor) besteht aus archäischen (unter anderem präkambrischen)
Gesteinen, die ganze Südküste des Meerbusens dagegen aus
silurischen Bergarten (Sandstein, Kalkstein usw.). Die Inseln Retu=
saari, Sciskari, Lavansaari, Klcin=Tytärsaari, Pranglisaari, Nais=
saari und andere sind aus quartärcn Ablagerungen gebildet.
Die grössere Tiefe im südlichen Teil des Golfbeckens erklärt
sich gerade aus der Art des Gesteins, welches hier >x'eicher ist und
der Erosionsarbeit der geologischen Kräfte (des bevweglichen Inland=
eises) weniger Widerstand geleistet hat als die härteren alten
Gesteine der Nordküste. Die geologische Verschiedenheit der
Nord= und Südküstc tritt in den Uferformen (im Süden ungeglie=
dert mit hohem, steilem »Glint», im Norden zerschnittene »monton=
nierte» Felsen) deutlich zutage.
Nach den 1889 — 1912 ausgeführten Beobachtungen zieht sich
durch die mittleren Teile des Finnischen Meerbusens (ungefähr
südlich der Insel Koivisto über Suursaari (Hogland) bis zur Mitte
des Busencingangs) eine Bodenbewegungsachse hin, bei der die
Hebung = 0 ist. Dieselben Beobachtungen zeigen, dass sich nörd=
lieh der genannten »Achse» das Land gegenwärtig hebt (bei Hel=
singfors 9 cm pro Jahrhundert, bei Flangö 10 cm, bei Wiborg
24 cm) und dass diese Hebung bis zur Quarkenstrasse (vgl. das
über den Bottnischen Meerbusen Gesagte) gleichmässig zunimmt,
während südlich davon ein Sinken bemerkbar ist (bei Reval fast
to cm, bei Kronstadt 19 cm im Jahrhundert).
Der Salzgehalt des Wassers vermindert sich nach Osten hin
und beträgt im östlichsten Winkel des Golfs nur etwa 0,3 %. Die
Temperatur ist höher als die des Bottnischen Meerbusens, vor allem
natürlich in dem an die eigentliche Ostsee grenzenden Teile.
Die Bedeutung des Finnischen Meerbusens für den V e r=
kehr ist verhältnismässig viel grösser als diejenige des Bottnischen,
was auf der bedeutend dichteren Bevölkerung und den grossen,
zum Finnischen Meerbusen führenden Wasserwegen (Newa, Saima=
see, Kymifluss) beruht. Der Schiffsverkehr und Handel umfassen
jedoch hier grösstenteils Einfuhr (Industrieprodukte, Rohstoffe
und Nahrungsmittel) für den Bedarf der grossen Verbrauchszcn=
tren (St. Petersburg, Helsingfors und Reval). Die Ausfuhr aus
Finnland besteht hauptsächlich in Holz= und Papierrzeugnisscn
(aus Kotka, Wiborg usw.), Butter aus Hangö usw. Die Ausfuhr«
waren beanspruchen aber so viel mehr Schiffsraum als das
Einfuhrgut, dass die einlaufenden Schiffe im allgemeinen
öfter ohne Ladung fahren als die auslaufenden. Die meisten Häfen
stehen in regelmässigem Dampferverkehr sowohl mit den eigent=
55
liehen Ostseehäfen (Stockholm, Riga, Stettin, Kopenhagen usw.)
als auch mit den grösseren Hafenstädten Westeuropas. Der Vcr=
kehr zvx'ischcn den Häfen am Finnischen Meerbusen ist sehr rege
(Brennholz, Sand, Ziegelsteine, Steine, Lebensmittel usw. nach
Petersburg, Helsingfors, Reval und anderen Städten) — sofern
es sich nämlich um die Küstenschiffahrt handelt, wogegen der
Verkehr zwischen der TsIord= und Südküstc geringer ist (verhält=
nismässig rege zwischen Helsingfors und Reval). Im Winter wird
die Schiffahrt durch das Eis in allen Häfen unterbrochen (in ganz
besonders milden Wintern kommt es vor, dass Helsingfors und
ein paar Häfen der Südküste offen bleiben), ausgenommen in
Hangö, wo die Eisbrecher des Staates den Hafen das ganze Jahr
offen halten. Die Schiffahrtsperiode währt übrigens im Westen
9 — 10, im Osten 7 — 8 Monate. Die Fahrt auf dem Finnischen
Meerbusen wird ferner durch starke Herbststürme und zahlreiche
Klippen und Untiefen erschwert. Zum Schutze der Schiffahrt
gibt es im Finnischen Meerbusen etwa 30 Leuchtfeuer. — Den
regsten Verkehr unter den finnischen Häfen haben Wiborg (1913
wurden im direkten Verkehr mit dem Auslande 0.9 Mill.t klariert),
Helsingfors (0,78 Mill. t) und Kotka (0.56 Mill. t).
Binnengewässer.
Ladogasee.
Der Ladogasee (finn. Laatokka, schwed. Ladoga, von
den alten Finnen Ncvajärvi genannt; der jetzige Name stammt
von der Stadt Ladoga, altskandinavisch Aldeigjoborg,
d. h. die Burg Ladoga, am linken Ufer des Wolchow, 13 km vom
Ladogasee, eine der ältesten Städte in Nordrussland), der grösstc
Binnensee Europas, liegt zwischen 59" 51' und 61° 46' nördl. Br.
und zwischen 29° 48' und 32° 58' östl. L. v. Gr.; Areal 18,121 km,
wovon 8,014 I<m" zu Finnland gehören; grösstc Länge von Kirja=
valahti (der nördlichsten Bucht des Sees) bis zur südlichsten Spitze
der Schlüssclburger Bucht etwa 207 km. Breite längs dem 61.
Breitengrade 130 km, Länge der Uferlinie 1,141 km, wovon 650 km
zu Finnland und 491 km zu Russland gehören; mittlere Höhe 5 m
ü. d. M. Der Ladogasee ist von länglich runder Gestalt mit einer
Längsrichtung von NW nach SO (Länge vom Kirchdorf Jaakkima
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bis zur Mündung des Wolchow etwa 192 km). Sein Abfluss, die
Newa, beginnt in der südwestlichsten Ecke und crgiesst sich in die
östhchstc Bucht des Finnischen Meerbusens. Nicderschlagsgebict
etwa 276,164 km".
Ufer. Zieht man eine Linie von Kexholm (Käkisalmi) quer
über den Ladogasee nach dessen Ostufer, wo die russische Grenze
hinläuft, so wird der See in zwei Teile geteilt, die in mancher Bezie=
hung einen ganz verschiedenen Charakter haben: auf der einen Seite
liegt der tiefe nördliche Ladogasee, dessen Ufer hoch, waldreich,
felsig, zerschnitten, voller Buchten, Halbinseln und Inseln, also
malerisch und reich an Abwechslung sind; auf der andern Seite der
seichte südliche Ladogasee, der mit seinen niedrigen, mit Sand=
und Lehmbänken umsäumten Ufern ein einförmiges Bild darstellt,
das oft den Charakter einer Sumpflandschaft zeigt und weder ln=
sein noch Buchten und Halbinseln besitzt (das eigentliche Südufer
bildet zwei weite Buchten mit gleichmässigcr Uferlinie, die Schlüssel=
burger und die Wolchow=Bucht, das Ostufer die Swir=Bucht). —
Auch das Ufergestein zerfällt ziemlich genau nach dieser Grenz=
linie in zwei ganz verschiedenartige Gebiete: der nördliche Teil
umfasst präkambrische, der südliche paläozoische Ablagerungen,
letztere stellenweise von sehr ausgedehnten quartärcn Schichten
bedeckt (z. B. auf dem Karelischen Isthmus). Die südlichsten, zum
alten präkambrischen festen Gebirgsgrunde gehörenden Felsen
findet man am Westufer des Ladogasees in der Gegend von Kex=
holm (Käkisalmi), am Ostufer etwas südlich der russischen Grenze.
Von Kexholm nach Norden findet sich am Ufer auf einer Strecke
von etwa. 2 Meilen spätbottnischer Migmatitgranit, darauf bis zur
Gegend von Sortavala frühkalevischcr Migmatitgneis und darunter
hin und wieder kleinere Gebiete des obenerwähnten Granits. Von
Sortavala bis zum Uuksunjoki (halbwegs zwischen Pitkäranta und
dem Kirchdorf Salmi) folgen dann ladogischc Schiefer (kommen in
geringer Menge auch in Kurkijoki vor) und kleinere Gebiete früh=
bottnischer Gneisgranite und Granitgneise oder solcher von un=
bestimmtem Alter. Südlich von diesem Gebiet erscheinen Rapakivi=
granite, bis diese, wie auch das ganze ältere Gestein, südwärts von
der russischen Grenze von jüngeren Formationen bedeckt werden.
Das folgende Gebiet besteht aus quartärem Sand und Ton bis in
die Gegend des Swir, ganz wie das Westufer von Kexholm bis zur
Newamündung, wo die kambrischen und silurischen Formationen
beginnen, welche dann das Südufer bis zur Mündung des Swir
säumen (diese Formationen bilden auch ein kleines Gebiet an der
Westküste des Ladogasees südlich von Suvanto, ungefähr an der
finnischen Grenze). Die Ufer des ganzen niedrigen südlichen Teils
bestehen aus Sand und verschiedenartigem Ton. — Mantsinsaari,
Valamo und überhaupt alle weiter am See gelegenen Inseln sind aus
jotunischem Diabas. Die mctallreiche Gegend von Pitkäranta und
der nördlich von Sortavala vorkommende Marmor sind besonders
zu erwähnen.
Tiefenverhältnisse. Wir haben bereits hcrvorgcho=
bcn, dass der nördliche Teil des Ladogasees bedeutend tiefer ist
als der südliche. Vor dem Südufer senkt sich der Boden ganz alU
mählich, sodass z. B. die mittlere Tiefe der Schlüsselburger und
der Wolchow=Bucht kaum lo m beträgt; von der nördlichsten
Spitze der zwischen jenen Buchten befindlichen Halbinsel Paigats
(Dorf Ligowo) nach Norden findet man die Tiefenkurvc von 20 m
erst etwa 15 km vom Ufer, die Tiefenkurve von 40 m etwa 35 km
vom Ufer, 60 m etwa 50 km, 80 m etwa 90 km und 100 m etwa
105 km vom Ufer, während das Wasser am nördlichen oder genauer
gesagt am nordwestlichen Ufer schon etwa 3 km vom Ufer 100 m
und etwa 4 km vom Ufer tjo m tief ist. Im nördlichen Teil des
Ladogasees gibt es zwei grössere Gebiete, wo das Wasser durch=
gängig 150 — 200 m tief ist; das eine derselben liegt zwischen Va=
lamo und Jaakkima und streckt noch eine ziemlich schmale Zunge
in das südliche Insclmecr von Sortavala vor, das andere liegt vor
Kurkijoki; im ersteren kennt man drei grössere Mulden mit einer
Tiefe von mehr als 200 m (die erste beginnt etwa 10 km wcst=
lieh von Valamo, die beiden anderen liegen von dort weiter nach
WNW), im letzteren zwei (etwa 10 — 15 km südöstlich von Kurki=
joki). Die tiefste Stelle, 260 m (=122 Faden), wurde westlich von
Valamo in der dieser Insel am nächsten liegenden Mulde gefunden
(nach A. P. Andrcjew). In der Mitte des Ladogasees beträgt die
Tiefe 40 — 80 m. — Vergleichshalber sei erwähnt, dass die Tiefe
der mittleren Teile des Finnischen Meerbusens zwischen 40 — 80 m
schwankt; weiter südlich gibt es zwar 80 — 100 m tiefe Gebiete,
aber nur wenige begrenzte Stellen, wo das Wasser tiefer ist als
100 m; die grösstc gemessene Tiefe beträgt 121 m (in der Nähe
von Kokskär).
Unter den grössten Inseln des Ladogasees seien erwähnt:
Mant5in= und Lunkulansaari, Saloscnsaari, Konewez, die Schären
38
von Sortavala, die Valamo=Gruppc, die Inseln Hcinäsenmaa und
Vossinansaari. Im ganzen bedecken die Schären etwa 577 km
vom Pliichcnrauni des Ladogasees.
Flüsse und Seensysteme.
Der ungeheure Wasserreichtum Finnlands, »des Landes der tau =
send Seen», ist nicht gleichmässig über das ganze Land verteilt. Nach
den Berechnungen des Landesvermessungsamts entfallen auf die
einzelnen Läne an Binnengewässern (ausser dem Ladogasee):
Län St. Michel (Mikkeli) 28,63 % Län Wasa (Vaasa) .... 7,34 %
» Wibcrg (Viipuri) . . 27,42 » « Nyland (Uusimaa) 6,37 »
» Kuopio 17/87 » » Ulcäborg (Oulu).. 5,61 »
» Tavastehus (Häme) 16,72 » » Äbo — Björneborg
(Turku — Fori) 4,69 »
Am wasserreichsten sind also die Läne im Innern des Landes,
diejenigen, welche das Zentralplateau, d. h. die grosse Seenplatt=
umfassen, und auch von den Küstenlänen gehören die wasserreiche
sten Teile der Seenplatte an. Die östlichen und nördlichen Teile
des Stammlandes sind ebenfalls verhältnismässig wasserreich, wo=
gegen das Küstenland im Vergleich zum übrigen Finnland relativ
wasserarm ist, weil die dortigen Gewässer meistens ungehemmt,
ohne sich in Seen anzusammeln, in Form von Flüssen direkt zum
Meere fliessen können. Mit Rücksicht auf den Charakter der Ge=
Wässer wird das Küstenland im Gegensatz zum seenreichen Zen=
tralplateau das Flussgebiet genannt. — Auf der eigenartigen Ober=
flächenformation des Landes beruht der merkwürdige Strassen=
Charakter der Seen, ihre Zerrissenheit, ihr Inselreichtum und ihre
Seichtigkcit (nur 34 Seen haben eine grösste Tiefe von mehr als
20 m und nur 4 eine mittlere Tiefe von mehr als 10 m; die grösste
gemessene Tiefe besitzt ■ — abgesehen vom Ladogasee — der Paana=
järvi mit 128 m, während sie im Päijänne 93 m, im Pääjärvi 80 m und
im Saimasee 62 m beträgt), ausserdem aber auch die Undeutlichkeit
der Wasserscheiden (viele Bifurkationen, z. B. Lummene=Vesijako,
das verwickelte Wasserstrasscnnetz im nordwestlichen Satakunta
usw.), wozu noch die durch die ungleiche Hebung verschiedener
Teile des Landes verursachte Entstehung neuer Abflusswege bei=
trägt. Am vfichtigstcn ist die Wasserscheide, welche, in der nord=
westlichen Ecke Finnlands beginnend, zuerst nach Osten zieht
und dann eine südliche Hauptrichlung einschlägt, wobei sie anfangs
ganz innerhalb Finnlands, dann längs der finnisch=russischcn
Grenze verläuft und schliesslich, nech Osten abbiegend, das finn=
ländischc Territorium ganz vcrlässt. Diese Wasserscheide, deren
längs der Ostgrenze dahinziehender Teil iVlaanselkä genannt wird,
trennt die zum Nördlichen Eismeer und zur Ostsee (Bottn. und
Finn. Meerb.) fliessenden Gewässer voneinander. Davon zweigt
sich eine südlich vom OuIujärvi=System nach SW ziehende Wasser=
scheide, der Suomcnsclkä, ab, der das zwischen der Quarkcnstrasse
und Uleäborg (Oulu) in den Bottnischcn Meerbusen mündende
österbottnische Flussgebiet und die Seenplatte des Zentralplateaus
von den südwärts strebenden Gewässern trennt. Sonst gibt es
keine wahrnehmbare einheitliche Wasserscheide zwischen dem
Flussgebiet des Küstenlandes und der genannten Seenplatte.
Nicht einmal der Salpaussclkä kann die sich im Päijänne und Sai=
masee ansammelnden Gewässer verhindern, sich einen Weg durch
das südfinnische Küstenland bis zum Meere zu bahnen. Die Was=
scrscheidcn zwischen den einzelnen Wassersystemen sind, wie
gesagt, noch undeutlicher. — Die Gewässer der Seenplatte zerfallen
in drei grosse Systeme (nach dem Abfluss und dem Zentralscc
benannt): das Vuoksen= oder Saimasystcm (Flächen»
räum 60,073 km*, davon Wasser 20,8 %) im Osten, das K y m i=
joki (Kymmene=) oder Päijännesystem (36,717 km',
Wasser 20,4 °o) in der Mitte, das Kokemäenjoki= (Ku=
moälv=) oder Pyhäjärvisystem (26,730 km*) im Westen.
Ein viertes, grosses System, das 0 u 1 u j o k i= oder 0 u I u=
järvisystem (etwa 23,000 km*), befindet sich zwischen dem
Zcntralplateau und dem Küstenlandc, und ein fünftes, kleineres,
das Mustionjoki= oder Lohjanjärvisystcm (Lojo=
scc), im Küstenlande. Einige Flüsse NordsOsterbotlcns zeigen
im oberen Lauf teilweise den Charakter von Fjärden, während
den Gewässern Nordlapplands mit dem Inarisee als MitteU
punkt diese Eigenschaft fehlt. — Die grössten Seen der Seenplatte
sind: S a i m a (mit Tausenden von Inseln, etwa' 1,300 km*),
P i e I i n c n oder Pielisjärvi (Länge etwa 100 km, grösste Breite
etwa 40 km, Flächenraum etwa 942 l-nr.*) und Kallavesi
(Länge etwa 90 km, Flächenraum etwa 900 km*) im Gebiet des
Vuoksen, Päi jänne (mit Inseln 1442,6 krr.', Länge etwa 120
ip"
iji
l1
km, grösstc Breite etwa 30 km) im Gebiet des Kymijoki, fer=
ner Oulujärvi (etwa 1,002 km') und Inari (ctNwa 2,530 km') •
— Die mächtigsten Flüsse des Flussgebiets (finn. joki = Fluss)
liegen alle in Nordöstcrbotten, wo die Wasserscheide weit im
Binnenlande verläuft. Dort befindet sich das Gebiet des Kemijoki
(etwa 50,000 km^; nur kleiner als das Gebiet Saima = Vuoksen);
grosse Ströme sind ferner der Tornionjoki (fiiesst zum grossen Teil
durch schwedisches Territorium) und der lijoki, kleinere der Si=
mo= und Kiiminginjoki. In lvlittel= und Süd=Osterbotten verläuft
die Wasserscheide bedeutend näher der Küste, weshalb ihre Flüsse
(Siika=, Pyhä=, Kala=, Vetelin= oder Kokkolan=, Ahtävän=, Lapuan=
und Ilmajoki) nicht mit den nordösterbottnischen verglichen wer=
den können, doch sind sie länger als die meisten auf das verhält=
nismässig schmale Küstenland beschränkten Flüsse des südwest=
liehen und südlichen Finnland (Karvian=, Eura=, Lapin=, Aura=,
Paimion=, Vantaan=, Porvoon=, Suunnan=, Urpalan=, Hiitolan=,
|änis=, Uuksun= und Tulemanjoki). — Obwohl die Neigung der
Oberfläche nur verhältnismässig gering ist, kommen zahlreiche
Strömungen und Schnellen (= finn. koski) in den Gewässern
vor. Dies beruht darauf, dass das geringe Alter der Gewässer
und die grosse Härte des Felsengrundes die Erosion und Aus=
Schürfung der Flussbetten gehemmt haben. Die verhältnismässig
geringe Neigung der Erdoberfläche bewirkt wiederum, dass die
Schnellen sanft geneigt und niedrig sind. Die Kraft unserer
grössten Stromschnelle, Pyhäkoski im Oulujoki, entspricht bei
mittlerem Wasserstande 197,317 PS, Fallhöhe 57 m, auf eine
Strecke von 20,000 m verteilt. Der berühmte Wasserfall I m a t r a
hat eine Energie von 141,312 PS, eine Fallhöhe von 18 m und
eine Länge von 1,300 m. Im allgemeinen sind Stromschnellen von
5 m Fallhöhe in Finnland eine Seltenheit. Äusserst selten sind
eigentliche senkrechte Wasserfälle; am bemerkenswertesten ist der
8 m hohe senkrechte Wasserfall Korkcakoski im östlichen
Arm des Kymijoki. Im ganzen besitzt Finnland (mit Ausschluss
der nördlichsten Flüsse) 1,442 Stromschnellen, deren Fallhöhe
mindestens 0,5 m beträgt oder deren Kraft bei mittlerem Wasser=
Stande wenigstens 50 PS entspricht; ihre gesamte Kraft wird auf
etwa 2,6 Mill. PS (bei hohem Wasserstande auf über 11 Mill.)
taxiert. Davon entfallen auf die Gewässer des Vuoksen 691,000
PS (grösste Schnellen: Imatra, Räikkölänkoski 68,471, Rouhi=
alankoski 57,469, Tainionkoski 45,312, Vallinkoski 43,776, Lin=
nankoski 39,936 PS), des Oulujoki 542,000 PS (Pyhäkoski,
Niskakoski 99,840, Sotkakoski 25,752, Merikoski 24,267 PS), des
K c m i j o k i 537,000 PS (Pctäjäkoski 61,088, Narkauskoski 55,139,
Juukoski 45,480, Valajankoski 41,047 PS), des K y m i j o k i
364,000 PS (Kuusankoski 38,000, Anjalankoski 32,400, Voikan=
koski 26,400 PS), des Kokemäenjoki 236,000 PS (Nokian=
koski 33,493, Tammcrkoski 27,447, Harjavallankoski 21,997 PS).
— Die Wassermasse der Gewässer schwankt bedeutend; eine grosse
Hochwasserperiode finden wir im Frühjiihr während der Schnee=
schmelze, eine kleinere im Spätherbst nach den Herbstregen. Ein
grosser Unterschied besteht inbezug auf die Schwankungen der
Wassermassen zwischen den Gewässern des Seen= und des Fluss=
gcbiets. Die Seen des ersteren wirken wie ungeheure Wasser=
reservoire, aus welchen sich das Wasser nur langsam entfernen
kann, wogegen das Flussgebiet fast gar keine derartigen Regula=
torcn besitzt; darauf beruhen zum grossen Teil die unheilvollen und
grossen, aber verhältnismässig rasch vorübergehenden öberschwem=
mungen der österbottnischcn Flüsse. So fliessen in der Sekunde
höchstens mindestens
im Vuoksen (im oberen Lauf) 1,220 m* 347 ni^
» Kymijoki (bei Kalkkinen) 656 » 68
» Vantaanjoki (Vandaa) 257 >> 1
» Kyrönjoki 450 » 2,7
Zur Verminderung der öberschwemmungsgefahr hat man seit
langem Stromschnellcnsäuberungen und Seesenkungen unternom=
mcn; zu den grösstcn Arbeiten in dieser Beziehung gehört die 1910
begonnene Säuberung des Lapuanjoki, deren Kosten zu 4,400,000
Fmk berechnet worden sind. Die wichtigsten Seesenkungen sind:
die Senkung des Päijännc um 1,2 m (1825 — 37) und die des Puu=
lavesi um 1,8 m (1831 — 52), ferner die Senkung des Vanajavesi
(1857 — 62), Vuoksen (1856 — 57), Sarvinki (1743), Suvanto (1818),
Längelmävesi (1830) und Höytiäinen (1859). Zum Teil sind sie
nicht in erster Linie zur Beseitigung der öberschwemmungsgefahr^
sondern zur Gewinnung neuen Kultur= und Wiesenbodens be=
wcrkstelligt worden. — Die Bedeutung der Gewässer für die In=
dustrie und den Verkehr soll weiter unten im Zusammenhang mit
diesen Punkten erörtert werden.
Gerade im Interesse des Verkehrs wurde die eigentliche Untcr=
suchung der Gewässer in Finnland eingeleitet. Im Jahre i799wurce
eine Direktion für Stromschnellensäuberungcn
(Strombaudircktion) in Finnland eingesetzt, welche bis 1808
wirkte, im Jahre 1816 wurde sie von neuem gestiftet, und 1821
wurde ihr eine unter dem Namen »Finnländisches StromschnelIen=
Säuberungskorps») bekannte, militärisch geordnete Institution beige=
ordnet, die 1837 neu organisiert wurde und späterhin den Namen
I n gen i eu r ko r ps des Land= und Wass er ve r ke h rs =
a m t s erhielt. Unter der Aufsicht dieser Behörden wurden ver=
schicdene Seesenkungen, Trockenlegungen und Stromschnellen=
Säuberungen ausgeführt, und die zu diesem Zweck bewerkstelligten
Untersuchungen, die im Archiv der Oberverwaltung der
Wcg= und Wasserbauten aufbewahrt werden, vcrvolU
ständigten in bedeutendem Grade die Kenntnis der Gewässer
Finnlands. Auf die Anregung der erwähnten Oberverwaltung wurde
1897 eine systematische Untersuchung der Gewässer eingeleitet.
Einen neuen und festen Grund erhielten diese Untersuchungen im
)ahre 1908 mit der Gründung eines besonderen Hydrogr£=
phischen Amtes.
Klima.
Die Art des Klimas ist abhängig von: 1) Finnlands nördlicher
Lage, 2) Finnlands Lage zwischen dem kalten Festlande und dem
warmen Meer, 3) Finnlands Verhältnis zu den Haupzentren der
Luftströmungen, welches die milden Südwestwinde hervorruft, 4)
den Höhenverhältnissen Finnlands und der Grenzgegenden,
insbesondere von dem skandinavischen Gebirge, 5) der Nähe der
Hauptbahnen der beweglichen Luftdruckminima. Von geringem
Einfluss und in klimatischer Hinsicht verhältnismässig wenig un=
tersucht sind die Seen, Wälder und Moore Finnlands. — Auf der
nördlichen Lage des Landes zwischen dem 60. und 70.
Breitengrade beruht das starke Schwanken der Tageslänge
vom Sommer zum Winter und der niedrige Stand der Sonne. Zu
Johann! ist die Tageslänge an der finnischen Südküste beinahe 19
Stunden und die Sonnenhöhe am Mittag 53°; im hohen Norden sind
die entsprechenden Ziffern 24 Stunden und 43°. Ungefähr vom
Breitengrade der Stadt Kemi nordwärts leuchtet die Mitternachts=
sonne, in Utsjoki 73 Tage lang. Im Winter dagegen herrscht dort
51 mal 24 Stunden ununterbrochene Nacht; in Sodankylä sieht
man einen Tag die Sonne nicht, während im Süden des Landes der
kürzeste Tag 6 Stunden dauert und die Sonnenhöhe am Mittag 6^
beträgt. Ausserdem bewirkt die Atmosphäre eine i — j Stunden
vor Sonnenaufgang und ebenso lange nach Sonnenuntergang dau =
ernde Dämmerung, welche den nordischen Tag noch mehr
verlängert, so dass man bei wolkenlosem Himmel im Süden des
Landes schon 50, in Utsjoki 127 helle Nächte hat.
Ebenso wie das Licht beruht auch die Wärmestrahlung
auf der Tageslänge, dem Sonnenstände und dem Einfluss der
Lufthülle der Erde. Gäbe es keine Luft, so erhielte Finnland im
Laufe eines Jahres von der Sonne im Süden 57 %, im Norden 48 %.
der vom Äquator empfangenen Wärmemenge, im Juni sogar 25%
mehr. Von der Atmosphäre wird aber ein grosser Teil der von
der Sonne ausgestrahlten Wärme zurückgeworfen, zerstreut und
aufgesaugt, namentlich wenn der Himmel bewölkt ist, so dass uns
nur 25 — 3o"o der Sonnenstrahlen zugute kommen. Diese Wärme
würde genügen, um jährlich eine 5 — 7 m starke Eisschicht zu
schmelzen. Aus der Luft wird eine ansehnliche Menge Wärme und
Licht auf die Erde zurückgestrahlt; die Bedeutung dieser Strahlun^r
im Norden ist der Sonnenwärme vergleichbar und muss in der kaU
ten Jahreszeit wohl verhältnismässig noch grösser sein. Endlich
ist noch die beständige, namentlich nechts und im Winter bemerk=
bare Wärmeausstrahlung der Erdoberfläche in den Raum und die
kälteren Luftschichten zu erwähnen.
Das tatsächlich vorhandene oder physische Klima
weicht jedoch bedeutend ab von dem auf den obenangeführten Strah=
lungsvorgängen beruhenden solaren Klima. Dieses wird
vor Allem bedingt durch die Luftströmungen, die warme Luft vom
Nord=Atlantik nach Finnland bringen. Alle Weltmeere sind auf
den hohen Breitengraden wärmer als die Kontinente (namentlich
mitten im Winter), und die Wärme des Wassers im Nord=Atlantik
wird noch durch die atlantischen Meeresströmungen (z. B. Golf=
Strom), die warmes Wasser aus südlichen Meeren mitbringen, er=
höht. Durchschnittlich ist das Wasser an der Meeresoberfläche vor
der Küste Schottlands 9° C und bei den Lofoten noch 6° C über
dem Normalwcrt für die Breite. Dieses warme Wasser erwärmt
die über ihm und in seiner Nähe befindliche Luft, wovon jedoch
Finnland keinen Vorteil hätte, falls die vorherrschenden
Winde nicht günstig wären. Diese sind wiederum in erster Li =
nie abhängig von den Luftdruckverhältnissen. Wichtig für Finn=
land sind das Luftdruckmaximiim bei den Azoren und das Luft=
druckminimum bei Island, — die Aktionszentra der klimatischen
Verhältnisse in ganz Europa. Ausserdem ist das Wintermaximum
von Sibirien wichtig. Die erstgenannte Antizyklone, die zum Teil
über Südeuropa hinweg, zuweilen sogar bis nach Finnland reicht,
wird hauptsächlich hervorgerufen durch die zwischen den Polen und
dem Äquator vorhandene, von ihrer verschiedenen Erwärmung
herrührenden allgemeinen Luftströmung. Die von diesem Maxi=
mum ausgehenden West= und Südwestwinde stehen somit im Zu=
sammenhang mit dem Solarklima. Das isländische Luftdruckmi=
nimum, welches durch seine Tiefe noch jenen günstigen Wind
verdeutlicht und stärkt, ist wieder zum Teil abhängig von der gros=
sen Wärme des Meeres. Um das Minimum herum geht die Wind=
richtung auf der nördlichen Halbkugel gegen die Sonne, was also
in Finnland Südost= und Ostwinde zur Folge haben würde, falls
das Minimum bei Island das allein ausschlaggebende wäre. Des=
halb ist es wichtig, dass sich von jenem Minimum eine Zunge
niedrigen Luftdrucks nach Nordost, bis nördlich von Norwegen
vorstreckt. Diese ermöglicht den Südwestwinden, welche die warme
und feuchte Luft des Ozeans mit sich führen, den Zutritt zu unserem
Lande. Selbst dann, wenn eine Zunge des Maximums bei den Azo=
rcn den südwest= und westlichen Teil Finnlands erreicht und die
Windrichtung in eine nordöstliche und nördliche verändert, wird
die Abkühlung doch nicht allzu gross, unter anderem deshalb, weil
die Temperatur des Ozeans in jener Richtung noch eine relativ
gemässigte ist. Nur dann, wenn das sibirische Maximum in Nord=
Osteuropa eindringt, nimmt das Klima Finnlands unter dem Ein=
fluss der Nordost» und Ostwinde, die im Winter strenge Kälte, im
Sommer starke Hitze mitbringen, einen kontinentaleren Charak=
tcr an.
Einen ähnlichen günstigen Einfluss wie der Atlantische Ozean
übt auch die Ostsee mit ihren Meerbusen aus. Sic speichern im
Sommer Wärme auf, die sie dann im Herbst und Winter abgeben.
Die südlichen und mittleren Partien der Ostsee sind den ganzen
Winter eisfrei und können somit die kältere Luft erwärmen. Etwa
V3 Jahr (Ajgust — April) ist das Meer bedeutend wärmer, Va Jshr
kalter als das Land, sodass also der jährliche Wärmegewinn recht
ansehnlich ist. Die verhältnismässig höhere Temperatur des Mee=
res hat auch eine Verdunstung des Wassers zur Folge, wodurch
der Feuchtigkeitsgehalt der Luft erhöht wird, ausser im Beginn
des Sommers, wo die Kondensation gegen das Wasser eine gewisse
Trockenheit verursacht.
Der vierte Faktor, die Höhenverhältnissc, hat eine
geringere Bedeutung als in anderen Ländern, weil Finnland im gros=
sen und ganzen niedrig ist und nur unbedeutende Niveauunter=
schiede aufweist. Abgesehen von einzelnen Bergen erhebt sich un=
ser Land erst an seiner Ostgrenze und weit im Norden mehr als
200 m. über die Mecrcsfläche, bei welcher Höhe die Temperatur
durchschnittlich nur um i° C sinkt, im Sommer mehr, im Winter
weniger, oder manchmal gar nicht sinkt, sondern im Gegenteil steigt,
wie es z. B. in Norwegen und Schweden der Fall ist. Mehr als
auf die Temperatur wirken diese Höhenverhältnissc auf Wolken
und Regen, die gerade von den vertikalen Bewegungen -der Luft
abhängen. In dieser Beziehung wird Finnland von den mächtigen
Gebirgen Skandinaviens viel stärker als durch seine eigene Höhen=
unterschiede beeinflusst. Ein grosser Teil der nach Finnland ge=
langenden atlantischen Luft zieht nämlich längs den über die skan=
dinavischen Berge führenden Bahnen hin. Teils hat sich dabei die
Feuchtigkeit beim Steigen der Luftströmung auf der Windseite
abgelöst, teils wird die Luft, indem sie sich auf der Leeseite senkt,
wärmer und noch trockner, ehe sie unser Land erreicht. Darin liegt
unter anderem die Ursache davon, dass die West= und Nordwests
winde so trocken und wolkenlos sind, obwohl sie vom Ozean her=
stammen. Aus demselben Grunde erscheinen diese Winde, falls
sie kräftig sind, als die wärmsten unter den Winterwinden.
Die Meere, Festländer und Gebirge haben auch einen Einfluss
auf die Bahnen der sich fortschreitenden Luftdruckmini=
m a. Finnland liegt auf den Breitengraden, wo die unregclmäs=
sigcn Luftdrucksschwankungen am grössten sind, wird m. a. W.
von den Hauptzugstrassen der nördlichen Zyklonen getroffen. Die
Zyklonen und die zwischen ihnen liegenden zufälligen Gebiete
hohen Luftdruckes verursachen den ausserordentlich wechselvol=
Icn Charakter des finnländischen Klimas. Die Zyklonen bewegen
sich meistens von West nach Ost mit dem allgemeinen, den Nordpol
umkreisenden grossen westlichen Wirbel und sind vielleicht nur
gewisse darin auftretende Störungen. Eine der beiden für Finnland
wichtigsten und auch sonst am meisten gcfolgten Bahnen zieht
längs dem Ausläufer des an der norwegischen Küste befindlichen
niedrigen Luftdruckes hin; die andere geht über die Ostsee nach
Südfinnland. Sie wählen offenbar lieber ihren Weg über Meere
und vermeiden Festländer und insbesondere die Gebirgswand
Skandinaviens. Die erste Bahn bewirkt ozeanische Zustände mit
Süd>)ccst= und Westwinden, die letztere dagegen kontinentale Ost=
winde, die aber wegen der Nähe des Minimums und unter dem
zyklonalcn Einfluss der Ostsee zu den regenreichsten gehören.
Die Ausführung der meteorologischen Beobachtungen steht in
Finnland unter der Aufsicht der Meteorologischen Zcntralanstalt,
die 2 Hauptobservatorien (in Helsingfors und »llmala» in Fredriks=
bcrg bei Helsingfors) und 47 Stationen erster oder zweiter Klasse
besitzt, darunter 18 Leuchtturni=Stationen. Ausserdem gibt es
noch eine Menge niederer Stationen. So erhält die Meteorolo=
gische Zentralanstalt Mitteilungen über die Temperatur usw. von
64 Stationen, über Niederschläge von 165 Stellen. Im Jahre 1912
lieferten 409 Bcobt ;hter Mitteilungen über Eis= und Schneevcr=
hältnisse, 572 über Gewittererscheinungen und 250 über Nacht=
froste. Ausserdem verfügt das Hydrographische Amt über 13 Re=
genstationen, deren 3 mit selbstregistrierenden Apparaten ausgc=
rüstet sind, und über 17 Schncestationen. —
Die erste fortlaufende aufbewahrte instrumentale Beobach=
tungsreihe in Finnland ist die vom Propst A. J. Fougt in Torr.eä
1737 begonnene. Unter den folgenden sind vor allem die Beobach=
tungcn von Professor J. Lechc in Äbo zu erwähnen, die 1748
begonnen und, allerdings nicht ganz ohne Unterbrechungen, bis
zu unseren Tagen fortgesetzt worden sind, sodass also diese Beob=
achtungsreihc die längste in Finnland ist. — Die meteorologi-
schen Beobachtungen liefern inbezug auf unsere klimatischen Ver=
hältnisse folgende allgemeine Werte: Die mittlere Tempe=
r a t u r des Landes ist etwa 1,5° C, d. h. etwa 6° C höher als die
normale Durhschnittstcmpcratur auf den gleichen Breitengraden.
Im Januar beträgt der Uberschuss 10 — 12° C, im Juli 2~r6° C. Im
hohen Norden zeigt sich das Klima im Vergleich zur Normaltem=
peratur relativ am wärmsten, im Januar um 15° C, im Jahre durch=
schnittlich um 9° C höher als sie. — Die mittlere Temperatur
sinkt mit V2 — »° C pro Breitengrad von Süden nach Norden hin
und beträgt auf dem 60°. nördl. Br. etwa 4,5° C, zwischen 68 — 69°
nördl. Br. beinahe — 2° C. Von den auf denselben Breitengraden
liegenden Ländern besitzt Finnland nach Norwegen die höchste
Mitteltemperatur, denn Schweden ist wahrscheinlich trotz der
grösseren Nähe des Ozeans etwa um 7s° kälter als Finnland. Un=
ter dem Meridian von Kotka ist demnach die mittlere Jahrestempc=
ratur o,4° C, 14° C höher als in der reinen Festlandszone z\x'ischen
60 — 70° nördl. Br. und 4 — 5° höher als durchschnittlich in der rci =
nen Mccrcszonc zwischen den gleichen Breitengraden, aber in
Schweden bei gleicher Entfernung vom Bottnischen Mccibuscn
(auf dem Meridian von Karcsuando — Särna) — 0,4° C. Dies bc=
ruht zum Teil auf Schwedens grösserer mittlerer Höhe (etwa 250 m),
wahrscheinlich aber auch darauf, dass Schweden der Gebirgswand
näher ist, unter deren Schutz ein windstilles und kontinentales
Strahlungsklima herrscht und die oberen Luftschichten tiefer sin=
ken. Dieses trifft auch für Finnii.ch*Lappland zu, aber der grösste
Teil von Finnland erhält die ozeanische Luft direkt über Südschwe=
den und die Ostsee. — Die Jahresisothermc von + 3° verläuft
über Wasa und den Südteil des Ladogasees, von dort südostwärts,
in Ostasien längs dem 45. nördl. Br., also 18° südlicher als in West=
finnland, im Innern Nordamerikas längs dem 47.° nördl. Br., aber
an der norwegischen Küste bis zum 70.° nördl. Br. ansteigend. Die
Ostsee erhöht die Temperatur um etwa 2° C. — Der Februar ist
der kälteste Monat, ausser in Lappland, wo der Dezember, Januar
und Februar fast ebenso kalt sind. In Europa ist im allgemeinen der
Januar der kälteste Monat, weshalb die hiesige Verspätung auf den
Einfluss der Ostsee zurückzuführen sein dürfte. Der wärmste Mo=
nat ist gewöhnlich der Juli, auf dem Meer und dem Ladogasee der
August. Das Meer ist im Winter viel wärmer, im Sommeranfang
kälter als das Festland. Der Umschwung tritt ungefähr Anfang
April und August ein. Der grösste Unterschied zwischen der Tem=
pcratur von Wasser und Land zeigt sich im Dezember; dann ist
Aland über >5°C wärmer als der Kältepol in Enontekiö und 10° C
wärmer als derjenige von llomantsi. Im Juni hat das cntgcgenge=
setzte Verhältnis seinen Höhepunkt erreicht; dann sind der tiefe
Ladogasee und der lange Zeit eisbedeckte Bottnische Meerbusen
ungefähr ebenso kalt wie die kältesten Teile von Enontekiö und
mehr als 6° C kälter als das längliche Wärmemaximum in der Nähe
der Südküstc. Der Unterschied zwischen der Temperatur des
wärmsten und kältesten Monats, d. h. die Jahrcsamplitude, in wel=
eher die Festlandsnatur des Klimas am deutlichsten zum Ausdruck
kommt, ist in Enontekiö 29° C, in Pudasjärvi und llomantsi noch
28° C, im übrigen Lande meistens 23 — 27° C, aber in Aland 19°C.
Mit Rücksicht darauf, dass die Amplitude im Ozean in der Nähe
der Färöcr 7 — 8°C, in den innersten Teilen Ostsibiriens 60 — 66° C
ausmacht, können wir sagen, dass das finnländische Klima zu 68 %
48
ein ozeanisches, zu J2% ein kontinentales ist. Die letztere Ziffer
ist in Enontekiö und Ostfinnland 35%, im nördlichen Teil der Ost=
scc und im Bottnischen Meerbusen etwa 22%. Im Innern Skandina=
vicns sind die Amplitude und die Kontinentalität beim 62°. nördl.
Br. ungefähr ebenso gross wie nördlich vom Ladogasee. — Die
tägliche Amplitude ist im Jahresmittel des Binnenlandes 4 — 5",
im Juni etwa 8 — 9°, im Dezember fast 0° C; auf dem Meere sehr klein,
im Juni 2 — 3° C. Die Durchschnittstemperatur der heisscsten Som=
mermonatc kann sogar + 22° C erreichen, z. B. im Juli 1914 im
Süden des Landes und im gleichen Monat 1818 in der Landschaft
Osterbottcn. Die kältesten Monate können im Norden eine
mittlere Temperatur von — 25° bis — 27° C aufweisen, z. B.
Dezember 1876 und 1915, Januar 1809 und 1847. Die Jahres=
temperatur zeigt durchschnittlich eine Schwankung von 50 — 60°
C; in Aland beträgt dieselbe 44°, in Lappland etwa 70° C. Im
Winter sind die zufälligen Temperaturschwankungen in jeder Be=
Ziehung bedeutend grösser als im Sommer, doch sind sie im Som=
mer viel gefährlicher, da sie starke Nachtfröste verursachen und da=
durch den Kulturpflanzen grossen Schaden bringen können. Na=
mentlich am Anfang und Ende der Vegetationsperiode, d. h. im
Mai, Juni und September, sind Nachtfröste ein häufiges Vorkomm=
nis, besonders im nördlichen und nordöstlichen Finnland. Nach
Lemströms Beobachtungen droht Frostgefahr namentlich
zu folgenden Zeiten: Anfang Juni, zu Johanni, am 10. und 22. Juli,
am 10. und 25. August, Anfang September. (Der Frost kann ein
paar Tage früher oder später eintreten.) Es sei hier auf die starken
Fröste in der Nacht vom 3. zum 4. September 1867 und vom 31.
August zum 1. September 1892 hingewiesen. Einen instruktiven
Bericht über das Auftreten der Nachtfröste in Finnland während der
Jahre 1892 — 94 gibt K i h 1 m a n auf Grund der von der Finni=
sehen Geographischen Gesellschaft gesammelten Angaben (»Fcn=
nia» 8, 10, 12). Die Zahl der wahrgenommenen Fröste war in je=
nen Jahren 55, 68 und 38. 1892 war starker Frost ausser am 1.
Sept. auch 12. — 14. Juni und 1. — 3. und 14. Aug. 1893 trat der
stärkste Frost am 14. Juli ein; stärkere Fröste kamen aber auch
Anfang Juni und Ende August vor. 1894 verwandelte sich im
südlichen und südwestlichen Finnland am 19. — 27. Mai das zei=
tige Frühjahr in einen verderbenbringenden Nachwinter. — Die
höchsten beobechteten Temperaturwerle für das ganze Land (aus=
ser den Schären) sind + 30 h 35° C, die niedrigsten — 40° C, in
Lappland mitunter sogar — 50° C. Eine ebenso strenge Kälte
kann auch am südskandinavischen Kältepol und im nordwestli=
chcn Russland (die drei kältesten Punkte in Europa) vorkom=
mcn, z. B. im Winter 1915 — 16.
Der Luftdruck (Jahresmittel) nimmt von Südosten (760
mm) nach Nordwesten (758 mm) ab, also in der Richtung ncch dem
erw. hnten Minimum bei Island und dessen norwegischem Aus=
läufcr hin. Im Winter beträgt der Unterschied 6 mm. im Sommer
ist der Druck sehr gleich nässig verteilt, gibt aber doch für Lapp=
land ein schwaches kontinentales Minimum an. Im Mai ist der
Luftdruck am höchsten (Frühjahrstrockenheit), am niedrigsten
im Juli im Süden und im November im Norden. Ein sekundäres
Maximum besteht entweder im September oder im Oktober (N£ch=
sommcr). Die zufälligen Luftdrucksschwankungen sind ganz wie
ihre Folgen, die Temperaturschwankungen, im Winter am grössten
(monatlich in Helsingfors 43 mm), im Sommer am kleinsten (22
mm). Sic werden hervorgerufen durch die über Finnland oder
nahe davon hinziehenden, beweglichen barometrischen Minima,
welche unserem Klima gerade seinen wechselnden Charakter geben.
Es erscheinen hier jährlich im Durch-^chnitt 42 derartige Mini=
ma, von welchen 3 hier entstehen und 6 hier verschwinden.
Der Wind weht in Übereinstimmung mit der Verteilung
des Luftdruckes im allgemeinen von SW und S, am stärksten im
Winter und dann im Herbst, meistens aber sehr schwankend. Da
die Ostsee den winterlichen Luftdruck ein wenig vermindert, wehen
die Winde mehr von Süden, als es sonst der Fall sein würde. Die
Windbihnen weichen nech Süden über die Ostsee ab, weshalb
weniger Luft über die austrocknenden skandinavischen Gebirge
nach Finnland gelangt. Im Sommer ist die Windrichtung meistens
wechselnd, vielerorts mehr westlich und nördlich. Fast im ganzen
Lande ist ein schwacher, monsunchnlich:r Wechsel zwfschen den
sommerlichen See= und den winterlichen Landwinden zu be=
merken, wobei in erster Linie das im Norden und Nordwesten bc=
findlichc Weltmeer das wirkende Moment ausmccht, in gerin=
gcrcm Grade aber auch die Ostsee und der Ladogasee. In den
Flusstälern des nördlichen Finnland ist der Eismeermonsun fast
ebenso deutlich wie in Norwegen und der Grössenordnung, obschon
nicht der Wirkung nech mit den Monsunen typischer Monsungc=
gendcn vergleichbar. Der tägliche Wechsel der Land= und Sec=
winde ist an den Meeresküsten ebenfalls deutlich, an den Seeufern
schwächer entwickelt. — Die Windgeschwindigkeit ist
im Binnenlande durchschnittlich j — 4 mm in der Sek., an der Küste
wie auf dem Meer grösser, im Winter wehen die stärksten Winde,
es herrscht dann aber im Binnenlande auch häufiger Windstille
als im Sommer, aus welchem Grunde die mittlere Windstärke im
Binncnlandc im Sommer ihr zweites Maximum erreicht. S t ü r=
m c, welche die Schiffahrt und den Fischfang beeinträchtigen, gibt
es an der Küste 25 — 50 Tage, doch fällt die Hälfte derselben in den
Winter, wo ihre Bedeutung geringer ist. Die Herbststürme sind
am wichtigsten, die Sommerstürme selten. Die heftigsten Stürme,
die man in Finnland registriert hat und denen unter anderem aus=
gedehnte Waldungen zum Opfer gefallen sind, haben am 28. Aug.
1890 im südlichen und am 2. — 3. Okt. 1912 besonders im nörd=
liehen Finnland gewütet; der letztgenannte Sturm richtete unter
anderen dadurch grosse Verheerungen an, dass er ungeheure Schnec=
mengen mit sich brachte. Im Binnenlandc sind örtliche, in Ver=
Bindung mit Gewittern auftretende Tromben und Wirbelstürme
gewöhnlicher als die ausgesprochenen Zyklone.
Die absolute Feuchtigkeit der Luft ist gering, jährlich
im Mittel 5 — 6 g pro m^. Sie schwankt je ncch der Temperatur,
ist grösser über dem Meere (über 6 g) als im Binnenlande und grös=
ser im Süden als im Morden (unter 4 g). Im Sommer ist sie am
grössten, 9 — it g, im Winter am kleinsten, 2 — 4 g. Da die Feuch=
tigkeit ncch oben rasch abnimmt, ist die gesamte Feuchtigkeits=
menge der Atmosphäre sehr gering, durchschnittlich im Winter
eine Regenmenge von 5 — 9 I, im Jahre 1 1 — 14 1 pro m^ entsprechend.
Die relative Feuchtigkeit ist dagegen gross, durchschnittlich etwa
&j % auf dem Lande, 87 % über dem Meere. Im Winter ist sie
etwa 90 % (im Dezember am grössten), im Sommer etwas über
70% (im Juni am geringsten). Im Sommer ist die Feuchtigkeit
über dem Meere um etwa 10 % grösser als auf dem Lande; im Win=
tcr existiert entweder kein Unterschied oder es ist ein kleiner öber=
schuss auf dem Lande bcmckbar. Die niedrigsten in Helsingfors
beobachteten Werte der relativen Feuchtigkeit sind etwa 25 %. —
Im Vergleich zu den Normalwerten der gleichen Breitengrade ist
die absolute Feuchtigkeit fast zweimal zu gross, die relative Fcuch=
tigkeit dagegen normal. Das Jchresmittcl der relativen Feuchtig=
keit scheint 2 % grösser als in Schweden und den angrenzenden
Teilen von Russland zu sein, aber etwa 10 % grösser als im Innern
Norwegens und etwa 6 % grösser als an der Westküste von Nor=
wegen. Im Winter (Januar) sind die Unterschiede am grössten
(Finnland 20 % feuchter als Binncn=Norwcgcn und 16 % feuchter
als die norwegische Westküste). Im Sommer ()uli) ist Schweden
am trockensten (67 %), die Nordseeküste am feuchtesten (78 %,
anderenorts etwa 74 %).
Die Bewölkung des Himmels scheint in Finnland 65 — 70
% zu sein (Mittel bei den gleichen Breitengraden etwa 60 %).
Zusammen mit Schweden und Binnen=Norwcgcn (wo die BewöU
kung zum Teil unter 65 "o ist) bildet Finnland gleichsam eine im
Westen und Osten von bewölkteren Gebieten (im Norwegischen
und Weissen Meer sogar 85 "o) umgebene klarere Insel. Die BewöU
kung des trübsten Monats, des Dezembers, ist etwa 83 %, in Lapp=
land etwa 70 %, in Russland etwa 78 %; westwärts, gegen den Kjö=
len, ist die Abnahme am merkbarsten, sodass die Bewölkung in
Südnorwegen nur noch etwa 62 % ausmacht, um nach der West=
küste hin wieder auf etwa 70 % anzusteigen. Am klarsten ist
gewöhnlich der Juni (in Inari sind Frühling und Winter klarer),
wo die Bewölkung in der Nähe der Ostsee 50 %, im Binnenlande
von Finnland und Skandinavien etwa 55 %, am Weissen Meer
etwa 67 %, in Lappland und am Norwegischen Meer 70 % und
darüber ist. — In Finnland kommen durchschnittlich auf einen Tag
etwa 4 Stunden Sonnenschein (im Juni 8 — 9 Stunden),
in England ebenso viel, in Schweden und Zentraleuropa etwas
mehr, im südnorwegischen Binnenlande meistens 5 Stunden, in
Lappland und Schottland 3 Stunden, in Madrid 8 Stunden. In
Helsingfors gibt es 126 sonnenlose Tage, davon 4 im Sommer,
65 (72 %) im Winter. Im Winter sind die trüben (66 %), im Som=
mer die halbklaren Tage (60 %) vorherrschend.
Die Niederschlagsmenge ist verhältnismässig gross,
nämlich südlich vom 65.' nördl. Br. etwa 550 mm, während sie in
Schweden unter denselben Breitengraden etwa 500 mm, im nor=
wegischen Binnenlande zum Teil kleiner, auf der Windseite des
Gebirges bedeutend grösser ist. In Nordfinnland ist sie geringer,
etwa 470 mm, im ganzen Lande etwa 530 mm. Die normale Nie=
derschlagsmcnge (auf dem Lande) in Gegenden, die unter den=
selben Breitengraden wie Finnland liegen, beträgt 350 mm. Am
regenreichsten ist Südfinnland, wo das westliche Nyland über
700 mm empfängt. Auch Ostfinnland scheint regenreicher als das
Zentrum zu sein, während Süd=Osteibotten und Lappland am rc=
genärmsten sind (in Enontekiö etwa 350 mm). Ungefähr die Hälfte
der Tage im Jahr ergab eine Regenmenge von 0,1 mm, etwa 30 "/o
der Tage ergaben über 1 mm. Auf den Regentag entfallen also
etwa 3 mm, in Nlordfinnland 2,5 mm. Der August ist gewöhnlich
am regenreichsten, in Lappland der Juli, im Sommer fällt im Süden
30 — 35 %, im Norden 40 — 50 % der ganzen jährlichen Nicdcr=
schlagsmcngc; der Frühling ist die trockenste Jahreszeit mit einem
Niederschlag von nur etwa 15 — 20 %. Der grösste tägliche Nicdcr=
schlag im Jahr ist durchschnittlich 25 — 30 mm, was pro Monat
etwa 20 — 30 % des monatlichen Niederschlages ausmacht. Der
grösste jährliche Niederschlag kann stellenweise in Südfinnland
fast 1,000 mm erreichen, der grösste monatliche Niederschlag 200
mm übersteigen. Mitunter kann der jährliche Niederschlag im
Süden unter 300 mm bleiben (stellenweise 1908 und 1913) und ein
Monat fast ganz regenlos sein (z. B. April 1902).
Ein bedeutender Teil des jährlichen Niederschlages erscheint
in der Form von Schnee. Der erste Schneefall findet gewöhn=
lieh im Oktober statt, und zwar im südwestlichen Finnland am Ende,
im Norden am Anfang des Monats. Die Schneedecke bildet sich
meistens im November (im hohen Norden bereits im Oktober, im
Südwesten des Landes erst im Dezember) und erreicht Mitte
März ihre grösste Stärke, die in Aland 20 cm, sonst etwa 60 cm,
stellenweise 80 — 90 cm misst. In schneereichen Wintern kann
die Schneedecke in Aland 50 cm stark werden, sonst im Süden
des Landes 70—80 cm, in Nord= und Ostfinnland 1 — 1,5 m. Der
Schnee schmilzt hauptsächlich im April; bloss im Norden existiert
noch Mitte Mai eine erwähnenswerte Schneedecke. Der letzte
Schneefall findet im südwestlichen Finnland im April statt, im nörd=
liehen Finnland im Mai, in Lappland Anfang Juni; doch kann es
im Norden auch jederzeit im Sommer vorkommen, dass es schneit.
Im Südwesten des Landes bleibt die Schneedecke 70 — 100 Tage
liegen, im Osten 160 — 190 Tage, im Norden 200 — 250 Tage. Die
mittlere Dichte der Schneedecke ist im März 0,32 — 0,21 (ersterc
Ziffer bezieht sich auf Aland, letztere auf Lappland), sodass von
den jährlichen Niederschlägen etwa 155 mm = 30 % als Schnee
die Erde erreichen. — Im Norden gefrieren die Gewässer
in der zweiten Hälfte des Oktobers (die Gebirgsseen schon Ende
September), meistens aber im November, und zwar dann auch
schon zum Teil der Bottnischc Meerbusen an der österbottnischcn
Küste und der Ladogasee. Im Dezember gefrieren die grösstcn
Binnenseen und die kälteren Teile des Meeres; im Laufe der fol=
genden Monate breitet sich das Eis weiter auf dem Meer und nach
dem südwestlichen Finnland aus, bis im IVlärz nur die äusscrstcn
Teile des Bottnischen Meers, die Älandssec und die westlichen
Teile des Finnischen Meerbusens eisfrei sind. Der Eisgang voll=
zieht sich in fliessenden Gewässern gewöhnlich im April, in Seen
und auf dem Meer im Mai, im hohen Norden erst im Juni, zu welcher
Zeit im Bottnischen Meerbusen oft noch Treibeis auftreten kann.
M e b e 1 kommt in den Schären 50 — 100 Tage im Jahr vor, im
Binnenlande jedoch nur 10 — 30 Tage. Am häufigsten ist diese
Erscheinung im Herbst (Helsingfors hat im ISlovembcr 10 NebeU
tage), am s^eltcnsten im Sommer (im Juli und August je 3 TsIcbcU
tage). Tau fällt in Helsingfors an 90 Tagen, und 4 Tage jährlich
hagelt es. Die Zahl der Gewittertage ist etwa 9, von
Süden und Osten nach Norden und Westen abnehmend. Ausser=
dem ist zu bemerken, dass die Gewitter im allgemeinen an der Küste
seltener sind als im Binncnlande. — Das Nordlicht sieht man
in Inari jährlich 30 mal, in Helsingfors und Äbo 7 mal, meistens
bei klarem Wetter im Herbst und Frühling, während der hellen
Jahreszeit fast gar nicht.
Im finnländischen Klima lassen sich — abgesehen von den lange
Epochen umfassenden sog. geologischen klimatischen Perioden —
auch kürzere und verhältnismässig schwache periodische Schwan=
kungen (35 J., 11 J., 2 — 4 J.) wahrnehmen, die aber meistens von
relativ unregelmässigem und zufälligem Charakter sind. — Die
wichtigsten Sammlungen neueren meteorologischen Materials fin=
den sich in verschiedenen Publikationen {188t — 1915) der Mcteo=
rologischen Zentralanstalt, in den von der Finnischen Gesellschaft
der Wissenschaften herausgegebenen »Observations meteorolo=
giques» 1873 — 80, in den Schriftenreihen »Ofversigt» und »Bidrag-
und in dem Jahrbuch '>Fennia'> der Finnischen Geographischen
Gesellschaft.
Pflanzen- und Tierwelt.
Vegetation und Flora.
Nach seinen geologisch=geographischen und demgemäss auch
pflanzengeographischen Verhältnissen bildet Finnland zusammen
mit Fcrn=Karelien (sog. Russisch=Karclien) und der Halbinsel Kola
ein recht einheitliches Ganzes, welches man als östliches Fenno=
skaiidia oder meistens naturhistorisches Finnland
bezeichnet. Die Vegetation und Flora dieses naturhistorischen
Finnlands weicht nicht vwenig von der Pflanzendecke des westlichen
Hauptteiles Fcnnoskandiens, viel mehr aber von derjenigen Nord=
russlands ab. Hier, wo die Landschaften aus ebenen, felsenloscn
und gewöhnlich auch seenlosen, von grossen Flüssen durchflösse»
ncn Flächen mit sedimentärem Boden bestehen, wird die Vegeta=
tion • — im Gegensatz zu den Verhältnissen in Finnland und in Fen=
noskandia überhaupt — durch verschiedene Pflanzenvereine der
Alluvioncn und der Erosionsböschungen der Flüsse, durch die
Häufigkeit der Braunmoore und durch das Fehlen oder die Sel=
tenheit der Fclsenvegetation und der mit Heidekraut bewachsenen
Flächen charakterisiert. Ein fremdartiges Gepräge erhält die dor=
tige Pflanzenwelt auch durch zahlreiche in Finnland unbekannte,
meistens kalkholdc und kontinentales Klima bevorzugende Pflan=
zenarten, von denen sehr viele sich ganz bis zur Ostgrenze Fenno=
skandiens verbreitet haben und hier teilweise sogar massenhaft auf=
treten. Vielleicht am bemerkenswertesten unter ihnen ist die sibl=
rischc Lärche, die schon an der Ostgrenze bestandbildend auf=
tritt, in Finnland aber nur gepflanzt oder gesät vorkommt. Verhält=
nismässig nahe der Grenze findet man auch schon die sibirische
Pechtanne; weiter in Nordrussland bildet auch die Zirbelkiefer
schöne Waldungen.
Das naturhistorische Finnland wird auf Grund mehrerer, aller=
dings relativ unbedeutender und meistens nur floristischer Ver=
schiedenheiten in eine westliche Hälfte, die ungefähr dem poli=
tischen Finnland entspricht, und in eine östliche, die Fern=KareIicn
und die Halbinsel Kola umfasst, eingeteilt. Die nachstehende
Beschreibung beschränkt sich im grossen ganzen auf das westliche
Hauptgebiet, also auf das eigentliche, politische Finnland.
I. Den vorherrschenden klimatischen Pflanzenverein bilden im
grössten Teile des Landes die Wälder und zwar die Nadelwälder,
welche unter jungfräulichen, von der Kultur unberührten Verhält=
nissen den trocknen wie den frischen Boden Finnlands bedecken
würden. Die Wälder lassen sich entweder nach der vorherrschen»
den Holzart oder auch nach verschiedenen Waldtypen einteilen.
Nach den Holzarten definiert besteht der Hauptteil der Wal=
düngen aus K i e f c r n= und in zweiter Linie aus FichtenwäU
d c r n; die Mehrzahl bilden letztere nur im Eigentlichen Finnland,
im vx/estlichcn Nyland (im Län Nyland), im Küstengebiet des Läns
Wasa, in den nördlichen Teilen Grenz=Kareliens und in der Gegend
von Kuusamo. Reine Birl<en= und Grauerlcnwälder gibt es vcr=
hältnismässig wenig, hauptsächlich nur auf häufig geschwendc=
tem Boden oder auch sonst in der Nähe der Dörfer; ausserdem fin =
dct man Birkenwälder in der lappländischen Birkenzone, wo die
Birke meistens ganz strauchartig auftritt. Edle Laubhölzer bilden
nur selten (in den allcrfruchtbarsten Gegenden Südfinnlands) Bc=
stände, die auch dann gewöhnlich einen ganz geringen Umfang ha=
ben. Ein sehr ansehnlicher Teil aller erwähnten Wälder hat mehr
oder weniger den Charakter des Mischwaldes. — Die Proportio=
ncn, in welchen die einzelnen Holzarten in unseren Wäldern auf=
treten, sind grösstenteils ein Erzeugnis der Kultur. Unter natür=
liehen Umständen wäre die Fichte die Beherrscherin der Wälder
Finnlands. Die Kiefernwälder würden fast ausschliesslich auf
trockenen und mageren Sand=, Äs= und zum Teil Moränenboden
und von Waldbränden verheerte Ortlichkeiten angewiesen sein.
Die Laubhölzer würden einen ganz unbedeutenden Teil der
Wälder einnehmen, abgesehen von der lappländischen Birkcn =
Zone; dagegen wären die edlen Laubhölzer, auf deren Standorte
die Kultur in erster Linie Beschlag gelegt hat, bestimmt etwas
zahlreicher als jetzt.
Um die wahre Natur eines Waldbodens zu bezeichnen, bedient
man sich in Finnland nunmehr der von C a j a n d e r unterschiedenen
Waldtypen, nach welchen die Wälder hauptsächlich auf Grund
ihrer Bodenvegetation eingeteilt werden. Die Wälder zerfallen
demgemäss in j Hauptgruppen: in trockene Heidewälder, frische
Heidewälder und Hainwälder, von welchen jede Gruppe mehrere
Waldtypen umfasst. Die ersteren, welche die eigentlichen Stand=
orte der Kiefer sind, finden sich im ganzen Lande auf magerem und
trockenem Sand=, Äs= und Moränenboden; sie sind namentlich
in Nordfinnland und Lappland äusserst flechtenreich. Frische
Heidewälder, die ursprünglich alle Fichtenbestände gewesen sind,
gibt es ebenfalls im ganzen Lande, doch stellen sie im allgemeinen
im Süden bedeutend produktivere Typen als im Norden dar.
Hainwälder — in den typischsten derselben herrschen die edlen
Laubhölzer vor, oft aber prädominieren dort andere Holzarten,
meistens die gewöhnlichen finnischen Laubbäume, zum Teil auch
Nadelbäume —findet man nur auf dem allerfettesten Boden, haupt=
f6
sächlich im Süden des Landes; in den sog. »Hainwaldzentren» ha=
ben sie namentlich unter jungfräulichen Verhältnissen einen sehr
bedeutenden Teil der Wälder gebildet.
Nächst den Wäldern sind die zahllosen Moore die wichtig=
sten Planzcnvcrcinc in Finnland. Sic umfassen etwa Vs des gesam=
ten Flächenraumes und sind zum grössten Teil durch die Versump=
fung des Waldbodens, zu einem kleineren Teil durch das Zu=
wachsen seichter Gewässer entstanden. Die meisten Moore finden
sich in den Wasserscheidegebieten Nord= und Mittelfinnlands (in
den Gebieten des Suomenselkä und des Maanselkä), wo z. B. auf
den Besitzungen des Staates die Versumpfungsmenge 50% über=
steigt. Das Küstengebiet Südfinnlands und die grosse Seenplatte
sind verhältnismässig sehr arm an Mooren. Weissmoore, Rei=
sermoore und Bruchmoorc kommen im ganzen Lande vor, wäh=
rend typische Braunmoore selten sind, ausgenommen in den spär=
liehen kalkrcichen Gegenden. Ein grosser Teil der Moore bildet
ausgedehnte, in den einzelnen Teilen des Landes oft verschieden=
artige Moorkomplexe. Die Reisermoore sind gewöhnlich mit ver=
kümmerten Kiefern, die Bruchmoorc wenigstens in unberührten
Verhältnissen meist mit Fichtenwald, seltener mit Laubbäumen,
unter denen die Birke am zahlreichsten vorkommt, bestanden. Die
Moore sind noch zum grössten Teil von der Kultur unberührt
geblieben. Kultiviert hat man unter ihnen meistens die Bruchmoore,
von denen jetzt die besten gewöhnlich als Ackerland oder einst=
weilen noch als sog. natürliche Wiesen (Torfbodenwiesen) vcrwen=
det werden. Die Kanalisierung der Moore zwecks ihrer Bewaldung
und auch die Torfgewinnung zu technischen Zwecken sind noch in
ihrem ersten Anfang.
Die Felsenvegetation hat trotz der grossen Anzahl der
Felsen nur eine untergeordnete Bedeutung in der Pflanzendecke
des Landes, indem die Felsen meistens ganz klein und niedrig sind.
Im allgemeinen ist die Gefässpflanzenvegetation der Felsen arten=
arm; am artenreichsten und oft seltene Pflanzenarten enthaltend ist
sie auf kalkreicher Unterlage, besonders auf Kalk= und Dolomitfelsen
und am Fusse der meistens metabasitischcn, relativ hohen Berge,
die man Südberge nennen kann. Die Mehrzahl der Felsen ist
wenigstens teilweise mit mehr oder weniger krüppelhaften Kiefern,
oft auch mit einzelnen Birken, Espen, Ebereschen usw. bewachsen.
Oberhalb der Baumgrenze in Lappland entstehen T u n d r e n=
und Hochgebirgspflanzenvcrcine, die man teils
als offene Reiserheiden, teils als Moore, teils als eine Art Wiesen
betrachten kann. Die wahre alpine Vegetation ist schon im Vcr=
gleich mit skandinavischen Verhältnissen sehr schwach entwickelt. —
Ziemlich belanglos und ganz lokal auftretend sind bei uns die D ü=
n c n mit einigen für sie typischen Pflanzenarten. — tchte n a t ü r=
liehe Wiesen gibt es nur auf kleinen Strecken: an der ]Vlcc=
rcsküste, an der Wassergrenze im überschwemmungsgeDiete der
Flüsse, auf Felsen und auf den Hochgebirgen. Zu den natürlichen
Wiesen können, ausserdem einige offene, grasbewachsene Moore
gezahlt werden.
Die Wasservegetation, die infolge des Seenreichtums
des Landes beinahe überall häufig vertreten ist, zeigt in den fetten
Gebieten Südfinnlands, weiter nördlich aber nur in den frucht=
barsten Gegenden, ein üppiges Wachstum (grosse Schilfbestände
u. a.). Im Norden des Landes, vor allem in Lappland, sind die Ge=
Wässer pflanzenarm, im hohen Norden fast vegetationslos. Im Brach=
wasser gibt es mehrere Pfianzenarten, die nicht in süssem Wasser
gedeihen. Die Üppigkeit und der Artenreichtum der lVleeresalgen=
Vegetation vermindert sich mit der Abnahme des Salzgehalts, im
Finnischen Meerbusen nach Osten, im Bottnischen Meerbusen
nach dem Norden hin; im Bottnischen Meerbusen hört sie schon
in der Gegend der Quarkenstrasse beinahe ganz auf.
Die Halbkultur = Pflanzenvcreine sind durch
Wiesen (»natürliche» Wiesen) vertreten, die in drei Hauptfor=
men auftreten: Alluvialwiesen, Torfbodenwiesen und Hochwie=
sen. Die erstgenannten, unter denen es ohne Zweifel wirkliche
natürliche Wiesen gibt, die aber zum grösstcn Teil durch Ro=
düng der Alluvialwälder und =gebüschc entstanden sind, zeichnen
sich aus durch ihre sehr üppige und hohe Gras= und Krautvegeta=
tion; diese Wiesen kommen hauptsächlich nur an den grossen
Flüssen in Ostcrbotten vor. Die Torfbodenwiesen, die an der Stelle
der Bruchmoorc auftreten, im ganzen Lande häufig vorkommen und
nicht selten recht gross an Areal sind, sind mehr oder weniger
moosreich und ausserdem hauptsächlich mit Gras= oder Seggenarten
bewachsen. Die Hochwiesen, welche entweder direkt durch Ro=
düng der gewöhnlichen Wälder (besonders der Hainwälder) oder
durch Begrasung der Brandkulturflächen und veralteten Acker
entstanden und überall im Lande besonders an frischen Abhängen
58
allgemein sind, sind gewöhnlich krauterrcich und zeigen besonders
in den östlichen Teilen des Landes eine auffallende Blumenpracht.
Die Torfboden= und Hochwiesen haben, nachdem der rationelle
Gras= und Kieeanbüu Fuss gefasst hat, viel an Areal abgenommen.
Die eigentlichen K u 1 1 u r=P flanzenvereinc (auf Ackern,
Hofräumen, Wegen usw.) unterscheiden sich von denjenigen der
südlicheren und von alters her besiedelten Länder durch die gerin=
gcre Artenzöhl der betreffenden Unkräuter und Ruderaten. Auch
zwischen den älteren und jüngeren Besiedelungsgebietcn Finnlands
bemerkt man deutliche Unterschiede im gleichen Sinne.
2. Der Hauptteil von Finnland gehört der grossen e u r a=
sischen Nadclwaldzone an. Nur im Süden vermittelt
das finnländische Gebiet durch einen schmalen Eichengürtel den
Übergang zum mitteleuropäischen Eichengebiet, und im nördlichsten
Lappland gibt es ein kleines Areal des subalpinen Birkengürtels
und kleine Gebiete nördlich oder oberhalb der Waldgrenze.
Die Vegetationsverhältnisse zeigen im grösstcn Teile des Landes
im allgemeinen eine sehr ähnliche Beschaffenheit. Da jedoch der Anteil
der einzelnen Pflanzenvereinc in verschiedenen Gegenden schwankt
und namentlich ziemlich bedeutende floristischc Unterschiede bestc=
hen, kann das gesamte Finnland in recht gut differenzierte Zonen cin=
geteilt werden. Die Haupteinteilung ist nach Norrlin folgende:
Am südlichsten befindet sich die Eichenzone, zu der nur
ein schmaler Küstenstreifen nebst seinen Schären gehört. Als Nord=
grenze der Zone wird die Eichengrenze betrachtet, die zwischen
Nystad (Uusikaupunki) und Nädendal (Naantali) beginnend, am
Nordufer des Lohjasces vorbei nach Borgä (Porvoo) zieht, daselbst
abbricht, dann bei Virolahti wieder beginnt und westlich von der
Wiborger Bucht über die Küstengegenden bis zur russischen Grenze
läuft. Auf dem Karelischen Isthmus ist die Eichenzonc am brci=
testen. Am deutlichsten treten die Merkmale der Eichenzone auf der
Insel Aland hervor, wo allerdings sterile Felsen und Nadelwälder
zahlreich sind, wo aber auf fettem, kalkhaltigem Boden die schönsten
Haine und in ihnen solche Holzarten wachsen, die milde Winter und
eine lange Vegetationsperiode verlangen. Man findet dort alle ed=
len Laubhölzer Finnlands, von welchen die Esche sehr häufig ist
und u. a. Sorbus fennica recht allgemein vorkommt. Hagedorn, der
wilde Apfelbaum, die seltene Eibe usw. wachsen in den Hainwäl=
dern in Gemeinschnft mit zahlreichen Gräsern und Kräutern, die
sonst nicht in Finnland vorkommen, aber in der naheliegenden
schwedischen Landschaft Uppland wohl gedeihen. Ein grosser Teil
der Haine ist jetzt in Ackerland verwandelt, die meisten übrigen
stellen parkähnlichc Hainwiesen dar. Auf trocknen Wiesen, Felser=
hügeln, Ufern (die Ufer sind oft von dem massenhaft vorkom=
menden Seedorn grau gefärbt) usw. wachsen auch manche auf
dem finnischen Festlandc nicht vorkommende oder seltene Pflan=
zenarten. In anderen Gegenden ist die Flora der Eichenzonc nicht
so reich, aber immerhin reicher als die der übrigen Zonen, nament=
lieh in Südwcstfinnland und auch in anderen Gegenden, die einen
fruchtbaren Boden besitzen. Auf dem Karelischen Isthmus gc»
dcihcn manche dem übrigen Gebiet fremde Arten, und auch die
Natur ist in mancher Hinsicht anders.
60
Die südfinnische Laub hol 2= oder Ahornzonc
reicht von der Eichenzone ungefi.hr bis zur Linie Merikarvia — ^lkaa=
lincn — Korpilahti — Rantasalmi — Soanlahti. öppige Haine kommen
noch verhältnismässig häufig vor, hauptsächlich aber nur in den sog.
Hainwaldzentren von Pirkkala, HoUola, Vuoksen und Sortavala.
Die Flora ist noch immer eine ziemlich reiche und umfasst manche
in der folgenden Zone fehlende (Ahorn, Esche, Haselnussstrauch,
Leberblümchen usw.) oder seltene (Anemone, Pechnelke u. a.)
Pflanzenartcn. Die Moore werden, namentlich stellenweise, schon
zahlreicher, und z. B. die in der vorigen Zone seltene Zwergbirke
kommt schon vielfach massenhaft vor. Gewisse Teile des Gebiets
unterscheiden sich bedeutend von einander, da einige Lehm=, an=
dcre Moränenboden besitzen, einige hügelig oder bergig, andere
flach und felscnlos sind. Die grösstc Abweichung zeigt die Flora
des Karelischen Isthmus, der durch seine Einförmigkeit, durch das
Fehlen der Felsen u. dgl. auch sonst vom übrigen Gebiet am
meisten abweicht, und die Flora der bergigen Gegend von Sorta=
vala, wo mehrere seltene und vor allem östliche Pflanzenarten,
unter anderem der schöne üppige Eisenhut, auf dem sehr frucht=
baren Boden gedeihen.
In der mittclfinnischen oder Lindenzone, die bis
zur Linie Gjmiakarleby (Kokkola) — lisalmi— Nurmes reicht, haben
wir die Nordgrenze der Linde. Die anderen edlen Laubhölzer fehlen
fast ganz; die Flora ist auch sonst bedeutend ärmer, und die Vegcta=
tion hat deutlich ein dürftigeres Gepräge als weiter im Süden. Einige
nordische Pflanzen, insbesondere die nordische Himbeere und die
Zwergbirke, sind häufig. Die Moore werden bereits zahlreich; in
dürftigen und ziemlich flachen Wasserscheidegebieten (am Suomen=
sclkä, in der Gegend von Rautavaara und beiderseits der russischen
Grenze) sind sie ausserordentlich zahlreich neben mageren, oft
in Versumpfung begriffenen Heidewäldern. Ziemlich üppig er=
scheint die Pflanzendecke unter anderem in der Gegend des Kalla=
vesi. Die österbottnischc flache Flusslandschaft weicht in mancher
Hinsicht von den seenreichen, bergigen Gegenden des Binnenlands
mit seinen steinigen Ackern und alten Brandkulturflächen ab. Schon
in der Lindenzone gibt es verhältnismässig grosse Landstrecken,
die unbewohnt oder sehr undicht bevölkert sind.
Namentlich wenn man die Landschaft Savolax verlässt und die
nordfinnische Zone betritt, gewahrt man eine deutliche
Veränderung in der Natur, indem sie immer öder und steriler wird.
In dieser Zone, die etwas über den Polarkreis hinausreicht, gewin=
nen die Nadelwälder immer mehr die Oberhand. Die edlen Laub=
hölzer fehlen, und in den nördlichen Teilen der Zone verschwindet
auch die Schwarzcrle. Die Flora ist arm geworden, manche früher
allgemein auftretende Arten sind selten (Walderdbeere) oder fch=
len, besonders in der Tvlordhälftc, ganz. Neue nordische, lappländische
Arten treten an ihre Stelle, und schon südlicher angetroffene nor=
dische Arten werden häufiger. Eigentliche Kulturgegenden findet
man nur am Gestade des Bottnischen Meerbusens. Sonst besteht
die Zone hauptsächlich aus öden Landstrecken, oft wahren Einöden,
wo dürftige Hcidewdldcr, zahllose Moore und düstere Seen und
Tümpel einen beklemmenden Eindruck mcchcn. In den Heide=
Wäldern wächst schon häufig und reichlich die Renntierficchte, oft
auch die Krähenbecre. Weiter im Süden nur auf den Mooren vor=
kommende Pflanzen, z. B. Sumpfporst, wachsen hier wie auch in
Lappland in dürftigen Wäldern. Hainpflanzen kommen nur ganz
lokal vor. Die grösste Abweichung von den übrigen Teilen der Zone
zeigen die flechen Küstenstrecken am Bottnischen Meerbusen mit
ihren ausgedehnten Uferwiesen, wo mehrere seltene Pflanzenartcn
gedeihen, die zum Teil auch an den Küsten des Weissen Meeres
heimisch sind. Einen anderen Charakter als die übrige Zone zeigen
auch die Gegenden am Kemi= und Tornionjoki, deren üppige, mit
grossen, schönblütigen Kräutern bewtchsene Llberschwemmungs=
wiesen an nordrussische Verhältnisse erinnern. Bedeutende Ab=
weichungen findet man auch in Kuusamo, wo schon kleine Fjelde
mit Hochgebirgsflora vorkommen. Anhöhen und Kuppen findet
man in grosser Anzahl, und tragen namentlich dort, wo der Boden
kalkhaltig ist, viele seltene Pflanzenarten.
Das letzte und grösste Gebiet, L a p p I a n d, stellt im allge=
meinen eine Einöde dar. Sein südwestlicher Teil, der Bezirk Kemi=
Lappland, ist verhältnismässig eben und umfasst Kiefernwälder,
wj die Baumstämme mit Bartflechten überzogen sind, und Moore,
darunter zahlreiche weite offene s. g. Aapa=Moore. Durch das
öde Gelände fliessen ziemlich grosse Flüsse, an deren Ufern reich=
lieber als anderswo Fichten und Birken wcchsen; dort befinden
sich auch die Wiesen und die unbedeutenden Acker. Stellenweise
verleihen die (im Westen jedoch spärlichen) Fjelde der Landschaft
ihr Sondergepräge. Diese Fjelde sind meistens rundliche, trockne,
schutt= oder steinbedeckte Hügel mit ärmlicher alpiner Flora und
einförmiger Vegetation, die hauptsächlich aus Flechten, Reisern
62
und bräiinlichgclbcm Juncus trifidus zusammcngesczt ist. In dic=
sein Teil der Fjelde befindet sich die Waldgrenze in einer Höhe
von 450 — 500 m, die Nadclwaldgrenze zwischen 300 — 450 m.
Nordwcstwärts, nach Enontckiö hin, hebt sich das Land allmäh=
lieh unter gleichzeitiger Veränderung der Vegetation. Von den
bcstandbildendcn Holzarten verschwindet zuerst die Fichte, dann
die Kiefer, worauf die Birke vorherrschend wird und einen schma=
Icn, meist buschwaldähnlichen Birkengürtel (Regio subalpina) bil=
dct, auf welchen dann ein weites, baumloses Gebirgsland folgt.
An den Flussläufen zieht sich die Birkenregion auch noch weiter
nordwärts zwischen baumlosen Landschaften hin. Die Birkenwä! =
der sind ziemlich licht, ganz im Norden gewöhnlich buschgehölz=
artig, bei dürftigem Boden mit Flechten und Gestrüpp, in Hainen
mit sogar reichlichem Krautwuchs bedeckt. In der Gegend des Kil=
pisjärvi, namentlich auf den jetzt für ein Naturschutzgebiet er=
klärten Malla Fjelden, gedeiht eine reiche alpine Flora. Im lapp=
ländischen Bezirk Inari, wo die Moore schon bedeutend spärlicher
sind als weiter südwärts, reicht der Fichtengürtcl bis zum Ivalo=
joki, wo dann eine Kiefernzone vom Flechtentypus beginnt, den
Inarisee umrahmt und sich bis in die nordwestlichen Teile von
Lappland erstreckt, dabei längs den Flussläufen in die Birkenrc=
gion hineinragend, woraus das nordwestliche Finnisch=Lappland
grossenteils besteht. Diese Birkenregion umfasst ziemlich zahlreiche
steinig Fjeld oder fjeldartigc Areale, wo die Pflanzendecke aus
Flechten und Reisern, unter welchen viele zierliche, dichtbültigc,
schönblütige hochnordische Pflanzen, zusammengesetzt ist. In der
Nähe des Varangerfjords hat ein Teil der Hochebene ganz und
gar den Charakter einer arktischen Gebirgslandschaft.
•5. Schon von alters her wird Finnland floristisch in Pflan =
zenlandschaften eingeteilt, von welchen nunmehr 20 (31)
unterschieden werden und auf der beigefügten Karte dargestellt
sind (die gleiche Einteilung wird im allgemeinen auch für die
Tierwelt benutzt). Daselbst ist auch die Zahl der Pflanzenarten
in den einzelnen Landschaften, insoweit sie 1910 bekannt war,
zu ersehen.
Die Gesamtzahl der höheren Pflanzen (Gefcis^pflanzen) im gan=
zen naturhistorischen Finnland wurde damals auf 1,222 geschätzt, in
welcher Summe die Taraxacum=Arten auf 25 und die Hieracium=
Arten auf 100 (eigentlich etwa 700) beschränkt und 241 zu=
fällige Arten nicht mitgezählt sind. Die Zahl der in allen Landschaf=
63
ten gefundenen, ubiquitärcn Pflanzcnartcn beträgt 143, wovon verhält»
nismässig die meisten auf Lappland entfallen. Die Summe der
Arten nimmt in den einzelnen Landschaften mehr oder minder
regelmässig von Süden
nach Norden von 795
auf 340 (303) ab. Die
relative Zahl der viel»
jährigen Pflanzen steigt
gegen Lappland hin
beträchtlich. In den
Küstengegenden wird
die Artenmenge na=^
mentlich durch die
Meeresufcrpflanzen er=
höht, von welchen 61
solche sind, die im Bin=
ncnlande gänzlich feh=
Icn. Ihre Zahl ist in
der Landschaft AI am
höchsten (44), in Ik am
niedrigsten (9). Die
alpinen Pflanzenarten
sind 91 an der Zahl,
die meisten (68) in der
Region Le vorkom=
mend. Am südlichsten
findet man solche, und
zwar je 1 Art, in den
Gebieten AI und Kl.
Von Bäumen u.Sträu =
ehern gibt es in Finn=
land 67 Arten, die meis=
ten, 50, in AI. Süd=
finnland besitzt durchs
schnittiich etwa 45 da»
von, Mittclfinnland 30
—35, Lappland etwa 25.
Die Artenmenge der niederen Pflanzen ist nicht so genau bekannt
wie die der höheren. In dieser Beziehung ist manche Landschaft
mangelhaft untersucht. Gegenwärtig kennt man in Finnland etwas
Karte der P f 1 a n z e n I a n d s c h a f t e n.
AI Alandia, AI» Regio aboi-nsis, N Nylandia, Ka
Karelia australis, Ik Isthmus karelicus, St Sata-
kunta, Tn Tavastia australis, Sa Savonia austrat
lis. Kl Karelia ladogensis, Ol Karelia olonet=
sensis, Ol Ostrobothnia australis, Tb Tavastia
borealis, Sh Savonia borealis. Kl) Karelia borea=
lis, On Karelia onegensis, Tniti Karelia trans=
onegensis, Om Ostrobothnia media, Ok Osfro=
bothnia kajanensis, l'or Pomoria occidentalis,
l*<ir Pomoria orientalis. Ob Ostrobothnia borea=
lis, Ks Kuusamo, Kk Karelia keretina, I.e Lap=
ponia enontekiensis, I.kcni Lapponia kemensis,
Im Lapponia imandrensis, I>v Lapponia varsu=
gensis, Lp Lapponia ponoiensis, M Lapponia
inarensis, l.t Lapponia tulomensis, Lriiiir Lap«
ponia murmanica. [Die Landschaften sind von
Westen nach Osten und von Süden nach Tslor«
gen aufgezählt ]
64
über 700 Moose und etwa t,ooo Flechten. Der Unterschied zwi=
sehen ihrer Artenmenge im Süden und Norden des Landes ist
nicht so gross wie derjenige der Gefässpflanzen. Die Zahl der Pilze
ist nicht bekannt; sie beträgt aber mehrere Tausendc. Ausserdem
gibt es mehrere hundert Algen.
4. ober die Kulturpflanzen, von welchen hier
noch gar nicht die Rede gewesen ist, sind im allgemeinen keine
so genauen Angaben erhältlich wie über die wilden Pflanzen.
Was ihre Verbreitung anbetrifft, so besitzen wir detaillierte
Kenntnisse nur über die gewöhnlichen und wirtschaftlich wichtigen
Pflanzen.
65
Die wichtigsten Gctrcidcarten, deren nördliche Anbaugrenzen
die obcnstchcnde Karte vx/icdergibt, sind Roggen, Hafer,
Gerste und Winterweizen. Bedeutend über die Nord=
grenze ihres eigentlichen Anbaus hinaus erstrecken sich der Hafer
und der Weizen, namentlich der letztere, mit welchem sogar in
Nord=Savolax und MittcUOstcrbottcn, meistens jedoch nur mehr
oder weniger gelegentlich, experimentiert wird. Der Haferbau
hat in den letzten Jahrzehnten immer mehr zugenommen und
verbreitet sich weiter nordwärts; im Norden Finnlands wird der
Hafer meistens unreif geerntet. Sommerroggen und Som-
merweizen baut man an relativ wenigen Orten und in
geringer Menge (der A:.bau namentlich des erstgenannten hat
in den allerletzten Jahren, den Kriegsjahren, bedeutend zuge=
nommen), letzteren hauptsächlich in Ostfinnland. Die Kultur
des zu den Getreidepflanzen zu zählenden Buchweizens
beschränkt sich fast ausschliesslich auf Ostfinnland und hört
auch dort allmählich auf.
Von sonstigen Kulturpflanzen ist in erster Linie die K a r t o f =
fei zu erwähnen, die überall im Lande bis in den hohen Norden
gebaut wird. Die Rübe wurde ehemals auf Brandkulturboden
allgemein kultiviert; dann lag ihre Kultur eine Zeitlang fast ganz
darnieder, hat sich aber nunmehr in der Form des Futterrübenbaus
ziemlich rasch in Süd= und Vlittelfinnland, weniger im nördlichen
Osterbotten und in der Gegend von Kajana (Kajaani) verbreitet.
Kohlrüben und gelbe Rüben werden selten (nur im Sü=
den des Landes) als Ackerpflanzen gebaut. Von Hülsenfrüchten wird
die Ackererbse in Südfinnland allgemein kultiviert, von
grösserer Bedeutung ist ihre Kultur aber nur in den südwestlichen
Teilen des Landes; in Mittelfinnland ist sie weniger allgemein
und liefert einen schlechten Ertrag. Die Ackererbse wird
ziemlich selten gebaut, am häufigsten in den Länen St. Michel
und Wiborg. Die Wicke ist allmählich eine wichtige Futterpflanze
geworden und wird in den südlichen und mittleren Teilen des
Landes allgemein kultiviert. Noch allgemeiner sind der rote und
der Bastardklee, die neben Timotheegras und in ge=
ringerem Grade neben Wiesenfuchsichwanz, Knaulgras u. a. Grä=
Sern seit dem Abnehmen oder Verschwinden der »natürlichen»
Wiesen immer wichtiger geworden sind. Als Spinnfaserpflanzen
werden in Finnland von alters her für den Hausbedarf Flachs
66
und Hanf gebaut, jener bis etwa zum 63.°, dieser bis zum 64.°
nördl. Br. Auch als Handelsware wird Flachs auf einem kleinen
Areal in Tavastland gebaut. Die Hanfkultur ist im Abnehmen
begriffen.
Der Gartenbau, der unter den Bauern nur langsam Boden
gewonnen hat, wird eigentlich nur zwecks Gewinnung von Küchen=
pflanzen für den Hausbedarf betrieben. Ziemlich allgemein ist er
in dieser Form auch schon bei den Bauern in Südfinnland und
vor allem im Südwesten, aber in kleinem Massstab betrieben
ganz neu oder noch unerprobt in Mittelfinnland. Im Norden des
Landes ist er meistens noch ganz unbekannt. Im Laufe der letzten
Kriegsjahrc hat jedoch der Gartenbau auch in Nordfinnland einen
unerwartet grossen Aufschwung genommen. Am häufigsten baut
man bei uns Kohlrüben und besonders im Osten und Südosten
Kohl, ausserdem Hopfen. In diesem Jahrhundert ist auch der
Anbau von roten und gelben Rüben stellenweise recht gewöhnlich
geworden. Zwiebeln werden vielfach gebaut, in gewissen Gegenden
häufig auch Zichorie. Die Tabakkultur, vor etwa 30 Jahren im
ganzen Lande und vor 20 Jahren noch in Mittelfinnland betrieben,
hatte vor kurzem fast ganz aufgehört, hat nun aber wieder teilweise
begonnen. Gebildete und fortgeschrittenere Landwirte ziehen
ausser den vom eigentlichen Volk verwendeten Pflanzen gewöhn=
lieh auch Rhabarber, Blumenkohl, Buschbohnen, Zuckererbsen,
Salat, Spinat, Radieschen, Gurken, Gartenercbzeren usw. Zahl=
reiche seltenere Kulturpflanzen werden namentlich auf grossen
Gütern, in Handelsgärten, von Personen, die sich besonders dafür
interessieren u. a., gepflegt. — Von Obstbäumen gewinnt der
Apfelbaum^ mehr und mehr Boden, ganz allgemein ist er aber
bis jetzt erst im Südwesten des Landes. Sogar in der Gegend
von Kajana hat man reife Apfel erhalten. Am meisten verbreitet
sind der Stachelbeer= und der Johannisbeerstrauch, für deren
Kultur sich schon sogar in Mittelfinnland der Bauer interessiert.
Der Kirschbaum hat ungefähr dieselbe Verbreitung wie der
Apfelbaum, doch ist er weniger, häufig. Die Birne gedeiht
eigentlich nur in Südwestfinnland. Pflaumenbäume, Schlehen=
bäume usw. findet man wenig.
Zierpflanzen haben die Bauern im grössten Teile des Landes
bis zur letzten Zeit wenig oder gar nicht gezogen. Wegen ihrer
bunten Farbe und einfachen Pflege sind Ringelblume, Mohn und
67
Sonnenblume von alters her allgemein beliebt; die anderen Blu=
mcn werden in verschiedenen Gegenden ungleich bevorzugt. Auf
herrschaftlichen Gütern u. a., im Süden des Landes auch auf Bauern=
höfen, vcerden seit langem viele mehrjährige Zierpflanzen gczo=
gen, wie Schwertlilie, Akelei, Rittersporn, Eisenhut, Feuerlilie,
Päonie u. a., ferner zahlreiche modernere Arten wie Aster, Lev=
koje, Stiefmütterchen, Gartenwickc, Kresse, Löwenmaul, Reseda,
Mohn=Arten usw. Ziersträucher wie Flieder, Caragana, Spier=
Strauch, Rosen usw. werden auch bei den Bauern immer be=
licbtcr. — Zimmerpflanzen werden ebenfalls häufig gezogen, von
den Bauern aber oft nur wenig und teilweise erst in der letz=
ten Zeit. Am gewöhnlichsten sieht man Balsam, Begonie, Myrte,
Pelargonie, Fuchsie, Gummibaum, Rosen usw. Besonders bei wohU
habcndercn Leuten findet man ausserdem Asparagus, Palmen,
Kakteen, Farnkräuter usw.
5. Geschichtliches über die Pflanzende k=
kc des Landes. Die Pflanzendecke, die sich in Finnland
am Ende der Eiszeit auf dem vom Eise befreiten, aus dem Meere
aufsteigenden Erdboden entwickelte, war der Tundravcge=
tation am ähnlichsten. Reste derselben hat man bei uns, wo
das Land damals grosscntcils unter den Wasserspiegel gesunken
war, viel spärlicher als z. B. in Schweden angetroffen. Ein Fundort
ist Kivennapa auf dem Karelischen Isthmus, wo man in der Sand=
Schicht unter dem Moor die heutzutage nur in Lappland und Kuu=
samo wachsende Dryas octopetala und Blattreste der nordlapp=
ländischen Zwergwcide Salix polaris gefunden hat; ein zweiter
Fundort ist die Gegend des Ivalojoki. Mit dem Wärmerwerden
des Klimas und dem Emportauchen des Erdbodens folgte auf die
Tundraperiode die Birken = Kiefcrperiode (in Skan=
dinavien erst die Birken=, dann die Kieferperiode) mit ihren ver=
schiedencn, heute gemeinen Arten, die die Tundrenflora allmäh=
lieh weiter nach Norden verdrängten. Als das Klima immer wär=
mer wurde, fand sich die eine Pflanzenart nach der andern ein. Am
Ende der Ancylus=Periode existierte schon der grösste Teil unserer
Pflanzenwelt.
Wenigstens während der ersten Hälfte der Litorina=Pcriodc
war das Klima Finnlands bedeutend milder als jetzt (nach G. An=
dersson war die mittlere Temperatur Schwedens um 2° C höher
68
als heutzutage). Damals wuchsen in Finnland einige Pflanzen,
welchen die jetzigen klimatischen Verhältnisse nicht zusagen. Die
bekannteste derselben ist die Wasscrnuss (Trapa natans), de=
ren grosse mit Dornen versehene Nüsse an mehr als 40 Stellen, am
meisten in der Gegend von Lohja, am nördlichsten in Luopioincn
und Savitaipaie, in Mooren gefunden worden sind. In Bromarf
hat man Reste des Riedgrases Cladium mariscus angetroffen, als
dessen nächster rezenter Fundort Gottland bekannt ist. Mehrere
Pflanzenarten hatten in der wärmeren Periode eine nördlichere
Verbreitung: Ceratopbyllum demersum (ehemals vielfech im süd=
liehen Lappland; nummehr sind Kemi und Maaninka die nörd=
liebsten Fundorte), Najas flexilis, Carex pseudccy peius, Lycopus
europaeus (alle 3 ehemals sogar in Kuhmoniemi) und Haselnuss=
Strauch (ehemals auch in Keuru und Petäjävesi). Die Eiche wuchs
nur wenig nördlicher als jetzt (bis an die Ufer des Suvanto), war
aber wie manche andere südliche Pflanze häufiger und zahlreicher
und vielleicht sogar in ziemlich ausgedehnten Hainwäldern bestand=
bildend. Die Waldgrenze befand sich wahrscheinlich, wie ganz be=
stimmt in Skandinavien, etwa 200 m höher als jetzt. Relikte aus
jener wärmeren Zeit sind wahrscheinlich viele an ihrer Nordgrenze
jetzt seltene, nur an ganz besonders günstigen Plätzen erhaltene
Pflanzenartcn (die Ulme in Nilsiä usw.).
Ausser in geringerem Grade infolge der allmählichen Erkaltung
des Klimas veränderte sich die Pflanzendecke spater namentlich
infolge des Erscheinens der Fichte. Diese kam erst nach den ande=
ren Bäumen am Ende der Ar.cylus=Periode nach Finnland, wurde
aber erst später allgemein, wobei sie die Kiefer und in Hainwäl=
dern die edlen Laubhölzer verdrängte; dadurch verwandelte sich
der grösste Teil unserer Waldungen in Fichtenwälder. Auch
durch die Verwachsung kleinerer Seen und Tümpel, insbesondere
aber durch die fortschreitende Versumpfung des gewöhnlichen
Waldbodens sind viele Veränderungen in der Pflanzenwelt Finn=
lands zustande gekommen. Vor allem hat jedcch der Mensch durch
Waldbrände (die früher nur der Blitz verursachte) und durch Ur=
barmachung der Wälder und Moore den grössten Einfluss auf die
Umwandlung der Pflanzendecke ausgeübt.
Während der Eiszeit haben sich vielleicht — soweit damals
der Boden im Sommer nicht überall vom Schnee bedeckt war
— einzelne hochnordische Pflanzen in Lappland erhalten. Der
grösste Teil der Pflanzen, vielleicht sogar alle, sind, sobald das
Land vom Eise befreit vx'ar, von Süden hierher eingewandert.
Die Pflanzcnartcn der Tundraperiode kamen von Osten und
Südosten; später sind Pflanzen sowohl aus diesen Richtungen
als auch besonders von Südwesten über Aland nach Finnland
gekommen. Eine kleinere Anzahl fand ihren Weg von Süden
und Westen über das Meer. Einige kamen von mehreren
Seiten, andere nur von einer. So wanderte die Eiche von Süd=
Westen und Südosten ein, die Fichte und Grauerle aber nur
von Russland; diese verbreiteten sich dann über Finnland auch
nach Schweden.
Zahlreiche Pflanzcnartcn haben vornehmlich aus klimatischen
Gründen in Südfinnland in ihrer Verbreitung innegehalten, andere
in Mittclfinnland, manche, die einen milden Winter (Seeklima) ver=
langen, schon in Aland. Viele kontinentale Arten beschrän=
kcn sich auf die östlichen Teile des Gebiets. Pflanzen des kalten
Klimas kommen hauptsächlich in Lappland vor. — Ausser dem
Klima ist in Finnland der Boden ein sehr wichtiger Faktor in be=
zugauf die Verbreitung der Pflanzcnartcn. So kommen z. B. Pflan=
zen, die einen fruchtbaren, humusreichen Boden verlangen, nur
in gewissen Gegenden vor und fehlen meistens ganz im Norden,
wo der Boden wegen der gehemmten Bakterientätigkeit u. a. Fak=
toren unfruchtbarer ist.
Zahlreiche Pflanzcnartcn, darunter die meisten gemeinen Wald=
pflanzen, sind in breiter Front vorgerückt, während andere genö=
tigt wjren bestimmte Wege zu verfolgen, an denen sich ihnen
geeignete Standorte darboten. Solche Pflanzen sind vor allem
die Bewohner der Meeresküsten und der öbcrschwcmmungsuferder
Flüsse, aber auch Hain= und anspruchsvollere Sumpfpflanzen, Sand=
bodenpflanzen usw.
Einige früher seltene Arten (gemeine Käseblumc, Ackerdistel
usw.) haben später mit Hülfe der Kultur auf Wiesen, in Weidcn=
Wäldern, auf Ackern usw. allgemeine Verbreitung gefunden. Eine
grosse Anzahl ist erst im Gefolge des Menschen erschienen. Alle
diese Arten begleiten die Siedelungen und erobern immer noch
Terrain. Namentlich in grossen Siedelungszentren, Städten, Fabriks=
orten usw., ferner auf mit ausländischem Saatgut bestellten Hafer=
und Grasäckern usw. erscheinen noch immer neue Arten, die zum
grossen Teil zufällig auftreten, teilweise sich aber auch einbürgern.
Bekannt ist unter den letzteren vor allem die Strassenkamille
(Matricaria) discoidea, die sich nach ihrem Erscheinen in Finnland
1849 (si*: lom ungcf. 1840 nach Europa) überall im Lande vcr=
breitet hat und ganz häufig (ausgenommen Lappland) vorkommt.
Eine rasche Verbreitung haben unter anderen auch die Wasserpest
und das Gcbirgspfcnnigkraut aufzuweisen.
Von neuen, in Finnland entstandenen .Arten kennt man bisher
mit Bestimmtheit nur zahlreiche Habichtskräuter. Die seit dem
Glazial verflossene Zeit ist ja auch für die Hervorbringung neuer
Pflanzenarten zu kurz.
6. Die ältesten Angaben über die finnländische Pflanzenwelt
finden sich im »Catalogus plantarum. . .» (1673) von Elias T i 1=
landz und in der »Flora fennica» (1765) von Peter Kalm.
Spätere Untersuchungen der Flora und Vegetation sind nament=
lieh von der bald hundertjährigen »Societas pro fauna et flora fen=
nica» bewerkstelligt worden, durch deren Vermittlung (unter lVlit=
Wirkung von Stipendiaten u. a.) die finnländische Pflanzensamm=
lung der Universität Helsingfors, »Herbarium musei fennici», stetig
vergrössert wird und in deren Schriftenreihen »Notiser», »Medde=
landen» und »Acta» die meisten diesbezüglichen Untersuchungen
veröffentlicht werden. Verzeichnisse, in denen die Verbreitung
der einzelnen Pflanzenarten im Lande übersichtlich durch kleine
Kartogramme veranschaulicht wird, hat die erwähnte Gesellschaft
herausgegeben, und zwar über Gcfässpflanzen im »Herbarium mu=
sei fennici. 1.» (1889), über Moose im »Herbarium musei fennici. H.»
(1894). Gegenwärtig erfolgt Art für Art, von Dr. Hj. Hjclt
zusammengestellt, die (1888 begonnene) Veröffentlichung aller aus
Sammlungen und aus der Literatur erhältlichen Fundortsangaben
in dem Reihenwerk »Conspectus florac fcnnicae» (Acta Soc. pro
fauna et flora fenn. 5, 21, 30, 35, 41 ).
Tierwelt.
Tiergeographisch ist Finnland ein kleiner Teil der grossen
paläarktischen Region, genauer gesagt der europäischen Subregion.
Sowohl inbezug auf die geographishe Lage als auch auf andere
allgemeine, die Verbreitung der Tiere beeinflussende Umstände
ist es natürlich, dass die Tierwelt Finnlands die grösste Ubcr=
einstimmung mit derjenigen Nordskandinaviens und Nordruss=
lands zeigt. Diese Übereinstimmung äussert sich speziell darin.
dass viele auf der skandinavischen Halbinsel verbreitete Tier=
arten in Finnland ihre östlichi^', viele östliche Arten wiederum
dort ihre westliche Grenre erreichen. Vergleicht man Finnland
mit den südlich vom Finnischen Meerbusen liegenden Ostsee=
provin-en und mit Mitteleuropa, so findet man, dass die nordi=
sehen Arten bei uns reich vertreten sind und dass zu unserer
Fauna auch eine Anzahl arktischer Arten (namentlich unter den
Säugetieren, \ ögeln, Insekten, Krebstieren u. a.) gehören, wäh=
rend zugleich mehrere in Mitteleuropa verbreitete Arten in Finn»
land die äusserste Grenze ihrer nördlichen Verbreitung errei=
chcn. Da der Hauptteil des Landes hinsichtlich seiner Vegeta=
tion Waldboden ist, der zur nördlichen Nadelholzzone gehört,
so folgt daraus, dass seine Charaktertiere grösstenteils \X/aldbe=
wohner sind.
Die Geschichte der finnischen Tierwelt, durch direkte Funde
beleuchtet, ist, was man bei der Seltenheit fossiler Tierreste
leicht begreift, mangelhaft bekannt. Doch darf man als fest=
gestellt betrachten, dass die jetzige Tierwelt geologisch sehr jun=
gen Ursprungs ist; sie fasste hier Fuss in dem Masse, wie sich
das Land vom Eise befreite, also am Ende der Eiszeit und
später, und verbreitete sich dann in bestimmter Reihenfolge:
erst die arktischen Tiere, dann andere an ein milderes Klima
gewöhnte Arten und endlich, während der sog. Eichenperiode,
gewisse südliche Arten. Die späte Ankunft der Tiere erklärt
unter anderem auch den Umstand, dass neue lokale (endemische)
Arten oder Rassen sich nur in seltenen Fällen zu entwickeln
vermocht haben (z. B. die Robbenrassen des Saima= und des
Ladogasees). Mit Rücksicht auf Ursprung und Verbreitung
lassen sich mehrere Tierstämme in folgende wichtigste Gruppen
einteilen: arktische, norJcuropäische, mittclcuropäschc, östliche
und südöstliche, westeuropäische (atlantische) und überall vor=
kommende oder ubiquitäre.
Von den (wilden) Land s d u g e t i e r e n haben sich im poli=
tischen Finnland 44 Arten eingebürgert, darunter 5 Insektenfresser,
4 Fledermäuse, 20 Nager, 13 Raubtiere und 2 Paarzeher. Von
diesen haben sich folgende von Südfinnland bis nach Lapp=
land verbreitet: einige Spitzmäuse, Ackermaus und Wasserratte,
die den menschlichen Wohnungen folgende Hausmaus und
Wanderratte, deren letztere erst im Anfang des vorigen lahr=
Hunderts nach Finnland und erst vor einigen Dezennien nach
verschiedenen Orten im Binnenlande (Jyväskylä etwa 1872,
Kaiana 1905) verschleppt v\orden ist; ferner Hermelin und
Wiesel. Im ganzen Gebiet verbreitet sind ferner Schneehase,
Baummarder, Otter, Fuchs und Elch. In allen Teilen des Lan=
des lebten fri her unsere grösstcn Raubtiere, Bär und Wolf,
die jetzt nur im Norden und Osten regelmässig vorkommen
(siehe weiter unten) Gänzlich ausgestorben ist der ehemals
von Südfinnland bis nach Lappland verbreitete Biber. Die
letzten Biber wurden Mitte des vorigen Jahrhunderts in Lappland
erlegt.
Arktische Arten sind in unserer Säugetierfauna Renntier,
Polarfuchs und Lcmming, die ebenso wie der Vielfrass, die
braune und die nordische Wühlmaus für Lappland charakteris=
tisch sind.
Südlich vom Polarkreise und zwar ausschliesslich in der
Nadelwaldzone findet man unter anderem die nordische Fleder=
maus, die Waldmaus, die Waldwühlmaus, das Flughörnchen,
Luchs, Nörz und Dachs. Von diesen sind das Flughörnchen
und der Nörz solche östliche, in Finnland vorkommende Arten,
die sich nicht nach Skandinavien verbreitet haben.
Charaktertiere des südlichen Finnland sind Maulwurf, einige
Fledermäuse (Plecotus auritus, Vesperfilio mysfacinus und Dau=
benfonii), Streifenmaus, Hausratte, Zwergmaus und litis. Dieser
Gruppe schliessen sich auch der Igel und der seltene Garten=
schläfer an, beide eigentlich zur Fauna der Eichenzonc gehörig.
Eine südliche Art, nämlich der Feldhase, hat erst in späterer
Zeit angefangen, sich (von Südosten her) in Finnland zu ver=
breiten.
Gemeine Wassersäugetiere im Finnischen und Bottnischen
Meerbusen sind die Kegelrobbe und Ringelrobbe, von welcher
letzteren sich im Saima= und Ladogasee besondere Rassen
ausgebildet haben. Das einzige Waltier, welches sich in unse=
rcn Meerbusen häufiger zeigt, ist der Tümmler.
Die obige kurze Darstellung der finnländischen Säugcticr=
fauna sei inbezug auf einige Arten durch folgende Mitteilungen
ergänzt. Der Bär war noch im Beginn des 19. Jahrhunderts
selbst im südwestlichen Finnland keine Seltenheit, hat sich aber
infolge starker Verfolgung nur in den unbewohnten Gegenden
von Lappland und NordfinnUnd und in den karelischen Grenz»
gebieten (Salmi, Korpiselkä, ilomantsi) bis zu unseren Tagen
erhalten. Seine Zahl nimmt immer weiter ab, sodass vom zoo=
logisch=vvisscnschaftlichcn Standpunkt betrachtet Grund vorliegt,
ein Schongebiet für ihn zu bestimmen; noch 1909 — 13 wurden
indessen in Finnland 146 Bären erlegt, also durchschnittlich
29 im Jahr. Den Wolf findet man nur noch selten westlich
von einer Linie, die von Uleaborg (Oulu) nach Salmi gezogen
werden kann. Er verursacht immer noch ziemlich grossen
Schaden unter den Renntierherden in Lappland (namentlich in
Inari, Kittilä und Enontekiö); da er aber beständig umherstreift,
schwankt seine Zahl ansehnlich in den einzelnen Jahren. 1909 -
13 wurden im ganzen 104 Wölfe getötet, also durchschnittlich
21 im Jahr, die meisten im Län Ulcäborg. Die Luchse waren
in den 70er und 8oer Jahren so zahlreich, dass in fast jedem
Kirchspiel südlich vorn Polarkreise etliche erlegt wurden; seither
haben sie aber gleichmässig abgenommen und sind jetzt im
Westen des Landes fast gänzlich ausgerottet. 1909 — 13 schwankte
die Zahl der jährlich erlegten Luchse von 13 bis 52; die ganze
Zahl betrug 143, also im Mittel etwa 29. — Was einige andere
Pelztiere anbetrifft, wurden laut amtlicher Statistik 1909 — 13
insgesamt 10,341 (im Mittel 2,068) Füchse, 704 (im Mittel 141)
Fischottern, 16,335 (im Mittel 3,267) Hermeline, 346 Marder
und 344 Vicifrasse (durchschn. je 69) erlegt. Das wilde Renn =
ticr lebte noch im Beginn des 19. Jahrhunderts in Süd=Oster=
botten und Nord=Tavastland, aber schon ein halbes Jahrhun=
dcrt später nur in den nördlichen und östlichen Teilen des
Landes. Noch in unserem Jahrhundert hat man einzelne ln=
dividuen in Pielisjärvi und Suojärvi gesehen. Jetzt schemt das
wilde Renntier im ganzen Gebiete des Finnischen Staates
ausgestorben zu sein. Das zahme Renntier existiert hier nach
wie vor (in zunehmender Anzahl), und seine Zucht wird in
einem grossen Gebiet, von Utsjoki bis Suomussalmi und Hy=
ryiisalmi im Süden (65°), getrieben. Das Elen, der stattliche
Bewohner der sumpfigen Waldgegenden, war um die Mitte des
vorige! Jahrhunderts fast ganz ausgestorben, begann aber ein
paar Jahrzehnte später, nachdem seine Schonung gesetzlich ein=
geführt worden war, sich wieder zu vermehren (1870). Im Laufe
der letzten Jahre hat der Elcnbestand wieder deutlich abgenom=
men, da er teils gesetzlich erlaubter Jagd, teils Wildschützen
zum Opfer fällt, 1908 12 betrug die Zahl der gesetzlich cr=
legten Elentiere (gemäss einer mangelhaften Jagdstatistik) 821,
616, 538, 274 und 195. Seehunde gibt es reichlich in der
Quarkcnstrasse, in den Schären von Alan! und im östlichen
Teil des Finnischen Meerbusens. ihr zahlreiches Vorkommen
zeigt sich unter anderem darin, dass im Jahre 1913 Schicssgeid
für 19,808 Seehunde gezahlt wurde; 7,271 derselben waren Ke=
gclrobbcn, 12,537 Ringelrobben.
Im politischen Finnland sind 275 verschiedene Vögel be=
obachtet worden, von welchen 200 Arten heimische oder hier
nistende Stand= und Strichvögel und Sommervögel (zu letzteren
gehört die grosse Mehrzahl), 75 durchziehende Zugvögel oder
zufällige Gäste sind. Von den heimischen Vögeln sind sehr
viele von Südfinnland bis Lappland verbreitet, die indessen wie
überhaupt alle Vögel in der Wahl ihrer Aufcnthalts=, Nahrungs=
und Brutplätze, in ihrer Abhängigkeit von der Vegetation usw.,
in Lebensweise, Verbreitung und Anzahl die mannigfaltigsten
Verschiedenheiten aufweisen. Es seien hier nur einige bekannte
Wasservögel erwähnt, z. B. Seetaucher, Säger, Schellente, Pfeif=
ente, Spiessente, Krikente und Stockente, von den auf Mooren
oder an Ufern lebenden Arten der Kranich und Flussuferläufer,
viele Bewohner der Nadel=, Laub= und Mischwälder, z. B. Moor=
Schneehuhn, Haselhuhn, Birkhuhn, Auerhuhn, Eichelhäher,
Schwarzspecht und einige andere Spechte, ferner mehrere klci=
nere Waldvögel wie nordische Sumpfmeise, grauer Fliegenschnäp=
per, Kreuzschnabel, Gimpel, Wacholderdrossel, Misteldrossel,
dann Singvögel wie Singdrossel, Rotdrossel, Rotkehlchen; Trauer=
fliegenschnäpper, Wiesenschmätzer, Fitislaubsänger und Buchfink,
die die Nähe des Menschen suchenden Schwalben und Haus=
Sperling, von den Raubvögeln Mäusebussard, Wespenbussard,
Fischadler, Sceinadler, Hühnerhabicht, Sperber, Habichtseule, Uhu
u. a. Zu derselben weit verbreitete Arten umfassenden Kate=
gorie gehören auch einige ubiquitärc und viele nur an speziellen
Aufenthaltsorten anzutreffende Arten wie Nebelkrähe, Rabe,
Elster, Gartenrotschwanz, Goldammer, Steinschmätzer, weisse
und gelbe Bachstelze, Feldlerche, Kuckuck, Wiesenpieper, Wasser=
schmätzer und Uferschwalbe. Einige \''ögel sind nur im nörd=
liebsten Teile des Landes heimisch geworden (arktische, sub=
arktische und boreale Gattungen). Charaktervögel der waldlosen
Fjclde sind Schnecammcr, Alpenlerchc, Alpcnschneehuhn, Mori=
nelloRcgcnpfeifcr, Schncccule und Gerfalk, von den Wasscr=
vögeln die Zwerggans, Bergente und lanzettschwänzige Raub=
möwe; in der Birkenregion ausserdem Lerchenammer, BlaukchU
chen, schrnalschnäbligcr Wassertreter, Eiscntc u. a.; im nördli=
chen Nadelhoirgebiete lappländische Sumpfmeise, Bergfink,
Hakengimpel, Scidenschvxanz, Raubv.vürger, Unglückshäher, Lapp=
landskdur, Rauhfussbussard, an sumpfigen Stellen die rostrote
Uferschnepfe und der Regen=Brachvogel, Goidrcgenpfeifer, der
helle VVasserläufer, Kampfläufer und die kle'ne Sumpfschnepfe,
an den Binnengewässern Zwergsäger, Singschwan, Saatgans u. a.
Manche nordische Charaktcrarten des Nadelholzgcbietes dringen
im östlichen Teil desselben südwärts bis zum 65.-63.° vor. —
Von den in Süd= und Mittclfinnland häufigen Arten finden un=
ter anderem folgende noch bis zum Breitengrade von Uleäborg
(65) Nahrung und geeignete Brutplätze: Waldschnepfe, grosser
Brachvogel, Wiesenralle, Rebhuhn, Ringeltaube, von Singvögeln
Dorn=, Garten= und Zaungrasmücke, Weiden=Laubsänger, Erlen=
zeisig, und mehrere andere kleme Vögel wie das gelbköpfigc
Goldhähnchen, Hauben= und Schwanzmeise, Wendehals, von
den Raubvögeln Baum= und Turmfalke.
Den grössten Artenreichtum zeigt unsere Vogelwelt selbst=
verständlich unter den verschiedenartigen Naturverhaltnissen Süd=>
und Mittelf.'nnlands, und zwar besonders in der Laubwaldregion
zwischen dem 60. und 62.° nördl. Br. Zahlreiche mitteleuropäische
Arten haben hier ihre nördlichsten Nisistätten. Etwa bis in
die Gegend von Wasa und Kuopio (63°) nisten z. B. Hauben=
steissfuss, Knäkente, Waldwasserläufer, die getüpfelte Sumpf=
rallc, Star, Zaunkönig, Tannenmeise, Baumläufer, der rotrückige
Raubwürger, der gemeine Ziegenmelker, Weissspecht und meh=
rerc gute Singvögel: Mönch=GrasmLcke, Wald=Laubsänger, Gar=
tenspötter, Grünfink und Hänfling. In den südlichsten Teilen
des Landes nisten Wasserhuhn, Kiebitz und Stieglitz. Ihrem
Verbreitungsgebiet nach östliche Arten sind in der süd= und
mittelfinnischen \ ogclwelt die grosse Bekassine, Grauspecht,
Sprosser, Pirol und Bluthänfling, während dagegen z. B. die
Hohltaube als Brutvogel vorzugsweise im südwestlichen Teile
des Landes auftritt.
In der obigen Übersicht haben wir die Verhältnisse im Bin=
nenlaiide im Auge gehabt. V-'iele der dort erwähnten Land=
76
und Wasscrvögcl kommen auch an der Meeresküste und in den
Schären vor. Unter den eigentlichen Seevögclii, die namentlich
für die äusseren Schären charakteristisch sind, können Eiderente,
Mantelmöwe, Eismöwe, Tordalk, GrülULumme, Austernfischer
und Steinwälzer erwähnt werden. Die meisten unserer Vögel
sind Zugvögel. Die folgende Zusammenstellung zeigt die nor=
male Ankunft von 18 Vogelarten im Frühling in der Gegend
von Helsingfors (60° 10' 21") und in Saarijärvi (62° 42'):
Hels
ngfors
Saarijärvi
Schneeammer
10
III
-20. III.
24.
III.-18.
IV.
Feldlerche
«5
III
- 4. IV.
31-
III. -25.
IV.
Star
20.
III
— 6. IV.
29.
III.— 15.
IV.
Buchfink (Männchen)
22.
III
-ti. IV.
30
III. -18.
IV.
Singschwan
3-
IV.
—12. IV.
12.
IV.— 25.
IV.
Wacholderdrossel
4-
IV.
-19. IV.
21.
IV.— 26.
IV.
Kranich
5-
IV.
- 3. V.
15-
IV.- 4.
V.
Singdrossel
10.
IV.
—25. IV.
20.
IV.— 28.
IV.
Bachstelze
12.
IV.
—24. IV.
20.
IV.— 28.
IV.
Stockente
14.
IV.
-26. IV.
17-
IV.- 2.
V.
Steinschmätzer
24.
IV.
— 1. V.
2 5-
IV.- 3.
V.
Gartenrotschwanz
28.
IV.
—10. V.
6.
V.-16.
V.
Kuckuck
4-
V.
-12. V.
10.
V.— 20.
V.
Hausschwalbe
5-
V.
-14. V.
10.
V.--28.
V.
Rauchschwalbe
6.
V.
-18. V.
'3-
V.- 29.
V.
Fitis= Laubsänger
7-
V.
-18. V
10.
V.— 28.
V.
Wiesenralle
12.
V.
-16. VI.
6.
VI. -20.
VI.
Mauersegler
20.
V.
- i.VI.
ca. 31. V.
Gegenstand der Jagd sind in Finnland hauptsächlich die zur
Familie der Waldhühner gehörenden Arten, nämlich Moorschnee=
huhn, Haselhuhn, Birkhuhn, Auerhuhn und Rebhuhn und die
Wildenten. Gesetzlich geschont sind das ganze Jahr (seit 1898)
alle Kleinvögel (mit wenigen Ausnahmen).
Von Reptilien und Lurchen gibt es in Finnland 10
Arten. Am gevwöhnlichsten und am weitesten nach Norden
verbreitet sind der Grasfrosch, die lebendig gebärende Eidechse
und Kreuzotter, d. h. dieselben Arten, die auch in den mittels
europäischen Alpen am höchsten hinaufgehen. Die beiden erst=
erwähnten kommen von Südfinnland bis nach Lappland (70°),
die Kreuzotter fast ebenso nördlich (67° 40') vor. Diese einzige
Giftschlange Finnlands erscheint stellenweise, z. B. in den Schä=
rcn von Nyland, sehr zahlreich. In Süd= und Mittclfinnland
sind auch die Erdkröte, der kleine Wassermolch und die RingeU
natter, deren Verbreitungsgebiet etwa den Breitengrad von Ulcaborg
(65°) erreicht, sovxie auch die Blindschleiche häufig. Ausschliess=
lieh in den südlichen Teilen des Landes tritt der Moorfrosch
auf. Als Relikten der Tierwelt der Eichenperiode sind vielleicht
die seltene Schlingnatter, nur in Aland gefunden, und der
Kammolch zu betrachten.
Man kennt aus den finnischen Meeren und Binnengewässern
im ganzen etwa 70 verschiedene Fische, von welchen viele
wegen ihres häufigen Vorkommens für die Volkscrnährung eine
grosse Rolle spielen. Charakteristisch für die hiesigen Meere
ist, dass wegen des geringen Salzgehalts ihres Wassers dort
neben mehreren See= und Wanderfischen auch zahlreiche Süss=
wasserarten gedeihen. Ein besonderes Gepräge erhält die Fisch=
fauna auch durch das Vorkommen einiger arktischen Arten, die
vxahrschcinlich Reste einer ehemaligen glazial=marinen Fauna
der Ostsee darstellen. Für derartige Relikte hat man den
vierhörnigen Seeskorpion und Scheibenbauch wie auch, obwohl
weniger bestimmt, den Bandfisch und Strömling erklärt. In dem
zu Finnland gehörenden Teil der Ostsee sind im ganzen 31
Arten von eigentlichen Seefischen gefunden worden. Heimisch
(konstant, hier laichend) sind von ihnen 19, darunter allgemein
vorkommend Strömling, Sprotte, Stint, gemeine Flunder, Dorsch,
gemeiner und vierhörniger Seeskorpion, weniger allgemein oder
selten u.a. Seenadel, Schlangennadcl, Steinbutt, Aalmutter, Seehase
und Seebulle. Ferner kennt man 12 Arten von zufällig hier leben=
den, aus der Nordsee und den salzigeren Teilen der Ostsee einge=
wanderten Fischen. Die Zahl der unsere Binnenseen und Flüsse
bewohnenden Arten (stationäre und Wanderfische) beträgt 39.
Mit vtenigen Ausnahmen (z. ß. Zoppe, Rapfen), gedeihen sie
gleich den Wanderfischen Lachs, Mcerforelle, Stint, Aal,
grosses Flussneunauge — auch im Meervx.asser, einen wichtigen
Teil von dessen Fischfauna bildend, namentlich in den inneren
Schären und den inneren Teilen des Finnischen und Bottnischcn
Meerbusens. Charakterist seh für die Fischfauna unserer süs=
78
scn Gewässer ist die Menge der lachsartigen Fische (Salmo=
niden und Coregoniden). Allgemein verbreitet sind in den
grossen Seen und Strömen die Lachs= und Forellcnartcn, die
teils stationär (Seelachs, Seeforelle und Bachforelle), teils Wan=
derfische (Mecriachs und Mecrforclle oder Taimen) sind, aus=
serdem aber besonders die grosse und die kleine Maränc und
der Stint. Von lachsreichen Flüssen sind im Norden der
Tornion=, Kemi=, Simo=, Oulu= und lijoki, im Süden der Kokc=
mäcnjoki (Kumoälv), Kymijoki (Kymmenc) und Vuoksen zu
nennen. Auch die Asche ist ein in den östlichen und nörd=
liehen Gewässern reichlich vorkommender Edelfisch. Der Saib=
ling kommt im Ladogasee vor, wo auch die übrigen Lachs=
fische vertreten sind, ferner in den meisten grossen Binnenseen
um das Weisse Meer herum und in Lappland, wo die SaU
nioniden vorherrschen. Von Südfinnland bis Lappland verbrci=
tet und allgemein sind Hecht, Barsch, Quappe, Plötze, Alant
und Ukelei. Von den in warmem Wasser laichenden Fischen
sind Blei und Zander am weitesten nach Norden vorgedrun=
gen; sie erscheinen sogar noch stellenweise in den nördlich
von den Oulujokigewässern liegenden Binnenseen. In lVlittel= und
Südfinnland wird die Artenmenge namentlich durch die Cypri=
noiden vermehrt. So sind dort z. B. Karausche, Rotauge, Gü=
ster und m einigen Gewässern auch die Zoppc gemein. Mehr
stellenweise kommen in den südlichen und südöstlichen Teilen
des Landes Döbel, Rapfen, Schleie, Siehling und Schlamm=
gründe! vor. Einige von ihnen dürften wie der Zander direkte
Relikte der Fischfauna des ehemaligen Ancylussecs und ur=
sprünglich aus dem Pontokaspischcn Gebiete gekommen sein.
Unter den niederen oder wirbellosen Tieren sind
die VC'eichtiere Finnlands durch im ganzen 132 (104 + 28) Arten
von Schnecken und Muscheln vertreten. Nur wenige derselben
sind marin, z. B. die an den Küsten des Finnischen Meerbu=
scns häufigen Muscheln (Tellina balfica, Mytilus edulis und Car='
dium edule), die meisten sind Süsswasser= und Landbewohner,
die namentlich auf kalkhaltigem Boden leben. Die bekanntesten
unter den einzelnen Arten sind die FlusspcrlenmuEchel, die haupt=
sächlich in Lappland und Kardien verbreitet ist, und die den
Gärten schädliche Ackcrschnecke. Einige Wasserweichticre (Lin=
neea, Pisidium) sind wichtig als Nahrung mancher Nutzfische.
Viel bemerkenswerter als die trägen Weichtiere sind in der
sommerlichen Natur die Insekten. Wie überall auf dem ganzen
Erdball bilden sie auch in Finnland den artenreichsten Teil der
Tierwelt, während zugleich ihre Bedeutung im Haushalte der
NJatur die mannigfaltigste ist. Zusammen mit anderen luft=
atmenden Gliederfüssern lässt sich die Zahl der Insekten hier»
zulande auf etwa 10,000 schätzen. Die reichhaltigsten Ordnungen
sind die Käfer mit etvxa 3,000 Arten, Zweiflügler etwa 2,350,
Schmetterlinge 1,630, Hautflügler über 1,200, Schnabelkerfe
über 700, Köcherfliegen 200 und Springer 165 Arten. Von den
Netzflüglern und Blasenfüsscrn sind je 60 Arten unterschieden
worden, von Eintagsfliegen, Uferfliegen, Heuschrecken und an=
deren Geradflüglern und Wasserjungfern je 30 40 Arten. In
den meisten Gruppen, namentlich bei den Pflanzenfressern, wird
vom Norden Finnlands nach der Mitte und dem Süden hin
eine starke Vermehrung der Artenmenge konstatiert. Besonders
bemerkenswert ist oft die kräftige Vermehrung einzelner Arten
unter V^'erhältnisscn, die für ihre Fortpflanzung und Ernährung
günstig sind. Bekannt ist die Mückenplage in Lappland und
das massenhafte Auftreten gewisser Insektenarten als Wald= und
Kulturpflanzenschädlingc. So wird bisweilen unseren Kiefern=
xx-äldern durch die Raupen der Kieferneule, des Kiefernspinners
und der Kiefernblattwespe, unseren Wiesen und Ackern durch
die Raupen von Graseule, Ackereule, Roggencule und die Larven
von Fritfliege, Schnake und Schnelläufer, den Küchengärten
durch BIdttbuse und Erdflöhe grosser Schaden verursacht. Der
Wasserreichtum Finnlands bewirkt, dass die im Wasser leben=
den oder sich dort entwickelnden Insekten wie Mücken, Gnitzen,
Köcherfliegen u. a. hier besonders zahlreich auftreten; dadurch
bilden sie eine wichtige Nahrungsquelle sowohl für unsere vie=
len insektenfressenden Vögel (Schwalben u. a.), die infolgedessen,
was die Nahrung anbelangt, in Lappland gut leben können, als
auch fjr viele Fische. -— Von den übrigen Gruppen der Iuft=
atmenden Gliederfüsser gibt es in Finnland etwa 20 Arten
Tauscndfüsser, 260 Spinnen und 230 Milben. *V^on Krebstie»
ren, die fast ausschliesslich zur Wasserfauna gehören, sind mehr
als 200 Arten angetroffen worden. Bemerkenswert wegen ihrer
Grösse und wichtig für die Frage von der flerkunft der Tief=
seefauna sind gewisse Ringelkrebsc, unter anderem die grosse
Wasserassel (Idothea enfomon), die dieselbe Verbreitung aufweist
80
wie der vierhörnigc Wasserskorpion, dem sie zur Nahrung dient.
Am bekanntesten ist indessen der aus Mitteleuropa herstam=
mcndc Flusskrebs, der in den südlicheren Teilen Finnlands all=
gemein verbreitet ist. Die zahlreichen niederen Krebstiere
gehören zum grossen Teil der Planktonfauna unserer ßinnen=
Seen und Meere an. — Von sonstigen niederen Tieren kennt
man in Finnland 8 Arten Moostierchen, ctvjca too Arten Rin=
gelwürmcr und andere freilebende Würmer, ebenso viele Einge=
weidcwürmer, lo Schwämme und Ncsseltiere sowie etwa 280
Urtiere.
Die faunistisch=systcmatische Untersuchung der finnischen
Tierwelt ist besonders durch die Socieias pro fauna et flora
fennica befördert worden, in deren Veröffentlichungen die meis»
ten diesbezüglichen Werke und Aufsätze erschienen sind.
11. Volk.
Finnen.
In politischem Sinne werden alle Bewohner Finnlands ohne
Rücksicht auf die Sprache Finnen genannt und besonders alle
Finnischsprechenden.
Die Finnen bevjcohnen als einheitliche Gruppe ganz Finnland,
einige Küstengebiete von Osterbotten (Pohjanmaa), Nyland (Uusi=
maa) und dem Län Äbo und Björneborg (Turku und Fori) ausge=
nommen (s. unten Die sc h vw ed i s ch s p r ec h en de Bevöl=
kerung Finnlands), sowie die an Finnland grenzenden
Gebiete Russlands, Schwedens und Norwegens. Als Ansiedler
haben sich Finnen seit der zweiten Hälfte des vorigen Jahr^
hunderts in grosser Menge in Nordamerika und in geringerer
Anzahl in Südafrika, Australien und Südamerika niedergelassen.
Anfänglich als Sträflinge kamen Finnen nach Sibirien. I n
Finnland gab es 1910 im ganzen 2,571,145 Finnen (1900:
2,352,990). In Russland wohnen Finnen in Petersburg und
Umgebung sowie an der Murmanküste und Ingermanländer in
Ingermanland. Es liegen keine neueren Angaben über die An=
zahl der Finnen in Russland (Petersburg ausgenommen) vor,
aber daraus zu schlicssen, dass es 1897 in Petersburg und
Umgebung 130,400 Finnen gab, an der Murmanküste ungefähr
1,500, im ganzen ungefähr 132,000 Leute, dürfte die Zahl der
Finnen in Russland ums Jahr 1910 175,000 Personen betragen
haben. In Schweden gab es 1910 25,268 Finnen (1900:
22,138), die dort sich aufhaltenden finnischen Untertanen nicht
einbegriffen, in Norwegen 7,172 (1900: inil)- 1" Nord=
a m e r i k a dürfte es 1910 ungefähr 300,000 Finnen gegeben haben,
82
wovon ungefähr 28,000 in Kanada, die übrigen in den Vcr=
einigten Staaten. Zehn Jahre früher wurde die Zahl der Fin=
nen in Nordamerika zu 120,000 Personen angegeben, ober die
Zahl der Finnen in Südafrika, Südamerika und Australien hat
man keinerlei statistische Nachrichten. In Sibirien gab es im
Jahre 1914 2,100 Finnen (1902: 1,354). Alles zusammengc=
rechnet dürfte sich die Anzahl der Finnen im Jahre 1910 auf
ungefähr 3,081,000 belaufen haben.
Die Erforschung der anthropologischen Merkmale
der Finnen begann in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts
das Interesse der Forscher in Anspruch zu nehmen, weil sich
zu dieser Zeit bei den Archäologen Europas allmählich die Auf=
fassung geltend gemacht bitte, dass die Ureinwohner Europas
ein »turanischcs» Volk gewesen seien, Lappen= oder Finnen=
stamme mit kurzem Körper, kurzem und breitem Schädel und
brauner Hautfarbe. Von den Vertretern dieser Auffassung
seien die Sprachforscher Arndt und Rask, der Historiker
Keyscr und der Archäologe Nilsson genannt. Der erste,
der die Anthropologie der Finnen wissenschaftlich behandelte,
war Hu eck. Von den Gelehrten, die nach ihm die Rasscn=
merkmale unseres Volkes untersucht und klargelegt haben, seien
A. Retzius, C. v. Haartman, Welker, Virchow,
G. Retzius, C. Lovcn, E. Nordcnson, R. Tieger=
stedt, K. Hällstcn und F. W. Westerlund erwähnt.
Die wertvollsten und die Rasseneigentümlichkeiten des finni=
sehen Volkes am beslen beleuchtenden Untersuchungen sind
von dem Schweden G. Retzius und den Finnen K. Hällsten
und F. W. Westerlund veröffentlicht worden.
Auf seinen weiten Reisen in unserem Lande im Sommer
1873 untersuchte G. Retzius sowohl lebende Individuen als
Schädel. In seinem umfangreichen Werke »Finska kranicr jämte
nägra natur= och litteraturstudier inum andra omräden af finsk
antropologi» (1878) wird von unserem Volke eine Schilderung
gegeben, die wir hier kurz zusammenfassen.
Die Tavastcn (Hämäläiset). Rumpf stark, fest, brcit=
schultrig, im allgemeinen ziemlich breit, stämmig, Glieder kräf=
tig, mittellang; doch werden sowohl kurze Individuen als
solche von bemerkenswerter Länge angetroffen. Haut fest,
Neigung zu Wohlbeleibtheit oder Magerkeit nicht vorhanden.
Hautfarbe ziemlich hell. Kopf gewöhnlich gross, kurz und
8?
breit (brachyccphal), aber eigentlich nicht hoch, oft ziemlich
eckig, tubera parietalia entvx/ickelt. Gesicht gross, lang, be=
sonders aber von bemerkenswerter Breite sowohl in der Ge»
gend der Stirn als in der der Backenknochen und sogar des
Kinns, Unterkiefer kräftig, dessen Ecken gross, weit von ein=
ander. Mase klein, ziemlich breit, entweder dick und rund=
lieh oder noch öfter mit einer kleinen, gewöhnlich etwas auf=
gestülpten Spitze verschen. Mund auch ziemlich breit. Spalte
zwischen den Augenlidern ziemlich klein, bisweilen schräg nach
innen; Iris hell, graublau oder meistens blaugrau oder grau.
Augenbrauen schwach entwickelt, hell. Gesichtsausdruck etwas
mürrisch, nicht sympathisch; Haar auf dem Scheitel hell, oft
(lachsfarben, sonst hell aschgrau, straff, niemals lockig. Bart=
wuchs schlecht, Barthaare borstig, kurz und undicht, hell, mit=
unter rötlich. Gesicht der Weiber runder, weniger eckig.
Die Karelier (Karjalaiset). Körper schwächer als bei
den Tavasten, weniger breitschultrig und schmäler, nicht
kräftig, nicht starkgliedcrig, sondern eher schlank und schöner
proportioniert, oft über Mittellänge, lange Individuen zahlreich.
Haut fest, keine Neigung zur Wohlbeleibtheit, vielmehr umge=
kehrt. Hautfarbe ziemlich dunkel oder ins Aschgraue spielend.
Kopf nicht gross, proportioniert, ziemlich kurz (brachyccphal),
wenn auch nicht im selben Grade wie bei den Tavasten.
Nase proportioniert, lang, nicht sehr breit. Mund ebenmässig;
Augenöffnungen von massiger Grösse, niemals oder doch sehr
selten schräg. Augenbrauen dunkel, stark, oft buschig. Haar
kastanienbraun, mitunter dunkel aschgrau, gewöhnlich lockig,
dicht. Bartwuchs ziemlich schlecht, am besten am Kinn. Bei
den Weibern Gesicht länglich rund, Züge ziemlich harmonisch,
Nase gerade, scharf, Augen gross, blau, Mund hübsch und
Leib bisweilen schlank. Retzius sagt, er habe in Kardien
dann und wann auch schöne Weiber gesehen, in Tavastland
gar keine.
Von den Savolaxern (Savolaiset) gibt Retzius wegen
der Knappheit des von ihm untersuchten Materials keine Be=
Schreibung, sondern verweist nur auf die Aussage Haartmans,
dass die Savolaxer offenbar eine Mischrasse bilden, in der
das tavastländische Element stärker vertretend sei als das kare=
lische. Hinsichtlich der übrigen finnischen Stämme glaubt Ret=
zius auch keine Schlüsse ziehen zu können, weil die von ihm
84
selbst gemachten Beobachtungen in dieser Beziehung zu gering
an Zahl seien.
Die Schädel der Finnen teilt Rctzius in zwei Gruppen
ein: t) festgebaute, starkknochige und 2) weniger festgebdute
Schädel. Die Schädel der ersten Gruppe, die zahlreicher zu sein
scheinen, sind nech Rctzius' Untersuchungen von bemerkenswert
festem Bau, sie »gehören zu den grössten normalen Schädeln,
welche die Anthropologie kennt. Besonders die Knochen des Ge=
sichts sind an diesen Schädeln ausserordentlich stark entwickelt,
mitunter beinahe unverhältnismässig, im Vergleich zu denjenigen
der Hirnhöhlc»). — Von oben gesehen ist die Form des Schädels
(normo verticalis) keilartig eiförmig und nicht eirund wie z. B.
bei den schwedischen Schädeln, von hinten betrachtet ist die
Schädclform (normo occipitalis) fünfeckig, sodass eine von den
Spitzen des Fünfecks nach oben gerichtet ist. Von vorn
(normo frontolis) erinnert der Schädel an die norma occipitalis.
Das Gesicht ist sowohl breit als auch hoch. Der Unterkiefer
vorzüglich in den hinteren Teilen breit. Seitenansicht des
Schädels (normo temporalis): die Profillinie der Hirnhöhle be=
ginnt an der Nasenwurzel als tiefe Einsenkung, biegt sich um
die grosse, vorspringende Glabella nach der Stirn, steigt dann,
sanft nach hinten abfallend, gegen die vorspringenden Stirn=
beine hinauf, danach in einem gelinden Bogen nach hinten und
etwas nach oben in die Gegend der Scheitelbeine, senkt sich
darauf in einem gelinden Bogen über das niedrige Hinterhaupts=
bcin und richtet sich endlich in einem kleinen Bogen nach
vorn. Die bemerkenswerte Entwicklung des Scheitels ist augen=
fällig. Alveolen und Zähne stark, Zahnstellung orthognathisch.
Nach den Untersuchungen F. W. Westerlunds ist die Mit=
tellänge des schwedischsprechenden Volksteils in Finnland 1,684,2
mm, und die des finnischsprechenden 1,667,8 mm, wonach also
der Unterschied zwischen der Länge der schwedischsprechenden
und der der finnischsprechenden Finnen 16,* mm beträgt. Die
Kopfform ist in verschiedenen Teilen des Landes ebenfalls
merkbar verschieden. Die der Schwcdischsprechendcn ist im
allgemeinen dolichocephal, obgleich es unter ihnen 30 — 41 Ig
Brachycephalen gibt. Unter den Finnen herrscht der brachy=
cephale Typus in Savolax (Savo), Kardien (Karjala) und
Ostcrbotten (Pohjanmaa) vor, während im Eigentl. Finnland,
Südösterbottcn, Tavastland (Häme) und Nyland (Uusimaa) die
«5
Prozentzahl der Dolichocephalcn grösser ist, zwischen 51 — 65
schwankend. Das grösstc Prozent (nämlich 68) Brachycephalen
hat ]Slord=Ostcrbottcn aufzuweisen (die Quäncn). In der lctzt=
genannten Gegend ist das Mittclmass des Körpers am niedrig=
stcn. Es ist im allgemeinen zu merken, dass, wo das Mittel»
mass des Körpers hoch, auch das Doiichoccphalenprozent gross
ist und umgekehrt. Von den Jahren 1885 — 92 können die Län=
genmassc von 131,697 im Wehrpflichtalter gemessenen Jünglingen
in folgender Tabelle zusammengestellt werden :
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Westfinnen ....
Tavasten
Karelier
Quänen
Die Schwedischsprechens
den Finnlands «51621
26,122
56,478
42.552
10,924
1,685,«
1,678,5
1,651.'
1,644,0
2,»
7.«o
9,2s
o,u 44,S3 42,21
1 i,i> 45,M 37,8&
l8,u 48,7t 24,ts
21, es I 49,:o 1 19,60
1,684,2 2,«i ! 9,M ' 44,ti 40,7t
2,1«
1,88
0,7a
0,40
2,U
Demnach sind die längsten Einwohner Finnlands die West=
finnen und die Schwedischsprechendcn ; beträchtlich kürzer sind
alle übrigen, deren Längenmass gradweise abnimmt, wenn man
von den Tavasten über die Karelier zu den Quänen über=
geht. Dies dürfte daraus zu erklären sein, dass in den süd=
liehen und westlichen Landcstcilen teils ein verhältnismässig
»reines') Volk, teils eine germanisch-'innische Mischrasse wohnt,
die in Anbetracht der Körperlänge die Mitte zwischen den
Mittelmassen der beiden Rassen hält, sich bald der einen, bald
der anderen nähernd, je nachdem wie die Rassenmischung
stattgefunden hat.
Der dolichocephale Typus herrscht in den von Schwedisch»
sprechenden bewohnten Gegenden vor, während eine niedrige
Brachycephalie in Gegenden dominiert, wo die Vermischung der
Finnischsprechenden und der Schwedischsprechenden leichter
hat vor sich gehen können. In den östlichen und nördlichen
Landestcilen ist dagegen die Brachycephalie merkbarer.
86
Von der Kopfform geben folgende Tabellen eine Vor=
Stellung:
Die Finnischsprechenden
Dolichocephalen=%
Brachycephalen=% .
Durchschnittsindex
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80,0 !8i,j 1 82,15! 82,6
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Die Schwedischsprcchenden
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Durchschnittsindex ....
79,2
79,»
80 ,J
Westerlund teilt die Einwohner Finnlands in vier Grup=
pen ein :
t:o Alle Schwedischsprechenden
2:0 Die Finnischsprechenden Westfinnen (Eigentl.
Länge mm
SchädeU
index
1,680—1,700
«,685
1,678—1,680
1,644 — »,654
79,«
79,»
80,6
82,0
3:0 Die Tavasten (der grösste Teil der Einwohner
Finnlands)
4:0 Die Karelier
87
Bezüglich der Farbe des Haares und der Augen unter=
scheiden sich die Finnen und die Schwcdischsprechenden Finn=
lands nicht merkbar von einander. Die Finnen sind zum
grössten Teil blond, 78 % haben helle, blaue oder graue Augen
und 57 % blondes Haar. Die Behauptung, die Brachyccphalcn
seien dunkel und nur die Dolichoccphaicn blond, ist also für
die Finnen nicht stichhaltig, was schon Virchow auf seinen
Reisen in Finnland 1874 konstatierte.
Gegenwärtig ist in unserem Lande eine anthropologische
Messung der Schulkinder im Gange, und einige von deren
Ergebnissen sind auch veröffentlicht worden, während andere
eben erst ausgearbeitet werden. Von diesen seien 1. Wilskmans
statistische Angaben über die körperliche Entwicklung der SchuU
Jugend Finnlands genannt, deren erster Teil, Wachslumsstatistik
der Knaben, bereits veröffentlicht ist. Die Untersuchungen bc=
ziehen sich auf Körpcrmass, Gewicht und Brustweite sowie
Atmungsvermögen von 7 — 2o=jährigen. Nach den Mcssungs=
zahlen kommt der Verfasser zu dem Schlüsse, dass »ein fin»
nischer 7 — 2o=jähriger Schulknabe etwas grösser ist als die
Knaben Europas im allgemeinen und dass er ziemlich ebenso
lang ist wie die Knaben und Jünglinge derjenigen Völker, die
als langgewachsen angesehen werden». Ausserdem deuten diese
Untersuchungen darauf, dass das mittlere Längenmass unseres
Volkes im Wachsen begriffen ist, sodass das finnische Volk
heutzutage unter die langgewachsenen Völker zu zählen ist.
Finnische Sprache.
Das Finnische gehört zur ostseefinnischen Gruppe derfin=
nisch=ugrischen Sprachfamilie. Die übrigen finnisch=ug=
rischen Sprachen sind das Lappische, Mordwinische, Tscherc=
missische, Wotjakischc und Syrjänische (od. die sog. permischen
Sprachen), Ostjakischc und Wogulische (od. die sog Ob=ugri=
sehen Sprachen) und das Ungarische. Die ostseefinnischc
Gruppe umfasst das Finnische, Karelische, Wepsische, Wotischc,
Estnische und Livische, Sprachen, die sehr nahe miteinander
verwandt sind, und die sie sprechenden Völker wohnen nörd«
lieh, östlich und südlich des Finnischen Meerbusens. Zu ei^
88
gentlichen Kultursprachcn haben sich nur drei von diesen
Sprachen, nämlich das Finnische, Estnische und Ungarische, er=
hoben. In allen anderen finnisch=ugrischcn Sprachen existiert
wohl Literatur, doch ist dieselbe ganz unbedeutend, und vor=
läufig ist sie bestimmt die religiösen Bedürfnisse der Sprach=
genossen einigermassen zu befriedigen.
Der grösstc Teil der Bevölkerung Finnlands spricht Finnisch,
abgesehen von i. dem schwedischsprachigen Aland (Ahvenanmaa)
und der Küstengegend von Nyland (Uusimaa) und Ostcrbotten
(Pohjanmaa), wo ausser Finnen auch eine schwedischsprcchcndc
Bevölkerung sitzt, 2. den Kirchspielen Inari und Utsjoki, in
denen Lappen wohnen, und j. dem Gerichtssprcngcl Salmi,
dessen griechisch=katholische Bewohner das eng an das Finnische
anschliessende Karelische sprechen. Ausserhalb Finnlands wird
Finnisch gesprochen : in Russland in Ingermanland und einigen
vorzugsweise von Ingermanland ausgegangenen sibirischen Kolo=
nien ; auf der skandinavischen Halbinsel in Nordschweden (im
Tal des Torne= und Muonioälv und im grössten Teil des
Kirchspiels Gällivare) und in Nordnorwegen (in Finnmarken)
(in Schwcdisch=Värmland und in den »Finnenwäldern» der ent=
sprechenden Teile Norwegens ist das Finnische bereits im Aus=
sterben begriffen). Eine beträchtliche Menge finnischsprechender
Finnländer lebt auch in Amerika, wo in der Regel wenigstens
noch die zweite Generation der Auswanderer an der finnischen
Sprache festhält. Im ganzen können die Angehörigen finnischer
Zunge auf etwa 3,106,000 geschätzt werden.
Der Begründer der finnischen Literatur und Reformator
Finnlands, der Äboer Bischof Mikacl Agricola (f 1557), wählte
als Grundlage der Schriftsprache den Dialekt der damaligen
Haupstadt Finnlands, Abos, dessen sich auch einige seiner Zeit=
genossen und Nachfolger in ihren literarischen Erzeugnissen
bedienten. Im Lauf der Zeit wurde Material aus verschiedenen
Dialekten entlehnt, zumal da immer neue Schriftsteller in den
Gebieten der verschiedenen Mundarten erstanden. Als sich in=
folge der 1809 geschaffenen neuen politischen Stellung des
Landes der Gedanke der Gemüter bemächtigte, dass das Fin=
nischc die eigentliche Sprache der Kultur des Landes werden
müsse, stiegen die Anforderungen an die Gemeinsprache in cr=
heblichem Masse. Die Mangelhaftigkeit und Ungelenkigkeit
der Schriftsprache trat besonders deutlich zutage, wenn man sie
mit der um dieselbe Zeit weiter bekannt gewordenen Sprache
der reichen finnischen Volkspocsic verglich. Die Volkspocsie
hatte eine jahrhundertealte Entwicklung hinter sich und vcr=
fügte über eine abgeschliffene eigene, sowohl in der Prosa als in
der Dichtung bewährte Sprachform und Diktion, die die trockene
Schriftsprache an Reichtum und Frische unstreitig übertraf.
Da die bedeutendsten Schätze der finnischen Volkspoesie in
ostfinnisch=karclischcm Gewand erhalten sind und auch mehrere
hervorragende Belletristen vom ostfinnischen Sprachgebiet stam=
men, hat die Schriftsprache seit der Mitte des vorigen Jahr»
hunderts immer mehr aus dem ostfinnischen Sprachmaterial
Nahrung gezogen und sich bereichert, besonders inbczug auf
Satzbau, Phraseologie und Wortschatz. Das Ergebnis der Ent»
Wicklung ist dies, dass sich das Finnische zu einer auf allen
Gebieten brauchbaren Kultursprache ausgebildet hat.
Volkscharakter und volkstümliche
Kultur.
Sowohl im Kreise der Archäologen als der Philologen ist
man heute der Ansicht, dass die Vorfahren der Finnen aus zwei
verschiedenen Richtungen in ihr Land gekommen seien: die
eigentlichen Finnen aus den Ostseeprovinzen über den finnischen
IVleerbusen nach Südwestfinnland und die Karelier (Karjalaiset)
aus den Gegenden j nscits des Ladoga an das westliche Gestade
dieses Sees, an die Ufer des Vuoksen und an das östliche
Ende des Finnischen Meerbusens. Die eigentlichen Finnen, deren
Einwanderung vielleicht schon um loo n. Chr. begonnen hat,
verbreiteten sich dann schon während der älteren Eisenzeit über
die Gegend des heutigen Äbo (Turku) in das Tal des Kokemäen»
joki (Kumoälv) in Satakunta und in das Tal des Kyrönjoki in Süd=
Osterbotten. In der jüngeren Eisenzeit setzte sich die Besied=
lung des Landes vom Tale des Kokemäki aus nach Tavast=
land fort. Die Karelier, die sich in der Eisenzeit in Südost»
Karelien niederzulassen anfingen, erweiterten ihr Gebiet nach
und nach gegen Norden und bemächtigten sich schon nach
dem n. Jahrhundert der Gegenden um St. Michel (Mikkeli),
Landschaft Savolax, von wo sich dann die Kolonisation der Land=
Schaft weiter fortsetzte.
Die Stämme und ihre Sondermerkmale. Aus diesem kurzen
Überblick über die älteste Siedelungsgcschichtc des Landes ist
zu ersehen, dass die Einwohner im Anfang zwei Hauptstäm=
men angehörten, sie waren : eigentliche Finnen, aus deren
Nachkommen in Satakunta die Satakuntaer (Satakunta=
laiset), in Ostcrbottcn die Ostcrbottnier (Pohjalaiset), in
Tavastland die Tav asten (Hämäläiset) entstanden, und Ka=
relicr, aus deren nach Savolax übergesiedeltem Zweige der
Stamm von Savolax oder die Savolaxcr (Savolaiset) hervor=
gingen. Die Bewohner des nordöstlichsten Teils des Landes,
der Gegend von Kajana (Kajaani), werden auch als ein beson=
derer Stamm, der der Qdäncn (Kainuulaiset), angesehen.
Die verschiedenen Stämme des Landes lassen noch heutzu=
tage mancherlei Verschiedenheiten erkennen, welche sowohl im
Körperbau als im Charakter und auch in gewissen ethno=
graphischen Erscheinungen zum Ausdruck kommen. Die längsten
Gestalten sieht man in der Nachbarschaft der hochgewachsenen
schwedischen Bevölkerung in den westlichen und südlichen
Teilen Finnlands, die kürzesten in Ost= und Mittelfinnland, in
den zwischenliegenden Gegenden sind die Zwischenstadien ver=
treten. Die Anzahl der Langköpfc und Blonden ist am grössten
im Westen, die der Kurzköpfe und Schwarzhaarigen im Osten.
Die Westfinnen und die Bewohner von Tavastland sind ihrem
Charakter nach verschlossener als die Ostfinnen. Die Tavasten
sind durch ihre Ruhe, ihre Langsamkeit und Bedachtsamkeit
bekannt, die nächsten Nachbarn der heiteren Slaven, die Ka=
relier, besonders ihr in Grenz=Karelien wohnender reinster Teil,
durch ihre Offenherzigkeit und Lebhaftigkeit. Auf die letzteren,
Kinder des Augenblickes, kann man sich kaum je in der Weise
verlassen wie auf die Tavasten und auf die Westfinnen über=
haupt. Die Ostcrbottnier, welche eine mit schwedischen Be=
völkcrungsclemcntcn vermischte Abzweigung der Rasse der
eigentlichen Finnen und Tavasten sind, sind durch ihre Ener=
gie, Entschlossenheit und Aufrichtigkeit bekannt. In Nord=Oster=
botten haben sie oft einen störrischen Zug. Der karelischen
Lebhaftigkeit und Empfindlichkeit entspricht in dem Charakter
der Savolaxer eine gewisse Neigung zu Witzelei und Humor.
Voll<stüm]iclie Sitten und Gebräuclie. Die stetig zunehmende
Aufklärung hat ein Aussterben mancher alten Sitten im Gefolge
gehabt. In die ältere Vergangenheit zurückreichende Sitten
sind nur noch in den östlichsten Grenzgegenden anzutreffen.
Am bemerkenswertesten sind davon die Spiele im Sommer, zu
welchen sich besonders die jungen Leute zusammenfinden, um
sich gegenseitig kennen zu lernen und Herzensburdc zu
schliesscn. Besondere Beachtung verdienen in Russisch=Karelien
die Spiele, welche diesem Zwecke dienen. Es sei namentlich
das »Handspiel» erwähnt, wozu die Mädchen die Burschen ein=
laden. Die Paare stellen sich in einer langen Reihe auf, im=
mer ein Mädchen und ein Bursch einander gegenüber. Der
Bursch ergreift der Reihe nach die eine und die andere Hand
des Mädchens und hebt sie ein paarmal, wie um ihr Ge=
wicht zu prüfen, leicht in die Höhe. Bisweilen geschieht es
sogar noch, dass ein junger Mann seine hier gefundene Ge=
liebte geraden Weges nachhause führt, wo die Ehe erst später
bei passender Gelegenheit auf gesetzliche Weise eingegangen
wird. Ein solches Ehefest der jungen Leute dürfte das noch
vor einigen Jahrzehnten in Süd=Tavastland gefeierte Helkafest
gewesen sein, bei dem die Jugend, die Mädchen in zwei
Reihen an der Spitze, singend auf den Dorfstrassen auf und ab
ging. Die acht vordersten Mädchen stimmten ein Lied an,
welches dann die übrige Volksmenge wiederholte. In den
Liedern wurden Bilder aus dem Volksleben wiedergegeben:
man sang von der gefallenen Jut gfrau, von der treuen warten»
den Geliebten, von dem leichtgläubigen betrogenen Mädchen
usw.
Die Hochzeit wurde ehemals — besonders in Ostfinnland —
mehrere Tage gefeiert, sie begann im Hause der Braut und
fand im Hause des Bräutigams ihren Abschluss. Es gehörten
zu ihr mancherlei Zeremonien und Veranstaltungen. Die letzteren,
deren Zweck es war, die dem Brautpaar drohenden bösen
Kräfte unwirksam zu machen, fanden besonders beim Aufbruch
zur Brautfahrt und während dieser Fahrt statt. In Ostfinnlard
wurden Messer und ähnliche Geräte in den Schlitten oder in
den Karren mitgenommen, das Brautpaar wurde mit Zauber»
Zeremonien umkreist, das Gesicht der Braut mit einem Tuch
bedeckt und an demselben ein rotes Band befestigt. Zu den
Gebräuchen, über deren ursprüngliche Bedeutung sich die For»
scher noch nicht einig geworden sind, gehören das Versperren
des Weges durch gefällte Bäume und das Vcrschliessen der
Tore, um die Brautfahrt zu verhindern.
Zauberei. Der Ruf der finnischen Zauberer verbreitete sich
schon in früheren Jahrhunderten bis nach Mitteleuropa, und
Tatsache ist, dass die Zauberei unter den Finnen auch heute
noch nicht völlig verschwunden ist. In entlegenen Gegenden
kann man noch immer Medizinmännern begegnen, in deren
Apotheke sich ausser verschiedenen Metallgeräten, Donnerkeilen,
ringförmig gewachsenen Baumteilen, deren, magische Bedeutung
auch anderswo in Europa anerkannt war, auch symmetrisch
geformte kleine Steine, sog. Schlangensteine, und unter der
Baumrinde gewachsene Knollen finden, womit Geschwülste,
Stiche u. a. geheilt wurden. In ähnlichen und manchen an=
deren Fällen wurden mit gutem Erfolg die Bärentatze, Bären=
zahne, Schweinsrüssel u. a. angewandt.
Klagelieder. Bei den Griechisch=katolischen in Ostfinnland
wie auch in dem Nachbarland im Osten und bei manchen der
dortigen finnischen Völkern gehörte das Weinen zum Programm
verschiedener Festlichkeiten. Auf der Hochzeit wurde die Braut
beweint, während man ihr gute Ratschläge für das Leben in
der Ehe erteilte ; beim Begräbnis wurde der Tote in schönen
Klageliedern besungen; an dem Grabe wurden noch lange Zeit
nach der Bestattung Gedächtnisschmäuse veranstaltet, bei denen
man sich von neuem mit Klageliedern an den Toten richtete.
Runendichtung. Die epischen Lieder, welche seiner Zeit
auch in den westlichen Teilen des Landes vorgetragen worden
sein dürften und die vor noch nicht langer Zeit in Savolax,
Kardien und in l\lord=Osterbottcn im Munde des Volkes lebten,
erreichten ihren grössten Glanz in Russisch=Karelien, wo die
schönsten Lieder des finnischen Volksepos Kalcvala gesungen
wurden Der Vortrag war originell; es waren regelmässig zwei
Sänger : der Hauptsänger und der Begleiter, welche einander
gegenüber Platz nahmen, sich gegenseitig bei den Händen
haltend, und sich sachte hin und her bewegten, eine Stellung,
welche im ersten Gesang des Kalevala angedeutet wird, indem
dem Sänger folgende ermahnende Worte in den Mund gelegt
werden :
Lass uns, Bruder, die Hände reichen.
Leg' die deine in meine Hand,
Lass uns liebliche Weisen singen usw.
Der Begleiter vereinigte sich mit dem Hauptsänger in den
letzten Silben des Verses und wiederholte den Vers, während =
dessen der Hauptsänger Zeit bekam, über die Fortsetzung nach=
zudenken. Der Gesang war oft improvisiert. Bei manchen
Gelegenheiten wurde er mit der Kantcle, dem volkstijmlichen
Musikinstrument, begleitet, welches ebenfalls nur noch in den
östlichen Teilen Finnlands gespielt wird. Da der ^^lame und
der Typus des Instruments dieselben sind wie bei den Litauern,
mit welchen die Vorfahren der Finnen um Christi Geburt
im Kulturaustausch gestanden haben, ist das Kanteicspielen schon
ungefähr zweitausend Jahre bei den Finnen beliebt gewesen.
Die alte Kantcle hatte fünf Saiten aus Pferdehaaren, der Kasten
des Instruments bestand oft aus einem Holzstück, das entweder
auf dem Boden oder auf der Seite ausgehöhlt war.
Die Kkidung. Auf dem Gebiete der materiellen Kultur
der verschiedenen Völker sind gewöhnlich die Nationaltrachten
das Originellste. In Firnland können diese heute als vollständig
ausgestorben gelten. Wenigstens seit der ersten Hälfte des 16.
Jahrhunderts, d. h. soweit die gegenständlichen oder gcschicht=
liehen Reminiszenzen an die Trachten in den westlichen und
südlichen Teilen des Landes zurückgehen, ist in den finnischen
Volkstrachten ein starker Einfluss wcstländischcr Kulturstile zu
konstatieren. Die Männer trugen noch in der ersten Hälfte
des 19. Jahrhunderts Kniehosen und schöne Zwickelstrümpfe,
Schnallenschuhe und Surtout. Die Frauen hatten entweder eine
leinene Haube, die an die entsprechende Kopfbedeckung der
Frauen der Bretagne erinnerte, oder eine gestickte seidene Mütze,
grosse seidene Kopf= u.nd Schultcrtücher und ähnliche Fuss=
bekleidung wie die Männer. Als Besonderheit ist zu erwähnen,
dass der Rock und die Jacke der Frauen und die Westen der
Männer aus breit= und buntgestreiftem hausgewebtem wollenem
oder halbwollenem Stoff gemacht wurden, dessen Farbenpracht
oft grossartig vxar. Schon im 18. Jahrhundert wurden für die
Bräute in den südlichen und westlichen Teilen des Landes ähr =
liehe Stanniolkroncn angefertigt wie in Deutschland.
Die alten volkstümlichen Kleidermoden erhielten sich lange
in Süd=Karelien, im Län Wiborg, wo die verschiedenen Kirch=
spiele oder Gcrichtsbezirke oft ihre eigene Tracht hatten. Aber
auch sie unterlagen d. m Wechsel der Mode. Eine interessante
Tatsache ist es, dass die Frauen in den dortigen Kirchspielen
94
noch im Anfang des 19. Jahrhunderts eine Oberkleidung trugen,
welche wie in Litauen und in einigen Teilen der Ostsecpro=
vinzen aus zwei verschiedenfarbigen Zeugstücken zusammcn=
gesetzt war, von welchen das eine an Tragebändern auf der
einen, das andere auf der anderen Schulter hing, und von
welchen das untere nur in einer Öffnung, welche das obere
in der einen Armhöhle unbedeckt liess, zum Vorschein kam.
Die Kleidungsstücke wurden von einem schönen kupferbe=
schlagenen Gürtel in den Hüften zusammengehalten.
Der Kopfputz der karelischen Mädchen und Frauen war
sehr interessant. Der der Mädchen, den die mit Bändern
umwickelten, über den Scheitel in Bögen zusammengefassteii
Zöpfchen bildeten, geht bis in die heidnische Zeit zurück.
Ebenso die Kopfbedeckung der Frauen, grosse leinene hauben=
förmige Tücher, deren mannigfaltige Formentwicklung zu den
anziehendsten Erscheinungen der finnischen Ethnographie gehören.
Die Handarbeiten. Die Webekunst war im Westen viel mehr
entwickelt als im Osten. Ihre eigenartigsten Erzeugnisse waren
die als Decken und bei festlichen Gelegenheiten auch als Tapeten
verwandten gewebten Tcppiche, welche schon im 16. Jahr=
hundert u. a. für den Export nach Schweden hergestellt wurden.
In diesen mit geometrischen Figuren, Blumen, Menschen= und
Tierbildern verzierten Erzeugnissen der Weberei herrscht eine
der Zeit entsprechende Harmonie und Pracht der Farben, die
oft ihresgleichen sucht. Andererseits gehören zu den bemer=
kenswertesten Erscheinungen der volkstümlichen Textilindustrie
Finnlands die karelischen Zierstickereien mit geometrischen Stil=
formen, mit welchen die Frauen dieser Landschaft wie auch
verschiedener anderer finnischer Stämme die Bruststücke ihrer
Hemden, die Kragen ihrer Sommerjacken und die Griechisch^
katholischen ihre Kopfbedeckung schmückten.
Die Wohnung, Die volkstümliche Wohnung der Finnen
bild' ten die Rauchstuben, welche heute fast überall schon der
Vergangenheit angehören. Im südwestlichen Teile Finnlands, in
Satakunta und Süd=Tavastland, wo die Rauchstuben schon im
Ar.fang des 19. Jahrhunderts entweder ganz oder zum grösstcn
Teil verschwunden waren, findet man bei den Bauern heutzu=
tage Wohnungen, welche mit ihrem Empfangszimmer und ihrer
Fremdenstube ziemlich hohen Anforderur.gcn genügen. In Savolax,
Kardien, in M.ttel= und Nordfinnland waren die Rauchstuben
stellenweise noch vor einigen Jahrzehnten verhältnismässig häufig.
Oft waren einander gegenüber zwei Rauchstuben gebaut, welche
ein zwischenliegendcr Hausflur voneinander trennte. Die klci=
nere Rduchstube diente im Winter als Esszimmer. Bisweilen
siedelte man sogar in dieser Jahreszeit in dieselbe über, wenn
man durch Hereinlassen der Kälte die Schwaben in der Wohr.«
Stube töten wollte.
Die Möbel. Wir können uns denken, dass die Möbel in
Wohnungen, deren oberer Teil sich beim Heizen täglich mit
Rauch füllte und in denen ein beständiges Halbdunkel herrschte,
die einfachsten sein mussten. Ein Tisch in der Hinterecke
dem grossen Steinofen gegenüber, der einen offenen Feuerherd
und einen Backofen hatte, Bänke an den Wänden und eine
freistehende Bank vor dorn Tisch, hier und dort an den
Wänden Holzpflöckc für die Kleider, einige aus Kienspänen
gemachte Körbe, welche als Wandschrank fungierten, die Hori=
zontalbalken unter der Decke als Aufbewahrungsort der Kicr.=
späne und des Nutzholzes und ab Trockenplatz der Schlitten=
kufen. Auch die übrige bewegliche Hdbe war von einfacher,
schlichter Arbeit, ausgenommen einige Effekten der Frauen, wor=
auf ein liebendes Herz anspruchslose Verzierungen angebracht
hatte.
In den westlichen Teilen des Landes, auf Aland und in der
Gegend von Wa5a fing schon im Anfang des 18. Jahrhun=
derts die schwedische Geschmacksrichtung an Boden zu gc=
winncn, welche grosse Sorgfalt auf die Verschönerung des
Hauses verwandte. Die Tischlcrkunst hob sich bedeutend im
Volke. Man begann Möbclformen von eigenartigem Gepräge
zu schaffen, und zuletzt, in der zweiten Hälfte des 18. Jahr=
hunderts, als sich die Ornamentik entwickelte und man den
Pinsel zu Blumenmalereien anzuwenden lernte, entstanden Bauern=
hausinterieure, welchen eine bemerkenswerte kunstgewerbliche
Bedeutung zukam. Die Stilform drang von der Küste aus all»
mählich landeinwärts.
Dass man jedoch auch schon in alten Zeiten Aufmerksam»
keit auf das dekorative Äussere von Gegenständen zu verwen-
den verstand, welche mehr als andere ins Auge fielen und
eine grössere Ehrcnstc'le einnahmen, zeigt die Armbrust, deren
Hornbeschläge mit zierlich ausgeführtem geometrischem Kerb=
schnitt verziert waren.
96
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Neben dieser Ornamentik wurde im Mittelalter und in den
ersten Jahrhunderten der neuen Zeit als Erbe der heidnischen
Zeit die sog. Bandornamentik verwandt. Aus Skandinavien
brachte die neue volkstümliche Stilform im Anfang des 18.
Jahrhunderts nach den westlichen Teilen Finnldnds das Roset=
ten= und das Bogensternmotiv, welche, zur Kerbschnittcchnik
gehörend, alsbald in den westlichen, südlichen und mittleren
Teilen des Landes eine ungeheure Verbreitung fanden. In der
Gegend von Wasa, sowohl auf dem Festlande als auch in den
Schären, wurde auf dieser Grundlage eine prachtvolle Orna=
mentik geschaffen, mit der viele von grosser Routine zeugende
Arbeitswerkzeuge der Frauen, wie Knockenbretter, Rollstühlc
und Mangelbretter verziert sind.
Die Arbeitswerkzeuge. In manchen Fällen scheint der Un=
terschied, welchen man zwischen dem Kulturinvcntar West= und
Ostfinnlands bemerkt, in verhältnismässig ferne Zeiten zurück=
zugehen. So ist es z. B. mit den Ackerbaugerätschaften, deren
wichtigstes Werkzeug, der Pflug, im Osten derselbe war und
zum Teil noch ist wie in einem grossen Teil von Osteuropa,
und im Westen derselbe wie in Skandinavien und überhaupt
auch in anderen westeuropäischen Ländern.
Der Pflug der Karelier, wovon die Abbildung einen guten
Begriff gibt, war in seiner ursprünglichsten Gestalt eine nicht
mit Eisen versehene, unter anderem mit Weidenbändern an den
Deichselstangen befestigte Astgabel, deren Spitzen zwei parallele
niedrige Furchen in den Boden zogen, ohne die Erde umzu=
wenden. Natürlich konnte er die dünne Oberfläche des ge=
schwendeten Landes nur leicht aufschürfen, eine Kulturmc=
thode, die noch bis tief in das 19. Jahrhundert im grössten
Teil von Mittel=, Ost= und Nordfinnland von grösster Wich=
tigkeit war. Viel besser war auch der einschneidige Pflug der
Westfinnen in seiner einfachsten Form nicht gewesen.
Die finnische Badestube. Obgleich die Sauberkeit in den
finnischen Rauchstuben nicht zu rühmen war, muss doch aner=
kannt werden, dass die Finnen für die Reinlichkeit ihres Kör=
pers Sorge trugen. Wenn sie von schwerer Arbeit heimkamen,
sei es im Sommer oder im Winter, gingen sie gern, um die
schwcissige Haut zu säubern, in die Badestubc, welche die
Hausfrau oder ein anderes weibliches Wesen des Hauses ge=
heizt hatte. In einigen Teilen des Landes gewann diese Sitte
eine solche Macht, dass man die Badestube Abend für Abend
aufsuchte. In diesen Gegenden, zu welchen die abgelegenen
Orte zum Teil noch gehören, war der Besuch der Badestube
eins der grösstcn Vergnügen des Waidbewohners, im übrigen
waren mit der Badestube manche wichtige Begebenheiten im
Leben des Einzelnen verbunden. Dort begrüsste das Kind
zum erstenmal die Welt, dort knüpfte das junge Volk während
der langen Abcndunterhaltungen im Herbst, in welchen man
den Flachs brach und Malz bereitete, Liebesbunde; dort suchte
der Kranke in den hei:isen Wasserdämpfen Gesundung; dort
übte auch der Medizinmann seine geheimen Künste für die
Heilung seiner Klienten oder zum Prophezeien.
*
Isoliert von den meisten Völkern desselben Stammes leben
die Finnen eingeschlossen zwischen den Skandinaviern und den
Slaven. Der besondere Charakter, welcher schon an sich im
Volke kräftig ausgeprägt ist, wird hierdurch noch mehr her=
vorgehoben. Das Volk und das Volksleben spiegeln in manchen
Beziehungen die Eigenschaften der heimischen Niatur wieder.
Der karge Boden, welcher nur mit grossen Anstrengungen einen
massigen Ernteertrag zu liefern gezwungen werden kann, hat
ein arbeitsames und mit wenigem zufriedenes Volk auferzogen.
Der lange strenge Winter, welcher viele Monate hindurch die
Natur in Fesseln hält, spiegelt sich in der nachdenklichen
ruhigen, ja trägen Gemütsart des Volkes. Der Kampf mit der
harten Natur entwickelt Zähigkeit und Eigensinn, Charaktcr=
züge, welche bei diesem kleinen Volke, dem Nachbar eines
mächtigen grossen Volkes, Lebensbedingungen gewesen sind und
immer bleiben werden.
Schwedischsprechende Bevölkerung.
Das Siedclungsgcbiet der schwedischsprechenden Bevölkerung
Finnlands beschränkt sich auf verhältnismässig schmale Küsten=
streifen in den Landschaften Nyland (Uusimaa), Eigentliches
Finnland {Varsinais=Suomi) und Osterbotten (Pohjanmaa) mit
den davor gelegenen Schären und umfasst ausserdem das ganze
Aland. Eine scharfe Grenze lässt sich zwischen den Gebieten
98
der finnischsprechcndcn und der schwedischsprcchcnden Bevö!ke=
riing nicht ziehen; die Grenzgegenden sind nämlich meist, ausser
in Osterbotten, zweisprachig. Ausserdem spricht in allen Städten
wenigstens ein Teil der Einwohnerschaft Schwedisch. Die Anzahl
der schwedischsprcchcnden Bewohner Finnlands betrug im Jahre
1910 338,961 (11,6 %), wovon 107,955 in Städten. Auf dem Lande
waren die Zahlen in den Länen Nyland (Uusimaa) 85,019, Äbo
u. Björneborg (Turku u. Fori) 48,045 und Wasa (Vaasd) 92,001.
Es fehlen Nachrichten über die Sprachverhältnisse älterer Zeiten;
erst vom Jahre 1865 an stehen über die Menge der schwedisch=
sprechenden Bevölkerung zuverlässige Angaben zur Verfügung.
Nach diesen hat sie sich in den unten angegebenen Jahren auf
folgende Zahlen belaufen:
Im
ga
nzen Lar
ide
1865
1880
1890
1900
1910
256,000
294,876
322,604
349,733
338,961
138,9
143,2
135,6
128,9
1 16,0
In den Städten:
1ÖÖ5
1880
1890
1900
1910
65,725
74,491
97,267
107,955
382,0
333,7
284,7
252,8
Auf dem Lande:
229,151
244,113
152,466
231,006
121,4
113,8
106,5
92,6
"1
/oo
Es ist zu beachten, dass die Zahlen des Jahres 1910 sich nur
auf die »anwesende» Bevölkerung beziehen, also nicht auf Personen,
von denen schon seit langer Zeit Angaben fehlen oder die sich
mindestens von Anfang des Jahres 1906 an nicht in ihrer Gemeinde
aufgehalten haben.
Nachstehende Kartenskizze zeigt die jetzige und die frühere
Verbreitung der schwedischsprechenden Bevölkerung des Landes.
Zahlreiche Ortsnamen schwedischen Ursprungs in finnischsprachi=
gen Gegenden beweisen nämlich, dass sich das Siedelungsgebiet
der schwedischsprechenden Bevölkerung vormals viel weiter ins
Binnenland hinein erstreckte als heutzutage und den grössten Teil
der Küstengegenden Finnlands umfasste. Die Darstellung auf der
Karte ist selbstverständlich eine nur annähernd zutreffende. Die
heilere Schattierung zeigt die Kommunen an, vx'o die schwedisch»
sprechende Bevölkerung Spuren in den Ortsnamen (den sog. Kul=
turnamcn) hinterlassen hat. Auf diesem Gebiete haben also wahr»
scheinlich einmal Schvx/edischsprechendc gewohnt, es ist aber an=
zunehmen, dass sie in den meisten Gegenden nur eine kleine
Minderzahl gebildet haben.
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Die dunklere Schattierung zeigt das jetzige schwedische Siedelungsgebiet,
die hellere das mutmassliche frühere Gebiet dieser Siedelung an.
Wann die Verfinnischung in den verschiedenen Gegenden statt=
gefunden hat, lässt sich nicht annähernd feststellen; in den einen
Gegenden hat sie sich wahrscheinlich im 18. oder im 19. Jahrhun=
dert vollzogen, in anderen aber vor vielen hundert Jahren. Von
Ortsnamen, die auf schwedische Besicdelung hindeuten, mögen als
Beispiele folgende angeführt werden: in Nyland Pampyöli (veralt.
Bamböle), Brakila (1571 Braxby) im Kirchspiel Vchkalahti, /?ao/o
(Rä^hog,) Klaukkala (Klövskog) im Kirchsp. Nurmijärvi, Kark=
kalniemi iSkarkaln) im Kirchsp. Karjalohja; in dem Län Abo —
Björncborg Makarla (1540 Makaiböle) im Kirchsp. Pernio, Tiipeli
(schwcd. Tibble) im Kirchsp. Kiikala, Raunistula (schwed. Ragna=
stad) im Kirchsp. Maarid, Järsta (Schwcd. Järstad) im Kirchsp.
Eura; in Osterbotten Komsi (veralt. Gumse) im Kirchsp. Teuva,
Poti (veralt. Boddeby) im Kirchsp. Laihia, Punkari (veralt. Punge=
mahar) im Kirchsp. Ylistaro, Rankila (veralt. Strang) im Kirchsp.
Vimpcli, Räyrinki (veralt. Röringe) im Kirchsp. Veteli.
Die Frage nach dem Zeitpunkte der Einwanderung der Finnen
in Finnland ist nicht endgültig entschieden, die meisten Forscher
aber nehmen an, sie sei in der älteren Eisenzeit geschehen; wahr=
scheinlich begann sie spätestens schon um Christi Geburt. Das
Land war noch wenig bewohnt, und die Ankömmlinge liessen sich
in ungefähr denselben Gegenden nieder, wo früher Skandinavier
wohnten. Unter den archäologischen Funden kommen nämlich
jetzt Gegenstände vor, die einen anderen, ostbaltischen Einfluss
aufweisen, und sichtlich sind das Erinnerungen an die aus den
Ostseeprovinzen nach dem südwestlichen Teil unseres Landes
übergesiedelten Finnen. Die Finnen scheinen dann allmählich
immer mehr Boden gewonnen zu haben, und das skandinavische
Siedclungsgebiet scheint in demselbenMasse zusammengeschrumpft
zu sein, sodass in der jüngeren Eisenzeit die alten Kulturgegendcn
Westfinnlands von Finnen bewohnt waren. — Die Siedelungsfrage
Finnlands ist aber noch streitig und lange nicht genügend erforscht.
Im amtlichen Verkehr kommt neben dem Finnischen das Schwe=
dische zur Anwendung. Im kulturellen Leben kommt der letztge=
nannten Sprache, obwohl die schwcdischsprechende Bevölkerung
nur 11,6 % von der Gesamtbevölkerung des Landes zählt, auf
Grund der geschichtlichen Entwicklung eine bemerkenswerte Stel=
lung zu. Der Unterricht an der Universität und an derTechnischen
Hochschule wird in beiden Landessprachen erteilt, und namentlich
unter der Lehrerschaft der Universität sind die Schwedischsprechcn=
den gegenwärtig stärker vertreten als die Finnischsprechenden. Im
Geschäftsleben und in den finanziellen Instituten haben die Schwc=
dischsprechenden bis in die letzte Zeit eine leitende Stellung ein=
genommen.
Bevölkerung und Siedelung.
Ende 1917 wurde die Gesamtbevölkerung Finnlands
auf 3,346,853 Personen berechnet. Das finnische Volk bildet
also nur einen kleinen Bruchteil der Volkszahl der Erde und
nicht einmal ein Hundertstel von der Einwohnerzahl Europas.
Die Bevölkerung Finnlands stellt jedoch infolge der Wirtschaft»
liehen und kulturellen Faktoren ihrer geschichtlichen Entwicklung
ein selbständiges Ganzes dar. Dies ergibt sich auch, wenn man
sie unter dem Gesichtspunkt der Demographie betrachtet. In
den Wandlungen der Bevölkerung spiegelt sich nicht nur der
Einfluss der Verhältnisse, unter denen das Volk jeweils lebt,
wieder, sondern in verschiedener Weise, bezüglich der Siede=
lungsform, der Alters= und Berufsgruppierung und der sozialen
Verhältnisse der Bevölkerung usw., auch die Spuren ihrer frü=
heren Schicksale. Die künftige Entwicklung wiederum ist in
hohem Grade von den Vorbedingungen abhängig, die der jeweilige
Stand der Bevölkerungsverhältnisse bietet. Im Vergleich zu seinem
ausgedehnten Areal hat Finnland eine sehr spärliche Bcvölke=
ruiig. Die Bevölkerungsdichtigkeit beträgt auch heute nicht
mehr als 10,0 Menschen auf i km''. Die spärliche Bevölkerung
beruht allerdings zum grossen Teil auf den klimatischen und Na=
turverhältnissen und sie ist jedenfalls dichter, als es auf demselben
Breitengrade sonst im allgemeinen der Fall ist. Andererseits hängt
die Volkszahl und noch mehr ihre örtliche und anderweitige Grup=
pierung aber auch von dem wirtschaftlichen Entwicklungsstadium
ab und bringt dieses zum Ausdruck. So verhält es sich auch mit
der V'olkszahl Finnlands, wenn man sie während der Jahrhunderte
verfolgt.
Zu Beginn der Neuzeit, wo in Finnland neben dem Ackerbau
umfangreiche Brandwirtschaft, Jagd und Fischerei getrieben wur=
den, wurde die Volkszahl (1571) etwa auf 300,000 veranschlagt.
Und auch während der folgenden Jahrhunderte zeigt sie keinen
nennenswerten Zuwachs. 1650 wird die gezählte Bevölkerung auf
450,000 geschätzt, und 1695, kurz vor den schweren Missernten
der Jahre 1696 — 97 auf etwa 500,000. Während dieser Missernten
und des darauf folgenden Grossen Unfriedens ging die Volks=
zahl wieder erheblich zurück. Im Jahre 1 747, für das die Bevölkerung
Finnlands zum erstenmal ziemlich genau berechnet werden kann.
hatte sie jedoch den obigen Betrag überholt, indem sie in dem zu
Schweden gehörigen Teile des Landes 414,487 und in dem Alten
Finnland, welches unter Russland fiel, 1754 1 19/578 Personen
betrug, also zusammen 534,065 Menschen. Um diese Zeit hatte
in der Tat eine starke Zunahme der Rodungsflächen angefangen,
wodurch die Volkszahl im Laufe der folgenden 100 jähre mehr
als um das Dreifache wuchs.
Einen Überblick über die erwähnte Entwicklung der Bevölke=
rung Finnlands geben folgende Zahlen:
Personen
Volkszahl
auf 1 km"
1571
etwa
300,000
0,9
1650
)>
450,000
1,4
1695
)>
500,000
1,5
1749 (54)
»
534,065
1,6
1815
»
1,117,754
5,4
1850
i>
1,636,915
4,9
1900
»
2,712,562
8,2
1917
i>
3,346,853
10,0
Von 1749 an lässt sich die Entwicklung der Bevölkerung Finn=
iands im Lichte der Statistik im einzelnen verfolgen. Dieser Zeit=
abschnitt ist in der Tat in demographischer Hinsicht für Finnland
besonders wichtig, denn während dieser Zeit hat' sich der jetzige
Stand herausgebildet, und derselben entspringen auch die Richt=
linien, die die Entwicklung gegenwärtig einzuschlagen scheint.
Während dieser Periode von über anderthalb Jahrhunderten ist
die Zunahme der Bevölkerung verhältnismässig schnell erfolgt,
mit etwa 11 Personen jährlich auf je 1000 Personen der Bevölke=
rung. Die Vermehrung ist jedoch nicht unaufhörlich fortgeschrit=
ten, sondern sie ist durch Missernten, Epidemie= und Kriegsjahre
zeitweise unterbrochen worden. Derartige Störungen traten ausser
in den 1780er und 1830er Jahren vor allem 1808 — 09 und 1866 — 68
ein, von denen sich insbesondere die letztgenannten Missjahre in
der Entwicklung der Bevölkerung Finnlands sehr stark fühlbar
machten, indem sie eine Verminderung der Volkszahl um 115,707
Personen bewirkten. Noch heutigen Tages ist der Einfluss dieser
Jahre auf die Bevölkerungsverhältnisse des Landes daraus ersieht»
lieh, dass die in diese Jahre fallenden Altersklassen viel weniger
zahlreich sind als die der zunächstliegenden Jahre.
Diese durch äussere Umstände hervorgerufenen Verluste, so
schwer sie auch waren, konnten aber doch die allgemeine auf=
steigende Kurve der Entwicklung jener Zeit nicht ändern. Das
Wachstum der Bevölkerung war nicht die ganze erwähnte Zeit
hindurch gleich schnell. Im 18. Jahrhundert war es sehr kräftig,
im 19. liess es dagegen etwas nach. Nach den Missernten der
1860er Jahre ist die Intensität des Nachwuchses wieder im Steigen
begriffen, während sie in den allerletzten Zeiten etwas zurückge=
gangen ist. Von den Veränderungen in den Bevölkerungsverhält=
nissen Finnlands während des erwähnten Zeitraumes sind die in
der lokalen Gruppierung der Bevölkerung die wichtigsten. In der
Mitte des 18. Jahrhunderts bestanden inbezug auf die Bevölke=
rungsdichtigkeit grosse Differenzen zwischen den verschiedenen
Teilen des Landes. Die alten Erblande der finnischen Stämme,
das Wohngebiet der »eigentlichen» Finnen, Tavasten, Karelier und
der schwedischen Bevölkerung an der nyiändischen Küste waren
verhältnismässig dicht bevölkert, durchschnittlich 6 — 10 Personen
auf 1 km-. Etwas spärlicher war die Bcsiedelung des südlichen
Savolax und der mittelösterbottnischen Küstcnkirchspielc. Die
übrigen Teile des Landes, die alten Jagd= und Fischereigebiete
der finnischen Stämme, die »Einöden», waren ebenso schwach
bevölkert wie heutzutage die entlegensten Gegenden von Lappland.
Die Entwicklung bis in die 1860 — 70er Jahre war bestrebt diese
Differenz auszugleichen. Die Bevölkerung wuchs nämlich in spär=
lieh besiedelten Gegenden, den Einöden, infolge der Urbarmachung
sehr rasch, weit langsamer dagegen in den schon lange besser
bevölkerten Erblanden. Während die Volkszahl in der Zeit von
1749 bis 1865 in den letztgenannten Gegenden kaum um das
Doppelte zunahm, vermehrte sie sich in den Odmarken um das
acht=, zehn=, ja zwölffachc. Während der letzten Dezennien, wo der
Zuwachs der Bevölkerung hauptsächlich auf der Vermehrung der
in der Industrie, im Handel und im Verkehr tätigen Menschen be=
ruht, ist die Konzentration der Bevölkerung in Form einer Vcr=
mehrung der Einwohnerzahl der Städte, Fabriksorte u. dgl. erfolgt.
Die Volkszahl der Städte war bis in die 1850er Jahre
im allgemeinen beinahe gleich schnell gewachsen wie die Gesamt=
bevölkerung, begann aber beim Anbrechen des kapitalistischen
Zeitalters stark zuzunehmen. Das Wachstum der Stadtbevölkerung
in Finnland geht aus der folgenden Tabelle hervor:
ufi
Mittagessen in einer Savolaxer Bauernstube.
Gemälde toq Venny Soldan-Brofelt.
Bauernweiber bei d-i ii...i;j .^,1! '. v.^.A,
Gemälde vun Albert Kdelteli.
P'V-
/^'
..^■
/./^♦"
Lappen aus Enontekiö.
Im Hintergrund ein Finne als Massstab.
■ A^
^
Fahrt im Renntierschlitten.
Gemälde von J, Kyylikynen.
Stadtbevölkerung % von der Gesamt=
bevölkerung
1571 etwa 8,000 Personen 2,7
1650 » 18,000 » 4,0
1749(54) 25,414 * 4,8
1815 » 54,887 » 4,9
1850 105,496 » 6,4
1900 -539,613 » 12,5
1917 528,515 |> 15,8
Näheres über Städte und Flecken s. Städte Finnlands.
Statistische Angaben über die Volkszahl und ihre Entwicklung
in Fabrik=, Eisenbahn^ und anderen Gemeinden fehlen leider.
Es ist jedoch zu erwähnen, dass im September 1916, zunächst auf
Grund der Steuerlisten, die Einwohnerzahl von 34 dichtbevölker=
ten Gemeinden zu 192,676 Personen berechnet wurde, von welchen
jedoch 100,000 auf die Villengemeinde Terljoki entfielen. Die
Einwohnerzahl der Städte nebst Vororten betrug nach auf densel=
ben Zeitpunkt bezüglichen Berechnungen 524,110 Personen, die=
jenige der Flecken 3,370 Personen. Im ganzen zählten die Städte
und die dichtbevölkerten Gemeinden 820,156 Einwohner oder
ca. 25 °o der Gesamtbevölkerung des Landes. Fabriksansiede=
lungen kommen besonders in Südfinnland, an den Wasserfällen vor;
von solchen seien vor allem die Industriegebiete des Vuokscn=
und Kymi=Flusses erwähnt. Unter anderem können die dicht=
bevölkertsten Fabriksorte Forssa, Kaukas, Valkiakoski, Billnäs,
Dalsbruk (Taalintehdas) angeführt werden. Von diesen bilden die
ältesten, welche früher Eisenwerke waren, selbständige Fabriks=
gemeinden. Durch den Verkehr hervorgerufene Bevölkerungs=
anhäufungen, in denen neben der Industrie auch der Handel und
Verkehr eine wichtige, zuweilen massgebende Rolle spielen, sind
die meisten grösseren Bahnknotenpunkte: Riihimäki, Hyvinkää
(Hyvinge), Kouvola, Toijala, Kerava, Seinäjoki, Karja (Karis),
und einige hervorragende Provinzhäfen, wie z. B. Laakspohja,
Sortanlahti, Strömma, Himanga, Rauma, Suolahti, u. a., sowie
einige Kirchdörfer mit besonders vorteilhafter Lage, z. B. Lohjan=
nummi, Pargas=lVlalm usw.
Auch wenn man die Entwicklung der Bevölkerung in den heu =
tigen Länsgebieten betrachtet, gewinnt man daraus ein Bild von
dem Wandel der in Rede stehenden Siedlungsverhältnisse, wenn
auch ein weniger deutliches. Die untenstehende Tabelle wird dar=
über Aufklärung geben.
Auf die Zahl der zwei wichtigsten in Finnland ansässigen,
sprachlich verschiedenen Volkselcmcnte hat diese Entwicklung von
1 ','2 Jahrhunderten einen sehr bedeutenden Einfluss ausgeübt.
Die Wohnsitze der schwedischen Bevölkerung in Nyland und
in den Schären des Läns Abo gehörten schon im 17. Iahr=
hundert zu den bestbcsicdelten Gegenden unseres Landes, ihre
Bevölkerungszunahme ist seitdem eine langsame gewesen, und das
schwedische Volksclement, dessen Anteil um 1750 auf etwa 16%
von der Gesamtbevölkerung geschätzt wurde, war schon 1880 auf
14/3 % heruntergegangen. Das finnische Volkselement ist dagegen
schneller gewachsen. Wie die finnische Bevölkerung sich nach
den verschiedenen Sprachen 1880 und 1910 gruppierte, geht aus
folgenden Zahlen hervor:
1880
'0
1910
%
Personen
Personen
Finnischsprechende
1,756,381
85,3
2,571, «45
88,0
Schwedischsprechcnde
294,876
14,3
338,961
11,6
Russen
4/>95/
0 ,2
7,339
0,2
Deutsche
1,720
0,1
1,794
0,1
Andere
3,610
0,1
1,958
0,1
In der letztgenannten Gruppe sind enthalten Lappen: 1880
961 und 1910 1,659 Personen. 1910 war die Muttersprache von
194,000 Menschen nicht ermittelt. — Zu den eigentlichen Wohngc=
bieten der schwedischen Bevölkerung gehören die Küstengegenden
von Nyland und Süd=Osterbotten und die Schären von Äbo und
Aland. Von der Stadtbevölkerung stellen die Schwcdischsprcchen»
den einen verhältnismässig grösseren Teil als von der LandbevöU
kerung (1910 waren 25,2 "'„ von der Stadtbevölkerung Schwedisch»
sprechende). Russen und Deutsche wohnten hauptsächlich in den
Städten. Die Zahl der Russen ist in Wirklichkeit grösser, als die
amtliche Statistik angibt, denn sie umfasst weder das Militär noch
die Bevölkerung der Petersburger Villcngemeinden auf der Kare=
lischen Landenge.
Hinsichtlich der Konfession ist die Bevölkerung Finnlands
sehr einheitlich. Die Lutheraner machen 98,2 % von der Gesamt»
106
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Bevölkerungs:
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bcvölkcrung aus, die Gricchisch=Katholischen (vorzugsweise in den
Läncn Wiborg und Kuopio) nur t,7%, die Bckenner anderer Kon =
fessionen und die Sektierer zusammen nur 0,1 %.
So wenig beweglich die Zusammensetzung des Volkes wäh =
rend der letzten zwei Jahrhundertc in konfessioneller Beziehung
geblieben ist, so erheblichere Verschiebungen haben in der be=
r u f 1 i c h e n und sozialen Zusammensetzung stattgefun»
den. Die Landwirtschaft und ihre Nebenbeschäftigungen bilden seit
Jahrhunderten den Haupterwerbszweig des finnischen Volkes. Ivlan
kann aus der Statistik von 1749 berechnen, dass damals 79,2 % von
der Gesamtbevölkerung Sch\vcdisch=Finnlands dem Kreise dieses
Erwerbszweiges angehörten. Noch 1865 gibt die Statistik für
die landwirtschaftliche Bevölkerung ungefähr dieselbe Zahl an,
d.h. 79,4 % von der Gesamtbevölkerung. Seitdem hat aber die in
der Industrie und dem Verkehr beschäftigte Bevölkerung rasch
zugenommen, und der relative Anteil der agrarischen Bevölkerung
an der Gesamtbevölkerung ist zurückgegangen, obgleich die abso=
lute Menge dieser Bevölkerung gewachsen ist. Diese neuere
Bevölkerungsentwicklung ist in Finnland, wie schon aus der relativ
geringen Zahl der Stadtbevölkerung klar hervorgegangen ist, noch
ziemlich schwach, sodass der Ackerbau mit seinen Nebenerwerben
immer noch der grossen Mehrheit der Bevölkerung des Landes ihr
Auskommen bietet.
Die Berufsgruppierung der Bevölkerung im jähre 1910 ist aus
der folgenden Tabelle ersichtlich:
Gewerbe oder Beruf
Personen '/o
i.9'57,i98 66„
357,220 12,J
84,751 2,,
64.589 2..
74,75" ! 2„ i
50,562 l„
176,401 6,0
69,771 i 2,4
106,754 1 3„ 1
2,921,197 100,0
Industrie
Handel
Oft'cntliche Tätigkei» und freie Berufe
Lohnarbeit wechselnder Art
Ohne Beruf oder unbekannten Berufs ...
Über den Beruf von 194,000 Personen, die sich nicht in ihrem
Heimatskirchspiele aufhielten, gibt die Bevölkerungsstatistik
keine Auskunft. Die Zahl der industriellen Bevölkerung dürfte
108
in der Statistik von 1910 auch etwas geringer sein als in Wirklich=
keit. — In der sozialen Gruppierung der Bevölkerung, namentlich
der landwirtschaftlich tätigen, haben jedoch grosse Veränderungen
stattgefunden, die in den Hauptziffern der Gewerbestatistik nicht
zum Ausdruck kommen. Im 18. Jahrhundert bildeten das Haupt=
dement der landwirtschaftlichen Bevölkerung die grundbcsitzcn=
den Bauern; die Kötner und Häusler waren nur ein kleiner Bruchteil
davon. Bis in das zweite Drittel des 19. Jahrhunderts vermehrten sich
jedoch die unselbständigen Bestandteile der agrarischen Bevölke=
rung sehr schnell, während die Bauernbevölkerung bedeutend lang=
samcr zunahm. 1749 gab es in Schwedisch = Finnland 31,000
eigentliche Bauern, 3,000 Kötner und einige Tausende von Häus=
lern. 1805 war die Anzahl der Kötner schon 25,000. Die Entwick=
lung der drei grossen Gruppen der Landbevölkerung im 19. Jahr=
hundert verdeutlichen die folgenden Zahlen:
1815
i84o
186?
R,.,^,^ KÄt„», Häusler, Einlieger,
Bauern Kotner Instleute
77,'36z 51,001
83,847 45,195
87,385 63,002
«9,472
38,423
52,383
Seit dem letztgenannten Jahre ist die Zahl der Kötner nicht mehr
nennenswert gestiegen, dagegen wächst die Menge der Häusler und
der ganz unbegüterten Bevölkerung sehr rasch an. So ist in Finn=
land [gerade zu dem Zeitpunkt, wo das Land in das Stadium des
kapitalistischen Wirtschaftslebens eintritt, ein zahlreicher unselb=
ständiger Bevölkerungsteil entstanden, den die eigentliche Land=
Wirtschaft nicht mehr zu ernähren vermocht hat, obgleich er sich
noch zu der landwirtschaftlich tätigen Bevölkerung rechnet. Diese
grosszügige Entwicklung in der sozialen Gruppierung der Land=
bevölkerung bildet nicht nur den Ausgangspunkt der modernen
sozialen Frcgcn, sondern erklärt auch manche andere Erscheinung
in den gegenwärtigen Bevölkerungsverhältnissen (Auswanderung,
Binnenwanderung).
Ebenso wichtig wie die obenberührten äusseren Fakioren sind für
die Kenntnis unseres Volkes Aufschlüsse über seinen inneren Bau,
seine Altersklassen, Eheschliessungen u. a. sowie über die jährlich
durch Geburten, Todesfälle usw. veranlassten Veränderungen
Auch auf diesem Wege kommt man zu dem Resultat, dass unser Volk
im Laufe der zwei )ahrhundcrte, während deren sein bevölkerungs=
statistischer Bau sich \crfolgcn lässt, grosse Umwandlungen erlitten
hat.
In der Altersgruppierung erscheint als besonders
auffallender Zug der Zuwachs des relativen Anteils der arbeitsfähigen
mittleren Altersklassen. Hingegen zeigt der Anteil der fünf jüngsten
Altersklassen der Gesamtbevölkerung einen gewissen Rückgang. Von
1,000 Personen waren nämlich durchschnittlich :
unter ; Jahren
ly — 60 Jahre alt
.63
153
140
130
128
537
575
584
573
570
'75"
1800
1850
1900
1910
Der in letzter Zeit zu beobachtende Rückgang des relativen An=
teils der 1 5 — i6=jährigen ist offenbar zum Teil auf die Zunahme der
alten Leute zurückzuführen. Von 1000 Personen waren nämlich im
J. 1870 über 60 Jahre alt durchschnittlich 64, 1902 aber 82 und 1910
schon 88. Das Durchschnittsalter des finnischen Volkes erhellt
schon aus diesen Zahlen. So war in der Tat die durchschnittliche
Lebenszeit für einen neugeborenen Knaben, die in den i86oei
Jahren 36 Jahre gewesen war, in den 1890er Jahren 43 Jahre und
in der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts 45 Jahre.
Von den beiden Geschlechtern erscheint das weib=
liehe allerdings zahlreicher, seine Überzahl ist aber seit ändert»
halb Jahrhunderten im Abnehmen begriffen, wenn sie auch infolge
von Kriegsjahren und Missernten zeitweise zugenommen hat. im
J. 1750 kamen auf 1,000 Männer 1,101 Frauen, 1800 1,056, 1900
1,021 und 1910 nur 1,014. Auf dem Lande gab es schon im Ietztgc=
nannten Jahre in allen anderen Länen mehr Männer als Frauen
ausser in Nyland und Äbo=Biörneborg. Unveränderlich ist auch die
Zivilstandsgruppierung der Bevölkerung nicht geblieben. Hicrfin=
det man nämlich deutlich ein Wachstum für die Anzahl der Le=
digen, während der Anteil der Verheirateten an der Gesamtbcvölke=
rung zurückgeht. Auf 1,000 Personen kamen nämlich im Durch»
schnitt:
175«
Ledige
Verheiratete
Witwen und
Geschiedene
571
375
56
tSoo
597
753
50
1850
500
342
59
1900
611
334
55
1910
621
324
55
Ledige finden wir in den Städten zahlreicher vor als auf dem Lan=
de, und überhaupt scheint die grosse Zunahme der Ledigen mit der
Entvwicklung des modernen Wirtschaftslebens (mit der berufsmäs=
sigen Arbeit der Frauen) im Zusammenhang zu stehen. Die Be=
deutung, die die soeben angeführten Umwandlungen für den Auf=
bau der Bevölkerung hatten, ist natürlich mannigfach, und zwar
nicht nur für die künftige wirtschaftliche und moralische Entwick=
ung unseres Volkes, sondern unter anderem auch für seine Ver=
mehrung und seinen Wohlstand. Die Bedeutung des Aufbaus der
in den erwähnten Beziehungen veränderten Bevölkerung erscheint
etst im richtigen Lichte, wenn wir sie an der Hand der bcvölkerungs=
statistischen Faktoren betrachten, die jene Veränderungen veran=
lasst haben.. Die Zivilstandsgruppierung der Bevölkerung ist ja
ein Ergebnis der in vorangehenden Jahren geschlossenen und auf=
gelösten Ehen, zunächst und hauptsächlich der geschlossenen Ehen.
Schon der Rückgang der relativen Anzahl der verheirateten Bevöl=
kerung zeigt, dass die Zahl der eingegangenen Ehen abnimmt.
Die Bevölkerungsstatistik Finnlands lässt dies auch ganz deutlich
erkennen. Auf 1,000 Personen der Bevölkerung entfielen jährlich
neue Eheschliessungen, wie folgt:
«751—55
1801 — 05
1851—55
9,9
7,8
7,7
90
7,3
1900
10 i
7,0
6,5
Die Abnahme der Eheschliessungen in Finnland in den letzten
Dezennien, eine Erscheinung die übrigens auch in den anderen
nordischen Ländern festgestellt wird, hat die Eheschliessungszahl
unseres Landes unter das europäische Durchschnittsniveau herabge=
drückt. Der fragliche Rückgang erscheint in allen Länen Finnlands,
am weitesten ist er im Län Wasa fortgeschritten, wo er, wenigstens
Eum Teil, durch die Auswanderung hervorgerufen sein dürfte. —
Der in der Altersgruppierung der Bevölkerung merkbare Rückgang
der relativen Zahl jüngerer Altersklassen ist offenbar auf die
Geburtenabnahme zurückzuführen, welche ihrerseits vwieder
zum Teil, wenn auch nicht ausschliesslich, auf der Minderung der
Eheschliessungen beruht. Auch die Geburtenzahl ist seitdem 17.
Jahrhundert beständig im Sinken begriffen, obgleich die Abnahme
erst in den letzten Zeiten ein besonders schnelles Tempo auf=
zuweisen hat, wie aus den untenstehenden Ziffern hervorgeht. Auf
1,000 Personen der Bevöikcruni::; kamen Geburten:
1751—55 45.3 1881—90 35,0 I
1801— oy 78,4 1891 — 1900 52,j I
I 1851—55 ?6,3 1901-10 31,,
1913 war die Geburtenzahl nur noch 27,1. in den Städten
betrug sie nicht mehr als 21,9, auf dem Lande 28,1. Das Sin=
kcn der Geburtenzahl ist eine allgemeine Erscheinung der Gcgcn=
wart und ist in Finnland noch nicht so entwickelt wie in
vielen anderen Ländern Europas. Auch in Finnland lässt es sich
in allen Läncn feststellen, vorläufig am schwächsten für Wiborg,
Kuopio und Ulcaborg, am stärksten für ^slyland, Äbo u- Björnc=
borg und Wasa, trotzdem z. B. in dem letztgenannten Län die
Geburtenzahl noch in den 1880er Jahren die grösstc im ganzen
Lande war. — Ausser vom Rückgang der Ehcschlicssungen rührt
die Geburtenabnahme in Finnland auch von der Minderung der
ehelichen Fruchtbarkeit her, die besonders in unseren Städten weit
fortgeschritten ist.
In dem Wandel der Altersgruppierung der Bc\ölkerung Finn=
lands macht sich auch der Einfluss der veränderten Sterblich =
ke i t s V ^rh ä 1 1 n i s s e geltend. Wie die Geburtenzahl verrät
auch die Sterblichkeit schon seit langer Zeit ein Sinken. Auf 1,000
Personen machte nämlich die Durchschnittszahl der Todesfälle:
«75>— 55 ^8„ 1881—90 j 2i„
1801—05 24,, 1891 — 1900 I 10^ I
1851—55 ^8,2 1901-10 17,,
1913 war die Sterblichkeitszahl nur 16,1 . Finnland gehört heute
schon zu den Ländern, in denen die Sterblichkeit verhältnismässig
klein ist, wenn sie auch in vielen Ländern, unter anderem in den
drei skandinavischen, noch kleiner ist. Die Sterblichkeitsminderung
ist in allen Läncn zu konstatieren; am kleinsten ist die Sterblichkeit in
Nyland (1913 15,1), am grösstcn im Län St. Michel (1913 17,6).
Abfahrt zum Pflügen.
Aus Joroinen in Savolax.
Netzhäuschen.
Schon lange zeigt die Sterblichkeit in unseren Städten kleinere Zif=
fern als auf dem Lande, indem sie dort auf 1,000 Personen 1913
14,4, hier 16,5 betrug. Der Rückgang ist zunächst in einer Abnehme
der Säuglingssterblichkeit hervorgetreten. Dadurch bildet er ein
direktes Gegengewicht zu der Geburtenminderung, wenn auch
zuzugeben ist, dass diese in den letzten Jahren in einem noch ra=
scheren Tempo heruntergegangen ist. Wie sehr sich die Säuglings=
Sterblichkeit in Finnland verringert hat, ist auch schon daraus zu
ersehen, dass, während in den Jühren 1871 — 80 von 100 Geborenen
jährlich durchschnittlich 16,7 in ihrem ersten Lebensjahre starben,
die entsprechende Zahl 1901 — 05 nur 13,1 und 1913 bloss 11,3
war. Die Sterblichkeit der kleinen Kinder ist in den Städten grösser
(1913 13,2) als auf dem Lande (11,0). — Auch in der oberen Al=
tersklassen ist die Sterblichkeit bedeutend zurückgegangen. Dage=
gen hat sie sich nicht im gleichen Masse in den mittleren Alters=
klassen (zwischen dem 15. und 40. Lebensjahre) vermindert. Die=
ser Umstand dürfte wohl hauptsächlich von der Schwindsucht
herrühren, die in unserem Lande als Todesursache eine sehr
grosse Rolle spielt, und ferner davon, dass die Tödlichkeit dieser
Krankheit bei uns nicht hat abgeschwächt werden können. — ober
Todesursachen und Krankheitsfälle übeihiupt ist in Finnland keine
zuverlässige Statistik vorhanden. Die Z.hlen, die über die durch
Schwindsucht hervorgerufene Sterblichkeit zu Gebote stehen, zei=
gen, dass, während 1886 — 90 von 1,000 Personen durchschnittlich
2,6 jährlich der Schwindsucht erlagen, die entsprechende Zahl
1896 — 1900 2,7 und 1906 — lo ebenfalls 2,7 war. Die Schwindsuchts=
Sterblichkeit ist am grössten in Osterbotten und Nord=Savolax und
in weiten Gebieten der Läne Äbo u. Björneborg und Tavastehus.
Die auf dem Gebiete der Geburten und der Sterblichkeit er=
folgte Entwicklung kommt auch recht deutlich in der Volks«
Vermehrung zum Ausdruck. Der Rückgang der Sterblichkeit
und der der Geburten sind wohl teilweise parallel gelaufen, sodass
ihre Differenz, der sog. natürliche Bevölkerungszuwachs, dadurch
sich nicht nennenswert verändert hat. Gegen Ende der 1880er
Jühre war die Sterblichkeitsabn;h ne sogar etwas schneller. Und
so ist auch die grössere natürliche Volksvermehrung, wenn man die
erste Hälfte d.-s 19. Juh-hunderts mit dessen letzten Dezennien
verg'eicht, in erster Hand gerade durch die schnellere Sterblich=
keitsabn. h ne hervorgerufen worden. Gleichfalls sank in den Stä=
dten die Sterblichkeit, die früher die Geburtenzahl sogar überstic=
gen hatte, von den 1 870er jähren an so schnell, dass die natürliche
Vermehrung der Stadtbevölkerung sehr bedeutend wuchs, in den
allerletzten Jahren hat sich die Lage jedoch in dieser Beziehung
geändert, denn sowohl unter der Land= wie unter der Stadtbe=
völkerung ist der Geburtenrückgang so rasch fortgeschritten,
dass die natürliche Volksvermehrung dadurch gehemmt wor=
den ist.
Die natürliche Bevölkerungszunahme auf dem Lande und in
den Städten sowie im ganzen Lande in den letzten Jchrzehnten
erhellt aus den folgenden auf 1,000 Personen berechneten Zahlen:
den Städten
auf dem flachen
Land
im ganzen
7*
I4.(
«5.»
9.7
«2.»
12,5
I0„
«5.B
«3.S
7,s
««rt
iiri)
7,8
I2rt)
it.s
6,s
10k(
9.S
4.1
8.,
7.B
7.1
7,s
6„
1881—90
1891—1900
1901 — 1910
1915
1914
1915
1916
1917
Auch die natürliche Volksvermehrung variiert in den verschic=
denen Länen sehr. Während sie früher im Län Wasa am grössten
war (in den 1870er Jahren 20,6 %), ist sie dort heute bedeutend
gesunken, und den ersten Platz haben die Läne Kuopio, Ulcäborg,
Tavastehus und Wiborg eingenommen, von denen das letztgenannte
noch in den 1870er Jahren den kleinsten Bevölkerungszuwachs im
ganzen Lande aufwies. Im Län St. Michel ist die natürliche Be=
Völkerungszunahme immer gering gewesen.
Während des Weltkrieges hat die Bevölkerungsbewegung in
Finnland, wie überhaupt auch anderswo, e nc ungünstige Richtung
eingeschlagen. Die Gcburtenöbnahme hat grösser als bevor fortge=
dauert, indem die Steiblichkeitsverhältnisse in den letzten Jahren
eine ungesunde Entwicklung gezeigt haben. Die Durchnittszahl
der Geborenen auf 1,000 Personen betrug für 1917 nicht mehr
als 24,3, und die entsprechende Zahl der Todesfälle, die 1914
ihr Mininum 15,6 "/oo erreichte, ist in den Kriegs jahren wieder
allmählich auf 17,6 7oo (im |. 1917) gestiegen, wobei ohne Zweifel
die Folgen der Nahrungsnot sich bemerkbar zu machen beginnen.
Dcmnech betrug die nalürliche Bevölkerungszunahme in dem
erwähnten Jahre durschnittlich nur 6,7 auf 1,000 Personen.
Die natürlichen Faktoren der Bevölkerungsbewegung bestimmen
jedoch nicht allein die Entwicklung der Bevölkerung. Daneben ist
nämlich immer auch eine Wanderbewegung vorgekommen.
Bis vor einigen Dezennien war die Bevölkerung Finnlands aber"
im allgemeinen sehr sesshaft. 1880 befanden sich nach der dama=
Ugen Volkszählung 85,2 °d der Gesamtbevölkerung in ihrer Heimats=
gemeinde, ausserhalb ihres Heimatläns wohnten nur 3,8 % der Ge=
samtbcvölkerung. Von Jahr zu Jahr sind danach die Wanderungen
gewachsen, und zwar teils innerhalb der Landesgrenzen, teils nach
dem Auslande. 1910 wurden in den Kirchenbüchern ihrer Hei=
matsgemcindcn nur 75,2 % der Bevölkerung geführt, allerdings
eine recht grosse Masse, wenn man mit entsprechenden Erschei=
nungen in den mitteleuropäischen Ländern vergleicht.
Eine besonders grosse Bedeutung für die Bevölkerungsvera
hältnisse Finnlands hat die innerhalb der Landesgrenzen statt«
findende Binnenwanderungsbewegung. Nach 1880
sind 2,5 Mill. Personen mit Wanderscheinen von der einen Ge=
meindc in eine andere umgezogen. Ein Teil dieser Wanderbewe=
gung besteht zwar in einem verhältnismässig geringfügigen Be=
Völkerungsaustausch zwischen benachbarten Gegenden. Ein bc=
trächtlicher Teil davon vermittelt aber eine wichtige Umgruppie=
rung der Bevölkerung innerhalb der Grenzen Finnlands. Die
Binnenwanderer kommen hauptsächlich aus den Kreisen der Land=
Wirtschaftsbevölkerung und lassen sich in Städten, Fabrikorten
und anderen Verkehrszentren nieder. In dem Zeitraum von 1881 —
1917 haben die Städte dadurch einen Bevölkerungszuwachs von
237,106 Personen erhalten. Auch vielen Landkirchspielen, in denen
moderne Verkehrszentren entstanden sind, ist durch derartige
Wanderungen eine fühlbare Bevölkerungsvermehrung zuteil ge=
worden. Einige Läne haben dabei einen Teil ihrer Einwohner
cingebüsst, andere, d. h. die Läne Nyland, Wiborg und in der
letzten Zeit auch Uleäborg haben dabei gewonnen. Die Bevölke=
rungsvermehrung im Län Nyland ist in den Jahren 1881 — 1910
66,452 gewesen, die des Läns Wiborg 57,602. Das Län Wasa
stand, was die Abwanderung anbelangt, früher an der Spitze,
seitdem aber die Auswanderung dort Fuss gefasst hat, sind die
Läne St. Michel und Kuopio in den Vordergrund gerückt, von
denen in der Zeit von 1881 — 1910 das erstere 24,431, das letztere
42,783 Einwohner verloren hat.
Neben den inneren Wanderungen hat sich in unserem Lande
in den letzten Jahrzehnten auch die Auswanderung über
die Landesgrenzen immer mehr geltend gemacht. Altere Auswan=
derungcn von Osterbotten nach Schweden und Norwegen sind
weniger von Belang. Dafür ist die Emigration nach Amerika zu
einem bedeutungsvollen Faktor in der Bevölkerungsbewegung Finn=
lands geworden. Auf Grund der uns vorliegenden Daten lässt sich
über die Auswanderung folgende Tabelle aufstellen:
Auswanderer Zurückkehrende
Bevöli<erungs*
Verlust durch die
Auswanderun?
! I !
1881 — 90 I 24'9<2 I ? 24.9 «2
1891 — 1^00 [ 47.557 etwa 16,000 3H.567
1901 — 1910 j 158,652 ! 60,877 97.755
I9ni^-^i4 I 46,627 j 25,550 ^L-'^yj _
Auf 1,000 Personen der Bevölkerung waren die entsprechenden Zahlen
jährlich:
1S81— 90 I 1,1 I Y 1,1
1891 — 1900 1,8 I Ort I 1,1
1901 — 1910 5,6 2,0 7.1
1911 — 14 4,3 2,3 2,1,
In den Kricgijahren ist die Ausiwanderurg wegen Verkehrs»
Schwierigkeiten und ausscrgewöhnlicher wirti-chiftlicher Vorausset=
zurg n b:deutcr.d kleiner gewesen als vor dem Kriege.
Die Auswanderung ist, was ihre Verbreitung anbelangt, sehr
lokaler Art. Aland und Süd=Ostcibotten mit den anschliessenden
Teilen von Satakunta sind ihre eigentlichen Herde. Sie hat sich
wohl auch in anderen Teilen des Landes verbreitet, hat aber da
nicht dieselbe Bedeutung gewonnen. Die Lücke, die die Ajswande=
rung in dem Bevölkerungszuwachs Finnlands gerissen hat, ist eine
recht fühlbare. In der amtlichen Statistik wird sie jedoch nicht
berücksichtigt, sondern die Auswanderer werden immer noch
zur Bevölkerung Finnlands gerechnet. — Im Vergleich mit der
Auswanderung in vielen anderen Ländern Europas gehört die uns=
rige nicht zu den grösstcn. Sic geht auch noch nicht weit zurück.
Da die innere Wanderbewegung neben derjenigen anderer Länder
einen niedrigen Grad erreicht hat, können wir also feststellen, dass
die moderne Wanderbewegung in Finnland noch in den Anfängen
steckt. Ihre grosse Bedeutung für die Bevölkerungsveihältnisse
unseres Lande auch in der Zukunft leuchtet aber ein, wenn wir
116
in B:tracht ziehen, dass die frühere Bevölkerungsentwicklung bei
uns auf dem Lande eine grosse unbegüterte und in abhängiger Stel=
lung bleibende Bevölkerungsschicht geschaffen hatte. Durch die
Wanderbewegung gelangt diese Bevölkerung allmählich in Gcgen=
den, die ihr eine kapitalistische Entwicklung anweisen, und geht
in kapitalistische Lohnarbeiterschaft über. So fördert die Wandcr=
bewegung auch die grosse soziale Umgruppierung der Bevölkc=
rung.
Eine Übersicht über die Faktoren der Veränderungen in der
Volkszahl der verschiedenen finnischen Länc im J. 1917 wird in
der folgenden Tabelle gegeben:
Län
3 S.
K D3
3-re
SO
3 $
3 =r
Nyland
Abo u. Björneborg
Tavastehus
Wiborg
St. Michel
Kuopio
Wasa
Uleäborg
Das ganze Land
Nyland
Äbo u. Björneborg
Tavastehus
Wiborg
St. Michel
Kuopio
Wasa
Uleäborg
Das ganze Land "/o
8,600
llr971
8,709
14,508
4,662
9.505
«2,535
10,560
81,046
6,238
8,716
6,248
10,641
4.035
6,601
9.515
7 075
58,863
2,362
5.255
2,461
5,867
629
2,902
5,220
5,487
22,183
+ 5,252
— 2,029
+ 16
+ 1,175
—490
-778
-5.583
+ 104
7.614
1,226
2,477
5,042
139
2,124
—565
5.591
—555 21,850
192
208
160
223
22
44
1,600
524
2.775
20,2
25.0
24.1
25,5
25.0
27,2
25.1
29rt
14,7
i6„
17.3
i8„
19.9
«8„
17.1
»9.6
5,6
6.3
6,8
6,8
5,]
8.3
6,0
9.6
+ 12.3
—5.»
0,0
+ 2,1
— 2,4
— 2.a
I +0.3
17.8
2.4
6,8
6,1
—0,6
9,9
4,6
4,0
4.4
5.9
1,1
1,3
29,4
24,S
Es ist zu beachten, dass in den obigen auf unserer amtlichen
Bevölkerungsstatistik beruhenden Zahlen die Menge der Auswan=
derer bei der Berechnung der sog. wirklichen Bevölkerungsver=
mehrung nicht berücksichtigt ist.
]]]. Wirtschaftsleben,
Allgemeines.
Das wirtschaftliche Leben Finnlands hat manche gemeinsame
Züge mit demjenigen Schwedens und auch Norwegens. Dies ist
bei der grossen Ähnlichkeit der geographischen Verhältnisse, der
Obcnflächengestaltung, des Berggrundes, der Bodenbeschaffen=
heit, des Klimas und der Vegetation dieser Länder ganz natürlich.
Aber zum Nachteil Finnlands sind auch Verschiedenheiten vor=
banden. Finnland liegt weiter östlich, mehr von Westeuropa cnt=
fernt und abgesondert. Es fehlt ihm die Ozeanküste, der Boden ist
im allgemeinen unfruchtbarer als in Schweden, das Klima im alU
gemeinen kontinentaler, besonders im Vergleich mit dem norwe=
gischen, die Natur ist viel ärmer an industriellen Rohstoffen {Schwe=
den hat sein ausserordentlich wichtiges Eisenerz, Norwegen seine
Fische) und die Einfuhr derselben aus dem Auslande überhaupt
unbequemer. Die Stromschnellen, die natürlichen Kraftquellen,
sind in Finnland viel schlechter (lang, mit geringem Gefäll) als in
Schweden und besonders in Norwegen.
Ferner ist zu bemerken, dass die Einwohner Finnlands, die Fin=
nen, wenigstens bisher keine so hohen wirtschaftlichen Fähigkeiten
und nicht dieselbe Arbeitsenergie gezeigt haben wie die westlichen
Nachbarvölker Finnlands. — In der Weltwirtschaft hat Finnland
vorzugweise nur Bedeutung als Erzeuger von Holzwaren und
Produkten der Papierindustrie und als Abnehmer von Getreide.
Der llaupterwerbszweig des Landes ist jedoch die Landwirtschaft
mit ihren Nebengewerben. Von der ganzen ansässigen Bevölke=
rung 1910 (2,921,197 Personen) erhielten ihr Auskommen durch
ii8
die Landwirtschaft 1,937,198 Personen, d. h. 66, 33 % von der ge=
samten Bevölkerung, durch die Industrie 357,220 (in den Städten
143,110, auf dem Lande 214,110 Personen): 12,23 %, durch das
Verkehrswesen und den Handel 128,940 Personen: 5,10 %. Die
entsprechenden Vcrhältniszahlen der besagten Erwerbsgruppen
waren nach Länen geordnet 1910 folgende:
Län
Landwirtschaft
Nyland (Uusimaa) i 43,06 %
Äbou. Björneborg (Turku — Fori) 62,50 * 17,92 " 6,24
Tavastehus (Häme) ; 61,31 » 14,39
\X/iborg (Vüpuri) 65,4, » 15,87 «- ] ?,9
St. Michel (Milikeh) j 82,01 » 5,89 » | 2, ,4
Kuopio I 79,39 » 5,84
Wasa (Vaasa) I 74„6 » 7,95 » ; 5.:
Uleäborg (Oulu) | 71,26 » 11,33 » 1 3>6e
Eigentliche Erwerbstätige waren 935,125 Personen, d. h. 32 %
von der Gesamtzahl der Einwohner (in den Städten 45,6 %, auf
dem Lande 29,6 "o)-
Industrie
Verkehr u.
Handel
Landwirtschaft.
Die natürlichen Voraussetzungen zum Landwirtschaftsbetrieb
sind in Finnland infolge der grossen Ausdehnung des Landes,
insbesondere in der Richtung von Süden nach Norden, sehr ver=
schieden. Das Klima ist dank dem Einfluss der umgebenden
Meerbusen, die mittelbar mit dem Atlantischen Ozean zusammen=
hängen, gemässigter als in manchen anderen Ländern unter ent=
sprechenden Breitengraden. Die Niederschläge verteilen sich un =
gleichmässig, weshalb die Kulturpflanzen, namentlich in Mittel=
und Südfinnland, vielfach unter der Dürre zu leiden haben, im
Spätsommer erschwert wiederum allzu reichliche Niedcrschlags=
bildung die Erntearbeiten. Nachtfröste haben von altersher
das Wachstum der Ackerböden schwer geschädigt. Es scheint je=
doch, dass die Vegetationsgrenzen einiger Kulturpflanzen, in dem
Masse wie die Kulturmethoden sich verbessern und insbesondere
durch die Auswahl und Veredelung von ausdauernden und abge=
härteten Arten, allmählich verschoben werden können. Die Bio=
denbeschaffenheit bietet eine grosse Mannigfaltigkeit.
Lehmboden kommt verhältnismässig spärlich vor; zusammenhän=
gcnd findet man ihn am meisten in dem südfinnischen und öster=
bottnischen Flachland und auf den nördlichen Küstenstreifen des
Ladogasees. In den inneren Teilen des Landes wird Lehmboden
in verschiedenen Flusstälern und Moorgründen angetroffen, stellen=
weise in Tavastland (Hämc) und den nördlichen Teilen von Savo=
lax und Kardien auch an Seeufern usw. Die unbedingt gewöhn»
lichste Ackerbodenart des Binnenlandes ist jedoch der Moränensand.
Besonders reich ist Finnland auch an Mooren, die schätzungsweise
etwa 30 % von der ganzen Fläche des Landes umfassen und die, da
sie einstweilen nur zum geringen Teil angebaut sind, der künfti=
gen Landwirtschaft ungeahnte Möglichkeiten eröffnen. Ums J.
1910 bemass sich die Fläche des zum Ackerbau bc=
nutzten Bodens zusammen auf ca. 2,780,000 h a
oder 8,4 % von dem Gesamtareal des Landes.
Davon kamen etwa t, 860,000 ha oder 5,6 % auf Acker= und Gar=
tenland und 920,000 ha oder 2,8 % auf Wiesen. Mit dem Fort=
schritt der Kultur hat der Flächenraum der Wiesen in der letzten
Zeit nach und nach abgenommen, während sich die Ackerflächen
sowohl infolge der erwähnten Verminderung der Wiesengebictc
wie auch durch direkten Neuanbau vermehrt haben.
Wie aus den unten anzuführenden statistischen Angaben her=
vorgeht, nahm der Getreidebau im J. 1910 zusammen etwa 40 %
der Gesamtfläche des Ackerlandes in Anspruch, wahrend ca. 12 %
brach lagen, gegen 4t % zum Anbau von Futterpflanzen (Wicke,
Sommerhafer, Klee, Heu) und etwas unter 5 % zum Anbau von
Hackfrüchten (Kartoffeln, Rüben u. a.) verwendet wurden.
In prähistorischer Zeit dürften Fischfang und Jagd die haupt=
sächlichsten Erwerbsquellen der ältesten Einwohner Finnlands
dargestellt haben. Aber seit geschichtlich bekannter Zeit, wie auch
noch heutigen Tages, bildet die Landwirtschaft das H a u p t g e=
werbe des finnischen Volkes. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts
wohnten 95 % der Bevölkerung auf dem Lande und also etwa
5 % in den Städten. Die damalige Landbevölkerung trieb beinahe
ausnahmslos Landwirtschaft. Die entsprechenden Zahlen haben
sich im Laufe des Jahrhunderts in der Weise verschoben, dass
die Stadtbevölkerung 1910 schon etwa 15 % und die LandbevöU
kerung 85 % betrug. Zu der letztgenannten rechnen sich heute
jedoch viele, die im Dienste von Indus' rie, Handel, Verkehrswe»
scn u.a. ihr Brot verdienen, sodass sich die Anzahl der in der Land=
Wirtschaft Beschäftigten kaum auf 60 % beläuft.
Im ganzen Lande >x/ar früher die Brandwirtschaft
oder der Schwendenbau sehr allgemein; Gerste, Rüben und
Flachs waren die üblichsten Kulturpflanzen. Vor allem ist die
Brand Wirtschaft die Betriebsart der fortschreitenden Besiedclung
gewesen. In den landwirtschaftlichen Verhältnissen Westfinnlands
haben sich früher Einflüsse von Skandinavien her fühlbar gemacht.
Dort entwickelte sich das Dorfsystem mit der verschiedenen Ackcr=
Verteilung (teg= und solskifte) und dem Flurzwang, die die Landwirt=
Schaft in althergebrachten, Jahi hunderte forldauernden Systemen cr=
starren Hessen und die Bewohner fest an ihre kleinen Gemeinwesen
banden. In diesen Verhältnissen ist die Zweifelderwirtschaft die
üblichste Betriebsform gewesen. In Ostfinnland, wo noch heute
hie und da Brandwirtschaft begegnet, wenn auch in starker Abnah =
me begriffen, ebenso auch in Nordfinnland, ist dagegen die Drei=
felderwirtschaft bis zum heutigen Tage herrschend gewesen, dane=
bcn teilweise auch das Vierfeldersystem mit doppelter Brache.
Erst in dea letzten Dezennien hat der wechselweise Anbau
verschiedener Pflanzen und die eigentliche Fruchtwechselwirtschaft
allmählich Boden gewonnen. Die wichtigste eigene Brotfrucht des
Landes, der Roggen, scheint seit dem 14. Jahihundert bekannt
zu sein. Aus derselben Zeit kennt man auch den Hafer, dessen An=
bau noch vor einem halben Jahrhundert einen kleineren Ernte=
ertrag brachte als der Roggen, heute aber, seit der Entwicklung der
Viehzucht, seinem Ernteergebnis nach (1910 über 7 Mill. hl) die
Roggenerntc des Landes (1910 etwa 3,6 Mill. hl) um das Doppelte
überholt hat. Die Bedeutung des Weizens ist in Finnland verhält=
nismässig gering, und sein Anbau nimmt allmählich ab (Erntemenge
1910 ca. 43,000 hl oder nur etwa Vss des Roggenertrages). Der
Anbau der ältesten Getreidepflanze, der Gerste, die in den nörd=
liebsten Gegenden des Landes die wichtigste Brotfrucht darstellt,
hat auch etwas abgenommen (1910 ca. 1,7 Mill. hl). Die Kartoffel,
die in Finnland im 18. Jahrhundert Verbreitung fand, wird heute
überall im Lande bis in die nördlichsten Gegenden angebaut und
so gut wie ausschliesslich als menschliche Nahrung angewandt
(Erntemenge 1910 über 6 Mill. hl).
Wie schon oben im Vorbeigehen angedeutet wurde, hat der Ge=
treidebau, mit Ausnahme von Hafer, in der letzten Zeit (vor dem
Kriege) sowohl absolut als insbesondere relativ, im Vergleich mit der
Bevölkerung abgenommen. Obgleich der Roggen immernoch wichtig
ist und sein Ertrag sich in den letzten Jahren vor dem Kriege
durchschnittlich auf etwa 50 — 60 Mill. Fmk bewertet hat, ist der
Wert des eingeführten Roggens doch ziemlich gleich gross gewesen,
indem er ipto ca. 51,5 Mill. Fmk betrug. Und während der Korn=
ertrag aller unserer Gctrcidcpflanzcn 1910 auf etwa 122 IVlill. Fmk
geschätzt wurde, bclicf sich der Gesamtwert des eingeführten Gc=
treides auf annähernd 100 Mill. Fmk. Abgesehen davon, dass die
Waldwirtschaft ganz erheblich an Wichtigkeit gewonnen
hat, da ja ihre Produkte sich zu der vornehmsten Exportware des
Landes entwickelt haben, ist auch die Bedeutung der Hausticr=
haltung und namentlich die der V i c h= und M i 1 c h w i r t=
Schaft beträchtlich gewachsen. Der Getreidebau hat aus ver=
schiedenen Gründen einem reichlicheren Anbau von Futterpflanzen
und der dadurch unterhaltenen Viehzucht Platz einräumen müssen.
Die zeitweise eingetroffenen Missernten, vor allem die von 1867 —
68, haben gezeigt, dass einem vollständig erfolgreichen Getreide=
bau, wenigsten in gewissen Teilen des Landes, die Unsicherheit
des Klimas hindernd entgegensteht. Obschon das Klima etwas mil=
der geworden ist, wurde es als bedenklich angesehen, den Jahrcser=
trag der Landwirtschaft in allzu hohem Masse von einer einseiti=
gen, durch den Frost bedrohten Produktionsweise abhängig sein
zu lassen. Der gegen ungünstige Wittcrungsvcrhältnise weni=
ger empflindliche Anbau von Futterpflanzen war deshalb geeignet,
den Ernteaussichten und Ertragskalkulationen grössere Sicherheit
zu verleihen. Die immer zunehmende Urbarmachung von kälteren,
wasserreichen Böden, vor allem von Mooren, hat selbstverständlich
auch zum Anwachsen der Futterpflanzcnproduktion beigetragen.
Naturwiesen und manchenorts verhältnismässig reichlich vorkom =
mende Weiden hatten der Viehzucht schon früher ziemlich günstige
Voraussetzungen geboten, sodass Butter in einigen Teilen des Lan=
des schon vor Jahrzehnten, ja Hunderten von Jahren für den Han =
dcl und sogar für die Ausfuhr hergestellt wurde.
Die Vieh Wirtschaft begann in Finnland von den 1880er Jahren
an sich zusehends zu beleben. Ausser den obenangeführten Um =
ständen trugen dazu auch die Erhöhung der Butterpreise und die
wachsende Nachfrage von seiten der Handcls= und Industrieländer
bei (England, später auch Deutschland). Die Entwicklung der
Molkereitechnik ermöglichte es, aus der Milchwirtschaft eine blü=
hendc landwirtschaftliche Industrie zu machen, die durch die Ge=
nossenschaftstätigkcit im allgemeinen in die eigenen Hände der
Landwirte überging und darin geblieben ist. Der gute Abgang
der Erzeugnisse hat die Aufmerksamkeit auf die Viehveredelung
gelenkt. Die einheimischen Viehrassen, die ziemlich fetthaltige
Milch geben, verhältnismässig wenig Futter benötigen und inbezug
auf das Klima hier gut gedeihen, sind auch während der letzten
zwei bis drei Jahrzehnten immer mehr in Aufnähme gekommen.
Die aufblühende Viehwirtschaft hat ihrerseits, wenn auch allmäh=
lieh und langsam, den Anbau von Futterhackfrüchten gefördert,
wodurch die Brache beschränkt und eine bessere Bodenbestellung
erreicht wird — der Boden wird lockerer, und das Unkraut ver=
schwindet. Auf i Kuh berechnet wurde die Erntemenge an Futter=
rüben in dem Zeitraum von 1896 bis 1905 durchschnittlich auf
0,9 hl geschätzt, 1906 — 1910 auf 2,2 hl und 1910 auf 2,6 hl. Der
Kleeanbau hat bedeutend zugenommen, und 1910 wurde seine
Ernte beinahe auf ebenso viel taxiert wie das Erträgnis des Wie=
senheus (beides zusammen 19,400,000 Dezitonnen, die nach einem
Preis von 7 bezw. 5 Fmk für 100 kg rund 116 Mill. Fmk Geld=
wert erzielen).
Die Anzahldcr Melkkühe betrug 1910 etwa 1,143,000.
Wird als jährliche Milchmenge pro Kuh nur 1,200 kg angesetzt,
so ergibt das schon 1,371 kg Milch oder zu 10 Penni per kg bercch=
nct eine Geldsumme von 137 Mill. Fmk. Der grösste Teil der
Vichproduktion wird im Lande selbst verbraucht. Der Butterex=
port bewertete sich 1911 auf ca. 34 Mill. Fmk (am höchsten stand
er 1905, wo sein Wert auf 38 Mill. Fmk stieg). Rechnet man dazu
die (nach Petersburg) ausgeführten Mengen Milch, 1911 im Werte
von 2,2 Mill. Fmk (1905 1,1 Mill. Fmk), Käse im Werte von ca.
2 Mill. Fmk (1905 1 Mill.), lebende Tiere (1,2 Mill.) und Felle und
Häute (ca. 12 Mill. Fmk), so beläuft sich der Wert aller aus der
Viehzucht gewonnenen und exportierten Produkte auf ca. 51,4
Mill. Fmk.
Die Zahl volljähriger (3 Jahre alter) Pferde war
1910 ca. 296,000, wozu noch etwa 64,000 unter 3 und 25,000 unter
1 Jahr alte hinzukamen. An Pferden exportierte Finnland 1911
für 2,5 Mill. Fmk (1906 für 1,6 Mill.).
An wichtigsten Haustieren zählte man in Finnland 1910
folgende relative Mengen:
auf loo ha Ackere auf looo
und Wiesenland Einwohner
Pferd e 1 1 94
KLhe (Rindvieh) 41 366
Schüfe 28 246
Schweine 6 50
Die Schafzucht ist im Rückgang begriffen, was wohl
teils darauf beruht, dass ihre Einträglichkeit für unsicher gehalten
wird, teils darauf, dass manche das Schaf für die Waldpflanzungcn
als sch:;d!ich betrachten. Die Gesamtzahl der Schafe hat sich wäh=
rend der letzten 50 Jahre einigermassen vermindert; im Vergleich
mit der Einwohnerzahl ist die Menge bis auf die Hälfte hcruntcrge=
gangen. 1910 gab es 1 Jahr alte Schafe ca. 770,000 Stück und
Lämmer (unter 1 Jahr) etwa 540,000.
Die Z i c g e n z u c ht ist in Finnland wenig verbreitet. An
Ziegen zählte man 1910 ca. 12,500 Stück.
Die Schweinezucht hat bis in die letzte Zeit auf einem
niedrigen Niveau gestanden. Die Menge der Schweine (8 Monate
alter) des Landes war 1910 etwa 155,000, die der Ferkel (unter 8
Monaten) etwa 263,000. Auf 100 ha Acker wurden über 8=monatige
Schweine nur 8 St. gezählt. Viel Schweinefleisch und Schweinefett
wird namentlich aus Amerika importiert. (Auf 100 ha werden in
Schweden 18, in Deutschland 54, in Dänemark 52 Schweine ge=
halten, und das letztgenannte Land exportiert jährlich Schweine=
fleisch für mehr als 150 Mill. Fmk).
Die Geflügelzucht fängt auch erst eben an sich
zu entwickeln und befriedigt bei weitem nicht einmal den Bedarf
des eigenen Landes. Es wurden 1911 (aus Russland) für etwa
2,1 Mill. Fmk Eier importiert, während ihr Export nur 3,000
Fmk betrug.
Dem Anbau von hochempfindlichen und anspruchsvollen
Obstsorten setzt das finnische Klima gewisse Grenzen; doch
gedeiht die Züchtung verschiedener auch veredelter Beeren auf
weiten Gebieten, und zum eigentlichen Gemüsebau sind Vorbe=
dingungen im ganzen Lande, bis in seine nördlichsten Gegenden,
vorhanden. Der Gemüse= und Obstbau, der in den südlichen Tei=
Icn des Landes schon lange getrieben wird, ist in lebhaftem Auf=
blühen begriffen. Gemüse und allerlei andere Gartenpflanzen wur=
den jedoch 1911 im Werte von etwa 3,3 Mill. Fmk nach Finnland
eingeführt, frische und getrocknete Früchte und Beeren für etvwa
7,5 Mill. Fmk. Gleichzeitig wurden Preiselbeeren und andere
Waldbecren für etwa 2 Mill. Fmk exportiert.
Die Gründe, die die Beschränkung des Getreidebaus in Finn=
iand (vor dem Kriege) definitiv bestimmt haben, sind wie in vielen
anderen Ländern ausserhalb der eigenen Grenzen des Landes zu
suchen, und zwar in den Umständen, die die ganze Weltproduktion
bcinflussen: in der Entdeckung neuer fruchtbarer Kolonien, in de=
ren Gewinnung für die Kultur und in der Nutzung dieser Länder
mit ausnahmsweise billigen Produktionskosten. Die Vermehrung
der Bevölkerung, ihre Verteilung auf verschiedene Erwerbszweige,
vor allem ihr Zuströmen zu dem ständig wcchsenden Handel und
der Industrie, scheint jedoch heutzutage eine langsame Erhöhung
der Lebensmittels und auch der Getreidepreise zu bewirken. Diese
Umstände wirken natürlich auch auf die finnischen Verhältnisse
ein, und wchrscheinlich wird de her der Getreidebau, von grösserer
beruflicher Bildung und Geschicklichkeit unterstützt, wieder
etwas mehr Boden gewinnen (besonders nach dem Kriege). Der
Getreidebau fordert u. a. gründlichere Entwässerung mit Hilfe von
Gräben (die Dränierung hat in Finnland bisher wenig Fuss gefasst),
Bearbeitung und zweckmässige Düngung. Im Lande finden sich
schon eine Menge Fabriken, die landwirtschaftliche Geräte und
Maschinen herstellen: die Fabriken zu Fiskars, Billnäs, Mathildedal,
Tcijo, Jakobstad (Pietarsaari), Ulcäbotg (Oulu), Äbo (Turku)u.a.
Der Wert der eingeführten Ackerbau gerate und landwirtschaftlichen
Maschinen hat in den letzten Jahren 1,5 bis 5 Mill. Fmk betragen,
derjenige der importierten Kunstdüngemittel 1 bis 2 Mill. Fmk.
Je höher die Produktionskosten der auf die obenerwähnten Mittel
und Auswege angewiesenen und immer intensiver werdenden
Landwirtschaft steigen, zumal auch die Bodenpreise (insbesondere
in der Nähe der Verkehrszentren) in die Höhe gehen, umso grössere
Aufmerksamkeit muss der Rentabilitätsberechnung gewidmet wer=
den. Dies wird nur durch zweckmässige Buchhaltung möglich sein,
welche einstweilen jedoch noch, insbesondere unter den Kleinbau=
ern, ziemlich wenig Verbreitung gefunden hat.
Allgemeine Massnahmen zur Förderung der Land=
Wirtschaft wurden in Finnland in dem Masse ergriffen, wie sich ihre
Bedeutung und ihr Wert hob. Als eine der frühesten unter diesen ist
die Errichtung des Landesvermessungsamtes zu erwähnen. Nachdem
auf private Iniativc zur Entwässerung nasser Böden und zur Trok=
kcnicgung von Seen Schritte getan worden waren, wurde u. a. für
diese Unternehmungen eine besondere Strombaudirektion gcgrün=
det, woraus sich allmählich eine Zentralbehörde (Oberverwaltung
der Wege= und Wasserbauten, 1860) entwickelte. Die Gelehrten
der Äboer Akademie, von denen sich einige in ihrer wisscnschaft=
liehen Tätigkeit schon früher auch mit landwirtschaftlichen Fra=
gen befasst hatten, gründeten 1797 die Finnische Wirtschafts=
gcsellschaft, welche wie einige andere etwas später entstandene
Landwirtschaftsgcscllschaften der verschiedenen Länc für die
damaligen Zeitverhältnisse, wo noch keine besondere Landwirt=
Schaftsverwaltung existierte, der Hebung der Landwirtschaft in
bedeutendem Masse vorgearbeitet haben: es wurden neue Kultur=
pflanzen verbreitet, neue Kulturmethoden und produktive Haustier=
rassen bekannt gemacht, allgemeine landwirtschaftliche Versamm=
lungen und Ausstellungen veranstaltet, Ermunterungsprämien aus=
geteilt, Literatur herausgegeben, Pläne entworfen usw. Nachdem die
erstgenannte Gesellschaft die Sache schon eine längere Zeit vorbe=
reitet hatte, wurde 1840 die erste landwirtschaftliche Schule des
Landes auf dem dem Staate gehörigen Gute Mustiala eröffnet. Bei
dieser, wie auch bei anderen ähnlichen Lehranstalten wurde auf
Staatskosten eine Musterwirtschaft angelegt, die in ihrem Betriebe,
ihrer Hausticrhaltung usw. Privatlandwirten als Vorbild dienen
sollte. Später hat sich der landwirtschaftliche Unterricht ausgc=
dehnt und tritt uns heute in neuen Gestalten entgegen. Auf Veran=
lassung des Staates begann man''seit 1847 ausländische Viehrassen,
wie Ayrshire=, Holländer, Angeler und anderes Rindvieh einzu=
führen, deren Zufuhr jedoch infolge der Verbesserung der einhei=
mischen Schläge zurückgegangen ist und sich heute hauptsächlich
auf die Ayrshire=Rasse beschränkt. Landwirtschaftliche
Beamte wurden staatlich angestellt, zuerst für die Landwirtschaft
dann für Spezialgebiete derselben. Erst im J. 1860 wurde im Fin=
nischen Senat eine besondere Expedition für landwirtschaftliche
Angelegenheiten, die Landwirtschaftsexpedition, gegründet, der
bis zum Jahre 1892 auch alle das Verkehrswesen betreffenden
Angelegenheiten untergeordnet waren. Die oberste Leitung wird
jetzt vom Landwirtschaftsmini stcrium gehand=
habt. Eine besondere Zentralbehörde, das Landwirtschaft s=
a m t, begann ihre Tätigkeit erst im J. 1892. Dieser wurde
126
1907 eine eigene landwirtschaftsstatistischc Abteilung beigege=
bcn. In dem Masse, wie die Bedeutung des Butterexportes
für das Land wuchs, wurden besondere Massregeln zu dessen
Förderung sowohl im [ allgemeinen als auch speziell für die
Verbesserung und Überwachung der Butterqualität getroffen.
In den 1 890er Jahren wurden periodische Butterprüfungen
in Hangö (Hanko) verordnet, denen sich ein Butterunter=
suchungslaboratorium und eine Kontrollstation an=
Schlössen; auf den Staatsbshnen wurden besondere Butterwaggons
eingerichtet, und Schiffahrtsgesellschaftcn, die die Besorgung des
Transports übernehmen, wurden staatlicherseits unterstützt.
Schon seit 1865 wurden auf Veranlassung des Staates öffentliche
Pferderennen veranstaltet. Aus Staatsmitteln bezahlte sog. Kron=
hengste haben von der Mitte des 19. Jahrhunderts an zwecks Pfer=
dezucht zu Gebote gestanden. Man hat allgemeine HengstaussteU
lungen angeordnet und ein staatliches Hengsstammbuch geführt.
Die Versuchstätigkeit auf dem Gebiete der Landwirtschaft wurde
schon gegen Ende des 19. Jahrhunderts im Anschluss an das Land=
wirtschaftsiristitut zu Mustiala und auf Veranlassung des Lehrer=
korps dieser Anstalt ausgeübt. Nach der Verlegung des höheren
landwirtschaftlichen Unterrichts an die Helsingforser Universität
ist sie auf der vom Staate unterhaltenen Versuchsanstalt von Anas
unweit Helsingfors fortgesetzt worden. Zur Untersuchung und
Prüfung von landwirtschaftlichen Bedarfsartikeln (Kunstdüngern,
Futterpflanzen, Saatfrüchten) sind handelschcmische Laborato=
rien (das erste in Helsingfors 1880) gegründet und auf Staatskosten
unterhalten worden. Der Staat hat auch die Landwirtschaft direkt
in der Form von Darlehen unterstützt, die schon seit Jahrzehnten
für besondere Zwecke bewilligt werden (Darlehen zu Entwässe=
rungszwecken, zur Hebung der Landwirtschaft, insbesondere zur
Förderung von Rodungen, durch Vermittelung der Gemeinden oder
direkt an Private; Viehanleihen an Zuchtvereine und Private; Mol=
kereianleihcn; der der Zentraldarlehcnskasse der Genossenschafts=
kassen eingeräumte Kredit).
Da es in Finnland vorläufig keine grösseren Selbstverwaltungs=
Organe als die Gemeinden gibt, welche, wie in vielen anderen Län=
dern, z. B. den skandinavischen, für die lokale, den Verhältnissen
angepasste Förderungsarbeit sorgen und durch Besteuerung die
dazu nötigen Mittel beschaffen, ist die Tätigkeit der landwirtschaft=
liehen Organisationen bei uns umso notwendiger. Landwirt»
schaftsgcscilschaften, deren man heute 22 zählt, und
landwirtschaftliche Sondervereine, wie z. B. die Gesellschaft Pel=
lervo, der Finnische Moorkulturvercin, der Forstwirtschaftliche
Verein Tapio, Vichvcredclungs=, KontrolU und Bullenvereine, Pfer=
dezuchtverbände und Hengstvereine, der Schweinezuchtverein, Ge=
flügerzuchtvcreine, die Marthavereinigungen und Molkerciverbändc
üben, vom Staate subventioniert, eine vielseitige Wirksamkeit aus,
die in unseren Verhältnissen als besonders wichtig einzuschätzen ist.
Die Ausgabeposten des Staatsbudgets für die Landwirtschaft
sind besonders in früheren Zeiten recht bescheiden gewesen, was
aus folgenden Ziffern hervorgeht:
Jahr Jahr
1845 ca. 46,000 Fmk 1894 ca. 870,000 Fmk
1865 » 280,000 » 1905 »> 2,950,000 »
1885 » 630,000 » 1911 » 3,800,000 »
Das Anwachsen der Staatsbeiträge ist in den letzten Dezennien
sehr beträchtlich gewesen. Wenn man aber auch zur Gesamt-
summe der für das Ji.hr 1911 bewilligten Mittel 3,8 Mill. Fmk
noch die 2 Millionen hinzurechnet, die für die Feldmessung und
Bodenregelung, ebenso wie die 0,5 Millionen, die für das Veterinär»
wesen bewilligt worden sind, wodurch die Totalsummc auf 7,1
Millionen steigt, so macht auch dieser Betrag nur 4 % von den
Gesamtausgaben des Staates aus.
Die verschiedenen Zweige der Landwirtschaft werden durch
nachstehende Tabellen ausführlich beleuchtet.
Ackcr= und Wiesenareal in Finnland im Jahre 1910:
Nyland (Uusimaa)
Abo u. B Jörneborg (Turku u. Fori)
Tavastehus (Häme)
^X iborg (Viipuri)
St. Michel (Mikkeli)
Kuopio
NX a'a (Vaasa)
Uleäborg (Oulu)
Im ganzen Land
1
g > i
|§ I
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0 sr
0 (^ 1
0 3
=-?
S-3 1
3-3
" s-<
"3
3
1
329.1 1
?8,. !
267,1
25.»
■589,0
48, •
477.«
i8,>
248,0
48,.
296,«
17,0
259,0
109,7
548,7
1 1,1
1 1 1,1 !
78,1 !
189,1
1 t,4
170.»
157,8 .
287,»
8,0
406,0
1150
521,0
15 .
114. >
■527,«
441,5
2,«
1,866,4
925,« 2,789,1
8,1
128
Die relative Grösse der Acker= und Wiesenflächen und die Ent=
Wicklung seit dem Jahre 1901 wird aus folgender ZusammcnsteU
lung ersichtlich:
L ä n
j Bebauter Zunah=
Boden °oi me °ö
Natürl.
Wiesen
Abnahme
Nyiand (Uusimaa)
Abo u. Björneborg (Turku u. Fori)
Tavastehus (Häme)
Wiborg (Viipuri)
St. Michel (Mikkeli)
Kuopio
Wasa (Vaasa)
Uleäborg (Oulu)
Im ganzen Land
20,1
17,0
14,2
7,'
6,3
3.8
10,7
0,7
20, f
1 1 ,1
20,1
48,0
23,1
21,2
12,4
24,1
3.'i
3/1
2,8
3,5
4.8
4,5
3,1
5,'
51,«
36,5
45,1
33.1
24,4
17,8
21,4
13,8
Die Entwicklungshöhe der Landwirtschaft wird einigermassen
beleuchtet durch die Angeben über die Zahl der Ackerbaumaschi=
nen (Säe=, Mäh= und Dreschmaschinen, Pferderechen usw.) und
das Verhältnis der Zahl zur Ackerfläche, im Jahre 1910 gab es:
1 ,. j Ackerbau= Auf je 100
maschinen ha Acker
Nyiand (Uusimaa)
Äbo und Björneborg (Turku u. Fori)
Tavastehus (Häme)
Wiborg (Viipuri)
St. Michel (Mikkeli)
Kuopio
Wasa (Vaasa)
Uleäborg (Oulu)
16,255 'St.
24.593 »'
18,267 »
15,668 »
2,563 '>
4.813 »
32,370 »
4.909 '>
St.
3.6
7.9
4.4
Im ganzen Land ' 119,418 St. ' 6,4 St.
Die mit verschiedenen Kulturpflanzen bestellten Flächen in
Finnland 1910 in 1,000 ha:
Gartenpflanzen
Weizen
Roggen
Gerste
Hafer
Menggetreide (zur Aussaat) ...
Erbsen u. Bohnen
Futtervxicke (zur .Aussaat)
Kartoffel
Futter= u.a. Rüben
Futterwicke u. Mischfutter (Grün:
futter)
Klee u. a. Graspflanzen
Sonstige Gewächse
Brache
Summ
• 5,3
0,3
3,t
0,3
279,«
I2,a
109,7
5.»
399,5
21,4
6,6
0,3
7.'
0,4»
1 1*
0,1/
74.3
4,«l
12,1
0,7i
27,8
1,5\
740,7
39.'/
6,«
0,4
271,"
12,3
758,.
9,1
86,7
768,6
6,»
0,6
4.'
0,4
12,3
1,866,4
100,0 1,866,4 I 100,0
Die Aussaat betrug in 1,000 hl:
Weizen ....
Roggen
Gerste
Hafer
Menggetreide
Kartoffeln . .
1906-1910 1896—1905
im im
Mittel Mittel
6,5
6,4
7.»
512,»
520,8
602,1
352,3
544.0
358,.
1,397,«
1,294,3
1,165,3
5".«
39,3
31,1
1,297,4
1,205,0
1,065,3
De Erntemengen w.ircn in 1,000 hl:
Weizen
Roggen
Gerste
Hafer
Menggetreide
Erbsen u. Bohnen
Buchweizen
Kartoffeln
Rüben u. andere Wurzelfrüchte
1 1910
1906—1910
im Mittel
1896—1905
im Mittel
43,'
3,631,«
1 ,735,3
46,»
7.985,3
1.797.«
48,.
4,075,3
1,763,»
7,105,7
199,»
78,4
6,942,.
175.1
92,0
6,049,1
146,1
127,7
3.«
6,126,7
2,967.»
7,3
6,484,4
2,422,3
8,1
5,968,.
916,4
Nach den Länen geordnet sind die entsprechenden Erntemciigen
für das Jahr 1914 in 1000 hl:
L ä n
ca
0
T.
Nyland 13,1
Äbo = B Jörneborg 48,2
Tavastehus
Wiborg . . .
St. Michel.
Kuopio . . .
Wasa
Uleäborg .
426,9
803,1
538,5
659.1
364,6
399-9
626,0
160,8
41,0
156,1
91,7
.16,5
69,7
223,5
409,8
412,7
1,027,2
1,810,4
1,006,0
986,1
441.5
423.8
1,021,6
180,7
54.4
55.5 20,0
25,5
14.7
19.1
17,0
13.9
12,2
19.4
7.5
^,$
2,2
3.8
0,1
631,4
983,8
683,1
1.017.9
514.3
1,082,7
1,163,2
526,2
406,6
538,9
587.5 ,
239.5
121,5
308,0
513.1
64.4
Das ganze Land 69,2
3.978,9
1,521 ,0 6,897,2 \z 1 1 ,0]
',1
6,602,5
2,779.5
Auf die einzelnen Läne entfiel vom Gesamtbetrag des Landes in °/o
Nvland 18,9
Äbo = Björneborg 69,7
Tavastehus .... 8,6
VX'iborg 1 1,2
St. Michel I 0,7
Kuopio I 0,6
Wasa I 02
Uleäborg 0,1
10,7
20,3
13.5
i6,6
9.2
too
»5.7
4,0
2.7
10 3
6,0
7.7
4.6
14,7
26,9
27>i
14,9
26,3
»4,6
14,3
6,4
6.1
14.8
2,6
25.8
25.4
12,1
7.0
9.3
8,0
6,6
5,8
21,8
33.7
22,6
8,5
6.3
2,5
4,5
0,1
9,6
14,9
10,3
15,4
7.8
16,4
17.6
8,0
14,6
19,4
21,1
8,6
4,4
1 i,t
18,5
2,3
Ausser den in der Tabelle genannten Getrcidcarten wird (vor=
zugsweise in den Länen St. Michel, Wiborg und Kuopio) ein wenig
Buchweizen angebaut, dessen Ertrag im J. 1914 2,374 hl betrug.
Beim Vergleich der Erntemengen der verschiedenen Getreidearten
untereinander muss man sich erinnern, dass das hl = Mass keine
richtige Einheit darstellt, weil das Gewicht der verschiedenen Ge=
treidearten erheblich variiert. Nach den Berechnungen des Land=
wirtschaftsamtes wiegt 1 hl Weizen durchschnittlich 77 kg,
1 hl Roggen 72 kg, 1 hl Gerste 60 kg, 1 hl Hafer 50 kg, 1 hl
Menggetreide 60 kg, 1 hl Erbsen 75 kg und 1 hl Buchweizen
62 kg. — Noch grösser ist der Unterschied der Preise. Wenn
man den ganzen Ernteertrag des Getreides und der Wurzclfrüchte
nach den Steuerpreisen in sog. Roggen=hl umwandelt, erhält man in
verschiedenen Länen auf jeden Einwohner folgende Mengen
Roggen=hl:
Nyland (Uusimaa) 3,2 3,9
Abo und Björneborg (Turku u. Pori) . . 4,6 4,6
Tavastehus (Häme) 4,0 5,0
^X''iborg (Viipuri) 2,9 3,9
St. Michel (Mikkeli) 1 4,1 5,5
Kuopio I 3,4 3,6
Wasa (Vaasa) ' 3,4 | 4,0
Uleäborg (Oulu) ' 2,2 2,1
Im ganzen Lande ■s.s 4,0
Der einheimische Ertrag an Getreide reicht nicht annähernd
für die Bedürfnisse des Landes aus. Die Einfuhr vom Auslande ist
von )ahr zu Jahr gleichmässig so angewachsen, dass das auslän=
dische Getreide in der Konsumtion der wichtigsten als Nahrungs=
mittel dienenden Getreidearten, des Roggens und Weizens, in
grösseren Mengen vertreten ist als das einheimische Getreide.
Aus der folgenden Tabelle ergeben sich der Erntebetrag, die Ein=
fuhr und die Konsumtion der verschiedenen Getreidearten und der
Kartoffeln (und anderer Wurzelfrüchte), die Quantitäten für die
Aussaat und die Branntweinbrennerei und die verhältnismässig
geringen exportierten Quantitäten (1913 Hafer 6,622,3 t, Roggen
993,8 t, andere Sorten ganz wenig) nicht mitgerechnet, in Tonnen,
der Verbrauch pro Einwohner (von der durchschnittlichen Volks=
zahl) in Kilogrammen und der Anteil des ausländischen Getreides
und der ausländischen Wurzelfrüchte an dem Verbrauch in Prozenten
für das Jahr 1913 (die Einfuhr 1914 wegen der exzeptionellen
Verhältnisse niedrig) und nach dem Durchschnitt von 1896 bis 1905:
,9.3 ■ Weisen 1 Roggen ' Gerste ' Hafer ^^'^'J^^
Kar. 1
toffeln
Erntemenge 4,480,3 260,526,9 103,476,7 387,985,6 16,076,3,614,868,5
Einfuhr.... 199,452,8 381,219,2 12,311,9 29,448,5 -- 1 11,046,2
Verbrauch. 203,384,1 603,642,8 91,571,7 337,647,81 11,107,71532,762,8
pro Kopf.. 63,3; 187,8 28,5 io5,o| 3,5 1 165,8
EinfuhrVo-- 97.8 63.2 13,4 8,7 o,0| 2,1
1896—1905
Erntemenge ; 3.743.2 .^.93,423,4
Einfuhr.... 98,057,6 299,396,2
Verbrauch .'101,208,1 543,725,6
pro Kopf .. 37,3 200,6
Einfuhr'/o . . 96,3 55,1
]
1
105,832,8 1 302,454,0
18,299,6 17,293,8
100,051,0 242,116,9
36,9! 87,8
18,3' 7.1
8,764.9
6,703.7
2,4
0,0
481,970,3
7.675,4
412.495,6
152,2
1.9'
In der Tabelle ist abgesehen von der grossen Zunahme der
Einfuhr (die Gerste ausgenommen) die Abnahme der Erntemenge
des Roggens und der Gerste und die erheblich gesunkene Konsum=
tion der Gerste zu beechten; viel grösser als diese Abnahme ist
jedoch die ungeheure Zunahme der Weizenkonsumtion.
Neben dem Getreide und den Wurzelfrüchten sind die bemer=
kenswertesten Kulturgewächsc die Faserpflanzen (Flachs
und Hanf) und das Heu, das auch auf natürlichen Wiesen geerntet
wird. Die Erntemenge der Faserpflanzen war nach Länen und in
Kilogrammen :
L ä n
1914
Durchs
schnittlich
1896 — 1905
58,500
182,700
222,900
160,100
97,600,
122,600
74,900
225,200
621,600
288,900
252,100
261,200
ÄIdo und Björneborg (Turku u. Pori) . .
Wiborg (Viipuri)
St. Michel (Mikkeli)
Kuopio
Wasa (Vaasa)
Uleaborg (Oulu)
22,500 1 20,400 1
Im ganzen Lande
979,000
1,916,000 j
Der Anbau des Flachses und des Hanfes ist sehr erheblich
zurückgegangen. Die Erntemenge von gesätem Heu und natür=
lichem Heu betrug nach Länen, und der Anteil der Läne an der
ganzen geernteten Hcumcnge des Landes war 1914:
L ä n
saatheu
Natürl.Hcu
0/
/o
129,500
■47,700
8,0
241,400
9 ' ,400
14,9
154,100
60,000
9,ö
174,000
159-900
14,1
47,800
55,600
4,6
90,500
222,900
14,0
257,200
194,000
20,2
71 ,400
254,500
14,6
Nyland (Uusima)
Abo und Björneborg (Turku u. Pori).
Tavastehus (Häme)
Wiborg (Viipuri)
St. Michel (Mikkeli)
Kuopio
Wasa (Vaasa)
Uleaborg (Oulu)
Im ganzen Lande 1,165,600 ! 1,065,700 j 100
Der Wert der Erntemengen aller obengenannten Kulturpflan =
zen betrug 317,478,060 Fmk, wovon auf Getreide und Wurzelfrüchte
173,050,918 Fmk und auf Faserpflanzen, Heu und Stroh 144,427,052
Fmk kamen. Von den Kulturpflanzen der ersten Gruone war in
1,000 Fmk:
61,238,0 35,4% vom Wert der Gruppe
57,181,0 '33,0 » » » » »
28.849.4 16,7 » » » » »
17.623.5 10,2 » » » » »
■3,167,3 1,8 '> » » » »
2,159,2 1,2 » » » » »
1,482,2 0,9 » » » » »
1,320,9 0,8 » » » » '>
In der letztgenannten Gruppe betrugen :
der Wert der Hcu= ernte 111,574,9 77,3% vomWert der Gruppe
» » » Stroh= » 32,166,8 22,2 » » » » »
» » » Faserpflz= » 685,3 0,5 » » » » »
Nach Länen gruppiert waren die Werte der Erntemengen in
1,000 Fmk.:
Wert der Roggen= ernte
»> » Hafer= »
» » KartoffeU »
» » Gerstcn= ■>
» » Rübcn= »
» » Menggetr.= »
» » Erbsen= »
» » Wcizcn= »
L ä n
Getreide ' ^(\' ' Rüben Heu Stroh
orieln
Faser«
pflan»!
zen
Nyland
Abo u. Björneborg
Tavastehus
Wiborg
St. Michel
Kuopio
Wasa
Ulcäbo'g
16,181,8
71,695,2
19,049,1
20,125,0
10,683,3
12,502,3
21,767,3
9,031,1
2,705,8 1 451,8 1 8,861, t| 7,902,0
4.756.7 618,81 16,679,5, 7.201,2
3,122,6 696,3 1 10,703,5 4,215,8
4.507.8 275,0115,693,2 4,500,7
2.350.9 i 144,0 i 5,166,0 2,307,3
4,640,2 742,2 15,658,7' 2,764,2
4,985,2 570,1 22,561,4 5,259,1
2,180,1 1 69,1 16,291,5 2,017,5
27,0 1
127,9
156,0
1 12,1
68,3
85,8
92,6
15,6
Im ganzen Lande
141,034,2
28,849,4 7,167,3 1 1 1,575,0 32,166,8
6»5,3
Der Wert der Erntemenge aller obengenannten Kulturpflanzen
betrug:
Im Län Äbo und Björneborg (Turku u. Fori) 60,64 Mill. Fmk
» » Wasa (Vaasa) 55,24 » »
» » Wiborg (Viipuri) 45, 21 » »
» » Tavastehus (Hämc) 37,94 * *
» » Kuopio 35/99 " '*
» » Nyland (Uusimaa) 32,13 » »
» » Uleäborg (Oulu) 29,60 » »
" » St. Michel (Mikkeli) 20,72 » »
Zur Vervollständigung der früher angeführten Angaben über
die Viehzucht können einige Tabellen hinzugefügt werden.
Im Jahre ipi-j gab es in den verschiedenen Läncn über j Jahre
alte Pferde und über 2 Jahre alte Rinder im ganzen und im Durch=
schnitt pro 100 Einwohner:
L ä n
Pferde
Auf 100
Einwohner
D- j • u Auf 100
R.ndv.eh Ei„^ohner
Nyland
Abo u. Björneborg
Tavastehus
Wiborg
St. Michel
29,450
52,399
37,358
48,1 19
20,996
7
10
10
9
10
105,332 26
179,395 ^ 35
123,677 i 33
155,205 28
97,701 ' 47
158,542 , 46
183,777 35
138,128 40
Wa^a
Uleäborg
50,518 \ 10
27,758 i 8
Im ganzen Lande
297,183
9
1,141,757 I 36
In den Jahren 1896 — 1905 waren die für das ganze Land geltenden
entsprechenden Werte 278,143 und 10 bezw. 1,072,728 und 40. Ob=
gleich die Zahl der Pferde und des Rindviehs gestiegen ist, ist sie im
Vergleich mit der VolUszahl doch gesunken. Die Viehzucht ist gleich=
wohl nicht im Rückgang begriffen, denn der relativen Abnehne der
Zahl entspricht eine bemerkenswerte Verbesserung der Qualität. Die
Viehzucht Finnlands steht in dem grössten Teile des Landes auf
dem Standpunkt der modernen Molkereiwirtschaft (s. Mo 1 ke rei=
Wirtschaft).
Zur Beleuchtung der gegenwärtigen Entwicklungsstufe der
Viehzucht in den verschiedenen Länen und der jüngsten Entwick=
lung derselben sei noch eine Tabelle über die Erntemengen der
Rüben und anderer Futterwurzelfrüchte pro Kuh beigefügt :
im Durchschnitt
1914
Im Län Nyland (Uusimaa) 3,8 hl
» » Äbo u. Björneborg (Turku u. Pori) 3,0 »
') » Tavastehus (Häme) 5,0 »
» » Wiborg (Viipuri) 1,5 »
» » St. Michel (Mikkeli) 1,3 »
» » Kuopio 1,9 »
t> » Wasa (Vaasa) 2,8 »
» » Uleäborg (Oulu) 0,5 "
im ganzen Lande 2,5 hl
i9
3—
1905
2
1
hl
1
1
3
1
»
»
0
,7
»
0
6
»
0
7
i>
0
,6
»
0
1
»
0,
9
hl
Bei der Beurteilung der Vorbedingungen der Viehzucht muss
in Betracht gezogen Nwcrden, dass der Ertrag der Heuernte pro Län
im Verhältnis nicht derselbe ist wie der Ertrag der Wurzelfrüchtc.
Im Jahre 1914 betrug er pro Kuh:
Im Län Nyland (Uusimaa) 1,67 t
» » Äbo und Björneborg (Turku u. Fori) 1,86 »
» » Tavastehus (Häme) 1,82 »
» » Wiborg (Viipuri) 2,01 »
» » St. Michel (Mi kkcli) 1,10»
» » Kuopio 1 ,97 »
» » Wasa (Vaasa) 2,49 »
» »> Ulcaborg (Ouiu) 2,39 »
Im ganzen Lande 1,97 t
Am reichsten an Futtergewächsen ist das Län Wasa, aus dem
jährlich grosse Heumassen nach den südlichen und östlichen Teilen
des Landes ausgeführt werden.
Von den anderen Nebengewerben der Landwirtschaft ist die
Fischerei am wichtigsten, wogegen die Jagd nur noch in eini=
gen Teilen des östlichen und nördlichen Finnlands lokale Bedeutung
hat. Der Gartenbau ist aus klimatischen Gründen auf Südfinnland
beschränkt, und für die Bienenzucht beginnt das Interesse erst
neuerdings in manchen Gegenden zu erwachen.
Der Garte n= und Gemüsebau breitete sich im MitteU
alter mit den Klöstern über Finnland aus. Obgleich die Regierung,
u. a. schon zur Zeit Gustav Wasas, die Ausbreitung desselben zu
fördern versuchte, waren die Erfolge sehr gering.
im 18. Jahrhundert begann sich das Interesse für Gartenbau
erheblicher zu stärken, zuerst in Universitätskreisen und dann auch
anderwärts. Besonders P. Kalm und P. A. Gadd arbeiteten durch
Vorlesungen, Broschüren usw. sehr eifrig für die Hebung des Gar=
tenbaus. Unter anderem wurden unter ihrer Leitung an verschie=
denen Orten mehrere vom Staate unterstützte Versuchsgärten gc=
gründet, in denen die Möglichkeit des Gedeihens nützlicher Kul=
turpflanzen studiert werden sollte. Ein botanischer Garten wurde
1751 in Äbo eingerichtet, von wo er 1829 nach Helsingfors verlegt
wurde. Im Jahre 1820 wurde der erste Gartenbauverein im Lande,
der Baumpflanzungsvcrein in Äbo, und ein wenig später
176
(1837) der Gartenbauverein Finnlands gegründet. — Im
Jahre 1875 wurde auf Anregung der kaiserlichen Finnischen Wirt=
schaftsgcsellschaft der erste Gartcnbaukonsulent an=
gestellt. Ein zweiter folgte bereits 1899 und im Jahre darauf ein
dritter. Manche landwirtschaftlichen Gesellschaften, Bauernvereine,
Marthavereine u.a. haben auch in ihrem Gebiet einen oder mehrere
männliche oder weibliche Konsulenten besoldet. Mit der Beihilfe
dieser Personen ist auch im eigentlichen Volke ein lebhafteres ln=
teresse für den Gartenbau erweckt worden, wovon die Gemüsegärten
um die Häuser, die Kötncrcien und die Hütten der Einlieger beredtes
Zeugnis ablegen. Ganz allgemein sieht man, wie in diesen Zwiebeln,
rote Rüben, Möhren, Kohlrüben, in anderen ausserdem Zichorie,
Kohl, Erbsen, Bohnen usw. gezogen werden. Ziemlich häufig
findet man auch Johannisbeer= und Stachelbeersträucher und
Apfcl= und Birnbäume, in kleinerem Masse Erdbeeren und Him=
beeren. Aus klimatischen Gründen beschränkt sich der Gartenbau
hauptsächlich auf Südfinnland.
Schon 189-5 wurde der erste Staatspomolog angestellt, dessen
Amtstätigkeit jedoch bereits 1896 aufhörte. Im Jahre 1910 wurde
dieses Amt jedoch wieder besetzt, und zwar so, dass es der Lch=
rer der Obstkultur an der Gartenbaulchranstalt Lepaa neben sei=
nem eigentlichen Amt verwaltet. Mit dem in demselben Jahre ein=
gerichteten Amt eines staatlichen Gartenbaukonsulenten ist bis
auf weiteres der Lehrer der allgemeinen Gartenkultur an der Gar=
tenbauanstalt in Lepaa betraut. — Fast zu derselben Zeit wurde auch
das Amt eines dem Oberschulamt untergeordneten Volksschulgar=
tenkonsulenten für die Verbreitung der Schulgartcnidee durch
Gartenentwürfe, Beratung und Anleitung besetzt. — Im Dienst
der Staatseisenbahnen und Kanäle sind auch Gärtner angestellt,
zu deren Aufgaben es gehört die genannten Anlagen durch Pflan=
Zungen zu verschönern. Die grösseren Städte haben ihre eigenen
Gärtner, welche Pläne zu Park= und anderen öffentlichen Anlagen
zu entwerfen und diese zu unterhalten und zu beaufsichtigen haben.
Der Handelsgärtnereibetrieb hat während der letzten
Jahrzehnte besonders in der Nähe der grossen Städte grosse Fort=
schritte gemacht. Namentlich hat sich der Anbau und die Verwendung
von Zierpflanzen in staimenswertem Masse entwickelt. In dieser Hin=
sieht kann Finnland getrost die Konkurrenz mit den Nachbarländern
aufnehmen. Dagegen steht die Anzucht von Treibbeetprodukten
hinter letzteren bedeutend zurück. Der grösstc Teil der erforderlichen
jungen Pflanzen, Obst= und Zierbäume sind fast bis zum heutigen
Tag importiert worden. Doch gibt es jetzt mehrere bemerkens=
werte einheimische Treibpfianzengärtcn, so unter anderen die
Pflanzenschulen der A.=G. Lohja (in Lohja), die der A.=G. Ruokola
(in Pälkäne), den Wiborgcr Gartenverein A.=G. (in Wiborg), die
Baumschulen=A.=G. im Eigentlichen Finnland (Bahnstation Kyrö)
u. a. Ausserdem bestehen gute Pflanzenschulen in Verbindung mit
der Landwirtschaftslehranstalt Mustiala, der Gartenbaulehranstalt
in Lepaa und den meisten niederen 2=jährigen Gartenbauschulen.
Gartcnvc reine zur Beförderung der Gartenkultur existieren
über 10. Die bemerkenswertesten sind der Verein der »Gartenfreunde
an der Aura» (Äbo=Turku), der Finnische Gärtnereiverein (Helsing=
fors=Hclsinki), der Finnische Gartenbauverein von Helsingfors, (HeU
sinki), die Gartenbauvereine in Tammerfors (Tampcre), in Lahti, in
Wiborg (Viipuri), in Kuopio, in Jyväskylä, der Gartenbauvercin von
Südwcstfinnland (Äbo), die Baum= und Pflanzengärtnersektion des
Konsulentenbundes der landwirtschaftlichen Vereine Finnlands usw.
Die Produkte der Gartenkultur reichen bei weitem noch nicht
für den Bedarf des Landes aus (s. die Tabelle). Die Ausfuhr von
Gartenbauprodukten ist sehr gering, ihr Wert beläuft sich noch
nicht auf ganz z Mill. Fmk im Jahre, und doch sind in dieser Zahl
die Preiselbeeren und anderen Waldbeeren einbegriffen, auf die
der grösste Teil des genannten Betrages entfällt.
Einfuhr (in Fmk):
Gemüse u. a. Garten= 1911 1912 1913
Produkte 4,127,488 4,901,048 4,607,000
Obst und Beeren . . 7,462,058 8,685,428 8,119,000
Ausfuhr (in Fmk) :
Gemüse u. a. Garten= 1911 1912 1915
Produkte 49,577 112,246 81,000
■Obst und Beeren . . . 1,978,272 1,883,771 1,614,000
Die Bienenzucht. Offenbar kannten schon die alten Finnen
die Biene. Doch begann man erst ungefähr um das Jahr 1800, in
der Gegend von Abo, Bienenzucht zu treiben, zu welcher Zeit von
Schweden Bienen dorthin eingeführt wurden. Heute wird Bienen«
Zucht bei uns hauptsächlich in Südwest= und Südfinnland gctrie»
ben, aber sie ist auch viel nördlicher möglich. Während der letzten
«38
zehn Jahre hat sie unerwartet schnelle Fortschritte gemacht. Man
hat erkannt, dass sich eine rationelle Bienenzucht auch in Finnland
als Nebenerwerb rentiert, und zwar ist es angängig 5 — 10 Biencn=
Stöcke zu halten, welche genügend Honig für den Hausbedarf und
auch einen Teil zum Verkauf abwerfen — ein Bienenvolk liefert
jedes Jahr ungefähr 10 — 40 kg. Trotzdem wird noch jährlich Honig
im Werte von ungefähr 200,000 Fmk nach Finnland eingeführt.
Moorkultur.
Nach Berechnungen, die sich auf die statistischen Arealtabelicn
des Landesvermessungsamtes gründen, entfallen auf die verschic=
denen Läne folgende Moorgebietstrecken:
% vom Areal
Län km des Landes
Nyland (Uusimaa) 724 6,5
Äbo u. Björneborg (Turku u. Fori) "5,120 13,5
Tavastehus (Häme) 2,450 13,6
Wiborg (Viipuri) 8,694 27,7
St. Michel (Mikkeli) 4,319 25,0
Kuopio 13,110 36,7
Wasa (Vaasa) • . • 1 5, 1 5 1 39,6
Uleäborg (Oulu) 54,660 34,8
Ganz Finnland 102,228 30,8
Diese Zahlen sind aus verschiedenen Gründen nicht genau. Die
wirklichen Moorgebiete sind wahrscheinlich etwas kleiner als
oben angeführt. Die südlichen und südwestlichen Teile des
Landes sind beträchtlich ärmer an Mooren als die östlichen
und nördlichen. Die höher liegenden Gegenden sind im allge=
meinen am reichsten an Mooren, den Wasserscheiden entlang
ziehen sich demnach ausgedehnte Moorgebiete hin. Ein ansehn=
liehet Teil der Ebene von Süd=Osterbotten ist ebenfalls mit
Mooren bedeckt. In den Mooren stösst man meist auf Vor=
Sprünge und Inseln festen Landes, weshalb man in Finnland
nirgends solche gewaltige Gebiete reinen Moores wie z. B. das
Bourtanger Moor an der Grenze von Holland und Deutschland
trifft, obgleich auch hier zusammenhängende Moorstrecken und
zNJcar sogar solche von mehreren 10,000 ha Ausdehnung vor=
kommen. Von den grössten und bekanntesten Mooren Finn=
lands erwähnen \x'ir: Torrosuo (ca. 5,000 ha) ini Kirclispiel
Tammcia südlich von Forssa, Konnunsuo (ca. 4,000 ha) östlich
von Villmanstrand (Lappccnranta), R i 1 1 i n k i und andere umfang=
reiche Moore in den Kirchspielen Pälkjärvi, Tohmajärvi und Kitee
an der karelischen Bahn, Pelsosuo (ca. 14,000 ha), vcestlich vom
Oulujärvi (auf Staatskosten 1856 66 Entwässerungsgräben, 2usam=
men 130 km, mit einem Aufwand von 600,000 Fmk gegraben; noch
immer grösstenteils uncrschlosscn). In Süd=Ostcrboltcn gibt
es auch in den Flusstälern ausgedehnte Moore, welche jetzt zum
grössten Teil ertragsfähig gemacht sind. Berühmt sind namcnt=
lieh die Moorkulturen von Lapua und llmajoki. Das südlich
von Björneborg (Fori) gelegene Lattomeri wurde schon vor
100 Jahren trocken gelegt, und es ist nachmals allmählich bebaut
worden; später urbar gemachte Moorgelände gibt es auch im
Gebiet des Dorfes P a n e I i a, Kirchspiel Kiukainen. Die in den
südlichen Teilen des Landes manchenorts vorkommenden guten
und wohlgcpficgtcn Moorkulturcn stellen jedoch für die ganzen
Gemeinden keine besonders bedeutenden zusammenhängenden Gc=
biete dar. Die südlich von Uleäborg (Oulu) liegenden Liminka =
Wiesen sind nicht eigentlich Moorkulturen, denn den Grund bildet
nur eine dünne Humusschicht, worunter eine Sandschicht und dann
Lehm folgt. Inbezug auf die Kultur bestehen zwischen den vcr=
schiedenen Moorböden zum mindesten ebenso grosse Vcrschic=
denheitcn wie zwischen den festen Bodenarten, dem Sand= und Lehm
grund. Danach wcrd?n'die Moore gewöhnlich in zwei Hauptgrup=
pen eingeteilt: in Niederungsmoore und Hochmoore.
Die Kultivierung ruft im Nährstoffgehalt pro Raumeinheit
gewisse Veränderungen hervor, welche sehr erheblich sind, wenn
mineralreicher Boden zur Verbesserung des Bodens angevxandt
wird. Aus den Analysen des finnischen Moorkulturvereins seien
folgende Durchschnittszahlen erwähnt (auf i ha pro 20 cm Tiefe
berechnet):
Angebautes Niederungsmoor
ohne Lehm mit Lehm vermischt
Mineralien 48,000 kg 222,000 kg
Stickstoff 8,200 » 8, 140 »
iali: Gesamtbetrag
66o
kg
6,160
kg
i> in 4% Salzsäure löslich
i8o
»
500
»
hosphorsäure: Gcsamtbetr.
820
»
1,720
»
» in 4% Salzsäure löslich
140
»
480
»
valk: Gesamtbetrag
3,080
»
8,540
)>
» in 4% Salzsäure löslich
2,080
»
4,940
»
Die grosse Bedeutung der Aufbringung von Lehm für das
Bereichern des Pfianzennährstoffbetrags des Moorgeländes erhellt
hieraus klar.
Die Beschaffenheit des Untergrundes ist ebenfalls
von grosser Bedeutung in der Moorkultur. In Mitteleuropa ruhen
die Moore zum grösstcn Teil auf Sand, in Finnland aber besteht
besonders im Süden und Westen der Untergrund ganz allgc=
mein aus Lehm, Sandboden dagegen ist in den nördlichen und
östlichen Teilen vorherrschend.
Die Dicke der Moorschicht ist wechselnd. In Finnland gibt
es eine grosse Menge Brüche und andere Moorgelände, die nur eine
ganz dünne Torfschicht besitzen, aber tiefere Torfschichten kom=
men gleichfalls viel vor. Die kleinen Moore in hügeligen Ge=
genden können oft tiefer sein als die weiten Moorgebietc. Eine
Torfschicht von 1 — 3 m ist sehr häufig, aber oft trifft man
Schichten von 6 m, ja auch tiefere an. Die grösste in Finnland
mit Sicherheit festgestellte Tiefe ist to m. In anderen Ländern
ist die Tiefe ungefähr dieselbe wie in Finnland. Man hat jedoch
(z. B. in Deutschland) sogar eine Tiefe von 24 m konstatiert.
In Finnland wird Moorkultur wenigstens seit dem Anfang
des 17. Jahrhunderts getrieben. Der Pfarrer von Isokyrö
Isac Brenner trat in Osterbotten als Bahnbrecher auf,
und schon früher dürfte diese Kultur sowohl in Nyland als in
Savolax und Kardien bekannt gewesen sein. Das Brennen der
Moordeckc war damals das wichtigste Verfahren; die später so
wichtig gewordene Aufbringung von Lehm dürfte in Finnland erst
während des 18. Jahrhunderts bekannt geworden sein. Die
Moorkultur hat jedoch in der Landwirtschaft erst in der zweiten
Hälfte des 19. Jahrhunderts grössere Bedeutung erlangt, als die
künstlichen Düngungsmittel in Aufnahme kamen und allgemei=
ncr gebräuchlich wurden. Die alten Methoden sind entwickelt
worden, und besonders die Moorkulturvereine und =anstalten
und die Versuchsstationen haben sehr zur Förderung der Moor=
kultur beigetragen.
In Finnland sind, wie in anderen Ländern, besondere Kul=
turmethodcn ausgebildet worden. In der primitiven Brandkultur,
welche noch um die Mitte des vorigen Jahrhunderts überall im
Lande allgemein betrieben wurde, wurden im aligemeinen keine
Mcliorationss oder Düngungsmittel angewandt, weshalb man nur
weriigc Ernten bekam, gewöhnlich Roggen, wonach das »Schwcn=
denland» liegen blieb, und sich bald mit dichtem Haarmoos
überzog.
In Süd=Osterbottcn hat sich eine diesem Landstrich cigen=
tümliche Kulturmcthode entwickelt, nach welcher die ausgcdehn=
tcn Moore der Gegend während des vorigen Jahrhunderts zum
grössten Teil kultiviert worden sind. Diese Moore haben an
der Oberfläche eine dünnere oder dickere Torfmoosschicht und
unter dieser einen für die Kultur geeigneteren Torf, der haupt=
sächlich Reste von Riedgräsern und Schachtelhalmen enthält.
Der Untergrund besteht aus kalireichem Lehm, welcher gewöhn=
lieh reichlich Schwefeleiscn enthält und der Farbe nach dunkel
ist. Die Kulturmethode von Osterbotten geht darauf aus, die
Torfmoosschicht allmählich abzubrennen und schon von dem
Torfmoorgelände Ernten zu erzielen, wobei Düngungsmittel zur
Anwendung kommen.
Von anderen einheimischen Methoden ist am bemerkens=
wertesten das in Nord=Osterbotten und Kardien entwickelte
Deckungsverfahren, das in den genannten Gegenden in et=
was abweichenden Formen ausgeübt wird. Es wird hauptsächlich
auf Niederungsmooren angcvxandt, doch ist es auch auf Torf=
moorcn und auf festem Lande versucht worden. Das Wesent=
lichstc dieser Methode ist, dass die Bodenfläche nicht gehackt
noch gepflügt, sondern nur geebnet und mineralreiche Erde
auf den Ackerbeeten ausgebreitet wird.
In der modernen rationellen Moorkultur ist man bestrebt die
mit verschiedenen Methoden gewonnenen Erfahrungen zu vtr=
werten und sie unter Berücksichtigung der lokalen Verhältnisse
den verschiedenen Moorgeländen anzupassen.
Molkereiwesen.
Das lVlolkerei>x'esen bildet in Finnland, wie in Nord=
und Mitteleuropa, wo Ackerbau und Viehzucht gewerbsmässig
getrieben werden, eine äusserst wichtige Unternehmungsform
für die Umsetzung der Viehproduktion in Geld.
Die Landwirtschaftsstatistik Finnlands für das Jahr 1911 um=
fasst 658 Molkereien. Von den Besitzern waren zu Privat=
Personen, 87 Aktiengesellschaften und 360 (191z 389) Genosscn=
Schäften, sodass die letzteren 54,7% der Gesamtzahl ausmachten.
Als Betriebskraft bedienen sich die Molkereien vornehmlich, und
zwar 45,1%, der Dampfkraft. Von den übrigen Molkereien
gebrauchten Z4,8% Hand=, 13% Pferde=, 3% Wasser=
kraft und 12,4% entweder zwei oder mehrere verschiedene
Betriebsformen. Einige haben elektrische Betriebskraft neben
irgend einer anderen.
Von den Molkereien bereiteten 570 Butter, 6 Käse und 82
sowohl Butter als Käse. Eigentum von Genossenschaften waren
347 Butter=> 13 Butter= und Käsemolkereien. Die Buttcrpro=
duktion der Molkereien betrug im J. 1911 12,769,234 kg; davon
entfielen auf die Genosscnschaftsmolkereien 80,6%, auf private
8,2% und auf die Molkereien der Aktiengesellschaften 11,2%.
Zur Butterbereitung verwendeten die Molkereien im ganzen
308,568,181 kg Milch, d. h. im Durchschnitt 24,33 kg Milch
auf jedes Kilo Butter. Die Käseproduktion belief sich
in demselben Jahre auf 1,744,229 kg, davon wurden 78,5% in
den privaten, 10,1% in den Aktien= und 11,4% in den Genos=
senschaftsmolkereien hergestellt. Davon entfiel der überwie=
gendc Teil (59,9%) auf das Län Nyland. — Auch verkaufen
viele, besonders die an besseren Verkehrswegen gelegenen Mol=
kcreien, Milch in die Städte, und einige von diesen Molkereien
haben begonnen sterilisierte Milch in Flaschen nach Petersburg
zu versenden.
Die Entwicklung des Molkereiwescns in den verschiedenen
Läncn wird aus folgender Tabelle ersichtlich:
■ reien
I ".', der
Produktion \ gesamten
in i,ooo Ug I Butters
Bereitung
Nyland (Uusimaa) ' 6i i 423.« 3.1
Abo u. Bjönieborg (Turku u. Fori) 156 4.545,« 35,»
Tavastehus (Häme) 68 1,314,« 9»'
VX''iborg (Viipuri) ; 41 1 291,8 2,f
St. Michel (Mikkeli) ] 39 ! 695,; 5,j
Kuopio ! 89 ' 2,436,4 18,0
VC'asa (Vaasa) 108 2,279,7 16,»
Uleäborg (Oulu) ■ ■ ■ . . . . 85 1 ,530,0 1 1,3
Das ganze Land 647 13,517,' 100
Die verhältnismässig geringe Butterproduktion in den Läncn
Nyland und Wiborg ist darauf zurückzuführen, dass die dort
gewonnene Milch grosscnteils als Milch verkauft wird Dazu
kommt, dass im Län Myland viel Milch auf die Käsebercitung
geht, welche in den meisten anderen Läncn mit Ausnahme von
Äbo und Björneborg und Tavastehus in ganz unbedeutendem
Masse getrieben wird. Die Menge des in den erwähnten drei
Länen bereiteten Käses und ihr Anteil an der Käsefabrikation
des ganzen Landes im J. 1914 betrugen:
Im Län Nyland (Uusimaa) 1,290,586 kg 57,5%
» » Äbo u. Björneborg (Turku = Fori) 623,305 » 25,1 »
» » Tavastehus (Hämc) 302,949 » 13,0»
Im ganzen Lande 2,462,161 kg 100%
Bemerkenswert ist, dass die Butterproduktion schon während
mehrerer Jahre sehr langsam zugenommen hat, wohingegen die
Erzeugung von Käse schnell angewachsen ist. So betrug die
Menge der Butter 5 Jahre früher (1909) 12,059,000 kg, während
sich die Menge des Käses auf 1,541,000 kg belief. Interessant
ist auch die Tatsache, dass Butter vorzugsweise von den Ge=
nosserischaftsmolkereien (87,1",, 1914)/ Käse hingegen von den
privaten und den Aktienmolkcreicn (73,6 "d in demselben J.)
hergestellt wird.
Die Ausfuhr nach dem Ausland umfasste nach der
Handelsstatistik für das Jahr 1911 12,351,319 kg Butter, 993,004
kg Käse, 10,746,000 kg Milch und Sahne (Neltogewicht), welche
Ausfuhrwaren dem Werte nach auf im ganzen 38,217,000 Fmk
Einheimische Rassenkühc.
Molkerei zu Huittinen (VVesIfinnland).
— .-■*""ifl>a
-^^lS*S?v"^-'^
Ackerlandschaft aus Südweslfinnland.
geschätzt vjcerdcn können. Die Butter wurde vor dem Kriege
hauptsächlich nach England, der Käse und die Milch nach Russ=
land ausgeführt. Bei der Beurteilung der Ausfuhr der Molke=
reibetriebe ist aber die Einfuhr ins Land, im ). 1911
596,700 kg Butter, 252,000 kg Käse und 159,900 kg Milch
und Sahne im Werte zusammen 2,001,000 Fmk, in Anschlag
zu bringen. — Die auf dem einheimischen Markt umgesetzte
Menge von Molkereierzeugnissen lässt sich mangels einer Sta=
tistik nicht angeben.
Über die wirtschaftliche Lage der finnischen Mol=
kereien stehen genaue Daten für das jähr 1911 für nur 300
Genossenschaftsmolkcreien zur Verfügung. Am 31. Dezember
ergab die Bilanz dieser Molkereien zusammengerechnet:
Haben: Molkereieigentum. ■■ • 7,261,433 Fmk
In den Nebenbetrieben 153,746 »
Sonstige Mittel 2,939,476 » 10,354,655 Fmk
Sollen: Staatliche Darlehen ■• 2,006,167 ^mk
Bdnk= u. a. Schulden 2,743,586 »
Einlagc=, Ergänzungs=
anleihe=, Reserve=
und Unterhdltungs=
fonds 4,749,997 '> 9,499,750 »
Rest 854,905 Fmk
Die Gewinn= und Verlustrechnung derselben Molkereien für
das Jahr 1911 erwies im ganzen:
Einnahmen: Für die Produkte 30,200,348 Fmk
Andere Einnahmen 2,217,407 » 32,417,755 Fmk
Ausgaben: Für Milch und
Sahne 26,295,828 Fmk
Unkosten 3,565,087 »
Tilgungen 951,210 »
Sonstige Ausgaben 750,725 » 31,562,850 Fmk
Rest 854,905 Fmk
Die Ausfuhr der Molkcrciprodukte nach dem Ausland ver=
mittein einige private Unternehmer und die Buttcrcxportgenossen=
Schaft Valio m. b. H. Zur Erleichterung der Ausfuhr subvcntio=
niert der Staat die Besitzer der Transportschiffe. Im eigenen
Lande sorgen für die technische Entwicklung der Molkereien
vom Staate besoldete Konsulentcn und mehrere Fach=
schulen, und in der Wirtscl.aftsführung steht den Molkereien die
Gesellschaft Pellervo zur Seite, die auch jährlich die Bctriebs=
Statistik der Genossenschaftsmolkercien sammelt. Für die Errich=
tung von Molkereien werden vom Staate vorteilhafte Darlehen
bewilligt. Staotlicherseits subventioniert sind ferner das Butterunter=
suchungslaboratorium im Hafen von Hangö (Manko) und eine
im J. 1912 mit diesem verbundene Kontrollstation, die die Be=
schaffenheit, den Wassergehalt, die Herkunft u. a. Eigenschaften
aller über Hangö ins Ausland ausgeführien Butter zu unter=
suchen hat, um die für die Ausfuhr untaugliche Butter zurück=
zuhalten. Die von der Kontrollstation untersuchte Butter wird
mit besonderen Marken (vom 8. Oktober 1913 an) verschen,
von welchen die sog. Kontrollmarke (inner= und ausser=
halb des Drittelfasses) dem ausländischen Käufer angibt, dass
die Butter unverfälschtes finnisches Erzeugnis ist, das von den
der staatlichen Kontrolle unterstehenden Molkereien hergestellt
ist, und zweitens die Qualitätsmarke (auf der Seite des
Drittelfasses), die Butter als erstklassige finnische Naturbutter
garantiert, somit auch als Reklamcmarke dient. Die Butter dcr=
jenigen Molkereien, welche das Recht zur Anwendung der er=
wähnten Marken nicht gewinnen, deren Ware aber doch markt=
fähig ist, wird mit den Zeichen der ausfuhrtauglichen Ware gc=
stempelt.
Landwirtschaftliche Vereine.
Im Jihre 1797 wurde die Finnische W i rt sc h af ts ge«
sellschoft gegründet, deren Tätigkeit sich anfangs über das
ganze Land erstreckte und die besonders zu Beginn des 19.
Jahrhunderts mit Erfolg hauptsächlich für die Förderung des
Kartoffcl=, Heu= und Flachsbaues sowie der Moorkultur arbeitete.
Später entstanden eine Menge anderer wirtschaftlicher Vereine.
Heute gibt es ausser der genannten Gesellschaft: 1) Landwirt»
schaftlichc Vereine (21), deren Tätigkeit sich auf ein
ganzes Län oder eine ganze Landschaft oder einen Teil einer Land»
146
1
Schaft erstreckt; 2) Rindvieh= und Schweinezuchtvcr=
eine (5), deren Tätigkeitsgebiet das ganze Land oder ein Teil
des Landes ist; 3) Ver e i n e für F or stk u 1 1 u r (2), das ganze
Land umfassend; 4) der Finnische Moorkulturvcrcin;
5) der Finnische Schafzuchtverein; 6) der Finnische
Verein für Geflügel= und Bienenzucht; 7) Pcl=
Icrvo, Gesellschaft zur Förderung des Genossenschaftswesens
in Finnland (1899 gegr.); 8) eine grosse Anzahl lokaler
Bauernvereine; 9) der Zcntralverband der fin=
nischcn landwirtschaftlichen Vereine; 10) der Ve r=
band der schwedischen landwirtschaftlichen Ver=
eine in Finnland.
Von der Entwicklung der landwirtschaftlichen Vereine gibt
schon die Grösse der ihnen bewilligten Staatsunterstützungen,
allein einen klaren Begriff. Die Zuschüsse betrugen (in runden
Tausenden):
1883 too,ooo Fmk 1903 698,000 Fmk
1897 225,000 » 1906 1,030,000 »
1899 550,000 » 1910 1,413,000 »
1919 3,000,000 >>
Der Betrag ist also in einem Vicrteljahrhundcrt etwa um
das 30=fache gestiegen (allein im J. 1899 über ioo%). Seit
1899 hat sich der Betrag der staatlichen Zuschüsse noch bedeu=
tcnd vergrössert. Die Staatsunterstützung war (Fmk):
1899 1906 1910
Für den Ackerbau 250,000 Fmk 300,000 Fmk 400,000 Fmk
» die Viehzucht 100,000 » 200,000 » 203,000 »
» den Gartenbau 30,000 » 75, 000 » 75,000 »
» die Forstkultur 45,500 » 67,000 •> 200,000 »
Eine der wichtigsten Seiten der Arbeit der landwirtschaftlichen
Vereine ist die Konsulententätigkeit. im J. 1910 hatten die
1. Vereine alles in allem 331 Konsulcnten, deren Gehälter ins=
gesamt 667,734 Fmk betrugen. Wenn wir die 166 Konsulen=
ten der Bauernvercine hinzuzählen, ergibt das im ganzen 497
Konsulenten. Wie die Konsulententätigkeit der 1. Vereine in
demselben Jahre auf die Gebiete der Landwirtschaft verteilt war.
die gegenwärtig den eigentlichen Teil des Arbeitsprogramms der
Vereine darstellen, erhellt aus der folgenden Tabelle:
Konsulcnten
Tätigkeitsgebiete
zahl
GehSiter
Reise«
und
Arbeits»
tage
Ackerbau u. Landwirtschaft!
im allgemeinen ' iii
Viehzucht I 57
Gartenbau 47
Forstkultur ' 58
Fischerei 20
Summa 280
270.045
130,18?
56,14?
144,065
•54. '27
«8,749
1 1,22?
7,694
I 1,864
7.n8
634,56; 52,870
Von den Seiten der landvjcirtschaftlichen Konsultation, die am
wirksamsten und nachhaltigsten zur Förderung der Landwirt»
Schaft beitragen können, müssen in erster Linie die cigcnt=
liehen Pläne, d. h. die ausführlicheren schriftlichen Rat=
schlage erwähnt werden. Derartige Pläne haben die Konsulenten
der landwirtschaftlichen Vereine im J. 1910 ausgeführt:
Baupläne 2,999
Pläne für FruchtwechseU
Wirtschaft 475
Entwässerungspläne .... to2
Pläne f. Urbarmachungen 247
» Gartenbau
» Forstkultur
940
444
Besonders ist die bedeutende Anzahl der Baupläne bcmerkens=
wert. Auf dem Gebiete des Baugewerbes ist die landwirtschaft»
liehe Konsultation ohne Zweifel am wichtigsten. Auf dem Ge=
biete des Ackerbaus sind die Projekte für die Frucht»
wec hsel w i rtsc h af t am beachtenswertesten.
Früher zogen die Landwirte die Konsulenten hauptsächlich
für die praktische Ausführung der Arbeit heran.
Diese Tätigkeit der Konsulenten hat in letzter Zeit immer mehr
abgenommen. Auf einigen Gebieten, wie 2. B. dem des Gar»
tenbaus und der Forstkultur, führen jedoch die Konsulenten
auch fernerhin mit dem Beistande des Gutspersonals öilerlei
Arbeiten aus, wie Säen, Pflanzen u. dgl. So haben die mann»
liehen Gärtner 1910 (über die Arbeit der weiblichen liegen keine
ganz genauen Berichte vor) gepflanzt:
148
Obstbäume 6,477 Stück
Becrcnbüschc 1 5,486 »
Hcckenbäumc und =büsche 16,778 »
Zierbäume und =sträuchcr 7,012 »
Die Konsulenten für Forstkultur haben in je=
nem Jahr:
Samen ausgesät 365 kg auf ca. 275 ha Land
Pflanzen gesetzt 407,879 St. » i> 130 0 »
Stämme gezählt 2,218,956 »
Bäume gestempelt 985,202 »
Zu persönlicher Beratung auf den Landgütern selbst haben
die Konsulenten der Bauernvereine vwegen des Umfangs ihrer
Wirksamkeit nicht immer genügend freie Hand. Darum spielen
die Kurse, Landwirtschaftstage und andere für Vorträge gecig=
nete Gelegenheiten eine wichtige Rolle bei der landwirtschaft=
liehen Beratung. Im J. 1910 hielten die Konsulenten:
Anzahl Teilnehmer
Landwirtschaftliche Buchführungskurse 44 ?
Kurse über Ackerbau 22 ?
») » Viehzucht 141 1,887
» » Gartenbau 100 2/295
I) » Speisebereitung 142 1,877
» » Forstkultur 186 2,975
»> » Fischerei 24 ?
Andere Kurse (nicht für Handarbeit) 42 ?
Alles in allem 701 Kurse mit ca. 12,000 Teilnehmern.
Von den Konsulenten wurden in demselben Jahr Vorträge
und Referate gehalten:
Von den Ackerbaus und Landwirtschaftskonsulenten 2,005
» » Konsulenten für Viehwirtschaft 808
» » '> I) Gartenbau 454
» » » » Forstkultur i,335
» » » » Fischerei 566
Summa 5,168
Die Vortragstätigkeit hat sich am schnellsten auf dem Gebiete
der Forstkultur entwickelt.
Die Ausstellungen. Die ganze Landwirtschaft umfas=
sende Ausstellungen, wie sie die meisten Vereine früher jährlich
ins Werk setzten, werden neuerdings immer in grösseren Zwi=
schcnräumen abgehalten, um die Entwicklung besser hervortreten
zu lassen. Ausserdem hat man Aussteilungen für Sondergebiete
veranstaltet. Davon sind die bemerkenswertesten die Bullcn= und
Nachzuchtausstellungcn, deren 1910 227 abgehalten wurden. —
Die Preisbewerbungen. Von den heute üblichen Preis=
bcwerbungen der landwirtschaftlichen Vereine sind die wichtigsten
die, welche ganze Landgüter oder die Forstkultur betreffen. Im
ganzen nahmen an den Preisbewerbungen der landwirtschaftlichen
Vereine im J. 1910 etwa 3,000 Landwirte teil, davon über 50%
an denen für Forstkultur. Die Preisbewerbungen sind auf vielen
Gebieten immer mehr von den landwirtschaftlichen Vereinen auf
deren Lokalgruppen übergegangen. — Exkursionen werden
heutzutage von fast allen landwirtschaftlichen Vereinen vcranstal=
tet, von einigen sogar mehrere im )ahrc (1910 im ganzen 22,
wovon 2 ins Ausland).
inhczug auf die Förderung der Vichwirtschaft sind die
Bulle n= und Kontrollvereine der landwirtschaftlichen
Gesellschaften von sehr hervorragender Bedeutung. Die wich=
tigsten Mitteilungen über die Tätigkeit dieser Vereine 1910 cr=
hellen aus dem Folgenden:
Bullenvercin Kontrollverein
Zahl der Vereine 49° i04
» » Mitglieder ca. 6,400 ca. 1,600
» » Kühe der Mitgl. ca. ... ■ 43,700 ca. 30,000
» » Stammkühe der Mitgl. ca. 15,500
Der Umsatz der landwirtschaftlichen Vereine hat sich durch
die Staatsunterstützungen und infolge ihrer Tätigkeit sehr ver=
grössert. Die Hauptgruppierung der Ausgaben für 1910 ist aus
dem Folgenden ersichtlich (die Pcnni weggelassen):
Löhne und Prämien 680,546 Fmk
Ortsgcscilschaften und »vereine 172,117 »
Ausstellungen und Preisbewerbungen • 66,179 •>
Andervwcitige Ausgaben 198,408 Fmk
Besondere Zvjcccke 31 1,940 »
Summa 1,429,190 Fmk
Die Bauernvereine haben 1910 von den Hauptvereinen im
ganzen 122,719 Fmk Unterstützung genossen. Im Verhältnis
zum numerischen Anwachsen oder im Durchschnitt 215 Fmk pro
Bauernverein hat der Betrag ihrer Subventionen für den einzelnen
ßauernverein abgenommen.
Waldwirtschaft.
Finnland ist ursprünglich 2um grössten Teil von Nadel=
Wäldern bedeckt gewesen, doch findet sich an der Waldgrenze
in Lappland eine ursprüngliche Birkenzonc. Von Natur ist
vielleicht die Hälfte der Waldböden so beschaffen, dass dort
die Fichte die Kiefer verdrängt; infolge der Brandwirtschaft und
der Waldbrände ist aber die Kiefer die Hauptholzart geblieben.
Man hat berechnet, dass die Kiefer 60% und die Fichte nur
15 % des gesamten Waldbodens einnimmt. Doch ist das Areal
der Fichtenwälder allmählich gewachsen; die Fichte zeigt näm=
lieh überall die Tendenz sich auszubreiten, vor allem in dem
südlich vom Gebirgszuge Suomensclkä liegenden Gebiet, welches
zum grössten Teil aus eigentlichem Fichtenboden besteht. In=
folge dir Waldbrände und der Brandkultur sind die Birken=
Wälder sehr allgemein geworden, und in solchen Gegenden, wo die
Brandwirtschaft am intensivsten betrieben worden ist, werden
grosse Areale ganz von der Grauerle beherrscht. Rechnungs=
gemäss kann der Flächeninhalt des ganzen Landes folgender=
massen eingeteilt werden:
Produktiver Waldboden 16,982,800 ha (46,9%)
Weniger produktiver Waldboden 3,232,600 » ( 8,9%)
Offene Moore, sonstiger unproduktiver
Waldboden und Gewässer 12,684,400 » (35,0%)
Die Ausfuhr der Waldprodukte war in Finnland lange
verhältnismässig unbedeutend. Im Jahre 1836 betrug die Aus=
fuhrwert der Holzwaren 2,2 Mill. Fmk, 1846 4,5 Mill. und 1856
5,5 Mill. Dann begann er aber anzusteigen, so dass er i. J.
1866 15,9 und i. ). 1876 28 Mill. Fmk ausmachte. Im Jahre
1866 wurden Erzeugnisse der Papierindustrie für 0,3, i. ) 1876
für 2,7 Mill. Fmk ausgeführt. Wie die untenstehenden Ziffern
darlegen, ist die Ausfuhr der Waldprodukte seit jener Zeit mit
Riesenschritten gewachsen.
Hoiz= u. Hoizwarcn»
Produkte (auch Teer Papierindustrie«
Produkte Zusammen
Tausende Fmk Tausende Fmk
u. dgl.)
Tausende Fmk
1886
1890 im
Mittel
39,954
1891
1895 »
»
56,598
»896—
1900 »
»
95,936
«901 —
1905 »
»
1 19,621
1906 —
1910 »
»
144<<53
1910
162,091
191 1
167,037
1912
173,500
1913
226,000
2,971
42,925
9,512
65,910
15,655
109,591
24,750
'44,571
41,035
185,186
47,899
209,990
58,169
225,206
62,500
236,000
68,400
295,300
Die Waldproduktc sind in diesem Zeitraum unbedingt der
wichtigste Ausfuhrartikel Finnlands geworden. Während der
5=Jahre5periode 1886—90 repräsentierten die Waldprodukte nur
48,32% des gesamten Ausfuhrwertes. 1906 10 machten sie
69,57% desselben aus, späterhin über 70%, i. J. 1913 z. B.
75%. Vcrgleichshalber sei erwähnt, dass der Wert aller Land=
Wirtschaftsprodukte 1886 — 90 nur 29,3% des gesamten Ausfuhr=
wertes betrug, und in der Folge nahm ihr Anteil dermasscn
ab, dass er 1906 — 10 nur noch 19,6% ausmachte.
Die Bedeutung der Waldwirtschaft beschränkt sich aber nicht
darauf, dass sie dem Lande vor dem Kriege jährlich mehr als
200 Mill. Fmk bar vom Auslande einbringt, sondern sie beruht
auch darauf, dass Waldprodukte in ansehnlicher Menge im
eigenen Lande verbraucht werden. Man berechnet den jähr»
liehen Holzverbrauch zu 37,3 Mill. m' Festgehalt, während der
jährliche Zuwachs nur zu 35,2 Mill. m^ Fcstgehalt taxiert wird.
Im ganzen Lande übersteigt somit der Verbrauch den Zuwachs
mit 2,1 Mill. m'. Doch ist das Verhältnis des Verbrauchs zur
Produktion in den einzelnen Teilen des Landes verschieden.
Im Län Uleäborg, welches hauptsächlich Staatsforsten umfasst, wer»
den wegen der ungünstigen Absatzverhältnisse 5 Mill. m^ von
dem jährlichen Zuwachs gespart, während der Liberabtrieb um=
so fühlbarer die Waldungen der übrigen Länc betrifft, wo der
jährliche Verbrauch den Zuwachs mit 7 Mill. m^ übersteigt.
Dieses entspricht einem überabtrieb von rund 1 Mill. m^ pro
Jahr und ha für denjenigen Teil des produktiven und weniger
produktiven südfinnischen Waldbodens, wo es auch für geringeres
Holz Absatz gibt. Zum Glück hat ein derartiger überabtrieb
nur in den letzten jähren stattgefunden, und vonseiten des
Staates sind Massnahmen ergriffen worden, um ihn zu hemmen,
teils durch strengere Verordnungen zur Behinderung der Wald=
Vernichtung, die im Beginn des Jahres 1918 in Kraft getreten
sind, teils durch forstwirtschaftliche Aufklärungstätigkeit.
Nach ausgeführten Berechnungen verteilt sich die vorerwähnte
jährliche Abtriebsmenge jj,-} Mill. m^ folgendermassen:
Ausfuhr von unbearbeitetem Nutzholz 3,965,000 m^
Verwendung einheimischer Holzrohware im Gross=
gcwerbe 9,077,000 »
Für den Hausbedarf der Landbevölkerung ... 15,251,000 »
Für den Hausbedarf der Stadtbevölkerung •••• 1,298,000 »
Für die Eisenbahnen 809,000 »
Für sonstige Verkehrsmittel u. dgl. (wie Telegra=
phen= u. Telephonstangen) 500,000 »
Brennholzverbrauch der Industrien 3,000,000 »
Im Walde gebliebene Wipfel usw. 3,400,000 »
Zusammen 37,300,000 m'
Um eine gewisse Auffassung davon zu erhalten, wie gross
die Werte sind, welche diese Hiebsmenge vertritt, sei nur er=
wähnt, dass der Wert des von der Holzindustrie im Jahre 1913
verwendeten Rohholzes, abgesehen vom Brennholz, sich auf 120
Mill. Fmk belicf. Der Wert der jährlich exportierten und im
eigenen Lande verwendeten sowohl bearbeiteten als rohen Wald=
Produkte, der schon i. J. 1913 zu 400 Mill. Fmk veranschlagt
wurde, dürfte deshalb eher zu niedrig als zu hoch berechnet sein.
Dazu kommen aber noch andere Erträge, deren Geldwert
schwer zu bestimmen ist. Im grössten Teile Finnlands werden
die Wälder als Viehweiden benutzt. Der Wert der Wcidc=
nutzung wird jährlich zu wenigstens 20 Mill. Fmk berechnet.
Auch der Ertrag der Renntierzucht (Anzahl der Rennticre i. J.
1910 121,681, der Ausfuhrwert ihrer Erzeugnisse etwa V2 Mill.
Fmk) ist grösstenteils den Einkünften der Waldwirtschaft zuzu=
zählen, weil die Renntiere in Finnland, welches verhältnismässig
wenig eigentliche baumlose Fjcldgebictc umfasst und wo die
Renntierzucht doch bis in die Nähe des Oulujärvi getrieben wird,
hauptsächlich von Flechten, Gras und der Bartflechte der Wald=
bäume leben. In Grenz=Karclien ist die Brandwirtschaft noch
eine wichtige Form der Bodenkultur; auch in den übrigen Teilen
Kareliens wird sie allgemein betrieben, und sie hat weder in
Savolax noch sogar in Tavastla:id bis jetzt vollständig aufgehört.
Auch das Brandgotreide ist hauptsächlich ein Erzeugnis der Wald=
Wirtschaft, denn ohne die Asche der Waldbäume würden die
Brandflächen kein Getreide geben. Die wirtschaftliche Bedeu =
tung der Waldbeeren steigt von Jahr zu Jahr ^ sie bilden ja
sogar gewissermasscn eine Ausfuhrware (Exportwert i. J. 1913
etwa 1,6 Mill. Fmk) — und auch das Wild hat keinen unbc=
trächtlichen Wert (die Ausfuhr allein — Wild und Pelzwerk —
belief sich 1913 auf etwa 1 '2 Mill. Fmk). Ausserdem sind
noch die Reisigentnahme, die Laub= und Moosernte u. dgi.
zu erwähnen. Mit Berücksichtigung dieser ganzen Produktion
stieg der jahrliche Gesamtertrag der Waldwirtschaft schon 1913
auf wenigstens 450 Mill. Fmk, d. h. höher, als der Ertrag von
Ackerbau, Viehzucht und Milchwirtschaft zur selben Zeit ge=
schätzt wurde.
Die aus den Waldprodjkten gewonnenen Bruttoerträge (1909)
verteilen sich schätzungsgemäss folgendermassen auf die einzelnen
Berufsklassen :
Waldbesitzer 38,1 %
Waldarbeiter 29,3 » | q,
lndustrie= und Schiffsarbeiter 12,4» j
Geschäftsleute 12,0»
Vermittler und Agenten 3,8 »
Eisenbahngebühren 3/' *
Ausländische Rohstoffe (in der Papierindustrie) 1,3 »
1 00,0 %
Man hat berechnet, dass sich speziell die Bruttoerträge der
Sägemühlenindustrie derart verteilen (1907), dass die Waldbesitzer
39,5%/ die Arbeiter 38% und die Sägcmühlenbesitzer 10%
erhalten; der Rest geht an die Vermittler, auf Frachtgelder usvx/.
Diese Berechnungen legen dar, dass Arbeiter und Bodenbesitzer
den grösstcn Vorteil von der Waldwirtschaft haben, während
die Industriellen (Aktiengesellschaften) verhältnismässig wenig
daran verdienen, vor allem wenn man bedenkt, dass sie grosse
Kapitalien in ihr Unternehmen gesteckt haben, für welche sie
sowohl Zinsen als Amortisationen rechnen müssen. Was die
Arbeitslöhne anbetrifft, so belaufen sich diese in der Waldwirt=
Schaft und Holzindustrie jährlich auf mindestens 105 Mill. Fmk
— Im Jahre 1913 waren laut amtlicher Statistik im Holzindus=
triebetriebe insgesamt 46,500 Arbeiter beschäftigt, d. h. 42,6%
von der gesamten Arbziterzahl aller Industriezweige, und der
Bruttoertrag der Sagemühlen» und sonstigen Holzindustrie betrug
171,2 1Vl;ll. Fmk, derjenige der Papierindustrie 101,4 Mill. Fmk,
und somit der Bruttoertrag sämtlicher Holzbearbeitungsunter=
nehmungen 272,6 Mill. Fmk, d. h. 36% vom Bruttowerte der
ganzen Produktion Finnlands. Die Zahl der Waldarbeiter ist
noch bedeutend grösser, und da diese zum grössten Teil Fami=
lienväter sind, so ist es eine recht ansehnliche Volksmenge, die
in dem von der Waldwirtschaft und Jiolzindustrie gebotenen
Arbeitsverdienst entweder ausschliesslich oder hauptsächlich ihr
Auskommen findet. In welchem Grade der aus den eigent=
liehen Waldarbeiten herfliessende Verdienst steigen kann, je nach=
dem sich die Waldwirtschaft zu grösserer Intensität entwickelt,
erhellt aus folgenden Ziffern, welche die von der ForstverwaU
tung ausgezahlten Arbeitslöhne angeben (die Löhne für das
Fällen, den Landtransport und das Flössen öffentlich verstei=
gerter Stämme werden nicht von der Forstverwaltung, sondern
von den Käufern bezahlt):
1900 189,337 Fmk Arbeitslöhne
1906 664,383 » »
1911 1,352,764 » »
1912 1,492,928 » »
1913 1,499,386 i> »
1914 1,170,515 » »
»9« 5 1,533,971 » »
1916 4,650,158 »
Waldwirtschaft und Holzindustrie sind also keineswegs Er=
wcrbszwcigc einer Minderzahl, sondern vielmehr Erwerbszvweigc
des Volkes, aus deren Erträgen alle Schichten der Bevölkerung
wenigstens mittelbar Nutzen ziehen.
Was für eine Bedeutung die Waldwirtschaft und H» Izindustrie
künftig für Finnland erhalten können, zeigt sich, wenn man die
im allgemeinen recht günstigen Vorbedingungen der Waldwirt=
Schaft näher prüft.
Der grösstc Teil des Landes eignet sich sehr gut zum Wald=
bau, und namentlich die Gegend südlich vom Suomenscikä ist
vorzüglicher Waldboden (meistens besser als in Schweden unter
den entsprechenden Breitengraden). Sehr wichtig ist es, dass
vor allem die Nadelhölzer gut gedeihen, da ihre Zucht im all=
gemeinen einträglicher ist als die der Laubhölzer. Die natür=
liehe Verjüngung der Wälder und insbesondere der Nadelwälder
gelingt meistens verhältnismässig gut. Fast wie zum Trotz
wachsen an Stelle eines verheerten Waldes schöne Jungwuchsbe=
stände empor, während in Mitteleuropa sich die natürliche Ver=
jüngung der Nadelvxälder, vor allem der Kiefernbestände, be=
deutend schwieriger stellt, so dass man dort vielfach genötigt
ist, seine Zuflucht zur künstlichen Bestandesgründung zu nch=
mcn, was wiederum die Produktionskosten erhöht. Pilz= und
Insektenschäden, die in den Wäldern Mitteleuropas in grossem
Umfang auftreten, sind in Finnland kaum erwähnenswert. Zum
Abtransport der Stämme ist der lange Winter mit seiner Schnee=
decke, die meistens nicht zu hoch ist, sehr günstig; in den
meisten anderen Ländern muss wegen der Kürze des Winters
oder seiner grossen Schncemengc der Transport während der
schneelosen Zeit stattfinden, was viel teurer wird als die Ver=
frachtung auf Schlitten. Die zum Holzflössen verwendbaren
Wasserwege bilden in Finnland ein reicher verzweigtes Netz
als viellcichi irgendwo sonst in der Welt, und der Seenreich=
tum von vielen der wichtigsten Mösswassersystemcn ebnet der=
massen die Überschwemmungsverhältnisse, dass das Flössen den
ganzen Sommer hindurch betrieben werden kann; somit ist hier
ein verhältnismässig billiger Wassertransport in grösster Aus=
dchnung möglich. Vor allem bieten die zahlreichen Strom=
schnellen am unteren Lauf der Flössgewässcr den Holzindustrie=
fabrikcn eine grosse Menge billiger Bctritbskraft, die noch zum
grössten Teil unbenutzt ist. Der Verbrauch von Waldprodukten
zeigt überall in der Welt die Tendenz zuzunehmen, und zwar
verhältnismässig rasch zuzunehmen, während das Angebot wenig»
stcns auf den europäischen Markt nicht nennenswert in die Höhe
gehen kann. Das muss m.t Naturnotwendigkeit eine Preissteige=
rung der Waldproduktc zur Folge haben, weshalb der Produk=
tionswert der finnischen Waldwirtschaft in Zukunft ebenfalls
steigen muss.
Eine Sonderstellung nehmen die Staatswälder ein. Das sind
Waldungen, wo die Waldwirtschaft und Waldnutzung für die Rech=
nung des Staates und durch Staatsbeamte betrieben wird. Für
die finnischen Staatsforsten besteht das Waldgesetz vom j. Sep=
tember 1886 in Kraft. Es stellt fest (§1), dass »alle ausser=
halb der Dorfschaftsbezirke liegenden Wälder und Odländereien
wie auch die innerhalb der Dorfschaftsgemarkung befindlichen,
durch Grenzsteine von den Privatgütern geschiedenen Waldflächen
und Inseln und die durch Teilung entstandenen oder künftig
entstehenden überschüssigen Bod2nstrecken, auf welche weder
eine Privatperson noch ein Gemeinwesen ein besseres Anrecht
geltend mächen kann«, Staatswälder sind. Doch hat der Staat
ausserdem noch von Privatpersonen eine Menge Waldungen
erstanden.
Kameraiistisch iässt' sich der Staatswaidbesitz in S t a a t s=
Wälder und Staatsforsten einteilen. Die ersteren wer=
den für die Rechnung des Staates verwaltet, aber ihre endgültige
Anwendung ist noch unentschieden. Man kann sie nämlich, in=
sofern sie anbaufähiges Land enthalten, zu Neusiedelungen oder
Staatsforsttorps, andernfalls zu Staatsforsten verwenden. Dagc=
gen ist ein Staatsforst ein für seinen Zweck schon endgültig benutz=
tes Gebiet, »welches der Verfügung des Senats gemäss entweder
schon von den Staatswäldern abgetrennt ist oder künftig abge=
trennt werden soll, um als Staatspark für die Rechnung des Staa=
tes zum Waldbau benutzt zu werden (§ 2)». Auch in den Staats=
forsten sind Siedelungen gestattet. Es können nämlich daselbst
Staatsforsttorps und Pachtgüter angelegt werden, soweit zur Be=
siedelung und Kultur geeignete Plätze vorhanden sind und soweit
die Besiedelung nicht die Waldwirtschaft des Staates behindert.
Die Verwaltung und Pflege der Staatswaldungen
ist der Forstverwaltung anvertraut. Zu diesem Zweck sind die
Staatswälder in 9 Inspektionsbezirke und diese wiederum in 86
Forstreviere eingeteilt, die ihrerseits zusammen rund 800 Schutz»
bezirl<e umfassen. Ausserhalb der eigentlichen Inspektionsbezirke
bleiben die Gebiete der Försterschuiep, das forstv^irtschaftliche
Übungsgebiet der Universität, die Staats>x'älder des Regierungs=
bezirks Hcinola und die Gebiete der Sägemühlen und HolzspaU
tungsanlagen mit insgesamt 45,323,70 ha, d. h. 0,36 % der ge=
samten Staats\xälder. In jedem Inspektionsbezirk ist ein Obcr=
forstmeister, in jedem Revier ein Forstmeister und ein Forstrcn=
dant; als Gehilfen der Oberforstmeister und Forstmeister wir=
ken ausserdem 20 ausserordentliche Forstmeister. In den meisten
Revieren gibt es ferner einen, in manchen mehrere Förster, vxelche
die Fö!stcrschule absolviert haben. Mit der Pflege der Staatswa! =
düngen beschäftigen sich auch 14 Forstrevisoren, deren Oblicgen =
heit es ist, die Waldvovräte zu taxieren und Wirtschaftspiäne für
die Staatsforsten auf je 10 Jahre rcviervxeise zu entwerfen. Als
Gehülfen haben sie dabei 12 Forsttaxatoren. Behufs der Entvx/äs^
serung sumpfiger Gelände in den Staatsforsten sind 6 Moorent=
\x/äs3erungsforstmeister angestellt. Überdies sind in den Staats=
Wäldern als Gehilfen bei verschiedenartigen Arbeiten Forstkon=
dukteure in wechselnder Anzahl beschäftigt.
Der Flächenraum der Staatswälder, welcher Ende 1915
12,453,065.88 ha betrug, verteilt sich in den einzelnen inspcktions-
bczirkcn und den selbständigen Forstrevieren wie folgt
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Der Waldbcsitz des Staates verteilt sich folgcndermassen auf
die einzelnen Läne:
I Nyland ( Uusimaa) 3,007,83
I Abo u. Björneborg (Turku u. Fori).. 45,509,47
' Tavastehus (Häme) 104,222,51
I Wiborg (Viipuri) 246,544,59
St. Michel (Mikkcli) 56,464,88
Kuopio 526,293,21
VX-'asa (Vaasa) 407,578,84
Uleaborg (Oulu) 10,962,680,37
4,98 I 0,84
5.70 j 1,981
2.42 0,45
11,941 4.27
9.81 ] 7.27 I
65,27 88,04
Die obenstehenden Ziffern umfassen nicht die sog. Staats=
domänen und andere gleichartige Bodenbesitzungen, deren Wal =
düngen durch eine im Jahre 1915 in Kraft getretene Verordnung
der Forstverwaltung unmittelbar unterstellt vwordcn sind. Die
Flächenraumverhältnisse der Amtsgüter waren i. J. 1915 folgende:
Län
1
Zivildomänen,
Militärdomänen Domänialparke Stammgütcr im
LänNX'iborgusw.
Anzahl' Areal ha 'Anzahl Areal ha Anzahl^ Areal ha
Nyland
Abo u. Björneborg
Tavastehus
Wiborg
St. Michel
Wasa
1 'j 1 33,6(17,00 26
249 , 55,835,17 4 2,094,99 33
161 ' 62,729,61 3 ; 3,043,94 8
97 41.956,72 j 2 2,127,89! «
84 1 48,445.47 5 7.173.951 9
27 10.808,54 ' — — ! —
3,895.13
8,200,82
2,689,06
2.704.77
288,10
1,860,55
Uleäborg
36 14,801,85 1 i8i,97 4 3,141,651
801 i 268,335,28 15 15,622,74 78
22,379,68'
Aus den Waldungen der Staatsdomänen sind 7 Forstreviere ge=
bildet worden; die Obliegenheiten des Oberforstmeisters besorgt einst=
weilen ein ausserordentlicher Referendar der Forstverwaltung.
Da die eigentlichen Staatswälder zum grösstcn Teil Ursprünge
liehe Gemeinwäldcr umfassen, welche bei der allgemeinen Flurregc=
lung als die schlechtesten und inbezug auf die Verkehrsverhältnissc
abgelegensten dem Staate zufielen, so ist es verständlich, dass sie
/^(^^f
Kämpfende Auerhähne.
Gemälde von Ferd. von Wright.
Laubsammeln.
meistens in entlegenen und mageren Wasserscheidegebieten lie=
gen und auch dort durchschnittlich schlechter sind als die privaten
Ländereien. Dagegen umfassen die Staatsdomänen, die zum
grössten Teil in den fruchtbarsten Gegenden Finnlands liegen, im
allgemeinen fettes Land und sind den mittelmässigen oder etvcas
über das Mittelmass hinausgehenden Privatgütern gleichzustellen.
Das Areal des produktiven Waldbodcns der Staatswälder bc=
steht zu 2,4 % aus Lichtungen, zu 85,4 % aus Nadelwald und zu
12,2 % aus Laubwald. Die entsprechenden Holzvorräte sind :
Nadelholz 94,0 % und Laubholz 6,0 % vom Kubikinhalt.
Die Altersklassenverhältnisse der Staatswal=
düngen gehen aus nachstehender Tabelle hervor:
pektionsbezirk
I— 20 21— 4o]4t— 60 |6i-8o| 81— looj 101— i2o| ,2i_,4o 141 — 160 161 +
% des Gesamtareals der Nadelwälder
I — Tavastehus
)org — St.Michtl
jpio
telfinnland.
ija
ujärvi
5,0
0,2
3,7
1,7
0,6
6,4
7,0
4,0
9.7
7,2
6,5
12,5
8,7
5,2
19,0
20 5
18,3
22,2
25,3
22,5
14.5
38.3
72,1
16,4
16,1
28,8
11,6
21,5
19,4
12,9
12,6
1 1,2
8,6
7,7
7,7
5,8
5,2
24,1
10,5
33,8
26,8
9,8
10,3
6,4
8,9
1,3
3,8
7,1
4,4
4,0
7,0
0,9
3,0
26,9
29,8
11,5
10,6
17,7
17,0
0,9
8,6
200 +
9,4
27,7
Die Staatswälder umfasstcn gemäss der bis zum Jahre 1916
bewerkstelligten Taxation folgende Holzvorräte:
I nspektionsbezirk
m^ auf produktivem
und weniger produk=
tivem Waldbodcn
m' auf produkti=
vem u. weniger
produktivem \Vald=
boden pro ha
68,544,000
84,518,000
58,594,000
44,688,000
25,189,000
14,988,000
36,5 17,000
22,281 000
10,825,000
2,241 ,000
50
52
53
72
74
92
105
102
74
.13
li
Pohja
Mittelfinnland
Wiborg-St. Michel . . . .
Äbo— Tavastehus
DieReviere Tuomarniemi,
Siikakangas,Evo — Vesi=
jako und Joroinen . . . .
Das wertvollste Produkt der Staatswälder, der Sägeholzvorrat,
wird in nachstehender Tabelle (für das Jehr 1914) veranschaulicht:
Inspektionsbezirk
oder Revier
Anzahl Stämme, die in
Höhe messen
1,5 m
Zusammen
1
25—30 cm 1
30 4- cm
%
I.=B.Äbo — Tavastehus .
Rcv. Siiliakangas
» Evo — Vcsiiako
I.=B. Wiborg— St.Michel
Rev. Joroinen
I.= B. Kuopio
« Wasa
3,566,999
87,708
319,914
6,239,396
106,745
9,862,389
4,696,606 j
53.454 :
13,051,021
13,375,964
17,707,092
20,975,130
2,616,396
46,622
78,192 ,
4,197,178
41,520
6,351,702
2,973,019
28,035
7,170,001
7,037,920
16,481,134 ;
15,935,299 '
42.52
74,71
19,64
40,22
28,00
39,17
38,77
34,40
35,46
34,48
48,21
43,38
6,183,395
134,330
398,106
10,436,574
148,265
16,214,091
7,669,625
83,489
20,221,022
20,417,884
34,188,226
36,910,429
Rev. Tuomarniemi
I.=B. Oulujärvi
» li
» Lappland
Zusammen
90,042,418 i
62,957,018 ,
41,38
152,999,436
Die Abtriebsmenge, welche in den Jahren 1865 — 69
0,02 m' pro ha produktiven Waldbodens ausmachte, ist regelmässig
gestiegen und hat in den nachstehend erwähnten Zeiträumen fol=
gcndc Höhe erreicht:
1870—74
0,04 m'
pro
ha
prod
ukti
vcn
\X'
aldbodens
1880—84
0,04 »
»
»
»
»
1 890 — 94
0,06 »
»
»
»
»
1895—99
0,09 »
)>
»
»
»
1900
0,16 »
))
»
»
»
1905
0,14 »
»
»
»
»
1910
0,32 »
»
»
»
»
1915
0,37 *
»
»
»
>
Doch ist die Abtriebsmenge der einzelnen Inspektionsbezirke
eine sehr verschiedene, und wie aus nechstchcnder, die Periode
1911 — 15 umfassenden Zusemmcnstellung ersichtlich, zeigt auch
die Menge der pefällten Sägehölzer im Verhältnis zur gesamten
Abtriebsmenge in den einzelnen Inspckticnsbezirl-en bedeutende
Schwankungen. Von entscheidendem Einfluss sind dabei die Ab=
satzvcrhältnissc, weil in Gegenden mit schlechtem Absatz nur derbe
Sägehölzer Käufer finden.
162
[lährliche mittle=! jährliche mittlere Hiebsmenge des
, ... 1 • 1 ire Hiebsmenge Hiebsmenge des \Vert= Wertholzes in%
Inspektionsbezirk 'p,.oha produkti= holzes pro ha p.-odukti= von der gesam=
venWaldbodensi ven Waldbodens ten Hiebsmenge
Äbo~Tavastehus . 2,09 1,5 0,57 27,?
Wiborg St.Michell i.-jö 1,7 0,66 48,3
Kuopio 0,98 1,4 0,57 57,6
Wasa 1,10 1,5 0,47 42,6
j Oulujärvi 0,46 0,6 0,26 56,4
I li 0,51 j 0,5 j 0,21 68,7
Kemi 0,58 0,6 ! 0,32 84,4
I Lappland 0,18 ' 0,4 ! 0,16 ' 9ir3 1
Die Besiedelung der Staatswälder umfasst ausser den
Amtstellcn der Forstbcamten (1916) 4,525 Staatsforsttorps, auf
welchen Landwirtschaft getrieben wird, und 1832 Pachtparzellcn,
von welchen die Hälfte bewohnt ist, der Rest hauptsächlich ange=
baute, zum Teil Fabriksgrundstückc (44 St.) umfasst. Die Inhaber
der Staatsforsttorps ei halten ausserdem aus den Staatswäldern uncnt=
geltlich Holz für den Hausbedarf, während die Inhaber der Pacht=
parzellen es sich kaufen müssen. Die Pachtzinsen für die Staatsforst=
torps wie auch für die Pachtgüter sind im allgemeinen niedrig, für
crsterc durchschnittlich 25 Fmk, für letztere 1 Fmk und mehr
pro ha je nach der Beschaffenheit und Lage des Pachtgutes und
dem Zweck, zu welchem es benutzt wird.
Erträge und Kosten der Staatswälder. Die haupt=
sächlichsten Einkünfte liefert der Verkauf der Waldprodukte. Pacht»
Zinsen und verschiedene Vergütungen bilden nur einen unbedeu=
tenden Teil, kaum 1 % der Erträge der Staatswälder. Die wert=
vollsten Erzeugnisse werden zum grösstcn Teil öffentlich vcrstei=
gert und in gewissen Fällen kontraktlich verkauft, während der
Verkauf der weniger wertvollen Produkte in kleineren Posten durch
sog. Handkauf stattfindet. Im allgemeinen werden die Waldpro=
dukte unbearbeitet verkauft, und dem Käufer liegt es ob, die erstan=
denen Erzeugnisse selbst aus dem Walde zu holen. Vor dem Ver=
kauf wird die Holzware durch die Forstbeamten gezeichnet. In
letzter Zeit sind Lieferungskäufe immer gebräuchlicher geworden.
So werden schon ansehnliche Mengen von fertigem Brennholz,
Papierholz, Grubenstützen (Props) und anderen in Verbindung mit
Lichtungs= und Durchforstungshitben gewonnenen Holzwaren vcr=
kauft. Für die Bearbeitung des Holzes der Staatswälder verfügt
163
die Forstvcrwaltung bereits über drei Sagemühlen und mehrere
Holzspaltwerke. — Pachtzinsen, Torpsteucrn, Weidegelder, ver=
schiedenc Vergütungen u. a. bilden die übrigen relativ geringen
Einkunftsposten der Staatswälder. Von den Ausgabeposten sind
gegenwärtig die Kosten für die Beschaffung von Holz für die Staats»
anstalten, im )ahre 1916 34,3 % ausmachend, am grösstcn, dann
kommen die Ausgaben für die eigentlichen forstwirtschaftlichen
Arbeiten mit 23,0 % und erst in dritter Linie die Gehälter der Vcr=
waltungsbeamtcn (etwa 12,4 %), in vierter die Löhne der Förster
und Waldwärter (8,3 %).
Die Einnahmen aus den Staatswäldern Finnlands und die Aus=
gaben für dieselben gehen aus der folgenden Tabelle hervor:
Sämtliche von
lahr
Gebuchte Ein=
nahmen im
Mittel Fmk
der Forstver=
waltung gebuch-
te Ausgaben im
Mittel Fmk
Gewinn Fmk
Mittleres
Ausgabeprozent
1861—64
282,812:-
583,641: —
100,829: —
135,1
1865—69
160,482: —
428,154: —
267,672: —
270,3
1870-74
805,350: —
464,598: —
340,752: —
57,8
1875-79
855,047: —
648,282: —
206,765: —
75.8
1880—84
1,065,290: —
699,322: —
363,968: —
65,8
1885-89
1,562,894: —
741,251: —
821,643; —
47,4
1890—94
2,169,871: —
827,059: —
1,542,852: —
38,2
1895—99
2,494.786: —
881,071: —
1,615,515: —
35.3
1900—04
4,960,976: —
1,162,829: —
3.798,147: —
23.0
1905
4,815,500: —
1,777,194:09
5,058,506: —
36,9
1906
6,995,805:47
1,815,057:94
5,180,745:53
25,9
1907
9,954,547:20
2,225,075:83 '
7,709,271:57
22,4
1908
9,267,922: 11
2,948,425: 50 1
6,519.496: 61
^31,8
1909
9,281,782: 14
3.790,593:29 1
5,491.188:85
40,8
1910
12,715,867:44
4,366,084: 48
8,349.782:96
34.3
1911
15,694.478:62
5,006,905: 29
8,687,375:33
37.0
1912
14,128,774:30
5,361,732:34
8,767,041: 96
38,0
1915
15,723,482:07
5,723,315:45 ,
10,000,168: 62
37.0
1914
15,796,158:24
5,806,637:32
9,989,500:92
36,8
1915
11,105,908: 59
5,743.068: 74
5,562,859:85
51.7
I9>6
21,495,707:72
14,232,208: 10
7,265,499: 62
66,2
1917
44.793,755:49
52,165,528:27
12,628,427: 22
71.8
Die obenstehende Tabelle und das Diagramm legen indessen
die Ausgaben der ganzen Forstvcrwultung dai und umfassen jomit
auch gewisse Posten, die nicht für die Waldwirtschaft des Staates
zur Anwendung gekommen sind, wie die Ausgaben für den forst=
wi.-tschaftlichcn Unterricht, die Gehälter und Reisespesen der
Forjtkon: ulenten und der die militärischen und kirchlichen Do-
164
ItS
Itt
HC
tcs
tt.t
as
9.0
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H
LLL
'iii
(855 isio ms isso ms «so i8ss IS» ans
■ - Einnahmen,
Ersparnisse, • • • Ausgaben.
mänen verwaltenden Forstmeister, die zum Wälderenkauf füi den
Staat verwandten Geldmittel und andere Unkosten. Werden diese
Posten von der Gesamtsumme der Ausgaben abgezogen, so stellt
sich die Bilanz der Staatswälder ein wenig vorteilhafter.
Fischerei.
Der wichtigste Gegenstand des Fischfanges in Finnland ist
wegen der Menge des Ertrages unbedingt der im Meere lebende
Strömling, der zu allen Jahreszeiten gefangen wird. Neben dem
Fang mit grossen Zugnetzen, Stellnetzen ur.d grossen Reusen ist
in den letzten Jahrzehnten auch der mit treibenden Netzen, die
Treibfischerei, in Aufnahme gekommen, sodass die Strömlings»
fischerei jetzt auch in der offenen See getrieben wird. Der Ertrag
aus dem Fang auf den Strömling beträgt nach der amtlichen Statistik
im Durchschnitt für die Jahre i88o — 89 jährlich 10,46 Mill.,
1890 — 1899 8,8 Mill., 1900 — 09 10,51 und 1910 — 15 11,04 Mill. kg.
Die Sprottenfischerei, die jedoch vornehmlich nurauf der Küsten=
strecke zwischen Helsingfors (Helsinki) und Flangö (Hanko) getrieben
werden kann, erfolgt im Früh= und Spätsommer; die Ausbeute
wechselt bedeutend in verschiedenen Jahren. Nach der amtlichen
Statistik erreichte der Ertrag in 1000 kg z. B.: 1903 66,5, 1904
253/7, 1905 49/8, 1906 194,0, 1907 109,0, 1914 29,3 und 191533,2.
«65
Dem Strömling entspricht im Innern des Landes wenigstens
als Pökelfisch die kleine Maräne und der Süsswasserstint. Beide
werden in grosser Zahl mit Stellnctzen und Zugnetzen gefangen.
Die im Meere vorkommende Stintart wird in den östlichen
Teilen des Finnischen Meerbusens neben dem Strömling während
der Winterfischerei in bedeutenden Mengen erbeutet. Die Fischer
begeben sich dann mit ihren Fanggeräten, mitunter für mehrere
Wochen, von der Küste weit auf das Meer hinaus und wohnen in
von ihnen mitgenommenen Hütten; dabei geraten sie infolge der un=
sicheren Eisverhältnisse oft in grosse Gefahr und setzen sogar bis=
weilen das Leben daran.
Der wertvollste von den Fischen Finnlands ist der Lachs,
aber auch die Meer= und Seeforelle und der Saibling sind gc=
schätzt. Die Seeforelle wird in den Binnengewässern, namentlich
in den Stromschnellen und grösseren Flüssen, der Saibling im
Ladogasee, in geringerer Menge in einigen anderen ostfinnischen
Seen und im nördlichsten Teil des Landes gefangen. Der Fang
auf den Lachs und die Meerforelle wird im Meere an der Küste von
Osterbotten, in einigen ins Meer mündenden Flüssen und vor den
Mündungen derselben getrieben. Die wichtigsten lachsreichen
Flüsse, in die sich der Lachs zum Laichen begibt, sind im Norden
die Flüsse Tornionjoki, Kemijoki, Simojoki, Oulujoki, lijoki, im
Süden Kokemäenjoki, Kymi und Vuoksen. Neben dem Zugnetze
und der grossen Reuse benutzt man bei der Lachsfischcrei im
Meere (in den nördlichen Teilen des Bottnischen Meerbusens)
das Schleppnetz, in den Strömen und Flüssen fängt man den
Lachs grossenteils in Sggirwehren. ober den Ertrag des Fangs auf
den Meerlachs und die Seeforelle im Oulujoki besteht für die letzten
50 Jahre eine genaue Statistik. Nach derselben beläuft sich der
Gesamtertrag an diesen beiden Lachsarten daselbst durchschnitt=
lieh in 1000 kg: für 1860 — 69 auf jährlich 59,5, für «870 — 79 auf
44,0, für 1880 — 89 auf 44,2, für 1890 — 99 auf 47,2 und für 1900 — 09
auf 12,7. Demnach ist der Lachsfang im Oulujoki während des
'etzten Jahrzehnts sehr gering gewesen. Der Gesamtertrag der
Lachsfischerei im ganzen Lande (Lachs, Meer= und Seeforelle,
Saibling) wird nach der amtlichen Statistik im Durchschnitt in
1,000 kg für 1880 — 89 auf jährlich 550, für 1890 — 99 auf 567, für
1900 — 09 auf 279 und für 1910 — 15 auf 236 angegeben.
Der Schnäpel, der vorzugsweise im Meere, in den lachsreichen
Flüssen und im Ladoga, aber auch in den anderen grössten und bcson =
166
dcrs den nördliclicn Binnengewässern vorkommt, stellt einen der
wichtigen Gegenstände der Fischerei dar. Auch der Schnäpelfang,
welcher nach der amtlichen Statistik (allerdings einschliesslich
der Asche) im Durchschnitt in looo kg für 1880 — 89 jährlich auf
1042, für 1890 — 99 auf 919, für 1900 — 09 auf 539 und für 1910 —
15 auf 469 geschätzt wird, ist erheblich heruntergegangen. Der Fang
des Barsches und Hechts mit Hamen, Netzen, Reusen und neben
anderen Fischen auch mit grossen Zugnetzen ist überall im Lande
gebräuchlich. Der Brachsen, Zander und Alant kommen nur in den
mittleren und südlichen Teilen des Landes vor, wo sowohl der
Brachsen als auch der Zander ihre besonderen, allbekannten Ver=
breitungsgebicte haben (der Brachsen des Vesijärvi, der Zander
des Vanajavesi).
Unter den übrigen Fischereien sei ferner der Fang auf die Aal=
raupe, auf Flunderarten, den Dorsch und den Aal erwähnt. Die
Aalraupe fängt man besonders im Winter unter dem Eis mit
Hamen und Reusen. Die Flunder und ihr Begleiter, der Steinbutt,
der noch salzigeres Wasser verlangt, wird im Herbst und im Früh=
jehr mit Netzen im südwestlich*;n und westlichen Teil der südlichen
Meeresküste gefischt. In denselben Gegenden wird auch der
Dorschfang mit Angeln, vorzugsweise mit Grundleincn ausgeübt.
Den in den Tiefen des Atlantischen Ozeans laichenden Aal, der
verhältnismässig alt und gross, etwa 30 — 40 cm lang, in die fin=
nischen Gewässer kommt, fängt man an den Meeresküsten und in
denjenigen Binnengewässern, in die er in grösserer Zahl cin=
dringen kann, nur mit Angeln. Der aus dem Lande ins Meer zu=
rückwanderndc Aal wird nur in der Stromschnelle Ahvenkoski des
Kymijoki getischt, wo man in Finnland das einzige Sperrwehr zum
Aalfang hat, sowie in den letzten Jahren an ein paar Stellen
(Porkkala, Tvärminne) an der Südküste, wo man die Aalreuse als
Fanggerät benuzt hat.
Der Ertrag der Krebsfischcrei war im südlichen Teil des
Landes, wo das Krustentier in grosser Zahl vorkam, besonaers in
den 1890er und 1900er Jahren sehr bedeutend. Infolge der Krtbs=
pest war nämlich die Nachfrage nach Krebsen in Mittel=Europa
sehr gross, was auch in Finnland eine lebhafte Nachfrage hervor»
rief. Die Pest kam auch hierher: 1893 in den Vuokscn, 1907 in
d;n Kokcmäenjoki, das beste finnische Krebsgebiet. Unter dem-
Einfluss der letzterwähnten Pest fiel die Krebsausfuhr Finnlands,
.67
die 1896 — 1906 im Durchschnitt jährlich 12,6 Mi 11. Stück betragen
hatte, im J. 1909 auf 2,9 Mill. und im ]. 1917 auf 0,2 Mill.
Eiwähncnswcrt ist vielleicht auch noch, dass unsere Meer=
fischerbcvölkcrung im Frühjahr an den Rändern der Eisdecke einen
nicht unbedeutenden Seehunds fang ausübt. In den jähren
1908 — 15 wurden jährlich 10 — 19 Tauseid Seehunde erlegt.
Mittelpunkte des einheimischen Fischhandels sind Äbo (Tur=
ku), Björneborg (Fori), Wasa(Vaasa), Wiborg (Viipuri), Helsingfors
(das jedoch nicht von den Fischen des eigenen Landes abzugeben vcr=
mag), Uleäborg (Oulu), Kotka, Frcdrikshamn (Hamina) und Kristine»
stad (Kristiinankaupunki). Alle diese Zentren liegen an der Mceres=
küste. Im Innern des Landes verbraucht der örtliche Konsum — ab=
gesehen von unseren lachsreichen Flüssen und den Gegenden um
Kuusamo — im allgemeinen die gesamte erzielte Produktion, ohne
immer selbst gedeckt zu vwerdcn. Als Handelszentren der kleinen
Maräne können Jyväskylä und Kuopio gelten. Die Fische des
Ladogasees hat bisher Petersburg aufgesogen.
Die Konservenindustrie hat Nwährcnd der beiden letzten Jahr=
zehnte in verschiedenen Städten an der Südküste einen gewissen
Aufschwung genommen. Das Haupterzeugnis war die Anschovc,
wogegen vor dem Krieg in erster Linie von der Westküste Schwc=
dens und aus Norwegen eingeführtes Rohmaterial (Sprotten) ver=
wendet wurde. Der grösstc Teil der Produktion wurde nach Russ=
land versandt, 1914 0,5 und 1915 0,4 Millionen kg.
Den Export und Import der Fische geben folgende Tabellen an :
1 m p 0 r
t:
Fisch, f
risch od. lebend.
1000
kg
191t
1912
1913
1Q14
1915
19<6
191
3.769.3
50,-50,i 5,044.«
5,198,3
940,0
126,«
7«
Hering
gesalzen
4.590,1
67,62,6 6,774,«
7,084,7
1,162,7
727.«
2.02-
Bresslin?. »
I,2I7,S
10,84,«' 760,0
479,5
729.«
92,0
4<i
Andere
Fische, »
748,3
4ii,«f 601,5
425,«
245,»
206,«
^o^
Fische,
geräuchert
■5,'
4.« 4.2
7,3
7,0
>,'
c
Köhler
451,8
479.-' 575,»
215,.
240,3
94.«
H
Fisch,
jetrocknet
62,9
59.0 42,3
24,.
27.»
12,.
c
Zusammen
10.419.«
15.832.«! 15.767.«
9 47" »)
2.648.»
1,291.«
2478
Fischkonserven
lOOO
kg
9t.«
107,7' 98,1
65,. 1
66,*
120,>
230
Kaviar
>
•
4.7
6, IS 13,7
10,6 1
20,»
6,3
7
96,6
76,« 87,« 126,1
168
Export:
Lachs, frisch looo
kg
1911
1912
1915
1914
1915
1916
1917
91,»
141,7
257,3
i68,4
156,0
206,2
2,9
Maräne, » »
»
1 12,4
162,7
165,8
234,9
431,8
100,3
10,0
Strömling, » »
1)
917,0
1,055,3
1,055,3
716,2 1,450,1
2 062,6
2.116,6
And. Fische ') >>
»
5,421,8
5,547,3
3,491,3
5.805,2' 4,415,4
5.289,7
1,048,7
Lachs, gesalzen »
»
51,5
49,8
29,6
50,4! 25,3
26,9
5,8
Maräne, » »
»
1,9
1 .7
2,1
5,8 0,9
1,'
Strömling, » »
1)
5,421,2
2,526,5
5,534,.i
2.951,6 2.019,2
1-597,'
1,402,6
And. Fische» »
1)
35,0
41,5
16,8
20,9 55,1
95,«
16,9!
Fisch, geräuchert »
i>
5?2,9 445,8
485,'
526,3 412,8
667,4
256,4
• getrocknet »
"
6i,o| 46,3
45,8
45,9 51,6
25,5
48,7
8,549,8 7,81 6,6
9,059,'
8,505,8 8,992,2 8,069,3
4,908,5
Fischkonserven looo
kg
1,157,6 1.002,3
914,8
556,3 42Z,:\ 516,3
226,7!
Krebse »
1)
90,2' 72,5
69,4
56,7 25,7| 24,0
11, «1
1,247,8
1,074,8
984,3
593,6
445,9
540,3
58,J
Die Fischzucht ist in Finnland durch verschiedene
Lachszuchtanstalten (in Tavastehus [Hämeenlinna], Jocnsuu und
Ylöjärvi etc.) vertreten. Karpfenzucht gibt es nicht. Man ist zu
dem Schluss gelangt, dass die starke Abkühlung des Wassers im
Winter der Einbütgeiung des Karpfens im Lande im Wege steht.
Für den Schutz des Lachsbcstandes vx/irkcn einige staatliche
und private Brutanstalten.
Für die Entvwicklung des Fischereibetriebs ist in Finnland we=
nig systematische Arbeit ausgeführt worden. Bei ihrer Rolle als
Nebenerwerb hat man das Interesse an ihr vernachlässigt. Die
Hebung der Fischerei, soweit man zu einer solchen Schritte tat,
wurde vorzugsweise im Wege der Gesetzgebung angestrebt. Die
erste Fischereiverordnung stammt denn auch aus der schwedischen
Zeit, aus dem Jahre 1766. Die heute geltende Verordnung vom
Jahre 1902 , die dritte in der Reihe, besitzt mehrere Vorzüge,
aber auch verschiedene Mängel; der bemerkenswerteste von letzteren
ist die giosse Ausführlichkeit des Gesetzes in gewissen speziellen
Dingen, die nicht immer zu der Verschiedenheit der im Lande herr=
sehenden Verhältnisse und natürlichen Bedingungen passt.
Im Jahte 186t setzte die Regierung einen besonderen Beamten,
den Fischerciinspcktor, ein, dessen Aufgabe es sein sollte, die staat=
liehen Fischereien zu beaufsichtigen und überhaupt für die Bedürf=
nissc des Fischcreigewerbes Sorge zu tragen. Dieser Beamte hatte
von 1892 an einen und von 1906 an zwei Gehilfen zur Seite. Was
169
überhaupt bis in die allerletzte Zeit für die Fischerei getan worden
st, ist hauptsächlich das Ergebnis der unmittelbaren oder mittcU
ibaren Arbeit dieser Beamten.
Auf Betreiben des Inhabers des in Rede stehenden Amtes wurde
1891 der »Fischerclverein in Finland» gegründet, der seit 1892 eine
Zeitschrift in finnischer und schwedischer Sprache (»Suomen
Kalastuslchti», "Fiskeritidskrift för Finland») und seit 1912 eine bc=
sondere Publikationsseric »Suomen Kalatalous», »Finlands Fiskerier»
herausgibt. Von 1912 ab hat der Fischercivercin ein selbständigeres
Leben geführt. Infolge der Staatsunterstützung, die er bezog, konnte
er von da an eigene Funktionäre besolden, im J. 1918 wurde statt
des Fischereiinspektors mit seinen Gehilfen ein Zcntralamt , das
Fischcreiamt, eingerichtet.
Im Lande hat auch eine kleine Fischerschule für Binnen=
gcwässerfischcr gewirkt: in Evo (einjähriger Kursus). Diese Anstalt
hat auch den Mamen einer Versuchsanstalt geführt, doch sind ihre
Vorrichtungen anspruchslos gewesen.
Die bestehenden, ererbten Nutzungsrechte an den
Fischcreigewässern sind sehr kompliziert. Während
am Meere, bis auf ein schmales Ufergebict (\> km auswärts von
2 m Tiefe ab gerechnet), jeder Mitbürger berechtigt ist, frei mit
den gesetzlich gestatteten Geräten Fischerei zu treiben, ist dieses
Recht gegenüber den Binnengewässern und der Küste eingeschränkt.
Es kommt da nur den Bodenbesitzern zu. Jedoch nicht in der
Weist, dass jeder Landwirt sein bestimmtes Gebiet hätte, obwohl
das in einigem Masse vorkommt (diese Nutzungsform wäre ausser=
dem nicht besonders wünschenswert, weil die Gebiete dadurch arg
zersplittert würden), sondern so, dass die Bodenbesitzer, die zu =
sammen eine Dorfschaft bilden, das Wassergebiet gemeinschaftlich
innehaben. Daran hat jeder von ihnen je nach dem auf ihn ent=
fallenden Steuersatz des eigentlichen Bodens Anteil. Diese gemein=
schaftlichen Gebiete, die Dorfgcwässer, sind äusserst selten natür=
liehe Wassergebiete; vielmehr laufen ihre Grenzen infolge der früher
gefestigten Bodengrenzen meistens längs und quer über Seen,
grosse Wasserflächen und Flüsse. Die Inhaberschaft des Dorf=
gcwässers verteilt sich also jeweils auf mehrere Köpfe, und die
Gebiete entbehren natürlicher Grenzen. Nach bestehendem Gesetz
fehlen mithin der nicht bodenbesitzenden Klasse die Fischerei=
berech tigun gen in Dorfgewässern. Nur die Bodenbesitzer können
ihr von ihren eigenen Nutzungsrechten mit gegenseitiger Zustim=
mung Anteile überlassen.
Hinzu kommen noch die Verhältnisse bei den bemerkcns=
wertesten Lachs= und Maräncnflüssen, in denen die »edlere Fischc=
rci», d. h. der Lachs= und Maränenfang, von den Zeiten Gustav
Wasas her der »Krone» gehört, die ihn, mitunter auf nicht weniger
als hundert Jahre, an eine von den Gütern (nicht Gutsbesitzern)
an dem Flusslauf gebildete Genossenschaft verpachtete. Diese
Genossenschaften üben Fischerei, bezahlen die festgesetzte Pacht
an den Staat und verteilen den Ertrag an die einzelnen Güter je
nach deren Pachthöhe.
Industrie.
Die Industrie hat in Finnland merkbar schlechtere Vorbedin=
gungen als in den westlichen Nachbarländern. Das beruht ausser
auf dem Mangel an Metallen auch auf manchen anderen Verhält=
nissen. Da es in Fennoskandia keine Steinkohlen gibt, ist die ei=
gentliche Grossindustrie auf andere Kraftquellen angewiesen, d. h.
auf die Wasserfälle und Stromschnellen. In den Flüssen und Was=
scrsystemen Finnlands gibt es solche in sehr reicher Menge, aber im
Vergleich mit den Wasserfällen Schwedens und Norwegens ist die
Verwertung derselben im Dienste der Industrie oft sehr schwierig.
Nominell besitzen die Wasserfälle und Stromschnellen Finnlands
bei Mittclwasserstand -j Mill. Pferdestärken (bei Niedrigwasser
1,8 Mill. und bei Hochwasserstand it Mill.), aber davon ist
in Wirklichkeit nur ein verhältnismässig kleiner Teil verwendbar^
bei dem Imatra z. B. rechnet man mit 180,000 PS, bei dem Pyhä=
koski mit 44,000 PS, bei dem Harjavallankoski mit 8,000 PS
usw., und auch diese sind oft erst durch teure Stau= und Kanal=
bauten zu gewinnen. In erster Linie liegt dies an der Länge und
dem geringen Gefäll der Stromschnellen, an der Seichtigkeit der
Ufer (die Anlage grosser Dämme oft unmöglich), an den Schwan=
kungen der Wassermenge, den Eismassen der nördlichen Flüsse
u. a. Auch dürfen die grossen Schwierigkeiten nicht vergessen
werden, welche sich aus den komplizierten Wasscrrechtsverhält=
nissen Finnlands ergeben. Alle diese Umstände tragen dazu bei,
dass von den im Jahre 1913 der ganzen Industrie dienstbaren
710,342 PS nicht einmal die Hälfte, oder 143,657 PS der Was«
serkraft entstammten. Davcn verbrauchten die Papier= und andere
Fabriken 89,747 PS, die Pachtmühlcn 26,164 PS/ die Elektrizitäts=
Beleuchtungs= und Kraftübertragungsanlagcn 8,391 PS, die Sägc=
werke 5,844 PS und die Spinnereien und Webereien 5,807 PS.
Vergleichshalbcr sei erwähnt, dass man in Schweden für die Wasscr=
fälle verwendbare 3,5 Mill. PS berechnet, wovon 1910 700,000 PS
gebraucht wurden.
Der Entwicklung der Industrie wirkt ferner entgegen die
grosse Entfernung Finnlands von den Hauptstrassen des Welt=
Verkehrs und die Bccisung der Meere im Winter, wodurch die
Beschaffung von Rohstoffen und der Absatz der Erzeugnisse cr=
Schwert wird. Kapitalien sind ebenfalls weniger als in den wcst=
liehen Nachbarländern Finnlands und desgleichen weniger Organi=
sationstalent und technisches Können vorhanden. Alle diese Um=
stände zusammen machen es erklärlich, dass Finnland nur mit ein
paar Industrieprodukten in bemerkenswerterem Grade auf den
Weltmärkten auftreten kann. Dies sind die Erzeugnisse der auf
dem einzigen wichtigeren einheimischen Rohstoff beruhenden HoIz=
und Papierindustrie. Die anderen Industriezweige müssen sich,
von einigen geringfügigen Ausnahmen abgesehen, vorläufig mit
den einheimischen Märkten begnügen. Bemerkenswert ist, dass
die einheimischen Märkte im Vergleich mit Schweden und auch
mit Norwegen viel schlechter sind, weil die Konsumtionskraft und
=lust der Bevölkerung des Landes beträchtlich geringer ist. — So ist
es zu erklären, dass, während der jährliche Produktionswert der
schwedischen Industrie 191 1 auf den Kopf der Bevölkerung 500 Fmk
betrug, der der finnischen Industrie sich nur auf 172 Fmk pro Kopf,
d. h. auf fast dreimal weniger belief.
Im Folgenden wollen wir uns die Industrie Finnlands im Lichte
der Industriestatistik ansehen (vom letzten normalen Jahre vordem
Weltkrieg).
Im Jahre 1913 gab es in Finnland im ganzen 4,346 industrielle
Unternehmen, in welchen 115,795 Personen tätig waren (von die=
sen 109,238 eigentliche Arbeiter). Der Bruttowert der Produktion
betrug 682,926,100 Fmk, die Löhne der Arbeiter 107,774,800
Fmk, der Wert der Rohstoffe 395,578,300 Fmk, wovon 171,796,600
Fmk auf ausländische Rohstoffe und Halbprodukte, 223,781,700
Fmk auf einheimische Rohstoffe und Halbprodukte entfielen.
Die entsprechenden Zahlen \x'aren 1909 (die frühere Statistik ist
nicht proportional): Betriebe 4,038, Arbeiter 88,704, Bruttoertrag
der Produktion 465,259,000 Fmk, Löhne der Arbeiter 78,844,900
Fmk, Wert der Rohstoffe (einheimische' und ausländische
nicht gesondert) 169,743,600 Fmk. Im Jahre 1913 entfielen auf die
Städte 1,057 Betriebe (22,4 %), 51,578 Arbeiter (47, 2 %) und
380,390,700 Fmk Bruttowert der Produktion (55,7 %); auf das
platte Land: 3,652 Betriebe (77, 6%), 57,720 Arbeiter, 302,535,400
Fmk Bruttoertrag der Produktion. Auf die verschiedenen Länc
verteilte sich der Bruttoertrag folgendermassen:
Län Fmk % vom Gesamtbetrag
Nyland (Uusimaa) 160,035,500 23,4
Wiborg (Viipuri) 144,913,600 21,2
Tavastehus (Hämc) 123,314,100 18,1
Äbo u. Björneborg (Turku u. Pori) 101,755,600 14,9
Wasa (Vaasa) 70,831,000 10,4
Ulcaborg (Oulu) ■ • • 41,776,700 6,1
Kuopio . • ; 29,857,800 4,4
St. Michel (Mikkeli) 10,441,800 1,5
Inbetreff des absoluten Wertes der Produktion sind also das
südwestliche Finnland und die Länc an der südlichen Küste den
anderen in bemerkenswertem Grade voraus. Dies ergibt sich
auch aus dem Verhältnis der Arbeiterzahl im Vergleich mit der
Bevölkerung des ganzen Läns und aus dem Bruttowert der Produk=
tion pro Einwohner:
Wert der
Arbeiter % Produktion pro Einw.
Län Nyland (Uusimaa) 5,99 419 Fmk
» Tavastehus (Hämc) 5,98 359 »
» Wiborg (Viipuri) 4,22 288 »
» Abo u. Björneborg (Turku u. Pori) 3,49 206 »
» U'eäborg (Oulu) 2,50 136 »
» Wasa (Vaasa) 2,18 142 »
» Kuopio 1,90 89 »
» St. Michel (Mikkeli) 1 24. 52 »
Das ganze Land 3,57 223 Fmk
Die wichtigsten Industriezentren und der Bruttowert der Produk=
tion derselben im Jahre 1913: Hcisingfors (Helsinki) 109,382,000 Fmk
«75
(Zuckerfabriken 12,9 Mill., Tabakfabriken 10,3 Mill., Münze 8,5
Mlll., Werften für Eisenschiffe 8,0 Mill., Buchdruckereien 5,9 Mill.,
Giessereien und Maschinenbauanstalten 5,6 Mill., Bonbonfabri=
kcn 4,7 Mill., Bäckereien 4,7 Mill., Röhrcnlcitungsfabriken 4,3 Mill.
Fmk), Tammerfors (Tamperc-") 65,292, 600 Fmk (Baumwollfabriken
25,3 Mill., Wollfabrikcn 7,0 Mill., Leinenfabrik 5,9 Mill., Schuhfabri=
ken 5,4 Mill., Papierfabriken 4,0 Mill., Giessereien und Maschincn=
bauanstalten 3,5 Mill. Fmk), Äbo (Tu rku) 39,099,600 Fmk (Zuckcr=
fabrik 8,2 Mill., Baumvjcollfabrik 4,5 Mill., Tabakfabriken 4,1 Mill.,
Giessereien und Maschinenbauanstaltcn 3,4 Mill. Fmk), Wasa (Vaasa)
25,591,900 Fmk (Zuckerfabrik 8,0 Mill., Baumwollfabrik 6,3 Mill.,
Mahl= und Schrotmühle 3,4 Mill.), Kotka 23,747,100 Fmk (Säge=
und Hobelwerke 12,4 Mill., Zuckerfabrik 4,4 Mill., Zellulose»
fabriken 3,4 Mill. Fmk), Björneborg (Fori) 18,716,300 Fmk (Säge=
und Hobelwerke 8,8 Mill., Baumwollfabrik 6,3 Mill. Fmk), Uleä=
borg (Oulu) 18,475,000 Fmk (Lederfabriken 9,4 Mill., Säge= und
Hobeiwerke 3,8 Mill. Fmk), Jakobstad (Pietarsaari) 16,089,500
Fmk (Tabakfabriken 10,0 Mill., Zuckerfabrik 2,5 Mill. Fmk),
Wiborg (Viipuri) 15,533,600 Fmk ( 1 abakfabriken 3,0 Mill. Fmk),
Kuopio 9,989,200 Mill. Fmk (Mahi= und Schrotmühlen 3,9 Mill.
Fmk); der Produktionswert der anderen Städte war unter 5 Mill. Fmk.
Von den Industriezentren auf dem Lande seien die folgenden
Gerichtsbezirke erwähnt: Lapvesi 32,122,200 Fmk (Papierfabriken
16,5 Mill., Zellulosefabriken 7,6 Mill., Säge= und Hobeiwerke
4.3 Mill. Fmk), Kymi (Kymmcne) 26,090,200 Fmk (Säge= und
Hobelwerke 12,7 Mill.,' Holzschleifmühlen und Pappenfabriken 4,8
Mill. Fmk), Tammela 18,569,400 Fmk (Baumwollfdbrik 5,7 Mill.,
Papierfabrik 4,1 Mill., Säge= und Hobeiwerke 2,6 Mill. Fmk),
Heisinge 14,609,100 Fmk (Säge= und Hobeiwerke 5,3 Mill. Fmk),
Jääski 14,399,900 Fmk (Säge= und Hobelwerke 4,0 Mill.,
Holzschleifmühlen und Pappenfabriken 3,0 Mill., Papierfabriken
2.4 Mill., Zellulosefabrlkcn 2,2 Mill. Fmk), Ulvila 11,265, 600
Fmk (Säge= und Hobeiwerke 9,0 Mill. Fmk), Hauho 10,492,400
Fmk (Wollfabrik 3,6 Mill., Säge= und Hobelwerke 2,9 Mill. Fmk),
Pernä (Pernaja) 10,430,400 Fmk (Papierfabrik 3,3 Mill., Sägc=
und Hobelwerke 3,2 Mill. Fmk); der Produktionswert der übrigen
Gerichtsbezirke war unter 10 Mill. Fmk.
Die geographische Verbreitung der hauptsächlich für die
Ausfuhr arbeitenden Industrie (der Sägewerke, Papicr=, Zellulose=
fabriken, Holzschlcifmühlen) beruht in erster Linie auf der Beschaf=
J
fung von Rohstoffen und Betriebskraft (Flössereigewässer, Wasser=
fälle und Stromschnellen) und auf den Ausfuhrmöglichkeiten (daher
die Sägc\x/erkc hauptsächlich an der Küste), wogegen die für den
einheimischen Verbrauch arbeitende Industrie ausser von den Ver=
kchrswegen besonders von der Nahe eines konsumfähigen Kunden=
kreiscs abhängt (konzentriert sich aus diesem Grunde hauptsäch=
lieh in dichtbevölkerten Gegenden und in grösseren Städten). Da
jedoch diese Industrie inbetreff der Qualität ihrer Erzeugnisse (im
allgemeinen im Vergleich zu ihrem Gewicht wertvoller als die Pro=
dukte der Ausfuhrindustrie) weniger von der Entfernung ab=
hängig ist, kann man sie auch in Gegenden antreffen, wo man sie im
Hinblick auf die ebengenannten Vorbedingungen ihrer Entste=
hung nicht erwartet hätte (z. B. die Tabakindustrie in Jakobstad
und die Lederindustrie in Uleaborg).
Die Entwicklung der Industrie sowie die wichtigsten Industrie=
zweige werden unten besonders besprochen.
Nach den Besitzern der industriellen Anlagen (4,346 im J. 1913)
ist die folgende Übersicht geordnet:
Einzelne Personen besessen • . 2,605 Anlagen mit 20,934 Arbeitern
Kooperative Gesellschaften
besassen 393 » » 1,784 »
Aktien= und andere Gesell=
Schäften besassen 1,294 * '* 88,171 »
Gemeinden besassen 29 » » 947 »
Der Staat besass 25 » » 2,402 »
Geschichte der finnischen Industrie.
Anfangs hatte die Industrie auch in Finnland die Form von
Familienarbeit (Hauswirtschaft) und Lohnarbeit. Hausindustrie
wurde gewöhnlich als Nebenbeschäftigung neben dem Ackerbau
ausgeübt, und zwar hauptsächlich zur Befriedigung des eigenen Bc=
darfs. Von den verschiedenen Zweigen dieser primitiven Industrie
mögen erwähnt werden: Spinnen, Weben, Brettersägen, Tcer=
brennen, Mehlmalen, Bierbrauen, Branntweirbrennen, Seifensieden,
Kerzengiesscn. Das eigentliche Handwerk nahm in Finnland
vielleicht erst zu Beginn der Neuzeit seinen Anfang, und die ersten
vollständig organisierten Handwerkerinnungen entstanden früh=
stcns in den 1620er Jahren. Eine Art Fabrikindustrie kam in Finn=
land schon im 16. Jahrhundert vor. Gustav Wasa gründete im An=
schluss an die Burgen von Äbo und Tavastehus kleine i>Tuch=
fabriken'), in denen als Rohstoff teilweise die Wolle der hierher cin=
geführten englischen Rassenschafe verwendet wurde. Für militä=
rische Zwecke wurden Salpetersiedereien und Pulvcrmühlcn gegrün=
det. Auch der Schiffsbau scheint schon um diese Zeit in Schwung
gekommen zu sein; er wurde dann später mit grossem Erfolg
in Osterbottcn als Volksindustrie getrieben, im Zusammenhang
mit dem Schiffsbau entwickelte sich auch die Scgeltuchweberei
und die Seilerei. Auf Kron= und Rittergütern wurden schon im 16.
Jahrhundert mit Wasserkraft getriebene »Sagemühlen') gegründet,
die mittels eines Schneidewerkzeugs Bohlen und Bretter zersägten.
Einen grösseren Umfang nahm die fabrikmässige Produktion an=
fangs nur auf dem Gebiete der Eisenindustrie an. Die Landesbe=
wohncr hatten seit uralten Zeiten aus Sumpferz für den eigenen
Bedarf Schmiedeeisen herzustellen gewusst, diese Produktion war
jedoch nicht imstande, auf die Dauer den wachsenden Bedarf, be=
sonders den Eisenbedarf der Befestigungen, zu befriedigen. Im
16. Jahrhundert entdeckte man in Südfinnland auch Bergerz, und
»542 wurde die erste Eisenhütte zu Ojamo im Kirchspiel Loh ja
eröffnet. Schon 1560 wird die Schmelzhütte von Svartä erwähnt,
in der das Ojamoer Erz veredelt wurde, ein eigentliches Eisenwerk
entstand jedoch erst 1616 in Svartä. Im 17. Jahrhundert wurden
auch eine Menge andere Eisenwerke, besonders in den Grenzgc=
genden von Nyland (Uusimaa) und dem Eigentlichen Finnland ein=
gerichtet: in Antskog, Billnäs, Fagervik, Fiskars, Koski, Trollshovda,
Teijo, Kirjakkala, Mathildedal und Dalsbruk, in Pernä die Fabrik von
Koskikylä, in Eura Kauttua, in Uusikirkko (Län Wiborg) die von
Juankoski. Die Jahresproduktion dieser Fabriken betrug durch=
schnittlich 100 Tonnen, und Arbeiter hatten sie je höchstens einige
zehn. Es wurden hier hauptsächlich Stangencisen, Nägel und Blech
hergestellt, ab und zu auch Kriegsbcdarfsartikcl, z. B. in Juankoski
Geschütze und Mörser, in Koski Lafetten. Weil das finnische
Sumpferz sich als weniger geeigneter Rohstoff erwies und
das Bergerz bald zu Ende ging — das Werk in Ojamo wurde
schon 1673 aufg g.ben — mussten die Fabriken schwedisches
Roheisen anwenden. Trotzdem konnte die Eisenindustrie auch
weiterhin mit Erfolg getrieben werden, denn man hatte in Finn=
.76
Und reichlich Wasserkraft und Wälder, die Brennmaterial herga-
ben. Die Bauern in der Umgebung der Fabriken wurden
verpflichtet Tagewerke zu leisten und die für die Werke nötigen
Holzkohlen und Brennholz herbeizuschaffen. Zwischen den Bauern
und den Eisenwerken entstanden daher oft Reibereien. Durch
Waren Vorschüsse verstanden es die Eisenwerke die Bauern wirt=
schaftlich von sich abhängig zu machen. Ab und zu brachten
die Bauern durch einen »Streik» die Tätigkeit einer Fabrik auf
längere Zeit zum Stehen. Die Fabriken ihrerseits schlössen sich
zu einem »Ring» zusammen und drückten auf diese Weise die
Kohlenprcise herab. Die Regierung legte — schon wegen der Be=
dürfnisse des Heerwesens — grosses Gewicht auf die Förderung der
Eisenwerke und war am Ende des 17. Jahrhunderts bestrebt, alle
Stangeneisenfabriken in die waldreichen Gegenden Norrlands und
Finnlands zu verlegen. Um 1700 gab es in Finnland 8 Hochöfen
und 15 Hammerschmieden. Indem die Regierung hinsichtlich der
Waldbenutzung den Eisenwerken freie Hände liess, versuchte sie
die Verwendung des in den Wäldern gegebenen Rohstoffes zu
anderen Zwecken in jeder Weise zu verhindern. So wurde unter
anderem die Tätigkeit und Produktion der Sägemühlen zu Gunsten
der Eisenwerke beschränkt, so dass die Entwicklung dieser in Finn=
land so natürlichen Industrie erst viel später in Gang kommen konnte.
Ausser den erwähnten Eisenwerken entstanden in Finnland im
17. Jahrhundert auch einige andere industrielle Anlagen: in Islystad
(Uusikaupunki) eine Glashütte, die 1685 vernichtet wurde, fer=
ner Kalköfen in Pargas, Kimito und auf Aland. 1642 wurde
in Äbo (Turku) die erste Buchdruckerei des Landes gegründet. Die
älteste bekannte Papierfabrik (»Papiermühle»), die der Bischof Ge=
zelius 1660 kaufte, war in Thomasböle im Kirchspiele Pojo gelegen.
Zur Zeit des Grossen Unfriedens hörte alle industrielle Tätig=
keit auf, während der Freiheitszeit belebte sie sich aber wieder
bedeutend. Treu den Grundsätzen des Merkantilismus sorgte
die Regierung im 18. Jahrhundert mit besonderem Eifer für die He=
bung der Industrie oder der »Manufakturen». Die Hallenordnun=
gen von 1739 und 1770 gewährten den Fabriken und Manufakturen
grosse Vergünstigungen. Die Inhaber der Fabriksrechte wurden
vom Zunftzwang befreit und durften auch ungelernte Arbeiter,
Frauen und sogar Kinder in Übereinstimmung mit der Gesindcord=
nung beschäftigen, und Manufakturen durften auch auf dem Lande
angelegt werden. Ausser durch Schutzzölle versuchte man die
Industrie durch Darlehen und Prämien zu fördern. Der \X/icder=
aufbau von zerstörten Städten und Dörfern vermehrte die Nach =
frage nach Eisen, weshalb die Eisenindustrie bald wieder aufzublü=
hen begann. Zu den alten Eisenwerken wurden sogar noch neue
gegründet, unter anderen das von Juankoski in Milsiä, so dass die
Anzahl dieser Anstalten gegen Ende des 18. Jahrhunderts im gan=
zen Lande zusammen 30 betrug. Neben der Eisenindustrie war die
Holzindustrie der einzige Industriezweig, von dessen Produkten
auch etwas exportiert werden konnte. Der Fortschritt derselben wur=
de jedoch auch fortwährend durch strenge Gesetzbestimmungen
gehemmt, die auf Schonung der Wälder ausgingen und demgemäss
sowohl die zu sägenden Mengen (höchstens einige tausend Baum=
Stämme jährlich) wie auch bisweilen die Sägezeit beschränkten.
Trotzdem vermehrte sich die Zahl der Wassersägemühlen, sodass
sie sich am Ende des Jahrhunderts auf etwa 200 belief. Im Alten
Finnland, wo das Sägen völlig frei war und wo erst 1798 aller FIolz=
Warenexport verboten wurde, überstieg die Produktion zeitweise
die Gesamtproduktion des Landes. Die Glasindustrie hat sich
in dem in Rede stehenden Jahrhundert zu einem der wichtigsten
Industriezweige unseres Landes entwickelt; die bedeutendsten Glat=
fabrikcn, die während dieser Zeit gegründet wurden, sind die Fda
briken von Ävik, Nuutajärvi und Rokkala. Webereien sind besonders
in Äbo angelegt worden: Tuchfabriken, Leinwebereien und Baum=
Wollfabriken u. a., einige auch in Helsingfors, Borgä (Porvoo) und
auf dem platten Lande, wie in Liittoincn und am Ende des Jahrhun=
dcrtsin Jokioinen. Es wurden auch einige Handpapierfabriken gegrün=
det, wie z. B. in Tammerfors (Tampere) 1783, in denen sowohl
Schreib= wie Druckpapier aus Lumpen hergestellt wurde, weiter
vereinzelte kleine Zucker= und Tabakfabriken (letztgenannte z. B. in
Äbo und Jakobstad [Pietarsaari]), in denen übereinstimmend mit
den Prinzipien dieser sog. »Manufakturzeit» anfangs einheimische
Rohstoffe zur Anwendung kamen.
In den ersten Dezennien des 19. Jahrhunderts blieb die finni=
sehe Industrie noch auf einer bescheidenen Höhe. Erst im zwei =
ten Viertel dieses Jahrhunderts arbeitet sie sich kräftiger empor.
Auch der Staat beginnt sich intensiver als früher für den Fortschritt
der Industrie zu interessieren. 1823 wurde ein Manufakturfonds
gegründet, woraus den Fabriken vorteilhafte Darlehen gegeben
wurden. 1842 wurde eine Manufakturdirektion eingesetzt, der die
Wahrung industrieller Interessen oblag, und zu gleicher Zeit nahm
.7«
auch der Arbcitcruntcrricht (die Sonntagsschulen) seinen Anfang.
In England im t8. Jahrhundert erfundene Spinn= und Webmaschi =
nen gelangten in Finnland in den 1820er, 1830er und 1840er Jah=
ren zur Anwendung in der in den 1820er Jahren gegründeten
Baumwoiltabrik von Finlayson und den Tuchfabriken zu Liittoinen
und Jokioinen. Eine Dampfmaschine wurde in der finnischen Ins
dustrie zum erstenmal 1844 in der Tuchfabrik zu Liittoinen in Bc=
trieb gesetzt. Neue Baumwollfabriken wurden in den 1840er Jah=
ren in Äbo und Forssa, in den 1850er Jahren in Wasa errichtet.
1856 begann die Tammerforser Leinenfabrik ihre Tätigkeit. An
Arbeitern zählten die grössten dieser Fabriken 100 — 150 Personen.
Die Hauptindustric des Landes blieb in der ersten Hälfte des 19.
Jahrhunderts immer noch die Eisenindustrie. Weil nach dem
Frieden von Fredrikshamn (Hamina) aus Schweden nur begrenzte
Mengen Eisenerz und Roheisen bezogen werden konnten, begann
man in Finnland neue Eisenwerke anzulegen und auch von neuem
Eisen aus Sumpferz herzustellen. Als aber Schweden um die
Mitte des 19. Jahrhunderts den Export von Eisenerz in unbegrenzter
Menge zuliess, kamen das schwedische Eisenerz und das Stangen=
eisen wieder zur Anwendung. Von den neuen Eisenwerken
mögen Högfors (Karkkila, gegr. 1820), wo zuerst das sog.
Puddelvcrfahren eingeführt wurde und das binnen kurzem zu Finn=
lands grösster Giesserei werden sollte, und Värtsilä (gegr. 1850)
erwähnt werden. Die Herstellung des Eisens begann jedoch all=
mählich hinter der Veredelung desselben zurückzubleiben. 1834
entstand in Fiskars eine Feinschmiedefabrik und 1837, wenn wir
von der mit der Finlaysonschen Fabrik verbundenen Werkstatt
absehen, die erste eigentliche Maschinenbauanstalt, in der unter
anderem die ersten einheimischen Dampfmaschinen verfertigt wur=
den. Um die Mitte des Jahrhunderts reihten sich dieser ersten
verschiedene andere Werkstätten an, so die von Crichton in Äbo,
die Werkstätten zu Varkaus und Tammerfors (Tampere). Die Säge=
industrie litt auch während dieser Periode immer noch unter den
früheren Einschränkungen inbezug auf die Menge und Zeit des
Sägens. Da der Dampfbetrieb in den Sägemühlen verboten war,
konnten auch neue Unternehmungen nur an den Wasserfällen des'
Binnenlandes angelegt werden, von wo aber der Transport der
Bretter an die Küste beschwerlich und kostspielig war. Auch die
Papierfabriken blieben bis zur Mitte des Jahrhunderts auf einem sehr
primitiven Standpunkt; erst 1841 und 1852 kamen in den Fabri=
ken von Tammerfors und Tersakoski Maschinen zur Anwendung.
Neue Fabriken wurden auch noch in einigen anderen Industriezweig
gen gegründet, z. B. neue Zuckerfabriken zu Beginn des )ahrhun=
derts in Wiborg und Helsingfors (Zuckerfabrik in Tölö 1819) und
in den 1850er )ahren in Äbo.
Der eigentliche Aufschwung der finnischen Industrie und die Ent=
Wicklung einiger Industriezweige zur Grossindustrie begannen erst
nachdem Krimkriege, seitdem Ende der 1850er Jahre. Die Bcsciti=
gung vieler den Umfang der Produktion hemmenden Schranken,
die Einführung der Prinzipien der Gewerbefreiheit und der freien
Konkurrenz, der grössere Zufluss von Kapitalien nach der Gründung
verschiedener neuer Banken, die Verbesserung der Verkchrsvcrhält=
nissc, alles dies förderte kräftig das Aufblühen der Industrie. Als
das Verbot betreffend die Anwendung der Dampfkraft 1857 auf=
gehoben war und als bald darauf auch andere Beschränkungen, die
noch die Sägeindustrie fesselten, beseitigt wurden, nahm dieser
Industriezweig, für den die im Inlande zu Gebote stehenden rcich =
liehen Rohstoffvorräte die beste Voraussetzung bildeten, binnen
kurzem den ersten Platz im finnischen Industrieleben ein. Die
Sägeindustric konnte sich nunmehr an die Mündungen der grössten
Flüsse konzentrieren, nach Björneborg (Pori), Kotka u.a., wohin
die Baumstämme die Ströme herabgeflösst wurden und wo die
Bretter auf direkt nach dem Auslande fahrende Schiffe verladen
werden konnten. Die Ausfuhr von Sägeprodukten nahm besonders
in den 1870er Jahren zu, wo sie 1870 — 77 beinahe um das Dreifache
anwuchs (vgl. Holzwarenindustric). Nach der Sägein=
dustric erhob sich in der letzten Hälfte des 19. Jahrhunderts
die Papierindustrie zum zweitwichtigsten Gewerbe in Finnland,
namentlich als man anfing, Papier aus Holzschliff anzuferti =
gen. Schon 1860 wurden Holzschliffversuche in Wiborg aus=
geführt, die erste Holzschleiferei wurde aber in Tammer=
fors eröffnet. Bald wurden ähnliche Anstalten an manchen Orten
errichtet, z. B. in Nokia, Mänttä, Kyröskoski und Valkiakoski. Die
auf diese Weise gewonnene Holzmasse wurde anfangs nach Russ=
land exportiert, bald begarm man aber daraus auch im Inlande
Papier zu verfertigen, zuerst in Nokia 1868. Später, seit den i88orr
Jahren, wird aus Sägeresten und Brennholz Zellulose als Rohstoff
für das Papier gewonnen. Namentlich nach 1900 ist die Zahl der
Zellulosefabriken rasch gestiegen, so dass heute schon mehr Zellu=
lose als Holzschliff produziert wird. Neue Zweige der Holzindustrie
180.
stellen dar die Garnrollcnfabrikcn (die erste Fabrik zu Kaukas,
seit 1873) und die in den letzten Jahren in der Umgebung von Jy=
väskylä errichteten Furnierholzfabrikcn. In der Eisenindustrie
ist gegen Ende des 19. Jahrhunderts ausländisches Erz immer mehr
zur Anwendung gekommen. Die Roheisenproduktion ist jedoch,
teilweise infoige der Verteuerung des Brennmaterials, in den letz=
ten Zeiten bedeutend zurückgegangen, und statt des Erzes hat man
angefangen Roheisen zu importieren. Für die Stahlbereitung
wurden Martinöfen zuerst 1880 in Dalsbruk eingeführt.
Als 1885 auf Maschinen und Maschinenteile ein Zoll gelegt
wurde, begannen die Giesscreien und Werkstätten schnell auf=
zublühen, sodass ihre Produktion schon vor dem Weltkrieg mehr als
die Hälfte des Herstellungswertes der Metallindustrie ausmachte.
Doch werden immer noch viel ausländische Metallwaren einge=
führt. Auch die Textilindustrie hat in den letzten Jahrzehnten grosse
Fortschritte gemacht und sich zu einer eigentlichen Grossindustrie
entwickelt. Auch in diesem Industriezweige bedient man sich mei=
stens ausländischer Rohstoffe. Als die australische und amerika=
nische billige Wolle in den 1860er Jahren auf dem europäischen
Markt erschien, veranlasste dies eine Krise in unserer Wollin=
dustrie, und die Fabrik zu Liittoinen sowie die 1856 von Jokioi=
nen nach Tammcrfors verlegte Tuchfabrik musstcn ausser Be=
trieb gesetzt werden. Bald richtete sich unsere Wollindustrie wie=
der auf, allerdings verwendet sie nunmehr hauptsächlich auslän=
dische Rohstoffe; nur etwa ein Viertel der Rohstoffmengen unserer
Wollspinnereien ist einheimischer Herkunft. Von dem Flachs, den
die Tammerforser Leinenfabrik als Rohstoff beansprucht, ist etwa ein
Zehntel in Finnland gewachsen. Die wichtigste Branche der Tex=
tilindustrie ist die Baumwollindustrie, deren Produktion mehr als
die Hälfte des Produktionsertrages der ganzen Textilindustrie im
Lande darstellt. Die Produktion der Textilindustrie ist jedoch nicht
imstande den Bedarf des eigenen Landes zu decken. Das Zen=
trum dieser Industrie ist Tammerfors. — Auch die Produk=
tion der finnischen Zuckerfabriken ist merklich gewachsen; nach
der Zollveränderung von 1897 veredeln sie ausschliesslich russischen
Rübenzucker. — Die älteste Lederfabrik in Finnland ist die in den
1860er Jahren gegründete Äströmsche Fabrik in Ulcaborg (Oulu),
die heute als die grösste in ihrer Art in den nordischen Ländern
gilt. Von weit späterem Datum sind die Schuhfabriken (die erste
in Korkeakoski 1898). Als die Schuhwaren 1908 mit einem Schutz=
zoll belegt wurden, hat dies zur Errichtung mehrerer Schuh=
fabrikcn namentlich in Tammcrfors Anlass gegeben. — Die schon
früher vorhandene Glasindustrie hat in der Form von neuen Fab=
riken einen Zuwachs erhalten, ebenso die Tabakindustrie.
Die jüngste Entwicklung der finnischen Industrie wird durch
folgende aus den )ahren 1887, 1897, 1908 stammende Ziffern be=
leuchtet (die Zahlen der letzten Jahre entsprechen infolge der Um=
gestaltung der Industriestatistik nicht den früheren Angaben).
Auf eine Arbeitsstelle kamen durchschnittlich folgende Mengen
Arbeiter: 1887 7,7, 1897 10,9, 1908 15,9; der Herstellungswcrt
betrug auf jeden Arbeiter: 1887 2,635 Fmk, 1897 3,147 Fmk,
1908 3,782 Fmk; der Herstellungswert betrug auf jede Arbcits=
stelle: 1887 20,218 Fmk, 1897 34» 196 Fmk, 1908 52,437 Fmk;
an Dampfmaschinen zählte man: 1887 456, 1897 890, 1908 1,397;
die durchschnittliche Pferdestärke der Dampfmaschinen betrug:
1887 21,3, 1897 28,0, 1908 53,0; auf jede PS entfielen Arbeiter:
1887 4,4, 1897 3,2, 1908 1,7. Diese Ziffern zeigen, dass die Ent=
Wicklung immer mehr zur Grossindustrie neigt, die auf dem Gebiete
der TextiU, Papier= und Sägeindustrie in der Tat schon beinahe
alleinherrschcnd ist, in der Steinindustric zum grössten Teil. Die
Gesamtentwicklung der Industrie erhellt aus den nachstehenden
Zahlen: Arbeitsstellen 1887 5,615, 1897 7,355, 1908 9,165; Her=
stellungswert 1887 113,520,000 Fmk, 1897 251,510,000 Fmk,
1908 480,590,000 Fmk; Arbeiter 1887 43,085, 1897 79,917, 1908
127,075.
Der Bruttoertrag der Produktion und die Zahl der Arbeiter
1914 (mit Ausnahme von Handwerken) waren:
Zahl der
Industriezweige Bruttoertrag Arbeiter
Holzindustrie 149,455,300 Fmk 31,371
Industrie in Nahrungs= und Genuss=
mittcin 1 24,603,400 •' 1 1 ,448
Papierindustrie 101,477,400 » 12,496
Metallindustrie 78,347,600 » 16,418
Textilindustrie 76,521,300 » 15/555
Leders und Haarindustrie 30,041,700 '> 2,956
Stein=, Erde=, Glas=, Kohlen= und
Torfindustrie 21,850,400 ■' 8,923
182
J
Graphische Gewerbe 12,983,700 Fmk -5,330
Beleuchtungs=, Kraftübertragungs=
und Wasscrlcitungsgcwerbc 11,470,500 » 1,401
Industrie in Teer=, OU, Gummi= u.
d gl. Stoffen 8,980,400 » 509
Chemische Industrie 4,685,300 » 988
Nicht zu den vorangehenden Gruppen
gehörende Industrie 685,800 » 149
Grubenbau und Erzgewinnung • • • • 462,000 » 553
Zusammen 621,564,800 Fmk 106,097
In den Kriegsjahren hat die Industrie unter exzeptionellen Be=
dingungen gearbeitet. Die Tätigkeit einiger Industriezweige hat
bei der Verminderung der Ausfuhr und. infolge der erschwerten Be=
Schaffung von Rohstoffen darniedergelegen, während andere Zweige,
denen durch die Kriegsbestellungen neue vorteilhafte Arbeitsgebiete
eröffnet worden sind, einen starken Aufschwung zeigen. Ist diese
Lage auch als vorübergehend zu betrachten und darf es auch als
sicher gelten, dass mancher durch die Kriegszeit zur Blüte gelangte
Industriezweig wieder auf sein früheres Niveau zurücksinken
wird, so wird es doch von Interesse sein einige Ziffern aus der In=
dustriestatistik des Jahres 1916 anzuführen. Da der Wert der
Produktion wegen der allgemeinen Preissteigerung in allen Indu=
striezweigen, abgesehen von der Holzindustrie, erheblich gestiegen
ist, ist es rätlich die Zahl der Arbeiter ins Auge zu fassen.
Dabei lässt sich nun feststellen, dass die Arbeiterzahl abge=
nommen hat: besonders in der Holzindustrie (um 9,981), in der
Nahrungs= und Genussmittelindustric (um 1,271) und in der Stcin=,
Ton=, Glas=, Kohlen» und Torfindustrie (um 916); dagegen zugc=
nommen: vor allem in der Metallindustrie (um 8,792), in der
Papierindustrie (um 1,574), in d^"" Leder= und Haarindustrie (um
1,571), in der Webereiindustrie (um 678) und in der chemischen
Industrie (um 661). Der Bruttowert der gesamten industriellen
Produktion betrug im betreffenden Jahre 1,325,461,300 Fmk.
187
Holzindustrie.
Die Holzindustrie ist der ErwcrbszNX'cig, der bisher unzweifcU
haft am intensivsten auf das wirtschaftliche Leben Finnlands cin=
gewirkt hat. Schon von altersher hat man aus Finnland Holzwaren
und andere Waldprodukte ins Ausland ausgeführt. Wegen lVlan=
gels an Sägewerken spaltete und behieb man das Holz anfangs zu
Brettern. Aus Äbo (Turku) wurden 1551 im ganzen, ausser 539 t
Teer, 368 Dutzend Bretter und Holzgefässe ausgeführt. Die Ausfuhr
von Helsingfors (Helsinki) umfasste 1560 1,036 t Teer, 4,575 Dut=
zend Bretter und ausserdem 2,169 Klafter Brennholz. 1640 wurden
aus dem schwedischen Reiche, abgesehen von dem, was heimlich
befördert wurde, im ganzen 31,000 Dutzend Bretter, 1,750 Mast=
bäume und 2,075 Klafter Brennholz exportiert. Der bedeutendste
Teil der Ausfuhr Finnlands ging damals über Stockholm; direkt
ins Ausland sind laut Angabe im genannten Jahre aus Finnland
nur 87 Dutzend Bretter ausgeführt worden, die Holzwaren, welche
auf Ewern viel nach Estland geschafft wurden, nicht mitgerechnet.
Während des grossen Unfriedens lag der Holzhandel Finnlands
darnieder, begann sich aber nach dem Friedensschluss wieder zu
beleben. 1739 wurden aus Schweden 102,337 und aus Finnland
43,090 Dutzend Bretter exportiert. Die Ausfuhr von Brettern aus
Finnland erhält um diese Zeit allmählich einen immer wichtigeren
Platz im Vergleich mit dem Teerexport, was teilweise darauf be=
ruhte, dass man sie immer allgemeiner mit der Säge zu ver=
fertigen anfing, obgleich es noch 1760 heisst, dass die Bretter in
Finnland auch mit der Axt zugehauen wurden. Um die Mitte
des 18. Jahrhunderts gab es in Finnland schon etwa 100 Wassersäge=
mühlen, die meisten in dem Küstengebiete Südfinnlands, und ei =
nige Windsägemühlcn. Die Sägemühlen von Osterbotten (Poh=
janmaa) befriedigten zum grössten Teil den Hausbedarf, fm allge=
meinen verblieb jedoch der Holzhandel Finnlands und Schwedens
während des 18. Jahrhunderts auf einer sehr niedrigen Stufe ste=
hen, ohne sich nennenswert zu entwickeln. 1797 wurden aus dem
ganzen Schwedischen Reich nur 150,000 Dutzend Bretter und
Planken ausgeführt, also nicht viel mehr als im Anfang desselben
Jahrhunderts. Eine wichtige Ursache hierzu finden wir in der
Besorgnis, die man im 17. und 18. Jahrhundert hegte: dass die Wäl=
der vollständig eingehen könnten.
184
Sägewerke durften nur mit besonderer Genehmigung gegründet
werden, deren Erwirkung mit manchen Schwierigkeiten verbunden
war. Das Forstgesetz von 1734 gestattete zwar in Gegenden, wo
es Wälder genug gab, unbegrenzte Mengen zu sägen, wo man aber
der Meinung war, dass wenig hiebsfähiger Wald vorhanden sei,
mussten genaue Untersuchungen angestellt werden, auf Grund
deren dann eine bestimmte Zahl von Stämmen zum Zersägen
freigegeben werden konnte. Die ohne Genehmigung gegründeten
Sägemühlen und solche, für welche vermeintlich nicht die erfor=
derliche Menge Stämme vorhanden war, sollten ohne weiteres
eingezogen werden. Die später erlassenen Verordnungen standen
der Hauptsache nach auf demselben Standpunkt. 1853 gab es in
Finnland im ganzen 167 steuerpflichtige Sägemühlen, von welchen
158 291 Rahmen und 5 nur einfache Sägeblätter hatten, über 4
sind wir nicht unterrichtet; 149 Sägemühlen hatten das Recht,
jährlich 473,500 Stämme zu sägen. Die 18 Sägemühlen, deren
Produktionsmenge nicht angegeben war, waren zum grössten Teil
ganz klein. Von den obengenannten 149 Sägemühlen waren:
im Län
Nyland (Uusimaa) 17, Sägebereciitigung 24,800 Stämme
Abo u. Björneborg (Turku u. Fori) 33, » 28,700 »
Tavastehus (Häme) 27, » 40,100 »
Wiborg (Viipuri) 7, » 109,900 »
St. Michel (Mikkeli) 22, » 98,500 »
Kuopio 17, » 84,500 »
Wasa (Vaasa) 12, ') 54,ioo »
Uleäborg (Oulu) 14, » 52,900 »
Von den vorerwähnten Sägemühlen des Läns Wasa waren 8
(es durften nur 13,600 Stämme gesägt werden) in Ostcrbotten, die
übrigen in Tavastland.
Erst die am 9. April 1861 erlassene Verordnung befreite den
Sägemühlenbetrieb Finnlands von den Einschränkungen, denen
er bis dahin unterlag, und gab diesem wichtigen Erwerbszweig
Gelegenheit sich in geeigneter Weise auszubilden. Vorher, 1857,
war das Verbot, Dampfsägemühlen zu errichten, aufgehoben
worden.
Von diesem Zeitpunkt an ist die bemerkenswerte Entwicklung
zu rechnen, die die Holzindustrie Finnlands, besonders die Säge=
Industrie, bis in die letzten Zeiten aufzuweisen gehabt hat. Als die
185
Sägeindustricllen für die Mühlen nicht mehr die Stromschnellen des
Binnenlandes aufzusuchen brauchten, sondern solche auch an an=
deren geeigneten Orten anlegen konnten, begann eine rege Tätig=
keit auf diesem Gebiete. Für Sägewerke wurden meistens die lVlün=
düngen von Triftstrassen gewählt, (deren wichtigste, den Fluss Kymi=
joki, man erst jetzt ihrer ganzen Länge nach für den Holztransport
anzuwenden wagte), sodass man, während die fertige Ausfuhrware
früher mit grossen Kosten zu Lande transportiert wurde, nunmehr
den Rohstoff selbst bequem und billig nach den Sägewerken flös=
scn konnte. Die Einführung der Dampfkraft bezeichnete damit
in der Sägeindustrie Finnlands einen ungeheuer weittragenden
Fortschritt. Das erste eigentliche Dampfsägewerk Finnlands war viel=
leicht die alte Dampfsägemühle in Björneborg (Fori). — Ein wichti=
gcr Fortschritt war auch die Organisierung der Flössereiverhältnisse
in den 1870er )ahren. Man fing an die Holzmengen gcmcinschaft=
lieh zu flössen, was natürlich die Kosten um ein Beträchtliches
verbilligte. Die Flösserei gesellschaft in Kymi (Kymmene) war die
erste, und zwar wurde sie nach schwedischem und norwegischem
Vorbild eingerichtet. Von erwähnenswerter Bedeutung war für die
Entwicklung der Sägeindustrie auch die Entstehung einer besondc=
ren Flösserci= und Trifttechnik (die Gestör= und Hauptflösserei
u. a.). Die Mündungen der weit landeinwärts reichenden Haupt=
flüssc Finnlands haben sich also zu eigentlichen Zentren der
Säge= und Holzindustrie herausgebildet. An der Mündung des
Kymijoki, in Kotka, sind so zurzeit 8 und in dem benach=
bartcn Fredrikshamn (Hamina) 2 grosse Sägewerke, in
Björneborg (Pori^an der Mündung des Kokcmäen=
joki, 4 grosse Sägewerke, an der Mündung des 0 u 1 u joki
und in der Nachbarschaft 4, an der Mündung des Kcmijoki und
in der Nachbarschaft 4 und an der Mündung des Tornionjoki
2 grosse Dampfsägewerke im Betrieb usw.
Ausser der eigentlichen Sägeindustrie werden zur Gruppe der
Holzindustrie auch gezählt: die Holzwollfabrikcn, die
Holzimprägnicranstalten und Holzfärbercien, die
Fournierholzfabriken, die Schiff s= und Boots=
werften, die Tischlere i= und Möbelfabriken,
die Garnrolle n= und Holznagclfabriken, die
Drcchslerwarcn=, Rädcr=, Fass=, Kiste n= und Ski=
fabriken (Schnceschuhfabriken), die S c h u h 1 e i=
5tcn=, Holzschaf t=, Rahme n= und Profilleiste n=
186
fabrlkcn und dazu die Korkfabriken und L o h m ü h=
1 c n, die W e i d e n=, W u r z e 1= und Rohrwarcnfabri=
kcn. Die Anzahl dieser Industriewerkstätten, ihrer Arbeiterund
ihres sonstigen Personals und der Bruttowert der Produktion Finn=
lands 1914 ist aus folgender Tabelle ersichtlich:
Holzindustrieart S;
N
Durchschnittliche
3;
Zahl des Personals
>
yY^
N
c
S >
cr
? 3
S
D-
n
0 Ä
e
£.
?
Sb
3
3
Löhne der
Arbeiter
Fmk
Bruttowert
der
Produktion
Fmk
a) Säge=, Hobel= und
Holzfärbeindüstrie
Sägewerke und Ho=
belanstalten
Brennholzsägen ....
Holzwollfabriken ....
Fournierholzfabriken
b) Holzbearbe!tungs=
Industrie
Schiffs= und Boots=
werften
Tischlereiwaren= und
Möbelfabriken . . . .
Rollen=, Spulen= und
Holznagelfabriken .
Drechslerwarenfabri =
ken
Räderfabriken
Fassfabriken'
Kistenfabriken
Schuhleistens u.Holz=
Schuhfabriken ....
Rahmen= und Profil=
leistenfabriken ....
Skifabriken
cj Baumrinden^ u. a.
derartige Industrie
Korkfabriken
Lohmühlen
Weiden=, Wurzel= u.
Rohrwarenfabriken
99
25,115
12
165
6
69
4
267
15
408
75
2,167
13
2,237
5
247
1
57
6
89
6
7«3
4
28
2
28
4
45
984
34
53
6
5
7
17
U3l 13
6 -
26,099
175
76
442
2,322
2,290
253
62
96;
330
33
33i
46
126
6
20,758,200
94,300
51,900
21 1,000
451,200
2.577,800
1,761 ,000
161,700
54,300
252,500
18,400
33,000
38,600
87,100
130,127,900
629,500
155,100
957,700
1 ,247,000
7,462,100
5,412,400
381,300
137,300
538,100
1,485,400
123,300
67,000
73,200
598,200
1,200
58,600
Zusammen ! 756 [31,3711 1,330,32,7011 26,649,700
An Rohstoff wurden in den Sägewerken und Hobelfabriken
1914 insgesamt 34,292,900 Stämme im Werte von 89,749,600 Fmk
187
bearbeitet. — Die Anzahl der Arbeiter der Holzindustriegruppe
(31,371 Personen) machte 29,56 % von der ganzen Anzahl der
Industriearbeiter Finnlands (106,097 Personen) und der Brutto=
wert der Produktion (149,455,300 Fmk) 24,04% vom Bruttowert
der ganzen Industrieproduktion Finnlands (621,564,800 Fmk).
In den Kriegsjahren ist die Holzindustrie beträchtlich eingc=
schränkt worden, weil die Ausfuhnnöglichkeiten ganz unbedeutend
gewesen sind. Wenn dieser Industriezweig trotzdem im ). 1916
21,390 Personen beschäftigte (Bruttowert der Produktion infolge
hoher Preise 147,532 Fmk), so beweist dies, dass die Herstellung
von Lagervorräten allgemein gewesen ist.
Zu der Holzindustrie im weiteren Sinn werden auch die H o 1 z=
Schlei f=, Holzwatt e= und Zelluloseindustrie,
die Holzdestillationsanstalten, Teerbrenn e=
reicn, Kienrussfabriken, Zündhol z= und Gum.mi=
fabriken gerechnet. Holzschleifmühlen gab es in Finnland 1914
45 mit 3,059 Arbeitern und einem Bruttoertrag der Produktion
von 18,550,600 Fmk; Zellulosefabriken 18, Arbeiter 2,777, Brut=
tocrtrag der Produktion 26,225,800 Fmk; Holzdcstillationsanstalten,
Teerbrennereien usw. 18, Arbeiter 92, Bruttoertrag der Produk=
tion 499,400 Fmk; Kienrussfabriken 4, Arbeiter 22, Bruttoertrag
der Produktion 122,000 Fmk und Zündholzfabriken 10, Arbeiter
662, Bruttowert der Produktion 1,556,200 Fmk; Gummifabriken
eine mit 119 Arbeitern und einem Bruttoertrag von 1,131,000 Fmk.
Die Holzwaren bilden auch die wichtigste und bemerkenswer=
teste Gruppe in der jetzigen Ausfuhr Finnlands. Ihre Export=
Ziffer ist in den letzten Zeiten schnell gewachsen und betrug 1836
2,2 Mill., 1856 5,5Mill., 1886— 90 durchschnittlich 37,2 Mill., 1891 —
95 52,4 Mill., 1896 — 1900 92,5 Mill., 1901 — 1905 118,6 Mill. und
1906—10 durchschnittlich 143,3 Mill. Fmk jährlich. 1913 warder
Ausfuhrwert der Gruppe grösser als wihrend irgend eines frühe=
ren Jahres, und zwar belief er sich auf 227,3 Mill. Fmk, d.h. auf
56,6 % von dem Betrag der ganzen Ausfuhr Finnlands. Die Holz=
Warengruppe in der Ausfuhr Finnlands umfasst:
a) Holzstoffe, zu welchen gezähltwerden: unbearbeitete Holz=
waren (Masten, Spieren Stämme, Zimmerholz, Grubenstützen,
Schlcifmüh!= und Brennholz), bchaucnc oder teilweise gesägte Holz=
waren (Balken, Sparren, Bahnschwcllen, Schalbretter, Latten, Dach=
lattcn, Stangen u. a.), gesägte und zur Hälfte bearbeitete Holzwa=
ren (Planken, Battens, Bretter, Dauben, gehobelte Holzwaren u. a.;
■ 88
b) H 0 1 z f a b r i k a t c, zu welchen gezählt werden: Bau=,
IVlöbcU u. a. Tischlerarbeiten, Schnitzerei=, Zimmermanns: und
Böttchcrarbciten, Holzwolle, Zündholzmaterial, Kienspäne, aus
Spänen gemachte Körbe und Garnrollen.
1915 und 1914 betrugen die gesägten und zur Hälfte bearbei=
teten Holzwaren aus Kiefer und Fichte 76,5 und 62,3 % von dem
Wert der Holzwarenausfuhr, die unbearbeiteten Holzwaren aus
Kiefer und Fichte 14,1 und 23,7 %, die geschnitzten oder zum
Teil gesägten Holzwaren aus Kiefer und Fichte 3,2 und 2,6 %,
besondere Holzwaren aus anderen einheimischen Holzarten 1,1 %,
das Brennholz 1,4 und 2,9 % und die Holzfabrikate 3,7 und 7,4%.
Die wichtigsten A u s fu h r 1 ä n d e r der finnischen Holzwaren
waren in letzter Zeit Grossbritannien und Irland, Frankreich, Deutsch»
land, Belgien, die Niederlande, Russland und Spanien. Die Holz=
Warenausfuhr nach diesen Ländern ergibt sich aus den Zahlen der
folgenden Tabelle:
189
3 = 5". rr2.-5.
^ N h» ■* ^ O^N/»
i 4^ 00 0^4^ ^ ^»
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OOVI ^ 00 30 OO 00
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0^00*0 00— ^ N
Ov O ^ fo ^ o ^
% vom ganzen 2 = 5 "
Ausfuhrwert 00 3- 5.?"
der Holzgruppe o
Mill. Fmk ^^: S o
[-. ^^c
% vom ganzen J rr^rS
Ausfuhrwert öo^^^
der Holzgruppe 5
Mil . Fmk ^-s; ^ rj
<^:r3-c
% vom ganzen ; j =r 2. 3
Ausfuhrwert -ö y^?"
der Holzgruppc §
Mill. Fmk i -5: Sq n
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% vom ganzen _[ —
M
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CT--
00 Ml
MI ~J 00 004^
- 00 b - -
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Ml N
Ausfuhrwert
derHolzgruppe
Mill. Fmk
s^äs-
% vom ganzen | i^- S
Ausfuhrwert -ö S-p^iT
der Holzgruppe Ö
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3
MI
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0 00
b-b
Mill. Fmk
% vom ganzen j
Ausfuhrwert !
der Holzgruppe
Mill. Fmk 1
% vom ganzen j
Ausfuhrwert
der Holzgruppe
Mill. Fmk
% vom ganzen
Ausfuhrwert
der Holzgruppc]
Mill. Fmk I
% vom ganzen 1
Ausfuhrwert
der Holzgruppel
Ausser nach den oben genannten Ländern \x'urden 191;? und 1914
von Finnland Holzwaren ausgeführt: nach Schweden (8,1 und
12,4 Mill. Fmk, hauptsächhch unbearbeitete Ware und Brennholz),
nach Dänemark {7,1 und 3,9 IVlill. Fmk), nech Ägypten (im Werte von
3,7 und 0,7 Mill. Fmk), nach Norwegen (1,5 u. 1,4 Mill. Fmk), nach
Algerien (1,0 und 0.2 Mill. Fmk), nach PortugaIisch=Ostafrika (1,1
und 0,05 Mill. Fmk), nach Kapland (0,7 und 0,5 Mill. Fmk),
nach Natal (1,1 und 0,1 Mill. Fmk), nach Portugal (0,5 und 0,3
Mill. Fmk), nach Marokko (0,5 und 0,1 Mill. Fmk) und nach
Senegambicn (0,2 und 0,1 Mill. Fmk).
Die Einfuhr von Holzwaren nach Finnland ist vergieichweise
gering und betrug 1913 und 1914 4,1 resp. 1,4 Mill. Fmk.
Die Ausfuhrmengen der wichtigsten Holzexportstädte waren:
Wiborg (Vilpuri)
Koti<a
Björneborg (Fori)
Uieäborg (Oulu)
Jakobstad (Pietarsaari) . .
Kemi
Lovisa
Torneä (Tornio)
Brahestad (Raahe)
Gamiai<arleby (Kolikola)
Äbo (Turliu)
Fredrikshamn (Hamina) .
1,142,507
1,575. 2'7
570,770
661,785
773,085
217,356
406,087
475,487 1
287,059
352,995
513,639
234,769
240,881
298,005
1 10,817
348,529
329,719
275,075
255,736
295,681
127,524
338,521
598,406
507,742
229,771
290,504
146,419
204,522
518,646
160,025
201,581
210,406
70,551
161,596
195,640
135,875
Von der Ausfuhr der österbottnischen Städte sind über die
Hälfte ungesagte Holzwaren, Grubenstützen, Papierholz, Sägc=
Stämme, lange Stangen u. a., wogegen in der Ausfuhr der Städte
Südfinnlands die Sägeprodukte am wichtigsten sind.
Die Ausfuhr von Holzwaren ist während des Weltkrieges in=
folge der Verkehrsschwierigkeiten ganz gering und unregclmässig
gewesen. Hauptsächlich wurde Brennholz nach Petersburg ausge=
führt. Trotz der Verminderung der Produktion haben die Holz=
Warengeschäfte auf diese Weise grosse Vorräte gesammelt, die
nur auf Exportgclegenheit werten.
Die grössten Hoizwarengeschäfte Finnlands sind:
Namen des Geschäfts
. , , Jährlicher Ver» 1
I Anzahl i rr u »
lderSäge==^^^'^^"."»^''^*H
,> „.-L?, °'^'' ->ägewaren, i
Standards
kcrkc
A.=G. A. Ahlström
» W. Gutzeit & C:o (die Mehrzahl der Ak-
tien im Besitze des Staats)
. Halla
• Kemi
Hackman & C:o
• \X . Rosenicw & C:o
» Aug. Eklöf
. Uleä(Ou!u)
» Reposaari Dampfsäge
Gustaf Cederberg & C:o
• And. Kurt & C:o
«
ca. 70,000
4
0 56,000
3
» 55,000
7
» 39,000
4
• 36,000
2
» 30,000
6
» 30,000
4
• 30,000
1
» 20,000
7
♦ 17,000
1
» 16,000
Andere sind: Kemijocnsuu A.=G., H. G. Paloheimo, Holzwaren=
A.=G. Raahe, Vuojoki gods A.=G., W.borgcr Sägeindustrie A.=G.,
Karhula A.=G., Holzwaren=A.=G. Kajaani, Koskensaari A.=G., A.
Terichoff A.=G., F. A. Juselius, K. Aladin, Aug. Fcllman, Joh.
Askolin, Holzwarcn=A.=G. Laatokka, Wilh. Schauman A.=G.,
Aänekoski A.aG., J. W. Enquist A.=G., Diesen Wood Compa=
ny A.=G., Stockfors A.=G., Läskelä A.=G. u.a. Der Finnische Staat
hat 3 Sägewerke (Simo in Pirkkala, Kevätniemi in Lieksa, Sukcva
in lisalmi), welche unter der Administration der Forstverwaltung
wirksam sind und deren Zweck es ist Holzwaren hauptsächlich für
den eigenen Bedarf des Staates (der Staatsbahnen u. a.) zu ver=
arbeiten. In der letzten Zeit sind jedoch von den Sägewerken des
Staates auch Holzwaren verschifft worden. 1918 hat der Staat
die Mehrzahl der Aktien einiger grossen Holzgesellschaften über=
nommen, sodass'er jetzt als der grösste Holzindustrielle des Landes
gelten darf.
Als Vereinigungsband der Sägewerkbesitzer Finnlands fungiert
ein von diesen gebildeter Verein, dessen Zweck es ist die Hol2in=
dustrie Finnlands zu fördern und die Interessen derselben zu wah=
ren. 1913 gehörten ihm 51 Verschiffung ausübend« Mitglieder an,
welche zusammen 65 bis 75 % von dem Betrag der Holzwaren=
ausfuhr Finnlands repräsentierten.
Papierindustrie.
Die Papierindustrie umfasst sowohl die eigentliche
Papierfabrikation als auch die Anfertigung der für letztere erfor=
derlichen Rohstoffe der Holzwattc und Zellulose und anderer
Faserstoffe, und die Papierverarbeitung.
Die erste Papiermühle Finnlands dürfte die in Thomasböle im
Kirchspiel Pojo (Pohja) gewesen sein, welche der Bischof Johann
Gezclius der Ältere um 1660 bcsass. Am Ende des 18. Jahrhun=
dcrts gab es in Finnland mehrere kleine Papierfabriken, unter
welchen die von L. G. Lefrcn in Tammetfors (Tampere) wohl
darum an erster Stelle zu nennen ist, weil sie noch heute unter dem
Namen J. C. Frenckell & Son A.=G. als älteste Papierfabrik des
Landes besteht. Die zweite von den älteren Papierfabriken, die noch
im Gang ist, ist die Papierfabrik Tervakoski, welche 1818 gegründet
wurde. Die Produktion dieser Fabriken war indes sehr gering,
und Maschinen gab es im Lande in der ersten Hälfte des Iahrhun=
derts nur zwei. Aber 1860, als an der Stromschnelle Kinterin=
koski die erste Holzschleifmühle gegründet wurde, beginnt für die
Papierindustrie Finnlands eine neue Zeit. In den nächsten Jahren
wurden die Dachpappenfabrik in Tammerfors und die Fabriken in
Nokia und Kyröskoski angelegt. Die Entwicklung der finnischen
Papierindustrie erhellt aus den folgenden Zahlen:
Wert der
Ausfuhr
Fmk
50 Mill.
7W3 »
93,5 »
255,1 »
Die Papierindustrie Finnlands ist konzentriert im Tale des Kymi,
wo unter anderem die grösste Papierfabrik=Gcsellschaft Finnlands
und der Welt, die A.=G. Kymmene (Kymi), wirksam ist; an der
Karelischen Bahn, wo zahlreiche Schleifmühlen und Papierfabriken
zu finden sind, und in der Umgebung und Nähe von Tammerfors.
Spezielle Fabrikate der Papierindustrie Finnlands sind das braune
Hoizpapier, sog. Havannapapier, und die Holzpappc, welche beide
aus Finnland verhältnismässig mehr ausgeführt werden als aus den
Zahl der
Wert der
Betriebe
Arbeiter
Einfuhr
Fmk
1910
120
11871
2,6 Mill.
1913
134
12380
2,8 »
1915
«39
12496
1,2 »
1916
147
14070
1,4 »
anderen nordischen Ländern. Die wichtigsten Märkte der finnischen
Papierindustrie waren in Russland, wohin sich der grösste Teil,
ungefähr 80 % der eigentlichen Papierausfuhr Finnlands, gerichtet
hat. Pack= und Zeitungspapicr wurde nach anderen Gegenden Euro=
pas und in andere Weltteile exportiert. Von der Ausfuhrmenge
der Holzwattc ist der grösste Teil nach England, Deutschland,
Frankreich und Belgien und nur ungefähr 20 "o nach Russland ge=
gangen. In gleicher Weise war die Ausfuhr der Zellulose nach ande=
ren Ländern Europas erheblich grösser als nach Russland, also auch
die Ausfuhr der Pappe. Für den Verkauf haben sich die Papicr=
fabrikcn Finnlands zu grösseren und kleineren Verbänden zusam=
mengeschlossen, um ihre Tätigkeit zu erleichtern und ihre lntercs=
scn zu wahren (besonders sei erwähnt das Zcntraikontor der finni =
sehen Papierindustrie in Hclsingfors).
Wie die Papierfabrikation hat sich auch die Papierverarbeitung
in Finnland in den letzten Jahrzehnten schnell entwickelt, obgleich
sie im kleineren Massstab, grösstenteils für die Märkte des eigenen
Landes, aber früherauch zum Teil für die Ausfuhr nach Russland,
gearbeitet hat. Die Briefkouvert= und Papiertütenindustrie ist
wie die Futtcralindustrie verhältnismässig hoch entwickelt, und
Tapetenpapiere werden in ein paar grösseren Fabriken verfertigt.
Ebenso wird in Finnland hergestellt: Pergamentpapier (die Papicr=
fabrik Kangas A.=G.), Chromo= und Bilddruckpapier (Chro=
mo A.=G., Weilin & Göös), marmoriertes und Glanzpapier (Tek=
nika A.=G.), Krcpp= und Pauspapier (Rifael Haarla) und andere
bessere Papiersorten.
Zelluloseindustrie.
Die Zelluloseindustric ist für Finnland von grosser Bedeutung.
Sulfatzellulosc wird gegenwärtig im Lande {1915) in 7 Fabriken
angefertigt (Zelluloscfabriken von Valkiakoski, Fialla, Gutzeit, Kotka,
Pulp, Lahti, und Lohja). Sic sind bekannt durch die von ihnen in
der Umgegend verbreiteten übelriechenden Gase. Die Jahrespro=
duktion beträgt ca. 700,000 t. — Sulfitzellulose wird in 12 Fabriken
hergestellt und zwar in den Zellulosefabriken von Nokia, Mänttä,
Valkiakoski, Lielahti, Borgä (Pcrvoo), Kymmene (Kymi) A.=G. (Voik=
ka, Kymi, Kuusankoski), Kajana (Kajaani), Kaukas, Nurmi und Tor=
J
nator. Die Jahresproduktion beträgt ca. 80,000 t. Der grösste Teil
der Produktion der Zellulosefabriken findet in den einheimischen
Papierfabriken als Rohstoff Verwendung, ein Teil wird ausgeführt.
Es ist im Lande die Anlegung mehrerer grossen Zelluloscfabriken
geplant (1918).
Textilindustrie.
Leinenindustrie.
Auch in Finnland ist der Anbau des Leins sehr alt. Die Leinen=
gewebe von Abo und Kardien waren schon im 16. Jahrhundert
berühmt. Zu Anfang des 19. Jahrhunderts hatte* die kaiserliche
Wirtichaftsgesellschaft in Abo ein besonderes Interesse den Leia
nanbau zu verbreiten. Heute wird der Lein allgemein südlich
des 63.° kultiviert. Das wichtigste Anbaugebiet ist Süd=Tavast=
lar.d, welches seine Produktion an die Leinenfabrik in Tammerfors
absetzt. Bevor der Lein gebräuchlich wurde, scheinen die finnischen
Völker ihr Garn aus Nesseln verfertigt zu haben. Der Anbau des
Leins kam schon im 18. Jahrhundert in Aufnahme. Dann waren
einige Kirchspiele von Tavcstland (Lampi, Asikkala, Längelmäki,
Orihvesi, Padasjoki, Hauho, Hollola, Vanaja, Janakkala, Hattula
und Sääksmäki) berühmt durch den Anbau von Lein und Hanf.
In diesen Kirchspielen verkaufte der Bauer zu dieser Zeit jährlich
ca. 40, ja 100 Liespfund Lein und Hanf.
Die Grösse der Leinernte Finnlands ist schwer genau zu bestim=
men. In der Leinenfabrik zu Tammerfors, welche der einzige Gross=
konsument im Lande ist, wurden 1913 281,983 kg einheimischen
Leins gekauft, entsprechend 966,466 kg im Jahre 1900, wo der
Irinkauf grösser war als je zuvor. Auf den danach sinkenden Lei=
nanbau hat wahrscheinlich unter anderem die beratende \X/irksam=
keit des allgemeinen Manufakturvereins Finnlands und der von dem
Vereine in Szene gesetzte Wettanbau des Leins belebend gewirkt,
sodass sich der Anbau in den letzten Jahren nicht mehr vermindert
hat. Der einheimische Lein vermag nur 11,2 % von dem Rohstoff=
bedarf der Leinenfabrik in Tammerfors (Tammerfors linne och
järnmanufaktur a.=b., gegr. 1861; Aktienkapital 10 Mill. Fmk; in
der Leinenabteilung 2,225 Angestellte) zu decken, welcher jährlich
ca. 4 Mill. kg beträgt. Der fehlende Betrag muss aus dem Ausland
eingeführt vwerdcn. 1913 betrug die Einfuhr 2,89 Mill. Fmk. —
Den Bedarf an Leinenprodukten deckt ziemlich die Leinenfabrik
in Tammerfors, deren Fabrikationswert sich auf 6,5 MilL Fmk
belauft (1914; im J. 1916 über 17 Mill. Fmk), wovon ungefähr die
Hälfte nach Russland und anderen Ländern ausgeführt wird. Als
Gegengewicht wird eine gewisse Menge Bindfaden, SegeU und
Sackzeug u. a. aus Lein eingeführt.
BaumwoDindustrie.
Die Anfänge der Baumwollindustrie Finnlands mögen ungefähr
in das Jahr 18^8 fallen, wo die erste Baumwollspinnmaschine in Ge=
brauch genommen worden sein dürfte. Für die folgende Zeit, be=
vor die zweite Fabrik in Finnland 1846 in Betrieb kam, geben
folgende Zahlen die Entwicklung derselben wieder:
Spindeln
Wcb=
masciiinen
Arbeiter
Produktions»
wert Fmk
1835
500
—
50
—
«840
2,452
50
225
100,000
1845
8,956
209
531
600,000
In den folgenden )ahren begann eine regere Entwicklung,
indem neue Fabriken gegründet wurden und jede Fabrik all=
mählich ihre Maschinenzahl und Produktion vergrösserte. Das
Anwachsen der Industrie wird am besten durch folgende Angaben
der Industriestatistik veranschaulicht:
Betriebe
Arbeiter
Produktionswert
Fmk
Eingeführte
Rohbaumwolle
1885
5
7,139
9,812,000
2,629,000
1895
4
4,658
16,330,700
4,406,800
1905
6
6,611
25,599,000
5,823,587
1908
8
7,096
35,921,700
7,183,091
1910
8
6,836
32,333,500
6,347,888
1912 9 6,931 36,496,300 7,136,000
Die Zahl der Betriebe braucht nicht die Zahl der Industrie«»
anstalten zu bezeichnen. Die Baumwollindustrie Finnlands ist heute
im vollen Sinn des Wortes eine Grossindustrie, und die sechs
196
■o
5'
a.
3
■ T3
3 -
TT
— 0
90,000
1,820
2,500
12
1 1
42,000
1,050
1,500
4,8
536
42,000
700
1,000
4
5
23,808
52?
790
2
4,2
21,000
650
900
1
4
20,000
500
650
2
4,5
wichtigsten Fabriken Finnlands sind, wns die Kraftverhältnisse an=
belangt, ungefähr die folgenden:
Finlayson & C:o. A.=G
Forssa A.=G.
Baumwöllfabrik in Wasa ....
Baumwollindustrie in Tammer=
fors A.=G
John Barker A.=G. 21,
Baumwollfabrik in Björneborg 20,000
Wenn wir die ganze Menge der eingeführten Baumwolle in
Form von roher Baumwolle, Stoffen und allerlei anderen Fabrikaten
in Anschlag bringen, dürfte der jährliche Verbrauch pro Kopf in
Finnland rnit 4 oder 5 kg nicht zu niedrig angesetzt sein.
Wollenindustrie.
Die Wollenindustrie als Grossindustrie betrieben ist wie
die Textilindustrie überhaupt in Finnland noch sehr jung. Ihre ersten
Anfänge reichen nur bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts
zurück. Im Jchre 1914 verfügte sie laut amtlicher Statistik über 29
Fabriken mit insgesamt 3,369 Arbeitern. Der ganze Produktions=
wert belief sich in dem erwähnten Jahre auf 20,646,800 Fmk. Für
die Trikotwarenindustrie gab es i. J. 1914 20 Fabriken, die zusam=
men 1,333 Arbeiter beschäftigten; Produktionswert (einschliesslich
Baumwollentrikoterzeugnisse) 6,977,900 Fmk. Im genannten
Jahre arbeitete die gesamte Wollenindustrie mit 49,758 Spinn=
maschinen und 1,154 Webstühlen.
Im Jahre 1913 wurden 866 t Schafwolle und 801 t Kunst=
wolle im Gesamtwerte von 5,1 Mill. Fmk nach Finnland eingeführt.
In demselben Jahre wurden heimische Rohstoffe im Werte von
'»377»8oo Fmk verwendet. Die grösstcn Wollfabriken des Landes
sind: F. Klingendahl & C:o A.=G. in Tammerfors, De Förenade
Yllefabrikerna A.=G. bei Hyvinkää, Tampercen Verkatehdas A.=G.<
Littois Akticbolag unweit der Stadt Äbo, Oravaisten Villatehdas
A.=G. in Osterbotten. Im ganzen gibt es 23 Wollfabriken und
6 W'ollentrikotfabriken.
Bergbau.
In Finnland hat der Bergbau immer eine anspruchslose Stellung
eingenommen, doch sind hier verschiedene Erze gebrochen und an
vielen Stellen Grubenarbeiten ausgeführt worden.
Eisenerze.
S e c e r z c kommen in fast allen Binnenseen MitteU und
Ostfinnlands vor. Man findet sie am Seeboden, besonders in der
Nähe des Ufers am Grus= und Sandboden. Die Dicke der Erzschicht
beträgt 5 — 15 cm; da jedoch an Stelle des entfernten Erzes stets
neues entsteht, so enthalten jene Seen eine unversiegbare, obschon
begrenzte Erzquelle. Man hat das Erzareal auf 100 km'^ und die
vorhandene Erz.menge auf viele Millionen Tonnen geschätzt. Die
Secerze sind immer mit Sand, Ton und Schlamm gemischt und
besitzen im allgemeinen keinen höheren Eisengehalt als 35 %. Sie
enthalten gewöhnlich recht viel Phosphor und besonders stellen =
weise reichlich Mangan. In der zweiten Hälfte des vorigen Jahr=
hunderts wurden von zahlreichen Schmelzöfen in Finnland Seeerze
verarbeitet; allmi.hlich haben sie aber wegen der schlechten Aus=
beute ihren Betrieb eingestellt oder andere Erze als Rohmaterial zu
brauchen begonnen. Gegenwärtig dürfte der Schmelzofen von
Värtsilä der einzige sein, wo Seeerze zur Anwendung kommen.
Die Bergeisenerze Finnlands sind durchgehends Magne=
titerze. Hämatiterze gibt es nur an der finnisch=russischen Grenze
östlich vom Ladogasee, und auch dort reicht nur das äusscrste Ende
des Tulomajärvi=Hämatitgcbiets bis nach Finnland hinein. Kleine
Magnetitlagcrstätten findet man in Finnland an mehreren Stellen,
namentlich im Süden des Landes, doch sind es meistens ganz un=
bedeutende Vorkommen, wo das Erz schon beinahe abgebaut
ist. Die bedeutenderen Fundorte werden nachstehend einzeln
aufgezählt.
jussarö (Jussaari), eine Insel im Finnischen Meerbu =
sen, gehört zu den Schären von Ekenäs (Tammisaari). Dort hat
man an zwei Stellen zu zwei verschiedenen Malen Erz gebrochen.
198
Nach der magnetometrischen Karte zu schliessen, gibt es ziemhch
grosse Erzlager unter dem Meere südlich von Jussarö. Die ver=
tikalgcstelltc, im gefalteten Gneis eingelagerte Schicht ist 3,5 km lang
und wenigstens 12 m mächtig. Ingenieur Trüstcdt schätzt, unter
Annahme einer Erztiefe von 200 m, die Erzmenge auf 30 — 35 Mill.
Tonnen. Das Erz besitzt einen mittleren Eisengehalt von 38 % und
enthält 0,021 "0 Phosphor und 0,006 % Schwefel. Das Erz muss vor
dem Schmelzen angereichert werden. Für den Abbau des Jussarö»
Erzes ist neulich eine Gesellschaft gebildet worden.
Pitkäranta. Das Eisenerz von Pitkäranta findet sich am
Nordostufer des Ladogasees. Es kommt in schmalen und langen,
vertikalgcstellten Kalksteinlagern und Skarnschichten in Schie=
fern vor. Die gesamte Länge der Erzlagerstätte ist magnetometrisch
auf wenigstens 10 km festgestellt worden. Trüstedt schätzt (auf
magnetometrische Karten und Diamantbohrungen gestützt) die
Erzmenge auf mindestens 12 Mill. Tonnen. Das Erz enthält durch =
schnittlich 27 % Eisen, 1,3 % Schwefel und etwas Phosphor. Auch
dieses Erz muss also erst magnetisch angereichert werden, um ein
für den Schmelzofen taugliches Produkt darzustellen. Bis zum Jahre
1904, wo der Betrieb in Pitkäranta eingestellt wurde, hatte man
daselbst 15,000 t Eisen und 65,000 t 60 % iges Konzentrat erhalten.
Nunmehr hat der Abbau des Eisenerzes und dessen Veredlung durch
magnetische Aufbereitung dort wieder begonnen; auch der Hoch=
ofen ist wieder im Gange.
10 km nördlich von Pitkäranta befindet sich die Erzlagerstätte
von Kolivaara, die jedoch vor der erstgenannten Lagerstätte an
Bedeutung bei weitem zurücktreten dürfte.
V ä 1 i m ä k i liegt am Nordostufer des Ladogasees, an der
Grenze der Kirchspiele Impilahti und Sortavala. Das Erz befin =
dct sich in äusserst unregclmässigen Nestern im Gabbro. Infolge
der Art seines Vorkommens ist es unmöglich, seine Menge zu ta=
xieren. Dieses Erz enthält durchschnittlich etwa 22 — ^24 % Eisen;
es ist also ein Aufbereitungserz. In diesem Gebiete kommt jedoch
auch Stückerz vor, welches einen Eisengehalt von etwa 50 % be=
sitzt. Während des Zeitraumes 1896 — 1907 sind in Välimäki
678,000 t Erz abgebaut worden. Aus dieser Menge wurden 27 %
Konzentrat erhalten; der Eisengehalt desselben betrug 50 — 60 %.
— Nach magnetometrischen Karten und anderen Umständen zu
schliessen, können in Välimäki noch grosse Mengen gleichartigen
Erzes wie früher gewonnen werden. Der Abbau begann dort 1890
und endigte 1907; man hatte da eine Tiefe von 60 — 70 m erreicht.
In V'ähmdki gibt es ein magnetisches Aufbereitungtvx'crk und ein
Brikctticrungwcrk, aber keinen Schmelzofen. Das Erz ist
jenseits der Grenze (in Russland) im Hochofen von Vitele ausgc=
schmolzen worden. Der Erzabbau dürfte bald wieder beginnen.
Die Eisenerze in Süd= undWestfinniand. Im
südwestlichen und südlichen Finnland gibt es viele alte kleine
Vorkommen von magnetischem Eisenerz. Die bekanntesten der=
selben sind: Malmberg und Uusi Pahalahti in Kisko, Vihi =
niemi und Perskomböle in Pernio, Ojamo in Lohja, Sillbölc und
Tavastby im Kirchspiel Heisinge, Susimäki in Vampula und
Kulonsuonmäki in Pyhäjärvi. Von diesen Gruben ist gegenwärtig
keine im Betrieb. Ivl a I m b e r g lieferte während der besten
Zeit, 1854 — 1866, durchschnittlich 725 t 35 °oiges Erz pro Jahr.
1866 hörte der Abbau auf, weil das Erz zu kupfer= und Schwefelkies»
haltig wurde. In Uusi Pahalahti sind während der gan=
zen Betriebszeit 1846 — 1863 5400 t Erz gefördert worden. Kulon=
suonmäki und Susimäki sind basische Ausscheidungen des Muttcr=
gesteins. Das Erz von Susimäki enthält 42,03 % Eisen und
7,91 % Titanoxyd (TiO,), nach magnetischer Ausscheidung 59,94°,,
Eisen und 5,71 ",, Titanoxyd (TiO,). Die alten Eisengruben von
Haveri in Hämeenkyrö (Satakunta), und Vittinki in Ylistaro (Os=
terbotten) haben nie grosse Bedeutung gehabt. Diese Gruben sind
schon seit mehreren Jahrzehnten verlassen.
Die Eisenerze von Lappland sind nur vcrsuchs=
weise gebrochen worden, sie können aber in der Zukunft Bedeutung
erlangen. Es mögen hier einige wenigstens cinigermassen untcr=
suchte Vorkommen erwähnt werden.
Juvakaisenmaa in Kolari, am Niesajoki, 5 km von dessen
Mündung in den Muonionjoki. Diese Erzlagerstätte besteht aus
einem 20—30 m mächtigen, 1 V2 l^m langen eisenreichen vertikalen
Lager in Schiefern. Das reichste Erz in der Mitte des Lagers kann
40 — 50 °öig sein, enthält aber gewöhnlich SchwefeU, Kupfer= und
Magnetkies. Die magnetometrischen Karlen legen eine recht be=
deutende Ausdehnungdes Erzes nach der Tiefe hin dar. In der Nähe
dieses Fundorts ist ein kleineres Erzgebiet am Ristimellanjärvi
magnetometrisch untersucht worden, und etwa 8 km von Juvakaisen-
maa befindet sich stromaufwärts am Niesajoki das grosse, nur mag=
netometrisch untersuchte Erzgebiet von Kivikkopalo, das eine
Länge von 2 V2 — 3 1^'n und eine ansehnliche Breite hat. Alle diese
Erzgebiete in Kolari gehören der A.=G. Kolari. Im Kirchspiel
Kittilä liegt ein grosses Erzgebiet, welches sich aus einer Gruppe von
Bergen — Porkonen, Silmänpaistama, Kuoreslaki,
Haurespää, Pahtavaara, Jänisvaara — zusaiTimen=
setzt. Man findet das Erz als magnetitreiche dünne Wechsclla=
ger im vertikalgestellten Quarzitschiefergestein, welches im wc=
sentlichcn eine Richtung von Norden nach Süden aufweist. Die
Länge des ganzen Erzgebiets beträgt über 10 Kilometer. Das Erz
muss vor der Benutzung magnetisch angereichert werden. Systc=
matische Abbauversuche haben nicht stattgefunden und des Erz ist
auch sonst wenig untersucht, sodass keinerlei Angaben über
Beschaffenheit, Menge und Wert mitgeteilt werden können.
Auch an anderen Stellen in Lappland gibt es Eisenerzgebicte,
doch sind sie wegen ihrer ungünstigen Lage bis jetzt ununtersucht
geblieben.
Kupfererze.
Inbezug auf die Kupfererze verdienen drei Grubengebiete er=
wähnt zu werden: Outokumpu, Pitkäranta und Orijärvi. Ausser=
dem gibt es mehrere kleine Fundorte in Süd= und Nord=Karelien,
doch hat dort kaum mehr als ein Versuchscbbau stattgefunden.
Outokumpu in Kuusjärvi (Län Kuopio). Dieses Kup=
fererz ist einem 45° geneigten Quarzitschiefergestein eingelagert.
Die Länge des Lagers beträgt wenigstens 1,200 m, seine Mächtig=
keit bis 9 m. Die hauptsächlichsten Bestandteile des Kupfererzes sind
Quarz, Kupferkies, Magnetkies, Pyrit und Zinkblende. Das Kupfcr=
Prozent ist etwa 4,5, das Zinkprozent etwa 1,5 und das Schwefel=
Prozent 27. Die Erzlagerstätte wurde i. J. 1909 gefunden, und seit
jener Zeit ist das Bergwerk nebst seinen Aufbereitungswerken im
Betrieb. Im Zeitraum 1910 — 18 sind etwa 50,000 t erzführendes
Gestein gefördert worden. Die Kupferproduktion beträgt etwa
600 t und daneben ist an Sulfitzcllulosefabriken etwa 25,000 t
Schwefelkies, der etwa 7,000 t Schwefel enthält, geliefert worden.
Das Bergwerk gehört dem Finnischen Staate und der Firma Hackman
& C:o A.=G., ist aber augenblicklich verpachtet.
Pitkäranta am Nordufer des Ladogasees. Im Gruben=
gebiet von Pitkäranta befinden sich die kupferkieshaltigen Erze
im sog. alten Grubcnfelde unweit des Ufers des Ladogasees. Diese
Erze treten in senkrechten Kalkstein= und Skarnlagern auf, und die
verschiedenen Erzminerale bilden unrcgclmässig geformte Massen,
ober die Menge des Kupfererzes in diesem Gebiete können keine
Ziffern angeführt werden; allem Anschein nach dürfte aber noch
ein ähnliches Erz wie früher in bedeutenden Mengen zu gewinnen
sein. Das Erz enthält etwa 2 — -5 "o Kupfer. — Die Kupferproduk=
tion begann in Pitkäranta in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts
und dauerte, vielmals fast vollständig unterbrochen, bis zum jähre
1904. Im ganzen sind rund 6,500 t Kupfer gewonnen worden,
davon ungefähr 5,000 t während des Zeitraumes 1880 — 1904. In
den Jahren 1881 — 1904 wurde das Erz nach einem Anrcicherungs=
verfahren behandelt und lieferte 4,000 t 9 %iges Kupferkies=
pulver. Früher war das Kupfer das wichtigste Erz von Pitkäranta,
später wurde aber das Eisen zum Hauptprodukt, und heute, wo die
Grubenarbeit aufs neue begonnen hat, wird ausschliesslich Eisenerz
abgebaut.
Orijärvi in Kisko (Südwestfinnland). Das Kupfererz von
Orijärvi liegt in einer zwischen Granit und Amphibolit gelegenen
Schieferzone, in der Kupfer= und andere Kiese ungleichmässig
verteilt bald reichlicher, bald spärlicher vorkommen. Die reichsten
Erze liegen in der NäKe des Amphibolits. Die Grube hat eine grösste
Länge von etwa 200 m, eine Breite von 50 m und eine mittlere Tiefe
von 80 — 100 m; nur ein Schacht ist ungefähr 170 m tief. Der Kup=
fergehalt des zum Schmelzofen geförderten Erzes ist etwa 3 %, der
des gesamten Förderguts etwa 0,62 % gewesen. Das Bergwerk von
Orijärvi hat während seiner ganzen Bctritbszcit 1757 — 1882 etwa
4,500 t Kupfer produziert. Vor ungefähr zehn Jahren wurde der
Versuch gemacht, den Betrieb wieder aufzunehmen, aber mit schlech=
tem Resultat. Gegenwärtig ist man wieder darauf bedacht, die
Arbeit aufs neue zu beginnen.
Zinkerze.
Zink haben in Finnland nur die Bergwerke von Pitkäranta und
Orijärvi geliefert. Die Zinkerze treten dort in Verbindung mit
anderen Sulfiterzen auf, was die Behandlung der Erze in hohem
Grade erschwert. Bis zum Jahre 1869 fanden die Zinkerze keine
Verwendung; danach hat man kleine Mengen von etwa 35 "„igcm
Zinkerz nach ausländischen Schmelzcreien ausgeschifft. Die Halden
von Orijärvi wie von Pitkäranta enthalten noch beträchtliche Mengen
armer Zinkerze.
Zinnerze.
Zinn ist ausschliesslich im alten Grubengebiete von Pitkäranta
gewonnen worden, wo es mit anderen Erzen vermengt stellenweise
sogar reichlich vorkommt. Die dortige Zinnproduktion ist im gan=
zen (1814 — 1905) 488 t gewesen.
Bleierze.
Kleine Bleiglanzlagerstätten sind an verschiedenen Stellen als
Blei= und Silbererze abgebaut worden. Am bedeutendsten ist die
Bleigrubc A i j a I a in Kisko. — Sowohl in Orijärvi wie in Pitkä=
ranta hat man Blei als Nebenprodukt gewonnen.
Silbererze.
Als Nebenprodukt hat Pitkäranta 11,000 kg und Orijärvi ein
\x'enig Silber geliefert.
Molybdänerze.
Der einzige Fundort von Molybdänerz, wo Erz gebrochen wor=
den ist, ist Mätäsvaara in Pielisjärvi. Molybdänglanz findet sich
dort in quarzreichem Gneisgranit. Das Erz enthält etwa 1 % Mo=
lybdän. Der Grubenbau befindet sich gegenwärtig in einem vcr=
sprechenden Anfangsstadium. Die Grube gehört der Firma
Värtsilä A.=G.
Golderze.
Im finnischen Lappland findet man kleine Mengen Goldes auf
einem grossen Gebiet im Flusskies; aber nur im oberen Lauf des
Ivalojoki und seiner Nebenflüsse kommt so viel davon vor, dass
sich die Arbeit gelohnt hat. Die ganze Produktion belauft sich auf
etwa 454 kg. Während des Zeitraumes 1870 — 1900, wo die Gold=
seifen am intensivsten betrieben wurden, betrug die jährliche Pro=
duktion im Durchschnitt 14,4 kg. Gegenwärtig ist der Goldwä=
schereibetrieb ganz unbedeutend. Ausser in losen Schichten kommt
das Gold in jenen Gegenden auch im festen Gestein vor, doch hat
es sich wenigstens bisher nicht gelohnt, die lappländischen Berg=
golderzc abzubauen.
Schwefelerze.
Während der letzten )ahrc hat man kiesreiche Teile der Halden
von Orijärvi auf Sch>x'efclerze verarbeitet. Vom Outokumpu=Erz
verbrauchten 1910 — 18 die Sulfitzcllulosefabriken etwa 25,000 t.
Gute Aussicht auf Schwefelerz gibt der Tipasjärvi in Sotkamo.
Es findet sich daselbst im Quarzitgcstein ein Vorkommen von
Schwefei= und Magnetkies. Diese Erzzonc hat eine Länge von 600
m und eine Breite von 3 — 5 m. Die Kiesmenge des Vorkommens
ist auf wenigstens 200,000 t und die darin enthaltene SchwefcU
menge auf 70,000 t geschätzt worden.
Eisenindustrie.
Die älteste erhaltene, auf die Eisenindustrie Finnlands bezügliche
Urkunde ist vom jähre 1542, wo Gustav Wasa dem damaligen
Oberlandrichter von Südfinnland Erik Flemming das Recht ver=
lieh, Eisenerz im Kirchspiel Loh ja fördern zu lassen. Die Kunst
der Eisengewinnung ist den Finnen jedoch schon in uralten Zeiten
bekannt gewesen, und sie hat in Finnland einen eigenen langsamen
Entwicklungsgang durchgemacht, wozu die Ursache teils die Ent=
fernung des Landes von den Kulturländern der älteren Zeit, teils
der Umstand war, dass das Grubenerz in Finnland in früheren Zci=
ten fast ganz unbekannt war und in den Schmelzhütten (Stan=
geneisenhütten) nur Seeerz (auch etwas Sumpfeisenerz) verarbeitet
wurde. Diese Erze wurden hauptsächlich aus den Seen von Savo=
lax und Karelien gewonnen. Die Herstellung war in gewissem Sinn
Hausindustrie. Am Ufer eines erzreichen Sees wurde eine Schmelz»
hüttc aus Granit in die sanft abschüssige Böschung eines Hügels
gebaut. Der Durchschnitt des Ofens am Fusse betrug 3 Vier=
telellen und erweiterte sich nach oben; die Höhe betrug ca. 4 Ellen.
Der Boden bestand aus der hart gestampften, mit Kohlengrus bc=
deckten Erde. Das beim Schmelzen erhaltene Produkt (Roheisen)
war bisweilen dichtes, ja auch gutes schmiedbares Eisen, biswei=
Icn ganz stahlartig, oft jedoch sehr schlackenhaltig, was die Ver=
\x'encl barkeit erschvx'ertc. — Allmählich machten die alten Eisen=
öfen den Hochöfen Platz, der letzte erst 1898.
Der erste Hochofen Finnlands wurde im Jahre 161 6 in Svarlä
erbaut, und hier verarbeitete man das in der Eisengrubc von Ojamo
gebrochene Bergerz. Zu den ältesten Hochöfen gehören ferner
z. B. der zu Fiskars (1649) und der der Fabrik Dalsbruk (Taalin=
tchdas, 1686), welche teils einheimisches, teils aus Schweden ein=
geführtes Bergerz ausschmolzen. Der einzige Hochofen aus älte=
rer Zcite, in dem Seeerz verarbeitet wurde, war der in Juankoski im
Kirchspiel Nilsiä (erhielt seine Rechte 1746). Im 19. Jahrhundert
wurden mehrere neue Hochöfen (wie in Salahmi, Jyrkkä, Souru,
Möhkö) angelegt, welche Seeerz ausschmolzen. Die Zahl der Hochs
öfen war in Finnland 1695 8, dieselbe Zahl war 1746 und auch
1809 vorhanden. Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Rohei=
senindustrie Finnlands schneller, und die Zahl der Hochöfen
betrug am Ende des Jahrhunderts: 1884 26 und 1894 '7- 1912
waren nur 4 Hochöfen im Gange, nämlich die Fabrik Dalsbruk
im Kirchspiel Kimito (im Besitz der A.=G. Dalsbruk), Högfors im
Kirchspiel Pyhäjärvi (Län Nyland) (Besitzerin A.=G. Högfors
und Holzschleiferei Vattola), Trollshofda im Kirchspiel Tenala
(Besitzerin A.=G. Fiskars) und Värtsilä im Kirchspiel Tohma=
järvi (Besitzerin A.=G. Värtsilä), und diese verarbeiteten im ganzen
ausländisches (schwedisches) Bergerz 14,791 t und einheimisches
Seeerz 2,486 t. Die Roheisenerzeugung Finnlands war:
1851
ca.
4,800
t
1907 ca
• 15,099
t
1861
»
9,100
»
1911 >
8,788
»
1871
)>
21,100
»
1912 >
10,034
i>
1881
i>
21,700
))
1913 )
8,963
»
1891
»
23,074
»
1914 >
9.931
»
1901
»
31,084
»
1915
7,836
»
Das Sinken der Roheisenerzeugung beruht hauptsächlich auf
dem Mangel an Erzen; die Secerzvorkommen Finnlands haben
sich merkbar vermindert und sie sind auch sonst ungeeignet für den
Hochofenbetrieb, weil sie hochgradig phosphorhaltig sind und
durchschnittlich nur 35 % Eisen enthalten; für die Eisenindustrie
taugliche Bergerzfunde sind in Finnland selten (Välimäki, Pitkä=
ranta), sodass das zum Schmelzen erforderliche Erz aus dem Aus=
land (aus Schweden) eingeführt werden muss. Aus Roheisen wurde
Schmiedeeisen im Anfang in einfachen Essen durch Frischen ver=
fertigt. Verschiedenartige Frischherde gab es in Finnland 1695 26,
1746 33, 1809 44, 1884 42 und 1894 33; heute ist dieses Verfahren
in Finnland ohne Bedeutung. Aus Seecrzroheiscn wurde anfangs
verhältnismässig minderwertiges Eisen gewonnen, was darauf be=
ruhte, dass es damals nicht ohne grossen Verbrauch von Kohle und
Eisen gelang die im Seeerz enthaltene, für das fertige Eisen nach=
teilige Phosphormenge zu entfernen, welche beim Hochofenprozess
im Roheisen verbleibt, aber beim direkten Verfahren (in Stabei =
senöfen) zum grossen Teil mit der Schlecke abgeht. Erst in den
1840er Jahren lernte man in Puddelöfen auch aus Secerzroheisen
ziemlich gutes schmiedbares Eisen zu verfertigen. Der erste Pud =
delcfen wurde in den 1830er Jahren für die Fabrik Högfors(Kark
kila) gebaut. Puddelöfen hatte man 1884 60, 1890 35 und 1894 29.
Gegenwärtig sind sie in den Fabriken DaUbruk, Värtsilä und
Fiskars im Gebrauch. Frischeisen wurde in Finnland erzeugt:
1884 25,969,9 t 1904 7,466,8 t
1894 13,406,6 » 1909 1,700,0 »
Der erste Martinofen Finnlands wurde 1880 in der Fabrik
Dalsbruk errichtet, danach folgten Värtsilä, Aminncfors (zu den
Fabriken von Fiskars) und Inha im Kirchspiel Ätsäri.
Die Gusscisenerzeugung betrug in Finnland:
1884 1,415 t 1910 24,552 t
1894 4,092,3 » 1912 34,625 «
1904 14,025,2 I) 1914 55,495 *
1906 18,868,4 '* 19' 5 69,622 »
1908 18,945,9 »
Maschinenbau.
In Finnland hat der Mangel an Rohstoffen und grossen Kapi=
talicn in Verbindung mit der ausländischen Konkurrenz eine inten=
sivere Entwicklung der Maschinenindustric erschwert, besonders
da die geringe und wechselnde Nachfrage keine grösseren SpcziaU
fabriken hat aufkommen lassen. Seit 1886, wo fertige Maschinen
mit Einfuhrzöllen belegt wurden, kann man von einer beträcht=
206 .
lichcren einliciinischcn Maschinenindustrie reden,
lung erhellt aus folgender Tabelle:
Die Entwick=
Einfiiiirwert
der
Ausfuhrwert der |
Produktions=
Maschinenprodukte
Maschinenprodukte j
3*
3"
lahr
wert der
=
.0
Maschinenbau=
anstalten
Im ganzen
C D.
C "*
Im ganzen
>=
g Q.
C "*
T'2
3-1«
3
3
N
(0
0
3
3
1885
7,028,374
2,701,455
2,48
517,693
0,35
1S96
15,726,082 j
8,813,000
5,10
1,393,000
0,88
1904
28,096,437
13,296,711
4.98
1,063,804
0,49
1906
39,120,295 j
18,422,808
5,87
1,783,842
0,64
1908
30,219,644
24,595,304
6,77
495,078
0,20
19t2
41,917,200 [
28,004 000
5,10
4,518,000
1.33
1915
94.441,900
18,962,000
3,28
4,837,000
1,81
1916
211,826,100 1
42,032,000
4,77
24,933,000
4,84
Die Einfuhr der Maschinen ist noch recht gross — grösser als
die Fabrikation im Lande selbst. Die Ausfuhr ist gering, und auch
sie ist nach 1908 sehr gesunken, was darauf beruht, dass die finni=
sehen Maschinenbauanstalten inbezug auf Bestellungen des rus=
sischen Staates den ausländischen gleichgestellt wurden und die
Bestellungen infolgedessen fast ganz aufhörten. Anfang 1909 ha=
ben sich mehrere Eisenhütten und Maschinenbauanstalten zunächst
für vier Jahre zu einem Verband zusammengeschlossen und das
»Finnländische Metallkontor» gegründet, das als Vermittler und
Verteiler von Aufträgen unter den Fabriken wirken soll, sodass jede
eine spezielle Branche erhalten würde. Der Hauptsitz des Maschi=
nenbaus ist Helsingfors, dessen Produktion mehr als ein Drittel von
der ganzen Produktion des Landes beträgt. Die bemerkenswertesten
Maschinenbauanstalten des Landes sind: die Schiffswerft Sandviken
(Hietalahti), die Werkstätten der Maschinen= und Brückenbau»
A.=G. John Stcnberg und der Staatseisenbahnen in Helsingfors, die
Werkstätte der Lcincn= und Eiseneindustrie=A.=G. in Tammerfors,
die Maschinenbauanstalten von Crichton<& C:o (Filiale in Petersburg),
A.=G. Vulcan in Äbo, die Maschinenbauanstalt in Björneborg, die Ma=
schinenbauanstalten in Fiskars, Högfors (Karkkila), Kotka, Karhula,
Lehtonicmi und Taipalc, in Varkaus und Wiborg. Alles in allem
gab CS 1913 im Lande 172 verschiedene N'Iaschincnbauanstalten mit
insgesamt 13,179 Arbeitern. Infolge der Kricgsbestcllui.gon hat
sich die Maschinenindustrie seitdem sehr bcltbt. im ). 1916
war die Z^hi der Maschinenbauanstaltcn 19» und die ihres Ge=
samtpcrsonals 20,203.
Lederindustrie.
Die fabrikmässigc Ledcr= und Ledervjcarenindustric ist in Finn=
land ganz jung. Die erste Lederfabrik wurde 1863 (Gebrüder
Äström, Uleäborg) und die erste Schuhfabrik 1897 (in Korkeakoski
im Kirchspiel Orihvesi) gegründet. Die Lederindustrie hat sich
sicher und gleichmässig entwickelt, wogegen die Schuhwarenin=
dustrie anfangs durch die ausländische Konkurrenz und dann,
als sie 1908 infolge eines Zolls auf Schuhwaren gehemmt war, durch
die eifrige Konkurrenz zwischen den vielen einheimischen unter
der Ägide des Schutzzolls gegründeten Fabriken beeinträchtigt
wurde, im Jahre 1911 gab es in Finnland:
Lederfabriken 39, darin Arbeiter 1,316
Schuhfabriken 14 " '* 9^8
Lcderhandschuhfabriken 1 '> » 9
Kardätschenfabriken 7 " ^ 37
Zusammen 61, darin Arbeiter 2,300
In den Lederfabriken wurde hergestellt: Lcder, VX^eissIeder,
Maschinenriemen, Fuhrwerke, Mappen, Pferdedecken, Leim u.
a. im Werte von 14,383,800 Fmk, in den Schuhfabriken 630,240
Paar Schuhe u. a. im Werte von 6,102,000 Fmk, in den Handschuh«
fabriken 1,050 Dutzend Handschuhe im Werte von 26,800 Fmk,
in den Kardätschenfabriken 68,500 Paar Kardätschen und 28,000
Paar lederne Fausthandschuhe im Werte von 59,500 Fmk. Der
gesamte Produktionswert betrug 20,572,100 Fmk.
In den letzten jähren hat sich die Tätigkeit in dem betreffen=
den Industriezweige bedeutend belebt, wie aus folgenden Zahlen
hervorgeht:
Zahl Arbeiter Bruttoproduktion
Pmk
Lcdeifab;iken 63
Schul. fabrikcn 29
Lederhandschuhfabiiken 2
Kardätschci. fabrikcn ■■ 3
1,674
33,280,400
1,858
26,521,200
16
75,600
46
pt 1,400
Zusammen 97 3/594 60,788,600
Die grössten Lcdcr= und Lederwarenfabriken Finnlands sind:
A.=G. Gebrüder Äström in Uleäborg (gegr. 1863, Kapital 4,000,000
Fmk, auf ihrem Gebiete das grösste Unternehmen in den nor=
dlschcn Ländern), die Finnische Schuh= und Lederindustrie=A.=G.
in Korkeakoski (jetzige Gesellschaft gegründet 1899, Kapital 800,000
Fmk), die Fabriken von Munkkisaari— K. H. Renlund & C:o in HeU
singfors (1903; verfertigt Sohl= u. a. Leder, Geschirre, Lederriemen
u. a.), A.=G. Attila in Tammetfors (1908, 400,000 Fmk; Leder und
Schuhe), Schuhfabrik=A.=G. Sampo in Tammerfors (1911,500,000
Fmk), Lederfabrik Pakkala & Nicander A.=G. (1912, 250,000
Fmk; früher Sjöblomsche Lederfabrik in Raumo), Hugo & Hjal=
mar Äström in Uleäborg (1905, Schuhe), Carl Fr. Spennert, liel=
singfors (1912; Wagengeräte, Geschirre, Ledertaschen), Schnürstiefel»
fabrik der F r.na Äström A.=G. in Ulcäbarg (1909, 50,000 Fmk),
A.=G. K. J. Kaurala in Uleäborg (1909, 75,000 Fmk; Schuhe), Schuh=
fabrik von Satakunta in Raumo (1911; 100,000 Fmk), Schuhfabrik
in Tammerfors (1901), Schuhfabrik in Hirsilä, Kirchspiel Orihvesi
(1911, 70,000 Fmk), Schuhfabrik Hyppönen A.=G. in Tammeifors
(1912, 65,000 Fmk), Lederfabrik in lisalmi (1908, 50,000 Fmk).
Die für die Lederfabrikation erforderlichen Rohstoffe müssen
zum grossen Teil aus dem Auslande bezogen werden; 1915 wurden
in den Lederfabriken Rohstoffe (Felle, Gerbstoffe u. a.) im ganzen
im Werte von 21,432,800 Fmk, wovon einheimische Rohstoffe im
Werte von 8,419,400 Fmk, verarbeitet. In den Lederwarenfabri=
ken wurden ungefähr ebenso viel einheimische wie ausländische
Rohstoffe und Halbfabrikate verwandt. In den Leder= und Leder=
Warenfabriken wurden insgesamt Rohstoffe und Halbfabrikate im
Werte von 39,756,000 Fmk verarbeitet — 1912 wurden aus dem
Auslande unbearbeitete Häute im Werte von 10,425,325 und zube=
rcitete Häute und Leder im Werte von 3,217,503 Fmk (dazu Gcrb=
Stoffe im Werte von 1,903,326 Fmk) eingeführt. Zugleich aber
wurden (hauptsächlich nach Deutschland, weniger nach Russland
und Dänemark) unzubercitetc Häute im Werte von 8,208,565
Fmk, zubereitete Häute und Leder im Werte von 4,433,633 Fmk
exportiert.
Die Erhöhung der Zolltarife im Jahre 1908 hat nicht ganz
zum Aufhören der Einfuhr von Schuhen geführt, hat dieselbe
aber beträchtlich vermindert. 1907 wurden Schuhe im Werte von
4,271,269 Fmk, 1912 nur im Werte von 2,305,953 Fmk importiert.
Andere Lederfabrikate wurden im letztgenannten Jahre im Werte von
1,297,580 Fmk eingeführt. — Die entsprechende Ausfuhr ist ganz
gering, sie weist einen Wert von 195,394 Fmk auf. — Die Einfuhr
aller oben genannten Warengattungen überstieg mit 4,408,769
Fmk die Ausfuhr.
Steinbearbeitung.
Die Steinindustrie Finnlands bearbeitet hauptsächlich Granit
und nur in geringerem Masse Topfstein, Marmor und Schiefer.
Schon im Anfang des vorigen Jahrhunderts wurde in den Kirch=
spielen Wiborg, Vehkalahti und Virolahti sog. Rapakivigranit für
Bauzwecke gesprengt und nach Petersburg ausgeführt, so für die
Alexanderssäule und für die Säulen der Isaakskirche. in neuerer
Zeit haben die grösseren und kleineren Steinbruchbetriebe die
reichlichen Granitvorkommen des Landes auszubeuten begon=
nen, und zwar sowohl für die einheimische Bauindustrie, in
der die Anwendung des natürlichen Steines an den Fassaden der
Bauten, als Säulen und zur Verzierung eine sehr wichtige bau =
künstlerische Bedeutung gewonnen hat, als auch zum Versand ins
Ausland, nach Russland {Bau=, Säulen= und Pflastersteine), Eng=
land und Schottland (ebenfalls Bau= und Pflastersteine), ja sogar
nach Amerika und Afrika. 1916 gab es in Finnland im ganzen
37 Steinbruchbetriebe, die bemerkenswertesten sind A.=G.
Granit, die in dem Kuningattarcnvuori in Har.gö (Hanko) roten
und auf Bcrgö grauen Granit sprengt; die Steinindustrie=A.=G. in
Nystad (Uusikaupunki) bearbeitet reine graue und gleichmässig
rote Granite, die Granit=A.=G. Ost=Finnlands in Wiborg die
Steinsorten Ostfinnlands; die A.=G. Vuolukivi in Wiborg verfertigt
Schnitzarbeiten und Fassadenteile, Ofen u. a. aus Topfstein. Der
Marmor von Ruskeala wird auch bisweilen zum Schmuck von Gc=
bäuden, zu Treppenstufen u. a. benutzt. Die folgende Tabelle
zeigt die Entwicklung der Steinindustrie Finnlands in den letzten
Jahren:
Jahr
Produktionswert
Exportwert
Mill. Fmk
Mill. Fmk
1899
1,01
0,58
1909
2,67
0,86
191 1
3,33
1,50
1913
4,09
1,90
1915
5,34
0,79
1916
4,26
0,78
Elektrotechnische Industrie.
Die finnische elektrotechnische Industrie ist, wie so manche
andere industrielle Tätigkeit in Finnland, noch sehr wenig ent=
wickelt. Dieses Verhalten dürfte zum Teil auf die schwere Kon=
kurrcnz mit der ausländischen Einfuhr sowie auch auf den verhält=
nismässig geringen Bedarf des Landes in den früheren Jahren zu=
rückzuführen sein, der Hauptgrund aber besteht wohl in mangeln=
dem Unternehmungsgeist und in dem niedrigen Stand des tech=
nischen Unterrichts auf diesem Gebiete.
Das älteste elektrische industrielle Unternehmen in Finnland
ist die Elektrizitäts=Aktiengesellschaft Paul Wahl & C:o in Wiborg,
welche im J. 1887 in Varkaus und in dem darauffolgenden Jahre
in Wiborg elektrische Maschinen zu bauen begann. Der Betrieb ver=
mochte zu keiner grösseren Entwicklung zu gelangen. Von seiner
Produktion sind ausser kleineren elektrischen Maschinen und Appa=
raten auch Akkumulatoren zu erwähnen, welche von keiner anderen
Firma in Finnland hergestellt worden sind. Die Fabrik wurde
nach und nach in eine Reparaturwerkstatt umgewandelt.
Eine günstigere Entwicklung zeigt das von dem Ingenieur
Gottfrid Strömberg im J. 1889 in Helsingfors gegründete Untcr=
nehmen, welches in den letzten Jahren bedeutende Fortschritte
gemacht hat und jetzt das einzige in seiner Art in Finnland ist.
Die Zahl der bisher von der Fabrik hergestellten Maschinen über=
steigt wohl gegenwärtig weit das zweite Tausend und ist in den
letzten Jahren ganz erheblich gewachsen. Vorläufig deckt die Pro=
duktion der Fabrik jedoch nur einen geringen Teil von dem Bedarf
des ganzen Landes. Die frühere Produktion der Fabrik umfasstc
lange Zeit ausschhessHch kleine Glcichstrommaschinen. in den
letzten Jahren ist sie auch in dieser Hinsicht wcitercntvjcickelt wor=
den und liefert zurzeit auch eine nicht unerhebliche Zahl von Wech=
selstrom= und Drehstrommaschinen und Transformatoren von ver=
schiedenem Modell und verschiedener Grösse, die letzteren erst
seit 1914. Ausserdem baut die Fabrik Niederspannungsmaschi=
ncn und hat unlängst auch eine von dem Ingenieur Wickström vor
einigen Jahren gegründete kleine Fabrik für Herstellung von iso=
lierten Leitungen gekauft.
Die für die Elektrotechnik in grossen Mengen erforderlichen Por=
zellarierzeugnisse wurden früher ausschliesslich vom Ausland bc=
zogen, im J. 1912 wurde in der Nähe des Eisenbahnhaltcpunkts
Savio eine elektrotechnische Porzellanfabrik gegründet, die nach
einigen Jahren Bankerott machte, aber während ihrer kurzen Lc=
benszeit doch bewirkte, dass die einzige Porzcilanfabrik in Finnland
(Arabia bei Helsingfors), die diesen Industriezweig bis dahin unbc»
achtet gelassen hatte, nun erwachte und auch diesem Gebiet eine
regere Aufmerksamkeit zu schenken begann. Da die erwähnte
Fabrik, die bisher einer ausländischen Gesellschaft gehört hatte,
nunmehr in einheimische Hände übergegangen ist, steht zu hoffen,
das die Produktion der elektrotechnischen Porzellanwaren den gan=
zen einheimischen Bedarf in nächster Zukunft zu befriedigen ver=
mag.
Im Zusammenhang mit der einheimischen elektrotechnischen
Industrie verdient noch ein älteres, aber inzwischen eingegangenes
Unternehmen auf diesem Gebiete genannt zu werden, und zwar die
Finnische Elektrizitäts=Gesellschaft, welche 1898 auf die Initiative
des Ingenieurs Gustaf Zitting gegründet wurde. Ein grosser Ak=
tlonär dieses Unternehmens war die schwedische Gesellschaft AlU
männa svenska elcktriska a.=b. — Dieses Unternehmen rentierte
sich anfangs, hauptsächlich infolge eines hohen Zollschutzes, nicht
übel, als dann aber der Zoll später bedeutend herabgesetzt wurde
und die von der Fabrik gebauten Maschinentypen der Allmänna
svenska elcktriska a.=b. zu schwer und zu teuer waren und nicht
mit der ausländischen Produktion konkurrieren konnten, begann das
Geschäft zurückzugehen und wurde 1911 aufgelöst.
Zuckerfabrikation.
Zuckenaffinicrcn ist in Finnland seit der Mitte des 19. Iahr=
Hunderts getrieben worden. Vorher wurde aller im Lande nötige
Zucker als Raffinade aus dem Auslande eingeführt. Erst um die Mitte
des 19. Jahrhunderts stieg der Bruttoertrag der Zuckererzeugung zum
ersten Male auf 1 Mill. Fmk; 1887 war er allmählich auf 3,5 Mill.
Fmk hinaufgegangen. Danach setzte eine rege Entwicklung ein,
die 1910 zu einer Produktion von 31,5 Mill. Fmk führte. — Zur=
zeit deckt die Zuckerfabrikation ziemlich den ganzen Bedarf des
Landes. Da sich die Zuckerindustrie Finnlands vorläufig auf die
Raffinerie und Verarbeitung des auf verschiedene Weise gewon=
nenen, aus dem Auslände eingeführten Rohzuckers beschränkt,
stellt ihr volkswirtschaftlicher Reinertrag nur einen kleinen Teil
von dem Bruttowertc der Produktion dar.
In Finnland hat man allerdings Interesse für den Anbau der
weissen Runkelrübe zu verbreiten gesucht, aber bis in die letzte
Zeit sind die Ergebnisse dürftig gewesen. Die ersten Anbau versuche
wurden um 1840 in Sääksmäki auf dem Gute Voipala gemacht.
Das Resultat der Versuche war schlecht. Um 1890 nahm man den
Anbau im südwestlichen Teile Finnlands von neuem auf, und
1899 wurde die Fabrik Alfa in Äbo (Turku) errichtet, die sich mit
der Scheidung des Zuckers beschäftigte. Das Unternehmen miss=
glückte. Ungefähr 10 Jahre später nahm der Allgemeine Bund der
Landwirte die Förderung des Anbaus der weissen Runkelrübe in sein
Programm auf. Man stellte in verschiedenen Gegenden Südfinn=
lands Anbau versuche an. In der staatlichen Versuchsanstalt zu Anas
wurden 1910 — 1912 sowohl Qualitäts= als Kulturmethodenver=
suche gemacht, deren Ergebnisse zeigten, dass der Anbau der Run=
kelrübe in Finnland sehr wohl möglich ist. Besonders als dann
der Zuckerimport während des Weltkriegs auf ein Minimum sank,
hat der Zuckermangel in verschiedenen Gegenden des Landes
neues Leben in den Runkelrübenbau gebracht. Neulich ist auch
eine Rohzuckerfabrik in Salo in Betrieb gesetzt worden.
Die folgende Tabelle gibt eine gedrängte Übersicht über die
Entwicklung der Zuckerindustrie in Finnland:
1
1
Bruttoertrag
duklion MI
1 Aus dem A
importierter
Zucker im
von MUl.
Gesamter Zi
' brauch des
Mill. !•'
■ ?M
Für Rohst(
Ausland 1
Mill. Kl
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3.3
3."
6.4
48,8
1897
io,?6
2,96
13.32
77,8
3,74
4,64
1,98
19.1
1901
23,27
0,51
23.66
98,5
7,78
«0,52
4,97
21,2
1910
31.55
0,22
31.77
99.3
16.75
10,85
3,95
12,5
1917
36,97
0,19
36,16
99.5
18,68
12,62
5,67
15.35
Die exzeptionellen Verhältnisse der Kriegszeit können, weil
soi'übcrgehender Natur, hier übergingen werden.
Alle in Finnland tätigen Zuckerfabriken, eine ausgenommen,
gehören Aktiengesellschaften, in den letzten Jahren vor dem
Kriege ist die Zahl der in ihnen angestellten Arbeiter durch=
schnittlich ca. 800 Personen gewesen, worunter ca. 15% weibliche
Arbeiter. Der durchschnittliche Arbeitsverdienst hat 1,450 Fmk
pro Kopf betragen. Betriebskraft braucht diese Industrie im
Verhältnis zur Produktionsmenge relativ wenig.
Im Jahre 1755 wurde die erste Zuckerfabrik in Äbo und
1784 die zweite in Borga (Porvoo) gegründet; beide stellten zu
Anfang des 19. Jahrhunderts ihre Tätigkeit ein.
Gegenwärtig sind folgende Zuckerfabriken in Betrieb: die
Zuckerfabrik in Tölö in Helsingfors (gegründet 1806 — 07), die
Zuckerfabrik Aura in Äbo (gegr. 1845), Fazers Zuckerfabrik
in Helsingfors (gegr. 1886), die Zuckerfabrik in Wasa (gegr. 1897),
die Zuckerfabrik in Jakcbstad (Pietarsaari, gegr. 1907) und die
Zuckerfabrik in Kotka (gegr. 1912). Alle diese Zuckerfabriken
wurden neulich in einer Aktiengesellschaft, Suomen Sokeri — Finska
Socker A.=G., vereinigt.
Tabakindustrie.
Die erste auf Finnland bezügliche Angabe über Tabakbau be=
findet sich in dem Werke des Professors Elias Tillandz »Catalogus
plantarum» (1671), worin der Tabak unter den Pflanzen der Ge=
gcnd von Abo (Turku) aufgezählt wird. Auf Kriegszügen in frem=
de Länder lernten die Finnen die Anwendung des Tabaks schon
vor dieser Zeit kennen. Als sich der Tabaksgenuss trotz allen
Verordnungen und Strafen schnell verbreitete, begann die Regic=
rung den einheimischen Tabakbau zu fördern und zu begünstigen,
um die für den Tabak ins Ausland gehenden Gelder im Lande
zu halten. 1724 wurde über den Tabakbau eine besondere Verord=
nung erlassen, welche in Finnland 1731 die Anlegung der Tabak=
fabrik in Äbo zur Folge hatte. Die Städte wurden angehalten
Tabak zu bauen. Björneborg (Fori) sandte in den 1750er Jahren
jährlich ca. 6,000 kg einheimischen Tabak an die Fabrik in Äbo.
Im Jahre 1761 wurde auch in Björneborg eine Fabrik errichtet. In
der Fabrik zu Äbo wurden um diese Zeit jährlich ca. 120 t Tabak
verarbeitet. In Wasa, Jakobstad (Pietarsaari), Gamlakarleby (Kok=
kola), Uleäborg (Oulu), Kuopio, Borgä (Porvoo) u. a. gab es kleine
Fabriken. Im 19. Jahrhundert fing man in Finnland immer mehr
an russischen Tabak zu verwenden, und mehrere Tabakfabriken
stellten ihre Tätigkeit ein. Die letzte Stadt, welche Tabakbau trieb,
war Jakobstad, welches 1762 — 1866 eigene Pflanzungen hatte.
Nach einer Statistik aus der Mitte der 1890er Jahre wurde Tabak
für den Hausbedarf nur in Mittelfinnland in ärmlichen Gegenden
gebaut. In den letzten Jahren vor dem Weltkriege dürfte der
Anbau wegen der allgemeinen Verwendung und der Billigkeit des
Fabriktabaks ganz aufgehört haben, da ober während des Krieges
Rohstoffe nicht in genügender Menge het beigeschifft werden
konnten, hat der Tabakbau für den Hausbedaif einen neuen
Auf chwung genommen.
Zu Beginn der 1890er Jahre wurden nech Finnland jährlich
etwa 4 Mill. kg Rohstoff und ca. 30,000 kg fertige Tcbakprodukte
eingeführt. Die Einfuhrmenge nahm allmählich zu, sodass sie
kurz vor dem Kriege ca. 4,5 Mill. kg betrug. In den ersten Kriegs=
Jahren belief sich der Import auf über 6 Mill. kg, sank eher
1917 und besonders 1918, wo davon nur 1,4 Mill. kg eingeführt
wurden. Der Wert der Tfbikeinfuhr, der im Anfang des Jahr=
hunderts ca. 4 — 5 Mill. Fmk betrug, stieg im J. 1916 auf 27,3
Mill. Fmk. Von Rohtäbäk wurde im allgemeinen mehr als Vs
aus Russland eingeführt. Als Importzoll hat der Staat in den
Jahren 1915 und 1916 etwa 5,5 Mill. Fmk erhoben.
Nach der Industriestatistik von 1914 gab es in Finnland 21
Tabakfabriken mit einem Gesamtpersonal von 3,402 Personen.
Der Wert der Rohstoffe betrug ungefähr 11 Mill. Fmk und der
Bruttoertrag der Produktion über 26 Mill. Fmk. Der grösste Teil
der Arbeiter ist weiblichen Geschlechts. — Der Gesamtbetrag des
in Finnland verbrauchten Tabaks betrug 1905 — 08 pro Kopf
jährlich ca. 1,4 kg. Der Verbrauch an Zigarren war in diesen
Jahren ziemlich konstant ca. 23 Stück pro Kopf und Jahr. Der
Verbrauch an Zigaretten ist sehr im Steigen begriffen. Er war
1905—08 pro Kopf rcsp. z-jz, Z7&, 350 und 341 Stück. Der
Konsum des Pfeifentabaks zeigte einen Niedergang. Der Ver=
brauch an Kautabak und Schnupftabak iicss in den angeführten
Jahren eine geringe Zunahme erkennen.
Chemische Industrie.
Wenn man in Mitteleuropa von chemischer Industrie spricht,
so fällt CS keinem ein, z. B. die Anlagen für die trockene Destillation
der Steinkohle als etwas anderes denn als eigentliche Gebiete der
chemischen Technologie zu betrachten. Anstatt der Kohle ist
Finnlands wichtigster Rohstoff das Holz, aber unsere amtliche Sta=
tistik hat doch die Industriegebiete in der Weise eingeteilt, dass z. B.
die Zellulosefabriken nicht zur eigentlichen chemischen Industrie
gerechnet werden, trotzdem einige derselben — abgesehen davon,
dass der Darstellungsprozess ein rein chemischer ist — ausserdem
über kurz oder lang mit der Darstellung von Alkohol aus den
Rückständen begonnen haben und trotzdem manche schon längst
ihre Mebenprodukte veredeln, also alles andere als Papiermühlen
gewesen sind. Man ist im allgemeinen gewohnt, die chemische
Industrie des Landes als unbedeutend und erst im Entstehen be=
griffen hinzustellen. Diese Auffassung ist aber schwach begründet
und beruht auf der vorangedeuteten, verhältnismässig willkürlichen
Gruppierung der verschiedenen Industriezweige. Ausserdem sei
ferner bemerkt, dass bei dieser auf die amtliche Statistik gestützten
Begriffsbestimmung auch die Gärungsindustrie und die FärbetGch =
nik sowie die Lederfabrikation aus der chemischen Industrie aus=
geschieden werden müssen.
Es wurde oben auf die Bedeutung des Holzes für die finnische
Industrie hingewiesen. Abgesehen von den Zellulosefabri =
ken sorgen verschiedene Trockcndestillationsanlagcn für die
chemische Veredlung des Holzes. Laubholz hat man in Finnland
nur gelegentlich verkohlt, doch scheint sich zurzeit eine Initiative
zur Verwendung auch dieses Rohstoffes zu entwickeln. Nadelholz
216
und vor allem Baumstümpfe verarbeitende 1 e e r= und T e r=
pcntinölöfcn lieferten im Jahre 1915 Teer für etwa 209,000,
Pech für 79,000 und Terpentinöl (K i e n ö 1) für 165,000 Fmk.
Diese Fabrikation ist also ziemlich gering gewesen; das beruht
aber wahrscheinlich auf der geringen Nachfrage im Auslande
und, was speziell das Terpentinöl anbetrifft, auf dem von der
amerikanischen Grossproduktion ausgeübten Druck. Doch muss
hervorgehoben werden, dass die Technik unserer Teer= und
Terpentinölfabriken nicht genügend entwickelt gewesen ist; man
hat sich z. B. recht wenig um die Darstellung erstklassiger, tadellos
gereinigter Terpentinölsorten bemüht. Während der Kriegszeit
hat indessen die Darstellung von Erzeugnissen der trockenen
Destillation bedeutend zugenommen. Es sind viele grosse Trocken =
destillationsanstalten gegründet worden, wodurch die Gesamt=
prcdjktion des Landes um das Vielfache gewachsen ist. — Im
Zusammenhang mit den Anstalten für trockene Destillation sei
noch erwähnt, dass schon vor dem Kriege eine auf Extraktion
aus teerhaltigen Baumstümpfen basierte Harz= und Terpentinöls
Bereitung im Gange war. Die Fabrikation war allerdings eine
geringe, indem 1913 nur etwa 4,000 m* Baumstümpfe zu diesem
Zweck verwendet wurden, die im ganzen etwa 1 •30,000 kg Harz
und 20,000 kg Terpentinöl lieferten; die Ursache dieser geringen
Produktionsmenge lag aber in einem plötzlichen Sinken der
Koniferenharzpreise unter dem Druck des amerikanischen Harz=
ringes; man hatte ursprünglich eine Produktion in grösserem Mass=
Stabe geplant. Im Laufe des Krieges ist die Harzindustrie erweitert
worden, und falls nicht die Beschaffung von Lösungsmitteln
Schwierigkeiten bereitet, lässt sich mittelst der Extraktion wahr=
scheinlich mehr Harz gewinnen, als Finnland benötigt; jetzt sind
schon drei grössere Harzfabriken im Betrieb: in der Gegend von
Nyslott (Savonlinna), im nördlichen Osterbottcn (in Rovaniemi)
und in Salo.
Wenn wir uns zunächst an solche industriellen Einrichtungen
halten, die einheimische Rohstoffe verarbeiten, so dürften nun die
Tonwarenfabriken zu nennen sein. Da im Lande bis
jetzt nur gewöhnlicher grauer Ton gefunden worden ist, so nehmen
die Ziegeleien den ersten Platz ein. Im jähre 1913 waren in Finn=
land 170 Ziegeleien im Betrieb; die meisten von ihnen hatten einen
geringen Umfang, was schon daraus ersichtlich ist, dass sie zusam=
men 3,484 Arbeiter beschäftigten und etwa io6Mill. Backsteine
erzeugten. Ausserdem wurden in einigen Kachelfabrikcn
Kacheln u. dgl. im Werte von mehr als 2 Mill. Fmk verfertigt. Der
Produktionswert der Porzellan» und Faycnceindustrie
betrug nach der Statistik vom )ahre 1913 834,500 Fmk; in Finn=
land existiert nur eine Fabrik (in Helsingfors), die dieses Gebiet
vertritt. In diesem Zusammenhang darf auch eine gerade während
des Krieges fertig gewordene grossartige Zementfabrik in
Pargas (Paraincn) nicht unerwähnt bleiben, die über ein vorzüg=
liches Rohmaterial verfügt und wahrscheinlich mindestens '/., Mill.
Fass Zement jährlich herstellen kann.
Die Zahl der Glasfabri ken war im Jahre 1913 14 mit
1672 Arbeitern und einem Produktionswert von etwa 5 V2 Mill. Fmk
(im Jahre 1913). Ihre Erzeugnisse bestanden hauptsächlich in Fla=
sehen und Fensterscheiben, die früher in bedeutender Menge nach
Russland ausgeführt wurden. Im Jahre 1913 wurden Glaswaren
für mehr als 1 Mill. Fmk (nach Russland) exportiert. Fast alle
Glasfabriken liegen in Südfinnland. Am grössten sind die Fabriken
von Karhula (in der Nähe von Kotka), Riihimäki und Raumo
(Rauma), Rokkala (im Kirchspiel Johannes), littala (Kirchsp. Kal=
vola) und Viiala (Kirchsp. Akaa). Einige derselben fabrizieren
bereits Kristallwaren erster Güte. Grosse, geschliffene Fcnster=
Scheiben werden noch nicht in Finnland verfertigt; ihre Einfuhr
betrug 1912 243 t. Die finnischen Glasfabriken verwenden in
relativ grossem Umfange ausländische Rohstoffe, im Jahre 1913
z. B. Chemikalien und Farben für 465,000 Fmk und ausserdem
eine grosse Masse ausländischen Sand.
Ein recht bedeutendes Tätigkeitsgebiet hat in Finnland die
S e i f e n= und Schmierseifenindustrie. Diese Fabri=
ken verwenden, wie es auch in den meisten anderen Ländern der
Fall ist, fast ausschliesslich ausländische Rohstoffe. So kamen z.
B. im Jahre 1913 für etwa 2 V4 Mill. Fmk ausländische und für etwa
80,000 Fmk einheimische Rohstoffe zur Anwendung; Seife wurde
für etwa 4 '/4 Mill. Fmk fabriziert. Am wichtigsten sind die Seifen =
fabriken von Havi (bei Wiborg), Tammerfors und Wasa, die Äströni =
sehe Fabrik in Äbo, Helios (in Riihimäki) und die A.=G. Kokos
in Helsingfors. Ausser den gewöhnlichen Sorten werden bereits in
einigen Fabriken auch die feinsten Seifen hergestellt.
In den Fabriken, die durch Pressen und Extrahieren aus gccignc=
218
1
ten Samen 0 1 e bereiten, vx/ufdcii im Jahre 191 3 etvwa 2 ^/a Mill. kg
Leinsamen und etwa 825,000 kg Palmsamen verwandt. Das Lcinsa=
menöl ist hauptsächlich für die Firnisindustrie, das Palmsamenöl
für die cigentMche Fettindustrie gepresst worden. Die Pflanzenöle
verwendende Margarincindustrie hatte in Finnland vor dem Kriege
erst ihren Anfang genommen. Mehrere Fabriken waren im Betrieb,
mussten aber infolge der stockenden Rohstoffeinfuhr ihre Tätigkeit
während des Krieges einstellen. Es sei zugleich bemerkt, dass
in Finnland flüssige Fette mit Hülfe des bekannten Nickel=Wasser=
stoff= Verfahrens zum Erstarren gebracht worden sind {in der
chemischen Fabrik Tirva in Kaipiainen). Somit wäre es möglich,
im eigenen Lande aus geschmeidigeren Fetten für die Stearinkcrzen =
Industrie Rohstoffe zu bereiten, die bisher immer aus dem Auslande
eingeführt worden sind und wovon im Jahre 191-5 ausschliesslich
für die Kerzenfabrikation über V2 Mill. kg gebraucht wurden.
Die finnischen F a r b e n= und Firnisfabriken stellen
entweder Firnis und Lack her oder pulverisieren ausländische Mi=
neral= und andere Farben und mischen sie mit Ol zu fertigem An=
Strichmaterial. Im Jahre 1913 wurde zu diesem Zweck ausländisches
Rohmaterial für über ^/a Mill. Fmk gebraucht. Von solchen industri=
eilen Einrichtungen sind zu erwähnen: die Farben= und Firnisfabrik
in Helsingfors, die Fabrik Sandudd (Helsingfors), D. Winter Sc C:o
A.=G. (Epilä in der Nähe von Tammerfors), die Finnische Farben=
und Firnisfabrik (Helsingfors), Ecmil Björkell (Helsingfors), die
Olfabrik in Dickursby (in der Nähe von Helsingfors), die Ölmühle
von Suur=Merijoki (Tienhaara in der Nähe von Wiborg), die Fin=
nischc Druckerschwärzefabrik (Helsingfors), die Fabrik Höijer (Eke=
näs), Lindholm (Äbo) usw. — In diesem Zusammenhang ist noch
zu erwähnen, dass z. B. Dachpappenfirnisse in vielen Fabriken (z. B.
Asphalt=A.=G. Aleks. Pelander, Helsingfors; die Asphalt=A.=G. von
Helsingfors; die Neue Dachpappenfabrik von Helsingfors; Asphalt=
und Dachpappenfabrik Messukylä, Tammerfors; Tammcrforser As=
phaltierungsfdbrik A.=G.; Äbo Aktien=Asphaltfabrik) hergestellt
werden und dass ausser der obenerwähnten Finnischen Drucker=
Schwärzefabrik auch einige andere früher genannte Fabriken be=
sondere Druckerfarben darstellen.
Allerhand technochcmische Erzeugnisse werden
von zahlreichen, meist kleinen Fabriken geliefert. Im Jahre 1913
stieg ihr Wert auf etwas über 1 Mill. Fmk. Es verdient hervor=
gehoben zu >x'crdcn, dass z. B. gewisse Apothekerwaren schon in
einigen Anstalten — natürlich meistens aus ausländischem Roh =
materia! — dargestellt werden (z. B. in Medica und Orion zu
Helsingfors, in der Fabriksabteilung der Apotheke des Kirchsp.
Nurmijärvi und in der Fabrik der Apotheker zu Äbo).
In Nokia (unweit von Tammerfors) befindet sich eine schon
verhältnismässig alte Gummifabrik. Ausser Gummischuhen
(181,000 Paar im J. 1017) sind dort auch einige Zehntausend Kilo=
gramm andere Gummi enthaltende technische Erzeugnisse herge=
stellt worden.
Finnlands älteste elektrochemische Fabrik ist die
Chloratfabrik der Finnischen elektrochemischen Aktiengesellschaft
in Tainionkoski (bei Imatra), wo auch ein wenig Atznatron dar=
gestellt worden ist. Im )ahre 1913 bereitete die Fabrik etwas über
eine Million Kilogramm Kaliumchlorat und etwa 20,000 kg Atz=
natron. Während des Krieges sind zwei grosse elektrolytische Chlor=
fabriken, die eine in Kajana (Kajaani), die andere in Varkaus (in
Savolax) ei baut worden, während eine Gesellschaft (Elektrometaliur=
gische A.=G.) elektrometallurgisch Kieseleiscn zubereitet (in Vuok=
senniska) und wegen des herrschenden Petroicummangels zu Be=
leuchtungszwecken in Nokia Kalziumkarbid fabriziert hat.
Die Streichholzindustrie ist in Finnland bedeutend.
Es gab hier im Jahre 1913 11 Fabriken dieser Branche mit einem
Personal von 606 Angestellten und mit einem gesamten Produktions=
wert von 1,1 Mill. Fmk, woraus man ersieht, dass die Fabriken im
allgemeinen klein sind. Zu nennen sind unter ihnen die Fabriken
Saari (järvelä), Mäntsälä, A.=G. Savo (Kuopio), die Fabrik der Fin =
nischen Konsumvereine, Wiborgund Björneborg. Dieser lndustrie=
zweig müsste in Finnland allmählich sorgfältiger betrieben und kräf=
tiger entwickelt werden; in manchen Fällen lässt der Fabriksbclrieb
viel zu wünschen übrig. Um die einheimische Konkurrenz zu vcr=
hindern, haben die Zündholzfabrikanten einen Ring. Die Ausfuhr
Finnlands ist in den letzten lahrcn vor dem Kriege die folgende
gewesen:
Kisten zu
Wert
lahr
1 ,000 kleinen Schachteln
1,000 Fmk
1905
ca. 10,250
101
1906
" 11,800
127
1907
* 9,270
91
1908
ca.
19,000
204
lOOO
»
34-523
372
1910
»
13,900
161
191 1
•>
13,000
163
1912
»
5,300
63
In den Kriegsjahren hat der Export bald ganz gestockt, bald
ist er grösser gewesen als je zuvor, z. B. in den Jahren 1916 und
1917 126,600 resp. 170,400 Kisten.
Gewöhnliches Schiesspulver wird in Finnland nicht
hergestellt. Dagegen existiert seit langem eine Dynamitfabrik (in
Hangö); im Jahre 1913 fabrizierte dieselbe etwa 113,000 kg Dyna=
mit.
Für den Bedarf der Mincralwasscrfabriken ist
schon viele Jahre eine Kohlensäurefabrik in Helsingfors (Finnische
Kohlensäureindustrie A.=G.) betrieben worden.
Von einer eigentlichen, für die chemische Industrie so wichti=
gen Darstellung von Säuren und Chemikalien
kann in Finnland noch kaum die Rede sein (eine ganz unbedeutende
Menge Schwefelsäure dürfte im Kupferbergwerk Outokumpu
dargestellt werden), was selbstverständlich auf die Entwicklung
mancher Gebiete hemmend eingewirkt hat. Hoffentlich gelingt
es bald, diesen Mangel zu beseitigen und damit neue Möglichkeiten
zu erschliessen. Es muss natürlich die Aufgabe der chemischen In=
dustrie sein, in erster Linie heimische Rohstoffe zu verarbeiten. Die
Glossindustrieländer können daran denken, Rohstoffe aus dem Aus=
lande einzulühren und dann die daraus erhaltenen veredelten Pro=
dukte zu exportieren; unser kleines Land muss sich damit begnügen,
eingeführte Rohstoffe hauptsächlich für den eigenen Bedarf zu vere=
dein und nur eine Ausfuhr von geeigneten einheimischen veredelten
Erzeugnissen anzustreben, wobei selbstverständlich soweit wie
möglich solche Gebiete zu wählen sind, in welchen die Konkurrenz
und der Druck seitens der Grossindustrieländer nicht den allein
ausschlaggebenden Faktor bilden.
Buchdruckgewerbe.
Das älteste speziell für Finnland beschaffte Buch ist das
»Missale Aboense», welches vom Bischof Konrad Bitz im J. 1488
aus Lübeck bezogen wurde. Der Drucker war der erste Buch=
drucker Schwedens, Barth. Ghotan. Das erste eigentliche Buch
der finnischen Literatur, das '>Abc=kiria» (Abc=Buch) von Agricola,
ist 1542 oder 1543 in Stockholm gedruckt worden. In Stockholm
wurden auch die übrigen Bücher dos finnischen Reformators
Agricola, sogar die ganze Bibel (1642), gedruckt, Im Jahre 1642
wurde in Finnland die erste Buchdruckerei gegründet, die Univer=
sitätsdruckcrei, deren erster Leiter Peter Wald war (1642 — 53).
Zur Zeit des Grossen Unfried.ns befand sich diese Buchdruckerei
beschäftigungslos in Stockholm (1713 — 22). Im J. 1750 verkaufte
die Universität sie an Jacob Merckell. Die zweite Buchdruckerei in
Finnland wurde 1668 von Bischof Johannes Gezelius dem Alteren
in Äbo (Turku) gegründet; sie ging später an seinen Sohn
Bischof Johannes Gezelius den Jüngeren über. Von den Verdien=
sten dieser Druckerei ist zu bemerken, dass die Druckerzeugnisse
derselben bedeutend billiger waren als die in Schweden hergcstclU
ten. Die dritte Buchdruckerei wurde 1689 durch den Bischof Bang
in Wiborg (Viipuri) gegründet; sie wurde 1710 von den Rus=
sen zerstört. Trotz der geringen Nachfrage nach Büchern waren
die einheimischen Buchdruckcreicn nicht imstande den Bedarf
zu befriedigen, sondern auch später wurden finnische Gesangbücher
und Katechismen noch lange in Stockholm gedruckt. Ganze fünf=
zig Jahre hindurch fehlte in der Universitätsbuchdruckerei die heb=
räische Schrift. Doch nahm man mit Stockholm eine eifrige Kon=
kurrcnz auf. Bereits 1647 Hess P. Wald ein Gesangbuch drucken,
1668 wurde auf das Betreiben von Bischof Gezelius ein neues
Gesangbuch gedruckt, und 1685 erschien die erste in Finnland
gedruckte Bibel (aus der Druckerei von Gezelius). Nach dem
Grossen Unfrieden hatte Äbo zwei Buchdruckereien, im J. 1742
siedelte die Buchdruckerei der Gezelius, welche den Besitzer gc=
wechselt hatte, für immer nach Schweden über, in den Jahren
1755 — 60 arbeitete in der Druckerei von Merckell als Faktor Johann
Kristoffer Frenckell, der 1756 zum Teilhaber seiner Druckerei
wurde, und zuletzt ging sie ganz in die Hände der Familie Frenckell
über, welche auch das Privileg der Universität erhielt. Bis 1776
war die Frcnckcllsche Druckerei die einzige in Finnland. Im J.
«776 erhält die Stadt Wasa eine eigene Buchdruckerei. Erst im J.
1815 wird in Finnland eine dritte Buchdruckerci in Wiborg gcgrün=
det, 1818 entstanden zwei neue Druckereien, die erste in Helsing=
fors (von Simelius) und in Äbo die Druckerei der Bibelgesellschaft.
Im J. t826erhältdic Stadt Uleäborg(Oulu) ihre erste Druckerei, 1827,
nach dem Brande von Äbo, wird der grösste Teil der FrenckelU
sehen Druckerei nach Helsingfors verlegt; 1828 wird in Helsingfors
die Druckerei von G. 0. Wasenius gegründet. Darauf tritt ein
Stillstand ein, welcher über zehn Jahre dauert. Jn den 1840er Jahren
werden wieder neue Druckereien etabliert, in Helsingfors die
Druckerei der Finnischen Literatur=Gesellschaft 1849; in Kuopio
i84'5, in St. Michel (Mikkeli) und Tavastehus (Hämcenlinna) 1846,
in Sortavala (für einige Zeit) 1847. Im J. 1854 bestehen schon
zwanzig Buchdruckereien, dann aber stockt die Entwicklung fast für
ein ganzes Jahrzehnt (die Stadt Björneborg [Fori] bekommt jedoch
zu dieser Zeit, 1850, ihre erste Druckerei); im J. 1860 ist die Zahl
der Buchdruckereien noch 20, danach aber beginnt wieder eine
schnellere Entwicklung. Ihre erste Buchdruckerei erhält die Stadt
Ekenäs (Tammisaari) 1861; von Ekenäs wurde sie nach Jyväskylä 1863
verlegt, um unter dem Namen von Weilin &Göös im J. 1883 wieder
nach Helsingfors zurückzukehren. Tammerfors (Tampcre) bekommt
1866 eine Buchdruckcrci. Im J. 1875 gab es in Finnland 29 Buch=
druckereien, im J. 1879 38, im J. 1889 80, im J. 1891 91, davon
21 in Helsingfors, 10 in Äbo, 7 in Wiborg. Die darauf folgenden
15 Jahre vermehren die Zahl um 19, im J. 1906 auf 1 10, davon in
Helsingfors 25, in Tammerfors 10, in Äbo 9, in Wiborg 5, in Wasa
und Uleäborg (Oulu) je 4 usw.; nur noch die Städte Nädendal
(Naantali) und Kaskö (Kaskinen) entbehrten damals einer Buch=
druckerei; im J. 1911 betrug die Zahl der Druckereien bereits
etwa 140, war aber im J. 1916 wieder auf 134 gesunken.
Die grösstcn Verlagsfirmcn für finnische Literatur sind
die Verlfgsaktiengcsellschaft Otava (in Helsingfors), Werner
Söderström A.=G. (Borgä), K. J. Gummerus A.=G. (Jyväskylä),
Verlags=A.=G. Kirja (Helsingfors), Tietosanakirja=A.=G. (Herau5=
gcber des ersten finnischen Konversationslexikons '>Tietosana=
kirja», in Helsingfors), Arvi A. Karisto (Tavastehus), für schwe=
dische Literatur Holger Schiidts Verlag und Söderström & C:o
(in Helsingfors).
Handwerk.
Neben der Fabrikindiistrie ist das Handwerk hinsichtlich seines
Produktionswertes von verhältnismässig geringer Bedeutung.
Im |. 101-5 gab es werks= ■ " Produkte
werker ' - -
Hand= j, ._ j Wert der
werks= ^1 " Produkt
1 . . 1 werker c 1
betriebe , rmk
lim Län Nyland (Uusimaa) 2,276 7,064 I 15,707,400
» » Abo u. Björneborg (Turku u. Fori) 1,572 4,436 8,874,800
• » NX'asa (Vaasa) i,379 3,567 1 8,380,600
» • W iborg (Viipuri) 1,253 3,527 7,499,000
» » Tavastehus (Häme) 1,343 3,485 7,187,800
» » Kuopio 794 2,065 3.694 400
i » » Uleäborg (Ou'u) 548 1 ,513 3,617,300
• • St. Michel (Mikkeli) 526 1,220 2,069,900
Im ganzen Land 9,69t 26,877 ' 57,031,200
In den Städten 3,863 , 14,571 33,729,700
Auf dem Lande 5,82? 12,306 23,301 ,500
Von den Städten ist Helsingfors die allcrwichtigstc. Auf seinen
Anteil kamen 33,0 % der städtischen Betriebe, 74,1 % der Hand=
werker und 36,0 % des Wertes der Produkte. — Die wichtigsten
Handwerksgruppen und der Wert ihrer Produkte waren 19« 3:
Tslahrungs= und Genussmittelindustrie. . 16,161,600 Fmk
Textilindustrie 14,305,600 »
Lederindustrie 12,036,900 »
Metallindustrie 6,733,900 »
Ter=, 0I=, Gummiindustrie 2,918,200 »
Holzindustrie 2,695,400 »
Hausindustrie.
Wie viel Anregung das entlegene Finnland auch auf industrieU
lem Gebiete von der grossen Welt empfangen hat, so hat das Haus=
industriewcsen doch in vielen Hinsichten noch seine frühere Ur=
sprürglichkeit bewahrt, und zwar besonders infolge der Abgcschic=
denheit und dünnen Bevölkerung des Landes.
Das Handwerk für den Hausbedarf, die ur=
sprünglichste Form der Hausindustrie, die immer noch in vielen
Teilen des Landes allgemein anzutreffen ist, wird in Finnland
mit Recht als eine Art der Hausindustrie gezählt. In dem Masse,
wie die Fabriksprodukte Verbreitung gefunden haben und billiger
geworden sind, ist die häusliche Handarbeit jedoch, besonders in
Gegenden mit regerem Verkehr, immer mehr zurückgegangen. Da
aber in einem so dünnbevölkerten Lande besonders für die instand=
haltung der Ackerbau= und Haushaitungsgerätschaften die Hilfe
der eigenen Hausleute in Anspruch genommen werden muss, ist
mit Recht versucht worden, die Handfertigkeit des Volkes auch
fernerhin auf der Höhe zu erhalten.
Hausindustrie für den Verkauf wird bei uns
zum Unterschied von dem vorerwähnten Hausfleiss die häusliche
Handarbeit genannt, deren Produktion die eigenen Bedürfnisse
übersteigt. Im Unterschiede von dem berufsmässigen Handwerk
und der Kleinindustrie wird in der Regel jedoch nur die Produktion
zur Hausindustrie gezählt, die, wie es in § 5 der Gewerbeordnung
heisst, »ohne andere Hilfsleistung als die der Frau und der unter
Vormundschaft stehenden Kinder» getrieben wird. In demselben
Verhältnis, wie die Fabrikindustrie in Finnland zugenommen hat,
hat die Hausindustrie für den Verkauf sukzessiv abgenommen und
mit Recht ihre frühere allgemeine Bedeutung in der Wirtschaft des
Volkes verloren. Wo man es verstanden hat, die ausschliesslich
mechanisch ausgeführte Arbeit aufzugeben und sich auf die Ver=
fertigung von Produktion zu konzentrieren, die eine sorgfältigere
Behandlung des Rohstoffes und individuelle, besonders nationale
Formen heischen, da ist die berufsmässige Hausindustrie doch so.
einbringend geblieben, dass sie nach wie vor existenzberechtigt ist.
Da sich somit manche Gebiete der Hausindustrie als wirtschaftlich
lohnend erwiesen haben, hat man durch ihre Erhaltung besonders
der grundbesitzlosen Bevölkerung auf dem Lande einen geeigne=
ten Winterverdienst zu schaffen versucht. Die hausindustriellen
Landbewohner sind grösstenteils zu denen zu zählen, die in die=
ser Produktion vollkommen selbständig arbeiten. Verlagsmässig
organisierte Hausindustrie kommt eigentlich nur auf einigen weiter
unten besonders zu erwähnenden Gebieten vor. Nach der 1903 vom
Inspektor der Armenpflege gesammelten Statistik wurde damals von
57,000 Personen Hausindustrie getrieben. — Die Art Hausarbeit,
die in den letzten Jahren in den grösseren Städten immer mehr
in Schwang gekommen ist, besonders auf dem Gebiete der Kon=
fektion, ist eher als die auf dem Lande betriebene Hausindustrie
zu der im Auslande am häufigsten anzutreffenden, verlagsmässig
geordneten Hausindustrie zu zcihlcn. In demselben Masse sind die
Arbeitsverhältnisse auf diesem Gebiete im allgemeinen weniger rüh=
mcnswcrt. Die Zahl der Hausiiidustriellen in den Städten betrug
nach einer vorbereitenden Untersuchung 1908 wenigstens 2,000.
Unter den Arbeiten der Frauen auf dem Lande ist das Spinnen
die älteste, aber eine für den Absatz heute sehr wenig rentable. Das=
selbe gilt vom Strümpfestricken ; in einigen Gegenden Westfinn=
lands ist es jedoch noch sehr verbreitet. Die Tuchweberei wird von
zahlreichen Frauen in mehreren Gegenden, wie z. B. in Borgä (Por=
voo), in den Kirchspielen Pargas, Pieksämäki, um Kuopio, in den
Kirchspielen Kauhava, Lapua, Vähäkyrö und Kronoby als alleini =
ger Erwerb betrieben; doch hat sich das Weben von nationalen
Decken und besonders von Vorhängen als lohnender erwiesen. Die
Nähterei, besonders als Hausindustrie für den Verkauf, steht in
Finnland nicht in Blüte. Spitzen werden hauptsächlich nur in Raumo
(Rauma) und Orimattila geklöppelt, Bänder in Orimattila und bc=
sonders in einigen Gemeinden Osterbottens, teils auch in Süd=
Kardien gewoben. Leinenknöpfe werden von den Frauen noch
in Satakunta verfertigt, Fischerei gerätschaften zusammen mit den
Männern hauptsächlich an der Küste. An einigen weiter unten
erwähnten Arbeiten der Männer nehmen auch die Frauen teil.
Auf dem Gebiet der Frauenarbeit besteht das Verlagssystem nur
hinsichtlich der Weberei, und das ist in gewissem Grade in allen
obengenannten Kirchspielen der Fall. Am festesten hat sich dieses
System in den Kirchspielen Borgä (Porvoo) und Pieksämäki einge=
bürgert.
Was die Arbeiten der Männer betrifft, hat sich die Ver=
fertigung von Holzgegenständen auf ein geringeres Mass beschränkt,
als es in imserem holzreichen Lande wünschenswert wäre. Esslöffel,
Schöpflöffel, Fischbretter und anderes Hausgerät werden als Har.dels =
wäre nur in Osterbottcn und Satakunta, Holzgeschirr in den Kirch=
spielen Säkkijärvi, Laihia und Isojoki hergestellt. Die Verferti»
gung von Spankörben ist in den letzten jähren in verschiedenen Tei=
len des Landes einigcrmassen aufgelebt. Die Verarbeitung der Bir=
kenrinde ist in Mittelfinnland zu neuer Blüte gelangt. WurzeU
körbe werden nur in wenigen entlegenen Gegenden, hauptsächlich
in MitteUObterbotten geflochten. Weidenkörbe und =möbel sowie
Bürstenbinderci hat man in erster Linie den Blinden als Verdienst»
quelle überlassen. Unter den gewöhnlichen Möbeln sind die Schau =
226
kelstühic von Satakunta und die verschiedenartigen Möbel aus den
Kirchspielen )urva und Malaks die berühmtesten. Auch in vielen
anderen Kirchspielen leben viele ausschliesslich von dieser Arbeit;
da aber die verfertigten Gegenstände im allgemeinen an Form und
Haltbarkeit manches zu wünschen übrig gelassen haben, ist auch
der Verdienst ein mittelmässiger geblieben. Kähne werden in erster
Linie in den Schären von Südfinnland, an den Ufern des Ladoga=!,
Saima= und Päijännesees gezimmert. Die Verfertigung von
Schneeschuhen (Skis) hat sich von Jahr zu Jahr entwickelt und ist
immer einbringender geworden. Die bekanntesten Bezugsquellen
sind Kajana (Kajaani), Uleäborg (Oulu) und in den letzten Jahren
auch die Gegend von Jyväskylä. Krummhölzer (für Pferde) werden
besonders in Kurkijoki und den Kirchspielen des Läns St. Michel,
Kumte in den Kirchspielen Kuortanc und Lehtimäki gemacht.
Die Verfertigung von Fuhrwerken hat sich in der Hausindustrie
als sehr geeignet und lohnend erwiesen;- zu den grössten Haupt=
bezirken auf diesem Gebiete gehören die Kirchspiele Valkjärvi,
Kurikka und Tuulos. Ackergerätschaften werden nur sporadisch
hier und dort erzeugt. Die Herstellung der Puukkomesser ist im=
mer noch am bedeutendsten im Kirchsp. Kauhava, die von Guss=
waren im Kirchsp. Nurmo, die von Blechwaren im Kirchsp. Vähä=
kyrö. Unter den Lederarbeiten sind die Fausthandschuhe und
Tabaksbeutel von Rantasalmi und der Umgegend von Gamla=
karicby (Kokkola) zu erwähnen sowie die Schaftstiefel mit Schna=
beispitze von Kankaanpää, Härmä und Sotkamo. Filzschuhe wer=
den hauptsächlich in gewissen Kirchspielen Mittel= und Nord=Ka=
reliens gemacht. Die Hornfabrikation hat sich besonders in Sata=
kunta erhalten. Spielwaren hat man angefangen in Borga (Porvoo),
Björneborg (Pori), Äbo (Turku) und Jalasjärvi zu verfertigen. Ton=
geschirr wird in Südfinnland und Satakunta, aber vorzugsweise im
südöstlichen Kardien hergestellt. Von steinernen Gegenständen mö=
gen die Wetzsteine aus den Kirchspielen Längelmäki und Kontio=
lahti und die Topfsteinfabrikate aus der Gegend von Kajana (Ka=
jaani) genannt werden. Auf dem Arbeitsgebiete der Männer ist das
Vcrlagssystem am deutlichsten bei der Blechbearbeitung in Vähäkyrö
zu bemerken. In diesem Kirchspiel gab es 1909 89 selbständige
Arbeiter mit einem reinen Jahresgewinn von durchschnittlich 766
Fmk pro Arbeiter und 10? für Unternehmer arbeitende mit einem
reinen Jahresgewinn von 740 Fmk. Die Verfertigung der Puukko-
messcr in Kauhava, die der Fausthandschuhe, Tabaksbeutel und
=pfcifcn im Kirchspiel Rantasahni geschieht auch fast ausschliesslich
durch Vermittclung von Unternehmern.
Die Vereine. Für die allseitige Förderung der Hausin=
dustrie haben früher die Landwirtschaftsgescilschaften gesorgt.
Nach dem Jare 1906 sind als Unterabteilungen derselben Haus=
industrievcrcine gebildet worden, von denen gegenwärtig die foU
genden bestehen, in der Reihenfolge aufgezählt, wie sie entstanden
sind: der Verein für Hausindustrie von Ost=Karclicn, Süd=Oster=
botten, Südwestfinnland, des Läns Ulcäborg, von Nord=Oster=
bottcn, des Läns Wiborg, St. Michel, Kuopio, Kajana, von Ost=
Tavastland, Nord=Karelicn und Satakunta — Tavastland. Ausser
diesen Vereinen wirken auch zum besten der Hausindustrie der
»Allgemeine finnische Verein für Handgewerbe», die »Freunde der
finnischen Handarbeit» und der Verband der Handarbeitslehrer
Finnlands, die alle ihren Sitz in Helsingfors haben.
Hausindustrieschulen gibt es sowohl für Frauen als für
Männer und sie werden vom Staate, von den Gemeinden und von
Privatpersonen gemeinsam unterhalten. Schulen für Frauen bestan=
den im J. 1918 56, für Männer 50. in jenen waren 95 Lehrer und
2,344 Schüler, in diesen 50 Lehrer und 750 Schüler beschäftigt. Ein
Teil von diesen Schulen wird jährlich oder in noch kürzeren Zwi=
schenräumcn aus dem einen Kirchspiel in das andere verlegt, die
anderen sind örtlich. Der Unterricht ist sowohl praktisch als theo=
retisch. In den weiblichen Schulen umfasst die praktische Arbeit
hauptsächlich Weben und Nähen, in den männlichen Tischlerei
und Eisenschmiedearbeit und Dekorationsmalerei. — Durch die
Ausstellungen, die jährlich vom Staate subventioniert wer=
den, werden die Resultate der Arbeit der Schulen und auch Ein=
zelner von Zeit zu Zeit dem Publikum zur Beurteilung vorgelegt.
In Helsingfors befinden sich auch die Anfange eines Museums für
Hausindustrie.
Der Vertrieb der Erzeugnisse steht im allgemeinen noch
auf einer sehr niedrigen Stufe. Es ist ganz gewöhnlich, dass der
Produzent seine Waren selber zu Markte trägt. Doch gibt es auch
besondere Hausierer für die Hausindustrie. Die Jahrmärkte bilden
noch immer die beste Absatzgelegenhcit, sind aber nicht geeignet,
die Waren in gutem Stand zu erhalten. Um dem Publikum die Pro=
228
dukte der Hausindustrie in besserer Qualität als bisher zu bieten,
haben sowohl Einzelne als Vereine besondere Läden für diese Pro=
dukte eröffnet. Solche gibt es gegenwärtig in Helsingfors, Äbo
Wiborg, St. Michel, Kuopio, Jyväskylä, Tammerfors und Wasa.
Im |. 1011 wurde das in Helsingfors befindliche Zentralgeschäft
für Hausindustrie »Pirtti» gegründet. Der Absatz der Produkte der
Hausindustrie kann im J. 1918 zu 24 Mill. Fmk berechnet werden,
wovon etwa 4 Mill. Fmk auf die obenerwähnten Läden entfallen,
ins Ausland werden hauptsächlich Fuhrwerke, Wetzsteine, Schnee=
schuhe, Schaftstiefel und Puukkomesscr zu einem Wert von 0,5
Million Fmk ausgeführt. In Finnland werden jährlich ausländi=
sehe Hausindustrieartikel, genähte Bekleidungsartikel einberechnet,
zu einem Wert von 10 Millionen Fmk eingeführt.
Die gesetzliche Kontrolle. Für die Überwachung der
Hausindustrieschulen und für die allgemeine Förderung der Haus=
industrie wurde 1908 ein besonderer Inspektor der Hausindustrie
eingesetzt Durch eine Verordnung von 1918 ist das Amt des
Hausindustrie=Inspektors, das dem Handel= und Industricamte
untersteht, derart erweitert worden, dass dazu jetzt ausser einem
Oberinspektor zwei besord:re Inspektoren für die Arbeiten der
Männer und der Frauen gehören.
Verkehr.
Die Entwicklung des Verkehrs im Inlande wird vor allem da=
durch erschwert, dass die Bevölkerung eine so spärliche ist, wes=
wegen sich der Ausbau eines dichten Verkehrsnetzes unverhältnis=
massig teuer stellt. Andrerseits hat Finnland hinsichtlich des
Wegebaus gewisse Vorzüge, die den meisten andern Ländern ab=
gehen; solche sind die bequeme Beschaffung des zum Bau der Land=
Strassen und Eisenbahndämme nötigen Sandes und Schotters und
die Leichtigkeit der Kanalisation vieler Binnengewässer. Der
Landstrassen= und Eisenbahnbau ist aus dem genannten und eini =
gen anderen Gründen (die Ablösungskosten bei Grund und Boden
sind verhältnismässig gering, die Arbeitskraft vergleichsweise billig
usw.) relativ ziemlich billig geworden. Mit grösseren Fahrzeugen
schiffbare Binnenseewege gibt es in Finnland alles in allem ca.
3,000 km (in Schweden 1912 z. B. nur 1,094 km), wovon auf das
Secnsystcm des Sainia über 2,000 km, auf das des Päijänne über
600 km, auf das des Pyhäjärvi 730 km und auf Nordfinnland über
250 km kommen. Es ist jedoch zu bedenken, dass der Wert unserer
Binnenseewege dadurch sehr verringert wird , dass nur das Saima=
System einen unmittelbaren Ausfluss ins Meer, den Snimakanal,
hat. Ausser den mit grösseren Fahrzeugen schiffbaren Wasserstras=
sen gibt es besonders in Nordfinnland ca. 2,900 km für Kähne und
Ruderboote befahrbare Strecken. Von unschätzbarem Werte für
die Entwicklung der beiden Hauptindustrien sind die Flössereiwege,
deren es allein an Hauptwegen 10,000 km gibt, die Nebenwege nicht
mitgerechnet. Auf den Triftstrassen können die Stämme so weit
vom Inlande nach der Küste gebracht werden, dass es sich mit
anderen Verkehrsmitteln durchaus nicht lohnen würde.
Landstrassen und Personenpost.
In Finnland konnte weder im Altertum noch im Mittelalter
von anderen Strassen als von Fusspfaden die Rede sein, sowie es
noch jetzt in Lappland und im Nordosten von Finnland der Fall
ist. Zwar wurde schon im 12. Jahrhundert der Wegebau von den
alten schwedischen Landesgesetzen anbefohlen (alle mäns vägar
allmänna vägar), und in den Landesgesetzen von 1347 und 1442
wurde den Grundbesitzern die Pflicht auferlegt, Wege zu bahnen,
aber alle diese Bestimmungen blieben hinsichtlich Finnlands toter
Buchstabe. Am Anfang der Neuzeit war der Verkehr zwischen Äbo
(Turku), Ulfbby (Ulvila =^ Björneborg) und Tavastehus (Hämeen=
linna) verhältnismässig lebhaft; desgleichen wurde von Abo nach
Wiborg und von dort bis an die russische Grenze (Rajajoki) ein
der Küste entlang laufender Fahrweg in Stand gehalten.
Zwischen Tavastehus, Wiborg, Nyslott (Savonlinna) gab es
auch Wege, zwischen den beiden erstgenannten sogar zwei, die den
parallellaufenden Hauptrücken des Salpausselkä entlang führten.
Ausserdem werden Strassen erwähnt, die von Ulfsby und der
Gegend des jetzigen Tammcrfors (Tampcre) zur Burg Korsholm
führten, obgleich sie ihrer Beschaffenheit nach höchst primitiv
waren. Es ist berechnet worden, dass es in Finnland um das
|ahr 1550 ca. 2,000 km Wege gegeben hat. Um die Mitte des 17.
lahrlniiiderts kamen zu den alten Wegen die von Wiborg nach Kex=
holm (Käkisahiii), Nycn (Petersburg) und Schlüssclburg hinzu; von
Süd=Tavastland führten zwei Strassen südwärts, die eine nach Borg!
(Porvoo), die andere nach Helsingfors (Helsinki). Der westlichen
Küste entlang ging ein Weg um den Bottnischen Meerbusen herum
bis nach Stockholm und ein anderer von der Gegend von Tammerfors
nach Korsholm. Die Länge dieser neuen Strassen ist auf 2,000 km
geschätzt worden. Ausserdem waren wohl neue, weniger wichtige
Wege entstanden. Die inneren Teile des Landes waren also noch
ohne eigentliche Strassen für Reisende. Die wichtigsten der wäh=
rend der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts gebauten Heerstrassen
im Innern des Landes sind die von Südost nach Nordwest führenden
Strassen zwischen Nyslott (anfangs Sortavala), Kuopio, Pulkkila,
Uleäborg (Oulu) und Jyväskylä, Karstula, Gamlakarleby (Kok=
kola); dazu war eine von Südwest nach Nordost führende Strasse
von der Tammerforser Gegend nach Kuopio angelegt worden und
ausserdem mehrere kleinere Verbindungsstrassen und Ortsstrassen,
sodass sich der ganze Zuwachs etwa auf 6,000 km beläuft. Am
Anfang des 19. Jahrhunderts mögen also in Finnland ca. 10,000 km
Strassen vorhanden gewesen sein. Diese Zahl umfasst nicht die
eigentlichen Dorfstrassen , über die es keine sichere Kunde gibt.
Das Landstrassennetz beginnt erst im 19. Jahrhundert rasch dichter
zu werden. Im Jahre 1910 wurde berechnet, dass es im Lande
27,300 km Landstrassen und 16,560 km Dorfstrassen gab. —
Charakteristisch für Finnland sind die zahlreichen Winterwege,
die den Mangel an Fahrwegen ersetzt haben und immer noch er=
setzen und als Richtwege über Seen führen. Chausseen gibt es in
unserem Lande nur einige Kilometer ausserhalb der Städte.
Der Bau und die Instandhaltung der öffentlichen Fahrstrassen
hat bis auf die Gegenwart kleinen Kreisen von Strassenbaupflich =
tigen obgelegen. In letzter Zeit sind für den Bau und die Pflege
der Strassen jährlich etwas über 200,000 Fmk vom Staate bewil=
ligt worden; ausserdem hat der Staat im Laufe der letzten 25 Jahre
in Nordfinnland etwa 800 km Landstrassen angelegt, wofür ca.
3 V2 Million Fmk verwandt worden sind.
Die Strassenbaupflicht hat seit alten Zeiten den Grundbesitz
beiastet. Von einer Erleichterung dieser Last bezw. von ihrer
Abwälzung auf die ganze Bevölkerung ist auf mehreren Landtagen
seit 1863 die Rede gewesen, aber ohne Resultat, bis die Volksver=
tretung im Sommer 1918 endlich ein neues Strassenbaugesetz
annahm, dem gemäss die Instandhaltung der Strassen dem Staate
übertragen wurde.
«
Die Personenpost. Die Beförderung von Reisenden ist
in Finnland wie im allgemeinen auch in anderen Ländern durch
eine besondere Personenpost geordnet. Diese ist ein durch Ver=
Ordnungen geregeltes System zur Aufrechterhaltung des Verkehrs
auf allen wichtigeren Strassen. Schon im Mittelalter gab es hier
im Norden sog. Tavernen, ein Name der später mit der Bezeich=
nung Gastherberge (finn. kestikievari, schvjCed. gästgveri)
vertauscht wurde. Früher war es unter anderem im Königreich
Schweden allgemeine Pflicht der Bauern gewesen, den König
und alle Beamten des Reiches unentgeltlich zu befördern, als aber
diese Belastung für das Volk zu ungleichmässig und drückend zu
werden begann, wurde in den ersten, um die Mitte des 17. )ahrhun=
derts gegebenen Herbergsordnungen bestimmt, dass die Bauern
eine regelmässige Personenpostabgabe bezahlen, aber dagegen
ganz und gar davon befreit werden sollten, sich direkt an der Bc=
förderung der Reisenden zu beteiligen. Seitdem ist diese wenig=
stens de» Hauptsache nach auf die berufsmässigen Gastherbergen
gegen Entrichtung eines bestimmten Fuhrlohns übertragen. —
Genauere Bestimmungen über die Personcnposthalterei enthält
später teils das 28. Kapitel der Bauordnung im allgemeinen Gesetz
von 1734, teils die in demselben Jahre gegebene Herbergsordnung.
Laut dieser sollte die Personenpost zu einem alle Teile des Reiches
umfassenden Netze erweitert und Gastherbergen, mit einer bestimm=
ten Anzahl von Pferden versehen, höchstens zwei Meilen weit von=
einander angelegt werden. Wurden Relaispferde über die für jede
Herberge bestimmte Anzahl hinaus gewünscht, so waren die näch=
sten Nachbarn verpflichtet gegen erhöhten Fuhrlohn R c s e r v e=
pferde zu liefern, und wo auch dieses Mittel nicht genügte,
mussten alle Fuhrpflichtigen laut Entscheid des Amtsgerichts
Extrapferde stellen.
Die in dieser Weise geregelte Personcnposthalterei wurde
durch den besteuerten Grundbesitz belastende Abgaben unter=
halten, wovon nur die Sattcigüter, die Pfarrgüter und einige
wenige andere bervorzugte Güter befreit waren. Prinzipiell auf
derselben Grundlage ruht die Pcrsonenposthalterei noch heute
gemäss der immer noch geltenden, am 12. November iSS'j erlas=
sencn und 1888 teilweise abgeänderten Verordnung. Die Post=
haltcreicn sind entweder eigentliche Gastherbergen oder an weniger
belebten Verkehriwcgen Reservestellen, wo nur Reservepferde zu er=
halten sind. Als Posthaltereibezirk gilt auf dem Lande der Gerichts=
Sprengel, in dem aber jede Gemeinde die ihr zuerteiltc Fahrpflicht
selbständig erledigt, eine Stadtgemeinde bildet immer einen cigc=
nen Posthaltereibezirk. Die Inhaberrechte einer jeden Gasther=
berge und Reservestelle werden auf öffentlichen behördlicherseits
vorgenommenen Versteigerungen für eine Periode von je fünf Jahren
verpachtet, wenn aber auf der Versteigerung für das Recht der Post=
halterei eine anderweitige Vergütung als der bestimmte Fuhrlohn
gefordert wird, bleibt es den Fuhrpflichtigen überlassen, in der Ge=
meindeversammlung zu beschliessen, ob sie diese Vergütung und
in welcher Höhe sie sie bezahlen oder ob sie selber die Postpferde
liefern wollen. In den Jahren 1901: — 05 gab es nur noch zehn Ge=
meinden, wo die Fuhrpflichtigen die Reisenden selber mit Relais
beförderten, das dann unter der Leitung des Amtsvorstehers nach
einem besonderen Tarif festgesetzt ist. — Gastherbergen gab es 1900
1,040 und Reservestellen 192. Von diesen wurden im ganzen 303,150
Fahrten ausgeführt, und die Kosten des ganzen Posthaltereiwesens
beliefen sich in den Jahren 1896 — 1900 durchschnittlich auf 361,447
Fmk 19 Penni jährlich. Für das ganze Land berechnet betragen
die Kosten des Posthaltereiwesens etwas über 80 Fmk im Jahr per
Steuereinheit, aber da diese sehr ungleichmässig verteilt ist, sodass
sie in den nördlichen undicht bevölkerten Gegenden bis auf viermal
mehr steigt als in den dichtbewohnten Gegenden, ist eine Neurcgea
lung des Posthaltereiwesens in dem Sinn gefordert worden, dass es
auf eigene Füsse zu stehen käme, und dass auf keinen Fall der be=
steuerte Grundbesitz allein, sondern überhaupt alle Steuerpflich=
tigcn verpflichtet würden die möglicherweise entstehenden Unko=
sten zu tragen. Die Volksvertretung hat auch schon im Jahre
1910 einen Vorschlag zu einer neuen Posthaltcreiordnung ange=
nommen, die jedoch noch nicht promulgiert ist. Nach demselben
soll das ganze Posthaltereiwesen im Lande aus allgemeinen Staats=
mittein bestritten und in jedem Bezirk für eine Periode von 3
fahren verpachtet werden.
Kanäle.
Am Ende des Mittelalters wurde in Finnland der erste KanaU
bau unternommen. Ein Rest von diesem Kanalisationsversuch, der
wahrscheinlich den Zweck hatte, den Saimasee durch einen schiff=
baren Wasserweg mit dem Finnischen Meerbusen zu vereinigen,
war noch 1840 indem 118m langen Alten Kanal (Vanha
Kaivanto) 6 km östlich von der Stadt Villmanstrand {Lappeen=
ranta) vorhanden. Hundert jähre später gab König Karl IX. Bcngt
Sevcrusson Justen und dem Bürgermeister von Wiborg, Clemens
Sigfridsson den Befehl, einen Wasserweg zwischen Nyslott (Savon=
linna) und Wiborg graben zu lassen. Ein Überbleibsel der aus
Mangel an technischer Fertigkeit, Geldmitteln und Arbeitskräften
unterbrochenen Arbeit ist der 1 km lange, 6 m tiefe sog. Neue
Kanal (Uusi Kaivanto). Dieser Kanal war wahrscheinlich
ohne Schleusen geplant worden. Die Frage von der Verbindung
des Saimasystems mit dem Finnischen Meerbusen wurde jedoch
nicht fallen gelassen, obgleich es über zweihundert Jahre dauerte,
bis das Unternehmen verwirklicht wurde. Im J. 1826 wurde um
eine Staatsunterstützung für den Bau des Saimakanals nach=
des gesucht. Die Sache fand den Beifall des Kaisers Nikolaus I.
Im ]. 1835 wurde die Strombaudirektion beauftragt, die Richtung
Kanals zu untersuchen und einen Kostenanschlag auszuarbeiten.
Unter der Leitung des schwedischen Kanalbaucrs Edström wurde
die Kanallinic von neuem abgesteckt und 1844 der scblicssliche
Entwurf und der Kostenanschlag von 3,166,584 Rbl Silber an
höchster Stelle genehmigt. Die Arbeit nahm im Herbste 1844 ihren
Anfang. Im J. 1852 wurde die Strecke zwischen dem Saima= und
dem Nuijamaasee für den Verkehr eröffnet. Am 7. Sept. 1856
fand die feierliche Einweihung des Saimakanals statt. Der Saima=
kanal mit seinen Schleusen, Vorrichtungen und Ergänzungsarbeiten
kostete 3,096,000 Rbl oder 12,386,400 Fmk. — Die in den Jahren
1895 — 96, 1897 — 1903 ausgeführten Erweiterungsarbeiten kosteten
1,767,710 Fmk. In wirtschaftlicher und technischer Hinsicht ist
der Saimakanal von allerhöchster Bedeutung. Im Durchschnitt
wirft er jährlich eine Einnahme von ca. 300,000 Fmk ab. —
Während des Baues des Saimakanals und später ist die Kanali =
sation des ausgedehnten Saimasystems vorgenommen worden,
wodurch Savolax und Kardien durch Wasserstrassen mit Wiborg
in Verbindung gebracht worden sind. — Im J. 1906 gingen durch
den Saimakanal 9,522 Fahrzeuge mit 563,480 t Waren, die Ein=
nahmen waren in demselben Jahre 696,435 Fmk, die Ausgaben
203,895 Fmk, der Reingewinn 492,540 Fmk; 1912 9,905 Fahr=
zeuge,. Einnahmen 759,739 Fmk, Ausgaben 434,677 Fmk, Rein=
gewinn 325,062 Fmk.
Das Bugsieren der Leichter, Prahmen und anderer, eigener
Triebkraft ermangelnder Fahrzeuge, das früher auf Leinpfaden
mit Pferden ausgeführt wurde, wird jetzt im Saimakanal von klei =
nen Schleppdampfern besorgt.
Der Saimakanal hat seinen Anfangspunkt im Kirchspiel Lap=
vesi, in der Lauritsala=Bucht des Saimasees und führt durch
den Nuijamaanjärvi, Rättijärvi, Juustilan järvi und mehrere andere
kleinere Seen sowie durch der Sund Lavolansalmi und die Mecres=
bucht Suomenvedenpohja nach der Stadt Wiborg; seine Länge
ist 59,3 km, von welcher Strecke 36,1 km gegraben sind. Der
Höhenunterschied zwischen dem Saimasee und dem Spiegel des
Finnischen Meerbusens beträgt 75,9 m. Derselbe ist durch 28
Schleusen überwunden ; diese sind aus Stein gebaut, 35,6 m lang,
7,42 m breit und 2,67 m tief. Bei dem Bergrücken von Lauritsala,
wo der Kanal 2,004 m weit in den Felsen eingesprengt ist, ist die
Sohlenbreite im allgemeinen 7,4 m, ausser an einer Ausweichstelle,
wo sie 1 1,9 m misst. In der Gegend von Kallio bei Nui jakangas, wo
der Kanal in eine Terrasse gebaut ist, ist seine Sohlenbreite 8,9 m ;
in Pälli und Juustila, wo der Kanal in den Felsen gesprengt ist, be=
trägt die Sohlenbreite 8,9 m und 7,4 m. Der kleinste Krümmungs=
radius ist 50 m. Die grössten Fahrzeuge, denen es gestattet ist
durch den Saimakanal zu gehen, dürfen 31,2 m lang, 7,1 m breit
und 2,5 m tiefgehend sein. Dampfer, die 1,9 ni, 2,2 m oder 2,4
m tief liegen , wenn iie stillstehen , dürfen in den zwischen den
Schleusen befindlichen Teilen des Kanals höchstens mit einer
Schnelligkeit von 7,5 km, 6,5 km und 5,5 km in der Stunde gehen.
Ausser den Schleusen gibt es im Kanal unter anderem folgende
technische Vorrichtungen : das Trockendock von Mustola (für 6
Fahrzeuge), eine Kanalbrücke bei Kansola, 2 Siele, 13 Flutschleusen,
2 Stauwerke zur Regulierung des Höhenunterschiedes des Nuija=
maan järvi und des Rättijärvi, 2 Scitencinlaufgerinne, 3 Bodengerinne,
12 Drehbrücken (aus Eisen, 3,4 m breit) usw.
An der Hauptroute von Islyslott (Savonlinna) nach lisalmi befin=
den sich die 1835 — 39 gebauten und 1867 — 71 renovierten Kanäle
von T a i p a I e und K o n n u s, der 1878 — 79 gebaute und «889-
93 ausgebesserte Kanal von Ruokovirta, der 1866 — 74 gc=
baute und 1884 — 85 renovierte Kanal von Ahklonlahti und der
1866 — 69 gebaute und 1900 — 02 ausgebesserte Kanal von N e r=
koo. Die Kosten für diese Arbeiten belicfcn sich auf 2,100,000 Fmk.
Diese Route wird im |ahre durchschnittlich von ca. 8,700 Fahr=
zeugen benutzt und bringt einen Reingewinn von ca. 20,000 Fmk
ein. In den Gewässern zwischen lisalmi und Kiuruvcsi wurde 190-
der Kanal von Saari koski (929,000 Fmk), zwischen Kuopio
und Hcinävcsi 1895 — 96 der Kanal von Karvio (120,200 Fmk)
und zwischen Hcinävesi und Joutsenvesi 1903 — 06 die Kanalbauten
von Kerma, Vihovuonne, Vääräkoski und P i I p p a
(ca. 850,000 Fmk) ausgeführt. — An der zweiten östlichen Haupt=
route von Nyslott (Savonlinna) nach Nurmes liegt der 1859 — 61
gebaute und 1881 renovierte Kanal vonOravi (ohne Schleusen)
und die 1874 — 83 gebauten und 1891 — 96, 1898 — 1902 und 1907
ausgebesserten P i el i s j o ki=Kanäle. Die Kanalbauten dieser
Route wurden mit einem Aufwand von über > Millionen Fmk
gebaut. Die Schiffahrt weist eine regere Tendenz auf, aber die
Kanäle liefern keinen Gewinn. Eine Kanalisation sämtlicher Saima=
gewässer wird wohl über 21 Millionen Fmk kosten.
Durch die Kanalisation des Päijänneiystcms ist eine besonders
vxichtigc Verkehrsstrasse eröffnet worden, die Mittelfinnland mit
Lahti verbindet. An den Routen dieser Gewässer befinden sich
(zwischen lyväskylä und Vesijärvi): der 1868—71 gebaute, 1892,
1909 — 10 ausgebesserte Kanal von Vesi j ä r v i, durch welchen
jährlich gegen 6,000 Fahrzeuge gehen mit einem jährlich n Gewinn
von ca. 19,000 Fmk; (Päijänne — Heinola) der Kanal von K a 1 k=
k i n c n, gebaut in den )ahren 1875 — 78 und ausgebessert im ). 1893;
(Pielavcsi — lisvesi) die 1892 — 95 gebauten Kanäle von K o 1 u,
S ä v i ä und Kutta koski. Die Kosten der Kanalisation und
Ausbaggerung des Päijänncsystems werden gegen 2 Mill. Fmk
betragen. Abgesehen von dem VesiiärvisKanalwirft der Verkehr in
den anderen Kanälen keinen erwähnenswerten Gewinn ab.
im System des Pyhäjärvi sind vorbereitende Arbeiten zur
Schaffung einer Verkehrstrasse schon im 18. [ahrhundert gemacht
worden. Auf der Route von Tammcrfors (Tampere) nach Virrat,
die etwa 1 20 km lang ist, sind die Kanäle von M u r o I e (1 850 — 56),
236
Kauttu (1884 — 85), Kaivoskanta (1863 — 64) und HGrras=
koski (190? — 07) gebaut worden, deren Baukosten sich mit den
später ausgeführten Ergänzungsarbeiten auf ca. 1,1 Mill. Fmk be=
laufen. Auf der Strecke zwischen Tavastchus (Hämeenlinna) und
Tammcrfors wurde (1867 — 74) der Kanal von L c m p ä ä 1 ä gebaut
und 1896 — 07 ausgebessert. Diese Route ist wenig benutzt. An der
Route von Tavastchus nach Längelmävesi und Hauho wurde der
Kanal von Valkiakoski 1866 — 68 gebaut und 1895 — 96 ver=
tieft, der von Kai van to zum Teil gebaut, zum Teil 1 830 von
den Naturkräften durchbrochen und 1889 — 92 der Fluss Kyliönjoki
kanalisiert. Die Kanalisationskosten des Pyhäjärvi=Systems steigen
auf 2,7 Mill. Fmk. — Von den Verkehrsrouten in Osterbotten
ist ohne Zweifel der Oulujoki die beste. Nach der Fertigstellung
der Schleusen bei Ammä und Koivukoski (für Teerboote)
1846 traten mit der Uleäborg(Oulu)=Routc die schiffbaren Gewässer
von Kuhmoniemi in Verbindung. Die Bootsroute des Oulujoki
ist auf ca. 800 km verlängert worden.
Ganz genaue Angaben darüber, wieviel die Kanäle Finnlands
dem Staat alles in allem gekostet haben, gibt es leider nicht. Doch
kann man die diesbezüglichen Ausgaben einschliesslich aller Spann=
und Hilfsdienste auf ca. 30 Mill. Fmk schätzen. Den Saimakanal
ausgenommen verursachen die meisten anderen einen nominellen
Verlust. Die Verzinsung des in unseren Kanälen angelegten Kapi=
tals beträgt etwas über 1 %. Aber der mittelbare Gewinn aus den
Kanälen ist für das Land von grosser Bedeutung. Es ist nicht
möglich in Ziffern den Nutzen zu berechnen, den die Kanalstrccken
durch Erniedrigung der Warenpreise mit sich gebracht haben, in=
dem sie einen regelmässigen Dampfschiffsverkehr ermöglichten.
Als sich das Eisenbahnnetz entwickelte, glaubte mancher, dass
die Kanäle inbezug auf den Verkehr und die Volkswirtschaft
an Bedeutung verlieren würden. So meinte man, werde der
Verkehr im Saimakanal durch die Eisenbahnen von Savolax und
Kardien leiden. Dies ist aber nicht eingetroffen. Im J. 1880
wurden durch die Kanäle zusammen 419,285,8 t Waren be=
fördert, 1906 1,539,669,9 t. Die während derselben Zeit von den
Eisenbahnen beförderten Waren beliefen sich auf 365,090,1 und
3,077,384 t.
Eisenbahnen.
In dem dünn bevölkerten, armen Lande der tausend Seen konnte
noch nicht ernstlich an den Bau von Eisenbahnen gedacht werden,
als solche in England und auf dem Kontinente schon large ins Da=
sein getreten waren. Ajch sprachen sog ir die damaligen Zeitungen
in Finnland- — vielleicht der Zensur halber — nicht viel darüber.
Dass die Frage des Baues von Eisenbahnen in Finnland aber doch
schon zu einer Zeit angeregt wurde, wo sich nur die Eisenbahnen
Hamburg — Kiel und Tsarskoje=Se!o — Petersburg bis ans Ufer der
Ostseegewässer erstreckten, beruhte zum Teil auf einem strategischen
Gesichtspunkt: auf dem Problem der Proviantierung Sveaborgs wäh=
rcnd eines eventuellen Krieges. Als erste Bahn in Finnland wurde
1849 — 51 eine Fferdeeisenbahn von Helsirgfors (Helsinki) nach
Tavastehus (Hämeenlinna) geplant. E gentlich in Gang kam die
Sache jedoch erst am 24. März 1856, als Kaiser Alexander H.
in Helsingfors in einer Sitzung des Senats sein bekanntes Reform=
Programm vorlegte. Der 4. Punkt desselben betraf die Einsetzung
eines Komitees, das die nötigen Massnahmen zur Herstellung
einer Verkehrsverbindung der inneren Teile des Landes mit den
Seehafen Finnlands und der Hauptstadt Russlands beraten sollte,
und zwar sollte diese Verbindung teils durch Kanäle, teils durch
Eisenbahnen erzielt werden. Für die Angelegenheit wurde ein
Komitee gebildet zu derselben Zeit, wo ). W. Sncllman seine
Stimme für die Eisenbahnen erhob, indem er ausdrücklich die
Verbindung der inneren Teile des Landes durch Eisenbahnen
mit der Küste vorschlug. So wurde beschlossen, dass die ge=
plante erste Bahn als eigentliche Eisenbahn, zunächst eirg'eisig,
gebeut würde, aber der Bahndamm sollte gleich für zwei Gleise
eingerichtet werden.
Die Arbeiten auf der Bahnlinie H e 1 s i n gf o rs— Ta va s te=
hus wurden im Fiühjahr 1858 begonnen. Die Station Tavaste=
hus wurde in einer Enlfcrnurg von rund ico Werst oder 107 /»
km von der Station Helsingfors gebaut. Der Kostenanschlag
ungefähr 8,8 Mill. Fmk, konnte nicht eingehalten werden: die
Expropriation des Bodens erforderte bedeutend mehr Mittel, als
man erwartet hatte, der Unterhalt für die Aibeiter musste be=
sonders herbeigeschafft und eine besondere Landstrasse neben
der Bahn angelegt werden; die Schienen und das rollende Ma=
278
tcrial kosteten mehr, als im Kostenanschlag vorgesehen war usw.
Die Eisenbahn kam auf ;5,6o5,646 Rbl oder 14,4 Mill. Fmk,
d. h. auf ungefähr 1-50,000 Fmk für das Bahnkilometer zu stehen.
Der erste Zug nach Tavastehus ging am 31. Januar 1862 ab.
Der eigentliche Verkehr begann am 17. März desselben Jahres nach
einem Fahrplan, der drei Züge in der Woche ab Helsingfors und
ebenso viele (an den anderen Werktagen) ab Tavastehus enthielt.
Die Einnahmen der Eisenbahn entsprachen in den ersten Jahren
nicht einmal den Ausgaben, von den Zinsen des grossen Kapi=
tals nicht zu reden. Aus den auf dem Landtage 1863 beschlossenen
Neubauten wurde nichts, und manch einer bezweifelte schon die
Brauchbarkeit der Eisenbahnen in unserem Lande. Nicht so die
Regierung, welche dem Landtage von 1867 eine Proposition betref=
fand den Bau einer Eisenbahn von Riihimäki nach Peters=
bürg vorlegte. Die Stände nahmen sie an. Die russische Regie=
rung war bei der Beschaffung der erforderlichen Mittel behi!f.ich,
indem sie ein Darlehen von 10 Mill. Fmk gewährte mit der Bedin=
gung, dass auch diese Bahn mit breiter Spur versehen werden
sollte. Der ganze Kostenanschlag lautete auf 30 Mill. Fmk, und
da der von Russland beigesteuerte Betrag ein Drittel davon aus=
machte, sollte aus dem eventuellen Gewinn ein Drittel an Russ=
land abgegeben werden. Da aus dieser Transaktion dem Lande
Nachteil erwuchs, beschlossen die Stände alsbald die Anleihe
zurückzubezahlen (1882).
Schon im Herbst 1867 wurde ein kaiserliches Edikt erlassen,
laut dessen die Bahn gebaut werden sollte, und infolge der da=
maligen Hungersnot strömten Leute, die ihre Heimat verliessen,
in die Gegend des Bahnbaues, ehe noch die Arbeiten begonnen
hatten (18. Februar 1868). Mit der Arbeit waren grosse Mengen
halbverhungerter Leute beschäftigt, unter welchen Krankheiten und
der Tod grosse Verwüstungen anrichteten. Trotzdem schritt der Bau
der Bahn vorwärts, sodass der Verkehr von Riihimäki nach Lahti
schon am 1. November 1869 anfangen konnte, und am 11. Septem=
ber 1870 wurde die neue Bahnlinie ihrer ganzen Länge nach dem
Betrieb übergeben. Mit der Bauarbeit waren So traurige Erinnerun=
gen verknüpft, dass die Eröffnung ohne einen Festakt stattfand, ob=
gleich die Zeitgenossen die grosse Bedeutung der Bahn voll erkann=
ten. Die Baukosten beliefen sich auf 27,525,280 Fmk oder auf
74,000 Fmk für das Bahnkilometer.
Der finanzielle Ertrag des Verkehrs stellte sich jetzt auch für die
Strecke Helsingfors — Tavastchus vorteilhafter. Es folgte nämlich
eine Zeit wirtschaftlichen Aufschwungs, welche auch dazu beitrug,
dass private Kapitalisten private Bahnen in unserem Lande zu bauen
unternahmen. Hangö (Hanko) wurde schon t86i als Endpunkt
einer Bahn und geeigneter Winterhafen vorgeschlagen; im Jahre
1860 kamen einige Helsingforscr bei der Regierung um die Baukon=
Zession für diese Strecke ein, die jedoch später von einer russischen
Gesellschaft übernommen wurde. Die Arbeiten begannen 1871,
und im Herbst 1873 wurde die Bahn von der Gesellschaft, welche
unterdessen in Geldschwierigkeiten geraten war, dem Betrieb über=
geben. Als die Schwierigkeiten noch grösser wurden, kaufte der
Staat 1875 die Bahn, für weiche die Gesellschaft 22 Mill. Fmk
verausgabt haben dürfte, für 10,230,000 Fmk an. Da die Bahn 149
km lang ist, kostete sie also dem Staate weniger als 70,000 Fmk für
das Bahnkilometer. Die Stadt Borga (Porvoo) erhielt ebenfalls
1871 die Erlaubnis, eine Nebenbahn von Kerava her zu bauen. Die
Strecke wurde im November 1874 dem Betrieb übergeben; nach
verschiedenen Zwischenstadien wurde sie 1917 vom Staat über=
nommen. Nach Äbo wurde auch eine private Bahnlinie geplant,
aber sie blieb ungebaut; die Baukonzession wurde 1874 rück=
gängig gemacht.
Gemäss dem Bcschluss des Landtages von 1872 wurde Ende
August 1874 mit dem Bau einer Eisenbahn nach Tammerfors
(Tampere) begonnen. Von dieser Bahn aus sollte von der Station
Toijala ein Strang nach Äbo (Turku) gelegt werden. Da die
Landwirte in der Gegend von Äbo befürchteten, dass dadurch die
Löhne der Arbeiter in die Höhe getrieben werden könnten, wurden
Arbeiter von Russland nach der Bahnlinie bei Äbo geholt; dieses
Verfahren ist sonst beim Bahnbau nicht mehr zur Anwendung
gekommen. Die Bauarbeiten schritten günstig fort. Die ganze
Strecke Äbo — Tammerfors — Tavastchus wurde im )uni
1876 in regelmässigen Betrieb genommen. Die Bahn, 211 km
lang, kostete 19,470,526 Fmk oder 92,300 Fmk für das Bahnkilo=
meter.
Nun folgte eine Zeit umfassender Bahnbaupläne, und die Regic=
rung legte dem Landtage von 1877 einen Entwurf zu einem ganzen
Eisenbahnnetz vor. Die Stände beschlossen mit dem Bau der
Linien nech Uleäborg (Oulu) und Wasa (Vaasa) zu beginnen
A
Die Bauausführung sollte womöglich einfacher gestaltet und die
Fahrgeschwindigkeit herabgesetzt werden usw. Die eigentlichen
Bauarbeiten begannen im jähre 1879, und die Wasaer Bahn
wurde 1883 für den fahrplanmässigen Verkehr eröffnet. Die
Bahn, 306 km lang, kam mit den Nacharbeiten im ganzen auf
ungefähr 8 Millionen Fmk unter dem Kostenanschläge, d. h. auf
nur 15,254,480 Fmk oder 49,800 Fmk für das Bahnkilometer zu
stehen. So billig ist seitdem auch in unserem Lande keine Eisen=
bahn mehr gebaut worden.
Im Jahr 1884 aber schritt man zum Bau einer Eisenbahn von
Seinäjoki nach Gamlakarleby (Kokkola) und von da
weiter über Liminka nach Ulcäborg (Oulu). Die Arbeit wurde
durch viele grosse Brücken erschwert, die Bahn aber konnte 1886
dem öffentlichen Verkehr übergeben werden. Sie war 334 km
lang und kostete 19,420,543 Fmk oder 58,100 Fmk für das Bahn=
kilometer. Finnland war damals das Land, welches die nördlichste
Eisenbahn der Welt hatte.
Der Landtag von 1885 beschloss endgültig den Bau der Bahn
von Savolax (Savo). Sie sollte nach St. Michel (Mikkeli) und
von da über Suonnejoki nach Kuopio gelegt werden. Mit den
Arbeiten wurde im Jahr 1887 begonnen, und am 1. Oktober 1889
konnte die Bahn eröffnet werden. Die Länge des Hauptgleises
war 274 km; die Bahn kostete auf das Kilometer 59,600 Fmk
und die Gesamtkosten betrugen 16,803,50t Fmk. — Als der Kom=
merzienrat Otto Malm 200,000 Fmk zum Bau einer Nebenbahn
nach Jakobstad (Pietarsaari) zu schenken versprochen hatte,
wurde die Donation angenommen, und gleichzeitig wurde diese
14 km lange Strecke gebaut.
Auf demselben Landtag von 1885 teilte die Regierung mit,
dass sie angefangen habe mit den Überschüssen des Staatshaushalts
eine Eisenbahn von Simola nach Villmanstrand (Lappeen=
ranta), wo künftighin die Lagerübungen des finnischen Militärs
abgehalten werden sollten, zu bauen.
Nachdem der Bau der Bahn von Savolax entschieden war, war
man sich überall klar darüber, dass nun die Reihe an die K a=
relische Bahn gekommen sei. In allen Petitionen und Entwür=
fen hatte man daran gedacht die Bahn von Wiborg (Viipuri) direkt
nach dem Imatra und von da längs des Bergrückens Maanselkä
nach Joensuu zu führen. In der Proposition an den Landtag von
i888 befürwortete die Regierung die Richtung Wiborg — Antrea —
Sortavala — Jocnsuu, was dann auch, wie der beantragte Bau einer
Zweigbahn von Antrea nach Imatra, Beschluss der Stände wurde.
Mit den Arbeiten wurde im Jahre 1890 begonnen, und die End=
strecke der Bahn wurde 1894 dem öffenthchcn Verkehr übergeben.
Die ganze Bahn, 347 km lang, kostete 24,325,750 Fmk oder 70,100
Fmk für das Bahnkilometer.
Ferner wurde auf dem Landtag von 1888 beschlossen die
Eisenbahnen von Kouvola nach Kotka und von Tammerfors
nach Björncborg (Fori) und die Hafenbahn von Hcisir g=
fors zu bauen. Die Kotkaer Bahn wurde im Jahre 1890 eröffnet.
Die Kosten dieser 52 km langen Bahn betrugen 2,936,000 Fmk,
also 57,300 Fmk für das Bahnkilometcr. Mit dem Bau der Bahn
nach Björneborg wurde 1890 angefangen, im Jahre 1893 wurden
die Arbeiten eingeschränkt, und erst 1895 konnte die ganze Bahn
dem öffentlichen Verkehr übergeben werden. Mit der Hafenbahn
hatte sie eine Länge von 141 km, und ihre Kosten bciiefcn sich
auf 11,345,277 Fmk oder 80,700 Fmk für das Bahnl-ilometer. Für
die Hafenbahn in Helsingfors wurden 1,8 Mill. Fmk bewilligt;
sie war anfangs nicht ganz 5 km lang und wurde 1894 dem
Betrieb übergeben.
Der Fehler, der vom Landtag des Jahres 1888 begangen worden
jfar, allzuvicie Eisenbahnbaulen zu beschliesscn, hatte zur Folge,
dass die Stände im Jahre 1891 nur den Bau des ca. 7 km langen
Bahnstumpfes Imatra — Vu o ks e n n i s ka, der die Karelische
Bahn mit dem Saimasec verbindet, beschliesscn konnten; die Strecke
wurde 1895 dem Betrieb übergeben.
Auf dem folgenden Landtag, 1894, waren die Eisenbahnen Gc=
genstand heftiger Parteistreitigkeiten. Durch Kompromiss einigte
man sich zuletzt dahin, dass zuerst eine breitspurige Bchn mit
Schienen von 25 kg Gewicht von Haapamäki über Jyväskylä nach
Suolahti gebaut werden sollte; darauf beschlossen die Stände eine
breitspurige Eisenbahn von Äbo nach der Station Karis an2u=
legen. — Grössere Einigkeit herrschte betreffs der privaten Bahn
nach Räume (Rauma), deren Subventionierung sofort von sämt=
liehen Ständen beschlossen wurde. Sie war anfangs 48 km lang
und wurde 1897 vollendet.
Man beschioss nun die im J. 1877 gegebenen Bestimmungen
über die begrenzte Fahrgeschwindigkeit der Züge nicht unerheblich
zu lindern, umso mehr als sie in einer Zeit erlassen waren, wo
noch eiserne Schienen gebraucht wurden, nun aber waren ja durch
Auswechselung der Schienen an die Stelle der »Eisenbahnen»
die »Stahlbahnen» getreten.
Der Bau der Bahn nach lyväskyia wurde 1895 in Angriff
genommen. Das Gelände ist zwar auf dieser Strecke hügelig, die
Bauarbeit schritt aber so schnell fort, dass diese Bahnlinie 1898 bis
nac!'. Suolahti dem öffentlichen Verkehr übergeben wurde. Die
Baukosten dieser Eisenbahn betrugen 8,327,095 Fmk, d. h. 69,500
Fmk für das Bahnkilometer; die Bahn ist nämifch 120 km lang.
Mit den Arbeiten auf der Linie Ä b o — K a r i s wurde im Jahre
1896 begonnen. Man hatte geplant die Bahn zum grossen Teil auf
altem Meeresboden zu bauen, wo häufig Lehm und lehmhaltiger
Sand in ansehnlicher Tiefe vorkam, sodass die Bauarbeit viele und
grosse Schwierigkeiten bot. Bei der Station Skuru wurde ein kur=
zer, 156 m langer Tunnel (der erste Tunnel in Finnland) durch=
gebrochen. Die Bahn wurde im Jahre 1899 eröffnet; da auch die
Expropriationkosten sehr hoch waren, beiicf sich der Bauaufwand
dieser Bahn auf 12,095,854 Fmk oder auf 108,700 Fmk für das
Bahnkilometer.
Auf dem Landtag von 1897 waren die Eisenbahnbaufragen wic=
derum Gegenstand langer Streitigkeiten, und erst im Wege des
Vergleichs wurden Resultate erzielt. Es wurden folgcr.de neue
Bahnbauten beschlossen: Fortsefzung der Bahn von Savolax von
Kuopio n£ch I i s a 1 m i, Veibindungslinie zwischen Björneborg
und dessen Aussenhafen Mäntyluoto, Verlängerung der nörd=
liehen Bahn bis nach Torneä und der Küstenbahn von Karis
nach Helsingfors.
Auf der Strecke Kuopio — lisalmi wurden die Arbeiten im
Jahre 1898 in Angriff genommen. Wir finden hier eine bemerkens=
werte Probe moderner Ingenieurskunst: die Trace läuft an einer
Stelle von 4 km Breite über den landschaftlich reizvollen See
Kallavesi. Dazwischen liegen wohl drei kleine Inseln, der unmit=
telbar im Wasser gebaute Damm aber ist 2 V2 l^rn lang; dazu ist
das Wasser tief, sodass z. B. Stellen von 18 m Tiefe angetroffen
wurden. Im ganzen wurden etwa 875,000 m' Füllcrde angefah=
rcn. Mit den Dreh= und sonstigen Brücken kam die öberfüh=
rung des Kallavesi auf mehr als 2 Mill. Fmk zu stehen. — Die
Bahn wurde im Jahre 1902 eröffnet; sie kostete 8,354,031 Fmk, d.h.
bei der Länge von 85 ' km 98,200 Fmk für das Bahnkilometer.
Mit der Anlage der Bahn nach Mäntyluoto wurde 1898 begonnen,
und eröffnet wurde die Linie im )ahrc 1899. Sie ist etwa 20 km
lang, und ihre Baukosten betrugen 1,394,423 Fmk, d.h. 70,400 Fmk
für das Bahnkilometer; zum grossen Teil ist sie auf altem Meeres»
bodcn oder sogar auf Dämmen im Meere aufgeführt und endet
auf einer Schäre, wo zum Schutze des Hafens ansehnliche Wellcn=
brecher erforderlich gewesen sind.
Die Bauarbeiten der Bahn von Uleäborg nach Torncä (Tornio)
nahmen im Jahre 1899 ihren Anfang. Auf der Linie musstcn
mehrere grossartige Brücken über die breiten und oft hochge=
hcnden österbottnischen Flüsse gebaut werden; einzelne Brücken
wurden auch für den Verkehr mit Fuhrwerken angelegt. Da der
125 m lange Brückenbogen über den Isohaara=Arm des Flusses
Kcmijoki im Herbst des Jahres 1902 nicht montiert werden konnte,
wurde hier die Schicnenverlegung für lange Zeit unterbrochen.
Die Bahn, die am östlichen Ufer des Flusses Tornionjoki endet
(für den Verkehr zwischen dem Bahnhof und der Stadt Torneä
wurde eine Dampffähre eingestellt), wurde im Jahre 1903 dem
öffentlichen Verkehr übergeben. Sie ist 131 km lang, und bean=
spruchte 14,828,237 Fmk oder 113, 400 Fmk für das Bahnkilometcr.
Dass die Station Karis (Karje) zum Ausgangspunkt der Fortset=
zung der Küstenbahn nach Helsii.gfors bestimmt wurde, dazu ist
der Grund hauptsächlich in dem Umslande zu suchen, dass da=
durch nur eine Knotenstation erforderlich wurde und zugleich
bequemere Zugverbindungen zwischen den verschiedenen Rcisc=
routcn erzielt wurden. Sic wurde nach demselben anspruchsvolle«
ren Programm wie die Bahn von Abo — Karis gebaut, mit Anschluss
an die Hauptbahn auf der Station Fredriksberg bei Helsir.gfors.
Mit den Arbeiten wurde 1900 begonnen und eröffnet wurde die
Bahn 1903. Ihre Kosten betrugen 10,899,701 Fmk oder, da die
Linie eine Länge von 83 km hat, 131,300 Fmk für das Bahnkilo=
meter.
Unterdessen waren mit der wohlwollenden Beihilfe des Land=
tages ausser der vorerwähnten Raumocr Bahn mehrere Privatbahnen
hergestellt worden: die Bahnen von Jokioincn (von Humppila
nach Forssa, schmalspurig), von inkcroinen nach Frcdriks=
hamn (Hamina), nach Brahestad (Raahe), von der Station
Lappi, Nykarleby (Uusikaaricpyy), von Kovjoki, nach M ä n ttä
(von Vilppula, beide schmalspurig), nach Aännekoski (von
Suolahti), nach Karhula (von Kymi) und die schmalspurige
Bahn nach Lovisa (von Nicmi am Vesijärvi=See, die Stamm=
bahn bei Lahti überschreitend und mit dem Endpunkt im Hafen
Valkom). Die letzterwähnte Linie ist 82 km lang, die übrigen
sind kürzer. Die Bahn nach Fredrikshamn ist später verstaatlicht
und die nach Nykarleby während des Krieges an die Russen
verkauft worden.
Der Landtag von 1900 hatte die Eiscnbahnangelegenheiten für
4 Jahre zu ordnen. Die im Bau befindlichen Bahnen waren umso
viel teurer geworden, als man geschätzt hatte, dass eine überschrei=
tung der berechneten Ausgaben um 10,4 Mill. Fmk zu erwarten
war. Zugleich bat die Eisenbahnverwaltung mit Rücksicht auf den
grossartigen Aufschwung des Verkehrs während jener Jahre, wo=
durch ein gründlicher Umbau der grössten Stationen und auch
andere umfassende Erweiterungs= und Neubauarbeiten nötig
wurden, um Bewilligung einer Summe von 75,5 Mill. Fmk. Die
Regierung hatte zwar in ihrer Proposition an den Landtag diese Sum=
me auf 42 Mill. herabsetzen zu dürfen geglaubt, aber trotzdem bedeu =
tete dies während vier Jahre eine jährliche Ausgabe von 10,5 Mill.
Fmk. Die Anlage von neuen Bahnen sticss daher auf Schwierig»
keitcn, und die Regierung schlug deshalb nur den Bau der Strecke
lisalmi — Kajana (Kajaani) vor. Eisenbahnpetitionen wurden
in den Ständen gleichwohl 71 eingebracht, und die Stände bc=
schlössen diesmal sehr einmütig ausser der Bahn nach Kajana die
Strecken von Seinäjoki nach Kristinestad (Kristiina) und Kaskö
(Kaskinen) und von Elisenvaara nach Nyslott (Savonlinna)
bauen zu lassen (die Bahnen nach Kristinestad und Kaskö konnten
eventuell schmalspurig gebaut werden). Zum ersten Mal in der
Geschichte des Landtags geschah es nun, das der Monarch den
Bcschluss der Volksvertretung in den Eisenbahnangelegenheiten
nicht bestätigte. Die für die Bahn nach Kajana angewiesene
Summe wurde in Petersburg gekürzt, und die Bahn nach Kristi=
nestad und Kaskö wurde aufgegeben.
Der Bau der Strecke lisalmi — Kajana (Kajaani) wurde 1902 in
Angriff genommen und im Herbst des Jahres 1904 wurde die
Bahn eröffnet. Sie kostete ungefähr 72,000 Fmk für das Bahnki =
lometer.
.Die Arbeiten auf der Strecke n?ch Nyslott (Savonlinna) begannen
im Jahre 1904. Die Bahn berührte Punkaharju und führte in der
Nähe von Nyslott über den Sund Kyrönsalmi, wo in beiden Fällen
besonders grosse Schwierigkeiten zu überwinden waren. Die ganze
Bahn wurde 1908 eröffnet; die Kosten stiegen infolge der Ver=
teucrung der Arbeitslöhne und der Materialpreise, der weitläufigen
Terrassierungen usw. über den Voranschlag hinaus auf nicht
ganz 12 Mill. Fmk, d. h. 145,300 Fmk für das Bahnkilometer.
Der Monarch hatte die Beschlüsse des Landtags von 1900
teilweise nicht bestätigt. Auch der Beschluss des Landtags von
1905 — 06 war gefährdet, weil man in Petersburg wegen des Baues
der beschlossenen Bahn nach Rovaniemi Bedenken hatte, aber
die Sache wurde zuletzt so geordnet, dass unter gleichzeitiger
Bestätigung des Beschlusses der Stände betreffend den Bau der
Strecke Nyslott (Savonlinna) — )yväskylä nach Herstellung der jelzt
beschlossenen Bahnen Vorermittelungen über eine Linie von
Petersburg oder Valkeasaari über Kexholm (Käkisalmi) nach den
Stationen Hiitola oder Sairala an der karelischen Bahn anbefohlen
wurden, um eine Verbindung (über Nyslott — Pieksämäki— Jy\äs=
kylä — Haapamäki) durch das Innere des Landes zwischen Petcrs=
bürg und Wasa zustande zu bringen.
Die Bahn nach Rovaniemi wurde Anfang 1907 begonnen (von
dem Haltepunkt Laurila am nordwestlichen Ufer des Flusses Kemi =
joki), und zwar zuerst als Notstandsarbeit, was sich als ganz un =
vorteilhaft erwies. Dem öffentlichen Verkehr wurde die Bahn im
Herbst 1909 übergeben, zu welcher Zeit sich das Eisenbahnsystem
Finnlands bis zum Polarkreis erstreckte. Die Bahn beanspruchte
über II Mill. Fmk, d.h. ungefähr 103,300 Fmk für das Bahnkilo=
meter.
Die Bahn joensuu — Nurmes, deren Bau der Landtag
ebenfalls beschlossen hatte, wurde im )anuar 1907 in Angriff
genommen. Im Herbst 1910 wurde die Strecke Joensuu — Lieksa
und ein Jahr später die Strecke Lieksa — Nurmes dem öffentlichen
Verkehr übergeben. Die Kosten betrugen 18,516,158 Fmk oder
117,700 Fmk für das Bahnkilometcr. Die Strecke wird zur Kareli=
sehen Bahn gerechnet, deren Länge also 515 km beträgt.
Der Bau der Bahn nfch Kristinestad und Kaskö, der
nf/ch manchen Zwischenfällen am 11. Dezember 1906 angeordnet
war (der Kostenanschlag lautete auf 11,5 Mill. Fmk), begann Ende
Oktober 1909. Auch hier stiegen die Kosten beträchtlich über
den Voranschlag, nämlich auf 16,5 Mill. Fmk oder 117,000 Fmk
für das Bahnkilometer.
246
ipop trat der zweite Landtag des Jahres dem Bau neuer Eiscn=
bahnen näher und beschloss neue Linien zu einem Betrag von
50 MiU. Fmk anzulegen. Von Nyslott (Savonlinna) sollte eine
Bahn nach Pieksämäki gebaut werden, und von da eine Zweigstrecke
nach Varkaus, ein die Bahnen von Savolaj< und Ulcaborg verbin=
dcnder Schienenweg von lisalmi nach Ylivieska und eine LokaU
bahn von Äbo nach Nystad (Uusikaupunki); der Landtag beschloss
ausser diesen von einem Ausschuss vorgeschlagenen Bahnen noch die
Herstellung der Strecken von Wiborg nach dem Hafen Koivisto,
von Lahti nach Heinola und von Uleäborg nach Vaala.
Im Januar 1911 kam von Petersburg die Bestätigung für den
Teil des Landtagsbeschlusses, nach dem von ISlyslott eine Eisen=
bahn nach Pieksämäki und von dieser Bahn aus eine Nebenbahn
nach der Fabrik und dem Hafen von Varkaus gebaut werden
sollte. Ausserdem sollte die Linie von Pieksämäki nach Jyväskylä
untersucht und die endgültige Untersuchung der Linie Hiitola —
Raasuli beschleunigt werden. Die genannte Strecke Nyslott —
Pieksämäki und die daran anschliessende Zweigbahn zwischen
der Station Huutokoski und Varkaus wurden im Herbst 1911
in Angriff genommen; da auf der Strecke keine besonderen Schwie=
rigkeiten zu überwinden waren, konnte bald nach dem Ausbruch
des Krieges, schon am 1. November 1914, diese Strecke nebst
der Zweigbahn in einer Länge von insgesamt 123 km dem öffent=
liehen Verkehr übergeben werden. Die Kosten der Arbeit bc=
liefen sich auf 11,3 Mill. Fmk oder 92,000 Fmk für das Bahn=
kilometer.
Ausserdem hatte man ohne die Zustimmung der Repräsentation
Finnlands im Juli 1914 angefangen eine Eisenbahn von Terijoki aus
über die Batterien von I n o nach dem Hafen Koivisto zu bauen .
Diese 74 km lange Strecke, welche von der Eisenbahndirektion über=
nommen und auf Rechnung der finnischen Staatskasse betrieben
werden sollte, wurde am 1. September 1916 eröffnet.
Unterdessen hatten die finnischen Eisenbahnen auch dadurch
einen kleinen Zuwachs erhalten, dass von der Station Inkeroinen die
nach Fredrikshamn (Hamina) führende 26 km lange Privatbahn An=
fang 1916 durch Kaufan den Staat überging; noch später, im Jahre
191,7, ist für den Staat die älteste Privatbahn, die zwischen Kc=
rava — Borgä (Porvoo), 33 km lang und schon im Jahre 1874 voll=
endet, angekauft worden.
Mitten in den ersten gefährlichsten Wirren des finnischen Be=
frciungskricges, Ende Januar 1918, Njcurdc schliesslich auch der
letzte Teil der Qjerbahn des inneren Finnlands, die Strecke )yväs=
kylä — Pieksämäki, 80 km lang, vollendet und in Betrieb genommen.
Auf dieser Strecke liegt der vorläufig längste Tunnel in Finnland,
der 1329 m lange Tunnel von Pönttövuori. Für die russischen
Militärbehörden war die schnelle Vollendung dieser Strecke sehr
wichtig gewesen. Ein eigentümlicher und glücklicher Zufall war es>
dass die Strecke gerade zu der Zeit befahren werden konnte, wo
sie das einzige eigentliche Verbindungsglied zwischen dem wcst=
liehen und dem östlichen »Weissen Finnland' bildete. Wäre sie
nicht gewesen, so hätten die Aufständischen vermutlich ganz Ost=
finnland bis nach Jyväskylä in ihre Gewalt bekommen, und die Nie=
dcrschlagung ihres Aufruhres würde, wenn sie auch geglückt wäre,
jedenfalls bedeutend erschwert worden sein. Der Bahnbau wurde
im September 1913 in Angriff genommen und beanspruchte
26,381,000 Fmk, d. h. 335,850 Fmk für das Bahnkilometer.
Im Oktober 1913 wurde auch mit dem Bau des letzten Teiles
der Stammbahn Petersburg — Wasa auf der finnischen Seite von
Raasuli (an der russischen Grenze) über Kiviniemi und Kexholm
(Käkisalmi) nach Hiitola begonnen. Die Strecke Hiitola^ — Rautu
ist vorläufig für den provisorischen Verkehr eröffnet. Die Brücke
bei der Stromschnelle Kiviniemi über den Vuoksen ist in Deutsch=
land bestellt.
Da der zweite Landtag des Jahres 1909, von gewissen Partei=
gelüsten geleitet, eine grosse Menge von Eisenbahnen zu bauen
beschloss (sechs verschiedene Strecken) und von denselben nur eine
während des russischen Regimes bestätigt und gebaut wurde, hat
das neue selbständige Finnland ein umfangreiches Eisenbahnbau =
Programm geerbt. Von den damals beschlossenen Eisenbahnen
ist eine, die von Nystad (Uusikaupunki) nach Abo in Angriff genom=
men worden, und desgleichen ist die die Bahnen von Savolax und
Uleäborg verbindende Strecke lisalmi — Ylivieska begonnen. Eine
dritte von den Linien, die auf ihre Ausführung warten, die Strecke
Uleäborg — Vaala, wird als ein Teil der neuen Eisenbahn herge=
stellt werden, deren Bau der Landtag im Jahre 1918 beschloss.
Sie wird von Nurmes ausgehend das Seesystem von Sotkamo
durchschneiden und nach Micslahti (im Kirchspiel Paltamo) führen,
v'o sie den See Oulujärvi berührt, von da nördlich am Oulujärvi
hin nach Vaala gehen, wo sie über den Fluss Oulujoki führt, und
dann am südlichen Ufer des Flusses entlang nach U!eäborg (Oulu)
laufen. Von Micslahti wird eine Zweigbahn nach Kajana (Ka=
jaani) gebaut, um die Hauptbahn von Savolax mit dieser Qjerbahn
Nordfinnlands zu verbinden. Die Strecke Heinola — Lahti muss noch
warten, ebenso die Linie Koivisto — Wiborg. Statt dessen be=
schloss der Landtag von 1918 den Bau einer neuen, der Ost=
karelischen Bahn von der Station Matkaselkä (39 km nörd =
lieh von Sortavala) über Suistamo nach Suojärvi, bis in die Nahe
der heutigen Reichsgrenze.
Zu den vielen Privatbahnen, welche in den jähren 1897 — 1900
in Finnland entstanden, sind später nur drei bemerkenswertere hin=
zugekommen: 1) von Hyvinkää nach der Fabrik Karkkila oder
Högfors in dem' Kirchspiel Pyhäjärvi, 45 km; 2) von Riihimäki
nach Loppi, 14 km; 3) die elektrische Bahn von Loh ja, 5 km, vor=
läufig die einzige in unserem Lande, welche Elektrizität als Betriebs=
kraft anwendet. Dagegen ist die von der Station Kovjoki nach
Nykarlcby im Jahre 1899 vollendete 12,5 km lange Bahn während
des Krieges abgebrochen und an die Russen verkauft worden.
Die finnischen Eisenbahnen haben bis zum Jahre 1915, von den
Eisenbahnen anderer Länder getrennt, ein Netz für sich gebildet.
Die einzige Form direkten Verkehrs mit dem Ausland waren lange
Zeit die 1897 eingeführten Rundreise= und sog. zusammenstelU
baren Fahrscheinhefte. Russischerseits ging man zwar schon
lange damit um in Petersburg eine Brücke über die Newa zustande
zubringen und eine Anschlussbahn zwischen den russischen und fin=
nischen Eisenbahnen zu bauen, in Finnland bestand keine Nei=
gung dazu, und durch Zwangsmittel brachte man es dahin, dass
Finnland am Bau der Brücke teilnahm. Erst Ende 1914 wurde die
erwähnte Anschlussbahn vollendet, und am 14. Januar 1915 wurde
der mit grosser Eile und überstürzt vorbereitete direkte Güter=
verkehr zwischen den Staatseisenbahnen Finnlands und beinahe
allen russischen Eisenbahnen begonnen. Bei der Festsetzung der
Bedingungen und Vorschriften des direkten Verkehrs waren die
Interessen Russlands und das russische Eisenbahnwesen überaus
einseitig berücksichtigt worden, sodass dieser Verkehr in Finnland
bei dem Publikum von vornherein unpopulär, für unsere Eisenbah=
ncn unvorteilhaft und für die tisenbahncr sehr unbequem \x/ar.
Seine Wiederherstellung nach der Öffnung der russischen Grenze
kann auch wahrscheinlich nur in der Einschränkung in Betracht
l^ommen, dass der direkte Wagenverkehr — mit wenigen Aus=
nahmen — unterbleibt.
Im Sommer 1916 wurden von der russischen Regierung auch
die finnischen Eisenbahnen zur Teilnahme an dem internationalen
Übereinkommen betr. die direkte Verkehrsverbindung (sog. Ber=
ner Frachtverband) angemeldet; wenn erst durch die im Bau be=
griffene Eisenbahnbrücke in Torncä (Tornio) die Verbindung der
finnischen und schwedischen Eisenbahnen (und dadurch auch mit
den Eisenbahnen im übrigen Europa) hergestellt ist, wird diese
eine umfassende oder wenigstens tief einschneidende Bedeutung
für die Eisenbahnverhältnissc unseres Landes gewinnen.
Der Verkehr auf unseren Eisenbahnen ist wegen der Abgele=
genheit unseres Landes ziemlich gering geblieben; zwischen Hel=
singfors und Petersburg mussten jedoch bereits bis 1909 200,2 km
zweispuriger Bahn (von Helsingfors nach Riihimäki und von Wiborg
nach Petersburg) gebaut werden. In den letzten Jahren sind der=
artige Strecken in ansehnlicher Länge hinzugekommen, sodass
Ende 1017 271 km zweispuriger Bahn im Betrieb waren.
Von den verschiedenen Stationen der Eisenbahnen unseres
Landes vermitteln den grössten Verkehr Petersburg, Helsir.gfors
(Helsinki), Wiboig (Viipuri), Abo (Turku), Tammeifors (Tamperc),
Wasa (Vaasa), Hangö (Hcnko), Kotka, Kajana (Kajaani) und Kuopio.
Die Gesamteinahmcn auf der Station Petersburg bcliefen sich im
|ahre 1914 auf 9,2 Tvlill. Fmk, Helsingfors 6,0, Wiborg und Abo
2,6, Tammerfors 1,7, Wasa 1,2 und Har.gö 1,1 Mill.; auf den
übrigen Stationen auf weniger als 1 Mill. Eine Millionenstation
wurde Petersburg im )ahre 1872, Helsingfors 1888, Tammerfors
1896, Wiborg »898 und Abo 1900.
Eine typische Eigenschaft des Verkehrs der finnischen Staats»
ciscnbahncn besteht darin, dass die Einnahmen aus dem Personen»
verkehr mehr als 40 (bis 42 — 44) "o der Gesamteinnahmen betragen,
während auf den Güterverkehr nur 56 "'„ und noch weniger ent=
fallen, wogegen z. B. in Osterrcich=üngarn die Einnahmen aus dem
Güterverkehr 70 und in Russland mehr als 85 % von den Gesamt»
einnahmen ausmachen. Besonders exzeptionell erscheint bei uns
in dieser Hinsicht die Küstenbahn zwischen Helsingfors und Äbo,
wo "die Einnahmen aus dem Güterverkehr kaum 74 der Gesamt=
einnahmen bilden.
Das rollende Material unserer Eisenbahnen wurde anfangs
ganz vom Ausland bezogen; bald aber fing man an Wagen zum Teil
im eigenen Lande zu bauen, in den 1870er Jahren wurden hier
sogar zwei Lokomotiven angefertigt; neuerdings werden schon seit
ein paar Jahrzehnten sämtliche Lokomotiven, von den Wagen
garnicht zu reden, im eigenen Lande verfertigt. Das Ladegewicht
der Güterwagen ist bei uns ziemlich gering gewesen, und zwar
6 — 7 Va t; erst nach Beginn des direkten Verkehrs hat man auch
Wagen bis 15 t zu benutzen begonnen. Nachdem die schwach»
gebauten Strecken der Wasacr und Jyväskyläer Bahn für einen grös=
scren Achsendruck verstärkt sind, wird die Benutzung eines stär=
keren rollenden Materials überall im Lande bis nach Kuopio und
Sortavala ermöglicht sein.
Der internationale Personen= und Eilfrachtverkehr war bereits
vor dem Krieg der Grossmächtc zwischen Äbo und Petersburg
in die Wege geleitet; finnischerseits hatte man dafür bereitwillig
recht schnelle Eilzüge mit Speisewagen eingestellt.
Die ökonomisch wichtigste Bedeutung der finnischen Eisen=
bahnen besteht darin, dass sich durch sie die Milchwirtschaft in
unserem Lande kräftig hat entwickeln können und dass die Holz=
industrie ganz andere Entwicklungsmöglichkeiten erhalten hat als
früher, wo sie noch durchaus von den Wasserstrassen und von den
Sägemühlen der Hafenplätze abhängig war. Der Einfluss der Ei =
senbahnen auf die Papier= und andere im Innern des Landes ge=
triebene Industrien ist auch von sehr grosser Bedeutung gewesen.
Und zur Ausgleichung der Preise der Bodenerzeugnisse und zur
Erleichterung der Versorgung der Bevölkerung mit diesen Erzeug=
nissen haben unsere Eisenbahnen in grossartigem Massstabe bcige=
tragen, indem sie den Austausch dieser Waren bis auf das Stroh
und die Torfstreu herab zwischen den verschiedenen Landschaf=
ten ermöglichten. Dies hat stattfinden können, trotzdem die
allgemeine Anlage der Eisenbahnen für den Verkehr zwischen
den westlichen und östlichen Provinzen des Landes sehr un=
günstig gewesen ist. Dieser Mangel an Querbahnen hat auch bei
uns eine intensive Ausnutzung des rollenden Materials in wesent=
lichem Grade beeinträchtigt.- Durch die Landtagsverhandlungen und
Beschlüsse über Eisenbahnangcicgenhcitcn ist die Bedeutung un=
serer Ständerepräsentation an und für sich sovx/ohl im eigenen
Lande als auch nach aussen bedeutend erhöht worden.
Verkehr und finanzielle Ergebnisse der finnischen
Eisenbahnen.
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1,707 1,277
75
1,844 69,6
42,4 807 1
1880
852
65,9
49
6,885
2,898 7,669
7.8
4,258 61,8
81 ,2 2,627
5
1890
1,895
■ 26,1
107
11,87.
5,191 6,487
157
7,167 60,5
147,2 4,668
5
1900
2,6yo
777,2
740
27,698
10,700 16,661
776
20,545 74,2
250,8 7,153
2
"90?
7,046
425,8
340
71 ,70c
17.750 17,964
786
28,259 89,1
770,2 7,441
1
1910
7,756
554,9
462
44,261
19,484 24,042
775
76,496 82,5
402,7 7,765
t
1911
7,421
597,9
558
50,067
20,852 28,151
1,060 76,767 77,4
417,1 13,300' 3
1912
7.421
622,4
596
57,480 22,184 70,022
974
78,674 72,7
416,8 14,806 7
1913
7,56.
704,5
649
58,594
24,971 72,486
1,177
40,775 68,8
440,4:18,259 4
1914
7,687
774,6
685
58.525
24,557 72,701
1,271
41,982 71,7
458,5 '16,547; j
191?
7,685
777,1
1,279
81,801
24,717 54,467
3,021
50,101 61,2
469,5
3 1 ,700| 6
Borgäer
1
(Porvooer)
Bahn
1913
77
2,9
2
306
•45
143
18
219 71,7
7.5
87 ^
1914
77
1 .9
2
26;
129
121
15
204 1 74.0
3,5
61
Raumoer
'
(Raumaer)
j
Bahn
1917
62
2,7
5
464
98
315
51
282
60,7
3,5
182 ^
1914
62
7,6
7
6of
162
359
84
794
6y.i
5.5
211 f
Fredriks»
hamncr
■
(Haminaer)
Bahn
1917
27
1,2
1
182
65
98
21
■14
62,5
1.8
68 '
1914
27
1,8
2
■ 64
59
97
8
107
65,0
1.8
57 ^
Brahcstadcr
(Raaheer)
Bahn
1917
74
0,7
7
227
71
179
13
167
74,6
1.7
57
1914
74
0,6
2
148
25
tij
8
160
107,8
1.8
— 12
Lovjsaer
Bahn
1917
82
7.0
12
745
128 ' 575
42
456 61,2
6,3 ' 289
4
1P14
82
2,8
7
505
122
754
29
4.8
82,8
6.4
87
",
Die Betriebslänge der für den öffentlichen Verkehr
eröffneten finnischen Eisenbahnen Ende 1915.
Staatsbahnen (Spurweite 1,524 m):
Helsingfors (Helsinki)— Tavastehiis (Hämeenlinna)
— Petersburg 527,25 km
Hangöcr (Hankoer) Bahn 153,06 »
Abo(Turku)— Tammerfors(Tanipere)— Tavastehus 211,48 »
Wasaer Bahn 312,91 »
Uleäborger (Ouluer) Bahn 491,98 »
Bahn von Savolax (Savo) 528,73 »
Karelische Bahn 53O/O4 »
Björneborger (Porier) Bahn 1 59,78 »
Jyväskyiäer Bahn 1 19,84 »
Helsingfors — Äbo (Helsinki — Turku) i95<44 '>
Nyslotter (Savonlinnaer) Bahn 203,85 »
Rovaniemier Bahn 109,40 »
Kristinestad — Kaskö (Kristiina — Kaskinrn) •••• 141,22 »
Gesamtlänge der Staatseisenbahnen 3,684,96 km
II. Privatbahnen.
A. Breitspurige (Spurweite 1,524):
Borgäcr (Porvooer) Bahn 33,13 km
Raumoer (Raumaer) Bahn 62,51 »
Fredrikshamner (Haminaer) Bahn 27,52 »
Brahestgder (Raaheer) Bihn 33 61 »
Gesamtlänge der breitspurigen Privatbahnen 156,77 km
B. Schmalspurige (Spurweite 0,785, 0,75 oder 0,60 m):
Bahn nach Jokioinen (0,75 m) 23,40 km
Lovisacr Bahn (0,75 m) 81,74 »
Riihimäki — Loppi (0,60 m) 14 00 »
Hyvinkää (Hyvingc) — Pyhäjärvi {0,75 m) 44,74 »
253
Gesamtlänge der schmalspurigen Privatbahnen . . 217,55 km
Gesamtlänge der für den Verkehr eröffneten
Eisenbahnen ^'/la '9*5 4,059,28 »
Postwesen.
Die im 16. und am Anfang des folgenden Jahrhunderts erlas=
sencn Bestimmungen über den Postverkehr betrafen nur die Bc=
Förderung der amtlichen Sendungen der Schwedisch=Finnischen
Regierung. Von den für den eigenen Bedarf der letzteren gcgrün =
detcn Posten konnten Privatpersonen wenigstens «620- — 26 die
zwischen Stockholm und Hamburg benutzen. Eine allgemeine Post
wurde erst 1636 eingerichtet, und ihre Tätigkeit wurde 1638 auf
Finnland ausgedehnt. — Wai die Beförderung der Post::endungen
betrifft, so wurde schon in dem Postmeisterstatut von 1686 darauf
hingewiesen, dass diese Tätigkeit als Monopol des Staate-, dnzu =
sehen sei, und 1705 wurde es Privatpersonen verboten Briefe zu
sammeln und zu vermitteln. Im J. 1874 wurde dies Verbot in Finn =
land auch auf Pakete und andere Postscndung''n überhaupt ausge=
dehnt, aber durch die Verordnung von 1877 ist es Privatpersonen
nur verboten gegen Bezahlung und regelmässig Briefe, Postkarten
und Diucksachcn zu vermitteln, doch hat die Postbchörde die Be=
fugnis dies in gewissen Fällen zu gestatten. Derartige private
Stadtposten gab es in der 3weiten Hälfte des verflossenen
Jahrhunderts z. B. in Tammerfors (Tampere) und Helsingfors (HeU
sinki), in welch letzterer Stadt sie erst 1891 aufgehoben wurde. —
Durch das Po.tmanifcst von 1890 wurde die höchste Leitung des fin=
nischcn Postwesens dem russischen Ministerium des Innern unter=
stellt. Die Revolution und die Proklamation Finnlands als selbstän =
diger Staat haben die oberste Leitung der Postangelegenheiten wieder
in unsere Hände gegeben. — Bei der Organisation des selbstän=
digen finnischen Postbctriebes nach dem ). 1809 wurden zum
grossen Teil früher geltende, aus der schwedischen Zeit stammende
Bestimmungen in geeigneten Fällen wieder in Anwendung gebracht.
Bedeutendere zcitgcmässc Verbesserungen und Fortschritte auf dem
Gebiete der Post stammen, wie in den meisten anderen Ländern,
grösstenteils aus den letzten Jahrzehnten des vergangenen jahr=
hunderts.
Die finanziellen Ergebnisse des finnischen Postwesens (in Fmk):
G,
ewinn ( + )
Uhr
Einnahmen
Ausgaben
od.
Verlust (-)
1812
40,072
75,525
—
35,453
1840
239,705
192,628
'T
47,077
1886
1,084,077
1,086,419
—
2,341
1896
2,395,302
2,008,829
+
384,472
1912
7,918,478
6,705,955
+
1,212,523
Im J. 1646 begann man die Post zu Pferd zu befördern, und
erst um die Mitte des 18. Jahrhunderts wurden Fuhrwerke allge=
meiner in Gebrauch genommen, bis die reitende Post allmählich
abgeschafft wurde, in dem Masse, wie neue Landstrassen gebaut
und alte ausgebessert wurden. Die Postbeförderung zu Pferd
wurde 1817 ausdrücklich aufgehoben. — Die Beförderung der Post
wurde von Anfang an besonderen Postbauern überlassen, wo
aber der Post keine eigenen Güter zur Verfügung standen, wurde
die Beförderung verpachtet (noch in den achtziger Jahren des 17.
Jahrhunderts). Im J. 1816 und 1819 wurde bestimmt, dass die
Post zwischen Äbo (Turku) und Petersburg auch weiterhin an der
Küste entlang mit Relaispferden befördert werden sollte, anderswo
dagegen wie bisher durch die Postbauern. Da der grösste Teil der
Postgüter 1845 aufgehoben wurde und man begann die Post allge=
mein mit Relaispfcrden zu befördern, fuhren die Postillone mit
denselben bis zum Ende der achtziger Jahre des 19. Jahrhunderts,
von wo an die Postbeförderung an Unternehmer vergeben wurde. —
Regelmässiger Postverkehr wurde in Finnland um das Jahr 1640
und später auf folgenden Verkehrslinien eingerichtet: Stockholm —
Aland — Äbo — Helsingfors — Borga (Porvoo) — Wiborg ( Viipuri) —
Kexholm (Käkisalmi) — Nyen (das heutige Petersburg) — Narwa;
Äbo — Tavastehus (Hämeenlinna) — Wiborg; Borga und Helsingfors
— Tavastehus; Äbo — Nystad fUusikaupunki) — Raumo (Rauma) —
Björneborg (Pori) — Wasa — Uleäborg (Oulu) — Torneä (Tornio) —
Schweden und später W.boig — Nyslott (Savonlinna) — Kuopio — Kaa _
jana(Kajaani) — Uleäborg. Mit der Zeit wurde das Postnetz erweitert,
aber erst spät entwickelte sich der Postverkehr. So wurde z. B. auf
den meisten Linien am Anfang des vorigen Jahrhunderts nur eine
Tour in derWoche gemacht und noch in den fünfziger Jahren nur zwei.
Mit Kreispost wurde schon im 18. Jahrhundert die
Verpflichtung der Bevölkerung bezeichnet, die amtlichen Sen=
düngen der auf dem Lande wohnenden Beamten zu vcrmit=
teln. Mit der Zeit konnten auch andere davon Gebrauch machen.
Im |. 1848 wurde ihre Tätigkeit erweitert, aber allmählich wurde
dieses vom Staate in gewissem Masse unterstützte Vcrmittlungs=
System zu einer wirklichen Last, und als auch mit entlegneren
Gegenden auf dem Lande Postverbindungen entstanden, verloren
diese Posten ihre Bedeutung und wurden allmählich in den achtzi=
ger Jahren des 19. Jahrhunderts aufgehoben. — Sog. schwere
Post für Pakete wurde noch in den sechziger Jahren des 19. Jahr=
hunderts auf der Küstcnstrassc zwischen Helsingfors und Pe=
tersburg befördert. Extraposten wurden nur auf Befehl des
Senats, des Generalgouverneurs und der Oberpostbchörde benutzt.
Eilposten (Stafetten) konnten schon im 18. Jahrhundert auf
Ersuchen von Privatpersonen entsendet werden, und dazu wurden
immer Relaispfcrde benutzt. Heutzutage kann man sie von den
Postämtern aus an Orte senden, mit denen eine regelmässige Post=
Verbindung besteht, aber auch dieses Vermittlungssystem hat alle
Bedeutung verloren.
Die Landbriefträger. Sehr unbequem waren die
Postverhältnisse überall auf dem Lande noch um die Mitte
des vorigen Jahrhunderts, in vielen Gegenden auch später noch,
bis bedeutende Verbesserungen in dieser Hinsicht ins Werk
gesetzt wurden, indem auch auf dem Lande Briefträger ange=
stellt wurden, die auf vorgeschriebenen Linien und zu bestimmten
Zeiten den Briefwechsel des Publikums bedienten, in Finnland
sind Landbriefträger seit 1890 tätig, auf einigen Linien zu Fuss,
auf anderen aber wurden Fuhrwerke benutzt (in letztcrem Falle
fungierten die Briefträger zugleich als wirkliche Postillonc). Auf
ihren Gängen nehmen sie in Empfang und verteilen sie gewöhn»
liehe Briefsendungen und Pakete sowie auch, auf eigene Gefahr des
Absenders oder Empfängers, eingeschriebene und Wertsendun =
gen (höchstens zu einem Werte von 500 Fmk), verkaufen Brief=
marken und vermitteln Zeitungsbcstellungcn.
Über das Meer wurde Postverkehr gleich nach dem Jahre
«638 zwischen Porkkala und Reval und auf der Linie Stockholm —
Aland — Äbo (Turku) eingerichtet. Auf der letzteren, zu deren Durch=
gangspunkten Eckerö und Grisslehamn bestimmt wurden, wurde die
Post 1643 einmal und 1 705 zweimal in der Woche, anfangs überhaupt
nur im Sommer (in den anderen Jahreszeiten über Torneä) befördert.
256
Diese Linie arbeitete schon im 18. Jahrhundert ziemlich regelmässig.
Am Anfang der siebziger Jahre des 19. Jahrhunderts wurde dieser
Postverkehr für die Jahreszeit unterbrochen, in der für den Zweck
Dampfschiffe benutzt werden konnten. Die ausserordentlich anstrcn=
gcnde und gefährliche Winterpostbeförderung durch die Postbauern
auf der genannten Strecke wurde sofort aufgehoben, nachdem eine
regelmässige Schiffahrt auch im Winter eingerichtet war, in den
Äboer Schären und auf Aland 1910. — Mit den Dampfern begann
man gewöhnliche Briefe und Zeitungen 1839 auf den Linien Helsing=
fors — Reval und Abo — Stockholm zu vermitteln, innerhalb der
Grenzen Finnlands auch Pakete. Die ersten Versuche, den Post=
verkehr übers Meer zur Winterzeit zu unterhalten, wurden zwischen
Hangö (Hanko) und Stockholm in den siebziger Jahren des 19.
Jahrhunderts gemacht, später auf der Linie Äbo — Stockholm,
auf welcher regelmässiger Postverkehr das Jahr hindurch unter=
halten worden ist. Schiffspostämter haben die verschiedenen Län=
der sowohl auf den den überseeischen Verkehr vermittelnden als
auf den das eigne Gebiet bcfahrendcn Dampfern eingerichtet.
Mit der Eisen bahn wurde die Post zum erstenmal 1862
auf der Bahnstrecke Helsingfors — Tavastchus befördert, zunächst
nur in einer für den Zweck besonders eingerichteten Abteilung
eines Passagierwagens, später (1870) zwischen Helsingfors und
Petersburg in einem besonderen Postwagen, und heute werden alle
Bahnstrecken für den Postverkehr benutzt. Anfangs transportierte
die Bahn nur verschlossene Säcke und Taschen, später wurden auf
derselben dann auch lose Sendungen behandelt. In unmittelbarem
Postaustausch sowohl mit Russland als dem Auslände standen (bis
zum Kriege) die Postwagen der Strecke Helsingfors — Petersburg.
Folgende Tabelle stellt die Entwicklung des Postverkehrs in
Finnland dar :
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1900
1913
Landposten , '^Jf^^
brieitrager
Eisenbalin=
Posten
Seeposten
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6,06
817
8,93«
33,891
0,041
«,3
6,3
1,870
2,767
3,822
2,1
4,3
6,4
5,600
10,400
12,057
0,9
2,6
2,9
Der Postverkehr Finnlands erhellt aus folgender Tabelle
(Übersicht) :
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Touristenwesen.
Um die touristischen Verhältnisse in Finnland zu ordnen und
ein grösseres Interesse für die Touristik zu wecken, wurde am 24.
März 1 887 der Finnische Touristen verein gegründet,
dessen Zweck es nach seinen Statuten ist, die Kenntnis der Natur
und der Bevölkerung des Landes zu erweitern. Der Verein sah es
während der ersten Zeit seiner Tätigkeit als seine nächste Aufgabe
an, einen möglichst vollständigen und zuverlässigen Reiseführer und
eine sich daran anschliessende Sammlung von Karten für Touristen
auszuarbeiten. In den ersten Jahren wurden diesem Programm
gemäss vier Hefte »Reisepläne» nebst Beschreibungen einiger Ort»
Schäften und Reiserouten veröffentlicht, woneben man begann Karten
von den die Reisenden besonders anziehenden Gegenden herauszuge=
ben. Im J. 1895 erschien Dr. A. Ramsays das ganze Land umfas=
sender vollständiger Reiseführer in finnischer und schwedischer
Sprache (eine neue verbesserte Auflage 1905). Als Auszug daraus
erschien ein verkürztes deutsches Reisehandbuch 1896 (neue Auf=
lagen 1906 und 1912). Die erste vollständigere, die Reiserouten
und Stadtpläne enthaltende Kartensammlung erschien 1894; da=
nach hat der Touristenverein, indem er jedesmal das Gebiet der in
der Sammlung enthaltenen Karten erweiterte, in den Jahren 1897
und 1902 neue Auflagen und endlich im Jahre 1909 eine Karten»
Sammlung von 52 Karten mit einer topographischen öbcrsicht
des ganzen Landes herausgegeben. Mehrere Schriften in deutscher
englischer und französischer Sprache, in denen die bemerkenswer=
testen Sehenswürdigkeiten unseres Landes beschrieben und prak=
tische Ratschläge für Reiserouten nach Finnland und für Reisen im
Lande gegeben werden, hat der Touristenverein veröffentlicht und
grösstenteils unentgeltlich durch Reisebureaus an Schiffe, die
Verkehr mit ausländischen Häfen unterhalten, und Ausstellungen,
die finnische Abteilungen hatten, verteilen lassen. Im Jahre 1891
begann die jährliche Herausgabe des »Touristen, Fahrpläne und
Schiffstouren», nebst einem sich daran anschliessenden Heftchen
mit Zusätzen. Je nach Bedarf ist die Zchl der Hefte vergrösscrt
worden, und von 1898 an sind deren jährlich 6, ja sogar 7 Stück
erschienen. Der Touristenvercin hat ferner ein Jahrbuch veröf=
fentlicht, das Aufsätze über touristisch interessante Fragen enthaU
ten hat. Vom Beginn des Jahres 1912 hat er angefangen an Stelle
des Jahrbuches die Zeitschrift »Matkailulchti'>, »Turisttidskrift»
herauszugeben.— Nächst den Schriften hat es sich der Touristen =
verein angelegen sein lassen wenigstens einige den europäischen
Anforderungen genügende Reiserouten in unserem Lande zustande
zu bringen. Zuvörderst vjfurden TVlassregeln ergriffen, um die Ver=
hältnisse auf der Linie Saima — Kuopio — Kajana (Kajaani) — Ulea=
borg (Oulu) zu verbessern. Der Touristenverein hat seit dem
Sommer 1895 einen regelmässigen Diligenccverkehr zwischen lisalmi
und Kajana unterhalten. Nachdem die Eisenbahn nach Kajana fertig
geworden war, hat die betreffende Verkehrslinie sehr an Bedeutung
gewonnen, und gegenwärtig besorgen die Stromschnellen» und
Motorboote des Touristenvereins während des Sommers eine täg=
liehe Verbindung zwischen Vaala und Muhos. — Auch in anderen
Teilen des Landes hat der Touristenverein versucht die Touristen»
Verhältnisse zu verbessern durch Aufführung von Unterkunfts=
häusern (in der Nähe von Raseborg, auf dem Koli bei Pielisjärvi
usw.) und durch Unterhaltung derselben oder Beihilfen während
einiger Sommer sowie durch den Bau von Aussichtstürmen auf
die Umgegend überragenden Hügeln. Unter den letzteren sind
der auf dem Puijo in Kuopio und der auf der Anhöhe Papula bei
Wiborg die bemerkenswertesten.
Das Bedürfnis nach einem für die Dauer eingerichteten Bureau
und einer den Reisenden Ratschläge und Auskunft erteilenden
Geschäftsstelle machte sich sehr bald nach der Gründung des
Touristenvereins fühlbar, und der erste Schritt dazu wurde 1896
getan, wo der Touristenverein einen besonderen Burcauvorstehcr
anstellte. Das Bureau wurde in den ersten Jahren vom 20. Mai
bis zum 6. September offen gehalten. Einige Jahre später hatte
sich der Verkehr mit dem Publikum schon dermassen gefestigt,
dass das Bureau des Touristenvereins zu einer dauernden Ein=
richtung umgestaltet werden musstc, der es oblag die Bedürfnisse
der Reisenden zu befriedigen und die praktische und schriftliche
Tätigkeit des Touristenvercins zu besorgen. Später hat der Tou=
ristenvcrcin gemeinschaftlich mit der Eisenbahnvcrwaltung und
den grössten Dampfschiffahrtsgesellschaften des Landes seit dem
Jahre 1909 das den Anforderungen der Zeit entsprechende »F i n=
nische Touristenbureau» unterhalten. Zur Belebung
der örtlichen Tätigkeit wurden Zweigvereine gegründet: in Wiborg
(Viipuri), Kuopio und Kajana (Kajaani) 1887, (der letztere wurde
260
ioo8 aufgelöst, aber 1912 neu gegründet), in Villmanstrand (Lappcen=
ranta, 1888; 1904 aufgelöst); in Tammcrfors (Tampcre, 1893); in Ny=
slott (Savonlinna), Lllcäborg (Oulu, 1910 aufgelöst), Nurmes (1905
aufgelöst) und jocnsuu (1895); in Jyväskylä (1896); in Tavastehus
(Hämeenlinna) und Kcxholm (Käkisalmi) (1904) in Piclisjärvi
(1906); in Imatra (1909), in Hangö (Hanko, 1910), in Sotkamo und
Sortavala (1911) und in Äbo (Turku, 1912). — Die Mitgliederzahl
war gleich nach der Gründung etwas über 1,800 und war bis zum
Jahre 1898 im Steigen begriffen, indem sie sich damals auf 2,363
belief. Danach begann sie abzunehmen und sank 1906 auf etwa 1,700.
Später ist sie jedoch wieder gestiegen und betrug 1912 3,998. —
Auf der Pariser Weltausstellung 1889 hatten einzelne Mitglieder
des Touristenvereins und für die Seche interessierte Personen im
Zusammenhang mit der finnischen Abteilung eine Reiseausstel=
lung angeordnet, die ausserordentlich anschlug. Desgleichen bc=
teiligte sich der Touristenverein an der Parisci Weltausstellung
im Jahre 1900, indem er im finnischen Pavillon einen Wand=
schmuck anbrachte, wofür er als Anerkennung eine goldene Mes
daille erhielt. Ebenso war Finnland auf die Initiative des Tou=
ristcnvercins auf der Berliner internationalen Reise= und Verkehrs=
ausstellung 1911 repräsentiert. — Der Touristenvercin hat bis zu
einem gewissen Masse pekuniäre Unterstützung aus öffentlichen
Mitteln genossen, teils in der Form einer vom Landtag bewilligten
Unterstützung, teils aus der Staatskasse. Die Angelegenheiten des
Touristenvereins verwaltet der Zentralvorstand in Helsingfors, die
örtlichen Zweigvereine haben auch jeder seinen eigenen Vorstand.
Finnland als Touristenland.
Der internationale Touristenverkehr hat Finnland früher in
sehr geringem Masse berührt. Die Hauptursache dazu leuchtet
ganz natürlich ein. Waren doch, solange Finnland an Russland gc=
bunden war, allerhand Beschwerlichkeiten mit den Reisen ver=
knüpft. Allerdings reisten die eigenen Landsleute ziemlich un=
gehindert im Lande umher, aber die russische Herrschaft mit
ihrem Gendarmeriesystem und ihren Passungelegenheiten hinderte
und schreckte ausländische Touristen in hohem Grade ab herüber=
zukommen.
261
Finnland liegt ja geographisch etwas abseits von den allgemeinen
Verkehrsstrassen, jedoch bedeutend weniger, als sich mancher vor=
stellt; von Stockholm nach Abo ( Furku) erfordert die Dampferfahrt
nicht mehr Zeit als eine Eisenbahnreise von Stockholm nach Trällc=
borg. Und von Lübeck oder Stettin nach den südfinnischen Häfen
nimmt eine Reise mit den bequemen Ostseedampfern nicht viel
mehr als 30 Stunden in Anspruch. Bei direkter Bahnverbindung
über Riga — -Reval wird wohl die Reise von Berlin nach Helsingfors
(Helsinki) allmählich in vierundzwanzig Stunden gemacht werden
können.
Es ist klar, dass es überall, besonders aber in Ländern, die in
den Wirbel des Krieges gezogen waren und wo der Volkshaushalt
etwas erschüttert worden ist, ziemlich lange, wenigstens einige Jahre
dauern wird, bis sich die Verhältnisse soweit geordnet haben, dass
wieder ein wirklicher Touristenverkehr in Gang kommen kann.
Man kann jedoch ganz gewiss mit einer allmählich wieder crwa=
chcnden und ständig zunehmenden Reiselust rechnen, denn was wäre
natürlicher, als dass die Unruhe und Spannung der Kriegszeit,
wenn einmal wieder Ruhe eingetreten ist, mit einer gesteigerten
Reiselust, also mit Touristenverkehr reagiert. Es gilt auch für die
Touristen vereine für kommende Zeiten zu arbeiten.
Deshalb lohnt es sich vielleicht auch die Aussichten Finnlands
als Touristenland zur Sprache zu bringen. Denn jetzt eröffnen
sich neue Vorau:;sctzungen auch auf dem Gebiete der Touristik,
seitdem das Land von seiner drückenden russischen Frcmdhcrr=
Schaft befreit ist.
Südfinnland ist seiner Bodengestaltung nach flöch und seinem
Charakter nach lieblich. Es sind Schärengegenden, Küstenstrecken
mit meist guter Bodenkultur und mit reichlicher Besiedelung. Nach
Osten und Korden steigt das Gelände an und wird wilder, der
Anbau spärlicher. Liegt doch das, was Finnland besonders von
mächtiger und imponierender Wildnis und urwüchsiger Natur bc=
sitzt, die lappländischen Alpen und Flüsse, die endlosen Wald =
strecken von Kardien und Savolax, das gewaltige Schären=Binnep.=
meer Saima, der weltberühmte, mächtige Wasserfall Imatra
usw., ziemlich entfernt von der Hauptstadt des Landes und den
Städten im südwestlichen Finnland. Der Fremdenverkehr aber,
und zwar besonders der internationale, hat ja gezeigt, dass er nicht
vor Entfernungen zurückschreckt — und hier handelt es sich nur
262
um eiac Reise von zehn bis zwölf Stunden von Hcisingfors — wenn
nur die Verkehrsmittel gut sind, übrigens braucht man aber nicht
notwendig nach Ostfinniand zu reisen, um Finnland kennen zu
lernen. Auch Südfinnland hat eine schöne und stilvolle Natur,
und vor allem liegen hier die ältesten und reichsten Kulturgcgenden
mit stolzen und ehrwürdigen Traditionen.
Bereits die Reise von Äbo nach Helsingfors bietet mancherlei
von Interesse. Nach der alten Akademiestadt mit ihren vielen
und schönen Andenken seit der heidnischwilden Vorzeit, reizend
gelegen am Ausfluss der Aura in die Airisto=(Ersta=)Föhrde gelangt
man zur See von Helsingfors mit bequem eingerichteten Küsten=
dampfern, eine herrliche Fahrt an der Küste entlang durch die ny=
ländischen Schären, an den Städten Ekenäs (Tammisaari) und Hangö
(Hanko) vorbei und von da weiter durch die noch zahlreicheren
Schären von Äbo. Dies ist eine der schönsten Wasserstrassen
Südfinnlands. Die Reise erfordert einen Tag, gibt aber ein sehr
übersichtliches Bild von der südfinnischen Schärennatur, von
den reichen alten Herrenhöfen im Winkel der Buchten bis zu
den überaus typischen einfachen, aber freundlichen nyländischen
Fischersiedelungen in den äussersten Schären. Auch die fünfstün=
dige Bahnstrecke von Äbo nach Hcisingfors gewährt einen gcwis=
sen Einblick in die südfinnische Bodenkultur und Natur.
Die schönsten Gegenden liegen also in Ostfinnland. Dort
haben wir Wiborg (Viipuri), den alten festen Schutz Finnlands
gegen Osten, ferner den Saimasee und den Saimakanal, eine
6 bis 7 Meilen lange, künstliche Wasserstrasse mit 28 Schleusen
zwischen den grossen Binnengewässern und dem Finnischen
Meerbusen, die wunderbare Landzunge Punkaharju, die
Olafsburg in Nyslott (Savonlinna) usw. Die Strecke von Helsing=
fors nach Wiborg legt der Schnellzug in sieben Stunden zurück.
Die Dampferfahrt dauert mehr als einen Tag und bietet nichts
besonders Interessantes ausser einigen kleinen Küstenstädten, Lo=
Visa, Kotka, Fredrikshamn (Hamina), welche auf dem Wege an=
gelaufen werden. Der Saimakanal wird mit bequemen Kanal=
dampfern befahren. Die Reise geht dann über den Saimasee,
dieses mehrere Dutzend Meilen weite Seensystem mit seiner
seltsamen Einödestimmung, nach Nyslott. Im südlichen Saima,
wird die Station Vuokscnniska angelaufen, von wo es nur we=
nige Kilometer nach dem mächtigen Wasserfall 1 m a t r a sind,
263
der die gewaltigen Wassermassen des Saimas in den Ladogasee
führt. Am nördlichen Saima haben wir also ausser Nlyslott mit
der herrlichen Olafsburg, einer Feste aus dem 15. Jahrhundert,
Punkaharju, eine eigentümliche, mehrere Meilen lange, oft aber
nur einige hundert Meter breite Hügclbildung, mit Seen zu beiden
Seiten. Von Nyslott kann man die Reise über wunderbare Seen=
ketten weiter nach Norden ins Innere der Landschaft Savolax,
nach der Stadt Kuopio fortsetzen. Von dem mächtigen Berge
Puijo bei dieser Stadt eröffnet sich eine bezaubernde Aussicht
über weite Gewässer und mit frischem Grün bekleidete Inseln.
Von Nyslott gehen auch Dampfer in nordöstlicher Richtung, nach
Kardien, an der Stadt Joensuu vorbei, weiter den Fluss Pielisjoki
und dessen Kanäle hinauf zu dem grossen See Pielisjärvi. Am
westlichen Ufer dieses Sees erhebt sich der mächtige Berg Koli=
vaara, der eine der gewaltigsten Aussichten bietet.
Die Verbindungen sind hier ausgezeichnet, die Dampfboote
erstklassig, und die Hotels in Wiborg, Nyslott, auf dem Punka=
harju und bei dem Imatra werden hohen Ansprüchen gerecht.
Wer keine Zeit und Gelegenheit hat seine Finnland = Fahrt
bis zu den östlichen Gegenden des Landes, wie gesagt, 7 bis 10
Stunden von Helsingfors, auszudehnen, dem bietet sich auch
die Möglichkeit die Natur des finnischen Binnenlandes und der
Binnenseen nicht allzu weit von der Küste kennen zu lernen.
Die Eisenbahnreise von Helsingfors nach Tavastehus (Hämcen=
linna) erfordert nur ein paar Stunden, von hier führt eine schöne
Dampferverbindung über die von den Dichtern J. L. Runeberg
und Z. Topclius besungenen tavastländi:;chcn Seen nach K a n =
gasala. Die Natur ist hier freilich nicht so mächtig und wild
wie im östlichen Finnland, die Linien sind nicht so kühn, die Hügel
nicht so hoch, die Kultur aber hat dafür bedeutend tiefer geschürft.
Auf der Landschaft ruht jedoch die idyllische finnische Binncn=
iandsstimmung, obwohl mit einer farbenfroheren Nuance. Das
Kirchspiel Kangasala ist berühmt wegen seiner Hügel und Seen.
Die Verbindungen sind gut, desgleichen die Touristenhotels in
Kangasala. Von Kangasala oder von der ganz in der Nähe gele=
genen Stadt Tammcrfors (Tampere), Finnlands "Manchester»,
dauert die Eisenbahnreisc nach Helsingfors nur vier bis fünf
Stunden. Die ganze Strecke Helsingfors — Kangasala — HeU
singfors kann somit leicht in zwei Tagen, ja sogar in einem Tage
264
i'unkahaiju.
Das Haus Pohjola in Helsingfo
zurückgelegt werden, und dann hat der Reisende jedenfalls einen
recht guten EinbMck in die Natur und Kultur des finnischen Bin=
ncnlandes gewonnen. Ungefähr 4 bis 5 Stunden mit der Bahn von
Hclsingfors findet er in dem Flusse Kymijoki die Mankala =
Stromschnellen, welche für den, der keine Zeit hat weiter
nach Norden zu reisen, eine wertvolle Sehenswürdigkeit bieten.
Die hier erwähnten Linien sowohl im westlichen als auch im
östlichen Finnland sind von altersher für den Touristenverkehr gut
entwickelt. Die Verkehrsmittel sind auch im nördlichen Finnland
gut, die Dampfboote auf den nördlichen Gewässern nicht schlecht,
aber der Fremdenverkehr ist hier bedeutend geringer gewesen,
die Hotels und Posthaltereien sind also nicht immer empfeh=
lenswert. Wird aber, wie man mit Sicherheit hoffen darf, der Vcr=
kehr nach Lappland mehr ausgestaltet — und der Touristenverein
in Finnland hat für diesen Zweck energisch gearbeitet, da hier
wie in Schweden das hochnordische Interesse immer lebhafter ge=
worden ist — so werden den Touristen ganz gewiss nach einigen Jah =
ren zeitgemässe Verkehrsmittel auch im hohen Norden zu Gebote
stehen. Bereits vor dem Kriege waren die mit leichten Flussbooten
gemachten Stromschnellcnfahrten von der Stadt Kajana
(Kajaani) den Oulu joki hinab nach Uleäborg (Oulu), welche in
ihrer Art einen einzigen Gcnuss gewähren, und der Verkehr mit
dem Lande der Mitternachtsonne recht beliebt. Derselbe wird
sicher auch nach dem Kriege lebhaft werden. Von altersher ist der
etwa 7 Meilen nördlich der Stadt Torneä (Tornio) liegende Berg
Aavasaksa, der alljährlich zu )ohannis der Mitternachtsonnc
wegen von zahlreichen Touristen besucht wurde, berühmt. Seitdem
die Bahnlinie Kcmi — Rovaniemi gebaut ist, hat der in der Näh^
von Rovaniemi befindliche Berg Ounasvaara Bewunderer
der Mitternachtsonne herbeizuziehen begonnen.
Die frische Natur Finnlands im Winter ist auch geeignet Touri=
sten anzulocken, wenn nur erst etwas für die Belebung des Wiiitcr=
Sportes gesorgt ist. Vor dem Kriege waren bereits bescheidene
Anfänge in dieser Hinsicht zu konstatieren.
Es ist zu hoffen, dass Finnland alle Aussicht hat zu einem vier=
tcn Touristenland im Norden zu werden, allerdings nicht mit so
starkem Verkehr wie das übrige Skandinavien. Finnland hat aber
jedenfalls eine ganz eigenartige Natur und Kultur aufzuweisen,
welche sich schon in den südlichen und westlichen Landesteilen von
265
der angrenzenden schwedischen durch einen typischen, vielleicht
etwas ernster gestimmten und schwereren finnischen Einschlag
unterscheidet. Finnland hat gute und zeitgemässe Verkehrsmittel
auf weiten Strecken zwischen den besuchtesten Touristenplätzen.
Der Touristenverein des Landes arbeitet energisch und ziclbcs
wusst an einem weiteren Ausbau der einschlägigen Verhältnisse.
Handel.
Aussenhandel.
I. Vor dem Krieg.
Der Aussenhandel war in der heidnischen Zeit teils südostwärts
nach Russland und über Russland noch weiter, teils nach Südwesten,
über Gottland nach den üstseelandern, gerichtet. Die Finnen führten
ihre Erzeugnisse nicht selber ins Ausland aus, sondern die Vermitt=
lerrollc spielten die Handelsvölker Russlands und Gottlands. Die
wichtigsten aus Finnland ausgeführten Handelsartikel bildeten die
Pelzwaren. Aus mehreren Handelsplätzen jener Zeit entstanden in
der Folgezeit Städte. Während der schwedischen Herrschaft rich =
tete sich der Handel immer mehr nach Westen, obwohl in Ost= und
Tvlordfinnland die alten Handelsbeziehungen zu Russland noch
lange bestenden (der Handel der Stadt Wiborg (Viipuri) nach
T\Iowgorod und der Handel der Gegend von Uleäborg (Oulu) nach
den Eismeergegenden). Der finnische Aussenhandel geriet zum
grössten Teil in die Hände der Hanseaten (Lübeck, Reval). Mit der
Verbesserung der Verkehrsmittel und dem Fortschreiten der Be=
Siedlung wurden die Handelswaren mannigfaltiger; die Pclzwaren
verloren nach und nach ihre Bedeutung im \'erglcich zur Ausfuhr
von Lebensmitteln. Als Einfuhrwaren erschienen Eisen, Salz, Tuche,
Getränke u. a. Von den Handelsplätzen, die sich zu Städten umgc=
bildet hatten, waren Wiborg (Viipuri), Äbo (Turku), Borgä (Porvoo),
Ulfsby (Ulvila), Räume (Rauma) die wichtigsten. Zu Beginn der
Neuzeit brach die Regierung des Gustav Wasa die Macht der Han=
seaten, eröffnete den Holländern den Weg in die Ostsee und legte zu-
gleich den Grund zur aktiven Seefahrt und zum Handel der cinhei=
mischen Städte. Von der Staatsgewalt unterstützt und bevormundet
266
^ing die Entwicklung des Aussenhandels in der eingeschlagenen
Richtung fort. Der Aussenhandel wurde in einigen wenigen Städten
(den Stapclstädten) konzentriert, welche dann mit den Grossstädten
des Auslands besser sollten wetteifern können. Stapelstädtc waren
in Finnland Wiborg (nechdem dies an Russland übergegangen war),
Fredrikshamn (Hamina), Lovisa, Helsingfors (Helsinki) und Äbo
(Turku). Das Küstenland des Bottnischen Meerbusens blieb ohne
vollberechtigte Stapelstadt; ein begrenztes Stapelrecht hatten die
Städte Björneborg (Fori), Raumo (Räuma) und Nystad (Uusikau=
punki). Die Landschaft Osterbotten (Pohjanmaa), wo die ersten
Städte zu Anfang des 17. Jahrhunderts gegründet wurden, war
gezwungen, ihren ganzen Aussenhandel auf Stockholm zu kon=
zentrieren, da sie nur Provinzialstädte hatte.
Zu jener Zeit nahmen den hervorragendsten Platz unter den
Ausfuhrwaren die Erzeugnisse des Waldes, zuerst Teer, dann Holz=
waren ein. Die Ausfuhr von Pelzwaren verlor ihre frühere Bedeutung
ganz, und die Ausfuhr von Lebensmitteln bestrebte sich die Regie=
rung vornehmlich nach Stockholm zu richten. Die wichtigsten Ein=
fuhrwaren waren fortwährend Sab und Eisen, und daneben Stoffe und
Getränke; neu war der Tabak, dessen wachsende Einfuhr und dessen
Verbrauch von steigendem Wohlstand zeugten. Nach den wirtschaft=
liehen Grundsätzen der Zeit war man überhaupt bemüht die Einfuhr
auf ein Mindestmass einzuschränken und die Ausfuhr möglichst zu
erhöhen. Von den ausländischen Kundenkreisen der Stapelstädte be=
fanden sich die wichtigsten in den um die Nordsee herumliegenden
Ländern. Dem finnischen Handel und der finnischen Schiffahrt war
die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts im allgemeinen sehr günstig.
Die Aufhebung des Stapelrechts erweiterte das Handelsgebiet der
Küstenstädte des Bottnischen Meerbusens. Die Trennung Finnlands
von Schweden und seine Vereinigung mit Russland zwangen alte
Handelsbeziehungen abzubrechen und neue anzuknüpfen. Erst
mit der in der ersteren Hälfte des 19. Jahrhunderts beginnenden
Modernisierung und mit dem ungeahnten Aufschwung des wirt=
schaftlichen Lebens in Finnland sowie mit der sich daran an=
schliessenden neuen freieren wirtschaftlichen Gesetzgebung trat auch
für den auswärtigen Handel Finnlands eine neue Epoche ein. Der
ausländische Umsatz, welcher im J. 1856 53,5 Mill., 1863 107,4
Mill., 1870 110,8 Mill. Fmk betrug, stieg im J. 1880 auf 261, 9 Mill.,
1900 468,4 Mill., 1910 672,2 und im J. 1913 auf 897,2 Mill. Fmk.
Von dem auswärtigen Umsatz des Jahres 1856 entfielen auf 1 Be=
267
wohncr ca. 52, 1863 ca. 60, 1870 ca. 63, 1880 ca. 127, 1900 ca. 175,
1910 ca. 216 und im ). 1913 ca. 378 Fmk. Der Wert des Umsatzes
ist somit auch im Vergleich zur Einwohnerzahl sehr schnell ange=
wachsen. — Die ausländische Handelsbilanz Finnlands ist in den
letzten Jahren regelmässig passiv gewesen; in den Jahren 1856 — 60
kam auf die Einfuhr durchschnittlich 69,7%, 1866 — 70 60,5%,
1876 — 80 56,9%, 1886 — 90 57,3%, 1896 — 1900 56,0%, 1906 — 10
57,4%, 1912 58,2 %, im J. 1915 55,2 % vom ganzen ausländischen
Umsatz.
Seit 1007 übersteigt die Einfuhr die Ausfuhr in vielen Jahren
um mehr als 100 Mill. Fmk. Die Grösse der Einfuhr erklärt
sich dadjrch, dass die Einfuhr auch in der Handelsbilanz Finn=
lands relativ zu klein ansegeben wird im Verhältnis zur Ausfuhr
(bei der Ausfuhr fob=, bei der Einfuhr cif = Werte). Dazu ist
noch zu berücksichtigen, dass in Finnland vor dem Kriege eine
zahlreiche russische Zivil= und Nlilitärbovölkcrung wohnte, deren
Konsum, auch wenn mit russischem Geld bezahlt, in der finni=
sehen Einfuhr auftrat. Als auf die Zahlungsbilanz wirkende
Faktoren sind ferner anzuführen: vom russischen Militär im
Privatve; brauch verausgabtes Geld, Einkünfte aus westeuropäi=
schem Touristenverkehr sowie die von finnischen Schiflen im
ausländisch n Verkehr verdienten Frachten.
In einem Vortrage im Volkswirtschaftlichen Verein im Scp=
tembcr 1919 hat Dr. 0. K. Kilpi cii.igc Berechnungen über die
Entwicklung einer »qualitativen Warcn= oder Handelsbilanz» des
finnischen Aussenhandels seit den 1890er jähren vorgelegt. Danach
wäie diese Entwicklung der Warenbilanz, für die diei grossen
volkswirtschaftlichen Warengruppen (Leb' nsmittel, Rohstoffe und
Halbfabrikate, fertige Fabrikate) getrennt berechnet, folgende gc=
wesen :
268
Durchschnitts
lieh in den
lahren
Mehreinfuhr (+) oder Mehrausfuhr ( — )
Lebenss und Ge=
nussmittel
Rohstoffe und
Halbfabrikate
Fabrikate
Absolut in Mill. Fmk
1890/95
1896/1901
1902/07
1908/13
1890/95
1896/1901
1902/07
1908/13
+ 42,4
+ 60,6
+ 82,0
+ 121,4.
— 32,9
— 53,9
— 67,9
— 71,0
0/ 0/
'0 '0
des gesamten Le= des gesamten Roh=
bensmittelumsatzes stoff= u.a. Umsatzes
+ 48,1
+ 49,2
+ 51,2
+ 56,3
— 31,0
— 30,5
— 28,4
— 21,2
+ 18,7
+ 40,2
+ 37,7
+ 63,3
/o
des gesamten Fabri=
katumsatzes
+ 3«, 4
+ 39,5
+ 30,1
+ 35,7
Graphisch lässt sich die betreffende prozentuale Entwicklung
folgendcrmassen darstellen:
Lebens= und Genuss= Rohstoffs und Halb=
mittel fabrikate
Fabrikate
1«90- 1896- 190? 1908-
1895 1901 1007 1913
1890- 1896- 1902- 1908-
1895 1901 1907 1913
269
Hiernach l-önnte also eine zunehmende Abhängigkeit des Lan =
des inbczug auf die Lebensmittel vor dem Kriege fistgesti llt
v^cerdcn. Die relative Mchreinfuhr von Fabrikaten wäre im grossen
ganzen unverändert geb'ieben, während die Ausfuhr von Rohstoffen
und Halbfabrikaten veihältnismäsbig eine Abnahme gezeigt hätte.*)
In der folgenden Tabelle sind die wichtigsten Einfuhrwaren^
gruppen {und einige Untergruppen) sowie deren Einfuhrwerte (in
Mill. Fmk) während der erwähnten )ahre aufgeführt.
Getreide und Mehl
Roggenmchi
\X eizenmehl
Roggen
Kolonialwaren
Kaffee
Zucker
Tabak
Metalle und Metallwaren
Kleiderstoffe u. dgl. und Garne. .
Maschinen
Mineralien
Steinkohle
Zement
Textilrohstoffe
Baumwolle
Wolle
Kraftfutter, Sämereien u. dgl. . .
Häute und Felle
Olc und Fette
Brennöl
Gummi, Gummiartikel, Harz u.a.
Vieherzeugnisse
Getränke
Fertige Kleider
Gesamteinfuhr
1B96 —
1900
99,0
56,3
37,7
I t,2
55,3
22,5
»9,7
7,8
37,2
36,1
33,1
29,5
13,4
5,0
27,5
16,8
5."
22,9
22,1
.7,6
6,5
«3,7
13,5
1 1 ,1
9,8
28,7
3<.2
«>,4
4«, 9
15,8
17,3
4.9
22,8
29,0
20,1
i8,t
8,9
3.7
22.3
«4.5
4,8
15,6
16,8
«3,3
5,7
9.t
9,7
6,2
7.3
367,«
49,2
i8,y
«3.5
6,2
27,8
10,7
7,6
4,6
18^3
15,0
8,6
3,8
0,8
««.5
7,0
5,5
8,8
6,5
2,6
6,9
6,«
1886—90
226,8
Die wichtigsten Ausfuhrgüter und ihre Ausfuhiwerte (in Mill.
Fmk) waren :
*) Auch bei der Beurteilung dieser Zahlen ist jedoch der Finfluss des
mit russischen Mitteln bezahlten Konsums auf die finnische Handelsbilanz
zu beachten (vgl. oben).
Holzvx'aren
Bretter
Battens
Planken
Props
Masten, Bauholz u. dgl. ....
Holzwaren (Garnrollen u.a.)
Behauene oder zum Teil ge-
sägte Holzwaren
Papierholz
Holzstoff und Papier
Viehprodukte
Butter
Milch
Käse
Häute und Felle
Textilwaren
Erzeugnisse der Maschinen= und
Metaliindustrie
Mineralien (Stein, Glas u. a.) . .
Fische
Lebendiges Vieh
Gesamtausfuhr
1915
1909
1896 —
1900
1886—90
227,3
158,2
92,5
37.2
75,7
47,9
—
—
52,7
32,1
— ■
—
29,7
16,7
—
—
16,4
11,3
—
—
9,4
4,4
—
—
8,5
4,8
—
—
7,4
6,1
—
—
5,4
2,7
—
—
7«,3
42,5
17,5
8,5
45,6
55,9
28,5
15,9
35,5
29,4
26,5
12,8
5,6
1,5
0,4
0,2
2,4
1,5
0,4
0,1
12,6
9,2
3,8
2,2
9,4
8,2
7,6
5,4
8,0
4,2
8,9
4,6
6,2
5,0
—
—
6,2
5,0
2,6
2,0
5,?
2,2
—
—
401,8
178,1
Die Ausfuhr verteilte sich, gruppiert nach den Hauptgewerben
und deren Unterabteilungen, im J. 1913, wie folgt:
Forstwirtschaft und Holzindustrie
Papierindustrie
Landwirtschaft
Industrie (ausser Papierindustrie)
Spinnerei und Weberei
Metallindustrie
Mineralien
Lederindustrie
Tabat- -idustrie
Anderes
Mill. Fmk
/o
228,9
71,6
69,5
57,0
.7,8
17,2
51,6
7,9
6,2
2,4
1,9
1,5
4.7
1 ,2
1,4
0,5
0,4
0,1
Mit Rücksicht auf die Hcrstcllungsslufe und den Gebrauchs=
zweck des Erzeugnisses verteilen sich Ein= und Ausfuhr auf fol=
gendc Gruppen (Werte in Mill. Fmk):
Rohstoffe und Halbfabrikate ....
Maschin. .Beförderungsmittel u.a.
Andere Industricerzeugnisse ....
Nahrungs= und Genussmiftel . .
Einfuhr
% der
Einfuhr
Ausfuhr
■ 58.8
52,2
91 ,0
193.4
52,«
«0,5
18,4
39,0
Zusammen 495,4
100,0
401 ,8
% der
Ausfuhr
270,7 67,4
12,0 5,0
64,7 16,1
54,4 L'5'5
100,0
Die wichtigsten Abnehmer Finnlands sind Deutschland, Russ=
land und England. Weitaus geringer als der Güteraustausch mit
diesen Ländern ist der mit Frankreich, Schweden, Dänemark, den
Niederlanden, Belgien und Spanien. Es ist zu beachten, dass un =
sere Handcisstatistik bis zum Anfang des Jahres 1918 nicht die
ursprünglichen Hcrkunfts= und die schliesslichcn Bestimmungs=
länder berücksichtigt, sondern die Erzeugnisse dem letzten Aus»
gengs= und dem ersten Bcstimmungslande nach klassifiziert.
Seit 1918 wird in der Handelsstatistik Finnlands die Einfuhr
nach dem Ankaufs=, die Ausfuhr nach dem Veikaufslandc der
NX'aie angegeb.n. Aus diesem Grunde gibt besonders unsere Einfuhr»
Statistik bis 1918 nicht unsere wirklichen Kundschaftskreise an, da
viele Waren erst durch Zwischenhände (Deutschland, England,
Dänemark u. a.) zu uns gelangen. Die Ausfuhrstatistik ist in dieser
Hinsicht richtiger, weil die Ausfuhrgüter im allgemeinen direkt
in ihre Konsumtionsländer gehen. Nach der Handelsstatistik
verteilte sich unser Aussenhandcl auf unsere Abnehmerkreise
(in Mill. Fmk), wie folgt:
Deutschland
Russland . .
England . . .
Frankreich .
Schweden . .
Dänemark . .
Niederlande
Belgien ....
Spanien ....
Norwegen . .
1915
1904
Einfuhr ! Ausfuhr ^"=
sammen
' 1 Z
Einfuhr Ausfuhr 1 „„";„„
] sammen
1
202,5 51.6 254.«
139,5 112,8 252,3
60,8 ' 108,5 «69,1
7.« . 38,5 45,6
27,5 15.5 45.0
29,4 11,5 40,7
10,4 1 21,0 31,4
8,1 «9,0 27,1
2,7 1 «2,2 : 14,9
0,6 1 1,5 1 2,1
94,6
104,9
26,8
5,5
«2.5
««,5
0,5
4.7
1.9
0,3
■ 9.6
58,3
63.9
20,7
7,5
10,0
«5,4
10,9
9,0
0,2
«■4,5
165,2
90,7
26,2
■ 9,6
21,5
■ 5,7
■ 5,6
10,9
0,5
Aus Deutschland, Russland, Schweden, und Dänemark wird
somit mehr nach Finnland eingeführt, als von Finnland nach
diesen Ländern ausgeführt wird, nach England, Frankreich, den
Niederlanden, Belgien, Spanien und Norwegen hingegen wird
mehr exportiert, als von dort importiert wird.
Die Einfuhr aus Deutschland ist am vielseitigsten; die
wichtigsten Einfuhrwaren und deren Einfuhrwerte waren im J.
1913: Getreide 49,9 Mill., Kaffee 21,6 Mill., Maschinen 15,7 Mill.,
Häute und Felle 14,1 Mill., Textilrohstoffe 13,0 Mill., Metalle und
Mctallwaren 10,9 Mill., Kleiderstoffe 9,6 Mill., Kraftfutter, Säme=
rcien u. a. 6,1 Mill., fertige Kleider t,8 Mill., Gummi und
Gummiartikel 5,0 Mill., Farben 4,7 Mill., Getränke 4,6 Mill.,
Früchte 4,1 Mill., Garn 4,1 Mill., Tabak 3,8 Mill., Instrumente 2,7
Mill., chemische Fabrikate 2,5 Mill., Ole 2,3 Mill., Galanteriewaren
2,0 Mill., Zement 1,9 Mill., Papier 1,8 Mill., Wagen 1,7 Mill., Lite=
ratur 1,2 Mill., Fahrzeuge und Schiffe 1,1 Mill. Fmk. Die Ein=
fuhrgüter aus Russland und deren Einfuhrwerte waren:
Getreide 37,8 Mill., Zucker 19,1 Mill., Kraftfutter u. a. 13,8
Mill., 01c und Fette 11,3 Mill. (Brennöl 6,5 Mill.), Metalle und
Mctallwaren 5,7 Mill., Gummi und Gummiartikel 5,2 Mill., Tex=
tilrohstoffc 3,8 Mill. (Flachs 2,7 Mill.), Tabak 3,4 Mill., Felle 2,7
Mill., Garn z,z Mill., Kleider 1,4 Mill. Fmk. Aus England:
Steinkohle 12,4 Mill., Textilrohstoffe 9,4 Mill., Metalle und Mctall=
waren 6,4 Mill., Maschinen 5,1 Mill., Kleiderstoffe 4,6 Mill., Garn
2,t Mill., chemische Fabrikate 1,9 Mill., Fahrzeuge und Schiffe
1,8 Mill., Felle 1,1 Mill., Kleider 1,0 Mill. Fmk. Aus D ä n e =
mark: Metalle und Metallwaren 3,4 Mill., Maschinen 2,5 Mill.,
Zement 2,4 Mill., Kleiderstoffe 2,2 Mill., Felle 1,4 Mill., Gummi
und Gummiartikel 1,1 Mill. Fmk. Aus Schweden: Maschinen
7,0 Mill., Metalle und Mctallwaren 5,1 Mill., Fische 2,4 Mill., Lite=
ratur 1,6 Mill. Fmk. Aus den Niederlanden: Metalle und
Metallwaren 2,6 Mill., Maschinen 1,3 Mill. Fmk. Aus Belgien:
Metalle und Mctallwaren 2,9 Mill., Felle und Leder 1,2 Mill. Fmk.
Aus Frankreich: Getränke 1,2 Mill., Salz 1,2 Mill. Fmk. Aus
Italien: Schwefel 1,6 Mill. Fmk.
Die Ausfuhr ist am grösstcn und auch am vielseitigsten nach
Russland. Die Aisfuhrartikel und ihre Werte waren: Holzstoff
und Papier 44,0 Mill., Hjlzwaren 18,4 Mill., Kleiderstoffe 6,9
Mill., Mineralien 5,9 Mill. (Granit 1,8 Mill., Glas 1,2 Mill., Kacheln
0,7 Mill. Fmk), Häute und Felle 5,7 Mill., Fische 5,6 Miil., Iebcn =
digcs Vieh 4,2 Mill., Milch 3,6 Mill., Käse 2,4 Mill., Maschinen
2,3 Mill., Fahrzeuge und Schiffe 2,2 Mill., Garn 2,2 Mill., Melalic
und Mctallwaren 2,0 Mill., Butter 2,0 Mill., Fischkonserven 1,1
Mill. Fmk. Nach England: Holzwaren 66,8 Mill., Butter 26,4
Mill., Holzstoff und Papier 14,2 Mill. Fmk. Ntch Deutsch»
I a n d: Holzvicaren 32,1 Mill., Butter 6,3 Mill., Holzstoff und Pa=
picr 5,4 Mill., Häute und Felle 3,8 Mill., Beeren 1,4 Mill. Fmk.
Tslach Frankreich: Holzwaren 36,0 Mill., Holzstoff und Papier
2,2 Mill. Fmk. Nach den Niederlanden: Holzwaren 19,0
Mill., Holzstoff und Papier 2,0 Mill. Fmk. Nzch Belgien:
Holzwaren 17,2 Mill., Holzstoff und Papier 1,7 Mill. Fmk. Nfch
Schweden: lebendiges Vieh 1,2 Mill., Zigaretten 1,3 Mill.
Fmk. Ncch Spanien: Holzwaren 11,6 Mill., Holzstoff und
Papier 0,6 Mill. Fmk. Ncch Dänemark: Häute und Felle 2,2
Mill., Holzstoff und Papier 0,8 Mill. Fmk. Ncch Ägypten:
Hclzwaren 3,7 Mill. Fmk.
Von den Städten Finnlands, welche Handel mit dem Ausland
treiben, sind die bedeutendsten: Helsingfors (Helsinki), Wiborg
(Viipuri), Hangö (Hanko), Äbo (Turku), Kotka, Wasa (Vaasa),
Uleäborg (Oulu), Björneborg (Pori), Tammerfors (Tampere),
Kemi und Gamidkarlcby (Kokkoh) (siehe Städte Finn=
lands). Das Material zur finnischen Händelsstatistik wird nicht
in der Weise gesammelt, dass aus der Statistik die Geldwerte der
Einfuhr und Ausfuhr der verschiedenen Stüdte hervorgehen, wohl
aber die Menge der Eir.fuhr= und Ausfuhrartikel.
Vom Ausland wurde im). 1913 Roggen und Gerste einge=
führt: nach Kuopio 25,3 Mill., nech Wasa 13,5 Mill., nach W boig
1 1,3 Mill., nach Helsingfors 7,1 Mill. kg; Roggen=undWeizen =
mehl: nach Wiborg 54,4 Mill., nach Helsingfors 44,9 Mill., nach
Äbo 21,4 Mill., nach Uleäborg 16,6 Mill., nach Kemi 15,0 Mill., nach
Joensuu «4,3 Mill., nach Hangö 10,9 Mill. kg; Fische: nfch Äbo
5.0 Mill., nach W borg 3,3 Mill., nach Helsingfors 1,4 Mill. kg.;
Kaffee: nach Helsingfors 2,8 Mill., nrch Wiborg 2,4 Mill., nach
Wasa 1,5 Mill., nach Äbo 1,3 Mill. kg; Zucker: nach Helsing=
fors 17,4 Mill., nach Äbo 10,7 Mill., nach Wasa 8,3 Mill., nach
Kotka 4,4 Mill., nach jakcbstad (Pietarsaari) 2,8 Mill., nach W borg
2.1 Mill. kg; Tabak: nach Helsingfors 1,2 Mill., nach Wiboig
0,8 Mill., nach Jakobstad 0,6 Mill., nach Äbo 0,4 Mill. kg; Ge =
tränke (Wein und Kognak): nach Helsingfors 2,3 Mill., nach
Äbo 0,5 Mill. kg; rohe Häute: nach Ulcäborg 1,7 Mill.,
nach Äbo 1,5 Mill., nach Helsingfors 0,8 Mill. kg; Weizen =
kicie: nach Hclsingfors 7,4 Mill., nach Wiborg 5,7 Mill., nach
Äbo 5,4 Mill., nach Ekcnäs (Tammisaari) 3,4 Mill. kg; Baum =
wolle: nach Äbo 6,9 Mill. kg; Brenn öl: nach Helsingfors
9,5 Mill., nach Äbo 3,3 Mill., nach Wiborg 2,4 Mill., nach Räume
(Rauma) 2,0 Mill., nach Sortavala 1,8 Mill. kg; Zement: nach
Helsingfors 45,7 Mill., nach W.borg 25,8 Mill., nach Äbo 14,8
Mill., nach Raumo 9,8 Mill., nach Kotka 7,9 Mill. kg; S t c i n=
kohle: nach Helsingfors 231,1 Mill., nach Äbo 1 12,0 Mill., nach
Wiborg 104,7 M'"., nach Kotka 58,0 Mill., nach Wasa 28,6 Mill.,
nach Hangö 26,1 Mill. kg; Schwefel: nach Kotka 5,5 Mill.,
nach Wiborg 2,4 Mill., nach Hclsingfors 1,2 Mill. kg; Eisen und
Eisenfabrikate: nach Helsingfors 34,2 Mill., nach Äbo
18,2 Mill., nach Kotka 14,1 Mill., nach W,boig 12,7 Mill. kg;
landwirtschaftliche Maschinen: nach Helsingfors
1,0 Mill., nach Äbo 0,9 Mill., nach W.borg 0,5 Mill., nach Wasa
0,4 Mill. kg; elektrische Maschinen: nach Helsingfors
1.4 Mill., nach Äbo 0,4 Mill. kg; andere eiserne Maschi=
n e n: nach Hclsingfors 6,7 Mill., nach Äbo 2,0 Mill., nach Wi=
boig 0,9 Mill. kg; Düngemittel: nach Äbo 9,3 Mill., nach
Helsingfors 9,2 Mill., nach W.boig 6,7 Mill., nach Wasa 5,1 Mill. kg.
Nach dem Ausland wurden ausgeführt Fleisch: aus
Hargö 0,4 Mill., aus Mariehamn 0,3 Mill., aus Wasa 0,1 Mill.,
aus Gamlakarleby 0,1 Mill. kg; Butter: aus Hangö 11,9 Mill.
kg; Fische: aus Degcrby 0,5 Mill. kg; Hafer: aus Wasa
2.5 Mill., aus Äbo 1,9 Mill., aus Kaskö (Kaskinen) 1,6 Mill.
kg; Beeren: aus Äbo 1,1 Mill., aus Wasa 0,8 Mill., aus
Helsingfors 0,5 Mill. kg; Häute und Felle: aus Äbo 1,3
Mill., aus Hangö 1 Mill., aus Hclsingfors 0,8 Mill. kg; H o I z=
kohle: aus Kemi 5,6 Mill., aus Torr.eä (Tornic) 4,3 Mill., aus
Brahestad (Raahe) 3,3 Mill. kg; Props und Papier holz:
aus Wiborg 380,000 ml, aus Ulcäborg 280,000 ml, aus Gam!a=
karkby 260,000 m', aus Jal-obstad (Pietarsaari) 240,000 ml;
Planken, Bretter und Battens: aus Wiboig 690,000
m^, aus Kotka 640,000 m^, aus Björneborg 320,000 m'', aus
Lovisa 230,000 m^; Garnrollen: aus Hangö 3,9 Mill., aus
Helsingfors 1,4 Mill., aus Kotka 1,3 Mill., aus W borg 1,1 Mill.
kg; Holzstoff: aus Kotka 62,5 Mill., aus Wiborg 20,7 Mill., aus
Hangö 18,8 Mill., aus Helsingfors 8,7 Mill. kg; Papier: aus
Hclsingfors 14,5 Mill., aus Äbo 8,9 Mill., aus Kotka 5,7 Mill.,
aus Wborg 4,0 Mill., aus Hangö 2,5 iVlill. kg; Holzpappc:
aus W.borg 11,6 Mill., aus Kotka 9,7 Mill., aus Hclsingfors 8,8
Mill., aus Äbo 6,0 Mill., aus Hangö 5,5 Mill. kg; S t e i n: aus Hangö
19,7 Mill., aus Nystad (Uusikaupunki) 10,6 Mill., aus Hclsingfors
1,2 Mill., aus Abo 0,9 Mill. kg. — Zu beachten ist, dass ein grosser
Teil der aus Russland kommenden und nach Russland gehenden
Waren mit der Eisenbahn befördert werden, wobei sie zum grössten
Teil das Petersburger Zollamt passieren und daher nicht in der Han-
delsstatistik der finnischen Städte vorkommen. — Der Reinbetrag
der Einnahmen der finnischen Zollbehörde im J. 1913 bclicf sich
auf 60,1 Mill. Fmk. Er verteilte sich auf die wichtigsten ZolU
ämtcr, wie folgt :
Auf Hclsingfors (Helsinki) •• • 21,3 Mill. Fmk
» Äbo (Turku) 0,5 ■> ')
» Wiborg (Viipuri) 7,0 » »
» Wasa (Vacsa) 5,6 » »
» Kotka 3,1 " ')
» Jakobstad (Pietarsaari). • • z,') » »
» Tammerfors (Tampere) ■■ 1,6 » »
» Björneborg (Pori) 1,3 » »
» Uleäborg (Oulu) 1,3 » »
» Hangö (Hanko) 1,3 '> »
» Gamlakarleby (Kokkola). • 0,8 » »
2. Wahrend und nach dem Kriege.
Der finnische Aussenhandcl während des \X/eltkricgcs findet
in der amtlichen Statistik keinen genauen Ausdruck. Die offizielle
Handcisstatistik enthält eben unter der Ausfuhr nicht notwendig
die ziemlich ansehnlichen M:ngen von Kriegsbcdarfsartikeln, die
für d e Rechnung der Russischen Krone nach Russland exportiert
wurden. Vonchriftsmässig brauchten diese Waren b;i der Aus=
fuhr nicht für d e Handelsstatistik angegeben zu werden. In der
untenstehenden Ttbelle sind diese Intci.djnturwaren berücl<sich=
tigt word-'n, soweit über sie privatim Arg ben erschienen sind.
Der finnische Hardcl während des Krieges und im Vergleich
mit der Zeit unmittelbar vor dem Kriege bietet folgendes Bild:
276
1
lahr
Einfuhr
Mill. Fmk
Ausfuhr
Mill. Fmk
Mehrbetrag
der Einfuhr
Mill. Fmk
Einfuhr
0/
Ausfuhr
0/
/o
101 i/i ^
■170,0
5 54-8
115,2
57,0
45,0
(durchschn.)
1014
580,2
285,2
95-0
57-1
42/9
1915
5-8,4-
416,5
161,9
58,1
41-9
1916
962,8
810,6
152,2
54,5
45-7
1917
1231 9
444 9
787,0
75,5
26,5
1918
504,6
226,8
277,8
69.0
5i-o
Vi-"/' 1910
1030 5
166,4
864,1
86,1
15.9
Zum Verständnis dieser Werte ist zu beechten, dass sie in=
folge der Preissteigerung und der Entwertung des Geldes relativ
weit kleinere Warenmengen darstellen als vor dem Kriege.
Was die Handelsbilanz anbelangt, kann man sagen, dass bei
Betrachtung der Kriegszeit als Ganzes das Einfuhrprozent höher,
das Ausfuhrprozent niedriger gewesen ist als in normalen Zeiten.
In den drei letzten Jahren vor dem Kriege betrug die Einfuhr
durchschnittlich 57%, die Ausfuhr 43%. Wahrend der Kriegs=
zeit (1914 — Juli 1919) dagegen waren die entsprechenden Zahlen
67 und 33.
Die geringere Ausfuhr während der Kriegszeit ist hauptsäch=
lieh auf die Abnahme des Papier= und Holzwarenexportes zurück=
zuführen, welche wiederum eine betrcchtliche Anhäufung von
Holzvorräten zur Folge gehabt hat.
Wie gross der Rückgang bei der Ausfuhr dieses Standard=
artikels des Landes in der Kriegszeit gewesen ist, geht aus der
folgenden Tabelle hervor:
1914-
Wirkliche
Ausfuhr
Holzmasse, geschliffene .... 213,6 Mil
» chemische 259,7 *
Pappe 165,8 »
Papier und Papieifabrikate . . 590,0 »
Holzwaren, unbearbeitete und
teilweise veredelte 6,7 »
Brennholz 8,3 »
Die durch den verminderten Holzwarenexport hervorgerufene
Ersparnis an Ausfuhrgut düifte somit ca. 30 Mill. m^ betragen.
•1919 (Juli)
Berechnete normale
Ausfuhr
277,3 Mill. kg
419,5 » *
298,7 » »
8i6,5 » »
40, 1 » nv'
5-9 '> »
(In Wirklichkeit jcdcch etwas weniger, denn von dieser Summe
ist de Holzmcngc cbzuzichen, die im Lande als Ersalz für die
in der -Kriegszeit fehlende Kohle veibraiicht worden ist.)
Handelsflotte.
(Vordem Kriege.)
Die Handelsflotte begann nach dem Rückgang, den sie in der
zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts erlebt hatte, allmählich
am Ende des Jahrhunderts zu erstarken. Die Entwicklung ist auch
in unserem Jahrhundert fortgeschritten, in den Jahren 1892 — 95
betrug der Nettoraumgehalt der finnischen Handelsflotte durch =
schnittlich 255,285 Reg.=Tonnen, 1901 — 05 541,851 Reg.=Tonnen,
1909 391,206 Rcg.=Tonncn und 1913 432,717 Reg. = Tonnen.
Die Flotte ist hauptsächlich durch im Auslande angekaufte Fahr=
zeuge, in geringcrem Masse durch Fahrzeuge einheimischen Fabri=
katcs vergrössert worden. Ihrem Tonnengehalt nach ist die fin =
nische Flotte (vor dem Kriege) die vierzehnte, indem derselbe nur
etwa die Hälfte des Tonnengehalts der schwedischen und nicht
einmal ein volles Viertel von dem der norwegischen Handelsflotte
ausmacht. Ausserdem ist beim Vergleich noch der Umstand in
Betracht zu ziehen, dass von dem Tonnengehalt der finnischen
Handelsflotte über 'A auf die Segelschiffe fallen, und zwar auch
jetzt noch, wo die Entwicklung in allen anderen schiffahrttreiben=
den Ländern so weit fortgeschritten ist, dass nicht einmal annähernd
die Hälfte des Tonnengehalts der Handelsflotte irgendeines anderen
Landes auf Segelschiffe kommt; in den meisten Ländern ist der
Tonnengehalt der Segelfahrzeuge nur ein kleiner Bruchteil des
ganzen Tonnengehalts der Handelsflotte. Dieser Umstand ist bei
dem Vergleiche der Leistungsfähigkeit der verschiedenen Flotten
für Finnland sehr unvorteilhaft, da die Lästigkeit eines SegeU
Schiffes bedeutend geringer ist als die eines Dampfschiffes von
gleicher Grösse. Gewöhnlich wird berechnet, dass 1 Dampfer=
Registertonne dieselbe Arbeit ausführt wie 3,6 Segler=Register=
tonnen, aber unsere Schiffahrtsstatistik hat als Verhältniszahl 3
angenommen. Da von dem Tonnengehalt der Handelsflotte des
Landes im J. 1913 356,136 Reg.=Tonnen auf die Segelschiffe und
76,581 Netto=Reg.=Tonnen auf die Dampfschiffe kamen, war der
umgerechnete oder Seglertonnengehalt unserer Handelsflotte 'mit
273
3 als Verhdltniszahl) 585,879, welches nur etwa V4 von dem umgc=
rechneten Tonnengchalt der schwedischen Handelsflotte ausmacht»
mit anderen Worten: obgleich die schwedische Handelsflotte nur
zweimal so gross ist wie die finnische, ist die Leistungsfähigkeit
derselben doch viermal so gross. — Eine grössere Segelflottc als
Finnland haben auch nur die Vereinigten Staaten, England, Nor=
wegen, Frankreich, Deutschland, Japan und Italien, in allen Län=
dem, auch in Finnland, vermehrt sich die Segelflottc langsamer
als die Dampferflotte, in den meisten Ländern nimmt nur die Klasse
der kleineren und der allergrössten Segelschiffe zu, wogegen die
Segelflotte im ganzen abnimmt. Die Entwicklung der finnischen
Segel= und Dampfschiffsflotte und ihr Anteil an der ganzen Handels=
flotte ist aus folgender Tabelle ersichtlich :
Durchs
schnittlich
Segelschiffe
Dampfschiffe
Reg.=Tonnen
netto
0/
0
Reg.=Tonnen
netto
0/
/o
1892—1895
1896 — 1900
1901 — 1905
1906 — 1910
1913
230,474
261 ,792
290,239
312,170
356,136
90,3
86,5
84,9
82,5
82,3
24,81 1
41,009
51,612
66 000
76,581
9,7
<3,5
15,1
»7,5
17,7
Bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit der finnischen Han=
delsflotte ist ausserdem noch zu beachten, dass die finnischen Fahr=
zeuge im allgemeinen von sehr geringem Umfang sind; darauf
deutet schon die Anzahl der Schiffe hin, die 1913 3,617 (3,077 Se=
gel= und 540 Dampfschiffe) betrug, wogegen z. B. die Anzahl der
Schiffe in den schwedischen Flotten sich nur auf 2,822 belief. Es
gibt auch nur 8 Länder, die der Zahl nach mehr Schiffe besitzen
als Finnland. Der durchschnittliche Nettoraumgehalt der Fahr=
zeuge der finnischen Handelsflotte ist nur 120 Reg.=Tonncn, nach =
dem er 1892 — 95 durchschnittlich 138 Rcg.=Tonnen gewesen war.
Die durchschnittliche Grösse der Segelfahrzeuge hat sich verkleinert,
die der Dampfschiffe ist ziemlich unverändert geblieben. Im ).
1013 überstieg der Raumgehalt nur bei 6 Segelschiffen (das grössje
von 2,417 Reg.=Tonnen) und einem Dampfschiffe (2,045 RßS-=
Tonnen netto) unserer Handelsflotte 2,000 Rcg.=Tonnen. — ■ Bei
der Beurteilung der Leistungsfähigkeit der finnischen Handels»
flotte ist auch noch in Betracht zu ziehen, dass zur Segelflotte auch
die Prahme gezählt sind, deren Zahl rasch im Wachsen begriffen ist.
In den Jahren 1892 — 95 war der Raumgehalt derselben durch =
schnittlich nur 4,146 Rcg.=Tonnen, d. h. 1,8 % vom Tonnengehalt
der ganzen Scgclflottc, 1909 54,723 Reg.=Tonnen, 17,1 % und
1913 77,844 Reg.=Tonnen, 21,9 %. Von den Prahmen entfielen
auf die Meeresküste 39,912 Reg.=Tonncn, d. h. 15,3 % der SegcU
flotte der Meeresküste, 33,198 Reg.=Tonnen, 79,8 %, auf den La=
dogascc und 4,734 Reg.=Tonnen, 8,9 ",'0, auf die Seen des Söimc=
Systems.
Von der Scgelflotte gehörten 1913 195,872 Reg.=Tonncn (55,0
%) den ländlichen Gemeinden (1909 58,0 %), 160,264 Reg.=Ton =
ncn (45,0 "o) den Städten (1909 42,0 %), hinsichtlich der Dam=
pferflottc waren die entsprechenden Zahlen 8527 Reg.=Tonnen, 11,1
% (9,7 %), 68054 Kcg.=Tonnen, 88,9 % (90,3 %) — Auf die vcr=
schiedcncn Läne wurden gerechnet:
Segelschiffe
Reg.=
Tonnen
Dampf=
schiffe
Re?.=
Tonnen
Zusammen
Reg.=
Tonnen
Abo u. Björncborg (Turi<u u. Pori)
Wiborg (\'iipuri)
Nyland (Uusimaa)
St. Michel (Mikkell)
Kuopio
\V asa (Vaasa)
Uleäborg (Oulu)
150,756
139,130
19.5J7
14,162
7.74«
1 ,660
10,482
7-9§7
39,631
6,412
4,836
6,704
529
161,238
147,117
63,161
25,969
18,998
14,045
2,189
Im Län Tavastehus (Häme) gibt es keine schiffbaren Wasser=
Strassen, auf denen die Fahrzeuge zum Meere gelangen könnten, wcs=
wegen die Schiffe der Gewässer dieses Läns gar nicht in Betrecht
kommen. — Die grössten Handelsflotten waren Eigentum von fol =
genden Städten und ländlichen Gemeinden (% von der entsprechen =
den Schiffsklasse des ganzen Landes):
2?0
Segelschiffe l Dampfschiffe
Zusammen
lelsingfors (Helsinki)
/iborg (V'iipuri) . . . .
ibo ( I urku)
lystad( U usikaupunki I
«'asa (Vaasa)
laumo (Rauma) . . . .
'lariehamn
10,545
36,529
9.674
25,839
5,051
18,891
12,350
6,657
31,987
17,565
16,427
apvesi \ 10,215
jensuu
ärdö . .
3,0
10,5
2,7
7,3
0,9
5,3
3,5
1,9
9,0
4,9
4,6
2,9
Reg.=
Tonnen
38,719
3,395
8,096
6,106
293
580
1,421
142
445
0/
/o
50,6
4,4
10,6
8,0
0,4
0,8
1,9
0,2
0,6
0,4
Reg.=
Tonnen
/o
49,264
39,924
»7,770
25,839
9,157
19,184
12,930
8,078
31,987
17,707
16,872
10,550
11,4
9,2
4,1
9,0
2,1
4,4
3,0
1,9
7,4
4,1
3,9
2,4
Rcg.=
Tonnen
126,702
46,714
33,962
25,839
21,369
19,770
14,090
10,920
31,987
18,191
17,762
11,220
Die wichtigsten Dampfschiffahrtsgesellschaften Finnlcnds, die
Zahl, der Brutto= und Netto=Register=TonnengehaIt der ihnen ge=
hörenden Fahrzeuge sind folgende:
Name
Zahl
Fahrzeuge
Brutto=
Netto=
Finnische Dampfschiffahrts=
Reg.=Tonnen
Reg.=Tonnen
Aktiengesellschaft
31
34,060
20,400
Finnischer Lloyd A.=G
5
1 1,607
6,770
D.=A.=G. Wasa— Nordsee ..
10
9,403
5,414
Helsingforser D.=A.=G
6
5,073
2,936
Transite A.=G.
7
3,946
2,493
Bore A.=G.
6
1,989
1,154
Der Schiffsverkehr. Obschon die Handelsflotte in
den letzten Jahrzehnten gewachsen ist, hat sie dabei doch nicht
mit der Entwicklung des Verkehrs Schritt halten können, und die
Folge davon ist, dass der Anteil der finnischen Fahrzeuge an dem
Schiffsverkehr zwischen Finnland und dem Auslande während
einiger Jahrzehnte sich wesentlich verkleinert hat. Im J. 1913
wurden in den finnischen Häfen im direkten ausländischen
Verkehr 7,367,619 Reg.=Tonncn klariert, im vereinigten in= und
ausländischen Seeverkehr (d. h. die Reisen der aus dem Aus=
lande kommenden oder dorthin abgehenden Schiffe zwischen den
finnischen Häfen) 4,243,241 Reg.=Tonnen und im übrigen, nicht
den Handel bezweckenden Verkehr 61,678 Reg.=Tonnen, zusam=
mcn also 11,672,538 Reg.=Tonnen netto. In den Jahren 1892 — 95
21,6|
8,0:
5,8
4,4
3,6
3,4
2,4
1,9
5,5
3,1
3,0
1,9
war die entsprechende Zahl durchschnittlich 4,887,359 Reg.=Tonnen
jährhch, 1896 — 1900 6,278,401 Reg.=Tonnen, 1901 — 05 7,500,234
Rcg.=Tonnen, 1909 8,981,449 Reg.=Tonncn netto. Der Anteil der
Fahrzeuge finnischer und anderer Nationalität an dem Verkehr
betrug in ",, :
Anteil der Fahrzeuge
1901 —
1896—
1892-
'9''5
1909
1906
1900
1895
55,3
39,4
40,1
43,6
45,6
13,3
12,3
9,7
9,3
7,7
12,0
12,1
9,3
7,2
5,3
9,4
7,3
10,7
7,8
7,5
9,1
9,3
9,6
14,8
19,3
8,7
8,5
9,9
8,1
7,2
8,5
8,7
6,7
4,9
4,2
der finnischen . .
» norwegischen
» schwedischen
» deutschen . .
» englischen . .
» dänischen
» russischen
Unter den den Verkehr zwischen Finnland und dem Auslände
nachteilig beeinflussenden Faktoren möge in diesem Zusammenhang
derjenige erwähnt werden, der dadurch verursacht wird, dass das
finnische Ausfuhrgut im Vergleich mit dem Einfuhrgut einen so
grossen Raum erfordert. Daraus folgt, dass etwa die Hälfte der
aus dem Auslande nach Finnland kommenden Schiffe mit Ballast
gehen muss und also die Einfuhrfracht verliert. Um dieselbe zu
ersetzen, muss die Ausfuhrfracht verhältnismässig höher sein. Im
|. 1013 bestanden nur 45,1 % von dem Tonnengehalt der aus dem
Auslände nach Finnland kommenden Fahrzeuge in Frachtgut,
54,9 % in Ballast, wogegen von dem Tonnengehalt der von Finn=
land ins Ausland gehenden Schiffe 92,8 "0 Frachtgut und nur 7,2 %
Ballast ausmachten. Von dem Schiffsverkehr zwischen Finnland
und dem Auslande (nur die mit Ladung gehenden Schiffe kommen
in Betracht) entfielen auf die folgenden Länder %:
England 31 ,2
Russland 19,7
Deutschland 15,5
Schweden 1 3,0
Frankreich 6,5
Niederlande 3,9
Belgien 3,1
Dänemark 2,5
(Spanien 2,0
1896-
1900
1892—95
31,7
27.9
27,5
23,'
2 1,4
23,9
25,2
29,4
15,'
12,9
12,0
10,3
"4,2
12,3
io,7
9,8
5,6
7,8
8,3
7,7
3,2
4,9
3,6
3,9
5.5
3,9
3,4
7,0
1,8
2,2
4,8
5,9
1,8
2,9
3,5
4,7
i
Die im ausländischen und vereinigten ir.= und ausländischen
Schiffsverkehr erfolgten Klarierungen verteilten sich auf unsere
wichtigsten Häfen folgendermassen :
191
3
1901-
-05
1892—95
Reg.=
Tonnen
,0
Reg.=
Tonnen
%
Reg.=
Tonnen
%
1 ,471,810
1,442,187
12,6
12,3
867,686
783,080
11,7-
10,6
652,437
485,887
13,3
9,9
1,101,230
966,730
883,582
9,4
8,3
7,6
623,248
553,602
663,910
8,4
7,5
9,0
522,182
426,416
448,414
10,7
8,7
9,2
492,338
463,086
428,068
367,863
4,2
4,0
3,7
3,1
421,661
40,386
264,597
280,657
5,7
0,5
3,6
3,8
312,301
41,916
148,023
155,093
6,4
0,8
3,0
3,2
347,603
3,0
232,237
3,1
98,045
2,0
313,727
302,740
2,7
2,6
219,029
180,238
3,0
2,4
115,409
71,041
2.4
1,5
281,327
243,700
2,4
2,1
199,036
94,955
2,7
1,3
59,614
38,446
1,2
0,8
215,306
1,9
152,048
2,0
100,590 2,1
208,772
1,8
205,557
2,8
118,434
2,4 1
Helsingfors (Helsintii).
Wiborg (Viipuri)
Äbo (Turi<u)
Koti<a
Hangö (Hanko)
Björneborg (Fori) .
Degerby
j Uleäborg (Oulu)
I Wasa (Vaasa)
Raumo (Rauma)
Lovisa
Ciamlai<arlebv (Kolikola)
j Jakobstad (Pietarsaari)
Brahestad (Raaiie) . . .
Kristinestad (Kristiina)
I Fredrikshamn (Hamina)
Infolge der geringen Grösse des Verkehrs (die Schiffahrt mancher
Riesenhäfen des Auslands ist viel bedeutender als der Verkehr aller
finnischen Häfen zusammen) und der Unregelmässigkeit desselben
sind zvwischcn Finnland und dem Auslande verhältnismässig nur
wenige Dampfcrlinien mit regelmässigen Touren entstanden, so vor
allem mit den an der Ostsee gelegenen Häfen. Vorläufig gibt es
noch keine einzige Dampferlinie nach aussereuropäischen Ländern,
aber es werden Vorbereitungen getroffen, um nach dem Kriege
einen direkten, regelmässigen Dampferverkehr mit Nord= und
Südamerika zugleich zu eröffnen.
Die einheimische Küstenschiffahrt ist im Vergleich
mit unseren westlichen Nachbarländern sehr unentwickelt, beson=
ders was die Küstenstriche des Bottnischen Meerbusens betrifft,
über den Umfang der Küstenschiffahrt liegen keine genaueren
Angaben vor, da die die Küste befahrenden Schiffe nur in gewissen
Fällen klarierpflichtig sind. — Die Binnenschiffahrt ist sehr rege,
aber auch über sie sind aus der Statistik keine genauen Mitteilungen
zu erhalten; ihr Umfang und ihre Bedeutung erhellen jedoch schon
aus der Menge des durch die Kanäle beförderten Frachtgutes, das
1912 2,326,722 Tonnen (davon an Holzwaren 2,048,083 Tonnen)
283
betrug, denen in demselben Jahre auf den Staatseisenbahnen bc=
förderte 4,618,356 Tonnen (davon 2,121,519 Tonnen Holzvicarcn)
entsprechen.
Die wichtigsten, den regelmässigen Dampferverkehr zwischen
Finnland und dem Auslände bedienenden Linien waren vor dem
Ausbruch des Weltkrieges folgende:
Die Finnische Dampfschiffahrts=Aktiengescilschaft mit den
Linien: 1) fijr Fracht und Passagiere: Äbo — Stockholm, Petcrs=
bürg — Helsingfors — Hangö — Stockholm, Helsingfors — Hangö und
Äbo — Hangö^Kopenhagcn — Hüll; 2) für Fracht: an der finni=
sehen Küste von Wiborg bis Kemi, Stockholm — Reval — Peters=
bürg, Finnland— Riga, Stettin — die finnischen Häfen, Bremen —
Finnland, Antwerpen — Finnland, Rotterdam — Finnland, London
— Finnland, Middlesbro — Ncwcastle — Grangcmouth — Finnland,
Marseille — spanische Häfen — Bordeaux — La Rochellc — Le Havre
— Finnland.
Die Helsingforser Dampfschiffahrts=Aktiengescllschaft: i)Som =
mcrlinicn: Helsingfors — Reval — Lübeck, Hamburg — Südfinnland,
Kalmar — Helsingfors; 2) Winterlinie: Helsingfors — Hangö — Lübeck.
Die Dampfschiffahrts=AktiengcselUchaft Bore: Äbo — Stockholm,
Äbo — Äboer Schären — Mariehamn, Degerby — Marichamn, Dcgcr=
by — Kökar.
Die Dampfschiffahrts=AktiengeselIschaft Transite: Äbo — Hangö
— Lübeck, Äbo — Petersburg, Wasa — Stockholm, Äbo — Hüll.
Die Dampfschiffahrts=Akticngesellschaft Wasc — Nordsee: rcgcU
massige Touren nach Hüll, Kopenhagen, Hamburg, Lübeck. Die
Dampfschiffahrts=Aktiengescllschaft Finnischer Lloyd hat keine
regelmässigen Touren.
Der Staat hat nur in geringem Masse versucht unsere Schiff=
fahrt durch Subventionen oder auf andere Weise zu fördern. Die
wichtigste Unterstützung besteht darin, dass die Regierung der
F. D.=A.=G. und der D.=A.=G. Bore während acht Jahren 300,000
Fmk jährlich, zur Hälfte für jede Gesellschaft, zur AufrechtcrhaU
tung der Postdampferlinie Äbo — Stockholm, und 1912 der D.=A.=G.
Transite 20,000 Fmk ein für allemal gezahlt hat, um dcnSchiffs=
verkehr zwischen Hangö und Lübeck wegen der Butterausfuhr zu
unterhalten.
284
Landhandel,
Die Ausübung des Handels ausserhalb der Städte ist in Finnland
vjcie in den meisten anderen Ländern jahrhundertelang verboten
gcvwcsen. Dagegen war der Verkauf der selbstgezogenen Produkte
den Landbewohnern nicht untersagt.
Doch gewann allmählich auch in Finnland eine freiere Auffas=
sung Boden. Immer allgemeiner wurde anerkannt, dass das Verbot
des Landhandels unbefugterweise den Bürgern der Städte auf Kos=
ten der Landbewohner zugute kam, wonebcn es die allgemeine wirt=
schaftliche Entwicklung des Landes hemmte und schädigte. Durch
eine administrative Verordnung vom 19. Dezember 1859 wurde
zuletzt das Verbot des Landhandels im Prinzip aufgehoben. Die
Verordnung vom 24. Februar 1868 schaffte schliesslich im wesent=
liehen den Unterschied zwischen den Städten und dem platten Lande
im Handel ab, und das noch geltende Gewerbegesetz vom Jahre
1879 bestimmte dann, dass zur Ausübung des Landhandels nichts
anderes gefordert wird als eine Anmeldung zum Gcwerbcrcgister.
Doch nimnit der Landhandel noch insofern eine Sonderstellung ein,
als für den Betrieb desselben eine besondere Gewerbesteuer, 100 Fmk
im Jahre, für jede Verkaufsstelle zu entrichten ist. Nachdem die
Gesetzgebung von den Einschränkungen befreit worden ist, hat
der Landhandel schnelle Fortschritte gemacht. Der Entwicklungs=
gang kommt im allgemeinen in der Zahl der Landhändler zu vcr=
schiedenen Zeitpunkten zum Ausdruck. Es gab deren 1865 612;
1885 2,788; 190c 4,391; 1910 5,350 und 1916 3,757. Auf 10,000
Personen der Landbevölkerung kamen Landhändler 1865 3,6 und
1916 20,'). — Schon aus der Zahl der Landhändlcr kann man
schliessen, dass auf dem von ihnen repräsentierten Gebiete des Ge=
Schäftsbetriebes in den verschiedenen Teilen des Landes verschiedene
Verhältnisse herrschen. Es gab Ende des Jahres 1916 Landhändlcr:
in dem Län Nyland (Uusimaa) 695
» » Äbo und Björneborg (Turku u. Pori) 936
» i> Tavas' chus (Hämc) 63 1
» » Wibarg (Viipuri) 1,463
» » St. Michel (Mikkeli) 330
» » Kuopio 488
» i> Wasa (Vaasa) 783
» » Ulcäborg (Oulu) 431
285
In den dichter bevölkerten südlichen Teilen des Landes gibt
es verhältnismässig erheblich mehr Landhändler als in den übri =
gen, eine Tatsache, welche erkennen lässt, dass sich der Landhandcl
hier wenigstens nur in dem Masse verbreitet, als es die Befriedi-
gung des Kaufbedürfnisses der Bevölkerung fordert. — Es fehlen
Angaben darüber, welche Beträge der durch die Landhändler vcr=
mittelte Warcnvcikauf im Jahre erreicht. Auf Grund der der Stcu =
ereinschätzung unterliegenden Einkommen (im Jahre 19008,709,500
Fmk) und unter der Voraussetzung, dass ihr Geschäft 4 % Reiner=
trag abwirft, ist der Umsatz der Landhändler 1000 auf 218 Mill. Fmk
veranschlagt worden. Schälzui gsweisc dürfte er sich im J. i9t>
auf mehr als 300 Nlill. Fmk belaufen haben.
Ausser dem Verkauf von Waren treiben manche Landhändler
in bedeutendem Umfang Einkauf von am Ort crzeugte/i Produkten;
auf diese Weise hat der Landhandcl stellenweise besonders das
Handwerk und den Molkercibetricb gefördert.
In den Kreisen der Landhändlcr hat sich seit längerer Zeit ein
Streben nach gewerbsmässiger Organisation und wirtschaftlicher
Kooperation geltend gemacht. So sind unter anderem fünf ver=
schiedene gegenseitige Fcucrversicherungsgesellschaften gegründet
worden (im Län Äbo und Björncborg 1896, in den Läncn Wasa
und ü'cäbjrg 1897, im Län Tavastehus 1898, im Län St. Michel
1904 und im östlichen Finnland 1908). Der Wert des feuervcr=
sicherten Eigentums betrug Ende 1910 in allen diesen Gesellschaf=
ten im ganzen 26,7 Mill. Fmk. Die Landhändler haben auch allgc=
meine Versammlungen abgehalten; in der in Tammerfors im August
1912 wurde ein besonderer Zcntralausschuss für die Wahrung
ihrer gemeinsamen Interessen eingesetzt.
Als besonderes Organ des Landhandcis erscheint seit dem Jahre
1907 die Zeitschrift »Maakauppias«.
Die Handelskammern Finnlands.
Die jungen Handelskammerinstitutionen Finnlands sind halb=
offizieller Natur. Ihre Arbeitsweise ist durch einen obrigkeitlichen
Erlass vom 10. August 1917 reguliert, ihre Zusammensetzung auf
freiwilligen Apschluss gegründet. Laut Erlass liegt es den Kammern
ob, die Interessen de., Handels und der Industrie — beides im wei=
testen Sinne — wahrzunehmen, was auch in einer Anzahl Paragra=
286
l
phen eingehend erläutert wird. Ei ist somit ihre Sache den Behör=
den auf Verlangen Aufschlüsse zu geben sowie selbst Massnahmen
zu treffen und vorzuschlagen, welche zur Förderung der Entfaltung
bcrcgtcr Erwerbszweige notwendig erscheinen. Dagegen ist nichts
darüber bestimmt, dass die Kammern in Fragen, wc'che Handel
und Industrie berühren, grundsätzlich zu vernehmen sind. Ebenso=
wenig ist in dem Erlasse etwas über den Wert der Zeugnisse (Bc=
scheinigungcn) gesagt, die gegebenenfalls von den Handelskammern
ausgefertigt werden.
Die Gmndlage für das Handclskammerwesen Finnlands bilden
die Handelskammei vereine. Ein solcher kann dadurch ins Leben
gerufen werden, dass sich mindestens zweihundert Mitglieder zu
ihm bekennen und dass seine Statuten von der Regierung geneh=
migt werden. Bis auf weiteres finden sich im Lande sieben Han=
dclskammervereine mit Helsingfors (Helsinki), Abc (Turku), Tam=
merfors (Tampere), Wiborg (Viipuri), Wasa (Vaasa), Ulcäborg
(Oulu) und Kuopio als Zentralstellen. Diese Vereine treten nur
selten zusammen, und zwar um Wahlen zu vollziehen, Budgets
vorlagen gutzuheissen, Rechenschaften über den Betrieb der
Handelskammern entgegenzunehmen usw. Die eigentlich arbei=
tende Handelskammer bildet der Vorstand des Vereins, dem auch
alle Aufgaben einer solchen zugeteilt sind. Die Handelskammer
besteht aus mindestens fünfzehn — in der Helsingforser Handels=
kammer beläuft sich diese Anzehl suf das Doppelte ■ — für die Dauer
von drei Jahren gewählten Mitgliedern, von welchen ein Drittel
einer jährlichen Wiederwahl unterworfen ist.
Eine Eigentümlichkeit für Finnland ist die Zentralhandels=
kammer. Zusammengesetzt aus je fünf Mitgliedern der Handels=
kammern des Landes, bildet sie ein gamcinsam.es Zentralorgan für
diese alle. Der Vorsitzende der Helsingforser Handelskam.mer ist
gleichzeitig auch Vorsitzender der Zentralhandelskamm.er. Während
die Handelskammern vermittelst statutcngemäss festgesetzter Mit=
gliederbeiträge der Handelskammervereine aufrecht eihalten wer=
den, ist die Existenz der Zentralhsndelskammer ausschliesslich
von der ihr bewilligten Staatsunterstützung abhängig.
Der Handclskammererlfss, von der Geschäftswelt des Landes
lange erwartet, erschien 1917, doch verging annähernd noch ein Jahr,
bevor alle Handelskammern in Funktion treten konnten. Erst
nachdem sich die Stürme des Bürgerkrieges gelegt hatten, konsti=
tuierten sich die letzten Handelskammern, und am 17. Juli 1918
hielt die Zentralhandelskamnier ihre erste Sitzung ab. Es vx/ar eine
Zeit schwerer und wichtiger ökonomischer Aufgaben, in welcher das
finrische Handclskammerwesen entstand, und es hat sich gezeigt,
dass eine Arbeitsteilung auf der Basis der durchgeführten Organi=
sation mit einem gemeinsamen Zentralorgan von grossem Nutzen ist.
Fragen lokalen Charakters werden von den Handelskammern
behandelt, während sich die Zentralhandelskammer lediglich mit
solchen von allgemeinem Intcicsse befasst. Dieses besagt jedoch
keineswegs, dass Fragen von grösserer Tragweite den ProvinziaU
kammern fremd bleiben müssten. Wie die Erfahrung lehrt, führen
diese der Zentralhandelskammer ständig neues Material zu. in=
folge ihrer Zusammensetzung und zufolge ihres ständigen Kontaktes
mit allen Teilen des Landes gewährleistet die Zcntralhandclskammcr
eine vielseitigere Behandlung solcher Fragen, die von lokalen Ge=
Sichtspunkten aus als zu einfach erscheinen könnten. Des wcite=
rcn bietet sich der Regierung durch das Vorhandensein einer den
Handel und die Industrie des ganzen Landes umfassenden Insti=
tution in unmittelbarer Nähe ein bequemes Mittel, in Fragen zu
beraten, die keinen Aufschub dulden. Hinzuzufügen ist jedoch,
dass, wenn auch Regierung und Handelskammern in den aller=
meisten Fällen vermittels der Zentraihandelskammer kommuni=
zieren dürften, es den Kammern immerhin freisteht, auch direkt
zu verhandeln, falls solches aus dem einen oder anderen Grunde
geboten erscheint. Auch die im Leben der Handelskammern so
wichtige Informationstätigkeit kann durch eine Konzentration des
Materials bei der Zentralhandelskammer nur gewinnen. Sobald
CS gelungen ist, diesen Zweig ihrer Tätigkeit im gedachten Um=
fange auszudehnen, wird es Aufgabe der Zentralhandelskammer
sein, den rcsp. Kammern mit Rat und Tat zur Seite zu stehen, wäh =
rend letztere allein kaum in der Lage sein werden, sich auf die Be=
Schaffung aller solcher Aufschlüsse einzurichten, die einer Zentral^
stelle zu Gebote stehen, nachdem diese über eine eigene für den
Zwetk errichtete Abteilung verfügt. Auch dürften sich Ausländer
am geeignetsten an die Zentraihandelskammer wenden, wenn sie
Auskünfte zu erhalten wünschen, welche nicht gerade spezielle
lokale Angelegenheiten berühren.
Eine Aufgabe, die mit Recht der Zentralhandelskemmer zu=
kommt, ist die Auslegung und die Bestimmung von Handcisusanccn
und »begriffen. Dadurch wird nicht nur erreicht, dass Fragen dic=
ser Alt mit crfoidcriicher Kompetenz und Autorität behandelt
28S
werden, sondern es wird auch ein einheitliches Zuwegcgohen in allen
Auslassungen ermöglicht.
Der Handelskammererlass verbietet den Handelskammern nicht
die Arbitragetätigkeit in ihr Program aufzunehmen, betrachtet dies
aber als eine der Zentralhandclskammer zukommende Aufgabe.
Auch wird das seit einer Reihe von )ahren in der Hauptstadt
Helsingfors tätige Schiedsgericht für Handel, Industrie und See=
fahrt vom Jahre 1920 an als eine zu der Zentralhandelskammer
gehörige Institution fungieren, deren Mitglieder von der Kammer
gewählt werden.
Die Zölle.
Der Einfluss der politischen Verhältnisse auf das Wirtschaft3=
leben des Landes ist besonders deutlich in der Zollpolitik Finnlands
zum Ausdruck gekommen.
Unter der schwedischen Herrschaft wurde in Finnland wie auch
in anderen Ländern zu dieser Zeit merkantilistische Zoll=
Politik geführt, und das Schutzsystem dauerte auch dann noch fort,
nachdem Finnland mit dem Russischen Reiche vereinigt worden war.
Eine den finnischen Verhältpissen angepassteZoUtaxe wurde hier zwar
als wünschenswert betrachtet, aber abgesehen von einigen Au3nah=
mcn war Finnland bezüglich der Einfuhr ausländischer Waren auf
den allgemeinen Zolltarif des russischen Reiches angewiesen. Die
Einfuhr von Russland nach Finnland war dagegen entweder ganz
zollfrei oder solchen Bestimmungen unterwerfen, die die Hand ls=
Beziehungen zwischen Russland und Finnland erleichtern sollten.
Die nahen Handelsbeziehungen mit Schweden dauerten auch noch
nach der politischen Trennung fort, allmählich wurden sie aber
beschränkt und in den 1840er Jahren wurden sie auf dieselbe
Grundlage gestellt wie der Handel mit dem übrigen Auslände.
Das strenge Schutzsystem mit seinen vielen Verboten und ho=
hen Zollabgaben führte zu grosser Schmuggelei, und endlich, gegen
dai Ende der 1830er Jahre, war man gezwungen die Zollpolitik
etwa zu mildern, zuerst in Russland und dann in Finnland.
Eine merkenswertere Änderung in der Richtung des Zollsystems
erfolgte erst zu Beginn der 1850er Jahre, wo auch in vielen anderen
Beziehungen ein freieres Leben anfing. Im jähre 1859 wurde ein
neuer Zolltarif herausgegeben, der nur 8 Einfiihr= und ebenso viele
Ausfuhrverbote enthielt. In demselben Jahre wurden die Handels=
Beziehungen Finnlands mit Russland von einem gerechteren Stand =
punkt aus geordnet. Im folgenden Dezennium wurde die Zollpolitik
in einzelnen Punkten in einer noch freieren Richtung entwickelt, und
im I. 1869 wurde ein neuer Zolltarif herausgegeben, der auf der
Grundlage des n ucn Münzsystems Finnlands abgcfasst worden
war. 1886 wurde die Zelltaxc unter Berücksichtigung metrischer
Masse und Gewichte von ntucm veröffentlicht, sachlich blieb sie
aber unverändert. Während eines halben Jahrhunderts hat die
Zolltaxe in der Tat nur einige Male etwas grössere Veränderungen
erfahren, obgleich man mit Plänen zur Erneuerung der Zollpolitik
schon im Anfang der 1880er Jahre umging. Früher mussten sie des=
halb liegen bleiben, weil damals von der Teilnahme des Land=
t a g e s an der Zollgesetzgebung die Rede war und man in Erwartung
einer Entscheidung die Erneuerung nicht durchführen wollte; seit
dem Ende der 1880er Jahre war Finnland wiederum von der Gefahr
der Russifizierung bedroht, und die politischen Kreise des Landes
erachteten es nicht für klug, die Zollprobleme aufzunehmen, um die
Aufmerksamkeit der Russen nicht auf diese empfindliche Frage zu
lenken. Die Pläne, die in Russland zur Vernichtung besonders des
finnischen Zollwcsens gemacht worden waren, blieben trotz mancher
Versuche unausgeführt. Dazu trug wahrscheinlich in hohem Grade
der Widerstand bei, der diesem Vorhaben vonseiten der russischen
Industriellen entgegengebracht wurde, indem diese eine Konkurrenz
finnischerseits fürchteten, falls die Zollgrenze aufgehoben worden
wäre. Die Handelsbeziehungen zwischen Finnland und Russland
wurden zuletzt durch eine im Jahre 1897 ausgefertigte Verordnung
geregelt.
Vor der Reformarbeit, die in Finnland seit dessen Trennimg von
Russland durchgefühlt worden iat, bildet die Erneuerung des Zoll=
tarifs einen wichtigen Teil. Vorbereitende Arbeiten dazu wurden
von der Kommission erledigt, di: am 1. Juli 1918 von der Rcgieioing
eingesetzt wurde. Gestützt auf den von dic5cr Kommission abge=
fassten Vorschlag veröffentlichte der Reichsrat am 26. März 1919 ei =
nen neuen Zolltarif nebst zugehörigen Bestimmungen betreffend
die .Anwendung desselben. Von diesen Bestimmungen verdienen
vor allem diejenigen Paragraphen einer Erwähnung, in denen in =
bezug auf meistbegünstigte Länder die Zulassung von besonderen
Bestimmungen vorausgesetzt wird, die in der Verordnung nicht ent»
halten sind; ferner die Paragraphen, die sich auf Erhebung von
Zuschlagszoll für Waren, die aus einem solchen Lande herstammen,
wo die finnischen Schiffe oder Waren weniger begünstigt sind als
diejenigen anderer Länder. Die Regierung ist auch berechtigt,
durch höhere Zollgebühren das Dumping=Verfahrcn zu hindern.
Das Verzeichnis der Einfuhrwaren, das in 12 Kapitel zerfällt,
enthält 961 Positionen. Der neue Tarif stellt sich konsequent
auf den Standpunkt des Schutzsystems und erstreckt es auch
auf landwirtschaftliche Produkte, die seit den 1860er
lahren, abgesehen von einer kurzen Periode 1914, wo ein von
den russischen Machthabern vorgeschriebener Zoll für ausländisches
Getreide geltend war, ohne Schutz geblieben sind. Der Zoll
für ungemahlenen Roggen ist jetzt auf 8 Penni für 1 kg an=
gesetzt worden, der für gemahlenen Roggen beträgt 11 Penni,
die entsprechenden Zollabgaben für Weizen sind ri rcsp. 14 Penni,
die für andere" Getreidesorten in demselben Verhältnis. Bis Ende
1919 soll jedoch das Getreide zollfrei bleiben. Bei den Zollabgaben
ist im allgemeinen das Prinzip befolgt worden, dass die Rohstoffe
entweder ganz zollfrei oder mit möglichst geringem Zoll belegt sind;
auch für Halbfabrikate ist ein relativ geringer Zoll vorgeschrieben,
während Vollfabrikate einen ziemlich wirksamen Zollschutz ge=
niessen. Zugleich sind wegen der grossen finanziellen Schwierig=
kciten des Staates recht bedeutende Finanzzöllc notwendig
gewesen. So ist z. B. der Zoll für ungerösteten Kaffee auf 10 Fmk
per 1 kg, der für gerösteten Kaffee auf 15 Fmk per 1 kg gesetzt;
der Zoll für Kakaobohnen beträgt 15 Fmk, der für Kakaomehl
und Schokolade 25 Fmk per 1 kg, für Tee macht der Zoll 35
Fmk, für Tabaksblätter 8, für Zigarren und Zigaretten 20, für
Schaumweine 20, für Likör, Absinth u. dgl 40 Fmk per 1 kg.
(Einfuhr alkoholhaltiger Getränke jedoch nur für medizinische,
technische und wissenschaftliche Zwecke zulässig.)
Ausfuhrzölle, deren Zahl auch in Finnland früher recht
gross war, sind in den letzten Dezennien nur für gewisse Holzwaren,
Knochen und Lumpen erhoben worden; in dem neuen Zolltarif
sind aber, teils aus finanziellen, teils aus volkswirtschaftlichen
Gründen, auch für einzelne andere Ausfuhrartikel, u. a. für Holz=
Zellulose und Papier, erhebliche Ausfuhrzölle aufgenommen. Der
Ausfuhrzolltarif umfasst im ganzen 22 Positiontn.
Viele wichtige Gründe haben die Beschleunigung des neuen
Zolltarifs an Stelle des veralteten erheischt. Inwieweit derselbe
zweckmässig ist, kann noch nicht beurteilt werden, da ja der Tarif
erst seit kurzer Zeit angewandt wird. Seinem Inhalt, was insbe=
sondere die schweren Pinanzzölle anbelangt, haben die jetzigen
exzeptionellen Verhältnisse in gewissen Punkten ihr deutliches
Gepräge aufgedrückt.
Die Städte Finnlands.
Die älteste Zeit.
Das Städtewesen hat in Finnland schon in heidnischer Zeit
seinen Anfang genommen. Wenigstens von einer früheren Stadt,
dem sog. T i u r i n I i n n a im Kirchspiele Räisälä (im südwcsl=
liehen Finnland), sind noch deutliche Spuren erhalten. Auf einige
in Wcstfinnland gelegene Städte weisen wiederum gewisse Uber=
lieferungen hin, wie die Sagen von den Städten T e I j ä und H a h I o
am Kokemäenjoki und Rikala im Kirchspiel H a I i k k o. Auf
alle Fälle steht es fest, dass am Kokemäenjoki und in der Gegend
von Äbo (Turku) und Wiborg (Viipuri) seit uralten Zeiten wichtige
finnische Handelshäfen mit Ansätzen zu Städten bestanden haben.
In graue Vorzeit verliert sich auch die Entstehung der Stadt Kex =
holm (Käkisalmi). Städte mit eigener geordneter Verwaltung
dürfte es in Finnland jedoch erst seit dem 14. Jahrhundert geben.
Äbo hatte mindestens schon 1324 Bürgermeister und Rat,
und U 1 f s by (Ulvila), spater Björneborg (Fori), erhielt seine
Stadtprivilegien 1365. Um diese Zeit, in den 1350er Jahren, wurde
für Schweden — Finnland auch eine erste Städteordnung ausgcfer=
tigt, in der die Verwaltung der Städte nach deutschem Muster ein=
gerichtet wurde.
Das Mittelalter.
Ausser Äbo (Turku) und U'.fsby (U'.vila) gab es in Finnland im
Mittelalter noch folgende Städte, denen besondere Stadtrechte
zukamen: Borga (Porvoo), Wiborg (Viipuri), Raumo (Rauma)
und Nädcndal (Naantali).
Die wichtigste von allen war Äbo, das sogar im Ver=
gleich mit den damaligen Städten Schwedens sowohl durch seine
I
Volkszahl vwie seinen Reichtum bemerkenswert war. Neben Stock=
holm war es der zweite Haiiptstapelplatz im ganzen Reiche. Die
Städte in Nyland, Südwestfinnland und am Bottnischen lVleerbu=
sen mussten ihre Waren entweder nach Stockholm oder nach Abo
befördern. Auch durften ausländische Fahrzeuge nicht an Abo
vorbeisegeln. Ein besonderer Glanz wurde dieser Stadt noch da=
durch verliehen, dass sie das Zentrum der kirchlichen und weltlichen
Macht im Lande war.
Nach Abo kam VV i b o r g als die zweitwichtigstc Stadt des
Landes in Betracht, obgleich es seine Privilegien erst 1403 er=
hielt. Besonders begann Wiborg ganz am Ende des Mittelalters
an Bedeutung zu gewinnen, sodass es durch seine Konkurrenz
sogar die Machtstellung Revals, der Vermittlerin des russischen
Handels, bedrohte. Hingegen zeigten unsere übrigen Städte im Mit=
telalter keine besondere Lebenskraft. Die Entwicklung Ulfsbys
wurde durch die wachsende Oberherrschaft Äbcs arg beeinträchtigt.
Raumo, obgleich durch allerlei Privilegien begünstigt, die seinen
Handel ganz unabhängig von Äbo machten, konnte zu keiner
bedeutenden Blüte gelangen. Nädendal und Borgä blieben fast ohne
alle Bedeutung.
Der Hauptnahrungszweig der Einwohner der Städte bestand
während des Mittelalters im Handel. Vor allem spielte der Güte=
raustausch mit den mächtigen Hansestädten für Finnland eine
sehr grosse Rolle. Dazu gewann der Handelsverkehr mit Russ=>
land immer mehr an Wichtigkeit, und schon recht früh dachte
man an Wiborg als Stapelplatz des russischen Handels. Au.swärts
unterhielten unsere Städte rege Verkehrsverbindung insbesondere
mit R e va I,' L übec k und Dan zig. Von einem lebhaften Aus=
senhandel zeugt unter anderem der Umstand, dass Danzig in Äbo
eine eigene Handelsvertretung hatte. Es wurden vorzugsweise Gc=
trcide, Fisch, Osmundeisen, Raseneisenstein, Seehundsspeck, Pferde,
Teer, Holzgefässe u. a. ausgeführt, den Gegenstand der Einfuhr
bildeten Salz, Hopfen, Malz, Weine, Gewürze und allerlei Industrie=
erzeugnisse. Der Ausscnhandel war jedoch nicht ganz auf unsere
Städte beschränkt. Die Küsten= und Schärenbewohner brachten ihre
Produkte selbst nach Stockholm und Reval, und Osterbottcn wurde
von zahlreichen fremden Kaufleuten besucht, welche an bestimme
ten Plätzen direkt von der Landbevölkerung Waren aufkauften.
Besonders in den Gegenden von Uleaborg (Oulu) und Torneä
(Tornio) gab es wichtige Marktplätze, wo auch viele ausländische
Handelsreisende regelmässig zu erjxheinen pflegten.
Die Industrie war dagegen in den Städten noch im ersten
Stadium ihrer Entwicklung. Handwerker werden jedoch schon für
Abo und Wiborg angegeben, wie z. B. Goldschmiede, Schuh=
macher, Schneider, Fassbinder usw. Raumo wiederum war
durch seine Spitzenklöppelei, IMädendal durch Strumpf Wirkerei
berühmt.
über die Einwohnerzahl der mittelalterlichen Städte
Finnlands sind keine genauen Angaben überliefert. Mit den heuti=
gen Städten verglichen waren sie natürlich sehr klein. So wird z.B.
die Einwohnerzahl von Äbo gegen Ende des Mittelalters etwa auf
2,500 und die von Wiborg auf 1,400 geschätzt. In anderen Städten
konnte sie in Hunderten angegeben werden. Auch sonst boten die
damaligen Städte, mit unseren Augen gesehen, ein recht beschei=
dcncs Bild. Bemerkenswerte Bauten waren in Äbo und Wiborg
nur öffentliche Gebäude, wie die Burg, Kirchen, Klöster und
Häuser von Prälaten und vereinzelten reichsten Kauficutcn. Der
grösste Teil der Bevölkerung wohnte dagegen in kleinen, mit Rasen =
plaggen gedeckten Holzhäusern.
Das Geschäftsleben und die administrativen
Verhältnisse der Städte im Mittelalter trugen infolge der do=
minierenden Stellung, die die Deutschen dort innehatten, meist
deutsches Gepräge. Unter den bürgerlichen Namen waren in Abo
im Mittelalter 110 deutsche, 94 schwedische und 58 finnische. Die
Grosskaufleute waren in der Regel deutscher Abstammung. Auch
wurden der Bürgermeister und die Ratsherren meistens aus den
Reihen der Deutschen erwählt. Allmählich begann aber auch das
finnische Element seinen Einfluss geltend zu machen, in Äbo tre«
ten zwei finnische Grosskaufleute, Suurpää und Karvatasku, auf,
die in der mittelalterlichen Handelswclt der Ostsee wohlbekannt
waren, in Wiborg finden wir am Ende des Mittelalters verschiedene
Personen mit finnischen Namen als Ratsmitgliedcr, wie z. B. den
Bürgermeister Pitkä=Lammi und den Ratsherrn Toivo.
Durch ihren regen Handel waren von unseren Städten im Mit=
telalter wenigstens Äbo und Wiborg lebenskräftig aufgeblüht. Die
Weiterentwicklung in den nächstfolgenden lahrhunderten entsprach
jedoch nicht in jeder Beziehung dem vcrhcissungsvollen Anfang.
Die bevormundende Wirtschaftspolitik der Regierung, die sich
im 17. Jahrhundert in einen vollständigen Handciszwang verwan=
dclte, dämmte den freien Lauf des Gcschäftslcbens zu sehr ein
und wurde dadurch in mancher Hinsicht ein Hemmschuh für die
Entwicklung unserer Städte.
Das 16. Jahrhundert.
Im Anfang der Neuzeit führten die finnischen Kauflcute eben=
so. wenig wie im Mittelalter selbst Produkte des Inlandes nach fern=
liegenden Konsumorten aus; auch ausländische Waren, die sie
brauchten, wurden nicht direkt vom Herstellungslande bezogen.
Der Aussenhandel lag immer noch in den Händen der Han=
sestädte. Auch zur Ostseeschiffahrt zeigten die einheimischen
Kaufleutc wenig Lust; sie warteten lieber zu Hause auf die Han=
seaten, als dass sie selbst Geschäftsreisen zu diesen unternommen
hätten. So fiel aber natürlich auch der Löwenanteil des durch den
Warenaustausch erworbenen Gewinns den Hanseaten zu, zum gros=
sen Nachteil für die Entwicklung der Städte. Zur Beseitigung die=
ses Missstandes traf König Gustav Wasa energische Massregeln.
Die Städte wurden wiederholentlich aufgefordert, Fernschiffahrt
nach Holland, England, Frankreich, Portugal, Spanien usw. zu
treiben. Als Gegengewicht gegen Reval, das mit der LandbevöU
kerung der finnischen Südküste einen lebhaften Handelsverkehr
unterhielt, wurden neue Städte wie E k c n ä s (Tammisaari)
1528 und Helsingfors (Helsinki) 1550 angelegt. Gustav Wasa
berücksichtigte aber in seiner Handelspolitik nicht genügend die
lokalen Verhältnisse und die Bedürfnisse der natürlichen Entwick=
lung, sondern versuchte durch allzu schroffe und willkürliche Mass=
nahmen den Handel der Städte in neue Bahnen zu lenken. Ein
Mal um das andere wurden Verordnungen erlassen, in denen jeg=
lieber Handel mit den Hansestädten verboten wurde, ohne dass im
geringsten dem Umstände Rechnung getragen wurde, dass die cin=
heimischen Kaufleute noch keine Voraussetzungen hatten, aus eige=
nen Kräften zurechtzukommen. Dem einheimischen Kaufmanns=
stand fehlte das nötige Kapital, der auswärtige Kredit und die
allgemeine kommerzielle Bildung, um den Aussenhandel ganz in
eigene Hand zu nehmen. Bezeichnend für die Art und Weise,
in der die Städte behandelt wurden, ist unter anderem auch die
Herbeischaffung von Einwohnern für das neugegründete Helsing=
fors. Durch königlichen Befehl, unter Strafandrohung infi Weige=
rungsfall, wurden Bewohner von Raumo, Lüfsby, Ekcnas und Borgä
gezwungen, in diese neue Stadt überzusiedeln. Nach einigen
jähren durften sie jedoch in ihre alten Wohnorte zurückkehren,
nachdem sich auch der König selbst bei einem Besuche der Stadt
von deren unvorteilhafter Lage überzeugt hatte.
Eine Folge der nationalen Politik Gustav Wasas war freilich,
dass das einheimische Element in unseren Städten eine immer grös=
sere Bedeutung gewann. Es ist zuzugeben, dess der Handel Äbos
und Vt'iborgs im i6. jahrhimdcrt erheblich gewachsen ist. Auch
die eigene finnische Segel; chiffahrt hat sich bedeutend belebt. An=
dererseits haben aber die zu radikalen Massnahmen des Königs die
Entwicklung des Aussenhandels unserer Städte vielfach auch direkt
gehemmt. Durch Erlasse allein war der freie Lauf des Handels
nicht zu regeln. Auch die unruhigen Zeiten in der letzten Hälfte
des Jahrhunderts waren nicht geeignet den Handel zu fördern.
Trotz allen Bemühungen des Königs wurde auch Hcisingfors nicht
zu einem Handelszentrum am Finnischen Meerbusen, welches Reva!
gegenüber als genügendes Gegengewicht hätte dienen können.
Was die Industrie der Stedte anbelangt, war sie nich wie
vor im Vergleich mit dem Handel von geringem Wert. Allerdings
machte sie schon im 16. Jahrhundert merkbare Fortschritte. Die
Anzahl der Handwerker nahm gleichmässig zu, und in der Nähe
von Abo wurde in den 1540er Jahren die erste Fabrik unseres
Landes, die Tuchfabrik zu H a 1 1 i n e 11, gegründet, in der die
bekannte Äboer Leinwand hergestellt wurde. Auch sonst ging die
Industrie in Abo in schnellerem Tempo vorwärts als in anderen
Städten. Besonders konnte sie in Äbo während der glänzenden Hof=
haltung Herzog Johans einen Aufschwung verzeichnen. Wie der
Handel, litt jedoch auch die Industrie gegen Ende des Jahrhunderts
unter der Unruhe der Zeit.
Das 17. Jahrhundert.
In der Geschichte des Städtewesens stellt das 17. Jahrhundert
in vielen Beziehungen eine wichtige Entwicklungsperiode dar. Diese
Epoche sah nicht nur eine grosse Menge neuer Städte in Finnland
entstehen, sondern auch die Gesetzgebung betreffend die Ange=
legenheiten der Städte im Inneren und untereinander entwickelte
sich grossartig.
296
GIcicl) zu Beginn des Jahrhunderts erhielt das ausgedehnte
Osterbottcn (Pohjanmaa) seine ersten eigenen Hafenstädte, Uleä=
borg (Oulu) und W a s a (Vacsa), von denen dieses 1606, jenes
1605 angelegt wurde. Diese Städte hatten die Bestimmung, im
hohen Norden als Stapelplätze zu dienen: Landesprodukte wie Teer,
Pelzwerk, Tran und Häute ins Ausland auszuführen und durch ihre
Einfuhr der Bevölkerung von Nordfinnland die Anschaffung von Salz
und anderen Bedarfsartikeln zu erleichtern. Dazu wurden längs der
Küste des Landes mehrere Städte »zur Beseitigung der Baucrnschiff=
fahrt» gegründet, nämlich T o r n e ä (Tornio) 1 620, Brah estad
(Raahe) 1649, Gamlakarleby (Kokkola) 1620, K r i s t i n e=
stad (Kristiina) 1649, N y k a r 1 e b y (Uusikaarlepyy) 1616, Veh=
kalahti, später Fredrikshamn (Hamina), 1653. Für den Han=
del des Binnenlandes andererseits wurden die Städte Tavaste=
hus (Hämeenlinna) 1638, Nyslott (Savonlinna) 1639 und
Villmanstrand (Lappeenranta) 1649 angelegt. Eine be=
sondere Reihe von Städten erhielt ferner Ostfinnland, um den sog.
»Russenhandel» in gesetzliche Bahnen zu leiten. Von altersher hat=
ten nämlich Russisch = Karelier in unserem Lande einen lebhaften
Hausierhandel getrieben, indem sie an Wiborg vorbei über Kajana
(Kajaani) nach Osterbotten und sogar darüber hinaus bis weit
nach Norrbotten zogen. Sie brachten Leinwand, Fries, Seide,
Hedegarn und allerlei Pelzwaren mit, während sie bares Geld,
Kupfer, Fuchs=, Biber=, Hasen= und Eichhornfelle ausführten. Da
sie überall ihre Waren hinter dem Rücken der Bürgerschaft der
Städte abzusetzen suchten oder Landesprodukte aufkauften, schmug=
gelten und »allerlei Gesetzwidriges trieben», versuchte die Regie=
rung ihren Handel durch alle Mittel in den Städten zu konzentrie=
ren. Zu diesem Zweck wurden an den Ufern des Ladogasees aus=
ser Kexholm (Käkisalmi), welches nach der Übergabe an
Schweden seine Stadtprivilegien erhielt (1650), noch die Städte
Taipale, Kurkijoki, Sortavala (i632)und Salmi,
an der Mündung des Lieksaflusses B r a h e a, im Zentrum von
Nord=Savolax Kuopio und weiter nördlich Kajana (Kajaani)
neben der gleichnamigen Festung (1651) aufgeführt. Auf diese
Weise wuchs die Zahl der Städte im 17. Jahrhundert fast um das
Vierfache. Ausserdem wurde Helsingfors an eine andere Stelle
verlegt, und in K o i v i s t o (Björkö) sollte ein neuer Stapelplatz
eingerichtet werden, obgleich dieser Plan nicht durchgeführt wurde.
Hinsichtlich der Stadtgesetzgebung verdienen be=
sonders hervorgehoben zu werden: die Verordnung betreffend
»die Verwaltung der Städte» von 1619, die Schiffahrts= und Hdndcls=
Ordnungen für die Städte von den Jahren 1614, 1617 und 1636, die
Erlasse über den »Kleinzoll», Fleischhandcl, Hausierhandel u. a.
von 1622, weiter Verfügungen über die Regelung des städtischen
Handwerks: die Zunftordnungen von 1621 und 1669.
In den Verordnungen über die Verwaltung der Städte
wurden die Beamten aufgezählt, die jede Stadt haben sollte, und
deren Obliegenheiten erörtert. Nach dieser »Ordnung» gehörten zum
Bcamtenkorps einer jeden Stadt: Bürgermeister, Ratsherren,
Kämmerer, Stadtschreiber und Magazinverwalter. Ausser diesen
konnte noch, wenn man es für nötig hielt, ein Syndikus angestellt
werden. Die Aufsicht über die Bautätigkeit und Instandhaltung
der Strassen, Brücken und Quais der Stadt wurde zwei Stadtbau =
meistern anvertraut. Zur Unterhaltung der Feuerwehr wurde jede
Stadt in der Regel in vier Bezirke eingeteilt, die je zwei Vorsteher
hatten. Diesen lag es auch ob dafür zu sorgen, dass die Bürgergarde
über taugliche und zeitgemässe Bewaffnung verfügte. Zur Voll=
Streckung ihrer Befehle standen dem Bürgermeister und dem Rate
mindestens zwei Stadtdiener zu Gebote, zu denen in Hafenstädten
noch mehrere Hafenwächter {bryggeUijkare) kamen. Statt der öf=
fentlichen Gemeindeversammlungen, die »tumultuarisch und zü=
gellos, verwerflich und schändlich» gewesen waren, wurde die Be=
ratung der städtischen Angelegenheiten 48 Stadtverordneten über=
tragen.
Fürdie Finanzverwaltung sollte in jeder Stadt eine aus 7 Mitglie=
dern bestehende Stadtkämmerei des Magistrates eingesetzt werden,
deren Rechnungen ein Ausschuss von 12 Personen zu prüfen hatte.
Dazu umfasste die Verordnung verschiedene Bestimmungen über
Kommunalbesteuerung, Verwaltung des Stadteigentums, Annahme
zum Stadtbürger, Gewerbeaufsicht u. dgl.
Die damalige Gesetzgebung enthielt sehr genaue Vorschriften
üb.?r die in der Stadt zulässigen Gewerbe. Die Handwerker mussten
zunftweisc organisiert sein, und keiner von ihnen durfte mehr als
ein Gewerbe ausüben. Jede Zunft hatte ihre eigenen, genau prä=
zisierten Statuten, und eine jede bildete sowohl nach innen als nach
aussen eine feste Organisation. Auch die Kaufleute hatten ihre cnt=
sprechenden Organisationen. überhaupt ging man auch in der
298
Rcgcliiiig der 1 ätigkeit der Privatleute sehr weit. Die Handwerker
hatten ihre eigenen Taxen, nach denen sie für ihre Arbeit und ihre
Waren bezahlt wurden. Kein anderer war z. B. befugt Tiere zu
schlachten als der Metzger der Stadt, und jegliches Schlachten
durfte nur im Schlachthof der Stadt stattfinden, wie ihn jede Stadt
haben musste; Bier, auch Schwachbier zum Hausgebrauch, durfte
kein anderer brauen als der dazu gesetzmässig berechtigte Bierbrauer,
und die Behörden hatten dafür zu sorgen, dass jede Stadt über ge=
nügend grosse Brauereien und eine hinreichende Zahl von Bier=
brauern verfügte. Die Hausierer, die hauptsächlich nur Landpro=
dukte verkauften, durften ihren Handel nur auf bestimmten Plät=
zen unter strenger Kontrolle treiben. Ein eigentümliches Gepräge
verlieh dem Verkehr der Städte dieser Zeit die Erhebung des sog.
Kleinzolles, der sich auf alle vom Lande oder aus anderen Städten
stammenden Waren bezog. Alle Städte sollten mit Umzäunungen
versehen sein, sodass niemand zu Pferde oder zu Fuss oder im Boot
in die Stadt oder aus derselben kommen konnte, ausser durch be=
stimmte Tore, vor denen ein kleines Zollhaus mit Beamten und
Wächtern stand. Ehe der Passant mit seinem Gepäck durch das
Tor eingelassen wurde, wurden seine Sachen, einerlei ob eine kleine
Bürde oder eine ganze Wagenladung, verzollt und ihre Herkunft
und ihr Besitzer in die Bücher eingetragen. Wollte ein Landbewoh=
ner die Stadt passieren, ohne seine Fuhre abzuladen, so brauchte
er keinen Zoll zu erlegen, er musste aber unter Begleitung eines
Wachtsoldaten durch die Stadt fahren. Zwar hatte man auch frü=
her in mancher Weise die Gewerbefreiheit des Einzelnen bc=
schränkt, aber erst im 17. Jahrhundert entwickelte sich diese bevor=
mundende Regelung den wirtschaftlichen Theorien der Zeit völlig
entsprechend.
Wie die Tätigkeit der Bewohner der einzelnen Städte genau
geordnet war, so war auch die Stellung der Städte zueinander Ge=
genstand der Regelung vonseiten der Regierung. Wie jedem ein=
zeincn Bewohner war auch den Städten der ihnen zukommende
Platz in der Volkswirtschaft anzuweisen. Erstens wurden die Städte
in zwei Hauptgruppen eingeteilt: in S t a p c U und Landstädte.
Erstere durften Aussenhandel treiben, letztere dagegen nicht. Die
Stapelstädte zerfielen auch noch in zwei Kategorien, in solche,
welchen jede Art (sowohl aktiver wie passiver) Aussenhandel ganz
freistand, und in solche, welche nur selbst und auf eigenen Schif=
fcn mit dem Auslände Handel treiben, aber keine ausländischen
Kaufleute aufnehmen durften. Vollberechtigte Stapelstädte waren
nach dem Erlass von 1614: Äbo (Turku) und Wiborg (Viipuri), Sta=
pclstädte zweiter Klasse Björneborg (Fori), Ekenäs (Tammisaari),
Helsingfors (He!:,inki) und Borgä (Porvoo). In dem Erlasse von
1617 wurden Helsingfors und Borgä zu vollberechtigten Stapcl=
Städten erhoben und Björneborg (Fori), Raumo (Rauma), Ekenäs
(Tammisaari), Mystad (llusikaupunki), Kexholm (Käkisalmi) und
Taipale zu den Stapclspädten zweiter Klasse gerechnet. In dieser
den Aussenhandcl begünstigenden Richtung schritt die Entwicklung
jedoch später nicht weiter fort, die Zahl der Stapelstädte wurde
vielmehr durch den Erlass von 1636 wieder herabgesetzt. Hclsing=
fors und Borgä musstcn sich mit dem Range von Stapclstädten
zweiter Klasse begnügen, und Björneborg, Raumo und Nystad
wurden in Landstädte verwandelt. Zu Äbo und Wiborg erhielt
unser Land jedoch 1638 noch eine neue Stapelstadt mit vollen
Rechten, das in dem erwähnten Jahre gegründete Sandhamn
(Santahamina), welches später nach Sörnäs und von dort 1640
nach Skattudden (Katajanokka) verlegt wurde, wobei es den Namen
Neu = Helsingfor3 erhielt. Im folgenden Jahre wurde ausserdem
Björneborg, Raumo und Nystad das Recht zucrtcilt, Holzgefässc
ins Ausland auszuführen. Vcn diesen drei Stapelstädten des Landes
sollte Äbo den eigentlichen Ausfuhr= und Einfuhrplatz für \Vestfinn=
land und Osterbotten, Neu=Hclsingfors den für Tavastland und
Nyland und Wiborg denjenigen für Ostfinnland bilden.
Während der Aussenhandcl auf diese Weise in einigen wenigen
Städten konzentriert wurde, versuchte die Regierung auch den Bin=
nenhandel durch genaue Bestimmungen unter den Städten zu
verteilen. Aller Hausier= und Landhandel war vcibotcn; wenn die
Landbewohner ihre Produkte zu verkaufen wünschten, musstcn
sie sie zur Stadt ihrer Provinz oder auf bestimmte Märkte bringen,
die gewissen Städten vorbehalten waren. Die Städte durften wohl
miteinander Handel treiben, die eine konnte aber nicht direkt mit
der Landbevölkerung, die zu dem Bezirke der anderen gehörte,
An= oder Verkäufe abschlicssen. Die Städte Torneä (Tornio),
Uleäborg (Oulu) und Wasa durften nach den Handelsordnungen
von 1614 und 1617 nicht einmal ihre inländischen Handclsfahr=
ten über Äbo und Stockholm hinaus ausdehnen. Für die tlbcr=
wachung der Unantastbarkeit ihrer Handclsprivilegien hatten die
Städte das Recht, besondere Strcifwaclien (uirijdare och heslags=
karlar) anzustellen.
Diesem grossartigen äusseren System entsprach jedoch kein
wirkliches Aufblühen unserer Städte. In den vielen ins Einzelne
gehenden Statuten war den Erfordernissen der bestehenden Vcr=
hältnissc und der natürlichen Entwicklung zu wenig Rechnung gc=
tragen. Anstatt kräftige Hebel des Fortschritts zu sein, wurden
sie für das öffentliche Leben eher ein fesselnder Zwang, der ein
halbes Jahrhundert lang den Aufschwung und die Entwicklung
unserer Städte hemmen sollte. So genau das Tätigkeitsgebiet der
einzelnen Gewerbetreibenden und der Städte auch umschrieben war,
begann im wirtschaftlichen Leben doch keine Phase besserer Ord=
nung; im Gegenteil erreichten die Eifersucht, die Reibereien und
die allgemeine Unzufriedenheit ihren Gipfel. Der freie Lauf des
Geschäftslcbens war auch nicht durch willkürliche Bestimmungen
der Regierung in künstliche Bahnen zu lenken. Trotz allen strcn=
gen Verboten und aller Überwachung nahmen sowohl der Land=
handel und der Hausierhandel der Russen wie auch die geheime
Schiffahi't ins Ausland neben dem Stadthandel ihren Fortgang. Auch
für unsere begünstigten Stapelstädte war das 17. Jahrhundert keine
Zeit des aufblühenden Handels. Sie hatten wohl grosse Privilc=
gien auf Kosten anderer Städte erhalten, allein auch diese wurden
durch noch grössere Vorrechte überholt. Um den Ausscnhandel
noch vollständiger zu konzentrieren, gründete die Regierung in
verschiedenen Zweigen des Handels sog. Kompanien, von denen
jede ihr eigenes Gebiet als ausschliessliches Monopol erhielt. So
entstanden unter anderem eine Salz=, eine Tecr=, eine Kupfer=
und eine Tabakskompanie. Besonders wirkten die Salz=, Tecr=
und Tabakskompanien sehr nachteilig auf die Entwicklung der
Städte ein. Dazu wurde der Handel durch hohe Zölle belästigt.
Und zu allerletzt wurden unsere Städte bei der Verteilung von
Stapelrechten gegenüber den schwedischen Städten vernachlässigt.
Während es in Schweden nach der Verordnung von 1636 8
vollberechtigte Stapelstädtc gab, hatte Finnland deren nur drei,
und auch von diesen war eine, nämlich Helsingfors an einem Ort
angelegt, der nicht als für diesen Zweck geeignet gelten konnte.
Hingegen blieben Städte wie Uleäborg und Wasa, die die
besten Voraussetzungen zu Stapelstädten hatten, einfache Land=
Städte. Da die österbottnischen Städte kein Schiffahrtsrecht nach
dem Auslände hatten, musstc ihr Handel sich an Äbo vorbei auf
Stockholm richten. Diese Abhängigkeit unserer Städte wusstcn
aber die Stockholmer Bürger in jeder Weise auszunutzen, indem
sie die Preise der Produkte unseres Landes nach Belieben herab=
drückten, für uns unentbehrliche Importwaren dagegen unmässigc
Preise verlangten. Der Gewinn, den der Handel der österbottni =
sehen Städte einbrachte, kam demnach allein Schweden zugute.
Es ist recht bezeichnend, dass es von unseren Stapelstädten im
17. Jahrhundert nur Wiborg bcschicdcn war seinen Handel auf=
blühen zu sehen. Helsingfors aber blieb während der ganzen
Zeit eine unbedeutende Kleinstadt, und der Handel von Äbo
wurde geradezu lahmgelegt. Während gegen das Ende des 16.
Jahrhunderts die Zahl der jährlich ein= und auslaufenden Schiffe
im Äbocr Hafen bis auf 50 steigen konnte, betrug sie zu Beginn
des 17. Jahrhunderts nur noch 20 — 30 und am Ende des )ahrhun =
derts noch weniger. Die wichtigste Handelsstadt unseres Landes
im 17. Jahrhundert war in der Tat Wiborg.
Bessere Fortschritte als der Handel unserer Städte in dem be=
treffenden Jahrhundert konnte ihre Industrie aufweisen,
insbesondere nahm das Handwerk einen bedeutenden Aufschwung,
in Äbo gab es gegen Ende des 17. Jahrhunderts einige Hundert
Handwerker, in Wiborg etwa ein Hundert. In diesen beiden
Städten hatten sich etwa zehn Gewerbe so weit entwickelt, dass
sie sich zu einer lokalen Innung zusammenschliessen konnten,
wozu mindestens 4 (3) Meister erforderlich waren. Auch fabrik=
anlagen tauchten hier und da in den Städten oder in deren un=
mittelbcrcr Nähe auf.
Ihrer Einwohnerzahl nach waren die Städte im 17.
Jahrhundert noch sehr- klein. In Äbo, der Residenz», SchuU und
Universitätsstadt, betrug die Einwohnerzahl um die Mitte des 17.
Jahrhunderts etwa 5,000, in Wiborg 3,500; in allen anderen
Städten erreichte sie nicht einmal 1,000. Von unseren zahlreichen
Städten (im ganzen schon ca. 30) fristeten mehrere ein recht küm=
merliches Dasein. Einige gingen denn auch wirklich nach und
nach von selbst ein. Dieses Schicksal traf die Stapelstädte zweiter
Kl-asse Taipale, Salmi, Kurkijoki, Brahca und Kuopio. Auch die
Regierung trug sich gegen Ende des Jahrhunderts schon mit dem
Gedanken, die Zahl der Städte zu vermindern. Nykarleby (Ujsi =
kaarlepyy) und Brahestad (Raahe) sollten 1680 in eine andere Stadt
verlegt werden, Villmanstrdiid (Lappcenranta) wurde i68? seiner
Stadtrechte für verlustig erklärt; Rkenäs (Tammisaari, 1692) und
auch Torneä (Tornio) stand dasselbe Schicksal bevor. Diese Be=
fehle wurden jedoch nie ausgeführt.
Das 18. Jahrhundert.
Die friedliche Entwicklung der Städte wurde auf lange Zeit
durch den grossen Nordischen Krieg unterbrochen. Auch die wc=
nigen Reichtümer, die sie während der Zeiten des Handelszwan=
ges hatten sammeln können, gingen jetzt restlos verloren. Zuerst
musste man ein Dezennium lang schwere Kriegssteuern bezahlen,
dann wurden unsere Seestädte von einer furchtbaren Pest heim=
gesucht, die z. B. in Abo mindestens Vs der Einwohner hin=
wegraffte, und den Gipfel erreichte das Unglück durch den Einfall
roher feindlicher Soldatenhorden mit ihren Raubzügen, Verheerun =
gen und Brandschatzungen. Aus dem Tiefstand, den der Grosse
Unfrieden mit sich brachte, konnten sich unsere Städte nach ■
der Wiederherstellung friedlicher Verhältnisse nur langsam auf=
raffen. Auch weiter bildete der Handelszwang ein Hemmnis für
jede freie Entwicklung. Alle Anstrengungen zu seiner Beseitigung
oder wenigstens zu seiner Milderung führten in den nächsten
Jahrzehnten zu keinen Resultaten: nicht einmal eine einzige eigene
Stapelstadt wurde für das grosse Osterbotten für nötig gehalten.
Erst in den 1760er Jahren sollte für unsere Städte auf dem
Gebiete des Handels eine bessere Zeit anbrechen. — Günstig
war auch keineswegs die Lage derjenigen Städte, die nach den
Friedensschlüssen von 1721 und 1743 auf die russische Seite der
Grenze gerieten, weil sie von ihren früheren Handelsgebictcn
getrennt wurden. So war die wichtigste Exportware Wiborgs der
Teer von Nord=Karelien und Savolax gewesen, dessen Export aber
jetzt vollständig einging.
Hingegen begann die Industrie in den Städten schon in den
ersten Jahrzehnten nach dem Friedensschluss zu erstarken. Die
Wiederbelebung der einheimischen Industrie wurde Gegenstand be=
sonderer Fürsorge der schwedischen Regierung, und diese Gunst
wurde auch einigermassen den Gewerben Finnlands zuteil. Vor aU
lern versuchte die Regierung alle Unternehmungen grösseren Mass=
Stabs zu fördern, wie z. B. die TextiU und Tabakmanufakturanla-
gen. Die Städte wurden ausserdem angehalten, auf ihren Liegen=
Schäften Tabak, Plachs, Hanf, Farbepflanzen u. a. anzubauen
und Schafherden zu halten. Schon in den 1730er Jahren wurden
in den Städten auch hie und da neue Fabriken angelegt, und
1740 wurde Äbo ein besonderes Hallen= und Industrierecht zu =
erteilt. Auch beträchtliche Tabakpflanzungen kamen manchenorts
zustande, wie z. B. in Äbo, Hclsingfors und jakobstad, wo 1762
eine noch heute dort im Betrieb stehende Tabaksfabrik gegründet
wurde. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts gab es z. B. in Abo
über zehn verschiedene Manufakturanstalten oder »Fabriken.»
Mehr als irgendeine andere Massnahme der Regierung war
jedoch die bedeutende Milderung des Handelszwanges durch den
Erlass vom 3. Dezember 1765 geeignet, den Wohlstand der Städte
zu fördern. Vollständige Stapeircchte wurden jetzt Björneborg
(Fori), Wasa (Vaasa), Gamkkarleby (Kokkola) und Uleäborg
(Oulu) versprochen. Dazu erhielten noch Kristinestad (Kristiina),
Nykarleby (Uusikaarlepyy), Jakobstad (Pietarsaari) und Brahe=
stad (Raahe) das Recht, in diesen neuen Stapelstädtcn eigene
Lagerplätze zu halten, und Nystad (Uusikaupunki), Raumo {Rau=
ma), Nädcndal (Naantali), Ekenäs (Tammisaari) und Borgä (Por=
voo) wurden ermächtigt, mit anderen Produkten ausser HoIzgc=
fassen im Bereich der Ostsee und des Finnischen Meerbusens
Aussenhandcl zu treiben. Der lange künstlich gesperrte Verkehr
wurde nun endlich frei. Der Aus= und Einfuhr von ganz Nord=
und Binncnfinnland öffnete sich nun durch die österbottnischen
Städte freie Bahn. Besonders schnell blühte auch in der Tat unter
dem Schutze der neuen Hmdelsrechte die auswärtige Handels^
Schiffahrt unserer Städte auf. Binnen kurzem war der Seeverkehr
nach Holland, England, Frankreich, Spanien, Portugal und dem
Mittelmeere, sogar noch weiter, im vollen Gang. Zugleich begann
eine Zeit des Aufschwungs für den Aussenhandel des Landes über=
haupt. Die allgemeine Lage des Weltmarktes gestaltete sich in der
zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts für unser Land besonders
günstig, weil infolge der um diese Zeit ausgebrochenen Kriege die
Nachfrage nach den speziellen Ausfuhrartikeln unseres Landes, nach
Teer und Holzwaren, ausserordentlich wuchs. Zuerst hielt sich
der Markt fest infolge des amerikanischen Befreiungskrieges
(1773 — 83), dann infolge der französischen Revolution und der
Napoleonischen Kriege. Der Wohlstand der Küstenstädte ging
unter diesen günstigen Konjunkturen sehr in die Höhe, und in die=
ser Zeit legten viele unserer bürgerlichen Familien den Grund
zu ihrem Reichtum.
Auch die Zahl der Städte vermehrte sich im 18. Jahrhundert.
Als Ersatz für den Verlust von Fredrikshamn (Hamina) wurde
schon 1745 Dcgerby mit vollen Stapelrcchten gegründet, das dann
später den Namen Lovisa erhielt. Zur Hebung des Erwerbs=
lebens wurden im Binnenlande auf Anregung Gustavs III. Kuopio
(1777), Heinola und Tammerfors (Tampere) (1779) ge=
gründet. Doch erhielt Heinola noch keine Stadtprivilegien und
auch Kuopio erst im Jahre 1782. Dazu wurde den öster=
bottnischcn Städten noch eine Seestadt zugesellt, nämlich Kaskö
(Kaskinen), dem 1792 volle Stapelrechte bewilligt wurden. Alle
diese neuen Städte, die unter Gustav III. angelegt wurden, waren
ausserdem berechtigt, ihre Gewerbe frei, ohne Handels= und
Zunftzwang auszuüben.
Die Zeit des Aufschwungs, die in der Entwicklung der Städte
in der letzten Hälfte des 18. Jahrhunderts angefangen hatte, äus=
serte sich vor allem in der erheblichen Vermehrung ihrer Ein=
wohncrzahl. Während im 17. Jahrhundert in einigen Städten die
Einwohnerzahl im Maximum nur etwas über 1,000 betragen hatte,
waren in der letzten Periode der schwedischen Herrschaft nur
V3 der Städte solche, die weniger als 1,000 Einwohner zählten.
Im Jahre 1805 war nämlich die Einwohnerzahl in den Städten fol=
gendc:
Äbo (Turku) 10,814
Uleäborg (Oulu) 3, 745
Helsingfors (Helsinki) 3,227
Wasa (Vaasa) 2,538
Björneborg (Fori) 2,510
Borgä (Porvoo) 2,038
Lovisa (Loviisa) 1,960
Tavastehus (Hämeenlinna) ••■• 1,689
Gamlakarleby (Kokkola) 1,710
Nystad (Uusikaupunki) 1,682
Raumo (Rauma) 1,651
Ekenäs (Tammisaari) 1,260
Brahestad (Raahe) 1,169
Kristinestad (Kristiina) 1,152
Jakobstad (Pictarsaari) 1,088
Kuopio 819
Nykaricby (Uusikaarlepyy) ■ • ■ 765
Nädcndal (Naantali) 705
Tammctfors (Tampcre) 602
Hcinola 422
Kaskö (Kaskincn) ■558
Kajana (Kajaani) 317
Die meisten der Städte hatten also gegen das Ende der 5chwc=
dischcn Herrschaft j,ooo bis 2,000 Einwohner.
Fabriken gab es in den Städten in dem erwähnten Jahre etwa
80 und Handwerker alles in allem 3,055. Das wichtigste Zentrum
war Abo (Turku) mit 24 Fabriken und 1,122 Handwerkern. Von
den anderen Städten stand in dieser Beziehung Wasa voran,
dann kamen Ulcäborg (Oulu), Björneborg (Fori), Helsingfors
(Helsinki) und Borgä (Porvoo). Die Zahl der Kaufleute der
Städte war 1805 etwa 385, die der Handlungsgehilfen 370. in
Äbo waren die entsprechenden Ziffern 51 bezw. 115. Den
zweiten Platz nahm Uleäborg mit 53 resp. 51. ein. Diese Stadt
bildete übrigens ein Handelszentrum für etwa 20 umfang»
reiche Landgemeinden, mit Kcmi, Sotkamo, Sevolax und Ka=
rclicn als äussersten Grenzen. Die dritte Stelle fiel Lovisa zu, wo
es 27 Kaufleute und 45 Gehilfen gab. Um den nächsten Platz in
der Reihe konkurrierten Helsingfors, Borgä, Brabcstad, Gamla=
karleby und Wasa.
Zur Aufrechterhaltung des Seeverkehrs verfügten unsere Stödte
über etwa 200 eigene Schiffe. Schifferund Seeleute zählten die
Städte zusammen 1,559. Auch inbczug auf die Schiffahrt hatte
Äbo vor allen Städten den Vorrang. Dort gab es im Jahre 1805
437 Schiffer und Seeleute. Viele Schiffe der Stadt segelten bis in
die Häfen des Mittclmceres, z. B. nach Genua. Die wichtigste
Seestadt nach Äbo war Uleäborg und danach Gamlakarleby. Die
erstere hatte 166 Schiffer und Seeleute und 23 Schiffe, die letztere
159 Schiffer und Seeleute und 14 Schiffe.
Die jüngste Zeit.
Dem grossen Aufschwung, den die Entwicklung der Städte am
Ende der schwedischen Herrschaft aufweist, wurde natürlich durch
306
den zu Beginn des 19. Jahrhunderts ausbrechenden Krieg Einhalt
getan. Grössere Schäden erhtten die Städte durch den Krieg von
1808 — 1809 jedoch nicht. Der Aussenhandel hörte allerdings für ei=
nige Zeit vollständig auf, wichtiger war aber der Umstand, dass die
Streitkräfte des Eroberers von allen Räubereien und Verwüstungen
Abstand nahmen. Ausserdem vcrhiess die neue Zeit eine grössere
Freiheit als bisher. Schon während des Krieges wurde der Klcin=
zoll, der seit zweihundert Jahren dem einheimischen Handel der
Städte hinderlich gewesen war, aufgehoben, und das Schicksal
der Städte Wiborg und Fredrikshamn (Hamina) zeigte, dass die
russische Regierung den Fortschritt des Aussenhandels und der
Schiffahrt der eroberten Städte gern sah. Nach der WiederhersteU
lung geordneter Verhältnisse im Lande begann für die Städte
unter der russischen Herrschaft in der Tat eine Zeit lebhaften
Aufschwungs. Besonders machten der Handel und die Schiffahrt,
welche letztere immer noch den wichtigsten Erwerbszweig der Städte
bildete, rasche Fortschritte. Gleichzeitig mit dem immer bedeu=
tenderen Aufstreben des Aussenhandels nahm auch die Frachtschiff=
fahrt nach fernen Gewässern immer mehr zu. In einigen Jahr2ehn=
ten stieg die Tonnage der Handelsflotte der Städte auf das Vicr=
fache. Die Gesamttonnage der Schiffe der Städte betrug im An =
fang der 1850er Jahren schon etwa 55,000. Während des Krim=
krieges hatte diese Flotte jedoch grosse Verluste, indem sie mehr
als die Hälfte ihrer Schiffe verlor. Nach dem Kriege waren die
Schäden aber bald wiederhergestellt. Schon 1866 machte der
Raumgehalt der Fahrzeuge 82,591 Lasten aus. 1870 stieg er bis
über 88,000 Lasten, d. h. 167,000 Brt. Vor dem Krimkriege hatte
Abo die grösstc Handelsflotte, um den zweiten Rang stritten
Brahestad, Wasa und Uleäborg. Nach dem Krimkriege schwang
sich aber Brahestad zur ersten Stelle auf. Von anderen Städten
waren danach Wasa, Uleäborg, Jakobstad, Äbo, Raumo und Nystad
die wichtigsten. Das rasche Aufblühen der Handelsflotte dauerte
jedoch in den 1870er Jahren nicht mehr an. Eisen= und Dampfschiffe
hielten um diese Zeit auch in dem Lande in grösserem Umfange
ihren Einzug und drängten bald die SegcU und Holzschiffe bei=
Seite, zu deren Herstellung das waldreiche Land besonders günstige
Vorbedingungen geboten hatte. Für die Handelsflotte beginnt
schon mit dem Anfang der 1870er Jahre eine Zeit des Rück=
gangs. Erst in der Mitte der 1890er Jahre erreicht sie wieder die
Tonnage, die sie 1870 besessen hatte.
Der Verlust, den der Entwicklung der Städte der Niedergang
ihrer Handelsflotte in den erwähnten lahrzehnten zufügte, wurde
jedoch reichlich durch den grossartigen Fortschritt des Handels
und der Industrie aufgewogen.
Der Aufschwung des Ackerbaus, die grosse Wertsteigerung der
Wälder, die allseitige Verbesserung der Verkehrsverhältnisse, die
durch die Erlasse von 1868 und 1879 proklamierte vollständige Ge=
Werbefreiheit, mit einem Worte die rasche Wiederbelebung der gan=
zen Volkswirtschaft, hatte auch ein gewaltiges Aufblühen des Han=
dels und der Industrie zur Folge. Die Zahl der Kaufleute der Städte
vermehrt sich in einigen Dezennien um ein Vielfaches. Und nicht
nur der Binnenhandel nimmt einen solchen Aufschwung, sondern
auch der Ausscnhande! macht grosse Fortschritte. Noch 1860 betrug
die Ausfuhr nur 22,7 Mill. Fmk und die Einfuhr 43,4 Mill. Fmk,
1913 dagegen ist die Ausfuhr 401,8 Mill. Fmk, also 19 mal so gross
wie vor 50 Jahren, und die Ausfuhr 495,4 Mill. Fmk oder beinahe
12 mal so gross wie 1860. Eine ähnliche Entwicklung hat die lndus=
trie des Landes durchgemacht. Moderne Fabrikindustrie mit Gross=
Produktion kommt auch bei uns immer mehr in Anwendung. Die
jährliche Produktion der gesamten Industrie der Städte wurde
noch 1870 auf nur 23,7 Mill. Fmk geschätzt; 1913 belief sie sich
auf 405,6 Mill. Fmk.
Neue Städte sind in Finnland nach 1800 insgesamt 9 gegründet
worden, nämlich Jyväskylä (1837), St. Michel (Mikkeli,
1838), Joensuu (1848), Marichamn (Marianhamina, 1861),
Kemi (1869), Hangö (Hanko, 1874), Kotka (1879), lisalmi
{i89i)und Lahti (1905). Ausserdem erhielt Heinola 1839 Stadtpri=
vilegien. Von der Stadtgesetzgebung nach 1800 verdienen vor allem
erwähnt zu werden: die Verordnung 1856 '>über die Regulierung und
Bebauung der Städte», die Verordnung von 1868 betr. die Besei=
tigung des Unterschiedes zwischen StapeU und Landstädten, die
Verordnungen von 1873, 1883 und 1897 über die KommunaU
Verwaltung der Städte und die Verordnung von 1879 über die Ge=
sundheitspflege in denselben.
Das Gesamtergebnis des Aufschwungs, den die letzten hundert
Jahre in der Entwcklung der Städte zeigen, geht aus der grossen Ver=
mehrung ihrer Einwohnerzahl hervor. Dies wird durch die folgende
Übersicht illustriert:
708
Einwohnerzahl unserer Städte
i8j5
51,041
1850
105,496
1870
131,60-5
1890
235.227
1900
339,613
1910
456,873
1915
512,226
1917
528,515
Während der letzten hundert ahre ist die Einwohnerzahl
der Städte somit um das Zehnfache gewachsen. Der relative An=
teil der Städte an der Gesamtbevölkerung des Landes hat in der
betreffenden Zeit folgendermassen zugenommen:
Auf 1000 Einwohner der Gesamtbevölkerung des Landes betrug
die Stadtbevölkerung die Landbevölkerung
1815 47,-J 952,7
1850 65,7 9^6,3
»870 74,4 925,6
1890 98,9 901,1
1900 125,2 874,8
1910 146,7 853,3
19>5 155/2 844,8
1917 157,9 842,1
Vor hundert Jahren waren also von der Gesamtbevölkerung des
Landes kaum 5 % Städter. Jetzt dagegen ist die entsprechende Ver=
hältniszahl 16 %. Vergleichen wir den relativen Anteil der Städte
an der Gesamtbevölkerung des Landes mit den entsprechenden Ver=
hältnissen in anderen Ländern, so bietet sich folgendes Bild dar:
Stadtbevölkerung Landbevölkerung
Finnland (1910) 14,7% 85,3%
Schweden (1910) 24,8 » 75,2 »
Norwegen (1910) 28,8 » 71,2 »
Dänemark (1911) 40,3 » 59,7 *
Deutschland (1910) 57,0 » 43,0 »
Frankreich (1911) 44,2 » 55,8 »
England (1911) 78,0 » 22,0 »
•509
Schottland dpi i) 75,4% 24,6%
Europäisches Russland (1912) 13,2 » 86,8 »
Russisch=Polcn (1912) 23,9 » 76,1 »
Ungarn (1910) 18,9 » 81, « »
Unter den aufgezählten Ländern ist also nur im Europäischen
Russland der Anteil der Städte an der Gesamtbevölkerung noch
kleiner als bei uns.
Ausser den eigentlichen Städten gibt es in Finnland noch
eine beträchtliche Menge anderer stadtartiger Wohnzentren, wie
Flecken und »dichtbevölkerte Gemeinwesen». Flecken zählt unser
Land heute 4 und »dichtbevölkerte Gemeinwesen» 29. Alle 5tadtarti =
gen Wohnzentren sind aber dabei noch nicht einbegriffen, denn auf
dem Lande findet man zahlreiche Fabrik= und Bahnorte, deren
Verhältnisse noch ganz ungeregelt sind, obgleich ihre Einwohner=
zahl die mancher Stadt übersteigt. Zieht man dies in Betracht, so
erscheint die Prozentzahl unserer eigentlichen Landbevölkerung
bedeutend kleiner, als die amtliche Statistik angibt.
Die heutige Einwohnerzahl der Städte.
Die Grösse der Volkszahl in den verschiedenen Städten des Lan=
des im Jahre 1913 geht aus der folgenden Zusammenstellung hcr=
vor:
Einwohnerzahl an der Jahreswende 1914 — 15
nach den Kirchenbüchern nach den Steuerlisten
Helsingfors (Helsinki) ... . 170,452 155,467
Äbo (Turku) 53,926 46,745
Tammerfors (Tampere) .. 45,213 40,533
W.borg (Viipuri) 29,329 21,770
Wdsa (Vaösa) 24,430 "8,097
Uleäborg (Oulu) 21,605 16,419
Kuopio »7,587 15,276
Björneborg (Fori) 17,541 i4,994
Kotka 12,227 10,022
Jakobstad (Pietarsaari) . . . . 7,280 6,342
Raumo(Rauma) 7,070 6,119
Tavastchus (Hämeenlinna) 6,656 5,703
Hangö (Hanko) 6,455 5.359
510
Lahti 6,138 4/974
Borgä (Porvoo) 5,600 5/924
Jocnsuu 5/388 4,269
Nyslott (Savpnlinna) 4/758 4,090
lyväskylä 4/751 4,252
St. M.'chcl (Mikkeli^ 4/5io 4,450
Nystad (Uusikaupunki) . . 4,455 5,589
Brahcstad (Raahc) 4,175 5/055
Gamlakarlcby (Kokkola).. 4,156 5,298
Lovisa (Loviisa) 5,971 5,6) 1
Kristinestad (Kristiina) . . 5,528 2,743
Kajana (Kajaani) 3,516 5,455
Villmanstrand (Lappccn=
ranta) 5,464 5,562
Sortavala 5,582 5,067
Frediikshamn (Hamina).. 5,222 5,165
Ekenäs (Tammisaari) .... 3,160 2,913
lisalmi 2,941 2,694
Kemi 2,607 2,280
Kexholm (Käkisalmi). . . . 2,237 i,754
Torneä (Tornio) 1,806 1,589
Hcinola 1,713 1,657
Kaskö (Kaskinen) 1,561 i,449
Mariehamn (Maarianha=
mina) i,450 1,295
Nykarleby (Uusikaarlcpyy) 1,504 1,216
Nädendal (Naantali) 857 869
Die tatsächliche Volkszahl unserer Städte ist im allgemeinen
zwischen den Zahlen zu suchen, die das Kirchenbuch und die
Steuerlistcn über die Bevölkerung angeben, ausser in den Fällen,
wo ausserhalb des Stadtbezirks eine verhältnismässig grosse Vor=
Stadtbevölkerung existiert, wie z. B. in Wiborg, Äbo und Björne=
borg. Nach der 1910 in unseren grösseren Städten vorgenom=
menen Volkszählung betrug die wirkliche Einwohnerzahl in den
untenstehenden Städten:
Absolute Einwohnerzahl 1910
in Helsingfors (Helsinki).. 136,497
» Äbo (Turku) 54,687
in Wiborg (Viipuri) 49/007
» Tammerfors (Tampcre) . 44,147
'> Wasa (Vaasa) '9/370
■> Björneborg (Pori) 17,466
» Ulcaborg (Oulu) 16,114
Von den 38 Städten des Landes zählt nur eine einzige, nämlich
Helsingfors, über 100,000 Einwohner und nur 3 etwa 50,000,
in allen übrigen ist die Zahl bedeutend kleiner. In 29 Städten ist
die Einwohnerzahl unter 10,000, in 22 unter 5,000. Weniger als
2,000 Einwohner haben 6 Städte, davon eine, Nädendal,
sogar unter 1,000. Zum Vergleich mag erwähnt werden,
dass CS in Schweden gegen Ende des Jahres 1914 insgesamt 101
Städte gab, wovon 2 über 100,000, 1 zwischen 50,000 und 100,000
und 28 zwischen 10,000 und 50,000 Einwohner hatten. An Flecken
zählt Schweden heute 34 und an dichtbevölkerten Gemeinwesen
177. In Norwegen ist die Zahl der Städte 42, die der Flecken 22.
Dänemark zählt im ganzen 75 Städte.
Die 4 Flecken des Landes sind:
Einwohnerzahl 1/1. 1914 Einwohnerzahl i./i. 1914
Salo 1,488 Nurmes 719
Ikaalinen 241 Vammala 720
Dazu kommen zwei Marktflecken: Kurkijoki und Jaakkima,
beide im Län Wiborg, an der Küste des Ladogasees. Ihre Ein =
wohnerzahl ist ganz gering, sie beträgt nur einige hundert.
Die Namen der dichtbevölkerten Gemeinwesen und der Kirch=
spiele, denen sie angehören, sind aus dem folgenden Verzeichnis
ersichtlich :
Gemeinde, der die
Ortschaft angehört
Munksnäs (Munkkinicmi, Viüenvorort) Helsingc
Haga (Villenvorort)
Äggelby (Oulunkylä)
Brändö ( Viüenkolonie)
Dickursby (Tikkurila)
Malm
Sockenbacka (Pitäjänmäki)
Grankulla (Villenkolonic) Esb
Karis ( Kar ja) Karis
Lohjankylä Loh ja
Niinimi Kaarina
Raunistula Maaria
Tocjoki Ulvila
Llusikoivisto »
Pispala Messukyiä
Järvensivu »
Koiivola Valkeala
Rcijola Lappee
Suonncjoki (Kirchdorf) Suonncjoki
Licksa Piclisjärvi
Lapua ( Kirchdorf) Lapua
Vetokannss Mustasaari
Huutavanmäki »
Pohjankylä Kalajoki
li (Kirchdorf) li
Rovanicmi (Kirchdorf) Rovaniemi
Kemi järvi (Kirchdorf) Kcmijärvi
Ausser Flecken, Marktflecken und dichtbevölkerten Gemeinwesen
gibt es in Finnland eine grosse Menge ganz ungeregelter Stadtan=
Siedlungen, die hinsichtlich ihrer Einwohnerzahl sogar mit den bes=
seren Städten wetteifern. Von diesen mögen vor allem die Vororte
Wiborgs erwähnt werden, die mehr Einwohner beherbergen als
die Stadt selbst, dazu noch der Villenort Terijoki und Koivisto,
wo die Volkszahl, besonders im Sommer, eine sehr grosse gewesen
ist — in Terijoki z. B. schätzte man früher die Einwohnerzahl mit
russischen Sommergästen auf etwa 55,000. Die Wiborger Vororte
sollen jedoch schon einem Rcgierungsbeschluss zufolge zu dicht=
bevölkerten Gemeinwesen umorganisiert werden. Dasselbe wird
wohl auch bald mit den Ansiedelungszentren von Terijoki und
Koivisto geschehen.
Von anderen ungeregelten Ansiedlungszentren seien noch foU
gende angeführt:
Einwoh::
nerzahi Gemeinde
Fabrikansicdciung Karhula (Helilä,
Sunila u.a.) 10,600 Kymi
Riihimäki 8,000 Hausjärvi
315
Forssa 7/ 500 Tammela
Fabrikansicdelung Voikka 4,100 V'alkcala
|> Kymi 4,000 '>
» Valkeakoski . . . . 4,000 Sääksmäki
Hyvinkää (Hyvingc) 3/500 Nurmijärvi
Fabrikansiedelung Kuusankoski .... 3,400 litti
'> Värtsilä 2,700 Tohmajärvi
» Varkaus 2,600 Leppävirta, Joroinen
Die jetzige Bedeutung der Stndte als Industriezentren.
Die industrielle Produktion unserer Städte ergab 1913 als Brutto=
ertrag 405,6 Mill. Fmk. Von dieser Summe entfielen auf die Fabrik»
industrie 371,9 Mill. und auf Handvx/erksbetricbc 33,7 Mill. Fmk. Von
der ganzen Fabrikindustrie des Landes waren in dem ervjfähnten Jahre
55/1 5 % in Städte verlegt. Von der Handwerksindustrie kamen auf
die Städte 59,14 %. Es ist jedoch zu beachten, dass nicht alle ln=
dustric, die ihren Sitz in den Randgebieten der Stadt, aber ausser=
halb ihrer Grenzen hat, in den obenerwähnten Zahlen einbegriffen
war, obgleich sie eigentlich im unmittelbaren Anschluss an ihr
Zentrum zur Stadtindustrie zu rechnen ist. Unter Berücksichti»
gung auch dieser in unmittelbarer Nähe der Städte, wenn auch so=
zusagen auf dem Lande gelegenen Industrie können wir ruhig als
Bruttowert der städtischen Industriezentren im Jahre 1913 460 Mill.
Fmk ansetzen. — Zieht man von dem Bruttoertrag unserer städti=
sehen Fabrikindustrie im Jahre 1913 den Wert der verarbeiteten
Rohstoffe und Halbfabrikate ab, dersich auf 217,2 Mill. Fmk belief,
so bleiben noch 154,7 Mill. Fmk als volkswirtschaftlicher Reiner»
trag übrig. Die Fabrikindustrie des ganzen Landes wies 1913 einen
Reinertrag von 287, 3 Mill. Fmk auf. VX'enn wir als Vergleichungs=
grund den volkswirtschaftlichen Reinertrag der Industrie und ih=
ren Bruttoertrag annehmen, so kommen von unserer Fabrikindus=
trie 1913 53,8% innerhalb der Stadtgrenzen zu liegen. Durch»
schnittlich ist somit die Veredlungsquotc der städtischen Fabrik»
Industrie etwas geringer als diejenige der ländlichen Fabrikindus»
trie. Die Zahl der Fabriken betrug in den Städten 1913 1,057, die
der Handwerksbetriebe 3,863. Die städtischen Fabriken zählten in
dem betreffenden Jahre 51,509 Arbeiter, wihrend die Handwerks»
betriebe 14,571 Arbeiter beschäftigten. Von den Fabrikarbeitern
des ganzen Landes kamen 47,1 %, von den Handwerkern 54,3 %
auf die Städte.
Die wichtigsten Fabrikstädtc sind aus folgender Tabelle cr=
sichtlich, in der zugleich die Fabrikindustrie des umgebenden Lan=
des angegeben wird:
Bruttoertrag der Fabriken 1913
Inneriialb der Auf dem umge=
Stadtgrenzen
100,8 Mill. Fmk
65,3 » »
Helsingfors (Helsinki)..
Tammerfors (Tampere)
Äbo (Turku) 39,1
Wasa (V'aasa) 25,6
Kotka. 27,7
Björncborg (Fori) 18,7
Ukäborg (Oulu) 18,5
Jakobstad (Pietarsaari) .. 16,1
Wiborg (Viipuri) 15,5
Wenn wir von dem Bruttoertrag der Produktion den Wert der
bearbeiteten Rohstoffe und Halbfabrikate abziehen, erhalten wir
folgende Übersicht:
bend
sn
-and
14,6 Mill
. Fmk
7/7
»
»
11,8
»
»
2,0
»
»
20,0
»
»
n,5
»
»
3,9
»
»
1,9
»
»
10,0
i>
»
Volkswirtschaftlicher Reinertrag der
Fabriken 191 5
Helsingfors (Helsinki) .
Tammerfors (Tampere) .
Äbo (Turku) 18,0
Wasa (Vaasa) 0,5
Kotka 0,8
Björnebjrg (Poriy 6,2
üleäb:rg (Oulu) 4,4
Jakobitad (Pietarsaari).... 8,7
Wiborg (Viipuri) 6,0
Innerhalb der
Stadtgrenzen
48,7 Mill. Fmk
:5,o » >>
Auf dem umge=
benden Land
6,5 Mill. Fmk
7,9
5,1
1,0
10,0
4,1
1,3
0,7
4,3
Als Mittelpunkt der Fabrikindustrie ist Helsingfors von den
Städten die wichtigste. Danach kommt Tammerfors und als
dritte Äbo.
Von den verschiedenen Industriezweigen ist in Helsingfors
am stärksten vertreten die Metallindustrie, deren Produktion 1913
einen Bruttoertrag von beinahe 70,0 Mill. Fmk abwarf. Unter
den anderen Helsingforscr Fabrikindustrien verdienen die Zuckcr=
und Karamellenfabrikation, die Tabak= und die graphische ln=
dustrie besonders erwähnt zu werden, in Tammerfors ist die
Textilindustrie die wichtigste, ihre jährlichen Erzeugnisse hatten
1013 einen Bruttoertrag von 41,3 Mill. Fmk, danach kommen
die Papier=, Leder= und Metallindustrie. Die grössten Industrie^
zweige in Äbo sind die TcxtiU, MctalU, Tabak= und Zucker=
industrie. In Wasa sind TcxtiU und Zuckerindustrie die wichtig=
sten, in Kotka Holz- und Papierindustrie, in Björneborg Holz=
und Textilindustrie, in Ulcäborg Leder= und Holzindustrie, in
lakobsstad Tabak=, in Wiborg Tabak= und Metallindustrie.
Auch für das Handwerk bildet Helsingfors vor allen anderen
Städten den wichtigsten Mittelpunkt. In seinem Bezirke gab es
1913 1,274 Handwerksbetriebe mit im ganzen 4,938 Arbeitern, und
der VX^ert der Herstellung betrug 12,2 Mill. Fmk. Danech folgte
Äbo, wo die Anzahl der Betriebe 357, diejenige der in ihnen
beschäftigten .Arbeiter 1,594, der VC'ert der Herstellung 3,5 Mill.
Fmk war.
Die gegenwärtige Bedeutung des Handels und
der Schiffahrt.
über die Grösse des gesamten Handels unserer Städte steht
keine Statistik zu Gebote. Stattdessen gibt unsere amtliche Sta=
tistik die Zahl der Kaufleute an. Insgesamt gab es in den Städten
1913, 10,312 Kaufleute. Am zahlreichsten waren sie in folgenden
Slädten:
Zahl der Kaufleute 1913
Helsingfors (Helsinki) 3,851
Wiborg (Viipuri) 2,001
Äbo (1 urku) 1,086
Temmerfors (Tampcrc) 642
Wasa (Vaasa) 371
Ulcäborg (Oulu) 272
Kotka 210
Da diese Statistik auch alle Markihändler und Hrusiercr mit=
berücksichtigt, deren Anzahl je n?ch dem Orte variieren kann, lie=
316
fort die obenstehende Zusammenstellung durchaus kein bcfriedi=
gcndes Bild von der relativen Bedeutung der Städte als Handels»
Zentren.
Genauer als der Gesamthandel der Städte lässt sich ihr Aussen=
handcl beleuchten. Die Einfuhr erfolgt ja so gut wie ausschUess=
lieh und die Ausfuhr zum grössten Teil durch die Städte. Die Ein=
fuhr des Landes betrug 1913 im ganzen 495,4, die Ausfuhr 401,8
Mill. Fmk. Was die Bedeutung der verschiedenen Städte für die
Vermittlung des Aussenhandels betrifft, sind nur über die Ein=
und Ausfuhr von Helsingfors genaue Angaben vorhanden. An=
nähernd können wir jedoch auch die Grösse des Aussenhandels
anderer Städte aus der amtlichen Handelsstatistik herauslesen, in
der die Ein= und Ausfuhr der wichtigsten Waren quantitativ nach
den Verzollungsorten vorgeführt werden. Durch Multiplikation
der angegebenen Quantitäten mit den Werten der einzelnen Waren=
einheiten nach der Handelsstatistik lernen wir auch approximativ
den Ein= und Ausfuhrwert dieser Orte kennen. Nach diesem Ver=
fahren erhalten wir über die Höhe des Aussenhandels von Helsing=
fors und anderen wichtigsten Hafenstädte folgende Tabelle:
Einfuiir Ausfuhr Zusammen
Mill. Fmk Mill. Fmk Mill. Fmk
Helsingfors (Helsinki) 150,1 1913 23,4 1913 173,5
Wiborg (Viipuri) . . . . 43,5 » 48,3 » 91,8
Abo (Turku) 54,0 » 20,0 » 74,0
Hangö (Hanko) .... 13,9 » 48,6 » 62,5
Kotka 14,2 » 45,2 » 59,4
Wasa (Vaf.sa) 23,3 » 8,1 »> 31,4
BjörncboTg (Fori) . . . . 9,5 » 16,6 » 26,1
Uleäborg (Oulu) . . . . 12,2 » 12,9 » 25,1
Die wichtigste Importstadt des Landes ist also Helsingfors,
welches über 30 % von unserer ganzen Einfuhr vermittelt. Die
nächstwichtigsten Städte in dieser Hinsicht sind Äbo und Wiborg,
obgleich sie Helsingfors bedeutend nachstehen. Unter den Export=
Städten sind hingegen Hangö, Wiborg und Kotka die wichtigsten.
Rechnen wir die Ein= und Ausfuhrsumme zusammen, so kommt bei
dem Aussenhandel Helsingfors die erste Stelle, Wiborg die zweite,
Äbo die dritte Stelle zu, während Hangö und Kotka um die
nächstfolgende wetteifern. Die Zollerhebung brachte in den
erwähnten Städten 1913 folgende Summen:
317
Zollerhebung
Hcisingfors (Helsinki) 21,324,689 Fmk
Äbo (Turku) 9,461,615
Wiborg ( Viipuri) 6,995,466
Wasa ( Vaasa) 5,637,390
Kotka 3/057,653
Björneborg (Fori) 1,347,493
Ulcäborg (Oulu) 1,310,577
Hangö (Hanko) 1,252,794
Dazu kamen noch Zolleinnahmen in Jakobstad (Pietarsaari)
2,466,597 und Tammcrfors (Tampcre) 1,609,880 Fmk. Den gröss=
ten Posten bei der Erhebung der Zollämter bildet der Importzoll
für Rohzucker, der in Helsingfors 1913 6,2 , in Äbo 3,8, Wasa
3,0, Wiborg 1,6 und Jakobsstad 1,0 Mill. Fmk betrug, danach
kommt der Importzoll für Tabak — in Hcisingfors 1,3, Wiborc
0,8 und Jakobsstad 0,6 Mill. Fmk.
Die Handelsflotte der Städte zählte 1913 zusammen 1,622 Fahr=
zeuge, wovon 1,233 Segelschiffe imd 389 Dampfschiffe. Die Tonnage
der Segelschiffe betrug 160,264 oder 45,0 % von der Ladefähigkeit
der Segelschiffe des ganzen Landes, diejenige der Dampfer machte
68,054 Brt. oder 88,2 % von der Tonnage der Dampfer des ganzen
Landes aus. Die grössten Handelsflotten hatten 1913 folgende
Städte:
Segler Dampfer
% von der °o von den
Registers Segelflotte des Register» Dampfern des
tonnen ganzen Landes tonnen ganzen Landes
Hcisingfors (Hels'nki) 10,545
Wiboig (Viipuri) .. 36,529
Äbo (Turku) 9,674
Nystad(Uusikaupunki)2 5,83o
Wasa (Vaasi) 3,051
Raumo (Rauma) .... 18,891
Mariehamn 12,350
Joensuu 6,657
Bezüglich der Transportfähigkeit der Schiffe ist zu beachten,
dass 1 Registertonne Tragfähigkeit des Dampfers 3 Registertonnen
Tragfähigkeit beim Sege'schiff entspricht. Zur deutlicheren Uber=
3,0
38,719
50,6
10,3
3,395
4,4
2,7
8,096
10,6
7,3
—
—
0,9
6,106
8,0
5,3
293
0,4
3,5
580
0,8
1,9
1,421
1,9
318
sieht der Grösse der Handelsflotten verschiedener Städte geben
wir unten noch eine Aufstellung, in der die Segelschiffstonnen
in Danipfertonnen umgerechnet sind:
Gesamtflotte
Tonnage bei Um= % von der umgerechne=
rechnung der Seg= ten Tragfähigkeit der
lertragfähigkeit Flotte des ganzen Landes
Helsingfors (Helsinki) .... 126,702 21,6
Wiborg (Viipuri) 46,714 8,0
Äbo (Turku) 33,962 5,8
Nystad (Uusikaupunki) .... 25,8-59 4,4
Wdsa (Vaesa) 21,369 3,6
Raumo (Rcuma) 19,770 3/4
Mariehamn{iVlaarianhamina) 14,090 2,4
Joensuu 10,920 1,9
Die Handelsflotte von Helsingfors überwiegt also bcträcht=
lieh die Flotten aller anderen Städte. Sie umfasste 1913 mehr als
'/s von der umgerechneten Tonnage des ganzen Landes. Die zweit=
grösste Flotte besitzt Wiborg und die drittgrösste Äbo.
Die Wirtschaft der Städte.
Hand in Hand mit der wachsenden Einwohnerzchl unserer
Städte in den letzten Dezennien hat sich auch ihre kommunale
Wirtschaft ausserordentlich rasch erweitert. Die neue Zeit hat
viele ganz neue kommunale Verpflichtungen herbergeführt, und
auch in Finnland ist, wie es ja eine gute Kommunalpolitik mit
sich bringt, die private Unternehmung n£ch und nech auf manchem
Gebiete durch die städtische Unternehmung ersetzt worden. Nach
der amtlichen Statistik erreichten die Ausgaben und Einnahmen
der Städte 1910 — 12 folgende Summen:
Ausgaben Einnahmen
1910 44,4 Mill. Fmk 43,6 Mill. Fmk
1911 47,3 » » 75,9 » »
1912 52,0 » i> 48,0 » »
1913 58,8 » » 54,4 » »
1914 72,0 » » 65,1 » »
1915 59 8 » » 57,9 » »
1916 68,2 » » 73,9 » »
319
Die Verteilung der Ausgaben für verschiedene Zwecke ist aus
der folgenden Tabelle ersichtlich:
1912 1913 1914 1915 1916
Mill. Mill. Mili. Mill. Mill.
Fmk Fmi< Fmi< Fmk Fmk
Öffentliche V'erwaltungs= und Gc=
richtsbehördcn nebst städtischer
Polizei.. 2,5 2,7 2,8 2,8 3,1
Kommunalverwaltung • • 2,5 2,3 2,5 2,5 3,3
Unterrichtswesen 7,4 7,3 7,7 8,0 8,5
Hygiene und Krankenpflege ■ ■ • ■ 4,7 3,2 3,3 3,7 4,3
Armenpflege 3,0
Strassen, Wege, Märkte, Biücken
und Hilfen 6,0 8,8 9,2 5,8 4,8
Durch kommunale Unternehmung
veranlasste Ausgaben 9,5 9,5 15,1 9-8 12,7
Zinsen für Anleihen 5,5 5,6 6,4 6,9 9,3
Abzüge von Anleihen 2,6 3,3 3,0 5,5 5,5
Sonstige Ausgaben 8,2 13,0 18,3 10,8 10,9
Die wichtigsten Einnahmeposten waren 101 •>:
1912 1913 1914 «915 1916
Mill. Mill. Mill. Mill. Mill.
Fmk Fmk Fmk Fmk Fmk
Einkommensteuern 12,9 14,2 15,0 17,3 19,7
Kopf=, Nachlass= und sonstige
Steuern 0,9 1,0 1,0 1,0 t,o;|
Quaigelder, Einfuhr= und Aus=
fuhiabg..ben 3,4 3,6 2,3 1,9 2,2j
Hafen= und andere auf dem \'er=
kehr lastende Gibühren 1,5 1,8 1,2 1,0 i,4j
Einlösung von Grundstücken .• 2,9 t,6 1,8 2,5 3,7J
Einnahmen aus städt'schen Ländc=
reicn und G .wässern 2,9 2,3 2,3 2,6 j,z\
Einnahmen aus kommunalen Un-
teineSmungen . 8,8 10,8 10,7 11,8 '5,91
Zinsen 2,6
Staatsunterstützungen o 8 ( .i. al
XI A I L ö I •"'' ^^'^ '9,7 20,8^
Neue Anleinen 4°
Sonstige Einnahmen 6,9
720
J^^
^
Der Äboer Dom.
Gesamtansicht der Stadt.
Ati m:istcn wird die Wirtschaft der Städte also durch das LIn=
terrichtswesen, Strassen, Brücken und Häfen sowie durch Zinsen
und Tilgungen der Anleihen belastet. Die Mittel zur Deckung
ihrer Ausgiben haben die Städte im allgemeinen in sehr grossem
Masse durch kommunale Besteuerung beschaffen müssen. Was
speziell die kommunalen Unternehmungen anbelangt, so sind sie
so jungen Ditums, dass sie den Städten einstweilen noch über=
haupt mehr Ausgaben als Einnahmen verursacht haben. öbri=
gens verdient diese Seite der Wirtschaft der Städte wegen ihrer
raschen Eitwicklunng volle Beachtung. Unter den verschiedenen
Betriebsformen, die die städtischen Unternehmungen aufweisen,
mögen folgende hervorgehoben werden:
1916 in städti=
schem Besitze
Wasserversorgung in 16 Städten
Elektrizitätswerke »24 »
Gaswerke » 2 »
Eisenbahnen (Stadteigentum und unter städtischer
Verwaltung) » 2 »
Badeanstalten » 6 »
Badestuben » 1 »
Wäschereien
Schlachthäuser
Wirtschaftsgebäude
Markthallen
Kommunale Arbeiterwohnungen
Frachtprehme
Ziegclfabrik
Getreidemühlen-
Brcnnhclzhandel
Knochenmühlen .
Landwirtschaft
Elektrische Strassenbahn (Aktienmehrzahl)....
Telephonwescn » ....
» 7
» 15
» 27
» 12
Ausserdem sind einige Städte bei bedeutenden Unternehmun=
gen, wie Eisenbahn», Strassenb.hn= und Magazinaktiengesellschaf=
tcn interessiert, indem sie in ihnen eine beträchtliche Anzahl
Aktien innehaben.
Das Vermögen der Städte betrug 1912 262,6, 1913 274,9, 1916
428,8 Mill. Fmk; ihre Schulden 1912 121,5, 1913 '58,5, 1916
226,5 Mill. Fmk. Die wichtigsten Vermögensposten waren 1916:
26,9
75,3
Landgüter und Liegenschaften 50,3 Mil
Verpachtete Grundstücke 96,2 »
Fcilstehende Grundstücke
Verkaufte Grundstücke, soweit noch unbczc'.hlt
Häuser und Gebäude für Gerichts=, Poli2ei= und
Verwcitungsbehörden
Häuser und Gebäude für das Unterichtswesen
do. für die Krankenpflege
do. für die Armenpflege
Sonstige Häuser und Gebäude, mit Ausnahme der
für kommunale Unternehmungen
Inventarc 12,6
Strassenkanäle 6,5
Wasserleitungen 16,8
Elektrizitätswerke 1 6,0
Gaswerke 6, 1
Vermietete Gebäude 1 2,7
Andere kommunale Unternehmungen 8,6
Häfen 1 5,9
Bankguthaben und Di::rlchen 28,3
Verschiedenes 56,4
Von den Schulden unserer Städte waren 1916:
Obligationsanleihen 117,1 Mill. Fmk
Staatsanleihen 1
Anleihen bei Geldinstituten, Kassen u. dgl (63,1 » »
Anleiben bei Privaten J
Sonstige Schulden 46,1 •> »
Den grössten Teil des Vermögens der Städte bilden demntch
verpacht te Gundstücke, deren Wert 1916 über 96 Mill. Fmk
betrug. Der zweitgrösste Posten besteht in Häusern und Grund =
stücken, deren Wert sich 1916 auf 75,3 Mill. Fmk belief. Der
drittwichtigste Vermögensposten sind Landgüter und Liegenschaf=
ten, der viertwichtigstc Wasserleitüngs=, Elcktrizitäts» und Gaswerke.
Was die verschiedenen Städte anbelangt, ist natürlich die Wirt=
Schaft der Hauptstadt die grösste. Ihre Ausgaben betrugen 1916
24,6 Mill. Fmk, ihre Einnahmen 24,5 Mill., Vermögen 224,2 und
Schulden 120,6 Mill. Fmk. Von dem Debet und Kredit unserer
Städte entfiel also etwa die Hälfte auf Helsingfors. Andere grös=
serc Städte zeigten 1916 folgenden Vermögensbestand:
Ausgaben
Mill. Fmk
Äbo (Turku) 6,6
Tammeifors (Tampere) 8,5
W.borg (Viipuri) 5,9
Wasa (Vcasa) 1,8
Kotka 1,5
Björneborg (Fori) 2,1
Kuopio 2,^5
Raumo (Rauma) 1,5
Uleaborg (Oulu) \,j
Areal und Bodenbesitz unserer Städte.
Mit Rücksicht auf die Entwicklung der Städte ist es wichtig,
dass sie ausserhalb ihres Stadtplanes hinreichend Gelände besitzen.
In schnell wachsenden Städten sind die künftigen Bedürfnisse
der zunehmenden Bevölkerung, des Handels, der Industrie und
des Verkehrs schwer im voraus zu berechnen, und es ist deshalb not=
wendig beizeiten das nötige Reserveareal für die Ausdehnung der
Stadt zu beschaffen, wenn man unangenehme Missstände und die zu
ihrer Beseitigung erforderlichen Unkosten vermeiden will. Wie
allgemein bekannt, hat die Kommunalwirtschaft unserer Städte
gerade in diesem Punkte viel zu wünschen übrig gelassen.'')
Einnahmen
Aktiva
Passiva
Mill. Fmk
Mill. Fmk
Mill. Fmk
9,3
24,9
22,8
8,1
24,7
22,2
5,6
19,7
12,7
1,6
15,0
5,6
0,9
n,6
6,5
J,J
10,4
4,7
2,5
6.6
1,8
1,8
7,3
2,1
1,4
6,5
2,3
') Das Geländeareal der Städte ist aus der folgenden Tabelle ersicht=
lieh. Die Angaben über die mit * bezeichneten Städte sind vom |ahre
1910.
>
Ol
09
n
CT
1»
•2,^
C
ir
es Sta
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O. 3
ha
0. 2. D
(/)= oo 2
ft- (/» « ^
ha
Hclsingfors (Helsinki) .
Abo (Turku)
Tammerfors (Tampere) .
W iborg (Viipuri)
W'asa (Vaasa)
Uleäborg (Oulu) I
Kuopio
Björneborg (Fori) |
Kotka '
lakobstad (Pictarsaari) ..
Raumo (Rauma)
TavastehusI Hämeenlinna)
Hangö (Hanko)
Lahtl I
Borgä (Porvoo)
loensuu* |
Nyslott (Savonlinna) ....
lyväskylä ....
St. M.chel (Mlkkeli)
Nystad (Uusikaupunki). .
Brahestad (Raahe)
Gamlakarleby (Kokkola)*
Lovisa ( Loviisa)
Kaiana (Kajaanl) 1
Kristinestad (Kristiina) . . |
Villmanstrand (Lappeen=i
j ranta) '
j Sortavala
Ekcnäs (Tammisaari). . . .
Fredrikshamn (Hamina) .
I lisaimi
! Kemi
I Kexholm (Käkisalmi) . . . .
I Torneä (Tornio)
I Heinoia
Kaskö ( Kaskinen)
i Marichamn (Maarianhas
j mina) *
Nykarleby (Uusikaarle°
pyy)
I iNlädendal (Naantali) ....
,082,50
?75,77!
340,54
263,50
479,83!
249.34
• 38,55
189,23
136,00
157,05
200,00
80,7 li
1 1 1,70'
157,00
8o,oo|
164,00
65,00
267,03
126.70
90,00
51,80
35,00
80,40
109,03
267,00
345, <5
140,00
100,00
155,00
329,51
72,00
36,00
51.431
64.37
110,34
68,oo|
59,27
15,42'
532,55
1,150,45
-- I
287,56
27,48
1,366,23
168,72
262,31
164,80
140,18
87,00
80,82
151,00!
71,551
968,53
43 5. 00 1
6ii,6i{
136,30
',501,74
,426,95
659,47
,312,91
465,20
,095,42'
,930,00
6,80
151,30:
819,35,
888,35'
2,00
2,26
29.54
41,90
55,00
696,59 10,
42,00! 3,
687,26
475,70
,002,67
,841 ,60
134,13
467,38
283,00
39,52
2,523,88
2,121,18
952.15
501,80
4,001,45
1 ,728.29
878,45
3,764,95
766,00
1.392,65
3,197,00
127,62
350,00
976,35
1,027,90
1,507,50
144,00
954,26
602,40
1,121,87
1,935,30
3,263,00
243.03
1 1,273,00
3,592,00
1,150,27
678,18
1 ,459.46
2,079,05
66,72
5.069,37
4,316,25
25.46
19,60
714.86
1,050,00
1.173.25
1,153,00
585,22
38,00
320,87
183,61
3.243,87
48.95! 39.52 411,30 840,30
5.031 — I 140,00 644,31
— I 484,11 584,11 1,991,79
33,00 21,Oo| 187,00 746,00
103,08 780,00' 1,109,86 336,12
— j — I 571.20 —
4,00' 1,327,00 1,367.00
41,46 90,36 146,29! 6,981,16
21,19 2,410,68 2,496,24! 282,23
32,76 20,00 137,79 764,35
118,481 1,890,43
19,361 202,24
232,00
2,068,18
237,02
Das bebaute Gebiet (Grundstücke für Wohnhäuser, Villen,
Fabriken und Magazine) im Stadtgebiete ausserhalb des Stadt=
planes erstreckt sich stellenweise auch über die Stadtgrenzen hin=
J
aus. Dies ist z. B. in Uleäborg der Fall, wo das bebaute Gebiet
ausserhalb der Stadtgrenzcn nicht weniger als 1,314,23 ha umfssst.
Das grösste Gcländegebiet besitzt von der Städten Kajena und
danach Torncä, dieses etwa 2 mal, jenes 3 mal so viel wie die
Hauptstödt des Landes. Auch Ukäborg, Kuopio, Raumo, Wasa
und Björneborg lassen in dieser Hinsicht Helsingfors hinter
sich. Ausserdem ist noch zu beachten, dass Helsingfors einen
grossen Teil seiner Ländereien erst in den letzten Zeiten eiworben
hat. Noch vor zehn Jahren betrug das Areal seiner Lärdereien nur
die Hälfte von deren jctztigem Flächeninhalt. Was die übrigen Städte
betrifft, besitzt Kotka weit weniger Gelände als etwa Frcdril-shamn
oder Kexholm, ganz abgesehen von Lovisa, dessen Geländebcsitz
4 mal so gross ist wie der von Kotka. Das kleine Heinola wiederum
hat ebenso viel Gelände wie Äbo und mehr als Tammerfors oder Wi=
borg. Einerseits finden wir also Llberfluss an Gelände, anderseits
geradezu Enge, insbesondere wenn wir die innerhalb der Stadt=
mauern befindlichen freien Plätze ins Auge fassen.
Über die Stadtpläne.
Die Stadtpläne der Städte zeigen in sehr geringem Mass Spuren
früherer Zeiten. Dies erklärt sich vor allen Dingen daraus, dass die
Städte so oft von Feuersbrünsten heimgesucht worden sind, die
sie, weil das Baumaterial bis in die jüngsten Zeiten beinahe aus=
schliesslich aus Holz bestand, bisweilen ganz eingeäschert haben.
Dazu kommen noch die oft erfolgten Verlegungen der Städte, die
z. B. darum stattgefunden haben, weil Stein als Baumaterial so wenig
zur Anwendung kam. Die Pläne der Städte erhalten ihr Gepräge
durch das im 19. Jahrhundert bei den Stedtcenlwürfen allgemein be=
folgte geometrische Viereckssystem. Das gradlinige und vor2ugs=
weise auch rechtwinkelige Strassennetz verleiht ihnen die nötige
öbersichtlichkeit und beseitigt Schwierigkeiten bei der Grund=
Stückaufteilung und Ausnutzung der Bodenverhältnisse für Baus
zwecke. Die Richtung der Hauptstrassen ist den Uferlinien oder
einer durch den Ort gehenden Landstrasse angepasst, auf Beleucha
turg und herrschende Windrichtungen hat man dagegen weniger
Gewicht gelegt. Breite Esplanaden, die sich gewöhnlich von dem
einen Ende der Stadt bis zum anderen erstrecken, stellen ausser
einer schönen Zierde für die Stadt auch eine vorzügliche Schutz=
mauer zvwischen den verschiedenen Stadtteilen gegen grössere
Brände dar. Die Feuersgefahr ist übrigens bei uns im letzten Jahr=
hundert der wichtigste Faktor bei Entvcürfen zu Stadtplänen und
Bauordnungen gewesen. In diesem Zusammenhang sei auf die für
die Städte bezeichnenden und auch in deren Bauordnung vorgc=
schriebenen Brandgassen hingewiesen. Die Breite wechselt im
allgemeinen zwischen ca. lo und 20 Metern. Das geometrische
Viereckssystem bedingt, wenn das Stadtgebiet unebene BodcnbiU
düng zeigt und das System schematisch angewandt wird, entweder
sehr schroffe Strassenerhebungen oder grosse Einebungskostcn.
Als einen Gegensatz zu dem geradlinigen und rechtwinkeligen,
schon im griechisch=antiken Altertum entstandenen Städtetypus
können wir den freien, mittelalterlichen Typus betrachten. Die
Strassen einer mittelalterlichen Stadt laufen nicht geradlinig und
sind nicht ihrer ganzen Länge nach gleich breit, sondern in Anpas=
sung an die Höhenverhältnisse des Bodens machen sie beständig
Biegungen und rufen auf diese Weise abwechselnde Strassenper=
spektivcn und malerische Stadtansichten hervor. Zu dieser unregeU
massigen Anordnung trugen also teils zufällige Umstände, teils
auch der allgemeine künstlerische Instinkt des Zeitalters bei, nicht
aber oder wenigstens nicht in grösserem Masse vorhergehende
genaue Überlegung. Die alten Stadtviertel von Borga, Raumo
und Ekcnäs stellen in Finnland den mittelalterlichen unregelmässigen
Städtetypus dar. Alt=Wiborg kann als Beispiel für eine mittel»
alterliche Festungsstadt angeführt werden; die eigentliche Stadt
war mit Mauern umgeben, und als Baumaterial wurde meist Stein
verwendet, mehr als in anderen Städten Finnlands. Der Stadtplan
des alten Viertels von Fredrikshamn ist wiederum als einziger
Stadtplan des Zentralsysttms in Finnland zu erwähnen: die
Hauptstrassen gehen strahlenförmig vom Zentrum der Stadt aus,
wo das Ratshaus liegt, und sie werden durch in Kreisen laufende
Querstrassen miteinander verbunden. Das Zentralsystem war in
Europa in der Barockzeit allgemein üblich.
Gegen Ende des 19. )h. entstand in Osterreich und Dcutsch =
land eine Schule, die, indem sie von dem geometrischen Vierecks=
System Abstand nimmt, in den Stadtplänen Grundsätze des mitteU
alterlichen Systems zu verwirklichen sucht und die deshalb auch
die romantische (auch deutsche) Schule genannt wird. Der Plan
des Stadtviertels Tölö in Hcisingfors — von Professor G. Ny=
726
ström und Architekt Lars Sonck entworfen — ■ ist in seiner ur=
sprünglichen Form in Finnland das bezeichnendste Beispiel für
Stadtpläne dieser Schule. Die neueste Stadtbaukunst vereinigt
die beiden äussersten Richtungen, indem sie alles benutzt, was sie
für eine moderne Stadtgemeinde Passendes bieten. Die Strassen
des Verkehrszentrums, wie alle grossen Verkehrsstrassen überhaupt,
werden eben, übersichtlich, breit und im allgemeinen gerade
gemacht; freiere Anordnung eignet sich dagegen mehr für Wohn=
viertel, unebenen Boden und kleine Ortschaften. Heute werden schon
im Stadtplan alle in verschiedenen Stadtteilen in Frage kommenden
Baumaterialien, die höchste zulässige Höhe der Gebäude, die Bau=
typen (ob zusammenhängend oder isoliert usw.) bestimmt, alles
Dinge, die mehr in das Gebiet der Bauordnungen gehören. Be=
sondere Aufmerksamkeit wird den Anlagen und öffentlichen Gc=
bäuden gewidmet, für die im Stadtplan Plätze vorbehalten werden.
Mehrere von den Städten haben in den letzten Jahren neue, den
Prinzipien moderner Stadtbaukunst angepasste Erweiterungs= und
Anderungspläne erworben. Vor allen anderen ist in dieser Bezie=
hung Helsingfors zu nennen, das beträchtliche Opfer für seine
Entwicklung gebracht hat. Helsingfors hat seit 1909 neben seinem
Baukontor ein besonderes Stadtplanbureau, das für die mit der Be=
bauung der Stadt zusammenhängenden Fragen zu sorgen und
Baupläne für neue Gebiete auszuarbeiten hat. Am nördlichen Rande
des jetzigen Helsingfors beabsichtigt man ein Villenviertel Mcjlans
(Mcilahti) und östlich von der Stadt weite Arbeiterwohngebiete
anzulegen . Der Tiergarten und ausgedehnte Gebiete auf beiden Seiten
der Eisenbahnlinie sollen für einen einheitlichen bis zum Vandafluss
reichenden Zentralpark reserviert werden. Die Hafenanlagen auf
Sand= und Busholmen ( Hicta= und Jätkäsaari) sind die grösstcn unseres
Landes. Erwähnt seien ferner noch die nordwestlich von Helsing=
fors liegenden weiten Bodenstrecken von Munksnäs (Munkki=
niemi) und Haga, die der Aktiengesellschaft M. G. Stenius gehören
und für welche der Architekt Eliel Saarinen Pläne entworfen hat.
Von anderen Städten, die sich bisher (1916) um neue Stadtpläne
bemüht haben, seien aufgezählt: Wiborg, Wasa, Uleäborg, Tavastes
hus, Borgä, Jakobstad, Joensuu, Lovisa — die Pläne von dem
Stadtplanarchitekten zu Helsingfors Bertel Jung entworfen — ;
weiter Kotka, Kristinestad — von Architekt Walter Thomc und
Ingenieur Hugo Lilius zusammen ausgearbeitet—, Nyslott, Jyväskylä,
Nädcndal — von dem Baubiircau Walter u. Ivar Thome — ,
Tammcrfors, Raumo — von Architekt Lars Sonck.
In den einzelnen Gebäuden haben die Städte sehr wenig Spuren
aus alten Zeiten bewehrt. Hauptsächlich beruht dies auf ihrer
Kleinheit und der Anwendung des Holzes als Baumaterial sowie
auch auf den Feuersbrünsten, die in fiüheren Zeiten unsere Sttdte
sehr oft von Grund aus zerstört heben. Auch heute noch sind die
Holzgebäude in den meisten unserer Städte durchaus vorherrschend,
auch in grösseren Städten sind sie noch sehr zehlreich. Nfch einer
Gebäudczähiung von 1910 gab es in untenstehenden Städten:
Gebäude aus
Steingebäude Stein und Holz Holzgebäude
Hcisingfors (Helsinki). . 1,747 325 2,521
Äbo (Turku) 754 108 3,853
Wiborg (Viipuri) ..•■ 610 71 5/907
Tammerfors (Tampere) 591 96 3,201
Wasa (Vaasa) 199 8 1,647
Björneborg (Fori) •••• 311 10 2,200
Uleäborg (Oulu) 186 '50 2,116
in architektonischer Hinsicht sind nur unsere allergrösstcn
Städte interessant, vor allem Helsingfors.
Die 8 grössten Städte Finnlands.
(Helsingfors, Abo, Wiborg, Tammerfors, Wasa,
Uleäborg, Björneborg, Kotka.)
Helsingfors-Helsinki.
Helsingfors, die Hauptstadt Finnlends und des Läns Nyland
(Uusimaa), liegt unter 60' 9' 42,6"nördl. Br.und 24° 57' i7"östl. L.
v. Gr. auf einer in den Finnischen Meerbusen hinausragenden Lend=
zunge, die auf beiden Seiten von Inselgruppen geschützt wird. Die
Stadt hat also eine ungewöhnlich schöne Lege. — Die mittlere 1« hrts=
temperatur beträgt für den Zeitraum 1829 — 1915, also für 78 Jthrc,
+ 4° C, für die Jahre 1901 — 10 aber besonders berechnet +4,6° C
728
■r
Aussicht vom Observatcrienberg in Helsingfors.
bwedische Volksschule an der Bahn^
Strasse in Helsingfors.
Haus des Hypothekenvereins
in Helsingfors.
Bootfahrt in den Schnellen des Ouluioki.
Uleäborg (Oulu).
Der kälteste Monat ist der Februar mit einer Durchschnittstcma
pcratur von — 6,9'^ C während der genannten 78 Jahre, — 5° C
während der Zeit 1901 — ^10; der wärmste Monat ist der Juli mit
einer entsprechenden Durchschnittstemperatur von + 16,5° und
+ 16,4° C. Das städtische Terrain umfasst (1916) 2,543 ha, wovon
1,412 ha zum Stadtplan gehören; ausserdem besitzt die Stadt in den
angrenzenden und in entfernteren Kirchspielen zu verschiedenen
Zwecken erworbene Güter und Liegenschaften mit einem gesamten
Flächenraum von 1,403 ha.
Die Einwohnerzahl belief sich am Ende des Jahres
1917 auf 162,000 Personen. In der folgenden Zusammenstel=
lung ist die Vermehrung der Einwohnerzahl während des vorigen
Jahrhunderts veranschaulicht.
Jahr
Einwohner
Jahr
Einwohner
1810
4,065
1870
28,519
1820
7,719
1880
41/334
1830
11,110
1890
61,530
1.840
18,415
1900
93,576
1850
20,745
1910
147,218
1860
22,228
Bei der Volkszählung von 1910 (welche nicht die damals in Hel=
singfors stationierte russische Garnison umfasste) war die Mutter=
spräche von 59,2% der Einwohner Finnisch, von 35,1% Schwedisch
(und von 4,0% Russisch). Der finnische Teil der Bevölkerung hat
sich relativ schneller vermehrt als der schwedische; 1870 betrug
erstcrer nur 25,9 % der gesamten Einwohnerzahl, 1880 33,9 %,
1890 45,5 % und 1900 50,8 %. — Die untenstehende Tcbelle bie=
tet eine Übersicht über die Prozentzahlen der während der letzten
Jahrzehnte Geborenen und Gestorbenen, Fort= und Zugezogenen:
I a hr
i-ii Uber= Zu=
iLj/~ u ' -> c-» scnuss 1 nähme
Lebend ' Gc= schuss ' L\\%z= \ rort= ■_, -7 1 ._,
L 1 L j r- "C^ ^us der
geboren sterben derUe= zogen gezogen „ i d,. »i
I I I u _» I gezo= I oevolo
i ''"'^*=" I genen kerung
Auf
' o h n I
lööi — lö»5
1886—1890
1891 — 1895
«896 — 1900
1901 — 1905
1906 — 1910
191 1—1915
191 1
1912
191?
1914
1915
1916
29,1
22,4
5«.7
20,9
30,6
20,2
29,2
18,5
27.7
16,8
26,7
«5,2
21,3
«5,7
24,7
«7,7
22,9
«4,6
20,6
«7,8
20,4
«7,«
18,7
«7,2
«7.«
12,4
6,7
10,8
10,4
«0,7
10,9
««,5
7,6
11,0
8,7
6,8
7,5
5.«
4,7
52,4
6«,7
5«,5
60,5
57,4
58,8
49,6
68,6
66,6
60,2
47,5
61,2
66,5
25,5
22,6
25,8
27,«
22,8
24,6
21,2
34,«
50,5
50,5
54,8
51,5
52,5
27,1
59,«
25,7
55,4
54,6
54,2
28,4
54,5
56,5
29,7
«2,7
29,9
54.0
55,8
49,9
56,1
44,"
45,5
45,7
56,0
45,5
44,6
56,5
20,0
55,0
58,7
Diese Ziffern lassen erkennen, dass sowohl die Nativitätals auch
die Mortalität während der letzten Jahre abgenommen hat, crstere
jedoch in weit höherem Grade, wodurch auch die natürliche Vermeh=
rung der Einwohnerzahl (der öbcrschuss der Geburten) abgenom=
men hat, eine Erscheinung, die in den meisten europäischen Kul=
turstaaten und insbesondere in den Städten zutage getreten ist. Der
Zuwachs der Bevölkerung beruht infolgedessen in immer höherem
Grade auf der Anzahl der Zugezogenen. In der Tat waren bei der
Volkszählung von 1910 nur 32,5 % der Einwohner in Helsingfors
geboren.
Die Zahl der Häuser im Wcichbilde der Stadt war gc=
mäss der Grundstücks und Häuscrzählung vom Jahre 19107,061.
4,588 (65,0 %) derselben waren heizbar und 2,473 (35,0 %) un=
heizbar, d.h. Speicher, Schuppen u. dgl. Von den crsteren waren
1/743/ = 58/O % aus Stein, 2,520 = 54,9 % aus Holz und 325 = 7,1%
aus Stein und Holz gebaut, d.h. das untere Stockwerk war aus Stein
und das obere aus Holz. Die Anzahl der heizbaren Räume war
in dem erwähnten Jahre 90,477, davon 61,391 =^ (67,9 %) in Stcin=
häusern, 21,670 (23,9 "o) in Holzhäusern und 7,416 (8,2 %) in teils
steinernen, teils hölzernen Häusern. Die Verteilung der Häuser
nach der Zahl der Stockwerke und Zimmer geht aus folgender
Tabelle hervor:
Anzahl
der Stockwc
rke
Anzahl
der Häuser
1
2
2,683
1,016
3
383
4
319
5
179
Anzahl
der Räume
3,090
17,697
12,913
22,522
18,290
857
Von den heizbaren Räumen waren bei der Zählung 5,027 un=
benutzt, während von den übrigen 85,450 Räumen 70,653 als Wohn=
räume, 5,886 als Laden=, Geschäfts= und Lagerräume, 4,428 als
Fabriksräume, Werkstätten, Wasch= und Badestuben, 900 als Restau=
rations= und Caferäume, 3,583 zu Unterrichts= und Bildungszwecken
und als Amtslokalc benutzt wurden.
Die Zahl der bei der erwähnten Zählung vorhandenen W o h=
nun gen betrug 30,041, wovon 25,435 ausschliesslich in Wohn=
räumen bestanden. Die Verteilung der bewohnten Lokale (mit
Ausnehme, von Krankenhäusern, Gefängnissen und anderen An=
stalten) nach ihrer Zimmerzahl und die Zahl der in Wohnungen
von verschiedener Grösse wohnhaften Personen ergibt sich aus der
nachstehenden Zusammenstellung:
Wohnungen,
bestehend aus
Zahl der Wohnungen
Zahl der darin wohn=
haften Personen
Absolute
Anzahl
% der
Gesamt=
zahl
Absolute
Anzahl
% der
gesamten
Personens
zahl
12,001
7,622
2,670
1,961
1,128
911
644
291
142
65
30
85
45,6
27,7
9,7
1 ...
45,174
38,619
14,182
/ 1^,479
1 6,555
/ 5,689
1 4,598
2,070
1,132
576
257
l 2,195
■54,4
29,4
10,8
( 15,0
1 '.'
4,7
2 Räumen
f „
4 „
5
6 „
7 „
8
9 „
10
11 ,,
12 ,, u. darüber
Summe
27,550
100,0
131,326
100,0
Die überwiegende Mehrzchl der Einwohner von Helsingfors
verfügte also über Wohnungen von i bis 2 Zimmern. Die Enge der
Wohnungen war eine bedeutende und hat während der Kriegszeit
wegen der stockenden Bautätigkeit und des starken Zuströmens von
Elementen, die sich nur zufälHg in der Stadt niedergelassen haben,
noch ansehnlich zugenommen.
Helsingfors zerfällt in 15 Stadtteile. Am Ostrandc der
Stadt befindet sich der grosse Stadtteil Sörnäs (Sörnäinen) nebst
davorliegenden Vororten. Dieser Stadtteil wird vornehmlich von
der Arbeiterbevölkerung bewohnt. Am Westrande der Stadt, gleich
ausserhalb des Zentralbahnhofs beginnend, liegt der Stadtteil Tölö
(Töölö), derim Laufe der zwei letzten Jahrzehnte mit der eigentlichen
Stadt verschmolzen ist. Von den Plätzen der Stadt sind zu crwäh=
nen: der Scnatsplatz im Zentrum der Stadt, von Senat, Universi=
tat, Rathaus und Nikolaikirche umgeben, der Markt am sog. Südha=
fen, der grosse Bahnhofsplatz und am Sandvik=Hafen (Hieta=
lahti) der Sar.dviks= (Hietalahti=)Platz, dessen eine Seite von der
technischen Hochschule begrenzt wird. Die wichtigsten Geschäfts=
Strassen sind die Alexanderstrasse, die den Senatsplatz, und die
Esplanadstrasse, die den Markt am Südhafen durchzieht. Die
hervorragendsten öffentlichen Anlagen sind die im Zentrum der
Stadt gelegene Esplanade mit dem Denkmal |. L. Runebergs, der
Observatorienberg mit herrlicher Aussicht auf den Hafen und das
weite Meer, der schattige Brunnspark (Kaivopuisto) am Ufer des
Meeres und die sich von der Tölöbucht stadteinwärts erstreckenden
grossen Kaisaniemi= und Tiergarten= Anlagen. Ausserhalb der Stadt
befinden sich die Insel Högholmen (Korkeasaari) mit einer Ticr=
Sammlung und der beliebte Volkspark Fölisön (Seurasaari) mit
einem altertümliche finnische Bauwerke umfassenden wertvollen
Freilichtmuseum.
Architektur. Dem Äussern nach ist Helsingfors eine neue,
saubere Stadt, deren Bautraditionen nicht weit zurückreichen, die
aber auch in ihrer jetzigen Gestalt schon den Eindruck einer Gross=
Stadt zu machen beginnt. Trotz der Terrainschwierigkeiten ist im
Plan des älteren Stadtzentrums das Viereckssystem durch gerade,
14 — 18 m breite Strassen verwirklicht worden; erst in den neueren
^Stadtteilen (z.B. Tölö) hat man neue Gesichtspunkte im Bauplan
beachtet. Behufs Erweiterung der Stadt hat der Architekt Elicl
Saarinen für Gross=Hclsingfors die grosszügigsten Detailentwürfe
gemacht. Im grossen und ganzen trägt Helsingfors das einförmige
Gepräge der Backstein= und Gipsputzarchitektur, der Gebrauch von
Natursteinen hat erst im Laufe der zwei letzten Jahrzehnte ein
wenig Boden gewonnen. Den monumentalen Mittelpunkt der Stadt
bildet der Scnatsplatz mit seinen in klassischem Stil aufgeführten
Bauten, die Schöpfungen des aus Deutschland gebürtigen Archi=
tckten J. C. L. Engel sind. Wahrend der letzten Dezennien sind
in Helsingfors viele G;bäude entstanden, die von einer bewusst
rationellen, die Baumassen beherrschenden, feinen und stilreinen
Architektur zeugen und von welchen mehrere grundlegende Be=
deutung besitzen.
Helsingfors hat infolge seiner natürlichen Lage mehrere gute,
geschützte und geräumige Häfen, deren Einfahrt verhältnismässig
leicht und gefahrlos ist. Die zwischen der Stadt und der Festung
Suomenlinna (schwed. Svcaborg) gelegene Kronbergsföhrde ist
ein guter und geräumiger Ankerplatz für grössere Fahrzeuge. Die
wichtigsten Häfen sind: in der Nähe des Zentrums der ^üdhafcn,
hauptsächlich für den Stückgüter= und Personenverkehr bestimmt,
der Hafen in Sörnäs (Sörnäinen), wohin die Holzwarenausfuhr
verlegt ist, und der Hafen Sandviken (Hietalahti), wohin die Ein=
fuhr von Massengütern (Steinkohle, Getreide usw.) verlegt werden
soll, sobald die im Bau begriffenen Hafenanlagen von Sand= und
Busholmen (Hieta=u. Jätkäsaari) fertig sind. Die gesamte Länge der
Quais beträgt (1915) 6,1 19,6 m.
In der Umgebung der Stadt sind mehrere Villenstädte und
Vororte entstanden, von welchen namentlich Brändö (Palosaari)
und Grankulla eine schöne Lage und einen zielbewussten Bauplan
aufweisen; auch die in unmittelbarer Nähe der Stadt gelegene Villen=
siedelur.g Haga=Munksnäs, die schon zum Teil eine direkt bewohnte
Villenstadt bildet, sieht ohne Zweifel in naher Zukunft einem kräf=
tigcn Aufschwung entgegen.
Auf mehreren Inseln vor der Stadt liegt die alte Festung Suo=
menlinna (offizieller Name seit 1918, schwed. Sveaborg,
^x'oher die frühere finnische Bezeichnung Viapori), deren Bau
unter der Leitung von Augustin Ehrensvärd nach dessen Entwürfen
1749 begonnen wurde. Unter russischer Herrschaft wurde diese
Arbeit weitergeführt. Die jetzigen eigentlichen Befestigungswerke
haben auf den weiter von Hcisingfors und Suomcnlinna entfernten
äusseren Schären Platz gefunden.
Bildungsanstaltcn. Hcisingfors ist der Mittelpunkt alles
geistigen Lebens und die vornehmste Kulturstätte in Finnland.
An der hiesigen Universität mit ihren vier Fakultäten wirken
90 Professoren, etwa 100 Dozenten und etwa 50 andere Lehrer;
die Zahl der immatrikulierten Studenten war im Jahre 1916 rund
3,500. Die einzige technische Hochschule des Landes mit
20 Professoren und etwa 50 anderen Lehrern wurde 1916 von
annähernd 600 immatrikulierten Studierenden besucht. In der
finnischsprcchigen Handelhochschule betrug die Schüler=
frcquer.z (1916) 93. Das Lehrerkorps bestand in demselben
Jahre aus 14 Personen. — In den kommunalen Volksschu =
len wurden im Schuljahr 1916 — 17 etwa 12,800 Kinder (9,100
mit finnischer, 3,700 mit schwedischer Muttersprache) unter=
richtet, während die höheren Lehranstalten, deren 7
vom Staate, 1 1 von Privaten, in der Regel mit Staatssub=
vcntion, unterhalten wurden, im gleichen Schuljahre von 5,700
(3,000 mit finnischer, 2,700 mit schwedischer Muttersprache)
Schülern besucht wurden. Ferner gibt es in Hcisingfors eine
grosse Menge Schulen für Fachunterricht verschiedenster
Art: mehrere Handelsschulen, eine Industrieschule, ein technisches
Institut, eine Zentralschule für Kunstfleiss — die einzige im
Lande — , Handwcrks= und Gewerbeschulen, ein Musikinstitut —
ebenfalls das einzige in Finnland — , usw. — Die grösste und wert=
vollste Bibliothek des Landes ist die allgemeine Universitäts=
bibiiothek (etwa 400,000 Bände); von den übrigen wissenschaftlichen
Bibliotheken seien erwähnt: die Bibliothek der wissenschaftlichen
Gescllschöflen, die Bibliothek der Finnischen Literaturgesellschaft
mit einer der reichhaltigsten folkloristischen Sammlungen der Welt,
die Seminarbibliolhek der Universität, die Reichstagsbibliothek (mit
sozialer und staatswissenschaftlicher Literatur) und die Bibliothek
der Studentenschaft (65,000 Bände). Die Stadtbüchcrci mit ihren
drei Filialen befriedigt den Literaturbedarf der breiten Schichten
der Bevölkerung; sie umfasste am Schlüsse des Jahres 1916 rund
80,000 Bände, und die Zahl der ausgeliehenen Bücher belief sich
im genannten Jahre auf 473,000. — Im Nationalmuseum befinden
sich die archäologischen, ethnographischen, kulturhistorischen und
niimisinatischcn Sammlungen des Staates, doch sind sie noch nicht
endgültig geordnet. Im Staatsarchiv werden die für die Geschichte
Finnlands bedeutungsvollen Urkunden und Aktenstücke aufbewahrt.
Die grösste Kunstsammlung des Reiches, aus den Sammlungen
des finnischen Kunstvereins und der sog. Antellschen Sammlung
bestehend — die letztere von H. F. Anteil gegründet und mit von
ihm dem Volk Finnlands gestifteten Mitteln vermehrt — ist bis auf
weiteres im Athenäum aufgestellt. — In Heisingfors erscheinen 5
finnische und j schwedische tägliche Zeitungen und eine grosse
Menge Zeitschriften.
Kirchlich ist Heisingfors in 6 evangelisch = lulherische
Gemeinden, 3 finnische und 3 schwedische, eingeteilt. Ausserdem
gibt es hier eine deutsche evangelische Gemeinde, eine römisch=
und eine griechisch=kathoIische, eine mosaische und einige Dissen=
tergemeinden.
Der Handel von Heisingfors basiert sich zum überwiegenden
Teil auf die Einfuhr, während die Ausfuhr von geringerer Bedeu=
tung ist. Im Jahre 1913, dem letzten normalen Jahre, stieg der
Wert der Einfuhr auf 150 Mill. Fmk und betrug 30,2 % vom Ein=
fuhrwert des ganzen Landes; der Ausfuhrwert war 23 Mill. Fmk,
d. h. 5,8 % des gesamten finnländischen Ausfuhrwertes. Die
wichtigsten Einfuhrwaren sind Getreide, Kolonialwaren, Metalle
und Mctallwaren, Maschinen und Motoren usw. und Steinkohle;
die wichtigsten Ausfuhrartikel waren Holz, Holzschliff und Papier.
Der Un fang des Exports der letzterwähnten Waren während der
Jahre 1913 — 16 erhellt aus den folgenden Tabellen.
Ausfuhr von Holzschliff und Papier:
Art der Ware
Geschliffener trockner Holzstoff
Chemisch ,, ,,
Pappe
Druci<= und Konzeptpapier ....
Umschlags, Pack= und lVlaku=
laturpapier
Andere Papiersorten
Ausfuhr von Holzwaren:
Art der VX'are
1915
1914
1916
Bohlen
Latten
Bretter
Steven
Birkenholzstöcke . .
Andere Holzwaren
8,199
46,617
2,711
21,474
55,045
2,645
5,589
57,360
13,505
367
2,588
10,356
—
106
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354
Die Schiffahrt ist zum grossen Teil von einheimischen
Schiffen vermittelt worden. Im Jahre 1913, dem letzten, für welches
normale Ziffern vorliegen, wurden 1,490 Fahrzeuge von mehr als
19 t in ausländischar Schiffahrt beim Zollamt einklariert; ihre ge=
samte Tonnenzahl belief sich auf 716,114, wovon 55,6% cinh£i =
misch waren und 95,1 % sich auf Dampfschiffe bezogen. 94,1 % der
einklarierten Tonnenzahl betraf Fahrzeuge mit Ladung, während
die entsprechende Prozentzahl für ausklarierte Fahrzeuge 68,2
ausmachte, ein Verhältnis, das die grössere Bedeutung der Einfuhr
für die Stadt darlegt. — Hclsingfors ist Sitz der grössten Schiffsrecde=
rei Finnlands, der Finnischen Dampfschiffahrts=Aktiengesell5chaft,
deren Schiffe regelmässigen Verkehr zwischen finnischen Häfen
und den wichtigsten Orten an der Nord= und Ostsee aufrech terhaU
ten. Die in Helsingfors beheimateten Fahrzeuge repräsentierten
im )ahre 1915 einen Schiffsraum von 49,995 Registertonnen.
Sowohl inbezug auf die Menge der Arbeitsstätten als auch der
Arbeiterzahl ist Helsingfors die grösste Industriestadt
Finnlands. Im Jahre 1915 besass die Stadt 273 Fabriken mit im
ganzen 15,666 Arbeitern, 1,636 sonstigen Angestellten und einem
Bruttoproduktionswert von 139 Mill. Fmk; bei 27 derselben über=
stieg der Bruttoproduktionswert 1 Mill. Fmk. Die wichtigsten in=
dustrielien Einrichtungen sind: die Zuckerfabrik der Tölöcr Zucker=
fabriks=A.=G., die Bierbrauerei der A.=G. P. Sinebrychoff, die
Werke der Mdschinen= und Brückenbau=A.=G. und der Sandvikens
Schiffswerft und Maschincnfabrik=A.=G., Karl Fazers Schokoladen«
und Bonbonfabrik, die Tabakfabriken von H. Borgström & C:o,
Tollander & Klärich, der Orientalischen Zigarcttcnft brik A.=G.
und Fcnnia, die Möbelfabrik der Sörnäser Tischlcrcifabrik A.=G.,
die Klempnerei der A.=G. G. W. Sohlberg, die Maschinenfabrik
336
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giors.
Gesamtansicht von Helsingfors.
der Staatsciscnbahncn und die kommunalen Wasserleitungs=, Gas=
und Elektrizitätswerke. — Die im )ahre 1913 ausgeführte Zählung
der handwcrksmässig betriebenen Industrie ergab für Helsingfors
1,274 Werkstätten mit 4,983 At heitern und einem jährlichen Pro=
duktionswcrt von 12 Mill. Fmk, was aber eine zu niedrige Schät=
2ung ist, da Angaben über den Produktionswert von mehr als 200
Werkstätten fehlen.
Helsingfors ist der Ausgangspunkt von 2 Eisenbahnlinien; die
eine derselben führt längs der Südwestküstc nach Äbo, die andere
verläuft nordwärts bis Riihimäki, wo sie sich in zwei Zweige teilt,
deren einer ostwärts über Wiborg nach Rajajoki (Petersburg),
der andere nordwärts über Tammerfors nach Wasa, Uleäborg
und Torneä führt. Die Zahl der angekommenen und abgcfahre=
nen Roisenden belief sich 1915 auf etwa 4 V2 Millionen, wovon
etwa 3 V2 Millionen auf den Nahverkehr entfallen. Die von den
Bahnhöfen in Helsingfors, Sörnäs und Fredriksberg abgesandten
Güter betrugen im selben Jahre 279,150 t, während die angc=
kommenen Güter 1,069,914 t ausmachten. — Den Verkehr inncr=
halb der. Stadt vermittelt eine elektrische Strassenbahn, die von
einer Aktiengesellschaft betrieben wird, in welcher die Stadt die
meisten Aktien besitzt. Im Jahre 1916 wurden von ihr 22 V4
Mill. Personen, d. h. durchschnittlich 60,800 Personen am Tag
befördert. — An das von einem Verein unterhaltene Fernsprechamt
hatten am Ende des Jahres 1915 10,600 Apparate Anschluss; im
erwähnten Jahre wurden vom Fernsprechamt über 30 Millionen
Gespräche vermittelt.
Die Direktion und Hauptgeschäftsstelle der meisten Banken
Finnlands befinden sich in Helsingfors. Die wichtigsten dieser
Banken sind: Kansallis=Osake=Pankki (NationaUAktienbank), Nor=
diska Föreningsbanken, Privatbanken i Helsingfors A/B und Hel=
singfors Aktiebank. Die meisten Provinzialbanken haben Filialen
in Helsingfors. Die Deponenten der drei in Helsingfors befind=
liehen Sparkassen verfügten Ende des Jahres 1915 über ein Gc=
samtguthaben von mehr als 38 Mill. Fmk, auf über 49,000
Sparkassenbücher verteilt.
Die Ausgaben der Stadt Helsingfors stiegen im Jahre 1916
auf 24 Mill. Fmk, wovon 8 Mill. durch die Einkünfte aus den Ge=
Schäftsunternehmungen der Stadt (Wasserleitungs=, Gas= und Elek=
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trizitälswerk) und 7 V2 Mill. durch die von den zahlungspflichtigen
Einwohnern erhobenen Steuern gedeckt wurden. Das Vermögen
der Stadt betrug beim Abschluss des Jahres 1916 185 Mill. und
ihre Schulden 7> Mill. Fmk. Die Z.hl der steuerpflichtigen Ein=
wohncr war im Jahre 1916, wie aus ntbonstehendcr Tabelle ersicht=
lieh, zusammen 51,290.
Behörden. In Helsingfors haben die höchsten Verwaltungs=
und Justizbehörden ihren Sitz: der Präsident der Republik, die
Regierung des Landes, der höchste Gerichtshof, das Obcrverwa!=
tungsgericht und alle administrativen Zentralbehörden und die
Länsvcrwaltung. Hier befinden sich auch die bedeutendsten
Krankenhäuser des Landes, vor allem das dem Staat gehörende
Allgemeine Krankenhaus mit seinen vielen verschiedenen Abtei=
lungen, die zugleich als Lehranstalten der Universität dienen.
Ferner seien erwähnt: die Diakonissenanstalt, die am Rande der
Stadt gelegene Zentralirrenanstalt Lappvik (Lapinlahti), das kom=
munale lVlaria=Krankcnhaus mit mehreren Abteilungen, das cpi=
demischc Krankenhaus, verschiedene private Krankenhäuser usw.
Geschichte. Ursprünglich wurde Helsingfors zur Zeit
Gustav Wasas 1 550 an der Mündung des Vandaflusses (Vantaanjoki,
schwed. Vandaa) gegründet; daran erinnert noch das östlich von
der Stadt gelegene Dorf Altstadt (finn. »Vanha kaupunki», schwed.
Gammelstaden) Ihren jetzigen Platz erhielt die Stadt im Jahre
1640. Helsingfors verblieb lange sehr unbedeutend; bis Anfang
des 19. Jahrhunderts umfasste das bewohnte Areal hauptsächlich
nur die nächste Umgebung des Senatsplatzes. Die im Jahre 1749
begonnene Aufführung der Festungswerke von Svcaborg gab
der Stadt einen bedeutenden Anstoss zur Entwicklung. Im Jahre
1812 bestimmte Alexander 1. die Überführung der Regierung
und der Zentralbehörden von Abo nach Helsingfors, und im
J. 1819 begannen sie ihre Tätigkeit in der neuen Landeshauptstadt.
1827 wurde auch die Universität nach Helsingfors verlegt. Von dem
Staate unterstützt begann nun unter J. A. Ehrenströms und J. C. L.
Engels Leitung die Neuaufführung der Stadt. Der Handel und die
Industrie vermochten nicht mit der sonstigen Entwicklung der
Hauptstadt und den erhöhten Anforderungen Schritt zu halten, und
so folgte dann in der Mitte des 19. Jahrhunderts auf den vielver=
sprechenden Anlauf eine Periode des Stillstands. Die Einwohner»
zahl, die 1830 schon 11,110 gewesen war, stieg langsam auf 20,000
und betrug noch 1870 nicht mehr als 32,113. Darauf hat aber die
Entwicklung der Stadt einen raschen Aufschwung genommen.
Helsingfors wurde auch im wirtschaftlichen Leben der Mittelpunkt
des Landes. Die Eisenbahnlinien wurden so gezogen, dass sie die
Hauptstadt zum Endpunkt erhielten.
Abo - Turku.
Äbo (finn. Turku), die alte Hauptstadt des Landes, Haupt=
Stadt des jetzigen Läns Äbo u. Björneborg, liegt zu beiden Seiten
des Aurajoki (unter 60° 27' nördl. Br. und 22° 16' östl. L. v.
Gr.). Vor der Stadt liegt ein weites Inseimcer, welches fast
ohne Unterbrechung bis Aland reicht. Die Einwohnerzahl
ist (1916) 54,809, sodass Äbo die zweitgrösste Stadt Finnlands
ist. Die Muttersprache der Einwohner ist bei 76,3 % Finnisch.
Das Weichbild der Stadt umfasst (1915) 535,7 ha, das ganze
städtische Areal 2,121,2 ha. Im Weichbilde der Stadt wohnten
nach der Volkszählung vom Jahre 1910 insgesamt 40,493 Personen:
durchschnittlich 75,6 Einwohner pro ha {für Heisii gfors ist die
entsprechende Ziffer 110,9).
Der älteste Teil der Stadt macht einen altertümlichen Eindruck,
obwohl Äbj nach der grossen Feuersbrunst 1827 zum grossen
Teil neuaufgebaut worden ist. Die bemerkenswertesten alten Bau=
werke sind der ehrwürdige Dom am Ufer des Aurajoki (zu dem
etwa im Jihrc 1230 der Grundstein gelegt worden sein dürfte und
der wcnijTStcns 1259 schon in seiner ersten Gestalt fertig dagestanden
zu haben scheint) und in der Nihe desselben die Akademie (1802 — 1 5
erbaut) mit ihrer schönen stilvollen Aula. Im Akademiegebäude sind
heute verschiedene A ntslokale untergebracht. An der Mündung
des Atirajoki liegt das alte Schloss, dessen Gründungsjahr nicht
mit Sicherheit bekannt ist; es dürfte in der zweiten Hälfte des 13.
Jahrhunderts erbaut worden sein. Nunmehr umschliesst es das
reichhaltige historische Museum der Stadt Äbo. Die Stadt ist
durch mehrere schöne Parkanlagen geschmückt. Darunter sind
zu nennen: der Park Vartiovuori (Sternwartenberg) mit weiter
Aussicht auf die Stadt und ihre Umgebung, der Park Samppalinna
i
am Ufer des Aurajoki, der ausgezeichnete Sportpark, der Kiippis=
park, der Porthan= und der Brahcpark. — Äbo ist der Bischofssitz
des gleichnamigen Bistums, der Sitz eines Domkapitels, eines Hof=
gcrichts und der Länsvcrwaltung. Seit dem Herbst 1917 existiert
dort eine private schwedische Universität, die bis jetzt drei Fakultäten,
eine mathematisch=naturwissenschaftliche, eine humanistische und
eine staatswissenschaftliche, aufweist. (Es besteht die Absicht, in Äbo
auch eine private finnische Universität zu gründen.) Zu erwäh=
ncn sind ferner das Kunstmuseum und das biologische Museum.
Staatliche Schulen sind: 2 finnische und 2 schwedische zur Universi=
tat führende Lyzeen und eine finnische und eine schwedische
Mädchenschule; private Lehranstalten sind: ein finnisches und ein
schwedisches Gymnasium für Knaben und Mädchen zusammen,
eine finnische Fortbildungsanstalt und eine schwedische Lehr£n =
stalt für Mädchen, die alle vier ihre Absolventen zur Teilnahme an
der Maturitätsprüfung berechtigen. Endlich hat Äbo noch eine
Handels=, eine lndustrie= und eine Navigationsschule, ein schwe=
disches Ackerbauinstitut, ein Arbeiterinstitut und eine Taubstum=
menanstalt. . Die Bücherei der Stadt befindet sich in einem neuen
schönen Bibliotheksgebäude.
Die Lage der Stadt im südwestlichsten Teile des Landes und
namentlich die davor liegenden schützenden Schären, welche im
Winter die Eisdecke des Meeres fest erhalten, sowie auch die guten
Verkehrsmittel haben die Stadt, wie eine 20=jährige Erfahrung ge=
zeigt hat, zum Winterhafen sehr geeignet gemacht. Die
Handelsflotte von Äbo umfasste im Jahre 1913 127 Schiffe von
insgesamt 17,770 t Lästigkeit, darunter 44 Dampfer (von insge=
samt 8,096 t Raumgchalt). Zwischen Äbo und Stockholm besteht
ein regelmässiger Dampferverkehr. Im Zollbezirk von Äbo wur=
den 1915 in ausländischer Schiffahrt 1,1 Mill. t klariert (drittgrösster
Hafen in Finnland), wovon fast '/a auf die Linie Äbo — Stockholm
entfiel. Die gesamte Ausfuhr (ausser zu Lande nech Russland) betrug
19,255,692 Fmk (Holzwaren 5,8 Mill., Papier, Pepiererzcugnisse
und Holzmasse 3,4 Mill., Felle und Häute 2,7 Mill. Fmk). —
Von Äbo führen zwei Eisenbahnlinien: Äbo — Toijala nordoslwärts
nach Tammerfors und Äbo — Helsingfors nach Westen. Die Stadt
hat eine elektrische Strassenbahn.
Äbo besass im Jahre 1913 104 Fabriken (5,201 Arbeiter).
Die grössten industriellen Einrichtungen sind: die Maschinenfabrik
Vulcan {Produktionswert i. ). 1912 7,600,000 Fmk), die Tabak=
fabrik P. C. Rettig & C:o (3,990,000 Fmk), Bomans grosse Möbel=
fabrik (1,740,000 Fmk), die Eisenindustrie=A.=G. von Abo
(1,500,000 Fmk), die Tuchfabrik von Äbo (1,360,000 Fmk), die
Maschinenfabrik und Schiffswerft \X/:m Crichton & C:o (1,100,000
Fmk), die Zuckerfabrik Aura, die Motorfabrik Andrec& Rosenqvist.
Schon während der Heidenzeit war die Mündung des Aurajoki
ein Handelsplatz für die ganze Umgegend. In geschichtlichen Ur=
künden wird sie i. J. 1 198 zum ersten Mai erwähnt. Zum geordneten
städtischen Gemeinwesen wurde sie um das Jahr 1300 gemccht,
wobei wohl deutsche Hanseaten einen entscheidenden Einfluss
ausübten; auch war das Deutschtum in der Stadt während des gan=
zcn Mittelalters ziemlich stark vertreten. Als Hauptstadt des Lan=
des bildete Äbo zur Schwedenzeit den Mittelpunkt alles geisti =
gen, wirtschaftlichen und administrativen Lebens. Sie hat vielfach
unter Kriegsercignisscn zu leiden gebebt. In der ersten Hälfte
des 17. Jahrhunderts erhielt Äbo durch die damals erlassenen Han=
dclsverordnungcn vollständige Stapclrechte, während gleichzeitig
der Handelsverkehr der österbottnischen Städte auf Stockholm
und ÄbD beschränkt wurde. Im Jahre 1623 wurde in Äbo das
Hofgericht, 1640 die Universität gegründet; 1676 versammelten
sich dort Vertreter des ganzen Landes zum Landtage. 1819 hörte
Äbo auf, die Landeshauptstadt zu sein. 1827 wurden Vs der Stadt
(etwa 800 Häuser) durch eine furchtbare Feuersbrunst in Asche
gelegt, und eine Folge davon war, dass die Universität nach HcU
singfors verlegt wurde. 1609 betrug die Einwohnerzahl der Stadt
ungefähr 4,300 Personen, um die Mitte des Jahrhunderts etwa
6,000, 1810 10,224, 1850 17,178, 1900 38,340.
Wiborg - Viipuri.
Wiborg (fmn. Viipuri), die Hauptstadt des gleichnamigen
Läns und der Landschaft Kardien ( Karjala), der Einwohnerzi hl nach
die vierte Stadt Finnlands, liegt im innersten Teil einer nach Norden
einschneidenden langen Bucht des Finnischen Meerbusens, unter
60'' 43' nördl. Br. und 28 44' östl. L. v. Gr. Vor der Stadt bcfin=
det sich zwischen den Schäreninseln ein enger Wasserweg (4,5 m
tief), der durch die Strasse Uuraansalmi (schwcd. Trangsund,
Ausscnhafcn von VViborg) nach dem Meer führt. Die Stadt nebst
Vororten hat etwa 5 0,0 00 Einwohner, die Stadt allein
30,598. Der Muttersprache nach waren im Jahre 1910 81,3 % fin=
nisch, 6,5 % schwedisch (10,7 "0 russisch). Das Areal der Stadt
beträgt (1917) 422 ha, das der Vororte etwa 350 ha.
Der in der Nähe des alten Schlosses liegende älteste Teil der
Stadt macht stellenweise noch einen mittelalterlichen Eindruck.
Die bemerkenswertesten alten Gebäude sind das auf einer kleinen
Insel zwischen beiden Häfen liegende mächtige Schloss und der im
Mittelalter erbaute, anspruchslose Dom (vom russischen Militär
als Magazin benutzt, 1918 wieder zu einer lutherischen Kirche ge=
weiht). Wiborg ist von alten Wällen umgeben und mit mehreren
Parkanlagen geschmückt, von weichen der schöne Stadtpark die
ganze Stadt durchzieht. Am Aussenrande der Stedt befindet sich
der prachtvolle Park Monrcpos. Der neuste Teil von Wiborg macht
einen ganz modernen Eindruck. Besonderes Interesse beanspruchen
die vielen und grossen Vororte, deren mehrere ausserhalb des eigent=
liehen städtischen Areals liegen. — Wiboig ist der Sitzeines Hof=
gerichts und der Länsverwaltung. Staatliche Lehranstalten sind:
ein finnisches klassisches Lyzeum, ein finnisches und ein schwe=
disches Lyzeum, alle drei zur Universität führend; ferner eine
finnische und eine schwedische Mädchenschule mit Fortbildungs=
klassen. Private Lehranstalten sind: zwei vollständige finnische
Gymnasien für Knaben und Mädchen und eine fünfklassige finnische
Realschule; ferner eine finnische Handelsschule, eine Navigations=
schule, eine Industrieschule, ein landwirtschaftliches Lyzeum, ein
Institut für Kirchenmusik, eine Orchesterschule, eine Zeichenschule,
ein Arbeiterinstitut usw. Die Stadt besitzt eine reichhaltige Bi=
bliothek und ein wertvolles Museum.
Wiborg war wegen seiner Lage schon in grauer Vorzeit ein wich=
tiger Handelsvermittler zwischen dem Osten und Westen. Die
Stadt ist mit ihren vielen Engrosgeschäften und Kaufhäusern eine
typische Handelsstadt. 1913 betrug ihre Einfuhr etwa 70 Mill.
Fmk. Die Waren werden hauptsachlich zu Wasser eingeführt
(Getreide und Mehl für 1 7,2 Miil.). Die Ausfuhr (fast ausschliesslich
zu Wasser) hatte im erwähnten Jahre einen Wert von etwa 46 Mill.
Fmk, wovon etwa 37,3 Mill. auf Holzwaren, 5,3 Mill. auf Holzstoff
und Papier entfielen, sodass also der Ausfuhrwert für andere Waren
ganz unbedeutend war. Im jähre 1913 wurden beim städtischen
Zollamt 2,056 Fahrzeuge von insgesamt 765,898 t klariert. Die im
Bezirk der Stadt einregistrierten Fahrzeuge repräsentieren zu=
sammcn einen Raumgchalt von 65,283 t. Wiborg liegt an der
Eisenbahnhnic Helsir.gfors — Petersburg und ist zugleich der
Ausgangspunkt der karelischen Bahn. Durch den Saimakanal steht
Wiborg mit dem grossen Saimasystcm in Verbindung. — Die Stadt
bcsass 1913 386 industrielle Einrichtungen, davon nur 90 eigcnt=
liehe Fabriken; ihr Produktionswert betrug 17,3 Mill. Fmk brutto.
Zu nennen sind: die Seifenfabrik Havi, die Mcwskische Kerzenfabrik,
viele Tabakfabriken, zwei Zündhoizfabriken, eine Maschinenfabrik,
Dampfmühlen und eine Lederfabrik. • — Die Stadt hat eine clek=
trische Strassenbahn.
Die Stadt Wiborg wurde in einer wichtigen Grenzgegend ge=
gründet, wo die verschiedenen Bestrebungen von vier Nationalitä=
ten — der finnischen, schwedischen, deutschen und russischen —
zusammcnstiesscn, sodass sie immerwchrend der Schauplatz wich=
tiger politischer Kämpfe und zugleich der vorgeschobenste Posten
der abendländischen Kultur gegen den Osten gewesen ist. Im
Innern der Wiborger Bucht, dem sogen. Suomenvedenpohja, hat
sich ein uralter Handelsplalz befunden. Da ein Arm des Vuoksen
ehemals direkt in den Finnischen Meerbusen mündete, existierte
ein Wasserweg zwischen jenem Platz und dem Ladogcsee. Im Jahre
1293 unternahm der schwedische Marschall Torgils Knulsson einen
Kreuzzug nach Kardien und gründete dabei das Schloss von Wibotg.
Unter dem Schutze dieses Schlosses entwickelte sich die Stadt
trotz immerwährender Kriege und Belagerungen rasch. Während
des ganzen Mittelalters befand sich der Handel hcuptsichlich
in den Händen hanseatischer Kaufleute. Der deutsche Kaufmanns=
stand hat also in Wiborg tiefe und alte Wurzeln und ist dort immer
noch vertreten. Als sich später zur Zeit Gustav Wasas die Handels=
wcgc über die Ostsee hmaus erstreckten, war man aus Mangel an
Kapital, Kredit und Erfahrung auch ferner genötigt, seine Zu=
flucht zu den Deutschen zu nehmen. Viele Deutsche zogen ganz
nach W.borg, und von da ab war das deutsche Element in der Bür=
gerschaft sehr stark vertreten. Zu Beginn der Reformation war Wi=
borg eine Zeitlang Sitz eines Bischofs. Ncchdem die Stadt StapeU
rechte erhalten hatte, nahm ihr Handel einen solchen Aufschwung,
dass sie um das Jahr 1640 die grösste Handelsstadt Finnlands war.
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Olafsburg.
In Nyslott (Savonllnna).
Taiiimerfors (Tampi.i
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Börsenhof in Helsingrfors.
Bahnhof zu Wiborg.
Diese Blütezeit wurde durch eine grossartige Teerausfuhr (besonders
nach den Niederlanden) hervorgerufen. Nun begann sich auch die
Holzausfuhr zu heben. Von 1618 an war Wiborg wieder einige Zeit
Sitz eines Bischofs. Im Jahre 1710 wurde es von Peter dem Grossen
belagert und litt dabei grossen Schtden. Die Stcdt ergcb sich und
wurde nun nebst einem grossen Teil von Karelien auf lange Zeit
staatlich vom übrigen Finnland getrennt und erst 1812 wieder da=
mit vereinigt. Unter russischer Herrschaft steckte die Entwicklung
der Stadt. Unter den Stedtbürgern verblieb trotzdem das deutsche
Element vorherrschend, da deutsche Kaufleute und Becmte £us=
serdem aus den Ostseeprovinzen nach Wibotg zogen. Das russische
Volkselemcnt nahm in der Stadt allmählich zu. Im Jahre 1812
wohnten in W.borg 1,273 Finnen, 362 Deutsche, 412 Schweden,
846 Russen, dazu Militär und loses Gesindel. Unter russischer Herr=
Schaft wurden neue grosse Befestigungen aufgeführt. Mit der VolU
endung des Saimakanals 1856 und der Eisenbehn Riihimäki —
Petersburg 1870 nahm der Handel von Wiborg einen neuen Auf=
Schwung. Bis zum Jahre 1856 betrug der Warenumsatz der Stadt 6
Mill. Fmk und stieg im Jahre 1875 auf 60 Mill., sodass ein Viertel
des gesamten finnländischen Handels auf Wibotg entfiel, welches
also wieder die erste Handelsstadt Finnlands geworden war. Dar=
auf verlangsamte sich die Entwicklung des Hendels, bis die VoIIcn=
düng der karelischen Eisenbahn 1894 ihm neue Möglichkeiten er=
schloss. Seit den siebziger Jahren ist das finnische Volkselement
mächtig in den Vordergrund getreten und ist nunmehr das aus=
schlaggebende. Im Jahre 1818 bcsassdie Stadt (nebst Vororten) etwa
3,600, 1870 13,466, 1890 20,348 und 1910 49,007 Einwohner.
Tammerfors - Tampere.
Tammerfors (finn. Tampere), nach Helsingfors die
zweite Fabrikstadt Finnlands, gelegen im Län Tavastehus (Häme),
in der Landschaft Satakunta, unter 61° 30' nördl. Br. und 23° 46'
östl. L. V. Gr. Die Stadt liegt auf einer 1^/2 — 2 km breiten Land=
enge zwischen den Seen Näsijärvi und Pyhäjärvi, zu beiden Sei=
ten der Stromschnelle Tammerkoski, in einer Talmulde, die im
Westen von dem wegen seiner schönen und weiten Aussicht berühm=
ten Rücken Pyynikki, im Osten von dessen Fortsetzung Kalevan=
kangas und im Nordosten von den Uferhügeln des Näsijärvi bc=
grenzt wird. Tammerfors hat (1914) 45,213 Einwohner
(davon sind 25,216 Frauen; das ausscrgewöhnlich starke überwiegen
des weiblichen Geschlechts beruht auf den Fabriksverhältnissen);
der Muttersprache nach sind 94,7% finnisch. Ein bedeutender Teil
der Bevölkerung besteht aus Arbeitern; im Jahre 1913 waren in den
industriellen Betrieben durchschnittlich 9,557 und in Handwcrks=
Unternehmungen 1,077 Arbeiter (= 22,6 "0 der Stadtbewohner)
tätig. Das typischste Industriegebiet der Stadt befindet sich an
den Ufern der Stromschnelle Tammcrkoski (Falllänge 945 m, Fall=
höhe 17,9 m, im Mittel 27,447 Pferdekräfte). Das Weichbild der
Stadt umfasst 340,5 ha, die übrigen mit ihr vereinigten Areale bc=
tragen 61 1,6 ha.
Der Tammerkoski teilt die Stadt in zwei ihrer Einwohnerzc.hl
nach fast gleich grosse Hälften. Den Mittelpunkt bildet immer noch
der älteste Teil der Stadt am VCestufer der Schnelle. Tammcifors
hat mehrere Parkanlagen, deren Flächeninhalt insgesamt 32,2 ha
beträgt; dazu kommen noch der schöne Naturpark auf dem Pyynikki
mit etwa 80 ha und der Volkspark Viikinsaari mit etwa 14 ha. Die
Stadt besitzt mehrere moderne Schulgcbäude und ein neues Thea=
ter; das im modernen Stil erbaute »Näsilinna» umschlicsst das tavast=
ländisc'ie Museum (während des Freiheitskrieges stark beschädigt).
Eine besondere Erwähnung verdient die in altertümlichem Stil
aus Granit gebaute Johanneskirche, deren innere Ausschmückung
mit ihren Fresken eine besondere Sehenswürdigkeit bildet.
Unter den Lehranstalten sind hervorzuheben: zwei finnische
staatliche Lyzeen, beide zur Universität führend, eine Mädchen»
schule (alle drei mit finnischer Unterrichtsspreche), ein privates,
zur Universität führendes Mädchengymnasium, ein Gymnasium
für Knaben und Mädchen (beide finnisch), ein schwedisches
Gymnasium für Knaben und Mädchen, eine Handelsschule, ein
technisches Institut und eine Industrieschule.
Als Handelsstadt kann sich Tammeifors nicht mit den Küsten»
Städten Finnlands messen; seine grösste Bedeutung hat es als In»
dustriestadt (bisweilen scherzweise »Finnlands Manchester» genannt).
Im Jahre 1913 betrug die Zahl der dortigen industriellen Einrieb»
tungen 110 mit einer Betriebskraft von 10,668 Pferdestärken und
einem Produktionswert von 65,3 Mill. Fmk brutto. (In Helsingfors
229 industrielle Einrichtungen mit 13,827 Arbeitern, 24,465 Pferde»
546
stärken und einem Produktionswert von 109,4 Mill. Fmk brutto.)
Der wichtigste Industriezweig ist die Textilindustrie, auf welche
dllein etwa '[3 der gesamten Fabrikarbeiter und des Produktions=
wertes entfallen (38 — 44 '/o der gesamten finnischen Textilindustrie).
Darauf folgen die Leder= und Schuhwarenindustrie (6,5 Mill.
Fmk), die Papier^ und Pappenindustrie (6,2 Mill. Fmk) und die
Metaliindustrie (4,8 Mill. Fmk). Die wichtigsten diesbezüglichen
Einrichtungen sind:die Leinwandfabrik, Maschinenfabrik (u.a. Loko=
motiven) und Holzschleiferci der grossen Leinweberei= und Eisen=
manufaktur=A.=G. von Tammerfors, der zweitgrössten industrie=
eilen Einrichtung in Finnland (1861 gegründet), die grosse Baum=
Wollweberei von Finlayson <& Co. A.=G. (1820 gegründet), Frenckells
Papierfabrik (1783 gegründet), die Tammerforser Tuchfabrik A.=G.,
die neue Lokomotiven= und Maschinenfabrik Lokomo A.=G., die
Tammerforser ßaumwollwcberei (die sog. Lapinniemi=Fabrik), die
Schuhwarenfabriken von Attila, Hyppönen und Aaltonen, Klin=
gendahls Wollweberei und »Spinnerei, die Finnische Trikotwaren=
fabrik A.=G., die Tammerforser Trikotwarenfabrik A.=G., die Tri=
kotfabrik der Tammerforser Textilindustrie A.=G., die Maschi=
nenfabrik Tammela, die Tammerforser Dachpappen» und Papicr=
fabrik, mehrere Lederfabriken, Raf. Haarlas Briefpapier», Brief»
Umschlag» und Papierindustriefabrik usw.
Tammerfors steht in Eisenbahnverbindung mit dem Norden und
Süden des Landes (die österbottnische Eisenbahnlinie passiert die
Stadt); ausserdem zweigt sich dort eine Eisenbahn nach Björneborg
(Pori) ab. Auf dem Näsijärvi wird ein regelmässiger Dampferver»
kehr unterhalten; auch besteht eine direkte Schiffsverbindung
zwischen dem Pyhäjärvi und der. Stadt Tavastehus. Die Schiff»
fahrtsperiode dauert jährlich etwa 209 Tage.
Als öbergangsstcllc zwischen grossen Gewässern, im Siedlungs»
Zentrum von Ober»Satakunta liegend, war die Landenge bei der
Stromschnelle Tammerkoski bereits im Mittelalter ein wichtiger
Platz, der später Marktflecken wurde. Im Jahre 1779 unterzeich»
nete König Gustav 111. die Stiftungsurkunde der Stadt, in welcher
Tammerfors für eine Freistadt erklärt wurde , wo keine Zunftord»
nung bestehen, sondern jedermann das Recht zu freier Ausübung
seines Gewerbes besitzen sollte. Im Jahre 1821 verlieh Kaiser Ale»
xander L Tammerfors die Privilegien einer Freistadt;
auf Grund derselben konnten die Fabrikbesitzer Maschinen und
Rohstotte zollfrei aus dem Auslände einführen. Dcmit beginnt der
rasche Aufschwung der dortigen Industrie und die Bedeutung von
Tammeifors als Industriestadt. Die Jahre 1890 — 1900 bezeichnen
mit der Gründung zahlreicher Fabriken wieder eine neue Blütezeit
in der Geschichte der Stadt. Die Eisenbahn Tammerfors — Björne=
boig wurde 1895 fertig gebaut. Die Frcistedtrcchtc der Stadt
endigten mit dem Jahre 1906. Im Jahre 1831 besass Tammeifors
etwa 1,500 Einwohner; 1860 stieg ihre Zahl auf 5,233, 1890 auf
20,489, 1900 auf 38,778, 1910 auf 44,147.
Wasa - Vaasa.
Wasa (finn. Vaasa), zur Zeit der russischen Herrschaft
1855 — 1917 amtlich Mikolaistad (N i ko I a i n ka u pu n k i),
die Hauptstadt des gleichnamigen Läns, liegt am Bottnischen Meer=
busen unter 63"' 5' nördi. Br. und 21^ 36' östl. L. v.Gr. Etwa 23,700
Einwohner, deren Muttersprache bei fast 45 % Schwedisch
ist. Areal der Stadt 388 ha. Zur Stadt wird unter anderem die grosse
Insel Vaskiluoto (Vasklot), wo sich der Aussenhafen von Wasa be=
findet, gezählt. Die Stadt besitzt 15 Parkanlagen mit einem gesam=
ten Flächeninhalt von etwa 256 m". Die Häuser sind zum grössten
Teil aus Holz gebaut; im Jahre 1917 gab es 197 Steinhäuser. Von
Gebäuden sind das gemeinschaftliche Amtshaus des Hofgerichts
und der Länsverwaltung und eine im gotischen Stil erbaute Kirche
zu erwähnen.
Staatliche Lehranstalten sind: ein vollständiges schwedisches
Lyzeum und ein gleichfalls vollständiges finnisches Reallyzeum, je
eine schwedische und finnische Mädchenschule mit Fortbildungs=
klassen; private Lehranstalten: ein vollständiges schwedisches Gym=
nasium für Knaben und Mädchen, eine zweisprachige Handels»
schule, eine zweisprachige Industrieschule, ein Arbeiterinstitut
u. a. in Wasa befindet sich auch das österbottnischc historische
Museum.
Unter den industriellen Einrichtungen der Stadt seien erwähnt:
eine Baumwollwebcrei (Produktionswert etwa 3,5 Mill. Fmk),
eine Dampfmühle (2,32 1,000 Fmk), Seifenfabrik (690,800 Fmk), WolU
Warenfabrik, Maschinenfabrik und Schiffswerft, Zuckerfabrik (bei=
348
nahe 7 Mill. Fmk), TabaUsfabrik. Der ganze Produktionswert der
Industrie belief sich im Jahre 1914 auf 19,413,600 Fmk, sodass
Wasa unter den Industriestädten in Osterbotten die erste, im ganzen
Lande die vierte Stelle einnimmt. Die Stadt hat 2,255 Fabrik=
arbcitcr, von welchen die Hälfte in der Baumwollwcberei beschäf=
tigt ist. 1913 wurden beim Zollamt in Wasa 734 Fahrzeuge klariert,
die zusammen 341,892 t netto umfasstcn. Das Ziel der meisten
Schiffe war Schweden. Die Handelsflotte der Stadt besteht aus 10
grossen Dampfern (Inhaber: Dampfschiffahrts=A.=G. Wasa— Ostsee)
von insgesamt 5,457 t netto ; dazu kommen noch kleinere Dampf=
und Segelschiffe. Vor dem Kriege regelmässiger Dampferverkehr
mit Stockholm, Hernösand, Sundsvall, Kopenhagen, Hamburg,
Lübeck, Hüll, Petersburg und längs der finnländischcn Küste.
Die Ausfuhr (nach dem Auslande) betrug 1913 8,144,264 Fmk.,
wovon 5,661,634 Fmk auf Holzwaren, 269,850 Fmk auf Teer,
1 18,600 Fmk auf Holzschliff entfallen. Die Einfuhr betrug 26,169,512
Fmk. Wasa steht durch den Knotenpunkt Seinäjoki mit der öster=
bottnischen Eisenbahn (1883 vollendel) in Verbindung.
Die Stadt Wasa ist Sitz der Länsverwaltungund eines Hofgerichts.
Das Dorf Mustasaari, unweit des jetzigen Wasa, war,
im ältesten und fruchtbarsten Bevölkerungszentrum Osterbottnicns
liegend, ein uralter Hafen= und Handelsplatz. Nach der Anlegung
der Burg Korsholm (vor dem jähre 1384) wuchs die Bedeutung des
Ortes. Zur Stadt erhoben wurde Mustasaari im Anfang des 17.
Jahrhunderts (Stiftungsurkunde 1606, Privilegien 1611) und cr=
hielt dabei den Namen des Herrscherhauses, Wasa. Die Handels»
Ordnung vom Jahre 1617 beschränkte das Navigationsrecht der
Kaufleute von Wasa auf die Städte Äbo und Stockholm und die
nördlich davon gelegenen Häfen. Für eine kurze Zeit erstreckte
sich dieses Recht auch auf die Stadt Riga. Die Entwicklung Wasas
wurde durch die vielen Einschränkungen des Handelsverkehrs in
hohem Grade gehemmt. Seit 1688 war Wasa die Residenz des
Landeshauptmanns. Zur Zeit des Grossen Unfriedens 1714 richteten
die Russen grosse Verheerungen in der Stadt an. 1742 kam Wasa
wieder unter russische Herrschaft. 1765 erhielt die Stadt endlich
Stapelrechte und fing an aufzublühen. Auf Schiffen wurde Teer,
Pech, Bohlen usw. nach dem Auslande (den Niederlanden, England
und den Mittelmeerländcrn) transportiert. 1776 gründete Gustav
111. in der Stadt ein Hofgericht, 1808 plünderten die Russen wieder
die Stadt. Mit den dreissiger Jahren beginnt eine grosse Roggens
ausfuhr aus Wasa. «852 wurde die Stadt durch eine Fcuers=
brunst zerstört. IVlan begann sie sofort wieder aufzubauen, doch
wurde im Jahre 1854 beschlossen sie vom Platz des »Alten Wasa»
(unweit der jetzigen Bahnstation Korsholm) an ihre jetzige Stelle
zu verlegen, ein Plan, der 1862 bewerkstelligt wurde. Der grösste
Teil der nach der Feuersbrunst neu aufgeführten Häuser wurde
nach der neuen Stadt geschafft. Im Jahre 1808 hatte Wasa etwa
2,500 Einwohner, Mitte des Jahrhunderts etwa 3,000, 1900 15,252.
Während des Freiheitskrieges 1918 war Wasa der Sitz der gesetz=
massigen Regierung.
Uleäborg - Oulu.
U I e äbo r g (finn. 0 u I u), die Hauptstadt des gleichnamigen
Läns, liegt an der Mündung des mächtigen, als Sehenswürdigkeit
bekannten, an Stromschnellen reichen Oulujoki unter 61 ° 1' nördl.
Br. und 25° 30' 30" östi. L. v. Gr., am Südufer der letzten Stroms
schnelle, Merikoski; ein kleiner Teil der Stadt befindet sich auf der
mitten im Fluss liegenden Insel Pikisaari. 21,160 Einwoh=
n er (1914), von welchen 93 % ihrer Muttersprache nach finnisch
sind. Der eigentliche Flächeninhalt der Stadt beträgt 249 ha. — Die
Strassen sind gerade, 14,85 m breit. Die Stadt wird durchflössen
von dem sog. Stadtbach, dessen Ufer mit Parkanlagen geschmückt
sind. Die Häuser sind zum grössten Teil einstöckig und aus Holz,
doch findet man im Geschäftszentrum schon grosse moderne Stcin=
häuser.
Die Stadt besitzt eine vollständige finnische Realschule, ein
finnisches klassisches Lyzeum, eine schwedische Realschule für
Knaben und Mädchen von 5 Klassen nebst 3 zur Universität fühs
renden Fortbildungsklassen, eine finnische Mädchenschule mit 3
Fortbildungsklassen, ein vollständiges Gymnasium für Knaben und
Mädchen, eine Taubstummenanstalt, eine Handelsschule, eine
Industrieschule, eine ^sIavigationsschule usw. — Ukiborg ist der
Sitz des Bischofs vom Stift Kuopio, eines Domkapitels und der
Länsverwaltung.
Uhäborg ist eine wichtige Industrie= und Handelsstadt. Unter
den Fabriken sind zu nennen : die grosse bekannte Lcderfiibrik
(mit verschiedenen Abteilungen) dcrGcbiüJcr Äström A.=G., Hugo
ind Hjalmar Äströms Schuhwareiifabrik, das grosse Holzwaren»
jcschäft Uleä A.=G. (besitzt mehrere Sägemühlen, darunter 4
jrossc, andere industrielle Einrichtungen und ausgedehnte Waldun=
Jen an den Flussläufen in Nord=Ostcrbotten; die Ausfuhr betrug
)is zum Jahre 1914 etwa 35,000 Standard jährlich im Werte
/on etwa 7 Mill. Fmk), die Holzwarengeschäfte der A.=G. A.Santa=
lolma und von K. E. Höckert, die Gesellschaft Kemi (3 grosse
Sagemühlen usw.; grosse Waldungen in Nordfinnland; jährliche
ausfuhr vor dem Kriege etwa 30,000 Standard, Wert 5 — 6 Mill.
"mk), einige Maschinenfabriken, 5 kleinere Lederfabriken usw. Die
ausfuhr nach dem Auslande hat (1913) einen Wert von 18,528,435
~mk, wovon 10,862,594 Fmk auf Holzwaren, 3,903,832 Fmk
luf bereitete Felle und Häute, 1,845,296 Fmk auf Lederfabrikate
intfallen. 70,5 % der im Jahre 1911 beim Zollamt nach dem Aus=
ande ausklarierten Fahrzeuge hatten England zum Ziel. Zur
iandelsflotte der Stadt UltäbDrg gehörten 1911 nur 8 Dampfer und
; Segelschiffe, zusammen 479 t netto. Ulcäborg hat Eiserrbahn=
'erbindung nach Norden mit Tornta (Tornio) und Rovaniemi und
uch nach Siiden. Eine Eisenbahn von Lileäborg über Kajana
Kajaani) nach Nurmes ist im Bau.
An der Mündung des Oulujoki lag schon im Mittelalter ein
landelsplatz. Im Beginn der Neuzeit war Uleäborg der wichtigste
ler österbottnischen Häfen. Eine Burg (von welcher jetzt nur noch
Ruinen voi binden sind) wurde 1590 in Ultaborg erbaut. Ihre Privi=
egien erhielt die Stadt im Jahre 1610, wobei den Bürgern das Recht
:egeben wurde, im ganzen Schwedischen Reich und mit Holzwaren
clbst im Auslande Handel zu treiben; doch beschränkte die im Jchre
617 erlassene Handelsordnung jenes Recht in hohem Messe, was
ine Hemmung in der Entwicklung der Stadt zur Folge hatte. Die
cichtigste Ausfuhrware war Teer, der weit aus dem Binnenlende mit
igens dazu gebauten Kähnen die Stromschnellen des Oulujoki
linab transportiert wurde. Im Jc.hre 1765 erhielt Ulcäbora' StapeU
echte und im Jahre 1776 wurde es die Hauptstadt des neuein=
erichteten nördlichsten Läns. Grosse Verluste erlitt die Stedt durch
len orientalischen Krieg, indem die Engländer im J. 1854 grosse
((/arenniederlagen sowie die im Hafen liegenden Schiffe und Waren
crbrannten. 1822 brannte die ganze Stcdt ab. Als im Anfc.ng des
9. Jahrhunderts für die Reedereibetriebe und den Holzhandel eine
günstige Zeit anbrach, hob sich auch der Verkehr und die Be=
deutung der Stadt mächtig. 1842 war Uleäborg inbezug auf
die Zahl und Grösse der Fahrzeuge die erste, inbezug auf den
Produktionsvwcrtdie dritte finnische Stadt. Die Eisenbahnverbindung
zwischen Ul«.äborg und dem übrigen Finnland besteht seit 1886.
Im Touristenverkehr nimmt Ulcä'oorg einen bemcrkensw:ricn Platz
ein, da die Stromschneilcnfahrt den Oulujoki hinab als grossartiger
Sport gilt. Auch wceen der Lachsfischerei ist der Fluss berühmt.
— i8oo besass U'eäjore ■5,483 Einwohner, 1850 5,761, 1890 12,665
und 1905 17,869.
Björneborg - Pori.
Björneborg (finn. Pori) liegt in dem zum Län Äbo und
B)örneb)rg gehörenden Teil von Satakunta, unter 61° 29' nördl. Br.
und 21° 48'östl. L. v.Gr., am Kokemäcnjoki, etwa 23 km von dessen
M jndung. Der grösste Teil der Stadt befindet sich auf dem linken
Ufer des Flusses, dort, wo er sich in mehrere Arme teilt. — 17,221
Einwohner (1914). Der eigentliche Flächeninhalt der Stadt
beträgt 189 ha; das Wjsserareal (der Aussenhafen Mäntyluoto)
umfasst 419 ha. Der Stadtplan ist von einförmiger Regelmässigkcit;
bcmjrkcnswart sind die breiten, von Baumreihen flankierten
Strassen, die die Stadt in allen Richtungen durchziehen. Die Häuser
sind noch zum grössten Teil aus Holz und in einem Stock gebaut.
Björncbjrg besitzt nur eine höhere staatliche Lehranstalt, näm=
lieh ein finnisches Lyzeum ; private Unternehmungen sind : eine
finnische M idchenschule nebst Fortbildungsklasscn , welche zur
Universität führen, und ein gleichfalls vollständiges Gymnasium
für Knaben und Midchen mit schwedischer Unterrichtssprache. —
In Björneborg befindet sich das Museum von Satakunta.
Björncbirgs Bedeutung als Handels= und Industriestadt ist dar=
auf gegründet, dass die Stadt an der Mündung des Abflusses des
ausgedehnten Kjkemienjoki = Systems (Wasserareal 35,759 km",
grösste Länge 395 km) liegt. Die NX'asserstrassen dieses Systems
sind in grosser Aisdehnung für die Flösserei eeeignet, weshalb Björne»
borg neben K>tka den ersten Platz in der finnischen Sägemühlcn=
industric einnimnt. Unter den Fabriken sind zu erwähnen: die
Sagemühlen und die Kistenfabrik von Rosenlew & Co. (Produk=
tionswert i. |. 1913 etwa 6,300,000 Fmk), eine Baumwollspinnerei
(Produktionswcii 1913 über 4 Mill. Fmk), eine Zündholzfabrik
(1 Mill. Fmk) und eine Maschinenfabrik (1,800,000 Fmk); ferner
eine Sagemühle in Reposaari, dem zweiten Aussenhafen der Stadt,
und eine Sägemühle der Aktiengesellschaft A. Ahiström in der
Landgemeinde von Fori (Pihlava). — In die Aussenhafen können
grosse Ozeandampfer einlaufen. Björneborg hat einen rcgel=
missigen Dampferverkehr längs der Küste nach Süden und Norden,
wie auch mit mehreren ausländischen Häfen. Die Zolleinnahmen
bcliefen sich 1913 auf 1,346,733 Fmk, die gesamte Ausfuhr hatte
einen Wert von 16,235,322 Fmk, wovon 15,157,947 Fmk allein auf
die Holzwaren entfielen ; die Einfuhr betrug 9,971,244 Fmk. —
Björneborg ist durch eine Eisenbahn mit Tammevfors und dadurch
mit dem ganzen finnischen Eisenbahnnetz verbunden.
An der Mündung des Kokemäcnjoki entstand schon ziemlich
früh ein Handels= und Jahrmarktsplatz. Er lag anfangs nicht dort,
wo sich die jetzige Stadt befindet, sondern mehr stromaufwärts
in Kokemäki, welchen Ort die derzeitigen Seeschiffe noch anlaufen
konnten. Infolge der kontinuierlichen Landhebung wurde jene Ver=
kchrsstrasse abgebrochen und der Handelsplatz flussabwärts, nach
Ulfsby (Ulvila) an der damaligen Mündung des Kokemäcnjoki
verlegt. Die Stadt UlfL,by existierte bereits vor dem Jahre 1365.
Ihr Handel mit dem Auslande lag in den Händen der Hansa. Bei
der imner weiter fortschreitenden Landhebung wurde das Fluss=
bett seichter und verschlammte, weshalb Herzog Johan von Finn=
land im Jahre 1558 die Stadt nach der neuen Mündung des Koke=
mjenjoki verlegen Hess. Am Ende des 16. Jahrhunderts n£hm
Björneborg in bezug auf den Wohlstand nach Abo die zweite Stelle
unter den finnischen Städten ein. Im Anfang des 17. Jahrhunderts
wurden der Stadt die Rechte zum ausländischen Handel genommen,
worauf ihre Bedeutung als Handelsplatz abnahm. Mit dem Jahre
1765, als Björnebarg das Stapelrecht, d. h. das Recht zum Auslands»
handcl wiedererlangte, begann für die Stadt eine neue Entwicklungs=
epoche. Die Holzwirenausfuhr stieg auf grosse Summen ; damit
verband sich auch eine beträchtliche Ausfuhr von Teer, und zeit=
weise bluten auch der Schiffsbau und Frachtverkehr. Im lahre
1866 umfasste die Hindelsflotte von Björneborg 5,844 Lasten.
Hinsichtlich der Holzwarenausfuhr wurde die Stad4: nur von
Wiborg übertroffen. Björneborg besass im Jahre 1600 800, 1765
3twa 1,000, 1800 2,141 und 1850 5,450 Einwohner.
Kotka.
Kotka liegt an der Mündung des östlichen Arms des Kymi=
joki, im Län Wiborg, unter 60" 25' nördl. Br. und 27° 3' östl. L.
V. Gr. Die Stadt ist auf einer Insel erbaut, die eine ganz schmale
Strasse vom Festlande trennt. Ihre Einwohnerzahl beträgt
(1914) 12,227 (i. J. 1901 6,100), beläuft sich aber in Wirklich»
keit auf 20,000, wenn man die Bevölkerung der in unmittelbarer
Nähe der Stadt befindlichen grossen Sägcmühlcn= und Fc.briks=
gebiete mitzählt.
An höheren Lehranstalten hat Kotka je ein privates vollständiges
finnisches und schwedisches Gymnasium für Knaben und Mäd=
chen und ein Handcisinstitut; ausserdem seien die Gewerbeschule
für Knaben, das Arbeiterinstitut und das Prosemincr für KIein=
kinderschullehrer erwähnt.
Die Bedeutung der Stadt fusst auf dem Sägemühlcnbctricb
und der Holzindustrie. Der Kymijoki bildet die Triftstrcsse des
gleichnamigen grossen Wassersystems (Areal 9,885 km^ wovon
26 "o Wasser; Abstand zwischen dem südlichsten und nördlichsten
Punkt etwa 349 km. Breite etwa 200 km); ausserdem wird Bauholz
auch aus den Saimrgewässern längs dem Kymijoki zum Meer
hinab geflösst. Die grössten Holzfirmen sind W. Gutzeit & C:o
A.=G. (jährliche Ausfuhr etwa 50,000 Standard, 18,000 t Zcllu=
lose), A.=G. Halla (40,000 Standard, 9,000 t Zellulose; eine grosse
Ziegelei), Sägemühle Sunila von Hcckman & C:o (15,000 Standard).
Andere Fabriken sind: eine Maschinenfabrik, eine Zellulosefibrik
(10,000 t), eine Zuckerfabrik; etwas ausserhalb der Sttdt em Ufer
des Kymi liegen die grossen Fabriken von Karhula (Holzschleiferei,
Maschinenfabrik, Glashütte usw.). Als Ausfuhrhefen wird Kotka
von den zahlreichen Fabriken an der Kotka — •Kajan£.(Kajaani)=:Bahn
benutzt. Die gesamte Ausfuhr betrug i. J. 1910 30,421,724 Fmk
(Holz 566,290 m^ Holzstoff u.dgl. 59,158 t). Die Einfuhr bclicf
sich im gleichen Jahr auf 8,718,072 Fmk. Regelmässiger Danipfer=
verkehr mit Lübeck und Hamburg und längs der Küste mi! Wiborg
und Wasa und den zwischenliegendcn Häfen. Das Schiffsregister
von Kotka »umfasst 106 Segelschiffe {8,289 t) und 14 Dampfer
(376 t). Die Stadt steht über Kouvola mit der Eisenbahnlinie
Helsinfors — Petersburg in Verbindung.
Kotka ist eine der jüngsten Städte Finnlands. Stadtrechte wur=
den ihr im Jahre 1878 verliehen, und ihre Entwicklung beruht ganz
auf dem Holzindustriebetrieb der neuesten Zeit.
Masse und Gewichte.
In Finnland wurde das Metersystem durch die Verordnung
vom 16. Juli 1886 eingeführt. Kraft derselben ist es vom 1. Januar
1887 an im Post= und Zollwesen, auf den Eisenbahnen und in den
Apotheken im Gebrauch ; vom 1. Januar 1890 bei aller Steucr=
crhebung und vom 1. Januar 1892 an im öffentlichen Verkehr. Der
für diesen Zweck angeschaffte Grundtyp des Meters und des Kilo=
gramms werden im Staatsarchiv aufbewahrt.
Die neuen Masse im Vergleiche zu den alten finnischen und
umgekehrt:
1 m = 3,368 Fuss
1 km = 0,9356 Werst
1 Fuss = 0,297 m
1 Elle = 0,594 Ti
1 Faden = 1,781 m
1 Werst = 1068 m
1 m^ = 38,209 Kubikfuss
1 1 = 1 dm' = 0,382 Kanne
1 hl = 0,606 Tonne (trock. Ware)
1 Kanne = 2,617 1
1 Tonne (trock. Ware) = 1,649 hl
1 Tonne (Flüssigkeit) = 1,256 hl
1 Metzc = 5,496 I (ncueMetze=5 I).
1 m" = 1 1,34 Quadratfuss
1 ha = 2,026 Tonne Landes
1 Quadratfuss = 0,088 m^
1 Quadratelle = 0,352 m^
1 Tonne Landes = 0,494 ha
1 kg = 2,353 Pfund
1 Pfund = 0,425 kg
1 Liespfund = 8,5 kg
1 Lot = 13,28 gr
Munzfuss.
Der Munzfuss Finnlands wird durch das Gesetz vom 7. August
1877 bestimmt. Nach diesem Gesetz ist als gesetzliches Zöhlungs=
mittel und Wertmesser das Gold anzusehen (früher war die Silber=
Währung in Kraft). Als Rechnungseinheit des Geldes dient die
Mark und als Einheit des Geldgcwichts das französische Gramm;
Goldmünzen werden im Werte von lo und 20 Fmk geprägt. |enc
soll 2 "Vji gr, diese 5 "Vsi §<■ reines Gold enthalten. Die Münzen
werden aus einer Mischung geprägt, von der 9 Gewichtsteile reines
Gold und ein Gewichtsteil Kupfer sind. Aus einem Kilogramm
dieser Mischung, die Prägungsgold genannt wird, werden 310 10=
Markstücke oder 155 2o=Markstückc hergestellt. Eine Goldmünze
von 10 Fmk muss also 3 '/ai. e'ne Goldmünze von 20 Fmkö'^/ji gr
wiegen. Als Abweichung von der bestimmten Reinheit wird
höchstens 'V,oooo/ vom Gewichte höchstens ''"/loooo mehr oder
weniger gestattet. Doch darf die Gewichtsdifferenz für jede Geld =
menge, die aus 10 kg Prägungsgold gemünzt wird, nicht grösser
sein als 5 gr. — Als Scheidemünze dienen silberne und kupferne
Münzen zu dem Nennwert in Mark und Pcnni, der auf denselben
angegeben ist. Bankscheine der Finnischen Reich^bank (Suomen
Pankki, Finlands Bank) gibt es im Verkehr im Werte von 5, 10,
20, 50, 100, 500 und 1000 Fmk, ausserdem Papiergeld der Kriegs=
zeit. Von metallenen Scheidemünzen sind im Umlauf: Kupfer=
münzen von 1, 5 und 10 Penni und Silbermünzen im Werte von
2^, yo, Penni und 1 und 2 Fmk.
Münze.
Die M ü n z e ist eine der Aufsicht des Finanzministeriums des
Staatrates unterstellte Anstalt zum Verfertigen der Gold=, Silber=
und Kupfermünzen des Landes. Die Münze, wozu ein Direktor,
ein Subdircktor und das nötige Dienstpersonal gehören, hat nach
einer am 13. Nov. 1878 erlassenen Verordnung alle im Lande nöti=
gen Metallmünzen zu prägen unter Befolgung der Bekanntmachung
über den Münzfuss in Finnland vom 9. Aug. 1877. Gold darf
sowohl von der Finnischen Reichsbank als (wenigstens 40 gr) von
einzelnen Personen der Münze zum Prägen übergeben werden,
wobei von der entsprechenden Menge Goldmünzen nur die vor=
geschriebene Gebühr für das Prägen (V3 "0) abgezogen wird.
Scheidemünzen, d. h. Silber= und Kupfermünzen, werden nur
auf Rechnung des Staates verfertigt. — Seit der Aufhebung des
Oberbergamtes ist laut der Bekanntmachung vom 6. Nov. 1884
der Münze und zunächst deren Subdirektor die Besichtigung und
Abstempelung aller im Lande verfertigten, der Kontrolle unter»
worfenen Gold=, Silber= und Zinngegenstände übertragen.
356
Kredit- und Versicherungswesen.
Kreditwesen.
Einen eigenen nationalen Münzfuss erhielt Finnland durch
die Münzreform vom 3. ii. 1865, wo die Silbermark zur lVlünzein=
heit erhoben wurde. Zur Goldwährung ging Finnland durch das
Gesetz vom 9. 8. 1877 über. Die Konsistenz der Münzmischung
ist dieselbe wie in Deutschland und den Ländern der lateinischen
bezw. der skandinavischen Münzkonvention. Die Scheidemünzen
werden aus Silber und Kupfer geprägt. In den Jchren 1864- — 1916
wurden im ganzen aus Gold 64,250,000, aus Silber 26,491,800 und
aus Kupfer 3,133,430 Fmk geprägt. Im Verkehr waren am 31.
Dezember 1916 Goldmünzen im Wert von 35,738,830 Fmk, Schci=
demünzen im Wert von 22,187,360 Fmk (vgl. Münzfuss).
Gegenwärtig hat die Finnische Reichsbenk (Suomen Pankki,
Finnlands Bank) das ausschliessliche Recht, Geldscheine zu drucken,
nachdem die Stände auf dem Landtdag von 1885 das diesbe=
zügliche Recht von ein paar Banken aufgehoben hatte, von denen
aber nur eine von dem Recht in beschränktem Masse Gebrauch
gemacht hatte.
Die Finnische Reichsbank ist die Zentralbank des Landes.
Sie hat sich aus der im Jahre 1811 gegründeten sog. Wechsel=,
Darlehns= und Depositenkassc entwickelt, die das erste Geld=
institut des Landes war, und besteht seit 1840 unter dem jct=
zigen ^slamen,• sie steht seit 1868 unter der Kontrolle und Ver=
antwortung des Reichstags. Die höchste Kontrolle wird ausgeübt
durch die vom Reichstage erwählten Bankbevollmächtigten, deren es
6 gibt; die Leitung des Geschäftsbetriebes ist einer aus 4 Personen
bestehenden Direktion anvertraut. Die Operationen der Bank
erstrecken sich auf die meisten Gebiete der Hendelsbanken. Doch
verzinst sie nicht ihr anvertraute Geldmittel, weshalb nur die Staats=
bchörden und die Privatbanken ihr disponibles Geld in der Bank
deponieren. Der Hauptsitz befindet sich in Helsingfors, Mieder=
lassungen unterhält die Bank in den Provinzialhauptstädten und
ausserdem in einigen geschäftlich bedeutenderen Kleinstädten.
Die Direktion ist verpflichtet die Bilanz der Bank zweimal monat=
lieh zu veröffentlichen. Der Reichstag wählt die Revisoren der Bank
und bestimmt, wie der Gewinn verteilt werden soll. Die Ein=
Wirkung der Reichsbank auf den allgemeinen Zinsfuss und auf die
Feststellung der ausländischen Wechselkurse ist sehr fühlbar, aber
am empfindlichsten wirkt sie auf das wirtschaftliche Leben des
Landes durch die Ausgabe von Banknoten ein. Die Bank darf
Banknoten emittieren zu einem Wert, der höchstens um 200 Millio=
nen Fmk den Wert der vorhandenen Mctallbcstände übersteigt.
Als solche darf die Bank, ausser ihrer Goldkasse, die nicht kleiner
als 20 Millionen sein kann, ansehen: geprägtes finnisches Silber=
gcld, unanfechtbare Guthaben bei ihren Korrespondenten im Aus=
lande, im Besitz der Bank befindliche im Auslande zahlbare Wechsel,
Obligationen, Coupons und Scheine in ausländischer Währung
sowie Obligationen in finnischer Währung. Zu dem Notenbestand
der Rcichsbank gehören auch in finnischer Währung ausgestellte
Anweisungen und andere bei Sicht zahlbare Verbindlichkeiten,
ausserdem die von bewilligten Kassenkrediten noch nicht erhobe=
nen Beträge.
Banknoten waren im Umlauf:
''/,2 1900 71,116,914 Fmk
» 1910 123,909,462 »
'> 1915 231,614,134 »
» 1916 421,284,106 »
» 1917 764,485,158 »>
» 1918 1,1 '56,196,102 »
Der dem Notenbestand entsprechende Metall bestand belief sich
für dieselbe Zeit auf:
71,203,484 Fmk
138,020,879 »
371,205,739 '>
580,346,477 ->
944493,257 »
1,232,980,062 »
Pro Kopf der Bevölkerung des Landes berechnet waren Scheine
und Metallgeld im Umlauf:
^'/i2 '900 34,09 Fmk
■> 1910 50,04 "
" 1915 86,44 '»
•> 1916 143,83 '>
358
Die Stellung und Entwicklung der Bank erläutern folgende
Zahlen:
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Die gesunde Entwicklung der Bank ist während des Wclt=
krieges und nach demselben durch einen übermässigen Zuwachs
an Rubclwcrten gehemmt worden. Teils aus wirtschaftlichen,
teils aus politischen Gründen — da Finnland noch zu Russland
gehörte — hat die Bank es nicht vermeiden können, ihre russischen
Kontokorrentguthaben und ihren russischen Obligationenbcstand
um grössere Beträge zu erhöhen. Mit dem Herabsinken des Rubc!=
kurscs war die Bank gezwungen, die Werte der russischen Ver=
mögensbcstandteile herabzusetzen. Der Zusammenbruch des russi =
sehen Reiches und die immer fortdauernde Verschlechterung des
Rubclkurses hibcn später dazu geführt, dess die ganzen Reserve»
fonds der Bank zur Herabsetzung der sinkenden Rubelwerte ver=
braucht werden, wobei noch das Grundkapital von 25 Millionen
Mark auf 4,7 Millionen reduziert wurde. Die Regierung des Lrn=
des und der Reichstag intervenierten daher, und dadurch, dass sie
der Bank 350 Millionen in Obligationen zur Verfügung stellten,
ermöglichten sie einen Ausgleich der fortgesetzten Verschlechte;
rung der russischen Werte und sogar eine Beseitigung des direkten
Verlustes, den die Bank im jähre 1918 durch den von der bolschc=
wistisch gesinnten Arbeiterschaft in Verbindung mit dem russi =
sehen Militär inszenierten sog. roten Aufruhr erlitten hat. Allem
Anschein nach ist die schwierigste Krisis jetzt überstenden und
die Entwicklung der Finnischen Reichsbank wieder in getundc
Bahnen geleitet.
Längere Zeit war die Reichsbank das einzige Bankinstitut des
Landes. Im Jahre 1862 begann die erste Privatbank, Förenings=
banken i Finland (Suomen Yhdyspankki), ihre Tätigkeit, zu einer
Zeit, wo es noch keine diesbezügliche Gesetzgebung gab. Indem
die Regierung die Genehmigung zur Gründung der Bank erteilte,
bestimmte sie die Bedingungen, welche die neue Bank in ihrem
Geschäftsbetrieb zu erfüllen hatte. Das erste eigentliche Privät=
bankgesetz wurde "A 1866 gegeben, und zwanzig Jehrc später,
'% 1886, nachdem zwei neue Privatbanken, Nordiska Aktiebanken
för Handel och Industri (Pohjoismaiden Osakepankki Kauppaa ja
Teollisuutta varten) und Wasa Aktiebank (Vaasan Osake=Pankki),
gegründet worden waren, erging das Gesetz über Gesellschaften, die
Bankgeschäfte betreiben, welches mit geringen Änderungen noch
heute in Kraft ist. Durch dieses Gesetz hörte des Recht der Privat=
banken, Geldnoten zu drucken auf, und es wurde ihnen vei boten dem
Inhaber unverzinsliche Papiere auszufertigen. Des Recht der Noten=
ausgäbe wurde so in der Reichsbank zentralisiert, aber durch andere
360
Erleichterungen, z. B. durch Beseitigung der früheren Bestimmung
über staathchc Konzession einer Bank auf bestimmte Zeit und
über die Minimalgrenze des Aktienkapitals, wurde die Gründung
neuer Banken und die Ausdehnung ihrer Tätigkeit befördert. Die
Banken wurden berechtigt, Handel mit Gold und Silber, mit Wech=
sein, Geldanweisungen und Wertpapieren zu treiben, aber sie
durften keine Industrie ausüben, noch Geschäfte anderer Art machen.
Immobilien darf eine Bank nur in dem Mass besitzen, als sie für
die Ausübung ihres eigenen Betriebes erforderlich sind. Aus
öffentlichen Mitteln darf eine Privatbank keine Unterstützung
geniessen. Für jede Bank verordnet der Staat einen besonderen
Bevollmächtigten, der nicht Aktieninhaber der betreffenden Bank
sein darf.
Die in Finnland tätigen Banken sind Aktiengesellschaften. Ihre
Leitung und Verwaltung ist in gleicher Weise geordnet. Das
höchste Bestimmungsrecht wird von der Generalversammlung aus=
geübt. Diese ernennt den Aufsichtsrat, der dann die Direktoren
wählt. Der Aufsichtsrat überwacht und kontrolliert die Tätig=
keit der Direktion, ernennt die wichtigsten Beamten, bcschliesst
über die Gründung von Zweigstellen der Bank und stellt gcmein=
schaftlich mit der Direktion die Zinssätze fest. Die Kreditbewil=
ligung und die eigentliche geschäftliche Verwaltung der Bfnk lie=
gen in den Händen der Direktion.
Mit Ausnehme von Privatbanken i Helsingfors A/B, deren
Geschäftsbetrieb sich im wesentlichen cuf die Hcupistadt konzen=
triert, und einigen anderen in jüngster Zeit gegründeten, haben die
Privatbanken Zweigstellen. Diese befinden sich in erster Linie in
den Provinzialstädten, ferner in bedeutenderen Fabrikzentren; in
den letzten Jähren sind solche auch in grösseren Kirchdörfern gz=
gründet worden. Dieser expansive Charakter beruht darauf, dass
sich die Geschäftsführung der finnischen Banken, obgleich sie ihr
Kapital in der letzten Zeit in beträchtlichem Grfd vergrössert
haben, doch hauptsächlich auf die ihnen von aussen anvertrauten
Geldmittel basiert. Ein anderer Charakterzug der Privatbanken
ist, dass die Arbeitsteilung unter ihnen in geringem Masse spe=
zialisiert ist: die meisten von ihnen gewähren Kredit der ver=
schiedensten Art — sowohl für Landwirtschaft und Handel wie
für Industrie — und zwar sowohl auf kurze wie auf längere Zeit.
Die Art der Tätigkeit ist bei den meisten Banken im wesent=
liehen dieselbe, was sich auch in der Benennung ihrer Konten
361
abspiegelt. Als wichtigste Aktiva erscheinen Wechsel, Dar=
lehne, Kassenkreditc und Korrespondenten. Ais kurze Wechsel
werden solche angesehen, deren Verfallzeit früher als nach 3
Monaten eintrifft, als lange Wechsel solche, deren Laufzeit 3
Monate übersteigt. Wechsel auf längere Zeit als sechs Monate
werden in der Regel nicht diskontiert. Vor dem Weltkrieg waren
von allen Aktiven der Banken ungefähr 30 % in diskontierten
einheimischen Wechseln angelegt, aber mit der durch den Krieg
herbeigeführten Veränderung des wirtschaftlichen Lebens hat der
Gebrauch von Wechseln abgenommen, und am 'As 1918 waren
nur 13 % — 397,170,047 Fmk — von den gesamten Aktiven in
Wechseln angelegt. Darlehne werden gewöhnlich auf bestimmte
Zeit gewährt, höchstens auf 6 Monate, aber da sie, falls sich das
Unterpfand nicht verschlechtert hat, sehr häufig erneuert werden,
bekomnt das Darlehnsgeschäft den Charakter eines langfristigen
Kredits, etwa wie der Kredit gegen Grundbesitz. Die Unter=
pfändcr der Darlehne sind sehr verschieden, meistens jedoch
Grundbesitz, Schuldscheine oder Obligationen. In den letzten
jähren haben die gegen Aktien bewilligten Bankdarlehne bedeu=
tend an Zahl zugenommen, was sehr natürlich ist, wenn man
die schnelle Entwicklung in Betracht zieht, die die Form der
Aktiengesellschaft in dem Geschäftsleben des Landes in den
letzten Jahrzehnten erreicht hat. Ende Juli 1918 wies das Dar=
lehnskonto der Privatbanken 960,927,927 Fmk auf, was ungefähr
32 % von allen Aktiven der Banken betrug.
Kassenkreditc werden im allgemeinen gegen dieselben Unter=
pfänder bewilligt wie die Darichne. Aber ein Unterschied ist doch
vorhanden; während Darlehne nur ausnahmsweise gegen Bürg=
Schaft gegeben werden, werden die meisten Kassenkredite gerade
gegen Bürgschaft gewährt. Die Kassenkredite werden auf 'A oder
1 Jahr bewilligt, aber es kommt häufig vor, dass sie durch Er=
neuerung längere Zeit bestehen. Von den Kassenkrediten der
Privatbanken waren am "Vn 1918 ausgezahlt 255,171,693 Fmk,
was ungefähr 8 % von allen Aktiven ausmacht.
Die Kontokorrentposten oder «Korrespondenten», wie sie in
den Bilanzen der Banken genannt werden, sind eine Kreditform,
die, wie die Kassenkredite, sehr gewöhnlich geworden ist.
Der Kontokorrentvertrag ist insofern eine Verbindung von der
Kassenkreditrechnung und der laufenden Rechnung, als er
Abhebungen bis zu einer gewissen Maximalsummc und Einlagen
162
wie auf laufende Rechiuing zu dem Teil voraussetzt, der den
Krcditbetrag überschreitet. Aus diesem Grund figuriert das
Kontokorrentkonto in den Bilanzen auch im Soll. Kontokor=
rcntkrcdit wird im allgemeinen nur Gemeinden, gut geleiteten
Geschäften und wirtschaftlich wohlsituierten Personen, recht
häutig ohne Unterpfand, als sog. offener Kredit gewährt. Die
Schuld finnischer Korrespondenten an die Banken betrug am
"/, 1918 592,448,662 Fmk 42 Penni, oder ungefähr 20% von
allen Aktiven.
Um zu den Passiven der Banken überzugehen, muss an
erster Stelle ihr Kapital genannt werden. Nach den Bestimmun=
gen des jetzigen Bankgesetzes sind die Banken verpflichtet, ein
Reservckapital von 25 % von dem Aktienkapital aufzuweisen, aber
gewöhnlich sehen es die Banken als vorteilhafter an, diesen Min=
dcstbctrag weit zu überschreiten. Das Reservekapital ist dadurch
entstanden, dass Teile von dem {ahresgewinn und ganz bc.son=
ders durch Neuemissionen erzielte Agiogewinne dem Reservc=
kapital zugeführt worden sind. Die Akticnkapitale betrugen am
'V? 1918 zusammen 200,500,000 Fmk, die Reservefonds 131,567,844
Fmk; ausserdem wurden als Neuemissionen 71,384,370 Fmk cin=
gezahlt; disponibler Gewinn war zur selben Zeit in Höhe von
8,447,400 Fmk vorhanden; eigenes Kapital ungefähr 13 % von
allen Passiven.
Oben ist erwähnt worden, dass die Banken in grösserer Aus=
dehnung mit deponierten als mit eigenen Kapitalien arbeiten.
Gesetzliche Vorschriften gibt es nicht darüber, in welchem Ver=
hältnis diese Geldmittel zueinander stehen sollen. Die älteste Form
der Deposition ist, Geld gegen unveränderten Zinsfuss auf be=
stimmte Zeit bei der Bank zu hinterlegen. Auszahlung erfolgt in
der Bank ausschliesslich gegen Vorzeigung des Depositenscheines,
welcher auf eine genannte Person lautet und ähnlich wie Wechsel auf
andere Person übertragbar ist. Heute ist es jedoch gewöhnlicher auf
Kapitalkonto zu deponieren, wobei die Bank dem Depositar in
ihren Büchern ein Konto eröffnet, wo alle Einzahlungen und Aus=
Zahlungen notiert werden und zwar nebst Zinsen, die zweimal jähr=
lieh dem Kapital zugeschlagen werden. Die Zinsen des KapitaU
kontos sind veränderlich, d. h. die Bank vergütet die zu jeder Zeit
höchsten Depositenzinsen nach Bekanntgebung der Veränderung
des Zinsfusses in der amtlichen Zeitung. Die Gelder des KapitaU
kontos müssen in der Regel 6 Monate vor der Abhebung ge=
365
kündigt werden; doch werden kleinere Beträge ohne vorhergehende
Kündigung ausgezahlt. Der Zinsfuss der Depositen verändert
sich selten, denn die Banken wünschen keine Veränderung her=
beizuführen, wenn sie nicht überzeugt sind den veränderten Zins=
fuss längere Zeit aufrechterhalten zu können. Im allgemeinen ist
der höchste Depositenzinsfuss 4 — 5 %; einmal war er vier Monate
lang 5 V2 % und einmal bloss 3 V« %. Die kleinen Banken ver=
guten oft V4 — V4 % mehr als die grossen. Der gesamte Depositen =
betrag der Privatbanken war am "A 1918 1,557,073,825 Fmk,
d.h. mehr als 50% von allen ihren Passiven.
Die wichtigsten bei Sicht zahlbaren Schulden sind auf dem
Girokonto zu finden, wovon sie meistens vermittels Schecks ab=
gehoben oder auf Grund brieflicher oder telegraphischer Verfü=
gung des Kontoinhabers ausgezahlt werden. Ein Scheckgesetz
gibt es noch nicht. Der Zinsfuss des Girokontos ist unter ge=
wohnlichen Verhältnissen 2 — 3 %, ist aber während des Krieges
bis auf V2 % gesunken. Es ist sogar vorgekommen, dass die Ban=
kcn während des Höchststandes ihrer Kassen grössere Beträge nur
ohne Verzinsung entgegennahmen. Die Schulden auf Girokonto
der Banken waren am "A 1918 432,473,966 Fmk, was ungefähr
14 % von allen Passiven ausmacht.
Bei Sicht zu zahlendes Geld wird auch auf einem anderen
Scheckkonto, dem der finnischen Korrespondenten, verzinst.
Diese Konten zeigen eine schnell wachsende Tendenz; ihr ge=
samter Saldo war am 'V; 1918 119,337,467 Fmk.
Auf den schwankenden Valutaverhältnissen und ähnlichen
Umständen der Kriegszeit beruht es, dass die Schulden der Banken
an ausländische Korrespondenten in den letzten Jahren beträcht=
lieh gewachsen sind; sie betrugen:
'Vit 1914 Fmk 8,063,377
1915 » 1,868,678
1916 » 16,043,865
"A 1918 » 84,230,122
Einen bemerkenswerten Posten stellen unter den Passiven der
Banken und besonders unter den Avista=Vcrbindlichkeiten der=
selben die Bankpostwechsel dar. Da sie als echte Wechsel über=
tragbar sind, obwohl sie auf eine ausdrücklich genannte Person
lauten, sind sie sehr vorteilhaft wie die Schecks bei Transaktionen
364
zwischen Privaten zu gebrauchen. Bei dem nacli dem Kriege
eingetretenen Mangel an Banknoten sind sie in recht grossem
Umfang als Ersatz derselben zur Anwendung gekommen.
Die Banken verkaufen sie in den meisten Fällen ohne Kom =
mission, da auf diesem Wege unverzinsliches Kapital gestellt wird.
Allerdings nur kurzfristiges Geld, denn die Bankpostwechscl ver=
bleiben im allgemeinen nur einige Tage im Verkehr, aber aus der
Statistik erhellt, welcher Mindestbetrag sich im Verkehr befindet,
und eine entsprechende Geldsumme können die Banken in ihrem
Geschäft anlegen. Die Schuld der Banken an Bankpostwechseln
war am 'V? 103,594,644 Fmk.
Ende 1918 waren 21 unter dem Bankgesetz stehende Privat=
banken tätig, von welchen die drei grössten, Föreningsbanken i
Finland, Nordiska Aktiebanken för Handel und Industri und Kan=
sallls=Osake=Pankki, mit einer grossen Anzahl Zweigstellen im
ganzen Lande einen sehr umfassenden Wirkungskreis haben und
den Grossbanktypus darstellen. Neben den kapitalkräftigen Gross=
banken sind kleinere Lokalbanken entstanden, von denen die gröss=
ten eine Anzahl von Zweigstellen gegründet haben und so eine
Art Gegengewicht gegen die Konzentration im Bankgewerbe des
Landes bilden. In den letzten Jahren sind auch einige Banken
für Sonderkredite gegründet worden, in erster Linie für die
Landwirtschaft und für kleinere Unternehmungen, aber es steht
noch dahin, ob diese sich zu besonderen Typen entwickeln oder ob
sie hauptsächlich den Methoden der Kreditgewährung und Gcld=
Vermittlung der älteren Banken folgen werden. Die Merkmale
der Depositenbanken sind ihnen allen gemeinsam.
Im allgemeinen haben sich die Privatbanken entsprechend den
speziellen wirtschaftlichen Bedingungen des Landes entwickelt
und ihre wichtigen Aufgaben befriedigend erfüllt, ohne in zu gros=
sem Formalismus zu erstarren.
Für ihre Aktieninhaber sind die Privatbanken sehr einträgliche
Unternehmungen gewesen. Die alten Banken haben alle, nachdem
sie hin und wieder eine schwierige Periode durchgemacht, gute
Resultate erzielt; sie haben grosse Gewinne ausgeschüttet und
ihren Aktionären Gratisaktien gegeben, oder auch zum nominellen
Werte oder zu billigem Kurse den früheren Inhabern junge
Aktien erteilt.
Die Privatbanken waren, mit Angabe ihres eigenen Kapitals
565
(Pensionsfonds und Saldo des Gewinne und Verlustkontos ausgc=
nommen) sowie ihrer Depositen, darunter auch Sparkassenkonten,
nach dem Stand am "/? 1918 die folgenden:
1 Grün=
dungs
ähr
1. Förenings=Banken i Fin=
land')
2. Nordislca Aktiebanken för
Handel och Industrie')
?. NX'asa Aktiebank
4. Nylands Aktiebank ....
5. Kansallis=Osake=Pankki .
6. Privatbanken i Helsing«
forsA'B
7. Abo Aktiebank
8. Tamperecn Osakepankki
9. Suomen Kauppapankki
0/Y
10. Landtnnannabanken A/B
11. Länsi^Suomen Osakes
pankki
12. Helsingrfors Aktiebank..
15. h)avo=Karialan Osake^
pankki
14. Suomen Käsityöiäis=Osa=
kepankki
15. Suomen Maatalous=Osa=
kepankki
16. Liikepankki Osakeyhtiö.
17. Luottopankki Osakeyhtiö
18. Pohjolan Osakepankki..
19. Etelä=Suomen Osake=:
pankki
20. Säästöpankkien Kcskus=
Osakepankki
907
910
912
912
916
9<7
9>7
917
9«7
9«7
918
919
Eigenes
Kapital
AbschlusS"
Depositen summe der
Bilanz
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80,440,200 ! 312,185,247 , 574,912,839
20,600,000
16,575,000
78,497.255
121,849,41 ■
49,405,147
446,085,516
201,644,531
83,745,603
729,370,409
32,700,000] 88,304,643 174,855,188
19,000,000 72,467,968 132,135,439
10,025,000! 39,171,846 63,215,323
8,375,675 51,317,167
7,164,453 61,436,766
8,895,41 1
23,152,925
10,860,974
2,000,000
5,000,000
3,065,245
6,300,355
3,000,000
42,991,832
34,326,195
13,408,784
1,827,430
5,179,587
5,372,127
5,119,639
3,199,442
86,663,936
85,879,980
62,244,916
81,295,75«
37,962,450
8,051,702
12,488,069
11,955,433
21,475,192
12,380,313
2,000,000 130,1331 7,045,374
2,700,000 23,275,182 ' 28,164,781
In Tabellenform stellen wir hier einige andere Zahlenangaben
zusammen, um die Entwicklung der Privatbanken zu veranschau»
liehen; die Zahlen steilen zur gleichen Zeit in gewissem Masse
die Entwicklung des wirtschaftlichen Lebens im Lande dar:
') Im ). 1919 unter dem Namen »Nordiska Föreningsbanken« vereinigt.
366
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Einheimische
Korrespondens
ten, Bankpost=
Wechsel
444,310
2,607 464
8,630,563
15,368,022
27,906,246
44,554.182
74436,516
149,878,609
273,620,123
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3,000,000
12,500,000
15,902,475
33,300,000
75,800,000
99,350,000
99,550,000
118,336,031
200,500,000
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Um den Bedarf ihrer Aktionäre an Hypothekenkredit auf län=
gere Zeit zu befriedigen, haben die drei Grossbanken besondere
367
Hypothekenabteilungen eingerichtet, welche hauptsächlich mit Ka=-
pitalien arbeiten, die durch Obligationcnvcrkauf erworben sind.
Ausser HypothcUardarlchnen mit langfristiger Amortisation auf
städtische Gebäude und auch Landgrundstücke werden auch von
diesen Abteilungen den Land= und Stadtgemeinden ohne Realsichcr=
hcit Darlchnc bewilligt. Am "A 1916 war die Summe der von
Föreningj=B mkcn i Finland ausgezahlten Darlehne 29,112,070 Fmk,
Nordiska Aktiebanken för Handel u. Industri 21,742,500 Fmk,
Kansallis=Osakc=Pankki 18,611,590 Fmk. Zu derselben Zeit hatten
die genannten Banken Obligationen im Werte von 75,561,957 Fmk
im Verkehr. Die Obligationen der b.üden erstgenannten Banken
bsfinden sich zum grössten Teil in ausländischem, die der KansaU
lis=0i3ke=Pankki in finnischem Besitz.
Kredit auf längere Zeit bewilligen jedoch in erster Linie bcson=
dcre Geldinstitute. Für die Landwirtschaft wirken Finlands Hypo=
teksförcning (Sjomcn Hypoteekkiyhdistys), Osuuskassojcn Keskus=
lainarahasto 0/Y (Zcntraldarlehcnskasse der Ganossenschcftskassen
A.=G.) und A/3 Landsfastighctsbanken (A.=G. Bodenbesitzbank).
Auf Häuser in der Stadt gewähren Darichne A/B Städcrnas i Fin=
land Hypotckskassa (A.=G. Hypothekenkassc der Städte Finnlands)
und Fastighetsbankcn i Finland A/B (Finnlands lmmobilicnbank=
A.=G.). Für den Kreditbedarf der Gemeinden ist Suomen kaupunki=
ja maalaiskunticn keskuslainakassa 0/Y (Zentraldailehnskasse der
städtischen und ländischen Gemeinden A.=G.) gegründet worden.
Der Finnische Hypothekenverein wurde im Jahre 1862 ohne
eigenes Kapital auf Grund gemeinsamer Haftung der Darlehnsem=
pfängcr gegründet. Darlehne werden auf solche Lanc'g'jtcr bc=
willigt, deren Wert sich mindestens auf 6,000 Fmk beläuft. Der
Darichnsbctrag kann höchstens 50 "0 von dem Wert des Landguts
sein. Die Darlehne werden im Laufe von 47 Jahren mit einer
Annuität von 5'/»%, wovon 4Vs°o Zinsen, getilgt.
Osuuskassojcn Keskuslainarahasto 0/Y wurde im Jahre 1902
auf private initiative gegründet und ist bestrebt durch allmähliche
Ausscheidung der privaten Aktionäre die Kasse zu einer ZentraU
kassc der Ginossenschaftskassen zu entwickeln. Sie hat Staats»
Unterstützung genossen sowohl in Form von Subventionen wie
auch in Form billiger Darlehne. Sogar aus den Gewinnmitteln der
Finnischen Re'chsbank ist sie unterstützt worden. Kcskuslainara=
hasto bewilligt Darlehne an solche kooperative Kassen, die sich
der Kontrolle der Zentraldarlehnskassc unterordnen und deren Dar»
768
Ichnsempfängcrdic Darlchnsbeträgc zu landvÄ/irtschaftlichen Zwecken
und für die Förderung der ländlichen Erwerbszweige benutzen.
Die kooperativen Kassen zahlen an die Zentraldarlchnskasse im
allgemeinen 4 Vj % Zinsen. Die Grösse der den Kassen bewiU
ligtcn Darlehne bewegt sich zwischen 1,000 und 80,000 Fmk.
Am Ende des Jahres 1906 war das Aktienkapital der Zentraldar=
lehnskasse 1,325,000 Fmk, die Reservefonds betrugen 108,854 Fmk,
im U.nlauf waren Obligationen im Werte von 6,989,500 Fmk.
Am selben Tage war die Summe der Amortisationsdarlehne
8,357,416 Fmk, die der Darlchne auf kurze Zeit 21,500 Fmk.
A/B Landsfastighctsbanken (0/Y Maakiinteistöpankki) ist noch
ein junges Geldinstitut, das am ^'A 1918 Darlehne im Werte von
6,684,049 Fmk gewährt hatte. Das Aktienkapital der Bank beträgt
2,000,000 Fmk; Obligationen waren am obenerwähnten Tag im
U nlauf für 5,960,000 Fmk.
A/B Städernas i Finland Hypotekskassa (0/Y Suomen kaupunkien
hypoteekkikassa), im Jahre 1895 gegründet, gewährt Amortisations=
darlchne, unkündbare und kündbare Darlehne gegen Sicherheit in
Gebäuden in der Stadt. Das Aktienkapital war ^'A 1918 7,000,000
Fmk, die Reservefonds betrugen 1,785,864 Fmk. Der auf Darlchne
ausgezahlte Betrag war am selben Tag 85,312,653 Fmk; im Verkehr
waren Obligationen im Wert von 79,905,000 Fmk.
Fastighctsbinken i Finland A/B (Suomen Kiinteistöpankki 0/Y),
die mit ihrer Tätigkeit im Jahre 1907 begann, dient hauptsächlich
demselben Zweck wie die Hypothekenkasse, ist aber ausserdem
das einzige Bodenkreditinstitut, welches Depositengelder verzinst.
Solche gab es jedoch am "A 1918 nur in Höhe von 6,726,280
Fmk. Am selben Tag betrug das Aktienkapital der Bank 7,500,000
Fmk, die Reservefonds betrugen 3,104,415 Fmk, im Verkehr waren
Obligationen im Wert von im ganzen 44,943,000 Fmk, während
die gewährten Darlehne Fmk 63,398,124 betrugen.
Suomen kaupunki= ja maalaiskunticn keskuslainakassa 0/Y
wurde im Jahre 1909 gegründet und verfolgt den Zweck, den
Stadt= und Landgemeinden Amortisationsdarlehne auf längere
Zeit zu geben. Teilnehmer sind alle Stadtgemeinden des Landes
und einige Landgemeinden. Das Aktienkapital war am "/? 1918
1,330,000 Fmk, Reservefonds 106,824 Fmk; Obligationen im Verkehr
betrugen 7,738,000 Fmk; der ausgezahlte Betrag von Darlehen
war 9,085,575 Fmk.
569
Sparkassen,
Die erste Sparkasse Finnlands wurde 1822 in Äbo (Turku) ge=
gründet. Diese, die auch der Grösse nach noch immer die erste im
Lande ist, begann ihre Tätigkeit am 4. Januar 1823. Nachdem 1825
auch in Helsingfors eine Sparkasse errichtet worden war, verflossen
beinahe 20 Jahre, ehe neue ins Dasein gerufen wurden. In den 1840er
Jahren bekamen die Städte Jyväskylä, Ulcäborg (Oulu), W.borg(Vii=
puri), Tavastchus (Hämeenlinna), Björneborg (Pori), Wasa (Vaasa)
und St. Michel (Mikkcli) Sparkassen. Im Jahre 1847 trat die
erste Landsparkassc im Kirchspiel Tcnala ins Leben. Alle diese
Sparkassen wurden mit privaten Mitteln gegründet, und erst 1852
erschien zum ersten Mal eine Gemeinde als Gründerin einer Spar=
kasse, indem die Sparkasse in Joensuu ihre Tätigkeit begann. Die
meisten später entstandenen Sparkassen sind von den Gemeinden
angelegt worden. Schneller begann sich die Zahl der Sparkassen
in den 1870er Jahren zu vermehren, da während der ersten Jahre
dieses Jahrzehntes eine Periode des Aufschwungs und das Aufblühen
des Gemeindelebens auf dem Lande ihre Entwicklung beförderte.
Als die Zahl der Sparkassen auf diese Weise allmählich zunahm und
die ihnen anvertrauten Mittel anwuchsen, erwachte der Gedanke,
diese Geldanstalten, welche bisher ihre Geschäfte frei ordnen konn=
ten und in welchen auch besonders inbezug auf die Anlage der
Sparkapitalien und die Organisation der Kassenverwaltung grosse
Verschiedenheit herrschte, gemeinsamen Gesetzbestimmungen
und einer wirksamen Aufsicht seitens des Staates zu unterwerfen.
Diese Bestrebungen, das Sparkassenwesen durch gesetzliches
Eingreifen zu ordnen, für welche noch gewisse Missbräuche in ei=
nigen Sparkassen sprachen, führten dann dazu, dass am 19.
Juni 1895 eine Verordnung über die Sparkassen und ein Mani=
fest mit genaueren Bestimmungen über die Sparkassen erlassen wur=
den. Durch diese Gesetzgebungsmassnahmen wurden genaue Be^
Stimmungen über die Errichtung von Sparkassen, die Verwaltung,
den Einzahlungs= und Placierungsverkchr, die Verwendung des
Reingewinns usw. gegeben, und die Kassen wurden unter die Auf=
sieht eines besonderen Inspektors gestellt. Die neuen Bcstimmun=
gen, welche dem in manchen Sparkassen üblich gewordenen VX''ech =
selgeschäft ein Ende machten und die Sparkassen zwangen leicht
zu realisierende Wertpapiere für eventuelle Rückzahlungen anzu =
schaffen, fanden in den Sparkassen dieser Zeit keineswegs eine
einmütige Annahme. Aber die zwei Jahrzehnte, welche verflossen
sind, seit die Sparkassenverordnung in Kraft trat, haben schon
dcuthch gezeigt, dass die genannten Massnahmen unserem Spar=
kassenwcscn zum grössten Nutzen gereicht haben. Diese Periode
ist für die Sparkassen des Landes eine Zeit ununterbrochenen schnel=
Icn Fortschreitens gewesen. Besonders die Entwicklung der Land=
Sparkassen ist bemerkenswert gewesen, und sie haben sich zu
den hauptsächlichsten und wichtigsten Geldanstalten der Landbc=
völkcrung ausgebildet. Als Beweis hierfür sei erwähnt, dass sich
die Zahl der Landsparkassen Anfang 1896, wo die Sparkassenverord=
nung in Kraft trat, auf 131 und die in ihnen deponierten Beträge
auf 10,1 51,282 Fmk beliefen, aber Ende 1914 waren die entsprechen=
den Zahlen 300 Sparkassenanstalten und 148,291,332 Fmk Ein=
lagen.
Die Zahl der Sparkassen und der Sparkassenbücher, das Gut=
haben der Einleger und die eigenen Fonds der Sparkassen waren
am 31. Dezember in den untengenannten Jahren:
Jahr
Zahl der
, Spar=
kasscn
Zahl der
Sparbücher
Guthaben
der Einleger
Eigene Fonds
der Spar=
kassen
Zahl der
Sparbücher
auf 1,000
Einwohner
1850
2
*
152,753
*
*
1840
2
763,018
1850
11
1,954,376
1860
24
3,396,132
1870
35
15,193
6,381,037
829,395
9
1880
107
36,470
14,445,225
2,208,332
18
1890
■58
77,047
41,349,534
4,485,675
32
1895
.63
93,247
47,471,017
6,974,181
37
1900
193
141,081
77,616,963
9,560,936
53
1910
375
291,603
228,335,644
22,062,599
93
191 1
382
308,938
250,939,768
24,275,829
98
1912
391
328,906
279,441,844
26,655,412
103
1913
404
348,606
301,520,171
29,031,620
108
1914
415
361,662
315,256,462
31,358,018
1 1 1
Die Mittel der Sparkassen waren am 13. Dezember 1914 fol=
gcndcrmassen angelegt:
Kasse und laufende Rechnung 4,164,303 Fmk
Darlehne auf Stadtgrundstücke 11 8,488,848 »
» » Land » 62,342,709 »
» » Bürgschaft 105,272,416 »
* Angaben fehlen.
Darichnc auf Haftung der Gemeinden u.a. .. 5,870,392 Fmk
» ■> Faustpfand 7,42 1 ,288 "
•> > Obligationen 1 8,726,997 »
Depositenbeweise anderer Bankanstalten 15,898,080 »
Andere Wertpapiere 1,552,153 «
Grundstücke 5,342,223 <>
Unausbezahlte Zinsen 6,448,235 »
Sonstige Mittel 601,101 >
Zusammen 352,130,839 Fmk
In den letzten Jahren ist der allgemeine Sparzinssatz in den Spar=
kassen unseres Landes 5 "o gewesen, und unsere Sparkassen haben
in ihrer Verzinsungspolitik das Prinzip befolgt, dass der Sparzins=
fuss nach Möglichkeit konstant und so hoch sein soll, als es eine voll=
kommen sichere Geldanlage und eine gesunde Vermehrung der ci=
gcnen Fonds nur zulässt. Die Differenz zwischen Anleihen= und
Darlchenszinsen ist höchstens 1 % gewesen. Diese Verzinsungs=
Politik konnte bisher mit Erfolg angewandt werden, was auch da=
durch bewiesen wird, das die Sparkassen in den Jahren 1895 — 1915
an aus Darlehen entstandenen Verlusten nicht mehr als im ganzen
ungefähr 'A Mill. Fmk abzuschreiben brauchten.
Postsparkassen sind eine vom Staate geordnete und
garantierte Sparkasseneinrichtung, welche in unmittelbarer Vcrbin=
düng mit den Postanstalten arbeitet.
Die Postsparkassen in Finnland wurden durch eine vom Landtage
revidierte und scinestcils genehmigte Verordnung vom 24. Mai 1886
gegründet, und sie begannen ihre Tätigkeit am 1. Januar 1887.
Von den in den Postsparkassen Finnlands zu befolgenden Bestim=
mungen sind zu erwähnen: Die Einlagen müssen in vollen Mark
gemacht werden (auch durch Sparkarten mit Sparmarken), die Ein=
lagen auf ein und dasselbe Konto dürfen nicht 1,000 Fmk im Jahre
übersteigen. Bei Erhebung des Geldes muss das Sparkassenbuch
vorgezeigt werden; Beträge, welche 100 Fmk übersteigen, werden
erst nach einer bestimmten Frist ausgezahlt. Das Sparkassenbuch
darf nicht veräussert werden. Als Direktion der Postsparkassen
fungieren der Chef des Postamts als Vorsitzender und zwei von dem
Staatsrat auserschene Mitglieder. Die Mittel der Postsparkassen
legt die Staatskasse Finnlands hauptsächlich in Obligationen an.
über den Stand und die Verwaltung der Postsparkassen soll dem
Reichstag: Bericht erstattet werden.
Von 1887 bis Ende 191-5 wurden in die Postsparkassen 51,0
Mill. Fmk eingelegt und 45,8 Mill. Fmk erhoben. Zu dem Rest=
betrag von 5,2 Mill. Fmk kamen so viel angelaufene Zinsen, dass
das Gesamtguthaben der Einleger Ende 1913 8,9 Mill. Fmk be=
trug. Die Zahl der Einleger war Ende 1913 69,535. Besonders in den
Schulen waren 1913 im ganzen 334 Agenten tätig. Sie nahmen von
ihren Schülern im genannten Jahre in 10,322 Posten 38,300 Fmk
zur Depotision entgegen und gaben 2,486 neue Sparbücher aus.
Eine Vorstellung von der Art der Wirksamkeit der Postsparkas=
sen geben folgende auf Ende 1913 bezügliche Angaben über die
Gruppierung der Sparbücher nach der Grösse des Guthabens:
g des Guthabens
höchstens
Zahl der Spar=
Bücher
%
3 Fmk
14,017
20,2
3—10
14,622
21,0
10—25
12,166
17,5
.25 — 100
11,939
«7,2
100 — 250
7,675
1 1,0
250 — 500
4,162
6,0
500 — 1,000
3,069
4,4
über 1,000
1,885
2,7
Sparmarken sind 1887 — 1913 im ganzen im Werte von 236,674
Fmk verkauft worden. Die Kinder machen einen beträchtlichen
Teil der Benutzer der Postsparkassen aus. Von den neuen Einle=
gern des Jahres 1913, zusammen 17,798, waren Kinder 6,614 oder
37,2 %. Von den Erwerbsgruppen sind die wichtigsten das Militär,
die Arbeiter, die Dienstmädchen u. a. Für den Staat sind die Post=
Sparkassen in Finnland nicht, wie in den meisten anderen Staaten,
eine Quelle von Einkünften gewesen, der Zinsgewinn (1913 ungc=
fähr 0,8 %) hat für die Bestreitung der Verwaltungskostcn nicht
ausgereicht. Der Verlust des Staates betrug für die ganze Zeit
1887 — '913 zusammen 126, 200 Fmk. Erst die letzten Jahre (1912 — ■
13) haben einen unbedeutenden Gewinn geliefert. Bisher haben
die Postsparkassen in Finnland verhältnismässig schwach gewirkt.
Ende 1913 zählten die von ihnen ausgegebenen Sparbücher auf
1,000 Einwohner nur 22 und das Guthaben 2,771 Fmk.
Landwirtschaftlicher Kredit.
Für die Befriedigung des landwirtschaftlichen Kredits
bestehen in Finnland heute folgende Darichnsformen:
Kulturdarlehnc. Zur Förderung der Landwirtschaft wer=
den von der Staatskasse Finnlands gegen Hypothek Amortisations=
darlchne von 1,500 bis to,ooo Fmk an private Inhaber von Frei=
hufcn oder Erbgütern gegeben. Während der 3 ersten Jahre des
Darichns werden Zinsen im Betrage von 3 V2% vom geliehenen
Kapital entrichtet und dann jährlich 8 %, wovon 3 '/a "o Zinsen
und 4V2','o Amortisation, bis das Darichn völlig zurückbezahlt
ist, d. h. im Verlauf von ip'/.i Jahren. — Agrikulturdar=
lehne. Zur Errichtung von Kulturfonds in Landgemeinden
genehmigt der Senat den Gemeinden gegen deren gemeinsame
Bürgschaft auf 20 Jahre und zu 3 % wechselnde Amortisations=
darlchne, welche während der letzten 5 Jahre der Darlchnsfrist
im Betrage von jährlich '/s zurückgezahlt werden sollen. Aus den
genannten Kulturfonds der Gemeinden können einzelne Land=
Wirte für Urbarmachungen u. a. Darlehne von im Maximum 1,000
Fmk zu höchstens 5 °o erhalten. — Molkercidarlehnc. Zn
errichtenden oder schon tätigen, vorzugsweise genossenschaftlich
organisierten Molkereien genehmigt der Staatsrat gegen von der
Staatskasse Finnlands gutgcheisscne Bürgschaft Darlehnc verschie=
dener Grösse auf 10 Jahr zu 4 "o- Das Darlehn soll nach Ablauf
des dritten Jahres, im Betrage von '/g jährlich, zurückbezahlt werden.
Für die im Län Uleäborg (Oulu) wirkenden Molkereien können
diese Darlehne jedoch nach Prüfung der Umstände auf 20 Jahr
zugestanden werden, in welchem Falle die Tilgung nach Ablauf
des dritten Jahres 'm Betrage von '/le jährlich geschieht. —
Viehzuchtdarlehne. Zum Einkauf von Rindvieh für Züch=
tercizwccke aus Finnland, Russland und dem Ausland werden von
der Staatskasse Finnlands gegen Hypothek, Wertpapierpfand, gegen
Bürgschaft als Selbstschuldncr oder gegen andere annehmbare
Sicherheit Privaten und Zuchtvereinen Amortisationsdarichne von
höchstens 6,000 Fmk auf 10 Jahr zu 4 "i, gegeben, und zwar soll
das Darichn während der letzten 7 Jahre der Auslcihungszeit im
Betrage von '/? jährlich getilgt werden. — Entwässerungs=
darlehne. Zur Entwässerung sumpfiger Ländereien für Kultur»
zwecke genehmigt der Staatsrat Trockcnlegungsdarichne, für welche
die Güter der Darlchnscmpfänger als Pfand dienen, wie für alU
gemeine Abgaben. Die Grösse der Darlehne beträgt V3 der
Gesamtkosten der Entwässerungspläne. Vom Anfang des dritten
Jahres ab nach der Beendigung der Entwässerungsarbeit wird vom
Darlehn jährlich 5 "ö zurückgezahlt, wovon 3 "0 Zinsen und 2 %
Amortisation. — Darlehnc des Hypothekenvereins.
Vom Hypothekenverein Finnlands kann der Inhaber einer Frci=
hufc oder eines Erbgutes gegen Hypothek ein Darlehn erhalten
unter der Voraussetzung, dass der Wert des Gutes wenigstens
6,000 Fmk beträgt. Für Darlchne, die auf höchstens den halben
geschätzten Wert des Gutes gegeben werden, werden bei Erhe=
bung des Darlehns als Voramortisation Vs % entrichtet und dann
in Form jährlicher Abzahlungen 5 V2 %/ wovon 4 V2 % Zinsen,
^/g °o Zuschuss zu den Verwaltungskosten und Vs % Amortisation,
bis das Darlehn im Verlauf von 47 Jahren völlig zurückbezahlt ist.
Mit Rücksicht auf die für die Gewährung eines Darlehns zu be=
werkstcUigende Schätzung der Güter ist das Land in 4 Taxations=
gruppcn eingeteilt. — Darlehne der Genossenschaft s=
kassen. Aus den Genossenschaftskassen, für deren Verbindlich=
keiten und Schulden die Mitglieder der Kassen mit all ihrem
Eigentum haften, können deren Mitglieder für in dem Schuld=
scheine ausdrücklich namhaft gemachte Zwecke im Sinne der
Förderung ihrer Landwirtschaft gewöhnlich gegen persönliche
Bürgschaft Darlehne erhalten, deren Grösse auf dem Zweck beruht,
wozu das Darlehn verwendet werden soll. Die Darlehnsfrist wech=
seit zwischen einigen Monaten und mehreren Jahren. Für Dar=
lehne, welche gewöhnlich in mehreren kleineren Posten zurück=
bezahlt werden, werden 6 % Zinsen entrichtet. Die Gcnossenschafts=
kassen können das zu diesem Darlehnsgeschäft nötige Kapital
aus ihrem Zentraldarlehnsfonds auf unbestimmte Zeit und neucr=
dings zu 4 "o erhalten.
Versicherungswesen.
Das Versicherungswesen ist in Finnland nicht durch allgemeine
Gesetzgebung geordnet. Wenn eine Aktiengesellschaft Versiehe»
rungsbetrieb ausübt, gilt von dcmselbeu'das, was das Gesetz über=
haupt betreffs der Aktiengesellschaften bestimmt. Für gegensei=
tigc Fcucrvcrsichcrungsverbändc -besteht jedoch ein besonderes,
1908 erlassenes Gesetz. Ausser diesen Gesetzen finden die
Bestimmungen der allgemeinen Zivilgesetzgcbung ur.d des al!ge=
meinen Gewcrbegesctzcs auch auf die Tätigkeit der Versicherur:gs=
betriebe Anwendung. Das Gesetz betreffend die Genossenschaften
verbietet denselben Versicherungsbetrieb auszuüben. Auslän=
dische Versicherungsgesellschaften dürfen, einem ErUss von 1891
gemäss, wenn sie in ihrem eigenen Lande mindestens 5 Jshre kng
Versicherungsbetrieb ausgeübt haben, auch in Finnlönd Versiche=
rungen derselben Branche, die sie in ihrer Heimat vertreten, ent=
gegennchmen, jedoch ist dazu eine besondere Erlaubnis vonseiten
der finnischen Regierung erforderlich. Auch zur Ausübung der
Unfallversicherung für Arbeiter wird nach den Unfallvcrsicherungs=
gesctzcn von 1895 und 1917 eine zuständige Genehmigung ver=
langt, und einer ausländischen Gesellschaft kommt es nicht zu,
eine einem Arbeiter wegen dauernder, durch Unfall verurscchtcr
Arbeitsunfähigkeit bewilligte jährliche Lebensrente auf eigene
Gefahr zu zahlen, sondern sie muss die Haft dafür einer finnischen
Versicherungsanstalt übertragen. Über den Versicherungsvertrag
gibt es ebenso wenig eine besondere Gesetzgebung, sondern es
gelten dafür die allgemeinen Bestimmungen der Zivilgesetzgebung.
Die Aufsicht über die Tätigkeit der Versicherungsgesellschaften
ist einem Versicherungsinspektor anvertraut, dessen Arbeitsgebiet
vorläufig durch den obenerwähnten Erlass von 1891 geregelt
ist. Die finnische Gesetzgebung enthält auch hierüber keine
zusammenfassende Bestimmung, die darauf bezüglichen Mo=
mente finden sich zerstreut in verschiedenen Verordnungen und
in der Ernennungsurkunde der für dieses Amt ausersehtnen
Person. Der Inspektor hat demgemäss dafür zu sorgen, dass die
einheimischen Versicherungsanstalten gesetzmässig und in Uber=
einstimmung mit den für eine jede von ihnen genehmigten Statu =
ten verwaltet werden; weiter hat er alljährlich Bericht über die Tä=
tigkeit der einheimischen und der im Lande zugelassenen auslän=
dischen Gesellschaften zu erstatten. Gegenwärtig werden jährlich zwei
Berichte gedruckt, von denen der eine sich ausschliesslich auf lokale
Feuerversicherungsverbändc und Viehversicherungsvereine bezieht.
Als eine wichtige Seite seiner Tätigkeit ist immer besonders
die Konttolle über die Verrechnung dei Vcr icherungsfonds der
376
Lcbcns= und Rci.tcnversichcrungsgcscllschaftcn angeschen worden.
Alle Versicherung treibenden Anstalten im Lande sind verpflich=
tet an den Versichcrungsinspektor einen nach einem vorgeschrie=
bcnen Formular abgefasstcn Jahresbericht abzugeben. Die Auf=
sieht stützt sich also hauptsechlich auf das sog. Offcntlichl<eits=
prinzip.
Alle wichtigsten Gebiete der Versicherungstätigkeit befinden sich
heute in den Händen einheimischer Gesellschaften, und die auslän=
dischen haben Schritt für Schritt an Bedeutung eingebüsst, ab=
gesehen von der Seeversicherung, in der die Tätigkeit der auslän=
dischen Gesellschaften immer verhältnismässig umfangreich gewe=
sen ist und während der letzten Jahre auch nicht abgenommen hat.
Einheimische Lebensversicherungsgesellschaften
sind in Finnland gegenwärtig drei tätig; ausserdem wird der
Versicherungsbestand der an die Gesellschaft Suomi angeschlossenen
Gesellschaft Fennia immer noch getrennt von dem eigenen Ver=
Sicherungsbestand der ersteren verwaltet. Ende 1916 betrug der
direkt erworbene finnische Versichcrungsbestand der einheimischen
Lebens versichcrungs gesellschatten:
Kapitalversicherungen auf den Todesfall 860,936,000 Fmk
Kapitalversicherungen auf den Erlebensfall • • • . 1,847,000 »
Volksversicherungen 44,042,000 »
Kapitalversicherungen zusammen 907,725,000 Fmk
Dazu kommen noch Rentenversicherungen im Werte von
997,000 Fmk. Der Versicherungsbestand der ausländischen Ge=
Seilschaften in Finnland machte zu gleicher Zeit ca. 55 Mill. Fmk
aus. Im ganzen entfällt also eine Lebensversicherung von etwa
293 Fmk auf jeden Einwohner Finnlands oder ca. 432 Fmk auf jeden
15 Jahre alten Mitbürger. Von den Versicherungen der allgemeinen
Versichcrungsabteilung entfallen etwa 124, von den Volksversiche=
rungen 31 auf alle 1,000 Personen.
Die Betriebskosten der finnischen Lebensversicherungsgesell=
Schäften, falls dazu sowohl alle Beschaffungs= wie Verwaltungs=
ausgaben gerechnet werden, sind überhaupt relativ klein geblieben,
indem sie 1916 bei der allgemeinen Versicherungsabteilung etwas
über 5 Mill. Fmk betrugen, von welcher Summe 3,1 Mill. Fmk
auf Neubeschaffung kommen. Die Betriebskosten der Volks=
Versicherungsabteilungen betrugen im ganzen 1,13 Mill. Fmk,
vx'ovon 0,65 Mill. Fmk zur Ausgleichung neuer Beschaffung vcr=
Njccndct wurden. Die Beschaffungskosten der allgemeinen Ver=
Sicherung waren im Jahre 1916, wo die Neubeschaffung ca. 142,4
Mill. Fmk ausmachte, etwa 22 Fmk auf je 1,000 Fmk Beschaf=
fung, und die \'crwaltungskosten etwa 2,35 Fmk auf je 1,000 Fmk
des durchschnittlichen Versicherungsbestandes im betreffenden
Jahre. In der Vclksversicherungsabteilung betrugen die Bcschaf=
fungskostcn etwa 26 Fmk auf je 1,000 Fmk und die Verwaltungs=
kosten etwa 12 Fmk auf je 1,000 Fmk des durchschnittlichen Vcr=
sichcrungsbcstandes im erwähnten Jahre.
Bei den einheimischen Gesellschaften ist der Abgang, der nicht
vom Versicherungsfall abhängt, in der allgemeinen Vcrsichcrungs=
abtcilung immer recht gering gewesen, mit Ausnahme der Gesell=
Schaft Fcnnia. im Jahre 1916 betrug das Abgangsprozent 3,95
des Versicherungsbestandes zu Anfang des Jahres; in der Volks=
Versicherungsabteilung war die entsprechende Prozentzahl aller=
dings 26,0.
Den Prämienreserven für den in eigener Rechnung der GcscIU
Schaft behaltenen Versicherungsbestand wurden am Ende des
Jahres 1916 zusammen 190,8 Mill. Fmk überwiesen, den Er=
Stattungsreserven 1,3 Mill. Fmk und besonderen Verwaltungs=
fonds 2,0 Mill. Fmk. Was die Anlage der Mittel betrifft, ist die
Eigentümlichkeit zu erwähnen, dass ein grosser Teil, annähernd
31 %, in Darlehen angelegt war, die durch den Rückkaufwert
der Versicherungen gesichert sind. Diese Prozentzahl ist jedoch
in den letzten Jahren erfreulicherweise in beständiger Abnahme
begriffen , indem sie noch i. J. 1912 57 % betrug. Der grösste
Teil der Mittel steckt in hypothekarisch gesicherten Darlehen.
Feuerversicherung wurde in Finnland 1916 von 5
einheimischen Aktiengesellschaften, 16 gegenseitigen Vereinen,
deren Tätigkeitsgebiet wenigstens ein ganzes Län umfasste, und
286 kleinen lokalen gegenseitigen Brandkassen betrieben. Aus=
serdem besitzen noch einige ausländicshc Gesellschaften auch einen
direkt im Lande beschafften kleinen Versicherungsbestand.
Mit dem Abschluss des Jahres 1916 betrug der direkt beschaffte
Feuerversichcrungsbestaiid in Finnland:
378
In einheimischen Aktiengesellschaften 1,310,9 Mill. Fmk
» grossen Gegenseitigkeitsvcrcinen 2,494,9 '> »
» lokalen » » 1,1 54,4 '* *
» ausländischen Aktiengesellschaften 57 7.8 » »
5,538,0 Mill. Fmk
Von diesem Versicherungsbestand waren 917,3 Mill. Fmk
sog. beständige Versicherungen. Die Prämien der durch einhei=
mische Aktiengesellschaften direkt beschafften finnischen Versichc=
rungen machten 4,09 Mill. Fmk, die der grossen gegenseitigen
Vereine 5,99 Mill. Fmk und die der lokalen Vereine 2,30 Mill. Fmk.
In demselben Jahre betrugen die entsprechenden Entschädigungs=
summen der Aktiengesellschaften 1,40 Mill. Fmk, die der grossen
gegenseitigen Vereine 3,21, sodass das Schadenprozent der letztge=
nannten etwa 46 % war. Alle Betriebskosten der Aktiengesellschaf=
tcn, einschliesslich ihres geringen ausländischen Verkehrs, beliefcn
sich auf 3,91 Mill. Fmk, die der grossen gegenseitigen Vereine auf
0,99 Mill. Fmk. Im J. 1916 nahmen alle Feuerversicherung trei=
bcnden Gesellschaften für ihren direkt erworbenen finnischen Ver=
Sicherungsbestand als Prämien zusammen 13,6 Mill. Fmk ein und
zahlten als Entgelt 6,1 Mill. Fmk aus, sodass das Schadenprozent
45 % war. Im Durchschnitt hat sich das Schadenprozent in Finn=
land um 60 bewegt. Die Betriebskosten der einheimischen Ge=
Seilschaften bemassen sich zusammen auf 5,16 Mill. Fmk.
Die Kapitalien der Aktiengesellschaften und der grossen gcgen=
seitigen Vereine waren am Ende des Jahres 1916 folgendermasscn
angelegt:
Bankguthaben 26,5 Mill. Fmk
Darlehen 10,9 » »
Obligationen 11,0 '> »
Immobilien 2,7 " "__
Zusammen 51,1 Miil. Fmk
Unfallversicherung kommt in Finnland sowohl als
Privatve.'-sicherung wie zum Teil auch als obligatorische Arbeiter=
Versicherung vor. Bis zum Ausgang des Jahres 1917 hat der Ictzt=
genannte Versicherungszweig den Bestimmungen des im Jahre 1895
erlassenen Gesetzes betreffend die Haftpflicht für Schäden, die
379
durch einen Betriebsunfall entstanden sind, unterlegen. Von dem
Beginn des Jahres 1918 an ist an seine Stelle ein 1917 erlassenes
und viel weitergehendes Gesetz über die Unfallversicherung der Ar=
beiter in Kraft getreten. Nach dem Gesetz von 1895 war der Unter=
nehmer verpflichtet nur den jährlichen Entgelt, der dem Arbeiter,
dessen Arbeitsfähigkeit durch Unfall dauernd geschädigt worden
war, zukam, und die Lebensrente, die beim Todesfall der hinter»
'assencn Familie zu zahlen war, durch eine Versicherung zu sichern,
während nach dem neuen Gesetz von 1917 auch bei vorübergehen^
der Arbeitsunfähigkeit ärztliche Pflege, Arzneien und Tagegelder
der Versicherungspflicht unterliegen. Das Gesetz von 1895 bezog
sich nur auf die Arbeiter eigentlicher Fabriken und grosser Bauun=
tcrnchmungen; nach dem Gesetz von 1917 wird die Versicherungs=
pflicht überhaupt auf jede Art Industriearbeiter, weiter auf land=
wirtschaftliche Arbeiter, soweit bei dieser Arbeit Maschinenkraft in
grösserer Ausdehnung benutzt wird, und auf Waldarbeiter ausgc=
dehnt.
Im ]. 1916 erhoben die einheimischen Versicherungsanstalten
für die durch das Gesetz vorgeschriebene Arbeiterunfallversiche=
rung zusammen 1,194,500 Fmk Prämien, die ausländischen Gc=
Seilschaften 4,700 Fmk. Der grösstc Teil der vcrsicherungspflich=
tigen Firmen hatte den Versicherungsanstalten auch den Teil ih=
rcr Ersatzpflicht abgetreten, für die sie selbst hätten haften müssen,
und sie hatten ausserdem gewisse an die betreffende Versicherungs=
art anschliessende Mehrversicherungen aufgenommen, für die sie
als Prämien zusammen 264,000 Fmk bezahlten. Die ganze Ersatz»
pflicht der Arbeitgeber hat in verschiedenen )ahren zwischen 11,5
und 12,5 Fmk pro lahresarbciter variiert, indem sie durchschnittlich
1,25 % der entrichteten Löhne ausmachte. Wenn die Ersatzbeträge
auf Grund des zu Beginn des Jahres 1918 in Kraft tretenden Gc=
setzcs bezahlt werden, wird eine erhebliche Zunahme stattfinden.
Ende 1916 erhielten:
4696 Arbeitereine jährliche Lebensrente von 525,800 Fmk
444 Witwen '> ■' ■> '> 62,500 »
542 Kinder •> > ■' •' 36,900 •>
sodass die fälligen Lebensrenten 625,200 Fmk betrugen.
Als freiwillige Unternehmung treiben die Gesellschaften sowohl
Kollektivversichcrung der ausserhalb der Versicherungspflicht fallen»
380
den Arbeiter als auch Einzclversicherung. Für ihren in Finnland di=
rekt erworbenen erstgenannten Versichcrungsbcstand nahmen 1916
die einheimischen Gesellschaften 60,000 Fmk in Prämien ein, für
die letztgenannte Versicherung 783,500 Fmk. Die ausländischen
Gesellschaften bekamen durch freiwilligen Versicherungsbetrieb ins=
gesamt 74,900 Fmk in Prämien. Die Ersatzsummen beliefen sich für
Kollektivversicherungen auf 24,700 Fmk, für Einzelversicherungen auf
441,100 Fmk. Zur Sicherung aller laufenden Renten hatten die
Gesellschaften zusammen einen Rentenfonds von 7,981,000 Fmk
reserviert.
Arbeiterunfallversicherung bildet in Finnland das Tätigkeits=
gebiet einer Menge gegenseitiger, hauptsächlich von Arbeitgebern,
die in demselben Industriezweige tätig sind, gegründeter Vereine,
dazu noch dreier Aktiengesellschaften und einiger ausländischen
Gesellschaften. Freiwillige Unfallversicherung wird neben Ak=
tiengescllschaften von einem Gegenseitigkeitsverein und wenigen
ausländischen Gesellschaften betrieben, die letztgenannten haben
auf diesem Gebiete jedoch nur eine ganz minimale Tätigkeit
entfaltet.
Auf dem Gebiete der Transportversicherung haben
ausländische Gesellschaften dagegen einen beträchtlichen Teil der
eingezahlten Prämien gewonnen. Dies gilt besonders von russischen
Gesellschaften. Mit dieser Versicherungsbranche waren 19163 finni=
sehe Aktiengesellschaften, 2 gegenseitige Vereine, 6 russische und 2
schwedische Gesellschaften beschäftigt. Viele deutsche Gescllschaf=
ten, die auf diesem Gebiet in Finnland früher zugelassen waren,
sind durch den Krieg gezwungen worden, ihre hiesige Geschäfts=
tätigkeit einzustellen. In dem ebenerwähnten Jahre betrugen die
Prämien für direkt erworbene Versicherungen, wie folgt:
In finnischen Aktiengesellschaften .... 4,249,000 Fmk
» finnischen gegenseitigen Vereinen • ■ 1,343,000 »
» schwedischen Gesellschaften 82,000 »
» russischen Gesellschaften 4,038,000 »
Zusammen 9,712,000 Fmk
Die finnischen Gesellschaften und Vereine hatten für ihren di=
rekt beschafften finnischen Versichcrungsbcstand im ganzen 2,469,000
381
Fmk oder etwa 44 % der erworbenen Bruttoprämien als Schadcn=
ersatz auszubezahlen.
Die Vichversichcrung gehört ausschliesslich einhcimi=
sehen gegenseitigen Vereinen, von denen 4 ihre Tätigkeit wenigstens
auf ein ganzes Län ausdehnen. Dazu kommen etwa 129 kleine
lokale Vereine. Der Gesamtvcrsichcrungsbestand aller dieser Unter»
nehmungen war Ende 1916:
Pferde 60,382 Stück, deren Versicherungswert 28, 747, 000 Fmk
Rindvieh 60,198 » » » 9,641,000 »
Andere Tiere ■) 1 ,000 »
Zusammen 38,039,000 Fmk
Von allen über 3 Jahre alten Pferden des Landes waren etwa
22 % versichert, von den über 2 )ahre alten Rindern dagegen nur
5%.
Im Laufe des Jahres 1916 nahm der Gesamtversicherungs=
bestand folgcndcrmasscn zu:
der Versicherungsbestand der Pferde .. um 5,7 Mill. Fmk
» » der Rindviehs » 1,6 » »
Als Entschädigung entrichteten die allgemeinen Vereine 1916
zusammen 245,000 Fmk oder bei Pferdeversicherungen 13,3 Fmk
und bei Rindviehversichcrungen 10,6 Fmk für je 1,000 Fmk der
Versicherungssumme, in den lokalen Versichenmgsvereinen hat
der Entgelt für Pferde durchschnittlich 12,8, für Rindvieh 10,2 Fmk
auf je 1,000 Fmk der Versicherungssumme erreicht, oder über=
haupt soviel, vielleicht etwas weniger, wie in den allgemeinen Verei=
nen. Hingegen sind die Betriebskosten der allgemeinen GeselU
Schäften bedeutend grösser gewesen als die der kleinen Lokalvercine.
Besondere Erwähnung verdient noch die Waldbrandvcr=
Sicherung, die in wenigen Jahren eine ziemlich weite Ver=
breitung gefunden hat. Sie wird gegenwärtig von zwei gcgen =
scitigen Vereinen betrieben, deren Versicherungsbestand Ende
1917 386,5 Mill. Fmk betrug. Die von ihnen eingenommenen
Prämien bemasscn sich in dem erwähnten Jahre auf 369,600 Fmk,
während der Bruttobetrag der Entschädigungen auf 268,700 Fmk
stieg.
382
Rückversicherung findet man bei einigen ziemlich
kleinen Aktiengesellschaften, von denen die meisten als Tochter=
gesellschaften irgendeiner Feuerversicherungs= oder Transportvcr=
sichcrungsgesellschaft gegründet worden sind.
Glasversicherung hat in Finnland nie einen beachtens=
werten Versichcrungsbestand erreicht, obgleich auf diesem Gebiet
sowohl einheimische wie ausländische Aktiengesellschaften tätig
gewesen sind.
Streikversicherung wird seit 1915 von einem beson=
deren gegenseitigen Verein gehandhabt und zwar mit recht grossem
Erfolg. Ende 1917 war sein Versichcrungsbestand 13,5 Mill. Fmk,
die Jahresprämien 295,500 Fmk. An Kapital hatte er schon
772,700 Fmk gesammelt.
Unterbrechungsversicherung wird von vielen
Feuerversicherungsaktiengesellschaften bewilligt, sie hat aber keine
nennenswerte Beachtung gefunden.
Die wichtigsten Versicherungszweige haben sich in Finnland
in dem letzten Dezennium rasch entwickelt und arbeiten auf eine
gesunde und den Forderungen des wirtschaftlichen Lebens des Lan=
des entsprechende Weise.
Nationalvermögen.
Der Wert des Privatvermögens in Finnland ist von der Gesetz=
entwurfskommission für etwa 1890 auf ca. 2,200 Mill. und von
Mag. phil. 0. Autere für 1903 auf ca. 5,100 Mill. Fmk geschätzt
worden. In den beiden Schätzungen ist derjenige Teil des Privat=
Vermögens, welcher nicht unter die geplante Vermögenssteuer fallen
würde, unberücksichtigt gelassen. Zurzeit muss das NationaU
vermögen beträchtlich höher taxiert werden. Das Staats vermögen
Finnlands belief sich nach einer im Jahre 1907 vorgenommenen
Berechnung auf etwa 920 Mill. Fmk.
Finanzen.
Als Finnland 1809 zu einem besonderen Staate umgebildet
wurde, waren seine Finanzen anfänglich sehr bescheiden, die jähr=
383
liehen A u s ga bc n betrugen nämlich ca. 6 — 7 M. II. Fmk. Erst in
der Mitte des Jahrhunderts begannen sie zu vcachsen. Die vielen
Reformen, die mit der Landtagsära in den « 860er jähren auf die
Tagesordnung kamen, namentlich das Volksschulwescn und die För=
derung des Verkchrswiscns besonders durch Eisenbahnbauten ver=
mehrten die Ausgäben des Staates beträchtlich. Die Entwicklung ging
in den darauf folgenden jähren in derselben Richtung fort, und als
neuer bedeutender Ausgabeposten erschien noch das auf der allgemei=
nen Wehrpflicht beruhende Heerwesen, welches jährlich 6 — 7 Mill.
Fmk benötigte, während die Militaristen bisher ganz unbedeutend
gewesen waren. Nachdem das finnische Militär in der Russifizie=
rungszcit aufgelöst worden war, hatte Finnland statt der Wehr=
pflicht an die russische Reichskasse eine Gcldentschädigung zu cnt=
richten, deren Betrag, mit 10 Mill. Fmk anhebend, jährlich steigen
sollte, bis er 20 Mill. Fmk erreicht haben würde. Um die Wende des
Jahrhunderts machten die Staatsausgaben schon über 60 Mill. Fmk,
und seitdem sind sie in rascher Zunahme begriffen gewesen; einige
Jahre später betrugen sie schon über 100 Mill. und beim Ausbruch
des Weltkrieges etwa 170 Mill. Fmk, das Steigen aller Preise und
die Verminderung des Geldwertes brachten sie aber in den wirren
Verhältnissen des Jahres 1917 sogar auf '/j Milliarde, und im Jahre
1919 sind die Bruttoausgaben beinahe 1 Milliarde (932 Millionen)
Fmk.
Von den verschiedenen Ausgabeposten des Staates zeigen auch
weiterhin die Kosten für das Verkehr s= und das öffentliche
Unterrichtswesen die grösste Zunahme. Die Entwicklung
des ersteren ist hauptsächlich durch die der Staatsbahnen bedingt;
die Ausgaben derselben, wie auch andererseits ihre Gcsamteinnah=
mcn haben im Budget des Staates den grössten Posten ausgemacht;
wenn die Eisenbahnen aber sehr einträglich waren, haben sie
bedeutend mehr auf der Seite der Einnahmen als der Ausgaben ge=
wogen. Die Kosten für das Unterrichtswesen sind infolge der gross=
artigen Entwicklung der Elementarschulen und insbesondere des
Volksunterrichts in den letzten Dezennien enorm gewachsen. Dieser
Ausgabeposten ist in unserem Lande, wo auch die kirchlichen Ange=
Icgenheitcn und die Wissenschaften unter ihn fallen, während eines
halben Jahrhunderts um mehr als das Zehnfache gestiegen. Eine
grosse Vermehrung lässt sich auch hinsichtlich der Staatsausgaben
784
beobachten, die für die Beförderung verschiedener Erwerbszweige
sowie dcrGeiuindheitspflegc bestimmt sind. Auch die Verwaltungs=
kosten haben infolge der vcrwickelteren Verhältnisse im Vergleich
mit den früheren Zeiten erheblich zugenommen. .Die politischen
Ereignisse des Jahres 1918 haben in mancher Weise die Ausgaben
des Staates gesteigert, zu denen ausserdem die Kosten für das Aus=
wärtigc Amt und das eigene Heerwesen hinzugekommen sind,
ganz abgesehen von vielen ausserordentlichen Ausgabeposten.
Das rasche Anwachsen der Staatsausgaben in Finnland spricht
für die bekannte Behauptung, dass in der öffentlichen Wirtschaft
eine Art Gesetz der wachsenden Ausdehnung herrsche,
eine Theorie, die die durch den Weltkrieg hervorgerufene Ent=
Wicklung auch in anderen Ländern von neuem bestätigt hat.
Die Zunahme der Staatsausgaben , die eine notwendige Folge
der natürlichen Entwicklung ist, setzt eine entsprechende Vermeh=
rung der Staatseinnahmen voraus, und Finnland war in der
Tat früher in der glücklichen Lage, dass seine Staatseinnahmen wie
von selbst parallel mit den Ausgaben wuchsen, sodass die Staats=
schulden verhältnismässig behutsam erhöht werden konnten. Dies
beruhte hauptsrchlich darauf, dass mit der Zunahme des Aussen=
handeis die Zölle dem Staate immer grössere Einnahmen brachten
Auch die Einnehmen eus den Domänen sind bedeutend gewesen.
Schon seit dem 16. Jährhundert besitzt die finnische Krone weite
Waldländcreien. Heute macht ihre Flächenausdehnung etwa 12,8
Mill. ha äus. Da ein grosser Teil davon jedoch ziemlich geringen
Wert hat, ist das finanzielle Ergebnis kein besonders günstiges.
1914 belief es sich auf 16,5 Mill. Fmk. Die Landgüter des Fiskus, die
früher den Staatsbeamten als Krongüter überlassen waren, warfen in
demselben Jahre 1,8 Mill. Fmk ab; sie sind heute zum grössten Teil
in Pacht gegeben. Einen unb deutenden Einnahmeposten bieten
auch die staatlichen Fischereien. Bergbau wird vonseiten des
Staates nur in der Kupfergrube zu Outokumpu getrieben, bei
welcher der Staat als Aktionär beteiligt ist.
Von den öffentlichen Verkchrsanstaltcn haben die Staats ei=
scnbahnen und die Post dem Staate beträchtliche Einnahmen
vermittelt, obgleich sie nicht nach eigentlichen Geschäftsprinzipien,
d. h. mit möglichst grossem Geldertrag als Ziel, betrieben werden.
Die Rentabilität der finnischen Staatseisenbahnen ist im allgemeinen
nicht befriedigend gewesen; in einigen Jahren hat jedoch ihr Gewinn,
785 zy
nach ihrer eigenen Buchhaltung, 3,5 — 4 % vom Anlagekapital,
ja etwas mehr betragen (1915 war das Gewinnprozent 6,3, 1916 und
1917 gar über 7). In diesem Falle kann man schon sagen, dass die
Staatseisenbahnen zu den Kapitalzinsen auch etwas Unternehmer»
gewinn gebracht haben, der in Anbetracht dessen, dass die Staats=
eiscnbahnen eine Art faktisches Monopol auf dem Gebiete des Vcr=
kehrswescns innehaben, in der Tat eine gewisse Besteuerung der Be=
nutzer bedeutet hat. Den Hauptzweck der Staatseisenbahnen haben
jedoch nicht in erster Linie die Geldeinnahmen gebildet, sondern
ihr allgemeiner Nutzen für Land und' Volk. Die Einnahmen und
Ausgaben der finnischen Staatseisenbahnen sowie auch die Kosteii
für neue Bahnbauten und einzelne andere Verkehrsangelegenhei =
tcn sind von den übrigen Staatsfinanzen getrennt als besondere
Kommunikationsfonds verwaltet worden.
Das Postwesen hat bei uns meistens Gewinn eingebracht, weil
die Postgebühren nicht unter diejenigen, die in Russland erhoben
wurden, herabgesetzt werden durften. Die Kriegszeit hat die
Verhältnisse jedoch bedeutend abgeändert: die Ausgaben sind
erheblich gestiegen, und demgemäss hat man auch die Gebühren,
gleichwie die Eisenbahntarifc, erhöhen müssen. Der Telegraph
hat in Finnland bis in die letzte Zeit der russischen Krone gehört.
Erst im Jahre 1918 wurde er finnisches Staatseigentum. Das
Fernsprech wesen gehört in unserem Lande meistens Privat=
gcsellschaften, bei denen die Gemeinden in einzelnen Fällen stark
beteiligt sind.
Sehr beachtenswerte Einnahmen haben verschiedene nordische
Länder — Schweden, Finnland und Russland- — aus den Staats=
banken gezogen. Die finanzielle Lage der Finnischen Rcichs=
bank ist jedoch durch die Verhältnisse der Kriegszeit fühlbar
erschüttert worden, indem die Bank besonders wegen des Zwangs»
kurses des Rubels grosse Verluste hatte.
Geldlotterien sind bei uns gar nicht als Staatseinnahmequellen
zur Anwendung gekommen; auch sonst sind sie verboten gewesen.
Seine meisten Einnehmen bezieht der Staat auch in Finnland
auf Grund seiner Mdchtvollkcmmcnhcit als sog. Abgaben, die sich
auf das Prinzip einer Zwangserhebung, nicht einer freiwilligen
gegenseitigen Vereinbarung basieren.
Die G c b ü h r e n, die zum Ersatz für die Inanspruchnahme
einer staatlichen Anstalt oder Behörde erhoben werden, haben vom
386
finanziellen Standpunkt aus betrachtet .keine grosse Bedeutung
gehabt. Am meisten bringen die Krankcnhaus=, Leuchtturms und
Schulgelder ein. Mehrere Gebühren fallen auch in Finnland direkt
dem Beamten, der sie erhebt, zur Vergütung für seine Mühwaltung
zu.- Diese Art Gebühren, die sog. Sportein, die bisweilen eine
bedeutende Höhe erreichen konnten, haben in den letzten Jahren
an Bedeutung verloren.
Die Hauptgruppe der Abgaben besteht aus S te u e r n, die der
Staat auf Grund seiner Machtvollkommenheit den Staatsbürgern
auferlegt, ohne seinerseits irgendeine unmittelbare Gegenleistung zu
bieten. In Finnland sind die Besteuerungsverhältnisse im grossen
und ganzen auf einem sehr alten Standpunkt stehen geblieben.
Seit dem Mittelalter wird die Grundsteuer erhoben, die noch zu
Beginn des 19. Jahrhunderts dem Staate 87 % aller seiner Einnahmen
erbrachte. Da sie aber den alten Grundgesetzen gemäss hinsichtlich
ihrer Grösse unverändert geblieben ist, hat ihr Ertrag, 1914 3,7
Mill. Fmk, verhältnismässig abgenommen , sodass er heute nur
einige Prozent der Nettoeinnahmen des Staates ausmacht. Zugleich
ist diese veraltete Steuer im Vergleich mit der jetzigen Leistungs=
fähigkeit der Güter sehr ungleichmässig geworden, indem für neue
Anbauflächen ebenso viel zu bezahlen ist wie früher, als sie unbe=
baut waren .An Gewerbesteuern zählt man in Finnland wenige;
die bedeutendsten sind die Abgaben der Landkaufleute, ca. 72 Mill.
Fmk, die 1859 verordnet wurden, indem die früher verbotene Er=
Öffnung von Läden auf dem Lande für zulässig erklärt wurde. Zu
den Gewerbesteuern sind auch die den Apotheken auferlegten Ab=
gaben zu rechnen.
Eine besondere Einkommensteuer hat im finnischen
Staatshaushalt nur in den Jahren 1865 — 85 existiert, wo eine kleine
ausserordentliche Einkommensteuer geltend war, zur Zeit ist aber
auch eine solche Steuer wegen der grossen Staatsausgaben cinge=
führt worden. Zu den Personalsteuern gehört die sog. Kopfsteuer,
die in die 1860er Jahre zurückgeht. Sie betrug 2 Fmk für den Mann
und 1 Fmk für die Frau, während der Kriegszeit hat man jedoch
das Doppelte erhoben, 1914 brachte sie 2,4 Mill. Fmk ein. Eine
Erbschaftssteuer ist bei uns in der Form einer Stcmpelgebühr vorge=
kommen; sie ist auf Veranlassung des neuen Einkammerlandtages
je nach der Grösse der Erbschaft und der entfernteren Verwandt=
Schaft des Erben streng progressiv gestaltet worden, und zwar hat
587
sie von i Mill. Fmk an im äusscrstcn Falle sogar 26,4 ",, der Erb=
summe betragen. 1914 brachten die Stempelgebührcn dem Staate
3,8 Mill. Fmk ein.
Eine bedeutende Vermögenssteuer ist im jähre 1919 bc=
willigt worden.
Von den Verbrauchssteuern sind die Branntwein= und B i c r=
steuern und die Zölle die wichtigsten gewesen. Die Branntwcin=
besteuerung ist früher nach verschiedenen Systemen geregelt wor=
den. Seit 1866 wird eine Steuer für fertigen Branntwein bezahlt;
ihr Betrag ist mehrmals erhöht worden, sodass er schliesslich 2 Fmk
pro Liter bei 50 % Normalalkoholgehalt ausmachte. Der Branntwein=
verkauf ist nach dem Gothenburgcr System besonderen zum De=
tailhandcl und Ausschank von Spirituosen berechtigten Gesellschaften
anvertraut gewesen, von deren Gewinn '/^ dem Kommunikations=
fonds des Staates zufallen — 1914 betrug er 1,6 Mill. Fmk — ,
während der übrige Gewinn zu Wohlfahrtszwecken verwendet wurde.
Dazu ist auch für den Ausschank von Branntwein eine kleine Ab=
gäbe zu entrichten. Die Malzgetränkc wurden früher nach der
Verkaufsquantität besteuert, dann ging man aber 1882 zum bay=
rischen System über, wonach die Steuer für geschrotetes, zur Hcr=
Stellung von starken Malzgetränken verwandtes Malz erhoben
wird. Die Grundabgabe ist 8 Fmk pro 10 kg gewesen für grosse
Mengen (über 50,000 kg) Zuschlag nach progressiver Skala. Das
Dünnbier ist steuerfrei. Der neue Landtag hat diese Malzgetränk=
Steuer sehr schroff erhöht: zuerst von 1 auf 4, dann auf 8 Fmk;
zugleich ist auch die Gesetzgebung strenger geworden und bis zur
vollständigen Prohibition gegangen.
Die erwähnten Akzisen brachten «914 zusammen 12,9 Mill.
Fmk ein. im Jahre 1919 ist eine neue Akzise, die beim Verkauf
von Tabakprodukten erhoben wird, eingeführt worden.
Die Zolleinnahmcn, die beinahe ausschliesslich durch die
Einfuhr gewonnen worden sind, betrugen in dem erwähnten Jahre
46 Mill. Fmk; im vorhergehenden Jahre 56 Mill. Die grössten Zif=
fern haben die Zölle für Zucker, Kaffee, Spirituosen und Tabak
geliefert, in der Kriegszeit hat die Abnahme des Imports das Zollcin-
komnien bedeutend herabgemindert. Der Inhalt der finnischen
Zolltaxc ist seit 1869 in der Hauptseche unverändert geblieben. Sie
wurde im Jahre 1918 erhöht, und ihre vollständige Umgestaltung
ist im Jahre 1919 erfolgt. Zuletzt ist noch zu erwähnen, dass
788
während der Kriegszeit einige provisorische Steuern
erhoben worden sind: für hohe Einkommen, für Ei5enbahn =
transporte, Telephone, Lustbarkeiten u. a.
Die früheren Staatsschulden Finnlands wurden fast alle im
Auslande aufgenommen. Die erste Anleihe, 2,6 Mill. Papicrrubeb
wurde 1830 in Russland negoziiert und zum Bau der Nikolaikirche
in Helsingfors und für die Befestigungen von Bomarsund verwcn=
det. Dann wurden mehrere einheimische Anleihen durch die Fin=
nische Reishsbank aufgenommen. Für den Bau des Saimakanals,
der seinerzeit inbezug auf die Kosten eine Riesenunternehmung
war, wurden i. J. 1844 50=Rubelnotcn mit 3^5 % Zinsen ausgegeben.
Diese Saima=Noten fanden jedoch keinen nennenswerten Absatz;
Anfang 1852 waren deren im Werte von 600,000 Rubel im Um=
lauf. Die folgenden einheimischen Anleihen waren durch den Krim=
krieg von 1854 und Eisenbahnbauten von 1858 veranlasst. Dann
wurde Kredit in Russland angeschafft: 1859 durch Vermitt=
lung des Petersburger Bankhauses Stieglitz 4 Mill. Rubel, mit 4 %
Zinsen und 7 "o Tilgung, und 1868 für den Bau der Eisenbahn»
strecke Riihimäki — Petersburg von der russischen Krone 10 Mill.
Rubel unter der Bedingung, dass V2 des Gewinnes aus der Bahn
dem Gläubiger abgetreten wurde. Die letztgenannte Schuld wurde
1882 durch eine im Auslande erwirkte Anleihe getilgt. Schon frü=
her, 1862, wurde die erste ausländische Anleihe, lö,-? Mill. Fmk
durch das Bankiergeschäft M. A. von Rotschild aufgenommen.
Die Verzinsung war 4,5 %, der Emissionskurs 88 %. Die Mittel
wurden teils für Notstandsarbeiten, teils für die Durchführung
einer Münzreform verwendet. Im J. 1867 wurde bei derselben
Firma zwecks Brotanschaffung eine Kreditivanleihe von 6 Mill. Fmk
auf 1 Jahr aufgenommen, der Zins betrug 6 %. Durch Rotschild
wurden dann 1874, 1880, 1882, 1886, hauptsächlich für Eisenbahn=
bauten, günstigere Anleihen besorgt, deren Nominalzins nur 4,5 und
4 % betrug. Unter ziemlich schweren Bedingungen wurde 1868
eine Prämienanleihe von 16,938,000 Fmk durch die Bankierfirma
Erlanger & Söhne aufgenommen, denn dafür machten der Zins=
fuss und die Tilgung je 6 %.
Zur Einlösung der ostfinnischen »Donationsgütcr» bediente sich
der Staat in den Jahren 1872, 1873, 1875, 1879 und 1880 einheimi=
sehen Kredits bis zu 10 Mill. Fmk. Der Zinsfuss war nominell 4,5 %,
in Wirklichkeit aber höher. — 1889 machte der Staat in Deutschland
389
durch Vcrmittelung Rotschilds, Blcichröders u. a. eine Anleihe
von 40 Mill. Fmk gegen einen Zins von nur 3,5 °/o und einen Emis=
sionskurs von 95 %. In dem folgenden Dezennium ging man auf
den französischen Geldmarkt über, wo die Bankfirma Credit Lyon=
nais mehrere vorteilhafte Eisenbahnanleihcn vermittelt hat. 1895
wurden 18 Mill. Fmk gegen 3,5 % Nominalzins, 1898 55 Mill. gegen
nur 3 "o Zinsen, 1901 25 Mill. und 1903 10 IVlill. Fmk mit
5/5 % Verzinsung negoziiert; die Tilgung betrug 2,5 — 8 %. In dem
Masse wie die politische Lage des Landes sich verschlechterte, bc=
gann auch sein auswärtiger Kredit zu sinken. Für eine 1909 für
die Stärkung des Kommunikationsfonds gemachte Anleihe, zu deren
Vermittlern unter anderen das englische Bankiergeschäft C. J.
Hambro & Son gehörte, musste man sich schon verpflichten, 4,5 %
Nominalzinsen und 10,5 ''0 Kapitaltilgung zu bezahlen. Am Ende
des Jahres 1914 bemassen sich die Staatsschulden insgesamt auf
171,247,053 Fmk 99 Penni, und zu ihrer Verzinsung und Tilgung
wurden in demselben )ahre zusammen 8,023,957 Fmk 04 Penni
verwendet. Danach hat der Staat bei der Finnischen Reichsbank
zufälligen Kredit beansprucht und 1918 drei einheimische An=
leihen aufgenommen, nämlich zwei »Freihcitsanleihen» von 200 bezw.
100 Mill. Fmk und eine Anleihe von 120 Mill Fmk zur Stärkung
seines Kommunikationsfonds, zusammen also 420 Mill. Fmk.
Der Zinsfuss aller dieser Anleihen ist 5 '/a %• 'm Frühjahr 1919 ist
die Gesamtsumme der Staatsanleihen bis auf 1,7 Milliarden Fmk
gestiegen.
Im Staatshaushalt verschiedener Länder herrschen bekanntlich
inbezug auf die förmliche Organisation grosse Abweichungen, die
zum Teil von den verschiedenen Machtverhältnissen herrühren,
in denen die Regierung und die Volksvertretung zueinander stehen.
Im öffentlichen Haushalt wie im ganzen Staatsleben Finnlands
sind dadurch viele Konflikte entstanden, dass man vonseiten des
Monarchen die »Mittel der Regierung» streng von denen des Land=
tagcs trennen wollte, während der Landtag auf Zusammengehörigkeit
dieser Mittel bestand. Zu den demokratischen Reformen, die
nach der Revolution eingeführt wurden, gehören auch die Erwci=
terung und Präzisierung des Bcschlussrechtes des Reichstages.
Der Staatshaushaltungsetat wird in Finnland je für ein Kalender»
jähr aufgestellt, und darin werden alle Einnahmen und Ausgaben
des Staates als solche aufgenommen, ohne Abzug der sog. Betriebs»
ausgaben, d. h. der durch die Anschaffung von Einnahmen vcr=
aniasstcn Kosten. Es ist ein Sonderzug des finnischen Staatsbudgets
gewesen, dass die verschiedenen Zweige der Finanzverwaltung so
geordnet sind, dass alle Einnahmen und Ausgaben zu denEinnahmen
bczw. Ausgaben je einem besonderen Fonds zugewiesen sind. Als
solchen Fonds hat man erstens den Staatsfonds, dem überhaupt
alle ordentlichen Einnahmen des Staates zugehören. Aus dem all=
gemeinen Staatsfonds werden die meisten ordentlichen Ausgaben des
Staates entrichtet. Die Mittel, die der Reichstag getrennt als ausser=
ordentliche Steuern für eine Haushaltungspcriode erheben lässt,
bilden den Fonds der ausserordentlichen Steuern; dazu gehörten
nicht die Branntweinsteuern, die für sich behandelt wurden. Der
grösste Teil der Mittel, deren Verwendung von der Entscheidung
des Landtages abhängt, gehören zu dem sog. KommuniUationsfonds,
von dem schon oben die Rede war. — Ausserhalb des Etats stehen
mehrere Fonds, deren Kapitalien zur Förderung verschiedener
Staatszwecke verwendet werden. Die Staatseinnahmen haben in
früheren Dezennien einen beträchtlichen überschuss gebracht, der
dann zu verschiedenen ZwecKen aargelichen wurde. Der finnische
Staat hat . auf diese Weise ein bedeutendes Eigentum gesammelt,
das sich aus den Kapitalien verschiedener Fonds zusammensetzt.
Die öberschüsse der ausserhalb des Budgets stehenden staatlichen
Fonds beliefen sich mit dem Abschluss des Jahres 1916 auf 72,2
Mill. Fmk, die Stiftungen u. a. wiederum bewerteten sich auf 9,3
Miil. Fmk. Ausserdem besitzt der Staat noch kleinere Fonds bei
den Länsverwaltungen, 1914 zusammen 5,3 Mill. Fmk. Der Staat
hat ferner unbewegliches Eigentum in Landgütern, Wäldern, Kanälen,
öffentlichen Bauten u. dgl. 1907 wurde dieses Eigentum auf 920 Mill.
Fmk geschätzt, es ist aber seitdem bedeutend im Werte gestiegen.
In Finnland wird die staatliche Bilanz für das vorangehende
Kalenderjahr jedes Jahr vor Ende Mai abgeschlossen. Die Prüfung
der Rechnungen und die Behandlung der eventuellen Bemänge=
lungen sind einem allgemeinen Revisionsgericht zugewiesen, die
eingehende Prüfung der Rechnungen wird von einem diesem Gericht
unterstehenden Revisionskontor besorgt. Diese Prüfung bezieht sich
hauptsächlich auf die förmliche Seite der Rechnungen. Die sachliche
Prüfung kommt dem Reichstage zu. hi Ermangelung einer beson=
deren mit dieser Aufgabe betrauten Behörde lässt diese Revision
an Gründlichkeit zu wünschen übrig. Deshalb hat man beschlossen
auch bei uns besondere vom Reichstag ernannte Staatsrevisorcii
einzusetzen.
Den Staatshaushalt verwaltet in Finnland das Finanzministe»
rium des Staatsrats und ihr Chef. Als Zentralkasse fungiert das
»Finnische Staatskontor», wo auch die finnischen Staatsschulden
verwaltet werden, über Staatsfinanzen Hauptbuch geführt und die
Staatsbuchhaltung abgeschlossen wird. Ein Teil des Haushalts
wird von den Länsverwaltungen, den Länskassen und besonderen
Zentralbehörden besorgt. Der umfangreiche Haushalt der Staats=
eisenbahncn liegt der Eisenbahnveiwaltung ob.
Ein Kommunalhaushalt hat in Finnland in den Städten
seit langem bestanden, in den Landgemeinden hat er sich dagegen
erst während des letzten halben Jahrhunderts herausgebildet, nach =
dem die Verordnung über die Kommunalverwaltung der Landge=
meindcn vom Jahre 1865 in Kraft getreten war. Sowohl in den Städten
wie auf dem Lande sind die grösstcn Gemeindeausgaben
durch das Unterrichtswesen veranlasst, in diesen 11,6 Mill., in jenen
7,4 Mill. Fmk im Jahre 1912. Zu den wichtigsten Ausgaben gehören
auch die für die Armenpflege, die früher auch in Finnland der Kirche
oblag, weiter die Ausgaben für die Gesundheitspflege (1912 in den
Stadien 4,7 Mill. Fmk), die in den Städten verhältnismässig viel
grösser gewesen sind als auf dem Lande. Wege, Brücken u. dgl.
haben auch ziemlich grosse Kosten verursacht (1912 in den Land=
gemeinden 6,6 Mill. Fmk). Die Gesamtsumme der Kommunal =
ausgaben, die im J. 1880 in den Städten 6,15 Mill., in den Land=
gemeinden nur 2,5 M:ll. Fmk betrug, belief sich im J. 1912 auf
dem Lande auf 36,3 Mill. Fmk und in den Städten auf 52,9 Mill.
Fmk. Seitdem sind sie aber in sehr rascher Zunahme begriffen.
Erweibjcinnahmen haben die Landgemeinden bis in die
letzten Jahre ziemlich wenig gehabt; nur Landgüter sind für ge=
wisse kommunale Zwecke erworben worden. In den Städten bil=
den dagegen Land= und Waldbesitz einen bedeutenden Teil des
Gemeindeeigentums, besonders in einigen Städten Nordfinn=
lands. Viele, namentlich grössere Städte besitzen verschiedene tech=
nische Einrichtungen: Wasserleitung, Gas= und Elektrizitätswerk, die
einen beträchtlichen Reingewinn abwerfen können. Von einiger
Bedeutung sind im Gemeindthauthjlt auch die Gebühren gewesen.
Die kommunale Besteuerung gründet sich hauptsächlich auf die
Einkommensteuer, die mit geringen Ausnahmen progressiver Natur
ist. Auf dem Lande hat man dadurch annähernd die Hälfte aller
Einnahmen zusammengebracht, in den Städten nur etwa '/i / weil
in diesen auch andere Abgaben, wie verschiedene Verkehrsabgaben,
Kaigebühren usw. zu den Einnahmen haben gerechnet werden
können. Einzelne kleine Steuern sind auch auf Erbschaften, Grund=
stücke, Hunde u. a. erhoben worden. Für verschiedene kommunale
Zwecke wie für Volksschulen, zur Anstellung von Ärzten usw.
hat der Staat den Gemeinden Beiträge bewilligt.
Die jährlichen Einnahmen der Gemeinden — 1912 auf dem
Lande 51,6 Mill., in den Städten 46,9 Mill. Fmk — haben jedoch
nicht zu allen Ausgaben gereicht, sondern viele zufällige, besonders
grosse Ausgaben, wie z. B. Baukosten u. dgl., wurden durch geborgte
Gelder gedeckt, die teils der Staat zu bestimmten Zwecken, teils
private Geldanstalten bewilligten. Die Stadtgemeinden haben
auch grosse Anleihen im Auslande aufgenommen. Im Jahre 1890
hatten die Landgemeinden im ganzen nur 1,5 Mill. Fmk Schul=
den, die Stadtgemeinden 10,3 Mill. Fmk. 1912 waren die ent=
sprechenden Zahlen 37,3 rcsp. 121,5 Mill. Später sind die Schulden
aber noch gewaltig gewachsen.
Die Kriegszeit hat auch Finnlands öffentlichen Haushalt auf eine
harte Probe gestellt. Die Erlegung der durch die Übergangszeit
veranlassten schweren Kosten, die zum grössten Teil nur proviso=
risch geordnet ist,. wird auf lange Zeit hinaus grosse Anstrengungen
verlangen und zu mancherlei Umänderungen in der Finanz=
Verwaltung führen. Auch sonst sind in Finnland viele Reformen
sowohl auf dem Gebiete des Staats^ wie des Gemeindehaushalts
erforderlich, zumal man auf diesen Gebieten in der Entwicklung
hinter anderen Ländern zurückgeblieben ist. Die Last der Staats=
steuern, die sich hauptsächlich auf Zölle und andere Verbrauchs=
steuern gestützt hat, drückt unbillig auf die unbemittelten Volks»
schichten. Wenn einmal die langersehnte Umgestaltung der Bc=
steuerungsverhältnissc durchgeführt ist, wird der öffentliche Haus=
halt in Finnland in vielem ein anderes Bild bieten.
]V. Soziale Fragen.
Finnisch-nationale Bewegung.
Die finnisch=nationa!e Bcvwcgung, insofern darunter die lVlani=
festierung eines kräftigen finnischen Nationalgcistes verstanden
wird, das Streben, dem Finnentum und der finnischen Sprache
zu einer in jeder Hinsicht herrschenden Stellung in Finnland zu
verhelfen, ist eine verhältnismässig junge, erst im 19. Jahrhundert
auftretende Erscheinung. Es ist jedoch unzweifelhaft, dass den Fin=
nen auch schon früher ein gewisses, wenngleich oft schwach aus=
geprägtes Gefühl einer nationalen Sonderart und eine gewisse An=
hänglichkeit an das eigene Volkstum innegewohnt hat. Der Son=
dergeist, der für die Landschaften des schwedischen Reiches im
Mittelalter charakteristisch war, offenbarte sich wohl in gewissem
Grade auch in Finnland, das seiner geographischen Lage nach von
dem Zentrum des Reiches weit entfernt war und wo die grosse lVlchr=
zahl der Bevölkerung ihre eigene Sprache und ihre eigenen Sitten
hatte. Daraus zu schliessen, dass in den oberen Ständen: Adel,
Geistlichkeit und Bürgerstand finnische Familiennamen am Ende
des Mittelalters sehr häufig waren, nahm das natürliche Finnentum
damals eine sehr feste Stellung ein, und die finnische Sprache war
wahrscheinlich in allen Ständen die allgemeine Umgangssprache.
Aber seit den Zeiten der Reformation begann mit der wachsenden
Königsmacht der Gemeingeist des Reichsganzen zu erstarken und
der landschaftliche Sondergeist sich abzuschwächen. Das )iess sich
auch in Finnland verspüren. Die höheren Beamten, der Adel, die
durch Amtsgeschäfte und Ehen mit Schweden und den Schweden
am meisten in Berührung kamen, fingen schon im 16. Jahrhundert
an, sich sprachlich zu svcdisiercn, wenn sie auch Finnisch konnten;
zugleich begannen die finnischen adligen Namen zu verschwin=
den — Karpalainen wurde zu Carpclan, Rcnkoncn zu Fincke, Sär=
kilahti zu Stiernkors usw. Im Zeitalter der Reformation wurde al=
icrdings der Grund zu einer finnischen Literatur gelegt, das geschah
aber aus religiösen Gründen. Und es lässt sich auch nicht beobach=
tcn, dass die administrative Emanzipation von Schweden, die in den
6oer Jahren des 16. Jahrhunderts stattfand, als Johan Herzog
von Finnland war — und die zur Zeit des Königs Sigismund am
Ende des 16. Jahrhunderts, wo Finnland tatsächlich einige Jahre
lang auch staatlich von Schweden getrennt war, noch starker her=
vortritt — die Folge eines bewussten finnisch=nationalen Strebens
gewesen wäre. Im folgenden Jahrhundert schlug die Entwicklung
€inc solche Richtung ein, dass sich der schwache nationale Geist
fast gänzlich verflüchtigte. Karl IX. verleibte Finnland wieder
Schweden ein, und die zur Zeit Gustavs IL Adolf durchgeführte
Reorganisation und Zentralisierung der Verwaltung machte Finn=
land noch mehr von Schweden abhängig als früher. Auch die Vcr=
schiedenheit, die auf kirchlichem Gebiete bestanden hatte, wurde
ausgeglichen, als zu Bischöfen in Finnland und namentlich in dem
Stift Abo schwedische Männer bestellt wurden. In immer grös=
serer Anzahl begannen sich auch weltliche schwedische Beamte in
Finnland niederzulassen. Andererseits gingen die Mitglieder des
finnischen Adels und auch die Begabtesten aus den übrigen Ständen
nach Schweden hinüber, wo, besonders seitdem Schweden eine
europäische Grossmacht geworden, eine glanzvollere Zukunft zu
gewinnen war. Die Tatsache, dass auch Finnen dazu beigetragen
hatten, diese Grossmachtstellung zu begründen, war zwar geeignet,
das Selbstgefühl der Finnen einigermassen zu heben, aber auf die
Dauer schob die Grossmachtstellung Schwedens Finnland und
die Finnen zur Seite und trübte bei den oberen Ständen das beson=
dere finnische Vaterlandsgefühl. Da auch in dem eigenen Lande
Schweden mit den besten Stellen betraut wurden, begann man die
eigene Nationalität zu missachten. Von Missachtung der eigenen
Nationalität zeugt auch die Tatsache, dass die finnischen Fami=
liennamen auch aus den Kreisen der Geistlichkeit zu verschwinden
beginnen und man auch in dem Bürgerstandc anfängt, neben
finnischen Namen schwedische anzunehmen. Auch durch die
Vermittlung der Lehranstalten begann das Schwedentum sich zu
verbreiten, in dem Masse, wie seit den 40er Jahren des 17. Jahr=
hunderts die schwedische Sprache in den Schulen neben dem La=
tcinischcn ftstcn Fuss zu fassen anfing. Aber nach der Angabc
Porthans bedienten sich die Geistlichen und die meisten anderen
Angehörigen der oberen Stände noch zu Anfang des 18. Jahr»
hunderts im Gespräche meistens der finnischen Sprache.
Äusserst unheilvoll wurde dann für das Finncntum die Zeit des
Grossen Unfriedens mit ihren Folgen. Der grösste Teil der Gc=
bildeten flüchtete nach Schweden, von wo die überlebenden oft
svedisicrt zurückkehrten, und mit diesen kamen reine Schwe=
den herüber, um die in den Reihen der Beamten entstandenen
Lücken auszufüllen, wofür nach den Verheerungen des Grossen Un=
friedens einheimische Männer nicht in genügender Menge zu Gc=
böte standen. Bei der Svcdisicrung des Beamtenstandes sah sich
das gemeine Volk gezwungen, wiederholentlich darum zu ersuchen,
dass zu den Amtern Richter usw. ernannt würden, die der fin=
nischen Sprache mächtig waren, Gesuche, denen nur in geringem
Masse Beachtung geschenkt wurde. Auch im Bürgerstande bcgan=
nen die finnischen Namen zu verschwinden, und im Laufe des 18.
Jahrhunderts wurde das Schwedische die allgemeine Umgangs=
spräche der gebildeten Kreise, wozu auch das bemerkenswerte,
zumal gegen Ende des Jahrhunderts erfolgte Aufblühen der schwe=
dischcn Literatur nicht wenig beitrug. In Schweden wurden
während dieses Jahrhunderts sogar Vorschläge zur Svcdisicrung
des finnischen Landvolkes und zur völligen Vernichtung der fin =
nischen Sprache gemacht.
Aber zur selben Zeit, wo im gebildeten Stande Finnlands das
natürliche Finncntum im 18. Jahrhundert immer mehr zurückging,
entstand bei einzelnen Mitgliedern dieses Standes ein lebhaftes
Interesse für alles, was finnisch war. Dem praktischen Geiste der
Zeit gemäss richtete es sich auf die Erforschung der Natur unseres
Landes und seine Wirtschaft, aber auch auf die Geschichte und
Sprache Finnlands, vorzüglich auf die letztere. Diese ersten Eiferer
für das Finncntum und die finnische Sprache sind unter dem Namen
der Fcnnophilcn bekannt. Die Fennophilen verfolgten keine
politischen Zwecke und waren nicht bestrebt, die finnische Sprache
an die Stelle des Schwedischen zu setzen. Ihr Interesse war vor=
nehmlich wissenschaftlicher Art, zugleich wollten sie aber auch die
praktische Pflege der finnischen Sprache fördern. Die bedcu=
tendsten unter den Fennophilen sind Daniel Juslenius und
Henrik Gabriel Porthan. Der erstere verherrlichte in latei=
nischen, in jüngeren Jahren veröffentlichten Werken in fast prahle»
796
rischcr Weise alles, was finnisch war, leistete aber dem Finnentnm und
der finnischen Sprache einen wertvolleren Dienst, indem er das erste
eigentliche Wörterbuch der finnischen Sprache herausgab. Juslc=
nius war auch einer von denen, die, um das Ansehen der finnischen
Sprache zu erhöhen, zu beweisen suchten, dass sie mit dem Heb=
räischcn und dem Griechischen nahe verwandt sei. Porthan gab
sich mit grossartigem Eifer der Erforschung alles dessen hin, was
auf Finnland und das finnische Volk Bezug hatte, und wusste auch
bei seinen Schülern das Interesse für vaterländische Forschungs=
arbeit wachzurufen und die Lust zur Pflege der finnischen Sprache
und Dichtung zu erregen.
Trotz der immer fester werdenden Stellung der schwedischen
Sprache begann seit der Freiheitszeit der landschaftliche Sonder=
geist auch sonst in Finnland wieder zu erstarken. Die Finnen wurden
sich klarer als vorher bewusst, dass Finnland seine eigenen, spe=
ziellen Interessen hatte, für denen Förderung die Finnen selbst sor=
gen musstcn. Am kräftigsten und klarsten kam dieser Sondergeist
in der Tätigkeit Göran Magnus Sprengtportens und
seiner Anhänger zum Ausbruch, die sich die Gründung eines selb=
ständigen finnischen Staates zum Ziel gesetzt hatten. Aber die
Sclbständigkeitsmänner konnten sich keiner Unterstützung weite=
rer Kreise erfreuen, und es fehlte ihren Bestrebungen die im ei=
gentlichen Sinne finnisch=nationalc Grundlage.
Der Krieg der Jahre 1808 — 09 hatte dann zur Folge, was Porthan
und mit ihm manche andere Finnen schon früher geahnt hatten.
Finnland wurde ganz von Schweden losgetrennt und Russland ange=
schlössen, doch so, dass es seine früheren Gesetze und Rechte, d.h.
eine weitgehende staatliche Selbständigkeit behalten durfte. Das
finnische Volk war jetzt, wie Alexander I. sich beim Abschied
des Landtags zu Borgä (Porvoo) äusserte, unter die Zahl der
Nationen erhoben. Es war jetzt nicht nur ethnographisch, sondern
auch politisch ein Volk für sich. Aber in Finnland nahm, auch in
der neuen Stellung, das finnischsprechende Landvolk, das die
überwiegende Mehrzahl der Nation bildete, immer noch eine unbe=
achtete Stellung ein und wurde stiefmütterlich behandelt. Seine
Sprache war literarisch wenig kultiviert und vom amtlichen Ge=
brauch, von der Universität und den Schulen gänzlich ausge=
schlössen; die Kirche war der einzige öffentliche Ort, wo der finnische
Mann seine eigene Sprache konnte anwenden hören. Die Klasse
der Gebildeten, die doch zum grossen Teil aus dem finnischspre=
chcndcn Landvolkc hervorgegangen war, hatte sich sprechhch von
diesem abgesondert und war gegen alles reine Finnentum kalt.
Einige klarblickende Vatcrlandsfrcundc sahen bald nach dem Land=
tage zu Borgä (Porvoo) ein, dass eine derartige Sachlage in Anbc=
tracht der neuen politischen Stellung Finnlands unnatürlich und
für die Zukunft gefährlich war und dass also eine durchgreifende
Veränderung zuwege gebracht werden musste. Aus dieser Auf=
fassung wuchs das neue politische Finnentum hervor, das sich
nicht mehr mit einer blossen wissenschaftlichen Erforschung der
finnischen Sprache begnügte, sondern sich die Erhebung des Fin=
nischcn zur Sprache der Bildung auf allen Gebieten und zur Haupt=
spräche des Landes zum Ziel setzte. Diese Bestrebung erhielt bald
den Namen Finnentümelei, Fennomanie. Das politische Finnentum
ging, ebenso wie das Fennophilentum, von den akademischen Krei=
sen aus, in denen der Geist Porthans noch fortlebte. Von seinen ersten
Vertretern seien genannt die jüngeren Universitätslehrer J. G.
Linsen und F. B e r g b o m, die in ihrer Zeitschrift »Mnemosyne*
für dieses neue Finnentum eintraten, A. I. A r w i d s s o n, der in
seiner 1821 herausgegebenen Zeitung »Äbo Morgonblad» die Be=
deutung des Nationalitätsgcdankens kräftig betonte und den Ge=
bildeten einschärfte, dass sie alles Einheimische lieben und vor
allem ihre einheimische Sprache schirmen und pflegen sollten, und
E.G. E h r s t r ö m, der in derselben Zeitung darauf drang, dass
die finnische Sprache alsbald in den Schulen, an der Universität
und bei den Behörden eingeführt werden müsse. Als eine Wirkung
dieser ersten nationalen Erweckung dürfte es aufzufassen sein, dass
1820 Studenten ein Gesuch um Anstellung eines Lehrers der fin=
nischen Sprache an der Universität einreichten; 1826 wurde auch
ein Lektorat der finnischen Sprache an derselben errichtet, im
allgemeinen aber fanden die von Arwidsson, Ehrström u. a. aufgc=
stellten nationalen Forderungen keinen Widerhall. Sie wurden
vermutlich nur als leere Träumereien aufgefasst, denen öffentlich
entgegenzutreten man nicht einmal für nötig erachtete. In den engen
reaktionären Verhältnissen der 20er Jahre des 19. Jahrhunderts
wurde bald auch der Enthusiasmus der Erwecker selbst lau. Der
eifrigste von ihnen, Arwidsson, wurde von der Universität ver^-
wiesen und sah sich gezwungen, das Land zu verlassen. Die
öffentliche Erörterung der Hebung der finnischen Sprache hörte
für ein paar Jahrzehnte auf. Es schien, als wäre das politische
Finnentum schon im Keime erstickt gewesen.
398
Mittlerweile wurde jedoch die Arbeit an der Entwicklung der
finnischen Sprache auf literarischem Gebiete in der Stille fort=
gesetzt. Die Zentralstätte dieser Arbeit wurde die im Jahre 1851
gegründete Finnische Literaturgesellschaft, die schon im selben
Jahrzehnt mit der Veröffentlichung der von Lönnrot gesammelten
Erzeugnisse der finnischen Volksdichtung beginnen konnte. Gleich=
zeitig begannen die Dichtungen J. L. Runebergs und seine Land=
schafts= und Volksschilderungen aus dem mittleren Finnland bei
der gebildeten Jugend wärmere Gefühle gegen das eigene Land und
Volk wachzurufen. M. A. C a s t r e n, der 1840 Dozent an der
Universität geworden war, entzündete durch seine Vorlesungen
über das Kalevala in den Herzen seiner Schüler die Liebe zur
finnischen Spreche und zum Finnentum. So waren die Sinne emp=
fänglicher als früher für die neue nationale Erweckung, welche
J. VC'. S n e 1 1 m a n durch seine Aufsätze in der Zeitung »Saima»
1844 anbahnte. Unerschrocken zeigte er in diesen, wie das
finnische Volk in geistiger wie in materieller Hinsicht den anderen
gegenüber im Rückstande geblieben und wie dies dadurch verur=
sacht war, dass hier kein Nationalgcfühl existierte; Nationalgefühl
wieder konnte nicht vorhanden sein, solange die eigene Sprache
des Volkes nicht seine Kultursprache war. Das Wichtigste sei,
dass eine finnische Nationalliteratur geschaffen werde. Vornehm=
lieh durch eine solche müsse eine neue Generation grossgezogen
werden, welche nicht nur von Liebe zum finnischen Namen und
zur finnischen Sprache erfüllt sei, sondern auch die Fähigkeit be=
sitze, sich dieser Sprache zu bedienen. Auch bei den Behörden und
in den Schulen müsse die finnische Sprache zu der ihr gebührenden
Stellung erhoben werden, in. dieser Beziehung aber machte Snell=
man viel geringere Ansprüche als die Männer der ersten nationalen
Erweckung; vorläufig sollte nur in den unteren Elementarschulen
ausschliesslich des Finnischen mächtigen Schülern Gelegenheit
geboten werden, einige Schulfächer in finnischer Sprache zu lernen.
Es war Snellman beschieden, nicht wie Arwidsson und andere
tauben Ohren zu predigen. Seine Worte hatten vielfach eine zün=
dende Wirkung. In einem Teile der gebildeten Jugend regte sich
jetzt ein lebhaftes Streben, Finnisch zu lernen und für das Finnen=
tum tätig zu sein. Die Arbeit für die Bereicherung der finnischen
Literatur erhielt grösseren Schwung, und finnische Zeitungen
entstanden mehrere. Anderweitig aber stiessen die Ansprüche
599
Snellmans auch auf entschiedenen Widerstand. In unseren schwe=
dischcn Zeitungen wurden Aufsätze veröffentlicht, in denen man
zu bcvx'eiscn suchte, dass die Erhebung des Finnischen zur Kultur=
spräche unmöglich, unnötig, unbillig und sogar schädlich sei; darin
liess sich schon der Standpunkt beobachten, der für die Schwedisch:
gesinnten unseres Landes dann lange bezeichnend war. Da einer
von den Verfassern dieser Aufsätze darauf hingewiesen hatte, dass
man sich auch anderswo durchgeholfen habe, trotzdem die Sprache
des Volkes nicht die seiner Bildung gewesen sei, wie z. B. in
Nordamerika, wo man die Sprachen der Irokesen und anderer
Indianerstämme auf ihrem unentwickelten Standpunkt habe stehen
lassen, so wurden diese ersten Widersacher des Finnentums
mit einem gemeinsamen Mamen die Irokesenfreunde genannt.
Auch in Regicrungskreiscn verhielt man sich der aufkeimenden
finnisch=nationalen Bewegung gegenüber feindselig. Die Gegner
des Finnentums suchten den obersten Behörden einzureden, dass
das Finncntum ein Ausdruck desselben aufrührerischen Geistes
sei wie die Freiheitsbewegungen der Jahre 1848 — 49, und in den
Regierungskreisen Russiands scheint sogar die Auffassung Wur=
zel gcfasst zu haben, dass sich die Finnischgesinnten die Vcreini=
gung aller in Russland ansässigen finnischen Stämme zu einem gros=
sen selbständigen Reiche zum Ziel gesetzt hätten. Die Folge war
jenes Zensurverbot traurigen Angedenkens vom Jahre 1850, laut
dessen keine anderen neuen literarischen Erzeugnisse ohne be=
sondere Genehmigung in finnischer Sprache gedruckt werden durf=
ten als solche, die religiöse Erbauung oder wirtschaftlichen Nut=
zen bezweckten. Sonderbar genug machte aber die Regierung dem
Finnentum dennoch gleichzeitig auch einige Zugeständnisse. An
der Universität wurde eine Professur der finnischen Sprache cr=
richtet, deren erster Inhaber M. A. Castrcn wurde, und 1851 er=
ging ein Erlass, dem zufolge von denen, die sich um Richterämter
in finnischen Gegenden bewarben, künftig ein mündliches Exa=
men in der finnischen Sprache an der Universität verlangt werden
sollte. Auch der Zensurerlass wurde nicht lange streng befolgt.
Während des Krimkrieges geriet er schon in Vergessenheit, und
1860 wurde er auch förmlich aufgehoben.
Nachdem Alexander II. im Jahre 1855 den Thron bestiegen
hatte, fingen freiere Winde wieder auf allen Gebieten zu wehen
an, und auch das Finncntum hob wieder mutig den Kopf. Schon
1855 forderte Yrjö Koskinen in der Zeitung Suometar, dass
finnische höhere Lehranstalten errichtet werden sollten; 1858
begann auch die hauptsächlich durch das Vorgehen W. S. S c h i 1 d t s
zustande gekommene erste finnische gelehrte Schule ihre Tätig=
keit in Jyväskylä. Der Richter K. F. Forsström begann als
erster seit 1856 die Protokolle eines Häradsgcrichts in finnischer
Sprache abzufassen. Schon früher hatte sich W. S. Schildt seit
dem Ende der 30er Jahre in amtlichen Schreiben der finnischen
Sprache bedient. In der Öffentlichkeit waren denn auch die Be=
strebungen der Finnischgesinnten von da an vor allen Dingen dar=
auf gerichtet, die finnische Sprache zur Gerichts= und Amtssprache
zu erheben und finnische gelehrte Schulen zu gründen, jetzt be=
gnügte man sich nicht mehr mit einer theoretischen Begründung der
Mationalitätsidee, sondern strebte vor allem praktische Resultate
an. Auf die Initiative J. W. Sncllmans wurde am 1. August 1863 das
»SfJrachmanifest» erlassen, nach welchem die schwedische Sprache
allerdings auch fernerhin die offizielle Sprache Finnlands bleiben
sollte, die finnische aber mit der schwedischen gleichzustellen
war in allem, was auf die eigentliche finnischsprechende Bevöl=
keiung des Landes unmittelbar Bezug hatte; spätestens mit dem
Ausgang des Jahres 1883 sollte dies Recht der finnischen Sprache
auch bezüglich der von den Behörden und Gerichtshöfen ausgc=
henden Schriftstücke vollgesctzlichc Kraft erlangen. Durch einen
am 20. Februar 1865 ergangenen Erlass wurde festgestellt, wie
die endgültige Verwirklichung dieser Neuerung vorbereitet werden
sollte. Anfänglich brachte das Sprachmanifest den Finnischspre=
chendcn keinen anderen Vorteil, als dass Privatpersonen sofort be=
ginnen konnten, bei den Behörden finnische Papiere einzu=
reichen. Erst am 29. Dezember 1883 erging ein Erlass, durch welchen
verordnet wurde, dass diejenige Sprache, in welcher die Protokolle
bei kommunalen Verhandlungen geführt wurden, vom Jahre 1884
an auch die Sprache der von den Untergerichten, Magistraten und
Polizeigerichten ausgefcrtigen Schriftstücke sein sollte, falls nicht
der oder diejenigen, welche die Sache anhängig gemacht, sich aus=
baten, dass die andere einheimische Sprache zur Anwendung ge=
langte. Bezüglich der Sprache des Schriftwechsels der Behörden
untereinander wurde durch eine am 4. April 1887 erlassene Vcrord=
nung vorgeschrieben , dass alle unteren lokalen Behörden und
Beamten ihre Amtsschreiben und sonstigen Schriftstücke in derie=
nigen Sprache abzufassen hatten, die als kommunale ProtokolU
Sprache im Gebrauch war; oberen Behörden wurde einstweilen das
40« 26
Recht zugestanden, ihre Sprache in solchen Fällen selbst zu wählen,
trst durch den Erlass vom 19. Juli 1902 wurde der Grundsatz der
Konimunalsprache auch bei oberen Behörden in der Hauptsache
rechtskräftig. So wurde die finnische Sprache als Gerichts= und
Amtssprache allmählich in immer steigendem Masse gebräuchlich.
Die in den letzten Jahren erlassenen Vorschriften über den Ge=
brauch des Russischen als Amtssprache in Finnland drohten je=
doch, die von dem Finnischen auf diesem Gebiete gewonnene Macht=
Stellung ernstlich zu erschüttern. Durch die im Jahre 1906 durch=
geführte ^sleugcstaltung der Landtagsinstitution wurde der finni=
sehen Sprache auch unter den Volksvertretern eine herrschende
Stellung gesichert.
Ein wichtiger Punkt auf dem Programme der Finnischgesinnten
war auch, wie schon erwähnt, die Errichtung finnischer gelehrter
Schulen. Durch diese sollte einerseits den Kindern des finnisch=
sprechenden Landvolkes die Aneignung einer höheren Bildung er=
leichtert , andererseits die finnische Sprache als Sprache der
Gebildeten an Stelle des Schwedischen eingeführt werden. Diese
Frage rief besonders in den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts
heftige Kämpfe im Landtag hervor, wo die von Yrjö=Koskinen und
A. Meurman angeführten Finnischgesinnten im geistlichen und
Bauernstand die Mehrzahl bildeten, während der Adel und der
Bürgerstand von den Schwedischgesinnten beherrscht wurden.
Finnische Lyzeen waren allerdings staatlicherscits in Jyväskylä,
Kuopio, Joensuu und Tavastehus (Hämeenlinna) errichtet worden.
Die Finnischgesinnten forderten aber eine grössere Anzahl von fin=
nischen gelehrten Schulen, forderten vor allem, dass die in finnischen
Gegenden bestehenden schwedischen Lyzeen in finnische umgebiU
det würden. Da sich die Regierung anfangs diesen Forderungen
gegenüber kühl verhielt, wurden finnische Privatschulen gegrün=
det, die dann, als Yrjö=Koskinen im Jahre 1882 Mitglied des Senats
geworden war, vom Staat übernommen wurden.
Auch auf manchen anderen Gebieten machte das Finnentum
infolge der gemeinsamen Anstrengungen der Finnischgesinnten
seit den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts bedeutende Fort=
schritte. Die Zahl der finnischen Zeitungen nahm zu, die finnische
Literatur begann aufzuspriessen, und die finnische Sprache errang
immer vollkommener die Fähigkeit, die verschiedenen Nuancen
des höheren Bildungslebens auszudrücken, das finnische Theater
entstand, und auf dem Gebiete der Musik und der bildenden
Künste traten finnische Motive immer zahlreicher hervor. Auch das
geschäftliche Leben begann nach der Gründung der Kansallispankki,
der Gesellschaft Suomi und anderer finnischer Geschäftsunterneh=
mungen einigermassen finnisch zu werden. Unter dem Einfiuss
der immer zahlreicheren finnischen gelehrten Schulen entstand
eine finnische Klasse von Gebildeten, die zum grossen Teil aus der
Mitte des finnischsprechenden Landvolkes heraufgestiegen ist.
Die Forderung der Finnischgesinnten, dass die schwedischsprechen=
den Gebildeten sich verfinnischen sollten, hat sich nur teilweise
erfüllt. Trotz aller Siege des Finnentums dürfte man jedoch, bc=
sonders wenn man die bedrohte politische Stellung des finnischen
Volkes beachtet, behaupten müssen, dass das Nationalgcfühl unseres
Volkes immer noch schwach ist.
Grundbesitzfrage.
Die Grundbesitzfrage ist auch in Finnland zu einem heiklen
sozialpolitischen Problem geworden infolge des Missverhältnisses,
das zwischen den grundbesitzenden und den nicht grundbesitzen»
den Gruppen der Bevölkerung auf dem platten Lande herrscht. Nach
den statistischen Erhebungen, welche 1901 auch über die Grund=
besitzverhätnisse auf dem Lande angestellt wurden, ist zu kansta=
ticrcn, dass unter den auf dem Linde lebenden Haushaltungen nur
116,834 oder 23,1 % solche mit eigenem Grundbesitz waren. Am
schlechtesten waren die Verhältnisse in dieser Beziehung in den
Länen Nyland und Tavastehus, von welchen in jenem 11,3 %, in
diesem 11,1 % eigenen Grund und Boden besassen. In dem Län
Äbo und Björneborg war das entsprechende Prozent 12,8, in den
Länen St. Michel und Kuopio aber 19,1 bezw.20,8, in dem Län
Wasa 28,4 und im Län Uleäborg 34,1. Relativ am meisten grund=
besitzende Haushaltungen gab es im Län Wiborg, und zwar 44,4 %.
Der Grundbesitz verteilte sich in Finnland auf die verschie=
denen sozialen und gewerblichen Gruppen, abgesehen von einem
unbestimmten Gebiet von 233,426 ha, das nicht an Grundbesitzer
verteilt war, folgendermassen. Es besassen:
Der Staat 1 3,093,460 ha oder 39,4 %
Die Kommunen 79/i9i * '* 0,2 »
Die kirchl. Gemeinden 346,360 » » 1,0 »
Gesellschaften 983,952 » ■> 3,0 »
Einzelne Besitzer .... 18,494,253 » » 55,7 »
Von dem staatlichen Grundbesitz waren am wichtigsten die
Staatsforsten, welche 12,745,819 ha oder 38,4% der gesamten
Bodenfläche des Landes bedeckten. Der Grundbesitz der GesclU
Schäften war näher detailliert der folgende :
Anzahl besassen
Land wirtschaftl. Gesellschaften 160 78,808
Sägewerke und andere Holzind.=Gcs. . . 356 572,739
Andere industrielle Gesellschaften .... 236 311,822
Andere Gesellschaften 115 20,583
Die Bcsitzvcrhäitnisse der Privatkisiizcr waren folgende:
Anzahl besassen
Ackerbauer 109,557 1 7,346,789
Sägewerk= oder andere Holz=
industrielle 326 234,614
Andere Industrielle- 837 129,873
Kauflcute 1,274 303,386
Beamte und Ausüber freier Ge=
werbe 1,272 309,098
Andere private Besitzer . 3,568 170,493
116,834 18,494,253
Der Grösse nach verteilten sich die Grundbesitze in Finnland,
den staatlichen Grund nicht mitgerechnet, auf folgende Weise:
Besitz Areal
Anzahl % ha %
Kleiner Grundbesitz (unter 50 ha) 31,262 26,4 873,290 4,4
Mittclgrosser (50 — 250 ha) 67,830 57,2 7,814,801 39,3
Grosser (250 — 1,000 ha) 17,811 15,0 7,709,921 38,7
Grösstcr (über 1,000 ha) 1,714 i,4 3, 505, 744 17,6
404
Der mittcigrossc Besitz ist also in Finnland entschieden in der
Mehrzahl und beträgt, wie aus dem Vorhergehenden erhellt, 57,2 %
von der Gesamtzahl der Grundbesitze.
Landpacht.
Im schwcdisch=finnischen Recht ist das Pachtsystem von alters=
her bekannt. Schon die alten Landschaftsgesetze enthalten Bc=
Stimmungen darüber. Nach diesen konnte der Lsndbasitzer sein
Gut dem Pächter zur Verfügung stellen entweder gegen einen jähr=
lieh abzuliefernden Anteil an den Produkten des Gutes oder gegen
eine bestimmte, ein für allemal oder jährlich zu entrichtende Pacht.
Im erstgenannten Fall betrachtete man das Verhältnis der Kontra=
henten zueinander als ein Gesellschaftsverhältnis und nur im letzt=
genannten Fall als ein eigentliches Pachtverhältnis. In der Regel wur=
den nur Nebengüter in Pacht gegeben, und deren Pächter, die Pacht=
bauern, gerieten in eine Art Hörigkeitsverhältnis zu dem Besitzer
des Hauptgutes. Wenn das Hauptgut in Pacht gegeben wurde,
mass man dem so entstandenen Pachtverhältnisse einen besonderen
Charakter bei: es fehlte ihm das Verhältnis der Unterordnung,
das in anderen Pachtverhältnissen zum Ausdruck kam.
Im Gesetz von 1734 finden sich die auf die Pacht bezüglichen Be=
stimmmungen hauptsächlich in den Kapiteln 16 und 17 des Ab=
Schnittes über Grundstücke, zum Teil auch hie und da in anderem
Zusammenhang. Diese Bestimmungen sind mit Beziehung auf
die Verpachtung eines Pachtgutes, also eines ganzen Gutes, abge=
fasst. Die Verpachtung eines Teilgutes, wie sie bei uns heutzutage
üblich ist, war zu dieser Zeit überhaupt nicht gestattet. Dem Begriff
»Torp» begegnet man zwar auch schon um jene Zeit, unter ^der
Gründung von Torps verstand man aber damals eine besondere
Gründungsart von neuen Gütern, nicht aber Verpachtung einzelner
Gutsteile. Torps wurden hauptsächlich auf Allmenden, zum Teil
auch auf Ländereien einzelner Güter angelegt und wie selbständige
Güter besteuert, sobald sie eine gewisse Grösse und Güte erreicht
hatten. Später fand man in der Verpachtung von Teilgütern als Torps
oder noch kleineren Stücken ein Mittel, grösseren Gütern beständige
Landarbeiter zu sichern. Auch wurde sie als geeignetes Mittel zur
Sesshaftmachung der unbegüterten Bevölkerung betrachtet, ausser=
dem trug sie noch dazu bei, die Vermehrung der Volkszahl
zu fördern, ein Gesichtspunkt, dem damals besonders grosse Bc=
deutung beigelegt \x'urde. Wegen dieser Vorteile begann man von=
seilen der Staatsgewalt sowohl auf legislativem Wege wie auch anders
für die Vermehrung der Torps zu sorgen, und ihre Zahl ist denn
auch bislang gewachsen. Die Anzahl der eigentlichen Torps wird
geschätzt:
im J. 1767 (ausschliesslich des Läns Wiborg) auf 8,799
» » 1805 » » '► '> " 25,397
» » 1865 (einschliesslich » » •> » 63,008
» » 1882 »> » » » » 62,205
» » ,890 » » » » * 69,936
» » 1901 » » » * * 68,573
Die Zahl erreichte ihren Gipfel in den 1890er Jahren, seitdem
ist sie in langsamer Abnahme begriffen.
über die Verbreitung des ganzen Pachtsystems in Finnland
wurden die ersten vollständigen Daten durch die auf Vcranlas=
sung des Subkomitces der unbegüterten Bevölkerung 190t gcsam=
melte Statistik ermittelt. Danach verteilte sich der Landbesitz in
Finnland in dem erwähnten Jahre folgendermassen:
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Die verhältnismässig grösste Anzahl Pachtbetriebe waren in
den Länen Nyland, Äbo=Björncborg und Tavastehus zu finden,
in denen sie durchschnittlich 78 — 79 % der Gesamtzahl der Betriebe
ausmachte und in denen die Anbaufläche des von ihnen bean=
spruchten Bodens zusammen 29 — 35 % der Fläche des ganzen
Landes betrug. Im ganzen Lande zählte man insgesamt 110,629
Betriebe auf eigenem Grund und Boden; solche Pachtbetriebe ei=
nes Tcilgutes, zu denen über 0,05 ha bebauten Bodens gehörten,
gab es 152,755 und Pachtbetriebe von Gesamtgütern 7,772, wozu
noch die Pachtbetriebc von Teilgütern mit unter 0,05 ha Anbau =
fläche, schätzungsweise ca. 10,000, hinzukamen. Unter den Pacht=
betrieben von Teilgütcrn waren etwa 100,000 oder 65,9 % solche,
die von 0,05 bis 3 ha bebauten Boden besasscn; zu der Grössen»
klassc von 3 bis unter 10 ha gehörten 41,491 Betriebe oder 27,2 %
der Gesamtzahl der Betriebe mit 3 ha Anbaufläche oder darüber.
Von der Fläche des angebauten Bodens wurden im ganzen 2,193,240
ha oder 77,09 "0 vom Eigner verwaltet, und 651,951 ha oder 22,91 %
waren in Pacht gegeben. Von den Landbesitzern waren 60,79 %
solche, die keine Teile ihres Gutes in Pacht gegeben hatten. Ver=
gleichsweise sei erwähnt, dass die Anzahl der Pachtbetriebe in
Schweden und Dänemark etwa 15",, und in Deutschland ca. 24% der
Gesamtzahl der Betriebe ausmacht. Zieht man diese Zahlen und
dazu noch den Umstand in Betracht, dass wir auf dem Lande zu
den erwähnten Haushalten noch etwa 207,000 solcher Art haben,
die jeglichen Betriebs entbehren, so wird es einleuchten, eine wie
weittragende Bedeutung die zweckmässige Regelung der Pacht=
Verhältnisse bei uns hat.
Später ist im ). 1912 über die Torps, Pachtgütcr und Häusler=
grundstückc eine umfangreiche Statistik gesammelt worden. Ihr
zufolge gab es solche Pachtgüter 151,926, wovon 56,636 Torps und
Pachtgütcr und 95,290 Häuslergrundstücke. An selbständigen e=
trieben zählte man in dem besagten Jahre ca. 125,000. Von den
Torpkontrakten waren 30 % mündliche und 70 % schriftliche;
für die Häusicrgrundstücke waren die entsprechenden Zahlen 56 %
bezw. 44 %. Von den Torpkontrakten waren ca. 52 % der Gesamt=
zahl auf bestimmte Zeit, über 10 Jahre geschlossen, von den auf
Häuslergrundstücke bezüglichen etwa 42 % der Gesamtzahl. Die
nur auf unbestimmte Zeit abgeschlossenen Kontrakte über Torps
machten ca. 31 "ö, die über Häuslergrundstücke ca. 52 "o aus.
408
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Herrengut Kauttua.
Sarvilahti.
Familiensltz des Geschlechtes von Born.
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Bauerngut aus Tavastland.
Bauernhaus aus OsUKarelien.
Die jährlich für die Torps erlegten Pachtsiimmcn betrugen in
Geld 1912 etwa 9 Mill. Fmk. Diese Summe wurde geleistet, wie
folgt:
Zahl Geldwert %
In Geld 1,859,075 20,5
» Spanndienst 596,260 Tage .. 2,583,240 27,7
» Tagewerken 1,788,408 » .. 4,004,968 44,7
» Getreide 20,600 hl 224,883 2,5
» anderen Leistungen 409,658 4,6
Die Torps hatten 199,965 ha Ackerland und 104,474 ha Wiesen.
Die Bestimmungen des Gesetzes von 1734 über die Verpachtung
privatrechtlich besessenen Bodens machten den Inhalt des Pacht=
Vertrages ausschliesslich von einer Vereinbarung zwischen den
Kontrahenten abhängig. Nur soweit keine andere Übereinkunft ge=
troffen war, kamen die Bestimmungen des Gesetzes zur Geltung.
Nach diesen war die Vertragszeit nicht beschränkt, sondern Pacht=
vertrage konnten auf kürzere oder längere Zeit oder auch auf Lebens=
zeit geschlossen werden. Die Verträge konnten mündlich oder
schriftlich abgeschlossen werden. Dem Pächter kam die in der Bau=
Ordnung vorgeschriebene jährliche Ackerbestellungs= und Baupflicht
zu. Besass er das Gut 3 Jahre lang, ohne dieser Verpflichtung
nachgekommen zu sein, so konnte der Landbesitzer ihm kündigen,
so auch dann, wenn er seine Pacht nicht bezahlte oder die Fluren
oder Gebäude nicht in gutem Stande hielt, und ausserdem noch
in dem Falle, dass der Landbesitzer selbst in Wohnungsmangel
geriet und seines Grund und Bodens selbst bedurfte. Auch brach
Kauf alle Pacht mit Ausnahme der lebenslänglichen. Wenn die
eine Partei den Pachtvertrag auflösen wollte, hatte sie denselben zu
kündigen, und dem Pächter stand die gesztzmässige Kündigungs=
frist zu. Die Bestimmungen des Gesetzes von 1734 haben dann
später teilweise Veränderungen erfahren. So wurde 1800 als längste
Pachtzeit 50 Jahre bestimmt, wobei Pacht auf Lebenszeit auch
weiterhin in Kraft blieb. Dem Pächter kam das Recht zu, sein Pacht=
recht dem neuen Besitzer des Gutes gegenüber durch gerichtliche
Eintragung sicherzustellen.
Grössere Abänderungen fanden jedoch in der Pachtgesetz=
gebung erst statt durch das am 19. Juni 1902 erlassene Gesetz über
die Bodenpacht auf dem Lande, welches am 1. Januar 1904 in Kraft
trat. Dieses Gesetz ist auf der Grundlage der freiwilligen tJbcrcin=
kunft aufgebaut. Es enthält genauere Vorschriften als die früheren
Gesetze über Abschluss und Form der Pachtverträge und über die
daraus erwachsenden gegenseitigen Rechtsverhältnisse der Parteien.
Von den durch dieses Gesetz erzielten eigentlichen Verbesserungen
in der Lage des Pächters ist vor allem die zu erwähnen, dass frei=
williger Kauf auch nicht gerichtlich eingetragene Pacht bricht, falls
der Pächter das Pachtgebiet schon bezogen hat. Ferner wurde dem
Pächter nrch diesem Gesetz für von ihm im Pachtbetriebe ausge=
führte Verbesserungen Ersatz zugesprochen, soweit das Gut durch
dieselben an Wert zugenommen hatte ; doch sollte der Ersatz die
Ausgaben nicht übersteigen, die der Pächter auf die Verbesserungen
verwendet hatte. Der Ersatzanspruch war ausserdem noch an einige
andere Beschränkungen gebunden. Die Gründe, derentwegen der
Pächter gezwungen werden konnte, den Pachtbetrieb vor Ablauf der
Pachtzeit abzutreten, wurden bedeutend eingeschränkt.
Eine neue Verordnung über die Verpachtung von Torps, Pacht=
gütern und Häuslergrundstücken wurde am 12. Matz 1909 erlas=
scn und ist am 30. März desselben Jahres in Kraft getreten. Wie
der Titel der neuen Verordnung schon besagt, sollte dieselbe sich
nur euf die Verpachtung von Torps, Pechtgütern und Häusler=
grundstücken beziehen. Unter einem Torp wird laut der Verord=
nung ein bestimmtes Teilgut verstanden, welches zwecks landwirt=
schaftiichen Betriebes in Pecht gegeben und mit dazu geeigneten
Baulichkeiten versehen ist oder versehen werden soll. Als Pacht=
gut ist ncch der Verordnung ein solches in Pacht gegebenes, zur
landwirtschaftlichen Benutzung bestimmtes, mit Grundstücksteuer
belastetes Gut zu betrachten, welches hinsichtlich seiner Verwaltung
dem Hauptgute untergeordnet ist. Das Häuslergrundstück wiederum
ist ein Stück Gelände, welches einer zur landwirtschaftlichen oder in=
dustriellen Arbeiterbevölkerung gehörigen oder sonst wirtschaftlich
gleichgestellten Person oder Familie als Wohngrundstück verpachtet
wird. Die neue Verordnung basierte sich nicht mehr auf den Grund=
satz der freiwilligen Übereinkunft, sondern sie versuchte durch
Beschränkung dieser Freiheit, wo dies notwendig war, die lnter=
essen des schwächeren Teils, des Pächters, in den Pachtverhältnis=
scn zu schützen und die Entstehung solcher Pcchtvcrträge zu ver=
hindern, die vom sozialen Standpunkt betrachtet ungerecht und
schädlich waren. Von den durch die neue Verordnung erzielten
Reformen sind folgende zu erwähnen.
Die kürrcstc erlaubte Pachtzeit ist auf 50 Jahre, in Ausnahme=
fällen auf 25 Jahre festgesetzt. Dem Pächter ist volle Vergütung
für nötige Verbesserungen zugesichert, die von ihm während der
Pachtzeit auf dem verpachteten Grundstück vorgenommen worden
sind, insofern der Wert des Pachtobjektes dadurch gestiegen ist.
Anstatt einer gerichtlichen Eintragung der Pachtverträge wird in der
Verordnung ein besonderes Registrierungsverfahren vorgeschrie=
ben , wonach eine einmalige Einregistrierung des Pachtvertrages
ohne Erneuerung die ganze Pechtzeit in Kraft bleibt. Die Verordnung
sichert dem Pächter auch das Recht auf einen angemessenen Pacht=
zins zu, indem sie bestimmt, dass der vom Standpunkt des Päch=
ters aus angemessene Betrag dieses Zinses von einem besonderen
Schiedsmannsinstitut, der Pachtkommission, untersucht werden
soll. Der Pachtzins soll vollständig in barem Gcldc bestimmt
werden, wenn er auch je nach spezieller Vereinbarung sowohl in
der Form von Tagewerken, als auch in natura entrichtet werden
kann. Der erwähnten Pachtkommission, die die neue Verordnung
zwischen den Verpächter und den Pächter gestellt hat, ist die Auf=
gäbe zuteil geworden , ausser der Prüfung und Bestätigung der
Pachtverträge auch in allen aus den Pachtverträgen entstehenden
Zwistigkeitcn zwischen dem Verpächter und dem Pächter zu ver=
mittein, bevor diese im Häradsgericht zur Behandlung vorgenommen
werden, wie auch Besichtigungen auf den Pachtgrundstücken und
sonstige Geschäfte auszuführen.
Die Verordnung sollte sich nur auf Verträge beziehen, die nach
ihrem Inkrafttreten geschlossen waren. Doch sind durch eine
rückwirkende Verordnung gewisse Teile derselben auch auf ältere
Pachtverträge ausgedehnt worden, nämlich die Teile, die sich
auf die Übertragung und die Auflösung der Pachtverträge bezie=
hen, und mit gewissen Beschränkungen auch die Teile, die das
Recht des Pächters auf Ersatzanspruch für eventuell nach dem In=
krafttreten der Verordnung ausgeführte Verbesserungen betreffen.
Weiter sind die Parteien berechtigt, auch in älteren Pachtver=
hältnisscn von der Tagewerkspflicht zur Geldpachtzahlung übcr=
zugehen, woneben alle auf das Verfahren in diesen Fragen bezüg=
liehen Vorschriften der neuen Verordnung als rückwirkend ohne bc=
sondere Bestimmung auf ältere Pachtverträge anzuwenden sind.
Da die neue Verordnung die Rechte der Landbesitzer nicht nur
beim Stipulieren neuer Pachtverträge, sondern auch hinsichtlich
der alten sehr fühlbar begrenzte, wurden durch eine Sondervcr=
Ordnung alle beim Inkrafttreten der Verordnung kündbaren Pacht=
vertrage auf weitere 7 Jahre, also bis zum jähre 1916, verlängert.
Diejenigen Pachtverträge, deren Termin in den nächsten Jahren
nach dem Inkrafttreten des neuen Gesetzes ausging, wurden so
verlängert, dass sie in den Jahren 1916 — 1922 aufhören sollen. Die
Gültigkeit der Pachtverträge ist später durch das Gesetz vom
2j. September 1917 noch verlängert worden, sodass die Verträge,
deren Termin in den Jahren 1916 — 22 ausgehen sollte, erst 1921
— 26 aufhören werden.
Die auf diese Weise verordnete Verlängerung der Pachtverträge
hat den Zweck gehabt, zur Vorbereitung neuer, die Stellung der
Pächter sichernder Massnahmen Zeit zu gewinnen. Derartige Mass=
nahmen sind durch das Gesetz vom 15. Oktober 1918 betreffend die
Ablösung der Pachtgclände zustandegebracht worden. Die Annahme
dieses Gesetzes ist möglich geworden, nachdem das sozialistische
Element wegen seiner Mitschuld an dem Aufruhr aus dem Land»
tage ausgeschlossen war. Später ist dieses Gesetz am 10. Juli 1919
in einigen Punkten abgeändert und für den Pächter noch günstiger
gemacht worden.
Dieses Gesetz, welches sowohl Torps und Pachtgütcr wie Häuslers
grundstückc betrifft, geht darauf aus, den Übergang möglichst vieler
Pachtgüter in Eigentum der Pächter zu veranlassen. Deshalb bewilligt
das Gesetz beiden Parteien dieser Verträge das Recht, die öberlas=
sung eines Pachtgutes zu eigenem Besitz des Pächters zu fordern.
Eine Ausnahmestellung nehmen nur gewisse Pachtgütcr ein, deren
Eigentumsrecht schon vor dem Jahre 1914 auf eine dritte Person
übergegangen war, ebenso Pachtgüter, die nach vollzogener Erbtci=
lung den Hauptantcil eines der Erben ausmachten. Das Ab!ösungs=
recht der Häuslergrundstücke ist ausserdem in der Weise begrenzt,
dass der Pächter, der darum ersucht, wenigstens 5 Jahre im Besitze
des Pachtgutes gewesen sein muss und dass die Ablösung nur wäh=
rcnd der Pachtzeit des Pächters erfolgt, der das Gut beim Inkraft=
treten des neuen Gesetzes innehat. Ausserdem kommt das Ablösungs»
recht nur Pächtern zu, die der unbegüterten Bevölkerung angehören.
Zum abzulösenden Gebiete werden früher in Pacht gegebene
Fluren in einer Grösse von höchstens 10 ha (ausnahmsweise 20 ha)
bebauten oder anbaufähigen Bodens gerechnet. Waldland gehört
zu dem abzulösenden Gebiet so viel, dass es dem Hausbedarf
des Pächters entspricht, jedoch höchstens 10 ha oder ausnahmst
weise 20 ha. Eine Abtretung von Waldland kann nur unter der
Bedingung geschehen, dass für den Verpächter genügend Wald zum
Hausbedarf übrig bleibt. Das Pachtgut kann an einen anderen
Platz verlegt werden, wenn eine zweckmässigere Flurregelung
es erheischt.
Als Ablösungssumme gilt, wenn die Parteien nicht anders
übereinkommen, der Wert des Pachtgutes vor Beginn des Welt=
krieges 1914, von dem noch der Wert der vom Pächter vorgenom=
menen Verbesserungen abzuziehen ist. Der zu dem abzulösenden
Gut gehörende Wald, der in einer Höhe von 1,2 m einen Durch=
messer von 20 cm hat, ist nach seinem gangbaren Werte abzu=
lösen.
Die Ablösungssumme des Pachtgutes entrichtet der Staat dem
Verpächter in staatlich garantierten 5=prozentigcn Obligationen. Der
Torpinhaber hat die Ablösungssumme dem Staate in 6 %igen,
der Häusler in 8 %igen Jahresraten zurückzubezahlen, von denen
5 % als Zinsen berechnet und der Rest zur Amortisation des
Kapitals verwandt wird. Führt der Torpinhaber auf dem neuen Gute
Meliorationen aus oder hat er andere grössere Ausgaben, so darf
die Amortisation erst 10 Jahre nach der erfolgten Ablösung beginnen.
Wird das Pachtgut an einen anderen Platz verlegt, so bezahlt der
Staat die eine Hälfte der öbersiedlungskosten, die andere Hälfte
wird zu gleichen Teilen zwischen dem Verpächter und dem Pächter
geteilt. Dazu wird in Fällen, in denen die Übersiedlung beson=
derc Schwierigkeiten mit sich bringt, dem öbersiedler eine Prä=
mie von bis 500 Fmk von dem Staate gewährt. Der Staat hat
auf Grund seiner Forderung bei dem Pächter ein Pfandrecht an
dem abgelösten Pachtgut.
Die Behandlung der mit der Ablösung verknüpften Fragen wird
den Pachtkommissionen, dem Landmesser mit seinen Vertrauens=
männern und den Bodenteilungsgerichten anheimgestellt. Das neue
Gut ist den Gesetzbestimmungen unterworfen, die für die durch
Vermittlung des Staates gegründeten Kleinbetriebe überhaupt
gelten. Übertragung eines Gutes an einen! Dritten ist während der
ersten 20 Jahre von der Ablösung cn gerechnet nur mit obrigkeit=
lieber Erlaubnis gestattet. Das neue Gut wird bei der Ablösung
von allen das Hauptgut heltstcr.den Hypotheken befreit. Statt=
dessen erhält der Hypothekar ein entsprechendes Recht an der
Ablösungssumme.
Die Höhe der Ablösungssummen wird auf ca. 250 Mill. Fmk
veranschlagt. Ausserdem werden dein Staate noch durch die öber=
sicdlungskosten, Gehälter der Beamten u. a. zusammen etwa 25
Mill. Fmk Ausgaben verursacht. Durch die Ablösung entstehen
schätzungsweise etwa 40 bis 50 Tausend neue landwirtschaftliche
Betriebe und etwa 50 bis 60 Tausend neue Wohngüter.
Genossenschaftsbewegung.
Die moderne Genossenschaftsbewegung ist verhältnismässig
spät nach Finnland gelangt. Das älteste noch existierende Unter=
nehmen auf genossenschaftlicher Grundlage in Finnland, der
•)Helsingforser allgemeine Konsumverein», wurde erst 1889 gegrün=
dct. Zu derselben Zeit wurden Konsumvereine in Form von Ak=
tiengesellschaften oder Vereinen auch in einigen andern Städten,
ja sogar in ländlichen Gemeinden geschaffen, aber viele von diesen
sind eingegangen. Desgleichen wurden schon in den achtziger
und besonders in den neunziger Jahren des vergangenen Jdhr=
hundcrts Molkereigenossenschaften bald in Form von Vereinen,
bald in Form von Aktiengesellschaften gegründet. Auch theore=
tisch wurde die Genossenschaftsbewegung am Anfang der neun=
ziger Jahre in Fluss gebracht, denn damals wurden Schriften und
Vorträge sowohl über Konsumvereine und Molkereigenossenschaf=
ten als auch über Genossenschaftskassen veröffentlicht. Gleichzei =
tig wurden auf zwei Landtagen Petitionen eingebracht, die
das Zustandekommen eines Genossenschaftsgesetzes bezweckten,
aber sie nicht zu dem gewünschten Resultat führten. Diese in
verschiedenen Teilen des Landes zutage getretenen und vcrschie=
denen Volksschichten entsprungenen Unternehmungen standen
jedoch vereinzelt da und wussten nicht viel voneinander.
Systematisch und als bewusste soziale Reformbewegung begann
sich das Genossenschaftswesen bei uns erst seit der Zeit zu entfalten,
als Professor Hannes Gcbhardcsinden 1890er Jahren
unternahm, die Sache bei uns bekannt zu machen und zur Förde»
rung des Genossenschaftswesens auf seine Initiative 1899 eine bc=
sondere Organisation gegründet worden war, die P c 1 1 e r v 0=
Gesellschaft, die dann unter seiner Leitung zum grossen
Teil das Genossenschaftswesen in Finnland geschaffen und seine
Richtung bestimmt hat. Anfangs, als es kein Gcnosscnschaftsgcsctz
gab, musste man sich damit begnügen für das Prinzip Propo=
ganda zu machen, die Bevölkerung zu seinem Verständnis anzulei=
ten und Bauernvereine zu gründen. An dieser Arbeit nahmen eine
Menge Angehörige verschiedener Volksschichten und Altersklassen
teil, und desgleichen schlössen sich ihr mehrere Bauernvereine an.
Die Folge davon war, dass die Zahl der Bauernvereine in den Jah=
rcn 1899 — 1902 von 60 auf 347 stieg und dass ihre gemeinsamen Ein=
kaufe bald ein paar Millionen Fmk jährlich betrugen. Als Finn=
land dann ein Genossenschaftsgesetz erhielt, das am 10. Juli 1901
ausgefertigt wurde und an dem darauffolgenden 1. Sept. in Kraft
trat, begannen eigentliche Genossenschaften sehr rasch zu entstc=
hcn.'Ende 1913 waren alles in allem 2,167 Genossenschaften ins Han=
delsregister eingetragen; ihre Mitgliederzahl war i9i2ca. 186,000 und
ihr Umsatz ca. 122 Millionen Fmk.
Die unvergleichlich wichtigsten der finnischen Genossenschaften
sind die Konsumvereine, die MoJkcreigenossen=
Schäften und die Genossenschaftskassen. Ausser
diesen gibt es Dreschmaschinen» (218), MoortrockcnIegungs= (118),
Fernsprech= (44) und Landänkaufsgenossenschaften (44), von denen
13 Staatsanleihen zu einem Betrage von ca. 700,000 Fmk erhalten
und 6,100 ha Grundbesitz angekauft und für ihre Mitglieder
parzelliert haben, Baugenossenschaften (30), von denen die meisten
ihren Sitz in den Städten haben, Bäckerei=, HoteU, verschiedene
Werkgenossenschaften (35), Eierverkaufs=, Müllerei= und Säge=
mühlcngenossenschaften, Fischereigenossenschaften, Bezugsgenos=
senschaften für landwirtschaftliche Bedarfsartikel, Genossenschaften
für Milchabsatz usw. Von grosser Bedeutung sind die gemeinsamen
Ankäufe von Bedarfsartikeln für den Ackerbau gewesen, die ausser
von verschiedenen Genossenschaften auch von Bauernvereinen
gemacht worden sind und deren Geldwert sich 1912 auf ca.
10,700,000 Fmk belicf. Auch auf das Gebiet der Forstwirtschaft
ist der Genossenschaftsgedanke angewandt worden. Zu diesem
Zwecke hat man teils dem bestehenden Forstgesetz gemäss Forst=
Wirtschaftsvereine gegründet, deren Zweck es ist eine rationelle
Forstkultur zu befördern, den Waldabsatz durch gemeinsamen
Verkauf für die Mitglieder vorteilhafter zu gestalten, Auskünfte
über die Preise der Holzwaren zu beschaffen, den Mitgliedern
Betriebskredit zu vermitteln usw., teils sog. Forstkulturvereine
zwecks Haltung gemeinsamer Konsulenten für Waldarbciten, sowie
einige Forstgenossenschaften, zu deren Programm ausser den oben=
erwähnten Aufgaben auch die Veredlung der Waldprodukte und
der Absatz der veredelten Produkte gehören. Desgleichen haben
die Waldbesitzer angefangen immer häufiger gelegentliche ge=
meinsame Waldverkäufe zu veranstalten.
Zu ihrer Unterstützung haben sich die Ortsgenossenschaften 5
Zentralorgane geschaffen, un(^ zwar:
Die G r 0 ssc i n ka u f s gc n o sse n sc h a f t m. b. H.fin=
nischer Konsumvereine (Suomen Osuuskauppojen Kes=
kusosuuskunta) die 1904 gegründet wurde und 1905 ihren Betrieb
begann. Ende 1918 zählte sie 494 Konsumvereine als Mitglieder
rcsp. 170,000 Familien, ihr Umsatz betrug im erwähnten Jahre
etwa 108 Mill. Fmk. Der Wert der in eigener Produktion herge=
stellten Waren betrug ca. 4, 5 Mill. Fmk.
Die S. 0. K. veröffentlicht für die finnischen Konsumenten die
Zeitung »Yhteishyvä» (Gemeinwohl), die wöchentlich herauskommt
und deren Auflage 1919 über 80,000 beträgt; für die schwedischen
Mitglieder der Konsumvereine gibt sie »Samarbete>(Zusammenarbeit)
heraus, deren Auflage 16,000 ist, und für die Angestellten der Kon=
sumvercinc »Osuuskauppalehti» (Konsumvereinsblatt), dessen Auf=
läge 3,150 ist. Ausser der Grosseinkaufsgenossenschaft (S. 0. K.) ha=
ben die finnischen Konsumvereine drei eigene Versicherungsan=
stalten: Tulcnvara (Schutz gegen Feuer), die von der S.O. K.
mit den Konsumvereinen gegründet worden ist und die auch das
Eigentum der Mitglieder der Konsumvereine versichert, E I o n=
vara und Työväenturva, von denen jene die Pensions=,
Kranken» und Altersversicherungsanstalt für die Angestellten,
diese für die Arbeiter der S. 0. K. und der Konsumvereine ist.
Die umfassende Aufklärungstätigkeit der S. 0. K. wird von dem
Auskunftsbürcau bcsoigt, das u.a. die Sparkassentätigkeit
der Konsumvereine übeiwacht, Zeitschriften herausgibt und die
Buchhandlungstätigkeit der Konsumvereine organisiert.
Die Butterexportgenossenschaft Valiom.
b. H. (1905 gegründet). Mit dem Abschluss des Jahres 1916 gehör»
teh dazu als Mitglieder 269 Molkereigenossenschaften. Ihr Jahres»
Umsatz war 1916 32,750,000 Fmk. Von dem Butterexport des
Landes hat Valio in den Jahren, wo eine Ausfuhr überhaupt
möglich gewesen, etwa 85 — 88 "o besorgt.
416
Die Zcntralkrcditanstalt der Kreditgenos=
scnschaften A.=G. Das Geschäft wurde 1902 gegründet; seine
Mitgliederschaft bestand am Ende des Jahres 1917 aus 599 Kredit=
genossenschaftcn; die denselben gewährte Kreditsumme bclicf sich
im erwähnten |ahre auf 11,000,000 Fmk. Das Betriebskapital der
Zentralkreditgcnossenschaft bilden — ausser einem Aktienkapital
von 1 Mill. Fmk und anderen Fonds — hauptsächlich eine 3 %ige
Anleihe auf 4,500,000 Fmk, eine vom Landtag bewilligte zins=
lose Anleihe von 2 Mill. Fmk aus dem Jahresgewinn der Finnischen
Rcichsbank und eine 2 Mill. Fmk betragende Obligationsanleihe.
Die Zentralge nosscnschaft Hankkija m. b.
H. {1905 gegründet), deren Tätigkeit hauptsächlich in Engroshan=
del mit landwirtschaftlichen Bedarfsartikeln besteht. Ihre lVlit=
gliederzahl war 1917, 828 und ihr Absatz betrug ungefähr 29 Mill.
Fmk.
Für Handel mit landwirtschaftlichen Bedarfsartikeln ist auch
ein anderes Engrosgeschäft vorhanden, die schon 1897 gegründete
Zentralgenosscnschaft m. b. Fi. der finnischen
Landwirte »Labo r», die teilweise eine Zentralgcnossen=
Schaft ist.
Die Zentralgenosscnschaften, in Gemeinschaft mit Pellervo,
haben eine Menge Massregeln getroffen und Anstalten gegrün=
det, die auf die Hebung der Genossenschaftsbewegung hinzie=
len. So haben sie u. a. von 1909 an zur Erziehung von Leitern
und Angestellten für genossenschaftliche Geschäfte ein beson=
deres Genossenschaftsinstitut unterhalten und eine für die Funk=
tionäre der Genossenschaften bestimmte Zeitschrift »Finnische
Genossenschaftspressc» herausgegeben.
Die Genossenschaftsbewegung hat, wie in anderen Ländern,
auch in Finnland neben der wirtschaftlichen auch eine grosse mo=
ralische und kulturelle Bedeutung gehabt. Die Genossenschaften
haben ihre Kunden an Barzahlung gewöhnt, die Kreditgenos=
senschaften an pünktliche Erfüllung eingegangener Verpflichtun=
gen, die Molkereigenossenschaften an Redlichkeit und Sparsam»
keit. Das genossenschaftliche Zusammenarbeiten ist geeignet gewc=
sen, die Kleinbesitzer mit freundschaftlichen Banden aneinander=
zuschliesscn, sie an Besorgung gemeinsamer Sachen und an Selbst=
Verwaltung zu gewöhnen, ein Umstand, der in unseren demokra=
tischen, auf allgemeinem und gleichem Wahlrecht fussenden Vcr=
hältnissen von ausserordentlichem Gewicht ist.
417 27
Mässigkeits- und Enthaltsamkeits-
bewegung.
Der erste eigentliche Enthaltsamkcitsverein in Finnland wurde
1834 in Kajana (Kajaani) von Elias L ö n n r o t gegründet. Sei=
ncr vielen eiligen Arbeiten wegen fand L. jedoch keine Zeit, sich
seinem Vereine viel zu widmen, sodass derselbe sich nach cini»"
gen Jahren auflöste. Mehr brachte der bekannte Pietistenpfarrer
Henrik Rcnqvist zustande, der nach amerikanischem Muster
viele Enthaltsamkeitsgclübde sammelte und ausgezeichnete Ab=
stinenzschriftcn herausgab. Seine Tätigkeit ist umso bemerkcns=
werter, als er unseres Wissens früher als irgend jemand anders auf
dem europäischen Festland die absolute Enthaltsamkeit verfocht.
In den vierziger Jahren wurden in unserem Lande besonders durch
aufklärungsfreundliche Bauern Mässigkeitsvereine gegründet.
Die nordischen Länder wurden von altersher für die trunk=
süchtigsten der Welt angesehen und nicht ohne Grund. Durch
das Branntweinbrennen für den eignen Bedarf war die Trunksucht
hier sehr allgemein geworden. Darum hatte die Enthaltsamkcitsbe=
wegung hier ein wichtiges Arbeitsfeld. Es ist leicht zu verstehen,
dass die Trunksucht nicht erfolgreich bekämpft werden konnte, so=
lange das Brennen für den Hausbedarf nicht aufgehoben war, und
deshalb richteten sich die nächsten Bestrebungen der Enthalt»
samkeitsfreunde auf dessen Beseitigung. Zuerst (1848) wurde es
in Norwegen aufgehoben, dann (1855) in Schweden und zuletzt
( 1866) in Finnland.
Der begeisterte Kampf gegen den Alkohol, der um die Mitte
des 19. Jahrhunderts in Schweden geführt wurde, gab der Sache
auch in Finnland einen neuen Anstoss. Im J. 1853 wurde auf Pro=
fessor Baranowskys Initiative nach dem Vorbilde des alten Mutter=
landes eine Geldeinsammlung für die Herausgabe von Enthalt»
samkeitsschriften in Gang gesetzt. Um die Gcldeinsammlung zu
leiten und Schriften herauszugeben, wurde ein Komitee gewählt,
zu dem ausser Baranowsky der damalige Rektor J. W. Snellman, die
Professoren M. Akiandcr und Gabriel Rein und Magister A. Schau =
man gehörten. Im J. 1859 wurde das Komitee auf den Vorschlag
von J. W. Snellman zu einem Verein der »Mässigkeitsfreunde»
umgestaltet, der zu einer das ganze Land umfassenden Enthalt»
418
samkeitsorganisation entwickelt werden sollte. Da aber gleich nach
der Gründung dieser Gesellschaft Massrcgeln ergriffen wurden, die
zur Beseitigung des Brennens für den Hausbedarf führten, ging es
bei uns wie in Schweden und Norwegen: man glaubte, die Trunk=
sucht würde von selbst verschwinden und die Enthaltsamkeits=
arbeit nicht mehr nötig sein. Diese verlief denn auch in diesen Län=
dern beinahe gänzlich im Sande, bis sich ihre Notwendigkeit bald
von neuem fühlbar machte.
Es ist zu beachten, dass die jetzt neu auflebende Enthaltsam=
keitsbcwegung sich in den nordischen Ländern gleich auf den Stand=
punkt der Totalabstincnz stellte. In Norwegen wurde der erste
Abstinenzverein 1859, in Schweden 1873 und in Dänemark 1879
gegründet. In Finnland wurde der erste, für völlige Abstinenz
eintretende Verein 1877 von Fräulein Hilda Hellman in Wasa
geschaffen. Gleich danach entstanden Enthaltsamkeitsvereine in
Jakobstadt (Pictarsaari), Purmo und an anderen Orten in Oster=
botten. In Helsingfors wurde der Verein der »Mässigkeitsfreundc»
zu neuer Tätigkeit erweckt. Nachdem er sich auf den Standpunkt
der Totalabstinenz gestellt hatte, nahm er den Namen »E n t h a 1 t=
sam ke i tsf re u n d e» (»Raittiuden Ystävät») an. Als seine ersten
Zwcigvcrcinc wurden im Herbst 1883 die Enthaltsamkeitsvereinc
»Koitto»und »Eos» in Helsingfors gegründet. Seitdem sind Zweig=
vereine überall im Lar de entstanden. Ihre Mitgliederzahl beläuft sich
heute auf etwa 20,000. Unter der studierenden Jugend haben der Ab=
stinenzverein der Studenten und später der Abstinenzbund der
Schuljugend (1906 gegr.) eine wirksame Tätigkeit entfallet.
Bis 1905 zählte der Verein der »Enthaltsamkeitsfreunde» sowohl
finnisch= als schwcdischsprechende Mitglieder. In dem erwähnten
Jahre gründetetcn die Schwedischsprcchendcn jedoch eine eigene
Organisation, Finlands Svenska Nyktcrhetsförbund.
Ausser diesen Vereinen sind noch tätig: der Sozialdemokrat
tische Abstinenzbund, der Abstinenzverein der finnischen SchuU
lehrer, der der Eisenbahner u. a.
Die Anzahl der organisierten Abstinenzler im ganzen Lande
dürfte heute etwa 50,000 betragen.
Als Leiter der »Enthaltsamkeitsfreundc» sind zu erwähnen: Dr.
A. A. Granfeit (t 1919), Dr. Matti H ele ni u s=S e p pä I ä
(bekannt auch unter den Vertretern der Abstinenzbewegung im
Auslande durch seine wissenschaftlichen Beiträge zur Abstinenz=
frage), und Minister Mikacl Soininen (eifriger Förderer der Ab=
stinenzgcsetzgcbung).
In Finnland haben es di; Anhänger der Abstinenz immer für
sehr wichtig gehalten, dass die Gesetzgebung die Erfolge der ziel=
bewusstcn antial koholitischen Arbeit schützt. Seit 1885 haben
auch die Abstinenzler dem Landtage verschiedentlich Petitionen
überreicht, die auf das Verbot der Herstellung und des Verkaufs
alkoholhaltiger Getränke ausser für medizinische oder technische
Zwecke ausgingen. Dieses Ziel wurde erst 1917 erreicht, indem
das vom Landtag schon früher angenommene Prohibitivgesetz in
diesem Jahre bestätigt wurde und am 1. Jini 1919 in Kraft trat.
Die antialkoholistische Arbeit im Verein mit der Abstinenz»
gesctzgebung hat zur Folge gehabt, dass die Anwendung alko=
holhaltiger Getränke beträchtlich abgenommen hat. Um die Mitte
des letzten Jahrhunderts wurde der jährliche Alkoholverbrauch
im Lande auf etwa 5 — 7 1 für die Person geschätzt. Zu Beginn
unseres Jahrhunderts betrug derselbe schätzungsweise ca. 2 1 und
1916 nur V3 1-
Arbeiterbewegung.
Die Arbeiterbewegung nahm in Finnland in den achtziger Jah=
re.i des 19. Jahrhunderts ihren Anfang. Damals wurden eine An=
zahl Arbeitervereine gegründet, deren Leitung sich zunächst ganz
und gar in den Händen bürgerlicher Elemente befand, im Laufe
des folgenden Jahrzehnts begannen die sozialistischen Ideen unter
der Arbeiterschaft der Städte Fuss zu fassen. Im Jahre 1899 wurde
auf der Delegiertenversammlung der Arbeitervereine in Äbo die
«finnische Arbeiterpartei» gegründet, die auf der Versammlung in
Forssa 1903 den Namen »Sozialdemokratische Partei Finnlands»
erhielt. Das in Forssa angenommene und im J. 1911 auf der Ver=
Sammlung in Helsingfors zum Teil veränderte Programm schliesst
sich an das Erfurter Programm an. Es wird darin gefordert eine Er=
Weiterung des Einflusses des Proletariats auf allen Gebieten des
öffentlichen Lebens, eine Reform des kommunalen Stimmrechts,
Schulzwang, Weiterentwicklung der Arbeiterschutzgesetzgebung,
allgemeines Alkoholverbot, eine Steuerreform u. a. Das landwirt=
schaftliche Programm verlangt u. a., dass den Kötnern und Häus=
lern durch eine allgemeine Dienstablösung aus ihrer unterdrück»
ten Lage aufgeholfen, die Lage der ländlichen Arbeiter durch Gc=
setzgebung geschützt und verbessert und überhaupt die ganze
Landwirtschaft als Gewerbe gefördert werde. Auf dem Uleä=
borger Kongress 1906 wurde ein komplettierendes Wahlprogramm
angenommen, das die in der nächsten Zukunft ins Werk zu set=
zciiden Reformen näher bestimmte. Die Partei trat anfangs be=
sonders für die Erweiterung des politischen Stimmrechts ein. Im J.
1906 wurde denn auch im Zusammenhang mit der Reform der
Volksvertretung ein allgemeines, gleiches und direktes Stimmrecht
genehmigt. Bei den Wahlen des Jahres 1907 erhielt die sozialdc=
mokratische Partei 312,214 Stimmen und 80 Vertreter, bei denen
von 1913 329,946 Stimmen und 90 Vertreter. — Die der Partei an=
gehörenden Organisationen können Vereinigungen jedes bcliebi=
gen Namens sein. Finden sich in ein und derselben Gemeinde der
Partei angehörende Vereinigungen (»Parteisektionen»), so wählen
sie einen Kommunalvorstand, der für die Parteiangelegenheiten
in der Gemeinde Sorge zu tragen hat. Die Wahlkreisversammlung,
zu der die kommunalen Organisationen der Gemeinden oder, wo
es keine solchen gibt, die Parteisektionen Delegierte senden, wählen
einen Kreisvorstand. Die höchste Gewalt in den Angelegenheiten
der Partei hat der Parteikongress, wozu die Mitglieder nach Wahl=
kreisen und zwar eines für je 500 Mitglieder gewählt werden. Der
Parteikongress setzt einen Parteivorstand ein (2 Vorsitzende, einen
Schriftführer, 4 ordentliche und 5 stellvertretende Mitglieder),
welcher die geschäftsführende Leitung der Partei darstellt, über
ihm steht der Parteirat, zu dem ausser den Mitgliedern des
Parteivorstandes von den Kreiskongressen gewählte und von dem
Parteikongress bestätigte Mitglieder, eines aus jedem Wahlkreise,
und 4 von den verschiedensprachigen Wahlverbänden gewählte
Vertreter gehören. In gewissen Fällen können die die Partei betref=
fendcn Angelegenheiten durch allgemeine Parteiabstimmung er=
ledigt werden. Im J. 1908 gehörten der Partei an: 1,127 Organi=
sationen, 71,266 Mitglieder, im J. 1914 1,554 Vereine, 51,520 Mit=
glieder. Die Parteileitung hatte ihren Sitz anfangs in Äbo, seit
1906 in Helsingfors. Das Hauptorgan der Partei war vor dem Be=
freiungskrieg von 1918 das in Helsingfors erscheinende Blatt »Työ=
mies» (= der Arbeiter).
Nach dem Ausbruch der Revolution in Russland im März 1917
erhielt die sozialdemokratische Partei, die bei den Wahlen von 1916
im Landtag die Majorität errungen hatte (103 Mandate), eine
grosse Anzahl Sitze in der Regierung des Landes. Doch traten
die sozialistischen Mitglieder der Regierung schon nach einigen
Monaten zurück, weil sie gegen den Befehl der provisorischen
Regierung Russlands, betreffend die Anordnung neuer Landtags=
wählen, auftraten; bei diesen Wahlen gerieten die Sozialisten in
die Minderheit. Die sozialistischen Senatoren hatten ausserdem
durchgängig nur geringe Unterstützung seitens ihrer eigenen Partei
erhalten, in der der jeglichem Zusammenarbeiten mit den Bürger=
liehen widerstrebende, son dem russischen Militär in Finnland
verbreitete Bolschewismus immer mehr Boden gewann. Als die
Bolschewiken Ende Oktober (1917) die Macht in Russland an sich
gerissen hatten, wurde in Finnland im November ein GcncraU
streik, die Generalprobe zu der geplanten sozialen Revolution in
Szene gesetzt. Dieser unter d;m Schutz des zuchtlosen russi=
sehen Militärs und mit den von ihm erhaltenen Waffen ausge=
führte Versuch, die aller Machtmittel entblösstc Bourgeoisie zu
terrorisieren, gelang natürlicherweise glänzend. Ende |anuar 1918
brach dann die »soziale Revolution», d. h. der rote Aufstand
aus, der, trotzdem die Bolschewiken Finnlands über den Beistand
des russischen Militärs und über die ungeheueren Wöffcn= und
Munitionsvorräte des letzteren verfügten, durch die einmütigen
Anstrengungen der Bürgerlichen und namentlich der bauerlichen
Bevölkerung und mit Hilfe Deutschlands bereits im Mai 1918
endgiltig unterdrückt wurde. Die sozialdemokratische Partei fiel
nun einer vollständigen Auflösung anheim, konnte aber schon
bei den Wahlen 1919 so wohlorganisicrt auftreten, dass sie 80
Vertreter in den Reichstag brachte. Von diesen sind die meisten
sog. Rechtssozialisten, denen ein parlamentarisches Verfahren für
die einzig richtige Taktik gilt. Das Auftreten der Rcchtssozialisten
Finnlands ist jedoch durchgehends ein schwächliches und un=
sicheres gewesen, und sie haben nicht den Mut gehabt sich klar
von den bolchewistischen Kommunisten loszusagen, deren es immer
noch eine grosse Menge gibt und die mit ihrer rücksichtslosen
Aktion eine starke Untersirömung' in der sozialdemokratischen
Partei Finnlands darstellen.
Neben der politischen Arbeiterbewegung ist in Finnland auch
eine Gewerkschaftsbewegung aufgetreten, die in den achtziger
Jahren des 19. )ahrhundcrts entstand. Die ersten Gewerkschaften
waren die im J. 1888 in Hclsingfors gegründeten Vereine der Schuh=
macher, Maler, Tischler, Schneider und der Sattler und Tapezierer.
Die Bewegung cntwicUcltc sich langsam in den neunziger Jahren, wo
die ersten Gewerkschaftsverbände entstanden. Der erste war der
1897 ins Leben gerufene Gewerkschaftsverband der Typographen.
Einen grösseren Aufschwung nahm die gewerkschaftliche Organi=
sation der Arbeiter erst nach dem grossen Streik von 1905. Meh=
rerc der heutigen Gewerkschaftsverbände sind erst 1906 und 1907
entstanden. Im J. 1907 wurde ein Zentral verband, die F i n n i=
sehe Gewerkschaftsorganisation, gegründet.
Die politischen Parteien.
Die alte Parteiteilung, aus der Mitte des 19. Jahrhunderts,
gründete sich darauf, dass die gebildeten, wenn auch der echt
finnischen Rasse angchörigen Klassen des Volkes hauptsächlich
Schwedisch sprachen und dass sich demnach die oberen Klassei des
Landes durch ihre Sprache von der Majorität des Volkes untcr=
schieden. Das nationale Erwachen, das für die finnische Bevölkc=
rung einen sozialen und kulturellen Aufschwung bedeutet, rief
lenc finnische oder finnisch=gesinnte Partei hervor (vgl. den Artikel
Finnisch=nationalc Bewegung). Ihr gegenüber stand die
schwedische oder richtiger schwedischgesinnte Partei, die bis zu den
ictzten Dezennien die Partei der schwedischen ober>;n Klassen gebildet
hat. Die Wahrung der Interessen des schwedischen Volkes ist im
Programm der Partei unter dem Einfluss der demokratischen Strö=
mungen der neuesten Zeit verhältnismässig spät berücksichtigt
worden.
Im politischen Leben Finnlands betätigen sich heute folgende
Parteien:
Die sozialdemokratische Partei, die grösstc
Partei des Landes, die bei den Re'chstagswahlcn zu Beginn des
Jahres 1919 80 Mandate erhielt (die Bürgerlichen und der christ=
liehe Arbeiterbund [2 Vertr.] erhielten zusammen 120 Vertreter).
ober die Entstehung der sozialdemokratischen Partei s. den Artikel
Arbeiterbewegung.
•>lVl a a I a i s 1 i i 1 1 o'> (Partei der Kleinbauern), eine ver=
hältnismässig junge Partei, die erst bei den Wahlen von 1919 einen
grösseren Erfolg gewann. Diese Partei besteht aus der Landbe=
vöikerung, hauptsächlich aus ackerbautreibenden Bauern utid
besonders aus Kleinbauern. Sie ist diejenige unter den bürgerlichen
Parteien, die in gewissen Fragen den Sozialisten am nächsten steht.
Die nationale Sammlungspartei entstand im
Herbste 1918 dadurch, dass der grösste Teil der früheren finnischen
und etwa die Hälfte der früheren jungfinnischen Partei zu einer
Partei zusammentraten, deren Programm, ausser der nationalen
Sammlung, auf sehr weitgehende soziale Reformen auf bürgerlicher
Grundlage abzielt.
Die nationale Fortschrittspartei entstand eben=
falls im Herbst 1918, indem annähernd die Hälfte der früheren
jungfinnischen Partei und ein kleiner Bruchteil der früheren fin=
nischen Partei mitenandcr verschmolzen. Im Programm der Partei
sind ziemlich radikale soziale und politische Reformfragen in den
Vordergrund getreten. Auf dem Reichstage von 1919 hat diese
Partei Hand in Hand mit der Kleinbauernpartei ein bürgerliches
Zentrum zu bilden versucht.
Die schwedische Volkspartsi vertritt eine Samm=
hing der schwedischen Bevölkerung des Landes. Ihr Programm
besteht vor allem in der Wahrung der Interessen der schwedischen
Bevölkerung und der schwedischen Kulturform im Lande.
Der christliche Arbeiterbund hat auf dem Reichs»
tage von 1919 nur 2 Vertreter.
V. Geistige Kultur.
Unterrichtswesen.
Volksunterricht.
Anfangsunterricht. In Finnland wie in anderen protes=
tantischen Ländern hat die Kirche lange allein für den Anfangsunter=
rieht der Kinder des Volkes gesorgt. Um die Mitte des i 5. Jahrhun=
derts wurden auf Veranlassung des finnischen Reformators Agricola
die ersten Bücher in finnischer Sprache gedruckt, und auf dieselbe Zeit
kann auch der Unterricht in der Kunst des Lesens zurückgeführt
werden. Diese Arbeit ging Hand in Hand mit der Reformation,
und es wurde die Sache der Kirche, diese für die Entwicklung der
menschlichen Kultur so notwendige Fertigkeit dem Volke beizu=
bringen. Lange Zeit verging jedoch, ehe andere Bücher als rcli=
giösc in finnischer Sprache erschienen, und der Leseunterricht
bezweckte eigentlich auch nur es jedem zu ermöglichen, sich mit
dem Katechismus, dem Gesangbuch und der Bibel vertraut zu
machen. Bei der ersten Unterweisung im Lesen und der christlichen
Lehre hatten die Geistlichen keine anderen Gehilfen als den Küster
der Gemeinde, dessen Hauptaufgabe in älteren Zeiten gerade darin
bestand »Kinderunterricht zu erteilen.» Die Kirche appellierte aber
auch an die Familie. Fortwährend wurde den Eltern eingeprägt,
dass sie, wenn sie selbst lesen konnten, ihre Kinder und Zöglinge
lesen lehren sollten, Versäumnis und Nachlässigkeit in dieser Hin=
sieht wurde sogar mit Geldstrafen geahndet.
Es verging aber viel Zeit, ehe sich die bäuerliche Bevölkerung
die in Rede stehende elementare Fähigkeit angeeignet hatte. Man
dürfte jedoch annehmen können, dass die Kunst des Lesens gegen
Ende des 17. Jahrhunderts, als einige Dezennien früher auf
Veranlassung des Bischofs Gezclius des Älteren in einzelnen Ge=
mcindcn beständige Kindcrschulen gegründet wurden, ziemlich
allgemein war. Deshalb konnte in dem Kirchengesetz von 1686
unter anderem bestimmt werden, dass niemand zur Beichte und
zum heiligen Abendmahl zugelassen werden sollte, der nicht über
die Hauptkapitel der christlichen Lehre Aufklärung geben konnte,
und dass niemand, der nicht den Lutherschen kleinen Katechismus
auswendig konnte und nicht am heiligen Abendmahl teilgenommen
hatte, sich verloben durfte.
Der erwähnte Bischof Gezclius veranlasste ferner die Gründung
von Dorfschulen, weil sich die im Kirchdorf tätige Schule wegen
der enormen Ausdehnung der Gemeinden als unzureichend erwies.
Die Dorfschulen waren ambulatorische Schulen: der=
selbe Lehrer hielt im Laufe des Jahres in verschiedenen Bezirken
Schule ab, indem er in jedem eine bestimmte Anzahl von Wochen
blieb. Daher die einheimische Bezeichnung »Wandcrschule». Diese
Schulgattung hat sich jedoch erst in der Mitte des 18. Jahrhunderts
im Lande eingebürgert und in verschiedenen Teilen des Landes
verbreitet. Lesen, die Anfänge der christlichen Lehre und Kirchen=
liedergesang stellten die eigentlichen Lehrfächer dieser Schule
dar. Später kamen dazu noch zuweilen Schreiben und noch selte=
ner Rechnen. Die Schule wurde als eine Art Vorbereitungsschule
für den Konfirmandenunterricht aufgefasst und erfüllte die Auf=
gäbe in der Unterweisung der Kinder, die eigentlich den Eltern
obgelegen hätte.
Nachdem wieder ein Jahrhundert verflossen war, wurde der
Volksunterricht einer gründlichen Umgestaltung unterzogen. Im
J. 1866 wurde eine Verordnung betreffend die Gründung von Vo I ks=
schulen im Lande erlassen. Der Anfangsunterricht wurde aber
in dieser Verordnung nicht genauer geregelt. Laut der Verordnung
sollte der erste Unterricht der Kinder zu den Verpflichtungen des
Heimes gerechnet werden. Man hoffte, dass die Mütter, wenn ih=
nen selbst Volksschulbildung zuteil geworden war, ihren Kindern
die Elemente des Wissens genügend beibringen könnten. Weil
aber das Heim die ihm anvertraute Aufgabe nur sehr mangelhaft
zu erfüllen vermochte, zeigten sich die Wanderschulen auf dem Lande
auch forthin noch als erforderlich, ja sie musstcn manchenorts, wo
roch keine Volksschulen eingerichtet werden konnten, den allge=
426
meinen VX/issensbcdarf der Kinder des Volkes befriedigen. Bcson=
dcrs der letztgenannte Umstand machte Veränderungen im Programm
der Wanderschulen notwendig. Zum Lesen und zum Religionsun=
tcrricht gesellten sich nun als regelmässige Fächer auch Schreiben
und Rechnen, ja auch etwas Erdkunde und Sprachlehre. An vielen
Orten wurden sogar Anschauungsunterricht und Turnen in das
Programm aufgenommen. Aus der Wanderschule kam das Kind mit
o Jahren in die obere Volksschule, in der die Anfänger zu Beginn
jedes Schuljahres etwa 6 Wochen lang besonders unterrichtet wurden.
Neben den Wandcrschulen begann man auch in demselben
Schulbezirkc das ganze Jahr hindurch tätige ständige Kindcrschu=
len, sog. Kleinkinderschulen, zu gründen.
1877 zählte man in Finnland zusammen etwa 900 Kleinkinder=
und Wandcrschulen, in denen etwa 128,000 Kindern Unterricht cr=
teilt wurde. Heute beläuft sich die Zahl dieser Schulen auf über
1,600 mit ca. 200,000 Schülern. Die Lehrer dieser Schulen genies=
sen ihre Vorbildung in besonderen Proseminarien, die Privatan=
stalten sind, aber jährliche Zuschüsse aus Staatsmitteln erhalten.
Ihrer gibt es im Lande insgesamt 7. Die Schülerzahl betrug in
dem Schuljahre 1914 — 15 250; der grösste Teil (232) waren Frauen.
Der Lehrgang ist einjährig. Vor kurzem sind jedoch zwei staatliche
Proseminarien mit zweijährigem Lehrgang gegründet worden.
In den Stadtgemeinden steht der Anfangsunterricht in orga=
nischer Verbindung mit dem Volksschulunterricht. Als Elementar=
schule der höheren Volksschule dient eine zweijährige niedere
Volksschule, die die Kinder von ihrem siebenten Lebens=
jähr an besuchen und deren Lehrkräfte aus Lehrerinnen bestehen,
die das Volksschullehrerseminar oder eine höhere Fortbildungs=
lehranstalt absolviert haben.
In den letzten Jahren steht der Anfangsunterricht in den Land=
gemeinden Finnlands im Zeichen der Umgestaltung, und zwar
geht die Tendenz dahin auch auf dem Lande an die Stelle der
kirchlichen Kinderschule eine mit Staatsmitteln unterstützte niedere
Gemeindeschule zu setzen, die mit der höheren Volksschule in
organischer Verbindung stehen würde. Weiter fortgeschrittene
Landgemeinden haben die Sache in der Tat schon auf dieser Grund=
läge zu ordnen begonnen.
Volksschule. Erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts wurde in
Finnland der Gedanke ausgesprochen, dass der Volksunterricht auch
anderes enthalten sollte als Lesen, die Anfänge der christlichen Lehre
und Kirchenliedergesang. Und erst im Anfang des darauffolgenden
Jahrhunderts begann man allgemeiner die Frage zu diskutieren, wie
der V'olksunterricht auf eine den Bildungsbedürfnissen der Zeit
entsprechende Höhe gebracht werden könnte. Während der Diskus=
sion drangen die weittragenden Ideen Pestalozzis auch nach dem
entlegenen Finnland. Auch das BelULancasterschc System des
wechselseitigen Unterrichts begann hier bekannt zu werden, und es
befestigte sich immer mehr die Auffassung, dass die unteren Schich =
ten des Volkes wirklich in der Schule unterrichtet werden könn=
ten und müssten. Immer allgemeiner begannen die aufgeklärten
Kreise des Landes der Gründung wirklicher Volksschulen entge=
genzusehen.
Die Ursprungswortc der finnischen Volksschule wurden in der
berühmten Senatssitzung am 24. Nlärz 1856 ausgesprochen. Da=
mals beauftragte Kaiser Alexander IL den Senat einen Antrag
darüber vorzubereiten, »wie den Landgemeinden die Gründung
von Schulen für den Volksunterricht erleichtert werden könnte.»
Bei der Ausarbeitung grundlegender Pläne legte Pastor Uno
Cygnacus, der sowohl theoretisch wie praktisch in Schulan=
gelegenheiten bewandert war und dem besonders nach seinem Auf=
enthalt im Auslande die Mängel unseres Volksunterrichts aufge=
gangen waren, in einem ausführlichen Gutachten, betitelt »Etliche
Gedanken über die geplante Volksschule in Finnland», eine moderne,
von den Auslassungen der Domkapitel des Landes abweichende
Auffassung von der Aufgabe und Organisation der Volksschule vor.
Während in den Gutachten der Domkapitel die Volksschule als
eine Art Vorbereitungsanstalt für den Konfirmandenunterricht
in Schutz genommen wurde, in denen die Küster der Gemeinden die
Lehrtätigkeit ausüben sollten, stellte sich Cygnacus unter der neuen
Schule eine Lehranstalt vor, die »allgemeine staatsbürgerliche Bildung
mitteilen und die Fähigkeiten weiter entwickeln sollte, die unser
Gott in einen jeden Menschen gelegt hat.» Der Entwurf Cygnaeus'
wurde vom Senat angenommen, und hauptsächlich danach wurde der
Antrag auf Einführung des Volksschulwesens im Lande abgcfasst, der
1858 vom Monarchen bestätigt wurde. Cygnacus wurde ins Ausland
geschickt, um dort die Volksschulvcrhältnisse zu studieren. Nach
der Rückkehr von seiner Reise, auf der er unter anderem die Volks=
schule in Deutschland, Osterreich und der Schweiz kennen gelernt
428
4
I
hatte, erhielt er den Auftrag, einen Entwurf zur Einrichtung eines
Lehrerseminars und des Volksschulwesens auszuarbeiten. Seine
Vorschläge wurden noch einem Ausschuss zur Prüfung übergeben,
und erst 1866 wurde die Verordnung über das Volksschulwesen
endgültig bestätigt, die in ihren Hauptpunkten noch heute gilt.
Schon früher, im Herbste 186-5, wurde in Jyväskylä Finnlands
erstes Volksschullehrerseminar sowohl für Lehrer wie für Lehrerin=
ncn eröffnet. Zu dessen erstem Direktor wurde Cygnaeus ernannt,
der zugleich als Oberinspektor der Volksschulen tätig war.
In seiner Schrift »Etliche Gedanken» hatte Cygnaeus als Grund=
läge des Volksschulwesens folgende Prinzipien aufgestellt: 1) die
Volksschule sollte die allgemeine Bildung, nicht nur religiöse oder
kirchliche Bildung fördern; 2) ihre Leitung sollte von der der Kirche
getrennt und einer besonderen Generalverwaltung anvertraut wer=
den; 3) man sollte vor allem für die Vorbereitung tüchtiger Lehrer
sorgen, zu welchem Zweck ein Seminar mit mehrjährigem Lehr=
kursus zu gründen war; 4) im Seminar wie auch in der Volksschule
sollte der körperlichen Erziehung ein wichtiger Platz vorbehalten wer=
den, gleichfalls solchen praktischen Fächern wie Handarbeiten,
Gartenkunde und Gesundheitslehre; 5) die Erziehung der Mäd=
sehen sollte der der Knaben gleichgestellt werden. — Diese Grund =
Sätze wurden dann zum grössten Teil in der finnischen Volksschule
verwirklicht und bildeten lange deren wichtigste und bezeichnendste
Züge. Besonders ist die Aufnahme des Handarbeitsunterrichts
in das Volksschulprogramm als ein Verdienst Cygnaeus' zu betrach=
ten, zumal er der erste war, der diese Idee ins Werk setzte.
Von charakteristischen allgemeinen Zügen mögen noch die cr=
wähnt werden, dass die Volksschule ihrer Organisation nach in der
Hauptsache im ganzen Lande gleichmässig ist, dass die höhere
Volksschule überall im Lande eine ordentliche Schule ist und dass
die Volksschulen kommunale Anstalten sind, indem die nächste
Fürsorge und Aufsicht der Schule einem von der Gemeinde ge=
wählten Vorstand obliegen und die Schulen hauptsächlich aus Gc=
meindemitteln unterhalten werden, obgleich sie reichliche Bei=
hilfe seitens des Staates erhalten.
Der Lehrkursus der Volksschule ist auf dem Lande vierjäh =
rig. Die Schule besteht aus zwei Klassen, die je zwei Jahrgänge
haben. Die höchste Schülerzahl einer Schule mit einem Lehrer be=
trägt 50; übersteigt die Zahl diesen Betrag, so ist ein zweiter Lehrer
anzustellen. Der Aufzunehmende muss mindestens 9 Jahre alt
sein. Die meisten ländhchen Volksschulen sind Schulen auf ko=
cdukativcr Grundlage, und auch in einigen Städten sind gemischte
Klassen recht üblich.
In den Städten dauert der Volksschulunterricht 6 )ahre. Als
Vorstufe der vierjährigen höheren Volksschule dient eine zweijährige
niedere Volksschule, die sich organisch an die höhere anschliesst und
deren Lehrgang die Aufnahmebedingung für die höhere Volks=
schule darstellt. Die Besucher der niederen Volksschule müssen
bei ihrer Aufnahme das 7. Jahr vollendet haben.
Neben der Muttersprache und Religion haben Geschichte,
Erdkunde, Rechnen, und Naturkunde in der finnischen Volks=
schule von jeher eine selbständige und sehr beachtenswerte SteU
lung eingenommen. Der Religionsunterricht, dessen Stundenzahl
allmählich von 8 auf 4 gesunken ist, ist in den Volksschulen
wie auch in den höheren Schulen konfessioneller Art, d. h. mit
der Lehre der evangeli5ch=lutherischcn Kirche übereinstimmend.
Das Schuljahr der Volksschule ist verhältnismässig kurz, etwa
30 Wochen für die drei oberen Jahrgänge. Zum Ersatz dafür hat
man aber volle Stundenzahl (im allgemeinen 5 Stunden täglich)
die ganze Schulzeit hindurch und alltäglichen Schulgang auch in
den Dorfschulen, in welcher Beziehung die Volksschulen anderer
Länder Mängel aufweisen. Der absolvierte, vollständige Lchr=
kursus der Volksschule bringt gewisse Vorrechte mit sich, wie z.
B. eine kürzere Dienstzeit beim Militär, er bildet auch eine Auf=
nahmebedingung für die Seminare und viele Fachschulen sowie
für manche Berufszweige.
Ursprünglich hat die Volksschulvcrordnung keine Kompetenz=
bedingungen für die Lehrer vorgeschrieben. Und viele Schulen
hatten anfangs in der Tat Lehrer, die nicht vorschriftsmässig er=
nannt worden waren. Später wurde als Kompetenzbedingung
sowohl für Volksschulen auf dem Lande wie für die höhere Volks=
schule in der Stadt die Absolvierung des Lehrganges eines Seminars
aufgestellt. Heute gilt die Verordnung von 1901, wonach die Kom=
petcnz durch Ablegung der Abgangsprüfung in irgendeinem
Volksschullehrerseminar erlangt wird; aber auch der Absolvent
solcher Lehranstalten, die zum Abiturientenexamen berechtigt
sind, ist kompetent zum Volk?schullchrcr, wenn er im Seminar
gewisse Prüfungen und praktische Lehrproben abgelegt hat.
In Finnland sind heute SVolksschuIlehrerseminare
tätig: zwei finnische Lehrer- und Lchrcrinnenscminare, das eine
in Jyväskylä, das andere in Sortavala, zwei finnische Lehrerinnen=
Seminare, das eine in Heinola, das andere in Brahestad (Raahe);
zwei finnische Lehrerseminare: in Raumo (Rauma) und Kajana(Ka=
jaani) und endlich zwei schwedische Seminare, ein Lchrerinnen=
Seminar in Ekenäs (Tammisaari) und ein Lehrerseminar in Nykar!e=
by (Uusikaarlepyy).
Die Ausbildungszeit des Seminars ist 4 jähre gewesen. 1916
wurde sie um 1 Jahr verlängert, hauptsächlich um im Lehrplan
der russischen Sprache eine grössere Anzahl Stunden vorzubehaU
ten, was die damaligen Machthaber für die Russifizierung des Lan=
des als wichtig erachteten. Unmittelbar nach der russischen Revo=
lution wurde das Russische aus dem Lehrplan der Seminare gestri=
chen, die Ausbildungszeit jedoch nicht gekürzt.
Im Anschluss an jedes Seminar ist eine öbungsschule tätig,
in der die Zöglinge selbst dem Unterricht folgen und Unterricht
erteilen können.
Seit dem Herbst 1916 hat man im Anschluss an die Universi=
tat zu Helsingfors auch Studenten zu Volksschullehrern auszubil=
den begonnen. Die Universitätskurse, wozu auch Hospitieren in
den Volksschulen der Hauptstadt gehört, dauern ein Schuljahr.
Zur Hebung der Lehrerbildung sind vom Herbst 1907 an aus
Mitteln, die der Landtag für diesen Zweck bewilligt hatte, akade=
mische Fortbildungskurse veranstaltet worden, in denen die Universi=
tätslehrer speziell für die Volksschullehrer bestimmte Vorlesungen
über verschiedene Disziplinen gehalten haben. Die Lehrer sind
berechtigt gewesen Prüfungen abzulegen. Das Interesse für die
Fortbildungsstudien ist sehr lebhaft gewesen. In den letzten Kriegs=
jähren mussten diese Kurse jedoch infolge finanzieller Schwierig=
keiten eingestellt werden. — Überhaupt muss zugestanden wer=
den, dass das finnische Seminar eine Lehrergeneration erzogen hat,
die durch ihre gewissenhafte Arbeit und ihre Wissbegierde sich
selbst und der Volksschule Ehre gemacht hat, und dass die Seminare
so ziemlich mit den neuen pädagogischen und kulturellen Strö=
mungen Schritt gehalten haben.
Schon seit geraumer Zeit ist die Frage aktuell, wie die Lchrer=
ausbildung im Sinne einer Hebung des theoretischen Wissens
der Lehrer reformiert werden könnte. Es ist auch möglich, dass
verschiedene Seminartypen im Lande gegründet werden. Man hat
eine Verlängerung der Seminarzeit auf 6 Jahre geplant, wobei es
möglich wäre irgendeine vwesteuropäische Sprache, am liebsten
Deutsch, in das Unterrichtsprogramm aufzunehmen. Als Auf=
nahmcbedingung würde auch dann die Absolvicrung des vollständi=
gen Lchrkursus der höheren Volksschule gelten — eventuell durch
die Kenntnisse ergänzt, die der Fortbildungsunterricht, wenn er
ienmal geordnet wird, bietet. Andererseits ist die Ansicht aus=
gesprochen worden, dass der Seminarunterricht auf der Grundlage
der aus den 5 untersten Klassen bestehenden Mittelschule unserer
Gymnasien und Lyzeen aufgebaut werden sollte. In diesem Falle
könnte die Ausbildungszeit des Seminars bedeutend kürzer sein.
Welcher Vorschlag zuletzt den Sieg davon tragen wird, darüber
lässt sich noch nichts Sicheres sagen. Im laufenden Jahre (1919) hat
die Regierung ein besonderes Komitee beauftragt einen Vorschlag
zur Neuregelung des Seminarwesens zu machen.
Das Mindestgehalt des Volksschullchrcrs auf dem Lande
beträgt, ausser Wohnung, Beleuchtung und Brennholz und einem klei«
nen Stück (t — 1 V2 ^^) Ackerland, was ihm die Gemeinde zur Verfü«
gung stellt, noch 250 Fmk von der Gemeinde und 900, für Verhci=
ratete 1,100 Fmk vom Staate. Gehaltserhöhung vom Staate nach
5, 10, 15 und 20 Dienstjahren je 20% von dem Anfangsgehalt.
Die Besoldungsverhällnisse der in der Stadt tätigen Lehrer, wo die
Gemeinde das ganze Gehalt allein bestreitet, sind ungefähr gleich
vorteilhaft, jedoch in verschiedenen Städten etwas wechselnd.
In den letzten Jahren sind mit Rücksicht auf die gestiegenen Le=
benskosten die Gehäller der Lehrer sowohl auf dem Lande als in
der Stadt erheblich eihöht worden. Die jährliche Pension der Leh=
rcr auf dem Lande und in der Stadt hat nach 30 Jahren makellosen
Dienstes 1,000 Fmk für Lehrer und 750 Fmk für Lehrerinnen be=
tragen. Zur Unterstützung der Lehrerfamilien wurde in den 1870er
Jchrcn eine besondere Wilwen= und Waisenkesse der VolksschuU
lehrer gegründet, der jeder Lehrer engehören muss.
Der Lehrer wird vom V orstand der Volksschule zu seiner Stelle
erwählt, dem auch im Verein mit dem Inspektor die nächste
Aufsicht über die Schule obliegt. Zwecks Inspizierung der Land=
Volksschulen ist das Land in Inspektionskreise eingeteilt, deren
Zahl zurzeit über 30 beträgt. Die Inspektoren, die Kandidaten der
Philosophie sein müssen, werden von dem Oberschulamte ernannt.
In den Städten wird der Volksschulinspektor von den Stadtbc=
vollmächtigtcn für sein Amt öusersehen.
Die finnische Volksschule hat sich lange Zeit auf der Grundlage
vollständiger Freiwilligkeit entwickelt; die Eltern waren nicht
verpflichtet, ihre Kinder in die Schule zu schicken, und ebcnsowe=
nig die Gemeinden, Schulen zu gründen. Man gab sich der Hoff=
nung hin, dass sich die Schule allmählich, wenn das Volk die Be=
dcutung der Bildung kennen lernte, ohne äusseren Zwang von selbst
allgemein durchsetzen würde. Es ist in der Tat zuzugeben, dass unser
Volksschulwesen auch auf dem Wege der Freiwilligkeit rasche und
erfreuliche Fortschritte gemacht hat. Etwa in 30 Jahren wurde in
jeder Gemeinde des Landes mindestens eine Volksschule eröff=
net, in vielen aber mehrere. Zugleich hatte man sich jedoch davon
überzeugt, dass auf dem Wege der Freiwilligkeit das vorgesetzte
Ziel nicht zu erreichen war. Zwangsmassregeln erwiesen sich als
notwendig. Schon 1898 wurde eine Verordnung erlassen, die den
Gemeinden vorschrieb, ihr Gebiet in Volksschulbezirke
einzuteilen, in denen der längste Schulweg im allgemeinen nicht
über 5 km sein darf; in jedem Bezirk sollte die Gemeinde eine
Schule errichten, wenn für die Schule wenigstens 30 Kinder im
Schulalter aus dem betreffenden Bezirke angemeldet wurden.
Dies hatte eine rasche Zunahme der Volksschulen im Gefolge, beson=
ders auf dem Lande. Während die Gesamtzahl der Volks=
schulen 1897- — 98 1,510 betrug, belief sie sich 10 Jahre später
auf 2,663. Im Schuljahre 1914 — 15 war die Zahl 3,250. An L e h =
rern zählte man in dem erstgenannten Jahre 1,706, 1907 — 08
3,198 und 1914 — I 5 4,318. Die Zahl der Seh ü I e r betrug 1897 —
98 68,654, 1907 — 08 112,362 und 1914 — 15 150,833.
Obgleich der Schulbesuch denk dem Inkrafttreten der Bezirks=
einteilung bedeutend zugenommen hat, lässt sich doch nicht
leugnen, dass man noch weit von dem Ziele entfernt ist: alle Kin=
der in die Schule. Fast die Hälfte der im Schulaltcr stehenden
Kinder bleibt immer noch ohne Volksschulbildung. Dazu ist noch
der öbelstand hervorzuheben, dass sehr viele Schüler die Schule
verlassen, ohne den ganzen Kursus absolviert zu haben. So erhielten
z. B. im Schuljahr 1913 — 14 nur 17,03 % der Schülerzahl in den
Städten und 17,91 % auf dem Lande das Abgangszeugnis, und in
den Volksschulen auf dem Lande haben über 7,000 Schüler ihren
Schulbesuch vorzeitig abgebrochen. Dies beruht auf vielen Um=
ständen, wie z. B. auf Mittellosigkeit und weiter Entfernung von
der Schule. Man hat berechnet, dass 1 1,000 Kinder täglich mehr als
10 km zurückzulegen haben, um die Schule zu erreichen. Aber
433 28
nicht weniger spricht dabei auch die Interesselosigkeit und Nach»
lässigkeit der Eltern mit.
Der Sache ist nur durch eine für alle geltende Gesetzgebung
abzuhelfen. Vor lo Jahren wurde im Landtag ein Antrag auf Ein=
führung des Schulzwanges in Finnland eingebracht. Damals blieb
die Frage jedoch unentschieden. Seitdem ist sie während jeder folgen»
den Sitzungsperiode zur Behandlung gelangt, bis endlich der Landtag
von 1910 das Gesetz über den Schulzwang annahm, wonach alle
Kinder, mit gewissen Beschränkungen, von ihrem 7. bis zum 13.
Lebensjahr lehrpfüchtig wären. Der Beschluss des Landtags wurde
jedoch nicht bestätigt, weil die damalige russischgesinnte Regierung
nicht geneigt war Mittel für die Volksbildung zu bewilligen. Nach=
dem Finnland unabhängig geworden ist, dürfte man nicht mehr
lange auf die Durchführung dieser für die Entwicklung des Volkes
so wichtigen Gesetzgebung zu warten haben, so grosse Wirtschaft»
liehe Opfer daraus dem Staate auch erwachsen mögen.
über die Kosten der Volksschulen sei erwähnt,
dass sie 1914 «6,414,387 Fmk betrugen, wovon 11,308,401 Fmk
auf die ländlichen Schulen entfielen. Der Staat zahlte von diesem
Betrag den Landgemeinden an 5 Mill. Fmk, den Stadtgemeinden
dagegen, deren Staatsunterstützung verordnungsmässig 25 "/o von
den Gcneralkosten betragen sollte, die aber von der russischgesinnten
Regierung erheblich geschmälert worden war, nur etwas über 700,000
Fmk.
Der Fortbildungsunterricht der Volks»
schule ist in Finnland noch ungeregelt. Zwar wird schon in
der Volksschulverordnung vom Jahre 1866 auf die Pflicht des Leh=
rers hingewiesen, den Schülern, die die Volksschule beendet haben
und sich weiter bilden möchten, Unterricht zu erteilen. Aber erst
seitdem ein besonderer Zuschuss aus Staatsmitteln zur Einrieb»
tung von Fortbildungskursen bewilligt und die Anordnung der»
selben von der Regierung 1893 vorgeschrieben worden ist, kann
von einem regelrechten Fortbildungsunterricht in Finnland ge»
sprochen werden. Zunächst ging es jedoch langsam vorwärts, und
Kurse wurden nur sporadisch abgehalten, bis später ausgefertigte
freiere Vorschriften und erhöhte Unterstützungen für den Unter»
rieht eine grössere Lebhaftigkeit auf diesem Unterrichtsgebiet
hervorgerufen haben. Im Schuljahre 1907 — 08 wurden in länd»
liehen Schulen 392 Fortbildungskurse veranstaltet, an denen zu»
sammen 7,646 Schüler teilnahmen. Seitdem zeigt die Anzahl der
Kurse einen fortwährenden Rückgang, und auf dem Lande hörten
sie beim Ausbruch des Weltkrieges völlig auf, weil die Regierung zu
diesem Zwecke keine Mittel bewilligte. In den Städten sind die
Fortbildungsklassen der Volksschule dagegen auch während des
Krieges in Tätigkeit gewesen. Allerdings betrug die Zahl ihrer
Schüler im Schuljahre 1914 — 15 nur 944, und die meisten Städte
haben vorläufig keine Massnahmen zur Regelung des Fortbildungs=
Unterrichts in ihren Volksschulen getroffen.
In den Städten umfasst der Fortbildungsunterricht ein Schul=
jähr, meistens 5 Stunden täglich; Abendklassen, die nur 2 Stunden
täglich Unterricht genossen haben, gehören zu den Seltenheiten.
Der Unterricht ist sowohl theoretischer wie praktischer Art. Neben
der Muttersprache, Staatskunde und Mathematik wird auch Un=
terricht im Zeichnen, den Knaben im Holzschneiden, in Papp= und
Metallarbeiten, den Mädchen in Handarbeiten und im Haushalt
erteilt.
Auf dem Lande wiederum sind während des Herbstes und des
Winters Kurse von verschiedener Dauer angeordnet worden,
die nach den letzten offiziellen Bestimmungen je 75, 100 oder 150
Unterrichtsstunden umfassen sollen. Die Wahl der Unterrichts=
fächcr ist ziemlich frei gewesen, wenn auch die Programme von
dem Bezirksinspektor bestätigt werden mussten. Eine dominie=
rcnde Stellung ist in den Programmen der Fortbildungskurse der
Religion, der Muttersprache, der finnischen Geschichte und der
Mathematik zuteil geworden. Dagegen finden wir ziemlich selten
Naturkunde oder Gesellschaftslehre unter den Lehrfächern der
Fortbildungskurse. Und nur ausnahmsweise sind spezielle Bcrufs=
fächer wie Viehzucht= und Milchwirtschaftslehrc, Ackerbau=,
Garten= und Gemüsekunde und Hauswirtschaftslehre in das Pro=
gramm der Kurse aufgenommen worden. — Als Lehrer sind meistens
die Volksschullchrer des Ortes tätig gewesen.
In der letzten Zeit ist die Frage nach der Umgestaltung des
Fortbildungsunterrichtes der Volksschule im Lande lebhaft disku=
ticrt worden. Sehr allgemein hat die praktische Richtung Befür=
wortung gefunden, die besonders von dem bekannten Münchener
Pädagogen Georg Kerschensteiner vertreten wird. Man hat sogar
schon die Ansicht ausgesprochen, dass der Fortbildungsunterricht
obligatorisch gemacht werden sollte, und zwar mit dreijähriger Stu =
diendauer, sodass sich der Schulzwang bis zum 16. Lebensjahr
erstreck n würde.
Volkshochschule. Besonders bei der Förderung des Fort=
bildungsunterrichts der Landjugend haben die Volkshochschulen in
Finnland, wie in den skandinavischen Ländern, eine bedeutende
Rolle gespielt. Man begann solche Anstalten gegen Ende der 1860=
er lahre zu errichten, wo auch die ersten eigentlichen Volksschulen
eröffnet wurden und die nationalen Kulturbestrebungen überhaupt
aufblühten. Doch erst 20 Jahre später (1889) wurde die erste Volks=
hochschule in Finnland gegründet. Während des folgenden |ahr=
zehnts entstanden auf die Initiative der studentischen lugend in
verschiedenen Teilen des Landes eine Menge von neuen Volks=
hochschulcn, und auch später hat sich das Interesse für diese Lehr=
anstaltcn in unserem Lande ungeschwächt erhalten. Es mag erwähnt
werden, dass in der dreijährigen Periode 1907^ — 09, in der die Regie=
rung während der kurzen Pause des russischen Unterdrückungsregi=
mcs zur Unterhaltung dieser Anstalten grössere Zuschüsse aus Staats=
mittein anwies, 15 neue Volkshochschulen gegründet wurden. Heute
beträgt die Zahl der Volkshochschulen 44, wovon 15 schwedische.
Die Volkshochschulen Finnlands sind zunächst nach dänischem
Vorbild eingerichtet worden, haben sich aber allmählich zu einem
den einheimischen Verhältnissen angepasstcn Typus entwickelt,
der gleichmässig sowohl idealen wie praktischen Zwecken zu dienen
sucht. Indem die Anstalt bestrebt ist, das Interesse der Jugend
des Volkes für allgemeine und geistige Fragen zu erwecken und
die jungen Leute mit den wichtigsten sozialen und politischen Fra=
gen bekannt zu machen, will sie der Jugend auch solche Kenntnisse
und Fertigkeiten beibringen, die näher mit den ländlichen Beru=
fen zusammenhängen. In Anbetracht dieses letztgenannten Zieles
ist mit der Volkshochschule eine sog. '>Landwirts= oder Land-
wirtinnenabteilung» für den Haushaltungs= und \X/irtschaftsunter=
rieht verbunden. Da es der Landjugend aus Mangel an Mit=
teln nicht oft vergönnt ist, jahrelang Studien zu treiben, hat man
es für nötig erachtet, mit dem eigentlichen Volksschuluntcrricht
auch diese praktische Seite zu verknüpfen.
Die Arbeitszeit der Volkshochschule dauert ca. 6 Monate,
indem sie im November beginnt und in den ersten Tagen des Mal
schliesst. In einigen Instituten treten die Schülerinnen zu den
praktischen Arbeiten schon einige VX'ochen früher an, in anderen
bleiben sie wegen Garten= und Haushaltungsarbeiten bis Ende Mai
in der Schule. In einigen Anstaltcn arbeitet als besondere Abtei=
lung eine landwirtschaftliche Winterschulc.
476
Von den Schülern der Volkshochschule vcerden keine bcsondc=
ren Aufnahmebedingungen verlangt. Der grösste Teil von ihnen hat
jedoch den Kursus der Volksschule ganz oder teilweise durchge=
macht, nur selten melden sich Schüler, die früher keinen Schul=
Unterricht genossen haben. Die überwiegende Mehrzahl der
Schüler sind Söhne und Töchter von Kleinbauern.
Die finnischen Volkshochschulen unterscheiden sich in der Bc=
Ziehung streng von ihren dänischen Vorbildern, dass sie durchweg
Lehranstalten für junge Männer und Midchcn sind. Dies scheint
keine sittlichen Gefahren mit sich gebracht zu haben. — ■ Im ganzen
betrug die Schülerzahl der Volkshochschulen Finnlands
im Schuljahr 1914 — -15 t,555, wovon 1,173 Finnischsprechende
und 382 Schwedischsprechendc. Die Zahl der Schülerinnen (857)
überwog bedeutend die der Schüler (698). Die finnischen AnstaU
ten sind jährlich im Durchschnitt von je 46 Schülern besucht worden,
die schwedischen von je 30. Auf je 100,000 Einwohner entfallen
in den finnischen Anstalten ca. 5 — ^6, in den schwedischen ca.
12 Schüler. Die ] Mehrzahl der Schüler besteht aus 18 — 22=
jährigen.
Die Anzahl der Lehrer bclief sich in dem erwähnten
Jahre auf etwa 300, sodass auf jede Schule durchschnittlich 7 Lehrer
kommen. Der Vorsteher der meisten Anstalten ist ein Kandi=
dat der Philosophie. Es gibt jedoch zahlreiche Ausnahmen,
indem auch ^Pfarrer, Studenten und Volksschullehrcr als Leiter
von Volkshochschulen tätig sind. jNeben dem Vorsteher ^findet
man eine Vorsteherin, die sehr oft die Gittin ides Vorstehers
und für den Lehrerberuf vorbereitet ist. Der erste Lehrer
ist in den meisten Fällen ein Agronom, bisweilen ein *Kan=
didat der Philosophie. Jede Anstalt hat ausserdem 4 — 5 Lehrer
für Hand= und Haushaltungsarbeiten. Die Gehälter sind sehr vcr=
schieden. Das Grundgehalt des Vorstehers war vor dem Wclt=
kriege 3,000 Fmk nebst Wohnung, Heizung und Beleuchtung.
Die Tagesarbeit wird in den Volkshochschulen gewöhn=
lieh um 7 Uhr morgens begonnen und meistens bis 9 Uhr abends
fortgesetzt. Der lange Arbeitstag wird dadurch möglich, dass neben
theoretischen Fächern reichlich praktischer Unterricht und Ubun=
gen erteilt werden. Der Lchrplan variiert in verschiedenen AnstaU
ten stark, obgleich die Schüler ihrer Vorbildung nach im grossen
und ganzen einander gleichstehen. In einigen der ältesten Volks=
hochschulen des Landes sind die 1,100 Unterrichtsstunden einer
Arbeitsperiode folgendermassen auf die verschiedenen
Fächer verteilt:
Muttersprache und Literatur 220 Stunden
Geschichte, Geographie und Bürgerkunde 130 »
Mathematik und Geometrie 100 »
Naturkunde, Landwirtschafts= oder HaushaU
tungslehre ■ 110 •>
Gcsundhcitslehre und Alkoholfragc 30 »
Handarbeiten, Zeichnen und Wirtschaftslehre 270 <>
Turnen und Sport 40 »
Gesang 50 ■>
Religiöse und ethische Vorlesungen 50 »
Konversation und Lektüre 50 »
Alle Volkshochschulen sind Privatanstalten und wcr=:
den meistens von einer eigens für diesen Zweck gegründeten Ga=
rantiegesellschaft unterhalten. Ihre Ökonomie wird teils durch
Zuschüsse des Staates und der Gemeinden, teils durch von Privaten
gesammelte Beiträge sichergestellt. Die Studicngelder sind sehr
niedrig, und Freistellen sind reichlich vorhanden. Im Schuljahre
1914 — 15 betrugen die Ausgaben aller Volkshochschulen des Lan=
des zusammen 749,847 Fmk. Die Unterstützung aus Staatsmitteln
belicf sich nur auf etwas über 1 50,000 Fmk. Besonders in den letzten
Jahren des russischen Regimes wurden die Staatsbeiträge jedoch
auf ein Minimum beschränkt, da die Machthaber die Volkshoch=
schulen mit scheelen Augen ansahen. Nachdem Finnland selb=
ständig geworden ist, gehen auch die Volkshochschulen glücklicheren
Zeiten entgegen. Für das Jahr 1919 hat der Staat den \ olkshoch=
schulen schon 1,300,000 Fmk Unterstützung bewilligt.
Die jungen Männer und Frauen, die die Volkshochschule be=
suchten, haben sich, soweit bekannt, der Schule würdig gezeigt
und auf das häusliche Leben der Bauern sowohl in wirtschaftlicher
als in geistiger Beziehung einen anregenden Einfluss gehabt. Nicht
selten findet man auch frühere Schüler der Volkshochschule an der
Spitze der wirtschaftlichen und kommunalen Unternehmungen
und anderer Kulturbestrcbungcn ihrer Heimat.
458
Arbeiterinstitute.
In den grössteri Städten Finnlands sind während der drei
letzten Dezennien teils auf Kosten der Stadt, teils auf Veranstalten
verschiedener Vereine Arbeiterunterrichtskurse und Vorträge ge=
halten worden, zu welchen sich als Zuhörer immer zahlreichere
Arbeitermengen gemeldet haben. Aus diesen Kursen haben sich
allmählich die ersten Arbeiterinstitute des Landes entwickelt, wie
sie heute in den meisten grösseren Städten bestehen.
Das erste wurde 1898 in Tammcrfors (Tampere), der grösstcn
Fabrikstadt Finnlands, eröffnet. Das Arbeiterinstitut zu Heisingfors
(Helsinki), das in zwei Abteilungen, einer finnischen und einer
schwedischen, arbeitet, begann seine Tätigkeit im |. 1904. Seine
Zuhörerzahl beläuft sich auf mehrere Tausende.
Der Unterricht wird selbstverständich abends erteilt. Dies
geschieht teils in der Form von Vorlesungen, teils in der Form von
Anfangsunterricht, »Studienzirkeln» zu 10 — 40 Personen. In den
Vorlesungen, die gewöhnlich aus 4 — 8 Vorträgen über ein und dcn=
selben Gegenstand bestehen, werden in volkstümlicher Form vcr=
schiedene Wissensgebiete behandelt. Sic sollen vor allem zum Selbst=
Studium anregen. In den »Studienzirkeln» wird schulmässiger Un=
terricht in der Muttersprache, Aufsatzschreiben, Mathematik,
Buchhaltung, fremden Sprachen (z. B. im Deutschen), Gesang
und anderen ähnlichen Fächern erteilt.
)edes Institut hat einen festangestellten Direktor, die anderen
Lehrer dagegen wechseln und werden nach ihren Unterrichts=
stunden honoriert. Die Institute sind kommunale Einrichtungen,
haben aber in den letzten Zeiten auch Beiträge aus Staatsmitteln cr=
halten. Sie unterstehen gleich den Volkshochschulen der Auf=
sieht und Kontrolle des Oberschulamts.
Freie Aufklärung.
Neben der obengeschilderten Volksbildung ist die freie Auf=
klärung, die von verschiedenen Anstalten, Vereinen und Privat=
leuten ausgeübt wird, von hervorragender Bedeutung, insbesondere
hinsichtlich der Aufklärung älterer Altersklassen und der Verbreitung
allgemeiner staatsbürgerlicher Erziehung.
Als älteste Träger der Volksbildung sind die studentischen
Landsmannschaften (Nationen) zu erwähnen, die schon in den
1840er Jahren Volksbücher herausgaben und ein paar Jahrzehnte
später volkstümliche Vortragskursc begannen, indem sie ihre Mit=:
glieder, besonders in den Ferien, in die Provinz schickten, um dort
über verschiedene allgemeinbildende Themata Vorträge zu halten.
Später haben die Landsmannschaften diese Arbeit eifrig weiter=
geführt und besonders zur Gründung von Volkshochschulen bci=
getragen. In der letzten Zeit haben sie auch in jeder Weise Interesse
für ihre engere Heimat, ihre Provinz, zu erwecken gesucht.
Die erste eigens für die Förderung der Volksbildung entstandene
Vereinigung ist der 1 874 gegründete Volksbildungsvcrcin.
Seine Mitglieder sind teils Privatpersonen, teils Vereinigungen, Ge=
nossenschaften, Schulen und Bibliotheken. Der Wohnsitz des Vereins
ist die Hauptstadt Helsingfors, er hat aber Filialcn'in vcrschiedc=
nen Teilen des Landes. Die Arbeit des Volksbildungsvereins für
die Aufklärung des finnischen Volkes verdient volle Anerkennung.
Er hat im Laufeder Jahrzehnte eine grosse Menge populärer Litera=
tur aus verschiedenen Wissensgebieten veröffentlicht, und zwar
hat er dies in einer Zeit getan, wo die privaten Verleger wegen ge=
ringen Absatzes derartige Literatur noch nicht verlegen könnten.
Bahnbrechend kann die Arbeit des Vereins genannt werden, die er
für die Hebung der musikalischen Bildung des Volkes ausgeführt hat,
indem er regelmässig wiederkehrende allgemeine Sängcr= und
Musikfeste in verschiedenen Teilen des Landes veranstaltete und
billige Tonsetzungen für Chöre herausgab. Zur Förderung des
Volksbibliothekswesens hat der Verein alljährlich Prämien an Bi=
bliothekcn ausgeteilt, ein besonderes Bibliotheksblatt herausgegeben
und auf manche andere Weise für die Sache der Bibliotheken ge=
wirkt. Unter der Leitung des Vereins sind auch populäre Vorlc=
sungsserien veranstaltet worden.
Der Aufklärungsvercin war ursprünglich zweisprachig. Als
aber 1882 ein entsprechender schwedischer Verein »Svenska folk=
skolans vänner'> (Freunde der schwedischen Volksschule) gegrün=
det wurde, hat der ältere Verein seine Tätigkeit beinahe ausschliess=
lieh auf die finnischsprechende Bevölkerung konzentriert. — Ausser
den Mitgliedsbeiträgen und einer kleinen Beisteuer aus Staatsmit=
teln haben dem Vereine nur gestiftete und durch die Verlagsgeschäftc
erworbene Mittel zu Gebote gestanden.
Von den auf dem Gebiete der freien Volksbildungsarbeit täti =
gen Vereinigungen sind noch die Abstincnzvereinc und die
Jugendvereine zu erwähnen.
Die ersten Abstinenzvereine wurden in Finnland in
den 1870er Jahren gegründet, zu einer Zeit, wo das Interesse für
nationale Bildung und gesellschaftliche Reformen neu erwachte.
Schon in dem folgenden Jahrzehnt entstanden zahlreiche neue Ver=
eine, von denen sich — die meisten als Filialen — dem in der Haupt=
Stadt gegründeten Hauptvercin »Raittiuden Ystävät» (»Enthaltsam=
keitsfreunde») anschlössen. So bildete sich eine das ganze Land um=
fassende Organisation der »Enthaltsemkeitsfreunde», deren Mit=
glieder binnen kurzem nach Zehntausenden zu zählen waren.' Zu
dieser Organisation, deren Zentralverwaltung in Helsingfors ist,
gehört eine grosse Menge von Ortsvereinen, die bezirksweise Ab=
stincnzkreise bilden. Vor dem Ausbruch des Weltkrieges, als die
Tätigkeit am lebhaftesten war, wurde auf die Abstinenzbewegung
jährlich etwa eine halbe Million Fmk verwendet.
Der Zweck der Abstinenzvereine besteht in der Bekämpfung
des Missbrauchs geistiger Getränke durch Aufklärungsarbeit,
die die Überzeugung der Menschen beeinflussen will, und durch Zu=
standebringen von Beschränkungen im Handel und Transport
geistiger Getränke im Gesetzgebungswege. Man begann zuletzt
sogar ein vollständiges Verbot des Handels mit Spirituosen zu
verlangen, welches dann auch durch das sog. Prohibitivgesetz er=
reicht wurde (vgl. Massigkeit s= und Enthaltsamkeit s=
bewegung). .
Neben der eigentlichen Abstinenzarbeit haben die Abstinenz=
vereine von Anfang an auch sowohl unter ihren eigenen Mitglie=
dern wie auch unter dem grossen Publikum allgemeine Aufklärungs=
arbeit ausgeübt. Ausser spezieller Abstincnzliteratur haben die
»Enthaltsamkeitsfreunde» auch andere aufklärende Literatur herau5=
gegeben, und das Organ des Vereins, »Kylväjä» (der Sämann), hat
immer die Abstinenzfrage in dem weitesten, aufklärenden Sinne
des Wortes behandelt. Ebenso sind vonseiten der Anhänger der
Abstinenzbewegung von Zeit zu Zeit kürzere Vortragsserien und
öbungskurse veranstaltet worden, wozu auch der Staat zuweilen
mit kleineren Summen beigetragen hat.
Die Jugendvereinsbewegung ist in Finnland
rein national. Sie stammt aus derselben Zeit wie die Abstinenzbe=
wegung. Junge Leute aus dem Volke in Süd=Ostcrbotten, die für eine
Reinigung der V''oll<ssittcn und Wiederbelebung geistiger Interessen
eintraten, beschlossen die Jugend zu einem gemeinsamen, von
ihr selbst auszuführenden kulturellen Kampf aufzufordern. Der
erste Jugcndverein wurde 1881 in Kauhava in Süd=Osterbotten
gegründet, in den darauf folgenden Jahren entstanden viele neue
Vereine. Aber in Schwung kam die Bewegung erst, als sie ein ei=
genes Organ i>Pyrkijä'> (der Strebende) erhalten hatte, welches 1890
zu erscheinen begann. Jetzt sprossen überall im Lande Vereine
auf, und 1897 vereinigten sich die örtlichen Vereine zu einer ge=
meinsamen Organisation, dem Bund der finnischen Jugend, dessen
Zcntralverwaltung nach Helsingfors verlegt wurde. Dem Bunde
gehören über 1,000 Ortsvereine als Zweigvereine an. Viele Jugend=
vereine verfügen über ein eigenes Haus und eine eigene Bibliothek,
wozu die Mittel vorzugsweise durch Abendunterhaltungen und
Lotterien beschafft worden sind. In einigen Jahren sind den Ver=
einen Zuschüsse aus Staatsmitteln bewilligt worden, die russischen
Machthaber haben aber diese Vereine wie überhaupt alle auf die
Volksbildung bezüglichen Bestrebungen mit Misstrauen verfolgt.
Die Jugendvereine, die auf einer allgemeinen nationalen und
patriotischen Grundlage arbeiten, haben auf dem Lande mehr
Erfolg gehabt als in den Städten. Durch Anordnung von Diskussio=
nen über allgemeine Angelegenheiten, von Soireen, deren Pro=
gramme Reden, Vorträge, Gesang, Musik, Deklamation, oft auch
Theatervorstellungen enthalten, durch Anregung zu fortgesetztem
Selbststudium bei ihren Mitgliedern und durch viele andere Mittel
haben die Jugendvereinc in erheblichem Masse vor allem zur Bcle=
bung und Leitung der Bildungsbestrebungen der ländlichen Jugend
beigetragen. Durch Selbststudium und Selbsterziehung suchen
die jungen Männer und Mädchen in den Jugendvereinen ein für
den Menschen und Mitbürger notwendiges Wissens= und Bil=
dungsquantum zu erwerben.
Da in Finnland auf dem Gebiete der freien Aufklärungsarbeit
viele Organisationen und Vereine tätig sind, hat man schon lange
eine intimere Wechselwirkung und gemeinsame Arbeitsverteilung
zwischen denselben vermisst. Heute ist denn auch vonseiten der
Regierung die Frage der Errichtung eines gemeinsamen Organs für
die Leitung der freien Aufklärungsarbeit aufgeworfen worden, und
CS ist zu hoffen, dass die diesbezügliche Initiative in der nächsten
Zukunft verwirklicht wird.
Höhere Lehranstalten,
Die alte Sc h u 1 e. Schon im Mittelalter wurden auch in Finn=
land Kioster= und Kathedralschulcn zur Vorbereitung von Geisthchen
für die kathohsche Kirche gegründet. Im Rcformationszeitaltcr
gerieten diese Schulen in Verfall oder verschwanden ganz. Erst
zur Zeit Gustav Adolfs und Graf Pehr Brahes ^ — der letztgenannte
war in der Mitte des 17. Jahrhunderts Generalgouverneur von
Finnland — wurde das Schulwesen reorganisiert. Nach der da=
maligen Schulordnung wurden die Schulen eingeteilt: in Kleinkin=
derschulen oder Pädagogien, deren jede Stadt eins oder mehrere
haben sollte, in T r i v i a 1 s c h u 1 c n, die über den vorangehenden
standen und in die die Absolventen der Kleinkinderschulen auf=
genommen werden konnten, und in die höchsten Schulen, G ym=
n a s i c n, deren je eines in Abo (Turku) und Wiborg (Viipuri)
gegründet wurde. Ungefähr auf dieser Stufe blieb das Schulwesen
Finnlands etwa zwei Jahrhunderte lang oder weit bis in das 19.
Jahrhundert hinein, wo man die niederen Schulen Unter= oder Ober-
clcmcntarschulen zu nennen begann, während die Bezeichnung Gym=
nasium auch weiterhin beibehalten wurde. Die Zahl der Schulen
war die ganze Zeit hindurch eine sehr geringe. Noch im Jahre 1800
gab es in Finnland, ausser der Äboer Akademie, nur ein Gymnasium
zu Borga (Porvoo), eine Kathedralschule zu Abo, 7 Trivialschulcn
und 16 Pädagogien. Dazu fanden sich in Wiborg und einigen
anderen Städten Ostfinnlands, die zu der fraglichen Zeit dem
russischen Kaiserreiche angehörten, verschiedene Lehranstalten, —
in Wiborg auch für Mädchen, für die anderswo in Finnland um
diese Zeit noch hinein keine Schulen bestanden.
In der »alten Schule» hatte, ebenso wie auch in anderen Ländern
Europas, das Latein eine dominierende Stellung. Die Mutter=
spräche der Schüler war besonders in früheren Zeiten in der Schule
ganz und gar übergangen. Später gewann jedoch die schwedische
Sprache Beachtung im Unterricht der Schule, wogegen das Fin=
nische, die Sprache der Hauptbevölkerung des Landes, weit bis
ms 19. Jahrhundert hinein keine Aufnahme fand.
Die neue Schulordnung. Im Jahre 1872 wurde dem Lan=
de eine neue Verordnung für die Elementarschulen gegeben, die in
ihren Hauptpunkten auch noch heute in Kraft ist. Diese Schulordnung
teilte die Schulen in drei Hauptgruppenein: in Lyzeen, P r 0=
I y z c e n und Töchterschulen. Die Lyzeen haben 8 Klassen
und bereiten ihre Schüler für die Universität vor. Sie sind zvwei»
fachcr Art: klassische, in denen das Lateinische als Hauptsprache
beibehalten ist, obgleich seine Stundenzahl {30 in der Woche) nicht
sehr gross ist, und Reallyzeen, in deren Stundenplan den neu =
eren Sprachen, vor allem dem Deutschen, ebenso wie den Natur=
Wissenschaften und der Mathematik Platz vorbehalten ist. Mehrere
klassische Lyzeen und alle Reallyzeen sind vor kurzem in Lyzeen
mit Parallelklassen umgeändert worden, in denen die 5 untersten
Klassen einen Unterbau mit abschliessenden Kursen bilden, die drei
oberen Klassen, die Gymnasialstufe, dagegen in zwei Abteilungen
oder Linien zerfallen: in eine klassische und eine Reallinie. In der
klassischen Abteilung sind dem Lateinischen im ganzen 18 Wochcn=
stunden vorbehalten, denen in der Realabteilung erweiterte Kurse in
den neueren Sprachen, den Naturwissenschaften und der Mathematik
entsprechen.
Eine Sonderstellung nehmen unter den Lyzeen des Landes
die zwei Normallyzeen in Helsingfors ein, von denen das eine
finnisch, das andere schwedisch ist. Dieses begann seine Tätig=
kcit schon 1864, jenes einige )ahre später. Sie waren ursprünglich
klassische Lyzeen, bilden aber heute eine Doppelschule, in der
neben dem klassischen Lyzeum eine vollständige Realschule ar=
beitct. Der spezielle Zweck dieser Lehranstalten besteht darin,
den angehenden Lehrern der höheren Schulen praktische Vorbe=
reitung zu geben. Zur Kompetenz des Lehrers der höheren Lehr=
anstalten gehören ausser der Ablegung des Kand datenexamens in
der philosophischen Fakultät der Universität des Landes und einer
Prüfung in der Pädagogik, noch zwei Semester Auskultieren und
praktische Übungen am Normallyzeum unter Leitung der
zuständigen Oberlehrer und zuletzt praktische Probestunden vor
dem Oberlehrerkorps.
Die Elementarschulen sind fünfklassige Mittelschulen
(Realschulen), deren Lehrgänge denjenigen der entsprechenden
Klassen in den Lyzeen angepasst sind. Die von denselben dimit=
ticrten Schüler können ihre Studien auf einem vollständigen Ly=
zcum fortsetzen, um Studenten zu werden, oder auf höheren Fach=
schulen, wie technischen und landwirtschaftlichen Lehranstalten,
um sich für praktische Berufe vorzubereiten, oder sie können di=
rekt gewisse Berufe ergreifen, z. B. Eisenbahndienst oder AnsteU
lung in Apotheken.
Die Töchterschulen wurden ebenfalls in fünfklassigc
umgeändert, abgesehen von der finnischen und schwedischen
Töchterschule in Hclsingfors, in denen die Lchrdauer 7 Jahre betrug.
Die Kurse der Töchterschulen entsprachen ungefähr denjenigen
der Prolyzeen. In den letzten Jahren sind die Töchterschulen eis
ner Umgestaltung unterzogen worden. Wenn diese Uinorganisation
zu Ende geführt ist, wird es im Lande, abgesehen von den ge=
mischten Schulen, von denen unten die Rede sein wird, zweierlei
Lehranstalten für Mädchen geben, nämlich scchsklassige Töchter=
schulen, deren Kurse in der Hauptsache denjenigen der MitteU
schule entsprechen, und neunklassige für die Universität vorberei=
tende Mädchenlyzeen. In Finnland ist während des letzten
halben Jahrhunderts insbesondere auf dem Gebiete der Frauen=
bildung eine merkliche Hebung erfolgt.
Im Zusammenhang mit den Töchterschulen sind noch die fin=
nische und die schwedische Fortbildungslehranstalt
zu Hclsingfors* zu erwähnen, die beide einen dreijährigen Lehrgang
haben und deren eigentliche Aufgabe darin besteht, Lehrerinnen für
die Töchterschulen vorzubereiten. Sie begannen mit ihrer Tätig=
keit 1885. In der letzten Zeit haben diese Schulen an Bedeutung
verloren, da die jungen Mädchen immer häufiger das Abiturienten=
examen ablegen und sich auf dem Universitätswege gleich ihren
männlichen Kollegen zu Schullehrerinnen vorbereiten.
Nech der letzten zugänglichen Statistik (vom Schuljahre 1916 —
17) gab es im Lande folgende Anzahl staatlicher Lehr=
anstaltcn:
finnische schwedische Schülerzahl
Klassische Lyzeen M . 4 2 1»415
Lyzeen mit verschiedenen ParaU
lelklassen ") 15 6 5/531
Mittelschulen 5 4 1,114
Töchterschulen 11 4 3,756
Im ganzen gab es im Lande in dem erwähnten Schuljahr i9fin=
nische und 8 schwedische Lyzeen. Die finnischen hatten 4,891 Schü=
er, die schwedischen 1,855. Fünf finnische Mittelschulen hatten
zusammen 545 Schüler, vier schwedische 569. Unter den Töch=
') Einschliesslicli der klassischen Abteilung des Normallyzeums.
-) Die Realabteilung des Normallyieums mit einbegriffen.
tcrschulcn verteilte sich die Schülerzahl so, dass auf 1 1 finnische
Schulen 2,65ound auf 4 schwedische 1,106 Schülerinnen kamen. Dazu
stellen sich noch die 33 Schülerinnen der finnischen Fortbildungs=
lehranstalt und die 68 Schülerinnen der entsprechenden schvx/c =
dischcn Anstalt. Zu erwähnen ist noch die dreiklassige, auf der
Grundlage einer Töchterschule aufgebaute Fortbildungsschule in
Helsingfors, deren Schülerinnenzahl 94 betrug. Die Gesamtzahl der
staatlichen Schulen war also im Schuljahre 1916 — -17 52 mit insge=
samt 11,811 Schülern, in den finnischen 8,213, in den schwedischen
3,528. Besonders die Schülerzahl der finnischen Schulen hat in den
letzten Dezennien sehr erheblich zugenommen. Während sie im
Schul jähre 1 896 — 97 nur 3,834 betrug, war sie schon 1 906—07 6,938.
Die Schülerzahl der schwedischen Schulen zeigt dagegen eine
langsamere Zunahme, in den soeben genannten Jahren belief sie
sich auf 2,299 resp. 3,102.
An Lehrern zählte man in den staatlichen Schulen in dem
erwähnten Schuljahre zusammen 874, wovon 552 Männer und 322
Frauen. Von den Lehrerinnen waren 90 an Lyzeen und MitteU
schulen angestellt. Die Zahl der weiblichen Lehrkräfte ist in der
letzten Zeit sowohl relativ wie auch absolut gestiegen.
Was zuletzt die Unterhaltungskosten der staatlichen Elcmentar=
schulen anbelangt, beliefen sie sich in dem betreffenden Schuljahre
auf 5,524,030 Fmk. Der grösste Posten, rund 3,630,000 Fmk,
entfiel auf die Lyzeen. Jeder Schüler der Lyzeen kostete dem Staate
durchschnittlich 474 Fmk, der der Mittelschulen 409 Fmk, der
Töchterschulen 310 Fmk.
Neben den staatlichen Schulen sind in Finnland sehr zahlreiche,
aus Staatsmitteln subventionierte Privatschulen tätig, von
denen einige den Gemeinden gehören, die meisten aber von eigens
gegründeten Garantiegesellschaften unterhalten werden, einige
wenige sogar Privatunternchmungen sind. Viele von den heuti =
gen staatlichen Schulen haben ihre Tätigkeit als Privatanstalten
begonnen. Da die Regierung, deren Mitglieder noch in der zwei=
ten Hälfte des letzten Jahrhunderts beinahe ausschliesslich der
schwedischsprechenden oberen Klasse angehörten, sehr ungern
finnische Lehranstalten entstehen sah oder sie, wenn sie sie
erlaubte, wenigstens in entlegenen Kleinstädten unterzubringen
suchte, begann unter der finnischen Bevölkerung des Landes eine
mächtige Kulturbewegung, die in der Gründung zahlreicher fin=
nischer privater Lehranstalten, Knaben= und Töchterschulen, beson=
446
dcrs in den 1870er lahrcn und im Anfange der 1880er Jahre, zum
Ausdruck kam. Seitens der Regierung war zwar schon 1858 in Jy=
väskylä ein finnisches Lyzeum gegründet worden, ein finnisches
Normallyzeum wurde aber nicht in der Hauptstadt geduldet, son=
dcrn es sollte nach Tavastehus (Hämecnlinna) verlegt werden. Da
die Folge davon gewesen wäre, dass die Hauptstadt keine finnische
höhere Schule gehabt hätte, wurde hier 1871 mit privaten Mitteln
eine zur Universität vorbereitende finnische Lehranstalt errichtet,
um das Unterrichtsbedürfnis der finnischsprechenden Kinder der
Hauptstadt und ihrer Umgebung zu befriedigen. Die Schule hörte
1887 mit ihrer Tätigkeit auf, als das Normallyzeum von Tavaste=
hus nach Helsingfors verlegt und gleich vielen anderen aus privater
Initiative gegründeten Schulen vom Staate übernommen wurde.
Auch für die höhere finnische Frauenbildung
mussten Lehranstalten auf Privatkosten gegründet werden. In
den 1860er )ahren wurde eine private Töchterschule
sowohl in Jyväskylä als in Helsingfors eröffnet, im folgenden De=
zennium gleichfalls in vielen anderen Städten. Später, nachdem
die Stände wiederholt beantragt hatten, dass die Regierung auch
für die Frauenbildung finnischer Gegenden durch Errichtung von
finnischen Töchterschulen sorgen möchte, wurden die betreffenden
Anstalten eine nach der anderen vom Staate übernommen.
Eine neue Entwicklungsperiode in der Geschichte der Privat=
schulen beginnt mit den 1880er Jahren: zunächst nach amerikanl=
schem Muster, begann man gemischte Schulen zu gründen,
in denen der Unterricht den Knaben und Mädchen gemeinsam
erteilt wird. Der Erstling unter den gemischten Schulen ist die im
Jahre 1883 in Helsingfors eröffnete schwedische Lehranstalt »Läro=
verket för gossar och flickor». Drei Jahre später (1886) begann
in der Hauptstadt die erste finnische Anstalt von diesem Typus
(»Suomalainen Yhteiskoulu») ihre Tätigkeit.
Im folgenden Jahrzehnt entstanden viele neue gemischte Schulen
in Provinzialstädten, sodass ihre Zahl schon 1900 29 betrug, unter
denen für die meisten Anschluss an die Universität vorgesehen war.
Auch später sind diese Schulen immer an Zahl gewachsen, in der
letzten Zeit sind deren mehrere auch auf dem Lande entstanden.
Im Schuljahre 1916 — 17 gab es im Lande zusammen 72 private
gemischte Schulen, von denen die meisten zur Universität vorbe=
reiteten.
Die Mischschulenbcwegung hatte ihre ideelle Triebfeder in
der sog. Frauenbewegung, die in Finnland in den i88oer Jahren
in weiten Kreisen sehr begeisterten Anschluss fand, und sie will,
indem sie den Mädchen wie den Knaben gleiche Schulerziehung
bietet, darauf hinarbeiten, dass die Frau im sozialen und Staats»
leben dem Manne gleichgestellt wird. Das Interesse für diese neue
Schulgattung hatte aber auch einen pädagogischen Zweck. Die
Anhänger der Koedukation hofften, dass die gemeinsame Schul=
arbeit auf die Charakterbildung der Mädchen und Knaben einen
günstigen Einfluss ausüben und dem oft kalt offiziellen Schulleben
einen etwas wärmeren und intimeren Ton von Heim und Familie
verleihen werde. Vonseiten der Gegner wurde allerdings hervor=
gehoben, dass die Mädchen, ihren Körper= und Geisteskräften nach
in der Regel schwächer ausgerüstet, nicht ohne Überanstrengung
mit den Knaben wetteifern könnten, dass der Unterrichtsstoff auch
sonst für die beiden Geschlechter einigermassen verschieden sein
müsste, dass sogar der Einfluss der beiden Geschlechter aufeinander
hinsichtlich der Charakterbildung schädlich sein könnte, indem die
Mädchen an Weiblichkeit, die Knaben an Männlichkeit und Untcr=
nehmungslust einbüssen würden. Es fehlte sogar nicht an Äus=
serungen, nach denen die Koedukation moralische Gefahren für
die lugend mit sich brächte.
Da sich diese Art Einwände und Zweifel nicht auf Erfahrungen
stützen konnten und da besonders an kleineren Orten, wo die Un=
terhaltung von zwei Sonderschulen sehr grosse Kosten verursacht
hätte, die Mischschulc auch ökonomisch vorteilhaft war, ist es be=
greiflich, dass diese Schulart bei der Gründung von neuen Lehran=
stalten massgebend wurde. Von 83 Privatelementarschulcn sind,
wie schon oben erwähnt, 72 gemischte Schulen. Ausserdem sind
von den übrigen 11 Schulen 9 vor der Zeit gegründet, wo die
Koedukationsidee in unserem Lande Verbreitung zu finden begann.
Im Schuljahre 1916- — 17 gab es im Lande im ganzen 83 Privat=
lehranstalten, wovon 60 finnische und 23 schwedische. Ausser einem
Knabenlyzeum, 7 Mädchenlyzeen und 3 Töchterschulen sind sie
alle gemischte Schulen. Die meisten von diesen Schulen, nämlich
52, sind vollklassige, zur Universität vorbereitende Lehranstalten,
die übrigen Mittelschulen mit 5 Klassen. Zu diesen kommen noch
die in vielen Städten als Fortbildungsanstalten von MitteU und
Töchterschulen gegründeten, zum Abiturienter.examen berechtig»
ten Fortbildungsklassen. Deren Anzahl betrug in dem erwähnten
Schuljahr zusammen 14, nämlich 8 finnische und 6 schwedische
,iv
.f^
t
Schulen mit zusammen 593 Schülern. Alle Privatlehranstaltcn sind
Realschulen, in einigen wenigen ist jedoch das Lateinische auf der
Lyzeumsstufc als fakultatives Fach eingeführt.
Die Zahl der Schüler der Privatlehranstaltcn betrug
in dem öfters genannten Schuljahr 15,829. Davon entfielen auf
die Finnischsprcchendcn 9,777, auf die Schwedischsprechenden
4,052. Rechnet man hierzu die obenangeführte Schülerzahl der
Fortbildungsklassen, so ergibt sich eine Totalsumme von 14,422,
d. h. 5,5?4 Knaben und 8,888 Mädchen. Die Privatschulen wurden
also in dem in Rede stehenden Schuljahr von einer um 2,611 grös=
seren Schülermenge besucht als die Staatsschulen. Alle diese Lehr=
anstalten hatten zusammen 1,147 Lehrkräfte, 567 Lehrer und 580
Lehrerinnen. Sehr viele Lehrer der Privatschulen haben ihre
Hauptanstellung an einer am Orte tätigen staatlichen Schule.
Was die wirtschaftliche Stellung der Pri =
vatlehranstalten anbelangt, hat der finnische Staat von
Anfang an mit erheblichen Geldmitteln zu ihrer Unterhaltung bei=
getragen. So bezogen die erwähnten Schulen im Schuljahr als Zu=
schuss aus Staatsmitteln zusammen etwas über 2 Mill. Fmk. Die
Gemeinden steuerten in demselben Jahre über 300,000 Fmk bei.
Neben dem Staatsbeitrag bilden die Schulgelder der Schüler ei=
nen bedeutenden Posten. Sic machten in dem angeführten Jahre
insgesamt annähernd 2 Mill. Fmk aus. Diese Einkünfte variieren
bei den verschiedenen Schulen sehr. Am höchsten sind sie in ei=
nigen Schulen der Hauptstadt, indem sie bis auf 175 Fmk pro Halb=
jähr steigen können; auf dem Lande gibt es Schulen, in denen das
Schulgeld nur 30 — 40 Fmk pro Halbjahr beträgt. Vom Stand=
punkt der Staatswirtschaft sind die Privatschulen sehr vorteilhaft:
während die durchschnittlichen Kosten des Staates auf jeden Schü=
ler in dem erwähnten Schuljahre in den staatlichen Schulen durch=
schnittlich 397: 62 Fmk betrugen, beliefen sie sich in den Privat=
schulen auf nur 148:11 Fmk.
Da die Privatschulcn unter sehr schweren wirtschaftlichen Bc=
dingungen arbeiten, ein Umstand, der natürlich nicht ohne Ein=
fluss auf ihre pädagogischen Leistungen bleiben kann, hat man in
der letzten Zeit immer kräftiger die Forderung erhoben, dass der
Staat wenigsten einen Teil der Privatlehranstalten übernehmen
sollte, vor allem diejenigen, die wirtschaftlich am schwächsten sind,
die aber sonst alle Voraussetzungen zu einer erfolgreichen Tätig=
keit haben.
Die Regierung hat denn auch dieser Forderung gegenüber eine
sympathische Haltung eingenommen.
Die Frage der Einheitsschule. Schon in der Schul»
Ordnung von «872 wird gesagt, dass »die höhere Schule die Mitwir=
kung der Volksschule voraussetzt». Eine direkte organische Einheit
zwischen der höheren Schule und der Volksschule war jedoch vor
dem jähre 1905 nicht vorhanden. Erst in diesem |ahre wurde
eine Verordnung ausgegeben, wonach als Bedingung für die Auf=
nähme in ein Lyzeum der Lchrkursus der zwei unteren Klassen
oder Jahresabteilungen der oberen Volksschule galt. Diese Verord=
nung ist noch immer in Kraft.
Ein beträchtlicher Teil der Aspiranten hat seine Vorbildung
in der Volksschule erworben, zahlreich sind aber auch diejenigen,
die eine besondere Vorbereitungsschule besucht haben, wie sie bci=
nahe in jeder Stadt unseres Landes vorhanden ist. Im Schul=
jähr 1916 — 17 wurden in die erste Klasse der höheren Schulen im
ganzen 4,349 Schüler aufgenommen. Von ihnen kamen 3,055 aus
Volksschulen, 1,039 aus Vorbereitungsschulen und 255 anders»
woher. Es ist jedoch zu beachten, dass nur reichlich die Hälfte der
aus der Volksschule Gekommenen dem zweiten [ahreskursus der
Volksschule angehört hatten, beinahe ebenso gross war die Zahl
derer, die von der dritten oder vierten Klasse der Volksschule ka=
men. Viele Eltern halten es nämlich für besser, ihre Kinder die
Volksschule durchmachen zu lassen, ehe sie sie auf eine höhere Schule
bringen; besonders die Landbewohner, die weit von einer höheren
Schule wohnen, zögern mit der Verlegung des Schulbesuches ih=
rer Kinder. Daraus erwächst der Missstand, dass die Vorbc=
reitung für die einen eine weit längere Zeit umspannt als für die
anderen. Die Vorbereitungsschulen sind 3=klassig, sodass das
Kind auf diesem Wege nach 3=jährigem Schulbesuch in die höhere
Schule kommt. Besucht es die Volksschule, so braucht es, um zu
demselben Ziele zu gelangen, wenigsten 4 Jahre: 2 Jahre in der
unteren und 2 in der oberen Volksschule. Kommt es aber erst von
der dritten oder vierten Klasse der Volksschule in die höhere Schule,
so verlängert sich die Vorbcrcitungszeit um weitere ein oder zwei
Jahre. Dieser Umstand und einige andere sprechen für den lange
diskutierten, aber noch unentschiedenen Vorschlag, dass die Volks»
schule in ihrer ganzen Ausdehnung zur Anfangsstufe der höhe»
ren Lehranstalten gemacht werden sollte. Bei den Volksschullehrern
hat dieser Gedanke allgemeinen Anklang gefunden, das Lehrer»
korps der höheren Lehranstalten hat sich aber teils auf einen gcgne=
rischcn, teils auf einen zweifelnden Standpunkt gestellt. Man be=
fürchtet besonders, dass der Unterricht in den fremden Sprachen, der
dadurch auf eine 2 Jahre höhere Altersstufe hinaufgeschoben
würde, unter der vorgeschlagenen Umgestaltung bedeutend Iei=
den und dass der Unterricht der höheren Schule auch sonst dadurch
an Effektivität verlieren möchte.
Um die Behandlung dieser weittragenden Frage auf Erfahrung
zu basieren, wurden im Herbst 1919 zwei nach dem Entwürfe
eines vom Staate eingesetzcn Komitees geordnete Versuchslyzeen
eröffnet, die auf der Grundlage eines vollständigen Volksschul=
kursus bauen.
Die Universität,
Die Universität Finnlands trägt jetzt den Ivlamen U n i v e r=
sität Helsingfors (gegründet in Äbo 1640).
Schon der König Gustav II Adolf dürfte die Absicht gehabt
haben, eine Universität in Äbo zu gründen. Diesen Plan vcrwirk=
lichte endlich der in der Geschichte Finnlands berühmte Gencral=
gouverncur von Finnland Pehr Brahe, und die Akademie
von Äbo wurde am 15. Juli 1640 eingeweiht. Diese Festlich»
keit ist eine der grössten, bemerkenswertesten Begebenheiten in der
Kulturgeschichte Finnlands. Die Akademie erhielt dieselben Privi=
legien und Statuten, welche Gustav 11. Adolf für die Universität
Uppsala festgesetzt hatte. Das leitende Prinzip dieser Statuten und
Privilegien war die Selbstverwaltung der Akademie. Im Jahre
1644 erhielt die Akademie das Recht, alle jährlichen und einen Teil
der zufälligen Abgaben von 309 Gütern und das Zehntkorn von
einigen Kirchen kornfonds zu erheben. Einige Professoren hatten
ausser ihren gewöhnlichen Geldgehältern Pfründen, andere Amts=
guter.
Als die Akademie ihre Tätigkeit begann, meldeten sich 44 Stu=
dierendc; in den 1640er Jahren wurden in die Matrikel alljähr=
lieh im Durchschnitt 61 neue Studenten und am Schlüsse des Jahr=
hundcrts durchschnittlich 85 jährlich eingetragen. Professoren
gab es anfangs ti: j in der theologischen, 1 in der rechtswisscn=
schaftlichen, 1 in der medizinischen und 6 in der philosophischen
Fakultät. Das Recht, akademische Grade zu verleihen, hatten alle
Fakultäten, aber eigentlich machte nur die philosophische Fakultät
von diesem Recht Gebrauch. Die wissenschaftliche Produktion an
dieser nördlichsten Universität der Welt entsprach in der ersten Zeit
ihres Bestehens keinen sehr grossen Anforderungcn;'Cs fehlte ihr an
Selbständigkeit und Ursprünglichkeit. Die Forschungsmethoden
vwaren sehr mangelhaft; wegen der fernen Lage Finnlands war die
Verbindung mit dem übrigen Europa schwach. Der grosse Nordische
Krieg, der in Finnland unter dem Namen des Grossen Unfriedens bc=
kannt ist, unterbrach die Wirksamkeit der Universität vollständig.
Den Studenten welche nicht im Kriegsdienst waren, wurde es gestattet,
an der Universität Uppsala zu studieren. Im jähre 1722 wurde die
Universität wieder eröffnet. Das Land war verwüstet, und aus
Mangel an Lehrkräften und Mitteln war die Tätigkeit der Uni =
versität sehr schwach, im Jahre 1742 erfuhr die Tätigkeit der Aka=
demic durch den Krieg wieder eine Unterbrechung; diesmal aber
nur für ein Jahr. Während der letzten Hälfte des 18. Jahrhunderts,
unter Gustav 111., brach für das wissenschaftliche Leben an der
Universität Finnlands eine Blütezeit an, und immer mehr begannen
nationale vaterländische Strömungen aufzutreten, welche eine neue
Entwicklung für das Land vorhersagten und vorbereiteten, im Jahre
1809 wurde Finnland endgültig von Schweden losgerissen. Wäh=
rend der Krieg immer noch wütete, wandte der neue Regent, Alexan=
der !., der Universität seine besondere Gunst zu. Schon im Jahre
1802 war mit der Aufführung eines neuen Gebäudes für die Univer=
sität begonnen worden, das erst 1817 seiner Bestimmung übergeben
wurde. Im Jahre 1827 legte eine Feuersbrunst den grössten Teil
der Stadt Abo in Asche und zerstörte auch die Universität, sowie
deren Bibliothek und Sammlungen zum grössten Teil. Die Univer=
sität wurde nach der neuen Hauptstadt Helsingfors verlegt.
Nach der Verlegung nach Helsingfors erhielt die alte Universität
den Namen »Alexanders = Universität Finnlands» und wurde am
28. Okt. 1828 feierlich eröffnet. Die Zahl der Studierenden bezif=
ferte sich auf ungefähr 200. Im Jahre i8'52 wurde das nach den
Entwürfen von J. C. L. Engel aufgeführte neue Hauptgebäude der
Universität vollendet. Später ist im Laufe der Zeit eine zahlreiche
Menge von Gebäuden für verschiedene Anstalten derselben gebaut
worden. Im Jahre 1828 erhielt die Universität ihre ersten, eigenen
Statuten, in welchen die Selbstverwaltung der Universität in ihren
Grundzügen beibehalten wurde. Die im Jahre 1852 ausgearbeiteten
neuen Statuten zeugen schon von dem Streben des Staates, sich in
das innere Leben der Universität zu mischen. Die studierende
)ugcnd wurde unter eine sehr strenge Disziplin gestellt; die philo=
sophische Fakultät und die Professur für Philosophie wurden auf=
gehoben. Sie wurden jedoch beide im jähre 1856 und 1863 wiedcr=
hergestellt. — Während des letzten Semesters in Äbo gab es 476
Studenten, eine Zahl, die in Helsingfors erst 22 Jahr später, im
fahre 1849, erreicht wurde, und erst im Jahre 1867 stieg die Frequenz
der Studenten auf über 500. In den 40 ersten Jahren der Uni =
versität Helsingfors wurden insgesamt 4,222 Studenten immatri=
kulicrt und in den Jahren 1868 — 1905 (während 38 Jahren) zusammen
11,333 Studenten, in den 1880er Jahren wechselte die Zahl der
neuen Studenten zwischen 200 — 300, in den folgenden Jahrzehnten
stieg sie von 300 auf etwa 500; im Jahre 1903 über 600 und 1907
schon auf 790, 1917 auf 1,165. Der während der letzten Jahrzehnte
erfolgte schnelle Zuwachs beruht am nächsten auf der Gründung
neuer zur Universität führender Lehranstalten. Gegen Ende der
1860er Jahre und zu Anfang der 1870er Jahre gab es im Lande
zur Universität führende Lehranstalten 10, 1885 16, 1895 30,
1905 59, 1918 95. Seitdem Jahre 1887 haben regelmässig Mädchen
an den Studentenprüfungen teilgenommen, und im Jahre 1901
sind die Frauen den Männern inbezug auf den Zutritt zur Uni=
versität und des Studiums daselbst gleichgestellt worden. Von
1891 — 93 war die Zahl der neuen Studentinnen 51 , in der fol=
genden Drei Jahresperiode schon 168, 1905 — 1907 im ganzen 726.
Von der ganzen Zahl derjenigen, welche die Studentenprüfung ab=
gelegt hatten, waren Frauen 1891 — 93 5,2 %, aber im Jahre 1907
schon im ganzen 31,3 %. Im Frühjahrssemester waren von den
Immatrikulierten 25 % Frauen. Im Vergleich mit anderen Univer=
sitäten ist die Zahl der studierenden Frauen an der Universität
Finnlands überaus gross. Ein grosser Teil von denen, welche die
Studentenprüfung abgelegt haben, setzen jedoch im allgemeinen
und besonders unter den Studentinnen, ihre Studien an der Uni=
versität nicht fort. Die Zahl der anwesenden Studenten betrug im
Herbstsemester 1875 652, 1885 1020, 1895 1378, 1915 3186 (im=
matrikuliert 3659), 1918 2066 (die Abnahme durch die schwierigen
Verhältnisse der Kriegszeit hervorgerufen). Gegen Ende der 1880er
Jahre betrug die Zahl der finnischsprechenden Studenten nur 5,5 %,
aber 1907 schon 68,6 %, also mehr als V3 der ganzen Zahl.
Die studierende Jugend bildet das Studentenkorps mit
einem Vorsitzenden an der Spitze, der unter den Dozenten, Lizen=
tiaten oder graduierten Mitgliedern des Korps für je ein Jahr ge=
wählt wird. Das Studentenkorps hält Versammlungen ab, in de=
nen Fragen besprochen und erledigt werden, welche auf die von der
studierenden Jugend gemeinsam besessenen Gebäude, die Biblio=
thek, Sammlungen, Geldfonds und andere gemeinschaftliche An=
geiegenheitcn des Korps Bezug haben. Das Studentenkorps kann
seine Befugnisse auch einem Ausschuss übertragen, der jährlich
gewählt wird und aus mindestens 40 Mitgliedern besteht. Die
Leitung der gemeinsamen Angelegenheiten des Studentenkorps
liegt in den Händen einer Verwaltung, welche durch ProportionaU
wählen innerhalb des Studentenkorps ausersehen wird und aus
ihrer Mitte sich selbst einen Vorsitzenden wählt. Das Studenten^
korps hat zwei Häuser mit Festsälen und zahlreichen Versammlungs=
räumen und eine eigene Bibliothek (65,000 Bände). Jeder Student
ist ausserdem verpflichtet, irgendeiner Studentenabteilung,
Landsmannschaft, anzugehören, deren es (1918) 12 gibt.
Die Landsmannschaften sind Korporationen der Studenten,
welche aus derselben Heimat gebürtig sind und Schulen einer
Provinz besucht haben. Als Vorstand jeder Landsmannschaft
fungieren ein von ihr gewählter Professor und ein aus ihrer Mitte
ausersehener Kurator. Ausser den das kameradschaftliche Leben,
die wirtschaftlichen Angelegenheiten der Landsmannschaften und
die allseitige Entwicklung der Studenten betreffenden Fragen haben
sich die Abteilungen mit allgemeiner Volksaufklärung beschäf=
tigt, Volkshochschulen gegründet, Volksschulen unterstützt, all =
gemeinverständliche Vortragskurse auf dem Lande angeordnet
usw. Die Mitgliederzahl der Landsmannschaften beträgt ungefähr
150 — 600. Die Studenten haben unter sich entsprechend ihren
verschiedenen Interessen eine ganze Reihe wissenschaftlicher und
anderer Vereine gebildet. Besonders sind die beiden Männergesang=
vereine zu nennen: '»Ylioppilaskunnan Laulajat'> mit finnischer,
und »Akademiska Sängföreningen» mit schwedischer Vereins»
spräche.
Der höchste Verwaltungsbeamtc der Universität ist der K a n z=
I e r. Die inneren Angelegenheiten der Universität werden von
dem aus der Mitte der ordentlichen Professoren gebildeten K o n=
s i s t o r i u m geleitet, in dem die verschiedenen Fakultäten ihre
Repräsentanten haben (zurzeit 14 Mitglieder). Angelegenheiten,
welche die VX-'ahl des Rektors und Prorektors, Vorschläge
zur Besetzung der Lehrämter und Gründung von ausserordentlichen
Professuren und die Austeilung literarischer Stipendien wie auch
die auf die innere Organisation bezüglichen Bestimmungen über
den wissenschaftlichen Betrieb und den Unterricht usw. betreffen,
werden von allen ordentlichen Professoren der Universität behan=
delt (das sog. grosse Konsistorium). Die ordentlichen Professoren
werden jetzt vom Kanzler ernannt nach einem von dem grossen
Konsistorium gemachten amtlichen Vorschlag, dem das Gutachten
besonderer Experten und der betreffenden Fakultät zu Grunde liegt.
Die ausserordentlichen Professoren sind teils Inhaber ordentHcher
Amter und werden nach denselben Prinzipien installiert wie die
ordentlichen, teils sind sie persönlich ernannt. Die Amtsernennun=
gen bestätigt der Kanzler. Ordentliche Professoren gibt es (1918)
57, ausserordentliche 33. Ausserdem gehören zu dem Lehrer=
korps der Universität Adjunkte (15), Dozenten (98), Lektoren (6)
und Exerzitienmeister sowie Assistenten, Lehrer, Laboratoren und
Hilfsbeamte.
Die Universität Finnlands hat vier Fakultäten und in
der philosophischen Fakultät drei Abteilungen (die historisch=
philologische, die phvsisch=mathematische und die agriku!tur=öko=
nomische). Als Vorstand einer jeden Fakultät oder Abteilung
fungiert ein Dekan. Die Universität hat eigenen Haushalt und
eigene Finanzverwaltung.
Zur Universität gehören mehrere wissenschaftliche
Anstalten, Museen und andere Sammlungen. Besonders
hervorzuheben sind das Astronomische Observatorium, die Phy=
sikalische Anstalt, das Chemische Laboratorium, die Botanische
Anstalt und der Botanische Garten, die Physiologische Anstalt,
eine moderne Turnanstalt, das Zoologische Museum. Das sog.
allgemeine Krankenhaus des Läns Nyland ist zu gleicher Zeit eine
Lehranstalt für künftige Arzte unter der Aufsicht der Universität.
Es hat 10 verschiedene Abteilungen, als deren Vorstände die Pro=
fessoren der betreffenden Lehrfächer tätig sind. Neue grosse
Gebäude für die Kliniken der Universität sind im Bau.
Zu erwähnen ist ferner die sehr reichhaltige Bibliothek
der Universität, die zugleich die allgemeine Bibliothek des Landes
ist. ihre sehr wertvolle Abteilung »Fennica» enthält eine relativ
vollständige Sammlung der in Finnland erschienenen Druckwerke.
Die ganze Bibliothek umfasst ungefähr 250,000 Bände und dazu
Broschüren in der Abteilung Fennica 45,000 Exemplare und 100,000
ausländische akademische Schriften. In der Universitätsbibhothek
befindet sich auch die im Jahre 1902 angekaufte Büchersammlung
des berühmten Forschungsreisenden A. E. Nordenskiöld, deren
Hauptwert in älteren geopraphischcn Schriften, Kartenwerken usw.
besteht, und in dieser Beziehung ist sie eine der vollständigsten
der Welt.
Im Jahre 1875 betrug die der Universität vom Staate zukom =
mende Subvention 489,940 Fmk, 30 Jahre später war sie schon mehr
als zweimal grösser und 1917 betrug sie 2,542,839 Fmk, das ei=
genc Einkommen der Universität betrug 1,066,517 Fmk, alle ihre
Ausgaben 3,075,828 Fmk; die Fonds betiugen 14,015,398 Fmk,
die Stipendienfonds 4,130,084 Fmk.
Manche leitenden und bemerkenswerten Persönlichkeiten des
staatlichen und kulturellen Lebens sind Lehrer der Universität
gewesen, wie Henrik Gabriel Porthan, Jacob Tengström, Johan Jacob
Tengström, M. A. Castren, J. L. Runeberg, J. J. Nervander,
Fredr. Cygnaeus, J. W. Sneilman, Z. Topclius, Julius Krohn, G.
Z. Yrjö=Koskinen, Leo Mechelin, Th. Rein, J. R. Danielson=KaU.
mari, R. Kajanus u. a.
Wissenschaftliche Gesellschaften.
Der Mittelpunkt der Wissenschaft und aller höheren geistigen
Kulturarbeit war schon immer und ist noch heute die im jähre
1640 gegründete Universität (siehe den vorangehenden Auf=
satz). Der eigentliche Begründer der modernen, sich kritischer
Methoden bedienenden wissenschaftlichen Forschung an der fin=
nischcn Universität ist der Geschichtsforscher Henrik Gab=
riel Porthan (f 1804), der »Vater der Geschichte Finnlands».
Seit seiner Zeit ist das Studium der vaterländischen und der
nordischen Geschichte Gegenstand eines starken, durch das natio=
naie Erwachen gesteigerten Interesses gewesen. Von den Vertre=
tern jenes Studiums seien Gabriel Rcin(t 1867), G. Z. Y r j ö=
Koskinen (f 1903) und J. R. D a n i e 1 s o n-K a I m a r i
(geb. 1853) erwähnt. Die Geschichte des Vaterlandes als nationale
Wissenschaft hat sich ausgedehnt zu einem Studium der der gros=
scn finnischen Völkerfamilie angehörenden Vorzeit, der Stammver»
456
wandten, Sprachen, der Volksdichtung, Völkerkunde, der Religionen
und des Volksglaubens, und auf diesen Gebieten ist seit Porthans
Zeiten eine immer bedeutender werdende und durch hervorragende
Gelehrte vertretene Forschungsarbeit im Gange. Aus diesem
Gebiete, welches in Finnland in erster Linie die nationalste Wissen»
Schaft vertritt und wo Finnland auf Grund der bisherigen Errun=
genschaften eine führende Stellung beanspruchen kann, seien
Namen erwähnt wie Mathias Alexander Castrcn
(t 1852), Sprachforscher, Ethnograph und Begründer der ural=
altaischen Sprachforschung, August Engelbrecht Ahl=
qvist (t 1889), Forscher der finnischen und verwandter Sprachen,
Elias Lönnrot (f 1884), Sammler und Zusammensteller
des Kalcvala, Julius Krohn (f 1888), folkloristischer For=
scher, ). R. A s p c 1 i n (fipij), Begründer der finnischen und fin=
nisch=ugrischcn Altertumsforschung, und G. A. W a 1 1 i n (f 1852),
Forscher der orientalischen Sprachen. Als die Zentralperson der
nationalen Erweckung ist Johann Wilhelm Snellman
( 1881 ) zu nennen, der als Gelehrter geistvoll die Hegeische Philosophie
vertrat. Nach ihm ist Thiodolf Rein (geb. 1838) der
hervorragendste philosophische Gelehrte der finnischen Uni=
versität; er hat u. a. ein biographisches Werk über J. W. Snellman
und dessen Zeitalter verfasst. Von den Vertretern anderer Wis=
senschaften verdienen erwähnt zu werden: der Rechtsgelehrte
Mathias C a 1 o n i u s (f 1817), der Physiker G. G. H ä 1 1=
ström (t 1844), der Physiker und Dichter J. J. N e r v a n=
d e r (f 1848), der Chemiker und Physiker Johann Gadolin
(t 1852), der aus Deutschland gebürtige Astronom F. W. Arge=
I a n d e r (f 1875), der berühmte Forschungsreisende und Natur=
forscher N. A. E. N o r d e n s k i ö 1 d (f 1901 ), die Zoologen A 1 e=
xander von Nordmann (f 1866) und J. A. Palmen
(t 1919), die Botaniker William Nylandcr(t 1899) und
J. P. Norrlin (11917). Alle diese Namen beziehen sich auf eine
ältere Generation. Gegenwärtig ist das wissenschaftliche Leben in
Finnland sehr rege; davon zeugt auch der Umstand, dass kürzlich
(1918) in Abo eine schwedische Universität gegründet worden ist
und dass man die Absicht hat, in nächster Zukunft auch eine finnische
Universität in derselben Stadt zu errichten. Der Pflege der wis=
senschaftlichen Forschung widmen sich ausserdem viele bedeutende
wissenschaftliche Gesellschaften, unter denen
hier folgende (alle in Helsingfors) erwähnt werden können:
Die Finnische Gesellschaft der Wisse n=
Schäften, 1838 gegr.; sie gibt drei Schriftenscrien heraus: «)
Acta Societafis scienfiarum fennicae, 2) Beiträge zur Kenntnis der
Natur und des Volkes Finnlands, 3) Übersicht der Verhandlungen
der Finnischen Gesellschaft der Wissenschaften. Der Aufsicht der
Gesellschaft sind die hydrographisch=biologischen lVleeresunter=
suchungen unterstellt. — Die Finnische Akademie der
Wissenschaften, 1908 gegr.; Schriftenscrien: 1) Vorträge
und Protokolle; z) Sitzungsberichte der finnischen Akademie der
Wissenschaften; 3) Annales Academiae scientiarum fennicae; 4) Do=
cumenta historica; 5) F. F .^Communications. Die Finnische Aka=
dcmie der Wissenschaften hat in Hclsingfors ein ständiges »Bureau
für wissenschaftliche Sammlungen", mehrere jähre hindurch eine
historische Untersuchungsexpedition in Rom und ein magnetisch=
meteorologisches Observatorium in Sodankylä unterhalten. — Die
Societas pro faunaet flora fennica, 1821 gegr.;
Schriftenserien: Acta Societatis pro fauna et flora fennica und 2)
Mitteilungen der Societas pro fauna et flora fennica. — Die F i n=
nische Literaturgcsellschaft, 1831 gegr. zur Be=
förderung der Kenntnis des Vaterlandes und der Pflege der fin=
nischen Sprache; Schriftenserien: 1) Veröffentlichungen der Fin=
nischen Literaturgesellschaft und 2) das Jahrbuch Suomi. Aufsätze
über vaterländische Stoffe. Auf dem Gebiete der Wissenschaften
ist die Einsammlung und Erforschung der finnischen Volkspoesic
und sonstiger Folklore zum Sondergebiet der Finnischen Literatur=
gesellschaft geworden. Im J. 1915 überstieg die Zahl der Sammlun=
gen finnischer Volkspoesie 400,000 Nummern. — Die Schwe=
dische Literaturgesellschaft in Finnland,
1885 gegr. Zweck der Gesellschaft ist die Einsammlung und Veröf=
fentlichung von Werken und schriftlichen Denkmälern auf dem Ge=
biete der schwedischen Literatur in Finnland und die Beförde=
rung eines schwedischen Schrifttumes im Lande; Schriftenserien:
1 ) Schriften, herausgegeben von der Schwedischen Literaturgesellschaft in
Finnland und 2) Verhandlungen und Aufsätze. — Die Finnische
Historische Gesellschaft, «875 gegr.; Schriftenserien:
1) Historisches Archiv und Urkunden zur finnischen Geschichte. —
Die Kirchengcschichtliche Gesellschaft in
Finnland 1891 gegr.; Schriftenscrien: 1) Veröffentlichungen und
2) Sitzungsberichte nebst Beiträgen. — Die Finnische Alter=
tumsgescllschaft, 1870 gegr.; Schriftenscrien: 1) Zeitschrift
458
Jer Alfertumsgesellschaft und 2) die Zeitschrift Finnisches Museum. —
Die Finnisch = ugrische Gesellschaft, 1883 gegr.
Zweck der Geseilschaft ist die Kenntnis der finnisch=ugrischen
Völker zu fördern durch das Studium ihrer Sprache, Archäologie,
Urgeschichte und Volkskunde; Schriftenserien: 1) Journal der finnisch=
ugrischen Gesellschaft, 2) Memoiren der finnisch-ugrischen Gesellschaff,
j) Hilfsmittel zum Studium der finnisch-ugrischen Sprachen, 4) Ethno=
graphische Arbeiten und 5) Wörterbücher. — Der Neuphil 0=
logische Verein, 1891 gegr. Schriftenserien: 1) Memoires
de la societe neo=philologique, 2) die Zeitschrift Neuphilologische
Mitteilungen. — Die Orientalische Gesellschaft, 1918
gegründet. — Die Finnische Geographische Ge=
Seilschaft, 1888 gegr.; Schriftenserie: Fennia. — Die F i n=
nische Ärztcgesellschaft, 1835 gegr.; Schriftenscrie
Akten der Finnischen Ärztcgesellschaft. — Duodecim, 1881
gegr. Zweck der Gesellschaft ist, ausser der Arbeit auf dem
Gebiete der medizinischen Wissenschaft und der ärztlichen Praxis,
auch die Beförderung der finnischen Sprache und Literatur auf
denselben Gebieten; Schriftenserie: die Zeitschrift Duodecim.
Museen.
An Museen gibt es in Finnland: h i s t 0 r i s c h=e t h n o g r a=
p h i s c h e: das Nationalmuseum in Helsingfors und einzelne Pro=
vinzialmuseen; die Münzen= und Medaillensammlung der Univer=
sität; Freilichtmuseen: das Freilichtmuseum auf Fölisön
(Seurasaari) bei Helsingfors sowie die Anfänge eines Freilichtmu=
seums in Abo (auf dem Schlosshof), in Kimito (von dem Lehrer
N. O. Jansson gegründet), in Villmanstrand (Lappeenranta) und
Sortavala; naturwissenshaftliche: das Zoologische Mu=
seum der Universität, das Mineralogische Kabinett, das Bonsdorff=
sehe Museum (anatomische und osteologische Sammlungen), das
Botanische Museum (der Botanische Garten der Universität) in
Flelsingfors, das Biologische Museum in Äbo, das Museum der Na=
turfreunde in Kuopio; Kunstmuseen: das Athenäum, die
Cygnaeussche Gallerie (im Brunnspark) und die Skulpturensamm=
lung der Universität in Helsingfors, das Kunstmuseum in Äbo, das
Museum des Kommerzienrats Renlund in Gamlakarlcby (Kokkola),
das Wiborgcr Museum, wo sich u. a. eine von dem Künstler Wil=
liam Gromni geschenkte Sammlung von Kunstwerken befindet;
kunstgewerbliche: das Museum für Kunstgewerbe in der
Villa Hagasund und das Museum für Hausindustrie in Helsingfors;
technische: das Eisenbahnmuscum (in dem neuen Bahnhofs=
gebäude), die Ausstellung für Arbeiterschutz und Unfallverhütung,
das Hygienische Museum und das Fischereimuseum in Helsingfors.
Technischer Unterricht.
Für die auf gewerblichem Gebiete Tätigen oder sich dafür Vor=
bereitenden gibt es: i) niedere Handwerkerschulen,
in denen Elementarunterricht im Zeichnen, Rechnen und anderen
praktischen Fächern erteilt wird; 2) höhere Handwerke r=
schulen, in denen weiterer Unterricht in denselben Fächern er=
teilt wird; 3) vorbereitende Gewerbeschulen (in
einigen Städten), deren Zweck es ist, Knaben und Mädchen, die
die Volksschule absolviert haben, Fachkenntnisse auf verschie=
denen Gebieten des Handwerks und des Haushalts zu vermitteln
(die Fachunterrichtskurse 2=jährig). Die höchste gewerbliche Lehr=
anstalt ist die 1871 gegründete Zentralschule für Kunstgewerbe
in Helsingfors, in der Lehrer für die Handwerkerschulcn ausge=
bildet und 3=jährigc Kurse in mehreren Zweigen des Kunstge=
werbes gehalten werden.
Hausindustrieschulcn gibt es sowohl für Frauen
als für Männer. Sie sind teils örtlich, teils ambulatorisch. In den
Schulen für Frauen umfasst die praktische Arbeit hauptsächlich
Weben und Nähen, in denen für Männer Tischlerei, Schmieden
und Dekorationsmalerei.
Für den eigentlichen technischen Unterricht gibt es I n d u s=
trieschulen (7) mit 3=iährigem Unterrichtskursus (1 . Okt — i .
April; Maschincn=, Bau=, Verkehrsabteilung, chemische, elektro=
technische Abteilung, Abteilungen für Schiffsbau, Weberei usw.),
in denen Werkmeister, Leiter mechanischer Werkstätten auf
verschiedenen Gebieten der Industrie sowie Maschinenmeister
ausgebildet werden; technische Institute (2, in Tammer=
fors und Helsingfors) mit 3=iährigem Kursus, welche technische
Mittelschulen sind und in denen nach 5 = jährigem Besuch eines
460
Lyzeums die für einen technischen oder industriellen Beruf erfor=
dcrlichen Kenntnisse und Fertigkeiten gelehrt werden. H ö h e=
rer technischer Unterricht wurde in den jähren
1849 — 79 in der technischen Realschule zu Helsingfors erteilt (vom
Jahre 1872 unter dem Namen Polytechnische Schule), in den Jah=
ren 1879 — 1908 in dem Polytechnischen Institut. Seit 1908 besteht
die Technische Hochschule mit sechs Abteilungen:
Architekturabtei ung, Ingenieurabteilung für
Hoch= und Tiefbau und Ackerbautechnik, Maschineninge«»
nieurabteilung für Maschinenbau, Elektrotechnik und
Fabrikindustrie, chemische und geodätische Abtei=
1 u n g und allgemeine Abteilung für solche Lehr=
fächer, die zu keinem der erwähnten Fachgebiete gehören. In
Verbindung mit der Hochschule besteht eine lVlaterialprü=
fungsanstalt.
Handelslehranstalten.
Die Handelslehranstalten zerfallen in drei Gruppen: 1) Schu-
len für Handlungsgehilfen in denen kaufmänni=
sehen Angestellten Unterricht erteilt wird; 2) Handelssc h u=
len {13), mit 2=jährigem Kursus, deren Zweck namentlich die
Ausbildung von Kleinhändlern ist; 3) Handcisinstitutc
(5), Kursus im allgemeinen 2=jährig (in zweien 3=jährig), welche
höheren Fach= und allgemeinbildenden Unterricht als Vorberei=
tung für die kaufmännische oder Kontoristenlaufbahn erteilen. —
Seit dem J. 1911 besteht in Helsingfors eine finnische H a n d e I s=
hochschule mit 2=jährigcm Kursus. Auch in der »Höheren
schwedischen Handelslehranstalt zu Helsingfors» gibt es eine 2=jäh=
rige höhere Abteilung.
Navigationsschulen,
Zur Ausbildung von Schiffsführern für kleinere Binnensee= und
Küstenfahrzeuge gibt es Seemannsschulen (8) mit einem
Kursus von einer Abteilung; zur Ausbildung von Steuermännern
und Seckapitänen Navigationsschulen (6) mit einem
Kursus von drei Abteilungen.
461
Landwirtschaftlicher Unterricht.
Für den niederen landwirtschaftlichen Unterricht gab es im ).
1917: 1) niedere Ackerbauschulcn (6) mit 2= oder
iV2=iährigem Kursus, in denen hauptsächlich Arbeitsleitcr ausge=
bildet werden; 2) Landwirtschaftsschulcn (34), dc=
ren Kursus 2 oder einen Winter oder 6 — 8 Wochen dauert
(ambulatorische Landwirtschaftsschulen), die in erster Linie die
Ausbildung von Landwirten bezwecken; und 3) Landwirt^
Schaftsinstitute (2, in Mustiala und Kurki joki) mit einem
Kursus von zwei Wintern, die solchen, welche fachmännischen
Elementarunterricht genossen oder praktische Übung gehabt ha=
bcn, Gelegenheit bieten wollen, ihre Studien fortzusetzen und zu
vervollständigen. Zu diesen ist auch die höhere schwedische Land=
wirtschaftliche Lehranstalt in Äbo zu rechnen. Ebenso wie die
Landwirtschaftsinstitute sind auch die 4 privaten L a n d w i r t=
schaftslyzecn (in Hclsingfors, Lapua, Kokemäki und Wi=
borg) als eine Art Mittelschule für Landwirtschaft anzusehen, eine
Zwischenform zwischen der gelehrten Schule und dem Landwirt=
Schaftsinstitut. Die von der Landtwirtschaftslyzeen entlassenen
Schüler sind berechtigt, ihre Studien in der landwirtschaftlichen
Sektion der philosophischen Fakultät der Universität fortzusetzen.
Für den Unterricht in Viehzucht und Milchwirtschaft gibt es:
1) theoretische Schulen für Viehzucht (8), mit
einem Kursus von 4V2 Monaten und einem Fortbildungskursus
von 2 Va Monaten; 2) praktisch = thcoretische Schulen
für Viehzucht (30), Kursus 2= oder i=jährig oder 4 — 5=
wöchig (ambulatorische Schulen); 3) vereinigte Viehzucht=
und Molkereischulcn (2), 2=jährig; 4) M o 1 k e r c i =
schulen (3, theoretische), Kursus von 5 Monaten.
Pferdezuchtschulen (1), Kursus von 7 Monaten;
Hufschmiedeschulen (4).
Gartenbau = Fachschulen: 1) Garten Bauschulen (5),
2=jährig; 2) Gartenbau= und Haushaltungsschu=
len (31); 3) Gartenbauinstitute (1, auf dem Landgut
Lepaa im Kirchspiel Tyrväntö), 2=jährig.
Für Bienenzucht gibt es eine Schule, und kürzere Kurse werden
an verschiedenen Orten gehalten.
Hochschulunterricht auf landwirtschaftlichem Gebiet wurde an»
462
fänglich in Mustiala erteilt, wo 1845 — 53 eine »Bildungsanstalt für
angehende Agronome» und 1865 — 1908 das »Landwirtschafts= und
Mol kerei= Institut von Mustiala» bestand. Im J. 1898 wurde die
Einrichtung einer landwirtschaftlichen Sektion in der philosophi=
sehen Fakultät der Universität zu Helsingfors verordnet. Die land=
wirtschaftliche Versuchsstation des Staates in Anas (Dickursby)
steht in naher Verbindung mit der landwirtschaftlichen Sektion.
Forstlicher Unterricht.
Für den niederen Forstunterricht bestehen Försterschu=
Icn (5) mit 2=jährigem (4) oder i=jährigcm (1) Kursus. An den
Landwirtschaftsinstituten von Mustiala und
K u r k i j o k i sind besondere Lehrer der Forstwirtschaft angc=
stellt, ein wenig forstlicher Unterricht wird auch auf den niederen
Ackcrbauschulen und den Volkshochschulen erteilt. Auch in der
geodätischen Abteilung der technischen Hochschule ist der forstliche
Unterricht vertreten. In der Försterschule zu Tuomarniemi sind
jährlich einige Monate dauernde forstwirtschaftliche Winterkursc
abgehalten worden. Höherer forstlicher Unterricht wurde früher
in dem Forstinstitute von Evo erteilt, wo in den Jahren 1863 — 66
und 1874 — 1908 ein 2=jähriger Kursus bestand. Im letztgenannten
Jahre wurde dieser Unterricht auf die Universität verlegt.
Fürsorge-Erziehung.
Die von der Allgemeinheit eingerichtete Kinderfürsorgearbeit
ist bis zum 14. Januar 1918 zwei staatlichen Organen anvertraut
gewesen, sodass die Behörde für Gcfangenenpflege für alle Vcr=
brecher unter 15 Jahren gesorgt hat, die von einem Gericht zur
Erziehung in sogenannten aligemeinen Erziehungsanstalten be=
stimmt wurden. Die schlechtgepflegten, sittlich verwahrlosten
oder entarteten Minderjährigen sind auf Grund der Vcrord=
nung vom 7. Oktober 1912 einem sogenannten Inspektor der
Fürsorgeerziehung unterstellt. Gemäss der Verordnung vom 14.
Januar 1918 wurde jede auf die Minderjährigen bezügliche Für=
sorgearbeit sowie auch die obengenannten Wirksamkeitsformen
465
dem Oberschulamte übertragen. In der Verordnung vom 2. August
1918, die die Umgestaltung dieser Behörde betrifft, wird für die
Verwaltung und Leitung dieser Angelegenheiten eine besondere
Abteilung, die sogenannte Kindcrfürsorgeabteilung eingerichtet.
Ihr unterstehen die allgemeinen staatlichen Erziehungsanstalten, die
staatlichen und privaten Kinderfürsorgcanstalten, die Erziehungs=
und Fürsorgeanstaltcn für Taubstummen, Blinden und Idioten
sowie die Lehrervorbereitungsanstaltcn für diese. Ordentliche
Mitglieder der Kindcrfürsorgeabteilung sind ausser dem Gene=
raldirektor des Oberschulamtes der Abteilungsvorsteher, drei andere
Schulräte, von denen zwei die Kinderfürsorgearbcit, einer die
Erziehung der Taubstummen, Blinden und Idioten vertritt, nebst
einem juristisch gebildeten Schulrat. Ausserdem stehen der Abtei=
lung Inspektoren für Turnen, Gesundheitspflege, Zeichnen, Hand=
arbeiten und Gesangunterricht zur Verfügung, die für alle drei
Abteilungen gemeinsam sind. Ordentliche Kinderfürsorgcanstalten
gibt es folgende: 1) für 7 — i5=jährige Verbrecher: sogenannte allgc=
meine Erziehungsanstalten 5, wovon 4 für Knaben (340 Zöglings=
stellen) und i für Mädchen (60 Zöglingsstellen); 2) für schlecht=
gepflegte und entartete Minderjährige staatliche Schutzheime:
4 für Knaben (zusammen 180 Zöglingsstellen) und 1 für Mädchen;
private oder kommunale Schutzheime, die staatliche Unterstützung
geniessen: 5 für Knaben (170 Zöglingsstellen) und 7 für Mädchen
{165 Zöglingsstellcn), 8 Ferienkolonien für 180 Knaben und 2
Heime, das eine für Knaben, das andere für Mädchen. Die Kosten
des Staates für Unterhaltung und Unterstützung dieser Anstalten
sind im Budget von 1918 auf 1, 770,300 Fmk geschätzt worden.
Solche Schulen gibt es für Taubstumme 7 (mit 400 Zöglings»
stellen), für Blinde 2 (mit 140 Zöglingsstellen) und eine für
Idioten (mit 100 Zöglingsstellen). Die Kosten für diese sind «918
auf 1,502,900 Fmk geschätzt worden.
Auf dem Gebiete der Gesetzgebung gibt es vorläufig nur Ge=
setzentwürfe, nämlich ein von dem 1902 eingesetzten itaatlichen
Komitee ausgearbeiteter Entwurf zur Regelung der Fürsorgecr=
Ziehung vom Jahre 1905 und ein vom Gesctzvorbereitungs»
ausschuss ausgearbeiteter Entwurf vom Jahre 1914, der durch
das untertänige Gesuch des Landtages vom Jahre 1909 um Ein«
führung eines allgemeinen Gesetzes für die Kinderfürsorge vcr=
anlasst wurde. Zur Ausarbeitung eines neuen Entwurfes ist am 25.
464
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Die Kirche 2U Sauvo.
Bootfahrt zur Kirche.
Nov. 1918 ein neues staatliches Komitee eingesetzt worden, das
schon mit der Arbeit begonnen hat. Ausserdem hat der Landtag
seinerseits eine Gcsetzesvorlage angenommen, die die Rechte und
Erziehung der unehehchen Kinder betrifft. Obgleich ein Gesetz
für Kinderfürsorge noch nicht besteht, sind in Städten und Land=
kommunen besondere kommunale sogenannte Erzichungs=
ausschüssc eingesetzt worden, die auf Grund von bestätigten
Statuten arbeiten.
Taubstummen-, Blinden- und
Idiotenanstalten.
Für den Taubstummenunterricht gibt es in Lande 7 Taub=
Stummenschulen, in den Städten Borgä (Porvoo), Äbo (Turku),
St. Michel (IVlikkeli), Kuopio, jakobstad (Pictarsaari), Jyväskylä
und Uleäborg (Oulu), für den Blindenunterricht 2 Blindenschulen,
in Helsingfors (Helsinki) und Kuopio, mit 10= jährigem Unterrichts»
kursus (die vorbereitende Klasse mit einbegriffen), für die Erzie=
hung Stumpfsinniger eine besondere Erziehungsanstalt Perttula, un=
weit Tavastehus (Hämeenlinna).
Architektur.
Wenn man von der ältesten finnischen Bauform, dem Balken=
bau, dessen Formen wir nur aus seinen späteren Entwicklungs=
stufen kennen, absieht, kann man sagen, dass die Geschichte der
finnischen Architektur in der Zeit nach dem Kreuzzuge Bischof
Henriks beginnt, wo die abendländische Kunst im Schutze und
im Dienste der katholischen Kirche nach unserem Lande kam. Un=
sere ältesten Steinkirchen stammen wahrscheinlich aus dem 13.
Jahrhundert und gehören dem nachromanischen sog. Über gan gs=
Stil an. Die meisten von diesen Kirchen haben jedoch im Laufe
der Zeiten viele Veränderungen erlitten, sodass Merkmale von
verschiedenen Stilperioden an ihnen angetroffen werden können.
Zum Vergleich mag erwähnt werden, dass die Dome in Schweden
465 ' 30
die Formen der Dorfkirchen des iz. )ahrhundcrts beeinflusst,
die Bauten des 13. Jahrhunderts hingegen im Zeichen der K 1 o s=
terarchitektur gestanden haben. So kann man 2. B. einen
Einfluss der Zistcrzicnscrkirche zu Sorf (in Dänemark) auf die
schwedischen Kirchen, wie z. B. auf den Dom zu Strängnäs
konstatieren. Solchen Ursprungs sind wohl die alten Giebeldc=
korationen. Der Ubergangsstil, dessen einfachere Formen besser
mit den ärmlichen Verhältnissen in unserem Lande übereinstimme
ten, behauptete sich bei uns länger als in den Nachbarländern;
man hat sogar gesagt, dass seine Traditionen nie völlig der an
Verzierungen so reichen Gotik gewichen sind. Ebenso behaupten
die schwedischen Dorfkirchen ihren aus dem 13. Jahrhundert
stammenden Grundriss fast bis auf unsere Tage wie euch den na=
türlichen Stein, dessen Anwendung die einfachen Formen ver=
ursachte, weswegen sie die neue Zeit, der sie angehören, äusser=
lieh nicht genügend zum Ausdruck bringen. Der Grundriss unserer
mittelalterlichen Kirchen ist gewöhnlich ein Rechteck, in der Längs=
richtung ein= oder dreischiffig (bisweilen zweischiffig wie die Kir=
chen in Sibbo und Inga) ohne Querschiff, und im Durchschnitt
sind sie Hallenkirchen ausser dem Dom zu Äbo, der durch
den Umbau im Jahre 1466 Basilikaform erhielt. Ausser dem
rechteckigen Langhaus gehört zum Kirchenbau oft die R ü s t=
k a m m e r, die Sakristei und der Turm (eine Apsis
kommt in keiner finnischen Kirche vor). Nach der mittelalterlichen
Sitte wurde die Kirche oft in verschiedenen Zeitabschnitten auf=
gebaut. Man kennt Beispiele davon, dass die Sakristei zuerst als
völlig selbständiger, aus vier Wänden bestehender Raum aufge=
führt und zu diesem erst später das Langhaus und schliesslich der
Turm hinzugefügt wurde. Zuweilen ist nur die Sakristei fertig
geworden und der übrige Teil ungebaut geblieben (wie die Sak=
ristei in Virolahti). Die Decke wurde anfangs aus Holz und flach
gemacht oder auch so, dass die Dachstühle sichtbar waren, später
aber, als sich die Dachstuhlkonstruktion weiter entwickelte, wurden
verschiedenartige Backsteingewölbe oder eine tonnengewölbartige
Holzdeckc gebraucht.
Von unseren mittelalterlichen Kirchen sind die auf Aland
die ältesten und sie unterscheiden sich von den Kirchen auf
dem Festlande unter anderem darin, dass die Ancinanderfügung
der Steine an den Mauern ebener und mehr reihenweise erscheint,
466
dass der Chorteil bisweilen Schindler oder sonst getrennt und dass
der Turm, obgleich später gebaut, mit der Kirche verschmolzen
ist. Die Mauern der Festlandskirchen bestehen aus sehr unebenen
IVloräncnsteinen und vielem Mörtel, und den Chor bildet gewöhn=
lieh nur einfach der östlichste Teil des Langhauses. Denn in der
Regel geht die Richtung des Langhauses von Westen nach Osten
(die Richtung der heiligen Baulinie). Hin=
sichtlich der Gewölbekonstruktionen zeigen die Festlandskirchen
besser entwickelte Formen. Die Gewölbe ruhen im allgemeinen
auf Gurtbögen und Rippen, die oft nach der spätgotischen Art
ohne Kapital unmittelbar von den Pfeilern gewöhnlich zu spitz=
bogenähnlichen Krcuzrippen= und Sterngewölben emporwachsen.
Die letztgenannte Gewölbeform wurde über dem Mittelschiff oder
dem Chor gebraucht. Die schönsten Denkmale der Gewölbe»
baukunst des finnisch=gotischen Stils findet man in den Kirchen
von Tcnala, Pargas, Pernio und Sauvo. — Die Fenster wurden,
ausser einem, in jeder Giebelmauer, hauptsächlich in der Südmauer
der Kirche angebracht, wogegen die Nordmauar anfangs ohne
Fenster gewesen zu sein scheint, übrigens sind die Fenster an den
meisten Kirchen nach der Reformation erweitert worden, sodass
sich nur äusserst wenige in ihrer ursprünglichen Form erhalten
haben (so z. B. das Chorfenster in der Kirche zu Sauvo mit dem
Masswerk aus Kalkstein).
Das Äussere der Kirchen ist sehr einfach. Bei vielen Festlands»
kirchen sind die Giebel jedoch aus Backstein, der als zierlicheres
Baumaterial denn die Granitblöckc öfters den Stoff zu einer bis=
weilen sehr reichen Dekoration, besonders am Wcstgiebcl der Kirche,
abgegeben hat. Die im Mittelalter gebräuchlichen Backsteine wa=
ren im allgemeinen recht gross, jo — 32 cm lang, 14 — 16 cm breit
und 10 cm dick, und die Mauer (sog. Füllmauer) wurde wie auch
die Granitmauer so gemacht, dass nur die inneren und äusseren
Wandflächen eben waren und die Zwischenräume dann mit Stei=
nen, Ziegelstücken usw. ausgefüllt wurden. An den Giebeln
wurden anfänglich nur die Verzierungen aus Backstein gemacht,
später aber der ganze Teil, der Verzierungen enthielt. Die gewöhn»
liebsten Zierformen waren das Kreuz, eine längliche stehende
Nische, eine runde oder mit Massweik gefüllte Nische, eine drei=
oder vierblätterige Nische u. a. (die Nischen sind gewöhnlich mit
Kalk beworfen). Aus Backstein machte man auch die Tür= und
467
Fensterrahmen. Von diesen sind hauptsächlich die Eingangstüren,
die Portale, einfach gewöhnlich mit rechteckigem Stufenprofil
geziert; seltener haben die Stufen die Form eines Rundstabes oder
wechseln diese zwei Formen miteinander; es ist zu merken, dass
die Form des Türbogens auch an den späteren gotischen Kirchen
ganz oder fast halbrund ist. Nur ausnahmsweise begegnet man
reicher gegliederten Kalksteinportalen, wie an den Kirchen zu
Nädendal (Naantali) und Jomala. Das Innere wurde dagegen ver=
hältnismässig reich geziert mit Kalkmalereien, Altarschränken,
Bildschnitzercien, Kruzifixen und anderen kirchlichen Gegenstän=
den.
Ausserhalb der kirchlichen Bautätigkeit verdienen nur einige
Burgbauten erwähnt zu werden, wie die Burgen in Äbo, Tavaste=
hus (Hämcenlinna), Wiborg und Olofsborg, von denen der erst=
genannte mit seinen viereckigen Türmen an die romanischen Bauten
erinnert, wogegen die runden Türme der letzteren eine vorgeschrit=
tenere Burgtechnik aufweisen.
Nach der Reformation wurden anfangs nur wenig Kirchen
gebaut. Auf dem Gebiet der Kunst war ein Stillstand eingetreten,
denn der damalige König von Schweden, Gustav Wasa, verfolgte
geradezu die Kunst, sodass unter anderem die Kirche gezwungen
wurde, dem Staate viele kostbare Mctaligerätschaften zu überlas=
sen. Die alten Kirchen wurden nach und nach im Innern mit Kalk
wcissgctüncht. Die Kanzeln und Altäre wurden in Ubcreinstim=
mung mit dem Zeitgeist nach dem Renaissance^ und Barockstile
umgebaut. Auch sind die Glockentürme zu erwähnen, deren leben=
digc Umrisse der Barockgeschmack geschaffen hat. Für weltliche
Zwecke hatte die Baukunst sehr unbedeutende Aufgaben zu lösen.
Von diesen sind die wichtigsten das hölzerne Königshaus, das
Gustav Wasa im Jahre 1551 in dem alten Helsingfors bauen liess
und dessen zweistöckiges Hauptgebäude unter anderem eine
Bürgerstube, zwei Speisesäle, zwei Kammern und eine Schrei=
berstube enthielt, und der von Erik Fleming 1545 erbaute, burg=
artig düstere Herrensitz K v i d j a (Kuitia).
Gegen die Mitte des 17. Jahrhunderts, wo in Schweden pracht=
volle Ritterschlösser aufgeführt wurden, entstand auch bei uns
auf diesem Gebiete eine gewisse Regsamkeit. Von unseren Herren»
sitzen — die jedoch im Verhältnis zu dem schwedischen verhälts
nismässig anspruchslos sind — mag der von Herman Klausson
Fleming im )ahre 1655 renovierte und um zwei Stockwerke er=
468
höhte Herrenhof Louhisaari crvjcähnt werden. Von grössc=
rcr Bedeutung sind für unsere Baukunst die Herrenhöfc der späteren,
gustavianischen Zeit; für ihre lnnen= und Ausscnarchitektur kön=
ncn die Herrensitze Mustio, Joensuu (Äminne), K a n=
k a i n e n u. a. als schöne Beispiele dienen.
Am Ende des 17. und besonders im Laufe des 18. Jahrhun=
derts wurden wieder viele Kirchen, die meisten aus Holz, gebaut;
unter etwa 200 Kirchen sind 11 aus Stein. Die Bauart der Holz=
kirchen wird auch oft sehr interessant. Erfinderisch sind die der
Natur des Holzes entsprechenden konstruktiven Teile baukünstle=
risch wirksam entwickelt, wie z. B. die zur Versteifung der
Balkenwände an diesen gezimmerten viereckigen Balkenpfciler
und die an deren Obcrendcn befestigten, in der Querrichtung
der Kirche laufenden Bindcbalken, die der Dachstuhlkonstruktion
zur Stütze dienen. Das beachtenswerteste Beispiel von solchen
Bauten ist die Kirche zu Saloinen. Der Grundriss der ältesten ist
gemäss dem Steinkirchentypus ein Rechteck, später wurde neben
ihm die sog. Kreuzkirche üblich, die besonders bei grös=
seren Predigträumen praktisch leichter zu bauen war. Nach dem
Äusseren sind unsere Holzkirchen ebenso einfach und schlicht
wie die Steinkirchen. Statt Giebel bildet das Dach an diesen oft
ein steiles, schräges Dreieck, und die Dächer sind wirkungsvoll
mit bisweilen nach verschiedenen Mustern geordneten Dachschin=
dein bedeckt. An den Glockentürmen kann man mitten unter den
prachtvollen Formen des Barocks verschiedene Holzzierformen
finden (z. B. der alte Glockenturm in Ruokolahti).
Von dem bei uns üblichen Kirchentypus weicht ab die Kirche
in Tavastehus vom Jahre 1798, die mit ihrem runden Grundriss
und mit ihrer Kuppel an das Pantheon in Rom erinnert. Aus der
gustavianischen Zeit sind noch zu erwähnen das für das im Jahre
1 785 gegründete Wasaer Hofgericht gebaute Gebäude
(nach den Zeichnungen von C. F. Adelcrantz, jetzt Kirche in Mus=
tasaari), das, im Stile eines Herrenhofes von niedrigen Flügclge=
bänden umgeben, sich zierlich am Ende einer Allee erhebt, und das
Aboer Akademiegebäude, von dessen Innenarchitck=
tur die Aula mit ihren geschliffenen Granitsäulen, Tonnenge=
wölben und interessanten Fenstern (die Arbeit wurde unter der
Leitung von Charles Bassi ausgeführt) hervorzuheben
sind. Charakteristisch für das Äussere dieser Gebäude sind die fast
469
schlichten Fassaden, deren Mittclparticn nur mit Pilastern belebt
worden sind.
Nachdem Finnland von Schweden getrennt war, begann in
unserer Baukunst eine neue selbständige Entwicklung wenigstens
in dem Sinne, dass in der Leitung der Bautätigkeit eine grössere
Einheitlichkeit entsteht und die veränderten politischen Verhält=
nisse neue grosse Aufgaben auf dem Gebiete der Architektur dar=
bieten. Nachdem der erste Generalintendant des neugegründeten
Intcndanturcomptoirs (der jetzigen Oberbaubehörde) Charles Bassi
im Jahre 1824 seinen Abschied genommen hatte, wurde dieses
Amt mit einem Deutschen C a r I Ludwig Enge 1(1778 — 1840)
besetzt, der schon 1816 nach Finnland berufen worden war. In
seiner produktiven Tätigkeit blieb dieser Schöpfer des alten Teils
unserer Hauptstadt folgerichtig sein ganzes Leben hindurch bei
der einmal von ihm gehegten neuklassischen Stilrichtung, weshalb
seine Arbeiten ein ungewöhnlich einheitliches Gepräge tragen;
bezeichnend für sie ist die klare Gliederung und steife Gcradli=
nigkeit, Eigenschaften, die auch in das Bewusstsein unserer neue=
sten Baukunst überzugchen scheinen. Nach dem Tode Engels folgte
in der Entwicklung der Architektur ein langer Stillstand, der zum
Teil auch dadurch verursacht wurde, dass sich die Städte unseres
Landes sehr langsam entwickelten und der Bedarf neuer Gebäude
also sehr gering war. Auch die teilweise etwas grössere Regsamkeit
der Bautätigkeit auf dem Lande, von der die von A. F. G r a n=
stedt erbauten Herrenhöfe, Kirchen u. a. als Beispiele dienen
können, und die offizielle Tätigkeit der Oberbaubehörde ver=
mochten nichts Bedeutenderes zu schaffen.
Von ausländischen Architekten, zu deren Können man noch im=
mer seine Zuflucht nahm, seien erwähnt die Schweden K. A. Setter=
berg und G. T. P. C h i e w i t z (f 1862). Das Atelier von Chie=
witz in Äbo wurde zur ersten bedeutenden Lehrstätte junger Archi =
tckten, wo unter anderen F. A. Sjöström, Th. Decker, Th. Höijer
und ). ). Ahrenbcrg neben ihren Studien im Ausland arbeiteten. Auch
sind zu bemerken A. H. Dalström, der Erbauer des alten Studen=
tenhauscs in Helsingfors, und C. A. E d e I f e 1 t (f 1869), der mit
dem alten Chemischen Laboratorium der Universität die sog.
Münchencr Schule repräsentiert, die durch die Verschmelzung von
mittelalterlichen und Renaissanceformen einen neuen Stil zu
schaffen suchte. Unter den Schülern von Chiewitz verdienen be=
sonders hervorgehoben zu werden der erste Lehrer der Architek=
tur an dem im jähre 1872 gegründeten Polytechnischen Institut,
F. A. Sjöström (1840 — 85), und der durch seine umfassende
Bautätigkeit bekannte T h. H ö i j c r (1843 — 1910), der mehr als
irgendein anderer nach Engel den Charakter einiger Teile der
Stadt Helsingfors bestimmt hat. Die ersten in Finnland ausge=
bildeten Architekten sind Scb. Gripenberg (geb. 1850)
und K. G. Nyström (1856 — 1910). Die auf den Neuklassi=
zismus folgende oder zum Teil auch neben ihm einhergehendc
Romantik, bei der man die mittelalterlichen Stile den Verhältnissen
der neueren Zeit anzupassen versuchte, repräsentierten bei uns
Setterberg und Chicwitz. Die Zeit Sjöströms und Höijers bedeu=
tet schon den Übergang zu den Formen der Renaissance, die wic=
der immer alleinherrschender auf den Akademien Mitteleuro=
pas (auf die Initiative Sempcrs) zur Grundlage der Studien werden.
So zwischen verschiedenen Stilen wechselnd war die Baukunst
allmählich in geistloses Kopieren und mehr oder weniger charak=
terlosen Kosmopolitismus geraten.
Gegen diesen wandten sich anfangs in England und Belgien
neue starke StröTiungen und sie erreichten auch am Ende der
90er Jahre unser Land. Die Kunst sollte wahr sein, die Formen
sollten den modernen Konstruktionen entsprechen, und der Zweck
der Gebäude sollte sich äusserlich in dem Ganzen wicderspiegeln.
Der Bauplan sollte sich aus sich heraus entwickeln. Die verschiede»
nen Baumaterialien sollten nach ihrem Charakter behandelt werden
und der Stein sich redlich als Stein, das Eisen als Eisen usw.
zeigen. Das Zweckmässige galt für schön. Es war die Zeit des
Theoretisierens und der Umwertung aller Schönheitswerte. An
den ersten Arbeiten dieser Zeit bei uns, an denen man Einflüsse
teils von Schweden her, teils auch von der gleichzeitigen nordame=
rikanischen Granitarchitektur sieht, erfolgt die Anpassung der
neuen Prinzipien noch sehr vorsichtig, und zwar betrifft sie haupt=
sächlich die Behandlung des Fassadenmaterials, wie unter anderem
in Helsingfors an den Gebäuden der Wasaer Aktienbank (vom schwed.
Architekten Settergren), der Vereinsbank (von K. G. Nyström)
und des Finnischen Nationaltheaters (von 0. Tarjannc); ein ty=
pisch=deutsches Gepräge trägt dagegen das Lundqvistsche Ge=
schäftshaus in der Akxinderstrasse (von S. Lindqvist), das das
erste ausschliesslich Geschäftszwecken dienende Gebäude ist.
Innere Kraft und Tragweite begann die neue Richtung jedoch erst
durch die zu dieser Zeit entstandene Strömung zu gewinnen, die
die Baukunst auf rein nationalen Boden gründen wollte. So brach»
ten zwei Architekten, |.W. Sucksdorff und Y.BIomstcdt,
von einer Reise nach Kardien eine reichhaltige Sammlung von
Elementen des Holzbaustils und der häuslichen Industrie mit,
nach denen man einen neuen nationalen Holzstil schaffen zu kön=
nen glaubte. Andererseits wurde die Aufmerksamkeit auf unsere
mittelalterlichen Kirchen und Schlösser gelenkt, indem die Orna=
mentformen aus dem einheimischen Pflanzen=und Tierreich geholt
wurden. Aber auch die neuere englische Baukunst, besonders die
Innenarchitektur (Baillic Scott u. a.) hat unter den ausländischen
Einflüssen ihren Anteil. Für die mannigfaltigen Bestrebungen der
Richtung bezeichnend ist auch, dass sie versuchte eine nahe Wech=
selwirkung und ein Zusammenarbeiten zwischen den bisher ihre ei=
gencn Wege gehenden verschiedenen Kunstzweigen zustande zu
bringen. Speziell ist in dieser Hinsicht der Einfluss des Malers
A k s e 1 i Galle n=K a I I e I a auf unsere jüngeren Architekten zu
bemerken.
Die obenerwähnten Prinzipien sind bahnbrechend von den
Architekten G e s e I 1 i u s — L i n d g r e n — S a a r i n e n verfolgt
worden, so unter anderem in ihren ersten durch Wettbewerb
erzielten Arbeiten: im Pariser Pavillon (dem finnischen Aus=
Stellungsgebäude auf der Weltausstellung 1900), im Pohjola=
Haus und im Gebäude des Nationalmuseums (die beiden letztgc=
nannten in Helsingfors). Preisbewerbungen sind seit dieser Zeit in
der Architektur bei uns sehr üblich geworden und haben ihres=
teils unsere junge Baukunst sehr energisch vorwärts geführt. — Als
beleuchtendes Beispiel und als Kraftprobe der neuen Richtung ist,
neben dem Pariser Pavillon, der Herrensitz Suur=]Vleri joki (un=
weit von Wiborg) zu nennen, wo den obenerwähnten Architekten
äusserste Handlungsfreiheit bis in die kleinsten Innendetails ge=
geben war und sie sich ausserdem der wirksamen Hilfe junger
Kunstgewerbler bedienen konnten. An diesem Gebäude wurde
auch die Kalkputzarchitektur in einer neuen Weise behandelt: die
Fassadenflächen wurden glatt gelassen, als einzige Abwechslung
dienten passend gruppierte Erker, in kleine Scheiben eingeteilte
Fenster und steile, mit Ziegeln gedeckte Dächer.
Aus dieser Periode der nationalen Romantik, von der das kollck=
tivc Zusammenarbeiten unserer Architekten in der Form von Archi=
tcklurfirmen ihren Ausgang nimmt, mögen weiter erwähnt werden
das Haus des Polytechnikervereins (Lindahl u. T h o m e), das
Volkshaus im Stadtteil Siltasaari (Broholmen) in Helsingfors (Karl
L i n d a h 1), die Johanncs=Kirche in Tammerfors, das Krankenhaus
Eira und das Haus der Tclcphonvereinigung in Helsingfors (sämtlich
von L. S o n c k). Diese Gärungszeit unserer Baukunst ist durchaus
nicht ohne Irrwege und öbertreibungen verlaufen, weshalb die ge=
nannte Richtung bald auch bei den jüngsten Architekten auf Wider=
stand stiess, unter anderem wurde sie in zahlreichen Aufsätzen von
G. Strengen und S. F r o s t e r u s (so in dem Aufsatze »Järn= och
hjärnstil» [Eisen= und Gehirnstil]) angegriffen, von denen beson=
ders der letztgenannte als eifriger Anhänger der rationalistischen
Ideen des Belgiers Henry van de Velde bei uns auftrat (z. B. in sei=
nem Konkurrenzprojekt für das neue Bahnhofsgebäude in Hel=
singfors).
Die nationale Romantik spielte jedenfalls eine umschaffende
Rolle in unserer Baukunst, die, wie man wohl sagen darf, in
der nächstfolgenden Periode das Gepräge eines gewissen Glcich=
gewichtes und selbständiger Reife erlangt hat. Dadurch wurde es
auch möglich wieder an die Traditionen der vergangenen Zeit
anzuknüpfen und die Scheu vor den historischen Stilen, besonders
dem der Renaissance zu überwinden. In den Arbeiten der jüngst=
vergangenen Zeit erkennt man im Gegenteil ein deutliches Hineinglei=
ten in den Geist der Renaissance, indem die Architektur doch eine
viel grössere Freiheit, als diesem Stile eigen war, behauptete und
sich nicht in blosses Stilkopieren verirrte. Eine typische Illustration
dieses Überganges ist das Gebäude der Nordischen Aktienbank
(Gesellius — Lindgren — Saarinen) in Helsingfors, an dessen Sand=
Steinfassade die Ornamentik noch ganz der romantischen Periode
angehört, das Fassadenbild aber als Ganzes mit seinen geraden
Abschlüssen, Fensterverteilungen und ruhigen Zügen auf die Re=
naissance hindeutet.
Obgleich man in unserer neuesten Baukunst in den Grundzü=
gen betrachtet eine gemeinsame Hauptströmung konstatieren kann,
beobachtet man doch bei den verschiedenen Architekten ein immer
deutlicheres Streben nach einem eigenen persönlichen Stil. Von der
vor dem Weltkriege in unserem Lande herrschenden äusserst regen
Bautätigkeit, wo Bauten für die verschiedenartigsten Zwecke, wie
47 7
für Schulen, Kirchen, Banken, Theater, Stadt= und Landwohnun=
gen, für Handel und Industrie aufgeführt wurden und wo als Fas=
sadenmaterial neben dem natürlichen Stein und dem Kalkputz auch
der Backstein besonderes Interesse zu erregen beginnt, mögen
als Beispiele der verschiedenen Formwandlungen erwähnt werden:
die Granitpaläste der Lcbcnsversichcrungsgcsellschaftcn Suomi und
Kalcva und das neue Studentenhaus von A. L i n d g r c n, das
Bahnhofsgebäude in Helsingfors und das Konkurrenzprojekt für
das neue Landtagsheus von E. S a a r i n e n, das physikalische lnsti=
tut der Universität und die Filiale der Finnischen Reichsbank in Äbo
von K. G. N y s t r ö m, die Häuser der Aktiengesellschaften Apollo
und Salama (in Helsingfors) von Onni Tarjanne, die Häu=
ser des Hypothekenvereins und der Börse, die Kirche in Kallio
(Berghall, in Helsingfors) und die Zentralstationen der Helsingforser
Telephonvercinignung in Tölö und Sörnäs (in Helsingfors) von L.
S o n c k, die Volksschule in der Bahnstrasse und die Volksbibliothck
in Sörnäs (in Helsingfors) von Hard af Segerstad, das See=
mannshcim »SaiIors=Home», das Geschäftshaus der Gesellschaft
Hamstern und die Villa Johanna in Helsingfors von S. L i n d=
q V i s t, von den Entwürfen Usko Nyströms und V. P c n t=
t i I ä s das von dem erstgenannten bearbeitete Stadthausprojekt
für Wiborg, das Haus der Kansallis=Osakc=Pankki in Wiborg von den =
selben Architekten, das Haus derselben Bank in Lahti von V. Pent=
tilä, die Häuser der kirchlichen Gemeinden und der Ausschankge=
Seilschaft in Helsingfors von Walterjung, der Nikolajeffschc Ge=
Schäftspalast von J a r 1 E k I u n d, die Bankhäuser in verschiedenen
Provinzialstädten von Walter und 1 v a r T h o m c, das Haus
Ostrobotnia, das der Gesellschaft Mercator und das Lackmansche
Geschäftshaus in Helsingfors von Palmqvist u. Sjöström,
das Hartmansche Geschäftshaus in Wasa, das Theater in Tammerfors
(Tampcrc) und die Kirche in Alavus von K. S. Kallio, das Haus
der Versicherungsgesellschaft Suomi am Marktplatz in Helsingfors von
Karl Lindahl, das Haus Taos in der Bouicvardstrasse von S.
Frostcrus und Valiola von V. W ä h ä k a I I i o, beide in HeU
singfors. — Weiter sind noch zu erwähnen das Hackmansche Haus
von Gylden u. Ullberg, die Geschäftshäuser der Handels»
bank und der Aktiengesellschaft Karjala in Wiborg wie auch das
Gebäude der Reichsbank in Sortavala, alle von Uno U I 1=
b e r g, und schliesslich das Museumsgebäude und das Gebäude
der Rcichsbank in Kuopio von J. W. S t r ö m b c r g. Es ist
für die Zeit charakteristisch, dass die meisten obenerwähnten Archi=
tektcn auch mehr oder weniger auf dem Gebiete der Innenarchi=
tektur tätig gewesen sind.
Mit der Stadtregulierungskunst, die auch anfangs von neuroman=
tischen Idealen (unter anderem durch Camillo Sitte) inspiriert
war und auch durch zahlreiche Preisausschreiben entwickelt wor=
den ist, haben sich bei uns z. B. K. G. Nyström, Lars Sonck, Bertcl
Jung, Elicl Saarinen, Walter Thome und Birger Brunila beschäf=
tigt (vgl. S. 325 ff).
Bildende Künste.
Die ältere Zeit.
Unter den zahlreichen in Finnland gefundenen Gegenständen,
Waffen, Werkzeugen u.a. aus der Steinzeit kommen schon
«inige Erzeugnisse, besonders steinerne Tierkopfgerätc, vor, die
einen eigentlichen künstlerischen Schaffensdrang verraten. Die
Funde aus der B r o n z e= und der älteren Eisenzeit sind
meistenteils skandinavisch oder stehen unter skandinavischem Ein=
fluss. Die Funde aus der jüngeren Eisenzeit dagegen
^ind zum grossen Teil finnischen Ursprungs, gehören aber haupt=
sächlich dem Gebiete der dekorativen Kunst urd des Kunstgewer=
bes an, auf welchem Gebiete der finnische Volksstamm ganz beson=
ders einen seltenen Reichtum an Zierformen und Formensinn offen=
hart hat.
im Mittelalter, nachdem Finnland allmählich von den
Schweden erobert worden war und das Christentum sich verbreiten
konnte, wurde die abendländische kirchliche Kunst hier allcinherr=
sehend, während von weltlicher Kunst fast nichts zu verspüren ist.
Das Innere unserer alten katholischen Kirchen wurde mit der im
Mittelalter so beliebten Farbenpracht ausgemalt. Von der Decke
bis zum Fussboden war alles dekoriert. Die Bilder hatten zum Teil
belehrenden Zweck, da das Volk den lateinischen Gottesdienst
nicht verstand, zum Teil wollte man eine dekorative Totalwirkung
schatten, in welcher Hinsicht die Ornamentmalerei, wie aus den vie=
len heute noch erhaltenen Rieben hervorgeht, oft ganz überraschend
gut gelungen war. Aber 'So kühn die von einheimischen Kräften
geschaffenen Malereien auch ausgeführt waren, verraten sie doch,
was z. B. die Menschcndarstcllung betrifft, ein primitiv schwaches
Können und Naivität und keine besondere Kenntnis der kirchlichen
Ideenwelt. Am Rnde der katholischen Zeit findet man auch kunst=
vollere Malereien, die jedoch nach schwedischen Vorbildern oder
ganz von ausländischen Künstlern ausgeführt worden sind. Zum
grössten Teil sind diese Malereien im 15. Jahrhundert entstanden,
im t8. wurden sie meistenteils übertüncht und erst am Ende des 19.
Jahrhunderts in vielen Kirchen wieder ans Licht gebracht. Ausser
diesen Kalkmalereien gab es in unseren Kirchen ausländische Glas°
malercien. Von eigentlichen Gemälden sind keiiie anderen erhal=
ten als bildliche Darstellunge.i an den Flügeltüren der Altarschränke.
Seit unvordenklichen Zeiten sind die Finnen als geschickte
Holzschnitzer bekannt. Indes gab es in Finnland im Mittelalter
keine Bildhauerkunst im eigentlichen Sinne des Wortes. Denn die
Altarschränkc, Kruzifixe, Chorstuhlzierate, die bei uns damals die
ßildnerei repräsentieren, sind zunächst nur zu den Holzschnitze=
reien zu rechnen. Bis zum Ende des Mittelalters haben sich ein=
heimische Künstler, die im allgemeinen auf einem sehr primitiven
Niveau stehen, mit der Anfertigung selchen Schnitzwerkes beschät=
tigt. Nur im Anfang des 14. Jahrhunderts scheinen unsere Künst=
1er einige verhältnismässig gute Madonnen= und Königsbilder ge=
schaffen zu haben. Aber während die Heiligenverehrung am Ende
des 15. und im Anfang des 16. Jahrhi-nderts am weitesten verbreitet
war, waren nur schlechte Heiligenbilder im Gebrauche. Als Kunst=
werke in grossen Mengen aus dem Auslande importiert wurden —
Norddcutschland, besonders Lübeck, und die Niederlande sind ne=
ben Skandinavien die wichtigsten Ausfuhrländer — , drang auch
hier eine höhere Entwicklung in der Bildhauerkunst durch, und im
allgemeinen kann man sagen, dass alle Hauptrichtungen der mitteU
alterlichen Kunst auch bei uns repräsentiert sind, und zwar sogar
durch einige sehr hervorragende Werke, wie den grossen Altar=
schrank von Uusikirkko im Län Äbo und Björneborg), der
die beste Probe deutscher Kunst in Finnland aus der ersten Haltte
des 15. Jahrhunderts ist. Ausser diesen Schnitzwerken seien un=
ter unseren kostbarsten mittelalterlichen Kunstgegenständen noch
erwähnt: der silberne Abendmahlskcich des Domes zu Borgä (Por=
voo), ein Meisterwerk der deutschen Goldschmiedekunst aus dem 13.
Jahrhundert, und das steinerne Kenotaph Bischof Henriks in der
Kirche zu Nousiainen, welches dort vom Bischof Johan Pctri 11.
im Jahre 1370 errichtet \xurde und dessen bronzene Deckplatten
476
wahrscheinlich in Flandern auf Bestellung Bischof Magnus Olai
Tavasts (1412^50) angefertigt worden sind.
In der neueren Zeit sind die Wandmalereien in der Kirche
von Isokyrö vom Jahre 1560 die letzten Äusserungen mittclalter=
lieber Kunst. Doch erwachte diese alte volkstümliche Kirchenmalerci
etwa hundert Jahre später wieder und behauptete sich biszum An =
fang des 19. Jahrhunderts besonders in Osterbotten, wo ihr letzter,
im Geiste des Rokokos phantasiereich, obgleich summarisch malen=
der Repräsentant Mikael Toppelius (17I4 — »821) war
Im allgemeinen aber liegen die bildenden Künste in Finnland
beinahe drei Jahrhunderte lang, während der Renaissance, des
Barocks und des Rokokos ganz danieder. Die protestantische Kirche
nahm die Kunst nicht wie die katholische direkt in ihren Dienst, und
weder der kurzlebige Hof Johans 111. noch der Adel unseres Lan=
des konnten derselben Entwicklungsmöglichkeiten darbieten. Sie
arbeitete noch immer für die Kirche, aber sie begann sich zugleich
immer mehr und mehr zu verweltlichen. Die Tafelmalereien wur^
den im 17. Jahrhundert in unseren Kirchen immer häufiger, wo
neben den gewöhnlichen Altargemälden auch als Eigentümlichkeit
dieser Zeit die sog. Votivtafeln (die älteste schon vom Jahre 1572)
auftreten, die durch ihre Bildnisdarstellungen Interesse erregen.
Auch trifft man vom 17. Jahrhundert an eigentliche Porträtgcmälde.
Unser erster dem Namen nach bekannter Maler, der seine Kunst
crwerbsmässig trieb, war der in Äbo nach 1650 arbeitende Jochim
N e i m a n (Nyman); sein Schüler war Abraham Erici M y r a
(t 1684). Aber auch ausserhalb der Fachkreise fand die Kunst
überall in Finnland Ausüber und Liebhaber, von denen der wegen
seines Selbstporträts bekannte Pfarrer in Isokyrö Isak Brenner
(t 1670) erwähnt sei. Sein Sohn, der erste in Finnland geborene
Künstler von europäischem Ruf, ist Elias Brenner (1647 —
1717), der in Schweden als Miniaturmaler und Kupferstecher tä=
tig war. Die Universität in Äbo, in deren Dienst schon von den letz=
tcn Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts an besondere Holz= und Kup=
ferstecher standen, begann im Anfang des 18. Jahrhunderts zuerst
öffentlichen Kunstunterricht zu erteilen. In den Zeiten Gustavs III.
verbreitete sich das Kunstinteresse sehr weit in den vornehmeren
Kreisen, da zur Bildung der Zeit die dilettantenmässige Ausübung
der Zeichens und Malerkunst gehörte. Einer der beliebtesten Por=
trätmalcr der Zeit war N.Schillmarck (f 1804) aus Lovisa. —
Die Bildhauerkunst beschränkt sich im 17. Jahrhundert haupt=
sächlich auf Grabdenkmäler aus Marmor und Sandstein, die die
Mächtigen des ^ojährigen Krieges aus dem Auslande (Deutsch^
land) eingeführt hatten und die sich meistenteils im Dom zu Äbo
befinden. Die einheimischen Grabchordekorationen, Kanzeln,
Altarzieratc, Wappenschilder u. ä. gehören zunächst dem Gebiet
des Kunstgewerbes an.
Das 19. und 20. Jahrhundert.
Die Malerei. Nachdem die volkstümliche Kirchcnmalerci
ihre Zeit gelebt hatte, wurde das einzige Kunstbedürfnis in Finnland
im Anfang des 19. Jahrhunderts durch die anspruchslosen Altargea
mäldcbestellungen der Gemeinden und die meistens nur von umher»
ziehenden, mittelmässigen ausländischen Künstlern gemalten Bildnisse
der Standcspersonen befriedigt. Die bildenden Künste im höheren
Sinn hatten hier keine Traditionen, auf denen man hätte weiterbauen
können. Es gab gar keine öffentlichen Kunstsammlungen, und auch
im Besitz von Privatpersonen befanden sich nur wenige wertvolle
Kunstwerke. Obgleich der idealistisch=kulturelle Wert der Kunst
wenigstens theoretisch bekannt war, gab es keine Existenzmöglich»
keiten für sie. So trübe sah die Zukunft der Kunst aus, dass die bei=
den wirklich talentvollen Maler unseres Landes, die aus den ersten
Jahrzehnten nach der Vereinigung Finnlands mit Russland zu er=
wähnen sind, gezwungen waren, sowohl ihre spezielle Kunster=
Ziehung als sogar ihr Auskommen im Auslande zu suchen. Der eine
von ihnen, Alexander Laurcus (4783 — 1823), der unab=
hängig von der damaligen neuklassischen Richtung im Stil der hol=
ländischen Kleinmeister seine wegen ihrer Belcuchtungseffekte be=
achtenswerten Volksbildcr malte, gehört auch kunstgcschichtlich
weniger zu Finnland als zu Schweden, wohin auch der andere,
Gustav Wilhelm Finnberg (1784 — 1833), auswandern
musste, nachdem er hier in ungünstigen Verhältnissen hoffnungslos
gerungen hatte.
Gegen die Mitte des 19. Jahrhunderts besserten sich jedoch
die Verhältnisse für die Kunst allmählich. Mit dem nationalen Er»
wachen begann sich auch das künstlerische Interesse in den gcbilde=
tcn Kreisen immer weiter zu verbreiten, und eine der beachtens=
478
Nx-crtcitcn Früchte dieses Interesses, der im Jahre 1846 gegründete
Finnische Kunstverein, gewann epochemachende Bedeutung
für die bildenden Künste bei uns, die sich erst jetzt eigentlich zu ent=
wickeln beginnen. Schon früher — in den 30er und 20er Jahren
— war in den Universitätskreisen die Gründung eines solchen
Vereins geplant worden, aber beidemal war es bei der Absicht geblie=
ben. Erst am 10. März 1846 wurde sie zur Wirklichkeit, und seit=
dem ist der Verein als einer der wichtigsten Faktoren unseres Kunst=
lebcns erfolgreich tätig gewesen. Durch seine in Helsingfors (seit
1848) staatlich subventionierte Zeichenschule, durch seine Kunst=
Sammlung im Athenäum, durch seine jährlichen Ausstellungen und
schliesslich durch die von ihm ausgeteilten Prämien und Reise=
Stipendien hat der Kunstverein die Entwicklung der finnischen Kunst
mächtig gefördert.
Der erste, der die Möglichkeit der Kunstausübung bei uns
durch seine Tätigkeit bewies, war Robert Wilhelm Ek=
man (1808 — 73), der im Jahre 1845 aus dem Auslande nach Finn=
land zurückkehrte. Er gilt deshalb mit Recht als der Bahnbrecher der
finnischen Kunst, obgleich sein ungewöhnlich reiches, nationale
Motive verwertendes Schaffen künstlerisch ziemlich unbedeutend
und obgleich ihm auch der echt finnische Charakter fast ganz und
gar fremd ist. Eine tiefere heimatliche Stimmung und jedenfalls
eine redlichere Naturschilderung findet man bei den anderen
Bahnbrechern, den Gebrüdern Magnus (1805 — 1868) und
Ferdinand (1822 — 1906) von W r i g h t, die sich freilich
in ihren zoologisch treuen, aber steifen Tierbildern und ihren
ziemlich naiven Landschaften nicht zu künstlerischer Freiheit auf=
zuschwingen vermochten.
Der bedeutendste finnische Maler und der erste wirkliche Künst=
ler auf dem Gebiete der Landschaftsmalerei in der Mitte des vo=
rigen Jahrhunderts wurde Werner Holmberg (1830 — 60),
der mit seinen von tiefster Vaterlandsliebe inspirierten und die
feinste malerische Auffassung verratenden Gemälden schon der
Mann gewesen wäre, unsere Kunst auf die Höhe der europäischen
Kunst zu erheben, wenn er nicht in Düsseldorf, wo er seine Studien
getrieben hatte, allzu jung gestorben wäre. Auch für unsere übrigen
Künstler war Düsseldorf zu jener Zeit die Hauptstätte ihrer Stu=
dien. So erlernte Erik Johan Löfgren (1825 — 84) dort seine
romantische Geschichtsmalcrei und der begabte Karl E m a=
nuel )ansson (1846 — 74) die anekdotisch erzählende Schilde^
rung des Volkslebens. Auch die Nachfolger Holmbergs, der idea=
listischere Hjalmar Munstcrhjclm (1840 — 1905) und
der realistischere Bcrndt Lindhol m (1841 — 1914) begannen
ihre Studien in Düsseldorf, wo von den Landschaftsmalern noch
Fanny Churberg {1845 — 92) und zuletzt Viktor Weste r=
heim (geb. 1860) studierten, obgleich sie dann später, wie auch
schon Lindholm, unter französischen Einfluss gerieten. Als die er=
sten nach der Begründung des Kunstvereins hatten die Genrcma-
lerScverin Falkman (1831 — 89) und Adolf von Becker
(1831 — 1909) französische Kunsterziehung in Paris genossen, das
schliesslich seit den 70er Jahren Düsseldorf verdrängt hat und die
bleibende Studienstätte unserer Maler geworden ist.
In kurzer Zeit nach der Gründung des Kunstvereins hatte unsere
Kunst viele Ausüber erhalten und eine unerwartet reiche Ernte
gezeitigt. Im allgemeinen aber zeigt die künstlerische Produktion in
dieser Entwicklungsperiode noch nicht so wohl individuelle Züge und
finnischen Charakter als die Neigung, sich den allgemeinen Rich =
tungen der Zeit anzupassen. Erst in den 70er und 8oer Jahren
machten sich bewussterc Bestrebungen geltend, und unsere Kunst
begann allmählich ein selbständigeres Gepräge anzunehmen. In
dem Kunstzentrum der VX/elt, in Paris, wurde Albert Edel=
feit (1854 — 1905) zu unserem ersten wirklich grossen Meister,
der in der Geschichte unserer Malerkunst eine neue Entwicklungs=
cpochc, die der Volljährigkeit, beginnt. In unserem Lande, wo man
gewohnt war, ganz naiv das blosse Motiv beinahe als das Wescnt=
lichste am Kunstwerk zu betrachten und wo man nur mit Mühe
den Unterschied zwischen Kunst und Dilettantismus sah, zeigte
Edelfelt, dass die Malerei ihre eigenen Gesetze und Voraussetzun=
gen hat, nach denen sie zu beurteilen ist. In der Freilichtschule
Bastien=Lepagcs aufgewachsen, nahm er das Naturstudium zum
Fundament seiner Kunst und entwickelte sich zu einem echten For=
men= und Farbenkünstler, der als erster unter den finnischen Ma=
lern Figuren in voller, natürlicher Grösse darzustellen verstand.
Bis ans Ende seines Lebens setzte er seinen Weg folgerecht und sicher
auf der von ihm einst eingeschlagenen Bahn fort und gewann seine
geschichtliche Bedeutung dadurch, dass er mehr als irgend ein an=
derer vor ihm unsere Kunst mit dcm Auslande, speziell mit Frank=
reich, in Berührung brachte und sie in der ganzen Weltbekannt
480
./
Albert Edelfelt.
üemälde von M. Enckell.
lohannes TaUanen.
Walter Runeberg.
machte. — Der Altersgenosse Edelfelts, Gunnar Bernd t=
son (1854 — 95), konnte sich infolge von Krankheit nicht über den
minutiös zierlichen Sittenmalcr hinaus auswachsen, und der Lebens=
faden des begabten August Uotila (1858 — 86) wurde früh=
zeitig vom Tode abgeschnitten.
Auch die übrigen in den 8ocr Jahren in Paris nach Edelfelt
studierenden Maler sind von der Bastien=Lepageschcn Freilichtma=
lerei ausgegangen, die unsere Kunst von der in der Mitte des Jahr=
hundcrts herrschenden dumpfen Ateliermalerei und der romantisie=
renden Volksschilderung befreit. Auf dieser Freilichtmalerei fusst
in seiner ersten Entwicklungsperiode Akseli Gallcn = Kal=
1 e 1 a (geb. 1865), der sich dann von einer Richtung auf die andere
wirft, immer der Mann überraschender Neuigkeiten ist, an Reich=
tum und Mannigfaltigkeit der Produktion alle finnischen Künstler
vor und auch neben sich übertrifft, hinsichtlich seines Stiles auf
einmal schwankend, ungleichmässig und rücksichtslos, aber auch
sowohl wegen seiner Ideen und malcri.schen Einfalle als auch einer bei
uns unerhörten Kraft und Leidenschaftlichkeit des Gefühls der
reichste und bedeutendste Meister ist, der in Finnland je geboren
wurde. Sein künstlerisch Bestes hat er bis jetzt in seinen die alte
Volkspoesie darstellenden dekorativen Gemälden in den 90er
Jahren und an der Wende dieses Jahrhunderts hervorgebracht,
wo er die zentralste Persönlichkeit nicht nur unserer Malerei, son=
dern überhaupt unseres ganzen Kunstschaffens ist. Wenn Gallcn=
Kdllelas Kunst von willensstarkem Temperament und phantasic=
reichem Schaffensdrang überströmt, stützt sich Ecro Järnc=
feit (geb. 1863) auf eine intime Gefühlswirkung und auf eine
von sicherer Schulung unterbaute Kultur. Gleich wie Edelfelt
ist auch er einer von unseren ausgesprochensten Formen= und
Farbenkünstlern. Ein eigentlicher Kolorist ist er freilich nicht,
sondern ein Künstler, der die Natui und die Menschen mit tiefer
Charaktcrisierungskunst darstellt, der als Bildnismaler bei uns den
allerschärfsten psychologischen Blick zeigt, als Landschaftsmaler
die echt finnische lyiische Anmut hervorzaubert und einer unserer
persönlichsten Stillebenmaler ist. Aus derselben Künstlergenc=
ration seien von unseren vielen Malerinnen nur hervorgehoben:
Maria W i i k (geb. 1853) und Elin Danielson = Gam=
bogi (geb. 1861) wie auch die sehr begabte, geist= und seelcn=
volle und in ihrem Stil überaus persönliche Helene Schjerf=
b e c k (geb. 1862), die von der französischen Kunst der 80er Jahre
481 51
ausgehend sich nach der modernen malerisch=dekorativcn Rich =
tung hin entwickelt hat.
Einer der frühesten Pfadfinder dieser Richtung ist P e k k a
Halonen (geb. 1865), ein Kolorist von Natur, mehr Land=
schafts= als Mcnschcndarsteller, der folgerichtig und selbständig
dem höchsten Prinzip der modernen Kunst gefolgt ist, nach dem
die Malerei zunächst zur Augenweide und Dekoration der \X^and=
fläche dienen soll. Einer Bauernfamilie entsprossen, ist er unter
den finnischen Künstlern einer der ersten Repräsentanten des
spezifisch finnischen Volks. Ebenso aus den unteren Schichten
emporgestiegen, hat Juho Rissancn (geb. 1873) mit seinen
Schilderungen des Volkslebens ausscrgewöhnlich selbständig ge=
schaute, anfangs naturalistisch derbe, dann grosszügige, einfach
stilisierte und immer dekorative Werke geschaffen. Einen beach=
tenswerten Platz hat sich in unserer neuesten Kunst neben den
vorgenannten Magnus Enckell (geb. «870) errungen, der
als erster Gegner der rcalistisch=naturalistischen Freilichtmalerei
für die bei uns in den 90er Jahren herrschende symbolistische
Ideenmalerei eintrat, zu deren Anhängern auch GalIen=Kallcla wie
auch Hugc Simbeig(i873 — 1917) und der auf kunstgewerb=
lichem Gebiete sehr tätige Väinö Blomstedt (geb. 1871)
gehörten. Enckell hat von Anfang an Sinn für charakteristische
Bewegungen, verfeinerte Linienwirkung und plastische Form yjers
taten, der besonders in seinen Monumcntalmalereien Ausdruck
gefunden hat, aber früh hat er auch versucht, sich die malerische
Farbenbehandlung Maurice Denis' und der anderen neuesten
französischen Meister zu eigen zu mcchen und zu verwerten. In
dieser Hinsicht hat er eine leitende Stellung unter vielen von unse=
ren jüngeren Malern gewonnen, von denen erwähnt seien W e r=
ner Thome (geb. 1878) und Per Äke Lauren (geb.
1879). Die speziell koloristische Richtung repräsentieren unter
unseren Malern weiter der synthetisch=dekorativc Darsteller stim=
mungsvoller Landschaften, Gabriel Engberg (geb. 1872),
und der wegen seiner vielseitigen Produktion bccchtenswerte
Wilho Sjöström (geb. 1873). Als impressionistischer
Lichtmaler verdient Ali Munsterhjelm (geb. 1873) her=
vorgehoben zu werden, wogegen sich Albert Gebhard
(geb. 1869) und Antti Faven (geb. 1882) mehr durch ihre
zeichnerische Begabung und als Charakterdarsteller bekannt ge*
macht haben. — Ausser unserer aller jüngsten zahlreichen und
482
ziemlich talentierten Malergcneration, zu deren hervorragendsten
Repräsentanten der selbständiges Temperament zeigende Kolo=
rist Marcus Co Hin (geb. 1882), der kraftvolle Juho
Mäkelä (geb. 1887) und der radikale Expressionist T. K.
Sali inen (geb. ^1879) gehören, seien noch zuletzt zwei in
Finnland tätige ausländische Künstler hervorgehoben, nämlich
der aus Belgien gebürtige, auch als Keramiker geschätzte A.
W. Finch (geb. 1854), der als neo=imprcssionistischer Maler
einen erheblichen Einfluss bei uns ausgeübt hat, und der wieder
in sein Vaterland Schweden zurückgekehrte Louis Sparre
(geb. 1863), der neben seiner Malertätigkeit auch ein hervorragen»
der Kunstgewerbler und einer unserer ersten Radierer war.
Die Bildhauerei. Der erste eigentliche Bildhauer Finn=
lands war der in die Anfangszeit unserer Kunst gehörende Erik
Cainberg (1771 — 1816), der, aus einer österbottnischen Bau=
ernfamilie gebürtig, in Stockholm Schüler Sergeis und Mitglied
der Kunstakademie wurde. Von seinen für Finnland ausgeführten
Arbeiten seien sechs Gipsreliefs erwähnt, künstlerisch von geringem
Wert, die sich in der Aula der Universität zu Äbo befinden und
deren einzige Bedeutung eigentlich nur darin besteht, dass in ihnen
zum ersten Male vor dem Erscheinen des Kalevala der Versuch
gemacht worden ist, neben einheimischen Motiven auch einen
Stoff aus unserer Volkspoesie zu behandeln. Es vergingen aber
nach dem Tode Cainbergs volle 40 Jahre, che die Skulptur hier
Ausüber fand. Der aus dem vaterländischen Enthusiasmus hervor=
gegangene Gedanke, Porthan ein Denkmal in Äbo zu errichten, gab
Fr. Cygnaeus im Jahre 1856 Anlass, den schwedischen Bildhauer
C. E. Sjöstrand (1828 — 1906) nach Finnland zurufen. So=
wohl durch seine Werke, von denen das obengenannte Denkmal
und einige Standbilder nach Kalevala=Motiven die bedeutendsten
sind, als auch durch seine Lehrtätigkeit gewann Sjöstrand in unse=
rer Bildhauerei den Rang eines Grundlegers. Der älteste und, was
die Mannigfaltigkeit der Produktion betrifft, der repräsentativste
unter unseren Bildhauern ist Walter Runeberg (geb. 1838).
Bei H. W. Bissen in Kopenhagen und nachher in Rom schloss er
sich dem von Thorwaldsen begründeten Klassizismus an und
wurde dann in den 70er Jahren von der Formbehandlung des fran=
zösischen Realismus beeinflusst, was jedoch die ideelUidealistische
Grundlage seiner Kunst nicht veränderte. Der zweite Schüler
483
Sjöstrands, der mitten in seinem besten Schaffen verstorbene
Johannes Takancn (1849 — 85), war einer unserer ersten
aus dem Bauernkind zum Künstler emporgewachsenen und aller
begabtesten Bildhauer. Nach seiner Lehrzeit in Kopenhagen ver=
brachte Takancn sein ganzes übriges Leben in Rom. In seiner
Kunst blieb er im allgemeinen frei von der antikisierenden Rich=
tung und erwies einen selbständigen Schönheitssinn und eine mo=
dern realistische, etwas idealisierende Formbchandlung. Neben
den gefühlvollsten Bildnisdarstcllungen schuf er einige genrehafte
Frauenfiguren, die durch ihre grosse Popularität und Verbreitung
in Finnland am meisten Interesse für die Bildhauerkunst erregt
haben. Von unseren zu der ersten Generation gehörenden Bild=
haucrn muss noch Robert Stigell {1852 — 1907) erwähnt
werden, der in Rom und Paris studierte und bei seinem Streben
nach Natürlichkeit einen dramatisch=malerischen Charakter offenbart.
Wie für unsere Maler wird auch für unsere Bildhauer seit
den 70er Jahren Paris zur Studicnstättc. Dort erwarb sich V i I I e
Vallgren (geb. 1855) seine Meisterschaft, die ihm neben
Edelfelt als dem ersten von unseren Künstlern einen europäischen
Namen eintrug. Eine Sonderstellung nehmen in seiner reichen,
vielseitigen Produktion seine dekorativen Kleinskulpturcn ein,
in denen sich Zartheit des lyrischen Gefühls mit französischer
Zierlichkeit paart. Als Schöpfer dieser Werke muss Vallgren zu
den Bahnbrechern des modernen kunstgewerbiich=dekorativen
Stils gerechnet werden. Emil Wikström (geb. 1864) ist in
seiner Kunst Anhänger der naturalistischen Richtung gewesen und
einer der ersten in Finnland, die in ihrer eigenen Werkstatt die
Bronzegiesserei selbst getrieben haben. Ihm ist, wie auch Walter
Runeberg, die Aufgabe zuteil geworden, mehrere grosse nationale
Monumentalskulpturen auszuführen, und ausserdem hat er eine
Menge Marmorarbeiten verfertigt, in denen er Gedanken und
Gefühl sehr geschickt miteinander verbunden hat. Von unseren
vielen jüngeren Bildhauern mögen erwähnt werden der wegen
seiner dekorativen Holzskuipturen interessante Emil H a I 0=
ncn (geb. 1875), der einen ruhig=plastischen Liniensinn zeigende
Johannes Haapasalo (geb. 1880) und der nach dckora=
tiv=monumentaler Kunst strebende Gunnar Finne (geb. 1886)
wie auch die als Bildniskünstler bekannten Felix Nylund (geb.
1878), Yr j ö Li i po I a (geb. 1881), AI po Sai I 0 (geb. 1877) und
der ausserordentlich talentvolle Väinö Aaltonen (geb. 1894).
484
4
Literatur.
Unter finnischer Literatur versteht man die Geistesprodiikte
des finnischen Volks, die sich geschrieben oder gedruckt erhalten
haben, einschliesslich auch der durch im Gedächtnis aufbewahrten
Volksdichtung. In sprachlicher Hinsicht wird die finnische Lite=
ratur in zwei Hauptteile, die finnische und die s c h w e=
d i s c h c eingeteilt; aber zu ihr gehören auch eine Menge 1 a t c i=
nische Werke. Das Latein hat nämlich lange als Sprache des
gelehrten Standes gedient; die schwedische Sprache wiederum hat
in Finnland bis zum' Ende des 19. Jahrhunderts eine leitende Stel=
lung gehabt.
In der Entwicklung der finnischen Literatur kann man im
wesentlichen zwei Hauptabschnitte unterscheiden : die Zeit der
schwedischen Herrschaft (bis zum Jahre 1809) und die neuere Zeit,
die bis zu unseren Tagen reicht. Die erste pflegt man in folgende
kleinere kulturhistorische Perioden einzuteilen: das katholische
Mittelalter (etwa 1154^ — 1523), die Zeit der Reformation (1523 —
1640), die Zeit der Grossmachtstellung Schwedens (1640 — 1720), die
Zeit der Fi-eiheit (1720 — 72), die Gustavianischc Zeit (1772 — 1809).
In der neueren Zeit kann man auch einen Wechsel literarischer
und allgemein kultureller Strömungen, Perioden des Hoch= und
Tiefstands, beobachten: das erste Auftreten Runebergs (1850),
das Erscheinen des Kalevala (18-55) und die nationale Erweckung
durch Snellman (seit 1844) bedeuten in den 30er und 40er Jahren
eine erste Zeit des Aufschwungs, die zugleich die Glanzperiode der
schwedischen Literatur in Finnland einleitet; der zweite Höhepunkt
fällt in die 6oer Jahre, wo das politische Leben aufblüht und Aleksis
Kivi und andere den Grund zu einer finnischen Kunstliteratur
legen; die dritte Blütezeit beginnt um 1885, wo der moderne
Realismus auftritt, und es sieht sogar aus, als wäre mit dem An=
fang des 20. Jahrhunderts wieder eine gewisse Veränderung in der
literarischen Richtung zu erwarten.
Die Zeit des Heidentums. Obgleich die Geschichte der
gedruckten Literatur in Finnland erst mit der Zeit der Reformation
beginnt, reichen die Wurzeln viel tiefer, bis in heidnische Zeiten,
hinab. Die Forschung hat nachgewiesen, dass das sog. Kalevala=
Versmass, das sowohl der estnischen als der finnischen Volksdich=
485
tung gemeinsam ist, aus urfinnischer Zeit stammt. So ist es deut=
lieh, dass es schon damals finnische Dichtung gab, obgleich man
nicht ganz im klaren darüber ist, welche Runenmotive in so alte
Zeiten zurückgehen. Mit Sicherheit weiss man, dass mythische
Züge aus heidnischer Zeit herrühren (z. B. das Wettsingen zwischen
Väinämöinen und Joukahainen), ja man vermutet sogar, dass sich
damalige historische Verhältnisse in anderen Runen wicdcrspie=
geln. Für die ältesten Heimstätten unserer Volksdichtung werden
Westfinnland und Estland gehalten, und schon in frühen Zeiten
scheint sie fremde Einflüsse aus den >slachbargebicten , einerseits
von den litauischen und slavischen, andererseits von den gcrmani=
sehen und skandinavischen Völkern, empfangen zu haben. Dass
es neben den epischen Stoffen damals schon auch eine lyrische,
Sprichwort= und Zauberspruchdichtung und Märchen gab, darauf
deuten viele von der vergleichenden Folklore an den Tag gebrachten
Umstände hin. Da wir aber aus diesen Zeiten keine schriftlichen
Aufzeichnungen besitzen, bleibt das Bild von dem heidenzeitlichen
Charakter und Entwicklungsstadium der finnischen Volksdichtung
sehr undeutlich.
Von dem Dasein der finnischen Runen treffen wir die ersten
Nachrichten bei dem Bischof MikaclAgricola in der Vor=
rede seiner Psalterübersctzung von 1551 und bei Jakob Finno
's u o m a I a in e n) in seinem ersten finnischen Gtsangbuch
aus den 1 580er Jahren. Aber erst 1675 liess Bischof Peter Bang
die erste Runenprobe, eine Bärenrune, drucken. Und von einem
eigentlichen Runensammeln kann man erst reden, als die Auf=
merksamkeit der Forscher auf sie gelenkt wurde, welche Nachrichten
über die älteren Lebensschicksale unseres Volkes in ihnen suchten.
Ein allgemeines Interesse wurde für sie zuerst erweckt durch den
Bischof Daniel Juslenius in seiner Dissertation vom
Jahre 1700, und wahrscheinlich war es der Einfluss dieses Mannes,
der Henrik Gabriel Porthan auf die alten Runen
hinwies. Er schrieb über die finnischen Runen eine »Dissertatio
de poesi fcnnica", von der in den Jahren 1766 — 78 5 Teile er=
schienen.
Nach dem Tode Porthans liess der Sammel= und Forschungs=
eifer für die alten Runen auf einige Zeit nach, bis unter dem Ein=
druck der Herderschen Schriften A. J. S j ö g r c n, K. A. G o 1 1=
lund, Abr. Poppius und A. I. Arwidsson seit dem
486
jähre 1815 wieder begannen sie zu sammeln. Gottlund war der erste,
der im Jahre 1817 den Gedanken einer einheitlichen Verschmel=
2ung der Runen aussprach: » wenn man die alten Volks=
licdcr sammelte und aus ihnen ein systematisches Ganzes bildete,
sei es ein Epos, ein Drama oder irgend etwas anderes, so würde
daraus ein neuer Homer, Ossian oder ein neues Nibelungenlied
entstehen». Noch folgenreicher für die Entstehung des Epos ist der
Aufsatz über Väinämöinen von Reinhold von Becker
aus dem Jahre 1820, in welchem er darüber berichtet, wo das Volk
noch die Runen singt, und es für eine Schande erklärt, dass man
nicht verstehe sie zu sammeln und in Ehren zu halten. Der erste,
der eine grössere Menge Runen herausgab, war ZachrisTope=
1 i u s d. Ä. Er brachte Runen schon seit 1803 zu Papier und in
den Jahren 1822 — 31 gab er 5 Hefte älterer und neuerer finnischer
Volkslieder heraus.
Fortgesetzt wurde die Arbeit Topelius' und R. von Beckers
von Elias Lönnrot. Während seines Aufenthaltes als Haus=
lehrer auf dem Lande (1822 — 27) machte er sich unter der Leitung
Beckers mit dem vertraut, was bisher über die finnische Volksdich=
tung geschrieben war, und dadurch entstand in ihm die Lust noch
tiefer in ihr Wesen einzudringen. Als die Universität nach der
grossen Feuersbrunst während des ganzen Jahres 1827 geschlos=
scn war, unternahm Lönnrot eine weite Reise, um neue Runen zu
sammeln. Die Funde waren unerwartet reich, und in den Jahren
1829 — 31 gab er als Resultat seiner Reise vier Hefte alter Volks=
runen heraus unter dem Titel »Kantele taikka Suomen kansan sekä
vanhoja että nykyisempiä runoja ja lauluja». Diese Sammlung
enthielt 90 alte und 20 neuere Runen und Volkslieder. Sie ist als
die erste Vorübung zum Kalevala anzusehen, obgleich Lönnrot die
Idee einer Verschmelzung der Runen zu einem Epos noch nicht
aufgegangen war.
Das geschah erst, als er auf neuen Reisen in den folgenden Jah=
ren die Bekanntschaft vieler hervorragender Runensänger gemacht
hatte. Diese vereinigten nämlich oft die einzelnen Lieder zu einem
längeren Ganzen, und so begann es allmählich Lönnrot klar zu
werden, dass man aus den Runen ein einheitliches Epos schaffen
könne. So entstand am Ende des Jahres 1833 ^in Kalevala im Klci=
nen: »Runokokous Wäinämöisestä» (»Die Runensammlung von
Väinämöinen»). Dieses Werk wurde jedoch nicht gedruckt, denn
487
Lönnrot >x'olltc erst eine Reise nach Ost=Karclien unternehmen. Diese
machte er fiuch im Frühjahr 1834, und sie lieferte eine so gute
Ausbeute, dass Lönnrot sofort ein neues, weit grösseres Werk
planen konnte. Es erschien in zwei Teilen: der erste Teil im jähre
1835, der zweite 1836. Es hiess »K a 1 e v a 1 a taikka vanhoja
Karjalan runoja Suomcn kansan muinosista ajoista» (»Das Kalc=
vala oder alte karelische Runen aus der Vergangenheit des finnischen
Volkes»). Das Epos, das gewöhnlich »Das alte Kalcvala» genannt
wird, ist in 32 Runen eingeteilt und enthält 12,078 Verse.
Aber noch war das Epos damit nicht in die endgültige Form
gegossen. Lönnrot begab sich wieder auf neue Sammclreisen, und
auch die im Jahre 1831 gegründete Finnische Literatur=Gcsell=
Schaft begann jedes Jahr Stipendiaten nach den besten Runen=
gebieten auszusenden. Die bekanntesten von diesen Mitarbeitern
Lönnrots sind D. Europacus, A. E. Ahlqvist, Z. !. Sirelius, Fr.
Polen, H. A. Rcinholm und K. M. Forsberg. Die Ausbeute war
eine unerwartet reiche. Schon 1840 konnte Lönnrot eine Sammlung
lyrischer Lieder unter dem Namen Kantelctar herausgeben.
Im Jahre 1842 folgten Sprichwörter des finnischen Volkes
und 1843 Rätsel des finnischen Volkes. Und schliesslich er=
schien im Jahre 1849 die neue Kalevala=Ausgabc. Sic enthält
jetzt 50 Runen mit ingesamt 22,795 Versen.
Es ist viel darüber diskutiert worden, wer — ob das finnische
Volk oder Elias Lönnrot — schliesslich der Verfösser des Kale=
vala sei. Die Antwort ist indes ganz klar. Lönnrot hat das Kale=
vala nicht als Gelehrter oder Ästhetiker, sondern als volkstümlicher
Runensänger ausgearbeitet. Von einem Runensänger unterschied
er sich nur dadurch, dass er zum Gedüchtnis die Niederschrift zu
Hilfe nahm. Und als Vorbild diente ihm bei der Kcrr.pcsition
an erster Stelle Homer.
Der Einfluss des Kalcvala und der Kanteletar tuf die finnische
Literatur und Kunst ist sehr befruchtend gewesen. Die
finnische Lyrik hat ihre Wurzeln tief in der Volksdichtung. Schon
bei Kallio, Oksanen und Suonio schimmert diese hindurch. J. H.
Erkko und die Brüder Kasimir und Eino Leino entlehnen ihr viele
Stoffe zu Gedichten und Dramen. Es mag nur erwähnt sein Eino
Leinos "Märchen von der grossen Eiche», »Der Gesang Lemmin=
käinens», »Der Schwan von Tuoncla» und die beiden im alten Vers=
masse geschriebenen schönen Gedichtsammlungen »Helkalieder».
Schärenbewohner.
Gemälde von Albert Edelfelt.
Aino.
Gemälde von A k s e I i (1 a 1 Ic n- K a 1 1 e I a
Aksgli GalIen=Kallela.
Selb3lbildni3. Entwurf zum Gemälde
»Symposion».
Der Brudermörder.
Gemälde von Akseli Gall6n-
Kallela.
Lemminkäinens Mutter am Tuonela=Fluss.
Gemälde von Aksell Gallfin-K allela.
Unter den Dramen sind Aleksis Kivis »Kullervo» und J. H. Erkkos
»Kullervo», »Aino» und »Die Hochzeit in Pohjola » die wichtigsten,
die zum Stoffkreis des Kalevala gehören, und unter den Romanen
ist juhani Ahos »Panu» der bedeutendste. Auch die finnischen
Bildhauer haben oft Motive aus dem Kalevala behandelt, so C. E.
Sjöstrand, Johannes Takanen, Rob. Stigell, Emil Wikström und
Emil Halonen. Von den Malern muss vor allem Akseli Gal!cn=
Kallela erwähnt werden, denn er hat sich mit besonderem lnter=
esse und reicher Phantasie in dös Kalevala vertieft und daraus
die Inspiration geschöpft zu seinen besten und schönsten Werken
— wie z. B. zu dem Triptychon »Aino», den Gemälden »Sempo
wird geschmiedet», »Der Raub Sampos», »Die Mutter Lcmmin=
käinens», »Der verfluchende Kullervo» u. a. wie auch zu den gross=
artigen Fresken für den finnischen Ausstellungspavillon in Paris
1900 und zu demjenigen im Studentenhause in Helsingfors »Kullervo
reitet in den Krieg». Unter den Tonkünstlern haben Robert Ka=
janus und besonders Jean Sibelius mit grossem Erfolg Motive aus
dem Kalevala behandelt. Auch der Kanteletar verdanken unsere
Komponfsten, wie Sibelius,' Selim Palmgren und Toivo Kuula,
vieles. In sprachlicher Hinsicht haben sowohl das Kalevala als die
Kanteletar einen äusserst günstigen Einfluss auf die finnische
Literatur gehabt. Unter den Prosaschriftstellern haben Aleksis
Kivi und Juhani Aho, unter den Dichtern J. H. Erkko und Eino
Lcino am reichlichsten aus der nie versiegenden Quelle der Volks=
dichtung sprachliche Schätze emporgeholt.
Das katholische Mittelalter. Viel deutlicher
als von der heidnischen Zeit ist unsere Kenntnis von dem katho=
lischen Mittelalter, das wahrscheinlich bei uns wie auch in anderen
Ländern eine vielseitige Entwicklungsperiode der Volksdichtung
gewesen ist. Damals gewann nämlich unsere Volkspoesie neues
Leben und neue Farbe aus den Motiven, die seit dem 12. Jahrhun=
dert durch das Christentum und die abendländische Bildung nach
Finnland gebracht wurden. Unter diesen Einflüssen entstanden
ausser den mythologischen Runen balladenartige Lieder, christ=
lieh gefärbte Legenden, ja auch einige historische Dichtungen. Auch
die Zauber=, Spruch= und Märchenpoesie trieb neue Schösslinge.
Die finnische Volksdichtung, wie wir sie in den viele Jahrhunderte
später aufgezeichneten Runen des Kalevala und der Kanteletar
489 '
in den Zaubcrliedcrn u. a. vor uns haben, trägt zum grossen Teile
mittelalterliches Gepräge. Heidnische und christliche Anschau=
ungcn haben sich darin auf vielerlei Weise miteinander vermischt.
Auf das Heidentum deuten viele Götterwesen, magische Elemente
usw. hin. Vom Christentum gefärbt sind wieder die Darstellungen
der Unterwelt und des jenseitigen Lebens, viele madonnenartige
Muttcrtypcn u. a., obgleich daraufhin natürlich schwer zu ent=
scheiden ist, zu welcher Zeit jene Runen entstanden sind, da das
Heidentum sich in den finnischen Wäldern noch Jahrhundertc
hindurch in der christlichen Zeit behauptete. Die mittelalterliche
Ritterpoesie dagegen mit ihren charakteristischen aristokratischen
Zügen und Liebesabenteuern ist der finnischen Volksdichtung
ziemlich fremd geblieben. Sie stellt nicht sowohl Schlachtenlärm
und Heldentaten als das alltägliche Leben der einsamen Wald=
bewohner mit den abwechselnden häuslichen Beschäftigungen dar,
aber die Darstellung ist von einer kräftigen, originellen Phanta=
sie beseelt, die eine fast morgenländische Farben= und Bilder=
pracht liebt und der besonders die geheimnisvolle Welt der Natur
offen steht. Die Entwicklung der Volksdichtung hörte im Mittel=
alter keineswegs auf, sondern setzte sich Jahrhunderte lang fort,
indem die Gedichte von einem Ort zum anderen, von einer Gene=
ration zur anderen übergingen bis zu dem Augenblick, wo ihre
Schöpfungen aufgezeichnet wurden. So kann man in ihr verschic=
dene Schichten beobachten, von denen sich die jüngeren ihrer
Natur nach sehr von den älteren unterscheiden. — Rein litera=
rische Denkmäler aus dem Mittelalter gibt es in Finnland sehr
wenige: einige lateinische Kirchen= und Schullieder (»Piae can=
tiones»), ein "Missale Aboense» (gedruckt 1488), eine Bischofschro=
nik und schwedische Übertragungen mehrerer Heiligcnlegenden
und andere religiöse Erzeugnisse, die gegen Ende des 15. Jahrhun=
dcrts von einem Nadcndaler Mönche Jons Budde übersetzt
wurden und die sprachgeschichtlich von Wert sind. Die Pflege
der finnischen Sprache im Mittelalter beschränkt sich auf öber=
Setzungen einiger kirchlichen Gebete und einzelne Wörter und
Redensarten, die man hier und da in amtlichen Aktenstücken antrifft.
Die Zeit der Reformation. Die Reformation, die
die Volkssprache zur Sprache des Gottesdienstes erhob, gab auch
Anlass zur Entstehung der finnischen Schriftsprache und der
finnischen Literatur und lenkte die Pflege derselben auf das geist=
liehe Gebiet. Der Begründer der finnischen Literatur ist der Bi=
schof von Äbo Mikael Agricola (1508 — 1557). Für den
Unterricht des Volkes und die Bildung der Pastoren gab er die
Fibel, das Gebetbuch und andere geistliche Werke heraus, übcr=
setzte das Neue (1548) und Teile des Alten Testaments und grün=
dcte die Schriftsprache vorzugsvweise auf die Äbocr Mundart,
eine Basis, auf der die Sprache der religiösen Literatur dann meh =
rere Jahrhunderte hindurch hauptsächlich stand. Agricolas Zeit=
genossen waren der Gesetzesinterpret »Herr Martin» und der öbcr=
setzcr des Kirchenhandbuchs und der Messe Mathias West,
deren Werke der Nachwelt nur handschriftlich überkommen sind.
Aus etwas späterer Zeit sind die Gesetzübertragungen von L j u n go
T h o m ae (gest. 1611). Das erste finnische Gesangbuch (101
Kirchenlieder) wurde von Jakob Finno (Suomalaincn, gest.
1,588) und eine neue vermehrte Auflage (241 Lieder) vom Pfarrer
Hemming Hcnrici (gest. etwa 1620) herausgegeben; der
letztgenannte hat auch eine Sammlung lateinischer Kirchen= und
Schullieder aus katholischer Zeit ins Finnische übertragen. Die
folgende Gesangbuchauflage ist vom Jahre 1621; sie wurde von
Bischof Olaus Elimacus in Wiborg herausgegeben. Eine umfas=
sende Postille in zwei Teilen wurde auf Finnisch von Bischof Erik
Sorolainen (Ericus Erici, gest. 1625) bearbeitet, der auch als
Katechismusverfasser und Mitarbeiter an der Bibelübersctzung'be=
kannt geworden ist. Auch Bischof P a u 1 Juusten (gest. 1576), der
auf Latein eine Postille und eine Chronik der finnischen Bischöfe
herausgegeben hat, ist auch als Verfasser geistlicher Werke in fin=
nischer Sprache tätig gewesen. — Die finnische Literatur der Rc=
formationszeit übertrifft an Umfang und Bedeutung weit die
in unserem Lande zu derselben Zeit entstandene schwedische
— eine Tatsache, die ihrerseits beweist, dass das Finnische als
Konversationssprache in allen Kreisen noch ziemlich üblich war.
Der wichtigste schwedische Schriftsteller dieser Periode war der
Astronom Sigfrid Aronus Forsius (gest. 1624),
bekannt als Kalenderverfasser und geistlicher Dichter. Während
seiner Gefangenschaft auf der Burg zu Kajana (Kajaani) schrieb
der schwedische Historiker Johannes Mcssenius (1 579 —
1636) im Jahre 1629 auf schwedisch eine Reimchronik Finnlands.
Es mag noch erwähnt werden die schwedische Übersetzung eines
tendenziösen Tiermärchens »Gääs Kong» (König Gans) von Jo=
hannes Sigfridi (vom Jahre 1619). Alle zu dieser Zeit entstandene
finnische Literatur ist ausserhalb der Grenzen unseres Landes
gedruckt worden, denn es gab damals in Pinnland keine Buch=
druckerci. Die im Auslände studierenden Finnländer publizierten
auch dort auf Latein akademische Dissertationen und schrieben
manche Gedichte.
Die Zeit der Grossmachtstcllung Schwe =
d c n s. Die Errichtung der Universität in Äbo im Jahre 1640 trug
gewaltig zur Hebung der gelehrten Bildung bei und ermunterte
die literarischen Interessen, welche unter anderem durch die drei
in unserem Lande 1642, 1668 und 1688 gegründeten Buchdruckc=
rcicn befördert wurden. Zugleich kann man gegen Ende dieser
Periode eine Zunahme des schwedischen Elements in den GeselU
Schaftskreisen und in der Literatur beobachten. Neben der latci=
nischen Sprache beginnt sich als Vermittler der gelehrten Bildung
allmählich das Schwedische zu erheben; das Finnische bleibt nur
die Sprache des niederen Volkes und der für das Volk bestimmten
religiösen Literatur. Die schwedische Literatur in Finnland ist
jedoch in dieser Periode noch verhältnismässig dürftig und saft=
los. »Einige Hundert Predigten, von denen sich nur einige wenige
über das Mittelmass erheben, einige Dutzend offizielle Gefühls=
ausbrüchc in steifer Prosa= oder noch steiferer Versform, ein oder
anderthalb Hundert Hochzcitsglückwünsche und vielleicht ebenso
viele Begräbnisgedichte') — das ist fast die ganze schwedische
literarische Produktion des 17. Jahrhunderts in unserem Lande,
sagt ein Literaturhistoriker. Die kirchliche Orthodoxie drückte
den religiösen Werken ihr Gepräge auf. Am reichsten war im 17.
Jahrhundert die Predigtliteratur. Sie wurde von Theologen wie
Isak Rothovius (1572 — 1652), Enevald Svenonius
(1617 — 88), dem typischsten Repräsentanten der Orthodoxie
bei uns, der umfassende theologische Streitschriften und viele
Predigten geschrieben hat, und von Johan Gezelius dem Älte=
ren (1615 — 90) und dem Jüngeren (1647 — 1718) bereichert, die beide
vielseitige Schriftsteller waren, von deren Erzeugnissen vor allem
das grosse schwedische Bibelwerk — Neues Testament (1711 — ij,
2 Teile) und Altes Testament U724 — 28, 4 Teile) — erwähnt werden
müssen, und dazu kamen eine Menge Lehrbücher, finnische Volks»
Schriften und die von Henrik Florinus herausgegebene vecbesscrte
finnische Bibelübersetzung (vom Jahre 1685). Die Wissenschaften
bewegten sich noch ganz und gar am Gängelband der Theologie,
492
so insbesondere die Philosophie. Auf diesem Gebiete mögen unter
anderen erwähnt werden iMikael Vexionius (geadelt
Gyldenstolpe, 1609 — 70), ein vielseitiger Gelehrter, der
die erste geographische Darstellung von Schweden und Finnland
geschrieben hat, und Anders Thotonius (1632 — 65),
ein Anhänger der alten scholastischen Philosophie. Der Maler
und Archäolog Elias Brenner (1647 — 1717) begründete
die Numismatik in Schweden und lenkte die Aufmerksamkeit auf
die alten germanischen Lehnwörter in der finnischen Sprache.
Der Arzt Elias Tillandz (1640 — 93), »der Vater der tinni=
sehen Botanik», gab das erste Verzeichnis der Pflanzen unseres
Landes heraus. — Zusammen mit dem akademischen Leben
erwachte auch das Interesse für die Poesie. Die erste Dichtungs=
art, die an der Universität zu Abo gepflegt wurde, war das päda=
gogische Schul= und Studentendrama. Die berühmtesten Reprä=
sentanten desselben in den 1640er Jahren waren der Schwede
Jakob Chronander, in den 1650er Jahren Erik K o 1=
modin und in den 1670er Jahren Petrus Carstenius,
die ihie ungeschickten Schauspiciversuche aut schwedisch schrie=
ben, und der Professor der Dichtkunst Erik Justander
(gest. 1678), von dem eine finnische Übersetzung »Tuhlaajapoika»
(Der verlorne Sohn) im Jahre 1650 aufgeführt wurde. In den
Vordctgiund trat jedoch die Gelegenheitsdichtung. Zu Hochzei=
tcn, Begräbnissen und anderen Festlichkeiten wurden gezierte
Erzeugnisse in wechselnden Versmassen geschmiedet. Von den
schwedischen zu dieser Zeit in Finnland wirkenden Dichtern war
der berühmteste Johannes Paulinus (geadelt L i I 1 i e n=
s t e d t, 1655 — 1732), der unter anderem eine ziemlich umfang=
reiche Messiadc, einige schöne Liebesgedichtc und Festpoeme
in schwedischer, lateinischer und griechischer Sprache vcrfasst
hat. Sein Zeitgenosse war Olof Vexionius der Jüngere
(1656 — 1690), einer der beliebtesten Gelegenheitsdichter dieser
Periode. Der produktivste Gelegcnhcitsdichter in schwedischer und
lateinischer Sprache war Professor Daniel Achrelius
(1644 — 92), Schönredner und Satiriker, der historisch=didaktische
Dichtungen und eine umfangreiche Messiade geschrieben hat. Als
Formkünstler noch hervorragender als Achrelius war der Schwede
Torsten Rudeen (1661 — 1729), der als Student in Äbo
anmutige Liebeslieder und später als Professor einige geistliche
Gedichte und Festpoeme verfasste. Auch die schwedische religiöse
Dichtung in Finnland nimmt zu, und sie beginnt durch Mikacl
Renner in den 1690er Jahren lebendiges Gefühl zu bekommen,
welches erst in den tiefe Melancholie und demutvollc Resignation
atmenden Dichtungen Jakob Freses (1690 — 1729) stärker
hervorbricht. Fresc ist ein Dichter der Gärungszeit, in dessen
Werken die Stimmungen der Zeit Karl XII. mit den Eindrücken
des grossen Krieges Schwedens mit Russland 1700 — 1721 vcr=
schmolzen. Sein religiöses Dichten ist cinigcrmassen pietistisch
gefärbt, es drückt das Sehnen des in Erdenqualcn befangenen Geis=
tes nach einem höheren Leben aus, und seine weltlichen Gedichte
enthalten seelenvoll vibrierende Töne.
In der spärlichen finnischen Literatur ist in dieser Periode
zunächst die finnische Übersetzung der ganzen Bibel (1642) als
Komiteearbeit zu bemerken, die die Orthographie der finnischen
Sprache für lange Zeit feststellte; dann das Gesangbuch (1701),
das bis zum Jahre 1886 unverändert im Gebrauch gewesen ist, und
das Choralbuch (vom Jahre 1702). Der bemerkenswerteste Teil
der finnischen Literatur war auch sonst geistlicher Art. Predigten
wurden unter anderem vcrfasst von Laurcntius Petri
Aboicus (Tammclinus, gest. etwa 1 67 1 ), Thomas
R a j a I e n i u s (gest. 1 688) und Abraham Ikalensis
(gest. 1675); von den geistlichen Liederdichtern sind besonders zu
nennen Johan Cajanus (1655 — üt) und Erik Cajanus
(1675 — 1737)- Das hervorragendste dichterische Erzeugnis in
finnischer Sprache während dieser Periode, ja man kann sagen der
ganzen Zeit der Grossmachtstellung Schwedens ist die von Mathias
Salamnius (gest. 1691) verfasste Messiadc »llolaulu Jesuk=
sesta» (»Ein Freudengesang von Jesus*), dessen lebensvolle
konzentrierte Darstellung und fast fehlerfrei dahinfliessendes
Kalevala=Metrum zeigen, dass der Verfasser die alte finnische
Volkspoesie sehr gut gekannt und ihre Ausdrucksmittel beherrscht
hat. Auch die meisten Gelegcnhcits= und historischen Dichtungen
dieser Periode in finnischer Sprache sind in der alten Versform
geschrieben. Die bedeutendsten von den Gclcgenheitsdichtern sind
Erik Justander und Gabriel Calamnius (1695 —
1754), der auch viele Trauerliedcr auf die grosse Kriegszeit ge=
schrieben hat. Von Verfassern historischer Dichtungen seien cr=
wähnt Laurentius Petri (die Reimchronik »Ajanticto
Suomen maan menoist ja uscost», 1658), Anterus Asche^
I i n u s (gest. 1 703), Zachris Lithovius (gest. 1 745)
und Barthold US Vhael (1667 — 1 723), von denen die drei
letztgenannten die Zeiten Karls XII. und die Leiden des iinnischcn
Volks während des grossen Krieges behandelt haben. Es cnt3tan=
den auch in dieser Periode ein paar didaktische Dichtungen nach
fremden Vorbildern. Die eine ist von Gabriel Tuderus
(1638 — 1705) geschrieben, der als geschickter Dichter in finnischer
und sch\x'edischer Sprache und als eifriger Geistlicher bekannt
geworden ist; die andere ist: »Huonen=Speili» (Hausspiegel) von
einem unbekannten Verfasser, aus dem Jahre 1690. — Auch das
Interesse für die wissenschaftlicne Erforschung der finnischen
Sprache wurde wach. So entstanden die ersten finnischen Gram=
matiken (von Eskil Petraeus 1649, Matthias Martinius 1689 und
Bartholdus Vhael 1733), alle auf Lateinisch. Der früher genannte
Henrik Forsius stellte 1678 ein bescheidenes finnisches Wörter=
buch zusammen und veröffentlichte 1702 eine Sammlung finnischer
Sprichwörter, er war also einer der ersten, welche die Aufmerk=
samkeit auf die finnische Volkspoesic lenkten. Daniel J u s I e=
n i u s (1676 — 1752), dessen Tätigkeit hauptsächlich in die folgende
Periode gehört, preist in seinen Jugendwerken »Aboa vetus et
nova» (1700) und »Vindiciac fennorum» (1703) mit übertreibendem
Patriotismus das Land und das Volk Finnlands. Aber für die litc=
rarische Pflege der finnischen Sprache hatten diese Bestrebungen
noch keinen grossen Nutzen. Der grosse Krieg erstickte für einige
Zeit die Entwicklung der Literatur, ja sogar alle geistige Bildung.
Die Universität wurde geschlossen, die Buchdruckereien verschwan=
den, ein grosser Teil der Gebildeten floh aus dem Lande, und
das Dasein des finnischen Volks schien bedroht. Nur einige ein =
zelne Trauer= oder Klagelieder drückten den besorglichen Zustand
des Landes in jener Prüfungszeit aus. Unter den in Schweden
weilenden Flüchtlingen verdolmetschten Männer wie E. Gestri=
nius, Zachris Lithovius, Karl Serlachius und vor allem Jakob
Frese das Leiden, die Not, die Verzweiflung des Volkes und die
Erwartung einer besseren Zeit in schwedischen Versen; diesseits
dei Bottnischen Meerbusens wurde darauf von Vhael, Calt'mnius
und einigen anderen in Kalevala=Versen geantwortet.
Die Zeit der Freiheit versprach viel, gab aber Finn=
land verhältnismässig wenig. Unser Land musste zuerst einen
beträchtlichen Teil von den Unkosten des Krieges in den 1740er
)ahrcn bezahlen, ehe es sich allmählich wirtschaftlich und kulturell
entNx/ickcIn konnte. Auf dem Gebiet des geistigen Lebens war eine
jähe Veränderung eingetreten. Die Aufklärung wurde jetzt zur
Losung der Zeit und der praktische Nutzen zum Zweck. Die
Wissenschaften begannen sich von der Vormundschaft der Kirche
zu befreien und ihre eigenen Wege zu gehen. Das tut zunächst die
Philosophie, die den Lehren von Dcscartes, Thomasius und Wolff
folgt. Eine eigentliche Renaissance tritt jedoch auf dem Gebiete
der Naturwissenschaften ein. Der erweckende Einfluss Linncs
reicht bis nach Finnland herüber und lehrt die Theorie auf dem
Grund der Beobachtungen aufbauen. Zu seinen Anhängern gchö=
rcn als Naturforscher unter anderen Johan ßrovallius
(1707 — 55) und Karl Frcdrik Mennander (1712 — 86),
von denen jener auch weitgehende Reformen des Schulunterrichts
im Geiste der Aufklärungszeit plante und dieser als akademischer
Festdichtcr und Vorkämpfer der Nationalökonomie bekannt war.
Später wurden sie beide Bischöfe. Die Naturwissenschaften und
die Nationalökonomie hatten in Finnland auch andere beachtens=
werte Repräsentanten: Peter Kalm (1716 — -79), den ersten
Professor der Nationalökonomie an der Äboer Universität und
berühmten Amerika=Fahrer, P et c r Adrian Gadd(i727 — 97),
den ersten Professor der Chemie mit vielseitigen Interessen,
und Peter Forskäl (1732 — 63), einen bekannten politischen
Schriftsteller und Naturforscher, der (auf seiner Reise nach Ara=
bien) die Aufmerksamkeit auf die Pflanzengeographie richtete. Der
genialste von den nationalökonomischen Schriftstellern war Anders
Chydenius (1729 — 1803), der in seinen vielen meisterhaften
Aufsätzen und auf dem schwedischen Landtage gehaltenen Reden
die Handels=, Gcwerbe=, Prcss= und Religionsfreiheit verfocht
und sich als selbständiger, kühner und weitausschauender Vor=
kämpfcr des ökonomischen Liberalismus bekannt machte. In der
Philologie begann man neben der Erforschung der klassischen
Sprachen, von deren Repräsentanten Professor Henrik Hassel
(1700 — 76) zu erwähnen ist, auch immer mehr Interesse für die
Erforschung der neuen, darunter auch der finnischen und mit ihr
verwandter Sprachen zu fassen. Auf diesem Gebiete verkündigten
Juslenius', Idmans u. a. Vergleichungcn zwischen der finnischen
und der hebräischen oder griechischen Sprache die komparative
Richtung, die in der folgenden Periode unter anderen Porthan
496
^?^'
/'
Jean Sibelius.
Fr Paci
R. b.rt Kojanus.
I'?^^
Wegebauer in Karelien.
Gemälde von Pekka Halonen.
Beim Schwenden.
Gemälde von Eero Järnefelt.
weiterführte. Die wertvollste Veröffentlichung über die finnische
Sprache während der Freiheitszeit war das finnische Wörterbuch
»Suomalaisen Sana=Lugun Coetus» von Daniel Juslcnius aus dem
Jahre 1745. Die schwedische Sprache andererseits entwickelte
sich dadurch, dass sie von nun an eine festere Stellung als Sprache
des akademischen Unterrichts und der Wissenschaft gewann.
Von den Geschichtsforschern mögen erwähnt sein: Algot S c a=
rin {1684 — 1771) und die Memoirenverfasscr H. J. Wrede und
Johan Arckenholtz (1695 — -1777). In der Erforschung
der einheimischen Geschichte wurden gegen die Mitte des Jahr=
hundcrts die ökonomisch=historischen Lokal= und Provinzdar=
Stellungen sehr Mode. Doch kam man nicht über tastende Vcr=
suche hinaus, bis Porthan den Grund zu einer wissenschaftlicheren
Forschungsmethode legte. — Sogar die Dichtkunst diente den
praktischen Zielen der Zeit, sie war bestrebt gleichzeitig nützlich
und unterhaltend zu sein. In den akademischen wie auch in anderen
Kreisen wurde fortwährend hauptsächlich die Gelegenheitspoesic
gepflegt. Die produktivsten von den Dichtern dieser Zeit waren
Abraham Achrenius (1706 — -69), ein pictistischer Pfar=
rer, der sich in seinen geistlichen Erzeugnissen sowohl des Finni =
sehen als des Schwedischen bediente und sogar einige Gelegenheits=
gedichte in lateinischer Sprache schrieb, Alexander Hacks
(gest. 1740), bekannt als Verfasser der humoristischen Dichtungen
»Eskolagubbens visor», K. F. Mennander und Henrik Lilius
(1683 — 1745), von denen der letztgenannte auch auf Finnisch
dichtete. Gegen das Ende der Freiheitszeit trat Gustav Philip
Creutz (173t — 85) auf, dessen rokokomässig leichte und
zierliche, lediglich ästhetischen Zwecken dienende Dichtkunst (die
Hirtenidylle »Atis und Camilla», 1761) ihrem Geist nach schon
zur folgenden Periode gehört und den Einfluss der französischen
Richtung aufweist. — Von den wenigen Repräsentanten der Lite=
ratur in finnischer Sprache seien erwähnt der Verfasser einer bc=
liebten Prcdigtsammlung Johan Wegelius (gest. 1764),
der Dichter der geistlichen Lieder »Sionin Juhla=Wirret» (Zions
Festlieder) Abraham Achrenius, Si mon Achrenius (1729—58),
der ernsthafte und belehrende Dichtungen schrieb, und sein
Bruder Henrik Achrenius (1730 — 98), dessen humoris=
tische Gedichte eher schon der Gustavianischen Zeit angehören. Das
Gesetz des Schwedischen Reiches erschien im Jahre 1 759 auf finnisch.
Die Gustavianische Zeit. Von der hohen Gcistcskultur,
deren Mittelpunkt in Schweden der glänzende Hof Gustavs III.
war und die in der Poesie meist französische Muster bcvor=
zugte, drang auch ein Abglanz nach Finnland, besonders in die
akademischen Kreise, sie nahm aber hier eher ein Wissenschaft»
lichcs als ein ästhetisches Gepräge an , obgleich auch die Dicht=
kunst in Äbo jetzt mehr berühmte schwedische Repräsentanten
als je zuvor bcsass. In der Wissenschaft konzentrierten sich die
besten Interessen in Henrik Gabriel Porthan (1739 — 1804),
weshalb die ganze Periode in der finnischen Literaturgeschichte
oft als »die Epoche Porthans» bezeichnet wird. In ihm vereinten
sich die Aufklärungsideen der Zeit, ihre ökonomisch=praktischcn
Bestrebungen, das allmählich erwachende Interesse für die Voiks=
dichtung, das nunmehr kritischere Studium der finnischen Ge=
schichte und Sprache, und alle diese Interessen waren von patrio=
tischcm Sinn belebt. Um ihn scharte sich eine Menge junger
Forscher (Franzcn, Tengström, Lencqvist, Ganander), die in ihren
Werken die Geschichte, Sprache, Mythologie usw. beleuchteten.
Und um ihn entstand die erste literarische Vereinigung in unserem
Lande, die Aurora=Gesellschaft, die die erste Zeitung »Tidningar
utgifne af ett sällskap i Äbo» (vom Jahre 1771 ab, später unter
dem Namen »Äbo Tidningar») herausgab. Diese Gesellschaft,
der in den 1 770er Jahren unter anderen J . H. K e 1 1 g r e n, A b=
raham Niklas C 1 e w b c r g=E d c I c r a n t z (1754—1821)
und G. Tidgren (1743 — 88) angehörten, begann eine neue
Epoche in der schwedischen Literatur Finnlands. Sie hob den
literarischen Geschmack, befestigte in der Poesie eine kultivierte
Form und erweiterte den Gesichtskreis. Die besten Eigenschaften
dieser künstlerischen Bestrebungen fanden in den 1790er Jahren
ihren Erben in Frans Mikael Franzcn (1772 — 1842),
dem hervorragendsten unserer Dichter der schwedischen Zeit.
Seine Jugendgedichte, in denen er einfach und intim das häusliche
Glück, den Frieden der Kindheit, die erste Liebe, die göttliche
Schönheit der Natur usw. besang, prophezeiten einen neuen Bahn=
brechcr in der schwedischen Literatur. Aber diese unmittelbare
Anmut, Frische und Lebendigkeit werden allmählich unter dem
Einfluss der akademischen Richtung Schwedens gelähmt, und seine
späteren Erzeugnisse erhalten ein reflektierendes, moralisierendes
Gepräge. Franzcn hintcrlässt jedoch eine ideale, harmonische
Weltanschauung und eine einfache Natürlichkeit der Form als
498
Erbe, das von Runeberg und Topclius in ihrer eigenen Produl<=
tion weiter entwickelt wird. Ein Zeitgenosse und Freund Fran=
z6ns war Mikael Choraeus (1774 — 1806), ein halb heiterer,
halb ernster Sänger der Tugend. Als Dichter in schwedischer
Sprache traten auch auf der Professor der Theologie Jakob
Bonsdorff (1763 — 1831) und Erzbischof Jakob Teng=
ström (1755 — 1832), der als Verfasser von Trink= und Kinder=
liedern und als Geschichtsschreiber bekannt geworden ist. Her=
vorragende Gelehrte waren der Jurist und Politiker Matthias
Calonius (1737 — 1817), der Philosoph Gabriel Israel
Hartman (1776 — 1809), der Mathematiker Anders Johan
L e X e 1 1 (1 740 — 84), der Physiker Gustav Gabriel Häll=
ström (1775 — 1844), der Chemiker und Mineraloge Johan
G a d o 1 i n (1760 — 1852 ) u. a.
Auch finnischerseits war d^r Einfluss Porthans erweckender
Art. Er inspirierte Kristfrid Ganander (1741 — -90)
und Kristian Erik Lencqvist (1719 — t8o8) zur Tätig=
keit auf dem Gebiete der finnischen Sprache und Mythologie, und
das von Porthan durch sein Wochenblatt gegebene Beispiel er=
munterte Anders Lizelius (1708 — 95) die erste Zeitung
in finnischer Sprache »Suomenkieliset Tieto=Sanomat» zu gründen,
die nur ein Jahr (1776) bestand und hauptsächlich landwirtschaft=
liehe Aufsätze enthielt. Die finnische, vorwiegend geistliche Dicht=
kunst pflegten in dieser Periode ausser Ganander Johan Fros=
terus (1720 — 1809), Thomas Ragvaldi (1724 — 1804),
Elias Lagus (1741 — tSio), G a b r i e 1 Lauraeus (gest.
1753), Anders Achrenius (gest. 1810), Karl Gustav
Wem an (1740 — 1803) u.a., denen es jedoch allen an eigcnt=
lieber Originalität fehlte.
Die neuere Zeit. Nach der Trennung Finnlands von
Schweden lebte die Literatur noch einige Zeit nach der früheren
Art, ja die literarischen Beziehungen zu dem alten Mutterlandc
schienen sich für eine Weile noch fester knüpfen zu wollen. Nur
allmählich begann der nationale Sondergeist zu erwachen und die
finnische Literatur selbständige Form und selbständigen Inhalt
zu erhalten. Die von Uppsala ausgehende romantische Strömung
gewann anfänglich in Äbo eine Menge Anhänger, von denen die
meisten sich um den Almanach »Aura» (1817 — 18) und die Zeitung
»Mnemosyne» (1819 — 23) scharten: Axel Gabriel Sjö =
ström (1794 — 1846), lohan Gabriel Linsen {1785 —
1848) und Adolf Ivar ArNX/idsson (1791 — 1858), von
denen der letztgenannte die Seele der Gruppe war, beachtenswerter
als Journalist und Geschichtsforscher denn als Dichter. Ihr Ein=
fluss auf literarischem Gebiet war vorübergehender Art, denn es
fehlte ihnen an Originalität und Frische. Dagegen wirkten die
patriotische Begeisterung Arwidssons und die durch die Mnemo=
sync erweckten nationalen Fraeen auf die junge Generation, die
in den 20er Jahren an der Äboer Universität studierte und aus
deren Mitte später viele der Bannerträger des finnischen Volks
emporwuchsen. Inzwischen hatte man auch finnischerseits im Geiste
der Porthanschcn Zeit und unter dem Einfluss der zum Teil aus
Skandinavien kommenden Anregungen vorgearbeitet. Als Sprach»
forscher waren tätig Gustav Rcnvall (1781 — «841), der
Verfasser eines finnischen Wörterbuches und einer finnischen
Grammatik, Reinhold von Becker (1788 — 1858), der
Redakteur der »Turun Viikkosanomat» (Äboer Wochenblatt)
und ebenso Verfasser einer Grammatik, und Anders Johan
Sjögren (1794 — 1855), ß'" Forschungsreisender. Zu diesen
Zeiten fand auch der sog. »Kampf der Dialekte» statt, der besonders
der Rechtschreibung der finnischen Sprache und der Frage, ob der
östliche oder der westliche Dialekt der Schriftsprache zu Grunde
liegen solle, galt; erst Lönnrot schlichtete diesen Streit, indem er
in der Schriftsprache Elemente der beiden Hauptdialekte verei=
nigte. Das Sammeln der finnischen Volksdichtung wurde reger,
und daran nahmen unter anderen teil Sjögren, Arwidsson, von
Becker wie auch K a r 1 Axel Gottlund (1796— 1875), der
als vielseitiger Schriftsteller tätig war, und Zachris Tope=
lius d. A. (1781 — 1831). In den ersten Jahrzehnten des Jahr»
hunderts traten auch einige Dichter auf, die die finnische Sprache
in neuen Versmassen erprobten. Der produktivste von ihnen war
Jaakko Juteini (Jakob Juden, 1781—1855), der in seinen
Gedichten und Prosaschriften verschiedene Stoffe in dem philo»
sophierenden und didaktischen Geiste der Aufklärungszeit bchan»
delte. Abraham Poppius (1793— «866) und Samuel
Gustav Bergh (Pseudonym K a 1 1 i o, 1803— 53) schrieben
lyrische Stücke, von denen besonders die des letztgenannten sehr
formschön und stimmungsvoll sind. Eine direkte Fortsetzung
dieser auf die Sprachforschung, finnische Volksdichtung und
Literatur gerichteten Bestrebungen ist die ungewöhnlich frucht»
bare Lebensarbeit Elias Lönnrots (1802 — 84), die schon
in den 20er Jahren beginnt und sich bis ans Ende des Jahrhunderts
erstreckt. Er brachte die reichen Liederschätze des finnischen Volkes
an den Tag, fügte die alten epischen Runen zu dem Nationaicpos
»Kalevala» zusammen, gab lyrische Gedichte, Sprichwörter, Rätsel,
Zauberlieder heraus und sammelte auch Märchen. Er entwickelte
und festigte die finnische Schriftsprache, war als Journalist,
Übersetzer, Sprachforscher, Lexikograph, ja als Kirchenlieddichter
tätig. So wurde der Boden bearbeitet, aus dem eine selbständige
schöne Literatur hervorspriessen konnte. Es dauerte aber bis zu
den 60er Jahren, ehe beachtenswerte Originalarbeiten in finnischer
Sprache zu erscheinen begannen. Als eine Art Nachblüte der alten
Volksdichtung kann die im Kalevala=TVletrum geschriebene, aber
ihrem Inhalte nach zeitgenössische Poesie angesehen werden, die
Paavo Korhon cn (1775 — ^1840), Olli Kymäläinen
(1790 — 1855), Antti Puhpkka (1816 — 9-5) und andere
»Bauerndichtcr»» produzierten. Gegen die Mitte des Jahrhunderts
war die finnische Literatur noch sehr arm. Beiträge zu ihr lieferten
ausser den Vorerwähnten Jakob Fredrik Lagervall
(1787 — 1865) mit seinen ungeschickten Schauspielen, Pietari
Hannikaincn (iSi'j — 99) mit seinen anspruchslosen Lust=
spielen und Novellen, Anders Warelius (1821 — -1904)
mit seinen naturwissenschaftlichen Plaudereien, Johan Fred=
rik Granlund (1809 — 74) mit seinen Übertragungen und
Umdichtungen, Erik Alcksandcr Ingman (1810 — -58)
mit einigen Gedichten, Johan Fredrik Cajan oder Ka j a an i
(1815 — 87) mit seiner finnischen Geschichte, Erik Gustav
Euren (1818 — 72) mit seiner finnischen Grammatik und seinem
finnisch=schwedischen Wörterbuch, Wolmar Styrbjörn
Schildt oder Kilpinen (1810 — 93) mit seinen Worterfin=
düngen und Erik Rudbeck od. Ecro Salmelainen
mit den von ihm herausgegebenen Sagen und Märchen des finnischen
Volkes. Auch die finnische Zeitungsliteratur begann langsam Leben
zu gewinnen, seitdem in Wiborg 1845 — 47 »Kanava» und in Helsing=
fors vom Jahre 1847 an »Suomctar» erschienen. Die finnische
Sprache suchte allmählich auch andere als nur die religiösen Bc=
dürfnisse des Volkes zu befriedigen.
Die schönste Glanzperiode der schwedischen Dichtung in Finn=
land fiel zwischen die 30er und 60er Jahre, ihre zentralste Per=>
sönlichkeit war johan Ludvig Runeberg (1804 — 77).
Indem er die von verschiedenen Seiten empfangenen Einwirkungen
in sich verschmolz, entwickelte er sich eine Ausdrucksform, die sich
in ihren besten Teilen der Einfachheit des Volkslieds und der
klassischen Linienreinheit nähert. Runeberg ist einer der ersten
Repräsentanten des Realismus im Norden, aber sein Realismus
ist idealistisch, hat einen ideellen Boden; er wird von einem mäch=
tigen ethischen Pathos und einem männlichen patriotischen Geist
getragen. In das edle Gewand dieser hohen Kunst kleidet er das
finnische Volk und dessen ruhmvolle Erinnerungen und cihebt
auf diese Weise das nationale Selbstvertrauen und den Glauben an
die Zukunft. Um Runeberg bildete sich in den 30er Jahren in HeU
singfors die sog. Sonnabcndgesellschaft, von deren Mitgliedern
viele sich später in der finnischen Literaturgeschichte einen Namen
gemacht haben. Zu diesem Kreis gehörten unter anderen J o h a n
Jakob Nervander (1805 — 48), der früh verstorbene geniale
Physiker, der in seiner Jugend mehrere Gedichte voll scharfen
Verstandes und zarten Gefühls schrieb, Fredrik Cygnacus
(1807 — 81), Professor der Ästhetik, Dichter und Redner, der mit
der ganzen Wärme seines humanen Wesens die Kunst liebte, dcs=
sen eigene lyrische und dramatische Erzeugnisse und Prosaauf=
Sätze aber in ihrem Ideenreichtum schwer und unklar sind, und
die Gattin Runebergs Frcdrika Runeberg (1807 — 79),
als Verfasserin von Novellen und historischen Erzählungen bekannt.
Dem Kreis Runebergs standen auch nahe Lars JakobSten=
back (1811 — 70) und Zachris Topclius {1818—98).
Der erstgenannte war eine tiefe, glutvolle und reich begabte Dichter»
natur, nachdem er aber unter den Zauber des Pietismus geraten war,
zog er sich von der Welt zurück und gab die Dichtkunst auf. Tope=
lius ist einer der produktivsten Dichter Finnlands, ein zarter,
träumerischer Romantiker, bei dessen Erzeugnissen die grösste
Anziehungskraft in einer lyrischen Unmittelbarkeit und Reinheit
besteht. Er hat viele schöne, wohlklingende Lieder, abenteucr=
reiche Geschichten und farbenprächtige geschichtliche Erzählungen
und Dramen wie auch hübsche Kindermärchen geschrieben. Alle
seine Erzeugnisse zeugen von einer idealen Gesinnung, einem
warmen Patriotismus und einer tiefinnerlichen Religiosität. Neben
Runeberg und Topelius lebte und wirkte eine ganze Schar jünge=
rer schwedischer Dichter, von denen es jedoch keiner zu einem
bemerkenswerten Namen gebracht hat. Emil von Qvanten
(1827 — 1903) schrieb klangvolle lyrische Gedichte, F r c d r i k
Berndtson (1820 — 81) Novellen und Schauspiele, Jakob
Gabriel Leistenius (1821 — -58) heitere Lieder, Akscl
Gabriel Ingclius (1822 — 68) ungleichmässige romantische
Erzählungen, Karl Robert Malmström (1830 — 1900)
und Anders Theodor Lindh (1833^1904) zarte Gedichte
im Stile von Topclius und Wilhelm Gabriel Lagus
{1837 — 96) Gedichte, Schauspiele, literaturhistorische und gc=
schichtliche Werke. Der begabteste in der jüngeren Generation
war Josef Julius Wccksell (1838 — 1907). Seine Ge=
dichte strahlen von Jugend und Enthusiasmus, aber es spiegeln
sich in ihnen auch Schmerz und betrogene Hoffnungen ; sein
Trauerspiel »Daniel Hjort» ist eines der vollendetsten historischen
Dramen, die in Finnland entstanden sind. Aber eine schon früh
ausgebrochene Geisteskrankheit vernichtete die grossen Hoff=
nungcn, die mit Recht an die Dichtkunst Weckseils geknüpft worden
waren. Unter den damaligen schwedischen Schriftstellern seien
noch erwähnt Sara Elisabet Wacklin (1790 — 1846), die
ihre Jugenderinnerungen aus Osterbotten herausgab, die Dichterin
Wilhelmina Nordström (1815 — i902)undKarl W i 1=
heim Törnegren (1817 — 60), der besonders als Übersetzer
von Gedichten bekannt geworden ist. Zu den Schriftstellern der
folgenden jüngeren Generation, die sich geistig der Zeit Rune^
bergs und Topelius anschlössen, gehören unter anderen Emil
Nervander (1840 — 1914), Rafael Fiertzberg (1845 — 96)
und Odo Morannal Reuter (1850 — 1913), der neben sci=
nen zoologischen und geographischen Werken auch Gedichte und
Erzählungen geschrieben hat.
Die mächtige Erweckung des finnischen Nationalgefühls ging
vor allem von Johan Wilhelm Snellman (1806 — 81)
aus, der als Journalist (»Saima» 1844 — 46, »Literaturblad» seit
1847), Denker, Universitätslehrer und Staatsmann tätig war.
Die Erweckung berührte zuerst nur den schwedischen gebildeten
Stand, verbreitete sich aber dann, in finnischer Sprache wieder=
gegeben, in weite Schichten und rüttelte das ganze Volk zu regerer
Tätigkeit und Selbstbesinnung auf. Als beachtenswerte Forscher
wirkten in der ersten Hälfte und um die Mitte des Jahrhunderts
der Rechtsgclehrte Johan Jakob Nordström (1801 — 74),
der 1846 nach Schweden übersiedelte; der Sprachforscher und
Forschungsreisende Mathias AIcksander Castren
(i8i3 — 52); der Orientalist G c 0 r g August Wallin (1811 —
52); die Geschichtsforscher Gabriel Rein (1800—67) und
Matthias AUiander (1802 — 71); der Professor der Rcchts=
Wissenschaft VX/ilhclm Gabriel Lagus (1 786 — 1859) und
sein Sohn Jakob Johan Wilhelm Lagus (1821 — 1909);
ausserdem später der Ästhetiker Carl Gustaf Estlander
{1834 — ipio)/ die Botaniker William Nylander {1822 — 99)
und Sextus Otto Lindberg (1835 — 89), der Polara
forscher Adolf Erik Nordenskiöld (1832 — ^1901), der
seit 1857 in Schweden wirkte, der Astronom Johan August
Hugo Gylden (1841 — 96), der 1871 nach Schweden übcr=
siedelte, und der Archäolog Johan Reinhold Aspelin
(1842 — 1915).
Die natürliche Entwicklung der finnischen Literatur wurde
beträchtlich gehemmt durch die im Jahre 1850 ausgegebene
Zensurverordnung, die den Druck aller anderen Schriften ausser
religiösen und ökonomischen in finnischer Sprache verbot. Diese
Verordnung wurde erst im Jahre 1860 amtlich aufgehoben. Als
zu dieser Zeit das gesellschaftliche und politische Leben einen neuen
Aufschwung nahm, kam auch für die Literatur eine Zeit rüstiger
Entwicklung. Die Wissbegier des Volks versuchte man sowohl
durch Übertragungen als durch Originalwerke zu befriedigen. Der
Schwerpunkt der Literatur beginnt sich nun auf die finnische Seite
zu verlegen, was von dem Erwachen der grossen Mehrzahl des Volkes
zeugt, und auch das künstlerische Niveau der Werke hebt sich. Eine
sehr wichtige Arbeit hat bei der Beförderung der finnischen Litc=
ratur die im Jahre 1 83 1 gegründete Finnische Literatur«
gesellschaft geleistet. Der Gedanke entstand innerhalb eines
engeren Kreises junger Universitätslehrer, und den nächsten Anlass
dazu gaben die wirtschaftlichen Schwierigkeiten, durch die in den
30er Jahren die Veröffentlichung finnischer weltlicher Literatur
und die Entwicklung des Finnischen zur Schriftsprache verhindert
wurde. Indem sich die Gründer zu der Gesellschaft zusammen«
schlössen, erklärten sie es für ihr Ziel »genauere Kenntnisse
über das Heimatland und die es betreffenden Ereignisse aller Art
zu verbreiten, die finnische Spreche für die Aufgaben einer Kultur»
spräche zu befähigen und in dieser eigenen Spreche nicht nur
die Gebildeten mit Literatur, sondern auch das niedere Volk mit
nützlichen und nötigen Büchern zu versehen». Nach den neuen im
Jahre 1858 festgestellten Satzungen enthält das Programm der
,oi'
A. I. Arwidsson.
M. Calonius.
J. ). Neivander.
Gesellschaft folgende Aufgaben: a) eine vielseitige wissenschaftliche
S a m m e 1 a r b e i t, zu deren Gebiet gehören i ) die Vergangenheit,
die Dichtung und Mythologie, die Erdkunde, die Statistik, die
Sprache Finnlands und andere »einheimische Angelegenheiten» be=
handelnde gedruckte und ungedruckte Werke und Aufsätze in jeder
beliebigen Sprache; 2) als mündliche Tradition fortlebende Er=
Zeugnisse der finnischen Volksdichtung, volkskundliches Material
und religiöse Vorstellungen des Volkes; 3) finnische Drucke ohne
Rücksicht auf den Inhalt und 4) »altertümliche», d. h. cthnogra=
phischc und archäologische Gegenstände; — b) die Beförderung
der die finnische Geschichte, Sprache und Literatur beleuchtenden
Forschu n g en vermittelst Preisaufgaben, Ehrenpreise und einer ei=
genen wissenschaftlichen Zeitschrift. Ausserdem sollte die GeselU
Schaft c) entsprechend ihren Mitteln die Entstehung einer wert=
vollen finnischen Literatur sowohl für einen gebildeten Leser=
kreis als auch für das Volk begünstigen, und unter anderem dadurch
d) die Ausbildung der finnischen Sprache zu einer Schrift= und
Kultursprache fördern.
Im Laufe der Zeit ist dieses ursprüngliche, sehr umfassende
Programm etwas reduziert worden, zum Teil wegen mangelnder
Mittel und Arbeitskräfte, zum Teil auch darum, weil später auf den
meisten wissenschaftlichen Sondergebieten neue Gesellschaften
und Vereine entstanden sind, und schliesslich, weil die private Ver=
legertätigkeit seit den 80er und 90er Jahren lohnender geworden
ist und die Bedürfnisse der immer zunehmenden Leserschaft bes=
ser zu befriedigen vermocht hat. Trotzdem hat die Finnische Litc=
raturgesellschaft eine gewaltige Kulturarbeit geleistet; auf wissen=
schaftiichem Gebiete hat sie das Sammeln finnischer Volksdich=
tung, die Erforschung der finnisch=ugrischen Sprachen, der finni=
sehen Ethnographie und der finnischen Literaturgeschichte mäch=
tig gefördert und zur Erweiterung und Vertiefung der allgemeinen
bürgerlichen Bildung eine Menge Lehrbücher, Wörterbücher und
Übersetzungen von gemeinverständlichen ausländischen Werken
herausgegeben. Auch die Klassiker der Weltliteratur (wie Shake=
spearc, Schiller, Lessing, Descartes, Rousseau, Locke, Piaton u. a.)
sind mit Unterstützung der Gesellschaft musterhaft ins Finnische
übertragen worden.
In den 6oer und 70er Jahren beginnt nun auch die finnische
Literatur ihre ersten reifen Früchte zu tragen. Die Dichter A.
0 k s a n e n (August Engelbrekt Ahlqvist, 1826 — 89) und S u 0=
nio (Julius Leopold Fredrik Krohn, 1835—88) machen die fin=
nische Sprache erfolgreich moderneren, künstlerischeren Formen
dienstbar. Die Gedichtsammlung von Oksancn »Säkeniä» (Funken)
enthält männliche, gedankenschwere Dichtungen, die für die finnische
Kunstpoesic grundlegende Bedeutung haben. Suonio hinwieder
ist eine zartere, weichere Dichternatur. Nach ihrer Anlage und
ihrem Wirken sind diese beiden Männer jedoch mehr Forscher
als Künstler. Ahlqvist war ein hervorragender Philolog, Krohn
vertrat die Literaturforschung und begründete die finnische Folklore.
Ihr Zeitgenosse Yrjö Koskincn (Georg Zachris Forsman,
1830 — 1903) widmete sich noch ausschliesslicher der Wissenschaft
und politischer Tätigkeit und erwarb sich besonders durch seine
Untersuchungen zur finnischen Geschichte einen angesehenen
Namen. Der erste finnische Dichter, der ganz seinem Künstler=
beruf lebte, war A 1 e k s i s K i v i (1834 — 72). Durch sein origi=
nellcs Genie öffnete er der Entwicklung der finnischen Literatur
neue Bahnen. Seine ausgezeichneten Charakterkomödien »Num=
misuutarit» (Die Heideschuster) und »Kihlaus» (Das Verlöbnis),
seine düstere Tragödie »Kullcrvo» und seine lyrischgefärbte Dra=
mendichtung »Lea» sind für die finnische Literatur von grundlegen =
der Bedeutung, und sie haben mittelbar zur Entstehung eines
finnischen Theaterö (1872) Anlass gegeben. Sein Roman »Scit=
semän veljestä» (Die SiebcnBrüder) ist die grosszügigste humoris=
tische Schilderung, die die finnische Literatur bis jetzt hervor=
gebracht hat. Auch als Lyriker hat Kivi bleibende Spuren von seiner
starken Originalität hinterlassen. Er entwickelte den Realismus wei=
ter als Runeberg und brachte in die finnische Literatur einen saft=
und kraftvollen Humor, als dessen Repräsentant er neben die hcr=
vorragendsten Humoristen der Weltliteratur zu stellen ist. Sein
Einfluss auf die finnische Prosaliteratur kann nur mit dem Einfluss
verglichen werden, den das Kalcvala auf die finnische Dichtung
ausgeübt hat. Die übrigen finnischen Schriftsteller der 6ocr und
70er Jahre waren neben ihm nur Talente zweiten Ranges. Der
Gründer und erste Leiter des Finnischen Theaters K a a r i o
Juhana Bergbom (1848 — 1905) schrieb einige Dramen und
Novellen, der Dichter T u 0 k k 0 (Antti Juhana Törneroos,
1835 — 96) gab sein Bestes in seinen Übersetzungen, und die No=
vellistcn Kaarle Jaakko Gummerusd 840 — 98), K a a r 1 e
Kustaa Samuli Suomalainen (1850- — 1907), Theo»
dolinda Hahnsso n = Y r)ö=Koskincn (geb. 1838), der
506
Verfasser historischer Schauspiele und Romane Evald Ferdi=
nand jahnsson (1844 — 95) befriedigten die anspruchslosen
literarischen Bedürfnisse des grossen Publikums. Auf einigen Gc=
bieten konnte man schon ein stilles Hinneigen zu einer realistischeren
Darstcllungswcise bemerken, wie z. B. in den Werken von P i e=
tari Päivärinta (1827 — 1915) und )uho Reijonen
(geb. 1855).
Aber erst, nachdem die Wogen des modernen Realismus
in den 8oer Jahren über Skandinavien auch Finnland erreicht
hatten, trat in der Literatur ein gründlicherer Umschwung ein.
Finnland wurde für einige Zeit zu einem literarischen Vasallenland
NoTwcgcns, in dem die Werke Björnsons, Ibsens, Kiellands, Lies
und Garborgs viel gelesen und bewundert wurden. Dazu kamen
Einflüsse von Schweden wie auch von Frankreich und Russland.
Alles dies rief in der finnsichen Literatur eine immer lebhaftere
Bewegung hervor und führte zu einer allerlei Zeitfragen — wie
Frauen=, Sittlichkeits=, Arbeiterfrage u. ä. — erörternden Wirk=
lichkeitsschilderung und zu einem Interesse für soziale Reformen,
das auch im politischen Leben Ausdruck fand. Als die extremste
Vorkämpferin auf finnischer Seite trat vor allen anderen M i n=
na C a n t h (1844 — 97) hervor, die, nachdem sie ihre schriftstel=
Icrische Laufbahn mit sehr unreifen und konventionellen Novcl=
letten und Schauspielen begonnen hatte, als vierzigjährige »er»
wachte» und in vielen Dramen z. B. »Työmiehen vaimo» (Die
Arbeiterfrau), »Kovan onnen lapsia» (Unglückskinder) und in Er=
Zählungen versuchte, die Missstände besonders in den Verhält=
nissen des Proletariats und in der Stellung der Frau mutig bloss=
zulegen. Später aber befreite sie sich von äusserlicher Tendenz=
reitcrei und zeichnete objektivere Bilder aus dem Leben (»Papin
pcrhe». Die Pfarrersfamiiie, »Anna=Liisai> u. a.) Kennzeichnend
für Minna Canth ist die Aufrichtigkeit, Aktivität und Energie des
Denkens, und als Bühnendichterin steht sie nach Kivi in der fin=
nischen Literatur an erster Stelle. Als Verfasser kleiner flotter
Lustspiele mag Robert Kiljander (geb. 1848) erwähnt
werden. Zum hervorragendsten Repräsentanten der finnischen
Novelle erhob sich in den 8oer Jahren Juhani Aho (Brofeldt,
geb. 1861). Er ist ein feiner, sorgfältig abwägender Erzähler, des=
scn zarte, passive Gemütsart viel von unmittelbarer Lyrik und
erquickendem Humor enthält. Mit der Wirklichkeit der Gegen=
wart ist er nicht immer zufrieden, und so hat er auch manchen
Ausflug in das Land romantischer Träume oder in die historische
Vergangenheit unternommen. In den reinen Realismus seiner
ersten Entv^icklung (2. B. »Rautatie», Die Eisenbahn) mischte
sich allmählich ein lyrischer Gefühlston (»Yksin», Allein, »Papin
rouva», Die Pastorin) und später ideeller Patriotismus (»Kata=
jainen kansani». Wachholder), historisches Interesse (»Panu»,
»Kevät ja takatalvi», Frühling und Nachwinter) oder ein Aus=
schauen nach allgcmeinmenschlichen Problemen (»Omatunto,
Das Gewissen, "Rauhan erakko», Der Friedenscrcmit), und
so hat er sich immer weiter von seinem ursprünglichen Ausgangs=
punkt entfernt. Im Lauf seiner Entwicklung hat dieser Schrift=
steller viele schöne Proben eines poetisch empfindlichen Naturge=
fühls, einer objektiven Erzählungskunst und meisterhafter Sprach=
behandlung gegeben. Als Realist begann auch Arvid Järne=
feit (geb. 1861), aber er wandte sich bald der Ideendichtung zu,
indem er religiöse und gesellschaftliche Probleme von einem be=
stimmten, tolstojanischen Standpunkt aus bald im Roman, bald im
Drama und bald mit grösserem, bald mit geringerem Erfolg behan=
delte. Santcri Ivalo (Ingman geb. 1866) begann auch als
Schilderer der Gegenwart, später aber hat er sich hauptsächlich
auf dem Gebiete des historischen Romans bewegt (»Juho Vesanen»,
»Erämaan taistelu». Der Kampf um die Einöde). T c u v o
Pakkala (Frostcrus, geb. 1862) schildert mit feinem Verstand»
nis hauptsächlich Erinnerungen aus dem Leben des Proletariats und
besonders dem der Kinder in seinem Geburtsort Uleäborg (Oulu).
Die Werke vieler Volksdarsteller tragen ebenso ein entschiedenes
Lokalgepräge. So ist 2. B. Kalle Kajander (geb. 1862)
ein beachtenswerter Schilderer des südlichen Tavastland und
Väinö Kataja (Jurvelius, 1867 — 1914) der des nördlichen
Ostcrbotten. Gediegenen Realismus des platten Landes findet man
auch bei Päivärinta und vielen anderen sog. »Volksschriftstellern».
Die hervorragendsten unter diesen sind K a u p p i s=H e i k k i
(eigcntl. Heikki Kauppinen, geb. 1862), der das Leben in Savolax
und besonders Frauencharaktere sehr treffend schildert, und S a n=
teri Alkio (Aleksander Filander, geb. 1862), der die männ=
liehen Typen und die Massenbewegungen in Osterbotten behandelt
hat. Von den übrigen Volksschriftstellern mögen erwähnt werden
Heikki Meriläinen (geb. 1847) und Juhani Kokko
(geb. 1856, Pseudonym »Kyösti»). Bei einigen späteren Repräsen»
tanten des Realismus ist die Objektivität der Darstellung nach
yo8
I
und nach einer subjektiveren Stimmung gewichen. Dies gilt z. B.
von Maila Talvios (Winter, geb. 1871 ) Werken, in denen die
Verfasserin oft mit überwallendem Enthusiasmus soziale lVliss=
stände und Schattenseiten des Lebens angreift. Noch weiter geht
Ilmari Kianto (Calamnius, geb. 1874), dessen subjektiven
Gefühlsausbrüchen die Wirklichkeit nur zum Ausgangspunkt oder
zur Zielscheibe zu dienen scheint. Aus den romantischen Bedin=
gungen der Zeit zogen einige jüngere Autoren die weitgehendsten
Schlüsse. Volter Kilpi (geb. 1874) versank in seinen eigen=
tümlichcn, halbiitcrarischen Erzählungen in eine Art subjektiver
Farben= und Gefühlswollust, Joe! Lchtonen (geb. 1882)
kleidete seine originellen Visionen in eine schwere, farbenge=
sättigte Form, die erst später angefangen hat sich abzuklären, und
einige Lyriker liessen pathetisch ihre nach Nietzsche gestimmte
Leier ertönen. Diese Richtung gewann jedoch nur ganz vorübcr=
gehend Bedeutung. Die spätere Schriftsteliergeneration schloss
sich entweder an die Traditionen des Realismus an oder sie suchte,
die referierende Ausserlichkeit desselben verwerfend, nach neuen
Ausdrucksformen für ihr inneres Schauen. Es kamen auch vom
Auslande frische Einflüsse, z. B. aus den Werken von August Strind=
berg, Fröding, Selma Lagerlöf, Knut Hamsun, Anatole France
una acr französischen Lyrik, die zu der Neuromantik, dem Sym=
bolismus oder dem »Neurealismus» führten. Das Streben nach
grösserer Innerlichkeit und dramatischer Konzentration findet
seinen Ausdruck in den Werken von Johannes Linnan=
koski (Vihtori Peltoncn, 1869 — 1915V die von einem kräftigen
ideellen Pathos und ethischem Ernst getragen sind. Er begann
mit einem Ideendrama über ein biblisches Motiv »Ikuinen tais=
telu» (Ewiger Kampf) — verweilte eine Zeitlang bei der Roman=
tik (»Laulu tulipunaisesta kukasta». Das Lied von der glutroten
Blume») und entwickelte sich in einigen späteren Werken (»Pako=
laiset», Die Flüchtlinge, »Jeftan tytär», Die Tochter Jephtas)
zum reinsten und tiefsten Seelendeuter. Maria Jotuni (Hag=
grcn, geb. 1880), Dramatikerin und Novellistin, hat die Schilderung
des Milieus und der äusserlichcn Situationen als unwesentlich
von sich gestreift und beleuchtet die menschliche Psyche durch
rasche Streiflichter in konziscn Repliken. Die strenge Lcbcnsauf=
fassung wird bei ihr oft durch Humor gemildert. — • Die Zahl der
finnischen Novellisten ist in letzter Zeit schnell gewachsen. Von
ihnen seien nur als die beachtenswertesten hervorgehoben: A i n o
509
Kallas (geb. Krohn, 1878), die von der Lyrik zur Prosacrzäh=
lung übergegangen ist und ihr Bestes in ihren Schilderungen aus
Estland gegeben hat; Kyösti Wilkuna (geb. 1879), der
die moderne realistische Darstellung und den historischen Roman
nebeneinander gepflegt hat; Konrad Lehtimäki (geb.
1883), der Schildercr des Todes und allerlei Greulichkeiten; L.
Oncrva (Oncrva Lchtinen, geb. 1882), lyrische Dichterin und
Novellistin; Hilja Haahti (geb. 1874), religiöse SchriftstcU
lerin und Dichterin; F. E. Sillanpää (geb. 1888) u. a. m.
Auch die finnische Lyrik hat seit den 60er )ahrcn viele Ver»
tretcr gefunden. Von den Dichtern der 70er jähre verdienen be=
sonders vier ervwähnt zu werden: Kaarlo Kramsu (1855 — 95)/
ein kräftiger, düsterer Dolmetscher tragischer Gefühle; Paavo
Eemil Cajander (1846 — -1913), der meisterhafte Shakc=
spcare = Übersetzer ; Professor Arvid Gcnetz (1848 — 1915/
mit seinem Dichternamen Arvi Jännes) und juhana Henrik
Erkko (1849 — 1006), von dessen reicher Produktion besonders
die patriotischen Gedichte und die kleinen einfach schlichten Lieder
wie auch die Kalevala=Dramen hervorzuheben sind. Erkko reprä=
sentierte den Libergang von der älteren patriotisch=ideellen Dich =
tung zu der neueren, vielseitigeren persönlichen Lyrik. Die lVIerk=
male der realistischen Gärungszeit sieht man am deutlichsten in
der etwas blassen Dichtung Kasimir Lcinos (Lönnbohm,
geb. 1866), die für die Entwicklung der poetischen Form bei uns
eine hervorragende Bedeutung gehabt hat. Von seinen übrigen
Zeitgenossen mögen als Lyrikct erwähnt werden Sevcri Nuor=
maa (Nyman, geb. 1865) und Walter Juva (Juvelius, geb.
1865). Erst seit den 90er Jahren finden die persönlichen Anschau =
ungcn und Gefühle in der Lyrik freieren Ausdruck. Die bedeu =
tendsten unter den jüngeren finnischen Dichtern sind E i n o L e i n o
(Lönnbohm, geb. 1878) und Larin Kyösti (Larson, geb.
1873), die beide neben ihrer reichen lyrischen Produktion auch
auf anderen Gebieten der Literatur tätig gewesen sind und ihr
Bestes in der Behandlung von Balladen=, Legendcn= und Märchen =
Stoffen erzielt haben, besonders gehören die beiden Gedicht^
Sammlungen Eino Leinos »Hclkavirsiä« ( Hclkalieder) zu den
besten Leistungen der finnischen Dichtkunst, Otto Manni=
ncn (geb. 1872), der sowohl in seinen selbständigen, gcdanken=
und gcfühlstiefen Gedichten (»Säkeitä«, Verse) wie auch in
zahlreichen Übersetzungen ein seltenes Formtalent gezeigt hat.
und Vcikko Antero Koskcnniemi (Forsnäs, geb.
1885), der Verfasser plastisch vollendeter, ideenreicher Gedichte.
Aus dem Kreise der jüngeren Lyriker seien erwähnt nur J u h a n i
Siljo (1888—1918) und Aaro HcUaakoski (geb. 1893)-
Die neue schwedische Schönliteratur.
Von den schwedischen Schriftstellern gehören zur älteren,
halb ideellen Entwicklungsstufe die Lyriker Viktor Karl
Emil Wich mann (Dichter »Gänge Rolf», geb. 1856), der in
seinen Gedichten einen schwedischen pomphaften und heroischen
Ton anzuschlagen versuchte, und Jonatan Reuter (geb.
1859), der das Meer und die Schären in Gedichten und Erzählungen
geschildert hat; der Novellist Johan Jacob Ahrenberg
(1847 — 1915), der in seinen vielen Reiseschilderungen, Memoiren
und Novellen aus Ostfinnland lebhafte Phantasie und eine bedeu=
tende Routine gezeigt hat, und der Dramatiker Gustaf Adolf
von Numcrs (1848 — 1913).
Der Durchbruch des modernen Realismus ist schwedischerseits
an den Namen Karl August Tavaststjernas (1860 — 98)
geknüpft. Er war nämlich der bemerkenswerteste Repräsentant der
neuen Schriftstellergeneration und bahnte dem Realismus den Weg
sowohl durch seine vielen schönen Gedichtsammlungen als durch
seine die alltägliche Wirklichkeit schildernden Romane, Novellen
und Schauspiele, obgleich er selbst eine zu subjektiv vibrierende
und widerspruchsvolle Dichternatur ist, um sein stürmisches Gemüt
den strengen Forderungen des Realismus unterzuordnen. Mikael
Lybcck (geb. 1864) hat sich als kultivierter Formkünstler in
knappen Gedichten, fein ziselierten Novellen und intimen, »stillen»
Dramen bekannt gemacht, in denen allen sich die Entwicklung des
Verfassers von der Analyse zur Synthese, vom Realismus zum
Symbolismus wiederspiegelt; Konni Zilliacus (geb. 1855) hat
mehrere Novellensammlungen aus fremden Ländern herausgegeben;
Adolf Paul (geb. 1863) hat Novellen und historische Schauspiele
und John William Nylander (geb. 1869) bewegte Schilde=
rungen aus dem Leben der Seeleute geschrieben.
Gegen 1900 tritt eine Reihe neuer Dichter auf. Von ihnen vcr=
dient zunächst erwähnt zu werden Hjalmar Procopc (geb.
1868, mehrere Gedichtsammlungen und Dramatisierungen), ein
über eine reiche Tonskala verfügender, fruchtbarer Lyriker, des=
sen Entwicklungslinie von dem unmittelbaren Licde zu der Ideen»
dichtung gegangen ist, auf welchem Gebiete er einer der repräsen»
tativsten schwedischen Dichter Finnlands ist. Arvid Mörnc
(geb. 1876) behandelt in seinen immer tiefer und kräftiger ge=
wordenen Gedichten neben subjektiven Stimmungen und frischen
Naturcindrücken auch soziale Probleme. Jacob Tegengrcn
(geb. 1875) 'St ein zartgestimmter Dichter, der in leichten, klin=
gcnden Tönen die Natur und seine eigenen Gefühle besungen hat.
Alccste (Nino Hjalmar Johannes Runeberg, geb. 1874) hat
besonders die Ballade und die reine Ideendichtung gepflegt. B c r=
tel Gripcnberg (geb. 1878), der als Formkünstler alle seine
Zeitgenossen überragt, ist von dem fiebernden Sensualismus und
subjektivem Schönheitskult durch Ermüdung, Resignation und
Ironie gegangen und schliesslich zu kühleren Lcbensgefühlen und
Gemessenheit gelangt. Gegen 1910 tritt wieder eine neue Gruppe
von schwedischen Dichtern hervor, die unbekümmert um die poli=
tischen und sozialen Bestrebungen als halb blasierte und skeptische,
halb epikureische Lebensbetrachter vor uns stehen. in kleinen
impressionistisch zarten Gedichten, leicht konzipierten Romanen
und Novellen huldigen sie dem Kult des individuellen Gefühls=
lebcns, analysieren die von der Ausscnwclt empfangenen Ein=
drücke und ihre eigenen Stimmungen. Sic alle haben ein deutliches
hauptstädtisches Gepräge, und man hat sie oft mit dem gemein»
samcn Namen »Nlüssiggänger« bezeichnet. Der älteste von ihnen,
Gustav Alm (Richard Malmbcrg, geb. 1877), schildert in
seinen Erzählungen vorwiegend das Studentenleben vom Gesichts«
Winkel des Ausscnseitcrs, mit stillem Lächeln oder ruhiger Ironie.
Henrik Hilden (geb. 1883) stellt verfeinerte Lebenskünsticr
dar, indem er überall den Widerspruch zwischen Natur und KuU
tur sieht. Türe Janson (geb. 1886) versucht in seinen Gedieh»
ten und Plaudereien spröde, leicht wechselnde und vergängliche
Eindrücke des hauptstädtischen Lebens festzuhalten. Zum Teil
auf demselben Stoffgebiet bewegt sich auch Runar Schildt
(geb. 1888) in seinen im leichten Stile geschriebenen Novellen.
Obgleich der psychologische Gesichtskreis dieser jüngsten Schrift»
Stellergeneration noch eng und die Farbengebung in ihren Werken
oft dünn ist, ist ihr formelles Können doch beachtenswert, und sie
haben besonders den Novellenstil viel geschmeidiger und expres»
siver ausgebildet.
,^1'
J. J. Weckseil.
Ida Aalberg.
Aleksis Kivi.
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ß
foh. Ludv. Runeberg.
Borgä (Porvoo).
Tonkunst.
Die Finnen werden für ein musikalisches Volk gehalten. Zum
Beweis beruft man sich auf die Schilderung, die im Kalevala von
der magischen Macht von Väinämöinens Spiel und des Gesanges
gegeben wird, auf die Schönheit unserer Volksmelodicn und auf
den plötzlichen und selbständigen Aufschwung des Musiklebens
unserer neuesten Zeit.
Unter den finnischen Volksmelo dien sind die ältesten
die ostkarelischen Jodler und Klagelieder. Ihr melo=
discher Bau gründet sich auf das frei improvisierte Variieren eines
rezitativischen Motivs. In den alten epischen und lyrischen Runen=
melodien hat sich die rezitativische Melodik zu festen Formen ent=
wickelt.
Die finnischen Volkslieder enthalten viele Elemente
aus der katholischen Melodik des mittelalterlichen Mess= und
Rittergesanges. Als spätere Schicht trifft man Nachklänge der
Tanzmusik und des Gesellschaftsliedes des 18. Jahrhunderts, und
in der neuesten Zeit haben sogar die beliebtesten Volksschullicder
und die bekanntesten durch Drehorgelspielcr verbreiteten Opern=
melodien überall in unserem Lande Spuren hinterlassen. An der
Küste findet man viele Seemannslieder skandinavischen oder
englischen Ursprungs, und in Karelicn kommen auch russische
Melodien vor. Am zähesten hat sich wohl die mittelalterliche
Melodik in Süd=Osterbotten behauptet. — Die geistlichen
Volksmelodien sind meistenteils Choralvarianten, obgleich oft sehr
frei und selbständig behandelt. Zum Teil sind sie auch aus deut=
sehen Herrnhutergesängen hervorgegangen, die um die Mitte des
18. Jahrhunderts nach Schweden und etwas später von dort nach
Finnland kamen. In neuerer Zeit sind auch allerlei ungeistliche
Gassenhauer eingedrungen. Jedenfalls haben einige finnische Varlan=
ten mit ihrer selbständigen und tiefen Schönheit auch ausserhalb
unseres Landes Aufsehen erregt. Arbeitslieder sind
in unserem Lande ziemlich wenig gesammelt worden; die wich=
tigstc Gruppe von ihnen bilden die Hirtenmelodien und =vokalisen.
Die ältesten Tanzmelodien sind die in Kardien und Savo=
lax auf einer mit Messing» oder Pferdehaarsaiten bezogenen Ziter
{»kantcle») gespielten. Die späteren sind meistens auf der Geige,
seltener auf der Klarinette vorzutragen, und ihr Bau deutet auf
die westeuropäische Kunsttanzmusik des 17. und t8. Jahrhunderts
hin. In den karelischen Tanzmclodien ist auch einiger russische
Einfluss zu verspüren.
Was den geschichtlichen Entwicklungsgang
unserer Tonkunst betrifft, sind wir über seine frühesten Perioden
nur dürftig unterrichtet. Deshalb müssen wir uns bei der Ausein=
andersetzung über dieselben auf die Darstellung der allgemeinsten
Umrisse und zerstreuter Einzelheiten beschränken. Aus der hcid=
nischcn Zeit fehlen jegliche Nachrichten. Möglicherweise ist die
damalige Ausübung der Musik ähnlich gewesen wie noch jetzt bei
den finnischen Stämmen Nordrusslands und Sibiriens. — Mit
dem Christentum kamen nüch unserem Lande neue musikalische
Eindrücke, die auch bald eine selbständige Produktion hervorriefen.
Ausser allgemeinkirchlichcn gregorianischen Messenmelodien, auf
deren würdigen Vortrag besonders in der Domkirchc zu Äbo
(Turku) viel Gewicht gelegt wurde, wurden auch selbständige, wenn
auch im Stile durchaus gregorianische Melodien zu den eigenen
nationalen Heiligenfesten (z. B. die Sequenz »Coctus noster lac'.us»
Henriks des Heiligen) komponiert. Die Sammlung der Schola=
renlicder »Piae cantiones» enthält eine beträchtliche Menge Melo=
dien, die man in ausländischen Liedersammlungen nicht wiedcr=
gefunden hat und die möglicherweise von finnischen Tonkünst=
lern stammen. Als durch die Reformation die Volkssprache in den
Kirchen eingeführt wurde, erfuhren die Melodien der lateinischen
Messen eine Anpassung an die finnischen Texte. Davon haben
sich grosse, Mengen handschriftlich erhalten. Ausser allsonntäg=
liehen »Ordinariumi>=Messen hat man auch eine interessante
Sammlung finnischer »lntroitus»=Gesänge (vom jähre 1605)
gefunden. An allen diesen Messenmclodien kann man beobachten,
mit welcher Sorgfalt die Deklamation des^ Textes und die durch
die Übersetzung bedingten melodischen Veränderungen behandelt
worden sind. Zu den metrischen Liedern wurden die Melodien
meistenteils aus schwedischen und deutschen Choralsammlungen
entlehnt, ein beträchtlicher Teil von ihnen war aber auch einhei =
mischen Ursprungs. Neben der Kirchenmusik erwachte auch die
weltliche Tonkunst und zwar trat sie in ähnlichen Ausdrucksfor=
mcn auf, wie sie im übrigen Europa etwas früher im Gebrauch
gewesen waren. > Unter den Scholarenmelodicn kommen mehrere
frische mitlcle.lterliche Rcigcr.mclcdicn vor. \ Ohne Zweifel stem=
men auch viele von unseren jetzigen Volksliedern von den mitteU
alterlichen Ritterliedern ab. Die Art der damaligen instrumental
musik spiegelt sich in manchen alten Kirchcnmalereien wieder,
in denen man allerlei volkstümliche Instrumente: Sackpfeifen,
Geigen, Flöten u. a. sieht. Herzog Johann soll in Abo im Jahre
1557 ein Hoforchester von 5 Mann gehabt haben. Die Dauer des=
selben war zwar ebenso kurz wie die des Herzogtums Finnland
selbst, aber nach den von Zeit zu Zeit auftauchenden Nachrichten
schwand das Musikinteresse darum doch nicht in der alten Haupt=
Stadt Finnlands. Im 17. Jahrhundert gab es in Abo eine beständige
Stadtpfeiferinnung, die sowohl in der Kirche als auch auf den
Familienfesten der Bürgerschaft spielte. Bei der Einweihung der
Universität im Jahre 1640 trat die Hofkapelle des Grafen Pehr
Brahe auf und verlieh dem Feste einen besonderen musikalischen
Glanz. Von dem Interesse für die Musikwissenschaft zeugen
einige akademische Dissertationen. Die Orgel des Domes wurde
im 17. und 18. Jahrhundert gut in Stand gehalten, wobei man
keine Kosten scheute. Unter den Orgelreparateuren, wird unter
anderem auch der erste finnische Orgelbauer Jaakko Rinki=
I ä i n c n genannt. Der erste Musikdirektor der Universität war
K. P. Lcn n i n g (1741 — 89). Auf ein eigentliches künstlerisches
Niveau erhob sich das Musikleben in Abo am Ende des 18. Jahr=
hunderts durch die Aurora=Gesellschaft, in der neben der litera=
rischen Tätigkeit auch die Tonkunst gepflegt wurde. Im Jahre
1790 wurde von den musikalischen Mitgliedern der Gesellschaft
(Tengström, Choraeus u. a.) eine besondere MusikgeselU
Schaft (Abo musikaliska sällskap) gegründet, die Orchcsterkon=
zertc und Musikkurse veranstaltete. Als Dirigent fungierte ein
schwedischer Künstler, Erik Ferling, der auch als Komponist
auftrat. Das Repertoire enthielt Werke von Gretry, Viotti, Mchul,
Vogler u. a. Solopartien aus Haydns »Schöpfung» wurden 1804
aufgeführt, Voglers »Hosianna» zum ersten Male 1807. Die Noten=
kollektion der Gesellschaft wurde den besten Musikbibliotheken
Schwedens gleichgestellt. Die theoretische Behandlung der Ton=
kunst repräsentierten die auf den Jahresfesten gehaltenen Vorträge
über den ästhetischen, sittlichen und hygienischen (!) Einfluss
der Musik. Die Tätigkeit der Gesellschaft wurde 1809 ,durch den
Krieg unterbrochen. Nach dem Frieden standen an der Spitze
des Musiklebens in Abo an erster Stelle die Musikdirektoren der
Universität Salge und Downer wie auch der Leiter des Männer=
quartetts, der Organist Nyberg. Zu jenen Zeiten trat der erste
finnische Komponist Bernhard Cruscil (1775 — 1838) auf.
Er fand wohl seinen eigentlichen Wirkungskreis ausserhalb der
Grenzen unseres Landes, aber sein Einfluss machte sich auch in
Finnland fühlbar und gab dem einheimischen Musikintcrcsse
dauernde Anregung.
Bisher hatte sich das finnische Musikleben hauptsächlich in Äbo
konzentriert. Als die Universität aber nach Helsingfors (Helsinki)
verlegt wurde, ging auch der Schwerpunkt der musikalischen Bestre«
bungcn in die neue Hauptstadt des Landes über. Aus dem dort
im Jahre 1828 gegründeten Quartettgesangverein entwickelte sich
allmählich die »Akademische Musikgesellschaft», die regelmässige
Soireen veranstaltete. In diesen wurden 1833 Symphonien von
Mozart und Haydn aufgeführt. Im Jahre 1834 wurde Leiter der
Gesellschaft F. A. Ehrström, dessen Liederkompositionen schon
früher zum Repertoire der Gesellschaft gehört hatten. Die Gcscll=
Schaft aber hörte im Jahre 1835 auf, und an ihre Stelle trat die
neue, von Friedrich Pacius gegründete »Mu.,ikgesellschaft». An
diesem Wendepunkt beginnt die selbständige nationale Entwick=
lung der finnischen Tonkunst.
Die erste Richtung gaben ihr zunächst zwei in Deutschland
geborene, aber mit finnischen Verhältnissen vertraute und eng
verknüpfte Künstler, Friedrich Pacius und Richard
F a 1 1 i n, die sie auf die besten Ideale der deutschen romantischen
und klassischen Tonkunst hinlenkten. Friedrich Pacius,
der 1809 in Hamburg geboren war, kam schon 1837 nach Finnland,
das dann seine zweite Heimat wurde und wo er 1891 gestorben ist.
Durch seine melodischen und stimmungsvollen Tondichtungen, von
denen die beiden Nationalhymnen »Unser Land» und »Suomis
Sang» und die vaterländisch=romantische Oper »Die Jagd König
Karls» die beliebtesten sind, und durch seine Tätigkeit als Lehrer
der Musik an der Universität zu Helsingfors, als Gründer und Lei=
ter des ersten Orchesters und mehrerer Gesangvereine daselbst,
mit denen er die besten Schöpfungen der klassischen Meister auf»
führte, wurde er der Schöpfer des eigentlichen Musiklebens in
unserem Lande. Deshalb wurde et bei seinem Tode als der Vater
der finnischen Tonkunst gefeiert.
Der Nachfolger von Pacius als Lehrer der Musik an der Uni=
versität wurde der im Jahre 1835 in Danzig geborene und 1918 in
Helsingfors gestorbene Richard Faltin. Auch er sah eine
seiner Hauptaufgaben darin das musikliebendt Publikum in HeU
5«6
singfors mit den grossen Schöpfungen von Bach, Händel, Mozart,
Haydn, Schumann, Liszt u. a. bekannt zu machen. Selbst war
er ein hervorragender Orgelspieler und Klavierpädagog, dem
unsere meisten jüngeren Tonkünstler ihre erste theoretische Aus=
biidung verdanken. Von seinen eigenen Werken sind besonders
die Lieder und Chorkompositionen hervorzuheben.
In der Produktion Pacius' und Faltins kann man schon Ein=
vcirkungen finnisch=nationaler Motive verspüren, und allmählich
wuchs neben ihnen eine junge finnische Tondichtergeneration
auf, in deren meistenteils lyrischen SoIo= und Chcrliedern das
Volkstümliche und Ursprüngliche immer deutlicher hervortritt.
Unter den älteren finnischen Komponisten seien als die populärsten
hervorgehoben Karl Collan (1828 — 71), dessen Lieder und
Märsche noch sehr beliebt sind, "T i 1 i p von Schantz (1835
— 65), ein temperamentvoller Musiker, der schöne Lieder, Män=
nerchörc und vaterländische Sangspielc geschrieben hat, Karl
Moring (1832 — 68) und Gabriel Linsen (geb. 1838), die
sich beide durch Lieder einen Namen gemacht haben.
In den 8ocr Jahren erhob sich die finnische Tonkunst besonders
durch die Tätigkeit zweier hervorragender Musiker auf das Niveau
der höherer! Chor= und Orchestertechnik. Martin Wegclius
(1846 — 1906), der ehemalige Direktor des Musikinstituts in Helsing=
fors, komponierte schöne Lieder, Kantaten und a capella=Chöre,
und Robert Kajanus (geb. 1856), der Schöpfer und Leiter des
ersten modernen Konzertorchesters im Lande, hat das Verständnis
für die klassische und moderne Instrumentalmusik sehr befördert.
Zu gleicher Zeit begann auch die bewusst stilisierte nationale Kom=
Positionsrichtung sich geltend zu machen, und Kajanus war einer
der ersten, der in Tönen die Bilder und Stimmungen aus dem
Nationalepos Kalevala zu gestalten suchte und einige von seinen
anderen Tondichtungen auf volkstümliche Motive und Tanzrhyth=
men aufbaute.
Gleichzeitig entstanden auch mehrere wichtige Pflegestätten
der nationalen Tonkunst. In den 70er Jahren hatte man mit gros=
scn Opfern versucht eine finnische Oper zu unterhalten. Im Jahre
1882 wurde die Philharmonische Gesellschaft und auch das Musik=
Institut in Helsingfors gegründet. Es entstanden Küster= und
Organistenschulen in Äbo, Helsingfors und Wiborg. Das Interesse
für die Musik verbreitete sich rasch nach den Provinzialstädten;
es wurden Orchester gebildet und allgemeine Musikfeste veran=
staltet. Seit den 90er lahrcn hat sich die finnische Tonkunst encr=
gisch auf das Niveau der allgcmcin=curopäischcn Musikproduktion
erhoben.
An der Spitze der finnischen Tonkünstler steht als eigenartigster,
selbständigster und genialster Jean Sibelius (geb. 1865).
Er ist der eigentliche Schöpfer eines echt finnischen Tones in der
Musik, denn er hat besser als irgendein anderer den Grundcharak=
ter des finnischen Volksgemüts in seinen vielen Kompositionen wie=
dergegeben. Er ist auf dem Gebiete der Musik dasselbe wie Akseli
Gallen=Kallela in der bildenden Kunst: der nationalste und zugleich
ein durchaus allgcmcin=menschlicher Meister, der in seinen gross=
artigen symphonischen Dichtungen und Orchestersuiten tief in den
Geist der alten finnischen Sagen und in die wehmütige Schönheit
der finnischen Natur eingedrungen ist und in seinen Symphonien
und Liedern ein Echo der zartesten und reinsten menschlichen Gc=
fühle gefunden hat. Die Mannigfaltigkeit, der echt nationale Cha=
raktcr, die persönliche Diktion und die technische Meisterschaft
seiner Schöpfungen haben ihm die Stellung eines Repräsentanten
in der ausländischen Musikwelt errungen.
Von den übrigen Tonkünstlern haben mehrere bereits die an=
spruchsvollstcn und grössten Kompositionsformen, wie Symphonie
und symphonische Dichtung, Oper und Oratorium behandelt. So
haben sich Armas |ärnefclt (geb. 1869), Ernst Micick
(1877 — 99), Erkki Melartin (geb. 1875), Toivo Kuula
(1873 — «918), Lecvi Madctoja, Erik Furuhjclm auf dem
erstgenannten Gebiete einen bekannten Namen geschaffen. Von
den Opernkomponisten seien genannt: Oskari Merikanto
(geb. 1868), Erkki Melartin, Seli m Palm g.rcn (geb. 1878)
und Armas Launis (geb. 1884), während Ilmari Krohn
(geb. 1867) das Oratorium und die geistliche Musik gepflegt hat.
Auf lyrischem Gebiet, wo Merikanto und Melartin die produktivsten
sind, trifft man eine ganze Reihe älterer und jüngerer Talente,
wie K a r 1 F 1 o d i n (geb. 1858), Emil Genctz (geb. 1852),
P. |. Hannikainen (geb. 1854), Axel von Kothen
(geb. »871), Otto Kotilainen, Armas Maasalo,
ilmari Hannikainen, Lau ri Ikonen, AarreMe =
r i k a n t o u. a. m. in dem Kompositionsstile merkt man neben
der nationalen Richtung auch Einflüsse der neuesten ausländischen
widerstreitenden Strömungen.
Unter den vortragenden Künstlern mögen nur die bekannte«
518
stcn erwähnt werden. Schon in den 30er Jahren feierte die Sängerin
Johanna von Schoultz grosse Triumphe auch ausser=
halb ihres Vaterlandes; zur Zeit der Finnischen Oper wurden I d a
B a s i 1 i e r=M agelsen, Emmy Ströme r=A c h t c und
Alma Fohströ m= v. Rode viel bewundert, und von den
jüngeren haben sich Aino Acktc, Maikki Järnefclt=
P a I m g r e n und 1 d a E k m a n auch im Auslande einen be=
rühmten Namen errungen. Hervorragend als Klaviervirtuosen sind
Karl Ekman, Sigrid Schneevoigt und ElH
R ä n g m a n, als Orgelspieler Oskari Merikanto und
als Cellisten Ossian Fohström und Lennart von
Zweygberg. Die bedeutendsten Orchester= und Chordiri=
genten sind Robert Kajanus, Georg Schneevoigt
und Heikki Klemetti.
Das Interesse für die Volksmusik ist während der letzten Jahr=
zehnte sehr rege geworden; Volksmelodien sind in Finnland und
auch ausserhalb unseres Landes unter finnischen Stämmen ge=
sammelt worden, und man hat sie geordnet und wissenschaftlich
verglichen. An der Spitze dieser Arbeit steht der Professor der
Musik und Musikgeschichte an der Universität Dr. llmari Krohn,
und der vereinigende Mittelpunkt ist für die Forscher die Helsing=
forser Zweigabteilung der Internationalen Musik=Gcsellschaft (1910
— 14) und seit 1916 die Finnische Musikwissenschaftliche Gescll=
Schaft gewesen.
Für die Hebung des allgemeinen musikalischen Geschmacks
und Verständnisses bei unserem Volk ist auf verschiedene Weise
gearbeitet worden. Volkstümliche Musikkurse, kräftige Reform=
bestrebungen auf dem Gebiete des Schul= und Kirchengesanges
und das Ziel höherer Künstlcrschaft im Chorgcsange geben die
Richtung dieser Bewegung an.
Unter dem Volke gibt es in vielen Gegenden Bläserchöre,
aber auch für Streich= und Holzinstrumente ist das Interesse hier
und dort erwacht. Als volkstümliches Soloinstrument hat leider die
Ziehharmonika die Machtstellung an sich gerissen. Die Geige
und die Ziter (»kantele») sind beiseite geschoben worden; aber
durch die auf den grossen Sängerfesten veranstalteten Preisbe=
Werbungen ist wieder ein allgemeineres Interesse für diese alten
edleren Volksinstrumente in weite Kreise getragen worden.
Buhnenkunst.
Von einer dramatischen Kunst kann in Pinnland erst seit der
Mitte des vorigen Jahrhunderts die Rede sein. Wohl sind schwe=
dische Schauspiciertruppcn im Lande wenigstens schon seit dem
Ende des 18. Jahrhunderts herumgestreift, und im Jahre 1827 wurde
(nach den Zeichnungen Carl Ludvig Engeis) das erste Theaterhaus
aus Holz in Helsingfors (Helsinki) aufgeführt. Aber noch lange Zeit
spielten dort jeden Winter abwechselnd schwedische und deutsche
gastierende Theatergeseilsthaften. Der Gedanke, eine ständige
einheimische Bühne zustande zu bringen, ist die Frucht des in den
50er Jahren erwachten Nationalgefühls. Er wurde zuerst von Frcd=
rik Cygnaeus ausgesprochen, der in einem Aufsatze 1853 die Grün=
düng eines permanenten Theaters forderte. Es sollte auf nationalem
Boden stehen, falls es Bedeutung gewinnen wollte. Diese Initiative
von Cygrffius hatte den Bau eines neuen Theaterhauses im Jahre
1860 zur Folge; zwar, brannte dieses 1863 nieder, aber ein neues
Gebäude wurde schon 1866 fertig: das »Neue Theater», das jetzige
Haus des Schwedischen Theaters. Sein Architekt war G.Th.Chiewitz.
Frcdrik Cygnaeus und seine Anhänger hatten sich natürlich
diese Nationalbühnc schwedisch gedacht. 'Aber dank dem Ent=
thusiasmus und der aufopfernden Arbeit eines einzigen Mannes
wurde das Finnische doch zur Sprache des einheimischen Thea=
tcrs. Dieser Mann, der Begründer der finnischen nationalen Büh=
ncnkunst, ist Dr. Kaarlo Bergbom (1845 — 1906). Seit
dem Jahre 1869 arrangierte er unter Beteiligung seiner Schwester
Emilie und einiger Dilettanten hauptsächlich aus den studen=
tischen Kreisen eine Reihe aussergewöhnlich künstlerischer Vor=
Stellungen, in denen u. a. »Lea» von AIcksis Kivi — worin die
schwedische Schauspielerin Hedvig Charlotte Raa die Hauptrolle
aui finnisch spielte — und Verdis Oper »Der Troubadur» aufge=
führt wurden. Der von diesen Vorstellungen, die im Frühjahr
1872 aufhörten, erweckte Enthusiasmus gab zur Gründung des
Finnischen Theaters Anlass. Dies geschah am 22. Mai 1872 in einer
grossen Versammlung, wo ein Garantieverein gebildet wurde.
Kaum einen Monat später hatte Bergbom eine kleine Gesellschaft
um sich gesammelt, und nachdem den ganzen Sommer hindurch
fleissig gearbeitet worden war, begann die Bühne ihre öffentliche
Tätigkeit mit einer Vorstellung in Björneborg (Pori) am 1 3. Oktober
Lars Stenbäck.
Zach. Topelius.
Minna Canth.
Juhani Aho.
Finnisches Nationaltheater.
Kaarlo Bergbom.
Emilia Bergbom.
desselben Jahres. Als man noch im folgenden Winter in Tammcifors
(Tamperc) und VX''iborg (Viipuri) gespielt hatte, gab das Theater die
erste Vorstellung in Helsingfors am 2. März 1873. Nechdcm diese
Kunstanstalt so ihre Tätigkeit begonnen hatte, setzte Bergbom sie
während ihrer ersten Entwicklungsperiode, sieben )ahre lang, haupt=
sächlich in derselben Weise fort, indem ausser in Helsingfors und
an den schon erwähnten Orten auch in den meisten übrigen Städten
Finnlands gespielt wurde. Und überall entzündete das Theater
einen grossen Enthusiasmus. Von Jahr zu Jahr bemerkte man
immer zunehmende Fortschritte hinsichtlich der Art des Rcper=
toires und des Spiels: nach kleinen, anspruchslosen Stücken wagte
man sich allmählich an immer grössere Aufgaben, und die Schau=
Spieler errangen auch immer bedeutendere künstlerische Siege.
Von denen, die sich in dieser ersten Zeit an das Theater anschlössen,
sind mehrere hervorragende Künstler geworden; eine von ihnen,
Ida Aalberg (Baronin UexkulUGyllenband, 1857 — 1915)
hat sich sogar Weltruf erworben.
Jedenfalls wurde das Schauspiel in diesen Jahren durch die
andere Abteilung des Finnischen Theaters, die im Jahre 1873
gegründete, sog. Finnische Oper in Schatten gestellt, indem
diese unter Bergboms Leitung sechs Jahre lang bei uns unerhörte
künstlerische Siege errang und das Interesse des Publikums
unwiderstehlich auf sich zog.
Diesen glänzenden Erfolg hat man hauptsächlich einigen ein=
heimischen Gesangkünstlern zu verdanken, deren bewunderns=
wertes Auftreten den ersten musikalischen Frühling in unserem
Lande bedeutet. Die hervorragendsten unter ihnen waren, die
Primadonnen Emmy Strömer=Achte (die Mutter Aino Acktcs),
Ida Basilier=Magelsen und Alma Fohström=v. Rode. Im ganzen
wurden in diesen Jahren etwa 30 Opern aus dem allgemein=euro=
päischen Repertoire, viele von ihnen 10 — 50 mal aufgeführt. Aber
trotz allem Erfolg musste die Oper im Jahre 1879 eingestellt wcr=
den, weil ihr die notwendigsten Existenzbedingungen, nämlich
eine genügende Unterstützung aus Staatsmitteln und die Sym=
pathien eines einigen Publikums fehlten. Das schwedische Theater
begann nämlich auf diesem Gebiete mit dem finnischen rücksichts=
los zu konkurrieren.
Für die dramatische Abteilung war dieser Untergang der Oper
vorteilhaft, denn sie konnte nun allein die Staatsunterstützung
gcnicsscn, die früher beiden zusammen zugekommen war, und
gerade von 1879 kann der künstlerische Aufschwung des Finnischen
Theaters gerechnet werden. Während der folgenden 14 Jahre
eilt es von Sieg zu Sieg und löst eine grosse Aufgabe nach der andc=
ren. Dem Repertoire werden Dramen von Shakespeare, Moliere,
Calderon, Goethe und Schiller, Ibsen und Björnson, Kivi, Topelius
und Runeberg und neuere Schauspiele von Minna Canth, G. von
Numers, ). H. Erkko und R. Kiljander einverleibt, und gerade diese
letztgenannten, die das Aufblühen der finnischen Dramendich=
tung zeigen, müssen, wie mittelbar sie auch sein mögen, als die
köstlichsten Früchte der Arbeit der nationalen Bühne angesehen
werden, jedoch wurden die Siege keineswegs leicht errungen. Die
Widerwärtigkeiten waren zahlreich, und die ökonomischen und
anderen Schwierigkeiten recht gross. Einige von den besten Kräften
wurden durch den Tod hinweggerafft, andere hervorragende schic=
den ganz oder auf kürzere oder längere Zeit aus. Was die ökono=
mische Not betrifft, unterliessen die Freunde des Theaters nicht
dasselbe durch Lotterien und auf andere Weise immer wieder zu
unterstützen, sodass man mit Ehren vorwärts kam. Die letzte
Periode der Tätigkeit Bergboms fällt zwischen 1893 und 1905.
Auch in dieser Zeit wurden einige glänzende künstlerische Siege
errungen, von denen viele mit den Gastspielen Ida Aalbergs zu=
sammcnfallen, und gleichzeitig begannen auch mehrere junge
Talente ihre Künstlerlaufbahn, die noch bleibende Eindrücke
von der Regickunst des alten Leiters empfingen.
Die bedeutsamste Begebenheit dieser Zeit war aber die \/ollen=
düng des neuen stattlichen Hauses für das Finnische Na=
tionalthcater 1902, welcher Name für das Finnische Theater
in demselben jähre allgemein angenommen wurde. Das nach den
Zeichnungen von Prof. Onni Tarjanne gebaute Haus enthält etwas
über 1000 Zuschauerplätze und entspricht, was die Architektur und
die künstlerische Zweckmässigkeit betrifft, in jeder Hinsicht den
Anforderungen unserer Zeit. Auch dieses neue Haus ist grössten=
teils durch die Opferwilligkeit einzelner Theaterfreunde entstanden.
Die Eröffnungsfeier fand am 9. April, dem ioo=iährigen Gcburts=
tag Elias Lönnrots, statt. Die Kosten betrugen insgesamt andcrt=
halb Millionen Fmk.
Dr. Bergbom stand noch bis 1905 an der Spitze des Finnischen
Nationalthcatcrs; nach ihm sind als künstlerische Leiter tätig ge=
wescn: 1905 — 07 Dr. Jalmari Hahl, 1907 — 14 Schauspieler Adolf
Lindfors, 1914 — 17 Mag. phil. )almari Lahdensuo und seit 1917
Mag. phil. Eino Kalima.
Die Gastspiele des Finnischen Theaters hatten auch in der Pro=
vinz reges Interesse für die dramatische Kunst erweckt, und all=
mählich entstanden mehrere finnische Thcatcrgesellschaften, die
ambulatorisch in den Provinzialstädtcn spielten. Das älteste von
diesen Theatern ist das im Jahre 1887 vom Schauspieler Aug. Aspe=
grcn gegründete Finnische Volkstheater, das 1897 von einer Aktien=
gcsellschaft übernommen wurde und seit 1899 unter dem Namen
»Maaseututeattcri» (Provinzialtheater) hauptsächlich in den Städten
Ostfinnlands spielt, in Tammerfors wurde 1904 ein besonderes
Theaterunternehmen zustande gebracht und 1912 ein neues Haus
für seine Vorstellungen gebaut. Seit 1905 existiert in derselben
Stadt auch eine beachtenswerte Arbeiterbühne, deren Schauspieler
grösstenteils den Dilettantenkreisen gehören. Auch Hcisingfors
hat seit 1907 eine zweite ständige finnische Bühne: >>Kansannäyt=
tämö» (Volksbühne), die von dem talentvollen Schauspieler Kaarlc
Halme gegründet wurde.
Schwedischcrseits war man von Anfang an bei uns an die Schau=
Spieler aus Schweden gewöhnt, und die einheimischen Kräfte blie=
ben daher im Dunkeln; die im Jahre 1866 gegründete Schauspiel=
schule ging schon nach einigen Jahren wieder ein. Die Idee einer
einheimischen schwedischen Bühne beginnt erst gegen 1890 neu zu
erwachen. Einheimische schwedische Theatergesellschaften fangen
an in den Provinzialstädtcn Vorstellungen zu geben, und 1894 wurde
das erste ständige schwedische Theater in Äbo (Turku) gegründet.
Vier Jahre später entstand in Helsingfors das schwedische »Folk=
tcatern» (Volkstheater), das 1907 von dem Garantieverein des Schwe=
dischen Theaters übernommen wurde und neben der älteren
»reichsschwedischcn» Abteilung in demselben Hause spielte. Um
die einheimische schwedische Bühnenkunst kräftiger unterstützen
zu können, wurde im Frühjahr 1913 der »Schwedische Theater=
verein in Finnland» gegründet. Und während der letzten Jahre hat
die ausländische Abteilung immer mehr an Bedeutung verloren:
die Schauspieler sind vorwiegend junge, vorwärtsstrebende ein=
heimische Kräfte.
Nechdem die Finnische Oper im Jahre 1879 gezwungen war
ihre glänzende Tätigkeit einzustellen, musste man sich bei uns viele
Jahrzehnte hindurch mit den Vorstellungen ausländischer — ita=
licnischcr und russischer — Opcrngescilschaftcn oder mit gclegcnt=
liehen einheimischen Aufführungen begnügen. Künstlerisch stan=
den jedoch viele von diesen letztgenannten — wie die von dem Künst=
lerpaar Armas und Maikki Järncfclt und ebenso von Aino Ackte
arrangierten Opernaufführungen — sehr hoch. Festeren Boden
hat die Oper bei uns erst seit ipi i gewonnen, wo die »Einheimische
Oper» von Aino Ackte und Edward Fazer gegründet wurde. Diese
oder, wie sie jetzt hcisst, die »Finnische Oper> hat regelmässig
jeden Herbst und jeden Frühling eine Reihe Vorstellungen veran=
staltet, in denen die besten alten und modernen Opern aufgeführt
worden sind. Grosse Schwierigkeit hat besonders der Mangel eines
passenden Lokals verursacht; jetzt (1918) ist aber das Problem
glücklich gelöst, indem der Oper das ehemalige Russische Theater
von der finnischen Regierung zur Verfügung gestellt wurde, bis
CS ihr gelingen wird sich ein eigenes Heim zu schaffen.
Konfessionen.
Finnland ist in kirchlicher Hinsicht eines der einheitlichsten
Länder der Welt; zu der am weitesten verbreiteten, der evange=
lisch=lutherischen Konfession gehören 98,15 % der Bevölkerung
(ji. Dezember 1913 3,171,497 Personen). Die anderen !cgali=
siertcn Kon^cssionen sind die griechisch=katholische, die metho=
distepiskopalc und die baptistische.
Geschichte.
1. Die katholische Zeit. Die evangclisch=luthe=
rische Kirche Finnlands ist geschichtlich die Erbi 1 der römisch»
katholischen Kirche. Diese Kirche wurde in eng.m Zusam=
mcnhang mit der schwedischen Eroberung eingeführt, aber
die Missions= und Organisationsarbeit hat teilweise unabhängig
von der Wirksamkeit der schwedischen Staatsmänner stattgefun =
den. Von den 1170er |ahren und besonders vom 13. Jahrhundert
an forderten die Päpste die Christen der skandinavischen Länder
und Norddeutschlands eifrig auf, diese Missionsarbeit zu unter=
stützen, die vom Gesichtspunkte der päpstlichen Wcitpolitik
aus als Gegengewicht der griechisch=katholischen Kirche Bedcu=
tung hatte, die von Nowgorod aus Finnland in ihre Machtsphäre
ziehen wollte. Lokale Leiter der Missionsarbeit waren die Bischöfe,
die von Anfang an in der Gegend von Äbo (1 urku) wohnten, zu=
erst wahrscheinlich in Nousiainen, dann in Räntämäki (Maaria)
und vom Ende des 13. Jahrhunderts an in Äbo. Zum Platze der
DomUirchc und des künftigen Bischofsitzes scheint Äbo vom
Bischof Thomas, dem ersten bekannten Organisatoi der fin=
nischcn Kirche (Bischof ca. 1220 — 1245, gest. 1248), gewählt worden
zu sein. Von dem Kreuzzuge Eriks des Heiligen (Eriks IX.)
und Henriks des Heiligen scheint das Christen=
tum — nach Andeutungen bei Agricola, die auch durch andere
Umstände unterstützt werden — unter der schwedischen Bevölke-
rung Alands und der Äboer Schären festen Fuss gefasst zu haben.
Auf dem Festland erstarkte es endgültig nach der Arbeit zweier
Generationen im Eigentlichen Finnland und im Flusstale des
Kokcmäenjoki (Kumoälv) unter Bischof Thomas, der auch mit
der Bekehrung der tavastländischen Lande den Anfang machte,
die jedoch erst nach dem Kreuzzuge Birger Jarls (1249) zu Ende
geführt wurde. Schon vorher hatten die Nowgoroder (1227) Priester
ausgesandt, um die Karelier zu taufen, und obgleich der Kreuz=
zug nach Kardien (1293) einen Teil dieser Landschaft mit Schwe=
den und der römisch=katholischen Kirche vereinigte, verblieb der
östlichere Teil des karelischen Stammes doch in der Machtsphärc
der griechischen Kirche. Die politische Grenze des Friedensvertrags
zu Nöteborg (Schlüsselburg) wurde auch die Grenze der Konfessio=
nen. Durch Kolonisation verbreitete sich das Gebiet des finnischen
(d. h. Äboer) Bischofsprengeis während der letzten Hälfte des 13.
Jahrhunderts auch nach Nyland (Uusimaa) und Osterbotten (Poh=
janmaa) und erlangte somit unter Bischof Magnus I. (1291 — 1308)
seinen mittelalterlichen Umfang. Der Einfluss der Bekehrung
auf die Stimmung des Volkes machte sich offenbar sehr langsam
bemerkbar — eine natürliche Folge sowohl der Widerspenstigkeit,
die der Zusammenhang der Verbreitung des Christentums mit
einer fremden Eroberung hervorrufen musste, als auch der überaus
spärlichen und zerstreuten Besiedelung des Landes. Der Cha=
raktcr der Resultate der kirchlichen erzieherischen Arbeit geht mit=
tclbar aus der eigenartigen Mischung der christlichen und hcic}=
nischen Anschaungen und Vorstellungen hervor, die in unsrer alten
Volkspoesic herrscht, die der Hauptsache nach auf die letzten Jahr=
hunderte des Mittelalters zurückgeführt wird. Das im V''orwort
zum Psalter von Agricola eingefügte Verzeichnis über die heidnischen
Götter der Tavasten und Karelier zeigt, dass noch im i6. Iahr=
hundert das alte Heidentum frisch in der Erinnerung war. Anderor=
seits musstc die katholische Kirche, besonders in den südwestlichen
Teilen des Landes, tiefe Spuren in der Religiosität des Volkes
hinterlassen und kirchliche Traditionen schaffen. Mittelalterliches
Erbe ist noch zum grossen Teil die äussere Struktur der Kirche,
deren Schöpfung ein Gegenstand der besonderen Aufmerksamkeit
der katholischen Kirche war. Wichtig ist in dieser Hinsicht der
Anfang des 14. lahrhundcrts, besonders die Zeit der Bischöfe Bcngt
(1321 — 1338) und Hcmming (1338 — 1366). Damals wurde die
Ökonomie der Gemeinden des ganzen Landes durch Zchnt=Vertrag
geordnet, dem 1276 eingerichteten Domkapitel wurden neue Amter
hinzugefügt, über die Wirksamkeit der Piiester wurden neue Bestim=
mungen erlassen, Pricstcrvcrsammlungcn und Bischofsvisitationen
wurden abgehalten usw. In diesen Zeiten werden zum ersten
Male die Äbocr Schule und Bibliothek und die Studienreisen der
Finnen ins Ausland erwähnt. Steinkirchen werden erbaut, und die
kirchliche Kunst wird heimisch im Lande. Die Einteilung in Kirch=
spiele und die Einrichtung von Pfarrhöfen entwickelte sich, die
finnische Kirche wurde der allgemeinen Vorrechte teilhaft, die
die mittelalterliche Kirche in Schweden hatte (die geistliche "fraise»
oder Steucrfr ihcit, eigene Gerichtsbarkeit über die Priester und
teilweise über die Laien u. a.), und ihr Vermögen, besonders das
des Bischofsitzes der Domkirche und ihrer Priesterämter nahm
durch Donationen sehr zu. Die Bischöfe von Äbo hatten als Mit=
glicder des königlichen Rates grossen Einfluss auf die politischen
Angelegenheiten, und sie scheinen oft davon Gebrauch gemacht
zu haben, um die Interessen unseres Volkes zu bewachen. Bis
auf Hemming herab waren die Bischöfe mit Ausnahme eines ein=
zigen (Magnus I.) ausländischer Herkunft, vorwiegend Schweden,
gegen Ende des 14. Jahrhunderts stammen einige von ihnen aus
deutschen Bürgerfamilien zu Äbo, aber später sind sie ausnahmst
los aus den hervorragendsten finnischen Adelsfamilien hervorge»
gangen, (so Bero iL Balk (1385 — 1412), Magnus II. Tavast (1412 —
1450), Olaf Magnusson (1450 — 1460), Konrad Bitz (1460 — 1489),
Magnus III. Särkilax (1480 — 1500), Arvid Kurki (1510 — 1522).
Auch dies zeugt von der Nationalisierung der Kirche gegen das
Ende des Mittelalters. Das Klosterwesen entwickelte sich nicht
1:26
üppig; in Finnland hat es tuir z Doniinikancr= und 3 Franziskaner»
klöster gegeben, sowie ein Birgittenkloster zu Nädcndal (Naantali),
von denen das zuletztgenannte das reichste und auch sonst seiner
Bedeutung nach das grösstc war. Die Formen des inneren Lebens
der Kirche — der Gottesdienst und die kirchlichen Verrichtungen
— waren ähnlich wie die in der katholischen Kirche überhaupt,
aber in einzelnen Punkten gab es eigene liturgische Traditionen
wie das IVlessbuch von Äbo (missale) und das Handbuch (mam ale)
beweisen, die beide gegen das Ende des Mittelalters gedruckt wor=
den sind (jenes 1488, dieses 1522). Von dem hohen Standpunkt
der musikalischen Bildung zeugen die uns erhaltenen Exemplare
und zahlreichen Fragmente von liturgischen Notenbüchern und die
Lieder der Sammlung »Piae cantiones» ; lateinische Kunstpoesie
wurde wenigstens zu den Festen des einheimischen Heiligen, Hcn=
riks des Heiligen, vcrfasst, und eine Bischofschronik wurde %z=
führt. Andere selbständige Literatur ist kaum bekannt, der Näs
dendaler Mönch Jons Budde ist nur Bearbeiter und öbersetzcr.
Jedenfalls ist das von der mittelalterlichen Kirche entwickelte
Leben in seiner Art sehr reich und wertvoll, und besonders hoch
muss der Anteil der mittelalterlichen Kirche Finnlands an der
äusseren und inneren Verschmelzungsarbeit der zerstreuten finnig
sehen Stämme veranschlagt werden.
2. Die Reformationszeit (1521 — 1627). Die Refor=
mation in Finnland ist zum grossen Teil und besonders als Ver=
änderung in der äusseren Lage der Kirche eine Folge der Ereig=
nisse in Schweden und der Kirchenpolitik Gustav Wasas. Der Bc=
schluss des Reichstags zu V^ästeräs 1527 wurde auch in Finnland aus=
geführt, der Kirche blieben nur der Anteil des Kirchspielpfarrers
an den Zehnten und anderem Einkommen und die Pfarrhöfe und
Kirchenbauten mit den nötigen Ki rchcn geraten ; der König erhielt
die entscheidende Macht bei der Einsetzung der Stiftsverccaltung
und der Besetzung der wichtigsten Pfarrämter. Auch die Klöster
wurden von der Reduktion betroffen, und ihre Wirksamkeit hörte
auf. Die Beschlüsse der in Schweden abgehaltenen Kirchen»
Versammlungen, besonders der Versammlung von Orebro (1529),
erstreckten sich in ihren Wirkungen auch auf Finnland. Aber
parallel mit all dieser durch die Ereignisse in Schweden bedingten
Entwicklung ging eine noch wichtigere Arbeit finnischer Männer
auf dem Gebiete des eigentlichen geistlichen und religiösen Lebens.
Es verdient hervorgehoben zu werden, dass die reformatorischc
Wirksamkeit Petrus Särkilax' begonnen hatte, bevor Gustav Wasa
aniing Reformen durchzuführen. Der im )ahre 1528 zum Bischof
ernannte Martin Skyttc (Bischof 1528 — 1550) vermittelte auf fricd=
liehe Weise den Übergang vom Alten zum Neuen ; M i k a e I
A g r i c 0 I a wurde dann Finnlands eigentlicher Reformator mit
seinen Werken i)Kucouskirja'> (Gebetbuch 1544), »Se Wsi Tcsta=
menti« (Neues Testament, 1548) und durch sein Wirken als Er=
zieher einer evangelischen Pfarrergeneration (als Rektor der Äbocr
Schule) 1539 — 1548, als Reformator des Gottesdienstes (finnisches
»Käsikirja», Handbuch und »Mcssu», Messe, 1549) und als Bischof
(1554 — 1557). Seine Arbeit wurde von Paul Juusten und )akob
Finno fortgesetzt. In Finnland wurde die religiöse NeugestaU
tung noch behutsamer ausgefijhrt als in Schweden und mit mög=
liehst engem Anschluss an das, was in den Institutionen des Mit=
telalters brauchbar war oder geduldet werden konnte. Die Reaktion
unter König Johan III. fand in Finnland einen verhältnismässig
günstigen Boden; der verdienstvolle Äboer Bischof Erik Soro=
lainen (Ericus Erici, Bischof 1583 — 1625) arbeitete den Be=
strcbung'^n des Königs nicht entgegen. Verhältnismässig viele
Schüler begaben sich von Finnland auf die ausländischen Iesuitcn=
schulen, und die Leiter der katholischen Propaganda setzten grosse
Hoffnungen auf die Arbeit in Finnland. Nach der Versammlung
von Uppsala (1593), wo die Augsburger Konfession angenommen
wurde, kehrten der Bischof von Abo und die finnische Pfarrer»
Schaft wieder unzweideutig zum Luthertum zurück. Den Abschluss
der literarischen Wirksamkeit der Reformationszeit bildet die an=
sehnliche Produktion von Erik Sorolainen und Hemming von
Masku um 1610 und 1620. Die finnische Kirche hatte im |ahrhun =
dert der Reformation in mancher Hinsicht einen eigenartigen und
nationalen Charakter, in höherem Grade als in den nächstfolgenden
)ahrhunderten. Die Erben dieser Periode sind die evangelische
Glaubensauffassung unserer Kirche und die liturgischen Formen
sowie die Anfänge der Bibelübersetzung, der Predigt und der
geistlichen Liederdichtung in der Volkssprache. Von der Ent=
Wicklung der kirchlichen Ordnung ist die Einteilung des Landes
in 2 Bischofsstiftc, Äbo und Wiborg (Viipuri, 1554 zu erwähnen;
Bischof Sorolainen verwaltete jedoch lange beide zusammen.
528
1 i^listenversammlung:.
Gemälde von Joseph-Alanen.
Paavo Ruotsalainen.
j. Die Zeit der Orthodoxie (1627 — 1721). Das
vfährcnd der Regierung Gustav II. Adolfs in FIuss gekommene
Streben nach einer grösseren Zentralisation des Staatslebens in
Schweden erstreckte sich auch auf das kirchliche Gebiet. Die Nach=
folger Erik Sorolainens sind vom Jahre 1627 an ein Jahrhundert
lang schwedische Männer: Isak R o th 0 v i u s (Bischof 1627 — 52),
Eskil Pctracus (Bischof 1652- — 57), Johannes Elai Terserus (Bischof
1658 — 64), Johannes Gczelius der Altere (Bischof
1664 — 90) und der Jüngere (Bischof 1690 — 1718). Ebenso
die meisten der Bischöfe von Wiborg, die von i6t8 an ernannt
wurden, nachdem die im Frieden von Stolbowa 1617 vollzogene
Vereinigung von Ost=KareIien und Ingermanland mit dem Reiche
eine bessere Kirchenpflege in den östlichen Teilen des Landes
forderte. Mit den Bischöfen kamen auch andere Schweden in die
Kirchenämter Finnlands. Diese neue Generation brachte in die fin =
nischc Kirche einen strengen orthodox=Iutherischcn Geist und ein
Eifern gegen die anderen Konfessionen, das durch die Teilnahme un=
seres Volkes am dreissigjährigen Kriege noch mehr angefacht wurde.
Im Jahre 1663 wurden in der Kirche Schweden=Finnlands ausser
der Augsburgischen Konfession auch die anderen Bekenntnischriften
der lutherischen Kirche angenommen. Andere Konfessionen wurden
nicht geduldet; jedoch wurde durch den Frieden zu Stolbowa den
Griechisch=Orthodcxen Ostfinnlands die Ausübung ihrer Religion
zugesichert. Trotzdem wurde soviel als möglich versucht das Luther=
tum auch unter ihnen zu verbreiten, und zwar durch die Gründung
lutherischer Gemeinden in Ost=Karelien (und in Ingermanland, das
1641 eine eigene Kirchenverwaltung erhielt). Die Ergebnisse waren
jedoch verhältnismässig gering, aber nach dem Kriege 1656 — 58
vcrliess ein grosser Teil der Orthodoxen das Land, und an ihre
Stelle kamen lutherische Ansiedler, sodass von nun an nur einige
Grenzgemeinden griechisch=orthodox verblieben.
Auf die Bildung der Geistlichen und die theologische
Wissenschaft wirkte die Gründung der Akademie (1640) in
hohem Grade hebend; der berühmteste Vertreter der Thco=
logic war E. Svenonius; auch diese Theologie war streng
orthodox und polemisch. Die Hauptwissenschaft war die Dog=
matik, in deren Dienst alle anderen theologischen Wissenschaften
standen. Das mit der Kirche im Zusammenhang stehende
Schulwesen wurde neu organisiert. Auch für die Aufrccht=
crhaltung der kirchlichen Ordnung zeichneten sich viele Bischöfe
schwedischer Herkunft im 17. Jahrhundert als hervorragende
Leiter aus, besonders Rothovius und die beiden Gczclius, sodass
die Verhältnisse sich nach dem Zustande des Verfalls rasch besserten,
in den sie in mancher Hinsicht während der Gärungsperiode der
Reformation geraten waren. Die Verhältnisse Schwedens wurden
zum Vorbild genommen; viel Eigenartiges blieb jedoch noch
übrig, und die Bischöfe (Rothovius, Gczclius d. A.) ordneten die
Verhältnisse durch lokale Gesetzgebung, bis das im Jahre 1686
erschienene Kirchengesetz und andere kirchliche Bücher
(das Handbuch 1694, Schwedisches Gesangbuch 1695, Finnisches
Gesangbuch 1701) die Arbeit an der Vereinheitlichung der Kirche
zum Abschluss brachten.
Das Ergebnis dieser organisatorischen Tätigkeit, in deren
Dienst oft harte Strafmittel (Bussgeldcr, Fussblock usw.)
angewandt wurden, war eine zur allgemeinen Gewohnheit
gewordene äusserliche Kirch lieh keit, mit welcher jedoch viel
Roheit und Aberglaube cinherging. Neben der äusseren Or=
ganisationswirksamkcit wurde jedoch eine dem evangclisch=kirch=
liehen Charakter entsprechende geistige Erziehungsarbeit nicht
vergessen, und darin wurde das Reformationsprinzip gewissenhaft
befolgt, nach dem diese Arbeit in der Muttersprache des Volkes
stattfinden sollte. Unter Rothovius 1642 wurde die tl b c r =
Setzung der ganzen Bibel ins Finnische fertiggestellt,
und in den folgenden Jahrzehnten wuchs die finnische geistliche
Literatur rasch an (Laurentius Petri Tammclinus, Jonas Raumannus).
Ihren Folgen nach war die von den Bischöfen, vor allem von
den beiden Gczclius ausgeführte energische Arbeit zugunsten des
kirchlichen Volksupterrichts am wichtigsten, dessen Ziel erstens
das Auswendiglernen der Hauptpunkte der christlichen Lehre
nach dem Katchismus, ferner auch das vom Blattlesen war.
indem man eine gewisse Fertigkeit im Lesen zur Bedingung für
die Zulassung zum heiligen Abendmahl machte, von der ihrerseits
die kirchliche Trauung ab! ängig gemacht wurde, führte man ge=
Wissermassen einen Lehrzwang ein, dessen Ergebnisse besonders
im Stift Äbo bemerkenswert waren. Auf dieses in der Zeit der
Orthodoxie geschaffene System gründete sich die elementare Bildung
des finnischen Volks bis :ur Entstehung des Volksschulwcsens.
im Landtage hatte der Stand der Geistlichen grossen Einfluss,
aber die Virtreter der finnischen Sprengel fanden sich infolge
der langen Reise nur in relativ geringer Zahl ein. Die Hi.gie=
riing gestattete der Kirche grössere innere Selbständigkeit als im
16. Jahrhundert, indem sie aus den Mitteln des Staates sovwohl
ökonomisch als auch in anderer Weise ihre Wirksamkeit bereit»
willig unterstützte. Zum Entgelt xwarcn die Männer der Kirche
treue Anhänger des Königtums. Dagegen gab es zwischen ihnen und
dem mächtigen Adel des 17. Jahrhunderts mancherlei Reibungen,
und die Bischöfe taten, \x'as sie konnten , um c'em Adel Wider=
stand zu leisten, welcher sich auf Grund des Patronatsrcchtcs
der Besetzung der Pfarrerstellen zu bemächtigen versuchte.
4. Das 18. Jahrhundert. Auch in dem kirchlichen Leben
Fini.lands macht der grosse Nordische Krieg einen tiefen Einschn tt.
Er stört die kaum eingebürgerte kirchliche Ordnung in bcträcht=
lichcm Masse, deren Wiederherstellung eine der Hauptbestrebuiigen
der kirchlichen Verwaltung der folgenden Jahrzehnte ausmacht. Da
das LänWiborg in russische Gewalt geraten war, wurde derBischofs=
sitz des östlichen Bischofsprengeis nach Borga (Porvoo) verlegt (1724).
Aber eine neue Periode im Leben der finnischen Kirche bcdeu=
tet die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts vor allem wegen der teil=
weise schon gegen Ende des 17. Jahrhunderts begonnenen religio»
sen Strömungen, die beweisen, dass im Schosse der objektiven
Kirchlichkeit ein individuelles und persönliches religiöses Leben
heranreifte. Die Bewegung trat teils als schroffer geg'inkirchlichcr
»Separatismus« auf, teils als mehr oder weniger kirchlicher »Pietis=
mus'>. Danach verbreitete sich auch der Herrnhutismus und ein
aus dem Separatismus entwickelter friedlicher Mystizismus in Finn=
land. Einflüsse von verschiedenen Seiten vereinigte der Pfarr.r
Abraham Achrenius (f 1769), durch dessen Wirksamkeit die erste
in die tiefen Volksschichten eindringende Bewegung in den 1750er
Jahren in Südwestfinnland ihren Anfang nahm. Diese Bewegungen
wirkten sehr tief auf das gesamte kirchliche Leben ein; zu den
guten Seiten der Orthodoxie, dem klaren Wissen und der f sten
äusseren Ordnung, war ein tieferes, innigeres religiöses Gefühl
hinrugekommen, ein grösserer Ernst im christlichen Leben und eine
grössere Toleranz. Den Reformierten wurde 1741 mit einigen
Beschränkungen die private Ausübung ihrer Religion gestattet, was
1781 auf die Bekenncr des Christentums im allgemeinen ausgedehnt
wurde. Die Einwirkung der pietistischen Zeit auf die kirchlichen
Einrichtungen besteht in der Einführung des eigentlichen Konfir=
mandenunterrichts und der feierlichen Konfirmation vor dem
ersten Abcndmahlsgang. In der Theologie ist das stärkere Hcr=
vortreten der biblischen Wissenschatten auf Kosten der früher
alleinherrschcnden Dogmatik zu bemerken.
Um die Mitte des )ahrhundert5 beginnt auch in der finnischen
Kirche der Einfluss der »Aufklärung) sich bemerkbar zu machen.
Die Bestrebungen der »ökonomischen Periode» fanden auch unter
den Geistlichen viel Unterstützung; von den Äboer Bischöfen hatten
)ohan Brovallius (Bischof 1749 — 55) und Karl Frediik Menander
(Bischof 1757 — 75) ihre Laufbahn als Naturfcischer begonnen.
Hervorragende Männer der praktisch=ökonomischen Wirksam»
keit in der Pfarrerschaft waren Jakob Stenius der Altere und der
lungere und vor allem Andeis Chydenius(t 1803), der als
Reichstagsabgeordneter auch die Sache einer freieren Religionsgcsctz=
gebung energisch vertrat. Die eigentliche Aufklärungsrichtung fand
in unserer Kirche gegen Ende des Jahrhunderts V'erbreitung,
in der Theologie wurde sie in gemässigter Form durch Jakob
Tengström, vom Jahre 1803 an Bischof in Äbo (f 1832), und von
Jakob Bonsdorff vertreten, grösser aber war vielleicht in dieser
Hinsicht der tinfluss einiger Mitglieder der philosophischen
Fakultät, vor allem H. G. Porthans. Die Geistlichen dieser
Zeit waren gebildete und ihren Interessen nach vielseitige Männer,
aber oft den im Volke herrschenden religiösen Bewegungen ziemlich
fremd, die, da sie ohne Leitung blieben, mit ihren extatischen
Erscheinungen an vielen Orten eine ungesunde Richtung erhielten.
In den gebildeten Kreisen machte sich eine unkirchliche Gesinnung,
ja sogar die Verspottung der Religion nach dem Vorgang der
französischen Aufklärung breit. Auch die Gegenwirkung fehlte nicht;
unter den Geistlichen Finnlands war sie durch Gustaf Ranckcn,
B. J. ignatius, Anders Björkqvist, Anders Achrenius u. a. vertreten.
Um die Wende des Jahrhunderts ist auch sonst ein beginnender
Umschwung zur Religiosität zu bemerken, anfangs als sentimentale
Gefühlsäusserung; die Romantik war im Anzüge. — Der Teil Finn=
lands, der 1721 mit dem russischen Reiche vereinigt wurde, erhielt
eine eigene Kirchenverwaltung, das Konsistorium zu Wiborg; für
das 1743 einverleibte Gebiet wurde ein Konsistorium in Fredriks=
hamn (Hamina) eingesetzt. Die Geistlichen des »Alten Finnlands»
erhielten ihre Vorbildung immer noch vorwiegend auf der Uni=
versität Abo, sodass der geistige Zusammenhang mit dem übrigen
Finnland erhalten blieb; im übrigen griff auf dem kirchlichen Gebiete
viel Unordnung um sich.
5. Das ii^. lahrh lindert. Als Finnland mit dem russischen
Reiche vereinigt wurde, bestätigte Alexander 1. in seinem Manifest
an das finnische Volk am 27. März 1809 auch feierlich die Religion
des Landes; die lutherische Kirche blieb weiter als Landeskirche be=
stehen, obgleich 1827 die griechisch=katholischen Gemeinden im
administrativen Wege auch eine legalisierte Stellung erhielten. Die
lutherischen Gemeinden im Län Wiborg wurden 1812 mit dem
Bischofstift von Borgä vereinigt. Aus Anlass des Rcformations=
festes 1817 wurde dem Bischof von Äbo der Titel Erzbischof
verliehen, und in demselben Jahre wurden Kommissionen zur
Vorbereitung eines neuen Kirchengesetze? , eines Handbuchs,
eines Gesangbuchs und eines Katechismus eingesetzt, deren Wirk=
samkeit jedoch nicht zu definitiven Ergebnissen führte. Zu Beginn
des neuen Jahrhunderts war die Kirche arm an religiösen Kräften,
obgleich die Romantik auch bei uns, besonders von den 1820er
Jahren an der Religion wohlgesinnt war, und auf ausländische
Initiative hin entstanden die ersten Anfänge der religiösen Vereins»
tätigkcit (die Finnische Bibelgesellschaft 1812, die Finnische evan=
gclische Gesellschaft 1817).
Inzwischen hatten jedoch im Innern des Landes die religiösen
Bewegungen angefangen, die unter dem Namen des jüngeren
Pietismus bekannt sind und deren berühmteste Führer
Paavo Ruotsalainen, Jonas Lagus, Nils Gustav
Malmberg und Henrik Rcnqvist waren. In den
1830er Jahren begann ihr Wirken sich allgemeiner bemerkbar
zu machen; unter harten Kämpfen erwarben sie sich immer
mehr Unterstützung sowohl im Volke als unter den Gebilde»
tcn. Die 1840er Jahre waren ihre eigentliche Machtperiode, aber
zugleich die Zeit der Auflösung; der »Hedbergianismus» trennte
sich vom Pietismus, der Pietismus selbst zerfiel in mehrere Gruppen,
die sich gegenseitig teilweise heftig befehdeten, und unter den
Geistlichen und Universitätsmännern fand die biblische Richtung
des Deutschen Johann Tobias Beck Anhang (Vertreter: Alfred Kihl=
man, A.W. Ingman, C. G. von Essen, späterGustaf Johansson u.a.).
Diese religiösen Bewegungen wirkten als geistige Erweckung
im allgemeiren in weiten Kreisen und machten unser Volk für die
gleichzeitige nationale und politische Erweckung reif, und während
der Zeit der freisinnigen Reformen Alexanders IL kernen auch
viele Fragen an die Tagesordnung, die die Lage und innere Ord=
nung der Kirche betrafen. Mehrere Gebiete des gesellschaftlichen
Lebens, die früher in der Pflege der Kircfic gestanden fiattcn,
erhielten ihre eigene Gesetzgebung und Verwaltung. So wurde
das Schulwesen durch die Volksschulordnung vom Jahre 1866
und durch die Gründung des Oberschulamtes 1869 von der
Kirche getrennt. Das kommunale Leben wurde vom Gemeinde»
icbcn getrennt (Kommunalverordnung vom Jahre 1865), und die
Armenpflege wurde von der Gemeinde auf die Kommune über=
tragen (Armenpficgcverordnung von 1879). Der so beschränkte
Wirksamkeitskreis der Kirche wurde durch das neue nach lan^ =
jährigen Vorarbeiten 1869 bestätigte Kirche ngesctz geregelt,
das das Vorhandensein auch anderer legalisierter KirchengescIU
Schäften im Lande voraussetzte und das in dieser Hinsicht durch
uas Dissentc gcsetz vom Jahre 1889 ergänzt wurde; ein Gesetz
über die allgemeine Religionsfreiheit ist in Vorbereitung.
Die belebende Wirkung der religiösen Bewegungen machte sich
auf vielen Gebieten bemerkbar. So hatte die theologische Wissen=
Schaft, die nach der Verlegung der Universität nach Helsingfors
eine Zeitlang schwach vertreten war, von den 1850er Jahren an
mehrere hervorragende Vertreter; die Exegeten Gabr. Gcitlin und
A.W. Ingman (t 1877), den Dogmatiker A. F. Granfeit
(f 1892) und die Professoren der prakt. Theologie Fr. L.
Schauman (später Bischof, f 1877) und C. G. von Essen.
In den 1870er und 1880er Jahren folgte die Ära H. Räberghs
und G. Johanssons. In der Zusammensetzung und im Charakter des
geistlichen Standes fand eine bemerkensvxerte V^erändcrung statt,
zuerstinfolgc der Trennung von Kiichc und Schule, wobei der lJber=
gang von früheren Schulmännern in geistliche Amter ein Ende nahm,
und dann infolge der Gründung der finnischen Schulen. Die reli =
giösen Bewegungen brachten auch mehr Aktivität vonseiten der
Laienelemente der Gemeinden und eine rasche Entwicklung des
religiösen Vereinswesens mit sich. Neue religiöse Bewegungen
sind: der Laestadianismus, der sich vom schwedischen Lapp=
land aus von den t86oer jähren an vorwiegend im nördlichen
Finnland verbreitet hat, und die aus schwedisch=cnglischcn A .re=
gungen herrührende frei kirchliche Bewegung die in den
1880er Jahren ihren Aufschwung nahm. Andere Bewegungen der
letzten Zeiten sind: die Heilsatmee, die »Pfingstbewcgung>, der
Adventismus, der Russellianismus u. a Weit und breit gibt es
auch sonst bewusste Lossagung von der durch die Volkskirche
vertretenen Religiosität, ja im allgemeinen von aller Religiosität.
Die jetzige Lage der evangelisch-lutherischen
Kirche Finnlands.
Obgleich die Religionsfreiheit in unserem Lande alU
mählich ausgedehnt worden ist, ist die evangelisch=luthcrischc
Kirche noch immer nicht nur eine Volkskirche, d. h. die
Kirche der Mehrzahl der Einwohner, sondern auch eine Staats»
kirchc, die in einem Verhältnis von Privilegium und Pflichten
zum Staate steht. Die wichtigsten Privilegien sind, dass die
Ökonomie der Kirchc durch die Gesetzgebung des Staates gc=
sichert wird und der Religionsunterricht in den Vor= und Volks=
schulen evangelisch=lutherisch ist und unter der Aufsicht der
Kirche steht. (Eine Ausnahmestellung nehmen die griechisch»
katholischen Kommunen ein.) Der Staat seinerseits hat die
oberste Gewalt, besonders in der Verwaltung der äusseren Ange=
legenhciten der Kirche. Diese Gewalt wird von dem Staats»
Oberhaupt persönlich ausgeübt, indem er die Gesetze, die die
Kirche betreffen, bestätigt oder verwirft und die Bischöfe ernennt;
in anderen Angelegenheiten steht sie dem Staatsrat und besonders
dessen Kultusministerium zu, deren vortragender Rat ein Geist»
lieber ist. Andererseits ist die evangeiisch=lutherische Kirchc eine
Gesellschaft, die verhältnismässig frei ihre inneren Angelegengeiten
ordnet; sie erlässt durch ihre eigene Vertretung, die Landes»
Synode, (»Kirchenvcrsammlung») die Gesetze, die allein die kirch»
liehen Angelegenheiten betreffen. Diese Gesetze treten in Kraft,
wenn der Reichstag und der Staatsoberhaupt sie unverändert bestä»
tigen. Die Kirche hat ihre eigenen, selbständig wirkenden Ver=
waltungsorgane (die Bischöfe, Domkapitel, Bezirkspröpste u. a.).
Die Kirche wird in 4 Bischofsprengel eingeteilt, die in
Probstcien und Gemeinden (Muttergemeinden, Kapcl»
len, Fabriksgemeinden u. a.) auf folgende Weise zerfallen (Anga=
ben über die Anzahl der Gemeinden vom Jahre 1916):
o
5 >
3 3
n a.
Gemeinde=
mitglieder
IQIO
Erzbischofsprengel Abo
(Turku)
ßischofsprengel Borgä
(Porvoo)
Bischofsprengel Nyslott
(Savonlinna)
Bischofsprengel Kuopio
Zusammen
«5
169
14
H3
12
104
8
7?
199 1 895,248
I
124 I 845,986
113 j 825,570
95 519.705
464
551 3,086,107
Was die Kapellen anlangt, besteht für die allermeisten (38) der
Beschluss, dass sie zu selbständigen Muttergemeinden umgebildet
werden sollen, sobald das Recht der jetzigen Inhaber aufhört.
Kirchen gab es im Jahre 1912 542, Gebctshäuser 187. Orgeln
hatten (1912) 400 Kirchen, ein Harmonium 19, Heizanlagen 438
(gegenwältig sind fast alle heizbar). Jede Gemeinde hat wenigstens
einen ord. Geistliche (Pastor oder Pfarrer, in einer Kapelle Kap=
lan), viele Muttergemeinden ausserdem einen oder mehrere an=
derc ord. Geistlichen (Kaplan, Komminister, Prediger). Feste
Stellen gab es in den Gemeinden (1906):
Erzbischofsprengel Abo (Turku)
Bischofsprengel Borgä (Porvoo)
,, Nyslott (Savonlinna)
,, Kuopio
Pfar
wUsammen
169
11-5
104
78
I Andere
Kapläne I feste
I Ställen
05
67
76
464
Zu>
sammen
^73
189
187
129
778
Ausserdem besoldet der Staat Pastoren für die Gefängnisse (14)
und für die Krankenhäuser in Helsingfors (1), für die Eisenbahn
(4) und umherreisende Pastoren für die Taubstummen (2). Ein»
schliesslich der Bischöfe gibt es also 803 ordentliche Pastorenämter.
576
Ausserordentliche Geistliche fungieren als Stellvertreter, Hilfsgcist=
liehe, im Dienste religiöser Anstalten und Vereine, als Lei=
tcr und Lehrer von Volkshochschulen usw. Von den Religions
lehrcm der gelehrten Schulen sind viele otdiriert. Geistliche gab es
(1911) 911, 848 davon im Dienste der Gemeinden, Küsterstellen
126, Organistenstellen 3t, Küstcr=Organistcnstcllen 380, zusammen
537. Die Geistlichen erhalten ihre Vorbildung in der theologischen
Fakultät der U n i v c r s i t ä t , die (im Früh jahrsemester 1916) 8
ordentliche Lehrer (5 Professoren, 2 Adjunkten, 1 Assistenten) und
229 Studenten hatte. Nach zwei Amtsjahren ohne feste Anstellung
ist der Geistliche berechtigt »das Examen zur Erlangung eines ordent=
liehen Pastorenamts» (das sogenannte Pastoralexamen) abzulegen,
das vor dem Domkapitel stattfindet. Die höchste Zensur darin
hat tiefere wissenschaftliche Studien zur Voraussetzung. An der
Universität können auch höhere theologische gelehrte Grade (Kan=
didaten= und Lizenziatenexamen) erworben werden. — Die Bil=
dungsanstalten für die Küster (Küsterschulen) sind privat.
Das Se.lbstverwaltungsrecht der einzelnen Gemeinden
in Finnland und in Schweden rührt aus der katholischen Zeit her.
Schon früh übten die Gemeinden Finnlands in Kirchspielver=
Sammlungen ihr Bestimmungsrecht in kirchlichen Angclegen=
heiten aus, und durch den Kirchenrat hielten sie die Kirchen=
zucht aufrecht. Von altersher äusserte sich die Selbständigkeit der
Lokalgcmeinden ausser in der Pflege der Kirchenzucht und der
ökonomischen Verwaltung in ihrem Rechte, sich selbst Geistliche zu
wählen. Dieses Recht versuchte man jedoch von verschiedenen Seiten
zu beschränken. Bis zum Mittelalter hatten einige Grossgrund=
besitzcr (in der Regel die Adligen) das Patronatsrccht. Desselben
Ursprungs war das Recht der schwedischen Könige, Pastoren für
die sogenannten königlichen Kirchspiele (für regale Pastorate) zu
ernennen, welches Gustav Wasa im allgemeinen auf die grösseren
Kirchspiele ausdehnte. Auch die Bischöfe hatten im Mittelalter in
den Ernennungsfragen viel mitzureden. Nach der Reformation
fanden über diese Fragen langwierige Streitigkeiten statt, bis Karl XL
bestimmte, welche Gemeinden als regale anzusehen waren ; diese
waren nach dem Jahre 1808 kaiserliche (imperiale). Das Patronats=
recht wurde 1868 aufgehoben, und die Inhaber der damaligen
Patronatsrechte haben später darauf verzichtet sodass es in
Finnland gegenwärtig ausser sogenannten imperialen nur konsi»
itorialc Kirchspiele gibt, in denen die Gemeinden das Wahlrecht
haben und das Domkapitel die Vollmacht ausstellt. Nunmehr
hat der Staat auf ihr trnennungsrccht in den »imperialen» Gc=
meiiidcn verzichtet, mit Ausnahme derjenigen, vx'O mit dem
Pastorsamt die Würde eines Dompropstes verknüpft ist.
Der Umfang und Charakter der Selbstverwaltung der Gemeinden
Finnlands wird durch das 1869 erlassene Kirchengesetz bestimmt.
Nach ihm üben die Gemeinden Finnlands ihr Bestimmungsrecht in
inneren Angelegenheiten in den Kirchenversammlungen aus. Die
wichtigsten in der Kirchenvcrsammlung behandelten Sachen sind die,
welche die Kenntnisse in der christlichen Lehre und den Fortschritt
des christlichen Lebens, die Verwaltung und Pflege des Kirchen=
Vermögens, die Wahl und Besoldung der verschiedenen Gemeinde»
diener, die Verteilung, Vereinigung und Aufhebung von Gemein»
den (Kirchengesetz § 307) berühren. Der Pfarrer ist Vorsitzender
der Kirchenvcrsammlung, in Kapellgemeinden ist es der Kaplan,
wenn der Pfarrer nicht anwesend ist. Stimmberechtigt ist jedes
konfirmierte Gcmeindemitglied vom 24. Lebensjahr an, mit
Ausschluss solcher, welche der Kirchenzucht unterlegen oder
wegjn gewisser Vergehen verurteilt sind. Eine bezw. zwei
Zuschlagsstimmen erhalten Leute, die 40 Lebensjahre erfüllt
haben sowie Familienväter und =mütter. Beschwerden über
die Beschlüsse der Kirchenversammlungen werden in gewissen
Angelegenheiten an das Domkapitel, in anderen an den Landes»
hauptmann gerichtet.
Gegenwärtig besitzen die einzelnen Gemeinden im allgemeinen
(mit Ausnahmen) keinen anderen Grundbesitz als die Bauplätze ihrer
Kirchen und die Friedhöfe. )uristisch ist nämlich das Besitzrecht
der Amtspfarrhöfe eine vielumstrittene Sache, obgleich allerdings
auch jene Pfarrhöfe einen Besitz, und zwar sogar einen sehr beträcht»
liehen ausmachen, der in allen Fällen und unbestreitbar für eine
bestimmte einzelne Gemeinde vorhanden ist und ihr zugute kom»
mcn muss. Das übrige Vermögen der Gemeinden bilden die
Kirchen und Gebetshäuser nebst ihrem Inventar und die kirchlichen
Kassen (Kirchen», Wein», Pfarrhofsbau», Diakonats» und andere
Kassen). Der berechnete Gesamtbetrag dieser Kassen machte 1912
etwas über 12 Millionen Fmk aus; zu dem materiellen Besitz der
5l8
Gemeinden müssen gewisscrniasscn auch die Gehälter der Pastoren,
der Küster, der Kirchendiener und der ambulatorischen Lehrer
gerechnet werden, die die Gemeinden Fiiuilands entrichten.
Die Ökonomie der evangelisch =lutheri =
sehen Kirche liegt fast ausschliesslich in den Händen der
Gemeinden selbst. Jede Gemeinde bezahlt ihre Pastoren selbst,
schafft ihnen die Pfarrhäuser, erhebt die Abgaben der Gemeinde
für die Kirchenkasse und für die Weinkassc und verwaltet auch
andere eventuelle Kassen. Die Ersparnisse der Gemeindekassen
betrugen am i.Mai 1912: 12,050,199.81 Fmk (davon in den
Pfarrhauskassen 7,538,941.56 Fmk). Allgemein=kirchlichcs Vermox
gen oder Einkommen besitzt die Kirche in der Rege! nicht, jedoch
werden die Ausgaben für die Synoden von allen Gemeinden be=
stritten; unter der Verwaltung der Domkapitel stehen einige gz=
stiftete Kassen {31. Dezember 1912: 1,452,902.60 Fmk) und unter
der Verwaltung der Staatskasse steht die Ausgleichkasse der
evangelisch=lutherischen Gemeinden (Mittel am -51. Dezember 1915:
245,472.23. Fmk), aus der für die Besoldung derGeistlchen einiger
minder bemittelten Gemeinden (1915: 29,998.78 Fmk) Unter»
Stützung gezahlt wird. Die Gehälter der Bischöfe und die Aus=
gaben der Domkapitel, die Besoldung der Pastoren und Katecheten
in Lappland, Stipendien etc. werden aus Staatsmitteln bestritten;
die Staatsausgaben für die lutherische Kirche betrugen im Budget
vom Jahre 1916: 472,200 Fmk, dazu Hilfsgelder für einige kirch=
liehe Vereine und Anstalten, für ambulatorische Schulen und Küster=
schulen 178,100 Fmk. Eine private Veranstaltung der Geistlichen
und Küster ist die kirchliche Witwen= und Waisenkassc (Kapital
am 1. Mai 1916: 10,013,383.43 Fmk). Die meisten Kirchen
und Pfarrwohnungen sind in der eigenen »>Feuerv-rsicherung5=
gesellschaft der Gemeinden» (Garantiesumme 1916: 33,778,314 Fmk)
versichert.
Zu den inneten Angelegenheiten der Kirche gehören die
Gottesdienste und andere kirchliche Handlungen.
Die Zahl der Abendmahlsgänger beträgt (1912) durchschnittlich
35 % der Bevölkerung (am höchsten in der Gegend von Äbo, näm=
lieh 82 — 55 %, am niedrigsten in den Propsteien von Brahestad
(Raahe), Kemi und Helsingfors, nämlich 22 — 9,5 %). Die Konfir=
mation und besonders das kirchliche Begräbnis sind noch ganz
allgemein, aber ungctaufte Kinder und ungetrautc Ehepaare gibt
es hier und dort schon eine beträchtliche Menge. Der kirchliche
Anfangsunterricht wird noch immer von der ambula=
torischen Schule erteilt, deren Entwicklung und Regelung die
Kirchenvcrwaltung grössere Aufmerksamkeit als früher widmet.
Solcher kirchlichen Kinderschulen gab es (1915) in 454 Gemeinden,
und sie hatten 1,449 Ichrer und 195,515 Schüler. Neben ihnen ist
die freiwillige Sonntagsschulc immer wichtiger geworden; es gab
deren (1015) 9,206 mit 17,914 Lehrern und 194,468 Schülern; in
19 Gemeinden fehlten sie. Der Kcnfirmandcnunterricht wurde von
56,951 Schülern besucht, junge Leute, die älter als 20 Jahre waren
und den Konfirmandenunterricht nicht besucht hatten, gab es
9,014, vorwiegend in den entlegensten Gegenden Nord= und Ostfinn=
lands. Bei der »Leseprüfung» und bei Bischofs» und Propstinspek=
tioncn werden die Ergebnisse des Unterrichts festgestellt. Durch die
auf dem Boden der religiösen Bewegungen und von anderen cvan=
gelischcn Ländern gewonnenen Anregungen ist in der Kirche
besonders von den 1850er Jahren an eine vielseitige, freie Vereins«
und Liebestätigkeit entstanden, die ihre offizielle geregelte Tätigkeit
auf immei wichtigere Weise ergänzt. In der Heimat arbeiten BibeU
gesellschaften, Diakonissen= und Diakonenanstaiten, deren Arbeit
nach und nach von den Gemeinden übernommen werden soll (im
Jahre 1915 waren 35 Diakonen und 244 Diakonissen im Dienste der
Gemeinden angestellt), die Gesellschaften der inneren Mission
(Lutherischer Evangelienverein, die Innere Missionsgesellschaft der
finnischen Kirche, Stadtmission, Erweckungsvercine u. a.), religio
Öse Jugendvereine (die Christlichen Vereine junger Männer und
Frauen), Sittlichkeitsvereine (das Weisse Band) u. a. Ausserhalb
Finnlands erstreckt sich die Wirksamkeit der Seemannsmission
und der Heidenmission.
Griechisch-katholische Kirche.
Geschichte. Die früheren Perioden det griechisch-katholi-
schen Kirche in Finnland sind im Vorhergehenden schon teilweise
berührt worden. Der früheste eigentliche Bekehrungsversuch der
Russen in Kardien geschah 1227 im Auftrage des Fürsten Jaro=
slaw von Nowgorod; der im Frieden zu Schlüsselburg Russland
zugesprochene Teil von Karelien wurde in kirchlicher Hinsicht
zum Gebiete des Erzbischofs von Nowgorod gerechnet. Zentren
des kirchlichen Einflusses waren die Klöster zu V'alamo (gegrün=
dct 1329) und Koncwez (gegründet 1392), und im russischen
Landbuche vom Jahre 1500 werden im Burglän von Kexholm
(Käkisalmi) 7 griechisch=kathoIischc Gemeinden mit Kirchen
(Kexholm, Sakkola, Rautu, Kurkijoki, Sortavala, Salmi und Ilo=
mantsi) erwähnt.
Das Volk lebte jedoch noch immer in fast völligem Heidentum.
Als Abgesandter des Erzbischofs Makarij reiste der Mönch II ja
(Elias) 1554 und 1535 als Missionar in Karelien umher, beseitigte
die heidnischen Zeremonien und bekehrte das Volk von neuem zum
Christentum. Seine Arbeit wurde 1548 von dem Mönche Nikifor
fortgesetzt. Gegen Ende des 16. Jahrhunderts hatte die Zahl der
griechischen Kirchen und Gebetshäuser sehr zugenommen , und
1595 wurde für diese Gegenden ein ausserordentlicher »Bischof
von Kexholm und Schlüsselburg') (oder »von Karelien und Ladoga»)
ernantit. Nachdem Ladoga=Karelien und Ingermanland durch lang=
jährige Kriege viel gelitten hatten (Valamo wurde 1611 zerstört, die
Mönche von Koncwez flohen 1610), fielen sie 1617 an Schweden.
Ihren griechisch=katolischen Einwohnern war allerdings Glaubens=
freiheit zugesichert worden, aber die Bestimmungen derselben
wurden auf mancherlei Weise umgangen, und die Bevölkerung
dieser Gebiete wurde zum grösstcn Teile lutherisch, freilich mehr
durch Immigration als durch Glaubenswcchsel. Die lutherische
Kirchcnverwaltung in Wiborg versuchte auch unter den Griechisch=
Katholiken die Lesekunst und Literatur zu verbreiten, und aus poli=
tischen Gründen wurde nicht gestattet, dass die Griechisch=Katho=
lischcn sich Priester aus der Nowgoroder Gegend kommen liesscn,
sondern die Einsetzung eines eigenen, in Konstantinopel oder Kiew
geweihten Bischofs wurde geplant. Daraus wurde jedoch nichts,
aber vom Jahre 1685 an wurde dem Bischof von »Karelien und
Ladoga», der dem Metropoliten in Nowgorod unterstellt war, ge=
stattet wieder in Finnland zu wirken. Gegen das Ende des Jahrhun=
derts war das Gebiet des griechischen Glaubens so zusammen=
geschrumpft, dass es vorwiegend nur die Gegenden zwischen
Jänisjärvi und der östlichen staatlichen Grenze umfasstc, anders=
wo in Ost=Karelicn bildeten die Bekenner des griechischen Glaubens
eine kleine Minorität unter der lutherischen Bevölkerung. Wäh=
rcnd des grossen Nordischen Kriegs fing die russische Regierung
schon vor dem Frieden zu Nystad (Uusikaupunki) an, die griechische
Kirche in Ostfinnland zu organisieren. Im Jahre 1717 wurde der
Klosterbau zu Valamo wieder begonnen und im folgenden Jahre
der Bau von Konewcz. Die Gemeinden wurden der Regierung des
heiligen Synods zu Petersburg (gegründet 1721) untergeordnet;
1743 wurde eine diesem untergeordnete besondere »geistliche
Regierung« in Wiborg gegründet, um die Angelegenheiten der
gricchisch=katholischen Kirche in Finnland zu vertreten. Das
Bischofsamt von Kardien und Ladoga wurde im Jahre 1763 aufge=
hoben. Die russische Regierung verhinderte jede lutherische Pro=
paganda unter den Griechisch = KathoIischen des Alten Finnlands
streng, und den lutherischen Pastoren wurde 1751 verboten, Kinder
zu taufen, von deren Eltern der eine griechisch=katholisch war.
Einige neue griechisch=katholische Gemeinden entstanden auch,
sodass es deren 1810 21 gab. Ausserdem gab es in dem Schweden
überlassenen Nord=Karelien z griechische Gemeinden, die eigent=
lieh in kirchlicher Hinsicht der griechisch-katholischen VerwaU
tung des Alten Finnlands unterstellt waren, in denen aber auch
der lutherische Bischof des Bischofsprengcls Borgä Visitationen
hielt.
Die neueste Zeit. Als das Län Wiborg 1811 wieder mit
Finnland vereinigt wurde, blieben die griechisch=katholischen Ge=
meinden und Klöster Finnlands noch wc ter unter der alten Ver=
waltung. Durch eine administrative Verordnung vom Jahre 1827
wurden den Mitgliedern dieser Kirche der Zutritt zu Zivil= und
Militärämtern in Finnland und durch verschiedene andere Verord=
nungen auch andere Ausnahincstellungen zugesprochen. Später sind
die Verhältnisse dieser Kirche teilweise durch ihre eigene, teilweise
durch eine von der finnischen Gesetzgebung urabhängige kirch =
liehe Gesetzgebung, teilweise durch finnische Verordnungen ge=
regelt worden. Dieser Kirche gehörten am 31. Dez. 1910: 52,004
Personen (Militär und zufällig im Lande sich aufhaltende Russen
nicht mitgerechnet) an, die meisten im Län Wiborg (40,550) und
im Län Kuopio (8,576). Im Verhältnis zu der ganzen Bevölkerung
des Landes hat die Anzahl der Griechisch=Katholischen langsam
abgenommen (1860: 2,29 "{,, 1890: 1,90 "o, 1910: 1,67 %). Im
Jahre 1892 wurde für Finnland das besondere Amt eines Bischofs
von Finnland und Wiborg gegründet, dessen Inhaber den Titel
eines Erzbischofs führte. Als sein Gehilfe wurde im Jahre 1913 der
"Bischof von Sortavala» eingesetzt.
Nachdem das Volksschulwescn auch auf die griechisch=katho=
lischen Gemeinden hat einwirken können, und nachdem diese auch
selbst begonnen haben sich um den Anfangsunterricht zu kümmern,
hat die Lesekunst und die Volksbildung unter den Griechisch=
Katholiken bedeutend zugenommen.
Nachdem Finnland seine Selbständigkeit erlangt hat, ist die Frage
nach der Umbildung der gricchisch=katholischen Kirche Finnlands
zu einer autokcphalcn Kirche entstanden. Im Jahre 1918 wurde
eine Verordnung erlassen, die die Existenz der griechi seh =katholi sehen
Konfession in Finnland bestätigte. Sie untersteht der Landesrcgie=
rung. Die griechisch=katholischen Gemeinden bilden einen Sprengel,
der in Inspektionsbezirke eingeteilt ist. Die Kirchenverwaltung
(Sitz in Wiborg) wird ausgeübt durch den Bischof der Konfession,
den Hilfsbischof, zwei von der Synode gewählte Mitglieder, von denen
der eine Priester, der andere Laie sein muss, und einen Sekretär.
Die Mitglieder der Kirchenverwaltung, die Priester der Gemeinden,
die anderen kirchlichen Beamten und sowohl die eigentlichen Mönche
als die Nonnen müssen finnische Staatsangehörige sein. Eine
jedes dritte Jahr stattfindende Synode, deren Mitglieder teils
sclbstbcrechtigtc, teils von der Priesterschaft, den Klöstern und
von den Laien erwählte Repräsentanten sind, nimmt an der Gesetz=
gebung der Konfession und der allgemeinen Verwaltung teil.
Der Bischof und der Hilfsbischof werden nach der durch die Synode
getroffenen Wahl durch die Landesregierung in ihrem Amte bestä=
tigt. Die Gemeinden erwählen ihre Priesterschaft selbst; die Wahl
wird durch den Bischof bestätigt. Die Gemeinden lassen ihre Ange=
legenheiten durch die Gemeindeversammlungen oder durch die
Gemeindeversammlungen und Bevollmächtigten der Gemeinde»
Versammlungen und durch den Gemeinderat regeln.
Zum Gottesdienste gehört an Sonn= und Feiertagen als not=
wendiger Teil eine Predigt in der Volkssprache. Die Priesterschaft
muss sich auch die religiöse Erziehung des Volkes angelegen sein
lassen.
Dissenten-Kirchengemeinschaften.
Das Disscntengesctz vom Jahre 1889 ermöglichte die Gründung
auch anderer protestantischer Kirchengcmeinschaftcn in Finnland
als evangelisch=iutherischer, soweit sie auf dem Boden der Bibel
und des apostolischen Glaubensbekenntnisses stehen. Die Vereins»
Ordnung dieser Kirchengemeinschaften wird von dem Senate bestätigt
und zwar unter den Bedingungen und Zusätzen , die er für nötig
hält. Im Zusammenhang mit der Vercinsordnung ist auch anzu=
geben, in welcher Ortschaft die Gemeinden gegründet werden sollen
und zur Gründung neuer Gemeinden und zur Änderung der Vcreins=
Ordnung ist die Genehmigung des Staatsrates einzuholen. Die lokale
Disscntengemcindc muss irgendeiner in dieser Weise legalisierten
Kirchcngcmeinschaft angehören und muss einen Leiter haben, den
der La deshauptmann bestätigt und der die nötigen Verzeichnisse
dcrGemeindcmitgliedcr führt und Zeugnisse ausstellt. Die Gemcin=
den dürfen selbst ihre Lehrer berufen, aber über die Wahl ist dem
Staatsrate Bericht zu erstatten. Bei anderen Gelegenheiten als Begräb=
nissen dürfen die Dissenten keine religiöse Prozession ausserhalb der
Kirche oder des Friedhofs veranstalten. Ihre Gemeinden oder ihre
Anstalten und Stifte dürfen ohne Erlaubnis des Staatsoberhauptes
keine anderen Grundstücke als eines für Kirche und Schule und einen
Friedhof nebst darauf erbauten nötigen Lokalitäten besitzen, aber
sie haben das Recht, ihre Mitglieder für ihre kirchlichen Bcdürf=
nisse zu besteu rn. Ein Mitglied der Dissentengemeinde, das sich
an der Besoldung ihrer Prediger und Kirchendiener beteiligt,
ist von allen persönlichen Abgaben an die Geistlichen und die
Kirchendiener einer anderen Konfession befrvit. — Nach diesem
Gesetze haben sich die Baptisten und die Methodisten zu einer
legalisierten Kirchengemeinschaft in Finnland organisiert. Die
Baptisten = Kirchcngemeinschaft wurde 1892 ge-
gründet, und in der amtlichen Statistik von 1895 belief sich ihre
Mitgliederzahl auf 1,924; 1900 war die Zahl 2,851 und 1910 4,467.
Lokalgemcinden gibt es jetzt 13, von denen die meisten im schwe=
dischen Teile Süd=Osterbottens sind. Die Mcthodist=Episko=
pale Kirchcngcmeinschaft wurde ebenfalls 1892 gegründet,
nachdem lange vorher Methodistenprediger in Finnland gewirkt
hatten. Nach der amtlichen Statistik betrug ihre Mitgliederzahl 1895
225, 1900 319 und 1910 676. Lokalgemcinden gegenwärtig 12,
alle in Städten. Sowohl Baptisten als Methodisten haben ausserdem
viele Anhänger, die nicht förmlich aus der Volkskirche ausgc=
schieden sind, obgleich sie in den eigenen Verzeichnissen der
Dissentengemeinden 2u deren Mitgliedern gerechnet werden, ,und
ihre Sonntagsschulen werden von vielen der lutherischen Kirche
angehörenden Kindern besucht.
VI. Staatswesen.
Staatsform und Verfassung.
(Abgeschlossen Ende Februar 1919.)
Finnland bildete bis zum )ahre 1809 einen Teil des schwe=
dischcn Reiches und war als solcher an dem hoch entwickelten
Verfassungszustand und der einzigartigen Verfassungsgeschichte
dieses Staates beteiligt. Obgleich die alten Verfassungsgesetze
Schwedens sowohl der Form als zum Teil auch dem Inhalt nach
vom jetzigen Standpunkt aus sehr altertümlich waren, bildeten sie
trotzdem eine konstitutionelle Staatsordnung im heutigen Sinne des
Wortes: die V'^olksrechtc waren durch die Grundgesetze geschützt,
die Befugnisse des Königs und der Regierung waren durch die
Teilnahme des Reichstages an der Gesetzgebung und dem öffent=
liehen Haushalt beschränkt. Der gesunde Kern dieser altertüm =
liehen Rechtsordnung hat sich denn auch bis auf unsere Tage be=
währt, denn jene altschwedischen Grundgesetze bilden heute noch,
trotz manchen späteren Abänderungen und Zusätzen, den we=
sentlichen Inhalt des in Finnland geltenden öffentlichen Rechtes.
Bei der Lostrennung Finnlands von Schweden und seiner
Vereinigung mit Russland wurden die altschwedischen Grund=
gcsetze von Kaiser Alexander I. als Finnlands Verfassung bestätigt
und zwar ohne Vorbehalt oder Einschränkungen. Finnland erhielt
hierdurch eine eigene Staatsverfassung, es war fortan ein besonderer
konstitutioneller Staat mit monarchischer Staatsform, ein Staat,
dessen Oberhaupt in der Weise bestimmt werden sollte, dass die=
jenige Persönlichkeit, der nach der Thronfolgeordnung Russlands
daselbst die monarchische Gewalt zukam, zugleich der Monarch
Finnlands — mit dem Titel eines Grossfürsten — sein sollte.
546
Aus der Verbindung ergaben sich andererseits gewisse Bcschrän=
kungen der staatlichen Kompetenzen Finnlands. Abgesehen da=
von, dass der Monarch als physische Person nicht durch die eigene
Rechtsordnung Finnlands bestimmt wurde, erhielt das Land auch
nach 1809 keine eigene völkerrechtliche Persönlichkeit. Vielmehr
bildete es, trotz seinem staatsrechtlichen Sonderdasein, fremden
Staaten gegenüber einen Teil des russischen Gesamtreiches und
wurde in auswärtigen Regierungen von Russland gedeckt, ohne
sich auf dem völkerrechtlichen Gebiete selber betätigen zu können.
Ferner wurde das Verhältnis zu Russland von Anfang an in der
Weise aufgefasst, dass Russiand berechtigt war, seine militärische
Gewalt auf finnischem Gebiete zu entfalten, unbeschadet des Finn=
land zukommenden Rechtes zu einer eigenen Militärorganisation.
Demzufolge war Finnland während der Verbindung mit Russ=
land kein souveräner, sondern lediglich ein autonomer, ein »im
Inneren freier» Staat {libre dans l'interieur, wie sich Alexander I.
ausgedrückt hat). Seine Autonomie war aber von Rechtswegen von
weitem Umfang. Auf finnischem Staatsgebiete konnte nur fin=
nischc Staatsgewalt den Untertanen und den Behörden des Landes
gegenüber ausgeübt werden, und vor allem war der Grundsatz
geltend, dass die Rechtslage des Landes nicht ohne seine eigene
Zustimmung abgeändert werden konnte.
Das Staatsrecht Finnlands bestand mit Rücksicht auf das Ver=
hältnis zu Russland aus zwei Teilen, einerseits aus dem »äusseren
Ste :tsrecht», das sich eben aus jenem Verhältnis ergab, andercr=
seits aus dem inneren Verfassungsrecht.
Zufolge der Verbindung mit Russland waren einige Bestim=
mungen der alten Grundgesetze (vor allem Bestimmungen, die
sich speziell auf schwedische Verhältnisse bezogen hatten) hinfällig
geworden, andere konnten während der Verbindung nicht zur
Anwendung gebracht werden. Im grossen ganzen aber unterlag
es keinem Zweifel, was zum Verfassungsrecht Finnlands gehörte.
Dies hat allerdings nicht gehindert, dass man von russischer Seite,
sobald die gegen das nationale und staatliche Sonderdascin Finn=
lands gerichtete und auf dessen Entrechtung abzielende Politik
eingesetzt hatte, sowohl das Verhältnis zwischen Finnland und
Russland als auch den Inhalt der finnischen Verfassung falsch
auslegte und entstellte.
Die russischen Übergriffe bilden tatsächlich einen traurigen
Abschnitt in der Geschichte Finnlands. Auf die verschiedenen
Phasen derselben soll aber in diesem Zusammenhang nicht einge=
gangen werden. Es sei hier nur festgestellt, dass das Volk und die
Volksvertretung Finnlands jenen russischen Übergriffen nie eine
rechtsverändernde und recht scufhcbendc Wiil-ur.g ir.bezug au
das finnische Verfassungsrecht zuerkannt haben. So bestand auch
bei dem Durchbruch der russischen Revolution kein Zweifel dar=
über, dass die finnischen Grundgesetze durch widerrechtliche Ver=
fügungen, insb. sog. Reichsgesetze, d. h. russische Gesetze, die
nach der Absicht ihrer Urheber auch für Finnland gelten sollten,
nicht hatten entkräftigt werden können; die Ungültigkeit der letzte^
ren und die Geltung der finnischen Verfassung wurden denn auch
in aller Form anerkannt. Auch die Versclbständigung des Landes
erfolgte auf der Grundlage jener Gesetze, die auch in dem neuen
souveränen finnischen Staate ihre Gültigkeit behielten. Es bestand
allerdings bereits bei diesem Zeitpunkt die Absicht, die alten Grund=
gesetze durch eine neue zeitgemässe Verfassung zu ersetzen, und
zwar dachte man dabei ursprünglich an die Einführung der rcpu=
blikanischen Staatsform. Nach der Niederwerfung des sog. roten
Aufruhres, der über Finnland das Unglück eines Bürgerkrieges
gebracht hatte, wurde der monarchische Gedanke im Landtag von
der Mehrheit der Abgeordneten getragen, es erwies sich aber als
unmöglich, die von der Landtagsordnung für die Dringlichkeits=
erklärung einer Vcrfassungs frage verlangte Fünfsechstelmajorität
zu erhalten, und die endgültige Beschlussfassung über die Vcrfas=
sungsrcvision musste somit bis nach Neuwahlen aufgeschoben wer=
den. Gegenwärtig gibt es zwei »ruhende» Entwürfe zu einer neuen
Verfassung, d. h. Entwürfe, die erst nach Neuwahlen zur cndgü! =
tigen Entscheidung gelangen werden, und zwar sind beide auf
monarchischer Grundlage aufgebaut. Angesichts der jüngsten
Veränderungen der allgemeinen VX'eltlage ist es aber kaum anzu=
nehmen, dass die Monarchie endgültig wiederhergestellt wird.
Der jetzige Verfassungszustand zeichnet sich gewissermassen
durch seinen provisorischen Charakter aus. Die altschwedischen
Grundgesetze, die Regierungsform vom Jahre 1772 und die Verei =
nigungs= und Sicherheitsakte vom Jahre 1789 sind fortwährend
in Geltung, allerdings mit den nicht unbeträchtlichen Verändc^
rungen, die in späteren Zeiten in dieselben eingeführt worden sind.
Die Staatsverfassung ist somit nach wie vor ihrem Wesen nach
monarchisch (auch ein König wurde im Herbst 1918, auf Grund
des § 38 der Regierungsform, gewählt, hat aber nachher auf den
548
Thron verzichtet), die »Krone» hat aber keinen Inhaber, und die
monarchischen Befugnisse werden interimistisch durch einen vom
Landtag gewählten und ermächtigten Rcichsverweser ausgeübt.
Das Interregnum, welches mit der russischen Revolution im März
1917 seinen Anfang nahm, dauert, wenn auch in veränderten For=
mcn, tatsächlich fort.
Angesichts dieses provisorischen Charakters des jetzigen Ver=
fassungszustandcs wird eine ganz kurze Übersicht des jetzigen
finnischen Verfassungsrechtes genügen.
Nach den alten Grundgesetzen vereinigt der König, der In=
haber der sog. »höchsten Gewalt», in sich alle Machtbefugnisse der
Staatsgewalt. »Ihm und keinem anderen», heisst es in der Regie=
rungsform, »steht es zu, das Land zu regieren». Das altschwe=
dische Staatsrecht war aber stets von dem Grundsatz beherrscht,
dass den weiten Zuständigkeiten des Herrschers auch wichtige vcr=
fassungsmässige Pflichten entsprechen. Als oberste Norm ergibt
sich der Grundsatz, dass die Ausübung der königlichen Hoheits=
rechte den Gesetzen gemäss gehandhabt werden soll. Während aber
die alten Grundgesetze teils ein starkes persönliches Hervortreten
der königlichen Gewalt, teils ein mehr vertrauensvolles als norm=
gebundenes Verhältnis zwischen Volk und Regierung voraussetzten,
ist man in den jüngsten Zeiten bestrebt gewesen, eine Ordnung
durchzusetzen, die in dieser Hinsicht von den allgemeinen Prin=
zipien der alten Verfassungsgesetze grundverschieden ist. Durch
einen Zusatz zum § 32 der Landtagsordnung wurde nämlich im
Dezember 1917 eine Verfassungsvorschrift eingeführt, nach welcher
die Mitglieder der Regierung (des Staatsrates) unter Personen zu
erwählen sind, die das Vertrauen des Landtages geniessen; sie
sollen für die allgemeine Politik der Regierung gemeinsam und jeder
einzelne für seine Amtsführung persönlich verantwortlich sein.
Diese Neuerung bezweckt also die Einführung einer streng parla=
mcntarischen Regierung. Die Befugnis des Staatsoberhauptes,
seine Minister nach freiem Ermessen zu wählen, wird hierdurch
in eingreifender Weise beeinträchtigt.
Von grundsätzlicher Bedeutung ist ferner der Umstand, dass
die Zusammenberufung des Landtages nicht länger ein Prärogativ
des Monarchen ist; der Reichstag soll jährlich ohne besondere
Einberufung zusammentreten. Noch mehr abe rals ausdrückliche
Verfassungsänderungen haben die tatsächlichen Ereignisse dazu
beigetragen, das Übergewicht der staatlichen Herrschaft auf die
Volksvertretung übergehen zu lassen.
Auch bei diesen Beschränkungen der monarchischen Gewalt
sind dem Inhaber der monarchischen Gewalt wichtige Befugnisse
verblieben. Mit Rücksicht auf den jetzigen provisorischen Verfas=
sungszustand ist aber zu bemerken, dass diejenigen Befugnisse,
die früher dem Kaiser und Grossfürsten zukamen, nicht in ihrem
ganzen Umfang auf den Reichsverweser übergegangen sind; viel=
mehr sind sie (gemäss einer schon im September 1917 vorgenomme=
ncn Erweiterung der Befugnisse des Senates) zwischen ihm und
dem Staatsrate geteilt. Auf die Einzelheiten dieser Regelung kann
hier nicht eingegangen werden. Heutzutage werden gewöhnlich
der Rcichsverweser und der Staatsrat unter der Kollektivbczeich=
nung »Regierung» zusammengefasst.
Nach geltendem Rechte steht dem Staatschef das Recht zu,
Krieg zu erklären und die auswärtigen Beziehungen des Staates
allein zu besorgen. In dem Verordnungsrecht besitzt die Rc=
gierung eine sehr umfangreiche Befugnis, auf gewissen Gebieten
ohne Zustimmung des Landtages Rechtsvorschriften zu erlassen.
Solange die Zuständigkeit des Landtages auf dem staatsfinanziel=
len Gebiete noch nicht zu einem vollständigen Budgetrecht ausgc=
bildet ist, steht ihr ein prinzipiell sehr weitgehendes Recht zu, ohne
Mitwirkung der Volksvertretung über die Anwendung der sog.
ordentlichen Staatseinnahmen zu beschlicssen.
Ferner kommt es dem Monarchen (bezw. der Regierung) zu,
die Staatsverwaltung zu leiten, nötige Behörden und Amtsstellen
einzurichten, die Etats derselben festzustellen, die Kompctenz=
bcdingungen für den Staatsdienst zu bestimmen sowie die höchsten
Staatsämter zu besetzen, den Gang der Verwaltung zu überwachen,
als oberster Kriegsherr für die Verteidigung des Landes zu sorgen,
das Begnadigungs= und Abolitionsrecht auszuüben, Ausländer in
den finnischen Staatsverband aufzunehmen usw.
Es besteht in Finnland keine Ministerregierung in dem Sinne,
dass die Verfassung selbst gewissen Ministerien oder einem Gesamt=
ministerium bestimmte selbständige Funktionen zugewiesen hätte.
Grundsätzlich kann der Monarch jede beliebige Angelegenheit
sich zur persönlichen Entscheidung vorbehalten. Im Verordnungs=
wege aber hat dem Senate (Staatsrat) auf diesem Gebiete eine
ziemlich weitgehende Zuständigkeit zugewiesen werden können.
Die oberste Regierungsbehörde Finnlands, die bis Ende No=
vember 1918 den Namen »Senati> getragen hat, nunmehr aber als
Staatsrat bezeichnet wird, entspricht einem modernen Ministers
kabinctt, obgleich in seiner Organisation und Tätigkeit mehrere
Besonderheiten vorkommen. Da der Senat im )ahre 1809 (zuerst
unter dem Namen eines Regicrungskonseils) eingerichtet wurde,
wird er in seiner jetzigen Gestalt gar nicht in den altschwedischen
Grundgesetzen erwähnt, sondern erst in den neueren Verfassungs=
gesetzen, insb. in der Landtagsordnung, als vorhanden vorausge=
setzt. Daher sind auch nur die Hauptzüge seiner Organisation als
verfassungsmässig bestehend anzusehen, während die Einzelhei=
ten derselben sowie seine Betätigungsformen im Verordnungswege
geregelt worden sind.
Nachdem das frühere sog. Justizdepartement des Senates,
dessen Funktionen im wesentlichen denjenigen eines höchsten
Gerichtshofes entsprachen, durch Gesetz vom 22. Juli 1918 zu ci=
nem besonderen höchsten Gericht mit unabsetzlichen Mitgliedern
umgebildet und zugleich die Rechtsprechung in Verwaltungsange=
legenheiten einem besonderen höchsten Verwaltungsgericht über=
tragen worden ist (Gesetz vom 22. Juli 1918), sind dem jetzigen
Staatsrat lediglich die Aufgaben der Regierung und der Leitung
der Verwaltungstätigkeit verblieben.
Die Struktur des Staatsrates ist von dem Kollegialitätsprinzip
beherrscht, indessen ist im Laufe der Zeiten die kollegiale Geschäfts=
behandlung und Beschlussfassung in ausgedehntem Umfang durch
die schnellere und weniger weitläufige Erledigung durch di.e (früher
als Expeditionen bezeichneten) Ministerien ersetzt worden; die den
Fachministerien eingeräumte Zuständigkeit hat die Aufgaben
des »Gesamtministeriums» eingeschränkt. Demgemäss enthält
das Reglement des Senates (Staatsrates) teils ein allgemeines Ver=
zeichnis über diejenigen Angelegenheiten, die von den verschiedenen
Ministerien erledigt werden, teils für jedes einzelne Ministerium
ein besonderes Verzeichnis derjenigen zu seinem Ressort gehören=
den Geschäfte, die dieses selbständig und zwar mit der Wirkung,
als wäre der Beschluss vom Staatsrat selbst getroffen worden, zu
behandeln hat.
Der Staatsrat behandelt die ihm zukommenden Angelegenheiten
entweder in »allgemeinen Sitzungen» unter Teilnahme sämtlicher
Mitglieder, oder in zwei verschiedene Divisionen verteilt, welche
ihre Beschlüsse mit derselben Kraft und Wirkung wie der Senat
selbst zu fassen hat; gcv^isse Fragen müssen jedoch in Vollsitzungen
entschieden werden.
An der Spitze der Regierung steht gegenwärtig der vom Landtag
gewählte Reichsverweser als interimistisches Staatsoberhaupt. Der
Vorsitz im Staatsrate wird vom Ministerpräsidenten geführt, der
nicht zugleich Rcssortchef ist.
Die .Angelegenheiten, welche dem Staatsrat zur Beratung oder
Beschlussfassung vorliegen, werden in den zuständigen Ministerien
vorbereitet. Gegenwärtig bestehen Ministerien, welche jedes ci=
ncm Minister als Ressortchef unterstehen, für folgende VcrwaU
tungszweige: auswärtige Angelegenheiten, Justiz, Inneres, Mili»
tärwcscn, Finanzen, Kultus und Unterricht, Landwirtschaft, Kom=
munikationen und öffentliche Bauten, Handel und Industrie, so=
ziale Angelegenheiten, Volksvcrpflegung. Die Kanzlei des Staats»
rates ist dem Staatsministcr unmittelbar untergeordnet und in
gewissen Hinsichten den Ressortministerien gleichgestellt.
Die Geschäfte, welche im Staatsrat behandelt werden, sollen
von dem zuständigen Ministerium vorbereitet und von dem vor=
tragenden Sekretär vorgetragen werden.
Dem Justizkanzler (früher Prokurator genannt), der dem Staats=
rat zur Seite steht, liegt es ob, die Aufsicht darüber auszuüben,
dass die Behörden die Gesetze und sonstige Vorschriften befolgen.
Ihm sind alle öffentlichen Anwälte untergeordnet. Seine Auf=
Sichtsbefugnisse erstrecken sich auch auf den Staatsrat, indem er
darüber zu wachen hat, dass dieser keine gesetzwidrigen Amts=
handlungen sich zu Schulden kommen lässt. Sollte dies eintreffen,
so hat der Justizkanzler Einspruch dagegen zu erheben, an den
Beschlüssen der Regierung ist er aber nicht beteiligt.
Eine der grössten Schwächen des finnischen Verfassungsrechtes
bestand bis vor kurzem in dem Mangel der staatsrechtlichen Mi=
nisterverantwortlichkeit. Diesem Mangel ist erst durch ein Gesetz
vom 17. Juni 1918 abgeholfen worden, ihm zufolge steht es dem
Landtag zu, die Mitglieder des Staatsrates und den Justizkanzlcr
wegen rechtswidriger Amtshandlungen zur Verantwortung zu
ziehen. Wird gegen einen Minister oder den Justizkanzler die An=
merkung wegen eines solchen Vorgehens erhoben, so wird sie im
Verfassungsausschuss behandelt, der dem Landtag ein Gutachten
darüber zu erstatten hat, ob die betreffende Person sich eine Rechts=
Widrigkeit hat zu Schulden kommen lassen. Darauf liegt es an der
Kammer, zu beschliessen, entweder dass der Minister bezw. der
Justizkanzlcr gerichtlich verfolgt werden oder aber dass die Sache
keine weiteren Schritte veranlassen soll. — Wird die Erhebung einer
Anklage beschlossen, so findet das gerichtliche Verfahren vor
einem besonderen Staatsgerichtshof statt; dieser besteht aus 6
hohen juristischen Beamten und 6 vom Landtag durch proportio=
nale Wahlen erwählten Mitgliedern Der Vorsitz wird vom Präsi=
denten des höchsten Gerichtes geführt. Der Staatsanwalt, der die
Anklage führt, wird vom Verfassungsausschuss bestimmt. Nach
beendigter Untersuchung fällt das Gericht sein Urteil nach allgc=
meinem Gesetz. Die Begnadigung ist statthaft nur, wenn sie von dem
Gerichtshof selbst in Vorschlag gebracht wird.
Von der politischen Verantwortlichkeit der Regierung vor dem
Landtag ist oben die Rede gewesen.
Sämtliche Verwaltungsbehörden sind dem Staatsrat unter=
geordnet. Diese Behörden sind teils für die verschiedenen
Zweige der Verwaltung errichtete Zentralbehörden, denen auf
manchen Gebieten lokale Behörden und Beamte unterstehen, teils
Organe der allgemeinen Provinzialverwaltung nebst den ihnen
untergeordneten Behörden.
Unter den zentralen Behörden, die meistens Ober= oder Gene=
raldirektionen genannt werden, sind einige als Bureaus organisiert,
in welchen das Recht der Beschlussfassung dem Chef allein zukommt,
andere sind Kollegien, die aus einem Generaldirektor und zwei
oder mehreren Räten bestehen.
Das Land ist in neun Provinzen eingeteilt; an der Spitze der
Provinzialverwaltung steht der »Landeshauptmann», der allein die
Beschlüsse und Entscheidungen trifft.
Die auf den Staatsdienst überhaupt und auf die Rechtsverhält=
nissc der Beamten bezüglichen Rechtsregeln sind zum Teil in den
Grundgesetzen (oder in den Standesprivilegien), überwiegend aber
in gewöhnlichen Gesetzen oder Verordnungen enthalten oder auch
beruhen sie auf Gewohnheitsrecht und Praxis. Ein besonderes
Gesetz über die Verhältnisse der Staatsdiener gibt es nicht. In
dieser Darstellung soll auf die hierauf bezüglichen Fragen oder auf
die Einzelheiten der staatlichen, kommunalen und kirchlichen Ver=
waltung nicht näher eingegangen werden.
Seit alters gilt der Grundsatz, dass die Rechtsprechung von
besonderen, unabhängigen Gerichten auszuüben ist. Weder die
Regierung noch die Volksvertretung darf sich in die Ausübung der
richterlichen Funktionen einmischen. Die Unabsetzbarkeit der
Richter ist grundgesetzMch gewährleistet; die Bestellung von aus=
serordentlichen und gelegentlichen Gerichten ist verboten.
Als Gerichte erster Instanz fungieren in den Städten das Rat=
hausgericht, auf dem Lande das Kreisgericht, als Gerichte zweiter
Instanz die drei Hofgerichte; die oberste Rechtsprechung steht
dem höchsten Gerichtshof zu, während die Verwaltungsgcrichts=
barkeit in oberster Instanz einem höchsten Verwaltungsgericht
übertragen ist. Die beiden Landessprachen, Finnisch und Schwe=
disch, sind als Gerichts=, Verwaltungs= und Unterrichtssprachen
grundsätzlich gleichgeordnet, obgleich die weitaus allgemeinere
Anwendung der finnischen Sprache (die von ca. 87 % der BevöU
kerung als Muttersprache gesprochen wird) ihr ein tatsächliches
Übergewicht zusichert, ober die Anwendung der beiden Sprachen
bei Gerichten und Behörden gilt eine Verordnung vom J. 1902.
Nach ihr richtet sich die Amtssprache einer Behörde nach der
Kommunalsprache desjenigen Kreises, der diese Behörde vcr=
waltet. Falls von den betreffenden Gemeinden einige die finnische,
andere die schwedische Sprache als Amtssprache benutzen, so ist
die Sprache der Mehrzahl massgebend, eine einzelne Gemeinde,
die zur Minorität gehört, sowie der Angehörige einer solcher Ge=
meinde soll jedoch Urkunden in der Sprache dieser Gemeinde
erhalten. Unabhängig hiervon kann aber jedermann im ganzen
Lande amtliche Urkunden in derjenigen Landessprache verlangen,
die er selber wünscht.
Die altschwedischen Grundgesetze setzen einen in vier Stände
gegliederten Reichstag voraus, der an der ordentlichen Gesetzge=
bung und der Besteuerung beteiligt ist, enthalten aber nur spär=
liehe Vorschriften über seine Organisation und Betätigungsformen,
die hauptsächlich durch Herkommen und besondere Bestimmun=
gen geregelt waren. Eine bedeutsame Neuerung fand bereits durch
die Landtagsordnung vom J. 1869 statt, der indessen noch die
Gliederung in vier Stände zu Grunde lag. Darin trat der Gedanke
eines das gesamte Volk vertretenden Parlamentes in viel ausgeprägt
tcrcr Form hervor als früher. Die neue Landtagsordnung vom
J. 1906, welche nebst dem dazu gehörenden Wahlgesetz in einer
besonderen Darstellung erörtert wird, hat das jetzige auf radikal
demokratischer Grundlage aufgebaute Einkammersystem eingeführt.
Was die allgemeine Zuständigkeit des Landtages betrifft, ist er zu=
nächst an der Gesetzgebung in der Weise beteiligt, dass kein
Gesetz zustande kommen kann, ohne von dem Landtag angenommen
und von dem Inhaber der monarchischen Gewalt bestätigt worden zu
sein. Für Verfassungsänderungen bestehen erschwerende Formen.
Der ordentlichen Gesetzgebung unterliegt aber nicht das Gesamt=
gebiet der Rechtsordnung, manche Teile derselben werden ohne
Mitwirkung der Volksvertretung im Verordnungswege geregelt.
Die Grenzen zwischen der ordentlichen Gesetzgebung und dem
Verordnungsrecht sind im allgemeinen nicht durch genaue positive
Vorschriften, sondern hauptsächlich durch Gewohnheitsrecht be=
stimmt. Es versteht sich von selbst, dass, wenn auf einem Gebiete,
das ursprünglich dem Verordnungsrechte unterlag, ein Gesetz
zustande gekommen ist, es auch fernerhin nur im Wege der Gc=
setzgebung behandelt werden kann. Allmählich wird denn auch
der Bereich der allgemeinen Gesetzgebung erweitert, um so mehr
als dem Landtage vor kurzem ein unbeschränktes Recht der Gesetz=
gebungsinitiativc zugestanden worden ist.
Nach den alten Verfassungsgesetzen soll der Herrscher eigcnt=
lieh berechtigt sein, über die Anwendung der sog. ordentlichen
Staatseinnahmen zu Nutz und Frommen des Landes allein zu ver=
fügen, v:obci der Staatshaushalt gemäss einem jährlichen Haus=
haltungsplan zu führen ist, der vom Monarchen festgesetzt wird.
Als ordentliche Einnahmen werden die gegebenen, d. h. ohne
besondere Bewilligung seitens des Landtages einfliessenden Ein=
nahmen bezeichnet. Das Schwergewicht der Beteilung der Volks=
Vertretung an der Führung des Staatsverhaltes hat dabei natürlich
in ihrem Steucrbewilligungsrecht gelegen. Ohne »Wissen, freien
Willen und Zustimmung der Stände», heisst es in der Regierungs=
form, »können keine neuen Steuern oder allgemeine Lasten den
Untertanen aufgelegt werden». (Hiervon haben indessen aus vcr=
schiedenen Gründen die Zölle sowie auch gewisse Kricgsstcuern
bisher eine Ausnahme gebildet.) Staatsanleihen dürfen nicht ohne
Zustimmung der Volksvertretung aufgenommen werden.
Die Aufrechterhaltung jenes Unterschiedes in dem Verfü=
gungsrecht zwischen den ordentlichen Staatseinnahmen (die aus
den festen Steuern, aus dem Vermögen und den gcwinnbrin=
genden Unternehmungen des Staates sich ergeben) einerseits und
den Bewilligungen des Landtages andererseits hat sich natürlich
schon längst als unhaltbar erwiesen. Wenn auch formell noch die
Regel besteht, dass die Ausgaben des Staates soweit wie möglich aus
den ordentlichen Einnahmen zu bestreiten sind, so sind Bevx/illi =
gungen (d. h. ausserordentliche Steuern, die vom Reichstag auf be=
grenzte Zeit angewiesen werden) schon längst unerlässlich geworden.
Mit Rücksicht hierauf sowie auf die Schwierigkeit, zwischen den
»ordentlichen Einnahmen» und den »zur Verfügung des Land=
tages stehenden Staatsgeldern» eine feste Grenze zu ziehen, und
schliesslich mit Rücksicht auf die diesbezüglichen Bestimmungen
der Landtagsordnung, welche eine Prüfung der gesamten Aus=
gaben des Staates seitens der Volksvertretung voraussetzen, um
ihm die zur richtigen Ausübung seines Bewilligungsrechtes erfor=
derlrchen Grundlagen zu liefern, ist jener Dualismus in der
Finanzverwaltung als veraltet und unbegründet zu bezeichnen.
Tatsächlich ist denn auch der Landtag eigentlich schon jetzt an
dieser staatlichen Funktion in weitem Umfang beteiligt, bis diese
Verhältnisse durch die neue Verfassung, die über kurz oder lang
zustande kommen muss, oder schon vorher durch ein SpcziaU
gesetz endgültig geregelt werden '). Von einer eingehenderen Dar=
Stellung dieses ziemlich verwickelten Rechtsgebietes kann hier
abgesehen werden, da die jetzigen Grundsätze schon in der aller=
nächsten Zeit zur Vergangenheit gehören werden.
Das Finanzvermögen und die geschäftlichen Unternehmungen
des Staates bestehen aus dem Grundstock des Fiskus, den verschie=
denen Staatsfonds, den Staatseisenbahnen und der Reichsbank, welche
laut Verfassungsbestimmungen unter der Garantie und Aufsicht
des Landtages steht. Im Rahmen eines Rcglcmcntes, welches
im Wege der Gesetzgebung zustande kommt, erteilt die Kammer
Instruktionen an die von ihr gewählten Bankbevollmächtigten.
Da der Organisation der Wehrmacht Finnlands eine besondere
Darstellung gewidmet wird, sei hier nur erwähnt, dass das Wehr=
pflichtgesetz vom 27. Dezember 1878, welches im Jahre 1901 von
den russischen Gewalthabern in rechtswidriger Weise für aufge=
hoben erklärt wurde, im Jahre 1918, als zu Recht noch bestehend,
in gewissen Hinsichten modifiziert, wieder zur Anwendung gebracht
') Tatsächlich liegt bereits ein vom Landtag angenommener Vor=
schlag eines speziellen Verfassungsgesetzes vor, nach welchem die Zuständig»
keiten der Volksvertretung nach modernen budgetrechtlichen Grundsätzen
erweitert werden sollen, ohne jedoch eine ungestörte Führung des Staats«
haushaltes zu gefährden. Die Sanktion des Gesetzes ist wahrscheinlich
demnächst zu erwarten.
556
wurde. Ein neues VX'chrpflichtgcsctz, welches sich als provisorisch
bezeichnet, ist im Anfang dieses Jahres {1919) vom Landtag angc=
nommcn und am 8. Februar erlassen worden. Von einer Erörte=
rung seines Inhaltes wird hier aus oben dem erwähnten Grunde abge=
sehen, ober die Organisation und die Aufgaben der aus Frei=
willigen bestehenden Schutzkorps, die im Freiheitskampfe Finn=
lands eine ausserordentlich grosse Bedeutung gehabt und sich
zu einer äusserst wertvollen Stütze der gesetzlichen Ordnung
entwickelt haben, besteht eine Verordnung vom 14. Februar 1919.
Die alten Grundgesetze enthalten kein systematisches Verzeichnis
der allgemeinen staa tsbürgerlich en Rechte. Abgesehen da=
von, dass die Freiheit der Person, das Recht sich im Lande aufzu=
halten, der Anspruch auf Rechtsschutz und das sog. Petitionsrecht
jedem Staatsbürger zustehen, sind besondere Grundrechte durch
Verfassungsvorschriften gewährleistet. Der Schutz gegen will=
kürliche Eingriffe der Staatsgewalt, insb. gegen willkürliche Ver=
haftungen, die Freiheit des Eigentums und der Genuss der erworbe=
nen Rechte, die Gleichstellung Aller vor dem Gesetz sind ausdrück=
lieh anerkannt. Durch ein besonderes Verfassungsgesetz vom 20.
August 1906 sind die Freiheit der Meinungsäusserung sowie die
Versammlungs= und die Vereinsfreiheit als allgemeine bürger=
liehe Rechte proklamiert und somit die teilweise Rechtsunsichcr=
heit, die auf diesen Gebieten früher vorhanden war, recht=
lieh ausgeschlossen worden. Die somit ausgesprochenen allgemeinen
Rechtsgrundsätze sollten durch besondere Gesetze entwickelt und
inbezug auf ihre Anwendung bestimmt werden; indessen wurde
zunächst nur das Versammlungsrecht durch ein seinem Inhalt nach
sehr freiheitliches Gesetz vom Jahre 1 907 näher geregelt, während
die Ausarbeitung und der Erlass eines Pressfreiheitsgesetzes und
eines Vereinsgeselzes zufolge des verworrenen Verfassungszustandes
jahrelang verschoben wurde. Erstam4. Januar 1919 haben ein neues
Pressfreiheitsgesetz und ein Vereinsgesetz, welche beide von einem
sehr fortschrittlichen Geist gekennzeichnet sind, erlassen werden
können.
Hinsichtlich der Gewissen s= bezw. Glaubensfreiheit ist
die Gesetzgebung noch mangelhaft. Ein Gesetz, das die allgemeine
Religionsfreiheit einführt und näher regelt, steht in Aussicht. — Vor=
läufig besteht ein beträchtlicher Unterschied zwischen den verschie=
denen Konfessionen inbezug auf ihr Verhältnis zu dem Staate. Die
evangclisch=lutherische Kirche nimmt nach wie vor die Stellung
einer bevorzugten allgemeinen Volks» oder sogar Staatskirche,
allerdings mit weit ausgedehntem Selbstvcrwaltungsrccht, ein;
durch das Organ der kirchlichen Generalversammlung ist sie an
jedem Gesetzgebungsakt beteiligt, der eine Veränderung des Kirchen«
gesetzes (das die Rechtsordnung der evangelisch=lutherischen Kirche
enthält) bezweckt, und hat auf diesem Gebiete das ausschliessliche
Recht der Initiative. — Die Rechtslage dieser Kirche und seiner
Priester ist auch durch die Privilegien des geistlichen Standes ge=
sichert.
Die griechisch=orthodoxe Kirche hat während der Verbindung mit
Russland besondere Vorrechte gcnosscn;da einige zehntausend Staats=
bürgcr diesem Glaubensbekenntnis zugehören, erfordern ihre Rcchts=
Verhältnisse besondere Berücksichtigung und sind denn auch durch
das Kirchengesetz vom 26. November 1918 geregelt worden. — Auch
die Angehörigen anderer christlichen Konfessionen gcnicssen volle
bürgerliche Rechte. Durch ein am 12. Januar 1918 ergangenes
Gesetz ist auch den mosaischen Glaubensgenossen, die früher,
zufolge der Abhängigkeit Finnlands von Russland, eine unvorteiU
hafte Ausnahmestellung einnahmen, die Gelegenheit eröffnet worden,
volle bürgerliche Rechte in Finnland zu erwerben, Staatsämter zu
bekleiden und Gemeinden zu bilden.
Die Religionsfreiheit ist somit bereits so gut wie vollständig
durchgeführt, es fehlt aber noch ein allgemeines Gesetz, welches
manche Einzelheiten auf diesem Gebiete zu regeln hat. Bis ein
solches Gesetz zustande kommt, ist die Regierung durch ein Ge=
setz vom 14. August 1918 ermächtigt worden, gewisse Vorschrif=
tcn zu erlassen inbezug auf die Bildung von neuen Glaubensge=
meinschaftcn.
Im Zusammenhang mit den allgemeinen Rechten der Bürger seien
noch die Standesvorrechte mit einigen Worten erwähnt. Im
Laufe der Zeiten haben diese, zufolge der veränderten gesellschaft=
liehen Zustände, teils ihre Bedeutung eingebüsst, teils ihren ur=
sprünglichen Charakter verändert. So haben die Privilegien des
geistlichen Standes wesentlich den Zweck, die Interessen der evan =
gelisch=lutherischen Kirche zu fördern und den Geistlichen gewisse
Vorteile zuzusichern. Die Privilegien der Bürgerschaft enthalten
Bestimmungen, die für die Städte als öffentlich-rechtliche Ver=
55«
bände von grosser Bedeutung sind, diejenigen der Bauern und der
ländlichen Bevölkerung sind nunmehr nicht als »Standesvorrechte»,
sondern als Bestandteile der allgemeinen Gesetzgebung über die
mit dem ländlichen Giundbesitz verbundenen Rechte und Ptlich=
ten zu betr?chtc.i. Was schliesslich die früher so bedeutsamen
Privilegien der Ritterschaft und des Adels betrifft, so sind sie ent=
weder aufgehoben oder sonst durch die Entvjcicklung so gut vwic
vollständig überholt worden. Nach der jetzt geltenden »Ritter»
hausordnung» vom 22. November 1918 tritt dieser ehemalige Rtichs=
stand als Korporation hauptsächlich nur zu dem Zwecke zu Tagun=
gen zusammen, um gewisse gemeinsame finanzielle Interessen zu
besorgen.
Nach den jetzt «ruhenden» Verfassungs vorlagen würden die
Befugnisse des Monarchen beträchtlich beschränkt sein. So sollte
ihm auf dem Gebiet der ordentlichen Gesetzgebung lediglich ein
suspensives Veto mit erschwerenden Wirkungen zustehen. Die
Kriegserklärung soll von der Zustimmung des Reichstages (wie
der jetzige Landtag genannt werden soll) abhängig sein. Auch
durch verschiedene andere Bestimmungen würden die bisherigen
Zuständigkeiten des Herrschers bedeutend abgeschwächt werden.
Anderseits würden dem König nach wie vor sehr wichtige Be=
fugnisse zustehen: das Recht das Reich zu regieren, den Oberbe =
fehl der Armee zu führen, das Begnadigungsrecht auszuüben usw
Änderungen des Verfassungsrechts oder jedenfalls der Regierungs =
form (der eigentlichen Verfassungsurkunde) sollten nicht ohne
königliche Sanktion zustande kommen können. — Der Staatsrat,
dessen Mitglieder dem König und dem Reichstag vcrantwort =
lieh sind, soll auch fernerhin ein Kollegium bilden, dessen Votum
der König in allen wichtigen Fragen einzuholen hat.
Die Befugnisse des Reichstages sollen insb. auf dem Gebiete des
Staatshaushaltes beträchtlich erweitert werden, jedoch nach Mass =
gäbe des Grundsatzes, dass Steuern oder andere Einnahmen, die
nach geltenden Gesetzen und Verordnungen zu erheben sind, in
das jährliche Budget unbedingt einzuführen sowie dass Staatsaus =
gaben, die sich auf eine Verpflichtung des Staates gründen oder
gemäss besonderen Bestimmungen zu zahlen sind, in dem Budget
beobachtet werden müssen.
Im grossen ganzen bezeichnen die ruhenden Verfassungsvor=
lagen eine gesunde Entwicklung und Fortsetzung der bisherigen
Verfassungsentwicklung. Die veränderte Weltlage dürfte aber auch
in Finnland die Rückwirkung hervorbringen, dass die Monarchie,
obgleich ihre Wiederbelebung grundsätzlich beschlossen worden
ist, einer ohne Zweifel von der Mehrzahl des finnischen Volkes
verlangten republikanischen Verfassung wird weichen müssen.
Jedenfalls wird die Verfassungsfrage von dem am i. April 1919
zusammentretenden Landtage behandelt und vielleicht auch ent=
schieden werden, obgleich es vorläufig noch zweifelhaft erscheint,
ob die verschiedenen Parteien sich dahin werden verständigen
können, dass diese Hauptfrage der staatlichen Organisation zu einer
befriedigenden Lösung gebracht werden kann.
Nachtrag.
Die neue Regicrungsform Finnlands.
Am ZI. Juri 1919 nahm die Volksvertretung eine neue Regie=
rungsform für Finnland an, und am 17. Juli wurde dieselbe vom
Reichsverweser bestätigt. Es hat damit die lange schwebende Frage
einer Revision der Staatsverfassung Finnlands ihre Lösung gefun=
den. Während die Landtagsordnung von 1906 in der Hauptsache
unverändert aufrechterhalten wurde, haben die alten Grundgesetze
aus schwedischer Zeit, die Regierungsform von 1772 und die Ver=
cinigungs= und Sicherheitsakte von 1789 einer durchaus moder=
nen, republikanischen Verfassung Platz gemacht.
Eine allgemeine Verfassungsurkundc im strengsten Sinne des
Wortes soll jedoch die »Regierungsform» weder jetzt noch in Zu=
kunft darstellen. In Finnland ist, wie auch in Schweden, der Grund=
satz, dass alles, was faktisch Verfassungsrecht ist, in einem Gesetz
von grundlegendem Charakter Aufnahme findet, nicht zur Anwcn=
düng gekommen. Ganz abgesehen davon, dass ein beträchtlicher
Teil dieser Rechtssphäre gewohnheitsmässiges Recht gewesen oder
durch gewöhnliche Gesetze geregelt ist, sind Grund= oder Verfas=
sungsgesetze, denen anderen Gesetzen gegenüber eine gesteigerte
formelle Rechtskraft zukommt, von jeher mehrere vorhanden gc=
Wesen, und so bleibt es auch nach der Ausfertigung der neuen RF,
560
wobei diese natürlicherweise die Stelliing und Bedeutung des er=
stcn und wichtigsten Grundgesetzes hat.
Es ist für den modernen Staat charaktcrististisch, dass die Staats=
gewalt als vom Volke ausgehend oder auf dem Volk beruhend
anerkannt wird. Ganz besonders gilt dies von dem republikanischen
Volksstaat, da ja in dessen Organismus niemand ist, der die öffent=
liehe Gewalt kraft eines selbständigen und angeborenen Rechtes
.ausübte. In § 2 der RF wird dieser Gedanke in der Fassung aus=
gesprochen, dass die Staatsgewalt dem Volk gehört.
Das demokratische Prinzip, das zuerst für die Organisation der
Volksvertretung in der Landtagsordnung von 1906 verwirklicht
wurde und das infolge der Aufrichtung eines selbständigen Finn=
lands eine festere Grundlage und Basis erhielt, da der Einfluss
einer fremden, der russischen Macht bei den Angelegenheiten Finn=
lands eliminiert wurde, kommt nach dem Inkrafttreten der neuen
RF effektiver zum Ausdruck.
Diese Volksherrschaft ist nicht von unmittelbarer Art
in dem Sinne, dass die politisch vollberechtigten Mitbürger, wie es
sich nach mehreren modernen Verfassungen verhält, direkt, durch
Volksabstirrimung, bezw. Volksentscheid, in Staatsangelegenheiten
beschlicsscn, sondern über die Leitung der Staatsangelegenheiten,
besonders über die Gesetzgebung und die Besteuerung beschliesst
seitens des Volkes der Reichstag.
In bestimmtester Form ist dagegen der sog. Parlamentarismus
in der neuen RF und auch schon unabhängig von dieser vcrwirk=
licht, indem bereits 1917 in die Landtagsordnung eine Bestimmung
eingeführt wurde, laut welcher die Mitglieder der Regierung, die
aus Personen, die das Vertrauen der Volksvertretung geniessen, er=
nannt werden sollen, dieser alle gemeinsam für die allgemeine
Politik der Regierung und einzeln für ihre eigenen Amtshandlungen
verantwortlich sind.
Die demokratische, parlamentarische Republik — das ist die
allgemeine Formel, nach welcher die neue RF ausgearbeitet ist.
Im folgenden wollen wir einen kurzen öberblick ihres Hauptinhalt
tes geben, und zwar besonders insofern, als sie von dem früheren
Verfassungsrecht abweicht.
Unter den Staatsorganen ist jetzt die Volksvertretung,
der Reichstag, dessen Organisation unverändert geblieben, dessen
Kompetenz aber merkbar erweitert worden ist, deutlich in den Vor=
dergrund getreten, doch besagt dies natürlich nicht, dass sie allein
561 36
die Staatsgewalt ausübte. Die höchste vollziihende Gewalt (die
Regierungsgewalt) ist dem Präsidenten der Republik anvertraut,
und die richterliche Gewalt wird von unabhängigen Gerichtshöfen
ausgeübt.
Der Präsident, der vom finnischen Volk durch dreihundert
Wahlmänner (die erste Wahl ist kraft einer Sonderbestimmung von
der Volksvertretung ausgeführt) für sechs Jahre gewählt wird,
hat nach der RF ziemlich ausgedehnte Befugnisse. Es liegt ihm ob,
neue Gesetze zu bestätigen, er eriässt ohne Mitwirkung der
Repräsentation im Verordnungswege Rechtsvorschriften in solchen
Angelegenheiten, die auch früher auf dem Verwaltungswege gere=
gelt worden sind, er kann die Volksvertretung auflösen und neue
Wahlen anordnen, wenn er erachtet, dass es durch den Vorteil des
Landes geboten ist, er bestimmt die Beziehungen Finnlands zu den
auswärtigen Mächten, er ist der höchste Befehlshaber der Armee
Finnlands, er ernennt die meisten höchsten Beamten, er kann das
Begnadigungsrecht ausüben usw. Die Mitglieder des Staatsrates
oder die Minister beruft der Präsident In die Regierung; seine Bc=
Schlüsse hat er im Staatsrat zu fassen, wo er auch, wenn er anwesend
ist, die Behandlung der Geschäfte leitet.
Da der Inhaber des Präsidentenamtes durch Volkswahlen eingc=
setzt wird, da seine Amtsdauer kurz Ist und da selbstverständlich
das Streben dahin geht, immer eine ihrer Aufgabe gewachsene Pcr=
sönlichkeit zum Präsidenten auszuersehen, ist es durchaus am Plat=
ze, dass er sowohl formalrechtlich als faktisch eine recht weitgehende
Kompetenz hat. Er muss z. B. wirklich sein Auflösungsrecht
sowie n der Gesetzgebung sein Vetorecht anwenden können, wenn
er dafür hält, dass das wahre Interesse des Volkes und des Staates
Anlass dazu gibt. Wenn die moderne Verfassung dem Staatsober=
haupt eine Befugnis überträgt, ist der Sinn ohne Zweifel, dass er
sie, wo erforderlich, auch soll anwenden können. Kurz ausgedrückt
kann man sagen, dass sich die selbständige Kompetenz des Präsi=
denten in Finnland so weit erstrecken soll, als es im Rahmen eines
vernünftigen parlamentarischen Regierungssystems möglich ist.
Die eigentliche Gesetzgebung übt die Volksvertretung gcmein=
schaftlich mit dem Präsidenten der Republik aus, welcher sein Ve=
torecht anwenden und einem von der Volksvertretung angenomme=
nen Gesetz die Bestätigung verweigern kann. Nimmt der Reichstag
na h neuen Wahlen durch Mchrhcl sbcschluss einen Gesetzent=
wurf unverändert an, so tritt derselbe dcch auch ohne Bcstäti=
?62
gung in Kraft. Die Teilnahme des Piäsidenten a i der Gesetz=
gebung besteht also obgleich es als Bestätigung bezeichnet wird,
faktisch nur in einem suspensiven Veto.
Für seine Amts= oder Regierungshandlungen ist der Präsident
insofern unverantwortlich, als er nur wegen Hochverrats oder Lan=
desverrats unter Anklage gestellt werden kann, deren Erhebung der
Reichstag mit ^ .1 der abgegebenen Stimmen beschliesst und die der
lustizkanzler beim Höchsten Gerichtshof führt.
über den Staatsrat enthält die RF nur einige grundlegende
Bestimmungen. Die Zahl und der allgemeine Geschäftskreis der
Ministerien sollen später durch Gesetz, die Verteilung der Aufgaben
und die Einzelheiten der Organisation durch Verordnung fest=
gestellt werden.
Das Kollegialitätsprinzip ist auch weiterhin im Bau des Staats=
rates beibehalten worden. Die seiner Kompetenz unterliegenden
Angelegenheiten werden in Plenarsitzungen behandelt, soweit
nicht Sachen von gewisser Beschaffenheit durch Verordnung der
Entscheidung des als Chef eines Ministeriums fungierenden Minis=
ters überlassen sind. Der Präsident fasst seine Beschlüsse im Staats=
rat auf den Vortrag desjenigen Ministers, dessen Ressort die betref=
fende Sache angehört. Der Beschluss ist von dem Präsidenten zu
unterzeichnen und von dem Minister, der die Sache vorgetragen hat,
zu kontrasignicren. ober den Vortrag von Angelegenheiten, die
sich auf den militärischen Oberbefehl oder auf Ernennungen in=
ncrhalb des Militärs beziehen, besteht eine besondere Verordnung.
Die rechtliche Verantwortlichkeit der öffentlichen Behör=
den, im besondern auch der höchsten Behörden, ist ein Eckstein je=
des Rechtsstaates. Demgcmäss enthält auch die RF wichtige Vor=
Schriften darüber, wie ein Minister, um die Gesetzmässigkeit zu
bewahren, zu verfahren hat, falls der Präsident einen gesetzwidri=
gen Beschluss fassen sollte. Wenn ein solcher Beschluss gegen die
Konstitution verstiesse, ist der betreffende Minister direkt ver=
pflichtet seine Gegenzeichnung zu verweigern. Der Staatsrat als
Ganzes, zu dessen Obliegenheit die Vollstreckung der Beschlüsse
des Präsidenten gehört, ist verpflichtet, dieselbe zu verweigern, wenn
ein Beschluss des Präsidenten gesetzwidrig ist, der Präsident aber,
ungeachtet des Einspruchs des Staatsrates, erklärt, dass er auf sei=
ncm Beschluss bestehe. Im Staatsrat soll auch der Justizkanz=
1 c r (entspricht dem früheren Prokurator) sitzen, welcher darüber
wacht, dass die Behörden die Gesetze befolgen und ihre Pflicht cr=
56,
füllen, sodass keiner in seinem gesctzmässigcn Recht gekränkt wird.
Er wacht über das Wahrnehmen dr Interessen des Staates und
die Tätigkeit der Staatsanwälte, er ist berechtigt den Sitzungen
der Gerichtshöfe und Behörden des Staatsrates beizuwohnen usw.
Von besonderer Wichtigkeit ist bei den Aufgaben des Justiz=
Kanzlers, dass er eingreifen soll, wenn der Staatsrat oder ein
Mitglied desselben in seiner Amtsführung gesetzwidrig verfährt.
Eine Anklage wegen eines solchen Verfahrens gegen ein Mit=
glied des Staatsrates, des Höchsten Gerichtshofs oder des Höch=
sten Verwaltungsgerichts oder gegen den Justizkanzler wird vor
dem sog. Reichsgericht erhoben. Darüber stehen besondere Verfas=
sungsvorschriftcn in Kraft, welche in dem am 17. Juni 1918 erlas=
senen Gesetz betreffend das Recht der Volksvertretung, die Amts=
tätigkcit der Mitglieder des Staatsrates und des Justizkanzlers zu
prüfen, enthalten sind und auf welche in der RF hingewiesen wird.
Hat ein Mitglied des Staatsrates eine Gesetzwidrigkeit der Art sich
zuschulden kommen lassen, dass es dafür vor dem Reichsgericht
unter Anklage gestellt werden kann, und verfügt der Präsident die
Erhebung der Anklage, so wird dieselbe vom Justizkanzlcr geführt.
Falls der Präsident erachtet, dass die Anklage unbefugt ist, hat der
Justizkanzler dies zur Kenntnis des Reichstages zu bringen.
Eine ganz neue Behörde, deren Einrichtung die neue RF nach
dem Vorbild der Konstitution Schwedens vorgeschrieben hat, ist
der Justizsachwalter des Reichstages, der von der \ olks=
vcrtretu' g auf jedem ordentlichen Reichstag erwählt wird, um nach
einem vom Reichstag ausgearbeiteten Reglement über die Befolgung
der Gesetze bei der Tätigkeit der Gerichte und sonstigen Behörden
zu wachen. Er ist berechtigt, den Sitzungen dieser wie auch des
Staatsrates beizuwohnen, von ihren Protokollen Kenntnis zu nch=
mcn und Anklagen wegen Fehler oder Unterlassungen im Amt
zu führen oder führen zu lassen.
ober die öffentlichen Amter enthält die RF gewisse
grundlegende Bestimmungen, die in den entsprechenden Teilen
der Hauptsache nach mit dem früheren Recht übereinstimmen.
Bezüglich der Ernennungsordnung sind keine bemerkenswerten
Veränderungen eingeführt worden. Die Unabsetzbarkeit der Rich=
tcr ist, gemäss dem Wesen des Rechtsstaates, ihrem ganzen Umfang
nach beibehalten; über das Recht der übrigen Beamten, in ihrem Amt
zu bleiben, wird ein besonderes Gesetz ergehen, welches auch un=
absetzbaren Beamten die Pflicht auferlegen kann bei Eintritt der
564
Altersgrenze oder bei Verlust der Dienstfähigkeit aus ihrem Amte
auswusch ideii, eine Pflicht, die in der Gesetzgebung Finnlands
früher nicht bestanden hat. Als Beförderungsgründe gelten, tcil=
weise abweichcn.l von den früheren Verfassungsvorschriften, Qe=
schick, Befähigung und erprobte Bürgertugend, über die Pflicht
der Beamten, in allen ihren Amtshandlungen nach geltendem Recht
zu verfahren, und über die rechtliche Verantwortlichkeit der Bcam =
tcn sind deutliche und genaue Bestimmungen in Kraft. Wenn ein
Richter oder ein anderer Beamter erkennt, dass eine Vorschrift einer
Verordnung mit der Verfassung oder mit einem Gesetz in Wider=
Spruch steht, soll er sich weigern sie anzuwenden.
In einem besonderen Kapitel ist von den Gerichtshöfen
die Rede, welche natürlicherweise, wie es die Aufrechterhaltung des
Rechtsschutzes verlangt, ihre bisherige Unabhängigkeit be=
wahren. Durch am 22. Juli 1918 erlassene Gesetze wurde die Orga=
nisation des als selbständige Behörde von der Regierung losgelösten
Höchsten Gerichtshofs und des neuen Höchsten Verwaltungsge=
richts festgelegt. Die RF weist nur kurz auf ihren Bau und ihre Auf=
gaben hin.
Was die verschiedenen Zweige der Verwal=
t u n g betrifft, sind die auf den Staatshaushalt bezüg=
liehen Normen gründlich revidiert worden. Dies ist jedoch bereits
einige Zeit vor dem Erlass der RF geschehen. Am 17. April 1919
wurde ein Verfassungsgesetz betreffend die Grundsätze des Staats=
haushalts Finnlands bestätigt und am 12. Juni promulgiert, dessen
Inhalt jetzt fast unverändert in die RF übergegangen ist; zugleich
wurden in der Reichstagsordnung die dadurch veranlassten Modifi=
kationen eingeführt. Hier ist nur in den Hauptzügen die Reform
zu berühren, welche auf diesem ausserordentlich wichtigen Gebiet
stattgefunden hat.
Die frühere Einteilung in die »ordentlichen Einnahmen des Staa=
tcs» (über deren Anwendung im wesentlichen die Regierung ent=
schied) und die »zur Verfügung der Volksvertretung stehenden Mit=
tel» ist jetzt beseitigt, und an ihre Stelle ist ein einheitliches Budget=
System getreten. Das Hauptgewicht liegt jetzt entschieden bei der
Volksvertretung, obwohl man scibstvcrtsändlich andererseits bestrebt
gewesen ist eventuellen Missbräuchcn seitens dieser einen Riegel
vorzuschieben. — ober das jährliche Einnahme= und Ausgabe=Etat
beschliesst der Reichstag, und dasselbe wird" in der für Gesetze
geltenden Ordnung veröffentlicht. Auch die Zollgesetzgebung
565
ist jetzt in den Bereich des Bestimmungsrechts des Reichstages
übergegangen; ebenso ist für die Aufnahme einer Staatsanleihe unbc=
dingt die Zustimmung desselben erforderlich. Auch sonst ist die
Finanzverwaltung viel mehr als früher von der Volksvertretung
abhängig. Die allgemeinen Gründe für die Etats der Behörden und
öffentlichen Einrichtungen werden durch Gesetz festgesetzt, neue
Amter und Behörden können nur innerhalb der Grenzen des iähr=
liehen Einnahme= und Ausgabc=Etats errichtet werden.
Gesunden Verfassungsprinzipien gemäss darf die Volksvertrci
tung jedoch in Dingen des Staatshaushaltes nicht willkürlich ver=
fahren; ihre Tätigkeit muss auch in diesem Punkte sich an die Ge=
setze halten. Darum gilt die Bestimmung, dass die auf irgendeiner
Verpflichtung des Staates beruhenden Ausgaben als solche, unge=
kürzt, in den Haushaltungsplan des Staates aufzunehmen sind, cben =
so die übrigen Ausgaben, die laut in dem betreffenden Finanzjahr
geltender Bestimmungen zu zahlen sind. Steuern oder sonstige
Einnahmen, die nach geltenden Gesetzen oder Verordnungen zu
entrichten sind, dürfen nicht aus dem Budget weggelassen werden.
— In den Staatshaushaltsplan sind die nötigen Mittel fürunvorher=
gesehene Fälle zur Verfügung der Regierung aufzunehmen.
Sollte die Volksvertretung kein Budget festgestellt haben, ob=
wohl ihr ein diesbezüglicher Entwurf rechtzeitig (zwei Monate vor
Ablauf der Sitzungsperiode) vorgelegt worden ist, so sind die auf
Gesetz oder auf Verpflichtungen des Staates basierenden Ausgaben
zu zahlen und die dafür erforderlichen Einnahmen provisorisch
im voraus zu erheben. Diese Bestimmung steht in direktem sacb =
lichem Zusammenhang mit dem Grundsatz, dass die Befugnisse des
Reichstages inbezug auf den Staatshaushaltsplan keine willkürliche
Verfügungsgewalt bezeichnen.
Auf jedem ordentlichen Reichstag sind seitens der Volksvertre=
tung fünf Finanzrevisoren einzusetzen, welche über die Einhaltung
des Staatsbudgets und über den Stand und die Verwaltung der
Staatskasse zu wachen haben.
Die RF verweist auf ein künftig zu erlassendes Gesetz, durch
welches die Selbstverwaltung auf Verwaltungsgebicte
von grösserem Umfang als die Gemeinde angewendet wird. Bei der
Feststellung der Grenzen dieser Einheiten wie auch sonst bei der
Bestimmung der Grenzen der Verwaltungsgebiete soll berücksich =
tigt werden, dass die Gebiete soweit wie möglich einsprachig, schwe»
disch oder finnisch, werden oder dass die anderssprachigen Minori =
566
täten so klein wie möglich werden. Diese Bestimmung hängt mit
den sprachpolitischen Grundsätzen zusammen, welche in der RF
zur Geltung gebracht sind und von denen weiter unten die Rede
sein wird.
Über die Beziehungen Finnlands zu auswär=
tigen Mächten bestimmt der Präsident, der auch in diesen
Dingen seine Beschlüsse im Staatsrat fasst. An fremde Mächte sowie
an die Vertreter Finnlands im Ausland werden die nötigen Mittei=
lungen von demjenigen Minister ausgefertigt, welchem die Besor=
gung der auswärtigen Angelegenheiten zukommt. Staatsverträge,
welche das Gebiet der Gesetzgebung oder sonst die Kompetenz
des Reichstages berührende Bestimmungen enthalten, bedürfen der
Zustimmung des Reichstages. Über Krieg und Frieden entscheidet
der Präsident mit der Zustimmung des Reichstags; es kann also ohne
die Mitwirkung der Volksvertretung weder Krieg erklärt noch
Frieden geschlossen werden.
ober die Organisation der Wehrmacht Finnlands
finden sich in der RF keine genaueren Bestimmungen, sondern sie
weist nur darauf hin, was in dem Wehrpflichtgesetz über die Pflicht
jedes finnischen Staatsbürgers, an der Verteidigung des Vaterlandes
teilzunehmen, bestimmt ist. Die Kommandosprache des Heeres
ist das Finnische, doch ist jeder Wehrpflichtige soweit wie möglich
berechtigt in einem Truppenteil zu dienen, dessen Mannschaft
dieselbe Muttersprache, Finnisch oder Schwedisch, wie er selber hat.
— Über die Mobilmachung der Armee bestimmt dei- Präsident;
zu diesem Zweck ist der Reichstag einzuberufen.
Durch besondere Bestimmungen ist in der RF dem Staate zur
Pflicht gemacht, für das Untcrrichts= und Bildungswesen in seinen
verschiedenen Formen und auf seinen verschiedenen Stufen, für das
Volksschulwesen (über den Schulzwang wird ein Gesetz erlassen
werden), für die höhere Allgemeinbildung und den Volksunterricht,
für die Forschung und den Unterricht in den technischen, land=
wirtschaftlichen und kommerziellen Wissenschaften und anderen an=
gewandten Wissenschaften und ebenso den Künsten sowie für das
eigentliche Hochschulwesen Sorge zu tragen. Insofern der Staat
nicht für diese verschiedenen Bildungszwecke Unterrichtsanstalten
gründet, sind solche aus staatlichen Mitteln zu unterstützen. Der
Universität in Helsingfors verbleibt ihr Sclbstverwaltungsrecht.
Jn den Volksschulen ist der Unterricht für Alle unentgeltlich.
Die Stellung der evangelisch=luthcrischen Kirche Finnlands
567
bleibt nach der RF unverändert; ihre Organisation und Verwaltung
wird wie bisher durch das Kirchengesetz bestimmt. Über die von
früherher vorhandenen sonstigen religiösen Gemeinschaften steht
in Kraft, was über dieselben bestimmt ist oder bestimmt werden
wird; neue d rartige Genossenschaften dürfen gegründet werden
nach Massgabe dessen, was durch Gesetz darüber vorgeschrieben
wird.
Wie man schon aus diesen knappen Bestimmungen ersieht, ist
die Gesetzgebung inbezug auf die Stellung der verschiedenen rcli =
giöscn Gemeinschaften noch ganz unvollständig. Im Rahmen die=
ses Überblicks kann nicht auseinandergesetzt werden, was in der
Hinsicht zuwege gebracht ist und was sich noch im Vorbereitungs=
Stadium befindet. Im II. Kapitel der RF sind jedoch ein paar wich=
tigc Grundbestimmungen zu bemerken, in denen das Prinzip der
Glaubensfreiheit zum Ausdruck kommt und von denen gleich die
Rede sein wird.
über die allgemeinen Rechte und den Rechts=
schütz der finnischen Staatsbürger enthält die
RF eine Reihe Rechtsgrundsätze, die grossenteils schon früher in
Kraft gestanden haben, wenn auch mancher von ihnen jetzt in ab=
geklärter Form erscheint, die aber auch zum Teil reu sind.
Die Staatsangehörigen sind vor dem Gesetze gleich. Derselbe
Grundsatz fi det sich schon in der Vereinigungs= und Sichcrhcits=
aktc von 1789, wo es in § 2 heisst, dass Alle unter dem Schutz des
Gesetzes gleiches Recht genicssen sollen. Völlige Gleichheit aller
Staatsbürger kann dies natürlich nicht bedeuten. Die Unmündigen
befinden sich in wesentlichen Hinsichten in einer anderen rccht=
liehen Lage als die Volljährigen und Mündigen, die Beamten neh=
mcn inbezug auf Rechte und Pflichten teilweise eine Sonderstellung
ein; auf Grund von Standesvorrechten, die allerdings ihre ursprüng=
liehe Bedeutung grösstenteils verloren haben, bestehen gewisse
soziale Verschiedenheiten, so besonders in dem Punkte, dass die
Bewohner der Städte bestimmte Sondervergünstigungen genies=
sen. Die hauptsächliche Bedeutung der fraglichen Bestimmung
ist denn auch, dass alle in gleicher Weise durch das Gesetz und die
Rechtspflege geschützt sind und dass einzelne Mitbürger oder
Gruppen von Bürgern nicht durch Ausnahmegesetze in eine un=
günstigere Stellung versetzt werden können.
über die Press=, Vereins= und Versammlungsfreiheit enthält
die RF dieselben allgemeinen Grundsätze, die schon durch die am
568
20. August iQoo erlassenen Verfassungsvorschriften eingt führt
wurden und die dann durch spezielle Gesetze genauer entwickelt
worden sind.
Ausser der persönlichen Freiheit, Unversehrtheit sowie der
Ehre ist auch das Eigentum der Staatsbürger verfassungsmässig
geschützt, über Zwangsenteignung von Eigentum für öffentliche
Zwecke gegen volle Entschädigung wird durch Gesetz bestimmt. —
Richtig aufgefasst und angewandt kann auch die Bestimmung, die
nach dem Vorbild der neuen Verfassung des Deutschen Reiches die
Arbeitskraft der Bürger unter d n besonderen Schutz des Reiches
stellt, geeignet sein ihre materielle Wohlfahrt und die wirkliche
Freiheit wie auch den allgemeinen Rechtsschutz zu fördern. — Die
Unkränkbarkeit des Hausfriedens sowie des Brief=, Tclegramm=
und Telephongeheimnisses ist ausdrücklich gewährleistet. Die
Verleihung des Adels oder anderer erblicher Würden ist untersagt,
was selbstverständlich nicht bedeutet, dass die früher verliehenen
adligen Würden beseitigt wären.
Besondere Beachtung verdienen die Bestimmungen über Reli=
gionsfrciheit sowie über die Rechte der Staatsbürger in sprachli =
eher Hinsicht.
Jeder Staatsangehörige ist befugt seine Religion öffentlich oderpri=
vat auszuüben, sofern Gesetz oder gute Sitten nicht verletzt werden;
es steht ihm frei aus der religiösen Gemeinschaft, der er angehört,
auszutreten wie auch sich einer anderen religiösen Gemeinschaft
anzuschliessen . Keine religiöse Gemeinschaft kann also ihre Mitglieder
in der Weise fesseln, dass sie nicht aus ihr austreten dürften, und
auch derjenige, welcher aus der religiösen Gemeinschaft auszutrc=
ten wünscht, der er angehört, ist nicht verpflichtet, sich zugKich
einer anderen derartigen Gemeinschaft anzuschliessen. Der fragliche
wichtige Grundsatz lässt sich jedoch in Anbetracht des gegenwär=
tigen Standpunkts der Religionsgesetzgebung Finnlands nicht ganz
konsequent durchführen, und darum ist auch die Einschränkung
hinzugefügt: »nach Massgabe dessen, was besonders vorgeschrie=
ben ist.» Einen ähnlichen Sinn hat die Bestimmung der RF,
nach weicher die Rechte und Pflichten des Staatsbürgers davon
unabhängig sind, welcher religiösen Gemeinschaft er angehört oder
ob er überhaupt einer solchen Gemeinschaft angehört. Wenn
dann hinzugefügt wird, dass für öffentliche Amter die darauf
bezüglichen Einschränkungen in Kraft bleiben, bis durch Gesetz
anders bestimmt wird, so sind die am ii. November 1889 er=
569
lasscncn verfassungsmässigen Vorschriften gemeint über das Recht
finnischer Staatsbürger von einem anderen als dem evangelisch =
lutherischen Bekenntnis ein Staatsamt in diesem Lande :u bekleiden.
Diese Bestimmungen behalten bis auf weiteres Gültigkeit, doch
können diesbezüglich in Zukunft neue Bestimmungen im Wege der
Gesetzgebung erlassen werden, was natürlicherweise im Zusammcn=
hang mit der bevorstehenden allgemeinen Gesetzgebung über die
Religionsfreiheit geschehen wird.
Die Sprachen= oder, wie die schwcdischsprachigen Elemente des
Landes sie zu nennen pflegen, Nationalitätsparagraphen sind oben
schon teilweise berührt worden. Der wichtigste und weittragendste von
ihnen findet sich jedoch in dem hier zu besprechenden Abschnitt
der RF. Es wird darin der Grundsatz ausgesprochen, dass das Fin=
nische und das Schwedische die Nationalsprachen der Republik sind,
und den Staatsbürgern das Recht gewährleistet, im Verkehr mit ci=
nem Gericht und einer Verwaltungsbehörde in eigener Angelegen=
hcit sich ihrer Muttersprache, des Finnischen bezw. des Schwedischen
zu bedienen und amtliche Urkunden in dieser Sprache zu erhalten.
So wird auf die Stellung der Sprachen das Universalitätsprinzip
angewandt: überall im Lande kommt auch der Sprache der Minori =
tat die Stellung einer Nationalsprache und einer Amtssprache zu.
Da jedoch am Schluss der Bestimmung die Worte hinzugefügt sind:
abgesehen davon, dass das Recht der finnisch= und der schwedisch =
sprachigen Bevölkerung des Landes nach glzichartigen Grund=
Sätzen geordnet wird, und da an einer anderen Stelle bestimmt ist,
dass bei der Feststellung der Grenzen der Verwaltungsgebiete die
Bildung möglichst einsprachiger Gebiete erstrebt werden soll, dürf=
ten aus diesem Gegensatz Auslegungs= und Streitfragen entspringen
können. Auf alle Fälle sind diese auf die Stellung der einheimischen
Sprachen bezüglichen Grundbestimmungen ein unzweideutiger Be=
weis dafür, dass die Volksvertretung und die Regierung Finnlands,
was die Liberalität in sprachlichen Angelegenheiten und den Schutz
der Interessen auch der Minorität betrifft, weiter gegangen sind als
irgendein anderer Staat unter entsprechenden Verhältnissen.
Wie aus dem obigen kurzen Überblick über die neue Regic=
rungsform Finnlands ersichtlich wird, hat dieselbe in mehreren
l'unktcn tiefgreife-idc Veränderungen und Reformen herbeigeführt,
zugleich aber hat sie manche fundamentale Teile der früheren Ent=
Wicklung beibehalten. Ihre allgemeinen Richtlinien: die demokrati=
sehe, parlamentarische Republik, standen eigentlich schon fest.
als sich der Reichstag von 1919 versamnichc und die Verfa«sungsar=
bcit in Angriff nahm, die nach verschicdentÜchen Schwierigkeiten
und manchen Kompromissen zur heutigen Regierungsform führte.
Ausserdem ist auf dem Gebiet des öffenthchen Rechtes Finnlands
noch manche gesetzgeberische Aufgabe zu lösen, was auch daraus
hervorgeht, dass manche Bestimmung der Regierungsform auf
künftig zu ei lassende Spezialgesetze hinweist.
Die Volksvertretung.*
1. Die Organisation des Reichstags.
A. Das Wahlrecht.
Bei der radikalen Umbildung der Volksvertretung Finnlands
durch die neue Landtagsordnung vom Jahre 1906 fiel nicht nur die
alte ständische Gliederung des Landtags, sondern auch jede Berück=
sichtigung von Berufs= u. a. SonderinteresscQ und lokalen Verschle=
denheiten weg. Der Reichstag (die heutige Bezeichnung) be=
steht aus einer einzigen Kammer, deren zweihundert Mitglieder
durch ein ganz und gar einheitlich gestaltetes Verfahren gewählt
werden. Die Legislaturperiode umfasst drei Jahre; der Regierung
steht das Auflösungsrecht zu.
Wahlberechtigt ist jeder finnische Staatsbürger, Mann
wie Weib, der vor dem Jahre, wo die Wahlen stattfinden, das vier=
undzwanzigste Lebensjahr vollendet hat. Dieses die privatrecht=
liehe Volljährigkeitsgrenze mit drei Jahren übersteigende Alter ist
somit das einzige, was das Gesetz positiv vom Staatsbürger
verlangt, damit ihm das Wahlrecht zukomme. Die Disqualifika=
tions= oder Ausschliessungsgründe sind weder tiefgreifend noch
umfassend. Grösstenteils beruht die Ausschliessung auf eigenem
Verschulden des Ausgeschlossenen und fast ausnahmslos ist sie von
vorübergehender Dauer. Vom Wahlrecht ausgeschlossen ist, wer
unter Vormundschaft steht; wer nicht während der drei letzten
Jahre im Lande eingeschrieben gewesen ist; wer aus anderer Ursache
als Mittellosigkeit, welche durch ein Zeugnis der Gemcindever=
waltung nachgewiesen ist, unterlassen hat, die ihm für die zwei letzt=
vergangenen Jahre obliegenden Staatsstcuern zu zahlen; wer von
Abgeschlossen Ende März 1919.
der Armenpflege unterstützt wird, falls die Unterstützung nicht
bloss zufälliger Art ist; derjenige, über dessen Vermögen der Kon=
kurs eröffnet ist, darf, ehe er seinen Vermögenszustand durch Eid
bekräftigt hat, das Wahlrecht nicht ausüben. Wer wegen Land=
streicherei zu öffentlicher Arbeit verurteilt worden ist, bleibt bis zum
Ablauf des dritten Jahres nach seiner Freilassung aus dem Arbeits=
hause vom Wahlrecht ausgeschlossen. Wer überführt ist, bei einer
Rcichstagswahl Stimmen gekauft oder verkaufto der einen Versuch
dazu gemacht zu haben, oder wer an mehr als einer Stelle seine Stim=
me abgegeben oder durch Gewalt oder Drohungen die WahU
freiheit gestört hat, bleibt bis zum Ablauf des sechsten Kalendcr=
Jahres nach dem )ahre, wo das endgültige Urteil in der Sache
erging, vom Wahlrecht ausgeschlossen. Mit dem Verlust des bürger=
liehen Vertrauens sowie mit dem Verlust der Fähigkeit, im Staats=
dienst angestellt zu sein, geht das Wahlrecht verloren. Schliesslich
ist unter den Ausschliessungsgründen der aktive Militärdienst
zu erwähnen, der sich mit den übrigen Disqualifikationsgründen
nicht gut verträgt und wahrscheinlich bald beseitigt werden wird.
Zur aktuellen Wählcrqualität gehört auch die Eintragung in
eine Wählerliste; bei der Wahl kommt dies als einziger Befähigungs=
grund in Betracht.
ober die Wählbarkeit besagt § 6 der R. 0., dass jeder WahU
berechtigte wählbar ist. — Aus dem § lo der R. 0., nach welchem
keinem Abgeordneten verwehrt werden darf, sich zum Reichstag
einzufinden und seinen Beruf auszuüben, ergibt sich der Grund=
satz, dass Beamte keines Urlaubs zum Eintritt in den Reichstag
bedürfen.
Die Abgeordneten werden durch direkte und p r o p o r=
t i o n e 1 1 c Wahlen gewählt, das Land soll zu dem Zwecke min=
destens in zwölf und höchstens in achtzehn Wahlkreise ein=
geteilt sein. Ausnahmsweise können jedoch nach dem Bedarf
lokaler Verhältnisse auch Einzelwahlkreisc vorkommen, d. h. Kreise,
in denen nur ein einziger Abgeordneter gewählt wird und Propor=
tionalwahlen also nicht möglich sind.
Ein Beamter, der durch Amtsgewalt die Wahlen zu beeinflussen
sucht, wird mit Amtsverlust bestraft. Wer durch Verlockungen
oder List, durch Gewalt oder Drohungen die Wahlfrciheit beein=
trächtigt, wird zu Gefängnisstrafe verurteilt. Ein Arbeitgeber, der
in seinem Dienste beschäftigten Personen nicht, soweit wie möglich,
Gelegenheit gewährt, sich an den Wahlen zu beteiligen, soll mit
Gcldbusse bestraft werden.
Nach dem Wahlgesetz gibt es 1 5 Wahlkreise mit mehrc=
ren Abgeordneten (und folglich mit Proportionalwahlen) und einen
Einzelwahlkreis (das Amtsbezirk Lappland). Unter den i5erstgc=
nannten Wahlkreisen sind nun 199 zu wählende Abgeordnete nach
der Grösse der Bevölkerung zu verteilen. Diese Verteilung wird
alle zehn Jahre vom Senat vorgenommen.
Als Wahlbehörden kommen der Zentralaus=
s c h u s s im Wahlkreis und der Wahlausschuss im
Abstimmungsbezirk in Betracht.
Die Wählerlisten werden in den Städten vom Magistrat,
auf dem Lande von dem betreffenden Wahlausschuss angefertigt.
Als deren Grundlage dienen Verzeichnisse, die von dem sog. Man=
tals= oder Steuerschreiber einzuliefern sind, und welche sämt=
liehe Personen enthalten, die während des vorhergehenden Jahres
das Alter von vierundzwanzig Jahren erreicht haben. Ausserdem
sind drei Nachtragsverzeichnisse, eines für jedes der folgenden drei
Jahre, anzufertigen. Die bei den Wahlen zu benutzenden Wähler^
listen entstehen erst dadurch, dass eine Revision dieses Materials
von dem Wahlausschuss vorgenommen wird, wobei jeder, der des
Wahlrechts ermangelt, aus der Liste zu entfernen und die aus
Versehen etwa Weggelassenen in die Liste einzutragen sind. Bei
dieser Revision sollen gewisse Beamte anwesend sein resp. dem
Wahlausschuss schriftliche Auskunft erteilen.
Wenn jemand vermeint, dass er selbst unberechtigterweise aus
der Wählerliste ausgeschlossen oder ein anderer unbercchtigter=
weise in dieselbe eingetragen worden ist und eine Berichtigung
zu erlangen wünscht, so hat er dem Ausschuss, bezw. des=
sen Vorsitzendem einen schriftlichen Berichtigungsantrag einzu=
reichen.
Die grossen Wahlkreise, die konkurrierenden Listen, die be=
schränkte Stimmenabgabe und die sinkenden Stimmwerte sind
die Hauptmerkmale des finnischen Proportionalwahlsystems. Die
freiwilligen Verbindungen politisch gleichgesinnter Wähler sind
der Eckstein des ganzen Wahlverfahrens. In den diesbezüglichen
Bestimmungen des Wahlgesetzes stossen wir zuerst auf den Begriff
Wählerverein. Wenn wenigstens fünfzig Wahlberechtigte
durch eine von ihnen unterzeichnete Schrift sich über eine bestimmte
Reichstagswahl vereinigt und sich auf höchstens drei Kandidaten
geeinigt haben, so ist ein solcher Wählerverein berechtigt, beim
Zentralaiisschuss der betr. Kreise die Veröffentlichung seiner
Kandidatenliste und ihre Eintragung in die offiziellen, in dem VX^ahU
kreise zur Anvx-endung kommenden Stimmzettel zu verlangen. Dem
Bevollmächtigten liegt es ob, in dem Gesuch zu bezeugen, sowohl
dass die Personen, deren l\lamcn die Schrift als Unterschriften trägt,
dieselbe eigenhändig unterzeichnet haben und wahlberechtigt
sind, als auch dass die aufgestellten Kandidaten bereit sind, die
Abgeordnetenfunktion zu übernehmen.
Das Gesetz eröffnet den Wählcrvereinen die Möglichkeit, sich
zu grösseren Verbindungen zusammenzuschliessen. Wenn zwei
oder mehrere Vereine zusammenwirken wollen, können sie sich
zu einem Wahlbündnis vereinigen. Hiervon hat jeder daran
beteiligte Verein dem Zentralausschuss Meldung zu machen.
Die Wahlen erfolgen am i. und 2. |uli des Jahres, mit dem
die dreijährige Legislaturperiode zu Ende geht. Wenn aber der
Reichstag aufgelöst worden ist, finden die Wahlen am ersten Ta=
ge desjenigen Monats statt, der nach Ablauf von sechzig Tagen
nach der Auflösung zuerst beginnt. Bei den Wahlen soll ausser
den Mitgliedern des Wahlausschusses eine zuverlässige Person
anwesend sein, welche den Wählern beim Anbringen der nötigen
Zeichen auf dem Stimmzettel behilflich ist. Es dürfen ausschliess=
lieh offizielle gedruckte Stimmzettel benutzt werden, welche na=
türlich in ein und demselben Wahlkreis vollkommen gleich sind
und sämtliche von den verschiedenen Wahlvereinen angcmelde=
ten Kandidatenlisten enthalten sowie deren weitere Kombinatio=
nen (die Wahlbündnisse) angeben.
Der Wähler darf für höchstens drei Kandidaten stimmen, und
zwar kann er dann entweder für eine eingetragene Kandidatenliste
stimmen oder aber seine eigenen Kandidaten aufstellen, deren Na=
men er in den auf dem Stimmzettel befindlichen leeren Raum
einträgt. Zufolge der ganzen Struktur des Wahlsystems gehen die
für solche '>Einzelkandidaten'> abgegebenen Stimmen gänzlich
verloren und kommen äusserst selten vor. Auf der von ihm bevor=
zugten Liste bringt der Wähler einen roten Strich an. Dabei darf er
keine anderen Änderungen vornehmen als eventuell die Reihenfolge
der Kandidaten durch Hinzufügung von Ziffern vor ihren Namen
umstellen.
Die Reihenfolge der auf einer Liste stehenden drei oder weniger
Kandidaten hat die Bedeutung, dass die für diese Liste von einem
Wähler abgegebene Stimme dem an erster Stelle genannten als
ganze Stimme, dem zweiten als halbe Stimme und dem dritten als
Drittelstimmc zugute kommt. Bei der definitiven Berechnung der
Stimmen und der Feststellung des Wahlresultates bildet nun die
Liste jedes einzelnen Wählervereins im Verhältnis zu den anderen
Listen eine abgeschlossene Stimmgruppe, innerhalb deren es
zunächst gilt, den Vorrang der Kandidaten untereinander zu be=
stimmen, wobei ihre Reihenfolge die oben angegebene Wirkung
hat. Ist nun die Reihenfolge unter ihnen bestimmt, so gelten die
Kandidaten als von sämtlichen Wählern, die für die Liste gestimmt
haben, in jener Folge aufgestellt. Wenn also 600 Stimmzettel für
dieselbe Liste abgegeben worden sind, kommen dem ersten 600 volle
Stimmen, also 600 Stimmen zugute, obwohl er vielleicht ursprüng=
lieh z. B. nur 510 Stimmen erhalten hat; dem folgenden werden
600 halbe Stimmen, d.h. 300 Stimmen, und dem dritten endlich
600 Drittelstimmen oder 200 Stimmen berechnet. Die In dieser
Weise erhaltenen neuen Stimmzahlen werden >>Vergleichungs=
zahlen» genannt; sie bestimmen nun für jeden Kandidaten einer
solchen Gruppe den Vorrang zwischen ihm selbst und sämtlichen
in derselben Weise bestimmten Kandidaten der anderen Listen.
In den häufigsten Fällen aber steht eine Wählerliste nicht verein=
zeit da, sondern der Wählervercin gehört zu einem W a h 1 b ü n d=
n i s. Zur Vervollständigung des proportionellen Wahlsystemes
bietet das Gesetz die Möglichkeit, Verbände höherer Ordnung zu
bilden. Ein Wahlbündnis darf höchstens so viele Kandidaten um=
fassen, als ihrer im ganzen Wahlkreis zu wählen sind. Nach aus=
scn, d. h. sonstigen, einfachen oder zusammengesetzten Ver=
bindungen gegenüber bildet das Wahlbündnis ein geschlosse=
nes Ganzes. Nach innen dagegen bleiben die besonderen Listen,
trotz dem Zusammenwirken der verschiedenen Wählervereine,
bestehen, und jeder Wähler stimmt natürlich nur für eine einzige
Liste, er gibt m.a. W. seine Stimme denjenigen Kandidaten, welche
er in erster Linie gewählt wissen will. Aber zufolge der Gemein=
samkeit sämtlicher Kandidaten innerhalb ein und desselben Wahl=
bündnisses kann seine Stimme den auf den anderen Listen stehenden
Kandidaten zugute kommen. Die Selbständigkeit der Listen inner=
halb eines Wahlbündnisses ist in letzter Hand nur eine bedingte
und vorübergehende. Bei der Feststellung des Wahlresultates
durch den Zentralausschuss des betreffenden Wahlkreises wird
nun zuerst die Reihenfolge sämtlicher Kandidaten eines WahU
bündnisscs durch die Vergleichungszahlcn bestimmt, welche ein
jeder innerhalb seines Wahlervereins erhalten hat. Wenn dieselbe
Person auf zwei oder mehreren Listen als Kandidat aufgestellt
ist, werden ihre verschiedenen Verglcichungszahlen zusammenge=
rechnet; aus deren Summe ergibt sich der Platz des betreffenden
Kandidaten in der Reihenfolge innerhalb des Wahlbündnisses.
Es ist aber ohne weiteres einleuchtend, dass die somit gewonnenen
Vergleichungszahlcn keine endgültigen sind, sondern zufolge der
Zusammengehörigkeit sämtlicher Kandidaten eines Wahlbünd=
nisses einer ähnlichen Ausgleichung unterzogen werden, wie sie
schon im einfachen Wählerverein stattfindet. Nachdem nämlich
die Vergleichungszahlcn und somit die Reihenfolge sämtlicher
Kandidaten des Wahlbündnisses festgesetzt worden sind, sollen
ihnen neue Vergleichungszahlen gegeben werden, und zwar in der
Weise, dass der erste unter den Kandidaten die Gesamtzahl aller
Stimmen der zusammengesetzten Stimmgruppe erhält, der zweite
die Hälfte derselben, der dritte ein Drittel, die folgenden den vicr=
ten, fünften usw. Teil davon. Haben sich also bei den Wahlen
sechstausend Wähler an einem Wahlbündnis beteiligt, so wird
der meistbegünstigte Kandidat 6,000 Stimmen zählen, die folgenden
werden resp. ?,ooo, 2,000, 1,500, 1,200, 1,000 usw. beziehen.
Sollte dieselbe Person auf zwei oder mehreren voneinander
unabhängigen Listen als Kandidat aufgestellt worden sein und
somit in mehreren selbständigen Stimmgruppen Stimmen erhalten
haben, so ergibt sich seine endgültige Vergleichungszahl
durch Summierung seiner in der angeführten Weise entstandenen
verschiedenen Vergleichungszahlcn. Um Wahlmissbräuchcn vor=
zubeugen, schreibt das Gesetz vor, dass die durch Zusammenrech=
nung mehrerer Vergleichungszahlen entstandene neue Vcrgleichungs=
zahl nicht grösser sein darf als diejenige Zahl, die der Kandidat
erhalten hätte, wenn sämtliche in Frage kommenden Stimmgruppen
eine einheitliche Stimmgruppe gebildet hätten. Bei gleicher Anzahl
von Stimmen und bei Gleichheit der Vergleichungszahlcn ent=
scheidet das Los.
Nachdem die Stimmzettel gezählt und sämtliche Kandidaten
nach der Höhe ihrer Vergleichungszahlen der Reihe nach geordnet
worden sind, erklärt der Zentralausschuss die ersten unter ihnen
in der Anzahl, in welcher der betreffende Wahlkreis Abgeordnete
zu wählen hat, für gewählt und fertigt unverzüglich für jeden Ge=
wählten eine Vollmacht aus. Ist jemand in zwei oder mehreren
576
Wahlkreisen gewählt worden, so soll er für denjenigen NX^ahlkreis
Abgeordneter sein, in dem er die höchste Vergleichungszahl hat.
Die Vakanz nach einem in dieser Weise Abgegangenen wird zu=
nächst aus der einfachen Stimmgruppe, in welcher er gewählt wor=
den ist, ausgefüllt, indem an seine Stelle derjenige tritt, der dort
die höchste Vergleichungszahl nächst dem oder den Gewählten er=
halten hat. Ist diese Stimmgruppe bereits erschöpft, so wird die
Vakanz in derselben Weise aus der zusammengesetzten Stimm=
gruppe ausgefüllt, in welcher die einfache Stimmgruppe enthalten
war. Kann die Vakanz auch auf diese Weise nicht ausgefüllt werden,
so tritt derjenige ein, der innerhalb des Wahlkreises die höchste
Vergleichungszahl unter denjenigen hatte, die früher nicht für
gewählt erklärt worden sind.
Wenn sonst eine Vakanz entsteht, ist der Platz in derselben
Weise zu besetzen. Nachwahlen kommen unter keinen Umständen
vor; die einzige Ausnahme hiervon bildet der Wahlkreis Lappland,
wo ein einziger Abgeordneter zu wählen ist.
Wegen Abgeordnetenwahlen können Beschwerden bei dem Lan=
deshauptmann der betreffenden Provinz geführt werden. Als
Oberinstanz erkennt darüber das Höchste Verwaltungsgericht.
B. Die Einberufung, die Konstituierung und die
Sitzung.sperioden des Reichstages.
Der Reichstag umfasst eine einzige Kammer, die aus 200
Abgeordneten besteht, welche auf drei Jahre gewählt werden. —
Der Reichstag wurde bisher jährlich von der Regierung zum
ersten Februar einberufen, es sei denn, dass ein anderer
Tag bestimmt wurde. Gemäss einer im Jahre 1918 vorgenomme=
ncn Verfassungsänderung aber besitzt der Reichstag das Selbst=
versammlungsrecht, und zwar tritt er nach wie vor der Regel
nach am 1. Februar zusammen. Die Sitzungsperiode dauert
120 (früher 90) Tage, kann aber auch verlängert oder verkürzt
werden. Die Periode kann auch geteilt (unterbrechen) werden.
Wenn ein ausserordentlicher Reichstag von der Regierung ein=
berufen wird, so bildet er eine besondere Sitzungsperiode, deren
Dauer von den Umständen abhängt.
Die Regierung ist berechtigt, vor dem Ablauf der Legislatur»
periodc neue Wahlen anzubefehlen. Werden während der Tagung
eines ordentlichen Reichstags neue Wahlen ausgeschrieben, so vwird
der Reichstag an dem dafür bestimmten Tage aufgelöst, und der
neue Reichstag tritt am ersten Tage des Monats zusammen, der
90 Tage nach der Auflösung beginnt, es sei denn, dass die Rcgie=
rung einen früheren Tag bestimmt. Erfolgt dagegen der Befehl,
nachdem der neue Reichstag entlassen worden ist, und können die
Wahlen nicht vor dem ersten Tage des nächstfolgenden Februars
zu Ende geführt werden, so wird der Beginn des ordentlichen
Reichstags bis zum ersten Tage desjenigen Monats aufgeschoben,
der nach Kundgebung des Wahlresultates zunächst kommt.
Der Reichstag erwählt selber einen Präsidenten und zwei Vizc=
Präsidenten. Über die sonstigen zur Konstituierung des Reichsta=
ges gehörenden Massrcgeln sowie über die feierliche Eröffnung
und Schliessung desselben bestehen besondere Vorschriften.
Die Legitimationsprüfung des Reichstages erstreckt sich sowohl
auf die persönlichen Qualifikationen eines Abgeordneten, dessen
Zuständigkeit beanstandet worden ist, als auch, falls ein verbreche»
risches Vorgehen oder ein Irrtum bei der Feststellung des WahU
resultates behauptet wird, auf das Wahlverfahren. Die Kammer
besitzt eine gewisse Disziplinargewalt und kann einen säumigen
Abgeordneten in schwersten Fällen sogar seines Auftrages verlus=
tig erklären. Anderseits ist mit der Stellung als Abgeordneter
eine ziemlich weitgehende Immunität verbunden.
Die Grösse der Diäten beträgt gegenwärtig 6,000 Fmk pro volle
Sitzungsperiode, bczw. 50 Fmk pro Tag.
11. Der Geschäftsgang des Reichstages.
Inbezug auf den Geschäftsgang und die Gcschäftsfcrmen der
Kammer enthält die Reichstagsordnung eine Anzahl von Bestim=
mungcn, verweist aber in vielen Punkten auf die Geschäftsordnung.
Folgende Bestimmungen seien hier erwähnt:
Die Sitzungen sind öffentlich, es sei denn, dass die Kammer
im Einzelfalle anders bestimmt.
Als Verhandlungssprachen kommen die finnische und die schwc=
dische Sprache zur Anwendung, eine Übersetzung ist in beschränk=
tcm Umfang vorgesehen.
Die Mitglieder der Regierung haben jederzeit zu den öffent=
liehen und geheimen Sitzungen der Kammer Zutritt und müssen,
wenn sie das Wort ergreifen, vor jedem anderen gehört werden.
y78
Für die Gültigkeit der Beschlüsse ist, vwo nicht für gewisse
Sachen ausdrückliche Ausnahmen gemacht sind, die Zustimmung
der absoluten Mehrheit der anwesenden Mitglieder erforderlich.
Für die Beschlussfähigkeit der Kammer ist kein Quorum der An=
wcsenden vorgeschrieben.
Das Kontinuitätsprinzip ist in der Weise durchgeführt, dass
die Behandlung einer nicht endgültig erledigten Angelegenheit
auf dem folgenden Reichstag fortgesetzt werden kann, voraus=
gesetzt, dass es sich um dieselbe Legislaturperiode handelt.
Der Präsident darf nicht verweigern, eine angeregte Frage
zur Behandlung vorzunehmen oder eine Abstimmung darüber
zu gestatten, ausser wenn er findet, dass die Frage rcsp. der Antrag
mit den Grundgesetzen oder einem anderen Gesetz oder einem vom
Reichstag bereits gefassten Beschluss im Widerspruch steht; im Fall
der Weigerung muss der Präsident seine Gründe dafür angeben. —
Ist der Reichstag mit der Massregel des Präsidenten nicht einver=
standen, so wird die Frage dem Vcrfassungsausschuss überwiesen,
der unverzüglich eine motivierte und bestimmte Antwort darüber
abgeben soll, ob die Aufnahme der Frage zur Behandlung oder
Abstimrriung den Grundgesetzen oder einem vorher gefassten
Beschluss widerspricht; diese Erklärung des Ausschusses hat zur
Nachachtung zu dienen.
Binnen fünf Tagen nach der Eröffnung des Reichstages sollen
behufs Vorbereitung der Reichstagsgeschäfte fünf allgemeine Aus=
seh ü s s c oder Kommissionen des Landtages eingesetzt werden,
nämlich: ein Vcrfassungsausschuss, ein Gesetzausschuss, ein Aus=
schuss für auswärtige Angelegenheiten, ein Wirtschaftsausschuss,
ein Etatsausschuss, ein Bankausschuss. Die vier erstgenannten Aus=
Schüsse bestehen aus je 16, der Bankausschuss aus 12 Mitgliedern.
Ersatzmänner werden in einer Anzahl von mindestens V4 der Zahl
der ordentlichen Mitglieder der betr. Ausschüsse gewählt. Je nach
Bedarf können ausserdem andere Ausschüsse eingesetzt werden.
Im Verlaufe des Reichstags werden ausserdem zwei Ausschüsse
gewählt, nämlich der Expeditionsausschuss für die Redaktion der
Beschlüsse und der Schliessungsausschuss für die Verifizierung
und Genehmigung der Redaktionen, insofern sie nicht von der
Kammer selbst geprüft und genehmigt werden. Die Ausschüsse
werden durch Elektoren gewählt, welche ihrerseits durch propor=
tionale Wahlen von der Kammer bestellt werden.
Jeder der oben erwähnten Ausschüsse ist berechtigt, bei Bc=
darf sich in Sektionen zu verteilen; diese erstatten ihre Berichte
im Namen des betreffenden Ausschusses.
Den Spezialausschüssen gegenüber nimmt der sog. grosse
Ausschuss eine ganz eigenartige Stellung ein. Von dieser Abtei=
lung des Reichstags, welche alle der Kammer zur Behandlung vorge=
legten Gesetzentwürfe sowie gewisse andere Vorlagen zu prüfen
und zu begutachten hat, ohne irgendwelche definitiven Beschlüsse
fassen zu können, wird eine tiefere Sachkenntnis und eine gründ=
lichere Überlegung erwartet, als in der Kammer selbst vorauszu=
sehen ist. Der grosse Ausschuss soll binnen acht Tagen nach der
Eröffnung des Reichstages eingesetzt werden; seine 45 Mitglieder
werden in derselben Weise wie die Elektorcn der Spezialausschüsse
gewählt. Die Funktionen dieses Ausschusses bei der Behandlung
der Reichstagsgeschäfte sollen im folgenden besprochen werden.
Die Aufgaben der Spezialausschüsse gehen zum Teil schon aus
ihren Namen hervor. Ausser den Grundgesetz= oder Verfassungs=
revisionsfragen (einschliesslich der auf Standesprivilegien bezüg=
liehen Fragen) sowie Fragen wegen Erläuterung der Grundgesetze
hat der Verfassungsausschuss nach dem Wortlaut der R. 0. auch
solche Fragen vorzubereiten, »welche daraus entstehen, dass der
Reichstag berechtigt ist, die Gesetzmässigkeit der Amtshandlungen
der Regierungsmitglieder zu prüfen», eine Befugnis, die in einem
besonderen Verfassungsgesetz vom 17. Juni 1918 näher geregelt
ist. — Mit Entwürfen, welche die Annahme neuer allgemeiner
Gesetze oder die Änderung, Auslegung oder Aufhebung beste=
hender Gesetze betreffen, hat sich der Gesetzausschuss, mit denen
der Erwerbstätigkeit und der Staatswirtschaft der Wirtschafts=
ausschuss zu beschäftigen.
Dem Etatsausschuss werden die Vorlagen über Bewilligungen,
welche die Regierung vom Reichstage verlangt, sowie sonstige Vor=
lagen und im Reichstag eingebrachte Vorschläge über finanzielle
Fragen, die der Entscheidung des Reichstages unterliegen, über=
wiesen. In einem einheitlichen Gutachten soll der Ausschuss sämt=
liehe Fragen über Kredite (Ausgabenbcwilligungen für bestimmte
Zwecke), welche von der Prüfung und Genehmigung des Landtages
abhängen, zusammenfassen, sowie Auswege zur Bestreitung der
Ausgaben vorschlagen, soweit die ordentlichen Staatseinnahmen
dazu nicht hinreichen. — Dem Bankausschuss liegt es ob, die Vcr=
waltung der Reichsbank und den Zustand der unter der Garantie
580
und Obhut des Reichstages stehenden Fonds zu prüfen, darüber
Bericht zu erstatten und der Kammer gegebenenfalls die crfor=
derlichcn Massregeln für die Verwaltung der genannten Fonds
vorzuschlagen.
Der Präsident und die Vizepräsidenten der Kammer nebst den
Vorsitzenden der Ausschüsse bilden die Präsidialkonferenz, der
es obliegt, den Vorschlag zur Geschäftsordnung der Kammer so=
wie zu Arbeitsplänen für die Plenarsitzungen und die Ausschüsse
auszuarbeiten.
Gegenstand der Beratung und Bcschlussfassung der Kammer
sind in erster Linie einerseits Regierungsvorlagen oder Propositio=
ncn, anderseits Motionen und Petitionsanträge der Kammermit=
glieder.
Die Vorlagen der Regierung können verschiedenen Inhalt und
verschiedene rechtliche Bedeutung haben. In den meisten Fällen
enthalten sie Vorschläge, welche der Annahme (resp. der Be=
willigung) von Seiten des Reichstages bedürfen, somit entweder
Gesetzesvorschläge im eigentlichen Sinn oder aber finanzielle Vor=
lagen. Zu Beginn jedes ordentlichen Reichstages wird der Kammer
eine Vorlage übergeben über die Beschaffung der erforderlichen
Mittel für solche Bedürfnisse, zu deren Bestreitung die ordent=
liehen Staatseinnahmen nicht hinreichen; als Material zur Beurtei=
lung der Frage wird der Vorlage ein Voranschlag der ordentlichen
Einnahmen und Bedürfnisse des Staates für das nächste Finanz=
jähr beigelegt. Auch andere finanzielle Propositionen kommen vor,
insbesondere über Bewilligungen (ausserordentliche Steuern, welche
von der Volksvertretung für eine bestimmte Zeit angewiesen wcr=
den), über Kredite für bestimmte Zwecke aus Mitteln, deren An=
Wendung von Beschlüssen des Reichstages abhängt, über die Bud=
gets des Bewilligungs= und des Kommunikationsfonds, welche
Fonds »zur Verfügung des Reichstages» stehen.
Jede Proposition, welche einen Gesetzesvorschlag cnt=
hält und somit den Weg der ordentlichen Gesetzgebung erheischt,
wird natürlich dem Reichstag zur Annahme vorgelegt.
Eine Vorlage der Regierung — im weiteren Sinn des Wortes —
kann aber auch die Aufforderung an die Volksvertretung cnthal=
ten, ein Gutachten abzugeben. Zu einer derartigen Beratung
der Kammer können selbstverständlich nur solche Angelegenhei =
ten gelangen, in welchen die Regierung auf Grund der Verfassung
ohne Zustimmung des Reichstags verordnen oder verfügen kann.
581
Der Reichstag ist berichtigt, eine von einem Abgeordneten
vorschriftsniässig eingebrachte Motion zur Behandlung vorzu=
nehmen, d.h. einen Initiativantrag, der einen Akt der Gesetzgebung
bezweckt.
Die Petitionen dagegen sind nur einfache Anregungen,
die die Regierung soweit berücksichtigt, als es ihr das Wohl des Lan=
des zu heischen scheint. Eine Petition dient gewöhnlich als Mittel,
die Regierung zur Ausarbeitung und Übergabe einer bestimmten
Vorlage, zur Vornahme einer Verwaltungsmassrcgel oder auch zum
Erlass einer Verordnung anzuregen.
Sämtliche Regierungsvorlagen und Motionen müssen der
Vorbereitung durch einen Spezialausschuss unterzogen werden,
ehe sie zur endgültigen Behandlung vorgenommen werden. Ein
Petitionsantrag kann ohne derartige Vorberatung abgewiesen
werden; wird er aber nicht sogleich abgewiesen, so ist er einem
Ausschuss zu überweisen.
Betrifft das Gutachten eines Ausschusses eine Gcsetzgebungs=
frage, welche entweder durch eine Vorlage der Regierung oder durch
eine Motion angeregt worden ist, so ist die Frage drei verschiedenen
Lesungen oder Beratungen im Plenum zu unterwerfen.
In der ersten Beratung wird das Gutachten des Ausschus=
ses verlesen, und die Abgeordneten sind in der Lage, die Frage
im allgemeinen zu, erörtern. Ohne Beschlussfassung wird sie
darauf dem grossen Ausschuss übergeben, der sich darüber zu
äussern und eventuell Vorschläge zu machen hat.
In der zweiten Beratung wird der Antrag des grossen Aus=
Schusses vorgelegt; die Diskussion und die Beschlussfassung be=
ziehen sich auf die einzelnen Punkte des Gesetzcsvorschlages.
Abänderungsvorschläge können ohne Einschränkungen eingebracht
werden. Wird der Antrag des grossen Ausschusses in allen Teilen
genehmigt, so wird die zweite Beratung für geschlossen erklärt,
im entgegengesetzten Falle wird der Gesctzesvorschlag in der von
der Kammer angenommenen Form von neuem dem grossen Aus=
schuss überwiesen, der die Annahme des Entwurfes, mit oder ohne
Änderungen, befürworten oder aber dessen Ablehnung vorschla=
gen kann. Hat der grosse Ausschuss Abänderungen vorgeschlagen,
so beschliesst die Kammer über deren Annahme oder Ablehnung;
darauf wird die zweite Beratung für abgeschlossen erklärt.
Die dritte Beratung erfolgt frühestens am dritten Tage nach
Abschluss der zweiten. Dabei kommt entweder die Ablehnung
582
oder die unveränderte Annahme des Gesctzesvorschlagcs in der
bei der zweiten Beratung genehmigten Form in Frage; Abänderungs=
vorschlage können also nicht mehr gestellt werden. Wenn aber ein
Abgeordneter oder mehrere vor der Aufstellung der Abstimmungs=
proposition einen Aufschub der endgültigen Behandlung oder, wie
die R. 0. sich ausdrückt, das »Ruhenlassen» des Gesetzesvorschla=
ges beantragen, so ist die Frage bis zum nächsten Plenum auszu=
setzen: wird der Antrag dann von mindestens einem Drittel sämt=
lieber Mitglieder des Reichstags befürwortet, so soll mit der Erlc=
digung der betreffenden Gesetzgebungsfrage bis zum nächsten nach
neuen Wahlen zusammentretenden Reichstag gewartet werden, und
zwar hat dieser Reichstag den Gesetzcsvorschlag in dem von dem
erstcren Reichstag in der zweiten Beratung genehmigten Wortlaut
einer neuen Behandlung zu unterziehen. Gesetzesvorschläge, welche
die Regierung einem ausserordentlichen Reichstage vorgelegt hat,
dürfen nicht auf solche Weise bis nach Neuwahlen ruhen gelassen
werden.
Die Verfassungsrevision oder, wie die R. 0. sich ausdrückt,
die Annahme eines Grundgesetzes oder die Abänderung, Ausle=
gung oder Aufhebung eines solchen, geschieht in der oben
angegebenen Ordnung, jedoch mit dem Unterschied, dass in der
dritten Beratung in der Regel nur die beiden Eventualitäten der
Ablehnung oder des »Ruhenlassens» einander gegenüberstehen;
es ist somit ein durch Stimmenmehrheit erfolgter Bcschluss erfor=
derlich, damit die endgültige Entscheidung der Revisionsfrage bis
zum ersten Reichstag der nächsten Legislaturperiode aufgeschoben
werde. Auf diesem Reichstag muss der »ruhende» Vorschlag
unverändert angenommen oder aber abgelehnt werden. Der
Kammer ist jedoch nicht unbedingt die Möglichkeit benommen,
eine Verfassungsänderung ohne einen solchen Aufschub durch=
zuführen. Es kann nämlich die Dringlichkeit der Angelegenheit
beantragt werden; wird ein darauf bezüglicher Antrag gestellt,
so ist eine Vorabstimmung vorzunehmen, bei welcher eine Mehr=
heit von fünf Sechsteln der abgegebenen Stimmen erforderlich
ist, um die Dringlichkeitserklärung zu veranlassen und somit die
Revision selbst in diesem Stadium zu ermöglichen.
Mag nun die endgültige Abstimmung über Annahme oder Ab=
lehnung des Vorschlages auf dem nach neuen Wahlen zusammentre=
tendcn Reichstag oder aber, zufolge einer Dringlichkeitserklärung,
ohne einen solchen Aufschub erfolgen, so ist für die Annahme der
585
Revisionsvorlagc die qualifizierte Mehrheit von zwei Dritteln der
abgegebenen Stimmen erforderlich.
Ausser den oben erwähnten Angelegenheiten sollen auch alle
diejenigen Vorschläge, welche ordentliche Steuern oder Bcwilli=
gungen sowie Staatsanleihen betreffen, einer mit den Bestimmun=
gen des § 57 übereinstimmenden dreimaligen Beratung unterzogen
werden, jedoch ohne die Möglichkeit des »Ruhenbleibcns». Betrifft
der Vorschlag eine neue oder eine erhöhte Bewilligung, eine neue
ordentliche Steuer oder die Aufnahme einer Staatsanleihe, so ist
er als abgelehnt anzusehen, wenn er nicht in der dritten Beratung
von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen unterstützt wird.
Ein Interpellationsantrag soll dem Präsidenten schriftlich und
mit bestimmt angegebenem Inhalt eingereicht werden und wird
dann bis zu einer folgenden Sitzung ausgesetzt. Wird der Antrag
dabei von wenigstens 20 Abgeordneten unterstützt, so wird die
Frage durch den Präsidenten dem betreffenden Mitglied der Regic=
rung mitgeteilt, welches, falls die Regierung die Beantwortung nicht
ablehnen zu müssen glaubt, mit dem Präsidenten den Zeitpunkt
für die Beantwortung der Anfrage verabredet. Ferner ist die Beob=
achtung der üblichen parlamentarischen Formen, einfacher und
motivierter Übergang zur Tagesordnung, vorgeschrieben. — Ausser
Interpellationen im eigentlichen Sinne kommen auch einfach schrift=
lieh abzufassende Anfragen vor.
Eine eigenartige Kategorie unter den Landtagsgeschäften
bilden die Massregeln inbetreff der finnischen Reichsbank. Jeder
ordentliche Reichstag hat Bankbevollmächtigte zu wählen, denen
es obliegt, die Verwaltung der unter der Garantie und Obhut des
Reichstages stehenden, in der Reichsbank aufbewahrten Fonds zu
überwachen; für die Bevollmächtigten wird von dem Reichstag im
Rahmen des Gesetzes, welches in erster Linie die Verwaltung
der Bank bestimmt, eine Instruktion festgestellt.
Die Mitteilung der Beschlüsse und Gutachten des
Reichstags erfolgt teils durch den allgemeinen Rcichstagsbeschluss,
teils durch besondere Schreiben an die Regierung. Wird der vom
Reichstag angenommene Vorschlag von der Regierung (dem Staats=
Oberhaupt) abgelehnt, so ist hierüber demjenigen Reichstag Mit=
teilung zu machen, der zunächst nach dem Zustandekommen der
darauf bezüglichen Entschliessung zusammentritt. Eine Zeit, inner=
halb welcher die Sanktion bezw. Sanktionsverweigerung zu erfolgen
hat, ist nicht vorgeschrieben.
584
Verwaltung.
Die höchste administrative Gewalt wird in Finnland nach der
neuen Verfassung vom 17. Juli 1919 von dem Präsidenten der
Republik gehandhabt. Daneben besteht für die allgemeine Ad=
ministration des Reiches ein Staatsrat. Der Staatsrat hat seinen
Sitz in Helsingfors, der Hauptstadt des Reiches. Er zerfällt in
11 verschiedene Ministerien, deren jedem ein eigener Verwaltungs=
zweig anvertraut ist. Diese Ministerien sind : Ministerium für
äussere Angelegenheiten, Justizministerium, Ministerium des In=
nern, Kriegsministcrium, Finanzministerium, Kirchen= und Unter=
richtsministerium, Landwirtschaftsministerium, Ministerium der
Verkehrswege und öffentlichen Arbeiten, Handels= und lndustrie=
ministerium, Sozialministerium und (vorübergehend) Lebensmittels
ministerium. Zu dem Staatsrat gehört ausserdem, zugleich als
besonderes Ministerium, die Kanzlei des Staatsrats.
An der Spitze jedes Ministeriums steht ein Mitglied des Staats=
rats oder ein Minister. Der Vorsitzende des Staatsrats, welcher
auch Chef der Kanzlei des Staatsrats ist, wird Staatsminister ge=
nannt. Wenn der Präsident der Republik anwesend ist, leitet er
die Verhandlungen des Staatsrats.
Dem Staatsrat gehört auch ein Justizkanzler an. Er ist der
höchste amtliche Ankläger (Staatsanwalt) und hat darüber zu wachen,
dass Gesetze und Verordnungen von sämtlichen Amtern befolgt
werden und dass jeder Beamte seine Pflichten erfüllt, sodass keiner
in seinem gesetzmässigen Rechte irgendwelche Kränkungen erleidet.
Ebenso gibt es bei dem Staatsrat einen Gesetzvorbereitungsausschuss,
dem es obliegt, Gesetz= und Verordnungsentwürfe aus verschie=
denen Gebieten der Gesetzgebung für den Staatsrat vorzubereiten.
Gesuche und Beschwerden, welche an den Staatsrat eingereicht
werden, sowie die von den Behörden eingesandten Schriften werden
bei der Registratur, die der Kanzlei des Staatsrats untergeordnet
ist, gebucht und je nach der Art der Eingänge den verschiedenen
Ministerien zugeteilt. Die Sachen werden von den Ministerien vor=
bereitet, worauf der betreffende Minister die auf den Präsidenten
ankommenden Sachen im Staatsrat ihm und die Beamten der
Ministerien die übrigen Scchen dem Staatsrat vortragen. Die wich=
tigsten dieser Sachen werden auch in Plenarsitzungen erledigt, die
übrigen entweder in Abteilungen oder von den Ministern entschieden.
585
Dem Staatsrat unterstchen mehrere in Hcisingfors befindliche
Zentralämter — zum Teil kollcgialische, zum Teil Büreaubehördcn
— deren jeder ein eigener Verwaltungszweig anvertraut ist. Die
Zuständigkeit jedes Zentralamts erstreckt sich über das ganze
Reich, und ihnen sind lokale Behörden untergeordnet. Zu dem
Justizministerium rcssortiert die Gefängnisverwaltung; ihm gehört
auch die Überwachung des Missbrauchs der Pressfreiheit. Zu
dem Ministerium des Innern rechnet man die Landeshauptmänner
mit der Verwaltung der Landesverwaltungsbczirke (finn. lääni,
schwed. län) und die Medizinalverwaltung. Zum Finanzministe=
rium gehören unter anderen die Finnische Reichsbank (Finnlands
Bank— Suomen Pankki), welche unmittelbar unter der Leitung der
Volksvertretung steht, sowie die Zollverwaltung; zum Kirchen=
und Unterrichtsministerium das Oberschulamt; zum Landwirt=
schaftsministcrium das Landwirtschaftsamt, das Landesvcrmcs=
sungsamt, die Forstverwaltung, das Kolonisationsamt und das
Fischerciamt; zum Ministerium der Verkehrswege und öffentlichen
Arbeiten die Verwaltung der Staatscisenbahnen, die Verwaltung
der Wege und Wasserbauten, die Postverwaltung, die Tclegraphcn=
Verwaltung und die Verwaltung der öffentlichen Bauten; zum Han=
dels= und Industrieministerium das Industrieamt und das Obersec=
amt; zum Sozialministerium die Sozialverwaltung.
Die Zentralämter sind vom Staatsrat getrennte Behörden,
welche die von ihnen für erforderlich gehaltenen Anträge dem
Staatsrat vorlegen oder gewünschte Gutachten an ihn abgeben
und im übrigen die ihnen zukommenden Aufgaben nach dem Ge=
setz und den Verordnungen oder nach den von dem Staatsrat
gesetzmässig gegebenen Vorschriften selbständig ausführen. Doch
kann der Chef des betreffenden Ministeriums des Staatsrats dem
Chef oder Beamten eines Zentralamts vorschreiben, eine unter
das Gebiet derselben Verwaltung fallende Angelegenheit zu bearbei=
ten und auch dem Staatsrat vorzutragen.
Die Chefs der Zentralämter werden gewöhnlich Obcrdirckto=
ren, ihre Mitglieder Räte oder Assessoren genannt. Manche Zen=
tralämter bestehen aus mehreren Abteilungen.
Als den Zentralämtern untergeordnete lokale Behörden seien
hier beispielsweise erwähnt: die Distriktsärzte, Länsbaubureaus,
Zollämter, Forstmeister, Inspektoren der Amtsgüter, Agronomen,
Feldmesser, Distriktsingenieure, Postanstaltcn, Lotsendistrikts=
chefs, Gewerbeinspektoren.
y86
Für die allgemeine Zivilverwaltung teilt sich Finnland in 9
Landesverwaltungsbczirke oder Liinc (lääni, län): Nyland (Uusimaa),
Äbo und Björneborg (Turku und Pori), Aland (Ahvenanmaa),
Tavastehus (Hämc), Wiborg (Viipuri), St. Michel (Mikkeli),
Kuopio, Wasa und Uleäborg (Oulu). Am kleinsten ist das erst im
). 1918 von dem Län Äbo und Björneborg (Turku und Pori) ge=
trennte Län Aland (Ahvenanmaa), dessen Flächeninhalt 1352 km" und
dessen Einwohnerzahl ungefähr 26,000 beträgt. Dem Flächeninhalt
nach am grössten 167,971 km", ist das Län Uleäborg, (Oulu), aber
seine Einwohnerzahl beläuft sich nur auf etwa 328,000, während die
Einwohnerzahl der Läne Nyland (Uusimaa), Äbo und Björneborg
(Turku und Pori), Wiborg (Viipuri) und Wasa der Reihenfolge nach
ungefähr 376,000, 500,000, 521,000 und 515,000 ausmacht bei einem
Flächeninhalt von bezw. 12,039, 22,964, 43,229 und 41,562 km'.
Jedes Län hat seine Länsverwaltung. An ihrer Spitze steht
der Landeshauptmann (finn. maaherra, schwed. landshövding). Die
Länsverwaltung zerfällt in zwei Abteilungen: die Länskanzlei und
das Länskontor. Die Angelegenheiten der Länskanzlei werden dem
Landeshauptmann durch den Länssekretär oder Vicc=Länssekrctär,
die des Länskontors durch den Länskämmerer oder Vice=Läns=
kämmercr vorgetragen.
Die Länsverwaltungen unterstehen dem Ministerium des Innern
des Staatsrats. Der Länsverwaltung, als einer allgemeinen admi=
nistrativen Behörde, liegt die gesamte Verwaltung des Läns ob,
insoweit deren Wirksamkeit besondere Verwaltungszwcige nicht
entzogen sind, welche dann den Zentralämtern und den diesen
unterstehenden lokalen Sonderbehörden anvertraut sind. Beson=
ders hat die Länsverwaltung für Aufrechterhaltung der öffent=
liehen Ordnung und Sicherheit Sorge zu tragen. Aber auch die
Rechtspflege wird z. T. von der Länsverwaltung gehandhabt,
nämlich in Schuldfordcrungsangelegenheiten, wenn die Fordc=
rung sich auf einen Schuldschein oder andere schriftliche Doku=
mentc stützt, welche die Forderung allein völlig beweisen, sowie
in administrativen Berufungssachen, welche dort gegen Beschlüsse
und Massregeln sowohl der unteren Staatsbehörden als auch der
Selbstverwaltungskörper eingereicht werden. Desgleichen ist die
Länsverwaltung die höchste Vollzugsbehörde im Län.
Die Läne werden in Amtsbezirke (finn. kihlakunta, schwed.
härad) eingeteilt, in denen die öffentliche Verwaltungsbehörde
der Amtmann (finn. kruununvouii, schwed. kronofogde), ist. Er
587
ist in seinem Bezirke die höchste Poh'zeibehörde, der oberste öf=
fenthche Ankläger, Steuererheber und Gerichtsvollzieher. Die
Amtbezirke zerfallen in Ortspolizeidistrikte, wo der OrtspoIizci=
beamte (finn. kruununnimismies, schwed. kronolänsman) als dem
Amtmann untergeordnete Polizeibehörde, öffentlicher Ankläger und
Vollzugsbchörde ist. Ihm sind die Polizeidiener unterstellt.
In jedem Amtsbezirk gibt es auch einen Amtschreiber (finn.
henkikirjoittaja, schwed. häradsskn'vare) , dessen Aufgabe es ist,
das sog. Steuerbuch über die im Amtsbezirk befindlichen Grund =
stücke zu führen, die jährliche Personenstandsaufnahme auszu=
führen und das Leistungsverzeichnis der Steuerpflichtigen und
der von ihnen zu bezahlenden Steuern festzustellen. Der Staats=
Verwaltung untergeordnete, aber mit Selbstverwaltung versehene
Korporationen sind die Land= und Stadtgemeinden, ferner die
selbständige Gemeinden bildenden Marktflecken sowie die kirch=
liehen Gemeinschaften.
Finnland hat ca. 500 Landgemeinden, 38 Städte und 4 Maikt=
flecken.
Das Beschlussrecht der Gemeinde wird auf dem Lande von dem
Gemeindcverordnetenkollegium, in den Städten von dem Stadtver=
ordnctenkollegium ausgeübt. Die Zweckmässigkeit der Beschlüsse
dieser Kollegien kann unter gewissen Bedingungen dem Volks=
entscheid unterstellt werden. Zum Zwecke der Vollstreckung und
Verwaltung gibt es auf dem Lande einen Gemeinderat und in
den Städten eine unter der Autsicht des Magistrats stehende
Stadtkämmerei. Ausserdem gibt es sowohl in den Land= als in
den Stadtgemeinden eine Anzahl andere Ausschüsse, Beamte und
Bedienstete.
Der Magistrat, dessen Vorsitzender der Bürgermeister ist,
wirkt als Verwaltungsorgan und Gericht in Ordnungs= und Wirt=
schaftsangelcgenhciten. Dabei entscheidet er als Oberexekutor un=
streitige Geldfordcrungssachen. Als öffentlicher Ankläger erscheint
in den Städten der Stadtfiskal, als Gerichtsvollzieher der Stadtvogt.
Die Kosten des Polizeiwesens werden in den Städten teils von der
Stadt, teils vom Staate getragen.
Auch ein Ausländer, der mit Zustimmung der Regierung Grund=
stücke erwirbt, Gewerbe treibt oder in irgendeiner Gemeinde
Finnlands wohnhaft ist, ist Mitglied dieser Gemeinde.
Kirchliche Gemeinschatten sind die cvangclisch=lutherischen
und griechisch=katholischen Gemeinden sowie die protestantischen
588
Dissidcntcngcmcindcn. Desgleichen sind die Bekennet der mosai=
sehen Religion berechtigt Gemeinden oder Reiigionsgemein=
Schäften zu bilden. Die Regierung hat das Recht, bis das Reli=
gionsfrciheitsgesctz zustande kommt, Bestimmungen über die
Bedingungen zu erlassen, unter welchen in Finnland wohnhatte
Personen, die nicht Angehörige der ebengenannten Konfessionen
sind, Religionsgemeinschaften in Finnland bilden können (vgl,
Konfessionen).
Als Vertretung der evangelisch=lutherischen Kirche Finnlandj
erscheint die alle fünf Jahre zusammentretende Kirchensynode.
Diese hat ein verhältnismässig weitgehendes Gesetzgebungsrecht.
Das Beschlussrecht der Gemeinden wird von der Kirchen gemeinde=
Versammlung oder in den grösseren Städten von dem Kirchen=
vcrordnetenkollegium ausgeübt.
Das Land ist in vier Bistümer mit je einem Domkapitel und dem
Bischof als dessen Vorsitzendem eingeteilt, zwecks Handhabung
der kirchlichen Verwaltung und der Kirchenzucht. Die vier Bis=
tümer zerfallen in Propsteien. In diesen liegt es dero Länspropstc
ob, über die Geistlichkeit und Wirtschaft der Gemeinden zu
wachen.
Eine weitgehende Selbstverwaltungsbefugnis besitzt auch die
Universität zu Helsingfors. Ihr höchstes Verwaltungsorgan ist der
Kanzler.
In den Verwaltungsbehörden sollen die Geschäfljc schriftlich
erledigt werden.
Das Wappen.
Das Wappen Finnlands zeigt einen mit den Hintcrfüssen auf
einem Schwert stehenden vergoldeten Löwen, der eine Krone
auf dem Kopf hat, in der rechten Vordertatzc ein entblösstes Schwert
hält und von neun silbernen Rosen umgeben ist, — alles dies auf
rotem Grunde; oberhalb des Schildes befinden sich eine vergoldete
Krone und der Hut des Grossfürsten. Seine gegenwärtige Gestalt
erhielt das Wappen unter König Johan HL, gleich nachdem dem
Lande 1581 der Rang eines Grossfürstentums verliehen worden war.
Im Jahre 1918 wurde es als Wappen des selbständigen Finnischen
Reiches bestätigt.
589
Die Flagge.
Die Handelsflagge Finnlands, die 1918 bestätigt wurde, zeigt
ein marineblaues aufrechtstehendes Kreuz auf vvcisscm Grunde.
Die Reichsflagge stimmt sonst mit der Handelsflagge überein, nur
enthält sie in der Mitte das Reichswappen. Die Kriegsflagge ist
bis auf die Einkerbung an ihrem freien Rand mit der Reichsflaggc
identisch.
Die Läne.
Das Län Nyland (Uusimaa) umfasst die Landschaft
^Jyland (der zu dem Gerichtsbezirk Kymi gehörige Teil nicht
mitgerechnet) nebst den Kirchspielen Jaala, litti und Orimattila
in der Landschaft Tavastland (Häme). Zu dem Län gehören die
Städte Helsingfors (Helsinki), Lovisa, Borgä (Porvoo), Ekcnäs
(Tammisaari) und Hangö (Hanko) und 40 Landgemeinden. Flächc=
ninhalt 12,039 ^^'r wovon 11,273 ^'^'^ festes Land; Zahl der
Bevölkerung 1915 414,430 Personen (= 34,4 auf 1 km^), davon in
den Landgemeinden 218,895 (= 19,6 auf 1 km-). Im Jahre 1910
war die Zahl der Bevölkerung 376,218 Personen, davon männliche
180,458 und weibliche 195,760; die ortsanwesende Bevölkerung
war in demselben Jahre 362,879, davon sprachen Finnisch 212,315,
Schwedisch 149,173 und eine fremde Sprache 1,391. — Angebautes
Land (1910) 263,474 ha, wovon natürliche Wiesen 38,182 ha.
Die Ernte bestand 1915 in 405,091 hl Roggen, 1,254,768 hl Hafer,
49,493 hl Gerste, 15,650 hl Weizen und 753,803 hl Kartoffeln.
Pferde 28,154, Rindvieh 104,162 (1915). Hauptstadt des Läns:
Helsingfors (Helsinki).
Das Län Äbo u. Björneborg (Turku u. Pori)
umfasst die Landschaft Eigentliches Finnland ganz und den west=
liehen Teil der Landschaft Satakunta. Zu dem Län gehören die
Städte Äbo (Turku), Björneborg (Pori), Raumo (Rauma), Nystad
(Uusikaupunki) und Nädendal (Naantali), die Marktflecken Salo,
Ikaalinen (ikalis) und Vammala und 106 Landgemeinden. Gc=
samtfläche (festes Land) 21,745 km^ Zahl der Bevölkerung 1915
790,667 Personen (22,6 auf 1 km*), davon in den Landgemeinden
405/997 (= i8,8 auf i km-). Im Jahre 1910 war die Zahl der
Bevölkerung 472,816, davon männliche Personen 273,972 und
weibliche 238,844. Die ortsanwesende Bevölkerung betrug in dem=
selben Jahre 455,747; davon sprachen Finnisch 412,464, Schwedisch
43,045 und eine andere Sprache 238. — Angebautes Land (1910)
448,109 ha, davon natürliche Wiesen 65,514 ha. Die Ernte betrug
1915 765,636 hl Roggen, 2,306,891 hl Hafer, 199,019 hl Gerste,
60,466 hl Weizen und 1,393,483 hl Kartoffeln. Pferde 49,424,
Rindvieh 174,308 (1915). Hauptstadt des Läns : Äbo (Turku).
Das Län Aland (Ahvenanmaa) umfasst die ganze
Landschaft Aland. Zu dem Län gehören die Stadt Marichamn
(Maarianhamina) und 15 Landgemeinden. Areal (festes Land)
1,426 km^ (das kleinste Län Finnlands); Zahl der Bevölkerung
27,115 Personen (= 19 auf 1 km^), davon in den Landgemeinden
25,683 (= 18 auf 1 km'-). Im Jahre 1910 war die Zahl der BcvöU
kerung 26,516, davon männliche Personen 12,958 und weibliche
13,558; die ortsanwesende Bevölkerung betrug in demselben Jahre
21,356; davon sprachen Schwedisch 20,458, Finnisch 896 und eine
andere Sprache 2. — Angebautes Land (1910) 16,390 ha, davon
natürliche Wiesen 6,556 ha. Die Ernte betrug 1915 24,155 hl
Roggen, 46, 201 hl Hafer, 2,042 hl Gerste, 3,807 hl Weizen und
84,822 hl Kartoffeln. Pferde 2,528, Rindvieh 9,628 (1915).
Hauptstadt des Läns : Mariehamn (Maarianhamina).
Das Län Tavastehus (Häme) umfasst einen grossen
Teil des südlichen Tavastland und das westliche Satakunta. Zu
dem Län gehören die Städte Tavastehus (Hämeenlinna), Tammer=
fors (Tampcrc) und Lahti und 51 Landgemeinden. Areal 20,928
km-, wovon festes Land 17,438 km-; Zahl der Bevölkerung 1915
358,389 Personen (20,6 auf 1 km^), davon in den Landgemeinden
300,017 (17,2 auf 1 km^). Im Jahre 1910 betrug die Zahl der Bc=
völkerung 342,321, wovon männliche Personen 169,671 und weib=
liehe 172,650; die ortsanwesende Bevölkerung war in demselben
Jahre 334,665 Personen; davon sprachen Finnisch 330,190, Schwe=
disch 4,356 und eine andere Sprache 119. Angebautes Land (1910)
296,978 ha, wovon natürliche Wiesen 49,001 ha. Die Ernte betrug
1915 532,135 hl Roggen, 1,230,951 hl Hafer, 115, 463 hl Gerste,
8,184 hl Weizen und 750,551 hl Kartoffeln. Pferde 33,290, Rindvieh
117,298 (1915). Hauptstadt des Läns: Tavastehus (Hämeenlinna).
Das Län Wiborg (Viipuri) umfasst das südliche Kardien,
einen Teil des südlichen Savolax, den westlichsten Teil von Nyland
und einen kleinen Teil des südöstlichen Tavastland. Zu dem Län
gehören die Städte Wiborg (Viipuri), Sortavala, Kexholm (Käki=
salmi), Villmanstrand (Lappcciiranta), Frcdrikshamn (Hamina)
und Kotka nebst 60 Landgemeinden. Areal 43,229 km^ wovon
31,376 km- festes Land; Zahl der Bevölkerung 1915 562,298 Perr
sonen (= 17,9 auf i km'-), wovon in den Landgemeinden 508,604
(^= 16,3 auf I km-). Im Jahre 1910 war die Zahl der Bevölkerung
521,469, wovon männliche Personen 258,880 und weibliche 262,589;
die ortsanwesende Bevölkerung war in demselben Jahre 494,108
Personen; davon sprachen Finnisch 479,120, Schwedisch 7,872 und
eine andere Sprache 7,116. Angebautes Land {1910) 350,736 ha,
wovon natürliche Wiesen 109,018 ha. Die Ernte betrug 1915
659,085 hl Roggen, 1,149,131hl Hafer, 144,234 hl Gerste, 1,800 hl
Weizen, 729 hl Buchweizen und 1,037,299 hl Kartoffeln. Pferde
45,626, Rindvieh 156,511 (1915). Hauptstadt des Läns: Wiborg
(Viipuri).
Das Län St. Michel (Mikkeli) umfasst hauptsächlich
das südliche Savolax und einen Teil des östlichen Tavastland.
Zu dem Län gehören die Städte St. Michel (Mikkeli), Nyslott
(Savonlinna) und Heinola und 27 Landgemeinden. Flächeninhalt
23,314 km-, wovon 16, 638 km- festes Land; Zahl der Bevölkerung
1915 202,680 Personen (= 12,2 auf 1 km-); davon in den Landge=
meindcn 191,480 (= 11,5 auf 1 km"). Im Jahre 1910 war die Zahl
der Bevölkerung 198,829 Personen, wovon männliche 99,123 und
weibliche 99,706; die ortsanwesende Bevölkerung war in demselben
Jahre 191,900; davon sprachen Finnisch 191,137, Schwedisch 670 und
eine andere Sprache 93. Angebautes Land (1910) 194,29t ha, wovon
natürliche Wiesen 79,700 ha. Die Ernte betrug (1915) 388,224 hl
Roggen, 554,404 hl Hafer, 83,914 hl Gerste, 773 hl Weizen und
556,247 hl Kartoffeln. Pferde 19,724, Rindvieh 93,637 (1915).
Hauptstadt des Läns: St. Michel (Mikkeli).
Das Län K u o p i 0 umfasst das ganze nördliche Savolax und
das mittlere und nördliche Kardien. Zu dem Län gehören die Städte
Kuopio, Joensuu, und lisalmi, der Marktflecken hJurmes und 40
Landgemeinden. Gesamtfläche 44,067 km-, wovon festes Land
36,191 km^; Zahl der Bevölkerung 1915 347,198 Personen (= 9,6
auf 1 km-), wovon in den Landgemeinden 321,414 (= 8,9 auf 1
km^). Im Jahre 1910 betrug die Zahl der Bevölkerung 333, 777
Personen; wovon männliche 167,432 und weibliche 166,345; die
ortsanwesende Bevölkerung betrug in demselben Jahre 325,408
Personen, davon sprachen Finnisch 324,553, Schwedisch 664 und eine
andere Sprache 191. Angebautes Land (1910) 298,108 ha, wovon
natürliche Wiesen 161,743 ha. Die Ernte betrug (1915) 421,992
hl Roggen, 533,353 hl Hafer, 292,329 hl Gerste, 560 hl Weizen und
982,298 hl Kartoffeln. Pferde 31,217, Rindvieh 165,059 (1915).
Hauptstadt des Läns: Kuopio.
Das Län Wasa (Vaasa) umfasst das südliche Osterbotten
(Pohjanmaa), den grössten Teil des mittleren Osterbotten, das nord=
östliche Satakunta und das nördliche Tavastland. Zu dem Län ge=
hören die Städte Wasa, Jakobstad (Pietarsaari), Gamlakarleby (Kok=
kola), Jyväskylä, Kristinestad (Kristiinankaupunki), Kaskö (Kaskinen)
und Nykarlcby (Uusikaarlepyy) und 89 Landgemeinden. Flächen=
inhalt 41,562 km", wovon festes Land 38,505 km"; Zahl der Be=
völkerung 1915 514,940 Personen (= 13,4 auf 1 km'^), davon in
den Landgemeinden 473,515 {= 12,4 auf 1 km^). Im Jahre 1910
war die Zähl der Bevölkerung 514,940 Personen, wovon männliche
257,184 und weibliche 257,756; die ortsanwesende Bevölkerung
war in demselben Jahre 439,184, davon sprachen Finnisch 327,828,
schwedisch 111,094 und eine andere Sprache 262. Angebautes
Land (1910) 526,965 ha, wovon natürliche Wiesen 1 17,610 ha. Die
Ernte betrug 1915 603,746 hl Roggen, 1,148,638 hl Hafer, 424,108
hl Gerste, 475 hl Weizen und 1,178,880 hl Kartoffeln. Pferde 49,842,
Rindvieh 186,229 (1915). — Hauptstadt des Läns: Wasa (Vaasa).
Das Län Ulcäborg (Oulu) umfasst den grössten Teil
von Osterbotten (Pohjanmaa) und ganz Finnisch=Lappland. Zu
dem Län gehören die Städte Uleäborg (Oulu), Brahestad (Raahe),
Kemi, Torneä (Tornio) und Kajana (Kajaani) und 70 Landge=
meinden. Flächeninhalt 167,971 km^ (das grösste der Läne Finn=
lands), wovon festes Land 158,549 km^. Zahl der Bevölkerung
1919 357/779 Personen (= 2,3 auf 1 km^), wovon in den Land=
gemeinden 323,826 (= 2 auf 1 km"). Im Jahre 1910 war die Zahl
der Bevölkerung 323,311 Personen, wovon männliche 167,016 und
weibliche 161,295; die Zahl der ortsanwesenden Bevölkerung war
in demselben Jahre 295,950; davon sprachen Finnisch 292,642,
595 38
Schwedisch 1,629 und eine andere Sprache 1,679 (unter den letzt»
genannten Lappisch 1,659). — Angebautes Land 442,591 ha, wovon
natürhche Wiesen 332,083 ha. Die Ernte betrug 1915 171,517
hl Roggen, 199,701 hl Hafer, 457,758 hl Gerste, 50 hl Weizen und
497,556 hl Kartoffeln. Pferde 28,122, Rindvieh 142,966 (1915). —
Hauptstadt des Läns: Uleäborg (Oulu).
Öffentliches Gesundheitswesen.
Die Organisation des öffentlichen Gesundheitswesens schliesst
sich an die der inneren Verwaltung, der staatlichen Verwaltungs=
behörden und der Organe der kommunalen Selbstverwaltung an.
Die höchste Medizlnalbehörde ist der Staatsrat, und zwar
zunächst das Ministerium des Inneren; doch liegt
die eigentliche Leitung und Überwachung des öffentlichen Gesund=
hcitswesens in den Händen einer dem Ministerium des Inneren
unterstellten Zentralbehörde, des Medizinalkollegiums,
nach der Losreissung Finnlands von Schweden im Jahre 1816 nach
denselben Prinzipien gegründet, die in Schweden für das Colle=
gium medicum und die Seraphimen=Ritterorganisation in Kraft
bestanden. Seine jetzige Organisation erhielt das MedizinaU
kollcgium durch die Verordnung vom 29. Januar 1878.
Das Medizinalkollegium ist eine Kollegialbchörde, deren Mit=
glicdcr aus dem Generaldirektor (Vorsitzender), vier
Medizinalräten und zwei Assessoren bestehen. Der
Generaldirektor und die Medizinalräte, von welchen jeder sein
besonderes Dezernat hat, sind Arzte, während der eine der Asscs=
soren Tierarzt ist, der andere das Apothekerexamen bestanden
haben soll. Alle Mitglieder sind vollamtiich angestellt. — Das
Medizinalkollegium hat die Aufgabe, für den ordnungsmässigen
Stand des Gesundheitswesens und dessen Entwicklung zu sorgen.
Es hat die Oberaufsicht über die öffentliche Kranken= und Gc=
sundheitspflcge, über Apotheken, Veterinärwesen, Schutzpocken=
impiung und Hebammen und wacht darüber, dass die Beamten des
Medizinalkollegiums und ihm unterstellte Personen (Ärzte, Tier=
ärzte, Zahnärzte, Hebammen, Impfer, Krankenpfleger usw.) die
für sie festgestellten Instruktionen und Bestimmungen befolgen,
dass Krankenanstalten, Irrenanstalten, Apotheken und Drogen=
häiidliingcn sachgcmäss geleitet werden und dass nur dazu bcrcch=
tigtc Personen den ärztlichen, tierärztlichen und zahnärztlichen
Beruf ausüben. Das IVledizinalkollegiuni hat die Verfügungen
der Regierung zu bevwerkstelligen und bewerkstelligen zu lassen,
aus eigener Initiative seinem Geschäftskreis angehörende Aufgaben
in Angriff zu nehmen, Gutachten abzugeben und Anträge und
Vorschläge in allen das Gesundheitswesen betreffenden Angelc=
gcnheitcn zu machen usw. in gerichtsärztlichen Angelegenheiten
ist das Medizinalkollcgium die oberste sachverständige Behörde
und hat auf Verlangen den Gerichtsbehörden Gutachten zu er=
statten. Das Mcdizinalkollegium ist also sowohl eine verwaltende
und beratende als auch eine aufsichtsführende und verfügende
Behörde.
Öffentliche Staatsbehörden, denen ebenfalls die Behandlung
gewisser die Gesundheitspflege betreffender Angelegenheiten ob=
liegt, sind ausser dem Ministerium des Inneren die L a n d e s =
hauptmännerder Länc nebst den ihnen unterstellten nie=
deren Behörden. Es gehört in dieser Hinsicht zu den ObIiegen=
heitcn des Landeshauptmannes darüber zu wachen, dass »alles, was in
Verordnungen und mitgeteilten Instruktionen verordnet worden
ist, vorschriftsmässig befolgt werde» und insbesondere, dass alle
Gemeinden und deren einzelne Organe ihre Pflicht inbezug auf
die öffentliche Gesundheitspflege erfüllen. Auch hat der Landcs=
hauptmann nebst seinen Untergebenen den Medizinalbehörden
bei Bedarf amtlichen Beistand zu leisten.
Die öffentliche Kranken= und Gesundheitspflege beaufsich =
tigt das Mcdizinalkollegium in erster Linie durch vom Staate
angestellte Provinzialärzte, zu welchem Zweck das Land
in 53 Kreise eingeteilt ist. Gemäss der diesbezüglich in Kraft be=
stehenden Instruktion ist die allgemeine Aufsicht über die Gesund=
heitspflege die Hauptaufgabe des Provinzialarztes, der zu diesem
Zweck die Morbiditätsursachen zu untersuchen und die nötigen
Massnahmen zur Entfernung hygienischer öbelstände wie auch
zur Bekämpfung der epidemischen und ansteckenden Krankheiten zu
ergreifen hat, ausserdem aber auch durch Belehrung des Volkes schäd=
liehe Sitten und Vorurteile zu beseitigen und Kurpfuscherei zu verhin=
dem suchen soll. Der Provinzialarzt bewerkstelligt ferner gerichts=
ärztliche Aufgaben, beaufsichtigt die Irrenpflege, die Tätigkeit der
Ärzte, Hebammen, Impfer, der ambulatorischen Krankenwärte=
rinnen u. a., revidiert die Apotheken und überwacht die Schutz»
Pockenimpfung. Der Provinzialarzt hat jährlich einen Bericht
über seine Amtstätigkeit beim Medizinalkollcgium einzureichen.
Privatkranken hat der Provinzialarzt ärztliche Hilfe und Rat zu
erteilen, falls er darüber seine Amtspflichten nicht versäumt.
Obwohl die Städte Finnlands offiziell zu den provinzialarzt»
liehen Kreisen gehören, sind dort die Obliegenheiten der Pro=
vinzialärzte zum grössten Teil den Stadtärzten übertragen
vjcordcn '), die von den Städten angestellt, aber vom Staatsrat end=
gültig ernannt werden. Ebenso ist in den nördlichsten, undicht
bevölkerten Gegenden des Landes ein Teil jener Obliegenheiten
auf die vom Staate angestellten sog. Bezirksärzte übcr=
gegangen, die sich wie auch die Gemeindeärzte vor allem
der privaten Krankenpflege zu widmen haben. Die Gemeindeärzte,
deren Amtsgebietc bedeutend mehr als die Hälfte aller Land=
gemeinden umfassen und deren Anzahl sich von Jahr zu Jahr rasch
vergrössert, beziehen ihren Gehalt nebst einem Beitrag des Staates
von der Gemeinde und werden von der Gemeinde gewählt, worauf
das Medizinalkollcgium sie zu ihrem Amt verordnet. Bis jetzt
gibt es noch keine gemeinsame Instruktion für die Gemeindeärzte,
sondern diese haben sich in geeigneten Punkten nach der Instruk=
tion der Provinzialärzte zu richten. Gemäss speziellen, von den
Landeshauptmännern bestätigten Vorschriften haben indessen viele
Gemeindeärzte die ausdrückliche Pflicht, für die Gesundheitspflege
im allgemeinen zu sorgen und die Seuchen zu bekämpfen. In die=
sem Zusammenhang sei erwähnt, dass gegenwärtig die Frage
einer Neuregelung der Kranken= und Gesundheitspflege der gc=
samten Provinz in der Schwebe ist. Für diese Neuregelung wie auch
für die Erneuerung der Gesundheitsverordnung liegt ein fertiger
Entwurf vor; es ist u. a. die Absicht, die Zahl der Provinzialärzte
zu vermindern und einen Teil ihrer Obliegenheiten den Gemeinde=
ärzten zu übertragen.
Die Grundlage für die Regelung der öffentlichen Gesundheits=
pflege bildet die Gesundheitsverordnungvom 22.
Dezember 1879, welche in einem besonderen Kapitel die Seu=
chenverordnung umfasst. Allgemeine Verfügungen inbezug auf die
Gesundheitspflege sind ausserdem sowohl in dem allgemeinen Ge=
■) U. a. die gerichtlichen Obduktionen; in Heisingrfors werden diese
vom Professor der gerichtlichen Medizin an der Universität ausgeführt.
596
setz, namentlich dem Strafrecht, als auch in einzelnen das ganze
Land betreffenden Verordnungen enthalten (z. B. im Wasscrrechts=
gcsctz, in den Verordnungen über die Herstellung alkoholischer
Getränke und den Handel damit, über den Kinder= und Arbeitcr=
schütz und die Gewerbe, in der Bauordnung der Städte, im Schul=
gesetz usw.). Die Bekämpfung der venerischen Kranhciten, der
Pocken und der Cholera stützt sich auf besondere Verordnungen;
ausserdem sind gegenwärtig spezielle Verfügungen betreffs der
Tuberkulose in Bearbeitung.
Nach der Gesundheitsverordnung muss jede Stadt einen G e=
sundheitsrat und eine besondere, vom betreffenden Landcs=
hauptmann bestätigte Gesundheitsordnung haben, die örtliche
Vorschriften über die Gesundheitspflege enthält; selbstverständ=
lichcs Mitglied des Gesundheitsrats ist u. a. der Stadtarzt. In den
Landgemeinden handhabt der Gemeinderat die Obliegen=
hciten des Gesundheitsrats, doch kann auch eine Landgemeinde ei=
nen besonderen Gesundheitsrat errichten; an der Behandlung dies=
bezüglicher Angelegenheiten im Gemeinderat kann sowohl der Pro=
vinziaU als auch der Gemeindcarzt teilnehmen. Eine besondere
Gesundheitsordnung muss in den Landgemeinden eingeführt wer=
den, sobald solches nötig befunden oder vom Landeshauptmann
verlangt wird.
Der Gesundheitsrat oder der als solcher fungierende Gemeinde=
rat ist die eigentliche beratende, aufsichlsführende und teilweise
vollstreckende Behörde der kommunalen Gesundheitspflege. Er
wirkt auch als Gesundheitspolizei, wobei ihm die GerichtsvolU
zieher amtlich Beistand zu leisten haben. Zu den Obliegenheiten
des Gesundheitsrats gehört es u. a. den allgemeinen Gcsundheits=
zustand und die auf diesen wirkenden Verhältnisse genau zu beobach=
ten und darüber zu wachen, dass die zum Zweck der Gesundheits=
pflege erlassenen Verfügungen und Vorschriften befolgt werden;
ferner die Sorge für gutes und ausreichendes Trink= und Gebrauchs=
Wasser, für gesunde Wohnungen und Werkstätten, gute Entwässe=
rung des Erdbodens und Fortschaffung von Abfällen, die Kontrolle
des Beerdigungswesens, die Prüfung und Genehmigung von Fabrik=
anlagen; er soll weiter seine Aufmerksamkeit auf den Verkehr
mit Nahrungs= und Genussmitteln richten und rechtzeitig alle
Anordnungen und Massregeln zur Verhütung und Bekämpfung
von ansteckenden Krankheiten treffen, Mortalitäts= und Morbi =
ditätsstatistiken zusammenstellen usw. Der Gesundheitsrat soll
alljährlich einen Bericht über seine Tätigkeit und den Gejund=
hcitszustand wie die Sterblichkeit der betreffenden Gemeinde
dem Medizinalkollcgium, auf dem Lande dem Provinzialarzt zu=
stellen, in dessen Jahresbericht an das Medizinalkoilegium die
erwähnten Angaben Berücksichtigung finden sollen.
Ausser den vorgenannten ärztlichen Beamten gibt es noch an=
dcre, die speziell für die Kranken= und Gesundheitspflege der
Gefängnisse, des Eisenbahn= und Lotsenwesens, der VolksschuU
Seminare angestellt sind; in den meisten Fällen bekleiden die Pro=
vinziaU, Gemeinde= und Krankenhausärzte gleichzeitig jene Am=
ter. In den grösseren Stadtgemeinden sind ein erster und zweiter
Stadtarzt und ausserdem noch Arzte für die Pflege unbemittelter
Kranker und zur Besichtigung der Prostituierten angestellt. Die
Frage von der Verpflichtung der Gemeinden, Volksschulärztc
anzustellen, steht auf der Tagesordnung. Gegenwärtig gibt es in
vielen Stadt= und auch in einigen Landgemeinden Schulärzte.
Auch viele Fabriken haben eigene Arzte für die Krankenpflege
der Arbeiter.
Zur Ausübung desärztlichen Berufs ist gemäss derdiesbczüglichen
Verordnung vom 18. Februar 1890 jeder finnische Mitbürger
berechtigt, der das Lizentiatenexamen (= ärztliche Prüfung) an
der Universität des Landes abgelegt hat; doch liegt es ihm ob, che
er die Ausübung seines Berufs antritt, dem Medizinalkollegium
sein Lizentiatendiplom vorzuzeigen und, falls er die Rechte eines
legitimierten finnischen Arztes (z. B. ein Staats= oder Gemeinde=
amt zu erhalten)! geniesscn will, den vorgeschriebenen Eid abzu=
legen. Doch kennt diese allgemeine Verordnung einige Ausnah=
men. So kann das Medizinalkollegium unter gewissen Bedingungen
einem Arzt, der sein Staatsexamen im Auslande abgelegt hat, selbst
wenn er ausländischer Untertan ist, das Recht erteilen, seinen
Beruf in Finnland auszuüben. Das Medizinalkollegium kann fer=
ner einen Kandidaten der Medizin interimistisch zu einem ärzt=
liehen Amt ernennen. — Seit 1914 haben Frauen das gleiche Recht
zur Ausübung des ärztlichen Berufs wie Männer.
Der ärztlichen Prüfung, dem sog. Lizentiatenexamen, geht
ein Studium von durchschnittlich 9 — 10 jähren voraus.
Die Zahl der Arzte ist in Finnland augenblicklich etwa 650, so=
dass also 1 Arzt auf je 5000 Einwohner kommt. Da indessen ungc=
598
fähr "/j der Ärzte in den Städten wohnen, stellt sich das Verhält=
nis der Arzte zur Einwohnerzahl auf dem Lande wie etwa i: 13,000.
Eine staatliche Organisation der Arzte besteht nicht.
Die Ausübung der Heilkunde durch nicht approbierte Perso=
nen ist bei höchstens 400 Fmk Strafe verboten.
Homöopathen gibt es nicht.
Das Hebammenwcsen ruht auf dem Hebammenregle=
mcnt vom 6. Mai 1879; ein fertiger Entwurf zu einem neuen Regle=
ment liegt vor. Die Ausbildung der Hebammen geschieht im Heb=
ammeninstitut zu Helsingfors, welches unter der Oberaufsicht
des Medizinalkollegiums steht. Der Unterricht ist unentgeltlich.
Die Ausbildung dauert ein Jahr, wonach die Hebamme ihren Amts=
eid vordem Medizinalkollegium abzulegen hat. Nur auf diese Weise
für ihren Beruf ausgebildete Hebammen können von den Gemeinden
angestellt werden. Die Annahme und Bezahlung der Hebamme
ist abhängig von dem freien Beschluss der betreffenden Gemeinde.
Mit ein paar Ausnahmen hat heute jede Landgemeinde mindc=
stens eine examinierte Hebamme. Ihr festes Gehalt ist bis zu
den letzten Jahren durchschnittlich 300 — 400 Fmk gewesen und
daneben für jede Entbindung Gebühren nach der Taxe. Während
der Kriegszeit haben die meisten Gemeinden das Jahrcsgehalt der
Hebamme auf 1000 — 1200 Fmk erhöht. Die ganze Anzahl der
Hebammen beträgt etwa 800, wovon rund 600 in den Landgemein=
den tätig sind. Im Hebammeninstitut werden jährlich auch Repcti=
tionskurse und Kurse in der instrumentalen Entbindung veran=
staltet. In diesem Zusammenhang sei bemerkt, dass eine lnstru=
mentalgeburt die Hebamme nicht zu höheren Gebühren berechtigt
als eine normale Entbindung. Die Hebamme hat nur in gewissen
Fällen das Recht, eine Instrumentalentbindung vorzunehmen, und
soll dem zuständigen Arzt darüber Bericht erstatten. Der neue
Reglementsentwurf beantragt u. a. die Verlängerung der Unter=
richtszeit, obligatorische Teilnahme an den Wiederholungskursen,
Verpflichtung der Landgemeinden zur Anstellung von mindestens
einer Hebamme auf je 5000 Einwohner und Bewilligung einer
Staatspension an alle im Dienst der Landgemeinden gewesenen
Hebammen.
Die Ausbildung der Krankenpflegerinnen erfolgt
an den Kliniken der Universität (Unterrichtszeit 2 Jahre), an mehre=
599
rcn anderen öffentlichen Krankenanstalten (i. jähriger Unterricht)
und auch an einigen privaten. Die Krankenpflegerinnen vx'crden,
hauptsächlich nach ihrem Bildungsgrade, in 2 Klassen eingeteilt:
in ältere und jüngere Krankenpflegerinnen. Ausserden an Kranken»
Häusern angestellten und Privatpflege ausübenden Krankenpfle=
gerinnen gibt es noch in vielen Kommunen sog. ambulatorische
Krankenpflegerinnen, die u. a. verpflichtet sind, den zuständigen
Behörden im Kampf gegen die Seuchen beizustehen; ein Teil
derselben wird ausdrücklich zum Beistande des Arztes bei der
Pflege und Bekämpfung der Tuberkulose angestellt.
Es besteht Schutzpockenimpfzwang, wonach Kinder vor Voll=
endung des zweiten Jahres geimpft werden müssen. Die Wiederc
impfung ist nicht obligatorisch, nicht einmal während Pockenepi«=
dcmicn. Die Sorge für die Schutzpockenimpfung liegt den Gc=
meinden ob. Sie wird im allgemeinen von im Dienste der Gemeinden
stehenden geprüften Impfern unter der Aufsicht des Medizinal»
kollegiums, des Landeshauptmaimes und des Provinzialarztes bewerl- =
stelligt. Als Impfer fungieren in den meisten Gemeinden die Hcb=
ammen. Die Impfung findet zu vorherbestimmten Zeiten und
Orten unentgeltlich statt, doch kann sie gegen ein gewisses Honorar
auch zuhause ausgeführt werden. Die Kosten für die Impfung
trägt im allgemeinen die Gemeinde. Abgesehen von der Kriegs=
zeit sind Pockenerkrankungen während der letzten
Jahrzehnte nur ausnahmsweise in Finnland vorgekommen.
Die Krankenanstalten des Landes gehören teils
dem Staate, teils den Gemeinden und privaten Personen. Staatliche
Krankenhäuser gibt es in der Hauptstadt jedes Läns (Läns=
krankenhäuser), in vielen Provinzialstädten und Geschäftszentren
(allgemeine Krankenhäuser). Das grösste Länskrankenhaus ist
das Allgemeine Krankenhaus zu Helsingfors, welches zugleich
eine klinische Unterrichtsanstalt ist. Die Zahl der Betten beträgt
daselbst 539; in den übrigen Länskrankenhäusern schwankt sie
in der eigentlichen Krankenabteilung zwischen 150 und 50, in den
sonstigen staatlichen Krankenanstalten zwischen 90 und 4. In
Verbindung mit jeder staatlichen Krankenanstalt — ausser ein
paar der kleinsten — steht ausserdem eine venerische Abteilung
und in mehreren Länskrankenhäusern zudem noch eine kleine
Irrenabteilung (eine sog. Aufnahmcanstalt). Ebenso wie die
600
eigentlichen Krankenhäuser sind auch die Irrenanstalten
teils Eigentum des Staates, teils der Gemeinden und privater Per=
soncn. Ausser den obengenannten Aufnahmestellen verfügt der
Staat noch über 3 grosse Zentralanstalten (mit insgesamt 985
KranUenplätzcn) und 2 Asyle (Anzahl der Krankenplätze 233).
Kommunale Krankenanstalten gibt es vor allem in den Städten,
kleinere Krankenanstalten, sog. Krankenstuben, auch in den Land =
gemeinden. Die kommunalen Krankenhäuser der grössten Städte
sind sowohl inbczug auf Grösse als auf Beschaffenheit mit den staat=
liehen Krankenhäusern durchaus vergleichbar. Alle E p i d c m i e=
krankenhäuser sind Eigentum der Gemeinden. Viele
Krankenanstalten in kleineren Städten und in den Landgemeinden
wie auch viele private Spczialkrankenhäuser werden
vom Staate durch jährliche Geldbeiträge unterstützt. Die Anzahl
der Krankenplätze betrug — abgesehen von Erholungsheimen,
Anstalten für Blinde, Taubstumme, Stumpfsinnige, Trinker usw.
— im Jahre 1916 insgesamt 9,503, wie es die nachstehende Tabelle
genauer darlegt:
Besitzer
der
Kranken=
anstatt
Anzahl der Betten im Jahre 1916
Indenallg.vene=
rischen Kran=
kenhäusern
In den vene=
rischen Abtei=
lungen
In den eigent=
liehen Kranken=
häusern
3
1=
re ~
3 ^
In den Ent=
bindungs=
anstalten
Im
Leprosorium
In den Epide=
mie=Kranken=
häusern
In den
Schwindsuchts=
Sanatorien
N
c
3
3
3
Staat 1,180
Gemeinde .... 2,092
Privatpersonen . 752
639 368
1,455 63
1 ,094 83
121 1 238
li 787
'"fi -
45
50
5.750
14,056
536
)i,i6i
Zusammen
4,024
639 ' 368
2,670
384
536 I 787
45
50
9,503
Alle staatlichen Krankenanstalten stehen inbezug auf die
Krankenpflege und Wirtschaftsverwaltung unter der Oberaufsicht
des Medizinalkollegiums, die allgemeine Ordnung überwacht der
Landeshauptmann, und für die Bauten sorgt das Oberbauamt.
Auch in den kommunalen und privaten Krankenanstalten wird die
Krankenpflege meistens vom Mcdizinalkollcgium, die Ordnung
vom Landeshauptmann überwacht.
Die Pflege der Geisteskranken und die Sorge für ihr Wohl ist
60 1
durch die Verordnung vom 28. Mai 1889 geregelt. Darin wird u. a.
bestimmt, dass, wenn jemand Zeichen einer Geisteskrankheit
zeigt, der Vormund oder seine nächste Umgebung oder crfordcr«
lichentalls der Vorsitzende der Gemeindevertretung oder die Orts=
polizei verpflichtet ist dafür zu sorgen, dass der Betreffende von
einem Arzt untersucht wird, die erforderliche Pflege erhält und
für sich selbst und seine Umgebung unschädlich gemacht wird. Die
Pflege von Geisteskranken, welche nicht in öffentlichen AnstaU
ten Aufnahme gefunden haben, soll von den kommunalen Behörden
und von den Stadt= und Provinzialärztcn überwacht werden.
Auch das Vetcrinärwesen ist dem Medizinalkollegium
unterstellt. Zur Zeit schwebt indessen die Frage von der Grün=
düng eines besonderen Veterinärkollcgiums. Zum Zweck der
Vetetinärverwaltung ist das Land in 55 Veterinärbezirke
eingeteilt. Etwa 50 Gemeinden haben eigene Gemeinde»
tierärzte, zu deren Bezahlung der Staat beisteuert. — Die
Bekämpfung der ansteckenden Haustierkrankheiten ist durch eine
Verordnung vom 28. Januar 1904 nebst späteren Zusätzen genau
geregelt. Zur Überwachung der Bekämpfung der Rindertuber=
kulose sind zwei Tuberkulosekonsulcnten beim Mcdizinalkollegium
angestellt. — • In letzter Zeit sind in vielen Städten Vorschriften
für die zwangsweise Milch= und Fleischbeschau, die von den Ticr=
ärzten geleitet wird, festgesetzt worden.
Finnland besitzt noch kein Veterinärinstitut; die hiesigen Tier=
ärzte haben ihren Fachunterricht hauptsächlich in Deutschland,
Dänemark und Schweden genossen.
Das Apothekerwesen ist nach dem Privilegiensystem
geordnet. Zum Apothekenbetrieb berechtigt ist nur eine Person,
die eine bestimmte Zeit — mit wenigen Ausnahmen 6 Jahre — in
Apotheken gedient, einen zweijährigen Kursus im pharmazeuti=
sehen Institut der Universität absolviert, eine öffentliche Prüfung
vor dem Medizinalkollegium abgelegt und eine spezielle Erlaubnis
zum Betrieb einer Apotheke, das sog. Apothekenprivilegium, erhaU
ten hat. Die Bewilligung solcher Privilegien kommt dem Staats=
rat zu. In rechtlicher Beziehung sind die Apotheken entweder
real oder persönlich. Für den Apothekenbetrieb finden sich detaiU
licrte Bestimmungen in der Pharmakopoea fennica. Beim
Arzneiverkauf ist eine festgestellte Arzneitaxe zu befolgen. Die
602
Anzahl der Apotheken ist beinahe 250, wozu noch etwa 90 FiliaU
apothckcn kommen. — Die Drogenhandlungen haben
ein in der Verordnung vom 24. Januar 1888 genau begrenztes
Recht zum Verkauf gewisser Arzneimittel. Auf den Giftverkauf
beziehen sich besondere Vorschriften, nach welchen gefährliche
Gifte unter gewissen Voraussetzungen nur in Apotheken und
Drogenhandlungen und in denjenigen Fabriken, die zu ihrer Herstel=
lung berechtigt sind, verkauft werden dürfen; das Verkaufsrecht
der letztgenannten ist auf ihre eigenen Erzeugnisse beschränkt.
Die allgemeine Sterblichkeit war in Finnland 1871 — 80 22 "/qq;
1881 — 90, 1891 — 1900 und 1901 — 05 waren die entsprechenden
Ziffern 21,1, 19,7 und 18,4, was eine immer weitere Abnahme der
Sterblichkeit, die im Jahre 1910 16,6 "/oo ausmachte, darlegt. Die
Kindersterblichkeit im ersten Lebensjahre ergab in der Zeitspanne
1901 — 05 130 Todesfälle auf 1000 lebend geborene Kinder.
Die Tuberkulose ist in Finnland eine sehr häufige Er=
scheinung; sie weist eine Sterblichkeit von 2,9 "/qo auf. Zur Be=
kämpfung der Tuberkulose gibt es einen »Verein zur Bekämpfung
der Tuberkulose» mit zahlreichen Filialabteilungen und ein »Ein=
Sammlungskomitee für unbemittelte Schwindsüchtige». Finnland
besitzt zwei grössere und mehrere kleinere Schwindsuchtssana=
torien, ausserdem Dispensaire in mehreren Städten und einigen
Landgemeinden.
Rechtspflege.
Die Rechtspflege ist in Finnland Gerichten anvertraut, welche
unabhängig von der Regierungsmacht sind. Sämtliche Richter
werden auf Lebenszeit zu ihren Ämtern ernannt und sind unabsetz=
bar. Inbezug auf den Präsidenten und die Mitglieder sowie auf die
Beamten des Höchsten Gerichts gilt jedoch die Bestimmung, dass sie
verpflichtet sind bei vollendetem 70. Lebensjahre auszutreten —
ein Grundsatz, dessen Ausdehnung auf die übrigen unabsetzbaren
Beamten in der neuen Verfassung vom 17. Juli 1919 vorgesehen ist.
Die Untergerichte auf dem Lande und in den Städten sind
verschieden zusammengesetzt. Das Untergericht auf dem Lande
wird auf finnisch kihlakunnanoikeus, schwedisch bäradsrätt, deutsch
605
etwa Bezirksgericht genannt. Das flache Land teilt sich in 62
Gcrichtsbczirkc mit je i gesetzeskundigen Richter. Für die
Rechtsprechung zerfallen aber die Gerichtsbezirke in je zwei oder
mehrere Gcrichtssprengel. In diesen werden sowohl Prozesssachen
von dem Bezirksrichtcr gemeinsam mit den Schöffen des Sprengeis
entschieden, als auch andere dem Bezirksgericht zuständige Sachen
geprüft. Die Anzahl der Schöffen , weiche unter den von den bc=
treffenden Gemeinden vorgeschlagenen Personen von dem Bezirks=
gcricht selbst gewählt werden, soll sieben bis zwölf sein. Die
Schöffen sind urteilsfähig, wenn fünf von ihnen anwesend sind.
Sind der Bezirksrichter und die Schöffen verschiedener Meinung,
ist die Meinung des Richters ausschlaggebend, ausgenommen wenn
die Schöffen einstimmig sind, in welchem Falle die Entscheidung
nach deren Meinung ausfällt. Für den ganzen Gerichtsbezirk
gemeinsame Gerichtssitzungen kennt das Gesetz nicht.
In jedem Gerichtssprengel sollen jährlich zwei Gerichtssitzun=
gen, die eine im Winter, die andere im Herbst, gehalten werden.
Doch sind in einem Gcrichtsbezirk, welcher nur aus zwei Gcrichts=
sprengein besteht, der Reihe nach in beiden, während der Zeit
der Gerichtssitzungen im Winter je drei und während der Gerichts=
Sitzungen im Herbst je zwei allgemeine Sitzungen und in einem
Gerichtsbezirk, welcher drei Gerichtssprengel hat, der Reihe nach
in jedem, während der Zeit der Gerichtssitzungen sowohl im
Winter als auch im Herbst je zwei allgemeine Sitzungen zu halten.
Das städtische Untergericht, das »Rathausgericht» (finn. roos/u=
vanoikeus, schwed. rddstuvurätt) , welches ein kollegialisches und
aus mindestens drei Mitgliedern bestehendes Gericht ist, tagt
regelmässig das ganze )ahr hindurch. Den Vorsitz im Rathaus=
gericht führt der Bürgermeister, welcher von der Stadt vorgeschlagen
und von der Regierung ernannt wird und gesetzeskundig sein soll.
Die Mitglieder, die »Ratsmänncr», werden von der Stadt gewählt.
in den grösseren Städten hat das Rathausgericht mehrere Abtei=
lungen, von welchen jede im Namen des Rathausgerichts urteilt.
Auch die Ratsmänner des Rathausgerichts in den grösseren Städten
sind in der Regel gesetzeskundig. In den kleineren Städten führt
der Bürgermeister den Vorsitz gleichzeitig sowohl in der Stadtvcr=
waltung, im Magistrat, als auch im Rathausgericht. In den grös=
seren Städten dagegen hat das Rathausgericht einen besonderen
Vorsitzenden, den )ustizbürgermcister.
über den Bezirksgerichten und Rathausgerichten stehen in der
604
Instanzenordnung die Hofgerichte. Es gibt deren nur drei. Der
Zuständigkeit des bereits im J. 1623 gegründeten Hofgerichts in
Äbo (Turku) unterliegen die Läne Nyland (Uusimaa), Äbo
und Björneborg (Turku und Fori), Aland (Ahvenanmaa) und
Tavastchus (Häme); der des Hofgerichts in Wasa (Vaasa)
die Läne Wasa und Uleäborg (Oulu) und der des Hofgerichts in
Wiborg (Viipuri) die Läne St. Michel (Mikkeli) und Kuopio.
Die Hofgerichte sind kollegialische Gerichte. Sie bestehen aus dem
Präsidenten als Vorsitzendem und aus Hofgerichtsräten und Asses=
soren als Mitgliedern. Die Hofgerichte arbeiten in Plenarsitzungen,
vorzugsweise für die Prüfung der zu der Justizverwaltung gehörenden
Sachen, oder in Abteilungen. Am höchsten in der Instanzenordnung
steht das einzige in Helsingfors befindliche Höchste Gericht des
Landes, welches am i. Oktober 1918 an die Stelle des an dem=
selben Tage aufgehobenen justizdepartements des Senats trat. Das
Höchste Gericht besteht aus dem Präsidenten und aus mindestens
12 Justizräten als Mitgliedern. Es arbeitet gleichfalls entweder
in Plenarsitzungen oder in Abteilungen. Von letzteren gibt es
nur zwei.
Sämtliche Rechtssachen, sie mögen zivilrechtlicher oder straf=
rechtlicher Natur sein, ausschliesslich einiger besonders angeführten
Ausnahmen, werden beim Untergericht, d. h. Bezirksgericht bzw.
Rathausgericht, anhängig gemacht, jenachdem die Sache zur terri=
torialen Kompetenz des ersteren oder des letzteren gehört. Wechsel»
klagen und Seerechtssachen hingegen unterliegen immer der Zu=
ständigkeit des Rathausgerichts.
Das finnische Gesetz kennt weder ein vorbereitendes Verfah =
ren noch eine Voruntersuchung, sondern die Rechtssachen werden
durch Ladung, welche entweder mündlich, durch den Vorlader
überbracht, oder — in gewissen Sachen — schriftlich vom Richter
erteilt wird, in Strafsachen aber durch Ladung des Angeklagten
vor Gericht oder durch seine Verhaftung anhängig gemacht. Erst
vor Gericht entwickelt der Kläger seine Klage und erhebt der An=
kläger seine Forderungen. In grösseren Strafsachen ist jedoch die
polizeiliche Voruntersuchung vorgeschrieben.
Um Änderung eines Urteils oder Beschlusses des Untergerichts
wird beim Hofgericht, um Änderung eines Urteils oder Beschlusses
des Hofgerichts bei dem Höchsten Gericht ersucht. In sämtlichen
Instanzen werden die Rechtssachen sowohl vom sachlichen als auch
vom rechtlichen Standpunkt aus geprüft; es wird untersucht, was in
605
der Sache baNx-icscn worden und wie das Gesetz in derselben aus=
zulegen ist.
Die Gerichtsverhandlungen sind beim Untergericht öffentlich,
beim Hofgericht und bei dem Höchsten Gericht hingegen ist die
Öffentlichkeit ausgeschlossen. Beim Untergericht kann jede hand =
lungsfähigc Person ihre Sache selbst, entweder mündlich oder schrift=
lieh, vorbringen. Alles, was darin auf die Sache einwirken kann,
wird zu Protokoll genommen , welches als einzige Grundlage des
Urteils dienen soll. Im Hofgericht und im Höchsten Gerichte ist
das Verfahren rein schriftlich.
Was die Beweisfrage anbetrifft, gilt nach finnischem Gesetz
als Regel, dass zwei Zeugen als voller Beweis gelten, »sofern sie cin=
stimmig sind», dass aber ein Zeuge »zu der Sache selbst» nur als hal=
bcr Beweis angesehen wird. Die Beweiskraft der Zeugenaussagen
kann jedoch durch Gegenzeugen, Indizienbeweise, schriftliche Zeug=
nisse, Lokalbesichtigungen, Expertengutachten und durch Eid
der Partei geschwächt werden. Da der Richter auch durch Kon =
frontation der Zeugen, wenn die Reden der Zeugen verworren und
widersprechend sind, die »Wahrheit» zu finden suchen muss, so ist
zuzugeben, dass der Richter ein ziemlich freies Recht der Zcugnis=
Prüfung hat. Bei gewissen Sechen überlässt es das Gesetz aus=
drücklich dem freien Ermessen des Richters zu erwägen, was in
der Sache als Wahrheit angesehen werden soll.
Die Funktion der amtlichen Ankläger (Staatsanwaltschaft) ist
beim Untergericht auf dem Lande den Oberpolizeibeamten und in
den Städten den Stadtfiskalen, bei den Hofgerichten dem Advokat=
fiskal und bei dem Höchsten Gericht dem Justizkanzler anvertraut.
Sowohl das Bezirksgericht als das Rathausgericht erledigen
ohne Ladung auch sog. Anmeldungssachen, wie gerichtliche
Grundbucheintragungen, Vormundschaftssachen und Eheverträge.
Das Institut der Rechtsanwaltschaft ist in Finnland unorgani=
sicrt. Es gilt für dasselbe nur, dass als Bevollmächtigter vor Gericht
und als Beistand der Partei eine seiner bürgerlichen Ehrenrechte
nicht verlustig erklärte und nicht unter Vormundschaft stehende
Person benutzt werden kann. Ein Beamter soll nicht für eine
Partei sprechen, wenn es wider seine Dienstpflicht ist.
Ein organisiertes Notariatswesen gibt es in Finnland auch nicht.
Ein Teil der Rechtspflege ist den Verwaltungsbehörden anver=
traut. So werden z. B. die Mahnsachen, d.h. Schuldforderungen,
welche sich auf schriftliche Dokumente gründen, sowie Zwangsvoll =
606
Streckungssachen erstinstanzlich von dem Oberexekutor, als welcher
auf dem Lande der Landeshauptmann, in den Städten der Magistrat
fungiert, erledigt.
Die Vollziehung der gerichtlichen Urteile und Beschlüsse, die
in vielen anderen Ländern den Gerichten anvertraut ist, ist in Finn=
land den Verwaltungsbehörden überlassen.
Beschwerden über die Beschlüsse der kommunalen und anderen
Verwaltungsbehörden sind von den Landeshauptmännern, Dom=
kapiteln und Zentralämtern zu entscheiden. Gegen die Erkcnnt=
nisse dieser beruft man sich hingegen auf das Höchste' VerwaU
tungsgericht, welches die höchste Befugnis des Rechtsprechens in
den durch eingereichte Beschwerde fortgesetzten administrativen
Sachen ausübt.
Als ein besonderes Gericht entscheidet die von Grundstück»
teilungen und Feldmesservcrrichtungen hervorgerufenen Rechts=
Sachen erstinstanzlich das Flurregelungsgericht, von denen es in
den Hofgerichtskreisen je eines gibt.
Das Institut der Friedensrichter fehlt in Finnland.
Die lustizverwaltung ist in dem Justizministerium des Reichs»
rates vereinigt, aber zum Teil auch dem Höchsten Gericht und den
Hofgerichten anvertraut. So sind die Hofgerichte berechtigt, einige
ihrer eigenen Ämter zu besetzen, die Bekleidung der Amter der
Bezirksrichter in Vorschlag zu bringen, die Unterrichter auf kürzere
Zeit zu beurlauben und Stellvertreter für diese Zeit zu verordnen.
Das Höchste Gericht ist verpflichtet, die Gerichtspflege der Rich =
ter und der Exekutionsbehörden zu überwachen, doch hat es nicht
das Recht, ihnen bindende Vorschriften inbczug auf die Gesetzaus=
legung zu geben. Auch die Hofgerichte haben die Rechtsprechung
der ihnen untergeordneten Gerichte und Richter zu überwachen.
Der höchste Hüter des Gesetzes ist der Justizkanzler.
Heerwesen.
Zur Zeit Gustavs IL Adolf erhielt das finnische Heer eine festere
Organisation, nahm ehrenvollen Anteil an den damaligen Kriegen
und zeichnete sich im 30 »jährigen Krieg in Deutschland aus.
Unter Karl XL wurde das Kantonsystem (schwed. indelningsverk)
eingeführt und die bis dahin bestehende Soldatenaushebung
abgeschafft. Das Volk stellte auf Grund der in verschiedenen
607
Landschaften getroffenen Vereinbarungen eine bestimmte Zahl
Soldaten und trug zum Teil oder völlig Sorge für dessen Ver=
pflcgung. Die Bauernhöfe wurden in Rotten (Stellungs=
bezirke) gruppiert, welche inrerseits einen Mann zu Kriegsdiensten
dangen und ablohnten. Ausserdem gab es geworbene Truppen,
die hauptsächlich als Garnison in Ingcrmanland verwendet wurden.
Nachdem Finnland im J. 1809 mit Russland vereinigt worden
war, wurden die finnischen Truppen aufgelöst. Doch bald begann
man wieder finnische Truppen wie früher aufzustellen, und wäh=
rend des Krimkriegs zählten die finnischen Truppen etwa 9,000
Mann. Im J. 1878 wurde das von dem Landtage genehmigte Wchr=
pflichtgesetz erlassen, durch das die allgemeine Wehr=
p f I i c h t verordnet wurde. Nach diesem Gesetze sollte das Land
9 Scharfschützcn=Bataillone haben; später wurde das finnische
Dragonerregiment gegründet. Die Friedensstärke war 5,600 Mann,
welche zur Kriegszeit auf 10,000 Mann vermehrt werden konnte.
Dazu kamen 32 Reservekompagnien, welche in den während des
Sommers abgehaltenen Lagerübungen eine kurze Ausbildung ge=
nossen. Im J. 1901 wurde das nationale finnische Heer durch kai=
scrlichcn Machtspruch für vollständig aufgehoben erklärt, aber das
Wehrpflichtgesetz von 1878 blieb gcsetzmässig bestehen, und auf
Grund desselben wurde während des durch den Aufruhr des Jahres
1918 hervorgerufenen Freiheitskrieges eine nationale Armee ?e=
bildet, deren Organisation in der Stunde, wo dies niedergeschrieben
wird, ihrer Vollendung nahe ist. Das neue von der Volksvertretung
angenommene interimistische Wchrpflichtgesetz trat 1919 in Kraft.
Die Dienstzeit beträgt i Va jähre.
608
V]. Geschichte.
Urgeschichte.
Erst geraume Zeit nach der Eiszeit kann der Mensch in
Finnland erschienen sein, nachdem das Land sich einigcrmassen
aus dem Meere erhoben hatte und sowohl die Pflanzcn= als die
Tierwelt soweit gediehen warer, dass sie ihm wenigstens die not=
wendigsten Lebensbedingungen darboten. Nach der Archäologie
rühren die frühesten Anzeichen einer Besiedlung !n unserem
Lande (d. h. die ältesten dem Alter nach bekannten Funde der
Steinzeit, ungefähr lo sog. Rundbeile) au.'^ einer verhältnismässig
späten geologischen Periode her, nämlich aus der Zeit, die der
Landsenkung der Litcrinaperiode zunächst nachfolgte. Aus pflan=
zenpaläontologischenj Gründen hat man jedoch behauptet, dass
sich einige unter den steinzeitlichen Funden schon aus der ersten
Hälfte der Ancylusperiode herschreiben.
Die Steinzeit. Hier angelangt, verblieben die Bewohner
von Finnland noch lange auf der Stufe der Steinzeit stehen, wie es
schon der Reichtum unserer steinzeitlichen Funde (ungefähr 20,000
Steingegenstände, eine ungeheure Menge Scherben von Tonge=
fassen sowie Steinsplitter, einige Knochen= und Holzgegenstände)
voraussetzen lässt. Die Funde folgen der Richtung der Gewässer
und der damaligen Küste (s. die Karte), die sich am Ufer des
Bottnischen Meerbusens beträchtlich mehr im Osten befand als
heutzutage. Aus der Verbreitung der Funde geht hervor, dass das
bewohnte Gebiet viel umfassender war als später in der vor=
geschichtlichen Zeit; die Erscheinung erklärt sich daraus, dass die
durch Jagd und Fischfang sich ernährende Bevölkerung eines
grossen Bewegungsradius bedurfte und sich auch in den unfrucht=
baren Binnenseegegenden heimisch fühlte. — Das Klima war in
der Steinzeit wärmer als jetzt.
609 39
Alle steinzeitlichen Funde rühren aus der ncoiithischen Zeit
her, die ältesten Gegenstandsformen aus dem Anfang der nordischen
Erklärung der Zeichen: schräge Linien //■('/' steinzeitliche
Fundstellen; Gitter oder ganz schwarz fundreichste
Gegenden; eine zusammenhangende fette Linie z^" Ost=
grenze des eigentlichen Fundgebiets der bootförmigen
Hacken; eine ringförmige Linie \j Fundzentrum skan»
dinavischer bronzezeitlicher Gegenstände; ein in einen
Kreis eingeschlossenes Kreuz ((, Fundstelle eines ost=
russischen bronzezeitlichen Gegenstandes.
jüngeren Steinzeit (ungcf. 400c — ■5000 v. Chr.); letztere hat man
nur in verhältnismässig südlichen Gegenden sowohl in Karelien
610
als in ^X''estfinnland, kaum aber in den zwischenlicgcndcn Gebieten
angetroffen, weshalb man angenommen hat, dass der Mensch von
zwei Richtungen her (aus Russland und aus Skandinavien) in unser
Land eingewandert sei. — Der Hauptteil unserer Funde gehört
erst den letzten Abschnitten der Steinzeit (ungef. 2500 — 1600 v.
Chr.) an. In Kardien stand damals eine Kultur in Blüte, für welche
mit Kamm= und Grübchenornamenten verzierte Tongefässe, d.h.
die sog. Kammkeramik, gewisse Beilformen und manche Meissel»
formen kennzeichnend sind. Der Vuoksen bildete gerade damals,
während des steinzeitlichen maximalen Standes des Ladogasees,
eine Bucht des Ladoga, deren zahlreiche Fjorde und Sunde sich
für den primitiven Fischfang ausserordentlich gut eigneten. Sein
Tal sowie die Ufer des von da nach der Bucht von Wiborg führen^
den ehemaligen Wasserbeckens waren denn auch damals dicht
besiedelt, wie unter anderem die reichen Wohnplatzfunde (Kaukola,
Räisälä, das Kirchspiel Wiborg) zeigen. — Aus den Gegenden des
Ladoga und von Olonetz (Aunus) hat sich die Stcinzeitkultur
karelischen Ursprungs allmählich mit der Ansiedlung nach Nyland,
Mittelfinnland, Osterbottcn, Lappland und in gewissem Grade auch
bis nach Nordskandinavien ausgebreitet und sich an verschiedenen
Orten lokalisiert (die bedeutendste lokale Gruppe ist die Eishacken=
kultur des nördlichsten Osterbotten, deren Charakterform eine
grosse, an der Schneide spitz zulaufende Axt, die sog. Eishacke,
ist). Die an vielen Wohnplätzen (Miehikkälä, Pyhtää, Hankasalmi,
Kiuruvesi, Pihtipudas, llmajoki, Vihanti, Säräisniemi, Muhos, Inari
u. a.) gefundenen Tongefässe gehören der Kammkeramik an.
Mit dieser sind die Tongefässe einiger westfinnischen WohnpIatz=
funde (Urjala, Uskela, Maaria, Hinnerjoki, Teuva u. a.) nahe ver=
wandt. Unter den Geräten bilden verschiedenartige Meissel die
Mehrzahl; sehr häufig sind strahlsteinschiefrige, schwach zuge=
schliffene Schneidegeräte von sog. österbottnischem Typus, zu
denen auch die obenerwähnte Eishacke gehört, sowie (vorzüglich in
Süd=Osterbottcn) vielerlei gelochte Keulen. — Die bisher genannten
steinzeitlichen Erscheinungen, namentlich die karelische
Kultur mit ihren Variantenformen, haben einer ihren Wohnort
oft wechselnden Jäger= und Fischerbevölkerung angehört, die in
kleinen Gruppen, am liebsten an den Ufern kleiner Gewässer wohnte.
Als Wohnung diente die Lappenhütte, in der sich ein offener, mit
Steinen gepflasterter Herd befand. Hausticrc waren der Hund
und vielleicht das Renntier. Die Steingegenstände wurden am
611
liebsten aus schiefrigen Gesteinsarten verfertigt. Zu den Nach=
bariändern stand man in Beziehungen, wie einige aus Ostpreusscn
eingeschleppte Bernstcinschmucksachcn, der aus Russland einge=
führte Flintstein, die von Olonctz her verbreiteten Geräte
aus grünem Schiefer (Grünstein), der aus Islordschweden erhaltene
rote Schiefer u. a. beweisen. Gräber kennt man keine; vermutlich
wurden die Toten nicht bestattet. Als Opfergegenstände hat man
jene künstlerisch modellierten Tierkopfgebilde aufgefasst, deren
es 7 Stück gibt und die in Olonctz verfertigt sein dürften. Die
meisten stellen ein Elcntier oder einen Bären dar, welche Tiere
wohl besonders grosse Achtung genossen.
In Westfinnland tritt auf einem ziemlich umfangreichen Gebiete
inmitten einer dort vorher schon existierenden Kultur ungef.
2500 — 2100 V. Chr. eine neue, verhältnismässig entwickelte stcin =
zeitliche Kultur auf, die sog. Hammcrbeilkultur,
die aus Mitteleuropa stammt und sich gleichzeitig auch nach den
skandinavischen Ländern, den Ostseeprovinzen und dem inneren
Russland ausbreitet. Kennzeichnend für sie sind bei uns schöne,
bootförmige, mit Loch versehene Streitäxte (es gibt deren ungef.
500, wozu noch ungef. 300 Lochäxte anderer Art hinzukommen),
im Durchschnitt rcktanguläre Geradbeile und eine feine, mit Ein=
ritzungen und eingedrückten Schnurornamenten verzierte Keramik.
Die Gegenstände wurden aus eruptiven Gesteinsarten (Diabasen
u. a.) verfertigt. Die Leichen wurden (unverbrannt) in der Erde
begraben, wohin die Streitaxt u. a. dem Toten folgte. Der wich =
tigste Fundort ist der umfangreiche Wohnplatz in Esbo— Kyrkslätt
(Umgegend des Loojärvi). Eine Fortsetzung dieser Kultur bilden
die dem Ende der Steinzeit (ungef. 2100 — -1600 v. Chr.) zuzuweiscn=
den Wohnplätzc der sog. Kiukaisgruppc, deren Bewohner, aus
Mahlstcinfunden zu schlicsscn, Ackerbau trieben und zu Skandi=
navien in Beziehung standen, von wo unter anderem manche Feuer=
Steingeräte importiert worden sind. — Aland gehörte während
der Steinzeit zu dem Gebiete der schwedischen sog. Wohnplatz=
kultur. Ahnliche Tonidole wie an den dortigen Wohnplätzen hat
man auch in Kardien und Mittclfinnland angetroffen.
Die Hammcrbeilkultur ist als der Anfang der vorgeschicht=
liehen germanischen Niederlassung in Finnland anzusehen. Un=
scre karelische Steinzeit ist wiederum ein Zweig der in Russland
weit verbreiteten kammkeramischen Kultur, die man als die fin=
nisch=ugrische Urkultur aufgefasst hat. — Die Steinzeit endigte
612
>x'enigstens in Südwcstfinnland spätestens im 16. Jahrhundert
V. Chr.; in Ost= und ^slordfinnland dauerte sie möglicherweise
einige Jahrhunderte länger.
Die Bronzezeit. Unsere wenig zahlreichen bron2e=
zeitlichen Funde (ausser Scherben von Tongefässen 65 Gegen=
stände von 46 verschiedenen Fundorten) gehören zwei verschiede»
ncn Kulturkreisen, dem skandinavischen und dem ostrussischen
an. — Die Siedclungszentren unserer skandinavischen Bronzezeit
(ungef. 1600 — 600 V. Chr., 51 Gegenstände) befinden sich
in Westfinnland wohin sich die Anwendung der Bronze aus
Schweden verbreitete, nach den jetzigen Funden zu urteilen
ungef. ein Jahrhundert nachdem die Bronzeperiode in Skandinavien
herrschend geworden war. Die Gegenstände weisen westliche, meis=
tens vollkommen skandinavische Formen auf; auch die Kulturstufe
dürfte in den Hauptzügen dieselbe gewesen sein wie in den west=
liehen Nachbarländern; Hauptgewerbe waren Ackerbau und Vieh=
zucht. Ausser der Bronze, die über Skandinavien eingeführt wurde,
war das Gold bekannt. Die Gräberfunde sind 14 an der Zahl; die
Bestattungsweise war die westliche, die Bedeckung mit Steinhau=
fen; die Leichenverbrennung wurde vorherrschend. Diese unsere
bronzezeitliche Gruppe ist als eine Fortsetzung der FiammerbeiU
kultur und als einem germanischen (zunächst skandinavischen)
Volke angehörig zu betrachten. Einige skandinavische Bronze=
gerate sind auch in Kardien, Mittelfinnland und sogar in Lapp=
land angetroffen worden. — Die Formen der ostrussischen
Bronzezeit in Finnland (14 Gegenstände) stammen aus dem
Wolga— Kama=Gebiete, und zwar dem Alter nach aus der der zw2i=
ten, skandinavischen Hälfte der Bronzeperiode und dem Anfang
der Eisenzeit entsprechenden Zeit (ungef. 1100^ — 300 v. Chr.).
Die Fundorte liegen zerstreut und werden meistens auf dem Gebiete
der karelischen Steinzeit angetroffen. Gräber sind unbekannt,
die meisten Gegenstände sind Wohnplatzfunde, teilweise von alten
in der Steinzeit bewohnten Orten. Die Gegenstände bestehen
zur Hälfte in Gussformen, welche beweisen, dass Bronzegeräte
an Ort und Stelle verfertigt wurden; das Rohmaterial wurde ohne
Zweifel aus Ostrussland eingeführt. Der Gebrauch von Steingerä=
ten dürfte noch kein ganz überwundener Standpunkt gewesen sein.
Hauptgewerbe waren Jagd und Fischfang, und die Lebensweise
war auch sonst dieselbe wie die der Siedelungen der karelischen
6.3
Steinzeit, deren Fortsetzung diese unsere östliche Bronzezeit eines-
teils darstellt. Aber nur einesteils, denn man vermutet, dass sich
der Hauptteil des finnisch=ugrischcn Volkes, dem die vorerwähnte
Steinzeit angehört haben würde, am Ende der Steinzeit von hier
nach Russland gezogen habe. Die Spuren des in Finnland zurück=
gebliebenen Teils verschwinden in unseren späteren archäologischen
Funden.
Die Eisenzeit begann in den skandinavischen Ländern
um 600 V. Chr., und es wird angenommen, dass das neue Metall
gleichzeitig auch in Westfinnland in Gebrauch kam, obwohl unsere
frühesten dem Alter nach bestimmbaren Eisengegenstände sich erst
vom 2. Jahrhundert nach Chr. herschreiben. Aus der Zwischenzeit
haben wir, abgesehen von den ostrussischen Gegenständen der
Bronzezeit, nur zwei sichere Funde, nämlich 3 skandinavische
bronzene Halsringe aus Kiukainen (ungef. 600 — 300 v. Chr.) und
einen im römischen Capua verfertigten, über Skandinavien hierher
gekommenen Weinschöpflöffel aus Vähäkyrö (1. Jahrhundert nach
Chr.). Diese Lücke in unseren archäologischen Funden wird jedoch
als zufällig angeschen.
Unsere Eisenzeit (ungef. 50,000 Gegenstände) wird in zwei
Hauptabschnitte, in eine ältere und eine jüngere, eingeteilt. Die
ältere Eisenzeit umfasst die Zeit bis ungefähr zum
Jahre 700 n. Chr. Die Besiedlung hat sich auf Wcstfinnland
konzentriert, die ältesten Funde (aus dem 2. Jahrhundert) ungef.
auf die bronzczeitlichen Siedelungszentren, und verbreitet sich
während des Zeitalters, hauptsächlich dem Stromsystem des
Kokemäkiflusses (Kumoälv) folgend, ins Binnenland hinein,
vor dem Jahre 700 Hollola erreichend. Der grösste Teil unseres
Landes (unter anderem Nyland, die westlichste Ecke ausgenom=
men, und Kardien) scheint unbewohnt gewesen zu sein. Ein
zclfunde, besonders sog. längliche Feuerzeuge aus Stein, hat
man allerdings ausserhalb des eigentlichen Siedelungsgebictes sogar
in Lappland angetroffen, sie können aber etwa Spuren von wan=
dcrnden Jägern oder Fischern sein. — Die durch die Funde veran=
schaulichte Kultur ist die westliche, ursprünglich germanische. Die
Gegenstandsformen und Bestattungsweisen sind teils immer noch
skandinavisch, teils ostbaltisch, d. h. von der Art wie im Bereich
der ostgermanischen Kultur in Ostpreussen und den Ostseeprovinzen.
Der römische, zunächst von den Provinzen ausgehende Einfluss
614
drückte zu Anfang des Zeitabschnittes diesen nördlichen Kulturen
sein Gepräge auf. Von den nach den Mutterländern gekommenen
zahlreichen direkt römischen Erzeugnissen und Münzen wurden
Finnland nur spärliche Abfälle zuteil. Nicht viel grösser war der
Teil, den unser Land von den Reichtümern, insbesondere den Gold=
mengen erhielt, die seit dem Beginn der Völkerwanderungen (ungcf.
400 — 600) nach Skandinavien einströmten: ein paar oströmische
Goldmünzen, einige Goldringe und vergoldete Gegenstände (die
meisten aus Süd=Osterbotten), das ist alles, was unter den Funden
der fraglichen Zeit an Gold vorhanden ist (aus dem 3. bis 4.
Jahrhundert gibt es 2 goldene Halsringcund ein paar Goldringe aus
dem Eigentlichen Finnland). Silber findet sich etwas reichlicher.
— Die ältere Eisenzeit wird in zwei Unterabschnitte eingeteilt. In
dem ersten (bis zum Jahre 500 n. Chr.) sind die ostbaltischen
Gegenstände zahlreicher als die skandinavischen. Die bemer=
kenswertesten einheimischen Sonderformen kommen noch nicht
zum Vorschein. Die Leichen wurden verbrannt. Die Gräber
sind ähnliche Steinhaufen wie in der Bronzezeit, oder seltener
rcktangulärc Steinsetzungen; die herrschende Gräberform unserer
jüngeren Eisenzeit, der Brandgräberfriedhof (eine weite, gepflas=
terte Fläche, wo die verbrannten Gebeine und Beigaben sich
zwischen und unter den Steinen finden), kommt auch schon
im 2. Jahrhundert vor (ISlakkila, Penttala). — In dem zweiten
Abschnitt (ungcf. 500 — 700 n. Chr.) hat sich das skandinavische
Element vermehrt und ist besonders in den südösterbottnischen
Funden reichlich vertreten; namentlich gottländische Lokaltypen
erscheinen in beträchtlicher Menge. Einheimische Sondcrfor=
men haben sich entwickelt, und die Prototypc vieler charak=
teristischcn Schmuckgegenstände unserer jüngeren Eisenzeit
zeigen sich, teilweise als Ankömmlinge aus den Ostseepro=
vinzen. Ost= und mittelrussische Formen beginnen in unseren
Funden auch aufzutauchen. Bei der Bestattung kommt der Brand =
gräberfriedhof neben den Steinhaufen immer mehr in Gebrauch;
Leichen sind auch unverbrannt beerdigt worden. Die Zeit dürfte
kriegerisch gewesen sein, denn einheimische Waffen sind in den
Gräbern reichlich zu finden.
Die jüngere Eisenzeit dauert vom Jahre 700 n. Chr.
bis in die historische Zeit (in Kardien ungef. bis zum Jahre 1350).
Die Kultur wird der skandinavischen fremd, ihrem Hauptcharak=
ter nach östlich, ähnlich, wie sie in der entsprechenden Zeit in
Russland und den Ostseeprovinzen in den Sicdclungsgebicten der
finnischen und litauischen Völker war. Gemeinsame Kennzeichen
sind die allgemeine Verbreitung der hufeisenförmigen Spangen,
Brustketten mit Gehängen, permische plastische Tierfiguren und
vor allem das Verzieren der verschiedenen Teile der Tracht mit
Röhrchen aus gewundenem Bronzedraht. Aber die Veränderung
ist keine plötzliche; die neuen Formen entwickeln sich aus den äl=
tcren oder werden nach und nach allgemein, und viele alte Begräb=
nisplätzc sind nach wie vor im Gebrauch. Die Übergangszeit
wird von dem 7. und dem 8. Jahrhundert gebildet. — Unter den
Kultureinflüssen nehmen die von den Ostseeprovinzen empfange=
ncn die erste Stelle ein. Sehr beachtenswert sind auch die von Ost=
und Mittelrussiand ausgegangenen Impulse, während das skan=
dinavischc Element im Rückstande ist. Freilich sind die Geräte
skandinavisch, zum grossen Teil geradezu Einfuhrgut, aber in den
Schmuckgegenständen wirken sowohl die früheren als die neuen
skandinavischen Formen fremdartig, dem einheimischen Gc=
schmacke angepasst. Eine Ausnahme bildet Aland, wo zu dieser
Zeit eine reiche, durchaus skandinavische Kultur in Blüte stand.
Von den Waren, die aus den Kalifaten Vorder= und Mittelasiens
um 800 — 1000 n. Chr. durch die Vermittlung der mit den Bolga=
ren und Chasaren Handel treibenden Wikinger an die Ufer der
Ostsee strömten, erhielt unser Land allerdings nur einen verhält=
nismässig geringen Teil: in Finnland hat man ungef. 1,400 ara=
bische Münzen gefunden, wovon ca. 1,200 auf dem von Wikingern
bewohnten Aland (in Schweden gibt es ungef 40,000), «kr Rest auf
dem Festlande, sowie arabische silberne Schmuckgegenstände,
deren Einfluss an einheimischen Erzeugnissen wahrnehmbar ist.
Seit dem Aufhören des arabischen Handels begannen (ungef. 1000
— 1150) abendländische (englische, deutsche, skandinavische) Mü.\=
zen nach unserem Lande zu kommen, von denen man ungef. 7,000
Stück (alle auf dem Fcstlandc) gefunden hat. — In der Be=
siedelung haben zwei grössere Veränderungen stattgefunden:
in Südösterbotten hat die Zahl der Funde merkbar abgcnom =
men, wogegen Kardien und Savolax besiedelt worden sind,
das letztere von Karelien aus, dessen früheste Funde (der früheste
Gräberfund ist ungef. vom jähre 800) wieder nach Westen deuten.
In Tavastland erstreckt sich das Sicdelungsgebiet am Ende
der heidnischen Zeit bis nach Loppi, Jämsä und Nastola. EinzcU
funde und einige zufällige Gräberfunde zeigen, dass das um=
616
fangreiche Hinterland wenigstens den umherschweifenden )ägern
und Fischern bekannt war und dass eine Handelsstrasse an den
Flüssen von Nord=Osterbotten entlang nach dem reichen Bjarmcn=
lande führte. Nyland (jetzt ganz) ist nach wie vor unbewohnt.
Die jüngere Eisenzeit wird in zwei Unterabschnitte eingeteilt.
In den ersten Abschnitt (ungef. 700 — 1100 n. Chr.) gehören die
meisten westfinnischen Begräbnisplätzc und eine kleine Anzahl
karelische Funde, die arabischen Einfuhrwaren, der Hauptteil der
abendländischen Münzen u. a. Unter den Schmuckgegenständen
finden sich viele ausschliesslich in Finnland anzutreffende Formen
und Spezialzüge. Die Steinhaufengräber kommen ausser Gebrauch,
der Brandgräberfriedhof ist die herrschende Gräberform, wone=
ben die Bestattung der Leichen ohne Verbrennung gebräuchlicher
wird. Aus Erde aufgeworfene Grabhügel, wie sie zu der entspre=
chcnden Zeit in Skandinavien im Gebrauch waren, gibt es auf dem
finnländischen Festlande keine, während sie auf Aland zu Tau=
senden vorkommen. — Die dem zweiten Abschnitt (1100 — 1550)
angehörigen westfinnischen Funde sind äusserst wenig zahlreich.
Die Bestattungsweisc wurde dort die christliche (ohne Grabbeiga=
ben), und durch die schwedische Eroberung gliederte sich der west=
liehe Teil unseres Landes dem skandinavischen Kulturkreisc an.
Karelien dagegen blieb nach wie vor unter russischem Einfluss,
und die heidnische Bestattungsweise erhielt sich hier lange. Erst
aus diesem späteren Zeitabschnitt datieren auch die meisten kare=
lischcn Gräberfunde, die von einer ziemlich selbständigen Kultur
Zeugnis ablegen. Der kennzeichnendste Schmuckgegenstand ist
die längliche Buckelspange, die sich aus der skandinavischen, durch
die südlich vom Ladogasee ansässigen Waräger bekannt gewor=
denen Form entwickelt hat. Die Pflanzenmotive der romanischen
Stilgattung kamen in Gebrauch, und zwar wurden sie geschickt
und selbständig behandelt. Von Mittel» und Ostrussland wurden
viele Anregungen aufgenommen. Waffen gibt es ziemlich wenig.
Bis auf ein paar Ausnahmen sind die Leichen unverbrannt begraben
worden. Völlig karelisch sind auch die auf dem Friedhofe von
Tuukkala in Gross=Savolax gefundenen Gegenstände. Teils schon
in die vorhergehende, hauptsächlich aber in diese Periode gchö=
ren die zahlreichen alten Burgen unseres Landes.
Von der materiellen Kultur der Eisenzeit geben die Funde ein
ziemlich anschauliches Bild. Die Besiedelung war eine feste; we=
nigstens gegen das Ende der Periode wohnte man in Gebäuden,
617
die aus Baumstämmen gezimmert waren. Hauptgewerbe waren
Ackerbau und Viehzucht (an Haustieren hatte man Pferde, Kühe,
Schafe, Schweine und Hunde), daneben waren Jagd und Fischerei
noch wichtig, jagdzüge wurden in das entlegene Hinterland
unternommen; Nyland war das Jagdgefilde der Tavastländer,
ein Teil der Küste des Bottnischen Meerbusens dasjenige der
Männer von Satakunta. Aktiver auswärtiger Handel wurde nicht
in nennenswertem Masse getrieben. Der bedeutendste Handels=
platz war Tiurinlinna in Kardien; in VX^estfinnland dürften auch
einige Handelsdörfer existiert haben (Rikala, Koroincn und Teljä).
Die Fundgegenstände sind grösstenteils einheimische Erzeugnisse.
Die Eisengegenstände wurden ausschliesslich durch Schmieden
verfertigt. In den Schmucksachen ist die Bronze vorherrschend;
goldene Gegenstände gibt es nur aus der älteren, silberne verhält»
nismässig viel besonders aus der jüngeren Eisenzeit. — Von der
gesellschaftlichen Ordnung geben die ehemaligen Gcrichtsplätzc
sowie einige, vermutlich von Häuptlingen getragene Schmuck=
Waffen Andeutungen. Die Bevölkerung war zeitweilig kriegerisch;
historische Quellen erzählen von Raubzügen nach den Nachbar=
ländern. — Die Bestattungssitten weisen darauf hin, dass man an
ein künftiges Leben glaubte. An den Gräbern wurden Schmause
veranstaltet. Von dem beginnenden Einfluss des Christentums
erzählen die unter den spätesten Funden der Eisenzeit angetrof=
fenen abendländischen und byzantinischen christlichen Gcgen=
stände, deren man namentlich in Kardien, auch in Gräbern, meh=
rere gefunden hat.
Unsere eisenzeitlichen Funde werden als zwei Nationalitäten,
der finnischen und der skandinavischen, angehörig betrachtet.
Man nimmt (nach dem Auftreten skandinavischer Elemente in
unseren Funden) an, dass Skandinavier, Nachkommen der Ger=
manen der Stein= und Bronzezeit, ungef. bis ins 8. Jahrhundert
in Westfinnland gewohnt haben, wonach sie entweder fortgezo»
gen oder wenigstens kulturell mit den Finnen verschmolzen sind.
Die jetzige schwecHsche Bevölkerung hat sich erst beim Anbruch
der historischen Zeit hier niedergelassen, mit Ausnahme von Aland,
wo die skandinavische Bevölkerung die ganze Eisenzeit hindurch
allcinherrschend blieb. Einstimmig ist man der Meinung, dass die
aus der jüngeren Eisenzeit herrührenden Funde des finnländischen
Festlandes den finnischen Stämmen, dem Stamme vom Eigent=
liehen Finnland, den favastcn und den Kardiern angehören.
618
Aber bezüglich der Ankunft der Finnen in Pinnland gehen die
Ansichten der Archäologen auseinander. Einerseits erblickt man
in dem ersten Auftreten der kennzeichnenden Schmuckgegenständc
der jüngeren Eisenzeit ums Jahr 600 n. Chr. das älteste Zeugnis
für die Ankunft der Finnen von Russland her, teilweise über die
Ostseeprovinzen (Hj. Appelgren=Kivalo). Der anderen Ansicht
nach sind die seit dem ersten Jahrhundert in unseren Funden sehr
häufigen ostbaltischen Gegenstände Zeichen davon, dass Finnen
begonnen hatten, sich hier von den Ostseeprovinzen her anzusie=
dein, wo sie unter dem Einfluss der Ostgermanen gestanden hat=
ten (A. Hackman). Für die letztere Auffassung, nach welcher die
Bewohner des Eigentlichen Finnland und die Tavasten zur See
hierher gekommen sind, der letztere Stamm an die Mündung des
Kokcmäkiflusses (Kumoälv), und sich von dort gegen Osten aus=
gebreitet haben, spricht die durch die Funde bewiesene gleichmäs=
sige Verbreitung der Besiedelung und die ohne plötzliche Störun=
gen vor sich gegangene, allmähliche Veränderung der Kultur. —
ober die Quänen und Lappen, die schon in vorgeschichtlicher
Zeit in Finnland ansässig waren, hat die Archäologie vorläufig
keine Aufschlüsse geben können.
Älteste Geschichte bis zum Jahre 1323.
Die Z e i t d c r Sc 1 b st ä n d i gk e i t und das Zeitalter
der Kreuzzüge (bis zum Jahre 132-5). Es ist wahrscheinlich, dass
die finnischen Stämme ungef. 400 — 700 n. Chr. ihre späteren Wohn=
sitze in Finnland einnahmen , nachdem die Bewohner des Eigent=
liehen Finnland und die Tavasten über das Meer aus Estland und
von Osel, die Karelier zu Lande über die karelische Landenge
hierher gekommen waren. Während die Ostseefinnen in der Ge=
gend der Düna wohnten, waren sie zuerst mit den Litauern, dann
mit den Goten in Berührung gekommen und hatten, wie die
sprachlichen Entlehnungen beweisen, von diesen sowohl auf gc=
werblichem Gebiet (Viehzucht, Ackerbau) als auf dem der Wohnun=
gen, der Tracht, der Werkzeuge und Waffen, der Verkehrsmittel
(Seefahrt) sowie der gesellschaftlichen Verhältnisse und der Religion
wichtige Kultureinflüsse empfangen. Bei der Ankunft der Finnen
in Finnland waren allem Anschein nach an der Westküste Finn=
lands skandinavische, zunächst schwedische Bewohner ansässig, die
619
jedoch allmählich mit den Ankömmlingen verschmolzen. Im Innern
des Landes wohnten Lappen. Schon zu Anfang des 8. )ahrhun =
derts waren die Karelier, wenn wir der Tradition von Ivar Vid=
famne Glauben schenken dürfen, in dem östlichen Winkel des
Finnischen Meerbusens angelangt, und im 9. Jahrhundert wohn=
ten die Quänen an den Gestaden des Bottnischen Meerbusens.
Die schwedischen Könige Erik Emundson (im 10. Jahrhundert)
und Erik der Siegreiche (ungef. 975) sollen nach Finnland und
Karelien Kriegszüge unternommen haben. An der Mündung des
Auraflusses entstand schon in der heidnischen Zeit ein Handelsplatz,
finnisch turku; ein solcher war auch hämäläisten satama (der Hafen
der Tavasten), wahrscheinlich im westlichen Nyland, und Björkö
(ursprünglich Bjärkö, d. h. Handclsinsel, finn. Koivisto) in Suomen =
vedenpohja (Ende des Finnischen Meerbusens). Seitdem die Schwc=
den Christen geworden, waren ihnen die Seeräubereien der Fin=
ncn verhasst, und dieser Umstand sowie der damals allgemeine
Kreuzzugsenthusiasmus veranlasste den König Erik I X., von
dem Bischof von Uppsala Henrik dem Heiligen begleitet,
seinen Zug nach Südwestfinnland zu unternehmen (wahrschein=
lieh 1154). Schon ein Jahr später erlitt Bischof Henrik den Tod
durch die Hand eines Bauern namens Lalli; im Mittelalter war
er dann in Finnland Gegenstand einer allgemeinen und eifrigen
Verehrung als Schutzheiliger Finnlands. Die neue Eroberung
scheint, anfänglich sich selbst überlassen, der Pflege der Geistlichen
anvertraut worden zu sein. Als Stützpunkt diente ihr zunächst
die Burg Vanhalinna in Lieto, bis mit dem Bau der stärkeren Feste
Äbo slott (Turun linna) an der Mündung des Auraflusses selbst
begonnen wurde. Wie ein Brief des Papstes Alexander III. (vom
Jahre 1171) beweist, wurde die neue Pflanzung des Christentums
von den heidnischen Tavasten und Kareliern bedrängt; im
Jahre 1187 möchten die letzteren sogar einen Verheerungszug
nach Schweden, wobei sie die Stadt Sigtuna zerstörten und den
damaligen Erzbischof von Uppsala ermordeten. Um diese Zeit
scheinen auch die Dänen versucht zu haben, ihre Herrschaft bis
nach Finnland auszudehnen, indem sie zweimal («191 und 1202)
Kreuzzüge hierher machten. Im Jahre 1209 klagt Innozenz IM.
in einem Briefe über die Gefährdung des Christentums in Finnland
und verleiht das Recht, dort einen Bischof einzusetzen. Der erste
bekannte Bischof von Finnland ist T h 0 m a s, ein geborener Englän=
der, der die Stellung der christlichen Kirche in Finnland energisch
stärkte. Er scheint sich mit dem Plan getragen zu haben, in Finn=
land einen besonderen, nur vom Papste abhängigen kirchlichen
Staat zu gründen, wie er um dieselbe Zeit im Süden des Finnischen
Meerbusens entstanden war. Das Christentum verbreitete sich
nun nach Tavastland, 1237 brach aber ein Aufstand aus, in
dem die dortigen Geistlichen und Christen von den Heiden auf
grausame Weise getötet wurden. Und ein ebenso unglückliches
Ende nahm das Unternehmen Thomas', die Herrschaft der katho=
lischen Kirche bis an die Newa auszubreiten, wo der Fürst von
Nowgorod Alexander Newskij 1240 eine von Finnland dorthin
gezogene Schar von Kreuzfahrern in einer Schlacht vollständig
besiegte. Durch diese Misserfolge wurde Thomas' Mut gebrochen;
er legte 1245 das Bischofsamt nieder, und sein Nachfolger Bero
wandte sich mit der Bitte um Hilfe an die weltliche Regierung
Schwedens.
Der von Birger Jarl, dem Schwager König Eriks XI.
von Schweden, im Jahre 1249 unternommene Kreuzzug nach Ta=
vastland legte den eigentlichen Grund zu der schwedischen Herr=
Schaft in Finnland. Der päpstliche Nuntius Wilhelm von Sabina,
der im Jahre vorher Schweden besucht, hatte gewiss auch zu dem
Zuge aufgefordert. Der Bischof Bero trat an die schwedische Re=
gierung die Steuer ab, welche die Finnen bisher dem Bischof cnt=
richtet hatten. Als östliche Grenze scheint in der Folgezeit der
Kymifluss gegolten zu haben, und Birger soll das Land mit
schwedischen Ansiedlern bevölkert haben; es ist möglich, dass das
östliche Nyland auf diese Weise seine schwedische Bevölkerung
erhielt. Zum Schutze der Eroberung von Tavastland und als
sein Mittelpunkt wurde eine neue Burg erbaut, zuerst wahr=
scheinlich Hakoistenlinna in Janakkala, dann aber das spätere
Tavastehus (Hämecnlinna oder Kruunulinna). Die Ausbreitung
der schwedischen Herrschaft nach Tavastland erweckte bei den
Russen Furcht vor der ihnen von dorther drohenden Gefahr und
trieb sie, in Gemeinschaft mit den Kareliern, die zu ihnen in irgcnd=
einem Bundesverhältnis standen, Gegenmassregeln zu er=
greifen. Im Jahre 1227 sollen von Nowgorod Geistliche nach
Kardien gesandt und der grösste Teil des Volkes getauft worden
sein; 1256 unternahm Alexander Newskij einen Kriegszug nach
Tavastland zur Rache für einen von Finnland nach Ingermanland
unternommenen Zug; 1278 wurden die Karelier »bestraft» und
ihr Land geplündert, wahrscheinlich aus dem Grunde, weil sich
621
der sch\x'cdischc Einfluss dort nachgerade fühlbar gemacht hatte,
und 1292 wurde von Nowgorod aus ein Plünderungszug ins Land
der Tavastcn ausgeführt. Diese Umstände waren es wohl, die
den schwedischen Reichsverweser Marschall Torgils Knuts=
son veranlassten 1297 einen dritten Kreuzzug zu veranstalten,
um die Karelier zu bekehren und der schwedischen Herrschaft
zu unterwerfen. Er errichtete die feste Burg Wiborg, unterwarf
sich 14 karelische Härade und eroberte sogar (120.^) die Burg Kex=
holm (Käkisalmi), die freilich bald wieder an die Russen verloren
ging. Durch einen neuen Kriegszug nach Ingcrmanland suchte
Torgils Knutsson 1300 die schwedische Herrschaft bis an die Newa
auszudehnen und errichtete dort eine Burg namens Landskrona
(finn. Maankruunu), die aber schon im folgenden Jahre von den
Russen zerstört wurde. Im Jahre 1-511 kamen die Russen an den
«Handclsfluss'> (Kymijoki), und zogen von dort ins Innere des
Landes, wo sie die Burg »Wanai» (Hakoistenlinna?) vergebens
belagerten. Wohl über die wachsende Oberherrschaft der Rus=
scn erbittert, übergaben die Karelier von Kcxholm ihre Burg
1314 den Schweden, aber ein von Nowgorod ausgesandtes Heer
eroberte sie zurück und bestrafte die Aufständischen. Endlich
machten die Russen 1318 einen Verheerungszug in das Herz des
schwedischen Finnlands bis nach Äbo und brannten die neu errich=
tcte Bischofsburg Kuusisto (Kustö) nieder. Ihre wiederholten
Angriffe auf Wiborg blieben dagegen ohne Erfolg. Unter diesen
Umständen liess man sich endlich beiderseits zum Frieden bewe=
gen, der durch Vermittlung hanseatischer Kaufleutc am 22. Aug. 1 323
in Nöteborg (Pähkinäsaari, heute Schlüsselburg) geschlossen
wurde. Es wurde darin bestimmt, dass die drei westlichsten kare=
lischen Härade Savolax, Jääski und Ayräpää an Schweden übergehen,
der übrige Teil von Kardien aber russisch verbleiben sollte; die
Grenze sollte vom Systerbäck (Siestarfoki) ausgehen, sich dann
über den Vuokscn und an den Gewässern von Savolax hinzie=
hen und am »Nördlichen Meer», d. h. dem Bottnischen lVleer=
busen, auslaufen. Somit war der Kampf um den Besitz von Kare=
lien auf lange Zeit hinaus entschieden und zugleich endlich auch die
Selbständigkeit der finnischen Stämme gebrochen, indem die meis=
ten von ihnen dem schwedischen Reich einverleibt, der Hauptteil
der Karelier aber Nowgorod unterworfen und aus Verbündeten
zu dessen Untertanen gemacht worden waren.
In dem schwedischen Finnland war inzwischen der erste Grund
622
zu einer neuen weltlichen und kirchlichen Ordnung gelegt worden.
Die nationalen sozialen Verhältnisse der Pinnen standen beim Ein=
dringen des Christentums und der fremden Herrschaft noch auf einer
so primitiven Stufe, dass sie die künftige Entwicklung derselben
nicht in höherem Grade beeinflussen konnten. Wahrscheinlich
existierte, wie bei den Esten im Süden des Finnischen Meer=
busens, eine Art von Bezirkscinteilung (H ä r a d e, Sprengel),
wobei die Sippenältesten die gemeinjamcn Angelegenheiten auf
Thingen entschieden und über Steuern BeschlüioC fassten. — An
die Spitze der weltlichen Verwaltung wurden nach der Eroberung
die Burgherr2n gestellt, die wohl anfänglich auch die Rechtspflege
handhabten. König Magnus Laduläs verlieh 1284 zum ersten
Mal einem Mitglied der königlichen Familie, seinem Bruder Bcngt,
die Würde eines Herzogs von Finnland. Bemerkenswert ist der
vom König Birger 1 3 16 den Frauen von Kardien verliehene Schutz=
brief. Das Haupt der katholischen Kiiche des ganzen Landes war
der Bischof von Äbo, der dadurch eine sehr bedeutende Stellung
gewann. Der Bischof Katilluj richtete 1276 in Äbo ein regelrechtes
Domkapitel mit Domherren und Kanonikern ein. Zur Zeit M e g=
n u s' I., des ersten Bischofs finnischer Herkunft (1291 — 1308),
wurde der Dom von Äbo vollendet und 1300 eingeweiht;
der Bischof Ragvald II. liess 1317 die Burg Kuusisto bauen,
die dann in der katholischen Zeit die Stütze der weltlichen Macht
unserer Bischöfe bildete. Schon 1249 war in Finnland das erste
Kloster, das Dominikanerkloster zu Äbo gegründet worden.
Zeit der schwedischen Herrschaft.
Das Zeitalter des Katholizismus 1323 — 1523.
Erst nach dem Friedensschluss zu Nöteborg gewannen d'c Ver=
hältnissc in Finnland Festigkeit und gestalteten sich den schwe=
dischen entsprechend. Sehr bemerkenswert war in dieser Bc=
Ziehung die Regierung von Magnus Eriksson (1319
— 63). Zu dieser Zeit wird ::um ersten Mal in Finnland oder im
»Morgenlande», wie man damals oft sagte, ein Lagman (Landrichter)
an der Spitze des Rechtswesens erwähnt, und auch die Verwaltung
der Läne wird wohl in der Hauptsache ähnlich wie in Schweden
angeordnet. Am 15. Februar 1362, als H a k o n, der Sohn von
Magnus, zum Mitregenten seines Vaters gewählt wurde, erhielten
623
die Bewohner von Finnland »vxicgen der Treue und Liebe, die sie
unseren Vorfahren imm?r bewiesen", das Recht an der Königswihl
teilzunehmen, wodurch die Finnen aus der Stellung einer besiegten
Völkcischnft erhoben und den Einwohnern von Schweden gleich =
geitcllt wurden. Bischof von Finnland war zu dieser Zeit (1338 —
66) der kräftige Fi e m m i n g, der sich nicht scheute, zu Gunsten
der hierarchischen Anschauungsweise auch gegen die Königsmacht
aufzutreten. König Magnus war auch darauf bedacht, das Werk
Torgib Knutssons fortzusetzen, und unternahm zu dem Zwecke
zwei Kreuzzüge nach Ingermanland (1748 und 1350), aber mit
schlechtem Erfolg. Magnus war leider nicht der Mann, die er=
starkende Aristokratie im Zaume zu halten, und so verlor er 1365
die Krone an Albrecht von Mecklenburg, der im folgenden jähre
nach Finnland kam, um die von Anhängern des Magnus besetzte
Burg von Äbo zu belagern. Die Macht der Adligen erreichte nun
ihre Spitze, und auch Finnland, das ganz im Besitz des mächtigen
Bo Jonsson Grip war, sollte sie hinlänglich zu fühlen be=
kommen. Grio war gleichzeitig Drost des Reiches und Lagman von
Finnland. Um seine Macht zu stützen, Hess er in unserem Lande
die Burgen Raseborg, Kastclholm und Korsholm aufführen.
Die von Albrechts Sturze herrührenden unruhigen Zeiten erstreck^
ten ihre Wirkungen in reichem Masse auch auf Finn'and, wo die
V^italienbrüder vielfach ihr Wesen trieben. Die Zeit der Union (1397
— 1523) war auch in unserem Lande sehr unruhig. Unter Erik
XI IL von Pommern waren ein paar bedeutungsvolle Bcsscrungs=
massregeln getroffen worden, die ohne Zweifel dem damaligen
hervorragenden Bischof von Finnland Magnus IL Tavast
zu verdanken sind (Bischof 1412 — 50). So wurde das Hofgericht
zu Äbo errichtet, das Land wurde in zwei Lagmansbezirke, den
von Nordfinnland und den von Südfinnland, eingeteilt, die Besie=
dclung der Einöden von Tavastland wurde angebahnt u. a. Aber
die in der Verwaltung herrschende allgemeine Verwirrung und
Willkür hatte auch in Finnland beim Volke Unzufriedenheit hcr=
vorgerufen; io schloss man sich auch hier 1434 der von Engelbrekt
heraufbeschworenen Bewegung gegen die Dänenherrschaft an, und
ein am Ende des Jahres 1438 in Ober=Satakunta ausgebrochencr
Bauernaufstand konnte nur durch persönliches Dazwischentreten
des Bischefs Magnus gedämpft werden. Während Karl Knuts=
son 1442 — 48 Burgherr in Wiborg war, entflammte der Kriegs=
brand an der Grenze von Ingermanland, wohin er 1444 einen gros=
624
sen Verhccrungsziig machte. Die Grenzstreitigkeiten zwischen
den Savolaxcrn und den Tavasten, die blutige Zusammenstösse
veranlasst hatten, suchte Karl durch genaue Regelung der land=
schaftlichen Grenzen (1446, 1452) beizulegen. Als Karl 1457
zum ersten Mal entthront war, wurden die Stände von Finn=
land, der Vorschrift des Landesgesetzes gemäss, nach Äbo zu=
sammenberufen, um die Königswahl Christierns I. zu bestäti=
gen. Als Anhänger der Unionspartei trat in unserem Lande der
Bischof Kort Bitz auf, der, als Karl entthront zum zweiten
Mal in unserem Lande eintraf (1465), ihm Schwierigkeiten zu
bereiten suchte.
Nachdem Sten Sture zur Regierung gelangt war, brach (1473)
der Grosse russische Krieg aus, der mit einigen
Pausen bis zum Jahre 1497 dauerte. Die Gefahr war jetzt
viel drohender als vorher, weil Finnland es nicht mehr nur mit
der Macht von Nowgorod zu tun hatte, sondern mit der des ganzen
vereinigten Russland. In den Jahren 1475 — 77 liess der Burgherr
von Wiborg Erik Axclson Tott in Savolax die Burg
Olofsborg (Olavinlinna) zum Schutze der Grenzgegend aufführen.
Nach Peräpohja (dem nördlichsten Ostcrbotteji ) machten die
Russen 1489 einen furchtbaren Verheerungszug. Im Jahre 1495
fand dann der Hauptangriff der von Fürst Schtschena angeführt
tcn Russen auf Wiborg statt, wurde aber von Knut Posse
(30. November) durch den berühmten »Wiborgschen Knall» glück=
lieh abgewiesen. Gleichzeitig sprengte der Burgvogt von 01ofs=
borg Pictari Kylliäincn ein russisches Streifkorps auseinander, das
in Savolax eingefallen war. Aber zu Anfang des folgenden Jahres
machten die Russen wieder einen Zug tief in das Innere von Finn=
land, wodurch »Karelien, Savolax, und von Tavastland die Hälfte»
vollständig ausgeplündert wurden. Der nach Finnland gekommene
Reichsverweser überlicss nun den Befehl Svante Sture, der im
folgenden Jahre nach Ingermanland zog und das dort aufgeführte
Iwangorod eroberte, ohne aber dadurch ein dauerndes Ergebnis
zu erzielen. Das Unvermögen Sten Stures, Finnland zu vertcidi=
gen, musste dazu beitragen, dass er sich 1497 gezwungen sah,
die Regierung an König Hans abzutreten, der die Russen gegen
Finnland aufgestachelt hatte, dessen Ansehen aber wieder durch
die Aufdeckung dieser Tatsache in bedenklichem Grade beeinträch=
tigt wurde. Endlich wurde 1497 der Friede von Nowgorod zu=
Stande gebracht, und die Grenzen sollten unverändert bleiben;
62? 40
dieser Friede >x'urdc dann durch neue Friedensverträge 1504 und
1510 bestätigt.
Wenn aber auch russischcrseits etwas ruhigere Verhältnisse
herbeigeführt worden waren, so wurden Finnland dafür durch
den zur Zeit Svante Stures (1504 — 12) ausgebrochenen J ü 1 1 ä n=
dischen Krieg schwere Prüfungen auferlegt. Die dänische
Flotte richtete an den Küsten von Finnland Verheerungen an;
1507 wurde die Burg Kastelholm niedergebrannt, im folgenden
Jahre wurden die Küsten von Nyland geplündert, und schliesslich
kam der dänische Befehlshaber Otto Rud am 3. August 1509 nach
Äbo, wo ein entsetzliches Plündern und Gemetzel angestellt wurde.
Für die Wahl Svante Stures war die Bestätigung der nach Äbo zu =
sammenbcrufcncn Stände von Finnland erwirkt worden; Sten
Sture der Jüngere kam, sobald er Reichsverweser geworden war,
selbst nach Finnland herüber (im Herbst 151z), um seine Macht
daselbst zu sichern. Durch seinen Tod wurde die Verwirrung
wieder aufs äusscrste gesteigert. Der Bischof Arvid Kurki,
der sich, ohne zu schwanken, in die Reihen der schwedischen
nationalen Partei gestellt hatte, und die übrigen finnischen Herren
waren zwar in die bei der Übergabe von Stockholm in Aussicht
gestellte allgemeine Amnestie ausdrücklich einbegriffen worden,
trotzdem aber traf auch sie die strenge Rache Christierns, und
einige von ihnen, wie auch der in Christierns Auftrag nach unserem
Lande gesandte Hemming Gad, wurden hingerichtet. Der Bischof
Arvid ertrank bei dem Versuche, vor den Dänen nach Schweden
hinübcrzufiiehen. Zu dieser Zeit war aber schon infolge de? von
dem jungen Gustav Eriksson Wasa begonnenen Befreiungskrieges
ein neuer Tag im Anzug.
Im Laufe der katholischen Zeit hatte das schwedische Ver=
waltungswesen und die katholische Kirchenordnung allmählich
in Finnland an Festigkeit gewonnen. Zu der Verwaltung gehörte in
früherer Zeit in der Hauptsache nur die Instandhaltung der Burgen
und der Unterhalt ihrer Besatzungen sowie die Erhebung der Staats=
steuern in den Länen, und diese bestanden fast ausschliesslich in
Naturprodukten. Die Vögte mit ihrem Gefolge zogen auf Steuer=
erhebungen im Lande umher, um sie in natura einzutreiben und
auf den Krongütern zu sammeln. Erik von Pommern versuchte
die Naturalabgaben in Geldabgaben umzuwandeln, der Versuch
gelang aber nicht. Beamte waren die Burgherren, die Vögte und
die Amtmänner. Die Steuern wurden pro Gehöft, Herd und
626
Haken entrichtet, sodass das ganze Gclag für die Entrichtung des
Steuerbetrages gemeinsam haftbar war. Noch zu Anfang der
Neuzeit wurde in Osterbotten auf diese Weise die ganze Steuer
eines Kirchspiels gcmeinschafth'ch in einer bestimmten Summe
entrichtet. Das Rechtswesen wurde im 14. Jahrhundert nach
schwedischem Muster eingerichtet, indem Häradshövdingc (Vor=
sitzende von Schöffengerichten) bestellt wurden. Seitdem Magnus
Laduläs 1279 den Reiterdienst Leistenden Steuerfreiheit verliehen
hatte, entstand auch in Finnland ein einheimischer Stand der
»freien Herren», und obwohl die Verwaltung der Haupt=
bürgen gewöhnlich in den Händen schwedischer Grosser lag, waren
doch ihre Gehilfen, Gerichtsbeamten und Vögte einheimische
Leute.
Städte gab es im mittelalterlichen Finnland sechs: Ä b o
(Turku), Ulfsby (Ulvila), Wiborg (Viipuri), Borgä
(Porvoo), R a u m 0 (Rauma) und N ä d e n d a 1 (Naantali), zu
denen in Russisch = Karelien noch Kexholm (Käkisalmi) hinzu=
kam. Die bedeutendsten darunter waren Äbo und Wiborg, und
der Handel lag grösstenteils in den Händen deutscher Hansa=
kaufleute. Neben diesen eigentlichen Städten gab es, namentlich
in Osterbotten, sog. »Häfen», d. h. Marktplätze, wo die Kaufleute
zu bestimmten Jahreszeiten mit den umwohnenden Landleutcn
Handel trieben. Der wichtigste von diesen war T o r n c ä (Tornio),
das jedoch damals als zu Schweden gehörig betrachtet wurde. Be=
sonders ist noch der Handel der »Birkkarlen» im hohen Norden
zu nennen. — Im 15. Jahrhundert gab es eine Münzanstalt in Äbo.
Hinsichtlich der Entwicklung der mittelalterlichen Verhält=
nisse in Finnland nimmt die katholische Kirche eine sehr bedeu=
tende Stellung ein. Vom Jahre 1366 bis zum Ende des Mittel=
alters sitzen auf dem Bischofsstuhle von Äbo nur einheimische
Männer, und viele von ihnen, wie Magnus Tavast, Kort
Bitz, Magnus Särkilax und Arvid Kurki haben
auch auf das politische Leben einen bedeutenden Einfluss aus=
geübt. Die Kirche war es in erster Linie, die dafür sorgte, dass
im Mittelalter Gelehrsamkeit und Kunst einigcrmassen in unserem
Lande gewürdigt wurden. Für die Zulassung zu höheren Amtern
wurde ein an ausländischen Universitäten absolvierter Studiengang
verlangt; die Universitäten, die von den jungen Leuten Finnlands
besucht wurden, waren vor allem die von Paris, Prag, Leipzig
und Rostock. Unter den eigenen Schulen Finnlands war die bcdeu=
627
tcndste die Kathcdralschule zu Äbo. Die Kirchenbauten, ihre
VX'andgemäldc, Heiligenbilder und übrigen Gegenstände gehören
zu den wertvollsten der in unserem Lande erhaltenen Erzeugnisse
mittelalterlicher Kunst. — Klöster gab es in Finnland sechs, näm=
lieh die Dominikanerklöster in Äbo und Wiborg, die Franziskaner=
klöstcr in Wiborg, Raumo und Kökar und das Brigittenkiostcr
zu Nädendal (auf Anordnung von Magnus Tavast 1440 gegrün=
det), von denen das letztgenannte das grösste und reichste war.
An das kirchliche Leben schlössen sich auch die Krankenhäuser,
die sog. Heiiigengeisthäuser in Äbo und Wiborg an. Dem Mittelalter
eigene Einrichtungen waren die Gilden oder Brüderschaften. Ob=
gleich die tatkräftigsten Bischöfe von Finnland, wie Hemming und
Magnus Tavast, rastlos daran arbeiteten, Ordnung in der Kirche
zu schaffen und ihre äussere Macht zu heben, blieb doch ihr Einfluss
auf das Gemüt des Volkes offenbar ein ziemlich oberflächlicher.
In den spärlich bevölkerten inneren Teilen des Landes lebten,
wie z. B. die erhaltenen Zaubersprüche beweisen, die heidnischen
Götter Ukko und Väinämöinen noch in brüderlicher Eintracht
mit Christus und der Jungfrau Maria. Im Jahre 1441 wurde auf
der Landessynode in Schweden, an der auch Magnus Tavast
teilnahm, ein Beschluss gefasst, laut dem einige Gebete in die Mut=
tersprache übersetzt und an bestimmten Sonntagen dem Volke
vorgelesen werden sollten, und 1492 wurde diese Vorschrift von
Magnus Särkilax auf der Synode zu Äbo mit dem Zusatz erneuert,
dass jeder Pfarrer diese Stücke, in der Volkssprache abgcfasst,
bei der Hand h£ben solle, damit sie stets auf dieselbe Weise vorge=
lesen würden und das Volk sie dadurch lerne. Das ist aber auch
fast alles, was wir über den mittelalterlichen Volksunterricht in
Finnland wissen.
Das Zeitalter der Regenten des Hauses
Wasa 152-5 — 1654. Schon 1521 hatte Gustav Wasa den grösstcn
Teil von Schweden unter seine Herrschaft gebrecht, aber erst
1523 wurden die Dänen aus der Hauptstadt Stockholm und aus
Finnland vertrieben, und im selben Jahre (6. Juni) wurde er in
Strengnäs zum König von Schweden ausgerufen. Seine Regie=
rung war in mancher Beziehung epochemechend. Die Reformation
wurde durchgeführt, ihre Hauptträger waren Petrus Särki»
lax, Martin ^kyttc und Mikael Agricola, von
denen der letztgenannte der Vater der finnischen Literatur wurde.
628
In der Verwaltung wurde eine gewisse Ordnung geschaffen, und
die vieler IVlissbräuchc beschuldigten Vögte und Steuererheber
wurden unter strenge Aufsicht gestellt; eine neue Stcuerlegung fand
1539 und in den folgenden Jahren statt. Den von dem Adel verübten
Gewalttätigkeiten suchte man künftighin vorzubeugen, und zu dem
Zwecke arbeitete Jakob Teitti 1555 sein bekanntes Verzeichnis
der Klagen gegen den finnischen Adel aus. Die vornehmlichste
Vertrauensperson König Gustavs in finnischen Angelegenheiten
war Erik Fleming, auch ihn aber musstc der König oft vor
willkürlichem Eingreifen warnen.
Der Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung des Reiches
befleissigte sich Gustav mit ausserordentlichem Eifer. Der Han=
delssuprematic des Hansabundes wurde ein Ende gemacht und
1550 für Finnland eine besondere Schiffahrts= und Handels=
Verordnung erlassen. Darin wurde auch die Anlegung der Stadt
Helsingfors (Helsinki) vorgeschrieben (Ekenäs [Tammisaari] war
schon früher von Erik Fleming gegründet worden). Eine für
Finnland äusserst wichtige Massregel war die Besiedlung der
Einöden des inneren Finnlands, wobei der König in dem Burg=
hcrrn von Olofsborg (Olavinlinna) Gustav Fincke seinen
emsigsten Mithelfer fand. Durch Errichtung von Krongütern
suchte man die Einträglichkeit der königlichen Domänen zu stci=
gern, und der auf diesen getriebene Ackerbau konnte nicht
ganz ohne Einfluss auf die Umgebung bleiben. Im Jahre »554
wurde Finnland in zwei Bistümer, das von Äbo und das von Wi=
borg, eingeteilt; der Bischof des ersteren wurde Agricola, der des
letzteren Paul Juusten.
Gegen Ende der Regierung Gustavs brach, durch Grcnzstreitig=
keitcn (Riitamaa) veranlasst, der Russische Krieg aus.
Die Russen machten einen Angriff auf Wiborg, und von Finn=
land wurde unter Jakob Bagge und Henrik Klasson Hörn ein
Kriegszug unternommen, um Nöteborg zu erobern, aber ohne
Erfolg. Der Friede wurde im Frühjahr 1557 in Nowgorod unter
Beibehaltung der früheren Machtverhältnisse geschlossen. Wc=
gen des Kriegs war König Gustav selbst nach Finnland gc=
kommen und gründete (im Juni 1556) das Herzogtum
Finnland für seinen Lieblingssohn Johan. Dieser hielt sich
viel in Finnland auf und richtete in der Burg von Abo einen präch=
tigen Hof ein — es ist dies das einzige Mal, dass Finnland ein eigenes
629
Hoflebcn gesehen hat. Die Stadt Ulfsby (Ulvila) wurde nach
einem anderen Orte nach Björneborg (Pori), verlegt.
Aber nach der Thronbesteigung Eriks XIV. 1560 begann die
Entzweiung der Brüder und entwickelte sich schliesslich, nachdem
Johan im Herbst 1562 wider den Willen Eriks die Schwester des
Königs von Polen Katharina Jagellonica als Gemahlin heimgeführt
hatte, zum offenen Bruderkrieg. Die Burg von Äbo wurde (im
August 1563) erobert, der Herzog, gefangen nach Schweden geführt,
verlor sein Herzogtum, und seine ihm bis zuletzt treu gebliebenen
Anhänger (Klas Vestgöte, Nils Slang u. a.) wurden hingerichtet.
Herzog Johan hatte die Ausbreitung seiner Macht auch südlich
des Finnischen Meerbusens geplant. Erik XIV. machte sich diesen
Plan zu eigen, und es gelang dem Finnen Klas Kristcrsson
Hörn (im Juni 1561) die Stadt Reval sowie die Ritterschaft
von Harricn und Wierland zu bewegen, die schwedische Herr=
Schaft anzuerkennen. Damit betrat das schwedische Reich den
Weg der Eroberungen jenseits der Ostsee. Der siebenjährige
Nordische Krieg (1563 — 70) gegen Dänemark, Lübeck und Polen
störte durch seine Sceräubereien auch den Handel Finnlands und
wurde ihm schädlich.
Unter der Regierung J o h a n s III. (1 568 — 92) loderte der
Krieg gegen Russland schon 1 570 wieder auf und dau=
erte bis zum Jahre 1595 fort, Finnland langwierige und schwere
Prüfungen verursachend. Doch gelang es den finnischen Be=
fehlshabcrn Hans Björnson Lejon (»570) und H e n=
rik Klasson Hern (1577) die heftigen Angriffe der
Russen auf Reval abzuwehren, und 1580 nahm der Krieg eine für
Schweden glückliche Wendung, alsPontus de la Gardie
und Karl Hcnriksson Hörn Kexholm, Narwa und
viele estländische Festungen eroberten. Infolge dieser Siege wurde
Finnland von Johan im Jahre 1581 die Würde eines Grossfürstcn=
tums verliehen. Auch im hohen Norden wurde ein blutiger
Guerillakrieg geführt; die Russen verheerten in entsetzlicher
Weise die GegcrHen von Uleäborg (Oulu), und finnischcrseits
wurde in Russisch=Karclien ebenso Rache geübt (Juho Vesai =
nen). Im Süden musste Karl Hörn 1590 das wichtige Narwa nach
der tapfersten Verteidigung wieder an die Russen abtreten, und
im Winter des folgenden Jahres wurde unter dem Befehl von Mau=
ritz Grip und Georg Boijc von Finnland ein Verheerungszug nach
Ingcrmanland gemacht. Endlich wurde im Januar 1501 ein Waffen=
630
stillstand und im IVlai 1595 der endgültige Friede in Täwsin (Täys=
sinä, unweit Narwa) zuwege gebracht. Das Län Kexholm
wurde wieder an Russland zurückgegeben, aber die schwe=
dische Herrschaft in Estland anerkannt, und die nördliche Grenze
von Finnland sollte am Nördlichen Eismeer (bei dem lSläytämö=
Fjord) auslaufen.
Unter Johan herrschte in der Verwaltung eine grosse Verwir=
rung, die häufigen ausserordentlichen Steuern brachten das Volk
fast zur Verzweiflung, die Willkür des Adels nahm in drohender
Weise zu, und zu alle dem kam noch, dass die Pläne Johans bezüg=
lieh der Liturgie im katholischen Sinn den religiösen Streit wieder
entzündeten. Zum Bischof von Äbo wurde 1583 ErikSorolainen
(Ericus Erici) ernannt, der sich in die Liturgie Johans fügte; den
Bischofsstuhl von Wiborg liess man unbesetzt. (Zu dieser Zeit
nahm die Übersiedelung von Savolaxcrn in die Wälder Schwc=
dens, nach Värmland, einen bedeutenden Aufschwung.) Durch
alle diese Umstände wurde der innere Krieg vorbereitet, der
nach dem Tode Johans zwischen seinem Sohne, dem katho=
lischen Sigismund, und seinem Bruder, Herzog Karl, ausbrach.
Die vornehmlichste Stütze Sigismunds war der Statthalter von
Finnland, der Rcichsadmiral Klas Fleming, der den Auf=
stand der finnischen Bauern gegen ihn, den sog. Keulenkrieg,
blutig unterdrückte. Aber nach Flemings Tode 1597 trug Karl,
der 1 599 auch Finnland, wo nun Arvid Stälarm zum Statt=
halter ernannt werden war, endgültig eroberte und im Blutbad
von Abo viele von seinen Gegnern hinrichten liess, den Sieg davon.
Die Regierung Karls IX. war eine strenge, aber die Ord=
nung wurde im Reiche wiederhergestellt. Er gründete seine Macht
auf die Unterstützung des niederen Volkes und suchte für dessen
Bedürfnisse zu sorgen. Die Übersetzung der Bibel und des Gesetz=
buches ins Finnische wurde auf Anordnung des Königs in Angriff
genommen, obwohl sie nicht bis zur Veröffentlichung gebracht
wurde. Die Bauern Finnlands nannten ihn »den guten König».
Im Januar 1602 hielt Karl eine Versammlung des finnischen Adels
in Abo ab, erliess (im Februar) in Björneborg eine Instruktion für
die Vögte Finnlands und nahm dann seinen Weg über Ostcrbottcn
nach Schweden. Uleäborg (Ouiu) und (Mustasaari das spätere Wasa)
wurden gegründet. Zum Schutze der Grenze von Nord=Ostcr=
botten wurde die Burg von Kajana (Kajaani) errichtet (1605). Eine
neue Bodenbesteuerung wurde (1608) von Johan Otteson in Oster=
651
bottcn durchgeführt. Auf den äusscrsten Norden hatte Karl ein
besonders wachsames Auge: 1602 sandte er eine Untcrsuchungs=
kommission nach Lappland aus, um sich über die dortigen Ver=
hältnissc zu unterrichten, nahm den Titel eines Königs »der Quä=
nen und Lappen" an und war auf die Erweiterung der Grenzen
Finnlands bis zum Eismeer und dem Weissen Meer bedacht. Im
Februar des Jahres 1609 wurde in Wiborg ein Bündnis
mit Wasilij Schuiskij eingegangen, der das Län Kexholm an Schwe=
den abzutreten versprach. Jakob de la Gardie und E v c rt
Hörn rückten bis nach Moskau vor und eroberten nach dem Tode
Schuiskijs ganz Nordwestrussland {1611 Kexholm und Nowgorod,
1612 Nöteborg, 1614 Audowa). Gegen Polen war, wenn auch
mit schlechtem Erfolg, in Livland Krieg geführt worden, und aus=
serdem brach noch im letzten Lebensjahre Karls ein Krieg gegen
Dänemark aus. Gustav M. Adolf musste im Frieden zu
Knäred 1613 die ganze lappländische Küste an Dänemark abtreten,
wogegen der Krieg mit Russland fortgesetzt wurde. Er endete
erst 1617 mit dem Frieden zu S t o 1 b o w a, wobei Schweden in
den Besitz von Kexholm und von Ingcrmanland kam. Finnland
hatte somit aufgehört, eine den russischen Angriffen in erster Linie
ausgesetzte Grenzprovinz zu sein, und der Hauptteil der Karelier
war wieder mit seinen Blutsverwandten vereinigt worden.
Wiewohl Karl IX. ein gestrenger Herr war, war doch die lang=
wierige Kriegszeit geeignet gewesen, die Verwirrung und die Miss=
brauche in der Verwaltung zu mehren. Viele adlige Herren (Stcn
Lejonhufvud, Berends u. a.) brachten sich als Bauernschinder in
üblen Ruf. Der junge König hielt es (1613) für nötig, allen Lehcns=
bauern in Finnland einen besonderen Schutzbrief zu geben, er crliess
(im folgenden Jahre) ein Reglement für die Vögte und Schreiber in
Finnland und (1615) eine Posthaltereiverordnung. Bei seiner
Rückkehr vom Kriegsschauplatze eröffnete Gustav Adolf am 22.
Januar i6i6dcn Landtag zu Hcisingfors, zudcmcr
die Landstände Finnlands zusammenberufen hatte, um über
Massnahmen für die Verteidigung des Landes zu beratschlagen;
ebenda wurde eine besondere so.j. Feldzugssteuer bewilligt
und die im vorangegangenen Jahre erlassene Posthaltereivcrord=
nung für Finnland bestätigt. Schon 1614 war eine Neugestaltung
des Rechtswesens durchgeführt und zum obersten Gerichtshofe
das Svca=Oberlandesgericht zu Stockholm eingesetzt worden; da
man aber bald die Erfahrung machte, dajs dies für die Rechtspflege
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des ganzen Reiches nicht genügte, wurde 1Ö23 für Finnland ein
besonderes Hofgericht zu Äbo errichtet. Zu dessen erstem
Präsidenten und zugleich zum Generalgouvcrneur von Finnland
\x'urde Nils B j e 1 k e (1623 — 31) ernannt. Um die kirchlichen
Verhältnisse von Ostfinnland zu ordnen, wurde i6t8 wieder ein
Bischof (Elimaeus) im Stifte Wiborg bestellt, womit das Län Kex=
holm und anfänglich auch Ingermanland vereinigt wurden. Gustav
Adolfs Regicrungsmassnahmcn für die Entwicklung der Zentral»
und der Landesverwaltung, für die Hebung des Schulwesens und
die Ordnung der wirtschaftlichen Verhältnisse (die Handelsvcrord=
nungen von 1614 und 1617) wirkten natürlich auch mit auf die
Verhältnisse in Finnland ein.
Im Jahre 1621 flammte der Krieg gegen Polen wieder in Liv=
land auf, wohin jakob de la Gardie auch die finnischen Truppen
führte. Riga wurde (im September) erobert. Im Jahre 1626 ging
der Krieg nach Preussen hinüber, wo Äke Tott und Klas Hörn
mit ihren finnischen Reitern berühmt wurden. Endlich 1630
folgten auch die Finnen ihrem grossen Könige in den 30=jährigen
Krieg, wovon Brcitenfeld, Lech, Nürnberg, Lützen und viele andere
Orte gute Zeugen sind. Unter den finnischen Befehlshabern zeich=
ncten sich dort vor allem Gustav Hörn, Stälhandske und Slang aus.
Der lange Deutsche Krieg strengte die Kräfte Finnlands
sowohl hinsichtlich der Mannschaft als auf wirtschaftlichem Gebiete
schwer an, aber andererseits machte er die Finnen zum ersten Mal
im übrigen Europa bekannt. Die Regierung der Vormünder der
Königin Christina (1632 — 44) wurde für Finnland dadurch wich=
tig, dass damals Graf Per Brahc zum ersten Mal zum GeneraU
gouverneur von Finnland ernannt wurde (1637 — 40); zum zweiten
Male bekleidete er dann dieses Amt 1648 — 54. Auf zahlreichen
Reisen in unserem Lande suchte er sich mit dessen Verhältnissen
vertraut zu machen und ergriff vielfach die Initiative zur Beseiti=
gung der herrschenden Missstände. Die Verwaltung und das
Steuerwesen wurden revidiert und erneuert; ein Forstmeister
und ein Bergmeister angestellt; das Postwesen wurde geordnet (1638);
die Verkehrsmittel wurden verbessert; Helsingfors wurde an einen
anderen Platz verlegt, und etwa zehn Städte wurden im Innern
des Landes und in Osterbotten gegründet; betreffs der Entrich =
tung der Stolgebühren der Geistlichen wurde eine neue Vcrord=
nung erlassen; die Aushebung von Soldaten wurde geordnet usw.
Die Rechtspflege wurde durch das Hofgericht zu Äbo unter l,ei=
657
tung seines Präsidenten, des gelehrten Johan Kurck, über=
wacht. Besonders aber wirkte der Graf für die Verbesserung des
Unterrichtswesens, errichtete neue Schulen und vor allem eine ci=
gene Universität für Finnland in Äbo (eröffnet i 5. Juli 1640).
Gemeinschaftlich mit dem Bischof Rothovius wurden Anstalten
getroffen, damit endlich die ganze Bibel in finnischer Sprache ge=
druckt werden konnte, was auch 1642 geschah. Diese nützlichen
Massnahmen zur Verbesserung der Zustände im Lande wurden
jedoch durch die grenzenlose Erweiterung des Lchnswesens
betrachtlich benachteiligt, der sich Christina, nachdem sie selbst
die Zügel der Regierung ergritten hatte, hingab und die nament=
lieh für Finnland fühlbar wurde. Während es beim Rcgierungs=
antritt Christinas in Finnland nur zwei grössere Lehen gab: eine
Grafschaft Raseborg und eine Baronis Kimito, gab es bei ihrer
Thronentsagung 9 Grafschaften (die grössten Wasaborg, Raseborg,
Björneborg) und 18 Baronien (die grössten Kajana und Kimito)
und noch dazu ein paar »Titular»=Baronien, deren Inhaber jedoch
nicht alle freiherrlichen Rechte genossen. Insgesamt waren am Ende
der Regierung Christinas ungefähr "/a des Landes und die Hälfte
der ordentlichen Steuern verschenkt, Ostcrbotten und das Län Kex=
heim fast ganz. Die Folge davon war, dass der grösste Teil des
Bauernvolkes nahe daran war, in die Leibeigenschaft der Adligen
zu geraten und dass die Kronsteuern umso schwerer auf den Schul=
tern der übrigen Bevölkerung lasteten. — Das wirtschaftliche
Erstarken Finnlands wurde auch durch das engherzige, vorzugs=
weise auf den Vorteil der Hauptstadt Stockholm berechnete merkan=
tile Handelssystem mit seinen Monopolen und Kompanien ge=
hemmt; namentlich die 1648 gegründete Teerkompanie fügte
Finnland, Bürgern ebensowohl als Bauern, Schaden zu.
Die Durchführung der Reformation war anfänglich den BiU
dungsanstalten und übrigen Bestrebungen, die mit der Kirche in
Zusammenhang standen, hinderlich. Aber auch in Finnland wurde
sie dann die Urheberin der volkssprachlichen Literatur und des
ersten Volksunterrichts. Agricola, Juusten, Sorolai=
n e n waren sämtlich hervorragende Leiter der Kirche, die in
echt reformatorischem Geiste rastlos für die Aufklärung des Volkes
tätig waren. Nichtsdestoweniger klagte man aber in Schweden,
dass man in Finnland nicht stramm genug gegen den '>päp5tlichen
Sauerteig», d. h. die äusseren Zeremonien des Katholizismus,
gekämpft habe. Dies war die Ursache, warum nach Erik Sorolainen
674
der energische Isak Rothovius gegen den Wunsch der
Finnen, die sich einen einheimischen Mann gewünscht hätten,
zum Bischof von Äbo (1627 — 52) ernannt wurde. Rothovius machte
sich auch daran, die möglicherweise noch vorhandenen Reste des
Katholizismus sowie den Aberglauben mit kräftiger Hand auszu=
rotten und die in der Kirche obwaltende äussere Ordnung zu
überwachen. Er hat sich dadurch sowie durch seine Massnahmen
zur Beförderung des Schul= und Universitätsunterrichts, worin
er Per Brahe zur Seite stand, einen Namen in den Annalen Finn=
lands gemacht. Zur Zeit der Reformation waren Wittenberg, dann
auch Uppsala die ausländischen Universitäten gewesen, wo sich
die Finnen höhere wissenschaftliche Bildung erwarben. Durch
die Errichtung der Akademie zu Äbo war nun in der Heimat Gele=
genheit geboten, sich die von den Dienern der Kirche und des
Staates geforderten Kenntnisse anzueignen, und ihre Wirkung in
unserem Lande war auch epochemachend. Erst danach, kann man
sagen, hat die Pflege der Gelehrsamkeit und der Wissenschaften
hier angefangen (aus der vorangegangenen Zeit ist Sigfrid Aronus
Forsius fast als der einzige Gelehrte zu nennen). Die Akademie zu
Abo hatte auch das Glück, von Anfang an viele hervorragende
Männer (Terserus, Petraeus, Vexionius, Stjcrnhök) zu ihren
Lehrern zu zählen, wodurch sie unter den Universitäten des Reichs
sofort in guten Ruf kam. Dagegen war die Zeit der Grossmachts=
Stellung Schwedens den nationalen Bestrebungen in Finnland
nicht günstig; die gebildeten Klassen wurden immer mehr ver=
schwedischt, und die finnische Sprache wurde nur noch als Volks=
und Kirchensprache gebraucht.
Mit der Universität kam nach Finnland auch die B u c h=
druckerkunst. Während die Universität ihren Platz in Äbo
fand, beschloss man für Ostfinnland ein Gymnasium in Wiborg
zu errichten. Die Königin Christina war persönlich eine Freundin
der Bildung, und als eine Folge davon kann die neue, in mancher
Beziehung einen Fortschritt bezeichnende Schulordnung
angesehen werden, die 1649 erlassen wurde. In der ersten Hälfte
des 17. Jahrhunderts wurden zuerst auch auf dem Lande Kirchen=
schulen oder Pädagogien eingerichtet, die als die ersten Volks=
schulen unseres Landes bezeichnet werden können.
Die Regierungszeit des pfälzischen Hauses
1654 — 1720. Unter der kriegerischen Regierung Karls X. Gustav
635
(1654 — 6o) Nwurdc auch Finnland vom Kriege heimgesucht, als
der Zar von Russland Alcxej, in der Absicht, das beim Fricdens=
schluss zu StoibovÄ/a verlorene Ingermanland und das Län Kexholm
zurückzuerobern, den Frieden brach. Die Festungen und sonstigen
V^erteidigungsvjferke in Finnland und Ingermanland befanden sich
in schlechtem Zustande, und fast die ganze Streitmacht Finnlands
stand ausserhalb des Landes. Als die Russen Anfang Juni 1656
in Ostfinnland einfielen, schlössen sich ihnen auch die griechisch»
katholischen Einwohner des Läns Kexholm an. Die geringen
Truppenstärken, die sich diesseits der Grenze befanden, wurden
von dem Generalgouverneur von Ingermanland und Kexholm
Gustav Evertsson Hörn in Kexholm und Nöteborg zusammen»
gezogen, die sich tapfer verteidigten, das erstere unter Befehl
des Hauptmanns Olof Bengtsson. Aber auch die Bauern und
Bürger Finnlands und sogar die Schulknaben in Wiborg grif=
fen, von den Beamten angeführt, zu den Waffen, und so gelang
es, die Gefahr abzuwehren; Kardien und ein Teil von Savolax
wurden jedoch verheert, und auch die Burg von Kajana suchten
die Russen zu erobern. Auf den Provinziallandtagen, die in
diesen Kriegsjahren in den verschiedenen Länen Finnlands statt=
fanden, willigten die Vertreter der Stände in lästige Soldaten»
aushebungen ein und erklärten sich bereit, die auf dem Landtage von
1655 bewilligte Kriegssteuer nach wie vor zu entrichten. Der Krieg,
der beiderseits hauptsächlich in grausamer Verwüstung bestand, en=
dete 1658 mit dem Waffenstillstand von Vallisaari ; der endgültige
Friede, nach dem die Grenzen unverändert blieben, wurde 1661
in Kardis geschlossen; das Län Kexholm wurde durch diesen
Krieg fester als vorher an das übrige Finnland angeschlossen,
da während des Krieges seine griechisch=katholischcn Einwohner
zum grösstcn Teil getötet worden oder nach Russland übergesiedelt
waren und durch lutherische Bevölkerung ersetzt wurden ; was die
Verwaltung betrifft, hatte es jedoch auch fernerhin mit Ingerman=
land zusammen einen besonderen Generalgouverneur, und seine
Einwohner entbehrten des Rechts, zu den Landtagen Vertreter zu
senden.
Die Regierung der Vormünder Karls XI. (1660 — 97) war
schwach, was sich vor allem darin zeigte, dass die auf dem Landtage
des Jahres 1655 beschlossene Reduktion aufhörte und die Adcls=
herrschaft darum nach wie vor das Volk bedrückte; das Heer, für
welches man doch zu sorgen suchte, geriet in Verfall, denn die
636
Regimenter konnten lange nicht auf ihre volle Zahl gebracht
werden. Nach Finnland wurden jedoch Feldmesser gesandt,
denen es zuerst oblag, die Landstrassen abzumessen; in den süd=
liehen Teilen des Landes wurden auch neue Wege gebaut; in Savo=
lax wurde eine Flurregclung und damit eine feste Besteueiung
anstatt der früheren jährlichen Schätzung bewerkstelligt. Zum
Gcneralgouverneur von Finnland wurde Herman Fleming (1664 — 69)
bestellt. Als Karl XI. selbst mündig wurde und die Zügel der
Regierung ergriff, wurde auch in Finnland die grosse Reduktion
durchgeführt, wodurch hier allein — mit Ausnahme des Läns Kex=
holm — durch die reduzierten Lehnsgüter die Staatseinkünfte ungef.
um 200000 Silbertaler jährlich vermehrt wurden. Das Kriegswesen
wurde auf Grund der schon früher begonnenen Einteilung nach
Stellungsbezirken, »Rotten», geordnet, ausser in Ostcrbottcn, wo sie
erst 1753 durchgeführt wurde. Die Ordnung wurde überall auf=
recht erhalten und die Tätigkeit der Beamten streng überwacht.
Die Landwirtschaft wurde durch Besiedlung verlassener Bauern=
höfe befördert, und Kolonisten Messen sich in den nördlichen Ein=
öden in Kuusamo, Kittilä und auch anderswo in Lappland nieder,
woneben neue Gemeinden in den abgelegeneren Teilen anderer
Landschaften entstanden. Für die Hebung des geistigen Lebens
im Volke waren die damaligen Bischöfe, vor allem Johan Gezelius
der Altere, tätig, indem sie religiöse Literatur herausgaben und die
Geistlichen dazu hielten, für den Leseunterricht zu sorgen; die
Kirche, in der damals eine strenge Orthodoxie herrschte, hielt eine
straffe Zucht aufrecht. Diese vielseitige friedliche Entwicklung wurde
jedoch durch die schweren Missernten, von denen unser Land in
den letzten Regierungs jähren Karls XL betroffen wurde, sowie
durch die darauf folgende Not und die Krankheiten, wodurch ein
Viertel der Bevölkerung unseres Landes dem Tode erlegen sein
dürfte, schwer beeinträchtigt.
Die Regierung Karls XI L (1697 — 1718) war eine ununter=
brochene harte und schwere Kriegszeit. Gleich im Anfang des
grossen Nordischen Krieges (1700) wurden die Nationaltruppen
von" Finnland nach den Ostseeprovinzen abkommandiert, und im
selben Jahre wurde den »Rotten» und »Rusthällcn» (Reitergütern)
befohlen, zur Verteidigung des eigenen Landes sog. Dreimanns=
regimenter zu stellen; aber auch diese wurden aus dem Lande
geführt, und da gab der König seine Zustimmung zur Bil=
düng der von dem Landeshauptmann von Tavastland=Nyland
677
A. Cronhjorth vorgeschlagenen Doublierungsregimenter, wodurch
die Kriegsmacht unseres Landes verdoppelt wurde. Vornehm»
hch aus den letztgenannten wurde die Armee gebildet, die
mit der Verteidigung Ingcrmanlands und Finnlands beauftragt
wurde und deren erster Oberbefehlshaber der eben erwähnte Cron =
hjorth war. Er konnte jedoch das Vordringen der Russen nicht
aufhalten; sie eroberten Nöteborg (1702) und im folgenden Jahre
Nyen (Nevanlinna), an dessen Platze der Zar von Russland
sofort die neue Hauptstadt Petersburg (1703) zu gründen und
zu deren Schutze Rctusaari (Kotlin) zu befestigen begann.
Cronhjorth wurde seines Amtes enthoben (1703) und durch ).
Maijdell ersetzt. Es gelang diesem, die Russen zu hindern, sich
der von ihnen (1706) belagerten Burg von Wiborg zu bemächtigen;
aber auch er wurde entlassen, und Georg Lybecker wurde Ober=
befchlshaber (1707). Die Verteidigung von Finnland war aber
immer noch schwach genug. Das Heer war wenig geübt, Soldaten
desertierten, die Befehlshaber beschuldigten die Landeshaupt=
männer und diese wieder den Oberbefehlshaber. Die Hauptursache
zur Schwäche der Aktion lag aber in dem Mangel an Mitteln; denn
das für die Armee Erforderliche konnte in Finnland allein nicht
aufgebracht werden, Schweden wiederum hatte weder Leute noch
Mittel genug, um etwas hersenden zu können; auch die Flotte, die
im Finnischen Meerbusen manövrierte, vermochte nichts Nennens=
wertes auszurichten.
Die Kriegsereignisse waren hauptsächlich Verheerungs= und
Plünderungszüge, die beiderseits unternommen wurden; so kamen
die Russen mit ihren Schiffen nach Borgä und plünderten und
zerstörten die Stadt (1708), Lybecker seinerseits machte im Herbst
desselben Jahres einen Zug gegen Petersburg, erzielte aber nichts
dabei. Nach der Schlacht bei Pultawa konnte der Zar hier grös=
serc Truppenstärken in Anwendung bringen und begann auch
sowohl Riga als Rcval und Wiborg zu belagern, die sich 1710
alle ergaben; das letztgenannte wurde von Magnus Stiernsträle
tapfer verteidigt, aber am 14. Juni schloss erden KapituIations=
vertrag; Kexholm ergab sich am 9. September desselben Jahres.
Der Reichsrat in Schweden schickte nun einen neuen Befehls=
haber, den Grafen Karl Nicroht, der zugleich zum GcneraU
gouverneur ernannt und dadurch auch mit der Zivilverwaltung
des Landes betraut wurde. Mit Energie und Strenge verbesserte
er das Verteidigungswesen; die Zahl der Truppen wurde auf
678
10,000 Mann erhöht, die Landwehr wurde besser organisiert als
vorher, und auch die Streifkorps erhielten eine bessere Organisa=
tion als früher. Lim Mittel zu erhalten, licss er mit ausserordcnt=
lieber Strenge, u. a. durch Einquartierung von Soldaten bei den
Vögten, die alten Stcuerrückstände eintreiben, und neue ausser=
ordentliche Steuern wurden gleichzeitig verlangt. Darüber wurden
bittere Klagen laut, zumal das Volk schon durch Kriegslasten und
Notjahre verarmt war. Unter diesen waren die von 1708 und 1709
die schlimmsten, und im Jahre 1710 raste dazu die Pest, nament=
lieh in Südfinnland, zumal in den Städten. Nierohts Versuche,
wenigstens einige von den verlorenen Plätzen zurückzuerobern,
hatten keinen Erfolg; der Mangel an Mitteln war auch für ihn das
schlimmste Hindernis. Und nach seinem Tode (15. Januar 1712)
wurde Lybecker wieder zum Oberbefehlshaber der Armee ernannt.
Im Jahre 1712 fiel ein russisches Heer in das Län Kajana ein,
wo bis dahin, auf Grund von Verträgen zwischen den Bauern
der beiderseitigen Grenzgegenden, Friede geherrscht hatte, und
plünderte unter anderem die Stadt Kajana. In Südfinnland
machten die Russen im selben Jahre gleichfalls einen Einfall, gingen
aber zurück. Erst im Jahre 1713 begann die Eroberung Finn=
lands. Als die russische Flotte nach Helsingfors kam, glaubte Karl
Armfeit, der mit 1,500 Mann dort lag und die Magazine bewachte,
es nicht verteidigen zu können, sondern zündete die Stadt an und
zog ab (in der Nacht vom 10. zum 11. Mai); Lybecker, der mit
seiner Armee in Nyland stand, wagte keinen Widerstand zu leisten,
sondern liess unschlüssig die Truppen hin und hermarschieren
und zog sich dann nach Tavastland. Die Russen konnten sich
so fast ohne Widerstand Südfinnlands bemächtigen und marschicr=
ten nach Äbo (28. August 1713). Infolge vieler Klagen wurde Ly=
becker vom Oberbefehl abgesetzt; dieser wurde nun einstweilen
Karl Armfeit anvertraut, der beim Kostiafluss in Pälkäne das Vor=
rücken der Russen aufzuhalten beabsichtigte, als diese aber auf
Flössen, die sie sich gebaut hatten, seine Truppen zu umgehen
drohten, vcrliess er seine Stellung und zog sich im Oktober nach
Osterbotten, in das die Russen unter dem Befehl des Fürsten
Michael Golitsyn Anfang 1714 einrückten. In der Schlacht bei
Napue (19. Februar 1714) wurden die finnischen Truppen geschla=
gen und zogen sich nach Västerbotten. Die schwedische Flotte
erlitt eine Niederlage in der Bucht von Riilahti (Rilax) bei Hangö
(27. Juli 1714), und Olofsborg wurde am 29. Juli 1714 erobert.
659
Nur die Burg von Kajana >x'ar noch nicht genommen; erst am
24. Februar 1716 ergab sie sich und wurde in die Luft gc=
sprengt. Kleine Streifkorps mit kühnen Anführern zogen noch
in Finnland hin und her, in dem Lande aber schalteten und
walteten die Russen nun 8 )ahre lang, eine Zeit, die der
Grosse Unfriede genannt wird. Sie endigte mit dem Fric=
densschluss zu Nystad (Uusikaupunki), indem R^jssland ausser
den Ostseeprovinzen den südöstlichen Teil von Finnland, u. a.
die Städte Kexholm und Sortavala, erhielt; die Grenze begann
östlich von dem Kirchdorf Virolahti, ging dann 5 — 15 Werst
von der Küste entfernt bis in die Nähe von Wiborg; von
dort zog sie sich südlich von den Kirchdörfern jääski und Kirvu
nach der früheren Grenze zwischen Russland und Schweden,
dann diese entlang bis zu dem Punkte, wo die Kirchspiele Parik=
kala, Kcrimäki und Kcsälahti zusammentreffen, und endlich die
jetzige Grenze zwischen den Läncn Kuopio und Wiborg entlang
nach Nordosten.
Der an Russland abgetretene Teil wurde als besonderes Gouver=
nemcnt dem russischen Kaiserreich angeschlossen; die früheren
Gesetze wurden dort allerdings auch fernerhin befolgt, und die
Religion war nach wie vor die lutherische; die niederen Beam=
tcn waren einheimische Männer, die oberen aber Russen oder
Deutsche; der Boden wurde grösstenteils an russische Herren vcr=
schenkt, weshalb sich die Lage der Bauern verschlechterte.
Die letzte Periode der schwedischen Herr =
Schaft (1721 — 1809). Nach Wiederherstellung des Friedens
kehrten die Flüchtlinge aus Schweden und die in Gefangenschaft
Geratenen aus Russland zurück, aber die Einwohnerzahl war sehr
gesunken: auf ungef. 275,000. Die frühere Verwaltung wurde wieder
eingeführt, aber der nördliche Teil des Läns Kexholm wurde
nun dem übrigen Finnland angegliedert und mit Savolax zusam=
mcn zu dem Län Kyminkartano (Kymmcnegard) gezogen, dessen
Hauptort Villmanstrand (Lappccnranta) war; der Bischofssitz
des östlichen Stiftes wurde Borga (Porvoo), und die Stapclrcchte
von Wiborg wurden auf Fredrikshamn (Hamina) übertragen. Um
die Zustände im Lande zu untersuchen, wurden zwei Kommission
nen eingesetzt, die die herrschenden Ubelstände ermittelten und
Steuerbefreiungen der Einwohner vorschlugen, welche von der
Regierung auch bewilligt wurden. Auf den Landtagen war die
640
Anzahl der Vortreter Finnlands gering — in den nicht adHgen Stän=
den ungef. V» der ganzen Zahl — , sie waren aber bestrebt, die Vor=
teile ihres Landes zu wahren, indem sie um Verbesserung der
wirtschaftlichen Verhältnisse und auch der Stellung der finnischen
Sprache nachsuchten, denn die flüchtigen Beamten und Standes^
Personen waren sehr verschwedischt, sodass es für das Volk schwer
war, sich mit ihnen zu verständigen. Einige Zugeständnisse wurden
in dieser Hinsicht auch gemacht; so wurde (1735) ein besonderer
Translator bestellt und das 1734 zur Annahme gelangte Reichs=
gcsetz ins Finnische übersetzt.
Finnland vermochte sich jedoch kaum zu erholen, und schon
brach der von der Regierung der Hüte mit Russland begonnene
Krieg (1741 — ^43) aus. Der Krieg wurde schwedischcrseits erbärm=
lieh geführt; die Ausrüstung war mangelhaft und die Disziplin
schlecht. In der Schlacht bei Villmanstrand (24. August 1741) wurde
der General K. H. Wrangel mit seinen Truppen geschlagen und er
selbst gefangen genommen, und als dann der Oberbefehlshaber Ch.
E. Lewcnhaupt zur Armee kam, zog er gegen Petersburg, unter=
brach aber seinen Zug und nahm den von der Kaiserin Elisabeth,
die kurz vorher den Thron von Russland bestiegen, angebotenen
Waffenstillstand an, der aber russischcrscits bald wieder gekündigt
wurde. Die Kaiserin von Russland sandte zur Verbreitung in Finn=
land ein den 18. März 1742 datiertes Manifest, in dem die Finnen
aufgefordert wurden, sich von Schweden loszumachen und einen eige=
nen Staat unter dem Schutze Russlands zu bilden. Von der Selb=
ständigkeit war jedoch keine Rede mehr, nachdem Finnland, wo
im Juni russische Truppen unter Befehl von de Lacy und Keith
einfielen, infolge der Kapitulation der Armee bei Helsingfors (24. Au=
gust 1742) der russischen Herrschaft unterworfen worden war. Damit
begann der sog. Kleine Unfriede, der mit dem Frieden von
Äbo (7. Aug. 1743) endigte; dabei erhielt Schweden den grössten
Teil von Finnland zurück, aber ein Stück bis an den Kymifluss
\wurdc abgetrennt und Russland zugeteilt; auch die Städte Fredriks=
hamn, Villmanstrand und Nyslott gingen somit an das russische
Finnland über.
Nach dem unglücklichen Kriege begann die Regierung der Hüte
den Angelegenheiten Finnlands grössere Aufmerksamkeit zu wid=
men; auch jetzt wurden dem Volke Steuerentlastungen bewilligt,
auf den Landtagen wurden für die Pflege der finnischen Angele=
genheiten besondere Ausschüsse eingesetzt und manche Verbesse=
641 41
rungcn wenigstens angebahnt; eine von den wichtigsten war die all=
gemeine Flurregclung, wodurch man dem Ackerbau aufzuhelfen
suchte; zur Beförderung des Verkehrs wurden auf den Gewässern
Fahrrouten bezeichnet; Kornmagazinc wurden errichtet; zu dieser
Zeit begann man Kartoffeln anzubauen. Im allgemeinen inter=
essiertc man sich für die Entwicklung des wirtschaftlichen Lebens
und suchte dasselbe auch mit Hilfe der Wissenschaft zu fördern;
die meisten Lehrer der Universität, wie. Peter Kalm, Peter Adrian
Gadd, ). Brovallius und K. F. Mennander, befleissigten sich der
Naturwissenschaften und der Wirtschaft, indem sie ihrAugen=
merk vorzugsweise auf den praktischen Nutzen richteten; im |ahre
1747 wurde an der Universität zu Äbo auch eine Professur der
Wirtschaftslehre errichtet. Auch die bisherigen engen Handels=
Vorschriften wurden gegen Ende der Freiheitszeit gelindert und die
Handelsrechte der Städte, vornehmlich der an der Küste des Bott=
nischen Meerbusens gelegenen, hauptsächlich dank dem Eintreten
von Anders Chydenius auf dem Landtag von 1765 — 66 erweitert.
Was die Verteidigung Finnlands betrifft, wurde 1749 mit der Auf=
führung der Festungswerke von Sveaborg (Viapori) unter Lei=
tung von Augustin Ehrensvärd begonnen.
Zur Zeit Gustavs 111. (1 771 — 92) wurden die Neuerungen
in derselben Richtung wie unter der Regierung der Hüte wciterge=
führt, in der im jähre 1775 erlassenen Flurregelungsverordnung
wurde vorgeschrieben, dass, nachdem den Bauernhöfen je nach
der Hufenzahl Ackerland, Weide und Wiesengrund zugeteilt worden
war, der Rest vom Staat übernommen und Ansiedlern zur Urbar=
machung angeboten werden sollte. Das Branntweinbrennen wurde
vom Staate übernommen, und in verschiedenen Teilen des Landes
wurden Brennereien errichtet; man beabsichtigte dadurch, dem Staate
Geldmittel zu verschaffen und dem Genuss des Branntweins Ein =
halt zu tun ; die Massnahme rief aber bei den Bauern allgemeine
Unzufriedenheit hervor, zumal da die Trunksucht nur zunahm,
Finnland wurde in 6 Läne anstatt der 4 früheren eingeteilt; ein
neues Hofgericht wurde in Wasa 1775 errichtet (eröffnet 1776) und
die Zahl der Gcrichtsbezirke zweiter Instanz auf 5 vermehrt; neue
Städte: Tammerfors (Tamperc) (1779), Kuopio(i782) und
K a s k ö (Kaskinen) (1785) wurden gegründet und H e i n 0 I a einige
Vorrechte verliehen. Das Kriegswesen wurde dadurch weiter ent=
wickelt, dass zu der früheren Mannschaft Reserven hinzugefügt wur=
den. Der Oberst Göran Magnus Sprengtportcn bildete die Brigade
642
von Savolax zu einer Mustcrtruppe aus und richtete auf seinem Amts=
gute Brahelinna eine Art Kriegsschule ein, die 1781 nach dem Kron=
gute Haapaniemi in Rantasalmi verlegt wurde.
Sprengtporten siedelte jedoch 1786 nach Russiand über, um dort
für die Selbständigkeit Finnlands, die er schon während seines Hier=
seins im Einvernehmen mit einigen anderen Adligen, J. A. Jäger=
hörn, Klick, de Gecr u. a. geplant hatte, zu witken. Als Gustav III.
mit einem unbedeutenden Grenzgeplänkel in Savolax als Vorwand,
um die auf vielen Seiten herrschende Unzufriedenheit zu beseiti=
gen, Krieg mit Russland (1788 — 90) begann, kam der Selbständig=
keitsplan an den Tag. Nach dem Ausbruch des Krieges wollte der
König sowohl zu Lande als zur See einen Angriff auf Petersburg
machen, als aber die Seeschlacht bei Suursaari (Hogland) am 17.
Juli 1788 unentschieden blieb, zog sich die vom Bruder des Königs,
dem Herzog Karl von Södermanland, befehligte Flotte nach Svea=
borg zurück, die Landarmee unter dem Befehl des Königs suchte
Fredrikshamn zu erobern, aber auch das gelang nicht. Inzwischen
hatten die Offiziere ein Komplott angezettelt; sieben von
ihnen verfassten in Liikala ein Schreiben an die Kaiserin von
Russland, und etwas später wurde der Bund von Anjala geschlos=
scn. Die Stellung des Königs wurde eine schwierige; da aber Däne=
mark den Krieg erklärt hatte, gewann er Gelegenheit, nach Schwe=
den zu gehen, wo er 1789 einen neuen Staatsstreich ausführte.
Das Auftreten der Anjalamänner wurde im Lande nicht gebilligt,
und der König konnte in den folgenden Jahren den Krieg fortsetzen,
der sowohl zu Lande als zur See geführt wurde. Die in Savolax ein=
gefallenen Russen wurden von dem Obersten Kurt von Stedingk bei
Porrassalmi (13. Juni 1789) und Parkumäki (21. Juli 1789) geschla=
gen, der König trug in der Gegend des Kymiflusses auf der Heide
von Utti (28. Juni 1789) einen Sieg davon, wodurch jedoch kein
nennenswerter Vorteil gewonnen wurde; die Flotte dagegen erlitt
in der Meerenge Ruotsinsalmi (Svensksund) (24. August 1789) eine
Niederlage. Im folgenden Jahre 1790 wurde gleichfalls in Savolax,
unter anderem bei Partakoski und Kärnäkoski gekämpft. Mit der
Flotte wollte der König einen Angriff auf Wiborg machen, wurde
aber in der Bucht von Wiborg umringt, und nur durch einen küh=
ncn Ausfall (»das Spiessrutenlaufen von Wiborg») {3. Juli) geret=
tet. Im Ruotsinsalmi erfocht er jedoch bald (9. Juli) einen grossen
Sieg, und darauf wurde in Värälä (14. August 1790) der Friede ge=
schlössen, wobei die Grenzen unverändert blieben.
645
Unter den Massnahmen der Rcgicrungszcit Gustav IV. Adolfs
(1792 — 1809) ijt eine von den bedeutungsvollsten die Gründung
der Finnischen Wirtschaftsgescllschaft (1797), welche die Be=
fördcrung des Ackerbaus sowie der übrigen Gewerbe zur Aufgabe
hatte; auf ihr Betreiben wurde die erste Bank in Finnland ge=
gründet; der Bau eines neuen Universitätsgebäudes wurde auch
zu dieser Zeit begonnen.
Die literarischen und wissenschaftlichen Bestrebungen waren in
diesen Jahren lebhaft, und als ihre hervorragendsten Vertreter sind H.
G. Porthan, M. Calonius, F. M. Franzcn, M. Choracus und
J. Tengitröm zu nennen ; auf die Initiative der Auroragcscllschaft
wurde die Herausgabe der ersten Zeitung (»Tidningar utgifna af
ett sällskap i Äbo») 1771 begonnen, und der Pfarrer von Klynämäki
Anders Lizelius machte 1775 sogar den Versuch, eine Zeitung
»Suomenkieliset Tietosanomat» in finnischer Spreche zu veröffent=
liehen, die aber schon im folgenden Jahre einging.
Gustav IV. Adolf war unter den Königen von Schweden der
letzte Regent von Finnland. Er war ein hartnäckiger Gegner Napo=
eons und weigerte sich, der Kontinentalsperre sich zu unterwerfen.
Infolgedessen ging Napoleon mit dem Kaiser von Russland Alexan=
der I. einen Vertrag ein, dem gemäss Alexander ihn dazu zwingen
und dafür Finnland, das er zu erobern hatte, als Belohnung erhalten
sollte. Da der König von Schweden auch den Aufforderungen Ale=
xanders kein Gehör schenkte, brach der Finnische Krieg
I 808 — 09 aus. Am 21. Februar 1808 überschritt ein Teil der
jenseits der Grenze zusammengezogenen russischen Truppen, die
insgesamt eine Armee von 24,000 Mann bildeten, unter dem Befehl
von Graf Buxhövden den Kymifluss. Die Ausrüstung war hier
auch jetzt eine schlechte; Schweden hatte nicht genug Soldaten
für eine Hilfssendung; die eigenen Truppen Finnlands, im ganzen
ungef. 20,000 Mann, standen zum Teil in Sveaborg — 6,750
Mann — , in Svartholm 700, kleinere Abteilungen auch in Hangö
und Kardien; der Rest war in zwei Heeresgruppen geteilt,
deren eine in Südfinnland stationiert war und von dem einst=
weiligen Oberbefehlshaber Klcrcker kommandiert wurde, die andere,
von J. A. Cronstedt befehligte, in Savolax stand. Nachdem Kriegs=
plan der Russen sollte der Angriff von 3 Seiten her vor sich gehen;
eine Armee sollte Svartholm und Sveaborg erobern, eine zweite
die südliche Verteidigungsarmee vertreiben und eine dritte durch
Savolax in die Gegend von Uleäborg marschieren, wo auch die ande=
644
rcn Armeen zusammentreffen sollten. Die südliche finnische Armee,
die beim Einfall der Russen sich erst zum Teil hatte versammeln
können, zog sich, allerdings nicht ohne kleinere Gefechte zu wagen,
in die Gegend von Tavastehus, nwo Klercker den Kampf aufzu=
nehmen gedachte; da kam aber der von dem König ernannte Ober=
bcfchlshabcr Klingspor und übernahm (2. März) das Kommando;
unter Berufung auf seine Ordern zog er sich unaufhörlich bis
nach Osterbotten zurück, wo auch die Savolaxarmee hinkam.
Bei Siikajoki trat ein Umschlag ein, indem Klingspors Adjutant
Adlcrcreutz eine russische Truppe (18. April) besiegte, denn da
begannen die Russen sich zurückzuziehen; in Revonlahti wurde
(27. April) ein zweiter Sieg erfochten, und der neue Befehls=
habcr der Savolaxtruppen Sandeis siegte bei Pulkkila (2. Mai) und
bemächtigte sich dann fast des ganzen schwedischen Savolax.
Vor der Übermacht wich er jedoch hinter den Sund von Toivala
zurück, wo er eine Verteidigungsstellung einnahm. Ganz Süd=
finnland war unterdessen den Russen in die Hände gefallen; Svart=
holm ergab sich am 18. März, die bei Hangö befindlichen Vertei=
digungswerke wurden von den Russen am 21. März genommen,
und am 22. März marschierten diese in Äbo ein; Sveaborg, wo
Carl Olof Cronstedt Kommandant war, hatten sie unter dem Be=
fehl des Generals von Suchtelen auch zu belagern angefangen. Die=
ser vermochte Cronstedt (6. April) dazu, einen Vertrag einzugehen,
dem zufolge Cronstedt die Festung dem Feinde überlassen sollte, falls
bis zum 3. Mai aus Schweden kein Entsatz käme. Infolgedessen
ergab sich die Festung am 4. — 6. Mai. Im Frühjahr und im Sommer
1808 drang die Hauptarmec von Finnland, während sich die Rus=
scn zurückzogen, südwärts vor und besiegte die Feinde bei Ny=
karleby (Uusikaarlepyy, 24. Juni), dann in Lapua (14. Juli),
Kauhava (10. August) und Alavus {17. August). Osterbotten und
Nord=Tavastland wurden somit von den finnischen Truppen wie=
der eingenommen. Aber gegen Ende des Sommers erhielten die
hier operiet enden Russen Verstärkungen und einen neuen Befehls»
haber, den Grafen Kamenskij, und da sahen sich die finnischen
Truppen gezwungen, wieder den Rückzug anzutreten , wobei in
Karstula (21. August), bei Ruona (i. September) und bei Juutas
(13. September) gekämpft wurde; endlich fand die entscheidende
Schlacht bei Oravainen (14. September) statt, wo Adlercreutz von einer
vorteilhaften Stellung aus mit 4,000 Mann die Angriffe einer rus=
iischen Truppe von 8,000 Mann zurückzuweisen suchte. Er wurde
645
aber geschlagen und zog sich gegen ISlorden zurück. Ein Waffcn=
stillstand wurde (29. September) in Lohtaja (Lochte!) geschlossen,
aber Ende Oktober wurden die Feindseligkeiten wieder eröffnet,
und die finnische Armee musstc sich wieder immer weiter nach
Norden zurückziehen; dort kam auch Sandeis hin, nachdem er
jedoch zuerst in der Schlacht bei Koljonvirta (27. Oktober) einen
Sieg davongetragen. Am 19. November wurde zwischen Adler=
creutz und Kamenskij ein Waffenstillstand geschlossen, dem ge=
mäss die finnische Armee sich auf die andere Seite des Kemiflusscs
zurückziehen sollte. Da die Russen im Verlaufe des Winters von
drei Seiten — über das Äländsche Meer, über die Quarkenstiasse
und über Tornea — Züge nach der schwedischen Küste hin=
über unternahmen, ergab sich die Armee in Seivi (25. März
1809); die finnischen Soldaten durften, nachdem sie zuerst ihre
Waffen ausgeliefert hatten, in ihre Heimat zurückkehren. Die
russischen Truppen machten immer noch Einfälle in Västcrbottcn,
wo mehrere Kämpfe stattfanden, bis zwischen den beiden Reichen
(17. September 1809) der Friede in Frcdrikshamn
geschlossen wurde; darin trat Schweden Finnland und Aland an
Russland ab; der Tornio= und der Muoniofluss wurden als Grenze
festgesetzt.
Finnland während seiner Vereinigung mit
Russland von 1809 bis 1917.
Schon im Verlauf des Krieges wurde es klar, dass Finnland
nicht mehr an Schweden fallen würde, und deshalb verlicssen
die Beamten nicht ihre Plätze, sondern unterwarfen sich der
neuen Obrigkeit, und auch die Bevölkerung ergriff nicht, wie
in den vorhergegangenen Kriegen, die Flucht. Die Russen such=
ten sich auch ihrerseits durch ein mildes Vorgehen die Gunst
des Volkes zu erwerben; Gewalttaten wurden verboten, und
für die von den Truppen verursachten Schäden wurde Ersatz
in Aussicht gestellt; nur wenn das Volk Feindseligkeiten ein=
leitete, wurde Strenge gebraucht; so z. B. wurde die Stadt Wasa
niedergebrannt, weil man den Verdacht hegte, das- die Einwohner
einer auj Schweden über das Meer herübergekommenen Truppe
Beistand geleistet hätten. Auch in den bestehenden Verhältnis.sen
646
wurden Erleichterungen herbeigeführt; so >x'urdcn z. B. der Klein=
zoll und die Akzise abgeschafft, die Steuerrückstände wurden cr=
lassen, und ausserdem wurde Getreide und Salz herbeigeschafft,
um zu festgesetzten Preisen verkauft zu werden. Darüber aber,
wie die künftige Stellung Finnlands gestaltet werden sollte, war
man in Russland einstweilen unschlüssig; in einem zu Beginn
des Kriegs ins Land geschickten Manifeste wurden die Einwohner
aufgefordert, Vertreter nach Äbo zu senden, aber in den am 28.
März und am 17. Juni erlassenen Proklamationen sagt A 1 e x a n=
der I., er habe Finnland auf ewig dem russischen Kaiserreich
einverleibt. Die freisinnige Anschauungsweise Alexanders und der
Einfluss seines Staatssekretärs Michael Speranskij gaben der
Sache jedoch alsbald eine andere Wendung, was daraus hervorgeht,
dass im Juni 1808 befohlen wird, aus allen Ständen Vertreter zu
wählen, die in Petersburg die Bedürfnisse und Wünsche des Landes
sollten darlegen dürfen. Nachdem diese sog. Finnische De=
p u t a t i 0 n ihren Auftrag in Petersburg vollzogen hatte, berief
Alexander 1. am 1 . Februar 1809 den Landtag ein, weshalb die
Stände Finnlands am 22. März 1809 in Borgä zusammentraten.
Auf diesem Landtage wurde der Grund zu der folgenden Ent=
Wicklung Finnlands gelegt; als oberste Behörde wurde ein Staatsrat
eingesetzt, der nach einem am 21. Februar 1816 ergangenen Erlass
den Namen: Kaiserlicher Senat von Finnland erhielt; zum Vertreter
der höchsten Macht war hier schon im Dezember 1808 ein General=
gouverneur bestellt worden; zum ersten Träger dieser Würde
wurde Göran Magnus Sprengtportcn ernannt , er=
hielt aber schon im folgenden Jahre seinen Abschied. Um dem
Kaiser finnische Angelegenheiten vorzutragen, womit zuerst M.
Speranski j beauftragt worden war, wurde 1811 ein Staatssckre=
tär bestellt (vom Jahre 1834 ^n wird er Minister=Staatssekretär
genannt) und zum ersten Inhaber dieses Amtes der Freiherr R 0=
bert Henrik Rehbinder ernannt. Ausserdem wurde
1811 die Kommission für finnische Angelegenheiten eingesetzt,
um die Behandlung der aus Finnland eingelaufenen Anträge
vorzubereiten, und als ihr erster Vorsitzender fungierte bis zum
Jahre 1814 Gustav Mauritz Armfeit. Mit der Ober=
aufsieht der Gesetze wurde ein Prokurator betraut und mit diesem
Amte zuerst Mathias Calonius bekleidet. Die veränderte Stellung
Finnlands machte die Errichtung von Zentralbehörden notwendig,
unter denen die Medizinalverwaltung, die Postverwaltung und die
647
Verwaltung der öffentlichen Gebäude, alle vom Jahre 181 1, die ersten
waren. Das Alte Finnland, d.h. der vor 1809 Russland
einverleibte Teil des Landes, in dem das wirtschaftliche sowohl
als das geistige Leben besonders infolge des Güterverschenl<ungs=
Systems immer mehr in Verfall geraten waren, wurde durch Ver=
fügung einer am 23. Dezember 181t erlassenen Verordnung mit
dem übrigen Finnland vereinigt und eine Kommission eingesetzt,
um Vorschläge darüber einzureichen, wie die Vereinigung bewcrk=
stelligt werden sollte. Im Jahre 1812 wurde Helsingfors zur künf=
tigen Hauptstadt von Finnland gewählt; 1817 erging der Befehl,
die Zentralbehörden dorthin zu verlegen, und 1819 begann der
Senat daselbst seine Tätigkeit. Gegen das Ende seiner Regierung
neigte Alexander \. den damals in Europa allgemein herrschenden
reaktionären Anschauungen zu und berief auch nicht mehr den
Landtag ein, obwohl er es ein paar Mal beabsichtigt zu haben scheint.
Zur Zeit N i ko I a u s l. (1825 — 55) trat die reaktionäre Richtung
noch entschiedener hervor; die Stände wurden kein einziges Mal
zusammengerufen, die Grundgesetze des Landes aber, die Nikolaus \.
bei seiner Thronbesteigung bestätigt hatte, wollte er doch nicht vcr=
letzen. Die Drucksachen wurden unter die Aufsicht einer Zensur=
kommission gestellt und Zensoren in einigen Städten eingesetzt :
durch einen im Jahre 1850 ergangenen Erlass wurde verboten,
andere als wirtschaftliche und religiöse Literatur in finnischer
Sprache drucken zu lassen. Als Generalgouvcrneur fungierte zuerst
der General Arscnij Zakrcwskij (182-5 — 31), der nach
russischem Muster die Angelegenheiten des Landes nach eigenem
Gutdünken leiten wollte, und nach ihm der Fürst Alexander
Menschikow (1831 — 55); da dieser sich aber in Petersburg
aufhielt, hatte er hier Stellvertreter (Amatus Theslcff 1833 — 47,
Piaton Rokassowskij 1848 — 54, Fredrik Wilhelm Rcmbert von Berg
1854 — 55); die Kommission für finnische Angelegenheiten wurde
1826 aufgehoben (1857 wieder errichtet); als Minister=Staatssek=
retär war Graf Rehbinder bis zu seinem Tode (1841) tätig, und zu
seinem Nachfolger wurde Graf Alexander Armfeit (1841 —
76) ernannt.
Mehrere Neuerungen wurden jedoch in diesem Zeiträume
namentlich auf wirtschaftlichem Gebiet eingeführt; auf Ver=
anlassung des Senators Lars Gabriel von Haartman wurde das
bis dahin in Zirkulation gewesene schwedische Papiergeld einge=
zogen und der Silberrubcl (1840) als einzige gesetzliche Münze
648
Nikolaikirche in Helsingfors.
Universitätsbibliothek in Hclsin^fors.
festgestellt; die Zahl der Naturalabgaben wurde vermindert und
die Steuererhebung dadurch vereinfacht; um die Gewässer von
Savolax mit dem Meer zu verbinden, wurde (1845 — -56) der Saima=
kanal gebaut; zur Beförderung des Landbaues wurde (1837) die
Landwirtschaftsschule zu Mustiala gegründet, die 1840 ihre Tätig=
keit begann; Industrieschulen wurden in Heisingfors, Äbo und Wasa
errichtet (1847 und 1848); Stadtrechtc erhielten |yväskylä (1837),
St. Michel (Mikkeli, 1838), Heinola (1839) und joensuu (1848).
Eine neue Einteilung in Läne wurde durchgeführt, sodass die Läne
auf 8 stiegen. Da Äbo 1827 von einer grossen Feuersbrunst ver=
beert worden war, wurde die Universität 1828 nach Heisingfors
verlegt; eine neue Schulordnung erschien 1843; 1839 wurde das
Hofgericht von Wiborg errichtet und 1850 ein neues Bistum ^e=
bildet, dessen Hauptort Kuopio wurde. Das religiöse Leben wurde
durch die pietistische Bewegung vertieft, und die nationale Erweckung
machte sich kräftig geltend, was sich namentlich in der Literatur
zeigte; 1831 wurde die Finnische Literaturgescllschaft gegründet;
Elias Lönnrot veröffentlichte die Schätze der finnischen Volkspoesie,
J. W. Snellman begann seine literarische Tätigkeit, J. L. Runeberg
seine vaterländische dichterische Produktion, M. A. Castrcn seine
genialen sprachwissenschaftlichen Forschungen usw.
Aber durch den 1853 ausgebrochenen Krimkrieg wurde auch Finn=
land in Mitleidenschaft gezogen. Während des Krieges starb Niko=
laus I. (2. März 1855), und unter der Regierung seines Nachfolgers
Alexanders 11. (1855 — 81) dauerte der Krieg noch fort ; in
den finnischen Küstengewässern operierten Schiffe der feindlichen
Mächte und beschossen sogar Sveaborg vom 9. — 11. August.
Am Krimkrieg nahmen auch finnische Truppen teil, denn
ausser den vor dem Beginn des Krieges hier befindlichen ange=
worbenen Truppen — dem finnischen Scharfschützenbataillon der
Leibgarde, einer Marineabteilung und einem Grenadierregiment
von je 1,000 Mann — wurde auch die seit 1810 aufgelöste nationale
Miliz zum Teil wieder auf den Kricgsfuss gesetzt, sodass sich die
Zahlj'der Mannschaften am Ende des Kriegs auf ungef. 6,000 belief,
die in 0 Bataillone eingeteilt waren.
Nachdem der Friede in Paris (30. März 1856) geschlossen
war, folgte eine rege Zeit innerer Reformen. Zum ständigen
Generalgouverneur wurde Graf Berg ernannt, der sich die
Hebung des Landes angelegen sein liess, wiewohl dieselbe nur
durch die Tätigkeit der Regierung erfolgen sollte. Die Eisen=
649
bahnlinic Hclsingfors — Tavastchus wurde (1855 — 61) gebaut; zu
dem Volksschul\)fCsen wurde der Grund gelegt und im |ahrc 1863
in lyväskylä das erste Volksschullehrerseminar errichtet; 1858
war dort das erste finnische Lyzeum eröffnet worden. Bei seinem
Besuche in Finnland unterschrieb Alexander II. (30. |uli 1863)
den von J. W. Snellman vorgetragenen Erlass über die fin=
nische Sprache. Bedeutendere Fortschritte zeigten sich jedoch erst,
nachdem man begonnen hatte den Landtag wieder einzuberufen.
Anfänglich waren auch einige finnische leitende Persönlichkeiten,
vor allen der Senator F. Langenskiöld, der Meinung, dass es genüge,
nur einen Ausschuss der Stände zusammenzuberufen, und in einem
am 10. April t86i erlassenen Manifeste wurde befohlen, aus jedem
Stande 12 Vertreter zu wählen, um sich mit der Regierung über die
Angelegenheiten des Landes zu beraten. Da aber eine derartige
Massnahme überall Bedenken und Unzufriedenheit erregte, wurde
dieser sog. januarausschuss nur damit beauftragt, die Angelegcnhci=
ten vorzubereiten, die dem einzuberufenden Landtag vorgetragen
werden sollten. Dieser trat am 15. September 1863 zusammen und
blieb bis zum 15. April 1864 versammelt; in seiner Eröffnungsrede
tat der Regent, der persönlich in Helsingfors eingetroffen war, seine
Absicht kund, den Landtag nach 3 Jahren wieder einzuberufen,
was auch geschah. Auf dem Landtag 1863 — 64 wurde unter an=
dcrem ein Gesetz betreffend die Kommunalverwaltung auf dem
Lande angenommen, das 1865 bestätigt wurde; das Branntwein»
brennen wurde verstaatlicht, das betreffende Gesetz erschien
1866; für das Volksschulwesen wurden Mittel bewilligt und das
Pressfreiheitsgesetz erlassen (Verordnung vom 18. Juli 1865).
der Einberufung des nächsten Landtages wurde auf Anord=
nung von J. W. Snellman, der damals der Chef der Finanzexpe=
dition des Senats war, die schon von seinem Vorgänger F. Langen =
skiöld in Angriff genommene Münzreform 1865 durchgeführt; auf
dem Landtage 1867 wurde eine neue Landtagsordnung angenom=
mcn, die 1869 vom Regenten bestätigt wurde; dieser zufolge blieb
das Ständeprinzip unverändert, die Klasseneinteilung des Adels
aber wurde abgeschafft, das Wahlrecht sowie die Wählbarkeit in
den übrigen Ständen erweitert und die periodische Einberufung
(alle 5 Jahre) festgesetzt; dagegen blieb die von dem seitens der
Regierung 1864 eingesetzten Grundgesetzausschuss ausgearbeitete
neue Vorlage betr. die Regierungsform liegen. Ein neues Kirchcn=
gesetz wurde am 9. Dezember 1868 bestätigt und am 6. Dezember
6yo
1869 veröffentlicht; laut demselben sollten die Angelegenheiten
der Kirche Finnlands auf allgemeinen Kirchcnversammlungcn
behandelt werden, und zugleich wurde das Schulwesen, für dcs=
scn Leitung und Aufsicht das Oberschulamt (1869) eingesetzt
wurde, von der Kirche getrennt. Es wurde beschlossen, die ver=
schenkten Güter im Alten Finnland, auf denen die Bauern infolge
eines vom Senat 1826 gefassten Beschlusses nur Pächter geworden
waren, unter Vermittlung der Regierimg einzulösen. Die vielen
Notjahre, von denen unser Land in den 60er Jahren heimgesucht
wurde, verursachten grosse Schäden; Missernten traten 1862 und
1865 ein, die schlimmste war aber die des Jahres 1867. Die Ein=
wohncrzahl Finnlands nahm vom Jahre 1866 bis zum Jahre 1868
um 100,000 Personen ab. Regierung und Privatleute suchten mit
allen Mitteln die Not zu lindern, und auch vom Ausland erhielt
man Hilfe. Besonders war J. W. Snellman als Chef der Finanz=
expedition des Senats zu dieser Zeit energisch tätig, unter anderem
durch Erwirkung einer Anleihe bei dem Handelshause Rotschild;
er erhielt aber bald seinen Abschied vom Senat (1868) wegen Mei=
nungsverschiedenheiten mit einigen seiner Amtsgenossen und auch
mit dem Generalgouverneur N. Adlerberg (1866 — 81). Auf
dem Landtage des Jahres 1872 wurde die Gesetzvorlage der Regier
rung betreffend die Ordnung der Kommunalverwaltung der Städte
von den Ständen angenommen; dieselbe wurde am 8. Dezember
1873 bestätigt und trat am 1. Januar 1875 in Kraft. Unter den
Beschlüssen des nächsten Landtags der Jahre 1877 — 78 war der
wichtigste die Annahme des Wehrpflichtgesetzes, dem zufolge die
Rotteneinrichtung ganz aufhörte; vollständige Gewerbefreiheit wurde
durch den Erlass vom 31 . März 1879 verwirklicht, und im Münz=
wesen wurde die Goldwährung eingeführt (Verordnung vom 9. Aug.
1877).
Im Landtage wie auch sonst im Lande war die Sprachen^
frage immer brennender geworden und hatte eine schroffe Partei=
gruppierung herbeigeführt; die Schwedischgesinnten, die im Adel
und im Bürgerstande die Mehrzahl bildeten , wollten die schwe=
dischc Sprache in ihrer bisherigen Machtstellung beibehalten,
während die Finnischgesinnten, die im geistlichen und im Bauern=
stände über die Stimmenmehrheit verfügten und von Yrjö Koski=
nen geleitet wurden, finnische Schulen sowie offizielle Gleichstellung
der finnischen Sprache mit der schwedischen verlangten. Es wurde
der Versuch gemacht, zwischen diesen Parteien die sog. liberale
651
Partei unter Leitung von L. Mcchelin zu bilden; diese veröffent=
lichte ihr Programm im Dezember 1880; sie erfreute sich aber nicht
der Unterstützung weiterer Kreise, und bald schlössen sich die
meisten ihrer Mitgliederden Schwedischgesinnten oder »Wikingern'*
an. Als Alexander II., um den christlichen Nationen auf dem
Balkan gegen die Türken beizustehen, den Krieg (1877 — 78) begann,
nahm auch die einzige Truppe Finnlands, die Finnische Garde,
am Kampfe teil.
Nach der Thronbesteigung Alexanders 111. (1889 — 94)
fanden in den Regierungskreisen Finnlands mehrere Personen»
Wechsel statt; zum Generalgouverneur wurde an Stelle Adlerbergs
der General Graf Fedor Logginowitsch Heiden (1881 — 97), zum
Ministcr=Staatssekretär an Stelle des Freiherrn C. K. E. StjernvalU
Walleen der Freiherr Tcodor Bruun (1881 — 88) ernannt, und
in den Senat traten 1882 Yrjö Koskinen und Leo Mechelin als
Mitglieder ein. Um die Stellung der finnischen Sprache zu vcrbes=
scrn, wurden am 9. Mai 1881 und am 29. Dezember 1883 sowie
am 18. März 1886 neue Verordnungen erlassen; mehrere finnische
Lehranstalten, die auf Veranlassung von Privatpersonen gegründet
worden waren, wurden vom Staat übernommen. In der Tätigkeit des
Landtags fand der früheren Sachlage gegenüber insofern ein Fort=
schritt statt, als das Intervall zwischen zwei Sitzungsperioden von
5 auf 3 Jahre verkürzt wurde, ^weswegen Landtage in den Jahren
»882, 1885, 1888, 1891 und 1894 stattfanden; 1885 erhielt der Landtag
auch das Antragsrecht. Dem Beschlüsse der btände gemäss bcstä=
tigte die Regierung {16. November 1889) das Dissidentengesetz,
in dem bestimmt wird, dass Personen von 21 Jahren aus der Staats=
kirche austreten und sich einer anderen protestantischen Kirchen=
gemeinschaft anschliessen dürfen; auf dem Landtage des Jahres
1888 gingen die Stände darauf ein, dass zu den früheren Scharf=
Schützenbataillonen noch ein Dragonerregiment hinzugefügt wurde ;
die Friedenspräsenzstärke ';der finnischen Truppen wurde 'auf
5,600 Mann festgesetzt. Zur Beförderung des Verkehrs wurden
mehrere neue Eisenbahnen gebaut, und im Jahre 1884 wurde für
die Aufsicht der Altertümer die Archäologische Kommission ein»
gesetzt. Ein neues Strafgesetz war schon lange vorbereitet worden,
und auf dem Landtage von 1888 gelangte dasselbe zur Annahme,
wonach es im Dezember 1880 zur Nachachtung veröffentlicht wurde;
da es aber Stellen enthielt, die mit der russischen Rechtsord=
nung in Widerspruch standen, wurde es infolge russischerseits
052
gemachter Ausstellungen einer aus einigen russischen und finnischen
Männern zusammengesetzten Kommission zur Durchsicht untcr=
breitet, und erst nachdem die Stände auf den Landtagen der )ahre
1891 und 1894 '1 einige Änderungen eingewilligt hatten, wurde es
vom Kaiser (21. April 1894) von neuem bestätigt.
Dieser Umstand bewies, dass man die Verhältnisse und Einrich=
tungen unseres Landes mit den entsprechenden' russischen in nähere
öbereinstimmung zu bringen trachtete und zugleich an seinen Rech=
ten und seiner staatrechtlichen Stellung Kritik zu üben und zu rüt=
teln begann. In den 80er Jahren hatten einige russische Zeitungen
gegen die Rechte Finnlands zu polemisieren begonnen, und im Jahre
1 889 veröffentlichte K. Ordin eine historische Arbeit »Die Erobe=
rung Finnlands», in der er vom Standpunkte des Forschers dieselbe
Auffassung zu verfechten suchte. Freilich bewiesen finnische Ge=
lehrte (J. R. Danielson, R. F. Hermanson und L. Mechelin) die
Unhaltbarkeit dieser Behauptungen, in Russland aber beeinflussten
diese die allgemeine Meinung und allmählich auch die Regierenden.
Im Jahre 1891 wurde zwecks Kodifikation der Grundgesetze eine
spezielle Kommission eingesetzt, deren Vorsitz dem Minister
Bunge anvertraut wurde; schon im vorhergehenden Jahre waren
3 verschiedene, aus russischen und finnischen Männern zusammen=
gesetzte Kommissionen eingesetzt worden, die unter dem Vorsitze des
Generalgouverneurs Heiden einen Vorschlag zur Uniformierung des
finnischen Post=, Zoll= und Münzwesens mit denen des Kaiserreichs
ausarbeiten sollten . Das Ergebnis war, dass die Leitung des finnischen
Postwesens (1891) dem Minister des Inneren und der obersten
Post= und Telegraphcnverwaltung unterstellt wurde.
Diese Massregeln riefen im Lande eine unruhige Stimmung
hervor, die auf den Landtagen der Jahre 1891 und 1894 zum
Ausdruck kam. Alexander III. verkündete deshalb in einem
am 28. Februar 1891 datierten Reskript, dass er die von den
Regenten Russlands bestätigten Rechte und Privilegien Finn=
lands unverändert aufrecht erhalten werde; der Kodifikations=
plan wurde aufgegeben, und unter seiner Regierung wurden
keine Veränderungen mehr durchgesetzt. Die ersten Regierungs=
jähre Nikolaus II. (1894 — 1917) hatten ebenfalls einen
ruhigen |Verlauf; aber 1898 begannen die Russifizierungsmass=
nahmen wieder und nahmen bald einen schroffen Charakter an.
Der Ministcr=Staatssekretär C. W. v. D a e h n, der (1891 — 98)
diesen; Posten nach J. K. Ehrnroth bekleidet hatte und ener=
655
gisch für die Rechte Finnlands eingetreten war, nahm im luni
seinen Abschied, und das Amt wurde nicht mehr etatsmässig bc=
setzt, sondern von dem Gehilfen des Minister=Staatssel<retärs V. N.
Procopc versehen. F. Heiden war schon im Januar 1897 aus dem
Amte des Generalgouverncurs geschieden, und die Stelle blieb
unbesetzt bis zum Herbst 1898, wo der Generalleutnant N. B o b=
ri ko w damit betraut wurde. Durch ein im Juli desselben Jahres
erlassenes kaiserliches Reskript wurde auf den Januar des folgenden
Jahres ein ausserordentlicher Landtag einberufen, um das Wchr=
pflichtgesetz Finnlands mit den im Kaiserreich geltenden Grund=
Sätzen in Übereinstimmung zu bringen, und als er am 19. Januar
1899 zusammengetreten war, wurden ihm zur Durchsicht und Be=
gutachtung zwei von einer aus 4 russischen und 2 finnischen Mit=
gliedern zusammengesetzten Kommission ausgearbeitete Vor=
schlage vorgelegt, denen zufolge der russische Kriegsministcr
die Zahl der jährlich zum Kriegsdienst einzuberufenden Mannschaf=
ten feststellen und die in Russland geltenden , den Kriegsdienst
betreffenden Bestimmungen auch auf Finnland ausgedehnt werden
sollten.
Ehe der Landtag, der in geheimen Sitzungen über die Sache
beriet, seine Arbeit zu Ende führen konnte, wurde (18. Fcb=
ruar) das von einer Kommission, in der die Finnen nur durch
den stellvertretenden Minister=Staatssekretär vertreten waren, aus=
gearbeitete und vom Kaiser am 15. Februar unterschriebene sog.
Februarmanifest erlassen, wodurch die Rechte des Landtags sehr
bedeutend eingeschränkt wurden und dessen Verfügungen auch
sonst mit der staatsrechtlichen Stellung Finnlands in VX'iderspruch
standen. Der Senat beschloss, es sofort zu promulgieren, ersuchte
aber um die Ermächtigung, für die Behandlung der die allgemeinen
Reichsangelegenheiten betreffenden Gesctzartikel einen Geset2=
entwurf auszuarbeiten , der den Ständen zur Bestätigung unter=
breitet werden sollte. Dadurch wurde jedoch keine Änderung herbei=
geführt, und als die Obmänner der Stände sich nach Petersburg
begaben, um dem Monarchen ein von dem Gesetzausschuss verfasstes
und von den Ständen gutgcheissencs, dieselbe Angelegenheit betref=
fcndcs Schreiben zu übergeben, wurden sie nicht zur Audienz vor=
gelassen. Nicht anders erging es der Grossen Deputation, die eine
von 592,931 Bürgern unterschriebene Adresse überreichen wollte.
Die Stände, die Ende Mai auseinandergingen, arbeiteten auch einen
Entwurf zu einem Wchrpflichtgesetz aus, der jedoch nicht bestätigt
654
wurde. Der russische Staatssekretär, der spätere Minister des
Inneren W.v.Plehwe, wurde im Herbst 1899 zum stellvertretenden
und am 1. Januar 1900 zum ordentlichen Minister=Staatssekrctär
von Finnland ernannt und ausserdem mit dem Amte des Kanzlers
der Universität zu Helsingfors betraut.
Die im Januar des Jahres 1900 zusammengetretenen Stände
wandten sich wieder an den Kaiser, ohne jedoch mit ihren
Gesuchen eine Änderung erreichen zu können; eine von zahl=
reichen europäischen Gelehrten und Schriftstellern unterschrie=
bcne Adresse verfing auch nicht. Das neue Wehrpflichtgesetz
wurde am 12. Juli 1901 erlassen; daraufhin entstanden aber
Störungen, zumal da sich die wehrpflichtigen Jünglinge in sehr
grosser Zahl nicht zu den Aufgeboten stellten. Im Jahre 1901
wurde mit der Auflösung der wehrpflichtigen Armee Finnlands
begonnen, zuletzt traf dieses Schicksal 1905 die Finnische Garde,
aber als Entschädigung dafür sollte an die russische Staats=
kassc eine Summe von 10 Millionen Fmk entrichtet werden.
Auch viele andere Vorschriften wurden gegeben; die Druckfrei=
heit wurde eingeschränkt, das Versammlungsrecht begrenzt, es
wurde verboten, Beamte ohne Zustimmung ihrer Vorgesetzten
bei Gericht zu verklagen, die Gouverneursposten und andere hohe
Amter wurden mit Russen besetzt; am 2. April 1903 erhielt der
Generalgouvcrneur die Ermächtigung, von ihm als für seine Tätig=
kcit hinderlich angesehene Personen nach Russland und nach dem
Auslande zu verschicken. Unter den Parteien waren Meinungs=
Verschiedenheiten darüber aufgekommen, wie man sich zu diesen
Massnahmen zu verhalten habe; die sog. Altfinnen wollten einen
einlenkenden Standpunkt einnehmen, die Jungfinnen aber und die
Schwedischgesinnten befürworteten den passiven Widerstand und
schlössen sich zu der sog. konstitutionellen Partei zusammen.
Als Bobrikow von einem jungen Beamten, Eugen Schauman, am
16. Juni 1904 im Treppenhause des Senatsgebäudes ermordet worden
war und auch Pichwc am 28. Juli desselben Jahres auf Anstiften der
russischen Revolutionäre auf einer Strasse von Petersburg den Tod
gefunden hatte, wurde die Politik der Regierung einigermassen
gemildert. Zum Generalgouverneur wurde Fürst I. Obolenskij
ernannt, der ein gelinderes Verfahren einschlug. Die im Dezember
1904 zusammengetretenen Stände reichten wieder ein untertäniges
Gesuch um Wiederherstellung der gesetzlichen Zustände ein,
ohne jedoch auch jetzt eine Änderung bewirken zu können.
655
Im Jahre 1905 trat plötzlich ein durchgreifender Umschwung
durch den sog. Generalstreik ein, der Ende Oktober
ausbrach. Der Kaiser unterschrieb am 4. November 1905 ein
von einigen früheren Landtagsabgeordneten in HcUingfors ver=
fasstes Manifest, durch das die meisten Vorschriften der nächst»
vergangenen jähre einstweilen aufgehoben und der Senat beauf=
tragt wurde, einen Vorschlag zu einer neuen Landtagsordnung
ausarbeiten zu lassen, der auf das allgemeine Stimmrecht gegrün=
det sein sollte. Neue Senatsmitglieder wurden aus den sog.
Konstitutionellen unter dem Vorsitz von L. Mcchelin ernannt,
und der Geheimrat N. Gerard wurde Generalgouverneur. Die
im Dezember 1905 zusammengetretenen Stände nahmen einstim=
mig die neue Landtagsordnung an, wodurch Finnland 1906 ein
Einkcmmersystem erhielt. Die Parteigruppierung wurde darin
von vornherein eine andere, als sie in dem bisherigen Ständcland=
tage gewesen war; die grösste Partei wurde die sozialdemokratische,
die sich gegen alle sog. bürgerlichen Parteien in icharfc Oppo=
sition stellte; die letzteren hinwieder waren: die finnische, die
jungfinnische, die schwedische und die Klcinbauernpartei.
Der neue Landtag hat viele auf durchgreifende Veränderungen
hinzielende Beschlüsse gefasst; so sind z. B. die neue KommunaU
gesetzvorlage, des allgemeine Prohibitivgesetz und das Schulpflicht»
gesetz zur Annahme gelangt, sie wurden aber nicht bestätigt; das
auf den Landtagen 1907 und 1908 eusgcarbeitetc Bodenpachtgesetz
erhielt jedoch am 12. März 1909 die Sanktion. Die ersten Wah =
len zu dem Einkammerlandtage fanden im Frühjahr 1907 statt;
seither wurden aber schon 6 Wahlen abgehalten (die fünften am
I. — 3. August 1913, die sechsten am 1. — 2. Juli 1916); die Volks=
Vertretung ist 1 1 Mal zusammengetreten, viele Male aber mitten
in ihrer Arbeit aufgelöst worden, weil sie die Massrcgcin bean=
standetc, durch die die russische Regierung die bestätigte finnische
Verfassung verletzte.
Dann erging am 2. Juni 1908 eine von dem russischen Mi=
nisterrate ausgearbeitete Verfügung, der zufolge alle wichtige»
rcn Finnland betreffenden gesetzgeberischen Fragen und allge»
meinen Verwaltungsangclegenheiten dem russischen Ministerrate
zur Prüfung unterbreitet werden sollten, bevor sie dem Monarchen
zur Entscheidung vorgetragen wurden; in einem am 7. Oktober 1909
datierten Erlasse wurde vorgeschrieben, dass die Wehrpflicht»
frage in der allgemeinen Gesetzgebungsordnung des Kaiserreichs
656
d
n
,,iS
K. J. Stahlberg.
Präsident der Republik Finnland.
zu entscheiden und auch fernerhin eine Geldsumme (1908 — 09
10 Millionen Fmk) an die russische Staatskasse zu entrichten
sei; am 30. Juni 1910 wurde ein von der russischen Duma und dem
Rcichsrate bestätigtes Gesetz erlassen, in dem verordnet wird, dass
'►Gesetze und Verfügungen, deren Wirkung auf das Grossfürsten=
tum Finnland ausgedehnt wird, in der von der allgemeinen Gesetz=
gebung bestimmten Ordnung erlassen werden, wenn sie nicht
lediglich die inneren Angelegenheiten dieses Landes betreffen».
Zu diesem Zwecke wurde befohlen, 4 Vertreter zu der russischen
Duma und 2 zum Rcichsrate zu wählen. Der Landtag erteilte
indes den Bescheid, dass er die Vorschrift nicht zur Anwendung
bringen könne.
In Übereinstimmung mit derselben wurden jedoch neue Ver=
Ordnungen erlassen; so wurde am 10. Januar 1912 verordnet, dass
als Entschädigung für die persönliche Wehrpflicht 1911 eine Summe
von 12 Millionen Fmk entrichtet werden und dass die Summe von
da an um jährlich eine Million zunehmen sollte, bis sie 1919 20
Millionen Fmk erreicht habe; am 20. Januar 1912 erging das sog.
Gleichbercchtigungsgesetz, laut welchem »russischen Untertanen,
die nicht finnische Mitbürger sind, in Finnland dieselben Rechte
verliehen werden, welche die lokalen Mitbürger geniessen». Als
die Beamten sich weigerten, dasselbe zu befolgen, wurden sie vor
russische Gerichte gezogen und zu Gefängnisstrafen in Russland
verurteilt. Unter den höheren Beamten wurden mehrere Verän=
derungen vorgenommen; N. Gerard erhielt am 15. Februar 1908
seinen Abschied aus dem Amte des Gcneralgouverneurs, und an
seiner Stelle wurde der General W. Böckmann ernannt, aber im
folgenden Jahre nahm auch er seinen Abschied, und der General=
leutnant F. Seyn wurde Generalgouverneur. Von denen, die nach
dem Generalstreik Mitglieder des Okonomiedepartements des Senats
geworden waren, erhielten vier am 4. Juni 1908 ihren Abschied,
darunter L. Mechelin; darauf wurde (1. August 1908) aus den
verschiedenen bürgerlichen Parteien eine »Koalitionsregierung» unter
Leitung von Edv. Hjelt gebildet, aber innerhalb eines Jahres ging
auch sie vollständig auseinander; zuerst reichten die konstitutio=
neuen Mitglieder anlässlich der infolge des Bodenpachtgesetzes
entstandenen Verwicklungen ihre Entlassung ein und Ende Sep=
tember 1909 auch die der finnischen Partei angehörenden. Am 7.
Oktober 1909 wurden zu neuen Mitgliedern mit den Verhältnissen
unseres Landes unbekannte Männer ernannt, die in Russland
657 42
gedient hatten, und 1912 begann man auch geborene Russen zu
Senatoren zu ernennen. Im Jahre 1909 ersuchten alle Mitglieder
des Justizdepartements des Senats um ihre Entlassung und \x'urdcn
durch neue ersetzt. Auch die nach dem Generalstreik ernannten
Gouverneure traten einer nach dem anderen aus dem Dienste.
Der Minister=Staatssekrctär C. F. A. L a n g h o f f, der seit dem
Jahre 1906 seinen Posten bekleidet hatte, schied im Frühjahr 1913
aus dem Amte, wonach der bisherige Vizevorsitzende des Okono»
miedepartements des Senats General W. TVIarkow damit betraut
und zugleich zum Vizekanzler der Universität gemacht wurde.
Der Ausbruch des Weltkrieges 1914 führte keine Änderung
der von der Regierung in Finnland befolgten Politik herbei.
Der Krieg erstreckte sich zwar nicht direkt nach Finnland, es
wurde aber dadurch das wirtschaftliche Leben je länger je mehr
erschwert. Als dann in Russland infolge der russischen Nieder«
lagen die Revolution ausbrach, übte dies auch auf die Verhältnisse
in Finnland einen tiefen Einfluss aus. Alle Unterdrückungsmass=
regeln wurden widerrufen, und die in Russland gebildete neue Re=
gierung versprach, die vollständige innere Selbständigkeit Finnlands
anzuerkennen; der Generalgouverneur Seyn wurde gefangen nach
Petersburg abgeführt, der Senat sah sich gezwungen zurückzu=
treten, und ein neuer, der in seiner Mehrheit aus Sozialisten bestand,
wurde gebildet. Im Sommer des Jahres 1917 traten aber die Sozia«
listen aus der Regierung aus.
Finnland als selbständiger Staat seit 1917.
Als im Herbst desselben Jahres die sogenannten Bolschewiken
sich in Russland zur höchsten Macht emporgeschwungen hatten
und die Verhältnisse dase'bst ein immer verworreneres Aussehen
angenommen hatten, erklärte sich Finnland unabhängig und wurde
auch von der neuen russischen sogenannten Rätcregicrung als
selbständig anerkannt. Trotzdem aber verliessen die russischen
Truppen das Land nicht, sondern schalteten und walteten hier mit
immer grösserer Zügellosigkcit. Der grösste Teil der sozialistischen
Partei wünschte ihr Zurückbleiben im Lande und machte mit ihnen
gemeinsame Sache; für die roten Garden wurden Waffen in grossen
Mengen angeschafft, und man bereitete sich vor, die höchste Macht
an sich zu reissen. Im Landtag wurde der Konflikt zwischen Sozia=
6$8
listen und Bürgerlichen immer schärfer; im November proklamiere
ten die Sozialisten einen Generalstreik, und im Verlaufe desselben
verübten die mit Hilfe der Russen bewaffneten Rotgardisten zahl«
reiche Morde.
Das wichtigste Ziel bestand nun darin, die Anerkennung der
Selbständigkeit Finnlands vonseiten anderer Staaten zu erlangen.
Dies glückte auch soweit, dass zuerst die skandinavischen Länder,
dann Frankreich und Deutschland unsere Unabhängigkeit aner=
kannten.* Ende Januar 1918 rissen die Sozialisten schliesslich die
Macht an sich; der Landtag unterbrach da seine Arbeit, der Senat
ging auseinander, und die Beamten hörten mit ihrer Tätigkeit auf;
die sogenannten Volkskommissare traten an die Stelle des Senats.
Die Macht dieser sogenannten »Roten» erstreckte sich jedoch nicht
über das südliche Finnland hinaus; es gelang den nördlichen Teil
des Landes in den Händen der »Weissen» zu erhalten, und die
gesetzmässige Regierung des Landes war in Wasa tätig, wohin sich
ein Teil der Mitglieder des Senats zurückgezogen hatte.
Inzwischen wurde in aller Eile und fast aus dem Nichts unter
der Leitung des Generals Carl Gustaf Mannerheim eine
Armee gebildet, an die sich auch eine geringere Anzahl Schwedin
scher Freiwilliger anschloss. Von dem Bezirksausschuss des russi=
sehen Arbeiter= und Soldatenrates zu Helsingfors wurde kundge=
geben, dass sich die Räterepublik Russland mit dem gesetzmässigen
finnischen Staate im Kriegszustand befinde. Nachdem die finnia
sehen freiwilligen Jäger, die während des Weltkrieges in Deutsch=
land eine militärische Ausbildung erhalten, in der Heimat ans
gekommen waren, begann die Armee General Mannerheims,
deren Bewaffnung anfänglich äusserst mangelhaft gewesen war,
die Truppen der »Roten», die vonseiten der Russen durch eine
ausserordentlich wirksame bewaffnete Hilfe und durch militärische
Leitung unterstützt wurden, siegreich gegen Süden zurückzudrän=
gen. Da aber zu befürchten war, dass sich der Befreiungskrieg,
nur mit eigenen Kräften geführt, gar sehr in die Länge ziehen
und infolgedessen die Verheerung dem südlichen Finnland und
besonders der Hauptstadt unabsehbaren Schaden zufügen und
überaus grausam werden würde, bat sich die gesetzmässige Regierung
des Landes Hilfstruppen von Deutschland aus. Solche landeten auch
* Später haben auch GrossbrWannien, die Vereinigten Staaten von
Nordamerika, talien, Japan und viele andere Mächte die Unabhängigkeit
Finnlands anerkannt.
6?9
unter Graf R. v. d. Goltz in den ersten Tagen des April in
Hangö, und nun wurde der Befreiungskrieg schnell zu Ende geführt.
Die Truppen General Mannerheims eroberten Tammerfors am 6.
April und NX^iborg am 29. April. Die deutschen Truppen, an die
sich die Schutzgarde der Hauptstadt anschloss, eroberten Helsingfors
den 12. — 13. April und setzten dann die Befreiung Südfinnlands
von den Aufrührerischen fort. Die Haufen der Aufrührerischen,
die während dieser ganzen Zeit viele Morde verübt hatten, töteten
besonders jetzt, wo sie sich gegen Osten zurückzogen, eine grosse
Menge von Menschen (Zahl der Ermordeten mehrere Tausende).
Von ihren Führern entflohen die meisten nach Russland. Die
Unterdrückung dieses blutigen Aufstandes forderte im ganzen
grosse Opfer an Gut und Menschenleben.
Der Landtag, in dem die Sozialisten wegen ihrer Teilnahme an
dem Aufruhr mit Ausnahme von einem fehlten, begann wieder seine
Arbeit; der Vizepräsident des Senats, Pehr Evind Svinhuf=
vud, der unter der Regierung Nikolaus II. nach Sibirien depor=
tiert gewesen war, wurde zum Reichsverweser erwählt. Es galt nun
eine neue Regierungsform einzuführen, worüber zwischen Monar=
chistcn und Republikanern Meinungsverschiedenheiten entstanden;
doch bildeten die crstcrcn im Landtag die Mehrheit, und im Sep=
tember wurde Friedrich Karl, Prinz von Hessen, zum König
gewählt, der jedoch unter den durch den Weltkrieg geschaffenen
Verhältnissen die finnische Königskronc nicht annehmen wollte.
Im Dezember 1918 trat Svinhufvud von der Leitung der Staats»
geschäfte zurück, und General Gustaf Mannerheim wurde
zum Reichsverweser erwählt. Im März 1919 fanden die Wahlen zum
Reichstag statt, wobei die Bürgerlichen 120 und die Sozialdemo=
kratcn 80 Mandate erhielten. Der Reichstag versammelte sich im
April, und ihm wurde vonseiten der Regierung eine Vorlage zu
einer neuen Regierungsform unterbreitet. Veränderte politische
Verhältnisse und die Rückkehr der Sozialisten in den Reichstag
hatten nun den Republikanern eine sichere Majorität verschafft,
und am 17. Juli nahm der Reichstag eine Regierungsform an,
wodurch Finnland zur Republik wurde, an deren Spitze ein alle
6 Jahre erwählter Präsident steht. Bei der Präsidentenwahl am
25. Juli wurde dann zum Staatsoberhaupt anstelle von General
Mannerheim der Präsident des Höchsten Verwaltung-gerichts, Prof.
Kaarlo Juho Stählberg ausersehen, der auch sogleich sein
Amt antrat.
660
Register.
Aalberg, Ida yat — 522
Aavasaksa (Berg) 30, 26?
Äbo (Stadt) 540 — 342
Äbo u. Björneborg (Län) 590 — 591
Abstinenzbewegung 418 — 420, 441
Achrenius, A 497
Ackte, Aino 5i9r 524
Adelsprivilegien 559, 569
Adlerberg, N 65 1
Adlercreutz, J 645—646
Administration 585 — 608
Agricola, M. 486, 491, 528, 628
Alilqvist, A 505 — 506
Aho, J. 507—508
Ahornwälder 61
Ahvenanmaa (Län) 591
Ahvenanmaa (Landschaft) 10 — 11
Akademie der Wissenschaften,
Finnische 458
Akademie von Äbo 451
Aland (Län) 591
Aland (Landschaft) 10 — 11
Alexander J 647
Alexander 11 649 — 652
Alexander 111 652 — 653
Alexanders=Universität. . 452, 649
Altertumsgesellschaft . . 458^459
Amter 564 — 565
Amtmann 587 — 588
Amtschreiber 588
Anjala, Bund von 643
Apothekerwesen 602 — 603
Arbeiterbewegung .... 420 — 423
Arbeiterbund, Christlicher . . 424
Arbeiterinstitute 438
Architektur 465 — 475
Armfeit, G. M 647
Arwidsson, A. 1. 398, 486, 487, 500
Athenäum 33?r 459
Aufklärung 532
Aufklärungsarbeit 439 — 44z
Aufstand, Der rote.... 659 — 660
Ausfuhr 268—278
Aussenhandel 266 — 284
Auswanderung 11 6 — 1 1 7
Auswärtige Beziehungen .... 566
Bankwesen 357 — 375
Baumwollindustrie .... 196 — 197
Beamte 564 — 565
Bekehrung zum Christentum
524—525
Berg, Graf 649
Bergbau 198 — 204
Bergbom, K 520 — 522
Bergspitzen und Gebirge 29 — 30
Beruf 1 08 — 1 1 o
Bewölkung 52
Bibliotheken 334,341,343,455—456
Bildende Künste 475—484
Bildhauerei 483 — 484
Binnengewässer 36 — 43
Birger Jarl 62 1
Birken=Kieferperiode 70
Björneborg 352 — 353
Blei 23, 203
Blindenanstalten 46T
Bobrikow, N 654—655
Böckmann, W 657
Bodenarten 25 — 28
Bodengestaltung 28 — 30
Bolschewismus 422
Bottnischer Meerbusen .. 31 — 33
Brahe, Pehr 45 ' . 633
Bronzezeit 613 — 614
Buchdruckgewerbe .... 221 — 223
661
Seite
Budget 565—566
Bühnenkunst 520 — 524
Burgen 468, 622, 625
Bürgermeister 588
Butter 126 — 127
Canth, TVl 507
Castren, M. A. . . 457, 503 — 504
Charakter und volkstümliche
Kultur 90 — 98
Chemikdiienfabrikation 221
Chemische Industrie .. 216 — 221
Christina (Königin) 634
Christlicher Arbeiterbund . . 424
Chydenius, A 496, 532
Crcutz, G. Ph 497
Cygnaeus, Fr 502
Cygnaeus. U 428 — 429
Dissenten=Kirchengemein=
schaffen 544 —545
Drels?igjähriger Krieg 633
Duodccim 459
Dynamitfabrikation 221
Edelfelt, A 480
Eheschliessungsstatistik iio — 111
Eichenwälder 59 — 60, 70
Eigentliche Finnland, Das
(Landschaft) 8—9
Einfuhr 268 — 278
Einheitsschule 450—451
Einöden 62
Einwohnerzahl der Städte,
heutige 310 — 3 1 2
Einwohnerzahl Pinnlands 5, 102 —
106
Eisen 23, 198 — 201
Eisenbahnen 238 — 254
Eisenindustrie 198 — 206
Eisenzeit (jüngere u. ältere) 614 —
619
Eisgang 54
Ekman, R. W 479
Elektrochemische Industrie • . 220
Elektrotechni5chelndustrie2i 1-21 2
Engel, ). C. L 333, 470
Erik XIV 630
Seite
Erik Axelson Tott 625
Erik Sorolainen 528
Erkko, J. H 510
Erntemenge 130 — 134
Erze 22, 23, 198 — 204
Eschenwälder 59
Faltin, R 516—517
Farbenindustrie 219
Feldspat 23
Felsen Vegetation 57
Fennophilen 396—402
Feuchtigkeit 51 — 52
Feuerversicherung .... 378 — 379
Fichtenwälder 55 — 57, 70
Finanzen 383 — -393
Finnen 82 — 88
Finnisch=nationale Bewegung 394
—403, 423
Finnisch=ugrische Gesellschaft 459
Finnische Akademie der VX/issen=
Schäften 458
Finnische Gesellschaft der
Wissenschaften 458
Finnische Literaturgesellschaft 458,
504—505
Finnische Sprache 88 — 90
Finnischer Meerbusen • . 34 — 36
Firnisfabrikation 219
Fische 78 — 79
Fischerei 165 — 171
Flächeninhalt Finnlands 5
Flagge 590
Flecken 312 — 314
Fleming, Erik 629
Fleming, Klas 63 1
Flora 54 — 7 1
Flüsse und Secnsysteme 39 — 43
Forstlicher Unterricht 463
Fortbildungsunterricht. .434 — 442
Fortschrittspartei, Nationale 424
Franzen, F. M 498
Frese, | 494
Friedrich Karl, Prinz von
Hessen 660
Fürsorge=Erziehung. . • • 463 — 465
Gdll<5n.Kallela, A 481
662
Seite
Gartenbau .... 67 — 68, 136—139
Gebhard, Hannes 414—415
Gelehrte 456 — 457
Gemeindewesen 537 — 538,588 — 589
Gemischte Schulen .... 447 — -448
Genossenschaftsbewegung 4 14—41 7
Genossenschaftskassen.. 414 — 417
Geologischer Bau 17 — 28
Geldinstitute 357 — 383
Generalstreik 656
Geographische Gesellschaft . . 459
Gerard, N 656 — 657
Gerichtshöfe 565, 603 — ^607
Geröllschutt 25
Geröllkies 26
Geschichte 609 — 660
Gesellius — Lindgren — Saarinen 472
Gesellschaft der Arzte 459
Gesellschaften, Wissenschaft'
liehe 456 — 459
Gesundheitswesen .... 594 — 603
Getreidearten 66, 121—122, 130 —
Gewichte 355
Glasindustrie 218
Gneis 18
Gold 23, 203—204
Goltz, von der, Graf 550
Gottlund, K. A... 486—487, 500
Granit 18, 19, 20, 21, 22, 23, 24
Granulit 22
Graphische Industrie .. 221 — 223
Grenzen Finnlands 5 — 6
Griechisch=katolische Kirche 540 —
543
Gripenberg, B 512
Grundbesitzfrage 403 — 405
Gummiindustrie 220, 224
Gustav III 642 — 643
Gustav II. Adolf 632 — 633
Gustav IV. Adolf .... 644—646
Gustav Wasa 295 — 296, 628 — 629
Gymnasien 443
Hämäläiset 83 — 84, 91
Häme (Län) 591
Häme (Landschaft) 12 — 13
Handel ... 266 — 289, 316 — 319
Seite
Handelsflotte 278—284
Handelshochschule 334
Handelskammern 286 — 289
Handelslehranstalten ........ 461
Handwerk 224
Hansestädte 293 — 295
Harzindustrie 217
Hausindustrie 224 — 229
Hebammenwesen 599
Heerwesen 607 — 608
Helsingfors 328 — 340
Helsinki 328 — 340
Hemming, Bischof 624
Henrik der Heilige 525, 527, 620
Historische Gesellschaft .... 458
Hofgerichte 605 — -607, 653
Höhere Lehranstalten.. 443—451
Holmberg, W 479
Holzindustrie 151 — 165, 184 — 192,
224
Hörn, Evert ' 632
Idiotenanstalten 465
Imatra 263 — 264
Industrie 1 70 — 229
Industrie, Geschichte der
finnischen 175 — 183
Industriezentren 173 — 175, 314 — ■
316
Insekte 80 — 8 1
Ivalo, S 508
Järnefelt, A 508
Järnefelt, E 481
Johan 111 630 — 631
Jotuni, M 510
Jugend vereine 441 — 442
Juslenius, D. 396—397,486,495,974
Justizkanzler .... 563 — 564, 585
Justizsachwalter 564
Justizverwaltung 603 — 607
Kajanus, R 517
Kalevala 487 — 489
Kalkbrüche 23
Kalkstein 18, 20, 21, 23
Kallela, Gallen=, A 481
Kanäle 234—237
663
Seite
Kangasala 264
Kantcletar 488
Karelien .(Landschaft). .. . 14—15
Karelier 84, 91
Karjala (Landschaft) .... 14 — ly
Karjalaisct 84, 91
Karl IX 651—632
Karl XI 676-677
Karl XII 637-640
Karl Gustav X 635 — 636
Karl Knirtsson 624^ — 625
Kiefernwälder 55 — 57
Kirchen (Architektur) . . 465 — 469
Kirchengeschichtlichc GeselU
Schaft 458
Kivi, A 506
Kleidung 94
Kleinbauernpartei 424
Klima 43 — 54
Koli (Berg) 29, 264
Kommunalhaushalt .... 392 — 393
Konfessionen 106—108, 524—545,
567 — 569
Konsumvereine 414 — 417
Koskenniemi, V. A 511
Kotka 354—755
Kötnerfrage 405 — 414
Krankenpflege 595 — 603
Kreditwesen 357 — 375
Kreuzzüge 619 — 622
Kriege 625 — 626, 629—633, 636—
641, 643 — 646, 649, 652,659 —
660
Krohn, j. L. F 505—506
Kulturpflanzen 65 — 68, 130 — 134
Künste, Bildende 475—484
Kunstsammlungen .... 775, 341
Kuopio (Län) 592 — 593
Kupfer 23, 201-202
Kurki, A 626—627
Küstenland 28—29
Ladogasee 27, 36—39
Landeshauptmänner . . 586—587
Landhandel 285-286
Landpacht 405 — 414
Landschaften Finnlands (siehe
auch Läne 6 16
Seite
Landstrassen 270 — 272
Landtag 546—562,571-584
Landwirtschaft 11 8 — 1 5 1
Landwirtschaftlicher Kredit 774 —
575
Landwirtschaftlicher Unter=
rieht 462—467
Landwirtschaftsgesellschaften
128, 146 — 150
Läne 587, 590-594
Lappi (Landschaft) 16
Lappland (Landschaft) 16
Laubwälder 59 — 63
Lebensversicherung .... 377 — 378
Lederindustrie .... 208—210, 224
Lehrerseminare 430 — 432
Leinenindustrie 195 — 196
Leino, E 510
Lindenwälder 61
Linnankoski, J 509
Literatur 485 — 512
Literaturgesellschaft, Fin=
nische 334, 454, 504—505
Literaturgesellschaft, Schwe=
dischc 458
Lönnrot, Elias 457, 487—488, yoi
Luftdruck 50 — yi
Lyzeen 443—444
Maalaisliitto (Partei) 424
Mädchenlyzeen 445
Magistrat 588
Magnus 1 1 . Tavast .... 624, 628
Malerei 478—483
Mankala=Stromschnel!en .... 265
Mannerheim, C. G. E. 659 — 660
Manninen, 0 510
Maschinenbau 206 — 208
Masse und Gewichte 355
Mässigkeifsbewegung . . 418 — 420
Mechelin, L 656—657
Medizinalkollegium .... 594—595
Meere 31 — 36
Metallindustrie .. 198—208, 224
Migmatit 1 8—22
Mikkeii (Län) 592
Milchwirtschaft 122—123, 126—
127, 143 — 146
664
Seite
Mineralien 22
Minislerien 563, 585-586
Molkereigenossenschaften 414—41 7
Vlolkereiwescn 145 — 146
Molybdän 203
Moore 57, 62
Moorkultur 139 — 142
Moränenschutt 25
Motion 582
Münze 355 — 356
Museen 459 — 460
Nadelwälder 55 — 59
Name Finnlands i
Nationale Bewegung 594 — 403,423
Nationale Fortschrittspartei.. 424
Nationale Sammlungspartei.. 424
Nationalitätsparagraphen 570 — 571
Nationaltheater 522 — 523
Nationalvermögen 583
Nati\ität 111 — 114
Navigationschulcn 461
Nebel 54
Neuphilologischer Verein.... 459
Niederschlagsmenge 52 — 54
Nikolaus 1 648
Nikolaus II 653 — 658
Nordlicht 54
Normallyzeum 444
Nyland (Län) 590
Nyland (Landschaft) 7—8
Obolenskij, I., Fürst 655
Obstbau.... 124 — 125, 136 — 139
Oksanen, A 505 — 506
Ölindustrie 217 — 219, 224
Oper 521—524
Orientalische Gesellschaft. . . . 459
Orthodoxie 529 — 531
Osterbotten (Landschaft) 15 — 16
Ostsee 33
Ostsee=Expedition, Deutsche 659
—660
Oulu (Län) 593 — 594
Oulu (Stadt) 350—352
Pacius, Fr 516
Päivärinta, P 507
Seite
Pakkala, T 508
Papierindustrie 193 — 194
Parteien 423 -424
Personenpost 232 — 233
Petition 582
Pflanzenwelt 54 — 7 t
Pietismus 531 — 533
Plchwe, W. V 655
Pohjanlahti 31 — 33
Pohjanmaa (Landschaft).. 15 — 16
Politische Parteien .... 423 — 424
Fori 352—353
Porthan, H. G. 396 — 397, 456,
486, 498, 532
Postwesen 232—233, 254 — 258, 386
Präsident 562 — 565
Pressfreiheit 568 — 569, 586
Privatlehranstalten .... 448 — 450
Puijo (Berg) 29, 264
Pulverfabrikation 221
Punkaharju 263
Puukkomesser (Verfertigung) 227
—228
Quarz 24
Quarzit 20, 21, 22
Rapakivigestein 19
Rathausgericht 604
Rechtspflege 603—607
Rechtsschutz 568—569
Reduktion 636—637
Reformation 527—528, 628, 634
-635
Regierungsform 558 — 608
Rehbinder, R. H. 647
Reichsbank 357—360, 586
Reichstag .. 546—562, 571—584
Religionsfreiheit 569 — 570
Reptilien 77—78
Richter 564—565
Rote Garde 659—660
Runeberg, ). L 502
Runeberg, W 483
Russifizierungspolitik .. 653—658
Russische Herrschaft . . 646—658
Saarinen, E. 327,332—33-5,472, 474
Saimakanal.. 234—235, 237, 263
665
Seite
Saldmnius, M 494
Sammlungspartei, Nationale 424
Sand 26
Sandstein 24, 2$
Särnildx, Petrus 628
Satakunta (Landschaft) .. 11 — 12
Säuget ere 72—75
Säure.ifabrikation 221
Savo (Landschaft) 13 — 14
Savobiset 84—85, 91
Savolax (Landschaft) .... 15 — 14
Savohxer 84—85, 91
Schädelform 85—88
Schiedsgericht für Handel,
Industrie und Seefahrt . . 289
Seh efer 18, 19, 20, 21, 22, 25, 24
Schildt, W. S 431, 501
Schuhindustrie 208-210
Schulwesen 425—434, 443—451,
567
Schwedische Herrschaft 623 — 646
Schwedi;che Literatur.. 511 — 512
Schwedische LiteraturgcsclU
Schaft 458
Schwedische V'olkspartei 423-424
Schwedischsprechende Bevölke=
rung 82, 85—88, 98—101, 570
-571
Schwefel 204
Seefahrt.... 278—284, 316 — 319
Seifenindustrie 218
Selbständigkeit 619 — 623, 658—660
Seminare 430 — 432
Seyn, F 657—658
Sibelius, J 518
Siede'ung 11 5 — 1 1 7
Silber 203
Sitten und Gebräuche .. 91 — 93
Sjöstrand, C. E 483
Snellman, ). VX'. 399—401, 457,
503, 649-651
Societas pro fauna et flora
fennica 71, 81, 458
Sorbus fennica ... 59
Sozialdemokratie 420-424
Soziale Verhältnisse 108 — 110
Sparkassen 370-374
Seile
Speranskij, M 647
Sprache 88—90
Sprachcnpar.'graphen .. 570—571
Sprengtporten, G. M. 397, 647
St. Michel (Län) 592
Staatsform 546 — 608
Staatshaushalt 565 — 566
Staatsrat 563, 585 — 586
Staatsschulden 389—390
Staatswesen 546 — 608
Städte (allgemeines; über die
einzelnen Städte siehe unter
dem Namen der betr. Stadt) 292
^328, 627
Stadtpläne 325 — 328
Stählberg, K. | 660
Stapelstädte 299—300
Stämme 83 — 85, 91
Stammland 30
Steinindustrie 210 — 211
Steinzeit 609 — 613
Sten Sture 625—626
Stenbäck, L. ) 502
Sterblichkeit 111 — 114
Steuern 387—389
Strcichholzindustrie .... 220 — 221
Studenten 45 I — 454
Suomenlahti 34
Suomenlinna 333 — 334
Suomi (=Finnland) 1
Suonio 505 — 506
Sve3borg(=Suomenlinn3) 333 — 334
Svinhufvud, P. E 660
Tabakindustrie 214 — 216
Takanen, J 483
Talvio, Maila 510
Tammerfors 345 — 348
Tampere 345—348
Taubstummenanstalten 465
Tavaststierna, K. A 511
Tavastehus (Län) 591
Tavasten 83 — 84, 91
Tavastland (Landschaft).. 12—13
Technische Hochschule .... 534
Technischer Unterricht 460—461
Technochemische Industrie 219
220
666
Seite
Teer 217
Telegraph 386
Temperatur 47 — 50
Terf eitinöl 217
Textilindustrie . . 195 — 198, 224
Theater 520 — 524
Thomas, Bischof 525, 620 — 621
Tierwelt 71 — 81
Töchterschulen 44?
Ton 26, 27
Tonkunst 51 3 — 5 1 9
Tonwarenfabriken .... 217 — 218
Topelius, Z 502
Tcrgils Knutsson 622
Touristenwesen 259 — 266
Tuberl<ulo;e 603
Tundrenvegetation 58, 68
Turku u. Pori (Län) 590
Turku (Stadt) 340 — 342
Uleäborg (Län) 593—594
Uleäborg (Stadt) 350 — 352
Unfallsversicherung.... 379 — 381
Unfriede; Der grosse 640
Unfriede, Der kleine 641
Universitäten 334, 341, 342, 451
—456, 457
Universitätsbibliothek . . 455 — 456
Unterrichtswe3en384, 425— 456,567
Urgeschichte 609 — 613
Uu5imaa (Län) 590
Uusimaa (Landschaft) .... 7 — 8
Vaasa (Län) 593
Vaasa (Stadt) 348 — 350
Varsinais=Suomi (Landschaft) 8 — 9
Vegetation 54 — 71
Vereinsfreiheit 568 — 569
Verfassung 546 — 583
Verkehr 229 — 258
Verlagsfirmen 223
Versammlungsfreiheit . . 568 — 569
Versicherungswesen.... 375 — 383
Verwaltung 585 — 608
Vieh Wirtschaft 122 — 124, 135 — 136
Viipuri (Stadt) 342 — 345
Viipuri (Län) 592
Vögel 75—77
Seite
Volk 82-88
Volksbildungsverein 440
Volksdichtung 93 — 94, 485 — 490
Volkshochschule 436—438
Volksmusik 513 — 514, 519
Volksschule 426 — 474
Volksschullehrerseminare 430 — 432
Volksunterricht 425 — 442
Volksvertretung 546— 562, 57 1 — 584
Volkszdhl 102 — 106
Vuokatti (Berg) 30
Wahlrecht 571 — 577
Wälder 55-65
Waldtypen 56 — 57
Waldwirtschaft .. 122, 151 — 165
Wallgren, W 484
Wappen 589
Wasa (Län) 593
Wasa (Stadt) 348—350
Wasserkraft in derlndustriei7i-i72
Wasseritrassen 234 — 237
Wasservegetation 58
Wecksell, J. 1 503
Wegelius, M 517
Wehrmacht 567
Wiborg (Län) 592
Wiborg (Stadt) 542—345
Wiesen 58—59
Wikström, E 484
Wissenschaftliche Anstalten.. 455
„ Gesellschaften 456 — 459
Wohnung und Möbel (ethno=
graphische Darstellung) 95 — 98
Wollenindustrie 197 — 198
Wright, von, Gebrüder .... 479
Yrjö=Koskinen,G.2.4oo — 402, 506
Zauberei 95
Zellusoseindustrie .... 194 — ^195
Zentralämter 586
Zcntralplateau 29 — 30
Zigarren u, Zigaretten 214 — 216
Zink 202—203
Zinn 23, 203
Zölle 289—292
Zuckerfjbrikation 213 — 214
Zwergbirke 61
667
Verzeichnis der zweisprachigen Ortsnamen.
Die schwedischen FormeQ sind kursiv gedruckt; Sperrung bezeichnet, dass der Name
auf Grund der Ortssprache mehr Berechtigung hat. Buchstabenfoigc nach dem schwe-
dischen Alphabet.
Abborfors Ahvenkoski
A h I a i n e n Hvittisbofjärd
Ahvenanmaa Aland
Ahvenanmanner Fasta Aland
Ahvenkoski Abborfors
A i r i s t o Ersta
A k a a Akkas
A I a t o r n i o Nedertorned
A I a V e t e I i Nedervetil
Alavo A I a V u s
Anskuu A n t s k o 8
A n t r e a St. Andre
Aniskos Anskuu
A r t j ä r V i Artsjö
A s k a i n e n Villnäs
Bergö Susiluoto
Billnäs Pinjainen
Birkala P i r k k a I a
Bjerno Pernio
Björkö K o i V i s t o
Björneborg P o r i
Borgnäs Pornainen
B o r g ä Porvoo
Bottniska viken Pohjanlahti
Brahestad R a a h e
Broholmen Siltasaari
Brunnsparken Kaivopuisto
BranJü Kulosaari (Palosaari)
Busholmen Jatkäsaari
Bötom K a r i i o k i
D a I s b r u k Taalintehdas
David^tad T a a v e 1 1 i
Dickursby Tikkurila
Egentliga Finland V a r s i n a i s»
S u o m i
Ekenäs Tammisaari
Enare I n a r i
Enäre älv I n a r i n j o k i
Enontekiö Enontekis
Ersta A i r i s t o
Esse Ahtävä
Esseä Ahtävänjoki
E t e I ä=P o h j a n m a a SydsOs=
terbotten
E t e 1 ä=S u o m i Södra Finland
Etseri Ä t s ä r i
E u r a j o k i Euräminne
Fasta Aland Ahvenanmanner
Filppula V i I p p u I a
Finnmarken Ruija
Finland S u o m i
Finska viken Suomenlahti
Fredriksberg Pasila
Fredrikshamn H a m i n a
Fölisön Seurasaari
Gamlakarleby Kokkola
Gammel st aden Vanha kaupunki
Gustav Adolfs H a r t o I a
Gustavs Kustavi (Klvimaa
H a i 1 u o t o Harlö
H a m i n a Fredrikshamn
H a n g ö Hanko
Hangöudd Hankoniemi
Hanko H a n g ö
Hankoniemi Hangöudd
H a r t o 1 a Gustav Adolfs
668
H e I s i n g e Helsingin pitäjä
Helsingfors Helsinki
Helsingin pitäjä H e I s i n g e
Helsinki Helsingfors
Hietalahti Sandviken
Hietasaari Sandhoimcn
H i i 1 1 i n e n Hiittis
H i m a n k a Himanga
Hogland Suursaari
Houtskär Houtskari
H u i t t i n e n Hvittis
Hviiiisbofjärd A h I a i n e n
H y V i n k ä ä Hyvinge
Häme, =enmaa Tavastland
Hämeenkyrö Tavasfkyro
Hämeenlinna Tavastehus
Högfors K a r k k i 1 a
Högholmen Korkeasaari
Idensalmi I i s a I m i
li Ijo
I i j o k i Ijo älv
I i s a 1 m i Idensalmi
! i t t i Itis
Ijo li
Ijo älv I i j o k i
Ikaalinen Ikalis
I I m a ) o k i Ilmola
I m p i I a h t i Impilaks
I n a r i Enare
I n a r i n j o k i Enareälv
Inga Inkoo
I s o j o k i Stord
I s o k y r ö Storkyro
Itis 1 i 1 1 i
I I ä=S u o m i Ostra Finland
) a a k k i m a Jakimvaara
Jakob st ad Pietarsaari
Jokkas J u V a
J o G n s u u Äminne
Johannes St. Johannes
I o k i o i n e n Jokkis
J o r o i n e n Jorois
Juga J u u k a
I ussaari J u ss a r ö
) u u k a Juga
J u V a Jokkas
lätkäsaari Busholmen
] ä ä s k i Jääskis
K a a r i n a Sf. Karins
K a i n u u Kalix
Kaivopuisto Brunnsparken
K a j a a n i Ha Jana
Kalix K a i n u u
Karelen K a r j a 1 a
Karehka näset Karjalan kana
n a s
K a r i j o k i Bötom
K a r i s Karja
Karislojo K a r j a 1 o h j a
Karisä K a r j a n j o k i
Karja Karls
K a r j a 1 a Karelen
Karjalan kannas Karelska
näset
K a r j a I o h j a Karislojo
K a r j a n j o k i Karisä
K a r k k i 1 a Högfors
Karlö H a i 1 u o t o
K ask ö Kaskinen
Kastelholm Kastelholma
Katajanokka Skatudden
K a u k a a Kaukas
Kaustinen Kaustby
Kemiö K i m it o
K e r a V a Kervo
K e s k i=S u o m i Mellersta Fina
land
Kexholm K ä k i s a 1 m i
Kides K i t e e
Kihti Skiftet
K i m it o Kemiö
K i t e e Kides
K i u k a i n e n Kiukais
Kivennapa Kivinebb
Kivimaa (Kustavi) Gustavs
Kivinebb Kivennapa
Kjulo Kö y 1 i ö
K o i V i s t o Björkö
Koivulahti Kvevlax
Kokemäenjoki Kumoälv
Kokkola Gamlakarleby
Kola Kuola, Kuolla
Korkeasaari Högholmen
K r i st i n e st a d Kristiina
Kronoborg K u r k i j o k i
K r o n ob y Kruunupyy
669
Kuhmoinen Kuhmois
Kuitia K V i d j a
Kulosaari (Palosaari) Brändö
Kumoälv Kokemäcnjoki
Kuola, Kuolla Kola
K u p i 1 1 a d Kuppis
K u r k i j o k i Hronoborg
Kustavi (Kivimaa) Gustavs
K u u s i s t o Kustö
K V e V I a X Koivulahti
Kvidja Kuitia
K y m i Kymmene
K y m i n j o k i Hymmeneälv
Kyminkartano Kymmenegärd
Kymmene K y m i
Kymmenegärd Kyminkartano
Kymmeneälv K y m i n j o k i
K ä k i s a I m i Kexholm
K ö y 1 i ö Kjulo
Laatokka Ladoga
L a h t i Lahtis
L a i h i a Laihelq
L a i t i 1 a Letala
L a m m i Lampis
L a p i n m a a Lappland
Lappee (Lapvesi) Lappvesi
Lappeenranta Villmanstrand
L a p p i Lappland
Lappland Lappi, Lapinmaa
Lappo Lapua; Lappi
Lappvesi Lappee (Lapvesi)
Lapua Lappo
Lapuanjoki Lappo a
Lapuan joki Nyharlebyälv
L e m l a n d Lemlanti
L e p a a Stjernsund
Letala L a i t i 1 a
Libelits L i p e r i
L i e t o Lundo
L i p e r i Libelits
Lillkyrj Vähäkyrö
L i m i n k a Limingo
L i 1 1 o i n e n Littois
Lochteä L o h t a f a
L o h j a Lojo
Lohjanjärvi Lojosjön
Lohjannummi Lojobacke
L o h t a j a Lochteä
L o i m a a Loimijoki
Lojo L o h j a
Lojobacke Lohjannummi
Lojosjön Lohjanjärvi
L o p p i Loppis
Loviisa L 0 V i s a
Lundo L i e t o
Länsi=Pohja Västerbotten
L ä n s i=U u s i m a a Västra Nym
land
Maalahti Malaks
Maaria (Räntämäki) St.
Marie
Maarianhamina Mariehamn
Malaks Maalahti
Mariehamn Maarianhamina
M a r 1 1 i I a St. Märtens
Mcilahti M e i l a n s
Mellersta Finland K e s k i=S u o mi
Merenkurkku Quarken
Merikarvia Sastmola
M i k k e 1 i St. Michel
Munkholmen Mun^kisaari
Munkkiniemi Munksnäs
Munkkisaari Munkholmen
Munksnäs Munkkiniemi
Mustio S V a r t ä
M y n ä m ä k i Virmo
M y r s k y 1 ä Mörskom
N a a n t a 1 i Nädendal
N a g u Nauvo
Nederti rneä A 1 a t o r n i o
Nedervclil A 1 a v e t e 1 i
Tslousiainen Nousis
Nikolainkaupunki Niko'
laistad
Norra Finland P o h j o i s=S u o mi
Nykarleby Uusikaarlepyy
Nykarlebyälv Lapuanjoki
Nykyrka, Nykyrko Uusikirkko
Nyland U u s i m a a
Nyslott Savonlinna
Nystad Uusikaupunki
Nädendal N a a n t a 1 i
Närpes Närpiö
O I a V i n 1 i n n a Olofsborg
Oravainen Oravais
O u I u Uleäborg
670
O u 1 u j ä r V i Uleträsk
Oulunkylä Aggelby
P a i m i o Pemar
P a i m i o n i o k i Femara
Palosaari (Kulosaari^ Brändö
P a r g a s Parainen
Pasila Fredriksberg
Pemar P a i m i o
Pemard P a i m i o n j o k i
Pernaja P er n ä
Pernio Bjerno
P e r n ä Pernaja
Pietarsaari Jakob st ad
Pinjainen Billnäs
Pirkkala Birkala
Pitäjänmäki Sockenbacka
Pohja P o J o
Pohjanlahti Bottniska viken
Pohjanmaa Osierbotten
P o h j o i s=S u o m i Norra Finland
Pojo Pohja
P o r i Björneborg
Pornainen Borgnäs
Porvoo B o r g ä
P y h t ä ä PyWs
Quarken Merenkurkku
R a a h e Brahestad
Raasepori Raseborg
Ragnasfad Raunistula
Raippaluoto R e p I ot
R a i s i o Reso
R a j a j o k i Systerbäck
Raseborg Raasepori
R a u m a Raumo
Raunistula Ragnasfad
R a u t u Rautus
R e p I ot Raippaluoto
Reposaari Rävsö
Reso R a i s i o
Riilahti Rilax
Rimito Rymättylä
Ruiji Finnmarken
Ruotsinpyhtää Strömfors
Ruotsinsalmi Svensksund
Rymättylä Rimito
Räntämäki (Maaria) St. Marie
Rävsö Reposaari
Sagu S a u V o
S a i m a a Saimen
S a 1 m i Salmis
Sandhamn Santahamina
Sandhiilmen Hietasaari
Sand viken Hietalahti
Santahamina Sandhamn
Sastmola Merikarvia
Satakunta Satakunda
S a u V o Sagu
S a V o Savolaks
Savonlinna Nyslott
S e i n ä j o k i Ostermyra
Seurasaari Fölisön
Sibbo Sipoo
Siestarjoki Systerbäck
Siltasaari Broholmen
Sipoo Sibbo
S j u n d e ä Siuntio
Skatudden Katajanokka
Skiftet Kihti
Sockenbacka Pitäjänmäki
Sortavala Sordavala
St. Andre A n t r e a
Stjernsund L e p a a
St. Johannes Johannes
St. Karins K a a r i n a
St. Marie Maaria (Räntä=
m ä k i)
St. Michel M i k k e 1 i
St. Märtens Marttila
Storkyro I s o k y r ö
Storä I s o j o k i
Strömfors Ruotsinpyhtää
Suomenlahti Finska viken
Suomenlinna Sveaborg
S u o m i Finland
Suursaari Hogland
S V ar t ä Mustio
Sveaborg Suomenlinna
Svensksund Ruotsinsalmi
Syd'Osterbotten E t e 1 ä=P o h j a n=
m a a
Systerbäck Rajajoki (Siesta r=
j oki)
Södra Finland E t e 1 ä=S u o m i
Sörnäs Sörnäinen
T a a V e 1 1 i Davidstad
Taivassalo Töfsala
671
Tammerfors T a m p c r c
Tammisaari E ke nä s
T a m p e r e Tammerfors
Tanaälv T e n o j o k i
Tavastehus Hämccnlinna
Tavastkyrj Hämeenkyrö
Tavastland Häme, =enmaa
T e i j o Tykö
T e n a I a Tcnhola
T e n o j o k i Tanaälv
T c u V a Osler mark
Tikkurila D i c k u r sb y
Tornionjoki Torneälv
Trangsund Uuraansalmi
T u r k u Abo
Tyko T e i j o
Töfsala Taivassalo
Tölö Töölö
Uletrösk O u 1 u n j ä r v i
Uleäborg O u 1 u
Ulvila Wfsby
U r ) a I a Urdiala
Uuraansalmi Trangsund
UusiUaarlepyy N y k a r I eby
Uusikaupunki Nystad
Uusikirkko Nykyrka, Nykyrko
U u s i m a a Nyland
V a a s a Vasa
V a n a ) a Vänä
Vandaä Vantaanjoki
Vanha kaupunki Cammeistaden
Vantaanjoki Vandaa
V a r s i n a i s=S u o m i Egentliga
Finland
Vasa V a a s a
Vaskiluoto Vasklot
Veckelaks Vehkalahti
Vederlaks V i r o I a h t i
Vehkalahti Veckelaks
V e h m a a Vehmo
VästerboHen Länsi^Pohja
Väsira Nyland L ä n s i=U u s i m a a
V e t e 1 i Overvetil
Wiborg V i i p u r i
Viborgska viken Viipurin lahti
V i h t i Vichiis
V 1 i p u r i Wiborg
Viipurinlahti Viborgska "iken
Villmanstrand Lappeenranta
Villnäs A s k a i n e n
V i 1 p p u 1 a Filppula
V i m p e 1 i Vindala
Virdois V i r r a t
Virmo ]Vl y n ä m ä k i
V i r r a t Virdois
V i r o 1 a h t i Vederlaks
V u o k s i Vuoksen
Vänä V a n a i a
Vähäkyrö Lillkyro
V ö r ä Vöyri
Abo T u r k u
Aggelby Oulunkylä
Aland Ahvenanmaa
Aminne ) o e n s u u
Ahtävä Esse
Ahtävänjoki Essed
A t s ä r i Etseri
Ostermark T c u v a
Ostermyra S e i n ä j o k i
Ostra Finland 1 1 ä=S u o m i
Overvetil V e t e 1 i
Nachtrag zum Heerwesen (S. 608).
Es ist zu erwähnen, dass neben der regelrechten finnischen Armee auch
eine starke Bürgerwehr (Schutzkorps) unter eigener Leitung vorhanden ist.
672
7
BERICHTIGUNG.
S. XIV Z. 6 V. o. lies: Sarvlaks. Ebenso S. 408 unter der ent=
sprechenden Abbildung. Die finnische Form Sarvilahti ist zu streichen,
weil nicht ortsgebräuchlich.
pINDINGo. 0EC1*«M
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DK Finnland im anfang des
4A9 XX. Jahrhunderts
F5