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Full text of "Forschungen zur deutschen Geschichte"

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3 105 027 auy 997 














SIAWFORD UNIVERSITY 
LIBRARIES 
STACK 


MAR 16 130, 


Der Kampf der Burgunder und Hunen. 


Von 


6. Waih. 


Die Niederlage der Burgunder durch die Hunen ift ein Ereignis, 
das von jeher die Aufmerkſamkeit in hohem Grade auf fich gezogen 
hat, theils um feiner Hiftorifchen Folgen willen, der Verpflanzung ber 
Burgunder aus den Rheingegenden nad Sabaudia (Savoyen), theils 
wegen der epifchen Verherrlichung, welche die Gefchichte des Volkes 
ımd feiner Könige in der Poefie gefunden hat. Aber die Nachrichten 
darüber find in hohem Grade dürftig, und die Anfichten der For- 
icher weichen deshalb in Beziehung auf die Zeit und die näheren Um— 
ttände fehr von einander ab. Vorſichtig laffen einige es dahingeitellt, 
ob die Kataftrophe im Jahr 450 bei dem befannten Einfall Attilas 
in Sallien oder vorher in einem befonderen Kriege erfolgt ift '; bei der 
eriten Annahme denkt man wieder bald? an den großen Kampf 
auf den Catalaunifchen oder Mauriacenfifchen Gefilden, der in dem 
Rechtsbuch der Burgunder als ein für fie epochemachendes Ereignis 
ericheint?, bald an eine davon verjchiedene Schlacht. Für die lekte 
Anſicht hat ſich Mascovs Autorität entfchieden*, und namentlich bei 
den Franzoſen hat fie vielfad, Billigung gefunden, die dann aber von 
den Kämpfen zwifchen Hunen und Burgundern am Rhein und in 
den DBogejen viel zu erzählen wiffen?, von dem leider die Quellen 


ı W. Grimm, Heldenfage p. 70. Gaupp, Anfieblungen p. 278. 

2 Außer Gaupp f. Gingins:la-Sarraz in dein Memorie della reale aca- 
demia delle scienze di Torino. T. XL, p. 209. 

® Lex Burg. 17, 1: Omnes omnino causae, quae inter Burgundiones 
habitae sunt et non sunt finitae, usque ad pugnam Mauriacensem habeantur 
abolitwse. Zu den Zeugnifien die diefen Namen nennen kommt hinzu die uns 
gedruckte Chronit von 641: pugnatumque est in quinto miliario de Trecas 
loco nuncupato Mauriaco in Campania. 

* 1X, 27. 3b. I, p. 433. 

s Vergl. zulegt Thierry in feinem faſt mehr Roman al® wirkliche 
Geſchichte enthaltenden Werk über Attila, oder das ganz abenteuerliche Buch, 
Attila dans les Gaules en 451. Paris 1833 (nad) Gingins-la⸗Sarraz p.209n. 
von Tournaur), wo man Ungebeuerlichfeiten Lieft wie bie folgenden, p. 14: 
il (Attila) detache de son armée un corps d’observation de 56 mille hom- 
mes, qui a ordre de remonter le Danube et de marcher sur Bäle afin de 
eontenir ou de battre les Bourguignons . . . il confie le commandement de 
ce corps A Theodemir, l’un de ses plus braves gendraux‘. . . . le corps 


1* 


— Dielem Reiultat ge eeilg “ner aber ter die Sache am aus⸗ 
führfichtten behandelt, hat das Einzeine in einer Zeile feftzuftellen 
geiucht, Die vieliaches Bedenken erregen mus und ee nicht überflüffig 
eribeinen laft, noch eimmal etwas näher auf den Eegenftand ein- 


Uniere Hauptauelle ift Proſpers Chronif zum Jahr 435: 

Eodem tempore Gundicarium Burgundionum regem intra 
Gallias habitantem Aetius bello obtrivitꝰ pacemque ei suppli- 
canti dedit: Qua non diu potitus est: siquidem illum Chunni 
cum populo suo ac stirpe dele verunt. 

Tieie Steile hat Gattiodor, mie überall den Froiper in dieler 
Zeit, ercerpiert, wenn er idırabt: Gundicarium Burgundionum 
regem Aetius bello subegit pacemque ei reddidit supplicanti, 
quem non multo post Hunni peremerunt, wörtlich aber bis zu 

dem orie ‘dedit Paulus Diaconus in der Historia Romana 


— ſchreibt jpäter?: Attila itaque primo impetu, mox 
ut Gallias introgressus est, Gundicarıum Burgundionum regem 
sibi occurrentem protrivit, und damit theilmeile übereinitimmend 
in den Gestis episcoporum Mettensium®: Attila rex Hunorum, 
omnibus belluis crudelior, habens multas barbaras nationes 


d’observation du Haus-Rlin s’empare de Bäle ei de Colmar. que les Bour- 
guignons avalent vainement essaye de deiendre. Il les bat, les poursuit 
jusqu'au delä de Béfort. et les force de rentrer dans leurs limites. 

ı Yeo, Zerleiungen I. 2.509: Attilas Verbalmiñe zu den Burgunden 
find unflar; dech in "Teutlic: deren Fürften eröneten fi ibm zuerſt unter, ‘ 
wie früher bie Türinger — dann aber liek Attila das kurzuntiide Königs: 
geſchlecht und teilen ganzen Hefftaat niderbauen'. 

2 So namenilich iden Zünau, Teutſche Kavfer: und Reichäbifterie LI, 
p- 857, und 3. Müller in ber Seidichte ber Echmweizeriichen Cidgenchienfcaft 
I (1786), p . 89m., während dieſer ſonſt nicht eben ichr kritiſch in diefem 
Theil —E 

5 Zur Eeſchichte ber Nibelungenſage, in Haupt? Zeitfrift für Deut: 
ſches umun x, p. 146 fi. 

Tas Weſtbut gundiſche Reich und Recht, in Bekker und Mutber, Jahr⸗ 
buch des gemeinen deutſchen Rechts I, p. 48 fi. (Man möchte wohl fragen, 
warum biefer Auflag an einer für ben Hifterifer fo unbequemen Stelle und 
nit in Pertzs Ardiv, wohin er ald Vorbereitung auf bie Ausgabe ber Lex 
Burgundionum in ben Monumenten offenbar gebört, gebrudı werden iſt 7). 
So iſt jedenfalls zu leſen, nicht: obtinuit. 

Hist. mise. XIV, bei Muratori 88. I, p. 9%. 
xV, p. 97. 
Pertz 88. Il, p- 246. 


aa 0 





6 


durch den Hunenkönig Attila erfchlagen werden ließ, daß er dieſe 
dann mit der Nachricht des Profper in Verbindung feßte und fo - 
das Ereignis, welches diefer unbeftimmt den Hunen beilegt, geradezu 
auf den Attila bezog. Es ift wohl gewiß genug, daß die Stellen 
dadurch an Intereſſe gar fehr gewinnen würden. Doch dürfte man 
fih nicht erlauben e8 mit einiger Entſchiedenheit zu behaupten. 

Was aber die Hiftorifhen Vorgänge betrifft, fo dienen zur Er- 
gänzung und Erläuterung des Profperfchen Berichtes nur die kurzen 
Bemerkungen der anderen Heinen Chroniken. 

Wenig für unfern Zweck fcheint der fogenannte Profper Tiro 
auszutragen, wenn er fagt 436: Bellum contra Burgundionum 
gentem memorabile exarsit, quo universa pene gens cum rege 
per Aetium '! deleta. Doch ift die Stelle infofern wichtig, als fie 
zeigt, daß der Untergang des Königs und eines großen Zheils des 
Volks, den die andere Profperfche Chronik den Hunen beilegt, in um- 
mittelbarem Zufanmenhang mit den Kämpfen mit Aetius fteht, fo 
dag eine fürzere zuſammenfaſſende Darftellung diefem das Ganze 
beilegen Tonnte. 

Wichtiger ift Idatius. Zu 436 heißt ee: 

Burgundiones, qui rebellaverant?, a Romanis duce Aetio 
debellantur. 437. Burgundionum caesa viginti millia. 

Vergleicht man diefe Säge mit den beiden Profperfchen Erzäh— 
ungen, fo kann man dod) gewiß nicht zweifeln, in dem erſten daffelbe 
zu finden was Proſper von einer Befiegung der Burgımder, der ein 
Frieden folgte, berichtet. Die Crfchlagung von 20000, wie wir 
wohl ergänzen dürfen, ftreitbaren Männern, ift aber offenbar das was 
Profper Ziro eine Vernichtung faft des ganzen Volkes nennt ®. 
Diefer legt diefelbe dem Aetius, der andere Proſperſche Text den 
Hımen bei, Idatius ſchweigt über den Urheber. Bon dem erften 
wird es etwas fpäter als die erfte Befiegung durch Aetius, die 
hier dem Jahr 435 zugefchrieben ift, gefekt, von dem ‚weiten das 
ganze Ereignis zu 436 erzählt, Idatius vertheilt bie beiden ae 
genan auf 436 umd 437. Daß alle drei von bdemfelben Kriege 
jpredhen, ift nicht zu verfennen. Müllenhoff hat aber ſicherlich Un⸗ 
recht, wenn er einen doppelten Kampf des Aetius annimmt, den Un⸗ 
tergang der 20000 dieſem beilegt*, darnach bie Niederlage durch die 

unen folgen lift. Dann würden 3 Acte zu umnterfcheiben fein: 
Beſiegung durch Aetins (und Frieden?); 2) Neuer Kampf, in dem 


2 So if jedenfalls mit Rößler, Chr. med. aevi I, p. 280, unb andern 

zu leſen, oder wenigſtens das Peretio anderer Ausgaben in “per Etio’ aufzuldfen. 

Daß fi dies auf einen Einfall in Belgien bezieht, ift nad einer 

Stelle des Sidonius wahrſcheinlich. Vergl. Mascon IX, 11. ®b. 1, p. 408. 

°s So unter ben älteren Bünan a. a. O., neuerdings namentlih auch 

Bluhme p. 50 n. 12. Ber [. Hansen de vita Aetii part. 2, p- 19, ber 
diefe Dinge De ur nicht genau bebanbelt. 





8 


nicht denkbar, daß der König, welcher hier mit feinem Volle in eine 
folhe Stellung trat, zugleich) einen andern Zheil ganz unabhängig 
in den früher eingenommenen Gebieten am Main unter jich gehabt 
habe. Eher wäre e8 möglich, daß ein Theil der Burgunder an dem 
Zug nach Gallien überhaupt feinen Antheil nahm, und auf dem 
rechten Nheinufer blieb ', dann aber aud unter eignen Fürſten, 
vielleicht gar unter der Oberhoheit der Hunen ftand, und daß es dieſer 
war, den wir fpäter in Attilas Heer finden, während die Burgunder 
in Gallien fich dem Aetius zum Kampf in der Catalauniſchen Schlacht 
anfchloffen ?. 

Aber geraume Zeit vorher (443) waren ihre Ueberbleibfel nad 
Sabaudia verpflanzt 3: eine Nachricht, die allein fchon es nothwendig 
madıt, die große Niederlage des Volks von dem Hunenzug des Jahres 
450 ganz und gar zu trennen. 

Beide Profper heben hervor, daß der König in dem, Kampf fei- 
nen Tod fand, ber eine fagt: zugleich mit feinem ganzen Geſchlecht. 
Gleichwohl ift man Häufig geneigt gewefen, die fpäteren Burgundi- 
Shen Könige an diefes anzufmüpfen *, und die Worte der Quelle in 
Beziehung auf das Königshaus nicht ftrenger zu nehmen als bei dem 
Bol. Ich glaube mit Unredt. 

In der Lex Burgundionum III. werden von Gumbdobad 3 feine 
Vorgänger genannt: Si quos apud regiae memoriae auctores 
nostros, id est Gibicam, Godomarem, Gislaharium, Gunda- 
harium, patrem quoque nostrum et patruum, liberos liberasve 
fuisse constiterit, in eadem libertate permaneant$. Bluhme 
meint, man würde den Worten ‘regiae memoriae auctores no- 
stros Zwang anthun, wenn man fie nur von Vorfahren im Regi⸗ 
ment verftehen wollte. Ich finde umgekehrt, daß diefer jedenfalls 
fehr ungewöhnliche Ausdrud, mag man nım das “regiae memoriae’ 


vero jam in numero auxiliariorum exquisiti, fo auölegen, daß man ſchreibt: 
Dis l’an 418, les Burgunden cis-rhenans sont toujours appelds milites Ro- 
mani, auxiliarii (allids, confederes). 

2 Bol. Saupp p. 276. Zeuss, auf ben er fich bezieht, fpricht freilich 
p. 468 von ber Zeit vor 413. 

2 Bal. Müllenhoff p. 152. 

83 Prosper Tiro: Sabaudia Burgundionum reliquiis datur cum indigenis 
dividenda.. Sehr mit Unrecht fiht Gingius-la-Sarraz p. 211 diefe Stelle 
an ald unvereinbar mit der bed Marius zum 9%. 456: Eo anno Burgundiones 
partem Gallise occupaverunt terrasque cum Galliis (Gallieis?) senatoribus 
diviserunt. Diefe und bie ganze fpätere Geſchichte ift vielmehr nur verftänd: 
fih, wenn man aus jener weiß, daß die Burgunder vorher vom Mittelrhein 
weg nach den Abhängen ber Alpen verpflanzt waren. 

+ Maßcov X, 22, p. 480. Müllenhoff p. 153. Bluhme p. 53. 

s Daß fo zu fchreiben, bemerkt 3. Grimm, in Aufrecht und Kuhn 
Zeitfchrift für vergleihende Sprachkunde I, p. 437. 

‘ So if nah Bluhme p.50 m. 15 zu leſen, und bamit fällt aller: 
dings jebe Möglichteit weg, bad patrem u. |. iv. auf bie vorhergehenden Namen 
zu vertbeilen, wie Grimm wollte, der dadurch, Geld. d. D. Sp. p- 704, 
die Neibenfolge ber Könige in Verwirrung brachte. 


unmittelbar mit ‘auctores’ verbinden oder als ehrenden Zuſatz: 
*föniglihen Gebächtniffes’ faffen, mr erklärlich ift, wenn er etwas 
anderes als die leiblichen Vorfahren bezeichnen follte; es ſcheint mir 
auch nicht zufällig, daß der König Vater und Oheim nur als folche 

‚ ohne überall die Namen zu nennen; wäre unter den auf 
geführten Perjonen der Großvater gemweien, hätte e8 nach dem Ge⸗ 
brauch in ähnlichen Fällen ſchwerlich umterbleiben dürfen, auch ihn 
in diefer feiner Eigenfchaft hervorzuheben, während für Vorgänger, 
die feine Vorfahren waren, die allgemeine Bezeichnung genügte. ‘Dazu 
fommt die Nachricht des Gregor von Tours II, 28 von dem Vater 
des Gundobad, Gundioch: Fuit autem et Gundeuchus rex Bur- 
gundionum ex genere Athanarici regis persecutors. Wan 
kam gegen die Abſtammung eines Burgiumdifchen Königs von bem 
Weitgothen Athanaricy einige Zweifel erheben, die aber doch ſchwer⸗ 
lich ſtark genug find, um das ausdrüdliche Zeugnis des Hiftorifers 
zu entlräften. Jedenfalls weiſt aber diefe Angabe darauf hin, daß 
Gundioch nicht für den Abkömmling eines alten Königsgefchlechtes 
galt. Die Worte welche Bluhme aus der freilich nicht fehr alten 
Vita Sigismundi anführt ': Gundioch fei ‘ex suo genere levatus 
rex’ gewefen, fcheinen mir, wenn man überhaupt Werth auf fie 
legen will, auch eher zu bedeuten: er fei aus einem neuen Gefchlecht 
zum König erhoben, als das Gegentheil. 

Dagegen hat, was Müllenhoff geltend macht, die Vebereinftim- 
mung eines Namens (Godomar ?) in beiden Häufern und das durd- 
gehende Gund- in der Bildung mehrerer berfelben (Gundicar, Gun⸗ 
dioh, Gundobad), allerdings eine gewiffe Bedeutung. Doch ift dies 
vielleicht auch durch weibliche Verwandtichaft zu erklären: es ift ja 
befannt, welche Bedeutung der Meutterbruder für die Neffen Hatte, 
und gerade für die Namengebung mag diefe wohl in Betracht ge- 
fommen fein. Selbft an politifche Rückſichten dürfte man denken. 
Es waren doch offenbar nur folche, welche die Karolinger veranlaßten 
die Namen Ludwig (Chlobovedh) und Lothar (Chlothachar) von ihren 
Borgängern auf dem fränkischen Thron anzunehmen. Jedenfalls giebt 
es bier der Möglichkeiten viele, und nimmermehr darf man diefer 
Vebereinftimmmg in den Namensformen eine foldye Wichtigkeit bei- 
legen, daß man, wo alles übrige zufammentrifft, das Zeugnis des 
Proſper von dem Untergang des alten Gefchlechts, die Nachricht des 
Gregor von dem fremden Urfprung des neuen Königshaufes, die 
Art und Weife wie in dem Rechtsbuch die älteren und fpäteren 
Könige verfchieden aufgeführt werden, daraus einen Gegenbeweis ent- 
nehmen fann. 

alten wir uns alfo an die Quellen, wie fie vorliegen, fo ift 
das ebnis: 


ı p 58. 


2 Cr kommt ald Vorgänger ded Gundobad und dann ald Bruber und 
Sohn befielben vor. 


\ 


10 j 


Im Jahr 437 erlag der König Gundicar der Burgunder, 
der am linken Rheinufer berrfchte, mit einem großen Theil feines 
Volks einem Angriff der Hunen, wahrjcheinlidh folcher die damals 
in Gallien umberzogn. Sechs Jahre fpäter wurde der Reit 
des Volle nad) der Landſchaft Sabaudia verpflanzt'. Bier herrfchte 
Gundioch über fie, der Ahnherr der fpäteren Könige, und von bier 
aus gelang ihnen bei der Auflöfung des Römiſchen Reiche die Aus- 
dehnung ihrer Herrfchaft über den Südoften Galliens ?. 


ı Hier war wohl Genf ber Sit ber Könige, wie früher nach ber Sage, 
bei der man bier gerne eine biftorifhe Grundlage annimmt, Wormd. Später 
refidierte Bunbobadb zu Lyon, ein Bruder zu Genf; f. bie Nachricht über bie 
Gefandtfchaft des Epiphanius in ber Vita beffelben von Ennobiuß, beren 
falfhe Anfegung bei Müllenboff p. 153 fon Bluhme p. 61 n. gerügt bat. 
Tas Richtige bat Gaupp p. 290. 

2 Bei ber Dürftigkeit unferer Nachrichten über bie Burgundifche Ge: 
fchichte auch biefer Jahre find von befonderer Bedeutung folgende Stellen aus 
ber oben angeführten ungebrudten Chronik. J 

455. At(ſo) Gippidos Burgundiones intra Galliam diffusi refelluntur 
(l. repelluntur?). 

457. Post cujus (Beciarii) sedem Gundiocus rex Burgundionum cum 
gente et omni praesidio, unnuenti sibi T'heudorico ac Gothis, intra Galliam 
ad habitandum ingressus, societate et amicitia Gothorum functus. 

Die leute eröffnet noch wefentlich neue Gefchichtspunkte für die Nieber: 
laffung ber Burgunder in Gallien; fie fließt fi an bie des Jordanis an 
e. 44, nach welcher Theoborich nenen bie Sueven kämpfte, Burgundionum quo- 
que Gundiuchum et Hilpericum reges auxiliares habens sibique devotos. 


Die Wahl König Heinrichs (VIA), feine 
Negierungsrechte und fein Sturz. 


Bon 


€). Winkelmann. 


Es iſt nicht die Abſicht, Hier die Geſchichte des für Deutſchland fo 
hochwichtigen Königs Heinrich (VIL.), welcher der ältefte Sohn Frie- 
drichs II war, im ihrem vollen Umfange zu behandeln. Denn im 
Ganzen dürfte man dabei nicht leicht über die Ergebniffe der jlingften 
und beiten Bearbeitung ! einer Periode hinaustommen, deren Kenntniß 
bis zur Auffindung neuer Hülfsmittel, wie wir uns offen geftehen 
müffen, nur fragmentarifch bleiben wird. Die Zahl der Quellen ift 
groß, ihr Inhalt aber dürftig. Weit werthvoller find die Urkunden; 
aber fie find wenig benugt worden und dürften, wenn wir une 
gehörig in diefelben vertiefen, noch manches fchägenswerthe Reſultat 
ergeben. Ich glaube, man hat bisher auf die Urkunden fir Die 
Geſchichte des Mittelalters überhaupt zu wenig Werth gelegt. 

Die Hauptfragen, auf welche e8 uns ankommt, find vornehmlid) 
zwei: Wie fam die Königewahl Deinriche zu Stande? Welches war 
der Grund feiner Empörung ? ie leßtere wird ſich vielleiht am 
beiten beantworten, wenn wir eine Unterfuchung vorausfchicden über 
die Rechte, welche König Heinrich geſetzlich auszuüben hatte. Mit der 
erften Frage ift aber eine andere unzertrennlich verbunden: welche 
Schritte unternommen worden find, um die Wahl Heinrichs, ur- 
fprünglih Königs von Sicilien, zum beutfchen Könige mit den Ver⸗ 
trägen in Einklang zu bringen, welche zwifchen Friedrich II. und der 
römifchen Kurie über das Verhältniß Siciliens zum Papfte und zum 
Kaiſerreiche rechtlich beftanden. 


— — — — —— — — —— 


Mit dem Tode Heinrichs VI. war die Idee einer Einverleibung 
des ficilifchen Königreichs in das Kaiferreich nicht geſchwunden; nach⸗ 
dem in Deutfchland durch die Ermordung Philippe die welfifche 
Oppofition zur Regierung gekommen, nahm gerade fie jenen Ge— 
danken der Staufer wieder auf. Schon im März 1210 verhehlte 
Innocenz DIL ſich nicht mehr, daß Otto IV., im. vorigen Jahre zum 


ı Dr. 5. W. Schirrmader, König Henri VAL ber Hohenſtaufe. 
Liegnig. Progr. 1856. — Kaifer Friedrich der Zweite. Erſter Band. Göt⸗ 
tingen 1859. 


14 


Kaiſer gefrönt, auch nah Sicilien tradhte ', und begann bei dem 
erften Angriffe Ottos auf das Königreich den Kampf auf Leben und 
Zod um die politifche Selbftändigfeit des Papſtthums. Gewiß war 
es fühn, unter diefen Umftänden, den angegriffenen machtlofen König 
Friedrich von Sicilien zum Prätendenten der Kaiferkrone, das Object 
des Kampfes zur Waffe zu erheben, aber felbft in diefem nur von 
der Noth gebotenen Schritte zeigt ſich die Staatsklugheit des Papftes. 

Die Bürgfchaften gegen eine fünftige Einverleibung des König- 
reichs, welche Innocenz ſich von Friedrich geben ließ, waren keines⸗ 
wegs fo unbeitimmt, wie man anzunehmen pflegt”. Es ift richtig, 
daß Friedrich vor feiner Abreife nach Deutfchland 1212 feinen jüngft 
geborenen Sohn Heinrich zum Könige von Sieilien frönen ließ, aber 
diefe Krönung ift nicht die Bürgſchaft felbit, fondern nur die Folge 
derjenigen Verpflichtungen, welche Friedrich vorher eingegangen. 
Schirrmacher hat überjehen, daß diefe uns erhalten find, und ge 
in drei Urkunden, weldje das ganze Verhältnig Siciliens zur te 
in der Zeit Friedrich II. beftimmen 9. In der erften Urkunde (H.B. 
I, 200) verjpricht diefer und ſchwört, als Getreuer der Kirche an 
feinem Anfchlage gegen Innocenz oder feine Nachfolger theilzunehmen, 
Mitgetheiltes geheim zu halten, den Papft und das Gebiet bes h. 
Petrus zu fchügen, den jedesmaligen rechtmäßig gewählten Papfı 
anzuerfennen und ihm treu zu fein, der ihm und feinen Erben be- 
ſtätige, was Innocenz ihm durd) ein Privileg verliehen: ero fidelis 
b. Petro et s. R. eccl. ac tibi domino meo pape Innocentio 
tuisque catholicis successoribus. Non ero in comsilio .... ut 
vitam perdatis u. f.w. Fidelitatem etiam observabo succes- 
soribus tuis .... qui mihi et heredibus meis .... firmaverint, 
quod in privilegio tuo est mihi concessum. Es ift auf den 
erſten Bit Mar, daß dies nicht mehr noch weniger ift, als das 
homagium, als der Eid, von dem Friedrich in der zweiten Urkunde 
(H. B. I, 201) fagt, daß er einen foldden vor dem päpftlichen Le⸗ 
gaten abgelegt habe: fidelitatem vobis vestrisque successoribus 


2 Bal. die Briefe des Papftes 1210, 4. März. Baluze epp. Inn. II, 
405. Huillard-Breholles, Hist. dipl. Frid. I. imp. I, 165: Illud debet ab 
omnibus iniquum et impium reputari, quod ad occupandum regnum Sic. 
manus extendit; 17. Juni, Bal.IIl,454. H.B. I, 169: Eccl. devotos .... filios .... 
diligere consuevit et ne pravorum hominum molestiis agitentur .... suo pro- 
tsctionis munimine confovere; 25. Juni, Bal. II,453. H.B. 1,170 an Arie: 
drich: tibi et regno tuo majora pericula imminent. 

2 Schirrmacher ©. 79. 

5 Böhmer, Reg. Frid. or. 30. 81, d. Meifina Febr. 1211. Mit Recht 
bat H. B. I, 201. 203 biefe nach 1212 geſetzt. Doch trägt das Jahr 1211 
oder 1212 für und nichts aus, da Innocenz im März 1211 offenbar ſchon 
an Friedrichs Wahl dachte (Böhmer Reg. Inn. nr. 807). Jedenfalls muß 
man jene Urkunden und die beabfidytigte oder vollbrachte Wahl Friedrichs im 
Zufammenhang betrachten. Die dritte Urfunde, H. B. I, 200, ift gar nicht 
batirt, da aber der Juhalt jener Urfunben nur bie Folge biefer ift, muß fie 
auch in den Febr. 1212 gefebt werben. 


15 


et s. R. eccl. juravimus, sicut in duobus similibus capitulariis 
est expressum — und in Gegenwart des Pabjtes wiederholen will: 
Accedemus ligium homagium prestituri ... . . veniemus sine 
fraude ad ligium homagium faciendum. An derfelben Stelle 
bezeichnet er bie Gebiete, für welche er den Xehnseid leiftet: vos 
enim nobis et heredibus nostris . ... . concessistis regnum 
Sicilie u.f. w., gelobt für diefe einen jährlichen Zins und madt 
über Wahl und Betätigung der Prälaten in denfelben einige Zu- 
geftändniffe, die in der dritten Urfunde (H. B. I, 203) näher 
ausgeführt werden. Alfo blieb Sicilien Lehen der Kurie, und die 
Möglichkeit einer Realunion zwifchen Kaiferreih und Königreid) 
auch ferner ausgefchloffen. Nun erft nennt Friedrich ſich König von 
Sicilien und römifcher König (Böhmer, Reg. Frid. nr. 35), und 
läßt auf Verlangen des Papftes feinen Sohn Heinrih zum Könige 
von Sicilien könen (Reg. nr. 323). Vielleicht daß Innocenz auf 
irgend eine Weife auch die Perfonalunion hindern wollte. 

Zu der Annahme Schirrmachers, daß bei Friedrichs Anweſen⸗ 
heit in Rom, April 1212, weitere Verabredungen über das Verhält- 
niß der beiden Reiche getroffen worden feien, liegt nach dem Inhalte 
der angeführten Schriftſtücke kein Grund vor. Wir wiffen nur, daß 
Friedrich bei diefer Zuſammenkunft, wie er verfprochen, den Lehnseid 
vor dem Papſt erneuerte! und fich in einer aus Rom batirten Ur- 
kunde „von Gottes und des Papftes Gnaden König“ nennt”; das 
beit doch wohl mur: von Gottes Gnaden römifcher König, von Pap- 
fies Gnaden Lehnskönig von Sicilien. 

Ein Yahr nah Friedrichs Ankunft in Deutfchland war fein 
ſchließlicher Sieg nicht mehr zweifelhaft. Als factifcher König rum 
legte er auf dem Hoftage zu Eger 1213, 12. Juli, dem Papfte daf- 
jelbe Gelübde ab, wie Otto IV. vor ihm’: die firdhlihe Wahl: 
freiheit zu achten, die Kegerei auszurotten und außer anderen Be⸗ 
figungen der Kirche auch das Königreich Sicilien erhalten zu wollen; ° 
ein Berfprechen, das nur die Summe der früheren Lehnsanerfennung 
ift, und gerade durch feine Kürze beweift, daß diefe nicht in Trage 
geftellt wurde, Außerdem gaben die Reichsfürften zu jenen Zuſiche⸗ 
rungen fchriftlich ihre Zuftunmung*. — Wie die Regierung Sici- 
liens inzwifchen geordnet war — denn für diefe find Friedrich, feine 
Gemahlin Konftanze für Heinrih und kaiſerliche Legaten zugleich 
thätig — läßt fich nicht erkennen. Jedenfalls war Friedrich bei der 
Unmündigkeit Heinrichs der rechtmäßige Lehnsträger. 

Seit dem Jahre 1215 aber trübt fich die Situation. Damals 


ı Höfler S. 15. Bon Schirrmader ift die betrefjende Stelle bed Al- 
bertus Boh. überfehen. 

8 Dei gratia et sua. Mon. Germ. Legg. II, 223. 

5 Mon. Germ. Legg. II, 216. 224. 

+ 3.8. Ludwig von Baiern 6. Dt. 1214. H. B. I, 819. Vergl. ut: 
ten zu 1220. 


16 


randen in Rom in Geheimniß gehüllte Unterhendlungen ‚ welde 
von Zeiten Friedrichs der Abt Ulrich von St. an üben 
—— II. ehrk die Perfönlichteit des Botfchajtere? ; mit feinen 
Aufträgen aber jcheint diejer nicht leicht zum Ziel gelommen zu 


jein. Es war in derjelben Zeit, dat Friedrich die Grafidaft Sora, 
welde der Bruder des Fapjıes „Richard von der Krone zu Lehen 
trug, an nnocenz überwies, 11. Tat. BIS MG L. HD, 226). 
Außerdem waren noch viele (Beichente nötig, ehe der Abt in Ange 
legenheiten des Reiches feinen uns unbelannten, jedenfalls wichtigen 
Zwed erreichte und dem Könige und den Fürjten gute Botſchaft zu- 
rüdbringen fonnte®. Am 14. Juli 1216 eideint er dmerit Imieer 


am föniglicen Hoflager (H. B. I, 472). ur als umficere Ber 
muthung wage ich es auszufprecen,, dag feine Sendung ſich auf di 


allerdings dafür. Der familiaris des Könige, Erzbiſchof Berard 
von Palermo, ging als Yegat Friedrichs im Herbſt 1215 nad) 
Rom zum Yateranconcil*. Etwas jpäter verlieh Graf von 
Eberjtein, der durd die Rönigin mit Friedrich verwandt war, den 
Hof des Königs, an weldem er ſich ſonſt gewöhnlich auffielt>. Bon 
beiden aber, Berard und Albrecht, wiſſen wir, daß jie geſchickt wor- 
den waren, um Konjtanze und Heinrich nach Deutſchland zu gelei⸗ 
tens, alſo in derſelben Zeit, als Abt Ulrich noch unterhandelte. 
Endlich traten Ronjtanze und Heinrih im Juni 1216 von Meſſina 
aus ihre Reife an: etwa in derfelben Zeit kann der Abt den Erfolg 
feiner Sendung melden. Beſteht aber diefer vermuthete Zufanımen- 
hang, dann fällt auch das Auffällige in der Reijeroute der Königin 
fort, auf das Schirrmacher (S. 107) mit Recht aufmerfjam macht. 
Denn jene teilt zu Yande, während Henri von St. Eufemia in 
Calabrien auf dem Seewege direct nad) Genua geſchickt wird. 
Indeſſen ijt auch zu bemerken, daß in derfelben Zeit, da Kon 
jtanze ihre Reife begann, Friedrich am 1. Juli 1216 weitere Ver⸗ 
bindlihleiten in Bezug auf Sicilien einging”. Sobald er felbit bie 
Kaiferfrone erlangt haben würde, verfpricht er, feinen Zohn aus der 
väterlichen Gewalt zu entlajjen und bis zur Mündigfeit Heinriche 


1 Bulegt iſt er am 5. Sept. 1214 Zeuge einer Minigliden Urkunde. 

2 Ipse Romam veniens in cunctis, propter que venerat, negotis regni 
talem se exhibuit, ut nimio omnium veneraretur affectu et infulam pro vita 
sua gerendam gratis de Innocentio reciperet. Casus S. Galli, M. G. SS. II, 
171. Tfjenbar kennt ber Autor felbft nicht die regni negotia. 

° Finito negotio, pro quo venerat, multis apostolico zeniis transmissis, 
auctus benedictione ipsius,, ad propria remesvit, regi ac principibus bonum. 
pro quo iverat, nuncium reportans. Ibid. 

* Als Legat Friedrichs euf dem Goncil erwähnt bei Rich. SBangerm., 
Muratori 88. VII, 989. Zeuge einer Urfunde Friedrichs in Deutſchland war er 
zulegt 11. Oct. 1215. H. B. I, 438. 

s Zuletzt 22. Tec. 1215. H. B. I, 433. 

6 Chron. Siculum breve, H. B. I, 894. 

? Mon. Germ. L. II, 228. H. B. I, 469. Reg. ur 176. 





18 


erſt nad) der Kaiferfrönung erfolgen follte. Halten wir daran feit: 
es ift nicht nöthig und nicht geftattet, in diefen einzelnen Vorgängen 
Berlegungen der früheren Verpflichtungen zu fehen. _ 

In der Conceffion vom 1. Juli 1216, fo ausführlich fie fhei- 
nen mag, ift jedoch eine bemerfbare Lücke, ich meine in Beziehung 
darauf, dag die Möglichkeit einer Wahl Heinrich zum römifchen 
Könige, die doch fehr nahe lag, gar nicht berührt worden ift. Dies 
hat feinen guten Grund darin, daß dem jet durch Honorius IIL 
vertretenen Papſtthume aud nicht die geringfte Berechtigung zuftand, 
im Voraus die Wahlfreiheit der deutfchen Fürften zu befchränfen. 
Wir wiſſen, daß Friedrich fehr frühe für die Wahl feines Sohnes 
wirkte: mochte man in Rom diefelbe wünfchen oder nicht, bindern 
fonnte man fie nicht, wenn es jenem gelang die Yürften für fie zu 
gewinnen. Cs ift urkundlich überliefert ', daß der Hoflanzler Konrad 
in Rom lange vorher über die Wahl eines römifchen Königs aus der 
stirps regia — und nur Heinrich konnte in Betracht kommen — 
angefragt „wegen des ungewiſſen Ausgangs der Dinge und der er- 
fahrungsmäßigen Uebel, weldye aus dem häufigen Wechſel der Kaifer 
folgen“. Wie Konrad am 31. Yuli 1220 fagt, ift er lange obne 
Antwort geblieben, bis endlich ein vertrauter Kardinal ihm mittheilte, 
daß Honorius geäußert, ihn gehe die Wahl eines römifhen Königs 
nicht8 an: nil ad se de electione Rom. regis pertinere. Schirr- 
macher führt beiläufig (S. 293) diefen Brief an, ohne ihn weiter zu 
benugen. Wie mir däucht, trägt er am Meiften zum richtigen Ver⸗ 
ftändnig der Sache bei: e8 handelte ſich für die römische Kurie nicht 
um die Wahl, fondern um ihre Folgen in Bezug auf das Feudal- 
verhältnig Siciliens. Iſt dies aber der Fall, fo erhalten die folgen- 
den Verhandlumgen ein neues Licht, und zwar wird dann auch nicht 
mehr Friedrich) der Betrüger, der Papft die angeführte Einfalt fein, 
unter welchen Charakteren beide auch bei Schirrmacher erfcheinen. 

Auf eine Anfrage von Rom aus erklärte Friedrich am 10. Mai 
1219: Wenn die Fürften gefonnen feien, Heinrich zu wählen, fo ge- 
fhehe dies nur, damit das Reich während feiner eigenen Abwefenheit 
auf dem gelobten Kreuzzuge befjer regiert und für den Fall feines 
Todes feinem Sohne das deutſche Erbgut gefichert werde; im Nebrigen 
bleibe diefer den Anordnungen der Kirche unterworfen?. Alfo ift 
Friedrich und wir mit ihm der Meinung, dag durd die Wahl in 
feiner Beziehung den früheren Verpflichtungen zu nahe getreten wird; 
ed jtimmt vollftändig damit, daß er im Sept. bie für Innocenz 
1213 ausgeitellten Urkunden wiederholt, in welchen namentlich bie 
Lehnshoheit Über Sicilien garantirt wird, ein wichtiger Paſſus, den 
Schirrmacher (S. 116) überfehen hat. Indeſſen verlangte num Ho» 
norius durch feinen Botfchafter auch die Erneuerung der Urkunde vom 


’ Raynaldi Ann. eccl. 1220. $. 15. H. B. I, 803, not. 1. 
. _° relinquentes filium in dispositione eeclesiae. Ungedruckter Auszug 
bei Raumer I, 176 und Böhmer, Reg. Frid, nr. 275. 





20 


folle mit dem Königreich, oder daß wir fie bei Gelegenheit der Wahl 
unſeres Sohnes woechfelfeitig (d. h. realiter) vereinigen. Vielmehr 
wollen wir mit allen Sträften dagegen wirfen, daß ihre Vereinigung 
in anderen Zeiten zu Stande kommen könne“. 

Ich denke, diefer letztere Paſſus zeigt deutlich genug, daß Fried⸗ 
rich) an feiner Ueberzeugung von der Schädlichkeit einer Realunion 
unverändert fefthielt. Schirrmacher ſagt: „Die römische Kurie war 
mit ihren eigenen Waffen gefchlagen“. Aber Friedrich ftand nod) 
immer auf dem Vertrage vom 1. Yuli 1216, der eine Perſonalunion 
in der Verfon Heinrichs keineswegs ausſchloß; auch jet weilt er auf 
das Arrangement hin, welches bei der Naiferfrönung getroffen wer: 
den ſollte. Daher konnte er mit gutem Gewiſſen und aus feiner 
Ueberzeugung, nicht nur zum Schein, der Wahl, die er felbft geför- 
dert, widerfpredjen, wenn man durd) diefelbe eine Incorporation Si: 
ciliens bezwecte, und fonnte fie billigen, wenn fie auf dem Boden 
der Verträge blieb. In diefer Hinficht hätte von Schirrmacher wohl 
auf die Zragmweite der (S. 292) berührten Urfunde der deutfchen Für: 
jten von 23. April aufmerkſam gemacht werden müffen. Wie ſchon 
einmal zur Zeit des Innocenz (f. 0.) heißen fie Alles gut, was 
Friedrich der Kirche verliehen oder verjprodjen, tam super facto im- 
perii, quam super facto regni Sicilie, und fie erflären das Aus— 
einanderhalten beider Reiche noch fchärfer dahin, „daß das Kaiſer⸗ 
veich feine Gemeinfchaft mit den Königreiche oder irgend eine Juris⸗ 
dietion in demfelben haben folle“. Zu Innocenz IH. Zeit Hatten die 
Fürſten die Lehnshoheit Roms über Sictlien anerfannt, jet beftäti- 
gen fie ſummariſch den Anhalt aller von Friedrich in diefer Bezie⸗ 
hung eingegangenen Verpflichtungen. Wie war dies aber möglich), 
wenn man anninumt, daß Friedrich diefen entgegengehandelt? Wenn 
die Wahl die Verträge werthlos machen follte, wie konnte man dieſe 
in derjelben Zeit beftätigen? Dan hat fi) über diefen Widerfpruch 
hinweggefeßt, da es für ausgemacht galt, daß Friedrich feine DVer- 
ſprechungen gebrochen. Daß dies nicht der Fall war, iſt hoffentlich 
jetzt klar. Daher konnten denn aud) die Prälaten, ohne zweien 
Herren zu dienen und einen zu verrathen, die Wahl fördern, und 
dankbar erfannte Friedrich ihren Beiſtand an, „den fie dem Könige 
jelbjt zur Erwerbung und Sicherung des Thrones und feinem Sohne 
Nase) bei der Königswahl geleiftet haben“. (Mon. Germ. L. 

, 

Auch der Papft hat nicht gegen die Wahl remonjtrirt, fie wurde 
jelbjt in den fpäteren Zeiten der erbittertiten Kämpfe nie als ein Wert 
durchtriebener Falfchheit von den Gegnern Friedrich8 angegriffen, und 
erjt in neuerer Zeit haben Einzelne überall Tücke gefchen und mehr 
wilfen wollen als diejenigen, welche die Gefchichte felbft handelnd 
ſchufen. Wie gejagt, nicht die Wahl Fonnte Anlaß zu Differenzen 
geben, fondern die rechtlichen Folgen, welche etwa daran fich knüpfen 
mochten, und diefe in der Richtung der beftehenden Verträge zu er: 
halten, war allein Gegenftand der folgenden Unterhandlungen. 


21 


Del Gelegenheit der Kaiferfrönung follten mündliche Unterhand- 
lungen die Frage beendigen. Kurz vor derfelben, am 10. Nov., find der 
Biſchof Nitolaus von Zusculum und der Subdiacon Alatrin mit 
verfchiedenen „Aufträgen, u. A. auch in Betreff des ficilifchen König- 
reihe, an Friedrich gefandt (M. G. L. II, 242), als dieſer ſchon 
auf dem Wege nad) Rom war. Wir kennen nicht die Verhandlun- 
gen, haben aber die Reſultate. Die Kurie gewährte Friedrichs am 
19. Febr. 1220 ausgefprochenen Wunfch, die Perfonalunion für ihn 
ſelbſt fortbejtehen zu lajjen, wenigftens nahm fie felbft keinen Anftand 
ihn nach der Kaiſerkrönung auch König von Sitilien zu nennen, alfo 
mit einem Zitel, den feitdem Heinrich allein hätte führen follen (Rau 
mer III, 206). Daß jedenfalls eine beide Theile befriedigende Eini- 
gung getroffen worden, beweiſt der Lehnseid, den die ſiciliſchen Gro- 
Ben bei der Krönung dem Kaifer erneuerten, beweift aber vor Allem 
eme Urkunde Friedrich jelbit!., Um feinen Gedanken an eine (Ser 
meinfchaft des Kaiferreiches mit dem Küönigreiche zu ermöglichen, er- 
Härt er, daß er diefes nicht von feinen kaiferlichen Vorfahren, fondern 
durch feine Mutter als Lehen von der römifhen Kirche überfommen 
babe; er verpflichtete fid) ferner, in dem Königreihe nur Kingeborne 
anzuftellen und für dafjelbe ein eigenes Siegel zu führen. — Das 
Ergebniß ijt demnach: Die Yehnshoheit der Kirche befteht fort, dieſe er- 
tennt die Perfonalunion beider Reiche an, Friedrich fchließt für im- 
mer die Realımion aus. Im Ganzen blieb alfo das Verhältnig Si⸗ 
ciliens zum Kaiferreiche und zur Kirche dafjelbe, wie e8 1212 be- 
ftanden Hatte. 


Für Deutfchland wurde, als Friedrich) nach Italien zog, eine 
befondere Regierung eingefett, die allerdings im Namen des unmim— 
digen Königs Heinrichs (VII.) manche Rechte ausiibte, aber felbftver- 
ftändlich ebenjo wie Heinrich, als er 1228 allein die Herrfchaft 
übernahm, dem Kaifer gegenüber höchſt befchränft war. In Bezug 
anf den Umfang jener Rechte hat Schirrmadyer (S. 132) folgendes 
Refultat gewonnen: „Der MeichSverwefer Hatte weiter nichts als 
Privilegien zu vergeben“. Weiter wird aber Hinzugefügt: „die ober- 
gerichtliche Gewalt, die Aufrechthaltung des Yandfriedens, zu dem 
des Kaifers perfönliche Gegenwart nöthig geweſen wäre (?), darin 
beftand Heinrichs ımd Engelberts von Köln jtellvertretende Thätigkeit. 
Durchaus verkehrt ift es, fi) Heinrich) als Statthalter in unferem 
Sinne zu denten“. Alfo Gefeggebung, Gericht, Execution werben 
Heinrich zugeſprochen, aber. felbjtändig war er deshalb noch lange 
nicht und ebenfowenig Mitregent, wie etwa Heinrich VI. zur Zeit 
Friedrichs 1.*. Wie begränzt nun Heinrichs Gewalt der kaiſerlichen 


2 HH. B. introd. p.CX: d. mense Nov. in castris in monte Malo, alfo 
kurz· vor oder nad) ber Krönung ausgeftellt. Erſteres ift wahricheinlicer. 

2 Hierüũber verweife ich auf eine demnächſt erfcheinende Arbeit bed Herrn 
Tb. Töche in Berlin. 


22 


Obergewalt gegenüber war, bürfte zu unterfuchen einer Heinen Mühe 
wohl werth fein. Schirrmacher hat es abgelehnt „den Gegenftand 
aus don Umfange der Urkunden erfchöpfen zu wolln“ (S. 297, 

Es lag in ber Natur der faiferlichen Würde, daß fie eine hö⸗ 
here Autorität in Anfprud) nahm als jede andere weltliche Macht 
Welt, felbjtverftändfich auch eine höhere als das von ihr abgezweigte 
römifche Königthum. Daher hatten die unter Friedrichs Namen von 
Stalien aus erlafjenen Neichsgefege, wie 3.2. bie bei feiner Krö- 
nung 1220 publicirten Segeredicte, ferner die allgemeinen Privilegien, 
welche er 3. B. dem deutfchen Orden verlieh, an fi) auch in Deutfch- 
land Güftigkeit, ohne daß die Beftätigung durch den deutfchen König 
ober in feinem Namen durd die Negentfchaft erforderlid) war. In 
ſolchen Fällen kommt eine Beftätigung niemals vor! Cine Ausnahme 
jcheint die Urkunde bei Böhmer, Reg. Heinr. nr. 131. Huillard- 
Breholles IH, 309, zu maden. Indeſſen erfolgt hier die Beſtäti⸗ 
gung durch Heinrich) wohl nur deshalb, weil das Privileg Fried⸗ 
richs II. Reg. nr. 158, nach welchem ein Präceptor ober Komthur 
des deutfchen Ordens bei feiner Anmefenheit am Hofe nebit Gefolge 
auf Koften deffelben unterhalten werden follte, des Königs eigene 
Hofhaltung weſentlich berührte. 

Anders ift das Verhältniß bei Angelegenheiten, welche fpeciell 
Deutfchland betreffen. Zunächſt hat Heinrid, das Recht den Prülas 
ten die Regalien zu verleihen, ift aber an den Willen des Kaifers 
und die Zujtimmung der Fürften gebunden!. Dagegen fcheint ber 
Kaifer fi die Belehnung der großen weltlichen Fürften vorbehalten 
zu haben?. Aber auch abgejehen von folchen Acten, die im Grunde 
doch nur Förmlichkeiten waren, hat Friedrich feine Wirkſamkeit für 


I! cum per voluntatem ser. imperatoris patris vestri et principum con- 
sensum eadem conferendi, plenariam habeatis voluntatom (Schannat Vind. I, 
191) erſuchen Reihäfürjten den König, Konrad erwählten Bifhof von Hildes- 
beim zu belehnen, 1221. Cr thut c8 mit Berufung auf ben Rath der Fürften, 
bittet aber als dei gratia et sua rex Roman. ben Kaiſer ed zu beftätigen; 
ibid. 193. H. B. I, 725. — Am 1. De. 1226 belehnt er die Bifchöfe von 
Riga und Dorpat mit den Regalien und der Markgrafſchaft als Fürſtenthum; 
Böhmer, Reg. Heinr. 98.99. H.B. II, 865. 866. — De. 1226 giebt er dem 
Erzbiſchofe Heinrih von Köln die Regalien; Böhmer, Reg. ©. 223. 

8 Der Kaifer beiehnt März 1226 den beutfhen Orden mit Preußen, 
Böhmer, Beg. Frid. 569. H. B. U, 549; — Sept. 1227 den Landgrafen 
Hermann von Thüringen eventualiter mit Meißen, Reg. 653. H. B. II, 38; 
— Juli 1231 den König Wenzel von Böhmen, Reg. 687. H. B. IH, 294; 
— Nov. 1231 ben Grafen Otto von Geldern, Reg. 690. H B. IV, 269; 
— Dec. 1231 ben Markgrafen Johann von Brandenburg, Reg. 691. H. B. 
IV, 370. Bon einer Betätigung biefer Belehnungen durch Heinrich weiß ich 
nichts. Diefer bat allerdings Mai 1222 den Herzog von Brabant belehnt, 
Böhmer, Reg. Heinr. nr. 18. H. B. II, 748, aber nur ald Erneuerung ber 
Belehnungen vom 12. Rov 1204 und 29. April 1220. Ferner belehnt ber 
König 20. Sept. 1224 die Gräfin Sophie von Ravensburg mit ber Graffchaft 
im Emsgau, Reg. 64. H. B. II, 806. 





24 


zum Kaiſer beftimmt firirt gewefen ift; ich glaube vielmehr, daß 
Heinrid) fo zu fagen nur im Allgemeinen an die \intentionen feines 
Baters gebunden und, wo ein Widerſpruch eintrat, diefem zum na- 
türlihen Gehorfam verpflichtet war. Freilich betätigt auch er oft 
Akte feines Vaters!, aber diefe Beftätigungen gefchahen theils aus- 
drücklich auf Befehl deſſelben?, theils find fie jo zu betrachten, daß 
Heinrid) dasjenige, was Friedrich für feine Regierung als in Gül- 
tigfeit hinjtellte, als Nachfolger auch für feine Berfon anerfanıte. 

Merkwürdig ift die oft ganz verfchiedene Stellung des Königs 
und des Kaiſers zum Auslande, namentlich zu Dänemark, England 
und Franfreih. Es fam dabei weniger auf die Perfünlichkeit Hein- 
richs an, als auf die befondere Politit der Negenten oder Vormün⸗ 
der, zuerjt Engelberts von Cöln, dann Ludwigs von Baiern, die al- 
ferdings von der Politik, welche der Kaifer im Namen des Reiches 
vertrat, wefentlich abwichen. In Betreff der Freilaffung Waldemars 
von Dänemark hat Engelbert offenbar nur in Sinne des Papftes 
gewirft (Schirrmacher S. 137. 301), bis der Kaifer durch die Sen— 
dung Hermanns von Salza die ganze Sache in feine eigene Hand 
nahm, ohne freilich) zum gewünfchten Ziele zu gelangen. Belannt ift 
die Sonderpolitit Engelberts, welcher zu England neigte, während 
Friedrich) im Allgemeinen ein - freundliches Verhältnig mit Frankreich 
unterhielt. Daher kann es nicht auffallen, daß nad) dem Tode Phi- 
lipps II. fein Nachfolger Ludwig VIII. eine Erneuerung des Trac- 
tat8 von Vaucouleurs (Nov. 1212) nicht allein bei dem Kaifer nad- 
fuchte, von dem er fie erlangte, fondern gleichzeitig auch bei der Negent- 
ſchaft in Deutfchland, wo Engelbert fie zu hintertreiben wußte. Erſt 
nach deſſen Ermordung hat König Heinrich am 11. Juni 1226 die betref- 
fende Urfunde zu Trident ausgeftellt 3._ Der Zod Yudivigs VIII. veran- 
laßte neue Verhandlungen; wieder fuchten der neue Erzbifchof von Eöln 
Heinrich und Herzog Ludwig von Baiern ein Einverftändnig mit England 
anzubahnen (Schirrmader S. 160). Aber der Anſpruch des römischen 
Königs auf das welfiſche Allod und noch mehr die Betätigung des 
franzöfiichen Vertrags durd) den Kaifer im Auguft 1227 machten 
eine Verjtändigung unmöglich. So war auch in der auswärtigen 
Politif der Entfchluß des Kaiſers maßgebend und etwaige Sonderges 
füfte der deutſchen Regierung erfolglos. ' 

Was endlich die räumliche Ausdehnung der aljo nad) allen Sei- 
ten beichränften Autorität des römifchen Königs betrifft, jo erſtreckte 
ih diefe nur auf Deutfchland und Hochburgund. Wir befigen 


ı 3.8. Beg. Heinr. or. 18. 20. 22. 25. 31. 36. 40. 41. 42. 43. 58 
(mit Mobificationen). 56. 92. 108. 111. 112. 118. 120. 121. 122. 181. 
134, 172. 254. Böhmer, Reg. 5. LXXXVU. H. B. II, 391. ' 

2 3.8. Reg. Helar. nr. 56. 92. 

ö Reg. Heinr. nor. 106, vielleicht erft auf ausdrüdlichen Befehl bes Kai: 
fers, den der frangöfifche Gefandte, in berfelden Zeit auch zu Eremona zeit: 
weilig anweſend (Reg. Frid. nor. 594), ausgewirkt haben mag. 


25 


auch nicht eine einzige Urkunde Heinrichs von 1220 an, welche ita- 
fienifche oder arelatifche Angelegenheiten behandelte !. 

So fehen wir das Verhältniß der deutfchen Regierung zum Kai⸗ 
jer nicht ganz unbeftimmt. Traten nun Smijtigfeiten ein, welche 
Ice ee vernichteten, fo können fie nur da gefucht werden, 

wirffich jelbjtändig handelt. Grit feit dem Ende bes 
Yahres 1928 kann er für dasjenige verantwortlich gemacht werden, 
was ihm das Mißfallen und die Unzufriedenheit nicht nur des Va— 
ters um" Kaiſers, ſondern auch der meiften Fürften zuzog. Daß 
Heinrich ein lockeres Leben liebte und an feine Che mit Margaretha 
von Oeſtreich wenig dachte*, wird ihm biefer Vater faum, der Kai- 
jer gewiß nicht zum Vorwurf gemacht haben: feine Vergehen müffen 
politiicher Art gewejen fein. 

Wenn es wahr ijt, daß der Kaifer nach der Rückkehr aus Pa- 
läftina dem Könige befohlen, ihm in Italien zu Hülfe zu kommen >, 
jo mag in der Nichtbefolgung dieſes Gebotes der erjte Anlaß zu 
Zwiſtigkeiten gelegen haben. Indeſſen war Heinrid) damals felbft 
vollauf durd) den Kampf gegen Baiern und Etraßburg, melde die 
Partei des Papftes ergriffen, beichäftigt, und jene Nachricht hat an 
fich nicht eben viel Werth. Wichtig aber ift, daß die Stellung Bai— 
erns zum Könige eine fehr gefpannte blieb. Nun überwarf fid) Hein- 
ri aber auch mit feinem Schwager Friedrich) dem Streitbaren, dem 

jungen Herzoge von Dejtreih. Wahrſcheinlich von Böhmen aus bes 
anflußt, erklärte er feine Ehe mit Margarethe von Oeſtreich wegen 
der früheren vom Kaifer felbft aufgehobenen: Verlobung mit Agnes, 
der Schweſter des damaligen Königs von Böhmen, für ungültig, und 
wollte fich ıumter dem Vorwande, daß die Mitgift noch nicht ausge: 
zahlt fei, von feiner Gemahlin, nachdem fie ihm einen Sohn geboren, 
trennen. Mochte dies das Werk fremden Einfluffes oder ein Nadj 
Hang feiner jugendlichen Xicbelei fein, — verfehrt genug war die Ab- 
fiht, wenn wir bedenken, daß, im Falle die che Friedrichs von Oeſt⸗ 
reich mit Agnes von Meran kinderlos blieb, wie es geſchah, Heinrich 
die nächſten Anſprüche auf Oeſtreich hatte. Glücklicher Weiſe brachte 
der Abt von St. Gallen den König von dem unſeligen Vorhaben ab 


2 Seine fpäteren hochverrätherifchen Verbindungen mit den Tombardifchen 
Städten der Oppofition fommen natürlich bier nicht in Betracht. — Rex gi- 
alie nannte er felbft fich zulegt am 5. Febr. 1217, feitdem nie. Aber in uns 
teritalifhen Urfunden, nanıentlich Notariatsinfirumenten wird ihm dfter biefer 
Titel gegeben ünd feine Regierungszeit von 1212 an gerechnet: 15. Dez. 1221 
sono IX. regni Henr.; H. B. Hist. dipl. introd. LV. — Aug, 1223: anno 
XL regni; A. B. II, 361. — Febr. 1235: anno imp. dom. nostri Frid. etc. 
et XXII. anno regni domini nostri Henrici regis Sicilie et Ytalie eius bene- 
meriti il; H. B. IV, 520. Tann fhon nad dem Mißlingen der Empö— 
mung: 5. Oct. 1285: 'Frid. anno etc. atque cum eo regnante dom. nostro 
Henrico glorios. rege — anno XXII.; H.B. IV, 780. 

3 Schirrmacher ©. 181 ff. 

S Manda a son fil en Allemaigne, qu'il le secourust a son pooir. Ber- 
nard. thes. bei Guizot, Coll. des me&moires. XIX, 424. 


zur Zufriedenheit Aller, „weiche an dem guten Zuftande des Rechtes 
und des Reiches feithielten“ !. "Doch dauerte der Streit über bie 
Mitgift fort, und auch Deftrei war dem Könige entfremdet. In 
des Kaifers Abfichten lag es gewiß nicht; fchon die Zeitgenoffen fa- 
hen in jenen Umtrieben eine Auflehnung?. 

Fügen wir hinzu, dag Heinricd um das braunfchweigifche Allod 
aud) mit Otto von Lüneburg verfeindet war, daß bie etzge⸗ 
bung unter ihm eine ſo eigenthümliche Richtung genommen, daß ſie 
nothwendig böſes Blut erregen mußte, und dazu nicht eimmal conſe⸗ 
quent war, fo wird Far, wie es allmählich dazu fommen mußte, daß 
die bedeutendften Fürften zu den Gegnern des Königs zählten. 

Alles aber, was Deutjchland und überhaupt das Reich in Ver⸗ 
wirrung fette, follte, nachden Friedrich II. mit Gregor IX. im Aug. 
1230 Frieden gefhloffen, auf einem allgemeinen Reichstage geordnet 
werden. Diefer Reichstag von NWavenna, auf den 1. Nov. 1231 
berufen, dann vertagt und "nach Friaul verlegt, hat feine eigene Ge⸗ 
ſchichte; uns geht nur dasjenige an, was auf das Verhältniß Hein- 
richs zum Kaiſer Bezug Hat. 

Friedrich hatte feinem Eohne befohlen zum Reichstage zu kom⸗ 
men — er fam nicht; er verfuchte nicht einmal durch die Lombardei 
zu dringen oder wie andere Yüriten auf dem Seewege nad) Ravenna 
zu gelangen. Friedrich ging gerade der deutſchen Angelegenheiten 
wegen nad) Friaul und wiederholte feinen Befehl?. Auch jett noch 
zieht Heinrich ruhig in Yranfen und Schwaben herum*. Immer 
verdächtiger wird fein Benehmen. Den Städtebund am Rhein und 
Main, den er 1226 aufgehoben, fcheint er jett anzuerkennen, indem 
er den Städten Frankfurt, Friedberg, Gelnhaufen und Weklar ges 
meinſame Begünftigungen ertheilt?. Nun behauptet er fogar, fein 
Bater habe ihn größere Machtvollfommenheiten gegeben, und deshalb 


ı Schirrmacher S. 181 nad) Conrad von Pfeffer? Casus monast. s. 
Galli, Mon. Germ. 88. II, 180. Der Bericht ift zuverläflig und ziemlich aus⸗ 
führlich, aber es fehlen die Zeitangaben. Doch müſſen die Intriguen jeden⸗ 
fall3 nad) dem Tode Leopolds von Deftreich, d.i. 28. Juli 1230, und vor der 
Zufammenkfunft zu Pordenone im Mai 1232 (f. u.) flattgefunden haben. 

2 Offenderat enim in multis patrem suum et in hoc maxime, quod no- 
bilem matronam dom. Margaretham — deserere voluit et sibi assumere sororem 
regis Boemie. Ann. Worm., Böhmer, Font. Il, 178. / 

s Friedrich jagt 1235 in feinem Manifeft gegen Heinrich mit Bezug auf 
dejlen ungebörige Regierung: Quod ubi nobis innotuit....non potuimus cum 
patientia tolerare, quin personalem subiremus laborem circa fines Alemanie 
veniendi. H. B. IV, 525. — Postmodum accedens ad partes Aquilogie 
mandarit filio suo .... ut sibi in occursum veniret. Ann. Argent. (Chron. 
Marb.), Böhmer, Font. Ill, 107. 

* 41231, 5. Nov. Augsburg, 22. Nov. Um, 21. Dec. — 1. Jan. 1232 
agenau, 15. Jan. Nürnberg, 20. Febr. Gelnhaufen, 25. Febr. Würzburg, 
7. März Augsburg, 

® Reg. Heinr. 255. H. B. IV, 563. Auch fpäter anı 29. Mai 1234 
ſchreibt er dem Burggrafen von Friedberg und den Schultheißen von Frank: 
furt, Weblar und Gelnhauſen zufammen. Beg. 332. 





pflichtet fi) Heinrich, unbedingt den mimdlichen oder fchriftlichen Be 
fchlen des Kaifers zu gehorcdhen, nichts zu thun, was demfelben au 
vand, Chre, Würde und Perfon Nachtheil bringen könne und alle 
feindlichen Rathſchläge und Rathgeber von fich fern zu halten; wenn 
er dieſes Verſprechen nicht erfülle, fo wolle er der Zreupflicht der 
Fürſten verluftig fen und ohne Weiteres in die Ercommmmtication 
verfallen, der er ſich für diefen Fall freiwillig und im Voraus unter 
warf !. Indeſſen muß der Kaifer dieſem Verſprechen wenig getraut 
“Haben; denn auf Heinrichs dringendes Erſuchen übernahmen nod) 
zwölf Fürſten, der Patriarch von Aguileja, die Erzbiichöfe von Salz: 
burg und Magdeburg, die Bifchöfe von Negensburg, Bamberg, Würz- 
burg, Worms und Freifing, der Abt von St. Gallen und die Her: 
zöge von Sachſen, Meran und Kärnten, der Art eine Garantie, 
daß fie durd) den Bruch jenes Gelübdes von felbjt ihres Treuſchwurs 
ledig und dem Staifer zum Beiftande gegen den König verpflichtet 
jein . So war wenigſtens äußerlid) das gute Sinvernehmen her: 
gejtellt, und Heinrich erfcheint in den Urkunden wieder ald der ge: 
liebte Cohn. 

Vor allen Dingen fam es darauf an, das wieder auszugleichen, 
was Heinrich in den Teßten Jahren ſchlecht gemacht $_ und wodurch 
der Unwille ſowohl des Naifers als auch der Fürſten erregt worden 
war. Jenes Berfahren, durd) welches Heinrich Furz vor feiner Reiſe 
Worms zu gewinnen verfuchte, wird nicht vereinzelt geblieben fein, 
und ebenfowenig die Reaction dagegen, obwohl aud) in diefer Be- 
ziehung nur Worms ein genügendes Beifpiel bietet. Nun wurbe 
der Bifchof ermächtigt das Gemeindehaus nicderreigen zu laſſen und 
die Acht über die Mitglieder des von Heinrich gejtatteten Stadtrathes 
anzgefprochen *. 

Auch den verfehrten Streit, welchen Heinrich mit riedrich von 


Oeſtreich angefangen, gedachte der Kaiſer in Friaul beizulegen. Aber . 


der Herzog blich wiederholten Aufforderungen zum Trotz fort, ımd 


er noch andere Nechte erhalten, hier wäre der Ort gemwefen fie zu ermähnen. 
Daß er fortan öfter als früher Afte feine? Vaters beftätigt, hat feinen Grund 
in der Ängftlihen Fürſorge der Privilegieninhaber, die fid) bei dem drohenden 
Gonflicte nach beiden Eeiten zu ſichern fuchten. 

ı Tie urfprüngliche Urkunde ift bis jet nicht befannt, aber fie warb 
von Heinrich wiederbolt in einer Beurkundung an ben Papſt d. Augsburg 4. 
Idus Apr. (10. April) 1233. ind. 2, H. B. IV, 953. Hier wird willfürli) 
geändert 1232. ind. 5., was Schirrmacher S. 326 angenommen. Die Indie 
tion iſt unzweifelhaft falfh; nah 1232 kann die Urf. nicht achören, weil 
Heinrih damals in Gividale war, nad) 1234 nicht, weil die Empörung ſchon 
AP &o bleibt nur 1233, und bierzu flimmt aud das Stinerar 
Heinrichs. 

2 Reg. Heinr. 259. Mon. Germ. L. Il, 290. H. B. IV, 325. Schirr⸗ 
naher ©. 206. 

3 Ubi convenissent tractare ceperunt de statu regni et de pace refor- 
manda. Chron. Marbac., Böhmer, Fontes Ill, 107. Annal. Salisb,, M. G. 88. 

, 785. 


* Reg. Frid. 725. 726. H. B. IV, 335. 336. Schirrmacher ©. 208 fi. 


29 


at, als fich der Kaiſer nach Pordenone (Portenan), einer öftreichi- 
(den Enclave, begab, kam jener ebendahin !. Wahrfcheinlich wurde 
hier der Streit über die Mitgift geordnet, merkwürdig genug ver- 
ſprach Friedrich II. dem Herzoge noch 8000 Mark, um nur bie 
Zade zu Ende zu führen? Agnes von Böhmen aber, zu deren 
Leiten Heinrich ſich hatte von der Oeſtreicherin trennen wollen, ging 
im folgenden Jahre in ein Klofter?. — 

Mit der Rüdkehr Heinrichs aus Friaul (Mai 1232) beginnt 
der dunkelſte Abfchnitt in dem Leben bes verirrten Königs. Weil 
ihm bei feiner legten Anmefenheit zu Regensburg nicht das geleijtet 
fi, was ihm als König und Herr gebühre, legte er am 1. Yuli 
1232 den Kaufleuten dafelbft eine Geldjtrafe auf, fir welche er allen 
Groll aufzugeben verſpracht. Welche Veranlaſſung vorgelegen, ift 
ımbefannt. ' 

Der nächſte Hoftag, welchen König Heinric) im Auguft 1232 
zu Frankfurt abhielt, bejchäftigte fich vornehmlich mit der Wormfer 
Verfaſſungsfrage, für, welche jet nur die leßten gegen die Bürger 
gerichteten Erkenntniſſe des faiferlichen Hofes (f. 0.) zu Recht be⸗ 
jtanden. Sehr hedenflih, wenn Heinrich ſchon jetzt ſchwankte oder 
gar weitergehende Abfichten hatte Gr beftätigte am 3. Auguft den 
Wormſern ihre hergebrachten Freiheiten ° und beftärfte fie in dem 
Widerſtande gegen den Bifchof®. Aber in defjen Sache fahen die 
Fürſten mit Recht ihre eigene, und auf Anweifung des gefanımten 
Fürſtenrathes mußte der König ſchon am folgenden Tage im An- 
ſchluß an die Gefege von Ravenna und Cividale den Stadtrath und 
die Arüderfchaften aufheben. Eine Commiſſion, zum Theil. aus fpä- 
teren Gegnern Heinrichs beftehend, follte die Stadtverfaffung neu 


3 Mir baben nur einen Bericht von Faiferliher Seite von 1236. Petr. 
d Vin. Ill, 5. H. B. IV, 882. Der Raifer ging demnach nad) Pordenone, 
ot, si molestum sibi fuerat in civitatibus nostri imperii nos vidisse, ad ter- 
ram suam pro nobis accedere non vitaret, wohl auf Grund des Privil. mi- 
nes: Dux vero Austrie de ducatu suo aliud servicium non debet imperio, 
nisi quod ad curias, quas imp. prefixerit in Bawaria, evocatus veniat.: Der 
Kaiſer war c.10—20. Vai in Pordenone, der Herzon ftellt bier eine Urkunde 
aus 19. Mai 1232, H. B. IV, 363, not. 1. Daß beide zufanımentrafen, fa: 
sen Ann. Salisb. 1. c. 

" 2 Pro sopienda lite, quam in exactione dotis sororis sue fillus noster 
jare et viribus attentabat. Friedrich 1236 1. e. Wohl erit nach diefer Zus 
fammenfunjt (jedenfall3 nach 16. Sept. 1231) reifte der Abt von St. Gallen 
im Auftrage Heinrichs nach Oeſtreich und prospere in omnibus se agebat, 
Cas. s. Galli, M. G. 88. II, 181. — 1233 wenigſtens waren die Feinde bes 
Königs und bes Herzogs diefelben, nämlich der Herzog Otto von Baicrn. 
sssumpeit habitum pauperam dominarum. M. G. SS. IX, 171. 

* Reg. Heinr. 264. 265. Der Aufenthalt des Königs fällt wohl zwi- 
ſchen 24. Mai und 29. Juni 1232. Die Sade ift auffällig, weil Regens— 
kurg, als Heinrih 1229 den Herzog von Baiern befricate, ihm beiftand und 
1230 von Friedrich gewiſſe Freiheiten erhielt. Reg. Frid. 678. 

5 Reg. Heinr. 271. H. B. IV, 579. Schirrmacher ©. 210. 

* Ipse enim multum confortavit cives, quia favebat eis in omnibus. 
Ann. Worm., Böhmer, Fontes IT, 161. . 





30 


ordnen ımd im Namen des Reiches an Stelle des aufgehobenen Ra⸗ 
tes die Stadt in vorläufige Verwaltung nehmen!. Aber aud) jegt 
verzögerte ſich die Entſcheidung, und erſt im Beginn des folgenden 
Jahres brachte der Druck des Interdicts die Bürger zur Anerken⸗ 
sung eines Schiedögerichts, welches den langen Streit ziemlich zu 
Gunſten des Biſchofs beendigte (Schirrmader S. 214). 

Eoviel ift Har, daß Heinrid bald nad) der Rüdfehr von Friaul 
feine frühere Politif zu Gunften der Städte wieder fortfegte und 
ichon dadurch ſich mit dem Kaifer in Widerfprud) befand. Jene 
Parteinahme für die Städte fteht nicht vereinzelt?: bei einer Fehde 
zwifchen den Bürgern und dem Biſchofe von Metz trat der König 
entjchieden auf die Seite der Bürger. Diefelben gewannen ferner 
den Grafen Heinrih von Bar, den der König noch befonders mit 
ihrem Schuge beauftragte, und den Herzog von Yothringen für ſich, 
während der Bifchof bei den angränzenden franzöftichen Großen Hülfe 
ſuchte. Nun forderte aber Heinrid) auf Grund der alten Verträge, 


2 Darüber zwei Urfunden 1232, 4. Aug., Böhmer, Font. U, 219. H.B. 
IV, 581, und 8. Aug., H. B. IV, 954. Beide haben nur gemeinfam, daß ber 
Stadtrath aufgehoben wird, im Webrigen ift ihr Inhalt fehr verſchieden. Zu: 
erft erhält die Commiſſion ben Auftrag das Verhältniß ber Stadt zum Bi: 
ſchofe zu orbnen, ut cum episcopo consedeant et ad honorem nostrum et 
ipsius episcopi de statu civitatis ordinent et disponant, — nad ber zweiten 
Urkunde aber fol fie am 29. Aug. an bie Stelle bes bisherigen Stabtrathes 
als interimiftifhe Verwaltungsbebörbe treten und demgemäg die Bürgerfchaft 
ihr ſchwören: consilium vestrum .... dimittatis super consilium nostrum et 
juretis banni justiciam super nos et consilium nostrum, wa3 Schirrmacher 
©. 213 irrig überſetzt: „daß ibr auf unfern Rat euern Rat .... fallen laßt 
und den Gid fchwört .... und und unferem Rath Folge zu leiſten“. Die 
Hauptfrage aber ift, wie find biefe Verfügungen mit dem entgegenflehenden 
Privileg vom 3. Auguft zu denken? Tie Anfiht, daß die Aufhebung bes 
Stadtrathes eine Ausnahme von dem Privileg fei oder durch Furcht vor dem 
Kaiſer veranlagt (H. B. IV, 581, not. 1), ijt nicht haltbar. Im erften alle 
batte das Privileg wenig Werth, im lekteren ift nicht abzufeben, weshalb 
Henri fi nicht am Tage vor ber Aufbebung des Stadtrathes gefürchtet. 
Am Wenigſten verftebe ich bie Löfung, welche Schirrmacher gegeben. Er er: 
klärt das Privileg vom 3. Auguſt aus der Abficht: „den Streit zwifchen dem 
Bifhofe und den Bürgern zu einem gleihen (?) zu machen“, und meint, bie 
Sache babe fih jo heillos geftaltet, „daß ber König, um bie Wirren zu Töfen 
und allen Tbeilen gerecht zu werben, einen Ausweg ſopbiſtiſcher Art einfchla: 
gen mußte, der dem gefunden Menfchenverftande der Wormſer nicht einleudhs 
tete und bem Könige bei der Nachwelt den Verdacht ber Toppelzün igfeit ein- 
brachte”. Die Sade ift auch ohne Sophiämen zu löſen. In der Privilegien: 
beftätigung vom 3. Aug. beruft fi) Heinrich auf größere Vollmachten, die ihm 
fein Vater ertbeilt — eine Behauptung, bie ſchon oben gewürbigt if. Aber 
die Fürſten wiefen ihn zurecht: instructi de plenitudine consilii nostri muß 
ber König ben Stadtratb aufheben. Es ift einfadh ein Gegenfaß ber vom 
Kaifer begünſtigten Politik der Fürften, die eben durch Reichsgeſetze anerfannt 
war, und ber perlönlichen Abfichten Heinrichs, „der ben Bürgern in Allem 
günftig war“. Grflere hatten da3 Uebergewicht. . 

® GScdirrmader ©. 215 rechnet dazu auch das Bünbniß, welches Hein: 
rid 8. März 1233 mit dem Biſchofe, den Dienfimannen und Bürgern von 
Straßburg abſchloß. Aber bier ift ja nerade der Bifchof einaeichloiien! 





32 


Ketzer den weltlichen Gerichten. überwieſen; der König verſprach zur 
bejjeren Handhabung des Rechts wöchentlich zu Gericht zu figen, und 
befahl allen Fürften, Grafen und fonftigen Richtern das Gleiche zu 
thun. Namentlich aber wurden hohe Strafen zur Aufrechthaltung 
des Yandfriedens feſtgeſetzt. Die geiftlichen und weltlichen Fürſten 
verfprachen in die Hand des Könige Unterftügung zur Unterdrüdung 
des Friedensbruchs, er felbjt aber die den Fürſten und Edeln ver: 
liehenen Privilegien zu achten. — Welcher Antheil an dem in diefem 
Geſetze ausgefprochenen Rechtsgefühl Heinrid) gebührt, mag dahinge- 
ſtellt bleiben; er felbft hat zuerft dagegen gehandelt. 

Daß der Kaifer von den Vorgängen in Deutfchland nichts ge 
wußt, läßt fid) nicht denfen. Im Gegentheil wußte er wohl mehr 
als wir, und bedachte alle Eventualitäten. Aber er war damals in 
weit ausfehende Streitigkeiten mit den lombardifchen Städten ver: 
widelt, ja eine Zeitlang fogar in Gefahr, darüber mit dem Papſte 
aufs Neue zu zerfallen. Indeſſen als ſich die deutſchen Angelegen- 
heiten immer bedenklicher geftalteten, kam es bejonders darauf an, 
nicht Papft und Yombarden zur Gegenpartei hinüberzudrängen. Jetzt 
war Friedrich gefügig wie nie: den Streit mit den Yombarden legte 
er ganz in die Hände des Papftes, er leijtete dieſem nachdrückliche 
Unterftügung mit fietlifchen und dentfchen Truppen gegen die auf 
rührerifche Refidenz, er bot auf einer Zufammenkunft zu Rieti (Som 
mer 1234) dem Papfte feinen zweiten Sohn Konrad als Geißel für 
die Aufrichtigfeit feiner Kreundfchaft und hatte dafür die Genugthuung 
Gregor IX. gänzlich zu gewinnen!. Wahrſcheinlich wurden fchon 
hier gemeinfame Mafregeln gegen Heinrich verabredet, vielleicht aud) 
ſchon feine Abfegung in Ansficht genonmen. Denn am 5. Yuli 
beauftragt Gregor den Crzbifchof von Trier, die Klagen, welche ge 
gen den „Edeln“ Heinrich geführt wurden, zu unterfuchen, und wenn 
fie wahr wären, ohne Weiteres die Excommunication über ihn aus⸗ 
zufprechen, die derfelbe in Friaul für diefen Fall auf fid) gerufen?. 

Diefe Klagen mehrten ſich fortwährend. Den zu Frankfurt 
verfündeten Yandfrieden benugte Heinrich dazu die Anhänger des Kai⸗ 
fers mürbe zu mahen. Unter dem Vorwande, daß von den Schlöf- 
fern der Hohenlohe der Friede gebrochen werde, ließ er diefe durch 
feine Anhänger zerftören. Dennoch gehorchte er noch, als der Kaifer 
für die Verlegten Echadenerfag forderte!. Schon früher hatte der 
Marfgraf Hermann von Baden feinen Sohn als Geifel jtellen müſ⸗ 


? GSchirrmader 234. 331, Aum. 7. — Ich füge eine wichtige Notiz 
ans Vita Greg. hinzu, nad) welcher Friedrich gerade ein Einverſtändniß gegen 
Heinrich fuchte: pro imminente sibi necessitatis eventu contra filium Heinri- 
eum in ipsius iuris injuriam sibi jura imperii vendicantem. 

® H. DB. IV, 473. 

5 Heinrichs Manifeft: nostra nos compulit pecunia reparare et nomina- 
tim castrum Langenberc .... a patre nostro iussi fuimus revocare.. Quod 
cum de jure et salvo honore facere non possemus, .... duo milia marcarum 
de camera nostra in restaurum castri dedimus. 


33 


jen, erhielt ihn aber ebenfo wie Herzog Dtto von Baiern auf Befehl 
Friedrich zurück!. Jetzt bedrängte Heinrich den Markgrafen auf 
andere Weife. Die Bergwerfe und den Wildbann im Breisgau, 
über weldye Hermann mit dem Grafen Egeno von Urad)- Freiburg 
firitt,, fprad) er dem Bifchofe von Baſel zu, und diefer befehnte fei- 
nerjeitS den Grafen, einen Anhänger des Königs, mit den ftreitigen 
Objecten?. erner wurde der Markgraf gezwungen, von der Pfand- 
fumme, fir welche er feine Anſprüche auf das welfifche Allod an das 
Königshaus verfauft hatte, einen Theil abzulafjen. ‘Der Markgraf 
. willigte ein, begab ſich aber fogleich nach Italien zum Kaifer, der 
jene ung widerrief und die Pfandrechte Hermanns anerfannte>. 
Bei Friedrich fammelten ſich alle, welche vom Könige gefchädigt wa- 
ren, und erhielten hier Anerkennung und Herſtellung ihrer Rechte. 
Es konnte nicht fehlen, daß durch die wiederholten Widerrufe feiner 
Handlungen ſich die Erbitterung des Königs fchärfte*; nun fam aud) 
noch jenes Decret Gregors vom 5. Juli nad) ‘Deutfchland, und vom 
Raifer liefen drohende Mahnungsfchreiben ein, daß er, wenn ber Kö— 
nig fo fortfahre, jeden Verkehr mit ihm abbrechen werded. Schon 
im September 1234 war Heinrich zum Aeußerften entjchloffen. 

Am 2. September erlich der König ein Manifeſts, welches, von 
gefchickter Hand verfaßt, zuerſt alle Verdienfte Heinrichs um Kaifer 
und Reich aufzählte: die -Unterdrüdung der Umtriebe des Kardinals 


Lu 


! Filium ducis Bavarie, quem obsidem habuimus pro utriusque cautela, 
et filium marchionis de Baden, quem sponte et ultro nobis obtulit, immo 
devotius supplicavit, ut ne aliquam de ipso diflidentiam haberemus eum in 
obsidem recipere dignaremur, per dura precepta patris nostri, quibus con- 
traire nec volumus nec debemus, non sine maxima verecundia restituere co- 
gebamur. Ibid. Daß der Markgraf freiwillig feinen Sohn angeboten, mag frag: 
lich fein. Was war aber der Grund ber diffidentia? | Die Gcikelitellung bat 
miü ber von Baiern gleichzeitig flattgefunden, Sept. 1233. Ohne jedoch weitere 
Schluſſe daraus ziehen zu mollen, bemerfe ich, daß der Herzon von Baiern 
und ber Markgraf von Baden außer dem Könige Anfprüche auf Braunſchweig 
Batten. 

2 H.B. IV, 629. 639. 

s H.B. IV, 500. Am 10. Juli 1234 ift er zuleßt bei Heinrich, im 
Rovember am faiferlihen Hofe. Propter multa mala, que pullulabant in 
terra, marchio de Baden profectus est in Syciliam ad imp., suggerens ei, 
quod intraret Alemanniam pro statu regni ordinando. Quod tamen indigne 
talit Heinricus. Ann. Argent. (Chron. Marb.), Böhmer, Fontes III, 108. 

* Biquidem nobiles et magnates, vassallos et ministeriales seu alios 
quoscunque venientes ad ipsum et detrahentes hinc inde nobis, eis credulas 
aures adhibendo audit et exaudit, dans litteras et mandata revocatoria de 
faetis nostris in non modicam nostram ac suam et imperii lesionem. Nein: 
richs Manifeſt. 

6 tteras durissimas et mandata nobis dirigit inconeueta. — Quasdam 
eomminationes addidit inconsuetas, videlicet si in aliquo eorum, que nobis 
mandavit, inveniremur etiam in minimo negligentes, quod nuntics et litteras 
nostras de cetero non reciperet nec audiret. Ibid. 

* Zn einer Ausfertigung für Bifhof Konrad von Hildesheim, Schannat 
Vind. litt. I, 198, und darnach H. B. IV, 682 ff. 


3 


Dtto zur Zeit des Streites mit dem Bapfte, die beiden Feldzüge 
gegen Baiern, das Landfriedensgeſetz und die Berftörung der Raub: 
burgen, zu welchen aud) die Schlöſſer der Hohenlohe gezählt werden. 
Dann folgen die Befchwerden über den Kaifer: diefer habe in das 
Recht Heinrichs vakante Lehen zu vergeben eingegriffen, ihn gezwun⸗ 
gen, die Hohenlohe zu entfchädigen, die Verpfändung der für das 
Reich nüglihen Stadt Nordhaufen gutzuheißen, die Söhne des 

3088 von Baiern und des Markgrafen von Baden freizulaffen. 
Berläumdern irre geleitet, widerrufe Friedrih die Alte des Könige 
und habe erft fürzlich beim Papſte durchgefeßt, daß Heinrich ercom- 
municirt werden folle!. Deshalb fchidle derfelde den Erzbifchof von 
Mainz und den Biſchof von Bamberg zum Kaifer und bitte alle 
Fürſten, „da das Reich befondere auf ihnen beruht“, mit ihm für 
die Erhaltung des Friedens zu wachen und den Kaifer zu erfuchen, 
daß er die Ehre des Königs nicht mindere, der niemals etwas geiben, 
was der väterlichen Liebe mißfalfen oder die faiferlihe Majeſtät be- 
leidigen könnte. 

So geſchickt nun aud) der gewandte Verfaſſer des überaus werth- 
vollen Echriftftüdes die Schuld des Zerwürfniſſes gänzlich auf den 
Kaifer zu fchieben fucht, fein Standpunkt ift durch umd durch eine 
Verkehrung des Rechtes und wird gefennzeichnet dadurch”, daß er 
auch nidyt mit einer Silbe der Vorgänge in Friaul erwähnt, nicht 
ber feierlichen Verpflichtung Heinrichs in Allem dem Vater unbedingt 
zu gehorchen, nicht der im anderen Falle fchon damals feitgefeßten 
Strafen, de8 Kirchenbanns und der Entfegung. ine ernitliche Aus- 
föhnung hat Heinricy aber mit dem Auftrage, welchen er feinen Ge- 
fandten gab, volljtändige Unterwerfung anzubieten’, fchwerlich be- 
zwedt; denn unmittelbar nad) ihrer Abreife wurde auf einer Ver⸗ 
fammlung zu Boppard offen die Empörung erklärt 

Friedrich feinerfeits, nachdem er mit dem —* ſich vollftändig 
geeinigt, eilte nun aud mit der lombardiſchen Oppofition ins Reine 
zu fonımen. Etwa im September erneuerte er den Compromiß auf 


U quod per quosdam Alemannie principes denuntiati debueramus ex- 
communicationis vinculo innodari .... nec commoniti nec citati. Alſo war 
Heinrich noch nicht gebannt, am 11. Sept. ift auch noch ber Erzbiſchof von 
Trier am Hofe; Reg. 354. Uber in biefen Tagen wird der Bann ausge- 
ſprochen worden fein, in weldhem Heinrich bis zu feiner Unterwerfung blieb. 

2 Schirrmacher ©. 236. 

5 quos ad nostram praesentiam destinavit, per quos se nobis paratum 
exposuit ad omne nostre beneplacitum majestatis. Kaiſerliches Manifeſt. — 
Schirrmachers Angabe, ©. 237, nach welcher die Geſandten mit dem Kaiſer 
pro divisione regni (|. u.) unterhandeln folten, fchlägt ſich durch bie eigene 
Anmerfung. — Am 30. Aug. find die Geſandten zulegt am Hofe Heinrichs, 
H. B. IV, 681, ber Erzbiſchof im Nov. 1234 zu Aprocina bei Friedrich, ber 
ibn hoch begnabdigt. Bon einem Wirfen zu Sunften Heinrich Fonnte nad 
den Vorgängen, welche ihrer Abreife folgten, kaum die Mebe fein; nad) ihrer 
Rüdtehr waren fie für den 1 nailer thätig. 

Schirrmader S. 238 ff. 





30 


Man hat neuerdings auch dem Papfte Gregor IX. ein heimli: 
des Einverſtändniß oder wenigſtens eine „Connivenz“ mit dem ver- 
rätherifchen Könige vorgeworfen '. Ich glaube, e& wird Far gemwor: 
den fein, daß es mut unferer Kunde von den Creigniffen biefer 
Jahre, welche offen vor den Augen der Zeitgenojjen vorgingen, nicht 
zum Beſten beftellt ift: wie fünnen wir unter diefen Umſtänden das 
Heimliche in unſere Betrachtung ziehen? Aber jener Vorwurf wird 
an ſich durch die einfachen Thatſachen beſeitigt: am 5. Juli 1234 
giebt Gregor den Auftrag Heinrich zu bannen (ſ. o.); er bewegt 
ſelbſt den König von Frankreich die Anträge Heinrichs zurückzuweiſen; 
am 13. März 1235 (Rayn. 59) fordert er die deutſchen Fürſten 
auf, „den Sohn des Kaiſers“ — ſeit dem 5. Juli 1234 nennt er 
ihn nicht mehr König — auf den richtigen Weg zurückzuführen und 
erklärt alle gegen den Kaiſer geleiſteten Eide für ungültig; ſpäter 
beſtraft er die Prälaten, welche Heinrich unbedingt zugeſchworen. 
Es bedarf keiner anderen Widerlegung der übereilten Anklage. 

Die Lombarden blieben die einzigen ausländiſchen Bundesgenoſ⸗ 
fen Heinrichs. Denn England war damals durch die in Ausſicht 
genommene Vermählung des Kaifers mit der Schweſter König Hein» 
richs III. gefefjelt und Frankreich dur) den Papft über die Trag— 
weite einer folchen Verbindung beruhigt und veranlaßt worden, die 
Anträge des Königs, welche ebenfalls auf eine Verſchwägerung hin- 
ausliefen, zurückzuweiſen (Schirrmacher ©. 242 ff.). 

In Deutfchland felbft Hatte Heinrich) ſogleich nad) Erlaffung 
jeines Manifeſtes und der Erklärung von Boppard begonnen gegen 
überaus hohen Sold Mannſchaft zu werben. Die Hauptſache aber 
blieb, die Stände des Neiches für den bevorftehenden Kampf zu in- 
terejfiren. Gewiß war die Schwenfung, weldye Heinrich fchon 1232 
zu Sunften der Städte gemacht, auf ben jetigen all berechnet; nun 
forderte er um fid) ihrer zu verfichern Geißeln aus den erjten Fami⸗ 
lien namentlid) der rheinischen Städte und einen Schwur gegen SYe- 
dermann ohne Ausnahme ihm beizuftchen. Die meiften Städte füg- 
ten fi), zulegt aud) Speier; nur Worms, welches gerade von Heinrich 
begiinftigt war, blieb dem Kaiſer treu und verweigerte jeden Schwur, 
in den derfelbe nicht eingefchloffen war; weder Verfprechungen noch) 
Drohungen richteten hier etwas aus (Schirrmacher S. 239). 


gatos in Alemanniam direxerunt (nämlid) Mailand, Brescia und Bologna) 
et cum eo contra imperatorem societatem firmissimam statuerunt. Monach. 


Patav., Murat. 88. VIII, 674. ul. Ann. Argent. (Chron. Marbac.), Böhmer, 
Font. III, 108. Ä 
ı 


Schirrmacher ©. 237 ff. 242. Gr ftüßt fi auf Chron. de rebus in 
ltal. gestis, ed. Huillard-Br&holles chron. Placent. p. 15%: Mediolanenses, 
Brixienses, Bononienses miserunt in Alamaniam ambaxatores coram rege 
Henrico, et hec de mandato pape Gregorü tractabantur, — beſonders ba ber 
Verfaſſer felbft guelfiſch aefinnt fe. Das Gegentheil aber findet ftatt, ber 
Verfaſſer ift durch und durch Ghibelline, und da er erft 1274—1284 vollfom: 


men gleichzeitig ift, bat feine Angabe den Urkunden gegenüber nicht das ge: 
ringſte Gewicht. 


37 


Bon den großen weltlichen Fürften konnte Heinrich kaum einen 
Ginzigen zu feiner Partei zählen, höchſtens feinen Schwager, Herzog 
griedrih von Oeſtreich!, um deffen willen er fid) 1231 den Zorn 
des Kaifers zugezogen. Bald nad) der Friauler Zufammenfunft fand 
aber eine Ausföhnung zwifchen dem Könige und dem Herzoge ftatt, 
vermittelt durch den Abt von St. Gallen, und fchon 1233 haben 
beide einen gemeinfchaftlichen Gegner, nämlich den Herzog von Baiern. 
Ob es aber zu einem bejtimmten Abfchluße zwifchen ihnen gekommen, 
wilfen wir nicht; jedenfalls war eine folche Verbindung jehr. natürlich), 
und das zweideutige Benehmen des Herzogs Friedrich, als der Kaifer 
jein Land durchzog, fein fpäterer Verſuch Heinrich” zu befreien, die 
Aufnahme des geächteten Marſchalls Anfelm von Yujtingen zeigen 
wenigftens, daß er den Plänen Heinrichs nicht ganz fremd war. 

In Bezug auf die Prälaten war es entfcheidend, daß Gregor IX. 
gegen den König für den Kaifer Partei genommen. Die hohen Kir⸗ 
denfürften, wie die Erzbifchöfe von Köln und Trier, zogen fich ach 
den Bopparder VBorgängen- von Heinrich zurüd, letterer wurde da⸗ 
mals wohl gebannt (j. o.). Der Erzbiſchof von Mainz und der 
Biſchof von Bamberg, deren Verſöhnungsmiſſion durch die offene 
Empörung des Königs desavonirt worden war, Fehrten nad) Deutfch- 
land zurüd, und mit ihnen kam ein Manifeft des Kaifers (28. San. 
1235), der nochmals den Sohn von feinem frevelhaften Unternehmen 
abmahnte, mit Bezug auf die Friauler Garantie die Fürften auffor- 
derte, demfelben Widerftand zu leiften, und feine baldige Ankunft ver: 
ſprach?. Indeſſen war doch der Bilchof Konrad von Speier für 
den König, und die Bifchöfe Hermanıı von Wirzburg, Siboto von 
Augsburg und Landolf von Worms wie auch der Abt von Fulda 
feilteten den verlangten unbedingten Zreufhwurd. Auch der Abt 
von St. Gallen Konrad von Buſſnang ift nicht von Verdacht frei*. 

Die bedeutendfte Unterftügung fand Heinrich bei dem ſchwäbi— 
ichen und fränfifchen Adel. ie Grafen von Kiburg, Urach, Wir: 
temberg, Dillingen, Hirfchberg, Wertheim, Löwenftein, Botenlauben, 
Kaftell, Leiningen u. A. hielten zu ihm. Unter den Minifterialen 
zeichnete ſich durch Anhänglichfeit aus die Familie der Neifen, an 
ihrer Spige Heinrich) von Neifen, wahrfcheinlich noch derfelbe, der 


%2 Principes vero imperii tam clerici quam laici imperatori adherebant 
preter ducem Austrie et Stirie, qui cognatus ipsius Heinrici erat. Chron. Si- 
calum breve, H. B. I, 905. Die Quelle ift zu ſpät, als daß fie entfcheidend 
fein könnte. 

2 H.B. IV, 5934. 944. Ann. Schefitl., Quellen I, 386. 

5 dicuntur contra omnem hominem juramentis prestitis adhesisse. 
Gregor 13. März 1235, Höfler ©. 349. 

* ©.o. überfeine Theilnahme ar dem Feldzuge gegen Baiern, für welche 
er belohnt wurde. Casus s. Galli, M. G. SS. H, 180. Reg. Heinr. nr. 275 
(mit falfcher Indiction). 

3 Wir können wohl alle diejenigen, welche nach dem 11. Sept. 1234 
ih am Föniglichen Hofe finden, zu Heinrichs erflärten Anhängern zählen. 


38 


1212 das Wahldecret der deutfchen Fürften an Friedrich II. über: 
bracht, umd mit ihm fein damaliger Gefährte Anjelm von Yuftin- 
gen?. Bei Heinrich ift aud) Berthold von Urslingen, der Bruder 
Raynalds Titularherzogs von Spoleto, welchen der Kaifer nach offe> 
nem Aufftande aus dem Königreiche Sicilien vertrieben’. 

Nur im füdweftlichen Deutfchland waren vielleicht die Anhänger 
des Königs im UWebergewicht, während das übrige Reich ruhig zufah 
oder geradezu fich für den Kaifer erklärte. Da Heinrich ımter dieſen 
Umftänden unmöglich den Krieg nad) Italien fpielen konnte, verlor 
auch das Bündniß mit den Lombarden feinen Wert. Schon im 
Anfange des Yahres 1235 müfjen wir die Lage des Empörers als 
hoffnungslos bezeichnen. 

Abfichtli) haben wir die Entwicklung fo weit gedeihen laſſen, 
um erft jet zu fragen, worauf Heinrichs Rebellion eigentlich abzielte, 
und wenn wir auch Feine beſtimmte Antwort geben können, wird es 
doc von Werthe fein, die Indicien zufammenzuftellen, da das bisher 
nicht gefchehen iſt. Schon bei Gelegenheit des Feldzugs gegen Baiern 
wird und berichtet, daß Heinrich befchloffen habe, fich zu empören zum 
Zwede einer Theilung des Reiches (pro divisione regni, f. o.). 
Wahrſcheinlich ging Heinrich erft allmählich weiter, als in feiner ur- 
fprünglichen Abficht lag. Um eine Erweiterung feiner Befugniffe in 
Deutſchland oder gar um Aufhebung des väterlichen Einſpruchs und 
Anweifungsrehts, mit anderen Worten um eine volle Souverainität 
in Deutfchland war es ihm 1234 offenbar nicht mehr allein zu thun, 
ſchon griff er durd) die Hufdigung der Lombarden über die Gränzen des 
Landes hinaus. Es ift nun auffallend, daß er in feinem Manifeſt 
vom 2. Sept. 1234 fortwährend das imperium im Wunde führt, 
dag die Bevollmächtigung zu Verhandlungen mit den Lombarden an 
dilectis suis fidelibus imperii gerichtet ift, und baß beim Abſchluße 
mit diefen auf den Fall, daß Heinrich Kaifer werde, beſonders Rück⸗ 


ı Stälin H, 574. 

2 Diefer muß feine Würde als Faiferliher Hofmarſchalk in den Jahren 
1225 bis 1227 verloren haben. Bis April 1221 war er als foldher beim 
Kaifer, ging dann im Anftrage deſſelben wieder nach Damiiette, ift im Juli 
1222 am Hofe Friedrichs, am 5. Mai 1223, 23. Juli und 6. Dec. 1224 bei 
König Heinrich, immer noch als Marſchalk. Aber in einer Urkunde Friedrichs 
(Reg. Frid. ur. 633. H. B. III, 37) vom 6. Dec. 1227 heißt e8 von ihm 
mit Bezug auf 1221: tunc temporis marescalcus, ebenfo Reg. Frid. nr. 638. 
H.B. UI, 69 vom Juni 1228: quondam marescalcus. Dagegen wird er im 
März 1229 in einer Urkunde Raynalds von Spoleto, H. B. IH, 115, wieder 
Diarichalf genannt. Wiederum ein Anselmus de Justingen ohne weiteren 
Titel in Urkunden Heinrih3 vom Juni und Nov. 1230, 25. Sept. und 2. 
Oct. 1232 (Reg. Heinr. nr. 216. 277. 279. H. B. III, 419. 438. IV, 585. 
587). Doch Fönnte biefer Anfelm möglicher Weife ber gleichnamige Sohn des 
Marſchalks fein. Den Titel führt diefer erfi wieder, nachdem der Aufftand 
bed Königs erflärt war, 3. B. bei ben Unterbandlungen mit ben Lombarden 
(ſ. 0.): imperialis aule maresoalcus. 

8 Rich. Sang. a. 1231 — 1933, Murat. SS. VO. Bertbolb ift am 10. 
Mai 1234 Zeuge einer Urk. Heinrichs; Beg. 328. 





gnade feine Unterwerfung ein!. Friedrich wollte über ihn aber erjt 
in Worms entfcheiden. 

Am 4. Yult 1235 309 der Kaifer in die treue Stadt ein, em- 
pfangen von zwölf Biſchöfen, unter denen fi) auch Landolf von 
Worms befand, welcher bis zum letten Augenblid zu Heinrich ge 
halten. Sowie Friedrich diefen erblidte, war fein Zorn erregt, und 
Yandolf mußte fort aus der Stadt?. in böfes Zeichen für Hein- 
rich, der auf Zureden Hermanns von Salza und eines anderen Or- 
densbruder8? nah Worms gelommen war. Nac) einigen Tagen 
wurde er — fei e8 daß er nicht Befehl zur Uebergabe des Schloffes 
Trifels geben wollte, fei e8 daß er verfuchte zu fliehen, da einige 
feiner Genoffen ſich noh in Schwaben hielten, oder aus beiden 
Gründen* — gefangen gefeßt, zuerjt in Worms felbjt, dann in der 
Obhut feines alten Feindes, des bairifchen Herzogs, zu Heidelberg, 
fpäter zu Allerheim bei Nördlingen. 

Ald dann Friedrih II. im Auguft 1235 feinen berühmten 
Neichötag zu Mainz hielt zur Herftellung des Friedens im ganzen 
Neiche, ijt hier aud) von dem Sohne die Rede gewefen®, fein Schid- 
fal war aber ſchon entſchieden. Mit Recht ift darauf aufmerkſam 
gemacht worden®, daß jett das in Friaul 1232 geleijtete Gelübde 
und die damald von Heinrich freiwillig im voraus über fich ausge: 
ſprochene Strafe in ihrer ganzen Härte in Kraft treten mußten: er 
war nun abgeſetzt, nicht durch die Fürften, nicht durch den Kaifer, 


ı 


©. ben intereffanten Brief Friebrihg etwa vom Ende bed Juni in 
Chron. de rebus in Ital. gestis, H. B. chron. Plac. 153 ff. 

2 Ann. Wormat., Böhmer, Font. I, 164. Ann. Spir. ibid. 155. 
Schirrmacher ©. 251. 

® Chron. Marbac., Font. III, 109: fratris B. ejusdem domus. Wahr: 
fheinlih Berthold von Tannenrode, der um diefe Zeit öfters für Friedrich 
thätig if. Schirrmader S. 250 hat daraus gefchloflen, daß diefer den König 
auch zur Unterwerfung bewogen; davon ftcht aber in der Duelle nichts. er: 
ner auf Grund einer fonft unverbürgten Nachricht bei God. Colon., Font. II, 
367: apud Wormatiam in gratiam ipsius recipitur, heißt es bafelbit: „Der 
König erhielt die erflehte Vergebung‘. Dies muß biß zu weiterer Begrün: 
dung babingeftellt bleiben. 

* Da Heinridy habe fliehen wollen, fagen Ann. Erphord., M. G. XVI, 30: 
Ubi rex Heinricus audita compositionis forma a patre promulgata, fugam 
inire paravit. Bon biefer Flucht handelt Petr. de Vin. III, 26, Brief an ben 
König von Caſtilien (beffer Aragonien), vgl. Schirrmader ©. 337 Anm. 11. 
Aber der Brief ift unächt, denn es beißt darin von Heinrich: familiaritatis, 
que ipsum nostri lateris sepe participem faciebat, dignitate non contentus! 
Daß Heinrich Trifeld nicht babe übergeben wollen, berichten übereinftimmenb 
God. Colon. 1. c. und Chron. de rebus in Ital. gest. p. 152. Abgeſchmackt 
ift die Behauptung des Matth. Paris., daß Heinrich den Kaifer babe vergif: 
ten wollen. 

5 excessus regis contra imperätorem cunctis aperiuntur, God. Col. 
H.B. IV, 789 not.2, citirt eine Notariatsinftr. mit folgendem Schluß: Actum 
„... Friderico imperatore filium suum a sui regni solio destituente. Die Urk. 
jelbjt war mir nicht zur Hand, aber fie ift ſchon hiernach verbächtig. 

° Shirrmader ©. 253. 


41 


ſondern durch fein eigenes Urtheil!. ‘Daher kann dann auch der 
Paragraph des in Frankfurt publicirten Reichsfriedens, welcher von 
aufrührerifchen Sohnen und ihrer Strafe handelt, nicht gegen Hein⸗ 
rich gerichtet fein, wohl aber gegen feine Anhänger. Dennoch ver- 
fuhr Friedrich gegen diefe fehr milde. 

Diejenigen, welche ſich am Meiſten compromittirt hatten, Graf 
Egeno von Urad) und die Unterhändler Heinrichs mit Frankreich und 
den Zombarden, Heinrich von Neifen und Anfelm von Auftingen, 
unterwarfen jich nicht mit dem Könige. Anfelm vertheidigte fich auf 
Yuftingen, wo wahrſcheinlich auch die Iombardifchen Gefandten waren, 
gegen den Grafen Friedrih von Zollern, Heinrid) von Neifen und 
Egeno ebenfalls auf ihren Burgen?; fchließlichh aber mußte ein fo 
boffnungslofer Widerftand doch mit Unterwerfung endigen. “Die 
Lombarden entließ Friedrich nad) einjähriger Gefangenfchaft unver- 
legt 3, die Neifen wurden wieder zu Gnaden angenonmen*, Egeno 
itarb bald nachhers. Andere mußten für den den Getreuen Friedrichs 
zugefügten Schaden reihen Erſatz leiſtens. Nur Anfelm von Yu- 
ftingen floh nad) Einnahme feiner Burg zu Herzog Friedrich von 
Seftreich, der ſich bald in offenem Kriege gegen den Kaifer befand”. 

Bon den Prälaten, welche ſich in Heinrichs Unternehmen einge- 
laſſen, hatte Gregor IX. fon am 13. März zwei Wirzburger 
Dombherren Walther von Zannenberg und Thegenhard Propſt von 

g fuspendirt und die Bifchöfe Hermann von Wirzburg und 
Siboto von Augsburg wie auch den Abt von Fulda nad) Rom vor: 
geladen®. Damals folgten fie noch nicht dem Befehle. Als aber 


2 3 ift night nöthig, aus den Worten, weldye die Fürften bei dev Wahl 
Konrads IV. in Bezug auf Heinrich gebraudyen: justo patris judicio et ejus 
ultronea voluntste, quam sibi conscientia proprie trangressionis ingessit, ab 
eodem Henrico soluti prefato juramento, auf eine feierliche Abdankung zu 
fließen. Die conscientia hatte Heinrich ſchon in Friaul, und bierauf beziehen 
fih wohl jene Ausdrücke. 

2 Heinrich von Neifen trug über bie Kaiferlichen bei Achalm fogar noch 
einen Heinen Bortheil davon, vgl. die Briefe Friedrich ‚von Zollern, Konrads 
von Hohenlohe, Heintihd von PBappenheim und Konrads von Blahingen an 
den Kaifer, in welchen fie um fchleunige Hülfe bitten, bei H. B. IV, 732 fi. 

3 Chron. de rebus in Ital. gestis p. 152: tenuit in carceribus circa 
annum, quos postea illesos abir& permisit. 

+ Sie find im März 1236 am dofe. H. B. IV, 817. 

s 25. Juli 1236, Stälin U, 459. 

6 H. B. IV, 760 ff. V, 73. . 

7 Justingen obsidens evertit. Ann. Zwifslt. a. 1236., Mon. Germ. 
3S. X, 59. Bgl. H. B. IV, 733 not. 1. — Ich ſetze das Ende bed Auf: 
ſtandes in den Anfang de Jahres 1236, da 1) unhaltbar iſt, was H. B. IV, 
734 not. 4 für Juli 1235 anführt, weil nach Reg. Frid. ar. 103 die Unter: 
werfung im Auguft offenbar noch nicht beendet war; 2) Anfelm erſt 1236 bei 
dem Herzog von Deftreih, zu dem er floh, und bie Neifen erft März 1236 
wieder am Hofe des Kaifers erfcheinen; 3) Ann. Zwifalt. 1.c. ausbrüdlich bie 
Zerförung von Juſtingen in? Jahr 1236 ſetzen. 

s Höfler ©. 249. H. B. IV, 531. 


42 


Friedrich ohne Weiteres die Oberhand behielt, gingen diefe geiftlichen 
Herren zu ihm über, ohne dadurch die päpftliche Verzeihung zu er- 
faufen. Am 24. Sept. wurde die Borladung erneuert und diesmal 
auch Landolf von Worms eingefchloffen!. Friedrich hatte anfangs 
die Abficht diefen gänzlich zu entfegen, aber durch den Widerſpruch 
Gregors und die Vermittlung Hermanns von Salza bewogen, nahm 
er ihn wieder zu Gnaden an, und Landolf blieb dann bis an fein 
Ende 1247 dem Kaiſer treu. " 
j Heinrich aber, der Anftifter der Wirren, verlor mit der Krone 

Deutfchlands auch die Anwartfchaft auf das Kaiſerthum, das er fre- 
ventlic) angetaftet, ferner das Herzogthum Schwaben? und die prä- 
fumtive Nachfolge in Deftreich; doch hören wir nicht, dag ihm fein 
Anrecht auf Sicilien genommen worden ijt?, wozu freilich die Zu⸗ 
ſtimmung des Bapftes erforberlih war. Bis an fein frühes Ende 
wurde er auf Befehl des Kaifers in ftrenger Haft gehalten. Bon 
Allerheim ward er unter ftarfer Bededung nad) Aquileja gebradjt ; 
ein Befreiungsverſuch des Herzogs von Oeſtreich mißlang *; von 
Aquileja führte der Markgraf Lancia den Gefangenen zu Schiffe nad) 
Sipontoe. Bis 1240 war die Burg Ean Felice bei Venofa fein 
Gefängniß unter der perfönfichen ftreng geordneten Hut des Juſti⸗ 
tiars der Bafilicatad. Wir hören, daß es hier dem enterbten Er- 
ben der mächtigiten Kronen an den nöthigiten Kleidern fehlte, und 
daß der Kaifer erft Befehl geben mußte ihm ſolche zu fchaffen®. 
San Felice wurde fpäter mit Nicaftro vertäufcht, diefes 1242 mit 
Martorano. Hier ift Heinri am 12. Febr. 1242 geftorben und 
wurde in Coſenza beerdigt”. Die unglüdlihe Gattin Heinrichs 
Margaretha von Deftreicy kehrte bald nad) Deutfchland zurüd, um 
jpäter im öftreichifichen Erbfolgeftreit ein gleich trauriges Scidfal 
zu erfahren®. Don Heinrich Tegitimen Söhnen Friedrih und 
Heinrich ift der Erfte fpäter wieder am Hofe Friedrich D., für den 
er in Piemont glücklich Fämpft?. In dem Teſtamente des Kaifers 


ı Höfler ©. 351. B.B. IV, 777. 

* Schon im Juni 1235 fpricht Friedrih von feinem (nostro) Herzog: 
thum Schwaben. Friebrichs Bericht im Chron. de rebus in Ital. gestis 1. c. 

= Noch im Febr. und Oct. 1235 werben die Jahre feiner dortigen Me: 
gierung gezählt. ©. o. die betreffende Zufammenftellung. 

* dricdriche Manifeſt gegen Oeſtreich bei Petr. de Vin. III, 5. H. B. 
IV, 852 ff. 

5 Carcani, Const. regn. Sicil. Neap. 1786, Registrum Frid. pag. 273. 
389. 

° Kabinetsordre Friedrichs 10. April 1240: Intelleximus, quod Hen. 

filius noster, qui aput 8. Felicem commoratur, prout ei expedit, vestitus non 
est. Propter quod fidelitati tue precipiendo mandamus, quatenus .... ei filio 
nostro decentia facias vestimenta. Carcani p. 392. 

” Schirrmader S. 254 fl. An einen unnatürliden Tod Heinrichs ift 
gar nicht zu denfen. 

s Schirrmader ©. 338 Anm. 17. 

ꝰ Reg. Frid. nor. 1111. gl. Petr. de Vin. II, 40. Dod muß diefer 


43 


wurde er mit Oeſtreich und Steiermark bebadht, ftarb aber ſchon 
1251 !. Der Andere, Heinrich, ift fo gut wie verfcholfen ?. 
Politiſch und fittlih Haltlos war König Heinrich (VIL.) weit 
von der Wahrnehmung der deutfchen Intereſſen entfernt, die man 
ihm wohl beigelegt hat. Selbft wenn Friedrich) ihm verziehen, wäre 
es ſtets eine zweifelhafte Stüge für diefen, nur ein längeres Un⸗ 
glüd für das Reich gewefen, in welchem man ſchon lange ein ent- 
iheidendes Eingreifen des Kaifers herbeigewünfcht hatte. Noch we⸗ 
niger aber als die Zeitgenoffen haben wir einen Grund dem Vater 
zu zürnen, der felbjt durch die Aufopferung einer ganzen Generation 
bewies, wie ernit e8 ihm um Recht und Frieden zu thım war.” 


Friedrich noch genauer von Friebri von Caftilien, duch Beatrir ein Eufel 
Philipps von Schwaben, unterfchieden werben. 

2 Ann. Mellic. M. G. SS. XI, 508. 

2 Vielleicht bezieht fih auf ihn bie Notiz im Archiv ber Gefellih. X, 
642: 1235. natus est Heinricus dux 13. Kal. Sept. 

° Mit diefer Darftellung zu vergleichen ift die dem Verfafler noch unbe: 
fannte Erörterung einiger ber bier in Betracht kommenden Verhältniſſe in bem 
Auffag von W. Nitzſch, Staufifhe Studien, in v. Sybels biftorifcher Zeit: 
ichrift, Bd. It (1860), befonderd ©. 376 fi. 394 ff. Er führt aus, daß fo- 
wohl bei ber Wahl Heinrichd wie fpäter bei der Erhebung gegen ben Vater 
namentlich bie ſchwäbiſchen Dienſtmannen thätig geweſen. G. W. 


Zur Gejchichte Kaifer Ludwigs des Baiern. 


Bon 


£ndwig Belsner. 





48 


Der Predigerorden war bekanntlich in viele Provinzen, jede 
Provinz in Convente getheilt, an deren Spike je ein Prior conven- 
tualis, refp. provinzialis ftand. Wie für die Provinzialangelegen-, 
heiten Provinzialcapitel, jo fanden alljährlich) zur Erörterung der all- 
meinen Ordensangelegenheiten Generalcapitel ftatt, und die Akten 
diefer letteren haben fich bi8 in die Mitte des 14. Yahrh. erhalten. 
Dis 1316 find fie nach einer Zouloufer Handichrift bei Martene⸗ 
und Durand ! gedrudt; eine ſchöne Handfchrift der Frankfurter Stadt- 
bibliothek enthält diefelben mit der Fortfegung bis 1340 ?; aus diefer 
entnehmen wir über die Vorgänge innerhalb des Ordens während 
der Yahre 1325— 1331 nachſtehende protofollmäßige Notizen. 

Benedig 1325. „Den Bruder Heinrih, Prior von Regens- 
burg in der deutjchen Provinz, welder in Veröffentlichung ber Pro- 
zeffe unferes Herrn, des Papftes, die der Ordensmeifter? ihm zu⸗ 
geſchickt hat, nacdjläßig gewefen, entfernen wir vom Priorat und wei⸗ 
fen ihn zur Strafe der Provinz Sadjfen zu, wo noch andere Stra- 
fen nach) Gebühr ihm werden auferlegt werden. — Da ferner fchwere 
Klage zu uns gelangt ift, daß einige Brüder der deutfchen Provinz 
in Veröffentlichung der Prozeffe unferes heiligen Vaters und Herrn, 
des Papſtes, auffallend nachläßig gewefen, obwohl ihnen darüber ein 
ausdrücklicher Befehl ſowohl des Papftes als auch des Ordensmei- 
jter8 zugefommen iſt; da uns außerdem durch glaubwürdige Anzeige 
Vieler befannt geworden, daß in diefer Provinz von einigen Brüdern 
in öffentlicher Predigt dem gemeinen Volle Dinge gefagt werden, die 
e8 leicht irre führen können: deshalb ernennen wir zum Vikar da- 
felbft, mit dem Auftrage, folches genauer zu unterfuchen und mit 
gebührender Strenge zu ftrafen und zu zügeln, den Bruder Vernafius, 
Prior von Anjou in der Provinz Franfreid).“ . 

Paris 1326. „Wir entlaffen den Provinzial von Deutfchland“ 
— cin Grund der Abfegung, wie fonft oft, wird nicht angegeben; 
man darf ihn aber wohl mit Recht in den Zeitereigniffen vermuthen. 

Perpignan 1327%. „Wer in öffentlicher Predigt oder fonft vor 
einer weltlichen Berſammlung zu irgend einer Zeit den Papft oder 
feine Prozeffe und tungen verdächtigt oder Mangel an Ehrer- 
bietung zeigt, iſt ins Gefängniß zu bringen und nur durch Beſchluß 
des Generalcaritel® -wieber freizugeben; und er foll, werm e8 irgend 
angeht, gezwungen werden, öffentlich zu widerrufen. Wer folches 
aber im Pridatgefpräd gethan, foll, wenn er durch gefeßmäßige Zeu- 
gen überführt oder vor Gericht geftändig ift, mit der auf fchwerere 


I! Thesaurus novus anecdotorum, T. IV, p. 1670 — 1963. 

2 Böhmer macht, Fontes I, 216, darauf aufmerffan; vergleiche dazu 
Quetif, SS. ordinis Praedicatorum I, 579b, wo unter anderen Abfchriften bie: 
fer Sammlung eines Codex Lingonensis Erwähnung gefchieht, der die Ver: 
handlungen bis zum Jahre 1350 fortführt. 

5 Barnabas von Bercelli, 1324— 1332; Qudtif a.a.O. I, XVII und 554, 

* Inter den Constitutiones fratram ordinis Praedicatorum abgebrudt 
in Holstenii Codex regularum monasticarum et canonicarum, T. IV p. 122. 





50 


gen Minoritengeneral Michael von Eefena und dem Petrus von Cor⸗ 
vara oder ihren durch die heilige Kirche verdammten Genoſſen ange: 
hangen, oder ihnen Beiftand, Rath oder Gunſt gewährt, von dem 
ehriwürdigen Vater, dem Meiſter de8 Ordens, bereits durch Richter: 
ſpruch und fchriftliches Erkenntniß! zu Gefängniß ‚und den Strafen 
des Gefängnifjes? verurtheilt worden find. Dieſe Verurtheilung hat 
der Ordensmeifter in gegenwärtigem Gapitel erneuert und öffentlich 
verfündet; deshalb befiehlt er zugleich mit Genehmigung der Diffi- 
nitoren in Kraft des heiligen Gehorſams den Provinzial und Gon- 
ventsprioren und ihren Vilaren, jorgfältig zu unterfuchen, ob es nod) 
Cinige gebe, die an dem fchweren Frevel betheiligt gewejen, und 
folhe alsdann nad) gejetlicher Feltftellung des Thatbeſtandes ohne 
Aufſchub ihrer Strafe zu überliefern. Kine Befreiung von der 
Strafe kann in vorliegendem Falle nur durd) den Meifter des Or- 
dens ober das Generalcapitel gefchehen.“ Alfo felbjt der Gegen- 
papit und der Francisfanergeneral hatten unter den Dominifanern 
Anhang gefunden; aber der wohlgegliederten Verfafjung des Ordens 
gelang es, ſolchen Abfall unjchädlid) zu machen. Einen Bruder 
Bernardus aus der Provinz Zouloufe, welcher vom Papſte mit einer 
Commiſſion in Deutfchland betraut worden war, ernennt das Gene- 
ralcapitel vom Jahre 1331 zum Vikar der deutfchen Provinz, damit 
ihm in Ausführung des päpftlichen Auftrages nichts fehle, was durch 
die Conftitutionen des Ordens einem Provinzialvifar nach dem Tode 
oder der Abfegung des Provinzialpriors übertragen werde. — 

Die Sache de8 Papftes hing innig mit der Sade Frankreichs 
zufammen. Johann XXII. diente dem franzöfifchen Intereſſe und 
bediente ſich deffelben; er felbft war ein Franzofe, und die Deutfchen 
argwöhnten, wie ein Autor erzählt, er wolle feinem Vaterlande das 
Amperium - verfchaffen. So waren denn auch meift in franzöfifchen 
Städten, unter franzöfifcheın Einflujfe die Generalcapitel jener Jahre 
gehalten worden, und franzöfiiche Commiſſäre waren e8, welche die 
oppofitionellen Regungen deutfcher Drdensbrüder zu unterdrüden be 
auftragt wurden. Wohl mancher diefer Unglücklichen mochte zwi⸗ 
ſchen Patriotisnus und Ordensgelübde ſchmerzvoll fchwanfen. Aber 
die Liebe zum väterlichen Boden widerſtritt dem Weſen der römiſchen 
Kirche; ſchon 1255 tadelte, bei einer andern Veranlaſſung, der ‘Do- 
minifanergeneral diefen amor soli natalisd. Wer ihn nicht über- 
winden konnte und ſich bei eintretendem Konflikte nicht rücfhaltlos 
der Kirche ergab, mußte im Kerfer untergehen, damit die Kirche 
triumphire. 


! sententialiter et in seriptis; ſ. Holſten a. a. O. ©. 203. 

2 carceri penisque carceralibus; vergl. Holften a. a. DO. ©. 62 de gra- 
vissiına culpa. " 

® cujus dulcedo sic multos illaquvavit, natura nondum in eis in gra- 
tiam reformata, quod de terra ct de cognatione gua nolunt egredi ncc obli- 
visci populum suuin. Martene et Durand a. a. O. IV, 1707. 


Sind dem PBabite Johann IXIL die Wahl⸗ 
Defrete der. Gegenkönige Ludwig des Baiern 
und Friedrich des Schönen vorgelegt worden? 


Bon 


9. Pfannenſchmid. 


4* 





54 


befinden fi) heute in den Archiven zu Wien und Minden (cf. Kopp, 
Geſchichte der eidgenöffifchen Bünde, V, 1, 220. Anm. 3), woher 
fie auch die erften Mittheiler derfelben Du Mont und Herwart ge= 
nommen haben. Raynald theilt das Decret über Yudwig des Baiern 
Wahl nicht aus dem Vaticanifchen Archiv mit, jondern drudt e8 dem 
Herwart nah) (Ludw. IV. Imp. defensus p. 10). König Fried⸗ 
richs Wahldefret findet fich zuerjt in Du Mont, Corps Diploma- 
tique T. I, P. II, n. XXVIII. (cf. Böhmer, Reg. Wahlacten Nr. 
38 und 41). Beide Actenjtüce ſtimmen ber Hauptfache nach, oft 
in einzelnen Ausdrüden und Wendungen, ganz überein. Nah Scil- 
derung des Wahlherganges heißt es am Schluß von Friedrichs Wahls 
defret bei Olenſchlager (Staatsgefhichte Urf. p. 65): Quapropter 
Sanctitati vestre cum devotione, qua decet, voce unanimi 
supplicamus, ut ipsum dominum Pridericum, sic devote et 
canonice electum, paternis pietatis vestre brachiis amplecten- 
tes, electionem hujusmodi canonicam de ipso a nobis factam, 
solita clementia approbare, ipsum inungere, et consecrare, 
sibique de sacrosanctis manibus vestris Sacri Imperii dyadema 
dignemini favorabiliter impertiri loco et tempore -oportunis. 
Diefe Wahldefrete hätten nun, wenn man auf den ähnlichen 
Hergang nad) Kaifer Heinrich VII. Wahl fieht (Urk. bei Olenſchla⸗ 
ger J. c. p. 17—28), fofort dem Pabfte zur Approbation überfandt 
werden müfjen, worauf diefer nach ihrer im verfammelten Confiftorio 
vorgenommenen Prüfung im Fall ber Nichtablehnung eventuell den 
üblichen Obedienzeid (durch Procuration) des einen oder des andern 
der zum Röm. König Crwählten entgegengenommen und ihn nun⸗ 
mehr als Röm. König declarirt hätte mit dem Verfprechen, demmächſt 
und bei paffender Gelegenheit in Perfon bie Kaiferfrönung zu voll» 
ziehen. Allein zur Zeit der Wahl der beiden Gegenkönige (Det. 
1314) war nod) Sedisvacanz, die erft mit dem 7. Aug. 1316, wo 
Johann XXL. zum Pabfte gewählt wurde, ablif. Franz Kurz 
(Friedrih der Schöne p 325. Ann. 1) meint nun, daß die Wahl: 
defrete dem Gardinalcollegium fehon im Jahre 1314 eingeſchickt feien. 
Allein davon findet ſich nirgend eine Andeutung, wenn aud) durchaus 
zugegeben werden muß, daß jener Körperfchaft Anzeige von ben ftatt- 
gefundenen Königswahlen gemacht worden ift. Vielmehr dürfen wir 
fchliegen, daß. die Wahldefrete ihrer urfprünglichen Beſtimmung ges 
mäß dem Pabſte Johann XXIL. nad feiner Wahl mitgetheilt find. — 
Ob dies gefchehen oder nicht, ob der Pabft diefe Schreiben bekom⸗ 
men und behalten, oder nad) genommener Einficht wieder zurückgege⸗ 
ben habe — alles dies läßt fi) am beften überfehen, wenn man zu- 
erjt die Bemühungen der beiden Gegenkönige, ihre Anerkennung vom 
Pabite zu erlangen, bis zu ihrer erfolgten gänzlichen Verwerfung, 
ins Auge faßt, ferner Raynalds, Dlenfchlagers und Kopps! Mei⸗ 


* Die Meinungen Buchner, ae unb anderer flüßen fi auf 
Raynald, Dlenfchlager oder Kurz, und find alfo weiter nicht zu berüdfichtigen. 





56 


minimus: quare ad praesens ea non repetimus, sed in illis 
inviolabiliter permanemus. Worin aber Johann unver 
brüchlich beharrte, war, wie wir unten fehen werden, die Anficht, 
daß ein in discordia in Romanorum Regem electus ſich vor 
fein Forum zu ftellen, Prüfung, Vermwerfung oder Bejtätigung feiner 
Wahl und Ernennung zum Rex Romanorum zu gewärtigen habe, 
wie ſich von felbft verftehe. — Weiter findet fich bis zum Jahre 
1330 in diefer Hinficht Feine Andeutung einer Annäherung zwiſchen 
Ludwig und dem Pabjte. Erfterer wurde am 8. Octbr. 1323 mit 
der Excommunication bedroht und am 27. Yan. 1330 wirklich er- 
commiunicirt. 

Ebenſo mochte ſich Friedrich der Schöne alsbald nad) der 
Krönung des Pabftes um deffen Gunft beworben haben. Die nächſte 
Spur hiervon zeigt fich indeß erjt im Jahre 1320, in einer Urkunde 
des Königs Robert von Sicilien, datirt Avignon, den 15 Juni, 
der zufolge diefer Fürſt, welcher ſich damals am päbftlichen Hofe zu 
Avignon aufhielt und Friedrich des Schönen Verwandter war, eine 
engere Verbindung zwifchen dem letzteren und dem Pabjte einzuleiten 
ſuchte. „Der König von Sicilien Tieß hoffen, daß durch die Sen- 
dung ausreichender Hülfe wider die im Bann und SYrrglauben ver- 
harrenden Lombarden Friedrich als Röm. König die Beitätigung der 
Kirde ..... erhalten werde“. (Kopp IV, 2, 427 ff. und p. 430 
Anm. 3). Die Hülfe ward geleiftet (Kopp, IV, 2, 430 ff.), und 
den Cröffnungen des Königs Robert gemäß eine eigne Gefandtfchaft 
von Friedrich nach Avignon abgefandt (Urf. d. Offenburg 25. Mat 
1322, bei Raynald ad a. 1322. n. 8. cf. Kopp, IV, 2, 433. 


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434), die den Pabjt demüthig und vertrauensvoll um Anerlennung , 


° feiner königlichen Würde bitten follte. Hierüber fagt Johannes Vic- 
toriensis, ap. Boehmer, Fontes I, 389!: Fridericus Chunradum 
abbatem de Salem (Salmanfwile), postea episcopum Gurcen- 
sem, mittit ad curiam, ad approbationem et confirmationem 
postulandam. Qui dum Rudolfum avum et Albertum patrem 
ejus Romanorum reges de fide servata ecclesie commenda- 
ret, adjecit: ‘Si radix sancta, et rami sancti; si massasancta, 
et delibatio sancta. Papa vero Roboam a Salomone degene- 
rasse respondens, que petierat non admisit. 

Inzwiſchen war Friedrich in die Gefangenschaft Ludwig des 
Baiern gerathen, aus der ihn fein Bruder Herzog Leopold durch 
Vermittlung des Pabftes (Urf. Avignon, 24. Septbr. 1323, Ober- 
bairifches Archiv 1, 67. Nr. 30) zu befreien ftrebte, welchen Verſuch 
er zugleich mit der Bitte um Anerfennung feines Bruders bald (Urk. 


2 Roh. Vict. erzählt dieſen Vorfall zwifchen den Jahren 1317 — 1319, 
und es ift möglich, daß cr vor bem Brief des Königs von Sicilien fällt. 
Kopp 1. e. zieht ihn zu dem Jahre 1322, wohin er auch ſcheinbar paßt. — 
Hier kommt es zunächſt darauf an, nachzumeifen, daß, wenn ber Pabſt um 
Anerkennung der Röm. Königswürde gebeten wurde, er auch wiſſen mußte, 
daß Friedrich der Träger biefer Witrde war. 


57 


Avignon, 19. Yan. 1324; cf. Kopp, V, 1, 142. 143. Anm. 1) 
wiederholte. Wie aber dieſe Bemühungen ohne Erfolg blieben, fo 

war es and mit der Gefandtfchaft, welche bie öfterreichifchen Herzöge 
Leopold und Albrecht zu demfelben Zwecke, wie es fcheint, nach ber 
damaligen päbjtlichen Reſidenz entfandten. Die Antwortfchreiben des 
Babftes an die beiden Herzoge (Urk. Avignon, 8. Yımi 1324; cf. 
Kopp, V, 1, 143) belehren uns, daß die Gefandtfchaft zwar gütig 
aufgenommen, aber ihre Vollmacht zur Durdführung ihrer Anträge 
für ungenügend eradjtet wurde. Am 27. Juli 1324 fand das Bünd⸗ 
mß zu Bar ftatt, demzufolge Leopold den König Karl von Frankreich 
zur Röm. Königswürde zu verhelfen verfprah. Obwohl der Pabſt 
dies Project begünftigte, fo blieb es doch nur bei der Verabredung, 
indem die Ausföhnung Ludwigs und Friedrichs (Urk. Zrausnicht, 
13. 18. Mär, und Münden, 5. Sptbr. 1325) die Stellung der Bar- 
teien zu einander gänzlich änderte. Herzog Leopold ward, allem An- 
fein nad, für König Ludwig geivonnen; der Pabſt ließ fein Ver⸗ 
fahren gegen Ludwig, bi8 eine neue für ihn günftigere Wendung ein- 
getreten war, auf einige Jahre (bis 3. April 1327) ruhen; Ludwig 
verzichtete ' zu Gunſten Friedrichs, falls er die päbftliche Anerkennung 
erhalten Türme, auf’8 Reich (Urk. Ulm, 7. Yan.1326). Cine feierliche 
und anfehnliche (eelandtiihaft (die aber fpäter unterblieb) follte den Pabſt 
Kerum angehen (Kopp, V,1,219). Den zwei Vorläufern derfelben gab 
ber Pabſt mündlich und dem Herzoge Albrecht von Defterreich ſchriftlich 
den Beſcheid, daß er fich in der Sache günftig und gewogen beweifen 
wolle, wenn man ihn in gehöriger Form deshalb bitten werde. In 
dieſer Antwort iſt noch Feine Rede von einem Wahldekret; aber in 
der über dieſe Gefandtfchaft dem Kanzler (Kopp, V, 1, 220. Anm. 2) 
ch des Schönen, Biſchof Johann von Straßburg, unter dem 

4. Sptbr. 1326 gemachten Mittheilung jagt der Pabit, er hätte 
Friedrichs Wahl fchleunigft beftätigen jollen, decreto electionis non 
oblato, nec data informatione alia super ea (Rayn.ad a. 1325. 
nr. 5; cf. Kopp, V, 1, 220. Anm. 3). Xrog aller diefer DBe- 
mähungen und aller früheren den öfterreichifchen Prinzen päbftlicherfeite 
erwieſenenen Gunftbezeigungen, konnte Friedrich in Erlangung der Bes 
ftätigung und Anerkennung des heil. Stuhles um feinen Schritt vor- 
wärts kommen; infolge deſſen aud) das Freimdfchaftsverhältnig zwi⸗ 
fhen den beiden Gegenfönigen mehr und mehr erfaltete (Inſprucker 
Zufammenfunft, Ende ‘Dechr. 1326). Kaum hatte Ludwig feinen 
KRömerzug begonnen, als aud) der Pabjt feine früheren Procefje gegen 
ihn wieder aufnahm, ihn am 3. und 9. April 1327 aller firchlichen 
und Reichslehen, wie des Herzogthums Baiern verluftig erklärte, ihn 
ezcommunicirte und ihn aufforderte, die Lombardei zu verlafien. Da 


° Diefe allein richtige, neuerdings von Herm Prof. Kopp gegebene, Aus: 
Tegung bed Ulmer Vertrages findet fich fehon bei Gerard de Roo in feinen 

Aunales Rerum belli domique ab Austriacis Hababorgens gentis Principibus, 
a Rudolpho usque ad Carolum V. gestarum . . . Oeniponti 1592, Hb. III, 
p. 95 und 96. 


58 


glaubte König Friedrich e8 noch einmal nit dem Pabjte verſuchen zu 
follen. Herzog Albrecht fandte eine Botfchaft nad) Avignon und bat 
Schriftlich um feines Bruders Beftätigung zum Röm. König, während 
die Boten mündlich verfichern mußten, daß König Friedrich in Allem 
dem Pabjte gehorchen folltee Der Pabſt gab eine ausführliche und 
motivirte Antwort (Urk. Avignon, 4. März, bei Raynald ad a. 
1323. nr. 38. 39) und hob unter anderem hervor, wie Ludwig und 
Friedrich nicht das Recht hätten, fich den Föniglichen Titel beizulegen, 
da fie in Zwieſpalt erwählt fein; außerdem habe Friedrich nicht ein- 
mal fein Wahldekret dem päbftlidden Stuhle vorgelegt, “quod 
dictus germanus nec dictae suae electionis decretum nobis 
obtulit, nec de ea nos aliter informavit. Hierbei bemerfe man, 
dag in diefen Worten nicht fteht, niemals ſei da8 Wahldefret dem 
Pabſte vorgelegt worden, fondern dag der Ausdrud, dem diplomati- 
fchen Style der römischen Curie gemäß, fich in einer gewiffen Allgemein- 
heit hält. — Noch in demfelben Jahre (5. April 1328) erfolgte mit 
Ludwigs aud Friedrichs Verwerfung, indem der Pabſt die deutfchen 
Wahlfürften zu einer neuen SKönigswahl auffordern Tieg (Böhmer 
Reg., Päbfte; Kopp, V, 1, 411. Anm. 1). 

Sehen wir nun, wie Raynald über die Frage betreffs der Wahl- 
defrete denkt. Derfelbe fagt ad a. 1314. nr. 24: Superius qui- 
dem decretum electionis Ludovici Joanni delatuın non fuisse, 
Joannes ipse questus est, vertitque crimini Bavarum, eo sedi 
Apostolicae veterum Caesarum more non oblato, regni admi- 
nistrationem corripuisse (Jo. To. 5. p. 1. ep. secr. pag. 177): 
‘Nondum, inquit, electione discordi, quae de ipso in Regem 
Romanorunı promovendum in Imperatorem facta fuisse dice- 
batur, Romanae ecclesiae, ad quam examinatio ac appro- 
batio, seu reprobatio electionis et personae cujusquumque in 
Regem Romanorum electi pertinere dignoscitur, praesentata; 
nec ea per eandem ecclesiam approbata vel reprobata’. 

Pariter deeretum de Friderico electo ad sedem Aposto- 
licam non transmissum (Jo. T. 5. ectr. secr. a. 10. p. 258), 
quamvis illud Joannes expeteret, suo loco dicetur. Allein in 
den Worten des Pabſtes, wie fie hier ftehen, findet fich Feine Sylbe 
von einem decretum electionis; der Pabft vermeidet diefen Aus—⸗ 
druck mit ängftlicher Gemifjenhaftigfeit; nur Raynald überfett fich 
die päbftliche Paraphrafe in das allerdings richtige Wort. 

Außerdem weijet uns, was wohl zu beachten ift, das Citat Jo. 
To. 5, p. 1. ep. secr. pag. 177, wie Bergleichungen ergeben, 
mindeſtens an das Jahr 1324, wo fdhon der Streit ziwifchen 
dem Pabſte und König Ludivig auf das heftigfte entbrannt war; das 
auf Friedrichs Wahldefret fich beziehende Citat Jo. To. 5. ectr. secr. 
a. 10. p. 258 heißt bei Raynald ad a. 1325. nr. 5 vollitändig 
To. 5. p. 2. ep. secr. p. 258.und geht auf das gleich anzuführende 
Schreiben des Pabfte Art. Avignon 4. Sptbr. 1326) an den Bi- 
Ihof von Straßburg. — Noch an zwei anderen Stellen beruft fich 





60 


fonnte. Was hinderte aber den Pabft, mit der Sprade Mar und i 
biindig berauszurüden, was beſtimmte ihn, ſich in folch dehnbaren | 


und allgemeinen diplomatifchen Forderungen zu ergehen, wenn nicht 
ein gewiſſes unbehagliches Gefühl, das, eine Folge von gewiffen Ber» 
pflichtungen, ihn veranlaßte, nur Zeit zu gewinnen ımd damit Rettung 
und neue Auswege? Weshalb verlangte er endlich, als Herzog Leo 
pold, der tüchtige Feldherr und feine Diplomat, nicht mehr unter den 
Yebenden weilte (f 28. Febr. 1326), derjelbe Mann, der es ver 
jtanden hatte, fich die päbftliche Curie in fo hohem Grade zu ver 
pflichten, die Seele aller König Ludwig feindlichen Unternehmungen, 
aloe König Friedrich Gefundheit gebrochen, und des Baiern An 
nicht zu verachten war, mit dürren, Haren Worten Friedrichs Wahl- 
defret? Kann man ſich zu dem Glauben bequemen, daß der Pabit 
wirklich nichts von einem Wahldefrete wußte, e8 niemals fah, fo 
man man auch die Tolgerung ziehen, daß Johann XXI, dieſer 
confequente Pabſt, dem die Form über alles ging, Ludwig wie Fried⸗ 
rich nur nach) Hörenfagen al$ in reges Romanorum electi aner: 
kannte! ALS folche hat fie aber Johann ausdrücklich anerkannt, wie 
das, abgejehen davon, daß er ihnen diefen Titel bislang nicht vor 

hatte, aus der Urkunde, datirt Avignon 8. Octbr. 1323 (wovon un- 
ten die Rede fein wird) Härlich erhellt. Nehmen wir dies hier fchon 
als ausgemacht an, fo Liegt doch wohl die Annahme zwingend nabe, 
dan der Pabſt irgendwie um die Wahl ber beiden Gegenfönige ur- 
Fundlich gewußt haben muß; und da wird es auch minder unbegreif- 
lich erfcheinen, dag Herzog Albrecht, felbft nach der kategorifchen Er- 
Märung des Pabjtes von 4. März 1328, Friedrichs Wahldefret fei 
Ihn nicht vorgewiefen, noch Verfuche um feines Bruders Anerkennung 
beim Pabſte geinacht haben muß, wie das aus dem päbftlichen Schrei⸗ 
ben an Herzog Albrecht, dat. Avignon d. 18. März und 18. Mai 
1328 (Ardiv f. Kunde öfterr. Gefchichtsquellen XV, 192, 43, 44. 
of, Kopp V, 1, 410. Anm. 3) hervorgehen dürfte. 

Somit ergiebt fi, daß Naynald nach dem Vorgange des Pab- 
ftes den Ausdruck decretum electionis im richtigen Sinne gebraucht, 
bafı aber diefe Bezeichnung erjt etwa zehn Jahre nach der Wahl ber 
Gegenkonige auftritt, und zwar anfangs feitens des Pabjtes einem 
Dritten, fodann im Jahre 1328 dem Herzog Albrecht von Oeſter⸗ 
rel) gegenüber, ein Umſtand, der bedenklich gemug ift, um wenigſtens 
vor voreiligen Schlüffen zu warnen. | 

Was num die Anfiht Johann Daniel von Olenſchlagers 
ber die Wahldefrete der beiden Gegenfönige anbetrifft, fo könnte fie hier 
fuglich Übergangen werden, wenn nicht die Vollftändigfeit und der 


Inftand, daß er auf einen gleich zu befprechenden Punkt ein gewiſſes 


Wewicht legt, dies nöthig machte. Dlenfchlager umgeht den eigentli- 
Wen Stern der Frage fait gänzlich; er merkt nur an, daß die Wahl- 
defrete der beiden Gegenkönige an ben Fünftigen Pabſt abgefaßt feien 
(Ftaatsgefhichte p. 90), und daß ſich beide um des Pabftes Freund⸗ 
ſchaft beworben, auch einen Verſuch, die päübftlihe Anerkennung zu 





62 


Ecclesiastici et seculares, ad quos .. . . futuri Romanorum 
Regis in Imperatorem postmodum promovendi electio perti- 
nebat, votis eorum in diversa divisis, duos, sicut dicitur, 
in discordia elegerunt (Ludwig und Friedrih) . . - - - Auf dieſe 
Stelle beruft ſich Kopp. Ganz ähnlich drückt ſich Pabft Jo— 
hann XXI. in einer Urkunde Avignon 3. April 1327 (bei Olen⸗ 
ſchlager Urk. p. 142) aus: qui (Ludovicus) in Regem Romano- 
rum ab una parte Principum, ad quos dicti Regis electio per- 
tinet, in discordia dicebatur electus etc., ferner in einer 
Urkunde Avignon 31. März 1328 (bei Dlenfchlager Urk. p. 158): 
.... Ludovicus, olim Dux Bavariae, ac in-Regem Roma- 
norum, in discordia tamen, ut dicebatur, électus. ... umd 
in einer anderen Urfunde Avignon 20. April 1329 (Dienfchlager 
Urf. p. 173): .... Ludovici de Bavaria, olim Ducis Bava- 
riac, et discorditer in Regem Romanorum, ut dicebatur 
electi .... Was num zumäcft das dieitur und das nachher ſtets 
gebrauchte dicebatur betrifft, fo erklärt ſich das ganz einfach daher, 
weil das dicitur in einer Zeit gefagt wird, wo Ludwig freilich fchon 
gebannt (23. März 1324), aber noch nicht des Reichs entſetzt, das 
dicebatur dagegen, als Ludwig des Reiche wirklich entiett (11. Juli 
1324), auch aller kirchlichen und Reichslehen, wie feines Herzogthums 
Baiern (deshalb olim Dux Bav.) verluftig erklärt (3. April 1327) 
und excommunicirt worden war (9. April 1327). Ta wir un nım 
an die päbftliche Unterfcheidung nicht binden wollen, fo dürfen wir 
mit Fug und Recht überall ftatt dicebatur das Präfene dicitur 
denken, und da möchte dam ſchon die Stellung des ut dieitur in 
dem eben angeführten Orte “in discordia tamen, ut dicebatur, 
electus’ den eigentlichen Sim wohl leichter enthüllen. Es Tann 
alfo weiter nichts heißen follen, als der fogenannte zwieträchtig Er⸗ 
wählte, der fogenannte Gegenkönig. — Dieſe Auffajfung ift fogar 
geboten, wenn man bedenkt, bag in allen Actenftüclen damaliger wie 
auch noch heutiger Zeit, in denen von einer Streitfache zwifchen zwei 
Parteien die Rede ift, die eine das Vorgeben der anderen als ftreiti- 
nen Punkt ftets in Frage ftellt durch ein “ut dieitur’ “ut dicuntur, 
was wir durch „vorgeblic“, „fogenammt“ umb andere Ausdrüde zu 
geben pflegen, woraus aber für die Richtigkeit oder Unrichtigkeit der 
Behauptung nichts gefolgert werben fann. 

" Anftatt vieler Belege für diefe Meinung mag nur eine gleich) 
im Zuſammenhang mitzutheilende Stelle aus einer päbftlichen Urkunde 
(bei Dlenfchlager Urf. p. 81) angeführt werben, in der e8 von ben 
bentfchen Wahlfürften Heißt: qui vocem in electione hujusmodi 
habere dieuntur. Gar feltfam würde ſich die Behauptung ausneh- 
men, der PBabft wiſſe bi zu dem Datum, wo diefe Urkunde ausge 
ertigt fei, nichts von den Rechten der Wahlfürften, die er fogar 
urd) Urkunde vom 26. Mai 1324 (bei Dlenfchläger Urf. p. 104) 
bein Könige von Böhmen und den übrigen geiftlichen Churfürften ge: 
nenliber ausdrücklich anerfennt! 





64 


erfennung wird. Die Beachtung diefes LUnterfchiedes in der Benen⸗ 
nung der beiden Gegenkönige, den man bisher fait gänzlich überfehen 
bat, ift num zur richtigen Beurtheilung und Auffaffung der in Rede 
jtehenden frage von höchſtem Werth, indem darnach alle einzelnen 
Ausdrüde in den päbftlichen Schreiben und Grlaffen zu bemeffen und 
zu beurtheilen find. Wenn es demnach oben heißt: nondum ..... 
electione discordi ... Romanae Ecclesiae .... praesentatä ..., 
fo kann das nur bedeuten, daß man dem päbjtlichen Stuhle, wie er 
gewünfcht, die Wahldekrete noch nicht zur Entſcheidung vorgelegt 
babe, nicht aber, daß fie ihm überhaupt niemals vorgelegt feien. 
Davon fteht nirgend ein Wort. 

Es verfchlägt auch nichts, daß der Pabſt Johann XXI. un- 
mittelbar nach feiner Krönung, alfo zu einer Zeit, wo ihm die Wahl- 
defvete der beiden Gegenfönige noch nicht mitgetheilt fein Tonnten, 
diefelben in den an fie gerichteten Schreiben, deren bereit8 Crwäh- 
nung gethan ift, als in Reges Romanorum electi betitelt. Zwi⸗ 
ſchen einer bloßen Zitulatur al8 folcher, die man Jemandem vielleicht 

ar courtoisie giebt, und einer ausgejprochenen Berechtigung derfel- 
en, wie fie die eben angeführten Worte des Pabftes enthalten, it 
denn doch immer. nod ein Unterfchied. Außerdem ift anzunehmen, 
daß Johann XXIL, der vor der römifchen Königswahl feit dem 
Jahre 1312 (Raynald ad a. 1316. nr. 3) ſchon Mitglied des Car- 
dinalcollegiums gewefen war, von der an diefe Körperfchaft gerichte- 
ten Anzeige über die in Deutichland ftattgefundene Wahl der beiden 
Gegenkönige officiell benachrichtigt war. Hauptfache bei diefen und 
ähnlichen Bedenken, die ſich noch auffinden liegen, it, daß man ein 
für alle mal fefthält, wie der Pabit die beiden Gegenfönige, freilich 
nicht als römifche Könige, aber al® in Reges Romanorum electi 
anerfannt hat, und wie die Diplomatie der päbftlichen Curie und 
deren Sprache gerade im den fchwierigften Fällen den Charakter einer 
feinen diplomatischen Taktik auf das beſtimmteſte zu bewahren weiß. 

Sollten indeß alle angeführten Gründe noch nicht überzeugend 
genug wirken, dann mag man noch bedenken, ob es möglich gewefen 
wäre, daß der Pabſt Johannes XXI. Friedrich den Schönen, wel: 
her der Zrausmiger Sühne zufolge fein Wahldefret an Ludwig 
anszuliefern übernommen hatte, wie ihm durd) Herzog Leopold be- 
richtet worden war, denfelben König Friedrid) in feine freiwillig auf- 
enebenen Rechte als in Regem Romanorum electus wieder ein- 
(ie konnte, ohne von diefer Wahl anders, als durch Hörenfagen 

de zu haben. Raynald ad a. 1325. nr. 5 (nad) To. 5. p.1. 
Ep. Sveret. pag. 49) fagt hierüber: Cum vero Pontifex Fride- 
rlöum, qui, ut vincula evaderet, sua ad imperium in Ludovi- 
oum jura transfuderat, pristinis juribus ex electione 
qunenitis restituisset . . ... Diefe Stelle follte alle Zweifel 
verfeheuchen! Hat die päbftliche Curie plenitudine Apostolicae 
votontutis auch zu verjchiedenen Zeiten Unglaubliches geleijtet, fie . 
Int fid) dabei ftets an eine beſtimmte Form gebunden, ja nicht felten 


65 


die Form zur Hauptjache gemacht. Und in einer ſolch wichtigen 
Sache, wie die Römische Königswahl für den heiligen Stuhl war, 
follte der Pabſt ohne jede Kenntniß, auf ein bloßes on dit hin, 
Friedrich den Schönen wieder in Rechte eingefegt haben, von denen 
er nichts wußte? Das konnte ein Johann XXI. nimmermehr! 

Ueberbliden wir nun nod einmal kurz die befprochene Frage, 
fo ergiebt ſich als Nefultat, daß die beiden Gegenkönige ihre Wahl- 
defrete Johann dem XXII. nad) deffen Pabftwahl zur Anerkennung _ 
vorgelegt haben. Diefer verlangte aber über die Rechtmäßigkeit, 
Gültigkeit oder Ungültigkeit der Königswahl zu Gericht zu figen, und 
wies die Bitte um Anerkennung der beiden Gegentönige als Reges 
Romanorum ab, erkannte fie aber als in Reges Romanorum 
electi an. Die Frage nad) den Wahldefreten der beiden Könige 
taucht num erjt zehn biß zwölf Jahre nach ihrer Wahl auf, und’ der 
Babit fcheute fich fehr lange, da Ludwig inzwifchen gebannt war, 
von Friedrich mit Flaren Worten deſſen Wahldefret zu verlangen, 
offenbar un Zeit zu gewinnen und um ber öjterreichifchen Partei 
immer noch einen Funken von Hoffnung zu laſſen, bis er endlich) 
beide Könige gänzlich verwarf, indem er zu einer neuen Königswahl 
in Deutſchland aufforderte!. Da aber die Wahldefrete Ludwigs wie 
Friedrichs nicht in dem Vaticanifchen, fondern beziehungsweife in 
den Münchener und Wiener Archiven fich befinden, fo ift nothwendig 
zu fchließen, daß fie der Pabſt nach genommener Einficht zurückgab. 
Bis auf die urkundliche Gewißheit, worüber vielleicht nur das Vati⸗ 
canifche Archiv allein genügende Auskunft zu geben vermag, dürfte 
hiermit umfere Frage gelöfet fein. 


» Seit biefer Zeit find weitere Verfuche Friedrichs, die päbftlihe Aner: 
fmnung zu erlangen, bis zu feinem am 13. San. 1330 erfolgten Tode nicht 
befannt geworben. Ludwigs fpätere Beftrebungen, fih mit Johann XXL. 
(+ 4. Dechr. 1334) auszuföhnen, treten in ein neued Stadium, deſſen nähere 
Verfolgung für unferen Zmwed feine Belehrung gewährt. 


& 


Bericht über die Annahme der Kaiſerwürde 
durh Marimilian im Jahre 1508. 


Mitgetheilt von 


Chriſtoph Fried. von Stälin. 


5* 





und beifen Yeib in der St. Peteröfirde Trient in der Gapelle bi 
San Simomin gezeigt wird (|eber] das Yand Tirvi II, 492). 
Tie Proceffion mit diefer Reliquie von der St. Vetersfirde aus 
unter Abfingung des bei ähnlichen Zeitlichleiten beiiebten Te Deum 
Iandamus ift in Act. SS. Boll, Mart IN 501 8* i 

Der St. Georgenorden, welchen Marimilian jich aulegte, war 
von ihm als erwählten Oberhaupt defjelben am 12. Rov. 1503 zu 
Augsburg beftätigt worden (Datt a.a. O. 217— 221). Es war 
dies ein Zeichen des ftets in Ausficht genommenen Kampfes wider 
die Ungläubigen, die Türen, und Maximilian erfchien öfters mit 
Deeiben , 3. B. den 7. Dez. 1503 bei feinem feierlichen Einritt 
zu . 

Rinkenberg und Holdermann kommen fpäter vor als Bürgermeiiter 
von Glingen, erfterer 1519 (Klüpfel, Urt. zur Geſch. des ſchwäbi⸗ 
hen Bundes 2, 174, Datt a.a.D. 483), 1526 (Maff, Geld. v. 
Eßlingen, Ergänz.-Hft. ©. 8), legterer 1521. 1530 (Pfaff a.a.D.). 

Der Ehlinger Zuzug wurde „nach Ausgang der bewilligten Zeit“, 
wie folche im Gonftanzer Abſchied von 1507 begriffen war, nod 
zwei Monate länger dem kaiferlichen Kriegsdienite zugefagt, weshalb 
der Eßlinger Rath vom König Maximilian unter dem 4. Merz 
1508 belobt wurde (Datt a. a. O. 570). 

‚ Der erwähnte Reichspoftreiter Berg war noch längere Zeit in 
Thätigkeit (le Begghe 1519 unferer Zeitrechnung bei Le Glay, Ne- 
gociations dipl. entre la France et l!’Autriche 2, 251.263.283. 
284 in der Collection de documents). 


° Er fagt: giovedi passato [3.Yebr.] circa ventitrö ore entrö (il Re) in 
Trento. L’altro di poi [4. Febr. si fece qui una processione solenne, dove 
andd la persona sua “con gli araldi imperiali iunanzi, e colla spada nuda, © 
giunto in chiesa, il Lango parlö al popolo, dove significo questa impresa 
d'Italia ec. Vettori bei Machiavelli VII, 37. 





12 


da rait die Fayfferliche maieftat von morgen an bit8 nach mittag 
nach zawayne 2 Uhr] und leyß by zwaydauſſent fußfnechten ins 
Viſſinthyn [Virentinifche] ziehen und ließ by zwelff gerichtten innemen. 
Aber der Berg kann ucher wißhait aud) wuol fagen, wie es ergangen 
ift. Und hatt die lantzſchafft unſſerm heren kaiſſer uß dem Viſſyn— 
thyn ſechs und driffig gyeſſſen gefeget und überantwurrt in ſynen 
gewuolt. Darnach hyeß ung von ftetten die kaiſſerlich maieſtat ziechen 
gen Delffan [Telvana beiBorgo]. Da mir da hyn kamen, da Fament 
die Sthradiotten von der Laeitter [Schloß Della Scala bei PBrimo- 
ano] her uff bits gen Grym |Grigno|, und kam das gefchray gen 
Delffan: herr erg von Fronntfperg wer nidergelegen, und war um- 
gefarlich nit ain ftundt, das mir Fuomen waren, da waren mir all 
uff waß von ftetten war. Aber e8 war unnott; es hatt kayn thail 
dem andern nis gethan. Es ift auoch die fag, das ſich der fing 
von Spannyen und der fing von Frandenrid; mit ainander verthra- 
gen habent, alfjo und der geftalt, das der küng von Frandenrich fol 
inhaben Maillandt mit fampt fyner zu°gehorde, desglich der fing 
von Spannyen Noppels mit ſampt fyner zu°gehorde, und jedern den 
andern fol ſchützſſen und fchyrmen nad fynem vermogen. Wir lie- 
gen hie zuo Thryntd [Trient] und warttent uff wittern befchaidt. 
Wir jalltent auch ins Fiſſynthin ſyn; da mochttent mir nit zu roß 
hynuber ubern berg kuomen; dan die Faifferliche manftatt ließ den 
berg bejichttigen, e8 mocht aber nit geſyn. Es ift auch uff den 
‚ dag, als unſſer fußfnecht ins Fiffynthin gezogen ſyndt Febr. 5], 

marckgrauoff Friderich von Brandenburg mit fampt der fürjten ritten 
für Roffyrett [Roveredo] gerent und die ftat erfordert im uoffzuoge⸗ 
ben an ftatt unffer® her kaiſſers, und Hatt ethlich fchlangen abge- 
Ichoffen uber die ftatt hyn u. Dar uber habent fie im zu ant- 
wuort geben, e8 ſy in nit befollen, aber fie wuollentzs an ire heren 
bryngen. So ſies haiffent, fo wuollent fieß don. Aber jetzs uoff 
diffen dag fagt man, fie habent fich faft geiterdt und habent ain 
bruod uber die Et8 ſEtſchj gemacht. Es ift auch ain huoptmann 
von fürften zu der kaiſſerlich maieftat gangen und die kaiſſerliche 
maiejtat gebetten, im zu erlawoben haym zu‘ rietten; dan die ziett 
fey ſchier us, da mit fye in der beitallung widerum haim mögent 
fomen. Hatt mir her Wilhelm marfald felb8 gefadt, vnſſer herr 
faiffer hab in dar zuo gezogen und hab im diß antwuort geben: ‘lie 
ber, dyn her ift ung fchuldig, fechs monnat zu dyn, und fo du0 ung 
die dienft, fo magſtuo zu® ung kuomen, wuollen mir dier witteren 
beſchaidt geben’. Sollichs hab ich ucher wißhait nit wuollen verhall- 
ten, inn aller beiten uch dar nad) wißen zu® richtten. Es fyndt auch 
fil von jtetten, die fich beflagent, fie wuellent fuoro hyn umb den 
foldt nit mer dynen; dan fie mudgent nit by dem foldt belieben, das 
fudtter fie dier. Und ob die, die uns befollen wu°rdent anzu°nemen, 
den folt nit nemen wuollten, den man unß gibt, und andere ftett mer 
gebent, bittent wir, ucher wißhait wuol unß laſſen wiſſen, wie mir 
ung halttent fallen. Hans Holdermann und mynen halb haben mir 


13 
fain nott gegen ainem ratt, dan mir fyndt genaigt, aim erfiamen radt 
jetzs und allweg zuo dynen. Als der fing kaiſſer wuorden ift, da 
hat bie kaiſſerlich maieſtat im fuoßſtaffen ſant Jergen orden ange⸗ 
nomen und mit ethlich fürſten und herrn, grawffen, ritter und knecht. 


Nit me! dan aller ewer wyßhait gefallige dinſt zuo bewiſſent wern 
mir allzit willig und berait. 


Geben im X Ve und im achttenttent jare uoff dinſtag nach ſant 
Vallentinustag Febr. 15). 


Ciriax von Rinckenberg 
Hannß Holdermann. 


Eingeheftete Nachſchrift: 

Wieſſen gunſtigen lieben herren! Ich hab annß Holdermann 
dar zuo erfordert, mit den geraiſſigen und den fußknechten zu handd⸗ 
ten, fo fagt er, es fie mir befollen. Wie ich mic hyn fuoro halten 
fol, mag mirs ucher wißhait zu verſten geben. 


Ueberſchrift: 


Den furſſichttigen erſſamen unnd wiſſen bürgenmaiſter und radt 
der ſtatt Eſſelingen unſſern lieben herren. 


Das Reftitutiong-Edift im nordiweftlichen 
Deutfchland. 


Bon 


Onno Klopp.’ 


ı Die Rebaction findet fih zu der Bemerkung veranlaft, daß fie Fein 
Bedenken trägt, ja es zum Theil als ihre Pflicht anfieht, auch ſolche Arbeiten 
aufzunchmen, deren Auffaffung fie nicht theilt, wenn diefelben im allgemeinen 
von einem wiflenfchaftlichen Standpunkt aus verfaßt find. 


Verſchiedene Staatsmänner aus der Zeit des dreißigjährigen Krieges 
ſelbſt haben den Urſprung des Reſtitutions-Ediktes nicht in Wien, 
nicht in München, noch an einem der fürſtbiſchöflichen Höfe des Rei— 
ches, ſondern jenſeit des Rheines bei dem Cardinal Richelieu geſucht. 
Die Erfahrung lehrt, alſo laſſen ſie dieſen Cardinal ſeine Schlüſſe 
aufbauen, daß das Haus Oeſtreich eine Beſtie mit vielen Köpfen iſt. 
Je mehr man es drängt, deito mehr wächſt es, und an der Stelle 
eines abgehauenen Kopfes fproßt fogleich ein neuer hervor. Des- 
halb muß man des Kaifers Frömmigkeit zu feinem Falle gebrauchen. 
Man muß die Geiftlichen dahin treiben, daß fie die kirchlichen Güter 
zurüdfordern. Ferner muß man das Mitleid des Kaifers erwecken, 
daß das Kriegsvolf überall fo übel haufe, dag Wallenftein jo abfolut, 
dominire, fo viel Geld erpreffe. Dean muß ihn bewegen das Heer 
ganz oder zum Theile zu entlaffen. Alsdann muß bei ſolcher Schwä- 
dung der Taiferlihen Macht der König von Frankreich auftreten, mit 
Gewalt und Geld je nach den Umständen wirken, bis zu feiner Zeit 
Religionsfreiheit verfprohen. Auf foldye Weife werden die Proteftan- 
ten den franzöfifchen König lieben und ihm trauen, auch die Ffatholi- 
ihen Rurfürften durch den von Zrier geneigt gemacht -werden. ‘Denn 
wenn fie nur bei ihren Würden und Einfünften bleiben: fo iſt es 
ihnen einerlei, ob fie unter dem Kaifer oder unter dem Könige von 
Frankreich die Meſſe lefen. Bayern kann die Kur behalten und das 
Land ob der End. Wenn man e8 alfo angreift, die Unzufriedenen 
an ſich zieht: fo kann Frankreich zur römischen Königswahl gelangen. 
Der Raijer mag den Titel behalten. ‘Die gehorfamen Niederlande 
müjjen fi” mit den SHolländern vereinigen und dem Könige von 
Spanien beide Indien wegnehmen. Damit wäre das Haus Oelt- 
reich hin !. 

Es ift immerhin möglich und felbft wahrfcheinlich, dag Richelieu 
diefe Gedanken jo entworfen, wie fpäter öftreihifche Staatsmänner 
md Hijtorifer fie ihm beigemefjen haben. In der Sache felbit Liegt 
fein Widerfprud. Lange Jahre bevor der Kurfürjt von Trier den 
Franzoſen die Thore von Chrenbreitenftein 1632 eröffnete, hatte der 


I KXhevenbiller, Annales Ferd. XI, 412. 


18 


ſchlaue Marcheville ihn zum Werrathe des Vaterlandes an Nichelieu 
gefödert . Die Annahme jedoch, welche neuerdings Karl Adolf Men: 
zel erhoben, daß nämlich der Gedanke des Reſtitutions-Ediktes bei 
dem Gardinal Richelieu feinen Urſprung genommen, ift nicht begrüns 
bet. An der langen Kette der Creigniffe vorher Bing das Edikt wie 
eine reife Frucht. 

Denn die Wurzel deffelben und des unfeligen Zuftandes über: 
haupt ift der Neligionsfriede von Augsburg. Das Wort Friede 
entfchädigt nicht für die Zhatfache des Haders und des Zwiftes, der 
aus den Beitimmungen diefes Friedens fproßte. Faſſen wir bie drei 
hauptſächlichen Schäden dieſes vermeinten Friedensjtandes näher ins 
Auge. Ä 
Zuerft nämlich ift e8 ein ımgenauer Ausdrud, den man häufig 
vernimmt, als fei der Neligionsfriede von Augsburg gefchloffen zwi- 
chen den kirchlichen Parteien als folhen, zwifchen Katholifen und 
Protejtanten insgemein, als fei von jener Seite durch den Frieden 
den leßteren die Religionsfreiheit gewährt. Vielmehr ward der Friede 
abgefchloffen zwifchen den Tatholifchen und den proteftantifchen Reiche: 
ftänden, den Fürjten und Obrigfeiten, und betraf nur diefe, nicht 
die einzelnen Menſchen, die Fatholifch oder futherifch waren. ‘Der 
Unterfchied ijt wefentlih. Die Fürſten und Obrigfeiten, und nur 
diefe ficherten gegenfeitig einander die Neligionsfreiheit zu. Kin 
Reichsſtand foll fortan den anderen der Religion wegen nicht bedrän- 
gen. Weiter ging der Friede nicht. Innerhalb des eigenen Landes 
hatten die Reichsfürften das Recht nach eigener Anficht zu verfahren. 
Es ift der Grundfaß, den man kurz und biindig in die Worte Hlei- 
dete: cujus regio ejus religio. Demgemäß waren die Unterthanen 
eines Fürjten, der zur Confeſſion von Augsburg übertrat, reichsge⸗ 
feglid) verpflichtet, dem Befehle des Landesherrn zu gleichen Ueber: 
tritte zu gehordien. Wenn fie jich deſſen weigerten, fo war e8 ihnen 
geftattet, Hab und Gut zu verfaufen, und nach Erlegung der Abzug. 
jteuer in ein anderes Land zu ziehen, 

Dichre Jahrzehnte hindurch, auch nad) dem Frieden von Auge: 
burg, diente diefer Sat nahdrüdlid zur Ausbreitung und Teftigung 
de8 Proteſtantismus. Die Territorien, deren Oberhaupt proteftans 
tiih war, mußten dafjelbe unbedingt als ihren geborenen Oberbifchof 
anerkennen. Sie waren proteftantifch dur und durch. ‘Dazu hatte 
der Proteſtantismus, bei der Zerrüttung der katholiſchen Kirche, fi 
Boden errungen innerhalb der Territorien, deren Oberhäupter katho⸗ 
(ifch blieben. Mehre Jahrzehnte hindurch wagte fein Tatholifcher 
Fürjt den Sat des cujus regio ejus religio aud für fi in An- 
wendung zu bringen. Es fchien, als fei dies Reformationsrecht nur 
dasjenige der protejtantifchen Landesherren. Erſt als allmählich die 


2 Aus der Gorrefpondenz bed Biſchofs Franz Wilhelm im ehemaligen 
Domcapitel: Ardiv in Dsnabrüd ergiebt fi, daß ber Kurfürft ſchon 1627 
höchſt verbächtig war. 





80... 


tigen, zumal da er kurz vorher zum Galvinismus übergetreten 
war, nur mit dem Unterfchiede, daß er in Folge deſſen nicht ein 
(andesherrliches Reformationsrecht über die Maſſen in Anfprud 
nahm. Indeſſen nur auf die Fürften ja fam es an. Der Calvi- 
nismus im Neiche fchien empor zu wachſen zur vollen Ebenbürtig⸗ 
feit mit dem Katholizismus und dem Lutherthume. Und doch wußte 
das pofitive Necht des Reiches nichts von diefer Partei. Der Bud 
ftabe des Friedens von Augsburg ſchloß nad) wie vor den Calvinie- - 
mus aus. Was konnte davon kommen? 
Ä Die dritte und wichtigfte Saat des Zwieſpaltes durch ben 

Frieden vom Augsburg war der geiftliche Vorbehalt. Auch hier fann 
nicht die Rede fein von dem Verhältniffe der Katholifen überhaupt 
als Katholiten gegen‘ Proteftanten als Proteftanten, fondern e8 han- 
delt fi) um das Befitthum der Tatholifchen Kirche gegenüber den 
proteftantiichen Fürften und Reichsſtänden. Es war die Confequenz 
der Reformationsbewegung der alten Kirche ihre reichen Güter zu 
nehmen und diefelben in weltliche Bejitthiimer zu verwandeln. ‘Der 
Kaifer dagegen — und man follte das doch nicht verfennen — war, 
indem er der alten Kirche getreu blieb, der natürliche Schüßer des 
hergebrachten Rechtszuſtandes. Es war fein Amt und feine Pflicht 
denfelben zu vertheidigen, jeden in feinen Rechte zu fchügen. Dazu 
war dies das kaiſerliche Intereſſe. Die NReichsverfaffung war gebaut 
auf die geiftlihen Wahl- und die weltlichen Erbfürften, nicht auf 
diefe allein. Vielmehr Ichrte die Erfahrung, daß die geiſtlichen Für⸗ 
jten eine zuverläffigere Stüße der faiferlihen Macht waren, als. die 
weltlichen. Es war mithin zugleich Pflicht des Kaiferthums und ei- 
genes Intereſſe, die Bisthiimer umd Stifter nicht zur Beute weltli- 
her Erbfürften werden zu lafjen. Aber die Faiferliche Macht war 
den andringenden Forderungen nicht gewachſen. Sie verfuchte 1555 
zu Augsburg ein Abkommen zu treffen. Ferdinand I. und die Fatho- 
lifchen NReichsfürften verzichteten auf die Rückforderung der firchlichen 
Güter, weldye bis zum Paffauer Vertrage von 1552 eingezogen 
waren, unter der Bedingung, daß die noch vorhandenen Güter ber 
fatholifchen Kirche verblieben. Der Geiſtliche, der Inhaber einer 
kirchlichen Pfründe, der nad) diefem Frieden ſich von der fatholifchen 
Kirche Tosfagte, follte eben dadurd auf feine Kirchlichen Pfründen und 
Lehen verzichten. 

Die proteftantifchen Reichsfürſten fügten ſich zu Augsburg mit 
Widerftreben in die Aufnahme diefer Bedingung, welche mit dem 
Geifte der Partei, mit der ımverfennbaren Strömung der Zeit un⸗ 
vereinbar war. Auch bewies der Erfolg, daß es ber Partei mit dem | 
Halten diefer Bedingung nit Ernft war. Sie war noch im Fort: 
ſchreiten, die Zahl ihrer Anhänger im Steigen. Diefe reformirten 
fort und fort. Es wurden aus firftlichen Familien Bifchöfe und 
Aebte erwählt, welche die Tirchlich erforderlichen Eigenfchaften unzwei⸗ 
felhaft nicht befaßen. Ferdinand I, Mar IL, Rudolf II. misbillig- 
ten es. Dennoch gefhah es. Altmählich fchien die Gewöhnung das 


ſtempe 


81 
verfahren der proteftantifch fürftlichen Häufer zu einem Rechte zu 


Allein das pojitive Recht blieb dafjelbe, und der Zwieſpalt def- 
jelben mit dem Thatbeſtande ftellte früher oder fpäter Verwickelungen 
jehr drohender Art in Ausfiht. Wie war es, wenn einmal ein Kai- 
fer mit Macht auftrat, um als oberfter Vichter des Reiches die po- 
fitiven aa onungen deſſelben zu ſchützen, fie feitzuhalten nach dem 


Diefe Gefahr ward um jo drohender, je fefter fich der Katholi- 
zismus wieder begründete und je weiter der Spalt zwifchen den Par- 
teien klaffte. Gegen da8 Ende des Yahrhunderts ift die fehroffe 
Dreitheiling der Reichsfürften und Stände bereits vollendet. Nach): 
dem der Kurfürft von Sachſen und die Mehrzahl der Tutherifchen 
Reichefürften durch die Soncordienformel von 1578 eine feite Burg 
weniger gegen die Fatholifche Kirdye als gegen ben Calvinismus er- 
richtet haben, treten fie dem fatholifchen Neichstheile näher. Der 
Verſuch Gebhards von Köln auf die Säcularifation des Erzbisthums 
vermittelft des reformirten Bekenntniſſes und der Hülfe des Auslan- 
des mislingt, weil Kurſachſen ſich im fatholifchen Sinne entfcheibet. 

Der Geijt der Neuerung, der Zrieb nach Umgeftaltung des Be- 
itehenden ift damals von der Iutherifchen Partei gewichen. Er ift 
übergegangen auf die calviniſche. Dieſe macht aus ihrem Wunfche 
nach dem Umjturze der Reichsverfaffung, in welcher fie nicht eine 
jefte geficherte Stätte hat, nicht mehr ein Hehl. Wir vernehmen 
1608 von Pfalz und Heſſen-Caſſel die Worte: Hopfen und Malz 
fa an den mühjamen Reichstagshändeln verloren; e8 werde nicht gc= 
ben, man gieße denn das Reich in ein anderes Modell!. Es ift 
jedoch unter den calvinifchen Fürſten ebenfo wenig wie unter den 
Intherifchen oder unter den Fkatholifchen vor Ferdinand und Maxi⸗ 
milian eine energifch durchgreifende Perſönlichkeit. Die Schwäche 
der Träger der Reichsgewalt wandelt ſich in den Augen diefer calvi- 
niſchen Fürjten zu einem Scheine von eigener Kraft. Ye weniger 
fie aus fich felber vermögen, deſto eifriger wenden fie fich den Aus- 
(ande zu. Im Beginne des febzehnten Jahrhunderts wird das Ver⸗ 
hältniß zu Heinrich IV. von Tsranfreid enger. Moritz von Heffen- 
Caſſel reift zu diefem Könige, und vernimmt mit Freuden, daß Hein- 
rich ungeachtet feines Webertrittes zur Tatholifchen Kirche im Herzen 
noch ein Calviniſt ſei?. Ein folches Bekenntnis feitigte die Freund⸗ 
haft. Sie fchrieben einander Briefe über das bien public, die 
gemeinfame Sadje, und der König betheuerte, wie fehr er den cal- 
viniſchen Fürften geneigt ſei. Moritz trat unter denfelben voran. 
Er laufchte mit Begier den Planen Heinrihe auf die Begründung 
defien, was der König feine chriftliche Republif naunte. Man fennt 
diejen Plan. 


’ Durter, Ferdinand U. Band VII, 186. 
2 Rommel, Gedichte von Helfen VII, 413. . 


82 


Streifen wir demfelben die fchönen Worte ber Chriſtlichkeit, der 
allgemeinen Duldung und alle die anderen Redensarten ab, mit denen 
die Eroberer ihre Habgier zu umwideln pflegen: fo bleibt als Kern 
übrig die Abficht auf die Zerftückelung des deutfchen Keiches und der 
deutfchen Nation, deren Bruchſtücke und Splitter der König hierhin 
oder dorthin zu werfen befchloß nach feinem Gefallen. Die Eriftenz 
der deutjchen Nation war in ihrem Grunde und Weſen bedroht. Es 
verjtcht ſich, daß, wie in foldhen Fällen üblich, die Chriftlichleit und 
die allgemeine Duldung begründet werden follten durch das Schwert. 
Heinrich IV. Hatte feine Küftungen vollendet. Er meldete am 8. Mai 
1609 dem Landgrafen Morig, dag er felbjt mit feinem Heere am 
20. Mai an der deutjchen Grenze ftehen werde. Sehe Tage vorher 
zerichnitt das Mordmeſſer von Ravaillac den Plan des: franzöfifchen 
Eroberers. 

Dennoch hinterließ er auch jo dem deutſchen Lande ein unfeliges 
Vermächtnis. Auf das Anftiften des franzöfifchen Königs '!, auf 
feine Verfprechungen thätiger am dachten Kurpfalz und einige an- 
dere, hauptſächlich calviniſche Fürften feit 1606 an die Stiftung ei- 
nes befondern Bundes. Derfelbe kam am 4. Mai 1608 zu Ahaufen 
zu Stande. Die öffentlichen Artikel des Bundes waren nicht gerade 
fehr verfänglid) ; aber es liegt nahe, daß im Falle des wirklichen Einbru- 
ches des Franzofenfönigs in Deutfchland diefe Union, die er gejtiftet, 
fi zu ihm geichlagen hätte. Wenn auch die Pläne nicht fo weit 
dem Fatholifchen Neichstheile offen lagen: fo verkündete doch das Be 
jtehen der Union an fi) fhon Gefahfen für die kirchlichen Fürſten⸗ 
thiimer. Deshalb fchien bei der Schwäche des Trägers der Kaiſer⸗ 
gewalt ein gleidyer Bund rathſam. Am 10. Yuli 1609 wurde zu 
Münden die Liga gefchloffen, als deren eigentlicher Stifter nicht 
Marimilian von Bayern, fondern der Biſchof Julius von Würzburg 
erfeheint . Maximilian indeijen war bie Seele diefes Bundes. 

Wie im Stillen der Zwed der Union auf die Aneignung ber 
Bisthümer und Stifter hinausging: fo war der offen ausgefprochene 
der Liga die Erhaltung derfelben. Sie verkündete laut, daß fie nichts 
wolle als einzig und allein die Erhaltung des Friedens kirchlich und 
weltlih. Die Abficht der Union barg fich Hinter die Worte einer 
Erneuerung des Keligionsfrievens?. Die Liga erflärte, daß fie 
denfelben buchftäblih wolle im inne von 1555. Sie verwahrte 
jich feierlich gegen die Weiterbrängenden von ber fatholifchen Seite, 
welche den Frieden von Augsburg nur für ein einftweiliges Abkom⸗ 
men ausgäben. Ob es den Mitgliedern der Liga damals ſchon Far 
war, daß auch das Felthalten des Budjitabens von Augsburg fchon 
unabjehbare Berwidelungen nad fich ziehen würde? 

Es find zwei Parteien, bereit in jedem Augenblide fich gegen 


ı Bedmann, Geſchichte von Anhalt V, 317. 
2? (Stumpf), Gefchichte der Liga ©. 6. 
’ 0.0.0. © 42. 


83 


einander zu erheben, ımd zwar nicht zumächft um Intereſſen der Re— 
ligion, ſondern um diejenigen des Befites. Keins von beiden Bind- 
niffen entipricht dein Intereſſe der deutfchen Nation, keins von beiden 
demjenigen des Kaiſers. Weber Rudolf, noch Matthias haben die 
Liga gut geheißen. Sie waren ftets befliffen fie aufzulöfen. Es ift 
ihnen nicht gelungen. 

Die Union ift weſentlich calvinifh, die Liga Fatholifh. Die 
Iutherifche Partei, die ihre Hauptftüge und ihren Vertreter in dem 
Lurfürſten von Sachſen fah, betheiligt fic) nicht. Doc) zeigt fie fich 
der Union entjchieden abgeneigt. Auf die Anzeige der Unirten, daß 
fe zum Schutze der Religion zufammen getreten feien, erwiebert Kur- 
fahfen !: Die Einziehung von Klöftern fei nicht Sache der Religion. 
Der Reihsabfchied von 1555 fage Har, daß man keine kirchlichen 
Güter ferner einziehen dürfe. Man könne dem katholiſchen Zheile 
den Rechtsweg nicht verfperren. Kurſachſen betonte fcharf: der Kai⸗ 
fer fei nicht bloß Ehren halber da, fondern das Haupt im Reiche. 
Dennoch ſchwankte der Kurfürft, ob er nun der Liga beitreten folle. 
Noch 1611 machte fi die Liga ftarfe Hoffnung darauf. Wie es 
Iheint, hat Heinrich Julius von Braunfchweig es verhindert’. Er 
hebt nachdrücklich hervor, daß ſolche Bündniffe nicht gefchloffen were 
den dürfen ohne Genehmigung des Kaifers. Cr bittet den Kurfürften, 
treu zum Kaiſer zu ftehen, diefem allein die Entfcheidung zu überlaf- 
fen. Johann Georg macht ſich diefe Anficht zu eigen. Cr erklärt 
jeden Bund im Reiche für eine Trennung. Er betheuert, daß er 
vor wie nach nur den Kaifer für feine ordentliche von Gott gefeßte 
Obrigkeit erkenne, fich jederzeit gehorfam der Reichsverfaſſung unter- 
werfen und den Religionsfricden aufrecht halten wolle*. J— 

Dieſelbe Stellung der Parteien dauert fort. Wir finden ſie 
wieder beim Ausbruch des großen Krieges. Die calviniſche Partei 
nimmt ſich der böhmiſchen Stände an, nicht die lutheriſche. Die 
Theologen der letzteren in Böhmen ſelbſt erfüllen das Reich mit ih— 
ren Klagen über den Calvinismusſ, und die Sachſen, die Würtem⸗ 
berger antworten. ihnen in gleichem Zone. Die theologische Facultät 
zu Tübingen fucht in einer Difputation von zwei Tagen zu .beweifen, 
dag der pfälzifch-böhmifche Hofprediger Scultet ein Atheijt fei. Die 
Kunde des Sieges der Taiferlihen Waffen am weißen Berge wird in 
Berlin mit lautem Jubel vernommen. Die jungen Weimarer Her- 
zöge, die für Friedrich) und die böhmifchen Feudalherren fechten, ha- 
ben ihren befondern Groll gegen das Kaiferhaus und den Oheim 


2 Londorp, Acta publica I, p. 2 ff. 

2 (Stumpf), Geſchichte der Lina ©. 33, 

sEhemaliges Domcapitel: Archiv in Osnabrüd. j 

+ Man fehe die Schrift: Discursus Politicus durch einen erfahrenen JC. 
und Historicum, dem Zufammenbange nad offiziell kurſächſiſch. 

5 Hormayr, Tafhenbud 1844. p. 71. 

Cosmar, über Schwarzenberg S 399. 


6* 


84 


von Sadjfen wegen des Kurhutes. Im Uebrigen hat fein deutſcher 
(utherifcher Fürft in Wort oder That zu Gunſten des Aufftandes 
in Böhmen fid) erhoben. 

Dagegen hat die Noth den Kaifer Ferdinand gezwungen, ſich 
der Kiga in die Arıne zu werfen, fie um Hülfe zu bitten, und dadurd) 
dieſen Bund anzuerkennen. Diefe Bereinigung ift fehr wichtig. Faſt 
dürfte man fagen, der Staifer fei in diefem Drange der Noth Partei 
mit geworden. In Böhmen kämpft noch ein befonderes eigenes Heer 
des Kaiſers zufammen mit den Truppen der Liga. Aber fchon 1621 
ift dies nicht mehr. Indem Tilly gegen Mansfeld auszieht, wird 
diefer Feldherr des Fatholifchen Bundes von dem Kaiſer ausgerüftet 
mit voller discretionärer Gewalt im Namen des Kaiſers. So kämpft 
Tilly in der Ober-, in der Unterpfalz. So wendet er fid) nordwärts 
nad) Heffen, ſchlägt den wilden Chriftian an der holländischen Grenze, 
und zieht dem Mausfeld nad, bis an die Ufer der Nordfee. 

Die böhmischen Feudalherren, ihr König Friedrich und feine 
Barteigänger erheben von Anfang an den Ruf des Religionskrieges. 
Der Ruf wird von Katholifen und Yutheranern gleihmäßig zurüd- 
gewiefen. Namentlid” Tilly fucht mit äußerſter Geflijfenheit jeglichen 
Schein eines Religionsfrieges zu vermeiden. In der Unterpfalz ftellt 
er fonntäglid an die Kirchen des calvinischen Belenntniffes feine 
Schildwachen zur Sicherung des Gottesdienites!. Er fpricht in Nies 
derfachfen Geiftlihe, Schullehrer und Kiüfter, mit den ausdrüdlichen 
Zuſatze, daß er überhaupt feine geiftliche Perfon ausgenommen wiljen 
wolle, von Einquartierung frei?. Cr fordert zu wiederholten Malen 
durch gedruckte Proclanationen auf, ſolchem Vorgeben der Böswilligen 
von einem Religionsfriege Teinen Glauben beizumefjen. Er fordert 
die proteftantifchen &eiftlichen des Reiches auf, zu fagen, wo jemals 
durch ihn einer von ihnen bedrüct und bedrängt worden fe. Min⸗ 
deſtens cben jo überzeugend, wie er felbft dadurch, hat einer der ei⸗ 
frigften Gegner des Feldherrn dur eine Anklage gegen ihn darge 
than, daß Tilly nicht einen Keligionskrieg führte. Nachdem Tillys 
Truppen drei Jahre lang im Lande Heffen-Caffel geftanden, bemüht 
ſich Yandgraf Moritz feine kaiſerlich gejinnte Ritterfchaft die volle 
Surchtbarfeit des ligiſtiſchen Feldherrn erfennen zu laſſen. Er ver- 
traut ihr an, er wille wohl, was Tilly vorhabe. ‘Derfelbe wolle 
die Heſſen wieder Iutherifh machen, und das Lutherthum fei halb 
papiſtiſchs. Die unfreiwillige Komik diefer Beforgnis des Landgra⸗ 
fen Morig fcheint uns die wahre Sadjlage klarer darzulegen, als 


ı Mansjelders Ritterthaten p. 119. 


2 Id) habe eine diefer Proclamationen aus dem Kön. Arhiv in Hans 
nover veröffentlicht in der Zeitfchrift deö biftor. Vereines für Niederſachſen. 
Hannover 1858. Man vergl. ferner meinen Aufſatz: zur Charafteriftif Tillys, 
in Weſtermauns deutſchen Monatsheften 1859, Monat September; auch den 
Anbang hinten, 

°* Rommel, Geſchichte von Heſſen VII, 633 ff. 


85 


eine lang ausgeſponnene Erörterung einzelner Momente und Thatfa- 
den es vermödhte. 

Man wird hier vielleicht erwiedern, daß ber Krieg fich zu einem 
Religionstriege geitaltete durch die ſchonungsloſe Gegenreformation, 
weiche Ferdinand II. in dem wieder eroberten Böhmen, welche Ma— 
fimifian von Bayern in der Pfalz vornahm. Ferdinand machte nur 
anfangs einen Unterſchied zwiſchen Calviniſten und Lutheranern, im 
Fortgange der Sache dehnte er ſeine Maßregeln gegen jene auch 
anf dieſe aus. Cr ließ ſich darin durch die Bitten und Vorftellun- 

gen feines treuen Verbündeten, des ſächſiſchen Kurfürſten, nicht 


Es it leider die Anwendung jenes Sates: cujus regio ejus re- 
ligio, den wir in Kraft treten fehen auf eine bis dahin nie erhörte Weife. 
Allein unfer Vorwurf, unfere Klage deshalb fann weniger die Per- 
ſonen treffen, als die Zuftände, den Buchftaben des Reichsgeſetzes, 
welches dem einzelnen ſterblichen Menſchen eine ſolche Vollmacht über 
die Gewiſſen feiner Meitmenfchen verlieh. Es ift traurig es aner- 
tennen zu müſſen; aber es ift unzweifelhaft. Ferdinand und Mar 
bandelten nach demſelben Buchſtaben des Gefeßes, welchen fie ihrer- 
ſeits bei den proteftantiichen Fürſten durchaus anerfannten. Ferdi— 
nand taftete in diefem echte Feinen der Iutherifchen Neichsfürften an. 
Er hatte dem ſächſiſchen Kurfürften für die erwieſene Hilfe eins der 
Nebenländer von Böhmen, die Oberlaufig zum Pfande gefegt. Cr 
fand es in der Ordnung, daß Johann Georg in diefem ehemals 
aiferlichen Erblande das Iutherifche Bekenntnis befeitigte, hegte und 
pflegte. Denn Yohann Georg war bort als Landesherr in Befite 

des Reformationsrechtes. In Wahrheit erkannte auch Johann 
Georg feinerfeite einige Jahre fpäter das pofitive Recht des Kaiſers 
ö 

m Sabre 1625 nämlich rüftete der Dänenfönig Chriftian IV. 
mit holländiſchem und englifchem Gelde zu feinem Kriege auf deut⸗ 
ſchem Boden. Auch er erhob die Fahne der Religion. Sein eigent⸗ 
licher Zwed war die Erlangung der norddeutfchen Bisthünger. Im 
Winter 1625/6 verfuchte Johann Georg zu Braunfchweig die Ber: 
mittelung. ALS diefelbe fcheiterte, Ließ er 1626 eine Schrift ausge⸗ 
ben, die höchſt beachtensiwerth ift für die damalige Anſchauung dieſes 
Hauptes der lutheriſchen Partei. 

Es ift ein erhebender Gedanke, fagt der Kurfürft von Sachſen, 
dag ein Volk alles daran fest feine Religion und feine Freiheit zu 
vertheidigen. Alfo, meint er, iſt e8 gefchehen im ‘Jahre 1552 von 
den beutfchen Fürften gegen den Kaifer Karl V. m gleicher Weile 
behauptet nun der Düänenkönig, daß auch fein Kampf gegen den Kai⸗ 
fer die Rettung und Erhaltung dieſer edlen Güter bezivede. Es iſt 


® Londorp, Acta publica Ill, 890 ff. Daß die Schrift offiziell, ift aus 
den Einzelnen und Ganzen offenbar. Ich habe die Worte verändert, jedoch 
nicht die Gedanken. 


die Trage, ob dem alfo fei. Der Kaifer Karl bedrohte damals den 
Proteftantisuus. Cr wollte das Papftthun allgemad wieder ein 
führen. Nicht alfo Liegt jebt die ade. Der Kaifer Ferdinand 
hat auch nicht einem einzigen Stande des Reiches zugemuthet fid) 
von der evangelifchen Religion loszufagen und dafür die Fatholifche 
wieder anzunehmen. Auch nicht die geringfte Reichsſtadt kann diefen 
Vorwurf auf den Kaifer bringen: eine jede bleibt frei bei der Uebung 
des Glaubens, welchen fie von vielen Jahren her bekannt hat. Der 
Vorwurf einer Religionsbedrüdung ift mithin hohl und nichtig. Und 
chen jo verhält es fich mit der Freiheit. Unter dein Kaifer Karl V. 
alerdings litt die deutfche Freiheit Noth. Der Kaifer führte den 
Kurfürſten Johann Friedrich, den Yandgrafen Philipp gefangen um- 
her, md alle Bitten um die Roslaffung derfelben waren vergeblid). 
Tie Daft ward nicht erleichtert, fondern erſchwert. Nicht alfo ift 
cr jegt. Wohl hätte der Kaifer Urfache gehabt die gefangenen Reiche: 
füriten ferner und bejjer zu verwahren. Gr hat e8 nit gethan. 
Er bat jie nad) einander erledigt und begnadigt. Er hat ſich gnädig 
und willfährig gegen Alle erzeigt, welche ſich erſt höchlich gegen ihn 
vergriffen hatten, und dann ſeine Gnade ſuchten. Auch in Betreff 
der Freiheit liegt der Unterſchied der Zeiten Ferdinands von denjeni⸗ 
aen Karls V. ſonnenklar vor Augen. 

Und ferner, ſagt der Kurfürſt von Sachſen, ſpricht man viel 
von der Furcht vor einem ſpaniſchen Dominate, von einer Knechtung 
Deutſchlands unter denſelben. Zur Zeit des Kaifers Karl V. hatte 
dar einigen Grund. Damals fuchte Karl_V. feinen Bruder Ferdi⸗ 
wand bei Seite zu fehieben, um feinem Sohne Philipp die Kaifer- 
krone zu verſchaffen. Nicht alfo liegt es jegt. Der Kaifer Ferdi⸗ 
wand 11. hat im Anfange feiner Regierung das fpanifche Haus be- 
wogen, alten Anfprücen auf die Erbländer des jüngeren Haufes Oeſt⸗ 
reich ansörüdlich zu entfagen. And wenn man des ungeachtet immer 
dieſelbe Rede und diefe Beſorgnis wiederholt: fo müſſen wir wieder 
entgegnen, daß es nur Reden find, die man nicht beweilt, grundlofe 
Verumthumgen folcher Veute, die da meinen, ohne ihre Sorgfalt ftürze 
der Hinmmel ein umd die Sonne höre auf zu leuchten. Anders liegt 
die Thatſache. Spanien hat fchon jegt alle Kraft aufzuwenden, um 
nur ſich felber zu ſchützen und zu erhalten, und der Zuftand dort 
deutet nicht auf Fortſchritt, fondern auf Rüdgang. 

Ind doch hält man uns entgegen, fagt weiter der Kurfürft von 
Tacſen. da ed im Dintergrunde die Abſicht des Kaiſers fei, die 
rvangeliſche Yehre auszurotten und alle Reichsſtünde mit Gewalt zur 
Annahme der päpſtlichen Religion zu zwingen. Man weiſt bin auf 
Nolmnen, Oeſtreich. Mähren, auf Schriften der Sefuiten, die das 
ſordern. und dergleicen mehr. Man fchürt täglich das Mistrauen 
und nnt, man Die nicht ſtill dazu ſitzen, nicht dazu Fchweigen. 
Nu ſolche Reden erwiedern wir: was der Kaiſer im Sinne hat, ob 
er unt ſolchen Planen umgeht, day weiß allein Gott und nicht wir. 
Ru konnen unsg nicht vermeſſen, die Gedanken der Menfchen zu er- 


" 87 


gründen. Bir haben uns zu halten an bie oft und vielfach ausge- 
Iprochenen Verheißungen des Saifers, daß feine Heere nur dienen 
follen zur Bertheidigung des Reiches gegen die Feinde. Wir haben 
das kaiſerliche Wort, und unſer Luther fagt, daß man das Wort 
des Kaiſers für rechtlich und wahrhaft zu halten feſt und getreulich 
ſchuldig iſt, fo lange bis der Kaifer felbjt es widerruft. Allerdings 
hat der Kaifer in Böhmen, Mähren, Oeſtreich die fatholifche Religion 
bergeitellt. Aber das find feine Erblande, über welche diefe 
Befugnis ihm zufteht, und mit dem Reihe hat das nichts 
zu Schaffen. | 

Alfo der Kurfürft von Sachſen. Wir fehen, er beftreitet nicht 
dem Kaifer das Reformationsredht für die Erblande. Johann Geurg 
findet damals, im Jahre 1626, feinen Grund und fein Recht für 
den Namen des Religionsfrieges. Dennod taucht ihm bie Möglich- 
feit eines folchen auf durch die etwaige Nüdforderung -der geiftlichen 
Güter. Wir Haben, um uns biefen Standpunkt des Hauptes der 
tutherifchen Partei völlig Har zu machen, noch ferner feine damalige 
Anficht über den Gang des Krieges zu vernehmen. 

Dean jagt uns ferner, fährt die officielle Schrift fort: der Kai- 
fer hat den Pfalzgrafen Friedrid) feiner Yänder entfegt, nnd darüber 
find diefe auch den Kindern entzogen und in fremde Hände gekommen. 
Dafür müſſe man die Katholifchen wieder heimfuchen. Daß der 
Pfalzgraf feiner Länder beraubt, in der Verbannung umberirrt, ent- 
gegnet Johann Georg, ift zu beflagen; allein wer trägt die Schuld? 
Er hat den Kaifer, den er zuvor als redjten König von Böhmen 
anerfannt, mit zum. Kaiſer erwählen helfen, und dann hat er nad) 
geleiftetem Eide und Schwure den Kaifer böslicher Weife um feine 
Länder zu bringen getrachtet. Dafür ijt ihm mit demfelben Maaße 
wieder gemeffen, wie er gemeflen hat, um fo mehr, da er niemals 
zur Erfenntnis feines Unrechtes hat kommen wollen. Cr hat Zeit 
und Raum genug dazu gehabt; denn nad) der Schlacht bei Prag ift 
foft ein Jahr verfloffen, bis die Oberpfalz ihm genommen wurde. 
Damals hätte er fich entjchließen können und follen. Statt deffen 
haben fein General Mansfeld und andere Parteigänger Tod und Ver⸗ 
derben über die Länder gebradjt, und jener felbjt hat den Gegnern 
den Weg gewiefen, zuerft in die Ober- und dann in die Unterpfal;. 
Friedrich hat auch damals und fpäter fein Unrecht nicht einjehen wol- 
fen: vielmehr hat er ftatt deſſen abermals die deutſchen Länder ver- 
heeren lafjen. Wer will da dem Kaifer verdenfen, daß er fchärfere 
Mittel gebrauht? Wer will e8 dem Kaiſer verargen ſich deſſelben 
Rechtes zu bedienen, welches jeder Andere in gleichem Falle auch an- 
gewendet haben würde? ° 

Danad) hat fid) nun abermals der dänifche König in Waffen 
gegen den Raifer erhoben. Er will den Krieg. Nehmen wir aı, 
feine Sache fei gerecht: fo beweift es doch die Erfahrung aller Zeiten, 
dag gar oftmals Fürften und Könige auch da, wo fie zur gerechten 


88 


Vertheidigung des Vaterlandes die Waffen erhoben, democh unterle⸗ 
gen find. Wie viel mehr hat der ſich eines Schadens zu befahren, 
der nicht eine gerechte Zadye treibt, und der doch, wo er etwas zu 
klagen hätte, für die Erhaltung der, allgemeinen Wohlfahrt wohl an- 
dere Mittel näher finden könnte, als Krieg und Blutbergießen? 
Cine gerechte Sache aber hat der König von Dänemark in feiner 
Weiſe. Weder um ihn, noch um den niederfächfifchen Kreis hat der 
Kaiſer etwas verjchuldet, vielmehr hat er fich ihnen immerdar zu 
taiferliher Gnade und Freundſchaft erboten. Das Einzige, was man 
vorwenden könnte, ift der neuliche Einfall und das Streifen im Her 
sogthume Braunſchweig. Auch dazu hatte man auf jener Seite An- 
(a5 gegeben. Dagegen hat der Kaifer mit Geduld und Langmuth 
sugejehen, wie alljährlich im niederfächjiichen Kreife Söldner zu Roß 
und zu Fuß für feine Gegner angeworben wurden. Nun will man 
den vertriebenen Pfalzgrafen wieder in fein Land einfegen. Aber es 
findet fich bei diefem nod) Keine rechte Erkenntnis des hohen Verbre⸗ 
chens, welches er wider feinen Kaifer begangen. Darum ift, wie 
Zeit und Erfahrung lehren wird, cin glüdficher Fortgang diefer 
Dinge nicht zu erwarten. 


Denn es iſt offenfundig, wie augenfcheinlich Gott bisher dem 
Kaiſer beigeftanden wider alle feine Feinde. Anfangs und bald nad 
der Krönung gab fat Jedermann ihn für verloren. Ja es kam 
dahin, daß aud) deutſche Fürſten fich erdreifteten, fchimpflich zu reden 
iiber ihren eigenen Herrn. ‘Dann wendete es ſich, ımd das Symbol 
der fünf Vokale des SKaifers Friedrid) III.: Aquila Electa Juste 
Omnia Vincit warb zur Wahrheit. Denn Gott der Herr hält 
über feiner Ordnung, und ftürzt diejenigen, welche fi auflehnen 
wider die Obrigkeit. Es hat fi mancher Geier, Falk und Habicht 
gegen den kaiſerlichen Adler verſucht und bisweilen ihm auch eine 
scher ausgezogen. Dennod hat ſich der Adler jederzeit des Scha⸗ 
dens erholt, hat feine Gegner überdanert und ift oben geblieben. 


Das ift das Glück und das Geſchick des öftreichifchen feg, 
gegen welches nım der Düne in die Waffen tritt. Und dabei hat 
er zu thun mit einem fo vorfichtigen, fo wohl verfuchten, jo kundigen, 
fo Fugen Feldherrn, daß deifen Gleichen in unjeren Tagen in Cu- 
ropa nicht viele zu finden find. Alſo haben die legten fünf Yahre 
der vaufbahn Tillys ihn erprobt. Bei feinem Kriegsvolfe findet fich 
ein folcher Schorfam, bei dem General felbft eine folche Freundlich⸗ 
feit gegen Jedermann, fonft aber ein fo ſcharfes Regiment und eine 
Solche Kriegeszucht, daß man ihn loben muß. Darum ift es aud 
fein Wunder, daß ihm bisher alles, glüdkli von ftatten geht. Cs 
ift die Frage, ex iſt faſt unmöglich, daß auf der anderen Seite eine 
folche Kriegeszucht erhalten werden Fünne Darum it um jo iweni- 
ner Gluck fr den Dünen zu hoffen, zumal da Tilly nun auch Ver- 
ſiarkungen an fich zieht, Der König von Dänemark iſt in feiner 
ſeringen Geſahr, und es kann ihm leicht ergehen, wie es vor zwei 


89 


Yahren in Weitfalen bei Stadtlohn gefhah, wo nicht alle davon 
famen, die zu entrinnen vermeinten !. 

Und nit allein den göttlihen Schutz über das Haus Oeſtreich, 
das Feldherrngeſchick des alten Tilly hat der Düne zu befahren, fon- 
dern auch die Schwäche feiner Bündniſſe. Es iſt fein Glück dabei, 
fih mit fremden Mächten in Bündniffen gegen das Reich einzulaffen. 
Alfo lehrt e8 die Erfahrung. Was haben die Anderen auögerichtet, 
die bislang im fremden Solde das deutſche Land überzogen? Sie 
haben die Länder der freunde geplündert, und dann ift Tilly über 
fie gekommen, und fie haben den Raub den Eaiferlichen Truppen laffen 
müften. ‘ 


Darum ift von diefen neuen Kriegsräftungen, die als zum Be⸗ 
iten des Neligionsfriedens gejchehen ausgerufen werden, für biefen 
srieden nichts Gutes zu erwarten. Alle wöchentlichen Zeitungen ha- 
ben unit Rühmen verkündet, wie ſtark diefe Rüftungen feien. Aber 
in den letten Jahren war ein folches Rühmen und Verfünden immer 
eine gewiſſe Anzeige, eine Art Prophezeiung, daß die Rüftenden ge: 
Ihlagen werden follten. Das Rühmen und Verkünden hat die Geg- 
ner niemals verzagt gemadht: fie find dadurd) nur um fo forgfältiger 
und, eifriger geworden. 

Es ift num freilid) dennoch möglich, daß Gott burd) eine befon- 
dere Schickung eine Züchtigung über die Papijten verhängt, die and) 
wohl eine folche verdient haben. Es ift möglich, dag wider die Er» 
wartung der Sieg für den Dänen fich entfcheidet. Aber was dann? 
Dann wird erft recht Fein Ende des Krieges fein; denn der Kaifer 
md die Fatholifche Macht werden durch einen Sieg: nicht gebrochen. 
Und dann droht auch für Kurfachjen eine große Gefahr, und die 
Gegner werden uns büßen lafjen wollen für die Zreue, die wir dem 
Kaifer und dem Reiche beiviefen haben. “Der Sieg der Dänen würde 
verderblich fein für uns. Ä 

Allein es drängt fid) die Frage auf, fagt weiter diefe Schrift, 
ob nicht der Sieg der Faiferlichen und Katholifchen Macht noch mehr 
zu fürchten ſei. Es geht die Rede, daß der Kaifer nad) erlangteın 
völligem Siege die geiftlichen Stifter und Bisthiimer nicht bloß \wie- 
der fordern, fondern fofort ergreifen werde. Sr werde, fagt ınan, 
anfangen bei den zunächſt Ueberwundenen und bei den Geringeren, 
und dann werde er zulegt Sachſen und Brandenburg auch zu finden 
wifjen. Auch diefen werde er die Stifter und geijtlichen Güter wie 
der nehmen, und es werde dann dem Kurfürften von Sachſen nicht 
beifen, daß er dem Kaifer getreu gewefen, fondern er werde den 
Dank der Welt dafür empfangen. Wlan gründet diefe Beforgnis 
auf die gewaltfame Heritellung der katholiſchen Kirche in den Erb- 
landen des Kaiſers. Das hat allerdings einigen Schein für ſich, 
und es ift aus den Schriften und Reden auf fatholifcher Seite nicht 


2 Anfpielung auf die dort gefangenen Vettern des Kurfürften, die Her: 
zöge von Weimar und Altenburg. 


90 


zu verkennen, wie viele ba wünſchen das gefallene Papſtthum in 
Deutſchland wieder aufzurichten und der eingezogenen Stifter, wo 
nicht aller, doch zum Theile ſich wieder zu bemächtigen. | 

Aber man hat durch allerlei Zumuthungen ihnen dazu nicht ge 
ringe Urfache gegeben. Es bildete fich im Reiche die befannte Union 
einiger Fürſten. Sie bewiefen den fatholifchen Fürſten vielfältige 
Unbill. Sie entzogen denfelben die Einkünfte, quartierten ihre Söld- 
ner in Tatholifches Gebiet, hegten, ſchützten, und beförderten die böh- 
mifche Rebellion, deren Ziel der gewaltfame Untergang ber fatholi- 
fchen irhe war. Sie warfen auf Reichs- und Deputationstagen 
um fi mit bedrohlichen Neben, welche deutlich die Abſicht auf den 
Sturz der Fatholifchen Kirche verriethen, und handelten mithin gegen 
den Religionsfrieben, der dies ausdrüdlich unterfagt. Darf man da 
fich wundern, daß die katholiſchen Fürften deſſen eingedent blieben, 
daß fie fpäter, als die Macht in ihren Händen war, anfingen dafjelbe 
zu thun, was vorher von unferen Evangelifchen gegen fie verübt war? 

Es ift allerdings zu erwarten, fagt weiter der Kurfürft von 
Sachſen, dag nad) erlangtem völligen Siege die geiſtlichen Etifter 
wieder gefordert, oder den Inhabern fonft irgend weldye Zumuthun⸗ 
gen gemacht werden. Nur daß fofort ımd mit Gewalt verfahren 
werde, iſt nicht anzunehmen. Mean wird es nicht thun, weil 
dies die Gemüther der proteftantifchen Reichsſtände fo- 
wohl wie auswärtiger Könige zu fehr aufregen und ber 
Anlaß zu einem Religionsfriege fein Fönnte. In ſolchem 
Valle würde unjere Partei angegriffen fein, und darum, weil fie ſich 
zu vertheidigen hätte, deſto eher Ausficht auf Erfolg haben. Es iſt 
ferner nicht wahrfcheinlich, weil auch die katholischen Neichsftände an 
Gelde erfchöpft find, und nicht Krieg wünſchen, fondern Frieden. 
Sie find aber zu verftändige und erfahrene Politiker, um nicht ein- 
zufehen, daß ein folher Krieg fie am ſchwerſten heimfuchen würde. 
Dazu find viele ihrer eigenen Unterthanen der evangelifchen Religion 
zugetban, und namentlich halten die Nitterfchaften es um Geheimen 
mit und. Und endlich follten wir doch dem Worte des Kaifers mehr 
vertrauen, als den ungzeitigen Reden, die auf Mistrauen ausgehen. 
So Gott will, wird es mit den eingezogenen geiftlichen Gütern nicht 
“fo arg werden, wie mancher fi) dünken läßt. Doch darf und muß 
der Kaifer dafür erwarten, daß man in ‘Devotion und Gehorfam 
gegen ihn verbleibe, was bislang vielfach nicht gefchehen if. In 
Niederfachfen freilich muß man ſich etwas gefallen lafjen, und bie 
dortigen Fürſten tragen felber die Schuld. Man wird dort Jatho- 
liſche Prälaten wieder einfegen und Klöſter aufridhten. Soll man 
fich deffen mit Gewalt erwehren? Ich rathe, daß man Gottes All: 
macht in Beſchützung der wahren Kirche nicht vorgreife, noch unter 
der Hülle der Religion den Eigennutz juche. 

Wir Alle wünfhen und fehnen den Frieden zurüd auf des Kei- 
ches Boden. Dazu ift vor allen Dingen nöthig, daß der Pfalzgraf 
Kurfürft fein Vergehen bei den böhmifchen Händeln aufrichtig: be- 





91 


me und den Kaifer um DVerzeihung bitte. Dann ferner ift es nö⸗ 
tig, daß alle evangelifche Fürften des Neiches in gebührlichem Ge⸗ 
borfam ſich um ihren Kaiſer fchaaren und ablaffen von allen Bünd- 
niſſen unter einander und mit fremden unbeutfchen Mächten. 

Ufo Johann Georg von Kurſachſen in diefer offiziellen Schrift. 
Gr ift der Vertreter des Lutherthumes damaliger Zeit. Einſtimmig 
mit ihm dachten die hervorragenden Iutherifchen Fürften: ber Yand- 
graf Ludwig von Darmftadt, der Herzog Chriftian der Aeltere von 
Braunfchweig-Tiineburg, ferner die conjervativen Corporationen, bie 
Kitterfchaften und die Magiftrate der Städte! in den Ländern 
der Fürften von Niederfachjen, die der Dünenkönig bethört hatte, fich 
mit ihm zufammen in einen Krieg einzulaffen, der auf ihre Koften 
zu feinem Vortheile geführt wurde. Der Standpunkt Johann Gcorgs 
ud der Gleichgeſinnten iſt nach dem Verhältniſſe der Dinge im 
Fahre 1626 derjenige des Maßes nach beiden Seiten hin. Dieſe 
Stimme der Mäßigung verhallte nach beiden Seiten. Der Däne 
begann den Krieg und ward geſchlagen. In anderer Weiſe ging der 
Bund der Fatholifchen Liga vor. 

Berkennen wir nit, wie die Lage der Dinge, das Wort der 
Kiga felbjt fie dazu aufzufordern fchien. Der Bund war zufammen 
getreten zum Zwecke der Erhaltung des Beitehenden. Er Fleidete. 
diefen feinen Zweck in die Aufrechthaltung des Religionsfriedens 
von Augsburg. Er erklärte nachdrücklich bei feinem Entftehen, daß er 
nichts Anderes wolle als den Buchjtaben diefes Friedens. Der Lage 
der Dinge nad) konnte dies Bejtreben im .Yahre 1609 nicht weiter” 
gehen als auf Erhaltung deffen, was noch zu erhalten war. Wenn 
die Tendenz auch zur Wiebererlangung des für die Fatholifche Kirche 
bereit8 Verlorenen damals ſchon bei diefen oder jenem fich vielleicht 
regen mochte: fo regte fie fich fehr im Stillen wie eine unter Um⸗ 
ftänden mögliche Hoffnung. Denn nicht die Liga trat provocirend 
anf, fondern die Union. Nicht bei jener, fondern bei diefer wohnte 
damals das Gefühl der Ueberlegenheit. Ob dafjelbe feit begründet 
war oder nicht, gilt hier gleichviel. Der äußere Schein war damals 
für die Union. 

Seitdem hatte fich viel verändert. Die einft hochfahrende Union 
war ſchmählich zergangen. Die Streiter, die ſich in gleihem Sinne 
erhoben, waren befiegt, gefallen, zerftreut. Das Gefühl der Ueber: 
legenheit wohnte bei der Liga. Nun hatte der Dünenkönig fich er- 
boben mit der unzweifelhaften Abficht die norddeutjchen Bisthiimer 
bi8 Osnabrück Hin in feine Gewalt zu bringen. In diefer Stadt 
jelbft hatte er da8 Domcapitel gezwungen feinen Sohn Friedrid zum 
Coadjutor zu erwählen. Wie drängte fi da um fo mehr den geift- 


2 Das Verhalten bed Magiftrates von Hannover in biefer Beziehung 
babe ih aus dem flädtifchen Archiwe daſelbſt nachgewiefen in ber Zeitfchrift des 
biftorifchen Vereines für Niederfachfen. Hannover 1857. Gleiche Belege, bie 
bier mitzutbeifen zu weitläuftg wäre, Liefert das Archiv der calenb. Landjchaft 
in Hannover. 


92 


lichen Fürjten der Yiga der Wunfh auf, nicht bloß die beitchenden 
Bisthiimer fir die fatholifche Kirche zu erhalten und zu ſchützen, 
fondern auch die anderen bereits verloren gegangenen wieder zu ge 
winnen! Dem alfo ja auch entfprady e& dem Buchſtaben des Reli⸗ 
gionsfriedens von Augsburg. Die Yiga wollte denfelben ſchützen 
nad) dem Buchſtaben. Das hatte fie laut umd öffentlich verkündet. 
In der That hatte fie es gehalten. Wir glauben mit voller Pe 
ſtimmtheit c8 ausfprecdhen zu dürfen, daß weder die Truppen des 
Staifers noc die ber Yiga, dak weder Wallenitein noch Tilly ſich 
einen leifen Gingriff in das landesherrliche Reformationsrecht jemals 
erlaubt haben. In folder Faſſung fprechen wir es aus, damit nicht 
Anſchauungen unferer Zeit auf die damalige übertragen werden, auf 
eine Zeit, die ein menfchliches Recht des Individuums, im den hei⸗ 
linften Beziehungen feines inneren Lebens nicht” durch Gewalt von 
außen her beftinmmt zu werden, mir in fehr mangelhafter Form aner- 
kannte. Die Yiga hatte die Rechte der weltlichen Fürſten geachtet, 
und kraft diefer Achtung die kirchlichen Formen in den Yändern der- 
fetben nirgends angetajtet. Sie hatte nicht einen Religionskrieg ge 
fiihrt. Aber weil fie diefe Rechte geachtet, wie der Religionsfriede 
von Augsburg diefelben beftinunte, erhob ſich in ihr der Wunfch, das 
erlangen, die Forderung, daß auch ihre Rechte vollftändig anerkannt 
wlirden, wie der Friede von Augsburg fie beftinme. 


Auch gab es ficherlich viele Mitglieder der Liga, die in dem 
Ausſprechen diefer Forderung eine Pflicht für fi) erfannten. Daf 
unlautere Motive bei diefem und jenem obwalteten, ift nicht fraglich). 
Allein es gibt Motive, die auf dem fubjectiven Standpunkte des 
Einzelnen durchaus lauter erfcheinen. Wer immer lebendig von einer 
Ueberzeugung durchdrungen iſt, ftrebt und kämpft für dieſelbe. Wem 
er dazu nur ſolche Hülfsmittel benugt, welche ihm das pofitiv gege⸗ 
bene Recht des geordneten Zufanmenlebens der Meenfchen geftattet, 
fo handelt er von feinem Standpunkte aus aufrichtig und unſträflich. 
Tie Dlitglieder der Yiga waren überzeugt, daß das pofitive Recht des Re⸗ 
ligionsfriedens, welches fie verfochten, fie ermächtige auch die Vortheile 
deſſelben flir ihre Kirche zu nutzen, daß daffelbe fie berechtige die Stifter 
und Wisthlimer, welche nad) dem Pafjauer Bertrage eingezogen waren, 
flir die fatholifche Stirche zurück zu fordern, und in denfelben eben 
fo viele Bollwerke zur Wicderbegründung der Fatholiichen Kirche zu 
qdewinnen. Es lag ferner ganz unzweifelhaft im Plane der Liga, in 
dieſen geiftlichen Fürſtenthümern das landesherrlidye Reformationsrecht 
im Anwendung treten zu laffen, das Recht des cujus regio ejus 
religio auszuführen. Sam cs dabei nad) Maßgabe jener Zeit auf 
hie Ueberzeugung an? Das Beifpiel der Pfälzer Kurfürjten, des 
Vandgrafen Moritz von Helfen war eine lehrreiche Schule gewefen, 
Bafı der Füurſt kraft feines echtes, welches aus den Reichsgeſetzen 
Hof, nuch der Weberzengung feiner Unterthanen nicht zu fragen "habe. 


Wir haben diefe Zuftände zu beflagen und zu bedauern, und 


93 


sucht auf eine Partei allein einen Vorwurf zu bringen, weidyer allen 
Zeitgenoſſen gemeinſam iſt. 

Die Liga war ſiegreich. Auf dem Tage der Kurfürſten zu 
Müũhlhauſen im Jahre 1627 famen bie drei geiſtlichen Kurfürſten 
und Mar von Bayern überein, vor dein Kaijer diefe Forderung zu 
erheben. Irgendwelcher franzöfiicher Einfluß iſt dabei nicht beinerfbar, 
doch war der franzöſiſche Gejandte Marchevilla in Mühlhauſen anweſend. 

Es ſind nach dem Religionsfrieden von Augsburg und wider 
denfelben, alſo beginnen die vier Kurfürſten, eine lange Reihe von 
Stiftern und geiltlihen Gütern eingezogen!. (legen die Klagen 
darüber ijt von proteſtantiſcher Seite der Cinwand geltend gemadht, 
dag der geiltlihe Norbehalt nicht ein weientlides Stück des Reli: 
gionsfriedens von Augeburg jei. Allein die Sache verhält fi an- 
ders. Nur unter diefer ausdrüdlichen Bedingung ilt der Religions- 
friebe abgeichloffen. Die Güter, die vor dem Paſſauer Bertrage 
ingezogen waren, iind von fatholiidyer Seite nur darum aufgegeben, 
weil man durd dieſes Zugeitändnig Zicherheit erlangen wollte für 
die noch übrigen. Alſo war es begrimdet in der Natur der Sache 

in den Verhältniſſen. Und ſelbſt weni der Friede zweifelhaft 
er nicht iſt: ſo darf jchon nad, gemeinen Rechten und 
Yandfrieden Riemanden das Zeinige genommen werden. 
f auch ſelbſt, wenn es den proteſtantiſchen Fürſten vollig 
ã zu reformiren: ſo kanmn dieiea Reformiren in Bezug auf 

ische Geiftlichkeit doch nicht weiter gehen, ale in Betreff 
Anderen. Jeder Andere nämlih, der um der Religion 
ansziehen muß, weil der Yandesherr ein anderes Pefenntnis 
ordert, hat das Recht vorher feine Güter zu verfauien. 

ift in jedem einzelnen falle der Cinziefung von Kirchen⸗ 
egen gehalten, jedoch erfolglos. ie von dieſer Zeite 
aus 


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der Einzelnen eine Abhulfe fordert: ſo erwachſt die gleiche 
der Reicheveriafſung. Tieie beruft auf allen 
Reichöftänden, auf geiitlien und auf weltlichen, und ee ſieht nicht 
Wefen zu, Die Zahl jener nach eigenem GSurdimfen zu verringern. 
Darım hat der Kater das Rede ale Schirmherr der katholiſchen 
Kirdge und als oberiter Richter des Reichee die Herausgabe der ent- 
rifienen Kirchenguter zu beiehlen. Tieies Recht ir bielang nid 
wei man jich vor den Zurfen, vor einem Angririe deriel⸗ 
ben von aufen zu fürdıten hane. Nun da dieſe Gefahr nicht droht, 
der Kaiſer das Rede einzuihreisen, und Xiemand wird jemen 
dnungen ñ ICE. 
Johann (Seorg von Zadıien mnierzeidmeie nid bieiee Gutachten 
tatholiichen Surturiten: cher ea ilı Tchr wichtig, bat er in eınem 


pauft volltommmer ererfanme. &ls der Herʒog von Furıtinberg cd 
beflagte, Dak ibm ein Stoiter zensemmem merden üolise, emigegnel: 


ı Shan mazi hibeine Jeibehibene jung 3. Smie: xx, A 


94 


ihm Johdnun Georg: er könne dem Kaiſer die Gerichtsbarkeit in 
geiſtlichen Sachen diefer Art nicht nehmen, umd der Religionsfriede 
von Augsburg fei flar. Er wünſche nur, fagte der , daß 
ſeine Warnungen beſſer in Acht genommen ſeien. Es ſei nicht feine 
Schuld, dag man den Fatholifchen Theil jo mächtig in Waffen ge- 
bracht habe. 

Ob Johann Georg bedachte, dag, wenn der Kaifer in dem 
einzelnen Falle diefes Recht habe, er es folgerichtig auch in allen an 
deren haben müffe? Johann Georg hat wohl im Jahre 1627 diele 
Sonfequenz nicht gezogen. Cr für den Beſitz feiner bisherigen Fir 
chengüter war ſiche. Im Januar 1628 wählte das Domcapitel 
von Magdeburg den Sohn Johann George. Von da an änderte 
fid) die Anfhauung des Kurfürften über den Rechtspunkt. Doc 
dlirfen wir nicht vergeſſen, daß er aud) 1626 eine Rüdforderung der 
geſammten Sirchengüter mit einem Schlage al8 umpolitiſch bezeich 
net hatte. 

Der Kaifer erwog die Forderung der Tatholifchen Kurfürften. 
Der Neligionspunft entfprad) offenbar feiner Neigung. Aber hatte 
er als Oberhaupt des Neicyes nicht aud) andere Rüdjichten zu neh. 
men, als anf die eigene Neigung, felbft da, wo diefelbe zufammen- 
traf mit dem Buchſtaben des formellen Rechtes? 

Ferdinand IL. befragte nicht bloß die Reichsfürften, fondern aud 

die Striegeshäupter. Als das ausführlichſte Gutachten ift dasjenige 
von Gollalto befannt?. Er entgegnet, daß feines Erachtens das be 
abfidytigte Edift zwar gut fei; aber es jtche der Ausführung dejfelben 
das Bedenken entgegen, ob dadurd) nicht große Widerwärtigfeiten, ja 
gar ein Religionskrieg entjtehen könne. Dem man wird viele Sin 
reden machen, meint Collalto, und Niemand wird anerkennen, daß die 
Einziehung von ihm fo gefchehen fei, wie das Edikt jagt. Wenn man 
nun aber fofort die Erecution vornimmt, wird Jedermann Klagen: er 
jet ohne Urtheil defjen entjekt, was er vor dem Baffauifchen —— 
ſchon gehabt, und es ſei ihm mit Gewalt genommen. 
Falle wird er ſich darauf berufen, daß er allezeit erbötig —** fd, 
das wieder zu erftatten, was er gegen den Religiongfrieden von 
Augeburg inne habe. Die Gefahr eines Religionskrieges ſchwebt vor 
Augen. 

Daß auch Tilly und Wallenſtein die Bedenklichkeiten Collaltos 
erwogen, erſehen wir aus dem Bericht, welchen beide in ihrem Gut⸗ 


achten wegen des Friedens mit Dänemark dem Kaiſer über die Stim⸗ 


mung der proteftantifchen Reichsfürſten einteichten?. Wir dürfen nad) 
Wallenfteins politifcher Stellung der Yiga gegenüber annehmen, daß 
er entſchieden gegen die Reſtitution geweſen feit. Auf der anderen 


ı Sattler, Gef. von Würtemberg. VI, 222, 

Khevenhüfler, XI, 184. 

Adlzreitter, Ann. Boic. G. Ill, lib. XIV, p. 193. 

Daß Wallenftein dagegen, ergibt beutlich fein Brief an ben Erzherzog 


>» vs 9 


96 
Seite glauben wir annchmen zu dürfen, daß Tilly ungeachtet der 


- politifchen Bedenken perfünlich für die Reftitution gefinnt geweſen fei. 


Auch er freilich fprady fchon im Juli 1029 die Beforgnis aus, daß 


die Gegner damit umgehen einen Religionsfrieg zu erregen '. 


Immerhin mochte die Yiga in dem fubjectiven echte ihrer For⸗ 
derung fi um derartige Bedenken wenig kümmern. Aber indem 
die Sache dem oberjten Richter des Reiches zur Entfcheidung vorlag, 
gewann fie doch ein anderes Anſehen. Es mußten dort noch andere 
Momente mit in die Wagfchale gebracht werden, als bloß der nadte 
Buchſtabe des pofitiven echtes. M 

Die Aneignung der Kirchengüter, der Stifter, der Abteien, der 
Möfter durch die weltlichen Fürften nad) dem Paſſauer Vertrage war 
offenbar wider den Wortlaut des Neligionsfriedens von Augsburg. 
Aber diefe Aneignung war gefchehen in einem langen Zeitraume von 
mehr als fiebenzig Jahren, nicht auf einmal, fondern allmählich und 
durch die Allmählichleit faft unvermerft. Die Liga hob hervor, daß 
fie gefchehen fei, weil die Furcht vor den Türken die Kaiſergewalt 
gelähmt. Sie verfchwieg, daß in der Zeit, wo die bedeutenditen Ans 
eignungen gejchahen, die Fatholifche Kirche auf deutfchen Boden zer- 
rüttet war, daß ſie noch danieder lag an den furdhtbaren Schlägen, 
die der Proteftantismus zu Anfang auf fie geführt. Allerdings hat⸗ 
ten die Kaifer gegen die Einziehungen proteftirt; aber fie hatten doc) 
auch nicht mehr gethan, um das pofitive Recht zu fchügen. Weil die 
Aneignung jtraflos gefchehen war, fo hatte ſich durch die Gewöhnung 
in den Semüthern Vieler die Meinung feitgefeßt, es dürfe doch alfo 
gefchehen, es fei doch alfo recht. Wenigitens viele Unterthanen glaub» 
ten ſo. Im Laufe diefer langen Zeit hatte fid) mit dem Beſitze 
diefer ehemaligen Kirchengüter nicht bloß ein fürftliches Intereſſe ver- 
üpfe, fondern eine Reihe anderer Exiftenzen war damit zujammen 
gewachfen.. Der Gedanke, daß diefer Zuftand cin unrechtinäßiger ſei, 
wollte den betreffenden Berfonen nicht mehr zu Sinne. Die Kirchen⸗ 
gäter waren, wenn auch, wie unleugbar ?, zu einen äußerſt geringen 
Theile, für gemeinnügige Anftalten der Wiſſenſchaft und der Barm⸗ 
herzigkeit verwendet. Dieſe liefen Gefahr, wenigſtens die Gefahr einer 


g. | 
Damit hing dann innig der Neligionspunft zuſammen. Wo 
ein Fürſt, eine Obrigkeit ein Klofter, eine Abtei ſich angeeignet, da 
war faft immer Sorge dafür getragen, die etiwa abhängigen Menſchen 


kopold vom 28. Juni 1630, bei Hurter, zur Geſchichte Wallenſteins ©. 366. 

(Zu vergleichen find die Acußerungen in den Briefen an Collalto, bei 
Chlumiedy, Regeften I, bie in den Gött. Gel. Anz. 1857. ©. 837 hervorge: 
boten find. ©. MW.) 


2 MWeftenrieber, Beiträge VII, 170. . Einlei— 

2 Gegen diefen Sa, wie gegen manchen andern namentlich En ai. 
tung, find vom Stanbpunft verſchiedener deutfcher Territorien ad Beh ⸗ 
tembergs, bie erheblichſten Einwendungen zu machen. I. ® 


96 


dem neuen Glaubensbefenntnifje zuzuführen. Es iſt die übliche An- 
nahme, daß die Aufforderung dazu .von Anfang au bereitwillige Folge 
gefunden. Wir laſſen diefe Armahme auf ſich beruhen, aber gewis 
und unzweifelhaft war e8, daß die Gewöhnung eines oder mehrer 
Dienfchenalter in den nen herangewachſenen Geſchlechtern die Ange— 
hörigen der Stifter und Abteien feſt mit den proteſtantiſchen Kirchen— 
einrichtungen verbunden hatte, daß um dieſer Gewöhnung willen nach 
der üblichen Weiſe der Menſchen dieſe Anhänglichkeit als eine Ueber⸗ 
zeugung erſchien. 

Dieſe lange Gewöhnung, dieſer lange Beſitz ſollte nun mit ei— 
nem Streiche durchhauen werden. Das Edict, welches die Liga nach 
dem Buchſtaben des poſitiven Rechtes von dem Kaiſer forderte, ſollte 
ſo viele Dinge und Verhältniſſe, welche in ſiebenzig Jahren langſam 
und allmählich geworden waren, mit einem Streiche aufheben. Nicht 
bloß ſollte das Ediet dies in einer langen Friſt Gewordene unbe⸗ 
rechtigt und ungeſetzlich nennen: es ſollte beginnen mit der Execution. 

Durfte eine ſolche Anſchauung, die dem Parteiſtandpunkte der 
Liga angemeſſen war, auch diejenige des oberſten Richters ſein? 

Und fragen wir weiter: wen denn traf die angedrohte Maßregel, 
welche die Yiga von dem’ Kaiſer forderte? Sie traf die gefammtte ' 
lutheriſche Partei. Und doc, wenn wir abfehen von den fehdeluftigen 
Abenteurern aus fürftlihem Stamme, ferner von den ſchwachköpfigen 
Herzögen in- Niederfachfen, welche der Dänenkönig für fein Intereſſe 
und zu ihrem Schaden bethört: fo hatte die lutherifhe Partei im 
Ganzen und Großen nicht feindfelig gegen Kaiſer und Reich, ſondern 
für daſſelbe geſtanden. Von einem National⸗, einem Volkskriege ge⸗ 
gen den Kaiſer kann nicht die Rede ſein. Die Heere beſtanden aus 
Söldnern, und nur aus Söldnern. Selbſt im däniſch⸗niederſächſiſchen 
Kriege von 1625 — 16029 Hatte ſich der Dänenkönig von den ſeiſtes⸗ 
ſchwachen Fürſten, die ſich ihm anſchloſſen, die alleinige Werbung und 
Leitung übertragen laſſen. Es geſchah mit gutem Grunde; denn die 
ſtändiſchen Corporationen in den Ländern jener Fürſten weigerten 
denſelben jede freiwillige Beihülfe, und forderten vielmehr die Unter- 
werfung ımter den Kaiſer. Das geſammte Yutherthum jtand im 
Wefentlihen auf dem Standpunkte Johann George. Und felbjt in 
den Söldnerheeren, welche für den Kaifer und die Liga fochten, waren 
nicht weniger Proteftanten als Statholifen. Wallenſtein fcheint fogar 
die Protejtanten für die oberen Offizierjtellen vorgezogen zu haben. 

Auf dieſe ganze futherifche Partei im Reiche follte nun der 
Kaijer durch ein ſolches Edit einen Streich führen, der nicht blog 
die Häupter, fondern aud viele Unterthanen tief und ſchmerzlich ver- 
Ictte? Durfte man ihm einen ſolchen politiſchen Fehler zumuthen? 

Und höher noch ſchwoll diejer politifche Schler, den man dem 
Kaifer zumuthete, an durch die Verfenmung der Richtung der Zeit. 
Es war einer der wejentlichen Grundzüge der Zeit der Reformation: 
bewegung, die Eirchlichen Gewalten aller weltlichen Macht und aller 
weltlichen Hoheitsrechte zu entkleiden. In der Zeit des Mittelalters 





. 98 


folche Forderung von Seiten des Kaifers mit Zuficherung des Zus 
ftandes ber Religion hätte das nationale Intereſſe verbunden mit 
demjenigen des Kaifers. Wallenftein hat, wenigjtens für Magdeburg 
und Halberftadt, diefen Gedanken dem Kaifer nahe. gelegt’. 

Im Februar 1628 wurde dem Fürftbifhof Franz Wilhelm von 
Osnabrüd aus Prag gemeldet: es gingen dort bei etlichen die Dis⸗ 
curfe, daß Magdeburg, Halberftadt, Bremen und Verden dem Sohne 
des Kaiſers gar gelegen wären. Mit Kırföln würde fich handeln 
laffen, daß aud) Hildesheim dazu käme. „Alſo“, fügt der Bericht⸗ 
erjtatter hinzu, „was der Dänenkönig gewollt, foll nun der Kaifer 
thun? Aber es find Gefpräde“. 

Dachte man- aus diefen Stiftern ein weltliches Fürftenthum zu 
machen? Die Liga hätte das nie geduldet. 

Wenn auch Ferdinand II. folche Pläne gehegt hätte, er Tonnte 
fie nicht ausführen gegenüber der Liga, die 11 lange Jahre für ihn 
gefämpft. hatte wie fie verfprochen, den Neligionsfrieden von 
Augsburg zu halten nach dem Buchftaben. Eben an diefen Buch⸗ 
ftaben mahnte fie ihn. Es war die Zeit gekommen feine Verpflich⸗ 
tungen zu erfüllen, Cr erfüllte fie, indem er, der Oberftrichter bes 
Reiches, die Anſchauungen der Partei zu den feinigen machte. Um 
fo eher mochte er dazu ſich neigen, fein wahres politifches Intereſſe 
als Dberhaupt dem: Parteiftandpunfte zu opfern, da doch auch die 
kirchlichen Wünſche und Beftrebungen, die von dieſem Standpunfte 
aus emporfproßten, der eigenen Sinnesrichtung des Kaifers entfpra- 
hen. Oder vielmehr, er glaubte in Wahrheit beide Zwecke zugleich 
zu erreichen, indem er eine möglichit große Zahl ber geiftlichen Herr- 
haften, die er zurüdforderte, auf feinen eigenen Sohn zu übertragen 
hoffte. Die ehemaligen Bisthümer follten wieder katholiſch und zu- 
gleich — Au erliche & win werden. 

e inand LI. hoffen, daß die Liga, daß die proteftanti- 
ſchen Reichsfürſten ihn damit durddringen laſſen würden? - 

Yın 6. März 1629 erließ der Kaifer das befannte Reſtitu⸗ 
tions « Edilt. 

Es klingt wie Ironie, daß der Kaifer In demfelben ve 
wolle dadurd das Reich zur Ruhe bringen und aller —*5 — Aus⸗ 
legung des Religionsfriedens in Zukunft vorkommen. Konnte Ruhe 
der Erfolg einer ſolchen Maßregel ſein? 

Democh muß anerkannt werben, daß der Kaifer mit Wiſſen 
und Willen nicht über die Marken des Religionsfriedens von Augs- 
burg hinausſchritt. In denfelben Tagen, als ſchon das Reititutiong- 
Silt zur Derfündigung fertig vorlag, reichte die fränkiſche Ritter⸗ 
—— eine Klage ein, daß der Biſchof von Würzburg jie wider den 

gionsfrieden bedränge. Der Kaijer fand die Klage gegründet. 

‚t Mailäth, Gef. von Teftreih II, 1,0. Behimmter ned in Ghlu- 
.CLXIIL 


‚ Regeflen der Mähr. Archive. Briefe Wallenfeins, p_ 94. 
Deomcapitel: Archiv in Osnabräd. PL RT 


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eriiederte dem ir von Osna- 
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102 - ’ 


in alfı iftlichen und weltlichen Dingen. Sie — in 
— — — — ſie in Reat 
der gebührlichen 


odiren war fortan das Schlagwort. 
Dan fieht, wie fharf und Fön da die 
an a nn u 
Anſchauung fei und ge die äußere Macht zur 
5 —— — ‚ auf der reis Seite die — 
menschliches, —— Rechtsgefühl ſich erheben muß gegen fol 


- Am bie Mitte März 1628 ritt der Biſchof mit gli 
von Prälaten, Domherren, Nittern in feine 





neu erlangten Kirche. Geiftliche und An waren hinzugeftrömt 
in reicher Zahl. Das Volk umdrängte ſtaunend dieſes — fremde 


. 


* Ausführliche Relation im Domcapitel:Arhiv zu Osnabrüd. 


ä je Beer 








104 


der Mangel an Geiftlihen, namentlich zum Pfarrdienfte. ch kann 
immerhin Steker, Schismatiker, Koncubinarier, überhaupt ſolche Men⸗ 
ſchen von ärgerlichem Lebenswandel entfernen: ich habe feine an ihre 
Stelle zu fegen. Da die Mittel für ein Seminar nicht da find, 
wenigftens nicht zur Zeit, fo habe id) befchloffen, binnen den nächften 
14 Zagen ein Alumnat für 24 Perfonen auf meine eigene Koften 
zu errichten, bis Gott andere Mittel gewährt. Und da der ganze 
zahlreiche Adel bis auf vier oder fünf Perfonen akatholiſch üt: jo 
werde ich auch ein Seminar für 12 Edelleute anlegen, fo wie ein 
Convict von Studiofen, beide unter Obhut der Väter der Geſellſchaft 
Jeſu. Dies iſt das beſte Mittel zur baldigen Belehrung. Die 
Reformation der Schulen in der Stadt und auf dem Lande erfor⸗ 
dert viele Mühe, Fleiß und Sorge, da ich katholiſche Lehrer ge⸗ 
nügend nicht erhalten kann. Wenigſtens jedoch will ich verſuchen 
die raubenden Wölfe hinauszutreiben, im Uebrigen wirke ich nach mei⸗ 
nem Vermögen“. 

f Alſo der Biſchof Franz Wilhelm einige Wochen nach ſeinem 
Anfange. 

Der Rath der Stadt wußte nicht, wie er dabei ſich verhalten 
ſollte. Er ſchrieb klagend und bittend an Johann Georg von Sad 
fen, an Chriſtian von Lüneburg. Cr ſagt dieſen Fürſten geradezu: 
er wiſſe ſich in dem Punkte der Religion nicht zu rathen, viel weni⸗ 
ger zu retten und zu tröjten. Wußten es dieſe Fürſten? Chriſtian 
bat am 21. April bei dem Kaifer, daß die Bürger gegen Bezeigung 
ihres fchuldigen Gehorfams in der Stadt verbleiben, ihr Glaubens» 
befenntnis frei behalten, in ihren Häufern für ſich die evangelischen 
Bücher Iefen, und wider ihr, Gewiffen von der Neligion der im heil. 
Reiche zugelaffenen Coufeſſion von Augsburg nicht abgenöthigt wer⸗ 
den möcten!. Cine ſolche Fürbitte in folder Form enthielt mittel- 
bar die Anerkennung des Buchjtabens, nach welchem Franz Wilhelm 
verfuhr. Johann Georg ging weiter. Er bat den Kaiſer der Stadt 
die beiden Pfarrkirchen zurüdzugeben. Es fruchtete nicht viel. Wo 
eine ſolche Verwendung und Fürbitte zu hoffen ftand, da bemühte 
fih der Rath, bei fatholifchen Fürften, wie bei proteftantifchen. Au 
allen deutſchen Fürftenhöfen erörterte man im Sommer des Jahres 
1628 die Sache der Stadt Osnabrüd. Unterdeſſen fchritt die Re— 
formation weiter vor. Es liegt nahe, daß ein wirkfames Mittel zur 
Förderung derfelben die Anwefenheit der Truppen war. Freilich 
deuten die Worte Franz Wilhelms nicht immer einen großen fatholi= 
ſchen Eifer diefef Söoldner an. Allein Franz Wilhelm befchwerte 
das gefügige Yandvolf nicht mit folder Einquartierung. Es mußte 
der Gedanke auffteigen und zur Erörterung kommen, daß man bei 
Wiltfährigfeit in der Religionsſache der Soldaten ledig werden könne. 

Denn diefe Yaft war ſchwer. Man kennt die ungeheiren An- 
ſprüche der Söldner jener Zeit felbft da, wo fie gute Difziplin hiel- 


° Domcapitel: Archiv. 


106 


die Garnifon zu verringern, damit die Stadt unter der Laft md 
gar vergehe. Er wirft die Andeutung Bin, daß es doch zunächſt die 
Pflicht des Landesheren fei für die eigene Stadt zu forgen ’. 

Die Abfiht Tillys ift Har. Er will, daß nicht bloß die Statt, 
fondern das gefammte Fürftenthum die Laft mittrage. Aber das 
Pand war gefügig, nur die Stadt fperrte fich und follte gefügig wer: 
den. Franz Wilhelm war in Münden. Er mag dort das Schrei 
ben Tillys vom 26. Juni jehr fpät erhalten haben. Eben fo lan 
verfchob er die Antwort. Er gab diefelbe am 20. Auguft ablehnen). 
Am felben Tage, wo er dies niederfcehrieb, traf Tilly andere Schritte 
an Ort und Stelle, 

Denn die Bürger erneuerten ımabläffig ihre Bitte an Ihn. Cie 
berufen ſich darauf, daß er ja felbft gegen ihre Abgeordneten aus 
hriftlicher hochrühmlicher Condolenz in gnädiger Betrachtung ihres 
fündlichen Unvermögens ſich ausgefprohen. Tilly war im Juli 
1628 auf dem Verfammelungstage der Liga. Am 20. Juli 1628 
erwiedert er von Mainz aus: er finde das Anfuchen ber Stadt ein 
billig mäßiges. “Der Agent der Stadt meldet einige Tage darauf: 
daß die Garnifon noch bislang nicht verringert fei, müfle an einer 
lauteren Unmöglidjleit ſich ſtoßen. So viel könne er fagen, daß ber 
General wegen der Quartiere von allen Seiten fo behelligt werde, 
wie nie zuvor. Man weiß, wie damals gerade Wallenjtein mit fei- 
nem Heere dasjenige der Liga planmäßig überall zurüddrängte. 

ie Page der Dinge in Osnabrüd ward unterdeffen ſchlimmer 
von Tag zu Tag. Die Contribution war nicht mehr aufzubringen. 
Die Soldaten wurden unruhig. Sie tumultuirten. Da erfuhr man, 
dag Tilly im Auguft unfern von Osnabrück durch Minden kommen 
werde, um ſich nad) feinen Standquartieren zwiſchen Unterwefer und 
Elbe zu begeben. Der günftige Zeitpuntt mußte wahrgenommen 
werden. In Minden traten Abgeordnete des Rathes von Osnabrüd 
vor Zilly, beriefen fid) anf die bewieſene Treue der Stadt gegen Kai- 
fer und Reich und ſprachen abermals ihr Vertrauen aus auf die in, 
aller Welt bekannte hochrühmliche Milde und Güte des TFeldherrn. 
Tilly eutſchloß ſich ſchnell. Er wendete mit feinem Gefolge links ab 
und erfchien am Abend des 19. Auguft vor Osnabrück. Domcapi- 
tel, stanzler und Räthe ftaunteggfehr. Einen folchen Gaſt hatten fie 
nicht erwartet, nod) weniger gehofft. Er ift uns ganz unvermuthlic) 
gefommen, melden fie an den Bifchof. Aber freilih, er war num 
einmal da, und feine Stimmung war nicht zu verkennen. Gr- fei 
gekounnen, eriviederte er den begrüßenden Domherren, um die neuen 
Anlagen zur DVefeftigung zu befichtigen ®. 






’ Damit die Stabt, baran &. F. ©, als Landesfürften zuvörderſt viel 
nelegen, noch ferner in esse und conservation erbalten werde. Alſo ber 
Schluß von Tillys Briefe im ehem. Tomcapitel=: Archiv. 

® Wericht won Kanzler und Räthen an F. W. im Domcapitel Archive, 


eben fo das Folgende. Fortan ift, wo nicht eine andere Quelle erwähnt wird, 
alles nur aus dieſem Archive gefchöpft. 


is _entge Terz SEN 


ee 








Das reicht nicht. Sie müffen mehr geben 1. j 
Da rumd umher im nordweſilichen Deutſchland ſolche 
niffe obwalteten: wo follte da Tilly einen Ort — zum Erſatze, 
term wo —WM 


thig zur — Dirchfuhn des Werles der d 
F r 
h fan Zert nie 


3 iften dieſer Veri itel: 
— schriften dieſer Berichte an ben Kurf. v. B. find im Domcapitel: 


ae aa 
pe ee ep NE 
meh ige 
Bee TEE va nee 
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na nu 2 nu, MEILE ET 2 ae 


— ee 
ee ne Bee 








110 


N zu continuiren 5 und ſolches, wo balder je 
en Alß habe E. Fürftl. Gn. deßfalls mein einfeltiges bebeufen, 
jedoch ohne unterthänige maßgebung eröffnen wollen. 

E. Fürftl. Gnaden damit in ſchutz und ſchirm des Allmächtigen 
empfehlend u. ſ. w. 


Verden, 23. Auguft 1628. 


E. Fürft. Gnaben 
Johann grave "von Tilln. 
Es lag in ber Natur ber „ daß ein folder Brief nicht 
ee Boa Me mir be er be me Bo 
erhielten Kangler und Räthe von ihın einen fcharfen Verweis. „Yhr hättet 
billig beſſer wibderfprechen follen“, meldet er ihnen. ber fie hatten 
mehr gethan. Sie tebft hatten bie Laft der Bürger unerträglich ge 
a ine den Tilly zu fagen, hättet Ihr wahrlich unter- 


Auch gegen diefen bricht fein Unmmth hervor. Ich kenne bie 
guten Worte der Bürger, ic) babe fie oft von ihnen gehört“, fagt 
er. In Wahrheit liegt e8 nahe, daß der Eifer der Bürger für bie 
Arbeiten an der Citadelle der Peteröburg, die der Zaum für jeglichen 
Widerfpann der Stadt fein follte, nicht fo ganz umb gar nichtig 
fein mochte. „Sie haben ſich mir erflärt”“, fagt Franz Se, 

„daß ſie zu der Befeſtigung nichts contribuiren Lönnten noch w 

auch haben fie ihren Theil an der Arbeit fehr fchläfrig Betrieben“ 
Tilly felbjt werde wohl noch einmal erfahren, welch geringen Ref eipett 
fie auch ihm beweifen würden. „Es ift mir zwar, wie der 
Graf bemerkt*, alfo fährt Franz Wilhelm fpitsig AL „nicht fe 
wenn die gute Stadt ganz herunter gebradht wird, was ich doch je 


wenn die hanen auf dem Lande von Haus of verjagt 
würden”. Cr begehrt inftändig, daß Tilly das recht —R recht 
beherzige. Er habe es nicht um die Liga verdient, daß man ſeine 
gehorſamen Unterthanen alſo beſchwere. Auch er wolle Tillys guten 
Rath beherzigen, und in —— Monaten zu Hauſe ſein, es ja 
denn, daß er um folder Einquartierung willen daraus fich fern hielte, 
und lieber alles preis gäbe. 

Tilly dagegen beharrt dabei, er habe fo handeln müfien, um 
nicht die Bürger zur Verzweiflung zu bringen. Sie haben ihm be- 
theuert, daß fie insgefammt mit ren armen Weibern und Beinen 


Fe 
— —* 





112 


„Da ich weiß, bag Em. Herrlichkeit den glücklichen Fortgang 
meines Reformationswertes bislang gern vernommen haben: fo ift es 
mir ein Vergnügen darüber zu berichten. Ich darf annehmen, dap 
von Titern bis heute am 4. Yuli, die meiften Bürger und Einwoh—⸗ 
ner meiner Stadt Osnabrück übergetreten find. Um dies zu beför- 
dern, habe ich gemäß den Reichsgeſetzen ſechs Verführer des Woltes 
am St. Peterstage ausgewieſen, die übrigen Bürger durch befondere 
Grlajje zum zweiten Male aufgefordert. Ich darf Hoffen, dag es 
nicht umfonft je. Als Termin habe ic) den Tag Mariä Himmel: 
fahrt angefegt. Zu Pfingjten und am Frohnleichnamstage find Pro- 
zejfionen durch einen großen Theil der Stadt angeftellt unter ſtarkem 
Zudrange der fatholifchen Bürger. Die Nichtkatholifchen verhielten 
ſich beſcheiden. Die trogigen Gemüther fcheinen gebrochen und wie- 
derum ſich der Religion der Väter zuzuwenden. Am Rage bes heil. 
Petrus, des Schutzpatrones des Domes, find von allen Pfarrkirchen 
der Stadt aus Prozefjionen zum Dome angeſtellt. Die Bürger, 
katholiſch und nicht katholiſch, ſtrömten fo zahlreich herbei, daß ber 
geräumige Dom fie nicht zu faijen vermochte. Dazu famen die Züge 
von den benachbarten Torflirchen mit Kreuzen ımd Fahnen. Ew. 
Herrlichkeit verzeihe mir, dag ich das alles berichte. Die Freude 
meines Gemüthes bewegt mid) diefelbe mitzutheilen“. . 

War Franz Wilhelm auf die Dauer diefes Erfolges ficher? 

Er bewegte damals in fid) große Hoffnung zur Herftellung der 
fatholifchen Kirche. Bereits vier Monate zuvor, nod) im März 1629, 
hatte der Ktaifer ihn zum Executor des Reſtitutions⸗Ediktes gemacht. 

Noch eine andere Hoffnung war ihm aufgetaucht, diejenige auf 
dag Erzbisthum Bremen!. Sie fcheint ausgegangen zu fein von 
dem Kurfürjten Serdinand von Köln, mit Zuftimmung feines Bruders 
Diar von Bayern. Zur felben Zeit als Franz Wilhelm das Refor⸗ 
mationswerk in Osnabrück begann, ließ er durch einen Beamten Fer: 
dinande im Vertrauen bei Zilly anfragen, ob auf Bremen einige Aus- 
ficht fei. Er legt dem Feldherrn feine Plane dar, die abermals wie 
in Osnabrück fi gründeten auf das Neformationsrecht des Neligions- 
friedens von Augsburge. Franz Wilhelm betheuert, daß feine Ab- 
ſicht dahin gerichtet fei: die uralte fathofifche Religion, die feit vielen 
Jahren her im Erzſtifte unterdrüdt und vernichtet worden fei, in den 
vorigen Stand zu bringen und die verführten armen Seelen wieder 
auf den rechten Weg zu leiten. Cr verfidert, daß auch am Faiferli- 
hen Hofe man befonders auf feine Perfon das Auge gerichtet habe. 
Der Nurfürft von Bayern fei entfchieden dafür. Seine Bitte an 
Tilly ijt, daß diefer bei guter Selegenheit bei dem Adminiſtrator 
Johann Friedrich einen Verſuch mache, wie derfelbe gefinnt fei. 

Ter Ban liegt vor Augen. Nach kanonifchem echte Tann ein 
Soadjutor mit dem echte der Nachfolge nur gewählt werden auf 
Wunſch des betreffenden kirchlichen Würdenträgers felbft. Tilly follte 


le betreffenden Briefe im Domcapitel-Archive, bie Tillys in Ziffern. 





Pr 7 


114 


gemeinen Wefen zum Beften, auch zu fernerer Stabilirung unferes 
wahren allein fefig macenden Tatholifchen Glaubens. Der Kurfürft 
von Bayern fprad) die Hoffnung aus, Franz Wilhelm werde Teine 
Gelegenheit verfäumen für die katholiſche Kirche zu wirken. 

Tilly erklärte ſich: er fei fchuldig und willig äußerftem Vermö⸗ 
gen nach zu helfen, um diefen hochwichtigen Auftrag zur Ausführung 
zu bringen. - 

Man wird bemerfen, daß diefe Bereitwilligkeit Tillys nicht im 
Widerſpruche fteht mit feinem fonftigen fchonenden Verhalten gegen 
Andersdentende. Er felbft hatte aus fich niemals den leifeften Ein- 
griff in kirchliche Dinge fich erlaubt. Wenn er Offiziere zur Beför- 
derung vorfchlug, fo machte der Kurfürft Mar ihm wohl einmal bie 
Bemerkung: es müffe dabei angegeberr werden, ob der vorgefchlagene 
fatholifch fei oder nit !. Dies, mit der weiteren Angabe des Grun⸗ 
des, fett bei den Kurfürften die Anficht voraus, dag Tilly felbft 
darauf feine Rückficht nehme. Allerdings findet es fich, dag Tilly in 
kirchliche Verhältniffe eingriff. Er Hatte fehon mehre Fahre zuvor 
den Prämonftratenfern das Klofter zum heil. Georg in Stade zurüd- 
gegeben. Wllein er hatte dies gethan auf ausdrüdlichen Befehl des 
Kaifers, der die Grundſätze des Reſtitutions⸗Ediktes nicht erft 1629 
befolgte?. Aus ſich hatte Tilly dergleichen nie gethan. Erſt mit 
dem Reſtitutions⸗Edikte lag die Sache anders. Daifelbe war auf die 
Bitte der nächſten Kriegsherren Tillys erlaffen von der höchſten Au⸗ 
torität im Reiche. Meochte Tilly es bilfigen oder nicht, die Mithülfe 
zur Ausführung war feine Pfliht. In Wahrheit jedoch fcheint er 
e8 jeßt gebilligt zu haben. Darauf deutet feine Unterhandlung mit 
Franz Wilhelm über das Crjftift Bremen, darauf auch diejenige 
über Verden. 

Der Zwift wegen der Bürgerſchaft von Osnabrück hatte die 
beiten Münner nicht dauernd getrennt. Im Sommer des 
1629 trug der Papit zur Bezeigung feiner befonderen Achtung für 
Tilly diefem auf, eine geeignete Perfönlichkeit für das Bistum Ver⸗ 
den zu benennen. Tillys Wahl fiel auf Franz Wilhelm. Die 
fer zauderte. Tilly entwidelte die Gründe, welche ihn zu diefer Auf- 
forderung beftimmt hatten, und Franz Wilhelm nahm an. „Es ilt 
dem guten Alten nur um die Sache zu thum“, fchreibt er darüber 
an nd von Köln. Papit und Kaifer genehmigten die getrof- 


fene Wahl. 

Es dürfte die Frage nahe liegen, ob nicht der Gifer der Com- 
miſſion des Ediltes angefeuert wurde durch die Ausſicht auf eigenen 
Gewinn. Kür Tilly, wenn wir denfelben als wirklichen Mitcom- 
miſſar betrachten wollen, würde eine ſolche Frage überfliiiig fein. 
Er bat nadı fremdem Gute mie getrachtet. Auch für Franz Wilbelm 
muß die Frage verneint werden. Eigemnutz it nicht jein Streben 

ı Beitentieter, Beitrãge VIIL Il. 
* Eiemaliset Temcapitel: Archid. 


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Den Brief vom 9. Octbr. 1629 im Domcapitel-Wrchip gang in Ziffern. 


114 


wmmm C. Dee, zu zu fernerer Stabilirung unfere 
zum rer far ebenen Sıcheltchen Glaubens. Der Kurfürft 
am Diez fin Me Perom: md, Franz Wilhelm werde Teine 
um wre Imolifihe Kirche zu wirken. 

<-r mom °a: mtr seen und willig äußeritem Vermoͤ⸗ 
m riz 2 am zer rm Schirbraen Auftrag zur Ausführung 


Az re? zomm. 5 Nr Berrimmilligleit Tillys nicht im 
DNIrmmm Tuer 777 mem Imizzen ichonenden Verhalten gegen 
aemmizı I 07 oz ze ch memule den letjeften Ein- 
zer ram Dee 7 mu Biene er Tffiziere zur Befor⸗ 
Arur] aus. "rm Ne Korfürt Mar ihm wohl einmal die 
Fmrimi 2 mi”: mm zuwsher werden, ob der vorgejchlagene 
cha zn ner net Tee zur Ar weiteren Angabe des Grun⸗ 
N Sem Reime N Amber voraus, daß Tilly felbit 
Ara om Warce nee Arie findet es ſich, dab Tilly in 
scan Semare ur. Er bare ſchon mehre Jahre zımor 
x der xteir cn heil. Georg in Stade zurüd: 
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wrderung Mn datten. und Franz Wilhelm nahm an. „Es ijt 
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an Aria von Neben Pap'it und Naifer genehmigten die getrof- 
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ov durede die Krage mabe Ligen, ob sicht der Gifer der Com⸗ 
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Wien Ar Sp. wenn wir denſelben als wirklichen Mitcom⸗ 
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ta rndent Gtenuie getrachtet. Auch fir Franz Wilhelm 
ot dir let verneint werden. Eigennutz iſt nicht fein Streben 


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116 


war ihm geworden. Er wollte ihn ausführen, die Tatholifche Kirche 
nen begründen. 

Ausdrüclic) jedod) wies Ferdinand von Köln Andere darauf Hin, 
dag man innerhalb der Schranken zu bleiben habe. Der Domdechant 
von der Red in Paderborn erhielt den Auftrag, das Klofter Blom⸗ 
berg im Lippiſchen zurüczufordern. Er machte den Kurfürften auf- 
merffam, daß das lippifche Land calvinifch fei, dag man noch auf 
andere Weiſe hier vorgehen könne. Das entfprady nicht dem Einne 
Ferdinande. Cr ermwiederte: „Wir wilfen es fehr wohl, daß die 
Anhänger des Calvinismus in den Neligionsfrieden von Augsburg 
nicht mit begriffen find, aud), daß das kaiſerliche Edikt ausdrücklich 
dies hervorhebt. Aber wir weifen zugleich darauf Hin, wie das Edikt 
nicht bezwedt die calvinifche Religion im Reiche auszurotten, fondern 
daß die geiftlihen Güter, die wider den Religionsfrieden nach dem 
Paſſauer Vertrage der Tatholifchen Kirche entzogen find, derfelben zu- 
rückgegeben werden“. 

Es handelte fi) um die Frage, wo im Norbiweften des Reiches 
man anzufangen habe. Die beiden Conmiſſare wandten fi an 
Tilly, deſſen Wort bei der ganzen Sadje fehr häufig ben Ausſchlag 
gibt. Er räth, nicht mit Oftfriesland und Oldenburg anzufangen. 
In diefen beiden Yändern lagen zwei feiner Negimenter, in merkwür⸗ 
dig gutem Einvernehmen mit den Einwohnern !; mithin kann nicht 
Beforgnis vor etwaigem Widerjtande der Grund des Abrathens ge- 
weſen fein. Es ſcheint vielmehr, daß es Tillys Anficht war, Lieber 
als vereinzelte ferne Klöfter zuerft irgend einen bedeutenden Ort für 
das neu zu begründende Fatholifche Leben zu gewinnen, zumal dieje- 
nigen Yänder, weldje von Dänemark aus zuerft bedroht wurden, in 
welchen in mancher anderen Beziehung die Wiederanfnüpfung deshalb 
leichter war, weil die Reformationszeit nicht fo durchgreifend aufge- 
räumt hatte. Deshalb fchlug Tilly zum Anfange die Stifter Bre- 
men und Verden vor. Wotenburg fünne der Sig der Commiffion 
werden. Diefe jedoch zog Verden an der Aller vor. 

Von dort aus erging im Anfange Novembers 1629 ihr Befehl, 
daß fortan ohne ihre ausdrückliche Bewilligung Niemand an die 
Domkirche zu Bremen, an die Collegiatitifte, die Abteien und Klöfter 
des Erzbisthumes das Geringfte entrichten dürfe. Die Mitglieder 
des Capiteld wurden vorgeladen, fi) vor der Commiffion über den 
Befig ihrer Pfründen auszuweifen. Aber nicht bloß diefe Domher⸗ 
ren, fondern auch der Rath von Bremen ward vorgelaben. 

Man fieht, wie weit Franz Wilhelm vorzugehen beabfichtigte. 
Ter Paffanifche Vertrag und der Religionsfriede von Augsburg, fagt 
er, fihern nur den reihsunmittelbaren Ständen zu, baß die vor dem 
Bertrage von Paffau eingezogenen Güter ihnen verbleiben follen. 
Darauf können Bürgermeifter und Rath von Bremen fi) deshalb 


Deine Geſchichte Oſtfrieslands von 1570— 1751, ©. 625 Note 4. 
Windelmann, Oldenburg. Chronif, S. 230 ff. 





118 


der Aheingraf, ein Graf von Oftfriesland, einer von Hanau, zwei 
dänifche Prinzen u. ſ. w. 

Befonders merkwürdig iſt das Gollegiatitift St. Ansgarii in 
Bremen. Es zeigt, wie die alte Zeit herüberragte in die neue. 
fanden ſich dort 12 Stiftsherren, 17 Vicarien, überhaupt faft alles 
mit den Einkünften, den Namen im alten Stande, mır daß das We: 
fentliche, der Tatholifche Gottesdienft, längft aufgehört hatte. Die 
Mitglieder ımterzeichnen fid) Senior, Subfenior, und ſämmtliche An- 
weiende am Schlafhaufe bei St. Ansgarii. Die hebdomadarii rei- 
hen die Nerzeichnifje der Güter ein, die noch gefondert beitehen als 
bona communia toti Capitulo, als bona obedientiae, als bona 
portionum. Dazu leuchtet aus ihrer befonder8 demüthigen Eingabe 
die Möglichkeit einer völligen Reftitution fehr Har hervor. Die Her- 
ren vom Kapitel erzählen, daß in der Reformationszeit einer, Namens 
Heinrich von Zittphen aus Brabant, in Bremen aufgetreten fei zu 
predigen. Er habe bei den Stiftäherren wenig Beifall gefunden; 
aber Rath und VBürgerfchaft haben fie gedrängt ihm ihre Kirche ein- 
zuräumen. Das fei gefchehen, und dann haben Rath und Bürger: 
ſchaft die katholiſchen Ceremonien und Kirchengebräuche zu St. Ans⸗ 
garii abgeſchafft. So ſei die reformirt lutheriſche Religion einge⸗ 
führt, und in kurzer Zeit ſo gewachſen, „daß unſere antecessores 
zu der Zeit ſich zu derſelben gleichfalls öffentlich bekannt und beken⸗ 
nen müſſen“. Die bisherigen Kaiſer haben ſie dabei geduldet. Sie 
hoffen, daß auch der Biſchof Franz Wilhelm ſie belaſſen werde. 

Die Abſicht des Biſchofs Franz Wilhelm war dies offenbar 
nicht. Aber man ſieht, wie das Capitel St. Ansgarii ſelbſt ihm 
die Sache nicht ſehr ſchwer machte. 

In ähnlichem Zuſtande finden wir im Erzſtifte Bremen die 
Kloſter. Es liegt eine ausführliche Beſchreibung des Kloſters Ofter- 
holz vor, das, wie es ſcheint, noch im Beſitze aller ſeiner Güter war. 
Dieſelben waren bedeutend, die Holzungen reichten aus zur Maſt für 
300 Schweine. Das Kirchengebäude hat innerlich, ſagen die Abge- 
ordneten den Commiſſarien, fehr gelitten, die Kleinodien find hinweg, 
auf dem Shore it cin Altar nur von Brettern und Holzftüben wie 
ein Tiſch, mit einem fchlechten Vorhang. Bon der alten lateinifchen 
Bibliothek iſt nichts mehr vorhanden, dagegen liegen auf den Siten 
der Klofterjungfrauen zwei Iutherifche Pfalterien. Die einzigen Bil: 
ber in der Kirche find die von Luther und Melanchthon in voller 
Statur. In der Kirche und dem Kreuzgange ftehen viele ledige Ka⸗ 
ſten, welche die Hausleute dort aufbewahren. Die Verwaltung des 
Kloſters jedoch iſt im Gange. Gewöhnlich kommen die Kinder im 
Alter von 4, 5 bis zu 10 Jahren, und werden etwa zwiſchen 20 
und 30 Jahren ihres Alters eingekleidet. Bei der Einkleidung wird 
fein Gelübde abgelegt, nur daß die Jungfrauen der domina und 
dem Convente Gehorſam Teiften wollen. Alsdann werden fie zum 
Allare geleitet, und etliche Gebete über fie gefprochen. 

Alfo der Bericht der dazu Abgeordneten. Man fieht, fehr er 


ul 





120 


auf Augenfchein an. Es ftanden um bie Kirche Fleine Hin 
fer. Der Bath hatte biefelben in ber %Belngerung von 1 für die 
englifchen Sotbaten bergegeben, früher hätten g — Leute ba ge 
wohnt, fagt er, weiter ſei nichts befannt. Die Sransiefaner Monche 
dagegen wieſen aus ber Umgebung, aus den Mauern ber nädhiten 
Häufer, aus einem großen vermauerten Bogen nad, wo das Ref 
torium, wie die Anlage des Klofter8 gewejen fe. Der Rath be 
barrte ungläubig. Er trug barauf an, daß man nachgrabe, daß 
Fundamente e8 ausweijen würden. Es gerbeh, ab Iman überzeugte 
fih. Weiter erhob fich die Frage nad) dem Der Pater 
Guardian ftügte fi) darauf, daß liberal und jederzeit ein Franzisla⸗ 
nerklofter einen Garten habe, und wie der Segel egel nach beiegen 
fei. Auch davon fanden fi Spuren. She Mitgficher bes Rathes 
erflärten bermundert: fie hätten ihre Sebetage davon nichts gewußt. 
— mußten, wie zu erwarten ſtand, bie ganze Bodenflüche heraus⸗ 
ß 

Mithin hatten zu Stade fortan vier Orden rme ulten, 
Benediktiner, PBrämonftratenfer, Franzislaner, und Bu en 


Der Rah gab bie Kirchen ber, den Grund und Boden, bee 
edoch bie Fundationen für die Pfarrgeiftlichen zurüd. Die Brämons 
Kratenfer and Sefuiten beklagten ſig bei Kilip, der bamale feit Län 
gerer Zeit In Gitube Welke Es iſt merkwürdig, wie dieſer Mann 


vn Silit, bie Forderung der Jeſuiten und Prümonftratenfer. 
er 


entfcheidendes 
in folcher Sache nicht zufteht. Er wendet fich in ausführlich Tangen 
Schreiben an den Bifchof Franz Wilhelm, an ben Mi ar 
Yohann von Hyen beſonders, und legt ihnen "dar, daß bie beiden 
Orden nad) feiner Anficht im Rechte fein. Er bittet. die Commiffare 
ihnen darin zu helfen und dem Rathe bie au eferung der Documente 
anzubefehlen, im Februar 1630. Yranz Wilhelm erläßt die drohende 
Weifung, daß bi dies fofort gefchehen müſſe Der Rath übereilt ſich 
nicht damit. Ein Jahr fpäter ift es n nicht geichehen, und weiter 
nicht, bis der Umfchlag erfolgt. 

Am günftigften verhältnismäßig fuhr die Stadt „urtehube Sie 
berief fich auf ihre Verdienfte gegen Kaifer und Reid. Als der Dä- 
nentönig im Sommer 1626 das fehauerliche Brennen im Herzogthume 
Yineburg begann !, hatten die Bürger von Burtehude zu den Waffen 
negriffen und ohne Unterftügung einer militärifchen Madt bie daniſche 
Befagung zum Abzuge gezwungen. Tilly batte dies dem Kaiſer, 

2 Vergl. meinen Auffah: Das Herzogthum Lüneburg im Jahre 1626, 
ub ber an act des biftorifchen Vereins für Niederſachſen. Hannover 1858. 





122 


Es kam die Reihe an die Länder der welfifchen Herzöge. Es 
ift zu bemerfen, daß weder Chriftian von Lüneburg⸗Celle, noch Frie- 
rich Ulrich von Braunfchweig-Wolfenbüttel einen prinzipiellen Einwand 
erheben. Chriftian von Lüneburg behauptet, da die Reformation in 
feinem Lande notorisch vor dem Paſſauer Bertrage vorgenommen fe. 
Dies war nicht zu beftreiten. Dazu hatte er ſich durch feine treuc 
Ergebenheit gegen den Kaifer im dänischen Kriege hohe Verdienſte 
erworben. Deshalb war er, abgefehen von dem Bisthume Minden, 
welches man ihm nicht laſſen konnte, geringeren Anfechtungen ausge 
fett, als fein Vetter von Braunſchweig. Friedrich Ulrich hielt ent- 
gegen, daß die Herzogin Clifabeth, die Wittwe Erichs des Aelteren, 
Ihon 1542 die Reformation angeordnet. Er ließ für jede einzelne 
Abtei, jedes Stift und jedes Klofter einen langen Bericht deffen hin- 
zufügen, was damals damit gefchehen fei. Die Commiffare befeitig- 
ten alle diefe Einreden durd die Bemerkung: Eric) der SYimgere, 
lange nad) den Paſſauer VBertrage, fei fatholifch gewefen. Demgemäß 
würden fie die Neftitution vornchmen. Die Lifte war lang. Es 
fanden fid) darauf zwei und dreißig Collegiatftifte und Klöſter. In⸗ 
deſſen ift diefe Lifte felbit ein Beifpiel, wie wenig die Commiſſare zu 
Anfang über ihre Aufgabe orientirt waren. Auf derfelben bemerken 
wir außer zahlreichen anderen Irrthümern SKauffungen und Weißen- 
ftein. Das legtere ift die jetiige Wilhelmshöhe bei Caſſel, das erftere 
eben fo unzweifelhaft immer heſſiſch geweſen. Mithin lagen diefe Klö⸗ 
fter nicht bloß nicht im Lande Friedrich) Ulrichs: fie gehörten fogar ei- 
nem anderen Kreife an, dem rheinifchen. Die Räthe Friedrich Ulrichs 
griffen zu dem eigenthümlichen Mittel fir die Forderung von 400,000 
Thlr. an den Herzog, welche der Kaifer an Tilly abgetreten, die- 
ſem General einen Theil der Kloftereinfünfte zu überweiſen. Tilly 
lehnte eine folhe Art zu zahlen ab. Es bedarf indeffen nicht der 
Erörterung, daß man mit 32 kirchlichen Stiftungen nicht fobald zum 

icle fam. 
8 Viele dieſer geiſtlichen Stiftungen ſollten mittelbar dienen zur 
Ausführung des großen Planes der Rekatholiſirung dieſer Gegenden. 
Ein landesherrliches Reformationsrecht, wie Franz Wilhelm in Os— 
nabrück es durchgeführt, ließ anderswo ſich nicht in Anwendung briu⸗ 
gen. Daſſelbe Recht, welches in Osnabrück auf ſolche Weiſe gewirkt, 
ſchützte die Unterthanen der anderen norddeutſchen Fürften gegen jeg— 
lichen Verſuch dieſer Art. Weil die Fürſten proteſtantiſch waren, ſo 
durfte den Unterthanen derſelben die Forderung der ſogenannten Ac- 
conmnodation nicht geftellt werden. Auch hat man dafür weder vor 
noch nach dem Reſtitutions-Edikte ein Beiſpiel aufgebracht, wenigſtens 
nicht fo lange Tilly in diefen Gegenden ſtand. Auf die Unterthanen 
der protejtantiichen Fürften konnte nur gewirkt werden durch Lehre 
und Beifpiel. Und hier traten die Väter der Gefellfchaft Jeſu voran. 
Es war der Plan des Biſchofs Franz Wilhelm, den der Kaifer und 
der Kurfürſt Maximilian von Bayern vollaus genehmigten, den nie: 
derfächfifchen Kreis mit einem Netze von SYefuiten-Collegien zu über- 


125 


Die Hoffnungen diefes Biſchofs ftiegen empor. Es ift nicht 
zu bezweifeln, daß nad) Maßgabe der Anfänge bei der raftlofen 
Energie diefes Mannes in wenigen Jahren viel gelungen wäre, wenn 
er ruhig hätte fortwirfen können. Allein der SKriegesfturm braufte 
abermals daher, und vermwehte feine Saaten fo völlig, daß außer dem 
Stifte Osnabrüd kaum noch eine Spur davon übrig geblieben ift. 
Und auch felbft in Osnabrück ſchied das Normaljahr 1624 die Zeit 
und die Erfolge des erften Wirkens von Franz Wilhelm aus. Den- 
noch haftet dort die Erinnerung der Tradition bei Proteftanten und 
bei Katholiken. An den anderen Orten kann nur die urkundliche 
Forſchung eine Anſchauung derjenigen Zuftände wieder heraufbringen, 
zu denen in unſerer Zeit eine Analogie kaum noch geboten werben 


dürfte. 

Wir unterlaffen e8 die Vorgänge in biefen einzelnen Orten zu 
fchildern, welche diefe neuen Sproffen raſch wieder unterdrückten. Sie 
gehören der Specialgefchichte an. Es iſt ums darum zu thum gemwe- 
fen, die bislang nur in allgemeinen Ausdrüden befannten Bejtrebun: 
gen ans Licht zu ziehen. Nur den Häufigen Irrthum noch wollen 
wir berichtigen, als fei in Folge der Verhandlungen am Collegiattage 
zu Regensburg im Sommer 1630 der Vollzug des Ediktes fufpen- 
dirt. Dem ift nit fo. Es Liegen Eaiferlihe Schreiben vor vom 
Novbr. 1630, vom Januar 1631, welche die Wahrheit diefes Ger 
rüchtes verneinen!, welche den Bifchof Franz Wilhelm zu reger Fort- 
fegung antreiben, welche ihn zur Gründung von SYefuiten- Collegien 
in Bremen, Braunfchweig, Hamburg auffordern?. Franz Wilhelm 
hat demgemäß gehandelt. Noch im Sommer 1631 reftituirte er das 
Kloſter Blomberg um Lippifchen. Nirgends bis dahin Hatte er fo vie 
fen Widerftand gefunden, als dort. Denn bie Dinge begannen ſich 
zu wenden. U 


2 Der Kaiſer Ferd. II. an Franz Wilhelm, 4. Novbr. 1630, „Es iſt 
von Einigen das Gerücht verbreitet, alß feye bad Ebdict u. ſ. w. suspendirt. 
Nun Wir aber obbefagten Unferm K. Edicte allerdings zu inhaeriren und baf- 
felbe ferner exequiren zu laßen endtlich entſchloßen: Alß ift Unfer nochmaliges 
genedigtes begehren und befelh, die Anderen vnd Du wollen fampt und fon: 
der die Ihnen anbefohlene Commission ſtündtlich fortfegen u. |. w.“ 

2 Beilage C. 


. 


Benebiltiner Orbens im Erzbiothume Bremen, ben ber Alu 
thofifen bereits entriffen. Die Binde und 
Klofters liegen m Alle; doch find die Guter ba, deren jährlichen 
Ertrag man auf 1500 Thlr. fügt. 
Dean flieht, wie weit diefe Plane gingen. 
migte am 11. Mai 1630 alle Schritte, mei 
Edikt Franz Wilhelm im Stifte Verden, im Erzitifte Bremen, Stifte 
Hildesheim, bla rear in der © . 
noch traten die Plane des Biſchofs hervor bei 
dem Collegiattage zu Regensburg im Sommer 1630. Branz Wil- 
Hart legt dem Kaiſer Bericht ab über die Erfolge in ben einzelnen 
Städten. Bon jeder einzelnen Stadt, 
Stabe, vor allen Dingen Goslar, wird angegeben, deß 
ie Mifionaremn nit geringe Genf ge 


Schafft. Das Alumnat Franz 
Wilhelm 6 bahn meift auf feine eigene Loften erhalten. Er ver- 
langt defie die Möfter und . Die Gebäude ber- 
—* —** ie Baffım in der Graffhaft Hoya auf at 
bis zehn Jahre in Anfprud genommen werben für Stadt und Stift 


= 


Besten zur Derfteliung der ‚„ bie gänzlich verrückt 
wor 
Der bedeutendfte Plan jeb enige ber —— einer 
fatholifchen it m —* " in Mittelpuntt bes katholiſch 


wifjenfchaftlichen Lebens für jene Gegend. . Der Biſchof verlangt 
dafür das Klofter Gernrode im Fürftenthime Anhalt, rn Diözefe 
alberjtadt gehörig. Die Einkünfte derfelben ſchätzt er auf 4000 Thlr. 
er Plan war, wie es fcheint, aufgetaucht im “Jamıar 1630, wo 
Rath und Bürgerfchaft von Goslar den Offizial von übesheim bei 
der Anmejenheit befjelben mit Erbietungen ihres Gehorſams entgegen 
kamen. Hyen berichtet da8 dem Bifchofe Franz en u und macht 
aufmerffam, daß Goslar ein fehr geeigneter Ort des Wirkens für die 
Yefuiten fein würde. Franz Wilhelm arbeitet diefen Gedanken weiter 
aus, und daher entſproß biefer Blan bei ihm zur felben Zeit, als er 
ſich fchon beim Kaifer angelegentlih und mit Erfolg um bie Grün. 
dung einer Tatholifchen Univerfität in feiner eigenen Stadt Osnabrüd 
bewarb. Gerade damals wurde das Diplom berjelben ausgefertigt. 
Der Rath zu Goslar fam auch fernerhin den Wünſchen bes Bifchofs 
entgegen. Er räumte im April 1630 zur Yunbdation des Noviziat- 
baufes für den SYefuitenorben ben Raiferhof ein? Franz Wilhelm 
verfündet dafiir in beredten Worten bei dem Kaifer die rühmliche 
Accommodation dieſer Stadt. 


12Unten Beilage B. 


2Man vergl. das nicht vollendete notarielle Document in * Zeitſchrift 
des hiſtor. Vereines für Nieberſachſen. Hannover 1859. S. 187 fi. 





128 


religion und Beförderung deß wahren cath. Gottesdienſtes genebigft 
für uett angefehen, daß in def heyl. Reichs Craißen für die Patres 
Societatis Jesu, alß welche mit haltung der Schuelen, embfiger Un⸗ 
terweifung der Jugend, auch fleißiger Exercirung anderer chriftlichen 
cath. Offizien nicht wenig frucht jchaffen können, gewiſſe ortt und 
pläg zu erbamung Collegien und Seminarien außgefehen ‚ werden 
müffen, darüber Wir Unß uf einfommenden bericht, waß hierin weit- 
ter vorzunehmen, ferner in gnaden resolviren wollen. 

Demnach Bir Unß dan dieſes Werdh auß dem zur propagirung 
deß catholifchen Weſens tragendem eyffer ſonders angelegen ſeyn laßen, 
auch genedigſt gern ſehen möchten, wie unter andern auch in Unſer 
und des heyl. Reiches Ober» und Niderſächſiſchen Creyß, bevorab 
aber in den Städten Bremen, Braunfchiweig, Hamburg und anderen 
dergleichen ortten, die Patres societatis Jesu introducirt, collegia 
oder auch seminaria auffgerihtet, und dazu gemiffe Einkommen auf 
den vermöge Unfers publieirten Kayſ. Ediets zu restituirenden 
genftl. Güttern applicirt werden möchte u. ſ. w. 

Der Kaifer erwartet darüber Bericht. 


and ang. 


Das Theatrum Europaeum über Tilly in Betreff der 
Eroberung von Münden 1626. 


Es iſt eine erfreuliche Kundgebung des Gerechtigfeitsfinnes in 
der Gefchichtfchreibung unferer Zeit, daß von den verfchiedenen Stand» 
punkten und Parteien aus die Frage erörtert wird, ob Tilly im drei⸗ 
Bigjährigen Kriege mit echt oder Unrecht den böfen Namen trage, 
der traditionell ihm anzukleben fcheint. Aus der Erörterung diefer 
Trage entfpringt nothwendig die zweite: woher denn, wenn der böfe 
Name ihm mit Unrecht aufgeladen ift, hat derfelbe feinen Urfprung 
nehmen können? Es kann dabei, wie fi) von felbft verfteht, nicht 
genügen im Allgemeinen die Parteileidenfchaft haftbar zu machen. 
Vielmehr muß eine Numdgebung derfelben in den Berichten über bie 
einzelnen concreten Fälle nachgewiefen werden. Es muß augenfchein- 
lid) dargethan werden, daß diefer oder jener Verfaffer, deſſen Bericht 
für das Urtheil der Nachwelt Geltung erlangte, der beſtimmend auf 
daſſelbe einwirkte, dieſen feinen Bericht einrichtete gemäß feiner Ab- 
neigung, feinem Haffe, feiner Leidenfchaft. Es Liegt uns ein folches 
Beifpiel vor in dem Berichte des Theatrum Europaeum über die Er: 
oberung von Münden im Jahre 1626. 


129 


Die Entjtehungsweife diefes Werkes ift befannt. Abelin und 
nah ihm die anderen Gelehrten haben ſehr häufig nur Aktenſtücke 
und Flugblätter, oft ohne genauere Prüfung, zufammengebracdht und 
wörtlich abgedrudt. Schr häufig, jedod nicht inner. Dem zu: 
mweilen hat auch eine Verarbeitung jtatt gefunden. ine folche liegt 
uns hier vor an einem Flugblatte jener Zeit. Es ift dem Berfaifer 
gelungen das Flugblatt aufzufinden, und dafjelbe zur Bergleichung 
darbieten zu Tönen. 


(Abelind wichtigere Veränderungen durch Zufegen und Weglaffen 
find durch gejperrten Drud auf beiden Sciten angedeutet). 


Flugblatt von 1626. Theatrum Curopaeum (1635) I, 1031. 


Zwifchen diefem Verlaufe find J.Erc.| Hierauf rüdte Tilly mit feiner Arınce 
Herr Graf Tilly vor die Stadt Münslauf Münden an dem Werraftrome, in 
hen gerüdt, in Willens diefelbe zur Willens die diinifche Beſatzung bafeltft, 
Devotion gegen kaiſ. Mit. zu bringen, ſo biöhero den Seinigen mit Ausfallen 
auch unterfchieblihe Tractationsmittel, und Streifen viel Schaden zugefügt, 
Accord und Pardon ihren :ofjerirt.|anZzutreiben, und die Bürger, fo es 
Beil aber beifen Abgeordnete übellmit ihnen hielten, in k. Miſtt. de⸗ 
tractiret und ermorbet worben,|votion zu bringen. Zu ſolchem Enbe 

offerirte er ihren unterſchiedliche Trac: 
tationsmittel und Accord; aber fie 
waren ihnen niht annehmlich, 
fondern faſſeten ſämmtlich eine 
Reſolution fi tapfer zu weh: 
ren und zu halten, bi fie von 
bem Könige ober Herzog Chri— 
ffian entfegt würben?!. Tabei fin- 
nen etliche ein böſes Spiel an, vergriffen 
fih au den Tillyſchen und tractirten fie 
übel, weldes ihren Handel arg genug 
machte, auch große Verbitterung bei dent 
Orafen von Tilly und feinem Wolfe 
als haben ©. Excell. endlich den 6ten beruriaghte. Terhalben gemeldeter Graf 
Monats Junii mit acht Regimen- st. al . > 
tern brei Lüger vor ber Stadt geichla:| 6. Juni drei Läger wor ber Stadt 
zen, als erftlih in der von ben Mün-ſgeſchlagen, als das erfte in ber Bor: 
bischen felbft abgebrannten Vorftadt, diejftadt, die Blum genannt, fo zu vorhero 
Blum genanıt, allda der von Fürſten⸗ von den Müntifchen, damit fie ſich 
berg, Herr Cortenbach und Schönbergerjdefto beffer defendiren fünnten, 
ihr Quartier gehabt, das zweite unter|jelbit abgebrannt worden, alba ber von 
der Stadt, da bie Werra und Fulda Fürſtenberg, Gortenbad und Scdyönber: 
zufammienfließen, das dritte hat Herrſger ihr Duartier gehabt, das zweite 
Geueral auf dem Galgenberge felbftiunter der Stadt, da die Werra und 





Diejer ganze von Abelın erfundene Zujag flieht in Widerfpruch mit den Bes 
richten aus der Stadt. Man vergl. namentlih außer dem Ihwaden Buche von 
Willigerod die Zeitichrift des hiſtorijchen Vereines fur Niederſachſen, Hannover 1832 
und 1837. Ic will nicht die Frage aufwerfen, ob Wunden die Dänen gern aufge: 
nommen, ob nicht Lort eine ähnliche Sefinnung für Tilly umd gegen die Dänen ge 
berricht,, wie in der Stadt Hannover und den fammtliden Ständen der Landidaft 
Galenberg, fondern nur die Thatſache hervorheben, daß der Rath und die Bürger 
ſchaft die Kapıtwlation mit Tilly vorhatten und fi dann durch den berften Zawis 
(auch Clout genannt), der als Dejerteur von kaiſerlicher Seite nur den Ztrid zu er: 
warten batte, in ihr NVerderben hinemſchrecken ließen. 
9 


130 


nme gebabt. Sonntags iſt Leiderieitö Fulda zuſammenfließen, Das dritte ani 
itark neichefjen werden, und ſonderlichſdem Galgenberge, welche? der General 
kat ver Herrvoen Fürſtenberg ſelbſt ume gebabt. Beide Tbeile tbe 
iiber die Weſer in Die Stadt da: ten gleich anfangs aenen einander ikt 
prer Feuer gegeben faſt Ben gan: beitce und gaben bäufig Feuer auf ai: 
en Tan. ‚ander, aljo daß unter den Tille 
Montags iſt nicht viel vergenommen; ſchen viele erleaet wurden. Tem 
altein Bat ſich der Kerr General bemübt die nach nun das Geſchũt an bequeme Orte 
Stadt ver Accordo einzubefommen, im: plantiret, verjuchte der Graf ron Tily 
inapen er zum Dritten Male Irommeter wiederum, ob er bie Stadt mit Accord 
in Die Stadt geſchickt. Es ift aber vom einbefommen möchte, geſtalt er daun 
Obſt Lint Glent Feine andere Reſolu-zum dritten Male Tronpeter herein ac: 
tien eriolat, ald daß er gemeint zu jdidt. Es ift aber von dem Obriſien 
Tedhte en bis in den Tod, und bat bie, Elout Feine andere Reſolution erfolgt, 
Beſabeung viel böbniſche und chren::denn daß er gemeint ſei zu fechten, und 
verleglidhe Sch mähbworte durch diedie Stadt bis auf ben legten 
Trommeter hinaus entboten. Blutstropfen zu Dejendiren, da: 
bei die Beſatzung noch viel höbniſche 

Worte durch bie Trompeter ‚hinaus ent: 

Dienstags bat Herr General aubefebfen boten. Worüber Tilly erzürnet, bes 
alles Geſchũtz genen die Stadt zu richten, anderen Tages beichlen alles Seldüt 
und Te lange Feuer zu geben, bis eine gegen die Stadt zu richten und ſo lange 
Preſa geſchoſſen würde, daß man mit eis Feuer zu geben, bis eine Preſa ge⸗ 
nem ganzen Regimente zur Sparung der ſchoſſen würde, daß man mit einem 
Soldaten ſtürmen fünnte. Welches dann ganzen Regimente zur Sparung be 
der Herr von Fürſtenberg eitechniret und Volkes jtürmen könnte. Welches dam 
vom Vioraen zu 5 Uhren bis in die der von Fürſtenberg cfjectuiret und von 
Nacht um 9 Üübr ſaſt in die tauſend, Morgen zu 5 Uhren an bis im die 
Schüf in die Stadt und wider die Nacht um 9 Uhren jaft an die taufend 
Manern getban. Wie dann durch ſolch Echüfe in die Stadt und wider bie 
ſtarfes und unabläſiiges Schießen die Mauern gethan, auch durch ſolch um: 
Mauern an der Werra alle zerſchmet— Inachtäfiines Echiepen die Mauern an 
tert, Die Velagerten aber feines Affordegjder Werra alle zerichmettert worben. 
jemals beuchtt, als hat ber Herr von Deſſen aber unangeſehen baben Die Be: 
Fürſtenberg um 9 Uhr mit zwei Regi⸗ lagerten keines Akkordes begehrt, Ten: 
mentern, welche erſt über die Werraſdern immer auf Entſatz gehofft’; 
ſetzen müſſen, den Sturm anlaufen Tafzıaber es befam ihnen hernach übel, 
ion, und dann in einer Viertelſtund bie daß ſie ihre Sachen nicht beffer 
Oberhand erbalten, in die Stadt gesiin Acht genommen. Denn der von 
Arungen und alte Mannsperſöonen erlent. Fürſtenberg um 9 Uhr mit zwei Regi⸗ 
Imentern, welche erft über bie Werra fe: 

ken müſſen, den Sturm anlaufen laſſen, 

und in einer Vierteljtunde bie Oberhand 

erhalten und die Stadt erftiegen. Wor- 

auf dann der kammer angan: 

gen und alles was den Soldaten 

derfommen obıte alle Gnade 

niebergemegelt, und weder Weib: 


Dieſen Kuſatz iſt abermals eine Kietion Abelms; denn nach der Ztellung 


va varte war em Entſat nicht möglich. Till lag vor der ſchwach bewehrten Stadi 
miten Keymmentan, di. mit 21,000 M. Die Veiapung war 800 M. Der Witer: 
Nash ginnBete ib nur in Der Perſönlichkeit des \ Oberſten, der jeine Urſachen hatte, 
ui Bar abinaibe Det Matbes, Der Dem X berfien gegenüber alle eigene Nıaft des 
illens perley, und fſelbſt in der legten 16 ſtündigen Beſchießung ſich nicht ein 
Yung Tattoo gu Pıtte am Die Kapitulation, Die Tilln dreimal angeboten base. Der 
Warnlientinne Guſtav Abolf beztichnete ja aloe ten Fehler feiner Muwelt bie 


131 


noch Mannesperſonen verfchonet worden. 
Der größte Theil Bürger und Soldaten] Der größte Theil Bürger und Solda⸗— 
haben ſich noch eine gute Zeit von bemiten, al? fie der Tillyſchen Tyrans 
Kirchhofe, allda fie fih zuvor verfchanzt,|nei gefeben, haben jih noch eine 
mit Musketen wader gewehrt. Alsſgute Weile vom Kirchhofe, welchen fie 
aber der Oberſt Elout gefeben, baß es zuvor verfchanzt, mit Musketen tapfer 
unmöglich denfelben zu erhalten, haben gewehrt. Als aber der Oberft Clout 
fie fi mit wehrender Hand auf das geſehen, daß es unmöglich fich allda 
Schloß retirirt, und fich dapfer gewehrt, aufzuhalten, bat er ſich mit denen, fo 
baß es ums Schloß rings herum voller|bei ihm, wehrender Hand auf bas 
Todte gelegen. Darauf dann die übri:] Schloß retiriret, und den Tillyſchen 
gen ſammt ihm vollends erlegt worden?. von da aus mit fo ſcharfer Lauge 
Sonften ift die Mutbmaßung,igezwaget, daß es rings herum voller 
bag von al den Bürgern, Soldaten, Todte gelegen, biß er endlich von ihnen 
Bauern, Schiffleuten in die 2500 Per:|aud übermannet und mit all ben feini- 
fonen, welde nit vor der Belangen niebergemadyt worden?!. An 2500 
erung and ber Stabt Fommen,|Bürgern, Soldaten, Bauern und Schiff: 
ber zwanzig Perfonen nicht lebendig leuten, fo in ber Stabt gewefen, find 
blieben. Diejenigen Weiber, dberenjüber 20 nit davon fommen, ohne 
gar viel, fo den Soldaten ent-ſwas an Weib und Kindern, beren 
gegen gelaufen und vermeintenibiefe Bluthunde auch nicht ver: 
ihre Männer zu erretten, find|fhont, ermordet worden. Gleich: 
auch tobt geblichen. wohl find bei folder Eroberung 
der Tillyfhen auch etlihe bun= 
dert Mann auf dem Plape geblieben 
und viele Hart befhädigt wor: 
Folgends find 300 Mannsperfonen von en folgenden Morgen, als ben 
Allendorf und Witzenhauſen Morgens mit]. at 
Wagen dahin gefhidt, die Tobten zu be-10. Iuni’ bat Tilly von Allendorf und 
graben, und theild in die Wefer zu füh⸗ Witzenhauſen in 300 Mann mit Wagen 
ten. dahin entboten, und die Todten, fon: 
berlich feine Soldaten alle be 
graben, die von ber Stadt aber 
mehrentheils, weil er ihnen bie 
Erdeniht gegönnt, auf Wagen laden 
undganz unchriſtlicher Weiſe in die 
Werra werfen laſſen. 
Welches ſeiner tyranniſchen 
Stücklein, ſo er gegen die Evan— 
geliſchen hier und da verübet. 
nit der geringſtens eins geweſen. 
Sonabends den 13. Juni hat man 18| Den IZten Juni find bei 18 Cent— 
Centner Pulver in einem Thurme gesiner Pulver in einem Thurme, auf was 
funden. Taffelbe ift angangen, durch Weiſe ift unbewußt, angangen, fo vicl 
was Mittel aber, ift unbewußt, fo in!Häufer zerfehmettert, und den Tilly: 
die 20 Häufer zerfchmettert und viellfhen nit wenig Schaden gethan. 
Scaben gethan. Unter den TillyihenDer General war furz vorher 
find von Befehlshabern Hauptmanı B.|neben den vornebmiten Offt: 
todt geblieben, Freiherr und Gaptäinizieren etwaß zu recognosci— 
8. durch eine Achfel geihoffen, feiniven ausgezogen, ſonſt bätte 
Lieutenant und des Würzburg. Regi-ihn etwan bag Unglüd mit be 
mente3 Lieutenant todt blieben, jammtitroffen. 
etlih 100 Solbaten tobt oder beſchädigt 
worden. 





? Dies if irrig. Der Oberſt gebot jenem Diener ibn ju erfiehen, alfo er 
fiel dur Selbfimord. Man vergl. die Berichte in der Zeitfehrift a. a. O. 


y* 


132 


Die Vergleihung beider Berichte ergiebt, daß die Verfchiedenheit 
desjenigen im Theatrum Curopaeum lediglih aus der Eubjektivität 
des Abelin ſtammt. In Meteren dagegen findet man S. 453 den 
urfprünglichen Bericht faſt ganz unentſtellt. Es ift dabei merfwür- 
dig, daß der urſprüngliche Bericht eben fo wie das Theatrum Euro» 
paeum zu Frankfurt / M. gedrudt ift. Jener im Jahre 1626, die- 
fes erfchien zuerft 1635. 

Wir haben das eine Beiſpiel hervorgehoben, weil e8 Kar und 
augenjcheinlich die Sachlage zeigt. Aber wir dürfen hinzuſetzen: ex 
uno disce omnes. Die Anſchauung von Tilly, welche Abelin hier 
an den Tag legt, geht durd) das ganze Werk. Sie geht ferner nicht 
bloß durd) das Theatrum Europaeum. Es iſt eine befannte Sache, 
daß die Thätigkeit Khevenhillers in den Ferdinandeifchen Annalen häu⸗ 
fig nur darin bejteht, das Theatrum Europaeum wörtlich) abzufchrei- 
ben. Dan vergleiche zum Beifpiele die ‘Darftellung der Eroberung 
von Magdeburg. Dabei muß indejjen anerkannt werden, daß auch 
das Theatrum Europaeum dort von der Tradition einer Graufant- 
feit, die dem Feldherrn Zilly perfönlich zur Laft falle, noch nichts 
weiß. 

Es fann nicht die Abficht fein mit einem folchen Beifpicle die 
Sache erledigen zu wollen. Wir verfennen e8 nidht, daß aus der 
Beantwortung der einen Frage immer neue Fragen emporſchießen, 
dag wir gedrängt werden von der einen zur andern. Wir haben 
zunächſt nur einen Beitrag geben wollen zur Anbahnung eines richti- 
geren Urtheils. Es entfpringt daraus die Warnung vor allzu ver- 
trauender Benutzung des Theatri Europaci als Gejchichtsquelle. 


— — — — — — — ai — 


Unterfuchungen über die erjten Anfänge des 
Gildeweſens. 


Von 


O. Hartwig. 


Bei der Darſtellung des Gildeweſens in ſeinen erſten Anfängen und 
ſeiner urſprünglichen Bedeutung bedarf es vor Allem der Feſtſetzung 
des Zeitpunkts, von welchem wir die erſten authentiſchen Nachrichten 
über dieſe Bereinigungen zu datiren haben, da die bisherigen Unter⸗ 
fuhungen nad) diefer Seite hin keineswegs erfchöpfend find. 

Wichtig ift befonders die Zeitbeftimmung eines Concils von Nan⸗ 
tes!, welches Verfügungen gegen Verbrüderungen enthält und von 
den Einen zwifchen 658 — 660, von den Anderen zu Ende des 9. 
saec. gefeßt wird, während Wilda? eine Zeitbejtimmung zu geben 
gar nicht verfucht hat. Die Beranlaffung, diejes Concilium in das 
Jahr 658 zu verfeßen, lag für die Vertheidiger diefer Anjicht nur 
in einer Notiz Flodoards 3, nad) welcher auf Befchl des Pabjtes zwi: 
Ihen den Jahren 658 und 660 ein großes Concil zu Nantes ge- 
halten wurde, von deſſen Feſtſetzungen ung aber nur eine Beſtimmung 
über den Wiederaufbau der Abtei Hautvilliers bekannt ift. Allein co 
fehlt, da fich gerade diefe nicht in dem uns erhaltenen Coneilium 
Namnetense findet, nicht nur an jedem pofitiven Beweife, fondern 
68 Sprechen auch innere Gründe dagegen. Da nämlich in can. X 
die Zehntung als allgemein durchgeführt vorausgefett wird, fo kann 
das Concil nicht vor der Mitte des 8. saec. gehalten fein*. Einen 
weiteren Anhaltspunkt bildet die Beltimmung über die Theilung des 
Zehntens in vier Theile. Da fich eine ganz gleiche gefetliche Be— 
ſtinmung in den von Baluzes fälfchlih dem Gapitulare Karls des 
Großen aus dem Jahre 805 angehängten Beſchlüſſen des Koncile 


! Sirmond, Concilia antiqua Galliae III, 605. Hinkmar, Capitula ad 
presbyteros parochiae suac data anno 852. Opp. ed. Sirmond I, 713. 

2Wilda, das Gildeweſen im Mittelalter ©. 39. 

35 Flodoardus, Historia ecelesiae Remensis. Lib. U, eap. VII. sejele, 
Genciliengeichichte. Bd. II, ©. 97. 

* Cap. 776,7,p.36. ift nicht die erfte allgemeine Zehntordnung, ſondern 
die erſte Erwähnung in den Capitularien. Daß die Zehntung erft im d.saec. 
med. eingeführt wurde, ift notorifch, nur läßt ſich eine nähere Zeitbeftimmung 
nicht geben. 

$ Capitularia rcgum Francorum I, 428. Pertz, Mon. Germ. hist. Le- 
ges 1, 77. 


136 


von Neispach ans dem Jahre 799 wiederfindet, läßt ſich die Entite: 
hung mit vieler MWahrfcheinlichkeit in den Anfang des saec. 9 fegen. 
Ganz auf diefelbe Zeit verweilen auch die Beitimmungen über die 
Funktionen des Ardjipresbpters (can. XI), da diefer erft in der 
farolingifchen Periode das Recht erhielt, die zu ordinirenden Geijtli- 
chen dem Bifchofe vorzuftellen und die Yandgeiftlichfeit zu beaufſichti⸗ 
gen’. Andererfeits kann das Concil nicht nad) 840 gehalten fein, 
da Benediktus Yevita Stüde daraus feinem Sammelwerke einver- 
leibt hat?. 

Diefelbe Bedeutung, die das Concilium Namnetense für das 
fränfifche Gildenwefen hat, behaupten die Statuten der Gilden im 
Cambridge und Ereter (nicht Oxford, wie Wilda irrig angibt) für 
das Beſtehen der Gilden bei den Angelſachſen. Die erjten von bie- 
fen hat Wilda (S. 43) vor die Invaſion in das 9. oder 10. saec. 
gefeßt, aber ohne genügende Gründe. Sie fünnen vielmehr nicht vor 
dein 11. saec. verfaßt fein? Die verfchiedene Stüde enthaltende 
Handfchrift Cod. Cott. Tib. B. 5 (nit E. 5, wie bei Hidefius 
steht) ijt nämlich offenbar nicht vor dem Ende des 10. saec. begon- 
nen, da die darin vorkommenden Verzeichniſſe römischer und angel 
ſächſiſcher Bifchöfe gerade mit dieſem Zeitpunfte abbrechen, auf wel- 
chen aud) die Meittheilung der in das Yahr 989 zu feßenden Reife 
des Erzbifchofs Sigeric nad) Rom Hindeutet. Das lette Stüd der 
Handſchrift iſt eine Schenkungsurkunde Heinrichs II. von 1154. 
Daß die Cambridger Statuten aber nicht in das 12., ſondern in das 
11. saec. zu ſetzen ſind, ergiebt fi aus der Sprache (noch f ſtatt 
v oder u, noch cyninge, ealdormann, dagegen stlean für slean) 
und der Seldwährung, weldje fir größere Summen noch nach Pfun⸗ 
den, für Eleimere aber nad) Marken und Oren beitimmt ift, was 
erjt ſeit der Herrſchaft Kanuts und feiner Söhne (LOL6— 42) ge 
wöhnlich wurde. Aus ähnlichen Gründen kann das Statut von 
Ereter nicht älter fein, und eine dritte Ilrkunde, die von dem Biſchof 
Dsbern gejtittete Brüderfchaft betreffend, it erft in der zweiten 
Hälfte des 11. saec. abgefaßt, da der in ihr erwähnte Bifchof O9: 
bern nach Hickes (Diss. epistol. fol. 16), der ſich auf ein Zeugniß 
Wilhelms von Malmesburg beruft, ein Bruder des befannten Wil- 
helm Fig Osbern, des erften Rathgebers und DVertrauten von Wil. 
helm dein Eroberer, war. 

Daß die in den Geſetzen Ines von Weifer und Aelfreds er- 
wähnten gegildan nicht als Gildegenofjen aufzufaffen feien, ift jetzt 
allgemein anerkannt“. 


! Thomassini, Vetus et uova diseiplina ecclesiac. Pars I, Lib. U, 
Cap. V, 2. 

2 Lib. III, 375. 376. 

3 Tie Anhaltspunkte zu biefer Ausführung verdanfe ih der Güte des 
Herrn Profeſſors Tietrih in Marburg. 

* Kemble, The Saxons in England I, 239. Wtarquardfen, über Haft 
und Bürgſchaft bei den Angelfachfen ©. 27. 8. Maurer, in ber: Kritiſchen 


137 


11. 


Die erfte Erwähnung der Gilden in den uns erhaltenen Quellen 
ijt demnach in dem Capitulare vom %. 779°. Hier Heißt es in 
dem cap. XVI: De sacramentis per gildonia invicem conju- 
rantibus, ut nemo facere praesumat. Alio vero modo de 
illorum elemosinis, aut de incendio, aut de naufragio, quam- 
vis convenientias faciant, nemo in hoc jurare praesumat. 
Durch diefes Verbot follen Vereinigungen von Unterthanen, Gildo- 
nien genannt, deren Mitglieder ſich durch gegenfeitig gegebene eidliche 
Berfiherungen unter einander verbunden hatten, aufgehoben werden. 
Dagegen will man fie als Vereine, die zu gegenfeitiger Unterftügung 
in Fällen der Noth, bei VBerarmung, Verluften, die durh Brand 
and Schiffbruch herbeigeführt find, fortbeftehen laſſen, vorausgefekt, 
daß ihre Theilnehmer ſich nicht eidlich unter einander verbanden. 
Man erfieht alfo aus diefem Verbote, daß die Vereinigungen, welche 
in ihm erwähnt find, verjchiedene Zwecke verfolgt haben müſſen. 

ätten fie fich auf die hier angeführten wohlthätigen Zwecke befchränft, 
o ließe fich ein Verbot felbjt der zu feiterer Verbindung eingeführten 
Eidesleiftung nur fchwer erklären; zweifellos hatten fie nad) dein Ur- 
theil des Gefeßgebers eine gefährliche Richtung eingeschlagen, gegen 
die man einfchreiten zu müſſen glaubte ?. 

Was waren aber nun die Tendenzen der Gildonien, um derent- 
willen Karl der Große fie verbieten zu müſſen glaubte? Waren 
diefelben Vereine, um den ftaatlichen Anordnungen Karls Widerftand 
zu leiften, ober dienten ſie als Mittelpunfte zur Bewahrung altheid- 
nischen Aberglaubens, oder waren fie vielleicht die Heerde ſowohl der 
pokitihen als kirchlichen Oppofition gegen die Tarolingifche Gefet- 
gebung: 

Das Wort gildonia als Bezeichnung für eine bejtinmte Art 
von Bereinen fcheint im 8. und 9. saec. felbjt nicht fehr gewöhnlich 
gewefen zu fein. Wir finden e8 nur an wenigen Stellen gebraudit ; 
feine Form ftand durchaus nicht feit; den Abfchreibern der Capitula- 
rien fcheint e8 zum Theil gar nicht geläufig gewefen zu fein. In 
einer Handihrift aus dem Anfang des 9. saec. fteht für gildonia: 
ildonea; in einer fpätern fogar nihil doma; andere Abfchreiber 
fügten erflärende Zufäge bei. Mean findet die Formen: geldiona, 
gildunia, ghildunia, gelda. Erft gegen Ende des neunten Jahr⸗ 


Ucherfhau der beutfchen Geſetzgebung I, S. 91. Wilde, dad Strafrecht der 
Germanen S. 383. Schmid, die Geſetze der Angelfachjen. Ausg. 2. Anti: 
quarifches Gloſſar 8. v. gegilda. 

2 Capitulare francicum, Pertz I, 37. Das von Perg neun aufgefundene 
Cap. Langob. hat dieſe Beſtimmung nicht. 

s Die Erflärung von Muratori (Ant. Italiae VI, 452), das Verbot 
babe den Zweck gehabt, die Mitglieder gegen den bei Xeiftung der Beiträge 
ausgeübten Zwang zu fchligen, ift unbaltbar, wenn man bie übrigen Grlatfe 
gegen Conjurationen berüdfichtigt. 


138 


hunderts ſcheint im fränkiſchen Reiche das Wort allgemeiner bekannt 
und gebraucht worden zu fein. In dem Canon des befprocdenen 
Concils zu Nantes werden collectae vel confratriae, quas con- 
sortia vocant, verboten. Ungefähr fünfzig Jahre fpäter (852) ver- 
bietet dagegen Hinkmar von Rheims, welcher diefen Canon in die 
für die Presbyter feiner Diöcefe beftimmte Capitelſammlung fajt 
wörtlid) aufnahm: collectas, quas gildonias vel confratrias vulgo 
vocant, und in dem Jahre 884 heist es im Capitulare Karlmanne: 
Volumus, ut presbyteri et ministri comitis villanis praeci- 
piant, ne collectam faciant, quam vulgo geldam vocant, contra 
illos, qui aliquid rapuerint !. m langobardifchen Reiche ſcheint 
das Wort gar nit im Gebrauche gewefen zu fein, während das 
Inſtitut ſich dort ebenfo findet wie in Gallien und Deutfchland?. 
In den legteren Yändern Waren gegen die Mitte des 9. saec. die 
Ausdrücke gildonia und gelda allgemein verbreitet als Bezeichnun⸗ 
gen fir eine beſtimmte Art von Vereinigungen, während dagegen 
collecta für jede Art von Verbindung gebraucht wird, fo für Ban- 
den von Dieben und Wegelagerern — gerade wie contubernium 
und im Angelſächſiſchen hlöd — und für Vereine zu religiöfen Zwe⸗ 
den. Bemerkenswerth ift, daß, wenn collecta in dem erften Sinne 
vorkommt, e8 nicht mit gildonia umſchrieben, vielmehr von den mit 
diefen Worte bezeichneten Vereinigungen unterfchieden wird. Sn 
dein Gapitulare Karls vom Jahre 779 werden cap. XVI die gil- 
doniae unterfagt, und ımmittelbar darauf folgt ein Verbot der col- 
lectae?. Ebenſo werden in einem Snhaltsverzeichniffe dieſes Capi⸗ 
tular& die gelloniae und collectae auseinander gehalten, and) die Ver- 
bote gegen diefe noch wiederholt erneuert, 3.8. in dem Gapitulare 
Ludwigs und Yothars aus dem Jahre 829%. Bon diefen collectae 
find zu unterfcheiden die Vereinigungen, die in dem Gapitulare Karl- 
manns von 884 verboten werden. Denn diefe waren nicht abge- 
ſchloſſen, um Andere zu beranuben, fondern nur um Diebe zu verfol- 
gen, alfo zum Schutz des Eigenthums errichtete Genoffenfchaften. 
Wenn man nun die in den Gapiteln Hinkmars von Rheims erwähn- 
ten collectac, quas gildonias vel confratrias vocant, nad) der 


’ Pertz 1, 553. 

? Pertz I, 232. Hlolharii I constitutiones Olonnenses cap. IV: Vo- 
lumus de obligationibus, ut nullus homo per sacramentum nec per aliam ob- 
ligationem adunationem faciat. Et si hoc facere praesumpserit, tunc ille qui 
prius ipsum consilium inchoavit et hoc factum habet, in exilio ab ipso co- 
imite in Corsicaimn mittatur, et illi alii baunum componaut. Et si talis fuerit 
qui non habet unde ipsum bannum componat, 60 ictus accipiat. Daß dieſe 
adunaticnes nichts Anderes waren als Gilden, beweift ber Umſtand, daß in 
einigen langobardiſchen Handfchriften das Wort gildonia mit: ji. o. adunatio 
erffärt wird. 

3° Cap. XVII: Qui ad palatium aut aliubi pergant, ut eos cum collecta 
nomo sit ausus adsalire. 


* Pertz I, 352: Collectae ad male faciendum fieri omnimodis prolıı- 
bentur. 


139 


von ihnen gegebenen Befchreibung mit den geldae bes Gapitulars 
von 8834 vergleiht, jo wird faum auf den erjten Augenblid eine 
Berwandtichaft zwifchen beiden erfichtlicy fein. Hier beitehen die Gil- 
donien aus Prieftern und Laien, und die Frauen find nicht ausge- 
fchloffen. Ihren Mitgliedern wird verboten, über das hinauszugehen, 
quantum ad auctoritatem et utilitatem atque ad salutem ani- 
mae pertinet. Dieſe höchſt vagen Grenzen werden dann näher da- 
bin beitimmt, daß die Mitglieder in allem Gehorſam gegen die Re— 
figion fid) vereinigen follen, um Oblationen an Lichtern, Wein und 
Brod darzubringen, für einander zu beten, die Ereguien der Verftorr 
beten zu feiern und Almofen zu geben. Dagegen werden Schniaufe- 
reien und Trinkgelage bei den härteften Strafen verboten, weil dieſe 
zur Völlerei führten und die Veranlaffung zu unrechtmäßigen Er⸗ 
preffungen, zu ſchändlichen Luftbarkeiten und Streitigfeiten gäben, die 
gar häufig mit Mord und langdauernden TFeindfchaften endigten. 
Wenn es dagegen nöthig fei eine Zuſammenkunft der Bundesbrüder 
zu veranftalten, um Streitigfeiten die unter ihnen ausgebrochen wä⸗ 
ren, auszugleichen, fo könne ein Jeder, der e8 wolle, nachdem die 
gottesdienftlichen Handlungen beendigt und die nöthigen Ermahnungen 
ertheilt feiern, geweihte® Brod und Einen Becher Wein vom Presby- 
ter erhalten, dann aber müfje er nad) Haufe zurückkehren. 

Die Vereine, für welche diefe Beftimmungen gegeben find, ver- 
folgten alfo religiöfe Zwecke. Den Oblationen an die Kirche, welche 
man mit dem Opfer Abels verglich, jchrieb man fündentilgende Kraft 
wi; bie Gebete wurden für die Ecelen der verftorbenen Yundes- 
brüder verrichtet, für welche auch die Cleriker Meſſe lafen. Ob 
aber diefe Vereine urſprünglich und allein zu diefen Zweden gejtiftet 
waren und fi nur auf diefe befchränften, ift mehr als fraglich. 
Hatten fie doch eine Art Yurisdiktion über ihre Mitglieder, indem 
fie Streitigkeiten derfelben jchlichteten, und geht doch das ganze Ca- 
pitel darauf aus, ihrer Wirkfamfeit engere Grenzen zu ziehen. Das 
Berbot der bei den Verfammlungen der Bundesglieder jtattfindenden 
Gelage und die Anspielung auf die bei denjelben vorkommenden Aus- 
jhweifungen zeigen und deutlich, daß die hier erwähnten gildoniae 
ebenfo wie die in dem Capitulare Karls verbotenen ganz disparate 
Zwede verfolgten. Daß hierunter auch der begriffen war, weldjen 
fih die in dem Capitulare Karlmanns vom Jahre 884 erwähnten 
geldae gefett hatten, die Bundesglieder zu fchüten, würden wir aber 
allein nach diejen beiden Urkunden anzunehmen feine VBeranlaffung haben, 
wenn nicht bei anderen germanifchen Völkern Vereinigungen beftanden 
hätten, welche beide Zwede, Schuß der Mitglieder gegen Diebftahl 
und Beförderung des Scelenheils derfelben, vereinigten. Dieſes zei- 
gen uns die ſ. g. Judicia cıvitatis Lundoniae ?. 

Die darin enthaltenen Statuten der Friedensgilden zu London 


? Conec. Matiscon. 585. can. IV, Sirmond, Conc. Gall. I, 383. 
2 m. Schmid 1. 1. ©. 156. 


140 


(cap. II— VIII) ſtammen zwar in der Form, in der fie uns jekt 
vorliegen, aus der erjten Hälfte bes 10. saec. Denn fie finden fid 
unter den Gefegen König Aethelitans, der von 924-940 regierte. 
Allein die Vereine, für welche fie gegeben find, find offenbar vie 
älter. So bis in das Cinzelne hinein organifirt tritt Feine Vereini⸗ 
gung ins Dafein, und feine erlangt es fofort, daR ihre Satungen 
mit allgemeinen Yandesjagungen der Art in Verbindung gebradit 
werden, daß fie mit ihnen vereint die Norm geworden zu fein fcheis 
nen, „auf welche die geiitlichen und weltlichen Dberen die Friedgil⸗ 
den verpflichteten“ *. Diefe Yondoner Gilden waren Affefuranzcom- 
pagnien gegen Diebjtahl, indem ihre Mlitglieder ſich unter einander 
verpflichteten, den Schadenerſatz für geftohlenes Vieh und entwendete 
Sklaven aus einer gemeinfamen Kaffe zu leiften. Um aber den 
Biehdiebjtahl überhaupt möglichſt einzufchränfen, machten fich die 
Meitglieder verbindlid), die Diebe gemeinfam zu verfolgen und ihren 
Spuren aud in anderen Marken nachzugehen. Alle Dionate verſam⸗ 
melten ſich die Mitglieder diefer Vereine zu Gelagen, bei denen dann 
auch die gemeinschaftlichen AIntereifen, die Beobachtung der getroffenen 
Catungen u. d. g. ımterfucht und berathen wurde. Starb ein Mit- 
glied der Gilde, jo mußte ein jeder Sildegenoife ein „feines Brod“ > 
für das Seelenheil des Veritorbenen darbringen und fünfzig Pfalmen 
fingen oder binnen Monatsfrift fingen lajjen (cap. VIII, 8. 1). 

Unverkennbar herricht eine weitgehende Uebereinſtimmung in den 
Einrichtungen diefer Inſtitute. Die religiöfen Vorjchriften für die 
Londoner Gilde treffen in allen Hauptpunkten mit denen in den Ga- 
piteln Hinkmars überein, und das Kapitular Karlmanns zeigt, daß 
man auch in Gallien die Schubgenoffenfchaften gegen Diebftahl 
fannte. 

Noch größere Aehnlichkeit zeigt das Statut der Cambridger Gifbe. 
Dei dem Cintritt in diefe mußte Jeder einen Eid auf Reliquien Iei- 
ften, daß er treue Brüderfchaft halten wolle, wofür ihm die Gilde- 


ı Der Anfang bes 10. sasc. ift für bie Gefchichte des Städteweſens in 
England und Deutſchland gleih wichtig. Wie Eadwarb England gegen bie 
(Finfälle der Dänen durd Anlage von Städten und Burgen zu fihern fuchte, 
ſo Heinrich J. Deutfchland gegen bie Ungarn. Wie jener verordnete, daß alle 
Kaufbandlungen innerhalb der Burgtbore abgeſchloſſen werben follten, fo be: 
fabl Heinrich alle Verſammlungen und Gelage in den Stäbten zu feiern. 
Aethelltan war der Sohn Eadwards und Otto I. der Gemahl ber Eabitha, 
der Schwefter Nethelftang. 

2 R.. Schmid 1.1. Einleitung ©. XL. 

3 Gesufelne hlaf. In den Statuten der Orcy's Gilde zu Abbotsbury, 
die Kemble in eine fpätere Zeit zu ſetzen geneigt ift, wird verlangt, baf je 
zwei Gildebrüder am Meßabend St. Petri einen Laib Brod ‘well besewen 
and wel gesyfied’, wohl gefiebt und ausgebacken, zum Zmed der allgemeinen 
Almoſen darbringen follen. Es iſt wahrſcheinlich hiermit feines, weiße! Brod 
im Gegenfaß zu dem fehwarzen Roagenbrod, Pumpernidel, gemeint. Die 
Oblationen, deren Ücberrefte als eulogiae, geweihte Brode, veribeilt wurben, 
beitanden auch im fränfifchen Neiche aus weißem, feinen Brode. 


brüber ihren Schug verfprachen. Beftiehlt denfelben Yemand, fo foll 
ber Dieb dafür eine Buße von acht Pfunden entrichten, umd weigert 
fich diefer, fo foll die Gilde dem Benachtheiligten beiftehen. Hat 
dagegen ein Gildegenofje als Bluträcher Jemanden erfchlagen und 
muß hierfür das Wergeld bezahlen, fo follen ihn Hierbei die Gilde: 
brüder unterftügen und die Summe zufanmenfcießen. Wenn jedoch) 
der Todſchlag leichtfinniger oder Hinterliftiger Weife jtattgefunden 
hatte, fo tritt die Gilde nicht für den Mörder ein. Erſchlägt ein 
Gildenoſſe einen feiner Brüder, jo foll er den Friedensbruch fühnen, 
wie deifen Verwandte es wollen und feinen Eintritt in die Gilde mit 
acht Pfunden wieder erfaufen oder auf immer ausgeſtoßen bleiben. 
Beleidigungen von einem Gildebruder gegen einen Anderen verübt 
follen mit Einem Sefter Honig gebüßt werden. Stirbt Einer von 
ihnen, fo fol die geſammte Brüderjchaft feine Leiche dahin begleiten, 
wo der Verftorbene zu ruhen gewiünfcht hat. Wer fi) aber von der 
Leichenbegleitung ausjchließt, fol Einen Seſter Honig entrichten. 
Sollte ein Sildebruder außer Yand jterben oder Trank darnieder lie- 
gen, fo müſſen ihn die Gildegenojfen gleichfalls bei Strafe Eines Se- 
ſters Honig lebend oder tod in die Heimath fchaffen. Bon den Ko— 
ften der Leichenmahlzeit beftreitet die gemeinfchaftliche Kaſſe die Hälfte, 
und außerden fteuert jeder Bruder zwei Pfennige zu Almofen und 
einem Gefchenfe an die Kirche der h. Etheldryth bei !. 

Die Sagungen der Gambridger Gilde, die eine reine Privatgee 
ſellſchaft war, bieten jo viel Aehnlichkeiten mit den Statuten der 
Londoner Friedgilden dar, daß wir kaum umhin können, den Ur⸗ 
fprung dieſer gleichfalls in etwas Anderem zu fuchen als in einem 
Uebereinfommen einer Anzahl freiwillig zu einer Gilde ſich vereini- 
gender Perfonen. Mit Recht hat auch Marquardſen gegen Kemble 
hervorgehoben, daß die Londoner Verbrüderungen dem Kerne nad) 
mit den übrigen angelfächfifchen Gilden, wie fie zu Exeter, Cam— 
bridge und an anderen Orten beftanden, identiſch feien 2. 

Nicht unerheblidy find aber weiter die Auffchlüffe, weldye wir 
aus der Bergleihung diefer Urkunden für die Erklärung mancher 
Ausdrüce in den fränfifchen Gapitularien erhalten. Karl der Große 
verbietet vor Allen den Vereinen, ihre VBerabredungen — conve- 
nientiae — eidlid) befräftigen zu laſſen. Nach dem Cambridger 
Gildeſtatut Leifteten die in die Brüderfchaft neu eintretenden Mitglie- 
der einen Eidſchwur, durch den fie fi) zu Treue und Gehorſam ver- 
pflichteten. Hinkmar verbietet die Erprefjungen, welche ſich die Ver: 
eine bei ihren Gelagen zu Schulden kommen ließen. Was kann er 
Anderes unter den indebitae exactiones verftanden haben, als die 
Beitreibung der Beitrag: und Strafgelder, welche, wie das Cambrid— 


2 Kemble bat in dem Auhang D zum erſten Bande feines Werkes liber 
die Angelfachien in England die Ueberſeßzung von drei Gildeftatuten gegeben. 
Ten lebten Satz des Cambridger Gildeſtatuts bat er aber falſch verftanben. 

2 Marquardfen 1. 1. ©. 42. Ebenfo Maurer . L ©. 9. 


142 


ger und Yondoner Statut ergeben, auf die Lebertretung der Satzun⸗ 
gen gefett waren, die aber Hinkmar von feinem Standpunft aus 
als widerrechtlich erfcheinen mußten? Ebenjo werden nad) Hinfmar 
Streitigkeiten der Genoffen unter einander durch die Brüderfchaft felbft 
gefchlichtet. Hier finden wir fogar einen feititehenden Straftarif zur 
Sühnung der Beleidigten. 

Aus dem Allen ergibt ſich eine nahe Verwandtfchaft der Gil- 
donien des fränfifchen Reichs mit den Gilden der Angelfachfen. Die 
(ettern zeigen uns nur, wie es ſcheint, eine entwickeltere Verfaſſungs⸗ 
form. Diefes kann uns auch nidyt befremden, da die über fie une 
erhaltenen Urkunden einer fpäteren Zeit angehören als die über die 
fräntifhen Gilden erhaltenen Nachrichten, und unter den Angeljachien 
denjelben nicht die Beſchränkungen auferlegt zu fein fcheinen, welche 
ihr Gedeihen auf dem Feſtlande verfünnnern mußten. 

Has war c8 denn aber, fo müfjen wir uns nochmals fragen, 
was die weltlichen und geiſtlichen Gefeggeber des fränfifchen Reiches 
gegen fo nügliche Vereine, als weldye fie uns nad) den angelfädhfi- 
ſchen Urkunden entgegentreten, einnehmen konnte? Hinkfmar findet 
befonders an ihnen zu tadeln, daß fie die Veranlaffung zu wüſten 
Gelagen gäben, und es läßt fich nicht leugnen, daß ein für das 
Ecelenheil feiner ihm anvertrauten Gläubigen beforgter Kirchenfürft 
in der damaligen Zeit Grund genug hatte, gegen alle Inſtitute, 
welche die Veranlaſſung zu ſolchen Gelagen bieten konnten, feindlich 
gefinnt zu fein. Denn wenn die Priefter einer Decanie, weldye je 
den erjten Deonatstag fich verſammelten, um Beſprechungen, Bigilien 
und Meſſen für einen Verftorbenen zu halten, ſich folchen Ausſchwei⸗ 
fungen hingaben, wie fie uns Hinkmar fchildert, jo war es allerdings 
gerathen, den Laien alle Gelegenheit zu ähnlichen Zufammenkünften 
abzufchneiden. Nach den Berichte Hinkmars leerten die Priefter ihre 
Becher auf das Wohl der Heiligen und der Seele des Berftorbenen, 
lärmten, fangen obfeöne Yieder, erzählten ſich Injtige Schwänke und 
Mähren, ergötten fi) an den ımbeholfenen Sprüngen der vorge- 
führten Bären, liegen Tänzerinnen vor ſich auftreten und trieben 
alterlei heidnifche Veiunmereien !. Kein Wunder, daß ſolche Gelage 
fehr häufig mit Mord und Zodfchlag endigten. Aber nidyt allein 
um diefe zu verhüten, ſchritt Hinkmar gegen die Gelage ein, jondern 
vielmehr deßhalb, weil die Gebräuche bei dieſen heidnifchen Urfprungs 
waren. Iſt doch ein Grund feines Verbot, daß jie teufliich — 
diabolicum — feien, was entfprechend der befannten Umfetzung der 
Götter in übelthätige, teufliſche Wefen, nichts Anderes als heidniſch 


2 Hinkmar 1.1. cap. XIV: Quomodo in conviviis defuncetorum aliarumve 
collectarum gerere se debeant. Ueber die Mummereien ift zu vergleichen Grimm, 
Mythologie I, S. 867 8. v. talamasca. In ben Gapiteln Waltbers von Or: 
(eanz ans dem Jahre 858, cap. XVII, beißt e8 aanz ähulich: Si quando in 
cujuslibet anniversario ad prandium presbyteri invitantur, eum omni pudicitia 
et sabrietate a procaci loquacitate et rusticis cantilenis caveant, ncc saltatrices 
in modumn iiliae Herodiadis coram se turpes facere ludos permittant etc. 


bedeuten kann. Unbedenklich aber fünnen wir annehmen, daß bei ben 
Selagen der Gilden diefelben heibnifchen Gebräuche vorfamen wie 
bei den Priefterconventen. Hinkmar unterfagt die pastos et comes- 
sationes als die Deranlajjung der turpes et inanes laetitiae et 
rixae. (Cr hatte diefelben im 16. Gapitel nicht näher zu fchildern, 
nachdem er fie fchon im 14. und 15. im Einzelnen aufgeführt hatte. 

Dieje noch nach altheidnifcher Weile gefeierten Gelage fcheinen 
aber auch für Naifer Karl ein Grund des Verbote der Gildonien 
gewejen zu fein. ‘Denn daß die conjurationes, gegen welche die 
Beitimmung des Gapitulars vom Jahre 789: Prohibendum est 
omnibus ebrietatis malum et istas conjurationes, quas faciunt 

r St. Stephanum aut per nos aut per filios nostros prohi- 
bemus i, gerichtet iſt, diefelben oder doch ganz ähnliche Vereinigungen 
waren wie die Gildonien des ſchon beſprochenen Capitulars (779), 
dürfte keinem Zweifel unterliegen. Es wedjjeln hier nur, wie fo oft 
in den Gapitularien, die Ausdrüde für eine und diefelbe Sache. In 
Urkunden fpäterer Zeit wird das Wort conjuratio geradezu mit 
dem Worte „Shilde“ erklärt ?, und wir finden in der Beſtimmung 
vom %. 739 weſentlich daffelbe wieder, was wir in den jchon be- 
fprodyenen Gapitularien al8 den Grund des Nerbotes der Gildonien 
erfannt haben. Denn e8 wird ja auch hier wieder in Verbindung 
mit einem Verbote gegen Dereine, die durch Eidſchwüre befräftigt 
waren ?, vor dem Yafter der Zrunffucht gewarnt. Diefe Zuſammen⸗ 
ftellung erklärt fid) aber doch nur fo allein, daß die Vereine deghalb 
verboten werden, weil fie ihre Deitglieder ſchwören ließen und die 
Beranlaffung zu Gelagen gaben. Aus demfelben Grunde werden 
wohl auch in dem Defrete der Frankfurter Synode vom %. 794 
alle diefe Eidesgenoffenfchaften verboten *. 

Der Ausdrud, welcher hier als ein Synonym von conjuratio 
auftritt, conspiratio, deutet uns aber nun aud) auf das Unzweidens- 
tigfte an, daß die verbotenen Vereine eine politifche Thätigfeit entfal- 
teten, daß fie in irgend einer Weife ſich den ftautlichen Einrichtungen 
Karls entgegenftellten. Dafür fpricht aud) noch folgender Umjtand. 
In dem Gapitulare vom %. 805 werden cap. IX alle Fidelitäts- 


2 Pertz I, 68. Bon Lothar II. wird bajfelbe Verbot wiederholt, Pertz 
1, 442. 

2 Statuta Goslariensia (Huillard-Brenolles, Hist. dipl. Friderici II, 
Tom. I, 647): Preterer datum est regali precepto, quod nulla sit conjuratio 
nee promissio vel societas que theutonice dieitur Eyninge vel Ghilde nisi 
solum monetariorum, 


5 Du Gange erflärt conjuratio bier durch quodvis juramentum. Karl 
verbot alfo einfach alles Schwören beim b. Stephanus u.f.w. Da aber con- 
jaretio fonjt nirgends in dem Sinne von juramentum gebraucht wird, fo ijt 
diefe Erklärung, Die auch keinen rechten Sinn aibt, zu verwerfen. Näheres 
über bie conjurationes per St. Stephanum weiter unten. 

* Pertz I, 74: De conjurationibus et conspirationibus, ne fiant, et ubi 
sunt inventae, destruantur. 


144 


eide an Andere als den Kaifer und den Senior verboten, und in 
cap. X die Strafjüge angegeben, mit denen gegen die eingefchritten 
werden foll, welche eine durd Eide bekräftigte conspiratio gebifdet 
hätten. Es werden dabei drei Klaſſen unterſchieden: diejenigen, welche 
ſich verſchworen und ſchon irgend einem Anderen Schaden zugefügt 
haben, ſollen mit dem Tode beſtraft werden; die, welche ſich noch 
Nichts haben zu Schulden kommen laſſen, ſollen ſich unter einander 
geißeln und die Haupthaare abſchneiden; die Freien aber, welche durch 
Haudſchlag ſich mit einander verbunden haben, ſollen mit Eideshelfern 
beweiſen, daß ihre Vereine keine geſetzwidrigen Zwecke verfolgt haben, 
oder, wenn fie dieſes nicht können, ihr Wergeld zahlen; haben da- 
gegen Unfreie folche Vereinigungen gebildet, fo follen fie gegeißelt 
werden !, 

Hier ergiebt fi mit Veftimmtheit, dag die Vereine verfchiedene 
Zwecke verfolgten. Offenbar find die im Gapitulare von 779 er: 
wühnten Vereine zu gegenfeitiger Unterftügung identifch mit den hier 
angeführten, die nicht “pro malum’ bejtehen. Auch bier werden 
entjprechend den im Gapitulare von 779 verbotenen gildoniae Ber: 
eine mit eidlicher Verpflichtung der Mitglieder ftreng verpönt, ımd 
zwar, wie man aus dem Zuſammenhange erkennt, ſchon deßhalb, 
weil es überhaupt gejegwidrig war, irgend (jemanden einen Fidelitäts⸗ 
eid zu leiften als mittelbar oder unntittelbar dem Könige. Die Strafe 
für die Uebertretung dieſes Geſetzes fteigerte fi nur noch, wenn die 
Berfchworenen ftrafbare Handlungen wirklid ausgeführt hatten. 

Die eidlice Verpflichtung der Zheilnchmer an diefen Ber: 
ſchwörungen war aber aud) ſchon für Karl Grund genug gegen fie 
einzufchreiten. Denn es wurde durch fie eine Yüce in feine ganze 
Geſetzgebnug gebrochen. Um jeden Einzelnen an das Haupt des 
großen, von ihm gegründeten Lehnsſtaates zu feſſeln, hatte er es nicht 
bei der Schon in der nierowingifchen Zeit geltenden Beſtimmung be- 
wenden laffen, daß jeder freie Interthan ohne Unterſchied der Natio—⸗ 
nalität dem Könige bei dejjen egierungsantritte den allgemeinen Fide— 
litätseid leiften jolle, fondern hatte geboten, daß die ganze männliche, 
freie, über zwölf Jahre alte Bevölkerung den Treueneid fchmören 
ſolle?. Bildeten ſich nun Vereine, die ihre Mitglieder eidlich ver- 
pflichteten ‚ jo konnten dadurch ſehr leicht Conflikte, namentlich wenn 
dieſe Vereine politiſchen Beſtrebungen nicht fern blieben, herbeigeführt 
werden. In welcher Ausdehnung dieſes aber geſchah, läßt ſich bei 
dem Mangel ausführlicher Nachrichten freilich nicht genau mehr er— 
mitteln. Denn eben fo wenig können die öfters wiederkehrenden Auf- 
jtände von Verſchwoörenen, deren Niederwerfung Karl, wenn auch mit 


I Pertz |, 133. 


2 Not, Geſchichte des Beneficialweſens ©. 386. Tas zwölfte Lebens: 
jahr war auch in England das Pulbigungsjabr; Kemble II, 35. (Sch erlaube 
mir bierzu auf die Ausführnug in Bd. UL der D. V. ©, zu verweifen, die 
diefe Verbältniffe in etwas anderem Licht erjcheinien läßt. G. W.). 


145 


großen Anftrengungen doch immer glücklich gelang, von dauernden 
Bereinigungen ausgegangen fein, als die Unruhen, die das fräntifche 
Reich unter den Merowingern an den Rand des Unterganges brachten. 
Es ift eine, durch fein einziges gefchichtliches Document geftüßte 
pothefe Zhierrys, daß die Gilden die Urfache der im fränfifchen 
eiche vor Karl dem Großen herrfchenden Anarchie gewefen feien !. 
Hür Thierry foll diefes nur als Folie für die Behauptung dienen, 
daß die in der merowingifchen Periode herrfchende Anarchie eine Folge 
der germanifchen Inſtitutionen gewefen jei, während die von den bar» 
barifchen Eindringlingen befiegte Raçe, nachdem fie unter Karl d. Gr. 
wieder zur Herrichaft gekommen fei, die Ordnung wieder hergeftellt 
habe. Die Gilden hatten auf diefe angebliche Anarchie aber eben fo 
wenig Einfluß als auf den Aufſtand der normannifhen Bauern, den 
Thierry gleichfalls herbeizieht . Bauernaufftände famen in Franf- 
reich zu allen Zeiten und unter den verfchiedenften Negierungen vor. 
So im dritten Jahrhundert unter römifcher Herrfchaft und im vier- 
zehnten Jahrhundert. So wenig als diefe Bauernaufjtände, hiengen 
die verjchiedenen Verſchwörungen, welche unter Karl d. Gr. und deſſen 
Nachfolgern zu offenen Empörungen führten, mit dem Gildenmwefen 
zufammen. Bei den Aufitänden in Aufter und Thüringen, die im 
Jahre 786 eine große Verwirrung im Neiche hervorriefen, deutet 
Nichts auf fie hin, wenn auch für fie der Ausdruck conjuratio ge- 
braucht wird’. Für Karl war die Entfchuldigung der Nebellen, daß 
fie ihm noch feinen Zreueneid geleiftet hätten, die Veranlafjfung, jett 
alle Unterthanen denfelben fchwören zu lafjen +. Zweifelhafter fann 
man dagegen über den Charakter der Conjurationen der Unfreien in 
Flandern und Menpiscus fein, welche Ludwig der Fromme 821 ver- 
bot. Diefelben waren nicht etwa Vereine zu Räubereien, da fi auf 
diefe eine befondere Beſtimmung deijelben Capitulars bezieht; aud) 
waren fie nicht gegen die Herrn der Unfreien gerichtet, gegen welche 
fich diefe wegen der von ihnen ausgehenden Erprejjungen oder wegen 
der Beitreibung ihrer erft unter Karl d. G. firirten Abgaben fonft 
oft genug erhoben 5. Denn der Gejeßgeber findet es nöthig, die Herrn 
mit einer harten Strafe zu bedrohen, wenn fie die Vereinigungen ber 
ftehen ließen. Vergleicht man hiermit die Nachricht, dag die fränki⸗ 
chen Großen das arıne Volk, welches jchutlos gegen die Einfälle der 
Rormannen fi) zu GConjurationen zufanımen gefchlojfen hatte und den 


2 Ang. Thierry, Recits des temps Merovingiens. ed. II. Tom. I, 314 fl. 

2 Diefes behauptet Thierry 1. 1.p. 326. Man vgl. dagegen Lappenbern, 
Geſchichte Englands II, ©. 34. 

5 Annal. Lauresham. ada. 786. Annal. Naz. Cont. Pertz SS. I, 321.42. 

* Pertz Leg. I, 51: De singulis capitulis quibus domnus rex missis 
suis praecepit, qui nulla sacramenta debeant audire et facere, quam ob rem 
istam sacramenta sunt necessaria , per ordine ex antiqua consuetudine expli- 
care faciunt, ct quia modo isti infideles homines magnum conturbium in 
regnum domni Karoli regi voluerint terminare, et in ejus vita consiliati sunt, 
et inquisiti dixerunt quod fidelitatem ei non jurasse[njt. 

5 Pertz I, 230. cap. VII. u. cap. I. Roth 1. 1. ©. 377. 


10 


146 


Räubern kräftig Widerftand Ieiftete, gleichſam als Yohn für feine 
Kühnheit niederhieben ', fo Könnte man wirklich glauben, daß die hier 
erwähnten Vereine der Unfreien Gildeverbrüderungen geweſen feien, 
die der Kaiſer vielleicht nur als Zufluchtsſtätten altheidnifchen Aber: 
glaubens nicht dulden wollte. Keinenfalls darf man dagegen, wie 
Eichhorn, die ſächſiſche Stellinga für eine gildeartige Verbindung er- 
klären. Die zwei unteren Claffen des fächjifchen Volkes waren feit 
der fränkifchen Eroberung fo in ihren alten Rechten gefchmälert wors 
den und ihrem alten Glauben noch fo treu, daß es kaum des Ver—⸗ 
fprechens von Yothar I., fie für ihren Anfchluß mit Herftellung ihrer 
alten Rechte zu belohnen, bedurft hätte, um fie zum Aufitande gegen 
ihre Unterdrücker zu veranlajjen 2. 

Faſſen wir die Ergebnijfe der bisherigen Unterfuchung zuſammen, 
jo Stellt fid) folgendes Reſultat heraus. 

Es beitanden im fränfifchen Reiche während des 8. und 9. 
Jahrhunderts dauernde Vereinigungen zum Zwede gegenfeitiger Unter- 
jtügung für Fälle der Noth. Diefen Vereinen lagen auch religiöfe 
Beſtrebungen nicht fern. Wie fie für das Wohlergehen ihrer Ange 
hörigen nad) der irdifchen Seite des menfchlihen Dafeins Hin Sorge 
trugen, jo aud) für dag Heil der Scelen. Da aber diefe Vereine, 
Gildonien oder Gilden genannt, für die Intereffen ihrer Mitglieder 
in einer Weiſe forgen zu müſſen meinten, die mit den neuen ftaat- 
lichen Einrichtungen feit Karl d. G. häufig in Widerjtreit gerieth, da 
fie ferner, um des Gehorſams ihrer Angehörigen ſicher zu fein, eine 
Form der Vereinigung wählten, die dem Staate nicht allein wegen 
des Mißbrauchs, der mit ihr getrieben werden konnte, gefährlich er- 
ſcheinen mußte, fondern bei den noch nicht gejicherten Rechtszuſtänden 
und bei der Vielgeftaltigfeit des mühfam zufammengezwungenen Reichs 
wirklich gefährlich war, und da fie überdies durch die einen integri- 
renden Theil ihrer Inſtitutionen bildenden Feſtlichkeiten die Erhalter 
und Träger heidnifchen Weſens waren, fo jah fi) die weltliche und 
geiftliche Gefegßgebung in die Nothwendigkeit verjett, fie entweder gänz- 
lid) zu verbieten oder fie dod) zu befchränten. Der in der Natur 
de8 germanischen Volkes tief begründete Zug nad Abfonderung in 
Heine Streife und freie Gorporationen, weldyer jeder einheitlichen Ge- 
ftaltung de8 dentſchen Staatöwefens hemmend entgegentritt, Tonnte 
dem umfaſſenden und wahrhaft großartigen Scharfblicke Karls nicht 
entgehen und mußte ihn beſtimmen, demſelben bei der Durchführung 
feines auf Ein Princip gegründeten Cinheitsftaated von Anfang an 
entgegen zu wirken. 


! Annal. Bertin. ad a. 859, Pertz SS. I, 453: Dani loca ultra Scaldem 
populantur. Vulgus promiscuum inter Sequanam et Ligerim inter se conju- 
rans adversus Danos in Sequana consistentes, fortiter resistit; sed quia in- 
eaute SBuscepta est corum conjuratio, a potentioribus facile interficiuntur. 

2Gichhorn, deutſche Staats: und Nechtögefchichte, Ausg. IV. Bd. 1,827. 
Nitlinrd Lib.1V, cap. Il, Pertz 88. II, 668. Prudentius Trecensis ad a, 841, 
Pertz 88, I, 437. 


147 


II. 


Da in den beſprochenen fränkiſchen und angelſächſiſchen Ur⸗ 
kunden zwar die älteſten Nachrichten über den Beſtand des Gilden⸗ 
weſens enthalten, dieſelben aber keineswegs ſo alt als die Gilden 
felbft find, da ſie ja dieſelben als ſchon beſtehend vorausſetzen, fo 
müſſen wir zur Erforſchung der erſten Anfänge des Gildenweſens 
noch einen Schritt über fie hinausgehen und nad weiteren Anhalts⸗ 
punkten für ihr Dafein und ihre urfprüngliche Tendenz fuchen. 

Wie e8 in der Natur derartiger Unterfuchungen begründet ift, 
hat man in den verfchiedenften Inſtitutionen die eriten Anfänge des 
Gildenwefens zu erbliden geglaubt. Während Sybel die Vermuthung 
ausgefprochen hat, daß die Gilden vielleicht al8 Trümmer der alten 
Geſchlechtsverfaſſung unter felbjtveränderten Formen in die neuen Zu- 
ftände hinlibergerettet feien, oder die feandinavifchen Archäologen Finn 
Magnuffen und Münter die Grundlagen der älteften Gilden in heid- 
niſchen Opfergenoffenfchaften gefunden zu haben meinen, hat Stenzel 
erklärt, daß, wenn man die Gilden bereits im nordifchen Heidenthume 
finden wolle, diefes nicht weniger über da8 Maaß des Hiftorifch Bes 
weisbaren hinaus gejchoffen jei, als wenn Türk die Franken aus 
Troja kommen laſſe. Wilda hat zwifchen den Anfichten vermittelnd 
bei der Bildung des Gildenweſens zwei Faktoren als mitwirfend an⸗ 
nehmen zu müſſen geglaubt, einen aus dem Heidenthum herftanunen- 
den, die alten Opfermahlzeiten, und einen chriftlichen, die brüderliche 
Liebe und Bereitwilligfeit zu gegenfeitiger Lnterftügung, dafür aber 
teohaften Widerfprudy von Seiten Schaumanns und bitteren Tadel 
von vinus erfahren müfjen !. 

Es würde zu weit abführen, wollte man die Gründe, bie für 
jebe diefer Meinungen geltend gemacht find, aufzählen. Sybels An- 
fit ift als reine Vermuthung Hingeftellt, und diefelbe fteht und 
fällt mit den bekannten Grundanfchauungen diefes Hiftorifers über 
die älteften Verfafjungsformen des germanischen Staates. Stenzel 
ijt offenbar in feinem Bergleihe zu weit gegangen, und Schaumann 
hat wie Sachſſe feine Gegenrede durch eine Menge von Vermuthun⸗ 
gen, unbewiejenen Vorausfegungen und offenbaren Unrichtigkeiten 
nicht zum Beſten empfohlen. Er fehreibt Wilda Meinungen zu, die 
diefer nie aufgeftellt hat, und feine Ctyinologie des Wortes byer- 
gilden aus den Worten: bei der gilden, d. h. Gildebrüdern, dürfte 


2 Svbel, Entftehung bed deutfchen Königthums S.19; Finn Magnuffen, 
in den Baltifhen Studien V, 2, ©. 179. Stengel, in Tſchoppe u. Stengel, 
Urkundenfammlung zur Gefchichte des Urfprungs der Städte in Schlefien 
©. 48 Anm. Schaumann, Gefchichte des niederſächſiſchen Volfed S. 561 
u. Baterländifches Archiv des biftorifchen Vereins für Niederfahfen 1841. ©.11. 
Sachſſe, Grundlagen des beutfchen Staats- u. Rechtslebens S. 574. Außerdem 
ift zu vergleichen: Thierry 1. 1. I, 318. Fortuyn, de gildarum historia. Amste- 
lodami 1834. Winzer, bie beutfchen Brüderfchaften des Mittelalter. 185%. 
Marquarbien 1. 1. ©. 43. Rettberg, Kirchengeſchichte Deutfchlands IM, 567. 
Gervinus, biftorifche Schriften VII, 459. 


10* 


148 


wohl noch weniger auf Richtigkeit Anſpruch machen können als die 
Identification der Biergilden, der zweiten Klaſſe der Freien des Cady 
fenfpiegel®, welche von den Pfleghaften nicht näher zu unterfcheiden 
find, mit den fränkiſchen und bairiſchen bharigildi und den Bur⸗ 
gilten, die Bürgergilden gewefen fein follen '. Denn die Biergilden 
waren Xogteipflichtige, die wahrfcheinlich eine Abgabe an Bier ent- 
richten ınußten, und über die bharigildi wiſſen wir durchaus nichts 
Zuverläffiges. Cs ift kaum verzeihlicher, wenn Schaumann die Bier- 
gilden zu Meitgliedern von Gildegenofjenfchaften macht, als wenn 
Sachſſe, von einer faljchen Xesart de8 Capitulare saxonicum 
a. 797 verleitet, eine befondere Gattung von Gilden, die Wargilden, 
entdedt zu haben meint ®. 

Hiernad) werden wir und wohl der Berüdjichtigung diefer Un- 
terfuchungen entfchlagen dürfen, und, nur mit fortwährender Bezug: 
nahme anf Wildas Abhandlung, die Entftehungsgefchichte ber älte- 
jten Sildegenoffenfchaften von Neuem aufnchmen müffen. 

Schon aus Tacitus wiſſen wir, daß unfere Vorfahren die wich⸗ 
tigften Staatöfragen bei Gelagen zu erörtern gewohnt waren, bei 
denfelben Feindſchaften beilegten und Familienverbindungen abfchloffen >. 
Daß noch in weit fpüterer Zeit bei den deutfchen Völkern Gelage zu 
gleichen Zwecken in großer Ausdehnung ftattfanden, beweiſt die Nady- 
richt Widukinds, dag Heinrich I. das Emporblühen der von ihm be- 
feftigten Städte dadurdy zu heben gefucht habe, daß er die Berathun- 
gen, alle Zufammenkünfte und feitlihe Schmauſereien in ihnen abzu- 
halten befahl. Verabredete dod) Herzog Heinrich den Aufſtand gegen 
feinen Bruder Otto I. bei einem celebre convivium in aSalfeld *. 
Die urfprüngliche Bedeutung der Gelage, von denen Tacitus berich⸗ 
tet, ift ans der deutfchen Mythologie befannt; es waren vorzuge- 
weife Opfermahlzeiten. Diefelben fanden bei ben großen Jahresfe⸗ 
ften, die mit den Volfsverfammlungen und ungebotenen Gerichten 


Stobbe, die Stände des Sachſenſpiegels, in der Zeitfchrift für deut: 
ſches Recht, Bd. XV, ©. 345. Gegen bie im Tert gegebene Ableitung bes 
Wortes Biergilden wird nad dem, was Grimm wiederholt darüber bemerft 
bat, ſprachlich fich Nichts eimwenden laffen und außer ben Stellen die ſchon 
Stobbe für die Abgaben von Bier angeführt bat wal. man Salomon Formel: 
buch 2c. ed. Tüimmier Nr. 22. Nengart, Cod. dipl. Alem. No. 23, 24. 36. 
40. 55. Meichelbeck, Tradit. Frising, No. 386. 477. 589 etc. Guerard, 
Polypt. d’Irminon p. 713. Not. 18. (Bol. jedoeh Walter D. R. G. 8.447...) 

2 Holſte, der das Gapitulare a. 797 zuerft bekannt gemacht bat, 
batte wargilda für wargida nelefen, Perg aber 1835 ſchon diefen Fehler be— 
richtigt, während Sachſſe 1844 noch bie falfhe Ledart aufnahm und darauf 
feine Theorie von ben Wargilden, einem ſonſt nicht vorfommenden Worte, 
gründete. Sachſſe ©. 554. 

® Taeitus, Germania cap. 22. Annal. I, cap. 50: Attulerant explora- 
tores festam eam Germanis noctem ac solemnibus epulis ludicram. 

* Widukind. I, 35, Pertz SS. III, 432; Concilia et omnes couven- 
tus atque convivia in urbibus voluit celebrari. Waitz, Jahrbücher Des deut: 
fchen Reichs I, 1, ©. 148. Widukind II, 15, p. 442. 


149 


zufammenfielen und bei bejonderen feierlichen Gelegenheiten, Yeichen- 
beftattungen, Geburten, Hochzeiten, wichtigen politifchen Creigniffen 
u.f.w. ftatt. Die Todtenmahlzeit vertrat die Stelle der Erbantre- 
tung und bei Königen die der Krönung !. Diefe Mahlzeiten werden 
nın Gilden genannt. Denn Gilde ift urſprünglich das aus gemein- 
fchaftlichen Beiträgen gehaltene Opfermahl, dann Opfermahlzeit über- 
Haupt, und endlich die Genoſſenſchaft, wie Geld felbft Tribut, Zins 
und dann Opfer bedeutet 2. Zu diefen gemeinfamen Opfermahlzeiten 
mußte jeder Freie feinen Antheil an Speife und Zranf mitbringen. 
Hatte man die Opferthiere gefchlachtet, die Götterbilder und Altäre 
und Tempelwände mit Opferblut beftrichen und das Volk damit be- 
fprengt, dann wurde das Fleiſch in Keſſeln gekocht und verzehrt. An 
die Speife ſchloß ſich fofort aud) der Trumf an. Beiderfeits der Feuer, 
fo befchreibt Maurer eine folche Teftlichfeit, über denen die Keſſel 
Bingen, ſaß das Bolt, und man tranf fich gegenfeitig über die euer 
weg zu; dem Vorſitzenden, welcher den vornehmeren der beiden Hoch— 
fite einnahm, lag e8 ob, die Opferfpeife und den Opfertrumf zu 
weihen und die feierlichen Zrinkfprüche auszubringen. Mean tranf 
aber Ddins Becher um Sieg und Macht, Nijörds und Freys Horn 
um ein gutes Jahr und Frieden, auch wohl ein Horn für Thor, für 
Bragi, für Freyja, oder zur Erinnerung an die eigenen veritorbenen 
Blutsfreunde. Minne — minni — nannte man foldhes Trinfen, und 
jeder einzelne Becher wurde als full bezeichnet; das ganze Opfer 
nimmt durch diefen gemeinfamen Genuß von Speife und Trank den 
Charakter eines heiteren Gaſtmahls an: blotveizla, Opfermahl, mag 
die Feierlichkeit darum heißen, und gildi, urfprünglid) das Opfer be- 
zeihnend, kann fpäter auc den Begriff eines einfachen Gajtgelages 
annehmen. ALS das Chriftenthum ſich im Norden ausbreitete, muß- 
ten fich die Uebergetretenen von diefen Opferfchmaufereien losfaufen, 
wie Adam von Bremen berichtet *, bis daß die Könige ſelbſt Ehriften 
wurden und die Sitte große Gaftmähler und Gelage zu halten fort: 
beftehen liegen. König Hafon verpflichtete fogar die Unterthanen, das 
Bier zu dem Julfeſte nach wie vor zu bereiten, und Dlaf Zrygvafon 
ließ in Folge einer Weifung des h. Martin von Tours, der ihm im 
Traume erfchienen war, die Becher, die früher zu Ehren Odins und 
der übrigen Götter geleert worden waren, jet zu Ehren Gottes, des 
b. Deartin und der anderen Heiligen zu Weihnachten, Oftern, am 
Johannis⸗ und Michaelisfefte trinken. 


ı 8. Maurer, die Belehrung des norwegifhen Stammes zun Ehriften: 
thum I, 249 Anm. 23. 

2 Müllenhoff, in ber Allgemeinen Monatsſchrift für Wiflenfchaft und 
Literatur 1851. ©. 341. 

5 Maurer 1. 1. H, 220. 

* Adam. Brem. IV, c. 37: Ad quam solempnitsatem in Ubsola nulli 
praestatur immuuitas. Reges et populi, omnes et singuli sus dona transmit- 
tant ad Ubsoiam, et quod oınni poena crudelius cst, illi qui jam induerant 
christianitatem ab illis se redimunt ceremonis. 


150 


Vergleichen wir die Schilderungen, die von diefen Selagen ge: 
macht werden, mit den Andeutungen die wir über die pastos et 
comessationes in den fränfifhen Nachrichten gefunden haben, fo 
Ipringt die Aehnlichkeit beider fofort in die Augen. Wenn es in ber 
Eturlunga-Zaga ! von einem folchen Gelage heißt: Da war viel Lärm 
und sröhlichkeit, gute Unterhaltung und allerhand Spiele, ſowohl 
Zanzipiel als Ringen und Zagenunterhaltung, fo follte man glau- 
ben, Hinkmar von Rheims habe gegen diefes fein Werbot gerichtet. 
Auc wird uns jegt die Bedeutung des Ausdrudes conjuratio per 
S. Stephanum deutlider. War doc der Stephanstag ber große 
(Herichtstag und mit dem Julfeſte zufammenfallend. Sa es fcheint, 
daß der h. Stephan ganz an die Stelle Njörds und Freys getreten 
war?. Man mochte jet zu Ehren des h. Stephan, Karls und fei- 
ner Eöhne Minne trinfen, wie früher zu Ehren der Götter. Daß 
man den Kaifer und feine Söhne mit herbeizog und auf ihr Wohl 
die Becher Teerte, geihah wohl nur deßhalb, um den Gilden einen 
minder gefährlichen Anftrich zu geben oder aus wirklicher Verehrung 
gegen das Herrfcherhaus, wie man fpäter auch zu Ehren Dlofs, 
Knuts und Erichs Gelage anftellte und nad ihnen Gildeverbrüde- 
rungen benannte. Wenn man zu diefen Aehnlichkeiten zwifchen ben 
altnordifchen uud fränfifchen Gilden noch hinzunimmt, daß die Ge: 
richtögenoffenfchaft, die gefammite Volfsgemeinde im deutfchen Norden 
als eine religiöfe Genoffenfchaft erfcheint, daß diefelbe durch den Be 
fit eines gemeinfamen Tempels eben fo gut zufammengehalten wurde 
wie durch den Befi einer gemeinfamen Dingftätte oder durch das 
gemeinfame Kämpfen im Wolfsheere, dann möchte es fcheinen, als ob 
man den inneren Zuſammenhang zwifchen den altheidnifchen Gilden 
ud den im dhriftianifirten fränfifchen Neiche auftretenden gar nicht 
in Abrede ftellen könne. Die Gilden des fränkiſchen Reiches wären 
alfo gar nichts Anderes als die Weberrefte heidnifcher Gelagsgenoffen- 
fchaften. Da die Mitglieder derfelben auch urfprünglic) gewiſſen 
Ntechtsverbänden angehört hätten, fo erfläre fi) daraus die Juris⸗ 
diftion, die die Genoſſenſchaft über ihre Mitglieder ausgeübt habe, und 
es fei wohl begreiflid), wie diefe Weberrefte altgermaniſchen Staats⸗ 
lebens mit den Inſtitutionen der Tarolingifchen Epoche nicht Hätten 
in Frieden auskommen können. Auch die Sitte große Todtenmahlzei⸗ 
ten zu halten und den Todestag Jemandes durch Schmaufereien zu 
feiern, wozu fid) in Teftamenten Summen ausgefett fänden °, babe 
ihren Ursprung in heidnifchen Gebräuchen, und fei deßhalb anfänglich 
ftreng verboten worden, habe fid) dann aber leicht mit der dhrift- 
lichen eier der Exequien verſchmolzen. Da in ben Gildeſtatuten 
niemals ımterlaffen werde, den Mitgliedern aufzugeben, den Zodee- 


ı I, cap. 13, bei Maurer UI, 426 Anm. 30. 

°® Eimrod, Mythologie ©. 521. 

3 Tabular, Privat. Ch. 160: Ut per singulos annos ad annuale meum 
vonmmemorationen pastum optimun persolvant canonicis 8. Julian. 


151 


tag eines Bruders zu feiern, fo ſei die erjte Veranlaffung zu diefer 
Beitimmung auch nicht zu verkennen. 

Gegen diefe Anficht wird eine Einwendung von Kemble, der 
fonft wie Wenige berufen erfcheint bier mit zu reden, nicht viel Er- 
folg haben. Er meint, gegylda, Gildegenoffe, könne nicht wohl 
einen bedeuten, der fi) mit Anderen an einem gemeinfchaftlichen 
Gottesdienit betheilige, jondern allgemein Jeden, der mit Anderen ſich 
zu Beiträgen in eine gemeinfame Kaſſe vereinigt habe, weil man 
fonft nad) Analogie der attiſchen Phylen und römiſchen Gentes auch 
annehmen müſſe, daß diefe Gilden Privathervenculte gehabt hätten, 
wovon fich aber in unferer Mythologie feine Spuren fänden. “Diefe 
Ausführung Tann ſchon deghalb Feine Berüdfichtigung finden, weil 
unfere Quellen uns über diefe Frage gänzlid) im Dunkelen Tafjen, 
ja wir nicht einmal wiſſen, wie fich der germanifche Heroencult von 
dem eigentlihen Gottesdienft unterfchieden Hat !. 

Biel begründeter ift das, was Wilda gegen die direkte Herlei- 
tung der Gildonien von den heidniſchen Opfergenofjenfchaften einwen⸗ 
det. Er hebt hervor, daß von dem brüderlichen Aneinanderfchlichen 
in engere Kreiſe, das fi) auf mannichfache Weife in gegenfeitiger 
Hülfleiftung ausfpreche und worauf das eigentliche Wefen der Gilden 
beruhe, in den Nachrichten über die altgermanifchen Opfergenoffen: 
fchaften fich Feine Spur finde. Die Gelage feien entweder zufällige 
Zufammenkünfte gewefen oder Verſammlungen, an denen jeder Volks⸗ 
angehörige Theil nehmen fonnte und follte.e Dabei trete aber feine 
‚engere, freiwillige Verbindung der Mitglieder nach eigenen Beliebun- 
gen, wie fie doch die uns erhaltenen Gildeftatuten zeigten, hervor. 

Aus diefem Grunde verzichtet dann auch Wilda darauf, das 
Gildeweſen aus Einer Quelle abzuleiten, und glaubt in Einrichtungen 
der chriftlichen Kirche nähere Anknüpfungspunkte gefunden zu haben. 
Beachtenswerth als folche Hält er die Verbrüderungen, die einzelne 
KHöfter mit einander eingingen, und meint, da in den Gildeftatuten 
diefelben Verſicherungen brüderlicher Liebe und gegenfeitiger Hülfs— 
bereitfchaft wiederfehrten, wie fie fich in diefen fünden, da ferner bei 
der Abſchließung folcher Verbrüderungen zwifchen den Klöftern auch 
für ihr Seelenheil beforgte Laien an denfelben Theil genommen hät- 
ten, um dadurd nad) ihrem Tode der Früchte der Gebete der Ueber⸗ 
lebenden theilhaftig zu werden, und aud in den Gildejtatuten Seelen- 
meifen für die entfchlafenen Brüder angeordnet feien, daß diefe Ver: 
brüderungen der Kilöfter und der Anfchluß der Laien an fie den er- 
ften Anftoß zur Bildung felbitftändiger Berbrüderumgen gegeben hätten. 

Mit der Inftitution, auf welche Wilda die erften Anfänge des 
Gildeweſens zurüdführen will, verhält e8 fi num genauer, als er 
ausführt, jo. 

Nach den: Vorgange der Gefammtfirche, welche Gebete für die 
Entfchlafenen anordnete, deren Namen aus den Diptychen vorgelefen 


! Kemble I, 340. Grimm, Deutſche Mythologie I, 359. 


152 


wurden !, war es in den Klöftern Gebrauch geworden, Nekrologien 
für die verjtorbenen Klofterbrüder anzulegen. An dem Sterbetage 
eines Bruders wurde in jedem Monat fein Name, nach der Verle⸗ 
fung des Martyrologiums und der Regel, einmal genannt. ALS die 
namentliche Aufführung der Verſtorbenen nicht mehr ftattfand, man 
aber doc den Gebeten und Meſſen für die Todten große Kraft bei- 
maß, benutten diefes die Klöfter und fchloffen in die Gebete für die 
entjchlafenen Mönche aud) die Wohlthäter des Klofters em, um da 
durch die Treigebigfeit der Laien anzufpornen. Wenn nun diefe, um 
der Fürbitten der Stlofterbrüder theilhaftig zu werden, fih an ein 
Kloſter anfchloffen, fo nannte man fie fratres conscripti, weil de 
ren Namen in das Martyrologium oder den liber vitae eingetra- 
gen wurden ?. Die ältefte Urkunde, welche wir hierüber befiten, it 
die CE chenkungsurfunde einer Theodilana an das Klofter von St. 
Denys vom Jahre 627, in weldyer diefe wegen ihrer Stiftungen 
für das Ktlofter die Aufnahme ihres Namens in das Buch des Le 
bens verlangt 8. Diefelben Motive führten auch die Berbrüderungen 
der Stlöfter herbei. Die einzelnen wollten dadurch ihren Angehörigen 
möglichit viele Meſſen fichern. Die erften diefer Verbrüderungen 
Scheinen in England gefchloffen zu fein. Dem wir finden fie zuerit 
in den Briefen des Bonifacius erwähnt +. Später ftanden in Deutſch 
land und Gallien die meiften Klöſter in ſolchen Yraternitätsverhält- 
niffen, die höchſt wahrfcheinlich auf die fpätere Bildung der Kloſter⸗ 
congregationen nicht ohne Einfluß geblieben find °. 

Hieraus ift aber doc nicht erfichtlic), welchen Einfluß die Ver⸗ 
briiderungen von Klöſtern auf die Bildung von Gilden gehabt haben 
follen. Fühlten vornehme und niedere Laien das Bedürfnig ſich Klö⸗ 
Stern anzufchließen, fo jehen wir feinen Grund ein, warum fich dies 
jelben dur) die Gilden andere Formen zur Crreichung deffelben 
Zweckes hätten Schaffen follen. Auch follte man erwarten, daß, nad 
den einmal diefe neue Form gefunden war, man zur alten nicht 
wieder zurücgegriffen haben würde. Daß diefes legtere aber doch 
der Tall war, beweift uns Wilda felbft. Auffallender Weife näm⸗ 
lich ift die Urkunde, welche Wilda gewählt hat, um und die Zwecke 
zu kenntzeichnen, um deretwillen Klöfter eine Fraternität eingingen 
und ſich Yaien an diefe anfchloffen, aus d. %. 838, alfo aus einer 
Zeit, in der die Hilden Schon längft beftanden. Er hat fich alfo zur 
Erklärung des Gildenweſens auf eine Urkunde berufen, die viel jünger 
ift ala Urkunden, nach denen die Gilden ſchon vorhanden waren, und 


Auguſti, Deukwürdigkeiten ber riftlihen Archäologie XH, 305. 
Ekkehardi IV. Casus 8. Galli, Pertz SS. II, 81. 

Mabillon, Vet. analecta Ill, 485. 

Rettberg IL, 788. 

5 Antiquiores consuotudines Cluniac. monast. Lib. Ill, 33, in d’Achery 
Spielleg. I, 702%, Peoz, Thos. anecdot. nov. VI, 2, fol. 122 u, 242. Gt. 
alten ftand z. B. in Verbindung mit Neichenau, Murbach, Rheinau, Bobio, 
Tiofentis, Kempten, Pfeffers, Werd u. A. 


+» a DB - 


153 


die ſich mit einem Inſtitut befchäftigt, das nur entfernte Aehnlichkei- 
ten mit dem Gildenwejen hat. 

Und doch liegt dem Einwurfe Wildas gegen eine direfte Ablei- 
tung der fränfifchen Gildonien von den heibnifchen Gelagsgenofjen- 
fchaften eine ganz richtige Beobachtung zu Grunde. Denn gefegt 
auch man gäbe vollftändig zu !, daß die Gildeverbrüderungen ihren 
Namen von den heidnifchen Gilden erhalten hätten — eine Annahme, 
die noch weiter dadurch geitügt wird, daß fpäter manche Gilden aud) 
Minnen und die Gildebrüder ſowohl im Hoffteinifchen als in Schwa⸗ 
ben auch Minnebrüder genannt wurden — und räumte ferner ein, 
daß ſich bei den fränfifchen Gildeverfammlungen ganz heidnifche Ge⸗ 
bräuche zeigten, die auf die Opfergelage zurückwieſen, fo wäre doch 
damit noch Teineswegs der Beweis erbradt, daß die Gildonien der 
Sache nach mit jenen Gelagsgenoffenfchaften in Zufammenhang zu 
Bringen feien. Denn abgefehen von der Möglichkeit, dag ein Wort 
eine ganz andere Geſchichte haben könnte als die Sache, für die es 
gebraucht wird, daß ferner diefelben heidnifchen Gebräuche auf den 
Decanatsverſammlungen der Presbyter Hinkmars wieberfehren, welche 
wir bei den Gilden finden, und für diefe Convente doc) wohl Nie: 
wand den Urfjprung im Heidenthum fuchen wird, fo ift die Bemer⸗ 
fung Wildas ganz richtig, dag man von der Sitte, Schmaufereien 
zu halten, gar nichts ableiten könne, das für die Gilden conftitutiv 
fü. Wollte man hiergegen einmwenden, daß es ja ſchon nachweisbar 
in heidnifcher Zeit wirkliche Gilden gegeben habe und ſich hierfür auf 
die befannte vatikaniſche Abrenuntiationsformel: Forsachistu allum 
diobolgelde etc. berufen?, fo wird man hiergegen erwiedern müffen, 
daß diefe Worte gar nicht bedeuten: Entfagft du aller Zeufelsgilde, 
wie fie auch Perk wiedergegeben hat, fondern nur: Entſagſt du al« 
lem Gotzendienſt ; denn diobolgeld iſt nichts Anderes als cultus 

onum?, 

Eben fo wenig wird man ſich auch damit befreunden können, den 


2 Daß Beifpiel Kembles beweilt, daß man dieſes nicht immer thut. 
Das Wurzelwort ift fo vicldeutig, daß man wirklich annchmen kann, gegylda 
bedeute einen, ber fi mit Anderen an Zahlungen zu einem gemeinjamen 
Zwecke betbeilige. — Eine ähnliche Gefchichte wie bag Wort Gilde bat fein Spy: 
nonymon: Zeche. Denn biefed heißt zuerit allgemein: VBeranftaltung, Einrich⸗ 
tung, Anftalt, das von Mebreren zu einem gemeinfamen Zwecke Veranftaltete, 
das was Mehrere an Geld, namentlid zum Velten einer Kirche, fammeln, dann 
eft die Summe, welche Perfonen, die gemeinfchaftlich zufammen eſſen und 
trinken, zu bezahlen haben, fo baß Zech ober Zechheit, wie 3. B. in dem Com⸗ 
pofitum Richerzechheibe nicht eine Trinkgeſellſchaft, ſondern ganz allgemein eine 
Berbindung von PBerfonen, die gemeinfome Rechte und gemeinfames Vermögen 
befigen, bedeutet. Der Ausdrud Zeche für eine geiftlihe Gildeverbrüderung 
fommt auch vor Freher, Scriptor. rer. Bohem. p. 225: Confraternitatem 
elericorum et laicoram, quae dicitur Zech, dissuadent et haec omnia dicunt 
agi propter quaestum. 

= So Sadfie S. 567 und Schaumann 1. 1. Die Formel bei Pertz 
Leg. I, 19. 

s Grimm, Mythologie S. 34 und 957. 


154 


Urfprung der Gilden in dem Abſchließen von Blutsfreundfchaften zu 
finden, wie dieſes unter den jfandinavifchen Helden Sitte war !. 
Und nicht minder unridhtig ift e8, wenn man fagt, die Kirche felbit 
habe mit weifer Hand den Uebergang der heidnifchen Gottesdienftver- 
brüderungen in chriftliche Brüderfchaften geleitet. Denn die heibni- 
ſchen Gilden waren feine Gottesdienjtverbrüderungen, und es Tann 
deßhalb von einer Umbildung derfelben gar nicht die Rede fein. 


IV. 


Veberbliden wir das Nefultat unferer Unterfuchungen über bie 
Entſtehung des Gildenweſens, fo werden wir nicht umhin können, 
einzugeftehen, daß dafjelbe ein rein negatives ift. Denn die Anhalte- 
punkte, die man für das Vorhandenfein der Gildegenoffenfchaften in 
dem altnordifchen Heidenthume aufgefunden zu haben glaubte, haben 
fid) als eben fo hinfällig erwiefen, als die Analogien, die Wilde in 
hriftlihen Inſtitutionen entdedt zu haben meinte. Nur Ein Ergebniß 
ift e8, welches aus der bisherigen Iinterfuchung, in deren Gang wir 
uns an unfere Vorgänger angefchloffen haben, flar hervorgeht, daß 
auf dem bisher betretenen Wege zu feinem Ziel zu gelangen ift, weil 
eben der eingefchlagene Weg ein falfcher war. Man hat fi) näm- 
(ih offenbar in der Fragftellung geirrt und zwei ganz verſchiedene 
Fragen mit einander confundirt; die eine nämlich: Waren fchon in 
heidnifcher Zeit Gilden vorhanden, oder laſſen ſich ihre erften Spuren 
erft unter den ſchon chriftianifirten germanischen Völkern nachweiſen? 
und die andere: Sind die Anfänge des Gildenwefens in heidnifchen 
Einrichtungen, oder in Inſtitutionen der chriftlichen Kirche zu fuchen? 
Es ift far, daß man die erfte aufiwerfen und nad) einer der beiden 
Ceiten, in die fie auseinander fällt, beantworten kann, ohne daß da⸗ 
mit nur irgend Etwas iiber die zweite ausgefagt wird. 

Daß man aber diefe beiden Fragen überhaupt verwechfeln konnte, 
hat feinen Grund darin, daß man nicht forgfältig das, was für die 
Gilden conftitutiv war, von dem unterfchied, was nur die äußere 
Form ihrer Vereinigung betraf. Da man einmal den Namen Gil: 
den im nordifchen Alterthume wieder fand, und Gaftgelage bei den 
Sildevereinigungen ftattfanden, die an heidnifche Opfergelage erinner- 
ten, fo trug man fein Bedenken, diefe mit jenen in einen Zuſammen⸗ 
hang zu bringen, obwohl dabei außer Acht gelaffen wurde, daß bie 
(Hildeverbrüderungen ganz andere Zwecke verfolgten ımd ganz anderen 
Bedürfniffen ihre Entjtehung verdankten, al8 jene Zufammenfünfte zu 
Schmaufereien und Gelagen. Hätte man nur die lateinifchen Aus- 
drüde fraternitas, confratria, conjuratio, für die Vereine, die mit 
dem beutfchen Worte Gilde zufammengefaßt werden, beachtet, es 
würde fchiwerlich diefe Verwechſelung vorgefommen jein. 


ı So Münter, Kirchennefchichte I, 181, und neuerdings Winzer. Weber 
die Sache ift zu vergleihen Grimm, Rechtäalterthümer ©. 118. 


155 


Allein noch ein anderes Mißverftändnig trägt die Schuld an 
der Verwirrung, welche in den Unterfuchungen über das Gildeinftitut 
herrſcht. Man meint, das Gildeweien, da e8 nur Einen Namen trägt, 
und zwar einen folden, der uns jeßt für einen Zweig defjelben ge- 
läufig ift, könne aus Einer Wurzel abgeleitet werden. lan über- 
Ihäßte die Zufammengehörigfeit der verfchiedenen Arten von Gilde- 
verbindungen, die doc ſchon in den farolingifchen Capitularien einer 
verjchiedenen Beurtheilung unterworfen werden. Freilich ift die ob» 
jeftive Urfache einer jeden Vereinsbildung nur eine, die Hülfloſigkeit 
des Einzelnen. Aber fo groß diefe ift, fo verfchieden find auch die 
Wege ihr zu begegnen. Es laſſen fich jedoch drei Richtungen unter- 
cheiden, in welchen fich diefelbe fühlbar machen kann, und danad) 
werden alle Arten von Affociationen innerhalb des Staates fih in 
brei Gruppen eintheilen Lafjen: entweder vermag der Staat die Auf: 
gaben nicht zu löfen, um deretwillen er ins ‘Dafein gerufen wurde, 
und es bilden fich Vereine, die das durch fich leijten wollen, was ei⸗ 
gentlih Sache des Staates wäre; oder es fürchten die Staatsange- 
börigen, die Staatsgeiwalt dehne ihre Macht zu weit aus, und ſuchen 
deßhalb der Staatsonmipotenz durch Vereinigungen zur Wahrung der 
echte der Unterthanen Schranken zu ziehen; oder es entftehen Aſſocia⸗ 
tionen, die nur Zwecke verfolgen, welche auch durch die befte Staats⸗ 
verfafjung nicht erreicht werden fünnen, weil biefelben ihrer Natur 
nad) nicht in das Gebiet der Staatsthätigfeit, fondern in das der 
Privatthätigfeit oder ganz anderer Ynftitute 3.3. der Kirche fallen. 
Es ift Har, dag, wenn es aud) Affociationen, wie gerade die Gilden, 
giebt, welche die Erreihung von mehr als Einem diefer Zwecke ſich 
zur Aufgabe geftellt haben, die Vereinigung folcher heterogener Zwecke 
eine nur zufällige fein kann, und viel häufiger der Fall vorkommen 
wird, daß fich eine Verbindung zur Löfung Einer Aufgabe conftituirt 
und dann allmählich noch eine andere hinzunimmt, als daß umgekehrt 
ein Verein von feiner Entjtehung an fich zur Verfolgung verfchieden- 
artiger Zwecke bildet. Yedenfalls werden wir annehmen dirfen, daß 
die Affociationen, die wir mit dem Namen Gilden zufammenfafien, 
feineswegs jo mit einander verwachſen find, daß ihre Entjtehung eine 
gleichartige und gleichalterliche it. Vielmehr werden wir es geradezu 
als ein Axiom aufftellen können, daß ihre Entjtehung, fo wie fie 
verfchiedenen Bedürfniffen abhelfen follten, auch verfchiedenen Zeiten 
angehört. Es Löft ſich alfo die Frage nad) der Entftehung des Gil- 
denwejens in mehrere auf, und wir werden beshalb zu unterfuchen 
haben, in welcher Zeit uns die erften Vereine zu gegenfeitiger Un⸗ 
terftügimg in Fällen der Noth oder zur Linderung der Armuth ent- 
gegen treten, dann die Urſachen zu entwideln haben, welche zur Bil- 
dung der politifchen Gildevereinigungen führten, und zulett die Ans 
fänge der Schukgilden, d.h. der Vereinigungen zum Schutze des Ei- 
genthums, aufzeigen. 

Die älteften Spuren von Vereinigungen zu gegenfeitiger Unter: 
ftügung treten uns in chriftlichen Umgebungen entgegen. Wir kön⸗ 


156 


nen und zwar zur Begründung diefer Behauptung nicht bei der in 
den SKalandsgilden vorhandenen Tradition beruhigen, nad) welder 
Schon der Aifchof von Rom, Pelagius I. oder II., diefe Vereinigun- 
gen von Geiftlihen und Laien gefannt und ihnen eine Regel gegeben 
habe, weil die Urkunde, die für fie angeführt wird, zweifellos ge- 
hc iſt!. Allein andere Documente werden fie hinlänglich redht- 
ertigen. 

Als das Chriftenthum mit den Culturvölkern des Klaffifchen Al⸗ 
terthums in Verbindung trat, hatten fi) ſchon bei diefen Vereine 
gebildet, die den Ajfociationen des Mittelalters nicht zu unähnlid 
find. Ich will Hierzu nicht an die dpavos der Griechen erinnern, 
Vereine die durch gemeinfame Beiträge ihrer Mitglieder Gaftmähler 
veranftalteten, aber auch ihre Theilnehmer, wenn diefelben durch Uns 
glücksfälle verarmt waren, unterftügten und vielleicht auch eine 
Art von Handelscompagnieen bildeten?. Viel näher liegen uns zur 
Vergleichung die Sterbefaffenvereine — collegia funeraria — ber 
Römer, die in den erjten Jahrhunderten der chriftlichen Zeitrechnung 
jo verbreitet waren, daß ſich die Statuten eines folchen Vereines in 
Siebenbürgen aus dem J. 167 erhalten haben?. Bon den Mit 
gliedern eines ſolchen Vereins erhielten die Erben des verftorbenen 
Mitglieds eine befondere Quote — funeraticium — ausgezahlt, 
wofür diefe das Yeichenbegängniß beforgten, dem die Vereinsmitglie- 
der beimohnten und dafiir die üblichen sportulae erhielten. Blieb da⸗ 
gegen das funeraticium dem Vereine, fo beforgte diefer die Beſtat⸗ 
tung. War das Deitglied zwanzig römiſche Meilen von dem Site 
des Vereins geftorben, fo ließ diefer, wenn ihm bie Nachricht von 
dem Sterbefalle zugegangen war, durd) erwählte Vereinsgenoffen, die 
dafür entfchädigt wurden, ben Todten beftatten, oder es erhielt der, 
welcher an der Stelle des Collegiums diefer Pflicht Genüge geleiftet 
hatte, eine Entſchädigungsſumme. Dieſe wurde aus einer Vereins⸗ 
fafje ausgezahlt, welche durch eine Cinlage und monatliche Beiträge 
gebildet war. Die Vereinsmitglieder verfammelten fih zu Schmau⸗ 
jereien, welche häufig, zuweilen mehre Male in einem Monate, wies 
derfehrten, namentlich aber an dem Tage ihrer Schußgottheiten,, die, 
nach einer Bemerkung Mommfens, ebenfo nur den Namen dazu her- 
geben mußten, wie die chriftlichen Heiligen zu den miittelalterlichen 


2 Die betreffende Urkunde findet fih in dem Ardiv ber Kalandsgilde zu 
Celle und ift im BVaterländifchen Archiv für das Königreich Hannover, Bd. 2, 
©. 46 u. f. al® Sermo Pelagii pape unter anderen Aftenftüden zur Gefchichte 
der Kalandsgilde zu Celle abgedrudt. Trotzdem, daß in ihr Pelagius feinen 
Nachfolger Gregor I. citirt, hat Vogell 1. 1. die Aechtheit der Urkunde behaup⸗ 
ten zu Fönnen gemeint. Bei Jaffé, Begesta P. R., ift bie Urkunde nit 
erwähnt. 

2 Mlatner, ber Proceß und die Klagen bei den Attifern J, ©. 229 u. f. 
Diefe Vereine kamen aber wahrſcheinllch nicht allein im Athen vor. Becker, 
Eharifles herausgegeben von Hermanı I, ©. 70. 


? Mommsen, De collegiis et sodalitis Romanorum p. 92 ss. 


167 


Gilden. Befondere Strafen waren für bie feftgefeßt, welche die 
Ordnung bei den Gelagen ftörten. 

Auf diefe Vereine der Römer fpielt Tertullian in der bekannten 
Stelle des Apologeticus an, wo er von der Bildung und Verwen⸗ 
dung des Kirchenvermögens fpricht?. ALS die chriftlihen Gemeinden 
unter den Heiden zufammentraten, legten ihre Mitglieder je nad) ih— 
rem Vermögen Gaben in die gemeinfame Kaffe — arca —, nicht 
wie jene Bereine an beitunmten Monatstagen, fondern wenn fie fonn- 
ten und wollten. Aus diefem hierdurch gebildeten Gemeinverinögen, 
das nicht durch den Aufwand fir Schmauſereien und Gelage ge 
fhmälert war, wurden Arme verpflegt und beerdigt, die Waiſen er- 
nährt, Schiffbrüdige, Verbannte und Gefangene unterftütt. Schon 
im Anfange des 3. saec. aber wurden diefe freiwilligen Geſchenke der 
Gemeindemitglieder in monatliche Abgaben verwandelt ?, und als durd) 
die Unterftügung ber chrijtlich gewordenen Obrigkeit, durch Schen- 
tungen von Wohlhabenden u. ſ. w., das Stirchenvermögen fo bedeutend 
geworden war, daß aus ihn Waifen-, Kranfen- und Fremdenhäuſer 
erbaut werden konnten, trat die freiwillige Xiebesthätigkeit der Yaien, 
denen alle Mitwirlung an der Verwaltung des Kirchenvermögens 
‚entzogen war, ganz zurüd. In manchen Ländern geftalteten fich die 
Berhältniffe nach der Völkerwanderung jedoch wieder andere. Co 
war es im fränkifchen Reiche der Kirche nicht fo leicht, Gefchente 
von Laien zu erhalten, wie im römifch = byzantinifchen Kaiferthume, 
Es konnten hier nur die Geiſtlichen frei über ihren Nachlaß verfüs 
gen, bie Laien hatten erft die Einwilligung der Erben zu Schenkun⸗ 
gen beizubringen. Dann waren die Kirchengüter, namentlich wäh. 
rend der Vakanz des Bifchofsfiges, den Räubereien der Laien und 
niederen Geijtlichen ausgefett, und die Zchnten gingen vor der Faro» 
Iingifchen Epoche weder allgemein noch regelmäßig ein. Wenn nım 
doch das Kirchenvermögen im fränfifchen Reiche ein coloffales war 
und aud) feiner Beitimmung gemäß fo verwaltet wurde, „baß Alle 
Etwas hatten, die fonjt Nichts Hatten“, fo genügte daffelbe dennoch) 
nicht, um alle an es geitellte Anfprüche zu befriedigen. Denn 
in Frankreich gab e8 zur Zeit des Ausganges der römischen Herr- 
[haft ein fo zahlreiches und hülſsbedürftiges Proletariat, daß auch 
die geordnetefte Armenpflege, wie fie die Kirche durch die Einregi- 


2 Tertulliani Apologeticus cap. 39, ed. Oehler. p. 200: Etiam si quod 
arcae genus cst, non de oneraria summa quasi redemptae religionis congre- 
gatur, modicam unusquisque stipem menstrua die, vel cum velit, et si modo 
velit et si modo possit, apponit; nam nemo compellitur, sed sponte confert. 
Haec quasi deposita caritatis sunt. Nam inde non epulis nec potaculis nec 
ingratis voratrinis dispensatur, sed egenis alendis humandisque ct pueris et 
puellis re ac parentibus destitutis, jamque domesticis senibus, item naufragis, 
et ei qui in metallis, et si qui in insulis vel in custodiis, dumtaxat ex cause 
dei sectae, alumni confossionis suae fiunt. — Justini apologia I, cap. 67, ed. 
Otte ]J, 160. 

® Am eriien Monatötage erwartete nıan die Beiträge zur Zeit Cyprians. 
Epp. Cypriani 28. 34. 66. 


158 


jtrirung der Armen in die matricula pauperum ecclesiae, burd 
Aufnahme derfelben in große Gebäude u. d. g. übte, nicht im Stande 
war, in Kriegszeiten und Hungersjahren der Noth der unteren Klaſ—⸗ 
jen zu fteuern!. Die Kirche mußte defhalb davon abſehen, alle den 
Verpflichtungen, welche fie früher unter günftigeren Verhältniffen 
auch als ihr Erbtheil übernommen hatte, nachzukommen. Hatten 
früher die Bifchöfe für die Armen und Waifen allein geforgt, fo 
mußten fie zulegt auf der zweiten Synode zu Tours die Städte zur 
Verpflegung ihrer Armen mit herbei zu ziehen und fie für diefelben 
verantwortlich zu machen befchliegen. Hatte früher die Kirche Ge: 
fangene und Sflaven freigefauft, fo forderte fie jegt die Gläubigen 
auf, Sammlungen zu diefem Zwede zu veranjtalten, und ermahnte 
die Reichen, wenigjtens dem zehnten von ihren Knechten die Freiheit 
zu fchenfen. Bei einer folchen Lage der Dinge war es natürlich, daß 
Jh Bereine von Geiftlichen und Laien zu gegenfeitiger Unterftügung 
ildeten. 

Es kann nicht befremden, daß uns über dieſe Vereine feine 
genaueren Nachrichten erhalten find. Beſtanden doch diejelben in den 
meiften Fällen wohl nur aus wenigen Deitgliedern und waren für 
die Sefchichtfchreiber diefer Epoche von geringerem Intereſſe als die 
wunderbaren Heiligengefchichten und großen politifchen Creigniffe. 
Doc haben wir eine fichere Spur vor ihrem Vorhandenfein. 
einem bisher wenig beachteten Canon der noch in mand) anderer Be 
ziehung fo wichtigen dritten Synode von Orleans (538) heißt es: 
Sı quis clericorum, ut in multis locis diabolo instigante ac- 
tum fuisse perpatuit, rebellis auctoritati se in unum conjura- 
tione intercedente collegerit, et aut sacramenta inter se data 
aut cartulam conscriptam fuisse patuerit, nullis excusationibus 
haec praesumptio praevellatur; sed res detecta, cum in syno- 
dum ventum fuerit, in praesumptoribus juxta personarum 
et ordinum qualitatem a pontificibus, qui tunc in unum col- 
lecti fuerint, vindicetur; quia, sicut caritas ex praeceptis corde, 
non cartulae conscriptione vel conjuratione, est exhibenda, 
ita, quod supra sacras admittitur scripturas, auctoritate et, 
districtione est reprimendum ?. Es ift diefes Verbot alſo gegen 
Vereine von Geiftlichen gerichtet, die auf Statuten oder auf eine 
durch einen Eidſchwur befräftigte Verabredung bafirt ihren Vorgeſetz⸗ 
ten den chuldigen Gehorſam verweigerten. Achnliche Verbote befin- 
den ji) noch) in den Defreten ınehrerer Synoden. So werden im 
18. Kanon der Synode von Chalcedon (451), Verſchwörungen der 
Gterifer mit harten Strafen bedroht, und die Beſtimmungen dieſes 


? Müdert, Gulturgefchichte des beutfchen Volkes UI, 343. Die in bie 
Matrifel der Kirche eingetragenen Armen — matriculari —, welde in ber 
Hegel auc in einem Kirchengebäude wohnten, hatten eine vollitändige corpo- 
rative Berfaffung; ©. 346 Ann. 5. Roth, Von dem Einfluffe der Geifl: 
lichfeit unter den Meerovingern ©. 11. 

2 Birmond 1, 1. I, 254. 


159 


Eoncils, fo wie die ähnlichen des trullanifchen, werden von der mittel- 
afterlichen Kirchengefetsgebung wiederholt eingefhärft. An fie erinnert 
das Concil von Narbonne (589), wo nur aus Unwiffenheit ber Ver⸗ 
fafjer des Decrets das Concil von Nicaea ftatt des von Chalcedon 
genannt wird. Bemerkenswerth ift jedoch in dieſem Verbot die Notiz, 
daß die Verfchwörungen der Geiftlihen fih unter dem Schug von 
Laien zu bilden pflegten'. Auch ans dem Jahre 610 hat ſich das 
Berbot eines Nationalconcil8 zu Rheims gegen derartige Conjura- 
tionen erhalten. Eben fo werden von der Synode zu Aachen 789 
diefe Verſchwörungen mit ausdrüdlicher Berufung auf die chalcedo- 
nenfifchen Beitimmungen unterfagt. 

Können wir nun freifid) aus dem bloßen Vorkommen folcher 
Conjurationen unter den Elerifern, welche vorzugsweife gegen bie hö- 
here Geiftlichkeit gerichtet waren, feinen Schluß auf das VBorhanden- 
fein von Einigungen unter den Angehörigen diefes Standes machen, 
die den Verbrüderungen von Laien zu gegenfeitiger Unterftügung ähn- 
fich gewejen feien, fo zeigt uns doc die Motivirung bes Verbots 
der Synode von Orleans, daß die Geiftlichen bei Bildung ihrer 
Vereine, wenigftens nach Außen hin, ganz andere Zwede hervorheben, 
als fie in der Wirklichkeit haben mochten, was aber doch hinwiederum 
beweijt, dag auch Vereinigungen, gegen welche ſolche Anflagen nicht 
erhoben werden fonnten, wirklich eriltirten. ‘Denn die Schlußworte 
haben nur dann einen Sinn, wenn man fie dahin deutet, daß in 
ifmen eine Zurüchweifung eines Motivs zur Gründung derartiger 
Bereinigungen gegeben werden foll. ‘Die chrijtliche Liebe, will die 
Synode fagen, hat ihren Urfprung in den Vorfchriften des Herrn 
und äußert ſich in herzlicher Bethätigung derfelben gegen Alle; fie 
bedarf feiner Statuten und befchiworenen Vereinigungen, ein Gebante, 
der im Mittelalter noch wiederholt gegen Verbrüderungen zu wohl- 
thätigen Zwecken von den befjeren kirchlichen Stimmführern geltend 
gemacht wird. Wenn uns zwar nun in den Gefchichtfchreibern der 


2 Sirmond. I, 400. Gregorii Tur. Hist. Franc. VI, cap. XI. 

8 Flodoardi Historia ecclesiae Remensis Lib. Il, cap. V. 

5 Wir verweifen bierfür auf die Vita des Stephan von Tigerno, ber 
zwifhen 1073 und 1083 den Orden von Grammont ftiftetee Hier heißt es 
eap. IX: Qua ratione confraternitates secularium hominum vitabat. Interea 
gratia familiaritatis rogabatur a quibusdam, ut pro redemptione animarum 
et utilitate pauperum permitteret ibi fieri conjunctionem hominum, quae vulgo 
solet appellari convivium fratrum; quod cum attentius investigaverat, tam- 
quam ipse penitus ignoraret, solerter requirens: quotiens in anno; referenti- 
bus et quasi docentibus, cavens a cupiditate, nolens perdere quietem, viriliter 
respondebat: Vos annuum consortium instituere monetis, nos autem continuum 
illud observare nitimur. Quid enim aliud agimus quotidie nisi opera pu- 
blica? Bonanostra, si qua sunt, communia suntlomnibus. Scitote, quoniam 
fratrum orationibus alias prolixiores superaddere nequimus. Quid igitur 
amplius vobis promittamus, ut vestra magis accipiamus , quandoquidem alia 
non daremus? Postmodum discipulis suis populi petitionem secreto decla- 
rabat dicens: Sic et sic admonent nos, sub specie "bonitatis fieri simonia- 
cos; sed absit a nobis divinum vendere oflicium. Opus est enim merce- 


160 


merowingifchen Periode nur Nachrichten von Werbrüberungen ber 
Geijtlichen erhalten find, die nichts meniger als frommen 
dienten, fo genügen doch ſchon die wenigen Andeutungen über bie 
Vereinigungen von Geiftlichen zu wohlthätigen Zweden, um uns ihr 
Borhandenfein gegen alle Zweifel zu fichern. 

Ganz ähnliche Vereine, wie die in dem Decret des Eoncils: von 
Orleans vorausgefegten, ſcheinen auch die Genoſſenſchaften gewefen zu 
fein, die Karl d. G. im J. 779 erlaubte. Diefe hielten wohl aud 
Zufammenkünfte, um ihre Intereffen zu berathen, und daß bei diejen 
die gemeinfchaftlichen Schmauſereien nicht gefehlt haben werden, zeigt 
uns die allgemeine Zitte der Zeit. Heidnifche Feſtgebräuche fchloffen 
ſich nun an diefe cben fo leicht an, wie an die Gelage der Prieſter 
einer Decanie. 

Aber noch ein anderes Motiv fcheint bei Gründung derartiger 
Unterjtiigungsvereine häufig mitgewirkt zu haben. 

Als die Anficht Gregors I. fich immer mehr verbreitete, daß durch 
das Opfer des Abendmahls nicht allein Kranke geheilt würden, fon 
dern auch den Seelen der Verſtorbenen ein befjeres Schickſal bereitet 
werden könne, als diefe wohl fonft verdient hätten, da begann man 
ſich mit Anderen zu Vereinigungen zu verbinden, deren Mitglieder 
für einander die Meſſe lafen und Leteten. Der Todtenbund, den ein 
großer Theil des fränkischen Glerus zu Attigny 765 mit einander 
einging, verfolgte diefen Zweck!. Die Geiftlichfeit anderer Länder 
folgte dieſem Beifpiele nad. Daß nım Vereinigungen von nicderen 
Geiſtlichen und Laien ſich dieſelben Garantieen für das Cee 
ihrer Mitglieder verfchaffen wollten, ift fehr begreiflid. Laienvereine 
konnten diefes aber am Beſten dadurch, daß fie Gefchenfe an Kiöfter 
oder Kirchen gaben, denen man ja auch fhon an und für fi) Simn- 
den tilgende Kraft zufchried. Frühe fchon ſcheint e8 namentlich im 
fräntifchen Reiche Sitte geworden zu fein, Kerzen zu ſchenken. Ein 
Beifpiel hiervon finden wir aus dein Jahre 616 erwähnt. Die 
Kirche, die gern derartige Gaben von Vereinen annahm, förderte ihre 
Zwede doppelt, wem fie diefelben darauf Hinwies, ausſchließlich 
fir das Scelenheil ihrer Mitglieder Sorge zu tragen. ‘Denn es 
floffen ihr dann reidjlicher die Gaben zu, fie unterwarf die Vereine 
immer mehr ihrer Gewalt, und Fonnte fie von den heidnifchen Feft- 
gebränchen um jo Leichter abhalten. 

ALS die Ausläufer diefer Vereinigungen haben wir die in Nord» 
und Mittel» Dentjchland fo Häufig vorkommenden SKalandsgilden an- 
zuſehen. Diefer, wie es ſcheint, in Süddeutſchland, Frankreich, Bel- 
gien u. ſ. w. nicht vorkommende Name wird beſonders für Ver—⸗ 
eine von Geiſtlichen und Laien gebraucht, die ſich zu frommen Zwe⸗ 
cken, Almoſengeben, Unterſtützung ihrer Mitglieder, Stiftung von 
Seelmeſſen u. d. g. gebildet hatten und an dem erſten Tage jedes 
narii tune orare, cum aliquid datur, et a precibus cessare, cum nihil datur. 


Martene et Durand, Coll. ampl. VI, 1123. 
I Pertz Legg. I, 29. 


161 


Monats zu Schmaufereien und Gelagen zufammentamen. Diefem 
®ebrauche verdanften die Vereine die Namen: Fraternitas Kalen- 
darum, Kalandsgilde, und dann furzweg Kaland. Wenn auch biefer 
Rame erft in Urfimden aus dem 13. Jahrhundert auftritt, wo die 
Ralandögilden den ſich neugeftaltenden Bettelmönchsorden gegenüber 
eine befondere Thätigfeit entfaltet zu haben fcheinen, fo waren doc 
diefe Vereine ſchon feit dem 9. saec. nachweisbar vorhanden, und 
die Sitte an den Kalenden Schmaufereien zu halten im Meittelafter 
micht allein bei den Decanatsverfammlungen der Seijtlichen, fondern 
auch fchon während des 9. saec. in den Klöjtern üblich '. 

Trogdem daß alſo diefe Vereine anfänglich höchſt ungefährliche 
Tendenzen verfolgten, denen auch in fpäterer Zeit eine große Anzahl 
von ihnen treu blieb, fo fcheint es ihnen doch fchwer geworden zu 
fein, fi) immer innerhalb der Grenzen des gejeglich Erlaubten zu 
bewegen. Denn liberall ijt das Geſetz wirkfam gewefen, daß das 
Bewußtfein einer engeren Gemeinfchaft anzugehören das Gefühl der 
Kraft und Sicherheit fteigert, diefes dann aber wiederum den Ein- 
zelnen und durch ihn die Gefammtheit verführt, gezogene Schranken 
nicht zu refpectiren, jondern nad allen Seiten hin zu durchbrechen. 
Zreten num noch dazı im Staatsleben Veränderungen ein, durch 
welche die Einzelnen ihre theuerjten Intereſſen verlegt jehen, fo wer- 
den oft die unfchuldigften Vereine die natürlichen Sige einer Re- 
gierungsfeindlichen Oppofition, oder es bilden fich gar neue Bereini- 
gungen mit den alten unfchuldigen Formen und Zwecken, nur um 
ihre Tendenzen deſto ungejtörter verfolgen zu können. 

Derartige Vorgänge fcheinen ſich auch in der Tarolingifchen Pe- 
riode wiederholt zu haben. Durch die umfaljende und faſt alle 
Staatsverhältniffe umgeftaltende Reichsgeſetzgebung Karls d. G. wur- 
den alte Freiheiten gekürzt umd vernichtet und an die Stelle eines 
mehr oder weniger loſen Staatsverbandes und eines unficheren Rechts- 
zuftandes geordnete Zuftände eingeführt. Es iſt nichts natürlicher, 
als daß ſich gegen diefe Neuerungen cine ſtarke Oppofition bildete, 
die in wiederholten Aufſtandsverſuchen fi Luft zu machen fuchte. 
Wir werden nicht irren, wenn wir annehmen, daß aud die Gilden, 
weiche fchon Karl dem G. durch die Form ihrer Vereinigung Anlaß 
gaben gegen fie einzufchreiten, von oppofitionellen Elementen nicht 
ganz frei waren. 


1 Die ältefte unter diefem Namen vorkommende Gilbe iſt Ka die zu 
Hörter an der Wefer, wie Giefeler, Kirchengeſchichte II, 2, ©. 489 Anm. 4, 
angiebt, fondern, jo weit mir bekannt ift, die zu Aſchersleben; Beate Chro⸗ 
nik von Hornhauſen S. 28. — Die Handſchrift der Leipziger Univerſitätsbi 
bliotbef — Ms theol. in fol, 108. —: Tractatus devoti patris Johannis In- 
daginis Carthusiensis de Calendarum societate, ift zwar ſchon um 1450 ge- 
ſchrieben, enthält aber doch für die Gefhichte der Kalandsgilden nichts von 
Bedeutung. — Ekkehardi IV. Casus S. Galli , bei Pertz 88.11, 81, heißt ed vom 
Abt Salomon (899I—919): Convivia fretribus duodeeim diebus in anno , id 
est in Kalendis , practextatus noster, quamdiu seculariter vixit, hilariter fa- 
cere suevit, in quibus et ipse, si aderat, minister procedebat. 


11 


162 


Eine der für das Gemeinwohl nachtheiligiten Folgen der faro- 
(ingifchen Gefeßgebung war die Verminderung des Standes ber 
Altfreien. Karl Hatte felbft noch Gelegenheit diejelbe in ihrer Ge 
fährlichfeit fennen zu lernen, und war bemüht derjelben, fo viel als es 
ohne die Verlegung feines Syſtems möglich) war, entgegen zu wir 
fen. Allein er war nicht im Stande diefelbe aufzuhalten, und was 
der mächtige Negent nicht vermochte, fonnten feine ſchwachen und 
harafterlofen Nachfolger gar nicht mehr leiſten. Bei dem Drucke, 
den die gewaltthätigen Herzöge und Grafen auf die Untergebenen 
ansübten, fehrumpfte die Zahl der Altfreien immer mehr zufammıen. 
Nur wo diefelben in größerer Anzahl zufammengedrängt wohnten 
oder durch die eigenthümliche natürliche Befchaffenheit ihrer Wohn 
jige gegen Die Verfolgung ihrer Bedrücker geficherter waren, ver 
mochten fich diefelben in ihren Freiheiten zu behaupten. 

Schon zur Regierungszeit Karls des Großen ſcheinen vorzüglich 
die Städte die Site von Gildevereinigungen gewefen zu fein. Wir 
haben ſchon Gilden zur Unterſtützung von Schiffbrüchigen in dem Ca⸗ 
pitulare von 779 erwähnt gefunden. Wo aber Schiffahrt ift, da ift 
auch Handel, und wo Handel, da jind aud) Stapelpläge und ftadt- 
artige Niederlaffungen. Wirklich finden wir aud in den Städten 
die älteften politiichen Gildecorporationen vorhanden. Denn ſicherlich 
iſt das summum convivium oder juratum convivium, das 1130 
in Schleswig beftand, eben fo gewiß eine Dibegenoifenfheft als die 
Richerzechheide in Köln, welche ihre uralten Privilegien bei Gelegen- 
heit eines Streites des Burggrafen und Vogtes 1169 aus ihrem 
Schreine hervorholte!. Wir können freilich die Entſtehungsart dieſer 
ſtädtiſchen Corporationen nicht an der Hand von Urkunden weiter 
verfolgen. Allein da ihre Mitglieder altfreien Geſchlechtern ange⸗ 
hörten und ſie ſelbſt im Beſitze großer Rechte und Befugniſſe wa— 
ren, ſo werden wir hieraus einen Schluß auf ihr längeres Beſtehen 
machen dürfen und um ſo weniger Bedenken tragen dieſe einflußrei⸗ 
chen politiſchen Corporationen mit den karolingiſchen Gilden in Ver⸗ 
bindung zu bringen, als wir ja wiffen, daß in England die Statu- 
ten eines ſolchen Privatvereins die Grundlage einer Stadtverfaffung 
geworden find, und ihre Aufnahme in die Reichsgeſetze gefunden 
haben. 

Was aber die Beſorgniß, die angeerbte Freiheit zu verlieren, 
nicht allein vermocht hätte, das hat die Noth der nacjkarolingifchen 
Periode zur völligen Ausbildung gebracht. Bei der greulihen Ber: 
wirrung, die bald nad) den Tode Karls eintrat, ımd den wiederhol: 


2 Hegel, Städteverfaffung von Stalin IE, ©. 397. Armold, Berfaf: 
fungsgefchichte der deutfchen Freiſtädte I, 400. Auf die Frage über Aechtheit 
oder Unächtheit der Betrefjenden Urkunde über die kölniſche Nicherzechheide, 
welche erft in dev neueſten Zeit angeregt worden ift, vermag ich bier nicht 
näber einzugeben. (IH muß mich für die von Stumpf behanptete Unächtheit 
erflären, auch aus äußeren Gründen, nachdem ich burd bie Gefälligfeit des 
Herrn Ardivars Dr. Enuen das angebliche Original in Köln eingefehen. G. W.). 


163 


n verheerenden Einfällen der Normannen, mußte die befigende Kaffe 
ohl fuchen das Erworbene zu behaupten. Daß ſich damals Gilde- 
reinigungen gegen NRäuberbanden bildeten, willen wir ja auch aus 
m Gapitulare vom %. 3884. Wenn man aber erwägt, daß gerade 
i Berfolgung von Dieben der Selbfthülfe nach germanischem Rechte 
rbältnigmäßig noch der weitefte Spielraum gelajfen war !, fo wird 
eſes Verbot gegen die Schußgilden nur dann erflärlich, wenn man 
tweder annimmt, daß diefelben immer wieder aus der Vertheidigung 

den Angriff übergingen, oder daß die Gefeßgebung noch feinen 
ten Mittelweg zwifchen den Bedürfniffen und Winfchen der Be- 
iſterung einerfeits und den Erforderniſſen einer einheitlichen Regie— 
mgsgewalt andererfeit® zu finden wußte. Das lettere feheint jedoch 
8 Wahrfcheinlichite zu fein. Denn in England finden wir ja 
efe Gilden nicht allein erlaubt, fondern fogar deren Sagungen in 
e Neichögefege aufgenommen, ein Umſtand der Hinlänglich beweift, 
eine Regierung, weldye die Redjte und das Cigenthum ihrer Un- 
ethanen zu fichern bedacht war, fich recht gut der freien zu gleichem 
wecke geftifteten Vereine bedienen fonnte, ohne dadurh in ihrem 
nfehn und in ihrer Macht wirkliche Einbuße zu leiden. Unter 
znig Aethelitans ruhmvoller Regierung ift wenigftens von einem 
dlichen Einflujfe der Gilden nichts zu verfpüren. Aehnlich wie 
t diefem Fürften in England fcheint mit Heinrih I. in Deutfd)- 
nd eine umfichtigere Behandlung und Verwendung des Gildenwejens 
gonnen zu haben. — 

Faſſen wir hiernah das Reſultat unferer Unterfuchungen zu- 
nmen, fo ergiebt fih, daß von den freien mittelalterlichen Aſſocia⸗ 
nen, welche man erit feit dem 8. saec. wegen der bei ihren Zu- 
mmentünften gefeierten Gaſtmahle und Trinkgelage, die den heidni- 
en Opferfchmanfereien ähnlih waren, Gilden nannte, die Vereine 
wohlthätigen Ziveden und gegenfeitiger Unterſtützung die älteften 
d, und daß ſich fchon im Laufe des 8. und 9. saec. in Folge der 
getretenen ftaatlichen Veränderungen zur Wahrung der perfünlichen 
eiheit und des Eigenthums die Anfänge der politifchen Gildecor- 
rationen aufweifen laſſen, welche für die Entwidlung des mittelal- 
lichen Städtewefens von der größten Bedeutung geworden find. 


ı Wilda, Tas Strafrecht ber Germanen ©. 902. 


tritifche Unterfuchungen über das Verhältniß 
zwiſchen Olympiodor, Zoſimus und 
Sozomenus. 


Ein Beitrag zur Geſchichte der germaniſchen 
Völkerwanderung 


von 


I. Rofenfein. 


12 


aß Zofimus bei Abfaffung des legten Theiles feines Geſchichts⸗ 
ckes (von lib. V, cap. 26 bis zu Ende) den Oylmpiodor zu 
unde gelegt habe, ijt eine bereit von den älteren Interpreten auf- 
tellte Anjicht!. Dieſelbe hat indeß bisher meines Wiffens noch 
ıe ausführlichere Darlegung gefunden, obwohl durch eine folche ein 
jentlicher Beitrag zur Sritif des Zofimus und Olympiodor ges 
nnen wird. 

Bei einer hierauf zielenden Unterfuchung wird e8 aber mit einer 
rgleihung jener beiden Autoren allein nicht gethan fein. Wir 
rden noch einen dritten, den Sozomenus, hinzunehmen müffen, wel⸗ 
, wie erwiefen werden foll, gleichfalls bei feiner Darftellung ben 
ympiodor fehr ſtark benutt hat. — Dies ift bisher faft ganz 
rjehen worden. Nur Valeſius und Neitemeyer? haben gele- 
tlih bei zwei Stellen im Sozomenus den Einfluß des Olympio- 

mit Recht anerkannt, ohne indeß den ganzen einfchlagenden Be— 
t jenes Autors darauf zurüdzuführen. Im Uebrigen hat man 
ner den Sozomenus neben Dlympiodor und Zofimus citirt, zur 
teren Belräftigung der von diefen gegebenen Nachrichten. 

Sehen wir zunädjft, in weldem Zufammenhang unfere drei Aur 
en den Theil der Gefchichte aufnehmen, ber hier für uns in Bes 
ht kommt. 

Am wenigften wird ſich da über Olympiodor jagen lafjen, denn 
ı Werk fennen wir nur aus einem von Photius, alfo in der zwei⸗ 

Hälfte des 9. Jahrhunderts, angefertigten fehr dürftigen Ex⸗ 
pt. — Olympiodor im aegpptifchen Theben wahrſcheinlich zu Be⸗ 
n des 5. Jahrhunderts geboren, feines Bekenntniſſes ein Heide, 
rieb unter der Regierung des dritten Valentinian ein Werl, ÜAn 
ıannt, welches unter Anderen auch über die hijtorifch merkwürdigen 
eigniffe der Zeit von 407— 425 handelte. Das Werk ijt übri- 
is durch den Verfaffer ausdrücklich gegen die Zumuthung verwahrt, 
ſei es ein gefchichtliches: nur einen hiſtoriſchen Commentar hat 


I cf. Reitemeyer, de Zosimi fide, bei Vollbarth, biblioth. philolog. 
. IH, auch in der Vorrede zu feiner Ausgabe des Zofimus und in ben 
ten berfelben zu V, 26. 

82 Valesius ad Sozomen. IX, 11. Beitemeyer ad Zosimum V, 29. 
urz bemerkt hat ed im Allgemeinen K. Müller in |. Ausg. ber Fragmenta 
I, Graee. IV, p. 57. G. ©.) 

12* 


168 


es vorftellen follen. Soweit man e8 aus dem Excerpt des Photius 
beurtheifen kann, muß es eine wunbderliche Aneinanderreihung von 
Notizen der verfchiedenften Art gewefen fein. Da find Berichte aus 
der Zeitgefchichte, Beobachtungen, welche auf Reifen in allen Gegen 
den der damaligen Welt aufgelefen waren, nebjt den dazu gehörigen 
Betrachtungen und Reminiscenzen, gelegentlid wol auch ein Scans 
daloſum u. dgl. m. Alles diefes, das in der eigentlichen Faſſung 
auf 22 Bücher vertheilt war, hat Photins in abgerijjenen Yragmen- 
ten ohne jeden Zuſammenhang, ohne Berücfichtigung der Chronolo- 
gie, wiedergegeben. Aber fo wenig dies auch ift, dennoch hat es 
jtet8 für eine ber vorzüglicheren Quellen diefer Periode gegolten. 
Und das mit Recht, denn es iſt das Werk eines durch Zeit und Ort 
den Greigniffen nahe ftehenden Diannes, der, foviel man fehen kann, 
eine ganz nüdjterne, von feinen Tendenzen gefärbte Auffaffung der 
Dinge hatte. Was an dem Excerpt auszufeken it, kann faft nur, 
wie fich zeigen wird, dem Photins Schuld gegeben werden, der durch 
fein ungeſchicktes Kürzen vieles verdunfelte. — Das Excerpt zerfällt, 
joweit e8 für uns in Betracht kommt, in größere und Fleinere Trag- 
mente. In einigen derfelben muß der Wortlaut des eigentlichen 
Olympiodor feitgehalten fein, denn nur fo läßt ſich die oft mörtliche 
Uebereinftimmung derfelben mit manchen Stellen im Zoſimus und 
Sozomenus erflären. Außerdem fann man die Fragmente darnad) 
Scheiden, ob fie in Kurzem Vieles zuſammendrängen, oder ob fie Bes 
ziehungen auf ganz beſtimmte einzelne Ereignifje in detaillirten Zügen 
enthalten. Photius hat für dies Letztere cine ganz befondere Vor⸗ 
liebe gehabt. Aber eben das Nebeneinanderftellen von ſolchen Partien, 
die allgemein refumiren, und anderen, die ganz betaillirte Nachrichten 
enthalten, ohne dag irgendwie der Zufammenhang gewahrt märe, 
giebt dem Excerpt einen unbefriedigenden Charakter. Denn aus den 
allgemein gehaltenen Fragmenten entnehmen wir cine Tüdenhafte und 
mitunter auch unrichtige Kenntniß. ‘Die zweite Kategorie der Frag. 
mente aber wäre ohne Zoſimus und Sozomenus vieler Orten um- 
verjtändlih. Ich hoffe nun nachzuweisen, daß Zoſimus und Sozo⸗ 
menus viel geeigneter find, uns einen Begriff von der urjprünglichen 
Faſſung und dem wirklichen Anhalt des Olympiodor zu geben, ale 
jenes Excerpt des Photius. Die Erzählungen der beiden Autoren 
erhalten aber durch die Zurüdführung auf den Bericht eines Zeitge⸗ 
noſſen eine Gewähr, die ihnen bielang gefehlt hat. 

Sozomenus, ein Zeitgenofje des jüngeren Theodoſius, giebt in 
dem bei weiten größten Theile des 9. Auches feiner Kirchengeſchichte 
einen gedrängten Bericht der Creigniffe in Italien umd Gallien von 
407— 410. Dergleichen Einfäge, die der eigentlichen Kirchengefchichte 
ferner stehen, finden ſich auch ſonſt bei ihn, jo für die Geſchichte 
Conſtantin des Großen und die des Julian. Für die erfte Zeit ber 
PVölferwanderung ift er eine unjerer Wwichtigeren Quellen. Keines⸗ 
wegs ganz frei von dem etwas einfeitigen und fuperjtitiöfen Stand⸗ 
punkt der Kirchenhiſtoriker, zeigt er doch in feiner Einleitung eine 


169 


außerordentlich veritändige Auffafjung von den Pflichten des Ge- 
fchichtfchreibers '. Die Faſſung des von uns zu betrachtenden Ab» 
ſchnitts wird dafür ebenfalls Zeugniß ablegen. — Dieſes Stück ijt 
ohne jeden Uebergang an das Vorhergehende angefnüpft. Nur ganz 
am Schluß (X, 16) wird hier, gleichſam zur Rechtfertigung der lans 
gen Einfchaltung, gejagt, daß alle jene Ereigniffe in Gallien und 
Italien, aus denen befanntlid) Honorius und das Weſtreich, wenn 
auch nicht fiegreih, fo doch mit augenbliclicher Befeitigung der jtö- 
renden Elemente hervorgingen, nur erzählt feien, um zu zeigen, wie 
ed für einen Kaiſer zum Schutze feines Reiches genüge, wenn er ein 
fo eifriger Diener Gotted wie Honorius fei. Außerdem finden fich 
in dem Bericht felbft nur äußerjt wenig Betrachtungen, die vom 
Standpunkt des Kirchenfchriftftellere aus gemacht find. Kurz das 
ganze Stück hebt ſich dem Inhalte nad) fcharf aus dem Uebrigen 
hervor. Das kann nur die Vermuthung bejtärfen, daß fich daſſelbe 
auf eine befondere Quelle gründet. Diefe ift num, wie wir fehen 
werden, eben Olympiodor. Der Bericht beginnt mit der Kataſtrophe 
des Stiliho und den diefer unmittelbar vorangehenden Creigniffen im 
Yahre 407, alfo eben da, wo Olympiodor anhebt. Nachdem derfelbe 
einige Male von Nachrichten unterbrochen, die für uns unwichtig find, 
endet er mit der Niederlage der Ufurpatoren in Gallien. 

Ganz ähnlidy fteht e8 mit der Erzählung des Zoſimus, deſſen 
Zeit uns befanntlicd) weder durch Quellenangaben noch durch Vermu⸗ 
thung hinreichend gejichert ift. — Diefer Theil iſt gleichfalls nur 
höchſt loſe angefnüpft; und characteriftifch ift dabei namentlich, daß 
er nad) einer mehr als zehn Jahre umfaffenden Lücke in der Ger 
ſchichte Alarich8 und des Weitens folgt. So find wichtige Er- 
eigniffe mit ihren Erfolgen ganz übergangen; befonders die erjte Er- 
pedition Alarichs uach Italien und was damit zufammenhängt. Eben 
dadurd) find auch verfchiedene Unrichtigfeiten im Anfang der Erzäh—⸗ 
fung bedingt, auf die ich noch näher zurückkommen werde. Dann 
aber folgt eine detaillirte, ziemlich glatt fortlaufende Darftellung der 
Begebenheiten in Gallien und Italien vom Jahre 407 bis zu An 
fang des Jahres 410, wo das ganze Werf ohne Abſchluß und wahr: 
ſcheinlich auch gegen den urfprünglichen Plan des Verfaſſers endet. — 

I. Gehen wir jett auf die eigentliche Unterfuchung ein, fo 
wird es fich zunächſt darum Handeln, nachzuweifen, daß Zofimus und 
Sozomenus den Olympiodor überhaupt gefannt und benugt haben. 

1. Hierfür fommt bei Zojimus vor Allem die befannte Stelle 
V, 27 in Betradit. Er berührt dort die Gründung Ravennas und 


I! Sozomen. I, 1 gegen Ende: — Znei de udlsom ing alndeiag Inı- 
uslsichas Yokwr dia 16 vnc boropiag axißdnlor, Avayxaioy igayn nos, os 
olövy Ta nv, nolunpayuorgom zai za: Tuavrag yoayas (Werke Arianifcher 
Priefter). ed zoivuv xai ordosıs ’Exxinssecuxwv noos Favrovs NEpl MO0o8- 
doias 7 nonnunoews Ins olxsias uunceug Iuebildn, un ıw JPoonxde N 
t9eloxaxoy ngomsprasws elyaı dofg, Tosavıa ms boragsiv‘ noWTor Kly yag, 
ds slonra, navrın dsureon nosiodar ins AAndsias Tov Guyypugin ngDanxss, 


170 


bejtreitet dabei eine Meldung, die er bei dem „ZTihebaner Ofympiodor“ 
über denfelben Gegenftand gefunden hat!. Die Beziehung auf den 
felben Autor, deifen Wert Photius excerpirt, ift bier Mar. Di 
Stelle weit, wenn nicht auf Benugung, jedenfalls auf Kenntniß dei- 
felbed von Seiten des Zoſimus hin. Zugleich Tegt fie Zeugniß de 
für ab, daß diefer bei Aufnahme von dergleichen antiquarifchen Noti- 
zen auch eine gewiſſe Kritit beobachtet hat, dem Olympiodor feines 
wegs überall blind gefolgt ift. ine folche Notiz fand aber fehr wol 
ihren Plag in der ÜAn defjelben. Wie wir fehen werben, ift es 
nicht die einzige Stelle der Art die das Werk enthielt. Die Grün 
dung der Stadt Emona wird ebenfalls (glei) nachher) im Zofimue 
berichtet, und zwar fo übereinftimmend mit Sozomenus, daß aud) 
ohne eine Verweiſung auf Olympiodor diefer als Grundlage der 
Meldung anzunehmen ift (f. unten 10). 

Ich darf bei Befpredjung jenes Citats nicht übergehen, daß «6 
von Yambecius für ein Sloffem erflärt worden ift, das von frem- 
der Hand dem Zoſimus Hinzugefügt fei. Yambecius? behauptet näm- 
(id) auf Grund eines Manuſcripts mit dem Titel: „"OAupnsodapov 
yılocoyov "Aktfavdgkwus Eis Ta xar Evkoysıav Zuotuov, doc 
and "Eouoü xal zWv yıloooymy no0av eionuiva" daß die 
beiden hier genannten Schriftſteller identifh mit den von uns ge 
nannten feien und ſomit Zofimus älter als Olympiodor, daß ferner 
Olympiodor den Zofimus fortgefegt habe, und eben deshalb jene Ber 
ziehung des Zofimus auf Olympiodor zu tilgen fei. — Es iſt hier 
nicht der Ort die Identität der Autoren zn prüfen. Cine Unterfu- 
hung hierüber wird bei der noch ungelöften Frage nad) dem Zeital- 
ter des Zoſimus die allergrößte Bedeutung haben. Ich muß aber 
beftreiten — wie auch ſchon von Neitemeyer gefchehen —, bag Olym⸗ 
piodor den Zoſimus fortfege; denn Alles, was wir von dem Wert 
dc8 erjten in unfere Unterfuchung Hineinziehen, bezieht ſich auf Er- 
eigniffe der Yahre 407 - 410, während Zofimus erft 410 abbridit. 
Die Berichte beider Schriftiteller decken fich alfo hier vollkommen, 
und c8 kann von einer Fortfegung gar Feine Rede fein. — Wem 
wir aber auch annehmen wollen — was Reitemeyer noch feineswegs 
genligend widerlegt hat —, daß die Schriftfteller Zofimus und Olym- 
piodor, welche das Wiener Manufcript als Verfaffer chemifcher Werke 
nennt, auch unfere Hiltorifer jind und fomit Zoſimus mindeftens ein 
älterer Zeitgenofje des Olympiodor ift, fo wird dennoch die Ueber: 
einftunmung zwiſchen Beiden nur auf die Benutung des Olympio- 


I Zosim. V, 27: unrgunolss SE Plawwvias, nolıs apyala, Osocalar 
anoıxia, Pivn xindsica dia To navınyodıv vdacı negißbsicedens, xal ovy, 
og 'Olvunsodwgos 6 BOnßasög pcs, der 10 "Puuor, Os adelgos 
yiyovı ‘Pwuvlw, vis Nolsws Taums olxıonw ysyorivas. Kovadgary yag 
oluas Hertov iv 15 xcr vov Packen Mapxov Äbaropig Tavtan neo vis 
nolswg rauımg dusteldorns xıl 

% Isambecius, commentar. de bibliotheca Caesares Vindobon, tom. VI, 
p. 380 ff. 


171 


dor von Seiten des Zofimus zurüczuführen fen. Denn Olympio- 
dors Werk ift jedenfalls das ausführlichere gewefen, und ſchwerlich 
wird der Berfaffer, um Dinge zu fohildern, die er felbft erlebt, ſich 
an die Arbeit eines Mannes gehalten haben, der den Kreigniffen 
Ihon örtlih um Vieles ferner ftand al8 er. Sonach fällt jeder 
Grund weg, um die Beziehung auf Olympiodor, die ſich in dem 
Citat zeigte, für ein Gloffem zu halten. 


2. Ein befonders wichtiges Argument dafür, daß Olympiodor 
von den anderen beiden Autoren benutt ward, findet ſich in der 
wörtlichen LVebereinftimmung zwifchen einzelnen Wendungen des Zo— 
fimus und Sozomenus einerfeitS und dem Exrcerpt des Photius an- 
dererſeits. Es wird fich dies durch die Vorführung befonders fehla- 
gender Stellen am Klarjten ergeben. Das bejte Beifpiel ift die Er- 
zählung von dem Aufjtande der britannifchen Legionen unter Con— 
ftantin im Jahre 407, welche ſich bei allen drei Autoren in merf- 
würdig übereinftimmender Weife findet. 


Olympiodor (Corp. scriptt.|Sozomenus ed. Valesius| Zosimus (Corp. — 
Byzant. 1.) p. 451. 1X, 9. Byz. X.) lib. VI, cap. 2. 


za yap iv ToVrois ToisıngWrov uw yao ob Evlündswv örrwr 'Ovw- 
Beetiavioisnoivn ‘Ovu-.Bosttavig cTraosa- gsov To £ßdo 

es0v To eßdouor Un«a- TRVTES sreaTıwWraslxal @s0dociov To deine 
revcar sis oracıy oe ayayopsvovcs Mag- gor os iv 15 Boertra- 
Añgu⸗ To Ev GEbToOũC GrOk- xx TUpewvor‘ era via orparsvöusvos 
nonxor Magxov ruväld Tovrov Toatıavör, CTRAOIRGAYVTES avad- 
aysınov ‚aUToxgRTogR« ' avyeköyres Mägxov ‘\yovas Mägxov Fmi 
rov di un avıw» ayasge- Inei di xai ovrs 0% Toy Baoilesov Igövor xai 
$iyrosToarıavur au. nkEo» TE000a0wv un-|us xgaroüvn Tuv avTöds 
wis ayrızadioıntas‘ Ineivwr dusldorıov !go- ngayuarov Insi$ovro * 
di xal ovTos eis rerod- vedr nap eavrWv nal avekövres de ToöTor 
unvor avrois ng00xo-, Kw»oravrivov yego- ws og önokoyoürre Toig 
ons yıyorws _dneog«iyn, Tovodan olndevreg xzad- artuv nöd &yovas Toa- 
Kov era vriıvo s Tor oͤr⸗ Tarvıny elye m» ng00- uavor sic Eco» zei 
is no mo aUTOXQE«LOQOS, nyogiav xai Beßaiwg av-\alovpyida xai origavor 
arapıpalsını —RX —B Toy xoRmasıw ms Baoı- EmidEvres !dogvgopovr 
zoc "Iovorivov xailsiag!: Ix Tosdvıns yag ws Baoılea * dvoagsanj- 
Nsoßıydornv orpa- altias guivorıas zus Tovg|oavıeg de xai zovror TEo- 
ınyovs ngoßalöoue- allovg Eis Tupavvida Inı- aagoıy voregov unos 
wos xai Tas Bostta- AsEunevos ne pasw Feis nepalicayris avamodcı, 
was, tacas negasod- diKwvorayıivogano Kuwvotayrivp naga- 
Tas aua Tüv aurwr BostraviasäniBov-\dövres zyv Paalsiav‘ Ö 
ini Bovwriav nöolıvy Buviav nölıy ıng\di Tovorıvıavövrxai 
ob rw xalovuevnv Talariag nag« $4- Neoßsyaornv koysır 
nagasalacciar zailacca» xespEevnD, rwvivKesl rois rafas 
nodınv ir Tois Wr ng00ny&ysro Toöüs orgarınrWv inegar 
Tallswv öpiosg xe+- maga Talatraıs zailoIn ryv Bosttavıav 
pirnv‘ Evda dsarei-[ Axovıravoıs grga-xaralınwv idw» 
yas xai olo» Toy TıorTas, zas vous ro-/eig Bovuviar (ngW- 
Talloy xai 'Axura-.di unnxöoug negse-|in de aürn .ngös rn 
vor orgarıwrnv Idso-noinaseviavro ulygıl$alaccn xeiras,Tep- 


2 cf. Orosius VII, 40: Constantinus propter solam nominis spem, 
sine merito virtutis eligitur. 


172 


nomodusvosxoarsirwuv uerafv Iraliagsıuavias ouca nölır 

ndayrwy rwv uspWvixai Talarias ogwrrns zdım) zasiv rar 

ns Talariag ueyosjüas Korriag "Alnsıs rydsargiyaszuiges 

Tov’Alnewv rwv us-Job ‘Puuasos xakloö-rıväs, ndyıa re ol 

rafv 'Iralias 15 zaijaı». xssoodusvog 1c 

Talariag. OTERTSUUAaTa Mey 
Tuwv "Alnswv Öövra 
tov ögılovowr To- 
lariav zai Iraliar 
aopyalug Fysodaı 
gr Bacılsiag £Edo- 
X56. 

Eine ſolche Uebereinſtimmung der Ausdrücke bei Erzählung der⸗ 
ſelben Thatſachen, wie ſie ſich hier findet, kann nicht wol anders ent⸗ 
ſtanden ſein als durch directe Benutzung derſelben Quelle, hier eben 
des Olympiodor. Daß der Eine bald mehr bald weniger giebt als 
der Andere, bezeugt eben nur, daß jeder von ihnen ſeine ſelbſtändige 
Auswahl aus dem ihm vorliegenden Original getroffen hat. — Auffal⸗ 
lend bei dieſer großen Uebereinſtimmung ſind bei Zoſimus zwei Ab- 
weichungen von dem Excerpt. Die eine liegt darin, daß hier der 
Beginn des britanniſchen Aufſtandes kurz vor dem ſiebenten Conſulat 
des Honorius geſetzt wird, während Zoſimus dieſe Händel erſt wäh 
rend jenes Conſulats anheben läßt. ‘Die andere beſteht in der Ver⸗ 
legung Bononias nad) dem unteren Germanien, das Olympiodor mit 
Recht an die Grenzen Galliens fett. Wenn man hier nicht ein Ver⸗ 
jehen annehmen oder im Text Veränderungen machen will — wozu 
übrigens die Codices feine Veranlafjung geben —, fo ift die Erklä⸗ 
rung die wahrfcheinlichite, daß Zoſimus hier nad) eigener ihm beſſer 
dünkender Anficht verfahren it. Beide Abweichungen aber fcheinen 
mir zu unbedeutend, um daraus auf die Benugung einer anderen 
Quelle zu fchließen. 

3. Schwieriger ift die Entfcheidung in dem Folgenden. Es 
handelt fich hier um den Zug des Attalus nad) Ravenna zur De 
fümpfung des Kaifers, unmittelbar nach feiner Einfegung durch Ala⸗ 
rih im Jahre 409. Bor Ravenna wird unterhandelt, wie uns das 
Ercerpt und Sozomenus übereinftimmend melden. 

Olympiodor p. 451. | Sosomenus IX, 8. 
neunstos ngüs aviov ("Arıalov) ws yodyss autw (Arrdio) “OyWpsog og 
ix Bacılius‘Ovrwpiovngös Ba-‚Bacılei xzai nosoßeverus de’ au’ au- 
oslea Ioßıyvıavög Inapyog x alırör Tag neyioras aoxas, layo»- 
nargixsog xas Ovdins oTgary- Twv xoıvwvor eyonor ins Baor 
yöos Exardpoas dvvdusws "zalllsias. "Arsalos de Tv Miv xoww- 
Horausog ö xoaiorweo xas 'lov-viav anapreitas' dnkos de “Ovupiw 
lsavöc 6 ROIHIXNEOLOG 1Wr vn0o»v n sonov Elia9aı, 9» Bov- 
vyorapiwv‘ of Edukovr 'Analpkeras, zas xa9' Enuror dıaysıy 
ini xosvwvic ins Baoskeiagnaons Bacılıxzns afsovusvor, 
ansordidas napa “Ovwgiov: 6 di 
anivevoev, alla vhoov olxsiv n 
Eteodv 1170 ronov, or av Bov- 
Llosto, ouvyywgesiv Orugsor 
zaxuwv anady. 


173 


Die Stelle ſpricht für das PVerhältniß der beiden hier ange: 
führten Autoren deutlich genug. Sozomenus giebt in zwedimäßiger 
Kürze und übereinftinmmender Faſſung wieder, was er über bdiefen 
Gegenitand bei Olyınpiodor gefunden hat. 

Ganz abweichend und verworren ift dagegen hier der Bericht 
des Zofimus (VI, 8). Er erzählt die Erhebung des Attalus und 
diejen Zug nach Ravenna noch ganz übereinjtinmend mit Cozomenus, 
und zwar jo, daß man den gemeinfamen Einfluß des Olympiodor auf 
die Darftellung der Creigniffe, die unmittelbar vor den Unterhand- 
lungen bei Ravenna fallen, genugſam dargethan ficht (f. unten 9). 
Die Unterhandlungen felbft aber ftellt Zoſimus durchaus anders dar. 
Dei ihm wird Jovius, derfelbe den Olympiodor Jovinian nennt, 
auf Seiten des Attalıs erwähnt. Er foll im Auftrage diefes Ufur- 
pator& dem Honorius auf das Anerbieten eincd gemeinfamen Impe—⸗ 
riums geantwortet haben, nicht einmal den Namen des Kaiſers, nicht 
einen unverfehrten Körper wolle Attalıs dem Honorius laffen, fon- 
dern verftümmelt folle er auf eine Inſel verbannt werden. Ferner 
führt Zofimus den magister militiae Valens, welchen wir bei Olym- 
piodor in der Sejandtichaft des Honorius fanden, auf Zeiten des 
Attalus an. Dieſer Valens foll bei der Erhebung des Attalus nebft 
Alarich zum magister militiae ernannt worden fein. Etwas fpäter 
wird er des Verraths verdächtig getödtet. Die auf die Berhand- 
lungen vor Ravenna folgenden Greigniffe werden dann wieder völlig 
übereinftinumend mit Sozomenus erzählt, gerade jo, wie es bei den 
vorangehenden der Fall war. Ich halte e8 nun für ausgemacht, 
dag Zofimus hier die Sache gründlich verwirrt hat. ‘Die Ueberein— 
ftimmung des Sozomenns mit dem Excerpt zeigt uns im Ganzen 
und Großen deutlich genug, was Ulympiodor über jene Dinge gab, 
und was fomit das Wichtige if. Es bleibt nur die Frage, wie 
eine ſolche Verwirrung entjtehen konnte. 

Stellen wir Alles zufammen, was das Excerpt über die Berfon 
des Jovius oder Jovinian weiß, fo ergiebt fich Folgendes: Schon 
bei jener eben angeführten Gejfandtfchaft, die Yovius im Namen bes 
Kaiſers leitet, hat er auf den Befcheid des Attalus, der die Verban- 
nung des Kaiſers ausfpricht, mit verrätherifcher Zuvorkommenheit 
geantwortet, der Staifer Honorius fei aud) bereits von Attalus eines 
Theiles der Herrichaft beraubt. Darauf Attalus heftig: „Man folle 
nicht jagen, daß ein Kaifer beraubt werde, der felbjt freiwillig der 

errfchaft entfage*. Es Scheint mir, daß Photius an diefer Stelle 
einen Olympiodor auch nicht gerade fehr verſtändlich wiedergegeben 
hat!. 


1Honorius fei bereit3 von Attalus cine Theiles der Herrfchaft beraubt, 
wie Jovius 709eig (laetabundus) fagt: das heißt denn doch wol, Attalus ift 
bereitö Herr eined Theile des Reiches. Ferner die Erwiederung: Honorius 
jei nicht beraubt, fondern entfage freiwillig — ich kann darin nichts Anderes 
jehen ala die Bezeihnung des Tchlaffen, ohnmächtigen, leicht urüdmweidenden 
Regiments des Kaiſers. So kommen wir auf eine theils ziemlich nichtsſa— 


174 


Es heißt über Jovius dann meiter im Ercerpt: Er fei noch 
öfter in Angelegenheiten des Kaiſers an Attalus gefandt worden. 
Da er aber nichts ausgerichtet, wäre er ſchließlich bei Attalus ge: 
blieben und von dieſem zum Patricius ernannt worden. Dort habe 
er aber alsbald alles Mögliche aufgeboten, um Alarich zur Abfegung 
des Attalus zu veranlaffen, was denn auch ſchließlich gefchehen. 

Halten wir dagegen, was Zofimus über Jovius außer dem 
bereits Angeführten weiß. Er hat ihn zulegt am Hofe des Hono- 
rind genannt, wie er den Kaiſer und feine ganze Umgebung eidlich 
zum Kriege gegen Alarich verpflichtet habe (Zosimus V, 48). Be 
der nächjten Erwähnung finden wir ihn dann eben in jener Gejandt- 
ichaft des Attalus an Honorius. Wie Jovius zur Partei des At 
talus hinübergezogen ift, darüber findet fich im Zofimus feine An 
deutung. Lieber die weiteren Schickſale diefes Mannes erzählt unfer 
Autor ausführlich, daß er alsbald, von Honorius bejtochen, wieder 
an den Abfall von Attalus gedacht habe. Deshalb aud) habe er 
ſich geweigert, ferner Sefandtjchaften an Honorius zu übernehmen. 
Uebereinftiinmend mit dem Excerpt erwähnt endlich Zofimus, daß 
Jovius bejonders den Alaricy zur Abſetzung des Attalıs veranlakt 
habe. In eben dieſem Zuſammenhang kommt er dann auch auf den 
ſchon oben erwähnten Tod des Valens. — Die Erzählung Hat im 
Ganzen Zufammenhang. Nur das Cine befremdet, daß Jovius, 
den wir bei Honorius verlajfen hatten, jegt mit einem Male ohne 
weitere Begründung auf Seiten des Attalus erwähnt wird. Ich ſchließe 
mich hier im Ganzen dem an, was bereit Heyne über diefe Etelle 
vermuthete. Diefer meint, es müſſe bier etwas ausgefallen fein. 
Das fann nun nad) meiner Anficht nichts Anderes gewefen fein, 
al8 was Olympiodor über Jovius bis zum Augenbli feines Ueber: 
tritts zu Attalus berichtet. Der Zuſammenhang ift alfo der. Jovius 
nebjt Valens und den Anderen werden zu Attalus gefandt. Die 
Berhandlungen zwifchen diefem und Honorins erfordern mehrere Ge⸗ 
fandtfchaften. Dei einer derjelben geht Jovius und wahrſcheinlich 
auch Valens zu Attalus über und leitet nun in deffen Auftrage bie 
Verhandlungen mit dem Kaifer. Das Folgende nehme ich dann ohne 
Weiteres aus Zofimus auf. Dies halte ich für den Zufammenhang 
der Thatſachen, mag num jene vücke der handfchriftlichen Ueberliefe— 
rung zur Yaft fallen oder durd die Ungenauigfeit des Zofimus ver- 
anlaßt fein. Sonach aber handelt es fich hier nicht um eine ab- 
weichende Erzählung unſeres Autors — denn er redet von ganz 
anderen Dingen als Photius und Sozomenus —, fondern es ift 
nur die Etörung des Zufammenhangs zu rügen, die diefe Partie 
verworren und unverftändlid) erfcheinen läßt. Dennoch liegt auch hier 


gende, theild gezwungene Jnterpretation jener Stelle; aber ich weiß feine an: 
dere anzumwenden. Daß man bei Sozomenng feine Anklarheit findet, Liegt 
einfah darin, baß diefer feine Meldungen in Fürzefter Faffung gemacht und 
alle Perfönlichkeiten oder was fenft die Sache verwirren konnte, einfach weg: 
gelafien bat, 


175 


ber Olympiodor zu Grunde. Das ergiebt die font hervortretenbe 
Hebereinftimmung mit dem Sozomennd. Daß wir aber die in Frage 
fehenden ‘Meldungen des Zofimus weder bei Photius noch bei So- 
zomenus finden, kann nichts hiergegen austragen: der Eine ließ fie 
weg, wie vieles Andere, Sozomenus aber überging fie, weil fie ihm 
bei feiner gedrängten Faſſung nicht wichtig genug erfchienen. 


II. Ich meine, daß durd) das Bisherige genügend erwiefen ift, 
dag Sozomenus und Zofimus jedenfalls das Werk des Olympiodor 
gefannt und bei den angeführten Stellen aud) benutt haben. Nun 
können wir einen Schritt weiter gehen, und die Llebereinftimmung 
zwifchen Zoſimus und Sozomenus, die wir vieler Orten finden wer- 
den, auf den Olympiodor zurüdführen. Und zwar fommt es hier 
nicht allein auf die wörtliche Uebereinjtimmung an, fondern mit aller 
Wahrfcheinlichfeit werden wir auch da, wo beide Autoren biefelben 
Facta mit bald größerem oder Fleinerem Detail, nie aber wefentlic) 
abweichend berichten, den Einfluß des Olympiodor annehmen können. 
Zu bdemfelben Schluß find wir befonders auch für die Stellen be- 
rechtigt, an denen wir die Andeutungen des Ercerpts in beiden Au⸗ 
toren, wenn auch in genauerer Ausführung, wiederfinden. 

Die unter diefe Kategorie gehörigen Fragmente des Excerpts 
follen einzeln aufgezählt werden. ‘Dabei werden wir zugleich auf die 
Beiprehung der zwifchen Zofimus und Sozomenus übereinftimmen- 
den oder auch nur bei Einem von diefen gegebenen Nachrichten ge- 
führt werden. — Wir wollen zunächſt erledigen, was fi) an die 
Geſchichte der britannifchen Händel ſchließt. 

4. Olympiodor p. 450. 

Es ift die Rede von einer Gefandtichaft des Ufurpators 
Conftantin in Gallien, welcher dem Kaiſer Honorius melden läßt, 
daß er gegen feinen Willen und von den Soldaten gezwungen, das 

perium übernommen habe. Cr bittet deshalb den Kaifer um 
Berzeihung und verlangt Antheil am Ymperium. ‘Der Kaifer in 
feiner damals von allen Seiten bedrohten Lage, geht hierauf ein und 
vergönnt dem Gonftantin auf einige Zeit Theil am Regiment. Hier- 
auf Läßt Photius, um uns über die Perfon des Conftantin zu orien- 
tiren, die Erzählung von der Erhebung der Ufurpatoren in Gallien 
folgen. Am Schlnſſe diefes uns ſchon befannten Berichts werden 
noch die beiden Söhne des Eonftantin, Gonftans und Julian mit 
ihren Würden genannt. 

Was den Anfang diefes Fragments betrifft, fo findet ſich der- 
felbe ganz entfprechend, nur etwas ausführlicher, im Zofimus wieder!. 


2 Zosim. V, 43: .Kuvoravrivog 6 Tupavvog euvovyovs E05 'Ovalgsor 
lorells ovyyyuunv alıuv Evexa Tou mv PBaoıltiav avaoylodıı Außsir' 
pndi yag ix noompinws Eadaı raum, alla dvayans avıa nagd 
Tarv sıgarıwıav InayYyeians. — 

Hierzu vergleihe man ber wörtlichen Webereinftimmung wegen ben Olym- 
piodor I. e.: "On Kuvomwrivos sl; wupavrida apdeis ngsoßsiern sis 


s 


176 


Diefer ınotivirt nämlich die Nachgiebigkeit des Kaifers genauer als 
das Excerpt, indem er auf die drohende Nähe Alarichs fo wie auf 
die Beforgniß des Staifers um zwei feiner Verwandten hinweiſt, 
welche Gonjtantin damals gefangen hielt. Deshalb alfo giebt Ho 
norius nach und fendet dem Gonjtantin ein faiferlih Gewand. In 
diefer Leberfendung des Faiferlihen Gewandes Tiegt meiner Ueber: 
zeugung nad) dafjelbe, was Photius als das Zugeftändnig des Kai: 
fers in Betreff der Mitregentfchaft des Conftantin bezeichnet. Pho⸗ 
tins hat das Synibolifche in jener Handlung fchlichtweg gedeutet, 
wie das einem Epitomator nicht zu verargen iſt; Zoſimus aber ge» 
naner feitgehalten, was er im Olympiodor über die Geſandtſchaft 
und deren Erwiederung fand. Die Uebereinftimmung des hierauf 
Folgenden mit Zofimus und Sozomenus haben wir des Näheren 
durch die zufammengeftellten Texte gefehen. 

Die beiden Söhne Gonjtantins endlich werden beide genannt; 
Julian nur bei Sozomenus (IX, 15. 12); Conſtans ald Caeſar bei 
Spzomenud und Zoſimus (VI, 4). Was über diefen letzteren, 
den Conſtans, berichtet wird, feine Abfendung nad) Spanien, die 
Kämpfe dafelbft, it von Photins nicht wiedergegeben worden. 
Nie weit alfo Olympiodor hierauf eingegangen ift, läßt fidh. aus 
den Excerpt nicht mehr bejtimmen. Wohl aber ſtimmt hier die Cr 
zählung jener Thatfachen, wie fie fid) bei Zofimus und Sozomenud 
findet, vollftändig, und zwar mehrfach aud) in der Anwendung der: 
felben Worte, 

Ich halte es für nöthig, hier die zufammengejtellten Texte vor 
zuführen !, 

Sozomenus JX, 11. | Zosimus VI, 4. 
Kovyoravnm de ngEoßvıegp rov Kwvozuyn 16 oSGBVTéGO ıwr 
favroü vlur, öv vorspov Baocı-naidwr To ou Kasoagos oyyua 
kEwg oynua tvidvoev, Kaicapa negsdeis Ini ınv Ipneiar ix- 
TOTE avayogsuaas eis Znaviag nEunes ernennen. "Kni 


neno uyer ö de To E9vog xarcela- Toviosg Ö Kolvanıc u 'kegor- 
Bur agyovras idio vs ‚xarlorn-Ttds Te nolsrıxoug ana zei CTua- 
ev" xai deauious euro aydnvan KWTIXOoUS xXaTadınada s aya dıa 
ngnattage diduuoy x Begivsavov roᷣruv In kxsivous, ol yivas 16 Pa- 
1006 "Ovywpiov suyyeveis' ol Ta noüra lei Qeodocig ngoonxoytes TU m 
Say spouevos ngös lavroug sis xiv- "Ißneias Guverupdrtovto ngdyuara, 
Jvvov xara er avyreg, Öuoyoncar ‚ngdregov ner npös euros Kuverarıa 
zai nAn$os aygoixwy xzai olxe- dic wy Ev 17 Yucstaric orgarontdur 
rmwv auvlläfavrss xowij zarte um» |dgdpevos nöleuor ‚„Insi de nAtoretz- 
‚Jovosteviav napsrifavıo xai nollov be| 1811094 surgasorte, ninsos olxsrwv 
uvstlov awv els avlinuıw avrWvy ano-'xai yano yor EnıorparTevoarTeg as 


"Ovwpiov, Axwy ulv xal uno 1Wv orgeriuror Bıaoseig Gnoloyor- 
mevos dofa, ouvyyywunv di altwv xai ıyy ms Banking afıov xoı- 
ywyiav. 

ı Man vergleidhe bier auch den Orosius VII, 40, der ftellenweife in 
anffallender Art unferem Berichte entfpricht, namentlich in der Erzählung von 
Didymus und Veriuiauus. Im Ganzen ift jedoch die Auffaffung felbftändig, 
und bei aller fonftigen Kürze kommen auch abweichende Details vor, . 


177 


smullvsoy Napa 100 Tupüvvev orpa-|napa Boayd zaraaınaanres sic ud 
1072 yıorov xivdvvor' alla xavıavda 
ms Unidos diauaprövus Kuvorarıs 

Sozomenus IX, 12. oÜ» Tais ν yuvasfiv y0av 

iv gulaxjj, Onsg dxnxoörss ob roü- 


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voig dvarıioıg ELwypydnoav zai ae! . es oo. 
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Iycavy xai vVoTegov avyngl-,., d g 2 5 „es 
Inoav' iv Eripaıs de inapyiass dia-| PAY EHREWFELIE RAVEN WONTEN. 
seißorrus Beodociolog xas Aa- 
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Psöyovsı ınv nargida xaiTavıa xara Tv 'Ißnpiav xzarc- 
dıacawLovras, BsodocsoklosnpanfauevosöKkwvorastnar- 
piv els 'Iraliav noos Ovw-nAIEe noüs rov narlior Eav- 
eso»v rovßacılka, daywdsositoö Kuwvoravrivov dnayuuevos Be- 
di neös row Qsodocso» slg,pıwiavovr xai Aıdvmor xaralınWv Te 
avarolnv. Kai ö utv Kwv-iavrodı Tüv orpaımyov Tegörnov aue 
Trac ravra dıangafansvogroig ano Talatiag organmwtas gulaxa 
iInavynikIe noös Tov nartgams ano Keltwr Ini ınv 'Ißnpiav nup- 
FEOVEAP xataoıyoas ano tov aroa-\6dov, zasros ye rw» iv IPr- 
neorwv ın5 ind 75 Znaviaggie orgaronidwy Lunscısv- 
napödov: n„dsouevoss ZEna-Invas xara To GuUvynYdEg 177 
voss zara To apyasov Edogyvlaxnv alınoavyruvxaimn 
ularısıy ovx Inerpswev. Eevoısinırgannyvaı ryv rang 

Ydgasaogalsıavy. Beynvia- 
yog za dıdvusos ws Kov- 
oTavı5vov uydEivres avrnok 
$Inca». 


Zosimua VI, 5. 








Wenn man bei Vergleihung vorftehender Terte mit allergrößter 
Wahrſcheinlichkeit die deutliche Llebereinftimmung der Berichte auf die 
gemeinfame Benugung Olympiodors gründet, fo ilt nur die Trage, 
welcher von Beiden fid) näher an feine Quelle angefchloffen hat, 
oder vielmehr, ob das, was Zofimus hier mehr giebt, aus einer an 
deren Quelle oder gleichfall8 aus Olympiodor entlehnt ift. Ich 
möchte mich für das Letztere entfcheiden, und zwar aus folgenden 
Gründen. Einmal fehen wir aus vielen noch vorhandenen Fragmen- 
ten Olympiodors, daß feine Darftellung fehr ins Detail ging; es ift 
alfo an ſich wahrfcheinlih, daß der ausführlichfte der abgeleiteten 
Berichte ſich näher an die urfprüngliche Faſſung angefchloffen habe. 
Dies ergab fid) auch ſchon an der Stelle, wo wir alle drei Texte 
vergleichen fonnten. Außerdem aber ift der Paffus des Zoſimus, um 
den es fich hier namentlich handelt, im allerbeften Zufannnenhang 
mit der ganzen Darftellung. In demfelben ijt nämlich die Begrün⸗ 
dung der von Conftans unternonmenen fpanifchen Erpedition enthal- 
ten. Diefer Zug foll erfolgt fein, weil Conjtantin fid) vor einem 
Angriff der Verwandten des Honorius Didymus und Verinian habe 
[hüten wollen. Denn ein folder Angriff, unterftügt von einem 
aus Italien kommenden Heere, würde ihn in unvernieidliches Verder- 
ben geftürzt haben. Der Zufammenhang ift hier fo Har und der 
Paſſus auch grammatiich jo ganz glatt und kunſtlos eingefügt, daß 
man ihm nicht entbehren könnte, ohne dem ganzen Bericht Eintrag 


178 


zu thun. Da nun im Webrigen der Einfluß des Olympiodor fo of 
fenfundig darliegt, weshalb follte man ihn hier bezweifeln? Co aber 
haben wir aljo in der vorliegenden Stelle de8 Zofimus offenbar 
daſſelbe, was Olympiodor über diefe Angelegenheiten gab. — Bei 
Sozomenus ftellt ji) das Verhältnig fo, wie wir e8 immer fin 
den: er giebt ein gedrängtes, zwedmäßiges, nur die Hauptſachen 
hervorhebendes Excerpt aus jeiner Quelle. 

5. Olympiodor p. 452. 

„Nach dem verrätherifchen Mebergang des Jovius zum Ufurpator 
Attalus nahm ein Dann mit Namen Eufebius die Stelle des ober: 
ſten faiferlichen Rathgebers ein. Ihn wußte nicht gar lange darauf 
Allovihus zu verdrängen und gewaltfam zu befeitigen. Auch diejer 
waltete nur furze Zeit. Gr wurde vor den Augen des Kaifers ge 
tödtet, zur Strafe für fein Verfahren gegen Euſebius. Auf die 
Nachricht von dem Tode Alarichs kehrt der Tyrann Conftantin, der 
fid) bereits Ravenna genähert hatte, um mit Honorius zu verhandeln, 
von Furcht ergriffen zurüd nad Gallien“. 

Der erjte Theil dieſes Fragments ift und weder bei Zofimus 
noch bei Sozomenus erhalten. Es läßt fid) das einfach erklären. 
Denn für den erjten fällt dies Creigniß gerade in die Zeit, mit der 
fein Werf, das, wie wir fehen werden, allmählich an Detail verliert, 
zum plößlichen Schluß kommt. Der Andere wollte diefen im Gan⸗ 
zen unweſentlichen Ereigniſſen feinen Plag in feiner gedrängten Dar: 
jtellung einräumen. Nur müſſen wir conjtatiren, daß Zoſimus jo 
wol den Enjebius wie den Allovihus fennt. Jener wurde damals, 
als Jovius den höchſten Einfluß auf den Kaifer hatte, zum prae- 
fectus cubiculi ernannt, diefer zum magister equitum (Zosim. 
V, 48). Ueber das endliche Schidfal des Allovichus aber, welches 
Olympiodor in der zweiten Hälfte des Fragments ſchildert, iſt aud 
Eozomenus genau unterrichtet (IX, 12), da es eng mit den Ange 
legenheiten Conftanting zujummenhängt. Wir finden in feinem aus 
führlichen Bericht die Andeutungen des Fragments ſämmtlich wieder. 
Und aud) eine wörtliche Uebereinftimnung fällt uns da in die Aus 
gen!. Das Verhältniß zwifchen beiden Quellen ift im Allgemeinen 
folgendes. Beide führen die Neije Conjtantins an; beide berichten, 
daß fie durch Allovichg Ermordung, die nach beiden vor den Augen 
des Staifers Statt fand, unterbrochen fei. Sozomenus fügt dann die 
genaue und bei einer zujfanmenhängenden Erzählung aud) unentbehr- 
lie Begründung davon hinzu. Es handelte ſich nämlich für den 
Sonftantin darum, mit Allovich in Stalien gemeinfame Sache zur 
Velfümpfung des Honorius zu maden?. Allovich ward dann auf 


Bozom. 1. c.: Kwvoraviivos utlllwy de negasovode 1öv "Koidavor, 
Iny wur oduv aviorgeyge, röv ’Alloßiyov Savaror». 
Olyinplodor 1. c.: Kwavoravrivos 6 Töpawvog Tov "Alloßiyorv 
Düvuıov ua$wrv, Insıyousvos noög "Paßevvar, Wore onsioacdas ‘Ore- 
Yip, yoßndeig unooreig.ss. 


* Lies finde ich in den Worten bed Sozomenus: ZBovldvsro rw "Iralier 


179 


die befchriebene Weife das Opfer der entdedten Verfchwörung. Hier 
- af blieb dem Gonjtantin, der bereits biß nad) Verona ! gekommen 
war, nichts übrig als eiliger Rückzug nach Gallien. — Im Excerpt 
wird außerdem die Befeitigung des Eufebius durch Allovich als Ver⸗ 
anlaffung von des Yetzteren Fall angegeben. Sozomenus hat das 
nicht und fonnte es kaum in feine Erzählung einflchten, da ihm je- 
der Anknüpfungspunft für die Berückſichtigung von dergleichen Palaft- 
geichichten fehlt. Mit der Geſchichte des Konjtantin aber fteht es 
in keiner Verbindung. — Ich finde ſonach nichts, was gegen eine 
Benugung des Olympiodor ſpräche; vielmehr fehr viele Indicien, 
die, zufanmengehalten mit dem, was wir bereits über dies Verhält- 
niß gefagt haben, den Olympiodor als Grundlage aud) diefes Be— 
richtes erfcheinen laffen. ur das ift feitzuhalten, daß bei der im 
Ganzen kürzeren Erzählung, wie fie Sozomenus durchweg verfolgt, 
der eigentliche Olympiodor nicht in dem Maße wiedergegeben fein 
kann, wie wir das bei Zoſimus vorausfehten. 

6. Olympiodor p. 453. 

„Nachdem Conjtantin mit feinem Sohne Conſtans, den er zum 
Imperator erhoben hatte, bejiegt und geflohen war, hatte Gerontiug, 
einer feiner Feldherrn, mit den Barbaren Frieden gemacht und den 
Marimus, feinen Sohn, der zu den Haustruppen des früheren Kai- 
fer8 gehörte, zum Gaejar erhoben. Gerontius war darauf zunächft 
gegen Conſtans gezogen und hatte diefen befeitig. Dann wandte er 
fi) gegen Gonftantin. Zu derfelben Zeit war aud) von Honorius 
ein Heer unter der Führung des Conſtantius und Ulfilas gegen Con- 
ftantin entfendet, der ji) damals mit feinem zweiten Sohne Yulian 
in Arles aufhält. Die Stadt wird belagert. Conſtantin fucht dein 
Verderben zu entgehen, indem er nad) einem Gotteshauſe fliehend, 
fich zum Priefter machen läßt, nachdem feine Sicherheit ihm eidlich 
verheißen war. Darauf werden den Belagerern die Thore der Stadt 
geöffnet. Conjtantin wird mit feinem Sohne nad) Italien geſchickt, 
aber fchon unterwegs, noch 30 Meilen von Ravenna, auf Befehl 
des Kaiſers getödtet, der damit den Tod feiner beiden Verwandten 
in Spanien rächen will. — Gerontius hat ebenfalld bei dem Her- 
annahen des Faiferlichen Heeres unter Konjtantius und Ulfilas die 
Flucht ergriffen. Dabei war er ein Opfer der eigenen Soldaten 
geworden, die über fein hartes Negiment ihm grollten. In ein 
Haus eingefchlofjen, an das man alsbald Feuer legte, vertheidigte er 
ſich männlich gegen die anjtürmenden Soldaten, unterjtügt von nur 
einem Diener alanifcher Abfunft. Zum Aeußerſten gebracht, tödtete 





zaralaßeıv. Dabei ijt nicht an ein direct aggrejlives Vorgehen genen Hono— 
rius zu benfen, was auch fonfl Feine Duelle kennt. Ich ſehe deshalb auch 
feinen Widerfprud) genen das oneioaodas, das Photius ald Zwed der Reife 
Conſtantins angiebt. Photius braucht diefen Ausdrud auch da, wo er von 
dem Zuge bes Attalus gegen Navenna fpricht, in feinem Ercerpt aus bem 
letzten Buche bed Zoſimus (Phot. biblioth, cod. 98). 

I cf. Valesius ad, l. c. Sozom, 


180 


er dann erft den Diener und feine Gattin auf deren ausdrückliche 
Bitte, darauf ſich felbjt“. 

Alles, was wir hier erfahren, giebt Sozomenus ebenfalls, 
nur in weitläuftigerer Ausführung (IX, 12. 13. 14. 15). re 
zählt hier wieder die Begebenheiten in ihrem ganzen Zufammenbange, 
in ihrer vollen urjadhlidyen Verbindung. ‘Dabei fommt natürlich vie- 
lerlei hinzu, was das Excerpt mit feinem Worte erwähnt. Hierher 
gehört namentlich die Schilderung der Kämpfe zwifchen dem Faiferli- 
hen Heere und Edobich, dem Feldherrn des Gonjtantin, der von 
den überrheiniichen Barbaren Beiltand für feinen Gebieter geholt 
hatte. Erſt durch die Niederlage diefer Truppen und die Befeitigung 
des Sdobich, die im Sozomenus ganz detaillirt berichtet wird !, ift die 
raſche Uebergabe von Arles an das faiferliche Heer ermöglicht. Das 
Excerpt übergeht das einfach mit Stillſchweigen. Dafür meldet e8 
aber die Kinnahme der Stadt ganz cbenfo wie Sozomenns, hin umd 
wieder jogar mit anflingenden Worten? Hierzu fommt num nod 
die Uebereinſtimmung vieler, fajt minutiöſer Einzelheiten, fo bei der 
Schilderung vom Tode des Conſtantin, Conjtans, Julian, Gerontiue. 
ie aber findet fi in dem, was Sozomenus mehr giebt, aud nur 
der leifefte Widerfpruch gegen die Angaben des Excerpts, und ebenfo- 
wenig weift dajjelbe irgendwo auf die Benutzung einer andern Quelle 
hin. Diefe Wahrnehmung iſt mir hier wie auch an andern Stellen 
ein vollwichtiges Griterium, die Benutzung des Olympiodor durchweg 
bei den in Rede ftchenden Abjdjnitten de8 Sozomenus anzunehmen. 
Was er dabei mehr giebt ala das Excerpt, bezeugt eben nur, daß 
er feine Quelle jorgfältiger ansgefchrieben hat als Photius. — 
Zwei Abweichungen, die aber beide fo unbedeutend find, daß fie für 
Ungenanigfeiten zu halten, will ich bemerfen: das Excerpt nemmt 
Marimus den Sohn des Gerontins, Sozomenus bezeichnet ihn nur 
als Verwandten; ferner der Alane wird bei Olympiodor al8 Diener 
des Gerontius aufgeführt, bei Sozomenns als DVertrauter. Beides 
it offenbar zu geringfügig, um daraus etwas gegen die Benutzung 
des Olympiodor zu entnehmen. — Ganz felbftändig dagegen tft dic 
Betrachtung des Sozomenus über den Tod der Nımnicia, der Gat- 
tin des Gerontins. Olympiodor, der Heide, wird ſchwerlich das 
heldenmrüthige Ende diefer Frau auf rühmende Weife mit dem Chris 
ftenthum in Verbindung gebrandht haben, wie dag Sozomenus thut. 

Zoſimus fennt von allen dieſen Greigniffen nur den Anfang 
ber Gerontiichen Empörung und ihre Meotivirung, die wir bei So: 
zomenus vermijfen. Zoſimus weiß (IV, 5), daß Gerontius, erbit- 

ı ef. Renatus Frigeridus kei Gregor. Turon. II, 18. 

* Olympiodor l.e.: Kai... xareyuywv eg sbxmpior noEsCBUrTspog 
TOTE YEIQoTovssTas Coxwv auıw inio awmpias doderrwr, zai Tois 
nolsopxovmy al nulas ıns nölswc avansravyvuvyıasn. 

Sozomen. IX, 12: Kai xarelapßwr yv Exxinaiav ytso0oTovsitas 
ngsoßvregos' opxovs 15 noorsoov Außuvres ob Law Tuyov, QVOi- 
yovos rag nvlag xai qgeidous aksodvıeı Narr. 


181 


tert über die Ernennung eines neuen Feldheren in Spanien, Yuftus 
mit Namen, gegen Conjtans fich auflehnte, daß er fich dann an bie 
Spige der Truppen ftellte und die Barbaren im Lande der Kelten, 
das find die Bandalen, Alanen und Sueven, gegen Conftantin auf: 
brachte. Unfer Autor berichtet dies in unmittelbarem Anfchlug an 
das Stüd, welches über die Erfolge des Conſtans in Spanien han- 
delte, und welches, wie aus den Terxten fich zeigte, fo vielfach mit 
den Worten des Sozomenus übereinjtimmt. Wie wir nım in die 
ſem Stüde den Olympiodor nachwieſen, fo wird fid) das wol auch 
von dem in jtrengitem Zufammenhang unmittelbar darauf Folgenden 
behaupten laſſen. — Endlich ift noch zu bemerken, daß Zofimus 
auch die Perfon des Edobich als Feldherrn Eonftantins bereits für 
das Jahr 408 nennt (VI, 2), und daß er ganz am Schluß feines 
Buches (VI, 13) die Ernennung des Conftans zum Imperator, bie 
wir im Excerpt wie im Sozomenus fanden, berichtet. Beides find 
Heine, aber nicht zu verachtende Indicien. 


Ich wende mich fett zu der Darftellung deſſen, was fih im 
Ercerpt des Photius übereinftinnmend mit Zoſimus und Sozomenus 
über die italifchen Angelegenheiten, namentlich über die Züge Alarichs, 
erhalten hat. 

7. Es findet fid) im Excerpt des Photius noch eine Notiz 
über den Ausgang der von Rhadagais unternommenen Expedition. 
Da wird gemeldet, daß Stiliho 12000 der Vornehmjten aus dem 
Bere des Rhadagais für den römischen Dienft angenommen habe. — 

em entjprechend erzählt Zoſimus am Ende feines übrigens gründ» 
ich verworrenen Berichtes über Ahadagais (V, 26. 27), daß Sti- 
io nad) der Entſcheidungsſchlacht bei Faefulae eine Kleine Anzahl 
8 feindlichen Heeres unter die römifchen Auxiliartruppen eingereiht - 
yabe. Bisher nun haben wir aus der Uebereinjtimmung eines zu- 
ammenhangslofen Fragments im Excerpt mit irgend einem Theile 
m Zufanmmenhange einer größeren Erzählung beim Zofimus oder So- 
omenus gefchlofjen, daß der ganze Bericht aus Dlympiodor entnom- 
nen und fomit ein gewichtiges Zeugniß für die Sache fei. Hier 
rifft das nicht zu. Denn abgefehen davon, daß des Zoſimus Bericht 
iber Rhadagais in einem gar nicht zu löfenden Widerfpruch gegen 
ne übrigen zeitgenöffifchen Quellen ſteht — was alfo aud für Olym⸗ 
iodor angenonmen werden müßte —: an diefer Stelle jcheint mir 
ne Benutzung des Olympiodor überhaupt ausgeſchloſſen fein zu 
nüffen. Und zwar nehme ic) dies an, weil Olympiodor die Ange: 
egenheit des Rhadagais ausführlich nicht behandelt haben Tann, da 
ein Wert erjt 407 beginnt. Nur in kurzer Andeutung mag er auf je 
tes allbekannte Ereigniß hingeblit haben, und unjer kleines Frag⸗ 
nent ift ohne Zweifel ein Zheil davon. Zofimus hat dann aus 
einer eigenen befchränften Kenntniß, die namentlich) die größte Un- 
larheit in der geographifchen Anſchauung verräth, die Erpebition des 
Rhadagais nachgeholt. Dabei ift er in jene Verwirrung hineinge- 

13 


182 


rathen. — Auf genau diefelbe Weife ift e8 ihm noch an zwei anderen 
Stellen ergangen. 8 erfcheint nicht unangemeſſen, diefe gleich Hier 
mit zu erledigen. 

Die erfte derfelben finden wir unmittelbar vor der Erwähnung 
bes Rhadagais. Sie jteht an der Spige des ganzen Stüdes, für 
welches wir die Benugung des Olympiodor bei Zofimus annehmen 
(V, 26). Unfer Autor erzählt da folgendermaßen: „Während Ala- 
rich in Epirus fteht, iin Jahre 406, hat Stilicho dort mit ihn me 
terhandelt und den Gothenfürjten zu energifchem Beiltand für den 
wejtrömifchen Kaifer bei Erlangung der Praefectur Illyrien verpflich⸗ 
tet“. — Ich Halte es nun für falſch, daß jene Unterhandfungen 
bereit8 in Epirus Statt gefunden haben. Vielmehr glaube ich, hier 
ganz und gar dem Sozomenus (IX, 4) folgen zu müffen, nad dem 
Alarich umd fein Volk in den „Gegenden neben Dalmatien und Ban- 
nonien“, alfo im weſtlichen Illyrien, gejtanden haben, als mit ihnen 
unterhandelt ward. Gegen diefe Nachricht ſpricht gar nichts. Sie 
it, beiläufig bemerkt, ein wichtiger Fingerzeig für die Gefchichte Ala- 
rid)8 nad) der erjten italifchen Expedition. Denn befanntfich ver: 
läßt uns Glaudian in feiner Schilderung jenes Gothenzuges (de VI. 
consulatu Honorii) unmittelbar nad) der Schlacht von Verona im 
Sommer 402, ohne zu melden, wohin Alarich fi) darauf gewendet. 
Die folgenden drei bis vier Jahre find wir ganz ohne Nachrichten 
über ihn. Jene Meldung des Sozomenus, die ich etwa auf 406 
beziche, giebt num, wie gejagt, den nächſten Nachweis für feinen 
Aufenthalt bis zu der Zeit, wo er wiederum fo erjchütternd in die 
Geſchicke des Weſtreichs eingreift. — Aus jenen Provinzen des 
wejtlichen Illyrien iſt alfo Alarich nad) Epirus aufgebrochen, um 
feinen Verpflichtungen zur Eroberung des öjtlihen Illyrien nad) 
zukommen. — Wodurd) Zojimus auf feinen, übrigens gerings 
fügigen, Irrthum geführt wurde, ijt ziemlich leicht erſichtlich. 
Er fand bei Olympiodor, der die Gefchichte im Jahre 407 auf 
nimmt, den Alarich in Epirus, auf dem Gebiete des öftlichen 
Illyrien, woſelbſt er ihn 396, nad) Beendigung des griechifchen 
Zuges, verlajfen hat. Die Gefchichte dejjelben während der Jahre 
396 — 406 ift ihm gänzlich unbefannt, und was im Olympiodor 
allenfalls in Andeutungen darüber vorhanden war, übergeht er, 
weil e8 ihm nicht Har fein fan. So nimmt er ftillfehweigend 
an, daß Alarich das Gebiet von Epirus feit 396 gar nicht verlaffen 
hat: eine jelbjtändige, aber falfche Kombination. 

Ganz diefelbe Bewandniß hat es mit der dritten Stelle. Auch 
diefe betrifft ein unmittelbar vor 407 liegendes Ereigniß, nämlich 
den Einfall der Alanen, Vandalen und Sueven in Gallien. Der 
Zuſammenhang ijt folgender: Zoſimus redet (VI, 2. 3) von den 
Erfolgen, die der Tyrann Konjtantin in Gallien über Sarus, den 
Feldherrn des Kaiſers, davongetragen, wie daranf der Ufurpator, 
nachdem Sarus zum Nüczuge nad Italien gezwungen fei, die dort: 
hin führenden Alpenpäffe befegt habe. Das kann etwa 408 gemwefen 


188 


m und fchließt fich in der Darftellung unmittelbar an die fo genau 

den beiden anderen Quellen übereinjtimmende Crzählung von 
r Erhebung des Conftantin in Britannien und feinem Zuge nad) 
allien an. Darauf will der Autor jene Mafregel des Conftantin, 
imlich die Befeftigung der Alpenpäffe, begründen und leitet das 
eitläuftig ein mit den Worten: zadre da di alılay ıuavds rc 
oyu£vns nos rrpovolas 1älwoev. und nun wird weiter erzählt, 
ie im Jahre 406 Bandalen mit Alanen und Sueven über die 
[pen nach Gallien gekommen feien und dafelbft große Verwüſtungen 
gerichtet hätten. Dadurch feien fie fogar den Heeren in Bri- 
mien gefährlicd) geworden und hätten diefe dahin gebracht eigene 
ihrer zu wählen. Das find die uns fchon befannten: Marcus, 
ratian, zuletzt Conftantin. „Im einer gegen diefen gelieferten Schlacht 
gten nun zwar die Römer, und viele Barbaren fielen!. Da man 
: aber nicht verfolgte, weil die Römer felbft die fchwerften Verluſte 
itten hatten, fo konnten fi) die Barbaren bald wieder erholen und 
ue Schaaren an ſich ziehen, fo daß ſie den Nömern bald wieder 
wachen waren“. Um nur den Barbaren den freien Cintritt in 
allien zu verfperren, feien die Alpenpäffe befegt und ebenfo auch 
a ülberglinge befeftigt, was feit den Tagen Julians nicht ge 
ſehen. 
Hier iſt das Verhältniß zu Olympiodor wiederum daſſelbe wie 
iher. Olympiodor hat die drei Barbarenvölker für das Jahr 406 
tjchieden gekannt, denn fie greifen durd) die Befegung Spaniens 
ch zu Conſtantins Zeiten in die Gefchichte feiner Periode ein, in 
fen Zufammenhang erwähnt fie auch Sozomenus (IX, 12). Aber 
ift mir nicht zweifelhaft, daß er über ihr erjtes Erfcheinen in 
allin, das vor dem Beginn feiner Gefchichte lag, nur eine Furze 
emerkung gemacht hat, die den Zofimus zu weiterer Ausführung 
ranlaßte. Und wieder hat diefer unglücklich combinirt, indem er 
: Befeftiaung der Alpenpäffe, die er im Olympiodor fand, in Ver⸗ 
idung mit dem Zuge der drei Völfer brachte. Ueber diefen kann 
fich nur mangelhaft unterrichtet haben, denn es jteht hinreichend 
t, daß die Vandalen, Alanen und Sueven über den Rhein nad) 
allien gekommen find? Wie wir fahen, hat Zojimus hier auch 
ne Ausführung mit einem weitläuftigen Uebergang angefnüpft. 
araus geht ſchon hervor, daß er fchwerlich dem Olympiodor fo 
ıttweg folgt, wie er das fonft thut. — Zeuß hat num gemeint, 
m könne bei den verworrenen geographifchen Vorftellungen des Zo⸗ 
ms annehmen, es feien hier die Pyrenäen ftatt der Alpen gemeint. 
H Tann dies aber nicht glauben, weil Zofimus die Beſetzung der 
jrenüenpäjje an einer anderen Stelle (VI, 5) ausdrücklich anführt. 


2 Zosim.V I, 3: noös 0» (Kuvorartivor) uayns xaprepäs yeroylvns, 
zur uiv ob "Puuaios, To nolv zwy Bapßapmy xaraog.ükavyres uepos xT. 
b mache auf die ungefchicdte Zügung bed Satzes aufmerkſam. In einer 
ven ben Anführer ber Römer gelieferten Schlacht fiegten die Römer. 

2 Beuß, Die Deutfchen und ihre Nachbarſtämme p. 418. 


13* 


184 


Vielmehr fcheint es mir, daß Zofimus ganz richtig der Befeftigung 
der Alpenpäjje wie der Rheinübergänge hier erwähnt. Dan kam 
dies hinreichend motiviren, ohne daß man die drei Völfer über bie 
Alpen kommen läßt. Wie der Rhein gegen die Germanen geſperrt 
wurde, fo die Alpen gegen Angriffe aus Italien von Seiten des 
faiferlichen Heeres. Conſtantin hatte jehr wol eingefehen — wie 
aud) Zoſimus ausdrüdlid) bemerkt —, daß ein Angriff von biefer 
Seite ihn, bei den in Gallien herrichenden Unruhen, höchft gefährlich 
werden würde. — Was den übrigen Inhalt des hier aus Zofimus 
angeführten Capitels angeht, jo wird dag, was wir finden, eben nur 
hier und fonjt nirgend gemeldet. Es wird ſich indeß nichts dagegen 
einwenden laſſen. Daß die Faſſung, wie wir fahen, zuweilen unflar 
und die Verbindung gezwungen it, darf nicht weiter Wunder nehmen. 
Die ganze Erzählung gehört nämlid in das kurze und fchlecht ge 
arbeitete 6. Bud. — Für die Benutzung des Olympiodor fpridt 
der enge Zuſanmmenhang mit der Erzählung der britannifchen Hän⸗ 
del, die wir ganz klar aus jenem hervorgehen fahen. 

8 Olympiodor p. 448 und 450. 

Tas Fragment enthält einige Bemerkungen über Stificho, der 
als Gemahl einer Nichte des großen Theodofius, als Vormund der 
beiden faiferlichen Söhne, als Schwiegervater des jungen Honoriug, 
die höchſte Madjtitelung im Staate bekleidet habe, aber dennoch trotz 
der vielen für Rom glücklich geführten Striege dem Haß und ben 
heimlichen Nachſtellungen eines Olympius, der erſt durch ihn in die 
Umgebung des Naifers gefommen ift, erlegen fei. — „Nach ihn ftand 
Olympius an ber Spitze des ganzen Staatswefens, wurde aber bald 
wieder abgejegt. Dann nochmals in feine Stellung berufen, und 
wieder abgejegt, jtarb er zulegt auf des mächtigen Eonftantius Ver⸗ 
anlajfung in fchmählicher Weiſe. Man verftimmelte feinen Körper 
und ſchlug ihn mit Knitteln todt“. — Wir haben über das Schidfal 
des Stilicho außer der kurzen, aber nicht unwichtigen Meldung des 
Sozomenus, einen ſehr weitläuftigen Bericht bei Zolimus (V, 28— 
35). In demſelben finden wir Alles wieder, was wir in jenem 
Fragment fahen, die legten Schickſale des Olympius, die nach 410 
fallen, natürlid) ausgenommen. — In Beziehung auf das Verhältniß 
des abgeriffenen Fragments zu dem detaillirten Bericht des Zoſimus 
fowie zum Sozomenus iſt als befonders entfcheidend fir unfere Frage 
hervorzuheben, daß die drei Tuellen eine übereinftimmende, fonft aber 
ganz alleinftehende Auffaffung von der Veranlaffung zum Tode Sti- 
üchos haben. Das Excerpt nennt das verwerflihe Thum des 
Olympius als Urfache des Sturzes, ebenfo Zofimus, der näher aus 
führt, wie Olympius namentlid) das unmahre Gerücht einer von 
Stilicho beabfichtigten Ufurpation im Orient benugt habe, um den 
Ktaifer gegen Stiliho einzunehmen. Ganz bderfelben Sache, mit 
Uebergehung des Olympius, gedenkt aud) Sozomenus (IX, 4), ohne 
darin mehr als ein bloßes Gerücht zu fehen. Das ruhige, leiden 
fchaftslofe, faft anerfennende Zeugniß, das Sozomenus, der chriftliche 


185 


Hechenfchriftfteller über Stilicho abgiebt, fcheint mir zugleich fchon 
im Beweis zu fein, daß er einer profanen Quelle gefolgt if. Man 
ehe nur, wie die übrigen chriftlichen Schriftfteller der Zeit über je- 
en urtheilen. Sie Alle, Oroſius an der Spige, fehen in Stilicho, 
be den geringiten Zweifel zu zeigen, einen ſchnöden Verbrecher, der 
vegen feiner Begünitigung der Barbaren, wegen feines Verraths an 
em Kaifer und der Religion den verdienten Lohn empfangen habe. — 
das ijt die hauptfächlichite Lebereinftimmung, die wir zwifchen die- 
em Theil des Excerptes und den anderen beiden Autoren nachweifen 
zunen. Außerdem läßt ſich allenfalls darauf hinmweifen, daß Zoſi⸗ 
ms in Webereinftimmung mit dem Excerpt Olympius als den Nadı- 
olger Stiliho8 nennt, und auch die erjte Amtsentfegung deffelben er- 


Im Anflug hieran betrachte ich den Bericht des Zofimus 
ber die lettte Zeit des Stilihe. Da kommt num zunächſt wieder 
ie mehrfache genaue Uebereinſtimmung der Quellen in Einzelheiten 
t Betraht. ch Lege der anzuftellenden Vergleichung den Bericht 
es Sozomenus über die Kataftrophe Stilichos und die diefer un- 
sittelbar vorhergehenden Greigniffe zu Grunde. 

Dei Sozomenus (IX, 4) wird folgendermaßen erzählt. „Stilicho 
ı dem Verdacht jtehend, für feinen Sohn Eucherius das orientalifche 
Anperum erringen zu wollen, wird von den Soldaten in Ravenna 
etödtet. Er hatte ſchon bei des Arfadius Lebzeiten, aus Haß gegen 
ie maßgebenden Perſönlichkeiten am öftlichen Hofe, beide Reiche zu— 
unmenzubringen verſucht. Alarich, der Anführer der Gothen, 
am er die Würde eines römifchen Feldherrn von Honorius ausge— 
irkt hatte, war von ihm aufgefordert worden, das öftliche Illyricum 
ı befegen. Jovius, der zum praefectus praetorio dajelbft er- 
annt war, geht dorthin voraus. Diefem verfpricht Stilicho mit rö- 
ufchen Legionen zu folgen, um die Eroberung des öftlichen YUyri- 
um zu vollenden. Alarich zieht alsdann von den Gegenden neben 
Yalmatien und Pannonien (7 Bapßagov) mit feinen Gothen nad) 
ſUyricum. Dort bleibt er längere Zeit und fehrt darauf unverrich⸗ 
ter Dinge nad) Italien zurüd. Denn Stilicho ijt durch Briefe 
8 Honorius an dem Marſch nach Yllyricum verhindert worden. 
tach dem Zode des Arkadius nämlich hatte Honorius, um den 
sohn des Bruders zu fehirmen, da diefer noch ein Knabe zarten 
Iter8 war, nad) Conftantinobel fid) begeben wollen. Stilicho aber 
elt ihn in Italien zurück, mit Hinweis auf den Tyrann Conitantin in 
hallien, der damals eben Arles genommen hatte. Er felbjt will ſich 
ut dem einen Labarum, mit Briefen des Kaifers und vier Legionen 
ıh dem Orient begeben. Inzwiſchen hat ſich aber das Gerücht 
rbreitet, Stiliho ftelle mit mehreren ber angefehenften Männer 
m Kaifer nad) und ftrebe für feinen Sohn nad) dem Imperium. 
ya erheben fich die Soldaten. Die Praefecten von Italien und Gal- 
m, viele magistri militum und Größwürdenträger im PBalaft wer: 
m getödtet. Stilicho fällt durch die Truppen in Ravenna; auch 


186 


fein Sohn Eucherius wird getödtet“. — Diefen kurz zufanme.- 
gedrängten Bericht des Sozomenus finden wir mit faſt allen feinen 
Ginzelheiten in der weitläuftigen Erzählımg des Zofimus über jene 
Angelegenheiten wieder, und zwar nur bei diefem. Ich zähle bie 
übereinitimmenden Facta auf. Beide erwähnen die Feindſchaft zwi⸗ 
chen Stiliho und den Miniftern des Oſtreichs als Motiv der gegen 
Illyrien gerichteten Expedition. Beide, und außer ihnen mr noch 
Dlympiodor, gedenfen überhaupt jenes Zuges gegen Illyrien. Ueber 
die etwas abweichende Erzählung des Zofimus hier ift fchon ges 
handelt. Die Berheiligung des Jovius an der illyrifhen Angelegen- 
heit ijt von beiden bezeugt; bei Zojimus allerdings nicht in dieſem 
Zufanmenhang; wol aber wird fpäterhin, als Zofimus den Jovius 
zum erften Male erwähnt, gemeldet, daß fich diefer längere Zeit bei 
Alarich in Epirus aufgehalten habe (Zosim. V, 48). Ganz ebenfo 
jtcht es mit der Nachricht: von Alarichs langem Aufenhalte in Ylıy 
rien, der durch Stilichos Ausbleiben ohne Folgen war (Zosim. . 
V,29) Auf gleiche Weife führen weiter beide Quellen die Briefe des 
Kaiſers, deren Inhalt Zojimus genauer giebt, als Hinderniß für die 
Frpedition Stilichss an. Der Einfluß, den ber Ujurpator Con⸗ 
ftantin auf diefe Dinge hat, ijt übereinftimmend erwähnt, ebenfo 
Alarichs endlihe Rückkehr nad Ytalien, die beabfichtigte Reife des 
Honorius nad) dem Often, welde Stiliho, da er denfelben Plan 
hegt, hintertreibt; ferner Stiliho8 eigener Aufbruch dahin, der dann 
durch die gegen ihn fich erhebende Agitation verhindert wird (Zosim. 
V, 31. 32). Endlich bezeugen beide Quellen den Tod Stilichos 
und den vorangehenden Soldatenaufjtand in Ticinum, bei dem aud 
die gemordeten Officiere zum Theil von beiden genannt werden; von 
Sozomenus nur den Chargen nad, während Zofimus auch die Na- 
men giebt. — Ich meine, die Uebereinſtimmung ift bier wieder der 
Art, daß die Benugung einer gemeinfamen Quelle offen genug da⸗ 
liegt. 

Nur zwei Mal finden wir bei Sozomenus Dinge, die dem Zo—⸗ 
jimus fremd bleiben. Cr nennt den Alarich bei Gelegenheit des il 
Iyrifhen Zuges orgammyös "Popalov. Man könnte darin einen 
Widerſpruch gegen jeine jpätere Erzählung finden, der zufolge dem 
Alarid) die Würde eines römifchen Feldherrn vom Honorius abge 
Ichlagen ift. Ich glaube aber, daß der an unjerer Stelle erwähnte 
orgaınyös Ponolov und die fpäterhin verweigerte Würde eines 
orgaunyös Exarfgas Övvausos zwei ganz verfchiedene Begriffe find. 
Dort ijt im Allgemeinen das Verhältniß des Alarih als Anführer 
der Sothen im Dienfte des Kaifers bezeichnet; hier handelt es ſich 
um eine ganz bejtimmte Stellung im römischen Beamtenthum. — 
Sozomenus erwähnt ferner bei der beabjichtigten Neife des Stilicho 
nad) dem Orient bei Gelegenheit des Thronwechſels, daß diefer ein 
Yabarınn mit ji) genommen habe. Darin glaube ih eine Pi 
weilung auf den Olympiodor zu finden. Das Labarum läßt fih in 
der ganzen antifen Yiteratur nur einige wenige Male nachweifen. 


187 


sberali Fonft wird es als Kreuzesfahne, als Symbol des auf das Chri« 
uthum jich ſtützenden Kaiferthums genannt. Als folches führt es 
ozomenus jelbit früher an (I, 6). An unferer Stelle aber iſt es 
n ftatt der Kreuzesfahne ein einfaches Sceptrum, umd als folches 
tte er es wahrfcheinlich bei feiner heidnifchen Duelle gefunden. 
gerdem paßt auch ein jo aparter Gegenitand wie das Labarım 

für die an den allerfleinften und beiläufigiten Specialitäten 
he Un des Olympiodor. Wir aber entnehmen aus foldhen Stel- 
i, an denen Sozomenus mehr giebt al® Zoſimus, — vorausgejeßt, 
ß fie nicht felbftändige Betrachtungen des Autors find, oder voll 
aumen Klare Beziehungen zu anderen Quellen verrathen —, daß des 
ſimus Bearbeitung nicht ganz genau, mit Beibehaltung von allem 
d jedem Detail, aus Zofimus ausgefchrieben ift. ‘Doch werden wir 
& freilich nur äußerft felten finden. 

Es ift num die Frage, ob wir in dem hier einfchlagenden Bericht 
3 Zoſimus (V, 2635), der in bedeutend ausführlicherer Faffung 
jelbe wie Sozomenus, aber noch viel mehr über die Kataftrophe 
tilichos gab, etwas finden, was gegen die Benutzung des Olym⸗ 
wor und für die einer anderen Quelle fpriht. In diefem ganzen 
te ift der Zufammenhang jo vollkommen glatt, e8 ift fo unge- 
ungen Eines an das Andere gereihet, die Einzelheiten, welche Zo⸗ 
mö übereinjtimmend mit Sozomenus hat, find fo eng in das 
brige hineingewebt, dag man nothiwendig annehmen muß, des Zofimus 
nze Erzählung rühre aus derjelben Quelle her, aus welder die 
bereinftimmung mit Sozomenus hervorgegangen war. Dazu fommt, 
z wir in der Erzählung auch eine Beziehung zu einem noch er= 
(tenen Fragment, das ic) gleich einfchiebend hier erwähnen will, 
ennen. — Es heißt nämlich bei Olympiodor (p. 449), dag Ala- 
) noch bei Stilichos Lebzeiten einen Sold von 40 Gentenarien 
yalten habe. Es ift wol außer allem Zweifel, daß dies die 4000 
und Gold find, welche dem Alarich, wie Zofimus erzählt, auf 
tilichos Veranlaffung für feinen Zug nad) Illyrien und den lan⸗ 
ı Aufenthalt dafelbft decretirt wurden. Daß er fie empfangen, 
e das Excerpt berichtet, hat Zoſimus nicht eigentlich überliefert. 
an fann das aber daraus fliegen, daß Zofimus unmittelbar nad) 
: Erzählung von der Bewilligung des Geldes auch berichtet, es fei 
mals ein Friede zwifchen Alarid) und Rom zu Stande gekommen. 
; fommt ferner in Betracht, daß wir gerade in diefem Stüde die 
on befprocdjene directe Hinweifung auf Olympiodor finden. 

Nach allem dieſem werden wir für das ganze Stüd in demfelben 
nme wie früher die Benutzung des Olyınpiodor annehmen dürfen. 
ervon muß ich nur wieder einen groben geographifchen Verſtoß 
; Zoſimus ausnehmen. Er läßt nämlich) den Alarid) von Emon 
Pannonien nah Noricum über den Apennin gehen, und bat alſo 
enbar diefen mit den Alpen verwechfelt (Zosim. V, 29). — Aud) 
ıft ift der ganze Bericht an und für fich nicht tadellos. Es find 
che Unklarheiten darin, und zwar namentlich in der Erzählung 


188 


der Greigniffe, die unmittelbar der Sataftrophe Stilichos vorausge 
ben. Ich will einige Belege hierzu beibringen. „Der Kaifer unter 
nimmt gegen ben ausdrüclichen Rath des Stiliho, in einer bisher 
unerhörten Oppofition gegen den allmächtigen Deinifter, eine Reife 
nad) Ravenna, um dort die Truppen zu infpiciren. Stilichos An 
hänger fürchten das Schlimmfte von diefer Reife, namentlich da in 
Zieinum Soldaten ftanden, die dem Minifter feindlic) gefinnt waren“ 
(Zosim. V, 30). Woher diefe plögliche Entfremdung zwiſchen Hr 
norius und Stilicho? Hier, wo fie zum erften Male auftritt, hätte 
uns der Autor am Wenigften darüber in Dunkeln laffen dürfen. — 
Ferner, wie fommt man dazu, aus der Reife des Kaifers nach Ra- 
venna zu fchließen, daß er auch nad) Zieinum gehen werde, das denn 
doch durchaus nicht am Wege lag. Ebenſo vermiſſen wir die Mo- 
tioirung der Crbitterung, die bei den Truppen in Ticinum gegen 
Stilicho herrſchte. — Kine andere Stelle (Zosim. V, 31). „Die 
Reife Stilihos zur Einfegung und zum Schuge des jungen Theo— 
dofius im Orient ift befchloffen. Stilicho aber reift nicht Hin und 
thut überhaupt nichts von dem, was befchloffen ift“. Was it aber 
befchloffen, und weshalb geht er nicht, zumal in einer Zeit, wo ihn 
diefe Reife aus der bedenklichiten, ihm felbft ficherfich nicht unbemwuß- 
ten Lage hätte retten fünnen? (Zosim. V,55). Die Gründe hiervon, 
die wir vielleicht aus der Perfünlichfeit des Stiliho entnehmen kön⸗ 
nen, fehlen ganz. Woher iiberhaupt diefe tiefe Kluft zwifchen den 
römifchen und barbarifchen Bejtandtheilen des Heeres, die ſich ſogleich 
nad) dem Tode des Stilicho in dem Gemetel gegen die Angehörigen 
der Barbaren äußert? Wir können das allenfalls durch Combination 
finden, aber jo nahe liegt es nicht, daß ein Gefchichtjchreiber der 
Zeit fi) darüber Hinwegfegen konnte. Dieſe Unklarheiten inmitten 
eines fo reichen Details weifen auf eine große Menge von Material 
hin, das der Autor nicht vollftändig zu beherrfchen und unterzubrin- 
gen wußte. — Ob hiervon blos Zofimus oder auch ſchon Olympio⸗ 
bor betroffen wird, wage ich nicht endgültig zu entjcheiden. Ich 
möchte jedoch den Olympiodor nicht ganz frei fprechen. Denn wer 
mitten in den Ereigniſſen lebt die er fchildert, hält mancherlei für fo 
befannt, daß er die Erwähnung unnöthig glaubt, zumal ein folcher 
Dilettant im Gebiet der Geſchichtsſchreibung wie Olympiodor. 

9. Olympiodor p. 449. 

Dies Fragment berührt den Zug Alarichs gegen Rom, die Eins 
nahme der Stadt, und die damit zujfanımenhängenden Ereigniſſe. — 
„Alarich, der Anführer der Gothen, den einft Stilicho zur Behaup- 
tung von Illyricum berufen hatte — diefe Provinz gebührte nämlich 
in Folge der theodofifchen Theilung dein Honorius — geht zum Ans 
griff gegen Rom vor, theils wegen der Ermordung Stilihos, theils, 
weil man Verfprechungen, die ihm gegeben waren, nicht gehalten 
hatte. Er erobert die Stadt und gewinnt dabei unendliche Beute an 
(Hold und Silber. Auch Placidia, des Kaiſers Schweiter, nimmt 
er damals gefangen. Noch vor der Eroberung der Stadt hatte er 


189 


ben Praefecten Attalus zum Kaifer ausrufen laſſen. Es gefchah 
dies aus den bereits erwähnten Urfachen, und außerdem noch deshalb, 
weil Sarus, ein Gothe von Abkunft, ein edler umd trefflicher Deann, 
aber dem Alaridy bitter verhaßt, von den Römern zum Bundesge⸗ 
noffen gemad)t war”. 

„Bei der Belagerung der Stadt war man dafelbft durch ben 
Hunger gezwungen, Menjchenfleifch zu genießen“. 

„Damal® Hat man auch Serena, des Stiliho Gemahlin, die 
man für die Urſache von Alarichs Angriff hielt, gewaltſam durd) 
Erdroſſeln getödtet. Auch ihr und Stilihos Sohn Eucherius ift 
um diefe Zeit getödtet worden“. — 

Ich halte das erjte diefer Fragmente für das verworrenite von 
allen, denen wir bisher begegnet find. — TFaft alle Einzelheiten dies 
fer drei Bruchſtücke finden wir bei unferen Autoren wieder, aber da 
werden fie auf drei verfchiedene Eroberungen Roms durch Alarich 
bezogen. Hier aber ift, wie wir fehen, nur von einer einzigen die 
Rede. Sollte nun Photius bei Olympiodor in der That blos eine 
einzige Eroberung Roms erwähnt gefunden haben? Wir können den 
ungenauen Cpitomator durd) fein eigenes Zeugniß überführen. “Denn 
er erwähnt ebenfalls in diefem Excerpt gelegentlid) „den erften Zug 
der Sothen gegen Rom“!. Er muß alfo auch bei Olympiodor min» 
deitens die Erwähnung eines zweiten gefunden haben, wenn wir die 
Einnahme der Stadt, bei der Attalus Kaifer wird, nicht als folche 
rechnen wollen. Photius’ Zeugniß in dem vorliegenden Fragment ift 
mithin nicht bindend, infofern er nur von einer Eroberung Roms 
redet. Den übrigen Inhalt des Fragments aber können wir beibe- 
halten. Wir werden alsdann aus dem Zufanımenhang, in welchem 
wir die einzelnen Details bei den andern beiden aus Olympiodor 
abgeleiteten Quellen finden, auf die Faſſung des urjprünglichen Olym⸗ 
piodor fchließen konnen. 

Die Uebereinftimmung der beiden. andern Autoren fteht wieder 
in demfelben Verhältniß wie früher. Sozomenus erzählt die Ereig- 
niffe kurz und gedrängt, aber, mit wenigen Ausnahmen, immer die 
felben,, die Zofimus weitläuftiger entwidelt. Im Ganzen und Oro: 
Gen läßt fi) dies Verhältniß bier folgendermaßen charakterifiren. 
Die drei Hauptereigniffe der Zeit, die erfte Belagerung Roms, die 
zwifchen dem Kaifer und Alarich in Ariminum angefnüpften und bald 
abgebrochenen Verhandlungen, wodurd der Friede wieder weit hin- 
ausgefchoben wird, endlich) die Ein- und Abfegung des Attalus wer- 
den in genau uübereinftimmendem Detail, öfter auch mit denfelben 
Worten erzählt. Hier haben wir alfo den Olympiodor bei Beiden, 
und zwar vornehmlich bei Zofimus, der fich, wie bereits gejagt, nü- 
ber an feine Quelle anfchlog als Sozomenus. Was werden wir 


! Olympiod. p. 469: 7ö de reiyog Tis ‘Puung uerondv naga "Ay- 
umvos, To yemusıgov, xuS Ov xasor Türdos Tv ngorigpav xaf 
aörag inıdgounv dnomsarvıo. 


190 


nun von den Partien in der Darftellung des Zoſimus zu halten 
haben, die er allein giebt? Es find die zwifchen jenen Hauptereig- 
niffen liegenden Facta, welche meiſt untergeordnete Bedeutung haben, 
fo die Art umd Weile wie Alarich von Ort zu Ort vorgefchritten ift, 
die Maßregeln, die der Kaifer gegen Alarid) ergriffen hat, nament- 
lich die Perfonalveränderungen bei Hofe und in der Armee. Alles 
diefes hat Sozomenus meift mit Stillfchweigen übergangen oder doch 
nur ganz kurz angedeutet; und bei feiner gedrängten Darftellung ift 
e8 auch allenfalls zu entbehren. Wenn nım Zoſimus getreu der 
fonftigen ausführlichen Faffung feines Berichts ſich aud darüber 
genauer ausfpricht, wenn fid) bei diefen, allerdings font nicht weiter 
befannten, Nacdjrichten nirgends Indicien finden, die auf ein Hinein⸗ 
arbeiten aus irgend einer andern Erzählung führen, werden wir dann, 
auch mit der geringsten Wahrfcheinlichfeit annehmen dürfen, daß dieſe 
Nachrichten einer andern Quelle entitammen als der, weldje die 
Vebereinftimmung zwifchen Sozomenus und Zofimus bedingt. — 
Das Nähere wird fich jett bei der Zufanmenftellung der Nachrichten 
ergeben. Ich lege den Sozomenus zu Grunde. Dabei werben ſich 
die ein hlagenden Stellen des oben angeführten Sragments von felbft 
erledigen. 

Sozomenus wendet fih (IX, 6) zur Erzählung der Züge Ala- 
ichs gegen Rom. Er hatte vorher (IX,4) kurz gefagt, daß Alarid) 
von Illyricum unverrichteter Dinge nach Italien zurückgekehrt fei. 
Wir haben dann aus Zoſimus den näheren Verlauf dieſes Zuges 
jowie die Verhandlungen Alarichs mit Rom erfahren. Jetzt, wo 
Sozomenus die Gefchichte Alarichs wieder aufnimmt, berichtet er 
ebenfo kurz, daß Alarich von Honorius in feinen Forderungen ab- 
ſchlägig befchieden, fich gegen Rom gewandt habe. Dies Alles wird 
ung von Zoſimus bejtätigt (V, 36). Außerdem aber erfahren wir von 
dieſem das genaue Detail der Verhandlungen zwifchen Alarich und dem 
Kaifer, fowie das Nähere über den Beginn der Teindfeligfeiten. 
Er verfolgt alsdann den Zug Alarichs bis nah Rom mit al 
len feinen Zwifchenfällen. Den Schluß diefes Theiles des Berichts 
bildet die Notiz von der Gefangennahme und dem Schickſale des 
Eucherius, auf welches wir auch das Excerpt hinweifen fahen. — 
Bei der Betrachtung diefer Nachrichten find wir an feinem Orte 
zweifelhaft über die Quelle, aus der fie gefchöpft find. 

Die erfte Belagerung Roms durch Alarich wird bei Beiden 
genan übereinftimmend gemeldet. Sozomenus erzählt (l. c.) folgen- 
dermaßen '. „Alarich befegt zunächſt die Ufer der Tiber und fperrt 


' Sozom. IX,6: zu xaralaßwrv nyv 'Puunv Inolsöpxsı Bupßdgous 
Inioimsas Hu ußosdı Tu norauw, wore un eloxouilscdu ra Imumdaa 
tig iv ın nclss ano Tod TAöprov. 

Zosim. V, 39: wörös uEv xuxio negssiye ins nölag ändoang xauıu- 
laßw» di row» Bvußpıv norauor dia wu Auuivos ıov Inırndiior 


exujAvs yoonyiar. 


191 


ben Hafen, fo dag Rom von der Getreibezufuhr abgefchnitten wird. 
unger und Belt bedrängen alsbald die Stadt, viele Sklaven bar- 
ifcher Abkunft gehen zu Alarich über. Die heidnifchen Mitglieder 
des Senats, die in der Belagerung eine Strafe für den Abfall vom 
alten Glauben fehen, halten e& deshalb für nöthig, wieder auf dem 
Capitol und in den alten Zempeln zu opfern. Hierin ward man 
noch durch zwei Männer tuskiſcher Abkunft bejtärkt, welche vor dem 
Praefecten der Stadt ausgefagt hatten, daß die Götter, da man fie 
angerufen, die Stadt Narnia ! durch Donner und Blitz von ben 
Barbaren befreit hätten. Das hat indeffen bei Rom nichts geholfen. 
Die Berftändigeren in der Stadt hatten bereits eingefehen, daß das 
Unglüd Roms nur eine Folge der damaligen Sündhaftigfeit fei. 
Alarich war gewifjermaßen das Werkzeug der göttlichen Strafe. 
Hatte er doch auf feinem Marſch gegen Rom einem Mönche, der 
ihn vor zu vielem Blutvergiegen warnte, geantwortet: nicht aus 
freien Stüden, fondern getrieben von einer unabweislichen Stimme 
in feinem Innern, gehe er auf die Eroberung ber Stadt aus. Die 
Römer beivogen endlich Alarich zur Aufhebung der Belagerung, in- 
dem fie ihm die reichiten Gefchenfe gaben und fich verpflichteten, den 
Raifer zu einem Bündniß mit den Gothen geneigt zu machen“. — 
Wir müjfen, ehe wir zur Vergleihung mit Zofimus fchreiten, 
erit aus dem vorftehenden Bericht des Sozomenus das entfernen, 
was ihm felbitändig oder wenigitens aus einer befonderen Duelle 
entnommen ift. Dazu gehört einmal die Betrachtung, die Sozomes 
nus an die Rückkehr der Männer zu den heidnifchen Altären knüpft, 
und außerdem die Erzählung von dem Mönch und der Antwort, die 
ihm Alarich gegeben. Dieſe findet fich faſt wörtlich bei Socrates 
(XI, 10) wieder. — Alles Andere aber ift in dem Berichte des Zoſi⸗ 
mus vorhanden, und zwar in dieſem Zufammenhang. „Während 
Alarich die Belagerung von Rom beginnt, wird, auf den Beichluß 
des Senats und der Placidin, Serena die Gemahlin des Stilicho 
gewaltfam getödtet. Dieſe nämlich fah man für die Urfache von 
Alarichs Nahen an; durch ihre Befeitigung foll jede Hoffnung auf 
Berrath vernichtet werden“. Die Meldung von bdiefem Vorfall, bie 
nicht im Sozomenus enthalten ift, findet fi im Ercerpt. Alfo 
haben wir hier für den Anfang gleich eine Art von Garantie und 
ein Zeugniß, daß das Schweigen des Sozomenus nichts gegen den 
olympiodorifchen Charakter defjen beweift, was von Zofimus hier 
mehr gemeldet wird. — In die Erzählung von dem Tod der Serena 
bat derjelbe nody eine Epifode aus dem früheren Leben diefer Frau 
fowie aus dem des Stilicyo eingefchoben, wodurch er zeigen will, daß 
beide wegen des Hohnes und der Verachtung, die fie gegen den heid⸗ 
nifchen Eultus an den Zag gelegt, das gebührende Ende gefunden 


2 Bofimus nennt diefe Stabt Neßysa. Der Name ift nicht fiher; ſchon 
ein Epitomator bes Sozomenuß, Nicephorus Galliftad, XXI, 25, nennt fie 
anberd als bdiefer, nämlich Hdoprsa, 


192 


hätten. — Diefe Erzählung leitet Zofimus durch die Worte ein (V, 38): 
Ölxgv de av elc ıc Isla dedmue dvooeßnuamev dElav, eis 
avdixa pala äoyouas Atkov. Diefer Uebergang in der erſten 
Perfon fpricht dafür, daß Zofimus jene Nachricht ſchwerlich unmit- 
telbar in diefem Zufammenhang bei Olympiodor gefunden hat, wenn 
er fie überhaupt aus ihm entnahm, was indeffen wol wahrfcheinlicyer 
als das Gegentheil ift. — Es folgt dann (cap. 39) bie Erzählung 
von bem eigentlichen Beginn der Belagerung, genau der des Sozo⸗ 
menus entfprecheud, nur daß das Elend, welches die Hungersnot) 
hervorbrachte, etwas weitläuftiger ausgemalt wird. — Hieran fchliekt 
ſich (cap. 40) die von Sozomenus gänzlich” übergangene Meldung 
von einer Geſandtſchaft an Alarih, um Frieden zu machen, und wie 
diefer Verſuch fehlfchlug, weil man einen zu hohen Ton annahm, 
den Alarich in den beiden berühmten Antworten gebührend erwiebert. 
In Folge davon fehreitet man zu den heidnifchen Opfern, die aud 
Sozomenus erwähnt. Ebenſo ftimmt hierauf (cap. 41) die Erwäh- 
nung der beiden Tuscier und ber Stadt Nevein, bie die Götter ge 
rettet hatten, fowie die Erfolglofigkeit jener Opfer zuſammen. Abwei- 
hend und felbitändig ift bei beiden Autoren natürlich die Art und 
Weife, in der fie die Opfer betrachten, Zofimus als Heide, Sozo- 
menus als Chriſt. So viel aber ſehen wir, daß jene Nachricht 
von ber Gefandtfchaft nicht wol zu entbehren ift, wenn wir das Fol⸗ 
gende bei Zofimus richtig verftehen wollen. — Was Sozomenus über 
die Befreiung Roms von Alarich durch reiche Geſchenke meldet, ift 
ebenfalls bei Zoſimus entfprechend. Nur bezeichnet diefer die Gaben 
der Römer auf das Genauefte, und fügt Hinzu, wie fie gefammelt 
find. Die dabei einfließende Entrüftung über die Beraubung ber 
alten Zempel trägt wieder da8 Gepräge felbitändiger Reflexion. 
Endlich findet fic) bei Zoſimus (cap. 42) noch die Beitätigung deſ⸗ 
fen, was Sozomenus über die Gefandtfchaft bemerkt, welche die Rö- 
mer in Alarichs Intereſſe an den Kaifer zu fchiden beim Fries 
densſchluß verheißen haben. Auch die Meldung von dem zahlreichen 
Uebergehen der zu Rom befindlichen Barbarenfclaven bringt Zofimus 
übereinftimmend mit dem andern Autor. Dieſer erwähnt es noch 
vor der Lapitulation, indeſſen Tann ein derartiges unmelentliches 
Berfahren bei der Auswahl, die Sozomenus aus dem großen Detail 
de8 Dlympiodor treffen mußte, leicht mit untergelaufen fein. — 
Zoſimus erzählt hierauf den Abzug Alarih® von Rom nad Tus—⸗ 
cien und die dieſen begleitenden Umſtände. ‘Den Schluß bildet 
eine chronologifche Angabe. Das find alles Dinge, bei denen ſich 
Sozomenus nicht aufhielt. Er läßt uns über den Aufenthalt Ala- 
richs unmittelbar nad) der erjten Einnahme Roms gänzlid) im Dun 
feln. Bei Zoſimus ſchließt ſich noch (cap. 43) die bereit8 von ums 
bejprochene Gefandtfchaft des Iyrannen Gonftantin aus Gallien an, 
die wir auch im Excerpt gefunden hatten (oben 4, p. 175). 

Ich wende mich jekt zurüd zu Sozomenus ‚D. & be 
merkt in unmittelbarem Anſchluß an feine legte Meldung, daß bie 


198 


Gefandtichaft aus Nom den Kaifer nicht zum Frieden mit Alarich 
babe bewegen können, weil feine Umgebung fich dagegen gefträubt. 
Alsdann habe Innocentius, Biſchof von Rom, eine Gefandtfchaft 
betrieben, und in Folge davon fei Alarich nad) Ariminum zu Verhand⸗ 
lungen berufen worden. Dieſe werde ich gleich nachher im Texte vorführen. 

Auch Zofimus geht (cap. 44) wie Sozomenus von der Ge- 
fandtfchaft aus, die an dem Widerftand des Hofes fcheitert. ‘Dabei 
nennt er genau die Perfönlichfeiten und legt die Erfolglofigfeit der 
Verhandlungen namentlid) dem Olympius zur Laſt, der damals bei 
Hofe den größten Einfluß Hatte. Mit diefer Erzählung hängt nun 
einmal ein Blick auf das damalige Zreiben des Olympius eng zus 
fammen; ferner aber aud) die Erwähnung der Maßregeln, die der 
Kaifer ergreift, um den gegen Alarich bejchlofjenen Kampf durchzu⸗ 
führen (cap. 45). Diefe Maßregeln beftanden in der Herbeiziehung 
dalmatifcher Truppen unter Führung des Valens, eben jenes Man⸗ 
nes, den wir oben im Excerpt gefunden hatten. Daß dann diefe 
Truppen den Alarich unülerlegt Troß boten und zu Grunde gingen, 
ward die DVeranlaffung zu weiteren Verhandlungen mit Alarid). 
Dergleichen Tonnte aber erft zum Durchbruch fommen, als bie Ber- 
fönlichkeit zu Falle gebracht war, welche faft fanatifch jedes Einver- 
nehmen mit Alarich Hintertrieb, nämlich Olympius. Dieſer hatte 
bis jegt feine einzige Xhätigfeit in dem unermüdlichen Verfolgen der 
Anhänger Stilicho8 gefunden. Die Noth der Römer ward dadurch 
nicht gelindert. Deshalb entfchlog man ſich dort zu der, auch bei 
Sozomenus erwähnten Gefandtfchaft, an der fi) der römifche Bi⸗ 
fchof betheiligte. Alles arbeitete an dem Sturz des Olympius, wel- 
cher jelbft dadurch nicht gehemmt ward, das jener den Athaulf befiegte, 
der frifche Truppen, die er aus Pannonien geholt, dem Alarich zus 
führen wollte Olympius ward beim Kaifer verläumdet, feiner 
Stellung entfegt und floh. Das ift fein erfter Fall, von bem er 
fi, wie das Ercerpt meldet, wieder erholt, um noch zwei Mal daf- 
jelbe Schiefal zu erleben. — Mit dieſer Kataftrophe find zahlreiche 
PVerfonalveränderungen bei Hofe und in der Armee verbunden. Es 
tritt auch wieder die durch Dlympius zurücgedrängte mildere Beur⸗ 
theilung der Nicht- Ehriften und Barbaren hervor, wie das Beispiel 
des Generid zeigt (cap. 46). — Die Partei, die jest and Ruder 
fam, war dem Frieden mit Alarid) geneigter, aber ehe fie ſich völlig 
zue Geltung bringen fonnte, mußten noch verfchiedene Anhänger des 
legten Regime entfernt werden (cap. 47). Man bewirkte das durch 
eine Künftliche Agitation der Soldaten in Ravenna. Nun treten die 
Perfonen in den Vordergrund, welche Alles verfuchen, um ein Weber- 
einfommen mit Alaric) herbeizuführen. Es find das diejelben, die 
wir bei allen drei Quellen in diefer Weife erwähnt finden, die felbft 
den Verrath zu Gunſten Alarichs nicht feheuten: Jovius und Allo⸗ 
vihus. — Es kommt zu ernſtlichen Verhandlungen zwifchen Alarich 
und dem römischen Kaifer, die völlig übereinftimmend von Sozome- 
nus und Zofimus berichtet werden. 


194 


Es empfiehlt ſich hier wieder zur genaueren Charalterifi- 
Pr diefes Verhältniffes die Texte in einiger Volljtändigleit vorzu⸗ 
ren. 


Zosimus V, 48: Sozomenus IX, 7: 


nuodivros BE Tois roü Bacsläwsjusaxkgdeis Aldgyos yodppası 
xai 1035 'Ioßiov yodumacıy Ala-ıov Bacıldwus nxev sig Apipr 
giyov, napaysvoutvou rs eis nv Api-vov ndlıvy dexa xas dıazogsers 
uıvov'Paßivvns aygscoıwonvloradioıs Tas Paßivvrns ayssıu- 
MMAOGS rosaxovra, ovrdoauuro«v‘ ivmdda dig 15 axgras Igor 
xea aumy 1OBooS . 0... . da-Inoö Twv Tuyür sic Aöyous Elder 
ndunss 10 Baoslsi, dots za Idıa'Iußsog 6 rys Iraliag unaoyog wr der 
N005 adrov yoduuare, napamwoürta| Los tw Bacslss zjv 100 Alapiyov alıyar 
xamomoa Puyausws ixaripasixaui als dilts atırov nuzem 
oroaınyöor Alapıyov, won Tav-orgaryyoü dvvanswg ixark 
Ins aurüv ıvyorıa tus Iepansing ya-|oag* 6 di Baaılsös yoyudıny uiv za 
Atcas nn räs Bapumroc wv avvInxür|omesciwv, av ru, ag ünderp 
x Eni yopnross xab merpioss non-|1oßiw nv FEovaiar diduxsv, afias 
oacdnı Tas onovdas. ıauıny defaue-|BE oünors usraddosr atıa dvredg- 
vos ö Baoslsos y kmoroigv .. . .iwasv, aßovlwus BE Iößsos dv v5 "Ale 
yoduuacı de iyumıo npog avrov ds wrlpiyov axnrn rpsueivas Toy dx ıor 
tdnlov ypvaiov uiv xai aitov uergor|Bacılsiwv anscraluivoy ayvayıyac- 
avTov üpioas npoonxey ola ın5 amü-|xssv Exilsvosr, napövıwy ı5 ıuv Bap- 
As Unagpyov öyra iy ruv|Bapwr, ı6 dofavra 19 Bacılsi" Imi 
Inuociwy pupwr» Enıorauevoy divauw,|dE 5 aovnoss 800 dfsdma- 
atiav di 7 orpamyiav un notre Ala-|ros ogysadeis — Ög 
eixp duauy 7 u twv 19 ylvsı nooc-|b Bg ou Evos, audupör di 5 odl- 
Nx0vTU», nıyyı onpwas ini ı9v Poumv 
cap. 49: zaumy defausvos 6 IoßsosInAaursv" deivas BE © HTößıos uy 
ınv Enscroinv ou xa9 Eavrov avelitas|önovondg TO Packs Alapiyw 
aveyvyw raum, alla es Ennxoovionovdalsır, aßovloriow qj rpörsgor 
Alapiyov. xal 1& uiv alla usrpiws|neginsoor nos This awegpias vod Pa- 
qvuayxsy ws DE apvyndsicav el-|aldus wuoce, xai wus dllous d g- 
dev laur® Te xai To yivss ın» TIS|Yovıas napscxEVaGEs, Mn nore 
Gıuaınyias apyyv, avagras\sioivgv IEadaı nos Alapıyor. Ovx eis 
sig oEya» avrodevr ini ryV Pw-!naxgav uerapeindsis 6 Bapße- 
unv ilatvesv 1oös oiv adın Bap-'oos Idylwos undiv deioIm afıwud- 
Bäpovs Extlsvarr, ws alıixa nv els twvr, Guuuayor di nagdiaw davor 
abroy xui 10 yivos anay auvvov-ini usroig oirov ddcs zul olxias 
usvos üßosv. 'Iößıos FE anopy-ronwuv oV navv Ponasoıg 
Bsis ini ro napaloyo uw 100 Bamn-tonovdacutivw». 
Mus ypauucrwv es my» ‘Paßevvar| cap. 8: Ins de dis antroya negl 
Incvges* Bovlöusvog BE Tas miuyewns|roüro ngeaßevodmerog did unver 
«broy ınoldons xardlaßer opxoss Ovu-inıcaxonwr dur eis Pauyr ino- 
por, 7 nv sipnunv unnor Eosodas|lsogxes zuyy öl. 
noög Alapıyov, all’ kypı navıög nols- 
uno, aurv di za) aurTög opxo» 
un Paaleing pausvog xegalzs, 
al roög dällovg of Tag «g- 
xüs ıiYov TauUrov noın0as 
nayguoxzsvaoag. 
onp. BO: 22... Akapıyos di 
ls uerduedkov IAHWr ini j zara 
Ms Pouns öpuf, Tois xara "noler 
kkensanev Insoxunous ngsoßev- 


196 


CoudvVoug .. 2... oðre 

ac 5 alias dsisadaı Tov Bdoßapov 

Tas noörsoov Enapyias En noös 

oleyoıy Bovlecdaı xai ini ToV napur- 
ro Aaßsiv, alla uövovs augwm Nups- 
xovᷣc, iv 1ais foyanais nov 100 "Ioroov 
zasuevous, GUVEYELS TE ÜPıoTanE- 
vousigodousxassurein gopo» 
ro dnuocino siopipovras. 

eap. Bl. .... Lib. VI, cap. 1: 
Mapıyos uiv oliv ini Tais ovıw 
Merpiass alıyascı negıvßosadsic ini 
zyv Pounv nlavve xıl. 


Diefe Zufammenftellung giebt ein höchft charakteriftifches Bild der 
Art umd Weife in der die Autoren gearbeitet haben. Durch die viel 
fache wörtliche Uebereinftimmung wird der Gebrauch des Olympiodor 
bei Beiden ficher. Und angefichts diefes kann es nun wol aud) kaum 
zweifelhaft fein, daß die ganze ausführliche Erzählung des Zofimus, 
innerhalb deren mir die vielen mörtlid aus Olympiodor entlehnten 
Stellen fanden, eben daher ftammt. Das größere ‘Detail des 30» 
fimus aber bejteht wieder in nichts weiter als in der genauen Auf» 
zählung und Beſprechung der von Sozomenus nur ganz furz ange- 
beuteten Friedensvorſchläge des Gothenkönigs fowie in der Ermwäh- 
nung der vom SKaifer getroffenen Vertheidigungsmaßregeln. Hier 
haben wir eine Bewahrheitung deffen, was wir über das Berhältnif 
zwifchen beiden Autoren und Olympiodor gefagt haben und zugleich 
eine Stelle die als Norm ihres Verfahrens dienen fann. 

Zofimus wendet fich jegt (VI, 1) zur Darftellung der galli= 
fchen Verhältniffe unter Conjtantin, welche wir bereits früher in un- 
fere Unterfuchung gezogen haben. Der Autor wird durd die Er- 
wähnung einer Gejandtfchaft aus Gallien, die den Frieden zwifchen 
Conftantin und Honorius vermitteln fol, darauf geführt, alle jene 
Ereignifje, die der Zeit nach neben die Kämpfe Alarichs fallen, hier 
nachzuholen. — Jene Gefandtichaft aber, die außer der Befeitigung 
des Friedens auch nod) den Zweck hat, den Tod der beiden kaiſerli⸗ 
hen Berwandten, des Didymus und Berinian zu entjchuldigen, fteht 
im engften Zufanunenhang mit den vorher gemeldeten CEreigniffen in 
Gallien und Spanien. 


Erjt mit dem 6. Gapitel des 6. Buches kehrt Zoſimus zu den 
italifchen Verhältniffen zurüd. In diefem legten Theile feines Wer- 
fes behandelt er die Gefchichte des Attalus. Hier ift die Weberein- 
ftimmung mit Sozomenus noch größer al® zuvor, weniger deshalb, 
weil Sozomenus weitläuftiger wird, als vielmehr wegen der bei 30- 
fimus eintretenden gedrängteren Erzählung der Thatſachen. 

Sozomenus berichtet (cap. 8), wie die Geſandtſchaft der Biſchöfe 
vergeblich geweien und Alarich fic) darauf zum zweiten Male gegen 
Ron wendet. Durch die Befegung des Hafens find die Römer 
wiederum rafch zur Ergebung gezwungen. Geheiß des Alarich 


196 

wären ſie Attalus, den bisherigen praefectus urbi, zum Kaiſer 
wählen. Diefer ernennt eine Menge neuer Beamten, unter Anderen 
den Alarich zum magister utriusque militiae, den Athaulf zum 
Comes domesticorum equitum. — Das Alles ftimmt genau mit 
Zofimus (capp. 6. 7), der noch mehrere der neuen Beamten na 
mentlih anführt, unter Anderen auch den Valens, den bereits früher 
genannten Anführer der dalmatifhen Truppen. Wir fahen fchon im 
Anfang der Unterſuchung, daß diefe Meldung hier nicht ganz richtig 
it, weil Valens zuerft noch auf Seiten des Honorius mit Attalus 
unterhandelt. Uebrigens kann hier vielleicht auch eine Namensver- 
wechslung mit untergelaufen fein. Ferner fchildert Zofimus bie 
Stimmung in Rom über den Umfchwung der Dinge, der fich durd 
die Einfegung des Attalus fo eben vollzogen hatte. 

Der Bericht über die erften Regierungshandlungen des Attalus, 
feine vielverheißende Anrede an den Senat, feine Pläne auf die Er⸗ 
oberung Africas, das ſich damals nod) in den Händen des Heraclion, 
eines eifrigen Anhängers des Honorius, befand, bietet in den Dar⸗ 
jtellungen beider Autoren mannichfache wörtliche Webereinftimmung. 


Zosimua VI, 7: Sozomenus IX, 8: 


sn S'lEns napeldwv eis an» yepov-|ovyxalions dE 17» yıepovaiar 
oiav koyov adlaLovssag ytuovıalloyovr dan. uaxpov xai Aaunpwg 
dısäges, ruy Te yav anacav|ucdla nenovnufvov, ünıcyvouuevos rd 
Pwuasosg negınNosj0sıy ue-|narıa 75 ovyrlym goulafır xad 
yelavyovusos za dla Tovmwriınv Alyunıoy zainacav 137 
üntguga, dy' ois Tows veusonauw|ngös Fw dgyouirnv Önajxoo» 
avıw ro Yeiovy Zuslle xas ur ou noldlItalois noınaas xai ö uiv da 
za9aıpy0sıv. alalovsvöusvog ovdi sis Zvian- 
cap. 8: Hlapiyov de ouußovlsvoavrog|zur öloxinpov nuslis Baaslsüg xalsie- 
0p9Iös 'Artilu neuyas uergiavdm'— uavyresı DE TEC» ünaydkis, 
Juvauıv ini dıßün» xai Kap-|ünsoyvovuivos auaynti my 'Agor 
xndova, dia Tavıns 1s napekvccı —338 xadtfew, od 'Alagpiyo 
doyns "Hoaxksıaviv, ws Gy un xallnescoH9n meıpgsay duüranır elo- 
EE coroũ 10 'Oywpiov ygovouvrog XW-|yynoauevo neuyas eis Kapyy 
vun rotç Iyysıpovutvorss ovußain,)dova ini avampicıı Twv “Ovywpiov 
Lig Tosavımıs nagamweocsow "Artekos|agyorıwv, & avytınagarafosıy avıo, 
obx Eiidsro, Tais End Tosg uav-|oöte Iwan. ven. ins 
reos» Ainiow Eavsov didıdovg xaildE Kuvaras TuVro Tois uarısaa Jdökar, 
«uaynıl negınowmosodas Kapyndova|inlevoev eis Kapyndöva, "Arralos de 
xai 10 negi Arßunv anavın neneso-|ini rooovrov EBlußn 10» voov, as unde 
MEVOS: Seen Kuvoravı auyıßallaıy afıouv, alla nensicdhes 
napadidwas twy Ev ı7 dıßun orgauw-|Toös "Agpous Ünnxooug Eye xaıa 
Twy I Aysuoviav, ovdeuiav avud|ıy noöBÖNdW TWy uarıewy ÄnscoToa- 
duvanıy afsuuayov ovreuntiunpas, alla|reveı 5 Paßevvp. 
wv Ev ın Asßun iv adylm xeutvwr 
Insorgarsvsı To Baaılei xarı 
ınv Puaßtevvav uvri. — 


Was das fonjtige Verhältnig der Autoren zu einander betrifft, 
jo fehen wir hier den Sozomenus weitläuftiger als den Zofimus. 
Den Wat, welden ein Dann mit Namen Yohannes dem Attalus 
zur DBejigergreifung Africas gab, erwähnt diefer mit feinem Worte, 


197 


obwol er den Johannes, wie eine andere Stelle bezeugt, als Begim⸗ 
ftiger Alarichs ſehr wol fennt (Zosim. V, 40). Diefer fehr ver- 
fländige Rath, beitand darin, dag Attalus im Namen des Honorius, 
von deſſen Abfegung man in Afrika noch nichts wiffen konnte, den 
Heraclian feines Poftens entheben ſollte. Ebenſo wenig führt Zofi- 
mus das an, was Attalus dem Senat über defjen Neugeftaltung 
fagte. Ich finde den Grund hiervon in ber Kürze der jegt zum 
Schluſſe eilenden Erzählung des Autors. Verſchieden, aber geboten 
und charakteriftiich find die Bemerkungen, welche beide an die jtolze 
Rede des Attalus beim Antritt des Ymperiums fnüpfen. Es folgt 
dann bei Zofimus (cap. 8) die abweichende Erzählung von den Ver: 
bandlungen zwifchen Attalıs und Honorius vor Ravenna, die wir 
bereit8 oben befprochen haben. Darauf aber ftimmen die Berichte 
wieder auf das Bollftändigfte. Es ift bei Beiden die Rede von des 
Honorius Plan einer Flucht nach dem Orient in Folge der von At- 
talus zurüdgewiejenen Friedensbedingungen. Beide erwähnen die un- 
vermuthete Ankunft der 4000 Mann ftarfen 6 Cohorten aus dein 
Orient, denen fofort bei der fchwierigen Stimmung „der anderen 
Truppen, welche ebenfalls Beide bezeugen, die Wache der Mauern 
anvertraut ward. — Zofimus knüpft hieran noch die Erwähnung 
des Planes, den Honorius jett faßte. Der Ausgang der africani- 
ſchen Angelegenheit follte für ihn entfcheidend fein. Hielt ſich Hera- 
clian, fo war der Kaifer gerettet; im anderen Falle ftand ihm die 
Flucht nad) den Often noch immer offen. — Ueber den Verlauf 
der Dinge in Africa erzählt uns Sozomenus noch in demfelben Ca— 
pitel, daß Conſtans, der Abgefandte des Attalus in Africa, durd) 
Heraclian bejeitigt wurde. Diefer hat alsdann die Häfen für die 
nah Rom auslaufenden Schiffe gefperrt. Alsbald nimmt dort die 
Hungersnoth überhand; zur @AAnAoyayta foll man gezwungen ge- 
weien fen. Man hat dies von Rom aus dem Attalus gemeldet. 
Er ift dorthin zurückgekehrt, um mit dem Senat über weitere Schritte 
zu berathen. Alaricy empfahl damals wieder, eine Schaar von 500 
Barbaren nad) Africa zu fenden. Allein Attalus und der Senat 
erflärten fi) dagegen. Da ift es dem Alarich offenbar, daß Gott 
fich gegen des Attalus Herrfchaft erflärt habe. Er läßt ſich mit Hono- 
ring in Unterhandlungen über die Befeitigung dejjelben ein, nach— 
dem er Sicherheit enipfangen hat. — Außerhalb der Stadt muß 
Attalus die Infignien der Herrfchaft ablegen; die von ihm ernannten 
Beamten danfen ab. Honorins erlägt eine Amneſtice, der zufolge jeder 
den ehemals befleideten Rang zurücerhalten ſoll. Attalus mit feinem 
Eohne bleibt bei Yilarih, da er fi) unter den Römern nicht ficher 
glaubt. — Wir vermiffen faſt nichts von diefen Creigniffen in der 
Erzählung des Zofimus (cap. 9. 10. 11). Dagegen geht er wie- 
derum bei verfchiedenen Punkten etwas näher ins Detail, fo 3. 2. 
bei der Edjilderung der Hungersnoth, aus der er eine charakteriftifche 
Epifode erhalten hat, die durch den fehauerlichen Ausruf im Circus: 
‘pretium pone carni humanae’ genugjam bezeichnet iſt. Sonft 


14 


198 


jtimmt Alles: der Tod des Conſtans, Heraclians Mafregeln gegen 
Rom, die Hungersnoth dafelbit, der Plan Barbaren nach Africa zu 
fenden, des Attalus Sträuben hiergegen, Alarichs Gereiztheit in Folge 
davon, endlich die Abfendung des Attalus. In diefem legten Punkte 
ift Sozomenus der ausführlichere, namentlid) in Betreff der Ber: 
handlungen zwifchen Honorius und Alarich. Nur in Bezug auf den 
Ort, an dem des Attalus Abfegung Statt fand, ift er ungenau. 
Zofimus fagt, es fei vor der Stadt in Ariminun gefchehen, Sozome- 
nus bemerkt fchlechtweg: vor der Stadt, und da er zulegt von Rom 
geredet, fo wäre e8 genau genommen hierauf zu beziehen. 

Zofimus hat als thätig bei der Befeitigung des Attalus nod) 
eine Perſon genannt, die Sozomenus nicht anführt, nämlicd) den Jo⸗ 
bins, der erft von Honorius zu Attalus und von diefem darauf zum 
Kaiſer zurückkehrte. Er hat feinen Tiufenthalt bei Attalus größten- 
theils dazu angewendet, um diefen bei Alarich zu verläumden. ‘Dies 
war bekanntlich auch vom Excerpt bezeugt. — Alarich giebt nun, fo 
erzählt Zofimus weiter (cap. 12), den Drängen des Jovius nicht 
gleih nad), bleibt dem Attalus treu, und kämpft in deifen Intereſſe 
in Mittel-Ikalien weiter, während Honorius, geftügt auf Heraclian, 
Unter : $talien zu gewinnen ſucht. ‘Die Thätigkeit des Jovius aljo 
und die Folgen derfelben ftehen in ihrer Erwähnung bei Zoſimus 
unter der Garantie des Excerpts (Olympiod. p. 459), das hier 
wieder den Sozomenus auf willkommene Weife ergänzt. 

Mit der Sataftrophe des Attalus zerfielen, wie Sozomenus 
(cap. 9) erzählt, die Hoffnungen, welche Heiden und Barbaren an 
die Erhebung diefes Mannes geknüpft hatten; jene. weil Attalus 
bis vor Kurzem ein Heide gewefen war, diefe, weil ihn der go- 
thifche Bischof Sigeſar eben jest zum Arrianismus befehrt hatte. 
Von diefer Betrachtung des Sozomenus ift uns nichts weiter be- 
zeugt als die Perfönlichfeit jenes gothifchen Biſchofs Sigefar. 
Dlympiodor nennt ihn bei der Geſchichte Athaulfs als einen An- 
hänger dieſes Gothenkönigs, als Befchüter der Placidia und der 
Kinder Athaulfs, vor den Verfolgungen Singerichs in Spanien. — 
Nicht gar lange nad) Attalus Abfegung, fährt Sozomenus fort, hat 
Alarid) zu Alpes, einem Ort, der von Ravenna 60 Stadien ent: 
fernt ijt, mit dem Kaiſer Unterredungen wegen des Friedens. Dies 
fen ſtellt ſich Carus entgegen, ein Mann gothifcher Abkunft und 
Alarichs Zodfeind. Er fah deshalb den Abfchluß eines Bimdniſſes 
zwifchen dem Kaifer und Alarich höchit ungern. An der Spike ei: 
ner Schaar von 300 Mann greift er die Gothen an und fügt ihnen 
einige Nachtheile zu. In Zorn und Schreden hierüber fehrt Alarich 
zuriick und wendet jich zum dritten Diale gegen Rom. Was Sozo— 
menus jet iiber die dritte Eroberung der Stadt jagt, entbehrt, bei 
dent Abfchluß des Zofimus, der genaueren Controle für unjeren 
Zweck. Auch iſt es zu allgemein gehalten und zu vielfeitig bezeugt, 
um fir den olymmpiodorifchen Charakter ſonderlich bezeichnend zu 
fein, 


199 


Es ijt der Schluß des Zofimus, der zur DVergleichung jetzt 
herangezogen wird. Er erwähnt der Gefangenfchaft der Placidia bei 
Alarih, die wir auch im Excerpt fanden. Wann diefe Statt ge- 
funden hat, iſt ftreitig. Da Zofimus ihre Anwefenheit in Rom 
ausdrüclich bei der erften Belagerung erwähnt, fo nehme ich auch 
an, daß fie damals gefangen worden fei. Die anderen Quellen fün- 
nen nichts dagegen ausjagen, da fie Alle, Chroniken und Kirchen- 
Ichriftjteller, nur genauere Kunde von der dritten Belagerung und 
Einnahme Roms haben und über die vorhergehenden Ereigniffe nur 
höchſt ungenau unterrichtet find. Die Gefangennahme Placidias ift 
für die Gedichte Athaulfs ein folgenfchweres Ereigniß, und da man 
dies nicht übergehen fonnte, fo glaubte man mit Wahrfcheinlichkeit 
das Factum auf die am Belannteften gewordene und aud) erfchüt- 
terndjte Einnahme Roms beziehen zu müſſen. — Die betreffende 
Meldung im Excerpt ift von feinem Gewicht, denn was dort gefagt 
wird, muß, wie wir uns jegt überzeugt haben werden, auf alle drei 
Einnahmen Roms bezogen werden. 

Im Mebrigen hat Zojimus hier wieder flüchtiger gearbeitet als 
Sozomenus. Er weiß nur, daß Alarich gegen Ravenna marfcierte, 
um mit Honorius Frieden zu machen; dag Carus, der damals nur 
mit 300 Mann in Picenum weilte und weder dem Honorius noch 
dem Alarich fich anfchliegen wollte, jenen Frieden aus alter Feind- 
ſchaft gegen Athaulf vereitelte, indem er vor einem Angriff defjelben 
fliehend, fich dem Honorius in die Arme warf. — Die im Anfang 
dieſes Schlußcapitels ftehende Meldung von der Erhebung des Con— 
ftans zum Imperator, umd was dort noch weiter von den Verhält- 
niſſen in Gallien erzählt wird, werden wir ohne Weiteres in den 
fchon näher beleuchteten Zuſammenhang der gallifchen Angelegenheiten 
vermeifen können. — In dem übrigen Anhalt des 13. Capitels 
finden wir genug des Webereinjtimmenden. Die detaillirte Angabe 
von der Zahl der Krieger, welche Carus umgaben, diefen gleichmä— 
Big bei beiden Autoren als Hinderniß des Friedens zwilchen Alarid) 
und dem Kaifer dargeftellt — alles diefes haben wir aud) im Ex—⸗ 
cerpt gefunden, welches ebenfo die Feindſchaft zwifchen Alarich und 
Carus bezeugt, wie auch die zwifchen Carus und Athaulf (Olym- 

iodor p. 457), auf die fi Zofimus abweichend von Sozomenus 
ezieht. — Es fällt uns endlich noch ein Auseinandergehen der 
Quellen ganz gegen Schluß des Capitels auf. Bei Zofimus näme 
(ich flieht Sarus vor einem Angriff Athaulfs zu Honorius, bei 
Sozomenus greift Sarus den Alarich an, der entrüftet darilber die 
Verhandlungen abbricht und gegen Rom zieht. Diefe Abweichung 
halte ich für fcheinbar, denn die Berichte decken fich nicht mehr, fon- 
dern Sozomenus geht in feiner zufanmenfafjenden Weife ſchon über 
das Maß deifen hinaus, was Zofimus überhaupt bis zum Ende 
feines Buches meldet. Sozomenus verfchweigt ſomit den Webergang 
des Sarus zum Kaifer, den wir in der That vermiffen, weil dadurd) 
der Zufammenhang wefentlich geftört wird. Cin Angriff des Sarus 
14* 


200 


mit feinen 300 Mann vor dem Uebertritt zum Kaifer wilrde Alo- 
rich fchwerlich ſehr berührt haben. 

Wir find zu Ende mit der Vergleihung der Texte, die wir 
anjtellten, um das letztgenannte Fragment des Excerpts zu prüfen. 
Alle thatfächlichen Einzelheiten haben wir wieder gefunden; nur waren 
fie dort willfürlich verbinden gemwefen. Ihre eigentliche Folge und 
ihr ganzer Zufammenhang hat fich durch jene Vergleihung nunmehr 
fejtgejtellt. 

10. Ich habe endlich noch eine merkwürdige Uebereinſtimmung 
beider Autoren in einer Meldung zu conftatiren, welche eine anti- 
quarifche Notiz enthält. Es handelt fi) nämlid) um die Gründung 
der Stadt Emon (Emona) in Bannonien, die, wie beide melden, von den 
Argonauten ausging, als diefe vor dem König Aetes flichend, aus 
dem Pontus in die Iſtermündung einlaufend ftromaufwärts bis nad) 
Bannonien fommen und dort überwintern. Damals begründen fie 
Emon, und ald wieder Sommer wurde, zog man das Schiff 400 
Stadien weit über das Yand ind Meer und fuhr dann weiter. Es 
folgen die Texte: 


Sozomenus J, 6: Zosimus V, 239: 


Unfer Autor bat eben von den Grfols|redet von dem Aufenthalt Alarichs in 
gen geredet, die Gonftantin der Große: &mona und fügt dabei den Mythus 
über Marentius davon getragen, und von der Gründung der Stadt fehr 
wie durch ihn aller Orten das Chriſten- paſſend ein. 

thum zur Geltung gelangt, bei denen 





0003 10 ng Ovußpıw norauovy wxou» 1005  Apyovavtas yacıy uno zov Aly- 
x«i rov 'Hoıdavör, 69 Iludov ol £imı-;tov diwxoutvoug Teig eis 109 ITorvıov 
ywopsos xalov, xai Tov "Axuliv, sis Ixßolais Tod "Iorguv npoGopuCFHr«N, 
öy Auyos zuteilxvodjvas my 'Apyw xas,xpivai te zalwg Zysıv dia ToVTOV npüs 
ngös to Tußönvwr dieowdnvas nelayos'.avtov, ı0v boy avaydiyaı xai yeygs 
ob yap ’Apyovavını Toy Alntmy yev- Tooovtov dianlsucas Tov norauov sipe- 
yovrss 00 Tüv adıöv nlouy dv Ty Inav- ag xas nvevuaros Enımdeiov g.opK, 
odw Enomoavro‘ nepamwtvres dE ν ueygıs av 17 Yaldaon ninnaitegos yE- 
unto Zxudas Ialacoıy Jin Twy Tnde vowro. nodfavrs de önse LIyvuoar, 
notauwavy ayixovro es Itukwv pa Ensıdy zarı Tovrow Eyevovro tovy rönor, 
xai yesudoavıss Evravda nölw Exoav uynuny zaralsınovisg INS Og.8TEpaS agi- 
"Huova npooeyopsvousvgv‘ ou de - Fewg 109 Ins nolsws olxıauor, unya- 
vous Inıxaralaßovıog avunpafarıwv veig ImiFEvres ıyv ’"Apyo xai Terpaxo- 
avrois twvy Inıywgiwv, auyi Tods TE- oiwv aradiwv ödor äyos Ialacayg &- 
Toaxodioug oradsous uno unyarıs EA- xzicavuıs, ovIw Tais Osooalwr dxreis 
xovres Tnv Apyw dia yns Eni row "Axv- nE00WpuICHNEaV, ug 6 Nosnmys baropsi 
lıw norwuov nyayov, us to 'Hosdav Ilsisavdgos ö 15 Twr Yowixur Isoya- 
ovußallıı. Hodavös de eis Tyv zur uıwv inıypag Nnacav ws einsiv boro- 
Irahvös Fclacouv rüs Exßolas Eyes. |piav nepilaßur. 


Diefe Meldungen werden, wie wir fehen, in fehr verfchiedenem 
Zuſammenhang gegeben. Bei Zoſimus fand die Notiz einen fehr 
geeigneten Plag, ganz entſprechend der ſchon oben betrachteten über 
Ravenna. Zoſimus beruft fich nun ausdrücklich auf den Pifander, 
der in einem Epos jenen Mythus weitläuftiger gegeben haben foll. 
Tabei fragt es fid), hat Zofimus diefe Notiz direct aus dem Piſan⸗ 


201 


Der entnommen oder fand er fie im Olympiodor mit dieſem Hinweig 
und las alsdann vielleicht erft den Pifander nad). Ich bin von dem 
Vetzteren überzeugt, denn gerade fo ſteht e8 mit der Meldung über 
Ravenna (ſ. o. S. 170): Zoſimus fand hierüber etwas im Olyınpio- 
dor, das er näher unterfuchte, dabei kam er auf eine abweichende 
Anficht, Für die er ſich auf den Guadratus berief; foweit er alfo 
den Olympiodor controliren Fonnte, that er c8. Hier ijt er ebenfo 
darauf geführt, das Citat des Olympiodor aus der Quelle nachzu— 
leſen. Dabei fand er feinen Grund, den Autor, von dem er 
hier nicht abweicht, befonders zu nennen, fondern er durfte fid) direct 
auf den Pifander berufen. Daß aber im Olympiodor die Meldung 
über Emon enthalten war, ift uns infofern verbürgt, als das Er- 
cerpt zeigt, daß Olympiodor mit Vorliebe auf dergleichen Erzählun- 
gen kam, und daß er aud in der altgriechifchen Literatur ganz gut 
bewandert war. Bezeichnend hierfür ift, was im Excerpt noch über 
die Dafen enthalten ift, wo Olympiodor den Herodot fowie den 
Herodorus über Orpheus und Muſäos erwähnt und fogar eine Bemer- 
fung über Homers eigentliche Heimath einflicht (p.463; Phot.biblioth. 
L p. 61. 1). Endlich liegt es denn doc) aud nahe genug, bei 
Sozomenus denfelben Grund der Uebereinjtimmung mit Zoſimus ans 
zunehmen wie bisher immer, d.h. eben die Benugung des Olympiodor. 
Sozomenus wäre ſchwerlich auf jene Meldung gekommen, die oben« 
drein auffallend Lofe in den Zufammenhang eingefügt ift, wenn er- fie 
nicht in einer aud) fonft von ihm benutzten Quelle gefunden hätte, 
Jenes unpaſſende Einjchieben aber jcheint mir gewifjermaßen ein 
Beweis dafür, daß jid) Sozomenus hier näher an den eigentlichen 
Olympiodor gehalten hat als Zolimus. 


Wir haben fo den ganzen Tert des Zofimus und Sozomenus, 
foweit er in Betracht fam, in unfere Unterfuchung gezogen. Dabei 
fanden wir, daß es eine nicht unbeträchtlicdhe Anzahl von Stellen 
war, in denen wir direct den Einfluß des Olympiodor nachweifen 
fonnten, und zwar gejtügt auf die wörtliche Webereinftimmung ein« 
zelner Pafjus in den drei Zerten oder auf die völlige Gleichheit ganz 
detaillirter Angaben. Mit diefen Kriterien war indeß einem fehr 
großen Theile des Materials nicht beizufommen, weil jeder von den 
beiden Autoren und namentlich Zofimus mandjerlei gab. was der 
Andere nicht hatte. Dies mußten wir nad) folgenden Gefichtspunf- 
ten gruppiren. Bei Sozomenus waren es entweder felbjtändige Be: 
trachtungen von feinem Standpunkt al8 chriftlicher Ktirchenfchriftfteller, 
oder es ließ ſich geradezu ber Einfluß einer anderen Cuelle (des 
Socrates) nachweiſen. Alles Andere erwies ſich ald ein gedrängter 
Auszug aus Olympiodor. Bei Zofimus ſchieden wir den ganzen 
Bericht gewiſſermaßen in eine Darftellung der äußeren Creignijfe, 
deren Hauptheld Alarich ift, und in eine Erzählung der Begebenhei- 
ten in der unmittelbaren Umgebung des Kaiſers. Dieſe letztere be= 
zog fi) auf die Verhältniffe bei Hofe, auf die Veränderungen da- 


202 


felbft und im Heere, auf die Stimmung der Truppen. In dem 
einen Theil berichteten Zofimus und Sozomenus dafjelbe, nur erſte⸗ 
rer in größerem Detail; in den Nachrichten des anderen Theiles 
ftand Zofimus faft ganz allein. Ob nun jenes Mehr des Zoſimus, 
das fich nicht genauer weder aus Sozomenus noch aus dem Excerpt 
controliren ließ, ebenfalls aus Olympiodor ſtammt, darüber mußte 
allemal der ganze Zuſammenhang entfcheiden, innerhalb deſſen wir 
die mit Sozomenus übereinftinmenden Notizen vertheilt fanden. Ich 
hoffe e8 wird fich ergeben haben, dag wir aud fo faft durchweg den 
Olympiodor im Zofimus wiederfinden, und daß die Angaben, die er 
mehr al8 Sozomenus enthält, nur Zeugniß für die Kürze des Letzte⸗ 
ren ablegen. — Was den anderen Theil der Erzählımg des Zofimus 
anbetrifft, die innere Gefchichte, fo fanden wir, daß die Beziehungen 
zu den äußeren Verhältnijfen meift ganz eng und untrennbar waren. 
Demnach konnten wir auch hier die Art des Zufammenhanges als 
das mwichtigite Kriterium fefthalten. Andererſeits gab hierfür das Er 
cerpt des Photins mancherlei Anhaltepunkte, die zeigten, daß Olym- 
piodor auf folche Verhältniſſe wie die oben angedeuteten ein befon- 
deres Augenmerf hatte und fie mit Vorliebe gab. Und fahen wir 
die äußere Sefchichte bei Zofimus aus Olympiodor hervorgehen, fo 
durften wir auf Grund des eben Angeführten mit großer Wahre 
Scheinlichkeit dafjelbe für die innere annehmen. Wenigjtens lag es 
jehr fern, hierfür den Einfluß einer anderen Quelle zu ftatuiren. 
Es ließ ſich indeß nicht verhehlen, daß in manchen Punkten 
auch dem Zofimus eine gewiſſe Selbftändigfeit zuzufprechen war. 
Kine folhe wurde hie und da durch die fcharf ausgeprägte, heidnifchs 
apologetifche Anfchauung des Autors veranlaft. Namentlich fanden 
wir folde Stellen davon gefärbt, an denen derfelbe pragmatifirte, 
Olympiodor ijt allerdings auc Heide gemefen, allein wir bemerfen 
nicht, daß feine Erzählung davon berührt wird. Auch Photius er: 
wähnt nichts davon, obwol er e8 bei Zofimus geradezu hervorhebt 
(Biblioth. cod. 98). Olympiodor feheint ſich überhaupt nicht auf 
Pragmatit oder irgend weldye Nutzanwendung und Betrachtung ein 
gelajfen zu haben. Ihm war e8 genug in feiner dAn aud) commen- 
tirende Beiträge zur Zeitgefchichte zu geben. Außerdem mochte bie 
Dedication feines Werkes an den Kaifer Valentinian (Vorrede des 
Photius zum Excerpt) ihm bei Auslaffungen über das Heidenthum umd 
gegen das Chriſtenthum einigermaßen Beichränfung auferlegt haben. 
Indeſſen wenn auch Zofimus ſtets davon ausgeht, daß der Fall des 
Römerthums durch das Verlaffen des alten Cultus bedingt gewefen 
jei, wenn er auch demgemäß die Ereigniffe in feiner Darftellung ge- 
färbt hat und alles durch die Barbaren hereinbrechende Unheil dar- 
nad) deutet: hier, meine ich, wird das der Wahrheit wenig Abbruch 
gethan haben. Denn die römische Welt war damals in einem fo 
verfommenen Zujtande, daß aud) der eifrigfte Deibe ohne weiteres 
Hinzuthun genug Argumente daraus entnehmen konnte. Sonad) er- 
gab fi von diefem Gefichtspunft aus nichts weniger als eine die 


203 


Wahrheit entftellende Selbftändigfeit des Zofimms. Nur bie eine 
oder die andere gleichgültige Betrachtung gab Zeugniß von jener, 
namentlich in den erjten Büchern unfers Autors, hervortretenden 
Anfchauung. — Aber aud) abgefchen Hiervon war der Bericht des 
Zofimus nicht ganz frei von Unrichtigfeiten, die wir dem Olympiodor 
nicht zur Laft legen durften. Dahin gehörten uamentlich feine Ver: 
ſehen in ethnographifcher und geographifcher Beziehung, die uns 
mehrfach aufftießen. Diefen Irrthümern konnte nur unflare Vor: 
ftellung oder Unwiſſenheit zu Grunde liegen, ſchwerlich der Gebrauch 
einer Quelle wie Olympiodor, der durch feine vielen Reifen gut orien- 
tirt fein mußte. — Werner hatte Zofimus regelmäßig da auf eigene 
Hand geirrt, wo er auf Ereigniffe fam, die er im Olympiodor nur 
angedeutet, aber nicht ausgeführt fand, da fie unmittelbar vor die 
Zeit fallen, in welcher Olympiodors Werk beginnt, alfo vor 407. 
Bon diefem Gefichtspunft aus betrachtete ich) Zofimus Erzählung 
über NRhadagais, über den zweiten Aufenthalt Alarichs in Syrien, 
über die Züge der Alanen, Bandalen und Sueven. Zofimus hatte 
bei feiner fonftigen mangelhaften Kenntniß der Ereigniffe vor 407 
— die fih am Offenbarjten durch die Lücke in der Gefchichte Ala- 
rih8 von 396—406 manifeftirte — die Andeutungen de8 Olympio⸗ 
dor falſch verftanden und fie nad) eigenem Wiffen zurecht gelegt. 
* jene Irrthümer, die wir im Zuſammenhang näher betrachtet 
aben. 

Endlich haben wir noch wahrgenommen, daß Zoſimus auch einige 
Male ſeine Quelle inſofern mangelhaft benutzt hat, als er nicht 
alles Detail, welches Olympiodor bot, in ſeine Erzählung hineinzog, 
obwol es nad) Maßgabe der ſonſtigen Faſſung ſehr wol Platz ge— 
funden hätte, und durch dieſes unzweckmäßige Kürzen in einem Falle 
der Darſtellung weſentlich Eintrag geſchah. 

Alles dieſes, was wir im Bericht des Zoſimus als von Olym⸗ 
piodor abweichend und hinter deſſen Erzählung zurückbleibend gerügt 
haben, iſt indeß von verhältnißmäßig geringer Bedeutung. Auch con⸗ 
centrirt ſich das Allermeiſte davon auf das mangelhaft gearbeitete 6. 
Buch, wenn man nämlich die 13 Capitel, welche dem 5. Buche fol 
gen und gar feinen Abfchluß zeigen, fo bezeichnen kann, während die 
übrigen Bücher faft alle die drei und mehrfache Ausdehnung haben. 
Hier fanden wir die verworrene und Tüdenhafte Darftellung der 
Berhandlungen zwifchen Attalus und Honorius, Verfehen in geogra- 
phiſcher und chronologifcher Beziehung, die falfche Auffafjung von 
dem Marſch der Barbarenvölfer 406, das abmehmende Detail — 
kurz, das Ganze machte den Eindrud, als fei es aus minder ruhiger 
und ungejtörter Arbeit hervorgegangen. 

Ich möchte dies zur Motivirung der übrigens nicht mehr neuen 
Anficht benutzen, daß Zofimus an der gleichmäßigen Vollendung des 
ganzen Werkes durch äußere Veranlaſſung gehindert fei, wonach 
eine mangelhafte Ueberlieferung des Textes ausgefchloffen it. Eine 
folche müßte nun auch ſchon ziemlid, alt fein, da bereits Photius 


204 


den Text des Zoſimus in derfelben Geftalt in der „neuen Ausgabe“ 
fennt wie wir. 

‚ Abgefehen aber von diefen Ausftellimgen ift die Erzählung bes 
Zofimus im ganzen 5. Buche und einem großen Theile des 6. eine 
tadellofe, in ſich zuſammenhängend, ohne irgend welche gezwungene 
Verbindung, durchaus gleichmäßig im Ton und in der Auswahl des 
Details; hervorgegangen, wie wir meinen, aus einer größtentheils ver- 
ftändigen und auch forgfältigen Benugung feiner Quelle, des Olympiobor. 

Es ift auffallend, daß diefe Wahrnehmung dem Photius ent- 
gangen ift. Er hat beide Autoren genau gefannt. Bei dem leb- 
teren führt er fogar ausdrüdlih an, daß feine Gefchichte dem 
Eunapius entnonmmen fei; er erwähnt aber nicht, daß Zofimus ſich 
irgendwie auf Olympiodor geſtützt. Wir haben in feinem bitrf- 
tigen Excerpt noch wörtliche Webereinftimmungen mit gofimug ge: 
finden. Um wie viel mehr muß ihm dies bei feiner Stenntniß des 
wirklichen Olympiodor in die Augen gefallen fein. Nach allen was 
wir ausgeführt haben, kann das aber für die Beurtheilung der Sache 
felbft nicht weiter in Betracht fommen, uns in der hier dargelegten 
Anficht über das Verhältniß der Autoren nicht irre machen. 





Beiträge zur Geichichte ded Geld- und 
Münzweſens in Beutichland. 


Erfter und zweiter Abſchnitt. 
Bon 


Ad. Sortbeer. 


Erfter Abſchnitt. 


Das Geldweien der Germanen bis zum Untergange des 
weſtrömiſchen Reichs, 


——- 1. — — 


vr 
Jedes Bolt, welches nicht im Zuftande ber roheften Barbarei Lebt, 
wird dasjenige, was man unter dem Namen „Geld“ begreift, d. h. 
ein allgemeines Tauſch- und Zahlungsmittel, und damit zugleich ei- 
nen Werthmaaßjtab fennen und in irgend einer, wenn auch anfangs 
noch mangelhaften Weife, in Anwendung bringen. Es iſt nicht noth- 
wendig, daß Metalle zu diefem Zwecke benugt werden. Muſcheln, 
Sacaobohnen, Stüde Salz, Pelzwerk, Tabad, Vieh und mandye an 
dere Gegenitände haben zu Zeiten bei verfchiedenen Völkern den Dienft 
des Geldes erfüllen müffen, und zum Theil ift dies befanntlich ſelbſt 
heutigen Tages noch der Fall. 

Insbeſondere hat das Vieh, namentlich Rinder und Schaafe, 
bei mehreren Völkern, welche fpäter einen hohen Grad ver Livilifa- 
tion erreicht haben, in frühejter Zeit die Stelle des Geldes verjehen. 
Es find damit Bußen entrichtet, forftige Zahlungen geleiltet und 
Gegenftände eingetaufcht, ſowie im natürlichen Zufammenhange hier- 
mit überhaupt der Betrag und Werth jener ‘Dinge durch eine be= 
itimmte Anzahl von Stüden Vieh ausgedrüct worden. Dieſer Ges 
brauch konnte auch dann nod) eine Zeitlang fortdauern, als nachher 
Gold und Silber befannt und begehrt wurden und man Stüde die- 
fer - Edelmetalle oder auch Kupfer und Erz als Zahlungsmittel zu 
benugen anfing. Dan findet das Viehgeld als Anfang des Geld- 
weſens bei Griechen, Römern und Gerinanen in ganz ähnlicher Weife. 

Wer erinnert fi) nicht der manchen Stellen in den Gefängen 
Homers, wo Sklaven ober Anderes für eine beitimmte Zahl Rin- 
der gekauft werden, oder doc der den damaligen Werthmaaßjtab 
deutlich vor Augen ftellenden befannten Verſe: 

„Jetzt ward Glaukos erregt von Zeus, daß er ohne Belinnung 
„Segen den Held ‘Diomedes die Rüftungen, goldne mit ehrnen, 
„Wechfelte, Hundert Farren fie werth, neun Farren die andern“ !. 


! Diss VI, 234 ff. — Cine andere, die Anwendung bed Bich: Geldes 


208 


Daf bei den Römirn in ältefter Zeit Vieh die Stelle der ſpä⸗ 
teren Münze vertrat, ergiebt fich unverkennbar aus dem beibehaltenen 
Namen ‘pecunia’ und aus noch anderen Anzeichen. Die dem Staate 
zu zahlenden Bußen waren urfprünglid) in einer gewiljen Anzahl 
von Stüden Vieh angefekt und in diefen zu entrichten, woraus für das 
Gemeinwesen ein Beſitz an Vieh hervorgehen mußte. Wer dies dem 
Staate gehörende Vieh als fein Privat-Cigenthum behandelte, machte 
fich des hiernad) benannten Verbrechens, des “peculatus’ ſchuldig, mit 
welchem Namen dann fpäter allgemein die Unterfchlagung öffentlicher 
Gelder bezeichnet ward. ALS bei weiterer Entwidelımg des Verkehrs 
das Erzgeld an die Stelle des Viehgeldes trat, ward diefer Ueber: 
gang dadurch bezeugt, daß den abgewogenen Metallſtücken anfangs 
der Stempel eines Ochſen oder Schaafs aufgedrüctt wurde, vermuth- 
ih um den gewohnten Werthinaaßftab auf das neue Zahl- und 
Tauſchmittel zu übertragen und den Uebergang vom Vichgelde zum 
Metaligelde zu vermitteln !. 

Bei den Germanen hat ebenfalls das Vieh im Anfange und 
noch längere Zeit hindurch den Dienjt des Geldes hauptfächlich ver: 
fehen müſſen, wie dies mehrfach in unzweidentiger Weife bezeugt wird. 
Bor Allem giebt auch hier die Spradjye die gewichtigften Belege. 
Wo wir in unferer Bibelüberfegung das Wort ‘Geld’ oder einen 
entfprechenden Ausdrud leſen, da hat die gothifche Lebertragung des 
Ulphilas meiftens das Wort “faihu’, d.i. Vieh? Ein althochdeut- 
ches Gloſſar überſetzt “pecunia’ einfach durch ‘fihu. Im Alt 
ſächſiſchen (im SHeliand) ift “fehu’, im Angelſächſiſchen ‘feoh’, 
im Alt-Frieſiſchen “fia’, im Altnordifchen ‘fe’ der gemeinfame 
gewöhnliche Ausdruck für Geld, und wird im Iegteren Geldftrafe 
durch ‘fegiald’ bezeichnet. Vieh umfaßt hierbei damal®, wie ‘pe- 
cunia’ und das heutige Geld, die beiden an ſich wefentlich ver- 
Ichiedenen, allein vielfady in einander übergehenden Begriffe: Tauſch— 
mittel und Vermögen. Die Vebereinitimmung diefer Bezeichnung in 
den verfchiedenen alten germanischen Dialeften bezeugt deutlih, daß 
die Sache felbit, das Viehgeld, bei allen germanischen Stämmen ural: 
tes Herkommen gewejen fein muß. 


befonberd Far barlegenbe Stelle findet fi) Dies XXIU, 700 ff.:. 


Peleus Sohn nun ftellte noch andere Preife des Kampfes, 

Erſt dem Siener den großen und feuerbetretenden Dreifuß, 

Welchen an Werth zwölf Rinder bei ſich die Danaer ſchätzten. 

Doch dem Befiegten flellt er ein blühendes Weib in ben Kampfkreis, 
Klug in mandyerlei Kunſt und geſchätzt vier Rinder an Wertbe. 


I Plinius hist. nat. XVIII, 3: Servius rex ovium bovumque_ effigie 
primus aes signavit; XXXIII, 13: Servius rex primus signavit aes; antea 
rudi usos Romanos, Timaecus tradit. Signatum est nota pecudum, unde et 
pecunia appellata. — Varro R. R. II, 1: Et quod aes antiquissimum, quod 
est flatum, pecore est notatum. Plut. Poplic. 11. — Das Ältefte Statifch: 
Römiſche Metallgeld waren GErztafeln mit dem Stempel eined Rindes, wie 
mehrere noch vorbanden find. 

2 Evang. Marc. 14, 11: fie verhießen ihm „Gelb zu geben“ (deyugsor 


209 


Es fehlt aber auch nicht an fonjtigen gefchichtlichen Belegen, 
aß bei den alten Germanen Vieh das urfprüngliche Geld geweſen, 
och auch an einzelnen indentungen über gewille Modalitäten diefes 
Hebrauchs. PVergegenwärtigt man fi) das wirthfchaftliche und ge- 
ellfchaftliche Leben der Germanen vor ihrem Bekanntwerden mit rö- 
nifchen Einrichtungen und Sitten, und damit zugleich mit römifchern 
Helde, fo erjcheint der Natur der Sache nad) Vieh als der bei Wei- 
em wichtigjte und bedeutendfte DBeitandtheil ihres Vermögens und 
8 ein für ihre damaligen Zuftände im Ganzen genügendes Zah: 
ungsmittel. Die Freien, welche das eigentliche Wolf bildeten und 
ıeben denen der übrige größere Theil der Bevölferung in Rückſicht 
8 Rechts und des Beſitzes fehr wenig in Vetracht fam, lebten in 
Dörfern oder auf ihren Höfen, umgeben von ihren Hörigen, welche ihnen 
ya8 zum Unterhalt Erforderliche unmittelbar als Naturproduct zu 
tefern oder anzufertigen hatten oder fonit Frohndienfte leiften mußten. 
Weder die Freien noch die Hörigen brauchten alſo für die gewöhnli⸗ 
hen Bedürfnijje Geld, und nod) weniger bedurfte man des Geldes 
zu regelmäßigen Abgaben an das Gemeinwefen. Bei etwaigem Er- 
werb von Grundeigentbum, von Sklaven, Pferden, werthvolleren 
Waffenſtücken und ähnlichen Dingen fonnte für gewöhnlich der reine 
Tauſchverkehr nothdürftig ausreichen, ohne Dazwifchenfunft von ei- 
pentlichen Gelde. Wo das Geld aber auch bei den damaligen wenig 
entwickelten volfswirthichaftlichen Werhältnijfen der Germanen nicht 
füglid) entbehrt werden fonnte, das waren vor Allem die zur Auf: 
rechthaltung des Nechtszujtandes und öffentlichen Friedens für den 
Fall einer Verlegung vorgefchriebenen herkömmlichen Bupzahlungen. 
Hierbei mußte das Bedürfnig eines bejtinnmten Werthmaaßjtabes ſich 
bon Anfang an als unentbehrlid) herausitellen. “Der Urfprung jener 
Bußen wird aber fchon deshalb in die älteften Zeiten der Germanen 
zu verlegen fein, weil diefelben mit dem ganzen Weſen ihrer Rechts⸗ 
entwiclung genau zufammenhängen, und weil in der Auffaffung die 
fer Bußanfäge, im Allgemeinen wie in vielen Einzelheiten, bei den 
verfchiedenen germanifchen Völfern, von denen man hierüber für die 
älteren Zuftände nähere Angaben hat, eine ınerfwürdige Ueberein- 
ftimmug oder doch Analogie angetroffen wird!. Die fehr ins Ein- 
zelne gehenden Beftimmungen des Wergeldes und der Bußen, bei 


dovvas) Tautet bei Ulphilas ‘faihu giban’. Habgierig wird von ihn durd) 
faihu gairns’ ausgedrückt. Man veral. auch von Richtbofend Altfrieſiſches 
Wörterbuch unter ‘fa’. Wo ber Tateinifche Tert eines Gejeted jagt: cum 
pecunia emendare, hat der altfriefifche Tert: ‘mith fia beto’. 

Im Altfriefifhen bat auferdem das Wort ‘sket’ fowohl die Bedeutung 
Vieh als Geld. „IN dieſes sket, schat (pecunia) von schet (pecus) zu ſchei⸗ 
den, oder bedeutet sket wie fia urſprünglich pecus, dann pecunia, und iſt Die 
erfte urfprüngliche Bebentung nur den andern beutfchen Sprachen verloren 
gegangen”? Richthofen a. a. DO. 

2 Auch bei den alten Perfern erfcheint Vieh als Geld, und zwar nas 
nientlich bei Bußen. „Im Geſetze Zoroafters werden Geldbußen mit Vieh er- 
legt”. Vergl. Spiegel, Aveſta I, ©. 90 fi. 94 ff. 206. 291. 


210 


denen der Natur der Cache nad) jede Willfür möglichft ausgefchloflen 
fein mußte, fegen nothwendig das VBorhandenfein eines anerkannten 
üblichen Werthmaaßſtabes voraus, und als folcher war, wie bei den 
alten Römern, jo aud) bei den Germanen das Vieh das nädjitlie 
gende Auskunftsmittel. 

Es wird aber aud) durd) ausdrüdlide Zeugniſſe des Tacitus 
bejtätigt, daß diefes Wergeld und diefe Bußen in einer genau be 
ftinnnten Zahl Stüde Vieh beſtanden, denn es Heißt in feiner Ger- 
mania (ap. 21): „Ein Zodfdjlag wird mit einer beftimmten An- 
zahl von Zugthieren oder Heinerem Vieh gebüßt, und es nimmt das 
ganze Haus die Sühne an“ ; — und au einer anderen Stelle (Kap. 12): 
„Auch bei leichteren Vergehen finden Abjtufungen in den Straffägen 
jtatt. Wer überführt ift, wird um eine Anzahl Pferde oder Vie) 
geitraft. Ein Theil der Buße gehört dem Könige ober der Gemeinde, 
ein Theil wird dem, zu deſſen Gunjten das Gericht einfchreitet, felbit 
oder jeinen Verwandten gezahlt“ '. 

Ein Zeugniß für die Bedeutung des Viehs Hinfichtlich der Ver: 
mögensverhältniffe der Germanen in den Zeiten vor ihrer näheren 
Berührung mit den Römern darf man wohl auch in einer Stell 
finden, wo Caejar (de bello Gallico VI, 35) von den in das 
Land der Eburonen eingefallenen Sicambern meldet: „Sie bemäd; 
tigten fid) einer großen Menge Vieh, auf deſſen Befig die Barbaren 
bejonders erpicht find“. In fpäterer Zeit waren Edelmetall und 
fonftige Koftbarfeiten das hauptſächliche Augenmerk der Beuteluft der 
Germanen. 

Ganz bejtimmt fpricht fih Tacitus über die allgemeine Bedeu 
tung des Viehes für die wirthfchaftlichen Zuftände der alten Ger: 
manen, wie folgt aus (Germania Kap. 5): „Das Yand ift reich an 
Bieh, allein dies iſt meift unanſehnlich; nicht einmal das Rindvieh 
behauptet feine ftattliche Geftalt und den Schmuck der Stirn; nur 
die Zahl freuet fie, und das ift ihr einziges und liebſtes Vermögen“. 

Das Vieh ift indeß verfchiedener Art, und foll durch baffelbe, 
was ja mit der weſentlichſte Zweck des Geldes ift, zugleich ein all- 
gemeiner Werthmaaßſtab gegeben werden, fo iſt es ein nothmendiges 
Erforderuig, ein für alle Dial eine bejtimmte Art Vieh ale Norm 
anzuerfenmen, wonad) dann der Werth des übrigen Viehs in her: 
kömmlicher Weife zu berechnen if. Was nun bei den alten Deut: 
chen als diefe Norm galt, darüber ift ums eine directe pofitive An- 
gabe nicht befannt. Mehrfache Anzeichen fcheinen indeß deutlich ges 
nug darauf hinzuweifen, dag beim alten deutfchen Viehgelde eine ge- 
wöhnliche gefunde, mildygebende Kuh ale Wertheinheit galt, und daf 
demgemäß fonftiges Vieh (Pferde, Ochſen, Külber, Schaafe, Ziegen 


? Tacitus Germania, Cap. 21: Luitur enim cetiam homicidium certo 
arımentorum ac pecorum numero, recipitque satisfactionem universa domus. — 
Cap. 12: Sed et levioribus delietis pre modo poena: cequorum pecorumque 
numero convicti mulctantur. Pars mulctac regi vel civitati, pars ipsi, qui 
vindicatur, vel propinquis ejus exsolvitur. 


211 


und Schweine) nad) Kuhwerthen berechnet wurden. Es bdilrfte dies 
auch der Natur der Sache am beften entfprechen, da die Kuh für 
die damaligen wirthichaftlichen Verhältniſſe wohl als das wichtigite 
Thier, und ihr Werth im Vergleich mit dem anderer Arten Vieh, im 
Ganzen genommen, als ziemlich gleichmäßig anzufehen fein wird. 

Zu den Anzeichen für die Richtigkeit diefer Annahme möchten 
wir vor Allem den Umſtand rechnen, daß in den alten nordifchen 
Rechtsquellen die Kuh es ift, die als ältefte Wertheinheit, als cin 
feiter Werthmaaßſtab für die Schäßung des fonftigen Viehs erfcheint. 
Als die fchriftliche Aufzeichnung der älteſten nordifchen Rechtsbücher 
ftattfand, hatte fich ſchon feit längerer Zeit die Rechnung nach Mar: 
fen Silber oder damit zufanunenhängenden Wertheinheiten dort ver- 
breitet, allein die urſprünglich üblich geweſenen Rechnungs- und Zah: 
lungsweiſen, welche mit dem Leben und den Anfchauungen des Volks 
fo eng verwachfen find, treten defjenungeachtet noch deutlich hervor, 
und zwar mitunter als deren unverfennbare alte Grundlage. 


Es ift durch zahlreiche Beijpiele und einleuchtende Analogien 
befannt, wie vielfach die alten nordifchen Zuftände und Einrichtuns 
gen, wenngleich die Aufzeichnungen über diefelben viel fpäter fallen, 
nit dem urfprünglichen deutjchen Herkommen übereingejtinmt haben. 
Dan muß fid) freilich fehr in Acht nehmen, in folhen Echlußfolge- 
rungen da, wo die Weberlieferungen der deutfchen Vorzeit hierzu feine 
genügenden Anhaltspunkte geben, zu weit zu gehen und dasjenige, was 
möglicher Weife bei den alten Deutfchen urfprünglich eine gleiche 
Entwidelung gehabt haben kann, wie wir ſolche in den viel fpäteren 
ſtandinaviſchen Aufzeichnungen angedeutet finden, nun gleich als wahr: 
ſcheinlich, oder felbit als geichichtliche Thatſache Hinzuftellen. An—⸗ 
dererfeit8 darf man aber doc, wo gewiſſe Anhaltspunkte gegeben 
find und bei umjichtiger Prüfung die Natur der Sache felbft unge: 
ſucht dafür zu fprechen ſcheint, der Anficht beipflichten, welche die 
Gebrüder Grimm, P. A. Mund) und Andere fo nachdrüdlich geltend 
gemacht haben. Diefe geht dahin, daß, je weiter man in die ältefte 
Zeit zurüdgeht, defto mehr Uebereinſtimmung in den innern focialen 
wie politifchen VBerhältniffen der einzelnen germanifchen Stämme, im 
Süden wie im Norden, fich finde, ja daß in der allerältejten Zeit 
eine -völlige LWebereinftimmung anzunehmen fei, daß daher die ein ur- 
fprüngliches Gepräge tragenden nordifchen Zuftände zur Aufklärung 
der entfprechenden alten deutfchen Cinrichtungen zu benugen find. 
Welch innerer Grund oder welches äußere Anzeichen liege fich aber 
anführen, daß gerade beim Wiehgeld, welches, wie erwähnt, bei den 
alten Deutfchen durch die Sprache felbft und durd das Zeugniß des 
Tacitus nachgewiefen ift, eine folche Uebereinſtimmung nicht ftattge- 
funden habe; das Gegentheil würde viel unwahrfcheinlicher fein. 

Das unter dem Namen der Graugans befannte alte isländifche 
Rechtsbuch enthält (im 85. Kapitel des Kaupa-Balkr) eine ausführ- 
lihe Werthtare für Vieh aller Art auf Grundlage des gejeglichen 


212 


Kuh⸗Werthes (kugildi)'. Diefe Wertheinheit wirb genau beftimmt 
als eine „Kuh, drei bis zehn Jahre alt, tragfähig, milchend, gehörnt 
und fehlerfrei, und nicht fleiner al8 ein Ochs mittlerer Größe“. 
Einem Kuhwerth gleich zu rechnen find: ein ausgewachfener Ochs 
mittlerer Größe; — drei einjährige oder zweijährige Rinder; — 
ſechs Schaafe, von denen zwei zweijährig und vier älter, welche 
Yämmer nähren fünnen; — acht dreijährige oder ältere unfruchtbare 
Schaafe; — acht zweijährige oder ſechs dreijährige Hammel; — adıt 
einjährige Ziegen, die ihre ungen nähren können; — eine zweijäh- 
rige oder ältere Sau mit neun Ferkeln. Kin dreijähriger Stier 
fowie eine unfruchtbare Kuh gelten zwei Drittheile des Kuhwerthes; 
ein fechsjähriger Stier aber 1", Kuhwerth, ein fünfjähriger 1% 
Kuhwerth u.f.w. Ein fehlerfreies Pferd, zwifchen 4 und 10 Yah- 
ren alt, gilt einer Kuh gleich), eine fehlerfreie unfruchtbare Stute 
aber nur drei Viertel des Kuhmwerthes. — In diefer Weife werden 
noch fernere Taren aufgeführt und dann auch andere Gegenitände 
als Thiere nad) dem Kuhwerth abgefchätgt. In einigen Fällen, 3.2. 
bei gut dreffirten Pferden, wird fein beftimmtes Werthverhältniß 
vorgefchrieben, fondern bemerkt, daß der Werth jedes Mal befonders 
zu ermitteln fei. Und wie ſolche Ermittelung ftattzufinden habe, wird 


ı In J. F. G. Schlegels Index verborum etc. zur Grägds heißt e8 um: 
ter ‘'Kugildi’: valor vaccae, tantum pecoris quantum ex taxa generali eum 
vacca acquivalet; bona alia ut et damna resarcienda ad vaccae valorem 
referebantur [Kugildisskadi]; und unter ‘Hundrad’: Centenarius numeratus fuit 
quantitas quaedam pretii imaginaria et nominalis, eo fundamento innitens, 
quod constitutum fuerit vaccam statu optimo centenarium esse numeratum, 
cui igitur in pretio aequiparatae sunt res omnes uaui quotidiano inservientes, 
sive animatae sive inanimatee. Auf dad Humbert Silber (Hundrad silfr 
oder Hundrad vegit), über beifen Bedeutung die Anfichten ſehr vwerfchieden 
find und worüber Xietrid im 10. Bande der Zeitfchrift für deutfches Alter: 
thum ©.223 ff. eine gründliche Unterſuchung angeftellt bat, brauchen wir bier, 
wo nur von urfprünglichen Viehgeld und was damit in ältefter Zeit in engem 
Zuſammenhange geſtanden zu baben fcheint, die Rebe ift, nicht näher einzuge: 
ben. — Altuordifches Leben von K. Weinhold, Berlin 1856. S. 51 ff.: „Für 
die Schätzung des Viehs bejtand ein feſtes Uebereinkommen (farlag), das auf 
Island am ausgebildeiten war und in der Graugans (Kaupab. 85) nieder: 
gelegt ift. Wir find dabei aanz in die Zeit des Taufchverfehrs verfeßt; bie 
Grundlage bildet der Wertb einer Kub, die drei bis zehn Jahre alt, tragfäbig, 
mildyend, gehörnt und fehlerfrei ift“. 


Von den vorgenannten Verfaſſern weicht unſere Anficht nur darin ab, 
dag wir nicht mit Schlegel annehmen Fünnen, der Kuhwerth ald Hundert fei 
abgeleitet aus ber urfprünglicheren Wertheinheit des ‚Vadmals“, und daß wir 
ebenfomwenig mit Weinhold zuverfichtlich behaupten möchten, diefe Wertbbeſtim⸗ 
mungen feien in Island am ausgnebildetften gewefen. Unzweifelhaft iſt, daß 
biefelben im alten Isländiſchen Geſetzbuch am ausführlichften fehriitlich ver: 
zeichnet worden find; allein daraus folgt noch keineswegs, daß nicht ebenfo 
in den übrigen germaniſchen Ländern, fo Tange bort das Viehgeld vorherrichte, 
auf Grund alten — und des praktiſchen Verkehrsbedürfniſſes auch 
ohne ſchriftliche Aufzeichnung ebenſo detaillirte feſte Taxen gleicher oder ähnli⸗ 
cher Art in Anwendung waren. 


213 


m alten isländifchen Geſetzbuch beftimmt vorgefchrieben. Es foll 
sämlich von jeder Seite ein gerechter Taxator ernannt werden und 
en Gegenitand in Augenfchein nehmen. Können dieſe beiden fich 
iber die Taxe nicht einigen, fo wird einer von ihnen durch das 
2908 bejtimmt, um nach geleiftetem Eide die gültige Schätung aus- 
mfprechen. 

Das dritte Kapitel des Kaupabalfr beginnt glei) damit, daß 
8 als allgemeines Zahlungsmittel, wofern nicht Anderes ausgemadt 
vorden, Kühe und Schaafe bejtimmt. 

Für Heinere Zahlungen, welche nicht durch Kühe und felbft 
richt mit kleinerem Vieh zu bewerfitelligen waren, oder auch zu vor- 
ommenden Ausgleichungen bei größeren Zahlungen, diente bei den 
wrdifchen Völkern ein gewöhnliches dickes Wollenzeug, Vadmal ge- 
ıannt, wovon ein hundert Ellen dem normalen Kuhwerth gleichge- 
echnet werden. Unter dem „Hundert“ ift indeß das altgermanifche 
Sroßhundert, d.h. 120, Ellen zu verftehen. Es wurden 6 Elfen 
‚Badmal“ als Dere oder Unze geredjnet, fo daß alfo der Kuhmerth 
Kugildi) oder ein Hundert (hundrad) 20 Deren ober Unzen 
leih kommen. 

Wie in dem Gefegbud, auf Grund alten Herfommens die Be- 
haffenheit der Kuh, welche als normale Wertheinheit gelten ſoll, 
ſenau feftgeftellt war, fo war dies auch rücfichtlich des zu Zahlun— 
jen bejtimmten Vadmals der Fall, und war daher in jener alten 
jeit eine Dere oder Unze (6 Ellen) Vadmal ein ebenfo bejtinmmter 
Werthbegriff für die Bevölkerung als jett Thaler oder Gulden. Als 
päter freilich die Geldredhnung nad) Silber und Münzen aufkam 
md hierbei durch Unzen gemwogenen Silber oder gezählter Pfennige 
in anderer Werthmaaßftab gegeben ward, verlor fi mehr und mehr 
ie altherkömmliche Schägung und Rechnung nad) Kuhwerthen und 
Inzen Vadmal, und konnten bei diefem Webergange mande Mißver- 
tändniffe nicht ausbleiben. Der Kuhmerth (kugildi) erfcheint übri- 
jen® nicht allein im alten isländischen Rechtsbuche, fondern auch noch 
n den ältejten RechtSaufzeichnungen für Norwegen, wo wir nament- 
ich im denen für den füdlichen heil defjelben die Bußen noch nad) 
duhwerthen angegeben finden. 

Wenn man über das ältefte Geldwefen ber deutichen Stämme 
meh feine andere Notiz befüße als die fchon erwähnten Angaben 
8 Zacitus, daß die Bußen bei ihnen mit einer fejtbeftimmten An- 
ahl (certo numero) ich bezahlt wurden und daß für leichtere 
Bergehen Abjtufungen in ben gleichfallg mit Vieh zu entrichtenden 
Straffägen ftattfanden, fo würde man im Hinblid auf die eben dar- 
jlegten Beitimmungen der nordifchen Nechtsbücher, welche einen von 
en altdeutichen Zuftänden zu Tacitus Zeit nicht weſentlich ver- 
chienenen Kulturftand vorausfegen lajfen, wohl zu der Annahme be- 
echtigt fein, daß ühnliche Gebräuche urſprünglich auch in Deutſch⸗ 
and beftanden haben werden. 

Ohne die Grundlage einer maaßgebenden Wertheinheit Täßt ſich 


15 


214 


ein Syſtem beftimmter Bußen, die in Vieh angeſetzt und zu entrich- 
ten find, nicht gut denfen. Muß alfo eine foldhe Wertheinheit aud) 
bei den alten Deutfchen nothwendig vorausgefegt werden, warum 
ſollte fie wejentlich anders gewefen fein, als wir fie fpäter in Nor: 
wegen und Ysland finden, zumal Nichts darauf hinweilt, daß die 
Zare hier vom Geſetzgeber jpüter neu fejtgejtellt fei, dieſelbe vicl- 
mehr nur auf uralte Licberlieferung und Gewohnheit begründet ge— 
wejen fein dürfte. 

Es fehlt aber nicht ganz an einzelnen fpeciellen Andeutungen, 
daß auch bei deutfchen Stänunen in den Zeiten, wo das PViehgeld 
bei ihnen gebräuchlich war, der Kuhwerth als Wertheinheit gegol- 
ten bat. 

Die noch vorhandenen ältejten Rechtsaufzeichnungen der deut: 
chen Bölferfchaften find zu einer Zeit verfaßt, als das Geld, in 
dem Zinne des Werthmaaßſtabes, bei ihmen bereits allgemein auf 
Edelmetall und Münzen begründet war, wenn auch als wirkliches 
Zahl und Tauſchmittel Vieh und fonjtige Artikel noch viel, ja wohl 
noch vorwiegend in Anwendung waren. In diefen Aufzeichnungen 
(dein fogenannten Leges Barbarorum) treffen wir, was hier nur vor- 
läufig erwähnt, fpäter aber näher erörtert werden foll, als allge- 
meine Wertheinheit die feit Conftantin im Römifchen Reich einge 
führte neu regulirte Goldmünze, den Solidus, dem die Deutjchen in 
ihrer Yandesjpradje von Anfang an, und foweit darüber Angaben 
vorliegen, in völliger Uebereinftinmmung unter jich, den Namen „Schil⸗ 
ling“ beigelegt haben. Diejes Wort, weldjes ınan gleichmäßig wie 
bei den Franken und Sachſen fo aud) bei den Gothen und Angels 
 fachfen von Anfang an vorfindet, ijt unzweifelhaft uralten deutichen 
Urjprungs und hängt mit skilan (tödten) und „Schuld“ zuſammen. 
Wer getödtet hatte, ward fchuldig Buße zu zahlen, und der Werth 
betrag, worin diefe Schuld je nad) ihrer Art bemeifen und zu ent 
richten war, erhielt felbjt darnad) den Namen ‘skilling’. Die 
Ueberſetzung diefes Wortes in das lateiniſche “solidus’, als man 
anfing die alten Gemwohnheitsrechte fchriftlic) zu verzeichnen und die 
Wergeldanfäge und Bußen in diefer damals im ganzen römifchen 
Heich geltenden Goldmünze zu bejtinmmen, ward dadurd) angebahnt 
und befördert, daß diefer Münzwerth der herkömmlichen Buß-Einheit 
in Vieh, dem Schilling ungefähr gleid) fan!. Die Feitftellung der 


2 Jac. Grimm, Gefhichte der beutfhen Sprade, Bd. U, ©. 902 f.: 
„Skal debeo ſetzt skila voraus, aber ber Begriff, welchen ich diefen Wörtern 
beilege, wird überrafchen. skila muß beißen: ich tödte oder verwunde, skal 
ih babe getödtet, verwundet und bin zu Wergeld verpflihte. Won akile 
it übrig das gothiſche skilja lanio, (Schlächter, Töbter, I. Corinth. 10, 25). 
— — Aber nun wird alled Bedenken fchwinden, warum bei Ulfilas dulgs 
debitum, angelfähfifh dolg, altbocdybeutfch tole hingegen vulnus, altnordiſch 
dölgr hostis außfagen; Wunden waren dem Alterthum, gleidy dem Tobychla 
Hauptgegenftand der Compoſition“. Hieran anfnüpfend wird in H. Grote 
Münzftudien I, S. 143 bemerkt: „Der einfache Strafjag, bad Simplum , we: 
nad) die verfchiebenen Grade der Buße in den Volksrechten berechnet waren, 


215 


Bußen in Gold⸗Solidi ſchloß, wie eben fehon erwähnt, keineswegs 
m ſich, daß diejelben vorkommenden Falls wirklich nur in dieſen 
Münzftüden entrichtet werden mußten, denn dies wäre bei ber Höhe 
mancher Bußanfäge und der verhältnigmäßigen Seltenheit der Gold- 
münzen im alten Deutjchland oftmals gewiß eine reine Unmöglichkeit 
geweſen, fondern es follte dadurch vornämlich nur der Werth-Betrag 
genau angegeben werden. in einigen der alten Kechtsaufzeichnungen 
wird daher auch ein Werthtarif mitgetheilt, wonad) von den Zah—⸗ 
Iungspflichtigen, in Ermangelung von Soldiniinzen oder von Silber, 
das Wergeld und die Bußen mitteljt fonjtiger WBermögensgegenjtände 
zu zahlen find. Den ausführlicdjiten Werthtarif diefer Art findet 
man im alten KRechtsbuc der Ripuarifchen Franken. Es Heißt im 
36. Zitel deffelben: Wenn Jemand Wergeld bezahlen muß, fo foll 
er entrichten einen gehörnten, fehenden und gefunden Ochfen für 2 
Solidi, eine gehörnte, fehende und gefunde Kuh für einen 
Solidus (vaccam cornutam, videntem et sanam pro uno 
solido tribuat), ein fehendes und gefundes Pferd für 6 Solidi, 
eine fehende und gefunde Stute fir 3 Solidi, ein Schwert mit 
Scheide für 7 Solidi u.f.w. Falls mit Silber bezahlt wird, foll 
er für den Eolidus 12 Denare entrichten, wie folches von Alters 
ber angeordnet. Aus dieſem Schlußſatze erjieht man fogleich, daR 
dieſe Aufzeichnung in eine Zeit fällt, wo die Rechnung nad) Metall» 
geld ſtatt nach Viehgeld bereits längjt üblid) geworden war. Trotz⸗ 
dem läßt jich die urfprüngliche Wertheinheit bei den alten Bußſätzen 
noch deutlich erfennen, denn eine gehörnte fehlerfreie Kuh wird aus⸗ 
drüdlich al& gerade Einen Zolidus oder Schilling repräfentirend auf: 
geführt, ebenjo wie wir eine ſolche Kuh im alten isländischen Rechter 
buche als alte hergebrachte Wertheinheit bezeichnet fehen. Sollte 
es für bloßen Zufall anzufehen fein, daß wir fowohl in der Lex 
Ripuariorum als aud) in der Graugans den Umſtand, daß eine 


war aber der Solidus; deshalb Tiegt ed nahe, in dem Morte „Schilling“ bie 
Bedeutung von Strajjimplum zu feben“. — Wenn Deüller in der deutfchen 
PRünzgeihichte I, S. 257 dieſen Zuſammenhang zwiſchen ‘skilling’ und 'ski- 
kan’ (tödten) vollig zuriidweifet, als etymolonifch nicht möglich, weil dag 
Subſtantiv feiner Bedeutung nad nicht von skile, fondern von skal abgelei: 
tet werden müßte, fo erfcheint dies nicht zutrefiend, da, wie Hr. Jac. Grimm 
fetsnt fpäter bemerft hat, fprachlich genommen, der Ausdruck skilling in feiner 
Bebeutung als Schuld für das Tödten mit ‘skilan’ vet gut zujammenhängen 
Yanı, ebenfo wie dulgs (debitum) und dolg (vulnus). Die Ableitung von 
solllan (tönen) oder gar aus dem Keltifchen ‘skiltr’ Klang, wird ebenfowenig 
genügen, wie bie Ableitung Pfennig vom keltiſchen ‘penn’ (Kopf), Man Fann 
unmöglich) annehmen, daß die alten Germanen erft damals, als fie ihre Volks— 
echte fchriftlih in Iateinifcher Sprache verzeichnen ließen, die verfchiedenen 
Bußanfäge in Solidi oder Scillingen normirt hätten und damals erft den 
Schilling nach der klingenden Münze des Solidus gebildet bätten. 
65 wäre doch ein höchſt fonderbarer Zufall, daß die fo weit von cinander 
geiramuten Stämme unabhängig von einander auf einen gleichen Namen ges 
mmen wären und in fo vielen Fällen gleiche oder doch analoge Bußen in 
dieſer Mũnzſorte neu jeftgefegt hätten! 


15* 


216 


ſolche die Wertheinheit abgebende Kuh ihre Hörner noch Haben müſſe, 
ausdrücklich erwähnt finden? Liegt es nicht nahe, eine ſolche Ueber 
einftimmung auf die nämliche Quelle, auf ein uraltes germaniſches 
Herkommen für die Bußanfäte zurüdzuführen? Auch in dem Rechte 
buch der Burgunder trifft man bei der für verfchiedene Gegenftände 
aufgeftellten Taxe den Werth einer Kuh gerade Einem Solidus gleich⸗ 
geftellt (Tit. IV, 1: Is qui perdidit . in simplum recipiat, 
id est ..... pro bove solidos 2 pro vacca sol. 1). Bei 
den Alamannen ward eine Kuh befferer rt auf 4 Tremiſſen ge 
fchäßt, eine gewöhnliche Kuh aber auf gerade Einen Solidus (Hloth. 
LXXVLH, 3: Illa alia [vacca sequenteriana solidum unum)'. 

Bir werben fpäter beim Meerovingifchen Zeitalter auf den im 
Vorftehenden berührten Zufammenhang des Solidus mit dem älteren 
Viehgeld wieder zurückkommen müſſen; an diefer Stelle fam es haupt 
fählid) nur darauf an, die Modalität des älteften Geldes der Deut⸗ 
fchen, das wie bei anderen Völkern in Vieh beitand, aus der Analo- 
gie des ſkandinaviſchen Alterthums zu erläutern. 

Dean wird zu den Spuren des Viehgeldes in Deutfchland and) 
noch rechnen dirfen?, daß König Chlotar den von ihm befiegten 
Sachſen einen Tribut von 500 Kühen auferlegte (Frredeg. c. 74). 
Es fcheint Hierbei nicht fo ſehr auf den Werth der Leiftung ange 
kommen zu fein, ala vielmehr auf das in dem Zribut an ſich, ob 
groß oder Hein, liegende Anerkenntniß der Unterwürfigleit. Hierzu 
fonnte aber wohl nichts Paſſenderes gewählt werden als eben eine 
gewöhnliche Geldabgabe, wie fie ſonſt bei Bußen gezahlt wurde, alſo 


ı € fann Übrigens bahingeftellt werben, ob nicht vielleicht bei eini m 
germanifhen Stimmen ftatt der Kuh ein gemöhnlicher Fräjtiner Ochfe, 
an Wiertb der Knh ungefäbr gleich fand, die principale Wertbeinheit und ber 
Wertbmaaßſtab abgeneben babe. Hierfür fpricht vornaͤmlich ber Zitel XIX 
ber Lex Saxonum (de solidis) wo es geradezu beikt: „der Schilling iſt zweier: 
lei Art; der eine bat zwei Tremiſſen, welcher Schiling ein einjähriger Ochſe 
iſt; der "andere Schilling iſt drei Tremifien, da3 ift ein Oche von 16 Mona: 
ten“. Im alten eftactbländiihen Rechtsbuche war beftimmt: drei Mark Bub: 
mal felten gleich gerechnet werden vier Stück gutes Rindvieb, worunter zu 
verſteben ein ſoelber Ochſe, der ſchon drei Jahre gezogen und eine ſolche 
Kub, die ſchen drei Mal gekalbt bat. 

Daß bei der natürliben Schwankung des Wertbs ber Edelmetalle, na: 
mentlih ba, wo danſelde reichlicher in Umlauf war, bie alte Wertbeinbeit ei: 
ner gewöhnlichen Kub in Qergojienbeit fan, oder auc nah dem veränderten 
Giertbverbältniiie in einigen Aurreihnungen anders tarifirt wurde, kann bie 
ven und nach ter Lex Ripuariorum, der Lex Burgundionum unb ter Lex 
Alamannorum gemadete Autrtellung nicht entfräiten. 

=: X Grimm, Deutſche Rectäultertbümer 5. 587, erwäßnt aus ben 
Bertimmungen alter Weieidümer über Iagdfrerel, in welder Art Serätbümer 
fich altberſömmliche Gebräuche oft am treueiten erbalten haben, Beijpiele über 
die Veibebaltung ven Bußen in Zieh Wer beimlih einen Dirich füngt, beibt 
eb im Büdinger Weietdum v. J. 1338 „ch küken 60 Ei Lina guter 
Pfennige und einem Dalbelinz und einen falen TCbien mit uigeracten 
Hörnern“ wfm; „mar cd aber ein Oinde. ic ſel er geben ein tale Tue 
mit ufgeradten Pernern“ |vacca corasta]. 


217 


nach dem in Sachfen noch üblichen alten Herkommen eine beftimmte 
Zahl Kühe. Sollte nicht der bei diefer Gelegenheit gebrauchte Aus- 
deu “vaccae inferendales’ auf eine eigenthümliche alte deutfche 
Bezeichnung fchliegen Lafjen, ähnlich wie das nordifche “kugildi’? 

Es finden fi) aud; andere Erwähnungen aus dem Merovingi⸗ 
fgen und ſelbſt noch aus dem Anfange des Karolingifchen Zeitalters, 
wo eine Abgabe in ſolchen Kühen und Kuhwerthen (vaccae inferen- 
dales) namhaft gemacht wird !. Wenn dabei in der fpäteften Er- 
wähnung diefer Art (Wormjer Eoncil v. %. 829) das Aequivalent 
einer Kuh auf zwei Solidi beftimmt wird, fo liegt hierin durchaus 
fein Widerfpruch gegen unfere vorherige Aufftellung einer urfprüng- 
fihen Uebereinftimmung des Kuhwerths mit dem Solidus. Der Solie 
das, von dem im Wormfer Concil geredet wird, ift nämlich nicht mehr 
ver alte Gold⸗Solidus, fondern die unter Pipin eingeführte minder- 
wertbfeiende Rechnungsmünze diefes Namens in Silber, und wird ja 
msdrücklich an der Stelle bemerkt, daß Karl der Große e8 gewefen, 
der die Berechnung der Kuhwerthe (vaccae inferendales) auf je 
d Solidi angeordnet habe. 

Ob bei den alten Deutfchen zur Berechnung Fleinerer Werthe in 
Inlicher Weife, wie man es im Sfandinavifchen Altertum findet, 
in gewöhnlicher Zeugitoff, fei es aus Wolle oder Leinen, gedient hat, 
wonach eine bejtimmte Zahl Elien einem Kuhmwerthe gleich gerechnet 
worden, dafür haben wir feinen Anhaltspunkt gefunden, und müffen 
%e8 alfo, obfchon es an und für ſich nicht unmwahrfcheinlich fein 
möchte, dahingejtellt fein laſſen. Es möge indep in diefer Hinficht 
noch erwähnt werden, daß der Gebrauch der Werthbejtimmung nad 
Ellen Zeug auch außerhalb Skandinaviens, und zwar in fpäter Deutfch 
gewordenen Gegenden, fich nachweifen läßt. — (Ohronica 
Slavorum, I, Kap. 38) berichtet nämlich von den Ranen, einer wendi⸗ 


° Dergleihe Waitz, Deutfche Verfaffungsgefhichte. Bb. 2, ©. 503: 
bem Bau von Lemand findet ſich die eigenthiimliche Abgabe von 100 
Ben, bie vorzugsweife ben Namen ber inferenda führte, welche aber fpäter, 
ſei e8 zu Gunften ber Kirche oder aus anderen Gründen, auf Geld rebucirt 
ws fein fcheint und zwar fo, baß für jede Kuh 2 Solidi bezahlt wurden, was 
twas mehr ift, als man fonft für ben Werth berfelben rechnete‘. Was letzte⸗ 
ren Punkt betrifft, fo nehmen wir Bezug auf dasjenige, was im Texte über 
Me im Wormfer Eoncil von 829 erwähnte Ablöfung einer Kuhſtener bemerft 
R, und führen bier noch die Originalftellen an: Bouquet IV, p. 692: vaccas 
wato soluduris quod in inferenda de pago Cinomannico in fisce dicionebus 
ıperabatur, und Gesta Dag. c. 37: Centum vaccas inferendales, quae ei de 
iacatu Cinomannico annis singulis solvebantur. — Die betreffenden Worte 
x Capit. Wormac. de anno 829 (Mon. hist. Germ. Legg. I, p.352) lauten 
ſolgendermaßen: Quicumque vicarii vel alii ministri comitum tributum quod 
ds vocatur majoris pretii a populo exigere praesumpsit quam a missis 
b ma. genitoris nostri constitutum fuit, hoc est duos solidos pro una vacca. 
In der angezogenen Stelle bed Fredegar beikt ed: quingentas vaccas 
inferendales annis singulis a Chlotario seniore censiti reddebant. Später 
wird in verjchiedenen Annalen beim Jahre 758 ein Tribut ber Sachen von 
0 Pferden erwähnt, 


218 


ſchen Völferfchaft auf Rügen: „Die Ranen befigen keine Münze und 
bedienen fid) im Verkehr feines gemünzten Geldes, fondern was man 
auf dem Markte kaufen will, dafür giebt man Leinwand in Zahlung”. 
Bon einem ähnlichen Gebrauch bei deutfchen Stämmen ift uns, wit 
gefagt, ein ausdrüdliches Zeugniß nicht befannt, woraus aber noch 
keineswegs folgt, daß derfelbe nicht auch bei diefen in ganz alter Zeit 
jtattgefunden habe. Die Zahlung einer Abgabe in Leinwand oder 
Wollenzeug (paldones) kommt noch im zehnten Jahrhundert umd 
auch fpäter in manchen Gegenden Deutfchlands öfter vor. 


- .- m ——ü— — — 


Wenn nun auch bei den Germanen in älteſter Zeit nicht de 
Edelmetalle, fondern Vieh das gewöhnliche Zahl und Tauſchmittel 
fowie insbefondere den allgemeinen Werthmaaßſtab bildete, fo erjcheint 
daneben doc auc die Kenntniß und der Befit von Gold, Silbe, 
Erz (Stupfer oder Bronce) bei ihnen fehr alt. Es ift bie jekt 
nicht genau fejtgejtellt, welcher Zeitperiode und welchem Volke die 
älteiten Gräber, in denen nur fteinerne oder knöcherne Maffen md 
Geräthe angetroffen werden, zuzufchreiben find; fie reichen jedenfalls 
tief ind Alterthum zurüd. Auch diejenigen Gräber, welche neben 
folden Stein= und Knochen Sachen ſchon einzelne Bronce: Waffen 
und Geräthe enthalten und in denen mitunter aud) goldene Schmudja 
chen fich finden, gehören höchſt wahrfcheinlich noch einer Zeit an, die 
weit älter ift al& die Berührungen der Germanen mit den Römern. 
Mag nun die Bevölkerung, welche zur Zeit der Beftattungen in die 
fen Gräbern das nördliche Deutjchland ımd einen Theil Standin« 
viens beivohnte, keltiſchen Stammes gewefen fein, oder jchon zu den 
Germanen zu rechnen fein, fo viel ift gewiß, daß die Kenntniß ımd 
der Gebrauch des mit Zinn gemifchten Kupfers (der Bronce) und 
des Goldes in Deutfchland und Skandinavien fi) weit ind graut 
Alterthum verlieren. 

In den Berichten über den Zug der Cimbern und Xeutonen 
finden wir feine befondere Erwähnung ihres Begehrens nad) Gold 
und Zilber, von welcher Benteluft bei den älteren Zügen keltiſcher 
Stämme nad) Italien, Griechenland und Kleinaſien fo oft die Rede 
iſt. Was die genaunten germaniſchen Stämme von den Römern 
verlangten, war „Land“, wogegen ſie Kriegsdienſte leiſten wollten, — 
eine echt deutſche Auffaſſung! Nach der den römiſchen Heeren des 
Conſuls En. Manlins und des Proconſuls QServilius Caepio 
beigebrachten großen Niederlage, als ſie in den feindlichen Lagern 
große Beute gewonnen hatten, verſenkten ſie das vorgefundene Gold 
und Silber in die Rhone. Mag dies auch in Folge eines Gelüb- 
des den Göttern zu Ehren gefchehen fein, fo ſcheint es doch dafür 
zu zeugen, daß das Edelmetall auf fie noch nicht diejenige mächtige 
Anziehungskraft übte, die bei den fpätern germanifchen Heereszügen 
offen hervortritt. 


219 


In den Berichten Caeſars findet man ebenfall8 noch feine bes 
fonderen Angaben iiber das Verhalten ber Germanen zu den Edelme⸗ 
tallen, außer daß von ihn erwähnt wird (de bello Gall. VI, 28) 
wie die Germanen bie Hörner der Auerodyjen am Nande mit Silber’ 
einfaßten und folche bei ihren Gelagen als Becher gebrauchten. 

Aus einigen Stellen läßt fich jedoch indireft abnehmen, daß die 

anen in damaliger Zeit bereitS das rümifche Geld zu ſchätzen 
wußten und zu erwerben fuchten. Wenn Caefar (b. G. IV, 2) 
nämlich von den Sueven erzählt, daß fie fremden Kaufleuten mehr 
deshalb den Zutritt bei fich geftatteten, um Gelegenheit zu haben, was 
fie im Kriege erbeuten, zu verfaufen, als daß fie nach der Einfuhr 
von irgend etwas Verlangen trügen, fo deutet dies unverkennbar 
darauf, daß fie auf den Befig von römifchen Gelde befonderen 
Werth gelegt haben werden. Und wenn es (Caefar b. G. V, 55) 
von den Trevirern heißt, daß fie den ganzen Winter tiber mit den 
Germanen jenfeit8 bes Nheins verhandelt hätten, um diefe durch 
Geldverfpredhungen zur Theilnahme am Kriege zu beftimmen, fo läßt 
fih auch hierin das Vorkommen von Soldzahlungen mittelft baaren 
Geldes ſchwerlich verfennen. 

Bald darauf begann Caeſar felbjt zahlreiche deutsche Schaaren 
in fein Heer anfzunchmen, welche dann aud) in feinen Schlachten in 
Theffalien, Aegypten und Afrifa fümpften. Man wird dies Ver⸗ 
ältniß nicht anders auffajjen können als wie die Anwerbung befoldeter 

ruppen, welche, foweit fie am Leben blieben, nad) Ablauf der Dienit- 

zeit mit dem erfpartem Solde und ihrem in Gold oder Schinud 
convertirten Antheil "an der Kriegsbeute meijtens in die Heimath 
wieder zurückgefehrt fein und dort die Bekanntſchaft mit römifcher 
Mimze mehr und mehr verbreitet haben werden. 

Daß befonders die fuenifchen Völker auf den Beſitz von Edel- 
metall viel hielten, erhellt aus einem Bericht de8 Florus (IV, 12). 
Zu Augufts Zeit, bald nach der Niederlage des Lollius, fchloffen die 
Cherusfer, Sigambrer und Sueven ein Kriegsbündniß gegen die Rö— 
mer, worin vereinbart war, die zu machende Beute jo unter ſich zu 
tbeilen, daß die Cherusfer die Pferde, die Sigambrer die Gefangenen, 
die Sueven aber das Gold und Silber erhalten follten. 

Seitdem der Dienft gegen Sold in den römtifchen Heeren bei 
den Germanen aufgefommen war, feheint die Begierde nad) baarem 
Gelbe und der Einfluß deffelben menigitens bei denen, welche den 
römifchen Provinzen benachbart waren, bald jehr allgemein und ftarf 
geworden zu fein. 

Als Kaifer Claudius den Cherusfern auf ihr Anfuchen den 
Neffen des Arminius im Jahre 47 n. Chr. als König zufandte, un⸗ 
terftügte er diefen mit Geld (Tac. Ann. XI, 16), und auf Geld- 
unterftütung befchränfte fic) auch der Beiſtand, welchen Kaifer Do- 
mitian fpäter einem anderen cherusfifchen König, dem Chariomerug, 
leiſtete (Dio Cassius LXVII, 5). Bei dein Aufjtande der Bataver, 
bei dem die Entfcheidung bes Krieges wejentlich von der Verwendung 


220 


germanifcher Hülfstruppen abhing, werben von Tacitus (Hist. IV, 76) 
dem Gallier Tutor die Worte in den Mund gelegt: die Germanen 
jeien allein durd) Geld und Geſchenke zu gewinnen, und dieſe ftänden 
den Römern in reihem Maaße zu Gebot. 

Wenn von Bannius, König der Sueven, um das Jahr 51 be 
richtet wird, daß derfelbe durd) die Ligier, Hermmmduren und andere 
germanifche Stämme vertrieben fei, welche durch das Gerücht von 
den während 30 Jahre durd) Raub und Steuern in feinem Reiche 
angefammelten Schäten angelockt worden wären, fo wird man dab 
hauptfächlicd an Gold- und Silber-Vorräthe zu denken haben. Die 
Sueven waren es ja gerade, welche, wie wir eben gejehen, bei zu 
machender Beute vorzugsweife auf das Edelmetall ihr Augenmer 
richteten, und wir werden fpäter noch andere Spuren finden, daß in 
Böhmen, wo das Reich des Vannius geweſen fein muß, in alter 
Zeit, als das Land noch von den feltiichen Bojern bewohnt war, 
größere Summen baaren Geldes angefammelt worden find. 

Nun aber wenden wir uns wieder zu dem ausführfichften und 
umfichtigften Bericht über die alten deutfchen Zuftände, zu ber Ger- 
mania de8 Tacitus, um zu fehen was diefe über die Anfänge der 
Benugung des Metall- Geldes bei den Germanen mittheilt. Das 
fünfte Capitel bemerkt hierüber: „Ob Huld oder Zorn der Götter 
ihnen Gold und Silber verfagt hat, weiß ih nicht. Doch möchte 
ich nicht behaupten, daß feine Gebirgsader Germaniens Silber oder 
Gold hervorbräcdhte; denn wer hat darnad) gefuht? Befi und Ge 
brauch wirkt auf fie nicht wie font. Mean kann bei ihnen fülberne 
Gefäße, die ihre Gefandten und Fürften als Gefchenfe erhielten, ne 
ben irdenem Geſchirr zu glei niedrigem Gebrauch beſtimmt fehen, 
obwohl die Grenzjtämme wegen des Handelsverfehrs Gold und Sil⸗ 
ber zu ſchätzen und unter den römischen Münzprägungen wohl zu 
unterfcheiden willen und einigen den Vorzug geben. Die Binnen 
völfer freilich treiben nad einfacher alter Art Tauſchhandel. Das 
Geld gefällt ihnen, wenn e8 alt und lange befannt ift, namentlid 
Denare mit zadigem Nande und mit dem Biga-Stempel (serrati et 
bigati). Auch trachten fie mehr nad) Silber als nad) Gold, nicht 
aus bejonderer Vorliebe, fondern weil die größere Zahl der Silber 
münzen ihnen zum Gebrauch bequemer iſt, da fie gewöhnliche und 
billige Waare einhandeln“ !. 


2 Weber bie ‘serrati’ |. H. Cohen, Description gendrale des monnaies 
do la Republique Romaine commundment appelees medailles consulaires. 
Paris 1857. 4. Introd. p. XXXVII. Echkhel war ber Anfiht, baß die ke 
zahnten Denare in die Zeit vom Jahre Roms 564 bis 655 fallen; Borgbefi, 
baß biefelben in ben erften Jahren des 7. Jahrhunderts ihren Anfang nehmen 
und vor Sulla wieder aufhören; Cavedoni fegt ben Anfang wie Borgbefi, bie 
Tauer bdiefer Art Prägung aber bis zum Ende bed 7. Jahrhunderts. — Der 
Grund diefer Prägungsweife ift nicht Har. Eine Garantie gegen f. g. gefut: 
terte Münzen kann e8 nicht geweien fein, denn man finbet Folie zahlreich auch 
unter den Münzen ber Jamilien Papia, Roscia, Creperia, welche alle gezahnt 


Ps 


— — 


221 


As Tacitus diefes Kapitel aufzeichnete, war ihm vermuthlich 
eine Entdedung von Silberminen in Deutſchland, welche er felbft in 
den Annalen (IX, 20) fpäter beiläufig erwähnt, noch nicht befannt. 
„Surtius Rufus hatte [furz vor dem Yahre 47 n. Ehr.] im Matti⸗ 
ſchen Lande! Schachte eröffnet, um Silberadern zu ſuchen. Diefe 
brachten einen geringen Ertrag, und nicht lange, ben Legionen aber 
Mühe und Gefahr: Bäche abzugraben, und, was fchon auf freiem 
Felde ſchwere Arbeit ift, unter der Erde zu bemerfitelligen“. Außer 
diefer Stelle des Tacitus und der alten Goldgewinnung in Noricum, 
wovon fpäter die Rede fein wird, ift ung bis zum neunten Jahr⸗ 
hundert feine Erwähnung einer Production von Edelmetall in Deutſch⸗ 
land bekannt. Wahrſcheinlich ift jedod) ſchon in den älteften Zeiten 
an einigen Flüſſen und Bächen, die in ihrem Sande Gold mit fidh 
führen, dies Metall durch fogenanntes Wafchen gewonnen, worauf, 
wie Wadernagel bemierft?, die alten Sagen von den im Waffer hau- 
fenden Zwergen mit ihren Schüten zu deuten wären. Im Liebe 
von Wolundur heißt es: 

„Hier war fein Gold wie auf Granis Wegen ..... 
„ern ift dies Land den Felſen des Rheins“. 

In der Aeußerung des Tacitus über die Geringſchätzung filber- 
ner Geräthe bei den Germanen möchte eine etwas tendentiöfe Bes 
merfung im Hinbli auf das leidenfchaftliche Trachten nad) koſtbarem 
Geräthe bei feinen römischen Pandsleuten zu finden fein. “Die bier 
angeführte Geringfchätung des filbernen Geräths bei den Germanen 
ftimmt nicht mit demjenigen, was, wie wir gejehen, Tacitus felbit in 
feinen Gefchichtsbüchern und was Andere über die Habſucht der Ger- 
manen fchreiben.. So jagt unter Anderen der etwas jpäter lebende 
Herodian (VI, 7 und I, 6): „Die Germanen find ganz befonders 
nach Geld begierig, und niemals ſchließen fie Frieden mit den Rö— 
mern ohne ſich Gold zahlen zu laffen“. Und Tacitus felbft bemerkt 


find, Merkwürdig ift es, bemerft Cohen, baß man die Typen der gezahnten 
Denare nie auf Denaren mit glatten Rande findet. — Friedländer (in Köhne's 
Beitfchrift, 2. Ihrg., ©. 136 f.) ift der Anficht, daß gezahnte Münzen nicht 
vor dem Jahre R. 600, mehr aber noh um d. %. 700 geprägt feien. — 
Mommfen nimmt an, daß noch unter ben Kaifern gezahnte Denare gemünzt 
worden feien. Eine von mir angeftellte Wägung gezahnter und mit bem Ty— 
pus der Biga verfehener Denare hat für diefe Fein durchfchnittlich höheres Ge: 
wicht als für andere republifanifche Denare ergeben. — Es wäre von Inte⸗ 
treffe, wenn bei fünftigen Funden römifcher Tenare in Deutfchland unterſucht 
und angezeigt würde, ob und wie viele ‘serrati’ und *bigati’ ſich darunter be⸗ 
funden haben. Bisjetzt fheint man hierauf nicht befonderd geachtet zu haben. 

2 (53 ift ungewiß, 0b der ager Mattiacus von dem hier die Rebe iſt, 
in der Nähe von Wiesbaden am Taunnd, mo man Spuren alten römiſchen 
Bergbaues aufgefunden haben will, zu ſuchen fei, ober im Lande ber Chatten 
in der Nähe ver Eder, wo von Tacitus (Ann. I, 56) ein Ort Mattium er: 
wähnt wird. 

® Vergl. Wadernagel, Gewerbe, Handel und Schifffahrt ber Germa⸗ 
nen, in Hauptd Zeitfchrift für beutfches Alterthum. Bd. IX, ©. 530 ff. 


222 


im 42. Sapitel der Germania, daß die Römer ben Königen ber 
Marfomannen und Duaden öfter mit Geld als mit den Waffen 
An) „Geld aber fei eine nicht minder wirffame Unterftügung*. 

ies feßt nothiwendig eine ſchon weit verbreitete Anwendung des 
Metall-Geldes, insbejondere für Kriegsdienite, im damaligen Deutfch- 
land voraus. Dafjelbe läßt jich aud) daraus abnehmen, wenn Ta 
citus (Annal. II, 13) erzählt, wie im zweiten Feldzuge des Germa- 
nicus ing Innere Deutfchlands ein feindficher Reiter ans Römifche 
Lager herangefprengt fei und mit lauter Stimme im Namen des 
Arminius den Ueberläufern für die Kriegsdienftzeit einen täglichen 
Sold von 100 Seſterzen (alfo gerade einen aureus) verfprochen 
habe. War das Anerbieten auch nicht ernitlich gemeint, fo zeigt ſich 
darin doch die Bedeutung, welche die Deutfchen der baaren Soldzah 
lung beilegten. 

In den Soldzahlungen fowie den häufigen Geſchenken und 
Subjidien der römischen Kaifer an germanifche Truppen und Für 
jten wird für die erften Jahrhunderte unferer Zeitrechnung die haupt: 
ſächliche Duelle des Zufluffes edler Metalle nad) Deutfchland zu 
fuchen fein. Wie geringfügig auch an ſich der monatliche Sold des 
einzelnen Kriegers fein mochte, und wie bedeutend auch die den ri 
mischen Kaufleuten im gewöhnlichen Verkehr bei der für Deutfchland 
offenbar ungünftigen Handelsbilanz wieder zufommenden Summen ge 
wefen fein mögen, im Ganzen wird doch in den eriten zwei Jahr⸗ 
hunderten n. Chr. ſich allmählich ein anfehnlicher Vorrath römischer 
Eilbermünze in Deutfchland, namentlich) in den Gegenden nahe dem 
Rhein und der Donau, angeſammelt und dort einen gewilfen Weber 
gang von der Naturalwirthichaft zur Geldwirthfchaft vermittelt haben. 
ad) dem Beitande der Münzfunde zu urtheilen muß vornämlid in 
der Zeit der Antonine viel römiſches Silbergeld nad) dem nördlichen 
Dentichland und den Oftfeeländern gefommtn fein. Wir werden 
fpüter wahrfcheinlich zu machen verfuchen, daß der römifche Denar, 
wie er zur Zeit der Republik (84 Stück auf das Pfund) und auf 
noch nad) feiner eriten Neduction unter Nero (96 Stück auf da 
Pfund) bis zur Zeit der im römifchen Reich zu Anfang des dritten 
Jahrhunderts hereinbrecjenden entfeglihen Münzcalamität gemünzt 
wurde, den erwähnten Gegenden Deutfchlands ein übliches Zahlmittel 
geworden iſt und fid) hier als Nechnungseinheit für Kleine Beträge 
noch) längere Zeit erhalten hat. 

Im dritten Sahrhundert begannen befanntlic) die Germanen 
das römifche Reich immer ftärker und nachhaltiger zu bedrängen. 
Die Raubzüge in die Provinzen nahmen zu, die Menge der in den 
römifchen Kriegsdienft tretenden germanischen Soldtruppen wuchs zus 
jehends, die regelmäßigen oder einmaligen Zributzahlungen an die 
Fürſten der angrenzenden oder ſchon innerhalb der Provinzen felbft 
angejiedelten germanifchen Völkerſchaften erforderten von Jahrzehnt 
zu Jahrzehnt immer größere Summen, welde zum großen Xheil 
ihren Weg nad) Deutfchland fanden, Seit der Verdrängung ber 


223 


zuten Silbermünze im römifchen Reiche durch eine Unmaſſe von 
Billon⸗ und Kupfer⸗ oder Bronce»Geld, deſſen Unwerth trog der 
jeibehaltenen nominellen Bezeichnung die Germanen, wie roh fie auch 
jonft fein mochten, feinen Augenblid verfannt zu haben feheinen, kam 
ꝛs mehr und mehr in Gebrauch, die Zahlungen an die Germanen in 
Gold zu bewerkitelligen. Namentlich gefchah dies feit Einführung 
und reichlicher Ausmünzung des von Conjtantin dem Großen ange: 
ordneten Gold-Solidus, welcher ſehr bald in vielen Theilen Deutſch⸗ 
lands Verbreitung fand und hier beliebtes Geld wurde. 

Im Vorhergehenden find vornänlidh nur die den römiſchen 
Provinzen mehr oder minder benachbarten germanifchen Völferfchaften 
ms Auge gefaßt worden. Wie verhielt e8 fich aber mit den nörd⸗ 
licher und öftlider wohnenden Germanen, welche nicht jo direct durch 
Sold, Gejchente oder Beute in den Beſitz von Münze und fonftigem 
Edelmetall kommen konnten? 

Die Frage, auf welchen Wege diefe Germanen ſich das Bronce- 
metall verichafften, aus welchem die Waffen und Geräthe angefertigt 
ind, die man in fo anfehnlicher Menge in den alten Gräbern der 
hiernach bezeichneten Periode findet, kann unferer Aufgabe fremd blei- 
ben, da wir hier eigentlich nur das Edelmetall zu berückſichtigen ha- 
ben. Nur fo viel wollen wir hierüber bemerfen, daß die mitunter 
geäugerte Anſicht, als ſei römifche Kupfermünze hierzu verwendet 
worden, nicht viel Wahrfcheinlichkeit für fich Hat. Selbft in den 
Zeiten, als diefe Münzſorte im eigenen Lande jehr devalvirt war, 
als man zeitweilig 7200 bis 8400 Kupfer-Denare für einen Solidus 
rechnete und hauptſächlich nur Zwanziger nnd VBierziger in Knpfer 
prägte, blieb der Nominalwerth dennoch fo hoch über den wirklichen 
Metalliwerth, daß die Ausfuhr zum Einfchmelzen fehr verluftbringend 
gewejen wäre. Die Urfache, weshalb man diejfeits des Rheins und 
der ehemaligen Agri decumates fo wenig römifche Kupfermünzen 
auffindet, kann nur darin gefucht werden, daß die Deutfchen, wenn 
fie römifches Geld annahmen, vorfichtiger Weife nur Silber- umd 
Gold⸗Münzen von höherem Feingehalt zuzulaſſen pflegten. Zeugniß 
hiervon geben die meijten Funde römischer Münzen in Deutjchland 
und weiterhin an den Oſtſeeküſten, bei denen hauptfächlich römiſche 
Silber-Denare aus der Naiferzeit bis auf Marcus Aurelius und 
Gold -Solidi von Conftantin an bis auf Valentinian III. und Ana— 
ſtaſius die wichtigjte Stelle einnehmen !. 

Ein Theil diefer Münzen wird ins innere und nördliche Deutſch⸗ 
(and vermuthlich durch Eintauſch von den benachbarten, dem römi- 
fhen Reich nüher wohnenden germaniihen Stämmen, oder Direct 
durch dahin gekommene Kaufleute aus den römischen Provinzen zum 
Ankauf von Pelzwert, Bernftein u. ſ. w. gelangt fein; es mögen aber 
auch aus diefen entlegeneren Gegenden manche Krieger im römiſchen 
Heere gedient oder an Bentezügen in die Ferne theilgenommen, und 


? ©. Anmerkung I. am Schluffe bes Abſchnittes. 


224 


fo Gold und Silber in gemünztem Zuftande zurückgebracht haben. 

Was indeß die älteren Zeiten betrifft, muß jedenfalld eine andere 

Erklärung dafür gefucht werden, wie die nördlichen Germanen und 

die fonftigen Anwohner der Oſtſee in Befig von Gold gekommen 
d 


Es ift anerfannte Thatfache, daß in den dortigen Grübern des 
fogenannten reinen Bronce- Zeitalters fein Silber-Schmud oder Ge⸗ 
räth gefunden werben, fondern daß dafelbit außer den Bronce⸗Sachen 
an fonftigem Metall nur Gold, vornämlich in Form von größeren 
oder Heineren, diceren oder dünneren Ringen, angetroffen wird. Im 
eigenen Lande ift dies Gold offenbar nicht getwommen worden, da die 
geologische Bildung des Bodens im nördlichen Deutfchland und in 
den Oſtſeeprovinzen einer folchen Annahme entgegenſteht. Es wird 
auch nicht von den Römern her dahin gelangt fein, denn fonft würde, 
da, wie oben nad) Zacitus berichtet ift, die Germanen in ihrem Ver⸗ 
fehr mit den Römern dem Silber den Vorzug gaben, doch wohl ei» 
niges Silber, und wenigften® einzelne römifche Münzen in folchen 
Gräbern angetroffen fein, was nicht der Fall if. Wäre das Gold 
von der oberen Donau oder dem Rheine her nad Deutfchland ge 
fommen, fo würde e8 ferner in hohem Grade auffallend fein, daf 
die Goldringe in den Oftfeeländern ungleich häufiger gefunden wor- 
den find, als im weftlichen oder im füdlichen und mittleren Deutfchland. 

Das Gold muß alfo vom Often ber dahin gebracht fein, und 
es läßt ſich auch leicht erflären, in welcher Veranlafjung dies haupt- 
fächlich gefchehen fein wird. Das im Altertfume fo hochgeſchätzte 
und vielbefprochene eigenthümliche Produft der Oftfeeländer, der 
Bernftein, wird das Hauptmittel gewefen fein, um im Wege des 
Handelsverfehre Gold dahin zu führen, welches von dort dann fid 
weiter unter den benachbarten germanifchen Völkern vertheilte. 

Die befanntefte Route des alten Bernfteinhandels ging von der 
Oftfeefüfte über Carnuntum an der ‘Donau nad) Bannonien und von 
da nad) dem adriatifchen Meere. Diefen Weg hatte der römifche 
Ritter, welcher unter Kaifer Nero nad) den Bernfteinländern reifete, 
und von dem Plinius (Historia nat. XXXVI, 2) meldet, zu⸗ 
rüdgelegt. Ein anderer Bezugsweg des Bernftein® ging von den 
Dftfeeländern, oder auch von der cimbrifchen Halbinfel (denn aud) 
bier wurde vor Alters viel Berntein gefanmelt, wie unter Anderm 
durch wieder aufgefundene Niederlagen diefes Products in jütländi- 
fhen Mooren dargethan wird) weftwärts zu Lande und zu See bis 
nah Maſſilien. Es ift uns jedoch noch über einen andern Handels 
weg, wie der Bernſtein nach den füdlichen Völkern gelangte, Kunde 
erhalten, und gerade diefer fcheint der ältefte und bedeutendfte gewe⸗ 
fen zu fein. 

Wenn auch der Hypotheſe von Bayer, daß unter dem Eridanus, 
von dem Herodot berichtete, er fliege im Lande nordifcher Barbaren 
am äußerften Ende der Erde und in feiner Nähe werde der Bernftein 
erzeugt, die Düna zu verftehen fei, wenig Gewicht beizumefjen fein 


225 


möchte, fo ift doch ausgemacht, daß ſchon zu Herodots Zeit in ben 
weit ausgedehnten Ländern nördlich vom Pontus und insbefondere 

auf dem ‘Dnieper (Boryfthenes) ein lebhafter Verkehr ftattfand, 
und dag von diefem Fluſſe ab mit nur kurzer Unterbrechung eine 
weitere Wafjerverbindung durch Weichfel oder Pregel gerade nach dem 
hauptfächlichiten Berntein-Lande hinführt. — Daß die Griechen und 
Aftaten in ältefter Zeit auf diefem Wege den Bernftein erhielten, 
dafür zeugt die Angabe des Philemon und des Xenocrates (bei Pli- 
nius H. n. XXXVII, 2, 11), daß Ecythien das Vaterland des 
Bernfteins fei, und ganz bejonders die Stelle in der Erbbejchreibung 
des Dionyfius, daß der DBernftein an den Flüffen Aldeskos und 
Ba erzeugt werde, die von den Rhipäiſchen Bergen herab- 
firömten, welche Flüffe aber befanntlich in der Nähe des Boryſthenes 
und der alten großen griechifchen Handelsjtadt Olbia ſich ins Schwarze 
Meer ergießen. 

Die Historia naturalis des Plinius erwähnt in demfelben Ka⸗ 
pitel über den Bernftein (XXXVII, 2), wo bie Reife jenes römi- 
Ihen Ritters zu Neros Zeit berichtet wird, dag König Meithridates 
eine Inſel Serita an der Küfte Germaniens als Fundort des Bern- 
fteins angegeben habe. Dies führt einfach darauf, dag König Mi⸗ 
thridates VII, ein höchft wißbegieriger Mann, deſſen Herrſchaft ſich 
weit nad) Norden hin iiber Schthien erftredte, über die Bezugsquel- 
len des Bernfteins nähere Erfundigungen hatte einziehen laffen. Wie 
hätte dies wohl anders gefchehen follen als auf der Handelsroute 
vom Schwarzen Meere nad) der Oſtſee, welche fchon lange vor ſei⸗ 
ner Zeit für die griechifchen Kolonien an der Nordweſtküſte des 
Schwarzen Meeres von großer Wichtigkeit gewefen fein muß ımd bie 
fpäter wieder zu Anfang des Mittelalters eine fo außerordentliche 
Rolle im Völferverkehr gefpielt hat. Noch ein anderes obfchon auch 
nur indirectes Zeugniß über diefe alte Handelsverbindung des Orients 
mit den Ojtfeeländern trifft mit der Zeit des Mithridates (geft. 63 
v. Chr.) in merkwürdiger Weife zufanmmen. Dem Quintus Metel 
Ius nämlich, welcher im Jahre 62 v. Chr. Gallien verwaltete, wur: 
den, wie Sornelius Nepos berichtet hatte, vom Könige der Sueven 
einige Inder zum Gefchent gemacht, welche auf einer Hanbelsreife 
begriffen nad) Germanien verfchlagen worden waren !. 08 anders 
als der Berniteinhandel kann es geweien fein, wodurch diefe Kauf- 
leute aus dem fernen Afien nah den Küften der Djtfee geführt wur- 
den, und auf welchem anderen Wege follten fie dahin gelangt fein, 
als durch die Ebenen des jetigen Ruflands ? Die von Wadernagel 
geäußerte Vermuthung, diefe Inder feien aus ihrem Vaterlande durch) 
die Beringftraße um das Nordlap herum nach der Nordfee oder felbft 
nach der Dftfee gefommen, wird ſchwerlich auf weitere Zujtimmung 
rechnen dürfen, wenn man die unermeßliche Schwierigkeit, ja faft die 
Unmöglichkeit einer ſolchen Fahrt für die damalige Nautit nur etwas 


t Plinius Hist. nat. II, 67. 


226 


in Betracht zieht; Hiermit verglichen würde felbft die Fahrt um 
Afrika herum als wahrfcheinlicher gelten mitffen. 

So lange nicht eine zutreffendere Erklärung gegeben fein wir, 
fheint man an der durd) die eben erwähnten Notizen nahe gelegten 
und an fich nicht umvahrscheinlichen Annahme fejthalten zu dürfen, 
daß das Gold, welches im germanifchen Norden während des foge 
nannten Bronce = Zeitalters in verhältnigmäßig nicht geringer Menge 
vorhaben gewejen fein muß, hauptfächlidh von Dften und Südoſten 

m Wege des Handels dahin gelangt fein wird. Aus Herodot ift 
bekannt, und Die Wicderauffindung uralter Bergwerkseinrichtungen 
hat es bejtätigt, bag im Ural und im füdlichen Sibirien ſchon lange 
vor unſerer Zeitrechnung reichlid) Gold gewonnen wurde. Wenn ein 
Theil deſſelben zunächſt nad) den Handelsplätzen an der Nordfüfte 
des Pontus im Austaufch gegen helieniſche und aſiatiſche Erzeugniſſe 
in den Verkehr kam, ſo konnte dies Gold wieder ein Mittel werden, 
um von dort aus den Ankauf des von den jüdlichen Bölfern im Al 
terthum fo hoch gejchägten Bernſteins zu betreiben. Die Auffindun- 
gen alter Münzen an der Nordfüfte des Schwarzen leeres bezeu- 
gen, daß während der WBlüthezeit der griechifchen Kolonien dort 
verhältiigmäßig weit mehr Gold ala Silber geprägt fein muß. 
Es ijt auch Leicht erflärlih, daß der Ankauf des Bernfteins vor⸗ 
nämlich mit Gold bewerfitelligt wurde, denn die weite und mans 
hen Gefahren ausgejegte Neiferoute mußte es rathjam machen, 
für die Handelserpeditionen von den Handelsplägen am Mittelmeer 
oder am Pontus bis zu den Geſtaden der Diftfee, zum Eintauſch 
des feinen jchwierigen Transport erfordernden werthvollen Berniteins 
ein ebenfall8 leicht zu transportirendes Tauſchmittel zu verwenden. 
Hierzu war Gold natürlich am paljendften. In frühejter Zeit, ale 
Gold in Griechenland noch äußerſt felten war, mögen freilich auch 
Silbermünzen zum Austaufch benugt fein. Hierauf. führt wenigftens 
ein Fund von 39 jehr alten griechifchen Silbermünzen, welche im 
Jahre 1824 in der Nähe des Städtchens Szubin im Großherzog: 
thum Pofen zwifchen Bromberg und Erin gelegen, auf der muth- 
maßlihen alten Handelsronte vom Süden nad) den Oſtſeeländern, 
entdedt wurden. Der größte Theil derfelben ift noch mit dem ſoge⸗ 
nannten Quadratum incusum verjehen und alfo früher als ca. 460 
v. Shr. geprägt. Daß aber einzelne Munzen von Athen und Cyci⸗ 
cus ohne jenes Quadratum incusum ſich dem Schatz beigemifcht 
finden, zeigt andererfeit8, wie die Vergrabung dejjelben nicht vor 
dem vierten Jahrhundert vor Chriſtus jtattgefunden haben kann, denn 
von diefen Jahrhundert an endete erjt jener rohere Gebrauch bei 
der griechischen Münzprägung. Außer diefem Münzfunde find nur 
äußerſt wenige griehifche Silbermünzen in den Oſtſeeländern und 
den dahin führenden Routen gefunden, und im Vergleich mit den 
zahlreich entdedten alten Soldringen, bezeugt diefer Uniftand, dag in 
ältejter Zeit Gold das Haupttaufihmittel der den DBernftein anfaus 
fenden fremden Kaufleute gewefen fein muß. Es foll hiermit keines- 


227 


wegs behauptet werden, daß nicht auch in anderer Weife, etwa durch 
Berkauf von Sklaven und Pelzwerf, die Germanen fi) Gold vers 
ſchafft hätten, oder daß nicht cuch directe Verfehrsbeziehungen zwifchen 
ihnen und den goldproducirenden Tſchuden am Ural ftattgefunden 
haben können, denn es haben fowohl im Alterthum wie and im fril- 
heren Mittelalter gewiß manche Verbindungen zwifchen weit von ein⸗ 
ander entlegenen Völkern bejtanden, worüber die Gefchichtsfchreiber 
feine ausdrüdlichen Zeugniffe uns überliefert haben. 

Es ift vorhin ſchon erwähnt, daß man hauptſächlich in den al- 
ten Gräbern die thatfächlichen Beweife für den früheren reichlicheren 
Goldbefig finde und das dort gefundene Gold vornümlid die Form 
von Ringen verfchiedener Art habe. Beides giebt Veranlajfung zu 
weiteren Bemerkungen. 

Es fcheint allgemeines Herkommen bei den alten Bewohnern 
Deutichlands und Skandinaviens gewefen zu fein, wenigftens in den 

eiten, welche man nad) dem Inhalt der Gräber als die Bronze: 
iode zu bezeichnen pflegt, den angefehenen Todten ihr perfönliches 
bewegliches Eigenthum, namentlich alfo Waffen und Schmuckſachen, 
mit ind Grab zu legen. Hierdurd) mußte der Goldvorrath im Volke 
wieder einen anhaltenden nierflichen Abgang erfahren, den man dann 
durch neue Erwerbungen, durch Handel oder Raub, zu erfegen hatte. 
Indem diefer Vorgang ſich beftändig wiederholte, mußte natürlid) im 
Laufe der Zeit ein verhältnigmäßig nicht unbedeutender Werthbetrag 
dem Schooße ber Erde anvertraut werden. Wer die großen Samm⸗ 
lungen altgermanifcher Alterthümer in Kopenhagen und Schwerin ge- 
fehen hat, wird die Menge der dort aufbewahrten Goldfachen, die aus 
den Aufgrabungen der Stegelgräber und aus zufälligen fonftigen Fun- 
den hervorgegangen find, freudig bewundern. Man Tann indeß dar- 
über gar nicht in Zweifel fein, daß diefe Cammlungen dod) nur einen 
äußerft Kleinen Theil des Goldes enthalten, welches in alten Zeiten 
unter die Grabhügel vergraben und feitdern wieder hervorgeſucht wor—⸗ 
den if. Das vergrabene Gold erhält fich in feiner Verborgenheit 
wegen feiner natürlichen Unzerftörbarfeit vollftändig, und hat bei fei- 
nem noch jo ſpäten Wiederauffinden nicht nur einen hohen antigıta= 
rifchen, fondern einen ſehr beträchtlichen reellen Werth, den aud) der 
ungebildetfte Tagelöhner zu würdigen weiß. Gold hat zu allen Zei: 
ten einen folchen Werth behauptet, und der Erwerb deffelben an ſich 
fhon in der dee einen noch viel größeren Reiz ausgeübt, daß es 
fi immer verlohnen oder doch dazu verloden mußte, felbit mit Auf- 
wendung vieler Arbeit und auf die Gefahr gänzlicher Erfolglofigkeit 
bin, Verfuche zu machen, das davon Verſteckte, wenn dies auch nur 
in Heineren Stücken beftand, wieder ans Licht zu bringen. Selbſt 
dag Mißlingen mancher Nachgrabungen konnte von ferneren Verfn- 
hen nicht abfchreden. Es mag deshalb ſchon vor Yahrhunderten 
Nachgrabung in mandjen alten Hünengräbern gefchehen und das dort 
vorhanden gewefene Gold fchon längft hervorgeholt fein. Das Nicht: 
borfommen goldener Ringe und fonftiger werthvoller Alterthümer bei 


228 


jetsigen fyftematifchen Aufgrabungen großer Gräber, die dem Anfchein 
nach reichliche Ausbeute verfprechen, wird in vielen Fällen ſich hier- 
aus erflären lajjen. Wenn aber fonft durch Zufall oder allmählich 
durch fortfchreitende landwirthſchaftliche Arbeiten folche Gräber auf- 
gedeckt oder fonft Alterthümer aufgefunden find, ohne daß gerade Je⸗ 
mand, der ein wiljenfchaftliches oder patriotifches Intereſſe an diefen 
Dingen hatte, zugegen war (und wie felten wird ein folches günftiges 
Zufammentreffen fein), fo wird das vorgefundene Gold mit fehr fel- 
tenen Ausnahmen unfehlbar baldigft an einen Händler verfauft und 
eingefchmolzen fein. Es ift befannt, daß, wenn Arbeiter beim Graben 
alte metallene Geräthe finden, fie diefelben fogleic zu zerbrechen oder 
anzufeilen pflegen, um zu fehen, ob es nicht Gold fei, welcher Brauch 
ſich aus der alten Ueberlieferung von aufgefundenen Goldfachen her- 
Schreibt. Wenn das Verheimlichen und alsbaldige Einfchmelzen von 
gefundenen alten Goldfachen noch jett meiften® gefchieht, obſchon die 
Würdigung der gefchichtlichen Bedeutung folher Funde fo viel allge- 
meiner ift als früher und faft überall jetst dem Finder der volle in- 
nere Werth des Abgelieferten oder noch darüber vergütet wird, fo 
fann man fi) leicht vorftellen, wie höchft felten früher ein wieder 
aufgefundener alter Goldring oder fonftige alte Schmucfachen oder 
Geräthe aus Gold dem Schmelztiegel entgangen fein werben, als nod) 
faft überall die größte GSleichgültigkeit gegen folche gefchichtliche Ueber⸗ 
reite vorherrfchte und überdies meiſtens das Geſetz galt, ſolche Schätze 
unentgeldlich der Obrigkeit abzuliefern. Selbſt die Ablieferung fette 
den Finder früher oft noch der Gefahr aus, wegen Verdadhts der 
Verheimlihung gefundener fonftiger und werthvollerer Saden in 
weitläuftige Unterfucdjung zu gerathen. Es war mithin ganz natür= 
ih, daß ein feltenes Zuſammentreffen günftiger Umſtände früher 
dazu gehörte, um aufgefundene Goldfachen der alten germanifchen Zeit 
der Nachwelt aufzubewahren, und zwar wird, je ſchwerer und wertl)- 
voller ein aufgefundener alter Goldring u. ſ. w. war, er deito ängſt⸗ 
licher verheimlicht und um fo eher eingefchmolgen worden fein. 

Wir haben in diefen Auffügen uns nicht mit der Verwendung 
des Edelmetall zu Schmuckſachen, jondern mit dem Geldwefen zu 
befchäftigen. Deſſenungeachtet müfjen wir die ſchon mehrfach er- 
wähnten Goldringe, welche in den alten Gräbern gefunden find unb 
in den Alterthums-Sanumnlungen einen bemerfenswerthen Beftandtheil 
ausmachen, hier näher ins Auge faflen. Diefe Ringe haben näm⸗ 
lich in alter Zeit nicht blos zum Schmuck gedient, fondern fie find 
auch im eigentlichen Sinne des Worts als Geld angejehen und ver- 
wendet worden. " 

Es ift das fogenannte Ring-Geld, welches hier zu erörtern, der 
Gang unferer Unterfuchung mit fi) bringt. 

Um Metall auf möglichft bequeme Weife zu transportiren und 
um es aufzubewahren, ohne e8 irgendwo zu verfteden, dazu fcheint 
die Form von Ringen und „Baugen“, (worunter wol nicht gefchlof> 
jene Ringe zu verftehen) vor Allem geeignet. Dean kann diefe Form 


229 


im einfachiter Weife für alle Größen anwenden, man kann die ver- 
fhiedenen Ringe leicht mit einander verbinden, und fie außerdem, 
wenn man will, zugleih als Schmud an den Armen, am Hals, 
oder ſonſt mit ſich führen. Bei den Edelmetallen fommt wohl nod) 
die Rückſicht Hinzu, daß bei diefer Form, insbefondere bei dünnen 
Spiralringen, in alter Zeit eine Fälfchung viel fchwieriger fein 
mußte als bei Stüden in Barren; indeß gerade bei Goldringen war 
gewiß ſchon die gleichzeitige Benutzung derfelben zum Auffehen erre- 
genden Schmud ein ganz genügender Grund, um für die Aufbe- 
wahrung des Goldes diefe Form zu wählen. 

Der Gebraud der Ringform für den gedachten Zweck ift uralt 
und weit verbreitet. - Schon auf mehreren Darftellungen in den alten 
Pharaonen-Gräbern findet man Schaghäufer abgebildet, wo Gold in 
Ringen abgewogen wird, wo ſolche Ringe angefertigt oder wo fie 
aus Gefäßen an umftehende Krieger als Sold vertheilt werden. Und 
die Geſchenke, welche Abrahams Knecht der Rebekka macht (1 Mof. 
24, 23) beitehen in einem goldenen Nafenring und zwei goldenen 
Armringen, wobei ausdrüdlich angegeben wird, daß erjterer einen 
halben Sedel, letztere zwei Sedel ſchwer gewefen. 

Julius Caefar (de bello Gall. V, 12) erzählt (wenn nämlich 
die von Hamfins aus einer Handfchrift des Britifchen Muſeums aus 
dem zehnten Jahrhundert hervorgezogene und durd) die alte griechifche 
Ueberfegung unterftügte Lesart “annulis’ ftatt “talis’ die richtige ift) 
von den Einwohnern Britanniens, daß fie ſich ftatt der Münze auch 
eiferner Ringe bedient hätten, die nad) einem bejtimmten Gewicht abge: 
gewogen fein. Don den ſtammverwandten Galliern wird freilich 
eine folche Benutung der Ringe nicht ausdrücklich berichtet, aber um 
fo häufiger wird ihr Schmuck an goldenen Armringen erwähnt. 

Bor etwa 20 Sahren hat ein irländifcher Gelehrter, Herr 
W. Betham, auf Grund der vorerwähnten Thatfachen und der au⸗ 
ßerordentlich zahlreichen Funde von großen und Heinen Ringen von 
Erz, aber oft auch von Silber und Gold, welde man in Irland 
gemacht hatte, die Bedeutung folder Ringe für die Entwidelung des 
Geldweiens näher erörtert. Er ijt zu der Anficht gelangt, daß die 
Ringe längere Zeiträume hindurd als Geld gedient hätten und daß 
bie meiften derjelben zu dieſem Zwecke von einem beftimmten Ges 
wichte angefertigt feien, wonach denn auch die verfchiedenen Ringe in 
einem einfachen Gewichtsverhältniß zu einander ftänden. Als die 
Gewichtseinheit hierbei wird das Gewicht eines halben Penny oder 
12 Sran Troy» Gewicht aufgeſtellt. Für Goldringe glaubt Herr 
VBetham Exemplare von 12 bis 4320 Grän (0.78 bie 279.94 
Gramm), oder von 1 bis 360 Gewidhts-Einheiten; für Silberringe 
Eremplare von 456 bis 1212 Grän (29.55 bis 78.54 Gramm) 
oder von 38 bis 101 Gewichtseinheiten; für Bronceringe Exemplare 
von 48; bis 3576 Grän (3.11 bis 231.72 Oranım) oder von 4 
bis 298 Gemwichtseinheiten nachweifen zu fünnen. 

Es ift felbftverftändlich, daß wegen der im Laufe der Jahrhun⸗ 

16 


230 


derte ftattgefunbenen ftärferen oder fchwächeren Oxybation ober even. 
tuell wegen früherer Abnugung oder auch gemwaltjamer Beſchädigung, 
fowie in Rückſicht der urfprünglicden ungenauen Yuftirung, ein ges 
wiſſer Spielraum für diefe vergleichenden Ermittelungen zugegeben 
werden muß. Eben deshalb aber fcheint e8 ung geeignet, das Haupt 
refultat eher in Zweifel zu ftellen al8 zu jtügen, wem 3.8. von 
Herrn Betham Ringe von einer abfichtlihen Schwere von 101 und 
von 298 Gewichtseinheiten angenommen werden. Sollte es nid, 
wofern das ganze Syitem überhaupt annehmbar erfcheint, rathfamer 
fein, ftatt dejjen 100 und 300 Gewichtseinheiten für die betreffenden 
Ringe zu ftatuiren, und das verhältnigmäßige geringe Unter» oder 
Ueber - Gewicht, welches in beiden gedachten Fällen nur 1 Procent 
oder noch weniger iſt, der mangelhaften urfprünglichen Abwägung 
oder den unter fich differirenden Normals-Gewichten jener alten Zeiten 
beizumejjen ? 

Einige fpätere Forfcher in der Numismatik, wie Lindfay und 
G. F. Grotefend, haben fih im Wefentlihen der Anficht Herrn 
Betham's angeſchloſſen. 

Vor Kurzem hat ferner ein ungariſcher Numismatiker auf Grund 
vieler in Ungarn aufgefundener und von ihm geſammelter verſchieden⸗ 
artiger alter Ringe aufs Neue die Beſtimmung ſolcher Ringe als 
Tauſchmittel beſprochen und gleichfalls die Anwendung eines beſtimm⸗ 
ten Gewichtsſyſtems bei denſelben wahrſcheinlich zu machen verſucht. 
Er findet bei einer Reihefolge von 13 ſilbernen und von mehr als 
50 Stück bronzenen Ringen, deren Gewicht auf beziehungsweiſe 20 
bis 4649 Grän Apothefer-Gewicht (0.88 bis 338.99 Gramm) au 
fommt, proportionirte Abftufungen des Ninggeldes. 

Der erjte Weberblid der von dem ungarischen Numismatiker 
mitgetheilten einzelnen Gewichtsermittelungen ermwect eben feine fon- 
derliche Zuverficht auf ein bei Anfertigung der Ringe, als Zahlmit- 
tel, beobachtetes conjequentes Syſtem, denn der Abftufungen find gar 
zu viele, und wenn man diefelben ohne vorgefaßte Meinung vergleicht, 
möchte man darin eher den augenfcheinfichen Mangel eines Syſtems 
entdeden. Andererſeits können aber doch die weiteren Zwiſchenrüume 
in der Xeihefolge der fchwereren Stüde fowie namentlich) das bei 
mehreren unverfennbare Verhältnig von 1 : 2 zu der Annahme lei⸗ 
ten, daß ein gewifjes gleichinäßiges Syſtem der Gewichtsbeftinnmung 
der Ringe zum Grunde liege und die geringeren Abweichungen zwi⸗ 
ſchen einzelnen ähnlichen Stüden zufälligen Urſachen beizumefjen feien, 
wie wir Died ſchon bei Betham's Aufitellung bemerkt haben. Co 
wiegt z. B. von den Silberringen einer 360 Grän, ein anderer 180 
Srän; und wieder der eine 60 Grän, andere 30 und 20 Grän 
(alfo resp. 23.37, 11.18, 3,73, 1.87 u. 1.24 Gramm). Von den 
Bronce-Ringen hat der eine das Gewicht von 4649 Grän, ein an 
derer 2280 Grän, aljo faft genau die Hälfte; und ferner wiegen 
andere resp. 3600 und 1755 Grän, 2760 ımd 1380 Grän, 960 
und 480 Grän. 


231 


Es ift uns fein aus drückliches Zeugniß eines Gefchichtfchreibers 
aufbewahrt worden, daß bei den alten Deutſchen neben dein Viehgeld 
auch noch Ringgeld in Gebrauch gewefen, allein e8 liegen anderivei- 
tige Ueberlieferungen und Anzeichen vor, welche diefen Gebrauch, aud) 
bei ihnen als einen weitverbreiteten vorausfegen lafjen. Dahin ge 
bören vor Allem auch in diefer Hinfiht die in den alten nordifchen 
Aufzeichnungen vielfach vorkommenden Erwähnungen und Beifpiele 
folhen Gebrauchs und fodann die in den alten Gräbern und fonft 
in Deutſchland, insbefondere in den nördlichen Theilen deſſelben, auf- 
gefundenen zahlreidhen Gold- und Bronce= Ylinge jeder Art, Finger- 
Ringe, Ringe für den Hals, Ober» und Unterarm, fowie Ringe, 
die offenbar nicht zum Zragen als Schmuck bejtimmt fein konnten, 
und außerdem häufig abgejchnittene Stücde von Ringen. Das Gold 
ward nämlich meiftens zu fehr dünnen Stangen oder Dräthen ge 
fchmiedet, welche fpiralförmig zu Finger oder Armringen gewunden 
wurden; ‚wenn etwas zu bezahlen war, fdhnitt man Stücke diefer 
Spiralringe ab und bezahlte damit nach Gewicht !. 

Daß bei den nordischen Völfern Ringe oder fogenannte Baugen 
aus Gold recht eigentlich al8 Geld benutzt wurden, zeigt ſich Schon 
darin, daß freigiebige Fürften in den Sagas häufig als Baugen-Bre⸗ 
her, Baugen- Zerftücler, Ring- oder Gold- Brecher gefeiert werden. 
Im Rigsmal wird der Jarl gefchildert, ale: 

„Alle begabend mit Schmud und Gefchmeide und ſchlanken 
er 


Ringe hingebend und Baugen zerſtückelnd“. 

Noch bezeichnender erſcheint die Geldbedeutung der Ringe in dem 
Liede von Wölundar (Et. 8 u. 9) ebenfalls in der älteren Edda. 
Nidudr kommt mit feinem Gefolge in den Saal Wölundars. Dafelbft 

„Sahen fie am Bafte die Ringe ſchweben, 
Siebenhumdert zufammen, die der Mann bejaß. 
Sie banden fie ab und wieder an den Balt, 
Außer einem, den ließen fie“. 

Am „Oegirs Trinfgelag* (Str. 12) bietet Bragi „einen Ring 
zur Buße“, womit dasjenige übereinjtimmt, was wir gleich über die 
Feſtſetzung gewilfer Bußen in Ringen aus den älteften Rechtsauf⸗ 
zeichnungen erwähnen werden. 

Vornämlich in zweierlei Beziehungen mußte neben dem älteren 
und für die gewöhnlichen Zahlungen noch fortdauernd beibehaltenen 


2 Bgl. C. A. Holmboe, Das Ältefte Münzwefen Norwegens (1846): „Solche 
Ringe, von unfern Vorfahren Baugar genannt, hatten oft ein dem Gewichts 
ſyſtem entſprechendes Gewicht, fo baß fie ohne nachgewogen zu werben als 
Bezablungsmittel von Hand zu Hand gehen konnten; ed wird nämlich in dem 
Sagen oft eines Zwölf-Eyrir-Ringes, eined Dreimark:Ringes u.f.w. erwähnt. 
Dies ſcheint jedoch nicht immer ber Fall gemwefen zu fein, da ber größte Theil der 
goldenen Ringe, die in bem Mufeum ber Norwegiſchen Univerfität aufbewahrt 
werben, nicht zu biefem Gewichtsſyſtem paßt“. 


16 * 


BViehgelde das Bedürfniß und die Zweckmäßigkeit eines metallifchen 
Zahlmittels fich geltend machen: beim Handel mit Auswärtigen und 
dann für die Belohnung geleifteter freiwilliger Kriegsdienfte im Ge 
folge von mächtigeren Häuptlingen oder Fürften. In 

gemünzten (Seldes war hierzu Ninggeld offenbar das bequemfte, bei 
den das Metall nad) dem Gewichte in größere wie geringere Sum 
men eingetheilt und damit gezahlt werden Tonnte, während auf ber 
anderen Seite der Empfänger, auch wenn er fein eigenes Landeigen 
thum befaß, einen fo erhaltenen Werth leicht zu verwahren und ;u 
benugen im Stande war. Bei denjenigen germanifchen Völlerſchaf⸗ 
ten, die durch ihre Berührungen mit den Römern hinreichenden Nor 
rath römifcher Süber- oder Gold-Münzen zum Behufe ihrer in Edel⸗ 
metall zu leiftenden Zahlungen ſich verfchaffen konnten, war die Aut 
hülfe des Ninggeldes nicht erforderlich, und dies erjcheint als ein 
fernerer Grund, weshalb man im nördlichen und öftlichen Deuſſch⸗ 
land fowie in Efandinavien alte Goldringe ungleih häufiger aufge 
funden hat als in den Rhein- und Donau-Gegenden. Die Brom 
Ninge, die man in legteren Gegenden findet, gehören dem keltiſchen 
Alterthum an. Die feltifchen Bewohner Pannoniens, Roricums, 
Bindeliciens werden, bevor das fremde Geld oder rohe einheimiſche 
Münzen (von denen fpäter die Rede fein wird) bei ihnen auflamen, 
fich vermuthlich in gleicher Weife des broncenen oder cifernen Ring: 
geldes bedient haben, wie Caeſar dies von ihren Stammgenofjen in 
Britannien berichtet. Hierauf führt auch was wir oben aus eimer 
ungarifhen Schrift über die in Pannonien aufgefundenen zahlreichen 
Bronze-Ringe erwähnt haben, ſowie die Entdedung, welche man im 
Jahre 1842 bei Reit in Oberbayern machte (Oberbaprifches Archiv 
Bd. XI, ©. 18). Hier fand man anderthalb Fuß umter der Erde 
200 dicht an einander gereihte Ringe oder Baugen zufaınmen, alle 
von gleicher Form und Schwere (von ca. 15 Loth). 

Hinfichtlih des Ninggeldes bei den Germanen gewähren ums 
die int alten isländifchen Rechtsbuche (Grägäs) aufbewahrten Spuren 
eines gewiß uralten Herkommens willfommene Aufklärung. 

Das 114. Kapitel des Strafredhts führt hier die Weberfchrift 
Baugatal’, d. h. Verzeichniß der Ninge, und enthält die genauen 
Beſtimmungen über die für einen Zodfchlag nach den verfchiedenen 
Graden der Blutsverwandfchaft zu zahlenden und beziehungsweife zu 
empfangenden Bußgelder. Es werden diefelben in vier Klaffen ein- 
getheilt, welche Geſetz-Ringe (lögbaugar) genannt werben. Diefe 
Denennung kann wohl nur darin ihren Urfprung haben, daß die 
Entrihtung folder Bußen, nachdem das Edelmetall im Lande reichli- 
cher geworden und neben dem Viehgelde zu größeren Zahlungen ber 
nut zu werden pflegte, vorzugsweife in ſolchen Ringen üblid ge 
worden war. Auf den gemeinfamen Kriegszügen mochte am häufig« 
ften blutiger Zwiſt und Todſchlag zwifchen den bewaffneten Heeres⸗ 
genoffen vorkommen, und für diefe war die Zahlung der Bußen an 
die Verwandten durch folche Ringe viel leichter zu bewerkſtelligen als 


233 


duch Vieh. Unter den Ringen, welche die Grägäs erwähnt, find 
jeboh Ringe aus Silber verftanden, wie ſolches im Schluße des er- 
wähnten 114. Kapitels ausdrüclich bemerkt wird. Das für Ges 
fchlechtöbußen zu zahlende Silber, heißt es da, foll gut fein und dem 
alten gefeglihen Silber nicht nachftehen, 10 Pfennige auf die Unze; 
es foll äußerlich mehr die Zarbe des Silbers als des Meſſings zei- 
gen, den Einfchnitt vertragen und inwendig eben fo gut fein als an 
der Oberfläche. 

In den alten norwegiſchen Rechtsbüchern ift das Wergeld in 
Gold angejegt und wird aud) in Form von Goldringen bezahlt wor⸗ 
den fein, was ſchon deshalb als das Urfprüngliche anzuſehen ift, 
weil man aus den älteren Gräbern viele Goldringe von verfchiedenem 
Gewicht, aber feine Silberringe aufweifen kann. 

Der Ring erjter Klaſſe wird in der Gragäs angegeben auf 3 Marf, 
weiche Bater, Söhne und Brüder des Thäters zu bezahlen, und an- 
bererfeit8 Vater, Söhne und Brüder des Erfchlagenen zu empfangen 
haben. Der Ring zweiter Klaſſe beträgt 20 Dere (24, Marf); 
ihn geben und empfangen die Großväter und die Enkel. Die Ringe 
dritter und vierter Klaffe find angefegt zu 16 Dere (2 Mark) und 
12 Dere (1', Mark), welche beziehentlid) von den Blutsverwandten 
entfernterer Grade zu bezahlen und zu empfangen find. Jedem 
Ringe dieſer vier Klaffen wird noch eine Zugabe (baugpac) hinzu 
gerechnet, 3. B. der erjten Klaſſe 6 Dere und 48 Deut (Pveiti) 
u. ſ. w. — Es werden dann noch im Nechtsbuche ſechs fernere Klaf- 
jen von Bußen (von 1 Mark hinab bis 1 Dere) und die dazu ver- 
pflichteten und berechtigten Verwandſchaftsgrade aufgezählt, allein diefe 
Burgen werden nicht mehr als „Ringe“ bezeichnet. Der Grund hier- 
von dürfte vielleicht darin zu fuchen fein, daß zur Zeit, als die Bes 
zeichnung jener „Ringe“ aufkam und hierunter Goldringe gemeint 
waren, die leteren Klafjen der Bußen zu gering waren, um hiermit 
bezahlt zu werden. 

Wenn nämlidy bei den Geſchlechtsbußen des alten isländijchen 
Geſetzbuches nur Ninge aus Silber zu verftehen find, fo ift diefer 
Gebrauch offenbar erjt zu der Zeit entjtanden, al8 nad) dem achten 
Sahrhundert die Beutezige der Nordmänner größere Silbermünzen 
heimgeführt hatten, denn, wie jchon bemerkt, in früherer Zeit waren 
in Skandinavien, fo weit die uns noch erhaltenen Ueberreſte der fo- 
genannten Bronce- Periode und des älteren Gifen- Zeitaltere e8 vor 
Augen legen und die ältejten norwegifchen Aufzeichnungen es bejtäti- 
gen, nur Goldringe, feine Silberringe üblich gewefen. 

Die Buße, welche von den Gütern eines Verbannten dem Rich— 
ter zu zahlen und auf eine Mark beftimmt iſt, wird in der Grau⸗ 
gans (3. Section, Kap. 32 u. 46) “fiörbaugr’ (d.h. annulus 
vitalis, Lebens⸗Ring) genannt, wol aus feinem andern Grunde, als 
weil in älterer Zeit diefe Zahlung durch Ringgeld beſchafft zu wer⸗ 
ben pflegte. 

Sollten aber nicht, wie wir es beim Viehgeld gefunden haben, 


234 


fo au in Rückſicht des Ringgeldes in ben älteften deutſchen Recht⸗ 
aufzeichnungen fich wenigjtens einige Spuren erhalten haben? &s 
fcheint dies allerdings der Fall zu fein, und zwar gerade in einer 
der früheften, nämlich in den uns überlieferten älteften Faſſungen der 
Lex Salica. 

Das 44. Kapitel der älteften Aufzeichnung ber Lex Salica 
handelt von der Zahlung, die Jemand, der eine Wittwe heirathet, 
den Verwandten derjelben zu zahlen hat; er foll vor Gericht drei 
gute vollwichtige Solidi und einen Denar entrichten, welche drei 
Zeugen mwägen und unterfuchen follen. Unterläßt ber die Witwe 
Heirathende ſolches, fo verfällt er in eine Buße von 62"/, Solidi, 
welche er den Berechtigten zu entrichten hat. ‘Die Ueberfchrift dee 
Stapitel8 lautet ‘De reipus’ und im Tert wird der Empfänger der 
Buße zweimal bezeichnet “cui reipi debentur’. Die Malbergiſche 
Stoffe hat daneben einen in den Handjchriften ehr verfchieben auf 
bewahrten Zuſatz ‘reipus nihil sinus’ oder “reiphus heealsinus’ 
oder ‘reippus nicolesinus’ ı. a. 

Während über den Zufag feine auch nur als muthmaßlich zu 
bezeichnende Deutung gelungen ift, hat man darüber feinen Zweifel 
gehegt, daß unter “reipus’ ein Reif oder Ring zu verftehen fe. 
Diefer Ausdruck bezieht ſich in dem Geſetze nicht auf die bei der 
Che mit einer Wittwe vor Gerichte den Verwandten zu leiftende her 
kömmliche geringe Zahlung von 3 Solidi und 1 Denar, ſondern 
auf die mehr als das Zwanzigfache gejteigerte Buße, auf welche die 
Verwandten der Wittwe im Falle der Unterlaffung jenes Herkom 
mens nachträglich Anſpruch Hatten. Es erfcheint uns daher vie 
wahrfcheinlicher, daß die Bezeichnung des Reifs oder Ringes nicht 
auf eine fymbolifche Handlung wegen der Ehe zu beziehen ift‘, 
jondern daß hier ein ſchon ganz in die Abftraction ütbergegangener 
Branch vorliegt und an die alte Zahlungsweife von Bußen diefer 
Art in Form goldener Reife zu denken ift. 

Cine unverfennbare Spur des alten deutfchen Ringgeldes trifft 
man mitunter in den volfsthünlichen epifchen Dichtungen des Mit: 
telalter8, wo die fpäteren Licberarbeitungen unbewußter Weife hierin 
die in den viel älteren mündlichen Weberlieferungen vorgefundenen 
Angaben beibehalten haben werden. So heißt e8 im Nibelungen-Lied, 
dag Chriemhilde an Sifrid, der fie, als Meberbringer einer glücklichen 
Botſchaft, um ein Geſchenk bittet, durch ihren Kämmerer 24 Ninge 
(bouge) al8 Botenlohn geben läßt, und noch klarer erfcheint der 
Seldbegriff der Ringe im „König Rother“, wo einmal 5000 Ringe 
verfprochen werden (fünf düsint bouge, die sie al geben wolden 
sö sie widir kören solden). — Und wenn es in einem Liebe ber 
Minnefänger Heißt: die ich lieber hän danne al der Kriechen 


2 Auh I. Grimm denkt nur daran, wenn er fagt, Einleitung zu Mer⸗ 
tel3 Ausgabe ber Lex Salica p. LIV: „Der geringe Betrag von brei Soliden 
ſcheint an die Stelle bes alten Symbols von drei Ringen getreten“. gl. im 
allgemeinen Schröder, De dote (Berol. 1861) p. 57. 58 n. 8. 


235 


bouge, fo dürfte hier noch ein Nachklang vorliegen aus jener längſt 
vergangenen Zeit als bouge der Sache wie dem Ausdrude nad) 
den allgemeinen Begriff „Geld“ oder Schäge in fich faßte. Ger 
wöhnlich findet fich bei der Erwähnung von Baugen oder auch Arm 
baugen u. |. w. in ben deutfchen Gedichten des Mittelalters der Zu- 
fag „von rothem Golde“, und werden auch, wo diefe Beifügung fehlt, 
goldene Reife gemeint fein’. 

Eine merkwürdige Erinnerung an die alte Benutzung goldener 
Ringe zu Zahlungen fcheint ſich ferner in der befannten fagenhaften 
Erzählung des Widufind über den anfänglichen Landerwerb der Sadj- 
ſen in ihrer fpäteren Heimath erhalten zu haben, wonad) einer ber 
Ihrigen mit goldenen Ringen belaftet aus den Schiffen ans Land 
gekommen fei und einem Thüringer diefe Ringe als Kaufpreis fir 
einen Haufen Erbe heimgegeben habe (Widukind I, 5). — 

8 ward im Vorhergehenden erwähnt, wie von verfchiedenen 
Seiten verfucht worden ift, für die Bronceringe, welche von alten 
teltifchen Bevölferungen heritammen, gewiffe Gewichtsſyſteme nachzu⸗ 
weifen. Wir enthalten uns einer eingehenden Erörterung über dieſe 
das keltiſche Alterthum betreffende Frage, da die alten germanifchen 
Berhältniffe für ſich ſchon überreichlihen Stoff zur Unterfuchung 
barbieten und die Kritit jener Aufitellungen iiber das feltifche Ring⸗ 
geld für unfere zunächjtliegende Aufgabe leicht eine vorgefaßte Mei- 
nung begründen fünnte. 

Unfere Unterfuhung hat folgenden felbftändigen Weg einger 
fchlagen. Wir haben damit begonmen, über eine bedeutende Anzahl 
Goldringe aller Arten, welche theils in alten Gräbern der heidnifchen 
Zeit, theils in Mooren oder unter großen Steinen verftedt, oder 
auch ſonſt, im nörblichen Deutfchland, in Preußen, in Schleswig, in 
Dänemarf und in Norwegen aufgefunden find und noch in den Als 
terthumsfammlungen aufbewahrt werden, möglichſt genaue Gewichts⸗ 
angaben zu erhalten. Bei einigen ift dies durch neuere direfte Wä⸗ 
gung mit metrifchem Gewicht gefchehen, bei den meiften aber haben 
wir die in den gedrudten Befchreibungen mitgeteilten Notizen über 
die Schwere, nad) bejchaffter Reduction aus kölniſchem auf metrifches 
Gewicht, angenommen. Es läßt fich nicht verfennen, daß in den 
bisherigen DBefchreibungen das Gewicht oftmals wohl nicht mit der 
wünfchenswerthen Genauigfeit ermittelt fein wird, und daß eine auf 
das Gewichtsverhältniß fpeciell gerichtete Unterfuchung, namentlich bei 
direkter Wägung mit metriſchem Gewicht, vielleicht etwas abweichende 
Angaben ergeben dürfte; allein ein folcher Unterfchied wird in der 
Hauptſache für die vorliegende Unterfuchung fehwerlicd relevant fein 
können. Die von ung gefammelten und auf einen gleichen Maaßſtab 
rebucirten fämmtlichen Gewichtsangaben find der ponberalen Reihen- 


2 Auch die Vandalen mie die Gothen zeichneten fi dur den Schmud 
goldener Armringe aus, wie Profopius bei verfchiebenen Gelegenheiten be: 
richtet (beil. Vand. II, 8. bell. Goth. II, 28. II, 24 u.a.) 


236 


folge nad) geordnet, und ift darnach unterfucht, ob im Ganzen md 
Großen bei den im nördlichen Deutfchland und in den Oftfeeländern 
aufgefundenen Goldringen eine gewiffe gemeinfame Grundlage, ver 
hältnigmäßige Webereinftimmung, oder jyftematifche Progreffion des 
Gewichts, gleichviel in welcher Art es fei, fich bemerkbar mache, oder 
ob wenigſtens entferntere Anzeichen eines ſolchen Zuſammenhange 
vorzuliegen fchienen. Wir haben uns bei diefer Unterſuchung im 
voraus gefagt, daß man fid) dadurd) nicht dürfe jtören laſſen, wen 
einzelne oder felbft mehrere Gewichtsangaben vorfämen, welche mit 
dem im Uebrigen fi) fund gebenden Syftem im offenbaren Wider 
ſpruch ftänden. Würde ſich nämlich bei der Mehrzahl der erhaltenen 
Soldringe das Ergebniß zeigen, daß bei Anfertigung derfelben allem 
Anfchein nach eine vorher abfichtlich dazu abgemogene beftinunte Menge 
Soldes in die Form des Ringes gebracht fei, um hernach gerade für 
eine nach Gewicht beftimmte Summe, ohne Zheilung oder Zugabe, 
zur Zahlung zu dienen, jo könnten daneben doch Ringe vorkommen, 
welche ohne alle Rückſicht auf folches Gewichtsſyſtem angefertigt 
waren, wie ein zufällig gegebener Goldvorrath oder eine willkürliche 
Eintheilung dies veranlagt haben können. Sole Fälle müßten aber 
doch unter der ganzen Zahl der unterfuchten Gewichte fich erfichtlid 
als Ausnahmen erkennen laſſen, wenn die abfichtliche Anfertigung der 
Ringe nad) einen gleichmäßigen Gewichtsfyften und deren Verwen⸗ 
dung zur Zahlung beſtimmter Werthbeträge die Regel gebildet hätte. 
Wir haben uns ferner gejagt, daß Gewichtsdifferenzen um einige 
Procente bei den alten Goldringen feinen triftigen Einwand gegen 
ein fonft bei ihnen fih mit Wahrfcheinlichleit fund gebendes Ge 
wichtsſyſtem abgeben könnten, da, wenn auch nicht, wie bei den 
Bronce- und Eifen-Ringen, der größere oder geringere Grad der na 
türlichen Gewichtsveränderung im Verlauf der Zeit, doch die technifche 
Unvollfonımenheit der Waagen und die mindere Genauigkeit der Ge 
wichtsftüde in jenen alten Zeiten eine folche verhältnigmäßig geringe 
Abweichung genügend erflären würden. Endlich haben wir geglaubt, 
bei unferer Unterfuchung von der Borausfegung ausgehen zu miüffen, 
daß es nicht darauf ankommen fönne, irgend welche Kleine Gewichts⸗ 
einheit von etiwa einigen Gran aufzuftellen und hiernach die vorge: 
fundenen Gewichte der Ringe, fo gut es gehen will, als abfichtliche 
Multipla jener Einheit darzuftellen, die Zahlen mögen noch fo un⸗ 
egal und einzeln ohne näheren Zuſammenhang mit den fonft gefunde 
nen Größen ftehen, fondern daß ein bei Anfertigung der Ringe be 
obachtetes Gewichtsſyſtem fih vor Allem darin deutlich müſſe erfen- 
nen lafjen, daß die fchwereren Stüde zu den leichteren in einem ein. 
fachen Verhältniß fortfchreitender Halbirung oder eventuell fonftiger 
einfacher Eintheilung jtehen. 

Die Borausfegung eines ſolchen Verhältniffes wird durch die 
oben angegebene Beitimmung der Graugans über die Schwere ber 


verföjiebenen Ringe bei ben Gefchlechtsbußen noch befonders nahe 
gelegt. 


237 


Zu welchen Ergebniffen hat nun diefe unternommene Unterfu- 
hung geführt '? 

Wir haben zunächſt die Gewichtsangaben von mehr als 200 
Goldringen, beren fchweriter ein Gewiht von 1367 Gramm auf- 
weist, bis hinunter zu Ringen von nur 78 Centigramm, die größten- 
theils im Mufeum für nordifche Alterthümer in Kopenhagen, in der 
Sammlung der Univerfität zu Chriftiania oder im Antiquarium in 
Schwerin aufbewahrt werden, theils anderswohin gefommen find, 
nad) ben darüber veröffentlichten Befchreibungen oder nad) uns direct 
mitgeteilten Ermittelungen zufammengeftellt und unter ſich verglichen. 
Es ift uns jedod) nicht gelungen, weder in den Abftufungen des Ges 
wichts der fchwereren Ringe unter fi, noch auch in den gegenfeiti« 
gen Gewichtsverhältniffen der Ringe mittlerer oder geringerer Schwere 
unter einander oder im Vergleich mit den fehwereren Stüden ein 
zum Grunde Tiegendes gemeinfames Gewichtsfyften irgend welcher 
Art oder fonft die Abficht einer beftimmten Gewichtseintheilung zu 
entdecken. Wir finden da bei den fchwereren Goldringen Gewichte 


Gramm. Gramm. Gramm. 
1367 232 | 138 
1186 211 135 

807 206 130 
533 197 128 
506 181 128 
485 177 120 
402 176 96 
360 175 91.4 
334 175 88.2 
307 170 85 
297 168 

263 163 








Diefe Zahlen ergeben in ihrem Verhältniß zu einander, wenn man 
auch der Ungenauigfeit der urfprünglichen Yuftirung alle mögliche 
Rechnung trägt, nicht allein keinerlei Anhalt zur Aufftellung eines 
vorwiegenden gemeinschaftlichen Gewichtsſyſtems, fondern fie enthalten, 
wie uns fcheint, im Gegentheil einen überzeugenden Beweis, daß bei 
Anfertigung der größeren Ringe offenbar feine Rückſicht auf ein bes 
ftinnmtes Gewichtsfyften maaßgebend gewejen fei. 

Fragen wir nun weiter, ob denn vielleicht bei den Ringen mitt 
leren Gewichts, etwa zwifchen 80 und 20 Gramm Schwere, gewiffe 
gleichmäßige Gewichtsnormen vorherrfchend geweſen zu fein fheinen, 
fo zeigt fich auch bei diefen Ringen die allergrößte Disparität. Wir 
finden hier Gewichte von 


2 6, die Zufammenftellung in Anmerkung II. 


236 


folge nad) geordnet, und ift darnach unterſucht, r' 
Großen bei den im nördlichen Deutſchland und 






aufgefundenen Soldringen eine gewiſſe geme' 6 en 
hältnipmäfige Uebereinſtinmung, oder fr’ 8 
Gewichis — im welcher Art es ſer a s 3) 
ob wenigftens entferntere Anzeichen e 

vorzufiegen ſchienen Wir haben ur 292 (a) 
vorans gefagt, daß man ſich dadurd 27.4 
einzelne oder felbft mehrere Gewi 26.6 
dem im Uebrigen ſich kund geben’ . 26.3 
ſpruch ftänden. Würde ſich när Bau 25.5 (2) 
Goldringe day Ergebniß zeigen . 24.7 
Auſchein nad) eine vorher abji: | 23.7 
Goldes in die Form des Ri: 5 23.0 (2) 
eine nad) Gewicht beftimmt FR 21.1 (4) 
zur Zahlung zu dienen, f vd 201 8). 
welche ohne alle Nüdfic ni 19.8 






waren, wie ein zufällig 
Eintheilung dies veranl ge 
I en Forum, Tomi um, 02.29, 7 
Ring i = Zahl vorkommen, ſo 
Ainge nad * g J ſcheinung hinſichtlich der Ringe 
a 2 Sue eläen Norm, im 
Srocente ei 12 A dem genannten Gewichtäverhälte 
ein font bei ih ide gelegen habe, auf Wohr⸗ 
Sean un © # 7} wicht in dem Umitande, dak von 
ü — er ne a großer Theil ein 
— > fölniihem Yerb 
















ertrei⸗ 


239 


angelfächfifche Pfund wird geſchätzt auf 349.94, deſſen Unze alfo 
auf 29.16 Gramm; bie fülnifche Mark wiegt 233.85 Gramm, wo⸗ 
nach die Unze auf 29.23 Gramm ausfommt. 

Die Vergleihung und weitere Berechnung diefer Gewichtseinheit 
ten giebt nad) unferm Dafürhalten ebenfalls in Betreff der vorer- 
wähnten Gewichtöverhältniffe der alten Goldringe keinerlei Auffchluß, 
denn daß das ungefähre Gewicht einer angelfächlifchen oder kölniſchen 
Unze (29.2 Gramm) ſich mehrfach bei den Goldringen gefunden hat, 
fönnte wol nur dann als abfichtliche Normirung anzufehen fein, 
wenn nun auch weiter fich gerade das Doppelte, Dreifache, Vierfache 
u. ſ. w., oder auch die Hälfte diefer Schwere vorwiegend bei den übri- 
gen Goldringen nachweifen ließe, was aber nicht der Fall ift. 
Und außerdem ift zu beachten, daß die Schwere von ca. 33 Gramm 
ungefähr eben fo häufig bei den Ringen angetroffen ift wie bie von 
ca. 29 Gramm, und die Differenz von ca. 4 Gramm oder 12 PBro- 
cent bei dem werthvollen Golde offenbar zu beträchtlich ift, um felbft 
für jene alten Zeiten und Zuftände als Folge bloß ungenauer Wä- 
gung und Yuftirung angefehen zu werben. 

Wir nehmen hiernach feinen Anjtand e8 unummwunden anzuers 
fennen, daß unfere Unterfuchung wegen eines Gewichtsfyftens bei den 
alten germanifchen Goldringen, ungeachtet allen Eifer die Spuren 
eines folchen zu entdeden, zu dem negativen Ergebniß geführt Hat, 
daß eine abjichtliche regelmäßige Gewichtsbemeffung diefer Ringe nicht 
ftattgehabt hat, und dag diefelben nur in der Weife als Geld ver- 
wendet worden zu fein jcheinen, daß man fie, ganz oder zerftüdelt, 
nach vorangegangener jedesmaligen Wägung für den darnach zu be 
rechnenden Werthbetrag in Zahlung gab, gleichwie Gold in Stangen, 
Barren oder in anderer Form. Die Ringform wurde nur aus den 
oben angeführten Gründen des bequemen Transports ſowie zur gleich. 
zeitigen Benutzung als Schmud gewählt, und diefe Rüdficht ſowie 
die zufällig oder willfürlich dem Goldfchmied gegebene Menge Gol- 
des war bejtimmend für das Gewicht der Ringe. Hätte ein beab- 
fichtigtes Gewicht in den verfchiedenen Ringen dargeftellt werden fol- 
fen, fo wären vermmthlich auch äußere Erfennungszeichen dieferhalb 
an bdenjelben angebracht worden, was aber, fo weit uns befannt, 
nicht der Fall ift. 

Noch wollen wir zur Vermeidung von Mißverſtändniſſen ber 
merfen, daß die vorftehend geäußerten Anfichten auch dann aufrecht 
erhalten bleiben, wenn die germanifchen Goldringe entweder nad) 
den Ländern, wo fie gefunden worden, oder nach dem verſchiede⸗ 
nen Zeitalter, dem die nordifchen Alterthumsfenner fie zutheilen möch⸗ 
ten, in verfchiedene Gruppen gefondert und darnach die Gewichtsver⸗ 
häftniffe geprüft werden. Auch dann zeigt fich der nämliche Mangel 
eines ertennbaren zufammenhängenden Gewichtsfyften®. 

Trog des fomit ausgebliebenen pofitiven Ergebnijjes diefer un- 
ferer Gewichtsimterfuchungen fchien e8 nicht unpaljend, felbige mit 
einiger Ausführlichkeit vorzulegen, fei e8 nun, daß Andere, welche 


240 


fonft durch die Anfichten über das keltiſche (broncene oder eiferne) Ring 
geld fich zu gleicher Unterfuchung in Betreff der germanischen Gold 
ringe veranlaßt fehen möchten, nad Prüfung der bier mitgetheilten 
Notizen, fich diefe Mühe fparen, oder fei es aud), daß Andere ben. 
noch verfuchen wollten, unter Herbeifchaffung noch fernerer Materia⸗ 
lien die Bafis eines bejtimmten Gewichtsſyſtems jener Goldringe 
nachzuweiſen. 

Waren aber auch die eben ſo ſehr als Zahlmittel wie zum 
Schmuck dienenden goldenen Ringe nicht ſelbſt ſchon nach einem be⸗ 
ſtimmten Gewichtsſyſtem angefertigt, ſo iſt doch einleuchtend, daß je⸗ 
denfalls die Kenntniß und Anwendung von Waagen und geſetzlichen 
Gewichten bei den Germanen eben fo alt fein muß als ſolcher Ge⸗ 
brauh. Kin Handelöverfehr, bei dem die Edelmetalle eine Rolle 
fpielen, hat ein bejtimmtes Gewichtsſyſtem als ganz nothwendige 
Vorbedingung. Wenn die Germanen für Bernftein und Pelzwerk 
bei den fremden Kaufleuten Gold in ungemiünzter Form eintaufchten, 
fo ift e8 nicht denkbar, wie fie ohne Anwendung von Waage und 
Gewicht hätten fertig werden fünnen. Welche Gewichtseinheit, welche 
Gewichtseintheilung fand aber bei ihnen ftatt? Die Unterfuchung 
der Schwere der und noch erhaltenen Goldringe hat, wie wir eben 
fahen, feinen Auffchluß gegeben, und aud) im Webrigen fahen wir 
uns vergeblich um nad irgend welchen pofitiven gefchichtlichen Zeug⸗ 
niffen über diefe Frage. Wollen wir ums alfo nicht mit dem aller 
dings höchft bequemen und gegen jede Kritik fichernden Auskunfts⸗ 
mittel begnügen, bie Frage wegen des ältejten deutfchen Gewichtswe⸗ 
ſens als unlösbar ganz auf jich beruhen zu laffen, fo find wir ge 
zwungen, Hypotheſen aufzuftellen, - welche fich durch ihren innern 
Zufammenhang mit fonftigen, als wahrfcheinlid) nachgewiefenen Ver⸗ 
tehröverhältniffen der ältejten Zeiten und mit fpäteren analogen Zu- 
ftänden rechtfertigen müffen. Die in den Ojtfeeländern und Norwe⸗ 
gen aufgefundenen alten Waagen und Gewichtsſtücke gehören höchſt 
wahrfcheinlich ſämmtlich einer Periode an, die fpäter fällt als etwa 
das neunte Jahrhundert, und find deshalb hier noch nicht weiter in 
Betracht zu ziehen. 

Boedh hat in feinem klaſſiſchen Werfe „Metrologifche Unter 
fjuchungen über Gewichte, Münzfuße und Maaße des Alterthums“ 
den großartigen Zuſammenhang nachgewiefen, welcher zwifchen den 
Grundverhältniffen der verfchiedenen Maaß⸗ und Gewichtsſyſteme der 
Bölfer des Alterthums unverkennbar ftattfindet. Er ſpricht fich dar 
über unter Anderm wie folgt aus: „Es zeigen ſich Spuren eines gros 
gen weltgefchichtlichen Zufammenhanges der gangbarjten Gewichte 
und Maaße; und wenn auch feineswegs in Abrede geftellt werden 
fann, daß jeder Staat Gewicht und Maaß unabhängig könne feſtge⸗ 
ftellt haben, fo erfcheint e& doch eben jo möglich, dag ein Volk oder 
Stamm dem andern fie mitgetheilt habe, theil® im Handelsverkehr, 
theil8 bei der Gründung von Stolonien; ja diefe Annahme ift bei 
weitem wahrjcheinlicher, indem ein Volt, welches auf einer geringeren 


241 


Stufe bürgerlicher Entwidelung ftand, durch das andere weiter vor⸗ 
geichrittene beftimmt werden mußte. — — Hier eröffnet fi, wenn 
nicht Alles trügt, ein weiter Blick in die Völkerverbindungen in fehr 
entfernten Zeiten, und auch in diefem Theil bürgerlicher Einrichtuns 
gen fommt ein regelmäßiger Entwidelungsgang ftatt der Willkür und 
des blinden Zufall zum Vorfchein“. Indem Boedh es als feine 
Aufgabe erwähnt, zu zeigen, daß die Maaß- und Gewichts-Syfteme 
Babylons, Aegyptens, Phöniciens, Paläftinas, Griechenlands, Ita⸗ 
liens und Siciliens eine zufammenhängende Kette bilden, fügt er aus⸗ 
drücklich Hinzu „und einiger anderer Länder, die von jenen beitimmt 
wurden“. 
Zu biefen anderen Yändern wird nun mit großer Wahrfcheins 
lichkeit auch das alte Deutjchland zu rechnen fein, da fein befonderer 
Grund zu der Annahme berechtigt, als hätten gerade die Germanen 
urfprünglich für ſich allein ein eigenthümliches Gewichtsſyſtem feitge- 
ftellt. — Allein da erhebt jich die weitere Frage: von welcher Seite 
ber und in welcher Modalität haben die Germanen ihr Gewichtsiwe- 
fen anfangs erhalten? 

Die aus dem Lateinifchen übertragenen Ausdrüde „Pfund“, 
„Unze“, „Öran“ (pondus, uncia, granum) fcheinen darauf hinzus 
führen, daß die Germanen das Gewichtsfyften von den Römern ents 
lehnt haben; bei näherer Prüfung indeß erweifet fic) diefe Annahme 
als nicht wohl zuläſſig. Die in römifchen Provinzen ſich niederlaf- 
fenden germanifhen Stämme (mit Ausnahme der Angelſachſen) nah» 
men allerdings die römischen Gewichtsnormen an, und hieraus er- 
Härt ſich bei ihnen und darnad) auch bei den benachbarten deutjchen 
Stämmen die Uebertragung der Iateinifchen Ausdrüde, welche fpäter 
bie allgemeinen wurden. Schon vor dem Belanntwerden der Ger- 
manen mit den römiſchen Einrichtungen hatten aber, wie oben erör⸗ 
tert, bereitö andere füdliche Völker mit den Ojtfeeküften Handelöbe- 
ziehungen eröffnet, welche die Anwendung von bejtimmten Gewichten 
erforderlich machten; dann haben die ffandinaviichen Völker in „Mark“ 
md „Oere“ alte einheimifche Ausdrüde für Gewichte aufzumweifen, 
während aus bem Mangel an Belegen für jelbftändige altdeutfche 
Gewichtöbezeihnungen doc, nicht ohme weiteres gefchloffen werden 
kann, daß es überhaupt feine ſolche urfprünglich gegeben habe; end» 
(ich war dasjenige Pfund- Gewicht, welches unter Karl dem Großen 
im fräntifchen Reiche allgemein an die Stelle des römischen Pfundes 
trat, bedeutend jchwerer als dieſes und vermuthlih aus einem ur- 
fprünglichen deutjchen Herkommen entfprungen, wie wir folches in 
einem fpäteren Abjchnitt näher befprechen werden. 

Die Grundlage ihres Gewichtswefens haben die Germanen 
hochſt wahrfcheinlich auf demjelben Wege erhalten, auf welchem fie 
zuerſt im Austauſch gegen ihre Produfte Edelmetall erhielten, aljo 
im Verkehr mit den griechifchen Kolonien an der Nordküſte des 
Schwarzen Meeres. Wir werden daher zunächit zu unterfuchen ha- 
ben, welche Gewichtsſyſteme hier in früheren Zeiten, etwa im vierten 


242 


oder fünften Jahrhundert vor unferer Zeitrechnung (ober vielleidht 
ſchon früher), in den griechifchen Kolonien jener Gegenden Geltung 
hatten, und ob die fpäter zur Geltung gelommenen eigenthümlichen 
deutfchen Gewichtsverhältniffe mit dem einen oder dem anderen ber 
älteren griechischen Gewichtsfyiteme im Zufammenhange zu ftehen 
fcheinen !. 

Nach dem Münzfuß, welcher umter dem Namen des attifchen 
befannt ift und nicht allein in Athen und manchen anderen Gegenden 
des eigentlichen Griechenlands, fondern auch fonft noch in vielfacher 
Weife im Altertum üblich war, betrug das gefegliche Gewicht einer 
Drachme etwa 4.25 (n. And. 4.37) Gramm, eine Tetradrachme alfo 
17 (resp. 17.47) Gramm und die Mina (das Pfund) 425 (resp. 
437) Gramm. Nach diefem Münzfuße ift nun auch in den griedji- 
ſchen Pflanzjtädten am Schwarzen Meer und von den Mlacedonifchen 
Königen feit Philippus, fowie fpäter von den Bosporanifchen Herr- 
fchern vorzugsweife geprägt worden. 

Da e8 über die eigenthüniliche deutſche Gewichtseinheit in älte⸗ 
jter Zeit an allen directen Angaben und fonjtigen Materialien zur 
Ermittelung fehlt, bleibt nichts übrig als vorläufig anzımehmen, daß 
diefelbe im Wefentlichen übereingejtimmt habe mit demjenigen Ge⸗ 
wichtsfyfteme, welches fich fpäter bei germanifchen Bölfern als ein 
eigenthümliches, d. h. als wefentlich verjchieden vom römischen Ger 
wichtsſyſtem kund giebt. Dies ift nun das angelſächſiſche Pfund 
von ca. 350 Gramm zu zwölf Unzen und die ſtandinaviſche und 
fölnifhe Markt von ca. 234 Gramm zu act Deren oder Unzen 
(oder 16 Loth). Die Schwere diefer Unze, als der gemeinſchaftli⸗ 
chen Gewichtseinheit, ift mithin, "wenn man in Betracht zieht, daf 
die technifchen Mittel zur Conftatirung eines Normalgewichts und 
zur Juſtirung der Gewichtsſtücke damals überaus unvollfommen war 
ren, als gleichbedeutend anzujehen, und würde hiernad) auf (3% und 
244) ungefähr 29, Gramm auskommen. Es fragt fi nun, ob 
das Attifche Gewicht hiermit der Hauptfache nach in Einflang zu 
bringen fein möchte. Nach herfömmlicher Rechnungweiſe zählt man 
auf die Unze 8 Drachmen, und fehon diefes aus fortgefeter Halbi⸗ 
rung entitandene einfachſte Verhältnig der Unze und Drachme läßt 
einen urfprünglihen Zufammenhang beider Gewichtsbeftimmungen ab⸗ 
nehmen. Sollte num die alte deutfche Gewichtseinheit der Dere oder 
Unze urfprünglid) aus dem attifchen Gewichtsfyften hervorgegangen 
fein, fo müßte fie acht Drachmen à 4.25 Gramm oder zwei Tetra. 
drachmen à 17 Gramm, alfo ein theoretifches Gewicht von 34 Gramm 
darftellen (oder von nahezu 35 Gramm, wenn man mit Boedh das 


r Mir haben und bei Annahme ber griehifhen Gewichtsſyſteme ben 
Ermittelungen des im Jahre 1859 zu Paris in 3 Bänden erfchienenen um: 
faffenden Werkes des Ton V. Vasquez Queipo angeſchloſſen. Daſſelbe führt 
ben Titel: Essai sur les systtmes metriques et mon6taires des anciens peu- 
pies depuis les premiers temps historiques jusqu’&k la fin du Khalifat d’Orıent. 
(&. Anmerkung II). 


248 


Gewicht der attifchen Drachme zu 4.365 Gramm annimmt). Diefes 
Gewicht ift jedod um mehr als zwölf bis achtzehn Procent fchwerer, 
als wir die Unze oder Dere fpäter bei den germanifchen Völkern in 
ihrem felbitändigen Gewichtsfyiten finden. 

Dagegen zeigt ein anderes im Alterthum fehr verbreitet gewefe- 
nes Gewichtsſyſtem, welches namentlid einem großen Theile der 
reichlichen und berühmten Ausmünzungen der Stadt Cyzikus am Bos⸗ 
porus zum Grunde liegt, und wonach die Tetradrachme ca. 14.84 
Gramm, die einfache Dradyme alfo 3.71 Gramm fchwer war, eine 
merkwürdige Webereinftimmung mit den vorhin erwähnten älteren 
deutfchen Gewichten. Diefer Münzfuß, und mithin auch das ent- 
jprechende Gewichtsfyiten, welchem Hr. Queipo megen feiner vor- 
wiegenden Anwendung im alten Cyzikos zur Linterfcheidung von 
anderen Syſtemen, den Namen des „bosporifchen“ beilegt, ift im 
Alterthum noch vielerwärts, felbjt in manden Städten Phoeniciens 
und Siciliens, in Geltung gewefen. Hrn. Queipo’g Unterfuchungen 
zufolge ijt auf Grund von 393 gewogenen gut erhaltenen Münzftüden, 
für welche fein anderer Münzfuß als diefer f.g. bosporiſche ange- 
nommen werden zu können ſcheint, und die zufammen 1070 Einhei⸗ 
ten der Drachme darftellen, ein wirkliches Durchſchnittsgewicht von 
3.701 Gramm für die Drachme ermittelt, und wird das theoretifche 
Gewicht derjelben von dem genannten Verfaffer auf 3.71 Gramm, 
alfo das der Zetradrachme auf 14.84 Gramm angenommen; zwei 
Tetradrachmen diefes Gewichts wogen alfo 29.68 Gramm. 

Erwägt man nun, daß die cHzifenifchen Münzen im früheren 
Aterthum, namentlich während der eigentlichen Blüthezeit des grie- 
chiſchen Handels, und insbejondere in den am Pontus gelegenen Län⸗ 
dern, eine große Bedeutung und weite Verbreitung gehabt haben, daß 
ferner ein folcher eigenthümlicher Münzfuß, im Altertum mehr nod) 
als jetzt, nothiwendig ein entjprechendes Gewichtsſyſtem vorausfegt, fo 
wird es nicht als unmahrjcheinlic) anzufehen fein, daß die älteften 
germanifchen Gewichtsbeftimmungen urfprünglic; hervorgegangen find 
aus einer Webertragung jenes in dem Münzfuß der cyzikeniſchen 
Silbermiünzen hervortretenden fogenannten bosporiſchen Gewichtsih- 
ftems, in welchem die Drachme zu 3.71 und die Mina alfo zu 371 
Gramm gefchägt wird. Acht Drachmen von diefer Schwere zu 3.71 

m ergeben, wie gefagt, ein theoretifched® Unzen- Gewicht von 
29.68 Gramm, das von dem oben angegebenen Gewicht der angel» 
fächfifchen und der ffandinavifchen Unze zu 29.25 Gramm nur wenig 
über 1 Procent differirt. Ein noch erhaltenes Gewichtſtück, mit 
KYZI und AIC (cuzifenifcher Doppelitater) bezeichnet, wiegt 29.90 
Gramm (vergl. Mommſen's Gefcichte des römifchen Münzweſens, 
S. T). Diefes fowie noch ein anderes wiederaufgefundenes chzife- 
niſches Gewichtſtück, während verhältnigmäßig fo wenige Gewidht- 
ſtücke aus dem früheren Alterthume uns erhalten jind, weifen außer» 
den unverkennbar barauf hin, daß das chzifenifche Gewicht feiner 
Zeit ein vorwiegendes Anfehn genoffen haben wird und um fo eher 


244 


alfo im Verkehr mit den Barbaren nöordlich vom Pontus zur Gel⸗ 
tung und weiteren Verbreitung kommen konnte. Nimmt man übri⸗ 
gens an (f. die Anmerkung III), daß das von Hrn. Queipo auf 
geſtellte ſ. g. bosporifche Gewichtsfyften urſprünglich das nämlide 
fei, welches man in den älteften fyrifchen und ſidoniſchen Münzen, im 
hebräifchen Sefel, in den ägpptifchen und manchen anderen alten Aus 
münzungen findet, und das direct auf das babylonifhe Talent, dieſes 
Fundament des ganzen Gewichtwejens, zurüdführt, jo erflärt ſich noch 
leichter, wie ein folches \weitverbreitetes uralte® Gewichtsiyften ſchon 
frühzeitig feinen Weg auch nad) den Oftfeefüften, dem Bernfteinlande 
gefunden haben wird. 

Uebrigens wollen wir damit keineswegs die Möglichkeit beftreiten, 
daß das älteſte deutfche Gewicht urfprünglich auch aus dem weitver- 
breiteten attifchen Gewichtsſyſtem mittelft allmähliher Verringerung 
der Schwere der ald Norm dienenden Münzftücde während ber län- 
geren Dauer und auf dem weiten Wege der Uebertragung vom 
Schwarzen Meere bis zur Ditfeefüfte hervorgegangen fein könmte. 
Die in nicht ganz geringer Zahl aufgefundenen Stateren von Olbia 
und anderen griedhifchen Städten an der Nordfeite des Pontus, 
welche in dem Werfe über das Mufeum Kotfchubey von Koehne ber 
fannt gemadt find, weifen, objchon gut erhalten in ihrer Meehrzahl, 
nur ein Gewicht von ca. 7.80”Gramm auf (ftatt ca. 8.50 Gramm 
des vollen attifchen Münzfußes), und diefe Verminderung könnte im 
Verkehr mit den Barbaren eine noch etwa weitergehende Progreffion 
erfahren haben. Es erfcheint uns dies jedenfalls, wofern eine Ueber: 
tragung des vorgedachten zu Cyzikus in vorwiegender Geltung gewe 
jenen eigenthümlichen Gewichts abgewiefen wird, immerhin wahrſchein⸗ 
licher als die Vorausfegung, daß die Germanen für ſich felbft, ganz 
unabhängig von fremdem Einfluß, ein eigenthümliches Gewichtsſyſtem 
ausgebildet haben follten. 


Es bleibt ums für diefen Abfchnitt nur noch übrig, eine vielbe 
fprochene Gattung alter Münzen, welche früher wiederholt als das 
ältefte germanifche Geld betrachtet worden find, einer kurzen Beſpre⸗ 
hung zu unterziehen, nämlich die fogenannten Regenbogenſchüſſelchen 
(scutellae iridis, oder patellae oder guttae iridis). 

Im weitlichen Süddeutfchland, vornämlich zwifchen dem Boden⸗ 
fee, dem Inn und der Donau, aber auch zwifchen Donau und Main, 
fowie in Böhmen und in Rheinbayern und heinheffen, hat man 
vielerwärts alte Münzen von einer eigenthümlichen ſchüſſelförmigen 
Geftalt und fehr roher Arbeit, ohne Schrift, aber mit verfchiebenen, 
meistens höchſt ımdeutlichen und unbeftimmten Stempeln verjehen, 
aufgefunden, welche Münzen unverfennbar einen und denfelben Cha 
rafter tragen. Auch in Thüringen (3. B. bei Langenhain norböftlid 
vom Inſelsberge und bei Meiningen) hat man mitunter einzeln 


245 


Münzen folder Art entdedt. Diefe Münzen find von Gold, von 
größerer oder geringerer Feinheit; es kommen freilich mitunter auch 
filberne Stüde gleicher Form vor, allein diefe find felten, und ift in 
manchen Fällen felbjt deren Echtheit in Zweifel gezogen !. 

Schon im Mittelalter war man auf diefe alten Münzen auf: 
merffam geworden und fchrieb ihnen geheimnißvolle Kräfte zu. 

Der Name Regenbogenfchüffelchen foll daher entftanden fein, 
daß nach dem Aberglauben des Landvolks fie dort anzutreffen wären, 
wo der Regenbogen auf die Erde ftoße, was wiederum fich vielleicht 
aus dem thatfächlichen Umftande erklärt, daß folche Goldmünzen nach 
einem Regen, welcher die fie bedediende oder umgebende Erde wegge- 
ſpült und den Metallglanz der verborgen gewejenen Münzen zum 
Borfchein gebracht hatte, öfterer als fonft aufgefunden wurden, und 
dies ſelbſt an Stellen, wo man derartiges gar nicht vermuthet 


Es find einige fehr beträchtliche Funde folcher Münzen vorge: 
fommen, fo daß diefelben dem Werthe nad) mit zu den bedeutend» 
ften Schagentdedungen gehören, von denen man zuverläffige Kunde 
Bat. Ein großer Theil der in den verfchiedenen Münz- und Alter: 
tBums- Sammlungen aufbewahrten Regenbogenſchüſſelchen fcheint aus 
jenen einzelnen großen Funden herzuftammen, und es fann daher das 
Borfommen der nämlihen Typen folcher Münzen in verfchiedenen 
Sammlungen an fi) noch feinen Beleg dafür abgeben, daß folder 
Typus weit verbreitet gewefen. Diefe merkwürdigen Auffindungen 
verdienen aber in mehrfacher Hinficht Beachtung, und deshalb mögen 
einige Details über diefelben mitgetheilt werden. 

Im Juni 1751 fand man in einem Walde eine halbe Stunde 
von Gagers im Landgericht Aichach in Oberbayern eine beträchtliche 
Anzahl Goldſtücke. Wie es in folchen Fällen gewöhnlich gefchieht, 
wurde die Größe des Fundes durch das Gerücht noch ins Ungemeſ—⸗ 
fene übertrieben. Cine von München dahin gefandte Commiſſion un- 
terfuchte die Sache und bemühte fi) fo viel wie möglich, den ganzen 
Schag dem Fiscus zu überweifen. Nach den gleichmäßigen Ausfagen 
der Yinder in den Acten waren die Münzen frei auf der Erde, wie 


2 Der vorliegende Abjchnitt über die älteften deutfchen Gelb: und Münze: 
verhältniſſe iſt ihon vor etwa zwei Jahren ausgearbeitet worden. Wir bat: 
tem damals die bisherige Literatur über Regenbogenſchüſſelchen in einer An: 
nerkung zufammengeftelt. Jetzt genügt es dieſerhalb auf die Nachweife in 
N g Müller's deutfcher Münzgeſchichte S.17 ff. Bezug zu nehmen. (Zu ber 

. 21, N. 4 angeführten Abhandlung von Töderlein kommt eine zweite def: 
eben Verfaſſers: Diss. epist. ad W. G. Welckium. Suobaci 1739. 4). — Tor 
Burzem ift dann noch ber erfte Theil einer Special: Unterfuchung über biefen 

fand erfchienen, nämlich: Weber die fogenannten Regenbogen: Schüffel: 
ben. Erſte Abtheilung. Bon ber Heimath und dem Wlter ber fogenannten 
Regenbogen =: Schüfjelhen. Bon %. Streber. [Mit 9 Tafeln, melde bie Ab: 
ildungen von 116 Stüden dieſer Münzforte enthalten]. Abbandfungen ber 
hiloſophiſch⸗philologiſchen Claffe der Königl. Baverifchen Akademie der Mifs 
enſchaften. IX. Bb., 1. Abthlg. München 1860. 4. 


17 


246 


an ben Wurzeln des ausgeriffenen Raſens hangend, gefunden, was 
mit den gedruckten älteren Berichten, wonach diefelben in einem fe 
pfernen Keſſel entdeckt wurden, nicht übereinftimmt. Die Größe des 
Schatzes iſt nicht vollitändig zu ermitteln. Einige Notizen jener Zeit 
geben denselben auf 1366 Stüf Münzen an. Diefer Betrag dürfte 
aber wohl nur die dem Fiscus ſchließlich überlieferte Zahl fein, wäl- 
rend außerdem ein Theil gleid) anfangs durch die von allen Seiten 
herbeiftrömenden Landleute verichleppt fein wird, wodurd Exemplare 
derjelben in verfchiedene Sammlungen, fehr viele aber wol fehr bald 
zur Einfchmelzung gelangt fein werden. 

Die bei Gagers gefundenen Münzen haben ſämmtlich einen 
Durcmefjer von 17 bis 20 Millimeter und ftimmen im Gewichte 
auffallend nahe überein. Sie wiegen durdhfchnittlih 7.55 Gramm. 
Die Feinheit des Goldes ift meiftens 18’/, farätig, mit Silber le 
girt; nur einige, mit einer Art Stern auf der erhabenen Seite, find 
von feinerem (Dufaten-)Gold. Die Darftellung auf diefen Münzen 
iſt mannichfacher Art. Nach des Grafen Hundt Beſchreibung findet 
man auf der erhabenen Seite den Kopf eines Raubvogels, umgeben 
von einem Kranz, oder eine Schlange oder einen Hirfchfopf mit ftars 
kem Geweih, oder auch eine Art Stern; bei einigen ift das Gepräge 
nicht mehr zu erkennen. Auf der hohlen Seite der Minze erfcheint 
faft durchgängig die Form eines halben Ringes nebft Heinen Kügel⸗ 
chen, gewöhnlich ſechs an der Zahl, oder auch weniger. 

Ein anderer noch beträchtlicherer Schag von fogenannten Regen 
bogenjchüffelchen wurde im Juni des Jahres 1771 in Böhmen, nahe 
beim Dorfe Pobmofl im Rakowitzer Kreiſe, da mo derfelbe mit dem 
Berauner und Bilfener Kreife zufammenftößt, aufgefunden. Einige 
Jahre früher Hatte man jchon bei Nifchburg nicht weit von Beraun 
mehrere folder Münzen entdeckt. Der Hauptfund bei Podmoll 
wurde in einem Fupfernen Kefjel angetroffen. Man unterfchied umter 
den aufgefundenen Münzen viererlei verjchiedene Sorten der Größe und 
dem Gepräge nad): 1) meiſtens ohne Merkmale eines Stempels, und 
21/4 Dufaten ſchwer; 2) um eine erhabene Kugel einge fpige Zacken 
oder Strahlen, 3,, Dufaten fchwer; 3) und 4) Gepräge von der 
Seftalt eines Herzens nebjt einigen Stridyen, oder ein Dreied, um 
deffen Rand einige Yinien wie Strahlen; die größeren hiervon wiegen 
"4. Dukaten, die Fleineren "/; Dufaten. Die ganze Anzahl der ur 
ſprünglich im Schatze befindlich gewejenen Stüde läßt ſich nicht ber 
ftunmen, da viele derfelben gleich anfangs verfchleppt oder fpäter 
heimlich unterfchlagen find; das Gewicht der davon eingebrachten be 
trug über 80 niederöjterreihifche Pfund, und wurde der Werth ber 
jelben auf etwa 18000 Dufaten geſchätzt. Was die Feinheit des 
Goldes diefer bei Podmokl gefundenen Münzen betrifft, fo ift bie 
Angabe in der Beichreibung von Voigt nicht Har; denn er fagt: 
„Das Gold ift durchgängig von großer Feinheit, ohne allen Zufag, 
und daher Eoftbarer als das gewöhnliche Dufatengold, und obfchon 
es dem Striche nad einen oder zwei Karate von ber heutzutage bes 


241 


fannten höchſten Seine abzumeichen fheint, fo ift biefes doch wahr⸗ 
- feinliher der Unvolllommenheit der alten Echmelz- und Scheidekunſt 
als einiger Legirung zuzufchreiben“. 

Im zweiten Jahrzehnt dieſes Jahrhunderts wurde eine Anzahl 
Hegenbogenfchüfjelchen bei Binsiwangen, 1'/, Stunden von Wertins 
gen, gefunden!, und 150 Stüd diefer Münzforte in Rheinbayern 2. 

Im Jahr 1858 iſt wieder eine jehr bedeutende Summe foge- 
nannter Regenbogenfchüffelchen beim Ziehen eines Grabens bei Ir⸗ 
ding in der Nähe von Ingolſtadt gefunden, von welchen fpäter 831 
Stück zum öffentlichen Verkauf kamen. 

Dei den älteren Deutungen über die Darftellungen auf den 
meiften diefer Münzen ift übrigens zu bemerfen, daß ihre Verfaſſer 
offenbar gar nicht im Klaren waren, was eigentlich anf ihnen dar- 
geftellt ſei, und ihrer Phantafie hierbei einen großen Spielraum lie 
gen, aus welchem Grund ſchon, wie Kathgeber richtig hervorhebt, 
in Alles, was früher zur Erklärung derfelben vorgebracht ift, das 
tgröße Mißtrauen zu fegen ilt. 

Bedenkt man, daß die vorerwähnten großen Echäße, ohne alle 
ſyſtematiſche Auffuchung, rein zufällig an Plägen entdect find, wo 
Nichts hierauf hindeutete, und daß fonft in den oben erwähnten Ger 
genden Kleinere Partien oder einzelne Münzen diefer Art häufig auf- 
gefunden worden find, fo läßt fich daraus fchliegen, daß diefe Mün⸗ 
zen einft in großer Menge vorhanden gewejen fein müſſen. Es dräns 
gen fich um fo mehr die Fragen auf: von welchen Volke und zu 
weldyer Zeit find diefe Münzen geprägt worden, woher iſt das Gold 
zu diefen Ausmünzungen genommen, und welcher Münzfuß liegt den⸗ 
felben zum Grunde? 

Die frühere Meinung, daß diefe eigenthümlichen Münzen von 
den Gothen, Markomannen oder font von Völkern deutichen Stam- 
med herrühren und die erjten Anfänge des deutfhen Münzweſens 
bilden, bedarf bei gegenwärtigem Stande des Numismatif und ber 
Geſchichtskunde nicht mehr einer befonderen Widerlegung. Alle Ken⸗ 
ner der alten Münzverhältniffe find jest darüber einig, daß die foge- 
nannten Regenbogenfchüffeldhen alten keltiſchen Urfprungs find, wie 
fi vornämlich aus ihrer Aehnlichfeit mit den alten gallifchen und 
britiichen Münzen herausſtellt. Iſt der Typus jener fogenannten 
Regenbogenſchüſſelchen durchweg auch bedeutend roher und unbeſtimm⸗ 
ter al& der legteren, fo zeigt fich doch unverfennbar auf beiden der⸗ 
felbe Grundcharafter der Verfertigung. ‘Der feltifche Urfprung läßt 
fih ferner auch daraus fchliegen, daß die Gegenden, wo die genann= 
ten Deünzen hauptfäcdjlich gefunden worden find, in alten Zeiten von 
keltifchen Völkern bewohnt waren. Dies giebt uns zugleich eine An 
deutung über die Periode, wann diefe Münzen geprägt fein werden. 
Es muß etwa im zweiten und erſten Jahrhundert vor unferer Zeit 


2 Raiſers Guntia, ©. 21 fi. 
2 MWilbelmi im 6. Einsheimer Jahresbericht, 1836. 
8 Bericht der deutfchen Gefellichaft zu Leipzig, 1838. 


17* 


248 


rechnung gefchehen fein, als die Bojer noch in dem nad ihnen für 
alle Zeiten genannetn Lande Böhmen weilten, und bie Binbelicer, 
Noriker und andere keltiſche Völfer in ihrer vollen Macht üblich vom 
Main an beiden Seiten der Donau wohnten. Was die Herkunft 
des Goldes betrifft, das, nad) den aufgefundenen Schägen umd den 
vielen einzelnen Stüden zu urtheilen, damals in fo großer Menge 
zu diejen rohen Münzen ausgeprägt worden ift, fo könnte vielleicht 
die Annahme ſich aufdrängen, daß daffelbe herſtamme aus den großen 
Beutezügen der Kelten nad) Macedonien, Griechenland und Aſien, 
oder von den zahlreichen Feltifchen Soldtruppen in macedonifchen 
Dienften. Es bat jedoch größere Wahrfcheinlichfeit für ſich, daß das 
hierbei gerwonnene Gold meijtens in der urſprünglichen Münzform auf 
bewahrt oder zu Ringen und jonjtigen Schmuckſachen verwendet wor: 
den fein wird, nicht aber zur Herftellung viel ſchlechterer Münzen. 
So bedeutende Schätze in gleichförmiger Ausprägung, wie fie in 
Gagers, Podmofl, Irſching und fonft gefunden worden find, weilen 
unverkennbar darauf hin, daß das Material dazu im Lande felbft in 
größeren unverarbeiteten Quantitäten angetroffen worden. 

Die Böhmiſchen Flüffe und Bäche führen bekanntlich Gold, md 
in früheren Zeiten mag das Goldwajchen dafelbit jehr ergiebig gewe⸗ 
fen fein, wie denn befanntlid) im Anfang der Entdedung folche Aut 
beuten bei weiten am reichlidjiten zu fein pflegen. Außerdem ba 
ben wir aber auch ein bejtimmtes gefchichtliches Zeugniß über die 
bedeutende Goldgewinnung in Norikum im zweiten Jahrhundert v. 
Chr., auf welches Rathgeber in feinem angeführten Auffage „itber die 
älteften Münzen Germaniens“, worin er die Regenbogenfchüffelcen 
befpricht, mit Recht großes Gewicht gelegt hat. Polybius berichtet 
nämlid) von dem aufßerordentlichen Goldreichthum der Taurisker bei 
Aquileja, bei denen das gediegene Gold in Stüden von der Größe 
einer Bohne und von fieben Achtel Feinheit in einer Tiefe von zei 
bis funfzehn Fuß in der Erde gefunden werde. Auf die Kunde bie 
fer Entdedung feien auch Italioten herbeigeftrömt und hätten mit 
den Barbaren zuſammen zwei Monate lang Gold gegraben. Der 
Ertrag fei fo beträchtlich gewefen, daß in ganz Italien damals das 
God um ein Drittheil wohlfeiler geworden, worauf aber die Tau 
risker die freinden Mitarbeiter verjagt ‚hätten, um den Gewinn für 
ſich allein zu behalten. Der Name „Zaurisfer “ (Gebirgsbetwohner, 
nad den „Zauern“ fo genannt) ift wahrjcheinlich die alte einheimiſche 
Dezeihnung der Teltifchen DBevölferung von ganz Norikum gemefen, 
und dies Land umfaßt auch Kärnthen, Krain, Steiermart und das 
Calzburgifche, wo befanntlic ſich mehrwärts alte Goldwäfchereien 
nachweiſen laffen. Das Yand der feltifchen Helvetier wird ebenfalls 
als jehr goldreid) von Strabo gefchildert, und Diodor berichtet ganz 
allgemein von der ergiebigen Goldgewinnung in Yande der Kelten. 

Es erfcheint ung daher, jo lange nicht andere beffere Aufklärun⸗ 
gen gegeben werden, in hohem Grade wahrjcheinlich, daß die bei Ga⸗ 
gers, Irſching und jonft im füdlichen Deutfchland gefundenen foge- 


249 


nannten Regenbogenſchüſſelchen rohe einheimifche Ausmünzungen des 
von den Zauristern in den norifchen Alpen, des von anderen Teltifchen 
Völkern in Rhätien und des von den Bojern in Böhmen gewonnenes 
Goldes fein werden, wobei auch, beiläufig bemerkt, die von Polybiun 
angegebene Feinheit de8 ausgegrabenen Goldes und der auf ca.18',, 
Karat geſchätzte Goldgehalt der zu Gagers aufgefundenen Münzen 
ziemlich zufammenpaffen. 

Was den Typus diefer Münzen anlangt, fo find vorhin die bei 
den großen Funden zu Gagers und Podmokl bemerkten hauptfächli- 
hen Darftellungen erwähnt worden, wobei aber zugleich erinnert 
wurde, daß die Unbeftimmtheit und Rohheit der Umriffe bei vorge 
fagten Anfichten der Phantajie der Erklärer einen meiten Spielraum 
zu Deutungen gegeben hat, welcher denn auch fehr benugt ift. Eine 
nähere Erörterung diefer Trage gehört nicht hierher. Nur darauf 
möchte aufmerffam zu machen fein, daß, wie man folches häufig auf 
alten gallifhen Münzen findet, fo auch auf den hier in Rede fte- 
henden der öftlicher wohnenden feltifchen Völker, fich oft in der einen 
oder anderen Weife, größer oder Meiner, gefchloffene oder offene 
Ringe dargeftellt finden, eine Hindeutung auf das früher itblich ge= 
weſene Ringgeld, an deſſen Stelle das gemünzte Gold getreten war. 
Eine wefentlide Abweichung diefer oftkeltifchen Münzen von denen 
des alten Galliens tritt übrigens darin hervor, daß die auf biefen 
gewöhnlich vorkommenden Daritellungen eines Pferdes, eines Ebers, 
oder menjchlicher Figuren, auf jenen entweder gar nicht oder nur ganz 
ausnahmsweife angetroffen werden. 

Ein fehr Häufig auf foldden Münzen wiederfehrendes Zeichen ift 
eine Anzahl Kleiner Kügelchen oder Zirkel. Man könnte, wie mitune 
ter geichehen, bei Betrachtung einzelner ähnlicher Stücke mit übereins 
ftimmender Bezeichnung diefer Art geneigt fein, hierin die Angabe 
eines beftimmten Werth8 zu erfennen; diefer Annahme wibderfpricht 
aber entfchieden die DVergleihung einer größeren Zahl folder Mün⸗ 
zen, denn dann findet man bei Stüden von gleicher Größe umd 
Schwere am häufigiten ſechs, oft aber auch fünf und mitunter nur 
drei Kügelchen aufgeprägt. Die PVorausfekung, daß dadurch das 
Regierungsjahr des Fürſten, welcher die Prägung angeordnet habe, 
bezeichnet werden follte, erfcheint ſchon deshalb unzuläffig, weil bie 
nämlichen Zahlen der Zeichen jo häufig wiederfehren, einige andere 
Zahlen aber gar nicht vorkommen. 

Daß die f. g. Regenbogenfchüffeldhen die urfprüngliche Beftim- 
mung gehabt haben, als Münze zu dienen, hat fehon Doederlein in 
feiner im Jahr 1739 erfchtenenen Abhandlung daraus abgeleitet, daß 
die größeren Stüde derfelben ein ziemlich gleichmäßiges Gewicht auf- 
wiefen, und daß die dabei vorkommenden kleineren Sorten meijtene 
die püre oder andere beftimmte Theile der größeren bildeten. 
Als Doederlein dies fchrieb, war weder der Fund von Gagers nod) 
der von Podmofl entdeckt, und feine Wahrnehmung begründete fid) 
alfo auf die an mehreren ganz verfchiedenen Stellen gefundenen Mun⸗ 


260 


zen biefer Art. Nach feiner Angabe ift das Gewicht der ſchwerſten 
Stücke bi8 2 Drachmen und 9 Gran (8.05 Gramm); von den Hei 
neren Sorten wogen einige etwa einen Dukaten (3.49 Gramm), und 
wieder andere ungefähr eine halbe Drachme oder einen halben Dulka⸗ 
ten (1.86 oder 1.75 Granım). 

Weiher Münzfuß mag diefen rohen Goldprägungen der alten 
feltifchen Bevölkerung Süddeutſchlands zum Grunde gelegen haben? 
Wir bemerkten vorhin, daß diefe vornämlich von den Bojern und 
Tauriskern herſtammenden Münzen einen ähnlichen Charakter Hätten 
mit den uns erhaltenen Denkmälern des alten keltischen Mimzweſens 
in Gallien. Diefes hängt, wie neuere Unterfuchungen fehr wahr 
ſcheinlich gemacht haben, in feiner früheften Entwidelung mit dem 
durch, Maſſilien's Vermittlung befannt gewordenen griechifchen Münz- 
ſyſtem zuſammen, und fcheint insbefondere macedonifche Tetradrachmen 
und Stateren zum Vorbild genommen zu haben. Auch in dem öſt⸗ 
fi) vom alten Norikum gelegenen Pannonien wohnten in alter Zeit 
feltifche Völker, und von diefen haben fich ebenfalls Münzen aus der 
Zeit vor ihrer näheren Berührung nit den Römern erhalten, und 
zwar goldene wie jilberne, wozu aus ben metallreichen Gebirgen Un 
garns und Siebenbürgens das Material genommen fein wird. Die 
Numismatifer, welche fich in neuerer Zeit mit den teltifchen Münzen 
beichäftigt haben, find darin einverftanden, daß die Heimath ber Hi 
fig vorfommenden concavförmigen, meiftens in Silber, doch auch mit 
unter in Gold vorfommenden Münzen mit den noch unerflärten Auf 
Schriften NONNOS ober BIATEC u.a. das alte keltiſche Panne 
nien ift, und daß die Prägung diefer Mimzen in Nachbildung mare 
donifchen Geldes ftattgefunden habe. Die gut erhaltenen Münzſtüce 
diefer Art, deren es nicht wenige giebt, zeigen übereinftimmend em 
Gewicht von 16.6 bis 17.15 Gramm, und weifen alfo deutlich auf 
den attiſchen Münzfuß hin, deifen Tetradrachmen, wie vorhin fchen 
bemerft, nad) Queipo ein Normalgewicht von 17 Gramm hatten. 
In einem 1855 in Deutfch- Jahrendorf in Ungarn entdedten Fund 
von 101 filbernen und 26 goldenen fchüffelförmigen Münzen fanden 
fi) fogenannte Iegenbogenfchüffelhen und Münzen mit BIATEC 
bezeichnet zufammen. 

Es liegt nun die Vermuthung nahe, daß, wie in Pannonien 
unverfennbar der attifche Minzfuß Geltung erlangt hat, derfelbe aud 
im angrenzenden feltifchen Noritum und Vindelicien bei den dortigen 
Ausmünzungen in Anwendung gebracht fein werde. Die eigenthüm⸗ 
(ihe Münzforte der fogenannten Regenbogenſchüſſelchen ift freilich 
noch unvollffommener als die ſowohl in Pannonien wie imj alten 
Gallien geprägten autonomen Münzen, allein der ganze Typus iſt 
wejentlich derfelbe. 

Wir ftellen zunächft, um hierüber eine Meinung fafjen zu kön 
nen, einige Angaben über das ermittelte wirkliche Gewicht der am 
häufigften vorkommenden größeren Sorte der f. g. Regenbogenfchüffel⸗ 
hen zufammen. . 


251 


Doederlein bemerkt: das Marimum des Gewichts 
der größeren Stüde diefer Art fei 8.05 Gramm 
die meiften aber feien etwas leichter, find alfo etwa ca. 7.75 

anzunehmen oder ca. 7.50 
Das Durchſchnittsgewicht der im Föniglichen Münzea⸗ 
binet in München aufbewahrten Stücke beträgt nad) 
Graf Hundt 7.55 


Die im Gothaer Münzcabinet aufbewahrten 9 Regen- 
bogenſchüſſelchen wiegen nad) gefälliger Mittheilung 
des Herrn Dr. Bed resp. 2 Etüd 7.00; 3 St. 
7.3051 2St. 7.40 ınd 2 St. 7.50 Gramm, alfo 
durchſchnittlich 71.30 , 


Die von mir gewogenen gut erhaltenen größeren Re— 
genbogenfchüffeldyen im Berliner Münzcabinet wo⸗ 
gen: 6.17, 6.28, 6.56, 7.00, 7.25 (zweimal), 
1.28, 7.37, 7.45, 7.48, 7.57 und 7.70 Gramm, 
durchichnittlich alfo 7.10 Gramm, oder, wenn man 
bie drei beſonders leichten unberückſichtigt läßt, 7137 , 


Zwei bei Biswangen gefundene Stücde wogen jedes 7.52 „ 


Einige bei Meiningen aufgefundene (Donop in Grote’s 
Blätter für Münzkunde, IV, ©. 43) wogen nad) 
Donops Angabe 112, 135 (2), 146 und 149 en- 


” 


n 


gliſche Troy-Grän, alfo von 1.2618 9.1 , 
Eine Münze aus dem Podmokler Funde in der Reis 

helihen Sammlung wiegt (1 Sol 52 d) 6.57 „ 
Ein vermuthlich ebendaher ftammendes Stüd auf ber 

Hamb. Stadtbibliothef von mir gewogen 6.94 „ 
Eine gleichförmige Münze der Lorichfchen Sammlung 

(Delgado Nr. 1339) 6.66 „ 


Der durchjchnittliche effective MeetallwertH der 1858 in großer 
Anzahl (über 1000 Stück) bei Irſching gefundenen Regenbogenſchüſ⸗ 
felchen ift amtlich auf 8 Fl. 16%, Kr. feftgeftellt worden, was un⸗ 

ähr anf 5.20 Gramm feines Gold ausfommt, fo daß mit ber 

rung das Brutto-Gewicht ebenfall® mit den übrigen Münzen dies 
fer Art ziemlich übereinftunmen wird. 
| Zwei Heinere Münzen diefer Art in der Umgegend des Klofters 
Bolling an der Ammer gefunden wiegen 1.88 und 1.93 Gramm. 
Es find offenbar Viertel der größeren Münzſtücke, wie fich folche 
auch) im Berliner Münzfabinet zu 1.77, 1.82 (zweimal), 1.85 Gramm 
vorfinden, während die ebendajelbjt aufbewahrten etwas fchwereren 
Stüde von gleihem Typus zu 2.24, 2.39 (zweimal), und 2.58 
Gramm unverkennbar als Drittelftüde der vollen normalen Münz- 
ftüde von ca. 7.40 oder 7.50 Grm. angejehen werden müſſen. 

Die hierher gehörigen Münzen, welche weniger al8 7 Gramm 


252 


wiegen, fcheinen faft fänmtlich aus dem Podmokler Schage herzuſtam⸗ 
men, wonad) anzımehmen fein möchte, daß der Fuß diefer befonderen 
Sorte keltifcher Münzen bei den Bojern in Böhmen etwas leichter 
geweſen als bei den Bewohnern Noritums und Vindeliciens. Auf: 
fallend find die beiden von ‘Donop (f. 0.) angeführten ſchwereren 
Kegenbogenfchüffelhen von ca. 9 Gramm Schwere, weldhe, wenn 
die Wägung genau geweſen, ziemlich vereinzelt daftehen. 

Man wird keinenfalls einen bedeutenden Fehlgriff thun, wenn 
man das Durdjfchnittsgewicht der gewöhnlichen größeren Art der al: 
ten keltiſchen Goldmünzen aus Norifum und PVindelicien auf 7.30 
bis 7.50 Gramm annimmt, und darin die Abficht erkennt, griechiſche 
Stateren nachzubilden. Das Normalgewicht diejer letzteren war aber 
nach attiſchem Münzfuß, der auch den beträchtlichen macedonifchen 
Goldausprägungen feit Philipp zum Grunde liegt, 8.50 Gramm, 
wovon das vorhin erwähnte Durchſchnittsgewicht der größeren Re 
genbogenſchüſſelchen um ungefähr 15 Procent differirt. Es ftellt ſich 
alfo merkwürdiger Weife ein ähnliches Verhältnig heraus, wie fid 
oben bei der muthmaßlichen Webertragung des griechifchen Gewichts⸗ 
ſyſtems nach Norddeutichland gezeigt hat, daß entweder eine fehr be 
trächtliche Verringerung des urfprünglichen attiſchen Münzfußes oder 
auch ein Anfchluß an das uralte babylonifche, zu Cyzikus, in Phönizien 
und anderswo noch längere Zeit üblich gewefene Gewichtsſyſtem an- 
zunehmen ift, denn zwei Drachmen dieſes letteren ergeben ein Ge: 
wicht von ca. 7.40 Gramm. 

Wir Haben oben bereits erwähnt, daß die vorftehend von 
ung in Kürze behandelten jchüffelförmigen Goldmünzen nördlich vom 
Main nur ganz vereinzelt, und auch dies nur in Xhüringen, aufge 
funden find. Diefe rohen concaven Münzjtüde find den eigentlichen 
deutfchen Geld- und Münzverhältniffen von Anfang an ganz fremd 
geblieben. Nur deshalb ſchien e8 nicht überflüffig auf eine Erörte- 
rung hierüber in diefen Auffage einzugehen, weil die Meinung, daß 
in ihnen die Anfänge des deutfchen Münzweſens zu fuchen feien, ab- 
zuweiſen war, wenngleich die Gegenden, wo fie einft hauptfächlich in 
Geltung waren, Tpäter deutfch wurden. 


— — — — — — — — — 


258 


Anmerkung I. 
Ueber Funde römifcher Münzen in Deutſchland. 


= Fr. Hahn (Der Fund von yengeri im Königreih Hannover: Gelb: 
ſchmuck und römische Münzen. Mit 2 Tafeln in Steindrud. Hannover 1854) 
bat verfucht, für einen fpeciellen Zal die Herkunft eines im nördlichen Deutfch: 
land gefundenen Schatzes aus römischer Soldzahlung wahrfcheinlich zu machen, 
unb wie und fcheint ift die Begründung biefer VBermuthung gut gelungen. Im 
Frühjahr 1847 fand man zu Süberweh im Kirchfpiel Lengerich, Amt Freren, 
im Konigreich Hannover unter großen Felsſteinen, welche bort auf einer An- 
böße Tagen und anderweitig benutzt werben follten, einen reihen Schatz an 
römifchen Gold- und Silber-Münzen und fehöne goldene Schmuckſachen. Dies 
gab Veranlaffung, zwei große Steine, die in der Richtung nach Oſten bin la: 
gen, ebenfall3 wegzubewegen, welche Nachſuchung durch den Erfolg belohnt 
wurde, daß man dort ebenfal3 Münzen und Schmud fand. ine befon- 
dere Merkwürdigfeit biefer Funde zeigt fih aber darin, daß bie Niederle: 
gung dieſer Schäße offenbar ganz verfhiebenen Zeiten angehört, indem bie 
unter dem erften Stein gefundenen etwa 1100 Stüd Münzen nur Denare 
find und aus dem Zeitalter der Antonine herftammen (bie älteften von Trajan, 
%—117 n.Chr., bie jüngften von Septimius Severug, 193—211), während 
bie unter dem zweiten und britten Stein gefundenen Münzen ſämmtlich in 
die Zeit Conſtantins und feiner Söhne, alfo um 361 n. Ehr., fallen, To daß 
zwiſchen beiden Schatniederlegungen ein Zwiſchenraum von länger alö 150 
Jahren anzunehmen ift. 

Ueber den erfteren Fund wird erwähnt, die Münzen feien größtentheils 
febr oxydirt geweſen, nach Entfernung bes Grünſpans aber babe fich gezeigt, 
daß manche der Stüde gut confervirt waren, manche aber auch durch längeres 
Eurfiren gelitten hatten, und nur wenige gänzlich verfchliffen waren. „Er: 
wägt man, baß die drei jüngften Münzen bes ganzen Fundes, die Denare bes 
Pertinar und ein Denar aus dem zweiten Regierungzjahre des Septiming Se: 
verus, alſo die Münzen der Jahre 193 und 194, fih nur in einzelnen Erem: 
plaren vorfanden, während bie Münzen der früheren Sabre in dem Funde 
zahlreich vorhanden find, fo kann man nidyt umhin anzunehmen, daß der 
Schatz im Anfang der Regierung bes Septinius Severus [etwa um das Jahr 
200) verborgen wurde, wo beifen Münzen in dem weiten römifchen Reiche 
noch nicht allgemein verbreitet waren. Wie biefe Münzen nad bem Innern 
von Weftfalen gelangten, darüber ift durchaus fein Anhaltspunkt auzfindig 
zu maden; alle Erklärungsverſuche würden lediglich auf leere Hypotheſen hin: 
audlaufen“. — „Der Fund dient ala Beweis, wie auch in jener Periode bie 
Bewohner uuferer Gegend in einem fo lebhaften Verfehr mit den Römern 
ftanden, baß eine fo ebeutende Maſſe von Silbermünzen in ihren Belit ge: 
langte. Treilich kann dies aber ach durch einen glücklichen Raubzug gefchehen 
fein. — „Die zweite Abtheilung des Fundes ift dagegen von fo eigenthiim: 
Tiher Beichaffenbeit, daß man dadurch unmillfürlich zu dem Verſuche aufge: 
forbert wird, bie Zeit uud die Weife der Nieberlegung genauer zu ergrün: 
den”. — „Da bie Münzen beider Fundſtellen aus derſelben Zeitperiode ber: 
fammen, fo ift mit Sicherheit anzunehmen, daß bdiefelben gleichzeitig verbor⸗ 
gen wurden. Der Fund des zweiten Steins enthält einen Reichthum an gol: 
denen Schmudfachen, wie derſelbe in unferer Gegend noch niemald vorgelom: 
men ift. Leider ift ein großer reicher Halsſchmuck gleich verfchleppt und ein- 
geſchmolzen worden. Die erhaltenen Goldſachen wiegen zufammen 14%/,,2t5. 


254 


unb 42 3; fie beftehen aus einer Fibula, Knöpfen, Finger unb Armringen. 
Tie mit diefen Goldfachen aefundenen Münzen find 10 Geldmünzen, be 
Gonttantin und feiner Söhne, und die unter dem britten Steine entbedten 
find fiehzig und einige Tenare de3 Uſurpators Magnentius, fowie ein Silber: 
mebaillon des Kaiſers Conſtantius. Die Münzen find fo völlig neu, als wenn 
fie erit fo eben unter dem Prägeſtock herauskämen. Der Avers zeigt ben Kopf 
des Kaiſers mit ber Legende Im. Cae. Magnentius. Ang.; der Revers eine fie 
bende geharnifchte Figur mit ber Umichrift Virtus Exerciti; in bem Ab: 
fhnitt unter der Figur ftehen die Buchſtaben TR, wonad die Tenare in Trier 
nefchlagen find. Tie Münzen find fo vollfommen intact, daß fie durchaus 
nicht curfirt haben Finnen, und aleih nach der Prägung an ihrem Fundort 
verborgen fein müſſen. Bei der furzen Tauer ber Herrichaft bes Magnentius 
it es daher mit ziemliher Gewißheit chronolonifch feftzuftelen, wann biefer 
Schatz dem Schooße der Erbe übergeben wurbe”. 

Herr Hahn ftellt hiernach über bie Niederlegung des Schatzes folgende 
Vermuthuug auf. Magnentius ließ fi) 350 v. Chr. ald Imperator austu⸗ 
fen und wurbe in den beiden Präfecturen Gallien und Italien als folder an: 
erfannt. Um ſich gegen den mit aroßer Heeresmacht beranrüdenden Conſtan⸗ 
tius zu vertbeibinen, fette fih Magnentius mit den benachbarten deutſchen 
Stämmen in Verbindung, und nahm von biefen zahlreihe Hülfätruppen in 
Sol, unter denen der Gefchichtäichreiber Zofimus Franken und Sachſen 
nambaft macht, deren letzterer bierbei zuerfi Erwähnung geſchieht. Magnen⸗ 
tius rückte mit feinem Hcere dem Gonftantius in Nieder =Pannonien entgegen, 
und verlor bier die entfcheidende Schlacht bei Marfa, dem jekigen Efiel, wer: 
auf er fih nach weiteren vergeblihen Kämpfen im Auguft 353 in Lyon felbfl 
das Leben nahm. Der Sächſiſche Häuptling, dem biefer Schaß einft gehört 
bat, wirb eben durch Verabreichung befielben bewogen worben fein, fidh dem 
Heereözuge bed Marentind nah Pannonien anzufchliegen. Bevor er ben Zug 
antrat, wird er feine größten Koftbarkeiten an einem ficheren Ort niedergelegt 
haben, um biefelben nicht den Gefahren einer fo bedenflihen Erpebition aus: 
zuſetzen. Wahrfcheinlich wählte er hierzu eine gebeitigte Stätte, die unter bem 
Schutze einer Gottheit ftand und wo ſchon die Schüte feiner Väter rubeten. 
Darauf wird er mit Weib und Kind, begleitet von feinem Gefolge, unter Mag: 
nentiud in den Krieg gegangen fein, aus dem Keiner zurüdkehrte, ber um ben 
Schatz in ber fernen Heimath gewußt bätte, der font ganz in Vergeſſenheit 
nerietb, bis ihn jeßt ein günftiger Zufall entdeden ließ. 

Außer diefen Münzfunden bei Freren erwähnen wir noch einige anbere 
Funde römischer Münzen in den Oftfeeländern und im nördlichen Deutfchland. 
(3 wird daraus erhellen, daß vorzugsmeife Denare aus bem erften und zwei: 
ten Jahrhundert umd Goldmünzen vom Ende de3 vierten Jahrhunderts an- 
getroffen find, während fowohl fpätere römiihe Silbermünzen ald auch Bil: 
lon- und Kupfer-Münzen aus der Zeit ber römifchen Münzwirren in britten 
Jahrhundert fehr felten vorzukommen fcheinen. 


Krufe in den Necrolivonica, Beilage D, erwähnt u. A.: Denare von Au— 
guftus bis Trajan gefunden in einem alten Begräbnißbügel zu Kapfehten bei 
Liban in Eurland; — römische Silber: und Bronce- Münzen aus dem Zeital: 
ter der Antonine ebenfall3 in der Nübe von Kapfehten gefunden; — römiſche 
Silber und Bronce: Münzen von Anguſtus bis Habrian gefunden auf ber 
Inſel Oeſel; — römische Brencemünzen von Claudius Gothicus bis Valen: 
tinian I. (269—364 v. Chr.) nefunden zu Bornsmünde in Curland; — zahl: 
reihe römische Silbermünzen in der Nähe von Mita. — Auf der Inſel Goth— 
land find vielerwärts römiſche Münzen nefunden, Feine berfelben foll jedoch älter 
fein ala von Hadrian. — Bod berichtet in feiner Naturgeichichte von Preußen 
im 2ten Bande, ©. 610 ff. und ©. 718, über folgende Münzfunde: Denare 
von Hadrian und Antoninud nebft einer Kupfermünze von Auguſtus um das 
Jahr 1750 zu Memel gefunden; — ungefähr 90 Münzen von Hadrian, An: 


255 


toninnd, Marcus Aureliuß und Commodns i. J. 1685 ebenfalls bei Memel 
entdeckt; — ein republifanifcher Denar und mehrere Silbermünzen bes Anto: 
ninu3 bei Angerburg ausgegraben; — viele Kupfermünzen aus dem Antonis 
nifhen Zeitalter bei Natangen gefunden; — 1123 Denare im Jahre 1740 im 
Amte Ofterode gefunden, darunter 82 von Trajan, 103 von Hadrian, 532 
von ben beiden Antoninen, 206 von der Älteren und der jüngeren Fauſtina, 
81 von Commodus u. f. w.; der Ältefte der Denare ift einer von Nero, bie 
jüngften (6 Stüd) find von Septimius Severus; — Denare von Donmitian, 
drian und Antoninus fanden fi in einem alten Begräbnißhügel bei Gifch: 
unmeit Danzig. — Auf Bornholm wurden 20 Denare gefunden, deren äl: 
tefter von Nero, der jüngfte von Commodus. — Zu Borrefd fand man 16 rö⸗ 
mifche Kaiſermünzen aus Silber, von benen die ältefte aus Trajaus fünften 
Conſulat und die jüngfte von Commodus. — Ein zu Bagsvärd auf Seelanb 
gefundener Meiner Schap enthält, nebft einer Münze des Macrinuß, nur rö— 
mifche Denare ded erften und zweiten Sahrbunbertd. — In Schledwig und 
Holſtein find, wie gelegentlich erwähnt wird, öfterer einzelne römifche Denare 
funden worden, In einem Moore beit Süderbrarup in Angeln wurben 
859 nebſt vielen anderen altgermanifchen Altertbümern auch mehrere römifche 
Eildermünzen aufgefunden, färnmtli aus dem zweiten Jahrhundert. — Merk: 
würbig ift der im Sabre 1846 bei Tensfelderau in Holftein entdedte Fund 
von einem Goldring und 6 römischen Goldmünzen aus der Zeit des Tibering, 
Claudius und Nero. Diefe Aurei erinnern an die 100 Sefterze, welche Armin 
ben römifchen Neberläufern ala Sold anbieten Tieß. — Denare von Antoninug 
find bei Ludingworth in der Nähe von Nitebüttel gefunden. — 45 Denare 
von Belpafian bi Marc Aurel fanden fich in einer zu Bederfefa um bag Jahr 
1837 audgegrabenen Urne (Grote, Blätter für Münzkunde IL, 48). — 344 
Denare von Nero bis Marc Aurel (die jüngften darunter v. J. 168) find 
bei Neuhaus an der Dfte aufgefunden worden (von Grotefend befchrieben im 
a. B. von Hahn). — Zwei römische Goldmünzen aus dem Augufteifhen Zeit: 
alter find im Venner Moor, Amt Hunteburg, gefunden (Hahn a. B. ©. 5 
u. 57). — Wächter in feiner „Statiftit der im Königreich Hannover vorhan: 
denen heidniſchen Alterthiimer“ erwähnt noch folgende hierher nehörige Miünz: 
funde: im Amte Hunteburg 30 römiſche Goldmünzen, welche fich indeß ſowie 
dad davon gemachte Verzeihniß nicht mehr nachweifen Taflen; — im Amte 
Humling mehrere römische Silbermünzen von Auguftuß und der Fauſtina; — 
bei Imſthauſen in der Nähe von Northeim jwei Goldmünzen von Nero und 
zwei Silbermünzen von Nerva und Marc Aurel. — Im Amte Meppen wur: 
den in einem Moore vor einigen Jahren etwa 300 römifhe Münzen von den 
früheren Kaiſern bis herab zu Marc Aurel gefunden (Hannoverfche Zeitung, 
1856. Nr. 210). — Bei Hedemünden an der Werra unter ben Wurzeln einer 
uralten Eiche warb eine Anzahl blanker römiſcher Silbermünzen entdedt; die: 
ſelben wurden leider alsbald fait ſämmtlich eingeſchmolzen. Zwei davon er: 
baltene Stüde find Denare der gens Mamilia und der gens Minucia, vermutb: 
lich aus den Jahren 660— 680n. R. Gr. (Winfeld). — Krufe in feinem 
Buche „Budorgis“ berichtet über verfchiebene Funde römifher Münzen in 
Schleſien. Vormwiegend find es Denare von Trajan bis zu Marc Aurel. — 
Bei Braundborf in der Nähe von Merfeburg find römifhe Münzen von Ti: 
tus bis Commodus, und bei Günftedt im Regierungzbezirt Erfurt ift eine 
Anzahl römifher Silbermünzen von Claudius bis zu den Antoninen gefunden 
(Wagner’8 „Handbuch ber vorzünlichften in Deutfchland entbedten Altertbü- 
mer aus heidniſcher Zeit“ S. 286). . 
In Betreff der aufgefundenen Goldmünzen aus ber Zeit nah Conitantin 
erwähnen wir folgende Beifpiele: eine Goldmünze bed Kaiſers Theodoſius 
ward im Jahre 1730 bei Elbing gefunden (Bod a. B); 29 und mehr Gold— 
münzen, mit Ausnahme einer von Gordianus Pius (238 — 244), fänuntlid) 
zwifchen den Jahren 364 und 455 geprägt, nämlich von Balentinian I. bis 


206 


Placidius Valentiniannd, wurden im Jahre 1822 zu Klein-Tromp bei Braung: 
berg gefunden; ebenbafelbft eutdedte man im Jahre 1838 noch 18 andere 
römifche Goldmünzen aus ber nämlichen Zeit (I. Kriedländer, Münzen ber 
Dftgothen), über welche beiden Funde die Vermuthung ausgeſprochen ift, daß 
fie zu ber Gegengabe des Königs Theodorih auf das große Bernfteingefchen? 
ber Aeftier in Beziehung fteben, worüber in den Schriften des Caſſiodor fidh 
ein Schreiben jenes Königs erhalten hat. — Im Jahre 1795 entdedte man im 
Dorfe Brefin in Weftpreußen 150 Goldmünzen ber Kaifer Theodofius b. J. 
bis Zeno. — Bei Malchow im Regierungsbezirt Cöglin fand man Golds 
münzen der Kaifer Theodofius, Zeno und Anaftafiuß (Wagner 0.8.) — Im 
Mulfumer Moor im Lande Wurften bat man fünf Goldmünzen ber Raifer 
Balentinian I. und IL, Leo und Anaftafiıd gefunden, und im Osnabrückſchen 
follen ebenfalls römifhe Goldmünzen aus der Kaiferzeit nah Conftantin nicht 
felten gefunden fein (Hahn a. B.). — Ein Solidus Balentiniand bed Jün⸗ 
gern kam im Jahre 1846 bei Neubrandenburg zum Vorſchein (Mecklenbur⸗ 
giſche Jahrb. Bd. XV). 

Man erfennt aus dieſen beifpielsweife bemerften Münzfunden, baß bie 
nach bein nördlichen Deutfchland und den Oſtſeeländern zahlreich gefommenen 
römifhen Münzen überwiegend aus filbernen Denaren der Kaifer biß genen 
Ende des zweiten Sahrhundertö, und aus Gold:Solidi ber Zeit nah Valen— 
tinian I. beitanden haben werden. In befonderen Fällen mögen, wie auß eiz 
nigen ber Funde abzuleiten, auch ſchon im erften Jahrhundert n. Chr. römische 
Goldmünzen der erften Kaifer (aurei zu 25 Denaren oder 100 Sefterzen) 
nad Deutfchland gebracht fein. 

Ueber bie in Skandinavien gefundenen römiſchen Münzen bemerkt Wein- 
hold (Altnordifches Leben S. 98): „Die älteflen Münzen, bie auf ffaubinavi- 
ſchem Boden gefunden werben, find römiſche von ber Mitte bed erften biß ge: 
gen Ende des zweiten Jahrhunderts. Hierauf zeigt fich bis zum 5. Jahrhun⸗ 
dert eine Unterbredung, von wo an die Goldmünzen byzantinifhher Kaifer 
des fünften und ſechſten Jahrhunderts ein neues Aufleben des Verkehrs be: 
zeugen“. — Auch Hildebrand (Anglosachsiska Mynt. ete. Stodholm 1846. 
©. VIf.) bemerft hiermit übereinſtimmend, daß man in Gothland, Defel und 
Schonen viele römische Silbermünzen von Vespaſian bis Alerander Severus 
gefunden babe, und ebendafelbft fowie in Smaland manche römifche Gold: 
inünzen von Honorius big Anaſtaſius. 

Von den im Grabe Childerichs zu Tournay gefundenen Münzen wird 
im Verfolg unſerer Unterſuchungen noch beſonders Die Rede fein, und benu⸗ 
pen wir dieſe Gelegenheit nur, um ſchon vorweg einen Irrthum einiger fran- 
zöſiſchen Gelehrten hierüber zu berichtigen. Dieſelben nehmen als ausgemacht 
an, daß im Grabe der Childerich außer den unterſuchten guten Silbermünzen, 
welche neben einem conſulariſchen Denar und einer Münze von Conſtans aus 
Denaren von Nero bis Caracalla beſtanden, eine größere Anzahl römiſcher 
Billonmünzen mit vorgefunden ſei, welche wegen ihrer ſtarken Orydirung nicht 
mehr hätten erkannt werden können, woraus dann weitere Schlüſſe über den 
Umlauf dieſer geringhaltigen Münzſorten bei den enten abgeleitet werden. 
Der Bericht Chiflet's über den Fund berechtigt in Feiner Weiſe zu ſolcher An: 
nahme, indem darin nur erwähnt wird, die von ihm unterfuchten Silbermün: 
zen feien fehr orydirt gewefen; der größte Theil der Silbermünzen fei leider 
gleih im Anfang zerftreut worden und verloren gegangen, fo daß fein Sohn 
nur noch 42 derjelben babe ſammeln können. Die verloren gegangenen (über 
150 Stüd) werden höchſt wahrfcheinlich Ähnlicher Art gewefen fein, wie ber 
befchriebene Reſt derfelben; es liegt wenigſtens Feinerlei Grund vor bag Ges 
gentbeil anzunehmen. 


257 


Stumertung EI. 


weis des Gewichts von alten Goldringen und Gofbipiraten die in 
Norddentſchland, Dänemark und Norwegen aufgefunden find. 





Rebuction auf 
metrifches Ge: 
wicht (Gramm). 


Wo aufbe⸗ 
wahrt ? 


Wo beichrieben? 


Originals Gewidhtsangabe. 





Ropenbagen IBoye a. B. Nr. 3655 Darf 13 8%. 1 0. — QA511367 Gramm 
„ ” * 36215 n 25 nn Tun Ten 186 ” 
„ „ „ 3663 „ 7 „1, ,])307 " 
” „ ” 36812 „ 4 " 2 4 533 n 
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u " N) 251 — 14 " 2 ") — " 211 "u 
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Berlin Note b. direct ermittelt 176.2 u 
Kopenhagen IBoye a. 3. Mir. 373I— „ 12. — . 7, 15 r 
Chriſtiania FHolmboe a. B. —; 1,3. 5 „| 1795 n 
„ „ - „ 1 „2 „ 4 ,„[170 n 
Ropenbagen |Roye a. 8. Nr. 600 „ 1 „ 1 „ 30] 168 n 
” m ” 597 — 1181332, — " — A 163 177 
Stettin Prinutoli, Top.Ueberf. 
u. ſ. w. S. 33 — , le — — — 138 ” 
Ropenbagen [Bone a. B. Nr. 599I— „ 9 „Ai „= | 135 n 
” ” ” 3721 — v 824 n Ian — n 130 "n 
” w 3711— [) 8°| 10, — — 128 ” 
Kiel Note c. direct ermittelt 1279 u 
Kopenhagen [Boye a. B. Nr. 6000 „ 8er — u — 41120 " 
Kiel Note d. direct ermittelt 65 m 
Kopenhagen [Beye a. B. Nr. 246|— , 1,.- 194 
” n 2481 — " } | Ve a 88.2 n 
Berlin Note e. direct ermittelt 85 n 
Ropenhagen IBoye a. 8. Nr. 4 I -„, Mn. 8 m 
Berlin Note e. — „ direct ermittelt 77 " 
Ehwerin Note £. —, n 753 u 
Berlin Note e. -_ ’ „ 736 u 
Riel Note g- —_—, . . 733 m 
Schwerin MNote h. —2; 70.6 un 
Berlin Note e. _ „ „ 70 " 
Kopenhagen IBoye a. B. Nr. 8 I „ Fler — NIE m 











Bo aufbe⸗ 
wahrt? 





[Kiel 
44 [Kopenhagen 
45 |Hannover 


46 |Berlin 
47 [Oftpreugen 
48 |Ropenhagen 
49 [Berlin 


51 [Ropenagen 
52 [Berlin 

53 [Kopenhagen 
54 [Berlin 

55 |Ghriftionia 
56 [Hannover 
57 Itopenhagen 


59 Ebriſllania 
60 |Ropenbagen 


61 [Schwerin 
62 . 

63 [Berfin 

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65 [Ropenhagen 
66 * 

67 


68 [Berlin 
69 Kopenhagen 
70 [Berlin 
71 [Kopenhagen 
72 7} 
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75 (öertin 
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88 [Esriftiania 
89 |Bertin 

90 |Ropenhagen 
91 [Schwerin 

92 IBertin 






268 








Wo beſchrieben ? 





Mote i. direct ermittelt 


Boye a. 8. Nr. 7] Mart 2.8. — D. 


[Sabn, Zund v. gen: 








gerih ©. 37 a A 
[Note k. direct ermittelt 
474, Dufaten 

Bra... 1, 4, — , 
Note birect ermittelt 
Note ©. - 
Bone a. 8. Mr. 3|- ,„ 0, — 
Note 1. Sit ermittelt 
Boye a. B. Nr. 713I- „ 2 
Mote 1. Bir” ermittelt 
[Holmboe a. 8. e . 
[Hahn a. &. ©. 2, — . 
Boye a. B. Nr, re 

” ” 3 „tar 
Holniboe a. v. Be: 
Beye a. 8. Nr. BF tz 
Note m. direct ermittelt" 
Note n. 72 — 
Dote 0. en 
Note 1. # 
Boye a. 8. Nr. ar 

" ” 2 „ Ylr 

” 2 2, 
Motel. direct "ermittelt 


Bove a. B. Nr. 
Mote 1. 
Boye a. B. Nr. 


ae "ermittelt" 








RIEF Dun 
5 Pi isn — 
” " Zu, — » 
Note p- direct ermittelt 
Boye a. B. Nr. 431 2. — . 
2 „ W-, 2 — 
Mote p. direct” ermittelt 
Boye a. 8. Nr. Pe 
” " 2 2 —. 
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” " 2 7 u 
" ” Pelıe,n — „ 
Note q- bivect ermittelt 
Boye a. 8. Nr. Bl, 1, — „ 
P „ Bö-. Pu. 
Holmöoe a.8” a 
Note p. dir“ ermittelt 
Bove a. B. Nr. 715I— „ = 
Mote m. dire "ermittelt 
Note 1. F 


Original: Gewichtsangabe, 





Reduction auf, 
metrifches Ge" 
wicht (Gramm). 


33333333333333332333333232422 


269 

















Reduction auf 
‚metrifches Ge: 
wit (Gramm) 


Bo aufbe: 


wahri? Wo bejchrieben? Driginal: Gewichtsangabe. 


openbagen IBoye a. B. Nr. 48I— Marf 17|,,%. — O. — RW 21.1 Gramm 
* ” ” 4 ” 17 1 0 — 21.1 n 
” „ " 741 — ” 17 In nn mn 21.1 n 
⸗ 7219- ⸗ 17 10» — — — »* 21.1 n 
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5shwerin Mote s birect ermittelt 20.1 u 
el Note t. „ „ 198 m 
openbagen [Boye a. B. Nr. 32 I— „ 1m — , — „l 1 m 
jerlin Note u. direct ermittelt 75 m 
iel Note V. 17.3 n 
openhagen |Boye a. B. Nr. 27I— , 1. % . 1) 164 u 
” ” ” 125) — n 11, nn Ten TU nm 16.4 "n 
annover Hahn, Zund v. Lens I— „ 12,0. — „ 12 „I 164 m 
hriftiania ſHolmboe a. 2. —, — nr 22 „| 159 u» 
iel Note w. direct ermittelt 15.7 u 
openbagen |Boye a. B. Wr. 5331 -, 1. !. „I 155 u 
” " ” 721— " 1!|1o» — — — 15.6 ” 
⸗ " 9 — ) U 7 ee Fe 15.5 " 
chiwerin Mote y. direct ermittelt 15 " 
hriftiania IHolmboe a. 2. —, — , 3 148 u 
openhagen IBoye a. B. Nr. 39I— „ 1, —, — 146 m 
" n " 58 — „ 1 nn Ton Tu 14.6 m 
openhagen IRoye a. B. Nr. 122 — „ a. — — 14.2 m 
” ” ” 73 m 16 nn "m 128 
u. ſ. 


Ueber die Art und Form der vorftehend aufgeführten in Kopenhagen auf: 
ewahrten Ringe vermweile ih auf die Befchreibung in Oplysende Fortegnelse 
ver de Gjenstande i det Kongelige Museum for nordiske Oldsager i Kjö- 
enbavn, der ere forarbeidede af eller prydede med aedle Metaller. Udar- 
sidet af V. Boye. 1. Afdeling. Kjöbenhavn 1859, weldye nach ben beibes 
ierkten Nummern leicht nachzuſehen if. — Ueber die in Chriftiania aufbe- 
ahrten Ringe findet fi in der Schrift, welcher die Gewichtsangaben ent: 
emmen find (De prisca re monetaria Norvegiae et de numis aliquot et or- 
amentis in Norvcgia repertis. Scripsit C. A. Holmboe. Christianiae 1854), 
ine Beſchreibung, außer der Abbildung von fünf derfelben. — In Betreff 
er fibrigen Ringe folgen bier nach den mir darüber vorliegenden fchriftlichen 
totizen furze Angaben, wie mir ſolche burch die Gefälligfeit der Herren Dr. 
. Sriedländer in Berlin, Dr. Lifh in Schwerin und Dr. Kl. Groth und Dr. 
andelmann in Kiel zugenangen find. Dieſe Angaben fehienen ſchon deshalb 
forderlih, um fpäteren Verwechfelungen mit anderen ähnlichen Ringen vors 
beugen. — a) Durchmeſſer 6° 4’ par. Maaß. — b) Armring (3 Win: 
ungen) gefunden zu Zlurftätten in Thüringen. — e) Drei Windungen; 
Jurchmeller ca. 2° 10. — d) Kleinfter Durchmefler 2° 3°, größter 2° 
1, — 0) Sechs Haldringe zu Velpe in Geldern gefunden; ber untere Theil 
erfelben ift flach und mit eingefchlagenen Ringeln und Linien verziert. — 
) Gidring gefunden zu Wooflen; vergl, Medi. Jahrb. XVI, ©. 268 fi. — 
) Drathring. — h) Armring gefunden zu Cremmin; vgl. Mus. Frider. Frane. 


260 


tab. XXD. — i) Kleinfter Durchmeſſer 2° 4, größter 3”. — k) Armrins; 
Fundort uubefannt. — 1) Armringe von gleicher einfacher Form; Fundori 
nit angegeben. — m) Arnıring gefunden zu Bedentin; vgl. Mus. Frider. 
Franc. tab. XXII. — n) Armring gefunden zu Beccatel; vgl. Medi. Jahrb. 
1X, ©. 376. — 0) Einfacher dider Golddrath, breifach gewunden (vielleicht 
als Daumenring getragen). — p) Spiralförmig (10 bis 12 mal) gewuntene 
dünne Drätbe, gefunden bei Rudow im Teltower Kreiſe. — q) Einfacher 
Armring im Befig der Hamburger Stabibibliothet, gefunden im Herzogthum 
Schleswig. — r) Haarfpiralen, gefunden zu Röcknitz. — 8) Armipirale, ge 
funben zu Sudow; vgl. Medi. Jahrb. XX, ©. 256. — t) Vier Windungen, 
Tm. ca. 9". — u) Runenting ber Friedlänber'fhen Sammlung, abgeb. im 
14. Bericht der Schl.-Holſt. Alterthumsgefellfchaft. 1849. — v) Eine Win: 
dung; Dim. ea. 11”. — w) Zwei Windungen; Bm. ca. 11 — y) Jin: 
gerring, gefunden in Friederichsruhe; vgl. Mus. Frid. Franc. tab. XXIII. — 

Tas Gewicht einer fehr großen Anzahl von Goldringen, welche eine ge 
ringere Schwere ald 12 Gramm haben, findet ſich noch in den vorerwähnten 
Schriften von Boye nnd Holmboe aufgeführt und kann dort nachgefehen mer: 
ben. Wir bemerken bier nur nod der Vollftändigfeit wegen bie direct ermit: 
telten Gewichtöverhältniffe einiger leichteren Geldringe aud ber Schweriner und 
der Kieler Samnılung: in Schwerin, Fingerringe von 9.35; 7.75; 7.50; 7.10; 
6.55; 5.85; 5.80; 4.10 und 3.70 Gramm, gefunden in Leben, Rudew, 
Dabel und Friederichsruhe; — in Kiel ein ulatter Fingerring von 3 Windun: 
gen mit abgeplatteten Enden von 6.20, und ein Drathring (Dim. ca. 10°) 
von 5.80 Gramm. — 

Nachträglich zu den im Xerte jelbft jchon erwähnten Zeugniffen über das 
alte germanifche Ninggeld füge ih bier noch einige Stellen aus angelfächfifchen 
Gedichten hinzu, von denen insbefondere die zulegt zu erwähnenbe für unferen 
Zwed von Bedeutung erfcheint, ba im berfelben eine ausbrüdliche Werthbe⸗ 
ſtimmung vorkommt. 

In Beowulfglich beißt es u. A.: 

V. 2999 f. Ueberſchwängliche Schäbe gab er den beiden Helden 
bunderttaufende Landes und lichter Ringe. 


V. 3015 ff. Und bringen ihn, der und Bauge gab, zur Brandfuhr. 
Die Bauge foll der Brand verzehren. - — — 
Da ward’ das gewundene Gold auf Wagen geladen, 
alles ungezählt, das der Edle getragen. 


Und in des „Sängers Weitfabrt” (Angelſächſich und deutſch von E. Eit⸗ 
müller, Züri) 1839), Vers 88 ff. 
Und ih war bei Eormanrik alle Weile. 
Da nich der Gothen König mit Gut erfreuete, 
ber den Baug mir gab, ber Burgmänner Obberr, 
zu dem fechöhundert war fchmeiben Goldes 
gefchnitten der Schakmünzen nach Schillingswerthe. 
(on tham sixhund väs smaetes goldes gescyred scöatta scillingrime,.) 
Der damalige Schilling (Solidus) hielt gefeglih „, röm. Pfund (ober 
4.55 Gramm) Gold, ein goldener Bang oder Ring von 600 Schillingäwertb 
würde alfo ein Gewicht von 2730 Gramm gebabt haben. Der Lichter hat 
vermuthlich nicht an einen ihm befannten beftimmten Ring gerade von dieſem 
Gewicht gedacht, fondern wird mur mit poctifcher Freiheit jene runde Zahl 
(600 oder 5 Großhundert) zur Angabe des großen Werths des Geſchenke ge: 
wählt haben. Der ſchwerſte ung befante erhaltene altgermanifche Golbring 
(ein im Spendbora Amt gefundener mafliver Haldring, f. Nord. Tidsskrift 
for Oldkyndighed B. II) wiegt 5 Mark 13 Loth 1 Quentchen Köln. oder 1367 
Gramm, alfo merfwürdiner Weife gerade die Hälfte der vom angelfächfifchen 
Tichter angeführten Schwere des von Ermanrich verfchenkten Goldringes, 
indem er 300 Schilliugswerth barftellt (300 X 4.55 Oramm — 1365 Bramm). 


261 


lege dieſem Zufammentreffen feine weitere Bedeutung bei, dba ein auf ben 
lidus oder, was baffelbe, auf & römische Unze (4.55 Gramm) als Maaßſtab 
zurüdzuführendes Gewichtsverhältniß fi) bei den uns erhaltenen Goldringen 
ebenfowenig begründen zu laſſen ſcheint, als ein foldyes fi) aus der unter ſich 
wefentlid, übereinftimmenden Baſis ber alten babylonifchen fchweren Drachme 
(7.30 Stamm) oder des cyzikeniſchen Didrachmon (7.42 Gramm) oder ber alt: 
deutfchen 4 Unze (ca. 7.81 Gramm) ableiten läßt. So viel ſcheint ung indeß 
nicht zweifelhaft, daß, wenn bei den alten Goldringen im Ganzen genommen 
oder doch in manchen Fällen gewiffe Gewichtsnormen in Anwendung gebracht 
worben fein follten, man auf eine der beiden folgenden Gewichtsreihen vor- 
nämlich ein Augenmerk zu richten haben dürfte, nämlich: 
entweber ca. 7.8; — 14.6; — 29.2; — 58.4; — 117; — 234 Gramm n.w. 
oder auch ca.d.5; — 9.1; — 18.2; — 36.45 — 72.8; — 145 Gramm u.w. 
Eine Abweichung um ein oder einige Procente Unter oder Uebergewicht 
Bönnte, wegen ber von ung fchon wiederholt hervorgehobenen mangelhaften 
Technik binfichtlich der Waagen und Normalgewichte in älteren Zeiten, felbft: 
verfländlich für Unterfuchungen diefer Art nicht weiter in Betracht kommen, 
wenn im Mebrigen ein ſyſtematiſcher Zufanımenhang der Gewichtäverhältnijie 
nachzuweiſen wäre. 


Anmerkung AH. 


Da das Werk des Hrn. Vasquez Dueipo in Deutſchland nicht fehr ver: 
breitet fein dürfte, fo wirb es für diejenigen, \weldye den Zufammenbang ber 
verfchiedenen Gewichtsſyſteme einer näheren Erwägung werth eradten, von 
Intereſſe fein, einige bezügliche Auszüge aus dem genannten Buche bier aufge: 
nommen zu feben. 

Hr. Dueipo unterfcheidet folgende alte griehifhe Gewichtsſyſteme: 

1. Griechiſch-aſiatiſches Syſtem. Drachme == 3.250 Gramm (8 Drach⸗ 
men alfo 26 Gramm). Der wirflihe Turdfchnitt von 555 Münzftüden von 
1460 Drachmen-Einheiten ergab 3.157 Gramm. 

Dies Syſtem erfcheint in vielen perfifchen Sifberausmünzungen, fowie in 
den Münzen mancher Fleinafiatifcher Städte; dag fpätere ſ. g. Nhodifche Syſtem 
ift nur eine Verdoppelung deſſelben. Der Name „griechiſch-aſiatiſch“ ift von 
Hrn. Dueipo diefem Syſteme lediglich zur Unterfcheidung von den übrigen 
beigelegt, wie auch die folgenden Bezeihnungen „Lagidiſches“, „Bosporiſches“ 
u. ſ. w. Syften nicht aus dem Alterthum beritammen. 

2. Ragiden-Syften. Tradhme = 3.540 Gramm (8 Drachmen alfe 28.32 
Gramm). Der wirflihe Turchfchnitt von 462 Münzftüden von 1342 Drad: 
men:Einheiten ergab 3.533 Gramm. 

Diefes von den Ptolemäern bei ihren Ausmünzungen vorwiegend beobadh: 
tete Syſtem hat höchſt wahrfcheinfidy feinen Urfprung im äÄlteften ägyptiſchen 
Gewichtöwefen, woraus ſich die Ucbereinftimmung mit dem hebräiſchen Scher 
fel-Gericht erflärt, das nach den Unterfuchungen des Hrn. Queipo auf (4 X 
3.540) 14.16 Gramm anzunehmen it. Auch manche andere alte Ausmünzun⸗ 
gen außerhalb Aegyptens, namentlich die von Tyrus, weifen auf die Verbrei— 
tung diefes Gewichts und defien Geltung fchon vor der Zeit der Lagiden bin. 
Es haben fih auch mehrere Gewichtflüde dieſes Syſtems erbalten (Queipo 1, 
©. 188 und 191). Hr. Queipo bemerft über dies Gewicht beiläufig: Nous 
trouvons encore aujourd’hui dans le ducat d’Allemagne la preuve evidente 
de l’usage de cette drachme lagidu comme poids, Ce ducat est la 67we 
partie du marc de Cologne et la 80me? de celui de Vienne, et l’on voit bien, 
que l’irregularit& de ccs fractions demontre evidemment qu’elles ne derivent 
pas dc la division du marc. Son intrcduction a dü en &tre independante, 


18 


262 


et on l'a rapport£e ensuite au marc. — — Le poids du dueat d’Allemagne 
est exacteınent celui de la drachme lagide Je 3.50gr.; et comme il ne se rat- 
tache nullement au systeme de poids de l’Allemagne, il est à croire que son 
origine est ttrangtre. Lo marc de Cologne lui-m&me vient direcetement de 
la mine lagide divisee en 12 onces; c’est le bes ou les 5 de la mine. 

3. Boaporifhes Syften. Trade = 3.710 Gramm (8 Drachmen 
alfo 29.68 Gramm). Ter wirflihe Durchſchnitt von 393 Münzftüden von 
1074 Dradymen: Einheiten eraab 3.701 Gramm. 

Dieſes Gewichtſyſtem ericheint in ben meiften älteren Silberausmünzun: 
gen von Cyzikus; außerdem in den Münzen mehrerer Fleinajiatifcher Städte, 
der älteren macedonifhen Könige, von Aradus, Gartbayo und Panormus. 
Hr. Queipo hat geglaubt, weil die von ihm dieſem Syſtem zugetheilten Mün- 
zen faft durchweg ein ſchwereres Gewicht aufiweilen als dad vorftehend ange: 
führte ſ. g. Lagiden-Syſtem, es nicht mit biefem zufammenwerfen zu bürfen, 
wie dies von Anberen getban tft. Unſerer Anficht nach erfcheint es jedoch, in 
Betracht ber techniihen Unvolllommenheiten und Suftirung der Gewichte im 
Altertbum, unbedenklich beide Syſteme in Eines zufammenzubringen, und in 
der einen oder anderen Richtung bin eine unabſichtliche Modifikation bei Anz 
nahme des Normalaewidıtö vorauszuſetzen. 

4. Mttifches Spyften. Drachme = 4.250 Gramm (8 Drachmen alfo 
34 Gramm). Der wirffihe Durchſchnitt von 1178 Miünzftüden von 3842 
Drachmen-Einheiten ergab 4.227 GOramm. 

5. Olvmpiſches (oder Aſſyriſch-phöniziſches) Syſtem. Tradıme = 4.880 
Gramm (8 Tradmen alfo 39.04 Gramm). Ter wirffihe Durchſchnitt von 
141 Münzſtücken von 253 Tradımen : Kinheiten ergab 4.767 Gramm. 

6. Perſiſches Syftem. Drachme S 5.440 Gramm (8 Dramen alfo 
43.52 Gramm). Ter wirffihe Turhfchnitt von 332 Münzſtücken von 473 
Dradmen:Ginbeiten ergab 5.446 Gramm. 

7. Atheniſches Handelsgewicht (Aeginetiſches Syſtem). Drachme S 5.865 
Gramm (8 Drachmen alſo 46.92 Gramm). Der wirkliche Durchſchnitt von 
231 Münzſtücken von 406 Drachmen-Einheiten ergab 5.874 Gramm. 


Zweiter Abſchnitt. 


Sfigge des Münzweſens im römiſchen Reiche jeit Konftan- 
tin J. bis anf Juſtinian. — Münzverhältniſſe der Van⸗ 
dalen, der Oſtgothen, der Weftgothen, der Burgunder 
und der LRongobarden. 


L Ueber dad Münzweſen im römiſchen Reiche von Conftantin I. bis auf 
Juſtinian?. 


a“ 
Sm erften Abfchnitte erörterten wir die das Geldwefen der Ger- 
manen in ihren heimathlichen Wohnfigen berührenden Verhältnifje. 
Bevor wir nun zunädjit die Entwidelung ind Auge faffen, weldje 
das Geld- und Münzweſen bei denjenigen deutfchen Stämmen an- 
fangs erfuhr, die in den römijchen Provinzen feſte Niederlaffungen 
begründeten, erjcheint es cerforderlih, über die damaligen römischen 
Miünzzuftände eine Skizze vorzulegen. Die deutfchen Eroberer brach⸗ 
ten aus ihrer Heimath Fein felbjtändiges Münzweſen mit; bagegen 
waren fie durch ihre früheren Berührungen mit den Römern , ſei e8 
im friedlichen Handelsverfehr oder als Soldtruppen, fei e8 durch) 
ihnen entrichtete Tribute oder durch ihre Beutezüge, mit dem römi⸗ 
ſchen Geldwefen bereits befannt, und gewilfe römifche Münzen bei 
ihnen gang und gübe geworden. Nach der Bildung der neuen ger- 
manifchen Staatswefen in den Provinzen trat deßhalb vorläufig kei⸗ 
neswegs eine plößliche oder wefentliche Umgeftaltung in den bisheri- 
gen gefetlichen oder faktifchen Deünzverhältniffen ein. 

Seit der Mitte des dritten Jahrhunderts unferer Zeitrechnung 
war, wie bereits bei früherer Gelegenheit bemerkt wurde, das ges 
fammte Deünzwefen des römischen Reichs in die ärgſte Verwirrung 


e Gefchichte des römifchen Münzweſens von Th. Mommſen. Berlin 
1860. — Außerdem ift zu vergleichen: Petigny, Etudes sur l’histoire moné- 
taire du V. au VII. siecle in ber Revue numismatique, nouv. serie T. II 
(1857), p. 115 f. und Vasquez Queipo, Essni sur les systömes metrignes 
et monetaires des anciens peuples etc. Paris 1859. T. IH, p. 15 — 70 u. 
T. I, p. 421 fi. 


108 


264 


gerathen, worunter die Bevölferung entfelich zu leiden hatte. Der 
Denar, feit Neros Zeit, wenn auch mehr oder minder Inapp und 
nicht immer in gleicher Feinheit, nad) dem Münzfuß von os Pfund 
(alfo zu 3.41 Gramm) geprägt, war um die angegebene Zeit in 
rajcher Progrefjion zu einer immer werthloferen Billonmünze und 
ſchließlich zu emem winzig kleinen Weißkupferſtück hinabgeſunken. 
Auch die Goldausmünzungen waren ſo unregelmäßig geworden, daß 
die Aurei ſchwerlich anders als mit faſt jedesmaliger Feſtſtellung 
des Gewichts der einzelnen Stücke den Geldumlauf vermitteln konnten. 
Nachdem bereits die Kaiſer Aurelian und Tacitus und einige 
ihrer Nachfolger begonnen hatten, durch kräftige Maaßregeln dieſem 
in Wirklichkeit unerträglich gewordenen Unweſen endlich entgegen zu 
wirken, blieb es dem Kaiſer Conſtantin J. vorbehalten, wie in ſo 
manchen anderen wichtigen Verhältniſſen des Reichs, ſo auch im 
Münzweſen eine umfaſſende Reform zu Stande zu bringen, welche 
mit ihrem mächtigen Einfluß ſein Zeitalter lange überdauert hat. 
Eine feſte Baſis des Geldweſens ward vor Allem dadurch her: 
beigeführt, daß von da an das Pfund gereinigten Goldes nur nach 
dem wirklichen Gewichte, und ohne Rückſicht auf das Gepräge, als 
oberſte Norm der Werthbeſtimmungen galt, insbeſondere auch für 
die Steuererhebung. Das Pfund Gold ward eingetheilt und ausge 
münzt in 72 Solidi, welche aljo & Unzen oder 4 Scrupel (32254? 
— 4.55 Gramm) wiegen follten!. Weshalb man gerade ben Mimz— 
fuß von „5 Pfund für die Münzreform gewählt hat, darüber liegen 
beſtimmte Stachiveife nit vor. Vermuthlich follte das neue Gold» 
ftüd von den früheren verfchiedenen Arten des Aureus (zu Iy, 7, 
Ir 3 6d, Pfund ausgeprägt) ſich merklich unterfcheiden umd dabei 
zugleich) in ein möglichjt einfaches Gewichtsverhältnig zum Pfunde und 
zu deſſen gewöhnlicher Eintheilung in 288 Scrupel gebracht werden. 
Es iſt ein oft wiederholtes und früher ganz allgemeines Miß—⸗ 


2 An Rüdjicht der Schwere des römifhen Pfundes find wir (wie aud 
Mommſen thut), der Annahme Böckhs gefolgt (zu 327.47 Gramm), weil es 
rathſam erſcheint, bei folhen Reduktionen möglichft gleichmäßig zu verfahren. 
Queipo nimmt als Normalgewicht deſſelben 325 Gramm an, und fcheint und 
diefe Annahme für das Zeitalter Juſtinians zutreffender, namentlich wegen eine 
noch vorhandenen, angenfcheinlich um das Jahr 533 fehr foratältig gearbeiteten 
Exagium dieſes Kaiſers, (fi. Longperier, im Bulletin archeologique frangais, 
1855.p. 84). Hr. Queipo bemerft hierüber, IL, p. 65: M.Saigey, qui l’a pesö 
avec le plus grand soin l'a trouve de 323.51 gr. On peut admettre facile 
ment que, par suite du frottement à la partie inferieure et de lachute de quelques 
parcelles d’argent dans Ics iucrustations, ila perdu 0.49 gr. Nous aurions 
donc une livre de 324 gr. Sehr richtig beißt e3 aber dazu in einer Note 
deſſelben Verfaſſers: Il serait presque ridicule de chercher une precisiou 
absoluc dans la determination de la livre romaine, puisque les anciens n’ont 
Jamais cu d’etalons tels que nous en possedons aujourd’hui. Ni les balances, 
ui les connaissances scientifiques ne comportaient alors une rigoureuse exac- 
titude. — Für dad Gewicht des einzelnen Solidus und noch mehr der Silk 


bermünzen ift eine Differenz von 2.47 Gramm auf das Pfund durdaus irre⸗ 
levant. 


265 


verjtändnig, daß Conjtantin I. urfprünglic) den Münzfuß des Soli« 
aus auf Zr Pfund Gold beftimmt habe. Eine folhe Norm findet 
ſich allerdings in einer Verordnung des genannten Kaifers vom Jahre 
325, weldje der Codex Theodosianus (XII, 7, 1) aufbewahrt hat, 
erwähnt, und das bisher benutte Ausfunftsmittel, die darin vorfom- 
menden entfcheidenden Worte septem und quattuordecim als eine un 
richtige Lesart zu erklären, an deren Stelle sex und duodecim (VI u. 
XI jtatt VII u. XIV) zu fubftituiren fer, iſt nicht zutreffend. An 
und für fih ſchon wird ein folcher Schreibfehler als höchſt unwahr⸗ 
jcheinlich anzufehen jein, da die beigefügten Worte „von je 4 Scru- 
pen“ darauf hinweifen, daß nad dem Münzfuß eigentlid 6 So— 
lidi auf die Unze Gold gingen, und die gleich folgende Angabe 
der Zahl von Solidi auf 2 Unzen gewijjfermaßen eine Art Kontrolle 
gegen einen Schreibfehler abgab. Bon Hänel wird in feiner jorg- 
fältigen Ausgabe des Codex nicht bemerkt, daß irgend eine Hand- 
Schrift die für unzweifelhaft richtig erachtete Yesart VI und XII ent» 
halte. Die Angabe, dag 7 Solidi für eine Unze Gold angenommen 
werden follen, bezieht ji), wie jich durdy den Zufammenhang der 
angezogenen Stelle mit einer anderen des nämlichen Codex Theod. 
(XII, 6, 2), welche derfelben Verordnung des Kaifers Conftantin 
vom Jahre 325 entnommen ijt, nachweiſen läßt, gar nicht auf den 
Münzfuß, fondern betrifft eine rein fisfalifche Maaßregel!. Der 
Münzfuß jelbit wird übrigens an jener Stelle ganz beftimmt und 
richtig angegeben, durch die Worte: „Solidi von je vier Scru—⸗ 
peln“. Daß diefer Münzfuß von „5, Pfund für den Solidus von 
Sonftantin I. jeit der durch ihn veranftalteten Reform des Münzwe—⸗ 
fens bejtändig in Anwendung gebradyt ift, beftätigt das Gewicht der 
noch erhaltenen Goldmünzen diefes Kaifers; von denen einzelne über: 
dies noch die Zahl-Bezeichnung LXXII aufweijen?. 

Die Nachfolger Conſtantins I. hielten diefen Münzfuß des So- 
lidus aufrecht, und wurde derjelbe insbefondere von Kaifer Valentinian T., 


2 Da die Frage Über den Urfprung de Münzfußes ber Solidi und das 
Berhältnig der Münzreform Conſtantins 1. zu den fpäteren Münzmaaßregeln Va⸗ 
lentiniang I. an fi fhon van nicht geringen AIntereife ift und da unfere Anz 
ficht über die vielbefprochene Stelle Cod. Theod. XII, 7, 1. von denjenigen 
befannter Autoritäten abweicht, fchien es erforberlid), die oben im Text wır 
furz angegebene Crflärung ausführlicher zu erörtern und verweilen wir bes: 
halb auf die Anmerkung I am Schluß Liefes Abfchnittes. 


2 Das durchfchnittliche Gewicht einer großen Anzahl gut erhaltener So: 
lidi de3 Kaiſers Gonftantin J. worüber Hr. Queipo in feinem ſchon öfters 
angeführten Werfe genaue Gewichtsermittelungen vorlegt (IH, ©. 484 ff. ), 
beträgt: Solidi von Konftantin I. 21 Stüd des Pariſer und des Mabrider 
Münzfabinetd (von 4.25 bis 4.56 Gramm) durchſchnittlich 4.87 Gr.; 21 
Stück des Londoner Münzkabinets (von 4.11 bis 4.77 Gr.) durchſchnittlich 
4.45 Gr. Einige wenige der und erhaltenen Goldmünzen Conſtantins J., von 
5.35 bis 5.37 Gramm ſchwer, weifen auf einen Miünzfuß von Yo. Pfund. 
Sie find unzweifelhaft vor der Münzreform gefchlagen; unter den Nachfolgern 
Conſtantins I, findet man durchaus Feine folde Muͤnzen. 


266 


der deshalb nicht felten als der eigentliche Urheber defjelben angefe- 
hen worden ift, durch die ftrengften Verordnungen wiederholt vorge 
Ichrieben. Freilih waren, wie nidht anders zu erwarten ift, bie 
Ausmünzungen mitunter mehr oder minder knapp und noch häufiger 
erhielt das geminzte Gold, das geſetzlich ohne alle abfichtliche Legi- 
rung ausgemünzt werden follte, eine Beimiſchung. Gegen zu leid; 
tes Gewicht fonnte man ſich durch Anwendung der Waage fchüten, 
aber um fo bedenflicher war die Unficherheit des Werths durch Ver⸗ 
Schlechterung des Feingehalts. Das Ueberhandnehmen diefes Betrugs und 
ſchon das durch eine foldye Beforgnif hervorgerufene Mißtrauen mußten 
der Natur der Sache nad) die Anwendung der Goldmünzen wefent- 
(ich beeinträchtigen und ftören. Es fam dahin, daß zur Sicherftel- 
lung des Fisfus die zu empfangenden Zahlımgen nur nad) erfolgter 
Umfchmelzung der Goldftücde und Affinirung des Goldes angenonı- 
men werden follten, oder daß, wo diefe unterblieb, bei Erhebung der 
Steuern ein mehr oder minder beträchtliches Aufgeld (incrementum) 
auf die Zahlung in gemiünzten Solidi den Steuereinnehmern ent: 
richtet werden mußte. Um diefer auf die Dauer immer läftiger wer- 
denden Unzuträglichfeit abzuhelfen, gab es nur das Eine Auskunfts⸗ 
mittel, bei den Ausmünzungen mit der größten Genauigkeit Hinficht- 
lich des Feingehalts zu verfahren, und demgemäß wurden denn aud) 
von Balentinian I. und anderen Kaifern entjprechende ftrenge Ver: 
ordnungen erfaffen. Das Gold, welches die gejegliche Feinheit hatte, 
hieß aurum obryziatum oder obryza, und kommt die Bezeichnung 
fo oder in ähnlicher Form in den Laiferlichen Verordnungen des Va⸗ 
lentinian I. und fpäterer Kaifer fowie in anderen Schriftſtücken je- 
ner Zeit und aud) der folgenden Jahrhunderte ſehr häufig vor, wäh- 
rend diefer Ausdruck vor dem Jahre 367 verhältnigmäßig felten an: 
getroffen wird. Auf den unter Balentinian I. geprägten Solidi 
beginnt nun aud in Verbindung mit den Anfangsbuchſtaben der 
Münzftätten die Angabe OB, welche in der von Hrn. Friedländer 
zuerjt gegebenen Grläuterung jett meiſtens als die Angabe des Münz— 
fußes in griechiſchen Zahlzeichen (oß = 72) betrachtet wird, nad) un- 
jerer Anficht aber richtiger als Abfürzung von obryza und als Be: 
Im der vorfehriftimäßigen Weinheit de8 Goldes zu betrachten 
ift!. 


Außer den ganzen Solidi wurden von Gonftantin und feinen 
Nachfolgern auch mitunter halbe, in bedeutender Menge aber Drit- 
tel-Solidi (Zremiffen oder Xrientes) gemünzt und zwar ganz nad) 
dem entjprechenden Münzfuße, alfo 144 und refpective 216 Stüd 
auf das Pfund Gold ?. 


? Eine nähere Ausführung hierüber findet fich in der Anmerkung LI. 

2 Einen ungefähren Daapitab für das Verhältniß der Ausmünzung die 
fer Sorten kann man vielleicht aus der Anzahl entnehmen, welde Hr. Qucipo 
von jeder derſelben, mit Einfchluß freilich auch der ſpätern Zeit nach Juſti⸗ 
nian, in ben ihm zu Gebote fiehenden Sammlungen unterfudt bat. Es 
werben von ibm angeführt: 


267 


Ein dharafteriftifcher Zug der Zuftände des verfallenden römis 
fchen Reiche ijt die Verordnung des Gratian, Cod. Theod. IV, 63, 
worin den Privaten ftreng verboten wird, Gold aus dem Reiche aus« 
zuführen, ihnen vielmehr angelegentlichjt empfohlen wird, folches mit 
Schlauheit (subtili ingenio) den Barbaren abzuloden, während 
gleicyzeitig im der Form von Gejchenfen oder Tributen dag Gold 
centnerweife von den Staifern an die Fürſten jener barbarifchen Völ- 
ferfchaften ausbezahlt werden mußte Wir haben in erften Abfchnitte 
darauf hingewiefen, wie verhältnigmäßig zahlreid), aus den gefunde— 
nen Münzfchägen zu fchliegen, römische und byzantiniſche Goldmün⸗ 
zen des fünften und des Anfangs des jechsten Jahrhunderts im nörd- 
lihen Deutſchland und in den Lftfeeländern verbreitet gewefen zu 
fein jcheinen. Die damaligen Goldausminzungen müſſen überhaupt 
fehr beträchtlich gewefen fein, und wird ausdrüdlid erwähnt, wie 
das den heidnischen Tempel-Schätzen entnommene Gold nicht wenig 
Material hierzu lieferte und fo dazu beitrug die Goldwährung zur 
allgemeinen Geltung zu bringen!. 

Das römische Goldgeld ward um diefe Zeiten als allgemeine 
Weltmünze betrachtet, die nicht allein überall im weiten Bereiche des 
eigenen Reichs, ſondern aud) bei den fremden Bölfern, im Norden 
wie in Oſten, Umlauf hatte und in hohem Anfehn ftand. Gold- 
münzen mit anderem als Faiferlihem Stempel wären nur fchwer 
ohne Verluſt auszugeben gewejen, und der thatjädjliche Umſtand, 
dag lange Jahre hindurch nur die römischen Kaifer Goldinünzen prä- 
gen ließen, führte zu der Annahme, daß dies ein unzweifelhafteg, 
ausfchliegliches Faiferliches Recht fei, während die Ausmünzung von 
Silber und Kupfer feitens freinder Negenten Fein Bedenken fand ?, 
Wenn in den neu gebildeten germanifchen Staaten Gold gemünzt 
wurde, fo geſchah es bis zur Zeit der Söhne und Enkel Chlodoveche 
nur mit dem Bildniß des Kaifers. 


251 Stüd Solidi durhjchnittlih 4.125 Gramm wiegend, 
6b „ balte Solidi „ 2.237 ’ „ 
119 „ brittel „ 1.301 


” ” ” 

Unter Eonftantin I fcheint die Ausmünzung von Theilſtücken des Soli: 
dus noch fehr beichränft geweſen zu fein. Genen 42 Solidi deffelben erjchei: 
nen in ben Tabellen Queipo's nur drei Tremiſſen. Unter den von bemfelben 
golde angeführten 32 Goldmünzen des Juſtinian nur 3 Solidi; dayeyen 

Semijlen und 22 Tremiſſen. 
De re monetaria ınonitio ad Theodosium etc. Constantini tempori- 
bus profusa largitio aurum pro aere, quod antea magni pretii habebatur, vi- 
libus commerciis assignavit. Cum enim antiquitus aurum argentumque et la- 
pidum pretiosorum magna vis intemplis reposita ad publicum pervenisset sqq. 
— Maternus de erroribus profanae religionis: Deos istos aut monetae ignis aut 
metallorum coquat flamma. 

2 Bekannt iſt die oft citirte Stelle bed Procopius de bello Gothico Ill, 
33: Selbſt der Künig der Perfer präge Fein Gold, während er Silberacld 
nah Belieben münzen laſſe, und auch bei denjenigen Barbaren, wo man 
Bold gewinne, werde es von deren Königen nicht nemünzt, denn fogar bei 
ben Barbaren wiirde eine folde Münze für den Handel nicht von Nuten fein. 


268 


So deutlich und einfach das römifche Goldmünzweſen von der 
Mitte des vierten Jahrhunderts an vorliegt, fowohl nad den erlaf- 
fenen Verordnungen als auch nad) erhalten gebliebenen Münzen, 
ebenfo verwickelt und ſchwierig erfcheinen die Verhältniffe des Silber: 
geldes und der Kupfermünzen jener Zeit. Es iſt jedoch wichtig, fich 
hierüber eine möglichft genaue Anfchauung zu verfchaffen, weil das 
Münzwejen ber im rönmifchen Reiche fi) bildenden germanifchen 
Staaten, abgefehen von der einftweilen noch beibehaltenen und vor- 
waltenden Goldwährung, in feiner weiteren Entwidelmg an den 
vorgefundenen wirklichen Silbergeld-Umlauf anknüpfen mußte. 

Ohne hier wegen verfchiedener ftreitiger Einzelfragen in weitere 
Frörterungen einzugehen, bejchränfen wir uns auf eine kurze Darle 
gung der hauptfächlihen allgemeinen Verhältniffe, welche während 
des Zeitraums von Conftantin bis Juſtinian für die Silbergeld- und 
Kupfermlinz -Girculation in den fpäter nach und nad) von deutjchen 
Völkerſchaften befetten weitlichen Provinzen des Reichs mit Wahr- 
Scheinlichfeit vorausgefegt werden können. 

In den anhaltenden und über jede Vorftellung hinausgehenden 
Münzwirren des dritten Jahrhunderts war das gute Silbergeld und 
damit zugleich der Begriff des alten filbernen Denars zu Z, und 
jpäter zu „I; Pfund im römischen Reiche fat verſchwunden; die bie 
dahin allgemein üblich geweſene Rechnung nad) Sefterzen hatte na 
türlih aufhören müffen, nachdem felbft der vierfache Betrag eines 
Seftertins, der Denar, eine winzig kleine Wertheinheit gemorden 
war; die Geldumfäte gefchahen, wo nicht Edelmetall Tediglich nad 
dent Gewicht al8 Zahlung bedungen war, nur mittelft der ſowohl 
von der Regierung wie auch von Yalichmünzern in Unmaffe ausge 
prägten Weißkupfer- oder Kupfermünzen. Bei größeren Zahlungen 
war felbftverftändlich die ftüchweife Zahlung folher Münzen unthun- 
ih, und gingen diefelben bald beutelmeife von Hand zu Hand, wor- 
aus dann eine neue Werthbeftimmung (follis) hervorging. Als Dio- 
cletian endlich außer fonftigen Maaßregeln zur Herftellung eines ges 
ordneten Münzweſens auch die Ausprägung einer für den gewöhn- 
lihen Verkehr pafjenden guten Silbermünze wieder aufnahm, wählte 
er hierzu als gefetliche Norm den vor dem Eintritt der Münzwirren 
in vorwiegender Geltung gewejenen Münzfuß, den des Denars von 
gs Pfund, wie dies die auf vielen feiner Silbermünzen befindliche 
Zahlangabe XCVI bezeugt, wenn auch das thatfächliche Gewicht 
der noch erhaltenen Münzen eine jehr ungenaue Ausmünzung erfen- 
nen läßt. Die auf Diocletian folgenden Kaifer haben bis auf Con⸗ 
ftantin I. und deifen Nachfolger die Ausmünzung folcher Silbermün- 
zen ohne größere Genauigkeit fortgefegt, wenn auch mit durchgängi- 
ger Weglaffung der ausdrüdlidhen Bezeihnung XCVI. Welcher 
Name für diefe reftaurirte Silbermünze geſetzlich vorgefchrieben oder 
im gewöhnlichen Verkehr üblich war, darüber fehlt e8 an beftimmten 
Angaben. Sehr beträchtlich find diefe Silbergeldausmünzungen fei- 
nenfalls gewefen. Die Circulation beftand auch nah Conftantin 


269 


Bauptfächlich in gemiünztem wie ungemünztem Gold, in Silber nad) 
dem Gewicht, und in Beuteln Kupfergeld. Die Silbermünzen werben, 
zumal die Ausprägung der goldenen Tremiffen bis auf Theodoſius 
felten blieb, vornämlich als Theilſtücke des Aureus und fpäter des 
Solidus erforderlich geweſen, aber nur wenig zu größeren Zahlun⸗ 
gen benutt worden fein. Es wird dies auch durch die Beitandtheile 
der aufgefundenen Münzfchäge, weldje in jener Periode vergraben 
find, bejtätigt. Wenn größere Zahlungen in Silber verlangt oder 
zu leijten waren, fo gejchah es nad) dem Gewicht und der Rec 
nung von Pfunden Silber. Diefe Art der Verwendung des Silbers 
zur Girculation wird für größere Beträge nie ganz aufgehört haben; 
denn wenn auch zeitweilig die Prägung guter Silbermünze fait ganz 
aufhörte, fo war doch ein bedeutender Silbervorrath einmal vorhan- 
den, der naturgemäß auf die eine oder andere Weife zur Vermittelung des 
Geldumlaufs zu benugen war. Hieraus erflärt fich die geringe Sorg- 
falt, welche feit der Mitte des dritten Jahrhunderts bei der Aus- 
münzung auf eine genaue Stüdelung des Silbergeldes verwandt wurde. 

Eine Unterfuchung des Gewichts der uns erhaltenen Silber- 
münzen Gonftantins I. und feiner Nachfolger kann indeß darüber 
nicht in Zweifel lafjen, daß, wenn man auch der Ungenauigfeit der 
Stüdelung — ſowohl in Rüdficht der Uebermünzung wie der Uns 
termünzung — den ieiteften Spielraum zugefteht, doch eine erheb- 
fihe Zahl Münzen übrig bleibt, deren Schwere fich nicht füglid) aus 
dem Münzfuß von 2, Pfund (den Normalen von 3.41 und resp. 
1.70 Gramm) ableiten fäßt. Es liegt auch an fich die VBermuthung 
nicht ganz ferne, dag Gonftantin I., al8 er für die Goldmünze in 
dem Solidus von „', Pfund eine neue fefte Norm aufftellte, aud) 
für das Silbergeld einen uenen Münzfuß eingeführt habe, und daß 
dabei eine gleiche oder font entfprechende Xheilung des Pfundes Sil- 
ber in Betracht gekommen fein kann. In der That weifen viele der 
Silbermünzen jener Periode auf einen Münzfuß von „, Pfund oder 
4.55 Gramm hin. Pojitive fchriftliche Zeugniffe über einen folchen 
Münzfuß giebt es indeß nicht; aus den uns erhaltenen Verordnun⸗ 
gen und fonjtigen Aufzeichnungen läßt fi) nur entnehmen, daß es 
damals Silbermünzen gab, von denen 60 Stück auf das Pfund 
gingen, und die namentlic für die Ependen bei öffentlichen Feſten in 
Anwendung famen, daß dies jchwerere Silbergeld jpäter aber 
förmlich verboten wurde. Wir übergehen, wie vorhin ſchon gefagt, 
die Trage, ob den Münzen zu „', oder zu gu Pfund der Name 
„Milliareſion“ zukommt, oder ob e8 eine doppelte Münzſorte diefes 
Namens und welche Unterabtheilungen defjelben es gegeben hat, und 
können dies auch um fo mehr thun, als jedenfalls feit dem Ende 
des vierten Jahrhunderts an die Stelle der früheren Silbermünzfor- 
ten fowie der älteren Berechnungen und Bezeichnungen des Silber- 
geldes neue Verhältniffe auffamen, welche fid) bald überall Hin ver: 
breiteten und in ausfchlieglicher oder doc) in entfchteden vorwiegen- 
der Anwendung für längere Zeit erhalten haben. 


270 


Wenn in den faiferlihen Verordnungen feit etwa Valentinian L 
oder in fonftigen gleichzeitigen Aufzeichnungen von größeren Werthen 
die Rede ift, fo werden diefelben durchweg in Pfunden Gold oder 
Pfunden Silber, oder, und zwar meiltens, in Solidi angegeben; 
fobald aber Beträge unter einen Solidus erwähnt werden, was frei 
ih nur felten vorfommt, fo werden außer den auf Kupfermünzen 
ji beziehenden Ausdrücken folls, nummus und denarius, als un- 
mittelbare Unterabtheilung des Zolidus siliquae angeführt. Dies 
gefchieht entweder ofme weiteren Zufag, oder e8 heißt auch siliqua 
auri. Es unterliegt nicht dem mindejten Zweifel, daß beitändig 24 
siliquae auf den Solidus geredinet wurden und daß die einfach 
siliqua wegen ihrer Stleinheit (373% 7a Pfund oder ca. 15 Centi- 
gramm) nicht füglich in Form einer Goldmünze repräfentirt werden 
fonnte, wie denn and) Kleinere römifche Goldmünzen als Drittel- 
Solidi nicht vorfommen. Sollte aber die siliqua auri durd) ein 
Silberſtück dargejtellt werden, weldes Normal-Gewicht mußte eine 
jolhde Münze haben? Es ijt dies natürlid nur unter Annahme 
einer bejtimmten Werthrelation der Edelmetalle zu beantworten. Wir 
haben über dies Werthverhältnig im Codex Theodosianus zwei ver: 
fchiedene Angaben !. Tür die Ablöfung einer Silberzahlung durd 
Soldmünze wird nämlich in einer Verordnung vom Jahre 422 die 
Norm von 4 Solidi (oder „, Pfund Gold), in einer früheren vom 
Jahre 397 die Norn von 5 Solidi (2 Pfund Gold) für das 
Pfund Silber angegeben ; erfteres ergiebt eine Werthrelation von 1 : 18, 
letteres von 1 : 14.4 Pfd. Es iſt nicht wohl denkbar, daß das wirt: 
liche Werthverhältnig in jener Zeit innerhalb eines nur kurzen Zeitab: 
ſchnitts jo beträdhtlidy jich verändert Haben follte, und erfcheint ine 
befondere die Annahme einer Werthrelation von 1 : 18 für den freien 
Verkehr im hödjften Grade unwahrſcheinlich, wenn man erwägt, daß, 
fo meit beſtimmte Angaben oder zuverläffige Andentungen hierüber 
vorliegen, ſowohl in den Jahrhunderten vorher als auch nachher 
die Werthrelation ſich beftändig zwifchen 1 : 10 und 1 : 13 gehal- 
ten hat. Cine Steigerung des Werthverhältnijjes des Goldes zum 
Eilber auf 1: 18 muß daher als etwas ganz Abnormes angefehen 
werden; und jelbft noch die Angabe der Werthrelation auf 1 : 14.4 
muß auffallend erfcheinen. Allein, wenn man die bezüglichen Ver— 
ordnungen näher anficht, wird man finden, daß der eigentliche Zwed 
derfelben nicht in einer gefeglichen allgemeinen Feſtſtellung der Werth: 
relation der Edelmetalle, fondern nur in einer ımittelft der geftatte- 


! Cod. Theod. Xlll, 2, 1. Honorius ct Arcadius ( a. 397). Jubemus, 
ut pro argenti summa, quam quis thesauris fuerat illaturus, inferendi auri 
accipiat facultatem, ita ut pro singulis libris argenti quinos aoli- 
los inferat. — Cod. Theod. Vill, 4, 27. Honorius et Theodosius (a. 
422). Pro singulis libris argenti, quas primipilares viris spectabili- 
bus ducibus »portulae gratia praestant, quaterni solidi praebeantur, si 
nun ipsi argentum oflerre sus sponte ınalueriut. 


271 


ten Option der Baluta gewährten Zahlungserleichterung beftanden 
haben wird, welche Grleichterung allerdings in der Verordnung vom 
Jahre 397, in welcher. e8 fi) um das Intereſſe des Fiskus han- 
delte, lange nicht fo weit ging, als un anderen Falle, wo die Staats: 
einnahme gar nicht in Trage fam, und e8 fid) darum handelte, bei 
dem überhaupt finfenden allgemeinen Wohlftande gewifje herkömmliche 
Leiftungen den dazu Berpflichteten zu erleichtern. Die wirkliche Werth- 
relation der Edelmetalle war, wie gefagt, noch etwas günſtiger für 
das Silber al8 14.4 : 1, allein wir wollen, um eine gegebene pofttive 
Baſis nicht zu entbehren, zunächſt dies namhaft gemachte Verhältnig, 
das damals keinenfalls erheblich von demjenigen im freien Verkehr 
abgewichen fein wird, für unſere Berechnung des Gilberwerths der 
siliqua auri in Anwendung bringen. En num hätte der Münz⸗ 
fuß der Siligua fein müffen: (24% 22) 120 Stüd auf das Pfund 
Silber oder für jede ganze Siliqua "aan, 5) 2.73 Gramm, und für 
die halbe Siliqua aljo 1.36 Gramm Silber. Bei Annahme einer 
Werthrelation von 1 : 12 Hingegen erhält man (?*% 2) 144 Stüd 
auf das Pfund, oder als Normalgewicht der Siliqua °(32: 7.37) 2,27 
und für die halbe Siliqua 1.13 Gramm Eilber !. 

Erwägt man nun die oben bereits befprochene, an den diocle: 
tianifchen XCgern und auch in fonftigen Beifpielen in einleuchtend- 
fter Weiſe vor Augen Tiegende Ungenauigkeit und Unregelmäßigkeit 
der Silberausmünzungen jener Zeiten, die überdies um fo weniger 
Bedenken hervorrufen Fonnte, als das gemünzte Silber damals in 
verhältnigmäßig geringer Menge vorhanden war und hauptfächlic) 
nur zur Ausgleichung der Meittelbeträge zwiichen Solidi und Kupfer: 
münzen, nicht aber felbftändig zu größeren Zahlungen benugt wer: 
den mochte, jo thut man nad) unferm Dafürhalten beffer, die uns 
befannten Silbermünzen von Valentinian I. bi8 auf Yuftinian (und 
ſelbſt bis auf Heraclius?) auf die gefeglihe Bafis eines Münzfußes 
der Siliqua zu „tz oder auch „4,5 Pfund zurücdführen, jtatt meh— 
rere verjchiedene gejetlihe Münzſyſteme aufzuftellen. Einzeln vor: 
fommende ſ. g. Medaillons von größerem Gewicht, welche für befon- 


? Hr. Queipo ſtatuirt dad geſetzliche Gewicht ber Siliqua auf r# Pfd. 
ober (3331 2.71 Gramm, Hr. Mommſen auf 44 Pfund oder (9 22, 247) 
2.27 Gramm, allein aus anderen Gründen als den oben von un ertvähnten, 
indem er dic Ausmünzung der Siliqua als bervorgegangen aus ber Halkirung 
einer von Conſtantin I. vermutblih nen eingeführten, dem Solidus an Ge⸗ 
wicht entſprechende Silbermünze von „I Pfund, anſieht. Da für einen Gil: 
bermünzfuß diefer Art Feinerlei Zeugniffe vorliegen, fo erſcheint es ung wahr: 
ſcheinlicher, daß die von Conſtantin 1. und ſeinen nächſten Nachfolgern au: 
gemünzten Silberftüde von circa 4.55 Gramm fchon aus der Siliqua-Ein⸗ 
theilung herſtammen werden und als Toppelt:Siliqua:Stüde, 12 auf den 
Solidus gerechnet, zu gelten baben. 

2 Bon Heraclind wird beſtimmt angegeben, daß er im Sabre 615 wie— 
ber angefangen habe ſchwere Silbermünzen zu prägen, nämlich zu 6 Sceru— 
pen (Is Pfund oder 6.81 Gramnı), von welher Münzforte fi mehrere 
Eremplare in ben Münzkabinetten finden. 


272 


bere Beranlaffungen, nicht für den gewöhnlichen Verkehr, geprägt 
worden find, bleiben hier wie auch fonft für das eigentliche Geldwe⸗ 
jen felbftverjtändfich außer Betracht. 

Diefelben Umftände und Rüdfichten, welche urfprünglich die fo 
höchſt ungenane Stüdelung diefer Silbermünzforte unter Conftantin 
und feinen nächſten Nachfolgern veranlaßt und unbedenklich hatten 
erfcheinen laffen, mußten der Natur der Sache nad) im Yortgang 
der Zeit ſich auch dahin wirkſam erweifen, eine durchjchnittlid immer 
fnapper werdende faftifche Ausmünzung der Siliquen, der ganzen wie 
der halben, zu Wege zu bringen. Bei befchränfter Menge diefer 
Geldforte und dem unverändert fortdauerndem Vormalten der Gold- 
währung bei allen Zahlungen und Gontraften wie bei der Steuer: 
erhebung, fonnte der verringerte thatfächliche Metallgehalt der Siti- 
quen feine merflihe Störung im Münzwefen und für den Verfehr 
herbeiführen, noch aud) den nominellen Lmlaufswerth diefer Münz- 
forte herabdrücken. 

Die Unregelmäßigfeit, die Ungenauigfeit und allmähliche Berringe- 
rung der Ausmünzung der Siliquen feit Valentinian I. erfcheint, 
wenn man einen Bli wirft auf die von Hrn. Queipo in feiner Zabelle 
LXI mitgetheilten Wügungen der Silbermünzen der fpäteren Kai- 
ferzeit und außerdem auf die fpeziellen Gewichtsermittelungen einer 
größeren Zahl Silbermünzen aus einigen um das Jahr 400 vergrabenen, 
fürzlic) entdeckten Schägen (f. u.), fo bedeutend, daß man bei der fait 
ununterbrochenen Reihenfolge der Gewichte und den allmählichen Ueber⸗ 
gängen der Gewichtsverhältniffe in Ungewißheit darüber bleiben muß, 
wo die halben Siliquen aufhören und wo die ganzen Stüde anfan- 
gen. Bei einem Epielraum der Stüdelung um bis etwa 20 Pro- 
cent zu viel und bis etwa 20 Procent zu wenig, wie wir folche bei 
den XCVlgern des Diocletian fehen (zwifhen 4.2 und 2.70 Gramm 
bei einer Norın von 3.41), Tann man in der That ſich nicht wun- 
dern, wenn ein bis zwei Jahrhundert nad) Einführung des Siliqua⸗ 
Miünzfußes, während welches Zeitraumes die Münztechnif ſich nicht 
vervollfommmet, jondern erjichtlich ſehr verfchlimmert und der allge- 
meine Wohlitand wie auch der Edelmetallvorrath abgenommen hatte, 
cs faft unmöglid wird, das urfprüngliche gejegliche Münzfyften in 
den faftifchen Ausmünzungen noch zu erfennen, und was die Ge— 
nauigfeit der Stüdelung anlangt, noch feitzuftellen, wo die Gren- 
ze zwifchen verhältnigmäßig übermünzten Halbfiliquen und fehr ge- 
ring gerathenen ganzen Stüden zu ziehen iſt. Es läßt ſich deshalb 
nicht einmal aus Durdfchnittsermittelungen der nod) erhaltenen Sil- 
bermünzen mit einiger Sicherheit der thatfächlihe Silbermünzfuß 
der Siliquen unter den einzelnen Kegierungen der fpäteren Zeit an- 
geben. 

Aus den von Hrn. Queipo in feinem ſchon oft angeführten 
vortrefflichen Werke in der Tabelle LXI zufammengeftellten Wägun- 
gen der Eilbermünzen der fpäteren römifchen Kaiſer entnehmen wir 
zur Veranfchaulichung der eben erörterten wirflichen Münzverhältniffe 


273 


eine Ueberficht der betreffenden Münzen von Valentinian I., Honorius, 
Juſtin und Juſtinian. 


Valentinian I. 


Gramm. Gramm. Gramm. Gramm. 
0.87 1.80 2.07 2.32 
1.35 | 1.80 2.10 2.32 
1.37 1.80 2.13 2.33 
1.50 | 1.88 2.15 2.39 
1.55 | 1.92 2.15 2.72 
1.72 1.93 2.15 2.723 
1.72 1.98 2.17 3.18 
1.72 2.00 2.20 —8 
1.80 2.00 2.22 
1.80 2.04 2 | 

Honorius. 

Gramm. Gramm. Gramm. Gramm. 
0.70 1.03 1.14 | 1.38 
0.70 1.05 1.20 1.70 
0.78 1.07 1.20 1.75 
0.85 1.07 1.23 1.87 
0.87 1.12 1.35 1.88 


Auftinus I. und Yuftinian. 








Gramm. Gramm. Gramm. Gramm 

(Yuftinus) 0.82 0.71 1,28 
0.55 1.02 0.75 1.32 
0.60 1.38 0.75 1.32 
0.68 (4.01) 0.98 | 1.38 
0.70 (Juſtinian) 1.98 1.38 
0.70 0.60 1.00 1.44 
0.70 0.68 1.05 1.50 
0.70 0.70 1.05 1.60 
0.75 0.70 1.16 (2.97) 
0.78 0,71 1.20 


Dreierlei wird man aus den vorftehenden Weberfichten auf den 
eriten Blick erfennen: daß die in thatfächliche Anwendung gebrad)ten 
Miünznormen für das Silbergeld feit Conftantin I. im Yortgang 
der Zeit eine wejentliche Verringerung des Gewichts erfahren haben; — 
daß ferner durchweg eine ganz außerordentliche Ungenauigkeit und 
Unregelmäßigfeit in der Stückelung diefer Münzforten ftattgefunden 
haben muß; — daß endlich bei der ohne merkliche Unterbrechung 
jtetig fortgehenden Reihefolge der Gewichtöverhältniffe e8 fich nach der 


274 


Schwere der einzelnen Münzen nicht füglich beftimmen läßt, wo bie 
halben Stücke aufhören und die ganzen Stüde beginnen, dag mithin 
die Ermittelung eines durchfchnittlichen faktiſchen Münzfußes für die 
verfchiedenen Perioden al8 fehr mißlich gelten muß. 
Es ift daher auch nur als der Verſuch einer annähernden Schätzung 
anzufehen, wenn wir, um das ungefähre Verhältnig der allmählichen 
Verfchlechterung der Eilberausmünzung anzudeuten, das zu präfumi- 
rende durchfchnittliche Gewicht der ganzen Siliqua, wie folgt, ver- 
anfchlagen: 
nad) den gefeglihen Münzfuß: Bu Gr. (oder 2.73 Gr.) 
unter Valentinian J. ‚2.00 „ 

unter ns ’ "10 ’ 

unter Juſtinus und Yuftinian „ 1.30 „ 


ir wenden uns nunmehr zur Erörterung der Unterabtheilun- 
gen der Eiliqua, zu den Kupfermünzen, wobei ebenfalls bornämlid) 
nur der Zeitraum von Valentinian I. bis Yuftinian in Betracht ge- 
sogen werden foll. 

Da e8 feititeht, daß fortdauernd 24 Siliquen auf den Solidus 
gingen, To folgt hieraus, daß die Zahl der Denare, zu denen der 
Solidus gerechnet wurde, auch für die Denar-Rechnung der Siliquen 
maaßgebend war. Nun finden fich aber fir verfchiedene Zeiten ab- 
weichende Angaben itber die Geltung des Solidus in Denaren. Wäh—⸗ 
rend die urſprüngliche Norm bei Einführung der Soltduswährung 
5760 Denare gewefen zu fcheint, nämlich 1 Solidus zu 24 Eili- 
quen und diefe wieder zu 240 Denaren (oder 12 Zwanziger), fin: 
det man ſpätere Berechnungen des Solidus zu 6000, 7200 n. 8400 
Denaren!. Mean bemerfe indeß, daß alle diefe Eintheilungen in 24 
aufgehen, die Siliqua alfo ſtets eine beftimmte paffende Zahl Denare 
hielt, nämlich resp. 240, 250, 300 und 350 Stüd. Die zeitwei—⸗ 
lige Berechnung der Siliqua zu 250 Denare wird dadurch bejtätigt, 
daß auf mehreren Silbermünzen Yuftins I. fid) die ausdrücklichen 
Zahlenangaben CN und PKE, d. h. 250 und 125 finden. Daß 
man and) bei diefen Münzſorten Stüde von fast gleicher Schwere mit 
verjchiedenen Werthzahlen bezeichnet antrifft und, umgekehrt, Müns 
zen von fehr abweichenden Gewicht mit gleihen Werthzahlen, er: 
klärt fi aus dem oben bereits Bemerften über die enorme Unge- 
nauigfeit und Unregelmüßigfeit der damaligen Silberausmünzung und 
bejtätigt anderfeit8 da8 SZutreffende jener Benterfungen?. Daß einige 


! Cassiodor, Var. I, 10: Sex millia denariorum solidum esse voluerunt 


veteres. — Valentiniani III. Novella de pretio solidi (v. %. 445): Ne um- 
quam infra septem millia nummorum distrahatur omptus a collectario septem 
millibus ducentis. — Procop., Hist. arc. cap. 25, berichtet: rüber hate der 
Solidus 210 Obolen oder Folles (a 40 Denare — 8400 Den.), fpäter 180 
Folles (a 40 Ten. = 7200 Ten.) gegolten. 

° Ar der Schrift von Pinder und Frieblinder: Die Münzen ZYufti: 
niand (Berlin 1843), wird S. 27 bemerkt: inige Silbermünzen von Im: 


275 


der Heineren Silbermitnzen (Halbe Siliguen) nicht die Werthzahl PKE 
fondern mır PK (d. h. 120) aufmeifen, Hat feinen Grund offenbar 
darin, daß zur Zeit der Ausmiünzung der Solidus nicht zu (24X250) 
6000, fondern zur urfprünglichen Norm von (24%xX240) 5760 De- 
naren berechnet wurde, oder doc) gerechnet werden follte. 

Die Wertheinheit eines zZugg Oder gun Mer zung Solidus 
war zu winzig, um überall oder dod) in irgend größerer Menge ge- 
münzt zu werden, und wurden in Kupfer vornämlich nur Bierziger, 
Zwanziger und Zehner gemünzt. Seit Zeno begann man diefe 
Werthzahlen anzugeben (XL oder M,XX oder X,X und V oder E). 
Die Siliqua hielt, wie wir fahen, je nad) dem Courſe des Solidus, 
300, 250 oder 240 der kleinſten Kupferwertheinheiten, und fcheint 
diefe Eintheilung ohne Zwifchenglied in der Rechnung des gemwöhnli- 
hen Vebens , wenigjtens in Stalien um die Mitte des fechsten Jahr⸗ 
hunderts üblich geweſen zu fein, da in Privaturfunden damals neben 
Siliquen und felbjt halben Siliquen auch nod) 80 nummi als klei⸗ 
nerer Betrag aufgeführt werden (S. u.). 

Die enorme Menge der im vierten und fiinften Jahrhundert in 
den römischen Provinzen im Umlauf befindlich gewejenen Kupfermün⸗ 
zen Täßt fich nicht allein aus den vielen verfchiedenen Münzen diefer 
Art ſchließen, welche die Münzſammlungen noch aufweifen,, fondern 
auch aus manchen beträchtlichen Münzfunden , die davon wiederholt 
zu Tage gekommen find, namentlich) im Bereich des alten Galliens. 

Wenn vorhin erwähnt wurde, daß die Ansmünzung von Sil- 
bergeld ſeit Conjtantin I. außerordentlich bejchränft war und daher 
aud) die Verwendung deijelben im größeren Verkehr wenig vorgekom⸗ 
men fein wird, fo feheint doch, nach den bisherigen Münzfunden zu 
urtheilen, für einzelne Xheile des Reichs andy während des in Rede 
jtehenden Zeitraums eine bedeutendere Silbercirculation als anders- 
wo vorausgefett werden zu müſſen. Hr. Mommſen hat treffend 
darauf aufmerffam gemacht, daß, während fonjt fait gar feine Sil: 


ſtinus I. hätten bei verfchiedenen Zahlen gleihe Schwere, und unter den 
Münzen Juſtinians fünden ſich folhe, die ungeachtet derfelben Aufichrift CN 
fih an Gewicht wie 1 : 2 zu einander verbielten. Kine fo große Ungenanigs 
feit des Ausmünzens möchte man beim Silber nicht gern annehmen, und deh: 
halb fcheint die Vermuthung, daß das mit CN (250) bezeichnete Stüd fir 
das xzsgarsov, bad 250 Lepta enthält, dag mit PKE für das halte xegauior zu 
halten, fich nicht zu beftätigen. 

Wenn bei Diocletiand XCVlgern (zu 3.41 Gr. Normalgewicht) Gewichts: 
differenzen von ca. 40 Procent vorfommen, fo widerftreitet es der Wahrſchein— 
lichfeit gewiß nicht, daß zwei Jahrhunderte fpäter möglicherweife ſolche Diffe— 
renzen äußerften Falls zu ca. 100 Procent vorkommen Fonnten, ba e8, wie 
fhon bemerkt, bei diefen Silbermüngzen, fo lange fie nur als Scheidemünzen 
in Anwendung waren, faft gar nicht auf genaue Stüdelung anfam. Die außer: 
ordentlihe Abnutzung des englifhen Silbergelde vor der Tekten umfaſſen— 
den Umprägung deſſelben batte den Werth dejfelben im gewöhnlichen Verkehr 
nicht im nindeften geftört, da bie Silbermünzen eben nicht nad) ihren eige— 
nen Metallwertb, fonbern gewiffermaßen nur als Zeichen gewiſſer Quoten des 
goldenen Pfund Sterling galten. 


% 


276 


bermünzen aus ber nachconftantinifchen Zeit in größeren Summen 

gefunden find, in England und im benachbarten Irland mehrere 
Silber» Schüge großentheild aus Siliquar- Münzen beftehend, ent- 
deckt worden find!. Man wird hieraus den Schluß ziehen dürfen, 
daß in England noch in den letten Zeiten der römischen Herrfchaft 
das Silbergeld audy bei beträchtlicheren Zahlungen eine größere Bedeutung 
und Verwendung gehabt Habe als in den anderen Provinzen, daß 
aber auch hier deifen ungeachtet die umlaufenden Silbermünzen,, meijt 
einfache und doppelte Siliquen, höchſt unegal geprägt, und daß die 
älteren fchwereren Stüd bejchnitten waren. Bei größeren Zahlungen 
wurde vermuthlic nicht nach Stüdzahl, fondern nad) dem Gewicht 
gerechnet und bezahlt, während im Heinen Verkehr, wo die Siliquen 
zum Umwechſeln von Solidi oder Tremiſſen dienten, es auf die 
Bollwichtigkeit nicht ankam. 

In Gallien, Italien, Hispanien und Nordafrifa hingegen fcheint 
der Umlauf und der Vorrath des nad) den Münzfuß der Siliquen 
ausgeprägten Silbergeldes fehr befchränft geblieben, und dagegen der 
Vorrath an den größeren Kupfermünzen und deren Gebrauh um fo 
beträchtlicher und allgemeiner gewefen zu fein. Es ift aber fein 
Grund zu der Annahme vorhanden, daß, fo weit Silbermünzen im 
gewöhnlichen Verkehr gebraucht wurden, feit dem Ende des vierten 
Sahrhunderts bis zum Verſchwinden der römifchen Herrfchaft dort 
irgend andere Silbermünzen als nur Siliquen (einfache, doppelte und 
halbe) allgemeine Geltung gehabt haben. Ueber anderes Eifbergeld 
fehlt e8 nämlich fowohl an fchriftlihen Zeugnifjen als an noch er- 
haltenen Münzen folder Art, deren Bezeichnung einen verjchiedenen 
Münzfuß andeutetee Die germanifchen Eroberer alfo, welche, wie 
wir durh Tacitus wiljen, von altersher für die Silberwährung 
eine entjchiedene Vorliebe hatten und diefe aud) bald mehrfach aufs 
neue bewiefen, fobald fie in ihren neu begründeten Staaten eigene 
Münzſtätten errichtet hatten, trafen überall als Silbermünzfyitem und 
namentlid” aud) als Kintheilung des Solidus im Rechnungswesen 
die Siliguen an. Es mußte diefer Umftand befonders deshalb von 
weientlicher Bedeutung für ihr Geldweſen fein, weil fie einen unver- 
fennbaren Widerwillen gegen das römifche Kupfergeld, welches in den 


? Momnijen ©. 788 u.a. erwähnt vier bahin zu rechnende Münzfunbe: 
1) zwiſchen Briftol und Bath; von 250 dort gefiindenen Silbermüngen find 150 
Stüde unterfucht worden; mit Ausnahme von zwei find fie ſämmtlich in Trier 
geichlagen, von Valens, Oratian und Magnus Marimus; 2) zu Gleeve bei 
Eversham ein Topf mit Silbermünzen von Zulian, Valentinian J., Gratian, 
Magnus Marimus und Theodoſius; 3) zu Holwel 318 Silbermüngen von Con: 
ſtans und Conſtantius IT. bis Arcadius und Honorins, von denen etwa zwei 
Trittheile in Trier geiälagen find; 33 Stück zwiſchen 3.89 und 4.86 Gr. 
fhwer, und 285 Stüd zwiſchen 0.84 und 2,50 Gr. ſchwer; 4) zu Coleraine 
in Irland, außer 200 englifhen Unzen Barren und Bruchfilber, 1506 römi⸗ 
{he Silbermünzen von Conſtantin IL. bis Conftantin IL; fehr viele bavon 
befchnitten. Sämmtliche vier Schäße find in ben lebten Jahren des vierten 
oder zu Anfang des fünften Jahrhundert? vergraben worden. 


277 


Provinzen in Unmaffe circulirte, hegten, und alfo zum Erſatz des⸗ 
felben auf die Berniehrung des kleinen Silbergeldes nothiwendig ange- 
gewiejen waren. 

Es wird nicht für überflüſſig erachtet werben, wenn wir im Fol 
genden aus verjchiedenen gleichzeitigen Zeugniffen des bier in Rede 
ftehenden Zeitraums einige Belege zufammenftellen, um die damals 
übliche Rechnungsweiſe nad) Eiliguen nachzuweiſen. 

Eine Verordnung von Zheodofius I. und Balentinian II. vom 
Yahre 428 verlangt: pro singulis jugis et capitibus quaternas 
siliquas annuas. 

Nach Beftimmmg der Nov. Major. de curial. v. J. 458 
wird bei der Örundfteuererhebung ein halber Solidus vom Yugum 
an die Officianten vertheilt in den Verhältniß von 1, 4 und 6 
Siliquen. 

Eine Terordung von Zeno (474491) erwähnt ald Abzug bei 
gewiffen Zahlungen eine Siliqua für jeden Solidus. 

m’ einer Novelle des Yuftinian v. J. 536 wird verboten, eine 
höhere Zinfe zu nehmen als eine Siliqua vom Solidus. 

In einer ſicilianiſchen Schenkungsurkunde des Könige Odoacer 
vom Jahre 489 (Marini Pap. No. LXXXII) wird der Ertrag 
eines Theils eines Landguts angegeben auf solidos quindecim ac sili- 
quas decem et octo. 

Edikte des Königs Theodorich erwähnen (Cassidor Var. Il, 
25 u. a.) die Siligua als Münze und die Rechnung darnad). 

Wiederholt findet man die Rechnungsweiſe nach Siliquen in einer 
un Jahre 564 zu Ravenna niedergefchriebenen Urkunde (einer detail 
lirten Quittung eines Bormundes über die abgelieferten Vermögens⸗ 
gegenftände feines Mündels, Marini Pap. No. LXXX). Hierin 
beißt es u. A.: fieri simul in auro solidos quadraginta et 
quinque et siliquas viginti ires aureas nummos aureos sexa- 
ginte. Die siliquae und nummi werden hier durch die Beifügung 
„goldene“ ebenfo wenig als effective Goldmünzen bezeichnet, wie dies 
heutigen Tages mit Groſchen und Pfennigen jtattfindet, wenn bei 
der bier und da nod) vorkommenden Rechnung nad) Zhalern, 5 Stüd 
auf den Louisd’or, gejagt wird: ze... Thaler, ..... Groſchen und ..... 
Pfennige Gold“. Und an einer anderen Stelle heißt e8 ebendafelbit: 
butte de cito valente semisse uno, butte minore valente sili- 
quas aurcas duas semis nummos quadraginta etc.; woraus her⸗ 
vorgeht, daß mehr als 80 nummi auf die Siligua gerednet fein 

en', wie denn auch an einer anderen Stelle derfelben Urkunde 
80 nummi aufgeführt werden. 


3 Die Nummi werben als bie niedrigfte Wertheinheit, ald Denare zu 
3760 ober 6000 oder 7200 Stüd auf den Solidus (je nad bem Gourfe) 
anzufehen fein; bie Annahme Mommſens (a. B. ©. 808), baß barunter 
do Solidi zu veritehen, ift nicht zutreffend. — In der erwähnten Urkunde 

fih außer solidi, semisses, tremisses, siliquae aureae, nummi aurei und 
aummi obne Zuſatz noch jolgende Werthbezeihnungen: aspriones, siliquae 


19 


278 


In den Briefen Gregors des Großen wird feiner anderen Geld⸗ 
jorte,, welche auf Silbermünzen bezogen werden könnte, gebacht, als 
der Siliquen. Weber die Verpachtung eines Weingarten fchreibt er 
(IX, 14): praecipimus, ut ad tres siliquas aurens factis libel- 
lis ei vineolam ipsam locare debeas. (Bergl. aud) I, 42). 

Nach den vorjtehenden Beifpielen, welche die Verbreitung und 
Anwendung der Rechnung nad) Siliquen während des fünften und 
ſechsten Jahrhunderts in den damaligen und in früheren römiſchen 
Provinzen nachweiſen (wogegen von anderen gleichzeitigen und gleich 
üblichen Werthbezeichnungen für Theile des Solidus, die auf noch er⸗ 
haltene Silbermünzen jener Zeit zu beziehen wären, nichts verlautet), 
erſcheint es als eine faft unabweisbare Annahme, daß die germani- 
hen Stämme bei ihrer Niederlaffung in den römischen Provinzen 
ale Silbergeld nur die Siliquen (nebft entfprechender Menge von 
Halb-Siliquen und wenigen ‘Doppelftüden der Siliqua) vorfanden 
und zunächſt nur diefes Münzſyſtem annehmen fonnten. Wir wer- 
den denn auch im Verfolg dieſes Abfchnittes noch jehen, daß die uns 
erhaltenen vandalifchen und ojtgothiichen Silbermünzen auf der Siti- 
qua⸗Rechnung beruhen, und daß bei den Weltgothen und Longobarben 
die früheften Angaben über Theilſtücke des Solidus , die geringer find 
als Tremiſſen, ebenfalls nur Siliquen namhaft machen. Es darf aud) 
wohl nicht als etwas Zufälliges angefehen werden, daß in ben 
uns aufbewahrten älteften Tateinifch-deutfchen Gloſſarien ſich mei- 
jtens eine Mebertragung des Wortes siliqua vorfindet. 

Ein althochdeutihes Gloffar in einem Weichenauer oder 
des achten Jahrhunderts befagt: siliha: numisma. 

Ein ähnliches Gloffar in einer St. Galler Handfdrift: silihha 
nummi; silihhaon: nummorum; silihha trio: siliquas tres. 

Freher (de re monetaria ctc. Lugduni 1605) erwähnt aus 
einem in der Parifer Bibliothet aufbewahrten jehr alten lateiniſch 
deutfchen Gloſſar: 

Numisma: silihha; 

Numi percussa: silihha duruhslagen, das ist pfantinc. 

Obolum, dimidium scriptuli, quod facit siliquas tres: 
stuchi, halb scriptolus, daz tot silihhum tri. 

Es kann hiernad feinem Zweifel unterliegen, daß die Germa- 
nen, fo weit fich nicht theilweife der Umlauf älterer römiſcher Sil- 
berdenare (aus der Zeit vor Kaiſer Commodus) noch dauernd bei ihnen 
erhalten hatte, im fünften und fechsten Jahrhundert als Silbergeld 
die römifche Siliqua, nebit den einfachen Stücken auch Hälften und 
Doppeljtücde derfelben, benutzt und namentlich als Werthbeitimmung 


U 


asprionis und siliquae argenteae. inter aspriones dürften einzelne beſtimmte 
Arten Solidi, bie beſonders beliebt waren, zu verftehen fein; siliquae argentese 
heißt es vermutblih, um anzugeben, baß wirklich Silbermünze gemeint ſei, 
nicht ein Aequivalent in Kupfergeld, oder es wird dadurch eine kleinere Sil⸗ 
bermünzſorte bezeichnet (ſ. u. ©. 291). 


279 


angewendet haben werden. ‘Die weitverbreitete alte deutiche Bezeich⸗ 
nung bes alten römischen Silberdenars fcheint, wie wir im Verlauf 
dieſes Abfchnittes näher begründen werden, skaz oder'skat (in ein- 
zelnen Fällen latinifirt scotus) ober andere bialectifche Formen def- 
felben Wortes gewejen zu jein. Die Bezeichnung siliqua findet fich, 
außer bei ben Weſtgothen und den Longobarden , in den fogenannten 
Leges barbarorum nidjt vor. Dagegen erfcheint in den älteften 
Rechtsbüichern der Alemannen und Bayern fowie in dortigen Urkun⸗ 
den des achten und neunten Jahrhunders einige Mal der eigenthim- 
liche Werthausdrud saiga, deſſen bisherige Erflärungen (u. a. durd 
nammi ‚serrati) keineswegs befriedigen. Sollte dieſer Ausdrud 
saiga nicht vielleicht nur als eine Corruption des Wortes siliha 
angejehen werben fünnen ', deſſen Vorkommen als allgemeine Meinz- 
bezeichnung bei den Alemannen die oben erwähnten in Reichenau und 
St. Gallen aufbewahrten Gloffarien nachweiſen ?? 


IL Bandalen®. 


Im Yahr 429 fegten die Vandalen nad Afrika über, zehn 
Fahre fpäter eroberten fie Carthago und behaupteten ihre Herrichaft 
bis zum Jahre 534. 

Bandalifhe Goldmünzen find nicht befannt. Dagegen hat man 
Silbermünzen von ſämmtlichen fünf vendalifhen Königen, die nad) 
Geiferih zur Regierung kamen (477—534), und Kupfermünzen 
von den beiden letzten Königen Hilberih und Gelimer. Münzen 
Geiferichs find bis jet noch feine mit Gewißheit nachgewieſen. Auf: 
ferdem find im vandaliſchen Reiche aud) Silbermünzen mit dem Na- 
men bes Kaifers Yuftinian und autonome Kupfermünzen der Stadt 


2 A138 beifpielsweifen Beleg der bedeuteuden Veränderung, welche Münz: 
begeihnungen bei Uebertragung aus einer Sprade in andere Spraden erfab: 
ren Tonnen, möge das beutfche Wort „Schilling“ angeführt werben. Es 
ift dieſer deutſche Ausdruck wiedergegeben worden: im Altfranzöfifhen durch 
escalin ; im Spanifchen durch chelino; im Stalienifhen durch scellino; im 
Ruffifchen durch Schtschläg, im Polniſchen durch szelag. Uebertragungen 
diefer Art müflen doch noch auffallender erfcheinen als bie Veränderung von 
siliqua in siliha und saige ! 

s Eine auf alle babin gehörigen Verhältniſſe näher eingehende Erörterung 
in Betreff der aaiga wird der Natur ber Sache nach erſt ſpäter im britten 
Abfchnitt ihre Stelle finden. Es wird bort bann aud der Nachweis verfucht 
werden, daß die Gintheilung bes Solidus in vierzig Denare, melde in ber 
Lex Salica und im fränfifchen Reiche in Gallien zur Geltung gefommen ift, 
aus dem damaligen factifhen Münzfuß der siligun auri berzuleiten ift. , 

3 Wir befiten eine treffliche Monographie über das vandalifche Münz: 
mweien, nämlih: Die Münzen der Bandalen. Bon I. Sriebländer Ber: 
lin 1849. — Außerdem beiprechen basfelbe: Lettres du baron Marchant 
sur ia numismatique et l’histoire. Nouv. 6d. Paris 1851. Lettre XVI 
Monnaies et systöme monetaire des Vandales (pp. 165—188); Annotation 
sur la numismatique des Vandales par V. Langlois (pp. 189208). Einige 
rein wiltfürlihe Bermuthungen Marchants bat Zriebländer mit einleuchtenden 
Gründen widerlegt, weshalb darauf nicht weiter Rüdficht genommen ift. 


19* 


280 


Sarthago geprägt worden. ‘Der Sthl ber vanbalifchen Münzen ift 
nicht roher als der gleichzeitigen byzantinischen und oftgothifchen. Die 
Auffchriften find lateinisch, und auf einigen derfelben findet man das 
Regierungsjahr des Königs angegeben. 

Die Silbermünzen der Vandalen haben auf der Kehrfeite meift 
die Angabe einer Werthzahl, je nach ihrer Größe entweder C ober 
L ober XXV. Das NWormalgewicht diefer drei Arten wirb von 
Hrn. Friedländer zu 2.50, 1.25 und 0.625 Gramm angenommen; 
das wirkliche Gewicht gut erhaltener Stüde beträgt nach der Ermitt- 
lung desjelben für die Lger 1.25, 1.25, 1.24, 1.20, 1.12, 1.10, 1. 10 
und 1.02 Gramm, für die XX Vger 0.56 , und O. 541. Dr Queipo 
(3. III, ©. 463) und der Reichelſche Münzkatalog (B. IX, €. 2) 
theilen folgende Gewichtsermittelimgen über vandalifche Silbermüngen mit: 

von Gunthamundus: 1.00 und 1.00 Gramm. 

von Trafamundus: 0.90 Gr. 

von Hildericus: 0.93, 1.18, 1.20 und 1.25 ©r. 

von Geilamir: 0.89, 1.02, 1.04, 1.08 und 1.10 Gr. 

Diefe Münzen haben alfo der um dieſe Zeit im oftrömifchen 
Reid) thatfählih in Anwendung gefommenen Silberausmünzung 
von 1.30 Gramm für die ganze und von 0.65 Gramm für die halbe 
siliqua auri entſprochen. Iſt nun hiernady anzunehmen, daß bie mit 
C bezeichneten Silbermünzen eine doppelte Siliqua (oder y des Eo- 
lidus) darftellen, jo knüpft fich daran die fernere Schlußfolgerung, daß 
diefelben, nach dem Courſe von 6000 Denaren auf den Solibus, 
einen Werth von 100 mal 5 Denaren (5009430) angeben follten, 
die einfachen und halben Eiliquen alfo beziehungsweiſe je 50 und 25 
Fünfdenareinheiten barftellten. Freilich finden fi ſolche V-Stücke 
nit unter den uns erhaltenen vandalifchen Kupfermünzen, fondern 
die Heinften, welche eine Bezeichnung tragen, find XII- und IV- 
Stüde; allein diefer Umftand ift nicht entfcheidend, da es befanntlic, 
auch font vorfommt, daß gewiſſe Rechnungseinheiten, die in einer 
bequemen Eintheilung werthoollerer Münzftüde ihren Grund haben, 
durch Münzen gleichen Betrages nur wenig repräfentirt werden. Die 
Armahme, daß die XII- oder auch die IV» Kupferftüde die Ned 
nungseinheit jener Silbermünzen abgegeben haben, würde den Werth 
des Solidus entweder auf 4800 oder auf 14,400 Denare ſtellen, 
wovon das erjtere jedenfall$ zu niedrig, das letztere viel zu hoch aus- 
kommt, im Vergleich mit ben uns befannten gleichzeitigen Werth- 
berechnungen des Solidus. Es ift auch wohl vorauszufegen, daß im 

vandalifchen Reiche viele römische V = Kupferftüde im Umlaufe waren. 
Ein großer Theil der vandalifchen Kupfermünzen zeigt auf der 
Kehrfeite ebenfalls eine Werthzahl, je nad) der Größe der Münze 
XLH, XXI, XII und IV, und beträgt deren durchfchnittliches Ge 
wicht refp. 10; 7; 4 bis 5; 1.33 Gramm. Daß die mit XLII 


, Meber die mit O bezeichneten vanbalifchen Silbermünzen Tiegen uns 
feine Gewichtsangaben vor, allein nad ber Größe zu urtheilen if das dop⸗ 
pelte Gewicht als fehr wahrfcheinlich anzufehen. 


81 


bezeichneten Munzſtücke nicht doppelt fo viel wiegen mie bie, welche 
dte Auffchrift XXL tragen, oder ehnundeinhalbmal fo viel wie bie Hleinfte 
Sorte, kann nicht auffallen. Bei Kupfer-Scheidemünzen,, die im 
Rominalwerthe ftets beträchtlich höher ausgebracht werden, als ihr 
innerer Metallwerth, kommt es befanntlich nicht darauf an, das ges 
genfeitige Gewichtsverhältniß der verfchiedenen Sorten genau zu be 
obachten, und fchon wegen ber Bequemlichkeit im Verkehr müfjen die 
größeren Stüde verhältnigmäßig leichter fein als die Fleineren Unter: 
abtheilumgen. 

Was die Bedeutung der Zahlen auf den Kupferjtücken betrifft, 
fo wird man darüber nicht wohl in Zweifel jein können, daß diefel- 
ben die gefeliche Geltung nad) dem Ausdrud ber niedrigften Werth- 
einheit haben angeben follen, alfo nach den damaligen Denaren, melde, 
wie wir oben gefehen haben, im römifchen Reiche zu jener Zeit 
nur von zugn bis zn des Solidus galten. Daß ftatt der 
in den römischen Provinzen üblichen Bierziger und Zwanziger bie 
größeren vandalifchen Kupfermünzen als XLII- und XXI- Stüde 
ausgegeben wurden, dürfte fid) am einfachften in der Weiſe erflären 
laſſen, daß es die Abficht war, dem einheimifchen Gepräge dieſer 
Landesmlinze für den gewöhnlichen Verkehr durch cin Agio einen ge- 
wifjen Vorzug vor den fremden Münzſtücken gleichen Nominalwerths 
zu verfchaffen. Mit dem eigentlichen Münzfuße des Kupfergeldes an 
fih können jene Zahlenangaben fchon deshalb nichts zu thun Haben, 
weil das gegenfeitige Gewichtsverhältniß derjelben ein jo durchaus 
anomafes if. Oder follte vielleicht die Ausmlnzung der IE 
und XXI- Kupferftüde aus einer Zeit herrühren, als der Solidus 
einen höheren Cours als 6000 Denare erreichte, und follten die grö- 
geren Kupfermünzen an diefer Comröfteigerung etwa theilnehmen !? 

Wenn auch von den Vandalen felbft gar feine oder doch Feine 
autonome Goldmünzen geprägt wurden, fo ift doch wahrfcheinlich, daß 
der Goldfolidus auch bei ihnen, wie anfänglich und längere Zeit hin- 
durch bei den übrigen germanifchen Bölfern in den römijchen Provin⸗ 
zen, die Hauptmünze gewejen fein wird. Auch ijt zu bemerfen, daß, 
wie eine Verordnung des Königs Hunerich gegen die Katholiken er- 
fehen läßt, im vandalifchen Reiche auch nach Pfunden Gold und 
Pfunden Silber gerechnet wurde, da Strafbeftimmungen von auri 
pondo tricena, argenti pondo dena, denae librae auri vorfom- 


Die ganz willtürlichen Bermuthungen Marchants bierüber hat Hr. Fried⸗ 
länder aber mit einleuchtenden Gründen widerlegt. — Nachträglich bemerfe ich 
FR die Erflärung Mommſens (Gef. db. r. M. S. 841): „Man bat bie halbe 
Siliqua entweder ald „I, des Solidus von 6000 Denaren mit 125 ober als 
Yequivalent von 3 kupſernen Bierzigern mit 120 bezeichnet ſſ. o. ©. 274 ff. J. 
Die genauere Bezeichnung aber war die erftere, wie beſonders daraus erhellt, 
daß die zwei größeren vandaliſchen Kupfermüngen nicht mit 40 und 20, fon: 
bern mit 42 und 21 bezeichnet find: offenbar war das größte Kupferftüd zunächſt 
nermirt auf 4 der Siltqua oder [230) 413 Denare, das folgende auf ber 
Siliqua ober [280] 20% Denare, wofür dann rund entweber 40 unb 20, ober 
wieber ungenau 42 und 21 gefeßt wurden“. 


282 


men!, ebenfo wie dies in den Verorbnungen ber gleichzeitigen Kai- 
fer zu geichehen pflegt. | 
Mm. Gothen. 

In der gothifchen Bibelüberfegung des Ulphilas, foweit uns 
biefelbe noch erhalten ift, werden zur Bezeichnung der im griechifchen 
Texte erwähnten fpeciellen Münzforten oftmals die fremden Wörter 
in germanifirter Form beibehalten (wie dracma, unkja, silks, as- 
sarjan), oder es wird auch ein allgemeiner Ausdrud gewählt (mie 
silubran, d. i. ein Silbernes). Bemerfenswerth ift jedoch, daß wie- 
berholt, wo das griechifhe Original dyvags® hat, die gothifche 
Ueberfeßung gleihmäßig eine felbftändige Aenenung giebt, nämlich 
skatts (Marcus XVI, 5: Prijahunda skatte; Lucas VII, 41: 
skatte fimfhunda). Dan * hierbei unwillkürlich daran denken, 
daß die Angelſachſen ihre älteſte Silbermünze skeatta nannten 
(im Altnordiſchen skattr). Dies iſt erſichtlich dasſelbe Wort 
wie das gothiſche skatts, und erinnert an den frieſiſchen Aus- 
druck sket für Geld, wovon ſchon im erften Abfchnitt die Rede 
war. Auch überjegen die älteften Gloſſarien des Althochdeutfchen 
denarius einfad) durd) scaz (Graff, Diutisfa B. L Codices P. 
a. ınd R. .\ 2. Dies führt zu der Annahme, daß die älteren rö- 
mifchen Denare den Gothen zur Zeit des Ulphilas, fowie den ger- 
manischen Völkern überhaupt, eine wohl bekannte und mit einem 
gleihmäßigen Namen bezeichnete Münzſorte waren. Der häufigen 
Münzfunde von guten römiſchen Silber-Denaren, welche im nördlichen 
Deutfchland und in den Oſtſeeländern entdedt worden find, haben 
wir im erjten Abfchnitte diefer Abhandlung gedacht. Hieraus folgt 
aber keineswegs weiter, daß die Germanen felbjt ſchon derartige 
Münze geprägt hätten. — Ein Wort dunkler Herkunft ijt kintus, das 
Ulphilas zur Uebertragung von xodeavımg (Matth. V, 26) ge 
braudht hat. Es ift bemerkt worden, daß dies Wort auf einheimi- 
fhe Münze hinzudeuten fcheine, wenn es nicht ebenfall8 einer frem- 
den uns unbefannten Sprache entlehnt fei. Letzteres müſſen wir als 
ſehr unwahrjcheinlich dahingeftellt fein laffen, und möchten eher an- 
nchmen, daß das griechifche Wort nur durch einen mundgerechteren 
Ausdrud wiedergegeben jei. Denn was die Annahme einer einheimi- 
chen Münzforte des Namens kintus anlangt, fo jcheint uns diefelbe 
jeder näheren Begründung zu entbehren; es würde dann doch jeden- 
fall die Bezeichnung skatts nad) Analogie der Ungelfachfen nod) 
cher hierauf zu beziehen fein. 

1 Beral. Friebländer im a. B. ©. 10; woſelbſt hierfür Victor de per- 
secutione Vandalica lib. VI, c. 2 citirt wird. 

2 Hieraus, daß nämlich im Altbeutfchen skaz, skat der übliche Aus: 
drud für Münze und insbeſondere für den Silber-Denar war, ſcheint fi auch 
die in einigen Urkunden bed neunten ober zehnten Jahrhunderts vorkommende 
Vünzbezeihnung scotus erflären zu laſſen, indem die nur bie Latinifirung 


von skat gewefen fein wird. Giner fonftigen Erflärung von scotus erinnern 
wir und nicht. 


283 


Für den Gold-Solidus hatten die Oftgothen eine felbftändige 
Bezeichnung, und zwar die nämliche, welche wir dafür auch bei den 
übrigen germanischen Völkern antreffen, nämlih skilliggs (in der 
Mehrheit skilligans). In der Bibeliberfegung des Ulphilas findet 
ſich noch feine Veranlaffung für diefen Ausdruck, dagegen iſt derſelbe 
in mehreren alten zu Neapel und Arezzo entdeckten, von Zahn her- 
ausgegebenen kurzen gothifchen Kauflontracten zu lefen. In einem 
derfelben heißt es: adnemum skilliggans rk varrb Pize saive 
(accepimus solidos 120 pretium hnjus lacus). 


Oſtgothen?. 


Im Oſtgothiſchen Reiche, welches von 493 bis 553 beſtand, 
find Gold-, Silber- und Kupfermünzen geprägt worden. 

Die während diefer Zeit zu Rom, Ravenna und Mailand ge- 
münzten Goldjtücde ftimmen mit dem Münzfuß des damaligen by- 
zantinifchen Solidus wefentlich überein. Sie find mit dem faiferlichen 
Bildniß geprägt; mitunter ift auch der Name oder da8 Monogramm 
der oftgothifchen Könige darauf angebracht, allein meiſtens fehlt diefe 
Bezeichnung. 

Die oftgothifchen Silbermünzen tragen ebenfalls auf der Vor- 
derfeite das Bruftbild und den Namen des Kaifers, während auf der 
Kebrjeite der Name der oftgothifchen Könige, im Monogramm oder 
ausgejchrieben, erjcheint?. Das Gewicht diefer Münzen iſt, nad 
den davon erhaltenen und von Friedländer befchriebenen guten Exem⸗ 
plaren, wie folgt: 1.20; 1.35; 1.25; 0.85; 0.75; 0.68 bis 0.62 
Gramm, mit weldhen Angaben die von Queipo (B. ILL, Tab. LXI, 
No. 565 ff.) mitgetheilten Gewichtsnotizen über oftgothiiche Silber- 
münzen des Barifer und des Madrider Münzkabinets wejentlid, über- 
einftimmen. Diefelben find: 

Theodorich: 0.67; 0.69; 0.70 Gramm. 
Athalarich: 0.66; 0.67; 0.69; 0.70; 0.72; 0.98; 1.30; 1.33; 
1.35; 1.375; 1.37; 1.38; 1.43 Gr. 
Theodahat: 0,67; 1.24 Gr. 
Witiges: 1.34; 1.35 Gr. 
Ildibald: 0.75; 0.76 Gr. 
Grarid: 0.70; 1.39 Gr. 
Thejas : 1.20 Gr. 
Die Gewichtsangaben oſtgothiſcher Silbermünzen im Reichelſchen 


2 Auch über das oftgotbifche Münzweſen beftgen wir eine treffliche Mo⸗ 
nographie: Die Münzen ber Oftgothen. Von 3. Friebländer. Berlin 1844. 
und Rachträge zu ben Münzen der Oftaotben, abgedrudt in ber vorbin ange: 
führten Schrift desſelben Verfaſſers über die Münzen der Vandalen (1849), 
©. 41 68. — Was in erfterer Schrift über das Werthverhältniß ber Silber: 
münzen und der Kupfermünzen zum Goldſolidus bemerkt wird, ift jedoch nad 
ben neueren Unterfuchungen weſentlich zu modiflciren. 

S Ausgenommen eine Münze bed Königs Baduila, auf welcher dieſes 
Königs eigener Name und Bild ſich auf der Vorderjeite findet. 


284 


Münzkatalog find: 0.69; 0.69; 0.69; 0.73; 0.775 0.77, 0.95, 
1.22; 1.22 und 1.35 Gr. — 

A. v. Rauch macht in den Mittheilungen der numismatiſchen 
Gefellichaft in Berlin (3. Hft. 1857) folgende Gewichtsangaben über 
von ihm unterfuchte gothifche Silbermünzen befannt : 

von Athalarich: 1.38 und 0.69 Gramm („538 Teingehalt). 
von Witiges: 1.39 Gr. („BFH Teingehalt). 
von Thejas: 0.61 Gr. (7388 Feingehalt). 

Man wird mit Zuverfiht annehmen dürfen, daß alle dieſe 
Münzſtücke ganze oder halbe silique auri („4 und Au> Zolidi) 
darftellen, und zwar in Webereinjtunmung mit der fuccejfive knap⸗ 
per werdenden factifchen Münznorm ausgeprägt, welche fich bei dem 
gleichzeitig von den Kaifern in Eonftantinopel (von Anaftafins, Ju⸗ 
ftinus und Juſtinianus) gemünzten Silbergeld zeigt. Das Silber 
der Münzen ſcheint, aus der von Hrn. von Rauch angeitellten Un⸗ 
terfuchung zu ſchließen, durchweg ohne abfichtliche Legirung zu fein. 
Werthzahlen, wie wir bei den vandalifhen Silbermünzen bemerkt 
haben (f. o.), finden fich auf den oftgothifchen nicht. 

Die oftgothifchen Kupfermünzen dagegen find, wie bie im oft- 
römischen Reiche feit Zeno ausgeprägten, mit Ausnahme ber 
vom kleinſten Modulus, meiſtens mit Werthzahlen verfehen, und 
zwar mit XL, X ımd V. Das Gewidt biefer Kupfermünzen iſt 
jehr unregelmäßig; bei den Zehnern meift 2.5 Gramm, zuweilen 
aber auch viel fchwerer; die Vierziger wiegen bi8 10 Gramm, alfo 
ziemlich gleich mit den vandalifhen XLIIgern. Ceit dem Könige 
Theodahat tragen fie meift das Bild der Könige. 

Die Oftgothen haben das Munzſyſtem, welches fie bei ihrer 
Ankunft in Italien vorfanden, unverändert beibehalten, und wie fie 
hiernad; gemünzt haben, fo ift bei ihnen auch nad Solidi, Siliquen 
und Denaren gerechnet worden. Der Angabe von „Scillingen“ (d. 
h. von Goldſolidi) in zufällig erhaltenen gothiſchen Driginal-Quit- 
tungen ift bereit8 Erwähnung gethan, und erinnern wir ferner nod) 
daran, dag in Ravenna, diefer wichtigen Stadt der ojtgothifchen 
Herrihaft, in einer kurz nad) dem Aufhören der ojtgothifchen Herr⸗ 
Ihaft und nad der Befigergreifung durch Juſtinian ausgefteliten 
Privat-Urfunde v. %. 564 silique und nummi wiederholt für bie 
unter dem DBetrage eines ‘Drittel-Solidus vorkommenden Werthan- 
gaben gebraucht werden. Auch von Caſſiodor werden siliquse und, 
als Heinfte Wertheinheit von guy Solidus, denarii öfter er- 
wähnt, (f. o. S. 277), während andere Bezeichnungen für damalige 
Silber- und Kupfermünzen ſich bei ihm nicht finden. 

Daß die oftgothifchen Regenten auf die Aufrechthaltung des 
Munzweſens Bedacht nahmen, und zu ihrer Zeit in Stalien Golb- 
ımd Silberbergwerfe bearbeitet wurden, erfieht man aus einigen durch 
Caſſiodor erhaltenen Verfügungen derfelben '. 

2 Cassiod. Var. IX, 3. z. B. findet fich ein Refcript bes Königs Atha⸗ 
larih in Bezug auf die Eöniglihen Gold: und Silberbergwerke in Bruttien. 


285 
Weftgotben?. 


In den Rechtsbüchern der Weftgothen, bei deren Abfafjung be- 
tanntlich in vielfacher Beziehung der Codex Theodosianus benust 
worden, finden fich auch die entfprechenden Verordmmgen gegen Falſch⸗ 
müngzeret, gegen Legirung ber Edelmetalle, gegen die Zurückweiſung 
vollwichtiger Göldftüde u. A.“ Die Werthbeftimmungen gefchehen 
im Solidi und Xremiffes, bei erfterer Mimzforte wird meiltens 
aureus ausdrücdlic, beigefügt. Der König Alarich II. (484-507) 
hatte, wie Avitus (ep. 78) berichtet, vor feinem Kriege mit Chlodo- 
veh, um feine Finanzen zu verbeſſern, ſchlechte Goldmünzen ſchla— 
gen laſſen, die bald überall in Verruf geriethen. Die uns erhalte 
nen weitgothifchen Goldmünzen find ‘Drittel-Solidi. Die feit dem 
fechsten Yahrhundert geprägten Stüde diefer Art ftimmen mit den 
gleichzeitigen longobardifchen und fränfifchen Goldmünzen ziemlich überein. 

Die in dem untenerwähnten Auffag der Revue numismatique 
fo wie im 3. Bande des Neichelfchen Munzkatalogs angegebenen Ge- 
wichte von weſtgothiſchen Tremiſſen find folgende: 

von König Agila (549-- 554) 1.48 u. 1.50 Gramm. 
von Reccared (586—601) 1.45 Gr. 

von Liuva II. (601—603) 1.11 Gr. 

von Wittericus (603—610) 1.47 Gr. 

von Siſebutus (612—620) 1.51 Gr. 

von Suintila (621—631) 1.51 Gr. 

von Sifenandus (631—636) 1.33 u. 1.42’ Gr. 

von Ghintila (636—640) 1.33 u. 1.60 Gr. 

von Chindaswind (641—649) 1.44; 1.55; 1.60; 1.69 Gr. 
von Receswind (6535— 672) 1.42 Gr. 

von Wamba (672—680) 1.42 Gr. 

von Ervig (5 687) 1.15 u. 1. 51 Gr. 

von Egica (687— 700) 1.50 Gr. 


Als Unterabtheilung des Solidus haben auch bei den Weftgothen an- 


U Weber das weſtgothiſche Münzweſen haben ung Teider feine ſolche numisma⸗ 
tiſche Beſchreibungen und Erörterungen vworgelegen, wie in Betreff der Ban: 
dafen und Dftgothen. Was Aſchbach (Gefchichte der Weftgotben ©. 354—362) 
hierüber mittheilt, giebt feinen weiteren Auffchluß noch fpecielle Nachweiſe. 
Eine fpanifhe Monographie von Luis Joseph Velasquez , Conjecturas s0- 
bre las medallas de los reyes Godos y Suecos de Espana. Malaga 1759. 40. 
iſt und nicht zu Geſicht gekommen. Ein Auffag von Hrn. Boudard in der Revue 
numismatique, annee 1855, pp. 341—3850, Lettre A M. le baron de Cra: 
sanner sur le monnayage Wisigothique de Narbonne, bezieht fih nur auf 
Goltmrünzen. 

2 Vergl. Lex Wisigothorum lib. VII, tit. VI. De falsariis metallorum 
1. De torquendis servis in capite dominorum pro corruptioue monetas etc. 2. 
De his qui solidos aut monetam adulteraverint. 8. De his qui acceptum au- 
ram alterius metalli permixtione corraperint. 4. Si quorameunque metallo- 
rum fabri de rebus ereditis repperiautur aliquid subtraxisse. 5. Utaureum soli- 
dum integri ponderis nemo reeuset. 


286 


fänglich siliquae gegolten, wie Buch V, Tit. 5, 8 des Geſetzbuches 
bezeugt, wo der jährliche Zinsfuß nad Siliquen für den Solidus 
beitimmt wird'. Die einzige weitgothifche Silbermünze, über die uns 
eine Gewichtsangabe vorliegt, ift eine vom Könige Liuwa IL (565 
— 566), deren Schwere nach dem Neichelfchen Katalog (DB. 

S.5) 30 Doli = 1.33 Gramm beträgt, wonad) fie für eine siliqus 
auri gelten Tann. Andere Münzſtücke diefer Art find ung bis jet 
nicht befannt geworden. (Cinige meitere Notizen über das weſtgothi⸗ 
che Geldwefen finden fi in der Anmerkung III zuſanmengeſtellt). 


IV. Burgunder®., 


Bu den Städten, welche die Burgunder bei ihren Niederlaffın- 
gen im füdlichen Gallien feit 437 und befonders feit 456 in Belt 
nahmen, gehörte auch das wichtige Lugdunum (im J. 458), wo 
bis dahin eine bedeutende römijche Münzanftalt beitanden hatte. Es 
wurden dort nod) Münzen des Kaiſers Avitus (455 u. 456) geprägt, 
von denen jich einige erhalten haben. Nichts iſt wahrfcheinlicher , als 
dag diefe Meünzftätte auch unter den burgundifchen Fürſten, welde 
anfangs und auch fpäter nod) zeitweilig eine gewilje römifche Amte 
jtellung (al magistri militum oder patricii) einnahmen, ihre Thi- 
tigfeit ohne erhebliche Lnterbredhung fortjettte, und zwar zumächlt in 
gleicher Weife wie bisher durch Prägungen mit dem faiferlichen Ty 
pus ohne weitere Nebenbezeihnung. Manche noch erhaltene Soliti 


2 Die Stelle Iautet wie folgt: Si quicungue pecuniam commodarverit 
al usuram, non plas per annum quam tres siliquas de uno solido poseat 
usuras, 

2 Weber die burgundiſchen Müngverbältniffe wird beiläufig gebanbelt in 
folgenden Auffäken: Ch. Lenormant, Lettres & M. de Saulcy sur les plus 
anciens monnaies de la serie ınerovingienne I—V. Revue numismatique, 
1848. p. 115 ff., p- 181 jj. u. pl. VOII; — de Pe&tigny, Monnoyage de la 
Gaule depuis le commencement du V siecle jusqu’a la chut de l’empire d’Occi- 
dent. Revue numism. 1851. p. 113 ff.; Monnoyage de la Gaule aprös ls 
chute de l’empire d’Oceident. ibid. p. 185 j. — Ch. Lenormant, Lettres ete, 
VI—IX. Revue numism. 1853. pp. 99 fi. 277 ff. u. pl. VIL Den fehr weit 
gebenden und gewagten Deutungen, welde Hr. Lenormant den verfchichenen 
abweichenden Buchftaben in den gewöhnlihen Auffchriften der Goldmünzen 
jener Zeit (D. N... P. F. AVG, und VICTORIA AVGVSTORVM) forwie 
CONOB beigelegt hat, läßt fich bei nicht vorgefaßter Meinung fchwerlich bei 
flimmen. Die bemerften Abweichungen, abgefehben von Monogrammen und 
vielleicht gewilfen Buchſtaben am Schluß von AVGVS..., jcheinen durch bie 
Flüchtigkeit und Unfenntniß der auf die vobe mechaniſche Nachabmung früherer 
Typen angewiejenen Stempeljchneiber hinlänglich erklärt werden zu Tönnen. 
Wohin verliert fi) die Numismatif, wen 3. B. die Bezeihnung INI, waß 
auf einer Münze ber oftgotbifchen Periode am Fuße des Revers, flatt bes be 
kannten CONOB gelefen wirb, auf eine mögliche alte Münzftätte zu Imsbrud, 
unter ber Herrſchaft des Theodorich zu deuten verfucht wird? oder wenn 
COMOD zu den gezwungenften Deutungen benutzt wird, ftatt barin bie Un: 
bekanntſchaft des ungebildeten und flüchtig arbeitenden Stempelfchneiberd mit 
dem urfprünglihen Sinne jener Buchflaben zu ertennen? 





288 


dem beibehaltenen Typus von PValentintan III. als dem leßten noch 
allgemein anerkannten Kaifer bes Occidents geprägt fein mochten, um 
fie deſto leichter in Umlauf zu bringen, oder auch Ausmünzungen in 
der Stadt Balence; unter Genavenses zu Genf, etwa von Gode⸗ 
gifil, dem Bruder Gundebads, gemünzte Solidi; bie vom Weſtgo⸗ 
then⸗König Alarid) II. aus fchlechterem Golde gemünzten Solidi find 
auch anderweitig bekannt (ſ. o. S. 285); unter den Ardaricani solidi 
find wahrfcheinlich die ung diefe Zeit mit dem Bildniß und der Auf: 
Ichrift der Kaiſer zu Conitantinopel in großer Menge in der Bretagne 
(Armorica) gemünzten Goldntünzen gemeint, ſei ed nun, daß es 
im Texte nad) richtiger Yesart Armoricani heißen muß, oder daß 
Ihon urfprünglic) der Name ungenau verzeichnet worden ift. 

Von geringeren Münzjorten als Tremiſſen findet ſich in der 
Lex Burgundionum feine Erwähnung; weder Denare noch Siliquen 
werden genannt. Es läßt ſich indek mit Zuverſicht annehmen, daß 
die Burgunder, feitdem fie fih auf galliichem Boden niedergelafjen 
haben, ebenfo wie ihre Nachbaren die Oftgochen und die Weftgothen 
es thaten, und wie es im damaligen römischen Reiche allgemeiner 
Gebraud war, nad) Siliquen, 24 Stüd auf den Solidus, gerechnet, 
und ſolche auch in Silber ausgemünzt haben werden. Nachdem das 
Monogramm der burgundiichen Könige auf Goldmünzen entdedt 
ft, bat man auch burgundiſche Silbermünzen mit dem deutlichen 
Monogramm des Königs Gundebad nachgewiefen, (Revue numism. 
1853 pl. VIII, Nr.1 und pl. VIO, Nr. 2). Eine derfelben trägt 
auf der Hauptjeite um einen Kopf den Namen des Anaftafius, auf ber 
Rüdfeite aber das Mlonogramm der Buchltaben G,V,N,B,A und da 
rüber ein kleines Kreuz; die andere Silbermimze auf der Hauptſeite 
das nämliche Monogramm mit der Umſchrift pax et abundantia, 
auf der Rückſeite eine rechts hinjchreitende Figur mit Palmzweig und 
Kranz fowie die Buchſtaben L und D (Lugdunam). — Das Ge 
wicht diefer beiden Münzen finden wir leider nicht mitangegeben, 
allein nach der Abbildung zu urtheilen wird die letzterwühnte größere, 
welhe Hr. Yenormant als „Quinar“ bezeichnet, vermuthlich eine 
Ziliqua, die erjtere eine halbe Siliqua dargeftellt haben, und deren 
Gewicht von demjenigen der entjprechenden oftgothifchen Münzen 
nicht weſentlich abweichen. — Auch eine Broncemünze mit dem glei» 
chen Monogramm des Gundobad und Angabe des Prägortes durch 
L. D. hat fich erhalten (Revue numism. a. DO. pl VII, Nr. 3). 

Einige Preisangaben in der Lex Burgundionum mögen hier 
nicht unerwähnt bleiben. Im VI. Titel wird als einfacher Erſatz 
aufgeführt (in simplum recipiat): pro mancipio sol. 25; pro 
caballo optimo 10 solidos, pro mediocri 6 solidos; pro equa 
solidoe 3; pro bove solidos 2, pro vacca sol. 1. — 
Schweine, Schafe und Ziegen wird ein dreifacher Erfat vorgefchrie- 
ben, und ergiebt jich hiernach aus der angegebenen Schägung als der 
Preis für Schweine und Schafe ein Drittel Solidus und für Ziegen 
der dritte Theil eines Tremiſſis. 


289 


Longobarben?. 


Die Geld- und Miünz- Angaben in den uns erhaltenen longobar⸗ 
difchen Rechtsbüchern und Urkunden lauten auf Solidi und Tre- 
miſſen, und als Fleinere Abtheilungen des Solidus erfcheint die Si: 
fiqua. Letztere Angabe fommt häufig vor, während uns Angaben in 
Denaren aus ber eigentlichen Iongobardifchen Zeit (vor 774) nicht 
erinnerlic find. Die Longobarden werden alfo bei ihrer Eroberung 
Italiens die zu Juſtinians Zeit im römifchen Reiche übliche Rech— 
nungsweife, welche auch, wie wir gefehen, bei den Oftgothen Gel: 
tung behalten hatte, unverändert angenommen haben. Die Bußen 
findet man, wie in den übrigen alten germanifchen Rechtsaufzeic)- 
nungen, auch bei den Yongobarden durchweg in Solidi angegeben, 
und fteigen diefelben bis zu Beträgen von 900 Solidi. 

AS die Yongobarden Ober-talien eingenommen hatten, wird 
zunächſt die Münzeireulation auf die dort vorhandenen altrömifchen, 
byzantiniſchen und ojtgothiichen Münzen angewiefen geblieben fein. 
Sollten von Alboin und feinen erften Nachfolgern ganze oder Drit- 
tel-Solidi gemünzt worden fein, fo kann dies nur in möglichft ge- 
nauer Nachbildung der gleichzeitigen byzantinifchen Typen gefchehen fein, 
und find daher manche folcher rohgearbeiteten Münzen vielleicht den 
erften Longobardifchen Ausmiünzungen zuzufchreiben. ‘Der erfte Tongo- 
bardiiche König, der feinen Namen auf eine Münze fegte, war Ro⸗ 
tharis. Das Edictum diefes Königs enthält denn auch die Vorfcrift: 
wenn Jemand ohne Befehl des Königs Gold fteinpele oder eine 
Münze verfertige, fo folle er feine Hand verlieren ?. 

Auf den Münzen des Notharis findet man, wie bei den gleich. 
zeitigen fränfifchen Goldmünzen, den Namen des Münzers angegeben; 
päter werden nur einige Buchitaben diefes Namens bemerft, bis 
endlich folche Angabe gänzlich aufhört. 

Seit König Cunipert erfcheint auf den longobardifchen Münzen 
als der gewöhnliche Typus der Rückſeite das Panier der Xongobar- 
den, der Erzengel Michael. Von da an zeigt ſich auch der Anfang 
einer etwas befjeren Ausführung der Prägung. 


1 Lettres du Baron Marchant sur la numismatique ct l’bistoire. 
Nouv. &d. lettre XXILI. Medailles des rois ostrogoths et des rois lombards 
(pp- 285-293). Monnaies lombards par V. Langlois (pp. 299—304). 
— Sulla moneta dei Longobardi in Italik. Lezione detta il di 27. Aprile 
1834 nella R. Accademia Pontaniana dal cav. Giulio de Conti di San 
Quintino, Estratta de Progresso delle science, lettere ed arti; fasc. XVI. 
Ann. 1884 (20 Seiten). Zwei andere Abbandblungen deſſelben Berfaffers 
über das ältere longobardiſche Münzweſen: Sulle monete battute dei Longo- 
berdi in Italia nei secoli VI, VII ed VIII. Napoli 1835. 8°. und della zecca 
e delle monete di Lucca nei secoli di mezso (568 — 774) Discorsi. Lucca 
1844, find und leider nicht zugänglich geweifen. — Die von den longobarbi- 
fhen Fürften in Benevent 2c. nach 800 geprägten Münzen werben bier natür: 
lich nicht berücſichtigt. 

2 Edictum Rotharis 243 (ed. Vesine): Si quis sine jJussionem regis au- 
rum figuraverit aut moneta confizerit, manus ei incidatur. 


2% 


Das Gewicht der Iongobardifchen ganzen und Drittel-Solidi 
ift im Vergleich mit den gleichzeitigen byzantiniſchen Ausmlinzungen 
mehr oder minder Inapp, und wird im adıten Jahrhundert noch ges 
ringer als in der früheren Zeit. Die Yeinheit des Goldes zeigt 
wenig Gleichmäßigkeit. 

Nach den Angaben im Reichelſchen Münzkatalog (Ad. IX, 39 
— 47) betrug das Gewicht der in biefer Sammlung befindlichen äl- 
teren longobardiſchen Goldmünzen : 

Unbeftimmte Zremiffen (2 Std.) 1.33 Gramm. 

Aripert I. (653-661) 1.33 Gr. 
Gunibert (686— 700) 1.33 Gr. 

Luitprand (712—744) 1.20 Gr. 
Defiderius (744—774) 0,93 Gr. 

Ein zu Lucca ohne den Namen eines Königs, aber unter der 
longobardifchen Herrſchaft geprägter Tremifje von blaſſem Golde (Rei: 
del IX, ©. 238) wiegt 1.26 Gramm. 

Der Prägort diefer Münzen ift Übrigens meiften® ungewiß; 
vermuthlih ward an dem Ort gemünzt, wo der königliche Hof 
war, alſo vornämlich wohl in Pavia, fonft in Lucca. Ye Blanc er: 
wähnt einen von ihm gefehenen Tremiſſis mit der Auffchrift: Flavia 
Mediolanum. Einen noch ımedirten zu Ravenna geprägten longo- 
bardifhen Semiffis von König Aiftulf erwähnt San Quintino. 

Es ift bisher nur von den älteren longobardiſchen Golb- 
münzen die Rede geweſen; wie verhält e8 fi) aber mit den Sit 
ber⸗ und Kupfermünzen der Tongobardifchen Könige? Aus eint- 
gen Anführungen in den älteren longobardifhen Rechtsbüchern mic 
aus ſonſtigen Longobardifchen Aufzeichnungen vor der fränfifchen 

errſchaft in Italien erjieht man, daß bis dahin die Rechnung nad) 
Siliquen bei den Longobarden üblih war; wenigftens ift feine An- 
gabe über eine andere Silbermünz - Sorte befannt. Wir haben uns 
wegen wirklich ausgeprägter und uns erhalten gebliebener Silber: 
münzen der Yongobarden aus den Zeiten vor König Deſiderius ver: 
geblich nach weiteren Nachweifen umgejehen, als diejenigen find, die 
jih in dem 1834 in Neapel veröffentlicjten Auffage von Can Quintino 
finden. Diefe Schrift enthält hierüber um Wefentlichen folgende Notizen : 

Um das Yahr 1833 entdedte man in der piemonteſiſchen Provinz 
Biella emen vergrabenen Longobardifchen Münzſchatz, beftehend aus 
28 gut erhaltenen Gold-Tremiffen von König Liutprand und aufer- 
dem etwa 1600 fehr einen und leichten Silberminzen von gerin- 
gem Feingehalt. Letztere waren unter ſich anfcheinend fo wenig ver- 
ichieden, dag man anfangs fie alle aus demjelben Stempel hervor- 
gegangen glaubte. 

Das Zuſammenfinden derfelben mit den Tremiſſen von König 
Yintprand und der dazu pafjende ganze Styl ihres Gepräges weifet 
deutlich auf den Iongobardifchen Urfprung diefer Münzforte hin, und 
möchte es überhaupt fchwer halten, diefelbe mit Wahrſcheinlichkeit 
irgend einem andern Volke oder einer andern Zeit zuzufchreiben. 


291 


Die Münzen find fehr dünn, haben eine etwas fchiiffelartige 
Form und find nur auf der einen Seite geprägt; fie erinmern daher 
fehr an die fpäteren fogenannten Bracteaten, welche jeit dem zwölf- 
ten Jahrhundert eine Zeitlang in Deutfchland üblid waren. Kine 
nähere Unterſuchung zeigt im Cinzelnen mancherlet Abweichungen der 
Stempel, namentlich ift die Zahl der auf den Münzen angegebenen 
Punkte ſehr verfchieden, von 2 bis 13. Im Uebrigen fcheint die Be⸗ 
zeichnung bei dein größeren Theil derfelben aus einem Monogranm 
zu beftehen, worin Can Quintino die Buchſtaben PER erfennt und 
es deshalb auf den König Pertaritus (Pertari) bezieht, deſſen Na— 
men man indeß auf anderen Münzen bis jest nicht gefunden hat. 
Ein anderes Dionogramm deutet derjelbe Numismatifer als LPR und 
bezieht dajjelbe auf den König Yuitpert ober auch auf den König Liut- 
prand; auf erfteren,, den Nachfolger von Cumipert, könnte vielleicht des- 
halb eher zu fchließen fein, weil diefe Silbermünzen Schon ziemlich abgenugt 
erjcheinen, während die mitgefundenen Tremiffen von Liutprand ganz 
neu, oder doch außerordentlich gut erhalten jind, und aljo ver- 
muthlid) gleich oder bald nad) der Ausmünzung vergraben wurden. 

Das Gewicht diefer Heinen Silbermünzen beträgt felten über 
drei Parifer Gran oder 0.16 Gramm, und bei den meilten iſt es 
fogar noch etwas geringer; der Feingehalt foll „7, bis $ fein. Der 
innere Werth diefer Münzforte ift mithin höchft unbedeutend (un- 
gefähr 4 bi8 4 Sgr.), und fann diefelbe aljo wohl nur beſtimmt gewe- 
fen fein, jtatt der fonft üblich gewejenen Kupfermünze als Scheide: 
münze zu dienen. Geht ınan von der Vorausjekung aus, daß die 
Zongobarden bis zur Einführung des fchwereren fränfifchen Denars 
als Unterabtheilung der Goldmünzen, welche bei allen größeren Zah⸗ 
lungen in Münze den Verkehr vermittelten, die vorgefundenen byzan⸗ 
tinifchen und oftgothifchen Silbermünzen von durchſchnittlich ca. 1.30 
und 0.65 Gramm Schwere ale ganze und halbe Siliqua gebraud;- 
ten, jo möchte diefe Heine Silbermünze vielleicht als der achte oder 
zehnte Theil des Werths einer ſolchen Siliqua anzufehen fein, fo daß 
von derfelben 240 (zwei Großhundert) auf den Goldſolidus gerechnet 
fein mögen. Hr. Quintino hält diefe Heinen Silbermünzen für si- 
liquas argenti, wie folche, umnterfchieden von den siliquae auri, 
in der oben befprochenen Ravennater Urkunde v. J. 564 erwähnt werden. 

Ueber Longobardifche SKtupfermünzen haben wir feine Angaben 
gefunden. 

Durch das Capitulare Mantuanum Karls des Großen vom 
Jahre 781, welches den neuen fränfifchen Denar, nad) dem Münz⸗ 
fuß von 240 Stüd auf das fränkische Pfund, in Italien einführte, 
ward die bis dahin bei den Kongobarden in Geltung gebliebene Gold⸗ 
währung gefeglic) aufgehoben, und beginnen feitdem in den oberitalient= 
ſchen Städten zahlreihe Ausminzungen jener Denare. Daß übri- 
gend die Rechnung nad) Gold-Solidi in der Lombardei nicht fofort 
nach der Verordnung des Jahres 781 gänzlich aufhörte, erfieht man 
aus dem Capitulare I,ongobardicum vom Jahre 813, monad) derie- 


292 


nige, ber einen Briefter fchlägt, eine Buße von zehn Pfund Gold, 
d. h. 720 Solidi zahlen foll (det auri libras 10, id est soli 
dos septingenti viginti), unter weldyen Solidi offenbar nicht die neuen 
fränkischen Silber-Solidi zu 12 Denaren, fondern die alten Golb- 
Soli zu „5, Pfund verftanden werden. Daffelbe zeigen zahlreiche Ur- 
unden. 


Snmerfuug E 


Im Codex Theodosianus (XII, 7, 1) findet man unter ber Auffchrift: 
De ponderatoribus et auri illatione folgende Verordnung Conſtantins J. v. 
J. 325: 

Imp. Constantinus A. ad Eufrasium rationalem irium provinciarum. 
Si quis solidos appendere voluerit auri cocti, septem solidos quater 
norum scripulorum nostris vultibus figuratos appendat pro singalis 
unciis, quatuordecim vero pro duabus, juxta hanc formam sum- 
mam illaturus. Eadem ratione servanda, et si materiam quis inferst, ut 
solidos dedisse videstur. Aurum vero, quod infertur, aequa lance et librr 
mentis paribus suscipiatur, scilicet ut duobus digitis summitas lini retineatur, 
tres reliqui liberi ad susceptorem emineant, nec pondera deprimant, nullo 
examinis libramento servato, nec aequis ac paribus suspenso statere mo- 
nentis etc. PP. 14. Kal. Aug. Paulino ei Juliano coss. 

Ein anderer Theil derfelben umfafienderen Verordnung Conſtantins v. 3. 
5323 (Imp. Constantiuus A. ad Eufrasium rationalem Irium provinciarum. .. 
Dat. 14. Kal Aug. Paullino et Juliano coss.), ber dieſe Beſtimmung ent: 
nommen ift, findet fich in Cod. Theod. XII, 6, welcher Titel die Ueberfchrift 
führt: De suscepforibus, praepositis el arcariis. Der Eingang bed c. 2 bie 
ſes Titels lautet: Pro multis, etiam et in diversis locis constitutis, liceat 
simul auri pondus inferre, its ut pro omnibns fundis securitss emissis cau- 
tionibus detüur, ne, separatim ab unoquoque auro exacto, multis et assiduis 
incrementis provincialium utilitas fatigetur. — — — Nam si solvere volens 
a suscipiente fuerit contemptus, testibus adhibitis contestationem debebit pro- 
ponere, ut — — — qui suscipere neglexerit, ejus ponderis, quod debebatur, 
duplum fisci rationibus per vigorem offhicii tui inferre cogatur. 

Auf Grund jener erjteren Stelle wurde früher oft angenommen (und 
hatte diefe Anſicht namentlich durch die Autorität von Du Gange Verbreitung 
und Anerkennung gefunden), daß Eonftantin I. ben von ibm neu eingeführten 
Münzfuß der Solidi auf „, Pfund (= 3.90 Gramm) beftimmt babe, benn 
wenn man 7 Solidi mit einer Unze gleich fett, fo ſei die natürliche Folge, 
daß (7 24 12) 84 Solidi auf dad Pfund neben. Anbererfeit3 führte freilic 
die unmittelbar dabei jtehende Angabe: Solidi von je vier Scrupeln, eben je 
unabweizlih auf das BVerbältnig von 72 Solidi auf ba8 Pfund oder auf 
einen Solidu3 von „y Pfund (= 4.55 Gramm), da notorifh 288 Scrupuli 
auf das Pfund gerechnet wurden, mithin 4 Scrupuli fo viel find ald „A, Pf. 
Diefer unverfennbare Widerfpruch zwischen unmittelbar nebeneinander ftehenden 
Angaben führte ſchon frühere Ausleger und Herausgeber des Cod. Theod. zu 
dem Borfchlage, im vorliegenden Terte jtatt septem (VII): sex (VI), und ftatt 
quattuordecim (XIV): duodecim (XII) zu cemendiren. Die mitunter vorkom⸗ 
mende Behauptung, daß es fih babei nur um Herftellung der richtigen Lesart 
handele, ift unbegründet, da Feine einzige Handſchrift VI und Xu enthält, fondern 
diefe Emendation lediglich Conjunctur ift. 

Die Annahme, daß Gonftantin I. einen Münzfuß der Eolidi ven 3, Pf. 
eingeführt oder beobachtet babe, mußte fi fofort als offenbarer Itrthum ber: 


Bfiellen,, ald das wirkliche Gewicht ber und noch ehtrei erhaltenen Gold⸗ 
kngen biefe® Kaiſers genauer unterfucht wurde. efe Ermittlung ergab 
mlich, daß, abgefehen von einigen noch fehwereren Stüden (von 5.25 bi8 
11 Gramm), alle übrigen nod vorhandenen guterbaltenen Solidi Eonftan- 
5 L erfichtlich nach dem Fuß von 72 Stüd auf das Pfund, alfo nach ber 
orm von ca. 4.55 Gramm ausgemünzt worben find. Dan bat nur nöthig 
ven Blid auf bie von Hrit. Queipo (Essai sur les systömes metriques etc. 
‚10, ©. 484 und ©. 495 f.) mitgetheilten forgjamen Gewichtdermittlungen 
ver etwa fünfzig Goldmünzen Conftantind I. zu werfen, um jeden Ameifel 
rüber ſchwinden zu lafien (j. oben S. 266). Hierzu fommt noch der wichtige 
mftand, daß mehreren Solibi dieſes Kaiferd die Numeralbegeihnung LXXU 
utlich aufgeprägt ift. 

Die Hrn. Pinder und Friebländer bemerken in ibren Beiträgen zur 
teren Münzkunde (Berlin 1851) S. 15 über die in Rede fiehenbe Stelle 
3 Cod. Theod.: 

„E83 ift mit Evidenz nachgewieſen, daß VI ftatt VII, und XI ſtatt XIV 
; Tefen ift, denn fonft hätte die Unze 28 Scrupel ftatt 24, unb bie iſt un- 
dglih, weil das Verhältnig 1 Pfund = 12 Unzen = 283 Scrupel feſt⸗ 
mb. Allein diefe Frage bat nicht einmal Einfluß auf uniere Unterſuchung, 
nn wir bezieben ung blos auf die Worte solidos quaternorum scripulorum. 
och giebt unfere numismatiſche Deutung einen neuen Grunb für die bereit# 
twerfannte Emenbation VI und XU”. 

Bei näherer Erwägung muß man indeß eingeflehen, baß man es mit 
ner folhen Emendation nicht zu leicht nehmen dürfe, und zwar eben weil fie 

ſehr nabe zu liegen fcheint. Einen bloßen Schreibfehler vorauszuſetzen, 
it im vorliegenden Fall body feine großen Bedenken, ba in den Hanbfchriften 
e fraglihe Zahlenangabe ſich vol ausgefchrieben findet, und inäbejondere, 
eil gleich auf die erfte Angabe von 7 Solidi für eine Unze die entſprechende 
otiz von 14 Solidi für zwei Unzen folgt. Und dann war ber Zuſatz ‘qua- 
rnorum scripulorum’ nicht wenig geeignet, ben Abfchreiber vor einer Abäns 
zung von VI in VII zu warnen, da zur Zeit als bie Älteften Abfchriften 
mommen wurben, dad Verbältniß, daß bie Unze 24 Scrupel babe, eben fo 
Igemein bekannt geweſen jein wirb, als daß 6 Solibi auf bie Unze gingen. 
änden ſich deshalb in den Manuſcripten beide Lesarten VI, XI und VII, 
IV, fo würde man nach befannter philofogifcher Regel geneigter fein müſſen 
fteres als leichterflärlihe Eorrectur ber Abfchreiber zu verwerfen und VII und 
IV al3 ben urfprünglichen Xert anzuerkennen. 


Hm. Th. Mommfen (Jahrbuch bed gemeinen deutſchen Rechts, heraus⸗ 
geben v. Bekker und Muther, II, S. 454456) ift dies Bedenken nicht 
tgangen, und erblidt berfelbe in ber Nenberung VI und XIV ftatt VI und 
H nicht einen einfachen Schreibfehler, fondern eine fränkiſche Interpolation, 
araus hervorgegangen, baß feit ber Zeit bes Kaiſers Mauritius (582—602) 
le von den fränfifhen Königen gefchlagenen Solibi um % leichter als bie 
pzantinifchen und offenbar auf das Gewicht von „1, Pfund gemünzt feien, 
EShalb auch diefer neue fränkiſche Soliduß anfänglich mit dem Werthzeichen 
A, ber entfprechende Tremiffig mit dem Werthzeichen VII verſehen feien, ba 
e refp. ungefähr 21 (genau 20%) und ca. 7 (6$) siliquae auri enthielten. 
Diefer fränfifche Solidug won allo F Unze, und von ibm ift ed richtig, was 
ie Verordnung ſagt: septem solidos appendat pro singulis unciis, quattuor- 
ecim vero pro duabus. Tie Interpolation ift demnach handgreiflich; daß 
e auf halben Wege ftehen blieb, hat fie mit allen verwandten Abjchreiber: 
erbefferungen gemein. Erhalten ift die Stelle in ber einzigen jetzt vatikani⸗ 
hen Handjchrift, welche von Hänel in den Anfang bes ſechsten Jahrhun: 
erts geſetzt wird, nach bem Befagten aber früheſtens am Ende deſſelben und 
ur im fränkiſchen Neiche gefchrieben fein kann“. 

Häãnel (Jahrbud bes gemeinen beutfchen Rechts ꝛc. IV, &. 309--316) 


20 


294 


beftreitet Mommfen’s Anficht, indem er es als ſehr wahrſcheinlich nachweilt 
daß bie im Rede ſtehende Handſchrift des Cod. Theod. nicht im fränkifcen 
Reiche, ſondern in Stalien geichrieben fe. Zunächſt iſt ber Ductus der 
Schrifi, der Orthographie nicht zu gedenken, der um bie Zeit bes 6. Jahr⸗ 
hunderts, bevor die Longobarden einbrachen, in Italien übliche, nämlich jene 
gefälige Semiuncial, bie ſich in mehreren Handſchriften wieberfindet. Yrän: 
kiſche Handſchriften jener Zeit find, dafern es beren wirklich giebt, davon 
durchaus verfchieben. — — Sodann fpricht ber ziemlich) correct wiebergege 
bene griechiſche Text Cod. Th. IX, 45, 4 für Jtalien. Ich bezweifle, daß 
man in dem damaligen Frankenreiche fo correct griechiſch zu ſchreiben verftan- 
ben babe. Ferner glaube ich fchon früher nachgewiefen zu haben, baß bie 
alten Ranbdgloffen der Handſchrift in Italien gejchrieben find; alfo muß fid 
die Handfchrift, wenigſtens bald nach ihrer Entftehung in Italien befunden 
haben“. Außerdem wirb von Hänel noch nachgewieſen, in welder Weiſe ver: 
muthlich die Handſchrift von Jtalien frühzeitig nad Frankreich gelommen if, 
wo fie ım ſechszehnten Jahrhundert entbedt unb herausgegeben wurde. 

Wie fehr wir aber hierin ber Anficht Hänels beiftimmen und ſchon aus 
biefen äußeren Gründen die Annahme einer fränfifhen Interpolation abwei⸗ 
fen zu müffen glauben, ebenfo unzuläffig ericheint und bie Art ber Recht⸗ 
fertigung, welche berfelbe für die bandfchriftlichen Zahlen VII und XIV ver 
ſucht. Hänel fommt wieder auf bie längft und vollfländig widerlegte ältere 
Behauptung zurüd, Conftantin I. babe Solidi zu „I, Pfund prägen Taflen, 
und erft Bulentinian I. habe im J. 367 den Münzfuß von „A, Pfund einge 
führt. Conftantin fam (fagt Hänel a. B. ©. 316) dem Steuerpflichtigen zu 
Hülfe, indem er den Solidus zu 7 auf die Unze = 84 auf das Pfund ſchla⸗ 
gen ließ. Unter ben etwa 50 Solidi biefes Kaiferd, deren genaue Gewidt 
Dueipo anführt, ift, mie bereitd erwähnt, kein einziger, welcher dem 
Münzfuß von „iz Pfb. entipricht, wogegen alle, bis auf erige wenige noch nad 
dem älteren fehwereren Münzfuß von 2, Pfund geprägte Stüde, unverkennbar 
ben Münzfuß von „, Pfunb aufweifen. Diefer jet wohl von allen Rumis: 
matifern anerkannten Thatfache gegenüber kann es augenſcheinlich von Feiner 
relevanten Bebeutung fein, daß Budaeus und Gothofrebus Eremplare jener 
Solidi von zz Pfund gefehen haben wollen. In biefer fachlichen Erflärung 
ift Hänel mithin gegen Mommien offenbar im Unrecht. 

Wenn aber bie eben mitgetheilte Erffärung der Stelle die vermeintliche 
fränkifche Interpolation nicht entkräftigt, fo darf bagegen vielleicht zunächſt 
folgendes Bedenken gegen bie Wahrfcheinlichkeit berfelben einige Beachtung 
verdienen. Angenommen, ein fränfifher Abfchreiber, ber bei feiner Arbeit 
baran dachte, daß die ihm befannten Solidi nicht zu 24, fonbern nur zu 21 
Siliquen, oder zu etwa 4 Unze ausgemünzt feien, hätte deshalb an der Stelle: 
sex solidos quaternorum scripulorum pro singulis unciis, Anftand genommen 
und ben Tert nad) feiner Kenntniß vom richtigen Verhältniß der Münzen per: 
beffern wollen: — würde es nicht viel näher gelegen haben unb erfichtlid 
fachgemäßer gewefen fein, nit VI und X in VII und XIV abzuändern, 
fondern vielmehr bie fpecielle Angabe des Gewichts ber einzelnen Solidi 
== solidos quaternorum scripulorum — zu berichtigen; bie ihm bekannten 

olidi wogen eben nit 4 Scrupeln ober 24 GSiliquen, fondem nur 21 Si⸗ 
liquen, und ber fränkiſche Abfchreiber hätte demgemäß vor Allem interpo- 
firen müflen: solidos XXI siliquarum. Dieß jedoch nur beiläufig, ba uns 
fhon Häneld Nachweiſe über die Entftehung ber betreffenden Handſchrift des 
Cod. Theod. in Italien genügend erfcheinen, um bie Annahme einer fränfi- 
ſchen Snterpolation abzuweifen. 

Wie ift mın aber die Sachlage, wenn man weber ein Verſehen bed Ab: 
ſchreibers, noch auch eine abfichtliche Interpolation, noch enbli einen jemals 
in wirfliher Geltung gewefenen Münzfuß der Solidi zu „a Pfunb anneh: 
men fann? «3 bleibt offenbar nichts übrig, als ben Tert zu nehmen, wie er 





296 


Zahlung in ben neuen Solibi möglihft vorzubeugen, wird in ber Verordnung 
(XU, 7, 3) einmal ber Münzfuß der neuen Soltbi ausbrüdlich angeführt, es 
feien Solidi von je 4 Scrupeln (db. h. I Pfund), und dann wirb bad er: 
ceptionelle Rechnungs-Verhältniß von 7 Solibi für eine Unze durch die an 
fich eigentlich ganz überflüffige Wiederholung von 14 Solidi für 2 Unzen nodh 
beſonders geltend gemacht. 

Tie von ung vorgeſchlagene Erllärung ber vielbefprochenen Stelle ſcheint 
fih vor den biöher verfuchten Deutungen dadurch zu empfehlen, daß biernad) 
weber zwei aufjallende Schreibfehler, nod eine fränkiſche oder fonftige Inter: 
polation in bem ums überlieferten alten Terte, noch auch ein fonft nicht nach: 
ner Münzfuß der Solibi von „Y, Pfund angenommen zu werben 

raucht. 


Anmerkung II. 


Seit Balentinian I. findet man unzählige Male auf ben Solibt bie Be: 
zeichnung CONOB, mitunter auch bie Bezeichnung TROB, TESOB, ANOB. 
Die Buchſtaben vor OB follen unverkennbar die Münsftätte angeben: Gon: 
ftantinopel, Trier, Theilalonih, Antiohien. Wenn in fpäterer Zeit auf Mün⸗ 
zen, bie nicht in Gonitantinopel geprägt find, dennoch außer Angabe bes 
Münzortes MD, TR, RM u. a. noch CONOB geſetzt wurbe, fo geſchah dies 
entweber um den von Conſtantinopel anzgenangenen Münzfuß zu bezeichnen 
oder auch in Unkenntniß der urjprünglichen Bedeutung von CONOB. — Was 
bedeuten aber bie beiden Budhitaben OB? 

Die Hrn. Pinder und Friedländer, welden das unbeftrittene Verdienſt 
gebührt, zuerit den richtigen Münzfuß der Solidi von Conitantin I. an zu 
u Pfund beitimmt nachgewieſen zu haben, erflären in ihrer Schrift: Die 
Drünzen Juſtinians (Berlin 1843), und ausführlicher in ihren Beiträgen -zur 
älteren Münzfunde (Berlin 1851) die Bezeihnung OB als bie Angabe ber 
Zahl der aus dem Pfund Geld nemünzten 72 Solidi. OB ift nämlich da3 
griechiſche Zahlzeihen für LXXU. Sie bemerken hierüber u. A.: „Balentinian 
I. und Valens gaben unter anderen dad Geldweſen ordnenden Borfchriften 
im Anfange des Kalıres 367 ein Gefeß, wonach bei Einzahlung einer beftimm: 
ten Anzahl von Solidi, wenn ftatt ihrer Barren gegeben wurden, ein Pfund 
nleih 72 Solidi gerechnet werden fol. Daraus geht natürlich hervor, daß 
12 Solidi aus dem Pfunde neprägt wurden. Und die wird auch beftätigt 
durch das Gewicht der Solidi Valentinians I. und bed Valens; fie wiegen 
Hi Gramm. alfo Jz Pfunb...... Gleichzeitig mit dieſem Geſetze vom Sabre 
367 beginnt dad OB (die griehifche Zahlbezeihnung für 72) auf den Gold: 
müngen. Auf ben Münzen vom Jahre 366 fommt es noch nicht vor, auf 
Münzen vom Sabre 368 aber läßt es fich bereits nachweiſen. Wie früher auf 
ber Kehrfeite einiger Solidi Conſtantins und feines Sohnes Conſtans die Zahl 
LXXI im Felde ftand, fo erfcheint jeßt, zuerft ebenfall® im Felde, die grie⸗ 
hifche Zahl OB, dad LXXII iſt. .... Statt des Iateinifchen Zahlzeichens LXXII 
empfahl fi das griechiſche OB durd bie Kürze, welche der enge Raum im 
Abſchnitt der Münzen forderte“. 

Wie ſehr wir aud den Scharffinn und bie Gelehrfamleit anerkennen, 
womit die vorſtehende Anficht entwickelt und verfchiebene willtürlihe Deutun: 
gen widerlegt werben, fo fcheint und body bei näherer Prüfung bie Erklä⸗ 
rung, daß unter OB aurum OBryziatum urfprünglich gemeint worden, wie 
Chifflet und Edhel diefe Buchftaben gedeutet haben, mehr Wahrſcheinlichkeit 
für fih zu haben. Die Gründe hierfür find im weſentlichen folgenbe : 

Es ift nach der Darlegung der Hrn. Pinder und Friedländer von Nie: 
manb beftritten worden, daß bie Bezeichnung OB ſich vor Valentinian nicht 
findet, daß fie aber auf ben Goldmünzen biefed Kaiferd und feined Mitre⸗ 
genten Valens ſchon häufig vorfommt. Die Eintheilung bed Pfundes Gold 


297 


in 72 Golidi war, wie in ber eben vorangegangenen Anmerkung I deutlich 
nachgewieſen wurbe, teine-Neuerung bed genannten Kaiſers, ſondern fon 
Gonftantin 1. Hatte biefen Münzfuß eingeführt und feine nächſten Nachfolger 
benfelben unverändert beibehalten. Auch war nicht etwa unter biefer Nach- 
folgern bie factiſche durchfchnittliche Ausmünzung inzwifchen merklich Leichter 
orden, fo daß Valentinian I. durch Wieberherftellung einer bem „I, Pfd. 
fuß befier entfprechenden Ausprägung ber Solidi qleichfam als ber zweite 
Gründer dieſes Münzfußes gelten Fönnte; im Gegentheil find bie Solidi bes 
Balentinian I. im Allgemeinen cher um eine Kleinigkeit Teichter als bie feiner 
nächſten Vorgänger. (Doch dies nur beiläufig erwähnt, bemn bie Differenz iſt 
völlig irrelevant). Kine Vergleihung ber von Hrn. Queipo mitgetheilten Ge- 
wichtdangaben über römifche Kaifermünzen zeigt beutlih, daß Valentinian I. 
feinenfalls einen fehwereren Münzfuß als feine Vorgänger in Anwendung ge: 
bracht hat. Mergleiht man nämlih bie unter Gonitantin IL, Gonftantius, 
Gallus, Julian, Jovian uud Valentinian I. gemünzten Solidi nad ben An- 
gaben des ebengenannten Metrologen, fo erhält man folgende Weberficht. 
Tas genau ermittelte burdyjchnittlihe Gewicht von zweimal je 21 Solidi 
Conſtantins I. betrug, wievorhin in der Abhandlung (S. 265 N. 1) ſchon erwähnt, 
4.37 und 4.45 Gramm, zujammengerechnet alfo 4.43 Oramm. 
5 Solidi von Conſtantius Gallus: 4.45; 4.48; 4.50; 4.58; 4.68 Gr. 
7 Solidi von Julianus: 4.37; 4.40; 4.41; 4.42; 4.42; 4.50; 4.50 Gr. 
10 Solidi von Jovianus: 4.38; 4.43; 4. 40; 445 ; 4. 46; 4.45; 4.45; 4. 47; 
4.48; 4.48 Gr. 
7 Solidi von Balentinian I: 4.37; 4.42; 4.42; 4.42; 4.43; 4.48; 4.48 Gr. 


Es lag mithin für Valentinian I. fein befonberer Grund vor, feinen So: 
lidi die Bezeichnung des Meünzfußes: 72 auf bas Pfund, beizufügen, wie 
died Gonftantin I. befanntlih bei einigen Ausmünzungen (vermuthlid im 
Anfang als biefe neue Münzſorte der Solibi ftatt ber bisherigen ſchwereren 
Arten ber aurei zur Geltung Fam) getban batte, indem er bie lateinifche Zahl: 
bezeichnung LXXII mitaufprägen ließ. 

Dagegen finden ſich in den uns erhaltenen Verorbnnungene bed Kaiſers 
Balentinian J. und ſeines Mitregenten Valens mehrfache Hiunweiſe darauf, 
daß dieſelben bei ihrer Fürſorge für das Münzweſen beſonderes Augenmerk 
auf die Reinheit des Goldes gerichtet hatten und dieſe möglichſt durchzuführen 
beſtrebt waren. Der techniſche Ausdruck hierfür in damaliger ſo wie auch noch 
fpäterer Zeit war aber aurum obryziatum ober obryza.. Wir wollen bie da⸗ 
hin gehörigen hauptſächlichen Stellen volftändig anführen: 

Impp. Valentinianus et Valens A. A. ad Rufinum Pf. P. (Cod. Theod. 
xn, 6, 12; vom Jahre 366). Nulla debet esse caussatio, quin solidi, 6x 
quoeungue titulo congregati, sicut jam pridem praezepimus, in massam ob- 
sysae soliditatemque redintegrentur. Et ita fiat oınnis inlatio, ut largitio- 
num et prosecutorum allectorumque fraudibas aditus obstruatur. Facilo et- 
enim eos provinciae rector a Jdispendio vindicabit, qui binis solidis sen ter- 
nis necessitatem solutionis implebunt, si postquam viritim nominatimgne su- 
sceperint solidos plurimorum, ea quam superius memoravimus qualitate po- 
scenda , omnium debitum completur in massam. Sane si idem suscipientum 
deprehenditur, quod fuerat ante, fastidium cum obryzae materies afferatur, 
quse non potest displicere, sed congrua animadversione plectendus est, qui 
id calumniatur et reprobat, quod ad compendium simplicis satisfactionis in- 
ventum est. Prius tamen ad comitatum mansuetudinis nostrae massa o b- 
ryzae, quae facrit repudiate, mittatur, ut, qua sit monte rejecta, videamus. 
Dat. 4. Id. Nov. Gratiane N B. P. et Dagalaipho coss. 

Impp. Valentinianus ei Valens AA. ad Dracontium. (Cod. Theod. XII, 
7, 8; vom Sabre 367). Bi quid ex proscriptionibus vel condemnationibus 
deposcitur — — — non in materia conferatur, sed sub conditionalium oou- 
Ss ac periculis diu multumqus fammac edacis examine In ea obryza de- 


tinetur, quemadmodum pura videatur. Dat. prid. Non. Aug. Nemasia posi 
cons. Gratiani N B. P. et Dagalaipki. 

Impp. Valentinianus et Valens AA. ad Germanianum Comitem S. L. 
(Cod. Theod. XI, 6, 13; vom Jahre 367). Quotiescunque solidi ad lar- 
gitionum subsidia perferendi sunt, non solidi, pro quibus adulterini saepe 
subduntur, sed aut iidem in massam redacti, si aliunde, qui solvi, potest ha- 
bere materiam, auri obrysa dirigatur, pro ea scilicet parte, quam unus- 
quisque defendit, ne diutius vel allecti vel prosecutores vel largitionales ad- 
ulterinos solidos surrogando in compendium suum fiscalia emolumenta eon- 
vertant. lllud etiam cautionis adjiciamus, ut, quotiescunque oerta summa 
solidorum pro tituli qualitate debetur, et auri masse transmittitur, in septua- 
ginta duos solidos libra feratur accepta. Datum 6. Id. Ian. Rom., Lupicino 
et lovino coss. 


Imppp. Gratianus Valentinianus et Theodosius AAA. Pancrasio Pf. U. 
(Cod. Theod. XII, 13, 4; v. J. 379). Quae diversarum ordines curiarum 
— — — in coronis aureis signisque diversis obtulerint iu quacungque fue- 
rint oblata materia, in ea suscipiantur, ne id, quod voluntate oflertur, occa- 
sione obryzae incrementi necessitatis injuria insequatur. Das. 4. Id. Aug. 
Vico Augusti, Ausonio es Olybrio coss. 

Ueberblidt man bie eben angeführten drei Verorbnungen aus ben Jahren 
366 und 367, fo erfennt man barın deutlich die vorwaltende Tendenz, der Ber: 
fhlechterung der Golbmünzen burch verringerten Feingehalt und einer hieraus 
für ben Fiskus hervorgehenben Beeinträchtigung gründlich vorzubeugen, unb 
man wird bemerft haben, daß bie Bezeichnung obryza in den citirten Stellen 
auffallend oft wiederholt wirb. Diefer Ausbrud mußte in ben erwähnten Jahren 
für alle, bie mit größeren Zahlungen zu thun Batten, Leine geringe Bedeu⸗ 
tung erlangen. Es Tann uns baber auch durchaus nicht auffallend erfcheinen, 
daß zu einer Zeit, wo dad dem Fisfus zu liefernde Bold wegen ber häufig 
vorfommenden älteren Solidi von fchledhterem Gehalt vorher affinirt oder 
zur obryza hergeftellt werben mußte, während hingegen die aus ſolchem Golde 
neu ausgemünzten Solidi nicht bem Verdacht ber Legirung bed Golbed aus: 
gelegt waren, fondern wirklich aurum obryzistum enthielten und dadurch ben 
Steuerpflichtigen Gelegenbeit gaben, durch Zahlung in ſolchen neuen Solibi 
fih der Chifanen ber Steuereinnehmer befler erwehren zu können, es kann 
nit auffallen, fagen wir, daß biefer wefentlihe Umftand gleich nach feinem 
Andlebentreten in ben Jahren 366 und 367 auch auf ben neuen Münzen aus: 
drüdlich Dezeichnet wurde. Wie hätte dies aber paflender geichehen Fönnen, 
als burch Aufprägung ber beiden Anfangsbuchſtaben ber technifchen Bezeich⸗ 
nung bed gefetlichen Feingehalts (obryza), burh OB? Wenn aud eine bi- 
recte Angabe darüber nicht vorliegt, fo wirb es doch aus ben vorerwähnten 
Verordnungen und bem ganzen Zuſammenhang der Steuerverfafiung jener 
Zeit fehr wahrfcheinlih, daß Valentinian I durch die i. 3%. 367 beginnende 
Ausprägung ber Solidi unter der Bezeihnung ihres reinen Goldgehalts (OB) 
dem vorbeugen wollte, daß bei Entrichtung ber hohen Abgaben die Steuer: 
pflichtigen außerdem noch die Unkoften und Weitläufigleiten bed jebesmaligen 
Einfchmelzend oder bie Zahlung eines willfürlicheit inorementum zu tragen 
hätten, was hauptſächlich nicht dem Fiskus, ſondern habfüchtigen Beamten 
zu Gute fam. Wer zur Steuerzahlung solidi obryziati (wie eine fpäter häu⸗ 
fig vorkommende Bezeihnung lautet) einlieferte, wird feit 367 von jolcher 
acceſſoriſchen Leiftung befreit geblieben fein. — Noch ift zu erwähnen, baß 
die Verordnung (Cod. Theod. X, 6, 13) vom Sabre 367, in welder man 
allerdingd unter allen ung erhaltenen Gefegen und öfientlihen Dokumenten 
zuerft eine ausdrüdliche Angabe bes Münzfußes von 72 Solidi auf bad Pfund 
Gold antrifit und die man beöhalb als von befonderer Bedeutung für biefen 
Münzfuß gelten laſſen will, biefe Angabe einer feit etwa 40 Jahren ſchon 
in ununterbrochener Anwendung gewefenen Gewichtänorm keineswegs zum Haupt⸗ 


299 


zwed gehabt hat, ſondern die angeführte Stelle (XII, 6,13) des Cod. Theod. 
iſt nur ein aus bem Zuſammenhang genommener Theil einer ausführ⸗ 
licheren Berorbnung, welche von ben Bergwerlsabgaben handelte, unb von 
ber ein anderer Theil in X, 19, 4 befielben Codex aufgenommen iſt. Diefe 
Stelle ift bereit# in ber vorhergehenden Anmerkung beiprochen. Daß beide 
Stellen zufammen gehören, ergiebt fich unbeftreitbar aus derſelben Weberfchrift 
ad Germanianum Comitem L. unb bem nämlien Datum 6. Id. Jan. Rom. 
(ridytiger Rem.) Lupicino et Jovino eoss. Die Hauptſache, worauf es bei 
biefer ganzen Verordnung v. 3. 367 offenbar anfam, war nicht ber Tängft 
feſtſtehende und niemals erſchütterte Münzfuß von 72 Solibi auf das Pfund, 
fondern bie Aufrehthaltung bes geingehalt2, ber Obryza. " 

Daß in fpäterer Zeit die Solibi, ungeachtet bed aufgeprägten OB als 
Bezeichnung ber Reinheit des Goldes, wieber mehr ober minber Tegirtes 
Gold hielten, kann feinen triftigen Grund gegen unfere Erflärung abgeben. 
Theil? verlor fih in den Münzanftalten felbfi die Kenntniß von der Bedeu⸗ 
tung jener Buchſtaben, und, ſelbſt wenn bied nicht der all war, fo trug, wer 
einmal eine Münverfälfhung beabfichtigte, gewiß fein Bedenken, beffen unge: 
achtet bie berfömmliche Angabe des Feingehalts beizubehalten, welche die Ver: 
ſchlechterung zu verdeden dienen konnte. 

Wenn aud allerdings einzelne Fälle vorkommen mögen, wo auf Münzen 
ber römifchen Kaiferzeit griechifche Zahlzeichen und im Aebrigen lateiniſche 
Aufſchrift fih finden, fo bürften doch wohl, fobald zwei an und für fich ein- 
fache und ſachgemäße Erflärungen vorliegen, von benen bie eine einzelne Buch- 
ftaben auf fonft lateiniſchen Auffchriften durch griechiſche Zahlzeichen erflärt, 
die andere aber diefelben als ebenfalls lateiniſche Schrift anerkennt unb unge: 
ſucht zu beuten weiß, bie Tebtere Auslegung auf größere Wahrjcheinlichteit 
Anſpruch machen. Wie follte man in ber naftätte Trier bazu gefommen 
fein, Zahlbezeichnungen mit griehifchen Buchfiaben OB ftatt LXXII anzugeben ? 
Der Ausbrud obryza ober solidi obryziati war bagegen feit Valentinian im 
Abenblande nicht minder geläufig als in Conſtantinopel, und bie Bezeichnung 
burch bie Anfangsbuchitaben OB bat an fich gewiß nicht? Auffallendes. 

Wenn aber OB nit LXXII, fondern obryza (reines Gold) bebeutet, 
fo erklärt es fih ferner von felbit, baß bie Aa Bezeichnung mitunter 
auch auf den Tremiſſen beigefügt mwurbe, während Bingegen die Erklärung, 
daß bies auch bei den Theilftücden auf ben Münzfuß bes Hauptftüdes zu bezeichnen 
fei, gefucht erfcheint. Wie 3. B. auf den Viergutengrofchenftüden nicht bie 
Bezeichnung ZIV auf die Mark fein ſtand, obſchon dies der Thalerfuß war, 
fonbern LXXXIV, weil 84 Stüde glei waren einer Mark, fo hätte auch 
auf ben Tremifien nit OB, fonbern bie Bezeichnung von 216 ſtehen müſſen. 
Zande fih aus ber Zeit Valentinianus I. ober feiner Nachfolger ein halber 
oder ein Drittel:Soliduß von unzweifelhafter Echtheit mit ber griechiichen 
Zahlangabe für 144 oder 216, fo würbe man fogleih unbedingt der Erfiä- 
rung OB durch 72 beipflichten können. 

Weit jomit unfere Anficht über das vielbefprochene OB aber auch ent: 
ſchieden ab von der Erflärung der Hrn. Pinder und Friedländer, indem wir 
mit Edhel die Deutung durch obryza für bie allein zutreffenbe erachten, fo 
erkennen wir dabei doch mit der größten Bereitwilligfeit an, daß unfere Moti- - 
virung diefer Anfiht ganz wefentlih auf ber früheren gründlichen Erörterung 
biefer Frage durch die beiden genannten fcharffinnigen Numismatiker beruht, 
Sie haben zuerſt nachgewiefen, daß bie Bezeichnung ber Solidi mit OB nicht 
vor dem Jahre 367 vorkfomme, und baf bie Verordnung der Kaiſer Balen- 
tinian L und Valeus im Cod. Theod. XI, 13, 6, gerade aus biefem Jahre, 
mit jener gleichzeitigen Münzbezeichnung in unmittelbarer Beziehung ſtehe, und 
bied find ja eben die Hauptpunfte für bie Erklärung durch OBryza. 


800 
Sinmerdung ZEN. 


Fuero Jusgo en latin y censtellano cotejado con los mas anliguos y 
preciosos cödioes por la real academis espanola (Madrid 1815. fol.) enthält 
als Anhang zum Lib. XI, tit, 2 folgenden in zwei Handſchriften ſich vor: 
findenden Zufaß, ber mit allen Fehlern wörtlich mitgetbeilt wird: 

I. De pondere et mensura. Auri libre I-LXXIU solidos auri: uncia 
una VI solidos: statera auri I III aolidos: dragma I XII argenteos: tremisse 
I quinqua argenteos: seliqua I argentium et tertis pars argencii!. Baldres 
faeiunt argencontabili?, 

Hiernach ftellt fich alfo folgendes Verhältniß: 

1 Pfund Gold = 72 i 


= 72 ©olibi 
1 Une „= „ 
1 Stuten „, = 3 „ 
1 Drama „ == 12 Argentei 
1 Tremiſſis, = 5 „ 
1 Siliqua „ == 1 Argentiumet tertis pars argencii. 


Diefe Meberfiht ift, wie fie vorliegt, augenſcheinlich durch Itrthum ober 
Schreibfehler bei den Zahlen mehrfach entftellt, denn fie enthält im fich ſelbſt 
unvereinbare Widerfprüche. Als feftitehend muß gelten, daß der Münzfuß 
ded Gold⸗Solidus 2 Scrupel war, was auch in ben beiden erfien Anfäten 
ber vorftehenden Weberficht anerfannt wird. Unter stratera ift wohl der grie 
chiſche Stater zu verftehen. Cine Drachme bält bekanntlich 3 Scrupel; es ift 
baber nicht in Mebereinftimmung zu bringen, daß bie dragma (ober 3 Scru⸗ 
pel) Gold gleich fein fol 12 argentei, der Drittel-Solidus oder Tremiſſis 
(3 Scerupel Bold) aber gleih 5 argentei. Wäre bie letztere Angabe richtig, 
jo müßte die Dragma (3:5 == 3 : ?) glei 224 argentei fein; wird aber 
erftere ald richtig angenommen, fo wäre ber Tremilfis (3 : 12 = 3:9 
nur glei 2% argentei. Da nun aber weiter eine Siliqua gleich geſetzt wird 
14 argentium, fo wäre ber Tremiffis hiernach nicht mehr als 2 Siliquen, 
während doch befanntlicy allgemein, und namentlich auch in ber weitgothifchen 
Rechtsſammlung (V, 5, 8) 24 Siliquen auf den Solidus und aljo 8 ESili- 
quen auf ben Tremiſſis gerechnet wurden. Gebt man hiervon aus und jet 
die Angabe von 14 argentei auf bie Siliqua als richtig voraus, fo erhält 
man 1 Tremiffig = (8 x 13%) 10% argentei und 1 dragma — 48 argen: 
tei, ftatt ber refp. 5 und 12 der voritehenden Zufamntenjtellung. Die An- 
nabme, daß ber *argenteus’ und das ‘argentium’ verjchiebene Münzjorten ge 
wejen feien, erfcheint an fich nicht fehr plaufibel, und würbe dabei body im: 
mer der Widerfprud in ber Valuation ber Drahme und bed Tremijiß bfei- 
ben. — Die Erflärung, welche Davoub Ogblou (Histoire de la ldgislation 
des anciens Germains, I,p. 7) verfucht, ift fchon deshalb unhaltbar, weil fie davon 
ausgeht, daß ber Solidus zu 12 Siliquen gerechnet worden fei. Welche 
Münzforte unter dem argenteus bei ben Weſtgothen gemeint war, barüber 
wagen wir nicht eine beflimmte Anficht zu äußern; vermuthlic eine Silber: 
münze zu ungefähr 1.3 Gramm, wie fie gleichzeitig von Juſtinian unb von 
den DOftgothen geprägt wurde, um ben Werth der siliqua auri barzuftellen. — 
Die Worte ‘Baldres faciunt argencontabili’, wiffen wir ebenfalls nicht zu 
deuten. 

Vebrigend war man in Spanien ſelbſt ſchon zur Zeit der Ueberſetzung 
der weſtgothiſchen Geſetze in Ungewißheit über bie frühere Eintbeilung bed 
Geldes, wie die älteften Manuſcripte darthun. (gl. Fuero jusgo V, 5, 8. 
tete 9 und 10). 


Die Leon. Hbfchr. de argenzo. 
2 Die Leon. Hdichr. argenzotabili. 


— — — 


Der Poeta Saro und der Friede zu Salz. 


Bon 


Bernhard Ed. Simfon. 


Der ſächſiſche Dichter, welcher gegen Ende des neunten Jahr⸗ 
hunderts ein annaliftiiches Epos über die Alleinherrfchaft Karls des 
Großen (771 — 814)! fehrieb, Hat Hiezu, wie Pert meint, von 
älteren Schriften faft ausfchließlich die |. g. Annalen Einhards? und 
Einharbs Vita Karoli benugt?. Und zwar foll er in den vier er- 
ſten Büchern feines Werkes, welche die Regierungsgefchichte des Kai⸗ 
ſers jahrweis erzählen und denen fich als fünftes ein zufammenfaf» 
fender Epilog anjchließt, fo genau jenen Annalen gefolgt fein, daß 
er diefelben nur an wenigen Stellen aus der Vita Karoli oder aus 
feinem Gebächtniß, an einer anderen aus einer Urkunde und einmal 
vielleicht auch aus einer anderen Chronik ergänzte *. 

Indeß bleibt mir nach einer bis in das Einzelne geführten Ver⸗ 
gleihung fein Zweifel, daß feine Darftellung zum nicht unbedeuten- 
den Theil auf anderen Grundlagen ruht. &8 zeigen die letzten, 
weit kürzer gefaßten Jahrberichte mit ber faft einzigen, und bort aud) 
beinahe wörtlich aufgenommenen Quelle, der früheren nur noch hier 
und da eine befondere Uebereinftimmung. Und wenn wir aljo er» 
fennen, daß die Quellen bier vorläufig noch ungenügend erforjcht 


2 Poetae Baxonis annalium de gestis Caroli Magni imperatoris libri 
quinque, zulegt von Perk in den Monum. Germ. (88. 1, 225 — 279) ber: 
ausgegeben. 

E3 gewinnt immer mehr den Anſchein, daß jene elegante Umarbeitung 
ber älteſten Reichsannalen erſt aus einer Zeit ſtammt, ba fich dieſe Geſchichts⸗ 
ſchreibung bereits zu einer feſteren Geſtalt entwickelt hatte, und man mit den 
Fortſetzungen auch die erſten Anfänge in moderner und lesbarer Geſtalt zu 
veröffentlichen wünſchte. — Eine Anſicht, auf welche ſchon, wenn gleich nicht 
ausdrücklich, die unvollendete Inauguraldiſſertation des Verf. De statu questio- 
nis, sintne Einhardi necne sint, quos ei ascribunt annales imperii (1860) verweiſt. 

5 Monum. Germ. S8. I, 227: Fides auctoris, paucissimis locis ex- 
ceptis, quibus ipse, probus quidem et sincerus spectator, quae viderat audie- 
ratque refert, tota ex Einhardi annalibus et vita Karoli pendet. — Ebenſo 
Wattenbach, Deutſchlands Geſchichtsquellen S. 139. 

* Dal. Pertz's Noten 8), 86), 14), 19). 

s Aehnlih ſchon Bähr (in der Gefchichte ber römischen Literatur im 
faroling. Zeitalter, F 49: fo giebt alfo das Gedicht eine in Verſe gebrachte 
Erzählung der Begebenbeiten der Jahre 772 — 813, die in den brei erften 
Büchern fich fat Sab für Sab an die bemerften Quellen hält und biefe in eine 
rhythmiſche Form bringt, während in den beiden letzten Büchern der Dichter 
ben Gegenſtand mit mehr Freiheit und Selbftändigfeit behandelt bat. Bol. 
auch meine Biffertation S. 13 Anm. 2. 


304 


find, jo leuchtet ein, daß fich eine genauere Unterfuchung derfelben 
einigermaßen belohnen müſſe. Abgefehen von dem allgemeinen hiſto⸗ 
rischen Intereſſe der Quellenkritit, noch aus zwei befonderen Grün- 
den. Einmal, da bei der Unfelbftändigkeit und engen gegenfeitigen 
Verbindung diefer mittelalterlichen Chroniken die Erkenntniß auch des 
Hleinften Gliedes in der Kette die Yügung des ganzen veranfchaufi- 
hen Hilft. Dann, weil fich zumeift auf eben diefe poetifchen Anne 
len die erſt in neuerer Zeit einftimmig verworfene und genetifd 
noch nicht ausreichend erflärte Nachricht von einem Triedensver- 
trage gründet, der die Kämpfe Karls des Großen mit den Sachſen 
eendet hätte 


hätte. 

Pertz's Wahrnehmung ſcheint fih mir nur infofern zu beftätt- 
en, als fich der Poet bis zum Ende des Jahres 801 in ber 
Fat genau den Annales Einhardi anſchließt. Er bat fich Hier im 
Allgemeinen begnügt , diefe in Hexameter zu Übertragen. Und wäh: 
rend dabei einzelne Eigenthümlichkeiten feines Textes! auf die Hand⸗ 
Schrift zu deuten fein werben, welche ihm vorlag, laſſen fich feine 
ufäge nnd Excurſe — fie enthalten übrigens mitunter anmuthige 
hilderungen oder interefjante allgemeine ehren — u 
zum geringen Theil auf eine andere jchriftliche le, die Vita 

Karoli ? zurüdführen. 

Indeß aber eben biefe Zuſätze nur als Ausflihrungen ober dr 
rath der Notizenreihe der Annalen ſich anfügen, treffen wir zu Ende 
des Jahrberichts für 801 zuerft eine annaliftifhe Notiz, welche in 
jenen fehlt: 

(V. 73 ff.) 

Perque sui partes regni direxerat omnes 
Legatos, aequo legum moderamine mandans 
Justicias facere et varias componere lites, 
Reddere jus civile bonis, terrere malignos: 


ı Ball. befonderz: 


Annales. Poeta, 
771. Celobravit natalem Domini in | Rex autem Carolus celebravit in At- 
Attiniaco et pascha Heristallio. tiniaco 


Natalem Domini neen on paschalia 
festa. — 


772. Romae Stephano papa de- | Paulo Romane defuncto praesule 
functo, Hadrianus in pontificatu suc- sedis, 
cessit. Suscepit post hunc Adrianus ponti- 
ficatum. — 


798. Insulae Balcares, quao nunc ab | Insule invase Baleares esse feruntur 
incolis earum Majorica et Minorica | Hoc anno, quarum Majorica dieitur 
vocitantur. .. . una, 

Altera nomen habet sermone Mi- 
norice prisco. 


® Deren Finfluß verräth fi aber außer 3. 3. 772, wo Berg ihn mit 
Recht annimnit, und 799, wo ich ihn nicht mit ihm erfennen kann, auch un⸗ 
ter 778. 786. 788. 791. 792 und fonft noch öfter im Ausdruck. 


306 


Divinas mundique pias ex ordine leges 
Tunc exerceri mandaverat et renovari. 


Und hiemit betritt der Dichter auch wirklich eine neue Bahn, 
welche den Spuren der Reichsannalen nicht mehr in der bisherigen 
Weiſe nachführt. 

Dies wird ſchon äußerlich und quantitativ klar. Denn bie proſai⸗ 
fhen Jahrbücher nehmen in der Folge beinahe an Fülle zu, indeß 
die poetifchen ſtark zufammenjchmelzen und ftatt, wie bisher, im 
Durdichnitt 50 Verfe zu zählen, nun felten über 5 bis 20 hinaus⸗ 
gehen!. Auch überzeugen wir uns fchnell, daß dieſe Veränderung 
feineswegs Folge einer Ungeduld ift, die unfern Autor über ber an- 
ftrengenden? metrifchen Webertragumg befallen, — fondern daß er 
hier etwas anderes giebt als einen nur durch größere Kürze von 
dem vorigen verfchiedenen Auszug. Denn aud außerdem, daß ihm 
mm mehrere Nachrichten eigenthümlich find, feheint er jet überhaupt 
nicht ſowohl den ihm vorliegenden Reichthum der großen Annalen 
oberflächlich zu benugen, als vielmehr feine Armuth an Notizen durch 
Ausführungen und Floskeln, die er diefen anhängt, zu verdeden. Er 
ignorirt die pojitiven Angaben der Reichsjahrbücher und ergänzt bie 
davon theilweife abweichenden dürftigen, welche ihm zu Gebot ftehen, 
in wmillfürliher den beiten Nachrichten eben oft widerftreitender 
Weile. 

co kommt — id will diefe an fi von Jedem felbft nachzus 
bolende Bemerkung doch mit Beifpielen belegen — den Jahrbüchern 
zufolge Bapft Leo noch vor Weihnachten 804 zu Karl und bleibt 
nur acht Tage bei ihm; dagegen feiern nach bem Gedicht beide noch 
gemeinfam das Epiphaniasfeſt. So begründet ferner ber Annalift 
diefe päpftliche Reife ganz bejtimmt aus einer Reliquienforderung des 
Kaiſers, während fie der Poet vage aus der Liebe des Papftes zu 
jenem und ber bedrängten Lage der Kirche herleitet?. So fpielt in 


2 Dal. 802. 804. 805. 808. 810. 811. 812. 

2 Died war fie für ihn (780, V. 25—28): 
Hic igitur statui primae cum fine decadis 
Annorum Caroli, postquam rex coeperut esse 
Francorum solus, primum finire libellum, 
Viribus ut parvis requies solatia praestet. 


3 Annales. | Poota. 
804...... Medio Noveınbrio allatum est | Praesul apostolicus Roma perrexit ab 
ei, Leonem papam natalem Domini urbe, 


eum eo celebrare velle.... obviam | Augusti Leo flagranti deductus amore, 
ili Remorum civitatem profectus | Aecclesise quoque pro causis, qui- 


est, ibique susceptum, primo Cari- bus imperiali 

siacum villam, ubinatalem Domini | Esse videbat opus munimine, rursus 
celebravit, deinde Aquasgrani per- adiro 

duxit, et donatum. ...muneribus, de- ! Francorum terras satagens per longa 
ducifecitusqueRavennam..... Cau- | viarum. 


saadventusejushaecerat: Perlatum | - . 2 0: 2 ev ee 200. 


306 


den Reichsannalen wie in der Vita Karoli der Dänentönig Godfrie 
eine bedeutende Rolle, und fie erzählen, wie ber alte Kaifer gegen 
ihn zum letzten Dial (810) perfünlich ins Feld gezogen jet. Dage⸗ 
gen boten dem Dichter die dürftigen Annalen, welche ihm vorlagen, 
feine Nachrichten über diefen Feind; während er die Perſon bdeffelben 
allerdings in feinem Epilog, der Vita Karoli folgend, erwähnt !, 
fchließt er feinen Yahrbericht für 806, worin er Übrigens die damals 
getroffene Neichstheilung meldet, mit den Worten: 


Ipse dehinc princeps in sede manebat Aquensi, 

ec post militiae solitos exercuit usus, 
Nam nec opus fuerat, nec eum permiserat aetas, 
Jam, quibus exsaciatus erat, renovare labores. 


Außerdem wirb uns bie Ankunft eines fchußflehenden Fürften, 
den die Annalen Eardulf von Northumberland, der aus ungenaner 
Quelle fchöpfende Poet aber ben Norbinannen Alfdeni nennt, von 
jenen zu 808, von letterem fchon 807 berichtet. Ebenſo eine Vieh: 
euche dort unter 810, hier unter 809, umd zwar dort Hinfichtlid 

er Wirkungen auf den Feldzug des Kaiſers gegen Godfried, hier 
in ihren Schredniffen für die fonft vom Frieden beglüdten 
Reichsländer gefchildert, welche doc den Annalen zufolge auch da 
mals (809) von Waffen klirrten. | 

Aus diefer allgemeinen Abweichung, für die fich noch, mehr Bei- 
fpiele beibringen ließen, erfehen wir, daß die Annalen hier aufhö⸗ 
ren bie Quelle des Poeta Saxo zu fein. Daß bies jedoch 
von Berk verfannt worben ift, erklärt eine trogdem öfters im Aus- 
drud und bisweilen auch im Inhalt wiederkehrende Achnlichkeit beider 
Schriften, die fich zugleich nicht Überall, namentlich nicht in den be» 


est ad imperatorem nestate praete- | - - « 2 2 00. et ilü 
rita, Christi sanguinem in Mantua | Obvius augustus Remensem venit ad 
civitate fuisse repertum; propter urbem , 

hoc misit ad papam, petens ut | Susceptumque satis digno veneratus 
hujus famae veritatem inquireret. honore 

Qui, accepta occasione exeundi, pri- | Duxerat ad sedem, cui nomen Üari- 
mo in Longobardiam, quasi pro in- siacus. 

quisitione praedicta, profectus est, | Natalis Domini festis ibi rite per- 
indeque arrepto itinere, subito ad actis, 

imperatorem usque pervenit. Man- | Sedis Aquensis abhinc petierunt moe- 
sitque apud illum dies octo etc. nie pulchrae 


9 
Glorificeque simul celebrato 
tempore sancto, 
Quo stella monstrante magi 
cognoscere veri 
In terris nati meruerunt 1u 
minis ortum etc. 


ı 8. 613 ff., val. unten. 


. 807 


reits angeführten! und fonft verfchiedenen Berichten über die zweite 
Reiſe des Pabftes Leo nad Frankreich auf das gemeinfame 

der Vita Karoli zurücführen läßt. Weshalb wir auch die allerdings 
ftart begründete Vermuthung, daß bie f. 9. Annales Einhardi dem 
Dichter überhaupt nur, inſoweit fie eine wirfliche Umarbeitung und 
nicht bloße Refapitulation der f. g. Annales Laurissenses find, zu 
Geficht gekommen fein mögen, nicht zu voller Gewißheit erheben 
dürfen. Wir werden aber verpflichtet fein, der weit kürzern Chro⸗ 
mi, die ihm von bier an zum Leitfaden gedient haben muß, in Be 
zug auf ihr Weſen, ihre Herkunft und ihr Verhältnig zu andern 
Annalen nachzuforſchen. 

Zu Ende des Jahrberichts für 801 alſo treffen wir, wie be⸗ 

ra bemerkt, zuerjt eine Nachricht , welche in den Einharbifchen An- 
nalen fehlt. Sie betrifft die neuen Ordnungen, welche Karl der 
Große zu Anfang feines Kaiferregiments erlaſſen, und ift, wenn 
ich jene Mafregeln und ihr Datum aud in der Vita Karoli 
Cap.29) erwähnt werden, dody der entfpredhenden in ben Annales 
ureshamenses bei weiten ähnlicher ?. 

Die Ankunft Perſiſcher Geſchenke im Jahr 802 wird auch in 
den Reichsannalen, jedoch in einem Detail gemeldet, welches dem 
Verfaſſer unſeres Gedichts unbekannt geweſen zu ſein ſcheint. Die⸗ 
ſem meldete ſeine dürre Quelle außer der Thatſache ſelbſt, die er 
dann freilich aus dem Leben Karls (Cap. 16) mit reichen Sufäyen 
ausftaffiren konnte, wohl nur noch die Abtretung Jeruſalems an den 
Raifer. So, daß bie legten Verſe feines Berichts : 

scribique locum sanctum Hierosolimorum 
“Concessit propriae Caroli somper dicioni, 
wahrſcheinlich allein im Ausdrud der Vita Karoli nachgebilbet °, 3, und 
nicht die Quelle *, fondern aus einer Quelle mit der entfprechen- 
den Notiz der Jahrbücher von Quedlinburg: Aaron rex Persa- 
rum Jerosolymam subjecit Carolo, et mieit ei elophantum 
unum, fein werden. 


ı Siehe S. 305 u. 306. 

2 Merk felbft bemerkt dazu: ex Einhardi vita Karoli cap. 29, sed et 
ex alio fonte e.g. annalibus Laureshamensibus ad 802. fluzerint; und ich 
möchte auch bie von Reineccius und Perg im Widerfpruch mit ber Dandſchrift 
noch unter 801 geſtellten Verſe ſchon zu 802 rechnen, wenn dann nicht die 
Sätze: 

Italie linguens fines augustus Aquensem 
Expetiit sedem, mansitque quietus hoc anno 
und 
Hoc de longinquis elephans regionibus anno 
Primitus ‚adductus. ... . 


dies geht arveimal hintereinander zu gleichförmig einleiten würden. 
00. etiam sacrum illum et salutarem locum, ut illius pote- 
stati adseriberekun, concessit. 
+ Wie Rappenberg (Archiv VI, sw unb Berk (M. Germ. 88. II, 19) 
annehmen. 


308 


Es mag bie and der Betrachtung bes folgenden, für uns wid: 
tigften Abjchnitts mit erhellen, deifen genaue Kenntnißnahme hier nicht 
erfpart werden Tann: | 


Anno 803. Indict. 10. 


Nobilis hic annus longi certamina belli 
Tandem Saxones inter Francosque peracti 
Firmo perpetuae conclusit foedere pacis. 
Augustus pius ad sedem Salz nomine dietam 
5.  Venerat: huc omni Saxonum nobilitate 
Collecta, simul has pacis leges inierunt, 
Ut, toto penitus cultu rituque relicto 
Gentili, quem daemonica prius arte colebant 
Decepti, post haec fidei se subdere vellent 
10. Catholicae, Christoque Deo servire per aevum. 
At vero censum Francorum regibus ullum 
Solvere nec penitus deberent atque tributum, 
Cunctorum pariter statuit sententia concors, 
Sed tantum decimas divina lege statutas 
15. Offerrent ac presulibus parcre studerent, 
Ipsorumque simul clero, qui dogmata sacra, 
Qnique dem Domino placitam vitamque doceret. 
Tum sub judicibus, quos rex inponeret ipsis, 
Legatisque suis permissi legibus uti 
20. Saxones patriis et libertatis honore. 
Hoc sunt postremo sociati foedere Francis, 
Ut gens et populus fieret concorditer unus 
Ac semper regi parens aequaliter uni. 
Si tamen hoc dubium cuiquam fortasse videtur, 
25. De vita scriptum Caroli legat ipse libellum, 
Quem Francos inter clarus veraxque relator 
Ac summe prudens, Einhardus nomine, scripsit. 
Hac igitur pacis sub conditione fideles 
Se Carolo natisque suis stirpique nepotum 
30. Ipsius juraverunt per saecla futuros. 
Quos per ter denos et tres tam duriter annos 
Linquere protracti penitus conamina belli 
Plus regis pietas et munificentia fecit 
Quam terror. Nam se quisquis commiserat ejus 
35. Egregiae fidei, ritus spernendo profanos, 
Hunc opibus ditans ornabat honoribus amplis. 
Copia pauperibus Saxonibus agıfita primum 
Tunc fuerat rerum, quas Gallia fert opulenta, 
Praedia praestiterat cum rex compluribus illic, 
40. Ex quibus acciperent preciogae tegmina vestis, 
Argenti cumolos dulcisquc fluenta Liei. 


ek 


309: 


His ubi primores denis illexerat, omnes : 
Subjectos sibimet reliquos obtriverat urmis, 

Et multis experta modis innotuit ejus 

Tam dulcis pietas quam formidabilis ira, 45, 
Praefatum statuere fide servare perenni 

Foedus, et ulterius non id mutasse probantur. 


Diefe ausführliche Mittheilung hat lange Zeit glauben machen, 
daß im Jahr 803 zu Ealz in der That ein fürmlicher und feierlt- 
her Friedensſchluß zwifchen Kaifer Karl und dem Süchjfifchen Adel 
zu Stande gekommen fei. Auch in einem fo berühmten älteren Werf, 
wie Möſers Osnabrückiſcher Gefchichte, fteht er als Ende des großen 
Kampfes da!. Schloffer zuerft widerſprach dem Faktum als einzig 
durch einen unanfehnlichen Autor beglaubigt?, und dann fuchte Pert 
in den Monumenta Germaniae wenigitens die Zeit und Ortsbe 
ftimmung bes Friedens auf ein Mißverſtändniß aus der Vita Ka- 
roli und den Annalen Einhards zurückzuführen. „Diefer Bericht, jagt 
er, ift nah dem eigenen Zeugniß des Verfaffers (V. 24 ff.) aus 
der Vita Karoli geflojfen. Doch hat berfelbe mit deren Mitthei⸗ 
fungen von dem endgültigen Frieden zwifchen Karl und den Sach— 
fer noch die Angabe der Reichsannalen von einem 803 zu Salz mit 
ben Griechen abgefchlojfenen Vertrage combinirt und fo den Irrthum 
begangen“ 3. 

Dadurch haben fi) dann freilich die Compilatoren und Schein. 
gelehrten in dem Traum vom Salzer Frieden nicht ftören lafjen *, 
und auch einige gelehrte Darfteller nur fein Datum zu verändern 
oder feine Bedeutung einzufchränfen verfucht?. Dagegen find die 


iehe 3. Möjers ſämmtliche Werfe ed. Abefen VI, 177 ff. 
. Weltgejchichte in zufammenhängenber Erzählung HI, 18. 
S. Monum. Germ. 8S. I, 260n.16: Tota rerum anno 803. gestarum 
narratio, poeta teste, fluxit ex Einhardi vita Karoli c. 7, qui tamen de pa- 
ce nonnisi post translationem Saxonum convenisse auctor est, quae oum 
anno 804. contigerit, Saxonise pacationem ad hunc demum annum referri, 
nec eo quo noster tradit loco perfectam esse, patet. Carolus enim a. 804. 
6 Saxonis Coloniam et Aquasgrani rediens, Salz palatium itinere suo non 
attigit.. Nec, quod unum hic adferri posset, codicis Mcttensis inscriptio ca- 
pitularis ad Salz ‘In quarto anno ad Bulz’ contrarium evincere sufficit, quum 
Einhardi annalium auctoritatem hoc aevo maxiınam. et inter scriptores 
quasi unicam esse, nemo nesciat. Errori ansam praebuerit, quod poeta aliam 
pacem , cum imperatore scilicet Constantinopolitano, anno 803. Salz conclu- 
saın esse, in annalibus Einhardi legit. 

+ 23. B. Melter, Einführung de3 Chriftentbums in Sachſen, Münfter 
1830. A. T. Ozanam, Etudes Germaniques Il, 59. 

s So, wenigſtens bem Anſchein nah, Eichhorn, welcher in biefem Punkt 
(f. deutfche Staats- und Rechtsgeſch. I, $. 134, ©. 512 der 5. Ausg.) 9 
nau Pers folgt, ferner Erhard in den Begesta historiae Westphaliae (S. 84), 
wo aus ber Erzählung des Dichters als einer glaubwürdigen auf eine damals 
erlaffene Landfriedensconſtitution nefchlofien wird, die nur Einige aus Mißver⸗ 
ſtändniß für einen förmlichen Friedensvertrag gehalten. Und ähulich (vgl. 


21 


ı € 
© 
2 


310 


beften Neueten immer mehr, wie durch die geringe Antorität der 
Quelle, dem Stillfehweigen der widhtigften Leberlieferungen gegenüber, 
fo durch die Einfiht, dag der Sachſenkrieg Karls als ein Kampf 
mit einzelnen Stämmen, welche ſich nur einzeln unterwarfen und 
vertrugen, auch niemals durch einen folchen allgemeinen Frieden mit 
dem ganzen Bolt beendigt werben mochte, von jedem Glauben an 
diefen zurückgekommen!. Nur haben aud fie, während fie über 
Pertz's Nefultat hinausgehen und die Angabe von dem Salzer Frie 
den ganz verwerfen mußten, die Gründe von Perg ſämmtlich ange: 
nommen. Und doc fcheint mir diefe feine genetifhe Erflärung 
der falfchen Nachricht, auf die es uns bier anfommt, nicht zuzu⸗ 
treffen, fondern zu künftlich zu fein und durch eine natürlichere erfegt 
werden zu können. 

Zunächſt nämlich Tonnte der Dichter das allbelannte „Leben 
Karls“, wenn er au wirklich die Reichsjahrblicher damit verglich 
und fo bie von Perg angenommene wunderbare Kombination 30g ?, 
doch unmöglich für fein erft auf diefe Weife gebildetes Datum ver 
antwortli machen; es ift dies Citat vielmehr auf die wirklich aus 
der Vita gefchöpften Elemente feines Berichts zu befchränfen?. So- 
dann wird eben jene Begründung des Irrthums in einem Mißver⸗ 
ftändnig der Vita und der Annales Einhardi * zujammen aud) 
durch unfere oben bargelegten Zweifel an dem Gebraud) der letzteren 
in diefen heilen des Gedichts überhaupt erſchüttert. Und endlich 
findet das einzige bedeutende Moment in der Beendigung des Kriegs, 
das die Keichsjahrbücher hervorheben, die Verpflanzung ber Elban⸗ 
wohner°, in der ſich breit ergebenden Ausführung unjeres Autors 
zu 803 feine Stelle. 

Andrerfeits aber fteht derjelbe mit feiner Mittheilung nicht allein 
da. Sie findet ſich im Wefentlihen noch in einigen andern An 
nalen, unter denen die von Quedlinburg bie älteften find. — 


Waitz, deutfche Verfaffungsgefchichte II, 188) auch Moller (Baxones ©, 67), 
Wirth (deutfche Geſch. I, 461), endlich Seibertz. 

ı Wie namentlid Luden, Geſch. d. Teutihen V, 494 — 496. Schau: 
mann, Gefcichte des niederſächſiſchen Volks S. 33 ff. Nettberg, Kirchenge: 
ſchichte Deutſchlands II, 393. Giefebrecht, Geſch. d. deutſchen Kaiferzeit I. 
zulegt Maik, deutſche Verfaſſungsgeſch. III, 186—188 und (nach deſſen Citat) 
auch Anger, Geſchichte des öffentlichen Rechts zwiſchen Niederrhein und Nie 
derelbe I, 51. 

* Val. oben ©. 309, 

5 Aber nicht mit Schaumann (a. a. DO.) eine Lüge und Frechheit zu 

eigen. 
heiß + Nah Waitz ſogar der Annales Laurissenses majores. 

5 ©. Ann. Einh. 804:..... aestate autem in Saxoniam ducto exercitu, 
(imperator) omnes qui trans Albiam et in Wihmuodi habitabant Saxones 
cum mulieribus et infantibus transtulit in Franciam. — Nach Kuben wäre bie 
Fortlaffung bdiejes Zuges im Gemälde bes Tichters allerdings eine abſichtliche. 
Bol. auch Waitz: „Gerade die zahlveihen Wegführungen im 3. 804 entipre 
den am wenigften ben angeblichen Bedingungen“. 


311 


Dieſe, von uns bereits! erwähnte, um das Jahr 1000 n. Chr. ent⸗ 
jtandene Chronik, welche im letten Grunde auf alten Hersfelder 
Aufzeichnungen beruht ?, diefelben aber audy in den früheren Abfchnitten 
aus theil® bekannten, theils unbelannten Quellen vielfach ergänzt 
bat, fagt zum Jahr 8033: Carolus, conventu habito in palatio 

‚ Saxones antiqua libertate donavit, eosque pro conser- 
vanda fide catholica ab omni solvit tributo, excepto quod 
illos omnes divites ac pauperes, totius suae culturae ac nutri- 
turae decimas Christo et sacerdotibus eius reddere jussit. — 
D. 5. fie zeigt auch hier, wie ſchon zu 802 *, eine Webereinftimmung 
mit dem Gedichte, welche zwar von Yappenberg, Perg und andern, 
die beipflichteten?, aus ihrer Benugung des hundert Jahre älteren 
Poeten erklärt ijt, nach meiner Meinung aber tiefere Wurzeln haben 


Cs füme mir ein folcher Gebraud) des Dichters in der Ehros 
nit ſchon an ſich unnatürlid vor. Wenn ein Annalift, der wortge⸗ 
treue Auszüge anjehnlicher profaifher Quellen zufammentrug, fich 
zubem noch bei einem Poeten Raths erholte, wollte er gewiß weni⸗ 
ger aus der verhältuigmäßig inhaltsleeren Wortfülle deffelben einzelne 
Zufäge zu feiner Notizreihe herausflauben, als vielmehr feine Fülle, 
feine Floskeln und Ausführungen nüten. Und do, wie die kurze 
Angabe der Zuedlinburger Chronif unter 802 feine von den KEin- 
bard entlehnten Wendungen über Harun Alrafchid wiedergiebt, fo 
bebt auch ihr folgender Bericht nur einen fcharf begrenzten Theil des 
poetifchen, nämlich die Beſtimmung der Zehnten und das Datum 
ihrer Einführung, heraus. Während fie dies fogar viel genauer ausführt 
und präciiirt, entbehrt fie dabei der allgemeinen Bemerkungen und 
Nedeblumen, welche der Dichter zum Theil abermals aus der Vita 
Karoli dazu gepflüdt hats. Ihre Worte, die aus einer gemeinfa- 
men Quelle mit den poetifchen ftammen werden, machen den Ein« 
drud einer urfundlihen Formel? und find es aud) ohne Zweifel. 

Sie finden ſich ebenjo in den uns überfommenen, binfichtlich 


ı S. 307 ff. 

2 S. den Auffaß in Perg Archiv VI, 663 ff. 

8 Mon. Germ. SS. III, 40. 

+ Bol. oben ©. 308. 

5 Lappenberg (im Archiv VI, 640) und Waitz, deutſche Verfaſſungs⸗ 
gefhichte a. a. DO. i 

6 Sie autfpriht nur Vers 4—15. 

T Und zwar einer folhen, deren Worte das göttlihe Geſetz, auf wel 
ches fie ſich beziehen, nachahmen: 3. Mof. XXVI, 30: Alle Zehnten im 
Lande, beides von Samen des Landes und von den Früchten ber Bäume, 
find des Herrn und follen dem Herrn heilig fein. 32: Und alle Zehnten 
von Rindern und Schafen und was unter der Rutbe gehet, das ift ein bei: 
liger Zchnte des Herrn. — Deßhalb nennt auch bad Capitular von Paber: 
born ald Grund diefer Zehnten das mandatam Dei, und unfer Poet dieſe 
ſelbſt (3. 14) die decimae divina lege statutae (vgl. Böttger, bie Einfüh- 
rung des Chriſtenthums in Sachſen S. 21). 21* 


812 


ihrer Aechtheit allerdings angezweifelten oder gar verworfenen Stif- 
tungs- und Grenzbofumenten der Eüchfifchen Sprengel Bremen 
und Verben wieder: 

(Lappenberg, Hamburgifches Urkundenbuch I). König Karl des 
Großen Stiftungsbrief fir das Hochftift Verden (Mainz) 786 Yun. 
29. — Et qui hucusque jugum Christi minime ferre conten- 
debant, domino nostro Jesu Christo et sacerdoti- 
bus ejus omnium jumentorum suorum et fructuum 
terre, et omnis agriculturae decimas et nutrituras, 
simul in unum divites et pauperes, secundum ca» 
nonicam assertionem et logalem cautionem con 
stricti, de cetero persolvant. 


(DO, aus Adam von Bremen 1,9). Stiftungsurfunde für das 
Boat Bremen, (Speier) 788 Jul. 14'. Noverint omnes 
hristi fideles, quod Saxones...... pristinae libertati 
donatos et omni nobis debito censu solutos, pro 
amore illius, qui nobis victoriam contulit, ipsi tributarios et 
sublegales devote addiximus: videlicet, ut.... domino ac 
salvatori nostroJesu Christo et sacerdotibus ejus 
omnium suorum jumentorum et fructuum tocius- 
que culturae decimas ac nutriturae, divites ac 
pauperes, legaliter constricti, persolvant. 

(IV) König Karl der Große über die Stiftung der Bisthilmer 
Verden und Bremen 795 — 800. Et qui hucusque jugum 
Christı ferre minime contendebant, domino nostro Jesu 
Christo et sacerdotibus ejus omnium jumentorum 
suorum et fructuum terrae et omnis agriculturae 
decimas ac nutriturae, simul in unum divites ac 

auperes, secundum canonicam assertionem et 
egalem cautionem constricti, de cetero persol- 
vant?. 

Eine Uebereinſtimmung der Worte, weldje uns fofort vermuthen 
läßt, diefelben möchten aud) in die Quedlinburger Chronik aus einem 
ähnlichen — ächten oder unächten — Schriftſtück gefloffen fein, 
und ihre und des Dichters gemeinfame Quelle werde die in einem 


1 Weber ihre Unächtbeit val. beſonders Rettbergs Kirchengefchichte Deutſch⸗ 
lands II, 453 - 455. 45V. Gin neulicher Verſuch von H. Böttger (a. a. O.) 
das Bremer Dokument zu retten — wir ſind dem Buch allerdings eben in 
einem Falle geiolgt — iſt von der Kritik faſt einſtimmig und fogar ſehr hart 
verdammit worden. 

2 Lappenberg meint, dieſe Urkunde ſei vielleicht in ihrer urſprünglichen 
Form das Muſter jener Bremiſchen geweſen; und auch nad, Rettberg könnte 
ſie der Entwurf dazu, wenn gleich erſt im 11. Jahrh. entſtanden ſein. — 
Uebrigens wiederholt ſich die betrefſende Formel außerdem theilweiſe in dem 
von Böhmer (Reg. Karolorum 136) citirten unächten Diplom Karls db. ©r. 
für den Grafen Trutmann (v. 28. Septbr. 789) und ähnlich felbft in dem 
Capitulare Paderbrunnenre a. 785. 17 (NM. Germ. L. I, 49). 


813 


m 803 und aus Salz datirten Dokument inur wiederholte allge- 
eine Beltimmung irrthümlich unmittelbar auf dies Datum bezogen 
iben, wie fie etwa ein Bremer Geiftlicher nach der ihm vorliegen- 
runde ins Jahr 788 und nad) Speier hätte verlegen Tünnen. 

Diefe Bermuthung wird durch das, was wir von den Quellen des 
treffenden Chronijten vorauszufegen haben ober wiffen , volltonmen 
jtätigt. Er würde nah Perg ! aud den Inhalt der alten Hers⸗ 
Der Annalen erft aus einer Halberftädtifhen Bearbeitung ders 
(ben überfommen haben. Und fidhtlih hat er in feinem ganzen 
zerke, wie dies zudem in ber Natur der Sache lag, die Schrift- 
häge des benachbarten Stifte fortwährend benußt, die Gefchichte 
ffelben ftetig verfolgt. 

Hier, in Halberftadt, verwahrte man aber offenbar eine Urkunde 
it dem betreffenden Datum (Salz 803), welche gleich jenen nord» 
ichſiſchen die Grenzen des Sprengel und in der Einleitung den be 
ußten Sat von den Zehnten enthielt. — Hiervon wird eine Eins 
ht in die beiden vornehmijten Quellen Halberjtäbtifcher Gefchichte, 
m denen auch die eine höchit wahrjcheinlich, die andere jicher dort 
itſprungen ift — ich meine den Annalista Saxo und das Chro- 
ıcon Halberstadense — fofort überzeugen. 

Jener nämlich, der Annalijt, welcher befanntlic) dem 12. Jahr⸗ 
ındert angehört”, nimmt unter 803 zuerjt die aus den Reichsan⸗ 
len jtanımende Nachricht Reginos von einem damals zu Salz 
vifchen Kaifer Karl und Griechiſchen Geſandten vereinbarten Balt 
ıf, fährt dann aber fort ®: 

In eodem palatio imperator Karolus sancto Hilde- 
rimo Halberstadensi episcopo suam parrochiam certis undi- 
ae eircumscriptis terminis suoque augustali imperio et in- 
revaricabili privilegio firmavit anno imperii sui 3, ordinatio- 
is autem Hildegrimi episcopi 23., indictione 12., Idus Mai. 

Hi sunt autem termini: fluvius Albia, Sala, Unstrada, 
esa iuxta Grone, altitudo silvae quae vocatur Hart, Ova- 
a, Dasanek, Druchterbike, Elera, Isunna palus quae divi- 
it Bardengaos et Witingaos, Ara, Milda, Precekina, et 
erum Albia. Eodem quoque tempore in eodem loco 
t in eodem palatio imperator* omnes Saxones antiqua 
bertate donavit, eosque pro conservanda fide catholica ab 


’ M. Germ. 88. III, 19: Alter qui Annales Hersfeldenses exscripsit, 
nalista scilicet IIalberstadensis, ut opinor, ipse quidem hucusque 
tet, sed in parte antiquiori annalium Hildesheimensium et Quedlinburgen- 
am usque ad a. 993... .. recognoscitur. — Bon ben gegen biefe Anſicht 
ehrfach erhobenen Einſpruch, ſowie von ber Bedeutung berfelben für unfere 
aterfuhung im Folgenden. 

82 Ball. fiber ihn und feinen Zuſammenhang mit Halberftabt beſonders 
Jaig(M. Germ, SS. VI, 545—546) und Wattenbach, Deutſchlands Geſchichts⸗ 
vellen S. 343. 

” 4.6. 8S. VI, 565. 

+ Mrfprüngli ftand bier, wie aud in ber Quebfinburger Ghronif, noch 


' 314 


omni solvit tributo, excepto quod omnes eos, divites scilicet 
ac paupercs, tocius suae agriculturae ac nutriturae decimas 
Christo ac sacerdotibus ejus reddere jussit. 

Und das zu Anfang des 13. Jahrhunderts verfaßte Chroni- 
con Halberstadense ! fagt beinahe gleichlautend : 

Anno vero dominice incarnationis 803. (cod. 10.)....sui 
autem regni 35. (cod. 34.), imperii vero 3., ordinationis Hil- 
degrimi episcopi 23. anno 5. postquam, ut dictum est, Leo 
papa fuerat mutilatus, Karolus imperator in palacio Salz no- 
minato parrochiam hanc certis undique terminis cireumscripsit, 
suoque imperio augustali et imprevaricabili privilegio confir- 
mavit. Hii autem sunt termini Halberstadensis dyocesis: 
fluvius Albia, Sala, Unstrada, fossa juxta Grune, altitudo silve 

ue vocatur Hart, Ovacra, Seuntra, Dasanek, Druchterbeke, 

lera, Isunna, palus que dividit Bardungaos et Witingaos, 
Ara, Milda, Pretekina, et iterum Albia. Circumscriptis igi- 
tur terminis Halberstadensis dyocesis, Karolus imperator, h a- 
bito conventu in palacio supradicto, omnes Saxones 
libertate antiqua .donavit eosque pro fide catholica conser- 
vanda ab omni solvit tributo, excepto quod omnes eos, divi- 
tes scilicet ac pauperes, tocius sue agriculture ac nutriture 
decimas Christo ac sacerdotibus ejus fideliter dare jussit. 

Endlih auch die Chronik des Johann Staidel?, eines Ca⸗ 
nonicus von Paſſau in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, 
weiche ebenfall® zu den alten Hersfelder Annalen in einer mittelba- 
ren, wenn glei) verfchieden erflärten Beziehung fteht ?: 

...... Karolus omnes Saxones, qui multum cultui idolo- 
rum erant dediti, pro conservanda fide catholica ab omni 
tributo exemit, eosque totius agriculturae suae ac nutriturae 
decimas Deo et ejus sacerdotibus dare jussit. 


ein ‘conventu habifo’ zwifchen, welches der Annaliſt jeboch fpäter geſtrichen 
at. S. Mon. Germ. a. a. O. 

2 Bulett herausgegeben von Schaß, Halberftabt 1839. 

2 Oefele, Scriptores rerum Boicarum I, 438. 

5 Es wäre für uns allerdings von ber größten Wichtigfeit, das Ver: 
hältniß aller diefer Schriften, alfo ber Annalen von Oneblinburg, des Säch⸗ 
ſiſchen NAnnaliften, der Chroniken von Halberflabt und berjenigen Stainbels 
zu einander genau zu Fennen. Indeſſen könnte dies erft ein mögliches Ergeb— 
niß einer eigenen, außführlichen Unterſuchung fein; bier mögen alfo folgende 
Bemerkungen genügen. 

Die Anfiht von Perk, welche feine unmittelbare Abhängigfeit jener fpä: 
teren Schriften von bein Chronicon Quedlinburgense annimmt, fondern bie 
Berwanbtfchaft zmifchen ihnen anf ben gemeinfamen Gebrauch einer nun ver: 
lorenen Halberftäbter Bearbeitung ber alten Heräfelder Annalen zurüdführt, 
ift unfrer Annahme offenbar am günftigften. Webte die Quedlinburger Ehro: 
nit hier Teinen Einfluß, fo kann durch fie auch nicht derjenige des Poeten fort: 
gepflanzt fein; und die Nachricht von Salzer Frieden fam bamı eben nicht, 
wie wiederum Perg meint, von jenem ber, fondern aus alten Halker: 
ſtädter Zuſätzen zu dem Hersfelder Jahrbüchern auch in die fpäteren Annalen. 


315 


Somit fcheint ſich die Angabe der Quedlinburger Chronik ober 
vielmehr ihrer und des Dichters gemeinfamer Quelle in der That 
anf den einleitenden Paffus eines in tadt bewahrten Doku⸗ 
ments zu rveduziren. Während aber hieraus eben nur bie Beſtim⸗ 
mung über die Zehnten zu entnehmen war und daber in den Qued⸗ 
Imburger Annalen auch nichts als dieſe zu finden ift, fehen wir 
im Gedichte damit noch eine lange Ausführung über den allgemeinen 
Verlauf und die Ergebniffe des ganzen Sachſenkrieges verfchmolzen. 
Diefe — mir müfjen fie als ein von dem Halberſtädter Satze ur: 
fprüngli ganz getrenntes Element der Compofition betrachten — 
ſpricht großentheils über Dinge, die fich wiederhofentlich ereigneten 
oder allmählich während des Krieges und nad) demfelben vollzogen. 
Indem fie diefe fonjt fehr brauchbaren ' Notizen zugleich in das ent⸗ 
fprechende Mufter ber Vita Karoli (c. 7) einflidt, ift fie auch in 
diefem Betracht ein Seitenftüd ber im erften Jahrbericht des Poeten 
(für 772, 8. 6 — 38) enthaltenen, an den Anfang befjelben Capi⸗ 
tels fich anlehnenden Darftellung Sachſens vor dem KXriege?. Und 
babei dürfen wir das auffalfende ausdrückliche Citat der Vita Karoli 
jedenfalls nur auf die wirklich aus diefer gefchöpften Worte beziehen, 
neben welche wir es geſetzt finden. Nur ift es fo unpoetifh und 

Diefe Meinung — fie fußt darauf, daß bie letzteren an manden Stelien 
von ben Duedlinburgern abweichen und fie anderwärts an Wusführlichkeit 
übertreffen — wird aber freilich auch wechfelsweife durch unfere Herleitung 
der Salzer Nachricht aus Halberftadt unterſtützt. 

Sodann ift zu bemerfen, baß auch Lappenberg (Archiv VI, 646) einen 
Gebrauch der Dueblinburger Chronif buch ben Annalifta Saro vor bem 
Jahre 985 bezweifelt, und ſelbſt der entfchiedenfte Gegner der Pertziſchen Anz 
fiht, Wait, deffen Vebereinftimmung mit dem Chronicon Halberstadense einer 
gemeinfamen Quelle zuzufchreiben (Mon. Germ. 88. Vi, 546) nicht ganz ab: 
aeneigt if. Endlich ſoricht ih zwar W. Gieſebrecht (in der Einleitung zu 
den Annales Altahenses ©. 19) ebenfo direlt gegen Pertz's Annahme auf, 
indem er bie Beziehungen Staindels zu den alten Hersfelder Notizen einzig 
und allein durch die Annalen von Altaich vermittelt. Indeß ift doch eben 
felbft feiner Anficht zufolge Staindel die Nahriht von einem Vertrage zu 
Salz nicht buch bie Chronik von Quedlinburg, alfo auch nicht mittelbar aus 
dem Poeta Saro zugefommen. 

? Schaumann (a. a. DO.) nennt fie mit Recht einen Complex von An: 
gaben, die wir einzeln auch anderwärts finden. 

2 M. Germ. S8. I, 228. — Auf biefen beiden Stellen beruht zugleich 
die freilich geringe Wichtigteit des Poeta Saxo als hiſtoriſche Quelle überhaupt. 

s Vgl. oben S. 29—30: 

(V. 21—27) Hoc sunt postremo sociati foedere Francis, 

Ut gens et populus fieret concorditer unus, 
Ao semper regi parens aequaliter uni. 
Bi tamen hoc dubium cuiquam fortasse videtur, 
De vita scriptum Caroli legat ipse libellum, 
Quem Francos inter clarus veraxque relator 
» Ac summe prudens Einhardus nomine scripsit, 
un 
Vita Karoli c. 7: .. . Eaque conditione . .. « . tractum per tot annos 
bellum constat esse finitum, ut , . . . Francis adunati, unns cum eis pope- 
lus efficerentur. 


316 


außerbem, wie bie6 3. B. auch Pertz's Erflärung beweiſt, fo zwei⸗ 
deutig, daß wir beinahe wieder verſucht find an eine profaifche Grund» 
Inge zu denken. Man müßte annehmen, daß jene einzelnen Einhar⸗ 
diſchen Wendungen auch dort unter einfacher Beifügung ihres Ur- 
ſprungs gejtanden und die Tragweite diefes Citats ſchon vom Did» 
ter felbft mißverftändfich auf die ganze Darftellung ausgedehnt worden 
wire. Eine Vermutung, der wir jedoch nicht weiter nachgehen 
önnen. 

Wie dem aber auch fei, die nähere Betrachtung diefes Abfchmitts 
hat uns darauf geführt, daß die Chronik, welche hier zum Leitfaden 
diente, Halberftädtifhen Urfprunges oder doch theilweiſe 
auf Halberftädtifhe Aufzeihnungen gegründet war. — 


Sie fheint nun unter 804 bie Reife des Papftes Leo nach Frank⸗ 
reich ımd, wie diefer damals Weihnachten und Heiligen⸗ drei⸗Ködnigs⸗ 
tag mit dem Kaiſer zuſammen feierte, erzählt zu haben. Auch legte 
ih ſchon oben ! die befondere Aehnlichleit, welche gerade hier ben 
Poeten mit den Reichsjahrbüchern verbindet, fowie die Differenz, welche 
fie dennoch trennt, dar, und mußte bie fich hiebei befonders hervor: 
drängende Trage, ob ber Erftere biefe Partien ber Annales Ein- 
hardi überhaupt noch zu Geſicht befommen, ımentfchieden laſſen. 
Jetzt möchte ich faft hinzuſetzen, daß bie Uebereinftimmungen beider 
Schriften, bie ſchwerlich zufällige fein können?, am wahrfcheinlichften 
durch die Vermandtichaft eines Zwifchengliedes , etwa auch jener kur⸗ 
zen Chronik, mit den Reichsjahrbüichern vermittelt fein werden. 

Diefe Chronik wird nun zwar jene gemeinfame Epiphaniasfeier 
eben fo kurz, wie außerdem noch die Jahrbücher von Ealzburg °: 

.... Hoc anno Leo papa in Francia. Natalis Domini 
in Carisiaco, epiphania in Aquis 
gemeldet haben; aber unfer Poet wußte auch dies zu ein paar voll: 
tönenden Verſen 


Natalis Domini festis ibi rite peractis , 

Glorificeque simul celebrato tempore sancto, 
Quo stella monstrante i cognoscere veri 
In terris nati meruerunt luminis ortum etc. 


auszudehnen. 


Der folgende Abfchnitt, für 805, könnte uns infofern interej- 
—— als ſein Schluß über den böhmiſchen Feldzug des jüngeren 
arl: 


2 ©. 305. 

2 gl. außer den obigen Ausführungen (S. 306) und biefen Jahr: 
bericht namentlich auch den zu 812. 

# Ann. Juvavenses majores 805 (Mon. Germ. 88. I, 87). Doch, wie 
ſchon Pertz bemerft hat, ‘baes anno 804. adsignanda sunt', 


317 


......... bellum virtute sagaci 
Commisit, celeri vietor quod fine peregit 
vielleicht wieder der Vita Karoli! nachgeahmt iſt. 

Sodann lagen bem Verfaſſer für das Jahr 806, obwohl er es 
ebenfalls mr mit bem einzigen Faktum ber Reichstheilung unter Karls 
Söhne bezeichnet, in Bezug auf dieſe offenbar gute Nachrichten vor. 
Nur möchte ich fie nicht, wie Perg ?, unmittelbar auf die betreffende 
Urkunde, fondern, da wir zudem auf einen Bericht verwiefen werden: 

.. .. At Carolo reliquos donans Alaınannos, 
Saxones ac F'rresones subjecit eidem, 
Cui simul ex magna fertur data Gallia parte 


wiederum auf denjenigen der furzen Chronik zurüdzuführen. Denn 
diefelben Nachrichten ftehen beinahe eben fo ausführlich in den Ele ie 
neren Lorfher Annalen’, werden außerdem in fünmtlichen 
Ableitungen der Hersfelder, alfo u. a. in ben Annalen von 
Quedlinburg, wenigftens angedeutet. Und es trifft auch jener Lor⸗ 
cher Bericht mit unferm in der Art, den Inhalt der Urkunde * zu 
extrabiren und zufammenzufaffen, mehrfacd überein. 

Ueber den irrthümlichen und auf einer falſchen Auffaſſung dies 
ſes Zheilungsaftes beruhenden Zufag, daß der Kaifer ſich jeitdem 
völfig auf feine Aachener Pfalz zurückgezogen — er ſtammt möglis 


I Cap. 14: Boemanicum quoque et Linonicum (bellum), quae posten 
exorta sunt, diu durare non potuerunt; quorun utrumque ductu Karoli junio- 
ris celeri fine completum est, 

$ al. Mon. Germ. 8S. I, 261. 

5 S. Annales Laurissenses minores , Codex Bemensis (Mon. Germ. 
88. I, 120. Ter codexz Fuldensis fagt Fürzer: Imperator Karlus re- 
gnum inter filios suos, id est Karlum, Pippinum, Hiuduvicum, dividit, und 
ebendied haben die Hersfelder (Dueblinburgifchen, Hildesheimer und Lamberts) 
Annalen, f. Mon. Germ. S8. III, 41. 


* Gie felbft fteht in den Mon. Germ. im erſten Bande der Leges, ©. 
0 


* So wird folgende Stelle bed Dokuments: 

(3) Quicquid autem de regno nostro extra hos terminos fuerit, id est 
Franciam et Burgundiam, excepto illa parte quam Ludovico dedimus, atque 
Alamanniam , excepto portione quam Pippino adscripsimus, Austriam, Niu- 
striam , Turingiam, Saxoniam, Frisiam et partem Bajovarise quase dicitur 
Northgow , dilecto filio nostro Karolo concessimus 


von beiden gleihmäkig alfo zufammengezogen : 


Ann. Lauriss. min. | Poeta. 
Carlo regi filio suo reguum Austri, .... At Carolo reliquos donans Ala- 
Sazones, Fresones, et par- mannos, 
tem Alimaniae partemqucoGal- Saxones ac Fresones subjeeit 
liae maximam usquein occi-: eidem, 
dentale oceanum dedit, Cui simul ex magnafertur data 


Gallia parte, 
Oceani donec vastis con elu- 
| ditur undis, 


318 


cherweife ebenfalls fchon ans ber fchlecht unterrichteten, dürftigen 
Duelle — vergleiche das Obige!. 

Zu 807 erhalten wir eine Befchreibung ber von Harun Alra- 
ſchid an Karl aufs neue liberfandten Geſchenke, welche wiederum 
derjenigen in den Reichsannalen nicht ähnlich fieht. ‘Denn dieje he 
ben befonders eine Eunftoolle Uhr hervor, während der Poet mır ein 
großartiges Zelt und zwar hinfichtlich feines Umfangs fo tibertrieben 
ſchildert, daß bie Rede der Menfchen, auf die er fich hier beruft?, 
wirffich erft damals, im Verlaufe eines Jahrhunderts, das Wunber- 
ding fo gefteigert haben mochtes. Zum Schluß erzählt er dann, 
wie Schon bemerkt ift*, von der Ankunft eines Norbmannenfürften 
Alfden,, der doch den Jahrbüchern zufolge Cardulf von Northumber- 
land hieß und erft ein Jahr fpäter (808) im Frankenreich erfchien. 
Indem er zugleich Über Grund und Ausgang biefer Reife, worüber 
uns ebenfalld die Reichsannalen belehren, hanz im Unflaren: ift, 
fpiegelt er alfo gerade auch hier den ungenauen, bitrftigen Charafter 
der Kloſterchronik, feiner Quelle, wieber. 

Ebenſo meldet er unter 808 nichts als den Zug bes jüngern 
Karl gegen die Wenden und ignorirt babei (mie auch ferner in fei«- 
nen Annalen jene ganze Perfon‘) den Zufammenhang ber Be- 
wegung mit den Ulebergriffen des Dänen Godfried. Anbererjeits 
aber fcheint er in Hinficht auf den Ausgang bes Kampfes: 

(8. 4-7)... . sed Francorum legiones 

Fluminis ejusdem trajecto gurgite, laetis 
Auspiciis usus, memoratos duxit in hostes 
Signaque gaudenti retulit victricia patri 


abermals eine Webereinjtimmung mit den Annales Quedlinburgen- 
ses aufzumweifen. Denn während auch der Reichsannalift dag Un⸗ 
glück nur vertufcht,, welches die fränkischen Waffen nad) andern Dar: 
ftellungen damals wirklich betraf”, verfünden eben nur der Poet 


ı ©. 306.' . 

® (8. 5—8) Denique tunc inter tentoria qualibet arte 
Facta dedit majus cunctis et pulcrius unum, 
Fama solet veterum quicquam sidicere verum, 
Mirandum. 


s Möglich indeſſen auch bier, daß ſchon die Quelle des Poeten diefe 
Belchreibung dem Gerücht entnommen. 

? Bal. oben ©. 306. 

5 €. Ann. Einh. 808. 809. 

6 Bal. oben S. 306. 

” Ann. Einh. 808: .... Karlus Albiam ponte junzit, et exercitum 
cui praeerat in Linones et Smeldingos, qui et ipsi ad Godofridum regem 
defeceraut, quanta potuit celeritate transposuit, populatisque eireumquaque 
eorum agris, transito iterum flumine, cum incolomi exercitu in Baxoniam se 
recepit. Chronicon Moissiacense: (Rarolus) .... vastavit maximam 
partem regionis ipsius, sed et aliqui ex nostra parte ibidem ceciderunt. 
Ann. Laurissenses minores (cod. Fuldensis): Et Carlus, filius im- ' 
peratoris Carli, perrexit cum exercitu Francorum in Winidos ultra flumen Al- 


819 


unb jene (Carolus junior Linos et Schmeldingos expugnans, 
victor revertitur ad patrem) deren Sieg. 

Wie fi) dann die Berichte des Erfteren und der Reichsannalen 
binfichtlich der großen Vichjeuche von damals unterfcheiden, habe ich 
auch ſchon angedeutet !. Jener bemüht ſich augenfcheinlich wieder, 
den kurzen Notizen feiner Chronik folgend — fie mögen hier mit 
einem einfachen: Hic annus quietus fuit, sed magna mortalitas 
animalıum begonnen haben — ein lebensvolles Bild von ben Wir- 
fungen jener furchtbar feindlichen Peft auf den fonft vom Feinde 
verfchonten Fluren, nach virgilifchen Meufter, zu entwerfen. Auch 
wird er dort den Anhalt zu dem Zuſatz: 

Noricus iste sinus fertur specialiter esse 

Perpessus cum vicinis regionibus illi 
gefunden Haben, welcher, übrigens fammt bem Datum 809 burd) 
da® Chronicon Moissiacense? beftätigt, uns zugleich) an die fchon 
einmal bemerkte Beziehung zwifchen Norifchen, Salzburgifchen Jahr⸗ 
büchern und dem Poeten erinnertd. Endlich muß feiner Quelle noch 
die Angabe, daß damals der Wein vielfach mißrathen , eigenthümlich 
gewefen fein. Und dieſe, welche vielleicht in Worten, wie fuitque 
eo tempore vini sterilitas multis in regionibns beftand, gab ihm 
dann Stoff zu folgender Zirade (N. 1930): 

Praeterea steriles hoc factae tempore vites, 

Impenso sibimet nulla mercede labori 

Respondent, spes est avidi frustrata coloni, 

Dum vineta carere suo pubentia foetu 

Conspicit, et vane silvescit inutilis arbor, 

Palmite diffuso, nullas dum pampinus uvas 

Contegit, et fructu vacua stat vinea lata. 

Partibus in multis regni sic omine tristi 

Bachica non solito perierunt pocula damno. 

Tempore nimirum tanto licet ante, per orbem, 

Augusto, luctum, terris abeunte, futurum, 

Jam ostendebat casus tristissimus iste. 

Auch zum Jahr 810, welches nach den Reichsannalen voll Ge⸗ 
fchichte und Bewegung ift, wo dieſe den Auszug des greifen Karl 
gegen feinen legten Gegner zu melden haben, hater, nad) Stoff zur 


bia, sed tamen eo tempore non prosperatns est transitus ejus, sed de plu- 
rimi (et plurimi: aun, Hildesh.) Francorum occisi sunt. — Webrigens bemerke 
man auch, wie unſer Dichter mit Vers 5 jebenfalld mur ein einfached ‘ultra 
flumen Albiam’ (wie in ben Ann. Laur. min.), fein ‘Albiam ponte junzit’ der 
Reihdannalen umfchrieben hat. . 

ı ©. 306. 


2 Daffelbe, in ben früberen Theilen genau mit den Ann. Laures- 
hamenses übereinftimmend, behält, wie 2. Giefebrecht gewiß richtig beobaß- 
tet bat, auch nachdem jene abbrechen, ganz benfelben Charabter. meldet 
bier (nad} bem Codex Moissiacensis): ... . . In illo anno venit mortalitas 
magna animalium ab oriente, et pertransilt usque in occidentem. 

3 Bol, oben ©, 316, " 


320 


Fortſetzung feines Werkes ſchmachtend, nichts als die Todesnachricht 
Pippins, der er natürlich auch nur ein ganz allgemein gefaßtes, lee⸗ 
res Elogium hinzufügen kann. — Werner ımter 811 nichts als das 
Ableben Karls des jlingeren und außerdem die Uebertragung Italiens 
an Bernhard , welche nach den Reichsannalen erft fpäter ſtattfand!. 
— Auch die Notiz 812 von der Griechifchen Gefandtfchaft im Jahre 
812, ob fie gleich außerdem nur nod) in wenige Auszüge aus den 
großen Jahrbüchern floß?, überzeugt uns nicht, daß er hier jene 
jelbft eingefehen haben müſſe. — Zum Yahr 813 endlidy mag ihm 
eine ähnliche, :ulett auf den Reichsjahrbüchern beruhende Angabe, 
wie die der Quedlinburger Chronif (Et imperator filium suum 
Ludovicum, imposita sibi corona, totius consortem sibi im- 
perii fecit) vorgelegen haben, die er aus dem 30. Capitel der Vita 
Karoli trefflich ergänzen Tonnte?. Uebrigens hat er dieſen Jahrbe⸗ 
richt fehr in die Länge gezogen und ſich kaum an einer anderen Stelle 
jo poetiſch ausgedrückt. Es ift wirklich anziehend, feiner Vorftellung, 
iwie damals Stöhnen und Klagen um das nahe Ende des Kaifere 
bereit8 den Aachener Palaſt durchſchwirrt, und den Gleichniffen, die 
er an biefe Todesdämmerung knüpft, zu folgen. 

Im legten Yahrberichte, der zu einem Epilog anfchwillt , jes 
doc) den Inhalt feiner meiſten Diftichen wörtlich der. Vita Karoli 
entnimmt, läßt ſich indeß kaum irgend eine Eigenthümlichkeit, mit der 
die furze Chronif Karls Tod gemeldet zu haben ſchiene, wiedererfens 
nen. Denn Perg vergleicht zwar * auch hier die Quedlinburger Ans 
nalen: 

814. Carolus imperator magnus et Saxonum apostolus 
5. Calend. Februarii obiit, aetatis suae anno 7l., regni au- 
tem 47., imperii vero 14. cui filius suus Ludovicus, qui co- 
gnominatur Pius, successit in regnum 
mit unferm Dichter; und eine folche Aehnlichfeit würde nad) unfern 
Begriffen, zumal die Hafberftädtifche Chronik diefe Worte noch aus: 
geführter enthält, wieder die Bejchaffenheit der gemeinfamen Quelle 
ins Licht fegen. Jedoch befteht die Verwandtfchaft in der That nur 
in der nahe liegenden Auffafjung des Kaifers als eines Apoftels der 
Sachſen: im übrigen entbehrt da8 Gedicht gerade jener genauen Zeit- 
bejtunmung, inden e8 fich5, nod) allgemeiner als die Vita Karoli, 
mit einem 


Post octingentos Christi nascentis ab ortu 
Hic annus quartus extitit et decimus; 


2 Dal. diefelben unter 813. Es ftimmen bier indeß mit dem Dichter 
mehrere öfterfeichifche Chroniken. 

® 3. B. auch in die liberarbeitete Reichersberger Chronik aus 
dem 12, Sahrh. (J. P. Ludwig script. rer. Germanicarum II). 

° Daß er bie» gethan hat, ift in den Monum. Germ. wohl nur zu no: 
tiren pergefien. 

* &. Mon. Germ. 8S, III, 41, 
⸗ B, 597 - 600. 


321 


Ipse die quinta decesserat ante Kalendas 
Mensis, quo Numa rex Februa constituit 


nügt. 

Was jedoch das Verhältnig diefes Abſchnitts zu dem „Leben 
Karls“ fpezieller angeht, fo find in dieſem Betracht zumächft ein 
poor Abweichungen wahrzunehmen, welche wohl aus der Handidrift, 
die der Poet gebrauchte, ftammen werben’. 

Im Uebrigen benugt er feine Quelle wiederum verftändig, umd 
ergänzt fie aus feinen vier erften annalijtifchen Büchern, auf bie er 
ſich auch mehrmals beruft, ſowie durd) eingeftreute Betrachtungen 
und Schilderungen, 3. B. (V. 4657-462) von den Reiten der gro» 
gen Brücke bei Mainz, bie er jedenfalls gejehen haben muß, ganz 
pafiend. Jedoch fällt e8 auf, daß er nun felbft im Widerfprud, mit 
folchen Nachrichten , die von anderwärts in feine Jahrbücher geflofjen 
waren, blind der Vita Karoli allein folgt. Hat er 3. B. zu 788 
nach den Annales Einhardi erzählt, daß der Kaifer feine Tochter 
Rhotrud den Griechifchen Bewerbern abfchlug, fo fpricht er hier, 
an das „Leben Karls“ anfnüpfend, (V. 273 ff.) gerade davon, wie 
der Tod diefelbe zwei Reichen, dem der Franken und Griechen, zus 
gleich entriffen habe. Und obwohl er dort, zu Ende 808, berichtete, 
der alte Kaifer wäre feitdem ruhig zu Haufe geblieben, weil nämlid) 
die ihm vorliegende Chronik offenbar nichts von Godfried von Däne⸗ 
mark enthielt?, redet er hier (WB. 613 ff.) nad) dem 32. Kapitel der 
Vita auch von, diefem ?. 

Das wären die Bemerkungen, die wir Hinfichtlih ber Quel⸗ 
[en des Poeta Saxo zu maden hätten. Sie unterfcheiden ſich, 
wie man fieht, von den bisherigen Annahmen infofern, al& der Did 
ter danach bie f. g. Annales Einhardi nicht fortlaufend bis zum 
Ende feiner Yahrberichte, Sondern mır bis 801 (von wo ab jene 
mit ihrem Original, den älteren Reichsannalen, zufammenfallen) be⸗ 


I Bol. Vita K. c.19: Erat enim (Karolus) in amicitia optime tempe- 
ratus, ut eas et facile admitteret et constantissime retineret (mie Perh be: 
merft bat, nach Sueton. Aug. 66: Amicitias neque facile admisit et constan- 
tissime retinuit) 
mit des Dichter V. 293 ff. 

Nam velut in reliquis rebus, sic optimus ejus 
Laudatur merito mos in amicitiis, 
Admittebat cas caute, sed firmiter immo 
Ex se servavit foedere perpetuo. 


Hier zieht vielleicht mancher die Teßtere Lesart (etwa nec facile, i. o. cante) 
vor. Und anderwärts (8. 173) kommen bier mit Recht unter den Völkern, 
welche vor Karl dem Frankenreiche unterthan gewelen, au bie Frieſen und 
Thüringer vor, während bie Vita (c. 15) diefe ausläßt. 

2 Bal. S. 306 und S. 317 ff. 

5 Ipseque Danorum contra regem Godefridum 

Ultima disponens bella senex agere, 
Ibat per patriam cum milite nostram etc. 


nutzt, vielleicht auch nur fo weit gefannt hat; und daß feine lebten 
Jahrberichte vielmehr auf einer kurzen Kloſterchronik beruhen würden, 
die in Halberftadt entitand oder Vodh Halberjtädter Aufzeihnungen in 
ſich aufnahm. 

Diefe abweichende Anficht et theilweife fchon in ſich, baf 
wir auch von dem Einfluß, welcden der Boet wiederum geübt, von 
feinem Gebrauch als Quelle in anderen Schriften, einen verjdjiebe: 
nen Begriff haben. Er kann alfo nicht in der Quedlinburger Chro- 
nit benugt fein '!, mit welcher er vielmehr zum Theil auf derfelben 
Grundlage zu beruhen fcheint; und feine Worte Tonnten nicht mittel: 
bar durch diefe in die Compilationen der |päteren Halberftädtifchen 
Annaliften und zulegt noch in die Staindels fließen. 

Eben fo wenig fünnen wir gleid) Berg, der hienach jogar die Ab- 
fafjungszeit diefer Schrift beftimmt hat?, eine Benutzung des Dich: 
ters im @ingange der Translatio S. Liborii — berfelbe handelt 
von der Befiegung Sachſens durd Karl im allgemeinen — für 
wahrſcheinlich halten. Denn diefe kurzen Darftellungen, wie fie nun 
fat fämmtliche Hiftorien von dem driftianifirten Sachſenland und 
dort auftretenden Heiligen beginnen oder doch ſchmücken, fehen ſich 
alte ähnlich, und heben immer die beiden Orundzüge im Berfahren 
Karls, die Strenge, womit er gefchrect, und die Schenkungen, mit 
denen er lodte?, hervor. Alſo möchte ich weder dieje Ueberficht über 
den Sachſenkrieg noch die Befchreibung von Paderborn im dritten 
Gapitel der Translatio, welche derjenigen des Poeten (a. 7,2. 
13—19) zwar ähnlid), aber an Genauigkeit überlegen it, bejtimmt 
auf den letzteren zurückführen; während es allerdings auffällt, daß 
da8 Leben Meinwerks von Paderborn eben un Eingange, 
wo es dieſen Paſſus aus der Translatio Liborii aufnimmt, auch 
ben Anfangsvers unferes Gedichte 


Salvator mundi postquam de virgine nasci 
Dignatus est 


einfliht +. — 


2 Wie Pertz (vgl. oben S. 307) annimmt. Weniger beftimmt fagt Lap- 
penberg, nachdem er andere in biefer Schrift zugezogene Quellen bezeichnet 
bat (Ardiv VI, 640): „Eine feiner jener Quellen angehörige Nachricht findet 
fih b. 3. 802, wo die Angabe über bie Gefanbtfchaft des Perferfönigd Aaron 
an Karl den Großen dahin eriveitert wird, daß jener dieſem Serufalem unter: 
worfen babe. Ebenſo b. 3. 803 von ber Verſammlung zu Salz und dem 
Kirhenzehnten der Sachſen; beide Nachrichten befinden fih in dem 
Poeta Saxo ad. a. 802 (aus Cinharb& Vita Karoli) ınd a. 803“. 

2 &iehe M. Germ. 88. IV, 149-150, und Wattenbach, Dentſchlands 
Geſchichtsquellen ©. 138. 

s So in ber Vita S. Sturmi (M. G. 88. IT), im Leben ber h. Liut⸗ 
birg (M. G. 88. IV, 158), bei Widukind (c. 15, M. G. 88. III). 

* Dal. bie Vita Meinwerei (aus ber Mitte des 12, gehrbunderts, Mon. 
Germ. 88. XI, 107) c. 1 und ben Poeta Saxo a. 771,8. 1. 


828 


Die legten Fragen endlich !, welche uns im Zufammenhang mit 
den bisherigen Erörterungen intereffiren, wären die nad der Zeit 
des Gedichts und der Perſon feines anonymen Verfaffers. _ 

Hievon ließ fi) nun bie erftere fchon Tängft ohne weiteres be- 
antworten, da der Epilog offenbar unter Arnulf gefchrieben ift, zu 
defien Ehre wir aus ber Ahnenreihe Karla des Großen allein den 
heiligen Arnulf alfo gepriefen und angeredet ? finden: 

Unum commemorem tanto de germine parem, 
Quem sanctum Christi praedicas aecclesia, 
Scilicet Arnulfum, Francorum qui fuit olim 
*  Princeps, ac praesul post satis egregiug, 
Ductus amore Dei ui spreverat omnia mundi, 
Quae mulcent oculos queque trahunt animos, 
Malens divinas mundi quam tradere leges, 
Esse Dei famulus quam populi dominus. 
Nunc ovat in caelis, praebens miracula terris, 
Sublimis meriti signa decora sui, 
Indeque nostrorum totam seriem dominorum, 
Stirpem nempe suam, protegit atque fovet. 
Prae cunctis igitur tıbi cura nepotibus una, 
Quaesumus, Arnulfus sit tuus omonimus. 
Fac ut regnanti Christus sit previus auctor, 
Quo nimis ipsius indiget aecclesia, 
Qui modo justificus rex est, defensor et unus 
Inter tot clades, nunc quibus atteritur. 

Und ebenfo erhebt fid) nachher der bewegliche, durchbringende 

KHageruf über die Leiden des Reichs durch die furdhtbaren Einfälle 


2 Beiläufig bier ein paar Worte ilber ben Tert. — 3. 3. 785 wird 
man für majoribus (8. 19) vielleicht befler primoribus lefen, welches 
dem Sprachgebrauch mehr entipriht. Auch muß vor dem (nad jebiger Ans 
ordnung) 39. Verfe unter 792: 

Insidiatores partim suspenderat illos 

Informis leti laqueus 
wie ein Vergleich mit den Annales Einhardi ( ... . . auetores vero conjura- 
tionis ut rei majestatis partim gladio caesi, partim patibulis suspensi, ob 
meditstum scelus tali morte multati sunt) zeigt, mindeſtens ein anderer, wel: 
her eben den Tod eines Theils der Verſchworenen buch bad Schwerdt er⸗ 
zählte, wie auch cin Prädikat zu den nunmehr afleinftehenden 'regina 
atrox’ (in V. 36) enthielt, alfo etwa: (regina sed atrox) Causa fuit facti, 
partim gladio ceciderunt hieß, ausgefallen jein. 

Sodanı muß im Gpilog im ®. 224: flatt faciat: faciet, in V. 321 
nach ber Vita Karoli (c. 22) natatum flatt venatum, im 525. Berfe 
studuit an Stelle von statuit ftchen. Und zwar legtered in Hinficht auf 
den Sinn und auf die Ausdrucksweiſe anderer Aımalen (Chronicon Mois- 
siacense 801: Et inprimis omnium, postquam imperator extitit, stu- 
duit, ut ipsam Romanam ecclesiam de ea discordia . . . . ad pacem et 
concordiam revocaret). Endlich fehlt im 615. Verfe ein Fuß, unb bamit 
wohl das Wort "multo’ ober ein ähnliches. 

2» V. 123—136, 


824 


ber Normannen endlich zum Ausdruck von Hoffnung und Vertrauen 
auf diefen neuen Herrfcher ': 

Ve tibi, vae tali modo defensore ? carenti 
Francia, quam variis cladibus opprimeris | 

Gentibus ecce pates populantibus undique saevis, 
Et quondam felix nunc nimis es misers, 

Quippe tuis hilares exultant fletibus hostes, 
Ditanturque tuis assidue spoliis, 

Milia cesorum captivaque turba tuorum 
Amplior est numero, quam sit harena maris. 

Nam Carolo moriente, tuum decus et honor omnis 
Ex illo sensim fugit et interiit. 

Nunc tamen Arnulfo merito sub principe 

gaudes, 

Qui similis tanto moribus est abavo, 

Denique magnanimus, clemens, promptusque labore 
Pervigili lapsum corrigit imperium, 

Francorumque movet veteri virtute lacertos, 
Atque vocat resides rursus in arma viros; 

Sed moles immensa, diu quae corruit ante, 
Non restaurari se subito patitur. 

Illi det vitam, qui virtutem dedit amplam, 
Et magna nobis causa salutis erit. 


Aber e8 waren dies paſſende Xobeserhebungen für den Anfänger 
Arnulf; für den Sieger von der Dyle wären es feine gewejen. Die 
Vollendung des Gedichts muß alfo zu Beginn diefer Regierung’, 
wahrfcheinlich in das Jahr 888, nad) jener Synode zu Mainz fal- 
(en, wo die weft» und norddeutfchen Bifchöfe über die Wuth und 
Verwüftungen der Normannen und die Empfehlung von Kirche und 
Recht an den neuen König beriethen *. Nur könnte hiemit mögli⸗ 
cherweife noch nicht die Abfaffungszeit des ganzen Werkes firirt 
fein, da dies, wie wir wiffen, nicht ununterbrochen, fondern wenig: 
ſtens als das erfte Buch vollendet war 5, erft wieder nad einer 
Pauſe vorfchritt. 

Was endlich die Perfon des Dichters angeht, fo iſt zunächſt 
fo viel Har, daß derfelbe den Namen des Sächſiſchen ſchon längit 


2 @. 405 - 424. 

2 Männlich eines ſolchen, wie Karl der Große war. 

5 Wonach Pertz's Beſtimmungen (M. Germ. SS. I, 227), es fei “Arnulfo 
imperantee — und (f. d. Vorwort zu Agius Vita Hathumodac , M. Germ. 
88. IV, 166) etwa in den Jahren 888—895 gefchrieben, zu präcifiren fein 
mürden. 

*Vgl. Dümmler, De Arnulfo rege 2. 31 — 37 (.... Caeterum mul- 
tos clericos magnas in Arnulfo collocavisse spes, ex poeta Saxone cognosci- 
mus, qui regno ejus ineunte res a Carolo Magno gestas canens, 8. Ar 
nulfum his verbis adit... . 


5 Bol. die S. 304 angefilhrten Schlußverfe deſſelben. 


‘885 


mit vellem Recht erhalten bat. Denn biefe Abkunft erwaͤhm er tm 
Epilog beutlich genug und Inlipft daran eben die Pflicht der Dank⸗ 
barkeit, welche er dein großen kaiſerlichen Apoftel feines Volks ſchulde!. 
Ebenfo richtig ift, was Perk bemerkt?, daß er ein Geiftlicher ge- 
weien fein muß. Nur ein folcher komte bamals ein derartiges Wert 
beginnen; und ihn verräth auch der ganze Styl, die Gelehrfamteit, 
die feurige Empfänglichfeit für den Segen des chriftlichen Glaubens 
— und am allerdeutlichiten die Ermahnmung an König Arnulf, der 
Kirche wieder aufzuhelfen?. Ya die ganze Art und Weife, wie der 
Verfaſſer hier von fich felbft und zu dem Herrfcher, dem er fein 
Buch 'gewiß auch vorgelegt hat, redet, fcheint geradezu auf einen be= 
jahrten Hohen Geiſtlichen oder mwenigjtens auf einen, welcher der 
Perfon des Königs nahe ftand, zu deuten. 

Ob derfelbe aber auch in Sachſen, feinem Vaterlande, Iebte, 
ift nicht ficher zu beftimmen. Seine unmittelbare Verbindung mit 
Arnulf, und daß er im Epilog immer von ben clades Fronciae, 
der neuen Berufung der Franken zu ben Waffen fpricht *, würde, 
fall® dieſe Namen nicht allgemeiner zu fafjen find, nicht dafür zeu⸗ 
gen. Dagegen dürften Bezeichnungen wie patria nostra, popu- 
lus noster? für Land und Bolt der Sad fen vielleicht doch dar- 
auf deuten, daß er ich noch vorzugsweiſe an diefe feine Stammes» 
genofjen wendet, noch unter ihnen lebte. Ä 

Dagegen ift ans den zwar lebendigen Schilderungen von Pa⸗ 
derborn 6, von Ealz37, von der Kirdye S. Laurentii ad Graticulam 
bei Rom®, von den Trümmern der Mainzer Rheinbrüde? — die lege 
tere ift befonders anſchaulich — kein Zufammenhang des Dichters mit 
einem biefer Orte, jondern, wenn nicht bloß geographifche Kenntniffe, 
höchſtens eine bedeutende Bereiſtheit deffelben zu folgern. Vor allem 
darf man wegen ber Befchreibung Paderborns, die fih, wie wir 
oben !° gejehen haben, auch anderwärts ganz ähnlich und fogar aus 
führlicher findet, den Poeten noch keineswegs dorthin verfegen !'. 

Biel lieber würden wir ihn fowohl in Rückſicht auf die Gegend, 
von wo die befte vorhandene, obwohl auch feineswegs originale, ja 


1 S. V. 23—26. V. 43—52. V. 617 und V. 687 ff. bes Epilogs. 

2 Mon. Germ. SS. I, 227: . . . clericum monachumve totum opus ar- 
guit. or. auch Tümmler a. a. O. 

5 Bol., von den auf ©. 323 angeführten, ®. 133 und 134 

Fac ut regnanti Christus sit previus auctor, 
Quo nimis ipsius indiget aecclesia. 

+ 8. 406. 419. 

s V. 617. 690. 

° a. 777,8. 12-19. 

? 2.790, 8. 19—22. 

° 2.799, V. 24-28. 

’° Im Epilog, V. 457—462 (vgl. oben S. 321). 

10 Vgl. oben ©. 322. 

212 Wie dies (ſ. barüber bie Histoire litteraire de la France Vol. I) in 
der That gefchehen, jedoch ſchon von Perg entſchieden mißbilligt worben iſt. 


22 


fogar fege veritlimmelte Handſchrift ftammt, wie nad ben Be 
ziehhmgen zu Halberſtadt, die wir. cn "bemerkte, Dftfalen oder Nord 
thiiringen, etwa dem Gebiet ber Bode, zuſchreiben. 

Doch, wie geſagt, vielleicht war er gar nicht mehr in 
Und Pertz's Schluß: weil diefe ſekundäre Handſchrift? um öfter 
Lamfpring gefunden worden, werde der Dichter Agius, welcher 
dort und zwar ebenfalls zu Ende bes neunten Sahrhunderts lebte, 
unfer Autor fein’, iſt keineswegs über den Zweifel erhaben. Denn 
Ihon in perfönlicher Beziehung war Agius zwar, wenn er wirf- 
lich als Bruder jener Aebtiffin Hathumod von Gandersheim anzu- 
ſehen ift, von hochadeligem, ben Karolingern verwandten Sachſen⸗ 
gejchlecht, übrigens jedoch ein junger, einfacher Mönch. Unſer Dich: 
ter dagegen war offenbar fein Verwandter der Karolinger * und, wie 
es fcheint, ein Mann in bedeutender Stellung. 

Was jobann ihre Poefie betrifft, bie Perg zwar nit in Hin- 
fiht der metrijhen Glätte, worin der Poeta Saxo unendlich über- 
legen ift, "wohl aber an Innigkeit und Zartheit der Empfindung ver: 
gleicht ®: fo ift diefe auch dem Gehalte nach fo verjchieden wie mög⸗ 
lich. Friedrich Nüdert hat jenes „Kleinod aus den Schatfammern 
der Monumenta“ einer Vieberfegung gewürbigt®. Linfer Dichter da- 
gegen erhebt ſich nur felten zu einigem Schwunge und bleibt oft ge 
nug fo proſaiſch wie feine Quellen. 

Bei dieſer Verſchiedenheit jcheint mir die Anonymität bes Letz⸗ 


teren noch nicht gehoben. 


2 Aus Lamfpring in Hannover (Hildesheim). 
82 Bol. über fie M. Germ. 88.1, 225—226. Später hat Perb zu ' 
Brüffel noch eine Papierbandfchrift des Poelen aus dem 15. oder 16. —* 
Dun entdedt. Doch giebt fie denſelben, beiläufig neben mebreren anderen 
erfen, ebenfo Lüdenhaft wie ber Samfpringer Codex und an cin paar 
Stellen fehlerhafter. Sie f bon. alfo Perg nur eine Abfchrift de letzteren 
zu fein (Archiv VII, 379— 
©. bie Borrede zu Aal Vita Hathumodse (M.G. 83. IV, 165). 2al. 
auch Wattenbah a. a. D. ©. 138. 
23 Dies ergiebt ſeine ganze Redeweiſe im Epilog. 


a. O. 
⸗ Diefeibe it zu Stuttgart 1845 erfchienen. 


Meber zwei Greigniffe des Jahres 1180. 


Don 


Adslf Cohn. 


22* 


Die nachfolgenden Erörterungen ſind aus Studien hervorgegangen, 
welche ich vor einem Jahre über die lauterberger Chronik anſtellte, 
veranlaßt durch die Schrift von J. DO. Opel: „Das Chronicon 
Montis Sereni kritiſch erläutert. Halle 1859. Was fich mir bei 
einer Prüfung derjelben ergab, ift in einem Artikel der gött. gel. 
Anz. ! ausführlich dargelegt. Dort heißt es an einer Stelle?: “S. 48 
befpricht derjelbe (H. Opel) „ „zwei durchaus falſche Mittheilungen“ “ 
ber fauterberger Chronik, die den pegauer Annalen zu 1180 ent⸗ 
lehnt find. Bei genauer Prüfung jedoch ergab fih mir, daß die 
eine derfelben, der Tod Herzog Kaſimars von Pommern als durch⸗ 
aus richtig, die andre aber, der Bericht über die Belagerung und 
Uebergabe von Segeberg, nur in einem Nebenumftande als nicht zus 
treffend zu bezeichnen fei; doc muß ich den Beweis dafür, weil er 
u viel Raum einnehmen würde, einftweilen fchuldig bleiben.” Es 
ke mir nun gejtattet, von der dort eingegangenen DBerbindlichkeit 
mich bier , fo weit ich es vermag, zu löfen. 


1. Der Tod Herzog Kafimar I von Pommern. 


Unter den Creigniffen, welche im Laufe bes verhängnißvolien 
Jahres 1180 dazu beitrugen, die Bejiegung Heinrich des Löwen zu 
erleichtern, war, wenn auch nicht gerade von entjchiedener Bedeu⸗ 
tung, doc keineswegs unerheblih der Tod Herzog Kafimars von 
Pommern. Er war dem geächteten Sacjfenherzog der ergebenfte 
Fremd geweien, während fein ihm nachfolgender Bruder Bogislaf 
1. zu Kaifer Friderich hielt, was in Verbindung mit dem Abfall des 
Grafen von Holftein und andern Creigniffen den Widerftand Bein 
richs erjchwerte. Die Quellen, welche von dem Tode Herzog Kafi- 
mars berichten, find zunächſt die pegauer Annalen und Arnold von 
Lübeck. In den erjtern heißt e8 beim jahre 11803: 

Kazamarus princeps Sclavorum et diu praedo christie- 
norum repentina morte obiit. 


2 1860. N 841—867. 


: ©. 86 


5 Mon. Germ. 88. XVI, 264. 


350 


Nun find die pegauer Annalen bier nicht mır völlig gleichzeitig !, 
fondern auch ftreng hronologifch abgefaßt. Wo nämlich die 
bier berichteten Ereigniffe auch von andern Schriftitellern mit Zeitan- 
gaben erzählt werden, da finden wir, daß fie die in den Annalen 
gegebene Reihenfolge durchgehende beftätigen. Man wird deshalb 
wol berechtigt fein, in den wenigen Fällen, wo unfer Armalift allein 
fteht,, die Zeitbeftimmung, die fich aus der von ihm beobachteten 
Anordnung ergiebt, als bie richtige feitzuhalten. Ich Laffe zur Er⸗ 
fäuterung de8 Gefagten die Angaben der pegauer Annalen zum Jahre 
1180 folgen, indem ich bie beftätigenden Zeugniffe andrer Quellen 
hinzufüge. 

1) Katfer Friderich feiert Weihnachten zu Ulm ?®. . 


2 Mittheil. d. Geſch.⸗ u. Altertbumsforfchenben Geſellſchaft bes Dfter: 
landes 1858. IV, 487. 

= Ich halte diefe Angabe für richtig, da der Annaliſt auch die fpätern 
Neichstage zu Wirzburg und Gelnhauſen genau unb in Webereinfiimmmung 
nit den beiten Duellen erwähnt. Alm nennt aud Otto von Et. Blafien 
(Böhmer, Fontes 11, 606), und zwar in ſolchem Zuſammenhange, daß es nur 
hieher paflen Tann. Er fagt nämlich: dataque ei (Heinrih bem Löwen) 
curis, apud Ulmam ipsum. .....» eitavit. Quo non veniente, curiam sibi 
secundam Ratispone prefixit. Quam parvipendens, tertiam nihilo minus 
apud Herbipolim sibi datam supersedit. Ibique sententia principum 
dueatu norlco cum saxonio ...... privater. Der letzterwähnte Reiche: 
tag zu Wirzburg iſt offenbar der von Mitte Januar 1180. Es hindert alfo 
nichts anzunehmen, daß ber zu Ulm erwähnte am 25. Dec. 1179 ſtattfand 
und bazwifchen ber zu Regensburg. In geograpbifcher Beziehung paßt es au: 
herdem fehr gut (bie Urkunde bei Böhmer Reg. 2619, wonach Friderih am 
3. San. bei Straßburg gewefen, gehört nit ins Jahr 1180; vgl. v. Lang, 
Sendſchreiben an Böhmer S. 46). Ueber einen Hoftag in Schwaben Fonnte 
Dtto am eheften unterrichtet fein. Nun ftehen zwar meiner Annahme zwei 
Zeugniffe entgegen , aber beide laſſen fi, mie ich glaube, entfräften: 1. Al: 
bert von Stade 1180: Imperator Wirceburch curlam habens in natali 
domini Heinrico duci abjudicavit omne feodum; er meint alfo offenbar ben 
Tag zu Wirzburg, wo Heinrich zum Berluft feiner Erbgüter und Lehn ver: 
urtbeilt ward. Wir willen aber, baß diefer Tag um ben 6. San. berum ab: 
gehalten wurde. Albert? Irrthum kann nicht eben befremden. Diefer Autor 
bat (vgl. Tappenberg in M. G. SS. XVI, 274) fein Werk erft 1240 begonnen 
und für bie Gefchichte Heinrich bes Löwen bie Mittheilungen bes bremer Scho⸗ 
laſtikus Heinrich benutzt (a. a. DO. 279 ff.), der ihm etwa zwanzig Jabhre 
nad den Ereigniſſen davon erzählte; da Fonnte benn eine berartige ae: 
ringe Zeitverwechglung wol vorkommen. 2) Godfrid v. Edln 1180: Impera- 
tor natale domini apud Herbipolim celebrat. Mit diefer Stelle ift es ſchon miß: 
licher; denn bier dürfte gleichzeitige Aufzeichnung zu Grunde liegen; gleichwol 
ftehe ih nicht an, auch Godfrids Ausſage zu verwerfen, einfach deßhalb, weil 
ber Berfafier bier keineswegs gut unterrichtet ift; benn ohne bed Hoftagd vom 
Jar. 1180 zu gedenken, wo Heinrichs Schickſal zuerſt entſchieden ward, geht 
er fofort auf ben Tag von Gelnhaufen über und läßt den Herzog ba erft ver: 
urtbeilen. Auch Weihnachten 1180 läßt er ben Kaifer in Wirzburg begehen, 
während der gleichzeitige erfurter Annalift Erfurt dafür angiebt, was auch zu 
ben Urkunden bejjer ftimmt. (Lappenberg a. a. O. ©. 277 erwähnt, daß zu ben 
Quellen Alberts von Stade auch die Chronik Godfrids gehöre, doch glaube ich 
nicht, daß gerade diefe Notiz daher rührt, ba alle andern Angaben beim 9. 
4180 nicht dazu ſtimmen). 


881 


2) Biſchof Udalrich von Halberftabt wird freigelaffen. 

Ebenfalls an den nun Tang des (Jahres ſetzen dies die erfurter 
Annalen !, bald nad) Weihnachten Arnold von Lübeck?. 

Post Epiphan.’ Hoftag zu Wirzburg, wo Heinrich als 
fhuldig erfannt wird. 

‘circa Epiph! Erfurter Ann. — “in octava Epiph. Lauter» 
berger Ehron. 

4) Darauf vertragen fich bie Fürſten mit bem Herzoge bis in 
octavam Paschae (April 27). 

5) Der Kaifer hält 14 Nächte vor Oſtern (April 13) zu Geln- 

haufen Hof. — Theilung des Herzogthums Sachſen. — Sifrib wird 
Erzbifchof von Bremen. 

Godfr. v. Eölnd. — Urkimden 6. — Albert v. Stade”. 

6) Landgraf Ludwig wird an Stelle bes ohne Erben verftorbes 
nen Albrecht von Sommerjchenburg Pfalsgraf von Sachſen. 

7) Kaiſer Friderich feiert Oſtern zu Worms (Apr. 20) unb 
fogt be den Bürften einen Feldzug gegen Herzog Heinrich auf Ja⸗ 
cobi an. 

8) Acht Tage nach Oftern (Apr. 27) wendet fich Heinrich ber 
Löwe gegen Goslar. 

Der Kaifer veranftaltet, daß die Fürften nad Oftern gen 
Ooeler reiten, um das Yand vor Heinrich zu ſchützen. — Repg. 

Chron. 

9) Herzog Heinrich verbrennt darauf Nordhanfen. 

‘Adveniente autem Majo’. Arnold von Lubeck °. 

10) Landgraf Ludwig und Herzog Bernhard ſ chlagen mit Hein⸗ 
rich bei Weißenſee. 

Pridie idus Mar (Mai 14). Erfurt. Ann. 19, | 

11 einrich verfolgt die Fliehenden nad) Mühlgaufen. 

uf Heinrichs Antrieb fallen die Siaven, Liutizen und Pom⸗ 
mern der Lauſitz ein !'. 


2 Mon. Germ. 88. XVI, 24 zwar noch zu Ende 1179, doch daß ‘oodem 
anno vita decessit’ zeigt, daß ſchon 1180 gemeint iſt. 
‚15. 


8 

5 Mon. Germ. 88. XVI, 24. 

* ed. Eckstein p. 42. 

s Böhmer, Deutjchlands Gefchichtäquellen IL, 449. 

‘s Böhmer Regg. 2624 u. 2. 

7 Mon. Germ. SS. XVI, 349. 

° ed. Shine ©. 72. 

° u, 16. 

10 Das Datum nur in ber gröfern Ausgabe Menden SB. II, 227. 

212 Alſo zmwifden Mitte Mai und Johannis nad unfern Annalen. Opel 
(a. a. D. ©. 44) ſetzt diefen Einfall in den Sept. 1180 und befämpit bie Dar- 
ftellung 8. Gieſchrechts (Mendifche Gefch. IH, 246); ich meine aber bie letztere 
aufrecht erhalten zu müflen. Die lauterb. Ghron. (a. a. O.) erzählt beim 
Jahr 1180 die Verurtheilung Heinrich bed Löwen und jet binzu: Horum 
vero malorum eausa fait duci superbia ipsius, Fertur egim. „und nun bes 


13) Friderich Hält zu Regensburg Hof ımb entfett Heinrich den 
Löwen des Herzogthums Baiern. 24. uni. Being 
„uni 30*. Magnus v. Neicheriperg '. 

14) Nach Jacobi belagert er Lichtenberg unb nimmt es in we⸗ 
nig Zagen ein. 

(Lappenberg zur Ueberfegung Arnolds IL, 17 nennt one Be 
leg den 26. Juli). | 

15) Biſchof Udalrih von Halberftadt ftirbt, Diterich folgt. 

„Juli 30%. Halberftäbter Chronik ?. 

16) 15. Aug. fegt der Kaifer zu Werla den Anhängern Hein- 
richs drei Termine (8. Sept., 29. Sept, 11.Novb.): bis dahin müß- 
ten fie ihn verlaffen. 

Am 18. Aug. ift Friderich urkundlich in territorio halberstad 5, 


richtet fie, wie Heinrich dem Kaiſer Unterſtützung gegen bie Lombarben vermei- 
gert hate. Praeter hasc autem, heiht ed bann weiter, inductu ejus Sclavi 
provinciam Tiderici marchionis ingressi usque Lubin omnia vastaverunt. Qui- 
dam vero ministerialium ejus ad resistendum collecti a Sclavis fugati, non- 
nulli capti, plures etism oceisi sunt; inter quos et Tidericus de Beierstorp 
occisus 13. Kal. Octobris in Sereno monte sepultus est. Hujus” itague 
vulneris dolore marchio stimulatus, ducem , tanquam qui eontra imperatorem 
conjurasset, ad duellum coram imperatore saepius provocabat, sed ille, mals 
sibi conscius, imperatoris praesentiam declinabst, Die Herausforderung bes 
Markgrafen Diterich mit dem vorgegebenen und wahrbaften Motiv befti- 
tigt Arnold von Lübel (11, 10). Die repegowſche Chron. (a. a. DO.) fagt 
nur, daß ber Markgraf fi wegen bed Slaveneinfalls über ben Feen 
beflagt babe. Arnold bemerft nun ausbrüdlih, es fei auf dem Reichs 
tage zu Magdeburg geſchehn. Der fanb aber vom 24. bi 29. Juni 1179 
ftatt (Urkund. bei Riedel Cod. brand. I, 2, 442, Peg. Ann. 1179. Repegow. 
Chr.). Nothwendig muß alfo ber betreffende Einfall ber Efaven früher gewe⸗ 
fen fein; wenn baber Titerih v. Beiersdorf nach Angabe ber lauterberger Ehr. 
wirklich bei biefem Einfalle getödtet ward, fo kann es mur im Sept. 1178 
geſchehen fein, wie @iefebrecht annimmt. Nur wird man nidyt mit bemfelben 
von einem Verſehn bed Chroniften reden können, da diefer ja gar feine ab: 
reszahl angiebt und und ebenfo wenig jenen Slaveneinfall ing Jahr 1180 
fegen beißt ald die Meigerung Heinrich vor der Schlacht bei Legnano. Opel 
fucht die vermeintlihe Angabe vom Sept. 1180 dadurch aufrecht zu erbalten, 
daß er einen andern Aug ber Slaven von 1179 als benjenigen bezeichnet, 
weldher Markgraf Titerihg Klage bervoraeruien. Das ift aber unflattbaft. Die 
Chronik erzählt nämlich (p. 41): Sclavi, Lithewizen et Pomerani vocatione 
dueis Heinrici provinciam Juterbock invaserunt, ipsaque vastata et multis in- 
terfeotis plures captivos viros et feminas abduxerunt. Abbas etiam monaste- 
rii quod Cinna dicitur, qui et primus fuit, tunc interfectus est. Heinricus 
dux Calve et inde provineiam totam usque Vrose incendio vastavit,. Ter 
Brand Jüterbogs und Kalbes fand an ein und demfelben Tage (Repeg. Chron.) 
am 6. Nonk. 1179 ftatt (Pen. Ann. 263); Marfgraf Tieterih konnte ſich 
darum unmdalih ſchon im Juni defielben Jahres bei dem Kaiſer barüber 
befchweren. Es liegt alfo kein Grund vor, bie Zeitbeitimmung ber 
peg. Ann. für die ſlaviſche Erpebition von 1180 abzuändbern. 
Die letztere ſetzt Gieſebrecht übrigens S. 254 ganz willkührlicher Weife gleich: 
zeitig mit dem Angriff Heinrich des Löwen gegen Goslar. 

ı Böhmer D. ©. III, 545. 

® ed. Schatz p. 61. — Am 7. Aug. ift der Kaiſer noch vor Lichtenberg, 
wo er den neugewäblten Biſchof Diterich von Halberftabt belehnt (ebend.). 

5 15. Kal. Bept. — Böhmer Reg. 2627 bat irrig ben 18. Juli. 


833 


17) Der Kaiſer baut Bifchofsheim umd bie Harzburg auf und 
entläßt. fein . 

Bor Mitte Sept. Pöhlder Ann. '. 

18) Der Kaifer belehnt zu Altenburg Otto von Wittelebach mit 
dem Herzogthum Baiern. 

16. Septb. Hugo von Regensburg *. 

19) Damals wurden Heimburg, Lauenburg, Regenftein und an 
bere Burgen Heinrich dem Kaifer übergeben. 

20) Belagerung umd Uebergabe von Segeberg. 

EN Erzbifchof Sifrid kommt nach Bremen. 
22) Balderam wird Bifchof von Brandenburg. 
Vor 9. Dftob. 5, 

23) Während fich der Kaifer bei Goslar aufhält, werden die 
Burgen Herzberg, Staufenberg, Scilbberg übergeben. Die Grafen 
von Wöltingerode, Echarzfels, Ylefeld u. A. gehn zu ihm über. 

Gegen Mitte Novb. *. 

24) Kaſamar, Fürſt der Slaven ftirbt. 

Wir ſehn alfo, daß unfer Annalift mit dem Tode Kafimars fei- 
nen “Jahresbericht abfchließt, und werben daher nach Induction zu der 
Folgerung berechtigt fein, daß das in Rede ftehende Ereigniß 3 wie 
fhen Martini und Weihnachten des Jahres 1180 ftattge 
funden babe. 

Ich gehe jet auf den Bericht über, welchen Arnold von Lü⸗ 
bed im 17. Kap. bes 2. Buches erjtattet. Derfelbe lautet 5: 

Imperator autem audiens, quod defecissent hi (b. h. Adolf. 
v. Holftein und die Seinen) a duce, convertit faciem suam venire 
in oniam, et timuerunt valde omnes viri bellatores, qui 
erant in castris ducis a facie ejus. Et eo approximante, sive ex 
necessitate, sive ex voluntate omnia, castra ejus firmissima 
et seipsos in potestatem imperatoris tradiderunt. Multi enim 
ministerialium ducis, qui ab incunabulis ab eo educati fuerant 
et quorum patres sine omni contradictione ipsi servierant, ut 
Henricus de Witha, Lupoldus de Hertesberg, Ludolfus de 
Peina et plures alii recesserunt'ab eo et ad imperium se trans- 
tulerunt. Invaluit ergo imperator, cum obtinuisset castra fir- 


ı Sie fügen am Schlufie ihre Berichts (M. G. 88. XVI, 95) Hinzu: 
siceque provincia per duus fere menses vastata, de Saxonia egrossus 
est. Ta Friderih am 25. Juli nah Sachſen fam, fo verlich er es alfo vor 
bem 25. Septb. Nach der lauterb. Ehr. brach er am 8. Sept. auf, um nad 
Baiern zu gehn. Auf dem Wege dahin finden wir ihn am 16. Sept. zu Al: 
tenburg ; daher die Anordnung bed Burgenbaues etwas früher ſtattgefunden 
baben muß. Dazu paßt auch die Reihenfolge in der halberſt. Chron. a. a. O. 

2 Böhmer D. ©. Ill, 492, 

s Wie es fcheint nach Urkd. — Mooyer Onomast. chronogr. p. 18. 

+ Am 11. Nov. war ber lehte Termin für die Uebergabe. 

5 Ich babe bie darin vorkommenden Namen nad) ber Angabe Lappen: 
bergs, ‘welche Laurent? Ueberſetzung zu Grunde liegt, verbeilert, 


334 


missima Hertesberg, Lawenburg, Blankenburg, Hoymburg, 
Reghenestein, et convertit exercitum ad expugnandam Lichten- 
berg. Etpost paucos dies tradits est in manus illius. Circa 
dies illos mortuus est Cazamarus, princeps Po- 
meranorum, duci amicissimus, et defecerunt ab eo 
Slavi: quia frater ejusBugezlaus imperatori con- 
junctus hominium et tributa ei persolvit. 

Während in dem angeführten Abfchnitte ber pegauer Annalen 
die einzelnen Vorgänge mit forgfältiger Berüdfichtigung der Zeitfolge 
dargeftellt find, vermißt man in dem voritehenden Kapitel aus der 
Chronik Arnolds einen derartigen Vorzug gar ſehr. Diefer Geſchicht⸗ 
Schreiber wirft die beiden Züge, welche der Kaifer im Sommer und 
Spätherbft des Jahres 1180 nad Sachen hin unternahm, zuſam⸗ 
men und weiß nur von einem; aus diefem Irrthum entfpringen 
dann mancherlei chronologiiche Unrichtigleiten. Zum Beweiſe betrachte 
man Arnolds Angaben im Einzelien. Er beginnt damit: der Kaifer 
habe auf die Nadjricht, daß Graf Adolf von Holitein vom Herzoge 
Deinrich abgefallen jei, Anſtalt gemacht, nach Sachſen aufzubrechen. 

er Abfall Adolfs erfolgte nach dem Stampfe bei Weißenfee ! (Mai 
14), aljo etwa Anfang Juni, jedenfalls nicht nach dem 18. Auguft, 
da wir ihn an diejem Tage bereits urkundlich im faiferlichen Lager 
finden . Man ficht alfo, daß Arnolds Angabe auf die erfte Unter 
nehmung Friderichs paßt. Nun läßt er aber bald alle Schlöffer 
de8 Herzogs übergeben werden mit Ausnahme Lichtenbergs: dadurch 
fei der Saifer im Stande gewejen, auch diefes zu gewinnen. Dage- 
gen willen wir, daß gerade Yichtenberg zuerjt fiel, daß Herzberg erit 
auf Friderichs zweiten Zuge ſich ergab, und dann noch Blankenburg 
allein übrig blieb, welches erft durch eine Belagerung vom Bijchofe 
Diterih von Halberftadt gewonnen werden mußte’. Wenn Arnold 
nun fortfährt: Circa dies illos mortuus est Kazamarus, auf mel: 
hen Zeitpunkt werden wir dies zu beziehen haben? Jedenfalls auf 
den Schluß des Yeldzugs, welchen ſich Arnold ja durch den Fall Lich— 
tenberg8 herbeigeführt denkt; wann derjelbe ftattfand, war ihm aber 
durchaus nicht mehr im Gedächtniß; fo beginnt er das folgende Ka⸗ 
pitel wieder mit der Nedensart: “in diebus illie’, während man doc 
nur, wern man diefen Begriff weiter faßt, den Aufbau der Harzburg, 
der im Sept. begann, fo datiren darf. Es ſcheint, Arnold erinnerte 
ſich überhaupt nur noch (er ſchrieb befanntlich erft zu Anfang des 
13. Yahrhunderts), daß der Tod Kaſimars damals erfolgte, als Fri- 
derich I. gegen Heinrich) den Yöwen zu Felde zog und dejjen Bafallen 
von ihm abfielen. So verwirrt alfo fein Bericht * im Einzelnen ift, 
fo bietet er uns dod) genau betradjtet eine Beftätigung deffen, 


2 Arnold II, 16. 

2 ©. oben ©. 332 Anm. 5. 

5 Mitfommer 1181. Peg. Ann, — Gerhard v. Steberburg (88. XVI, 264. 
214) — Halberft. Chron. a, a. O. 

+ Wegen ber Schlußnotiz über Bogislafs Huldigung fiehe weiter unten, 


was der pegauer Annalift ausfagte, ber ja auch an ben Weber: 
gang der Burgen und Abfall der Vaſallen Heinrichs die Kunde vom 
Ableben Kafimars anfnüpfte. 

Was veranlapte alfo 8. Gtefebrecht ', Opel und A. die Ausfage 
eines fonft zuverläßigen und gleichzeitigen Quellenfchriftftellers anzu⸗ 
fechten? Der Beweggrund dazu lag in einer Urkunde deſſelben Kaſi⸗ 
mar vom 6. Juni 1181. Nun tft Mar: wenn der Herzog im Som- 
mer 1181 nod eine Urkunde ausitellte, Tann er nicht im vorangehen- 
den Spätherbft geftorben fein. Wem aber das Zeugniß einer Ur: 
funde den Ausfagen zweier Schriftfteller entgegeniteht, fo verdient 
die erftere den Vorzug — natürlid) vorausgefegt, daß fie ächt ift. 

Die in Rede ftehende Urkunde lautet ?: 

In nomine sancte et individue Trinitats. Kazimarus 
dei gratia dux Slavorum. Universis hoc scriptum inspectu- 
ris salutem in vero salutari. Que ab hominibus geruntur in 
tempore, ne in oblivionem cadant cum transitu temporali, 
scriptis autenticis et sigillorum munimine sunt confirmanda, 
ut ad posterorum noticiam evidentibus indiciis valeant perve- 
nire. Unde notum esse volumus tam presentibus quam futu- 
ris, quod nos virorum reverendorum Helmwigi abbatis et 
confratrum suorum devotis petitionibus inclinati, ob salutem 
nostre anime promerendam, contulimus ecclesie Ztolpensi 
clausuram piscationis in Lubin, quintam & latere maris, li- 
bertate perpetua possidendam, in subsidium congregationis 
sub regula beati Benedicti domino militantis. Cupientes etiam 
providere, ut hec nostra oblatio a nostris heredibus et ab 
aliis quibuslibet rata et inconvulsa jugiter habeatur, eam pre- 
senti scripto et sigilli nostri munimine duximus roborandam. 
Testes sunt hii. Dominus Conradus prepositus. Gerhardus, 
Ermfridus, canonici. Unima castellanus. Wicezlaus. Cetzlaus. 
et plures alii Caminenses. Datum in Camin, anno incar- 
nationis dominice millesimo 'centesimo octogesimo primo, 8°. 
Idus Junii. 

Der inhalt der Urkunde bietet Teinen Anhalt zur Verdächtigung, 
und zum Weberfluß fagt uns noch Giefebreht: „An der Richtigkeit 
diefer Angabe ift nicht zu zweifeln: die Originalurfunde im ftettiner 
Provinzialarchiv enthält die angegebene Jahrszahl mit Buchſtaben volf- 
ftändig ausgefchrieben, wie fie bei Dreger abgebrudt ift*. Wie Hilft 
fih nun Giefebrecht in diefem Dilemma? Freilich auf eine höchft 
überrafchende Weife. Er folgert nämlih: „Kafimir ift alfo in ber 
angegebnen Zeit nicht niit Tode abgegangen, fondern nur feinem 
Berbündeten abgeftorben“; und dem entiprechend fagt er im 
Zert: „Der Pommernherzog Kafimir ftarb plöglich, vielleicht im Ju⸗ 

2 Mendifche Gefchichten III, 263. 

2 Gebrudt 1) bei Treger Codex Pomeranise I. Nr. 17; 2) im Cod. 


Pomeraniae diplom. peraußg. v. Haſſelbach, Kojegarten und v. Medem. Greifs⸗ 
walb 1842. 4. 1, 119. 


8536 


lius 1180, ber Sache Heinrich bes Löwen ab u. f. w.“ Das Will 
führlihe und Gezwungne diefer Erklärung fpringt ohne Weiteres in 
die Augen. Auch der Verfaffer der Schrift über die lauterberger 
Chronik hat es gefühlt. Er meint daher: wenn man Giefebredjts 
Hypotheſe doch aufrecht erhalten wollte, jo müßte man annehmen, 
dag Arnold von Kübel und der pegauer Annaliit aus einer und ums 
befannten Quelle fchöpften und einen etwas unbeſtimmten, unverſtänd⸗ 
lihen Ausdrud, der jich nad) dem obigen Sinne deuten ließ, ungenau 
und fehlerhaft wiedergaben. Allein eine folche durch Nichts begrün⸗ 
dete Aushülfe iſt wol nicht viel minder unglücklich. 

Alfo bliebe Nichts übrig, als die zeitgenöfliichen und von ein 
ander völlig unabhängigen Zeugnifle Arnolds und des pegauer An- 
naliften zu verwerfen? Dazu konnte ih mich nicht verftchn. Ich 
wandte deßhalb meine Aufmerkjamfeit nochmals auf die unbequeme 
Urkunde, au deren Echtheit ich troß der entſchiedenen Verficherung 
Siefebrechts nicht zu glauben vermochte, und fuchte, da der Inhalt 
des Diplome unverdädjtig fchien, nad), ob aud) die Zeugenangaben 
zutreffend fein. Es gelang mir nur in Bezug auf einen der Zeu— 
gen eine Prüfung anzuftellen, diefe aber fiel nachtheilig aus. Ich 
meine den “Conradus prepositus’; denn aus einem auf Urkunden 
beruhenden Verzeichniß der camminer Prälaten ! erfahich, daß feit 1175 
als Domprobft Sifridus erjcheint und es bis 1185 bleibt, wo er Bir 
fchof wird, ein Conradus aber erjt von 1186 bis 1216 vorlonmt. 
Bon diejer Entdedung nahm ich Anlaß, mid) an den gelehrten Berf. 
gedachten Verzeichniſſes, den derzeitigen Provinzialarchivar von Pom⸗ 
mern, Herrn Dr. Klempin, der durch feine ſcharfſinnigen Unterfus 
chungen über die Lebensbefchreibungen Ottos von Banıberg fein kri⸗ 
tiſches Talent in fo vorzüglicher Weiſe befundet hat, brieflich zu wen⸗ 
den. ‘Derfelbe ertheilte mir in einem Schreiben aus Etettin den 23. 
Febr. 1860 in der freimdlichjten und umfafjendften Weile Auskunft 
auf meine Trage nach der Echtheit jener kaſimariſchen Urkunde. 


„Selbſt bei deu ſicherſten Original-Urkunden“, beginnt Herr Dr. 
Klempin, „darf die Hiftorifche Stritif nicht feiern. Es iſt befannt, daß 
viele echte Originale falfche Daten tragen. Ih will aus Pom— 
merfchen Urkunden nur eins anführen. Die Urkunde, worin Fürft 
Wizlaf das Teſtament jeines verjtorbenen Bruders Barnuta (7 c. 
1241) beſtätigt (Cod. Pom. Dipl. von Haſſelbach und Koſe— 
garten p. 83. — ih citire dieſen Goder ? licher als den von 
Dreger, weil Sie darin ein Facfimile unfrer Urkunde fowie ein fol 
ches Ihrer Urkunde von 1181 mitgetheilt finden) hat die Jahreszahl 
MCCIIL, obwohl fie erft nad) 1241 abgefaßt fein kann und alfo der 
Schreiber entweder die XL ausließ oder ftatt XLI nur III fette. 
Einen ähnlichen Schreibfehler find wir in der Etolper Urkunde (c. 


2 in: Klempin, Diplomatische Beiträge zur Geschichte Pommerns aus 
der Zeit Bogislafs X. Berlin 1859. S. 412. 
* Terfelbe wurde mir erft geraume Zeit nachher zugänglich. ' 


"887 


1. Nr. 192) anzımehmen genöthigt, weiche in bem vorhandenen Ori⸗ 
ginal da® Datum MOOXXXII Quarto Kalendas Februarii lieſt, 
aber wenn fie echt ift, und daran läßt bie Handfchrift kaum zweifeln, 
von MCCXXXII Quarto Kalendas Februarii fein muß, wie eine 
Vergleichung mit den beiden Stolper an diefem Qage zu Gammin 
ausgejtellten Urkunden (c. 1. Wr. 200 und 201) ergiebt, da fie deren com» 
binirte Zeugen enthält. Cine materielle Prüfung giebt, daß fie lediglich 
eine zweite und erweiterte Verfion der Urkunde Nr. 200 und alfo erft 
nach derfelben abgefaßt ift. Kin folches Verhältnig kommt häufig vor. 

Sie fehen alfo, daß die Urkunde von 1181 der Angabe des Ar- 
nold von vVübeck nicht abfolut entgegenfteht, auch wenn fie echt wäre. 

ierüber hege ich aber einige Zweifel. Die Stolper Urkunden von 

172 (l.c. Nr. 52), 1176 (l.c. Nr. 40), 1181 (l. c. Nr. 83) und 
1194 (1. c. Nr. 72) find gleicher Weife der Fälſchung verdädtig. — 
Die erfte ift nicht mehr im Original vorhanden. Dennoch Liegen 
mehrere Zeugnifje vor, daß das angebliche Original wirklich die Jah⸗ 
reszahl 1172 trug. Es wird darin aber der 1182 noch lebende Yta- 
tibor, Cohn Bogislaf I., als verjtorben genannt. Darum glauben die 
Herausgeber Kofegarten und Haſſelbach Alles gethan zu haben, wenn 
fie die falfche Jahreszahl 1172 in 1182 abändern. Indeß find nod) 
andre materielle und formelle Gründe, welche dem entgegenjtehen und 
fih mit dem Jahr 1182 ebenjowenig als mit 1172 vereinigen lajjen. 
Ich glaube hier diefe Gründe übergehn zu können, da Cie ſich hier 
nur für die Urkunde von 1181 interefliren, obgleich der Nachweis 
der einen Fälſchung den der andern erleichtert. 

Die andern 3 Urkunden find in den angeblichen Originalen vor« 
handen. Bon den beiden erjten derfelben finden Sie ein Facſimile der 
Handſchrift bei Haſſelbach nnd Kofegarten. Alt ift fie. Ich halte 
fie aber ungeführ aus der Zeit von 1230—50. Für 1176 und 1181 
ift fie zu zierlich und gut und entfpricdht den andern Schriftproben 
Pommerfcher Schreiber des 12. Jahrhunderts nicht. Charakteriſtiſch 
für fie ift das jtehende Furze s am Ende der Wörter, aud) das ger 
ſchwänzte m, r und j. Das 12, Jahrhundert liebte das lange ſ am 
"Ende der Wörter ebenfo als in der Mitte. Nur in einer Urkunde 
von 1219, deren Echtheit ich nicht anzweifeln kann, finde ich das 
kurze Schluß-s fehon regelrecht durchgeführt, fonjt alternirt bis nad) 
1233 noch das f mit dem s. Grit feit dieier Zeit ift der Gebraud) 
ftehend. Die Unechtheit der Urkunde von 1194 ift aus materiellen 
und formellen Gründen am leichteften nachzuweifen. Die Schrift, eine 
Heincre Diinuffel als die der Urkunden von 1176 und 1181, aber 
eine feite, gewandte und ausgefchriebene Hand, möchte ungefähr aus 
derjelben Zeit wie jene ftammen. Die Urkunde von 1176 ftößt in 
Form und Inhalt nirgends an mit Ausnahme des Zeugen Cedzlaus, 
der aud) in den Urkunden von 1181 und 1194 vorkommt. 

Ihre Urkunde von 1181 bietet nun dem Anhalt wach feinen 
Anſtoß, dagegen in der Form, daß die Jahreszahl mit Worten aus- 
geichrieben ijt. Etwas ganz ungewöhnliches für diefe Zeit. Ferner 


388 


die Zeugen: Conradus praepositus.....!. Der Canonicus Ges 
rardus bietet feinen Anſtoß. &r kommt al8 folcher auch fchon 1176 
(Nr. 39) vor. Der Canonicus Ermfridus erfcheint fonft nirgends, 
als nur in diefer und der Stolper Urkunde von 1194 (Nr.72). Unima 
castellanus Camin. ift ſicher. Vor ihm war es (vielleicht fein Va⸗ 
ter) Zauift 1168—1176; feitdem Unima bi8 1208. Deffn Sohn 
war Zetizlaus N Zecizlaus, Zetlaus) Unimiz, und erfcheint 
1220 (Nr. 130) und mit feinem Sohn Stoyslaus zufammen 1227 
(Nr. 164. 165). Zetizlaus fcheint nicht, wie fein Vater Unima, die 
Gaftellanwürde von Cammin bekleidet zu haben. Nichts deſto weni» 
ger war er dafelbit ein Mann von hoher Bedeutung. Er hatte dort 
auf eigne Koften die Egidien-Kirche errichtet, welche nad) feinem Tode 
(c. 1228. Die Urkunde Nr. 277 ift undatirt, Tann allen Umjtänden 
nad) aber nur aus dem Jahr 1228 fein) Sohn Stoyslaf (heres 
Zetislauicus, heres ecclesie s. Egidii in Cammin) zur Gründung 
eines Dominifanerflofters bergab. Stoyslaf jelbjt war 1228 trıbu- 
nus in Cammin und 1233— 44 castellanus Caminensis. 
Hiernach ift einleuchtend, daß Zetizlaus nicht gut fchon 1176 
und 1181 oder wie 1194 vor feinen Water Unima als Zeuge zu⸗ 
gezogen fein fan. Der Zeuge Wicezlaus oder Wizlaus, der in Ih⸗ 
rer wie in den andern verdädjtigen Stolper Urkunden ebenfalls erfcheint, 
ift entweder Wizlaus Nemistiz, d. h. Cohn des Nemiz oder Nemis, 
welcher 1219 dem Kloſter Stolp für das feinem Verwandten Nyclon 
daſelbſt geftattete Begräbniß den Ader Duelciko oder Dulcikow (Nr. 
127) fchenfte (eine Urkunde welche nebenbei in fachlicher Hinficht die 
Ir. 72 vom Jahr 1194 aufs Höchſte verdächtigt) und der 1226 Ka- 
jtellan von Wollin war, oder Wiceslaus (Wizlaus) Wotimiz, d. h. 
Eohn des Wotim, der Stammpater des Geſchlechts derer von Uſe⸗ 
dom, welcher 1233-- 43 erfcheint und zur Kaftellanei Uſedom gehörte. 
Beide werden aber in allen ältern unverbäcdhtigen Urfunden nicht ge 
nannt. Es ift num gerade eine Eigenheit der falfchen Urkunden, daß 
fie, fo fchlau fie auch die ältere Form nachzuahmen fuchen und in 
der Regel aud) ältere Urkunden copiren, dod) Zeugen zuſammenbrin⸗ 
gen, welche der Zeit nad) nicht zu einander paſſen. Die Urkunde 
von 1194 (n. 72) giebt hiervon ein noch viel auffallenderes Beiſpiel. 
Sie führt als den eriten der Camminer nobiles den Getlaus 
auf, dann den Johannes Nantkouiz, der gar nicht nad) Cammin ge⸗ 
hört, fondern ein ‘Demminer nobilis war, 1214 (Nr. 100) zuerſt ers 
fcheint, 1216 dapifer des zu Demmin refidirenden Herzogs Kaſi⸗ 
mar II. war, 1226 dapifer bei dejjen Wittwe Ingerdis und dam 
von 1230—39 baffelbe Amt bei Kafimar II. Sohn, Wartislaf ILL 
bekleidete. Dann nennt fie den Vater des Zchlaus Unima, endlich 
den Wizlaus. Unter den Demminer nobiles hat die erjte Stelle 
Rochillus, der 1215—1226 Kaftellan vou Demmin war. Er ers 
Icheint zwar angeblich ſchon 1208 (Nr. 87) aber biefe Urkunde ift 


2 Folgt bie Angabe bie ih ſchon oben S. 336 über ihn gemacht. 


839 


nicht datirt, umd die Herausgeber, weldye ihr das Jahr 1208 antwie- 
fen, haben bie Umftände nicht genügend beachtet. Sie ift frühftens 
aus den Jahre 1215, währfcheiniih 1218. Dann flihrt die Urkunde 
von 1194 den ‘Johannes Dirskoiz auf, d. h. Dirsiko's Sohn. Dir 
jilo war 1168—1175 Staftellan von Demmin. Sein Sohn Johannes 
erfcheint ſchon 1175 (Hlius Dirsiconis Nr. 387) war 1179 (Nr. 29, 
welche das falfche Datum 1170 hat) ebenfalls castellanus Diminen- 
sis, und wird als folder noch 1188 (Nr. 65) und 1189 (Nr. 66) 
aufgeführt. Später erfcheint er nicht mehr. Zwiſchen Johannes 
Dirskoiz und NRocillus, dem Sohn des Mirograf (Miyrgnew), war 
Nacimar, der Stammvater des Gefchlechts derer von Nazmer, Ka⸗ 
ftellan von Denmmin 1208. Sowie die Urfunde von 1194 den Ro⸗ 
chillus alfo zu früh, fo hat fie den Johannes Dirskviz zu fpät her- 
beigezogen, jedenfalls würde ihre Stellung unter den Zeugen, ebenfo 
wie bei Cetzlaus und Unima, ımigefehrt fein müffen. Zlammarus 
tommt c. 1212 (Nr. 94) vor“. — 


Nach diefer erichöpfenden Auseinanderfeßung feheint es mir ım- 
bedenflidh, ohne weitere Rückſicht auf bie vermeintliche Originalurfunde 
Herzog Kafimare den angefochtnen Berichten der früher genannten 
Zuellenfhriftjteller ihr gutes Necht angedeihen zu laffen. 

Ich darf aber nicht verfchweigen, dag nun dod) noch nicht alle 
Schwierigkeiten gehoben find. Gin dem Anfchein nach gar gewidhtis 
tiger Zeuge tritt ums in dem däniſchen Gefchichtfchreiber Saxo 
entgegen. Derſelbe berichtet ' von Kaiſer Friderich: Qui dum op- 
pidum Lubecum (Sommer 1181) obsidere coepisset, Bogisz- 
avique et Kazimari fratrum vires admodum 
suspectas haberet, utrique se potentiae et claritatis 
incrementa daturum, subornata legatione, promittit, provincias, 
quas hactenus obscure et sine honorum insignibus gesserint, 
satraparum nomine recepturis. Jucunda caesaris toties ab 
Henrico laesis promissio extitit, non intelligentibus, sibi sub 
specie beneficii deforme servitutis jugum intendi. Und etwas 
weiter hin?: Quo tempore Sclavorum, ad ipsum regiae clas- 
sis metu navigiis progredi non audentium, legatis receptis, di- 
luculo navigium regis, parvo militum numero comitante, ejus- 
dem cymba advectus, cunctis inopinatus ascendit. Igitur 
rege exercitus sui primores participandi colloquii gratia con- 
trahente, solum Rugiae principem Jarimarum, quem pridie 
compluribus venerationis ofhiciis, insuper regio nomine adula- 
tus fuerat, quod eum Danis perquam fidum non — 
vocari passus non est. Habere deinde se dixit, quod ad re- 
gem secreto referre cupiat, quem ob futurum mutui sanguinis 
contractum non amicum modo, verum etiam unanimem habeat. 
Sclavos siquidem enervandi gratia Henrici a se promissioni- 


2 ed. Müller et Velschow p. 948 ff. 
2 0.008. 951 ff. 


840 


bus allectos esse, quas, eodem expugnato, minime exequi ve- 
lit, memor, quid olim sibi de subigenda Slavia pollicitus fue- 
rit. Orare deinde, patiatur se eam al praesens sui imuneris 
facere, binis fratribus geminae praefecturae titulo speciosius 
quam diuturnius tribuendam. Eandem quippe se ei, profli- 
gato Henrico, subjicere curaturum- Ännuente rege, 
posteroque die concionem petente, Bogiszlavum 
et Kazimarum, datis solemniter aquilis, Sla viae 
duces appelllat, veterem atque haereditariam patriae li- 
bertatem vanis atque fucosis dignitatum nominibus venditan- 
tes. Qui si scissent, quanto oneri se exigui panni receptione 
substernerent, mortem beneficio praetulissent, aut privati in 
omne vitae tempus degere maluissent. Sic sub honoris specie 
avissimis dedecoris probris implicati discedunt, servitutem 
alsis dignitatum insignibus coloratam in patriam referentes. 
Alfo wäre Kafimar noch im Sommer 1181 zu Lübeck vor Kai: 
fer Friderich erjhienen und fomit das Ergebniß der obenangefteliten 
Unterfucdjung ein unrichtiges? Ich denke: nicht. Man muß beachten, 
dag die ganze Darjtellung Saro’8 vom Zuge bes Kaiſers gegen 
Dei den Löwen von Irrthümern erfüllt, ja fogar von 
endenzlügen nicht frei if. Es ift das Verdienjt bes jet 
verewigten Dahlmanı !, die Berichte Saro’8 mit unbefangenem Blicke 
geprüft und auf feine aud) grade Hier abſichtliche Entjtelfung ber 
Wahrheit aufmerkſam gemacht zu haben *. Daß, aud) davon abgefe: 
ben, eine Dienge irriger Angaben vorliegen, hat ſchon der neufte Her⸗ 
ausgeber Zaro’8 furz erwähnt und hinzugefügt, man müffe feine Er⸗ 
zählung aus Arnold von Lübeck und andern ‘scriptores harum re- 
rum peritiores’ verbejjern. Der Herausgeber gedenkt auch der Saro's 
Ausfage entgegenjtehenden Nachricht, dag Kaſimar 1180 geftorben fei 
und daß einige Neuere ‘Saxonem hic errasse perhibent. ‘N ec 
equidem hoc praefracte negaverim), fett er hinzu, allein, 
da aus der bewußten Urkunde hervorgehe, daß Kaſimar 1181 nod 
am eben war 3, fo werde man dein Zeugniffe Arnold nur joviel 
einräumen fünnen, daß Kafimar durch Krankheit oder einen andern 


ı Seh. v. Dännemark I, 304 und 307. Die Ann. ryenses (Mon. 
SS. XVI, 404) haben Saro’3 Bericht benutzt; vgl. Ufünger die dän. Ann. und 
Ehron. d. MA. Hannover 1861, ©. 75. 

eNeuerdings bat fich übrigens gnezeint, daß Saro auch hinfichtlich ber 
Art, wie er fchriftlihe Quellen nachweisbar benußt bat, nit eben Vertrauen 
erwedt. „Saro, feben wir, verführt mit großer Freiheit, um nicht zu fagen 
Willkür, mit feiner Quelle, Täßt weg und führt aus, wie es ibm behagt; er 
verwifcht ben urfprünglichen Charakter der Ueberlieferung, er bat fie vielleicht 
mitunter geradezu mißverftanden und dann einen folchen Irrthum ſelbſt nur 
weiter audgefhmüdt“. Cine ungebrudte Lebensbefchreibung des Herzogs Knud 
Lamwarb von Schleswig, berausg. v. G. Wait. Göttingen 1858. ©. 17. 

=D. 5. am 6. Juni. Daraus würde, auch mern bie Urkunde echt wäre, 
dichts folgen; denn die Belagerung Lübed3 begann erft im Juli. Er Fönufe 
aljo immer inzwifchen geftorben fein. 


s41 


Grund verhindert worden fei, fich im Laiferlichen Lager einzufinden ’. 
Dod zu einer fo halben Schlußfolgerung fcheint uns fein Anlaß zu 
fein?. Nur das ift an Arnold auszufegen, daß er feinen Stoff mit- 
unter fchlecht ordnet. So hat er hier jchon beim Jahre 1180, wo 
er den Tod Kafimars erzählt, Binzugefügt, daß deifen Bruder Bo⸗ 
gislaf dem Kaifer ‘hominium et tributa persolvit’, während er 
dies ie bei dem Bericht über die Belagerung Lübecks hätte einfli- 
gen follen. 

Wenn fomit, wie ich Hoffe, genügend dargethan ift, daß das 
Wbleben Herzog Kafimars in den Spätherbft des Jahres 1180 zu 
fegßen ift, fo wäre nur noch die Trage zu erledigen, auf welde 
Weife der oftgenannte Bommernfürft fein Ende gefunden hat. ‘Da 
muß ich denn einer merkwürdigen Stelle der repgowfchen Chronik 
gedenken. Am Schluſſe ihres Abjchnittes über Friderich I. fügt fie 
ein dürres Namensverzeichnig der Päbſte von Alerander III. bis auf 
—— bei und bringt dann noch die folgende Notiz nachge⸗ 

eppt ”. | 

Bi des selven keiser Vrederiches ziden streit de marc- 

eve Otte van Brandenbörg weder her Bogezlawen van 
emin, da worden de Wenede segelois, da wart erslagen 
her Kazemer inde her Borc in der Wenede vele. 

Auf diefe Stelle hin, welche fie übrigens nur in der Tateinifchen 
Ueberfegung kannten, fagen die Herausgeber des ponmnerfchen Urkun- 
benbuches *: „Die Markgrafen von Brandenburg fuchten das grobi⸗ 
fche Land zu erobern, und gegen fie fämpfend fiel Cafimir I. 
wie es fcheint anno 82“. Was nım die Zeit von Kafimars Ab: 
(eben betrifft, fo glaube ich fie im Vorhergehenden feftgejtellt zu ha⸗ 
ben: wenn alfo die Erzählung der repgowſchen Chronik richtig ift, 
fo muß das, was fie meldet, im Spätherbft 1180 vorgefallen fein. 
Ich beitreite aber die ganze Nachricht und zwar aus folgenden 
Gründen: 

1) weil Herzog Bogislaf, wo er in Urkunden vom Tode feines 


ı Sn ähnlicher Weife äußert ſich Barthold (Gef. von Pommern und Rü: 
gen TI, 259): „Rafimar lebte damald noch, war aber, einen andern Wen als 
der Bruder verjolgend nicht gegenwärtig bei Lübed, ungeachtet auch auf ihn 
die Neichäfreiheit übertragen wurde”. 

8° Kine andre von Barthold (a. a. DO.) ala Beweismittel benußte Stelle, 
in der Saro (S. 967) beim Jahre 1183 von Bogislaf fagt, daß ihn ‘nuper 
Cazimari fratris decedentis orbitas heredem eflecerat’ ift ganz uner: 
heblich; denn entweder ift das nuper wörtlid zu nebmen ald „vor kurzem”, 
dann müßte man Kaſimars Tod ing 3. 1183 fepen, was nicht angeht, ba er, 
urfundlih ſchon 1182 als verftorben bezeichnet wirb (f. die folg. S. Anm. 1) 
oder es ift in weiterer Bebeutung zu saften, und dann iſt es ebenfo gut aufs 
Jahr 1180 zu beziehen. 

5 Ausg. v. Maßmann S. 439, v. Schöne ©. 74. 

* Den !herBore’ halten fie für dem Ahnherrn des ponmerfchen Adels: 
gefhteht3 herer v. Bork, vieleicht mit Recht, S. 76 u. 123. Vgl. Bartholb 
a a. D. 2. 


23 


342 


Bruders fpricht, fich fo ausdrlidt 1: processu vero temporis, cum 
jam carissimus frater meus viam universe carnis egres 
sus fuisset, und: frater meus, ante quam ..... rebus est 
humanis exemptus, und er ſchwerlich fo gefagt Haben würde, 
wenn Kaſimar in der Schlacht gefallen wäre. 

2) weil feine einzige Quelle fonft etwas davon weiß, da 
Markgraf Otto von Brandenburg im SYahre 1180 einen fiegreichen 
Zug gegen die Pommern unternommen habe. 

3) weil die Zeugniffe Arnolds von Lübeck und des pegauer An- 
naliften entgegenftehn. Jener fagt einfach: “mortuus est’, biejer 
‘repentina morte obiit’, beide jtimmen alfo darin überein, daß 
Kafimar eines natürlichen Todes geftorben ift. Namentlich aber 
der Annalift von Pegau würde es wol erwähnt haben, wenn ber Pom⸗ 
mernherzog im Kampfe mit dem Brandenburger gefallen wäre, ba 
grade in der Zeit des Abtes Radeboto (1168 bis 1181 Febr. 5) 
das Klofter zu Markgraf Otto I. in nähern Beziehungen ftanb ® 
und Abt Sffelin mit diefem im Novbr. 1181 an des Kaifers Hoflager 
zufammentraf, alfo gewiß im Stande war, ſich gut zu unterrichten. 

Wie foll man fi) dann aber die angeführte Stelle der repgow⸗ 
chen Chronif erklären? Läßt fich denken, daß ein wahrheitsliebender 
und aus guten Quellen fchöpfender, fonjt fo glaubwilrdiger Schrift 
fteller, wie der BVerfaffer der erwähnten Chronik, jene Nachricht rein 
aus der Luft gegriffen habe? Schwerlich. Wo werden wir aber die 
Grundlage feines Berichtes zu fuchen haben? Ich vermag nur Fol- 
gendes darauf zu antworten. 

Der Ehronift hat, wie mic, ditnft, verfchiedne Ereigniſſe mit 
einander vermengt. Er fcheint zunächft den Kriegszug im Auge ge 
habt zu haben, welchen Heinrich ber Löwe mit Markgraf Dtto I. 
von Brandenburg im Jahre 1177 gegen Demmin unternahm, der 
aber damit endete, daß beide Fürften nach längerer Zeit die Belage- 
rung wieder aufhoben und mit Geißeln, die fie erhalten, abzogen *. 


2 Cod. dipl. N. 50 u. 58 ©. 122 u. 136; fonft nur ‘beate memorie”. 

2 Anon. de fundator. et benefactorib. eccles. pegav. bei Diende 
Script. IT, 104. 

5 Die Urkunde Friderichs für Pegau gegeben in Altenburg am 13. Novb. 
1181 bei Bühmer Reg. 2637. — Markgraf Otto erfcheint von Det. bis 
Dech. 1181 als Zeuge in Faiferl. Urkunden: am 9. Oct. zu Altenburg (Böh— 
mer 2628 u. 29 bei 1180, fie gehören aber ben Zeugen nach zu 1181), zu 
Erfurt am 16. Novb. (16 Kal. Dech.; Böhmer 2641 hat irrig den 17. 
Decb. — Böhmer bemerkt: „Nach den Zeugen gehört dieſe Urkunde bierber, ob: 
gleich die Daten mehr für 1180 ſprechen“. Aber auch das ift nicht einmal 
ber Zal. Tas Jahr der Indiction (XIV) und be imperlum (XXVIl) ge 
hören zu 1181 und nur die XXIX des regnum würde zu 1180 paffen. 
Ohne Grund greift daher Potthaſt in feiner Ausgabe der Chronik Heinrich? 
von Herford. Göttingen 1860. S. 160 n. 14 Böhmers Datierung an). Sonft 
erf&heint Otto noch am 22, Novb. (10 Kal. Decb. Böhmer 2642 irrig 3. 
23 Deck.) u. am 1. Dechr. (Böhmer 2640). 

* Arnold II, 4. — Pöhlder Ann. 1177 (Mon. 88. XVI, 94). — Peg. 
Ann. 1177 (ebend. 261), — Saxo ©. 921. 


Das war alfo ein ganz anderes Refultat, als in ber Ehronif dem 
Zuge Ottos nachgerühmt wird. Wenn man num bedenkt, da zu 
Anfang des 13. Jahrhunderts in Pommern wieder ein Kaſimar in 
und Bogislaf (II.) und in Brandenburg wieder ein Otto (IL 
herrichten, daß dieſer Otto und fein Bruder Albrecht in beftändigem 
Kampfe mit den Pommern lagen !, und daß über den Tod Kaſimar 
DI. (f e. 1219) jede authentiſche Nachricht mangelt ?, fo kommt 
man auf die Vermuthung, daß vielleicht Kafimar II. in einem jener 
märkiſch⸗ pommerſchen Kämpfe fiel und der Verfaffer der Chronik, 
weldher um 1230 ſchrieb, die Unternehmung von 1177 mit jener 
pätern zufammenmwarf >. 


2, Die Belagerung und Mebergabe von Segeberg. 


Durh Mißtrauen und Undank entfrembdete fich Heinrich der 
Löwe den Grafen Adolf von Holftei zu einer Zeit, wo er ergebner 
Freunde fo fehr bedurft hätte. Als Adolf abgefallen war, zog ber 

erzog über die Elbe und nahm Holftein in Beſitz. Nur die Ye 
tung Segeberg leiftete den ganzen Sommer (1180) über Widerftand 
und ergab fich erft um Michaelis +. Es follen nun die Berichte 
darüber mit einander verglichen werben, was um fo fchneller von 
Statten gehn wird, da wir deren nur zwei haben. Wieder verdan- 
fen wir fie dem Abte Arnold von Lübe und dem Annaliften des 
Klofters Pegau. 

Arnold 3 erzählt: Dux autem ut agnovit, quia defecisset 
ab eo, occupavit omnem terram ejus trans Albiam et ex- 
pugnayit castrum Plune, et ejectis hominibus suis, collocavit 
ülic Marcradum praefectum Holsatorum. Castrum autem Si- 
geberg, quia inexpugnabile erat, diutina illud obsidione ex- 
pugnabat per Bernhardum comitem de Raceburg, quod mater 
comitis domina Machthildis constanter tenebat. Exsiccat. 
autem cisterna sitierunt hi qui in castello erant et arebant 
fauces eorum propter siccitatem sitis, et necessitate compulsi 


ı Barthold a. a. O. u, 317. 333. 337. 

2 (Sbend. 352. — Cod. Pomer. I, 294—95; vgl: 287. 

5 Daß die im Vorftehenden erörterte Notiz nicht einer fremden Quelle 
entlehnt fonbern ein von dem Ehroniften ſelbſt herrührender Zufag ift, möchte 
man daraus ſchließen, daß fie nicht in Zufammenhang mit ben übrigen Gr: 
eigniffen aus Friderich I. Zeit, fordern abgejondert ganz zuleßt gebracht wirb. 
Dabei ift e3 vieleicht nicht ganz bedeutungslos, bag in manchen Handfchriften, 
wie 3. B. in ber bisher für die älteſte geltenden berliner, das Wort selven 
vor keiser fehlt (Makmanı a. a. O.). Es würbe übrigens Nichts daran än⸗ 
dern, wenn — was bis zum Erſcheinen ber Chronik in ben Monum. Germ. 
dahin geftellt bleiben mug — Schöne's Glaffification richtig fein follte, denn 
unter den Hanbfchriften, welche selven nicht haben, find alle von Schöne unz 
“ terfchiedenen Glaffen vertreten. 

+ —F oben ©. 333. 

’ . 


s ı 


23 * 


844 


sub conditione pacis castrum dederunt. Et praefecit ei dux 
Lupoldum quendam natione Bavarım, viram prudentem et 
strenuum. omina vero Machthildis cum suis abiit Sco- 
wen . 

Nach Arnold alſo befegte Heinrich der Lowe all fein (des Gra⸗ 
fen) Land jenfeits der Elbe, erjtürmte das Schloß Plön, warf bie 
Beſatzung hinaus und feste Markrad Hin. Darauf — fo verftehe 
ih das Folgende — 308 Heinrich) vor Segeberg, um es ebenfalls 
mit Sturm zu nehmen; weil dies aber nicht gelang, fo bielt er fi 
nicht weiter damit auf, fondern befahl dem Grafen Bernhard von 
Ratzeburg die Belagerung zu leiten, welche nım auch in ber That fehr 
langwierig war. Ich glaube, daß fich diefe Erklärung ganz unge 
zwungen aus Arnolde Worten ergiebt. Segeberg war ſchon durch 
feine natürliche Lage fehr gut geſchützt, deßhalb hatte einſt Vicelin 
den Kaifer Lothar auf diefen ‘mons aptus’ aufmerffan gemadt '. 
Die Erfahrung, welche Heinrich der Löwe 1180 machte, veranlafte 
ihn im ‘jahre 1189 wahrfcheinlihh, Segeberg ebenfalls durch Lange 
Belagerung und den dadurch erzeugten Mangel an Lebensmitteln zur 
Uebergabe zu bringen ?. Damals freilich gelang es nicht, weil andre 
Sreignifje eintraten. — 

In den pegauer Annalen ? heißt e8: Item dux congregato 
exercitu obsedit Sigeberg urbem Adolfi comitis; et cum nil 
proficeret, pace falsa pollicita dolo eam optinuit, et quibus 
pacem jurari fecerat, eos captivos detinuit. — Ä 

Zergliedern wir num diefen Bericht, fo erhalten wir bie einzel. 
nen Ausſagen, wie folgt: 

1) Heinrich der Löwe fchliegt Segeberg ein. 

2) Er richtet nichts aus, d. h. er erobert es nicht. 

3) Er bringt es in feine Gewalt durch andre Mittel, und zwar 
verfährt er dabei unredlich. 

Mit den erften beiden Angaben ſtimm— Arnolds Erzählung alfo 
überein: wie ift e8 aber mit der dritten ? 

Der pegauer Annalift erwähnt den Grafen von Ratzeburg nicht, 
und fo wird man ihm leicht im erjten Augenblid die Meinung ım« 
terichieben, daß Herzog Heinrich perſönlich Segeberg zur Webergabe 
nöthigte. Allein in Wahrheit hat er das nicht gejagt. Am aller: 
wenigften dann, wenn Opels Anficht richtig wäre: nach diefer näm- 
fi) kann die Lift keine andre gewefen fein, als daß der Belagerer 
vorgegeben habe, er fei auch von Heinrich dem Löwen abgefallen. 
Dann aber muß man fich als den Steger einen andern als den Her 
zog denfen, oder der Annalift hat Unfinn gefchrieben, wie Opel an⸗ 
nimmt. Indeſſen erfcheint jener Annalift durchaus nicht als ein 
Mann, der offenbaren Unfinn ſchriebe. Doch ift überhaupt die Art, 


ı Selmolb I, DB. j 
2 MHist. Godescaleci bei Leibnitz SS. rer. brunsv. I, 870. 
3 Mon. Germ. 88. XVI, 264. 


345 


in der Opel das “dolus’ erläutert, anzufechten. Wie mir fcheint, 
ift nicht zweifelhaft, was der Annalift unter “dolus’ verftand: das 
Verſprechen freien Abzugs und zwar das falfche Verſprechen, da es 
nicht gehalten worden fe. Das Ppacem jurari fecerat’ beutet 
eber darauf hin‘, daß der Herzog nicht jelbft mehr vor Segeberg lag 
al8 auf das Gegentheil, aber auch wenn da ftände, daß Heinrich 
felbjt da8 Verfprechen gegeben, würde daraus noch nicht folgen, daß 
er ſich damals noch vor der Feſtung aufhielt. Bei der Uebergabe 
aber muß man Urſache und Bedingung unterſcheiden. Die Urſache 
war — wie Arnold meldet — der Mangel an Trinkwaſſer. Das 
war dem Annaliſten unbekannt. Dagegen bezeichnet er uns als Be⸗ 
dingung der Uebergabe die Erlaubniß freien Abzugs für die Befa- 
gung und gewiß mit Recht; denn Arnold meldet unmittelbar darauf, 
daß Graf Abolfs Mutter mit den Ihren abgezogen fei. Der An- 
nalift freilich glaubte, Heinrich der Löwe habe die Belagerten dem 
befchwornen Vertrage zuwider zurüdgehalten. Und dies ift der ein- 
zige Punkt, Hinfichtlich deffen unfer fonft gut unterrichteter Gewährs⸗ 
mann fich im Irrthume befand. Dean wird dies nicht fo hoch an- 
fchlagen, wenn man die Entfernung des Kriegsfchauplates von feinem 
Klofter fowie den Umftand berücfichtigt, daß die betreffende Stelle 
wahrſcheinlich nicht gar lange nach den Ereigniſſen gefchrieben ift. 
Soviel wenigftens wird aus der hier angeftellten Unterſuchung her⸗ 
vorgegangen fein, daß man den pegauer Bericht über die Belagerung 
und Webergabe von Segeberg nicht als eine „durchaus falfche Mit⸗ 
theilung “ bezeichnen darf !. — Arnold von Lübeck, welcher etwa 
zwanzig Jahre fpäter fchrieb, konnte über diefe Vorfälle um fo beffer 
unterrichtet fein, als er ſehr bequem in feiner nächiten Umgebung 
von einem Manne Auskunft zu erhalten vermochte, der wahrfchein- 
lich während jener Belagerung in Segeberg felbft verweiltee Es war 
dies Diterich, feit 1186 Bifchof von Lübeck?, der früher Probſt zu 
Segeberg und Zeven war. 


2 GBiefebreht Wendiſche Gef. III, 264 f. fucht Arnold8 und bed An: 
naliften Nachrichten willfürlih zu verbinden und bringt dadurch etwas Ber: 
Tehrtes heraus. Cr läßt die Gräfin Mathilde frei abziehn, aber die Beſatzung 
gefangen bleiben, wovon doch Arnold Nichts fagt. Die „Lift” erflärt Giefe: 
recht ebenfo wie Opel. 
2 II, 14, 


— — — nn — —— 


Aufenthaltsorte K. Maximilians I. feit 
feiner Alleinherrichaft 1493 bie zu feinem 
Zode 1519. 


Von 


Chriſtoph Fried. Stälin. 


Die Sorgfalt, welche den Raiferfahrten des Mittelalters durch Böh- 
mer, Chmel, Aſchbach, und denen K. Ferdinands 1. durch Gevay zu- 
gewendet wurde, dürfte dem K. Marimilian I., welcher in einer fo 
denfwürbigen Uebergangszeit herrfchte umd für deſſen Gefchichte die 
Ausmittlung feiner Reifebahnen ein umnentbehrliches Hilfsmittel ift, 
auch einmal zu Gute kommen. Die genaue Feitftellung bes jewei⸗ 
figen Aufenthalts dieſes Kaifers Tann freilich nicht plöglich in voll» 
ftändiger Ausrüftung — glei der Diinerva aus Yupiters Haupt — 
ins Leben treten. 

Eigenthümliche Schwierigfeit bereitet hiebei ber Umstand, daß 
die Neichstage, das Negiment in Insbruck, überhaupt verfchiedene Bes 
hörder an betreffenden Orten unter 8. Maximilians Namen urkun⸗ 
deten, diefer Kaifer mochte ſich aufhalten, wo er wollte. 

In fo ferne fich überhaupt zur folgenden Zufammenftellung leicht Nach⸗ 
träge ergeben werden nnd vielleicht da8 hier Gebotene einige Kraft ber 
Anziehung von weiteren Beiträgen, um welche hiemit gebeten wird, bes 
figt, jo wird die Bequemlichkeit der Zeitfchrift beugt werden, um 
Ergänzungen befannt zu maden und ſomit diefes Itinerar je mehr 
und mehr zu vervollftändigen. 

Nicht umhin kann ich jett fehon die große Bereitwilligkeit zu 
rühmen, womit der verft. Ardiv- Director von Rudhart in München 
mit Hilfe der dortigen Archivbeamten durch Auszüge aus ımgedrudten 
Schreiben, der Cuſtos Bergmam in Wien durch Aufzeichnungen aus 
dem handfchriftlichen Gedenkbuch K. Marimilians, ber Profeffor 
Pauli in Tübingen durch Notizen aus dem Archiv (Public Record 
Office) und dem britifchen Mufeum in London und der Profeffor 
Sickel in Wien durch Mittheilungen aus dem Mailänder Archiv di 
San Fedele mid) unterftügten. Sehr verpflichtet bin ich dem Euftos 
der kaiſerl. Hofbibliothel in Wien, Birk, welcher — ſelbſt mit K. 
Maximilian für bie Monumenta Habsburgica beſchäftigt — mich 
aufopfernd durch äußert reiche Beiträge, wie ſolche mit feinem Na⸗ 
men bezeichnet find, erfreute. 

Bei den im Folgenden beigefegten Belegftellen gilt die erfte für 
den erften angeführten Aufenthaltstag, die zweite für den 
(Hie m da wurden in Klammern auch Belege für die Zwilchenzeit 
eingefügt). 


Um Raum zu ſparen wurden felgende Zeichen unb Atlürrzımgen gebrandt 


Ter Gtem * vor bem Menatbtan bebaut Antınft 8. Merimiktens, bu 

Kreuz T nah dem Monatstag beflen Abreife. 

Unzhelm — Anshelm's genannt Rüb Berner:Chrmil. WE. 1—6. Bm 
183—33. 

Arehivio — Arechivio storico Italiano. T. 7, parte 2. Firenze 1844. 

Besold = Besold Documenta rediriva monasteriorum Wirtenb. Tubingse 1636. 

Brandis = nr. —— ie Geichichte ber Landeshauptlente von TyrelL Inn 

1850. 

Chmel — Urkunden, Briefe und Actenftüde zur Sei. Marinsiliand I um 
feiner Zeit. 5. v. Chmel. Stuttg. 1845, im ber Biblothel 
bes lit. Bereind. Bd. 10. 

Cuspinianus = Tabus Cuſpinians, in Fontes rerum Austriacarum Al. 


Datt = Datt de pace imperlf publica. Ulmae 1698. 
Fels = Fels erfier Bantrag zu ber deutſchen Reichktagſs⸗Geſchichte. Ang 
urg . 


Fẽrſtemann = Mittbeilungn aus bem Gebiet Hifl. antig. Forfchungen, 5. 
v. Förſtemann 9b. 4, Hit. 4. 

Fugger — Fugger Epiegel der Ehren bed Erzhauſes Defterreich durch Birken 
Yürnb. 1688. 


Gassaras == Gassarus Annales . . Augsibargenses, in Menckenä Seript. 1, 
1316— 1954. 

Gedenkbuch — Gedenkbuch K. Marimiliand im Et. hy gehe 
(früher k. 8. Soffammerardjir) in Bien. (Es find zwei für das 
Itinerar braubbare Bände unter den neunzebn der noch er: 
baltenen Kanzleitücher bes 8. Marimilien L) 

Gemeiner = Gemeiner ber Regendburgifchen Chronif 4 Bd. Regenäburg 1824 

Häberlin = Häberlin die allgemeine Welthiſtorie. Reue Hiflorie. Bd. 7. 9. 
10 Halle 1770-1172. 

Harpprecht S Harppredt Staats-Archiv bed Kayſ.... Kanmrergerichts. 
Thl. 2. 3. Ulm 1758. 1759. 

Henne == Henne Histoire du r&gne de Charles V. en Belgique. 1—10. Br» 
xelles et Leipz. 1858 — 60. 

Herberger = Herberger Eonrab Peutinger in ſ. Berbältnifie zum 8. Marimi: 
lin, im Jahresbericht des hiſt. Kreis-Vereins für Schwaben u 
Neuburg f. 1849 u. 1850 ©. 29 —72. 

Herberſtein = v. Herberftein ‚Serotbiograpbie, in Fontes rerum Austriacerum 
Abtb. 1, Bd. 1. 

d = Heyd Uli zu Württemberg. Ob. 1. Tübingen 1841. 
for = —X — erlichen Univerjität zu Wien. Bd. 1. 2. Wien 1554 
Klüpfel = Urkunden zur Geſchichte bes Schwäbifhen Bundes (14881533). 

. v. 8. Müpfel 1.2. GStuttg. 1846, in der Bibliothek bei 
hit. Bereins 14. 19. 


201 


Koh — Koch Beiträge zur neueren Geſchichte aus unbenutzten Handſchriften 
Aus dem 1. Bd. der Denkſchriften ber. philof. hiſt. Claſſe ber 
faif. Afad. der Will. befonders abgebrudt. Wien 1849. 

Kölner = Kölner ber Landshuter yolgetrie nach dem Tode Georgs des 
Reichen. Landshut 184 

Lacomblet = Lacomblet —— für bie Geſchichte bed Niederrheing, 
Bb Düffeldorf 185 

Le Glay Corr. == Correspondance 1 l’emperenr Maximilien ler et de Mar- 
guerite d’Autriche, publi6e par le Glay. 1. 2. Paris 1839. 

Le Giay Negoc. — Negociations diplomatiques entre la France et l’Autriche 
publi6ees par le Glay. 1. 2%. Paris 1845 (in ber Collection 
de .documents). 

Lünig R. A. = Lünig das deutſche Reichsarchiv. 24 Bde, Leipzig 17113—2Q, 

Mori = Morik Abhandlung v. —— derer Reichsſtädte, infonberheit von 
Worms. Franff. u 

Nijhof = Nijhoff —e— her uit de geschiedenis van Gelderland. 
D. 6. Arnhem 1859, 

Potizenblatt — Notizenblatt Beilage gem Archiv fr Kunde öſtr. Geſchichts⸗ 
quellen. Wien, feit 1 

Oefele == Oefele Rerum Boicarum — 1. 2. Aug. Vindel. 1768, 

Porto == Porto Lettere storiche dall’ anno 1509 al 15238. Firenze 1857. 

Duirini = Quirin Depeſchen im —— in: Berichte über die Verhandl. der 

iR Seſcuſch. ber Wiſſ. zu Leipzig. Philol. hiſt. Claſſe 


Sattler = San Sce. bes deren. Würtemberg ımter ber Regierung 
ber Herzogen. Thl. 1. Ulm 1769. 

Schreiber = Schreiber Urkundenbuch ber St. Freiburg im Breißgau. 1. 2. 
Freiburg 1828—9. 

Sinnacher = Sinnacher Beiträge zur 29. der biſchöfl. Kirhe Säben u. 
Brixen. Bd. 7. Briren 1 

Steinhofer = Steinhofer Neue wirtenbergi gise Chronik. Thl. 4. Stuttgart 1755. 

Stetten —= Stetten Gefchichte der St. Augsburg. 1. Frankf. u. ehr 1743, 

Strobel = Strobel ‚paterfändifee * hte bei Elſafſes. Thl. 3. Straf: 
urg 

Stuttg. A. = Stuttgarter Haus: u. Staatsarchiv. 

Titel = Tichtel Tagebuch, in Fontes rerum Austriacarum. Abth. 1, Bb. 1. 

Banotti = v. VBanotti Geſchichte der Grafen von Montfort u. von Der: 
benberg. Belle-Vue bei Conftanz 1845. 

Vettori = Franc. Vettori Viaggio in Alemagna. Parigi 1887. 

Baig — Waip Streitigfeitn u. Verhandlungen Lübeds mit 8. Johann 
Dänemark, ir in Zeitfchrift des Vereins für — —* 
172 

Zorn Zorn Wormſer c hrenik h. v. Arnold fin ber Bibliothek bes lit. 
Dereind. Bd. 43). Stuttgart 185 


1493. Aug. 2} 
Sept. 26. 


27. 


29 


De. 9-12 


— 12 


27-2. 


Nov. 414. 


_ 


1494, Febr. 13. | 


19—21. 


2— 
Merz 2. ) 


6. 
14—22, 


*13-17. 


Anzbrud. 


Hall. ) 
Schwaßz. 
Kufftein. 
Wien. 


Allda, als fein Vater am 19. Aug. zu Linz ſtarb. 

(Aug. 20. Lehmann Ehren. v. Epeier 939 
Ausg. v. 1711). Sept. 2 11. 26. Chmel 
4.5.6. 


Chmel 7. 


Chmel 9. 
Titel 61. (Det. 11. Ehmel 9) Ktüpkl 
1, 159. 


Wiener Reuftabt. Mlüpfel a. a. O. 


Radkersburg. 
Oräg. 


Bien. 


St. Polten. 
Wels. 


Salzburg. 
Insbruck. 


Naſſereit. 
Füſſen. 


Kempten. 


Memmingen. 
. Ulm. 


Eßlingen. 
Pforzheim. 
Speier. 


Worms. 


Chmel 10—14. 

Chmel 14. (Row. 9. Chmel 15). 8. Ma 
ſchreibt Qunigumden Erzherzogin von De 
ſterreich. Munchner Reichsarchiv. 

Tichtel 61. (Yan. W. EChmel 18. Fehr. 7. 
Sinnacher 7, 32). Birk. 


Birk. 
Birk. (Febr. 27. Lünig R.U. 11, 619). Birk. 


Chmel 24. 

Birk. (Merz 16. Häberlin 7, 642. Merz 21. 
Neues Archiv für Geld. Wien 1829 ©, 
128). Birk. 

Birk. 

Ehmel 24—30. 


Chmel 30. (Mai 33. 8. Mar für Zeni- 
Stuttg. A). Birk. 


Birk. Mon. Boic. 34», 282. 

Birk. (Mai 29. Mon. Boic. 34%, 287). Birk. 

Stuttg. A. unter Eßlingen. 

Birk. 

Birk. (Jun. 9. [Jac. Wimpheling] Oratiu⸗ 
cula que dicenda fuit in presentia regis.. 
in templo Spirensi a. 1494. die Junii 9. 
4°). Lünig R. U. 14», 598, 

Zorn. (Jun. 15. Klüpfel 1, 166). Birk. 


Birk. Scriba Regg. ber Urk. des Großher⸗ 
zogth. Heſſen. Abth. Starkenburg Nr. 2023. 
Birk. (Juni 27. Reuß Teutſche Staatskanzley 
2, 85). Georgisch Reg. ehron. dipl. 8, 6. 


Birk. 

Lacomblet 4, 574. 

Lünig R. A. 13, 1430. Birk. 

Pontanus Hist. Gelricae liber11, ©. 601. 602. 

Nijhoff 6, XX. 

Moritz 2, 208. Birk. 

Lünig Cod. Ital. dipl. 1, 494. 

&hmel 50. Besold 197. 

Birk. (Sept. 15. Lacomblet 4, 5725. Sept. 24. 
Chniel. 20. 555. Sept. 30. Schannat Hist. 
Worm. Urk. 254). Bit. 

Chmel 5i ff. Birk. 


K. Mar an Ludw. Moro, beglaubigt Bons 
temps u. Patornay, m. propria, lat. Orig. 
im Mailänder Ardiv. Mittbeilung von 
Sidel. van Duyse Inventaire des char- 
tes appart, aux archives deGand 290. 

van Duyse a. a. D. 891. 


Birk. (Dec. 7. Ehmel 55. Dec. 11. Chmel 
56). Schannat a. a. DO. 255, 


Bergen op Zoom. Ehmel 53. 59. 


k Yun. 18—20. Mainz. 
— 2—-) 6m. 
Jul. 2 
— 4-6. Ada. 
— 415. Sittard. 
— 26-29. Maſtricht. 
Aug. o. T. Grave 
— o. T. vor Nimwegen. 
— 25. 26. Mecheln. 
Sept. 5. Antwerpen. 
— 810. Löwen. 
—- 14- Mecheln. 
Oct. 4. 
— 9— Antwerpen. 
Nov. 8. 
— 10-17. Dendermonde. 
— 24. Mecheln. 
— A4— 
Dec. 22. ) Antwerpen. 
5. Jan. 8- 14. 
— 17. Antwerpen. 
— 27. Mecheln. 
Febr. 6 Breda. 
— 11. Herzogenbuſch. 
— 20. Grave. 
— 22. Herzogenbuſch. 
— 28 Maſtricht. 
Merz 2— 7. Aachen. 
— 8—i10. Eiln. 
— ii Bonn. 
Worms. 


Lünig R. A. 13, 907. 

Gayler Denkw. v. Reutlingen bis 1577. 
©. 129. 

8. Mar an Lubwig Moro, empfiehlt Ihm 
Piſa bei der wiebererlangten Freiheit zu 
hüten. Mailänder Ardiv, Orig. Ilat., 
m. propria. Mittbeilung von Sidel. 

Birk. 

Birk. 

Birk. 

Birf. 

Schoepflin Als. dipl. 2, 434. Birt. 

Birf. (Merz 9. Chmel 61). Birk. 

Birk. 

Die Ankunft bat Zorn 201. 202. Mar 
ſcheint bis zum Schluß bed Wormfer 
Reichsſstags (im Sept.) und nod in ben 


1495. 


Nov. 


Augsburg. 


Donauwörth. 


Augsburg. 


.. 


Fũſſen. 


Liebenthann. 
Augsburg. 


Deteber hinein mei ie Werms achle⸗ 
ben zu fein (Häberlin 9, 21. 54), Bitte 
jedoch nah Müller Reigätazstheater mm: 
ter Marimilian 1, 675 im Eept. einen 
Ausflug nach Eßlingen gemadt, da kg 
tere Stadt unter bem 25. d. IR. an Hall 
ſchreibt: Königl. May. und deren Gemabl 
nabe fi ihr. Am 21. Sept. beglaubigte 
8. Mar noch in Worms Steffen Cetu 
an QAidw. More, m. propris, Cru. 
franz. im Mailänder Archiv. Mittbeilung 
von Sickel. 


Birk. (Oct. 31. Harpprecht 2, 213). il. 


Lünig R. U. 16, 95. 

Datt 324. Birk. 

Hanfelmann Dipl. Beweiß 1, 611, m 
„Mitwoch nad Et. Kathereinentag” [= 
Dec. 2.) unriätig abgebrudt fein mırk. 

Jäger Heilbr. 1, 277. 

Banfelmann a. a, D. 

Hanfelmann a, a. O. 

Sanfelmann a. a. O. 613. 614. 

Birl. Chmel 87. 


Harpprecht 2, 94. 235. 


Birk. (Febr. 27. Ehmel 93— 97). Mk: | 
pfel 1, 183, wo Merz 13 flatt Mes 
28 zu leſen. 


8. Mar an Lubw. Moro, verfpricht ibm 
die Angelegenheit ber Herzogin von Sa: 
voien u. ibres Schatzmeiſters zu ordnen, 
m. propria., latein., im Mailänder rt: 
chiv. Mittbeihung von Sidel. 


Hermayr Hohenihwangau 169. Chmel 105. 


Chmel 104. 

K. Mar an Ludw. Moro, Glüdwunid kei 
Anlaß der zwifhen Conſtanze (Wittwe 
von Filippo Sforza) u. Herm von Ba 
rembon geſchloſſenen Ehe, m. propris, 
Orig. Iatein., in Mailänder Archiv. Mits 


Sun. 19. Landsberg. 
— 27— Insbruck. 
Sul. 5.+ 

— 11. Imbſt. 

— 12. Pfunde. 
— 14. Nanders. 
— 17. 18. Glurns. Mals. 
— 222. 23. Bormio. 
— 26. Mals. 

— 29. Pfunds. 
Aug. 4. Landeck. 

— 5. Prutz. 

— 6— 9. Pfunds. 
— 13-15. Mals. Glurns. 
— 15. Münfter. 
— 416, Glurns. 
— 17. Bormio. 
— 418. Tirano. 

— 20. Sondrio. 
— 2-24. Morbegno. 
— 2. Comer See. 
— 29. Carimate. 
— 30. Meda. 

— 31. Monza. 
Sept. *2-23.7 Vigevano. 


23-24.+ Tortona. 


25. 


* 


bei Genua. 


fheifung von Sickel. Apr] 20. Chmel 
106). Burgermeiſter Teutſches 
juris 2, 667. 

Archivio 7b, 525. 945; 


Ib. 945. 


Müller Reichstagstheat. unter Mar I. 2,175. 

Archivio 7b, 751. 

Ib. 752. 

Mais bat unter bem 17. Zul. Archivio 
945—6. In Glurns flellte Dar am 18. 
Sul, ein Creditiv aus für den nad Mai: 
land zurückkehrenden Galeaz Sforza bi 
Sanfeverin, lat. Orig. im Mailänder 
Arhiv. Mittbeilung von Sidel. 

Archivio 946. 781, vgl. Ghilini bei Fre- 
her Script. 8, 98. 

Archivio 946. 

Birk. 

Archivio 793. 

Ib. 793. 796. 

Ib. 796. Brandis 344, 

Harpprecht 2, 250. Archivio 804. 

Archivio 805. 

K. Mar ladet ben Landcomthur, der Deutjch: 
ordensballei Defterreich zum Reichstag in 
Lindau ein. Königsberger Archiv. Mit: 
tbeilung von Prof. Weizjäder. 

Archivio 806. 

Ib. 806. 

Ib. 812. 

Ib. 812. 813. 817. 

Datt 630. 

Ghilini a. a. DO. 99, vgl. mit Archivio a. 
a. DO. 818, wo Calimano fteht. (Bei 
Datt 553 Müller Reichdtagstbeat. 
unter Mar I. 2, 31, Fels 1, 14, if 
als damaliger AufentbaltZort Calmis ge- 
brudt, bei Klüpfel 1, 213 Colune). 

Ghilini a. a.D.99. Archivio 946. 

[Rawdon Brown] Raggusgli sulla vita di 
Marin Sanuto 1, 35. 

Archivio 946. 886. 

lb. 886. 

ib. 892. 


14%. Gert. m Genma. 


Oct. 


„rin 
. nen 


8.4 


11—18. Hafen v. Rapallo. Archivio 915. 919. 931. 


3 Seſtri. 


Epezia. 
vor Livorno. 


16. Bico Piſano. 
o. T. Parma. 


— 2. 
gondi. 
Te. 8. Gropello. 
— o. T. Pavia. 
— 11. Abbiate Graſſo. 
— o. T. Cuſago 
von Mailand). 
— — Como. 
— — Bellaggio. 
— 27. Mals. 
1497. Jan. 2. Imbſt. 
— 16. 17. Hall. 
26— Insbruck. 
Sehr, 2, 
— 14. Ueberlingen. 
Mn 1. Insbrud. 
— 14-21. Hall. 
Apr. 10. Insbruck. 
— 46. Kempten. 
Mai 1—20. Füllen. 


Jun. 


2325. Kaufbeuren. 


5. Füſſen. 


Ib. 896. 914. Tag ber Wblabrt zur Er 
auch bei Jovins Hist. sui temporis Dh. 
4. Bl. 825, ed. 1553. 

Fels 1, 100. 


Archivio 922. 
Ib. 
Ib. 


Guiceiardini Istoria d’Italia lib. 3. 1, 278. 
ed. Friburgo 1774. 

Archivio 944. 

Ib. 


Gannazaro bi Bur⸗ Fels 1, 102. 


Dumont Corps dipl. 5°, 299. 
Ghilini a. a. O. 


Fels 1, 122, | 


(weſtlich qlceiardini a. a. O. Ghikinl 108, 


Guieciardini 279. 
Ib. 
Ghilini 104. 


Fels 1, 127. 

Fels 1, 137. Harppredt 2, 274. 

K. Mar ertlärt ſich an den Herzeg ren 
Sarcien bereit, auf bie durch Gajpar 
von Lobenberg überbrachten Anträge be 
Herzogd, den Frieden zwifhen War u. 
Karl VII. zu vermitteln, einzugeben, x. 
ſchlägt zunicit einen Waffenſtillſtand ver. 
Drig. franz. mit dem J. 1496 (Burgun⸗ 
diſchen Stils), Mailänder Archiv. Wit: 
theilung von Sickel. (Jan. 29. Sinna. 
cher 7, 46.) Birk. 

Ebmel 176. 

Birk. 

Birf. 

Birk. 

Haggenmüller Kempten 1, 455. 

Förſtemann da, 69. (Mai 12. Oberbayet. 
Ardiv 13, 306). Chmel 158. 

Baier. Landtagshandl. 9, 332. Förftemann 
4a, 12. 

Ungedr. Urf. 8. Mar für die St. Eni. 
Montag nad Gt. Erasmus. 


Fein 


. Jun. 8. Dttobeuren Feyerabend Ottobeuren’3 Jahrbücher 3, 750. 
— J Füſſen. Haggenmüller Kempten 1, 454. Van den 
Jul. 17. Bergh Gedenkstukken 1, 273. 
— MU. Stambs. Brandis 345. 
Aug. iu: Insbrud. Müller Reichstagstheat. unter Mar J. 1, 
Oct. 5 532. (Sept. 18. Stuttg. A. Sept. 26. 
Schoepfil. Hist. Zar. Bad. 6, 491). Oct. 
5. Stuttg. A. 
— 12. Steinach. Birk, 
- u Insbrud. Birk. Haggenmüller a. a. O. 
Nov. 4. 
Nov. 7—10. Schwatz. Höfler Bolit. Reformbewegungen in Deutſchl. 
im 14. 35. 56. Harpprecht 2, 311. 
— 25— Insbruck. Birk. (Dec. 12. Harpprecht 2, 317). Harp⸗ 
precht 2, 350. " 
8, Apr. 11. 
Mai 9—14. Ulm. Chmel 198 ff. 
— 22. Ehingen. K. Mar beftätigt dem Herzog Georg von 
Baiern ben Kauf des Schloſſes u. ber 
Grafſchaft Kirchberg. Erichtag in der 
ſKereuzwochen. Ungebr. Urk. 
— o. T. Urach. Heyd 1, 28. 
— 26—29. Reutlingen. Eb. 
— 29. Einſiedel. Eb. 


— 30. Bebenhauſen. Eb. 
Jun. 3— 9. Rotenburg a. N. Steinhofer 3, 748. Heyd 1, 30. 
— 10. Horb. Sattler 1 Beil. Nr. 15. 
— 18 — freiburg, zwifchen: Schreiber 2, 631. Zu Breifach vrgl. Ros⸗ 
Aug. pn. En. hinein Breiſach. mann u. End Gef. ber St. Breiſach 
288. Jul. 3. Breifah K. Mar an Lud⸗ 
wig Moro, m. propria, Orig. im Mai: 
länder Archiv. Mittheilung von Gidel; 
— 2727. Breiſach. Schreiber 2, 634. 
Sept. 7-9}. Enſisheim. Anshelm 2, 263. (Sept. 8. Schreiber 2, 
635). 8. Mar m. propria franz, & 
l’heure de notre partement, an Ludw. 
Moro: bittet ihn, in Anbetracht der bes 
vorftehenden wichtigen Entſcheidung, ihm 
ohne Verzug fo viel baaren Gelds, als 
er auftreiben Tann, zur Befoldung bes 
Heeres zu jhiden. Orig. im Mailänber 
Archiv. Mittheilung von Sidel. 
— 12. Mömpelgarb. Kfüpfel 1, 264. 
_— 1. Toul. Huguenin les ehroniques de Mets 625. 


24 


1498. Sept. 277— 


1499. San. 16. 


Mer. 
Dct. 14. 
— 14, Thionville, 
— o. T. Aachen. 
Ö. x. Echt. 
Nov. 24. Neuß. 
Te. 2. Wachtendonk. 
— 182 28. Göln. 

Emmerich. 
— 26. Grave. 
— 31. Eyndhoven. 
Febr. 3. Maſtricht. 
— 18— Antwerpen. 
Merz 9 
— 9. Turnhout. 
— 20-25. God. 
— 27. Neuß. 
— 2 Eöln. 
Apr. 1. 
— 9. Mainz. 
— 1620. Straßburg. 
— 21. 22. Freiburg. 
- 125. Villingen. 


Eb. 627. 

Eronica varı ber billiger Stat van Gölen 
3. 3%. 1498. 

Eb. 

Harpprecht 2, 400. 

Sehannat Hist. Worm. 2, 285. 

Eronica a. a.0. 8. Mar, Iat., an Ludw. 
Moro, ohne be Königs Unterfchrift, mer 
per regem, Erebitiv für GuilL de Vergy. 
Mit 1499 (alfo das Jahr vom Chriſtfeſt 
an gerechnet). Orig. im Dlailänder Ar⸗ 
div. Mittheilung von Gidel. 


Nijhoff 6, 187. 

Compte rendu des sdances de la commis 
sion royale d’hist. Bruxelles. ?s&is 
3, 291. 

Nijhoff 6, 189. 

Am Sonntag nad unf. I. Framwen Tag 
Burificationid. Verweis 8. Maximilians 
an bie Stadt Züri, daß bie Eidgenoſ⸗ 
fen wider ihn, den König, den Graubünd⸗ 
nern zu Hilfe gezogen feien. Original: 
fhreiben in Zürich. Mittbeilung von } 
Meyer dv. Knonau. 

8. Mar an Lubw. Moro, Ereditiv für den 
Mailänder Orator Auguſtin Somenzio x. 
Drig. im Mailänder Ardiv. Mittheilung 
von Sidel. (Febr. 23. Anshelm 2, 311). 
Schreiber 2, 644. 

Schreiber a. a. O. 

Schreiber 649. N. Mar ſchreibt bem Pfalz: 
grafen-Albreht. Mündyner Reichsarchiv. 

Müller a. a. O. 2, 643. 


Krüpfel 1, 306. 307. Brandis 362. 


v. Stillfried Nachr. vom Geſchlecht Still 
fried von Rattonik 1. 1860. ©. 30. 
Birk. (Apr. 19. Compte renda a. a. O. 
294). Schreiber 654. 

Anshelm 2, 415. Ochs Geſch. v. Bafel 
4, 569. 

Klüpfel 1, 326. 


. pr. 


28 m; Veberlingen. 


Mai Anfang 


Sun. 


6—10. Tettnang. 


1213. Lindau. 
13—15. Bregenz. 
15—19. Lindau. 


22. Feldkirch. 
23. Nenzingen. 
24—26. Landed. 

28. Naudersberg. 


29. Glurns. 
30. 31. Marienberg (bei 
Burgeis). 


31. Schlanders. 


4. Rotund (weſtlich 
von Glurns). 


12. 13. Meran. 

17. Nauders. 

o. T. Pfunds. 

24. Landeck. 

29. Gutenberg (bei 
St. Luzienſteig). 

30+. Fel dkirch. 

2—6. Lindau. 

7—10. Meberlingen. 

11. Meinau. 

12—18. Petershauſen 
und Conſtanz. 

24— 27. Lindau, 


K. Mar Tat. an Ludw. Moro, als Unter: 
fhrift mır per regem, Erebitiv für Pe⸗ 
truß Bonomo. Drig. im Mailänder Ar- 
chiv. Zum Weitern |. Klüpfel 1, 328. 
331. BRosmini Istoria di Trivalsio 2, 
259. 


Klüpfel 1, 332. 333. Schreiben bes Kö⸗ 
nigs an den Abt Hartmann von Wein: 
garten. Stuttg. A. 


Schweizer. Geſchichtsforſcher 5, 200. 
&b 


Eb. Anzeiger für Kunde ber beutfchen Bor: 
zeit 1853. Jul, Nr. 1. Vrgl. Klüpfel 
1, 334, 

Brandis 365. 

Eb. 

Eb. 368. 369, 

Eb. 371. 

Sinnader 7, 77. 


Sinnader 7, 77. Branbis 371. 


8. Mar lat. an Ludw. Moro, als Unter: 
ſchrift nur per regem: tbeilt mit, baß 
er von den Mailänder Behörden im 
Baltellin Lebengmittel requirirt hat. Orig. 
im Mailänder Archiv. Mittheilung von 
Sidel. 

K. Marimilien fchreibt an Ludwig Moro, 
lat. Orig. im Mailänder Archiv. Mitthei⸗ 
fung von Eidel. 


Rosmini a. a. D. 2, 262. Branbis 372. 

Neue Zeitfchr. des Ferdinandeums 4, 134. 

PVirfheimer im Thesaurus 21. ' 

Ktüpfel 1, 357. | 

Campell zwei Bücher rätifcher Geſch. deutſch 
bearb. v. Mohr Buch 2, 194. 

Lindauer Chronik bei Steinhofer 3, 796. 

Heyd 1, 66. Notizenblatt 1853. S. 280. 

Klüpfel 1, 364, vrgl. 365. Heyd 1, 67. 

Klüpfel 1, 365. 

Klüpfel a. a. O. Reyſcher Sammlung 
17s, 20, 

Klüpfel 1, 366, zu vrgl. mit folgender 
Stelle u. mit Pirfheimer a. a. O. 4. 


24 


1499. Jul, 28. Conſtanz. 
Aug. *3. Nabolphäzell. 
— 9. Billingen. 


—- 9. Donauquellen. 
— +11. 12. Hüfingen. 

— 414. Freiburg. 

— 418. Neuenburg. 
— 234-727. freiburg. 


Sept. 3. Tübingen. 
— 4-7. Reutlingen. 
— 9 10. Um. 

— 16. Augsburg. 


— 24. Sigmunbäburg. 


De. 8—10. Insbruck. 
— 21—27. Sterzing. 


— 29— — Insbruck. 


1500. Febr. 24. 
Merz »2— Augsburg. 
Sept. 12. 


Det. 24— | Nürnberg. 
Nov. TH 


— 0% Neumarkt. 
— *9—127. Regenäburg. 
— 12. Straubing. 
— 30— Wels. 


1501. Jan. 22. 


Klüpfel 1, 367 (wo 2. 3 aus bem Cr 
einzufügen it „Sonntag zu Nacht“). 39. 

Klüpfel 1, 369. 

Pirkheimer a. a. O. 25, vrgl. KTüpfel1, 380. 

Pirfheimer a. a. O. 

Klüpfel 1, 372. 

Schreiber 2, 672. 

Eb. 

Zum 24. Aug. Stuttg. A. Gonf Pit: 
beimer a. a.D. Lunig R. A. 13, 1519. 

Klüpfel 1, 382. 

Klüpfel 1, 382. Gayler a. a. D. 142. 

Klüpfel 1, 386. Compte rendu a. a.D.2%. 

Mielih Augsb. Chronik, Hbfchr. der Stuttz. 
k. dff. Bibliothek. Bl. 240%, 

Klüpfel 1, 389. 

Klüpfel 1, 397. 399. 

K. Mar an Andreas be Burgo, Nur per 
regem. Drig im Mailänder Archiv. 
Mittbeilung von Sickel. (Det. 23. Be 
fehl des Königs an bie Eidgenoſſen, bie 
ber Landſchaft bed nieberen Wallgaus 
angelegte Branbihakung aufzuheben 
Drig. im Zürider Archiv. Mittbeilung 
von F Meyer v. Knonau.) Schreiben 
an Hand Langenmantel Bürgermeifter in 
Augsburg. Stuttg. N. 

Stuttg. A. (Nov. 19. Häberlin 9, 108. 170). 
Droyfen, Sei. d. pr. Pol. 2b, 18. 


Stetten 1, 252. Urt. für ben Deutfchmei: 
fter Hartmann in ber Handſchr. der Stuttg. 
k. öff. Bibliothel Cod. jur. fol. Nr. 92 init. 

Zum 24. Oct. Hist, Norimb. dipl, 784. — 
Tag der Ankunft u. Abreife gen Neu: 
markt nad: Befchreibung des Einreitend 
der Kaiſer u. Könige in Nürnberg von 
1440 bis 1558. Hdſchr. im k. Archiv 
in Nürnberg, nach der Mittheilung von 
Prof. Hegel in Erlangen. 

S. vorher. 

Gemeiner 4, 43. 44. 

Eb. 4, 43. 

Müller ReihBtagsftant 1500—1508 ©. 50. 
Hund Metrop. Balisb. 1, 428. ed. 1620, 


M. San. 


23— | Linz. 


Merz 12. 


21. Augsburg. 


9—12. Donauwörth. 


13—21. Nürnberg. 
= Augsburg. 


Mai 1. J. 

— 10. Buchloe. 
Jun. 4. 23. Insbruck. 
Jul. 6. 20. Insbruck. 

— 7. Görz. 
Aug. 25. Insbruck. 
Sept. 23. Telfs 

In 

— 21—25. Insbruck. 
Oct. 12. 13. Trient. 

—  29—31. Boten. 
Nov. 14. laufen. 
De. 13. Andbrud. 

2. San. 3. Hall. 

_ 18-1 Insbrud. 
Merz 11. 

Apr. 15. Füſſen. 

— 24—28. Kaufbeuren. 
Mei 1—14. Augsburg. 
Sun 9. Mindelheim. 


11. Pfaffenhauſen. 
— on Um. 
15 


Jul. 

— 20- Augsburg. 
Sept. Ende 

Nov. 2—6. Donauwörth. 


Dec. 


4, Nördlingen. 
8. Ellwangen. 


(oberhalb 
Shruf). 


881 
Birk. 


Gassar. 1728, vrgl. Rlüpfel 1, 433. 
Harpprecht 2, 421. 422. 
&b. 421. 429, 


Stetten 254. Herberger 33. 


Birk, 
Spalstin Hifl. Nachlaß h. v. Neubeder u. 
Preller 1, 144. 2 


Lappenberg⸗Pauli Geſch. v. England 5, 616. 


Birk. Sinnacher 7, 85. 

Raynaldus Annal. eocl. 1501 $. 7. 8. 

Chmel 215 (bier muß mit Böffen „Boben“ 
nicht „Füſſen“ gemeint’ fein). Kint 2, 
207. 

Birk. 

Birk. 


Le Glay Negoc. 1, 60. 
Roh 34. 


Hagen Germania 1, 266. 

Rymer Föders 13, 4. 18. 27. ed. 1727. 
Lünig R. A. 9, 501. | 
Dumont Corps dipl. 4., 30, Le Glay 
Nögoc. 2, 83 Anm. 

Gemeiner 4, 60. 
Klüpfel 1, 468. 


Klüpfel 1, 474. Koch 34. 


Gassar. 1730. Ludolf de jure eamerali 
commentatio systematica edy 3. 1730. 
appendix 8. 20. N | 

Ranke Deutfche Geſch. 1, 114 Ausg. 3. 
Koch 34. 

Herberger 37. 

8. Mar befcheinigt 400 fi. Targelder, welche 
der Probſt Bernhard zu Ellwangen für 
ſeine Belehnung erlegt Stuttg. A. un⸗ 
ter Neuwirt. Lehen. 


502. Der. 12. Hall. 
— 16. Mogsbach. 
503. Jan. 9—11. Weſel. 
— 24. Herzogenduſch. 
Febr >= Antwerpen. 
Apr. 7 
— 7. Baͤcherach. 
Mai 1. Saarbrüden. 
— 2-9 Saarwerden unb 
Saarbodenbeim. 
— 9 10. Straßburg. 
— 11. Offenburg. 
— 12, Dfaffenhofen. 
— 15. Neuweiler. 
— 16. Elfaßzabern. 
— 418. Molsheim. 
— 1) Ober : Ehenheim. 
— 22. Colmar. 
_ a Enſisheim. 
Jun. 9. 
— 12% Freiburg. 
— 26. Conſtanz. 
— 30. Lindau. 
Jul. 30. Ehrenberg. 
Aug. 12—26. Imbſt. 
Sept. 6. Fragenftein. 
— en } Insbrud. 
Oct. Anfang 
— 14—16. Imbſt. 
— 24. Kaufbeuren. 
Nov. 12— Augsburg. 
Dee. 5t. 
— 17—13. Um. 
— 22 23. Ehingen. 
= 28. Biberach. 
405. San. 6. Memmingen, 


8. Mar beflehlt ber Stadt Rotweil, bab 
RL St. Georgen in dem Schub des Her⸗ 
3098 Ulrich von Wirtemberg zu laſſen. 

Siunader 7, 95. 


Krüpfel 1, 494. Birk. 

Bergmann Mebaillen 1, 169. 

Compte rendu des ssances de la commis- 
sion royale d’histoire T. 5. Bruzellss 
1842. &.80. (Belege für bie Zwiſchen⸗ 
zeit bei Henne 1, 44 ff.). Ranke a. a. 
D. 113. 

Lünig R. X. 16, M2. 

Koch 35. 


Koch 35. Giudenus Cod. dipl. 4, 550. 


Strobel 3, 474. Ro 35. 
Strobel 3, 475. 


Eb. 

Brandis 383. Koch 38. 

Birk. 

Vinchant Annales du Hainaut, 5. Mons 
1852. ©. 1%. 

Harpprecht 3, 71. (Det. 15. Häberlin 9, 
241). Bir. 

Bater. Landtagshandl. 13, 371. 14, 222, 

Müller Reihstagsftaat 15001508 S. 350. 
Krüpfel 1, 490. 

Krüpfel 1, 490 (wo Lin. 9 zu leſen 7. Dec. 
ftatt 8. Dec.). Baier. Landtagshandl. 
14, 56. 

Oefele 2, 378. Gemeiner 4, 71. 

Lünig R. A. 13, 914 u. Kfüpfel 1, 492, 


Baierifche Landtagshandl. 14, 155. 


l. Ian. 


Gebr. 


8. Kempten. 
11. Reutte. 
18. Fragenſtein. 
25) Augsburg. 
284. 


Merz 1—9. Aichach. 


Fa, Augsburg unb 
3. Umgebung. 
. — Friebberg 

7. Donauwökth. 


7-19. Dillingen. 
27. 28. Augsburg. 


31. Landsberg, 
1. Benebictbeuren. 
3. Fragenftein. 
25. Insbruck. 
7—11. Augsburg. 


21. 22. Ehingen. 
24—29. Reutlingen. 


ve: Rotenburg a. N. 


1. 
2—4, Horb. 
7. Zell am Hammers⸗ 
bach. 
8. Gengenbad). 
12. Drtenberg. 


16. Offenburg. 
17—19, Straßburg. 


ce 21. Haslach. 
22. Schiltach. 


23—25, Balingen. 
25. Rotenburg a. N. 


27, Urach. 
29. Münfingen. 
o. T. Ulm. 


Birk. 
Müller a. a. O. 359. 
Sattler 1. Beil. Nr. 31. 


Oefele 2, 393 (vrgl. Klüpfel 2, 497. 499), 
Baier. Landtagshandl. 14, 450. 

Baier. Landtagshandl. 14, 508. Klüpfel 
1, 499. 500. " 

Klüpfel 1, 500. 507; vrgl. Baier. Land⸗ 
tagsbanbl. 14, 669. Kinf 2, 308. 

Oefele 2, 410. 

8. Mar entbietet den Hochmeifter des deut; 
fen Ordens zum Reichstag nach Franl: 
furt. Beh. Archiv in Königeberg. Mit: 
theilung von Prof. Weizjäder. 

Kölner 47, vrgl. 51. Gemeiner 4, 85. 

Roh 36. Herberger 33. 

Jäger Heilbronn 1, 284. 

Koch 36. 

Eb. 

Häberlin 9, 270. 

Herberger 33. 

Baier. Landtagshandl. 14, 722. 723. 

Eb. 14, 724. 


Eb. 14, 724. Beſold 850-6. 


Roh 36. Birk. 
Baier. Landtagshanbl. 14, 726. 


Eb. 

Koch 36. 

Hugo Mediatiſ. der Reichsſtädte 337. 

Krieg v. Hochfelden Grafen von Eberſtein 
425. Act. Theod. Pal. T. 4 pars hist. 
219. 


Baier. Landtagshandl. 14, 715. Scriba 
Regg. ber Urk. bes Großherz. Helen, 
Abth. Starkenburg Nr. 2068, an beiben 
Stellen unter bem 23. Aug., was aber 
nadbatirt fein muß. 

Koch 36. 

Besold 292. Baier. Landtagshandl. 14, 735. 

Koch 36. 

Baier. Landtagshandl. 14, 735. 

Besohl 675. 

Baier. Landtagshandl. 14, 736. 


1504. Sept. *4t. Donaumwörtb. 
— 4 Monheim. 
— 5 Weiffenburg. 
— 6. 7 Hilpoltſtein. 
— 8 9. Berding. 
— 10. Hemau. 

— 11. Stadt am Hof. 
— 12, Schönberg. 
— 12—15. Regensburg. 
— 16. 17. Abach. 

— 1. Abensberg. 
— 18, Geiſenfeld. 
— — Indersdorf. 
— 21. 22. Münden, 
— 28. Schwaß. 
Oct. 1—16. vor Rufftein. 
— 1-2. in Ruffkin. 
— 23—25. Rofenbeim. 
— 26—28. ARufftein. 
— 30. Aſchau. 

— 1 Traunftein. 
Nov. 1. 

— 4. 2. Baumburg. 
— 2. 3 Obing. 

— 4-7. Rojenheim. 
— 0X. Kufftein. 

— 12—26. Insbrud. 
— 26. Hall. 

— 72. Jenbach. 
— ru Rattenberg. 
Dec. 11. 

— o. T. NAufſtein. 

— o. T. Salzburg. 

4505. Febr. 9—185. Insbruck. 

— 19 Naſſereit. 
Merz 13. Donaueſchingen. 
— 16. Villingen. 

— 19—22. Gengenbach. 

— 2%. Straßburg. 
Apr. 4—13. Hagenau. 


364. 


Häberlin 9, 271. Kölner 107 (mit fer 
fer PBaginatur 108). 


Kölner 108. 


Gemeiner 4, 82. 


Köliner 110. Gemeine 4, 82. 84. 


Eb. 
Gemeiner 4, 84. 
Kölner 115. 


Sattler 1. Beil. Nr. 37. 

Oberbaier. Archiv 8, 232. 

Baier. Landtagshandl. 14, 740. Kölner 126. 
Brandis 383. Kölner 127. 


Kölner 127. 
Eb. 


Eb. Oberbaier. Archiv 8, 233. 234. 


Oberbaier. Archiv 8, 234. 


Eb. 


Eb 


Eb. 


Eb. (Dec. 4. Baier. Landtagshandl. 14, 
741. Dec. 10. Bergmann die Edlen von 
Embs 1860 S. 30). Birk. 

Oberbaier. Archiv 8, 235. 


eb. 


Birk. Baier. Landtagshandl. 15, 30. 
Baier. Landtagsh. 18, 30. 


Gemeiner 4, 94. 


K. Max ſchreibt an Herzog Ulrich von Wir: 
temberg. Stuttg. 9. 

Hormayr Tafhenbud 1827. ©. 125. Baier. 
Landtagshandl. 15, 98. 

Schreiber Geſch. ber Stadt Freiburg 3, 


188. 189. 


Koh 36. Baier. Lanbtagshbanbl, 15, 103. 


Kölner 131. Oberbaier. Archiv 8, 235. 
Dberbaier. Archiv 8, 235. 


&. Apr. 14—16. Weiflenburg. 


— 18— | Straßburg. 
Mai 7. 

— 418. Trier. 
Sun.*11— 267. Eöln. 

— 29, Emmerid. 
Sul. 6. Arnbeim. 

— *+15—30. ln. 


Aug 6—8. Weiel. 
— 20. 21. Tervueren. 


Sept. 2—16. Brüffel. 


— 18. Mecheln. 

— 26. Straßburg. 
Oct. 20. Augsburg. 
Nov. 1. Ochſenfurt. 

— 10. Regensburg. 

— 0. T. Nieder Altaich. 

— 14—21. Paſſau. 


De. 3—, Lin. 


6. San. 16. 
— 418. En?. 
— 20. Grain. 


— 26. Melk. 
Febr. 1—24. Wien. 


Merz 9—20. Wiener Neuftabt. 
— 21. Neunkirchen. 


— = Wiener Neuflabt. 
Apr. 1. 


— 5. Krieglach. 
— 10-1 Gr. 
Ma 41. 


B65 


Olenſchlager Erläut. ber golbnen Bulle Ar. 
51. Würt. Jahrb. 1855«, 174. 

Strobel 3, 475. (Mal 4. Lünig R. 4. 
13, 428). Birk, 

Banotti 519. 

Oefele 2, 497. 

Serberger 37. 

Nijhoff 6, LXXIX. 

Osfele a. a. D. (Zul. 29. Coſmann von 
bem großen Namenszeihen Marimiliang 
I. 63). Birk. 

Coſmann 18. (Aug. 7. Herberger 37). Birk. 

Baier. Landtagshandl. 15,133. Lünig R. 
u. 11, 544. 

Van Asch van Wijck Archief voor . . ge 
schiedenis van Nederland 1, 171. Baier. 
Landtagshandl. 15, 141. 

Lünig R. A. 13, 372. 

Heuter Res Belgicae 273. 

Harpprecht 2, 544. 

Lacomblet 4, 611. 

Baier. Landtagshandl. 15, 190. 


Eb. 191. 
Waitz 144. Baier. Landtagshandl. 15, 
191. 199. j 


Bergmann Medaillen 1, 154. Münd Für: 
ftenberg 2, 4. 


Baier. Landtagshandl. 15, 231.. 

Eb. 232. 

Eb. 236. 

Cuspinianus ZW. (Febr, 8 Baier. Lands 
tagsſshandl. 15, 274). Birk. 

Birk. Katona Hist. reg. Hung. stirpis 
miztae 11, 439. 

Gemeiner 4, 112. 


Birk. Gassar. 1743. 


Landhandfeſt des Erzherzogth. Khärndten 
1610. ©. 48. 


Limig R. A. 13, 118. 11, 59. 


Fun. 8. Wiener Neuftabt. Achterklärung wider bie Cominm Mitberf. 


Sul. 10-20. Bien. 


Stuttg. A. unter Landvogtei. 


Wiener Jahrb. 99 Anzeige. ©. 12. 


Comptes rendu des wdances de ia vom 
mission royale d’kist. Brux. 2. seh 
3, #7. 


\ Wiener Neufladt. Birk. (Jul. 31. Lünig R. A. 13, 511) 


Leoben. 


Ei. 
Gratz. 


Knittelfelden. 


Zeiring. 


Rothenmann. 


Gmunden. 


auf dem Traunſtein. 
St. Wolfgang. 


Salzburg. 


Insbruck. 


. Ranbed. 


Juſtingen. 


Kinzigthal. 


Hagenau. 


Straßburg. 


Brumat. 
Billingen. 
Conſtanz. 


10- 18. Lindau. 


Beſprechung mit Abgefanbten bed Königs 
von Franfreid. Jean d’Auton Chrasi- 
ques publ. par Jacob 3, 162. 

Birk. 

Birf. (Oct. 2 Waitz 145). Birk. 


Ktüpfel 1, 554, 

Eb. 

Birk. Häberlin 9, 342, 

Cuspinlanus 401. 

Eb. 

Eb. 

Birk. (Dec. 8. Harpprecht 2 Vorbericht 
©. 5). Baier. Landtagshandl. 16, 60. 

Cuspinisnus 401. (1507. San. 22. Koch 
37). Birk. 


Birk. 

Le Glay Corr. 1, 38, wo ſtatt arce Ins- 
lingen wohl zu lefen ifl: arce Iustingen. 
K. Mar hatte nah dem Briefe an bie 
fem Tage eine Jagd in ber Näbe ven 
Urah vor. Die Königin Blanka weilte 
um bieje Zeit, wenigftend am 18. Febr., 
in Münfingen. Memorte di Torino. Se- 
rie 2, T. 4. 1842. ©, 182. 

Strobel 3, 476. 

Harpprecht 2, 184. K. Mar beflätigt ei⸗ 
nen Vertrag wegen ber Herrſchaften Lisle 
u. Chatelot. Scheffer Geh. v. Möm: 
pelgard, Hoſchr. ber k. öff. Bibl. in 
Stuttgart. 

Glutzblotzheim Geſch. der Eidgenoſſen M. 
Mone Zeitſchr. 12, 64. 

Koch 37. 

Gerbert Hist. nigr. silv. 2, 322. 

Quirini 61. Vettori 92. 


Birk. (Aug. 15. Lünig R. U. 13, 317). 
Le Glsy Cost. 1, 7. 


Febr. 


3—54. 


6. 

7. 8. 

8—14. 
16—21. 


21 — 25. 


Merz 4. 


— 


1—3ı 
dd 


Sonthofen. 


Landeck. 


.Insbruck. 

Augsburg u. Um⸗ 
gebung. 

Insbruck. 


Füſſen. 


Oberdorf. 
.Kaufbeuren. 
Schwabmünden. 
Mindelheim. 
Kaufbeuren. 

. Menmingen. 


Tragenftein. 


Insbruck. 
.Botzen. 


Kaltern, 


Trient. 


Levico. 


St. Michel. 


Botzen. 


Bei Brixen im 


Neuſtift. 
Brunecken. 
Sterzing. 


Insbrud. 


567 


Birk. 
Le Glay Corr. 1, 9. 
Klüpfel 2, 10. Le Glay Corr. 1, 13. 


Serberger 33. 


K. Mar ſchreibt dem Biſch. Georg zu Bam- 
berg, p. regem... ad mandatum. Münch⸗ 
ner Reichsarchiv. 

Le Glay Negoc. 1, 207. 209. 

Folgt aus Le Glay a. a. DO. 209. 

Le Glay a. a. O. 209. Corr. 1, 16. 

Herberger 43. 

Vettori 156. 

Le Glay Corr. 1, 19. 21. 24. 

Georgisch Reg. chron. dipl. 3, 67. Wie 
ner Jahrbücher 99 Anzeigeßlatt ©. 12. 
Vrgl. Vettori 159. 

Le Glay Corr. 1, 32. 33. 


Gedenkbuch. 

Vettori bei Machiavelli Opere 7, 36 ed. 
Milano 1805. Birk, 

K. Mar ſchreibt bem Bifhof Georg zu 
Bamberg. Münchner Reichsarchiv. Des: 
gleihen dem Bifchof Lorenz in Würz⸗ 
burg Eb. (Yan. 27. Häberlin 10, 
ZXXIX). Herberger 36. (Gleihwohl 
wird zwiſchenhinein noch von dem Haupt: 
ort Boten aus batirt, 3. B. Jan. 28, 
Le Glay Corr. 1, 111). 

Vettori a. a. DO. 37. (Febr. 4, an wel: 
chem Marimiltan fih felbft zum römis 
ſchen Kaiſer erflärt. Forſchungen zur 
deutſchen Geſchichte 1, 71. 72). 


J Forſchungen a. a, O. 


Vettori a. a. O. 39. Gedenkbuch. 
Datt 570. Vettori a. a. O. 46. 


Gedenkbuch. Vettori a. a. O. 54. 


Gebenfbudh. Le Glay Corr. 1, 39. 

Ranke Deutfhe Geh. 1, 137 Anm. 1. 
Ausg. 3. 

Gedenkbuch. 

Chmel 290. Göbler Chronia der ariege⸗ 
handel Maximiliani de, 


1508. Merz 6. 7. Insbruck. 
— 8 9 Fragenſtein. 
— 9,10. Mittenwald. 
— 10. 11. Partenkirchen. 
— 12 Schongau. 
— 12—18. Raufbeuren. 
— 19 Memmingen. 
— 2. Pfaffenhaufen. 
— 21—28. Augsburg. 
Apr. 1-3. Ehingen. 
— 3-12. Ulm. 

— 14. 15. Göppingen. 
— 15-17. Eßlingen. 
— 47 Ganftatt. 
— 418. Vaihingen. 
— 20—24, Speier. 
— 2. Landau. 
_ %, Anmeiler. 
— 7. Landſtuhl. 
— 30— St. Wendel. 
Mai 1. 

— 5 Andernach. 
— 7. Linz. 

— 10. Siegburg. 
— 13—183. ln. 

— 124. Zond. 

— 31. Siln. 
Sun. 1—6. Giegburg. 
— 9. Engers. 
— 10. Coblenz. 
— 11. Boppart. 
_ 1, Gaftellaun. 
— — Eimmern. 
— 13. 14. Kreuznach. 
— 15—22, Oberweſel. 


@öbler a. a. O. da. de. 

Gbbler a. a. D. Sa. Sb. 

Gedenkbuch. Göbler a. a. D. Ba. 

Göbler a. a, D. 9b. Sb. 

Gedenkbuch. 

Herberger 43. (Merz 17. GBöbler a. a0. 
21a). Gedenkbuch. 

@dbler a. a. O. 18b. 

Baier. Landtagshandl. 16, 425. 

Gedenkbuch. (Merz 24. 26. Herberger 3. 
44). Gebdenkbuch. 

Gedenkbuch. 

Gedenkbuch. (Apr. 8. Herberger 36). Das 
574, 


Gedenkbuch. Böhler a. a, D. 49a. 

Pfaff Eßlingen 360. (Apr. 16. Harppreit 
3, 203). Gedenkbuch. 

Gedenkbuch. 


Eb. 

Eb., auch Le Glay Corr. 1, 52, wo fu: 
flat auf diefe Weife zu beffern if. 

Ranke a. a. DO. 1, 138. Gedenkbuch. 


Lünig R. A. 13, 1520, . 

Ranke a. a. O. 1, 139. 

Eb. 

Birk. Le Glay Corr. 1, 54. 

Birk. 

Le Glay Corr. 1, 55. 56. 

Gedenkbuch. 

Beckmann Hiſt. des Fürſtenth. Anhalt 5, 128 

Le Glay Corr. 1, 60. 62. 

Trithem. Annal. Hirsaug. 2, 638. 

Le Glay Corr. 1, 68. 

Trithem. a. a. O. 2, 639. 

Le Glay Corr. 1, 64. Gebenfbud. Masi- 
milianus volens ascendere ad Spiram.... 
Interea missi ex Brabantia venientes 
orabant , ut quantocies descenderet sd 
eos. Tritbem. a. a. O. 

Gedenftud. (Zul. 16. Sattler 1 Bel 
Nr. 46). Van den Bergh Gedenkstek- 
ken 2, 112. 


„u 


13 —17. 
18. 
19—29. 


31— 


. 10. 
16. 17. 


18— 
23. 


. Boppart. 


. &öln. 


Düffeldorf. 


. Duisburg. 


. Xanten. 
. Calcar. 


Herzogenbuſch. 


Dordrecht. 


. Reiben. 


Haag. 1 
Dordrecht. 


. Zurnbout. 


Beke. 
Gertruidenberg. 


. Schoonhoven. 
. Dordrecht. 


Breda. 


. Antwerpen. 


Lierre. 
Mecheln. 


Lierre. 


Antwerpen. 


. Bergen op Zoom. 


Antwerpen. 
Lierre. 
Meceln. 


Antwerpen. 


Mecheln. 


Bruͤfſel u. Um⸗ 
gegenb. 


Hoatheka Hist. Trev. 2, 584. (Jul. 5. 
Moris 2, 221). Birk. 

Le Glay Corr. 1, 70. Datt 576. 

Le Glay Corr. 1, 71.73. 

Eh. 74 (Mai 18. Compte rendu des 
s6ances de la commission royale d’hist. 
Brux. 2. serie 3. 1852. ©. 312). Ge: 
denkbuch. 

Gedenkbuch. Kink 2, 312. 

Gedenkbuch. Le Glay Corr. 1, 76. 

Kronykjen van S’ Hertogenbosch, bei Wil- 
lems Belgisch Museum 3, W. 


Compte rendu a. a, D. 318. 

Le Glay Corr. 1, 79. 80. 

Eb. 81. 

Van Asch van Wijeck Archief 1, 264. 

Duamont Corps dipl. 4. partie 1, 110. Le 
Glay Corr. 1, 83—86 (freilich eb. 1, 83 
unter bem 19. Sept. auch zugleich Vursäle). 

Le Glay Corr. 1, 86. 

Gb. 89. 

Gh. 89— 94. 

Gb. 94. Gudenus Cod. dipl. 4, 572, 

Le Glay Corr. 1, 98—103. 

Baier. Landtagshandl. 17, 211. 207. 

Le Glay Corr. 1, 105. 

Reiffenberg Hist. "de l’ordre de la toison 
d’or 275. 

Rymer Foedera 13, 235. Le Glay Corr. 
1, 107. 

Baier. Landtagshandl. 17, 
denkbuch. 

Gedenkbuch. (Dec. 10. Bergmann die Ed⸗ 
len von Embs 1860. ©. 33). Birk. 


Gedenkbuch. 
Eb. 
Eb. 


Le Glay Corr. 1, 119. Herberger 59. 


207. Ge: 


Gedenkbuch. 
Eb. 


1509. Febr. 2327. Ent. 


— 7. Aloſt. 
Merz 1—7. Get. 

— 9 10. Medeln. 
— 11—16. irre 

— 18, Antwerpen. 
— 2. Bergen op Zoom. 
— 2. Dubebogc, 
— — Breda. 

— 27. 28. Herzogenbuſch. 
— 50. 31. Grave. 
Apr. 2. Kanten. 

— 3. Düffelborf. 
— 9—12. En. 

— 14—17. Coblenz. 
— 18. St. Goar. 
— — Rüdisheim. 
— 21-245. Worms. 
— 26. 27. Speier. 

— 28. Bruchſal. 
— —. Vaihingen. 
— Eu Stuttgart. 
Mai 1. 

— 3 4 Um. ' 

— 5 Weiſſenhorn. 
— 7. 8. Mindelheim. 
— 10-17. Aaufbeuren. 
— 18. Angelberg. 
— 19-21. Mindelheim. 
— 23. 24. Kempten. 
— 25. Reutte. 

— 26 Ehrenberg. 
— — Lermos. 

— 28. Naſſereit. 
— 29. Stams. 

— 30. Fragenſtein. 
— 30— Insbruck. 
Jun. 4. \ 

— 5-10. Sterzing. 
— 10. Bogen. 
— 11. Neumarkt. 
— 113—15. Trient. 


Messagır des seienoss hist. „. . „ de ka 
Belgique 1850. ©. 8. Gedenfbud. 


Le Glay Com. 1, 112. 


Gebentbud. 

Herberger 59. Hormayr Wien 4a, 145. 
Gebenfbuß. Le Glay Corr. 1, 112. 
Henne 1, 218. 

Le Glay Corr. 1, 113. 

Eb. 114. 115. 

Eb. 116. 117. 

Eb. 117. 118. 

Gedenkbuch. 

Eb. 

Eb. 


Eb. 


Gb. Le Glsy Corr. 1, 125. 

Le Glay Corr. 1, 126. 

Gedenkbduch. 

Ranke a. a. O. 1, 140. 143. 
Gedenkbuch. Le Glay Corr. 1, 130. 
Gedenkbuch. 

Eb. 


Eb. Le Glay Corr. 1, 134. 135. 


Lünig R. 9. 13, 1283. Lacomblet 4, 617. 
Gedenkbuch. 

Lünig R. A. 4, 316. Le Glay Corr. 1, 135. 
Gebenfbuh. Le Glay Corr. 1, 139. 

Le Glay Corr. 1, 140. 

Eb. 142. Gebenfbud). 

Gedenkbuch. 

Le Glay Corr. 1, 145. 149. 

Gedenkbuch. 


Schreiber Geſch. ber St. Freiburg 3, 232- 
Gebenfbud. 

Gebenkbuch. (Sun. 7. Le Glay Corr. |, 
59). Le Glay Corr. 1, 157, 


Gedenkbuch. 

Eb. 

Guiociardini Istoria d’Italis Hbr. 8 ed. 
Friburgo T. 2, 219. (Sun. 14. Baier. 


ak 


„ Landtagshandl. 17, 222). Bergmann . 
Medaillen 2, 246, 
Jun. 0. %. Riva. Guiceiardini a. a. D. Mur zweiftünbiger 
Aufenthalt. “ 
— 24—29. Trient. Le Glay Corr. 1, 158. (Sun. 26. Häberlin 
9, 439). Gedenkbuch. 
— 30. Perſen (Pergine). Herberger 59 Anm. 
Zul. 1—4. Ivano. Gedenkbuch. 
— 4-6. Feltre. Eb. Le Glay Corr. 1, 159. 
— 10—13. Baſſano. Porto 100 Anm. 
— 17—20}. Maroftica. Le Glay Corr. 1, 160. Porto 103 Anm. 
— MU. Delle Scala (Schloß Gudenus Cod. dipl. 4, 576, 
bei Primolano), 
_ 2 Ivano. Le Glay Corr. 1, 163. 171. 172. 175 (wo 
Aug. 3. d’Yvan flatt d'ynan zu Iefen). - 
— 5-9. Baffano. Gedenkbuch. (ug. 7. Le Glay Corr. 1, 
177. 178). Gebenfbud. 
— 0.% Lime. Porto 107. ' 
— 2 vor Padua. Porto 106 Anm. 
Dt. 2 
— 3—7. Limena. Le Glay Corr. 1, 192. 19. 
—  8—18. Coßozza u. Longare. Gedenkbuch. Le Glay Corr. 1, 195— 201. 
— 21. Vicenza. Porto 138. 
— 22. Altavilla. Eb. 140 Anm. 
— — Montebello. Eb. 
— — S. Bonifacio. Eb. 141. 
— — Soave. Eb. 
— 24-26. Verona. Le Glay Corr. 1, 202. Gedenkbuch. 
— = Roveredo. Gedenkbuch. (Nov. 1—8. Le Glay Corr. 
Nov. 19. 1, 205—213. Nov. 12. Machiavelli Opere 
7 Milano 1805. ©. 165). Gedenkbuch. 
— 20—26. Stein(bei Salliano). Gedenkbuch. Le Glay Corr. 1, 217. 
Tec. 1. Trient. Le Glay Corr. 1, 220. 
— 4 Raltern. Gedenkbuch. 
— 9— Botzen. Le Giay Xégoe. 1, 303. Le Glay Corr. 
| 1, 226. 
D. San. 12. 
— 15. Sterzing. Le Glay Corr. 1, 227. 
— 17. Matrei. Eb. 228. 
— 18—20. Hall. Gedenkbuch. 
— 2i1— Insbruck. Birk. (Jan. 22. Gedenkbuch. Jan. 24. 31. 
Febr. 1. ) Le Glay Corr. 1, 229. 232). Gedenk⸗ 
bud. 
— 1. Telfs. Gedenkbuch. 
— 9—11. Raufbeuren. Eb. Le Glay Corr. 1, 233. 


1510. Zebr. 12—17. Minbelgeim. 


873 
Birk. Febr. 13 ff. Le Glay Corr. 1, M. 


— 18. Angelberg. Gebenfbud. 
— 19. 20. Buchloe. &b. 
— 24—j) Augsburg u. Um⸗ Gassar. 1749. Banotti 520. 
Sun. 8. \ gebung. 
— 43, 14. Mindelheim. Le Glay Corr. 1, 286. 287. 
— 20-1 Aupsburg. Eb. 1, 287—300. 
gu. 1 } 
— 19—2%4, Weilheim. Eb. 1, 302. 303. 
- 26. Füflen. Stuttg. A. unter Orbensleute. 
— 2. Reutte. Le Glay Corr. 1, 303. 
— 30. Naſſereit. Eb. 1, 305. 
— 37)] Insbrud. Eb. 1, 308. 310. 
Aug. 9. 
— 411. Aramd. Birk. 
— 13. Kematen. Le Glay Corr. 1, 311. 
— 16. Insbruc. Häberlin 9, 497. 
— 18. Naſſereit. Le Glay Corr. 1, 315. 
— 21. Prutz. Bergmann Die Edlen von Embs 1860. 
S. 40. 
— 23—30. Berned. Chmel 331. Le Glay Corr. 1, 317. 
— 31, Landeck. Le Glay Corr. 1, 321. 
Sept. 2. Wiesberg. Ev. 1, 327. 
— 3-9, Feldkirch. Lünig R. A. 8, 63. Neue Zeitſchrift bei 
Ferdinandeums für Tirol 10, 48. 
— 13. Buchhorn. Le Glay Corr. 1, 331. 
— 14—17. Lindau. Eb. 1, 331. 333, 
— 18 19. Meberlingen. Georgi Gravam. adv. sedem rom. 316. 
Anshelm 4, 143. 
— 23— Sonftanz. Le Glay Corr. 1, 334—340. Lünig R. 4. 
13, 1521. 
Det. 16. 
— 22. Rabolpbäzell. Birk. 
— 22. Villingen. Le Glay Corr. 1, 341. 


24. Entenburg (Jagd⸗ 


ſchloß zu Piob: Eb. 1, 392. 
ren bart an ber j 


Tonau). 
— 26. 27. Villingen. Eb. 1, 344. 345. 
— 30. Neuſtadt. Eb. 1, 346. 
Rod. 3—14. Breiſach. Kch 37. Le Glay Corr. 1, 346. 348, 
— 1d-— Freiburg u. Um: Gemeiner 4, 162. Le Glay Cor. 1, 353. 


1511 My 1. 


gebung. 


357. 361. 362. 369. 375. 463. 470. 
Serberger 45. Lotter Hist. Peutingeri 


— 16. 17. Golmar. 


— 21. Zum Beil. Kreuz. 


— 23. Ruffach. 


Hfienburg. 
— vu, Straßburg. 


— 12. 13. Offenburg. 
— 19-21. Oengenbad. 
— 26. Weil. 

— 27. 28. Tübingen. 
— 29. Reutlingen. 
— o. T. Münſingen. 


— — Ehingen. 
Mai *2. Ulm. 
— 10. Raufbeuren. 


— 22. Weilheim. 
— 23. Eberöberg. 


— 2. Burghaufen. 


— 29. Braunau. 

— 1 Mühldorf. 
Sun. 1. 

— 4 Detting. 


— 5 Mühldorf. 
— 10. Nattenberg. 


— 12. Hall. 
— 16. Insbruck. 
— 18. Steinach. 


— 26. Sterzing. 

— 3i. Briren. 
Aug. 10-20. Perſen. 
se 12 — 16. Briren. 
— æ5) Bien. 
Dct. 6. 


im Bußtertbale. 


66. (Zwiſchenhinein Nov. 22, Enfisheim. „1141 
Le Glay Corr. i, 350. 352. Nov. 28. 
Breiſach. Birk. 1511. Febr. 27. Breiſach. 
Klüpfel 2, 46). 

Van den Bergh 2, 260. Le Glay Negoc. 
1,'385. 

Birk, 

Maternus Berler Chronik im Code hist, 
de 1a ville de Btrasbourg Vol 1, partie 
2b, 100. 

Eb. 

Birk. 


Le Glay Corr. 1, 389. Birk. 

Lünig R. N. 13, 1283. 1284. 

Herberger 43. 44, 

Eb. 43. 44, 

Eh. 44. 

Eb. 44. 

Eb. 44. 

Eb. 44. 

Kink 1b, 116. 

Stetten 1, 270. 

"8. Mar. fchreibt dem Pfalzgrafen Wilhelm 
Münchner Neihsardiv. 

Harpprecht 3, 266. " 

Wiener Jahrb. 99 Anzeigebl. ©. 14. 

Birk. 


Trithem. Annal. Hirsaug. 2, 670. 

Goldast Constit. imper. 1, 428. 429. 

Le Glay Corr. 1, 409. 

Eb. 1, 410. 

Koch 37. 

K. Max ſchreibt dem Pfalzgrafen Wilhelm 
Münchner Reichsarchiv. 

Stuttg.! A. unter Heibed. 

Birk. 

Le Glay Corr. 1, 413. Birk. 

&b. 1,:418. Lettres du roi Louis XII. 
3, 327. 

Birk. Sept. 30 fi. Le Glay Corr. 1, 
418. 434. 


Sattler 1 Beil. Nr. 54 (bir Oct. 10), 


— 8—21. Toblach u. font Toblach Wiener Sabrbücher 99 E Bl. 15. 


Det. 21. Branbis 425. Zwiſchenhinein 
25 


1511. 


29. 30. 


. 13. 14. 


15. 16. 
22. 


23— 


.19. 


22. 
25. 
28. 
29. 
1. 


Insbruc. 
Sterzing. 
Toblach. 
@ntdnb. 


Auflee. 
Gmunden. 
Wels. 


Linz. 


Wels. 
Braunau. 
Landau. 
Geiſelhöring. 
Regensburg. 


34 5.7 Mürnberg, 


19. Neuftadt. 
— 22—24. Wirzburg. 
26. Gelnhauſen. 
1. Frankfurt. 
3. Wiesbaden. 
5. Coblenz. 
8. Cochem. 
12—19. Trier. 
25. Luremburg. 


Mat 


8. 


26— } Trier. 


Buftertbalorte krenz u. quer, woſern be. 
Ausftelungsbaten immer richtig : Oct. 14. 
Silian Le Glay Corr.1, 435. Dd. 16. 
Heimfels Eb. 1, 436. Det. 17—2. 
Snnichen Rudgaber Rottweil 2», 486. 
Le Glay Corr. 1, 437. Um biefe Zeit 
auch Einnahme von Beitelftein. Coec- 
nius bei Freher 2, 546. 

Le Gay Corr. 1, 445. 447. 

Eb. 1, 449. 

&. 1, 451. | 

Eb. 1, 453. 454. (Eb. 466 wirb weil 
Nov. 29 ftatt Dee. 29 fein). 


Eb. 1, 457. 458. 

Eb. 1, 459. 461. 

Eb. 1, 462. 

Cuspinlanus 404. Dec. 25 fi. Le Gly 
Corr. 1, 464 fi. 

Le Glay Corr. 1, 479. 

Birk. 

Birk. 

Le Glay Corr. I, 480. 

Datt. 797. 

„an Sant Blafiustag ben 3. Febr. rit 8. 
Marimilian bie zu Nürnberg ein. Dar: 
nah am Sontag ben 15. Febr. zug der 
Keyfer hinweg’. Prof. Hegel in Erlan⸗ 
gen nad einem ber Collecten :Bänte im 
Scheurl'ſchen Archiv zu Nürnberg. (Febt. 
6. Le Glay Corr. 1, 483 ff. Febr. 15. 
Ruckgaber Rotweil 2b, 487). 

Müller Staatscabinet 4, 25. 

Trithem. Annal. Hirsaug. 2, 674. Le Glay 
Corr. 1, 489. 491, 


Lünig R. A. 23, 1617. 

Le Glay Corr. 1, 493. 

Eb. 1, 49. 

Lünig R. A. 18, 602, 

Le Glay Corr. 1, 495. 

Häberlin 9, 528. Le @lay Cor. 1, 4%6— 
502, 


Le Glay Corr. 1, 503. 505. 


Bir, (Merz 28. Häberlin 9, 528. Mai 
2, Le Glay Corr. 2, 7). Birk. 


B. Mai 17. Waſſerbillig. Bi Mag fhreibt dem: Dialggraffn Mitgetr HALLE 


— 21. Baſtogne. 
— o. T. Namur. 
Sun. 9. Mecheln. 
— 18. 19. Rupelmonde. 
— 22. 23. Tervupren. 
— 27—29. Zumbout. 
Al. Fe Eöln. 
Nov. 3. 
— 7. Coblenz. 


— 18-2. Banden. 

— 23—,  Weiflenburg, 
Dec. 10. $ 

— 20—23. Landau. 


— Fu Beifenbung 
3. Jan, 
Febr. 28. Weiſſenburg. 


— 10. Speier. 


— 12- ) Landau. 
Merz 5. 
— 7. Speier. 


— 14. Eßlingen. 
— 14—16. Ulm. 

— Fi Augsburg. 
Apr, 21. 

— 26—29. Mindelheim. 
Mai 5-10. Kaufbeuren. 


— 11. Landsberg. 
— 12 Schmiechen. 
— 15-25. Augsburg. 


— 28 29. Mindelheim. 
Am. 5-— 9. Um. 


— 413. Eflingen. 
- 2024. Worms. 


dt) 


Münchner Reichsarchiv. 


- Le Mlay Corr. 2, 6. 
. Heonme 1, 295. 
‚ Würdtwein Mon. Pal. 2, 255. 
. ıLe. @lay Corr. 2, 13. 14. 
= be 2,113. 14. 
Eb. 2, 15—17. 


Noch 37. Le Glay Com. 2, 382, (Ba: 
zwiſchen Oct. 22, Neuß. Birh.. 
K. Mor ſchreibt dem Pfnlzgrafen Lubwig. 


Munchner Reichsarchiv. 


Lünig R. A. 13, 1315. Bill 
Le Glay Corr. 2, 62..67. 


Ch. 2, 237, gehört doch wohl zu biefem 


I Zahn. (Dec. 22, eb. 2, 70, 71). Roc 37. 


Le Glay Com. 2, 72—8i. 


Lünig Cod. dipl. Ital. 2, 2471. Le Glay 
Corr. 2, 82. 83, 

Böcklin von Böcklinsau Denkſchrift 1856. 

S. 370.371. Le Glay Corr. 2, 87—W. 


Koch 3. 


Thomas Leodius Annal. de ite Frid. IL 
eleet. Pal. 1624. ©. 49. Le Glay Corr. 
2, 9. 


"Le Glay Cosr. 2, 100. 


Pfaff Eßlingen 360. 
Le Glay Corr. 2, 100. 191. 
Gassar 1752. Le Glay Corr. 2, 432. 


Le Glay Corr. 2, 134. 137. 

Bir. Mai 6. ff. Le Gay Corr. 2, 139. 
141. 

Klüpfel 2, 68. i 

Le Glay Corr. 2, 142. 

Bir, Mai 16 ff. Le Glay Corr. 2, 143. 
15 

Klüpfel 2, 69. Branbis 428, 

Birk, dazwifhen Jun. 8. Le diay. Com. 2, 
162. 

Gemeiner 4, 225. 

Le Glay Corr. 2, 163. a 

Anabelm 4, 402. Le Glay Corr. 2, 164— 


2b * 


1513, Im. 
Sul 


30— 
5. 
9—1 1. 


14. 
22. 


Frankfurt. 
Coblenz. 


Cochem. 
Bittburg. 
Namur. 
Geers bergen 
(Brammont). 
Aubdenarbe. 


Aire. 
Rebecq. 


Abtei St. Jean 
bei Therouanne. 


Therouanne. Eb. 1, 541. Le Glay Corr. 2, 197 beides 
3. 24. — Um 20. ſchreibt 8. Mar bem 
Pfalzgrafen Wilhelm im Höre vor Te 
ruan. Münchner Reichsarchiv. 

St. Omer. Le Glay Corr. 2, 197. 

Aire. Eb. 2, 198 -202. 

vor Tournai. Eb. 2, 203. 204. Birk. 

Namur. Le Glay Corr. 2, 207. 

Carben (an br Eb. 2, 209. 

Moſel). 

Oberweſel. Archiv für Kunde öſtr. Geſch.-Quellen 14, 
289. 

Frankfurt. Eb. 

Wildenburg (bei Le Glay Corr. 2, 214. 216. 

Amorbach). 

Augsburg. Herberger 33. Birk. 

Benedictbeuren. Baier. Landtagshandl. v. J. 1514 ©. 
29. 34. 

Rotenburg am Inn. Birk. 

Insbruc. Lünig R. A. 4, 1321. Gan. 29. Eb. 10, 
464). Rob. Wingfieldbs Geſandtſchafts⸗ 
beriht an K. Heinrich VII. von England. 
P. Rec. Off. in London nah Pauli. 

Nattenberg. Lchmann Pfälz. Burgen 2, 145. 

Gmunden. 8. Mar fchreibt dem Pfalzgrafen Ludwig. 


876 
Le Glay Corr. 2, 170. 175. 


Bir. Gul. 10. Schreiben Sir Rob. Bing 
fielbs an K. Heinrich VII. von Englan. 
P. Rec. Of. in London nad Pauli) 
Le Glay Corr. 2, 177. 

Le Glay Corr. 2, 178. 

Eb. 186. 

Et. 179—183. 

Eb. 184. 


Lerberghe Audenaerdsche mengelingen 3, 
1.2 

Häberlin 9, 59. Weingartner Miſſw⸗ 
bände im Stuttgarter Staats⸗Archiv Db.7. 

Le Glay Corr. 2, 196. 

Le Glay Negoe. 1, 537. 538. 


Mündner Reihsard)iv. 


Febr. Bus. Birk. 
Merz 7. Steier. Vanotti 521. 642. 
— 29. Braunqu. Birk. 
Apr. 5—12% in. Birk. (Apr.8. 8. Mar ſchreibt an f. Tochter 
Margaretb, franz. unter dem J. 1513. 
P. Rec. Of). Fabri Staatscanzlei 33, 
' 599, 
— 17-19. Wels. Birk. Lünig R. A. 14a, 670, 
— 25-30. Linz. Bitk. Le Glay Corr. 2, 383. 
Mi 5—18. Bier. Cuspinianus 406. Lünig R. U. 23, 1565. 
— 2—77. Gräß. Birk. Meufel Geld. dorſcher 4, 188. 
— 28. Wildon. Koch 38. 
Sun. um 7. Cilli. Herberſtein 79, wo J. 1514 Ratt | 513 zu 
" ſeben. 
— 10—19. Krainburg. Moritz 2, 227. (Sun, 18. Einnaiger 7, 
144). Birk, ' 
— 2. Laibach. Birk. 
— 26. 27. Saldenhofen. Birk. 
— 2. Leibnicz. Birk. 
Jul. 1. Gratz. Birk. 
— 5 Im inmern Eiſenerz. Birk. 
— 12. Rotenmamn. Koch 38. 
— 1724Gmunden. Q. Mar urkundet für Jakob Fugger, Mſcpt. 
Aug 16. (Aug. 13. :Herberftein 81). ' Birk. 
— 27. Wels. Koch 38, 
Sept. I—1 Insbruck. GStuttg. X. unter Armer Konrad. (Sept. & 
5. Merz 7 } Gemeiner 4, 259). Schelhorn Amoen. 
it. 6, 412. „Bey aim halben Jahr zu 
Innsprugkh“. Herberflein 82. Wusflüge 
zwifchenhinein: 1514. Dec. 22. Hall. 
Lünig R. A. 14, 606. 
— 31-24 Augsburg. Bir zu Merz 31. Ueberhaupt Herbe ger 
Mai 26 33. Dazwifhen Ausflug Mai-4. Kauf: 
beuren. Häberlin 9, 660. (Mai 9, 11. 
20. Le Glay Corr. 2, 286—289). 
Sun. 1. Weilheim, Sattler 1 Beil. Nr. 60. 
— 10. Insbruck. Brandis 451. 
— 12. Rattenberg. 8. Mor ſchreibt dem Pfalggrafen Wilhelm, 
0 Münchner Reichsarchiv. 
— 23. Lambach. Steinhofer 4, 218. 
Jul. Anfang Linz. Bartholin bei Freher-Struve 2, 646, wo 
wohl III. non. Juli (Yul. 5.) ſtatt M. 
idus Julii Reben ſollte. 
— — Ens. Eb. 
— — Ips. Eb. 


377 


1545. Jul. 11115. Bien. 


15. 
16. 


1 7—29. 
29—31. 


2—2). 


nr 


818 


De 11. Jul. bel Barthel a. a. D. 654, { 


bagegen hat Cuspinianus in Fontes re. 
Auste. I Bd. 1, 407 und bei FPreher- 
. Steuve 2, 600 Sen 10. Zul. als Tag 
der Ankunft in Wien. 


Trautmannsberf. Bartholin 650. 
Hart (ein freied® Cuspinian in Fontes a. a. D. 408. Bar 


Feld) Larenburg. 


Bien. 


Wiener Neuſtabt. 


Ebenfurt. 


Wiener Neuſtadt. 


Krems. 

Linz. 

Wels. 
Straßwalchen. 


Lauffen. 


. Troſtberg. 


Insbruck. 


Hortenberg. 
Insbruc. 
Ulm. 


Babenhaufen. 


. Memniingen. 


Dttobeuren. 


. Kaufbeuren. 


. Yüffen. 


Imbſt. 

Um. 
Weiſſenhorn. 
Augsburg. 
Kaufbeuren. 


tholla 652. 
Cuspinian a, a. O. 
Cuspinign bei Freher-Stsuve 2, 610. 611. 
Eb. 611. 


Heyd 1, 407. 

8. Mar ſchreibt bem Pfalzgrafen Wilhelm, 
Dündner Reihsardiv. 

Birk, 

Birk, (Aug. 27. 8. Mar fchreibt bem 
Pfalggrafen Wilhelm. Munchner Reis: 
arhiv), Birk. (ug. 31. flinmt frei: 
li nicht zu Le Glay COorr. 2, 292) wo 
Insbruck ſteht. 

8. Mar ſchreibt dem Pfalzgraſen Wilhelm. 
Mündner Reichsarchiv. Sept. 4 u. fi. 
Le Glay Corr. 2, 292—299, 

Birk, 

Le @lay Corr. 2, 302. 

Herberftein 84. 8. Mar hatte die nidt 
ausgeführte Abfiht nah Göppingen zu 
geben (Heyb 1, 413), daher bie Aus: 
beugung. 

Brandis 433, 

8. Mar fchreibt dem Pfalzgrafen Wilhelm. 
Münchner Reichsarchiv. Heyd 1,412. 413. 

8. Mar jchreibt dem Pfalzgrafen Wilhelm. 
Münchner Reichsarchiv. 

Le Glay Corr. 2, 304. 306. 

Eb. 2, 309. 310, 

Eb. 2, 312. 

eb. 2, 315. 

Eb. 2, 339. 


Gemeiner 4, 282. Le Glay Corr. 2, 342. 


San. 28. ift in ber von Heyb 1, 431 Anm. 
22 ‘angeführten Urk. enthalten. Febr. 


2. 8. Mar urkunbet für ben Bürgers 

meifter und Rath zu Ulm, bezüglich ber 

Enten: unb WReigerjagb auf ber Blau. 

Urk. in ber Veeſenmeyerſchen Sammlung 
auf der Ulmer Bibliothel. 

Febr. 8. Füffen. Birk, 

— 117. Betnau. Heyd 1, 431. 
— 25. Landed. Birk. 
— 28. Latſch. Herberger 55. 
Mn 7. 8. Perſen. Le Glay Corr. 2, 318. 
— 0o. T. Trient. Guicciardini Della istoria d’Italia lib. 12 
(T. 3, 186 ed. Friburgo). 
— — Verona. Eb. 
— — vor Aſola. Eb. Fugger 1343. 
— — Arcinuovi. Guieciardini a. a. O. 
— — Soncino. Jovius Historiae sui temporis lib. 16 BL. 
191a ed. 1553. Fugger 1343, 
— 23. Rivolta. Uebergang Fugger 1343. 
über bie Abba. 
— 2. Liscate. Pioltello. Birk. Situngsberichte der bift. Claſſe der 
kaiſ. Afad. der Wiff. 5, 375, vrgl. mit 
Jovius a. a. DO. 191b. 

— 2. vor Mailand. Anshelm 5, 216. 

— gegen Enbe. Bergamo. Eb. 217. 

— —  Beom. Eb. 217. 

Apr. 3. Torre d'Oglio (am Steinhofer 4, 259. 260. Die Rüdtehr 
Einfluß des Og: nah Deutſchland gieng per Cremonen- 
lio in ben Bo). sium fines nad) Jovius 194a. 

— 416—18. Terſilla (nordöft: 8. Mar fchreibt an Cardinal Wolfey (Tat.) 
lihvon Trient). P. Bec. Of. in London nah Bauli. 
Birk. Das erſte Mal Terzilas, das 
zweite Mal Torezulas geſchrieben. 
— 19. Caldes (im Val di Le Glay Corr. 2, 322, 
Non). 
— 26. Meg an ber Etſch Le Glay Corr. 2, 322. Lünig R. 9. 16, 
(Deutfch:, Wälfh: 646, bei legterem mit bem auch fonft 
Meb). um biefe Zeit (Lacomblet 4, 627) un- 
richtig ftehenden Jahr 1515. 
— 2. S. Midel. 8. Mar fchreibt dem Pfalzgrafen Wilhelm, 
Münchner Reichsarchiv. ' 
Ma 5 Riva. Lünig R. A. 168, 653. 


670 


13—22, Trient. Ni. Pace ſchreibt an Wolfey. Cotton meer. 
im Britifchen Diufeum in London nad 
Pauli. (Mai 13. Zeitfchr. für Batern 
1816, Bb. 2, 329). Lünig R. U. 28, 


1516, “ 


/ 


1516, Mai 25. Botzen. 
— 2%. Meran. 
Jun. 12 Ehrenberg. 
— — Tannheim. 
— 13. Immenſtadt. 
— 14. Rothenfels. 
— — Staufen. 
— 15. 16. Wangen. 
— 16. Tettnang. 
= — Buchhorn. 
— 17-22. Conſtanz. 
— 23. 29. Üeberlingen. 
Jul. 1. Buchborn. 
— o. T. Langenargen. 
— 3. Lindau. 
— 342 8. Bregenz. 
— 9. Reutte. 
— 10—24. Füſſen. 
— 27. Lermos. 
— 31—j Hörtenberg. 
Aug 1. } 
— 9-20. Insbruck. 
— M. Reutte, 
— 25— Ehrenberg. 
Sept. 1. 
— 3-13. Füſſen. 
— 17. Kaufbeuren. 
— Augsburg. 
Oct. 23. 
— 1. 2. Kaufbeuren. 
— 26. Füffen. 
— 0%. Reutte. 
+ Tannheim. 
Nov, 1 Fluchenſtein. 


Q. Mar ſchreibt an bie Pfalzgrafen WE 
beim und Ludwig, Mündner Rad 
archiv. 

Sattler 1 Beil. Nr. 32, 

State papers. 1849. 6, 50. 

Herberftein 100. 

Eb. 

Eb. 

Eb. 

Eb. Memorie . . di Torino. Serie 2 T. 4 

scienze morali storiche 187. 


Herberftein 100. 

eb. 

Eb. 101. Krüpfel 2, 128. 

Serberftein 101. 8. Dar fchreibt an ben 
Serzog dv. Suffoll (Flämiſch). P. Bee 
Of. in London nad Bauli. 

Herberftein 101. . 

Eb. 

Eb. 

Archiv für Kunde öſter. Geſch. Quellen 2, 
14. (Zul, 4. Sinnacher Beitr. 7, 152). 
Birk. 

Chmel öfter. Geſch. Forſcher 1, 3486. 

Gemeiner 4, 297. Stuttg. U. unter Röm. 
Raifer. 

Sattler 1 Beil. Nr. 61. 


Birk. Le Glay Corr. 2, 328 (wo Sartem- 
berhe zu verbeſſern ift). 

Struve hift. und pol. Ardiv 2, 120. Hey 
1, 508. 

K. Mar ſchreibt dem Pfalzgrafen Wilhelm 
Münchner Reihsardiv. 

Heyd 1, 439. [Boller] Progr. des k. 1. 
Gymn. in Felbfirh 1860. S. 204. Birk. 

Klüpfel 2, 130. Kinf ib, 117. 

Brandis 435. 


Stetten 1, 278. Gemeiner 4, 298. 


Gemeiner 4, 302. 
Lünig R. A. 13, 911. 
Herberftein 104. 

Eb. 

Eb. 


‚Rov. 2. Immenſtadt. 
— 3. Staufen. 
— 3— 7. Bregenz. 
— 0.%. Lindau. 

— — Salmansweil. 

— 9. Ueberlingen. 

— 411. Conſtanz. 

— — Radolphszell. 

— — Engen. 

— 0% Furſtenberg. 

— 0%. Neuftadt. 
— 12, Freiburg. 

— 18. Breiſach. 
— 2022.Berkheim. 

— 26. St. Pölten. 

— u. % Straaßburg. 

— 0.% Neuweiler. 
Dec. 326. Hagenan. 

1. San. 1. Zweibrüden. 
— 7 Trrier. 

— 21}. Maſtricht. 
Febr. 2) Mecheln. 
Merz 4. 

— 10—26. Antwerpen. 

— 29. Lierre. 

Apr. 13. Breda. 

— 23. Antwerpen. 

_ 2 
Mat: 7. 


Eb. 

Eb. 

Stuttg. A. unter Hohentwiel. (Nov. 6. 
Le Glay Cor. 2, 329). Birk. 

Herberfein 105, 

. | | 

Memorie di Torino a. a. D. 172. 

Birk. 


Herberſtein 105. 
Eb. 


Eb. 
. 


Eb. 
Gemeiner 4, 304. 


Leunig R. A. 120, 469. 
dDeydb 1, 477. Bir,‘ 
+ Br, \ 


Le: Glay Corr. 2, 333 (Der hier fe 
21. Nov. paßt nicht). ’ 

Herberftein 105. 

eb 

Koch 38. Schoepfi. Als. dipl. 2, 451. 

Birf. 

Le -Glay Corr. 2, 354. 

Geſandtſchaftsbericht Rob. Wingflelds am 
8. Heinrih VOL von England. Cotton 
mser. im Britifhen Mufeum nad Pauli. 
Le Glay Corr. 2, 354. 

Rob. Wingfields Geſandtſchaftsbericht an 
8. Heinridy VII. von England. Cotton 
msor. wie vorher. ! 


Gefandtfchaftsberiht Rob. Wingfields an 
8. Heinrih VIIL von England. Cot- 
ton mser. wie vorher. (Febr. 24. Harp: 
precht 3, 430). Birk. 

Le .Glay Corr. 2, 346. M7. 

Worcefterd, Tunſtals und Wingfielbs Ge: 
fandtfhaftsberiht an 8. Heinrich VIE 
von England. Cotton mser. wie oben. 

Romanin Storia di Venezia 5, 512. _ 

Bericht Worceſters an 8. Heinrih VIE. 
von England über bie Feier bed St. Geor⸗ 
gentagd in Antwerpen. “ Cotton mser. 
wie ‚oben. 


Bergen op Zoom. Birk. (Apr. 28, Le Glay Cabr. 2, 348). 
i .. 9 . Birk 


® “4 Jız 


b 
1517. Mai 15. 


Mecheln. Sattler 1, 225. 
Yun. 1. Maflrict. Le Glay Corr. 2, 360. 
— 44-18, Frankfurt. Birk, 


— 26-27. Rotenburg &.6; T. Stenen 1, 277. Lünig R. A. 4, 316. 


— a1 Naufbeuren. 
Oct. 8. 


Sul 2. Donauwörth. Shrt. 
— 8-1 Augsburg. Le day Corr. 2, 350: Serberger 33. 
Aug. 16. 6 
— 22. Ingolftabt. Le Glay Corr. 2, 351. 
— 28-30. fin. Lünig R. U. 13, 1267. - Mon. Bole. 14, 
310. 
Sept. *9. Wien, Cuspiuianus 409. 
— 418, Neuſtadt. Birk. 
— 22. 23. Sarenburg. 2. Mar ſchreibt bem Pfalggrafen Ludwig 
. Münchner Reihsardiv. Birk. 
_ 3 Baben. Birk. (Oct. 1. Besold 216. Oct. 9. Kit 
Oct. 10. 2, 330). Birk. 
_ a Wien. HOoſemann adeliche Stammchronica ber Sahl⸗ 
Nov. 3. hauſen 1662. S. 44. Birk. 
— 9. Baden. Birk, 
— 14—17. Wiener Neuftabt. Wiener Jahrbücher 99 Anzeigebl. ©. 23. 
Birk. 
Dec. 12, Wels. Birk. 
— 22. Linz. Birk. 
1518, Jan. 10. Vollabruck. Birk. 
— 16. Braunau. Stetten 1, 280. 
— M. Freifing. Birk. 
— u; Augsburg. 8. Mar ſchreibt den Pfalzgrafen Wilhelm 
Febr. 24. und Ludwig Munchner Reichdardiv. 
(Febr. 9. Gemeiner 4, 330). Birk. 
Merz =) Insbrud. Birk. (Merz 29. von Eye, Leben und Wirken 
Apr. 6. Albrecht Dürers 509). Urk. bed K. Mar, 
betreffend bie Verfegung bet Landvogtei 
in Schwaben an ben Faiferlihen Rath 
Nic. Ziegler, Stuttg. A. unter Hohentwiel. 
— 14—20. Hall. Birk. 
— 19-1) Insbrud. Birk. 
Mai 28. 
— 30. Ehrenberg. Birk, 
Sun. 3. Füffen. Hirſch T. R. Münzarchiv 7, 70. 
— 42. Kaufbeuren. Harpprecht 3, 431. Gemeiner 4, 350. 
— 29 Augsburg. Birf. Le Glay Corr. 2, 361. Birk. 
Sept. geg. ende 
— 2. Mindelheim. Stetten 1, 282. 


Le Glay Nögoc. 2, 156. (Oct. 4. 6. 7. 
Birk). Lünig R. A. 13, 109. Gonad 


8—11. 


13—23, 


Ehrenberg. 


Imbſt. 
Insbruck. 
Schmwak. 


. Kufflein. 


Troſtberg. f 
Voklabruck. 


. Omunben. | 


Wels. 


Birk, Todestag. 


888 


fant Fugger 1362 irrig, Mar fei am 6. 
Det. von Augsburg abgereifl. 

Le Glay Corr. 2, 368. (Oct. 10. Momu- 
ments Habsburgica Ila, 60). Birk. 

Ehmel 356. Birk. 

Banotti 521. 

Küpfel 2, 155. 

Birk. Herberftein 140. 


Mae on 


Herberftein 137. 


: Birk. (Nov. 17. Le Glag Oper: 2, 371). 
Birk. 


3 Fa J. 214 49 —XR 


vr 


Aubang. 


Aufenthaltsorte K. Ferbinands I. 1521— 1564. 


1521. Apr. 12—29. Worms. 
Mai 26—) Linz 
Sun. 24. 

Sul. 1. Leoben. 

— 2-21. Gratz. 
Aug. AN Wels. 
Sept. 7. 

— =) Grabz. 
Oct. 22. 

— 23. Leoben. 
— 23. 24. Judenburg. 
— 2. Scheifling. 
— 28. 29. Villach. 
Nov. 2. Lienz. 

— 3. Imichen. 
— 4. 5. Bruneck. 
— 8. 9. Insbruck. 
— 13. Tüflen. 

— 17. Ulm. 

— 20. Böppingen. 
— 27. Mainz. 
Dec. 10. Brüfiel. 
— 20. Gent. 

1522. Ian. 21 Srüffel. 
Apr. 14. 

— 2. Maſtricht. 


1522. Apr. 30. 
Mai 12. 


22. 


Auszug aus: Anton von Gevay Itinerar R. Serbinands L 
Wien 1843. 4.1). | 


Bonn. 
Neuftadt. 


— 13—20F. Rürnberg. 
Elwangen. 


— %— 

Stuttgart. 
Jun. 3. } ” 
— 4 Ulm. 
— 5 6. Dilingen. 
- 8 Ingolftabt. 
—_ 17 
Aug. 18. Wiener Neuftabt. 
— 20. Bier. 
— B— . 
Sept. 11. ein. 
— 1i. Peurbach. 
— 13. Paſſau. 
— 14. Vilshofen. 
- 1. Regensburg. 
— 1% Neumarft. 
—_ 2— 

1523. Febr. 15. } Nürnberg. 
— 418, Ansbach. 
_ 23— 

tuttgart. 
Merz 10. h Stuttga 
— 13. Geislingen. 


1) Da biefe Schrift, in weldger zu jebem Tag ber Aufenthaltsort, 


weit er befannt ifl, angemerkt Rent, nicht in den Buchhandel fam, fo bür! 


das folgende Stinerar, welches 


nicht unwilllommen fein. 


bren vollſtändigen Inhalt zufammenbrän, 


. Merz 13. Um. 
— * Augsburg. 
* — u Insbrud. 


Ser. 6. ) ein. 


. 5 


. 26. 


11. Bel Debenburg. 
12. 13. Debenburg. 


15 Wiener Neuftadt. 


5. 6. 7. Wien. 

10. St. Pölten. 
_ Met. 
14-17. Linz. 

17. Efferbing. 
19. 20. Baflau. 
21. Vilshofen. 
22, Blattling. 
24—27. Regensburg, 


30— Nürnberg. 


4— 8. Stuttgart. 
10. 11. Horb. 
12—15. Freiburg. 
17. 18. Breifad. 
19. Enfizheim. 
21. Freiburg. 
23. 24. Breifach, 
27. 28. Freiburg. 
28. Offenburg. 
2—16. Stuttgart. 
17. Eplingen. 
19. 20. Heidenheim. 
22. 23. Ingolftgbt. 


ru Regensburg · 


11. 12. Linz. 

19— io. 
en. 

.y® 

9, Tulln. 


11. 12. Perſenbeug. 


12. Ips. 
— Amſtetten. 
14—16. Linz. 


1624. Nov. 18. Bodlablud. 
— 2. 21. Salzbuxg. 
— UV .. 
1525. Jul. 22. } ‚ Snabrud., 
— 26-29. Weilheim. 
Aug 1—12. Augsburg. 
— 13, "Blaubeuren. 
= — Ulm, 
— 15. 16. Urach. 
— 16 gg 
Set. 1. 1 ng 
— 3-5. Eßlingen. 
— Tu .: 
Nov. 19. | ringen, 
— 20. | Urach. 
— 22. 2. Um. 
— *— Augsburg. 
1526. Merz 14. 
— 14 Jettingen. 
— 17. Ehingen. 
— 11—- Tübingen. 
Apr. 8. 


— 10-13, Eßlingen, 
— 14. 15, Stuttgart. 


— 18— 

Ma 3. fl Tubingen. 
— 4. Blaubeuren. 
— 5. 6. Um 
— 7. Geislingen. 
— 8-16. Stuttgaxt. 
— 16-13. Brudfal. 
— 18— 

Aug. 27. } Opel, 

Set. 1— 3. Memmingen. 
— 3°. Kempten. 
— 4& 0... Ratte 
_ 5 Naſſereit. 
— 7-10. Insbruck. 
— 10, 411. Kufſtein. 

— 41% Roſenheim. 
_ 45_ 

Od 6. } din 

— 10-12 Bia. 


1526. Od. 01 . 

Nov. 6. Ben. 

- 7. Trautmannsborf. 
— 3-10. Heinbung. 

— 15— 

1527. Jan. 21f. ein 

— 21. Korneuburg. 

— 22. Stocerau. 

— 2. Hollabrunn. 

_ 24. Guntersdorf. 

— 25-727. Znaim. 

— 7. Bubweiß, 

— 28. Pirnig.; 

— 29. Iglau. 

— 30. Deutſch⸗Brod. 

— 31. Czaslau. 
Febr. 1— 3. Kuttenberg. 

— 4 Bohmiſch⸗Brod. 
— 5— 
März 28. Prag. 

— 29. 30. Kollin. 

— 31. Reitomifchel, 
Apr. 1. Letowitz. 

— 3—16. Brünn. 

— 17-25. Olmüs. 

— 2. Jãgerndorf. 

— — Neuſtadt. 

— 28. 29. Neiſſe. 
Mai 1—19 Breslau. 

— 21. Schweidnitz. 

— 27- 
Sun 4. h Pros 

— 9 10. Neuhauß. 

— 14-1 Wien. 

Jul. 30. 

—- 31. Fiſchament. 

— 3- vellenkirchen. 
Aug. 1. ’ u 

— 1. Kitſee. 

— 1-3 Ungriſch Altenburg. 
— 4. Lager an der Rabnitz. 
— 5. 6. Lager unter Raab. 
— 7. Lager zwiſchen Raab 

und Komorn. 

— 8 Lager vor Komorn. 


St. 


9. ‚Bstaorn. 

10. . Lager zwiſchen Be 
morn und Te, 

12. Lager zwiſchen Tstü 
unb 

13. Lager zor Grm. 

16. Lager zwiſchen Gras 
unb iſchegted. 

17. Lager unter Bilde 

18. Lager eine Meile der 


Ofen. 
19. 20 Lager vor Die 
21—29. Lager unter Ofen 


1— 

Dt. 29. H Diem 
— 1— ent 
Nov. 15. } Srubtweif 
— 18. Totis. 
— 19 

1628. Jan. 17. 
7 20-) Hin | 
Febr. 6. 
— 7-23. Gran. 
Merz 2. Raab. 
— 3— 7. Ungriſch Altenburg. 
— 9-27. Bien. 
— Fu Znaim. 
Apr. 1. 
— 4 6. Deutſch⸗Brod. 
— 6. Czaſslau. 
— 7- 
Sept. 23. a 
— d7—238. Polna. 
Det. I Wien. 
Nov. 15. 
— 18—23. Presbutg. 
— 23-1) Bien. 
De. 8, 
— 8. Wiener Neuſtadt. 
— 11. Bruck. 
— 13—21. Groß. 
— 24-29. St. Beit. 
— 29. Elagenfurt. 
— 30. 31. Villach. 


9. Jan. 


Der | 
— 3 Vaihingen. 
— 4- Speier. 

Apr. 25. 
— 28. 29. Stuttgart. 
— 29. 30. Goͤppingen. 
Mat 1. Heidenheim: 
— 1. 2 Donauwörth. 
— 2. 3. Ingolſtadt. 
— 0} Linz. 

Sun. 19 
— U. Baflau. 

— 21. Oſterhofen. 
— 28—21 Regensburg. 

Jul. 1. ß ß 
— 13_ 8 Linz. 

— 9-21. Budweis. 
— 23-1) vin,. 

Sept. 30. 

Oct. 2. Tabor. 
— 44212. Prag. 


1. Millſtadt. 
2. 3. —* 
3. Lienz. 
9. 6. Bruneck 
8. 9. Sterzing 
4 Insbrud 
19. 
19. Fragenſtein. 
22. Reutte. 


22. 23. Kempten. 
23. 24. Memmingen, 


nn Stuttgart. 


14. 18. Tabor. 
15. 16. Budweis. 
16. 17. Krumau. 
17—25. Linz. 
2 Krems. 
1. 
3. 4. Bnaim. 
7—11. Krems. 


11. Emmerdborf. 
12. Grein. 


14— 
b. — 


1531. Jan. 


6. 3xeiſtadt. 
9—28. Budweis 
31. VDeneſchau. 
1248. Prag. 
13—16, Leitmeritz. 
17— ag. 

18. 9° wong 
19. Tabor. 
21. Hohenfurt 
22-80, Linz. 

2 gusbrud 

6. 7. Schwatz. 

8. Kufſtein. 
8 8. Roſenheim. 
9.. 20. Ebersberg. 
10—14. Münden. - 
2 * Augsburg. 
5. Wellentzurg. 
9-1 Augdbikg. ' 
23. 
23. Jettingen. 
24. Weiſſenhorn. 
25. 26. Ehing 

26. Urach. 

27. 38. Bebenhauſen. 
28. Böblingen: 
29. ** 
30. Maulbronn. 
1. Bretten. 

— Bruchſal. 
2— 6. SGEpeiet. 

6. Shwebingen. 
7-19. Reuſchloß. 
10. Oppenheim. 
11-13. Mainz. 

13. 14. Bacharach. 
14. 15. Boppard. 
15. 16, Benn. 
a Coln. 

7. 

7. Bergheim. 
&: 9 Ilich. 


9. Haaren. - 


Sperg. © 


1531. San. 10-15. Waden. 


Sept. 


15. Julich. 
16—18. Eln. 

18. Andernach. 
20. Lahnſtein. 
22. 23. Bingen. 
24. 25. Speier. 
25. Bruchſal. 
27—29. Maulbronn, 
29. Gröningen. 
— Schorndorf. 
31. Aalen. 

— Noͤrdlingen. 
. 1. Nördlingen. 
— Donauwðorth. 

2. 3. Neuburg. 

3. Ingolſtadt. 
— Abach. 

4. 8. Regensburg. 

6-1 Lim. 

6. 

e3—22. Budweis. 
2. Neubaus. 
25-1 Brünn. 

3. 

6—14. Budweis. 
17— Prag. 

30. 

1. Beneſchau. 

3. Miltſchin. 

4—31. Budweis. 

1— 3. Iglau. 

8—23. Linz. 

24. 25. Peurbach. 
27. Schärding. 
— Pfarrkirchen. 
29. Ganghofen. 
31. Wollnzach. 
— Neuburg. 

1. Donauwörth. 

2. Dillingen. 

3. Heidenheim. 

5. Göppingen. 

6—28. Stuttgart. 


Det. 1 u 


— —* 
— — VBaihingen. 
— 19. 20. Stuttgart. 
— 21 Kirchheim. 
— 3. A. Ilertiffen 
— 25 %. Kaufbeuren. 
— 27 Fuſſen. 
— — Lermos. 
Insbruck. 
1532. Sehr, 22, 2) 
— M. Wafferburg. 
—_ M— ensbur 
Ma 1. N Reg * 
— 4 Tauß. 
— 6, Pilſen. 
— 7— 
Jun. 8. wong 
— 8 Bettlern. 
— 9 10. Bilfen 
— 10. Tauß. 
— 185- ensbur 
Eat. 2) Reg 9 
— Fa 9. Li. 
— 10. PPaſſau. 
— 15-20. Linz. 
_ - Wien. 
Det. 4 
— 10. 11. Leoben. 
— 15. Frieſach. 
— 17. St. Veit. 
— 19—22. Villach. 
_ 2. Greifenburg. 
— u Insbruck. 
1533. Jan. 20, 
— 30. St. Johann. 
Febr. 1— 3. Salzburg. 
_ — Vöcklabruck. 
Lin 
Merz 13. 1} + 
— ru Bien. 
Apr. 9. 
- 11, Reuburg. 


Sun. 19. J 
— 21—26. Wiener Neuſtadt. 
— 28— 
Nov. 21. ) Wien. 
— 21. Stocerau. 
— 22. Wulletdorf 
— 23. Rötz. 
— MU. Budwitz. 
— 25. Pirnitz. 
— 26. Deutſch⸗Brod. 
— 28. VBohmiſch⸗Brod. 
— 29— 
I. Sun. 16. | m 
— 17—29. Raben; 
— 29. Joachunsthal. 
— 30. Raben. 
Sul. 1. Saap. 
— — Laun. 
— 2. Schlau. 
— 2219. Prog. 
— 21. Miltſchin. 
— 2. Sobieslau. 
— 26. 27. Korneuburg. 
— 27— 
5. Febr. 13, Wien. 
— 15- 
Men 7. Znaim. 
— 14 
un. 9, Wien. 
— 9-13. Wiener Neuftadt. 
— 414— . 
Sept. 11. } Wien. 
— 13—15. Wiener Neuſtadt. 
— 18-— 
6. San. 10. Bien, 
— 13, St. Pölten. 
— 14, Melt. 
— — Amſtetten. 
— 15-2147. Enns 
— 19. 20. Vodlabruck. 
— 21. 22. Salzbhurg. 
— 23. Waging. 


4686. Jan. 24. 25, Troſtberg. 
— 2. Roſenheim. 
— 28. Schwatz 
— 29— 

Aug. * ) Insbruck. 
— 28. Matrey. 
— 29. Sterzing. 
— 30. Brixen. 
—, 3— Bogen, 
Sept. 11. 
— 11. St. Michael. 
— 12—183. Trient. 
— 19. Tramin. 
— 20—22. Botzen. 
— 22. Brixen. 
— 24-27. Lienz. 
— 7. Greifenburg. 
— 29— u 
St 1 Billach. 
— 3— 9. St. Veit. 
—- 10. Frieſach. 
— 16—30. Gratz. 
- 30. Srodnleiten. 
— 1- 
Nov. 2, ) vrud. 
— 4 5 Wiener Neuſtadt. 
— 8— 

1537. Febr. 6 Wien. 
— 7. 8. St. Pölten. 
— 10. 11. Enns, 
— 11. Linz. 
— 43. Efferding. 
— 16—21. Paſſau. 
—_— 2. Krumau. 
— 25. 26. Sobieslau. 
Merz 1i— 
EFT Prag 
— 7. Miltſchin. 
— 8 Droſendorf. 
— 11- FO 
Nov. 4. wien 
— 9. Brud. 
— 1— ! 
Dee. 4. su. - 


1537. De. 5. Sesönleiten. ver. 
— — Aflenz. .. 
— 9-%. Rremb. 
— 20. Zwetl. 
— 23. Tabor. 
DER We 
1538. Gebr, 12. ) Prag. 
— 14. 16, Brandeis 
— *— 
Mai 7)] Pre. 
Leitmeritz. 


— 18. 19. Dresben. 
— 21-24 Bauten. 
— 23. 26. Görlitz. 


— 2727. Bunzlau. 
Im. 7 Breslau. 
— 18. Grottlau. 
— 19, 20. Reife 
_- 22. Sof. 

— 23-30, Olmiüß. 
Jul. 1 Wiſchau. 
— 3. Znaim. 
— 4. Kremb. 
— 7- oo. 
Aug. 16 ein. 
— 18-20. Enns, 


— 21—2%. Steier. 
Eu } Gmunden. 


_ 4 
Det. 14. } ein. 


| - 19- BR 

1539. pr. 10, | Bien. 
— 14—18, Brünn. 
_ A | 
Mei 26. ) Prog 
Sun d— . 
Zul. 2 ) Wien. 


— 14. Wiener Reuſtadt. 


Set. 3. J Bien 


4 


41889. Sept. 24. Wiener 'Reuftadt.: 
— 26— tn 
1540. San, 13... Bien. . - — 
— 18. Droſendorf. 
— 19- 
Febt. 2. ) Prag. 
— 3:4 Pillen. 
— 4 Kadan. 
— 17 9, Rürnberg. 
— 10 Rothenburg. 


— 13-15. Heidelberg. 
16. Kron-Weiffenbung 
21. 22. Luremburg. 


23. Arlon. 
— 2. Baſtogne. 
Merz 2— 
Mai 8. Ben. 
— 16. 17. Luttich. 
— 19 20. Trier. | 
— 22. Wallerfangen. 
— — 
Jul. 3. Hagenau. 
— 29. Vretten. 
— 30.31. Wimpfen. 
Aug. 3. Neuburg. 


— 10-727. Bien. 
_ 1} Wiener Neuſtabt. 


Sat. 15. 

—_ 15. Afpern. 

— 416—21, Brünn. 

— 24—-] wiener Neuſtabt. 
Oct. 19. 


— 2. Ebersdorf. 


_ 2} Wiener Neuſtadt. 
4541, Zebr. 22. | 


en 
Mat 21. iem 

— 25. Bruͤnn. 

_ 30- 

Sun, 15. h Wien. 

_ 3, 

Jul. 29, Y ‚Regendburg. 


Aug. 1. 2. 


Bien. 


— 5-39. Wiener Meufabt. 
Sept. 5—} 
Rov. 26. ) ein. J 
— 26. Hohenfurt. 
De. 1— 
= ar. 17. Prag. 
— 2. Schlarkenwerd. 
— 22. 23. Eger. | 
— 23 Vitrrſchenreut. 
— 24 Meiden. 
Sehr. R— 
Apr. 134. Speier. 
— 18-25. Insbrud. 
— 26. Waſſerburg. 
— 28-30, Linzʒ. 
Mai 4— 157. Prag. 
— 117-235. Linʒ. 
— %— 
Jul. 147. Dem. 
— 16. Straubing. 
— 19. Regensburg. 
— 20- n 
Aug. 26. Nürnberg. 
— 277. 28. Regendburg. 
Set. 1— . 
Nov. 13. Wien. 
— 13—24. Presburg. 
— 28. 29. Brünn. 
Tec. 5— . 
B. Jan. 24.| en. 
— 8 Peurbach. 
— 1. Pfarrkirchen. 
_ 17 
Apr. 24.) Rürnbetg. 
Mai 1-— 
Aug. Er Prag 
— 26. 27. Czaslau. 
— 29⸗ 
aim. 
Sept. 9. an 


OR: 
1543, Eept. 19-— 
Dct. 14. 


— 1- 
Nov. 2. 


— 16-)- 


1544. Febr. 27. 
Merz ®5. 


— 1— 
De. 29. 
1545. Ian, 7— 
Merz 2. 


— 415- 

1546. Febr. 4. 
_ 6— 

Merz 93. 


— 10—21. 


— 29— 
Apr. 
_ 13_ 
Mai 21, 


744 


Schwabach. 
Speier. 


Prag. 


Wien. 


Wiener Neuſtadt. 


Wien. 


Tabor. 
Beneſchau. 


Prag. 
Tabor. 


Wien. 


Prag. 


Nürnberg. 
Windsheim. 


Worms. 


Neuſchloß. 
Nürnberg. 


Prag. 


Bohmiſch⸗Brod. 


Wien. 


Presburg. 


Wien. 
Olmütz. 


Breslau. 


. 


1546. Mai 30- Negensburg. 1549. Jan, 6} Prag. 
Sul. 21. h 
— 10. Zſchoppau. 
— SO] vræaq. 
1547. Febr. a u * Prag. 
— Bubin. 00 
_ * 17. Seitmerig. — 29, Branbeis. 
Merz 1-23. Dresden. — I] Bien. 
_ 23, Lauenſtein. 1550. Jan. 13. 
— 24-26. Teplig, — 7 Presburg. 
_ 9%. Brür, Febr. 22. 
- 2. Komotau. — 28) Bien. 
— 29. Raben. Apr. 17. 28. grunn. 
— - . Rafhau, — _ ' Senn, 
Mai 7—) Wien. 
— 3) ccpl. 
Apr. _ L 6m su 1618 ns. 
- — 20. 21. Linz. 
— 5 Tirſchenreut. 24 Peurbach. 
— 212. Eger. — , Schärding. 
— 20. Lager bei vauſſigk. 
— 26. Eggenfelben. 
— 2. Lager bei Hof. _ 8 Landshut. 
— 24. 25. Lager bei Muͤhlberg. 1. 2. Münden. 
— 27. Sagen bei Torgau. Sue 
Mai 7, Lager bei Wittenberg, 554. T 0 Augsburg. 
— 26. Bager bei Torgau, 1951. Merz 
— 11—13. Münden. 
— 31. Dresden. — 28 2 
Jun. 2 Auſſig. Jun. 10 Wien. 
— Id] Reitmerig, _— 1% Wiener Nenſtadt 
Sul. 1. — 15- Bien. 
— 24 PPrag. Nov. 10. 
Oct. 10. — 11. Wiener Reuftadt 
— 11. Bettlern. — 12. Gäottwien. 
— 20⸗ Augsburg. — 14 15. Frohnleiten. 
1548. Jul. 24. — 16-25. Grab. 
— 1) Bien. — 29) Wien. 
Sept. 14. Dec. 15 
— 16-19. Wiener Neuftadt. — 15. Göllersborf. 
— 2—, Bien. — 17. Bubwig. 
Oct, 0. — 18. Pirnik, 
— 26) Presburg. — 26] rag. 
Dec. 12 1552, Jan. 23 
— AB gie — 30. Göllerddorf. 


1549, Jan. 10, Febr. 1-26. Wien. 


L Sehr. 28— reaburq. 1554. Aug. 17. Anal. 
—* 30. v “ — 18. Budwik. 
— 30-] Bien. — B 
Apr. 14. Sept. 9. } 
— 15. Perſenbeug. — 41017. Podiebrad. 
— 16— ein. — 419—27. Barbubig: 
Mai 3 — 2. Leitomiſchel. 
— 2719. Insbruck. Det. 1— 5. Brünn. 
— 2. Gterzing. — 1 Unter-Wiflernig. 
— Ri. Bruned. — 
— 24f. Lienz. Der. 7 Wien. 
- 27. Mauterndorf. — * 12. St. Polten. 
- 28. Salzburg. — 15-17. Anl. 
— 29—| Baffau. — 11. Efferbing 
Jul. br. —_ 418. Peurbach. 
— 71145. Villach. _ 4 Pfarrkirchen. 
— 13-Paſſau. — — Vilsbiburg. 
Aug. 11. —_ 2. Landshut. 
— 12 Perſenbeug. _ 1, Freifing. 
_ 12} Wien. — 234-238. Münden. 
de — 29-2 Yugabur 
— * Schwadorf. 1555. Aug. 19. geburg. 
— —. Ebersdorf. 19. DD. 
Nov. 16. * Mithauſen. 
— 20. 21. Spiegelfeld. — Augsburg. 
— 22—30. Leoben. Sept. * Nafferei 
,n- — aſſeren. 
3 a 10. } Gt. Oct 1—16. Insbruc. 
— 10. Frobnleiten. — 16 Hell 
— 11. 12, Spiegelfeld. — 17. Rufflein. 
— 13-21. Wiener Neufabt. — 38. Mafferburg. 
22 — 20. Paſſau. 
Debenburg. O5 
Mai 19. oo. n Wien. 
— 2 Bin 1556, Jan. 10. } 
Dec. 12. } — 123-3. Presburg. 
— 15-20. Brũnn. Febr. 1 
— 922 gen. Kg Bien. 
B4. Merz 12. — 412. Deutſch⸗Brod. 
— 1} Brebburg. Mai 14-16. Prag. 
ap. _ m Wien. 
— 41 wil Nov. 23. 
gu 2, g Diem — 3 Kulm. 
— * 6. Wiener NReufabt. — 2. Melt. 
Bin — 30. Ling. , 
Bu. . 1F De. 1. 2. Eferding 


56. De. 2. 3. Pentbach. 
— 3. Scharding. 
_ 1- 

57. Merz 14. \ Regensbutg · 


— 


— 2— 
Apr, 27. } Prag. 
Mai 6—I Wi 
Sun. 4. | wien. 
— — 
Jul. 10. Presburg- 
— 17-1 | 
Aug. 27. } Vien 
— 7. Wiener Neuſiadt. 
_ 29— 
Dec. 14. Wien. 
— 15. Goͤllersdorf. 
— 17. Bubwiß. 
— 18. Czaalau. 
- 20. Kolitt. 
20. A. Podiebrab. 
- 22. Brandeis. 
— 3- 

1558. Febt. 4. y Pe 
— 56 Bil 
— 1. Hayd. 
— 10. Hirſchau. 
— 11. Hersbrud. 
— 12. 13. Nürnberg. 
— 416. Biſchofsheim. 
_ 23— 

ne 

Merz 20. } drantfurt. 
— 27. Rothenburg. 
- 2). Noͤrdlingen. 
— 30. Donauwörth. 
Apr. 1. Ingolſtadt. 
— 3 Regensburg. 
_— 7-12. kin. 
— 15— 
Nov. 2. } Bien. 
— *3- 
‚Der. 18. ? ve. 


21. Bettlern. 


458. Tec. 24 -28 Begeniturß- 
1559. Jan. Al: Bugsöurg: 


. 14; 15. Listenfelß. 
15—17. Banberg. - 
17. 18. Haßfurt. 


Aug. 2 
- 4-28. Münden. ’ 
— 3. Ier ung. 
Sept. 2— 5 
— 11- * 

1561. Mai 6. | | 
— 820. Bien. 
— 1. Eberöborf. 
_ R- , 
Sept. 15 
—_— 1 Znaim. 
— — Budwitz. 
— 28— 
Nov. 4. . Prag. | 
— 7-12. Parbubit. 
— 15. Ghlumeb. 
— 16. Podiebrad. 
— 19— 

1562. Apr. 13. © Prag. 
— 19-28. Brandeis. 
— 30-1 
Kun. 7. Frag. 
— 11. Podiebrad. 
_ 15— 
Jul. 16. Prag 
— 22. Ehlumek. 
— 2%. Pobiebrad. 
Ang. 1-3. Vobiebrab. 
— 8— 
48. > Prog. 
— 19. Straſchnitz. 
Bei 2 
— 6. 7. Saab. ' 
— 7. 8 Kaden. 
— 9. Säladenwerd. 
— 10. 11. Eger. 


2. Dt. 


Dec. 


19. Kigingen. 
ZU. Würzburg. 
22. Miltenberg. 


- 6 Frankfurt. 


10—13. Speier. 

14, Landau. 

15. Weiffenburg. 
16. 17. Hagenau. 
18. 1% Straßburg. 
20. Schlettſtadt. 
21. Colmar. 
22. Breiſach. 


Tr Freiburg. 


1563, Jan. 11. Waldshut. 
— 14-21. Gonflen. 
— 233. weberlingen. 
— HM.  Ravendburg. 
— 25. Jany. 


? Suæ. 


— 77. Waſſerburg. 


Zul. 6-5 Bien, 
Sept. 1. 


on Fr Presburg. 


[7] 23— % 
W 
1564. Jul. 25. p Bien 


[2 


Ueber das Auftreten Tillys 
in Niederſachſen. 


Bon 


W. Havemann. 


27 


Won 


Er vr re 


Ya. 


A dem erften biefer Zeitfchrift findet ſich unter ber Veber- 
fchrift „Das tituttonsediet tm nordweſtlichen Deutfchland“ eine 
Abhandlung des Dr. O. Klopp, welche, neben manchen höchft werth- 
volfen, im Wefentlichen auf der Benutung bes ehemaligen domcapi⸗ 
tularifchen Archive zu Osnabrück beruhenden Mittheilungen, Auffaf- 
fungen enthält, welche der Berichtigumg nicht füglich entbehren können. 
Es betreffen diefelben theils die Zeichnung der Perfönlichkeit Tillys 
und feines Verfahrens im niederfächfifchen Kreife, theils gehören fie 
ber an einer Erzählung des Theatrum Europaeum geübten Kritik an, 
die al8 maßgebend für die Beurtheilung verwandter Darftellungen 
bingeftellt wird. 

Wie fchon bet einer früheren Gelegenheit, fo verfolgt der Pf. 
ber obengenannten Abhandlung auch hier die Aufgabe, Tilly von den 
„traditionell“ auf ihm ruhenden Anflagen zu reinigen, ihn als den 
Mann der Gerechtigkeit und Pflichttreue, felbit der Milde zu ſchil⸗ 
bern, der Zucht und Gehorfam im Heere gehalten, ber nie nach frem- 
dem Gut getrachtet und nie gedrohet, wo ihm fein Recht zum ‘Dros 

gegeben. 

Mit diefer in neuerer Zeit mehrfach beliebten Anfchauung Laffen 
fih indeffen Thatfachen und der Inhalt von amtlichen Berichten und 
unverbächtigen Aufzeichnungen aus jener Zeit fhwer in Einklang brin« 
gen, wie fehon die nachfolgenden Mittheilungen, welche den originalen 
Documenten auf dem Königl. Archive, dem Herzogl. Archive zu Wol« 
fenbüttel und dem der Stadt Göttingen entnommen find, ergeben 
werden. 

Wenn Tilly aus feinem Hauptquartier zu Neiffenberg (23. Ju⸗ 
fius 1623) die Erklärung abgegeben Hatte, daß er gegen Freiheit und 
Religion des niederfächfifchen Kreiſes nichts unternehmen, auf gute 
Disciplin achten, feine Gewalt geftatten, Kriegsbedarf mur gegen 
baare Bezahlung begehren, Handel und Verkehr eifrigft ſchützen und 
ftet8 in Gemeinfchaft mit den ihm zugeordneten Conmiſſarien bes 
Kreiſes handeln wolle, fo war allerdings feine Stellung zu ben 
Kreisftänden eine andere geworden, feitbem viele derfelben dem dänts 
Shen Bündniffe beigetreten waren. Zu diefen gehörte der ſchwach⸗ 
berzige, von einer wenig redlichen Umgebung gegängelte Friedrich Ul⸗ 
rih von Wolfenbüttel. Wie er fi widerftandelos den Anmuthungen 

27 * 


400 


bes willensfräftigen Chriftian von Dänemark gefügt Hatte, fo wie 
derholte er, als die Heere Waldfteins und der Liga fein Yand über 
flutheten und die augenblickliche Entfernung des königlichen Oheime 
ihn von dem bisher erlittenen Drude befreite, die fchon früher in 
Wien abgegebene Verficherung,, daß er zu feiner Zeit in ber Treue 
gegen ben Kaiſer gewanft habe und daß die Rüſtung des niederſäch 
ſiſchen Kreifes Tediglich auf Defenfion gerichtet fi. Daß man ımter 
den obwaltenden Verhältniffen auf ſolche Erklärung am Kaiferhofe 
fein Gewicht legte, ift eben fo verſtändlich, als dag Tilly fi) vom 
Vorgehen nicht abhalten ließ. Aber die Art diefes durch keinen Wir 
derftand erjchwerten Vordringens entfpricht nur allzufehr dem Bilde, 
weiches „die Tradition“ von ihm entworfen hat und läßt den I 
Zug von Schonung und ftrenger Disciplin vermiſſen. 

An dem zu Salzdalım abgefahten Landtagsabfchiede vom 2. 
Auguft 16205 heißt es: „Weilen Graff Johan von Tilly unter 
fchiebliche Clöfter, Embter, Städte, Flecken und ‘Dörffer mit erbärm: 
und jammerlicher Ermordung und Hinrichtung vieler unſer unfchuldir 
gen Unterthanen, auch barbarifcher Sodomitifcher Befchänd: und Eut- 
führung Frawen und Jungfrawen ganz und gar ausgeblundert, das 
übrige aber, fo fie nicht mit vortbringen Tonnen, in ftuele zerſchla⸗ 
gen, dabey auch der Kirchen nicht verfchonet”, fo hätten die Stände 
in Vorſchlag gebracht, nicht allein die zum Roßdienſt Pflichtigen, 
fondern die Unterthanen Dann bei Dann aufzubieten, um den ſtrei⸗ 
fenden Rotten der Nigiften zu wehren. Doc habe man für rathfem 
erachtet, zuvor eine aus fürftfichen und ftündifchen Abgeordneten bes 
ftehende Botfchaft an Tilly zu fenden und an dieſen, der fich bereits 
dahin erklärt, daß er an „foldhem Ausitreuffen, Blundern, Toben und 
Wuten“ felbft kein Gefallen habe, die Bitte zu richten, daß er es 
nicht für Offenfion erachten wolle, wenn man ſolchen „rottirten Ges 
jelen und Räubern“ durch gehörige Mittel zu wiberftehen verfuchen 
werde. 

Es Tiegt nicht unmittelbar vor, welche Antwort dieſer Botſchafi 
durch den General der Liga zu Theil wurde; aber fie ergiebt fid aus 
einer Mittheilung des Yandesherrn an den jtändiichen Ausfchuß ’. 
Dean wmüffe, fchreibt Friedrich Ulrich, mit höchſter Befremdung ver- 
nehmen, daß Tilly den Urfprung des im Lande gefchehenen Elendeé 
ganz umkehre und auf die armen Unterthanen wälze, da doch dem 
allmächtigen Gott, deffen höchſtem Gerichte man es anheim gebe, 
befannt fei, daß die Ligavölfer gleich im Unfange des unnermutheten 
Meberzugs, und feitdem fortwährend, den Unterthanen mit Mord und 
Brand aufs Aeußerſte zugefett, Alles geraubt, und was fie nicht 
fortfchleppen können vernichtet, weder Weib noch Kind, weder Kirche 
noch Kirchendiener verfchont und Altäre und Taufſteine mit hündi⸗ 
ſchem Unflath befudelt hätten. Doch wolle Tilly aus Affection zu 

2 Friedrich rich an die zım Ausſchuß und Schutzſachen bes Fürften- 
thumbs Braunſchweig Galenbergifgen Theils verordneten Deputirten. d. d. 
Wolfenbüttel, 5. September 1625. 


B. Aug. 1. 


— 5-30. Biene Dreuflabt. 


2. Bi. 


Sept. 
Nov. 26. } Einz. — 


— 26. 
e229— 
Sept. 9. 


— 26, Hohenfurt. 
De. 1— 
Ryan 174 18 
— 19. Saatz. 
— 20. Schlarkenwerd. 
— 22. 23. Eger. 
— 23. Weldeneat. 
— U Weiden. 
— 1%: Ansbad. 
Fehr. 2— 
Apr. 134] pie 
— 18-25. Insbrud. 
— 26. Wafferburg. 
— 28-30. Linz. 
Mai 4— 15}. Prag. 
— 17-25. fin, 
— %— 
Im. 117.Bien. 
— 16. Straubing. 
— 19. Regensburg. 
— 20— — 
Nürnberg. 
Aug. 26. urnberg 
— 77. 28. Regensburg. 
Sept. 1— 
en 
— 13—24. Presburg. 
— 23. 29. Brünn. 
Te. 5— . 
B. Jan. 24. Wien. 
— 8 Peurbach. 
— 10. Pfarrkirchen. 
— 7-1. 
Apr. 4 N Nuͤrnbetg. 


27. Czaslau. 
Znaim. 


— 13—19, Wien. 


1543; Eept. 19 - 
Oet. 14. 


— 17-1. 
Nov. 2. 


vyas 


— 16— 

1544. Febr. 27. 
Merz ®5. 

— 111 

‚Sun. 11. } 


— 41— 

De. 29. 
1545. Jan. 7— 
Merz 2. 
8 

— 9. 


_ 14 
Sul. 30. h 
3. 4 
— 15- 
1546. Febr. 4. } 


_ 6— 
Merz 3. 


— 10-21. 


— 9- 
Apr. 77. 
— 113_ 
Mai 21. 


Schwabach. 
Speier. 


Prag. 


Wien. 


Wiener Neuſtadt. 
Wien. 


Tabor. 
Beneſchau. 


. Brag. 


Tabor. 
Wien. 


Prag. 


Nürnberg. 
Windsheim. 


Worms. 


Neuſchloß. 
Nürnberg. 


Prag. 
Bohmiſch⸗Brod. 
Wien. 
Presburg. 
Wien. 
Olmũtz. 


Breslau. 


402 


tere Zeugniffe — Aufführung der Wüſtungen, Nachweifungen bes 
ganzlich vernichteten Haushalts auf den fürftlihen SKammergütern, 
Antöregifter mit ben erzeichniffen der Branbftätten ze. einen Theil 
ber obigen Angaben beftätigen, es ift auch in der That nicht denl. 
bar, daß der ängſtliche und wehrlofe Friedrich Ulrich zu eimer Zeit, 
in welcher Tilly an der Spige bes Heeres in feiner unmittelbaren 
Nähe ftand, mit Beſchwerden, gegen beren Nichtigkeit eine Einwen⸗ 
dung hätte erhoben werben fönnen, vor den Kaifer hätte treten können. 

Uebrigens waren es nicht die wolfenbüttelfchen Furſtenthumer 
allein, die ſolchergeſtalt durch die Raub⸗ und Mordluſt einer Solde- 
tesca Titten, gegen deren Verhöhnung alles menfchlicden und göttli⸗ 
chen Rechis der Oberbefehlshaber Nachſicht üben zu müſſen glaubte; 
aus verfchiedenen Aemtern des grubenhagenjchen Landes, welches bem 
vom bünifchen Bündniffe nicht umftrickten und deshalb von Kaifer ımd 
Liga wegen feiner Treue vielfach belobten Lüneburgifchen Fürftenhauſe 
zuftand, wurden Klagen derfelben Art erhoben. 

An Bezug auf Di bie Banbbabung und Durchführung bes Reiti⸗ 
tutionsedicte® hebt der Bf. der obengenannten Wbhandlung hervor, 
dag die Liga den Religionsfrieden von Augsburg nad dem Buchfta 
ben babe jchügen wollen. Dem gegenüber mögen folgende Bemer⸗ 
ungen bier Raum finden. 

Auf die aus verfchiebenen Landestheilen bei ihm eingelaufenen 
Beſchwerden, daß die geiſtliche Commmiſſion ſich mit Anwendung der 
ihr zugeordneten militairiſchen Mittel in den Beſitz der aufgehobenen 
Klöfter zu drängen verſuche, ging von Friedrich Ulrich! die wohlbe⸗ 
gründete Erflärumg aus, daß fich in feinen Fürftenthiimern Teine Kid 
fter befänden, auf welche das kaiſerliche Edict Anwendung finden 
fünne, daß vielmehr Erjtere ohne Ausnahme, in Folge bes Reli⸗ 
gionsfriedens, der fürftlichen Obrigfeit unterworfen fein. Dadurch 
ließ ji) indefjen die Commiffion von ihrem Vorhaben nicht abfchreden. 
Nicht al8 ob bei ihr Unkunde Hinfichtlich des Zeitraums vorgewaltet 
hätte, innerhalb deſſen die Neformation in ben betreffenden Gottes« 
bäufern Eingang gefunden; eine Entſchuldigung der Art gejtattet fchon 
der Umftand nicht, daß hochgeftellte Geiftliche des Bisthums Hildes 
beim, die mit den kirchlichen Umgeftaltungen des Yandes vollfonmen 
vertraut fein mußten, zu diefer Commiſſion zählten; aber man machte 
auch wenig Hehl daraus, daß die Abſichten weit über die Beſtim⸗ 
mungen jenes unglüctichen Edictes hinausgingen und daß man, ge 
jtügt auf die beigegebenen Tillyſchen Söldner, fi durch die kaiſer⸗ 
liche Verordnung feinesweges ängftlic gebunden fühlte. 

In diefem Sirme hatten fchon früher die Aebte Friedrich zu 
Harfefeld, Hermann zu Marienmünfter und Daniel zu St. Gobe 
hard in Hildesheim den Herzog Friedrich Ulrich in Kenntniß geſetzt?, 
dag fie mit Vollmacht von Kaifer in den braunfchweigifchen Fürftens 


ı d d. Wolfenbüttel, 14. September 1629. 
> 4. d. Hübesheim 2/,,. Julius 1629, 


thämern angelangt jeien, um alle Stifter und Gotteshlinfer Beni 
dictinerordens, bie von ihrer alten Disciplin abgeführt,. oder aud 
nach. dem Paſſauer Vertrage eingezogen worden, zu vifitiren, refor⸗ 
miren und in ben Stand ber alten Fundation zu reftituiren, bie un⸗ 
geeigneten Perſonen aus denfelben zu fchaffen unb an ihre Stelle 
Drdensreligiofen einzufegen. Mit Befremben, erwieberte damals der 
Fürft ', habe er die an ihn gelangte Zufchrift gelefen und zugleich 
vernommen, daß das Klofter Elus mit micht geringem Ungeftiim und 
ımter Bedrohung ber die Commiffion begleitenden militairifchen Ges 
walt bereit8 eingenommen fei. Er fet mit dem Inhalt des kaiſerli⸗ 
chen Edictes wohl bekannt, ba er felbft foldhes vermöge feines aus⸗ 
jchreibenden Amtes ben Stünben bes Kreifes mitgetheilt habe; aber 
daffelbe könne auf keins feiner Klöfter Anwendung finden, da es fich 
buchftäblih ur auf die nach dem Paifauer Vertrage reformirten 
Gotteshäufer beziehe. | 
Wie gering indeffen die Wirkung einer ſolchen Rechtsberufung 
war, zeigt fih, um ein Beiſpiel ftatt vieler reden zu laſſen, beim 
St. Blafienklofter in Nordheim. „Am vorgeftrigen Tage, fo lautet 
der Bericht des dortigen ‚Stiftsverwefers ?, kamen bie Aebte von St. 
Michael und St. Godehard nebft drei mir unbelannten @eiftlichen und 
dem Syndicus zum heil. Kreuz in Hildesheim in zmeißutfchen ſtracks 
vor die Stiftspforte gefahren, pochten heftig an die verfchloffene Thür, 
bis ich hinaustrat und fie bedeutete, daß ich ihmen nicht eher Einlaß 
gewähren könne, als bis ich die Abficht ihres Kommens kenne. Dars 
itber fehlen der aus ber einen Kutſche fich vorbeugende Praelat fehr: 
movirt, ſprach: „Man kennt euch Kerle ſchon!“ und fertigte mit dem 
Bemerken, daß man den Kaijer mehr gehorchen müffe als dem Lan⸗ 
deſherrn, ben Syndicus nad) der Stadt ab, um nothbürftige Sol⸗ 
daten zur gewaltfamen Occupation zu begehren. Deſſen weigerte ſich 
aber der Oberftwachtmeifter Ferdinand Oppen, Tillyſchen Leibregi⸗ 
ments, worauf die geiftlichen Herrn die SKutfchen wenden: ließen“. 
Act Wochen fpäter erichien eine zweite, aus den Achten von Helme 
ftebt und St. Godehard und dem Lirentiaten Willerding beftehende 
Commiiffion in Nordheim’, bemächtigte fi) mit Hülfe des diefes Mal 
willigen Tigiftifchen Commandanten, der ihr feine Soldaten beigab, 
des Blafienftifts, ließ das Vieh durch 20 Muſtetire von der Weide 
eintreiben, vifitirte alle Gemächer umd Kornböben, begehrte die Her⸗ 
ausgabe von Inventar, Regifter und briefliden Urkunden, verlangte‘ 
Erftattung von Zehrungskoften der früheren Commiſſion nebft einer 
namhaften Geldjtrafe wegen des derſelben beiwiefenen Defpects, ließ 
Böden und Scheunen verfchliegen und belegte das Stiftehaus m 
Soldaten. Ze 
Einem Friedrich Ulrich gegeniiber mochte ein ſolches Dreinfahren 
2 dd. Wolfenbüttel 2°;,,. Julius 1629. J 
* Sqreiben des Stiftsverweſers Johann Wilhelm Tedener an Herzog 
Friedrich Ulrich, d. d. NRorbheim 1829. | 
3 Bericht deſſelben an benfelben, d.d. Norbheim 9®/... Sentember. 1629; 


404 


ftatthaft fein. Aller Mittel zum Wiberftande beraubt und, fe 
wenn er ihrer mächtig geivefen wäre, ohne das erforberfiche Sa 
vertrauen, um mit derbem Wort und fcharfen Schlag einem: Feine 
entgegen zutreten, der auch den Hohn noch der Gewalt 

blieb ihm feine andere Gegenwehr als die der fruchtlofen Protefe. 
Anders im Fürjtenthum Lüneburg. Hier, wo g Cheiftiau Recht 
und Ehre des fürſtlichen Hauſes vertrat, ein kluger und keiner Ein 
ſchüchterung zugunglicher Herr, welcher der Liebe feiner Untertharen 
jo gewiß war, wie fie des männlichen Schutzes ihres Ranbeshern, 
fcheiterten die offenen und ſchleichenden Verſuche, das Reftitstienk 
edict weit über deſſen Inhalt und Beſtimmung hinaus zum Gektumg 
zu bringen. Auch bier möge ein herausgegriffenes Beifpiel die Art 
des Angriffe und der Abwehr erläutern. 

Aus der Herberge „zum goldnen Arm“ in Lineburg benad» 
richtigt der Barfüßer Michael Stang am 27. Mai 1629 den der 
tigen Burgemeifter Elvers, daß er tm Nuftrage feiner Oberen ge 
fommen fe, um bas Barfüßerkiofter einzufordern, weshalb er: ben 
Rath auf morgen zufammen zu rufen bitte und zugleich, weil fein 
Gelübde ihm den Beſitz von Geld unterfage, fir fi und ben ihn 
begleitenden Studenten das Nachtlager zu bezahlen erſuche. 
ben Tages fand ſich der Barfüßer beim Burgemeifter ein, erwieberte 
auf die Frage, ob er eine Beglaubigung bei fidh führe, daß biefe 
durch fein Ordenshabit vertreten werde, erflärte, von feinem Provin⸗ 
cial beauftragt zu fein, um bie Neftituirung ber Klöfter feines Dr 
dens anzuhbalten, und deutete zugleich die bevorjtehende Ankunft eimer 
zu ähnlichen Zwecken ausgefandten Commiſſion an. Die Borderung, 
erwiederte Elvers, fei eben fo auffällig wie umvermuthet; den Rath 
deshalb zu berufen, finde er nicht geeignet; übrigens feien die geift- 
lichen Güter in der Stadt längft vor dem "Baffauer Vertrage refor⸗ 
mirt, und rathe er, fich nicht lange in feinem Habit auf der Gaffe 
bliden zu laſſen. Der Trage des Mönds, ob man fich dem 
faiferlichen Specialbefehl, wenn folcher eintrejfe, bequemen werde, 
wid; ber Burgemeifter dur die Erwiederung aus, daß er fid) zu 
einer Erklärung um fo weniger verpflichtet fühle, als die Stadt einen 
Zandesheren habe, ohne deſſen Mitwiſſen jedes Vorgehen bedenklich 
erfcheine. Hierauf erbot fi) Evers, den Mönch aus der berge 
auszugquitiren, gab dem Studenten einen halben Thaler Zehrgelb, 
ſchlug ab aber die erbetene Befichtigung des Kloſters ab. 

trafen am 17,,. Yulius 1629 ber Erzabt Friedrich von 

ger. die Aebte Hermann von Mariemmünjter und David von 
t. Godehard in Begleitung des Tillyſchen Oberftwachtmeifters Da⸗ 
niel von Stegeler, eines Notare und des Kicentiaten Willerding in 
Liineburg ein, und fragten fchriftlich beim worthaltenden Burgemei- 
fter an, ob fie als kaiſerliche Commiffion auf den Beiftand des Rathe 
behufs Vifitation und Reformation des Stlofters St. Michaelis red; 
nen dürften. Die Antwort lautete dahin, dag man in allen verant- 
wortlihen Dingen zum fehuldigen Gehorſam gegen ben Kaifer bereit 












406 


fet; weil jeboch bie Stabt Teiln unmittelbarer Stand bes Reichs, 
auch gedachtes Kloſter unter Hoheit und Schug des Landesheren 
ftebe, fo könne man ohne deffen Vorwiſſen keinen Beſchluß fallen, 
‚ amd er bitte deshalb eine achttägige Frift, um den Fürſten in Kennt⸗ 
niß zu fegen !. Auf die Deittheilung des Gefchehenen erwiederte Her⸗ 
sog Chriftien 2: der Rath habe feine Schuldigteit gethan; er werde 
den Saifer fchreiben und bitte, die eingetroffene Commiſſion fortan 
an bie Iandesfürjtliche Obrigkeit, zu vermweifen. ine in legterer Be 
ziehumg gleichlautende Schrift Tieß ber Herzog Tages darauf an bie - 
geiftlichen Herren abgehen. Unlange darauf wurde dem Rath von 
Lüneburg ein Schreiben Tiliys? überreiht. Er babe, fo äußerte 

ch der General, die Anweifung, der kaiſerlichen Commiſſion Hüulfe 
und Affiftenz angebeihen zu laffen, und finde deshalb nicht undienlich, 
Burgemeifter und Rath an fchuldigen Sehorfam zu erinnern, Tönne 
auch ans erheifchender Nothdurft nicht verfchweigen, daß, falls man 
fi) wider Verhoffen feindfelig erzeige, er zu andern Mitteln zu grei⸗ 
fen fich geziwungen ſehe. In gleicher Art ſprach er fi am nämlichen 
Tage gegen Herzog Ehriftian aus. Sobald bie beiprochene Friſt 
abgelaufen war, forderte die Commiſſion vom Rath „eine rotunde 
Erklärung“, ob man, der Bequifition gemäß, gefonnen fei, die um« 
qualificirten PBerfonen aus dem Gotteshaufe St. Michaelis heraus⸗ 
zufchaffen, ober fich der angedrohten Strafe zu unterwerfen, mit dem 
Zuſatze, daß man ſich fernerweit in feine Disputation einzulaffen 
gedenke. In Folge deſſen wandte fi) der Herzog * abermals an ben 
Katfer, bat, einen ernften Befehl zu erlafien, daß Tilly ihn und feine 
Unterthanen mit ferneren Drohungen verjchone, und klagte gleichzeitig 
ben Kurfürſten von Baiern und Sachſen, auf welche Weife er, den 
vom Kaiſer ımd Tilly wiederholt erhaltenen Zuſicherungen entgegen, 
nicht gegen ben Religionöfrieden bedrängt zu werben, angegangen jei. 
Das wirkte. Der Kaiſer gab den drei Achten auf, die Vifitation 
von St. Michaelis bis auf die Ankunft der Taiferlichen Commiſſarien 
zu verfchieben,, die dann unterfuchen möchten, ob das Kloſter ſchon 
vor dem Bertrage von Paſſau Tutherifch geweſen. 

Damit mußte die Hauptfrage ihre Erledigung gefunden haben, 
weil die vechtzeitige Reformation der Abtei notorifch war. Der Ber- 
fuch des Bifchofs Franz Wilhelm, das Klofter als ein bem Bis⸗ 
thum Werden untergebenes Stift zu beanfpruchen, bfieb eben jo er» 
folglos, wie feine an alle im Lünneburgifchen anjäfftgen Inhaber geift 
licher Güter erlaffene Citation®, fih am 15. November perſönlich 
ober durch Bevollmächtigte in Nienburg zu ftellen. 

Vebrigens konnte nicht ausbleiben, daß bie verſchiedenen geift- 
lichen Commiſſionen, beren jede zunächſt das Intereſſe ihres Ordens 


2 Schreiben bed Raths von Lüneburg an Herzog Chriſtian, d. d. ’%,.. 
Julius 1629. 

2 d. d. Zelle, 9. Julius 1629. sd. d. Stabe, *%/,,. Julius 1629. 

* d. d. Zelle, 2%,,. Julius 1629. sa d. Wien, 20. Auguſt 1629, 

* d. d. Verben, *°/,5. DOctbr. 1629, 


. 406 


verfolgte, mit dem vornehmlich anf Begründung und reichliche Doti⸗ 
rung von Sefuitenhäufern und auf Stiftung einer den Jüngern 
Loyolas zu überweifenden Univerfität in Niederſachſen bedachten Yram 
Wilhelm von Osnabrück ar gerieten. Weil aber bie 
Beitrebungen des gedachten Biſchofs much von dem geiſtlichen Ge 
Hip nitbeobeims getheilt wurden und in Wien und München ihren 

t fanden, Tonnte ber atuegang nicht zweifelhaft: fen. Die 
—— welche von jeher abfgiten der Kloſter⸗ und XBeltgeift- 
 Uchfeit gegen bie Väter Jeſu obgemältet hatte, gewann durch ſolche 
Vorgänge neue Nahrung und gab fich gelegentlich n NGarfen Tor 
men fund. Meiſt nicht ohne Grund. In das bei Goslar gelegene 
Klofter Wöltingerode waren kurz zuvor die Ciftercienferinnen wieber 
eingezogen, ale ein Spruch des Kaifers die Uebergabe defielben an 
die Jeſuiten gebot. Dagegen proteftirte der Konvent und exflärte, 
auch nachdem man ihm feinen Probft genommen, nur der Gewalt 
weichen zu wollen. Als alle Verſuche fcheiterten, denfelben zur Nach⸗ 
giebigfeit zu bewegen, drang, der ihm ertheilten Anweiiung gemäß, 
der Amtmann von Wiedelah mit Gefolge ins Klofter, ließ bie kei⸗ 
fenden Nonnen aus ihren Cellen führen, auf Sättel heben unb alfo 
nad) Goslar geleiten. 

Man fieht, es war bie Einheit im katholiſchen Lager feines 
weges eine fo compacte, wie fie ra mit Vorliebe gefchildert wird, 
Es liegt ein Schreiben vor, welches bie ‚geiftlichen Commiſſarien an 
bie ——— und biſchöflich „bet heimischen Kanzler und Räthe 
erließen ?, in welchem es heißt: Dean habe während des Aufenthalts 
m defer Gegend mit ſchmerzlichem Gemüth vernommen, daß ber 
Biſchof von Dsnabrüd, als der vom Kaiſer verordnete Commiſſarins, 
ben Dechanten des Morigftiftes aufgegeben habe, die Kloſter unſe⸗ 
res Ordens (Auguftiner) zu Dorſtadt und Heiningen den in Hildes⸗ 
heim befindlichen patribus societatis Jhesu einzuräumen und biefe in 
deren Einkünfte zu immittiren. Daraus könne nur folgen, daß bie 
nach dem kaiſerlichen Edicte neuerdings eingeführten ofterjungfrauen 
wieder weichen müßten, wie denn auch Aehnliches bereits in dem Stlö- 
ftern deſſelben Ordens zu Wülfinghaufen und Fredelsloh gejchehen. 
Nım Heiße e8 freilich, dag diefe Procedur auf einem vom Papft und 
Kaifer ertheilten Indult beruhe. Andrerfeits aber Handle es fich 
um gute Rechte des Ordens, und im diefem Sinne bitte man, fid 
der Sache anzunehmen, wogegen man nicht abgeneigt fe, den Yes 
huiten af Intraden von Fredelsloh fiir ihr Seminar in Hildesheim 
zu belafjen. 

geihieht in der obengenannten Abhandlung ber Uneigen- 
nigteit Tillys mit beſonderem Nachdruck Erwähnung; er habe, 
heißt es, nie nach fremdem Gute getrachtet. Sollte dem Vf. wirk⸗ 
lich unbelannt geblicben fein — er gedenkt beffen mit feinem Worte 


4. Regenkburg, 45. October 1630. 
d. Hildesheim, 13. Auguft 1691. 


407 


— wie wenig ber General ſich gebrungen fühlte, den Verſuchungen, 
auf Koften des tief gebeugten Friedrich Ulrich ein fürftliches Beſitz⸗ 
thum zu gewinnen, Widerſtand zu leiſten? Wir geben zu, der ei⸗ 
gentliche Dränger war Pappenheim; aber ‚hinter dieſem ſtand Tilly 
und unterftügte und förderte deſſen Umtriebe. Ein umftändliches 
Eingehen auf diefen Gegenftand würde zu weit führen.. Hier genilge 
bie Bemerkung, daß es ſich um nichts Geringeres ha „als die 
Erwerbung des Fürftenthums Galenberg für Tilly zu erwirken. 
Wenn jene Bartei in Wien, welche ben Herzog von Wolfenbüttel 
mit der. Acht belegt wifjen wollte, ben Sieg davon trug — Warum 
follte der Kaiſer mit der Verleihung eines erledigten Reicholehns 
an dem fiegreichen Feldherrn der Liga weniger freigebig fein, als er 
fi dem Walditein gegenüber gezeigt hatte? Darf man doch faum 
zweifeln, baß ber erfte Gedanke an eine derartige „ ftattliche Vereh⸗ 
rung“ von ber Hofburg ausgegangen je. Damit Friedrich Ulrichs 
Felonie erhärtet werde, begehrte Ziliy in einem eindringlich abgefaß- 
ten Schreiben die Auslieferung von drei fürftlichen Näthen, die hier» 
auf in einem argliftigen Interrogatorium zu Ausjagen gegen ihren 
per genöthigt, dann nad) Wien abgeführt wurden, um vor den 

trauten von Raifer Berdinand ihre Enthüllungen zu wiederholen. 

ier fohien man in der That das letzte Bedenken binfichtlih bes 

pruches der Acht überwunden zu haben. Warum auch follte 

ein Verfahren der Art gegen den hülfloſen Bruder Chriſtians von 

Halberjtadt fchwerer ind Gewicht fallen, als das gegen die Herzöge 
von Meklenburg ? 

Was * Alleſen Umtriebe durchkreuzte, war der gerade Sinn 
Maximilians von Baiern, fein Rechtsgefühl, fein Feſthalten an den 
Reichsconſtitutionen. Das BVerfahren gegen den Herzog von Wol« 
fenbüttel, fchrieb er dem SKaifer !, erwede Unwillen und gerechte Be 
fürcdhtungen bei jedem Stande des Reichs; es ſeien argliſtige Practi⸗ 
fen, daß man vereidete Räthe über ihren Herrn, dem fie mit Pfliche 
ten verwandt, verhöre; „folche nachdenkliche, unbeitendige und gefehr⸗ 
liche Inquiſitionsproces, über uralte aus teutſchem furſtlichem Ges 
blut entfproßene Stende des Reiche angefteldt, werden E. 8. M. 
nicht weiter verfolgen“. Dabei blieb indeffen der Kurfürft nicht jtes 
ben, und in einer derben Zufchrift an den in feiner Beſtallung fte- 
henden Pappenheim verwies er diefem das unziemliche Verfahren ges 
gen einen fürftlichen Stand des Reihe und befahl ibm, „ſolchen 
Weſens fortan müffig zu jtehen“. 

Damit brady die Intrigue in fi zuſammen. Marimiliang 
mumwundene Erflärung wog in Wien zu jchwer, als daß man fie 
hätte überhören können. 

Wenden wir uns fchließlih zu dem „Anhange“, welcher der 
Abhandlung des Vfs. beigegeben ift, und in "dem er den Nachweis zu 
liefern jucht, daß der böfe Name, welchen Zilly im breißigjäßrigen 


2 4. d. Münden, 12. April 1629. 


408 


Kriege trage, auf entitellten, von Parteileidvenfchaft gefärbten und 
gleichwohl zu einer vielverbreiteten Geltung gelangten Berichten bes 
ruhe. Zur näheren Begründung diefer Annahıne wird die Erzählung 
bon der Eroberung Mündens im Theatrum Europaeum mit einem 
demfelben Gegenftande angehörigen Flugblatt aus dem Jahre 1626 
zufammengeitellt und bie in der Erfteren obwaltende Parteilichleit, 
die Entitellung des Thatbeitandes, der überall burchbrecdhende Groll 
gegen Zilly aufgededt. Faſſen wir beide Berichte mit ben bier 
durch gefperrte Schrift bezeichneten Abweihungen und vor allen Din 
gen mit den Hinzugefügten Anmerkungen näher ins Auge. 

, Der Flugblätter und fliegenden Poſten aus der Zeit des drei⸗ 
Bigjührigen Krieges find unzählige, und wenn deren über ein und 
bafjelbe Ereigniß gleichzeitig mehrere hervortreten, die häufig auf ei» 
nem einigen, verichiedenen Redactionen unterzogenen Text beruhen, 
jo wird die Bemerkung, daß ihre Darftellung nach dem politifchen 
ober confeflionellen Standpunfte des Nıbfafjers weſentlich variirt, einer 
weiteren Erörterung fchwerlidy bedürfen. Solde Flugblatter, und 
zwar vielfach in antifaiferlicher Färbung, find in Menge in das 
Xheatrum Europaeum übergegangen und geben die Grundlage feiner 

g ab. Wir glauben damit zur Genüge bezeichnet zu ha⸗ 
ben, daß das genannte fchwerleibige Werk nicht immer als eine lau⸗ 
tere, vollgültige Quelle für die Gefchichte jener Zeit betrachtet wers 
den darf. Aber darin liegt am wenigften eine Yolgerung, daß den 
gegenüberjtehenden, der Taiferlich-Tigiftifchen Partei angehörigen Be 
richten die ungefchmälerte Glaubwürdigfeit gebühre., In beiden bes 
hauptet, menf chlicher Natur gemäß, die Subjectivität ihr Recht, und 
nur durch ein forgfältiges Ermwägen des Standpunctes, von weldem 
beide ausgingen, und durch eine unverdroffene Zufammenftellung mit 
anderweitigen unverdächtigen Documenten wird man ber Wahrheit 
näher zu treten im Stande fein. Im vorliegenden alle aber durfte 
das Theatrum Europaeum jo wenig im Nachtheil gegen das ihm 
zur Seite gerüdte nnd vom Bf. als primitive und ungetrübte Duelle 
betonte Flugblatt ftehen, daß man vielmehr Erfterem den Vorzug 
einzuräumen fein Bedenken tragen kann. 

Verfolgen wir fchrittweife die Angaben beider. 

Gleich im Anfange ſtoßen wir auf eine Angabe des Flugblattes, 
deren Wichtigkeit durch gefperrte Schrift bezeichnet wirb, und die un⸗ 
leugbar , wenn fie fich begründet finden ließe, die Ereigniſſe, welche 
Münden betrafen, in eine völlig neue Beleuchtung ftellen und Ziliy 
zum guten Theil von dem Borwurfe der Echonungslofigfeit reinigen 
würde. Es heißt hier, der ligiſtiſche Feldherr habe der Stadt Ac⸗ 
cord und Pardon offeriret; „weil aber deſſen Abgeordneter übel 
tractiret und ermordet x.“. Diefer Zufag fehlt um Theatrum Eu⸗ 
ropaeum; aber er wird auch in feinem andern gleichzeitigen Berichte 
vertreten umd fcheint. aus ber naheliegenden Abficht hervorgegangen 
zu fein, die bei der Erftürmung verübten Gräuel zu befchönigen. 
Münden jtand feit Jahrhunderten in dem engfien Beziehungen zu 


feiner Gchwefterftabt Göttingen; derſelben Herrſchaft untergehen nah 
früher durch beſondere Berbiindniffe einander ‚müher .geführk,:'theilkeu 
beide: Städte auch. jetst noch die Intereſſen des ‚Handels und bürger⸗ 
lichen Lebens, Patritier und Zunftgenoſſen beider - Weichbilde waren 
vielfach mit einander verſchwägert, und ſeit der Stunde, in welcher 
Minden vom Feinde bedroht wurde, trafen, fo lange bie Verbindung 
nicht gänzlid) abgefchnitten war, in Göttingen. täglich Boten und 
Briefe von dort ein, welche über jedes kleine Ereigniß, über die vor« 
berrjchenden Erwartungen und Befürchtungen ſich mit Umftändlichfeit 
auslaffen. Aber in feinem der noch erhaltenen Sendfchreiden und 
Berichte findet fih auch nur eine Andeutung von der Ermordung 
eines Abgeordneten. Wohl aber Liegt die gleichzeitige Abfchrift eines 
Briefes vor, in welchem der Oberft Levin von Mortaigne, General 
zeugmeijter Zillys, fi gegen den Rat von Münden beklagt, daß 
man feine Aufforderung, entweder Abgeordnete zu ſchicken, oder ei: 
nem vornehmen Officier freies Geleit zu gewähren, damit er im 
Auftrage Tillys feine Werbung vorbringen könne, abfchläglid bes 
fchieden habe. 

Die Worte des Theatrum Europaeum: „fie (die Bürger von 
Münden) fafjeten ſämmtlich eine Refolution fich tapfer zu wehren 
und zu halten, bis fie von dem Könige oder Herzog Chriftian ent⸗ 
fett würden“, bezeichnet die Anmerkung als einen erfundenen Zufaß, 
der mit ben Berichten aus der Stadt in Widerſpruch ftehe. Letz⸗ 
teres ift fo wenig der Fall, daß vielmehr aus allen vorliegenden 
Briefen Mündenfcher Bürger diefelbe muthige Entfchloffenheit zur 
Gegenwehr fich fund giebt. Man habe, jchreibt unter andern Jo⸗ 
hann Adolph Nagel feinem Vater, dem Organiften und Notar in 
Göttingen, man habe “bonne courasche’ und Luft mit dem Feinde 
zu fechten; und „Interim fein wir resolvirt, gegen den Feindt ung 
ritterlich, wie uffrichtigen deutfchen Leuten und getrewen Underthas 
nen gebuert, dergeftaldt zu begeigen, das das gante Yandt davon zu 
fagen wiffen wirdt“. — In Bezug auf die bei diefer Gelegenheit 
hingeworfene Bemerkung, daß ſämmtliche Stände ber Landſchaft 
Salenberg eine günftige Gefinnung für Tilly gehegt hätten, wird 
eine Hinweifung auf die oben mitgetheilte Klageſchrift Friedrich Ul⸗ 
richs an den Kaifer und die hartnädige Vertheidigung ber Städte 
Göttingen und Nordheim zur Widerlegung ausreichend erfcheinen. 

Auf ähnlihe Weife fpricht fich der Vf. über die Angabe aus, 
daß man in Münden fortwährend auf Entſatz gerechnet habe; er er» 
fennt auch in dieſer Aeußerung nur eine Fiction Abelins und fucht 
mit wenigen Worten den Beweis zu führen, daß nad) der Stellung 
der Heere ein Entjag nicht möglich gewefen ſei. Wir fühlen uns 
nicht berufen, diefer Behauptung durch tactifche Erörterungen ent⸗ 
gegen zu treten, können dagegen folgende Bemerkung nicht zurück⸗ 
halten. Mehrere Wochen nach der Erftürmung Mündens betrieb 
Tilly mit einem feitdem noch beträchtlich vergrößerten Heere die Ber 
lagerung Göttingens, deffen Bürger, wie eine ſtarke Correſpondenz 


410 


bes Stabtraths mit König Ehriftian IV. ergiebt, bio zum leiten 
Uugenblide auf den immer von Neuem „vertröfteten Entiag“ warte, 
ten. Noch am 13. Junins 1626 fand der Hauptmann auf ber 
Pleſſe Gelegenheit, der Stadt die Mieldung zukommen zu laffen, daß 
König Ehriftian forderfamft Eutſatz bringen werbe. 

Hier fehlt in der That der letzte Schein einer Fiction bes 
Theatrum Europaeum. 





Forſchungen 


zur 


Deutſchen Geſchicte. 


Erſter Band. 


HERAUSGEGEBEN 
DURCH DIE 


\ BEI DER 
] KÖNIGL. ACADEMIE DER 
WISSENSCHAFTEN. 








Höttingen, 
Berlag der Dieterichſchen Buchhandlung. 
1862. 


d- 


Die Biftorifhe Commiffion bei der königlichen Akademie ber 
Wiſſenſchaften zu Münden bat befchloffen, ein periodifches Werk her- 
auszugeben unter dem Titel: 


Forfchungen zur Dentfchen Gefchichte. 
Die Abficht ift, gelehrte Arbeiten, welche einzelne Abfchnitte oder 
Gegenftände aus der deutſchen Gefchichte, fei e8 durch die Benutzung 
neuen Materials oder durch gründliche Fritifche Unterfuchung, auf- 
hellen, hier zu ſammeln und zu veröffentlichen, und fo der wiſſen⸗ 
ſchaftlichen Erforſchung unferer vaterländifchen Gefchichte ein Organ 
zu geben, wie es ihr bisher fehlte. 

Es ift dabei nicht bloß an Kleinere Aufſätze, fondern auch an 
größere Abhandlungen und vollftändige Monographien gedacht; jedoch 
wird für folche vorläufig ein Umfang von höchſtens 20 Bogen an⸗ 
genommen. 

Zur Aufnahme ift in der Regel bloßes Quellenmaterial nicht 
geeignet, dagegen kann es al8 Beilage zu felbftändigen Arbeiten oder 
mit eingehenden Erläuterungen verbunden zum Abdrud gelangen, und 
für befonders wichtige Actenſtücke der neueren Geſchichte, die an ſich 
verftändlic find, wird es auch deren nicht bedürfen. Ausgefchloffen 
find Abhandlungen von rein localer oder provinzieller Bedeutung, 
welche den Schriften der Hiftorifchen Vereine der einzelnen Länder 
überlaffen bleiben mögen, während ſolche, bie fich zunächſt freilich 
auch nur mit einem Theil des deutſchen Landes oder Volkes beſchäf⸗ 
tigen, zugleich aber in die allgemeine Gefchichte eingreifen, Beachtung 
finden werden. Ebenſo wird neben der eigentlichen politifchen und 
Berfaffungs-Gefchichte auch die Behandlung anderer Seiten des na⸗ 
tionalen Lebens auf Berücfichtigung Anfprud haben. 


IV 


Ueber die Aufnahme ber einzelnen Arbeiten entfcheibet ein Aus 
ihuß der Commiſſion, beftehend aus Profeffor Häuffer in Heibel- 
berg, Oberſtudienrath von Stälin in Stuttgart und Brofeffor 
Wait in Göttingen. An den legteren, der die eigentlichen Redac⸗ 
tionsgefchäfte beforgt, find die Einfendungen zu richten, birect oder 
durh Vermittlung der Dieterihfchen Buchhandlung, welche den Ber: 
lag übernommen bat. 


Inhalt, 


— — 


Der Kampf ber Burgunder und Hunen. Von Brof. ©. wait in 
Böttinden. - oe 2 0 0 rn 6 8 1. 


Die Wahl König Heinrih8 (VIL), feine Regierungsrechte und fin 
Sturz. Bon Dr. E. Winfelmann in Rval. .....— 11 


Zur Geſchichte Kaiſer Ludwigs des Baiern. Bon Dr. 2. Oelsner in 
Tranffurt. . . .o oo oo . 0 0. . oo eh —0 6 ..0. — 45, 


Sind bem Pabſte Johann XXIL' hi BRahtbeerete ber Gegenfönige 
Ludwig bed Baiern und Friedrich des Schönen vorgelegt worben? 
Bon Dr. H. Pfannenfhmid in Hannover . x 2 2. .— 5. 


Bericht Über die Annahme ber Kaiſerwürde durch Marimilian im 
Sabre 1508. Mitgetheilt von Oberftudienraty Ch. F. v. St: 
lin in Stuttgart. . . » nenn. 6 


Das Reftitutiongebict im nordweſtüchen Deutſchland. Von Dr. O. 
Klopp in Hannover. 0 0 0. ..— 7. 


Anhang: Das Theatrum Europaeum über Tilly in Beteef ber 
Eroberung von Münden. . . . » ... .2129. 


Unterſuchungen über die erſten Anfänge des Biden Bon Dr. - 
D. Hartwig in Meifina. . . . . Per Ver — 133, 


Kritifcde Unterfuchungen über das Verhältniß Wiſchen Diympiober, 
Zofimus und Sozomenus. Ein Beitrag zur Gefchichte ber germa: 
nifhen Völkerwanderung von Dr. 3. Rofenftein in Berlin. — 169. 


Beiträge zur Gefchichte des Geld: und Münzweſens in Deutſchland. 
Bon Dr. U. Soetbeer in Hamburg. » » 2 7 205. 


Erfter Abſchnitt. Das Gelbweien ber Germanen biß zum Uns 
tergange bed weftrömifchen Reichs. 

Biweiter Abſchnitt. Skizze des Münzweſens im römifchen Reiche 
feit Conftantin 1. bis auf Suftinian. — Münzverbältnifie ber 
Bandalen, der Oftgotben, der Weftgotben, ber er Burgunder und 
der Longobarden, 


vi 


Der Poeta Saro und ber driee zu Se Bon Dr. B. Ebd. Sim: 


fon in Berlin. . . . . 0.0. .6&. 1. 
Ueber zwei Ereigniffe bes Jahres 4180. Bon Dr. ab. wohn in 
Göttingen. 0 00% 200. 327, 


Aufentbalt3orte 8. Marimiliang I. feit feiner Aeinferrfeaft 1493 bis 
zu feinem Tode 1519. Von Oberſudienrath obr ör v. Stä- 
fin in Stuttgart. . 0 0 0 . . — 347. 
Anhang. Wufenthaltzorte K. Ferdinande I. 4521-1564. ...— 384. 
Ueber daB Auftreten Tillys im Niederfachfen. Bon Prof. W. Have 
mann in Söttingen o 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 — 397. 


Englands Verhältniß zu der Kaiſerwahl des Jehres 1519. Von 


Prof. R. Pauli in Tübingen. ... .....— 413. 
Heinrich VI., Rom und Unteritalien. Von Dr. Ad. son in Sit: 

fingen. . 2... 0.0.0. ...— 437 
Papſt Habrian L und bie , weltliche Serrfeoft bes ne Stihls. 

Bon Dr. S. Abel in Ööttingen. . . ... ... — 4). 


Ueber die Merkelſchen Formeln. Von Prof. G. Waitz in Göttingen. — 533. 


Beiträge zur Geſchichte des Geld- und Münzweſens in Deutſchlend. 
Bon Dr. Ad. Soetbeer in Hamburg. 2 2 2 202. 58. 


Dritter Abfchnitt. Gelb: und Münzwefen im fränfifchen Reid 
unter ben Merovingern. Erfte Hälfte. 


Kleine Wittheilungen. 
Ueber ‘detloratis prosperitatibus’ beim Saft. Bon Dr. W. 


Beffel in Göttingen. . . . ee... 63. 
Ueber die Anorbnung der Bonifacijchen Briefe, Sieh Ir. 37. 38. 

52. 53. 61. 62. Bon Dr. 9. Hahn in Berlin. . 2. — 644, 
Meber die Niederlage K. Chriftian IV. bei Lutter am Once 

Bon Prof. G. Waitz in Göttingen. 0... 20.20. 646. 


Nachträge zu den Aufenthaltzorten K. Darimitians und 8. der 
dinands J. Von Oberſuüdienrath Ehr. J v. Stälin in 
Stuttgart. . ... Biene. 64T. 


Englands Verhältniß zu der Kaiferwahl 
des Jahres 1519. 


Don 


Reinhold Panli. 


1. 28 


Die Kaiferwahl bes Yahres 1519, in welder Karl von Spanien 
und Franz 1. als vornehmite Kandidaten auftreten, iſt in Deutſch⸗ 
land und Frankreich wiederholt von verjchiedenen Gefichtspuntten er- 
örtert und beleuchtet worden. Dean bat bei der Entjcheidung, auf 
die in jenen Tagen fo Ungeheueres ankam, vorzüglih auf die Be 
werbung mächtiger Yürften des Auslandes und auf da8 Benehmen 
der Kurfürſten aufmerffam gemacht, auf die nationalen und bie un⸗ 
nationalen Intereſſen, die dabei mit einander gerungen, auf die ta⸗ 
delnswerthen Mittel, die mehr oder minder von allen Seiten ange. 
wandt worden find. Neuerdigs hat Mignet in feinem Auffag Une 
Election a ’Empire en 1519! mit reihem urkundlichen Material 
die wiederholten Verſuche des franzöfifchen Königs erläutert, durch 
die großartigite Beſtechung die meiften einflußreichen Yürften des 
Reichs zu umgarnen und an fich zu ziehen. Wir fehen gern von 
einigen Ungenauigfeiten ab, die dem Franzoſen fo leicht aus der Fe⸗ 

lüpfen, wenn er mit fremder Geographie und Genealogie zu 
thun bat; auch daß er die Reden, welhe Mainz und Trier bei Slei« 
dan unmittelbar vor der Wahl halten, nachdem fie Ranle längft als 
apofryph erwiefen?, als ächt benust, foll ihm nicht angerechnet wer⸗ 
dan. Man wird aber in Deutfchland nicht einer jeden feiner Folge⸗ 
rungen beipflichten. &inem Herrjcher wie Franz I. war e8 ſchwer⸗ 
ih allein darum zu thun feinen mächtigen Rivalen von Oeſterreich, 
Burgund und Spanien von der Kaiſerkrone auszufchliegen, er wollte 
fie ſich felber faufs Haupt jegen und wandte zu dem Zwecke alle 
Mittel der Lift, Lüge und Gewalt an, die in alten und ncuen Ta⸗ 
gen immer wieder von Frankreich zur Bewältigung Deutfchlands ins 
Spiel gefegt worden find; er verdient nicht nur einen politifchen 
Zadel wegen des Mißlingens feiner auch für Frankreich unnationalen 
Anfchläge, fondern daſſelbe moralifche Brandmal, das nationale 
Gefinnung heutzutage dem Beginnen Ludwigs XIV. und der napoleoni- 
ſchen Bolitif aufdrüdt. Auch damit, daß Mignet die ganze Wucht 
der Schuld von dem Berführer auf die grenzenlofe Habgier und 
DBeitechlichleit der deutfchen Fürften, vor allen des Markgrafen Jo⸗ 
achim I. von Brandenburg zu wälzen fucht, können wir uns nicht 


1 Revue des Deux Mondes 1854. 

2 Zur Kritif neuerer Gefchichtsichreiber, 1824. S. 62 fi. (Vgl. gegen 
ben Verſuch einer Vertheidigung von Droyſen bie Nachrichten von d. G. A. 
Univ. 1855. Nr. 14). 
28 * 


414 


zufrieden geben. Zwar ſcheint es wahrhaft grauenerregend, und über 
Alles, was Reunionspolitif und Rheinbimdtreiben jemals geleijtet, 


flug und Parifer Geld damals an allen beutichen Döfen eingedrun⸗ 
gen, wie die höchſten geiſtlichen und weltlichen Würdenträger des 
Reichs daſſelbe an einen auswärtigen Fürſten zn verrathen ſich 

ichten, wie ein mecklenburgiſcher Edelmann offen den Agenten 
zu ſo nichtswürdigen Zwecken ſpielt. Aber man überſehe nicht, 
wie eben die Betheiligten doch wieder demjenigen nach Verdienſten 
lohnen, der ſie um jeden Preis gewinnen möchte, wie zum Theil 
noch durch die geſchickte Politik des alten Kaiſers Maximilian auf 
dem Reichstage zu Augsburg im Jahre 1518 ihre Treuloſigkeit ge⸗ 
gen Franz gerade zu einer Tugend am Reich wird, und wie ſie im 
folgenden Jahre trotz erneuter Beſtechung, trotz Eidſchwur, Brief 
und Siegel bei der Wahl doch ſämmtlich im nationalen Sinne cor⸗ 
rect verfahren. Mit Gewißheit hatte es ja der Ritter Franz von 
Sickingen dem Könige von Frankreich vorausgeſagt, die Kurfürſten 
würden ihn dennoch betrügen. „Die perſönlichſten Beziehungen und 
die Rückſichten auf das allgemeine Wohl“! gaben ſchließlich doch den 
Ausſchlag gegen eine Politik, die einer Unterwerfung Deutſchlands 
durch den eroberungsluſtigen Nachbarn gleichgekommen wäre. Auch 
das Benehmen des Kurfürjten von Brandenburg, fo tadelnswerth es 
im Einzelnen erfcheinen mag, hat neuerdings eine gewilje Rechtferti⸗ 
gung erfahren, wobei der Umftand, daß Joachim ja felber Ausficht 
auf die begehrte Krone Hatte, ficherlicy nicht der geringite if. Bon 
feinen deutfch-flavischen Befigungen aus tritt der Hohenzoller faft ale 
ebenbürtiger Bewerber neben Burgund und Valois hin. 

Allein noch ein anderer Candidat, vorfichtig und Hug, war in 
dem Tudor deinriq VIII. von England genannt worden, deſſen die 
Quellen bei dem ganzen Hergange häufig gedenken und auf den auch 
die neuen Bearbeitungen wieder Rückſicht nehmen. In feinen wech—⸗ 
jelnden Beziehungen zu Franz und Karl, bei dem natimmalen Schwunge, 
der den Grundzug feines kraftvollen Regiments beftimmt, blieb ihm 
der Gedanke nicht fern, fo gut wie jene das Oberhaupt des Heiligen 
Römischen Reiche werden zu können. Rühmten ſich doch feine Alt 
vordern, die Plantagenets, jenes Richards von Cornwall, der römijcher 
König gemwejen, des großen Eduard III, der als Vicar des Reichs 
links vom Rhein eingefeßt, dem nad) Ludwigs des Baiern Ableben 
ebenfalls die Inſignien der höchſten Würde des Abendlandes ange 
tragen worden. Mit Begeifterung und Erfolg warf er ſich ja über- 
haupt, nachdem feine Inſel längere Zeit nicht ohne inneren Schaden 
in fich gefehrt gewefen, wieder auf eine auswärtige Bolitif. Sie 
lag naturgemäß zmwifchen Burgund und Frankreich und offenbarte an 
mehr als einer Stelle ihrer Entwicklung eine Richtung nach deutjcher 


2 Nanfe, D. Gefch. im Zeitalter der Reformation I, 300, 3te Auflage. 
° Droyfen, Geſchichte der Pr. Politif I, Abtbeilung 2. 


415 


Seite hin, in Erinnerung gleichfam an bie alte teutonifche Verwandt 
Schaft des Bluts zwifchen dem englifchen und beutjchen Volle. 

Der Gang der ftaatsmännifchen Thätigleit Heinrich in Bezug 
auf den vorliegenden Gegenftand ift unfers Wilfens noch nirgends tm 
Zufammenhange verfolgt worden; fo mag uns geftattet fein, dieſe 
für die Reichsgeſchichte nicht unwichtige Lücke aus dem urkundlichen 
Nachlaſſe der Regierung jenes Fürſten einigermaßen auszuflllen. 
Wird doch vorausfichtlih noch längere Zeit darüber hingehen, bis 
die in London vorbereiteten umfangreichen Regeſten Heinrihs VIII. 
zum Abjchluß gedeihen. Auch dürfte manchem heimatlichen Forſcher 
und Geſchichtsfreunde der wörtliche Auszug verfchiedener Aktenſtücke, 
wie wir fie im englifchen Staatsardive und im Britifhen Muſeum 
gefammelt, erwünfcht fein, da nicht nur Englands Stellung zu der 
Raiferfrage, feine Xhätigleit an den Höfen zu Paris, Barcelona, 
Rom, und feine Stellung zu den Kurfürften daraus klar wird, fondern 
die ganze vielfach verwidelte Angelegenheit und namentlich die deutjche 
Auffaffung gegenüber der franzöfifchen willkommene Beitätigung erhält. 


— — — — — — 


Man kennt das Anerbieten, das Maximilian einſt an Heinrich 
VII. geſtellt, fein Nachfolger im Reich zu werden, und die triftigen 
Gründe, mit welchen Cuthbert Tumftall, ſpäterhin Bifchof von Lon⸗ 
don, als ihm Matthias Schiener der Kardinal von Sitten, ber alte 
Schweizer Parteigänger einer deutich-englifhen Allianz, zu Mecheln bie 
eriten Eröffnungen darüber gemacht, feinem Herrn von ſolchen aben- 
teuerlihen Gedanken abgerathen?. Diefelben Anträge waren doch 
fchon etwas früher und auf anderem Wege nad) England gelangt 
und befchäftigten, wie wir annehmen ditrfen, den thatenluftigen Für- 
ften nicht minder als feinen ehrgeizigen Minifter, Cardinal Wolfen, 
der bereit von Crlangung ber Tiara zu träumen begonnen. Ri⸗ 
hard Pace, Heinrichs Secretär, der ebenfalls Geiftlicher, aber vor- 
wiegend als “Diplomat in Stalien, in der Schweiz und Deutfchland 
verwandt, befand ſich feit dem Ende des Jahres 1515 auf einer 
Miſſion bei der Eidgenoffenfchaft, um mit englifchem Gelde und ſchwei⸗ 
zer Yanzen die wankende Politif des Kaifers in Norditalien zu ftügen. 
Seine zahl- und inhaltreihen Berichte an Wolfey verdienten längit 
befannt zu werden. In einem berfelben, vom 21. Mai 1516 aus 
Trient bdatirt?, meldet er dem Garbinal Woljey, dag Sir Robert 
Wingfield, der dem Kaifer Marimilian während feiner legten Lebens⸗ 
jahre beigegebene englifche Botſchafter, ihm einen Brief gezeigt, den 


2 Tunftal an 9. 8. Febr. 18. 1517, bei Ellis, Original Letters I, 


134. 
2 Public Record Office 8 Henric. VII. — Hume, Hist. of England Cap. 


XXI, bat alfo ganz Net, daß Pace und nicht Tunftall zunächſt den König 
abgemahnt; cf. Ellis 1. c. 


416: 


er auf bes Kaifers Befehl behufs Niederlegung ber Kaiferkrone zu 
Heinrichs Gunften an diefen gefchrieben habe; mit 4000 Bogenfcügen 
und 2000 Reitern folle der König von England fih aufmachen, um 
fi in Rom krönen zu laffen. Pace wımdert fi) noch über das 
Ungeheuerliche dieſes echt marimilianifchen Hirngeipinnjtes und ſtellt 
ihm feine Bedenken gegenüber: der Zuftand Deutſchlands allein, wo 
es genug Vagabunden gebe (thyfes and vyllayns off whome in 
Almayne is grete plentie), mache einen folchen Zug ummoͤglich. 
Und dann die Kurfürften, die nur aus der deutfchen Nation wählen 
fünnten und mit Marimilian in jeder Beziehung zerfallen wären !. 
Auch möge der König bedenken, wie ihn die unerläßliche Abweſenheit 
aus England vielleicht feine viel befjere Krone ? koſten könne. Die 
ganze Sache fcheine ihm ein Luftfchloß (but a castil made in the 
ayre), ein Anfchlag um noch mehr englifches Geld zu geivinnen. 

In einem Schreiben vom 23. des Monats Heißt es: erft müffe 
man die Franzofen aus Italien jagen und Sforza nah Mailand 
bringen, dann fei e8 Zeit, auf Marimilians Vorfchläge näher einzu- 
gehen. Erſt dann fünne Marimilian die Kurfürften einberufen, if 
nen feinen Wunſch abzudanken mittheilen und den König nominiren. 
Wegen der Krönung aber müſſe diefer fich mit dem Papfte einigen, 
denn in jener Weife nad Rom ziehen zu wollen fei Unfinn. Ve 
brigens hat Maximilian dem Schreiber fein Mißfallen über feinen 
jungen Enkel König Karl ausgedrücdt wegen deffen Annäherung an 
Tranfreich *. 

Als Marimilion mit dem Jahre 1517 in die Niederlande kam, 
geftalteten fich freilich feine Beziehungen zu Karl, Franz und Hein 
rich wieder wejentlic anders; auf das Eifrigfte wurde zwifchen if. 
nen allen wegen Stalien und Slandern, über politifche und matrimo- 
nielle Bündniffe verhandelt. Zwar der Gedanke des alten Kaifers 
jelber nad) England zu gehen mißfiel dem Könige Heinrich höchlich 5; 
darum übertrug er aber fchleunig dem Grafen Karl von Worcefter, 
feinem Lord Kämmerer, eine ſtattliche Miffion, der Cuthbert Tunftall 
als Secretär beigegeben war. Sir Robert Wingfield, der im Ge- 
leite Maximilians die Reife aus Defterreich mitgemacht hatte, berich- 
tet ausführli über den Empfang, der dem Grafen zu Lichtmeß in 


2 beynge dissentient frome hym in every thynge. 

2 whyche this daye is more estemidde than themperor hys crowne and 
alle hys empire, et non immerito. 

5 If themperor will nedes resigne the crown imperiall to the kinges 
grace, itt shall be tyme to treat etc. Pace an Wolsey, Trient. Public Re- 
cord Ofüice 8 Henr. VIII. . 

* bycause that he doith not openlie shew hymself enymy to the Frensh 
king and folow his majestie and the kingis oone communes hostes, 

5 I assure you I like nott the emperours offer to comme into Inglande, 
except he broght the kyng of Aragon with hym, for by the emperours sule 
commyng no surte shuld be for us in Flannders. Zeilen von Heinrichs Hand, 
wahrfcheinlih an Wolſey. Ms. Cotton. Vitellius B. XX. fol. 8. 


417 


Mecheln zu Theil geworben !. Ginftweilen ift von beutfchen Fürften 
nur der Herzog von Braunfchweig anwefend. Erſt ımter dem 26. 
April aus Antwerpen findet fich ein intereffanter Bericht Worcefters 
-an den König, dem er vom St. Georgstage (April 23) erzählt, wie 
der Kaiſer denjelben zu Heinrichs Ehren feierlichft begangen. Nach 
der Mefje in der Kathedrale, bei welcher der Kaifer und ber engli- 
fhe Gefandte auf der einen Seite des Chors, ihnen gegenüber aber 
die Cardinäle (Sitten und Gurf), päpftliche, ungarifhe, böhmifche 
Gefandte, Herzog Wilhelm von Baiern, Markgraf Joachim von 
Brandenburg, der Herzog von Braunfchweig und fein Bruder Plat 
genommen, und nach der feierlichen Mahlzeit, die der Kaiſer an einer 
Zafel allein mit dem Gefandten abgehalten, hatte diefer eine Audienz 
im Cabinet. Nachdem das Geſpräch zuerft die proponirte englisch» 
franzöfifche Heirath und die Lage Italiens berührt hatte, gedachte 
Marimilian der Intrigen, die von franzöfifcher Seite wegen der Krone 
des deutfchen Reichs ins Werk gejegt würden. Er habe in diefer 
Angelegenheit die Kurfürften zur Dreifaltigfeitsoctave nah) Mainz 
berufen. Urſprimglich wolle er zu Karls Gunften abdanken, doch 
. ber weigere fi aus Rüdficht gegen Franz, der felber nach der Würde 
ftrebe *. Ihm fei nun darım zu thun, dag Heinrich an feine Stelle 
trete; die Kurfürften würden ſich fchon darein finden, wenn fein 
Entel Ferdinand König von Defterreih und daneben vielleicht Mar⸗ 
fchal des Reichs werde?. Als Worcefter abwehrte mit dem Bemer⸗ 
fen, daß feine Majeftät ja felber nicht gelrönter Kaifer fei, erwidert 
der alte dert, daß er längſt die Abficht gehabt fi) Kaifer von Con⸗ 
ftantinopel zu nennen, ein Name, wozu er erbberechtigt fei und den 
er feinen Kindern zu Hinterlaffen gedenfe.e Mean weiß, wie fehr 
ihn gerade in jenen Tagen der Gedanke an eine allgemeine Heerfahrt 
wider bie Türken befchäftigte.e Auch von Spanien war die Rede: 
wenn Karl fic nicht endlich aufmache, wolle er felber dorthin gehen 
— not to see the succession of so many realmes lost from 
his blode. Aud; um Geld wird wieder dringend gebeten; doch, 
meint Worcefter, werde ſich der Kaifer ohne Frage damit fofort nad 
Deutfchland aufmadjen, hat er doc; felber von dem Reichstage ger 
fprodyen, zu dem ja aud) Joachim von Brandenburg bereits mit 
großem Gefolge fich eingefunden habe *. 


ı Sir Nobert Wingfield an den König, Mecheln, ebr. 3. 1517. Me. 
Cotton. Galba B. V. fol. 52: sayinge that they two were companyons for 
that daye, becawse theey boothe war tho order of the garter. 

2 for fere of the displesure of the Frenche king, whiche he said clay- 
meth the title therto. Mes. Cotton. Galba B. V. fol. 209. 

5 and that he wold your grace shulde be emprour or king of Romayns, 
for he carid no more for hit; too that he had put your grace in possession 
thereof, and that the electours were content to make his son (!) Ferdinando 
king of Austrice, and bicause he shuld be in as great a degree as the elec- 
tours, he wold make hym mareschall of thempier. 

* and the marques of Brandenburg oon of the 'electours is comen he- 
der alredy with a great cumpanye therfore. cf. Droyſen II, 2, p. 100. 


418 


—— u a m Kan 


——— 
ftidte nehmen fo qut wie gar — — * den Ringe; Pr 
aber eben dadurch, über Jahr und in feiner üb 
len zuwartenden — verharrte. Marknilian pl bat es darü⸗ 
ber nicht an weiteren Berlodungen fehlen laſſen. Dr. William 
Knight, einer der englifchen Agenten am Hofe der Erzherzogin Mar⸗ 
gareta, ‚meldet am 25. 1518 aus Mecdeln an Cardinal Wol- 
ve, daß Lois Maroton, ein ſpaniſcher Cleriker, den der Kaiſer von 
feinem Sohne König Philipp als Secretär übernommen hatte — 
feit “acht Tagen anweſend, ihn gejtern befucht und dabei, ohne Fabel 
in höherem Auſtrage, eine Reihe von Mittheilungen über ben gegen- 
Wärtigen | Stand ‚der Eaiferlichen Bolitif gemacdyt habe. Im Allgemel- 
nen ſtünden ‚die Dinge günftiger als feit längerer Zeit. Nur ber 
König —— ſei äußerft rührig und verwende große Summen 
unter ben beutſchen Fürſten. Das Haus Brandenburg, das über 
zwei Kurftimmen zu verfügen habe, werde außerdem noch durch ein 
Heirathsbundniß ug Des Pfalzgrafen, des Herzogs von Wir: 
temberg,, des Herzogs Wilhelm von Bayern meine man ganz ficher 
zu fein. Der Herzog von Sachſen, der weder mit Brandenburg noch 
it Oefterreich auf gutem Fuße ftehe, hat einem gewiſſen Alamire, 
einem Niederländer in geheimen englifchen Dieniten, ein Schreiben an 
König Heinrich zuftellen laffen' — ein Document, bem wir leider 
vergeblich nachgeſpurt haben, das, wenn e8 überhaupt eriftirt bat, in 
mehrfacher el bon Sntereffe geweſen fein muß. 
kommt Knight in feinem Berichte —* vor der Zeit ſchon auf den 


U Mes. Cotton. Galba B. VI. fol. 80. Moreover he sayth that the Frensh 
king distributeth money largeli among the princes of Almaigne and useth all 
exquysyte meanys wherbi he may bynde the saide princes unto hym. He 
gyveth the French quenys sustre unto oon of the howse of Brandenburgh, of 
which howse there beth at this tyme two of thelectoure, thoon is marguyse 
and thother his brother archbushop Maguntinensis. Allso he hatlı oon his 
favour the counte palatyne oon of the electours and moreovyr the duke of 
Vertenberg, and those two have maryed two systers of duke William de Ba- 
vyere, by reason wherof it is thought that duke William wil be of that band. 
Item the said duke of Vertenberge ys burgoise of Bern among the Swesys 
and thiese with dyvers otlier confedereth and bandeth with the Frenshman., 
The duke of Saxon, which hath bene in difference long with the howse of 
Brandenburgh and hath not doone his dewtye allwaiys to themperor seyng 
that his ennymye shall wax strong bi reason of Fraunce and those factions, 
hath lateli sent his chaunceler to themperor and humilist himself, but it ys 
thowght rather to doone because he seyth hys ennymye encrease in strength 
ten for eny good zele or mynde that he hath to be reconciled to themperor. 
The said duke delyvered a lettre for the kinges grace unto oon of thiese 
contreeys called Alamyre and desyreth to be in confederacion with the king. 
But that letter was delyvered before christmas and syth that tyme Alamyre 
hath bene in espyall in Fraunce sent by Richemont. Alamire, ein flandrifcher 
Mufifer, ans feinen eigenen Briefen, bie er mit mufifalifcher Notenchiffre (A- la 
mi—re) unterzeichnet, al3 Spion befannt gegen die Umtriebe der Schotten und 
bes verjagten Hauſes Suffolk-NYork. 


418 


Reichstag zu Augeburg zu ſprechen. Er hat noch nicht herausbringen 
konnen, was dort verhaͤudelt werben ſoll, doch glaubt. er, da Franz 
und Karl beide unter päpftlicher Indulgenz den Turkenkrieg zum Vor⸗ 
wande nehmen um fich zu Gelde zu verhelfen, daß ber Saifer da 
nicht zurücitehen und verjuchen wolle feinerfeit® die Chriſtenheit in 
ähnlicher Weife zu überreden 1. 

Am 18. Juni fchreibt Knight ans Gent, die Erzberzogin Mar- 
gareta habe ihn fo eben fommen laffen, um ihm einen des Kai⸗ 
ſers vom 12. aus Augsburg zu zeigen, in welchem dieſer ſofort be⸗ 
nacdhrichtigt zu werden wünſcht, jo bald ein englifcher Geſandter 
nad) der Schweiz abgefertigt werde, unftreitig in Betreff der Benfio- 
nen, die der Kaiſerwahl nicht fern lagen?. Bu | 

Derfelbe Botfchafter dringt dann fpäterhin, nachdem der Augs⸗ 
burger Reichstag längft vorüber und die franzöfifchen Steigen, ob» 
wohl fie eine Schlappe erlitten, von Neuem wieder aufgenommen 
waren, am 8. October von Brüffel aus abermals in Cardinal Wol- 
fey, damit ihr Herr der König die günſtige Gelegenheit benuße und 
dem alten Zandesfeinde mit einem Schachzuge auf immer zuvorfomme°. 
Denn was anderes als Feindſchaft habe man von Franz zu gewär⸗ 
tigen, der ummittelbar nad) dem neulichen Friedensfchluffe vermittelft 
des Herzogs von Albany in Schottland eine Umwälzung anzettele, ber 
troß feines Eidſchwurs Herrn Richard de la Pole, einen Spröß⸗ 
fing ber Weißen Roſe, bei fich berge, der den Anhang Englands in 
den Niederlanden täglich zu mindern befliffen fe. Ein Bund mit 
den Eidgenofjen aber fei der nächſte Schritt zum Ziele zu gelangen. 
Dod die hat man fjüngft fahren Laffen und ſchimpft fie in England 
wohl Spitsbuben (villayns), während ber PBapft, der Kaifer, alle 
übrigen Fürften, „nur wir nicht“, um ihren Beiftand buhlen (the 
chirch thempire and all other princes desireth their confede- 
racion saving oonly wee). 

Es ift Mar, daß im Gegenfage wider Tunſtall und Wingfield 
andere englifche Diplomaten die dynaftifchen Begierden ihres pen 
anzufachen und feine Sontinentalpolitif nach Deutfchland überzulenfen 
ſich bejtrebten. Das Meiſte jedoch kam auf den vornehmiten, damals 
Schon üiberans mächtigen Rathgeber, auf Wolſey an; der aber ging, 
wenn nicht alle Anzeigen trügen, bereits in jenen Tagen feine eigenen 


I Themperor kepith now a grete dyet at Awsburgh with all the princes 
of thempire. But yt is not yet discovred what hath bene treated. | thynk 
themperor percyveth, that the pope, the Frensh king and the king of Arragon 
doyth levye money by meanys of indulgence pretending grete daungier of the 
Turcke, and therefor he wyll do likewise, for it is grete persuasion to the 
subgiectes of any oon reame when thei se the more part of cristyndome mo- 
vid by like persuasion. 

2 Ms. Cotton. Galba B. VI. fol. 65. 

5 Ms. Cotton. Galba B. VI fol. 92: yf the king will suffre his anci- 
ent ennymie to be the moost fortunate prince Ilyving ...:» yt is in his grace 
to suffre hit. And if his highness will take the sayde felicite unto hymsellf, 
the tyme doyth offre hytt. 


420 


geheimen Pfade, indem er noch mehr für fich jelber als für feinen 
König ſorgte. Durch die Erhebung Karls von Aragon zum römi- 
ſchen König hoffte er fchon im Sommer 1518 fi) dem hödhiten Ziele 
feines Ehrgeizes, dem Stuhle St. Peters, näher gerüdt zu fehen. 
Es hat ſich der Entwurf eines geheimen Schreibens Wolſeys an 
Karl gefimden, in welchem, offenbar hinter Heinrichs Rüden, zunächſt 
die Zuficherung der feitejten Allianz zwifchen Burgund und England 
ertheilt wird. Alsdann aber erklärt der Echreiber in tiefer Unter: 
würfigfeit es für feine Pflicht, den fremden Fürſten darauf aufmerf- 
fam zu machen, daß ihm die Umtriebe befannt feien, vermitteljt de- 
ren man feinen Bruder Ferdinand in Deutfchland zum Könige zu 
machen vorhabe. Auch jtelle er fich äußerft beforgt um die perföns 
liche Sicherheit feiner erlauchten Majejtät und nimmt ſich die Frei⸗ 
heit ftrenge Zorfich: bei Speiſe und Trank gegen Vergiftung anzu- 
rathen '. Wie fehr auch bald hernach dem Könige Heinrich das fun: 
felnde Diadem Karls des Großen in die Augen geftochen haben mag, 
fein Minijter ließ doc) da8 Ruder nicht aus der Hand und Ienfte 
das Schiff, obwohl bisweilen anjcheinend auf anderen Furthen, doch 
wohin er es haben wollte. 

Immerhin aber mußte der Tod Kaifer Marimilians, der am 
12. Januar 1519 zu Wels eintrat, wie er den Hoffnungen und 
Anftrengungen des Könige Franz ein neuer Sporn war, bie englie 
fche Politit zu der num unmittelbar nahe gerüdten Entfcheidung bes 
deutend anfpannen. Noch findet fich der eigenhändige Brief der Ery 
berzogin Margareta an Heinrich VIII., in dem diefe den Plänen 
des Vaters fo treu dienende Tochter in innigjter Trauer das Ables 
ben defjelben meldet. Doc) der große Schmerz des Augenblicks, wie 
fehr fie ihn auch walten läßt, macht fie nicht blind und Starr; fie 
erfjucht vielmehr den Bundesgenoffen, ihr und ihren jungen fürftlichen 
Neffen in allen ihren großen Angelegenheiten gerade jegt mit Rath 
und That fchirmend zur Seite zu jtehen ?. 


! Preterea ad oflicium meum haud mediocriter pertinere existimavi, ut 
significarem serenissimge Majestati vestre, pro mea erga eam observantia, 
vel (ut expressius loquar) fidelissima servitute: quosdam esse mihi non ig- 
notos (quorum nomina silentio non pretermittenda sunt), qui paulo plus quam 
oportet illustrissimo domino Ferdinando Majestatis vestrg fratri faveant et 
illum altius quam decet et Majestati vestre expediat (nempe ut Romanorum 
rex creetur) provehere conentur. Cui rei ut resistatur, non dubito quin se 
renissima Majestas vestra solita et innata sua prudentia usura sit etc. Ex 
edibus meis Hamptonie Curig Augusti. Ohne Zahr, doch wegen der An: 
gabe in Betreff Ferdinands chne Zweifel 1518. Public Record Office 10 
Henr. VIII. 


®2 Vous en ay bien voulu fere participant pour me aydier a condoloir 
ledit trespas. Et que au moien dicelluy usant de la vertu et magnanimite 
dung tel prince comme vous estes vous plaise estre doustant plus enclin 
aydier et assister les deux jofnes princes yssuz de luy en tous leurs grans 
afferes et moy ensemble, car en telles adverrites se congnoissent et expcri- 
mentent les bonnes et vrayes amytees esquelles vous ose bien aßseurer que 





422 


von Geldern und einem andern beutfchen Herzoge — gewiß Wür⸗ 
temberg, dejjen Namen der Gefandte vergeffen hat (whose name I 
remember not) — ber fo eben nad Deutfchland abgefertigt fei. 
Der König Franz ſchätze ſich unendlich glüclic wegen der Freund⸗ 
ſchaft feines Bruders von England. 

Das von Ellis ! ausgezogene Schreiben vom 28. Februar ent- 
- hält eine wichtige Enthüllung über diefe Beziehungen. Labajtie, der 
franzöfifche Gefandte in London, hat eine Aeußerung Heinrichs er: 
fahren und hinterbracht, die diefer während der legten Anweſenheit 
des Cardinals don Sitten gethan: man made ihm nur fo locdende 
Anträge, um das englifche Geld nad) Deutfchland zu ziehen und feine 
Macht im Reich zu vergeuden. Hierauf begründete nun König ran; 
feine Ueberzengung, daß Heinrich gar nicht nach der deutjchen Krone 
ftrebe (that the kinges highnesse pretendyth not to thempire), 
und hat noch einmal in vertraulichiter Weife dem Ritter Boleyn 
feine Gedanken über die deutfchen Zuftände ausgefprochen und neben: 
bei immer mehr feine Begierde verrathen, als einer der mäd) 
tigften Fürſten der Chriftenheit, unbefümmert um die nationalen 
Schranken, die im Wege zu ftehen fcheinen, die höchfte Würde im 
Abendlande davon zu tragen?. Dann folgt die ſchon befannte Aeu⸗ 
Berung, daß er drei Jahre nad) feiner Wahl in Conjtantinopel zu 
fein hoffe; daß er dazu aber Kaifer jein müffe, und wenn es ihn 
drei Millionen koſte. Er denke, felbft mit drei Stimmen fei ihm 
die Wahl fither ®. 

Und in der That im Monat März neigt ſich die englifche Po- 
titif noch einmal Frankreich zu. Wolſey, der im Geheimen Niemand 
anders als Karl von Spanien auf dem Kaiferthron zu haben wünfcht, 
hat in diplomatiiher Schlauheit die Genehmigung feines Herrn zur 
Candidatur Franz I. zu erwirfen gemußt. Am 11. März befcheinigt 
Boleyn den Empfang der Vollmacht, berichtet aber, wie man ſich 
in Paris aus römischen Depefchen erzähle, daß der Cardinal von 


what he can both by his [own] folkes sending to them and by other to 
wyn them by any meanes, 

U Original Letters I, 147. Boleyn an Wolfen. 

2 telling me, that he hath dayly worde oute of Almayn how that 
dyvers of the prynces of Almayn sayeth, that the grettest honnour that they 
have in their contree is that commonly thempcrour alwayes hatlı been an 
Almayn and moost oon of the III howses owther of Awstrych of Bavyer or 
of Saxon, sayeng, that the Almayns be rude and hedy; but be trwstyth to 
wynne them with money and made to me this reason for hymself twys or 
thryes, that as themperour is hedd and chief of all kinges and princes 
crystened, so ought oon of the best and grettest kinges of cristendome to 
be chosen emperour, rekenyng the kinges highnesse and hymself to be the 
II grettest kinges of crystendome, accompting theym of Almayn to be but 
small princes in regarde of them and that they were of ryght Iytell abylyte 
nor power to enterprise any feate for the weele of all cristendome. Ms. 
Cotton. Caligula D. VII. fol. 93. 

3 if he may have II voyces he woll be emperour or be woll be beten 
for yt. 


428 


Sitten die Schweizer fr Gens VII Shan, um in Deutſch⸗ 
land Karls [ zu unterftüßen 

Zwei Tage fpäter hat ofen —— mit dem Könige, 
von Frankreich gehabt, das er am 14. an Heinrich berichtet und * 
ches Nichts als Freude über bie Uebereinkunft atmet’. A 
fcreibt er unter demfelben Datım an Wolfey, wie Franz bei der. 
Audienz ihn dazu aufgefordert; Nichts ftehe im Wege, daß ber Cars 
dinal von England bei Erledigung des apoftolifhen Stuhles Papft 
werde, über vierzehn Cardinalftimmen meine man verfügen, ſelbſt 
eine Ausföhnung zwiſchen Colonna und Orfini anbahnen zu. können. 
Franz im Bunde mit Heinrich VIII. erkläre, dag Niemand Kaifer 
oder Papft werden dürfe, als der ihnen genehm jei®. _ 

Aus einer Unterredung mit Louife von Savohen, Franzens 
Mutter, hat Boleyn erfahren, daß der Admiral Bonnivet über ſeine 
Miſſion an die beiden Brandenburger Brüder ſehr zuverſichtlich ge⸗ 
ſchrieben; zum 26. März ſei eine Zuſammenkunft von vier Kurfür⸗ 
ften auf dem linken Rheinufer (zu Wefel) angefegt, auf welcher al- 
ler Wahrjcheinlichkeit nad) die Wahl ſchon entfchieden werden dürfte. 
Auch ſprach die Herzogin von einem Feſte, das neulich in Greenwich) 
ftattgefunden, auf weldem Heinrich dem franzöfifchen Geſandten ver- 
ſichert haben foll, wenn zwei Stimmen für ihn wären, fo follten 
fie feinem Bruder von Frankreich gehören +. Es fcheint demmach, 
als ob man am Hofe zu Paris den Berficherungen Wolſeys nicht 
unbedingt getraut hätte. Hat doch Louiſe etwas ſpäter im Auftrage 
ihres Sohns dem Geſandten einen Brief gezeigt, wonach Heinrich 
keineswegs eine Zuſage zu Gunſten Frankreichs gemacht babe, viel 
mehr die Candidatur des Fatholifchen Königs unterftüße 5. 

Aber die enormen Anftrengungen, die Franz vorzüglich in Mainz 
und Berlin machte, wurden nun bereits nachdrüdlich von burgumdi« 
chen gefreuzt. Karls Kämmerer, Herr Paul von Armerstorf, ver⸗ 
jtand es zuerft unter den Deutſchen im Gegenfage wider Frankreich 
den nationalen Ton anzuſchlagen und außer mit patriotiſchen Grün⸗ 
den durch bedeutende Zuficherungen den Brandenburger Erzbifchof 
von Mainz zu gewinnen, fo daß fich derfelbe bereits am 1. März 
in deutſcher Haltung an feinen Bruder den Markgrafen gewendet hatte. 

In Folge dieſer Erwerbung begannen die Dinge überall in 
Deutſchland wie in Italien, in der Schweiz wie in England eine 

I certain credence of assured amytie and favour for the kinges avaun- 
cement here to thempire.. Ms. Cotton. Caligula D. VII. fol. 96. 

3 Ellis 1. c. 

5 and finally assurediy rekenyth, that now the kinges highnesse and 
he bee all oon there shall nother emperour nor pope be made but such as 
pleaseth them. Ms. Cotton. Caligula D. VII. fol. 98. 

* if his grace had Il voyces, the king his brother here shuld have 
both. Boleyn an Wolfey, Ms. Cotton. Caligula D. VII. fol. 106. Wärz, 
bie Zahl verbrannt. Wegen Joachims und Albert3 vgl. Mignet p. 286. 251. 
Droyſen p. 116. 

6 Ellis p. 150. Poiſſy, März 26. 

6 Auszug bei Mignet p. 248. 


424 


andere Wendung zu nehmen; die franzöſiſche Herrſchſucht ftieß um- 
fanft mit der nationalen Abneigung der Deutfchen zufammen. Zwar 
verfichert Boleyn ans Boifjy am 9. April: König Franz fei feiner 
Sache noch ganz ficher, denn, wenn bis zum 6. Juni nicht ſechs 

en fich geeinigt, fo habe der Papft die Entjcheibung; follte 
indeß Karl wider Erwarten gewählt werben, fo bürften die Franzo⸗ 
fen fofort in Neapel einrücken '. Am 16. Aprif heit e8 dann doch: 
daß die Ehe des Markgrafen Caſimir von Brandenburg mit Ger 
maine de Foir, der Wittwe Ferdinands des Katholifchen, dem Kö- 
nige Franz fehr unangenehm fei; man wolle ihm bei der Wahl in 
den Weg trete, doch zweifle er nicht an der Treue des Markgrafen 
Joachim?. Mittlerweile wuchſen freilich die Anjtrengumgen der Geg- 
ner; mit diplomatifchen und noch handgreiflicheren Mitteln verftanden 
fie die Fürften, melche bereits Frankreich zugeſchworen, wanfend zu 
machen; den franzöfifchen KRüftungen gegenüber war das Heer des 
ſchwäbiſchen Bundes, nachdem es den Herzog Ulrich verjagt, unter 
den Waffen geblieben. Die Tagſatzung der Echweiz hatte in Folge 
der raftlofen Bemühungen des Cardinals von Sitten und des Herrm 
von Zevenberghen bejchloffen, der franzöfifhen Wahl entgegen zu 
wirken, und laut ihre Sympathien für Erzherzog Karl und das 
eich kundgegeben. Am 13. April aus Zürich meldet Cardinal 
Matthias den Hergang umftändfid an Wolſey und ſpricht dabei noch 
einmal fein Bedauern aus, daß König Heinrich chedem feine Einla- 
dung von der Hand gewiefen, denn jegt wäre der Fall eingetreten, 
den feine Freunde vorausgefehen s. Man möchte wifjen, ob Wolfen 
für gut fand feinem Herrn diefes Schreiben vorzulegen. 

Da ift es nicht zu verwundern, wenn Franz I. bald auch im 
Kreife feiner Räthe Widerftand findet, denn am 5. Mai meldet Bo- 
leyn nad) Haufe, daß mehrere von ihnen ihm geftanden: fie würden, 
um nur Karls Wahl zu verhindern, e8 vorziehen einen kleinen beut- 

2 Ms. Cotton. Caligula D. VII. fol. 108. Auch in einem Schreiben aus 
Brüffel vom 1. Juni iſt von einem Verfuche bie Nebe die Mahl nenen ben 
urfprünglich angefeßten Termin zu befchleunigen: Les electeurs veullent anti- 
ciper la journee, car le jour estoit prins le XVIIe jour de ce mois et ilz 
lont remit au XlIe. De ce quil en sera, Dieu le scet et nul autre encoire. 
Hesdin an Wolsey. Public Record Office, 11 Henr. VIH. 

2 it shuld be doon for his hinderaunce to thempire by the said mariage 
notwithstandyng he rekenyth hymself suer of the marques, which is oon of 
thellectours. Boleyn an Wolsey. Ms. Cotton. Caligula D. VII. fol. 110. 

5 Nec volunt nec pati intendunt Gallum ad Imperium provehi ..... 
et Catholici nomen undique resonat..... Ac utinam provincie huic et Regia 
nostra Majestas animum appulisset. Affuisset usque adeo et vota obsecon- 
dasset Sedunensis, nihil fidei industrie diligentie et vigilantie pretermittens: 
ut jam mihi animus presagire videatur cuncta pro voto fuisse: cessassent 
omnes turbines livores, et emulationes omnes in hunc unum confluxissent 
extincte: sed fiat Dei voluntas. Public Record Office 10 Henr. VOI. Daß 
Karl Heinrihd Fürſprache beim Garbinal von Sitten bedurfte, erbellt aus 
einer Iuftruction vom 3. April, ausgezogen bei Gachard, Rapport sur les 
Archives de Lille, Bruxelles 1841. p. 179. gl. auch Ranke, Deutſche 
Geſchichte 1, 288. 


426 


fchen og anftatt ihres Herrn zum Kaifer zu machen. ‘Der aber 
werde ie von feiner ehrgeizigen Mutter angeftachelt und werde 
durch dies Beginnen Frankreich in Elend und Krieg mit der Schweiz, 
Deutfchland und anderen Staaten verwideln !. 

Nachrichten wie diefe, die von anderen Seiten beftätigt wurden, 
führten nun auch am englifchen Hofe einen Beichluß herbei, zu dem 
König Heinrichs Ehrgeiz und Eiferfucht wohl ſchon längſt fi hin⸗ 
neigten, dem der Cardinal, wir wiſſen wie wenig aufrichtig, nunmehr 
feinerfeitö beipflichtete. Anfang Mai beginnt der König von Eng. 
land gleichfalls, was er früher von fich gewiejen, nad) der Kaifer- 
krone zu trachten; er hält fich nicht minder berechtigt als Karl und 
Franz, jedenfalls für beffer als der Kınfürjt von Brandenburg. Es 
fcheint, dag man zuvor auch in Rom angehorcht hat, denn noch fin- 
det ſich im engliichen Staatsardive ein anonymes und undatirtes 
Schreiben an Woljey, das ohne Zweifel in diefe Tage gehört und ei⸗ 
nige Andeutungen über die Politik bietet, die man Leo X. und Franz 
J. gegenüber einzuhalten ſucht. ‘Der Verfaſſer, wahrſcheinlich Dr. 
Hohn Clarke, fpäterhin Bifchof von Bath und Wells, berichtet von 
einer intimen Unterhaltung mit dem Papfte, der ihn gefragt habe, 
ob nun, da Friede zwifchen England und Frankreich beftehe, König 

einrih zur Erhebung Franzens auf dei Taiferlihen Thron mitwir⸗ 
en werde. Die Antwort, in der Ueberzeugung, es ließe fich ver- 
trauensvoll mit dem Papfte reden, lautete: eine folche Ausficht wolle 
in England gar nicht gefallen?. Auch Leo habe fich beifälfig ge— 
äußert, jedod nicht minder ftark feine Abneigung gegen die Wahl 
König Karls betont; er wünſche, wenn es ohne Krieg abgehen 
fönne, am Liebften einen aus der Zahl der Kurfürften. Allein, 
fährt der Schreiber fort, der päpftliche Legat in Paris habe in dem⸗ 
felben Schreiben, das von dort den Tod Marimiliand gemeldet, 
dem Papſte ausführlich von den Anftrengungen des Königs berichtet, 
der Alles daran fee bei diefer Gelegenheit den funkelnden Preis, 
der ihm gleihjam als Nachfolger Karls des Großen gebühre, davon 
zu tragen ®. Auch erzählt der Legat von einer Partei am franzöfis 
chen Hofe, nad) ihm die Herzogin Louiſe und der Grand-Maitre, 
welche aus Furcht vor großen Verwidelungen, gegen den Plan arbeite, 
fih aud) an ihn gewendet habe, aber König Franz habe noch am 


1 And as they dare speke, they putt ıny lady here in a great defaulte, 
sayeng that it is thorow her that the king here pretendyth so soore to be 
emperour, whereby they begynne now to considre tlıey shuld come to ex- 
treme povertye and also cause the Sowyses the Almayns and almost all 
other princes to be their ennemyes. Ms. Cotton. Caligula D. VH. fol. 112. 

Tamen quum sciebam me posse cum Sanctitate sua confidenter loqui, 
quod si electio in Francorum regem caderet, hoc non a re regi nostro non 
placitum iri nec jure placere debere existimabam. Public Record Office 11 
Henr. VIII. 

3 »ihilque ex adverso audire volebat, referens se prius quecunque in 
modo ve (?) possidet velle perdere, quam hanc occasionem imperü, quod Gal- 
lige Amilie jure debet contingere, recuperundi amittere. 


426 


4ten des Monats (April?) nicht auf folche Vorftellungen hören wel 
len. Am 9ten jedoch habe er den Botjchafter rufen laſſen und ihm 
erflärt, er ftehe ab von feinem Beginnen und habe Befehl gegeben, 
daß feine Agenten, die bereits mit hohen Summen nad) Deutid 
land und Ungarn abgegangen, zurüdgerufen witrden. Das dürfe 
wohl Erfindung fein, meint der Engländer '. Merkwürdig, wi 

er nun im Zuſammenhang damit auf die mögliche Entjcheidung Leos 
jpeculirt. Wird Franz gewählt, jo wird diefer nichts dagegen haben; 
auch dem Erfolge Karls könne er allein nicht widerftreben. Vereinigten 
ſich aber England und Frankreich über die Perfon eines des Kur 
fürjten, dann werde er fi) nicht fcheuen, dem Könige von Spanien 
feine Gründe wider ihn auszufprechen *. Etwas Anderes endlid fa 
cs, wenn Heinrich und Wolſey auf biefem Fürſten als dem geringeren 
Uebel beharrten; der PBapit werde ſich dann vermuthlich Doch fügen. 
Es ift klar, daß der Cardinal, bei Empfang folder Mittheilungen, 
in feinem Sinne getroft in die Ferne ſchaute und ſeinen Herrn ruhig 
gewähren ließ, als dieſer bei ſo mannigfach ſich kreuzenden Begier⸗ 
den und Antipathien dem eigenen Ehrgeize nachgab. 

Dem Könige und ſeinem Miniſter erſchien nun Richard Pace, 
der erſt unlängſt von ſeiner Schweizer Miſſion zurückgekehrt und 
in der continentalen Politik einigermaßen bewandert war, als die 
geeignete Perſönlichkeit, um ſo weite Pläne vorſichtig und geſchickt 
ins Werk zu ſetzen. Allerdings drohte eine Krankheit des Mannes, 
der mehrere Jahre ſpäter im Wahnſinn geſtorben, hindernd dazwiſchen 
zu treten; man dachte ſchon daran einen Herold ſtatt ſeiner abzu⸗ 
ordnen; aber der König wartete und überlegte ſich die Angelegenheit 
noch weiterꝰ. Während deſſen trat Geneſung ein; vom 20. Mai 
it der für Pace ausgefertigte Eredenzbrief datirt. Er läßt eben jo 
wenig wie das Schreiben Heinrichs an die Kurfürften vom 11ten * 
ein Wort über die eigenen Abfichten fallen und beglaubigt den Ges 
fandten nur bei der Kaijerwahl, um im Auftrage feines Herrn zum 
Heil und Frieden in der Chrijtenheit nach Kräften zu wirken ®. 


1 seque magnam partem pecuniarum, que ad Alemanniam in itinere 
erant, revocare jam jussisse, revocaturum etiam omnes homines, quos ad 
clectores et in Hungariam dostinarat, si hoc fictum non est, quod animad- 
vertendum est. 

2 si duo isti potentissiml reges sue Sanctitati et remis et velis adsi- 
stere voluerint, ipsa non curabit ut Rex Catholicus sciat se ex multis justis 
et rationabilibus capitibus non contentari electionem in eum devenire. 


s Hierhin gehört der Brief an Woljey aus Windjor. Statepapers 
P. 2. 

+ Buchholk, Gefch. Ferdinands des Criten III, p. 673. 

6 


Nos, qui pacis et tranquillitatis fautores mediatores et procuratores 
semper fuimus atque ea semper studuimus que ad unionem et concordiam 
prineipum cedere potuissent, magnopere soliciti ne quid nove discordie inter 
christianos principes in electione futuri imperatoris suborlatur, per quod 
christianorum prinecipum confederavio jam pridem conclusa et concordia pu- 
lulans et ut sperabatur brevi firmas radices actura subverti et prostemi 
possit, nostri officii et instituti esse putavimus, ut ad suadendam i:lustris- 
simis sacri Romani imperii electoribus concordiam legatum aliquem mittere- 


427 


Pace Hat ſich fofort auf den Weg gemadit. Am 22. Mai, 
beißt es in einem Briefe ber Erzherzogin Margareta, daß ein eng- 
licher Botſchafter nach Deutfchland unterwegs fei; man weiß, daß 
er eine geheime Miffion hat!. Am 30, fchreibt Pace aus Köln, 
wo er über Düffeldorf eingetroffen. Die Stadt hat ihn in dank⸗ 
barer Erinnerung an bie alten freundfchaftlichen Beziehungen zu 
England und Burgund feierlich einholen wollen; die Leute find 
überzeugt, er fomme um die Wahl des Könige von Spanien fördern 
zu helfen. Der Kurfürft von Zrier dagegen halte ganz zu Franz. 
Bon feinen geheimen Inſtructionen habe er Niemandem mitgetheilt, 
nicht einmal Herrn Hermann Ring, der, mwahrfcheinlich Kölner Bir: 
ger und Agent des Stahlhofes in London, in vielen Angelegenheis 
ten der Politif Heinrichs VIII. fehr nahe geftanden haben muß 2. 
Nach einigen Tagen hat der Gefandte eine Audienz beim Kurfürften 
Hermann von Köln gehabt, den er für Karl geneigt hält. Wenig- 
ſtens fchließt er das aus einem Worte, das der Kirchenfürft einem 
feiner Bebdienten gejagt ®. 

Unter dem 9. Jumi hören wir von einer Unterredung mit dem 
Kurfürften von Mainz, nur erhellt nicht, wo fie Statt gefunden, 
ob in Ajchaffenburg, Frankfurt oder Höchſt; denn der Gefandte 
fhreibt auf dem Schiffe, das ihn von Frankfurt nad; Mainz bringt. 
Der Kurfürft Albert habe ihn fpät Abends, mit großer Heimlichkeit, 
aber ehrenvoll empfangen, und habe ihn verfichert, dag die Wahl des 
Königs von Frankreich nicht durchgefegt werden fünne, fo fehr auch 
fein Bruder, der Markgraf von Brandenburg, fi darum bemühe. 
Er feines Theils fei mit Köln einig gegen den Franzoſen; hat aber 
zu Pace mit feinem Worte von Karl gejprocden *. 


mus, ut simul et studium nostrum circa pacem universalem omnibus pate- 
faceremus, et si qua in re communi reipublice christiane et illustrissimis 
prineipibus sacri Romani Imperii electoribus possemus prodesse, pro virili 
non deessemus. Ms. Cotton. Vitellius B. XX. fol. 111. Vermuthlich auf 
dies Document geftügt, läßt Korb Herbert von Cherbury in feiner Gefchichte 
Heinrih8 VIIL., bei Kennet, History of England II, 33, Pace am 20. Mai 
London verlafien. 

1 Parce que le roi d’Angleterre desirait, que l'objet de la mission de 
son ambassadenr demeurät secret. Auszug bei Gachard, Rapport sur les 
Archives de Lille p. 188. Am i. uni erwähnt Jean de Hesdin, Maitre 
d’Hötel am Hofe der Regentin, in einem Briefe an Wolfey: Monsieur l’am- 
bassadeur est passe en sceurete a Francfort, car jay eu des nouvelles de 
lui de la ville de Cleves, et la fait conduire monsieur d’Isselsteiu par le 
commandement de Madame, ce que sans commandement eust bien fait, car 
il est serviteur de la Majeste du Roy. Public Record Office 11 Henr. VIII. 

2 I] declarydde no parte off my commission to M. Herman Rynge, but 
that I was sent to be indifferent in thys grete cause, ut interessem future 
electioni Cesaris causa honoris regii et ut hortarer electores ad illum prin- 
cipem eligendum, quem judicarent pacis et tranquillitatis orbis christiani 
studiosissimum. An Wolfey Ms. Cotton. Vitellius B. XX. fol. 114. 

3 Ye do wellto favour the duke of Austryche, and so do I for our olde 
masters sakethemperour Maximilian. Pace an Wolſey, Köln, Juni. Ibid. fol.118. 

* He sent for me hastyly at nyne off the clokke at nyght, wyliynge 


I. 29 


428 


Am 10. fchreibt der Geſandte, wiederum während der Fahrt 
auf dem Rheine zwei Meilen von Mainz: der Kurfürft von Trier 
babe ihn nicht minder höflich) empfangen als der von Mainz und 
fogar erflärt, daß der König von England eben jo gut auf die 
Wahl gefegt werden könne als irgend ein anderer, zumal da der 
verftorbene KRaifer damit umgegangen ihm die Nachfolge zu verfchaffen. 
Bace hat die gute Gelegenheit ergriffen, feinen Herrn den erhaltenen 
Weifungen gemäß in das befte Licht zu ftellen '. Den Bfalzgrafen 
hat er ganz franzöfifch gefunden. Der Herzog von Sachen war nod 
immer nicht angelommen, obwohl man ſich bereits zur Wahl rüjte 
und altem Brauche gemäß alle fremden Gefandten und Ausländer 
überhaupt die Stadt Frankfurt hätten verlaffen müſſen. Kurfürſt 
Albert hat ihın jagen lafien, daß er wohl geneigt fei feine Stimme 
dem Könige von England zu geben; fei das der Fall, fo dürfte 
Köln das Gleiche thun. Wenn man da nur früher die Hand an- 
gelegt hätte?! Der Gefandte findet die Stinnmung der Deutſchen 
äußerst erbittert gegen den Papft und feine Legaten. Da diefe im 
franzöfifchen Intereſſe wirkten, wären fie oft ihres Lebens nicht ficher ?. 

Aus Mainz, wo er wegen der ftarfen Anſammlung vornehmer 
Herren mit Roß und Reitern die Preife von Wohnung und Unter 
halt überaus theuer findet *, jchreibt Pace am 12., daß Franzens 
Ausfichten immer jchlechter ftünden; täglich) erjchienen Spottlieder 
gegen die Franzoſen in lateinifcher und deuticher Sprache °, während 
die ernftlichiten Maßregeln zu Gunften Karls von Spanien getrof: 
fen würden. Denn die ganze Umgegend ſei voll von Bewaffneten 
zu Pferde und zu Fuß, und der Graf von Naffau dringe in die 
vier Kurfürften (doc vermuthlich die Aheinifchen), nunmehr ihrer 
Zuſage, die fie einft Maximilian gemacht, eingedenk zu fein. 


me to cum unto hym secretiy, as I dydde. He recevidde me in a litle 
secrete stuphe, lovyngly and lyke a noble man...... shewde unto me, that 
the Frenche kynge in nowyse would be electidde emperour, thoghe hys 
brodyr dyd labor for hym as muche as he could. He wolde make no 
mention off the kynge of Castill..... The archebushop of Colen and he 
be off oon assent contra Gallum .... Hec scripsi navigans in Rhoeno 
(Moeno ?) ex Francfordia Maguntiam, quum chartam venalem non haberem, 
quod una scheda major altera aperte demonstrat. Ibid. fol. 123. 

1 1 dydd not lett hym slyppe, but declarydde unto hym the kyngis qua- 
lities as theye be substantiallz expressidde in myne instructions. Ibid. fol. 125. 

® yff we hadde begunne thya practise as sone as othre princes dydde, 
the kynge shulde have obteignydde affore ony of them boith. 

5 The popis sayde legate schewcde unto me, that IIII lordis or knygh- 
tis off thys cuntreye of suche as favorith the sayde kynge of Castill en- 
tridde lately into his house and wyth minatoriose wurdis tolde hym, that 
theye wolde dryve hym owte off thys countreye, yff he dydde nott desiste 
frome suche practises as he usydde agaynst the kynge catholyke, and that 
theye wolde arrayse agaynste hym VII regions off thys nation. 

Juni 11. fol. 132: ther is nevyr an orator here but doith paye XU 
florens every weke for hys stuphe etc. 

Famoss carmina quotidie hic scribuntur et latine et germanice ia 
Gallos. Ibid. fol. 134. 





Richtsdeftoweniger bat er mit dem Gejandten ununterbrochen 
geheimen Bericht gepflogen. Tiefer beriditet davon am 20. Juni, 
als er endlich eine andere Vollmacht ans England erhalten, von der 
er nur wünjcht, da fie vierzefs Tage früher eingetroffen fein möchte. 


es 

mindeſtens die Höhe von Karls Angebot, nämli 420,000 Kro 

ler, erreidien müß:en. Einen kurfürjtlichen Rath hat er bereits in 
der Etille nad) diefem Maßſtabe zu beſtechen begonnen '; und Her⸗ 
man Ring, der Kölner, fagt gut für die Auslagen. Wären nur zei 
tig Wechſel dageweſen, fo dürfte jett vielleicht Heinrich VIII. ſchon 
als Kaiier ausgerufen fein?. Dkittlerweile fei in Frankfurt die üb- 
liche Heilige⸗Geiſt⸗Meſſe bereits gelejen, doch dürften immerhin noch 
zehn bis zwölf Tage bis zur Entjcheidung verftreihen, indem Böh- 
men und Polen wegen Abgabe der böhmifchen Stimme mit einander 
zanken und Franz das Toppelte von dem in Ausſicht ftellt was 
Karl bietet. Trotzdem fchwinden die Hoffnungen ber Sranzofen im⸗ 
mer mehr und fteigen die des Markgrafen Joachim; man denke in 
Paris fich damit zu begmigen einen Kaiſer eingejet zu haben, da 
man es nicht felbjt habe werden Tünnen ?. 

Wenigftens der Entwurf der Vollmacht, die bis zum 20 Juni 
eingetroffen, ift nicht verloren gegangen. ‘Darin wird Pace angeiwie- 
fen, mit den Botſchaftern bes Papftes, von deren günftigen Aeuße- 
rungen er berichtet, gemeinfchaftlihe Eadye zu machen, nämlidy die 
Wahl des Franzofen fo gut wie des Epaniers zu hintertreiben, und 
die Kurfürften zu beftimmen, daß fie entweder Heinrich, der fich deut- 
fher Zunge zu fein rühmte nicht minder als jene beiden, oder einen 
aus ihrer Zahl wählen. So würde das Kaiferthum Deutſchland nicht 
abhanden kommen, dem es feit fieben Jahrhunderten gehört *. 

Wir haben gejehen, wie mehrere der hier berührten Eventuali- 
täten kaum mehr in Frage famen. Dennoch ſcheint Pace fich jet noch 
eifrig an den Markgrafen von Brandenburg gemacht zu haben, dem 


tute nobis cognitum, deinde optimi regis ac Dom. item vestrg commendati- 
one nobis ostensun, libenter et animo cumprimis grato accepimus. Ms. Cot- 
ton, Vitellius B. XX. 

I 1 schewede unto the sayde counsaylor, that in case hys Majestie 
schulde brynge thys matier to passe, that he alone schulde be rewardydde 
aftre tlıat rate, desiryng hym to kepe that secrete. Vitellius B. XX fol. 141. 

® ye schulde this tyme or sone aftre have songyn Te deum laudamus 
for the election of kynge Henry the VlIlıh in imperatorem onınium christianorum, 

3 The marquis of Brandeburge doith continually labore for to obteigne 
the imperiall dignitie, and the Frenche king wull promote hym therunto as 
muche as schal lye in hys power to thintent, that he maye saye that he 
hath made an emperor, thoghe he couith nott obteigne hym selfe. 

* Vitellus B. XX fol. 157: to cause the popis oratour to joyne with 
hym in thadvauncement of the maters folowyng, that is to say to disapoynt 
thelection of tho Frenche kyng .and the king of Castyle and by provident 
and circumspect dryfte eythyr to fynde the meanys that thelectours may be 
dryven to elect the kynges hyghnesse which is of the Germany tonge or el- 
ys to chose one of theyr own and not to translate thempire, which hath 
been in Germany for Vlic yere, to a straunge nucion, 





432 


Ja, die üble Laune geht To weit, daß, wie Boleyn erfahren, ein eig⸗ 
ner Bote nad) England geht, um über den Wortlaut jener Anſprache 
Befchwerde zu erheben und die Mittheilung zu machen, daß Pace vor 
der Wahl in täglidem Verkehr mit dem im Hauptquartier zu Höchſt 
weilenden fpanifchen Bevollmächtigten geftanden habe !, Wie dem nun 
auch gewefen fein mag, jo werfen dod) die Angaben ein eigenes Licht 
auf den Verkehr bes englifchen Gefandten mit dem Brandenburger, in 
dem er zugleich einen Rivalen feines Herrn und einen Candidaten für 
die Krone erbliden mußte, der in gewiſſem Falle auch Heinrich genehm 
wäre. Es bleibt zu bedauern, daß die Details und das Datum dies 
fer Verhandlungen fid) nicht haben finden wollen. 

Friedrich den Weifen, der erft in der zweiten Woche des Juni 
eingetroffen, hat Pace nicht perfünlich gefprocdhen. In einem Schrei- 
ben dieſes Fürften an König Heinrih VIIL, vom 16. Yuni aus 
Frankfurt, bedauert derjelbe, daß der Gejandte vor feiner Ankunft 
dort gewefen umd wieder abgereift fei. Er dankt Höflih für Zu⸗ 
ſpruch und Beiftand Englands und verfichert ehrenwerth wie durch⸗ 
weg, in diefer großen Angelegenheit feine Schuldigkeit thun zu wol⸗ 
(fen, wie einem treuen Wahlfürften zukomme?. 

Inzwiſchen nahte der Tag der Entfcheidung. Am 17. Juni 
traten die Kurfürften an der gewohnten Stätte zuſammen; obwohl 
die Verhandlungen ſich hinzogen, ehe fie die maßgebende Wendung 
nahmen, fo wußte man doch auch in England bei Zeiten, daß näch⸗ 
ftens die Würfel fallen würden? Am 24., alfo am Tage, wo ber 
Papft nach langem Widerftreben feine Einwilligung zur Wahl Karls 
von Spanien ankündigen Tieß, fchreibt Bace aus Mainz: das Heer 
im öfterreichfhen Intereſſe habe eine drohende Stellung nur eine 
Meile von Frankfurt inne. Auf das Deftigte erklärten die Grafen 
und Herren, daß fie feinen andern al8 Karl zum Kaifer haben woll⸗ 
ten. Schon vergebe der Graf von Nafjau Aemter und Würden un- 
ter Karls Siegel, das ihm kürzlich zugeftellt worden. Alfo werbe 


2 Boleyn an Wolfey, Dec. 11. Ibid. fol. 165: The sayeng of master 
Pace the kyng my masters ambassadour in his oracion made to the marques 
of Braudyngborow, whan he was in Almayn, and in the begynnyng therof 
resytyth, how the dignitie of the Empire hath been gotten and wonne by the 
Almayns to their great glorye and honour, incytyng them at the tyme of elec- 
cion in maynteynyng of the said honour to choose some oone of their tonge 
and nacion, but yf noon borne of that contre cowld be founde worthy to at- 
teign to the said dignitie Imperiall, than to elect some prince of lignage 
come out of the same nacion, and where as question was to prefere owther 
tbe French kyng or the king Catholique, and finally how master Pace ambas- 
sadour of the kinges highnesse was conversant and kept daily compeny at 
Ust with the kyng Catholiques ambassadour. 

2 Ut fidelem sacri Rom. Imperii principem electorem decet. Francf. die 
quinta sanct. Pentec. Vitellius B. XX fol. 144. 

5 After this the king toold me, that he is ascerteyned by his last let- 
tres sent out of Almayn, that the electours cam to Francford the Xth day 
of this moneth and the XVHth day they entred into the consistory, where 
they shall remayn, till they have chosen a new emperor. Boleyn an Wol— 
ſey, Poilfy, Juni 21. Public Record Office 11 Henr. VIII. 





434 


Scharenjerube, daß Karl nad) neuefter Rechnung für feinen Gewinn 
CE . von 1,500000 Gulden habe fpenden müffen. Einen 
Zug Iplher von Mainz aus kommt er nod) einmal auf die gefcheiterten 
Auttechten ichs zurüd. Cr legt das zunächſt dem Legaten und 
Numtims zur Laft, die ihr gegebenes Wort nicht gehalten, da fie in 
einem Schreiben von 25. Juni der Wahl Karls die päpftliche Geneh- 
miyung ertheilt hätten. Ferner beflagt er, daß ein Brief, den Hein- 
rich am 28. an Meifter Hermann Ring gerichtet hätte, erft jekt 
eingetroffen fei. Noch vier oder fünf Tage vor der Wahl habe ihn 










das Geld, das nicht fo rafch herbeigefchafft werden kann, und die 
Ueberzeugumg, dadurch den König von Spanien zum unverföhnlichen 
Gegner Englands zu machen!. Am felben Tage ſchreibt Her: 
mann Ring aus Mainz an den König und bedauert gleichfalls, 
daß deſſen Schreiben nicht eher eingetroffen ?. 

Selbft auf der Heimreije Hat der Gefandte allerlei in Erfah 
rung gebradit. Da Hat ihm der Graf von Naſſau zu Dieft einen 
fehr ehrenvollen Empfang bereitet und unter vier Augen einer inti—⸗ 
meren Verbindung zwiſchen Karl und Heinrich das Wort geredet, da, 
wie die legten Nachrichten aus Spanien bejagten, der Papft fich von 
Tranfreich abwende. Der Graf hat dann aud) erzählt, daß Bonni- 
vet und die übrigen franzöfifchen Agenten umter der Hut des Bifchofs 
von Trier ficher über die Grenze gekommen, dort jedoch Depefchen, 
welche ihre deutfchen Freunde an fie gerichtet hätten, zu guter Legt 
nod aufgefangen wären, aus denen fich die weitreichenden Pläne ent- 
nehmen ließen, welche König Franz für das Reich und Italien an 
die Erlangung der römischen Krone gefnüpft hatted. — Daß Pace 


U fol. 151. Juli 4: Theye hadde suerly bene daschydde in case, that 
the kyngis lettres datidde the XXVIII. off June directidde to M. Harman 
Rynge hadde bene arrividdo, whyche I recevidde tlıys same day .... your 
grace schall undrestonde oon .... whyche I have nott wretyn inmy.... 
lettres. The Vtb or the IVth day affore the election certayne counsaylours 
off the el. .... dydıde move me, to gedre an arıny agaynst the army array- 
aydde here bi the kynge Catholike, wherunto I wolde in nowyse consent 
and especially for thicse II causis. Oon that money conith nott be prepa- 
ridde in tyme convenient for the same. The othre that suche a deade schulde 
have ingenderydde perpetuall ennymitie betwixte the kyngis grace and the 
sayde kynge Catholike, wherby more prejudice schulde have ensuydde to the 
kyngis grace, than profecte schulde have ben goten bi thempire. Stark 
angebrannt. 

2 fol. 154: Sed utinam litere Majestatis vestre venissent citius!, 

3 ] understonde, the archebushoppe of Trevers haith conductidde the 
admirall and othre orators of Fraunce owte off Allmayne in savetie. The 
last curior sent to the sayde orators was interceptidde bi an erle off Almarvne 
and emongist othre lettres, oon was founde, conteignynge the Frenche kyngis 
intentes and purposis in case that he hadde bene electidde emperour, whyche 
were thiese. Furst, to gedre bi violence as muche money in Almayne as couth 


485 


auch am burgundiſchen Hofe zu Mecheln eine ahnliche A 
funden, dag man ihn beglüdhwünfchte, als ob er ein di 
um den Ausgang der großen Angelegenheit gehabt; dag 1 
damit beruhigt, wenigftens niemals gegen Karla ng 
gefprochen zu haben, und wohl weiß, wie dies Ziel ohne das Bentfche 
Heer ſchwerlich hätte erreicht werben fünnen, ift fchon früher De- 
fannt gemwefen?. Gr Hatte doch im Ganzen zugleich nach den 
Sinne feines Königs und dem des Cardinals gehandelt und wurde 
für bie geleifteten Dienfte mit großer Gunft bei Hofe und in ber 
Folge mit einer wichtigen Miffion nad; Italien während bes erften 
großen fpanifch-franzöfifchen Kriegs belohnt. 

jören wir nun noch, was man ſich am fpaniichen Hofe über 
den Hergang bei der Wahl in Frankfurt erzählte. in nicht unters 
zeichnetes Schreiben vom 14. Juli unter Wolſeys Papieren rührt 
vermuthlich, obwohl nicht in feiner Hand, von Thomas Spinelli her, 
einem geborenen Staliener, ber ſchon feit Jahren in englifchen Diens 
ften am Hofe von Burgund thätig war und Karl während feines 
erften Aufenthalts in Spanien als englifcher Gefanbter begleitete. 
An dem Tage ift der erften Nachricht, die ſchon früher eingetroffen, 
die officielle Anzeige von Seiten der Kurfürften gefolgt; am nächiten 
Sonntage wird eine große Feier ftatt finden umd der Cardinal von 
Tortofa in der Kathedrale das Hochamt celebriren. Der franzöfifche 
Gefandte macht ein fehr Tanges Geſicht und verfichert einjtweilen, 
daß er von feiner Regierung noch keine Anzeige erhalten habe, mwähs 
rend der fpanifche Botfchafter aus Paris meldet, daß die Herzogin 
Lonife in Abweſenheit ihres Sohnes fich beffer zu fallen gewußt und 
mit franzöfifcher Artigkeit erklärt habe, nächſt ihrem Sohne verdiene 
fein anderer Fürft der Erde ein fo großes Glück als König Karl’. 
Mit den letzten Depefchen hat man denn auch in Barcelona erfah⸗ 
ren, wie der Papſt durch feinen Uebertritt den eigentlichen Ausſchlag 
gegeben. Man fühlt fich aber dem Könige von England, feinem 
Minifter und ihrem Gefandten zu ganz befonderm Danke verpflichtet, 
denn da Rom und London König Karls Erhebung befördert, hätten 
für diefen, der zuerſt nur finf Stimmen gehabt, ſchließlich auch 
Brandenburg und Trier, bie Anhänger Frankreichs, fi erflären 
müffen. Am Zuverläffigften hätten fi die Mainzer und der Pfalze 
graf benommen. Wie viel Geld dagegen Joachim I. empfangen, wie 






have bene goten bi the ayde and succor eff the margwys off Brandeburge 
and the duke of Wertenberghe, whome he wolde have restoridde to hys lau- 
dis, contrary to the lawes off tho nation. Secundly, he wolde have aubdu- 
ede all Italy and doon wyth the residewe off christiandome, that it shulde 
have stonde wyth hys pleasure, as the aayde lettres dydde specifie. Sed 
deus aliter providit. Pace an Wolfey, Antwerpen, Juli 22. Publio Record 
Ofäce 11 Henr. VIII. Jener Courier war doch wohl ber Herr von Malzahn 
mit ben riefen Joachims I; vgl. Droyfen p. 123. 

® Der Brief bei Ellis I, 156, Medeln, Juli 27. 

® Damit ffimmt Boleyns Bericht aus Paris vom 4. Juli bei Ellis I, 154, 


436 
überhaupt barangefegt, wollen biejelben Depefchen ganz 


—— 
Aus Face nad) feiner Rüdtehr feinem Könige zu Penshurſt über 
Vertrag gehalten und namentlich, wie er mit Wolſey zuvor ver- 
abrebet 2, die hohen Summen fräftig betont hatte, ba erflärte der Fürſi 
von —* froh zu ſein, daß er um dieſen Preis nicht Kaiſer geworden. 
So hatte denn König ich durch einen eben fo vorfichtigen 
geheimen Verſuch wenigftens feinen Ehrgeiz befriedigt, aber, ob» 
wohl fein Bevollmädhtigter einige der Kurfürften und fogar die Nun⸗ 
tien nicht abgeneigt ggelunben zu haben meinte, fich ice entſchlie⸗ 


Fi 


‚Ben körmen zu den Mitteln zu greifen, welche Karl den © ieg errin 
gen Halfen?. Auch konnte ihm das nationale Moment, das die 
Wahl ſtutzte, unmöglich ſein; rann doch in den Adern 


Idee 

ſten —— Aber die enguſch Politik —* —** klug ge⸗ 
—— z abgeſehen von den egoiſtiſchen Runken eines Wolfen, 

als fie re den Rüden fo fiher deckte, daß man unverbächtigt dem 
tungen Kaifer gratuliren und damit eine Allianz anbahnen konnte, de⸗ 
ren man beim Losbruch gewaltiger Welthändel unbedingt bedurfte. 
Welche Entwiclung freilich die Dinge genommen, welche ganz andere 
Richtung namentlich die Reformation der deutſchen Kirche enpelhl- 
gen haben würde, wenn ein Traftvoller Fürſt wie Heinrich VIIL 
die Spite des heiligen Römischen Reich und wie in feiner Heimat 
auch bei uns zugleid; an die Stelle bes Papites getreten wäre, das 
laßt fid) nicht berechnen, höchftens nur unbeftimmt ahnen *. 


3 And though I have here many particulers of the successes of the 
eleccion and howe at the first the said Catholic had fyvo voyces and that 
the marques Joachym and Treverensis wer mynded to the Frenche king 
and seing no remedy folowed the comon opynion with other circumstances 
reputing the relacion of master secretary (Pace) more parfaict. ...... 
The cardinal Maguntinensis and Palatinus, as it is spoken here, have more 
stikked for the Catholic and serred hym more sincerely and constantly 
then al the remanent ... „2... Further more by the said pacquet 
apperith, that the marques Josachym had receyved 50000 crounes of 
golde and his servantes many rewardes, and that some of the gentilmen 
of the bishop of Trevers withoute his knowlege toke money. Item that 
tho Frenchemen had with them 400000 crounes. Public Record Office 11 
Henr. VIII. 

2 Pace an Wolfen, Aua. 11. Statepapers I, 8: precisely accordyng 
to suche communication as was hadde betwixte Your Grace and me. 

5 PFinding, that betwixt money given and forces raised by Charles, 
he would prevail. Lord Herbert 1. c., ber fein völlig correcte3 Urtbeil aus 
Paces Berichten entnommen. 

* Dal. Raute, Engliſche Gefchichte I, 149, und Sybels Hiſtoriſche 
Zeitfhrift II, 109. 


— — — 


Heinrich der Sechfte, Rom und Unteritalien. 


Bon 


Adolf Cohn. 


Das Verhältniß zwiſchen Kaiſerthum und Pabftthum, welches durch 
den Frieden zu Venedig (1177) einigermaßen hergeftellt war, trübte 
ch doch ſchon nad) wenigen “Jahren wieder. Zwar lagen in diefem 
häftniffe felbft die Keime der Zwietracht, aber es iſt Har, daß 
ganz befonders die Heirath König Heinrichs mit der Erbin des Nor- 
mannenreiches die Spaltung zwifchen den beiden, um die Herrſchaft 
der abendländifchen Welt ringenden Mächten nähren und vergrößern 
mußte. Dadurd ward König Heinrih — auch ganz abgefehen 
von den fonftigen Streitpuntten — von Anfang an in eine geg- 
nerifche Stellung zu den Päbften gebradt. Es ift zwar neuerdings 
behauptet worden ?, daß dies Ehebindniß nicht als eine Urſache, fon- 
dern gewiffermaßen als Folge des wieder ausgebrochnen Zwieſpalts 
anzufehen ſei. Kaiſer Friderich habe bei feiner Zufammenkunft mit 
Pabſt Lucius III. zu Verona im Herbft bes Jahres 1184 von bie- 
fein verlangt, er folle König Heinrih zum Kaifer krönen?®. Der 
Pabſt habe fich gemweigert, und nun ſei der Kaifer höchſt aufgebracht 
zu dem Entfchluffe gekommen, feinen Sohn mit der fiziliichen Kö- 
nigstochter zu vermählen. Wenn fich dies fo verbielte, könnte die 
Verlobung frühftens im Winter 118%, ftattgefunden haben (denn erft 
im Januar 1185 verließ Friderich Verona), und das wird in der 
Zhat angenommen. Die Entfcheidung ift nicht ganz leiht. In den 
Kleinen augsburger Annalen heißt e8 bei 1185*: Filio imperatoris 
Heinrico regi Constantia filia siculi regis Augustae in pala- 
tio episcopi 4 kal. Nov. juramento firmatur, in den marbadher 


2 63 ift nicht meine Abficht, bier die Beziehungen Heinrih Vi. zu ben 
Paäbſten und dem von ihm beberrichten unteritalifchen Königreihe eingehend 
zu bebanbeln; es follten nur einige Punkte hervorgehoben werden, in denen ich 
anderer Anſicht bin als Dr. Th. Toeche in feiner bei E. S. Mittler und Sohn 
in Berlin (1860) erfchienenen Abhandlung: De Henrico VI. Romanorum im- 

re Normannorum regnum sibi vindicante — einer Schrift, von der ed 
mich freut fagen zu können, daß fie auf umfaffender Benußung und verſtän⸗ 
biger Sichtung ber Quellen beruht. 

s von Toehe a. a. O. ©. 5 ff. 

5 Bu ben ebend. Anmerk. 10° gefamntelten Stellen füge bie reinhardsbr. 
Ann. (ed. Wegele &.59) Hinzu. Da beißt e&, Heinrich hätte erfi nach bed 
Baterd Tode Kaifer werben können, quippe cum Roma altitonans duos impe- 
ratores in eodem tempore et circum idem imperium habere- non sueverit. 

* Mon. Germ. 38. VIII, 9. | 


440 








Annalen dagegen bei 1184 ': Interea rex Heinricus curiam apıl 
Augustam civitatem Recie habuit, ubi desponsavit Constar 
tiam filiam regis Apulie Rogerii. Da nun König Heinrich g 
gen Ende Oftober 1185 urkundlich in Aachen war, überdies feititek, 
daß Gonftanze jhon im Sommer 1185 den Weg nach Oberitalin 
zur Vermählungsfeisr antrat, jo hat fchon Abel 2 die beiden annel- 
itifchen Ausfagen derart verbunden, daß er den 29. Octob. 11% 
als das richtige Datum bezeichnete. Toeche begründet feinen Wide: 
fprudy gegen Abel damit, daß die Zeitangabe der marbacher Amnale 
unbeftimmt fei. Das ift aber nicht der Fall; denn bie Verlobung 
wird dort ausdrücklich in daffelbe Fahr (ipso anno) geſeht wie ie 
Fürftenverfammlung zu Erfurt, die am 25. Yuli 11843 ftettfan 
und befanntlich einen fehr tragijchen Ausgang hatte. Auch verdient 
die genaue Angabe des Tages, den man in Augsburg felbit wol um 
beiten wifjen konnte, Berüdjichtigung. Endlich ift noch eine biske 
überfehene Nachricht anzuführen, welche ebenfalls das Jahr 118 
überliefert. Imperator, beißt e8 in einer öjterreihifchen Quelle‘, 
invitatus in Itallam a Lucio romano pontifice et Lombard» 
honeste suscipitur et filio suo regi in 'Theutonia remanenti 
cognata regis siculi datis in arram quadraginta milibus mar 
carum desponsatur. Den andern Grund, den Toeche beibring:, 
fann ich auch nicht gelten Laffen. Erſt als der Kaifer Verona ver 
laſſen habe, ohne daß ein Friede abgefchloffen ward, könne er jene 
für das Pabſtthum fo gefährlichen Heirathsplan betrieben haben. 
Aber es ift eine mißlihe Sache um derartige Behauptungen , dx 

! Mon Germ. 88. XVII, 162. 

2 König Philipp ©. 298. 

5 Ter Zeitpunft derſelben, wie ich ihn im Terte angegeben, ſteht fe. 
In den „Ueberlieferungen zur vaterländifchen Gefchichte alter und neuer Zei: 
ten beraudgeg. von Dr. H. A. Erhard. Erfted Heft. Magdeburg 1825.” wirt 
zwar auf ©. 141 behauptet, es könne „gar fein Zweifel obwalten“, daß jen 
Verſammlung 1185 fattgefunden babe; allein 1) nennt Feine einzige Duck 
dies Jahr, 2) geben die bier fehr glaubwürdigen tbüringifchen (erfurter, rei: 
bardsbrunner, pegauer) Aunalen das Jahr 1184 an, mährend von anden 
gleichzeitigen nur bie kölner, bie über died Greigniß fehr ungenau bericter, 
1183 haben; Albert von Stade und die lauterberger Ehronif können nicht ir. 
Betracht fommen; 3) war König Heinrich 1183 Anfang Juli noch in Kef— 
ni& (Monum zoller. I. XXXIV), im Juli 1185 dagegen in Bafel (Böhmer 272%), 
im Septb. in Lüttich (Ledebur, Archiv X, 230); 4) zeugt die von Grhur 
angeführte Urkunde des Biſchofs Martin von Meißen (fie fteht bei Kredfio, 
Beiträge zur Hiftorie der chur- und fürftl. fächfiichen Lande 1754, &. 12; einix 
Zertverbefferungen dazu in: Bever das kgl. Gifterzienfer : Stift und Kiofie 
Alt Zelle in dem Bisthum Meißen. Tresden 1855 ©. 519) grabe für mein 
Annahme Sie ift 1185 batirt, fann aber — von Anderm abgefeben — ſchen 
ihren Schluffe nah nur ind Jahr 1184 aebören. Es beißt da nämlie: 
Quo etiam tempore dom. Fridericus imperator duos filios suos Mogontie 
(1184, Mai 30) militeribus balteis gloriose praecinzit. Ipso quoque ann 
rege expeditionem in Poloniam, pacem inter moguntinum Conradum et Lade 
wicum lantgravium disponente, apud Erpeffort trabibus domus pre vetustate 
confractis Fridericus comes avenbergensis, Heiuricus etc. ... . interierunt. 

* Qu der Contin. zwetl. Il. (Mon. Germ. 88. IX, 542). 





442 


ositionem cogitat et ad hoc studiose laborat. 

er Tod Urban IL, der verjöhnliche Character feines nüchiten 
Nachfolgers, dann der Fall Yerufalems und der dadurch veranlaßte 
dritte Kreuzzug waren Urſache, daß die feindlichen Gegenfäte eine 
furze Zeit hindurd) ruhten. Heinrich VI. war, während fein Vater 
gen Syrien zog, in Deutfchland als Reichsverweſer zurückgeblieben. 
Er nahm jest — im Sommer 1189 — den Plan, fi) vom Pabjte 
frönen zu lajjen, der an Lucius IL. Widerjtand gefcheitert war, 
wieder auf und Fündigte auf das nächite Jahr einen Römerzug an. 
Nur um einen folchen und nicht etwa um das fizilifiche Reich handelte 
es ſich damals i. Daß fteht feit. Heinrich wollte fi alfo in Rom 
die Krone holen. Natürlich wird man annehmen, daß hier von 
Erwerbung der Kaiſerkrone die Rede il. Toeche aber ? ift 
der Anficht, daß Heinrih VI. fi nochmals zum Könige krönen 
laſſen wollte. Friderich habe, bevor er den Kreuzzug antrat, die Zus 
ftimmung Clemens III. erlangt, und Heinrich habe im Augujt 1189 
auf dem Hoftage zu Wirzburg den Heeres;ug auf das nächſte Jahr 
angefagt. Als er dann im Nopbr. 1190 wirklich nad) Italien hin 
aufgebrochen jei, habe er die Kunde von dem inzwijchen erfolgten 
Zode feines Vaters erhalten und nun natürlid) jtatt der Könige 
die Kaijerfrönung verlangt. Zum Beweife für feine Behaup- 
tung bringt Toeche die Zeugnijfe von Schriftitellern- und Urkunden. 
Die erfteren entlehnt er den großen kölner und den pegauer Annalen. 
Beide geben den Grund für den angekündigten Heereszug Heinrichs an. 
Die kölner fagen °: quatenus in augustum ipse Consecrari 
debuisset Rome. Das fei zweideutig, bemerkt Toeche dazu, ja «8 
bezeichne jogar vielcher die Königskrönung. Muß jchon diefe Aus: 
legung gezwungen erjcheinen, fo ijt es nod) vielmehr die Art, wie das 
andre Zeugniß befeitigt wird. Dort heißt es nämlid) * aufs Beſtimm⸗ 
tefte: pro imperiali benedictione a domno apostolico pereci- 
pienda. Was läßt fid) da einwenden? Sed quis nescit, wird 
entgegnet, auctores verba accurate distinguere non solere, sed 
res verbis augere potius quam vera dicere inclinare? Es it 
aber doch — ganz abgejehen von diejer aud) im Allgemeinen nit 
grade zutreffenden Behauptung — wahrlich kein genügender Grund 
zu der Annahme, dag Abt Sigfrid von Pegau, der auf jenem Hofe 
tage zu Wirzburg anweſend und ein Mann von fehr regem Geiſte 
war, nicht gewußt Habe, um was es fich handle. Prüfen wir nun 
die urfundlichen Beweiſe. 1) Am 23. Juli 11905 bejtimmten die 
Gefandten Heinrih VI. die Leitungen des Biſchofs von Padıra bei 
coronatione ipsius domini regis Rome peragen- 
da. Sn derfelben Urfumde ift von romana expeditione 


Wie ich in den gött, gel. Anz. 1858. ©. 2021 dargethan babe. 
a. a. O. S. 23 ff. 

Mon. Germ. SS. XVII, 796. 

Mon. Germ. SS. XVI, 277. 

Muratori Antiqu. ital. I], 69. 


a » u RB ww 


443 


die Rede. Beide Ausdrüde beweiſen — was feiner Begründung bes 
darf — Nichts für Toeche's Anficht: ebenfowenig, wenn dort fteht: post 
completam universalem curiam, uam dominus rex in Ron- 
calia vel alibi in Lombardia tenebit; denn fo lange fich Heinrich 
in der Lombardei aufhielt, war er noch König, auch wenn er ſich auf 
dem Wege zur Kaiferfrönung befand. 2. In einer trientiner Urs 
funde ' vom 18. Juli 1190 kommt wider bie expeditio romana 
vor. 3. Der Rifchof Konrad von Treviſo theilt* am 1. Decb. 
1189 feinen Vafallen mit, er habe von dem römijchen Könige Hein⸗ 
rich den Befehl erhalten, daß er cum exercitu honorifice apud 
Roncaliam Lombardiae ad praesentiam praenominati regis ge_ 
praesentaret et secum ad coronationem suam et CDFo- 
nam recuperandam paratus Romam foret iturus. In 
allen hier angeführten Stellen fehlt allerdings das Wort Kaifer 
frönung, e8 fteht immer nur „Krönung In Rom’. Aber fchwerlidh 
wird dies als Beweis für Toeche's Behauptung dienen Türmen; 
mir fcheint eher, daß es ſich gegen biejelbe benugen lift. Wenn 
der deutiche König nad) Rom zog, um die Krone zu Holen, fo 
war dies eben die Kaiferfrone, und man konnte defhalb, ohne 
Mißverftändniß F% befürchten, blos von der „Krönung zu Rom“ 
ſprechen. Eine Königsfrönung zu Rom war dagegen etwas fo un⸗ 
gewöhnliches, daß, wenn man eine folche gemeint hätte, dies viel 
eher ausdrücklich bezeichnet worden wäre. Doch ic vermuthe, daß 
Toeche das Mißliche feiner Beweisführung felbft gefühlt hat und 
nur durch das letzte, gleich zu erwähnende, Zeugniß zu feiner Annah⸗ 
me geführt worden ift, für die er dann — wie das zu gejchehen 
pflegt — nad weiterer Bejtätigung ſuchte. Grade dies letzte Zeug- 
niß aber verurfacht allerdings befondre Schwierigkeiten. Als Pabft 
Innocenz IV. ſich im Jahre 1245 zum Conzil nad) Lyon begab, 
um Kaiſer Friderich IL. zu entthronen, brachte er eine Anzahl zum 
Theil von frühern Kaifern herrührender Urkunden und Briefe mit, 
um den Abftand zwifchen Friderich und feinen Vorgängern rüdficht- 
(ich ihres DVerhältniffes zur römifchen Kirche darzulegen. Am 13. 
Juli 1245 ließ er diefe Aktenſtücke abjchreiben und von 40 Präla- 
ten, die zugegen waren, unterjiegeln ._ Cine Anzahl von Auszügen 
diefer Diplome entlehnte Mabillon einer Handfchrift des Cardinal 


i Kink Codex vangianus. Urkundenbuch des Hochstiftes Trient in 
Fontes rerum austriac. V, 102. Ich bemerfe übrineng, daß bert ‘profectus’ 
faum in ‘profecturus’ zu Ändern fein dürfte; demm das semper augustus’ zeigt, 
daß die Urkunde erſt nach Heinrich Krönung aufgefchrieben ward. 

2 Ughelli Italia sacra V, 531. 

5 63 waren 82 Aftenftüde auf 17 Pergamentrollen. Innocenz legte 
fie im Archiv zu Clugny nieder, wo fie biß zur franzöfifchen Revolution vor: 
handen waren. Was dann and ihnen geworden, weiß man nicht. Belannt 
ift jeßt nur eine diefer Pernamentrollen, bie fich in der kaiſerlichen Bibliothek 
an Paris befindet. S. Huillard-Breholles Hist. dipl. Frid. Parisüs 1860. 
VI, 316, wo aud) eine Anzabl Urkunden Friderich U. aud jener Sammlung 
wieder herausgegeben ift. 


30 


444 


Ottobonus, nachmaligen Pabſtes Alerander VII. Darunter findet 
fih auch der Inhalt eines Schreibens, welches Friderich L an 
Clemens III. gerichtet habe ' circa propositum, quod habebat 
(Clemens) de coronatione Henrici Ei sui et Coonstantiae uxo- 
ris suse inregem et reginam Romanorum. Danach 
hätte alfo Friderich J. im Jahre 1189 vor Antritt teines Kreuzzu 
ges Pabſt Siemens III er!ucht, Heinrih VI. zum römiſchen Könige 
zu frönen. Es ift um fo fchwieriger über den angeführten Brief ab- 
zuurtheilen, al& vorläufig weder die frage nad) jeiner Echtheit noch 
nach feinem Wortlaute beantwortet ij. Setzt man aber auch voraus, 
dag Alles zuftimme, fo würde doc, höchſtens folgen, daR Friderich 
den vorerwähnten Plan gehabt, keineswegs aber, daß auch Heinrich 
dabei ftehen geblieben fei,; denn aus den oben bejprochnen ellen: 
angaben geht deutlich hervor, daß es ſich fchon auf der NTeriamm- 
lung zu irzburg im Auguft 1189 um die Kaiferfrönung handelte. 
Aber — id) verhehle es nicht — es wird mir jehr ſchwer zu glau- 
ben, dag Kaiſer Friderich jeinen Zohn in Rom nochmals zum Könige 
frönen laſſen wollte. „SHeinrid) war ſchon 1169 gefrönt, hat ftets 
großes Anſehn gehabt, ja faſt alle Hoheitsrechte geübt; die zweite 
Krönung erfcheint alfo jehr überflüſſig“, fagt Toeche ſelbſt. Aber — 
wendet er fih ein — sriderich habe, che er den Kreuzzug antrat, 
alle Angelegenheiten geordnet, gleichſam fein Teftanıent gemadt. Da- 
mit hänge auch diefe Krönungsangelegenheit zufammen. Significa- 
vit haec a papa sollemniter repetita coronatio, Henricum 
etiam ab ecclesia successorem patris legitimum esse constitu- 
tum, non modo designatum a principibus et electum, verum 
etiam ab ecclesia confirmatum. Fridericus id egisse videtur, 
ut Henricus, legitimus successor ab omnibus sollemniter agnitus, 
periculis, quac ipso absente imperio imminere videbantur, 
imprimis a Philippo coloniensi et ab Henrico Leone eo majore 
potestate et auctoritate posset resistere. Doch ſcheint mir das nicht 
jehr ſtichhaltig. Zuerit bedenfe man, wie unerhört e8 war, daß ber 
Pabſt einen fon vor zwanzig Jahren gefrönten deutfchen König 
nochmals zum Könige kröne. Wann wäre überhaupt außer Pippin, 
bei dem ganz andre Berhältniffe obwalteten, je ein deutjcher König 
von einem der Päbfte zum Könige gefrönt worden? Was Konnte 
aber diefe nochmalige Krönung Heinrich) VI. gegen einen etivaigen 
Aufftand der Welfen nützen? oder gegen Philipp von Köln, der ja 
einst ſelbſt die Kirchliche Weihe an dem neugewählten Herrfcher voll- 
zogen? nahm 3.8. Philipps Nachfolger nicht an dem großen Für: 
ftenbunde von 1193 Zheil, trogden der heilige Vater Heinrich VI. 
zum Kaiſer gekrönt hatte? Viel einleuchtender erfcheint dagegen, daß 
‚sriderich bei dem guten Einvernehmen mit Clemens III. gefucht ha- 
ben wird, das jetzt zu erreichen, was ihm einige Jahre vorher Lu: 
cius III. abgefchlagen hatte. 


! Martöne Collectio amplissima II, 1230. 


445 


Heinrich VI. trat zu Ende 1190 feinen Römerzug an und ftieg 
über den Brenner in die lombarbifche Ebne hinab. Er trat fofort 
mit Clemens III. in Unterhandlung ', in Folge deren beftimmt ward, 
dag Heinrich zum Ofterfefte nah Rom kommen follte?. Doch vors 
ber ftarb Clemens am 25. März 1191. Die Verhandlungen mußten 
mit dem an feiner Statt gewählten Eöleftin III. aufs Neue beginnen. 
Dem Könige lag natürlich daran, daß feine Krönung möglichſt bald 
bollzogen würde und er zur Eroberung des ficilifchen Reichs aufbrechen 
fönne. Der Pabft dagegen fuchte die augenblicklich günftige Lage zum 
Beſten der römifchen Kirche auszubeuten. Er forderte einmal > Her- 
ftellung des Patrimonium Petri in vollem Umfange *, d.h. Rüdgabe 
ber mathildinifchen Güter, über deren Beſitz dem Frieden zu Vene 
dig gemäß im J. 1192 durch ein Schiedegericht hätte verfügt wer- 
den follen — fodann: Preisgabe der Stadt Zusculumd. Diefe 
faiferlich gefinnte Stadt hatte fih zum Schuß gegen die Römer von 
König Heinrich eine Beſatzung ausgebeten und auch erhalten. Die 
Römer, den Zusculanern befonders feit dem Jahre 1167 6 todtfeind, 
verbündeten fic mit dem Pabſte zum Verderben der ihnen verhaßten 
Gegner, wie fie e8 jchon früher mit Clemens III. gethan Hatten. 
Jene wollten nur ihrem roll freien Lauf lafjen, diejer follte das 
Gebiet der zu zerjtörenden Stadt erhalten und mußte e8 außerdem 
al8 Gewinn aniehn, wenn die fehr Faiferliche Stadt für immer bes 
feitigt war. Deßhalb aljo verlangte er von dem heranziehenden 
deutfchen Könige die Uebergabe von Zusculum: nur wenn diefe er- 
folgt fei, werde er ihn krönen. Heinrich, niemals bedenklich in der 
Wahl der Mittel und nur die baldige Erreichung feines Zieles ans 
ftrebend, willigte ein. Aber er durfte, um wenigſtens den Schein zu 
wahren, die Stadt, der er eine Beſatzung gefandt und die von Alters 
her um das Kaiſerthum verdient war, nicht unmittelbar ihren erbit- 
tertiten Feinden überantiworten. So ergriff man den Ausweg, daß der 
König Tusculum an den Pabſt, diefer es an die Römer auslicferte, 
— Gewiß war das Verfahren des Pabites dabei inhoneste et dolose, 
auch Heinrich VI. Handlungsweife wird man vom Standpunkt der 
Sittlichkeit aus verwerflid) finden; wenn Toeche dagegen fie gleichzeitig 
als „unklug“ bezeichnet, fo fcheint mir das, was er zur Begrün- 
dung anführt, nicht richtig. Er meint, der Beſitz Tusculums fei von 
folder Wichtigkeit gewejen, daß Heinrich e8 um feinen Preis opfern 


2° Benedict von Peterborouanb (Bouquet XVII, 511). 

2 Roger von Hoveden (Savil 88. rer. angl. Francof. 1601 p. 689). 

5 Died hat Sugenbein, Geſch. der Entftchung u. Ausbildung des Kir: 
chenſtaates. Leipzig 1854 ©. 101, überjehn. 

+ Meinhardöbr. Ann. ed. Wegele 47. — Roger von Hoveden a. a. O. 
— Contin. Sigeb. aquicinet. (Mon. Germ. SS. VI, 427). 

5 Bal. Sugenbeim a. a. ©. S. 115 ff. und Papencordt, Gefch. der Stabt 
Rom im Mittelalter. Herausgeg. von Höfler. Paderborn 1857. S. 75 fl. 

6 Toeche bat das Verbienft, durch verftändige Abwägung und richtige 
Verbindung der verfchiedenen Quellenangaben über die Preisgabe Tusculums 
zu fiherm Reſultat gelangt zu fein. 30* 


446 


durfte. Er hätte nur ungefrönt gegen die Normannen ziehn follen; 
wenn er dann’ fiegreid) zurückgekommen wäre, würde er die Kaiſer⸗ 
frone ohne Mühe erhalten haben. Wie aber, wenn ihm — und bas 
mar befanntlich auch der Fall — die Unternehmung gegen Neapel 
mißglücte? dann durfte er doch von dem ihm feindlih gefinnten 
Pabfte noch weniger Nachjficht erwarten. Auf der andern Seite war 
ihm der Befik der Kaiferwürde förderlich bei feinem weitern Vor⸗ 
dringen in Stalien den Anfhauungen der Zeit gemäß. Was aber 
Zusculum angeht, fo darf man die Bedeutung diefes Plaßes nicht 
überfchägen, da es ja auch fonft in Italien eine ganze Anzahl gut 
faiferlicher Städte gab. Weit eher könnte man ſich wundern, daf 
penis, der erfüllt von feiner Stellung und entfchloffen war, nicht 
[08 fie ungeſchmälert zu bewahren, fondern fie zu erweitern, doch 
die mathildinifchen Güter aufgeben wollte. Indeß das fam ihm aud) 
faum in den Sinn: er verfprad) e8 eben nur, umd wir wiſſen, daf 
er e8 mit der Erfüllung unbequemer Vrrſprechungen nicht jo genau 
nahm. In der That hat er auch diefe nicht gehalten. Er ift viel 
mehr der Erfte, der feit den Zeiten Gregor VII. die weltliche 
Macht des Pabites fo gut als völlig vernichtete !. 

Die erfte Unternehmung Heinrid) VI. gegen Unteritalien, die fo 
glücklich) begonnen, nahm vor Neapel ein Flägliches Ende. Krank 
und kaum dem Tode entronnen fehrte der ſchwer geprüfte Kaijer 
nach Deutfchland zurück, ohne daß er feine Gemahlin, die in feindfi- 
che Sefangenfchaft gerathen war, hätte befreien können. Nach feinem 
Abzuge ſetzten die Feldherrn, melde er in feiten Plägen des Landes 
zurückgelaffen, der Markgraf Dipold von Wohburg ?, Konrad von 


! Gesta Innoc. III, c. 8; vgl. Sugenheim a. a. O. 102. Trejfend jagt 
derfelbe ©. 91: „bed römifchen Stuhles Streben, die mathildinifche Schen: 
fung nicht allein geltend zu machen, fondern ihr auch ftatt der beregten wirf: 
lichen die von ibm gewünſchte Ausdehnung zu vindiziren, d. h. auch die 
Reichslehen der Gräfin und namentlich die großen: Toskana, Spoleto und 
Camerino, in ben Kreis berfelben zu ziehen, bat bem Kampfe zwifchen den 
Nachfolgern des heil. Petrus und den beutfchen Kaifern durch anderthalb Jahr: 
hunderte ein ſehr bedeutſames weltliches Moment beigemiiht. Wir werden 
nicht bezweifeln dürfen, daß bie Dauer dieſes hartnädigen Streites weſentlich 
abgefürzt worden, daß fein Ausgang für Deutfchland wol ein minder beffa: 
enöwerther gewefen fein würde, wenn er nur aus den geiftlichen Snteref: 
den und Motiven, die ihn entzündet und nicht auch aus ber Begierde der 
Statthalter Ehrifti, mit dev ganzen Hinterlaffenfhaft Matbildend das welt: 
liche Fürftentbum des beil. Stuble3 zu vermehren, fortwährend feine Nah: 
rung gefogen bätte. Wenigſtens tritt ung die Wahrnehmung wiederholt entae: 
gen, daß die Mäbfte von dem, was fie ald der Kirche uuveräußerliche Rechte 
oft proclamirt, gern einen Theil opferten, fowie die deutſchen Reichshäupter 
zu Conceffionen bezüglich des matbildinifchen Nachlaſſes fich berbeiließen, wie 
auch, daß zwiſchen den Trägern der Ziara, fobald fie das angedeutete Ziel 
erreicht, und ben deutfchen Kaifern längere Zeit ein ganz erträgliches Verhält— 
niß waltete und ohne den übermächtigen Einfluß des franzöfiihen Hofes auf 
jene wohl noch viel länger gewaltet haben würde. Das war die große welt: 

biftorifche Bedeutung dev mathildinifhen Schenfung.“ 

2 Toedhe S. 43 neunt ibn fonderkarerweife „ Diopuldum quendam”, 





448 


diderit. Warum foll die anſchauliche, hübſche und ins Einzelne 
gehende Schilderung Otto's nur eine Ausgeburt ſeiner Phantaſie 
ſein? Ich ſehe feinen — indie offenbar von einem Augen 
zeugen herrührenden t anzuzweifeln. 

So lag denn alfo auch Palermo zu Heinrichs Füßen, und als 
furze Zeit darauf mit der Familie Tankreds ein friedliches Abkom⸗ 
men getroffen war, konnte die Eroberung des Normannenreiches als 
vollendet angefehn werben. Die feierliche Krönung bes deutſchen 
Königs und römifchen Auifers sum erg von Sicilien drüdte ber 
fertigen Thatſache das letzte Siegel auf. 

Wann diefe Krönung ftattgefunden habe, ift nicht ganz leicht 
feftzuftellen. Toeche fagt ! darüber Folgendes. Eingezogen in Pa- 
lermo fet ber Kaifer am 30. November ?, und es ftehe feſt, daß erft 
nad feinem Einzuge die Wittwe Tankreds durch gütlihe Verhand- 
Iungen zur Berausgabe ber Krone beivogen worden jei. Ferner be 
füßen wir zwei Urkunden der Kaiferin Conftanze vom Jahre 1195, 
bie eine? im ‘Novb. regn. Sicil. a. primo‘, die andre * im “Dech. 
-regn. Sicil. a. IL’ ausgeftellt. Daher müfje die Krönung Mitte 
December ftattgefunden haben. Freilich ftehe dann noch eine Ur- 
funde 5 im Wege, welche a. 1194 exeunte m. Novbr. — 
Henr. — a. 1. regni Sicilie’ gegeben und daher mit der eben er 
wähnten Annahme nicht zu vereinigen fü. — Was den Tag ber 
Krönung anlange, fo wären zwar zwei Nachrichten überliefert, aber 
die eine des Radulf de Diceto6 gebe den 23. Oftober (X. kal. 
Novbr.), während ſich doch Heinrich urkundlich noch am 28. Dftober 
in Mejfina befunden habe: die andre in den aachner Annalen? nemme 
das Weihnachtsfeft, allein fie ftehe ganz vereinzelt da; ſomit Laffe 
fih der Tag nicht feftitellen. 

1. Ich ziehe die Nachricht der hier aus gleichzeitiger Quelle ge: 
fhöpften und zuverläffigen marbader Annalen ®, welche Heinrichs 
Einzug auf den 20. November anfegt, der des Anhangs zum Gau- 
fred Malaterra vor (in welchem übrigens vielleicht auch anftatt ul- 
timo’ ein ‘vigesimo’ zu leſen ift). 

2. Ich halte e8 für ſehr wahrſcheinlich, daß ſich Heinri VL 
im Befige von Neapel und Palermo König von Sicilten genannt 
paben wird, auch fehon vor ber feierlihen Krönung. Unter diefer 

orausfegung ſtimmen die Zeitangaben aller hier angeführten Ur: 
funden überein. 


3 ebend. Anm. 155. 

2 Appendix ad Gaufred. Malaterr. (Muratori 88. V, 603). 

3 Huillard- Breholles Hist. dipl. Frid. U. U, 345. 

* Pirri Bieilia sacra ed. Mongitore II, 1294. 

5 Mongitoris Sacr. dom. mansionis ss. trinit. mil. ord. theuton, urbis 
Panormi mon. hist. p. 10 in Graevii Thesaur. ant. et hist. Sicil. vol. XIU., 

6 Bouquet XVII, 650. 

7 Mon. Germ. 88. XVI, 687. 

8 ebend. XVII, 166. 





Verſchwornng felhft angeht, fo meint derfelbe', es fei ihre Anftiptung 
um der Derr| willen und bei dem Haß gegen die Deutfchen wol 
glaublich: andrerjeits Tönne man Heinrich VI. unbedenklich zutrauen, 
bag er Erreihung feiner Zwede bie ganze Sache nur erbicte 
babe, wagt deßhalb nicht eine Anficht aufzuftellen. An einer 
anbern Stelle ? dagegen thut er es doch: si conspiraverant deni- 
que, doc cum sola libidine commotum tanta supplicia sump- 
sisse Henricum vix possimus credere, factis videtur 
robari cet. In Bezug auf die Härte und Sraufamteit, mit ber 
* VI in Sicilien verfahren fein ſoll, iſt Toeche geneigt, mög 
ichft wenig davon für wahr zu halten. Hierbei wird man ihm for 
viel zugeben müſſen, daß einzelne von den Zeitgenoffen überlieferte 
Züge das Gepräge der Uebertreibung und Unmahrfcheinfichfeit an 
fi tragen, daß ferner die Ausfagen fpäterer Schriftfteller bier feine 
Beachtung verdienen, endlich daß man, um billig zu fein, bei ber 
Bertheilung den Grad der allgemeinen Civilifation in jenem Zeit⸗ 
alter berücjichtigen muß. Man wird fi) alfo 3.3. fagen, daß bie 
Handlungsweife Heinrich VI. und die Gräuelthaten, welche leider nod 
in unfern Tagen unter der Bourbonenherrſchaft in Süditalien verübt 
worden find, nicht mit gleichem Maße gemeifen werden dürfen. Aber 
auch Schon am Ausgange des 12. Jahrhunderts fand man das Roos ber 
fieiifhen Aufrührer erbarmenswerth und aus dem Schauer, den man 
darüber empfand, erklären fich vielleicht zum Theil die übertreibenden 
Berichte, die wir — merfwürdig genug — auch bei beutfchen Schrift- 
jtellern und zugleich bei den entfchiedenften Anhängern des ftaufifchen 
Geſchlechts finden. Es genügt, Burkhard von Urfperg F und Otto 
von St. Blafien * zu nennen. 
Godfrid von Viterbos ermahnte einft den awanzigjährigen 
Heinrich: 
Si scelus ulcisci ratio citissime poscit, 
Rex age, quid subito tua debeat ultio nosci. 
Ultio tarda fovet crimina, damna movet. 
Crimina non fieri regia poena facit. 
Eine derartige Mahnung fiel auf einen um fo fruchtbarern Boden, 
als fi ſchon früh in Heinrich eine Hinmeigung zur Härte umd 


ı ©. 58. 

: ©, 62. 

5 Cbhron. ursperg. ed. Argentor. 1609. p. 232. 

* Die Angaben Otto’3 feinen mir übrigens durchaus nicht fo völlige 
Nichtachtung zu verdienen, wie Toeche meint. Das Roos berjenigen, welche 
nah Deutſchland gebracht wurden, ſcheint er ganz gut gefannt zu baden, was 
ih befonbers aus den eingehenden Ortsangaben ſchließe. Cr weiß, daß 
Tankreds Sohn in Chur des Augenlichts beraubt warb und in Hohenems ge 
fangen ſaß, daß Sybilla in dad Klofter Hohenburg gebradht ward. Diele 
leßtere Angabe wirb in ben marbacher Annalen zu 1195 (Mon. Germ. SS. 
XVII, 89) beftätiat. 

5 Muratorı 88. VII, 468. 


451 










Grauſamleit gezeigt hatte. Toeche Hat ſelbſt ’ die jehörige 
Notizen zufammengeftelit. Im Allgemeinen erinere ich Mir och 
an die umgeheure Verfchiebenheit zwifchen Heinriche Gemn und 


der feines Bruders Philipp: biefem wagte ſelbſt vom der feit ee 
Partei Keiner in ber Leidenfchaft des Bürgerkriegs , les 
nachzuſagen. Heinrichs Härte im ſiciliſchen Reiche‘ Sagen * haben 
bei aller ſonſtigen Anerkennung dieſes ſo bedeutenden ee doch 
Schriftſteller aller Nationen überliefert. Wie verfuhr, fehn 
wir u. A. aus dem Zeugniß Imnocenz IIL.?. Toeche verwirft es 
freilich, weil dieſer Jabſt zu den Heftigften Feinden deinrich VI. 
gehört habe. Aber wie iſt e8 denkbar, dag Innocenz in einem Briefe 
an alle beutfche Fürften fo gefprochen hätte, wenn bie barin vorge 
brachten Thatfachen faljh wären? Dagegen ift es bezeichnend, dag 
er von einer den Sicilianern hinterliftig aufgebürbeten Ver 
ſchwörung feine Silbe fagt, fondern über bie eigentlichen Ur- 
ſachen ihres Schickſals wegfhlüpft und nur die Verweichlihung und 
fittliche Verkommenheit des ganzen Volkes als ben Grund des einger 
brocnen Unheils wie einer göttlichen Strafe verkündet. Und gewiß 
wird man bei genauer Abwägung der Quellenberichte an der That- 
face, daß Verſchwörungen und Aufruhrverſuche gegen die deutſche 
Herrſchaft angeftiftet worden find, nicht zweifeln dürfen. Man 
darf aber nicht überfehn, daß zwei derartige Bewegungen ftattge- 
funden haben, bie erfte zu Anfang 1195, bie zweite in Heinrich 
legtem Lebensjahre zwifchen dem Sommer 1196 und dem von 1197. 
Nur einige Autoren haben diefe zwei Aufftände unterfchieden, fo 3.2. 
der von Toeche nicht angeführte Robert von Auxerre 3, der aber als 
Zeitgenoffe und, weil weder Deutfcher noch Staliener, von befondrem 
Gewichte ift. Die meiften Schriftfteller werfen beide Ereigniſſe zu- 
fammen und beziehn daher aud die vom Kaijer verhängten Strafen 
nur entweder auf den zweiten oder auf den dritten Aufenthalt Hein- 
richs im Normannenreiche. An dem zweiten Aufftand wird man um» 
ſoweniger zweifeln können, als auch ein itafienifcher Chronift, Richard 
von San Germano*, eine, wenn auch ſpärliche, Kunde davon giebt. 
Einzelheiten laſſen fi aud) hier ſchwer feftftellen, nur foviel ſcheint 
fi aus den Zeugnifjen des vorhergenannten Robert und des mar- 
bacher Annaliften ® ſicher zu ergeben, daß Heinrich VI. fehr in Noth 


26.3 Anm. 6. 


® Epp. ed. Baluz. I, 26: „unque adeo in eos furor exarsit, nt qul- 
dam eorum turpl morte damnati, in tribulatione cordis et corporis animas 
exhalarent; quidam membrorum mulilatione deformes, flerent abjectio plebis 
et Indibrium populorum, majores vero ipsoram compedibus et nobiles ma- 
nieis ferreis alligati captivi — in Teutonia macerarentur etc. 

® Bonquet 88. XVII, 261. 

* Muratori 88. VII, 977. 


* %0.D. 90 u. 91; vgl. auch Roger von Hoveden a. a. D. S. 585. 


452 


dabei gerieth und ſich nur durch die Flucht rettete. Auch ſcheiner 
die Aufrührer einen Gegenkönig ernannt zu haben !. 

Während der Statthalterfchaft der Kaiferin Conftanze, Die wahr: 
fcheinfich milder geherrfcht haben wird, verlautet von innern Unruben 
Nichte. Sie war als Heinrich VI. im Frühjahr 1195 fein fick, 
fches Erbreich verließ, mit der Verwaltung beijelben betraut worden. 
Dean hat früher vermuthet, daß Konrad, der erwählte Bifchof von 
Dibeeheim, für fie die Regierung geführt oder doch den meilten 

influß gelibt habe?. Meit Unrecht: vielmehr hat die Kaiſerin 
allein das unteritalifche Königreich faft ganz felbitjtändig geleitet 5. 


ı Marbadier Ann. (a. a. O. 167). — Otto von Sanft Blaften (a. a. O. 
622 u. 623), der aber auch beide Aufſtände vermengt; vgl. Albert von Stabe 
(Mon. Germ. 88. XVI, 3852 — 8). 

2 Lüntzel Geſch. ber Tiöcefe u. Stadt Hildesheim I, 483, 

fu Wie Toeche S. 63 bemerkt u. S. 74 — 76 durch Urkunden Conftanze 
darthut. — — — — 


SH füge noch einige Ergänzungen bei, deren Nachweis ich Herrn Dr. 
Theodor Wüftenfeld in Göttingen verbanfe. 

1. Tie von Toehe S.12 Anm. 25 mit Recht angefochtene Darftellung 
des Sigoniuß aründet fih, wie es feheint, auf eine alte Chronik non Orvieto. 
Wenigſtens beißt es in ber Cronaca latine estratta da altra cronaca scritts 
da Tommaso di Silvestro, canonico, sulla fine del secolo XV (int Cronaca 
inedita degli avvenimenti d’Orvieto e d’altre parti d’ Italia dall’ anno 1333 
all’ anno 1400 di Fr. Montemarte conte di Corbara ... dal F. A. Gualterio. 
Torino 1846. II, 212) beim %. 1185: Pax facta fuit inter regem Henrigum 
et Urbevetanos, qui obsedit civitatem urbevetanam tribus annis, cujus militis 
mansit in Repeseno. 

2. Urfunden Heinrih VI. 

1186 Juni 24 „in obsidione Urbis veteris“ Urkd. für Die fratres de 
eremo Fontis-avellane. Zeugen u.a.: Magister Godefridus viterbiensis noster 
capellanus. Petrus urbis praefectus (scil. Romae). Bertoldus legatus Italise 
(Mittarelli Ann. camald. IX, 35). 

1186 ‘Novbr. Jesi a favore de monaci di Porto Novo d’Ancona’ (angf. 
in Memorie istorico-critiche della chiesa e de vescovi di Osimo raccolte ... 
da Msgn. Pompeo Compagnoni. Opera postuma continuate da.... Filippo 
Vecchetti. In Roma 1732. 4. II, 42). 

1187 Juli 30 für ein Klofter in Afcoli (angf. ebenb. 46). 

1191 Nov. 30 auch bei Conti Notizie storiche di Casale I, 365. 

„ Te. 8 „.. „ ” „ „ „ „ 367. 

1194 mense Januar. Wrkd. fir Johann Eicala, Biſchof von Cefalu (im 
Ausz. bei Pirro Sicilia sacra II, 804). 

1194 Mai 26 apud Clavennam, beftätigt der Commune Afti, was fie 
befist und in Zufunft Befißen wird (Mon. hist. patr. Chartar. t. II, 1161). 

6 März. ‘Eodem anno (1196) imperii quinto regni Biciliae 2. mense 
Martii 14. indiet. noster episcopus (von Gefalu) receptis literis impe 
ratoris Syracusas se contulit, praedia ecclesise s. Lucise ad suum jus 
spectantia lustraturus’. 

3. Urkunden ber Kaiferin Conftanze. 

1195 Nov. 2 ift nochmals aebrudt in Garruba Serie critica di sacri 
pastori baresi. Bari 1844. p. 243. 

1196. ‘Per id tempus imperatrix cephal. ecclesiae molendinum Scillati 
— — restituendum praecepit’ (Pirro Sic. s. Il, 804). 


Papſt Hadrian I und die weltliche Herrichaft 
des römiſchen Stuhle. 


Ss. Abel. 


Als den Gründer der weltlichen Macht des römischen Stuhls pflegt 
man mit Recht Gregor den Großen zu betrachten. Nicht ganz fo 
feiht it e&, zu jagen, wer der Gründer des Kirchenftaates war. 
Dean jchreibt diefes Verdienft gewöhnlich den fränfifchen Königen 
Pippin und Karl dem Großen zu; aber viel mehr als ihnen gebührt 
es den Püäpiten felber. Geraume Zeit vor Pippin begründete Gre- 
gor II. feine weltliche Herrfchaft im Ducat von Rom; die erite 
Macht aber, welche den Papft als felbftändigen Herrfcher in diefem 
Gebiet anerfannte, waren nicht die Franfen, ſondern bie Langobarden, 
deren König Liutprand mit Papit Zacharias Frieden ausdrüdlich für 
den römischen Ducat fchloß !. Nachdem auf diefe Weife der Grund 
zu einer jelbjtändigen Herrfchaft des Papſtes gelegt, und diefelbe 
von der Hauptmacht Italiens, den Langobarden, bereits anerkannt 
war, gelang es den Päpſten auch die Franken in ihr Intereſſe zu 
ziehen. Derſelbe Gregor II., welcher der kaiſerlichen Herrfchaft im 
römijchen Ducat ein Ende machte, Hatte auch Bonifacius mit Voll 
machten verfehen, um die fränfifche Kirche in den Organismus der 
allgemeinen römischen einzufügen; aber noch in der leiten Zeit feines 
Lebens wied Karl Martell die Anerbietungen, durch welche Gregor III. 
feine Hüffe zu gewinnen juchte, zurück?. Erſt Pippin ging auf die 
Berbindung mit Rom ein; er erfannte die hohe Bedeutung, welche 
die kirchliche Thätigkeit des Bonifacius für die Zukunft feines Reiches 
hatte, und begünftigte fie; dennoch ift e8 ungewiß, ob er dem Ruf 
de3 Papftes Folge geleitet hätte, wenn nicht der Wunſch, die könig⸗ 
liche Würde in feiner Familie durch die Weihe der Kirche befeftigt 
zu fehen, noch bei ihm Hinzugefommen wäre. Als Stefan II. mit: 
ten im Winter über die Alpen zu ihm ind fränfifche Reich kam, 
wurde er von Pippin, wie früher Zacharias von Yiutprand, als 
weltlicher Herricher im römischen Ducat anerfannt 3; Pippin machte 


ı Vita Zachar., Muratori SS. rer. ital. IIIa, 162B. Auch die vier 
zum römifchen Ducat gehörigen Städte Ameria, Horta, Polimartium und 
Blera gab Liutprand dem Papſt zurüd, ber eben nur deshalb, weil fie zum 
Ducat gehörten, Anſpruch auf fie erheben konnte. Auch darin lag die Aner— 
kennung bed Papfted ala Herrn des Ducat2. 

2 Cenni I, 19; über die Chronologie vgl. Jaffe, Reg. pont. p. 183. 

3 YAusdrüdlih ausgeſprochen ift dieß nicht; aber dieſe Anerkennung war 
die nothwendige Vorausfegung, worauf dad ganze Cinfchreiten Pippind zu 
Gunſten des Papſtes beruhte. Wenn daher auch nicht einmal PBippin felbft 
fie ausdrücklich ausſprach, fo ift es doch wichtig bier diefen Punkt befonderz 
hervorzuheben. 


456 


ihm die befannte Schenkung von Kierſy, worin er nicht bloß bie 
Mechte ber Kirche zu ſchützen, jondern aud die Anfjprüde, welde 
ber Papft als weltlicher Herrſcher im Tucat von Rom auf ander 
fruher taiferliche Gebiete erhob, zu befriedigen verfpradh !. 

Die Grundlage zum Kirchenſtaat haben alfo nicht die fränfifchen 
Könige, fondern die Fäpfte gelegt. Was Pippin für den Papft 
that, war nicht die Gründung einer neuen, fondern mur die DBefefti- 
gung und Erweiterung der fchon vorhandenen Herrſchaft. Nicht mer 
aber, ja faft noch weniger hat Karl der Große für den Bapft ge 
than. Dieß zeigt ſich nirgends deutlicher als in den Beziehungen 
Karls zu Habdrian J. Wan war lange gewöhnt, von dem Verhältnis 
Karls grade zu diejem Papit ald von einen Verhältnis nächſfter 
Freundſchaft zu reden. In gewiſſem Betradite mag bieß richtig 
fein; aber in feiner Eigenſchaft als weltlicher Herrſcher hat ber 
Papft diefe Freundfchaft nicht erfahren. 

Wir Haben im Folgenden von ber Thätigfeit zu reden, bie 
Hadrian zum Zweck der Eicherung und Vergrößerung jeiner welt 
lichen Herrfchaft entwidelte. Dabei fteht neben Hadrian fortwährend 
Karl der Große im Vordergrund, jo daß wir auch auf die Bezie⸗ 
hungen Hadrians zu Karl, wenigitens in einer Richtung, werben 
eingehen müſſen. 

Während der fräntifche König raftlos thätig ijt, um in feinem 
Staate die Lehren und Einrichtungen der chriftlichen Kirche zur Gel⸗ 
tung zu bringen, fehen wir den römifchen Biſchof unabläffig be 
müht, die Befigungen feiner Kirche weiter auszudehnen. Während 
Karl darauf bedacht war, fich zu jenem Zwecke die moralische Unter: 
ftügung des Papjtes zu fichern, hatte er gleichzeitig die wachfenden 
Anfprüche defjelben abzuwehren. So find die Beziehungen zwischen 
dem Papft und Karl doppelter Art: fie betreffen theils das Ye 
ftreben Karls, die fränkifche Kirche nad dem Mufter der römifchen 
und unter Mitwirkung des Papjtes umzugejtalten; theild das Stre 
ben des Papſtes nad) Erweiterung jeiner Herrſchaft. Dort erfcheint 
Karl fchaffend und handelnd, hier giebt der Papit den Anftoß und 
Karl tritt zurückhaltend und ablehnend auf. Mit diefem legten Ver: 
hältnis haben wir ung zu bejchäftigen. 

Dabei kann es fid) nicht darum handeln, auf die rechtliche 
Eeite in dem Verhältnis Karls zu Nom und des Papftes zum 
fränfifchen Stönig ein befonderes Gewicht zu legen; wir betrachten 
die Frage nach dem Verhältnis des Papftes zu Karl als eine Frage 
der Macht, und unterfuchen, welche Mittel der Papft anwandte, 
um feinen Einfluß in Stalten hauptfächlich durch Vermehrung feines 
Yandbefiges zu erhöhen. Hier kommt zunächſt die Schenfung Karle 
von 774 in Betracht, dann aber die Verſuche Hadrians ihre Voll- 
ziehung zu bewirken, und die Beziehungen überhaupt, in welchen wir 
feit 774 Hadrian zu Karl finden. 


ı Rgl. das Genauere unten. 


4657 


Karl machte die bekannte Schenkung bei feinem erften Beſuch 
in Rom zu O 774 Es iſt nicht unwichtig, ſich der Verhält- 
niffe zu erinnern unter welchen Karl nah Rom fam. . Er hatte be 
reits einen großen Theil des Tangobarbifchen Reiches Weobert, und 
6 Donate vor Pavia gelegen, mo ber König Deſiderius felbft fich 
eingefchlofjen hatte; ehe aber die Stadt eingenommen war, begab er 
fih nad) Rom. Zur Fortführung der Belagerung ließ er fein —* 
vor Pavia zurück. Er konnte ſchon damals mit Sicherheit auf die 
Bewältigung der Stadt rechnen!. Nirgends wurde ein Verſuch 
gemacht, dem Deſiderius Entſatz und Hülfe zu bringen; ſeine Un⸗ 
terthanen fielen maſſenweiſe von ihm ab; das ganze Herzogthum 
Spoleto entzog ſich ſeiner Herrſchaft und ſchloß ſich dem Papſt an?. 
Dagegen hatte Karl dringende Veranlaſſung zu einer Zuſammenkunft 
mit dem Papſt. Ein Einfall der Sachſen ins fränkiſche Reich rief ihn 
über die Alpen zurüd 3, und doch durfte er, wenn er nicht auf halbem 
Wege ftehen bleiben wollte, Italien nicht verlafjen, ohne die neue Ordnung 
in ihren Grundzügen feftgeftellt zu haben, und dazu war eine Vereinigung 
mit dem Papſt nothwendig. Aber noch nähere, dringendere Gründe la- 
gen vor, tie Zufammentunft mit dem Papjt zu befchleunigen. Ohne 
auf Karls Genehmigung zu warten, hatte Hadrian das ganze Her- 
zogthum Spoleto in Abhängigkeit von dem apoſtoliſchen Stuhl ges 
bradt; mit Zuftimmung des Papftes Hatten die Spoletaner den 
Hildeprand zu ihrem Herzog erwählt und dem heiligen Petrus und 
dem Papft als feinem Stellvertreter Treue geichworen +. Es ſchien, 
als ſchickte Hadrian ſich an, möglichſt nad) eigenem Belieben und zu 
feinem Vortheil die Verhältniſſe zu ordnen, ehe Karl Zeit fände, fid) 
auch feinerfeit8 damit zu bejchäftigend. Unter folchen Umſtänden 
begab fid) Karl, ohne die Einnahme Pavias zu erwarten, nach Kom, 
wo er in Begleitung vieler feiner Großen, Bifchöfe und Aebte, Der 
zöge und Grafen, am 2. April, dem Sonnabend vor Oſtern, anfam. 

Der PBapit war von der Ankunft Karls in hohem Grade über- 
rafcht, jo daß es fcheint, ala hätte ih der König von jeinem Bes 
fuche gar nicht, oder jedenfalls erft ſehr fpät in Kenntnis gefegt ©. 

2 Der Anfiht von Berk, Legg. Ub, 8 n. 32, daß der Ausgang des 
Kriegs Dftern 774 noch ungewiß geweſen jei, kann ich nicht beiftimmen; auch 
die Ausführung von Med, in der Abhandlung: de donatione a Carolo ma- 
gno sedi apostolicae anno 774 oblata, Monasterii, welche mit der Anjicht von 
Perg zufammientrifft, kann ich daher nicht theilen; vgl. darüber unten. 

2 Val. unten n. 4 

5 Ann. lnur. maj., SS. I, 152. 

* Vita Hadr. bei Murstori, SS. rer. ital. III, 185 ABC. Es geſchah 
diefed ungefähr im November oder December 173, val. Fatteschi, storia de’ 
duchi di Spoleto p. 48. 

s Mit Redt fagt darüber Leibnitz, Ann. imp. I, 42: Carolus oo magis 
ınaturandum sibi putavit, ne in rebus Langobardorum ordinandis praeveniretur. 

6 Vita Hadr. I. c.: Abstollens secum diversos episcopos, abbates etiam 
et judices, duces nempe et graphiones, cum plurimis exereitibus Romam per 
Tusciae partes properavit, ita festinanter adveniens, ut in ipso sabbato sancto 
se liminibus praosentaret apostolicis. Cujus adveutum audiens antedictus 


458 


Habrian that in der Eile alles, um ihm den einem Patricins zufom- 
menden glänzenden Empfang zu bereiten, und erwartete ibn dann. 
ſelbſt auf den Stufen zu der Zorhalle der Pererslirde. Cr empfing 
isn aljo nicht in Rom jelbit, ſondern augerhalb der Stadt. Ihre 
erfte gemeinfame Handlung beitand darin, da fie jich gegenfeitig am 
Grabe des heiligen Petrus mit einem Cidihwur Treue gelobten, 
und Berpflichtungen übernahmen, welche nicht bloß für die Dauer 
von Karls Anmejenheit in Rom, fondern für die Zukunft überhaupt 
in Kraft bleiben follten '. Nun erft geleitete Hadrian den König in die 
Stadt. Die drei nächſten Tage waren der Oſterfeier gewidmet, am 
vierten aber wurde zwifchen Karl und Hadrian in großer Verſamm⸗ 
lung der geiftlihen und weltlichen Großen über die Rechte und Be 
figungen des Heiligen Petrus verhandelt. Der Bericht der vita 
Hadr. lautet fo: 

„Am vierten Tage z0g der Papjt mit den geijtlichen und welt. 
lichen Greßen in die Petersfirche hinaus, um ſich mit dem König zu 
unterreden, und drang beharrlic) und injtändig in ihn, und ermahnte 
ihn voll väterlicher Yiebe, das Verſprechen volljtändig zu erfüllen, 
das fein Vater Pippin und Karl felbjt mit feinen Bruder Karl: 


beatissimus Hadrianus papa, quod sic repente ipse Francorum advenisset 
rex, in magno stupore ct extasi deductus, direxit in ejus occursum universos 
judices etc. Ben der großen rende, mit ber nach Muratori, Annali d’Ital 
VII, 108 (ed. Milano 1818 fj.), die Nachricht von Karls Ankunft den Papft 
erfüllt haben ſoll, ift hier fein Wort zu lefen; aud wird man nicht glauben 
dürfen, Karl fei lediglih, um Oſtern in Rom zu feiern, grade damals bahin 
gezogen. Ebenſo wenig ift es richtig, werm Luden (Gefhichte des teutfchen 
Volkes) VI, 243 meint, bie Neife Karls nah Rom babe im Intereſſe Ha: 
drians gelegen, und fei nur auf deffen dringenden Wunſch erfolgt. 

2 Dal. Waitz, Deutſche Verfaffungsgefchichte III, 164, welcher mit Recht 
den vertransmäßigen Gharacter diefes Freundfchaftggelüldes betont. Dagegen 
kann ich feine Anficht nicht theilen, daß in ımmittelbarem Zufannnenbang ba: 
mit die Schenkung erfolgte. Die vita Hadr. bält, wie Waitz p. 165 n, 1 
felbft bemerft, die beiden Vorgänge weit auseinander, und ich glaube nidt, 
daß ein Grund vorhanden ift von ihrer Darftellung fo entfchieden abzugeben. 
Der Eid bezog fid auf die Gtellung Karls ald Patrictus von Rom, und 
bezweckte zunächſt, wie auch Waitz annimmt, die gegenfeitige Sicherung beider 
Theile. Der Bapft, welcher den Patricius von Nom einfepte, wollte eben ei: 
nem jo mächtigen "Träger des Patriciats gegenüber feine Rechte zum Voraus 
wahren, vgl. Hegel, Italiens Städteverf. 1,209 f.; deshalb ließ er ibn, ald 
Karl feinen Wunſch ausfprab in die Stadt zu neben, zuerſt Freundſchaft 
ſchwören, ehe er ibn dabin führte. Aber auch der Papſt ſchwur Freundſchaft, 
und die bei Waitz p. 164 no. 3 angeführten Stellen ergeben, daB man dieſes 
eidlich begründete Verhältnis für ein dauerndes und für die ganze Zukunft 
verbindliches anfab. Hadrian mochte immerhin die Pippinfche Schenfung ba: 
bei im Auge haben, die Erneuerung berfelben aefchab jedenfalls in einem be: 
jendern Act vier Tage ſpäter; und wenn der Bapit nachher, um den König 
ur Vollziehung der Schenkung zu bewegen, ibn mu wieder an ihre in St. 
Peter beſchworene Freundſchaft erinnerte, jo beweiſt diefe Gombination dech 
nur, daß Hadrian dieſe im Intereſſe jener zu verwertben ſuchte. Dagegen bat 
Karl. wie fein ganzes Verfabren in der Folgezeit beweiſt, einen ſolchen Zu— 
ſammenbang der Schenkung mit dem Freundſchaftevertrag, wonach dieſer ihn 
zur Vollziehung der Schenkung verpflichtet hätte, nicht anerkannt. 


459 


mann und allen fränfifhen Großen dem heiligen Petrus und fei- 
nem Stellvertreter dem Papſt Stefan, als diefer ins fränkifche Reich 
kam, gegeben hätten, nämlich verfchiedene Städte und Xerritorien der 
Provinz Italien dem heiligen Petrus und allen feinen Nachfolgern 
zu ewigem Beſitz zu übergeben ; und nachdem Karl fi) das Ber- 
fprechen, das in Kierfy gegeben worden war, hatte vorlefen laſſen, 
erklärten er nnd feine Großen ſich mit allen feinen Beitimmungen 
einverſtanden: und freiwillig und aus eignem Antrieb ließ Karl 
eine andere Schenkungsurtunde, nad) dem Mufter der früheren, 
durch feinen Kaplan und Notar Itherius auffegen, worin er dem 
heiligen Petrus und dem Papſt alle diefe Städte und Gebiete zu 
übergeben verſprach, unter Bezeichnung der Grenzen wie fie in dies 
fer Schenfungsurfunde angegeben find, nämlich von Luna angefan« 
gen mit Einſchluß der Inſel Corjica die Befigungen in den Gebie- 
ten von Surium, Mons Bardonis, Vercetum, Parma, Regium, 
Mantua und Mons Silicis, außerdem das ganze Exarchat von Ra- 
venna in feinem althergebradhten Umfang, fowie die Provinzen Bes 
netien und Iſtrien, und das ganze Herzogthum Spoleto und Des 
nevent“. 

Diefer Bericht bietet verfchiedene Schwierigkeiten dar, und ift 
deshalb auch vielfach angefochten. Theils wurde die Glaubwirdig- 
teit des Biographen Hadrians beftritten !, theild die ganze Stelle als 
interpoliert verworfen; aber zu feiner von beiden Anjichten ijt ein 
hinreichender Grund vorhanden. Es unterliegt feinem Zweifel, daß 
dieſe Stelle ebenſo glaubwürdig ift wie die ganze übrige vita 
Hadr.°. &s fragt ſich alfo, wie diefe Nachricht zu verjtehen fei. 
Dabei kommt zuerjt in Betracht das Verhältnis der Schenkung Karls 
zu der Schenkung, welche Pippin 754 in Kierfy dem Papſt Ste 
fan II. machte. 

Der Biograph Hadrians bringt die Schenkung Karls und die 
Schenkung von Kierſy in den engften Zufammenhang mit einander, 
und der nächſte Eindrud, welden feine Erzählung macht, ijt der, 
dag Karl die Schenkung von Kierſy einfach bejtätigt habe. Indeſ—⸗ 
fen fcheint eine genauere Betrachtung der Stelle nicht nothiwendig zu 
diefem Ergebniffe zu führen +. Die Angabe über die Ausjtellung 


2 So von Ellendorf, Tie Karolinger p. 163; Gregorovius, Geſchichte der 
Stabt Rom im Mittelalter U, 398; und von Leo, Geſchichte der italienischen 
Staaten I, 202, und Sugenheim, Gefchichte der Entſtehung und Ausbildung 
des Kirchenſtaats p. 39, welche beide den vermeintlichen Verfaſſer Anaſtaſius 
einer abfichtlichen Zälfhung und einer „bandgreiflihen Lüge“ zeihen. 

2 Dieſes tbut fchon Muratori, Ant. ital. diss. 2; und noch Hegel I, 
215 n. 1 zweifelt an der Echtheit. 

5 Bol. Berk Legg. II, 7; Waig ILL, 165 n. 1; bejonderd aber Mod 
p. ö ff., wo ſowohl die Echtheit der Stelle ald die Glaubwirdigfeit des Bes 
richterftatterö überzeugend nachgewiefen ift. 

* Vita Hadr. 186B: Propria voluntate, bono ac libenti animo etiam 
donationis promissionem, ad instar anterioris, ipse antedictus praecellentissi- 
mus et re vera christianissimus Carolus Francorum rex ascıibi jussit per 


460 


einer neuen Schenkungsurkunde läßt allerdings für die Vermuthun 
Kaum, daß die neue Urkunde mit der erjten nicht völlig gleichlauten 
gewvefen fei, und daß die erfte die in der neuen Urkunde gegebem 
genaue Aufzählung der einzelnen Gebiete noch nicht enthalten habe '. 
Doc ſteht diefe Auslegung mit der vorangehenden Angabe über bie 
Vorgänge unmittelbar vor Erlaß der Schenkung nicht ganz im Ein 
Hang. Dort heißt es ausdrüdlih nur, Hadrian habe den König 
um die vollftändige Erfüllung des in Kierſy gegebenen Verſprechen 
gebeten; und indem Karl die neue Schenkungsurkunde ausjtellt, ge 
währt er diefe Bitte. Wenn daher auch die Angaben über biele 
Handlung Karls nicht zu der Annahme zwingen, daß die neue Schen- 
fung und die Schenkung von Kierfy gleichlautend waren, fo ift doch 
deutlich, daß der Berichterftatter felbft den Schritt Karls nur als 
die Gewährung der Bitte Hadrians, aljo nur als eine Erneuerung 
der Schenkung von Kierfy betrachtete. Es ijt daher faum möglich. 
den Bericht der vita Hadr. ander® zu verftehen als fo, daß bi 
Schenkung Karls nur eine Erneuerung und feine Erweiterung der 
Schenkung von Kierſy war. 

Bei diefer Annahme ergeben ſich nun aber viele Schwierigkei— 
ten. Die Schenkung von Kierjy müßte ſich fchon auf alle die Gr 
biete bezogen haben, welche in der Biographie Hadriane genannt 
find, und doc) laſſen alle übrigen Angaben über die Schenkung von 
Kierfy eine folche Ausdehnung derfelben nicht errathen. Indeſſen 
darf die eigenthümliche Beſchaffenheit diefer legten Nachrichten nicht 
überfehen werden. Einen ausdrüclichen Bericht über diefe Schen- 
fung, der als eine volljtändige Inhaltsangabe derfelben dienen Eönnte, 
giebt e8 nicht; es find nur Andeutungen, welche felber noch der Er- 
Härung bedürfen, oder Nachrichten über ſpätere Schenkungen, aus 
welchen ein Rückſchluß auf die Schenkung von Kierfy zu machen ift. 
Daraus folgt, daß diefe Angaben feinen fo ficheren Maßſtab gewäh— 
ren, wie die Nachricht in der Yebensbejchreibung Hadrians, melde 
allein genauere Angaben enthält. Ueber die Echenfung von Kierfy 
erzählt der Biograph Papſt Stefans II. nur foviel, dag Pippin 
dem Papft verfprady, für die Rückgabe des Erarchats und der 
Rechte und Beſitzungen des Reichs Sorge zu tragen ?, ein Ber 
jprechen, welches dann in Kierfy in Gegenwart der fränkischen Gro- 


Etherium (Itherium) religiosum ac prudentissimum capellanum ct notarium 
suum; ubi concessit casdem civitates et territoria b. Pctro, easque praefato 
pontifici contradi spopondit per designationem confinium, sicut in eadem do- 
natione contineri monstratur: id est a Lunis... . 

1 Diefe Anficht führt Mod p. 35 ff. aus, und gegen dad, was er zur 
Erklärung der Stelle fagt, läßt fid) nicht? einwenden. Allein die von ihm er: 
Härte Stelle iſt nur zu verftehen im Zuſammenhang mit den vorangehenden 
Worten der vita Hadr. ; und auf diefe nimmt Mock mit Unrecht Feine Rüdficht. 

? Vita Stef., Mur. 168C: Qui (Pippinus) de praesenti jurejurando eidem 
beatissimo papae satisfecit, omnibus mandatis ejus et admonitionibus sere 
totis viribus obedire, et ut illi placitum fuerit, Exarchatum Ravennae et 
reipublicae jura seu loca reddere ınodis omnibus. 


461 


Ben in einer beſonderen Urkunde niedergelegt wurde !. Unter dieſen 
echten und Beſitzungen des Reichs Tann aber eben nur das Exar⸗ 
chat und die Pentapolis verftanden geweſen fein. Bei den in den 
nächften Jahren von Pippin gegen Aiftulf unternonumenen zwei Feld⸗ 
zügen ift ebenfalls nur von dem Exarchat und ber Pentapolis und 
außerdem von der zum römifchen Ducat gehörigen Stadt Narnia die 
Rede; ja der Papft erhielt nicht einmal das Exarchat und die Pen⸗ 
tapolis vollftändig. 

Die Streitigkeiten zwifchen Stefan IL. und Defiderius bezogen 
fih dann auch wieder auf Theile des Exarchats, und zwar eben auf 
die, welche bem Bapft bei den Tegten Triedensfchlüffen mit Aiftulf 
noch vorenthalten worden waren. Das alles deutet nicht entfernt 
auf eine Schentung von dem Umfange hin, welchen der Biograph 
Hadrians angiebt. Eine fo große Schenkung, feheint es, hatte nur 
dann einen Sinn, wenn Pippin entfchloffen war, das Tangobardifche 
Reich zu vernichten; und doch liegt nirgends ein Grund vor, anzu⸗ 
nehmen, daß Pippin daran dachte, fich mit den Langobarden in ei⸗ 
nen Kampf auf Leben und Tod einzulafjen *. 


1 Vita Stef. 169 B; Cenni, Monuments dominationis pontificiae seu CO- 
dex carolinus, I, 74fj.; 81f. 

* Dieß ergibt fi ſchon aus ber Natur der Sache. Denn mehr als das 
Exrarchat und bie Ventapolis war dem Neich, d. h. dem griechifchen Kaifer, ober, 
nad der Vorftellung des Papſtes, dem Papſt als Stellvertreter des Kaifers 
im Abendland, von Aiftulf gar nicht entriffen worden. Der Ausführung von 
Mod p. 40 f., daß nach dem Bericht der vita Stef., welchen bie Angaben beim 
goniher Fredegars nicht wiberfprechen, bie Schenfung von Kierfy fih auf daß 

archat und die Pentapolis bezogen habe, ſtimme ich alfo bei; momit aber 
nicht gefagt ift, daß biefer Bericht vollftändig fe. Außer dem Exarchat und 
ber Pentapolis ſoll nach ber Anſicht von Mod p. 48 n.1.p.49n. 1 in der Schenfung 
von Kierfy auch noch bie zum römischen Ducat gehörige Stadt Narnia ent: 
halten gewefen fein. Allein dieß gebt aus den von Mod angeführten Stel: 
Ien nicht hervor. Die Briefe, worin Stefan fich über die Wegnahme Narnias 
buch Aiſtulf beklagt, Cenni p. 87. 93, find erſt nach dem eriten Feldzug nes 
chrieben, vgl. Jaffs, Reg. p. 192; Stefans Angabe, daß Pippin ihm Narnia 
berlafien habe, kann fi alfo auch auf den erften Frieden mit Aiftulf bezie⸗ 
ben, und dieß wirb baburch beftätigt, daß bie Schenfung von Kierfy ja ein 
bloßes Verſprechen war, Mod p.9 fl., Narnia aber, welches Aiftulf den Bapft 
entriß, biefem vorher wirflich überliefert war. Dieß kann nur beim erftar 
Frieden gefcheben fein, auf ben baber die Berufung Stefand auch allein bezo= 
gen werden kann. Auch die Stelle in ber vita Stef., Mur. p. 171C., und im 
chronic. moissiac., 88. 1, 293, hat mit der Schenkung von Kierjy nichts zu 
ſchaffen. 

5 Genaueres darüber unten. 

* Diefeß vermuthet Mod p. 53, aber ganz ohne zureichenden Grund. 
Denn er kann ſich nur darauf berufen, bag Aiftulf vor Ausbruch bed Kriegs 
alle Vorſchläge Pippind zurückgewieſen und dieſen dadurch negen ſich erbit 
tert habe. Dieß ift aber doch noch lange Fein Beweis bafür. Noch weiter 
als Mod geht aber Sybel, Die beutfhe Nation und das Kaijerreih p. 12, wo 
es beißt, „daß man mit großer Wahrſcheinlichkeit ſchon bei Pippin ben Ge⸗ 
danken an ben völligen Sturz des langobardiſchen Reichs und an bie impera⸗ 
torifche Würde vermuthen dürfe‘. Im Hinblid auf alles, was uns bie Quel- 
Ten ficher überliefern, wage ich nicht mich dieſer Anficht anzuſchließen. 


31* 


462 


Demnach führt das, was wir fonft über die Schentung von 
Kierfy willen, zu einem ganz andern Ergebnis, als was der Bio- 
graph Hadrians angibt. Aber widerlegt wird biefer dadurch nicht; 
feine Angaben find mit den andern wohl vereinbar ; fie zeichnen ſich 
nur durch größere Vollftändigfeit aus. Aus der Haltung des Pap- 
ftes felber geht hervor, daß er bie von Pippin in Italien getroffe: 
nen Maßregeln für keine volfftändige Erfüllung der Schenkung von 
Kierfy Hielt. Die Bedingungen, melde Pippin nach feinem erften 
Feldzuge dem Aiſtulf auferlegte, entfprachen dem in Kieriy Zugejag- 
ten nicht. Pippin forderte von Aiftulf die Abtretung nur eines Theile 
bes Erarchats und der Pentapolis, und zwar der Städte Ravenna, 
Arimimmm, Pifaurum, Fanım, Ceſena, Senogallia, Efium, Forum 
Pompilit, Forum Livii mit dem Gaftrum Suffubium, Mons Fere⸗ 
tri, Acerragium, Mons Lucari, Serra, das Kaſtell S. Marieni, 
Bobium, Urbinum, Cales, Luceoli, Eugubium; außerdem erhielt der 
Papft Narnia. Während die Nachricht der Kebensbefchreibung Ste 
fans über die Schenfung von Kierjy zu der Annahme führt, daB 
diefelbe anf das ganze Exarchat mit der Pentapolis fich bezogen habe, 
nennt der Biograph unter den Bedingungen des erften Friedens nur 
die Abtretung Ravennas und verjchiedener anderer Städte !, deren 
Namen er dann bei Gelegenheit des zweiten Friedensfchlujfes einzeln 
aufführt . Einige feiner Eroberungen im Exarchat ſollte Aijtulf bes 
halten dürfen. Da er jedoch feiner Verpflichtung zur Abtretung der 
genannten Städte an den Papft nicht nachkam, wurde er in einem 
zweiten Feldzug von Pippin nicht nur zur wirklichen Uebergabe die- 
fer Städte gezwungen, fondern verlor aud) noch Commiaclum *. Zum 
voliftändigen DBefig des Exarchats und der Pentapolis fehlten dem 
Papft aber noch immer einige Städte 5. Um aud) in ihren Befit 


ı Vita Stef., Mur. p. 170 B: Spopondit ipse Aistulfus... se illico red- 
diturum civitatem Ravennatum cum aliis diversis civitatibus. 

2 Vita Stef., Mur. p. 171C. Es heißt, 171C.A, ausbrüdlih, daß 
Aiſtulf bier biefelben Städte abtreten mußte, die ihm fhon das Jahr zuvor 
abgefprochen waren; nur Comiaclum fam neu hinzu. 

5 €3 find dieß die unten n. 5 genannten Städte und Comiaclum. Mod 
p. 52 ff. fucht zu beweifen, daß unter ber civitas Ravennatum cum alis di- 
versis civitatibus das ganze Exarchat mit der Pentapolis und Narnia zu ver: 
ftehen fei, eine Behauptung, welche ſchon dadurch miderlegt wird, daß von 
Comiaclum ausbrüdlich bezeugt ift, daß es erft beim zweiten Friedensſchluß 
bem Papft zugeiprodhen wurbe. Im Webrigen val. n. 4. 5. 

+ Vita Stef. l. c.: Et denuo confirmato anteriore pacto, quod per elap- 
sam octavam indictionem inter partes provenerat, restituit ipsas civitates 
praelatas, addens et castrum quod cognominatur Comiaclum. 

5 Es find die Städte Faventia, Ferrara, Imola, Humana, Aurimum, 
" Ancona und Bologna, um welde Defiderius vom Papft die Zuftimmung und 
Unterflüßung bei feiner Thronbefteigung erfaufte, Der Papſt fchreibt an Pip⸗ 
pin, cod. car. n. 8, Cenni I, 109: Desiderius... pollicitus est, restituendum 
B. Petro civitates reliquas, Faventiam, Imolam et Ferrariam cum eorum fini- 
bus... Nec non et Ausimum, Anconam et Humanam civitates cum earum 
territoriis. Es find diefelben Städte, von denen es in ber vita Stef., Mur. 
p. 172 A, beißt: (Desiderius) reipublicae se redditurum professus est civi- 


463 


zu gelangen, benugte er dann bie Gelegenheit ber nad) Aiſtulfs Tod 
bei den Langobarden ausgebrochenen Streitigfeiten um die Krone, 
ein Verſuch, der ihm jedenfalls theilweife, wenn nicht vollftändig ge 
lang !. Und noch weiter ging dann PBapft Paul I., welcher fi in 
dem 767 mit Defiderius abgefchlojjenen Vergleich über‘ die Wieder» 
herftellung der Gerechtfame des römifchen Stuhls in Spoleto, Bene 
vent und Tuscien mit ihm verftändigte ?. 

So viel ift von den Forderungen des Papftes bis 774 bes 
kannt. Sie fteigerten fi von Anfang, von der erften Ankunft Pip⸗ 
pins in Italien an allmälich immer mehr, und kamen der Schen- 
fung von Kierfy, jo wie Dobrinne Biograph fie angibt, immer nä⸗ 
ber. Nach dem erjten Feldzug erhielt der Papft einen großen Theil 
des Erarchats und der Pentapolis; nach dem zweiten kam Comia⸗ 
clum hinzu; darauf gelangte er auch in den Beſitz ber übrigen noch 
fehlenden Städte; und endlich forderte er, mit dem Exarchat und 
der Pentapolis noch nicht zufrieden, auch noch die Befitungen der 
römifchen Kirche in Spoleto, Benevent und Tuscien. Bei allen dies 
fen Forderungen berief er fich nicht auf die Schenkung Pippins von 
756, fondern immer auf die Schenkung von Kierſy*. Er forderte 


tates, quae remanserant. Mod p. 6Bff. behauptet, in Uebereinftimmung mit 
Pertz Legg. Ib, 7, auch biefe Städte hätten mit zu ber nach bem zweiten 
Idzug, 756, von Pippin gemachten Schenkung gehört; fie feien nur von 
Sn nicht abgetreten und desbalb vom Biographen Stefand bei ber Auf: 
zäblung ber andern Städte (p. 462 n. 2) übergangen worden. Diefe Anficht 
iR jeboch nicht richtig, wie ich in der Beſprechung ber Mocſchen Schrift in 
ben Götting. gel. Anz. 1861 Stüd 51 bereitö gezeigt habe. Ebenſo unrichti 
in baber auch feine Behauptung, auch ſchon beim erften Frieden babe Aiftul 
auf alle diefe Stäbte, auf das ganze Erardat und bie Pentapolis verzichten 
müffen (oben p.462 n. 4). Daß Comiaclum ihm verblieb, ift gewiß (p. 462 
n. 4); und fhon daraus ergiebt fih, daß Pippin auf die volftändige Weber: 
gabe bed Erardats ed nicht abgefehen hatte; iſt aber erft dieſes feitgeftelit, fo 
kann es nicht befremben, bag Pippin dem Papſt auch nod andere Städte bes 
Exrarchats und der Pentapoliß vorentbicht. Die Ann. laur. maj., SS. I, 140, 
fprechen 756 allerdingd von ber Abtretung bed ganzen Grarhats; man muß 
aber Bedenken tragen, gegenüber den genauen und ausführlichen Angaben ber 
italiſchen Onellen auf diefe kurze Bemerkung zu viel Gewicht zu legen. 

ı Vita Stef. 172; Cenni I, 150. 183; vgl. Untergang bed Langobar: 
denreichs p. bifl. 

8 Cod. car. n. 26, Cenni I, 231. Dabei wirften die fränfifchen Gefanb- 
ten in Bipping Auftrag mit. 

s Dieh bat Mod p. 73 ff. ausgeführt, und id ſtimme ihm vollftändig 
bei. Es fpricht aber nicht für, fondern gegen feine Anſicht über die Schen⸗ 
Zungen von Kierſy unb von 756. Wenn, wie Mod behauptet, bie Schenfung 
von 756 nicht Meiner ald die von Kierfy gewefen wäre, fo müßte es auffal⸗ 
Yen, daß der Papft beharrlih immer nur auf diefe, und nie auf bie Schen⸗ 
fung von 756 fich berief. Die lebte war neuer, fie war nicht wie bie fog. 
Schenkung von Kierfy ein bloßes Verſprechen, fondern wirklich eine Schen⸗ 
kung; —* fie alſo, wie Mod behauptet, eine vollſtändige Erfüllung des in 
Kieriy gegebenen Verſprechens geweſen, jo hätte fie ofjenbar für ben Papſt 
einen gehen Werth nehabt, als jenes einfache Berfprechen, und er hätte fich 
daher dann auch gewiß nicht auf biefes, fonbern auf bie Schenkung von 756 


464 


alfo augenfcheinfich mehr als das Exarchat und bie Pentapolis, fo 
daß auch die Schenkung von Kierfy größer geweien fein muß. Auf 
diefe Schenkung ftügte er fih, indem er bald Kleinere, bald größere 
Anfprüche erhob; volljtändig hat er in keinem feiner Briefe den In⸗ 
halt der Schenkung angegeben; nur ftufenweife trat er mit feinen 
Forderungen hervor, und fo fonnte e8 auf ganz natürliche Weife ges 
fchehen, daß er vor 774 nur erft einen Theil derjelben geltend machte. 
Aber auf das Exarchat, die Pentapolis und Narnia hat er fich aud 
vor 774 nicht befchränft '. Die Angabe des Biographen Stefans 11. 
wornac die Schenkung von Kierfy nur das Erarchat und die Pen⸗ 
tapolis enthielt ?, iſt folglich unvollftändig und bedarf der Ergänzung. 
Dieje Ergänzung liefert der vom Biographen Hadrians aufberwahrte 
Bericht über die Schenkung Karls. 

Bon den in der Lebensbefchreibung Hadrians aufgezählten Ge 
bieten ift allerdings nur ein Theil fchon vor. 774 genannt; jedod) 
folgt daraus nicht, daß fie in der Schenkung von Kierſy nicht alle 
miteinbegriffen fein fonnten. Die fogenannte Schenkung von Kierfy 
war eigentlich nur das Verfprechen einer Schenkung 3, und gegeben 
in einem Angenblid, al8 Pippin gar nicht im Stande war e8 zu er- 
füllen ; denn auch das Erardhat und die Pentapolis mußte er den 
Langobarden erjt noch entreißen. Dennoch ift e8 umbeftritten, daß 
er wenigftens diefe Gebiete dem Papſt verſprach; darin, daß bie 
übrigen Gebiete auch noch nicht in feiner Gewalt waren, liegt daher 
fein Hinderniß zu glauben, daß fie in der Schenkung von Kierfy 
mit enthalten waren. Es ift wahr, daß bei einer fo großen Schen- 
fung Pippins manches dunkel bleibt; aber unmöglich ift e& nicht, 
daß Pippin ein folches Verjprechen gegeben hat, und fo wie unjere 
Kenntnis diefer Verhältniffe befchaffen ift, bleibt uns feine Wahl als 
die Nachricht des Biographen Hadrians über die Schenkung von 
Kierfy für richtig zu halten. Denn hätte Pippin die große Schen- 
fung nicht gemacht, fo müßte jedenfalls Karl fie gemacht haben *; 
es wird ſich aber zeigen, daß daran noch weniger zu denfen iſt; daß 
Karl fie auch nur bejtätigte, ift Schwierig genug zu erklären. Im le: 


berufen. Indem er dieß nicht that, zeigte er, daß bie Teßtere nicht ganz nad 
feinem Wunfche war. 

2Ich hebe dieß befonberd hervor im Gegenſatz zu Mod, welcher feine 
Anſicht, daß die Schenkung von Kierfy auf dad Erardat und bie Pentapelis 
beſchränkt geweſen fei, durch den Nachweis zu begründen fucht, daß Bippin 
bei den beiden Friedensſchlüſſen mit Aiftulf eben diefe Gebiete, nicht weniger 
und nicht mehr, bem Papft zugefprochen, und dadurch fein in Kierfy gegebe: 
ned Verſprechen erfüllt habe. Ich babe aber ſchon gezeigt, daß dieſer Nach: 
weid Mod mislungen ift. 

2 Pal. oben p. J61 n. 2. 

3 Promissio, donationis promissio fagt bie vita Hadr. 186 B; vgl. 
oben p. 459 n. 4. 

* Eine dritte Möglichkeit wäre, daß weder Pippin noch Karl fie machte ; 
davon rede ich aber nicht weiter; benn fobald die Echtheit und Glaubwür- 
bigfeit ber Stelle in ber vita Hadr. feſtſteht, fällt dieſe Möglichkeit fort, 


465 


brigen find wir über das Verhältnig Karls zu Hadrian ausreichend 
unterrichtet, um zu fehen, daß eine fo große Schenkung im Wider: 
fpruch zu feinem ganzen Verhalten gegen ben Papft ftehen würde, 
Wir werden demnächſt fehen, dag Karl feinen Sieg über Defiderius 
wejentlih zur Verſtärkung feiner eigenen Macht benugte und zufah, 
wie Hadrian fogar um ben größten Theil des von Pippin Gefchent- 
ten kam; Pippin hat wenigftens zwei Feldzüge nach Italien unters 
nommen, nicht um für fi) etwas zu erobern, fondern um den PBapft 
in den Befig des Exarchats und der Pentapolis zu fegen, und wenn 
er feine Vorſätze nicht volljtändig ausführte, fo ift dies nicht ſchwer 
zu erklären. Jedenfalls kann bei Pippin viel mehr als bei Karl 
die Geneigtheit zu einer jo großen Schenkung vorausgefegt werden. 
Als Karl 774 in Rom war, befand er ſich gewiß viel mehr in ber 
Lage als Pippin 754 in Pontico und Kierſy, eine ſolche Schenkung 
zu machen und auszuführen, war er auch nicht in ganz Stalien 
Meifter geworden, fo war doch der Papft ganz von ihm abhängig '; 
es lag ganz in feiner Hand, diefem die größten Zugeftändnijfe zu 
machen. Statt deffen gab Karl dur fein Verfahren dem Papft 
noch in demfelben Jahre zu lebhaften Klagen Anlaß ?; und wenn 
wir fehen, daß er der Erfüllung der päpftlichen Forderungen, auch 
wo fie ganz von feinem Belieben abhing, fortwährend widerjtrebte, 
fo folgt daraus doc unzweifelhaft, daß eine Schenkung, wie die in 
der Lebensbefchreibung Hadrians angeführte, nicht nad) feinem Sinne 
war, und er aus freiem Antrieb fie nicht gemacht haben würde. 
Daß er fie aber, nachdem einmal Bippin das Verſprechen gegeben 
hatte, aufs neue beftätigte, läßt ſich eben nur dadurch erklären, 
daß er bei der Schenkung von Kierfy felbjt mitbetheiligt war. Er 
mochte, un den Bapit zufriedenzuftellen, das Verſprechen erneuern; 
es jelbft aus freien Stücden zu geben, wenn es nicht ſchon früher 
gegeben war, lag Djtern 774 für ihn fein Grund vor. Er war 
grade damals mit der Haltung des Papftes unzufrieden ; der Papit 
wurde durch feine ſchnelle Ankunft überrafcht °; wie follte unter fol« 
chen Umſtänden der Gedanke einer fo großen Schenkung zum erften 
Mal hervorgetreten, und wie follte Karl darauf eingegangen fein *. 


2 Dieß und nichts anderes habe ih mit den Worten: „Karl befand fich 
in Rom ald Sieger und war Herr der Lage”, Ilntergang bed Lungobarden- 
reiches p. 39 fagen wollen, woran Mod p. 98 f. jo großen Anftoß nimmt. 
In ben Genenbeweiß, ben er führt, übergeht er aber grade das Verhältnis 
Karls zum Papfte, auf welches doch bier dad meifte anfommt, mit volllän: 
digem Stillfchweinen. Was Mod über bie Erfolge Karls, die keineswegs nur 
den fränfifhen Waffen zuzufchreiben feien, fagt, ift an diefer Stelle zwecklos. 
Trotzdem aber und troß des in feiner Bedeutung von Mod jebenfall® übers 
ſchätzten Fortbeftandes der griechiſchen Herrſchaft in Stalien, konnte doch jchon 
Dftern 774 der Ausgang bes Kampfes nicht mehr zweifelhaft fein, vgl. oben p. 457. 

2 In dem Streit Habrians mit bem Erzbifchof Leo von Ravenna; vgl. 
unten. 

5 Dal. oben p. 457. 

+ Mod p. 99 fpriht von dem ausgezeichneten Wohlwollen Karla gegen 
den apoftolifhen Stuhl, dad ihn zu dem Zug nad Stalien bewogen, und nad 


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“n: 212 Eızns !ür lens Art keitreinen a, mer er. babe fen 
rien zum kelophmeb Rıikm feines yukescrentliken Babimollens gegen 
sis rimiike Mirko “ein weten; nun wäre zoer das Hohe Abechreiben einer 
Ufunzs ven ter anzeren nichts veſenzeres aereten: ielalich müñe bie von 

zef zu2ehtellte Urkance eine Lermeirung cer Schenkung entöalten baben. 
3% kann basesen rur wiederbelen, tae Died fein Recht bat, obne jeden Be 
we3 con ter Lcrıuifegung eines fo an; beicnceren Woblwollens des gi: 
nia3 gegen cen icmiichen Stubl auszugeben. 

2 ch p. 100j. wirit mir vor, daß ich bie Verdienſte Stefan: I. um 
T.ierin übertreife, Untern. des Langeb. p. 36. Diele Uebertreibung beiteht aber 
bler in zer einiahen Fraihblung ter Salbung Pippins und jemer Söhne durch 
Stefan, und in ber Anaate tes (Fitez, den Stefan bie fränfiihen Großen zu 
Gunſten ter neuen Tynaſtie Ichmecren ließ. Tieg waren doch wichtige Dienſte, 
welhe Stefan dem Pippin erwies. Mod meint, fie wären nicht jo groß, 
dag man nicht Shen Die Rückgabe des Erarchats umd ber Pentapolis an den 
Papſt fiir eine genügende Lelohnung halten bürftee Ta mag an ſich qanz 
richtig fein, nur müßte dann, da nad Mods Anticht Karl eine viel größere 
Schenkung gemacht baten fell, der Papft um Karl jih nod viel größere Ver— 
dienfte erworben haben; die Angabe diefer Verdienfte bfeibt aber Mock fchul: 
dig; er füllt bie Lüde durch Karls “egregia in sedem apostolicam volun- 
tas’ aus. 

2 Genen dieſe Anſicht erhebt Mod p. 100f. Kinfprade. Es fommt 
aber auch bier nur auf die Vergleihung mit Karl an, und ba kann es doch 
feinem Zweifel unterliegen, baß Pippin über die italienischen Verhältniſſe we: 
niger genau unterrichtet war als Kar. Mod kann fib auch nur auf ben 
Verſuch Gregors III. berufen, Karl Martel3 Hilfe negen bie Langobarben zu 

ewinnen, ein Verſuch, der an Karl Martells Weigerung fcheiterte, Cenni I, 
9; vgl. Zaffe p. 183. Erft feit 751 trat ein bänfigerer Verkehr Pippius 
mit dem Bapit ein, ber fih aber immer noch nicht auf die Streitigkeiten des 
Bapftes mit den Langobarden, fondern auf die Mitwirfung bes Papſtes bei 
Pippins Thronbefteiqung bezog. In jene Streitigkeiten wurde Pippin erft 
furz vor Stefand II. Anfunft im römiſchen Reich bineingezogen, konnte alſo 
kaum ſchon eine genaue Kenntnis der Verhältniffe haben. 





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nicht gan; deutlich au: ; er reder uide blos ven der Schenkung Karls 
von 774, ſondern, wie es tchemt. auch von ben ipäteren Schen⸗ 


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ner eriten Schenlung machte ?. on Fippin reder er nicht, was 
aber nicht befremden fan, noch auch mir der Anſicht in Widerſpruch 
ſteht, daß die Schenkung in ihrem vollen Umfang ſchon von Pi 

berrührte. ian, we damals auf die Derii des Bilder 
bienftes im Morgenland und auf die Rüd der von frühen 
Raijern ei der römijchen Kirche hinarbeiteie?, 


2 Mansi, Concil. eoll. ampL XII, 10758. Med p. 96. führt aus, 
daß bie Berte: „tem fie von Rechtewegen :ugebörten“, fth nur auf bie Ba: 
trimenien beziehen, und nicht, wie 2eitnig Ann. I, 45, und im Anſchluß 
baran auch ih, Unterz. bed Lansch. p. 38 ĩ., annabm, auf alle gefchenften 
Gebiete; nnd in bieiem Punkte bat Yıcd jicher Recht. Uebrigens Tautet bie 
Stelle, Mansi l. e.: Super omnes barbaras nationes, b. Petro prineipe apo- 
stolorum vobiscum comitante, eritis in triumphis imperantes victores, siext 
fillus et spiritualis compater noster Carolus.... nostris obtemperans monitis, 
atque adimplens in omnibus voluntates, omnis Hesperiae oceiduaeque partis 
barbaras nationes sub suis prosternens coneulcavit pedibus, omnipotentatum 
illarım domans et suo subjiciens regno adunavit. Unde per sua laborioss 
eertamins eidem dei apostoli ecclesise ob nimium amorem plura dona per 
petuo obtulit possidenda, tam provincias quam civitates, seu castra et c& 
tera territoria, imo et patrimouia, quae a perfida Langobardorum gente deti- 
nebantur, brachio forti eidem dei apostolo restituit, cujus et jure (jura) esse 
dignoscebantur. 

2 Mod p. 95. 97 n. 1 behauptet, ich hätte, Unterg. bed Langob. p. 38, kei 
Zeitbeftimmung der in dein Briefe Hadrians genannten Schenkung den Zufag „nad 
Befiegung ber Langobarben“ erbichtet, und zwar zu bem Zwed, um baraus 
die Felgerung abzuleiten, daß bie Anſprüche bed Papſtes nur auf ber Schen— 
fung Pippins beruben Fonnten, und folglich diefe den in ber vita Hadr. an: 
gegebenen Umfang hatte (Mod p. 95 n. 3). Tiefer Vorwurf ift aber völlig 
unbegründet, wie ſich am beflen daraus ergiebt, daß ich bie Folgerung auf 
gebe, an ber Zeitbeftimmung aber dennoch feſthalte. Als bie ihm zufteben: 
den Rechte forderte Habrian nur bie Patrimonien, vgl. vorher n. 1; und 
biefe Rechte waren unabhängig von ber Schenfung von Kierſy. Was aber 
die Zeit ber fraglichen Schenkung angeht, fo ift ed überhaupt nicht richtia, 
wenn Mod p. 95 die Worte: Carolus... omnis Hesperise occiduseque par- 
tis barbaras nationes ... . suo subjiciens regno adunavit, als maßgebend für 
die Zeitbeftimmung ber Schenfungen anfiebt. Habrian fagt, Karl habe die 
barbarifchen Völfer befiegt, weil er ben Crmahnungen des Papſtes gehorcht 
und feinen Willen erfüllt habe. Um letzteres zu beweifen führt er fort: „Denn 
(ande) Karl hat dem römiſchen Stuhle verfchiedene Geſchenke gemacht“ u.f. f. 
Durch dieſe Geſchenke bat Karl eben feinen Gehorfam gezeigt, fie gehen alfo 
ber Unterwerfung der nationes barbarae, welche als bie Belohnung für feinen 
Gehorfam bargeitellt wird, voran. Dabei gebe ich zu, daß Hadrian aud noch 
die fpäteren Schenfungen, die aber eben bloß in Vollziehung ber großen er: 
folgten, neben diefer im Ange hatte; darauf deutet ber Wortlaut des Briefes. 

3 Hefele, Sonciliengefohichte II, 410 ff.; vgl. auch unten. 


469 


fter vorhalten wollte. Dabei hielt er ſich von Uebertreibungen nicht 
frei; er brauchte ja den Griechen weniger als den Kranken gegen- 
über feine Worte abzumwägen. 

Es wird nun kaum mehr zweifelhaft fein können, daß die Schen- 
tung Karls von 774 in der That nur eine Wiederholung und Be 
ftätigung ber Schenkung von Kierfy war ', und daß diefe lettere auf 
alle die Gebiete fich erftredte, welche in der Lebensbefchreibung Ha⸗ 
drians genannt find ?. - && ift unrichtig, zu fagen, daß Karl die 
Schenkung feines Vaters nicht bloß beftätigt, fondern durch neue 
Verleihungen noch erweitert habe. Nur im Verhältnis zu ber 


I Bol. auch no p. 472 n. 2. Namentlich wirb diefe Anficht auch aus: 
geführt von Hald, Donatio Karoli Magni ex codice carolino illustrata p. 86 ff., 
ber aber freilih p. 33 leugnet, baß ber Umfang ber Schenkung Karla in ber 
vita Hadr. richtig angegeben fei. Ebenfo find ber Anjicht, daß Karl die Schen: 
Yung von Kierfy einfach beftätigt babe, Murstori, Ann. VII, 109 f.; Hegewiſch, 
Verſuch einer Geſchichte Kaifer Karla db. Gr. p. 57; Verb, Legg. II 7; Le 
hudrou, Histoire des ‚institutions carolingiennes p. 342; Waig IH, 165. Auch 
Döllinger in feinem nenejten Buche: Kirche und Kirhen, Papfithfum und 
Kirchenftaat, fcheint ſich für diefe Anficht zu entfcheiben, brüdt ſich aber nicht 
klar aus. Er fagt p. 495: „Karl beftätigte die Schenkung feines Vaters, 
fügte auch in den folgenden Jahren neue Batrimonien und Einkünfte hinzu”. 
Er Hält alfo bie erfte Schenkung Karls für eine bloße Betätigung ber Pips 
pinfchen, und zwar, wie nıan nad der Erzählung ber vita Hadr. denken follte, 
ber Schenfung von Kierſy. Die Batrimonien aber, bie fpäter binzufanıen, 
kamen nicht zu ber Schenfung Karls, die ja bloß das Verſprechen einer Schen: 
ung war, fonbern zu ben wirflid im Beſitz des Papſtes befindlichen @ebie- 
ten Hinzu, unb grade auf Grund der erften Schenkung Karls. 

° Werk 1. c. p. 8 unterfcheidet mit Necht die Schenfung Pippins von 
756 von bem Bertrag von Kierſy. Dagegen ift e3 nicht möglich, mit Pertz 
p- 7. B neben ber Bejtätigung und Erneuerung bdiefes Vertrags durch Karl 
im Jahr 774 nod eine weitere, der Schenkung Pippins von 756 analoge 
Schenkung Karls anzunehmen, kraft deren der Papſt das Exarchat bie Pen: 
tapolid und einen Theil der Aemilia befaß. Im Webrigen ſtimme ich voll: 
Tommen ber) Anfiht von Pertz bei, daß mit Ausnahme des Erarchats (bie 
Pentapolis mit eingerechnet) alle in ber vita Hadr. aufgeführten Gebiete eben 
nur folde waren, auf welche der Papſt Anfpruch erhob, ohne fie doch wirt: 
lich zu erhalten; vgl. unten. — Hier erinnere ich auch ber Vollſtändig⸗ 
keit halber an das fog. fragmentum fantussianum, bei Troya, Cod. dipl. 
Langob. V, p. 503 ff., welches ben Umfang ber Schenkung von Kierfy noch 
viel weiter ausbehnt als bie vita Hadr. Troya V, 528 hält bie Aufzählung 
in ber vita für einen Auszug (compendio) aus ben Bericht des fragmentum 
ſantus ilanum. Es ift aber anerkannt, daß biefes fragmentum unecht ift; es 
entftandb zu einer Zeit ba bie vita Hadr. längſt geſchrieben war. 

5 Der neueite Vertreter dieſer Anſicht it Mod, welcher in ber oben 
ſchon vielfach genannten Abhandlung auszuführen fucht, daB Pippin in Kierfy 
bem Papft das Exarchat, bie Pentapolid und Narnia gefchenkt, und erſt Karl 
774 bie große in ber vita Hadr. genannte Schenfung gemacht babe. Ich 
habe bereitß bei ber Beſprechung der einzelnen bier in Betracht kommenden 
Punkte gezeigt, daß Mods Beweiſe unzureichend find; nur über Einen Punkt 

be ih noch ein Wort zu fagen. Mod bält mir p. 100 n. 1 mit großer 
uverſicht eine Stelle aus einem Brief Hadriand an Karl entgenen, worin 
ber Papft von Pippin rühmt: quia, sicut coepit, fine tenus immutilate per- 
fecit. Daraus foll hervorgehen , daß Pippin alle feine Verſprechungen erfüllt 
habe. Da er aber dem Papft nur das Exarchat unb bie Pentapolis gab, 


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7 


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Merauises, on SCEC P. Us I. Pagi a. 774 on. 1 un! Eckhart. Francis 
orient. I. 627 enden ar eine Srmekiuns Sir een Schenkung durd Sro— 
10:2; Sigonias. De regao I:al p. 142 ., bebzupte, die Schenkung von Kierfo 
Rabe sd sur zu Sa2 Sr uns ne Tentirelig bezegen, wozu Karl eine 
neue Shentuns. beteert ın Gortiz, Sardinien, Stcilien. dem ſadinenñſchen 
Zerrtenum Srhers und dem Ionsskartiiihen Zuscien binsugefügt Babe, und 
ihn: simmt Borgia, Breve istoria del dominio temporale della Sede Apo- 
soliea nelle due Sieilie p. 283. ee Vermebrung ber eriten Schenkung durd 
Coritea. Spelete. Bererent uns derichiedene Finfünfte von Zuicien an. Bene: 
nen und Viren werden aauz Eitraange. 
2 MReisnsers iii diers bervorgebeben von Leibnitz I. 46. 


Du — 


2 Die Stelle Ixster, vira Hadr. 186C, vnl. oben p. 459 n. 4: Con- 
eessit (Carolus) easdem civitates et territoria b. Petro, easque praefato pon- 
tißci eontradi apopondit per designationem confinium, sicut in eadem dona- 
tivone contineri monstratur: id est a Lunis cum insula Corsica, deinde in 
Suriano, deinde in Monte Bardone, inde in Verceto, deinde in Parma, deinde 
in Regio. et exinde in Mantus, atque Monte Silicis, simulque et universum 
Exarchatum Rarvennatium, sicut antiquitus erat, atque provincias Venetiarum 
et Histriam, necnon et cunctum ducatum Spoletanum et Beneventanum. Ge: 


471 


der Art und Weife, wie über die Schenkung berichtet wird, felbft 
wieder ein Unterfchied gemadt. Ausdrücklich ſind das ganze Exar- 
hat, die Provinzen Venetien und Iſtrien, die Herzogthlimer Spoleto 
und Benevent als in der Schenkung begriffeır "angegeben. Dagegen 
fieht man bei den übrigen Gebieten nicht deutlich, ob fie vollſtändig, 
oder ob nur Theile berfelben weggejchentt fein jollen. Doc iſt es 
wohl nicht angemefjen, auf biefen Unterfchied in der Faſſung der 
Worte beim Biographen fo großes Gewicht zu legen; wahrſcheinli⸗ 
cher ift es, daß er auch die übrigen von ihm genannten Gebiete voll» 
ftändig in die Schenkung mit einrechnete.e Ganz unmöglich aber ift 
es, die Angabe des Biographen fo zu verftehen, daß die Schenkung 
nur das Erarchat mit der Pentapolis, Corfica, Spoleto, Benevent, 
und Einkünfte in Zuscien betroffen habe, während hingegen die übri⸗ 
gen vom Biographen erwähnten Gebiete nicht felbft geſchenkt ſeien, 
tondern nur die Grenzen der anderen wirklich gefchenften Gebiete ha- 
ben bezeichnen follen !. | 
Wie ift nun aber die Nachricht des Biographen über die Schen⸗ 
fung zu verftehen? Die Schenkungsurfunde jelbit ift nicht vorhan⸗ 
den, ihr genauer Wortlaut deshalb unbekannt; der Biograph felber 
macht gar feinen Anfpruch darauf, diefen pünktlich wiederzugeben. An 
der von ihm gegebenen Aufzählung der Städte und Provinzen muß 
man feithalten ; daran aber darf man mit gutem Grund zweifeln, 
ob diefe Gebiete dem Papit in fo bündiger Form und fo bedits 
gungslos geſchenkt wurden, wie die Worte des Biographen beim er- 
ften Anblick zu ergeben fcheinen. Und nun erinnere ich furz an die 
NRechtstitel, worauf der Papſt jeine Anfprüche ftügte. Er bezeichnet 
feine Forderungen wiederholt als die Rechte des Reichs und der rö> 
mifchen Kirche, des Heiligen Petrus ?; Häufig aber Hält er auch ſchon 
die Berufung auf eines von beiden, bald auf das römijche Neid) 5, 
bald auf die römische Süirche *, für genügend, um dadurch feine For⸗ 
derungen zu begründen; er ſprach fo, als wäre die römifche Kirche 
gleichbedeutend mit dem römischen Reich. Es beftand aber doch nod) 
ein wefentlicher Unterfchied. Seit dem Erlaß des Bilderedicts durd) 


nau genommen bildet die Bezeichnung im Suriano, in Monte Bardone dody 
einen Gegenfaß zu ben Worten: universum Exarchatum etc. Nur, glaube 
ER Tann bei dem Biographen eine fo fcharfe Unterfcheibung nicht gemacht 
werden. 

1 Dieß behauptet Borgia p. 283ff., aber willkürlich. Die Worte der 
vita Hadr. geben nirgend Anlaß zu einer ſolchen Erklärung. Borgia ſucht of⸗ 
fenbar den Umfang der Schenkung nur deßhalb zu vermindern, um wenigſtens 
einen Theil derſelben deſto ſicherer und vollſtändig für den heiligen Petrus zu 
retten. 

2 Val. z. B. Cenni I, 75: Beato Petro sanctaeque dei ecclesiae et 
reipublicae civitates et loca restituenda confirmastis; vita Stef. 169 D: pro- 
pter pacis foedera et proprietatis s. dei ecclesiae ac reipublicae restituenda 
jura; ib. 168C: Papa (Pippinum)... deprecatus est, ut per pacis foedera 
causam b. Petri et reipublicae Romanorum disponeret. 

3 Bol. 3. ©. vita Btef. 168 C, oben p. 460 n. 2. 

*VBgl. 3. B. vita Hadr. 180B; Cenni I, 169. 277 u. a. 









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Abröde rentinere 7: reddere. melde nd. 2cr den Turmmenten gehraudt, 
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waren, alle zuh ikr scrüßzezeben mern fsüten, batten beim Erarchat und 
ber Pentascl:s nur ten Zinn, bee ne vom Reich ledaerifien waren, aljo 
auch tem Reich, une Lem Tirt nur 2.5 Zertreter bed Reichs, zurückgegeben 
werten müsten. Zar dieſer Unterichred der Rechtstitel nicht damals ſchen 
verwiſcht — und er war ei augenicheinlih nit —, To liegt bierin der ſchla⸗ 
gendſte Beweis Latür, dag bie Schenkung ven Kierfu denjelben Inbalt wie be 
Echenfung Karls Hatte Tas Erarchat und die Pentapoli3, auch Narnia, 
forderte Etefan ala Rechte ded Reichs ; er forderte aber ebenjo die Rechte der 
Kirdye, und biefe waren nur bie Patrimenien. Indem Pippin in Kierfy bie 
Rechte nicht bloß bed Reichs, ſondern auch der Kirche zurüdzuerftatten ver: 
ſprach, verfprach er mehr als das Grardat und bie Pentapolis; er verfprad 
auch die Rückgabe ber Patrimonien, die in ben in der vita Hadr. genannten 
Gebieten zerſtreut Tagen. 

Ich gebe alſo die früher, Unterg. des Langob. p. 38 n. 4, geänßerte 
Anſicht inſoweit auf, daß ich glaube, nur das Exarchat und die Pentapolis 
feien dem Papſt vollftänbig —28 ſonſt aber bloß die Patrimonien. Was 


478 


Diefes Ergebnis wird durch die Ereigniffe der folgenden Jahre 
beftätigt. Hier verdient wenigftens ein Brief genannt zu werben, 
welcher biefen Character der Schenkung befonders deutlich bezeichnet. 
Am Jahr 777, als Hadrian durch die Verhältniffe gezwungen war, 
fi) über feine Yorderungen einmal genau und beſtimmt auszufpre- 
chen, jchrieb er an Karl: „Alles, was bie verfchiedenen Kaifer und 
Batricier und andere gottesfürdtige Menfchen in den Gebieten von 
Tuscien, Spoleto, Benevent und Corfica, zugleich im fabinenfifchen 
Patrimonium dem heiligen Apoftel Petrus und der heiligen und apofto= 
liſchen Kirche gejchenft haben, und was durch das nichtswürdige Volt 
der Langobarden im Lauf der Jahre fortgenommen ift, foll in Eu⸗ 
ren Zeiten wieder zurückgegeben werden. Wir haben auch mehrere 
Schenkungsurkunden in unferem heiligen Lateranarchiv aufbewahrt, 
und diefelben, um Euch genug zu thun, an Euch gefchiet, um fie 
Euch zu zeigen, und bitten Euch nun die vollftändige Zurückgabe die- 
fer Patrimonien an den heiligen Petrus und uns zu bewirken“ !, 
Ganz deutlich erhebt Hier Hadrian Anſpruch auf die in Stalien zer 
ftreuten Patrimonien der römifchen Kirche, keineswegs aber auf Tus⸗ 
cien, Spoleto, Benevent, Eorfica und die Sabina felber; nicht bie 
Gebiete felbft, fondern nur die darin gelegenen PBatrimonien find ber 
Kirche gefchenkt . Die durd die Langobarden dem Heiligen Petrus 
entrijjenen Befigungen und echte follen ihm zurückgegeben werden 3, 
und diejes find eben nur die Patrimonien, von welchen wiederholt die 
Rede iſt. Sehen wir alfo ab von dem Exarchat und der Pentapo- 
lis, deren Schenfung auf einem andern Rechtstitel beruhte, fo war 
überall fonft die Schenfung eine bedingte, und die Bedingung, woran 
ihre Vollziehung geknüpft war, diefe, dag Hadrian bei jeder Fordes 
rung, bie er erhob, die Berechtigung derfelben nachwies +. So ge 


Mod gegen bie Anfiht Halds, daß die Schenfung überhaupt nur die Patri- 
monien betreffe, vorbringt, ift jehr mangelhaft; vgl. auch die folgende Note, 

2 Cod. car. n. 49, Cennil, 353; vgl. aud unten. Mod p. 31 be 
ruft fih auf diefen Brief, um grade umgekehrt zu beweifen, daß die Schen: 
fung Karla fih nicht auf die Patrimonien, fondern auf die ganzen Provinzen 
bezogen habe. Aber daraus, daß Hadrian in diefem Brief nicht von der Schen= 
fung Karla, fondern von mehreren andern Schenfungsurfunden ſpricht, Tann 
bieß doch unmöglich geistofien werden; viel eher Fönnte daraus folgen, daß ihm die 
Schenkung Karld allein nicht einmal Rechte auf Patrimonien gab, ſondern 
nur ſolche beftätigte, welche er anderweitig nachweiſen konnte. 

Diefe Anficht äußert ſchon Giannone, Storia del regno di Napoli I, 
348, mit Bezug auf Spoleto, Benevent und die Beſitzungen in ben Fottifchen 
Alpen; vol. außerdem Schröckh, Chriftliche Kirchengefh. XIX, 588 ff.; Schmibt, 
Kichengefhichte IV, 217 f.; Hegel I, 214 n. 4; La Farina, Storia d’Italia I, 
272 N; beſonders auch Hald p. 33 ff. 

Hieher gehört, außer ben zablreihen Stellen in ben Briefen Hadriaus, 
auch die Angabe Einhards, vita Kar. c. 6, SS. Il, 446: Karolus non prius 
destitit, quam ... omnia Romanis erepta restitueret. Auch Töllinger p. 495 
fagt, die jränfifhen Könige baben dev römiſchen Kirche nur bie Einkünfte ber 
Ländereien bewilligt ; man muß aber hinzufügen, daß jie ihnen auch die Vers 
waltung überlicken. 

So auch Pertz, Legg. IIb, 8: Constat igitur Karolum ea quae Desi- 














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me Barınzurıe m: Eemrzsb soer” ıtlıım: a2 oa 223 den Berta 
kei Lasmıs Air, Cewi Il. 362: ... Zgmam a misericordissimo Deo 
nostro, intererdente b. Peir> apusisisram przcpe. pro cujus amore et re 
vereniis aur:m nustris peütiocuitus aecommoßare inspiralus fueras, suscipias 
mereedem. I:rin Rift zer nie IT 
5 Taber ir auch tie weitere Dermatkon; Hatd, p SSif., jene Ber 

ſprechungen bes Kartei Teien für Karl ter Saurtzrunt geweien, Die Schen⸗ 
fung zu erneuern, verieblt. Hald, p. 195, ñebt in der Schenkung eine bloße 
Kriegalift Karls, welcher beabñchtigt babe, unter dem Vorwand die dem heili⸗ 
en Petrus geſchenkten Patrimenien demielben zurũdzugeben, die Provinzen 
—*5 worin dieſe lagen, zu bekriegen und für fih zu erebern. Weil aber 

abrian jenen Bedingungen nicht vellſtändig nachgekommen fei, babe aud 
ee die Echenfung nit zur vollen Ausführung gebracht. Ich glaube nidt, 
daß dieſe Anficht über Karls Politik das richtige trifft. Auch ift fie mit einer 
anbern von Hald felber ſchon vorher, p. 40, ausgeiprochenen Behauptung 
nicht vereinbar, ber Behauptung, Karl babe die Schenfung gemadt aus Dank⸗ 
barfeit für die ihm von Hadrian geleiltete Ba bei der Unterwerfung 
von Defideriug; ferner um fange zu leben, um ein geſegnetes Andenken nad 
feinem Tode zu hinterlaffen u. dgl. Freilich ift auch diefe Vermuthung nur 
in beſchränktem Maße richtig. 


415 


Aber nit bloß in dem befchränkten Umfange der dem Papſt 
rklich überlieferten Beſitzungen zeigte ſich ſeine Abhängigkeit; auch 
Rechte, welche ihm innerhalb dieſer Beſitzungen ſelbſt zuſtanden, 
Iren keineswegs unbefchränft, Wir werden oft Gelegenheit haben 

jehen, wie weit feine Vefugniffe reichten; es wird ſich zeigen, 
ß die Oberhoheit überall dem fränfichen König zuftand '. Auch 
8 Exarchat und die Pentapolis waren biervon nicht ausgenommen; 
: Unfiht, wie Karl in Rom, fo habe Hadrian in Ravenna bie 
echte eined Patricius gehabt, beruht auf einem Irrthum?. Has 

* Genauer barauf einzugehen ift hier nicht der Ort. Nebrigens nehmen 
atzutage die Meiiten übereinftinnnend an, daß die Souveränität in ben ber 
rche geſchenkten Beſitzungen nicht dem Papſte, ſondern Karl zugeſtanden habe. 
ıB bie Kirche ſelbſt die volle Souveränität beſeſſen habe, iſt, außer neuer⸗ 
igs von Phillips, Deutſche Geſchichte IL, 250 f., und Papencordt, p. 99 n.1, 
mentlich früher von Baronius, Pagi, Orfi, Borgia, Cenni u. a. behauptet. 
nni macht übrigens, p. 297 f., zwiſchen den verfdiebenen Gebieten einen Un⸗ 
ſchied; er —K zu, daß in den Herzogthümern Tuscien und Spoleto der 
ipſt nur auf den Cenſus Anſpruch gehabt habe, die Hoheitsrechte dagegen 
j Karl übergegangen ſeien; die übrigen Beſitzungen aber, ſagt er, ſeien al⸗ 
dings dem Papſt mit allen Rechten der Oberhoheit übergeben worden (p. 
5: dominil quicquam sibi aut arrogasse (Karolum) aut reservasse, prao- 
'quam in Spoleti et Tusciae ducatibus, nusquam legitur). Borgia p. 276 
int, Karl habe auch Spoleto dem Papft vollftändig gefchenft, aber nachher, 
ch vor 780, fi mit ihm darüber vereinigt, daß er ſelbſt, Karl, die Ober: 
beit bebielte. Die Wahrheit it, daß Karl fie ihm nie zugeitanden battc. 
eß bemerkt ſchon Muratori, Ann. VII, 110, der mur das Exarchat ausnimmt; 
annone I, 348; neuerdings mit großer Entfchiedenheit Sugenheim p. 45 ff.; 
nel a. a. O.; La Farina a. a. O.; Gregoroviuß U, 398 fj.; Guizot II, 
Sf. nimmt an, daß, entſprechend dem noch nicht beſtimmt auögepräg- 
ı Begriff der Souveränität in jener Zeit, auch bie Souveränität im Kir: 
nftaat weder ganz dem Papite noch ganz dem Könige zugeflanden, fondern 
e eine biefes, der andere jenes Hoheitsrecht ausgeübt habe, eine Anficht, die 
anches für jich hat. Und ähnlich glaubt Waiß III, 165, daß über das 
cht des Papſies und feine Beziehungen zu Karl eine genaue Beſtimmung 
Ht getroffen war. Töllinger p. 495 fpricht es grabezu and, daß die frän- 
hen Könige ſich bie Oberhobeitörechte vorbehalten haben, wogegen zulegt 
ch Sybel p. 11 in Uebereinftinnmung mit Baronius, Phillips u. a., aber 
Widerſpruch mit den Thatſachen, jagt, Karl habe den Papſt anfangs, d.h. . 
yhl bis zur Raiferfrönung, unabhängig gelaflen. 

2 Bol. Halb p. 35; Sugenheim a. a. O.; Gregorovius ll, 405 ff. Daß 
e Bapft in Ravenna das Patriciat befeffen habe, behauptet Conni I, 294; 
‚Farina I, 30; Giefeler I, 1, 38. Sie berufen fich auf den Brief Hadriang 
. Karl, Cenni I, 520f., worin jener zwar Karl als Patricius anerfennt, 
gegen von ihm verlangt, daß er nun aucd das Patriciat des heiligen Pe— 
18, das ihm von Bippin verlieben fei, anerfenne, Aber ber Umſtand, daß 
ıbrian biefe Forderung aufjtellte, beweift nicht, daß fie gerechtfertigt war, 
ıbern bloß, daß er „mit Fluger diplomatifcher Taktik“ verſuhr, wie Grego⸗ 
bius II, 407 bemerkt. Was wir aus der Zeit von ber Schenkung Pippins 
3 790, da Habrian feinen Brief fchrieb, willen, widerſpricht eben der 790 
m erften Dial auftretenden Behauptung, daß Pippin ben beil. Petrus das 
ıtriciat Übertragen habe. Ueberdem bleibt ed, wie Waig IH, 82 n. 2 mit 
‚ht bemerkt, uñgewiß, ob Hadrian Karl grade ala Patricius von Nom, ben 
1. Betrus, alfo den Bapıt, als Batricius im Exarchat bezeichnen wollte, 
b noch ungewiſſer, ob der Papſt diefe Würde im Exarchat wirklich erhalten 
L 32 


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gu am: or Leobemile nd Tirtes ebseiesen babe, bak er von bm 
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Corte. zum m kim. nen din Triösoien beieiien babe, p. 1. 
Aber 223 Lımaz tr na üe ten Sup ber Kitche hinaus auf ale 
Am zer ariseienis erem Eiaribalter bei Kaiſers zuſtanden; Se 
sch L 2.8: La Farina DO. 5): St Mare. Abrege chronol. I, 379 ij. unb 


An is wer tmmne ib ber Ausfübrung von La Farina H, 31 hei, 
dat nit redrlic aber ıkarlihlih tie Gewalt Karls als Batricius einen Zu: 
wach erhielt. Dagegen verfällt au er in ben Irrthum, ben Papft als den 
Patricius des Erarchats au betrachten, val. eten p. 475 n. 2, und behauptet, 
indem er die Gewalt tes Köniad und bed Papſtes vergleicht, zwar nicht recht: 
lich, aber doch tbatiächlich jei die Gewalt beider diefelbe gewefen. Karl fei 
dem Namen nach Patricius, in der That aber König geweſen, Habrian bem 
Namen und ber That nach Patricius. Aber um 790 begegnet Habrian dem 
Namen nach nirgends als Fatricius, und thatſächlich erfcheint er ebenſowenig 
als felcher. 

* In den meiften Urkunden vom Juni 774 ab nennt ih Karl rex Fran- 
eoraum ot Langobardorum ac patriclus Romanorum, wogegen in ben früheren 


415 


„ber nicht bloß in dem befchränften Umfange der dem Papit 
wirffid, überlieferten Befigungen zeigte fih feine Abhängigkeit; aud) 
die Rechte, welche ihm innerhalb biefer Befigungen felbjt zujtanden, 
waren keineswegs unbeſchränkt. Wir werben oft Gelegenheit haben 

fegen, wie weit feine Befugniſſe reichten; es wird fid zeigen, 
die Oberhoheit Aberall dem fränfif—en König zuftand '. Auch 
das Erardat und die Pentapolis waren hiervon nicht ausgenommen ; 
die Anſicht, wie Karl in Rom, fo habe Hadrian in Ravenna die 
Rechte eines Patricius gehabt, beruht auf einem Irrthum?. Has 
* Genauer darauf einzugehen ift hier nicht ber Ort. Uebrigens nehmen 
Heutzutage die Meiſten itereinfümmenb an, baß bie Souneränitkt in Fi der. 
icche geſchenkten Befigungen nicht bem Papfte, fondern Karl zugeftanben habe, 
Daß bie Kirche felbft bie volle Souveränität beſeſſen habe, ift, außer neuer— 
bings von Phillips, Deutſche Geſchichte U, 250 f., und Papencordt, p. 99 n.1, 
namentlich früher von Baronius, Pagi, Orfi, Borgia, Genni u. a. behauptet, 
Eenni macht übrigens, p. 297 f., zwiſchen ben verſchiebenen Gebieten einen Uns 
terfchieb; er giebt zn, baß in den Derzogthümern Tuscien und Spoleto ber 
Papft nur auf den Cenſus Anfprud, gehabt habe, bie Hoheitsrechte dagegen 
auf Karl übergegangen fein; bie übrigen Befigungen aber, fagt er, feien alz 
lerdings dem Papfi mit allen Rechten ber Oberhobeit übergeben worden (pr 
295: dominii quieguam sibi aut arrogasse (Karolum) ant reservasse, prae- 
terquam in Spoleti et Tusciae ducatibus, nusquam legitur). Borgia p. 276 
meint, Karl habe auch Spoleto dem Papft voliſtändig gefchenft, aber nachher, 
noch vor 780, fi) mut ihm barüber vereinigt, baß er felbft, Karl, bie Obers 
hopeit behielte, Die Wahrheit ift, daß Karl fie ihm mie zugeflanden hatte, 
Dieß bemerkt ſchon Muratori, Ann. VII, 110, der nur bas Erarchat ausninmt ; 
Giannone I, 348; neuerbings mit großer Entſchiedenheit Sugenheim p. 45 
Hegel a. a. D.; La Farina a. a. O.; Gregorovius I, 398 fj.; Gulzot 
8ı8jf. nimmt an, daß, entſprechend bem noch nicht beſtimmi ausgepräg— 
ten Begriff der Souveränität in jener Zeit, aud die Souveränität im Sirs 
henftaat weder ganz dem Papite noch ganz dem Könige zugeftanden, ſondern 
der eine biefeß, ber andere jenes Hoheilsrecht ausgeübt habe, eine Anſicht, die 
mandes für fi hat. Und ähnlich glaust Waig IN, 165, daß über daß 
Net des Papſies und feine Beziehungen zu Karl eine genaue Beſtimmung 
nicht getroffen war. Töllinger p. 495 fpricht es gradezu aus, baß bie frünz 
Tischen Könige fi die Oberhoheitsrechte vorbehalten haben, wogegen zulegt 
noch Sybel p. 11 in Uebereinflinmung mit Baronius, Philips u. a, aber 
im Wiberfprud mit den Thatfachen, fagt, Karl Habe den Papft anfangs, d. h. 
wohl bis zur Kaiſerkrönung, unabhängig gelaſſen. 
= Bol. Salt p- 35; Sugenheim a. a. D.; Gregorovius U, 405ff. Daß 
ber Papſt in Ravenna bas Patriciat befeffen habe, Behauptet Cenni 1, 294; 
La Furina UI, 30; @icfeler II, 1, 38. ic berufen ſich auf den Brief Habrians 
an Karl, Cenni I, 520f., worin jener zwar Karl als Patricius anerfennt, 
bagegen von ihm verlangt, daß er num auch dad Patriciat des heiligen Pe: 
trus, das ihm von Pippin verliehen fei, anertenne. Aber der Umftand, dag 
adtian biefe Forderung aufftellte, beweilt night, dab, fie gerechtfertigt war, 
Oben bloß, daß er „mit Muger biplomatifger Taktit” verfuhr, wie Gregos 
tovius II, 407 bemerft. Mas wir aus der Zeit von ber Schenkung Bi 
bis 790, da Hadrian feinen Brief ſchrieb, wiflen, widerſpricht eben der 7° 
zum erfien Dal auftretenden Behauptung, daß Pippin dem beil. Petrus das 
Wotriciat Übertragen habe. Ueberbem bleibt eb, wie Waip IH, 82 m. 2 mit 
Net bemerkt, ungewiß, ob Hadrian Karl grade als Patricius ven Rom, ben 
Heil. Petrus, alfo den Papft, als Patricius im Grargat bezeichnen wollte, 
und noch ungewiifer, ob ber Papft biefe Würde im Grardat wirklich erhalten 
L 32 









418 


fpruch auf Unabhängigkeit vom römischen Biſchof, und auf ein 
großen Theil des Exarchats, namentlich auf die Pentapolis, indem 
er fi darauf berief, daß Karl ihm diefe Gebiete überlaffen habe !, 
Den Theophylactus fchidte er in die Pentapolis, um fie vom Papfte 
abzuziehen und unter feine eigene Botmäßigkeit zu bringen. Obſchon 
nım aber hier der Verſuch Leos fcheiterte, fo blieb doch ber Papft 
im übrigen entfchieden im Nachtheil. Ein großer Theil bes Era 
hats, die Städte und Gebiete von Faventia, Forum Populi, Forum 
Lioii, Ceſena, Bobium, Comiaclum, Ymola und Bologna blieben in 
der Gewalt des Erzbifchofs, deſſen ganzes Streben darauf gerichtet 
war, die gebietende Stellung wieber zu erringen, welche fein Bor 
gänger Sergius eingenommen hatte ?, 

drian mußte noch in demfelben Jahre, in welchen fein Tob 
feind Defiderius geftürzt war, die Unterftügung Karls anrufen. Gr 
ordnete feinen Sammerherrn Anaftafins und, wie es fcheint, den Bi- 
fchof Andreas zu ihm ab, um ihm wegen der Webergriffe Leos Bor: 
stellungen zu machen 9. Indeſſen war Karl fchon vorher durch Ge 
ſandte Leos felber über deſſen Abfichten unterrichtet worden. Ha 
drian beflagt fi in dem Schreiben, das er feinen Bevollmächtigten 
mitgab, darüber, daß Leo Geſandte an den König geſchickt habe, um 
ihm falſche Rathſchläge zu ertheilen und dadurch dem Papfte zu 
ſchaden. Ya nad) der Angabe Hadrians behauptete Leo, daß ihm 
von Karl alle die genannten Städte und die ganze Pentapolis über⸗ 
laffen worden fein. So weit ift jedoch Karl gewiß nicht ‘gegangen. 
Leo gab feinen Verſuch, die Pentapolis zu gewinnen, fo ſchnell wie 


2 Cod. car. n. 54, Cenni I, 320f,: Pervenit ad nos, eo quod proter 
vus ac nimis arrogans Leo archiepiscopus Ravennatium civitatis suos ad 
vestram excellentissimam benignitatem, ad contrarietatem nostram , falsa sug- 
gerendo direxit missos. Etenim... postquam ventra Excellentia a civitate 
Papia in partes Francise remeavit, ex tunc tyrannico atque procacissimo im 
tuitu rebellis b. Petro et nobis extitit, et in sua potestate diversas civitates 
Aemilise detinere videtur, scilicet Faventiam, Forum-Populi, Forum-Liri, 
Casesenas, Bobium, Comiaclum , ducatum Ferrariae, seu Imolas atque Bono- 
nias ; asserens, quod a vestra Excellentia ipsau civitates, una cum universa 
Pentapoli, illi fuissent concessae. Et continuo direxit Theophylactum mis- 
sum suum per universam Pentapolim, hoc ipsum denuncians, cupiens eondem 
Pentapolenses a nostro servitio Beparare. 

82 Agnellus, Vita Serg., Mur. 88. IIa, 174: Judicavit iste (Sergius) a fini- 
bus Perticae totam Pentapolim et usque ad Tusciam et usque ad mensam 
Walani, veluti exarchus sic omnia disponebat, ut soliti sunt modo Romani 
facere. Cenni I. c.: Antefatus nefandissimus archiepiscopus asserit, propo- 
nens Occasionem, in ea potestate sibi Exarchatum Ravennatium, quam Ser- 
gius archiepiscopus habuit, tribui. Gaillard UI, 126f. behauptet, ein Haupt: 

rund der Feindfchaft Hadrians und Leos fei die früher gegen bes erfteren 
efehl von Leo angeordnete Hinrichtung Afiartad gewefen, eine Vermuthung, 
die nicht das geringfte für ſich Bat. 

8 Cenni p. 323, wo allerdings nur von Anaftafiuß die Rebe if. Ta 
jedoch fpäter (Cenni p. 324) neben feiner auch der Nüdkunft des Andreas ge: 
dacht wird, darf man annehmen, day diefer, wenn nicht zugleich body ziemlich 
um biefelbe Zeit mit Anaftafius zu Karl abgeſchickt wurde. 





480 


Mitteilung bavon made, zeigt, daß er fir für mohlbegrhmber el, 
bie Gelegenheit ergriff, fie mittelbar gegem 
felber zu erheben. Allein er erreichte damit nichts; ir Sm 
wurde immer mißlicer. „Eicher vortreffliher Sohn“, ſchrieb er a 
Sarl, „mein Her, großer von Gott gefeßter König , ich bitte mb 
flehe als 

te 





dich an, ftünde ich dir felber gegenüber, und volf Bertremen, 
du mögeft ſchnell für die Erfüllung alles deilen forgen, was de 
von 





heiligen Petrus zum großen Heil deiner Seele ımd zum 
dein Gott —E Reich in deiner Schenkung 
1. „Sm reiner väterlicher Liebe und unter heißen 
ten wir dich, bu mögeft uns möglichft bald über dein, deiner Ge 
mahlin und deiner Kinder Wohlergehen genauer unterrichten : ; Dem 
bis heute warten wir umfonft auf deine Boten, und fo zwingt ums 
unfere heiße Liebe, die reinen Gefühle unſres Herzens vor beiner o⸗ 
niglihen Hoheit ausführlich darzulegen, denn dein Wohl ijt untere 
Freude und dein Glück unfer Triumph... Nächſt Gott und bem 
heiligen Petrus ift ımfere Hoffnung und unfer Bertrauen nirgends 
als bei dir“ °. „Wir bitten dich dringend, uns ſchleunigſt über beim 
Wohlergehen Nachricht zu geben, denn dein Wohl ift unjere Eicher 
beit und deine Freude unfere Freude“ >. 

Gewis Tiegt diefen Verficherungen, worm der PBapft feine Er⸗ 
gebenheit gegen Karl betheuert, mehr als bloße Höflichkeit zum —— 
es ſpricht aus ihnen das Bewußtſein Hadrians, daß er ohne des 
Könige Zuſtimmung und Unterſtützung überall nichts vermochte. Wir 
führten fie wörtlid) an, weil fie für die Lage des Papftes bezeidh- 
nend find. Nicht einmal der Anfprüce des Crzbiichofs von Ra⸗ 
venna konnte er fi aus eigenen Kräften erwehren; wie durfte er 
da anders als durch demüthige Bitten von Karl ein Zugeftändnis 
zu erlangen hoffen? Und dazu kam nun noch die Beſorgnis, daß 
zwifchen Karl und Peo ein Einverftändnis bejtehe. Karl machte in 
der That noch immer feine Anftalt, um für den heiligen Petrus ein- 
zutreten, und der Bericht des Anaftafius und Andreas lautete fei- 
neswegs tröftlih. Allerdings hebt Hadrian in feinem nädjften Brief 
an Karl gefliffentlich die aufs neue von ihm gegebene Verſicherung 
hervor, daß er treu fefthalte an feinem dem heiligen Petrus gegebe- 
nen Verfprechen; er rebet von einer Mittheilung Karls, die ihm 
befondere Freude gemacht habe *, deren Inhalt er jedoch mit feiner 


2 Cemni I, 325, cod. car. n. 53. 

2 (od. car. n. 52, Cenni I, 327. 328. 329. 

5 Cod. car. n. 51, Cenni I, 334. 

*Cenni I, 326: Itaque praesens vester missus aliam nobis obtulit 
praccellentiae vestrae epistolam, cujus confertam paginam discentes, valde 
noster lactatus est animus in vestrao mentis benigno proposito. Statt ve- 
ster missus wird wohl zu leſen fein noster missus , denn wir hören fpäter 
baß die Geſandten Karls auch im November noch nicht angefommen waren; 
daß aber vor der Rückkunft des Andreas ein Gefandter Karla in Rom ein: 
traf, iſt ſehr unmwahrfcheinlih; und davon, daß der Brief fpäter, erft nach dem 
November, angefegt werben bürfte , Tann vollends nicht bie Rede fein. Der 


481 


Stibe andentet '. Allein in Wahrheit war er von fchweren Sorgen 
erfüllt. Karl ließ ihn durch Anaftafius und Andreas willen, baf Leo 
perfönlich eine Unterredung mit ihm gehabt Habe, und darüber konnte 
er feine Verwunderung nicht verbergen. Der Erzbifchof, meint er, 
hätte ihm feine Abficht, zu Karl zu reifen, vorher mitthellen follen, 
damit er neben ihm einen eigenen Bevollmächtigten zum König hätte 
fcyiden fünnen . Sein Mistrauen wuchs, als er bald darauf von 
neuen Gewaltmaßregeln Leos hörte. Nachdem diefer von feinem Be 
ſuch bei Karl zurüdgefehrt war, trat er mit denfelben Anmaßungen 
wie früher auf. Er weigerte fich nicht bloß, den päpftlichen Anord⸗ 
nungen Folge zu leiften, fondern wehrte auch den Beamten in Ra⸗ 
venna und der Aemilia vom Papſt Befehle anzımehmen. Die von 
Hadrian eingefegten Beamten jagte er entweder weg, oder er warf 
fie ins Gefängnis. Imola und Bologna aber, verfündigte er, habe 
Karl nicht dem heiligen Petrus, fondern der Kirche von Ravenna 
geſchenkt. Er ließ Niemand aus diefen Städten nad) Rom gehen, 
fondern fette ſelbſt Beamte in denfelben ein, ohne um den Papft 
fi zu befümmern. 

Das ungefähr find die Klagen, mit welchen Hadrian fich aber- 
mals an den König wandte, in einem Schreiben vom 27. October 
7755. Man fieht aber nicht, daß Karl irgend einen Schritt that 


Brief muß jedenfalld vor den September 775 fallen; benn fpäter bören wir, 
daß Andreas dem Papft u. a. mittbeilte, Karl würde im Herbft Gefandte an 
ihn ſchicken, und daß der Papſt deßhalb ben ganzen September, October unb 
Novenber auf fie gewartet babe, Cenni I, 332. Hald p. 73 meint, ber Brief 
fei vor dem Juni gefchrieben, was leicht möglich ift; nur ift ber von ihm 
angeführte Grund unrichtig. Denn Karl Sieg über die Sachen, vor wel- 
chem nach Halds Anficht der Brief geſchrieben iſt, FAUL nicht ſchon im ben 
Juni; erft im Auguſt wurbe der Feldzug begonnen, vgl. Böhner, Regesta Ka- 
rolorum p. 10. Pagi a. 776 n. 3 jett die Zuſammenkunft Leos mit Karl, 
wovon im Brief die Rebe ift, und den Brief felbft in bie Zeit, da Karl in 
Friaul war, alfo in bie erite Hälfte 776; und fo denken auch St. Marc I, 
390 unb La Farina II, 13 an eine Zufammenfunft in Treviſo, eine Anficht, 
ber ih mich nicht anfchließen kann; vol. auch unten p. 483 n. 1. 

ı Cenni, ber freilich mit Rüdficht auf ben noster missus (vgl. p. 480 
n. 4) die Nachricht burd einen fränkifchen Boten überbradht werden läßt, 
glaubt auf Leo habe fie fich nicht bezogen, p. 326 n. 7. Halb p. 78 vermus 
thet dagegen, fie babe das Verſprechen Karls enthalten, die Forderungen Leos 
forgfältiger zu prüfen, und, falls fie unbegründet feien, die Schenfung an ben 
Papſt zu vollziehen. Ich glaube, man bat bier an die Mitteilung zu denken, 
von der Habrian nachher felbft redet, wenn er Karl erinnert, baß cr ihm 
durch Andreas babe fagen laffen, er wolle im Herbſt Gejandte nad Rom 
fhiden, „um ber Schenfung gemäß dem beiligen Stuble alles zu überliefern“, 
Cenni I, 332. Das trifft im Ganzen mit der Vermuthung Halds zufammen. 

2 Cenni 1, 326: De eo vero, quod innotuistis, ad vos properasse 
Leonem archiepiscopum, nos quippe, ut testatur veritas, libentissime acce- 
ptamus eos, qui ad vestra regalia accelerant vestigia;... et si praefatus 
archiepiscopus nobis direxisset ad vestri se prassentiam velle proficisci, 
gratuito animo nostrum missum cum eo direxissemus. 

3 Cenni I, 329f. Das Datum giebt der Papft felber an, p. 328. Ue⸗ 
bt das Verfahren Leo und bie Stellung von Ravenna vgl. Gregoroviuß II, 

3 fi. 


482 


um ihn zu beruhigen. „Du wirft dich erumern“, ſchrelbt Hadrian 
einen Monat fpäter an Karl, „daß du uns burd Andreas a2 def mel⸗ 
den laſſen, du werdeſt dieſen Herbſt deine Geſandten zu ums ſchicken, 
um deinem Verſprechen gemäß uns alles zu übergeben ; und fo war- 
teten wir den ganzen September, October und ben laufenden Re 
vember bi8 heute, deine Gefandten zu empfangen und e1b durch fie don 
deinem Wohlergehn zu hören. Da fie aber nicht kamen, ſchrieben 
wir nah Pavia an die dort von dir eingefegten Behörden, fie möch⸗ 
ten und Nachricht über die Ankunft deiner Geſandten geben. Allen 
fie antworteten, es werden jet gar feine Gefandte von dir zu uns 
fommen“ \, €o auffallend die Zurücdhaltung Karls iſt, fo wenig 
vermögen wir doch die Gründe, die ihn dabei leiteten, zu erlen 
nen *. Daß ein förmliches Abkommen zwifchen Karl und Leo ge: 
troffen war, it nicht mit Sicherheit zu erweifen; und daß die Sach⸗ 
ſenkriege feine Aufmerffamfeit von Italien volfftändig abzogen, ift 
ebenfo wenig glaublich; wenn Karl wirflid daran gelegen war, ben 
Forderungen Hadrians nachzukommen, fo hätte er gewiß die Mittel 
und Wege gefunden, um wenigiten® vorläufig jeinen Beſchwerden ge 
gen Yeo abzuhelfen. Es bleibt nur übrig anzunehmen, daß Karl den 
Erzbifchof abjichtlic; gewähren ließ, und dag Leo allerdings von die 
ſem Entſchluſſe Karls unterrichtet war. 
Inzwifchen hatten aber auch bie Gegner der Herrſchaft Karls 
felber in Stalien jich zu regen angefangen. Es verlautete, daß ber 
erzog NRuodgaufus von Friaul den Eid der Treue gegen Karl ge 
rochen und die Fahne des Aufruhr erhoben habe >, ja daß er bar: 
nad) trachte, felber König zu werden +. Ruodgaufus jtand überdies 
mit feinem Unterfangen nicht vereinzelt da, fondern handelte im Cin- 
verjtändnis mit den mächtigſten Herzögen Staliens, Arichis von Be 
nevent und Hildeprand von Spoleto, denen fid) auch der Herzog 
Reginbald von Clufium angefchlojfen hatte ?. Auch Meldis trat 
diefem Bündnis bei, das ebenfo gegen den Papft wie gegen Karl 
gerichtet war 6. 


1 Cod. ear. n. 51, Cemni I, 333, vgl. p. 481 n. 1. Wenn Habrian 
bier von den judices fpricht, die Karl in Pavia eingefebt babe, fo gebraucht 
er eben bie alte langebardiſche Vze hnung für die neuen fränkiſchen Beamten. 

2 WVgl. übrigens unten p. 484 n. 2. 

5 Ann. laur. maj., SS. I, 154: Hrodgandus Langobardus frauda vit fidem 
auam, et omnia sacraments rumpens, et voluit Italiam rebellare. 

* Ann. Einh., 88. I, 155: ...Hruodgaudoque qui regnum adfectabat 
interfecto... ebenfalls müßte aber dieſes Königthum fehr beihränft gewe: 
fen fein, benn Arichis war gewis nicht geneigt jeine Selbftindigfeit aufzugeben, 
und ebenfo wenig würde wohl ber Herzog von Eroleto den von Friaui ala 
König über fih anerfannt haben. Darnach ift auch bie Angabe des poate 
Saxo über Ruodgauſus zu berichtigen, 88. I, 232: Italise latum volait sibi 
subdere regnum. 

s Cod. car. n. 59, Cemni I, 344 t. 

6 Cemi I, 345. Daß Adelchis bei biefer Gelegenbeit König werben 
fette, wie Lee I, 205 f. ausführt, if aus denſelben Grünben nit wehl wahr: 
ſcheinlich, welche gegen einen ſolchen Plan hinſichtlich des Ruodgaufus irre 


483 

So ſchien die gemeinfame Gefahr wieder zu einer innigeren 
Annäherung Karls an Hadrian führen zu müffen. Es tft zwar nicht 
überliefert, aber doch wahrfcheinlich, daß Karl bie erfte Nachricht von 
ben Plänen der verbündeten Herzöge durch Habrian erhielt. ‘Dabei 
verdient jedoch der Umftand Beachtung, daß Hadrian die Spike die⸗ 
fer neuen Waffe gegen Leo kehrte, indem er ihn befchuldigte an dem 
Dindnis Theil zu haben. In dem Briefe, den er am 27. Octo⸗ 
ber 775 an Karl ſchrieb, fagt er wörtlich: „Wir haben einen an 
und gerichteten Brief des Patriarchen Johannes von Gradus erhal- 
ten, und fofort, in derfelben Stunde und in demfelben Augenblid, 
ohne Speife oder Trank zu ıms zu nehmen, fertigten wir, ich und 
der Schreiber diefes apoftolifchen Briefs, den Brief des Patriarchen 
nebit unferem apoftolifchen Begleitfcehreiben an dih ab. Sehr leid 
that e8 uns aber, daß wir das Siegel des Briefs eröffnet fanden, 
denn der Erzbifchof Leo Hatte ihm zuerst gelefen und dann an ums 
geſchickt; daran magjt bu die Treuloßigkeit des Erzbifchofs erkennen, 
denn zu feinem andern Zweck hat er diefen Brief zuerft eröffnet und 
gelefen, als um feinen ganzen Inhalt, wie gewis Jedermann deut- 
ih ift, dem Herzog Arichis von Benevent und den übrigen Feinden 
von dir umd uns mitzutheilen; und es iſt fein Zweifel, daß der Erz 
bifchof feinen Großen bereits alles mitgetheilt hat“ '. 

Hatte fi) Leo in der That dem Bündnis angefchloffen ?_ Has 
drian fpricht von Arichis und den übrigen Feinden des Königs und 
des heiligen Petrus nur gelegentlich; es kommt ihm alles darauf 
an, Leo als ihren Mitjchuldigen darzuftellen. Freilich find feine 
Ausfagen gegen diefen, den er tödtlich hate, mit der äußerſten Vor» 
fiht aufzunehmen; dennoch ift es nicht möglich, fie für erdichtet zu 
halten: Hadrian hätte dadurch Lediglich fich felber bloßgeftellt ; er 
muß für feine Anklage beftimmte Anhaltspunkte gehabt haben. Wir 
dürfen als ficher annehmen, daß Leo den Brief erbrodyen hat; wo⸗ 
gegen die weitere Angabe Habrians in hohem Grade verdächtig iſt. 
Daß Leo ben Brief erbrach, genügte allein ſchon, um Verdacht ges 
gen ihn zu erweden, und diefe Gelegenheit benutte Hadrian zu der 
Beſchuldigung, daß Leo gemeinfchaftliche Sache mit den Feinden Karls 
mache. Aber in Wahrheit ergeben die Worte des Papſtes felber, 
daß er über die Meittheilung des Briefs an Arichis nichts Beſtimm⸗ 


chen, aber body eher denfbar, als daß die Herzöge Einem aus ihrer eignen 
Mitte fi untergeordnet hätten. Bei der Angabe Hadrians, p. 345, es fei bie 
Abficht gewefen Langobardorum regem integrare, fieht man nicht deutlich, ob 
dabei grade an Adelchis gebadht if. 

2 Pagi a. 776 n. 6 ſetzt diefen Brief, Cenni I. 327 ff., wie den nächſten, 
Cenni I, 331 ff., ind Jahr 776. Allein das Verfahren Leos läßt fich viel 
eher erklären, wenn man es nicht nad) fondern vor dem Erſcheinen Karls in 

riaul anfegt ; wol. auch oben p. 480 n. 4. Uebrigens weift auch Leibnit I, 
3 diefe Briefe dem Jahr 776 zu; Muratori, Ann. VII, 331 ff., fett fie fogar erft 
ind Jahr 777, was aber jedenfalls unrichtig ift, ba Leo zu Anfang des Jahr 
777 farb, vgl. unten p. 491. 


484 


te8 wußte ', und dadurch verliert feine Behauptung alles Gewicht. 
Wir find nicht zu der Annahıne berechtigt, daß Leo an dem Bünd- 
nis gegen Habdrian und Karl betheiligt war ?. Ä 

Die Nachrichten, welde Karl von Hadrian und auch wohl noch 
von anderer Seite zugingen, fcheinen ihn übrigens allmälich beunru- 
bigt zu Haben. Noch im November Hatte der PBapft vergeblich auf 
die Gejandten gewartet, welche Karl ihm zum Herbſt nad Rom zu 
ſchicken verjprochen hatte °; wenig fpäter jedoch müffen fie angelommen 
fein. Die Mittheilungen des Andreas und Parbus, welche im November 
als Bevollmädtigte Hadrians zu Karl abreiften *, bejtimmten ihn viel 
leicht den Entfchluß zum Einfchreiten zu faſſen. Während er felbft 
nach Schlettitadt ging, um von dort aus bie Rüftungen zu betreis 
ben 5, ſchickte er auch endlich die fo lange in Ausficht geftellte Ge- 
fandtfchaft nach Italien ab, um genauere Erfundigungen über den 
Stand der Dinge einzuziehen. Um Neujahr 776, vielleicht noch zu 
Ende des Yahres 775, kamen ber Bifchof Pojleifor und der Abt 
Rabigaudus als Bevollmächtigte des Königs in Italien ans. Der 
Papſt bereitete fich vor, fie würdig zu empfangen, und fchiete ihnen 


ı Habrian findet es angemeffen, ber Befchuldigung, daß Leo ben Brief 
an Arichis mitgetheilt babe, bie Worte beizufügen: ut certe omnibus mani- 
festum est, worin feheinbar eine Belräftigung, im der That aber eine Ab: 
ſchwächung feiner Behauptung Tiegt ; und gleich baranf fährt er fort: dubium 
non est, cuncta jam praefatis aemulis ab oodem archiepiscopo esse adnuntiata. 

2 Papencordt p. 100 rechnet Leo unbedenflich mit zu den Verbündeten. 
Eigenthümlich ift die Anfiht von Hald. Er meint, Karl habe bie Schenkung 
an den Papſt nur unter beftimmten Sebingungen gemacht, beren eine babin 
gelautet babe, daß ber Papft in Stalien die Rolle eined Kunbfchafterö (spe- 
eulatoris) übernehme (vgl. oben p. 474). Diefelbe Aufgabe, fagt er, 
babe Karl auf Leo übertragen, und nur unter biefer Bebingung ihn fo reich 
mit Befigungen audgeftattet, p. 115 n. (nah Halds Meinung hatte Karl 
bad Exarchat Leo geichenkt, vgl. oben p. 479 n. 1). Die Auflage Hadrians 
geaen ben Erzbifhof, dag er jenen Brief verrathen babe, nennt Halb eine 

erläumbung ; bätte Leo bieß gethan, fagt er, fo würde er von Karl beftraft 
und nicht fo reich befchenft worden fein. Daß dagegen Leo den Brief erbrach, 
findet er ganz begreiflih, da es ja Leos Aufgabe geweſen fei, den Papft zu 
überwachen. Richtiger ift wohl bie Anficht von Vesi, Storla di Romagna I, 
895: Carlo, che per politica non voleva ingrandir troppo di temporali do- 
minj il pontefice, e che forse nella rottura fra Roma e Ravenna credeva di 
poter trovare un colore per non effettuare le sue promesse, non assenti pie- 
namente alle dimande dell’ urcivescovo, ma non si Ooppose, e lascid con pia- 
cere che il pontefice trovasse un contradditore. 

5 Dal. oben p. 482; Cemni I, 332. 

* Cenni I, 332: Cupientes de vestra prosperitate certos laetosque ef- 
fici, magnopere studuimus praesentes nostros missos , scilicet antefatum An- 
dream, sanctissimmm fratrem nostrum episcopum, et Pardum Deo amabilem 
dilectum filium nostrum egumenum, ad vestra regalia transmittere vestigie ... 
eosque diligenter informavimus , quae de singulis causis vestrae a Deo pro- 
tectae Excellentiae nostra vice enarrare debeant. 

6 Ann. laur. maj., S8.1,154. Hierin Schlettftadt feierte Karl Weihnachten. 

° Cenni I, 340, cod. car. n. 58. Nach ber Anficht Cenni's kamen bie 
Geſandten erſt im Februar 776 nach Italien, und zwar nach dem 7. Februar. 
Cenni ſetzt nämlich, I, 343 n. 2, bie Briefe, ood. car. n. 58. 59, Cenni I, 


485 


Leute mit Pferden entgegen, um fie einzuholen. Allein in Peruflium 
verließen bie Geſandten die Straße nah Rom und eilten gerabes 
Weges nach Spoleto; Hadrian thaten fie durch feine Abgeordnete 
zu willen, daß fie erft mit Herzog Hildeprand von Spoleto unter« 
handeln und dann zu ihm nah Rom kommen würden; fo laute thr 
Auftrag. Diefe Nachricht verfegte den Papft in große Aufregung. 
Nun war e8 freilich ganz natürlich, daß die Gefandten, welche ben 
Landweg über Perufium eingefchlagen hatten, und ohnehin nicht bloß 
nah Rom, fondern auch nad) Spoleto und Benevent reifen wollten, 
fi) zuerst nah Spoleto, von da nad) Rom, und dann weiter nad 
Benevent begaben, und daß fie fich nur unter dringenden Umftänben 
entfchloffen, um nad) Spoleto zu gelangen, den großen Umweg über 
Nom zu maden, und fi) dann wieder ſüdlich nach Benevent zu 
wenden. Grade diegmal aber kam alles barauf an, daß fie mög: 
lichſt Schnell nach Spoleto eilten. Hadrian jedoch nahm darauf Feine 
Ruückſicht. Er betrachtete ſich felbjt al8 den Herrn von Spoleto, da 
ja die Spoletaner umd Herzog Hildeprand jelber dem heiligen Pe- 
tru8 den Eid der Treue geleiftet hatten !, und erblicte deshalb in 
den Verhandlungen, welche die fränfifhen Geſandten ohne feine Mit- 
wirkung unmittelbar mit Hildeprand anknüpften, eine Verlegung ſei⸗ 
ner eignen Rechte. Er wünfchte, daß die Franken ihm zur Vermeh⸗ 
rung der Befigungen des heiligen Petrus behüfflich fein follten, und 
erwartete im Hinblick auf das DVerfprechen Karls, daß fie fofort 


839 ff. 343 ff, worin Habrian von der Ankunft der Geſandten fpricht, in 
den Februar 776, weil darin geſagt ift, ber Aufftand ber wiberfpenftigen Ser: 
zöge folle proximo Martio mense adveniente auöbredhen (vgl. unten p. 488) 
Ach glaube num aber, daß Habrian nicht bloß im Februar, fondern in jedem 
andern Monat vom „nächiten März” Tprechen konnte, und finde daher in bie: 
fen Worten feinen Grund, die Briefe in den ‘Februar zu ſetzen. Eher könnte 
babin führen, daß in dem Brief cod. car. n. 60, Cenni I, 386 ff., ber etwa 
am 7. Februar 776 gefchricben (Cenni p. 310) und worin von ben Geſand⸗ 
ten nicht die Rebe ift, der Herzog Reyinald von Elufinm ausdrüdlich als ber 
frühere Gaftalb von Castellum Felicitatis bezeichnet wird (Cenni p. 387), 
während der Bapft in dem Briefe cod. car. n. 59 (Cenni p. 844) zur Be 
zeichnung feiner Perſon es genügend findet, ihn als Herzog von Cluſium auf: 
zuführen. Es ift nun allerdings natürlicher, anzunchmen, baß ber Brief, 
welcder bie genaue Bezeichnung enthält, dem der fich ihrer überhebt, voran: 
ging; aber ficher ift dieſer Schluß nicht, zumal da Hadrian bdiefe Briefe alle 
in großer Aufregung fehrieb. Schwerer wiegt, baß die fränfifchen Geſandten 
fi) geraume Zeit in Spoleto aufhielten (Cenni p. 840). In die Zeit vom 
8. bi8 Ende Februar müßte alfo ihre Ankunft in Perufium, ihre Reife nad 
Spoleto und längerer Aufenthalt dafelbft, die Reife nach Benevent mit eini: 
gem Aufenthalt, dann ihre Ankunft in Rom fallen, was kaum denkbar iſt. 
Wir ziehen e3 daher vor, obfhon mit Sicherheit ſich nicht? ermitteln läßt, 
ben Brief cod. car. n. 60, Cenni p. 336 jf., hinter bie beiden Briefe n. 58. 
59 zu fegen. Derjelben Anficht it übrigens Pagi a. 775 n. 8, der beide ins 
Jahr 775 fept. Dagegen ſetzt Leibnig I, 61 bie Reiſe des Poſſeſſor und Ra: 
bigandus zu früh an, wenn er meint, fie babe gleich nah Karla Rückkehr 
aus Stalien, alfo doch ſchon 774, ftattgefunden, Jaffe p. 206 fließt fich 
Cenni an. 
I Bol. oben p. 457. 


14: 
J 








arcæes er Zum X 
ben er æeres des Gre 
gen‘, nah Kr zer Smmer. „am smmiche Berüber sm beratken, 
nes Zert” ? Dem 





wele e auch 
khreı mA Yarsı mufır, fonderı Segaher ch SZ pelere fer 
nen such Fersen. 

Tieres Kıcazaı ge Penlmichcyer Karls wer für den Fat 
en karrr Sdlng „Ze user zn Frier Schummf ;wneingt m 
de Amafung der Suolezzıer äcür* *, Aagt er in dem Schreiben, 
dad er cı walge Meier Zorzing Katt riieere. Ns neue rk 
er im 'eme =ı Rım ggesere Terfermg me Gerüchtnis zurid, 
daE er mie or (Falr ur Edelitzze oder Silber, noch um für 
der 5 mm) Mer’ter m eewerSer. Tonderr dem heiligen $etrai 
zu Venen Rechte zu verheifez. der ;seld;ny unternommen habe, nd 


ihn amzelegertlih, die uch Vene Gerandten gefränften päpkıi 
Rechte wiederherzuftellen. Er forderte, duk Karl das Zerfeh 
jeiner Gejandten miebrlliger Tolle; aber glaubte er wirklich, def 
König die chim mwüre? Beam er die Ueberzengung hatte, jo 
brauchte er nicht die großen Beiorgmiiie zu hegen, von welchen fen 
Brief erfülle ft“. Aber er machte jene Rechte auf Epoleto mit 


U Cenni I, 332: cal. oben p. 422. Tie Bebruptung bes Papiied, 
Cemi I, 340: „tie trinfiiden Mziızzten baten ren Karl ben Bejehl gebatt, 
birect nah Rem zu >eben, dies tebe in Karla Brief ſelbſt gefchrieken“, kam 
Ab webl nur zur jene ven cem Erich Andreas überbrahte Nachricht kesie 
ben, Karl weile im Kertit Geſandte nad Rem ſchiden, qui nobis (dem Parfi) 
ompis s“cundum vestram promissionem ceontradere deberent. Allerbinas 
f&lickt Cenni p. 348 n. 3 aus den Worten: ut vestros honorandos apices re 
legentes invenimus (p. 340), während tie Gelandten ron Rerufium nab 
Spolete reiften, bate Kacrian ren Karl die Nachricht erbalten, fie follten ihn 
fofort in Rom aufſuchen. Dieß ift aber jehr unwahrſcheinlich, ja bie Ge 
fandten feinen fih grabe ſelber für bie von ihnen einaefhlagene Reiſeroute 
auf ihre Jnitructienen zu berufen: tantummodo cum Hildebrando loguimur, 
et deinde, ut directi sumus , una vobiscum apud domnum spostolieum con- 
jungemus. Obgleich Hadrian die Worte „wie und befohlen iſt“ nur auf bie 
Heife ber Geſandten nah Rom bezieht, unterliegt es doch feinem Zweifel, daß 
fie auch auf das vorangehenbe fich beziehen. 

3 Cenni I, 341, cod. car. n. 58. 

8 Conni l. c.: Tunc per dispositum... apud Beneventum vos profi 
cisei dinponemus. 

Cenni Il. e.: Nos in magna derelinquentes ignominia... Spoletinos 
ampliaverunt in protervia. 

s Conni Il, c, Statt literas et homines tft offenbar terras et homines 
zu Iefen, wie aud) Bouquet V, 548 thut. 

Cunni 1. e.: Valde hanc nostram (Spoletum) perturbaverunt provin- 
ciam, ot pro hac re in magna tristitia noster jacet animus... Obsecrantes 
petimus, ut do tanta et tali tribulatione, in qua nos ipsi vestri dereliguerunt 
missi, velociter per fidelissimos ot benignissimos vostros missos nos consolari 
et laotificari jubeatis, quia et ipsum Spoletinum ducatum vos praesentiali- 


EEE 


487 


ſolchem Eifer geltend, daß fich bie Vermuthung aufdrängt, er habe 
fie faft fchon verloren gegeben. Die. Bi htigten Karls han⸗ 
beiten in einer fo wichtigen Angelegenheit gewis nicht feinen Be⸗ 
fehlen zuwider ; fie beriefen fich vielmehr gräbe M ihrer Rechtferti- 
gung auf diefelben. Es bleibt daher fein Zweifel übrig, daß Karl 
felber den Gefandten das Verfahren, über welches der Papſt fich fo 
bitter beflagt, vorgejchrieben Hatte !. 

Selbft die beiden von denfelben Gegnern drohende Gefahr ver- 
mochte nicht, Karl zu einem Zugeftändnis an die ſelbſtſüchtigen Be⸗ 
ftrebungen des Papites zu bewegen. Er vermied es forgfältig, mit 
dem Bapfte Gemeinjchaft zur Bewältigung der Verbündeten zu mas 
hen, und verfuchte lieber auf eigene Hand mit ihnen fertig zu wer⸗ 
den. Hadrian wurde von den Unterhandlungen, bie Karl mit den 

erzögen von Spoleto und Benevent anfnüpfte, fern gehalten; es 
lieb ihm feine andere Wahl, als dem von den fränkischen Bevoll⸗ 
mächtigten ohne feine Mitwirkung, ja ungeachtet feiner ausdrückli⸗ 
hen Verwahrung entworfenen Plane beizutreten. Weber das Ergeb» 
nis ihrer Verhandlungen mit Arichis ift freilich nichts bekannt; dages 
gen fcheint mit Hildeprand von Spoleto ein Uebereinkommen erzielt 
worden zu fein. Die Gejandten bemühten fih, ben Papft mit ber 
Haltung Hildeprands auszuföhnen, und forderten Hadrian auf, dem 
Herzog Geißeln für feine Sicherheit zu ftellen; dann würde der⸗ 
jelbe vor ihm erfcheinen und Erklärungen über feine Haltung abge 
ben ?. Hatten fie denn gar fein Auge für die Verfchwörung, im 
welche nach der Ausfage Hadrians auch Hildeprand verwidelt war 3? 

adrian mußte fich entjchließen, ihrer Aufforderung gemäß feinen 

hatmeilter Stefan nad) Spoleto abzuordnen, und traf Anftalt 
auch Geißeln dahin zu jchiden; „aber“, fchreibt er, „als unfer 
Botfchafter nach Spoleto fam, traf er Hildeprand voll Uebermuthe, 
denn er fand bei ihm die Geſandten des Arichis, Herzogs von Be: 


ter obtulistis protectori vestro b. Petro, principi apostolorum, per nostram 
mediocritatem pro animae vestrae mercede, et ita obnixe quaesumus..., ut 
nostram deprecationem de praedicta afllictione et praenominato Spoletino du- 
catu celerius effectui mancipetis. 

2 Bol. Hald p. b1ff., der gleichfalls annimmt, daß das Verfahren ber 
Geſaudten ihren Vollmachten entſprach. 

2 Cenni I, 343: Vestri missi... a Benevento repedantes per praedi- 
etum Hildibrandum ad nos properant, nimis nos obsecrantes, propter nomi- 
nati Hildibrandi noxam, ut ei veniam tribueremus, adserentes, ut apud eum 
nostrum iudiculum et obsides pro sua dubitatione (mitteremus ? Cenni), et 
Hildibrandus nostris se praesentaret obtutibus. Ganz wörtlich darf man 
wohl dieſe Auglaffung Hadrians nicht nehmen; der Maßſtab, nach welchem er 
bad Auftreten Hildeprands beurtheilte, war ein anderer als ber ber fränfi: 
fhen Gefandten, über deren Beziehungen zu ben Spoletanern Habrian fi 
eben erſt beklagt hatte. 

3 Cemni l. c.: Reminisci consideramus a Deo protectam Excellentiam 
vestram, quod saepius vobis innotuimus de Hiltiprando Spoletino duce seu 
Arigiso Beneventano duce atque Rodgauso Forojuliauo de saevissimo consi- 
lio, quod erga nos atque vos gerere non differunt. 


der 
ihre Beichlüffe jo genau ? Sein (Seiandter wohnte der Berjememlung 
gewis nicht bei, und ihre Beſjchlum̃e wur i 


die er gegen den Herzog erhob. Ohne Zweifel waren dieſelben je⸗ 
doch nicht mehr am Plage. Unläugbar giebt Hadrian die Pläne 
der Verbündeten richtig an; aud die Zuſammenkunft ihrer Bevoll⸗ 
mädhtigten in Spoleto muß ftattgefunden haben; die Herzöge unter: 
zogen ihre Pläne einer neuen Berathung. Soviel ergiebt ſich mit 
Sicherheit aus den Angaben des Papftes. Alle weiteren Folgerun⸗ 
gen dagegen entbehren der Begründung. Die Verfammlung in Spo 
leto fann nicht fo unbedingt an den früheren Entwürfen fejtgehalten 
haben, wie Hadrian es darzuftellen ſcheint. Wir dürfen vermuthen, 
daß fie durch die vorangehenden Unterhandlungen der fränkischen Ges 
fandten mit Arihis und Hildeprand hervorgerufen war. Während 
aber Arihis auch ſpäter als Feind Hadrians und Karls auftritt, 
reifte Hildeprand fogar brei Jahre fpäter ins fränkische Reich, um Karl 
feine Huldigung darzubringen ?, und kämpfte 788 an der Seite ber 
Franken gegen Adeldhisd. Das Bündnis der Herzöge war aljo von 
furzem Beftand; es Scheint, daß Karl ſchon 776 es zu fprengen 
verfuchte. Offenbar war es feinen Gefandten, die fi dem Papft 
gegenüber fo eifrig Hildeprands annahmen, gelungen, diefen auf 
Karls Seite zu ziehen, und die Klagen Hadrians beweifen, daß dieß 
auf feine Koſten geſchah. Hildeprand war der Unterwerfung unter 


1 Cenni I, 344. 
2 Ann. laur. maj., 88. I, 160. 
5 Ann. laur. maj,, SS. I, 174. 


489 


ben apoſtoliſchen Stuhl müde !; ben Anfchluß an Karl aber konnte 
er, angefichts der dem König von den Verbündeten drohenden Ge 
fahr, nie unter günftigeren Bedingungen zu bewerfitelligen hoffen. 
Alles deutet darauf hin, daß Hildeprand bereits im Yahre 776 ſich 
Karl in die Arme warf; dem König war es gelungen, Zwieſpalt in 
die Reihen feiner Feinde zu bringen, und die Wirkungen davon müſ⸗ 
u grade bei der Zuſammenkunft in Spoleto fich geltend gemacht 
a 


en. 

Nachdem Karl auf dieſe Weiſe im voraus die Kraft der Ver⸗ 
bündeten gelähmt hatte, konnte es ihm nicht ſchwer fallen, fein vol⸗ 
le8 Anfehen wieder herzuftellen. Noch im Winter zog er über die 
Alpen und warf fi auf NRuodgaufus, der bereit8 mehrere Stübte 
zum Abfall von Karl verleitet hatte . Nach kurzem Kampfe um⸗ 
terlag der Herzog; zweifelhaft bleibt nur, ob er im Kampfe fiel ®, 
oder, wie ein fpäterer Bericht erzählt, gefangen genommen und nache 
her enthauptet wurde *. Karl führte die abtrünnigen Städte zum 
Gehorfam zurüd 3; auch ZTrevifo, wo bed Ruodgaufus Schwieger- 
vater, Stabilinus, den Widerftand leitete, flel, nachdem er es einige 
Zeit belagert hatte, durch Verrath in feine Hände ®. 

Karl feierte als Sieger Oftern, 14. April, in Trevifo”, umd 
vermeilte nachher über zwei Donate, bis in den Yuli, in diefen 
Gegenden ®. Er benugte die Zeit, um verjchiedene Maßregeln zur 
Sicherung feiner Herrfchaft zu treffen, ohne doch ſchon damals durch⸗ 
greifende Veränderungen in der Verfaſſung und Verwaltung des 
Landes vorzunehmen I. Wie es fcheint, befchleunigte er feine Rück⸗ 
fehr wegen der drohenden Bewegungen der Sachſen; „mit derfelben 
Schnelligkeit, womit er gefommen war, fehrte er heim“, berichten 
Einhards Annalen. 

Durch Karls fiegreiches Einfchreiten war für den Augenblid 
auch der Papft aus ber ihn bedrohenden Gefahr befreit; aber dem 
Hauptziel feiner Wünfche war er um feinen Schritt näher gefom- 


2 WVgl. namentlich bie Stelle Cenni I, 341, oben p. 486 n. 6. Gaillard 
1, 125 ff. legt gleichfalls auf das Streben Hildeprands, ſich ber päpfllichen 
Hobeit zu entziehen, das Hauptgewicht; nur geht daraus nicht hervor, daB 
diefeß ben Anftoß zu dem Bündnis gegen Karl und ben Papſt gab. 

® Ann. laur. maj. |. c. 

3 Darauf deutet die Urkunde, Bouquet V, 738, worin Karl dem magi- 
ster artis grammaticae Paulinus die Befigungen des Waldanbius ſchenkt, die 
confißcirt waren, weil ihr Beſitzer in campo cum Forticauso (Rodigauso) ini- 
mico nostro a nostris fidelibus fuerit interfectus; val. Leibnitz I, 62. 

* Ann. mett., Bouquet V, 342: Improvisum Ruodgaudum cepit et de- 
collari praecepit. 

5 Ann. laur. maj |. c. 

6 Ann. petav., 88. I, 165 Hugo Flav. chron. vird., SS. VIII, 351. 

? Ann. laur, maj. I. c. 

° Bol. die Urkunde Karla für Anfelm von Nonantula, Tiraboschi No- 
nantula II, 24, Böhmer n. 85, die troß ber falfchen Indiction umd bed uns 
genauen Namens des Kanzlers doch echt zu fein fcheint. 

ꝰ Bol. namentlih Waitz II, 1527. 


490 


men. Die römiſchen Angelegenheiten blieben völlig unerledigt. Karl 
fchenkte, fo viel fich erkennen läßt, den Forderungen bes 

nicht die geringfte Beachtung. Die Hoffnung, welche Habrian auf 
die Ankunft fränkifcher Gefandter geſetzt hatte, war nicht erfüllt wor 
den; Karl felber hatte es, obgleicd, er nad, Niederwerfung des Auf 
ſtandes noch geraume Zeit in Stalien fi aufhielt, vermieden nad 
Rom zu kommen, ohne Zweifel um dem Drängen des Papftes auf 
zumweichen '. Es war Hadrian wenig damit geholfen, daß der $ 
nig auf der andern Seite nichts verfäumte, um die Verbindung mit 
ihm aufrecht zu erhalten und zu pflegen, und ihn durch feine Ge 
fandten fortwährend feines ernjtlichen Willens, dem heiligen Petrus 
zu feinem Rechte zu verhelfen, verfichern ließ. Wir find nicht im 
Stande zu erfennen, in wie weit Karl fid) dazu verbunden hielt; 
aber jchwerlich dürfen wir ein befondered Gewicht auf feine dahin 
gehenden Verficherungen legen. 

Kaum war ber Feldzug nah Sachſen, den er gleich nad je 
ner Rückkehr aus Italien angetreten hatte, beendigt, fo fehickte Karl 
den Poſſeſſor und Rabigaudus abermals nad) Italien, um den Papiı 
von dem glüdlichen Ausgang des Zuges zu benachrichtigen ? und 
ihm feine Abjicht anzukündigen, bald felbit nad) Nom zu kommen?. 


ı So aud Meo, Annali di Napoli III, 103, ber fi nur nod vid 
ſchärfer ausdrückt, und wohl zu weit gebt, wenn er annimmt, daß Karls 
ſchnelle Nüdfehr mit dem Sachſenkrieg in gar feiner Beziehung geftanden habe. 

2 Die immensa prosperitas (Cenni I, 348) kann ſich boch bloß auf den 
fähfifchen Feldzug von 776 beziehen. 

s Cenni I, 848, cod. car. n. 63: Continebatur quippe in ipsis ve 
stris regalibus apicibus, quod, domino protegente, remeantes vos a Saxonia, 
mox et de praesenti, Italiam vel ad limina protectoris vestri b. Apostolorum 
principis Petri, ad implenda quae si polliciti estis, properare desideratis. 
Ueber die Zeit, da diefer Brief gejchrieben ward, herrſcht Zweifel. Bouquet 
V,546; Pagi a. 775 n. 7 feßen ihn ind Jahr 775, vor die Briefe, worin 
gen fi über die Reiſe der Gefandten von Peruſium unmittelbar nad 

poleto beflagt, und ben auf ben 1. März 776 verabrebeten Angriff der ver: 
bündeten Herzöge auf Nom ankündigt, vgl. oben p. 48 ff. Pagi nimmt 
nämlich an, Boflejfor und Rabigaudus haben von Perufium aus durch die 
von Hadrian ihnen entgegengejchidten Boten an dieſen einen Brief Karls ge 
ſchickt, worin Karl feine Abſicht anfündigte, nach Stalien zu kommen; die Ant: 
wort Hadrians darauf fei der Brief m. 63. Allein diefe Anficht ift unzulif 
fig, weil wir beſtimmt willen, daß Karl den Feldzug von 776 nur unternahm, 
um die Erhebung in Friaul zu dämpfen (eadem qua venerat velocitate rover- 
sus est, Ann. Einh. 1. c.). Weit Recht ſetzt deßhalb Cenni den Brief erit 
776, nach den beiden oben genannten Briefen an; aber ich glaube immer uch 
zu früh. Gemmi behauptet p. 348 n. 4, übereinftimmend mit Pagi, daß Bel: 
jeffor ud Rabigaudus einen Brief Karl? an Hadriau mitbrachten, glaubt 
nun aber, erjt auf ihrer Rüdreife, als fie felbit nah Nom kamen, haben jie 
ihn Habdrian übergeben. Demnach fegt er ben Brief n. 63, der nach feiner 
Anficht ebenfalls die Antwort auf jened Schreiben Karls enthält, ins Früh: 
jahr 776. Allein gegen biefe Vermutbung läßt ſich derjelbe Einwand wie ge: 
gen die Pagi's erheben. Cenni führt nun p. 344. 345 n. 4. 348 n. 4, um 
feine Anficht zu begründen, an, die Geſandten jeien im Auftrage Karla nad 
Spoleto und Benevent gegangen, un bie Herzöge durch Unterhandlungen zu 
täufchen und jo Karl in den Stand zu feßen, den Ruodgauſus ifolirt zu un: 


at! 


Es fchienen fi) einmal glnftigere Ausfichten fir Hadrian zu eröff- 
nen. Wenig jpäter, am 14. Februar 777 ftarb Erzbifchof Leo von 
Ravenna, einer feiner geführlichiten Gegner '; und um biefelbe Zeit 
famen der Biſchof Philippus und der Archidiaconus Megiftus, die 
mit Aufträgen von ihm an Karl gefchictt waren, nad) Rom zurüd, 
und meldeten ihm aufs neue die Abficht Karls, demnächſt nach Rom 
zu kommen; der König wollte mit feiner Gemahlin Oſtern beim 
Grab des heiligen Petrus feiern und zugleich feinen neugebornen 
Sohn von Hadrian felber taufen laffen?. Es war dies Karlmann, 
fein und der Hildegarde zweiter Sohn, der zu Anfang 777 gebo⸗ 
ren fein muß °. 

Unterbeffen rüdte Oftern, 30. März, immer näher, aber Ha- 


terwerfen; damit deßhalb in Stalien von feinem Marfche nah Friaul nichts 
befannt würde, hätten fie auch dem Papft jenes Schreiben, worin Karl feine 
Ankunft anzeigte, nicht früher übergeben dürfen. Für dieſe Anficht ift aber 
nirgends ein fefter Anbaltspunft zu finden; warum ſchrieb benn Karl an Ha⸗ 
drian über feine bevorftehende Ankunft, wenn er diefe feine Abficht auch vor 
ihm bis nad) erfolgter Ankunft verheimlichen wollte? Und warum reifte Ha: 
brian nicht, wie er in feinem Antwortſchreiben fagt, dem König entgegen, 
wenn diefer felber nicht nah Rom fam? Ohne Zweifel ruhen die Vermu⸗ 
tbungen Pagi's wie Cenni's auf dem Umftande, daß Poſſeſſor und Rabigau⸗ 
bus als bie Weberbringer von Karls Brief genannt find. Aber es hindert Loch 
gar nichts, anzunehmen, daß fie zweimal nach Stalien geſchickt wurden. „Im 
Begriff, au Sachſen zurüdzufehren“ (remeantes a Saxonia) fündigt Karl bem 
Papſte feine Abficht an, bald nah Rom zu kommen. Philippus und Megi⸗ 
ftuß, die vor Oftern 777 nah Rom kamen, erneuen diefed Verſprechen Karls 
(repromittere, vgl. unten n. 2.5; p. 492 n. 1.) Es ift daher anzunehmen, 
daß Poſſeſſor und Nabigaudus das zweite Mal Ende 776 nah Rom Famen, 
und daß in diefe Zeit auch unfer Brief, cod. car. n. 68, fällt. 

Amadesi, In antistitum Ravennatium chronotaxin disquisitiones per» 
petuae II, 20 f. 

® Cenni I, 851, cod. car. n. 49: Filium qui nunc vobis procreatus 
ost, jagt Hadrian, woburd die Annahme von Leibnig 1, 62, es könnte ſich 
vielleicht un die Taufe des ſchon 772 geboren Karl handeln, und aud bie 
VBedenfen von Muratori, Ann. VII, 128f., befeitigt werben. 

Die Geburt Karlmanns wird von den Meiften ind Jahr 776 gefekt, 
fo von Pagi a. 783 n. 4. Bouquet V, 550 n. a., ber fogar genau das Oſter⸗ 
feft, 14. April 776 ald Geburtstag Karlmanns angibt; wie e8 fcheint auch 
von Leibnik 1. c. und von La Farina II, 13. Allein diefe Berechnung rubt 
auf der Vorausfegung, daß ber Brief Habriang, worin er die von Philippus 
und Megiftus überbrachten Nachrichten befpricht, Cenni 1. c., ind Jahr 776 
gehöre, was eben auch nicht zu erweifen ift. Vielmehr kommt es darauf an, 
nah ben gegebenen Anbaltspunkten die Zeit von Karlmanns Geburt zu be= 
flimmen, woraus ſich dann auch die Entftehungszeit des Briefd ergibt. Karl: 
mann, feit 781 Pippin genannt, ftarb am 8. Juli 810, Ann. Einh,, SS. I, 
198, 33jährig, Thegan. Vita Lud. c. 5., S8. II, 591, wurde alſo geboren 
777, und zwar, wie wir nun allerdings? mit Rückſicht auf jenen Brief beifü- 
gen dürfen, zu Anfang 777; ein Nefultat, zu dem auch Leibnig I, 64 kommt. 
Deßhalb ift es nicht möglich, den Brief fhon ind Frühjahr 776 zu ſetzen; 
daß Karl grade damals in Stalien war, ift doch noch fein Beweis bafür. Der 
Brief ift aber im Mai 777 gejchrieben, denn bie Boten, welde ihn überbradh: 
ten, Cenni I, 853, traten im Mai bie Reife zu Karl ar, Cennil, 356. Waitz 
III, 224 verwechfelt Karlmann (Pippin) mit Ludwig. 


J. 33 


drian wartete umfonft auf bie Nachricht von der benorfichenben 
funft des Könige '; Karl kam nit, aus Gründen über bie 
nichts erfahren. Endlich im Mai, foviel man ficht *, ſchickte 
drian Gefandte an Karl ab, bie Bilchöfe Philippus und 
und den Herzog Theodorus. In dem Schreiben, welches diefi 
König überbradten, bat ihn Hadrian, daß er ihm doch noch 
möchte feinen Sohn zu taufen; vor allem aber drang 
Ausführung der Schenfung. Er erinnerte Karl an bie igebi 
feit Conſtantins und vieler anderer Kaifer und Patricier, und for 
derte ihn auf, ber heiligen römischen Kirche alles zurückzugeben, was 
jene ihr in Tuscien, Spoleto, Benevent und Corfica fowie in der 
Sabina gefchentt haben, und was durch die Langobarden im Lauf 
der Jahre fortgenommen fe. Hadrian erklärte, mehrere Schen- 
fungsurfunden aufbewahrt zu haben, und, dem Verlangen Karls ge 
mäß, ihm ſchicken zu wollen, damit er dann die vollitändige Zurüd⸗ 
gabe diefer PBatrimonien an den heiligen Petrus bewirled. So ge 
nau hatte Hadrian feine Anſprüche nocd nie bezeichnet; er for 
derte nichts neues, fondern bloß die alten von den Langobarben ber 
Kirche entriffenen Befigungen, nicht die Abtretung ganzer Gebiete 
mit ftaatlihen Rechten, fondern die Rückgabe der Patrimenien der 
römifchen Kirche. Gewis war es kein Zufall, dag Hadrian, wel 
her bis dahin immer nur in allgemeinen Ausdrüden die Anſprüche 
der Kirche geltend gemacht hatte, fie diegmal fo beftinunt angab. In 
Folge des beftändigen Drängens von Hadrian fcheint Karl die Ur- 
funden von ihm zur Einficht verlangt zu haben, auf welche er fort- 
während fich berief, und biejer Forderung mußte Hadrian fich fü 
gen*. Dann mußte er fich aber auch entfchließen, feinen Anfprü- 
hen eine beftimmte und bündige Faſſung zu geben. Es ift nicht 
zu verfennen, daß in den Beziehungen Hadrians zu Karl Stoff zu 
ernſtlichen Zerwürfniffen vorlag; der Papft hörte nicht auf zu for- 
bern, der König prüfte jede Forderung forgfältig, ehe er darauf 
eingieng. 

In der That wurde die Löfung abermals vertagt. Die Ge- 
fandten Hadrians hatten fi kaum auf den Weg gemacht, als von 
Karl die Nachricht eintraf, daß er durch Verwidlungen mit den Sa⸗ 

1 Cenni I, 351: Et dum appropinquasset ipse dies sanctus paschae, 
et nullum mandatum de adventu vestro suscepissemus, aut de missis veatris, 
secundum placitum quod inter nos extiterat, valde tristes eflecti sumus. 
Worauf ſich bie Verabrebung bezieht, von der Hadrian fpricht, ift nicht recht 
deutlih. Nach dem folgenden, p. 352: obnixe te petimus, ut secundum quod 
inter nos constitit pro ipso sancto baptismate nostrum adimplere jubeas 
desiderium de eodem eximio vestro filio, könnte ed fcheinen, als wäre über 
bie Taufe von Karls Sohn durch Hadrian vorher fürmlich verhandelt wor: 
ben, etwa grabe durch Philippus und Megiftus, und als würde die Verab: 
redung, placitam, fi) barauf beziehen. 

° Pal. oben p. 491 n. 3. 

°® Cenni I, 358; vgl. oben p. 473; Cenni I, 304 f.; Hald p. 47. 

* Cenni 1. c.: Per satisfactionem christianissimi regni vestri... ad 
demonstrandum eas (donationes) vobis direximus. 


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2 8 


498: 


racenen in Anſpruch genommen fe !. Aber Teineufalls war dieß ber 
einzige, oder auch nur der hauptſächliche Grund, weshalb Karl der 
Gewährung der päpftlichen Wünſche ſich abermals entzog. Es ſchei⸗ 
nen grade um dieſe Zeit, im Jahre 777, Dinge vorgefalfen zu fein, 
in Folge deren die Spannung zwifchen dem Bapft ımd König einen 
immer höheren Grad erreichte. Wir hören von einem Vorfall, wel⸗ 
her einiges Licht auf ihr damaliges Verhältnis wirft. Der Kam⸗ 
merherr Anaftafins, welcher ſchon früher als Gefandter Hadrians 
an Karl begegnete, zog ſich, als er mit neuen Aufträgen an dem 
fränkischen Hof verweilte ?, das Misfallen Karls in folhem Maße 
zu, daß dieſer ihm die Rückkehr nach Rom nicht geftattete, fondern 
ihm bei fich zurückhielt. Er habe, theilt Karl dem Bapfte mit, „ei⸗ 
nige unerträgliche und umgehörige Worte zu ihm gefprochen, bie ihn 
fehr betrübten“ 5. Mehr fagt Karl über das Auftreten von Ana⸗ 
ftafius nicht; dagegen erfahren wir näheres über bie Aufführung fei- 
ned Degleiters , des Langobarden Gaidifrid +. Diefer fuchte nem- 
lich den königlichen Notar dahin zu bringen, hinter dem Rüden Karls 
falſche Schriftſtücke auszufertign?. Wir wiſſen allerdings nicht, 
welchen Gebrauch Gaidifrid davon machen wollte; aber wir fehen, 
wie Hadrian den gegen feine Bevollmächtigten erhobenen Anlagen 
begegnet. Mit keinem Worte fuchte er diefelben zu entkräften, oder 
wenigiten® die Verantwortlichkeit für ihr Verfahren von fich abzu= 
lehnen. Im Gegentheil nimmt er fie rückhaltslos in Schuß, und 
beklagt fich bitter über das Verfahren Karls. „Nie feit dem Ans 


3 Cenni l, 355, cod. car. n. 73: Destinavit nobis per vestros apices 
a deo constituta regalis potentia, quia, deo sibi contrario, Agarenorum gens 
eupiunt ad debellandum vestros introire fines. Pagi a. 788 n. 1 ff. Bouquet 
V, 575 u. a. feßen diefen Brief erit ind Jahr 788; aber fein Zuſammen⸗ 
bang mit dem vorangehenden Brief, Cenni I, 850, ift fo beutlih, Cenni 1, 
856 n. 4. 357 n. 6, daß er gleichfalld ind Jahr 777, und zwar in die nächſte 
Zeit nach jenem erften gehören muß. 

2 DBgl. oben p. 478, Cenni I, 363 n. 6 fchließt aus den Worten Has 
driand: adhuc eum apud vos detinetis, Anaftafiug müßte jebenfalls feit 776 
fih im fränfifchen Reich aufgehalten haben. Allein diefes kann body in bem 
Worte adhuc nicht liegen; Cenni p. 362 n. 4 ſetzt ja diefen Brief felbft erfi 
in den Auguft oder September 777. 

5 Cenmnil, 362: Illud vero, quod de Anastasio, misso nostro, nobis indi- 
castis, quod aliqua importabilia verba, quae non expediebat, vobis locutus 
fuisset, unde valde tristes eflecti fuistis, et pro hoc adhuc apud vos sum de- 
tinetis : nimis noster frangitur animus. 

*. Cenni I, 368 n. 7 bält Gaidifrid für identifh mit Gausfrid, ber 
ſchon 774 Nachrichten von Karl an Hadrian überbringt, Cenni I, 817, cod. 
car. n.55. Dieß ift möglich, aber unſicher, und trägt für die Sache nicht? aus. 

5 Cenni I, 363: Nam de Langobardo illo, qui cum eodem Anastasio, 
misso nostro, ad vos properavit, nomine Gaidifridus , unde nobis significa- 
stis, ut, dum in vestro fuisset palatio, fraudem agebat adversus vestram re- 
galitatem , insuper et vestro suasisset notario, falsas conficere literas, per 
quas nos cupiebat in scandalum vobiscum mittere, quod avertat divinitas, 
neque invenietur homo, qui nos possit per quemvis modum adversus vos in 
iracundiam provocare: sed testis nobis est deus, qui occulta hominum co- 
gnoscit, per nullum argumentum eum infidelem vobis cognovimus. 


33% 


borgene fieht“, idreibt er, „it umier enge, dab wir Geidifrib nie 
in irgend etwas ımtzen gegen Euch eriunden haben; aber, um e8 
fur; zu fagen, wenn der, welcher vom heiligen Petrus zu Cu ge 
ſchickt iin, ſolches zu leiden verdiente, mas toll man denken von je 
nen Boſewichtern und Ränkeſchmieden Paſchalie ımdb Zaratinns, 
weiche, wie auch Ihr jelber in Euren Briefen tagt, ın dieier Stadt 
Rom fi Tinge erlaubt haben, wie fie nie tet Anbeginn der Welt 
erhört find; und die dann, nachdem ve jolde Thaten verübt hat 
ten, zu Euch famen, und ohne Zweifel ihrer Schuld ſich wohl bes 
wußt, Euch baten, dag Ihr Gnade für fie bei uns erwirken möd» 
tt. Dafür aber haben fie in Eurer und in der Gegemvart unferer 


Geſandten uns geihmäht, ſo daß ich jehr eritaunt bin zu vernehmen, 
daß diefe Manner, welche in Eurer Anweſenheit jo unerhörte Reden 
führten, bei Cuch in großer Gunit jtehen. Oder wißt Ihr mich, 
dag wir, wenn irgend Jemand feindſelige ober falſche Aeußerungen 
über Euch gethan hätte, ihn, wie er es verdiente, gebunden zu Euch 
geſchickt haben würden? wie wir auch mit Paulinus verfuhren“. Es 
ift von Paulinus nirgends ſonſt die Rede, auch über Paichalis 
und Zaratinus willen wir nichts, außer den was Hadrian ihnen 
vorwirft *. Tagegen jehen wir, wie gereizt die Stimmung Hadrians 
gegen Karl war. Karl itand mit erbitterten Gegnern des Papites 
in nahen Beziehungen, wogegen die päpitlichen Bevollmächtigten durch 
Liſt und Betrug denjelben an Karls Hofe jelbit entgegenarbeiteten ; 
und es unterliegt feinem Zweifel, das diefes mit Torwilien und im 
Einverftändnis mit dem Bapit geichah °. 

! Cenni l. c. Habrian rebet bier allerbingd nur von Anaflafiug, ben 
er allein als feinen Bevollmächtigten bezeichnet. Allein offenbar keitanden Be: 
ziehungen zwifchen Anaſtaſius und Gaibdifridus; der Papſt felber fennt Gai: 
bifridus, denn er jelber betbeuert feine Unſchuld; fonit acht er flüchtig über 
bie gegen ihn erhotenen Beſchuldigungen binmweg, auf bie er vielmehr nun auch 
feinerfeitö mit Vorwürfen gegen Karl antwortet. Man muß baber annehmen, 
dag Hadrian auch von dem Treiben des Gaidifridus wußte, und, ba er nicht ein: 
mal den Verſuch macht es zu entſchuldigen, dieß nicht vermochte, folglich mebr 
ober meniger felbft daran betheiligt war. Deshalb wird man bas Recht ba- 
ben, auch in @aibifrib einen Agenten bes Papſtes zu erbliden. 

2 der follte etwa Pafchalis berfelbe fein, der 22 Jahre fpäter als päpft- 
licher Nomenclator begegnet, an der Spige ber Bewegung gegen Papſt Leo 
ftand, und deshalb 801 von Kaifer Karl verbannt warb? Ann. Einh,., 58, 
I, 189, (ine ſolche Vermuthung würde doch gar zu fehr in ber Luft ſchweben. 

Zu einem andern Refultat kommt Cenni I, 363 n. 7. Gr meint, 
weil Hadrian über bie Anklage gegen Gaidijrid nur wenige Worte verliert, 


Nach ſolchen Vorgängen hatte Hadrian allen Grund, ben Ko⸗ 
nig zu befchwören, „er möchte das auf feine Weife antaften, was 
jte fich gegenfeitig am Grabe des Heiligen Petrus, des Apoftelfürs 
ften, zugefichert und befräftigt haben“. „Wenn aber Jemand bei 
Euch ſchlechte Reden gegen uns führt, fo fchenkt ihm durchaus fei- 
nen Glauben“ !'. Es fcheint, als hätte Hadrian befürchtet, Karl 
möchte völlig mit ihm brechen, und wohl mag hie und da ber Ges 
danfe aufgetaucht fein; aber fchwerlich wurde er doch nur ernitlich 
in Betracht gezogen. Dem König und dem PBapfte lag gleich viel 
daran den Bruch zu vermeiden, grade da der Zwieſpalt einen be⸗ 
denflichen Charakter angenommen hatte, gab man fich auf beiden 
Geiten um fo eifrigere Mühe ihn wieder auszugleichen. 

Schon ehe das Benehmen des Anaftafins ımd Gaidifrid einen 
ummittelbaren Bruch herbeizuführen drohte, waren der Erzbiſchof Wil⸗ 
harius und der Abt Dodo im Auftrage Karls nah Rom gereiit ?. 
In feiner Unzufriedenheit mit Gaidifrid und Anaſtaſius ſchickte dann 
Karl den Dodo in Begleitung des Bifchofs Poſſeſſor abermals nad) 
Rom, um Hadrian wilfen zu lafjen, welches Verfahren er in diefer 
Angelegenheit zu beobachten vorhatte. Karl forderte ben Bapft auf, wenn 
Pofjeffor und Dodo zurüdreijten, den Bifchof Andreas und den Abt 
Pardus mit ihnen an feinen Hof zu entjenden?. Karl kannte diefe 
beiden Männer von früher her *, und wünſchte wohl unter ihrer 
Mitwirkung eine Unterfuchung jener Vorgänge einzuleiten. Nach» 
her, im October, wollte er dann felber nad Stalien fommen. Bon 
diefer Unterfuchung, fcheint es, machte er feine von Hadrian fo drin« 
gend gewünschte Reife nach Italien abhängig. 

Hadrian war bereit, eigene Geſandte zu Karl zu ſchicken, An- 
dreas und, da Pardus durch Krankheit verhindert war, den Biſchof 
Valentin®. Aber er forderte zugleich entfchieden die Freilaſſung des 


fein Hauptzwed fei eben der gewefen, fich des durch Karla Verfahren gegen 
Anaftafius verlegten Völferreht3 anzunehmen. Sch Tann mid aber diejer 
Auslegung nicht anfchließen, vgl. p. 494 n. 1. Hald p. 113 f. fucht zu zei⸗ 
nen, daß Gaibifrid in Folge einer Verabrebung mit Karl dem Papſt gegen: 
über fi für einen Feind Karla ausgegeben babe, um Hadrians Gefinnung 
auf die Probe zu ftellen. Sei ed nun, daß Habrian auf feine Vorſchläge ein- 
gieng, fei es, daß er nur Karl fie nicht mittheilte, jedenfalls habe er die Karl 
Ichuldige Treue vernadhläffigt, und ihn dadurch der Verpflichtung enthoben, 
feine Verfprehungen zu erfüllen. Es Tiegt aber auf ber Hand, daß diefe Er: 
Märung dem Thatbeftand, fo weit er und vorliegt, völlig zuwiderläuft. 

2 Cenni I, 361. 

2 Cenni I, 360. 

3 Cenni 1, 363: De missis nempe nostris, Andrea scilicet coepiscopo, 
seu Pardo egumeno, unde nobis intimandum direxistis, ut cum missis ve- 
stris Possessorem, fratrem nostrum episcopum, atque Dodonem religiosum 
abbatem , a vestris regalibus vestigiis repedantes, dirigeremus, ita adim- 
plere velocius destinavimus. Statt a vestris ift zu leſen ad vestris (glei 
ad vestra), Cenni I, 362 n. 5; vgl auch Pagi 777 n. Bd. 

* Beide waren ſchon 775 mit einer Senbung von Hadrian an feinem 
Hof geweien, vgl. oben p. 484. 

Cenni I, 363. 


496 


Anaftafius und die Auslieferung des Paſchalis ımb GSaratinns, 
woraus folgt, daß jene Unterſuchung, fo ernſtlich Karl auf fie gedrum- 
gen haben mag, die päpſtliche Genehmigung nicht erhielt. Karls 


lien von verfchiedenen Seiten angefochten wurde. Das Bilndnis der 
misvergnügten Herzöge war zwar durd den Fall von Ruodgaufus 
und das Ausfcheiden Hildebrands gefprengt ; allein die Feinde Ha— 
drians ließen ſich dadurch in ihren feindfeligen Plänen nicht irre ma- 
hen. Gleich im Jahre 777 machten fie ihrer Erbitterung in einem 
Meinen Rachezug gegen den Papft Luft, an dem auch die Griechen 
ſich betheiligten. Im Bunde mit dem Batricius von Sieilien, der 
in Gaeta feinen Sig hatte, dem höchiten griechifchen Beamten im 
Weften ’, verfuchten die Beneventaner, mehrere Stäbte von Campa⸗ 
nien gegen Hadrian aufzumwiegeln und ihm zu entreißen; gelänge ih 
nen das, jo ſchwuren fie, biejelben dem Patricius von Sicilien zu 
überlaffen. Befonders die Bewohner von Gaeta und der Grenzitadt 
Zerracina machten dem Papft zu fchaffen*. Auf friedlichem Wege 
vermochte er fich ihrer nicht zu erwehren. Die Campaner ſelbſt ſchei⸗ 
nen nicht abgeneigt gewefen zu fein, fich der päpftlichen Herrſchaft 


2 Cenni I, 869 f., cod. car. n. 65. Cenni, Pagi a. 778 n. 17. Bou- 
quet V, 557. Jaffs p. 208 ſetzen biefen Brief ind Jahr 778. Aber bie Hun- 
nerönoth unter den Langobarden, von welcher der Papft im Brief fpridt, 
führt auf das Jahr 779, während deffen, nach ber Angabe der Annalen, we 
nigſtens im fränfifchen Meich eine Hungersnoth herrſchte; Ann. lauresh., 8S. 
I, 81: Fames vero magna et mortalitas in Francis. Ueber ben Sclaven: 
handel val. Leo I, 223 fi. 

% Cenni l. c.: De sacerdotibus autem nostris, quod vobis falso et 
contra deum et animam eorum suggerere ausi sunt, mentita est iniguitas sibi, 
et nulla est, domino annuente, in nostris sacerdotibus pollutio,, neo talia 
credero debet vestra sublimitas. 

3 Henel I, 224. Auch Neapel war ihm untergeordnet. 

* Cenni I, 357, eod. car. n. 73: et hoc agnoscat a deo protecta 
praecellentia vestra, quia aliquantas civitates nostras Campaniae, Operantes 
aemuli vestri atque nostri nefandissimi Beneventani, ipsi nostro populo per- 
suadentes suhtrahere a nostra ditione decertant, una cum habitatoribus castri 
Cajetani seu Terracinensium, obligantes se validis sacramentis cum ipso 
patricio Siciliae, qui in praedieto castro Cajetano residet, et decertant a po- 
testato et ditione b. Petri et nostra eosdem Campanos usurpare et patricio 
Siciliae suhjugare, 


497 
zu entziehen '. Hadrian mußte feine ganze bewaffnete Macht auf- 
bieten, um fie im Zaume zu halten, fühlte fi) aber von Anfang an 
fo ſchwach, daß er auch die Vermittlung Karls in Anſpruch nahm. 
Er bat ihn, die Beneventaner aufzuforbern, von ihrem Beginnen ab⸗ 
zulaffen und die Ruhe in Campanien nicht weiter zu ftören; ehe 
biefes gefchehen, drohte er, ihre Gefandten nicht mehr empfangen 
noch ihre Bifchöfe weihen zu wollen?. Wir hören aber nichts von 
einem Eingreifen Karls, auch nichts von den Erfolgen Hadrians ; 
fie können auf feinen Fall groß gewefen fein’. Seine Gegner im 
Süden Italiens hatten freies Feld. Als, ungefähr zu Anfang 780, 
bie Griechen und Neapolitaner, von Arichis vorgefchoben, aufs neue 
zu Feindfeligleiten gegen ihn übergiengen *, verfuchte er gar nicht ih- 
nen Wiberftand zu leiften, fondern knüpfte fogleich Unterhandlungen 
mit ihnen an, und zwar, foviel fich erfennen läßt, ohne die Dazwi⸗ 
fchentunft Karls anzurufen. Oftern 780, am 26. März, hatte er 
eine Befprehung mit Petrus, dem Bevollmächtigten des Herzogs 
von Neapel 3. Cr forderte die Ueberlaffung der im et von 
Neapel gelegenen Patrimonien der römischen Kirche, und kam mit 
Petrus vorläufig dahin überein, daß ihm bie Neapolitaner fünfzehn 
junge Männer aus den angejehenjten Familien als Geißeln ftellen 
und auch Zerracina als Unterpfand ausliefern follten. Beide, bie 


2 Die Angaben Hadrians find undeutlih. Er fagt, anſchließend an bie 
Wortep.496n.4: Nos vero... viribus atque vicibus admonere et praedicare per 
nostros episcopos et fideles B. Petri eis direximus, cupientes eosdem Cam- 
panos nos salvos habere, ut aliqua malitia eis minime eveniret, ut ad no- 
stri praesentiam conjungerent, aut per unamquamque civitatem primarios 
quinque ad vestram a deo fundatam Praecellentiam destinarent. Bed neque 
ad vestri praesentiam eos dirigere valuimus,, nec ad nostros obtutus conjun- 
gere voluerunt. Dan Fünnte die Worte fo verftehen, Hadrian habe feine Ers 
mahnungen an bie Beneventaner und Griechen gerichtet; aber von ihnen kann 
er body nicht verlangt haben, baß fie vor ihm fich ftellen, oder an Karl die 
fünf angefehenften Männer aus jeber Stadt, doch wohl als Geißeln, ſchicken 
follten. Man wirb baber an die Campaner zu benfen haben. 

2 Cemi I, 358. 

8° Bapencorbt p. 100 meint, wenigftend Terracinad® habe fi Hadrian 
bemädtigt, und beruft fich bafür auf einen Brief Hadrians, ber 780 fchreibt, 
Cenni I, 875: ... Terracinensem civitatem, quam servitio b. Petri aposto- 
lorum principis et vestro atque nostro antea subjugavimus, nunc autem in- 
valido consilio iterum ipsi jam fati! nefandissimi Neapolitani cum perversis 
Graecis invasi sunt (invaserunt?). Terracina fam aber erſt 780, zwilchen dem 
26. März und 1. Auguft in Hadrians Gewalt, vgl. unten p. 498. 

* Cenni I, 374, cod. car. n. 64: Neapolitani et deo odibiles Graecl, 
praebente malignum consilium Arighis, duce Beneventano, subito venientes, 
Terracinensem civitatem ... invasi sunt (invaserunt), Es köonnte auffallen, 
daß Habrian die Griechen und Neapolitaner beſonders nennt, obgleich Neapel 
zu ben griechifchen Befigungen gehörte, jene doppelte Bezeichnung alfo wie ein 
Pleonasmus erſcheint. Wahrfcheinlich Fommt dieſes aber baher, daß der Her- 
zog von Neapel fchon damals ziemlich felbftändin war. Meo III, 135. 137 
fegt dieſen Brief ind Jahr 786; Muratori, Ann. VII, 170, und wie ed fcheint 
auch La Farins II, 23 ind Jahr 787. Da aber Karl darin nod nicht als 
compater angerebet wirb, gehört er vor 781. 

5 Oenni I, 876. 


498 


Geißeln und ZTerracina, follte ihnen der Papft zurückgeben, fobah 
er die Patrimonien des heiligen Petrus erhalten Hätte. Zu diefem 
Abkommen follten die Neapolitaner die Einwilligung des griechifchen 
Patricins auf Sicilien erwirfen. Augenſcheinlich waren diefe Bein: 
gungen dem Papft fehr günftig; es wäre fajt zu verwundern, wenn 
die Neapolitaner ihrerfeits Feine Gegenbedingungen ftellten '. Aber 
ber Papft, der allein über diefe Vorgänge berichtet, fagt davon 
nichts, ſondern klagt nur bitter über den mangelhaften Vollzug ber 
Vereinbarung. Hauptfächlic gegen Arichis erhob er den Vorwurf 
dieß verfchuldet zu haben. Arichis ftand im lebhafteften Verkehr mit 
bem Patricius und den Neapolitanern, und verhinderte, daß diele 
dem Papjt die Geißeln ftellten. Dagegen muß Xerracina ihm über 
geben fein; aber bie Neapolitaner und Griechen entriffen es ihm 
wieder . Es ſcheint alfo, daß der griechiiche Patricius auf Sicilien 
bein zwifchen Hadrian und Petrus vereinbarten Vertrag die Gene 
migung verfagte; und da der Papft fich weigerte, Terracina wieder 
herauszugeben, jo wurde es ihm mit Gewalt genommen >. 

Der Verſuch Hadrians, einmal ohne Mitwirkung Karls mit 
feinen Gegnern ſich auseinanderzufegen, war gänzlich fehlgefchlagen ; 
er fah ſich genöthigt, aufs neue bei den Franken Hülfe zus fuchen. 
Die Wegnahme Terracinas gab ihm Gelegenheit, fid) mit feinen Bes 
Ihwerden an Karl zu wenden ; befonders wies er auf die von Sei. 
ten des Arichis drohende Gefahr hin, der täglich feinen Schwager 
Adelhis erwarte, um mit ihm vereinigt loszufchlagen +. Er bat 
dringend um bie Unterftügung Karls; der König möchte den Wul 
frinus beauftragen, in Zuscien, Spoleto und Benevent ? ein allge 
meines Aufgebot zu erlaffen, und bis zum 1. Auguft (780) gerüſtet 
in Rom zu ftehen. Diefes Heer follte nicht bloß Terracina, fondern 
auch Gaeta und Neapel erobern, die päpftlichen Patrunonien in Nea⸗ 


2 uch Leibnig I, 95 findet dieß auffallend. Er meint, nur durch Liſt 
ober Einſchüchterung (arte quadam an terrore) habe Habrian bie Neapolituner 
zu ſolchen Zugeftändnijfen bewegen können. 

2 Bol. oben p. 497 n. 4. Hadrian erzählt zuerfi die Wegnahme von 
Terracina, und erſt nachher feine Unterbandlungen mit Petrus. Aber offen: 
bar giengen leßtere ber Wegnahme voraus, und Habrian nannte diefe nur bed: 
halb zuerft, weil er damit Kein Hülfegefuch bei Karl begründete Im übrigen 
ift feine Erzählung fehr unffar, und man fiebt nur bald, was ben Aeberfall 
der Stadt herbeiführte. 

5 Cenni I, 376: Sed nos sine vestro (Caroli) consilio neque obsides 
neque ipsam civitatem reddere habuimus (debuimus?), eo quod pro vestro 
gervitio ipsos obsides apprehendere cupiebamus. Borgia, Breve istoria p. 
8257, vermuthet mit Grund, ber Papft babe Terracina, das den Griechen ge- 
hörte, nur als Erſatz für das ihm von ben Griechen vorenthaltene Patrimo⸗ 
nium in Neapel weggenommen. 

* Cemni I, 374 ff. 

5 Wenn Habrian hier von Benevent ſpricht, fo Tann bieß bloß ben 
Sinn haben, daß Karl als Nachfolger von Defiderius in feinen Augen auch 
Anſpruch auf Gehorfam von Seiten des Herzogd von Benevent hatte. Al: 
lein tbatfächlich fanden bie Dinge anders, Karl konnte nicht daran benfen, 
Truppen in Benevent auszuheben. 


. 499 


pel der Kirche zurückgeben, und fo die Neapolitaner dem König und 
dem Papft unterwerfen '. 

Die Bitten Hadrians fanden diegmal eine günftigere Aufnahme 
bei Karl al8 früher. Kurze Zeit, nachdem Hadrian fie dem König 
in einem Schreiben vorgetragen hatte, kam in Karls Auftrag ber 
Diaconus Ado, der fchon früher einmal zufammen mit Abt Fulrad 
von St. Denis als fränkifcher Gefandter bei Habrian geweſen war ?, 
in Rom an’. Die Antwort Karls auf den Brief bes Papftes 
brachte er noch nicht; Hadrian benutzte vielmehr die Gelegenheit, um 
den König durch Ado mündlich noch einmal aufs genauefte von ben 
Plänen der Griechen, Neapolitaner und Beneventaner zu benachrich⸗ 
tigen und dadurch feine Unterjtügung zu gewinnen + Aber ſchon 
die Sendung Ados weiſt auf eine Annäherung Karls an ben Papft 
hin. Der Diaconus vermittelt den Austaufch gegenfeitiger Höflich- 
keiten, ja Gefälligkeiten; Karl verfpricht durch ihn dem Papfte, zur 
Neitauration der Petersfirche eine Gattung befonders feinen Holzes, 
das auf römifchen Gebiet nicht wuchs, aus Spoleto herbeitchaffen 
zu laſſen 8; Erzbifchof Wilcharius follte fommen, um bie Neubauten 
zu leiten. Dagegen macht Hadrian dem König das Anerbieten, wenn 


I Cenni I, 375: ut eos in omnibus subjugantes, sub vestra atque 
nostra sint ditione. Bon einer ditio des Papſtes kann bier doch nur info: 
fern die Rebe fein, als er Anſpruch auf verfchiebene Patrimonien hatte, was 
er ja auch ſelbſt burch die ausdrüdliche Hervorhebung berfelben andeutet; bie 
eigentlichen Megierungsrechte, fo daß Karl nur die Dberboheit geblieben wäre, 
fonnte er nicht beanfpruchen. Auch in Tußcien und Spoleto, fiehbt man, 
fand die Militairhoheit dem frähfifhen König zu. Eigenthümlich ift die An⸗ 
fit von Halb. Er fagt, p. 104, Habrian babe Karl aufgeforbert, unter bem 
Schein, ald wenn er das in Neapel liegende Patrimonium bed beiligen Pe: 
trus biefem wieder zuwenden wollte, Neapel felbft für fih, den König, zu 
erobern, und zieht daraus noch weitere eigenthümliche Folgerungen, vgl. oben 
p- 474 n. 2, 

2 Cenmni I, 880. 

8 Der erfle Brief, Cenni I, 374ff., cod. car. n. 64, ift zwiſchen bem 
26. März, ba Habrian feine Beſprechung mit Petrus hatte, und dem 1. Aus 
auft 780, ohne Zweifel näher dem 26. März gefchrieben; ber zmeite, Cenni I, 
878 ff., cod. car. n. 61, worin von Ado die Rebe ift, gleihfalld vor dem 
1. Auguſt (Cenni p. 379), wahrſcheinlich kurz nad bem erften Brief; denn, 
foviel man fieht, war diefer, als Ado vom fränfifhen Hof abreifte, dort noch 
nit angefommen. 


* Cenmni I, 381 f.: de partibus autem Neapolitanis, sicut cum nefan- 
dissimis Graecis seu Beneventanis conciliant, qualiter vobis insinuantes per 
nostras apostolicas syllabas direximus, omnia minutius in ore posuimus fide- 
lissimi vestri missi, scilicet Adoni diacono, quod vobis enucleatius simul- 
“que per ordinem enarrare debeat. 


5 Cenni I, 379. Der Bapft fest hier felbft Spoleto ausbrüdlich feinem 
eigenen Gebiet entgegen, indem er fagt: dirigatur ipse magister in partibus 
Spoleti, et demandationem ibidem de ipso faciat lignamine... quia in no- 
stris finibus tale lignamen minime reperitur. Auch Borgia, Breve istoria p. 
376, muß dieß anerkennen, jucht fi) aber dadurch zu peilen, baß er bebaup- 
tet, nur in Folge einer Webereinfunft mit Habrian habe Karl die OberSheit 
über Spoleto behalten, vgl. oben p. 475 n. 1. 


500 


er es wünſche, ihm die Reliquien des heiligen Ganbibus, weiche bei 
dem Erzbiſchof Wilcharius aufbewahrt fein, 1 zu überlaffen . Mehr 
willen wir über die Sendung Ados nicht; es iſt jedoch waährſchein⸗ 
fih, daß er noch andere wichtigere Aufträge hatte, die fich auch wohl 
fhon auf den Plan des Königs, nad) Italien zu reifen, bezogen. 
Es fcheint, daß Hadrian und Karl fi in dem Wunſch, Karl möchte 
nah Italien fommen, begegneten. In den Angelegenheiten, welde 
Karl nachher während feines Aufenthaltes in Italien befchäftigten, 
dürfen wir auch die Beranlaffung zu feinem Zuge dahin erbliden; 
die Borftellungen Hadrians mochten ihn danı noch in feinem Bor- 
fate beſtärken. Zwar hören wir nidt, daß er dem Wunſche Ha 
drians gemäß zu deſſen Schute ein Heer unter dem Befehl 
Wulfrinus aufſtellte; ftatt deſſen begab er ſich aber felber nad 
Stalien. Zu Ende deB Jahre 780 brach er mit Frau und Kindern 
auf, feierte Weihnachten in Pavia, und brachte dort aud den Net 
des Winters zu ?, 

Endlich haste der Papft erreicht, worauf er feit Jahren dinger 
arbeitet Hatte. Karl fam wieder nad) Rom, und Habdrian 
jungen Karlmann taufen, bei welcher Gelegenheit ihm ftatt eis 
bisherigen der Name Pippin beigelegt wurde. Und anı gleichen 
Tage, dem heiligen Dfterfefte, 15. April 781, Inchte „Habrian den 
Pippin und Karls jüngften Sohn zu Königen *. war für ihn 
gewis von hohem Werthe, dem mächtigen König he Patricius auf 
diefe Art einen Dienft zu erweifen. Allerdings bedurfte es einer 
ſolchen Salbung von Karls Söhnen nicht mehr, nachdem fchon von 
Stefan II. durch die Salbung Pippins, feiner Gemahlin und feiner 
Söhne dem ganzen pippinfchen Geſchlecht die konigliche Weihe ertheilt 
war 8. Dennoch war es für Karl in dieſem Augenblick von Bedeus 
tung, daß Hadrian an feinen eignen Söhnen die Salbung wieder: 
holte. Karl war hauptfächlich deshalb nad) Italien gelommen, um 
die Verhältniſſe feines italifchen Reiches weiter zu ordnen; zu den 
Maßregeln aber, die er in diefem Jahre traf, gehörte die Ernennung 
des jungen Pippin zum König ber Langobarden ®. Durd die Sal- 
bung, welche Hadrian demfelben ertheilte, trug er das Seinige dazu 
bei, um feiner königlichen Würde den nöthigen Glanz zu verleihen, 


Cenni I, 380 f. 

Ann. Einh., S8. I, 161. 
Ann. Lauresh., SS. I, 31. 
Ann. Lauriss. maj. 1. c. 

’* Stefan ließ in St. Denid alle fränfifhen Großen ſchwören, fünftig 
nie aus einem andern ald dem Geſchlecht Pippind ihre Könige zu nehmen, 
clausula de Pippini in Francorum regem consecratione, Bouquet V, 10; 
Waitz III, 65 f. 

6 Luden IV, 328 meint, die Einſetzung Pippins als König in Italien 
und Lubwigd in Aquitanien ſei ein Werk Hadrians geweſen, welcher Karl durch 
die Abſonderung zweier ſo bedeutender Theile vom Reich habe ſchwächen, und 
den langobardiſchen Thron wieder habe aufrichten wollen. Letztere Annahme 
iſt aber wiberfinnig, und in Stalien und Aquitanien behielt Karl nach wie 
vor die oberfte Leitung in ber Hand, vgl. Waig II, 303 ff. 


& 


>» an ⸗⸗ 


601 


auf den bei dem Eindlichen Alter des neuen Königs befonders viel 
anfam ; er unterftügte mit den Mitteln der Kirche Karl bei der 
Durchführung feiner Maßregeln hier und in Aquitanien, wo Ludwig 
al8 König eingefegt ward. Aber nicht zu Königen von Italien und 
Aquitanien, fondern nur überhaupt zu Königen hat ber Papſt Pippin 
und Ludwig gefalbt. 

Noch in einer andern Sache fam der Papft den Wiünfchen Karls 
entgegen. Er billigte Karls Abficht, der unabhängigen Stellung 
Thaſſilos von Baiern ein Ende zu machen, und fchloß ſich den Be⸗ 
mühungen des Königs an, den Herzog zur Anerkennung ber fränfis 
ſchen Oberhoheit zu nöthigen. Die Intereſſen des Papftes und des 
Königs trafen hier zufammen ; nicht weniger als Karl mußte dem 
Bapft die Selbftändigfeit und Macht Thaffilos, der ein Schwager 
von Arihis und Adelhis und wohl auch ihr Verbündeter war !, 
ein Dorn im Auge fein. Eine Gejandtfchaft, beftehend aus ben Bi⸗ 
fhöfen Formoſus und Damafus, als Abgeordneten Hadrians, und 
dem Diaconus Riculf und Oberfchent Eberhard, als Bevollmächtig⸗ 
ten Karls, begab ſich zu Thaffilo, und forderte ihn auf, dem König 
den Eid der Treue aufd neue zu leiften. Und Thaſſilo gab nad, 
erfchien nach Karls Rückkehr aus Italien vor ihm in Worms, er- 
neuerte den Eid und ftellte dem Könige zwölf Geißeln ?. 

Ueberhaupt fcheinen zwifchen Hadrian und Karl die verfchieden- 
ften Gegenftände befprochen worden zu fein. Auch das Verhältnis 
zum griechifchen Reich kam zur Sprache. Obgleich Hadrian in den 
öffentlichen Urkunden noch die Jahre des griechifchen Kaijers zählte, 
war doch thatfächlich die Trennung Roms von Conjtantinopel voll- 
zogen. Vom kirchlichen Gebiete auögegangen, hatte diefer Gegenfat 
auch das politifche Leben ergriffen; während die Kaifer auf Syno⸗ 
den von ihren Bifchöfen den Bilderdienft verdammen ließen und 
die Anhänger deifelben blutig verfolgten 3, kämpften griechifche Trup⸗ 
pen an der Seite der Gegner des Papftes +. Derjelbe Gegenfat 
aber, welcher Kaifer und Papft trennte, war auch maßgebend für 
das Verhältnis des Kaifers zum fränfifchen König, mit deſſen Hülfe 
allein der Papft der griechiſchen Oberhoheit ſich hatte entziehen fün- 
nen, und der bereits bejchuldigt wurde, auch fich felbjt unmittelbar 
auf Koften der Griechen vergrößern zu wollend. Da trat in der 


2 Aus den Quellen läßt ſich dieß allerbings nicht erweifen; doch Tann 
mit ziemlicher Sicherheit angenommen werben, baß er, wenn auch in ber 
Stille, im Einverftändnis mit ihnen ftanb, vgl. Gaillard II, 135; Lehüerou 
p. 355, ber freilich mit feinen Anſchuldigungen gegen Thaffilo zu weit gebt. 

® Ann. Laur. maj., 88. I, 160. 162. 

85 Vgl. Hefele III, 335 ff.; Gibbon, History of the decline and fall of 
the Roman Empire VIII c. 48. IX c. 49. 

* Bol. oben p. 496 ff.; Gregorovius H, 413 f. 

5 Der Bilhof Mauriciuß von Iſtrien, welcher im Auftrag Karls bie 
Einfünfte aus den Patrimonien ber römifchen Kirche in Iſtrien ehr den Bapfi 
erhob, wurde von den Griechen unb Iſtriern geblendet, weil er Iſtrien dem 
fränfifgen König in bie Hände Tiefen wolle. Anders Tönnen bie. Worte, 


Irene, welde nah tem Tode ıhres Serumsld, des Kaiters 
es Ihazaraı, %. Zesumber ı), als Zermimderim i 
Gonftimin: VL Rormbgrogerinie, die Reyerunz übernsmrmen bare ' 
mar ploxlih ala Zorlämpiers des Bilderdievᷣſes anf, umd zeigte 
fi) estihloiien ihm wiederheriurtellen . Tie matirfäcdhe 
war bie Anmäherung an der Bupf. Dazu lamen Dee 
feiten, mir welhen Irene in CTonftantinovel ;u lamvfen hatte, ıbeil 
als bloge Kormunderin Conitantins, theild wegen 
mit fie die Heritellung des DBilderdienites berrieb. 
fie, gegen den Wideritand, auf welchen fie in ihrem 
ftieß, anderwärts einen Rüdhalt zu iuden ; der Papit allein 
aber einen ſolchen nicht gewähren, die Verbindung dem 

gen Stantenkönig ftellie größere Vortheile m Ausficht. Unter je 
en Umftänden kamen der faiferlihe Scagmeilter Conjtantinus und 
der Tberfammerkerr Mamalus 731 nad) Rom, wo Karl fich ches 
aufhielt, und warben im Auftrag der Kaijerin- Diutter Irene für 
Sonftantin VI. um die Hand von Karls ältejter Tochter Rotrudis?. 
Tie Geſandten wußten alio, dag Karl in Rom zu treffen war, und 
zogen es vor ihn dort auf zuſuchen, nicht im fränfifchen Rei. Es 
ſcheint, daß fie auf die Unterjtügung ihres Geſuchs durch Hadrian 
rechneten, der gewis allen Grund hatte mit der von Irene angenem- 
menen Daltung zufrieden zu jein; vielleicht waren durch bie Ver 
mittlung Hadrians ſchon vorher Unterhandlungen eingeleitet worden. 
Karl gab feine Einwilligung; die Verlobung fand ſtatt; es wurde 
ein Vertrag darüber abgefchloffen und durch gegemieitige Eidſchwüre 
befräftigt *. 

Aus allen diefen Vorgängen geht unzweideutig hervor, daß das 
gute Einvernehmen zwifchen Hadrian und Karl, weldyes fo mandk 
Störung erfahren hatte, wieder zurückkehrte. Es fragt fich nur noch, 
wie Karl zu der Angelegenheit ſich jtellte, welche dem Papft zumeiſt 
am Herzen lag. Jahre lang hatte er den König bejtürmt, er möchte 
nad) Italien kommen und ber römifchen Kirche zu ihren Rechten und 
Befitzungen verhelfen; mın endlich war Karl in Rom angekommen; 








8 
i 


Cenni I, 373: proponentes ei, ut quasi ipsum territorium Histriense vestrae 
sublimi excellentiae tradero debuisset, mit Nüdfiht auf den Zufammenbang 
nicht wohl verftanden werden, Der Papſt verjtößt fo oft gegen die Regeln 
der Grammatik, daß wir dadurch nicht gebunden find. 

I Theophanes, Chronograph. (ed. Venet.) p. 304. 

2 Wal. Hefele IIT, ALOff.; Gibbon a. a. O. 

5 Thoophanes, Chronograph. p. 305. 

4 Ann. Lauresh., SS. 1, 32; Theoph. p. 305. In ben annal. Fuld. 
Enh., 88. I, 350, wird bie Verlobung erft zum Jahr 787 erwähnt, und man 
könnte daraus fchlieken, 781 feien bloß die vorbereitenden Unterhandlungen 
epflogen, die fürmliche Verlobung habe erſt 787 ftattgefunden. Allein biefe 
— iſt nicht gerechtfertigt, und man muß an der Angabe der ann. 
Lauresh. feſthalten; über den Werth ber Nachricht in den ann. Fuld. Enh. 
vgl. unten. 


08 

hat er die Forderungen Hadrians erfüllt ? Die Nachrichten über 
den Beſuch Karls in Rom enthalten darüber nichts; aber aus ei⸗ 
nem Schreiben, das Hadrian nad der Abreife Karls aus Rom, 
noch im Jahre 781, an Karl richtete, erfahren wir, dag ihm Karl 
auch in diefem Punkte ein Zugeftändnis machte. Er ficherte der 
Kirche bie Nüderftattung ihrer Rechte und Befigungen in der Sa- 
bina zu !. 

Karls Aufenthalt in Rom trug unverkennbar dazu bei, daß Ha⸗ 
drians Beziehungen zu ihm fich freundlicher geftalteten. Karl er- 
reichte dieß, ohne dem Papfte irgend ein wefentliches Opfer zu brin- 
gen; Hadrian mußte fih mit einem verhältnismäßig unbedeutenden 
Augeftändnis begnligen. Aber grade dieſes Zugeftändnis gab die 
Beranlaffung zu neuen Bejchwerden des Papftes, welche durch zwei 
Fahre fi Hinzogen. Hadrian behauptete, Karl Habe ihm das Sa⸗ 
binergebiet vollftändig überlaffen?, und machte zwifchen dem Patri⸗ 
monium der Kirche innerhalb des Gebiets und der Sabina felber 
feinen Unterfchied ꝰ. Aber in der That ift weder die ganze Sabina 
ein PBatrimonium der römischen Kirche gewefen, noch hat Karl die 
ganze Sabina dem heiligen Petrus geſchenkt. Die langen Verband» 
lungen mit Karl wegen der Uebergabe beweifen am deutlichiten, daß 
ber Papſt nur auf einen Theil des Gebiets begründeten Anſpruch 
hatte, 

Kurz nachdem Karl Ytalien verlaffen hatte, noch 781, ſchickte 
Habrian den Diaconus Agatho und ben Konful und Herzog Theodo⸗ 


2 Cenni I, 883 ff., cod. car. n. 69. Pagi a. 781 u. 1, und an ihn ſich 
anfchließend Eckhart I, 679 f. meinen, Karl babe dem Papſt die Sabina als 
Erjaß für Spoleto gefchenft, dad unter fränfifcher Oberhoheit verblieb, Dar: 
über läßt ſich jedoch nichtö beftimmtes fangen. Mod p. 84 n. 2 will dieſen 
Brief ald Beweis benugen für die Anficht, daß die Schenfung von Kieriy 
nicht mehr als das Exarchat und die Pentapolis umfaßt haben fönne, weil 
Hadrian hier feine Anfprühe auf das Sabinergebiet nicht auf bie Schenkung 
von Kierfy, fondern nur auf die Schenfung Karla zurüdführe. Es geht aber 
aus dem Briefe felbft hervor, daß Habrian gar nicht au bie Schenkung Karls 
von 774 denkt, fonbern an eine ganz neue, die Karl eben nur 781 bei feinem 
Beſuch in Rom gemacht haben fann. Und auf diefe Schenkung, d. 5. auf 
die Erneuerung des Verſprechens, baß die Anfprüche der Kirche auf ihre Be: 
fißungen in ber Sabina befriedigt werben follen, beziehen fi auch bie vier 
folgenden, von Mod zur Beltätigung feiner Anficht angeführten Stellen; vgl. 
auch unten. 

2 Cenni I, 384: Petimus, ut, sicut a vestra praerectissima excellen- 
tia b. Petro nutritori vestro, pro luminariorum concinnationibus atque alimo- 
niis pauperum Savinense territorium sub integritate concessum est, ita id tra- 
dere integrum eidem dei apostolo .. . dignemini. 

5 Demgemäß behauptet Cenni I, 314 f., territorium Babinense jei gleich: 
bebeutenb mit patrimonium Babinense, fo daß alfo die ganze Sabina ein Pas 
trimonium des römischen Stuhls gewefen wäre. Pagi l. c. und Eckhart l.c., 
auch Papencordt p. 100 f. nehmen eine Schenkung des ganzen fabinifchen Ge⸗ 
biet3 an; dagegen fagt Gregorovius II, 402, Karl babe nur das alte Pa⸗ 
trimonium in der Sabina, aber allerdings beträchtlich vermehrt, jedenfalls nicht 
bie Ei Zrovinz Sabina, dem heiligen Petrus zugeſprochen; vgl. auch Hald 
P. 66— 71. 


Bir 
ri: 
ERg 


* 





J 
3885 
® 


es Auftrags gehindert °; aber augenjcjeinlich wurden fie bei 
überall nicht bloß auf die Uebergabe des ſabinenſiſchen Gebiets über- 


— 
5 


achtigten 

ihre Aufgabe ſo auf. Das Verfahren Hadrians ſelber zeigt, daß 
ihm dieſe Bedeutung der Sendung nicht fremd war. Er berief ſich 
nemlich darauf, daß einige Greiſe, die gegen hundert Jahre alt wä- 
ren, am Altar in der Kirche der heiligen Maria zu Foronovum 
Borobono) in Gegenwart von Maginarius und Itherius bezeugt 

ätten, die römische Kirche habe von Alters her das fabinifche Ba 

trimonium befeffen ; diefes Patrimonium fei ihm aber noch nicht in 
dem von jenen Zeugen angegebenen Umfang zurüderftattet +. War 
die etwa das einzige Zeugnis, wodurch Hadrian feine Anfprüche zu 


I Cenni I, 885, cod. car. n. 69; vgl. oben p. 503 n. 1. 

8 Cenmni I, 387 , cod. car. n. 68, 

5 Cenni I. c.: Voluerunt nobis contradere (missi) in integro jam fato 
Savinense territorium; et minime potuerunt, mittentes varias occasiones per- 
versi et iniqui homines. Der Sinn biefer Worte geht aus dem Zufammen: 
bang deutlich hervor; wie aber der Sat: mittentes varias Ooccasiones per- 
versi homines wörtlich zu überfegen fei, ift fchwer zu fagen; vgl. Hald p. 7U 
n. 18, deffen Erklärung aber nicht ausreicht. 

* Cenni I, 405 f., cod. car. n. 56: (Fidelissimi atque seniores testes) 
adfirmantes dixerunt: quod et ipsi vestri missi vobis suppliciter, sicut te- 
stes illi jurati patefecerunt, referre possunt, quomodo antiquitus ipse b. Pe- 
trus, sanctaque nostra romana ecclesia idem detinuit patrimonium,, et minime 
ipsum suscepimus in integro patrimonium, vel nostris missis contraditum est, 
sicut isti testes adfirmantes coram sanctis Christi evangeliis testificantes 
dixerunt, Die Worte idem detinuit patrimonium’ find ſchwer wiederzugeben, 
dba der Bapft, ohne Zweifel abfichtlih, unentjchieden läßt, ob mit patrimonium 
die ganze oder nur ein Theil der Sabina, und welcher gemeint fei. Die 
Stelle felbft ſteht allerdings ert in einem etwas fpäteren Brief, ift aber un⸗ 
verfennbar nur eine weitere Ausführung und Ergänzung des früheren, worin 
Habrian behauptet, bie Geſandten haben die Nechtmäßigfeit feiner Anfprüche 
eingefehen, Cenni I, 388: Ut, sicut exantiquitus fuit, et in veritate jam fati 
vestri fideles missi satisfacti sunt, in integro noDis contradere praecipiatis, et 
signa inter partes constituentes. 


begründen fuchte ? Ein anderes ift wenigitens nicht angeführt, und 
wenn er troßdem behauptet, Karla Gejandte von der Rechtmäßigkeit 
feiner Forderungen überzeugt zu Haben, fo geht er wohl zu weit. 
Denn die von den „böswilligen und ungerechten Meenfchen“, von 
welden Hadrign redet, erhobene Einfpradhe war für die Gefandten 
Grund genug, um zu Karl zurädzureifen und ihm über. den Sach⸗ 
verhalt mündlich Bericht zu erftatten. Daraus geht boch unzwei⸗ 
deutig hervor, daß Karl den Papfte keineswegs das ganze Sabiner- 
gebiet ohne weiteres überlaffen haben kann; aber Hadrian bot frei« 
lid alles auf, um dieß zu erreihen. Deshalb genligte es ihm nicht, 
daß Itherius und Maginarius es übernahmen, an feiner Statt den 
König genauer über die Verhältniffe zu unterrichten, fondern er 
ſchickte feinerfeits feinen früheren Schagmeifter Stefan nod) befonders 
zu Karl, um ihn aufs angelegentlichfte zu erjuchen, für die Ueber- 
gabe des SabinergebietS in feinem vollen Umfange zu ſorgen; Karl 
möchte, um diejelbe zu bewirken, Einen feiner beiden Bevollmächtig⸗ 
ten, den Itherius oder Miaginarius, mit Stefan wieder zurüd nad) 
Stalien ſchicken !. 

Inzwiſchen nahm die Sache nicht deu rafchen Fortgang, wel« 
hen Hadrian wünſchte; Karl war in diefen Jahren vollauf mit 
dem Sachſenkrieg befchäftigt, und der Papſt mußte nad) einiger Zeit 
feine Bitte wiederholen. Er benüste die nächfte Gelegenheit, welche 
fih ihm darbot, um den König wiffen zu laffen, daß er ihre Er» 
füllung noch immer aufs fehnlichjte erwarte; Karl möchte doc) feine 
Bevollmächtigten, welche die Sache zum Theil ſchon geprüft haben, ber 
auftragen, ihm num das ganze Patrimonium zu übergeben *. Da jedoch 
auch diefer Schritt erfolglos blieb, fo richtete Hadrian bald darauf noch) 
ein Schreiben an Karl, lediglich zu dem Zwed, ihn an fein Verſpre⸗ 
hen zu erinnern. Er forderte Karl aufs dringendfte auf, fich doch 
nur von feinen Geſandten fagen zu laſſen, was fie in Betreff des 
Patrimoniums des heiligen Petrus in der Sabina gefehen und ge- 
hört hätten; er felber rufe Gott zum Zeugen auf, daß er fein 
fremdes Gebiet unrechtmäßig begehre; er wolle nur das genannte 
Patrimonium, wie es von Alters her geweſen, und Karl es bem 
heiligen Petrus zugeftanden habe, in Befig nehmen. ‘Deswegen er- 
ſuchte er den König abermals, jene beiden Gefandten, oder doch Ei- 
neñ von ihnen, nebjt einer andern Perfünlichkeit, die ihm dazu geeig- 


! Cemi I, 387 f. 

2 Cenni I, 409 f., cod. car. n. 76. Abweichend von Cenni und Jaffs 
p- 209, und übereinjtimmenb mit Pagi a. 782 n. 4 glaube ich biefen Brief 
vor den Brief cod. car. n. 56, Cenni I, 405 ff., abweichend von Pagi aber 
nicht auch vor den Brief cod. car. n. 68, Cenni I, 886, fegen zu müflen. 
Die Angabe Habriang, bie fränkifchen Gefandten haben die Sache zum Theil 
fon geprüft, worauf Cenni p. 409 n. & feine Anficht fügt, kann doch ganz 
leicht auf die von Hadrian bereitö im erften Brief, Cenni I, 886 ff., gemadhte 
Mittheilung bezogen werben, Zunächſt brachte Habrian biefelbe dem König 
gelegentlich in Erinnerung; erft da bieß nichts half, wandte er fi in einem 
ejondern ausführlicderen Schreiben an ihn, Cenni I, 405 ff., cod. car. n. 56. 


606 
net. ſcheine — zu Inden, um bie {om im Angriff ge 
Uebergabe bes Fatrimonimmes 


vergieng 

erreichte unterbeijen burd fein jortgeiegtes Drängen 
Dr mac rain ſchickte, um endlih die Sache ins rei 
gen?. Maginarius hatte, wie Hadrian bemerft, ben 
römifen Stuhl zum Bejig des ganzen Eabinergebiets 


zu verbeffen, 
wie Karl jelber es ihm überlajien babe; aber auch dießmal wieder 
follen böswillige Dienfchen den Zollzug dieies Befehls gehindert he 
ben?. Wer waren denn die Yeute, welche jo kühn dem Willen ven 
Bapft und König Trog zu bieten wmagten ? —8 verſchweigt e& * 
aber wir fehen, daß ihr Wiberftand frudtlos fein mußte, wenn 


Karls Entſchluß, die ganze Sabina dem Papft zu übergeben, fo feh 
und entfchieden war, wie der Papft verjidert. Bereits zum zweiten 
Mal gaben nun aber die Bevollmädtigten Karls dem gegen 
päpftlihen Forderungen erhobenen Widerſpruche nah, fo dab es i 
der Zhat nicht möglich ift zu glauben, ihre Vollmachten haben wirl 
lich fo gelautet, wie ſich aus den Worten Hadrians zu ergeben fcheint®. 
Hadrians eigenes Verfahren widerlegt feine Behauptung. Früher hatte 
er fi auf da® Zeugnis einiger Greiſe berufen; jetzt fuchte er den 
Maginarius durch den Hinweis auf die früheren Taiferlichen Sükn- 
tungen, ja Ey das Berfahren der Langobardenlönige, fogar des 
„treulofen“ Defiderins von der Rechtmäßigkeit feiner Forderungen zu 
überzeugen ©. Und dabei blieb er nicht ftehen. Er fchrieb an Karl, 
zu gelegener Zeit werde er Gefandte an ihn ſchicken, um ihm feine 
Mahnungen auszurihten, daß er, vom Geifte Gottes erfüllt, die 
Gerechtſame des heiligen Petrus jorgfältig prüfe und die Uebergabe 
in Vollzug fegen lafje?. 


’ Cenni I, 405 ff. Ter Schatmeifter Stefan, den Hadrian zu Karl ge: 
ſchickt hatte, ſchein demnach, wie Cenni p. 407 n. 7 richtig bemerkt, ſchon 
früher, und zwar unverrichteter Sache, nad Rom zurückgekehrt zu fein. 

% Cemni I, 413 ff., cod. car. n. 73. 

8 Cenni I, 414: Qualiter vero ei (Maginario) praecepit vestra a deo 
promota triumphatissima excellentia pro Savinensi territorio, ut nobis sub in- 
tegritate coutraderet, sicut b. Petro ciavigero regni coelorum tribuistis; mi- 
nime propter malignos ac perversos homines potuit. 

* Gregorovius IH, 402, und auch fchon Cenni p. 316. 388 n. 7. 406 
n. 5. 414 n. 3. 415 n. 6 benfen an Örenzitreitigfeiten mit ben Reatinern, 
und berufen fih auf das Tiplom Ludwigs bed Frommen, Pertz Legg. II, 
9, worin es heißt, daB Itherius und Maginarius zwifchen dem Gebiet von 
Rente und ber Sabina bie Grenze beſtimmt haben. Allein das Tiplon ift 
unecht und daher jene Annahme ohne rechten Beweis. 

® Vgl. oben p. 504 n. 3. An bewaffneten Widerftand zu benfen er: 
lauten die Worte Hadrians nicht; bie fränfifchen Geſandten wurden alfo 
nicht durch Gewalt gehindert die Sabina dem Papſt auszuliefern, bloß auf 
Grund friedliher Vorftelungen unterliegen fie die Auslieferung. 

© Cenni I, 414. 

T Cemi I, 415: Pro hoc enim fidelissimos missos nostros, una cum 


774 


507 


Hadrian forderte zuleßt den König felber auf, feine Anſprüche 
prüfen zu laffen, und geftand dadurch zu, daß Karl ihm keineswegs 
das ganze Sabinergebiet bedingungslos gejchenkt Habe. Oder wozu 
bedurfte e8 denn für Hadrian der Zeugen und Beweife, die er auf 
brachte, um bei Karl die Befriedigung feiner Anjprüche zu erwir- 
fen? Sie waren offenbar ganz überflüffig, wenn bereitS vorher die 
ganze Sabina dem apoftolifchen Stuhl von Karl gefchentt war !, 
Daraus, daß Hadrian es dennoch nöthig fand, fich angelegentlich 
darauf zu berufen, folgt, daß die Schenkung Karls nicht ausreichte, 
um darauf allein die von ihm geftellten Forderungen zu begründen. 
Es ift demnach unzweifelhaft, daß die Schenkung Karls nur eine be- 
dingte war, daß fie nicht das ganze Sabinergebiet, jondern nur das 
dort befindliche PBatrimonium des Heiligen Petrus umfaßte, und daß 
ed dem Papſte oblag, feine Anſprüche im Einzelnen zu begründen. 
Bon andrer Seite wurden diefelben theilweiſe beftritten, und es fcheint 
daß Karl diefen Einwendungen Beachtung ſchenkte. Wir hören nad) 
783 nichts mehr von diefer Angelegenheit, fie wird alſo damals zum 
Abſchluß gebracht fein; aber fchwerlich ift es dem Papfte geglück, 
mit feinen Forderungen volljtändig durchzudringen ?. 

Während fo Hadrians Bemühungen, die Beſitzungen des heili⸗ 
gen Petrus zu erweitern, nad) wie vor den größten Schwierigleiten 
begegneten, war auch fein Anfehn da, wo ihm anerfanntermaßen be 
ftimmte Rechte zuftanden, äußerjt gering; es verichwand neben ber 
über allem andern ftehenden Macht des Königs, welcher, jo oft er 
fonnte, unmittelbar felbft eingriff. Hadrian erzählt aus diefen Jah⸗ 
ren felber einige Fälle, welche dieß deutlich ergeben. Im Jahr 783 
befchwerte er fich bei Karl über die Frevel, welche in Ravenna von 


monitionibus nostris, apto tempore vostrae regali potentiae dirigimus, ut li- 
quida perscrutstione, divinitus inspiratus, eas indagans, justitiae b. Petro 
apostolo eveniant ad effectum, 

2 Darauf macht mit Recht auch Hald p. 56 f. aufmerffam. 

2 Dieß giebt fogar Cenni I, 415 n. 6 zu, während er freilich behaup: 
tet, daB die Schenfung Karls das ganze Sabinergebiet umfaßt habe. Er fagt 
ſelbſt (p. 315, vgl. oben p. 503 n. 3), Hadrian gebrauche die Bezeichnung 
territorium sabinense gleichbedeutend mit patrimonium sabinense, rechtfertigt 
aber dieje, vom Papſt allerdings abfichtlih, jebod mit Unrecht angewandte 
Vermengung ber Begriffe auf eine ganz ungenügende Weiſe. Er behauptet, 
p. 316, faft die ganze Sabina habe fhon vorher and päpftlihen PBatrimonien 
befanden; Karl babe alle Schenfungen Anderer beftätigt, und dann aus eig: 
ner Jreigebigfeit noch andres, d. h. alfo den Reit, Hinzugefügt und demnach 
das ganze territorium sabinense dem heiligen Petrus gefhenft. In der That 
ift aber von folden Schenkungen, die Karl den früheren Befigungen ber Kirche 
in der Sabina beigefügt haben foll, nirgends etwas zu ſehen; die von Cenni 
angeführte Stelle kann dieſes nicht beweiſen. Auch Borgia, Breve istoria p. 

88 ff., der noch entfchiebener ald Genni ausführt, daß die Kirche ſchon früher 
ein großed Patrimonium in der Sabina befeffen, und dann 781 die ganze 
Sabina mit allen Regierungsrechten von Karl erhalten habe, Tann dieß nicht 
beweifen, denn in ben Briefen Hadrians, auf welche er ſich allein beruft, fteht 
bavon nichts. Dennoch nimmt auch Gregorovius II, 402 eine Vermehrung 
ber Schenkung durch Karl an, vgl. p. 503 n. 3 

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jene Beſchuldigungen in Segemvart der föniglichen Bevollmächtigten 
erhärten, damit dann von diefen die Frevler zur Strafe gezogen 
würden, und die Schenkung Pippins „unerjchüttert und unangetajtet 
in Emigfeit bejtehe* °. Wir befommen eine geringe Borjtellung von 


3 Genni I, 421, eod. car. on. 75. 

8 Genni I. e.: Non sinebant (Eleutherius et Gregorius) in eorum ja- 
dieari partibun. 

°® Halb p. 118 nimmt fogar an, Hadrian babe gefürdhtet, daß es Gleu: 
therius und Gregorius gelingen möchte, einen Bruch zwifchen ibm und Karl 
herbeizuflihren. Jedenfalls ift es aber unrichtig, wenn.er bem Papſte vor: 
wirft, er babe dadurch, daß er ſich zum Richter der beiden aufiwerfen wollte, 
ſich einer Uerlebung ber königlichen Auterität fchuldig gemacht. 

% Canni I, 432. $ Cemi I, 420 f. 

* Canni I, 422. Tie Berufung auf die Schenfung ift beachtenswerth. 
Gregorovius 31, 406 benft wohl an diefe Stelle, wenn er fagt, es blide aus 
KHabrians Urlef die Furcht hervor, an derjenigen Gerichtäbarleit, welche ibm 
vertragsmäſilg in den Ländern ber Kirche zuftand, dur Karl Einbuße zu er: 
leiden ; und Ich glaube, Gregorovius hat Recht. Nur muß andrerfeitz ber: 
vorgehboben werden, daß Hadrian fich dießmal felber biefes Nechts begab, um 
bei Karl nicht anzuſtoßen; md daß Karl die Dberhoheit über daß Exarchat 
batte, wird durch diefen Vorgang nicht widerlegt, fondern beflätigt. 


609 


ber Macht des Papftes, wenn wir fehen, wie er hier als Ankläger 
auftritt und die Bevollmächtigten Karls als Richter zwiichen ſich 
und zwei gemeinen Verbrechern anerkennt, die er jelbft des Raubs 
und Mords befchuldigt. Den Ausgang kennen wir nicht; im beften 
Fall gieng Karl auf die Bitten Hadrians ein, und erfparte ihm alfo 
die Demüthigung nicht, welche für den Papft in dem von ihm felbft 
gewünſchten Verfahren lag. 

Und diefer Fall fteht nicht vereinzelt da. Nicht lange nachher, un⸗ 
gefähr im Jahr 784, trat ein andrer Vorfall ein, der für das Ver⸗ 
hältnis Karls zum Papfte noch bezeichnender if. Ein Mönd und 
Presbyter Johannes, ohne Zweifel Staliener, kam zu Karl! und 
theilte ihm mit, daß in Stalin Menſchen widerrechtlich ihrer reis 
beit beraubt, und auch fonft verfchiedene Ungerechtigkeiten und Frevel 
von ſchlechten Menfchen verübt würden. Der Hauptzwed feiner 
Reiſe war aber gewis nicht der, Karl über die Zuftände Italiens 
im allgemeinen zu unterrichten; vielmehr fcheinen ihn vornemlid) feine 
eiguen Angelegenheiten bewogen zu haben, den König aufzufuchen. 
Wenn nicht alles trügt, fo hatte ihn der Papft eines fchweren Ver⸗ 
gehend gegen die Ordnungen der Kirche fchuldig befunden und bes 
fchloffen, die fchwerften und entehrendften Strafen, Ercommunication 
und Auspeitfcehung, über ihn zu verhängen?. Mean fieht nicht recht, 
worin das Vergehen des Johannes bejtanden haben foll *; bei der Ent» 
Ichiedenheit jedoch, womit Habdrian fi) ansſpricht °, ift e8 nicht mög⸗ 
lich die Beichuldigung für ungegründet zu halten. Die Hauptſache 
it, dag Karl ihn deſſenungeachtet in Schug nahm. Er forderte vom 
Papjte, dag er den Yohannes nicht verdamme, nicht mit dem Banne 
belege noch auspeitfchen laſſe, daß er ihm überhaupt nichts zu Xeide 
thue €; und Hadrian fügte ſich in allem der Forderung des Königs. 
„Wenn er nicht Eure Unterjtügung gefunden hätte“, fchreibt er an 
Karl, „fo wären wir nach der ganzen Strenge der firdlichen Die- 
ciplin mit ihm verfahren. Aus Liebe zu Euch aber haben wir ihn 


2 Cenni I, 432 ff., cod. car. n. 77. Daß Sohannes ein Italiener war, 
ift nicht ausdrücklich gefagt, geht aber aus dem Zufammenhang hervor. 

2 Cenni I, 438: De captivatione hominum, et de alüs illicitis causis, 
quae a pravis perpetrantur hominibus. 

5 Cemi I, 435: Nam si vestrum illi non profuisset regale adminicu- 
lam, ecclesiasticam illi disciplinam canonice inferentes... monachicam regu- 
lam illi demonstrare irreprehensibiliter habuissemus (debuissemus ?). 


* Hadrian fpridt, Cenni p. 434, von einer Zifion, bie Johannes ges 
habt zu baben vorgab, ſtimmt aber mit Karl darin überein, daß biefed eine 
leere Einbilbung (fantasma) ded Mönche fei. Das ihm vorgeworfen: Tann, 
wenn überhaupt, jedenfall3 nicht allein in dem Vorgeben biefer Viſion beftans 
den haben. Vielleicht follte diefe zur Beſchönigung eines Betrugs dienen; bars 
über hinaus find aber nicht einmal mehr Vermuthungen möglich. 

s Bol. die Stelle oben n. 3. 

6 Cenmni I, 435: A nobis pro eo vestra poposcit regalis potentia, ut 
nequaquam a nobis condemnaretur, anathematizaretur vel flagellaretur, neque 
aliquam adversitatem ei faceremus. 


betrachtete 

er kirchliche und ftaatlide Angelegenheiten überhaupt im engfien 3x 
fammenhang mit einander behandelte, jo faßte er auch den 2 
Monchs Johannes wejentlid) von der politiien Seite auf. Gi 
müſſen aud in der That politifche Fragen dabei in Betracht gelom- 
men fein. Karl jchidte, um dem durd Johannes zu feiner Kennt 
nis gebrachten Unfug zu fteuern, den ‚og Garamannıs als Be 
vollmächtigten nah) Rom, mit der Weiſung an den PBapit, den Mit 
bräudgen ein Ende zu maden. Hadrian verjudhte mit keinem Wort 
die Angaben des Monchs zu entkräften, fondern beeilte fich dem fi 
nig mitzutheilen, daß er, wie derfelbe es von ihm gefordert, den Her: 
zog freundlich empfangen habe, und, wie diefes feine Gewohnheit, 
allen feinen Wünfchen nachgefonmen ji’. Man fieht, dag in be 
Befigungen der Kirche nicht Hadrian, fondern Karl die Drbnung 
aufrecht hielt *; und überall, jo weit wir ſehen, beeilte ſich der Papf 
die Weijungen Karls zu erfüllen. Karl hatte ſchon früher Hadrian 
aufgefordert, für die Abichaffung des SHavenhandels in Italien Eorge 
zu tragen 3, den namentlich die Venetianer betrieben ; er fcheint aber 
dennoch nicht aufgehört zu haben *. Nun ſchickte Karl an Hadrian 
den Befehl, die venetianifchen Kaufleute aus dem Exarchat und ber 
Pentapolis auszuweifen, und Hadrian traf ungeſäumt die nöthigen 
Anjtalten, um den Befehl auszuführen, beauftragte auch den Erzbi⸗ 
fchof von Ravenna die im Gebiet feiner Kirche anfäßigeu Venetianer 
zu verjagen ?. 


I Cenni I, 433: lllud autem, quod nobis vestra innotuit regalis po- 
tentia, per suum fidelissimum missum, scilicet Garamannum gloriosyum ducem 
... de illicitis causis... ut Deo propitio per vestrum praecelsum regalem 
dispositum corrigerentur vel emendarentur, quemadmodum a nobis poposcit re- 
galis potentia, libenli eum suscepimus animo, solite in omnibus vestris ac- 
commodantes votis. 

2 Cenni I, 433, n. 4 behauptet, um feinen Stanbpunft zu wahren, bie 
Klagen des Johannes hätten ſich nicht auf Vorfälle in den Befigungen ber 
Kirche, Sondern in den Karl unmittelbar unterrworfenen Gebieten bezogen. Die: 
fes ift aber offenbar unrichtig; grade das Verfahren Karls in diefer Angele: 

enbeit beweift nicht weniger als die Fügſamkeit des Papfted, dag Karl aud 
n den Befipungen der Kirche oberhobeitlihe Rechte ausübte, 

5 Bol. oben p. 496; auch Gregorovius I, 409 f. 

* Habdrian theilte dem König nad feiner erften Mahnung mit, er babe 
den Herzen Alle von Lucca aufgefordert, die griedhiihen Sklavenſchiffe im 
Brand zu ſtecken; Allo babe fich jedoch deifen qeweigert, und er feiber babe 
nicht die Mittel dem Unweſen zu fleuern, Cenni I, 370. 

Cenni I, 459, cod. car. n. 84: Ad aures clementissimae regalis ex- 
cellentiae vestrae intimantes innotescimus, quia, dum vestra regalis in trium- 
phis victoria praecipiendum emisit, ut a partibus Ravennae seu Pentapoleos 
expellerentur Venetici ad negotiandum, nos illico in partibus illis emisimus 
vestram adimpleuten regalem voluntstem diavenna fteht bier offenbar für 

@ 


54 


Aus dem allem erhellt zur Genlige die Unmacht des Papftes, 
und als nothwendige Folge davon feine Abhängigkeit von Karl. Er 
fonnte nicht daran denken, anders als auf gütlihem Wege, durch 
freundfchaftliche Vorftellungen und eine ängſtliche, faſt übertriebene 
Zuvorfommenheit bei dem König etwas zu erreichen. Auf biefem 
Wege kam aber auch Karl feinerjeits ihm bereitwillig entgegen. Es 
liegt außerhalb unferer Aufgabe, von dem Einfluß zu reden, welchen 
ln in firchlichen Fragen auf Karl übte, zu erzählen, wie Karl 

äufig und in den wichtigften Fällen nicht bloß den Rath des Papftes 

hörte, fondern ſelbſt aus freien Stücken einholte '. Wir haben es 
mit der Stellung Karls zu den Angelegenheiten des römischen Stuhls 
zu thun, und auc dafür iſt es von großer Bedeutung, dag Hadrian 
und Karl, trog der unausgefegten Anftrengungen bes erfteren, bie 
Befigungen der Kirche auszudehnen, und trog der beharrlichen Wei⸗ 
gerungen des leßteren, die päpftlihen Forderungen zu erfüllen, den⸗ 
noch fortwährend einen freundichaftlichen Verkehr mit einander unter- 
hielten . So lie Karl im Jahre 784, als es ihm bei dem Bau 
des Doms zu Achen an Marmor fehlte, den PBapft bitten, ihm aus 
feinem Palaft in Ravenna Marmor, Mofaiten und andere Kunſt⸗ 
werke zu überlaffen d, und Hadrian gieng bereitwillig darauf ein. 
Karl fchickte dafür dem Bapft zwei Pferde, und da das eine unter- 
wegs ftarb, fo bat ihn Hadrian ihm noch einige andere ſchöne Pferde 
zu fchiden. Karl feinerjeits verfprah dem Bapft Balken zur Res 
jtauration verfchiedener Kirchen in Rom und 2000 Pfund Zinn zur 
Bedachung des Vorhof der Peterskirche liefern zu laſſen, worauf 
Hadrian freilich länger, al8 er wünſchte, warten mußte *. 

Gewis war für beide, Karl und den Papſt, die Yortdauer der 
Berbindung wünfchenswerth ; aber fie war doch für Hadrian ein un⸗ 
glei, dringenderes Bedürfnis als für Karl. Wohin wir blicken, ſto⸗ 
gen wir auf Beweiſe ber Schwäche des Papſtes. Am beredteiten 
hat Hadrian felbit feine Wiittellofigkeit und Hülfsbedürftigkeit ger 
childert. In dem Briefe, worin er Karl an fein Verſprechen we⸗ 
gen der Balken erinnert, fchreibt er: „Schon oft haben wir Eud) 
gebeten, zum Heil Eurer Seele uns größere Ballen zur Reſtaura⸗ 
tion der Kirchen Gottes ſchicken zu laffen; aber noch haben wir von 


das ganze Exarchat, Venotici ad negotiandum finb die venetifchen Handelsleute. 
Die Stelle beweift aufs neue, daß Karl aud im Exarchat und der Pentapo= 
lid die Dberhoheit hatte; die Einwendung von Cenni I, 460 n. 3 ift nichtig. 

2 Bol. 3. B. den Brief Cenni I, 465 ff, cod. car. n. 80. 

2 Bal. 3. B. Cenni I, 410. 

® Cemi I, 439jf., cod. car. n. 67, vgl. mit Einh. Vita Kar. c. 26, 
88. II, 457. Cenni p. 440 n. 3 erblidt bierin einen Beweis für feine An 
fiht, daß dad Exarchat unter der päpftlihen Oberhoheit geftanden habe. Aber 
mit Unreht. Daran, daß ber Papft in Ravenna einen Palaſt befaß, folgt 
doch nit, daß Karl im Exarchat bie Oberbobeit nicht befeilen haben könne; 
vgl. Gregorovius II, 408 f. 

* Cemi I, 471, cod. car. n. 66. Der Brief gehört ind Jahr 786; 
Meo III, 132, der ihn 785 anſetzt, ſtützt fi auf das untergefhobene Chron. 
neapol, von Ubald, vgl. unten p. 513 m. 1. 


512 


den damit Beauftragten nichts erhalten, fo daß die Kirchen, für 
welche wir größerer Balfen bedürfen, zum Theil ſchon eingeftinzt, 
zum Theil im Begriff find einzujtürzen, und wir, fo lange wir af 
die Balken warten müſſen, uns nicht zu helfen wiffen“. „Die Kirche 
Eures Gönners, des heiligen Petrus, it im Frühjahr vom Regen 
arg befchäbigt worden, und wir find gänzlich entblößt von den Mit: 
teln, das Dach des Vorhofs herzuftellen“ '. 

Wir fehen, daß der Papft unwiderruflich auf die fränfifche Un 
terftüßung angewiefen war; aber je weniger er fie entbehren konnte, 
defto theurer mußte er fie bezahlen. Karl felber allerdings erfcheint 
frei von dem Vorwurf, die Hülflofigkeit des Papftes zu feinen eig. 
nen Vortheil ausgebeutet zu haben; nicht fo feine Beamten in Ste 
fin. Hadrian beflagte ſich mehrmals bitter über die gewaltthätigen 
Uebergriffe einzelner Herzöge, ja fogar befonders abgeorbneter Be 
vollmächtigter des Könige. Der Herzog Reginald von Cluſium nam 
dem Papft mit Waffengewalt Cajtellum Felicitatis weg und jchlog 
fih dem Bündnis der Herzöge an?. Der Herzog Gundiprand von 
Florenz überfiel die Beſitzungen des St. Hilariusflofters in Gallinte 
im Apennin, und beraubte daffelbe mehrerer Tändereien®. Die Be 
amten, welche dem Papſt die für die Petersfirche beftinnnten Balken 
ausliefern follten, machten Schwierigkeiten, und mußten durch einen 
eignen Bevollmächtigten Karls an ihre Pflicht erinnert werben*®. 
Der Herzog Garamannus, welchen Karl 784 nad Italien gefchitt 
hatte, um auf die Abftellung der in den Befigungen ber römiſchen 
Kirche herrfchenden Misbräuche zu dringen?, wurde von 
beſchuldigt, daß er die Befigungen der Kirche von Ravenna überfal 
fen nnd ihre Ginfünfte weggenommen habe ®. 

Der Papft war auf allen Seiten von Schwierigfeiten umgeben, 
. deren er allein nicht Herr werden konnte Doch auch Karls In 
tereffe forderte, daß in die unfertigen Zuftände Italiens endlich Orb 
nung gebracht wurde, und er beſchloß dieß nicht länger zu verſchie⸗ 
ben. Die Taufe Widukinds und die Unterwerfung der Sachfen ver: 
Schaffte ihn freie Hand für neue Unternehmungen. Ende 786 traf 
er Anftalten zu einem neuen Zuge nad Stalien. 

Die Nadjrichten, welche vom Papft einliefen, konnten ibn bei 
diefem Entſchluſſe nur bejtärken. In Benevent herrfchte der Herzog 


2 Cenni I, 470 ff., cod. car. n. 66. 

2 Cenni I, 337, cod. car. n. 60, vgl. oben p. 484 n.6. p. 487. 

8 Cenni I, 436ff., cod. car. n. 74. 

* Bol. oben p. 511; Cenni I, 471: Poscimus, ut vestrum proprium 
idoneum missum dirigere jubeatis, qui ipsos actores, qui pro jam dictis 
trabibus neglectum ponere ausi sunt, distringere debeat, ut ipse nobis eas 
tradere per vestrum dispositum studeat. 

5 Bal. oben p. 510. 

6 Cenni I, 460: Quid autem contigit de Garamanno duce, qui subito 
irruit super praedia et possessiones sanctae Ravennatis ecclesiae in nostris ter- 
ritorüs sitas, et non solum eas occupavit, sed et omnes fruges a praedicta 
abstulit ecclesia et de aliis piis locis ? 


513 


Arichis fehon ange wie ein unabhängiger Yürft, und machte als Ge- 
mahl von Defiderius Tochter Adalberga fogar Anſpruch darauf, ber 
Nachfolger von Deſiderius in der Herrichaft des Langobardenreiches 
zu fein. Nun traf von Hadrian die Nachricht bei Karl ein, er habe, 
um fi für die Verlegung der Rechte Einiger feiner Unterthanen 
Genugthuung zu verfchaffen, da8 zum Herzogthum Neapel gehörige 
Amalfi belagert und alle außerhalb der Mauern liegende Befiungen 
der Stadt mit Feuer und Schwert verwüftet. In Folge davon 
rüdte ein neapolitanifches Heer gegen ihn zu Felde, brachte ihm eine 
Niederlage bei, entjegte Amalfi und führte viele Beneventaner gefan- 
gen fort '. Hadrian hebt in dem Berichte über dieſe Vorfälle aus⸗ 
drücklich den großen Verluſt hervor, welchen Arihis erlitten habe 2; 
noch wichtiger war aber, daß diefer mit den Neapolitanern, mit wel» 
hen er früher gemeinfame Sache gegen den Papſt gemacht hatte, 
num entzweit war. ‘Die Gelegenheit ſchien günftig, um den ftolzen 
Herzog zu demüthigen. Die Nachricht Hadrians trug ohne Zweifel 
dazu bei, daß Karl noch zu Ende des Jahres 786 den Zug nad) 
Italien antrat. Am 5. November weilte er noh in Worms, 
aber wenig fpäter muß er aufgebrochen fein; Weihnachten feierte er 
bereit8 in Florenz und von da begab er ſich nad) Rom. 
Für den Papft war der Befuh Karls in Rom gewis fehr er- 
wänfcht, er Eonnte den König von der Nichtigkeit feiner Beſchwerden 
perjönlich leichter zu überzeugen und feine Unterftüßung zu geminnen 
hoffen. Aber war er denn bei feiner Diachtlofigfeit überhaupt im 
Stande auf Karl einzuwirien? Wir müffen uns des Umfchmungs 
erinnern, der feit der Uebernahme der Regierung durch Irene in Con» 
ftantinopel eingetreten war. ‘Die Vorliebe der Kaijerin für den Bil- 
derdienft hatte fogleich zu einer Annäherung an Rom geführt, welche 
im Lauf der Fahre Fortichritte machte. ALS Irene den Entfchluß 
faßte, eine allgemeine Kirchenverfammlung behufs Wiedereinführung 
des Bilderdienftes zu veranftalten, Iud fie Hadrian ein derfelben bei⸗ 


I Cenni I, 471. Genauer ift ber Kampf bed Arichis mit Amalfi und 
feine Niederlage durch bie Neapolitaner und des Bilchofs Stefan Sohn Cä- 
fariuß erzählt ın den bem bald zugefchriebenen fragmenta chronici neapoli- 
tani bei Peregrin. et Pratill. Historia prince. Langob. II, 83. Allein biefe 
Chronik ift ein untergefchobene® Machwerk ohne biftorifchen Werth, vgl. Köpfe 
in Pertz Archiv IX, 212 ff. 

8 Cenni I. c. Dürfte man auf biefen Kampf aud bie Worte in ber 
Grabſchrift des Caſarius beziehen, Ughelli, Italia sacra VI, 

Nutritus obses Arichis moderamine —8 
Salvasti patriam permemorande tuam, 
fo würde freilich daraus bervorgehn, daß auch die Neapolitaner von Arichis 
bart bedrängt waren, und darauf deutet auch die Angabe bei Erchemb. c. 9, 
88. IL, 242 (vgl. unten p. 514 n. 4). Inzwiſchen find diefe Angaben ſelbfi 
ſehr unbefimmt, und dev Papſt feinerfeit3 konnte bei feinem Haß gegen Ari: 
his deſſen Verlufte leicht übertreiben. 

s Nrkunde Karla für das Klofter St. Germain bed Pre bei Paris, 

dat. Non. Novembris , actum Warmatia palatio, Bouquet V, 749, Böhmer 


n. 125 






uXn® 


ker 

we 

dem heili⸗ 

Rat Weihe der 

dem Papfte zuridge 

ben, und den Primat der römischen Kirdye über alle anderen auerlen 
nen?. So beantwortete derfelbe Papit, der in Italien den Angrinjen 
des Heinen griehiiden Herzogthums Neapel nidyt gewachſen war, de 
Einladung der Kaiferin mit der Rüdforderung aller Rechte und Pu 
trimonien des heiligen Petrus; unter feinem Schutz follen, wie bie 


her die Franten, fo fortan aud die Griechen Siege über die Barbe 
ren davontragen. 

Wir dürfen auf das Selbftvertrauen und die zuverfichtliche Spraqhe 
des Papftes nicht zu viel Gewicht legen; aber die ausgefprocen 


zu Statten. Auch Karl gegenüber hat er Nutzen daraus gezogen. 
Allerdings Hatte Karl, fchon als er den Zug nad Italien antrat, 
unzweifelhaft die Abficht gehabt den Uebergriffen des Arichis ein Ziel 
zu feßen’, und gab audh in Rom diefen Plan nit auf. Aber es 
eröffnete fich ihm die Ausficht, auf friedlihem Wege feinen Zweck 
zu erreihen, und deshalb wünſchte er den Kampf zu vermeiden. 
Arichis that fein Möglichites, um dem Zufammenftoß mit den Fran⸗ 
fen vorzubeugen. Mit Neapel fchloß er Frieden und fuchte es durd 
beträchtliche Zugeftändniffe anf feine Seite zu ziehen. Dam 
fnüpfte er auch mit Karl Unterhandlungen an. Er ſchickte feinen 
älteften Sohn Romuald mit reichen Gefchenten nah Rom, nnd bat 
Karl von feinem Zuge gegen Benevent abzuftehen; ja er erbot fid 


2 Theopb. p. 809; Mansi XII, 984 ff.; vgl. Hefele III, 414 ff. 

®2 Mausi XII, 1056 ff.; vgl. Hefele III, 416 fi. 

8 Ann. Einh. 88. I, 169; dagegen vgl. Ranke, Zur Kritik fränkiſch⸗ 
beutfcher Yteichdannaliften, in ben Abhandlungen der berliner Alabemie, Jahrg. 
1854. p. 428 ff. 

* Erchemb. l. o., SS. II, 242: Qui (Arichis) audiens eos (Francos) 
super sc adventare, Neapolitis, qui a Langobardis diutina oppressione fati- 
gati erant, pacem cessit, eisque diaria in Liburia et Cimiterio per incolas 
sancita dispensione misericordiae vice distribuit, titubans, ut conici valet, ne 
ab eoruın versutiis Franci aditum introeundi Beneventum repperirent, (in: 
gehender iiber die Stelle handelt MeoIll, 138 ff. Ob fie zuverläflig ift, bleibt 
ungewis; fie ift es aber jedenfallß nicht, wenn fie, wie Pratillus 1. c. III, 
491 ff. meint, zurüdzuführen ift auf bad ‘pactum quod constituit domnus 
Arcchisi gloriosus princeps cum judex Neapolitanorum de servis et ancillis, et 
de terris et de legurias, et de Tertiatoribus, que communes est inter partes’, 
Pratillus et Per. Ill, 194 ff. Dieſes pactum ift entfchieben unecht, wie ſchon Meo 
l. c. bemerft hat. 


515 


alie feine Forderungen zu erfüllen. Es fcheint, baß bie Anerbie- 
tungen, welde Romualb von feinem Vater überbrachte, ben König 
befriedigten ?; aber der Papft forderte mehr. „Der Papft und die 
fräntifchen Grafen“, heißt es, „glaubten den Verficherungen Romu- 
alds nicht, und kamen mit dem König Karl dahin überein, daß er 
nad) Benevent zöge, um ſich Garantien für die Erfüllung feiner For⸗ 
derungen zu verichaffen“?. So vorfidtig fih der Annalift auch 
ausdrüdt, fo fieht man doch daß zwifchen Hadrian und Karl Feine 
‘volle Mebereinftimmung beftand. Karl, welcher auch fpäter dem Ari- 
his verhältnismäßig glimpfliche Friedensbedingungen ftellte, war zu. 
frieden die gewünjchten Zugeftändniffe auf friedlichem Wege zu er- 
langen ; e8 bedurfte des dringenden Zuſpruchs von Seiten Hadriang, 
um ihn zum friegerifchen Auftreten zu bewegen *. Wir Tennen die 
Gründe nicht, weshalb die fräntifchen Großen gegen Arichis mis- 
trauifcher waren als ihr König ſelbſt; ohne Zweifel befürwortete nur 
ein Theil derjelben, eben die päpftlich gefinnten, das Verlangen Ha- 
drians. Diefer dagegen hatte den natürlichen Wunſch, den mächtigen 
Würften von Benevent, der ihn beftändig gefährdete, möglichſt ger 
ſchwächt zu fehen, und es gelang ihm, feiner Stimme ſolches Ge⸗ 
wicht zu verfchaffen, dag Karl die von Arichis gemachten Vorſchläge 
zurückwies ®. 

Karl fette fi mit feinen Truppen in Bewegung nad) Süden, 
und bielt den Romuald an feiner Seite zurüd®. Unterwegs bes 
fuchte er Monte Caſino?; von da rüdte er nad) Capua, das er 


! Ann. laur. maj., 88. I, 168: Et omnes voluntates praedicti domni 
regis adimplere cupiebant. 

2 Dieß ergibt fih aus dem Zufammenhang, und Tiegt eigentlich auch 
fhon in der Stelle n. 1. 

5 Ann. laur. ma). l.c. 

* Die Ann. laur. min, 58. I, 118, fagen ausdrücklich: Karlus Romam 
adveniens, Harigisus dux Beneventanus mittens filium suum Rumaldum regi 
et munera, ut in terram suam ne intraret, et quicquid imperaret faceret; 
quod apostolicus audieng, non credidit neque Franci, sed persuasit regem 
proficisei in terram Beneventi. Und daraus Regino Chron., 88. I, 560: His 
sussionibus minime apostolicus credidit, sed magis hortatus est regem, ut 
Beneventi fines intraret, quod et feoit. 

s Der Anfiht von La Farina U, 20, Karl würbe ſich für ben Frieden 
erflärt haben, wenn nicht Hadrian ed widerrathen bätte, flimme ich vollfom- 
men bei; ich verftehe nur nicht, woran er denft, wenn er fortfährt: i trattati 
furon rotti, la guerra fu bandita. 

6 Ann. Einh. 1. c., wo aber bie Haltung Karla gewis nicht im rechten 
Lichte dargeftellt wird. Es beißt nämlich: Sed ille (Karolus) longe aliter de 
rebus inchoatis faciendum sibi judicans, retento secum Rumoldo, cum omni 
exercitu suo Capuam... accessit. Vgl. dagegen bie Stellen oben n. 3. 4. 

7 Ann. lauresh., 88. I, 33: Inde profieiscens perrexit ad Romam, et 
inde ad monasterium S. Benedicti, et inde perrexit ad Capuam. Sigonias p. 
158 und die meiften andern feßen den Beſuch Karla im Klofter zwiſchen ſei⸗ 
sen Aufenthalt in Capua und die Nüdreife nach Rom; fie können fi babei 
aber nur auf ben continustor romanus des Paulus Diac, fügen, befien An⸗ 
gabe, Bouquet V, 190: Carolus rex Romam veniens, in terram Beusventi 


516 


geraume Zeit vor dem 22. Merz erreichte", ohne auf Wiberfianb 
zu ftoßen. Gier madte er Halt, um bie Geinbfeligfeiten zu eröffnen“. 
Allein noch ehe es zum Kampfe kam wurde ein Vergleich gefdhloffen®. 
Arichis knüpfte aufs neue Unterhandlungen mit Karl an, und biefmel 
gieng dieſer darauf ein*. Arichis behielt fein Land, aber unter ber 
Dberhoheit Karla, dem er mit dem ganzen Boll von Benevent bau 
Eid der Treue f fchwor 5. 5. Er mußte fi verpflidten, dem Fränfijchen 
König einen jährlihen Tribut von 1000 Eolibi zum 

und jo viel man fieht auch eine Entfchädigung für Die Sriegeiohe 
bezahlen 7; 7: außerdem fcheint er verfproden zu haben, einige Patr⸗ 
monien der römifchen Kirche an den Papft herauszugeben 8. Um fid 
der Treue des Herzogs zu verfihern, nahm Karl dreizehn Benevente 
ner als Geißeln mit?, darunter des Arichis jüngeren Sohn Gri⸗ 
moald, wogegen er Romuald wieder freiließ. 

Um diefelbe Zeit, noch während feines Aufenthalts in Gapus, 
hatte Karl eine Beiprehung mit Geſandten des griechifchen Hofes, 
die ſich ohne Zweifel auf die eheliche Verbindung von Karls oder 
Rotrudis mit dem Kaifer Conftantin bezog 9. Es fcheint, 
fhon bei diefer Gelegenheit feine Einwilligung dazu verfagte 2!, * 
Frene bewog, nun ihrerſeits den Franken mit offener Feindſeligten 
entgegenzutreten 2. 

Woher ruͤhrte aber dieſe Sinnesänderung des Königs? Ob ihm 
bie Annäherung zwifchen Rom und Conjtantinopel misfiel, ober ob er 
gegen die griechiiche Freundſchaft mistrauifch wurde, fehen wir nick 
mit Beftimmtheit,jedenfalle war Grund zu folchem Mistrauen vor 


profectus est, monasterium 8. Benedicti adiit, ziemlich unbeflimmt ift und bie 
ber ann. lauresh. nicht entfräftet. 

ı Urkunde Karla für Bifchof David von Benevent, Ughelli VII, 49, 
Böhner n. 126. 

8 Ann. Einh. |. c.: Capuam... accessit, ibiqgue castris positis conse 
dit, inde bellum gesturus, ni memoratus dux intentionem regis salubri con 
silio praevenisset. 

8 Erchemb. 1. c. erzählt von einem tapfern Widerſtande bes Arichis, 
ber erit nach hartem Rampfe nachgegeben habe. Aber feine Erzählung berußt 
auf einer höchſt mangelhaften Kenntnis biefer Vorgänge, und kommt neben der 
Nachricht der ann. Einh., n. 8, wornach ed eben nicht zum Kampfe Fam, nidt 
in Betracht. Mit Unrecht nibt La Farina Il, 21 Srhembert ben Vorzug; 
Dippolds Erzählung, Geſchichte Karls des Großen p. 90, iſt ganz verwirrt. 

Ann. laur. maj. |. c. 

5 Ann. laur. maj., 8S. I, 170. 

6 Ann. Einh., S8. I, 201. 

? Dies ift wol die Bedeutung der munera, die Karl von Arichis erhält. 

® Mol. unten p. 517 n. 2. 

9% Ann. laur. maj., wogegen bie ann. Einh. nur von zwölf fpredhen. 

1° Ann. laur. maj. a. 786, vgl, mit Ann. Einh. l. c 

22 Später ift von Unterbandlungen über biefen Gegenſtand nicht mehr 
die Rede, ind auch das Schweigen, momit in den n. 10 genannten Stellen 
über das Ergebnis der Beſprechung binwengegangen wird, berechtigt zu diefer 
Vermutbung. 

18 'Theophanes chronogr. p. 811. 


517 


handen . Ohne Zweifel war der Papft von diefem Ausgang befon- 
ders betroffen, der Bruch Karls mit Irene entfprad feinen Wine 
ſchen ebenfowenig als Karls freimbliches Abkommen mit Arichis. 
Auch in dem Punkt, auf welchen er das größte Gewicht legte, wur- 
den feine Erwartungen fehr unvollftändig erfüllt. Er mochte hoffen, 
wenn Benevent durch Karl erobert würde, auch feine Anfprüche auf 
verfchiedene Befigungen in Benevent durchlegen zu fünnen; aber diefe 
Hoffnung ſchlug fehl. Allerdings feheint Karl, nachdem er von Capua 
nad Rom zurüdgefehrt war, dem Papft die Rückgabe einiger Patri- 
monien in DBenevent, darunter Capua, verjprochen zu haben ?, wir 
werden jedoch fehen, daß Hadrian nicht zu ihrem Beſitz gelangte. Aud) 
die Uebergabe einiger Beſitzungen in Tuscien ftellte Karl damals in 
Ausfiht; Hadrian erhob in den nächſten Jahren zu wiederholten 
Malen Anjprüche auf Populonia und Rofellä, fowie Suana, Tus⸗ 
cana, Balneum Regis und PViterbo *, auf die er von Alters her ein 
Necht zu haben verficherte. Da er derjelben vorher nirgends erwähnt, 
muß man vermuthen daß Karl erjt 787 auf diefe Forderung ein- 
gieng. Allein auch bier fehen wir nicht, daß die Städte wirklich in 
den Beſitz Hadrians übergiengen ®. 

Zu Anfang des Sommers trat Karl, begleitet von römifchen 
Lehrern der Grammatit und Mathematit fowie des gregorianifchen 
Kirchengefangs 6, den Rückweg ins fränkische Neid) an, und befand 
fi) im Yuli wieder am Rhein”. Aber kaum Hatte er Italien den 
Rüden gefehrt, fo traten dort Verhältniffe ein, welche die eben erft 

@ 


2 Bel. unten p. 518 ff. 

2 Habdrian forderte feit 787 ben König mehrmald auf, „die Stäbte im 
Gebiet von Benevent, wie er fie dem heiligen Apoftel Petrus und bem Papft 
gefchentt Habe, ihm vollſtändig zu übergeben“, Cenni I, 474 f. 480. 483 ff. 496. 
Auch diefe Stelle bezieht Mod p- (n. 2) auf die Schenfung Karls von 
774, und fließt daraus, daß Benevent, wie bie Sabina (vgl. oben p. 503 
n. 1) in ber Schenfung von Kierfy nicht enthalten gewefen fei. Aber aud 
bier handelt es ſich um eine befondere Verleihung, die Karl 787 machte, um fein 
Verſprechen, den Bapft in den Beſitz feiner Patrimonien in Benevent pi ſetzen, 
wozu er damals Gelegenheit hatte, zu erfüllen. Außer Capua find aber bie Stäbte, 
um die es fi) handelt, nicht mit Sicherheit befannt. Muratori, Ann. VII, 175, 
Sugenbeim p. 42, Papencorbt p. 101, Gregorovius II, A416 f. u. a, benfen 
an bie Städte Kapıra, Sora, Arces, Arpinum, Aquinım und Theanum, wo: 
für fi jebod nur die Angabe der unächten Urkunde Ludwigs des Frommen 
für Paſchalis, Pertz, Legg. 1. c., beibringen läßt. Irrthümlich halten nicht 
bloß Cenni I, 475 n. 7, und Borgia, Memorie istoriche della pontificia cittk 
di Benevento p. 43f., fondern auch noch Gregorovius und Sugenheim biefe 
Urkunde für ächt. 

3 Cenni I, 474. 480. 496; Mod a. a. D. bezieht biefe Stellen wieder 
auf bie Schenfung von 774, aber mit Unrecht. 

+ Cenni I, 480. 

s Bal. unten. 

6 Monachus Engolism. de vita Kar. magni, 88. I, 170; vgl. Lorentz, 
Leben Alcuins p. 66; Rettberg, Kirchengefchichte Deutfchlands II, 777 f.; Gre⸗ 
goroviuß II, 444 ff. 

? Am 13. Juli Tieß er in Worms Willebab zum Biſchof weihen, Vita 
will. 88. II, 888. 


518 


errungenen Erfolge wieder gefährdeten. Während Karl nur aus wei⸗ 
ter Werne auf die Ereigniffe einwirken konnte, entwicelte der. Bapit 
eine ungemeine Thätigkeit, die für feine Politit bezeichnend if. Es 
eröffnete fich ihm die Ausficht, die beneventanifchen Angelegenheiten in 
einem feinen eigenen Wünfchen mehr entjprechenden Sinne geordnet 
zu fehen, und er ließ fein Mittel unbenütt, um diefes Ziel zu erreichen. 
Das Ereignis, welches die durch Karl herbeigeführte Ordnung 

der Dinge in Süditalien wieder in Frage ftellte, war der Tod des 
Arihis. Er überlebte nur kurz den Verluſt feiner Unabhängigkeit. 
Nachdem ihm fein ältefter Sohn Romuald in einem Alter von 25 
Jahren im Zod vorangegangen war, im Juli 7871, ftarb er felbft 
einen Monat jpäter, am 26. Auguft, in Salerno, wo er auch be 
ftattet wurde. Hadrian war von einem verhaften Feinde, Karl von 
einem noch immer nicht zu verachtenden Gegner befreit; was that 
der König, um den Tod des Arichis und feines nächſten Erben zur 
- Befeitigung feiner eignen Herrfchaft in Benevent zu benugen? Arichis 
dritter Sohn, Sifif?, fcheint gleichfalls vor dem Water gejtorben zu 
fein, denn während der langen Verhandlungen über die Nachfolge im 
Herzogthum iſt er nirgends erwähnt. Die Blide der Beneventaner . 
richteten fi auf Arichis zweiten Sohn Grimoald ?, der fi als Gei⸗ 
el in der Gewalt Karls befand. Allein diefer für den König jo 
günftige Umftand verlor dadurch an Werth, daß bie Beneventaner 
ihm gegenüber bei den Griechen einen Rückhalt fanden. Irene machte 
Karl die maßgebende Stellung in Süditalien ftreitig, und trat ihm 
mit ausgefprochensg Teindfeligfeit entgegen. Sie wollte den König 
der Franken dafür betrafen, daß er ihrem Sohne Gonftantin bie 
Hand feiner älteften Tochter verweigert hatte *, und benußte die Ges 
legenheit, welche die Verhältniffe in Benevent ihr boten. Die Bene 
ventaner jelbjt hatten, wie es fcheint, zuerft ihre Einmifchung angerufen, 
Es wird berichtet, fobald König Karl im Frühjahr 787 aus 
Capua abgezogen fei, habe Arichis Geſandte nad) Conftantinopel ge⸗ 
ſchickt, mit dem Erfuchen ihm das Patriciat und die herzogliche Würde 
in Neapel zu ertheilen, und feinen Schwager Adelchis mit jtarfer 
Heeresmadht ihm zu Hilfe zu fchiden. ‘Dagegen verfprady er, die 
berhoheit des Kaifers anzuerkennen, und auch griechifche Tracht 
annehmen zu wollen. Auf diejes Anerbieten, heißt ed, gieng man in 
Conftantinopel ein. Zwei Spathare reiften nad Sieilien, um Arichie 
das Patriciat zu übertragen; fie brachten goldene Kleider, Schwert, 
Kamm und Scyeere mit fi, womit er, wie er verfprochen Hatte, fich 
befleiden und fcheeren follte.e Seinen Sohn Romuald follten fie 
als Geißel fordern, und mit Bezug auf Adelchis anfündigen, daß 
ihn der Kaifer vorläufig nicht nach Benevent, fondern nad) Trevifo 


2 Chronicon salern., 88. III, 483, wornach er am 21. Zuli begraben wurde, 
Die Grabfchrift Romualds ift gedichtet von Biſchof David von Benevent. 

8 Gr it genannt im chron. salern. p. 483. 

5 Cenni I, 489; Erchemb. p. 243; chron. sel. p. 484. 

* Theoph, chron. L c. 


519 


und Ravenna mit einem Heere ſchicken werde. Obgleich nım aber, 
als fie anlamen, Romuald und Arichis bereits geftorben waren, ver 
[uöten fie bob, Karl aus der Herrfchaft über Benevent zu ver- 
rängen '. 

Diefe Deittheilungen machte Hadrian an Karl ungefähr ein Jahr 
nad dem Tode von Arichis, zu einer Zeit da der König von den 
feindfeligen Schritten der Griechen längft unterrichtet war®. Ein 
Presbyter aus Capua, Gregor, hatte den Papft eben erft vertraulich 
davon in Kenntnis gefegt; es fcheint, al8 wären bis dahin diefe Vers 
handlungen des Arichis mit den Griechen Hadrian unbelannt gewe⸗ 
jen®. So auffallend dieß fein mag, haben wir doch feinen Grund, 
die Angabe Hadrians in Zweifel zu ziehen: aud Karl, feheint es, 
wußte von der Treuloſigkeit des Arichis vorher nichts. Die Bedeu⸗ 
tung der Ausfagen des Presbyter8 wird dadurch umnleugbar erhöht; 
aber wir find auch un fo mehr verpflichtet, ihre Zuverläffigkeit ftreng 
zu prüfen. . 

Gregor war mit neun andern Capuanern nach Rom gefommen, 
wie Hadrian jagt, um ihm und dem heiligen Petrus Treue zu fchwdr 
ren *. Der Bapft trug jedoch Bedenken, ihrer Bitte zu willfahren ; 
erjt fpäter nahm er ihre Huldigung entgegen, wobei jie ausdrücklich 
auch dem fränkifchen König Treue gefoben mußten 5. Dagegen febs 
ten fie gleih nad ihrer Ankunft den Papft in Kenntnis von dem 
Eintreffen der griechifchen Spathare und des Patricius von Sicilien 
in Neapel und von deren Umtrieben °; und endlich,„wachden fie durch 
ihren Eid ſich Anſpruch auf den Schuß des Papftes erworben hatten, 
bat der Presbyter Gregor Hadrian um eine geheime Unterredung, 
worin er ihm die treulofe Handlungsweife des Arichis entdeckte, 
Ganz deutlich ift es nicht, welches eigentlich die Urfache der Reiſe 
diefer Capuaner war, und welche Bewandtnis e8 mit ihrem dem Papft 
geleifteten Eide hatte. Hadrian erinnert daran, daß Karl Capua dem 
heiligen Petrus geſchenkt habe 7, wagte aber doch nicht, diefe Capu⸗ 


2 Cenni I, 486 ff., cod. car. n. 88, 

2 Der Brief ift gefchrieben nady der Unterwerfung der Baiern, alfo um 
die Mitte ded Jahres 788. Daß bie Glüdwünfche des Papftes ſich nicht auf 
bie Unterwerfung Thaſſilos von 787, fondern auf feine volftändige Beſeiti⸗ 
gung im Jahre 788 beziehen, ernibt fih aus Habriang Worten, p. 487: Ma- 
gnas omnipotenti deo retulimus grates, qui vobis... indesinenter victorias 
ubique tribuit, et omnia circa vos salubriter disponit, tam marcas quamque 
confinia, magis quippe de subjectione Bajuariorum. 788, nicht aber 787, 
fonnte Habdrian von mehreren Siegen Karl reden. 

5 Habdrian fihreibt 1. c.: Gregorius presbyter petiit nobis secreta lo- 
qui, asserens: quia nullo modo jam quippiam celare possum, tale vobis 
praebens sacramentum. 

* Cenni I, 483f., cod. car. n. 92. Brief Hadriand an den Abt Magi- 
nariuß von St. Germain und einen andern Großen, Mabillon, De re dipl. 
suppl. p. 96: petentes nobis, beatissimi Petri et nostri essent subjecti. 

6 Cenni p. 487; Mabillon I. c. 

© Cemni p. 484, val. unten. 

T_ Cenni p. 488: Venientes quippe ad nos de Capua, quam b. Petro 


Sie tamen feineswegs ald Vertreter von Gapuc, um im Namen ber 
—— a zu huldigen; ——— bloße perfünlige Gr 


ſpalten, eg nmterliegt feinem Feifer dafı fie ale SParteiführer 
nah Rom kamen, um für ihre Barteizwede zu wirfen, weldje aller 
dings hauptjähli auf den Anſchluß Capuas an den Kirchenjtaat ge 
richtet fein mochten. Hadrian rieth, „fie in den Dienft des heiligen 
Apoftels Petrus aufzunehmen, damit eine Spaltung unter ihnen (in 
Capua) entſtände und ſie getheilt erfunden würden“; denn es liege 
im Intereſſe des heiligen Apoſtels Petrus und König Karls, * 
Capua geſpalten fei!. Offenbar ſtanden in Capua die Anhänger des 
Papftes andren gegenüber, welche bei Benevent zu verbleiben und, wie 
die Mehrzahl der Beneventaner, des Arichis Sohn Grimoa als 
erzog wünfchten. Die zehn waren in Rom im Intereſſe der erften 
artei tätig, und trugen fein Bedenken, auf eigene Hand dem Papite 
zu huldigen. 
Diefes waren die Männer, welche Arichis, den gefürchteten Geg- 
ner Roms, fajt ein Yahr nad feinem Tode des treulofen Abfall 
von Karl befchuldigten. Ihr Zeugnis ift fehr verdächtig, und wird 
auch dadurch nicht. glaubwürdiger, daß Hadrian ihm bereitwillig ver- 
traut und die Angaben Gregor als ausgemachte Thatfachen Karl 
mittheilt. Dem Papfte mußte e8 freilich leichter fein als ung, die 
Glaubwürdigkeit diefer Ausfagen zu prüfen; allein der Haß, mit dem 
er Arichis bis zu feinem Tode verfolgt hatte, ließ auch bei ihm ein 
unbefangenes Urtheil nicht auffommen. Und feit Arichis geftorben 
war, beherrichte das Beitreben, die Nachfolge Grimoalds zu verhin⸗ 
dern und die Befigungen der Kirche in Benevent zu erweitern, jeine 
ganze Zhätigfeit fo jehr, daß auch fein Zeugnis den Verdacht gegen 
die Zuverläffigfeit der Angaben des Presbpters nicht zeritreuen Tann. 
Gewis waren Gregor und feine Anhänger ernſtlich bemüht, dem Papft 
über das Treiben der Griechen die genauefte Auskunft zu verfchaffen, 
und befanden fich mehr als andre in der Lage ficheres darüber zu 
ermitteln; an der Nichtigkeit der zu diefem Behuf gemachten Angaben 
ift alſo fein Grund zu zweifeln. Dagegen unterliegt die Glaubwür⸗ 
digkeit dejjen, was fie gegen die Beneventaner ausfagen, gegründeten 
Bedenken. Die zehn Capuaner theilten den Haß des Papftes gegen 


apostolorum principi, pro mercede animae vestrae atque Bempiterna memo- 
ria cum ceteris civitatibus obtulistis, videlicet Gregorius presbyter etc. 

’ Mabillon l.c.: Vestrum petimus consilium, si eos in servitio b. Pe 
tri apostoli recipere debeamus ... nobis quippe meliorem ... si e08 recipi- 
mus, ut inter eis dissensio fiat, et divisi inveniantur ... partem, atque ef- 
fectum b. Petri apostoli atque praecellentiseimi Glii nostri domini regis sic 
expedit, ut, dum divisi fuerint, melius ... sine nostro vestroque favore. 


521 


Grimoald, und ihre Ausfagen hatten umverfennbar ben Zweck, bie 
Gefahren zu fehildern, welche mit der Rückkehr Grimoalds nad Bes 
nevent als Herzog verbunden wären. ‘Daß biefes dem Papfte ges 
genüber nicht nothwendig war, konnten fie wiſſen, und deshalb darf 
man vermuthen, daß ihre Ausfagen von vorn herein darauf berechnet 
waren, Karl mitgetheilt zu werden, um auf ihn zum Nachtheil Gris 
moalds einzuwirken. Oder Hatte die unter folchen Umftänden gegen 
Arihis erhobene Befchuldigung des Abfalls von Karl einen andern 
Zwed? Wir haben nicht das Recht, die von Gregor erzählten That« 
fachen zu bejtreiten; aber auch nicht das Recht, den bloß von feinen 
erbitterten Feinden zur Erreichung eines bejtimmten Zweds ein Jahr 
nad feinem Tode gegen Arichis gerichteten Anklagen Glauben zu 
Ichenten. Alle Schwierigkeiten fallen fort, wenn wir die von Arichis 
dem griechifchen Hof gemachten Anerbietungen nicht nach, fondern vor 
dem Friedensfchluffe mit den Franken anfegen dürfen. Und in der 
That braudt man nicht zu befürchten dem Presbyter Unrecht zu thun, 
wenn man ihm dieſe Zeitverwechslung zur Laft legt; fie allein aber 
genügte, um auf Arichis ein möglichit ungünftiges Licht zu werfen, 
und dadurch die Nachfolge Grimoalds zu erfchweren!. Es wäre 
doch fait undenkbar, daß ein fo verrätherifches Unternehmen des Ari« 
his Karl ein volles Jahr hindurch follte unbelannt geblieben fein. 
Wenn Hingegen Arichis nod) vor feiner Unterwerfung das Bündnis 
in Conjtantinopel nachſuchte, fo war diefer Schritt in den Verhält⸗ 
niffen begründet, und Karl konnte darum wiffen, ‚ohne Arichis Ver⸗ 
rath vorzuwerfen. Grade dieſes war im ©egentheil vielleicht der 
Grund, weshalb e8 Karl vermied, Arichis aufs üußerfte zu treiben; 
um der Verbindung der Griechen mit Arichis zuvorzukommen, machte 
er Schnell feinen Frieden mit ihm. Auch die Löſung des Verlöbnifjes 
Conjtantins mit der Rotrudis wird nun verftändlid. Die günftige 
Aufnahme, welche die Eröffnungen des Arichis in Eonftantinopel fan⸗ 
den, war für Karl eine hinreichende Veranlagung, um die Verbin- 
dung mit den Griechen abzubredhen. 

Wir jehen alfo, daß Arihis zwar den Griechen die Anerfen- 
nung ihrer Oberhoheit angeboten hatte, aber ehe er mit Karl Frieden 
ſchloß und ihm den Eid der Treue leiftete. Nach feinem Tode ließen 


2 Diefe Anficht vertritt auch Meo II, 161, der nicht ganz ohne Be: 
vechtigung ausruft: Quanti raggiri, quai mosse, per impedire che il Re re- 
stiruisse Grimoaldo al suo paterno ducato ! II Pagi, il Muratori e tutti i 
Moderi han creduto a questi relazioni del Papa; e quindi eccoti subito dive- 
nuto spergiuro il piissimo nostro Principe Arigiso. Ma questa è certa im- 
postura e orribil calumnis... Il trattato di Arigiso col Greco Augusto era 
stato anteriore alla venuta di Carlo in Regno. Die Berechnungen, auf Grund 
deren Meo zu biefem Ergebnis fommt, find freilich nicht ganz befriedigend. 
Auch Leibnig I, 130 f. 142, neigt ſich entfchieden dieſer Anficht zu. Alle Ve: 
brigen halten die Darftclung des Presbyters für unbedingt richtig, und fpres 
hen von dem Verrath bed Arichis. So Giannone VI, c. 3 (I, 890); Lu⸗ 
ben IV, 355; Leo I, 230; Sugenbeim p. 44; La Farina II, 24; Papencordt 
p- 101; Gregoroviuß UI, 411. 


die Beneventaner Karl durch eine eigene Gefandtfchaft bitten, Gri⸗ 
moald freizugeben, damit er an Stelle feines Vaters bie Herrſchaft 
über Benevent antreten könnte !, außerdem erjuchten fie ihn um bie 
Rückgabe der nad) der Unterwerfung des Arichis dem heiligen Petrus 
ihberlaffenen Städte?. Während jedod) die Angelegenheit noch fchiwebte, 
famen zwei griechiſche Spathare >, welche dem Arichis feine Ernen⸗ 
nung zum Patricius und die Inſignien diefer Würde überbringen 
wollten, nad Sicilien. Der griechifche Hof hatte die Anträge des 
Arihis von Anfang an nicht zurückgewieſen, aber doch nicht fofert 
Gebrauch davon gemacht; es fcheint, daß man in Conftantinopel erſt 
nad) dem Scheitern der Verhandlungen griechifcher Gefandten mit 
Karl in Capua ſich entfchloß, offen gegen Karl aufzutreten. Irene 
fann auf Rache; jie wollte nicht bloß verhindern, daß Benevent die 
fräntifhe Oberhoheit anerfenne, fondern verfuchen auf Koften Karls 
die griechiſchen Befigungen in Italien wieder zu erweitern; deshalb 
follte Adelthis mit einem griechifchen Heere Ravenna und Treviſo 
wegnehmen. Als aber die Spathare in Sicilien ankamen, war Aris 
his nicht mehr am Leben, und fie befchlojfen die lettere Unterneh 
numg aufzugeben; um fo angelegentlicher waren fie bemüht, die Zus 
ftände Benevents zu ihrem Vortheil auszubeuten. Sie begaben fi 
in Begleitung des Patricius von Sicilien nad) Salerno, wo fie am 
20. Januar 788 anlamen *, und drei Tage mit Adalberga und den 
Großen des Randes über eine Verbindung mit den Griechen unter 
handelten. Allein ſie erzielten feinen beftinnnten Erfolge. Die Bes 
neventaner wollten, ehe fie den Griechen feite Zujicherungen machten, 
erft die Antwort Karls auf ihre Forderungen kennen, und ftellten an 
die Spathare das Anfinnen, in Neapel auf die Rückkehr Grimoalds 
zu warten. Außerdem jollen fie den Griechen die Verficherung ge 


% Cenni I, 488: Quia nos ad regem Carolum misimus missos nostros, 
petentes ab eo Grimualdum ducem nostrum recipere. Erchemb. S8., ITI, 243; 
chron. salern. c. 23, SS. III, 484. 

2 Bericht der fränkifchen Gefandten bei Mabillon 1. e. 

5 Ubald. chron. neap., bei Peregr. et Prat. II, 84, nennt diefelben Leo 
und Iscanus, , aber wir ſahen, daß auf dieje Chronik durchaus Fein Verlaß 
ift, vgf. oben p. 513 n. 1. Theoph. 1. ce. nennt außer Adelchis nur ben Sa: 
cellarius und Befehlshaber der Miliz, Johannes, und den PBatricind von Si: 
cilien, Theodorus. 

* Man fieht daraus wenigfteng, daß die Beneventaner ſchon vorber mit 
ben Spatharen unterbandelt hatten. Der Presbyter Gregor fagt ausbrüdlic, 
Cenni p. 489: fo lange Atto no in Salerno war, baten die Bereventaner 
die Griechen nicht dabın kommen laffen wollen. Die Ankunft ber Spatbare 
folgte jo uumittelbar auf die Abreife Attod, daß bier an eine beitimmte Ber: 
abredung nedacht werden muß. 

5 Cenui I, 489: Suadentes ipsi Beneventani praedictis missis Graeco- 
rum dicentes: Quia nos ad regem Carolum emisimus missos nostros, peten- 
tes ab eo Grimualdum ducem nostrum recipere. Insuper et per Attonem 
diaconum, ipso nobis. pollicente, rogam emisimus, ut penitus eum ducem 
conseguenter susciperemus; sed propter hoc morari vos Neapoli convenit, 
dum usque ipsum Grimualdum recipere possimus ducem. 


523 


geben haben, dag Grimoald alle von Arichis übernommenen Verpflich 
tungen gegen den Saifer erfüllen werde '. Aber eben die letzte Ent 
fcheidung behielten fie ja felber Grimoald vor, und waren alfo weit 
entfernt ſich den Griechen unbedingt in die Arme zu werfen. Durd) 
einen ſolchen Schritt Hütten fie fich jeder Ausficht, Grimoalds Rüd- 
fehr zu erwirfen, auf welche doch grade ihr Hauptjtreben gerichtet war, 
beraubt. Die Spathare mußten ſich bequemen, in Neapel auf Gri- 
moalds Ankunft zu warten. Sie benutten diefen Aufenthalt, um ſich 
mit den Feinden Karls und Hadrians, unter denen ein gewiffer Con: 
ftantin und der Biſchof Stefan von Neapel befonders genannt find, 
in nähere Verbindung zu fegen, und fchidten nach Conftantinopel ei⸗ 
nen Bericht Über die durch Arichis Tod veränderte Page der Dinge, in 
Folge deren fie um neue VBollmachten baten ?, 

Karl war augenscheinlich in Gefahr, feine oberhoheitlichen Rechte 
in Benevent einzubüßen, und noch unmittelbarer war der Papft be- 
droht. Karl hatte allerdings ſchon zu Ende des Jahrs 788 Bevoll⸗ 
mäcdhtigte nach Stalien gefhicdt, um Rückſprache mit dem Papſt zu 
nehmen und dann nad) Benevent zu gehen 5; diefe Sendung war je 
doch völlig gejcheitert *. Die Freigebung Grimoalds und feine Eine 
fegung als Herzog, Woran Karl immerhin gewiffe Bedingungen 
fnüpfen mochte, fchien das ficherfte Mittel der Gefahr zuvorzukom⸗ 
men. Aber grade dagegen erhob Hadrian den Iebhafteften Wider: 
ſpruch, obgleich inzwischen auch Adelchis den Schauplatz betreten 
hatte. Er hielt fid), wie Hadrian durdy den Bifchof Campulus von 
Gaeta erfuhr, mit griechifchen Bevollmächtigten in Kalabrien, nahe 
der Grenze von Benevent auf, und feine Umtriebe gegen Karl und 
Hadrian erjtredten ji bis auf die Pentapolis?. Hadrian machte 
dem König durch den Grafen Arvinus Mittheilung davon; doch muß 
Karl fchon vorher auf die Gefahr eines von Adelchis drohenden An⸗ 
griffs aufmerffan geworden fein. ‘Denn kaum hatte Arvinus Rom 
verlajfen, als der Kaplan Roro und Betto dort ankamen, um fich im 
Auftrag Karls zu erfundigen, ob das Gerücht von der Ankunft des 
Adelchis in Italien begründet fei®. Es entgieng weder dem Bapft 


t Cenni p. 48%. 

2 Cenni I, 484. 490. Ueber Bifhof Stefan vol. unten p. 526 n. 5. 

$ Cemni I, 481ff. Aus der Angabe Hadriand, daß am 20. Januar 
788 die ariehifhen Gefandten nah Salerno famen, geht hervor, daß bie frän- 
kiſchen noch 787 nad Rom kamen. Denn was in der Zwifchenzeit vorgieng 
(vol. den Reifebericht dev Geſandten bei Mabillon 1. c.) füllt mehr als 20 
Tage aus, wie auch Cenni I, 482 n. 3 bemerft. 

* Bol. den Bericht bei Matillon 1. c. unb Cenni I, 483. 491. 

®° Cenni I, 477: Sic enim de jam dicto nequissimo Athalgiso nobis huh- 
ciatum est, quia in veritate, Deo sibi contrario, cum missis imperatoris in 
partibus scilicet Calabriae residet, juxta confinium ducatus Beneventani, ut de 
ejus invalido adventu Campulus episcopus civitatis Cajetanae per suas nobis 
significavit syllabas, similiter et de Pentapoli pro ejusdem Alhalgisi arro- 
gantia nobis in seriptis intimaveruut... " 

6 Cemni I, 476ff., cod. car. n. 90. Die Chronologie der hierher gehört: 
gen Briefe, cod. car. n. 90. 98 (Cenni p. 481 ff.) 88 (Cenni p. 486 ff.) ift 


I. 35 


524 


noch den fräntifchen Gefandten, daß Adelchis die Verwirrung in Be 
nevent für fi) zu benuten fuchte, weshalb fie Karl vorfchlugen, 
falls fid) Benevent nicht bis zum erjten Mai feinem Willen gefügt 
haben würde, ein ſtarkes Heer dort einrüden zu laffen. Aber Ha— 
drian forderte mehr. Sein Hauptbeftreben war, die Rückkehr Gri⸗ 
moalds nad) Benevent zu Hintertreiben; felbjt wenn die Beneventaner 
auf die Forderungen Karls eingiengen, wollte er davon nichts wiljen !. 
„Wir bitten Euch dringend“, fchrieb er dem König, „daß Ihr in 
feiner Weife in der Sache Grimoalds Andern mehr als uns Gehör 
fchentt; denn feid gewis, wenn Ihr Grimoald nad) Benevent fchidt, 
fo werdet Ihr Italien nicht ruhig behaupten können“?. Es fcheint, 
daß Karl geneigt war, Grimoald unter gewiffen Bedingungen freizuge 
ben, und daß die Beneventaner fich bereit zeigten, diefen Forderun⸗ 
gen nachzufommen. Allein Hadrian hielt es nicht für angemeffen, 
daß ein folcher Bergleich zu Stande füme, und es iſt nicht ſchwer 
aus feinen eignen Worten feine Beweggründe kennen zu lernen. Er 
gab an, von Bifchof Leo gehört zu Haben, daß Adalberga im Sinne 
habe, fobald Grimoald nad) Benevent gekommen fei, unter dem Xor- 
wande ihre Andacht verrichten zu wollen, mit ihren beiden Töchtern 
nad) St. Angelo auf dem Berge Gargano und von dort nad Ta: 
rent zu gehen, wo ihre Schäße verborgen lägen. „Dabei ſollt Ihr 
aber“, fährt Hadrian fort, „ja nicht glauben, daß wir aus Habfudt, 
. uam die Städte zu erhalten, die Ihr dem heiligen Apoftel Betrus 
und uns gejchenft habt, Euch diefe Mittheilung gemacht haben, fon- 
dern zur Sicherheit der heiligen tatholifchen und apoftolifchen römi- 
ſchen Kirde, und um Eures Sieges willen, haben wir nicht ver- 
jäumt das was mir hörten und in Erfahrung bringen konnten zu 
Eurer Kenntnis zu bringen“ 3. Hadrian ſpricht fich nicht deutlich 
darüber aus, inwiefern der Plan der Adalberga, von Salerno nad) 
Tarent zu gehen, die Sicherheit der Kirche gefährdete, was er aber 
weiterhin über feine Uneigennützigkeit ſagt, iſt ganz bedeutungslos 
etwas verwidelt; ich trete aber Cenni und Jaffé p. 212 f. bei. n. 88, 
worin bie Auzfagen Gregord mitgetheilt find, fchließt fich jedenfall au n. 92 
an, worin feine und ber übrigen Gapuaner Ankunft in Nom gemeldet wirt, 
uud es ift ein großer Jrrthum, wenn Muratori, Ann. VII, 176, den Brief n. 88 
fhon ind Jahr 787, n. 92 ein Jahr fpäter feßt. Eher könnte man, wie aufer 
Muratori, VII, 178, auch) MeoIII, 159 thut, o. 90 nach n. 92 nnd 88 anſetzen. 
Aber auch bier gebe ich Cennis Anfiht den Vorzug. n. 88 kann erft im Som: 
mer 788 gefchrieben fein, vgl. oben p.519 n.2, wogegen n. 90, wie der Anhalt 
zeigt, jedenfall3 vor dem Mai gefchrieben fein muß, alfo früher als n. 8, 
und, da der Brief zwifchen n. 92 und 88 nicht hineinpaßt, auch früber als 
n. 92. OD freilid der Brief n. 90, wie Genni anninmt, p. 482 n. 3, ſchon 
im Sannar 788 gefchrieben wurde, ift zweifelhaft; jedenfall erfi nach) dem 23. 
Januar; denn ber Bapft wußte bereits, p. 478, von der Anweſenheit ber grie: 
chiſchen Gefandten in Neapel. 

Cenni I, 477: Nobis sic aptum esse videtur, ut sive voluntatem 
vestram fecerint ipsi Beneventani, non ullo modo expedit, Grimualdum, filium 
di Arichisi, Beneventumrigere. 

2 Cenmni I, 479. 
8 Cenmni I, 479. 


625 


und hat in Wahrheit nur den Zweck, ben Webergang zu dem Ge- 
genjtand zu machen, welcher hier wie fonft maßgebend für ihn war. 
Er giebt fi gar nicht die Mühe diefen Schein zı meiden. Gleich 
darauf bittet er Karl dringend, aus Liebe zum heiligen Petrus feine 
Bevollmächtigten klar und ausdrücklich wiſſen zu laſſen, daß fie nicht 
wagen follten ins Frankenreich zurückzukehren, ehe fie die von Karl 
dem heiligen Petrus gejchenkten Städte in Benevent ihm übergeben, 
und feine Anfprüche auf Populonia und Roſellä befriedigt hätten !. 
Er beflagt ſich darüber, daß einige der fränfifchen Gefandten die 
Schenkung mit Füßen treten; „wie Ihr Suana, QTuscana, Biternum 
Viterbo), Balneum Regis und andere Städte in Tuscien mit ihren 

renzen und Gebieten dem heiligen Petrus gefchentt und überlaffen 
habt, fo forget nun auch für die fchleunige Uebergabe ber Beneventi« 
fchen Städte, damit Eure Bevollmächtigten, fobald fie Euren beftimm- 
ten königlichen Befehl erhalten haben, ohne jeden Verzug fie uns voll 
ftändig überliefern können“. 

Eine fo entfchiedene Spradhe hat Hadrian felten gegen Karl 
geführt; wir wilfen nun, wodurd feine Haltung in der Beneventa⸗ 
nifchen Angelegenheit beftimmt ward. Sein letztes Ziel war, die 
Städte, auf wehche das Jahr zuvor Arichis zu Gunften des heiligen 
Petrus hatte verzichten ns nun auch wirffic in feine Gewalt 
zu bringen; da jedoch die Beneventaner nur unter der Bedingung 
der Freilaffung Grimoalds und der Rückgabe der dem Arichis abge- 
nommenen Städte mit Karl einen Vergleich ſchließen wollten, fo that 
er alles, um diefen zu verhindern?. Dennoch Tonnte er fi) nicht 
verhehlen, daß Karl geneigt war diefe Bedingungen zu verwilligen. 
Die Vorwürfe, welche er gegen die fränfifchen Gefandten erhob, 
galten zum Theil Karl felber; er foll feinen Geſandten den Befehl 
erit noch ertheilen, damit fie im Stande feien die Llebergabe zu be- 
wirfen 3. Ja im folgenden Brief erlaubt fi) Hadrian, den Kö- 
nig zu warnen, „den thörichten Mährchen Anderer Gehör zu fcheufen, 


2 Cenui I, 479f.: Magnopere poscentes vestram clementissimam rega- 


lem benevolentiam quaesumus, ut .. . clariter atque specialiter per vestros 
regales honorabiles apices missis vestris dirigere dignemini, ut nullo modo ad 
vos remeare audeant, nisi prius sub integritate civitates in partibus Beneven- 
tanis, sicut eas per vestram sacram oblationem b. Petro apostolo et nobis 
contulistis, in omnibus contradere valeant, et justitias de Populonio et Ro- 
sellis nobis facere sub integritate studeant. 

® Borgia, Memorie p. 47, behauptet, daß Karl dem Grimoald vor fei: 
ner Rückkehr nach Benevent unter andern auch 'bie Bedingung geftellt jhate, 
die 787 dem päpftlihen Stuhl geſchenkten Gebiete beinfelben nun auch wirklich 
zu übergeben. Diefe Behauptung fteht aber mit allem fonft überlieferten [im 
Miberfprud). 

8 Ich fehe nicht, wie Borgia, Breve istoria p. 30, fagen kann, Karl habe 
gewollt, daß der Papſt un jeden Preis bie Herrichaft über bie von ihm bes 
anfpruchten Städte in Benevent erlange; mur bie Intriguen der Langobarden 
hätten dieß verhindert. Und p. 37: Durch die Umtriebe der Langobarden fet 
Karl zulegt nichts anderes übriggeblieben, als auf die Webertragung jener 
Stäbte an Hadrian zu verzichten. 

35 * 


526 


und ſich durch Gefchenke überreden zu laffen“ ’. Dann fucdte e 
durch ausführliche Enthüllungen über das gefährliche Treiben der Be 
neventaner auf Karl zu wirken, damit er Grimoald nicht freiließe?; 
es fcheint, daß er die Rückgabe der Städte an Benevent für unver 
meidlich hielt, wenn Grimoald al8 Herzog eingefegt würde. Aber 
alle feine Bemühungen, Karl für feine Anficht zu gewinnen, ſchei⸗ 
terten. 

Ohne Zweifel wurde Karl durd die drohende Einmifchung der 
Griechen bejtimmt, ben Forderungen der Beneventaner nachzugeben; 
er ſah feinen andern Ausweg, um zu verhindern, daß fie fich den 
Griechen nicht vollends in die Arme würfen®. Grimoald veriprah 
die fräntifche Oberhoheit anzuerlennen, und wurde danı von Karl 
freigelajfen *. Im Spätfommer 788 fehrte er nach Benevent zurüd ’, 
und bewies gleich darauf feine Ergebenheit gegen Karl. ALS Add: 
his und der Patricius Theodorus von Eicilien einen Angriff af 
Benevent unternahmen, führte Grimoald feine Streitfräfte dem von 
Karl mit einer kleinen Anzahl Truppen nad) Italien gefchickten Wi. 
neghifus zu?, und nahm Zheil an dem Kampf, der im Herbit 
7885 mit einer Niederlage der Griechen endete?. 

Durch diefen Ausgang war Karl mehr befriedigt als der Papit 


2 Cenni I, 485: Sed vestra a deo promota praerectissima regalis e- 
cellentia, a deo inspirata , taliter pertractare debet, ut suam et nostram ia 
omnibus securitatem procuret, et nullius hominis inanes fabulas attendat, neqwe 
muneribus suadere quispiam eam valeat. 

2 Cenni I, 481fj; 486 ff. 

3 &o erflären die Meiften das Verfahren Karla, 3.8 Muratori VII, 181; 
Meo 1I, 162; Leibnitz I, 143; Sugenheim p. 44. Giannone VI, «4 
und Gregorovins HI, 420 nehmen an, Karl habe den Beneventanern nur dei: 
bald nachgegeben, weil er die von Arichis mit Byzanz nepflogenen Iterbandlun: 
gen noch nicht gekannt habe; allein Arichis bat nad) feinem Friedensſchluß mü 
Karl gar Feine folde Unterbandlunaen geführt, val. oben p. 518ff. 

* Erchemb. c. 4: 88. Ill, 243; chron. salern. c. 24, SS. III, 484, 
worunter freilich manches ſagenhafte iſt. 

s Berhmann, in Perg Ardiv X, 269 n. 1, fekt die Rüdfehr Grimoalt? 
ind Frühjahr, ebenſo Meo III, 163. Allein aus dem Brief Cenni I, 4ö6jf. 
worin Hadrian dem König zur Unterwerfung Baierns Glück wünſcht, gebt 
hervor, daß Grimoalds Schidfal noch nicht entfchieden war, als Baiern ſich 
unterwarf, alfo nody nicht im Frühjahr. Die Zeit von Grimoalds Negicrungs: 
Antritt genan zu beftimmen, ift ſelbſt mit Hilfe der Urkunden nicht möglich. 

6 Cenni I, 494, cod. car. n. 86. Hadrian ſchickt da dem König bie 
Briefe, worin Biſchof Stefan von Neapel und Campulus von Yaöta genau— 
eres über Adelchis und die Griechen berichten. Stefan hatte fnrz vorher noch 
in nahen Beziehungen zu den Griechen gejtanden, vgl. p. 923, aber wie es 
fcheint doh nur um ihre Pläne an Hadrian und Karl zu verratbeu. Tiek 
nimmt auch Hald p. 101 an, und Cenni p. 495 n. 3 [ent das offene Geſtänd⸗ 
ni® ab: Nec omnia quae a foederatis cogitabantur, singillatim operiri potuis- 
sent, nisi et ipse Stephanus eorum consiliis adfuisset. 

Ann. laur. maj., 89. I, 174. 

s So auch Leibnig I, 143, nach welchem der Kampf nit vor ben Ab: 
lauf des Septembers ftattfand. Beſtimmite Zeitangaben fehlen. 

° Ann. Einh., 88. I, 175. 


627 


welcher fernen Unmuth darüber kaum verbergen fonnte!. Die Rück⸗ 
fehr Grimoalds geſchah gegen feinen ausgefprocdhenen Willen; fo leb⸗ 
haft war fein Widerſpruch dagegen geweien, daß er es nöthig fand 
ſich nachträglich noch befonders bei Karl zu rechtfertigen. „Nur wer 
gen der Ränke und Nachftellungen Eurer und unferer Feinde haben 
wir nicht gewollt, daß Grimoald nad) Benevent zurückkehre; aber 
and“, fügt er Hinzu, „um der Erhöhung und Vertheidigung der hei= 
ligen Kirche willen, wie ihr es uns verfprochen habt ?*. Allein dieſe 
Borftellungen vermocten nicht den König mit der Haltung auszus 
fühnen, welche Hadrian in den beneventanifchen Verwickelungen ein» 
genommen hatte. Wenn nicht alles trügt, fo griff eine tiefe Vers 
jtimmung zwifchen Hadrian und Karl Pla. Die Gefinnung Karls 
fam gleich nachher bei der Negelung ber Befitverhältnifie bes apoſto⸗ 
tifchen Stuhls in Tuscien und Benevent zu Tage. Der Graf Ars 
vinus erhielt, wie Hadrian fagt, von Karl den Auftrag, „alles zu 
erfüllen, wie e8 Gott und dem heiligen Apoftel Petrus wohlgefällig 
fei"3. Aber er erregte durch die Art wie er fich biefes Auftrags 
entledigte das Misfallen des Papftes in hohem Grabe. Es ift nım 
freilich) faum denkbar, daß die Vollmacht des Arvinus fo unbeftimmt 
lautete, wie Hadrian fie angiebt; da fich aber Hadrian in diefer Faß⸗ 
ung auf fie beruft, müſſen auch wir dabei jtehen bleiben. Augen» 
fcheinlich Laffen diefe Worte verfchiedene Auslegungen zu, e8 kann da» 
her nicht auffallen, daß die Auslegung des Arvinus eine andere war 
als die des Papſtes. Arvinus begab ſich mit den übrigen fränfifchen 
Sefandten und den Herzögen Crescens und Hadrian als päpftlichen 
Bevollmächtigten nad) Benevent; hier lieferte er den letztern die Bis 
ſchofsſitze, Klöſter und öffentlichen Befitungen fowie die Schlüffel der 
Städte aus; aber die perrichaft über die Bevölkerung der Städte 
ſprach er dem Papſt ab. Darüber befchwerte ji) Hadrian bei Karl 
und behauptete ſeinerſeits, Arvinus habe die Befehle Karls nicht er- 
füllt; er nahm auch die ganze Verwaltung der Städte für fich in 
Anfpruh* Welche Auslegung entſprach nun den Abfichten Karls? 
Er fonnte, fobald er wollte, den Wünjchen Hadrians willfahren, that 
e8 aber nicht. Hadrian bat ihn, neue Gefandte zu fehiden, um die 
Städte in Tuscien und Benevent der Kirche zu überliefern®, aber es 


2 Bol. ben Brief Habriand, cod. car. n. 86, Cenni p. 96. 

2 Cenni I, 494. 

®° Cenni I, 496: Reperimus etiam in ipsis vestris apicibus embolum de 
etvitatibus in partibus Beneventanis . .. . Arvino duci jussistis, qualiter cum 
ceteris fidelibus vestris missis ita omnia complere debeat, sicut Deo places 
et b. Petro apostolo. Da p. 494 geingt ift, daß Arvinus ins fränfifche Reich 
zurüdgefehrt war, von einer neuen Senbung befielben nah Stalien aber nicht 
gefprodhen wird, fo muß angenommen werben, baß jener Auftrag Karla auf 
die nun beendigte Reife des Arvinus ſich bezog. 

+ Ob in den Worten; gubernare eos cupimus omnem eorum habentes 
legem, Cenni, 1. c., mehr liegt, ift zweifelhaft. 

s Cenni I, 473 ff, cod. car. n. 81. Der Brief ift ſchwer unterzubrin⸗ 
gen. Cenni fegt ihn, p. 474 n. 4, Ende 787 an, ohne jeboch feiner Sache 


528 


ift nicht dahin gefommen; nirgends findet ſich eine Spur davon, dei 
Karl über die von Arvinus getroffenen Anordnungen Hinansgieng 
Es ift deshalb wahrfcheinlih, daß Karl das Verfahren feines Be 
vollmächtigten guthieß, und wir darin den Ausdruck feiner eigm 
Abfichten zu erkennen haben !. Hadrian hat ben Befig jener Stade 
niemals erlangt ?. 

Seitdem verftummen die Anſprüche Hadrians auf Vergrößerung 
der Befigungen des heiligen Petrus, und wir ftehen am Schluß m: 
ferer Unterſuchung über die Thätigkeit welche er m dieſer Richtung 
entwidelte. Wir haben, um ein vollftändiges Bid von feiner Lage 
zu entwerfen, nur noch wenige Worte über fein Verhältnis zu Kerl 
während der Ietten Jahre feines Lebens beizufügen. 

Hadrian gab zwar den Gedanken auf, mit Hülfe Karls dei 
Gebiet der Kirche zu erweitern, aber nım um fo ängftlicher wacht 
er über die Befugnifje, welche nach feiner Anficht dem heiligen Pe⸗ 
trus in feinen Befigungen zuftanden. Jedoch aud) hier ftieß er vie. 
fah auf den Widerfpruch Karls. Wir können uns der Wahrneh⸗ 
mung nicht erwehren, daß die Entfremdung, weldhe 7883 zwiſchen 
dem König und Papft eintrat, nicht bloß eine vorübergehende war, 
fondern auch während der folgenden Jahre, wir wiſſen nicht ob bi 
zum Tode Hadrians, fortdauerte. Freilich lieg man auch fpäter auf 
beiden Seiten e8 nicht an Freundichaftsbezeugungen fehlen. Karl 
ſchickte dem Papſt ein Crucifix und bat ihn in einem in Werfen ab- 


icher zu fein, ebenſo Jaffe. Mir fcheint er im jene Zeit nicht zu paſſen, une 
ch gebe der Anfiht von Meo IH, 165 den Vorzug, ber ihn etwa ein Jahr 
fpäter ſetzt. Auch Muratori VII, 176 fegt ihn ind Jahr 788, aber wie es fcheint 
vor die Briefe n. 90 und 92, fimmt alfo im wefentliden mit Genni aufam: 
men. Die Worte: uti denuo eos missos suos dirigere jubesdt, qui nobis con- 
tradere debeant fines Popolonienses seu Rosellenses etc. beweiſen jedoch, bat 
ihon früher über diefen Gegenftand verhandelt war, und laßen baber die Zeit: 
beftimmung bei Meo annehmbarer erfcheinen. Das Schreiben Karls, das nad 
der Angabe Habriang in Verſen abgefaßt war, fennen wir nicht, denn der Brief 
Karla bei Bouquet V, 402 war bei einer andern Veranlaffung, ber Weberfen: 
dung eines Iateinifchen Pſalteriums geichrieben. 

2 Diefelbe Anficht führt Hald p. 60 aus Veranlaffung des Brief bei 
Cemi I, 476 ff. (vgl. oben p. 524 n. 1. 2.3; p. 525 n. 1) au. Auch Su: 
genbeim p. 43 f. ſpricht fid) in diefem Sinne aus. Was er aber, übereinftim: 
mend mit St. Marc I, 422, über Karla Staatöffugbeit fagt, vermöge beren er 
ſich ber ‚„„unerjättlichen Gier des heiligen Vaterd nach Vergrößerung feines welt: 
lihen Befiged gegenüber des Auskunftsmittels bediente, durch bie gebotene 
Böswilligkeit feiner Beamten bie ihm abgedrungenen ungern bewilligten 2er: 
abungen zu illuforifchen zu machen“, geht aud dem erzäblten Vorfall doch 
eineswegs bervor, fo wenig wie berfelbe das Nedt gibt, von „Karls verfted: 
tem, von Hinterlift nicht freiem Charakter‘ zu reben. Meo l. c. fagt übe 
Habriand Brief vielleicht mit mehr Recht: l’aviditk non facea connoscere a 
questo Papa, che Carlo si ridea di suo impegno. 

2 &o auch Meo I.c.; La Farina I, 26, und im ganzen auch Sugenheim 
p. 43f. Borgia, Memorie p.44 und Breve istoris p. 30 fagt, daß mwenigftens 
Capua in den Befit des Papſtes gefommen fei; allein das Auftreten ber zehn 
Gapuaner, worauf er ſich allein beruft, beweift dieß doch gewiß nicht. Dennod 
behauptet es auch Papencordt p. 102. 


529 


gefaßten Brief, feiner, feiner feligen Eltern und feiner verftorbenen 
Gattin Hildegard im Gebet zu gedenten!. Im Jahr 791 fchentte 
Hadrian dem König ein Exemplar der Längft von ihm gewünfchten, 
von Gregor bem Großen veranftalteten Sammlung von Meßge- 
beten?; und ein ander Mal ſchenkte Karl dem Papſt ein lateiniſches 
Pſalterium mit einer Widmung in Verſen 3. Allein ber Gegenſatz, 
in welchem fie bei viel wichtigeren Dingen zu einander ftanden, 
wurde dadurch nicht gemildert. Als Erzbiſchof Gratiofus von Ra: 
venna gejtorben war, ertheilte Hadrian dem zu feinem Nachfolger er- 
wählten Johannes die Weihe, obgleich die Wahl von Karl noch nicht 
bejtätigt war *. Gegen diefes Verfahren Hadrians erhob Karl in 
einer befonderen Denkſchrift, welche er durch den Presbpter Hermen- 
bert dem Papfte überreichen ließ, Einſprache; ja er ſtellte den Satz 
auf, daß die Wahl des Erzbiſchofs von Ravenna nur in Gegenwart 
fränkiſcher Bevollmächtigter vorgenommen werden dürfe’. Bis dar 
hin war diefes nicht für nöthig gehalten worden; es fcheint aber, 
dag Karl nur auf diefem Wege der Beeinträchtigung feines Beſtäti⸗ 
gungsrechts durch Hadrian vorbeugen zu können glaubte. Aber zahl- 
reichere Bejchwerden richtete Hadrian an Karl. Unaufhörlich liefen 
bei dem König Klagen über Hadrian ein, nnd diefen quälte fortwäh- 
rend die Bejorgnis, daß Karl ihnen Gehör Teihen möchte Für rö« 
miſche Große, welche der Untreue gegen Karl bejchuldigt werden, 
tritt Hadrian in die Schranfen®. Er warnt den König vor den 
böfen Zungen, welche die heilige katholiſche und apoftolifche Kirche 
verläumden 7; und da ihn Karl erfucht, an feiner Ergebenheit gegen 
den heiligen Betrus nicht zu zweifeln, wiederholt er dringender feine 
Aufforderung, daß Karl den erlogenen Befchuldigungen nicht glauben 


I Cemi 1, 473 ff.; über bie Zeit diefed Briefe vgl. oben p. 527 n. 5 
2 Cenni I, 523 ff., cod. car. n. 82, 
’> Die Widmung ftehbt bei Bouquet V, 402; bie Zeit dieſes Geſchenks 
iſt jedoch nicht ſicher zu ermitteln. 

Cenni I, 498 ff., cod. car. n. 71. Don ber Beſtätigung ber Wahl 
durch Karl rebet Habrian nicht, fondern nur von feiner Yorderung, daß frän: 
fifhe Bevollmächtigte bei der Wahl zugegen fein follten. Aber für Karl war 
offenbar das erfte der Kern der Sade. Cr hatte bisher nie bie Anwefenheit 
fränfifcher Bevollmächtigter verlangt, mie Hadrian ihm felbft vorbält; daß 
er fie nun fordert, kann nur ben Grund gehabt Haben, weil Habrian bie 
Weihe vorgenommen hatte, ohne feine Befätigung abzumarten. Die Nichtach⸗ 
tung „eines Beſtätigungsrechts alſo qulet ihn zu ſeiner Forderung. 

Vgl. darüber auch Hald p.128 f.; Gregorovius II, 400f. Vesi, Storia 
di Romagna I, 406, ſtellt bie Sache irrtbümlich fo bar, ale hätte Hadrian dem 
Erzbiſchof die Weihe erft nach ber Beſchwerde Karls ertbeilt, und ſchließt da⸗ 
raus, daß letzterer durch Hadrians Vorſtellungen beruhigt worden ſei; davon 
iſt aber nichts bekannt. 

° €3 find bie Herzöge Conſtantin und Paulus, Cenni I, 501 ff., cod. 
acr. n. 83. 

? Cenni I, 500: Quaesumus, ut linguas, quae adversus sanctam Ro- 
manam catholicam et apostolicam ecclesiam garrire simunlant, procul dubio 
longe a vobis respuantur. 


59) 


mist, die : zeaen ihm erchen wörter‘: vietmche Felle Karl die Sa 
läumder cab Rom chiden. kart fig dort m (Fegermmart eines irün 


H 
3 
Hi 


iche 
pavitliche Erlaubnis Recht bei ik iuche. Fivvin babe dem heiligen 
Petrus felber das Patriciar verliehen, fo deutete der Papft die Fir 
pinſche Schenkung, 790 zum eriten Mal ſeit fie beftand, und ftügte 
darauf den Anipruch, daß der König vor den aus dieſer Würde für 
den heiligen Petrus fidy ergebenden Rechten dieſelbe Achtung hate, 
mit weldyer der apoftoliiche Shi Karla Rechte als Patricius an 
erfenne ®. 

So tritt bei jeder Gelegenheit das tiefite Mistrauen Hadrians 
gegen Karl hervor: es verichwinder ſeit 788 nit mehr aus jeinem 
Briefwechſel mit dem König, und die Kunde davon ſcheint jogar in 
die Teffentlichleit gedrimgen zu fein. Es konnte geichehen, daß man 
den Bapit durch das Gerücht zu ſchrecken fuchte, auf Zureden des 
Könige Offa von Mercia gehe Karl mit dem Gedanten um, He 
drian abzufegen und an jeiner Statt einen sranfen zum römifchen 
Biſchof zu ernennen 5. Karl wies in einem befonderen Schreiben 
an den Papit dieſe Beihuldigung zurüd, und Hadrian ſprach feine 
fefte Weberzeugung aus, daß weder Karl noch Offa im Stande wi: 


1 Cenni I, 215ff., cod. car. n. 85: Reperimus quippe in ipsis regali- 
bus apicibus vestris ... . quia nec terrenarum facultatum ambitio vel quae 
libet seductio hominum vos aliquando ab iis, quae b. Petro apostolo polliciti 
estin, separare poterit; ... . potius autem nos quaesumus vestram regalen 
excellentiam, ut nullatenus subdolo et homini mendaci, sicut fertis, praebe- 
atis ansensum. 

2 Cenni I, 520. 

85 Cenni I, 520: Ipsi vero Ravenniani et Pentapolenses caeterique 
homines, qui sine nostra absolutione ad vos veniunt, fastu superbiae elati, 
nostra ad justitias faciendas contemnunt mandata, et nullam ditionem, sicut a 
vobis b. Petro apostolo et nobis concessa est, tribuere dignantur; tamen 
fidelissimi vestri praefati missi viderunt ipsos Ravennianos, quos vobis prae- 
sentaverunt, qualiter nobis in superbia extiterunt. 

* Cenni I, 521: Quia, ut fati estis, honor patriciatus vestri a nobis 
inrefragabiliter conservatur, etiam et plus amplius honorifice honoratur, simili 
modo ipse patriciatas beati Petri, fautoris vestri, tam a sanctae recordationis 
domno Pippino, magno rege, genitore vestro, in scriptis in integro conces- 
sus, et a vobis amplius confirmatus,, irrefragabili jure permaneat. Vgl. da: 
rüber oben p. 475. n. 2; Sugenheim p. 49 f.; Gregorovins I, 407 f. 

s Cemni I, 505f., cod. car. n. 89: Porro in ipsis regalibus apicibus 
vestris referebatur, quod Offa, gentis Anglorum rex, vestrae direxisset regali 
exzeellentiae significandum indiculum, ut aliqui aemuli vestri ac sui ad nostra 
apostolica vestigia indicarent, quod idem Offa rex vobis suggereret, ut per 


M 531 


ren, einen folchen Plan zu faſſen'. Aber ift es nicht genug, daß 
derjelbe überhaupt zur Sprache fam? ®, 

Sogar auf geiftlihem Gebiet ſtelite ſich in der letzten Zeit ein 
Gegenſatz zwiſchen Hadrian und Karl heraus. Die frankfurter Sy⸗ 
node von 794 faßte in Betreff des Bilderdienſtes Beſchlüſſe, welche 
den Wünfchen Hadrians grade zuwiderliefen 3. Durch die Beſchlüſſe 
des Concils von Nicäa ſchien der lange Streit zwifchen Abend- und 
Morgenland zu Gunften Roms entjchiedben; nun weigerte fich eine 
große fränkifche Synode die nicänishen Satzungen anzuerfennen, und 
jtellte denfelben ihre eigenen Grundfäge gegenüber; Karls Name fel⸗ 
ber ftand an der Spige der Schrift, in welcher diefe Grundfäge aus⸗ 
geführt waren *. Im Auftrag Karls feste Abt Angilbert den Bapft in 
Kenntnis von den Befchlüffen der Synode, ımd liberbracdhte ihm das 
Schriftſtück, worin fie niedergelegt warend. Die NRüdäußerung Ha⸗ 
drians bezeichnet deutlich feine Lage 6. Er fuchte die Befchlüffe des 
Concils von Nicäa weitläufig zu vertheidigen, nnd warnte den König, 
den Einflüfterungen böfer und ungläubiger Menfchen fein Gehör zu 
ichenten?. Zugleich aber machte er Karl die wichtigften Zugeſtänd⸗ 
nijje, die uns errathen laſſen, welche Erwägungen den franffurter 
Beichlüffen zum Grunde lagen. Er erklärte, daß die Griechen von 
den drei Forderungen, die er an fie gejtellt habe: die Bilderverehrung 
wiederherzuftellen, den apoftolifchen Stuhl in feine Rechte über die 
ganze römische Diöcefe wiedereinzufegen und die Patrimonien der römi⸗ 
Shen Kirche zurüczuerftatten, nur bie erfte erfüllt hHaben®. Es fel 
feine Abficht, den Kaifer an die Erfüllung der letzten Punkte zu 
mahnen und, fall Conftantin fich weigern witrde feiner Aufforderung 
Folge zu leiten, ihn für einen Keger zu erklären ®. 
suam videlicet adhortationem atque suasionem nos a sede sancta dignitatis 
nostrae, quod absit, ejicere deberetis, et alium ibidem de gente vestra in- 
stitueretis rectorem. 

I! Cemi.c. 

2 Mettberg II, 595 nimmt an, dem Papft habe ein folder Gebantfe 
Karla gar nicht anßerhalb der Möglichkeit zu liegen geſchienen, und hat viel⸗ 
leicht nicht Unrecht; doch finden wir ſonſt nirgends eine Spur davon. 

Ann. Einh. 88. 1, 181. Ueber bie Verhandlungen vgl. Hefele II, 638 fi. 

* Ann. Einh. 1. c., wo dag Concil von Nicka irrthümlich nad Sonftan- 
tinopel verlegt ift. 

s Dal. den Eingang zu dem Antwortfhreiben Hadrians an Karl, Mansi 
xm, 759 ff. 

s Mansi |. c. 

? Mansi l. c. p. 809. 

® Mansi XIII, 808: Dudum quippe de dioecesi tam archiepiscoporum 
quam et episcoporum 8. catholicae et apostolicae Romanae ecclesiae commo- 
nentes, quaesivimus restituere eidem sanctae catholicae et apostolicae Roma- 
nae ecclesiae, quae cum patrimoniis nostris abstulerunt, ... et nec respon- 
sum quodlibet exinde dederunt, et in hoo ostenditur, quia ex uno capitulo 
ab errore reversis, ex aliis duobus in eodem permanennt errore. 

ꝰ Mansi l.c.: De dioecesi s. nostrae Romanae ecelesiae tam archiepisco- 
porum quam episcoporum seu de patrimoniis iterum increpantes commonemus, 
ut, si noluerit ea sanctae nostrae romanae ecclesiae restituere, haereticum eum 
pro hujusmodi erroris perseverantia esse decernemus. 


532 


Wir dürfen die Tragweite diefer Erklärung nicht unterſchätzen. 
Auch Karl hatte die Anſprüche Hadrians auf die alten Patrimonia 
keineswegs befriedigt, und die frage der Bilderverehrung fo eben ge 
gen den Papſt entfchieden; grade die Griechen hatten in der letter 
Angelegenheit fich ihm angefchloffen; dennoch nahm er dieſe kirchlichen 
Verhältniffe zum Vorwand, um zu Gunften der Verbindung mit 
Karl mit Conjtantinopel zu brechen. Die Beichlüffe von Nicäe, mt 
der Ausjicht auf die Rückkehr der Griechen in den Schooß der t« 
mischen Kirche, waren einer ber größten Erfolge, deren er fidh rüh⸗ 
men durfte; nun gab er biefen Erfolg widerſtandslos preis; bie 
Lehre der römiſchen Kirche über bie Bilderverebrung hielt er auf 
recht, aber er entjagte den Früchten feines Sieges. Die Beſchlüſſe 
der frankfurter Synode über den Bilderdienft genügen nicht, um 
diefes Verfahren zu erklären; es iſt unzweifelhaft, daß Karl dem 
Verkehr Hadrians mit Konftantinopel ein Ende zu machen wünjdte. 
Und Hadrian willfahrte; er konnte, auch wenn er e8 wollte, dem 
Einfluß Karls fi nicht mehr entziehen; die Verbindung mit dem 
fräntifchen Reich war unvermeidlich geworden; noch am Schluß ſei⸗ 
nes Bontificats mußte fi) Hadrian entſchließen, die Beziehungen zu 
dem Kaiſer, die er nie ganz aufgegeben und feit einer Reihe von 
Fahren mit fteigendem Erfolge gepflegt hatte, für immer abzubreden. 

Am Weihnachtsfefte 795 ftarb Hadrian, und Karl trauerte 
herzlich und aufrichtig über feinen Zod!. Die Bemühungen Ha 
drians aber, eine unabhängige weltlihe Macht des Papites zu grün⸗ 
den, waren an Karls Widerftand gefcheitert. Hadrians Nachfolger 
Leo III. war feinem Vorgänger nicht ebenbürtig; er gelobte gleich 
nach feiner Wahl dem König Gehorfam und Treue?, und bot ihm 
fünf Jahre fpäter die Hand zur Aufrichtung des Kaiferthums, in 
welchen nad) der Auffafjung Karls für einen felbftändigen Stirchen- 
ftaat niht Raum war. Sahlreihe Demüthigungen des Papites 
giengen dieſem Ereignis voran, das fortgejette Fehlichlagen der er: 
größerungspläne Hadrians, feine Niederlage im Bilderftreite durch 
Karl, die Flucht Leos aus Rom, feine Rückkehr unter fränkiſchem 
Schutz, fein in Gegenwart und auf Anordnung Karls gefchworener 
Reinigungseid. Würde wol Karl mit der Kaiferkrone gefchmüdt 
worden fein, wenn er den Anfprüden Hadrians weniger fräftig 
widerftanden hätte? Seine Erhebung zum Kaifer erfcheint als die 
Folge feines Webergewichts über den Papſt. 


2 Einh. vita Kar. c. 9, 88. II, 454. Karl ordnete für ihn Gebete im 
ganzen Reich an, und ließ eine Grabfchrift mit goldenen Buchſtaben in Mar: 
mor graben und über feinem Grab in Rom aufitellen, ann. lauresh., SS. I, 36; 
Bouquet V, 412. 

2 Karl fchreibt in feinem erften Brief an Leo, Bouquet V, 625: Per- 
lectis excellentiae vestrae litteris ... . gavisi sumus . . . in humilitatis no- 
strae obedientia et in promissionis ad nos fidelitate. 


Ueber die Merkelſchen Kormeln. 


6. Waih. 


Das erfte Heft der neuen Zeitſchrift für Nechtsgefchichte hat eine 
Meittheilung gebracht, die geeignet ift großes Intereſſe zu erregen. 
Der der Wiffenfchaft und feinen Freunden zu früh entriffene Mer⸗ 
tel bat jeinen Berdienften um die Kunde ber Quellen des älteren 
deutfchen Rechts ein neues hinzugefügt durch die Bekanntmachung ei= 
ner Formelſammlung, der man nicht anftehen kann unter den in 
neuerer Zeit aufgefundenen und veröffentlichten den erften Platz ein- 
zuräumen: als das lettte was Merkel bei feinen Lebzeiten zum Drud 
beförderte mögen fie für alle Zukunft feinen Namen tragen. Die 
Abjicht die er am Schluß anfündigte, den Inhalt rechtshiſtoriſch an 
einem andern Orte zu verwerthen, wird er nicht mehr ausgeführt 
haben. Unt fo eher mögen hier einige Bemerkungen geitattet fein, 
die ſich zunächſt auf das beziehen, was die Verfaſſungsgeſchichte 
angeht. 

Ich habe da allerdings zu bedauern, von diefer Schon im J. 1846 
abgefchriebeien Sammlung bisher feine Kunde, fie nicht zur Benu⸗ 
gung bei den legten Bänden der D. V. ©. zur Hand gehabt zu 
haben. Sie gewähren mandjes Detail, beftätigen und ergänzen was 
wir aus andern Quellen wiljen, und wären fo für die Darjtellung 
der Karolingiſchen Verfajfung ein erwünfchtes Material gewefen. Zu 
einer Aenderung aber der Auffaffung in irgend einem wejentlichen 
Puntte geben fie feinen Anlaß, und aud das mag in mancher Be- 
ziehung als erfreulich angefehen werden. 

Bor aller Benuguug zu verfafjungsgefchichtlichen Zweden wird 
freilich Zeit und Heimath der Sammlung feitjtehen müſſen. Merkel 
fegt fie nad) dem übrigen Inhalt der Handſchrift, Cod. Vatic. 
Christ. 612, nach dem wejtlihen Franfenreih, Tours oder Paris; 
die Echrift fei die des 9. Jahrhunderts. Nur eine Stelle fcheint 
damit nicht recht in Uebereinftimmung: die Unterfchrift der Yormel 
45: Actum civitate illa ubi firmata est anno 7. imperatoris 

. domni ac praestantissimi Odoni augusto, equidem et 
promotionis nostrae, indictione 14; die zunächſt auf einen ber 
deutichen Ottonen binzuweifen fcheint. Doc hat dann Merkel fchon 
bemertt, daß das 7. Jahr des Kaiſerthums bei keinem derfelben mit 
der Indietion 14 zufammenfalle, während dies bei dem franzöfifchen 
König Odo der Fall fei, und er meint, troß des für diefen fehr 
auffalfenden und ungewöhnlichen Titels imperator und augustus 


. | &ingang der 
die Berfon des gedachten Ausitellers genau genug bezeichnet. 41. Ile 
gratia Dei rex Francorum et Langobardorum “vir inlustris: 
42. Ille gratia Dei rex Francorum et Langobardorum ac pa- 
triciſuſs Komanorum vis inlustris. Es iſt das der Titel, noch 
vollftändiger im zweiten Beijpiel, deſſen fi Karl der Große eine 
furze Zeit bediente (Juni 774 und 7752), während derielbe fo von 
feinem andern Herrſcher gebraudt ijt oder in diefer Weife gebraucht 
werden konnte. Daß dies aber für die ntjtehungszeit der Samm⸗ 
fung jelbft einen Anhaltspunft gewährt, wird man faum bezweifeln 
fönnen, wenn man fieht, daß die beiden Kormeln ſelbſt älter find 
und erft hier diefen Eingang erhalten haben. Die erite jteht Marc. 
], 22 ohne joldjen, beide Marc. Append. 24. 31 mit dem der frü- 
hern Zeit entiprechenden: Ille rex Francorum vir inluster. Daß 
die Sammlung als folche aber auch nicht älter ift, dafür darf noch 


2 68 fällt jebenfalld nicht wie S. 196 lebt auf 554, ſondern 598; 
doch muß Merkel dies gemeint haben, da er fonft nicht bie Mrfunbe vor den 
13. Novenier (den Tag der zweiten Krönung) 895 fegen könnte. 

* Die ®B. ©. II, p. 207 n. gemadhte Angabe, daß vir Inluster zuleßt 
776 vorkomme, ift ungenau. Die angeführte Urfunbe, Bouquet V, p. 738 
(fo ift zu Tefen), aus dem Chron. Lauresh. ift chronologiſch unſicher. Die Bes 
zeichnung wird von Karl faft nur bis 775 und dann wieder von Karl dem 
— und Rudolf gebraucht; wie Stumpf, Reichskanzler p. Tan. be: 
merkt bat. 


637 


33 (= Bign. 6) angeführt werben, wo escabini als Beſitzer eines 
Gerichts erfcheinen. 

Der Zeit Karls entſpricht auch der übrige Anhalt durchaus. 
So namentlid der Brief N. 63, in dem ein Bifchof dem andern 
Nachricht giebt von den durch den König angeordneten Faften und 
Fürbitten; was fehr gut zu den V. ©. III, p.227 n. 1 zuſam⸗ 
mengejtellten Nachrichten aus den eriten Jahren Karls paßt. Auch 
N. 55 ein Brief an ben König felbjt hat hierauf Bezug. Man 
vergleiche die Worte: cantavimus . .... . pro salute vestra missas 
tantas et psalteria tanta mit Capit. 779, p. 39: ut unusquis- 
que episcopus tres missas et psalteria tria cantet etc. Be⸗ 
merkenswerth ift dort der Zufag: tamquam de ista proxima hoste 
venimus, während e8 in 63 heißt: pro istum gladium quae su- 
per nos est. 

Nach den meitlihen Gegenden bes Frankenreichs weift auch im 
Anhalt einzelnes Hin. Ich rechne dahin die faft überall wiederfeh- 
rende Angabe der Ortsbeſtimmungen: in pago illo in centena illa, 
N. 1. 2. 3. 6. 7. 8. 12. 17. 18. 19. * 23. 24. 26. 27. 28. 30. 
34. 35. 36. Sie kommt in den Formeln überhaupt nur Bign. 18 
ſo vor; dagegen in weſtfränkiſchen Urkunden häufig genug, wie die 
V. ©. I, p. 33. II, p. 276. III, p. 332 angeführten Stellen zei 
gen, denen noch einige aus Deloche, Cartulaire de l!’ubbaye de 
Beaulieu, beigefügt werden fünnen. — Außerdem dürfen wohl auch 
die nicht feltenen Stellen in Anfchlag gebracht werden, wo racineburgi 
als Beifiger in Gericht genannt werden, N. 18. 28. 29, 31. 43. 
Die Formeln Marc. App. 1. 4. 6, Bign. 26, Andec. 49 bieten 
dazu andere Belege, während wir in Urkunden folche nur bei Vais- 
sette und im Chart. de St. Victor von Marfeille finden, und 
hier immer ſchon scabini daneben; vgl. V. ©. IV, p. 339 n. 1. 
Aus anderen Theilen des Frankenreichs ift aber der Gebrauch aus 
diefer Zeit überhaupt nicht nachzuweiſen. Die Radjineburgen werden 
übrigens regelmäßig zugleich al8 boni omines bezeichnet; einmal, 31, 
fteht nur diefe Benennung. 

Daß wir uns auf dem Gebiet des Salifchen Rechts befinden, 
tritt fajt überall in der Sammlung hervor. 

In 29 wird die volle Freiheit bezeichnet: bene ingenuus sive 
Salicus, und ein Eid mit Eideshelfern geleiftet: apud 12 homines 
Salicos (in 28 fteht dafür: apud 12 homines consimiles). 

Wiederholt heißt e8 secundum legem Salicam, 17. 25. 41. 
Davon entfpricht Al, wie fehon vorher bemerft, andern älteren For⸗ 
meln. N.25 hat ein Seitenftüd in Marc. App. 49; doch ijt wenig» 
ftens die Faffung eine andere: Dum cognitum est, qualiter se- 
cundum legem Salicam in portione paterna cum fratribus tuis 
filiis meis minime potes accedere. N.17 ift verwandt mit Bign. 5 
und Lind. 75 (Salz. 7); doc Heißt es ſchon etwas abweichend: 
per solidum et denarium secundum legem Salicam et anti- 
quam consuetudinem sponsare debere; und nachher fteht ganz 


53* 
agrtamis: Pr: 


der.s: zen za: zufier mu: per üb 
Dear. ea een Tre Serie Tandona N.19 nit ia 
Uesnmi2:7 Lieusm äxis u: Diss izitar ülas puellae nur 
sur 3.7 366 Als EL arte dien nupiiarum Jonatumgue 
animı Walser ayıse Wacsricit, Div est in tandono aut; 
bellum doüs, em mem et:.: 21: unde er quod tibi in ter 
dns, si te Amspucsatam Lalaisset, vel in dotis ttulum ad 
firmarz deterem: 24: per <pistnam tandonis aat per libellus 
dotis visus sum alürmasss. Ter Aneoruct tandono ijt ment 
Grienerze 19 böser uhr maigezieta, uch nicht in den Mal 
idea lueæ, amd rise ale eine Pereiherung der Salifchen Kedte 
jprade. Er ñndet ſih aber ofrezber 'chon bei Marculf II, 15. ie, 
die den angefuhzrer 9 und 21 der Merfelicden Sammlung entipre: 
den, zur enzitellt in tem Trud uzjerer Ausgaben. Hier heipt es 1: 
hoc est in tanto dono; 15: quod tibi in tanto dono vel u 
dotis titulum, was wchl blos ale eine unbeitimmte Bezeichnung da 
Göröpe veritanden ijt, vgl. Schröder de dote secundum lege 
gentium (sermanicarum antiquissimas p. 43. In Mare. II, 9, d 
Diertel 24 enijpricht, jteht, vielleictt auch durch Aenderung der Her: 
ausgeber: per epistolam cessionis aut libellum dotis. 

Ein anderer aus der Lex Salıca jelbjt und anderen Quelles 
befannter Ausdruck, affatimum wadtathamire; f. Müllenhoff u 
meiner Ausgabe p. 277, findet hier eine weitere Anwendung. (ine 
Grbeinjegung von Enkeln heist 26: Affatimum, und im Text: dabo 
vobis per hanc affatimum, nachher: Vos quoque nepotes mei 

er hanc affatimum post obitus mei dividere et exequare 

faciatis. Illud etiam in hanc affatimum conscribere rogavi- 
mus, und: «qui contra hanc affatimum venire aut refragare 
presumpscrit .... pracsens aflatimus diuturnum teinpore 
firmus et inviolatus valeat permanere. Die im Inhalt eniſpre— 
chenden Formeln Marc. II, 10, Sirm. 22, Lind. 55 (Salzb. 12) 
enthalten nichts der Art. Dieſelbe Ueberſchrift hat 27: Uebertra- 
gung eines mansus an einen Enfel in der Weife dag ſich der Schen⸗ 
fer zugleid) in servitium dejjelben ergiebt: ita ut ab hac die de 
vestro servicio non discedam, sed quiequid reliqui servientes 
vestri faciunt per vestros aut agentum vestrorum in pretio 
fücere spondeo: eine Urkunde die ihres Gleichen meines Wiſſens 
überhaupt nicht hat. , 

Zu dem befannten per fistucam achramire (aframire), 
Grimm R. A. p. 123, geben nenen Beleg 28: quidquid judicatum 
fuit vel per suum fisticum habuit aframitum; 29: quiequid 
judieatum fuit de hac causa vel suum fisticum abuit afra- 
mitum. | 

Der bisher aus Form. Bign. 2) = Lind. 29), 21 (Lind. 
30) und Lind. 150 bekannte Ausdrud sacıre (ad proprium, pro- 


589 


net sacire; vgl. Ducange ed. Henschel VI, p. 11) wird 
in etwas anderer Weife gebraucht bei Mechtöftreitigkeiten. So 
wird 28 ein unrechtmäßigen Beſitzes Angellagter gefragt: per quem 
sibi de jam dicts re sacibat, in antea sacire vellebat; nachher 
ergeht das Urtheil: ut... .. conjuraret vel praedictam rem 
sacire deberet, und e8 heißt weiter: hoc conjuravit vel legibus 
sacibat (vgl. 29: conjuravit vel legibus custodivit). Aehnlich 
tft 31 von einem Knechte: per quem sibi de ipso servo saciret 
aut in antea sacire vellebat .. ... conjurare deberet et pro 
ipso servo legibus sacire deberet. In 30 twird von einem ähn- 
lid) Angefchuldigten gejagt: Sed ipse ille in praesente nullatenus 
responsum dare, per quem sibi de ipso campo legibus saciret 
aut in antea sacire deberet. Das sacire, legibus sacire, be- 
zeichnet offenbar den auf einen beftinumten Rechtstitel geſtützten Beſitz 
einer Sache. 

Hier fchließt ſich in diefen Formeln dasjenige an was fich weiter 
auf Verhandlungen in ben Gerichten bezieht. 

Richt weniger als I Nummern tommen da überhaupt in Betracht, 
mehr als wir in irgend einer andern Sammlung haben; 5 davon, 
auf die auch fchon im Worbergehenden NRüdficht genommen, waren 
früher unbefannt (18. 28—31). Eine (28) betrifft das Gericht ei⸗ 
nes Miffus, 5 das des Grafen (18. 20. 29. 39. 40) und 4 das des 
Vicarius (30. 31. 33. 43). 

Bon den letten entfprechen 33 und 43 zwei Formeln der Big- 
nonfhen Sammlung (6 und 12); die beiden anderen geben weiteren 
erwünfchten Beleg von der gerichtlichen Thätigkeit des Vicarius, 30 
in einer Streitigfeit über Land, 31 über den Befit eines Sklaven, 
das eine Mal alfo in einer Sache die nach den Gejeten Karls dem 
Grafen vorbehalten fein ſollte. Wie aber auch fonjt diefe Beſtim⸗ 
mungen nicht jtrenge eingehalten find, V. &. IV, p. 318, fo finden 
wir bier noch einen intereffanten Beleg dafür, dag der Graf feine 
Gerichtsbarkeit ganz durch einen Vicarius wahrnehmen ließ. Es ijt 
das 51. Indiculum de comite ad vicarium. Der Graf ſchreibt 
bier: cognoscas, quod d. rex ille nobis commendavit, ut ju- 
stitias vel drictum in nostro ministerio facere debeaınus. 
Propterea has litteras ad te dirigimus, ut in nostro comitatu 
vel in tuo ministerio pleniter ipsa justitias, que ante te ve- 
niunt, ut sic inquiras et facias quasi ego ipse. Die legten 
Worte deuten beſtimmt darauf hin, daß es die gräfliche Gerichts⸗ 
barkeit felbft ift, welche der Vicarius ausübt, und dem entjpricht 
auch das: in nostro comitatu. Dagegen ift es mir nicht ganz 
far, ob man die Stellvertretung auf die ganze Graffchaft (mie in 
dem Fall V. G. II, p.338 n.2) oder nur, wie gewöhnlich (ebend. 
p. 335), auf einen Theil zu beziehen hat. Wenn hinzugefügt wird: 
vel in tuo ministerio, jo kann das entweder in der Formel ein 
Ausdrud jein der unter Umftänden ftatt des vorhergehenden einzu- 
treten hat, und dann wäre es wohl auf einen folchen fpeciellen, klei⸗ 

I. 36 








d 


in im beine 
Amts ; vielleicht wird es jedoch auch Galle iur 
halb der Grafſchaft den befonderen Amtebezirt beider 


nen. ®orher heißt es: Mandamus tibi de tuo ministerio 
tibi commandavimus; Worte welche zugleich 
befätigen was fi früher fon ergab, da ber Graf 
Bde; 8. ©. IL, p- 35 Des halb er and) 

fagen: Taliter exinde certamen age, I i 
vellis habere. — Tas ‘drictum’ in der Bedeutung von 


droit, ift den Stellen hinzuzufügen, die das Regifter zu ©. ©. 
nadweift ; und biefe hier vielleicht älter als alle übrigen. 


enthält 39 unvolfitändig daffelbe als ni Ei 20 entf pricht ebend. 7. 
n ante rn. com 


1 





Hi 


2 


richt: venientes ariter in mallo ante illum comitem vel rel: 
quis bonis ominibus, placuit utriusque voluntatis, ut se 2 con 
sortio separare deberent; 29 ein Gericht über einen als Kucdt 
in Anfpruch genommenen, der fih durch einen Eid mit 
reinigt, auch im Ausdruck mannigfach verfchieden von andern. bem 
Anhalt nach verwandten Formeln (Marc. App. 1 ff.). Ich hebe 
nur die Antwort des Angeklagten hervor: quod nec servitio nec 
litimonium nec nullum cavaticum nec nullum o uium ei 
reddebat, sed ipse erat bene ingenuus sive Salicus. Lieber ca 
vaticum f. Guerard Irminon I, p. 690 ff. Dabei bemerte id, 
daß in der dem Inhalt nad) ähnti en N. 33 ftatt colona in bem 
Druck der entfprechenden Bignonfchen Formel hier capalis fteht, ein mir 
fo ganz unbelanntes Wort, das aber ohne Zweifel bo viel ift wie ca 
italis und den zum Kopfgeld Verpflichteten bezeichnet; Ducange ed. 
Henschel II, p. 141. Die Handfchrift aber der Bignonſchen 
Formeln Cod. 8. Germ. 1596 hat cavalis, das ganz jenem cava- 
ticum entſpricht; aaabreud anderswo cavaticarius vorkommt (Gue- 
rard a. a. O. p. 6 
Der Eid wird Nieiſet: ante ipsum comitem vel reliquos 
racineburgis, und ebenfo 28, wo in dem Gericht bes Miffus auf 
einen ſolchen erfannt wird: coram ipsis missis vel racineburgis. 
Auf ein wefentlich anderes Gebiet verfett uns 61: Indiculum 
supplicatorium ad regem, wo ein Abt Magt, daß fein Kloſter zu 
Beneficium gegeben und damit aus dem Schuß des Königs getreten 
fe. Domne, supplicamus misericordiam vestram, quasi omnes 
nos ad gloriosissimas pedes vestros prostrati jacerimus, ut 
nos clementia vestra adjuvare dignetur. Quia ex qua die 
nos ille beneficiasti et nos de vestro mundeburdo discessimus 


541 


ex illa die non habuimus nec vestimenta nec calciamenta nec 
er neo sapono nec cibo, sicut antea fuit consuetudo. Man 

t, em nahen ammenbang Benefiium und Schu 
(mundeburdis) ftehen. Selammenbe ns 

Sonft erhalten die Benefictal- und Vafjallitätsverhältniffe aus 
biefer Sammlung feine weitere Aufklärung. ‘Die ziemlich zahlreichen 
Urkunden über Precarien entfprechen in allem Wefentlichen nur be- 
nen die wir ander&her kennen. “Der Ausdrud commendatitia für 
eine folche Verleihung, der bisher nur Form. Bign. 21 überliefert 
war, findet ſich hier 7. 36. 38, von denen die lette mit jener näher 
verwandt if. In 24 wird die Uebertragung mütterlichen Gutes 
von den Söhnen an den Vater noch entjchiedener als Marc. II, 9 
wie eine Praecaria ober im Tert wie ein Empfangen per benefi- 
cium bezeicdjnet. 

Das Angeführte wird genügen, um die große Bebentung biefer 
Sammlung darzuthun. Einzelne Stüde aus dem fpäteren Theil, 
der Briefmufter enthält, betreffen auch noch ganz andere Verhältniffe. 
Dit Vergnügen wird man 3. B. 40: Indiculum ad sponsam 


en. 

Der Tert der Handfchrift, den Merkel mit gewohnter Sorg- 
falt wiedergegeben, läßt manches zu wünfchen übrig. Einzelne Ver⸗ 
fehen (mie das mehrfach vorfommende operibus ftatt ominibus) hat 
der Herausgeber gebefjert, auf fehlende Worte u. dgl. hingewieſen. 
Anderes bleibt in der Beziehung zu thun, wie z. B. 42 nad) omni- 
bus offenbar missis eingefchaltet werden muß, 63 nad) donum 
Dei fehlt episcopus; u. dgl. 

Die Latinität ift, wie fehon die angeführten Beifpiele zeigen, 
der Art, daß fie auch jedenfalls auf die frühere Zeit Karl des 
Großen hinweift, auch abgefehen davon, dag bei einigen Stüden ofs 
fenbar die erfte Abfaſſung noch bedeutend höher hinaufreicht. 


36% 


u nn 


Beiträge zur Geſchichte des Geld- und 
Münzweſens in Deutichland. 


Dritter Abſchnitt. 


Bon 


Ad. Sortbeer. 


Dritter Abſchnitt. 


Geld- und Münzweſen im fräufifhen Neiche unter den 
Merovingern. 


8. 1. Die Verhältniſſe bei ben Franken vor ber Eroberung Galliend 
durch odovech. 


E⸗ war Herkommen bei den alten Germanen, ihren verſtorbenen 
Fürſten und Heerführern nicht allein Waffen und Schmuckſachen mit 
ind Grab zu geben, fondern auch einen Theil der von ihnen im Le 
ben angefammelten oder erbeuteten Schäge. Die bereits in unferm 
erften Abfchnitt befprochenen Auffindungen größerer und Hleinerer 
Goldringe in hervorragenden Grabhügeln fowie mehrfache Erwähnun⸗ 
gen biefes Hertommens in alten Heldenliedern und in fonftigen Auf⸗ 
zeichnungen, welche die Veberlieferung älterer Zeiten gerade in fol- 
hen Zügen erhalten haben, find hierfür unzweifelhafte Zeugniffe '. 
Daß nicht mehr von bdiefen für den Alterthumsforfcher fo wichtigen 
und Iehrreihen Münzfunden in alten Grabjtätten belannt geworden 
und erhalten ift, als das Wenige bdiefer Art, worüber bie veröffent- 
lichten Berichte und einige Alterthlümerfammlungen Auskunft geben, 
erflärt fi) daraus, daß ſchon frühzeitig die gewiffenlofe Habgier der 
Menſchen feine Scheu davor trug, die Ruheſtätten der Todten eben 
wegen der ihnen mitgegebenen Schäge zu durchwühlen. Und je ange- 
ſehener und reicher der Verftorbene gewefen war, um fo mehr mußte 
natürlich) fein Grab folcher Beraubung ausgefegt fein. In wie ftar- 
fem Grade diefer Unfug fchon im merovingifchen Zeitalter bei den 


ı In Skandinavien erhielt ſich biefe Sitte noch lange Zeit. Bol. ben 
Schol. zu Adam Bremensis hist. eccl. IV, 31: Pecuniam hominis tumu- 
lant cum eo armaque et cetera quae habuit cariora. — Webrigend wurden 
im 4. 5. und 6. Sabrhundert mitunter auch anderen Verftorbenen als ben 
Fürften und Vornehmen Geldſtücke mit ins Grab gelegt, wie bied Hr: Cochet 
in zahlreichen Beifpielen von Münzen, bie in älteren fränfifchen Gräbern ge: 
funden find, näher nachweiſet. Val. Le tombeau de Childeric L, roi des 
Fraucs, restitu6 & l’aide de l’archeologie etc. par M. l’abbe Cochet. Pa- 
ris 1859. ©. 409 fi. 


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“ Lat Sultı LV. Les 2 morıas exzelatis. 2 Si quis corpus jam 
S-- „mul er „au.nNt, 17 -) flarnt as;r Tatam. wargos sit etc.... Auctor 
e-.erie 122 0%. alihikiees ;röolarır. all) Kinarios, qui faciunt solidos 200, 


at: Fries eumiknmeng des Schidiald dieſes wichtinen Fundes 
eur . aterstz Sir, kon zualeich nicht ohne Beſchämung über die 
derntichen Z.ntarıe 2:2 Meksicnten Aufrbunderts. Der Erzberzog Leopold Wil: 
beim tradt: ceriellenem & 1655 mit nach Wien, wo die Gegenſtände nad 
feinem Iece ins kaiſerliche Viünz-Cabinet übergingen. „Das Merfzeun, 
bejien fih Lie Kerſehung bebiente, um Frankreich dieſes Depot wieder zuzu: 
wenden“, (je Lerichtet Hr. Godet) war der Kurfürft von Diainz, Johann 


647 


Thatbeftand diefer Auffindung, foweit e8 ſich um die dabei zum Vor» 
fchein gefommenen Münzen handelt, ift nothwendig etwas näher zu 
erörtern, weil die ungenane Auffafjung einzelner Umftände hierbei zu 
Schlußfolgerungen verleitet hat, welche als fehr wichtig und beach⸗ 
tenswerth geltend gemacht find, die ſich indeß als ganz und gar nicht 
zutreffend von felbft erledigen müffen, fobald die thatſächliche Unrich⸗ 
tigfeit der ihnen zum Grunde gelegten Vorausfegung ſich nachweifen 
läßt. Daß das entbedte Grab übrigens wirklich) dasjenige des im 
Jahre 481 verftorbenen fränkifchen Königs Childerich I. geweſen ift, 
wie gleich bei der Auffindung aus dem mitaufgefundenen goldenen 
Siegelring defjelben erkannt wurte, bedarf feiner weiteren Begrün- 
dung, da hierüber niemalg ein Zweifel erhoben ift '. 

Ohne die übrigen Gegenftände diefes merkwürdigen Yundes weir 
ter zu berühren, bejchäftigen wir uns hier nur mit den im Grabe 
aufgefundenen Münzen und den hiermit unmittelbar zuſammenhän⸗ 
genden Umjtänden. 

Des Bericht des gefehrten Numismatiters J. J. Chiflet, wel- 
cher als Leibarzt des damaligen Statthalters von Belgien, des Erz- 
herzogs Yeopold, von der großes Auffehen miachenden Auffindung zu 
Zournay fogleih Kunde erhielt und über diefelbe ohne Verzug eine 
ausführliche Abhandlung verfaßte, die dann auch fehon im zweiten 
— nach der Entdeckung veröffentlicht wurde, lautet hierüber wie 
olgt?: 


—— von Schönborn. Um dem König Louis XIV., ber ihm einige franzb⸗ 
ſiſche Regimenter geliehen hatte, durch welche er wieder in ben Befig ber 
Stabt Erfurt gelangt war, feinen Danf zu bezeugen, verfchaffte fi der Kur: 
fürft bei geeigneter Gelegenheit vom Raifer bie Weberlaflung des Tonrnayer 
Yunbes, mit dem er dann dem franzöfifhen König am 2. Juli 1665 ein Ge 
ſchenk machte. Zunächſt kamen nun bie Gegenftände in die Sammlung bes 
Louvre, bann (1684) nad dem Schloße in Berfailles, und von ba (1720) 
nad der königl. Bibliothet in Paris, wo bei dem großen Diebftahl in ber 
Nacht von 6—7. Nov. 1831 auch von dieſem Schatze bad Meiſte verloren 
ging. Die wenigen Weberrefte befinden fich jet in dem von Kaiſer Napo⸗ 
leonj III. geftifteten Musde des Souverains, barunter aber nur noch zivei 
Münzen, nämli Solidi vom Kaiſer Leo. 

2 Das Grab Königs Childerich II, weldher im 3. 673 flarb, ward in 
den Jahren 1646 und 1656 im Chor ber Abtei von Saint Germain des Pres 
entdedt und unterfucht; vgl. Montfaucon, Les monuments de la Monarchie 
Frangaise I, 174 ff. u. Bouquet, Scriptt. rer. Gall. etc. II, 732 fi. Wahr: 
jcheinlih waren auch in diefem Grabe Münzen gemwefen, die jedoch gleih An: 
fang bei Seite gefchafft fein werben, ba diefe Wertbfachen bierzu am geeig⸗ 
netiten und verlodenbdften find. Ruinart bemerkt hierüber in feiner Disserta- 
tio de regali abbatia 8. Germani a Pratis (bei Bouquet a. OD.) p. 725: De 
teoti fuerunt anno MDCXLVI. duo grandes sarcophagi seu arcae lapidese, 
in quibus Begis et Reginae corpora jacebant sepulta, integra omnino, vesti- 
mentis regiis nondum plane corruptis induta; sed absentibus monachis multa 
ab operariis subducta creduntur, qui tamen furtum negantes numquam adduci 
potuerunt ut ea restituerent etc. 

2 Anastasis Childerici I. Francorum regis, sive Thesaurus sepulchralia 
Tornaci Nerviorum effossus et commentario illustratus. Auctore Johanne 
Jacobo Chifletio etc. Antverpiae MDCLYV. 4%, — Die neuere Unterfu: 


548 


©. 37. Anno igitur MDCLIII. mensis Maii die XXVIL 
hora tertia pomeridiana, dum foditur ad altitudinem septen 
aut eo plus pedum, in rupem, invenitur primum fibula aures; 
et mox nidus rotundior velut ex aluta putri, in quo nummi 
aurei plus centum, rutro aperitur ab Hadriano inqui 
latomo Tornacensi, qui (ut erat mutus et surdus ab ipe 
natali) voces inconditas mittere coepit, et quo potuit mode 
viciniam advocare. Accurrunt illico decanus Pattus, et ae- 
ditui duo, satagentes (ac merito quidem), ut quidquid thesauri 
esset, ecclesiae suae et tenuiorum habitationi vindicarent. 
Eodem in loco reperti romani ex argento nummi ducmli 
plus minus , sed ita extriti et rubigine obducti, ut facinu 
esset legere; unde magna ex parte periere. 

Chiflet berichtet ferner (S. 42 f.) A Betreff der Münzen, daß 
er feinen Sohn, den Canonicus Ehiflet in Tournay, fofort nad er 
baltener Kunde von dem Funde erfucht habe, bie bavon in bie 
von Privatperfonen gelangten Stüde zu erwerben. Der Sohn gab 
fi) dieferhalb auch die größte Mühe, und fandte feinem Water bald 
darauf von dem Funde 6 Goldmünzen und 22 (427?) Silber⸗Denare. 
WS dann am 10. November deſſelben Jahres der Leopold 
in Begleitung von Chiflet Tournay befuchte, wurden bemfelben die 
dort noch aufbewahrten Goldmünzen bes Grabfundes zugeftellt, de 
ren Anzahl nad) der von Chiflet gegebenen Lifte 84 Stück betrug. 

In feiner fpeciellen Befchreibung der von ihm unterfuchten 
Goldmünzen des Fundes (S. 251—256) bemerkt Chiflet, daß m- 
ter den mehr als 100 Stüden nur 12 verſchiedene Typen angetrof- 
fen wären, nämlid: 

zwei von Theodoſius I [408-450 im Orient] 2 GStüde 
zwei von Valentinianus 125 - 455 im Oceident]) 2 
ein von Marcianus | 7 im Orient] 

zwei von Leo I 9 —474 im Orient] 

ein von Zeno und Leo II [474 im Orient] 

ein von Yulius Nepos [474476 im Oceident) 
ein von Bafiliscus [475 im Orient] 

ein von Bafiliscus und Marcus [477 im Orient] 
ein von Zeno lm d im Orient 1 „ 

Da die Aufzählung der von Chiflet angeführten Münzſtücke 
nur 90 beträgt !', während er von mehr als 100 Goldmünzen des 


hung über diefen Fund vom Abbe Cochet ift bereit in einer früheren An: 
merfung (S. 545) citirt, 

2 Die Aufzählung in Chiflet Bericht ift folgende, ©. 43: Primum 
ad me misit (filius) aurea numismats sex Impp. Valentiniani, Marciani, Leo- 
nis, Zenonis, Basilisci et Marei; und bann ©. 46: Decanus aedituique (Tor- 
naci) proferunt numismata aurea Leonis Imp. quinquaginta sex, Zenonis qus- 
tuordecim, Marciani septem, Basilisci unum, Basilisci et Marci unum. Ab 
decano seorsim oblata Serenissimo (Duci ) Theodosii imp. duo majoris pon- 
deris Valentiniani unum, itemque Leonis imp. alterum. Die Aufzählung bdie- 
fer Münzen ergiebt (6 u. 84) 90 Stüd, was mit ber von und oben im 


Swummm Do 
za za 2 2 


. 549 


Bundes ſpricht, die er unterfucht habe, fo muß es unentfchteben blei- 
ben, welchen Kaifern die übrigen Stücke zuzutheilen find. 

Ueber die im Grabe vorgefundenen Silbermünzen lautet ber Be⸗ 
richt Chiflet's (S. 270) wörtlich wie folgt: . 

In conditorio Childerici Regis reperti sunt Nummi ar- 
gentei ducenti, eoque amplius. Ex tanto numero in manus 
meas venere, filii mei industria, quadraginta duo duntaxat, 
qui Serenissimo a me oblati sunt, hoc digesti temporis or- 

e: 

Nummus consularis unus, 

Neronis [54—68] unus, 

Trajani [98—117] duo, 

Hadriani [117—138] quinque, 

Antonini Pii [138—161] novem, 

Faustinae Pii [117—138] tres, 

Antonini Philosophi [161180] septem, 

Faustinae Philosophi tres, 

Aurelii Veri [180—189] sex, 

Commodi [189—192] duo, 

Julise Severi [21 1] unus, 

Caracallae [21 211] mus 

Constantii junioris [350] unus. 
Atque ex illis omnibus quatuor tantum sunt perforati, 
annis abhinc prope mille ducentis, Hadriani nempe, Anto- 
nini Pii, Aurali eri et Constantii junioris, quos in tabella 
aerea primo loco retuli. 

Chiflet äußert dabei die Vermuthung, daß der König Chil⸗ 
derich diefe letzterwähnten vier durchlöcherten Münzen an einem 
Bande aufgereihet am Halfe getragen habe, aus Verehrung fir die 
Tugenden gerade jener vier Kaifer. Diefe Vermuthung gründet fich 
indeß lediglich darauf, daß fie allein ımter den im Grabe aufgefun- 
benen Münzen durchlöchert waren, was jedoch ſchon lange Zeit vor 
Childerich hatte gefchehen können und keineswegs ausjchließt, daß fie 
Ihon längſt nach der urfprünglihen Durchlöcherung wieder in ges 
wöhnlicher Circulation gewefen fein mögen, wie bied noch heutigen 
Tages nicht felten mit durchlöcherten Münzſtücken gefchieht. Dage⸗ 
gen ift e8, fowohl nad den Angaben Chiflets wie auch nad den Be⸗ 


Zerte gegebenen Weberfiht nad ben Typen übereinflimmt, wogegen Hr. Co: 
het die Zahl berfelden auf nur 87 angiebt. Diefer Gelehrte erwähnt babei 
(S. 4): Chiflet reconnut cinquante-deux types difförents, während 
im Original = Bericht Chiflet? ausdrücklich nur 12 Typen angegeben werben 
(a. 8. & 251): Numismats auresa in Childeriei regis conditorio sunt reperta 
numero centum eoque amplius, sed formis duntaxat duodenis. 

ı 63 ift ein offenbarer thatfächlicher Irrtum von Petigny, Revue nu- 
mism. T. XVII, p. 808 f., wenn er fagt: 4 monnaies d’or percdes de Trajan 
[reetius Adrian], Antonin, Marc-Aurtle et Constance 6taient des pidces hors 
de ciroulation et qui ne servaient que comme ornement. Es waren feine 
Goldmünzen, fondern Silber- Denare. 


650 


merfungen bes Hrn. Cochet, aus den Umſtänden bei der Auffindung 
höchſt wahrfcheinlih, daß die Goldmünzen urfprüngli in einem le 
dernen Beutel am Gürtel des Königs, die Silbermünzen aber in 
einem bejonderen, mit Metallftreifen befchlagenen hölzernen Käftchen 
zu den Füßen der Leiche, als Repräfentanten des Töniglichen Schates, 
verwahrt waren 1. 

Bevor wir aus den thatfächlichen Umftänden dieſes Münzfun⸗ 
des felbftjtändig diejenigen Schlußfolgerungen vorlegen, welche, wenn 
man befannte ſonſtige Verhältniffe und den einfachen Zufammenhang 
der Dinge mit in Betracht zieht, fich unferer Anficht nach gleichfam 
von felbft ergeben, erjcheint e8 indeß erforderlich, zuvor die vorhin 
erwähnte unrichtige und irreleitende Deutung, die davon zur Erläns- 
terung des Münzweſens jener Periode gemacht worden, zu wider: 
legen. Nur zu diefem Zwecke ift auch der Wortlaut der betreffenden 
Stellen im Original» Berichte von Chiflet (eine andere authentifche 
Duelle über den Vorgang der Auffindung giebt es nicht) mitgetheilt 
worden. 

In einer Abhandlung von Petigny über das Meünzwefen der 
merovingifchen Zeiten? findet man nämlich folgende Bemerkung. 
Die Zufammenfegung des 1653 im Grabe Childerihs zu ZTournay 
entdeckten Schates könne uns helfen, um die verfchiedenen Münzforten 
zu bejtimmen, welde in Gallien zu Ende des fünften Jahrhun⸗ 
derts, zur Zeit als die Monarchie der Franken gegründet fei, circu⸗ 
(irt hätten. Dan habe im genannten Grabe ungefähr 100 Gold- 
ftüdle und mehr als 200 Silbermünzen gefunden. Unter ben letz⸗ 
teren hätten aber nur 42 Stüd befchrieben werden können, da bie 
übrigen vollftändig orydirt geweien wärend. Es fei wahrfchein- 

‚ daß die 160 orydirten und daher unentzifferbaren Münzen von 
derjenigen Art von Billon des dritten und vierten Jahrhunderts 
gewefen wären, welche man fo Häufig bei den Ausgrabungen in 
Frankreich antreffe. Dean babe übrigens, um für das Grab eines 
Königs ein Miünz- Depot zu bilden, vorzugsweife Stücke von beffe- 
rem Metall wählen müffen, alfo die fehönen Silbermünzen des weft: 
römischen Reiches. Die Anwefenheit der durchlöcherten Denare 
zeige hinlänglich, welche Sorge man darauf verwendet habe, alle zu 
fanmeln, welche man fich nur habe verfchaffen können. Aus diejer 
Analyfe könne man fchließen, daß im Jahre 481 in Gallien noch 
eine große Menge Taiferliher Silbermünzen der vorangegangenen 


ı Hr. Cochet a. B. S. 430 bemerkt hierüber: Le coffret contenant 
l’argent figurerait le trösor royal, dont le prince efüt ainsi emporte avec lui 
le symbole. La bourse remplie d’or pourrait avoir &t6 mise là par tradition 
paienne pour satisfaire aux besoins du voyage et aux jouissances de l’autre 
vie; car dans le royaume des ombres le Celte, le Germain et le Scandinave 
se croyaient environn6s des choses de la vie materielle. 

8 Etudes sur le monnayage des temps merovingiens par J. de Petigny, 
in ber Revue numismatique, -Annde 1854. ©. 371 ff. 

s 4.8. ©. 386: Bur plus de 200 monnsies d’argent, 43 senlement 
purent ätres decrites; les autres etaient complötement oxydees. 


Jahrhunderte und felbft noch republikaniſche Conſular⸗Denare im 
Umlauf geweien feien, vermifcht vielleicht mit einigen Heften Feiner 
eeltifcher Silbermimzen, bie einft in den Gegenden, welche zur Kai 
ferzeit das erſte Belgien gebildet hätten, jo häufig vorhanden waren. 
Man bat nur nöthig, diefer Darftellung Petignys den Bericht 
Chiflets gegenüber zu ftellen und beide mit einiger Aufmerkſamkeit 
zu vergleichen, um ſich von der offenbaren Unrichtigkeit jener Dar⸗ 
telfung zu überzeugen. Chiflet — und, wir wiederholen es, biefer 
ft als alleiniger Gewährsmann über den fraglidien Münzfund zu 
betrachten — giebt auch nicht die alferleifefte Andeutung, daß die außer 
den von ihm unterfuchten 42 Stücken gleichzeitig mit aufgefundenen 
etwa 160 fonftigen Silbermünzen irgend anderer Art gewefen feien 
als die von ihm befchriebenen. Er bemerft ausdrüdlich von ſämmt⸗ 
fichen aufgefundenen mehr al8 200 Sılber-Denaren, einſchließlich 
der von ihm näher bejtimmten Stüde, daß fie in ſehr orydirtem 
Zuftande und fehwer zu entziffern gewefen feien. ‘Daß Chiflet nur 
einen Theil davon unterfucht hat, findet feine einfache, aber genü- 
gende Crflärung darin, daß der Canonicus Chiflet, als derfelbe 
einige Tage nach dem Funde auf den Wunfch feines gelehrten Va⸗ 
ters die Silbermünzen von den einzelnen Privaten, die ſolche zu fich 
genommen hatten, wieder zu erwerben fuchte, eben nicht mehr ale 
42 derſelben herbeizufchaffen vermochte. Chiflet hat die übrigen 
etwa 160 Silber-Denare nur deshalb nicht fpecificirt, weil fie ihm 
gar nicht zu Geficht gekommen find, nicht aber aus dem Grunde 
weil fie anderer Art und ftärfer orydirt geweſen wären als bie ihm 
zu Händen gelommenen 42 Stücke!. Es Tiegt alfo auch nicht 
der mindefte Grund zu der Annahme vor, daß jene übrigen Silber- 
münzen anderer Art gewefen feien als Silber - Denare, vornämlid) 
wol, wie die Mehrzahl unter den befchriebenen 42 Stüden, aus dem 
Zeitalter der Antonine, und daß fie zu ben geringhaltigen römifchen 
Billonmünzen des dritten Jahrhunderts gehört hätten. Mit der 
unrichtigen Prämiſſe fallen aber natürlich ohne weiteres auch alle 


2 Wollte man übrigens fich dieferhalb weiter in Bermuthungen ergeben, 
fo möchte etwa noch darauf binzumweifen fein, daß der urfprünglih in Ehil: 
berich8 Grabe vorgefundene Münzvorrath vielleicht viel bedeutender geweſen, als 
bie angegebenen Zahlen von über 100 Goldftüden und über 200 Silbermün: 
zen, ba dieſe Angaben von Zeugen herrühren, die erft etwas fpäter hinzuge⸗ 
fommen waren. Nach ber gewöhnlichen Erfahrung in ſolchen Dingen wirb 
gleich beim erften Auffinden ın der Verwirrung Manches von ben berbeigeeils 
ten Leuten entwendet, das fpäter natürlich um % ängftlicher verheimlicht wird, 
um nicht das Gefundene unentgeltlich herausgeben zu müſſen oder gar noch 
wegen bed Verdachts einer Entwendung nicht angegebener Fundſtücke in Inter: 
fuhung gezogen zu werben. Man Fönnte ferner es für wahrfcheinfich Halten, daß 
bie nicht wieder herbeizufchaffenden etwa 160 Silbermünzen zum Theil bie befler 
erhaltenen von reinerem Silber geweſen fein mögen, zu beren Hergabe bie Be: 
figer weniger bereit waren ald bei den ſehr oxrydirten Stüden. Die ſtarke 
Orvdirung der Silbermüngen, auch wenn fie vom gewöhnlichen Feingehalt ber 
älteren Taiferlichen Denare waren, wird übrigens durch die gefchilberte feuchte 
Lage des Grabes hinlänglich erffärt. 


An Ki 
Iripahf 
uf - Ä 
Erffene 
& Hip >: ] 
LIU 
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oder Subvention von den oftrömifchen Kaifern erhalten hatte, oder 
ob diefe Münzen im Wege des Handels, etwa über Maffilia oder 
Arles, nach Gallien gebradht und von dort auf irgend eine Weife in 
den Beſitz Childerichs gelangt waren, darüber läßt fich ein näherer 
Nachweis nicht führen; wahrfcheinlich ift es allerdings, daß erſteres 
der Fall geweien, weil die Prägung der meilten der gefundenen 
Goldſtücke nur kurze Zeit vor dem Tode Childerichs ftattgefunden 
haben muß, und viele der Münzen den gleichen Typus zeigten, was 
pm eine gleichzeitige directe Zahlung des Taiferlichen Fiscus ſchließen 
läßt. Man wird ferner nach der Befchaffenheit des Fundes anneh- 
men bürfen, daß um 481 die Hauptgoldmünze in ganzen Solidi, 
nit in den fpäter fo ungleih häufiger vorfommenden Tremiſſen 
oder Zrienten beſtand. Es Tiegt nämlich nicht die mindefte Andeu⸗ 
tung vor, daß die von Chiflet unterfuchten 90 Goldmünzen aus 
Childerih8 Grabe etwas anderes als ganze Solidi gewefen find. 
Dies bat auch eine Unterfuchung der von Chiflet in Abbildung mit- 
getheilten 12 verfchiedenen Typen bejtätigt, welche alle ſich nur auf 
ganzen, nicht aber auf Drittel- Solidt vorfinden !. Nur von zwei 


1Es iſt wirklich unbegreiflid, wie Petiany, ein fonft fo ausgezeichneter 
Gelehrter, in der angeführten Abhandlung (S. 387) unmittelbar nach ber 


Goldſtücken bes Theodoſius IL. erwähnt er, daß fie fchwerer gewefen 
als die übrigen, ohne indeß Näheres barüber anzugeben!. Auch das 
Scheint beachtenswerth, daß unter ſaͤmmtlichen Goldftücken des Tournaher 
Fundes ſich feine befunden zu haben fcheinen, welche zu den gallici 
solidi etc. zu rechnen wären, bie durch Verordnung Majorians v. J. 
458 und fpäter im Rechtsbuch der Burgunder verrufen wurben. 

2) Außer den Gold-Solidi haben um das Jahr 481 bei den 
Franken noch gute römische Silber Denare der früheren Kaiferzeit, 
untermifcht mit einzelnen Confular-Denaren und einzelnen fpäteren 
guten Silbermünzen des alten Denarfußes aus der Conftantinifchen 
Zeit?, das Metall-Geld gebildet. Vornämlich waren es Denare 
aus dem Zeitalter der Antonine, wie folche vorzugsweife bei den 
Münzfunden in ‘Deutfchland angetroffen werden. Es war bei den 
Franken noch gegen Ende des fünften Jahrhunderts nicht anders als 
früher allgemein bei den germanifchen Stämmen, welde feit Auguftus 


unrichtigen Mittbeilung, daß 160 der gefundenen Silbermünzen Billon gewefen, 
in Bezug auf die gefundenen Goldflüde eine gleich unrichtige und trreleitende 
Angabe bed Thatbeftandes mittheilen konnte, indem er fagt: Quant & la 
eirculation de l’or, elle se composait presqu’ uniquement de triens, 
comme au temps des Merovingiens, et ces monnaies &taient frapp6es au nom 
des empereurs d’Orient. Sur cent piöces d’or recueillics dans le tombeau de 
Childerie il y avait 80 triens, dont pas un seul n’appartenait aux sonverains 
de Rome. Bien n’assure möme que les deux sous qui portaient le nom de 
Valentinien fussent de Valentinien III. plutöt que de ses deux homonymes 
des sidcles préobsdents. Man fragt ſich unwillkürlich, welder Grund Tiegt 
vor, die Angabe des münztundigen Chiflet, der die Münzen vor Augen batte, 
in Zweifel zu ziehen und bie Vermuthung aufzuftellen, daß es Münzen von 
Balentinian 1. oder II. geweſen feien, welche einer früheren Periode angehös 
ren als die übrigen mitaufgefundenen Goldmünzen, während die von Valen⸗ 
tintan III. genau in bdiefelbe Zeit fallen würben? Und war nit aud Julius 
Nepos, von bem ebenfalls ein Solibus fi babei fand, Kaifer im Occident ? 
Was aber bie Hauptfache ift, aus unferer Darftellung oben im Texte ergiebt 
fi, daß nicht nur feine 80, fondern nicht ein einziger Triens aus dem 
Kournayer Fund fi nachweifen läßt. Wer den Bericht von Ghiflet nicht 
ſelbſt zur Hanb genommen, fonbdern fi auf die Angaben Poötigny's verlaflen 
dat, mußte natürlih zu ganz unbegründeten und verkehrten Hypotheſen ges 
angen. 

Die Beflätigung der Angabe, daß bie fraglichen Goldmünzen im Grabe 
Childerichs ganze Solidi geweſen, durch Vergle chung ber Typen, verbanfe ich 
der freundlichen Mittbeilung bed Herrn Dr. Zul. Friebländer in Berlin. Die 
Größe der Abbildungen bei Chiflet würbe an fich nichts beweilen, ba man im 
fiebzehnten Jahrhundert Münzen verfchiebener Größen meiftens in gleich gro: 
Ber Abbildung neben einander barftellte, 

2 Die von DQueipo (a. 8. II, ©. 100) mitgetbeilten Gewichtsangaben 
über Goldmünzen von Theodoſius U., fowie die im Berliner Münzkabi⸗ 
net befindlihen Stüde biefer Art zeigen weber im Allgemeinen, noch aud 
bei einzelnen Münzen eine größere Schwere ald die gut erhaltenen Solibi ber 
Regierungen unmittelbar vor oder nach Theobofius IT. 

2 Wie bei dem Tournayer Funde neben den Älteren Kaifer-Denaren ſich 
eine Silbermünze von Conſtantius IL. mit vorfanb, fo wurden in dem unbe 
bei Lengerich außer (circa 1100) guten älteren Kaifer- Denaren etwa 75 Sils 
bermüngen von Magnentiu und eine von Conſtantius IL. angetroffen. ©. 
3. Hahn, Der Fund von Lengerih. Hannover 1854. 





die Zaliichen Franten bis AR1 wenig Pedürfnig nad) Midi. 


g 
& 


Gonitantius II. angetroffen wurde, namentlich feine Stüde der feit Ju- 
lian nad) dem Ziliquarfug ausgeprägten Zübermünze, obſchon hier: 
von gerade in Trier eine itarfe Ausmimzung jtattgefunden hatte, wie 
die Typen der davon in England umd Irland entdedten Schätze aus⸗ 
weifen?. Unter den Zilberausmünzungen von Konitantius II., welche 


! Tie einzigen Funde einer arögern Summe von Kupfermünzen, wel: 
de in den von ber römifhen Herrſchaft unabbängig gebliebenen Theilen Ger: 
maniens fiberhaupt vergefommen, fcheinen die bei Gchreitladen in der Nähe 
von Königäbera zu fein, woſelbſt na einander 759 und 350 Kupfermünzen erfter 
und zmeiter Größe nejunden find; die älteften erfennbaren Stüde darunter waren 
renpsctive von Vespaſian und Zrajan, die jünaiten von Commodus aus ben 
Jahren 178 und 182 un. Chr. S. Mommſen, Geſchichte bed römischen DMünz: 
wefens, ©. Bi1Hf. Tiefe ſchweren Münzen waren wabrjceinlih nicht als 
(irceulationgmittel oder baarer Schaß, fondern nur wegen ihres Metallgebaltes 
zur weiteren Verarbeitung au Broncefahen im Wege des Handel dorthin ge: 
fommen. 

° Wergl. Monımfen a. B. Unter den zu Holwel in England gefunbe- 
nen 338 Silbermünzen, weldher Schap unter Honorius vergraben worden, 
waren etwa zwei Drittel in Trier geprägt. (Hierauf ift fpäter uoch zurückzu⸗ 
fommen). 


655 


fehr mannigfach und bedeutend geweien zu fein fcheinen, finden fich 
nad) Queipos Gewichtsangaben (a. B. II, ©. 453) fehr viele, 
welche mit dem Munzfuß der alten güten Kaifer-Denare übereinftim- 
men. Die im Tournayer Grabe vorgefundene Münze des Conſtan⸗ 
tius II., die Chiflet hat abbilden laſſen, hat die Bezeichnung: votes 
XXX multis XXXX und ift nach 383 geprägt; einige Exemplare 
diefer Münze, die fonft noch erhalten find, Haben ein Gewicht von 
3.18 und 3.15 Gramm, und die Ausprägung derfelben nad) einem 
Münzfuß von „u Pfund (3.41 Gr.) darf hiernach mit ziemlicher 
Sicherheit angenommen werben. Eine folche Münze konnte mit Necht 
den älteren Denaren an Werth gleich geachtet werden !. 


Wenn man nun auf Grund des Tournaper Fundes anzunehmen 
berechtigt ift, daß unmittelbar vor Chlodovechs Herrihaft die gan- 
zen Gold-Solidi nad) dem Münzfuß von „, Pfund und die Silber- 
denare nach dem Münzfuß von s; Pfund, und zwar beide Mitnz- 
forten mit anfcheinend gleichmäßiger Geltung bei den Franken das 
courante Metaligeid bildeten, fo knüpft fi) daran unabweisbar- die 
Frage nach dem damaligen gegenfeitigen Rechnungsverhältniffe der ge 
nannten Deünzen, indem es offenbar der Natur der Sache widerftreitet, 
wenn man die Nothwendigfeit eines folchen zu einer gegebenen Zeit 
im Verkehr geltenden Verhältniffes in Abrede ftellen wollte. Ges 
wicht gegen Gewicht gerechnet ?, ergiebt fich) bei Annahme einer Werth⸗ 
relation der Edelmetalle von 1:10 der Werth der Denare zum Sor 
lidus wie 13% zu 1; bei einer Werthrelation der Edelmetalle von 
1:12 würden 16 Denare auf den Solidus gegangen fein. Wenn 
fich hieraus auch unmittelbar noch Feine anderweitige pofitive Schluß- 
folgerung ziehen läßt, jo geht da8 doc in einleuchtender Weife daraus 
hervor, dag um das Jahr 481 die Franfen den Solidus nod) nicht 
zu 40 Denaren (nämlich Denare folder Art wie fie allein im Grabe 
des Childerich angetroffen wurden) gerechnet haben fünnen, denn eine 
folhe Rechnung würde ein Werthverhältnig der Edelmetalle von 1:30 
(#5:40 X 5 = 1:30) ergeben, welches Verhältniß für geradezu 
unmöglich zu erachten ift?. Oder man müßte ganz willfürlich die 
Hppothefe aufftellen wollen, daß bie Franfen, obfchon fie damals, 
joweit wir e8 nach dem Ausweis des Grabes ihres Königs Childe- 

2 Der Minzfuß ber Denare feit Nero bis zu Ende ber Antoniniſchen 
Periode war befanntlih 96 auf das römiſche Pſund, oder 3.41 Gramm. 
Unter den von Dueipo gewogenen 45 Silbermünzen von Conſtantius IL fin: 
ben fih 18 Stüde im Gewichte zwifchen 2.90 und 3.40 Gramm, welche alle 
höchſt wahrfcheinlih noch nad) jenem Denarfuße ausgemünzt find. Die große 
Ungenauigfeit bei diefen fpäteren Silberausmünzungen ift jedoch augenfcheinlich, 
ba gut erhaltene Stüde mit demfelben Typus an Gewicht auffallend bifferiren. 

s Der Feingebalt der in Rede flehenden Drünzen bleibt bier außer Be: 
tracht, da eine abfichtliche Legirung bei denfelben nicht ftattfand, oder doch 
nicht ftattfinden follte, und da ferner, wenn folches beim Golde wie beim Sil- 
ber in annähernd gleichem Grade vorkommt, das gegenfeitige Werthverhältniß 
dadurch, wenigftend nicht im gewöhnlichen Verkehr, wefentlich geändert wurde. 

5 Ueber die Werthrelation der beiden Edelmetalle zur fpäteren römiſchen 


L 37 


6656 
rich vom Jahre 431 zu beurtheilt im Stande 
Goldſolidus nur die guten römiſchen Eilber- Tenare 
münztes Metallgeld in Gebrauch hatten, Dielen 
doch nidyt mehr als eine ſelbſtändige Zilberwertheinkeit, jemberı 
de cn Meriedes vn Decen Bhnmge- Denen angehen = 
benannt hätten! Gründe oder auch nur Amzeichen für eine jolde n 


ziemlicher Zuverfidht zu behaupten (weil nãmlich das _ 
allerhödjiten (Srade für unwahrſcheinlich und Fee gelten ae 
daß für das fragliche im gewöhnlichen Verkehr üblich geweſene Year 
verhaltniß zwiſchen ganzen Gold-Solidi und Silber-Denaren tem 
Bruchrechnung, ſondern ein möglichſt einfaches Zahlewerhältniß ver⸗ 
auszuſetzen iſt, wenn auch andererſeits die daraus abzulei 

Werthrelation des Goldes zum Silber nicht ſo einfach ſich daritellen 
ſollte. Und da bietet ſich für das urſprüngliche Werthwerhãltniß des 
Eolidus zum Denar fein anderes Syſtem, als wie es fpäter Jake 
hunderte lang in Deutfchland, Frankreich und Großbritannien gegel- 
ten hat und zum Theil noch in voller Anwendung fortbeiteht *, nämlid 
die Zwölftheilung, fo daß hiernad, der Solidus bei den Franken urfprüng- 
lich zu 12 Denaren geredynet worden wäre. Die Bedeutung, weiche di 
3wölfs Zahl bei den Germanen in vielfacher Hinjicht gehabt Hat, ijt be 
fannt?. Bei der Münzeintheilung fpricht dafür ohnehin die natürliche 
praftifche Zweckmäßigkeit wegen der directen Theilbarfeit der Zwölfzahl 
durch 2, 3, 4 und 6°. Dean fühlt es gleichjam von felbft herams, 
dag um eine Rechnung bon 13, oder 14, oder 15, oder ſelbſt 16 
Denaren auf den Solidus anzunehmen, pofitive Zeugniffe oder ein⸗ 
leuchtende ſpecielle Momente geltend gemacht werden müßten, wäh: 
rend die Rechnung von 12 Denaren auf den Eolidus gewifjermaßen 
von vornherein die Präjumtion für fi) hat. Das einzige ſachliche 
Bedenken gegen die Gleichſetzung von 12 Denaren ber in Rede 
ftehenden Art mit einem Gold -Sofidus, das nähere Beachtung zu 
erheifchen ſcheint, ift die Hiernach bei gleichzeitiger Münzcirculation 


u vergleihe man bie Bemerkungen im zweiten Abfchnitt diefer Beiträge, 


ı In Deutfhland und England der Schilling zu 12 Pfennigen, in 
Sranfreich ber Son zu 12 Deniers. 

<= Dal. G. Waitz, Teutfche Verfaſſungsgeſchichte B. 1. Anhang. 

5 Auch bei den Römern mar bie Zwolftheilung urſprünglich vorwiegend, 
indem das As in zwölf Unzen getheilt wurde. Die griechiſche Rechnung nad Obo⸗ 
len begründet ſich unverkennbar ebenfalls auf einer Zwölftheilung. Bl. d- 
Hultſch, Sriedhifche und Römische Metrologie S. 105: „Der Obolos gilt in 
bem üblichen Nehnungsfyftem ald Schötel ber Drachme, da bdiefe nun als 
Hälfte zu betrachten iſt, ſo erkennt man in jenem leicht das Zwölftel des Sta: 
ter, alſo bie reine Duodecimaltheilung. So find im äginäiſchen Münzſyſtem 
bie hauptfächlichften Theilmünzen Drachme, Zriobolon und Dboloß, d. b. bie 
Hälfte, das Viertel und das Zwölftel; und auch ſämmtliche übrigen Theil: 
münzen, beſonders der attiſchen Prägung, ordnen ſich dem duodecimalen Sy— 
ſteme unter“. 


557 


} für die beiden Geldſorten fich ergebende Werthrelation des Goldes 


zum Silber. Galt bei den Franken in der Zeit vor Chlodovech ber 
Solidus von „5 Pfund Gold 12 alte römische Denare von „',; Pfund 
Silber, jo ergiebt dies, unter Vorausfegung vollhaltig ausgeprägter 
und guterhaltener Miünzſtücke beider Arten, eine Werthrelation der 
Edelmetalle wie 1:9 (4, Pfund Gold: 12 X „, Pfund Silber 
== 1:9). Das Verhältniß erfcheint noch günftiger für das Silber, 
wenn darauf hingewiefen wird, daß die damals vorfommenden Gold⸗ 
münzen, im Ganzen genommen, fur; vorher geprägt und gar nicht 
oder doch noch nur wenig abgenugt waren, daß hingegen die Silber- 
Denare durchfchnittlid) fchon einige Jahrhunderte im Umlaufe gewe—⸗ 
fen waren und jo an ihrem urfprünglichen Metallwerth mehr oder 
weniger verloren hätten !, wonach fich bei der Rechnung von 12 De 
naren auf den Solidus die Werthrelation des effectiven Metallge⸗ 
halts beider Münzforten vielleicht wie 1: 8.5. oder felbft wie 1:8 
ftellen würde. Wie auffallend aber auch diefe hohe Schäkung des 
Silber, im Vergleich mit dem damals im oftrömifchen Reiche und 
auch in den fonftigen römischen Provinzen im Allgemeinen geltenden 
Werthverhältniß der Edelmetalle, auf den erjten Blick erfcheinen mag, 
fo geben dody die mit in Erwägung zu ziehenden befonderen Um⸗ 
ftände und analoge Zuftände anderer Zeiten und Völker hierfür eine 
genügende Erklärung; wogegen das umgefehrte Verhältniß, nämlich 
eine Rechnungsweije der Denare, welche eine ungewöhnlich hohe 
Schätung des Goldes bedingen würde, als unerflärlich ſich daritel- 
len müßte. Das den Werth der ‘Dinge beſtimmende Verhältniß 
zwifchen Nachfrage und Angebot, und dann weiter die Factoren, 
welche die Yutenfität und den Umfang von Nachfrage und Angebot 
bejtimmen, können und müfjen auch auf den Werth der Miünzjorten 
eine Einwirkung in der Art äußern, daß der jonft faſt allein ent« 
icheidende innere Metallwerth der Münzen, berechnet nach der zur 
Zeit im freien Weltverfehr üblichen Werthrelation der ungemünzten 
Kdelmetalle, in feiner praftifchen Bedeutung weſentlich modificirt 
wird. Zur Erläuterung diefes Umftandes erinnern wir beifpielsweije 
an gewiffe noch heutigen Tages vorfommende befanute Erfcheinungen. 
Die Dlaria » Therejienthaler vom Jahre 1780 haben gegenwärtig 
in Abejjinien nad) fejtgemurzeltem Herkommen, als dortiges haupt- 
ſächliches Zahlmittel, einen bejonders hohen Werth, fo daß, wenn 
nur ihr Silberwerth an ſich in Betracht füme, das Verhältniß der- 
felben zum Golde, das daflir eingetaujcht werden kann, bedeutend 
günstiger für das Silber ausfommt, als wenn diejes in der Form 
von Barren oder in anderen dort nicht fo befanuten Münzen ale 
Tauſchmittel gebraucht wird. In noch ausgedehnterem Maße fin- 
det fich ſolche partikulare Werthfteigerumg einer gewifjen Silbermünz- 
forte Hinfichtlih der Süäulenpiafter von Carl IV. in Shanghae und 
anderen nördlichen chinefifchen Häfen, wo fonjtige, ebenjo viel Fein⸗ 

Daß übrigend eine erhebliche Abnupung der Denare nicht wahrfcein: 
lich, wirb fpäter erörtert werden. 

37* 





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Hi 
HATT 






H aflig f 
Hu 


Metaliwerthe angerechnet find, die er aber auch niemals 
unter felbit nur mit einem Abidjlag wieder 

noch ein Beifpiel aus neueren europäiſchen Zuftänden 
innert wir daran, wie in den Niederlanden vor der bortigen 
greifenden Münzreform im Jahre 1847 gewifie jehr abgenutzte um 
befdynittene ältere Zilbermünzen des 16ten und 17ten Jahrhemdert 


B 
J 


wirklich beſtand. 

Aehnlich muß man ſich das Werthverhältniß der älteren römi⸗ 
ſchen Denare bei den Franken im fünften Jahrhundert vorſtellen. 
Als die Germanen ſeit dem erſten Jahrhundert unſerer Zeitrechnung 
durch ihre Berührung mit den Römern mehr und mehr das ge 
münzte Metall-Geld jchägen und benugen lernten, gefchah dies, wie 
fhon früher bemerkt ijt, in dem damaligen Courantgeld des römi⸗ 
schen Reichs, den Silber-Denaren zum Münzfuß von 84, und feit 
Nero von 96 Stüd auf das römische Pfund Silber ohne abfichtliche 
Legirung!. Nömifhe Goldmünzen (aurei zu 100 Seſterzen oder 
25 Denaren gerechnet) haben fchon damals ihren Weg nad Ger: 
manien gefunden *, doc) gewiß nur in Eleiner Zahl, verglichen mit 
den Denaren. Unter diefen legteren aber gaben, wie Tacitus aus 
drücklich berichtet, die Germanen gewiffen Sorten den ‘serratis und 
‘bigatis’ den Vorzug, wodurch, als die ficherften Kennzeichen, im 
Allgemeinen die zu g% Pfund (3.90 Gramm) ausgemünzten Denare 
aus der Zeit der Republik bezeichnet zu fein fcheinen, im Gegenfat 
zu den fpäteren feit Nero zum Münzfuß von „& Pfund (3.41 
Gramm). Mit dem Einreißen der progrefjiven Miünzverfchlechterung 
im römifchen Reiche feit der Mitte des dritten Jahrhunderts, wäh: 
rend die baaren Zahlungen an die ®ermanen eher zunahmen, als ſich 


ı Dal. den erſten Abſchnitt S. 220 f. und 243—256. 
8 Seendafelbft ©. 255, 


659 


werringerten, und dieſe die neuen geringhaltigen Münzen nicht nehmen 
pollten, mußten natürlich das Bedürfniß und die Tendenz entftehen, 
ie der Einſchmelzung entgangenen älteren Denare vorzugsweife zur 
Ausfuhr zu verwenden und fie namentlich den Germanen im Aus» 
aufch gegen andere Gegenftände oder als willfommenfte Art der 
Subfidienzenzahlung zuzuführen. Der Natur der Sache nad konn⸗ 
en dies, al8 die Ausmünzung guter ‘Denare feit Alexander Severus 
mfgehört hatte, vornämlich nur Denare aus den nächitvorhergegans- 
enen Regierungen fein, alfo aus dem Zeitalter der Antonine, da 
18 dahin Feine Veranlaffung vorhanden geweſen war, die älteren 
Denare befonders aufzubewahren. Dieſe werden fih im Laufe der 
zeit, wie es mit folchen Courantmünzforten zu gefchehen pflegt, im 
Inlande felbft allmählich verloren haben, oder auch zum Theil fchon 
et etwas verringertenn Münzfuße umgemünzt worden fein. Aus 
tefem Umftande, daß manches Jahrzehent hindurch die Geldzahlun- 
en, welche aus dem römischen Neiche an Deutfche zu leiften waren, 
n älteren guten ‘Denaren bewerfitelligt wurden, nachdem bie Aus» 
nünzung derfelben aufgehört hatte, erflärt es fich, weshalb bei den in 
Deutfchland und Skandinavien gemachten Miünzfunden, wo römifche 
Münzen in größerer Zahl vorkommen, Denare aus dem Zeitalter 
er Antonine eine ganz überwiegende Rolle fpielen, wie wir dies 
ern auch ebenfo in dem zu Tournay entdedten Schate im Grabe 
Spilderichs wahrnehmen. Im Fortgange der Zeit mußte die Ans 
chaffung von älteren Denaren im römifchen Reiche allmählich immer 
chwieriger werden und gleichzeitig auch bei den Germanen felbft der 
3orrath davon, durch das DVergraben größerer Summen oder fon- 
tiges zufälliges WVerlorengehen, fi für den Umlauf nad und nad 
eträchtli vermindern, ohne daß deshalb der Begehr nad) gemünz- 
em Gelde irgend abgenommen hätte Man wird darüber nicht 
weifelhaft fein, daß, wenn die Silberausprägungen nad) dem alten 
Denar-Fuß, welche unter Conſtantin I. und feinen nächſten Nach 
olgern in befchränftem Maßſtabe ftattfanden, in größerem Umfange 
nd nachhaltig wären fortgefettt worden, diefe durch langes Herkommen 
inmal üblich und beliebt gewordene Silbermünzforte bei den Ger: 
nanen in vorwiegender Geltung geblieben und namentlich der An- 
ſahme des Gold-Solidus Hindernd entgegengetreten fein würde. Wie 
ber die Münzverhältniffe im römischen Reiche feit Julian fich ges 
talteten, al8 die Silberprägung nach einem neuen, von den älteren 
Denaren fich weſentlich unterfcheidenden Münzfuß, überdies mit pro- 
reffiver Verringerung des wirklichen Metaligehalts, und doch nur 
n bejchränftem Umfange, geſchah, während zugleich in den Gold» 
Solidi eine in reeller und forgfältiger Ausmünzung aufrechtgehaltene 
ıene Weltmünze aufkam, Tonnten auch die germanischen Völkerſchaf⸗ 
en ſich dem Cinfluffe diefer Umgeftaltung um jo weniger entziehen, 
8 ihre Beziehungen zu den römischen Zuftänden immer Tebhafter 
md vielfeitiger wurden. In zweierlei Weife mußte fich ſolches gel- 
end machen, einmal dadurch, daß die Rechnung nach Goldfolidi des 


Er) here mie —— "a märer nach — 


iher Ncımfın. Die wer 'hon mine, 155 Tenure, CH 
aan ye mir Ammugumg mr u Anichag Scmr. srma 14 TDeomm 
zur 3er Zuisus a "sfmer gmeeı: nler mer der eben me 
euer Je der mtinder zigte >6 the ufvaeilew,, werr I 
ileraı miber Zuber -Temre 'er wm Ce des vierren Jele 
amezzi 3e Jeı Irmamidher Zuimmmen ıulr hoher gegelsen ki. 
Te fecthmng 7 Teur. me mu feide or Chiideriche Grek 
gerrder ur ııd Jrerrah ns damuls om Unmdlunf berimälich gewein 
A Jerihe: sehen oz 12 Zunft af den Sotee def 
arıdıeı der dea searfen su Pnfen Jahrfunzdert af3 im jeder da 
ñicht ochit mairtde:lid smgersmmen merden — 

Ar die voritzher) nach allgemeiıer vollswirthe Ayf- 
farrung und auf (Frumd eınes im Jahre ei ö 
Murzuorrıths erorterten (Terichtäounfte vchliehen Tick moch eimix 


ſpeciele Jeugaiñ̃e für die The:luag des oldjolidus in zwölf Denart, 
mit deren Betrachteng wer und jegt beſchäftigen wollen. 

Tas Rettäbuh der Rivuarihen Frauken (Lex Ribuaria! it 
freifih jväter anfzszeihnet worden als die I. g. Lex Salica, allen 
daraus folgt keineswegs, das einige dort angegebene rechtlicdye oder 
thatjachliche Berhaltniſie, jomeit jie von denen der lekteren abweichen, 
nicht deshalb doch alteren und uriprunglicheren germaniſchen Zuitän- 
den entiprehen. Bei der ſpateren tpeciellen Grörterung der Min;- 
angaben der Lex Ribuarıa wird auf diefen Punkt zurückzukommen 
fein, aber es möge ſchon hier bemerkt werden, daß ſchon in der älteften 
Faſſung derjelben die Bußen und Geldanfäge nur in Solidi aufge: 
führt werden, ohne beigefügte Angabe des entfpredenden Werths in 
Denaren. Die gewöhnlichen Ausgaben diefes Rechtsbuches enthalten 
indeß zwei Stellen, worin eine Berechnung des Solidus nad 
Tenaren angegeben wird, allein nicht nad 40 Denaren, wie das Ber: 
hältniß durchweg in ber Lex Salica erſcheint, ſondern ausdrücklich 
nach 12 Denaren. Es heißt nämlich in den betreffenden Stellen: 
Ti XXIII: tremissem, id est quatuor denarios, componat; 
und Ti. XXXVI, 12: Quod si cum argento solvere contige- 
rit, pro solido duodeeim denarios, sicut antiquitus est con- 
stitutum. 


In Rückſicht der Wuthenticität diefer beiden Stellen für die 


661 


urfprüngliche Aufzeichnung der Lex Ribuaria und mit ihrer nachträg⸗ 
Lichen Einfehaltung fcheint e8 folgende Bewandniß zuhaben !. 

Die zuerft erwähnten betreffenden Worte in Tit. XXIII: id 
est quatuor denarios, fehlen nämlich in einigen der älteften Hand⸗ 
ſchriften gänzlih,; in einer anderen Abjchrift find bdiefelben von an- 
derer Hand Hinzugefügt. Man hat deshalb mit Recht bemerkt: 
„Hiernach läßt fich ficher nicht zweifeln, daß wir hier einen fpäteren 
Zufag vor uns haben“. — Die zweite Stelle (in Tit. XXXVI, 12) 
findet fich dagegen auch in denjenigen Handſchriften fchon, in welchen 
die erftere Stelle fehlt, aber in ber befannten Ausgabe von Linden⸗ 
bruch erjcheint fie nicht, und in einer von Hrn. Perg unterfuchten 
Wiener Handfchrift findet fie fih an einem anderen Plage, nämlich 
al8 eigener Artikel zwifchen LXIV und LXV eingefchaltet. „Schon 
dies zeigt wohl, daß es kein fo recht ficherer Beitand des Textes 
war. Die vorhandenen Codices reichen alle nicht über bie Taro- 
Iingifhe Periode hinauf, und wenn aud) mehrere im allgemeinen 
das Gepräge der früheren Zeit bewahrt haben, fo fcheint doch in 
feiner ein ganz urfprünglicher Text erhalten zu fein. ‘Daß aber Zu- 
füge gerade diefer Art leicht fpäter eingefügt wurden, zeigt das Bei⸗ 
jpiel der Lex Alamannorum“. 

Bei diefer Beichaffenheit des uns vorliegenden Textes der Lex 
Ribuaria wird man darauf verzichten müffen, diefe Zeugniffe an 
und für fi fo zur Geltung zu bringen, wie in dem alle gefchehen 
fönnte, wenn jene Stellen, oder doch eine derjelben, unzweifelhaft 
Schon in der älteften Aufzeichnung fich befunden hätten. Allein wenn 
man diefem Umftand auch alle Rechnung trägt, fo dürfen wir den⸗ 
noch in ihnen, namentlich in der zweiten Stelle (XXXVI, 12), ein 
gewichtiges Zeugniß für die urfprüngfiche Eintheilung des Solidus 
in zwölf Denare erfennen. ‘Daß diefer nachträgliche Zuſatz, wofern 
es ein folcher ift, doch fchon in ziemlich frühe Zeit und wohl vor 
die Farolingifche Zeit hinaufreicht, läßt fi daraus abnehmen, dag 
fi, wie gejagt, diefer Sat auch in denjenigen Handfchriften findet, 
wo die eritere Stelle (in Tit. XXIII) fehlt, und daß jedenfalls die 
Notiz ‘sicut antiquitus est constitutum’ es beftimmt ausſchließt, 
hierbei an den unter Pippin eingeführten ideellen Silber-Solidus zu 
12 Tarolingiihen Denaren zu denfen. Auch die Annahme, daß dieje 
Stelle erit fpäter zur Erläuterung von einem Abjchreiber beigefügt 
fei, läßt fich mit unferer Anficht, wonach die Rechnung nach effectiven 
alten römifchen Silber-Denaren, 12 Stüd auf den Goldfolidus, bei 
den Franken vor der Eroberung Galliens durch Chlodovech herkömm⸗ 
ih und in fortgefegter praftifcher Anwendung war, fehr gut ver» 
einigen. Und weitere Erwägung dürfte felbft dahin führen, eben aus 
diefer ausdrüclichen Angabe der Münzverhältniffe die fraglichen Stel» 
fen als ſpätere Zufäße anzuerkennen. 

2 Vrgl. hierüber Waitz, Ueber die Münzverbäftniffe in den älteren Rechts⸗ 


büchern des fräntiihen Reihe, S. 13—15, dem bie obigen Angaben über 
ben Xert ber Lex Ribuaria entnommen find. 


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aerttarze ale Toımamm, Ne Rede mar. Damit in ſolchem Falle 
rıgt bie Aorzerung aufzeftzlz werte, de Zahlung in neuen Denaren 
ober berer Aeiiizaient in arderen MRunziorten nach ſaliſcher Red: 
nung, 30 Tenare zuf der Solidus, su leiten, ward die Cinichal- 
tung gemaht: (Juod si cum argento solvere contigerit, pro 
nolido duodeeim denarios, sicut antiquitus est 
eonatituturm. Es ſteht dies unverfennbar im &egenjag zu den 
Keſtimmungen ber Lex Saliea, wo 40 Tenare für den Solidus 
gerechnet werden, melde Reuerung bei den Ripuariern feine Nach⸗ 
aͤhmung gefunden hatte. Teshalb ward in der jpäteren Einſchaltung 
gewiß recht abſichtlich hervorgehoben, daß dieſe Zwolf⸗Theilung des 
Zöolidus und die fortdauernde Benutzung der römischen Eilber- Te: 
mare altes Herkommen fei. Diefe legtere Bemerkung ſchließt jede 
Aezugnahune auf die ſeit Pippin aufgekommene Rechnung eines ide— 
ellen Solidus von 12 ſaliſchen Denaren aufs entſchiedenſte aus — 
und wurde, wenn es darauf ankäme, als ein Beleg dafür gelten 


Können, daß ber Aufa nicht erft zu Pippins oder Karl bes Großen 
Zeit beigefügt worden; benn von der erft vor kurzem eingeführten 
Rechnung von 12 neuen Denaren auf bie ideelle Wertheinheit bes 
Silber-Solidus hätte der Abfchreiber unmöglich bemerken können: 
sicut est antiquitus constitutum !. 


8.2. Münzzuſtände in Gallien zur Zeit der Eroberung durch Chlodovech. 


Wenn die im vorigen 8. verfuchte Darlegung die Verhältniffe 
im Ganzen richtig gefchildert Hat, muß man annehmen, daß, fo lange 
die dauernden fränfifchen Eroberungen in Gallien die Somme nicht 
überfchritten, das Geld- und Münzwefen bei den Franken im All- 
gemeinen frei blieb von jeder fonftigen Einwirkung ſeitens der vers 
fchiedenen Münzwirren und Münzreformen, welche im römifchen 
Reiche feit der Mitte des dritten Jahrhunderts durch Entwerthung 
des Silbergeldes und Hinfichtlih der Kupfermünzforten ftattgefunden 
hatten, und daß bis dahin außer den alten Silber - Denaren nur: bie 
jur anerkannten Weltmünze gewordenen Goldjolidi nah dem von 
Conftantin I. hierfür eingeführten Münzfuße bei ihnen in der Regel 
zugelaffen waren. Die in den fräntifhen Gebieten am linken Rhein- 
ufer und in Belgien nad) den vorangegangenen furdtbaren Der: 
wüftungen etwa nod) vorhandenen Ueberrefte römifcher oder gallifcher 
Bevölkerung mußten fih auch in Hinficht des Geldwefens den ger: 
maniſchen Zuftänden anfchliegen, und wird feit der Begründung der 
fräntifhen Herrfchaft mit dem Abzuge der römifchen Befagungen bie 
früher auch hier üblich gewefene Kupfermünz - Circulation fid) nad) 
Gallien zurückgezogen haben. Anders geftalteten fich die Verhältniffe 
feit 481, als die Franken unter Chlodovech das nördliche und mitt« 
lere Gallien bejeßten — Landſtriche, in denen es eine anfehnliche 
Anzahl größerer und Teinerer Städte mit lebhaftem täglichen Ver⸗ 
fehr gab, wo alfo natürlich die Geldwirthfchaft vorherrichte und eine 
Menge Hleiner Münze erfordert wurde, und wo die neuen germani- 
chen Anfiedler in der Maſſe der Bevölkerung einen nur geringen 
Beitandtheil ausmachten. Die Beibehaltung eines befonderen Geld- 
und Rechnungsweſens für die Salifchen Franken war unter diejen 


r An dem Capitulare Kaifer Ludwigs I. v. 3. 816 heißt es genau mit 
den nämlihen Worten: De omnibus debitis solvendis, sicut antiquitus 
fuit constitutum, per duodecim denarios solidus solvatur 
per totam Salicam legem, exceptis leudis, si Saxo aut Friso Salicum occi- 
derit, per 40 dinarios solidus solvatur. Die Gleihftellung von 12 Denaren 
mit dem Solibuß, im ©egenfaß zu ber Rechnung bed Soliduß zu 40 Dena⸗ 
ren, bätte auch bier unmöglich als altes Herkommen bezeichnet werben Töns 
nen, wenn bamit die unter Pippin eingeführte Silberwährung (ber tbeelle 
Silber :Solibus) gemeint wäre, Allein jene Bezeihnung (sicut antiquitus 
fuit constitutum) erfcheint ganz paſſend, wenn barunter die Rückkehr zu bem 
alten Herlommen der urfprünglichen germanifhen Rechnung von 12 Silber: 
Denaren auf ben Gold⸗Solidus zu verftehen ift, ebenfo wie in ber Gloſſe 
zu ber Lex Ribuaria, 


664 


Umftänden nicht lange möglüh. Entweder das germanifche Rechnung 
wejen nach den alten, in Gallien längit in Vergeifenheit gefommenen 
Süber » Denaren mußte geſetzlich und thatjächli wieder eingeführt 
werden, oder die Franken ‚hatten fich in die damaligen römifchen 
Münzverhältniffe zu finden, oder endlich, es konnte fih durch praf- 
tiſche Ausgleichung der beiderfeitigen Rechnungsweiſen, unter Beibe- 
haltung der folche Ausgleichung wejentlich erleichternden gemeinjchaft- 
lichen Grundlage des Goldfolidus und mit nothmwendiger Berüdfich- 
tigung des in Gallien vorgefundenen überwiegenden Kupfermünzumlaufs 
ein neues Syſtem ausbilden und bei den Franken wie bei der romani- 
ſchen Bevölferung ftatt der bisherigen gemeinfame Geltung gewinnen. 

Um e8 zu erklären, wie dies leßtgenannte Ausfunftsmittel gleich- 
fam von felbit fi Bahn gebrochen Hat, ift es erforderlich, die gegen 
Ende des fünften Jahrhunderts in Gallien beftehenden Münzzuftände 
ins Auge zu faflen !. 

Keine Provinz des römischen Reichs hat unter deſſen unbejchreib- 
lich ſchlimmen Münzwirren und progreffiven Münzverfchlechterungen 
feit der Mitte des dritten Jahrhunderts mehr gelitten als eben Gal⸗ 
lien, wo wiederholt und für längere Zeiträume Ufurpatoren des 
Kaifertitel auftraten, die dort unter Anderm namentlich durch Aus- 
münzungen unter kaiſerlichem Stempel ihre Autorität zu befunden 
wie finanzielle Vortheile zu erzielen fuchten. Gerade in Gallien 
ſcheint das maſſenhafte Ausprägen geringhaltiger Billon- und Ku⸗ 
pfer-Dlünzen im großartigften Maßitabe ſyſtematiſch betrieben zu fein. 
Einen merkwürdigen Beleg hierfür hat die im Jahre 1830 ftattge- 
babte Auffindung einer ſolchen Münzfabrit in der Champagne gege- 
ben, nachdem fchon früher ähnliche Spuren einer derartigen ausge: 
dehnten Münzthätigkeit in der Nähe von Lyon und aud) an anderen 
Plägen in Fraufreih in einer Menge thönerner Münzformen zum 
Vorſchein gekommen waren? Dean entdeckte nämlich zu Damery, 
an einer Stelle, wo einft eine Legion-Station gewejen, einige Fuß 
tief unter einem Haufen von Afche, Kohlen und zerbrochenen Ziegeln 
die Ueberrefte einer durch Feuersbrunſt zerjtörten großen Baulichkeit, 
bie zu einer Münzanftalt benugt worden war und nod) die mannig- 
fachſten Zeugniffe ihrer ehemaligen, plötlich unterbrocdhenen Thätigkeit 


2 Monnoyage de la Gaule depuis le commencement du V. siöcle jus- 
qu’& la chüte de l’empire d’Occident, par J. de Petigny. Revue numismatique, 
Annee 1851. p. 113 --141; 185 — 217; 301-332. — Etudes sur l’histoire 
monettaire du IV. au VII. sitcle, par J. de Petigny. Revue numismatique 
Annde 1857. p. 115—164. — Geſchichte des Römifhen Münzwefend von 
Th. Mommfen. Berl. 1860. 

2 Gründliche Aufklärung über biefe Verhältniffe barf man von einem umfaſ⸗ 
fenden Werte Les Empereurs romains qui ont regnd dans les Gaules ermwar: 
ten, welched ber bekannte Numismatiker Hr. de Witte bereits der Vollendung 
nabe gebracht bat. Vgl. Revue de la numismatique belge. 3. ser. T. V, p. 443. 

Memoire sur les moules de medailles romaines, trouves & Lyon, par 
F. Poey d’Avant. — Notice sur un atelier monstaire decouvert & Damery 
(Marne) en 1830, par Hiver. Revue numism. Annee 1837. p. 165—180. 


565 


vor Augen legte. Es fanden fich dort mehrere Gefäße mit etwa 
2000 Münzen. Etwa 500 beitanden aus einer Serie von Kupfer: 
münzen bis auf Philippus zurüd, und etwa 1500 Stüd waren Bil 
fon-Minzen, faft alle mit dem Typus des Poftumus. Die Fabri- 
kation derjelben war fchleht und der Silbergehalt fehr gering. Ein 
anderes Gefäß enthielt hauptſächlich 100 Bronzemünzen von dritter 
Größe mit den Typen von Conjtantius und Conftans mit ben Zei- 
hen der Münzftätten Trier, Lyon, Arles, Aguileja, Siscia und Rom, 
und außerdem etwa 3900 ganz neue, ſchön gearbeitete Broncemün- 
zen vom vierten Modulus mit den Typen ber eben genannten Kai⸗ 
jer. Die große Mehrzahl der letteren Münzen hatte die Bezeich⸗ 
nung der Prägeftätte Trier. Ungeachtet der angegebenen verfchiedenen 
Münzjtätten jcheint es nad der ganzen Befchaffenheit diefer 3900 
Münzſtücke Teinem Zweifel zu unterliegen, daß fie fämmtlich dort an 
Ort und Stelle, erft kurze Zeit vor der Zerjtörung fabricirt waren 
und eben in Circulation gejett werden follten. In daneben Tiegen- 
den Räumlichkeiten fand man nod) 32 unverfehrte Gußformen für 
Münzen mit Typen von Caracalla, Philippus I. und Poftumus, und 
außerdem noch gegen 300 zerbrochene Formen. 

Aus dem Inhalt und den äußern LUmftänden dieſes Fundes 
läßt ſich Manches zur Aufllärung der damaligen Münzzuſtände in 
Gallien abnehmen. Es war nicht eine heimliche Falfchmünzerbande, 
von deren Thätigkeit diefe Ueberreite zeugen, fondern wir ſehen, wie 
die Fabrikation nachgemachter Münzen früherer Kaifer und mit falr 
cher Angabe des Münzortes mitten in einem kaiſerlichen Sriegslager 
geihah, weldyen enormen Umfang eine folhe Fabrikation erlangt 
haben mag, und wie man fich nicht wundern darf, daß unter den 
Typen von Kaifern, die nur kurze Zeit und nur in einem befchränf- 
ten Theile des Reichs geherrfcht haben, noch in jpäterer Zeit eine 
Unmaffe von ſchlechten Münzen im Umlauf war. 8 begreift ſich 
ferner leicht, daß bei folchen öffentlichen Münzzuftänden die Privat: 
Falſchmünzerei einen um fo freieren Spielraum finden und das Land 
mit ſchlechte Münze förmlich überfchwemmt werden mußte, was 
natürlidy in demfelben Verhältnig das beffere Silbergeld verdrängte. 
Da man aus der Beichaffenheit der Münzfunde am zuverläffigften 
fih über die gewöhnliche Münzcireulation eine Vorſtellung bilden 
fann, fo wollen wir, hauptſächlich nad) Anleitung der dahin gehöri- 
gen Berichte in den franzöfifchen und belgifchen numismatifchen Zeit- 
Schriften, einige diejer aufgefundenen Münzſchätze, welche in Gallien 
jeit Ende des dritten bis zu Anfang des fünften Jahrhunderts ver- 
graben worden, näher betrachten !. 

Im Frühling 1835 entdedte man zu Chimay in der Nähe 
von Macon einen Topf mit etwa 26000 fehr orydirten Münzen, 
theil8 von reinem Kupfer (18327 Stüd), theild von Bronce (7243 


2In Mommfend großem Werte find biefe Münzfunde, nebft vielen an⸗ 
deren aus fonftigen Gegenden, faft jümmtli ſchon erwähnt unb erörtert. 


566 


Stück), theild von fchlechtem Billon oder von f. g. Weißfupfer (366 
Stüd), ſämmtlich von dritter Größe '., Der äußerſt geringe Werth 
der einzelnen Deünzen laßt fich ſchon daraus abnehmen, daß das 
Sefammtgewicht derfelben nur 64.530 Kilogramm betrug, daß alfo 
bie Stücke durchfchnittlich nur 2.5 Gramm fchwer find, wobei noch 
in Betracht kommt, daß durch die ftarfe Oxydation das jetzige Ges 
wicht fi) etwas höher ftellt als zur Zeit der Vergrabung. Es 
waren in 18 Varietäten Münzen der Kaiſer Valerian, Gallienus, 
Poftumus, Laelianıs, Victorinus, Marius, der beiden Tetricus, 
Claudius IL, Quintillus und Aurelianus, und fie umfaffen alfo 
einen Zeitraum von etwa 20 Jahren (253 bis 273). Die Kupfer- 
miünzen des Zetricus (18500 Stüd) bildeten bei weiten den größten 
Beitandtheil des Funde. 

Die belgifche numismatifche Zeitfchrift giebt im dritten Hefte 
des Jahrgangs 1861 eine vorläufige Notiz über die Auffindung von 
1000 bis fermünzen britter Größe von Gallienus bie 
Maximianus Herculeus (253—305) in Han⸗ſur⸗Leſſe bei Namur?. 

In Ehavannes in der Nähe von Valence fand man i.%. 1837 
ein Kupfergefäß mit ungefähr 2000 Weißfupfer- und Fleinen Ku⸗ 
pfermünzen ber Kaifer Aurelian, PBrobus, Carus, Numerianus, Caris 
nus, Diocletianus und Mariminianus Hereuleus, aljo aus den Jah⸗ 
rn 270—310°. 

In Boulay H’Acheres nahe bei Ehartres wurden um b. %. 
1838 etwa 8000 Feine Rupfermünzen (einige darunter von Weiß⸗ 
kupfer) entdeckt, mit Typen von Gordianus Pius, Volufianus, Gal⸗ 
lienus u. ſ. w. bis Maximinianus Herculeus, alfo aus dem Zeitraum 
von 238 bis 310 *. 

In Olivet nahe bei Orleans entdeckte man gegen 300 Fleine 
Kupfermünzen aus den Regierungen der Kaiſer Gordianus bis Con- 
ftang (238 bis ca. 350); außerdem fanden fich dabei einige Kupfer: 
münzen von größerem Modulus aus früheren Regierungen °. 

Zu Sampuy im Departement Eure et Koire, wo man fdhon 
früher (1858 und 1859) Kupfermünzen erfter Größe von Trajanus 
bis Phifippus und Poftumus zu Hunderten von Kilogrammen gefunden 
hatte, ift dann noch eine Maſſe fpäterer Kupfermünzen von dritter 
Größe zum Vorfchein gefommen. Cine zufammengehörende Partie 
bon ungefähr 8000 Stüd, zum bei weitem größten Theil aus diefer 
legteren Münzforte beftehend, umfaßte Münzen aus den Regierungen 
von Antoninus bis Poſtumus. Am zahlreichiten waren darunter die 
Münzen von VBalerianus (ca. 600 Stüd), von Gallienus (ca. 1500 
Stüd), von Boftumus (ungefähr 2700 Stüd). Der Plag, wo dieſe 
Maſſe Münzen fi vorgefunden hat, fcheint in den Bürgerfriegen 


Revue numism. 1837. p. 141f. 

Revue de la numism. Belge, 3. ser. T. V, p. 811. 
Revue num. 1838. p. 1836. 

Revue num. 1839. p. 295. 

Revue num, 1846. p. 162. 


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867 


zu Enbe des dritten Jahrhunderts durch Brand plöglich und günzlich 
zeritört zu fein. 

Ein vermuthlih um 306-308 vergrabener Schatz, 1824 zu 
Famars (Departement Norb nahe bei Valenciennes) entdeckt, enthielt 
im Ganzen 27715 Münzen. In fünf kupfernen Gefäßen fand man 
außer einzelnen (7 oder 8) republifanifchen Denaren Silbermünzen 
von Auguftus bis Conjtantinus I., und in vier irdenen Töpfen Bil 
lon⸗ und Rupfer-Münzen zweiter Größe von Gorbianus bis Earinus !. 

Am 26. Mai 1853 fand ein Arbeiter beim Graben zu Sainte⸗ 
Möre-Eglife, Manche, einen Topf mit etwa 4500 Rupfermünzen 
von dritter Größe, zum Gefammtgewicht von 32 Pfund (durchfchnitt- 
fih alfo die Münze ca. 3.5 Gramm). Die große Mehrzahl ber 
Münzen, von denen 1200 Stüd unterfucht find, gehört in die Res 
gierimgen Conjtantins I., des Licinius und der Söhne Conftanting, 
body fanden fi) dabei auch Münzen aus früheren Regierungen bis 
zurücd auf Alerander Severus. Die Vergrabung diefes Schates hat 
wahrfcheinfich zwifchen den Jahren 317 und 323 ftattgefunden. Die 
hier vorgefundenen Münzen fcheinen faft ſämmtlich in gallifchen 
Miünzftätten, meiltens in Trier geprägt zu fein?. 

Der Fund zu Dahlheim bei Luxemburg zum Belauf von etwa 
30000 Stüd Kupfermünzen, um das Yahr 317 vergraben, enthielt 
hauptſächlich Münzen von Diocletian, Mariminianus Herculeus, 
Conftantinus Chlorus, Licinius dem Aeltern und Conftantin I. (von 
feßterem waren unter 22427 unterfuchten Stüden 1105 Münzen von 
zweiter und 6116 Münzen von dritter Größe), außerdem aber einzelne 
ältere bis zum Kaifer Tacitus zurüd und einige Billonmlinzen 5. 

Ein zu Kirn an der Nahe gemachter, vermuthlid um das Jahr 
333 vergrabener Fund beftand aus etwa 1200 Kupfermünzen fait 
ausschließlich von Conſtantin I, Conſtantin II. und Conftantius IL, 
ſämmtlich von dritter Größe*. 

Cine auf einer alten römischen Begräbnißftätte zu Daspich, 
Departement Meofelle, von Hrn. de Cuſſy entdedte zufammenges 
hörige Partie von etwa 1105 Kupfermünzen beftand, foweit die ſehr 
oxydirte Beichaffenheit derfelben eine CErmittelung verjtattete, aus 
Münzen von Claudius Gothicus bis Honorius, alfo aus dem Zeit 
raum von 268 bis 4235, 

Bon befonderem Intereſſe, obſchon er im Vergleich mit den 
meijten vorher erwähnten Funden der Anzahl der entdedten Stüde 
nach geringfügig erjcheint, ift ein Münzfund, den man 1844 zu 
Heerlen zwifchen Maeſtricht und Aachen gemacht hat. Derſelbe be- 
ftand nämlih aus 28 gut erhaltenen Kupfermünzen vom kleinſten 
Modulns; und zwar 


Mommien a. 8. S. 819 Anm. 307. 

Revue numism. 1854. p. 82. 

Köhne, Zeitfchrift für Münzkunde, II, 254 u. Mommſen a. B. S. 821. 
Mommfen a. B. ©. 821. 

Cochet a. B. S. 421. DeCussy, Bulletin monumental. T. IX, p. 974. 


aan - 


568 


von Balentinionus II. [375392] 5 Stüd 
Theodoſius I. [379—395] 5 „ 
Flavius Victor [383—388] 2 „ 
Arcadins [395408 4 „ 
onorins [395-433] 1 
onftantinus III. 407 —A1]| 1 „!. 

Das Intereſſe diefes Fundes für unfere Unterfuhung liegt in 
feinen Beftande aus Münzen der letten Periode des weftrömifchen 
Reichs, jowie in der Zeit und dem Ort, wann und mo diefe Fleine 
Summe einjt verſteckt worden, indem dies furz vor der Befigergrei- 
fung diefer Landftriche durch die Franken gefchehen fein muß. 

Die vorerwähnten Miünzfunde, die anf Münzverhältniſſe fi 
beziehenden Stellen in den Berordnungen der Kaijer feit ber Mitte 
des vierten Jahrhunderts bis zum Uintergange des wejtrömijchen 
Reichs und fonftige gelegentliche Notizen bei Schriftitellern diefes 
Zeitraumes fcheinen im Wefentlihen folgende Auffaffung des Münz- 
weiens, wie es im Gallien vor der Eroberung durch die Franken 
beitand, zu begründen. 

Um das Jahr 398 gab es in Gallien nur drei Reichsmimz⸗ 
ftätten: zu Arles, Lyon und Trier?. Bon diefen wird diejenige zu 
Trier, nachdem die Stadt fchon früher wiederholte Verheerungen er: 
fahren Hatte, i. J. 418, als die dortige prätorianifche Präfeetur 
aufgehoben und nach Arles verlegt war, aufgehört haben. Spätere 
faiierlihe Münzen mit dem trierifchen Meünzzeichen, find nicht be- 
kannt, es ift aber immerhin möglich, daß von den Münzgenoſſen bie 
jenigen welche die Verwüftungen überlebten das Müngzgewerbe für 
eigene Rechnung unter Nachbildung der gleichzeitigen faiferlichen 
Tippen dort noch fortgeführt haben, und daß die in der Novella des 
Majorianus de curialibus vom Jahre 458 erwähnten gallifchen 
Solidi von jchlechterem Golde (gallicus solidus, cujus aurum 
minore aestimatione taxatur) aus einer derartigen Dlünzthätigfeit 
in Zrier und anderen Orten Galliens herjtammten. 

Lyon ward in J. 458 von den Burgundern befegt, welche dort 
bie Ausmiünzimgen, wenn auch in befchränkterer Weife, fortfegten °. 
Im füdlihen Gallien ſcheint ſpäter außer in Arles, wo die officielle 
Münzthätigfeit ununterbrochen in Wirkfamfeit geblieben fein wird, 
noch in Narbo eine Münzſtätte eingerichtet worden fein *. 

Die Münzfunde zu Chimay, Hansfurzteffe, Dahlheim, Cha- 
vannes, St. Mere-Eglife u. a. zeigen, daß fchon zu Ende des drit- 
ten Jahrhunderts die Eirculation guter Silber-Denare, ſowie felbft 


SINN 33 3 


! Revue de la numism. Belge II, p. 194. 

2 Notitia dignitatum (die bald nad dem Jahre 395 verfaßt worden) 
$. 42: Procuratores monetae Siscianae, Aquilejensis, urbis Romae, Lugdunen- 
sis, Arelatensis, Triberorum. 

3 Bergl. den zweiten Abſchnitt S. 86 f. 

* Sidonius Apollinaris carm 23: Narbo potens delubris, capitoliüs, 
moneta. 


569 


von alten fehweren Supferfefterzen in Gallien fehr befchränft geweſen 
fein muß; denn jonft hätte man ber Natur der Sache nad) bei Ver⸗ 
grabung von Schägen vorzugsmweife folche in ihrem effectiven Metall 
gehalte werthvollere Münzen hierzu genommen, ftatt der Unmaffe 
Schlechter Billon- oder Pjeudo-Silbermünzen und leichter Kupferſtücke. 
Andererfeits läßt fich aber aus der Zufammenfegung des zu Famars 
entdeckten Schages abnehmen, daß, wenn auch der Umlauf diejes 
ſchlechten Geldes jehr überwiegend war, doch daneben die Circulation 
älterer guter Silbermünzen zu Conftantins I. Zeit fi theilweife 
noch erhalten Hatte. Namentlich wird dies in den Grenzdiftrieten 
nad) Germanien hin der Fall gewefen fein, da im Verkehr mit die⸗ 
fem Lande die alten Silber-Denare am vortheilhafteften zu benugen 
waren. Es muß übrigens dahingeftellt bleiben, ob nicht die noch 
vorhandene und aufbemahrte ältere Silbermünze in Gallien damals 
nur nad dem Gewicht als Silber gegolten hat. Wenn auch meh- 
rere Jahrhunderte hindurch im römischen Reiche die Münzeirculation 
im Großen faſt ausfchließlih aus Gold und Kupfer beitand, fo ift 
doch nothwendig anzunehmen, daß das Silber, welches nun einmal 
vorhanden war und als lmfagmittel nicht ganz unbenugt bleiben 
fonnte, nad) dem Gewichte, Pfund- und Unzenweife neben der Gold⸗ 
münze zu größeren Zahlungen häufig mit gedient haben wird. Wir 
werden fpäter Beifpiele anführen, daß im merovingifchen Zeitalter 
bei größeren Zahlungen, außer nad) Solidi oder Pfunden Gold, mit- 
unter auch nach Pfunden Silber (librae argenti) gerechnet wurde, 
und man darf mit Grumd annehmen, daß diefer Gebrauch fchon vor 
der fränfifchen Herrfchaft in Gallien üblich gemwejen ift. Den im 
erſten $. dieſes Abfchnitts gegebenen Crläuterungen zufolge kön⸗ 
nen jedoch die im Grabe Childerichs I. vorgefundenen Silber-Denare 
nicht al8 ein Beleg dafür betrachtet werden, daß um das Jahr 481 
im romanischen Gallien biefe Münzſorte noch im Umlauf geblieben 
war, wie Petigny dies thut. Der Tournayer Fund legt eben nur 
Zeugniß ab fir germanifche Zuftände; in den bis 481 noch unter 
römifcher Herrfchaft gebliebenen Provinzen wird fein Münzfund, der 
feit der Mitte des vierten Jahrhunderts vergraben worden, alte Sil- 
berdenare mehr aufweifen. 

Obſchon nad) der Mitte des vierten Jahrhunderts gerade in 
Trier noch beträchtliche Silberausmünzungen ftattgefumden haben, und 
zwar nad) dem neuen Silber-Münzfyftem, das bald nad) Conjtantin L. 
in Anwendung getreten war, und um die erwähnte Zeit auf den Briti⸗ 
fhen Inſeln Silbermünzen das gewöhnliche Kourantgeld ausgemacht 
haben müſſen, wie dies mehrere in England und Irland aufgefundene 
Schäge diefer Gattung darthun !, fo feheint doch in Gallien jelbjt 


I Bergl. Mommfen a. B. S 788, und die daraus in unſerm zweiten 
Abſchnitt S. 276 Anmerfung 1 gegebene Zufammenftellung. Mit vollem 
Recht Tent M. arofen Wertb auf den in Adermannd Numismatic Chronicle 
Vol. VII. Proceed, p. 9—14 beichriebenen Münzfund von Howel, um eine 
Vorftelung de um 400 gangbaren GSifbercourantd zu gewinnen. Dieſer 


570 


bie neue Silbermünze faft nur als größere Scheibemünge zum Um⸗ 
wechfeln bes Goldfolidus, nicht als gewöhnliche Courantmänze ges 
braucht zu fein, denn fonft würden auch wohl hier Münzfunde 
Zeugniß dafür abgelegt haben. Deffenungeachtet müfjen wir bie 
rechtlichen wie thatfächlichen Verhältniffe der römijchen Silberaus⸗ 
münzungen von Conftantin an, insbefondere des feit Honorius im 
weitrömifchen Reich geprägten Silbergeldes, einer näheren Erörterung 
unterziehen, da diefelben nach unferer Anficht für die Entftehung des 
falifchen Denars von wefentliher, ja entfcheidender Bedeutung ge 
worden find. 

Wann die Eintheilung des Goldfolidus in 24 Siliquen (siliquae 
suri), welches NRechnungsgeld durch eine Silbermünze repräfentirt 
wurde, zur allgemeinen Geltung gekommen, darüber liegen uns feine 
fpeciellen Angaben vor; allein man darf nach dem natürlichen Zufam- 
menhang der Dinge mit ziemlicher Zuverficht annehmen, daß ſowohl 
diefe Theilungsweife al8 auch die Anordnung eines Münzfußes von 
144, ebenfo viele Siliquae auri repräfentirenden Silbermünzen auf 
das Pfund Silber mit der vollftändigen und ſyſtematiſchen Durd- 
führung der Goldwährung in engfter Beziehung ftand, alfo fich der 
Einführung des Goldfolidus 72 Stüd auf das Pfund Gold umter 
Eonftantinus I. bald angefchloffen haben wird. Was lag näher, 
als gleichzeitig mit der Ausprägung von Goldftüden zu 4 Scrupeln 
auch Silberſtücke von gleichem Gewichte und, da biefe für den ge 
wöhnlichen Verkehrsbedarf zu groß waren, außerdem Stüde zur 
Hälfte diefes Gewichts, alfo von 2 Scrupeln, ausmünzen zur Lafjen, 
zumal die damalige Werthrelation der Edelmetalle hierbei die Berech⸗ 
nung nad) dem bequemen Duodecimaltheilung einfach an die Hand gab? 

Die aus den vorerwähnten britifhen Münzfunden abzuleitenden 
Ergebniffe und im Allgemeinen die gut erhaltenen Silbermünzen 
von Julian an bis auf Theodoſius I. weifen auch bei unegaler Aus- 
münzung doch in ihren durchjchnittlichen Gewichtsverhältniffen auf 
einen Deünzfuß von 144 Siliquen auf das Pfund, oder auf ein ur- 
fprünglicheg Normalgewicht der Siligua von 2,27 Gramm, und 
dient, umgekehrt, diefe Wahrnehmung wieder dazu, die auch aus fon- 
ftigen Gründen wahrfcheinfiche Annahme zu beftätigen, daß die regel: 
mäßige Werthrelation des Goldes zum Silber im vierten und fünf: 
ten Yahrhundert im Verhältnig wie 1: 12 geblieben fei, daß alfo 
gelegentliche Angaben, welche diejelbe wie 1:14.4 oder gar wie 1:18 
binftellen, in befonderen ausnahmsweifen Umftänden oder Motiven 


Fund enthielt 32 Silbermünzen ber größeren Sorte von 60—75 Troy: Grän 
(3.89 bis 4.86 Gramm); ald deren Münzfuß fih „5 Pfund (4.55 Gramm) 
nicht verfennen läßt, und (mit Ausfchluß von 10 zum Theil fehr leicht aus: 
emünzten Stüden des Eugenius) 275 Kleinere Silbermünzen von 23 bis 39 
roy⸗Grän (1.49 biß 2,53 Gramnı), als beren Münzfuß ebenfo deutlich fid 
Pfund (2.27 Gramm) fund giebt. — Ueber den Prägort biefer Münzen 
wird bemerft: The mints here named in the exergues are very various; but 
two thirds of the whole are of Treves — TRPS. TP. TRP. 


671 


ihre Erklärung finden müſſen?. Es iſt weder eine Verordnung noch 
ſonſt eine nähere Andeutung bekannt, daß ſeit Julian in Betreff der 
Silberausmünzung irgend eine geſetzliche Veränderung eingetreten 
ſei. Um fo unzweifelhafter iſt es aber, daß ſeit Theodoſius I. bis 
zum Untergange des weſtrömiſchen Reichs die thatſächliche Prägung 
der Siliquarmünzen progrefjiv ungleihmäßiger und geringhaltiger 
geworden ift. 

Einige der in England und Irland gefundenen größeren Schäße 
diefer Müngzforte bezeugen diefe Münzverſchlechterungen noch befon» 
ders durch die an vielen der vorgefundenen Münzen erfichtlic) vor- 
genommene Befchneidung, um die älteren ſchwereren Stücde den 
neueren leichteren anzupaſſen und das Uebergewicht zu lucriren?. 

Die nachjtehende Zufammenftelung einiger Gewichtsangaben 
über Silbermünzen der Kaifer im weftrömifchen Reiche feit Honorius 
(welche Angaben theils dem befannten Werke von Queipo entnom⸗ 
men, theils im Könige. Münzlabinet in Berlin ermittelt find) wird 
über diefe Münzverfchlechterung der Siliquen nähere Auskunft geben. 

Das Gewicht einer Anzahl Silbermünzen von Honorius ift 
von uns im zweiten Abfchnitt S. 273 bereits angegeben, mit der 
Bemerkung dag man das dburchfchnittliche factifche Gewicht der gan⸗ 
zen Siliqua unter Valentinian I. auf etwa 2.00 Gramım und uns 
ter Honorius auf etwa 1.70 Gramm wird fchägen dürfen. Die fi 
der Zeitfolge nad hieran fchliegenden Gewichtsermittelungen über die 
Silbermünzen find folgende: 

Sonftantinus III. (407”—411): nad) Queipo 1.15; 1.20; 1.30; 
1.32; 1.35; 1.35; 1.43; 1.43; 1.47; 1.48; 1.50; 1.55; 1.55; 
1.60; 1.68; 1.75 Gr.; — im Berl. Kabin. 1.35; 1.50; 1.50; 
1.55; 1.88 Gr.; im Wiener Kabin. 1.34; 1.41; 1.44; 1.49; 1.70. 

Priscus Attalus (409— 410): nad) Queipo 1.15; 1.94; 1.97; 
2.30 Gramm; — im Berl. Kabin. 1.77 Gramm. 

Jovinus (411—413): n. Q. 0.95; 1.25; 1.25; 1.29; 1.30; 
1.35; 1.40; 1.42; 1.42; 1.47; 1.55; 1.58; 1.64; 165; 1.65; 
1.70; 1.78 Gr.; — im Berl. Kabin. 1.30; 1.40; 1.30; 1.55 Gr.; 
im Wien. Rab. 0.98; 1.08; 1.25; 1.52; 1.60; 1.61; 1.62; 1.65 Gr. 

Johannes (423—425): nad) Queipo 0.80; 0.88 Gramm. 

Valentinianus IH. (424-455) nah Queipo: 1.05; 1.45 
Gramm; im Wiener Kab. 0.57; 0.73; 1.07; 1.41; 1.92 Gramm. 

2 Bei Annahme einer Werthrelation von 1:10 würde dad urjprüngliche 
geießliche Gewicht ber gemünzten Siliqua auf 1.90 Gramın Silber ausfonı: 
men; bei einer Werthrelation von 1:14.4 auf 2.73 Gramm, von welden 
Oemigter, das erftere offenbar zu niedrig, das letztere zu hoch ſcheint, wenn 
man damit das durchſchnittliche Gewicht der gewöhnlichen Silbermünzen von 
Julian, Jovian, Balentinian I. und Valens vergleicht und dabei berüdfichtigt, 
baß der Natur ber Sache nach bei biefer Münzſorte, als hauptſächlich nur 
zur größeren Scheidemünze beftimmt, von Anfang an eine jehr knappe und oft 
eine abfihtlih leichte Ausmünzung ſtattgefunden haben wird, 

2 Die früher allgemein auf die Silbermünze bezogenen Ausdrücke pecu- 
nla majoriana und nummi centenionales im Coder Theodofianns (Verordnungen 
a. b. 3. 356 u. 395) betreffen nur die Kupfermünzen. Vgl. u. ©. 576. 

38 


L 


672 


Majorianus (457—461): nad) Quelpo 0.60; 0.82; 0.85; 
0.90; 1.18 Gramm; im Wiener Kab. 2.56 Gramm. 

Libius Severus (461 — 464): nad) Queipo 1.05 Gramm; 
im Berl. Kabin. 0.97; 0.99; (Libius Severus und Ricimer) 0.90; 
1.75 Gramm; im Wiener Kab. 0.90 Gramm. 

Julius Nepos (474-475): nad) Queipo 0.97; 2.10 Gramm; 
nad dv. Rauch 0.98 Gramm. 

Ueberblidt man die vorftehend angeführten Silbermüngzen , fo 
muß e8 freilich auf den erften Blick zweifelhaft erfcheinen, ob nicht 
mehrere der erwähnten Stüde, 3. B. von Majorianus, als halbe 
Siliquen zu betrachten feien; und andererfeits find wieder einige dies 
fer Münzen, 3. B. von Priscus Attalus, im Verhältniß zu den 
übrigen auffallend ſchwer. Nichtsdeftoweniger dürfte, nach den Typen 
zu urtheilen, mit großer Wahrfcheinlichkeit anzunehmen fein, daß un⸗ 
geachtet folcher Gewichtsdifferenzen nur ein und daſſelbe Nominal, 
die Siliqua auri, durch alle, oder doch fast alle diefe Münzen hat 
dargejtellt werden follen, da die Ungleichheit der Ausprägung des 
bauptfädhlich nur zur mittleren Scheidemüngze beftimmten Silbergeldes 
fehr beträchlich geweſen ift und bei der Stüdelung vermuthlid nur 
das Durchfchnittsgewicht größerer Partien in Betracht gezogen wurde !. 
Eine erhebliche Verringerung des thatfächlihen Münzfußes und eine 
Einfchränfung der Silberausmünzung nad) dem erjten Jahrzehend 
des fülnften Jahrhunderts ift aber dabei unverkennbar. 


2 Berge. Mommfen a. 8. S. 787; ‚Mit bem Aufhören ber Denar: 
prägung i. 3. 360 tritt als bie gewöhnliche Silbermünze ein anbered unb 
fleinered Nominal ein, bag zwar bei feiner Kleinbeit und ber nicht bIoß ftetd 
finfenden, fondern auch bei gleichzeitigen Münzen böhft ungleichen 
Prägung empirifch ebenfo wenig mit völliger Schärfe zu beſtimmen ift, aber 
ungefähr wenigſtens auf „4, Phund = 2.27 Gr. auskommt (3. B. zwei 
völlig gleiche, aus derfelben Dfficin bervorgegangene Silbermünzen Balentinis 
and L wiegen 2.14 unb 1.49 Gramm)”. Ebendaſelbſt S. 841 wird erwähnt, 
bag von den Silbermünzen Juſtins I. einige mit ber Wertbzahl CN (250) 
0.55, 0.65, 0.66 Or. wiegen unb andere mit der Wertbzabl PK (120) das 
nämlihe Gewicht von 0.65 aufweifen. — — Grote (Münzſtudien S. 795, 
in einer ſpäter noch ſpeciell zu erwähnenden Abhandlung) iſt der Anſicht, daß 
ſeit 360 hauptſächlich nur Halb-Siliquen geprägt ſeien, 288 Stück auf die 
libra, jede alſo = 1 Gewichts-Scecrupulum, 1.133 Gramm, an Silber ent: 
baltend. „Daß diefe Halb :Siliqua eine beliebtere, daher häufiger gemünzte 
Sorte war“, meint Grote, „ald die ganze Siliqua, wirb daher fommen, daß 
jene in einem bequemeren Verhältniß zu den noch in großer Menge umlau: 
fenden Dradhmal= Denaren (96 Stüd auf die libra) ald deren Drittel ftaub, 
wogegen biefe J des Ichtern betrug’. Daß die alten Silber:Denare noch nad 
360 in großer Menge umliefen, muß in Abrebe geftellt werden, und zeigen bie 
oben im Terte aufgeführten Gewichte der Silbermünzen von Conſtantinus ILL, 
Jovinus und Priscus Attalus im Anfchluß an die bereits unter Theodoſius 
und Honorius ftattgefundenen ſehr knappen Ausmünzungen beutlid, daß eine 
fernere factifche Verringerung ded Münzfußes der ganzen Siliquen eingetreten 
war, welche Verringerung bei der fparfamen Silberprägung und ber Beſtim⸗ 
mung biefer Münzen ald Scheidemünze feine befondere Unzuträglichkeit mit 
fid) führte. Für übermünzte Halb:Siliquen können die erwähnten Stüde uu= 
möglich gelten. Es iſt, wie auch von uns anerfannt wird, möglich, baß unter 


4 


678 


Es wird hiernach als wahrfcheinlich gelten ditrfen, daß im fünf 
ten Jahrhundert die als Theilſtücke des Solidus, als Siliquae auri 
in Gallien gefeglich und thatfächlich im Gebrauch gewefenen Silber- 
miünzen höchſt unegal ausgeprägt, vielfady bejchnitten und durchſchnitt⸗ 
ih etwa 1.38 Gramm fchwer waren. Indem auf folhe Weife 
der Nennwerth diefer Silbermünzen beträchtlich höher war als ihr 
effectiver Metallwerth, die Ausmünzung derfelben aber gleichzeitig 
ein bejchränftes Maß nicht überfchritt, fo konnten fie ihren Zweck, 
al8 größere Scheidemünze zu dienen und zwiſchen den Goldfolidi 
und dem mafjenhaften Kupfergeld eine Mittelftellung einzunehmen, 
recht gut erfüllen. Aus ähnlichen Gründen, wie wir gleich bei dem 
Kupfergelde des fünften Jahrhunderts erwähnen werden, erklärt es 
fih übrigens, daß ſich von diefer fpäteren Silbermünzforte verhält- 
nigmäßig nur fparfame Ueberrefte erhalten haben. Daß gerade in 
Gallien die Ausmünzung bes Silber8 in der letzten Periode des 
weitrömifchen Reiche ununterbrochen und Iebhafter als anderswo 
fortgedauert hat, bezeugen die Silbermünzen des Conftantinus ILL, 
Jovinus und anderer Gegentaifer, deren Herrfchaft hauptfüchlich auf 
Gallien angewiefen blieb. Die öfter geltend gemachte Anficht, daß 
um bie Zeit vor ber fränliichen Eroberung in Gallien nur Goldjolidt 
und qfermunx in Umlauf geweſen, wird hiernach zu modifici⸗ 
ren ſein. 

Was nun das Kupfergeld anlangt, das, wie man gewöhnlich 
annimmt, während des fünften Jahrhunderts für alle Verhältniſſe 
des Privatverkehrs (in den Zahlungen größerer Beträge an den Fis⸗ 
cus wurde bekanntlich nur Gold angenommen) in Gallien eine vor⸗ 
wiegende Bedeutung hatte, fo fehlen uns leider genaue directe Anga⸗ 
ben über ‚die fpecielle Modalität und namentlich bie Berechnungs⸗ 
weile deifelben. Wir dürfen indeß die Aufgabe nicht abweifen, hier⸗ 
über durch Combination verfchiedener Notizen möglichfte Aufklärung 
zu gewinnen, da die Frage der Geltung ber römifchen Kupfermünze 
in Gallien in ber erwähnten Zeitperiode ein weſentlicher Punkt ift, 
um eine zufammenhängende Vorftellung vom Urfprung und der Ent» 
widelung des felbftändigen fränkifchen Münzwefens zu erlangen. 

Die zunächſt zu beantwortenden Fragen hierbei fcheinen etwa 
folgende fein zu müflen: 

Welches war bei der romanischen Bevölkerung in Gallien im 
fünften Jahrhundert die übliche Wertheinheit, wonach im gewöhnlichen 
täglichen Verkehr gerechnet wurde, und in welchem Xerhältniffe ftand 
diefelbe zum Goldfolidus und zu deſſen Theilftüd, der Siliqua ? 

Bon welcher Beichaffenheit war die gefegliche gewöhnliche Ku⸗ 
pfermünze? War diefelbe identifch mit der einfachen Eleinjten Rech⸗ 


ben fehr leichten Stüden fi folhe finden mögen, die urfprünglich als Halb: 
Siliquen ausgeprägt find; allein nach der obigen Darlegung erſcheint es und 
viel wahrfcheinlicher, auch im biefen leichteren Stüden fehr untermünzte Sili⸗ 
quen anzuerlennen. _ 

38 * 


674 


nımgseinheit, ober ein Wievielfaches folcher Einheiten wurde durch 
die gewöhnlichen effectiven Kupfermünzen vertreten? 

Waren außer ben damaligen gefeglichen Kupfermünzſorten gleich 
zeitig noch ältere Sorten diefes Geldes in Gallien im Umlauf, und 
zu welchen Werthe wurden diefe gerechnet ? 

An Rüdficht des eriten Punktes ift auf die frühere allgemeine 
Erörterung deifelben (2. Abfchn. S. 274 ff.) Bezug zu nehmen. Es 
ift dort nachgewiefen, wie feit der Mitte des dritten Jahrhunderts 
die Rechnung nad) Sefterzen im römifchen Reiche völlig aufhörte, 
die Silberdenare fowie die urjprünglich ebenfalls als Silbermüngze 
ausgeprägten f. g. Antoniani in progrelfiver Verſchlechterung der 
Ausmünzung allmählich zu einem werthlofen Weißfupferftücd herab» 
fanfen, und wie fo der Denar fchlieglich fich zu einer Wertheinheit 
vom Fleinften Betrage umgeftaltete, von ber feit dem Ende des vier- 
ten Jahrhunderts zu verfchiedenen Zeiten mit ſchwankendem Cours je 
5760, 6000, 7000, 7200, 7500, 8400 Stüd auf den Gold-Soli- 
dus gerechnet wurden. Es ift freilich fein ausdrüdliches Zeugniß 
befannt, daß die Rechnung nach folchen Denaren oder Nummi, oder 
auch nah f. g. folles als Inbegriff gewilfer Summen von |fol- 
hen Kupfer» Wertheinheiten, in Gallien üblich geweſen ift; allein 
ebenjowenig liegen irgend welche Nachweife oder auch nur Andeutun⸗ 
gen vor, daß jpeciell in Gallien feit der Mitte des vierten bis gegen 
Ende des fünften Jahrhunderts eine von den entfprechenden Verhält⸗ 
niffen der übrigen Theile des Reiche abweichende Geldrechnung ge 
feglich gegolten habe oder in herkömmlichem Gebrauch geblieben fei, 
daß der Name denarius hier eine andere Bedeutung gehabt oder 
einen anderen Werth bezeichnet habe als gleichzeitig in Italien und 
in anderen Provinzen. Es findet fi) hiervon ebenfowenig eine 
Spur, als daß die Veränderung in der Ausprägung und Benennung 
der Silbermünzen feit Julian in Oallien Teinen Eingang gefunden 
hätte, fondern nur in anderen ‘heilen des Reichs üblich geiworden 
ſei. So lange nicht überzeugende Gründe für eine entgegenftehende 
Anficht beigebracht werden, wird man unbedenklid) zu der Annahme 
berechtigt fein, daß Hinfichtlich der allgemeinen Münzverhältniſſe und 
der Berechnungsweiſe diejenigen Angaben und Benennungen, welche 
hierüber in den kaiſerlichen Verordaungen und in fonftigen Aufzeich- 
nungen jener Zeit vorkommen, auch auf Gallien vor der fräntifchen 
Eroberung vollftändige Anwendung finden müffen.. Auch hier wird 
damals der Denar oder Nummus nichts anderes gewejen fein als 
eine winzig Kleine Rechnungseinheit, von der, wie eben bemerkt, je 
nad dem Courſe 5760 bis 8400 Stüd auf den Goldfolidug geredh: 
net wurden. Auf die Siligua müjfen demnach aud in Gallien je nad 
dem Courje 240 oder 250 oder 300 bis 350 Denare geredjnet fein. 

Um über die Bejchaffenheit der damals üblichen Kupfermünzen 
urtheilen zu fünnen, wird man gut thun, nach Anleitung der gründ- 
lichen Unterfuchungen von Th. Mommjen, vorerft einen kurzen 
Rückblick auf dievorangegangene Geſtaltung diefer Gelbforte zu werfen. 


575 


Das urſprüngliche Rormalverhältnig in der Reichsmünze der 
Raiferzeit war, daß das Goldſtück (dev Aureus zu 5 Pfund) gleich 
war 25 GSilberdenaren (zu . Pfimd), oder 100 Seiterzen (zu y'z 
Pfund Meffing),. oder 400 As (zu „A, Pfund unvermifchten Kur 
pfers). Die Ausbringung der Metalle fand alfo dem Nominal-Münz« 
werthe nach in diefer PBroportion ftatt ': | 

Gold Silber Meifing) Kupfer 
1. 11.91. 333.33). 666.66. 

Für bie Zeit von Nero bis Severus wird, unter Berückſichti⸗ 

gung der Legirung des Denars, diefe Proportion von Mommfen 


angegeben: 
von Nero bie Trajanue: 

. 10.31. (366.66). 133.33. 
von Trajanus bis Severus. 

1 9.375. (375). 150. 


Nach der Regierung des Severus wird das Gewicht der Bronce- 
und Rupfer-Münzen progreffiv geringer; der Sejterz hat von Tre 
bonianus an nur noch ein Gewicht von 4 Unze Und felbit zu 
dieſem Münzfuß Tonnte, wenn man nicht den größten Verluft bei 
der Kupferprägung erleiden wollte, bald darauf nicht weiter gemünzt 
werden, da die Denare und Antoniani immer geringhaltiger wurden 
und enblich felbft einen viel geringeren Metallwerth hielten als + 
Unze Kupfer. ALS endlich unter und nad) Diocletian die mafjenhafte 
Prägung von Pfeubo-Silbermünzen aufhörte unb eine befjere Ord⸗ 
nung des ganzen Münzwefens wieder eintrat, ward auch für die 
Kupfermünzen eine neue Regulirung nothwendig. Es wurden von 
nun an zwei Arten geprägt, von f. g. zweiter und vierter Größe, 
eritere zum Gewicht von ungefähr 10 Gramm, lettere von 2.5 bis 2 
Sramnı. Seit dem Jahr 311 oder 312 bemerkt man wieder eine 
Verfchlechterung und jtärkere Ungleichmäßigleit auch diefer Ausmün- 
zungen, indem namentlich die erfte Sorte oftmals aus der zweiten 
in die britte Größe übergeht, mitunter aber auch von diejer wieder 
zu jener zurückkehrt. Einige von uns ohne alles abfichtliche Aus⸗ 
ſuchen vorgenommne Wägungen gut erhaltener Kupfermünzen aus 


1 Die Detail ber mannigfachen Legirung bed Kupfers für bie verfchie: 
benen Zeiten laffen wir bier außer Betracht. — Wenn Meffing bierbei auf 
ben doppelten Werth des Kupfers geſetzt if, fo muß dies felbfiverfländlich als 
blos conventionelle Specialität des römifchen Munzweſens angefehen werben, 
ohne weiteren Zufammenhang mit dem damaligen wirflichen Werthe der Me: 
talle im Verkehre. 

Die Münzthätigfeit in Rückſicht der verſchiedenen Metalle hat im letzten 
Jahrhundert bes weſtrömiſchen Reichs fehr varüirt. Auffallend ift, wie zuleßt 
die Golbausmünzung vorberrfchend gewefen, wenn man bie und erhaltenen 
Münzen als Mapitab hierfür anfehen darf. Nach Arneths Synopsis etc. be: 
faß u. a. das Wiener Diünzfabinet i. J. 1842 
von Theodoſius I. (379385) 31 Goldm. 15 Silbm. 177 Kupferm, 
von Honorius (395—423) 3 „a4 „ 69 , 
von fpäteren Kaifern zuf. (407—476) 138 „ Mi . 9 “ 


‘576 


ber zweiten Hälfte des vierten Jahrhunderts im Berliner Münz: 
tabinet, haben folgendes Ergebniß geliefert. 
Suliamıs: 8.9; 8.9; 8.4; 8.4; 8.4; 8.0 Granım. 
3.4; 3.2; 3.0; 2.5; 2.6; 2.4; 2.2; 2.1; 1.85 1.6; 
1.3 ©r. 
Jovianus: 9.45 8.1; 7.5; Gr. 
3.9; 3.55; 3.45; 3.3; 3.3 ©r. 
Balentinianus I: 9.5; 8.0; 8.0 Gr. 
2.85; 2.8; 2.45; 2.1; 1.1; 1.0; 0.95 Gr. 
Theodofius 1.: 5.9; 5.0; 4.85; 4.5 Gr. 
Donorlus: 5.15; 3.95; 3.9; 2.6; 2.45; 1.95; 1.8; 1.8 ©r. 
an erfennt deutlich aus diefen beijpielsweife angeführten Ge 
wichtsermittlungen '!, wie nach Balentinian I. in den Kupferausmün- 
zungen eine auffallende Verringerung des Gewichts eingetreten ift, 
ſowohl was die größere, als auch die Kleine Münzſorte betrifft. Hier 
mit hängt es offenbar zufammen, daß Theodoſius L im Jahre 393 
eine Verordnung erließ ?, wodurd Privaten felbit das bloße Nach; 
ſuchen um die Erlaubnig zur Kupferprägung aufs ftrengite verboten 
wurde. Bei der Verminderung des Deetallgehalts mußte ber Ge 
winn bei der Kupferausmünzung natürlich beträchtlich jteigen. 
Eine wefentlihe Veränderung in der Kupferausmünzung trat 
im Jahre 395 ein, als die Kaifer Honorius und Arcadius eine Ver⸗ 
ordnung erließen ?, welche die fernere Prägung der größeren Sorte 
bes Kupfergeldes (pecunia majoriana) aufhob, dieſelbe bei Strafe 
ber Confiscation außer Cours fegte und nur die Kleinere Kupfer⸗ 
münze, die als “centenionalis nummus’ bezeichnet wird, beibe 
hielt *. Mit diefem Verbot der fchwereren Rupfermünzen ſteht wahr: 
ſcheinlich eine Taiferliche Verordnung des folgenden Jahres (396) 
in Verbindung, welche für die Ablöfung des Kupfers eine beitunmte 
Norm vorjchreibt, nämlich 25 8 Kupfer für den Solidtus. In 
Folge jener Maßregel vom Jahre 395 mußte nothiwendig eine Uns 
maſſe Kupfermünze eingefchmolzen werden, hierdurch bedeutende Quan⸗ 


2 €3 liegt und durchaus fern, aus diefen wenigen Wägungen irgenb 
wie den normalen Minzfuß oder das durchſchnittliche thatfählihde Gewicht 
der Kupfermünze in ben verſchiedenen Perioden näber feftftelen zu wollen; 
es Tanı nur darauf an, im Allgemeinen ben ſich verändernden Charakter bes 
Rupfergeldes darzuthun. 

3 Cod. Theod. IX, 21, 10. 

5 Cod. Theod. IX. 23, 2: Centenionalem tantum nummum in conver- 
satione publica tractari praecipimus, majoris pecuniae figuratione summota. 
Nullus igitur decargyrum nummum alio audeat commutare, sciens fisco ean- 
dem pecuniam vindicandam, quae in publica potuerit conversatione depre- 
hendi. — rüber bielt man allgemein den centenionalis nummus für eine 
Eilbermünze (100 Stüd auf das Pfund Silber). Mommfen, ber ſelbſt frü: 
ber dieſe Anſicht hatte, bemerkt aber in feinem großen Wert S. 806 mit Recht, 
daß die mit einer richtigen Anterpretation der Terte nicht zu vereinigen fei. 

* Cod. Theod. XI, 21, 2: Aeris pretia, quae a provincialibus postu- 
lentur, ita exigi volumus, ut pro viginti quinque libris aeris solidus a pos- 
sessore reddatur. 


577 


titäten Rupfermetall in den Verkehr kommen und ber Preis deſſelben 
gedrückt werden. Diefen Umftand wird die Regierung ind Auge ge 
faßt haben, als fie kurz nach dem Verbot des ſchweren Kupfergeldes 
zeitweilig die Ablöfungsnorm auf 1800 Pfund Kupfer für 1 Pfund 
Gold feitfegte, während fonft 20 Pfund Kupfer fir den Solidus 
(1440 8 Kupfer = 1 8 Gold) angenommen worden zu fein ſchei⸗ 
nen. DBielleiht war dabei auch die Abficht leitend, für die neue 
Ausmünzung der Hleineren Kupfermünzen, der nummi cententiona- 
ar das benöthigte Metall für den Fiscus möglichft wohlfeil zu 
erhalten. 

Die in dem Zeitraum von 395 bis auf Kaifer Zeno für die 
Circulation geprägten Kupfermünzen find übereinftunmend mit der 
erwähnten Verordnung von Kleinfter Größe und mögen in den Zei⸗ 
ten nad) Honorius der Mehrzahl nach eher unter als über 1 Gramm 
an Gewicht halten !. 

Die Rupfermünzen diefer Periode find in unferen Münzkabinet⸗ 
ten außerordentlich felten, und wenn auch der Umftand ihrer Klein- 
heit wejentlih mit Urfache fein mag, daß fi) nur wenige erhalten 
haben, fo läßt doch die Seltenheit der davon überhaupt befannten 
Typen feinenfall8 auf eine befondere Ausdehnung der Kupferausmiln- 
zungen im fünften Jahrhundert fchliegen, namentlich nicht in Gallien. 
Bon den in Gallien zur Herrfchaft gelangten Kaifern Conftantinus II. 
und Jovinus haben wir im Wiener und im Berliner Munzkabinet 
feine Rupfermünzen angetroffen, und Banduri erwähnt von legterem 
feine, von erfterem nur eine einzige Kupfermüngze. 

Welchen Werth aber hatten diefe gewöhnlichen Kleinen Kupfer- 
münzen im Verhältniß einerfeitS zur Kleinften Rechnungseinheit, dem 
Denar, und darnad) anbererfeits zum Goldfolidtus? War etwa jene 
Rechnungseinheit dur die gewöhnliche Kupfermünze repräfentirt ? 
Letzteres iſt als gradezu unmöglich zu erachten, weil dann bei einem 
durchfchnittlichen Gewicht der Kupfer» Denare zu etwa 1.8 Gramm 
unter Honorius und einem Courfe des Solidus zu 6000 Denaren 
das Werthverhältniß ber Metalle bei der Ausmünzung fich geftellt 
hätte, wie (ca. 21 metr.) 33 römifhe Pfund gemünztes Kupfer auf 
den Solidus, während bei Convertirungen nur 25 oder 20 Pfund 
ungemünztes Kupfer auf den Solidus gerechnet wurden ®. 


I Aupfermünzen bed Johannes wiegen 0.95, 1.10, 1.19 u. 1.25 Gramm, 
bed Libius Severus 0.65, 1.0 und 1.7 Gramm, bed Majortanus 1.7 Gramm, 
des Priscus Attalns 1.37 Gramm. ' 

s Es wird nicht ohne Intereſſe fein, das heutige Wertbverbältniß bes 
Kupfer zum Golde mit demjenigen im vierten und fünften Jahrhundert zu 
vergleichen. Der Durchſchnittswerth des Kupfers gegen Golb und Silber be: 
trug in Hamburg in den Jahren 

1821—40: 1 @ Gol = 1490 8 Rupfer » (455 
1841—60: 1 8 Sol = 142098 „, 


1821-40: 1 8 Silber = 94.4 U Rufe] : 93.6 
184160: 18 Str — 284 „ 


678 


- Erwägt man, welche umverhältnißmäßige Koften, vornämlich 
in älterer Zeit, als die Ausmlinzung der einzelnen Stüde ohne rafd 
arbeitende Prägmafchinen 2c. zu gefchehen Hatte, die Ausprägung von 
(6000 x 72) 432000 Stüd Münzen, bie den Werth eines Pfun- 
des Gold repräfentiren follten, verurfachen mußte, und daß bie Re 
gierung bei diefen Kupferausmünzungen nit nur keinen Verlufſt 
erleiden, fondern gewiß noch beträchtlichen Gewinn erzielen wollte, 
jo muß es als gradezu unmöglich betrachtet werben, daß jene feit 
395 emittirten Rupfermüngen, felbjt bei einem wefentlich verringerten 
Gewicht, nicht jedenfalls das ‘Doppelte überfteigende Multiple der 
Heinften Rechnungseinheit im gewöhnlichen Verkehr gegolten haben 
werden. Als Repräfentant der kleinſten Wertheinheit von gulyz Sor 
lidus Tann höchſtens eine Münze zum Gewicht von vielleicht O.2 bis 
0.4 Gramm gedient haben, unb es wird ficher die Ausprägimg fol- 
cher kleinen Münzen felbft äußerſt befchräntt gewefen fein. Daß 
von denfelben fich feine erhalten haben, kann nicht auffallen. Je ge- 
ringer ber Vorrath, defto raſcher die Circulation und alfo auch die 
Abnugung; — und wer hätte in früherer Zeit ein Intereſſe daran 
gehabt, folche abgenutte winzige und an fid) werthlofe Stüde auf 
zubewahren ? 

Aber wie viele Denare wurden dann auf die gewöhnlichen Ku- 
pfermüngen, bie nummi centenionales, geredjnet? Sollte nicht ber 
Name ‘centenionalie’ zu einer Auskunft hierüber Anleitung geben? 
Deutet man den Namen dahin, dag 100 Stück dieſer Münzſorte 
auf ein Pfund Kupfer gerechnet feien, fo würden, bei Annahme von 
25 Pfund Kupfer auf den Solidus, 2500 Stüd, und bei entfpre- 
hender Annahme von 20 Pfund, 2000 Stüd diefer Münze dem So⸗ 
lidus gleich gerechnet fein, was alfo bei einem Courfe von 6000 
Denaren den Werth derfelben in letzterem alle auf 3 Denare ftel- 
[en würde. Wird jedoch der Name ‘centenionalis nummus’ in 
ber Weife erklärt, dag 100 Stüd einer Siliqua („4 Solidus) glei) 
gerechnet wären, jo würde ſich bei einem Courfe von 7200 Denaren 
ebenfalls der Werth von 3 Denaren für die gewöhnliche Kupfer« 
münze ergeben. 

Ungeadhtet der eben erwähnten Momente für eine Werthung 
des nummus centenionalis auf 3 Denare erfcheint uns dennod) 
diefe viel zu gering und die Annahme eines Werths von 5 Denaren 
für denfelben ungleich wahrfcheinlicher. Als man unter Anaftafius 
i. 3. 498 in Conftantinopel anfing ! die verfchiedenen Sorten der 

Nah ber Norm von 25 8 Kupfer auf den Solidus war das Verhäftniß, 
wie oben fchon erwähnt, 1 : 1800, nad ber Norm von 20 8 Kupfer auf 
den Solidus 1 : 1440, fo daß fih hierin eine merfwürdige Gleihmäßigkeit 
der Werthe erhalten bat. 

ı Schon Odovacer hatte eine NAusmünzung von 40 Denarftüden mit 
Werthzahl und dem Bildniß des Kaifer Zeno veranftaltet (ogl. Beiträge zur 
älteren Münzfunde von M. Pinder und J. Friebländer B. I, ©. 131 ff.), 


allein eine fyftematifche Werthbezeichnung ber fermüngen „beginnt erft mit 
Raifer Anaftafius. 





580 


tnepp 
geweien, wird hierdurch ebenjowenig amegeichlofien als bie fpätere 
yrogreffive Verringerung bes Mimzfußes. 

Die jeit dem Regierungsantritt des Honorius bis auf Zeno 
(395—47T) im römifden Reiche veranftaltete mıilnzung 
ſcheint, wie bereits vorhin bemerkt, ungeachtet der vorangegangenen 
Einziehung des fchwereren Supfergeides bei weitem feine fo große 

nung erlangt zu haben wie diejenige der vorangegangenen 

Periode. Zum een Zheil fann man diefe Abnahme der Kupfer: 
ausmlinzungen daraus erflären, daß wirklich das Bedürfniß nad 
folher Münze ſich einfchräntte, weil die früher vorgefommenen fad- 
weiten Umfäge in Kupfergeld nach den Gewichte aufhörten und durd 
vermehrte Goldcirculation erfeßt wurden, und daß außerdem bei den 
furdtbaren Verwüftungen, weldye die Völferwanderung herbeiführte, 
die Bevölferung wie der Verkehr und damit auch der Bedarf an 
Heiner Diünze fi außerordentlich verminderten. Allein fo gering, 
wie man nach dem Berhältnig der erhaltenen Stüde in den 
fabinetten und der hierher gehörigen Munzfunde fchliegen möchte, 
wird die Kupferausmünzung in den legten Zeiten bes weftrömifchen 
Reichs nicht geweien fein. Wir find vielmehr der Anficht, daß die 
jelbe, an und für fich genommen, wenn man nur nicht den Maßitab 
der unmittelbar vorangegangenen Periode mit ihrer enormen Ummaffe 
von ſchlechten Münzſorten anlegt, nicht unbedeutend gewefen fein 
muß und die verhältnigmäßige Seltenheit der hiervon (fo wie auch 
von den gleichzeitigen Silbermünzen) erhaltenen Eremplare ſich ber 
Natur der Sache nach genügend erklären läßt. 

Wenn man nad den hauptfächlichen Quellen und Beftandtheir 
len der Sammlungen alter Münzen forfcht, wird man finden, daß, 
foweit fich genauere Kunde darüber erhalten hat, das Meiſte von den 
römischen Münzen aus dem Auffinden abfichtlih vergrabener Schätze 
berrührt. Bei Billon- und Kupfer- Münzen Tann ein ſolches Ber- 
graben nur ganz ausnahmsweife vorkommen unter der Einwir⸗ 
fung ganz abnormer Münzzuftände, wie folche in den befannten 
eigenthiimlichen Münzwirren und Münzmaßregeln während eines 
Theil der Kaiſerzeit von der Mitte des dritten Jahrhunderts an 
eingetreten find. Ohne diefe Umftände würde ſchwerlich aud nur 
entfernt eine folche Dienge jener Deünzen, insbejondere feit Septimius 
Severus bis Gallienus und aus der Conftantinifchen Periode, erhal: 
ten fein. Die oben mitgetheilte Zufammenftellung von Münzfunden 
in Gallien von der Mitte des vierten bis gegen Ende des fünften 
Sahrhunderts zeigt, daß bis jegt nur Ein Fund, welder eine An» 
zahl fpäterer Kupfermünzen (nach Theodoſius I.) aufweift, befannt 
geworden, nämlich der oben erwähnte von Heerlen bei Maeftricht, ber 
indeß nur eine jehr geringfügige Summe enthielt. Was Hätte auch 
dazu beftimmen können, Kupfermünze auch dann no in Maſſe zu 
vergraben, als Goldfolidi in Menge vorhanden waren, und die Ku⸗ 


581 


pfermünze zu einem ihren innern Werth bedeutend überſteigenden Cours 
cirulirte? Wenn aber feit der Conftantinifchen Periode das Ver⸗ 
graben größerer Summen Kupfergeld aufhörte und dieſes nur als 
Scheidemünze und zu Heineren Zahlungen im gewöhnlichen täglichen 
Verkehr Verwendung fand, fo ift nicht zu verwundern, daß ungeach⸗ 
tet einer urfprünglich fehr beträchtlichen Circulation derjelben, nur 
verhältnißmäffig wenig Ueberrefte davon ſich erhalten haben. Dan muß 
nämlidy dabei in Betracht ziehen, in welcher außerordentlichen Weiſe 
erfahrungsmäßig Scheidemänge ſich bei längerem Umlauf jowohl ab» 
nugt als auch rein verloren geht. ALS z. 3. um das Jahr 1850 
in Frankreich die zu Anfang des Jahrhunderts zum Belauf von 
3,296,932 Francs in Umlauf gejegten und dur Falſchmünzerei 
noch fehr vermehrten 10» Gentimen- Stüde gegen ihren Nennwerth 
wieder eingezogen wurden, ward davon nur eine Summe von etwa 
2 Millionen Francs eingeliefert, was alfo in weniger als 50 Jah⸗ 
ren einen Ausfall von mehr als zwölf Millionen Münzſtücken er 
giebt! Wie gering ift felbft in Sammlungen neuerer Dlünzen die 
vor einigen Sahrhunderten in Unmafjfe und in unzähligen Sorten 
vorhanden gewejene Scheidemünge meiltens vertreten? Sollten nicht 
manche Arten derjelben, troß ihrer vielleicht einft beflagten Ueberfülle, 
fpurlos verfchwunden fein? Wäre das von Honorius bi8 Romulus 
Auguftulus im weitrömifchen Neich gemünzte nnd in Umlauf geſetzte 
Kupfergeld urfprünglich faft eben fo veichlich vorhanden geweſen wie 
die früheren Rupfermünzforten, von denen die Münzfunde uns uns 
zähliche Ueberrefte erhalten haben, jo würde der durch Feine gejegliche 
Einziehung unterbrochene Umlauf während mehrerer Jahrhunderte, 
da lange Zeit hindurch wenig neue Kupfermünze hinzulam, eine ge- 
nügende Erklärung dafür abgeben, daß fich grade von dieſer Miünz- 
orte nur wenige Exemplare bis auf unjere Zeit haben erhalten 
Önnen. 
Bon einigen franzöfifchen Forſchern, die ſich mit der Gefchichte 
des Münzweſens in Frankreich befchäftigt und in Bezug hierauf die 
fortdauernde Circulation des römischen Geldes mit beſonderem Nach⸗ 
drud hervorgehoben haben !, jcheint hierbei vornämlic) an die enor⸗ 


2 GCodet a. B. S. 430: Suivant les numismatistes, notamment MM. 
Fillon et de Petiguy, la monnaie romaine circula seule et exclusivement em 
Europe jusqu’au milien du VIe siöcle. Nous ajouterons que selon os 
faibles lumidres, elle ne fut point deprecid6e par l’apparition de numeraire 
barbare,‘ mais qu’elle continua de circuler en France communement avec la 
monnaie nationale, si non legslement au moins legitimement jusqu’au Xle 
sidelo. — Wir vermiffen weitere Belege für diefe Behauptung, denn ber Um⸗ 
fand, dag noch bis in bie meuefte Zeit vielerwärts öfterer alte römifche Billon: 
und Kupfermünzen vom Landvolk in die Kirchenbeden gelegt werben, ift kein 

cnügender Nachweis für bie lange fortgefegte Circulation jener Müngforten, 
Ponbern eher ein Zeugniß für die Häufigkeit von Münzfunden der betreffenden 
Art. Diefe zahlreihen Funde von Münzſchätzen, bie im britten unb vierten 
Jahrhundert in Gallien vergraben worden, erhalten eine genügenbe Erflärung 
buch den Hinmweid auf bie anhaltenden Bürgerfriege und bie häufig wieder: 
Tehrenden Einfälle und Verwüſtungen feiten® ber Germanen, woburd bie 


682 


men Billon-, PBfendofilber-, und Kupfer-Ansmünzungen in Gallien 
feit der Mitte des dritten bie zur Mitte des vierten 

and deren Nachwirkungen gedacht zu fein. Bis zu einem gewiſſen 
Grade wird man dieſer Anficht eine Berechtigung nicht abfprechen 
fönnen, da auch fonftige Erfahrung es darthut, wie in fehr gro 
fer Dienge und in weitem Kreiſe verbreitet geivefene geringhaltige 
Mimze, aud) wenn fie verrufen worden, doc in einzelnen Berkehrs⸗ 
regionen noch lange Zeit hindurch eine conventionelle Geltung behaup- 
ten kann. Hierauf weifet auch die Thatſache, daß bei der Unter⸗ 
inhifng von alten romanifch-fräntifchen Kirchhöfen aus der mero- 
vingifchen Zeit ſich nicht felten neben fräntifhen Münzen auch Ku- 
pferminzen der römischen Kaifer des dritten Jahrhunderts und ſelbſt 
früherer Zeit vorgefunden haben ’. Es wird dieje fortgefeßte Cir⸗ 
eulation ber älteren römifchen Münzen ſich indeß vornämlid nur 
beim Landvolke erhalten haben, da in den Städten unter der unmit⸗ 
telbaren Aufficht der Behörden die neuen Mimzedicte von 393 uimd 
395 nicht unausgeführt geblieben fein werden. Zu welchem Werthe 
aber dort, wo deren Umlauf fortdauerte, diefe älteren Kupfermünzen 
im Verhältnig zum Solidus gerechnet worden find, darüber fich eine 
beftimmte Meinung zu bilden, fehlt e8 bis jet an jedem pofitiven 
Anhaltspunkt. Doch möchte es nicht eben für unwahrfcheinlich zu 
erachten fein, daß die, früherer Einfchmelzung oder VBergrabung ſowie 
der Einziehung im Jahre 395 entgangenen älteren und fchiwereren 
Kupfermünzen je nach ihrem Gewichte, ohne befonder® fcharfe und 
eonjequente Unterfcheidungen hierbei, ufanzmäßig als da8 Doppelte, 
Bierfache oder Achtfache der feit dem genannten Jahre vorherrfchend 
gewordenen gewöhnlichen Tupfernen Fünfdenarftücen gerechnet worden 
find, alfo zu 10, 20 und 40 Denaren, wie fich ſolche Rechnungs⸗ 
weife auch in Italien und in anderen Gegenden des römifchen Reiche 
ausgebildet haben wird. ‘Denn man darf nad der in foldhen Din- 
gen beinahe überall und immer beobachteten Regel vorausiegen, daß 
die unter den Kaifern Zeno und Anaftafius in Italien wie im oft- 
römifchen Reiche wieder aufgenommene Prägung fchwererer Kupfer: 
münzen zu den eben bemerkten Werthen von 10, 20, (30) und 40 


friedliche und wohlhabende Bevölkerung Galliens in der genannten Zeitperiobe 
mehr als in irgend einem anderen Lande zum VBergraben ihres Geldes hemo- 
gen werben mußte. 

2 Auf der Begräbnißftätte zu Daspich fanden fi in einem und dem⸗ 
felben Sarge neben Kupfermünzen des Honorius auch folhe von Claudius 
Gothicus, Tetricus u. a. — Die Unterfuchung bed alten fränfifhen Kirchhofs 
zu Evermeu förberte außer 5 Heinen merovingifhen und einer Tarolingifchen 
Silbermünze etwa 22 römifche Billon= und Bronce: Münzen zu Tane. Auf 
dem im Sabre 1851 unterfuchte fränkifche Kirchhofe von Lucy fand man außer 
fünf fränkiſchen Gold-Trienten des VII. ober VIII. Jabrhunderts zwei römifche 
Broncemünzen erfter Größe Vgl. Cochet a. B. ©. 421 ff. und beffelben 
Verfafferd La Normandie souterraine ou Notices sur des cimitiöres romains 
et des cimitiöres francs explords en Normandie. 2. ed. Par. 1855. &. 259 
—263. 299—304. 315. 353—363. 399 u. 440. 


583 


Einheiten kleinſter Art ſich an bejtehendes Herkommen möglichſt an« 
geichloifen haben werden. 


8. 3. Geftaltung des Geld- und Münzweiend bei ben Saliſchen Fraulen 
nad) der Eroberung Galliens. 


In den beiden vorhergehenden Paragraphen find die auf das 
Geld⸗ und Munzweſen fich beziehenden DVerhältniffe der Franken vor 
Chlodoveh und fodann in den bis dahin romaniſch gebliebenen Thei⸗ 
len Galliens befprodyen worden. Das Ergebniß unferer Unterfu- 
Hungen und ber darauf begründeten VBermuthungen war im wejent- 
lichen folgendes. Bei den Franken bildeten damals gute Goldfolidi 
nah dem Conſtantiniſchen Munzfuß und ältere römifche Silber- 
Denare das Metaligeld, unter principieller Yernhaltung von Billon⸗ 
und Kupfermünzen; von den fpäter fo häufigen Drittel» Solidi fin- 
den ſich noch Feine Spuren; zwölf jener älteren Denare wurden 
anf den Goldfolidus gerechnet. Im römischen Gallien hingegen be- 
ftand, abgefehen von der mitunter bei größeren Beträgen üblichen 
Rechnungs⸗ und Zahlungsweife nach effectiven Gewichts - Pfunden 
Gold und Silber, die damalige Geldeirculation in Goldfolidi, welche 
theilweife von geringerem eingehalt waren und deshalb niedriger im 
Werthe ftanden; in Silbermünzen, welche die Gold-Siligua darftellen 
follten, indeß bedeutend weniger Metallgehalt hatten, als ihre ur» 
ſprüngliche gefegliche Form verlangte, und die nur in beſchränktem 
Detrage als größere Scheidemüngze, nicht als Courant - Münze, im 
Bertehr vortommen mochten; endlich in leichten Kupfermünzen klein⸗ 
fter Größe, wie foldhe i. 3. 395 beibehalten waren und feitbem 
fparfam geprägt wurden, neben denen noch hier und da die Benu⸗ 
gung älterer Kupfermünzforten als Aushülfe fortdauerte. Den So- 
lidus rechnete man zu 24 Siligquen und zu 6000 oder einer dieſer 
Summe nahe kommenden Zahl Denaren, von welchen außerordentlich 
Kleinen Rechnungseinheiten (die felbft nur äußerft wenig durch bes 
jondere Münzſtücke einzeln repräfentirt wurden) wieder 5 Stüd auf 
die erwähnte gewöhnliche Kupfermünze gingen, fo dag von diefen je 
50 (eventuell 48 oder 60 1.) Stüd einer Siliqua, und je 1200 
(eventuell 1152 oder 1440 :c.) Stüd einem Solidtus an Werth 
gleich kamen. 

Den Goldfolidus hatten alfo beide, die romanifchen Bewohner 
Galliens wie die Franken, als Hauptgrundlage ihres Geldwefens gemein- 
fan. Dagegen war in der Bedeutung des ‘Denars und Binfichtlich 
der Silbermünze bei ihnen eine um fo bedeutendere Divergenz; denn 
erftere verftanden, wie gejagt, unter dem Denar den fünften heil 
einer Kleinen Kupfermünze oder gugn oder felbft „gg Goldfolidug, 
während die Franken die nämlidde Münzbezeihnung, der Sache wie 
dem Namen nad, für den älteren römischen Silber-Denar, und zwar 
zum Werthe von „5 Goldfolidus, beibehalten hatten; welcher Silber- 
Denar von der in den römischen Provinzen damals gebräuchlichen 
Silbermünze, der unegal und mit fehr reducirtem Gehalt ausgemünz⸗ 





fei 

Bei den Oftgothen, den Weſtgothen und den Burgunbern war, 
foweit darüber Kunde vorhanden ift, vor ihrer Niederlafſung in 
den römiſchen Provinzen das Geldweien von demjenigen bei den 
Franken vor Ghlodovedy nicht verſchieden; allein mit der banernben 
Befigergreifung ihrer neuen Reiche, nahmen fie, wie im zweiten Ab⸗ 
fehmitt von uns nachgemwiefen worden, die dort vorgefundenen Münz- 
verhältniffe ohne weitere Veränderung vollftändig an. Sie redjneten 


zu mlnzen begannen, thaten fie dies nicht nur in Rückſicht der 
Goldmünzen, fondern auch des Silber- und Kupfergeldes nach dem 
Münzfyftem, das unmittelbar vor ihrer Ankunft in den eroberten 
Gegenden gegolten hatte und gleichzeitig noch im oftrömifchen Heide 
beobachtet wurde. 

Bei den Franken geftaltete fih die Sade andere. Sie konnten 
unmöglich in den von Chlodovech eroberten Landſtrichen Galliens ihr 
bisheriges Syftem der alten Silber» Denare durchführen, ba es an 
genügendem Borrathe biefer Münzſorte flir folchen Zwed fehlte und 
derfelbe auch nicht in Kürze herzuftellen war, und ba ferner bie 
Maſſe Kupfergeld im täglichen Verkehr einmal vorhanden und in 
den damaligen Zeiten nicht leicht zu befeitigen war. Andererfeits 
mußte es den Salifchen Franken fchon wegen ihrer fortdauernden viel⸗ 
fachen und engen Beziehungen zu den dieſſeits bes Rheins oder auch fonft 
an deifen Ufer verbliebenen germanischen Sämmen, weldye zunächſt feine 
gleiche DVeranlaffung Hatten von dem althergebrachten Herkommen 
hierin abzugehen, nahe liegen, auch nach der Eroberung Galliens die 
Rechnung nad) Silber» Denaren wenigitens in gewiſſer Weife auf⸗ 
recht zu erhalten. Aus diefen gegebenen thatfächlichen Verhältniffen 
und Tendenzen entiwidelte fi nun das eigenthümliche fränfifche Geld⸗ 
weien, welches man in der Lex Salica und darnad im fränfifchen 
Reiche, mit Ausnahme der partitularen Zuftände in den rein ger- 
Ma gebliebenen Ländern defjelben, bis zur Herrfchaft Pippine 
antrifft. 

Der Goldfolidus blieb die Hauptinünzjorte und die allgemeine 
oberfte Rechnungseinheit; indeß kamen bald Drittel-Solidi (Trienten 
oder Tremiffen) immer häufiger vor. Es trat aber an die Stelle 
fowohl der herfümmlichen germanischen Zwölftheilung diefes Solidus 
in römische Silber -Denare als auch der damals in den römifchen 
Provinzen üblichen Berechnung des Solidus zu 24 Giliquen oder 
zu 6000 (oder mehr) Rechnungs» Denaren ein neues Geldſyſtem, 
wonach der Solidus in 40 (fränkische) Denare getheilt wurde. Der 


685 


Grund diefer Theilungs- und Berechnungsweife Tann nur darin ge 
funden werden, daß die Salifchen Franken dem Silbergelde, als 
hauptſächlichen Theilftücten des Solidus und zugleich als einer fub- 
fidiären Courant⸗Münze, nicht entfagen wollten, unb beshafb in ihren 
neuen &roberungen nothwendig die dort im Umlauf befindlichen Sil⸗ 
bermünzen ins Auge faffen mußten, wenn auch der Vorrath davon 
bei der bis dahin überwiegend gemefenen SRupfergeld-Circulation ver⸗ 
bältnigmäßig nicht fehr bedeutend fein mochte. Wir fagen „vers 
bältnigmäßig*, d. h. im Vergleich zur Goldmünze und zum Kupfer- 
gelde; denn wie wenig Exemplare der im fünften Jahrhundert ge- 
prägten Siliquen auch in unferen Sammlungen jebt enthalten find, 
fo mögen doch) damals in Gallien viele hunderttauſend Stüde die: 
fer Mimzſorte im Umlauf gewefen fein. Wie früher bereits er- 
wähnt, läßt fich die vergleichsweife Seltenheit diefer Siliquar⸗Mün⸗ 
zen genügend "dadurch erklären, daß fie, außer auf den Britijchen 
Inſeln, nirgends al8 ein nad) dem effectiven Metallwerth gefchättes 
Courantgeld in größeren Summen vergraben worden zu fein jcheint, 
daß fie, als Scheidemünge circulirend, im Laufe eines oder einiger 
Jahrhunderte völlig abgenust und unkenntlich wurden und fo allmäh- 
ih außer Verkehr fanıen, daß alfo nur einzelne wenige, zeitig ver- 
loren gegangene und wiedergefundene, erfennbar gebliebene Stücke einer 
fo Heinen Münzforte auf die Nachwelt gefommen find. Wie aus 
einer früher vorgelegten UWeberficht zu entnehmen, war das durch⸗ 
fohnittlihe Gewicht der unter den 407 bis 413 in Gallien zur 
Herrfchaft gelangten Kaiſern Eonftantinus III. und Jovinus gepräg- 
ten Silbermünzen 1.40 Gramm, und es wird mit großer Wahr- 
fcheinlichfeit vorausgefegt werden dürfen, daß diefe Kaifer, welche zus 
nächft nur Gallien in Betracht zu ziehen hatten, bei ihren Ausmiln- 
zungen eine folche Norm in Anwendung gebracht haben werden, wie 
fie dort zur damaligen Zeit im gewöhnlichen Verkehr üblich war. 
Und ferner läßt fi in gleicher Weife annehmen, daß e8 gerabe diefe 
und die entfprechenden älteren Münzen waren, welche in der zweiten 
Hälfte des fünften Jahrhunderts in Gallien das gebräuchliche Sil- 
berged bildeten, da fpätere Silberprägungen dort ſehr ſpar⸗ 
fam gewejen fein mögen, und es ſchwer zu beantworten fein dürfte, 
welche fonftige Silbermünze denn möglicher Weife in der erwähnten 
Periode in Gallien circulirt haben Tönne. Die etwa aus Italien 
oder anderen Brovinzen herüberlommende neue Silbermünze war 
damals ähnliher Art, nämlid) ganze Siliquen zum durdhfchnitt- 
lichen Gewicht von ca. 1.30 Gramm (und halbe Siliquen von ca. 
0.65 Gramm) Silber, auf welches durchſchnittliche Gewicht auch bie 
urfprünglich etwas fehwerer ausgemünzten Siliquen des Theodoſius, 
Honorius, Conftantinus ILL, Jovinus u. a. durch die Abnugung in 
der Eirculation mehrerer Yahrzehende inzwifchen rebucirt fein moch⸗ 
ten. Wollten die in Gallien ſich niederlaffenden Franken Theilſtücke 
des Goldfolidus in effectiver Silbermünze für ihr Geldweſen beibe- 
halten, fo blieb ihnen eben nichte anderes übrig, als bie Siliguen 


586 


in der durchfchnittlichen Beſchaffenheit, wie fie diejelben dort vorfan- 
den, als Silbermünzen von etwa 1.20 bis 1.30 Gramm Gewicht 
in ihr Syiten aufzunehmen, da, wie oben jchon bemerkt, ältere rö« 
mifche Silber» Denare in irgend genügender Menge berbeizufchaffen 
unmöglich war; mußte doch felbjt in den deutjchen Ländern die Ab- 
nahme des Vorraths an diejer durch neue Prägung feit lange nicht 
weiter gehaltenen Münzforte immer fühlbarer werden. Cine jelb- 
ftändige ausgedehnte Ausmünzung folder Denare aber vorzunehmen, 
fonnte der Natur der Sache nad) zu Chlodovechs Zeit nicht füglich 
in Trage fommen, und hätte auch ſchwerlich ein ſolcher Verſuch den 
beabfichtigten Zwed in Gallien erreiht. Man hat dabei nicht außer 
Acht zu laffen, daß die Ausprägung von Siliquen zu dem angege⸗ 
benen Gehalt von ungefähr 1.20 bis 1.30 Gramm Silber zu feiner 
Zeit in Eonftantinopel und Stalien, vielleicht auch in Arles unter 
weitgothifcher Herrſchaft, fortdauerte, wenn auch nur ſparſam. Wurde 
aber bei den Franken dieſe Münzforte nicht bloß als Scheidemüngze, 
fondern aud) al8 wirkliche courante Werthmünze neben dem Solidus 
angenommen, in Folge ihrer bisherigen Gewöhnung an Silbergeld, 
fo konnte natürlich eine Berücfichtigung des wirklichen Metaligehaits 
jener Siliquen, im Vergleid) mit dem der bisher bei ihnen allein als 
Silbermünze in Geltung gewejenen älteren römischen Silber-Denare 
nicht unterbleiben. Selbitverftändlich hat man hierbei nicht an genaue 
technifche Ermittlungen zu denfen, wie fie heutigen Tags in folchen 
Fällen nad) dem durchſchnittlichen Gewicht und zugleid dem Feinge⸗ 
halt wirden vorgenommen werden, allein bis auf einen gewifjen 
Punkt wußte man auch bei den Franken den relativen Effectiv-Werth 
verfehiedener Münzforten richtig zu fchägen. Nimmt man uun an, 
daß die älteren römischen Denare von der Art, wie diejelben im 
Grabe Ehilderich® angetroffen worden find, durd den Umlauf nicht 
viel an Gehalt verloren hatten, weil fie im Allgemeinen bei den 
Germanen nad deren früheren wirthichaftlichen Zujtänden mehr als 
Schatz aufbewahrt wurden, als zu Zwecken einer regelmäßigen täg- 
lichen Münzeirculation dienten, und daß neben den feit Nero gepräg- 
ten Denaren ältere fchwerere Stücke diefer Münzſorte noch mit vor« 
fommen, die den Durchfchnittswerth etwas hoben, während dagegen 
die um das Jahr 490 in Gallien umlaufenden Siliqguen im Durch⸗ 
ſchnitt fchwerlid über 1.2 Gramm an Gewicht gehalten Haben wer: 
den (wobei eine ungefähr gleichmäßige Feinheit des Silber für beide 
Münzforten vorausgefegt werden kann, da eine abfichtliche ftärfere Legi⸗ 
rung weder bei der einen noch bei der andern Sorte nachgewiefen ift), 
fo wäre eine Öleichtellung eines Denars mit ungefähr 3 Siliquen (ca. 
3.10 Gramm: ca. 3 X 1.20 Gramm), Silbergehalt gegen Silbergebalt 
gerechnet, durch die thatjächlichen Berhältniffe gerechtfertigt gewefen. 
Wenn nun deffenungeachtet die Franken nicht 36 der alten Siliquen 
und neuen fränfifchen Denare auf den Solidus rechneten, fondern 
deren Werth noch etwas niedriger fegten und 40 diefer Denare 
dem Solidus gleithitellten, jo wird der Grund hauptſächlich wohl 





588 
haben, ofme daß im voraus ein beabfichtigter Plan und beftinmite 
Verordnungen die erfte Urſache dazu geivefen wären. Die Berün- 
derung war fo zu fagen eine der Werthrelation der Edelmetalle und 
dem Verhältniß zum älteren römifhen Tenar entſprechende thatfäd- 
fihe Devalvation der Siliqua von „, auf Z, Solibus. 

Die Fortdauer einer vorwiegenden Kupfermünz⸗ Circnfation im 
gewöhnlichen Verkehr in Gallien wirb durch diefe Veränderung der 
Perechnungsmweife der Silbermlünzen zum Goldfolidns zunächft wenig 
berührt worden fein, und hierbei der Unterſchied gegen früher nur 
darin beftanden haben, daß, wenn bisher 250 Redynungseinheiten 
oder 50 gewöhnliche Heine Kupfermünzen auf die f. g. siliqua auri 
gingen, jest 150 NRechnungseinheiten oder 30 gewöhnliche Kupfer: 
münzen dem fränfifchen ‘Denar gleich gerechnet wurden. 

Wenn man den Namen „Denar“ in Gallien wie fonft im 
römifchen Reich feit mehreren Generationen für die Rechnungseinheit 
Heinjten Betrages, von welcher 5 durch eine leichte Kupfermünze ver: 
treten wurden, gebraucht, dagegen für die bisherige Silbermüngze bie 
Benennung „Siliqua“ gehabt hatte, wodurch eigentlich der 24ſte Theil 
des Solidus bezeichnet wurde, fo konnte natürlich die Webertragumg 
der Bezeichnung „Denar“ auf diefe nämliche, gleichzeitig um 40 
Procent im Werthe devalvirte Silber-Minzforte gewiß nicht Teickt 
und bald allgemeine Geltung erlangen. Und fo bemerfen wir bem 
auch, daß wo Gregor von Tours conrante Stlbermünzen erwähnt, er 
dafür nicht den Ausbrud „Denar“ gebraucht, der in den fräntifchen 
Rechtsbüchern und Verordnungen diefelben regelmäßig bezeichnet, fon- 
dern die Benennung „Argenteus“ !. 

Auf der andern Seite wird man ebenfo wenig voransfegen 
dürfen, daß auch in den älteren Wohnfigen der Salifhen Franken 
auf einmal das ältere, germanifhe Herkommen in Benutung ber 
älteren römifchen Silber-Denare, 12 Stüd auf den Goldfolidus ge- 
rechnet, nun plötzlich und vollftändig befeitigt worden und dafür das 
neue Syſtem der 40 Denare auf den Solidus zur ausschließlichen 
Geltung gelommen fei. Eben weil dieſe Veränderung im Geldweſen 
nicht durch einen einmaligen Akt der Geſetzgebung plötzlich herbeige: 
führt, fondern aus der Praris erwachſen fein wird, kann fie nur im 
Wege eines allmählichen Webergangs die früheren NRechnungsweifen 
verdrängt haben. Auf längere Zortdauer der Benutzung römifcher 
Silber-‘Denare im alten falifchen Lande an der Schelde deutet der 


? Gregorius Tur. de mirac. 8. Martini c. 31. Bei der Unterfchlagung 
eined Triens läßt er ben Betrüger fagen: non amplius venit quam unus 
argenteus. De gloria confess. c. 112 berichtet berfelbe Gregor folgenden 
Vorgang: Igitur do hoc triante vinum comparat, admixtisque aquis iterum 
per argenteos venumdans, duplat pecuniam. Hoc iterum atque iterum 
agit, et tam diu turpis lucri sectator est factus, usque quo centum solidos de 
hoc triante lucraretur. — Es mag bierbei baran erinnert werden, baß bei ben 
Weftgotben, deren Herrfchaft längere Zeit fi aud über das füblihe Gallien 
eritredte, für Silbermüngen die Ausdrüde Siliqua unb eigen euß erwähnt 
werden, nicht aber Denarius. Vgl. db. zweiten Abſchnitt S. 300. 


Umftand, daß man zu Loͤde, nahe bei Aalſt in Oftflandern, in einer 
alten fränkiſchen Grabftätte unmittelbar neben einander einen golde⸗ 
nen Triens von Childebert I. (6511—558) und einen republifanifchen 
Denar gefunden hat!. Auf Belege ſolcher Art, wie vereinzelt fie 
auch erjcheinen mögen, hat man unferer Anficht nad) bei der Beur- 
theilung bes fpeciellen Geld- und Münzweſens einer bejtimmten Be⸗ 
völferung in einem gegebenen Zeitabjchnitt großes Gewicht zu legen, 
da fie einen ebenfo zuverläffigen pofitiven Anhalt zu Schlußfolgerune 
gen geben wie nur irgend ein- gleichzeitiges fchriftliche® Document. 

Wir wenden uns nunmehr zur Crörterung des Geldweſens, 
welches den Werthangaben in der Lex Salica zum Grunde Tiegt, 
und werden hierbei zunächſt mur die „bezüglichen Angaben derfelben 
für fi, möglichft abgefehen von anderweitig vorweg begründeten 
Bermuthungen, ins Auge faflen. 

Eine wefentlihe Veranlaffung zur Aufzeichnung dieſes älteften 
fränfifhen Rechtsbuchs wird gerade durch die Geld- und Münzver- 
hältniffe gegeben fein, indem nad) weiterer Ausdehnung der fränki⸗ 
ſchen Herrſchaft in Gallien das Bedürfniß ſich fühlbar machen 
mußte, die herkommlichen Bußanſätze, welche zum großen Theil den 
Inhalt der pofitiven Nechtsbeftimmungen und der gerichtlichen Thä⸗ 
tigteit bei ben Franken ausmachten, den veränderten Umftänben ges 
mäß in den aufgefommenen neuen Münzwerthen feitzuftellen und 
fchriftlich zu verzeichnen. Blieben auch im Webrigen die eigenthüm⸗ 
fihen germanifchen NRechtsverhältniffe felbjt für die mitten unter ro⸗ 
manifcher Bevölkerung angefiedelten Franken vorläufig no in uns 
veränderter Geltung, fo mußten natürlich doch im Geldweien, wel⸗ 
ches hierbei von größter praftifher Bedeutung war, vor Allen 
Sleihmäßigfeit und feite Normen hergeftellt werden; denn in gewiffen 
Fällen fanden die Beſtimmungen des germanischen Rechts auch auf 
bie nicht-fränkifchen Einwohner Anwendung, und für die wirkliche 
Zahlung der Bußen mußte auf die vorhandenen Zahlmittel Bedacht 
genommen werden. 

Das Geldſyſtem, welches die Lex Salica ſchon in ihrer älte⸗ 
ften und erhaltenen Faſſung aufweifet, die in die Zeit vor der An- 
nahme des Chriſtenthums durch Chlodovech (496) hinaufreicht, iſt 
an ſich ſehr einfah? Die Bußen und fonft noch vorkommende 
Werthangaben werden in Solidi und in Denaren aufgeführt, und 40 
diefer Denare Einem Solidbus gleich gerechnet. Die fpäteren Res 
dactionen haben in dieſer Beziehung feine weitere Abänderung her» 
beigeführt. 

ı Codet a, 8. ©. 424. Joly, Antiquitds celto-german. ct gallo-rom. 
p. 183. — Es ift offenbar berfelbe Fund, der in ber Revue numismatique beige 
2. 8. VI, 70-72 von Hrn Piot befchrieben wird. Es waren darunter brei 
merovingifhe Goldmünzen; den Triens des Chifdebert fand man zwifchen den 
Zähnen des Stelettö; ber Denar war einer der Familie Clodia. Sonſtige 
römische Münzen wurden nicht angetroffen. 

® Wir ridten uns durchweg nad ber Ausgabe ber Lex Salica von 
Merkel (Berlin 1850). 


89* 


590 


Daß fowohl die Solidi wie die Denare, welche bie Lex Salica 
aufführt, wirkliche Münzen, nicht bloße Werthbegriffe, waren, erhellt 
aus Titel XLIV: De reipus, wo es heißt: Et tunc ille, wi 
viduam accipere debet, tres solidos aequos pensantes et di- 
nario habere debet, et tres erunt qui ipsos solidos pensare 
vel probare debent. Unter den Solidi fönnen, wie gegenwärtig 
von Niemandem mehr ernftlich in Zweifel gezogen werden dürfte, 
nur folche Goldmünzen gemeint fein, wie fie unter diefem Namen 
im römischen Reich feit Conftantin I., nad dem Miünzfuß von 72 
Stüd auf das Pfund, ununterbrochen in großer Menge ausgeprägt, 
und wovon, wie wir im erften 8. dieſes Abſchnitts fahen, mehr als 
100 Stüd im Yahre 481 dem fräntiihen Könige Ehilderich I. m 
Tournay mit ins Grab gelegt wurden. Es werben auch bei den 
Tranfen f. g. exagia zur Ermittlung des richtigen Gewichts ber 
Solidi in Gebrauch gewefen und nicht minder die wegen abfichtlicher 
Legirung in Mißkredit ftehenden Arten der Solidi zurückgewieſen 
fein '. Und unter dem gleichzeitig mit den drei Goldfolidi bei ber 
fymbolifhen Handlung vorzuzeigenden Denar wird man, da Nichts 
vorliegt, um eine abweichende Annahme zu begrimbden, dem einfachen 
Wortlaute des Textes nach ebenfalls eine beftimmte Münze zu ver 
ftehen haben, und zwar eine derfelben Art und deſſelben Werths wie 
bie fonft in der Lex Salica erwähnten Denare, alfo ein Meünzftüd, 
das ben vierzigften Theil eines Solidus bdarftelltee Der in ben fa 
fischen Rechtsaufzeichnungen vorkommende Denar ift alfo Tein blos 
ideeller Werth einer gewiljen Zahl Kupfermünze oder eines 
theils des Goldſolidus, ſondern auch eine einzelne beſtimmte Münz- 
forte ?. 

Außer Solidi und Denaren wird in der Lex Salica einige 
Mal der Drittel- Solidus, der ſ. g. Triens, erwähnt. Die Buße 
für ein geftohlenes Lamm wird ſchon in dem älteften Theile der 
Lex auf einen halben „Trians“ beftimmt, dem in runder Summe 
7 Denare (ftatt 6%) gleich gefegt werden 3; und in den fpäteren Zu- 
fägen derfelben (zu XXXVII, 7. 8) wird ebenfall$ der Triens 


ı Man bat öfter feine Verwunderung darüber ausgeſprochen, daß von 
den durch Majorian i. J. 453 und in der Lex Burgundionum verrufenen 
Sorten Solidi (Gallici, quorum aurum minore aestimatione taxatur, — Valen- 
tiniani, Genavenses, Gothü et Ardariciani) gar Feine Eremplare erhalten zu 
fein feinen. Wenn man aber bedenkt, daß fie nicht allein von ben römifchen 
Beamten, ſondern auch von den Burgundern und den Franken zurückgewieſen 
wurden, jo erklärt es ſich leichter, daß diefe Münzforten balb zur Einfchmel: 
zung getrieben werden mußten. 

2 An einem fpäteren Zufaße, LXXV ber Merkelihen Ausgabe, wird 
ebenfalls eines einzelnen Denars bei Entrichtung von Bußen gedacht: Si quis 
ancillae pecus mortuuın excusserit, si pulicella fuerit, 63} solidos culpabilis 
judicetur similiter et dinarium unum. Si vero ancilla cellaria domini sui aut 
genicium tenuerit, 100 solidos et dinarium pro ipsa componat. 

® IV. De furtis ovium. Si quis agnum lactantem furaverit, et ei 
fuerit adprobatum, malb. lammi, hoc est 7 denarios, qui faciunt medio triante, 
eulpabilis judicetur. 


591 


erwähnt, eimmal allein, das andere Dial mit beigefügter Neduction 
auf 13% Denare !, 

In denjenigen Theilen ber Lex Salica, welche al8 die ältefte 
Aufzeichnung anerlannt werben, finden fich bie Bußen faft durchweg 
fowohl in Denaren als auch in Solidi aufgeführt, und zwar regel- 
mäßig in der Weife, daß e8, wo eine Malbergifche Gloffe vorangeht, 
heißt ...... hoc est [3. 8. 600] denarios, qui faciunt soli- 
dos [15]. Dieje Reductionen gehen von den Heinften bis zu den 
größten Bußen, von 7 Denaren bis zu 72000 Denaren, oder von 
4 Solidus bi8 zu 1800 Solidi. Der Stelle, wo bie 7 Denare 
und der Sechstel-Solidus vorlommen, ift eben Erwähnung gefchehen. 
Als fernere Beifpiele mögen dienen: Tit. XI, 2: Si quis porcellum 
furaverit qui sine matre vivere possit, et ei fuerit adproba- 
tum, malb. chrone calcium, hoc est 40 denarios, qui faciunt 
solido uno, culpabilis judicetur; und Tit. XLII: Si quis col- 
lecto contubernio hominem ingenuum in domo sua adsalierit 
et ibi eum occiderit, si in truste dominica fuit ille qui occi- 
sus est, malb. ambistaile, hoc est 72000 dinarios, qui faciunt 
solidos 1800, culpabilis judicetur. 

An einzelnen Stellen auch der älteiten Aufzeihnung (3. 2. 
XXVII, 2 am Schluß, u. LXII, 2) finden ſich freilich die Bu⸗ 
Ben nur in Solidi angegeben, ohne Beifügung der entfprechenden 
Zahl Denare, allein diefer Fälle find fo äußerſt wenige, daß die un- 
terlaffene Beifügung wohl nur als zufälliges Verfehen gleich in den 
erften Abfchriften gelten darf. Wei den fpäteren Zufäten der Lex 
Salica dagegen kommt die Weglaffung der Angabe in Denaren häu⸗ 
fig vor. Fälle aber, wo bei Bußanfägen die Angabe des Betrages 
in Solidi weggelaffen und nur diejenige nach ‘Denaren aufgenommen 
wäre, fcheinen nicht vorzufiegen. Wenn einige wenige Mal Beträge le⸗ 
diglich in Denaren erwähnt werden, fo gejchieht dies nur an Stellen, 
wo von ber Werthbeftunmung einer geftohlenen Sache bie Rede ift ?. 

Es erhebt fih nun vor Allem die Frage: welche der beiden 
parallel Laufenden Werthangaben bei den Bußanfägen als die urſprüng⸗ 
fihen und hauptfächlichen und welche als die abgeleiteten und nad). 
trägfih beigefügten anzufehen fein, — die Anjäte in Solidi oder 
die in Denaren. 

In einer vor Kurzem erfchienenen befonderen Abhandlung 3 des 


ı Mertel a. B. ©. 67: pro quisque jumento triante uno conponat; 
und ©. 86: Et per unum quodque jumentum, quae ille continere consueve- 
rat, triente uno conponat, quod est tertia pars solidi, id est 13 dinarli et 
tertia pars unius dinarii. 

2 Lex Salica XI, 1: Siquis ingenuus foris casa quod valit duo dinarios 
furaverit; XI, 2: Si vero foris casa quod valit 40 dinarios furaverit. — Ent: 
jpredende Angaben in XU, 1 und 2. 

3 Ueber die Miünzverhältniffe in den älteren Mechtsbüchern des fränfi- 
{chen Reis, von ©. Waitz. Göttingen 1861. S. 5ff. — In Rüdfiht vie: 
ler einzelner Punkte ift dasjenige, worin unfere Darlegung mit berjenigen des 


hochverdienten Autors der deutſchen Verfaſſungsgeſchichte wird aut 
der Art und Weife der regelmäßigen Bezeichnung ber Werthe in ber 
Lex Salica (... . denarii, qui faciunt solidos .. ..) ge 
fchloffen, daß die Rechnung nad Denaren die urfprängliche geweſen, 
und dam nur eine Reduction auf Solidi eingetreten ſei, wofür and 
die ziemlich häufig vortommende Buße von 2500 Denaren — 62] 
Solidi fpreche, welche leicht erflärlich erfcheine, wenn man von De 
naren ausgehe, während es etwas Auffallendes habe, wenn ein fol 
her Bruchſatz von vornherein gewählt fein follte, zumal ber Anfeh 
auch nicht in einem beftimmten Verhältnig zu anderen Bußen 
Auch finde die Urfprünglichleit der Bußanfäte in Denaren eim 
Beftätigung in dem merkwürdigen Stüd einiger Handſchriften be 
Lex, welches ‘chunnas überfchrieben ift und in beffen 

Jacob Grimm die deutfhen Worte für die Zahlenangaben ber in 
Denaren angefegten Bußen gefunden hat !. 

Die vorftehende Auffaffung erfcheint uns bei näherer Prüfung 
weder zutreffend noch überhaupt irgend zuläſſig. Wir Halten & 
vielmehr für unzweifelhaft, bag die urfpriinglichen Bußanſätze ber 
Lex Salica nicht in Denaren, fondern durchweg nur in Solibi, 
oder beziehentlih in möglichft einfachen Bruchtheilen des Solidus 
beftimmt waren, daß mithin bei der älteften fhriftlichen Aurfzeichmung 
der Lex Salica die gleichzeitige Angabe der Bußen in Denaren erſi 
neu hinzugekommen iſt, daß diefelbe aus den principalen Anfägen u 
Solidi abgeleitet und mır aus Nüdfichten der praftifchen Zmedmö- 
ßigkeit erfolgt ift. 

Die parallel Laufende Angaben der Bußen in Solidi und un 


geehrten Berfafferd ber ebenerwähnten Abhandlung übereinftimmt, nicht beſon 
ders bemerkt, ebenfo wenig aber auch bie mehrfache Abweichung ber beiderſei⸗ 
tigen Auffaffungen. — Auch mit ben in ber Abhandlung „Die Solidi und 
Denarii der Merovinger” von Grote, in deſſen Münz-Studien, S. 789-858, 
entwidelten Anfichten trifft unfere Darlegung in einigen Stüden zufanımen, 
während fie zugleih in manchen anderen weſentlichen Punkten ebenfo entfcie 
ben ben DBermuthungen bes genannten kundigen Numismatifers entgegen: 
tritt. — Es würde indeß für ben Raum und Zwed bdiefer Beiträge offenbar 
zu weit geführt haben, abgefehen von einzelnen Hauptfragen, auf eine fpecielt 
Erwähnung und Erörterung ſowohl ber Webereinflimmung als auch der Ak: 
weichung ber Anfichten biefer Forſcher von ben unfrigen einzugeben. Wer bie 
serjgjiebenen Auffäge aufmerkfam Tieft, wird die fraglichen Punkte Teicht er: 
ennen. 

» Mit biefer Auffaffung ſtimmt auch Grote in bem eben erwähnten Auf: 
faße überein, indem er bemerkt: „Den Solibuß Iernten bie Franken erſt in 
Gallien kennen, baber ſetzt die Lex Salica bie Sühngelber nach hunderten 
Denaren an, und fügt, als diefe nicht mehr in Sägen, Fondern in Golbftüden 
gezahlt wurden jedem Satze bie Umrechnung auf Ießtere hinzu. Wenn unter 
zwei Geldbeträgen ber eine ber urfprüngliche Anſatz, der andere aber befien 
Umrechnung in eine andere Müngzforte fein muß, ber eine 700 unb ber andere 
173, ober ber eine 2500, der anbere 624 beträgt (Lex Sal. Herold 11 capp. 
13. 17), fo ift e8 wohl außer Zweifel, daß bie 700 und die 2500 Denare der 
—8— Sat, und bie 174 und 623 Solidi nur bie erläuternde Umreqh 
nung find“. 


693 


Denaren findet man nur in ber Lex Salica, nicht in den übrigen 
im meropingifchen Zeitalter aufgezeichneten Rechtsbüchern (den Leges 
Ribuariorum, Alamannorum, Bajuwariorum); in dieſen gefchieht 
die Beftimmung ber Bußen regelmäßig nur in Solidi, ohne beige 
fügte Zahl der Denare. Wenn nun auch feineswegs in Abrede ge 
ftellt wird, daß bei Aufzeichnung diefer anderen Rechtsbücher bie 
Lex Salica theilweife mit benutt worden und von Einfluß gewefen 
ift, fo erfcheint e8 andererfeitS doch unbeftreitbar, daß für die älteften 
Rechtsbücher auch jener Volksſtämme felbitändige Grundlagen in 
dem bis dahin mündlich überlieferten Gewohnheitsrecht gegeben waren, 
und diefes in der Hauptfache zur Geltung kam!. Wären nun für 
die Salifchen Franken die Bußbeftunmungen in Denaren die urfprüngs 
lichen gewejen und die in Solidi erft fpäter durch Reduction aus 
jenen binzugefommen, jo müßte man annehmen, daß bei den Ripu⸗ 
arifchen Franken die Anfäge in Solidi ebenfalls erft fpäter aufge 
fommen und an die Stelle anderer, wenn auch bis dahin nur in 
mündlicher Ueberlieferung aufbewahrter Bußbejtinnnungen nad) Flei= 
nen Wertheinheiten getreten ſeien; denn eine urfprüngliche gemein- 
Schaftliche Grundlage wird gerade in biefen. Dingen vor Allem vor« 
auszufegen fein. Es ift bereits oben nachgewiefen, daß bei den Ri⸗ 
puarifchen Franken die Rechnung nach Denaren, 40 Stüd auf den 
Solidus, nicht im Gebrauch gewejen, fondern baß bei ihnen (wie 
auch bei den Salifchen Franken bis zu Childerichs I. Tode) der Ges 
brauch alter römischer Denare üblich war, von denen nirgends und 
niemals 40 Stüd auf den bekannten Gold-Solidus gerechnet fein 
können. Wäre die Angabe der Bußen in den neuen fränfiichen De⸗ 
naren, 40 auf ben Solidus, die principale Beitimmung gewefen, wo⸗ 
nad) dann die Anfäge in Solidi berechnet wurden, fo müßte noth⸗ 
wendig angenommen werden, daß urfprünglich nod) eine andere Art 
der herkömmlichen Bußbeſtimmungen gegolten babe, die einft den 
verfchiedenen Stämmen gemeinfam gewejen und deren Andenken bei 
den Ripuariern verloren gegangen war. Pirna hätten die Sali⸗ 
chen Franken die Anfäge zunächft in den Tleinen neuen Wertheinheis 
ten berechnet, welche fie nach der Eroberung Galliens annahmen und 


2 Am Prologuß zur Lex Ribuaria etc. heikt es ausdrücklich: [Theodo- 
ricus rex Francorum] jussit conscribere legem Francorum et Alamannorum 
et Bajuwariorum unicuique genti — secundum consuetudinem 
suam. — D. Stobbe, Geſchichte der beutfchen Rechtsquellen I, ©. 59: „Der 
erfte Theil der Lex Ribuaria (tit. 1 bis tit. 31) ift unabhängig von ber Lex 
Salica entflanden. — — — Wenngleih aud In diefem Theile bes Geſetzes 
fih in materieller Beziehung bie Uebereinſtimmung des falifchen unb bes ripu⸗ 
arifchen Volksrechts nicht verfennen Täßt, fo ift doch ein unmittelbarer Einfluß 
des falifhen Volksrechts nirgends zu erkennen und die Bleichheit ber Grund: 
füße aus der Stammverwanbtfchaft zu erklären. Die meiften Säge werben 
altes Gewohnheitsrecht fein“. In demfelben Bude S. 5: „Ohne baß ein un⸗ 
mittelbarer Einfluß einer Rechtsquelle auf die andere angenommen werben 
kann, oder auch nur möglich ift, beftehen bis in die Pleinften Einzelheiten hin⸗ 
ein die merfwürbigften Uebereinſtimmungen, welche bie Einheit des beutfchen 
Netz trok der Mannigfaltigkeit der Particularrechte darlegen”. 


69% 

dieſe fo aufgeftellten Anfäke dann wieder reducirt auf eine Münzforte 
(auf Goldſolidi), welche ſchon längft bei ihnen gang unb gäbe war; 
die anderen Stämme aber hätten bie wrfprünglichen gemeinfchaftlichen 

beftimmungen direct in Solidi übertragen. Man fieht auf ben 
erften Blick, daß die Annahme einer fo weitläufigen und verwidelten 
Brocedur an fich eben nicht als wahrfcheinlich angefehen werben kam. 
Es dürfte vielmehr die hiftorifche Präfınntion fehr laut dafür ſprechen, 
daß, wenn in den älteften Rechtsaufzeihmungen ber verfchiebenen 
deutfchen Stämme die Art und Weife der Berechnung ber Bußen 
weſentlich von einander abweicht, diejenigen, die auf alten germani- 
fhen Boden ſeßhaft geblieben und weniger mit den romaniſchen 
Devölferungen und Zuftänden in Berührung gelommen waren, 
ba8 Aeltere und Urfprüngfiche erhalten haben werden. Was folite 
zu der Annahme führen, daß gerade bei den Saliern, als fie nad 
Ausdehnung ihrer Herrfchaft über eine zahlreiche romanifche Bevölle⸗ 
rung und unter dem unabweisbaren Einfluß der hierdurch 
führten befonderen Zuftände zur fchriftlihen Aufzeichnung ihrer 
Rechtsgewohnheiten und namentlich einer langen Reihe von Bußan⸗ 
fügen fich entfchloffen, diefe Ießteren bereits in großen Summen von 
Denaren bei ihnen üblich geweien feien, und zwar nicht in alten 
römischen Silber-Denaren, wie folche bei den Germanen feit einigen 
Jahrhunderten ſchon befannt und beliebt gewejen waren, fonbern in 
einer neuen Sorte von Denaren, von benen früher als in ber Lex 
Salica nirgends eine Erwähnung geſchieht und von denen dem effer- 
tiven Silbergehalt nad etwa brei Stüde dem Werthe eines alten 
Silber-Denars gleihlommen? 

Die eigenthüümliche Bezeichnung der Bußanfäke in ber Lex 
Salıca in ‘Denaren und Solidi neben einander, während in den 
übrigen alten germanischen Nechtsbüchern nur Solidi angegeben wer: 
den, läßt fih im Zufammenhange mit denjenigen Momenten, welde 
wir in Bezug auf das ältefte deutſche Geldweſen bereits erörtert 
haben, und von dem Geſichtspunkte aus, daß bei ſolchen volfswirth- 
fchaftlichen Verhältniffen zu allen Zeiten die einfachiten und natür» 
lichiten Erflärungen auch die wahrfcheinlichiten find, unferer Anficht 
nad) genügend motiviren. 

Wie Tacitus von den Germanen im Allgemeinen berichtet, 
haben unzweifelhaft auch die Vorfahren der Salifhen Franken in 
ältejter Zeit in ihren Nechtsgewohnheiten die bei DVerlegungen der 
Perfon und des Eigenthums oder jonjtigen dahin gehörigen Verbrechen 
oder Vergehen von dem Schuldigen zu entrichtenden Bußen in einer 
genau bejtimmten Zahl Vieh angefegt gehabt (luitur homicidium 
certo armentorum ac pecorum numero), und zwar muß der 
Natur der Sache nad) die Wertheinheit bei ſolchen Bußanfägen ein 
Stück Vieh von beftimmter Art gewefen fein, welcher Werthbegriff 
als Maßſtab aller fonftigen Schägungen in der älteften Zeit bei 
denen, die das eigentliche Volk bildeten, gewiß faſt ebenfo feftjtand 
und geläufig war wie heutigen Tags der Begriff beftimmter Gelb 


885 


beträge. Wir laſſen e8 hier bahingeftelft, ob biefe Werth- oder Buß⸗ 
Einheit eine gehörnte milchgebende gefunde Kuh geweſen ift, wie im 
älteften norwegifchen und isländifchen Recht, oder ein gewöhnlicher 
zweijähriger Ochfe, wie in anderen Gegenden des flandinapifchen 
Nordens, oder ein Ochſe fonftiger Qualität; wir wollen auch nicht 
weiter auf den Urfprung und die Wbleitung des Wortes „Schilling“, 
wodurd in allen germanifhen Mundarten, fo weit wir wiſſen, bie 
Wertheinheit bei Bußen bezeichnet ober doch jedenfalls das Tateinifche 
Wort „Solidus“ überfeßt wurde, hier wieber eingehen. Auch foll 
die Annahme nicht ausgefchloffen werden, daß, wie man es in der 
Lex Saxonum ! deutlich ausgefprodhen findet, im Fortgang der 
Zeit für gewiffe Klaffen von Bußen ein etwas verfchiedener Werth. 
maßftab zur Anwendung fam, woraus dann allmählich bei den ein- 
zelnen Stämmen Abweihungen bei urſprünglich gleichmäßigen Buß- 
anjägen hervorgehen Tonnten und mußten. 

Welche außerordentliche und plößliche Veränderungen auch fonft 
in den Scidfalen und ben Einrichtungen der germanifchen Völker 
vom erften bis zum fünften Jahrhundert vorangegangen fein mögen, 
eine innige Continuität des ihnen eigenthilmlichen gemeinfamen Rechts 
während diefes Zeitraums wird fchwerfich bezweifelt werben können. 
Die zu 200 Solidi angefegte Buße z. DB. für den Todfchlag eines 
freien Stammgenoffen in den älteften Rechtsbüchern der Salifchen wie 
der Ripuarifchen Franken fteht fiher in ununterbrochenem Zufammen- 
hange mit dem Bußfage in Viehgeld, wie derfelbe zu Tacitus Zeit 
und wahrfcheinfih in noch viel älterer Vorzeit bei den Germanen 
in folchen Fällen üblich gewefen war. ‘Denn wie ift es denkbar, daf 
zu irgend einer Zeit jenes alte Herkommen plötzlich abgefchafft und 
bafür willfürfih ganz neue Werthbeftimmungen für diefe Bußen ans 
geordnet wären? Es verhält fi Hierin mit bem Recht durdaus 
ähnlich wie mit der Sprache, in ber aud Feine plöglichen Verände⸗ 
rungen eintreten, fondern nur eine allmähliche, in den verjchiedenen 
Dialekten fi ziemlich entfprechende Entwicklung ftattfindet. Das 
Strafredht, wie e8 die älteften germanischen Rechtsaufzeichnungen uns 


’ Lex S8axonum Tit. XIX: Solidus est duplex; unus habet duos tre- 
misses, qui est bos anniculus 12 mensium, vel ovis cum agno; alter solidus 
est tres tremisses, i. e. bos 16 mensium. Majori solido aliae compositio- 
nes, minore homicidia componuntur. Daß gerabe bei Tobfchlägen ber gerin- 
gere Solidus („Schilling”) in Anwendung fam, Tann man baraus erflären, 
dag in biefen Fällen bie Anſätze ſchon nad ber Zahl der Schillinge fehr hoch 
waren und gewiß häufig nur mit großer Schwierigkeit von den minder Rei⸗ 
hen angefchafft werben Fonnten; man modte in ſolchem alle durch eine nicht 
fo firenge Schäßung bed als Zahlung berzugebenben Viehs eine Erleichte⸗ 
rung eintreten laffen wollen und das anfänglich ausnahmsweiſe Bewilligte 
mag allmählich allgemeines Herkommen geworben fein. Auch mochte im 
Verlauf der Zeit bei zunehmendem Verfehre die urfprünglice Feſtigkeit und 
Sicherheit des Werthbegriffd beim Viehgelde nach und nach ſich verringern. — 
Man vol. auch Capit. saxon. v. 9. 797 ec. 11: Illud notandum est, quales 
debent solidi esse Baxonum, id est bovem annoticum utrisque sexus aufum- 
nali tempore, sicut in stabulum mittitur, pro uno solido etc. 


596 


vorführen, ift in feinen wefentlichen Grundlagen nicht gemacht, fon- 
dern geworben. Nicht minder muß aber auch bein Geldwefen eines 
Volkes eine gewiffe Continuität angenommen werben; ein plößliches 
Aufgeben ber früheren Werthbegriffe und Annahme eines ganz neuen 
Spftems hierin ohne vermittelnden Uebergang ift nirgenbs nachweis: 
bar und widerftreitet dem natürlichen Verlauf der Dinge. 

So unzweifelhaft e8 durch das Zeugniß des Tacitus und viele 
Münzfunde erwieſen ift, und felbft ohne alle folhe Belege aus 
dem ganzen wirthichaftlichen Zufammenhange gefchloffen werden könnte, 
daß die Germanen feit dem erften Jahrhundert mit dem römischen 
Geldweſen näher befannt geworden und daß große Summen von 
republifanifchen und guten Faiferlihen Denaren nach Deutſchland 
gegangen find, ebenfo ungewiß erfcheint es, in welchem Unifange 
dort, abgejehen vom Grenzverkehr mit den römischen Provinzen, 
damals und in den nächften Jahrhunderten die Geldwirthfchaft in 
Anwendung trat, und ob namentlih ſchon eine ziemlich verbreitete 
Rechnung nach der Wertheinheit der Silberdenare auflam. Die 
verhältnigmäßig gute Confervirung ber aufgefundenen Denare und 
die Vorftellung, die man fi im Allgemeinen von den wirthfchaftlichen 
Zuftänden im alten Germanien macht, fcheinen, wie fchon vorhin 
angedeutet wurde, dafür zu ſprechen, daß bier während ber eriten 
FJahrhunderte unferer Zeitrechnung eine eigentliche Circulation der 
Denare als gewöhnliches Zahlmittel wohl nicht ftattgefunden habe, 
daß die davon erworbenen Vorräthe vielmehr meiftens als Schäge 
ruhig aufbewahrt fein mögen. War dies ber Fall, fo läßt fi um 
fo weniger vorausfegen, daß die herfümmlichen Bußanſätze in Vieh 
damals in entfprecdhende Metallgeldwerthe, in römische Silber: 
Denare, convertirt und nach folcher neuen Berechnung auch meiſtens 
in baarer Münze geleiftet worden fein. Allein felbjt angenommen, 
daß in der erwähnten Periode bei den germanischen Völferfchaften 
am Rhein der Münzumlauf allmählich zur vorwiegenden Geltung 
gelangt fei, fo ift doch Feineswegs wahrjcheinlich, dag nun auch fofort 
eine Convertirung der Bußanfäge nad) Münzwerthen eingetreten fei. 
Vornämlich in ſolchen Dingen ift das Herfommen außerordentlich zähe. 

Eine bemerkenswerthe Analogie für die längere Beibehaltung 
herfömmlicher Bußen in Viehgeld, nachdem fonft Metallgelb im 
Allgemeinen ſchon feit längerer Zeit Eingang gefunden hat, bietet 
die römische Nechtsgefchichte. Daß bei den Römern die Vermögens 
bußen uriprünglich in Rindern und Schafen beftanden, ijt befannt. 
Noch im Yahr 300 der Stadt beftimmte die Lex Aternia Tarpeja 
die maxima multa für fleinere Delicte auf 2 Schafe, für größere 
Delicte auf 30 Ninder!. Als Ergänzung diefer Lex ward dann 24 
Jahre fpäter die Lex Julia Papiria de multarum aestimatione 


1 Cic. de rep. II, 9. 16; Dion. Hal. IX, 27; Plin. h. n. XXXII, 3; 
Festus p. 202: ... posten quam aere signato uti civitas coepit, pecora mul- 
taticia incuria eorrumpebantur ..... facta aestimatio pecoralis multae et 
boves centenis assibus, oves denis aestimatae. 


IR 


beliebt, weil bei der verfrhiebenen Qualität bes Viehs die Multen 
ungleich wurden und es ber Willkür ber Conſuln nicht üiberlaffen 
bleiben follte, ftatt des Viehs eine von ihnen felbft normirte Summe 
Geldes zu fordern; durch dies Gefeg ward das Rind zu 100 und 
das Schaf zu 10 As aeris gravis tarirt '. Erjcheint nicht hier⸗ 
mit völlig analog die Annahme, daß die Germanen ihre altherfümm- 
fihen Bußanſätze in Viehgeld (in Rindern und Schafen, certo 
numero armentorum ac pecorum) aud) dann noch längere Zeit 
beibehielten, nachdem fie das römische Sifbergeld kennen gelernt hat⸗ 
ten, und daß fie erft fpäter zur Umwandlung berfelben in Metall: 
geld ich entfchloffen, als im Fortgang der Zeit und Tebhafterem 
Verkehr, ſowie aud wegen der immer zunehmenden SKriegszüge im 
Auslande, das Bedürfnig nach Geldwirthſchaft ftärfer werben mußte 
und zugleich in der Weltmünze bes Goldfolidus eine bequeme und 
fichere Umrechnung geboten ward! Bei folchen tief in althergebrachte 
Gewohnheiten eines Volle eingreifenden Veränderungen des Geld» 
weſens ift immer bie Hauptfache, einen möglichit einfachen und nahe: 
liegenden Maßitab in Anwendung zu bringen. Und wie bei den 
Römern die Umwandlung eines Rind-Werthes in 100 As und eines 
Schaf» Werthes in 10 As diefen Zweck beftens erfüllte, jo bei den 
Germanen die Subftituirung des Goldfolidus an die Stelle ihrer 
bisherigen in Viehwerth ausgedrücten Yußeinheit (Schilling ?). In 
beiden Fällen wird man nicht plötlich und wilffürlih auf diefe Ver⸗ 
änderung verfallen fein, noch aud) wird man daran gedacht haben, 
zuvor für eine Reihe von Jahren den genauen Durchſchnittswerth 
der früheren NRechnungseinheit im Verhältniß zum neuen Geldwerthe 
forgfam zu ermitteln, fondern nach allgemeiner zutreffender Schätung 
wird die Taxe fich gleihfam von felbft in runder Summe feftgeftellt 
und dann gefetliche Anerkennung gefunden haben. Wir müffen hier 
des Zufammenhangs wegen daran erinnern, was im erften Abfchuitte 
ausführlicher erörtert worden, daß in mehreren altgermanifchen Rechts⸗ 
aufzeichnungen der Werth einer Kuh von näher beftinnmter Art ge- 
rade einem Solidus gleichgerechnet wird ?, und daß in den flandina- 
viſchen Rechtsgewohnheiten gewiffe Bußen noch lange Zeit hindurch 
in Kuhwerthen (kugildi) angegeben wurden, fowie aud) auf die 
oben angeführte Stelle der Lex Saxonum Bezug genommen werden 
darf. Die ungefähre Werthgleichheit der früher in Viehwerthen 
ausgedrücdten Bußeinheiten mit dem Golbjolidus, die allgemeine 
freiwillige Anerkennung biefer neuen, in großen Summen ausgepräg- 
ten römifhen Münzforte im Weltverfehr, der reichliche Abfluß der- 
jelben zu den germanischen Völkerſchaften an allen Grenzen des 

2 Cic. de rep. I, 85; Livius IV, 30; Festus 202. 207 u.a. Qpl- 
L. Lange, Römifche Altertbümer I, 456 f. 

2 LexRibuaria tit. XXXVI: vaccam cornutam videntem et sanaım pro unn 
solido tribust. Lex Burg. tit. 1V, 1: pro vacca soi 1. Lex Alnın. Illuth, 
tit. LXXVII, 3: vacca sequenterlana solidum unum. — Kuglidi nad altem 


iSländifchen Recht ber Werth einer Kuh, bie drei bis zehn Jahre alt, tranlählg, 
mifchen), gehrut und fehlerfrei IR die ven Jahre ali, tregſahig 


598 


Reihe — alle diefe zufammentreffenden Umftände mußten die allge 
meine Annahme der Münzrechnung auch für die Anfähe des Straf: 
rechts bet den Germanen außerordentlid erleichtern. Man Tann 
daher ſich darüber nicht eben wundern, daß ſämmtliche mit den rö- 
mifchen Provinzen in nähere Berührung gelommene deutſche Stämme 
wie nach ſtillſchweigender Uebereinkunft gleihmäßig und meiftens 
wohl ziemlich um diefelbe Zeit zu der Rechnung nad Goldfolidi 
übergingen und dann bei fchriftliher Aufzeichnung ihrer Rechtsge⸗ 
wohnheiten hierin die Werthangabe machten, — Saliſche und Ripuari⸗ 
Ihe Franken, Alamannen, Bayern, Burgunder, Oftgothen, Weftgo- 
then und Langobarden. Es bedurfte bei einem folchen Uebergange 
gar feiner Umrechnung, jondern die bisherige Zahl der Werth-Ein- 
heiten für die verfchiedenen Bußen wurde ohne Weiteres beibehalten. 
Nur fo läßt fich ohne befondere Schwierigkeit erffären, wie die Buf- 
anfäge für manche Fälle in verjchiebenen der älteften Rechtsaufzeich⸗ 
nungen auffallend übereinftimmen. Dieſe Uebereinftimmung Tann 
ebenfowenig als zufällig angefehen werden als hervorgegangen aus 
einer reinen Uebertragung aus dem Rechtsbuche des einen Volks⸗ 
ſtammes in diejenigen der anderen. Wollte man annehmen, daß bie 
Germanen ſchon vor dem Aufkommen der Goldfolidi feit etwa ber 
Mitte des vierten Jahrhunderts ihre herkömmlichen in Viehgeld aus⸗ 
gedrückten Bußbeftimmungen in Anfüte nach Metallgeld, alfo in 
Silber⸗Denare convertirt hätten, welche mündlich überlieferten neuen 
Anfäge dann zu Ende des fünften oder im Laufe bes fechiten Jahr⸗ 
hundert8 wiederum nad dem Münzfuße des Goldfolidus umgerechnet 
und abgeändert wären, fo müßten ſich doc wohl gewifje Anzeichen 
und noch erkennbare Spuren eines ſolchen Vorganges erhalten haben, 
was durchaus nicht der Fall zu fein fcheint. 

Aber auch die Möglichkeit einer folchen Entwidlung zugegeben, 
fo müßten in dem alle, daß die Bußbeftimmungen der Lex Salica 
während des Zeitraums vom zweiten bis zum vierten Jahrhundert 
in Denaren feftgeftellt und fpäter nur nebenbei zur Erläuterung zu⸗ 
gleich in den entfprechenden Werthen in Solidi verzeichnet worden 
wären, ſolche Denare offenbar die alten römifchen Silberdenare ge: 
weien fein, zwölf auf den Solidus, nicht aber die erft von den Sa- 
tifchen Franken gegen Ende des fünften Jahrhunderts eingeführten 
fränlifchen Denare, von melden vierzig einem Solidus gleich 
waren! Die Salifhen Franken haben höchſt wahrfcheinfich bereits 
längere Zeit vor Childerihs I. Tod (481), da, wie auch der Münz⸗ 
fund im Zournayer Königsgrabe darthut, Goldſolidi bei ihnen reich- 
ih vorfamen, die älteren Bußbeftimmungen in Wertheinheiten des 
Goldfolidus übertragen und bie Zahlungen darnad) berechnet und 
großentheil8 geleijtet, ehe noch die Lex Salica aufgezeichnet wurde. 
ALS nun Gallien von ihnen befegt wurde und aus den oben ent- 
widelten Gründen unter der Einwirkung ber dort beftehenden Münz- 
verhältniffe das Geldſyſtem der Vierzigtheilung des Solidus ſich aus- 
bildete, wobei in den romanifchen Gegenden Galliens die Zahlungen 





600 


zu fagen fundamentalen Bußanſätze findet fi eine runde Zahl von 
Solidi angegeben, wie 3. B. bie der Hauptanfäte zu 15, 60, 100, 
200 und 600 Solidi, wo diefe fih auf den erjten Blick als alt- 
bergebrachte einfache Beitimmungen Tund geben, wie dem auch ges 
rade diefe Anfäge in der Lex Ribuaria vorwalten, während in 
biefer von Anfägen zu 624 Solidi nichts vorkommt. Neben jenen 
mögen dann manche andere Anjäte fpäteren Urſprungs fein, begrin- 
bet durch den Ausfpruch der Rechtsverftändigen, welche die Aufzeich- 
nung leiteten, und hierbei fann dann allerdings mit Rückſicht auf 
die in Gallien übliche Zahlungsweife mehr auf die runden Summen 
in Hunderten von Denaren als auf runde Summen in Solidi ge 
feben fein; allein deshalb kann man doch gewiß nicht die DBeftim- 
mung nad) Denaren nun überhaupt als das Urfprünglide und Prin⸗ 
cipale hinſtellen, wenn fich dafür fein Zufanımenhang mit den frü- 
heren Zuſtänden nachweiſen oder nur wahrfcheinlih machen läßt. 
Auch erfcheinen, wenn man auf biefen Umftand befonderes Gewicht 
legen will, 624 Solidi feineswegs als eine jo ganz anomale Zahl im 
übrigen Syſtem der Bußanſätze der Lex Salica, denn es find fünf 
Achtel vom Hundert oder 50 mit Zufchlag eines Viertels. Weit 
nachdrücklicher fpricht der oben ſchon erwähnte Bußſatz von einem 
halben Triens und 7 Denaren und in den fpäteren Nachträgen ber 
Anſatz eines ganzen Triens, dem 134 Denaren gleichgeftellt werben, 
für die principale Geltung des Solidus und die fubjidiäre Einſchal⸗ 
tung der neuen ‘Denar- Rechnung fpeciell im Salifchen Rechtsbuche. 
Und was die ‘chunnas’ betrifft, fo ift dem entgegenzuitellen, daß meh- 
rere andere Anhänge zur Lex Salica, welche die verfchiedenen Buß—⸗ 
anſätze ebenfall8 in Zahlengruppen zuſammenſtellen, ausjchließlich nur 
die Solidus- Rechnung berüdfichtigt haben. Beiderlei Ueberſichten 
find erft nachträglich angefertigt worden, und fönnen deshalb weber 
die Priorität der ‘Denare noch die der Solidi beweifen. 


8, 4. Ueber die unter den Merovingern geprägten Münzen. 


Die meropingifchen Münzen hatten bis vor etwa 25 oder 30 
Jahren fowohl in den Münztabinetten wie auch in der numisma⸗ 
tifchen Literatur außerordentlich geringe Beachtung gefunden, was 
natürlich dazu beitrug, auch in den früheren ſtaats⸗ und rechtsge⸗ 
Tchichtlichen Schriften über die fränkische Periode, fo oft darin das 
Geldweſen mit in Betracht fam, die wunderlichſten Vorausſetzungen 
und Irrthümer zu erhalten. Was Bouteroue, Leblanc und Eccard 
über das ältere fränkiſche Münzmefen zufammengeftellt hatten, war 
höchſt unvolljtändig und theilweife ganz unzuverläffig, und die treff- 
lichen „Kritifchen Beiträge zur Münzkunde des Mittelalters“ von 
Mader (1803 ff.) berührten daflelbe nur beiläufig. Erſt mit J. Les 
lewel und €. Cartier, in den Jahren 1835 und 1836, beginnt in 
Frankreich und Belgien eine ebenfo umfafjende wie gründliche Unter: 
fuchung der meropingifchen Münzen und der fich hieran knüpfenden 


601 


ragen, welche dort feitdem mit dem größten Eifer und ber viel⸗ 
feitigften Betheiligung ohne Unterbrechung fortgedauert und eine 
zahlreiche Literatur zu Tage gefördert hat!. 

Es würde ebenfo wenig dem Zwecke diefer Beiträge wie unfe 
ren Kräften entſprechen, bier eine felbftändige und ausführliche 
numismatifche Erörterung zu verfuchen. Unſere Aufgabe befchränkt 
fi) darauf, die in volfswirthichaftlicher Hinficht beachtenswerth er⸗ 
fcheinenden Hauptfächlichen Ergebnifjfe der bisherigen Ermittlungen zu 
prüfen ımd hieraus für die allgemeine Entwidelung bes deutjchen 
Geld» und Münzweſens Schlußfolgerungen zu ziehen. Es muß dies 
mit befonderer Rückficht darauf gefchehen, daß die merovingifchen 
Miünzverhältniffe den Charakter einer Uebergangsperiode haben, indem 
fie allmählih von dem römischen Geld- und Münzweſen zu dem ka⸗ 
rolingifchen Geld- und Münzweſen, diefer Grundlage der ganzen 
fpäteren Entwidelung auf diefem Gebiete, binüberleiten. Wie bie 
ülteften uns befannten fräntifchen Münzen mit nationaler Bezeich⸗ 
nung, — die Goldfolidi des Königs Theodebert I. — nod) in jeder 
Beziehung mit den Münzen derfelben Art, welche gleichzeitig die oſt⸗ 
römischen Kaifer prägen ließen, übereinftimmen, fo zeigen fich gegen 
den Schluß der mierovingifchen Periode die damals gemünzten Sil- 
ber-Denare als nicht minder entfprechende Vorläufer des von Pipin 
—* eingeführten neuen Münzſyſtems auf Grund der Silber⸗ 
währung. 


Goldmünzen. 


Man kennt gegenwärtig wohl etwa 1300 bis 1400 verſchiedene 
Typen merovingiſcher Goldmünzen. Der bei weitem größte Theil 
dieſer Münzen beſteht in Drittel-Solidi oder ſ. g. Trienten. Ganze 
Solidi ſind verhältnißmäßig wenige vorhanden; fränkiſche halbe Solidi 
giebt es gar nicht. Im Allgemeinen kann man die merovingiſchen 
Goldmünzen, wenn man zunächſt nur die äußere Bezeichnung derſel⸗ 
ben durch die darauf geprägte Schrift in Betracht zieht, in folgende 
Klaſſen eintheilen ?: 

1. Münzen, auf denen noch die Namen der oftrömifchen Kai⸗ 
fer fich finden, die aber fonft durch ausdrüdliche Bezeichnung ihren 
fränfifhen Urfprung darthun. 

2 Die im Anbange mitgetheilte Anmerfung II. giebt eine Weberficht biefer 
Literatur, bei ber wir möglichfte Vollftändigfeit in Betreff aller irgend beach⸗ 
tenswerthen Grörterungen über das merovingifhe Münzweſen erftrebt haben. 
Ein folder Nachweis —* uns um ſo mehr von Intereſſe, als die Zeit⸗ 
ſchriften und Monographien, welche hier vorzugsweiſe in Betracht kommen, in 
Deutſchland meiſt weniger verbreitet oder bekannt ſind, weil ferner die chro⸗ 
nologiſche Reihefolge der Schriften und Aufſätze den Gang, ben bie Unter: 
fuhung bisher genommen hat, veranfhaulidt, und endlich mande ber kleinen 
numigmatifhen Abhandlungen auch über fonftige wichtige gefchichtliche Verhält⸗ 
niffe Aufklärung verſchaffen. 

Faſt ſämmtliche merovingiſche Goldmünzen zeigen auf ber Haupiſeite 
ein Bruſibild oder einen Kopf, deren Darſtellung in einigen Füllen durd) das 
lange Haar offenbar an bie fränfifhen Könige erinnern fol. 


602 


2. Münzen, welche ben Namen eines fränfifchen Königs tra 
gen, und außerdem entweder den gewöhnliche Never der damaligen 
oftrömifchen Goldmünzen Victoria Augustorum, oder den Namen 
eines Münzers, oder eines Ortes, und verfchiedene Embleme. 

3. Münzen, die eine fpecielle fachliche Beitimmung in ber 
Aufichrift fundgeben, wie moneta palati, racio fisci, racio eccle- 
siae, racio basilici Sci Martini u. dgl., und daneben den Namen 
bes Münzers und Orts. 

4. Münzen, die nur den Namen eines Münzers tragen mit 
Angabe des Drts der Prägung. 

Die merovingifchen Münzen tragen keine Jahreszahl, und aud 
bei denen, welche den Namen eines Königs aufweilen, läßt fich aus 
diefer Bezeichnung an fich noch nicht erfehen, welchem unter mehre⸗ 
ren gleichnamigen Königen fie angehören. Dagegen machen bei den 
meiften der letzteren Münzen mehrfache andere Anzeichen dies höchſt 
wahrjcheinlih und ſelbſt jo gut wie gewiß, und auf ſolche Weife hat 
man einen Anhalt zur Zeitbeftimmung dieſer Münzen mit Königs⸗ 
namen und durch die fo begründete oder beförberte Kenntniß des 
fucceffiven Style der Typen eine weitere Anleitung für die ungefähre 
Zeitbeftimmung anderer merovingifcher Goldmünzen gewonnen. 

Es ift in hohem Grabe wahrjcheinlih, daß unter König Chlo- 
dovech I. und feinen nächften Nachfolgern in den Münzſtätten des 
fräntifchen Reichs zahlreiche Goldmünzen mit den Typen ber bama- 
ligen oftrömifchen Kaifer, von Anaftafius bis auf Mauritius, geprägt 
worden find. Eine ziemliche Anzahl folcher Münzen ift uns erbal- 
ten worden. Bei den meiſten berfelben ift der ſ. g. barbarifche Ur- 
fprung nur durch die fchlechtere Prägung und durd die mehr ober 
minder corrumpirten Namen und fonftigen Umfchriften, nicht aber 
durch befondere Bezeichnungen zu erkennen. Es bleibt daher bei 
folhen Münzen ungewiß, wo und wann fie geprägt find, zumal bie 
Annahme nicht ausgefchloffen ift, daß bei derartigen Ausmiünzungen 
mitunter die Typen früherer Kaifer noch längere Zeit nach bern 
Tode beibehalten wurden. Solche Nachbildungen haben un oftgothi- 
chen, im burgumdifchen und fräntifchen Reiche ftattgefunden. Ebenſo 
ift e8 ungewiß, ob die Ausmünzung folcher nachgeahmter oftrömifcher 
Kaifermünzen durch Münzen oder Münzgenoſſenſchaften für eigene 
Rechnung ohne weitere Sanction gefchah, oder auf Anlaß oder dod) 
mit Genehmigung der germanifchen Landesherren. Die zuerft von 
Lenormant I geäußerte und von Anderen angenommene Vermuthung, 
daß die von ihm zu Anfang und am Schluſſe der Umſchriften meh 
rerer barbarifcher Nachbildungen von Münzen des Anaftafius be- 
merften Buchftaben CO abfichtlich beigefügt feien und Chlodoveus 
Consul bedeuteten, und ähnliche Deutungen einzelner Buchftaben 
können ſchwerlich als hinlänglich begründet gelten, wenn man die auf 

1 Lettres &M. de Saulcy sur les plus anciens monuments numismatiques 


de la serie merovingienne, Rev. numism. fr. 1848. p. 106—131. 181 — 313; 
1849. p. 17—89; 1854. p. 257— 274. 


608 


ben meiften biefer Münzen fich Tundgebende Flüchtigkeit und Unwiſ⸗ 
fenheit der copirenden Stempelfchneider in Betracht zieht. Bead)- 
tung verdient e8 übrigens, daß unter den zu Domburg auf ber 
Inſel Walchern gefundenen Münzen nebſt zahlreichen merovingifchen 
ZTrientes mehrere diefer barbarifchen Münzen mit roh imitirten 
römifchen Kaifer-Namen und Typen angetroffen find, was für den 
fränkiſchen Urfprung derfelben ſpricht ?. 

Einige erhaltene Exemplare diefer Miünzforte befunden übrigens 
durch ausdrückliche Bezeichnungen ihre fränfifche Herkunft und neh- 
men als Mittelglieder zwifchen dem römischen und dem fpäteren, ſich 
jelbftändiger entwidelnden fränkiſchen Münzwejen fowie wegen an⸗ 
derer fih an fie fnüpfenden ragen ein befonderes Intereſſe in An- 
fprud. Wir heben aus diefen Münzen folgende hervor. 











| Beſchreibung der Münzen %, wi Beſchrieben. 
Gr. | 
1|INıY IIVINI (CO?) Brb. v. 1.46 |Macard a.®. I, 
&o. V. MET FIT. Bictoria; Abf, CONOC ©. 18. 


Zu Domburg gefunden. 

M. Tieft auf der Hptſ. D. n. Justini, neben welchem 
Namen er noch (O zu erfennen meint, wofür er Le- 
normants Bermuthung annimmt. Die Aufichrift des 
Reverſes wird als Angabe der Münzftätte Met gedentet. 


2 TREVERIS CIVITATE. Brb. v. 1.14 |Macar6 a. B. 
Av. VICTURI AAGSTR. Engel v. v.; Abf. VV S. 16. 
Zu Zrier geprägt. 


3|D N S IUSTINIANUS. Brb, r.; dabei LVG 1.49 | Fillon a. 8. 
Ro. VICTURIA AUGTORV. Engel v. v.; Abſ. CON &4. 
In yon geprägt. 
4!D N S IUSTINIANUS. Brb. r.; dabei L 1.49 | Fillon Rev. 
f. DEOFICINAMARET. Monog.; darüber ein Kreuz. num. f. 1844. 
L wird die Münzftätte Lyon bedeuten. | ©. 199.3 


ı C. A. Rethaan Macaré. Verhandeling over de bij Domburg 
gevondene romeinsche, frankische, brittannische, noordsche en andere 
Munten etc. Middelburg 1838. Derielbe. Tweede Verhandeling over de 
bij Domburg gevonden romeinsche, frankische, brittannische en andere 
munten. Middelburg 1856. 

2 Abkürzungen: 8. r. — Kopf rechts hin gewendet; — K. I. = Kopf 
inte Hin; Brb. v. —= Bruftbild von vorne; — Brb. r. — Bruftbild rechts 
Bin; — Brb. I. = Bruftbild Tinte Hin; — Eng. = Engel (meift ſtehend und 
ein langes Kreuz haltend); — Bit. — Bictoria ; — fr. = Kay; — Ank.⸗ 
Kr. = Kreuz mit Anker; — und. = undentlihe Schrift; — Rp, — Revers; 
— Abſ. = im Abfchnitt. 

: Das Monogramm auf den beiden intereffanten Münzen 4 und 5 ift von 
Senkler (Rev. numism. fr. 1848. ©. 78 al® Dominus Noster ELDE bertus ge 
deutet und diefe Deutimg von Anderen gebilligt worden. Der erfte Herausgeber 
derfelben Fillon Hatte darin nur die Yuchftaben LNES erfaunt. Lenormant 
(Rev. num. fr. 1854. p. 333) Tieft da8 Monogramm (j’y lis en toutes 
lettres) VIENNENSIS ECCLESIA (!). Daffelbe Monogramm fcheint fi im 
Kleinen auch auf einem andern von Fillon (I, Nr. 14) herausgegebenen imitir- 

\ 


L 40 


604 


Veſchreibung der Münzen, wige| Beidhriehen. 
——— na] 
Gr. 
6|DNNS D. ... VIM I (?). Brb. r. 1.38 |Fillon, Lettres 
Av. DEOFICINAMARET. Monogramm wie bei Nr. 4. etc. ©. 50. 
6|D N JUSTINUS PF AUG. Brb. r. 1.88 | Fillon a. 8. 
Rev. VICTORIA AUITORUMA. Sreuz auf einer Kugel; &..4. 
dab. MA u. VII; Ab. CONOB 
7|.. JUSTINUS P. Brb. r. 1.35 | Fillon a. B. 
Av. VICTOR ..... RUM. Kreuz aufeiner Kugel; dab. ©. 58. 
CG u. VO; Abſ. MON 
8ID N MAURICIUS P P AU. Brb. r. 1.85 |Rev. num. fr. 
Av. VIENNA DE OFFICINA LAURENTI. Chriema; 1854. ©.316f. 
dabei A u. 2 | u. Berl. Müngl. 


Bon mehreren anderen fräntifhen Münzen mit dem Namen des 
Kaiſers Mauritius wird unten noch befonders die Rebe fein, wer: 
halb wir fie Hier nicht weiter behandeln. 

Den vorjtehend angeführten Nachbildungen byzantinifcher Kai- 
- fermünzen, beren fräntifcher Urfprung durch die eine oder ander 
Bezeichnung ſich direct fund giebt, laſſen wir kurz einige Gewichte 
angaben über mehrere ähnliche Münzen folgen, bei denen, wenn aud 
eine directe Bezeichnung fehlt, der nämliche fränkifche Urfprung dem 
ganzen Typus nad mehr als wahrſcheinlich ift '. 

Nachbildung eines Triene des Anastasius, Fillon. a. 8. S. 69. 1.33 Gr. 
desgl desgl. Rey. num. belg.3.. VI,&. 16.1.40 „ 


(Hr. Namur bemerkt dabei, daß der Feingehalt ſei). 
Nachbildung einer Münze des Justinianus, Fillon. a. B. &. 48, 


146 „ 
desgl. desgl. Macarö a. B. ©. 16. 1.46, 
desgl. desgl. Macaré a. B. ©. 17. 1.35 „ 
desgl. desgl. Rev. num. belg. 3.s. VI, S. 21. 1.50. 
(Hr. Namur bemerkt dabei, daß der Feingehalt dieſer Münze „30, ſei). 


Nachbildung eines Triens des Justinianus, Rev.num.belg.3.5.V1,S.19.1.12 „ 
(Der Feingehalt von Hrn Namur auf „6% angegeben). 
Nachbildung einer Münze des Justinus, Fillon. a. B. ©. 58 1.33 „ 

Die hauptſächlichen Ergebnijfe aus den vorftehenden Zufammen- 
ftelflungen dürften folgende fein. 


ten Triens des Juftinian an der Hand der Bictoria zu finden. Es wäre von 
großem Intereffe eine einleuchtende Erflärung diefes Monogramm zu erhalten, 
denn weder die von Lenormant noch auch die von Senkler befriedigen; letztert 
deshalb nicht, weil das ungzmeifelhafte Monogramın von König Childebert 
(ELDEBERT) auf einer von Longperier edirten Münze (Collection Rousseau 
Nr. 88) von dem in Rede flehenden ganz verjchieden if. — 

Bemerfenswerth ift ferner, daß ein Triens im Berliner Münzfabinet, wel: 
her auf dem Reverſe ebenfall8 die Bezeichnung hat DE OFCINA MARET 
und das nämliche Monogramm wie die oben unter Nr. 4 und 5 aufgeführten 
Münzen, auf der Hauptſeite nicht den Namen des Justinianus führt, wie jene 
beiden, fondern D N MAVRITIVS. Diefer Triens bat ein Gewicht von nur 
1.25 Gramm. 

ı Lenormant bat in feinen vorbin angeführten Auffägen noch eine große 
Zahl folcher barbariiher Imitationen von Trienten des Anaflafius und Zuftr 
nian beichrieben; es fehlen dabei aber die Gewichteangaben, 


605 


1. Die Nachbildung der oftrömifchen Goldmünzen mit Namen 
und Typen der Kaifer von Anaftafins an bis Mauritus hat in den 
fränfifhen Münzftätten längere Zeit gedauert, namentlich noch nach 
‚ber Zeit, als Theodebert I. jchon begonnen hatte, unter eigenem 
Namen Gold zu mlnzen. 

2. Die Nachbildung gefchah meiſtens in fehr roher Weife und 
mit auffallender Corrumpirung der copirten Schrift und Typen. 

3. Die erhaltenen zahlreihen Exemplare folder Münzen und 
ihre große BVerfchiedenheit Täßt abnehmen, daß diefe Ausmünzungen 
in großer Ausdehnung und vielerwärts betrieben wurden. 

. Die Ausmünzung war außerordentlich ungleih, ſowohl 
binfichtlich des Gewichts wie des Feingehalts. Bei einzelnen Stüden 
mag das fehr leichte Gewicht Folge der Abnugung oder Beſchädigung 
fein; allein felbft wenn dies zugegeben wird, jo werden immer nod) 
Fälle bleiben, wo eine abſichtlich unreelle Ausmünzung nicht zu be- 
zweifeln, über die man freilich bei folchen bloß nachgeahmten Mün⸗ 
zen fich nicht eben wundern Tann. 

5. Einige ber Privat-Münzanftalten blieben ziemlich lange in 
Wirkfamkeit, wie die vermuthlich in Lyon thätige Officina Maret 
Münzen mit Namen des Yujtinian wie des Mauritius geprägt hat. 

6. Im Ganzen genommen zeigen die Nachbildungen der Ana» 
ftafius- und AYuftinianus-Trientes im Gewicht eine Beobachtung des 
zu Conjtantinopel fortwährend in Geltung gebliebenen conjtantinifchen 
Münzfußes von „5, Pfund fir den Solidus, während die nachgebil« 
beten Zrientes des Yuftinus II. und des Mauritius nad einem er⸗ 
heblich leichteren Münzfuß, von dem fpäter die Rede fein wird, ges 
prägt find. 

Selbjtändige fränfifche Ausmünzungen, wobei der Name des 
römischen Kaiſers von der Münze verfchwand, lafjen fich vor Theo⸗ 
bobert I. (538—548) nicht nachweifen, und liegt aud fein Grund 
vor, eine ſolche Ausmünzung diefes Könige vor dem Zeitpunkt 
zu fegen, wo Kaifer Juſtinian die Befignahme der früher den Djt- 
gothen unterworfen gewejenen Theile des füdlichen Frankreichs be⸗ 
ftätigt hatte (um das Jahr 542), bei welcher Gelegenheit der Ge: 
ſchichtsſchreiber Brocopius ausdrüdlich der Anfänge eigener fränkifchen 
Goldprägungen gedenkt. Diefer Autor bemerkt hierüber, nachdem 
er unmittelbar vorher berichtet hat, daß der Kaifer jene Beltätigung 
erklärt habe, um nicht mit den Franken in einen Krieg verwidelt 
zu werden, und daß andererfeits die Franken jenen Beſitz nicht für 
ficher angefehen hätten, fo lange nicht der Kaiſer denfelben unter fei- 
nem Siegel befräftigt habe, folgendes: 

Kal dr’ avıov 05 Tsouavav dpyovıss Maooullav r 
Owxatwv anoızlav xai Eupnavra va dmIaldccın Xwgsa E0xX0V, 
Jaldoong ze vis dxelvn Exgaımoav. Kalb vüry Ev ıfj "Agsiaım 
zöv inruxöv dyava JewuEevor, Yomaue ıd Xovoodvy Ex wv dv 
Talloıg ueraliwv nenolnvıo, ovV 100 ‘Puualwuv autoxgaToRog 
(T ug eidıcras) gapaxıjga Evdsusvos o orarjgı Tod, dAla 

40 * 


606 


v oyersoav adıöv sixdva. Kal vor vomoua Er dervoow 
6 Dleoowv Bamisds, 1 Bovloıro, nosslv sind Yapaxsnga de 
5dsov ZußalkoIas orarjgı xovoo, ol vy adsay doyora 
Heuss, oürs de allow Övuvaouv Bacılka sv navınv Bapßaoev, 
xa waura uällov övra xovood xUgov. drei oddE vol; Evpßal- 
Aovos no0i8o9aı To vomsoua vovıo ololıs elcıw, zi xad Bapßagovs 
zoög Euußallovıng slvar Evußalg. raüra nv odv vhds Dodyyos 
dyWon0sV. 

In diefer Stelle finden fich einige Behauptungen, welche Tedig- 
lich auf Vermuthungen des Schriftftellere beruhen und auf welche, 
da fie mit fonft befannten thatfächlichen Umftänden nicht im Einklange 
ftehen, fein weiteres Gewicht zu legen iſt. Dahin gehört die Aeuße⸗ 
rung, daß e8 nicht einmal dem Könige der Perſer geitattet fei, Gold- 
münzen zu prägen, während das wirkliche Verhältniß nur das ent- 
fchiedene Vorherrfchen der Silberwährung bei den Saffaniden war ', 
und ferner die Bemerkung, die fräntifchen Könige hätten das Gold 
zu ihren Ausmünzungen aus den galliichen Deinen gewonnen, wäh- 
rend von folcher Goldprobuction, die zu diefem Behufe ſehr bedeu- 
tend hätte fein müſſen, fich fonft feine Spur findet, e8 vielmehr Klar 
vor Augen liegt, daß vor Allem die bedeutenden Summen Gold, welde 
fowohl DOftgothen als auch die oftrömifchen Kaifer um jene Zeit den 
Franken zahlten, das Material zu den damaligen fräntifchen Gold» 
münzen geliefert haben. Im Vergleich hiermit wird dasjenige, was 
etwa durch die Goldwäfcherei am Ahein, gewonnen wurbe, Teinenfalls 
von irgend erheblicher Bedeutung geweſen fein. Was ſich mit gutem 
Grunde aus der Stelle des Brocopius entnehmen läßt, tft die pofitive 
Betätigung dafür, daß bis zu dem Zeitpunfte, wo derjelbe den Anfang 
der felbftändigen fränfifchen Goldprägung fest, d. h. um das Yahr 
542, überall in den von den Barbaren befegten Ländern feine Golbd- 
miünzen anders als mit Auffchrift der Taiferlichen Namen gemünzt 
waren, und daß damals die fränkischen Könige den Anfang gemacht 
haben, von diefer Kegel abzuweichen. Und ferner liegt in jener 
Stelle nicht minder ein ausdrückliches Zeugniß für die damalige uni: 
verfelle Geltung der fortdauernd nad) dem conftantinifchen Münzfuß 
unter den befannten faiferlichen Typen geprägten Solidi, welcher 
Umftand e8 erflärt, daß ſowohl die erften felbftändigen fräntifchen 
Ausmünzungen, wenn aud) ftatt des Namens Yuftinianus derjenige 
des Theodebert oder des Childebert darauf erfchien, im Uebrigen den 
Typus und den Münzfuß der Faiferlichen Sofidi und Xrientes um 
fo ſorgſamer beibehielten, als auch daß felbft nach dem Beginn einer 
jolden mehr unabhängigen. Ausmünzung mitunter auf fränfifchen 
Münzftätten doch auch noch Goldmünzen mit den Namen der gleich 
zeitigen Kaifer geprägt wurden, für welchen Gebraud die zuleßt an- 
geführten Münzen mit den Namen Yuftinus und Mauritius Bei- 
ſpiele find. 

ı Einzelne Goldmünzen ber Saffaniden find noch erhalten und wider: 
legen die Behauptung des byzantinifchen Geſchichtsſchreibers. 


607 


Wir geben hiernach zunächſt in chronologifcher Neihefolge eine 
überfichtliche Zufammenftellung der noch erhaltenen merovingifchen 
Goldmünzen, welche die ausdrückliche Bezeichnung durch den Namen 
eines Königs aufmweifen, foweit uns darüber zuverläffige Befchreibun- 
gen umd namentlich fpecificirte Gewichtsangaben vorliegen. Es foll 
nicht in Abrede geftellt werden, daß in einigen Fällen Zweifel ent 
ftehen kann, ob eine foldhe Münze dem einen ober dem anderen un» 
ter gleichnamigen Königen beizulegen fei, allein unter Berückſichtigung 
des ganzen Styls der Typen umd zuweilen auch des Münzortes ift 
die Zumeifung faft aller diefer Münzen an die verfchiebenen Regie— 
rungsabſchnitte von den franzöfifchen Numismatitern im Fortgang 
ihrer Unterfudungen, im Ganzen genommen, mit bemerfenswerther 
Vebereinftimmung und Zuverficht gefchehen, fo daß die Refultate als 
wejentlich ficher betrachtet werden dürfen. 


ueberſicht merovingiſcher Königsmünzen. 


Namen der Könige 
und kurze Beſchreibung der Münzen. 











Theodebert I 334 547. 


1/D N THEODEBERTUS VICTOR. Brb. v. 
Xv. VICTORA AUGGG I. Eng. n. T; Abf. CONOB| Sotib, | 4.48 | Longp 


Tullum? Nr. 91. 
2|D N THEODEBERTUS VICTOR. Brb. v. Solid. | 4.40 |Rev.num, 
Nov. VICTORIA AUGGG. Eng.; dabei BO; Ab. ICOB 180. S. 
B3ID N THUODIBERTUS. Brb. v. Solid, | 4.40 |Rev.num. 
Av. OVICTO VICTORI ACCC und Eng.; Abf. RI? 1841. ©, 
Bon Heinerem Modulus. 120, 
4D N THEODEBERTUS VICTOR. Brb. v. Solid. | 4.37 |Rev.num. 
Av. VICTORIA AUGGG 1. Eng,;dab. RE; Abf. CONOB 1841. ©, 
Remis? 116, 
5|D N THEOBERTUS VICT. Brb. v. Solid. | 4.37 |Rev.num, 
Av. VICTORIA AUGG Eng.; dab. LV.; Abſ. CONOB 1841. ©. 
| Lugdunum ? 117. 
6 D N THEODEBERTUS VICT Brb. v. Solid. | 4.85 |Rev.num. 
Mr. VICTORIA AUGGG. Eng.;dab. CLAY (od.N); Abf. 1841. ©. 
CONOB 118. 
2 Comb. = Catalogue raisonns des monnaies nationales de France. 


Essai de G. Combrouse. Par. 1839. 4%. — Longp. = Notices des monnaies fran- 
caises, composent la collection de M. J. Rousseau etc. Par A. de Longperier. 
Par. 1847. — Rob. = Etudes numismatiques sur une partie du Nord-Est 
de la France par C. Robert. Metz 1852. 4%. — Rev. num. —= Revue de la 
numismatique Fancaise etc. Blois u. ſpäter Paris. 1. Serie 1836 — 1855; 2. 
Ser. 1856 ff. — Rev. num. beig. = Revue de la numismatique belge. Tirle 
mont u. fpäter Bruxelles. 1. Ser. 1845—50; 2. Ser. 1851—56; 3. Ser. 1857 ff. — 
Mad. — Kritifche Beiträge zur Münzkunde des Mittelalters v. 3. Mader (6 Bde.) Prag 
1803. — Die anderen Abkürzungen find fchon vorhin angegeben. 


608 


Gat⸗ 
tung. 


Namen der Könige 
und kurze VBeichreibung der Dlünzen. 


7|D N THEODEBERTUS VI. Brb. v. 
Ro. VICTORIA AUGGG I. Rach rechte fohreitende 
Bigur gur mit Palmzweig und Victoria. Dab. COLV 


81D N THEUDEBERTI P P AUG. Brb. v. Solid. 


Av. VICTORIA AUGGG A 
Etwas abgenukt. 


9ID N THEODEBERTUS. Brb. 
Ro aCTORIA AUGG. Pict.; dab. Mongr. TR? 
tier 


Eine Münze ber vorigen faft glei; o. Monogr. 


101D N THEDEBERTUS O. Brb. r. 
Ro. VICTORIA AUGGG. Bict.; dab, (und. Mongr.); 
Abf. CONOB 


11)D N THEODEBERTUS C. Brb. 
Av. IDTORIA AGGG AN.Bict,; dab. RE; Abi. CONOB 
mis 


12) THEODOBERTO. Brb. r, 
Av.....TOBO MONET. Im Felde AR m. großen Buchſt. 
Arverna civ. (Clermont)? 


13ID N THEODEBERTUS V. Brb. r. 
Rv. VICTORIA AUGE u. A. und, Bict. 
Beichnitten. 
14D N TH....BERTUS VIC. 8, r. 
Av. VICTO 


nd. 
Abgenutzt. und, 


Childebert I. 511—558, 


16|HILDEBERTUS. Bıb. ı 
Av. (A)CHRAMNUS. Sich; ; Abſ. CONOB 


16ICHILDEBERTUS. Brb. v. 
Ro. MARETOMOS FECET. Monogr. RF? 


Sigebert I. 561—575. 


17|SIGIBERTUS REX. Brb. r. 
Rp. MANOBIO. Eng. r.; Abſ. TNO (TMO?) 
Treveris moneta? 


Childebert II. 595 —576. 
18! CHILDBERTI (tüdw.). 8. r. 
Av. TO.... TIMIM und. 


19); CHELDEBERTI. Brb. L. 
AR; darunt. CI. Kr. 
Arverna civ. (Elermont)? 
2 Außerdem Rev. num. 1842, ©. 841. und Rob. ©. 80. 
Gewicht an zu 1.48 Gr. 





Solid. | 4.29 |Rev.num. 
1841 


Triens, 


|Triene. 
Triens. 


Triens. 
Triens. 
Triens. 


Triens. 


Triens. 


Triens. 


Triens. 


Triens. 


Triens. 


Ge⸗ 
.BWwo be⸗ 
Dicht. | jäjrichen? 


119. 


1.36 


(1.80) |Rev.num. 
1841. ©. 


122, 
(1.15) |Rev.num. 
1841. €. 

120. 


1.45 | Longp. 
Nr. 89. 
Longp 


1.80 . 
Nr. 90. 


1.49 |Rev.num. 
1844. ©. 


1%. 


1.38 | Comt. 


Nr. 29. 
Longp 


1.25 . 
Nr. 96. 


Diefer giebt bei 





609‘ 


| Ramen der Könige Sat | ©e | 00 ve 





| und furze Beſchreibung der Münzen. 


20ICHILD....US. Kr. 
Ro. Monogramm v. A u. R; darınter ME 


21 CHILDEBERTUS R. Brb. r. 
|®%v. METTIS FIT. 9. 


Chlotar II. 584-6328. 
22|J. CHLOTARIUS REX. Bbr. r. 
Av. CHLOTARIUS REX. $r.; dab. AR 
In —— — Ring gefaßt, daher das Gewicht nicht zu 


tung. 


23|CHLOTARIUS RE. Brb. r. Solid. 
Rv. CHLOTARI VICTORIA. 8r.; dab. MA 
Feines Gold. 
24|ICHLOTARIUS RE. 8. r Triens 


Rv. Q CHLOTARIUS REX. Kr.; dab. MA u. 7 Punlte. 


Ganz neu. 
25ICHLOTHARIUS REX. Brb. r Triens 
Xu. HINCLITUS ET PIUS. Fr bab. VC 
Reines Gold, — Uzes? 
26|CHLOTARIUS REX. &. r. Triens 


Rv. CALOTARIM VICTORIA. eu; dab. MA 
Zwei Eremplare — Massilia 


27 ICLOTH(A)RIUS REX. Brb. r Triens 

Av. VICTORIA IR? Krem; dab, AR; dar. VOL 
Arverna civ.? 

28/AREDI (tüdw.) Brb. r. Triens 
Rv... HL. TARIO. Kr. 

29 | VIREDIU CV. &. I. Triens 
Av. CHLOTA.. US REX. Kr.; bab. MA 

Verdun. 

8S0ICHLOTA .. US RE. Kr.; dab, MA Triens 
Rp. CAVILONNO. 8. r. 

öliCHLOTARIUS RX. Brb. r. Triens 
Ro. CHOTARI VICTORIA. Kr.; dab. MA unt. VII 

Bagobert I. 628—631. 
82 DAGDBERTUS REX. Anl. Kr. dab. ELIGI Solid. 
v r 

33 DAGOBERT ‚Kr Triens 
Rv... MRI BORXA (?) FIT. Kr.; dab. AR 

84 DAGOBERTUS, 8. r. Triens 
Av. (SIM..DHONI) (und.) Kr. 

85IGEMELLUS. K. r. Triens 





Solid. 


wicht. 
Gram. 


Triens | 1.06 Rob. ©. 


1.27 





ſchrieben ? 


Triens | 0,97 |Rob. ©. 
101 


Longp. 
Nr. 93. 


Comb. 
Nr. 824, 


Comb. 


n.1.24| Nr. 826, 


1.37 


Comb. 


1.22 Nr. 327. u. 


1.20 


1.17 


1.12 


0.90 


8.87 
1.38 
1.88 


1.37 


Rev.num. 


Comb. 
Nr. 874. 


610 


Namen der Könige | Gat⸗ Bo b 
und kurze Beſchreibung der Münzen. | tung. sr | ſchrieba 





DAGOBERTUS RX. K. r Triens | 1. Lo. 
Av. ACAVNNSIS ROMANOS MV. 8; dab. VO Nr. 9. 
Agaunum (St, Moriß). 
87|DAGOBERTUS R. Brb. r. Triens | 1.22 | Comt. 
Av. MONETA ELEGIV. Rr.; dab. MA Nr. 875, 
Durchmeffer fehr groß. Rev.num. 
1800. € 
88|DAGOBERTUS. . r.; dab. A Triens |1.22 | Comb. 
Ro. MASILIA CIVIT. Kr. Nr. 3%. 
89ICHARIBERTUS REX. 8. r. Triens | 1.27 | Comb. 
Ro. BANNIACIACO FIIT. Kelch. 1.27 | Nr. 81 
Zwei Eremplare. n. 288. 
40|CHARIBERTUS REX. K. r. Triens | 1.25 | Longp. 
Ro. BANNIACIACO FIT. Kelch. Nr. 8. 
41|MAXIMINUS M. K. r - |Sxeiens | 1.27 | Comb. 
Ro. CHARIBERTUS Rex. Kelch. Nr. 291 
Chlodovech II. 638—655. 
43|\CHLOTH VCHVS. 8. r. Kriens |1.27 | Comb. 
Ro. PALATI MONETA. Kr. ; dab. ELIGI . Nr 31. 
48]... . ODOVEVSB RIX FR. & Triens | 1.25 | Longp. 
®v. LIM...... CIVI. Ant, &; dab. ELIGI Nr. 100. 
Limovicus ? 
44!MONETA. K. r. Triens | 1.25 Longp- 
Ro. PALATI. Ant. Kr.; dab. ELIGI Nr. 1UL 
Aufgenommen wegen der Bez. Palatium u. Elig. 
45|CHLODOVIUS REX. K. r Triens | 1.22 | Comt. 
Rv. ..... IVS IN GIVIT. Anl. Kr.; dab. ELIGI Nr. 319. 
46|CHLOTHOVE REX. K. r. Triene | 1.22 | Comtb. 
Ro. MONETA PALATI. Er.; dab. ELIGI Nr. 315b, 
ATIPARIVS IN CIVET. Brb. r. Triens | 1.15 Longp. 
Av. CHLODOVEYS REX. Ant. Kr.; dab. ELIGI Nr. 9. 
481. .. LODOVEI. &. rt. Triens | 1.15 | Longp. 
Ro. ..... INNA (und.) Kr. Nr. 102. 
49|CHLODO ... CVS. 8. r Zriens |1.06 | Comt. 
Rv. ELIGIVS MO. ac; dab. AR u. VI Nr. 314 
Sigebert II. 638—656. 
50|MASILIA. Brb. r. Solid. 13.838 | Comt. 
Ro. SIGIBERTVS RX. Kr.; dab. MA. Nr. 719, 
Ganz neu. 
511SIGEBERTVS. K. r. Solid. |8.72 | Comb. 
Ro. Kr.; dab. MA 8.61 | Nr. 721 
Massilia. n. 722, 


° 611 


Namen ber Könige 
und kurze Beichreibung ber Dlünzen. 


52|MASILIA. 8. r 
Rv. SIGEBERTY RIX 8r.; dab. MA 
Sünf Varietäten. 


53|MASILIA. Brb. 
Av. SIGIBERTVS RX. Kr.; dab. MA 


BAR. r. 
Rv. SIGEBERTVS REX. Kr. 


Childerich II 660—673, 


55|HILDERICVS REX. Brb. r. 
Av. MASSILIA. 8r.; dab. MA 


56 |Barietät der vorigen Münze, 
Blaffes Gold, 
67|CHILDERICVS REX, Brb. r. 
Av. CIVITATIS MASILIE. 8r.; dab, MA 
58] CHILDERICVS RE. Brb. r. 


Av. MASILIE CIVITATIS. Kr. 
Electrum. 


Bagobert II, 673—680. 


59!DAGOBERTHVS REX. K. r. 
Av. ORDAGPARIO MN. Fr. 


60 |DAGOBERTVS. $. r. 
Ro. VIRIDVNVM CIV. Kr. 
vgl. Fillon a. B. ©. 88. 


Chlodovech IIL 691—695. 
61|EBORINO MON. Brb. r. 


Ro. CHLODOVIO REX, Kr. 
Spätere Fabrikation 


Childebert III. 695 — 711. 
62 !MASILIA. Brb. r.; dab. B. 
Rv. — DEBERTVS RE. Kr.; dab. MA 
Massilia ; vielleicht nur copirt. 


Dagobert III. 711—715. 


63 'VVALDEBERTO MN. 8. 1. 
Av. DAGOBERTVS REX. Kr. 
Spätere Fabrilation. 





Gat⸗ 
tung. 





Triens1.22 


Triens 


Triens 


Solid. 
Solid. 
Solid. 


Triens 


Triens 


Triens 


Triens 


Solid. 


Triens 


bis 
1.01 


1.15 


0.96 


1.27 


1.06 


3.55 


J Vo be. 
icicbenꝰ 


Comb. 
Nr. 724, 


Longp. 
Nr. 103. 


Comb. 
Nr. 726b. 


Comb. 
Nr. 805. 


Comb. 
Nr. 304. 


Longp 
Nr. 108. 


Comb. 
Nr. 807. 


Longp. 
Nr. 108, 


Die mit den Namen eines Könige verfehenen Stüde bilden 
befanntlih nur einen fehr Heinen Theil der merovingifchen Typen. 
Der bei weitem größte Theil, führt ausfchlieglih den Namen eines 
Minzers mit oder ohne Angabe des Prägorts. Die neueren Unter» 
ſuchungen franzöfifcher Numismatiker haben dazu geführt, auch diefe 
Münzen nach größeren Zeitabjchnitten und theilweife auch nach den 
verfchiedenen Landestheilen, wo fie geprägt find, zu Haffificiren, wobel 


612 


der Charakter der Typen bie Anleitung gegeben bat. Um nun über 

den thatfächlihen Münzfuß der merovingifchen Goldmünzen zu einer 

begründeten Anſicht zu gelangen, möchte es als das angemeſſenſte 

Mittel erſcheinen, außer den im Vorſtehenden aufgeführten Königs⸗ 
münzen, eine beträchtliche Anzahl fonftiger dahin gehöriger Münzen 
nad) den ihnen beigelegten ungefähren a ungen obne alle 
vorgefaßte Meinung, wie fie in einigen Monographien fich vorfinden, 
zufammenzuftellen und daraus Refultate zu ziehen. 

r. B. Fillon giebt bei den in feinen 1853 berausgegebe 
riefen! bejchriebenen und abgebildeten merovingifchen Golb- 
münjen, wenn wir die mit den Namen der Könige bezeichneten bei 

Seite laffen und Hauptfächlich nur die mit den Namen von Mün- 

zern und Ortfchaften verfehenen Stüde in Betracht ziehen, folgende 

Gewichtsangaben für die nad) dem Styl der Typen chronologiſch 

Hafjificirten Trienten. 

Ende des jeheten Sahrfunberts: 1.38 Gr. a Sa ‚9); 1.38 Gr. (IH, 19); 
1.38 ©r. (I, 32); 1.35 ©r. ( 

Erftes Drittel des fiebenten Sahehundert: \ 33 er. „(U 8); 1.27 Gr. 
(IH, 1); 1.25 ©r. (I, 2); 1.16 ©r. (I, 1 

Erfte Hälfte des febenten Fahrhanderts: 1.33 Gr. Ri 20); 1.30 Gr. 

‚21); Gr. (I, 19); 1.22 Gr. (II, 3); 1.223 Gr. 

X, 4); ir 19); 1.12 Gr. (I, 20). — 

Ende der in älfte oder Mitte des fie enten abrhunderts: 1.33 
Gr. (IL 1 ER 1.33 Gr. (U, 18); 1.33 ©r. (IV, 8); 1.97 
Gr. (II, 20); 1.27 ©r. al 2 1.2? ©r. (II, 

Anfang —5 alfte des ſiebenten Yahrhunderts: 1.35 ®r.(X ‚15); 
1.33 Gr. (U, 10); 1.30 Gr. (II, 4); 1.22? Gr. (IIJ, 3). — 

Se u 5 ehenten Jahrhunderts: 1.32 Gr. md 8); 1.30 Gr. 

8); 1 tr. (X, 6); 1.22 Gr. (II, 1). — 

Ende ber joe Päd fiebenten Yahrhunderts: 1.19 ©. (I, 12); 
1.06 Gr. (LI, 17 

Anfang des achten Jahrhunderts: 1,27 Gr. (X, 7); 1.27 Gr. 

(II, 25); 1.2? Gr. (III, 22). — 

Wenn in den eben aufgeführten Gewichtsangaben merovingifcher 
Trientes nah Hrn. Fillon Münzen aus den verſchiedenſten Gegen 
den des fränkischen Reichs zufammengeftellt find, fo giebt die nach⸗ 
jtehende Weberfiht nur Notizen über die Ausmünzungen einer und 
derfelben Provinz (Limousin) nad) der hierüber im Laufe der letzten 
Jahre veröffentlichten Monographie des Hrn Deloche. 

Ende des fechsten (vielleicht Anfang bes fiebenten) rhunderts: So 
lidus 4.35 Gr. (Nr. 1); 1.36 Gr. (Nr. 2% 

Erftes Viertel des fiebenten Jahrhunderts: 1.35 ih (Nr.2); 1.26 
Gr. (Nr. 62). 


2 B. Fillon. Lettres A M. Ch. Dugast-Matifeux sur quelgues mon 


naies frangaises inedites. Paris 1853. Wir citiren bie Münzen nach ber Be 
zeihnung ihrer Abbildungen. 


613 


Zweites Viertel des fiebenten Jahrhunderts: 1.40 Gr. Gt. 48); 1.35 
Gr. (Nr. 119); 1.35 Gr. (Nr. 11); 1.30 (Nr. 47 
1.29 ðr. (Nr. 21); 1.20 Gr. (Nr. 69); 1.20 Gr. —— 3; 
1.20 Gr. (Nr. 34); 1.20 Gr. (Nr. 62). 

Drittes Viertel des jiebenten Jahrhunderts: 1.47 Gr. (Nr. 33); 1.45 
Gr. (Nr. 49); 1.90 Gr. (Nr. 8); 1.37 Gr. (Mr. J 135 Gr. 
(Nr. 53); 1.30 Gr. (Nr. 40); 1.29 Gr. (Nr. 16); 1.25 Gr. 
(Nr. 108); 1.25 Gr. (Mr. 27); 1.24 Gr. (Nr. 114); 1.20 
Gr. (Nr. 45); 1.20 Gr. (Nr. 104); 1.20 Gr. (Nr. 7); 1.20 
Gr. (Nr. 30); 1.20 Gr. (Nr. 57); 1.18 Gr. (Nr. 37); 
1.16 Gr. (Nr. 28); 1.15 Gr. (Nr. 46); 1.14 Gr. (Nr. 42); 
1.10 Gr. (Wr. an 1.10 ©r. (Nr. 54); 1.10 Gr. Nr. 35); 
1.10 Gr. (Nr. 41); 1.05 Gr. —8* 25); 1.00 Gr. Er 20% 
1.00 Gr. (Nr. 12), 

Letztes Viertel des fiebenten Jahrhunderts: 1.23 Gr. (Nr. 3; 1.20 
Gr. (Nr. 102); 1.20 Gr. (Nr. 107); 1.15 Gr. (Nr. 8* 
115 Gr. (Nr. a 1.10 Gr. (Nr. 60); 1.00 ©r. ( "00, 
1.00 Gr. (Nr. 5 

Erftes Viertel des achten gJahrhunderts: 1.30 Gr. (Nr. 50); 1.25 
Gr. (Nr. 44); 1.25 Gr. Di: 105); 1.20 Gr. (Nr. 51); 
1.20 Gr. 8 96); 0.90 Gr. (Nr. 109). 

Wenn auh in der von Fillon und Dee auf diefe Weife 
verfuchten chronologiſchen Klaffification der merovingifchen Goldmün- 
zen, hauptſächlich nad) dem Styl ihrer Typen, in mehreren Fällen 
ein etwas kühner Griff mit vorgelommen fein mag, und mitunter 
auch, bei zweifelhaften Charakter der Typen, Münzen einer beſtimm⸗ 
ten Periode beigelegt find, fo werden doh im Ganzen und Großen 
gegen die von ihnen getroffene Anordnung wefentliche Bedenken fich 
nicht erheben und einzelne Unficherheiten die Hierauf fußenden durch- 
fchnittlihen Ermittlungen nicht beinträchtigen. 

Was die Feinheit des Goldes in den Münzen anlangt, fo 
fcheinen hierüber bis jett fpecielle technifche Unterfuchungen nicht 
ftattgefunden zu haben. Nur nad dem äußern Augenfchein wird 
nicht felten bei den Beſchreibungen merovingifcher Goldmünzen ers 
wähnt, entweder die vorliegende Münze fei von reinem oder feinem 
Golde, oder auch diejelbe fei aus blaſſem Gold oder Electrum, d. 5. 
Start mit Silber legirt. Es trifft fi) nun allerdings, daß vorzugs⸗ 
weife bei den älteren Münzen die Feinheit des Goldes und das 
Gegentheil davon vorwiegend bei Münzen feit der legten Hälfte des 
fiebenten Jahrhunderts bemerkt worden ift; allein dies ift, wie gejagt, 
meift ohne nähere technifche Unterfuchung des Gehalts nad dem 
blogen Augenſchein geichehen, und kommen daneben auch mehrere 
Fälle vor, in denen ſchon bei Münzen früherer ‚Perioden das blaffe 
Gold und "umgefehrt bei Münzen gegen den Schluß ber merovingiichen 
Periode die anfcheinende Reinheit des Goldes Bervorgel 


2 3.8. wirb bei den von Delode unter Ar. 5," 


614 


Es Täßt fi) daher Teineswegs bie allgemeine Behauptung aufftelle, 
daß eine erhebliche Verminderung des Feingehalts ber Goldmünzen 
in der fpäteren merovingifchen Periode ftattgefunden habe, und dar: 
nad ein beftimmter Abfchlag für den effectiven Werth der Münzen 
machen. Bei der annähernden Schätung dieſes Werths wird man 
fih mithin hauptfählih nur nad) den Gewichtsverhältniffen zu rid- 
ten haben, dabei aber fich vergegenwärtigen müſſen, daß bie hierauf 
begründeten Schägungen immer nur als ungefähre und annähernke 
Angaben gelten fönnen, und daß dies natürlich noch um fo mehr gelten 
muß, wenn man die VBerfchiedenheit und Unregelmäßigkeit um Fein 
gehalt der Ausmünzungen mit in Anfchlag bringt. Nichtsdeſtowen'⸗ 
ger find derartige Schäßungen wichtig, ja unentbehrlich für die Be 
urtheilung mancher Zuftände und Ereigniffe, und fie haben gerade 
um fo größere Bedeutung, wenn fie fih für nicht mehr und für 
fiherer ausgeben, als fie eben find. 

Hält man diefen Standpunkt feit, fo werden die in bem vor 
angegangenen drei Zufammenftellungen enthaltenen etwa 160 bis 
170 ſpeciellen Gewichtsangaben merovingifher Goldmünzen völlig 
genügen, um über ben ungefähren durchfchnittlichen effectiven Werth 
berfelben eine begründete Anficht zu gewinnen. 

Dean wird in Nüdficht der Werthnormirung vor Allem drei 
Hauptabtheilungen bei diefen Münzen zu unterfcheiden haben: 

1. Die ummittelbare Nachbildung oftrömifher Münzen mit 
Beibehaltung der Kaifernamen, von Anaftafius an bis einfchliehfid 
Mauritius; 

2. Die von König Tiheodebert 1. unter eigenem Namen, aber 
mit Beobachtung des herfümmlichen conſtantiniſchen Münzfußes und 
genauer Nachbildung der gleichzeitigen byzantinifchen Typen gepräg 
ten Solidi und Trienten und die denjelben entſprechenden fonftigen 
älteren fränfifchen Münzen aus bem fechsten Yahrhundert. 

. Die übrigen merovingifchen Goldmünzen, die nach einem 
merklich leichteren Münzfuße und mit mehr oder minder felbftändigen 
Typen geprägt find und welche die bei weiten große Mehrzahl der 
merovingifchen Goldmünzen bilden. 

Andem wir die unter Nr. 1 begriffenen Münzen vorläufig 
außer Betracht Tafjen (mir werden bald wegen gewiffer auf ihnen 
zuerjt nachweisbarer SZahlzeichen auf diefe noch bejonders zurückkom⸗ 
men müffen, fo gering ihre Anzahl auch ijt), bemerken wir in Bezug 
auf die zahlreichen Münzen Theodeberts I., daß auf diefe gerade bie 
oben angeführte vielbefprochene Stelle des Procop paßt und daß bie 
felben hiernad) zwifchen den Jahren 542 und 547 ausgemimzt fein 
werden. Auch für die auffallende Erfcheinung, daß gerade von 
Theodebert I. ſich vergleichsweife viele Münzen erhalten haben, was 
auf eine verhältnigmäßig ftarfe Ausmünzung unter diefem Könige 


u. a. aufgeführten Trienten aus dem britten Viertel bed fiebenten Jabrhunberts 
bie Feinheit des Goldes ausbrüdlich erwähnt. 


R 
‚ 


615 


fchließen Täßt, giebt die Gefchichte eine einfache Erklärung an bie 
Hand. Als nad dem Tode Theodorichs die Oftgothen 1. J. 536 
ihre Befigungen in Gallien den Franken überließen, zahlten fie zu⸗ 
gleihh den Königen derfelben 20 Gentner Gold (das Material zu 
144,000 Solidi), um ſich ihres Beiftandes gegen bie Oftrömer zu 
verfihern, und es tft wohl nicht zu bezweifeln, daß es der Antheil 
an diefer Zahlung jowie die ſonſt aus Italien auf feinen Kriegs⸗ 
zügen heimgebrachte Beute an Gold gewefen ift, was durch Theodebert 
alsbald zur Ausmünzung gebracht wurde und die große Menge ber 
mit feinem Namen geprägten Münzen erklärt '). 

Nimmt man das Durchichnittsgewicht der in unferer vorftehenden 
Meberfiht angeführten ganzen und Drittel» Sclidi des Theodebert 
(mit Ausſchluß der al8 abgenugt angegebenen Stüde), fo erhält man 

für den Solidus 4.37 Gramm (7 Stüd zufammen 30.60 Gr. 

für den Triens 1.44 DD „ " 7.21 „ 

Mit dieſewm Gewichte ftimmt merfwürdig ein Gewichtsſtück über⸗ 
ein, welches man neben einer Münzwage in einem fränfifchen Grabe 
in Evermen aufgefunden Hat; daſſelbe hat nämlich) eine Schwere 
von 4.40 Gramm und war unverkennbar zum Nachwägen der Solidi 
oder auch zum Wägen von Gold nad) Solidus - Gewicht beftimmt ?. 

Demfelben Münzfuße gehören offenbar an die den Königen 
Childebert I. (511—558) und Sigibert I. (561—575) zugefchriebenen 
Trienten von resp. 1.45 und 1.49 Gramm Gewicht, fowie ein von 
Fillon und Delodye in das Ende des fechsten Jahrhunderts gefetter 
Solidus von 4.35 Gr. und mehrere Trientes von 1.36 bis 1.42 Gr., 
für welche Annahme auch die analogen Typen diefer Münzen fprechen. 

Der von Conftantin I. eingeführte Münzfuß des Solidus war 
befanntlich vier Scrupel Gold auf den Solidus, fo daß biefer, bei 
Borausfegung der Schwere des römischen Pfundes zu 327.43 Gr., 
ein Normal-Gewidt von 4.55 Gr. aufweifen follte und der Triens 


2 Ueber die Zahlung von 20 Gentner ober 2000 Pfund Gold, welde 
ber Oftgothen : König Theodahat den Franken verfprad und Vitiges wirflich 
Yeiftete, berichtet Procopius de bello Goth. I, c. 13. In denfelben Kapitel 
werben unmittelbar vorher die von Theodebert ben Weftgothen abgenommenen 
Schäte erwähnt, wobei indeß eine Verwechslung mit König Childebert ftatts 
finden kann. Gregor von Tours (II, 32) berichtet ferner: Theodebertus ex 
ea [Italia] reversus est, multa secum spolia ipse vel sui deferentes (im 
&, 539). — Buccellinus .. . . capta omni Italia usque in mare terminum 
dilstavit; thesauros vero magnos ad Theudebertum de Italia direxit. 

Man erficht aus allen biefen Berichten, daß wohl Feiner unter ben frän- 
kiſchen Königen größere Duantitäten Goldes zufammengebradht bat als Theo: 
bebert I., und wenn von biefem Könige und am meiften Goldmünzen erhalten 
find, fo ift ſolches nicht als bloßer Zufall ber Auffinbung anzufeben, fondern 
die Folge feiner großen Ausmünzungen. Ebenſowenig zufällig ift es, daß 
unter allen fränfifchen Königen bi auf Carl ben Großen er allein feinem 
Namen ben Titel Augustus beifügte. Sein ftolger Sinn wiberftrebte jeder 
Unterordnung unter ben byzantinischen Kaifer, und feine Münzen Tegen bierfür 
ein noch gewichtigeres Zeugniß ab als bie dahin gehörigen Berichte ber Ges 
ſchichtsſchreiber. 

2 Cochet, Sepultures gaul., ſranq. et norm. p. 253 ff. 





3 Gin no erhaltenes ſebr ferzriltig gearkeitete Exngiem bei Rail 
Juſtinian vom Jahre 533, beiten bereits im zweiten Abſchnitte S. 264 Er 
wähnung geihab, ergiebt Las oben angeführte Gewidt von 324 Gramm nd 
dies wirb gleichzeitig auch wohl bei den Ftanken ald Normalgewidt 
haben. Ter Unterfchieb, den dies für den Eolitus und Triens ausmadt, ü 
allerdings ſehr unbeträchtlich, allein der Genauigkeit wegen fcheint diefer Use 
fand doch Berkdfihtigung zu verdienen. 

* Bir haben abfihtlih die Rehnung nach Francd bei der Vergleidm 
vorangeftellt, weil diefe Münzſorte unter den gegenwärtigen Münzverbilmira 
befanntlih wejentfih einen Goldwerth repräfentirt, und man bei ber jchwu: 
kenden erthrelation der Edelmetalle für eine genauere Ermittlung natürld 
nur Gewichte deifelben Metalld gegen einander vergleihen kann. Sol da 
effective Werth einer Goldmünze in einem früheren Zeitalter mit einer jebixt 
Eilberwährung verglihen werben, fo muß natürlich die Frage fich aufbränge, 
ob dies nad der jetzigen Werthrelation oder nad) derjenigen, welche für jez 
ältere Periode anzunehmen ift, geſchehen fol, — oder auf dem vorliegen 
Fall angewendet, ob das Zwölffache ober das Fünfzehnundeinhalbfache de 
Goldgewichts der Reduction zum Grunde zu legen iſt. Es ſcheint uns cr: 
facher und, im Ganzen genommen, richtiger, ſich bei den fraglichen Berzla: 
Hungen für bie Anwendung der gegenwärtigen Werthrelation zu enticeiben: 
allen man darf dabei nicht vergeffen, dag diefer Umſtand, die wejentlik 
Verſchiedenheit der Werthrelation jegt und damals, die fihere BVergleihun 
bed abfoluten Geldwerth3 in entfernten Zeitabjchnitten noch beſonders erſchre 
ren und unficher mahen muß. — Daß bei der Berehnung des Wertbs de 
fränfifhen Goldmünzen in heutigen Münzforten in Rüdficht ber Legirung dei 
Goldes für biejenigen ber früheren Periode ein Abjchlag von 5 Procent un 
für die fpäteren von 10 Procent gemacht ift, muß ſelbſtverſtändlich als eim 
annäbernde durchſchnittliche Schätzung angeſehen werden, die nur ben Zwe 
bat, bdiefen Factor ber Werthbeſtimmung nicht unberüdfichtigt zu Tafien. G 
kann fich hierbei, wie gefant, ja Überhaupt nur um Durchſchnittsannabme un 
annähernde Schäßung handeln; bei einzelnen Miünzftüden wird natürlich eis 
genaue Prüfung häufig fehr erhebliche Abweichungen herausſtellen. 





618 


wiefenen 11 Solidi zufammen ein Gewiht von 8224 par. Grän 
und 218 Zrientes zufammen ein Gewicht von 5078 Grän ergaben. 

Bon Herrn de Yongperier! ift in der Einleitung zur Befchreibumg 
der Roufjeaufchen Münzfammlung über das Gewicht der meroving 
ſchen Goldmünzen folgende Aufitellung gemacht: 

Zahl der unter- deren Geſammt⸗ Durdidnitte- Marimme 

fuchten Stüde Gewicht Gewicht i 
Solidi 4 15.72 Gr. 3.93 Gr. 442Gr. 
Trientes 100 124.42 Gr. 1.244 Gr. 1.52 Gr. 

Diefe Annahmen von Guerard umd Xongperier ftimmen wefent 
lich überein mit den oben von uns ermittelten Durchichnittsbejtim 
mungen aus den fpäteren Perioden; allein es darf nicht umerwähet 
bleiben, daß trogdem das von jenen früheren Forſchern beobachtet 
Berfahren an ſich nicht als richtig anerfannt werben kann, indem fie 
Münzen von weientlich verfchiedenem Münzfuß, nämlich diejenigen 
von Theodebert I. und die diefem gleichzeitigen mit denen der fpi- 
teren merovingifchen Zeit zufanımengerechnet haben, während dieſe 
beiden Abjchnitte wegen principieller Berfchiedenheit des Minzfußes dod 
jedenfalls getrennt behandelt werden müſſen. Wenn das ſchließliche 
Reſultat dennoch ziemlich auf dafjelbe hinauskommt wie unfere Er 
mittlung fiir die fpätere Periode, fo ift dies nur als zufälliger Um- 
ftand anzufehen, der feine Erklärung findet in der verbältnißgmäßig 
Heinen Zahl der in den anderen Aufftellungen mit hineingerechneten 
äfteren Münzen, welche aus diefem äußern Grunde feinen merl: 
lichen Einfluß auf ben allgemeinen Durchſchnitt der in Betracht ge 
zogenen Münzgewichte haben Tonnten. 

Alles erwogen, dürfte man von dem wirklichen Verhältniß kei⸗ 
nenfalls ſich bedeutend entfernen, wenn man für die erwähnte Periode, 
vom Ende des fechsten bis zum Anfang des achten Jahrhunderts, 
im fräntifchen Reiche einen gejeglichen Münzfuß von etwa 3.95 Gramm 
für den Solidus und von 1.32 Gramm für den Triens annimmt, 
diefelben alfo um ungefähr ein Achtel leichter anfeßt als zur Zeit 
Theodeberts J. Das durdyfchnittliche effective Gewicht der Zrientes 
(die einzeln vorkommenden Solidi können nicht in Betracht Fommen) 
wird auf 1.25 Gramm und ihr Werth nad heutigem Gelde auf 
Fr. 87 Cent. oder 1 Thlr. 14 Sgr. angenommen werden können. 

Ueber die im fräntifhen Reiche in frühefter Zeit, etwa bis zum 
Jahr 542, geprägten Goldmünzen, welche ohne alle weitere Bezeichnung 
nur rohe Kopien der byzantinischen Typen find, haben wir, wie 
bereit8 oben erwähnt, feine beftimmten Nachweiſe. Dagegen ergiebt 
es ſich aus einigen im Vorhergehenden (S. 604) erwähnten Din 
zen, welde, neben den Auffchriften der oftrömifhen Kaifer, aus 
ber durch den Styl, noch fpeciell durdy die Angabe ex officina 

aurenti oder ex officina Maret und durch ben Miünzort 
bezeichnende Buchſtaben ihren fränkifchen Urjprung darthun, daß 


2 Notice de monnales frangaises etc. Par. 1847. Introd. p. XV, 


619 


auch nachdem Theodebert und deſſen Oheim Childebert eine mehr 
ſelbſtändige fränkifche Goldausmünzung begonnen hatten, man den: 
noch in einigen fränfifchen Münzftätten die Prägung mit dem fai- 
ferlihen Namen nicht fofort aufgab oder vielleicht dazu wieder zu⸗ 
rückkehrte. Welche Rückſichten oder Veranlaffungen hierzu beftimmt 
haben, ift nicht bekannt; allein es fcheint diefe Art des Münzens fich 
auf die Münzftätten in Burgund und im füdlichen Srankreid) (Vienne, 
Lyon, Arles und Marſeille) befchränft, auch überhaupt feinen großen 
Umfang erlangt und feinenfalls über die Zeit des Kaiſers Mauritius 
hinaus gedauert zu haben. Bemerfenswerth ift aber, daß gerade bei 
diefen Münzen der Uebergang von dem ſchweren Münzfuß der Solidi 
und Trientes des Theodebert zu dem fpäteren leichteren fich vorzugs⸗ 
weife vollzogen zu haben ſcheint, und zwar unter ausdrüdlicher An- 
erfennung folcher Veränderung. 

E. Cartier hat i. J. 1839 zuerft die Aufmerffamfeit auf bie 
Ziffern VOL und XXI, welde fih auf manden merovingifchen 
Zrientes und Solidi finden, hingelenkt und darin eine Werth oder 
Gewichtsangabe erfanıt!. Er bemerkt, daß ihm etwa 30 Trientes 
mit der Bezeichnung VII befannt feien, alle mit dem erhöheten 
Kreuz, einem der älteften Typen auf ben merovingifchen Münzen, 
verjehen und in Auftrafien und Burgund, von Met ab bis Marſeille, 
geprägt. Auf zwei anderswo geprägten Trientes habe er freilich die 
Bezeichnung VIII und auf zwei anderen die von VI gefunden, was 
indeß ohne Zweifel nur einem Verſehen der jene richtige Bezeichnung 
copirenden Münzer beizumeljen fein werde. Die Bezeichnung XXI 
finde fich deutlich auf einem zu Mearfeille gemünzten Solidus von 
König Sigebert und einem ebenfalls zu Marfeille mit dem Namen 
Mauritius geprägten Solidus. Hierauf hat Hr. Duchalais? diefen 
Gegenftand fpeciell in Beziehung auf die Goldmünzen des Mauritius 
unterfucht und ift zu folgenden KRefultaten gelangt. 16 von ihm ge- 
wogene gut erhaltene Solidi bes Mauritius ohne die Bezeichnung 
XXI hatten folgendes Gewicht: 11 Stüd von 4.46 Gramm, 1 von 
4.37 Gr., 2 von 4.35 Gr., 1 von 4.32 Gr. ımd 1 von 4.29 Gr. 
Dagegen wogen 3 mit der Ziffer XXI bezeichnete Solidi mit dem 
Namen deſſelben Kaifers nur 3.96, 3.90 und 3.83 Gramm. Bei 
den Zrientes mit den Namen des Mauritius zeigte ſich ein ähnliches 
Verhältniß. Die Gewichtsverhältniffe waren nämlid): 
ohne VII: 1.54; 1.49; 1.46; 1.43; 1.38 und 1.35 Gramm; 
mit VII: 1.38; 1.30; 1.30; 1.27; 1.27; 1.25; 1.17 u. 1.01 Gr. 


I Rev. numism. fr. 1839. p. 424. 

2 Rey. numism. fr. 1840. p. 261 fi. Die von und im Berliner 
Münzfabinet vorgenommnen Wägungen haben ein mit ben Grmittelungen bes 
Herrn Duchalais wefentlich übereinſtimmendes NRefultat ergeben. Die im oſt⸗ 
römiſchen Reiche geprägten Goldmünzen des Mauritius wiegen, 

bie Solidi: 4.52; 4.45; 4.45; 4.43; 4.42; 4.40; 4.39; 4.25 Gramm; 

die Triente: 1.58; 1.52; 1.47; 1.45; 1.45; 1.43; 1.42 Gramm. 
Dagegen haben 2 Triente® mit dem Namen bed Mauritiuß aus fränkifchen 
Münzftätten ein Gewicht von nur 1.85 und 1.25 Gramm. 


I. 41 


620 


Alle mit den erwähnten Ziffern XXI und VII verfehenen 
Goldmünzen des Mauritius zeigen in ihren Typen unverfennbar ben 
nicht⸗byzantiniſchen Urſprung, während hingegen alle ſchwereren ohne 
ſolche aiffen als im oftrömifchen Reich geprägt fi) ausweifen. 

Herr Duchalais knüpft an feine Gewichtsermittelungen die Er- 
Härung, daß die Ziffern XXI und VII die Zahl der Siliquen 
haben angeben follen, welche den Münzfuß der leichter ausgemünzten 
Solidi und Trientes ausgemacht hätten, während die ſchwereren den 
alten normalen Münzfuß beibehalten hatten, nämlich von 24 und 8 
Siliquen. 

Eine andere Erflärung diefes leichteren fränfifhen Meünzfußes 
ift von Lenormant ! vorgefchlagen. Dieſer meint, die Ziffer VII 
auf den Zrientes bedeute, daß es von nun an fieben Goldfolidi be 
dürfe ftatt fee, um ein Zwölftheil des Pfundes oder eine Unze 
auszumachen, und daß die Ziffer XXI auf den Solidi bezeichne, 
man habe von nun an eimundzwanzig von diejen Stüden ftatt beren 
achtzehn zu rechnen, um ein Viertelpfund oder drei Unzen auszu⸗ 
machen. — Das Gezwungene und Unzutreffende dieſer Deutung, im 
Vergleich mit derjenigen von Duchalais, liegt klar vor Augen. Das 
eine Mal ſoll die Ziffer auf dem Drittel-Solidus das Verhältniß 
ausdrüden, wie viel Stüde des dreifachen Werthes diefer Mimze 
17% Pfund ausmachen, und dann foll wieder auf den ganzen Solidi die 
Zahl XXI angeben, wie viel davon 4 Pfund ausmahen! Bei fol 
hen, allen Zuſammenhang aus den Augen verlierenden willfürlichen 
Deutungen läßt fich für jede Zahlangabe eine Erflärung finden, die 
aber dann auch nicht viel bedeuten Tann! 

Die von Duchalais aufgeftellte Erklärung empfiehlt fich offen- 
bar ebenfo ſehr durch ihren inneren fyjtematiichen Zufammenhang tie 
durch ihre Einfachheit, während ſich durchaus feine fachlichen noch 
formellen Bedenken gegen fie geltend maden. Das Normalgerwidt 
bes Pfundes im merovingiichen Zeitalter zu 324 Gramm angenom- 
men, ergiebt fich für die Siligua ein Gewicht von 0.1875 Gramm. 
Der Solidus zu 24 Siliquen würde hiernah ein legales Gewicht 
von 4.50 Gramm und der Triens von 8 Siliquen ein Gewicht von 
1.50 Gramm gehabt haben, womit, wie wir gefehen haben, bie 
Münzen Theodeberts ziemlich übereinftimmen. 

Der Solidus zu 21 Siliguen und der Triens zu 7 Siliquen 
würden hiernad) ein Normalgewicht von resp. 3.94 und 1.31 Gr. 
haben — eine Annahme, welche, wenn man Inappe Ausprägung und 
die vorgefommene Abnugung mit in Anschlag bringt, für die Durch— 
fchnittsgeiwichte der uns noch erhaltenen XXI -Solidi und “VII: 
Zrientes, und überhaupt die fränfifchen Goldmünzen aus dem fieben- 
ten Jahrhundert merkwürdig paßt. Da alfo das wirkliche Siliquen- 
gewicht zu der Bezeihnung ſtimmt, ba die Münzen, welche nur den 
dritten Theil des Solidus gelten, gerade auch ein Drittel der auf 


I Rev. numism. fr. 1854. p. 322 Müller, Dentſche Münzgefchichte, 
S. 2860 fl. ‚ ſch zgeſchich 





621 


jenem angegebenen Zahl aufweifen, da endlich, wie eine Stelle im 
Leben des heiligen Eligius beweift ', der Begriff eines Siliqua⸗Ge⸗ 
wichts den Münzern und Goldarbeitern geläufig fein mußte, fo dürfte 
man wirklich im Zweifel zu weit gehen, wollte man die erwähnte 
Erklärung, daß die auf einer großen Anzahl der merovingifcdhen So⸗ 
(di und Trientes vorfommende Bezeichnung XXI und VII das 
ihrer Ausmünzung zum Grunde liegende Normalgewicht von 21 und 
h öiliquen bedeute, zurückweiſen und andere Hypotheſen dafür auf: 
teilen. 

So fiher nun aber die Erklärung der Werthzahlen XXI und 
VH auf den damit bezeichneten Goldmünzen erfcheint, ebenfo unge- 
wiß ift bis jest die Erklärung darüber, was die eigentliche Veran- 
loffung zur Annahme des eben befprochenen neuen merovingifchen 
Münzfußes geweien ift; denn daß bie leichtere Ausmünzung der fräns 
fifchen Goldmünzen (solidi Franei in den Formulae Lindenbrog. 
LXXXIJ, im Gegenfag wozu die mitunter erwähnten solidi Romani jte- 
hen mögen) feit dem Ende des fechsten Jahrhunderts nicht eine alimäh- 
liche thatfächliche Münzverfchlechterung, fondern das Ergebniß eines 
bejtimmten Entjchluffes gewefen ift, wenn man auch feine ausdrück⸗ 
liche Verordnung dieferhalb citiren kann, geht deutlich genug hervor 
aus der ausdrücklichen Zahlenbezeichnung des Siliqua » Gewichts auf 
den Münzen felbft, und dann noch daraus, daß ſich an den erhalte: 
nen merovingifchen Münzen eine längere Mebergangsperiode nicht nach⸗ 
weifen läßt. 

Verſucht man nun, in Ermangelung pofitiver unb fpecieller 
Zeugniffe, durch fonftige Combination eine Erklärung zu finden, fo 
muß diefelbe, wenn fie für die Gefchichte Beachtung beanfprucdhen 
will, in diefem Falle, wie in allen übrigen, vor Allem zwei Bedin⸗ 
gungen erfüllen: fie muß in dem natürlichen Zufammenhange der 
Verhältniſſe und der Analogie ähnlicher Vorgänge eine einfache Be⸗ 
gründung finden, und dann darf fie nicht in Widerfpruch mit bekann⸗ 
ten fonftigen Thatfachen ftehen. Die auf Grund eines ſchon i. %. 
1753 erfchienenen Auffages von Bonamy? von Lenormant und dar« 
auf auch in Müllers Deutſcher Deünzgefchichte3 entwidelte Vermu⸗ 
thung, welche den Urfprung der Veränderung im merovingifchen 
Münzweſen mit dem Prätendenten Gundovald in nächite Verbindung 
bringt, dürfte jene Bedingungen nicht erfüllen. Es foll ſich nämlid) 
damit in folgender Weife verhalten haben. 

Gundovald, angeblich ein unehelicher Sohn des Königs Chlotar, 


I! Vita 8. Eligi I, c. 5: absque unius etiam siliquae imminutione 
commissum sibi patravit opus (nämlid die Anfertigung zweier goldener 
Seſſel). 

2 Bonamy, Histoire de Gondevald pretendu fils de Clotaire I. pour 
servir d’ezplication & des medailles frappees & Arles et à Marseille au 
coin de l’empereur Maurice Mem. de l’acad. des inser. et d. b. 1. Paris 
1753. 4. 


5 Revue numism. fr. 1854. p. 305 fi. — Müller, a. B. ©. 284. 
414 


622 


der ſich nad) Conftantinopel begeben hatte, fuchte i. J. 583 feine 
Anſprüche auf die väterliche Erbichaft geltend zu machen. Es gelang 
ihm im folgenden Jahre fi in den Landfchaften an der Rhone An- 
erfennung zu verfchaffen, wenngleich nur für furze Zeit, da er ſchon 
i. 3. 585 feinen Gegnern erlag. Um bie gedachte Zeit, und zwar 
in Moarfeille, von wo aus Gundovald feine Unternehmung angetre 
ten, fei nach langer Unterbredjung das Münzweſen der byzantinifchen 
Raifer in Gallien auf einmal wieder unter dem Namen des Kaifers 
Mauritius erfchienen. Diefer Umſtand deute an, daß Gundovald 
demfelben als Preis fiir feine Hülfe die Oberhoheit über Gallien 
verfprochen hatte; es fcheine ferner, daß er diefes Verfprechen fo bald 
als möglich dadurch zu erfüllen gefucht habe, daß er feine Münzen 
mit dem Bildniß dieſes Kaifers fchlagen ließ, denn hierdurch Hätte 
er ein fichtbares Zeichen der Anerkennung der buzantinifchen Ober⸗ 
hoheit gegeben; es fei fogar zu vermuthen, daß jene Münzen gleich 
zu GConftantinopel gejchlagen worden fein. Die neue Eintheilung 
des Pfundes (in 84 ftatt in 72 Solidi) fei, wie das Gewicht der 
Münzen des weſtgothiſchen Königs Leovigilds (572—586) darthue, 
im Südweften Galliens ſchon vor der Ankunft Gundovalds befannt 
gewefen. Die Staaten Xeovigilds hätten aber mit Marfeille in leb- 
haften Verkehr geftanden, und felbft vom Nachfolger Xeovigilds, Re 
cared, habe man noch eine Münze, die nach dem Fuße des Mauri- 
tius⸗Triens im Gewicht von 24 Gran (1.27 Gramm) geſchla⸗ 
gen fei. „Alle diefe Beziehungen laſſen einen, freilich noch nit 
vollftändig geficherten, aber doch wahrfcheinlichen Schluß ziehen, daß 
das neue Syſtem vielleicht germanifchen Urfprungs war. Die Pafis 
defjelben, eine Siligua von 4 Gran, war muthmaßlid) germanifd), 
mußte alfo den Gothen vermöge ihrer germanifchen Abjtammung be 
fannt fein, und die übrigen germanischen Stämme begrüßten aljo 
freudig bei der Ankunft Gundovalds eine Münze, die ihren natione- 
len Gewohnheiten volljtändig entjprechend war. Eben diefe Hoffnung, 
dadurch die Sympathien Gallien Leichter zu gewinnen, mochte ans 
dererfeits den Kaifer Mauritius... . . geneigt machen, dies Syſtem 
bei den Ausmünzungen feiner Marfeiller Münzen zu Grunde zu le 
gen und dieſe, als wirffames Mittel zur Beförderung feiner Popu⸗ 
larität, dem SKronprätendenten mitzugeben”. i 

Die feſtſtehenden Thatfachen find aber nur: einmal, daß eine 
verhältnigmäßig große Anzahl von Goldmünzen mit dem Namen des 
Mauritius und den Ziffern XXI und VII bezeichnet und als in 
einer Münzftätte des fitdlichen Frankreichs geprägt fih kundgebend 
erhalten find, welde auf eine urfprüngliche ſtarke Ausmünzung fol: 
cher Münzen hinweifen; fodann, daß Gundovald bei feiner Ankunft 
in Gallien i. J. 583 beträchtliche Gefdmittel mitbrachte (Gregor VI, 
24 u. 26), von denen es allerdings fehr wahrſcheinlich ift, daß Kai- 
fer Mauritius ihm damit verfehen hatte, und daß endlich dem. Gun: 
dovald nachgefagt wurde, er wolle das fränkische Reich der kaiſer⸗ 
lichen Herrichaft unterwerfen (Gregor a. D.); alles Uebrige, was 


623 


Lenormant erwähnt, ift nur Vermuthung. Es mag bahingeftellt 
bleiben, ob Gundovald ſelbſt Gelegenheit fand, große Ausmünzungen 
während feines kurzen und unruhigen Aufenthalts in Gallien vor« 
nehmen zu laffen, und ob nicht die zahlreichen fräntifchen Münzen 
mit dem Namen des Mauritius auf Veranlaſſung des Königs Chil- 
debert II. geprägt find, ber befanntlich in feiner noch erhaltenen 
Korrespondenz mit dem Kaifer Mauritius eine auffallende Unterord⸗ 
nung fund giebt !, daß man ſchon hiernach vorausjegen möchte, aud) 
er habe unter dem Namen des Kaifers münzen laſſen. Jedenfalls 
iſt unbegründet, daß die in Rede ftehenden Münzen in Eonftantinopel 
geprägt worden; denn ihr ganzer Typus ift durchaus abweichend von 
den fonftigen Goldmünzen de8 Mauritius und zeigt eine unverfenn- 
bare Analogie mit den übrigen fränfifchen Münzen. Eine der Natur 
der Sache nad) an ſich höchſt unmwahrscheinliche, durch Nichts gerechte 
fertigte Annahme ift ferner, daß die Verringerung des Münzfußes 
ein wirffames Mittel habe abgeben können und jollen, um die Sym⸗ 
pathien des Volks zu erwerben, felbft wenn Hierdurch ein paſſen⸗ 
des Verhältnig herbeigeführt wäre zu einem urfprünglichen nationalen 
Gewichtsſyſtem, wonad die Siligqua 4 Grän fehwer gewejen und das 
mit Einem Male wieder bei den Weftgothen in Spanien zum Vor⸗ 
fehein gekommen wäre! Und weiter, fogar vorausgefekt, es habe 
eine folche altgermanifche Siliqua gegeben, fo ftimmt hiermit ganz 
und gar nicht die Werthzahl diefer leichten Solidi und Xrientes des 
Mauritius, denn das anjcheinende Normalgewicht diefer ift 72—76 
und resp. 24 bis 26 Grän, und 21 mal und 7 mal vier Grän 
würden ja gerade eben denjenigen Münzfuß von ca. 84 und 28 
Grän ergeben, an deſſen Stelle die leichteren Münzen des Mauri- 
tins traten! 

Es liegt aber überdieß ein pofitiver Umftand vor, mit welchem 
die Annahme Lenormants und Anderer, daß Kaifer Mauritius und 
der Kronprätendent Gundovald den leichteren fränfifchen Münzfuß 
und deſſen Bezeichnung durd XXI und VII eingeführt Hätten, in 
offenem Widerfpruch fteht. Wir haben oben zweier von Fillon befannt 
gemachten, meropingifchen Trientes erwähnt, welche die Auffchrift 
des Raifers Yuftin (IL)? tragen, ebenfalls die Werthzahl VII auf- 
weifen, einen gleihen Typus wie die fränkifchen Zrientes des Mau⸗ 
ritius haben, der eine derjelben auch die Angabe MA (Massalia), 
und die außerdem dieſen im Gewichte ziemlich entfprechen. ‘Da diefe 
beiden Münzen es klar vor Augen ftellen, daß die Anwendung des 
(eichteren fräntifchen Goldmünzfußes ſchon vor Kaijer Mauritius 
stattgefunden haben muß und fomit die vorhin befprochene gewöhnliche 
Annahme vollitändig widerlegen, wollen wir bie nähere Beſchreibung 
derfelben mit Fillons eigenen Worten (a. B. ©. 44 und 58) hier 


% Petigny, in der Rev. numism. fr. 1837. p. 380. 

2 Daß Yuftinus J., der Vorgänger des AJuftintan (v. 518—527), nicht 
emeint fein Tann, erhellt au8 ben Typen wie aus dem Gewicht der Münzen. 
Sufinus 1. regierte von 565578, 


624 


mittheilen. Diefe Beichreibung darf um fo mehr für unbefangen 
gelten, da Fillon felbft noch feine weitere Schlußfolgerung daraus 
gezogen hat. 

D N IVSTINVS PF AVG. Buste diadäms toumd & droite. — Br. 
VICTORIA AVITORUM. A. Croix sur un globe et accostee des letires MA, 
initiales de Marseille, et du nombre VE; & l’exergue CONOB. Los deu 
dernitres lettres de la l&gende sont probablement une repetition des initiales 
de Marseille, dont le nom n’etait peut-dtre indique que de cette maniöre an- 
terieurement & Justin H. 

Poids: 26 grains. (Pl. I. Nr. B). 

Ce precieux triens faisait autrefois partie de la collection de Crassier, 
de Grand (no. 126 du Catalogue), Je dois & M. Henri Morin, son posses- 
seur acjuel, le plaisir de le publier. — 

.. IUSTINUS P. Buste diadêmé tourmnd à droite. — Aio. R VICTOR 
oe... RUM, restes de Victoria Augustorum. A l’exergue MON; dans le 
champ, croix au dessus d’un globe accostee des letires C G et du nombre 
VII. (Monet. des rois merov., pl. XVIH. no. 9). 

Poids: 25 grains !|, (Pl. X, Nr. 2). 

Ce tiers de sou prend naturellement place à cöt& de celui d’Usez, dont 
il est contemporain. Comme lui, il appartient à la premidre Narbonnaise, 
mais je ne saurais lui donner une attribution plus preeise. Il a servi de 
prototype à plusieurs monnaies portant les lettres C G dont M. Duchalais 
et moi nous hous sommes Occupes sans avoir, je le crois, determine leur 
provenance d’une manitre convenable. En tout cas je proteste plus gue 
jamais contre l’interpretation de Crux gloriosa donnee aux lettres C G, et 
je persiste & y voir les initiales d’une designation geographique. 

Man darf hiernach mit ziemlicher Zuverficht annehmen, daß bie 
Einführung des leichteren fräntifchen Goldmünzfußes bald nach The 
debert I., während der Regierung des Kaifers Yuftin IL. (565-578) 
ftattgefunden hat, und daß nad demfelben Anfangs eher zu reichfid 
als zu fnapp ausgemünzt worden. Das Normalgewicht, welches die 
Zahl VII auf beiden erwähnten Zrientes ausdrücklich kund gab, 
follte fein 1.29 Gramm, und ihr wirkliches Gewicht ift 1.38 umd 
1.35 Gramm. 

Ueber den Grund und ben Urfprung biefes neuen fräntifchen 
Münzfußes von 84 Solidi auf das Pfund Gold fehlt es, wie fchon 
bemerkt, an jedem näheren Nachweis; nur die einfache Thatfache einer 
ſolchen Veränderung liegt Har vor Augen, und über den Zeitpunft, 
wann diejelbe eingetreten zu fein fcheint, haben wir die eben erörter: 
ten Anzeihen. Wir wollen nun fuchen, an die Stelle der oben zu- 
rücgewiefenen Vermuthung eine andere aufzuftelfen, welche, wenn fie 
auch keineswegs einen weiteren Anfpruh auf gefchichtliche Autorität 
beanſprucht, doch wenigſtens die vorerwähnten Bedingungen folcher 
Hypotheſen nicht verlegen dürfte. 

Je wichtiger zu allen Zeiten jede durchgreifende Veränderung 
des Münzfußes fir die allgemeinen focialen Zuſtände eines Volks 
gewejen ift, wovon auch die merovingifche Periode feine Ausnahme 
maden kann, um jo bejtimmter ift vorauszufegen, daß es ftets mäch— 
tige Motive gewefen find, welche zu folcher nicht bloß factifchen, fon: 
dern auch legalen Veränderung geführt haben. ‘Die mit der wejent- 
ihen Gewichtverringerung der fränfifhen Goldmünzen gleichzeitig 


625 


eingetretene Bezeichnung des neuen Münsfußes auf ben Münzen 
jelbft beweilt die Planmäßigfeit einer folchen Veränderung. 

In Münzangelegenheiten ift das Mißtrauen des Publikums 
recht eigentlich zu a und die Münzforten, gegen welche es 
einmal Pla gegriffen, haben fchweren Stand, felbft bei reeller 
Ausmünzung ein einmal gefaßtes Vorurtheil wieder zu befeitigen. 
Die in unfern Auffägen ſchon einige Male erwähnte frühere Ver- 
rufung gewiffer galliicher Goldfolidi wird in Stalien, Burgumd 
und anderen Gegenden ihre nachtheilige Einwirkung deshalb aud) 
auf die fränkifchen Nachbildungen der gleichzeitigen Kaifermünzen und 
die von Theodebert I. geprägten Goldmünzen erftrecdtt haben, wie 
vollhaltig diefelben auch ausgemünzt fein mochten. In dem ganzen 
Zeitraum zwifchen dem Edict Majorians v. J. 458 (wo es heißt: 
gallicus solidus, cujus aurum minore taxatione aestimatur) bis 
auf den Brief des Pabjtes Gregor bes Großen v. %. 596 V, 10, 
worin der solidi Galliarum, qui in terra nostra expendi non 

ossunt, Erwähnung gejchieht, werden die authentifchen Faiferlichen 
oldmünzen gegen die in Gallien gemlinzten Solidi und Zrientes in 
der Regel ein Aufgeld bedungen haben, welches der Bequemlichkeit 
der Rechnung wegen bei dem Triens vermuthlich fid) auf eine Sili« 
qua feftftellte, fo dag demgemäß nach der in Italien auch noch unter 
den Longobarden fortdauernden Rechnungsweife zu Siliquen (24 auf 
den Solidus) ein fränkifcher Triens im gewöhnlichen Verkehr nur 
den Werth von 7 Siliquen, und ein fränfifcher Solidus den Werth 
von 21 Siliquen darftellte, wenn fie auch ebenfo vollwichtig waren 
al8 die gleichen römifchen Münzen. Ein folches Mißverhältniß mußte 
natürlich auf die Dauer den fränkischen Herrfchern und Münzern 
unerträglich erjcheinen, und da weder die gewifjenhafte Ausmünzung 
unter eigenem Namen noch auch die möglichit getreue Copirung der 
gleichzeitigen oftrömifchen Münzen das Vorurtheil überwinden Tonnte, 
fo wäre es faft zu verwundesn, wenn man nicht zu dem Auskunfts⸗ 
mittel gefchritten wäre, die Ausmünzung mit der ufanzmäßigen Gel- 
tung in Einklang zu bringen und die Solidi künftig wirkli nur im 
Gewichte von 21 Eiliquen Gold, ftatt zu 4 Scrupeln, und die Tri⸗ 
entes im Gewichte von 7 Siliquen, ftatt zu 8 Siliquen, auszubrin« 
gen. Bei diefer Auffaffung des Grundes und Urfprunges des neuen 
fränkiſchen Münzfußes erklärt e8 fi ferner fehr gut, weshalb die 
vorerwähnten Zrientes mit dem Namen des Zuftinus, auf denen wir 
zuerft die Bezeichnung VII antreffen, ein fo auffallend reichliches 
Gewicht aufweifen; man wollte dadurch offenbar verhindern, daß die 
neuen Münzſtücke nicht wieder ihren feftbeftimmten wirklichen Werth 
im Verkehr verlören und eine fernere Devalvirung im Vergleich mit 
den römischen Goldmünzen erführen. Daß nıan in der erften Zeit, 
wo diefe Neuerung in der fränkiſchen Ausmünzung fi) confolidirte, 
vorzugsweife den FTaiferlihen Namen und Typus noch beibehielt und 
die fränfifchen Mauritius» Solidi und Zrientes fo zahlreich, 
Dingegen die felbitändigen fränkischen „Goldmünzen aus dem Ende 


626 


des fechsten Jahrhunderts fo felten find, erklärt fi) ebenfalls ans 
diefer unjerer Auffaffung des Webergangs zum neuen Meünzfuße. 
Endlich findet hierbei auch die Erſcheinung eme einfache Erklärung, 
daß der neue fränfifhe Münzfuß, von 84 Solidi auf das Pfund, 
um die nämliche Zeit oder bald barauf bei den Wejtgothen umd 
Longobarden zur Geltung kam; denn deren Goldmünzen werden nicht 
minder wie die fränfifchen einen geringeren Courswerth als die echten 
faiferlichen Münzen erfahren, und auch fie werden diefen Linterfchieb, 
zumal nachdem die Franken darin vorangegangen waren, durdh ent 
Iprechende leichtere Ausmünzumg auszugleichen verfucht haben. 


Silbermünzen. 


Wenn man die gewöhnliche Werthrefation des Goldes zum Sil⸗ 
ber im freien Vrfehr für das merovingifche Zeitalter wie 1:12 an: 
nimmt, wie ſolches zulegt im römifchen Reiche üblich gewefen fein 
wird und fpäter in ber Farolingifchen Periode offlciell anerkannt 
wurde — und es liegt fein Grund vor, ein hiervon wefentlich ab» 
weichendes Verhältniß vorauszufegen —, fo war für den neuen frän» 
fifchen Denar, als den vierzigiten Theil des Goldfolidus, ein Nor: 
malgewicht von (12 X „alss) 740 Pfund oder 1.35 Gramm ge 
geben, fo lange nämlich der römische Solidus von 24 Siliquen galt, 
und von (12 X gps) 260 Pfund oder 1.16 Gramm, als der 
fränfifhe Goldmünzfuß der Solidi von 21 Siliquen und insbefon- 
dere der ZTrientes von 7 Siliquen in Aufnahme fam. Erwägt man 
indeß, dag im Beginn der merovingifchen Herrichaft in Gallien Sil- 
bermünze felten war und deshalb neben den Goldmünzen hauptſäch— 
ih nur als größere Scheidemünze dienen mochte, die verhältnißmäßi⸗ 
gen Mehrkoſten der Ausprägung des Silbers mithin um fo mehr 
eine Verringerung des effectiven Metaligehalts der Silberdenare gegen 
ihren Nennwerth unbedenklich erſcheinen laffen mußten, fo darf man 
mit ziemlicher Wahrfcheinlichkeit annehmen, daß, wenn in den eriten 
Zeiten der merovingifchen Herrfchaft Denare geprägt worden find, 
ihr wirkliches Gewicht leichter gewefen fein wird als die eben ange: 
gebenen Normalmünzfuße — etwa 1.20 bis 1.10 Gramm — und 
fi) fo dem Gewichte der noch umlaufenden Siliquen der Teßten 
weitrömifchen Kaifer und der gleichzeitigen byzantinifchen und oftgo- 
thiſchen Siliquen angefchlofjen haben wird. Selbſtverſtändlich bezieht 
fi) dies nur auf das Durchſchnittsgewicht der Denare, nicht auf 
das Gewicht einzelner Stüde; denn wenn ſchon, wie wir bereits mehr: 
fady bemerkt haben, bei den römifchen Silbermünzen der fpäteren 
Zeit eine höchſt ungleichmäßige Stüdelung ftattfand, fo läßt ſich folche 
bei den fränfifchen Silbermünzen noch viel mehr erwarten. Die Eon» 
trole über die Ausmünzung der Denare wird fi natürlich darauf 
befchräntt haben, daß eine beftimmte Zahl derfelben zujammen ges 
wogen ein Pfund ausmachte, und im Einzelnen Tonnten dann manche 
eine merklich geringere und andere wieder eine größere Schwere 


627: 


haben als das Durchſchnittsgewicht. Da aber auch bei einer ber- 
- artigen factifchen Verringerung des normalen Münzfußes gewiß nicht 
reine Willfür des Münzers oder bloßer Zufall maßgebend geweſen 
fein kann, fo wird als Regel eine beftimmte runde Zahl Denare an⸗ 
genommen worden fein. Es würde etwa die Ausmünzung des Pfun- 
des Silber zu 300 Denaren ein pafjendes Verhältniß abgegeben 
haben, wonach dann das Durchfchnittsgewicht des neuen fränkischen 
Silbers-Denars auf ca. 1.10 Gramm auszukommen wäre, in ziem« 
licher Uebereinftimmung mit dem factifchen Durchfchnittsgewicht ber 
in Gallien vorgefundenen in Silber ausgemünzten Gold - Siliquen. 
Hierzu paßt nun merfwürdigerweife die gelegentliche Bemerkung in 
einer fehriftlichen Aufzeichnung aus der Mitte des neunten Jahrhun⸗ 
derts, auf deren Benugung zur Aufklärung des merovingifhen Sil- 
bermünzweſens Guerard zuerft aufmerkſam gemacht hat !. 

Ein anonymer aquitanifcher Geiftlicher nämlich, der i. J. 845 
über die Zubereitung des Brot für das heilige Abendmahl eine 
Anweifung giebt, fchreibt folgendes: 

Tres nummi moderni tantum pondus habent quantum 
habent CLIII maxima grana cerulei Aquitaniae tritici nostri 
.... Trecenti tamen nummi antiquam viginti et quinque 
solidorum efficiunt libram; et duodecim tales librae, qui fiunt 
per tria millia sexcentos nummos, sextarium triticı efhci- 
unt unum. 

Diefe Stelle ift im Allgemeinen undeutlich und die als Grund» 
lage der ganzen Aufjtellung angeführte Thatfache ift offenbar unrich- 
tig. Es follen 153 möglidhit große Körner einer gewilfen Art Weis 
“ zen gleich fein 3 nummi (Denare) und 300 von biefen ein altes 
Pfund ausmachen. Die auf unfern Wunſch in Bordeaur vorgenoms 
menen Wägungen von 153 fchweren dortigen Weizenförnern hat ein 
Gewicht von 8.10 Gramm ergeben *, wonach fi) das Gewicht des 
alten Pfimdes auf 810 Gramm ftellen würde, aljo noch beträchtlich 
fchmwerer als das Doppelte des römischen Pfundes. Die Unrichtig- 
feit der Annahme, felbjt wenn man einen beträchtlichen Abfchlag auf 
bie Schwere der Weizenkörner machen wollte, liegt fomit Kar vor 

ugen. 

Die bisherigen Ausleger der fraglichen Stelle haben, wie mir 
Scheint, der anfcheinend fo forgfältigen Gewichtsangabe von 153 
Weizenkörnern eine Bedeutung beigelegt, die derfelben durchaus nicht 
zukommt. Jene Zahl „153* ift von dem geiftlichen Verfaſſer 
unverkennbar aus dem Evangelium Johannis XXI, 11 genom- 
men, wo berichtet wird, daß Petrus mit Einem Zuge gerade biefe 
Zahl, nämlid 153 Fiſche in feinem Nege gefangen habe. Dieſe auf 
ſolche Weife geheiligte Zahl wollte der Verfaſſer in feiner Anmweifung 
für. das heilige Abendmahlsbrot anbringen und fegte biefe Zahl in 

3 Gu6rard, Polyptyque de l’abb& Irminon, Proleg. p. 945. 


® Die von und in FR angefteliten Wägungen von 153 Körnern 
verjchiebener Weizenforten haben ein ähnliches Ergebniß geliefert. 


628 


Zufammenhang mit den Münzſtücken, die er als Gewichtsnorm ber 
nußte, wo dann wieder die Heilige Zahl Drei fih ihm vor Allem 
darbot. Auf genaue Ponderalverhältniffe war e8 hierbei gar nicht 
abgefehen, und darf man die auf jene Zahlen bezüglichen Angaben 
für die Auslegung der übrigen Stelle ganz bei Seite Laffen. 

man dies, fo bleibt Hauptjächli nur die Notiz übrig, daß breihm- 
dert Denare auf ein altes Pfund gingen, wobei diefes alte Pfund, 
befjen fortdauernde Anwendung bei der Bereitung des Abendmahls⸗ 
Brotes nicht auffallen Tann, näher beitimmt wird, im Gegenjay 
gegen das neue Pfund feit Pippin und Karl d. G., das ſowohl bes 
trächtlich ſchwerer war, als auch nicht mehr in 300, fondern in 240 
Denare getheilt wurde. So gedeutet, erbliden wir in der angeführ- 
ten Stelle eine ausdrüdliche Beftätigung des fchon anderweitig ge 


fundenen Verhältniſſes, daß zu Anfang der merovingifchen Zeit das 


Pfund Silber thatfächlich zu 300 Denaren ausgemünzt wurde, von 
denen damals 40 Stüd auf den Goldfolidus gingen, die der Ber: 
faffer aber nach der inzwifchen ütblicy gewordenen Rechnung von 12 
Denaren auf den Solidus mit 25 Solidi gleichitellt 

Bouteroue und Leblanc haben in ihren Werken über die fran- 
zöfifche Münzgefchichte nur beiläufig einige wenige merovingifche Des 
nare erwähnt, und war diefe Münzforte fo zu fagen faft ganz in 
Vergeſſenheit gerathen, als Lelewel i. %. 1835 zuerft wieder die Auf- 
merkſamkeit auf diefelbe hinlenkte. E. Cartier betrachtete im feinen 
erſten Auffägen iiber das merovingifche Minzwefen die Denare als 
eine ausnahmsweife Erfcheinung Als dann i. %. 1837 Guerand ! 
zuerft das wirkliche Gewicht der merovingifchen Denare näher unter: 
ſuchte, konnte er für diefen Zwed nur 22 Stüde berückfichtigen, 
während damals bereit8 gegen 900 verjchiedene Typen merovingijcher 
Goldmünzen bekannt waren. Seit jener Zeit aber wandte ſich die 
Aufmerkſamkeit der numismatifchen Sammler und Schriftfteller den 
fräntifchen Denaren mit ganz befonderem Eifer zu, und hat ſich in 
zwifchen die Zahl der in den verfchiebenen Münzfammlungen aufbe 
wahrten und befannt gemachten Exemplare diefer intereffanten Münz⸗ 
forte außerordentlich vermehrt, wozu in&befondere einzelne reichhaltige 
Funde beigetragen haben. Kine größere Anzahl einzelner Stüde 
ward in den Sammlungen von De Saulcy in Mek und von Rouf- 
jean in Paris vereinigt. An größeren Funden find zu erwähnen: 
1) der von Saint- Remy (Departement der Rhone-Dlündung), aus 
dem 27 Denare von dein Marquis de Lagoy befchrieben find 2; — 
2) die nebjt vielen anderen Münzen zu Domburg auf der Inſel 
Walcheren gefundenen älteren fräntifchen Silbermünzen von Rethaan- 
Macaré 1838 und 1856 befchrieben 5; — 3) 170 im Jahre 1850 
in einem Topfe zu Plaffac (Departement der Gironde) gefundene 


! Rev. numism. fr. 1837. p. 409. 
2 De Lagoy. Description de quelques monnaics ınerovingiennes 
decouvertes en Provence. 1839. 


’®_ Die Titel diefer Schriften find bereit? ©. 603 N. 1 angeführt. 


fränkiſche Silbermünzen?; — 4) ein im füdlichen Frankreich gemach⸗ 
ten und von etwa 100 merovingiſchen Silbermünzen, wovon etiva 
die Hälfte in den Befig des Hrn. H. Morin gelangte ?. 

Nachitehend geben wir eine Zufammenftellung der merovingifchen 
Denare, über die uns fpecielle Gewichtsangaben vorliegen. Das 
Gewicht wird hierbei die Neihefolge beftimmen, und zwar von den 
leichteren zu den ſchwereren Stücden fortfchreitend, da es aus den 
fpäter zu entwidelnden Gründen wahrjcheinlich ift, daß, im Ganzen 
genommen, die leichteren mehr der früheren Periode angehören. Zum 
Verſuche einer, wenn auch nur ungefähren chronologifchen Anordnung 
fehlt es bis jeßt an genügenden Anhaltspunften. 


Merovingifhe Denare 5. 





Se: Gewicht 
wicht. Jin par. Zahl 


Oram. | Grän. der Stüde, 
0.80 15 |Conb. Nr. 451; — Longp. Nr. 179. Massika. 


Angabe wo biefelben befchrieben, 
und Bemerkungen. 











0.85 16 |Conb. Nr. 1001; — Longp. Nr. 214. 

0.88 162 |Longp. Nr. 176. Lambertus episc. 9 

0.90 | 17 |Conb. Nr. 493. Ludedis. — Longp Nr. 212,| | (7.78 Gr.) 
fehr alt. — Fillon X, 13. Ar(vernum); — 


X, 20. 
0.96 18 Conb. Nr. 339. Ar(vernum). — Rob. p. 181, 
D mit einem Strich barüber. 


6 
0.98 184 |Longp. Nr. 213. 
1.00 | 18% ILongp. Nr. 180 Andfevis)? — Rob. p. 181. (4° ©.) 
D ın, Str. 
1.01 19 |Conb.Nr. 865 D m. Str.; — Nr. 456. — Fil- 
lon 19. 


1.08 | 19% |Longp. Nr. 143 Pari?; — Nr. 216. — Fil- 
lon X, 21 Ar(vernum). 
1.04 | 193 [Fillon X, 16 Ar(vernum); — X, 19 Ar(ver- 
num); — X, 19 Ar(vernum). 20 
1.06 20 |Conb. Nr. 388; — Nr. 517. Massilia; — Nr.: ((20.98 Gr.) 
692. Pal...ico; — Nr. 751; — Nr. 912; — 
Nr. 950. — Fillen V, 21; — VI, 11. 
1.09 20} Fillon VI, 8. 
1.10 | 20% |Longp. Nr. 125. Cin(noma)nis — Rev. num. 
fr. 1860. p. 45. Victor. Rv. Racio acclisi. 


? Monnaies merovingiennes d’argent par Marquis de la Grange. Rev. 
namism. fr. 1851. p. 19 ji. Die damals in Ausjicht geitellte jpecielle Be: 
ſchreibung dieſer Münzen ift leider nod nicht erſchienen. 

2 Fillon a. B. p. 101. Der Ort, wo der Fund flattgefunden, wirb 
nicht näher angegeben. 

5 Die Abkürzungen ber citirten Schriften find bie nämlichen wie früber. 
Die von Guerard fpeciell erwähnten Denare find in dem vollftändigeren Wer: 
zeichniß von Conbrouſe mit enthalten und deshalb in biefer Zufammenftellung 
nicht befonderd aufgeführt. 


630 


Gewicht { | 5 ——77 


in 


Gran. 





Gewicht 
im par. 
Srän. 





Angabe, wo biefelben bejchrieben, Zahl 
unb Bemerkungen. ber Stüd: 





1.11 


1.20 


1.22 


1.23 


1.25 


1.37 


al 


21 
al 


213 
22 


22} 


23} 


24 


655; — Nr. 729; — Nr. 914. — Fillon 
V, 20; — VI, 13; — VL 2; — VI, 6; — 


num); 

Fillon X, 10. Ärfvernum). 

Fillon X, 15. Ar(vernum). — Rob. p. 181. — 
Rev. numism. belg. 2.8.1, 330. Noviento vieo. 

Fillon X, 14. Ar(vernum). 

Conb. Nr.93. Aum...vo; — Nr.175. Brien- 
none; — Nr. 227. Cabillonno; — Nr. 276. 
Cinomannis; — Nr. 459. in Palaco; — 
Nr. 800. (T)recas civ.; — Nr. 828; — 
Nr. 912; — Nr. 913; — Nr. 919; — Nr. 
922. — Fillon VI, 4; — VI. 6; — VI, 
10; — VI, 15. Cablonno ; — VI, 20. Vi(enna); 
— VI, 22. Ar(vernum). . 

Longp.Nr.118. Ca(blon)no; — Nr. 121. Tu- 
ronus civi; — Nr. 142. in pfalacio); — Nr. 
215. Monogr. AB? 

Conb.Nr. 95. Aurelian (Billon) ; — Nr. 483; —| , 
Nr. 633. racio fise.; — Nr. 912; — Nr. 
912b.; — Nr. 915.‘ Av.; — Nr. 917; — 
Nr. 919; — Nr. 964. — Fillon VI, 16. 
Ka(blonno). 

Fillon X, 11. Ar(vernum). 

Longp. Nr. 109. Rodomarus Brb. r.; Ro. E- 
broino; — Nr. 129. Monogr. (Andevis?). — 
Fillon VI, 18. 

Conb. Nr. 46. Ande(vis)?; — Nr. 167; — Nr.: 38 
221. Cablonno (Bill.) — Nr. 347. Condetai;—|[ 46.51 Gi 
Nr. 559; — Nr. 611. Paris; — Nr. 800. 
Trecas cio; — Nr. 828; — Nr. 914; — 
Nr. 915; — Nr. 916; — Nr. 920; — Nr. 
922. — Fillon V, 16. Paris?; — V, 17. 
Paris?; — V, 19. Rhodez?; — VI, 16; — 
VI, 17. Lu(gdunum); — VI, 18. Vi(enna) ; — 
X, 12. Ar(vernum). 

Longp. Nr. 134. Avinio; — Nr. 144; — Nr. 
217. — Fillon X, 9. Ar(vernum). 

Conb. Nr. 436. Gem.; — Nr. 559; — Nr. 


Conb. Nr. 234. Cadurca; — Nr. 488. Gemo- 

dico; — Nr. 459. in Palacio; — Nr. 46]. 

Isarnobero; — Nr. 517. Massika; — Nr. 
51.51 @ 


— ⸗ 


994. Leodeg. — Fillon VI, 9. 

Conb. Nr. 116. Autisiodro (Billon). 

Conb. Nr. 235. Cadurca; — Nr. 922. — Fil- 
lon VI, 19. Vi(enna). 

Longp. Nr. 132. Carnotas. 

Fillon X, 17. Etole vici. 

Conb. Nr. 684. 


pi dub 


68 


Demnach zwifchen 0.80—0.90 Gramm 9 Std (durchſchn. 0.86) 
zufammen 7.86 Gramm. 


. „ 12.1—.0 „ 5 Stüd (durdfchn. 4.98) 
zufammen 4.90 Granım. 

" „ lLoi—110. „ 20 Stüd (durchſchn. 1.05) 
zufammen 20.98 Gramm. 

„ „ 1.11—1.90 „ 45 Stüd (durchſchn. 1.14) 
zufammen 51.51 Gramm. 

" „ 1.21—130 „ 38 Stüd (durchſchn. 1.26) 
zufammen 47.78 Gramm. 

„ „  1.31u.darüber „ 11 Stüd (durdfchn. 1.38) 


zufammen 15.18 Gramm. 

Die von 9. Lagoy bejchriebenen, zu St. Remy gefundenen 27 
Denare hatten zujammen ein Gewicht von 28.60 Gramm, alfo 
durchſchnittlich 1.00 Gramm (20 par. Grün). 

Das Gefammt= und das Durchfchnitts-Gewicht der zu Plaffac 
gefundenen 170 Denare ift in ber kurzen Befchreibung von de la 
Orange nicht angegeben; e8 wird nur bemerkt, daß einige der Stücke 
1.06 bis 1.11 Gramm (20 & 21 Grän), die fehwerften 1.38 Gramm 
(26 Srän) wogen. Von befonderem Intereſſe bei diefem Funde ift, 
daß fi) bei den Münzen vier noch ungeprügte Silberſtücke fanden, 
zwei genau von 1.38 Gramm (26 Grän), eines von 0.69 Gramm 
(13 Grän) und eines von 0.37 Gramm (7 Grän), auf welcden 
Umftand wir fpäter zurückkommen werden. 

Guerard ! fand das Durchſchnittsgewicht der(i. J. 1843) 75 von 
ihm fpeciell in Betracht gezogenen merobingifchen Denare zu 1.17 
Gramm (22 Grün), wobei er aber auf den großen Unterfchied der 
einzelnen Stckeü aufmerkſam macht (resp. 16 und 27 Grän). 

Longperier ? giebt über das Gewicht der ‘Denare folgende all- 
gemeine Zufammtenitellung : 

Zahl der gewogenen Stüde 21 

Gejammtgewicht derfelben 23.12 Gramm. 
Durchſchnittsgewicht 1.109 „ 

Marimumgewict 1.40 " 

Derfelbe bemerkt indeß fpäter noch befonders 3: die 16 gut er- 
haltenen merovingifchen Denare der Rouffeaufchen Sammlung wögen 
18.04 Gramm, burdhfchnittlih mithin 1.19 Gramm; ohne Ueber- 
treibung werde man eine Abnugung von 1 Gentigramm annehmen 
dürfen und erhalte fo als Normalgewicht des Denars 1.20 Gramm. 

E. Thomas in einer fpäter noch zu berüdfichtigenden Schrift 
bat aus dem Berzeichniß von Eonbroufe und den zwölf erften Bänden 
der Revue numismatique, unter Ausfcheidung aller Stücke unter 
19 und über 25 Gran (resp. 1.01 u. 1.33 Gramm), folgendes 


2 Polypt. p. 941fi. 

2 Notice de monn. fr. comp. la collection de M. J. Rousseau, Introd, 
p. XV, 

5; 08 p. 96. 


632 ü 


Nefultat für das Gewicht des merovingifchen Denars gezogen: 59 
derfelben wogen 1315 Grän oder 61.83 Gramm, was für den ein 
zelnen Denar einen Durchſchnitt von 22.28 Grän oder 1.18 Gramm 
ergiebt. 

illon giebt das Durchichnittsgewicht aller. in der Eammlımg 
des Morin befindlichen merovingifchen Denare an auf 21} 
bis 2 "Srän, alfo 1.16 Gramm. 

Wenn wir ohne weitere Rüdficht auf diefe früheren Aufftellun 
gen Anderer felbftändig auf Grund der vorhin gegebenen Leberfidt 
einer Reihe von merovingijchen Denaren, deren Gewicht fpeciell un 
terfucht worden, eine Durcfchnittsermittlung vorlegen follen, jo ge 
fangen wir zu folgendem Ergebniß. Bei weiten die größte Anzahl 
berfelben — 83 Stüd von 128 — meift ein Gewidht auf von 1.11 
bis 1.30 Gramm; das Gewicht ſämmtlicher aufgeführter 128 De 
nare beträgt 148.21: Gramm, was für den einzelnen Denar em 
Durdfchnittsgewicht von 1.16 Gramm Herausitellt, alfo ein Reſul⸗ 
tat, welches mit den früheren Ermittlungen weſentlich übereinftinmt. 

Es ericheint uns indeß nicht zuläffig nad) diefem allgemeinen 
Durchſchnittsgewicht den Werth ber merovingifchen Denare für die 
ganze Periode beftimmen zu wollen. Man wird nämlich in Betradt 
zu ziehen haben, daß biefelben Anfangs nur als größere Scheide 
münze neben den Gold-Solidi und Trientes in geringer Menge be 
nugt und vorhanden gewejen fein mögen, und daß damals der factiſche 
Veünzfuß derjelben, wie früher ſchon erörtert, fich dem der gleichzei- 
tig noch umlaufenden Siliquen angefchloffen haben dürfte. Dies 
wird dadurch beftätigt, daß mehrere Denare, weldhe dem Styl ihrer 
Typen nach in die früheren Zeiten der merovingifchen Herrſchaft ge 
fegt werden, ein befonders geringes Gewicht aufweifen. Daß gerade 
von diefen nur äußerſt wenige uns erhalten worden find, bat in bem 
ihon öfter erwähnten Umftande feinen Grund, daß Meünzforten, 
welche nie als Courantgeld gegolten haben, alfo auch nicht abfict- 
ih angefammelt und vergraben find, ſich natürlih am leichtejten fait 
ganz verlieren. Werner ift zu beachten, daß die Beichaffenheit der 
uns noch erhaltenen Denare zweierlei deutlich vor Augen ftellt, nämlid 
einmal die jehr ungleihmäßige Stüdelung der Münzen und dann die 
bei vielen ftattgehabte bedeutende Abnukung oder Gewichtsverringerung 
durch Beihädigung. Der Fund von Plaffac wie derjenige, welcher 
der Morinfchen Sammlung eine bedeutende Zahl merovingifcher De- 
nare verjchaffte, beweilt, daß gleichzeitig Stüde von ca. 1 Gramm 
bis 1.40 Gramm im Umlaufe waren, fowie daß diefelben im Laufe 
der Zeit aufgehört hatten nur als Scheidemünze benutzt zu werden 
und als Courantmünze Geltung gewannen; denn fonft würden fchiver: 
lich größere Partien davon vergraben worden fein. Der Fund von 
Plaſſac, welcher einige noch ungeprägte Silberjtüde enthielt von 1.38 
Gramm, nebſt einem gleihen Stüde von 0.69 und einem von 0.37 


U Lettres etc. p. 111. 


633 


Gramm, Hat hierdurdy einen beachtenswerthen Hinweis auf den ba- 
maligen Deünzfuß gegeben, mit dem manche guterhaltene merovingifche 
Denare übereinftimmen, und dem viele andere Denare, die jet durd 
Abnugung oder Befchneiden erheblich verloren haben, urfprünglich im 
Durchſchnitt ebenfalls entiprochen haben werden. Wir finden hiernach 
die merkwürdige Erjcheinung, daß, während bei den merovingifchen 
Goldmünzen in der fpäteren Periode eine erhebliche Tegale wie that» 
fächliche Verringerung des Münzfußes vorliegt, wie dies im Vor⸗ 
bergehenden näher nachgewiefen wurde, bei der Silbermünze allem 
Anſchein nach das Entgegengefegte ftattgefunden hat, nämlich eine 
merklihe Erhöhung des Münzfußed. War im Anfange der mero- 
vingifchen Herrfhaft der Münzfuß der Denare 300 Stüd auf das 
Pfund gewefen, fo wurden bei fpäteren durchſchnittlichem Gewicht 
des Denars von 1.38 Gramm 240 bis 250 Denare aus dem Pfund 
Silber gemünzt. Gegen Ende der merovingifchen Periode muß frei- 
lich die Ausmünzung der Denare wieder nad) einem etwas leichteren 
Münzfuße gefchehen fein, was einentheil8 durch manche derjenigen 
Denare, weldye dem Styl nach mit großer Wahrjcheinlichleit in die 
Zeit unmittelbar vor König Pippin gefeßt werden können, bezeugt 
wird, fodann aber aud) aus der befannten Verordnung des ebenge- 
nannten Königs fich abnehmen läßt, welche den Ausgangspunkt für 
den folgenden Abfchnitt bilden wird: de moneta constituimus 
similiter, ut amplius non habeat in libra pensante nisi viginti 
duo solidos. Hiernach follten nicht mehr als (12 X 12) 264 
Denare aus dem Pfunde Silber gemünzt werden, es war aljo vor 
Erlaß jener Verordnung eine größere Zahl Denare aufs Pfund ge- 
gangen. 

Wie erklären fich diefe Verhältniffe? Auch hierbei ijt man auf 
Combinationen der oben (S. 621) erwähnten Art angewiefen. Es 
ift hier indeß noch nicht der Ort, diefe Erklärung zu verſuchen, fon- 
dern wird erjt jpäter im Fortgang unferer Unterfuchung dazu die geeig- 
nete Gelegenheit fein. Für jest ift nur zu bemerken, daß es in 
NRückficht des allgemeinen Münzivefens im fränkifchen Neiche unter 
den Deerovingern bis etwa auf die legten Zeiten von Karl Martell, 
und insbefondere für Neuftrien, gar nicht auf den Münzfuß der 
Denare antommt, um danach den Werth des Geldes zu ſchätzen; 
denn hierfür kommt nur der Goldfolidus in Betracht, und der Werth 
des Denars ift nicht mehr und nicht weniger als der vierzigfte Theil 
dieſes Solidus. Wenn bei VBerfchlechterung des Gewichts und des 
Gehalts der Goldmünzen gleichzeitig Silber-Denare ausgeprägt wur- 
den, welche, ftatt in entfprechender Proportion an effectivem Metall 
werth zu verlieren, weſentlich gewinnen, fo ift e8 einleuchtend, daß 
unmöglid) eine nad) dem friiheren Rechnungsverhältniffe umlaufende 
Sceidemünze darin erfannt werden kann; es würde dies geradezu 
gegen die Natur der wirthichaftlichen Dinge fein. Mit anderen Wor- 
ten, es ift nicht anzunehmen, daß ein Denar, der nach dem 
durchfchnittlihen Gewicht der Zrientes zu Ende des fiebenten Jahr⸗ 


634 


hunderts einen Rechnungswerth von wenig mehr als 70 Pfund Münz- 
Gold Hatte, in einer Silbermünze dargejtellt wurde, welche nad) dem 
Münzfuß von ungefähr „4, Pfund (1.35 Gramm) Silber ausge 
prägt war. Es müſſen nothiwendig andere Momente wirkſam ge 
wefen fein, um folche Minzzuftände herbeizuführen, und dieſe werden 
fpäter zur Erörterung kommen. 


Im Anfhluß an unfere Nachweife und Bemerkungen über bie 
merovingifchen Denare haben wir noch einige Notizen über die 
ausgemänzten Theilftücle des Denars beizufügen. Vor Allem miß 
hierbei an eine frühere allgemeine Bemerkung erinnert werden, daß 
bei Münzen diefer Art, welche lediglich den Zwed der Scheidening 
zu erfüllen Hatten, niemals al8 Courantged in größeren Summen 
aufbewahrt fein werden, die Seltenheit der davon erhaltenen Erem- 
plare keinen Schluß auf die Geringfügigfeit der urjprünglichen Aus 
münzung derfelben geftattet, es vielmehr immer als ein fehr günſtiger 
Zufall zu betrachten ift, wenn überhaupt einzelne Stücke der Art auf 
unfere Zeit gefommen find. In den eriten Zeiten der merovingiſchen 
Periode wird allerdings das Bedürfnig nad) neu zu münzenden Theil⸗ 
ftücten des ‘Denars fehr ſchwach gewefen fein, da die noch mafjenhaft 
im Umlauf verbliebenen römifchen Kupfermünzen zur Yuseinander- 
fegung im gewöhnlichen Eleinen Verfehr völlig genügt haben werben, 
und felbftverftändlich, wenn die Ausmünzung ganzer Denare damals 
nur beſchränkt war, bie Theilftüce noch feltener geprägt fein werden. 
ALS jedoch im Verlauf von zwei Syahrhunderten und mehr feit Be 
gründung der fränfifchen Herrfchaft in Gallien nothwendig die römi- 
Ihe Echeidemünze nad) und nad) fo zu fagen ziemlich aufgebraudt 
fein mußte, da konnte es nicht ausbleiben, daß des täglichen Verkehrs: 
bedürfniffeg wegen auch ſolche kleinere Münzen geprägt wurden, 
wenn auch nicht in großer Menge, da dem einerſeits die Höhe der 
Münzfoften entgegenftand und andererjeits nach den allgemeinen jo 
cialen und wirthichaftlichen Verhältniffen im achten Jahrhundert in 
Gallien vermuthlich viel weniger Münze für den gewöhnlichen Ber: 
fehr ausreichte als etwa zwei Jahrhunderte früher, als der Münz— 
vorrath wie der Münzumlauf viel beträuhtlicher geweien war. 

Welche Theilmünzen des Denars unter den Merovingern geprägt 
worden find, darüber ift man faft ausfchließlidy auf Vermuthungen an- 
gewiefen. Nur das fcheint man aus dem oben erwähnten Vorkommen 
ungeprägter Hälften und Viertel des Denars neben ungemünzten 
ganzen Denar-Silberftücen und vielen fertigen und längft in Circu— 
lation gewefenen Denaren beim Funde zu Plaffac mit Sicherheit ab- 
nehmen zu können, daß halbe und viertel Denare in Gebrauch waren, 
weiche Zheilung ja auch die natürlichjte it. Welcher Art die Klein: 
ften Eilber-Theiljtüdle der Denars gewefen, ob diefelben bis auf ein 
Sechstel oder felbft ein Zehntel der Denars Hinuntergingen, Taffen 
wir dahingejtellt. Ohne hierüber eine eigene Anficht zu äußern, be 
Ihränfen wir uns auf eine furze Erwähnung der über Kleinere mero⸗ 


685 


vingiſche Silbermünzen von einigen franzöflichen Numismatifern 
gemachten Mittheilungen. ‘Die Seltenheit der überhaupt vorlommen- 
den Exemplare diefer Münzforten und bie Schwierigkeit ihrer Deu⸗ 
tung möffen offenbar für den eifrigen Numismatifer einen ganz be 
fonderen Reiz haben; es läßt fich indeß nicht verkennen, daß gerade 
die feltenen Ueberrefte biefer Urt, welche Verhältniſſe betreffen, über 
bie weder Gejchichtsfchreiber noch fchriftliche Urkunden irgend etwas 
33 geben, auch ein gewiſſes hiſtoriſches Intereſſe in Anſpruch nehmen 
en. oo. 
Lagoy! Hat zuerft (1843) auf frünkifche Theilftüde des Denars 
am gemacht und in einigen in der Provence aufgefundenen 
fehr leichten Silbermünzen mit Monogrammen oftgothifche oder frän- 
fische J⸗, Jr, 4> und ⸗Denare zu erkennen geglaubt. 

Longperier * hat eine fehr Heine merovingifche Silbermlnze aus 
der Roufjenufchen Sammlung, welche auf dem Ro. die Bezeichnung 
Caius mone. hat, befchrieben. Das Gewicht berfelben beträgt nur 
0.12 Gramm, umd Zongperier hält fie entweber für ein Zehntel oder 
ein Neuntel des Denars. 


Von E. Thomas I find vier auf dem alten fränkifchen Kirchhof 
Evermen im Jahre 1852 ausgegrabene Tleine Silbermünzen bes 
hrieben worden. Das Gewicht derfelben beträgt resp. 0,23; 0.19; 
0.16; 0,16 Gramm; die erjte ift von ganz feinem Silber, der Ge⸗ 
alt der übrigen tft A, fein. Die Minze von 19 Gentigramm 
(t Thomas für 4 des falifhen Denars (zu 2, Solidus), bie von 23 
entigramm Jg, und die beiden übrigen fir „1; der f. g. Saiga 
oder besjenigen Denars, von dem 12 Stüd auf den Solidus ges 
rechnet wurben. 


Wie fehr wir auch in einigen anderen Punkten mit ben in ber 
feinen, aber fehr beachtenswerthen Schrift des Hrn. Thomas ent» 
widelten Anfichten übereinftimmen, fo wenig können wir biefe Erklä⸗ 
rung ber kleinen Silbermünzen als befriedigend anerkennen. Nach 
unferer Meinung find diefelben jämmtlih als Viertelſtücke des ge 
wöhnlichen merovingifchen ‘Denars anzufehen. Es ift im höchſten 
Grade unwahrfcheinfich, daß man bei der Ausmünzung dieſer Heinen 
Sceidemünze eine irgend genaue Juſtirung der einzelnen Stüde follte 
vorgenommen haben, da, wie vorhin bemerft, bei Ausprägung der 
Denare felbjt eine fo bedeutende Ungleichmäßigkeit ftattfand. — 


1 Explication de quelques medailles & monogrammes des rois Gothes. 
Aix 1843. ' 

2 Notice etc. p. 96. — Ob die bafeldft unter Nr. 218 aufgeführte Sil⸗ 
bermünze jehr barbariiher Prägung zum Gewicht von 0.65 Gramm ein hal⸗ 
ber Denar, ober ein äußerſt unreell oder ungenau ausgeprägter ganzer Denar 
iR, erjcheint zweifelhaft. 

Description de cing monnaies franques inedites, trouvedes dans le 
eimitidre merovingien d’Evermeu, précedé de considerations historiques sur 
les systömes monetaires en usage chez les Franke, aux V. et VI. sitcles 
par E. Thomas. Dieppe, 1854. 


L 42 


656 


Schließlich haben wir noch die merovingiſchen Kupfermünzen 
zu berühren. Diefe find von der allergrößten Seltenheit. Es fcheint 
daß die Franken auch in Gallien die bei den germanifchen Völler⸗ 
fchaften von Anfang an vorherrichende Abneigung gegen Kupfergeld 
bewahrten und durch faft volljtändige Ausfchliegung neuer Ausmin 
zungen biejer Art die Kupfermünz-Circulation allmählich ſehr beſchränk⸗ 
ten. Einzelne wenige Eremplare merovingifcher Kupfermünzen, bie 
ung erhalten find, fcheinen ber früheren Periode anzugehören. 

Lagoy ' hat eine ſolche befannt gemacht, welche dem gleichzeitigen 
oſtgothiſchen Münzen ähnlich ift und ein Monogramm führt, welches 
al8 das des Theodebertus gedeutet ift; das Gewicht ift nicht angegeben. 
Daß jene Deutung richtig ift, wird durch eine im Jahre 1860 von 
A. Carpentin ? aus einer Marſeiller Sammlung edirte Kupfermünze 
mit fehr ähnlichem Monogramm beftätigt, welche auf der Hauptfeite 
deutlich die Auffchrift trägt: THEODEBERTI REX und 1 Gramm 
wiegt. Don Longperier 3 ift aus der Rouffeaufchen Sammlung eine 
Kupfermünze zum Gewicht von 1 Gramm veröffentlicht, deren Dane 
feite ein Kreuz mit der Umjdrift HELDEBERT. REX, der Re 
vers ein die Buchftaben ELDBRT enthaftendes Monogramımn zeigt. 
Dem Gewichte nad) würden diefe beiden Münzen den von uns frür 
ber erwähnten nummi centenionales entſprechen und hiernach etwa 
ben breißigiten ‘Theil des fränkifchen Denars dargejtellt haben. Aud 
biefe Münzen zeigen, wie eng ſich das fränkiſche Miünzwefen den 
Deünzverhältniffen der letzten Zeiten des weſtrömiſchen Reichs ange 
fchlofjen hat. Kine andere von Conbroufe* befchriebene Kupfermünze, 
welche in drei Reihen die Auffchrift Hat ELDEBERTI R ımd auf 
dem Revers das byzantiniſche Chrisma, hat nur ein Gewicht von 
10 Grän oder 0.53 Gramm, wird aber deffenungeacdhtet ber näm⸗ 
lichen Münzgattung angehören. 


2 Melanges de numismatique. Aix 1845. In einer früheren Publila⸗ 
tion deſſelben Verfaſſers v. J. 1839, Description de quelques monn. mérovr. 
etc., find mehrere in der Provence "gefundene Kupfermünzen beichrieben, bei 
denen es zweifelhaft gelaffen wird, ob fie oftgotbifchen oder fränfifchen Ur: 
ſprungs find. 

$ Rev. numism. fr. 1860. p. 44. 

5 Notice etc, Nr. 88. 

* Catalogue etc. Nr. 802. 


(Der Schluß von diefem Abfchnitt und die Anmerkungen folgen in 
Band I). 


Kleine Mittheilungen. 


42* 





Ueber “defloratis prosperitatibus’ beim Caſſiodor. 
Von 
W. Beflell, 





Caſſiodor erzählt in der Vorrede zu ſeinen Varien, er ſei von Freun⸗ 
den gebeten, die verſchiedenen Schriftſtücke, welche er im Dienſte der 
gothiſchen Könige verfaßt habe, zu ediren. Er ſelbſt habe zwar an⸗ 
fangs geantwortet, daß dieſelben zu einer Veröffentlichung nicht paß⸗ 
ten, weil er bei ihrer Abfaſſung ſeiner außerordentlich vielen Geſchäfte 
wegen nicht gehörig auf Stil und Ausdruck hätte ſehen können. 
Die Freunde wußten ihn aber dennoch zum Nachgeben zu bewegen. 
Der Schluß ihrer Rede, in welcher I mit vielen einzelnen Gründen 
feinen Einwand widerlegten, lautet: Dixisti etiam ad commenda- 
tionem universitatis frequenter reginis ac regibus laudes. 
Duodecim libris Gothorum historiam defloratis prosperi- 
tatibus condidisti. Cum tibi in illis fuerit secundus even- 
tus, quid ambigis et haec publico dare, qui jam cognosceris 
dicendi tirocinia posuisse? 

Die Worte ‘defloratis prosperitatibus’ haben einander auffal« 
lend widerfprechende Auffaffungen erlitten. Jac. Grimm Täßt den 
Caffiodor damit ſagen, daß er in feinem Geſchichtswerke die glüd- 
lichen Ereigniffe aus dem Volksleben der Gothen gewilfermaßen wie 
Blumen gebrodden und zu einem florilegium gefammelt habe 
Grimm, über Yornandes S. 15, in den Abh. der Afad. d. W. zu 

erlin 1846. Wattenbah, Deutfchlands Gefch. Quellen im Mit- 
telalter S. 45, macht „eine Blüthenlefe ihrer Heldenthaten“ daraus). 
Während dagegen R. Köpfe (Deutiche Forfchungen ©. 73) eher der 
Meinung ift, jene Worte deuteten auf die Zeit, da „das Glück der 
Gothen dahingewelft fei*. Er will darin offenbar eine Beitätigun 
feiner (nicht beweisbaren) Anftcht finden, daß das Werk Caſſiodors erft 
nach dem Tode Athalarichs vollendet fei. (Vgl. auch Schirren, De 
ratione, quae inter Jordanem et Cassiodorum intercedat, com- 
mentatio. Dorpat. 1858. p. 72f.). 

Keine der beiden Erklärungen iſt haltbar. Köpfe giebt fchon 
felbft zu, daß der fonftige Sprachgebrauch des Caffiodor bezüglich des 


640 


deflorare feiner eigenen Auffaffung widerfpricht, die Jac. Grimme 
beftätiget, er vermwirft dennoch bie Anficht bes Tegtern, da — was 
dern auch nicht geläugnet werden kann — der Gefchichtsfchreiber 
keineswegs fi auf bie Darftellung ber prosperitates des Bolls 
hätte befchränfen können. Cafftodor würde allerdings mit jenen Wor- 
ten uns eine fehr ſchiefe Charakteriſtik feines eigenen Werkes gegeben 
haben, das wir zum Theil doch, wenn auch nur aus jonft wenig genü⸗ 
genden Excerpten, Kennen. Nichtsdeftoweniger kann ſich die Inter⸗ 
pretation aber doch nur an bie Bedeutung ber Worte halten, wie biefe 
aus dem Sprachgebrauche hervorgeht, und letzterer iſt allerdings für 
unfern Fall eigenthümlih. — In feiner Schrift de ortographia 
giebt Caſſiodor Auszüge aus ältern Grammatikern. Cap. 2 daf. 
ift überfchrieben: Ex Velio Longo ista deflorata sunt. Cap. 
11: Ex Lucio Caecilio ista deflorata sunt. (Vgl. noch Inst. 
div. litt. c. 28 und concl.). In der Inst. div. litt. c. 15 beißt 
e8 fogar: Ortographos deflorandos esse judicavi. Dagegen cap. 
3 der Ortogr.: Ex Curtio Valeriano collecta sunt. (Vgl. noch 
c. 10 und 12). Doc gebraucht Eaffiodor colligere und deflorare 
nicht als ganz identifch; denn in ber praef. zu derjelben Schrift fagt 
er: ex quibus, si in unum valuero deflorata colligere; 
ebenfo in feiner Inst. div. litt. c. 23: ex operibus A i — 
diversas res deflorans in uno corpore collegit. (Bgl 
noch ibid. c. 30). Genau gefaßt ift deflorare eine 

bes Abpflückens, Excerpirens, colligere erjt die zweite des Zuſam⸗ 
menftellens. Die Wbfaffung eines Geſchichtswerks durch deflorare zu 
characteriſiren und noch dazu im alleinigen Bezug auf prosperitates, 
iſt darnach doch wenig gefällig. Deflorare ift außerdem immer ein 
bildlicher Ausdruck, der zunächſt zwar in Bezug auf ben Gegenftand, 
von welchem bie Blüthe abgeflückt wird, für den Begriff der „Ent 
jtellung“, „der Beraubung bes Schmudes“ gebraucht werden Tann, wit 
dem heutzutage ‚deflorare’ bei uns fo im alleinigen Gebrauch ilt. 
Der Gegenftand felbjt aber, welcher abgeflüct wird, wird durch de- 
florare mit der Blüthe verglichen und aljo fir das Schönfte und 
Beite erklärt. Soll nun deflorare in den citirten Stellen, wo es 
dem colligere entfpriht, nicht im bloßen Redeſchmuck für das ein- 
fache Excerpiren gefegt fein, fo will Caſſiodor das Beſte aus ben von 
ihm genannten Schriftftellern herausgenommen, e8 „auserlefen“ haben. 
Das Lob, welches damit zugleich dem Gegenftande der Auswahl beige: 
legt wird, tritt aber mit noch weit größerem Gewicht hervor in der 
Anwendung von deflorare an ein paar Stellen im Cafftobor, welde 
Grimm nicht mit angeführt hat. So heißt e8 Var. IV, 50: La- 
borat enim hoc uno malo terris deflorata provincia, quae 
ne perfocta beatitudine frueretur, hujus timoris frequenter 
acerbitate concutitur. Der Veſuv hatte damald in Campanien 
Verwüſtungen angerichtet, und die befchädigten Bewohner jener Pro- 
binz baten den König um Crleichterung in den Abgaben. Kaffiodor 
läßt es ſich bei diefer Gelegenheit nicht entgehen, bie Schrecken der 


641 


Ausbrüche des Veſuvs zu jchildern, die er in dem angeführten Sate 
als das einzige Uebel darftellt, welches bie fonft volllommene Glück⸗ 
ſeligkeit Campaniens ftört. So fteht denn, wie in dem erflärenden 
Relativſatze das “timoris acerbitate concutitur’ dem ‘perfecta be- 
atitudine fruitur’, fo in dem Hauptfage das laborat hoc uno malo’ 
jenem ‘“erris deflorata’ im gleichen Gegenfate gegenüber, fo daß man 
ja nicht uno malo mit deflorata zufammenbringen darf. Campanien 
ift alfo eine von den Ländern wie eine Blume auserlefene Provinz. 
Jenes Land Furzhin die Blüthe der Länder zu nennen, würde auch 
in unferem Stile paffend fein. — In Var. VI, 6 der formula 
isteriae dignitatis wird die Xhätigfeit des betreffenden magi- 
ster als eine fehr verfchiedenartige dargejtellt, wie denn Caſſiodor am 
Schluß die Würde deſſelben tot titulis claram tot insignibus opu- 
lentam nennt. Vorher aber, mitten in der Aufzählung ber einzelnen 
Geſchäfte, Heißt es: molestias quidem non habet exigendae pe- 
cuniae, sed aperte bono fruitur potestatis adeptae; credo ut 
ex diversis titulis defloraretur dignitas ad levamen prin- 
cipie instituta. Jene zur Erleichterung des Fürſten gefchaffene 
üurde ift fo bergeftellt, als wenn man fie aus verfchiedenen Ge- 
fchäftsfreifen wie die Blüthe abgepflückt hätte, nur Angenehmes ums 
faßte fie, keine Moleſtie. Var. V, 9 beginnt: Antiquae consuetu- 
inis ratio persuadet, chartis nostris imbuere, qui longe positi 
transmissas accipiunt dignitates, ut quos non poteramus prae- 
sentes instruere, lectio probabilis commoneret. Sed te, quem 
ad patrimonii nostri curas regalis defloravit electio, non 
tam destinatis praeceptionibus instruimus, quam usu serenissi- 
mae collocutionis erudimus. Hier ift der Kreis deifen, von dem 
etwas abgepflückt ift, nicht unmittelbar bezeichnet. Man könnte fich 
vielleicht begnügen als einfach im Complimenten⸗ und Schön-Stil ges 
fagt zu ſehen: „Die Wahl hat dich wie eine Blume abgepflüdt“. 
Doch ift zu bemerken, baß der Begriff des Ernennens, Erwählens 
in; den Barien ein fo häufiger ift, dab es ſehr überrafchen müßte, 
dies deflorare nur ein einzig Mal dafür gebraucht zu finden, wenn 
es wirklich ohne weiteres dafür verwandt werben könnte. Stimmte 
- dann doch ber Gebrauch des Wortes fo recht zum caffiodorfchen Prin- 
cipe: sensum de medio sumptum venustate sermonum ornare 
(Var. 1X praef.),, Ws wahrfcheinliher muß man daher aus dem 
ganzen Zuſammenhange der Stelle den Gedanken entnehmen: „Du 
gleichft deshalb jett der Blüthe, weil du zu einer Stellung gelangft, 
in der der König dir ummittelbar durch feine Perfon die Inſtructio⸗ 
nen geben wird, die anderen nur fchriftlich zufümmt“, alfo im Ge- 
genfaß zu biefen andern Würdenträgern. Alsdann ift denn auch ber 
Gebrauch des Wortes an bdiefer Stelle dem im obigen ex div. titu 
deflor. geniügend ähnlich 2. 
1Ich finde nachträglich, daß Dungalus diaconus bas deflorare genau fo 


gebraucht, wie wir e8 bei Gaffiobor verftehen. Er fagt (lib. respons. advers. 
Claudium Taurinensem episc. in Maxima Bibl. Patr. B. XIV. 1677. p. 215bj): 


642 


So viel tft nun wohl nach all den angeführten Stellen klar, daß 
Caſſiodor in unferm ‘defloratis prosperitatibus’ nicht von einem 
„bahinweltenden Glücke“ gefprocdhen haben Tann 1; da anbererfeits 
aber auch im defloratis bier fein befonderer Nachdrud auf dem Bes 
griffe des „Exrcerpirens“ Liegen Tann, wie in den von Jac. Grimm 
dafür angezogenen Stellen, fo muß deflorare hier feine eigentlich 
ſchmückende, den abgepflückten Gegenitand befonders heransftreichende 
Bedeutung haben wie an all den Stellen, an denen es in den Barien 
gebraucht ift; jo daß denn in obigen Worten mindejtend von „aus⸗ 
erlefenem Glücke“ die Rede if. Alsdann läßt ſich aber prosperi- 
tates gar nicht mehr auf das Glüd der Gothen beziehen; denn das 
„Auserlefen fein“ hängt bier mit ber Thätigkeit des Caffiodor als 
Gefchichtsfchreibers zufammen, worauf ein etwaiges „auserlefenes 
Glück des Gothen“ nur dann Bezug hätte, wenn Caffiodor von ben 
vielerlei Glücksfällen des Volkes gar nur bie glüdlichiten ausgefudkt 
hätte. Es bleibt demnach nichts übrig, als daß die Freunde fagten: 
C. babe die Gefchichte der Gothen mit auserlefenem Glück gefchrie 
ben, oder, um das Bild möglichjt beizubehalten, indem er bie Blü⸗ 
the bes Glücks ſich abgepflüdt Hatte Während dem auch eine An» 
fpielung auf die Zeit, in welcher das Werk entitand, ober ſchließlich 
nur vollendet ward, ebenfo wie eine etwaige Charakteriſtik deſſelben 
nichts mit dem Gedantengange der praefatio zu den Varien zu 
Schaffen hat, fo ift jettt der Gedanke ein folcher, der dafelbft von 
befonderer Wirkfamkeit wird. Die Freunde fordern zum neuen Werte 
auf, da die alten gelungen find: Lobreden haft du gehalten auf Kö⸗ 
nige und Königinnen, und damit did Allen empfohlen (ad 
commendationem universitatis)3, die Gefchichte der Gothen haft 
du mit auserlefenem Glüd gefchrieben; da du in dieſen 
[beiden] günftigen Erfolg gehabt Haft, warum zaubderft Du? 

Etwas Störendes für unfere Anficht Fönnte immer noch der ge 
brauchte Pluralis “prosperitatibus haben, den ac. Grimm denn aud 
durch die „glücklichen Greigniffes überfegt. Derſelbe Pluralis findet 
fi, fo viel ich fehe, nur noch zweimal im Gaffiodor, in den Erfläruns 


Paulinus (Nolanus) non facile a quoquam excerpi aud deflorari potest, quia 
cuncta flores, aromata rosae, lilia suaveolentia ac melliflua sunt. Dunga: 
lus lebte freilich erft unter Ludwig bem Frommen und deſſen Nachfolaer Ro: 
tbar, doch wird fein Zeugniß baflir, daß im mittelalterlichen Latein deflorare 
im nrgeenen Sinne gebraucht ift, für unfere obige Frage immer won Beben: 
tung fein. 

' Zerftörung ber prosperitas bezeichnet Caſſiodor (Ps. 43, introd.) mit 
subtracta est; (Ps. 40, 3) se subtraxit; (Ps. 86, 38) dissolvitur. 

3 Die Volumina XH werden mit Bedeutung erwähnt; denn wer fo um: 

faffende tirocinia gejchrieben hatte, brauchte ih vor neuem Auftreten sicht zu 
ſcheuen. 
9 s Die Stellung dieſer Worte vor: frequenter reginis ac regibus laudes, 
läßt nicht zu, daß es fich bier um Lobreden handelt, in benen C. bie Könige 
Allen empfohlen hätte. Die Conſtruction würbe diefe Auffaflung freifih aud 
erlauben, wenn man die Stellung unberückſichtigt läßt, aber ber Gedanke wäre 
doch nicht bloß überflüßig, jondern auch unwürdig außgebrüdt. 


643 

gen zuPs. 73 v. 4: prosperitates impiorum; v. 6: prosperitates 
peccatorum. Der Singular ift nicht felten neben res prosperae 
und prospera (n. pl.). Ueberall bedeutet es Glück und glüdliches 
Gedeihen. Var. VI, 36 fagt Theoderich: emimus nostro stipen- 
dio prosperitatem Gothorum. Var. V, 10 wird Veranus beauf- 
tragt dafür zu forgen, daß das durchziehende Heer der Provinzen 
feinen Schaden thue: primus enim prosperitatis gradus est suis 
non esse damnosum. In den angeführten Stellen bes Pfalteriums 
fol wohl die Fülle des Glücks bezeichnet werden, bie nach dem bes 
treffenden Pfalmiften den Gottlofen auf Erden zu Theil würde. Will 
man an unferer Stelle befonbern Werth auf den Pluralis legen, fo 
giebt fi) der Gedanke wohl am beften, wenn man überfegt: Indem 
bu die Blüthen des Glücks dir abgepflüct Haft; und ließe fich doch 
auch im Deutfchen mit etwas anderer Wendung fagen: Du haft die 
Geſchichte der Gothen in zwölf Büchern mit auserlefenen Erfolgen 
gefchrieben.. Auch wäre fogar benfbar, daß er wirklich eingetretene 
verfchiedene Erfolge, die wir eben nicht mehr Tennen, dabei im Auge 
gehabt bat; beifpielsweife: Dank von den Gothen und Anerkennung 
bei den Römern. 


Veber die Anordnung der Bonifaciihen Briefe 
Giles Nr. 37, 38, 52, 53, 61, und 62. 


Von 


Heinrich Hahn. 





Die in ber Ueberfchrift bezeichneten Briefe find, wie auch andere, burg 
©iles (opera Bonifacii Tom 1. Lond. 1844) Fritiflofigfeit aus 
einandergeriffen und in falfcher Ordnung abgedrudt. Der Nachweis 
ift leicht zu führen, daß fie eine Gruppe bilden umd zufammenge 
hören. Drei von ihnen nämlich (Nr. 52, 61 und 62) find geſchrie⸗ 
ben, um ben König Ethelbold von Mercia von ungefetlicher Ehe, 
Entehrung gottgeweihter Jungfrauen und von der Beraubung ber 
Klöfter durch feine Beamten abzumahnen. Der eine (Nr. 62) if 
an König Ethelbold felbft gerichtet. Die andern beiden an Geiſtliche, 
bie Bonifacius Ermahnungen unterftügen follen, und zwar Nr. 61 
an einen Presbyter Herefrid, Nr. 52 an den Erzbiihof Egbert von 
Dort abgejandt. Daß 61 und 62 zufammengehören, das fcheint der 
Herausgeber Giles zu fühlen; er hat ſie nach einander geſetzt. Die Gründe 
der Zufammengehörigfeit habe ich bei anderer Gelegenheit und an ans 
derer Stelle angegeben '. Aber auch Nr. 52 gehört in den genaun⸗ 
ten Cyklus; denn nachdem Bonifacius die nachfolgende Eröffnung 
mit feinem heiligen Amte motivirt hat, fährt er fort?: admonitoriam 
vel precatoriam epistolam Ethelboldo regi Mercionum, cum 
consilio et Consensu episcoporum, qui una nobiscum sunt, 
transmisi, quam praesentare Fraternitatis tuae obtutibus jussi. 
Auch bier iſt aljo von den begleitenden Bilchöfen die Rede, von 
denen es in Nr. 615 Heißt: nos octo episcopi, qui ad unam 
synodum convenimus, quorum nomina subter annotavimus, und 
von denen wirklich in Nr. 62 fieben Bifchöfe genannt find; auch wird 
auf Jlegitima matrimonia’ gedrungen und auf die Beſeitigung der 
‘nefanda stupra consecratarum et velatarum foeminarum’ *. 


r ©. aud meine Tiffertation: Qui hierarchiae status fuerit Pippini 
tempore quaestio. Wratisl. 1853. p. 30. 

2 Gil. Nr. 52. I, 114. 

3 Gil. I, 131. 

+ Bel. Gil. Nr, 62. p. 133. 





645 


Die beiden anderen Briefe (Giles Nr. 38 und 53) berühren bie 
befprochne Angelegenheit zwar nicht direft; aber fie find an die ſchon 
genannten Perfonen gerichtet, an den Erzbiſchof Egbert (Nr. 38) 
und an König Ethelbold Dir. 53), und ftehen in einem gewiffen Zu⸗ 
fammenhange mit den obigen Briefen. Der Schluß von Nr. 53 
deutet nämlich fchon auf eine bald erfcheinende Mahnung Hin; er 
lautet: petimus quoque, ut, si per alterum nuntium 
verba nostra ad praesentiam tuam scripta pervenerint, 
auditum tuum accommodare digneris et solicite 
audire cures; ebenfo ift fchon ber Bibelvers: Deum time 
et mandata ejus observa eine leife Andeutung der kommen⸗ 
den Vorwürfe. Werner, wie er den Zabel in Nr. 62 durch Lobes- 
erhebungen des Königs vorfichtig einleitet, fo fucht er auch in diefem 
Briefe den König günftig für ſich zu ftimmen und die Spige des 
nachfolgenden Borwurfs zu mildern. Er fchreibt: pro signo veri 
amorig et devotae amicitiae direximus tibi accipitrem unum 
et duos falcones, duo scuta et duas lanceas. 

Der Brief Nr. 38 folgt aber allen biefen zu gleicher Zeit ges 
ſchriebnen; denn in Nr. 52 bittet Bonifaz den Egbert: ut mihi de 
opusculis Bedan lectoris aliquos tractatus conscribere 
et dirigere. digneris; quem nuper, ut audivimus, divina 
gratia spirituali intellectu ditavit et in vestra provincia ful- 
gere concessit et ut candela, quam vobis Dominus largi- 
tus est, nos quoque fruamur; bier aber: ut nobis — eo modo, 

uo et antea jam fecistis, aliquam particulam vel scintillam 

de candela ecclesiae, quam illuxit Spiritus sanctus in 
regionibus provinciae vestrae, nobis destinare curetis, i. e. ut 
de tractatibus, quos spiritualis presbyter et investigator 
sanctarum scripturarum Beda reserando composuit, partem 
qualemcungue transmittere dignemini u. f. w. 

Die Ordnung der Briefe muß demgemäß folgende fein: Nr. 53. 
61. 52. 62. 38. 

Endlih der wörtlichen Gleichheit der Bitte nach ſcheint auch 
Giles Nr. 37 gleichzeitig mit Nr. 38 oder mit 52 abgejandt wor. 
den zu fein; denn auch ber Abt Euthbert wird gebeten: ut aliqua 
de opusculis sagacissimi investigatoris scripturarum 
Bedae monachi, quem nuper in domo Dei apud vos vice 
candelae ecclesiasticae scientia scripturarum fulsisse 
audivimus, conscripta nobis transmittere di- 
gnemini. 


Neber die Niederlage K. Chriftian IV. bei Lutter m 
Barenberge. 
Bon 


G. Waitz. 








Ueber die Umſtände die zur Niederlage Chriſtian IV. in der Schlacht 
bei Zutter geführt haben find bisher manche unzuverläffige Nachrichten 
verbreitet. Einige fprechen von einem Weberfall de8 Herzogs Georg 
von Lüneburg. Dänische Autoren aber haben erzählt, daß mitten im 
Kampf die Deutfche Keiterei, weil ein Monat lang der Sold rüd- 
ftändig, fid) geweigert zu fechten und dies bie Schlacht zum Fe 
des Königs entfchieden. Schon Hegewifh, Schl. Ph Geſch. IH, 
S. 198, hat fid) dagegen. erflärt; Jahn dagegen, Sriegögefchichte 8. 
Chriftian IV. 0, ©.223, die Angabe, wenn auch mit einem gewiffen 
Vorbehalt (, ven man ben Berichten der Dünen trauen darf”) auf 
genommen; aud Klopp, Tilly II, S. 325, erzählt die Sache, aber 
von der Dänif chen Reiterei. Die völlige Unrichtigfeit und zugleid) eine 
Ergänzung unferer fonjtigen Nachrichten (vgl. Kichtenftein, die Schlacht 
bei Rutter am Barenberge, Braunfchweig 1850. 8., wo S. 132]. 
alles auf die Schlacht Bezügliche fleißig gefammelt ift) ergiebt ein 
eigenhändiger Brief K. Chriftian IV. an den Herzog Adolf Friedrich 
von Meclenburg im Schweriner Ardhiv, datiert: an der flandke 
fegen Snadenburcd uber, den 29. Auguftt Anno 1626; wo es heift: 

Das ungeliid fo wiir im ledtften treffend gehabet hatt der ge 
neral Fuy verurſacher, welcher lebendich todt war wii er beſtellen 
ſolthe waß wir befholen. Daß fusfolck wolthe ganß nit ſteen, die 
reuthererri thadt daß beſte. 

er General Fuy (Fur?) kann, wie ich Schleswig⸗Holſteins Ge 

ſchichte II, ©. 512, wo id biefe Stelle benußte, vermuthete, Tein 
anderer fein al8 der befannte, in der Schlacht gefallene General Fuchs. 
Zu vergleichen ift die Erzählung über das Verhalten von Fuchs vor 
der Schlacht, bei Lichtenjtein ©. 133. 


'r 


—A Nachträge zu den Anfenthaltsorten K. Marimilians J. und 


f- 

K 

N; 1494. Dec. 26. 
#. 1501. Sept. 9. 
1 
\ 


— 22. 
Nov. 6. 
1502. Zul. 20. 


De. 21. 


41603. Jan. *31. 


Sul 3 
41504. Nov. 11. 


1506. em. 14. 
1%. 
— 24. 


41508. Jul. 14. 


Dct. 31. 


4512, Jun. 10. 
— 24. 


K. Ferdinands L oben S. 347—395, 


Von 
Chriſtoph Fried. Stälin. 


K. Maximilian L 
Gent. Dieriex Mém. sur la ville de Gand 
1, 653. 
Insbruc. Letters and papers illustrative of the reigns 
of Richard Ill. and Henry VI. ed. by 
Gairdner, Vol. I, 143 (in Ber. Brit. 


med. aevi script.). ur 
Telfs, Eb. 144. 
Bogen. Eb. 145. 
Settingen (14 St. Eb. 146. 
von Burgau). 
Dorften an Eb. 148. 
ber Lippe. 


Antwerpen. Eb. 190 (mo auch bis zum 23. ehr. über 
ben Antwerpener Aufenthalt berichtet wird). 

Tüffen. Eb. 230. 

Hall. K. Marimilian ernennt Reinharb von Lich: 
tenberg zu feinem Diener. Orig. im 
Darmfladter Archiv. 


Eili. Dbige Lotters and papers 304. 
Pettau. Eb. 305. 
Gräatz. Eb. 306. 


Siegburg. Fried. Wolfg. Götz Graf von Berlichingen 
Geſch. des Ritters Götz von Berlichin⸗ 
gen 119. 

Antwerpen. ODbige Letters and papers 444. 

Antiverpen. Lettres and papers of the reign of Henry 
VIII. by Brewer. 1862. Vol. 1, 363 

Brüffel. Brewer a. a. D. 369. 


647 


1612. Jul. 5. Turnhout. Graf von Berlichingen a. a. D. 131. 
1513. Mai *14. Augsburg. Brewer a. a. DO. 573. 

Sun. 917. Speier. Brewer a. a. D. 617. 

Sul. 25. Tervueren. Brewer a. a. O. 647. 

Dee. 26. Augsburg. Brewer a. a. D. 711. 
4514. Apr. 13. Wels. Graf von Berlidingn a. a. DO. 149. 


1515. Dec. zwifchen 15 Ravendburg. Gemeiner Megensb. Chronik 4, 282. 
u. 30. Biberach. Eb. 
1516. Febr. 5. Kaufbeuren. Gabelkhofer Miſc. Hoͤſchr. ber k. d. 
Bibliothek in Stuttg., hist. oct. Nr. 168, 
320. Hier ſteht auch: Jan. 24. An: 
gelberg. San. 30. Mindelheim. Freilich 
alles ohne Beleg. 


— 20. Landeck. Gemeiner a. a. D. 4, 283. 
1517. Aug. 31. Linz. Zeitſchr. für hiſt. Theol. 70, 131. 
Dec. 26. Linz. Archiv für Kunde öſter. Geſch. Quellen 
13, 217. 
1518. San. 15. Braunau. Gemeiner a. a. DO. 4, 336. 
8. Ferdinand L. 
1593. Rov. 18. Peurbach. Gemeiner a. a. DO. 4, 488. 
23-777. Regensburg. Eb. 
1542, Yan. 30. Hall. Herolt Chronica von ber Stabt Hall h. v. 


Schönhuth 131. 


Drudberidtigungen. 


S. 362 8. 1 v. u. lieg 1504 flatt 1405. — ©. 378 feße 1516 gerumter 
vor: San. 1. — S. 380. 1516 Aug. 25 lied Joller flatt Zoller. — ©. 
1542 San. 20 lied Schladenwerb ftatt Schlarkenwerd. — ©. 392. 1547 es 
Dct. 10. Bettlern ftatt Oct. 11. Bettlern. — ©. 39. 1552 Zul. Tieg 8—11 
ftatt 7—11. — ©. 394. 1557 Dec. 20 lies Rolin ftatt Kolitt. 


Berihtigungen 
zu dem Aufjag von Dr. Soetbeer. 


S. 616 3.1 ftatt 1.51 Tieg 1.52 — 3. 13 flatt 15 Sr. 30 Bes 15 $r. 
50. — 3. 15 flatt 2 ee lieg 6 Sgl. — 3. 19 ftatt 30 Gent. ... .26 Sgl. 
lieg 40 Gent..... 


Göttingen, 
Drud der Dieterih’fhen Univerſitäts-Buchdruckerei. 
(DB. Fr. Käſtner.) 


8. pr. 12— . 
Sun. io. Sm 
— 1—236. Wiener Neuftadt. 
— 28— 
Nov. 21. Bien. 
— 21. Stoderau. 
— 2, Wullersborf. 
— 23. Rötz. 
— 24. Budwitz. 
—. 2. Pirnitz. 
— 28. Deutſch⸗Brod. 
— 2. Czaslau. 
— 28. Boöhmiſch⸗Brod. 
— 29— 
4. Jun. 16. Prag. 
— 17-29. Raben. 
— 29. Joachimsthal. 
— 30. Kaden. 
Jul. 1. Saatz. 
— — Laun. 
— 2. Schlan. 
de 
Aug. 19. Prag. 
— 21. Miltſchin. 
— 22. Sobieslau. 
— 26. 27. Korneuburg. 
— 27— 
ger. 13. | Da 
— 1 
Den 7. | Znaim. 
gun. . | Wien. 


9—13, Wiener Neuftadt. 


14 - 
1. Bien. 
13—15. Wiener Neuftabt. 


— Wien. 

13. St. Bölten. 
14. Melk. 

— Amſtetten. 
15—17. Ens. 


19. 20. Vöclabrud. 
21. 22. Salzburg. 
23. Waging. 


1536. Jan. 24, 25. Troftberg. 
— 2. Rofenheim. 
— 28. Schwab. 
— 29— 

Aug. 28. Insbruc. 
— 28. Matrey. 
— 2). Sterzing. 
— 30. Brixen. 
— 31— 
Sept. 11. Boben. 
— 11. St. Michael. 
— 12-18, Trient. 
— 19 Tramin. 
— 20—22. Boten. 
— 2. Briren. 
— 34—277. Linz. 
— 277. Greifenburg. 
— 29— 
Sc. 1. Villach. 
— 342 9. St. Veit. 
— 10. Frieſach 
— 16-30. Grab. 
— 30. Frohnleiten. 
— 3l— 
Nov. 2. Brud. 
— 4. 5. Wiener Neufiadt. 
— 8— | 

1537. Febr. 6. | Wien. 

— 718 6t Pölten. 
— 10. 11. Ens. 

— 11. Linz. 

— 413. Eiferding. 
— 16—21. Baffau. 

— 22. Krumau. 
— 25. 26. Sobieslau. 
Merz I— 
Sept. 5. Prag. 

— 17 Miltſchin. 
— 8. Droſendorf. 
— 11234 
Nov. 4. Wien. 

— 9. Brud. 

— 1— 

De. A. Gratz. 


26*